Der negative Selbstbezug des Absoluten: Untersuchungen zu Nicolaus Cusanus' Konzept des Nicht-Anderen 9783110359244, 9783110359206

Nicolas of Cusa’s notion of God as “non aliud” is one of the most spectacular ideas in the history of metaphysics – the

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Der negative Selbstbezug des Absoluten: Untersuchungen zu Nicolaus Cusanus' Konzept des Nicht-Anderen
 9783110359244, 9783110359206

Table of contents :
I. Einleitung
II. Nicolaus Cusanus
1. Ontologie und transzendente Negativität
1.2. Die andersheitliche Negation als Fundament der cusanischen „Differenzontologie“
1.3. Affirmative und negative Theologie: das Paradoxon des transzendenten Grundes
1.4. „Negatio negationis“ als Ausdruck absoluter Transzendenz
1.5. Die produktive Negation
2. Das Nicht-Andere als Begriff vom negativen Selbstbezug des Absoluten
2.1. Das Nicht-Andere als Selbst- und Universaldefinition
2.2. Negation andersheitlicher Negation: jenseits andersheitlicher Negation
2.3. Absoluter Selbstbezug als negativer Selbstbezug
2.4. Universalbezug als absoluter Selbstbezug
2.5. Das Nicht-Andere als Universaldefinition
2.6. Die Konstitution der Wesen von Einzelseienden
2.7. ‚Immanenz‘ und bleibende Transzendenz des Absoluten
2.8. Das Nicht-Andere als Begriff reiner Negativität
III. Proklos und Dionysios (Ps.-)Areopagitês: Vordenker eines negativen Selbstbezugs?
IV. Johannes Scottus Eriugena
1. Einleitung: Eriugenas Denken und sein Bezug zu Cusanus
2. Ontologie und transzendente Negativität
2.1. Die „ontologische“ Selbstbestimmung des Absoluten
2.2. „Wesen“ und „Relation“ als Grundbegriffe der Ontologie
2.3. Die absolute Harmonie von Affirmation und Negation
3. Der negative Selbstbezug des Absoluten bei Eriugena
3.1. Die absolute Negativität
3.2. Absoluter Selbstbezug als negativer Selbstbezug
3.3. „Creatio ex nihilo“ und der Universalbezug des Absoluten
3.4. ‚Immanenz‘ und Transzendenz: die Verbindung von Theophanie und negativer Theologie
V. Konklusion
VI. Anhang
1. Quellenverzeichnis
1.1. Primärquellen
1.2. Weitere Quellen
2. Sekundärliteratur
3. Personenverzeichnis

Citation preview

Max Rohstock Der negative Selbstbezug des Absoluten

Quellen und Studien zur Philosophie

Herausgegeben von Jens Halfwassen, Dominik Perler und Michael Quante

Band 119

Max Rohstock

Der negative Selbstbezug des Absoluten Untersuchungen zu Nicolaus Cusanus’ Konzept des Nicht-Anderen

DE GRUYTER

ISBN 978-3-11-035920-6 e-ISBN 978-3-11-035924-4 ISSN 0344-8142 Library of Congress Cataloging-in-Publication Data A CIP catalog record for this book has been applied for at the Library of Congress. Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar. © 2014 Walter de Gruyter GmbH, Berlin/Boston Druck und Bindung: Hubert & Co. GmbH & Co. KG, Göttingen ♾ Gedruckt auf säurefreiem Papier Printed in Germany www.degruyter.com

Vorwort Bei der vorliegenden Arbeit handelt es sich um meine Dissertation, die ich am Philosophischen Seminar der Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg angefertigt habe. Eingereicht habe ich sie im Wintersemester 2012/13 unter dem Titel „Der negative Selbstbezug des Absoluten: Untersuchungen zu Nicolaus Cusanus’ Konzept des Nicht-Anderen und seinen Voraussetzungen in der neuplatonischen Tradition“. Ihre Entstehung verdankt diese Arbeit gleich mehreren Personen und Institutionen: Mein erster und zugleich wichtigster Dank gebührt meinem Doktorvater, Prof. Dr. Jens Halfwassen. Seine profunde Kenntnis und meisterliche Deutung der neuplatonischen Tradition bildeten das Fundament meiner Arbeit. Ohne seine inspirierende Art, vor allem aber ohne seinen Beistand wäre diese Arbeit ganz sicher nicht entstanden. Ebenfalls großen Dank schulde ich PD Dr. Dirk Cürsgen für die Begutachtung meiner Arbeit. Zudem waren seine subtilen Forschungen für mich ein entscheidender Anreiz, diese Arbeit anzugehen und erfolgreich abzuschließen. Prof. Dr. Anton Friedrich Koch, der den Prüfungsvorsitz übernahm, will ich hier nicht unerwähnt lassen. Keineswegs weniger hilfreich war mir der derzeitige Direktor des CusanusInstituts Trier, Prof. Dr.Walter Andreas Euler. Er gab mir vor allem die Gelegenheit, meine Arbeit mit interessierten Cusanuskennern zu diskutieren. Gabriele Neusius vom Cusanus-Stift Bernkastell-Kues verdanke ich eine besondere Gelegenheit. Sie ermöglichte mir, an den Originalen der cusanischen Bibliothek zu arbeiten. Der direkte Kontakt mit diesen Schriften war nicht nur für meine Forschung fruchtbringend, sondern auch persönlich ein beeindruckendes Erlebnis. Besonderer Dank gilt ferner den Herrn Proff. Dres. Michael Quante, Dominik Perler und Jens Halfwassen für die Aufnahme meiner Arbeit in die Schriftreihe „Quellen und Studien der Philosophie“. Weder aber wäre diese Arbeit entstanden, noch wäre es mir möglich gewesen mit diesen außergewöhnlich begabten Menschen zusammenzuarbeiten, wenn mir nicht das „Evangelische Studienwerk e.V., Villigst“ ein Promotionsstipendium gewährt hätte. Keineswegs aber war die Förderung durch „Villigst“ rein finanzieller Natur. „Villigst“ bot mir die Plattform für einen intellektuellen Austausch mit anderen Promovierenden und Studierenden weit über Disziplingrenzen hinweg. Persönlich dankbar bin ich meinen Eltern und Geschwistern für ihren erfrischenden, unentbehrlichen und unerschütterlichen Rückhalt. Meinem Vater danke ich darüber hinaus für seine intensive Beschäftigung mit meiner Arbeit. Auch die Unterstützung meiner Freunde und unsere kontroversen Diskussionen waren für mich unabdingbar. Einen ganz besonderen Dank schulde ich meiner

VI

Vorwort

Schwester, Dr. Anne Rohstock, für ihren Beistand, ihre Inspiration, ihr unermüdliches Korrekturlesen und vor allem für ihre profunde, stets harte, aber immer höchst willkommene Kritik. Mein letzter wissenschaftlicher, insbesondere aber persönlicher Dank ist an Nora gerichtet. Ihr ist diese Arbeit auch gewidmet. Heidelberg im Dezember 2013

M.R.

Inhalt I.

Einleitung

1

II. Nicolaus Cusanus 12 12 . Ontologie und transzendente Negativität 12 .. Andersheit als privative Negation .. Die andersheitliche Negation als Fundament der cusanischen 15 „Differenzontologie“ .. Affirmative und negative Theologie: das Paradoxon des trans26 zendenten Grundes 35 .. „Negatio negationis“ als Ausdruck absoluter Transzendenz 44 .. Die produktive Negation . Das Nicht-Andere als Begriff vom negativen Selbstbezug 49 des Absoluten 49 .. Das Nicht-Andere als Selbst- und Universaldefinition .. Negation andersheitlicher Negation: jenseits andersheitlicher 56 Negation 61 .. Absoluter Selbstbezug als negativer Selbstbezug 69 .. Universalbezug als absoluter Selbstbezug 74 .. Das Nicht-Andere als Universaldefinition 81 .. Die Konstitution der Wesen von Einzelseienden 99 .. ‚Immanenz‘ und bleibende Transzendenz des Absoluten 111 .. Das Nicht-Andere als Begriff reiner Negativität III. Proklos und Dionysios (Ps.‐)Areopagitês: Vordenker eines negativen 117 Selbstbezugs? IV. Johannes Scottus Eriugena 132 132 . Einleitung: Eriugenas Denken und sein Bezug zu Cusanus 138 . Ontologie und transzendente Negativität 138 .. Die „ontologische“ Selbstbestimmung des Absoluten 140 .. „Wesen“ und „Relation“ als Grundbegriffe der Ontologie 151 .. Die absolute Harmonie von Affirmation und Negation 158 . Der negative Selbstbezug des Absoluten bei Eriugena 158 .. Die absolute Negativität 163 .. Absoluter Selbstbezug als negativer Selbstbezug 173 .. „Creatio ex nihilo“ und der Universalbezug des Absoluten

VIII

Inhalt

..

V.

‚Immanenz‘ und Transzendenz: die Verbindung von Theophanie 181 und negativer Theologie

Konklusion

190

VI. Anhang 202 202 . Quellenverzeichnis 202 .. Primärquellen 208 .. Weitere Quellen 210 . Sekundärliteratur 229 . Personenverzeichnis

I. Einleitung Johann Gottlieb Fichte hat in seiner zweiten Wissenschaftslehre von 1804 eine bemerkenswerte Interpretation des „Wesen[s] der Philosophie“ vorgelegt: Seiner Einschätzung zufolge ist alle Vielheit „auf absolute Einheit“ zurückzuführen.¹ Diese These scheint historisch betrachtet durchaus berechtigt und zentral zu sein: Die henologische Metaphysik, die auch als Einheitsmetaphysik oder als Henologie bezeichnet werden kann, ist eine der wichtigsten Traditionen der Metaphysikgeschichte. Der Renaissancedenker Nicolaus Cusanus nimmt innerhalb dieser Denktradition eine zentrale Rolle ein: Er hat den von Fichte formulierten Gedanken nicht nur getroffen, sondern maßgeblich weiterentwickelt.² In seinem Begriff für das absolute Eine, dem Nicht-Anderen (non aliud),³ entwickelt er das hierfür wie für sein eigenes metaphysisches Denken zentrale Konzept: den negativen Selbstbezug des Absoluten. Der Analyse dieser These ist die folgende systematisch-historische Studie zu Cusanus’ Spätschrift De li non aliud verpflichtet. Nicolaus Cusanus, einem der berühmtesten Kardinäle der römischen Kurie, kommt eine außerordentliche Bedeutung für die Philosophiegeschichte im Allgemeinen sowie für die Metaphysikgeschichte im Besonderen zu. Als einer der einflussreichsten Kirchenpolitiker seiner Zeit führte er keinen Geringeren als den byzantinischen Kaiser zum Unionskonzil von Ferrara-Florenz (1438).⁴ Bekanntlich  Fichte-Gesamtausgabe II.8, 8.  Die Schriften von Nicolaus Cusanus werden nach der editio maior der Heidelberger Standardausgabe (Abk: h) zitiert: Nicolai de Cusa, Opera omnia, Iussu et auctoritate Academiae Litterarum Heidelbergensis ad codicum fidem edita, Leipzig–Hamburg: Meiner, 1932– 1944; 1959–. Der lateinische Text der kritischen Edition der Opera omnia ist neuerdings auch online zugänglich (http://www.cusanus-portal.de/; letzter Zugriff 12.11. 2013).  Die maßgebliche Edition von De li non aliud ist noch immer die kritische Ausgabe von Paul Wilpert und Ludwig Baur (h XIII). Eine weitgehend zuverlässige Übersetzung stammt ebenfalls von Paul Wilpert (H 12). Überzeugend ist auch die englische Übersetzung Jasper Hopkins’ (Complete Philosophical and Theological Treatises of Nicholas of Cusa, vol. 2, Translated by Jasper Hopkins, Minneapolis: Banning Press, 2001, 1106 – 1178). Erst kürzlich haben Klaus Reinhard, Jorge M. Machetta und Harald Schwaetzer die deutsche Ausgabe einer bereits 2008 in Argentinien publizierten Neuedition herausgegeben. Diese enthält neben einer Neuübersetzung ein kurzes Literaturverzeichnis und einige kurze Abhandlungen zu wichtigen Themenaspekten der Schrift De li non aliud (Nikolaus von Kues, De non aliud. Nichts anderes, (Texte und Studien zur Europäischen Geistesgeschichte A.1), Herausgegeben von Klaus Reinhard, Jorge M. Machetta und Harald Schwaetzer, Münster: Aschendorff, 2011).  Zum bewegten Leben von Cusanus und seinem (kirchen‐)politischen Wirken sei an dieser Stelle auf Erich Meuthen und Kurt Flasch verwiesen (Meuthen 1982. Flasch 2004). Zum Platonismus in der Renaissance vgl. bes. Kristeller 1982, 86 – 109.

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I. Einleitung

war zwar dem Unionskonzil wenig Erfolg in der Kirchengeschichte beschieden. Doch in Begleitung des Kaisers kamen auch so bedeutende Köpfe wie Georgios Gemistos, genannt Plethon, und Bessarion, später Kardinal der römischen Kurie, mit ins humanistisch geprägte Italien. Als Kenner der Schriften Platons und ihrer neuplatonischen Kommentatoren sorgten sie maßgeblich dafür, dass sich italienische Humanisten für (neu‐)platonisches Gedankengut begeisterten. Diese Faszination ist für die Philosophie der Renaissance insgesamt prägend, steht doch in ihrem Zentrum die ‚Wiederentdeckung‘⁵ Platons und des Neuplatonismus. Besonders der Einfluss der philosophischen Tradition des Neuplatonismus ist für das Denken in der Renaissance im Allgemeinen und von Nicolaus Cusanus im Speziellen kaum zu überschätzen. Grundsätzlich gründet dieses Denken auf dem spätantiken Neuplatonismus, in dem die Schriften Platons intensiv kommentiert und Platons Lehren zu einem höchst komplexen philosophischen Gesamtkonzept synthetisiert wurden. Herausragende Vertreter dieser Tradition waren so bedeutende Philosophen wie Plotin, Porphyrios, Iamblich und auch Proklos. Besonders Proklos’ Schriften⁶ entfalteten auf den christlichen Denker der Spätantike, Dionysios (Ps.‐)Areopagitês⁷, einen bestimmenden Einfluss. Über Dionysios, der in der Philosophiegeschichte häufig mit dem in der Apostelgeschichte erwähnten Dionysios vom Areopag verwechselt worden ist, wurden zentrale Elemente neuplatonischen Denkens christlich transformiert und dem Mittelalter vermittelt. Dionysios ist daher oft und nicht zu Unrecht als einer der herausragendsten Vertreter des sogenannten christlichen Neuplatonismus bezeichnet worden. Dieser eher indirekte Zugang zu neuplatonischen Gedanken wurde in der Renaissance

 Korrekter müsste man von einer Intensivierung des Einflusses reden.  Die für Cusanus bedeutendsten Schriften Proklos’ werden nach folgenden kritischen Ausgaben zitiert; Theologia Platonis (Abk: Theol. Plat.): Proclus, Théologie Platonicienne, 6 vol., (Collection des Universités de France), Texte établie et traduit par Henry D. Saffrey et Leenhard G. Westerink, Paris: Les Belles Lettres, 1968 – 1997. Für den Parmenideskommentar (Abk: In Parm.) ist jetzt nicht mehr die Ausgabe Victor Cousins, sondern die kritische Edition Carlos Steels maßgeblich: Procli in Platonis Parmenidem Commentaria, 3 vol., (Scriptorum classicorum bibliotheca Oxoniensis), Edidit Carlos Steel, Recognoverunt brevique adnotatione critica instruxerunt Carlos Steel, Caroline Mace et Pieter D’Hoine, Oxford–New York: Oxford University Press, 2007– 2009.  Die Zitation des Corpus Dionysiacum folgt den zwei Bänden der kritischen Ausgabe: PseudoDionysius Areopagita, Corpus Dionysiacum, vol. 1, De divinis nominibus, (Patristische Texte und Studien 33), Herausgegeben von Beate R. Suchla, Berlin–New York: de Gruyter, 1990. (Abk: De div. nom.) Pseudo-Dionysius Areopagita, Corpus Dionysiacum, vol. 2, De coelesti hierarchia. De ecclesiastica hierarchia. De mystica theologia. Epistulae, (Patristische Texte und Studien 36), Herausgegeben von Günther Heil und Adolf M. Ritter, Berlin–New York: de Gruyter, 1991. (Abk: De coel. hier.; De myst. theol.) Ergänzt werden diese Stellenangaben des Corpus Dionysiacum im Folgenden um die Angaben der Patrologia Graeca (PG 3).

I. Einleitung

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durch die direkte Lektüre der Schriften paganer Neuplatoniker ergänzt. Den wohl wirkmächtigsten paganen Vertreter dieser Tradition, Proklos, hat Cusanus selbst in den Fokus der Renaissance gebracht. Denn neben der erwähnten Gesandtschaft führte Cusanus eine der bedeutendsten Schriften von Proklos, die Theologia Platonis, mit nach Italien und veranlasste die Übersetzung dieses Werks ins Lateinische. Das Wesen neuplatonischen Denkens liegt vor allem in der Henologie. Zentrales Instrument dieser Metaphysik ist ein spezielles Negationssystem, das man vereinfacht auch mit dem Begriff der negativen Theologie bezeichnen kann. Sie gehört gewissermaßen zur Signatur des spätantiken Neuplatonismus und wurde auch von christlichen Denkern aufgenommen. In der negativen Theologie wird die entscheidende metaphysische Forderung des Neuplatonismus verwirklicht: die Transzendenz des absoluten Einen gegenüber allem Seienden und sogar dem Sein selbst gegenüber. Das Gegenstück zur negativen Theologie ist die sogenannte affirmative Theologie. Sie arbeitet mit affirmativen Begriffen, die hauptsächlich aus menschlichen Vorstellungen und Erfahrungen gewonnen sind. So werden kreatürliche Bilder auf das an sich Ungeschaffene oder Absolute übertragen. Das Absolute kann aber mit solchen endlichen Begriffen nicht eigentlich beschrieben werden. Denn damit wird entweder das Absolute diminuiert oder die Transzendenz des Absoluten infrage gestellt. Letztlich mündet die affirmative Theologie auf diese Weise im Pantheismus. Gerade diesem Gedanken steuert die negative Theologie entgegen. Obwohl aber die negative Theologie dem Pantheismus entgegensteuert, ist auch sie nicht frei von Problemen. Sie wirft eine ganze Reihe metaphysischer Fragen auf, die der Neuplatonismus zu beantworten versucht hat und die für diese Denktradition ganz charakteristisch sind. Sie sollen an dieser Stelle kurz umrissen werden. Von besonderer Tragweite besonders für den paganen Neuplatonismus ist folgende Frage: Wie kann das absolute Eine, das nach der ersten Hypothesis des platonischen Parmenides gegenüber allen sinnlich-körperlichen Dingen und auch gegenüber allen intelligiblen und transzendentalen Bestimmungen vollkommen transzendent ist, Grund aller Dinge sein? Diese absolute Transzendenz wird durch einen radikalen Negationsakt apostrophiert. Ergebnis dieses Negationsaktes ist die völlige Entrückung des Absoluten, über das man deswegen nur noch schweigen kann. Wie kann dann aber das Absolute noch Grund aller Dinge sein? Wenn das Absolute völlig entrückt ist, kann es überhaupt noch kreativ auf seine Derivate bezogen sein? Denkt man das Absolute aber in Bezug auf seine Derivate, unterliegt es der Kategorie der Relation und ist mithin nicht mehr gegenüber allen Bestimmungen absolut. Wie kann das Absolute so aber überhaupt noch einen Bezug zu seinen Kreaturen aufweisen? Hier scheint die negative Theologie an ihre Grenzen zu stoßen. Aus diesem Grund wird insbesondere im christlichen Neu-

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I. Einleitung

platonismus die affirmative Theologie herangezogen, um die Prinzipfunktion und die kreative Beziehung des Absoluten zu seinen Kreaturen beschreiben zu können. Speziell für den christlichen Neuplatonismus ergibt sich durch die Rezeption der neuplatonischen Deutung der ersten Hypothesis des platonischen Parmenides eine wichtige Annahme: Eine radikal gedachte und absolute Einheit kann in sich keine Relation aufweisen. Aus diesem Grund kann das absolute Eine kaum als dreieiner Gott begriffen werden. Hierin zeigt sich die große Herausforderung der negativen Theologie für christliches Denken. Denn das für christliche Denker essenzielle Dogma der Trinität ist auf ein solches Absolutes nur bedingt übertragbar. Trotzdem konnte die Forschung eindrucksvoll zeigen, dass einige christliche Denker gerade im Neuplatonismus eine Konzeption entdeckten, die für ihr Trinitätsdenken bestimmend geworden ist: Gemeint ist die im Neuplatonismus diskutierte zweite Hypothesis von Platons Parmenides. ⁸ Das sogenannte seiende Eine ist Grundlage der neuplatonischen Geistmetaphysik. Denn dieses ist in sich triadisch bewegte Einheit. Zu beachten ist dabei aber, dass dieser absolute Geist grundsätzlich nicht das absolute Eine der ersten Hypothesis meint, denn dieses ist im Sinne der negativen Theologie auch noch gegenüber dem seienden Einen transzendent. Insbesondere christliche Forscher stehen daher der negativen Theologie äußerst skeptisch gegenüber, scheint sie doch die Trinität infrage zu stellen. Sie versuchen daher die radikale Absolutheit Gottes und dessen absolute Transzendenz aufzubrechen, um die Trinität noch denken zu können. War es also christlichen Neuplatonikern überhaupt möglich, das Absolute als dreieinen Gott zu denken? Nicolaus Cusanus, der spekulativste Denker der Renaissance, hat zeitlebens versucht, Antworten auf diese beiden Fragenkomplexe zu finden und das Absolute als transzendentes Prinzip zu denken sowie begrifflich zu fassen. Er entwickelte dazu zum Teil höchst originelle Gottesbegriffe, wie etwa „possest“, „posse ipsum“ und „idem absolutum“.⁹ Sie sind als Rätselbilder oder ‚Handreichungen‘  Trotz einiger kritischer Gegenstimmen von Theologen, denen an einer Abgrenzung von heidnischem Neuplatonismus und christlichem Denken gelegen ist, kann diese These als Forschungskonsens angesehen werden. Paradigmatisch kann auf einen Grundlagentext Werner Beierwaltes’ verwiesen werden (Beierwaltes 2001a, 7– 24. Vgl. Halfwassen 2008, 1– 15).  Der Begriff „possest“, den Cusanus in der gleichnamigen Schrift erörtert, spielt im Rahmen des negativen Selbstbezugs jedoch nur eine marginale Rolle. Die Schrift ist eingehend untersucht. Einige wichtige Abhandlungen seien daher genannt: Dangelmayr 1969, 257– 295; bes. 260 – 273. Brüntrup 1973. Stallmach 1989, 68 – 83. Cürsgen 2007a, 63 – 90. Eng mit dem modalen Begriff „possest“ hängt offensichtlich der Begriff „posse ipsum“ zusammen. Diesen entwickelt Cusanus in De apice theoriae, seiner letzten Schrift. Zu nennen sind hierbei folgende zentrale Studien: Dangelmayr 1969, 257– 295; bes. 282– 295. Brüntrup 1973. Stallmach 1982c,

I. Einleitung

5

konzipiert, mit denen die menschliche Vernunft zur Anschauung des Absoluten angeleitet werden sollte. Bereits der Variantenreichtum der Konzepte lässt erkennen, dass Cusanus selbst durchaus unterschiedliche Antworten auf die Frage nach Wesen und Wirken Gottes gab. Sein Denken stellt damit insgesamt keine umbruchs- oder widerspruchsfreie Einheit dar. Zwischen dem Winter des Jahres 1461 und dem Frühjahr des Jahres 1462 unternahm Cusanus einen der markantesten und radikalsten Versuche, das Absolute begrifflich zu fassen. In seiner Spätschrift De li non aliud entwickelt er den Gottesbegriff des Nicht-Anderen (non aliud). Seine Brisanz bezieht dieser Begriff aus seiner ungewöhnlichen Struktur. Denn der Begriff des Nicht-Anderen ist schon auf den ersten Blick als negativer Begriff zu erkennen, in dem der Gedanke einer Selbstbezüglichkeit durch Negation angelegt ist. Mit anderen Worten: Das NichtAndere ist Ausdruck für den negativen Selbstbezug des Absoluten. Damit entwickelt Cusanus in De li non aliud ein in sich geschlossenes Konzept, das nicht nur in der Metaphysikgeschichte ungewöhnlich ist, sondern auch Cusanus’ eigenes Gedankengebäude noch einmal erweitert. Der Weg zu diesem ungewöhnlichen Begriff war aber ein langer. Bereits in der eher mystagogischen Schrift De visione dei sowie der prinzipientheoretischen Schrift De principio finden sich Anklänge an das Konzept des Nicht-Anderen. Damit zeigen gerade diese beiden Schriften an, dass das Nicht-Andere ein Kernelement und gewissermaßen Motor des cusanischen Denkens ist. Cusanus selbst identifizierte das Nicht-Andere als seine intellektuelle Lebensleistung.¹⁰ Nicht nur gestand er dem Begriff noch nach De li non aliud einen besonderen Platz zu. In dem seine philosophisch-theologischen Schaffensphasen überblickenden Werk De venatione sapientiae charakterisierte er die einzigartige Leistung des Begriffs darüber hinaus ganz unzweideutig: Die „Jagd“ nach Gott, so formuliert Cusanus dort, sei auf einem anderen Feld als dem des Nicht-Anderen „vergebens“.¹¹ Dass das Nicht-Andere letztlich sogar über Cusanus’ eigenes Gedankengebäude hin-

209 – 222. Santinello 1993, 161– 173. Halfwassen 2004c, 67– 89. Halfwassen 2007, 241– 258. Cürsgen 2007a, 171– 191. Der von Cusanus schon in De genesi erarbeitete Begriff des „idem absolutum“ gilt in der Forschung zuweilen als positives Gegenstück zum Nicht-Anderen (Beierwaltes 1964, 175 – 185; hier 183. Beierwaltes 1980, 105 – 143; hier 117– 118). Dieses soll das ‚idem‘ negativ ausdrücken. Fraglich ist aber, ob das Nicht-Andere tatsächlich so etwas wie die negative ‚Kehrseite‘ des ‚idem‘ ist.  De non aliud (h XIII) c. 1, p. 5, 13 – 14 [n. 5].  De ven. sap. (h XII) c. 14, n. 41, 10 – 15; Hervorh. Ro: „Venatores philosophi hunc campum non intrarunt, in quo solo | negatio non opponitur affirmationi. Nam li non aliud non opponitur | li aliud, cum ipsum diffiniat et praecedat. Extra hunc campum negatio | affirmationi opponitur, ut immortale mortali, incorruptibile corrup|tibili; et ita de omnibus, solum li non aliud excepto. Quaerere igitur | deum in aliis campis, ubi non reperitur, vacua venatio est.“

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I. Einleitung

auswies und auch Antworten auf die Fragen paganer und christlicher Neuplatoniker insgesamt lieferte, macht die philosophiegeschichtliche Bedeutung des Begriffes auch jenseits der cusanischen Selbsteinschätzung deutlich. Die Forschung zu De li non aliud hat eine lange Tradition.¹² Relativ einheitlich ist sie zu dem Schluss gekommen, dass das Nicht-Andere eine Sonderstellung im Denken Cusanus’ einnimmt.¹³ Die Forschung hat bereits angedeutet, dass das Nicht-Andere nicht nur ein einheitsmetaphysischer Begriff ist, sondern auch Cusanus’ Ontologie erhellt. Die cusanische Ontologie ist bereits eingehend untersucht worden. Besonders zu erwähnen sind die Studien von Heinrich Rombach und Klaus Jacobi.¹⁴ Erst vor Kurzem hat Stephan Grotz die cusanische Ontologie nicht nur umfassend analysiert, sondern auch im Hinblick auf De li non aliud diskutiert.¹⁵ Wie in diesen Studien deutlich wird, spielt innerhalb der Ontologie Cusanus’ der vielschichtige Begriff von Andersheit eine zentrale Rolle. Insbesondere ist De li non aliud aber eine prinzipientheoretische Schrift. Mit den metaphysischen Aspekten des Werkes haben sich daher zahlreiche Forscher beschäftigt. Zu nennen sind in diesem Kontext besonders die Studien Werner Beierwaltes’, Kurt Flaschs, Burkhard Mojsischs, Jens Halfwassens und Dirk

 Die Erforschung des Nicht-Anderen setzt schon früh ein. Erste erwähnenswerte Überlegungen stammt von Ernst Cassirer (Cassirer 1906, 72). Auch Karl Jaspers hat sich kurz zum NichtAnderen geäußert (Jaspers 1964, 96). Erste detailliertere Untersuchungen stammen vom Herausgeber der kritische Edition von De li non aliud, Paul Wilpert (H 12, V – XXVIII und 99 – 206), und von Josef Stallmach, Gerda von Bredow und Gerhard Schneider (Stallmach 1960, 329 – 335. Bredow 1995a, 51– 59. Schneider 1971). Genauer analysierte Siegfried Dangelmayr das NichtAndere (Dangelmayr 1969, 226 – 256). Das Gros früherer Forschungen zum Nicht-Anderen stammt also aus dem deutschsprachigen Raum. Von internationaler Geltung für die Cusanusforschung insgesamt sind auch die Studien des italienischen Cusanusforschers Giovanni Santinello und von Jasper Hopkins. Während Santinello eher kurze Hinweise auf das Nicht-Andere gibt, liefert Hopkins in seiner englischen Übersetzungen des Nicht-Anderen eine fundiertere Interpretation (Santinello 1958, Santinello 1966 und bes. Santinello 1971. Nicholas of Cusa on God as Not-Other, A Translation and an Appraisal of De li non aliud by Jasper Hopkins, Minneapolis: University of Minnesota Press, 1979). Besonders erwähnenswert ist auch Egil A. Wyller, der das Nicht-Andere logisch zu durchdenken versuchte (Wyller 1970, 419 – 443. Wyller 1974, 239 – 251. Vgl. Wyller 1982, 104– 120. Wyller 1987, 231– 260). Einen zuverlässigeren und umfangreichen Überblick zur Forschung und Forschungsliteratur zu Cusanus und insbesondere zum Nicht-Anderen bietet Davide Monaco (Monaco 2010, 21– 55 und 336 – 374).  Aus diesem Grund haben einige Forscher das Nicht-Andere als Spitze (apex) des cusanischen Gesamtwerks angesehen. Allerdings ist der Grund für diese Zuschreibung von der jeweiligen Interpretation der Forscher abhängig (Dangelmayr 1969, 226. Schneider 1970, 7– 8. Monaco 2010, 204). Dirk Cürsgen weist zu Recht darauf hin, dass Cusanus die Ergebnisse dieses Tetralogs nicht mehr verabschiedet habe (Cürsgen 2007a, 127).  Rombach 1965. Jacobi 1969.  Grotz 2009, 119 – 228.

I. Einleitung

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Cürsgens.¹⁶ Besonders Werner Beierwaltes und Dirk Cürsgen haben dabei die enge Beziehung zwischen transzendentem Nicht-Anderen und den seienden Anderen herausgestellt. Konsens herrscht darüber, dass sich Cusanus gerade für die kreative Beziehung des Absoluten zu seinen Kreaturen interessiert hat.¹⁷ Noch zentraler für die vorliegende Studie ist die Vermutung Jens Halfwassens, Cusanus habe in De li non aliud das Konzept des negativen Selbstbezugs entworfen. Diese Vermutung ist bis jetzt nicht umfassend historisch-systematisch analysiert worden. Das liegt vor allem daran, dass das Verhältnis von negativer und affirmativer Theologie in der Forschung bislang nicht befriedigend erörtert wurde. Zwar sind hierfür und für das Verständnis des Nicht-Anderen insgesamt vor allem die Studien von Dirk Cürsgen grundlegend. Seine Analysen, in denen er insbesondere auf die große Bedeutung der Negationslogik und mithin der negativen Theologie für den späten Cusanus hinweist, sind in der Forschung aber bisher leider fast völlig unbeachtet geblieben.¹⁸ Ein möglicher Grund für dieses Desinteresse liegt in der Cusanusforschung selbst: Das Nicht-Andere scheint als negativer Begriff zumindest auf den ersten Blick in die Nähe der negativen Theologie zu rücken. Dass aber die negative Theologie im Denken Cusanus’ eigentlich keine herausragende Rolle spielen dürfe, hat Kurt Flasch, einer der bekanntesten und einflussreichsten Kritiker der negativen Theologie in Cusanus’ Schriften, in aller Deutlichkeit gefordert.¹⁹ Ähnlich wie Flasch geht die Forschung insgesamt davon aus, dass die negative Theologie allein zur völligen Bestimmungslosigkeit des Absoluten führe. Gerade dieser Gefahr versuchen christliche Forscher massiv entgegenzusteuern. Nach ihrer Einschätzung können wesentliche Aspekte cusanischen Denkens nur durch die Relativierung der negativen Theologie ‚gerettet‘ werden: Denn die christliche

 Beierwaltes 1964, 175 – 185. Beierwaltes 1980, 105 – 143 und 144– 175. Beierwaltes 1987, 311– 343. Beierwaltes 1994, 266 – 312. Beierwaltes 1988b (jetzt auch in Beierwaltes 2011, 181– 229). Beierwaltes 2001a, 130 – 171. Beierwaltes 2003, 65 – 102 (jetzt auch in Beierwaltes 2011, 143 – 179). Beierwaltes 2006, 217– 239. Beierwaltes 2007, 165 – 189, 191– 213 und 215 – 222. Beierwaltes 2010, 83 – 104. Flasch 1973. Flasch 2008a. Mojsisch 1983. Mojsisch 1991, 675 – 693. Mojsisch 1996, 437– 454. Halfwassen 2003, 31– 47. Halfwassen 2011, 127– 141. Cürsgen 2007a, 91– 126. Cürsgen 2009, 341– 369.  Beierwaltes 1979, 343 – 348; bes. 348, Anm. 46.  Dies gilt besonders für Davide Monaco, der in seiner Dissertation Cürsgens Kapitel zu De li non aliud gar nicht beachtet (Monaco 2010). Gleiches gilt für die bereits erwähnte Neuedition von De li non aliud, die von Klaus Reinhard, Jorge M. Machetta und Harald Schwaetzer 2011 herausgegeben wurde. Generell bleiben dort die Kriterien, nach denen die Forschungsliteratur ausgesucht wurde, vollständig im Dunkeln. Leider blieben dabei auch zwei weitere konzise Diskussionen neueren Datums unberücksichtigt: Cürsgen 2009, 341– 369. Grotz 2009.  Flasch 1973, 318 – 329.

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Trinitätsformel scheint über die negative Theologie und ohne affirmative Begriffe gar nicht beschreibbar zu sein. Zudem scheint die negative Theologie, wie bereits angedeutet, die Beziehung des Absoluten zu seinen Kreaturen und mithin die Prinzipfunktion des Absoluten zu problematisieren. Flasch etwa hat deswegen die „Vereinigung positiver und negativer Theologie“ kurzerhand zum philosophischen „Programm“ Cusanus’ erhoben.²⁰ Greifen aber die bisherigen Studien, die Cusanus die Vereinigung von positiver und negativer Theologie unterstellen, insbesondere im Hinblick auf De li non aliud nicht zu kurz? Und umgekehrt gefragt: Wie können, wenn man etwa Cürsgen folgt und die besondere Bedeutung der negativen Theologie in der cusanischen Philosophie anerkennt, die Trinität und die Beziehung des Absoluten auf seine Derivate überhaupt noch gedacht werden? Hierzu gibt es sehr unterschiedliche Deutungen. Dissens herrscht in der Forschung vor allen Dingen über die Bedeutung des Nicht-Anderen als Ausdruck für das Wesen des Absoluten. Während etwa Werner Beierwaltes, Josef Stallmach oder Davide Monaco das Nicht-Andere als Ausdruck reiner Affirmation lesen, denken Burkhard Mojsisch, Dirk Cürsgen oder Jens Halfwassen das Nicht-Andere als Begriff reiner Negativität. Erstaunlicherweise standen diese stark gegensätzlichen Ansätze bisher unverbunden nebeneinander und wurden von der Forschung nicht ausdiskutiert. Beide Meinungen stehen bis heute unvermittelt nebeneinander. Ohne aber diese Positionen miteinander vermittelt zu haben, bleibt die systematische Analyse des Nicht-Anderen, seine Verortung im Spannungsfeld von negativer und affirmativer Theologie und im Gesamtkontext des cusanischen Œuvres unvollständig. In einem ersten Schritt gilt es also, das Nicht-Andere systematisch zu analysieren und zu klären, wie Cusanus mit dem Konzept des negativen Selbstbezugs Wesen und Wirken des Absoluten beschreiben kann. Für die systematische Analyse des Nicht-Anderen ist es darüber hinaus notwendig, die historischen Voraussetzungen des Nicht-Anderen in der Geistes- und Metaphysikgeschichte ausfindig zu machen. Die Frage nach den historischen Quellen des Nicht-Anderen ist keineswegs eine optionale Zusatzfrage, sondern essenziell für die systematische Analyse des Nicht-Anderen: Nur aus den Quellen cusanischen Denkens heraus lassen sich Genese und Wesen des Nicht-Anderen umfassend erklären. Und nur so lässt sich überhaupt feststellen, auf welche Fragen und Probleme das Nicht-Andere eine Antwort zu geben versucht. Ganz generell ist die Arbeit einem umfassenden, integrativ historisch-systematischen

 Flasch 1973, 328. Flasch selbst aber konstatiert enttäuscht, dass Cusanus an seinem eigenen Vorsatz letztlich gescheitert sei, weil er die negative Theologie nicht radikal genug überwunden habe (Flasch 1973, 324– 325).

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Ansatz verpflichtet, der allein neue und weiterführende Erkenntnisse über Cusanus’ Philosophie ermöglicht. Die Forschung hat überzeugend herausgearbeitet, dass das Nicht-Andere in der Tradition neuplatonischen Denkens steht. Aufgrund von Cusanus’ eigenen Aussagen können vor allem Proklos und Dionysios als besonders wesentliche Quellen benannt werden.²¹ Gerade deshalb ist sich die Forschung im Hinblick auf den Einfluss neuplatonischen Denkens auf Cusanus in einem fast erstaunlichen Maße einig.²² Daneben hat die Forschung den Einfluss weiterer bedeutender Quellen konstatiert: Zu nennen ist hier Meister Eckhart, der selbst wiederum massiv durch neuplatonische Philosopheme beeinflusst war.²³ Aber auch Raimundus Lullus wird gelegentlich erwähnt.²⁴ Vermutet wurde schließlich auch der Einfluss eines weiteren Denkers, der ebenfalls der neuplatonischen Tradition zugeordnet werden kann: Gemeint ist der irische Philosoph Johannes Scottus Eriugena, der im 9. Jahrhundert am Hof Karls

 De non aliud (h XIII) c. 1, c. 14– 17 und c. 20 – 22. Besonders eindringlich lässt sich diese Tatsache an Cusanus’ Randbemerkungen zu einigen Werken von Proklos einerseits und zum Corpus Dionysiacum andererseits ablesen. Die cusanischen Marginalien zu Proklos sind von Karl Bormann und Hans G. Senger herausgegeben worden (Bormann 1986, 9 – 157. Senger 1986, 51– 109 und 111– 121). Die Cusanusmarginalien zum Corpus Dionysiacum (außer zu De ecclesiastica hierarchia) finden sich in Albertus Magnus’ Kommentar zu den Schriften von Dionysios. Ediert wurden sie von Ludwig Baur (Baur 1941, 93 – 113). Höchst bemerkenswert ist im Rahmen dieser historischen Verortung, dass Cusanus in einer seiner Randbemerkungen zu Proklos’ Theologia Platonis die neuplatonische Tradition mit Proklos als „unsere Familie“ (nostra familia) bezeichnet (Cusanusmarg. 23; Senger 1986, 55).  Baur 1941. Beierwaltes 1980, 105 – 143 und 144– 175. Beierwaltes 2001a, 130 – 171. Beierwaltes 2007, 165 – 189, 191– 213 und 215 – 222. Beierwaltes 2010, 83 – 104. Beierwaltes 2011, 181– 229 und 143 – 179. Flasch 1973. Flasch 2008a. Mojsisch 1997, 134– 141. Cürsgen 2007a, 91– 127. Monaco 2010. Vgl. auch Gandillac 1982, 143 – 168; bes. 144– 157. Trotz der unübersehbaren Parallelen zwischen der neuplatonischen Tradition und Cusanus fehlen kritische Stimmen nicht (Moritz 2006, 172– 189; bes. 186. Vgl. auch Jacobi 1969, 177– 182; vgl. 155).  Das Verhältnis von Eckhart zu Cusanus insgesamt ist vergleichsweise intensiv erforscht worden. Noch immer relevant für das Verhältnis dieser beiden Denker ist die detailreiche Studie Herbert Wackerzapps (Wackerzapp 1962). Für das Thema der vorliegenden Studie ist insbesondere auf folgende Forschungen hinzuweisen: Beierwaltes 1980, 114– 117 und 166. Beierwaltes 2010, 96 – 98. Mojsisch 1983, bes. 92– 94. – Die Werke Meister Eckharts werden nach der Standardausgabe der Deutschen und Lateinischen Werke (Abk. DW bzw. LW) zitiert: Meister Eckhart, Die Deutschen und Lateinischen Werke, herausgegeben im Auftrag der Deutschen Forschungsgemeinschaft, Stuttgart: Kohlhammer, 1936–.  Im Hinblick auf De li non aliud wird Lullus zwar eher nebenbei erwähnt (H 12, 135– 136. Cürsgen 2007a, 96). Auf Lullus’ Einfluss auf Cusanus insgesamt ist in der Forschung aber intensiver hingewiesen worden (Haubst 1952, 60 – 83. Lohr 1981, 218 – 231).

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des Kahlen wirkte.²⁵ Cusanus kannte und schätzte Eriugenas Denken. Dies zeigt sich auch an seiner Rezeption der im 12. Jahrhundert von Honorius Augustodunensis verfassten Clavis Physicae, einer Paraphrase von Eriugenas Hauptwerk Periphyseon. Cusanus zählt Eriugena und Honorius zu jenen bedeutenden Denkern, die auf ungewöhnliche Weise über Gott nachdachten und es wagten, über dogmatisch verengte Vorstellungen von Gott hinauszugehen.²⁶ Werner Beierwaltes, der Grandseigneur der Neuplatonismusforschung, hat sich wie kein zweiter Forscher um das Verhältnis von Eriugena und Cusanus verdient gemacht und auch auf einen möglichen Einfluss Eriugenas auf De li non aliud hingewiesen.²⁷ Er war es auch, der bei Eriugena einen negativen Selbstbezug des Absoluten festgestellt hat.²⁸ Gleichwohl wird der Einfluss Eriugenas auf

 Zitiert wird Eriugenas Hauptwerk (Abk. Periphys.) nach der neuen kritischen Edition Édouard Jeauneaus: Iohannis Scotti seu Eriugenae Periphyseon, 5 vol., (Corpus Christianorum: Continuatio Mediaevalis 161– 165), Editionem nouam a suppositiciis quidem additamentis purgatam ditatam uero appendice in qua uicissitudines operis synoptice exhibentur, Curavit Édouard Jeauneau, Turnholt: Brepols, 1996 – 2003. Im Folgenden wird auch die PeriphyseonAusgabe der Patrologia Latina (PL 122) mitzitiert.  Apol. (h 2II) n. 43, p. 29, 14 – p. 30, 3. Es steht mittlerweile außer Frage, dass Cusanus einen breiten Zugang zu Eriugenas Denken hatte. Dies lässt sich konstatieren, weil Cusanus das erste Buch von Periphyseon kannte und mit Randbemerkungen versehen hat. Noch wesentlicher aber ist, dass Cusanus über die Clavis Physicae einen umfangreichen Zugang zu Eriugenas Denken hatte. Die kritische Edition der Clavis Physicae wurde von Paolo Lucentini herausgegeben (Honorius Augustodunensis, Clavis Physicae, (Temi e Testi 21), A cura di Paolo Lucentini, Roma: Edizioni di Storia e Letteratura, 1974). Die cusanischen Marginalien zum ersten Buch von Periphyseon sind von Josef Koch aus dem Cod. Addit. 11035 abgeschrieben und vom Institut für Cusanus-Forschung 1963 in den Mitteilungen und Forschungsbeiträgen der Cusanus-Gesellschaft (Abk: MFCG) publiziert worden (MFCG 3, 86 – 100). Die Marginalien zur Clavis Physicae hat Paolo Lucentini ediert (Lucentini 1979, 83 – 109). Zum Verhältnis von Eriugena und Honorius: s. unten, IV.1.  In zahlreichen Artikeln hat Werner Beierwaltes das Verhältnis dieser beiden christlichneuplatonischen Denker ganz grundsätzlich beleuchtet (Beierwaltes 1987, 311– 343. Beierwaltes 1994, 266 – 312. Beierwaltes 2006, 217– 239). Er ist aber nicht der einzige Forscher, der sich mit der Beziehung von Eriugena und Cusanus auseinandergesetzt hat: Carlo Riccati hat bereits 1983 eine umfangreiche Monografie zum Verhältnis von Eriugena und Cusanus publiziert (Riccati 1983). Eine weitere wichtige Abhandlung stammt von Donald F. Duclow (Duclow 1974). In letzter Zeit scheint sich das Interesse an diesem Thema zu verstärken, wenngleich ein energischer Zugriff bisher noch immer fehlt (Bauchwitz 2005, 41– 48. Catà 2010, 211– 250; bes. 219 – 235. Kijewska 2002, 155 – 167. Kijewska 2008, 11– 20. Monaco 2010, 196 – 199).  Bes. Beierwaltes 1985, 337– 367. Bereits 1965/66 hat Werner Beierwaltes diesen in einem profunden Artikel zum „Problem des absoluten Selbstbewußtseins“ bei Eriugena angedeutet. Diesen Artikel publizierte er noch mal 1969 und in überarbeiteter Form schließlich in seiner Eriugena-Monografie (Beierwaltes 1965/66, 264– 284. Beierwaltes 1969, 484– 516. Beierwaltes 1994, 180 – 203). Im Folgenden wird nur die Version aus dem Jahre 1994 zitiert.

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Cusanus von Beierwaltes kritisch gesehen. Viel entscheidender für Cusanus’ Denken seien nämlich Proklos und Dionysios gewesen.²⁹ Hat aber, so ist insbesondere vor dem Hintergrund der Tatsache, dass wesentliche Elemente des NichtAnderen massiv an Eriugenas Metaphysik erinnern, Beierwaltes das Verhältnis von Eriugena und Cusanus zutreffend beschrieben? Oder war der Einfluss Eriugenas auf Cusanus doch viel größer als die Forschung bislang vermutet hat? Der erste Teil der Arbeit beschäftigt sich mit der systematischen Analyse des Nicht-Anderen.Wie bereits erwähnt, scheint das Nicht-Andere auf den ersten Blick den Charakter einer Negation zu besitzen. Ausgangspunkt der folgenden Studie ist daher eine grundlegende Betrachtung von Cusanus’ Negationsbegriff (II.1.1– 2). Cusanus entwickelt mehrere, mindestens aber drei unterschiedliche Negationsbegriffe. Diese entwirft er besonders anhand der zentralen Begriffe von Andersheit und Differenz. Diese sind bei Cusanus hauptsächlich Indizien für Kreatürlichkeit und mithin Schlüsselbegriffe für seine Ontologie. Durch deren Analyse lassen sich Erkenntnisse zum Verhältnis von cusanischer Ontologie und cusanischer Metaphysik des Absoluten gewinnen. Vor diesem Hintergrund wird sich zeigen, inwiefern Negationen überhaupt dem Absoluten zugesprochen werden dürfen und in welchem Maße Cusanus negative Theologie betreibt (II.1.3 – 5). Darauf aufbauend sollen Struktur und Funktion des negativen Selbstbezugs systematisch entfaltet werden. Von besonderer Bedeutung ist hierbei die Diskussion der „Negation andersheitlicher Negation“ (II.2.2). Unter dieser Voraussetzung soll der negative Selbstbezug des Absoluten bei Cusanus im Hinblick auf die Trinitätslehre (II.2.3), die Beziehung des Absoluten auf seine Derivate (II.2.4) und die Prinzipfunktion des Absoluten (II.2.5 – 7) untersucht werden. Auf der Grundlage der systematischen Analyse sollen dann die historischen Quellen dieses Gedankens identifiziert werden. Zunächst werden dabei Cusanus’ vermeintlich zentralste Quellen, Proklos und Dionysios, auf mögliche Präfigurationen des negativen Selbstbezugs des Absoluten und auf mögliche Anregungen hin befragt (III). Im Anschluss gilt es, Eriugena als mögliche Quelle des cusanischen Nicht-Anderen in den Blick zu nehmen (IV). Hier ist vor allem zu fragen, in welcher konzeptionellen Form ein negativer Selbstbezug des Absoluten bei Eriugena angenommen werden darf. Vor diesem Hintergrund ist dann zu klären, ob Eriugenas Metaphysik nicht doch Auswirkungen auf Cusanus’ Konzept des negativen Selbstbezugs des Absoluten entfaltet hat. Das Schlusskapitel (V) führt den systematischen und den historischen Fragenkomplex zusammen und ordnet die Ergebnisse der Arbeit in den derzeitigen Forschungsstand ein.

 Beierwaltes 1986, 272– 277; hier 275.

II. Nicolaus Cusanus 1. Ontologie und transzendente Negativität 1.1. Andersheit als privative Negation Innerhalb des cusanischen Denkens lassen sich mehrere Formen von Negationen unterscheiden. Die erste Form der Negation ist privativ zu verstehen.³⁰ Diese Privation ist für Cusanus eine beraubende Negation, die das Negierte ins NichtSein hinabzuziehen droht. Diese Form der Negation expliziert Cusanus insbesondere an seinem Begriff der „Andersheit“ (alteritas). Grundsätzlich erscheinen Privation und Andersheit bei Cusanus als sachliche Synonyme. Eine Zentralstelle für diese Form der Negation ist in De ludo globi zu finden, worin das Absolute nicht als Schöpfer der korrumpierenden Andersheit gedeutet wird: Gott erschafft alles, auch die Dinge, die anders werden können und veränderlich und vergänglich sind; dennoch erschafft er nicht die Andersheit und die Veränderung und die Vergänglichkeit. Weil er die Seiendheit selbst ist, erschafft er nicht den Untergang, sondern das Sein. Daß aber (diese Dinge) untergehen oder anders-werden, das haben sie nicht von dem Erschaffenden, sondern das ergibt sich so [scil. kontingent]. Gott ist die Wirkursache der Materie, nicht aber die des Verlustes [scil. der Privation] und der Entbehrung, die sich bei Gelegenheit ergibt [scil. kontingent einstellt]. Das Böse also und das Sündigen-Können und Sterben und Anders-werden sind nicht Geschöpfe Gottes, der Seiendheit ist. Die Andersheit von irgendetwas kann also nicht von der Wesenheit her sein, denn in ihr (der Andersheit) ist nicht die Wesenheit. Die Andersheit ist auch nicht von der Wesenheit des Zweiers her, obwohl durch dies, daß er ein Zweier ist, sich das Anwesendsein der Andersheit ergibt. Nämlich so wie mehrere Erbsen, die mit einem einzigen Wurf auf den ebenen Boden geworfen sind, sich so verhalten, daß keine Erbse sich in gleicher Weise bewegt oder ruht wie die andere, und daß der Ort und die Bewegung bei einer jeden anders ist. Dennoch stammt diese Andersheit und Verschiedenheit nicht von dem, der alle gleichzeitig in gleicher Weise wirft, sondern es ergibt sich, da es nicht möglich ist, daß sie sich in gleicher Weise bewegen oder an demselben Ort stillstehen.³¹

 Es gibt mindestens noch zwei weitere Negationsformen: s. dazu unten, II.1.2 und II.1.3 – 5.  Übers. nach Bredow (H 22, 93 – 95); De ludo (h IX) II, n. 81, 4– 20: „Cardinalis: Omnia creat deus, etiam quae alterabilia et mutabilia | et corruptibilia; tamen alteritatem et mutabilitatem corruptionemve | non creat. Cum sit ipsa entitas, non creat interitum, sed esse. Quod | autem intereant aut alterentur non habent a creante, sed sic contin|git. Deus est causa efficiens materiae, non privationis et carentiae, | sed opportunitatis seu possibilitatis, quam carentia sequitur, ita | quod non sit opportunitas absque carentia, quae contingenter se | habet. Malum igitur et posse peccare et mori et alterari non sunt | creaturae dei, qui entitas. De essentia igitur cuiuscumque non po|test esse alteritas, cum in ipsa non sit entitas nec ipsa in entitate. | Nec est de essentia binarii alteritas, licet eo ipso quod est binarius | contingat adesse alteritatem. Sicut

1. Ontologie und transzendente Negativität

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Schon in De visione dei bekräftigt Cusanus, dass die Andersheit weder im Absoluten noch in sich selbst sein könne.³² Die Unterschiede der Kreaturen untereinander seien zudem nicht auf die Andersheit zurückzuführen.³³ Andersheit scheint kein Seinsprinzip zu sein. Sie könne sogar nicht einmal selbst sein. Cusanus konzediert aber, dass sich ohne Andersheit der Unterschied der Kreaturen untereinander nicht begreifen lasse. Dennoch sei die Andersheit kein positives Prinzip.³⁴ Denn Andersheit bezeichne nicht den Ursprung des Seins, sondern ein Nicht-Sein. Andersheit ist für Cusanus also nichts anderes als Privation.³⁵ Auch sei sie nicht vom Ursprung geschaffen und daher kein Etwas.³⁶ Andersheit stellt sich bei Cusanus demnach einfach kontingent ein.³⁷ Trotzdem scheint diese Andersheit auch Veränderungen ‚bewirken‘ zu können. Dieses ‚Wirken‘ wird aber von Cusanus nicht als positives oder positivierendes Seinsprinzip, sondern gerade als Korruption oder als bloße Beraubung gedeutet. Andersheit ‚bewirkt‘ demnach Abfall,Veränderung und Mangel. Genau deswegen wird sie von Cusanus pejorativ bewertet.

enim plura pisa unica pro|iectione super planum pavimentum proiecta sic se habent quod | nullum pisum aut moveatur aut quiescat aequaliter cum alio et alius | sit locus et motus cuiuslibet, tamen illa alteritas et variatio non est a | proiciente omnia simul aequaliter, sed ex contingenti, quando non | est possibile ipsa aequaliter moveri aut eodem in loco quiescere.“ In De docta ignorantia wird Andersheit mit „Veränderlichkeit“ (mutabilitas), „Ungleichheit“ (inaequalitas) und „Teilung“ (divisio) gleichgesetzt (De doc. ign. (h I) I, c. 7, p. 15, 4 – p. 16, 11 [n. 18 – 20]. Vgl. De vis. (h VI) c. 14, n. 58, 2– 21. De mente (h V) c. 6, n. 96, 4– 14).  De vis. (h VI) c. 14, n. 58, 5 – 6: „Doces me, domine, quomodo | alteritas, quae in te non est, etiam in se non est nec esse potest.“ Die Negation der Andersheit in Bezug auf das Absolute ist überhaupt ein grundlegender Topos cusanischen Denkens. Cusanus negiert die Andersheit ganz bewusst mehrfach vom Absoluten (bspw. De Deo absc. (h IV) n. 12, 3 – 6. De vis. (h VI) c. 14, n. 58, 2– 6). Zur Negation der Andersheit bezüglich des Absoluten und deren Konsequenzen: s. unten, II.2.2.  De vis. (h VI) c. 14, n. 58, 7– 8: „Nec facit alteritas, quae in te non est, unam creaturam esse alte|ram ab alia, quamvis una non sit alia.“  De vis. (h VI) c. 14, n. 58, 9 – 14: „Si igitur quae|siero alteritatem, quae neque in te neque extra te est, ubi repe|riam? Et si non est, quomodo terra est alia creatura quam caelum? | Nam sine alteritate non potest hoc concipi. Sed loqueris in me, | domine, et dicis alteritatis non esse positivum principium, et ita | non est.“  De vis. (h VI) c. 14, n. 58, 15 – 17: „Non est autem principium essendi | alteritas. Alteritas enim dicitur a non esse. Quod enim unum non | est aliud, hinc dicitur alterum.“  De vis. (h VI) c. 14, n. 58, 18 – 19: „Alteritas igitur non potest esse prin|cipium essendi, quia dicitur a non esse, neque habet principium | essendi, cum sit a non esse. Non est igitur alteritas aliquid.“ Gleichwohl hat Cusanus die Andersheit auch positiv bewertet. Er unterscheidet offenbar zwischen zwei Formen der Andersheit: s. dazu unten, II.1.2.  De ludo (h IX) II, n. 81, 8 – 11.

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II. Nicolaus Cusanus

Dennoch lässt sich mit Michael Thomas, der sich in einem kurzen Artikel zur Andersheit bei Cusanus geäußert hat, und gerade auf der Grundlage der Tatsache, dass etwa der Himmel nicht die Erde und die Erde nicht der Himmel ist, zu Recht nach dem „Wesen und Ursprung der Andersheit“ fragen.³⁸ Dass das Absolute die Andersheit geschaffen habe, weist Thomas mit dem Hinweis auf die oben zitierte Stelle aus De ludo globi zurück.³⁹ Andersheit ist für Thomas Ausdruck von Veränderlichkeit.⁴⁰ In diesem Zusammenhang stellt er richtig heraus, dass diese Andersheit kein positives Seinsprinzip sein kann.⁴¹ Das grundsätzliche Problem dieser Aussagen hat Thomas aber erkannt: Cusanus hat zwar die Andersheit eindeutig pejorativ bewertet, allerdings hält er es zugleich für unmöglich, dass der menschliche Geist ohne Andersheit die Unterschiede der Kreaturen untereinander erkennen könne.⁴² Die der Andersheit unterliegenden Seienden würden im Gegensatz zur Andersheit von Cusanus gerade positiv bewertet.⁴³ Das Anders-Sein der Seienden erklärt Thomas aus der – wenig erhellenden – „Nichtmitteilbarkeit“ des Absoluten und aus der „Unmöglichkeit“ der Kreatur, „das göttliche Sein, wie es in sich ist, aufnehmen zu können“.⁴⁴ Andersheit ist so für Thomas nicht etwa das reine oder bloße „Nichts“. In sich vermag sie zwar nicht zu bestehen, wohl aber existiert sie „an und in einem anderen Seienden“.⁴⁵ Die Andersheit ist an sich selbst zwar ähnlich wie das „Böse“ (malum) zu begreifen, ist aber, so schränkt

 Thomas 1995, 55 – 67; hier 55.  Thomas 1995, 56.  Thomas 1995, 56 – 58.  Thomas 1995, 60. So auch schon Bormann 1973, 130 – 137; hier 134.  Thomas 1995, 61. Andersheit ist, wie Karl Bormann zu Recht feststellt, ein „Unterscheidungsprinzip“ (Bormann 1973, 132). Allerdings sind diese Unterschiede nicht durch die Andersheit bewirkt, weil Andersheit eben kein Seinsprinzip sein kann (Bormann 1973, 133). Andersheit ist zudem keine bloße „logische Konstruktion“, denn die Andersheit ist der Einheit des Absoluten entgegengesetzt (Bormann 1973, 133 – 134). Zur ontologische Dimension der Andersheit: s. unten, II.1.2.  Thomas 1995, 63.  Thomas 1995, 65. Vgl. dazu die Ausführungen von Elisabeth Bohnenstädt (H 4, 193). Woher aber die Andersheit – oder genauer: das Anders-Sein der Anderen – nun kommt und wie das Absolute die Anderen aus sich hervorgehen lässt, kann Thomas nicht beantwortet. Hierin wird Thomas von Stephan Grotz völlig zu Recht kritisiert (Grotz 2009, 220, Anm. 348). Cusanus selbst liefert noch in De genesi eine insgesamt weniger präzise Erklärung für das andersartige Sein der Seienden; De gen. (h IV) c. 1, n. 147, 5 – 7: „Quod enim res | est idem sibi ipsi, forma agit, quod autem est alteri alia, est, quia non | est idem absolutum, hoc est omnis formae forma.“ In ähnlicher Form findet man diese Begründung auch noch in De visione dei (De vis. (h VI) c. 14, n. 58, 19 – 21). Voll entwickelt findet sich Cusanus’ Begründung des Anders-Seins der Seienden in De li non aliud: s. unten, II.2.5 – 7.  Thomas 1995, 65.

1. Ontologie und transzendente Negativität

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Thomas ein, nicht mit diesem identisch.⁴⁶ Letzteres gilt, weil Andersheit „die Möglichkeit des Endlichen“ ist.⁴⁷ Thomas’ Analyse stellt also im Rückgriff auf den einflussreichen Cusanusforscher Karl Bormann vor allem die korrumpierende Bedeutung der Andersheit heraus. Er hat die pejorativen Aussagen von Cusanus ernst genommen, weswegen er auch Andersheit zu etwas Schlechtem degradieren kann.⁴⁸ Man kann also festhalten, dass besonders der spätere Cusanus, etwa in De visione dei und De ludo globi, in der ‚alteritas‘ ganz eindeutig eine privative bzw. beraubende Negation sieht. Allerdings weist Thomas mit seiner Erwähnung der positiven Bewertung der Seienden auch darauf hin, dass Cusanus Andersheit nicht durchgängig als Korruption bewertet. Trotzdem kommt das positive ‚Wesen‘ der der Andersheit unterliegenden Seienden, der Anderen (aliud oder alia), das Karl Bormann deutlich herausstellt, bei Thomas eindeutig zu kurz.⁴⁹ Hier hätte ein Blick auf die positive Konnotation der Andersheit in neuplatonischen Quellen einerseits und auf De li non aliud andererseits helfen können. Andersheit erscheint durchaus als Qualifikator der Seienden, die untereinander gerade Andere sind.⁵⁰

1.2. Die andersheitliche Negation als Fundament der cusanischen „Differenzontologie“ Andersheit kann bei Cusanus durchaus als maßgeblicher Begriff für die kreatürliche Vielheit und daher als Ausdruck für den Seinsmodus des Kreatürlichen gedeutet werden.⁵¹ Das Seiende besteht generell nur in Andersheit, weswegen

 Thomas 1995, 66. Dennoch erinnert dieser Begriff von Andersheit gerade als korrumpierendes Element wohl alles andere als zufällig an Dionysios’ Begriff des Bösen (vgl. dazu Schäfer 2002, 380 – 472). Es ist bereits an dieser Stelle wichtig zu erwähnen, dass die hier beschriebene Andersheit bloß akzidentielle, aber keine wesenhaften Veränderungen bewirken kann: s. dazu unten, II.2.6.  Thomas 1995, 65.  Thomas 1995, 57. Bormann 1973, 134 und 136 – 137.  Bormann 1973, 132 und 134– 135.  Darauf weisen insbesondere die Studien des funktionalistischen Philosophen Heinrich Rombach und des Cusanusforschers Klaus Jacobi hin (Rombach 1965, 140 – 179 und 206 – 228. Jacobi 1969). Weiterentwicklungen haben diese Ansätze durch Peter Kampitz, Thomas Leinkauf und vor allem durch Stephan Grotz erfahren (Kampitz 1976, 31– 50; bes. 36 – 39, 43 – 47. Leinkauf 1994, 180 – 211 und Leinkauf 2006, 154– 181. Grotz 2009, 119 – 228).  In De coniecturis weist Cusanus darauf hin, dass die Teilhabe am Absoluten nur in Andersheit stattfinden könne. ‚Teilhabe in Andersheit‘ ist somit Signum der Kreatürlichkeit (De coni. (h III) I, c. 11, n. 54– 60).

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II. Nicolaus Cusanus

Andersheit zum Seinsmodus der Kreatürlichkeit avanciert. Gegenüber der pejorativ bewerteten Andersheit scheint Cusanus diese Form der Andersheit deutlich positiver zu beurteilen. Hat also Cusanus nicht mindestens zwei Formen von Andersheit angenommen? Denn Andersheit und Differenz scheinen für Cusanus wichtige Bestandteile seiner Ontologie zu sein.Von entscheidender Bedeutung ist, dass die Differenz bei Cusanus als seinsimmanente andersheitliche Negation gewertet werden kann. Der andersheitliche Negationstypus ist für Cusanus überhaupt ein zentrales Element seiner Philosophie, denn andersheitliche Negation ist der Grundzug der cusanischen Ontologie. Daher kann man die andersheitliche Negation nicht einfach als korrumpierende Andersheit begreifen.⁵² Sie legt in erster Linie die Unterschiede zwischen Einzelseienden, die untereinander jeweils Andere sind, dar und beschreibt deren Verhältnis untereinander. Sachlich gesehen steht Cusanus damit in der Tradition des platonischen Sophistês, in der die Differenz selbst intelligible Form ist und zu den höchsten Gattungen (μέγιστα γένη) gezählt wird.⁵³ In diesem Sinne hat bereits Klaus Jacobi die cusanische Ontologie im Rückgriff auf Heinrich Rombachs „Funktionalismus“ als „Differenz (en)ontologie“ definiert.⁵⁴ Anhand ihrer Konzepte kann im Folgenden die cusanische Ontologie illustriert werden.

 Die andersheitliche Negation, so muss man beachten, hat ebenfalls beraubenden Charakter; De non aliud (h XIII) c. 6, p. 13, 27– 28 [n. 20]: „Aliud | enim, quia aliud est ab aliquo, eo caret, a quo aliud.“  Das entscheidende Grundelement des Sophistês ist die Neuformulierung der Bedeutung von ‚Nicht-Sein‘: Dieses meint nicht völlige Inexistenz, sondern relationales Nicht-Sein. Damit avanciert die Andersheit bei Platon zu einem Grundbegriff des Ideenkosmos (Soph. 254b – 259e). Auf den Sophistês und die neuplatonischen Wurzeln von Cusanus’ Verständnis der Andersheit hat bereits Karl Bormann völlig zu Recht hingewiesen (Bormann 1973, 134– 135. Vgl. Wyller 1970, 421– 423 und 429 – 434. Wyller 1974, 247– 248. Vgl. auch Bredow 1995a, 54– 56). Gerade aus diesem Grund kann Bormann feststellen, dass Andersheit keine „logische Konstruktion“ ist (Bormann 1973, 133). An den Sophistês gemahnende Formulierungen finden sich insbesondere in Cusanus’ Überlegungen zum Verhältnis der Seienden untereinander. Vor diesem Hintergrund meint Werner Beierwaltes, dass das sogenannte seiende Eine bzw. der Ideenkosmos des Neuplatonismus von Cusanus auf seinen Begriff vom Universum (und nicht auf das Absolute) übertragen werde (Beierwaltes 2007, 215 – 222; hier 219 – 222). Giovanni Santinello bezeichnet dementsprechend Einheit und Andersheit als Grundkategorien des cusanischen Universums (Santinello 1958, 112). Natürlich ist hierbei hinzuzufügen, dass Cusanus den Sophistês nicht aus direkter Anschauung kannte. Allerdings sind ihm die Grundgedanken des Sophistês über seine neuplatonischen Quellen und vor allem über Proklos vermittelt worden: s. dazu unten, III.  Jacobi 1969. Rombach 1965, 140 – 179 und 206 – 228.

1. Ontologie und transzendente Negativität

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Nach Cusanus ist Seiendes ohne Andersheit nur schwer begreifbar.⁵⁵ Denn jedes Seiende ist durch seine spezifische Andersheit gegenüber anderen Seienden gerade ein Anderes und so bezüglich sich selbst nur es selbst. Für Cusanus ist jedes Einzelseiende eine andersheitliche Negation. Aus diesem Grund bezeichnet Cusanus das Seiende, besonders in De li non aliud, als Anderes (aliud). So ist das Universum, das cusanische seiende Eine, als das „relationale Ganze“ zu sehen, das „nur als Beziehung, und zwar als eine solche, in der jegliches zu jeglichem, alles zu allem in Beziehung steht“, begriffen werden kann.⁵⁶ In diesem Beziehungsgeflecht stehen sich die Einzelseienden als Gegensätze gegenüber. Jedes Einzelseiende ist daher, wie Klaus Jacobi völlig zu Recht festhält, nicht einfach ein „positum“, sondern „wesenhaft ein ‚oppositum‘ zu allem übrigen“. Innerhalb der cusanischen „Differenzenontologie“ werde daher die „Gegensätzlichkeit“ zu der „universalen, jedes Weltlich-Seiende im Verhältnis zu jedem anderen kennzeichnenden Kategorie“.⁵⁷ Die Gegensätzlichkeit der Einzelseienden betrachtet Jacobi aber nicht als Kontradiktion, sondern als konträre Gegensätzlichkeit.⁵⁸ In der Tat zeigen die Anderen ‚nur‘ ein relationales Nicht-Sein, nicht aber ein totales Nicht-Sein gegeneinander an. Jedes Seiende ist als konträres ‚oppositum‘ gegenüber allen Anderen gerade ein ‚aliud‘.Wie Jacobi korrekt herausstellt, hat Cusanus  Obwohl Cusanus die Andersheit durchaus pejorativ bewertet, fragt er sich gerade in De visione dei berechtigterweise doch, wie die Seienden ohne Andersheit verschieden voneinander sein und als voneinander Unterschiedene erkannt werden können; De vis. (h VI) c. 14, n. 58, 7– 12; Hervorh. Ro: „Nec facit alteritas, quae in te non est, unam creaturam esse alte|ram ab alia, quamvis una non sit alia. Caelum enim non est terra, | licet verum sit caelum esse caelum et terram terram. Si igitur quae|siero alteritatem, quae neque in te neque extra te est, ubi repe|riam? Et si non est, quomodo terra est alia creatura quam caelum? | Nam sine alteritate non potest hoc concipi.  Kampitz 1976, 46 – 47. Relation als allumfassendes Grundcharakteristikum des Seienden hat Thomas Leinkauf durch den cusanischen Begriff „contractio“ auszudrücken versucht; Leinkauf 2006, 172: „Das Kontrakt-Sein einer Sache ist ihr universaler Aspekt: nur wenn man am Einzelnen diesen Bezug auf das Ganze denkt, denkt man es als Einzelnes unverkürzt.“ So kann Leinkauf die Vielheit positiv als „lebendige (dynamische) Einheit“ bewerten. Differenz wird damit zum „Ausdruck des Identitäts-setzenden Tätigseins Gottes“ (Leinkauf 2006, 175 – 179; Zitat 179). Damit hat Leinkauf die Differenz durchaus zutreffend als Ausdruck der Aktivität des Absoluten gedeutet.  Jacobi 1969, 280.  Jacobi 1969, 282. Jacobi bezieht sich dabei insbesondere auf De doc. ign. (h I) II, c. 4, p. 73, 14– 16 [n. 113]; Hervorh. Ro: „Ita pariformiter mundus sive uni|versum est contractum maximum atque unum, opposita praeveniens | contracta, ut sunt contraria“. Zum kontradiktorischen Gegensatz vgl. Jacobi 1969, 280 – 282. Grotz 2009, 184– 188. Jacobi geht dabei von einer Gemeinsamkeit von Privation und Kontradiktion aus: Sie beide könnten nichts positiv setzen. Sie verneinten „ein bestimmtes Sosein an einem bestimmten Subjekt“, ohne dabei „ein andersgeartetes Sein dieses Subjektes zu behaupten“ (Jacobi 1969, 282).

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das Sein der Anderen und ihr konträres Gegensatzverhältnis zueinander allerdings nicht durch den Begriff des „relativen Gegensatzes“ (oppositio relativa) beschrieben. Diese Form des Gegensatzes könne, so Jacobi, als „Dependenz“ gefasst werden.⁵⁹ Jacobi fasst den relativen Gegensatz der Anderen bei Cusanus dennoch als „relative Bestimmung“: Nur aufgrund seines „Korrelat[s]“ könne das jeweilige Andere gedacht werden. Werde aber das Korrelat aufgehoben, löse sich auch das jeweilige Andere auf: Wenn aber jedes Seiende es selbst nur im Zusammenhang mit allen übrigen Seienden sein kann, dann ist es in einem Wassein auch vom Wassein aller übrigen abhängig, und alle übrigen sind wiederum abhängig von ihm.

Die Frage, warum Cusanus den Begriff ‚oppositio relativa‘ zurückweist, beantwortet Jacobi folgendermaßen: Während die Scholastik die „ratio remotionis“ und die „ratio dependentiae“ voneinander getrennt habe, wolle Cusanus sie gerade vereinen: Cusanus gehe es um „allseitige Interdependenz“ und um die „Opponiertheit der Endlich-Seienden gegeneinander“. Cusanus sei es also um „Dependenz und Ausschließung“ zu tun gewesen. Jacobi fasst beide Aspekte zusammen: Indem jedes Einzelne die übrigen Washeiten von sich ausschließt, behauptet es seine Singularität; zugleich trägt es, sein Eigensein behauptend, dazu bei, daß auch die übrigen Seienden jeweils in ihrem Eigensein bestehen können.⁶⁰

So hätten konträre Gegensätze für Cusanus sowohl einen positiven als auch einen negativen Aspekt.⁶¹ Jacobi konkretisiert dies wie folgt: [E]in jedes ‚Andere‘ fordert alle übrigen, um im Zusammenhang mit ihnen und von ihnen bestimmt zu sein, was es ist, und ein jegliches negiert zugleich alle anderen, fremden Eigenheiten um der Position der eigenen Eigenart willen.⁶²

Damit befänden sich die Einzelseienden auch in einem proportionalen Verhältnis, weil sie in „derselben Seinsdimension“ stünden, „welche Cusanus ‚das Universum‘ nennt“.⁶³ Dieser Begriff zeigt somit an, dass das jeweilige Andere in einem allumfassenden Bezug zu allen anderen Anderen und nicht nur zu einem be-

    

Jacobi Jacobi Jacobi Jacobi Jacobi

1969, 1969, 1969, 1969, 1969,

282. 283. 284. 285. 285 – 286. Vgl. Beierwaltes 2007, 219 – 222.

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stimmten Anderen steht. Nur durch diesen allseitigen Bezug ist das Andere für Jacobi genau das, was es eben ist. Vor diesem Hintergrund kann die andersheitliche Negation als wesentliches Konstituens der Seienden ausgewiesen werden. Genau deswegen kann Cusanus jedes Seiende in den Gesamtkontext (universum) aller Seienden setzen. Jedes Einzelseiende ist ein Anderes gegenüber anderen Anderen und damit ein relationales Nicht-Sein oder ein andersheitliches Sein. Das Sein des Seienden besteht gerade aufgrund des durchgängigen Anders-Seins jedes Seienden in der Relation zu anderen Anderen. Die Relation ist daher der Seinsmodus der Ganzheit der Seienden überhaupt, wobei die Relation Ausdruck des andersheitlichen Seins der Seienden ist. Daher ist die Relation der Form nach ein andersheitlicher Bezug. In diesem relationalen Gesamtzusammenhang scheinen sich die andersheitlich Seienden sogar gegenseitig auszulegen und so ihre je eigene Position im Seinsganzen zu erlangen. Auf diesen letzten Aspekt hat neben Jacobi auch und vor allem Heinrich Rombach mit Nachdruck hingewiesen. Rombach macht in radikaler Weise auf die Bedeutung der Relation für Cusanus aufmerksam, indem er die, wie er meint, Absurdität und Naivität des Substanzbegriffs herausarbeitet. Zu diesem Zweck entwickelt er den Begriff „Funktionalismus“⁶⁴, anhand dessen er versucht, die Einzelseienden, also die Substanzen oder Wesenheiten, aus ihrer Isolation zu befreien und zueinander in Bezug zu setzen: Solange der Mensch nach einem Was fragt, faßt er die Dinge isoliert. Er nimmt sie als ein Etwas, d. h. als ein solches, das für sich allein schon (etwas) ist. In der isolierten Betrachtung erscheinen die Dinge vereinzelt und ohne Rücksicht auf den Weltbezug. Da dies aber keine Seinsmöglichkeit für die Sachen selber ist, sondern nur ihre Erscheinungsform für einen endlichen Hinblick, der nicht in die Ganzheit der Weltstruktur vorzudringen vermag und darum das, was er zufällig davon zu sehen bekommt, als das Seiende begreift, ist die WasFrage eine Naivität. Mit der Was-Frage ist die Idee von der Substanz gesetzt, die Quiddität in jeder Form erst möglich macht. Ein Wissen, das sich in dieser Weise isolierend verhält, ist eo ipso nicht Wissenschaft, denn es hat ja nicht die Einheitsform, die dem Wissen selbst erst Grund und Geltung gibt.

 Heinrich Rombach definiert den „Funktionalismus“ folgendermaßen; Rombach 1965, 214: „Grundlegend für ‚Funktion‘ ist, daß diese nicht erst an sich sein kann und dann noch eine Ausrichtung auf anderes hat, sondern daß sie einzig und allein diese Ausrichtung auf anderes ist. Sie hat demnach ihre Wirklichkeit durch das andere und im anderen. Der Bezugspunkt selbst, von dem die Funktion ‚ausgeht‘, bleibt ontologisch leer, seine ganze Realität ist in die Beziehung verlegt. Dasselbe Schicksal der Auflösung aller (substanziellen) Hintergründe erfahren alle Bezugspunkte, zu denen funktionale Verhältnisse führen können, oder die Gesamtheit des Relationengeflechts.“

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Rombach folgert aus diesem Grundsatz seiner Cusanus-Deutung: Wissen als Wissenschaft ist System. Jetzt erst im Aufbruch der Neuzeit entsteht der Gedanke des Systems aus dem eigentlichen Ziel wissenschaftlicher Erkenntnisarbeit. ⁶⁵

Genau deshalb wird Cusanus’ Ontologie von Peter Kampitz als Wende von der „Substanzontologie“ hin zu einer „Differenzontologie“ verstanden.⁶⁶ Allerdings ist einzuwenden, dass es vor dem Hintergrund der auch von Cusanus vertretenen Tradition des platonischen Sophistês nicht besonders glücklich ist, den Relationsbegriff gegen den Substanzbegriff auszuspielen. Denn der Substanzbegriff steht in dieser Tradition für Ideen, Wesen- oder Washeiten, die aber wesentlich relational sind und eben keine isolierten oder isolierbaren Bestimmungen darstellen.⁶⁷ Dass Rombach, Jacobi und Kampitz eng auf die Relation fixiert sind, führt darüber hinaus zur Überbewertung des relationalen Zusammenspiels der Einzelseienden bzw. Anderen. Die These Peter Kampitz’ illustriert diese Problematik: Das, was etwas ist, wird nicht am Wesen und an den Eigenschaften abgelesen, am ‚etwas‘ ist nicht ein Sein-in-sich vom Sein-am Anderen unterscheidbar, sondern es wird nur in der Relation zu Anderen, zum Ganzen und nicht zum Nicht-Anderen zum ‚id, quod est‘.⁶⁸

Gerade weil Kampitz in seiner Interpretation Rombach und Jacobi folgt, macht er die Relation auf Kosten des Nicht-Anderen zum Kriterium für das Anders-Sein der Anderen und stellt das Relationale damit über Gebühr heraus. Die Schwäche des auf Heinrich Rombach zurückgehenden Funktionalismus besteht also gerade in dessen Verabsolutierung. Allein der Funktionszusammenhang der Einzelseienden genügt Rombach, um jedem Seienden seine Position im Seinsganzen zuzuweisen. Indem er diesem absolute Gültigkeit verschafft, degradiert er aber das eigentliche Absolute, also Gott.

 Rombach 1965, 221.  Kampitz 1976, 47.  Daher ist jedes Einzelseiende wesentlich mit sich identisch und darin ein Anderes Anderen gegenüber; De gen. (h IV) c. 1, n. 146, 2– 4; Hervorh. Ro: „Non enim potest | diversum esse diversum nisi per idem absolutum, per quod omne | quod est est idem sibi ipsi et alteri aliud.“ Daher hat Egil A. Wyller auf die Entsprechung von „aliud“ und „ἄλλο“ hingewiesen (Wyller 1970, 422 und 429 – 430). Klaus Jacobi hingegen denkt im Anschluss an Heinrich Rombach das AndersSein der Seienden als „‚Sein von‘ (‚abesse‘)“, wodurch er die Substanzlosigkeit des relationalen Seins apostrophiert (Jacobi 1969, 269). Das Anders-Sein der Seienden ist aber nicht substanzlos, sondern gerade die Substanz eines Einzelseienden: s. dazu auch unten, II.2.6.  Kampitz 1976, 46 – 47.

1. Ontologie und transzendente Negativität

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Die Prinzipfunktion des Absoluten verliert sich so vollständig und wird durch die allseitige Interdependenz der Einzelseienden untereinander ersetzt. Naheliegend ist daher die Vermutung, die andersheitliche Negation sei Seins- und Erkenntnisprinzip. Dieser maßgeblich auf der Deutung Rombachs gründende Eindruck führt jedoch in die Irre. Seins- und Erkenntnisprinzip aller Dinge ist bei Cusanus nur das Absolute selbst: Und so sage ich mit dem Weisen, daß für alle Werke Gottes es keinen Grund gibt; daß heißt, warum der Himmel Himmel und die Erde Erde und der Mensch Mensch ist, dafür gibt es keinen Grund als den, daß der, der (sie) schuf, es so wollte.⁶⁹

Diese These hat Cusanus später durch den Begriff des Nicht-Anderen konkretisiert: Denn Seiendes ist nur über das Nicht-Andere definiert und erkennbar. Cusanus selbst hat der Relation klare Grenzen gesetzt, indem er das AndersSein des Einzelseienden als Ausdruck für die Identität des Einzelseienden direkt aus dem Absoluten ableitet. ⁷⁰ Trotzdem haben Klaus Jacobi und Peter Kampitz früh auf die Gefahr der Verabsolutierung des Funktionszusammenhangs aufmerksam gemacht, wie insbesondere Jacobis Versuch zeigt, Rombachs Position auszudifferenzieren.⁷¹ Peter Kampitz wiederum erkennt, dass Seiendes „nur in Abwendung von ihm [selbst] und in Zuwendung zum Schöpfer“ möglich ist, weshalb das „Geschaffensein“ zum „entscheidenden Kriterium der Wesensbestimmung“  Übers. nach Bormann (H 2, 63); De beryl. (h XI/1) n. 51, 8 – 10: „Et ita dico cum sapiente ‚quod omnium operum dei‘ nulla est | ratio, scilicet cur caelum caelum et terra terra et homo homo, nulla | est ratio nisi quia sic voluit qui fecit.“ Dass alles Kreatürliche, Seiende oder Andere vom Absoluten bedingt ist, ist überhaupt ein Grundsatz cusanischen Denkens. Dabei sei darauf verweisen, dass der hier verwendete Begriff des Willens nicht voluntaristisch zu deuten ist: s. dazu unten, II.2.5, 80, Anm. 269.  S. dazu unten, II.2.5 – 7.  Die Korrektur Jacobis hat die entscheidende Absicht, die Verabsolutierung der Differenzontologie zu verhindern (Jacobi 1969, 306 – 308; bes. 306, Anm. 345). Denn Jacobi betrachtet das Absolute als einzigen substanzialen Fixpunkt, denn nur in ihm sei alles in Wahrheit (Jacobi 1969, 306). Außerdem geschieht die Erkenntnis aller Dinge, wie Klaus Jacobi bemerkt, nur durch das Absolute (Jacobi 1969, 147). Jacobi ist grundsätzlich davon überzeugt, dass „Gott die absolute, gewisseste Voraussetzung von allem“ sei (Jacobi 1969, 38). Damit bekämpft er zwar die Verabsolutierung des Funktionalismus. Dieser wird freilich von Jacobi nicht in Abrede gestellt. Er gibt aber zu bedenken, dass sich ohne das Absolute der Funktionalismus verselbstständigte. Ein Absolutes bräuchte es dann nicht mehr. Der Funktionalismus könne also seinen „Sinn verkehren“. Vor diesem Hintergrund würde die „Wissenschaft […] voraussetzungslos erscheinen, sich als ‚positive‘, ‚objektive‘ Wissenschaft gegen alle metaphysische Spekulation und Deutung verschließen“. Eine so verstandene Wissenschaft schließt Jacobi für das Denken des Cusaners aus (Jacobi 1969, 308). Allerdings ist an dieser Stelle darauf hinzuweisen, dass Jacobi letztlich an seinen eigenen Maßstäben scheitert: s. dazu unten, II.2.6.

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II. Nicolaus Cusanus

wird.⁷² Gerade durch das Nicht-Andere hat jedes Seiende seinen „Seinssinn gewissermaßen nur in der ‚Aliudität‘, der Andersheit, das heißt einem weiteren ‚anderen‘ gegenüber“.⁷³ Das Einzelseiende ist so nach Kampitz „das, was es ist, nur im Hinblick auf das Ganze – und im letzten natürlich auf Gott“.⁷⁴ So muss man das Seiende in totaler Abhängigkeit vom Absoluten begreifen. Jacobis und Kampitz’ Deutungen gehen also über den Funktionalismus Rombachs hinaus. Ihre Interpretationen bleiben aber in gewisser Weise ambivalent. Denn beide können nicht erklären, wie das Absolute die Einzelseienden als Andere aus sich ausfaltet. Sie stellen lediglich fest, dass es zu einer Ausfaltung kommt.⁷⁵ Zu beachten bleibt demgegenüber, dass die Relation das Sein des Seienden ‚nur‘ beschreibt. Grund des Wesenskonstituens der Seienden ist ausschließlich das Absolute selbst. Der Relation wird dennoch eine entscheidende Position zugesprochen. Was etwas ist, ist „nur in Beziehung auf das Ganze“ realisiert.⁷⁶ Damit avanciert die Relation zum Ausdruck für die „Eigenständigkeit des Einzelnen“ und die Individualität des Einzelseienden.⁷⁷ Das Sein aller Dinge, des Universums wie

 Kampitz 1976, 36.  Kampitz 1976, 37– 38; Zitat 38.  Kampitz 1976, 45. Vor diesem Hintergrund denkt Kampitz das Absolute auch als „einzige Substanz“ der Seienden (Kampitz 1976, 39).  Weil Jacobi nicht erklären kann, wie das durchgängigen Anders-Seins der Seienden aus dem Absoluten ausgefaltet wird (Jacobi 1969, 256 – 257), geht er davon aus, dass die Anderen untereinander und wechselseitig zueinander Prinzipien sind: Jedes Andere hat einen bestimmenden Bezug auf die anderen Anderen und ist im Gegenzug durch seinen Bezug auf diese und deren Bezug auf dieses Andere selbst bestimmt (Jacobi 1969, 280, 283, 290 und bes. 284, Anm. 231. Jacobi beruft sich hierbei auf De beryl. (h XI/1) n. 46, 4– 15). Demnach kann Jacobi das spezifische Anders-Sein eines Anderen bedauerlicherweise nicht vom Absoluten ableiten. Peter Kampitz verweist immerhin darauf, dass die Welt nicht bloß Vielheit der Dinge oder ein Kosmos „im Sinne eines geordneten Gesamtzusammenhangs“ sein kann (Kampitz 1976, 43 – 44). Er denkt die Welt gerade als „Ausfaltung der unendlichen Einheit zur Vielfalt der Einzelseienden“ (Kampitz 1976, 44). Kampitz scheint es hierbei gerade darauf anzukommen, dass das Sein eine Ausfaltung des Absoluten und so wesentlich auf das Absolute angewiesen ist. Es ist somit nicht einfach ein geordnetes Ganzes, was sich unabhängig vom Absoluten beschreiben lässt. Damit trifft Kampitz sicherlich einen wesentlichen Grundsatz cusanischen Denkens, bleibt aber bei der bloßen Behauptung der Ausfaltung aus dem Absoluten stehen, ohne diese im Detail zu erklären.  Kampitz 1976, 45.  Kampitz 1976, 46. Wahre Identität kann also nicht unabhängig von Differenz verstanden werden, weil nur durch Differenz die Eigenständigkeit des Einzelseienden aufleuchtet. Das Anders-Sein oder die Individualität eines Seienden gegenüber Anderem gehört also zum Wesen des Einzelseienden. So ist Kampitz durchaus zuzustimmen, wenn er sagt, der „Gedanke der ‚Andersheit‘ verschärft nur noch diese Betonung des Individuell-Konkreten ohne damit den Zusammenhang mit dem Ganzen, mit dem Universalen preiszugeben.“ (Kampitz 1976, 46). Denn durch das Anders-Sein des Einzelseienden gegenüber anderen Einzelseienden ist dieses Ein-

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auch der Einzelseienden, besteht in der Relation: Einzelseiendes und Universum sind in ihrem Sein durch Relation charakterisiert. Das Definierte steht gegenüber anderen Seienden in einer „Differenzrelation“.⁷⁸ Letztendlich scheint die Relation Universum und Einzelseiendes zu überformen und so zur Überkategorie bzw. zur Seinskategorie der Seienden insgesamt zu avancieren: Weil jedes Einzelseiende ein ‚aliud‘ oder ein ‚oppositum‘ ist, befindet es sich in einem relationalen Verhältnis zu allem Anderen.⁷⁹ Dieses Anders-Sein des Seienden ist daher ein wesentliches Charakteristikum aller Einzelseienden und also keine sekundäre Erscheinung am Einzelseienden. Stephan Grotz zufolge ist das Wesen jedes Einzelseienden eine Verschränkung von Identität und Differenz – oder genauer: eine „kopulative Koinzidenz von kontradiktorischen Gegensätzen“.⁸⁰ Grotz’ wichtige These, Andersheit sei ein

zelseiende ein „unwiederholbares Ereignis“ und hat so seine „singuläre Eigenart“ (Jacobi 1969, 279). Diese These ist freilich nicht ohne Anfeindungen geblieben: So sieht Hubert Benz in den Thesen Jacobis ein „relativistischen Funktionalismus“, der mit der „hohen Wertschätzung des Individuums“ durch Cusanus „schlechthin unvereinbar“ sei (Benz 1999, 97 mit Anm. 192. Vgl. dazu Grotz 2009, 133, Anm. 71). Es ist aber durchaus fraglich, ob die Individualität eines Einzelseienden wirklich durch die Differenzontologie schlicht geleugnet wird. Eine schlechthinnige Unvereinbarkeit zu attestieren, geht an der Intention des Cusaners vorbei: Das Anders-Sein des Einzelseienden ist gerade Ausdruck für die Eigenständigkeit und Individualität des Einzelseienden: s. dazu auch unten, II.2.6.  Der Begriff stammt von Dirk Cürsgen (Cürsgen 2007a, 94. Cürsgen 2009, 342).  Vgl. Jacobi 1969, 276.  Grotz 2009, 182– 204; hier 186 – 187. Damit steht Grotz’ Verständnis der Einzelseienden als Kontraktionen von Einheit und Andersheit den Thesen Jacobis und Kampitz’ nahe. Geprägt ist sie durch seine etwas eigenwillige Lektüre von De doc. ign. (h I) II, n. 91– 97. Thomas Leinkauf, der der Deutung Grotz’ ebenfalls nahe steht, fasst Andersheit als „inneres Konstituens von Seiendem“ auf (Leinkauf 1994, 186 mit Anm. 18. Vgl. auch Rusconi 2011, 225 – 231). Problematisch ist die Deutung Werner Beierwaltes’. Er orientiert sich vor allem an De gen. (h IV) c. 1, n. 146, 3 – 4, also an der These, dass jedes Seiende durch das Absolute ein „idem sibi ipsi“ und ein „alteri aliud“ ist: Zwar sind „Identität und Differenz in jedem Seienden auf je individuelle Weise ineinander verschränkt“ (Beierwaltes 1980, 106). Allerdings ist jedes Seiende für ihn ‚zunächst‘ mit sich identisch und dann bzw. in der Folge dieser Selbstidentität das Andere den Anderen gegenüber. Die Identität des Seienden mit sich selbst wird so von Beierwaltes zuungunsten des Anders-Seins des Seienden hervorgehoben (Beierwaltes 1980, 118 – 119). Ganz ähnlich definiert Dirk Cürsgen die „Alterität“ als „immanente Zentralbestimmtheit des Anderen“ (Cürsgen 2007a, 112). Cürsgens Begriff von Andersheit ist jedoch ambivalent: Einerseits denkt er die Identität der jeweiligen Seienden als Voraussetzung für das Anders-Sein des Anderen gegenüber anderen Anderen (Cürsgen 2009, 368). Andererseits deutet er Identität und Differenz als gleichursprünglich (Cürsgen 2009, 361). Bisweilen begreift er die Differenz auch bloß als „äußerliches ‚Zwischen‘“ (Cürsgen 2009, 354). Eine eingehende Diskussion des Verhältnisses von Differenz als „immanente Zentralbestimmung“ und von Differenz als „äußerliches ‚Zwischen‘“ sucht man in Cürsgens Ausführungen leider vergeblich.

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intrinsisches Moment der Einzelseienden, zeigt die sachliche Verwandtschaft der cusanischen Ontologie mit dem platonischen Sophistês und dem vor allem im Neuplatonismus explizierten seienden Einen. Leider führt Grotz diese sachliche Verwandtschaft nicht aus. Davon abgesehen kann man aber mit Grotz davon ausgehen, dass Identität und Differenz als begriffliche Konstituentien jedem Wesen immanent sind. In der Identität eines Seienden ist also bereits seine Differenz zu anderen Seienden angelegt. Zugleich besteht im Anders-Sein des Einzelseienden seine Identität. Jedes Einselseiende ist stets und durchgängig ein Anderes. Durch die Definition des Seienden als Anderes ist das Seiende von anderen Seienden abgegrenzt. So zeigt sich jedes Andere gerade als dieses spezifische Andere. Jedes Andere ist zwar anderen Anderen äußerlich, allerdings ist jedes Andere wesentlich eine andersheitliche Negation und so als Anderes gerade es selbst.⁸¹ Abschließend lässt sich zusammenfassen, dass Andersheit entweder pejorativ bewertet oder als Grundcharakteristikum der cusanischen Ontologie dargestellt wird. Daher ist es sinnvoll, zwischen dem Anders-Sein der Seienden einerseits und der Andersheit andererseits zu unterscheiden: Während die Andersheit (alteritas) besonders im Spätwerk pejorativ bewertet wird, Wandlungen und Korrumpierungen anzeigt und kein Seinsprinzip sein kann, bleibt die andersheitliche Negation, die durch jedes Andere (aliud bzw. oppositum) repräsentiert wird, ein für das Sein der Dinge bestimmendes Charakteristikum. Diese andersheitliche Negation wird zudem gerade nicht pejorativ bewertet, sondern macht deutlich, was etwas seinem Wesen nach ist. Das Seiende zeigt sich so durchgängig als Anderes. Jedes Seiende ist ein Anderes und daher in den Gesamtzusammenhang aller Seienden eingeordnet. Das Sein der Seienden ist ihr Anders-Sein. Sie scheinen sich als spezifische Andere auszulegen und so genau zu dem zu werden, was sie sind. Als Zwischenergebnis lässt sich an dieser Stelle festhalten, dass das Sein der Seienden durchgängig relational ist. Grundelement des Seins überhaupt ist die Relation deshalb, weil jedes Seiende ein Anderes gegenüber anderen Anderen ist.

 Vgl. De gen. (h IV) c. 1, n. 146, 2– 4. Stephan Grotz hat demgemäß zu Recht festgehalten, dass das Andere nicht „auch noch“ oder „zugleich“ ein Anderes gegenüber Anderen ist, sondern dass das Seiende gerade „das Andere eines Anderen (alteri aliud)“ ist (Grotz 2009, 137). Diese Aussage lässt sich auch bei Thomas Leinkauf entdecken (Leinkauf 1994, 186). Dieser wird aber von Grotz scharf kritisiert (Grotz 2009, 208, Anm. 306), weil Leinkauf das Seiende durch das „Anders-Sein des Anderen“ bestimmt sein lässt (Leinkauf 1994, 186). Demnach ist auch für Grotz die Identität jedes Einzelseienden im spezifischen Anders-Sein der Anderen zu suchen, sodass ihre Identität gerade in ihrer Differenz besteht: Jedes Einzelseiende ist zugleich Differenz und Identität: s. dazu unten, II.2.6.

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Trotzdem soll deswegen nicht der Verabsolutierung der ‚Differenzontologie‘ das Wort geredet werden – eine Gefahr, die von der Forschung häufig verkannt wurde. Cusanus betont eindeutig, dass der alleinige Grund das Absolute selbst ist, und es gilt im Folgenden, die definierende Funktion des Absoluten im Detail zu betrachten. Besonders Stephan Grotz und Dirk Cürsgen haben die Abhängigkeit der Anderen vom Absoluten hervorgehoben. Damit haben sie sich bereits implizit gegen die Verabsolutierung des Funktionalismus gewendet. Cürsgen betont die Abhängigkeit des Anderen vom Absoluten nachdrücklich, ohne dabei den relationalen Gesamtzusammenhang zu vernachlässigen: Der Setzung endlicher Einheit korrespondiert die Setzung endlicher Andersheit, die nur gemeinsam die Seinsweise des Einzelnen bilden; alles Endliche bildet so auch untereinander eine Zusammenhangseinheit, weil zum Endlichen der Bezug zu anderen Endlichen gehört.

Cürsgen fügt hinzu: Die wesentliche Selbstidentität des Einzelnen ist durch negative Relationen denkbar, denn einmal ist es nichts anderes als es selbst, einmal anders als alles Andere; es ist nicht das Absolute und nicht alles andere Endliche, woraus sich zugleich Bezüge zum Absoluten und zu allem anderen Endlichen ergeben.⁸²

Allerdings begreife das Endliche „sich und seinen Grund erst durch das Begreifen des Wesens des unendlichen Absoluten“.⁸³ So muss man davon ausgehen, dass nur in der und durch die Abhängigkeit des Seienden vom Absoluten die Relation als das Sein des Seienden charakterisiert werden kann. Wie aber, so ist im Folgenden zu fragen, schafft das Absolute die Seienden als Andere?

 Cürsgen 2009, 361; Hervorh. Ro. Cürsgen betont dabei noch mal vielsagend die Relationen des Universums; Cürsgen 2009, 362: „Das Endliche mißt sich als Endliches am Endlichen und durch es, bestimmt sich als Glied im Gefüge endlicher Gestalten der endlichen Gegensätzlichkeit […]“. Messbarkeit ist demnach die grundlegende Bedingung endlichen Erkennens im Universum. Ob sich die Endlichen an den anderen Endlichen messen und sich dadurch wesenhaft oder aktiv bestimmen, ist aber höchst fraglich. Wahre Bestimmung erfährt jedes Endliche nur vom Absoluten. Dies hat, wie sich im Folgenden noch zeigen wird, erhebliche Konsequenzen für die Beurteilung des Nicht-Anderen.  Cürsgen 2009, 362.

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1.3. Affirmative und negative Theologie: das Paradoxon des transzendenten Grundes Das Absolute, so ein entscheidender Grundsatz cusanischen Denkens, ist allen Seienden gegenüber transzendent und zugleich Grund aller Seienden, denen gegenüber es selbst transzendent ist. Die Transzendenz des Absoluten drückt Cusanus durch die negative Theologie aus, in der ein spezieller Negationsakt vollzogen wird: Diese Negation ist eine transzendierende Negation. Sie verweist auf die transzendente Enthobenheit des Absoluten. Durch sie wird das Absolute eben als Absolutes ‚bezeichnet‘. Cusanus hat daher der negativen Theologie, durch die er das Absolute entrückt, einen besonderen Rang eingeräumt: In der affirmativen Theologie, bei der die Gottesverehrung ihren Anfang nimmt,⁸⁴ werden dem Absoluten Namen nach seinem Bezug zu den Geschöpfen gegeben. Affirmative Bezeichnungen vermögen also nach Cusanus, die schöpferische Seite des Absoluten auszudrücken.⁸⁵ Die affirmative Theologie bleibt aber hinter der Wahrheit zurück. Denn durch affirmative Theologie alleine würde das Absolute als Kreatur verehrt werden.⁸⁶ Affirmative Theologie hätte also die Hypostasierung des Absoluten zur Folge. Da das Absolute aber eigentlich über allen Dingen steht, ist es besser, so argumentiert Cusanus, alle Namen von ihm zu negieren.⁸⁷ Die negative Theologie ist also die wahre Betrachtungsform des Absoluten.⁸⁸ Affirmationen können nicht den eigentlichen ‚Namen‘ des Absoluten erreichen. Cusanus geht sogar so weit, die Trinität und mithin „Vater“, „Sohn“ und „Heiligen Geist“ als bloße Bezeichnungen, Begriffe oder Namen zu deklarieren.⁸⁹ Diese affirmativen Begriffe kommen  De doc. ign. (h I) I, c. 26, p. 54, 3 – 4 [n. 86].  De doc. ign. (h I) I, c. 24, p. 50, 13 – 16 [n. 79]. Vgl. De doc. ign. (h I) I, c. 24, p. 51, 19 – 20 [n. 82].  De doc. ign. (h I) I, c. 26, p. 54, 14– 16 [n. 86].  De doc. ign. (h I) I, c. 26; bes. c. 26, p. 54, 19 – 24 [n. 87]; Hervorh. Ro: „Docuit nos sacra ignorantia Deum ineffabilem; et hoc, quia maior | est per infinitum omnibus, quae nominari possunt; et hoc quidem | quia verissimum, verius per remotionem et negationem de ipso | loquimur, sicuti et maximus Dionysius, qui eum nec veritatem nec | intellectum nec lucem nec quidquam eorum, quae dici possunt, esse | voluit; quem Rabbi Salomon et omnes sapientes sequuntur.“  De doc. ign. (h I) I, c. 26, p. 56, 5 – 6 [n. 89]: „Et ex hiis manifestum est, quomodo negationes sunt verae et affirmationes insufficientes in theologicis“. Vgl. Euler 2001, 132– 142; hier 134– 135. Walter A. Euler weist außerdem richtigerweise darauf hin, dass Cusanus den Vorrang der negativen Theologie bereits in seiner ersten Predigt vertreten habe (Euler 2001, 133 – 134. Vgl. Flasch 2008a, 22 und 27. Vgl. dazu bes. Sermo I (h XVI/1) n. 3, 1– 6 und 16 – 22).  De doc. ign. (h I) I, c. 24, p. 50, 26 – 28 [n. 80]: „Et intantum hoc est verum de affirmativis omnibus, quod etiam | nomen Trinitatis et personarum, scilicet Patris et Filii et Spiritus | sancti,

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dem Absoluten nicht an sich zu, sondern werden von den Kreaturen auf es übertragen.⁹⁰ Das Absolute ist so für Cusanus prinzipiell jenseits aller sinnlichen wie intelligiblen Dinge und daher völlig seins- und erkenntnistranszendent.⁹¹ Diesem Grundsatz bleibt Cusanus über alle seine Entwicklungsphasen hinweg bis zuletzt treu: Das Absolute ist nicht dieses oder jenes Seiende, es ist nicht definiert, begrenzt oder bestimmbar und daher jeder Seins- und Erkenntnisform gegenüber erhaben. Es ist „nihil omnium“, also Nichts von allem, über allen, (los‐) gelöst von allem und daher absolut. Während alles Seiende endlich ist, ist das Absolute das Unendliche schlechthin und deswegen auch die Negation aller Dinge. Negative Theologie ist damit die notwendige Korrektur der affirmativen Theologie. Die Negation verweist auf die Transzendenz des Absoluten und vermag das Absolute daher adäquat als „nichts von allem“ zu beschreiben.⁹² Dieser transzendierende Aspekt der Negation und die Transzendenz des Absoluten als entscheidendes Element cusanischen Denkens sind der Forschung seit Jahrzehnten bekannt.⁹³ Eine besondere Form der Theologie, die auf der

in habitudine creaturarum sibi imponuntur.“ De doc. ign. (h I) I, c. 26, p. 54, 24 – p. 55, 2 [n. 87]: „Unde | neque Pater est neque Filius neque Spiritus sanctus secundum hanc | negativam theologiam, secundum quam est infinitus tantum.“  Dazu De doc. ign. (h I) I, c. 24, p. 49, 27 – p. 50, 25 [n. 78 – 79].  Damit übersteigt das Absolute in letzter Konsequenz auch jene Begriffe, die ihm in der neuplatonischen Tradition und der Scholastik beigelegt wurden. Er ist nicht das Gute, das Eine, das Sein, das Leben oder der Geist: s. dazu unten, II.1.4 und auch II.2.8.  Die Formel „nihil omnium“ taucht bei Cusanus über sein gesamtes Werk verstreut auf: De doc. ign. (h I) I, c. 16, p. 31, 7 [n. 43]: „Nam sicut omnia est, | ita quidem et nihil omnium.“ De dato (h IV) c. 5, n. 116, 7– 8: „Cum igitur omnis creatura sit aliquid contracte, essentia omnium non | est aliquid, sed nihil omnium incontracte.“ De ven. sap. (h XII) c. 7, n. 16, 16 – 17: „Causa autem solaris lucis nihil commune habet cum luce solis, sed | est omnium causa, ideo nihil omnium.“ Vgl. dazu De ven. sap. (h XII) c. 22, n. 64, 5. Auch in De li non aliud spielt diese Aussage eine prominente Rolle; De non aliud (h XIII) c. 6, p. 14, 16 – 17 [n. 21]: „Nunc vides, quomodo recte theologi affirmarunt | Deum in omnibus omnia, | licet omnium nihil.“ Vgl. dazu De non aliud (h XIII) c. 14, p. 29, 26 – 28 [n. 54]. Paul Wilpert hat auf die Parallelen der aus dem sechsten Kapitel von De li non aliud zitierten Stelle zu Dionysios (Ps.)-Areopagitês hingewiesen (H 12, 146, Anm. 4 und 186, Anm. 4). Sachlich gesehen ließen sich über diese Auswahl markanter Stellen noch weitere Textpassagen, vor allem aber unzählige äquivalente Aussagen von Cusanus anführen. Vorwegnehmend sei hier lediglich darauf hingewiesen, dass Cusanus in De coniecturis seinen am Ende des ersten Buches der Docta ignorantia verwendeten Negationsbegriff zu modifizieren scheint; De coni (h III) I, c. 5, n. 21, 6 – 9: „Quamvis verius videatur | deum nihil omnium, quae aut concipi aut dici possunt, exsistere quam | aliquid eorum, non tamen praecisionem attingit negatio, cui obviat | affirmatio.“  Aus der Fülle an Forschungen sind die Arbeiten von Burkhard Mojsisch und Dirk Cürsgen eigens zu würdigen (Mojsisch 1991, 686 – 693. Mojsisch 1996, 437– 454. Cürsgen 2007a, 91– 126. Cürsgen 2009, 341– 369. Vgl. Westerkamp 2006, 132– 144. Vgl. auch Beierwaltes 1980, 105 – 143.

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transzendierenden Negation aufbaut, ist die mystische Theologie, die Cusanus vor allem im Rückgriff auf Dionysios (Ps.‐)Areopagitês diskutiert. Sie hat das ambitionierte Ziel der Einung mit dem Absoluten (ἕνωσις bzw. θέωσις): Über eine schrittweise erfolgende Negationsbewegung wird dem erkennenden Geist die Transzendenz des Absoluten über jeden sinnlichen wie intelligiblen Sachverhalt bewusst. Indem er erkennt, dass alles Denken und Erkennen auf Differenz und Andersheit beruht, vollzieht der erkennende Geist den letzten und ultimativen Transzendierungsschritt. Dionysios hat diese Aktion im Anschluss an Proklos als doppelte Negation, also als Negation der Negation entworfen. Erst durch diesen letzten vom Denken selbst zu vollziehenden Negationsschritt kann der menschliche Geist in die übergegensätzliche und differenzlose ‚Dimension‘ des Absoluten eingehen und es von Angesicht zu Angesicht, in der sogenannten „visio facialis“, schauen.⁹⁴ Dieser Aspekt ist in der Forschung oft hervorgehoben worden, spielt aber im Rahmen des Paradoxons des transzendenten Grundes eine lediglich untergeordnete Rolle.⁹⁵ In der Forschung wird auf der Grundlage des Modells von Kurt Flasch davon ausgegangen, dass die cusanische Philosophie durch das grundlegende Paradoxon von „Deus absconditus et simul revelatus“ geprägt ist.⁹⁶ Dabei, so die Annahme, habe Cusanus wenigstens zwei Denkphasen durchlaufen. In seinen frühen Werken habe er sich zunächst mehr dem transzendenten Gott (deus

Beierwaltes 2001a, 135 – 142). Besonders erwähnenswert ist diesbezüglich auch Kurt Flasch, weil er die negative Theologie kritisch hinterfragt (Flasch 1973, 318 – 320. Flasch 2008a, 71, 107– 118, 403 – 410, 440 – 443, 452– 453, 528 – 534 und 562– 564). Es kann grundsätzlich kein Zweifel bestehen, dass Cusanus im Hinblick auf die Transzendenz des Absoluten und mithin im Rahmen der negativen Theologie von der neuplatonischen Tradition beeinflusst ist (Bormann 2001, 84– 96; bes. 86).  Beierwaltes 2011, 181– 229. S. dazu Rohstock 2011, 131– 134; hier 132– 133. Wichtig zu erwähnen ist hierbei, dass Cusanus unter der mystischer Theologie keineswegs ein irrationales Erlebnis versteht, sondern sie durch philosophische Reflexionen fundiert (vgl. auch Euler 1995, 187– 203; hier 193 – 198).  Wichtige Hinweise zur mystischen Theologie bei Cusanus sind neben der soeben erwähnten Arbeit Werner Beierwaltes’ in der von Jasper Hopkins herausgegebenen Edition von De visione dei zu finden (Nicholas of Cusa’s dialectical Mysticism, Text, translation and interpretive Study of ‚De visione Dei‘ by Jasper Hopkins, 2nd Edition, Minneapolis: Banning Press, 1988, 3 – 97). Gesondert ist ferner einerseits auf Bernard McGinns Auseinandersetzung mit der cusanischen Mystik im Rahmen der „westlichen“ Mystik und andererseits auf einen erst kürzlich publizierten Sammelband zu De visione dei hinzuweisen, der mehrere für die mystische Theologie und die Theorie und Struktur des Sehens relevante Artikel enthält (McGinn 2006, 26 – 53. Dupré 2011, 45 – 66. Kreuzer 2011, 81– 96. Yamaki 2011, 143 – 162. Vannier 2011, 183 – 194. Vgl. auch Euler 1995, 187– 203; bes. 193 – 198. Hoye 2004. Hoye 2007, 87– 101).  Monaco 2010, 67– 77.

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absconditus) zugewendet. Ab der mittleren Schaffensperiode könne man beobachten, dass sich Cusanus immer intensiver mit dem sich offenbarenden Gott (deus revelatus) auseinandersetze.⁹⁷ Grundlage für diese Systematisierung ist eine viel zitierte Stelle aus Idiota de sapientia: „sapientia […] clamat in plateis“.⁹⁸ Der sich offenbarende, nicht aber der verborgene Gott scheint sich in den Vordergrund cusanischen Denkens zu schieben. Deutlich wird Cusanus’ kritische Position gegenüber der negativen Theologie in einem Schreiben an die Mönche vom Tegernsee: In diesem Brief kritisiert Cusanus jene Gelehrten, welche ausschließlich mithilfe der negativen Theologie über das Absolute gesprochen hätten. Die negative Theologie hebe nur Aussagen auf, setze aber keine. So könne man das Absolute nicht als Offenbartes erkennen.⁹⁹ Durch negative Theologie scheinen christliche Offenbarungswahrheiten, insbesondere die innergöttliche Relationalität der Trinität gefährdet zu werden. Im Hinblick auf das vorliegende Paradoxon droht eine radikale und strenge negative Theologie das Absolute derart stark zu entrücken, dass dieses nicht nur in sich völlig unbezüglich ist, sondern auch keine kreative Beziehung zum Kosmos mehr aufweisen kann. Trinität und Prinzipfunktion des Absoluten scheinen so gerade durch die negative Theologie gefährdet zu sein. Demgemäß nimmt sich die von Cusanus betonte Gleichzeitigkeit von Transzendenz und Prinzipfunktion des Absoluten in De docta ignorantia tatsächlich als Paradoxon aus. Einerseits ist das Absolute auf seine Derivate bezogen und genau deshalb ihr Grund. Andererseits ist das Absolute vermeintlich so entrückt, dass eine Beziehung des Absoluten zu seinen Derivaten unmöglich erscheint. Cusanus hat in De docta ignorantia das Problem der negativen Theologie bezüglich der Prinzipfunktion des Absoluten  Flasch 1973, 318 – 329. Eindeutig lässt sich dieses Modell auch mit einem Blick auf das Inhaltsverzeichnis von Nikolaus von Kues. Geschichte einer Entwicklung als Strukturprinzip dieser Monografie Kurt Flaschs bezeichnen (Flasch 2008a, 7– 8. Vgl. Monaco 2010, 81– 138).  De sap. (h V) II, n. 5, 3.Vgl. De ap. theor. (h XII) n. 5, 9 – 13.  Vansteenberghe 1915, 114: „Et licet pene omnes doctissimi dicant caliginem tunc reperiri quando omnia a Deo auferuntur, ut sic pocius nichil quam aliquid occurrat querenti, tamen non est mea opinion illos recte caliginem subintrare, qui solum circa negativam theologiam versantur. Nam, cum negative auferat et nichil ponat, tunc per illam revelate non videbitur Deus, non enim reperietur Deus esse, sed pocius non esse; et si affirmative queritur, non reperietur nisi per imitacionem et velate, et nequaquam revelate.“ Vgl. Sermo CCLVIII (h XIX/5), n. 11, 9 – 21: „Sed affirmationes quae sic de Deo fiunt, non | sunt proprie nomina Dei, sed nomina desiderio|rum spiritus nostri. Ideo non sunt ita verae, sicut | sunt negationes; nam verior est illa ‚Deus non | est vita‘ quam illa ‚Deus est vita‘. Prima enim | dicit Deum esse plus quam vitam; ideo secunda | minus dicit de Deo, quam de eo dici deberet. | Quare perfecta cognitio non potest de Deo ha|beri naturaliter via affirmationis, quae non attin|git ipsum, neque via mystica negationis, quae | licet sit elevatior, tamen potius dicit, quid non | est Deus quam quid sit, et manet citra osten|sionem eius facialem.“

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angedeutet: Die göttliche Unendlichkeit könne gerade wegen ihrer Negativität nicht als „erzeugend“ begriffen werden.¹⁰⁰ Affirmative und negative Theologie geraten so in ein Spannungsverhältnis. Der gängigen Forschungsmeinung zufolge hat Cusanus deswegen nach De docta ignorantia, worin er der negativen Theologie den Primat zuordnet, die negative Theologie überdacht und damit ihre Radikalität abgeschwächt. Diese Interpretation schien insbesondere all jenen Forschern opportun, die über eine allzu radikal gefasste negative Theologie Cusanus’ Christlichkeit gefährdet sahen.¹⁰¹ Denn durch die absolute Negation wird die Relation so grundsätzlich negiert, dass die innertrinitarische Bezüglichkeit des Absoluten auf dem Spiel zu stehen scheint. Wird auf diese Weise aber tatsächlich die für christliches Denken so entscheidende Trinitätsformel unmöglich gemacht?

 De doc. ign. (h I) I, c. 26, p. 55, 4– 10 [n. 87]; Hervorh. Ro: „Quare Hilarius Pictaviensis subtilissime dixit, dum per|sonas distingueret: ‚In aeterno‘ inquit, ‚infinitas, species in ima|gine, usus in munere‘; volens quod, quamvis in aeternitate non | nisi infinitatem possumus videre, tamen ipsa infinitas, quae est | ipsa aeternitas, cum sit negativa, non potest intelligi ut generans,| sed bene aeternitas, quoniam aeternitas est affirmativa unitatis sive | praesentiae maximae.“  Mit der negativen Theologie scheint besonders die Offenbarung Gottes gefährdet zu sein: Die Trinität wird durch die radikale negativ Theologie proklischer Prägung zerstört. Aus Rücksicht auf die Christlichkeit von Cusanus wird die negative Theologie in ihrer radikalen Form daher durch die Forschung zurückgewiesen. Hierzu und zu weiteren Einwänden gegen die negative Theologie im Allgemeinen und ihrem Vorrang gegenüber der affirmativen Theologie im Speziellen ist vor allem auf Kurt Flasch zu verweisen (Flasch 1973, 320 – 327. Flasch 2008a, 56 – 57, 107– 115, 403 – 410, 422– 423). Walter Andreas Euler geht davon aus, Cusanus sei die negative Theologie zunehmend fragwürdiger geworden (Euler 2001, 135). Er weist dabei auf Cusanus’ Kritik an der negativen Theologie im Brief an die Mönche vom Tegernsee hin. Diesbezüglich ist aber Eulers Verweis auf De coniecturis eher verfehlt, da durch die zitierte Stelle gerade die reine Negativität des Absoluten apostrophiert wird (Euler 2001, 135, Anm. 15. Euler verweist auf De coni. (h III) I, c. 5, n. 21, 6 – 10). Euler geht ferner davon aus, Cusanus hätte die „einseitige Betonung der Verborgenheit Gottes und damit zugleich der negativen Theologie“ abgelehnt (Euler 2001, 139; Hervorh. Ro). In der Cribratio Alkorani schließlich hebt Euler negative und affirmative Theologie zugleich hervor (Euler 2001, 141– 142). Immerhin werde durch die affirmative Theologie Gott als Schöpfer und als Trinität ausgezeichnet (Euler 2001, 142). Ganz ähnlich argumentiert auch Agnieszka Kijewska (Kijewska 2002, 167. Vgl. auch Thurner 2001, 470 – 471). Davide Monaco geht als radikaler Gegner der negativen Theologie von einer aufbrechenden Distanz zwischen dem Absolutem und seinem Schöpferdasein durch die Negation aus (Monaco 2010, 91– 92). Außerdem meint er, dass ein „principio negativo […] una completa negazione del cristianesimo“ sei (Monaco 2010, 297. Kritisch dazu Rohstock 2012, 298 – 300). Walter Jaeschke hat in einem allgemeinen Rundumschlag die negative Theologie einer philosophischen Kritik unterzogen und zu zeigen versucht, dass die negative Theologie die Funktion der affirmativen Theologie nicht einfach übernehmen könne: Die negative Theologie beschränke sich auf die Aussage, Gott sei „unendlich und unfaßbar“. Gerade deshalb werde sie von der christlichen Theologie eher skeptische betrachtet (Jaeschke 2002, 303 – 314; hier 309).

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Grundsätzlich ist zu beachten, dass Cusanus’ Kritik an der negativen Theologie nicht gleich zu einer Aufwertung der affirmativen Theologie führt: An seiner kritischen Einstellung gegenüber der affirmativen Theologie ändert sich nichts.¹⁰² Die Hinwendung zum sich offenbarenden Gott ist also nicht einfach gleichbedeutend mit einer generellen Absage an die negative Theologie.¹⁰³ In diesem Zusammenhang muss vor einem drohenden Missverständnis gewarnt werden: Kurt Flasch hat die Meinung vertreten, dass die Leichtigkeit der Suche nach der Wahrheit besonders markant ab der Schrift Idiota de sapientia hervortrete: „Die Wahrheit ist beseligend, und sie ist leicht zu finden. Sie schreit auf den Gassen.“¹⁰⁴ Wenn aber Cusanus in De sapientia ausführt, wie leicht es ist, die Wahrheit Gottes zu begreifen, so meint er damit nicht, dass das Absolute vom menschlichen Geist vollständig und ohne Probleme eingesehen werden kann. Auch in seinen letzten Schriften unterstreicht er, dass das wahre Wissen um das Absolute letztlich ein Nicht-Wissen ist.¹⁰⁵ Hinzuzufügen ist, dass Cusanus das Absolute im Anschluss an Dionysios als überhelles Licht feiert, das gerade aufgrund seiner inkommensurablen Lichtfülle nichts anderes als Dunkelheit ist. Das Absolute ist demnach für Cusanus eminente Dunkelheit.¹⁰⁶ Das Absolute ist für Cusanus demnach nicht leicht zu erkennen, sondern bleibt stets unerkennbar. Cusanus’ Pointe hierbei ist, dass jedem, der das Absolute zu durchdenken versucht, die Unbegreiflichkeit des  Dies zeigt sich sowohl in Cusanus’ Brief an die Mönche vom Tegernsee als auch an der oben erwähnten Sermo CCLVIII (Vansteenberghe 1915, 114. Sermo CCLVIII (h XIX/5), n. 11, 9 – 21).  Dies wird auch von Kurt Flasch angedeutet (Flasch 2008a, 452– 453). Insbesondere aber wird dies sichtbar, wenn Flasch die Koinzidenz von negativer und affirmativer Theologie erarbeitet bzw. die Transzendenz des Absoluten gegenüber der Widersprüchlichkeit von negativer und affirmativer Theologie hervorhebt (Flasch 2008a, bes. 440 – 443).  Flasch 2008a, 255; vgl. 255 – 259.  De ven. sap. (h XII) c. 12, n. 31, 20 – 21: „Deus igitur cum praece|dat, non potest fieri comprehensibilis.“ Daher kann er im Anschluss auch folgende Schlussfolgerung ziehen; De ven. sap. (h XII) c. 12, n. 32, 1– 2: „Quanto igitur quis melius sciverit hoc sciri non posse, tanto | doctior.“ Die prinzipielle Unerkennbarkeit des Absoluten wird daher nicht durch Leichtigkeit aufgehoben. Es bleibt eine Tatsache, dass Cusanus in diesem Sinne die negative Theologie nicht hintergeht (vgl. Westerkamp 2006, 132).  Vgl. De poss. (h XI/2) n. 74, 12– 20: „[S]ed altissimo et ab | omnibus phantasmatibus absoluto intellectu omnibus transcen|sis ut nihil omnium quae sunt reperitur inintelligibilis ignoran|ter seu inintelligibiliter in umbra seu tenebra sive incognite. | Ubi videtur in caligine et nescitur, quae substantia aut quae res | aut quid entium sit, uti res, in quo coincidunt opposita, scilicet | motus et quies simul, non ut duo, sed supra dualitatem et | alteritatem. Haec visio in tenebra est, ubi occultatur ipse deus | absconditus ab oculis omnium sapientum.“ Dionysios hat dies insbesondere in De mystica theologica formuliert: s. dazu unten, III. Johann Kreuzer ist demgegenüber davon überzeugt, dass sich Cusanus letztlich in De apice theoriae von dieser dionysischen Ansicht und mithin auch von seiner eigenen Überzeugung kritisch abgesetzt habe (Kreuzer 2000, 203, Anm. 107. Kreuzer 2006, 397– 418; hier 413 – 414).

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Absoluten klar werden kann. Eine entsprechende philosophische Schulausbildung ist dafür nicht nötig, was in den Idiota-Dialogen durch die Kritik des Laien an Philosoph und Redner deutlich gemacht wird.¹⁰⁷ Eine lediglich methodische Leichtigkeit im Erkennen des Absoluten ist so von jedem zu erreichen: Jeder kann einsehen und darin wissend (doctus) werden, dass das Absolute nur im NichtWissen (ignorantia) erkannt werden kann.¹⁰⁸ Grundsätzlich ist also davon auszugehen, dass das Prinzip der Unerkennbarkeit des Absoluten auch in den mittleren und späten Dialogen nicht aufgegeben wird: Zwar ruft die Wahrheit auf den Plätzen, doch dieses Rufen ist, wie Stephan Grotz zu Recht herausgestellt hat, ein Aufruf des Absoluten an den erkennenden Geist, es als das zu suchen, was es ist: als das Unendliche.¹⁰⁹ Die angesprochene Spannung zwischen negativer und affirmativer Theologie scheint Cusanus aber nicht weiter zu stören. Cusanus deutet das ewige Wesen des  De sap. (h V) I, n. 1, 5 – 10. De mente (h V) c. 1, n. 55, 9 – 13. Vgl. Flasch 2008a, 253 – 255.  Vgl. dazu Kremer 2008, 59 – 75; hier 71– 72. Cusanus habe, so Klaus Kremer, eine höhere Form der negativen Theologie erreicht, die nicht mehr bloß alle Namen abwehre, sondern „auf ein höheres, besseres und stärkeres Sein“ hinweise, „für das kein Name“ ausreiche. Mit diesem Verständnis verteidigt Kremer auch Kurt Flaschs These von der Überwindung der „strenge[n] negativen Theologie“ (Kremer 2008, 72. Vgl. Flasch 2008a, 513). Kremer denkt also nicht, dass Kurt Flasch an einer vollständigen Überwindung negativer Theologie, sondern an der Überwindung der strengen negativen Theologie gelegen sei: Flasch sei es um „das andere Verständnis von Negation und Schweigen“ gegangen. Dieser Deutung Kurt Flaschs durch Klaus Kremer ist durchaus nachvollziehbar, hat doch Flasch die negative Theologie nicht einfach verabschiedet. Dennoch verdeutlichen die kritischen Äußerungen von Flasch zur negativen Theologie im Ganzen die Aversion Flaschs gegenüber der negativen Theologie. Man hat dabei besonders zu beachten, dass Flasch eine detaillierte Untersuchung von Cusanus’ Rezeption der proklischen Negationslehre nicht durchgeführt hat. Es ist aber zu vermuten, dass die Rezeption der von Proklos entworfener Negationslehre zu einer Neubewertung des Prinzipbegriffs bei Cusanus geführt hat. Flasch scheint demgegenüber eher die Meinung zu vertreten, dass die radikale negative Theologie als Absage an den Prinzipbegriff und an eine innerabsolute Relation zu sehen ist (Flasch 1973, 322– 325. Flasch 2008a, 56 – 57 und 107– 115). Davon abgesehen ist im Hinblick auf die ‚belehrte Unwissenheit‘, zweifelsohne eine der zentralsten Themen cusanischer Philosophie, auf Josef Stallmach hinzuweisen. Wesentliches Element der ‚belehrten Unwissenheit‘ ist, dass diese kein „bloßer Fehl an Wissen“ sein kann. Das Nichtwissen ist vielmehr Vollendung des Wissens (Stallmach 1982b, 83 – 97; hier 84). Dabei schließt sich das Absolute aber nicht einfach auf und wird erkennbar. Die Dimension der Unerkennbarkeit des Absoluten wird im Gegenteil gerade nicht hintergangen (Stallmach 1982b, 97). Zu beachten ist auch Kurt Flaschs Auseinandersetzung mit dem Konflikt zwischen Johannes Wenck von Herrenberg und Cusanus. Denn Wenck kritisiert den cusanischen Gedanken der belehrten Unwissenheit auf der Grundlage des scholastischen Wissensbegriffs (Flasch 2008b, 227– 241). Die Möglichkeiten und Grenzen der Gotteserkenntnis durch den Menschen wird weiter unten detailliert expliziert: s. unten, II.2.8.  Grotz 2009, 177.

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Absoluten als Bedingung für sein kreatives Verhältnis ‚nach außen‘. Oder anders ausgedrückt: Er sieht im Wesen des Absoluten den Schöpfergedanken angelegt: Gemäß seinem eigentlichen Namen – der für uns als unaussprechbar gilt und das Tetragramm ist, d. h. aus vier Buchstaben besteht, und der deshalb eigentümlicher Name ist, weil er Gott nicht zukommt gemäß irgendeiner Beziehung zu den Geschöpfen, sondern gemäß seinem eigenen Wesen – müßte man ihn deuten als ‚Einer und Alles‘ oder ‚Alles in Eins‘, was noch besser ist.¹¹⁰

Wenig später führt Cusanus weiter aus: Gott konnte ja von Ewigkeit her schaffen, sonst wäre er nicht Allmacht. Obwohl ihm also der Name ‚Schöpfer‘ im Hinblick auf die Geschöpfe zukommt, so kam er ihm auch schon zu, bevor ein Geschöpf existierte, da er von Ewigkeit her schaffen konnte.¹¹¹

Hier zeigt sich die Bedeutung des ‚Wesens‘ bzw. des ‚Seins‘ des Absoluten für seine kreative Tätigkeit: Schon ‚bevor‘ sich das Absolute kreativ auf seine Derivate bezieht, hat es die kreative Potenz in sich. Da das Absolute aber keine zeitliche Sukzession kennt, lässt das Absolute das Geschaffene auf ewige Weise in sich bestehen.¹¹² Das Absolute faltet alles aus seinem eigenen Wesen aus.¹¹³ Umgekehrt

 Übers. nach Senger (H 15a, 97); De doc. ign. (h I) I, c. 24, p. 48, 17– 21 [n. 75]: „Unde secundum ipsum proprium nomen – quod ineffabile per nos | dicitur et tetragrammaton sive quattuor litterarum est et ex eo | proprium, quia non convenit Deo secundum aliquam habitudinem | ad creaturas, sed secundum essentiam propriam – interpretari debet | ‚unus et omnia‘ sive ‚omnia uniter‘, quod melius est.“  Übers. nach Senger (H 15a, 101); De doc. ign (h I) I, c. 24, p. 50, 16 – 19 [n. 79]: „Nam ab aeterno Deus potuit creare, quia, nisi potuisset, | summa potentia non fuisset. Igitur hoc nomen ‚creator‘, quamvis sibi | in respectu ad creaturas conveniat, tamen etiam convenit, antequam | creatura esset, quoniam ab aeterno creare potuit.“  Hierfür lassen sich zahlreiche Stellen aus dem gesamten cusanischen Œuvre heranziehen. Paradigmatisch sei hier auf die frühe Schrift De dato patris luminum, die mittlere Schrift Idiota de mente und auf die Spätschriften De principio und De possest verwiesen: In De dato patris luminum wird die ‚defekte‘ Ewigkeit des Universums aus der vollkommenen Ewigkeit des Absoluten, in der die Welt in vollkommener Ewigkeit besteht, abgeleitet: De dato (h IV) c. 3, n. 106, 6 – 12: „Aeternitas igitur mundi principiata est et aeternus mundus | factus est, neque est alius mundus, qui apud patrem est aeternus, et | alius, qui per descensum a patre est factus, sed idem ipse mundus sine | principio et principiative per descensum in esse proprio suo receptus, | qui et apud patrem non est transmutabilis sed perpetua stabilitate | atque in summa claritate absque omni vicissitudine obumbrationis | idem ipse qui et pater persistens.“ De mente (h V) c. 11, n. 130, 5 – 8: „Habes omnia ab aeterno in deo deum esse. Considera igitur | rerum universitatem in tempore. Et cum impossibile non fiat, nonne | vides eam ab aeterno fieri potuisse? | Philosophus: Mens assentit.“ De princ. (h X/2b) n. 23, 1– 2: „In aeterno sunt omnia ipsum aeter|num per se subsistens, a quo sunt, quaecumque facta sunt.“ De poss. (h XI/2) n. 16, 9 – 15: „Iohannes:

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faltet es in sich alle Dinge ein, die es kreativ nach außen entfaltet. Wenn aber Cusanus behauptet, das Absolute sei „unus et omnia“¹¹⁴, so hat er damit keine pantheistische Formel aufgestellt: Dem Gedanken des Pantheismus tritt Cusanus explizit mit der transzendierenden Negation entgegen.¹¹⁵ Sie ist und bleibt fundamentaler Bestandteil seines Denkens. Das Absolute ist also alles, weil es Grund aller Dinge ist. Zugleich ist es aber über allen Dingen und nichts von allem. Die klar herausgestellte Transzendenz wiederum hindert Cusanus freilich nicht, das Absolute als Grund aller Dinge zu betrachten.¹¹⁶ Das Absolute ist für ihn transzendenter Grund oder in absoluter Transzendenz Grund aller Dinge. Dennoch scheint der für die Transzendenz so wichtige Negationsbegriff mit der Prinzipfunktion in Konflikt zu geraten. Eine paradoxe Situation lässt sich diesbezüglich kaum leugnen.¹¹⁷ So sieht alles zunächst danach aus, als habe Cusanus die negative Theologie abschwächen wollen, um den kreativen Bezug des Absoluten zum Seienden deutlich werden zu lassen.

Recte dicis. Nam si non est posse esse, nihil est, et | si est, omnia id sunt quod sunt in ipso et extra ipsum nihil. | Omnia igitur quae facta sunt in ipso ab aeterno necesse est | fuisse. Quod enim factum est, in posse esse semper fuit, sine | quo factum est nihil. Patet possest omnia esse et ambire, cum | nihil aut sit aut possit fieri, quod non includatur. In ipso ergo | omnia sunt et moventur et id sunt quod sunt quicquid sunt.“  Der Gedanke der Ein- und Ausfaltung wird von Cusanus prägnant in De doc. ign. (h I) II, c. 3, p. 72, 13 – 16 [n. 111] dargelegt: „[S]cias Deum omnium rerum complicatio|nem et explicationem, et – ut est complicatio – omnia in ipso esse | ipse, et – ut est explicatio – ipsum in omnibus esse id quod sunt, | sicut veritas in imagine.“ Vgl. bes. Beierwaltes 1980, 144– 175. Riccati 1983, 110 – 122.  De doc. ign. (h I) I, c. 24, p. 48, 21 [n. 75].  Die Forschung hat sich schon seit Längerem zu Recht darum bemüht, den Pantheismusgedanken für Cusanus unmöglich zu machen (Bes. Dupré 2006, 74– 88; bes. 80 – 88. Vgl. auch Moran 1990, 131– 152). Wichtigstes Argument gegen den Pantheismus ist, dass das Absolute für Cusanus gerade keine Wesenheit oder Substanz ist und gerade dadurch allen intelligiblen wie sinnlich-kreatürlichen Seienden gegenüber transzendent ist und mithin nicht mit diesen identisch sein kann: s. hierzu bes. unten, II.2.4.  Vgl. Flasch 2008a, 114. Das Absolute steht also gerade über dem Gegensatz von affirmativer und negativer Theologie.  Man kann diesbezüglich darauf hinweisen, dass etwa in der Cribratio Alkorani der Name „creator“ Gott über die affirmative Theologie zugeschrieben wird; Crib. Alk. (h VIII) II, c. 1, n. 90, 1– 2: „De theologia affirmativa, secundum quam deus est creator trinus | et unus.“ Demgegenüber wird in der negativen Theologie, wie sich eben gezeigt hat, jede affirmative Bezeichnung, also auch die Trinität und der Name „creator“ negiert (so etwa De vis. (h VI) c. 12, n. 50, 4– 10). Der paradoxe Charakter der Dichotomie affirmativer und negativer Theologie scheint also auch in die Spätphase von Cusanus noch durch. Cusanus möchte hiermit darauf hinweisen, dass diese Dichotomie zu überwinden ist. Und die Überwindung dieses paradoxen Charakters gelingt Cusanus in De li non aliud: s. unten, bes. II.2.3 – 5, II.2.7 und auch V.

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Die Tatsache, dass Cusanus das Absolute negativ entrückt, scheint darauf hinzuweisen, dass das Absolute durch eine Negation als das ganz Andere enthoben wird. Das Absolute würde in diesem Fall aber als absolute Differenz zu all seinen Derivaten begriffen. Wenn die transzendierende Negation als eine Spielart andersheitlicher Negation gefasst wird, besteht in der Tat die Gefahr, das Absolute von seinen Derivaten abzugrenzen. Ein genauerer Blick zeigt jedoch, dass der Sachverhalt weitaus komplexer ist.

1.4. „Negatio negationis“ als Ausdruck absoluter Transzendenz Insofern die transzendierende Negation in der neuplatonischen Tradition explizit auf das Absolute bezogen wird, erscheint sie häufig in der speziellen Form doppelter Negation, der Negation der Negation (negatio negationis). Die doppelte Negation ist dabei der letzte, ultimative Transzendierungsschritt. Er ist fundamentaler Bestandteil des Denkens neuplatonischer oder vom Neuplatonismus inspirierter Quellen von Cusanus.¹¹⁸ Es ist daher nicht erstaunlich, dass die doppelte Negation auch bei Cusanus zu finden ist. Zwar verwendet Cusanus den Begriff „negationis negatio“ nur ein Mal.¹¹⁹ Die doppelte Negation ist der Sache nach bei Cusanus aber eindeutig öfter zu finden. Zunächst einmal kann man die Radikalität der cusanischen Negation pointieren: Alle Theologen haben ja in Gott etwas über alles Begreifen Großes gesehen und haben deshalb von ihm gesagt, er sei ‚überwesentlich‘, ‚über alle Namen‘ und ähnliches. Dabei haben sie mit ‚über‘, ‚ohne‘, ‚un-‘, ‚nicht‘, ‚vor‘ nicht jeweils eine andere Eigenschaft in Gott für uns bezeichnet; denn es ist dasselbe zu sagen, er sei übersubstanziale Substanz, und, er sei Substanz ohne Substanz, unsubstanziale Substanz, nichtsubstanziale Substanz, Substanz vor der Substanz.¹²⁰

 S. dazu unten, III, IV.2.3 und IV.3.2.  Sermo CCXVI (h XIX/1) n. 16, 16 – 21: „Unde Deo | ‚nulla convenit negatio seu privatio, sed | propria est sibi et sibi soli negationis ne|gatio, quae est medulla et apex purissimae | affirmationis, secundum illud: ‚Ego sum qui | sum‘‘“. Cusanus zitiert hier offenbar Meister Eckhart, weswegen einige Forscher das Nicht-Andere vor dem Hintergrund der Deutung Meister Eckharts interpretieren (Exp. in Ioh. (LW III) p. 175, 5 – 7. Beierwaltes 2001a, 164. Beierwaltes 2010, 97. Monaco 2010, 181, Anm. 67). Eckhart deutet aber die doppelte Negation bekanntlich als reine Affirmation (Halfwassen 1997, 337– 359; bes. 347– 349. Westerkamp 2006, 123 – 132). Cusanus’ Deutung der doppelten Negation wird im Folgenden expliziert.  Übers. nach Wilpert (H 12, 11); De non aliud (h XIII) c. 4, p. 8, 23 – p. 9, 3 [n. 11]: „Omnes enim theologi Deum viderunt quid maius esse quam | concipi posset, et idcirco ‚supersubstantialem‘, ‚supra omne nomen‘ | et consimilia de ipso affirmarunt, neque aliud per ‚super‘,

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Markant wird der absolute Überstieg des Absoluten auch durch den Begriff „superexaltatus“ betont.¹²¹ Das Absolute ist für Cusanus so stets „mehr als“ (plus quam) Seiendes und Substanz, aber auch mehr als Schöpfer, Sein oder Wesen.¹²² Das Absolute ist also demnach überwesentliche ‚Wesenheit‘ oder das Über-Wesen schlechthin.¹²³ Diese Negationsformeln gipfeln bei Cusanus letztlich in der Überwindung der Dichotomie von Affirmation und Negation. Deutlich geht Cusanus über diese Dichotomie bereits in De coniecturis hinaus: Man müsse vom Absoluten „divinaliter“, nicht „intellectualiter“ sprechen, denn das Absolute sei jenseits der Koinzidenz. Cusanus hat damit seine Auffassung zur negativen Theologie präzisiert: Er negiert nicht einfach affirmative Begriffe in Bezug auf das Absolute. Er negiert affirmative Aussagen und negative Aussagen, die kopulative Koinzidenz affirmativer und negativer Aussagen und schließlich auch die Disjunktion affirmativer und negativer Aussagen. Cusanus geht über die Konjunktion und Disjunktion von Affirmation und Negation hinaus, er übersteigt sie also jeweils einzeln als auch in ihren Zusammenhängen negierend. ¹²⁴ Diese Position vertritt

aliud per | ‚sine‘, aliud per ‚in‘, aliud per ‚non‘ et per ‚ante‘ nobis in Deo ex|presserunt; nam idem est ipsum esse substantiam supersubstantia|lem, et substantiam sine substantia, et substantiam insubstantialem, | et substantiam non-substantialem, et substantiam ante substantiam.“ Vgl. De doc. ign. (h I) I, c. 18, p. 37, 4– 6 [n. 54]. De ven. sap. (h XII) c. 18, n. 52, 8 – 12.  De vis. (h VI) c. 9, n. 35, 11– 13: „Nec tamen moveris nec quiescis, quia es | superexaltatus et absolutus ab omnibus illis, quae concipi aut | nominari possunt.“ Vgl. De vis. (h VI) c. 12, n. 47, 11– 13. De princ. (h X/2b) n. 36, 7– 9. De princ. (h X/2b) n. 38, 20 – 22.  De vis. (h VI) c. 12, n. 50, 4– 10; Hervorh. Ro: „Sed absolutam cum te video infinitatem, cui nec | nomen creatoris creantis nec creatoris creabilis competit, tunc | revelate te inspicere incipio et intrare hortum deliciarum, quia | nequaquam es aliquid tale, quod dici aut concipi potest, sed in | infinitum super omnia talia absolute superexaltatus. Non es igitur | creator, sed plus quam creator in infinitum, licet sine te nihil fiat | aut fieri possit.“ Vgl. De doc. ign. (h I) I, c. 18, p. 36, 31– 32 [n. 54]. Cusanus’ Formulierung in De visione dei erinnert wohl nicht zufällig an Johannes Scottus Eriugena: s. dazu unten, IV.3.2– 3 und V.  Völlig verfehlt ist demgegenüber die Deutung des Absoluten als „höchstes Sein“ durch Fritz Nagel (Nagel 1984, 9). Denn das Absolute ist gerade kein Sein, sondern Übersein.  De coni. (h III) I, c. 5, n. 24, 1– 9; Hervorh. Ro: „Nam in ante expositis | De docta ignorantia memor sum de deo me intellectualiter saepe | locutum per contradictoriorum copulationem in unitate simplici. Iam | autem in proxime praemissis divinaliter intentum explicavi. Impro|portionabiliter simplicior est negatio oppositorum disiunctive ac | copulative quam eorum copulatio. Aliter autem divine secundum | primae absolutae unitatis conceptum de deo, aliter secundum hanc | intellectualem unitatem dicendum multoque adhuc bassius secundum | rationem.“ Vgl. De coni. (h III) I, c. 5, n. 21, 9 – 14: „Absolutior igitur veritatis exstitit conceptus, qui ambo | abicit opposita, disiunctive simul et copulative. Non poterit enim | infinitius responderi ‚an deus sit‘ quam quod ipse nec est nec non | est, atque quod ipse nec est et non est. Haec est una ad omnem | quaestionem altior, simplicior, absolutior conformiorque responsio |

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Cusanus auch noch später, wobei er sie präzisiert: „Tunc vides contradictoria negari ab ipso, ut neque sit neque non sit | neque sit et non sit neque sit vel non sit.“¹²⁵ Die Radikalität dieses Negationsaktes ist nicht zu unterschätzen: Cusanus übernimmt hier offenbar die radikale negative Formulierung von Proklos, um alle möglichen Aussageweisen bezüglich des Absoluten zu negieren und so durch Negation zu transzendieren.¹²⁶ Wenngleich Cusanus den Versuch, Begriffe vom Absoluten zu bilden, nicht aufgibt, ist letztlich überhaupt kein Begriff oder Name dem unendlichen und undenkbaren Absoluten angemessen. Cusanus geht dabei nicht nur über Seiendes und auch über das Sein selbst, sondern über jeden transzendentalen Begriff und sogar über die im Neuplatonismus gebräuchlichen henologische Begriffe des Einen und Guten hinaus.¹²⁷ Das Absolute ist so an ihm

ad primam ipsam simplicissimam ineffabilem entitatem.“ Vgl. auch Koch 1956, 45. Man kann also konstatieren, dass Cusanus in De coniecturis eine durchaus radikale Negationslogik vertritt. Zur hier nicht weiter untersuchbaren Frage, inwiefern Cusanus’ seinen Koinzidenzgedanken in De coniecturis gegenüber De docta ignorantia weiterentwickelt hat, s. Falsch 1973, 182– 187.  De princ. (h X/2b) n. 19, 14– 15. Vgl. De Deo absc. (h IV) n. 10, 13 – 17: „Quod neque nominatur neque non nominatur, neque | nominatur et non nominatur, sed omnia, quae dici possunt disiunc|tive et copulative per consensum vel contradictionem, sibi non con|veniunt propter excellentiam infinitatis eius, ut sit unum principium | ante omnem cogitationem de eo formabilem.“  Cusanus scheint sich bereits in De coniecturis bezüglich der negierenden Transzendierung von Gegensätzen auf Proklos zu berufen (Bormann 2001, 93. Vgl. D’Amico 2007, 33 – 64; hier 35 – 36 und 43 – 44). Besondere Beachtung schenkt Cusanus Proklos später in De principio. Karl Bormann und Heide D. Riemann weisen in der kritischen Ausgabe zu De principio gerade auf Proklos als Quelle für die umfangreiche Negationsformel hin (h X/2b, p. 27). Besonders eindringlich lässt sich in dieser Hinsicht der Einfluss von Proklos auf Cusanus auch anhand der cusanischen Marginalien dokumentieren; Cusanusmarg. 619; Bormann 1986, 153: „Plato simul mentiri dicit affirmaciones et abnegaciones in deo indicibili“ (vgl. Cusanusmarg. 620; Bormann 1986, 153: „contradictio in indicibili simul falsa. in solis dicibilibus diuidit verum et falsum“). Daraus folgt für Cusanus, dass die Negation bezüglich des Absoluten wahrer sind. So ist das Absolute für Cusanus gerade keine Vielheit und keine Totalität. Vielheit und Totalität ist allein das seiende Eine (vgl. Cusanusmarg. 488; Bormann 1986, 121: „vnum non multa. totum multa ergo vnum non totum“. Cusanusmarg. 535; Bormann 1986, 132: „omnia abnegatur ab vno. quae de vno ente affirmantur“).  Das Absolute übersteigt bei Cusanus, wie in der neuplatonischen Tradition allgemein üblich, alle Namen und alle Begriffe. Damit übersteigt es auch alle Transzendentalien: Cusanus lässt so die im Neuplatonismus gebräuchlichen Namen des Einen und des Guten nicht mehr gelten (De princ. (h X/2b) n. 26, 1– 3: „Dixi autem superius per se subsistenti nullum nomen convenire, | quoniam innominabile, indicibile et ineffabile est; etiam sibi li unum | proprie non convenit.“ Vgl. Bormann 2001, 94). In De li non aliud wird Cusanus den Begriff ‚non aliud‘ als besten Gottesbegriff deuten und ihn vor allen Transzendentalien und sogar vor dem Einen ‚verorten‘, insofern das Nicht-Andere die Bedingung ist, durch die alle Transzendentalien

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selbst reine Negativität. ¹²⁸ Mit der Negationsformel wird aber nicht die völlige Auflösung der Negation intendiert. Sie ist hier vielmehr das entscheidende Mo-

überhaupt sind (De non aliud (h XIII) c. 4, p. 9, 29 – p. 10, 29 [n. 13 – 14]). In diesem Sinne macht Josef Stallmach zutreffend auf die „übertranszendentale Stellung“ des Nicht-Anderen aufmerksam (Stallmach 1960, 329 – 335; hier 330). Gerhard Schneider geht demgegenüber davon aus, dass die Transzendentalien „im Nichtanderen enthalten“ seien. Schließlich stelle Cusanus die Transzendentalien dem Nicht-Anderen nicht einfach nach (Schneider 1970, 138 – 141; hier 141). Mariano Alvarez-Gómez geht nicht von einer Gleichsetzung des Absoluten mit den Transzendentalien aus. Vielmehr sei es Cusanus um die Transzendenz des Absoluten jenseits transzendentaler Begriffe gegangen (Alvarez-Gómez 1968, 225). Melanie Bender schließlich folgt der Deutung Stallmachs (Bender 2010, 297– 299). Sehr kritisch gegenüber den Transzendentalien in De li non aliud ist Hans G. Senger eingestellt (Senger 2003, 556 – 577). Jan A. Aertsen hat diese Position zu Recht relativiert: Die Transzendentalien würden nicht einfach eliminiert. Er korrigiert Sengers Deutung, indem er die Transzendenz des Nicht-Anderen gegenüber den Transzendentalien herausstellt; Aertsen 2012, 565: „Their meaning is rather relativized, insofar as they are transcendable – a criticism that likewise holds for the Neoplatonic henology.“ Damit begreift er das Nicht-Andere wie Josef Stallmach als „supertranscendental“ (Aertsen 2012, 566). Grundsätzlich haben die Transzendentalien für Cusanus insbesondere in De li non aliud keine kreative Bedeutung mehr. Die kreative Funktion übernimmt das Nicht-Andere vollständig, weswegen es auch die Transzendentalien von sich abhängig machen kann. Wenn Cusanus das Nicht-Andere den Transzendentalien als deren Grund ‚vorordnet‘, entfernt er sie aber nicht einfach aus seinem System: Graziella Federici-Vescovini betont die Bedeutung der Transzendentalien für Cusanus. Ihrer Meinung nach sind sie für die Möglichkeit der Gotteserkenntnis durch den menschlichen Geist relevant; Federici-Vescovini 2002, 103 – 120; hier 104: „On les définit comme les modes notionells pour concevoir l’inconcevable.“ Dirk Cürsgen vertritt bezüglich der (platonischen) Ideen in De li non aliud eine ähnliche Position: So deutet er die Ideen nicht als „Kausalinstanzen“ (Cürsgen 2007a, 113), sondern als „kausal konkretisierende Perspektiven des begreifenden Geistes auf das Andere“ (Cürsgen 2007a, 114). Vor diesem Hintergrund geht er davon aus, dass die Vielheit der Ideen „auf das Singulum der reinen Negativität zurückgeführt und in ihm aufgehoben“ werde (Cürsgen 2009, 363). Vorwegnehmend muss darauf hingewiesen werden, dass das Absolute gerade intelligible und transzendentale Bestimmungen schafft und dass diese daher nicht einfach aufgelöst werden können: s. unten, II.2.6.  Bes. Mojsisch 1991, 687– 691 und Mojsisch 1996, 444– 451. Cürsgen 2007a, 91– 126; bes. 101, Anm. 26. Cürsgen 2009, 341– 369; bes. 355 mit Anm. 15. Vgl. Duclow 1974, 175 – 178. Machetta 2005, 165 – 181. Ríos 2005, 219 – 226; bes. 226. Westerkamp 2006, 135. Dagegen nimmt Kurt Flasch an, dass in De coniecturis die negative Theologie ihren Vorrang verliere (Flasch 2008a, 161. Vgl. Euler 2001, 135 mit Anm. 15. Monaco 2010, 97). Dass Cusanus die Koinzidenz von affirmativer und negativer Theologie „souverän“ vortrage, glaubt Flasch aber erst ab der Apologia doctae ignorantiae (Flasch 2008a, 186 – 187) und den Idiota-Dialogen (Flasch 2008a, 265 – 266) konstatieren zu können. Dieses Programm der Koinzidenz habe Cusanus aber nach 1453 zunehmen vernachlässigt. So kommt Flasch zu dem für ihn enttäuschenden Ergebnis, dass Cusanus letztlich den Vorrang der negativen Theologie nicht entschieden genug bekämpft habe (Flasch 1973, 327– 328). Zur weiteren Entwicklung der Frage, inwiefern Cusanus das Absolute als reine Negativität sieht: s. unten, II.2.2 – 4.

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ment zum richtigen Verständnis von Cusanus’ Metaphysik. Daher erfolgt das „divinaliter loqui“ über das Absolute gerade „vermittels reiner Negation“.¹²⁹ Cusanus scheint allerdings in De coniecturis nicht die ganze Tragweite seiner Negationsformel vollständig erkannt zu haben. Dies bleibt dem späten Cusanus vorbehalten, der einen speziellen negativen Begriff vom Absoluten, also das NichtAndere entwickelt.¹³⁰ Die umfassende Negation von Cusanus hat in De li non aliud ihren bemerkenswerten Höhepunkt: Das Nicht-Andere ist der Begriff vom Absoluten oder der „conceptus absolutus“.¹³¹ Natürlich ist hierbei zu erwähnen, dass für Cusanus nicht nur das Nicht-Andere „absoluter Begriff“ ist.¹³² Gegenüber anderen Begriffsentwürfen hat das Nicht-Andere aber gerade einen negativen Charakter: Dieser Begriff wird bewusst als doppelte Negation konstruiert. Für Cusanus ist jedes Andere (aliud), wie bereits gezeigt, Ausdruck eines relationalen Nicht-Seins. Demgegenüber ist ‚non aliud‘ die Verneinung des relationalen Nicht-Seins. Also ist das Nicht-Andere die Negation der Negation und mithin die gemeinte doppelte Negation. Cusanus hat diese doppelte Negation verwendet, um dem Paradoxon

 Mojsisch 1991, 690 – 691. Demgegenüber vernachlässigt Hans G. Sengers Deutung der ‚divinalen Sprechweise‘ als „kopulativ, koinzidenteller Gebrauch von Oppositionsbegriffen“ den negativen Überstieg über kopulative und disjunktive Aussagemodi (Senger 1979, 74– 100; hier 93). Wenn man das Absolute aber intellectualiter als „Ineinsfall der Gegensätze“ fasst, hat man, so Josef Stallmach, „den bloß konjekturalen Charakter auch der Vernunftaussagen noch nicht genügend in Rechnung gestellt“ (Stallmach 1982a, 13 – 45; hier 34. Vgl. Stallmach 1979, 56 – 73; hier 69 – 73). ‚Divinales Sprechen‘ ist im Gegenteil der Versuch, translogisch vom Absoluten zu sprechen und somit den „Standpunkt der absoluten mentalen Einheit“ einzunehmen (Mojsisch 1991, 690 – 691). Nach Mojsisch ist das Absolute bzw. die erste Einheit der ‚mens ipsa‘ gegenüber den drei niederen Einheiten in De coniecturis reine Negation: Das Absolute ist die Negation von Affirmation und Negation, also der zweiten Einheit, die Negation von Affirmation oder Negation, also der dritten Einheit und die Negation der reinen Affirmation, also der vierten Einheit. Wer diesen Sachverhalt erkenne, der habe Gott „divinaliter“ erkannt; Mojsisch 1996, 447: „Gott ist reine Negation, die alles, was er nicht ist, negiert; das aber kann erkannt werden, und zwar dann, wenn auf divinale Weise erkannt wird. Daß aber auf divinale Weise erkannt werden kann, hat Cusanus demonstriert, indem er präzis entfaltet hat, was reine Negation bedeutet.“  Eine sachliche Verbindung von De coniecturis, worin das Absolute als „reine Negation“ beschrieben wird, und De li non aliud, worin die reine Negativität des Absoluten als NichtAnderes ausgedeutet wird, wird durch die überzeugende Deutung Burkhard Mojsischs suggeriert (Mojsisch 1991, 687– 689). Das Kunststück der Überwindung der Widersprüchlichkeit negativer und affirmativer Theologie und ihrer ‚Synthese‘ unter dem Primat der Negativität ist Cusanus aber erst in De li non aliud gelungen: s. unten, II.2.3 – 4, II.2.6 – 7 und V.  De non aliud (h XIII) c. 20, p. 49, 17– 21 [n. 94]. Zur Begrifflichkeit auch des Begriffs ‚non aliud‘: s. unten, II.2.8.  De sap. (h V) II, n. 34– 35. De poss. (h XI/2) n. 40, 6 – n. 41, 8. Vgl. auch De coni. (h III) I, c. 6, n. 24, 6 – 9.

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der Dichotomie von Affirmation und Negation entgehen zu können.¹³³ Denn diese Negation steht über der Dichotomie von Affirmation und Negation: Ferdinand: Setzt das ‚Nichtandere‘ etwas, oder hebt es etwas auf? Nikolaus: Es zeigt sich vor aller Setzung und Aufhebung. Ferdinand: Es ist also nicht Substanz, nicht Seiendes, nicht Eines, noch sonst irgend etwas.¹³⁴

Cusanus hat mit diesem speziellen Negationsbegriff die transzendierende Negation präzisiert und weiterentwickelt. Struktur und Funktion der transzendierenden Negation ‚non aliud‘ sollen weiter unten näher erörtert werden. Für den Moment genügt es, die doppelte Negation und darüber hinaus jede der von Cusanus eingeführten Doppelungen, also „Definition der Definition“¹³⁵, „Wesen der Wesen“¹³⁶ oder „Form der Formen“¹³⁷, als ultimativen Transzendierungsschritt anzusehen. Hier kommt zum Ausdruck, dass das ‚Wesen der Wesen‘ oder die ‚Substanz der Substanz‘ gerade nicht als Wesen oder Substanz, sondern als Ne-

 De non aliud (h XIII) c. 23, p. 55, 29 – p. 56, 6 [n. 107]. An dieser Stelle wird die Dichotomie der Namen „das Gute“ und „das Nicht-Gute“ zugunsten der besseren Bezeichnung „non aliud“ aufgelöst. Das Nicht-Andere ist eine Negation eines konträren Negationstypus (aliud). Es ist so transzendent gegenüber allen Gegensatzformen, weil es Identität und Differenz übersteigt: s. unten, II.2.4, II.2.6 – 7 und V.  Übers. nach Wilpert (H 12, 11); De non aliud (h XIII) c. 4, p. 9, 12– 15 [n. 12]: „Ferdinandus. Ponitne ‚non aliud‘ aliquid, aut aufert aliquid? | Nicolaus. Videtur ante omnem positionem atque ablationem. | Ferdinandus. Neque igitur est substantia, neque ens, neque | unum, neque aliud quodcumque.“  De non aliud (h XIII) prop. II – III, p. 61, 6 – 10 [n. 114]: „Secunda: Quisquis videt verissimum esse, quod definitio est non | aliud quam definitio, is etiam videt ipsum ‚non aliud‘ definitionis | esse definitionem. | Tertia: Qui videt, quod ‚non aliud‘ est non aliud quam non | aliud, videt ‚non aliud‘ definitionis esse definitionem.“ Vgl. De non aliud (h XIII) c. 1, p. 4, 5 – 7 [n. 3]).  De non aliud (h XIII) c. 10, p. 22, 10 – 11 [n. 37]: „‚Non aliud‘ quidem non est essentia, sed, quia in essentiis essentia, | essentia dicitur essentiarum.“  De non aliud (h XIII) c. 10, p. 23, 19 – 20 [n. 40]: „Unde ‚non aliud‘ formarum est forma sive formae forma et | speciei species et termini terminus et de omnibus eodem modo“. Hiermit wird zugleich deutlich, dass sich diese Liste an Doppelungen noch fortsetzen ließe, wie sich an anderer Stelle durch die Doppelungen „Substanz der Substanzen“ und „Wesenheit der Wesenheiten“ auch prägnant zeigt; De non aliud (h XIII) c. 21, p. 51, 2– 6 [n. 97]: „Anterioriter | igitur vidit [scil. Platon] ad illa, quae alia, instabilia et variabilia, ipsum, quod | quidem aliud praecedit, omnium substantiarum substantiam et | quidditatum esse quidditatem, quae cum in omnibus omnia sit, illa | ipsum est, quod per ‚non aliud‘ significatur.“ Eine Ausnahme ist dabei das Unendliche, denn über dieses hinaus kann man nach Cusanus nicht gelangen (De non aliud (h XIII) c. 10, p. 23, 20 – 22 [n. 40]). Dasselbe gilt auch für den Begriff des absoluten NichtAnderen selbst, über den man ebenso wenig hinausgehen kann. Denn das absolute NichtAndere ist gerade Ausdruck der Unendlichkeit: s. auch unten, II.2.8.

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gation von Wesen und Substanz und damit als überwesentliches oder überseiendes ‚Wesen‘ gedeutet wird. Wenngleich einige Forscher die Negativität des Absoluten völlig zu Recht vertreten, ist diese Position doch keineswegs unumstritten. So wird die doppelte Negation zuweilen als reine Affirmation gedeutet.¹³⁸ Diese Negation ist aber kein aufzulösendes Moment, sondern eine von Cusanus bewusst ausgedeutete Negationsform, deren Ziel der transzendierende Überstieg über gegensätzliche Aussagen und über jede Form der Gegensätzlichkeit ist.¹³⁹ Eine Sonderform kritischer Einstellung gegenüber der Negation im Denken des Cusanus stellt die Interpretation von Stephan Grotz dar: Aufbauend auf Klaus Jacobi deutet er die Negation konsequent aus einer ‚endlichen‘ Perspektive heraus.¹⁴⁰ Ohne bereits an dieser Stelle Cusanus’ Negationslogik näher vorstellen zu können, kann grundsätzlich darauf verwiesen werden, dass Grotz’ Negationsverständnis von der fragwürdigen Voraussetzung ausgeht, Cusanus’ transzendierende Negation sei eine logisch auflösbare Konstruktion. Grotz glaubt, die Koinzidenz im Absoluten sei die Ne-

 Besonders hervorzuheben ist diesbezüglich Werner Beierwaltes: Diesem gilt die doppelte Negation bei Cusanus als reine Affirmation, insbesondere weil Beierwaltes Meister Eckhart als Quelle für Cusanus vermutet (Beierwaltes 2001a, 164. Beierwaltes 2010, 97. Vgl. Beierwaltes 1980, 166, bes. Anm. 90). Ihm ist Davide Monaco gefolgt. Dieser geht darüber hinaus davon aus, dass ein negatives Prinzip die Negation der Christlichkeit überhaupt sei (Monaco 2010, 297). Aus diesem Grund müsse das Nicht-Andere als „purissima affirmazione“ verstanden werden (Monaco 2010, 149 und 317). Ähnlich äußern sich diesbezüglich Paul Wilpert, Josef Stallmach, Gerhard Schneider und Gerda von Bredow (H 12, XVII. Stallmach 1960, 332. Schneider 1970, 143 – 154; bes. 149 – 150. Bredow 1995a, 56). Eine Sonderrolle nimmt Siegfried Dangelmayr ein (Dangelmayr 1969, 226 – 256). Dieser geht zwar davon aus, dass die doppelte Negation die „Positivität des idem“ wiederherstelle (Dangelmayr 1969, 231– 232). Allerdings hält er an der verneinenden Begriffsstruktur des Nicht-Anderen fest: Damit betont er die „Negativität“ dieses Gottesbegriffs, die für ihn die „definierende Aktivität des non aliud“ ausmacht (Dangelmayr 1969, 247; vgl. 255). Gerade so kann er auf die „absolute Selbstbewegung“ des Nicht-Anderen hinweisen (Dangelmayr 1969, 232– 233). In dieser Hinsicht ist Dangelmayrs Deutung eindeutig zu loben, zumal hierin erstmals der Gedanke an einen negativen Selbstbezug des absoluten Urgrundes angedeutet wird.  Grundsätzlich hintergeht die These, das Absolute sei ‚reine Affirmation‘, den Negationscharakter des Begriffs ‚non aliud‘. Wie noch zu zeigen sein wird, hat Cusanus bewusst einen negativen Begriff entworfen, um zu einer logischen Neubewertung der Negation zu gelangen, die Gegensätze gerade transzendiert: s. dazu unten, II.2.2. Nur deshalb kann die reine Negativität überhaupt Grund aller Dinge sein: s. dazu unten, II.2.4– 7.  Grotz 2009, 128 – 129. Vgl. Jacobi 1969, 156. Es ist an dieser Stelle darauf hinzuweisen, dass der cusanischen Begriff ‚non aliud‘ durchaus auf Endliches ‚bezogen‘ ist und in gewissem Maß ‚der Differenz verhaftet‘ bleibt. Für Kurt Flasch verliert das Nicht-Andere seinen „Sinn“, „wenn es kein aliud gibt“ (Flasch 1973, 281– 282). Cusanus hat dieses ‚Verhaftet-Bleiben‘ des Begriffs ‚non aliud‘ bewusst in Kauf genommen: s. unten, II.2.8.

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gation der Unterschiedlichkeit von konjunktional-kopulativer Koinzidenz und disjunktiver Koinzidenz. Demgemäß negiere Cusanus die Gültigkeit dieser beiden koinzidentalen Aussageweisen für das Absolute gerade nicht.¹⁴¹ Die Koinzidenz meine also weder eine Disjunktion von Seienden, denn es sei nicht ein Anderes gegenüber seinen Derivaten, noch eine Konjunktion mit Seienden, denn es sei nicht mit seinen Derivaten identisch. Diese Negationen hielten aber Disjunktion und Konjunktion als Aussageweisen für das Absolute offen: Grotz stellt so die These auf, „¬ D[isjunktion] ∧ ¬ K[onjunktion]“ gehe in „¬ (D[isjunktion] ∨ K[onjunktion])“ über.¹⁴² Diese These geht grundsätzlich an der Pointe von Cusanus’ Verständnis der Negation als transzendierende Negation vorbei, auch wenn Grotz einige wichtige Aspekte herausstellt: Grotz entwirft diese These, um die Andersheit aus dem Absoluten herleiten zu können. Für ihn ist die Andersheit, wie oben bereits gezeigt werden konnte, nicht einfach ein korrumpierendes Element. Das ‚Offenhalten‘ der Aussageweisen soll damit helfen, die Prinzipfunktion des Absoluten einsichtig zu machen.¹⁴³ So löst Grotz die cusanische Differenzontologie aus dem bloßen Funktionalismus, sodass die Differenzontologie direkt aus dem Absoluten heraus begründet werden kann. Grotz hat hierbei Cusanus’ Intention völlig korrekt wiedergegeben. Sein Verständnis des cusanischen Negationsbegriffs und die damit einhergehende Vernachlässigung der transzendierenden Negation sind aber verfehlt. Die Transzendierung affirmativer und negativer Theologie bewerkstelligt Cusanus gerade durch die umfassende Negation, die die reine Negativität des Absoluten aufzeigt. Insbesondere pointiert Cusanus mit der doppelten Negation ‚non aliud‘ die absolute Transzendenz, also ist diese doppelte Negation Ausdruck der absoluten Transzendenz. Noch entscheidender ist an dieser Stelle, dass durch den radikal anmutenden Transzendierungsschritt die von Cusanus oft über die affirmative Theologie be-

 Grotz 2009, 155 – 164.  Grotz 2009, 221. In diesem Sinne lehnt Stephan Grotz auch die negative Theologie im Sinne proklischer Radikalität für Cusanus strikt ab (Grotz 2009, 175 und 223). So übergeht Grotz aber eine entscheidende Quelle der allseitigen Negation, die Cusanus in De coniecturis und De principio entwickelt. Da Cusanus die Negation wie Proklos als transzendierende Negation versteht, kann die These von Grotz nicht überzeugen. Zutreffender ist daher die Deutung Burkhard Mojsischs: Dieser geht von der logischen Unumkehrbarkeit der Negationsformen in De coniecturis aus. Das „translogische ‚ist oder nicht ist‘“ könne nicht in „ein logisches ‚ist und nicht ist‘“ transformiert werden: Das „translogische ‚weder ist noch nicht ist‘“ bleibe bestehen. Zudem könne die „translogische Negation von ‚ist und nicht ist‘“ nicht in „ein logisches ‚ist oder nicht ist‘“ verkehrt werden: Es bleibe das „translogische ‚nicht: ist und nicht ist‘“ bestehen (Mojsisch 1991, 690 – 691. Kritisch dazu Grotz 2009, 159, Anm. 144).  Grotz 2009, 204– 223.

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schriebene Prinzipfunktion des Absoluten nicht etwa hintergangen, sondern gerade expliziert wird. Dies lässt sich ansatzweise schon am cusanischen Unendlichkeitsbegriff ablesen: Er steht seit dem Beginn cusanischen Denkens im Zentrum seiner Philosophie.¹⁴⁴ Zentraler Aspekt der cusanischen Lehre von der Unendlichkeit ist die radikale Betonung der Transzendenz des Unendlichen dem Endlichen gegenüber: So kann es „keine Proportion“ (nulla proportio) zwischen Endlichem und Unendlichem geben.¹⁴⁵ Das Absolute ist als Unendliches allem gegenüber vollkommen transzendent. Dieser Aspekt wird allerdings durch einen weiteren ergänzt und vollendet: Das Absolute wird von Cusanus als „infinitas finiens“ entworfen: Die begrenzende Unbegrenztheit ist die Grenze, für die es keine Grenze gibt, und sie ist der durch sich eigenständige Ursprung, der jede Grenze einfaltet, und sie ist Gott, jedem Seienden übergeordnet.¹⁴⁶

Das Absolute ist als „finis finitiorum“ unbegrenzt und daher „finis sine fine“.¹⁴⁷ Cusanus fundiert, wie zuvor gesehen, den Schöpfergedanken im ‚Wesen‘ des Absoluten.¹⁴⁸ Dieses ‚Wesen‘ des Absoluten beschreibt Cusanus in De docta ignorantia aber gerade als negative Unendlichkeit. ¹⁴⁹ So ist hiermit die negative Unendlichkeit selbst als Grund aller Dinge ausgewiesen. Hierin deutet sich bereits eine Lösung des Paradoxons von transzendenter Negativität des Absoluten und  Bes. Enders 2002, 383 – 441. Alvarez-Gómez 1968.  Bes. De vis. (h VI) c. 23, n. 101, 7– 8. De pace (h VII) c. 1, n. 5, p. 7, 2.  Übers. nach Bormann (H 23, 35); De princ. (h X/2b) n. 33, 4– 5: „Infinitas finiens est finis, cuius non est finis, et est principium per | se subsistens omnem finem complicans et est deus ante omne ens“.  De vis. (h VI) c. 13, n. 54, 7– 9: „Oppositio oppositorum est oppositio sine oppositione, sicut finis | finitorum est finis sine fine. Es igitur tu, deus, oppositio opposi|torum, quia es infinitus, et quia es infinitus, es ipsa infinitas.“ Vgl. Beierwaltes 2000, 425 – 448; hier 429: „Derjenige Begriff, der die Grenze des Begreifens und des Begriffenen in sich aufhebt, aber gleichwohl nur im oder durch den Begriff kommunikabel gemacht werden kann, ist der des ‚Unendlichen‘, der ‚Unendlichkeit‘ (infinitum, infinitas), mit dem Beiwort ‚absolut‘ (infinitas absoluta) ausgezeichnet: in keiner Hinsicht überbietbar – auch nicht durch sich selbst –, inkommensurabel, aber dennoch creatives Maß von Allem, jede Möglichkeit von Sein als Wirkliches in Ihm umfassend (complicatio). Insofern ist infinitas absoluta der primäre Horizont oder der begründend-umfassende Gedanke aller übrigen Bestimmungen, die das Sein Gottes als ein absolutes zu begreifen oder zu benennen versuchen.“  De doc. ign. (h I) I, c. 24, p. 48, 17– 21 [n. 75]. De doc. ign (h I) I, c. 24, p. 50, 16 – 19 [n. 79].  De doc. ign. (h I) II, c. 1, p. 64, 14 [n. 97]: „Solum igitur absolute maximum est negative infinitum.“ De doc. ign. (h I) I, c. 26, p. 54, 14– 16 [n. 86]: „Et ita theologia negationis adeo necessaria est | quoad aliam affirmationis, ut sine illa Deus non coleretur ut Deus | infinitus, sed potius ut creatura.“

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der Prinzipfunktion des Absoluten an. Eine endgültige Lösung der Spannungen wird sich im Folgenden anhand der Diskussion des Nicht-Anderen ergeben. Dass diese doppelte Negation nicht nur die Transzendenz, sondern auch die Schöpfung durch das Absolute illustriert, soll durch einen Blick auf die produktive Kraft der Negation gezeigt werden.

1.5. Die produktive Negation Dem Negationsbegriff konnten bisher drei Bedeutungsvalenzen zugeschrieben werden: eine pejorative, eine andersheitliche und eine transzendierende. Darüber hinaus lässt sich noch eine vierte Bedeutung feststellen. In den frühen Werken sucht man diese Negation vergeblich. Gemeint ist die produktive Negation. Während Cusanus zunächst die Unfähigkeit der Negation kritisierte, etwas setzen zu können, hat er später eine entscheidende Korrektur vorgenommen. So vertritt Cusanus die vermeintliche Unfruchtbarkeit der Negationen später gar nicht mehr. Er betont im Gegenteil die produktive Kraft der Negation schon bald nach seiner Kritik und geht damit über seine abwertende Kritik an der negativen Theologie hinaus. Cusanus hat die generierende Kraft der Negation mehrfach hervorgehoben und daher Negationen im Anschluss an Proklos als „Mütter der Affirmationen“ bezeichnet.¹⁵⁰ Aus diesem Grund stehen die Negationen nicht nur in einem

 Cusanusmarg. 520; Bormann 1986, 129: „abnegationes matres affirmacionum“. De princ. (h X/2b) n. 34, 3 – 26. De non aliud (h XIII) c. 23, p. 55, 26 – 31 [n. 107]. De non aliud (h XIII) prop. XV, p. 63, 31– 32 [n. 120]. De ven. sap. (h XII) c. 22, n. 64, 13 – 16. Zu Proklos: s. unten, III. In der Forschung wird die kreative Kraft der Negation leider oft ausgeblendet. Das liegt – wie zuvor bereits angedeutet wurde – zum einen daran, weil angenommen wird, Negativität und Christlichkeit seien inkompatibel (Monaco 2010). Zum anderen wird die Negation nicht aus der endlichen oder andersheitlichen Perspektive heraus gelöst (Grotz 2009). Nichtsdestoweniger haben einige Forscher diesen Aspekt angesprochen, insbesondere wenn sie sich für die Wurzeln dieser cusanischen These interessiert haben (bes. Bormann 2001, 95 – 96. Kremer 2008, 69 – 75). Klaus Kremer hat sehr richtig gesehen, dass der cusanische Negationsbegriff in De principio an Proklos orientiert ist und nicht einfach ins völlige Nicht-Sein führt, sondern eine produktive Kraft besitzt (Kremer 2008, bes. 70 – 72). Cusanus ist also in der Tat im „Fahrwasser des Proklos“ (Kremer 2008, 69). Letztlich hat der späte Cusanus seine Reserviertheit gegenüber dem kreativen Potenzial des Negativen wohl vor allem aufgrund seiner Prokloslektüre aufgegeben. In jenen Forschungsarbeiten hingegen, in denen das Absolute als Negativität gedeutet wird, wird die Prinzipfunktion dieser Negativität als selbstverständliche Tatsache angesehen. Allerdings wird dabei meist nicht explizit auf die produktive Kraft der Negation oder ihre spezifische Funktionsweise hingewiesen: Burkhard Mojsisch meint, dass nur aufgrund reiner Negation Mischformen von Affirmation und Negation möglich seien. Nur weil es das Nicht-Andere gebe, könne

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ontologischen ‚prius‘ vor den Affirmationen, weil sie wahrer sind als Affirmationen, sondern sie sind ihre Prinzipien.¹⁵¹ Das Maß und Prinzip aller Dinge ist für Cusanus, wie bereits oben erwähnt, ausschließlich das Absolute selbst. Daher weist Cusanus die produzierende Kraft explizit dem Absoluten zu, das an ihm selbst reine oder absolute Negativität ist: Das Negative ist also das Prinzip aller Affirmationen; das Prinzip ist nämlich nichts von den aus dem Prinzip Entsprungenen.Weil aber jedes Verursachte wahrer in seiner Ursache ist als in sich selbst, deshalb ist die Affirmation in höherer Weise in der Negation, weil die Negation ihr Prinzip ist.¹⁵²

Wesentlich ist also, dass das Absolute in Form einer Negation als Prinzip angesehen wird. In De li non aliud greift Cusanus diese These auf, indem er das NichtAndere als Prinzip aller Dinge entwirft.¹⁵³ Dabei zeigt sich, dass gerade der negative Begriff ‚non aliud‘ Prinzip aller Dinge ist. Cusanus expliziert diese grundlegende These seines Denkens in propositio XIV am Ende der Schrift De li non aliud. ¹⁵⁴ Das Nicht-Andere wird darin zunächst es das Andere geben. Gott sei also durch sein „Anderssein“ allen Anderen gegenüber nah und nicht fern (Mojsisch 1996, 450). Jorge M. Machetta denkt die Negation als Prinzip aller Dinge, das selbst über den Gegensatz von Affirmation-Negation erhaben sei (Machetta 2005, 180 – 181). Ähnlich beurteilt José G. Ríos das Absolute. Er denkt das Nicht-Andere als Ausdruck für „la negatividad del primero principio“ (Ríos 2005, 224. Vgl. Westerkamp 2006, 142– 143). Eigens hervorzuheben ist Siegfried Dangelmayr: Er spricht zu Recht von einer „duplex negatio quae affirmat“ (Dangelmayr 1969, 231). Eine intensivere Diskussion der spezifischen Funktionsweise des Nicht-Anderen als Prinzip findet man bei Dirk Cürsgen (Cürsgen 2007a, 91– 126. Cürsgen 2009, 341– 369). Zur produktiven Funktionsweise der doppelten Negation ‚non aliud‘: s. unten, II.2.4– 7.  De ven. sap. (h XII) c. 22, n. 64, 13 – 16: „Dionysius, qui Platonem imitatur, in campo unitatis similem | venationem fecit et negationes, quae sunt privationes, sed | excellentiae et praegnantes affirmationes, veriores dicit affirmationi|bus.“  Übers. nach Bormann (H 23, 35 – 37); De princ. (h X/2b) n. 34, 7– 10: „Negativa igitur principium | omnium affirmationum; principium enim nihil est participatorum. Sed | cum omne causatum verius sit in sua causa quam in se ipso, igitur | affirmatio melius est in negatione, cum negatio sit eius principium.“ Von Bormann abweichend wurde „negativa“ mit „das Negative“, „negatio“ mit „Negation“ und „affirmatio“ mit „Affirmation“ wiedergegeben. Vgl. auch De poss. (h XI/2) n. 27, 24– 25: „Mirabilis deus, in quo non-esse est essendi neces|sitas.“  De non aliud (h XIII) c. 2, p. 5, 21– 22 [n. 6]: „Ferdinandus. Cum cuncti primum principium Deum appellent, | videris tu quidem ipsum per li ‚non aliud‘ velle significari.“  De non aliud (h XIII) prop. XIV, p. 63, 21– 25 [n. 119]. Die 20 Thesen (propositiones) zum Nicht-Anderen sind in der kritischen Ausgabe dem Tetralog angehängt. Zwar kann man in den 20 Thesen eine eigenständige Argumentation gegenüber dem Tetralog entdecken (Perger 2004, 114– 139; hier 126 – 131). Letztlich wird aber sachlich keine fundamentale Differenz zum Tetralog selbst erzeugt. Die Thesen tragen vielmehr zu dessen Konkretisierung bei.

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als Anderes betrachtet: „Wer im Anderen [alio] das Nicht-Andere als Anderes [aliud] sieht, der sieht, dass in der Affirmation [scil. alio] die Negation [scil. non aliud] affirmiert wird.“¹⁵⁵ Diese Aussage scheint auf den ersten Blick darauf abzuzielen, das Absolute zu positivieren oder als definiertes Anderes auszuweisen. Schließlich spricht Cusanus stets davon, dass das Absolute nicht von den Anderen verschieden sei.¹⁵⁶ Das Negative scheint so in eine Affirmation, in ein konkretes Anderes überzugehen. Nun ist aber das Nicht-Andere,wie gesehen,vor Affirmation und Negation, weswegen Cusanus neu ansetzt und dabei eine Korrektur vornimmt: Und wer Gott vor der Affirmation und Negation sieht, der sieht, dass Gott in den Affirmationen, die wir uns von ihm machen, nicht etwas Negatives ist, was affirmiert wird, sondern die Affirmation der Affirmation ist.¹⁵⁷

In den Affirmationen sieht man das Absolute also nicht als etwas Negatives, was affirmiert wird, sondern als die Affirmation jeder beliebigen Affirmation. Cusanus möchte offenbar aufzeigen, dass das Absolute gerade nicht affirmiert wird. Es bleibt Prinzip aller Dinge und als Prinzip nichts anderes als das Prinzip aller Einzelseienden. Interessanterweise wird hierbei die Negativität des Absoluten gar nicht geleugnet. Stattdessen wird nur von der These Abstand genommen, dass das Nicht-Andere etwas Negatives sei, das affirmiert werden könne. Im Akt der Definition eines Einzelseienden geht das Nicht-Andere nicht in eine konkrete Affirmation über und wird so nicht zu einer spezifischen Affirmation. Denn es ist letztlich nicht einfach identisch oder deckungsgleich mit seinen Derivaten. Es

 De non aliud (h XIII) prop. XIV, p. 63, 21– 22 [n. 119]: „Qui videt in alio ‚non aliud‘ aliud, is videt in | affirmatione negationem affirmari.“ Paul Wilpert weicht leicht von dieser Übersetzung ab; H 12, 91: „Wer im Anderen das „Nichtandere“ als eben das Andere erkennt, der erkennt, daß im bejahenden Satz ein verneinender bejaht wird.“  De gen. (h IV) n. 147, 14– 20. Vgl. De non aliud (h XIII) c. 6, p. 13, 25 [n.20]: „‚Non aliud‘ neque est aliud, nec ab alio aliud“. De non aliud (h XIII) c. 11, p. 25, 15 – 17 [n. 43]. De non aliud (h XIII) prop. IV, p. 61, 11– 13 [n. 114]. Dies kann bei Cusanus sogar zur Behauptung der Identität von Schöpfer und Geschöpf führen; De dato (h IV) c. 2, n. 97, 15 – 16: „Videtur igitur quod idem ipsum sit deus et crea|tura.“ Zur vermeintlichen Identität von Absolutem und Kreatur: s. unten, II.2.4– 7.  De non aliud (h XIII) prop. XIV, p. 63, 22– 25 [n. 119]: „[E]t qui Deum videt ante affir|mationem et negationem, ille Deum videt in affirmationibus, quae | de ipso per nos fiunt, non esse negativam, quae affirmatur, sed | affirmationis affirmationem.“ Dieser Übersetzung liegt zwar Paul Wilperts Übersetzung zugrunde. Dieser aber übersetzt leicht abweichend; H 12, 91: „Und wer Gott vor der Bejahung und Verneinung erfaßt. Der erkennt, daß Gott in den positiven Aussagen, die wir über ihn machen, nicht eine Verneinung ist, die bejaht wird, sondern die Bejahung der Bejahung.“

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bleibt in jeder konkreten Definition Prinzip aller zu definierenden Dinge. Cusanus denkt das Absolute so als Prinzip, das alle einzelnen Affirmationen, Positionen oder Einzelseienden affirmiert und definiert. Es ist dabei darauf zu achten, dass mit dem Begriff der ‚affirmatio affirmationis‘ die oben erwähnte doppelte Struktur wieder auftritt. Zweck dieser Struktur ist, die Transzendenz des Absoluten zu verdeutlichen. Denn das Absolute ist nicht etwa Affirmation, Definition, Wesen oder Substanz, sondern über diesen konkreten Vereinzelungen. Es ist an sich selbst überhaupt kein Wesen, keine Substanz und daher auch keine Affirmation. Dementsprechend wird hierbei die wörtliche Bedeutung des Begriffs der Affirmation, also ‚bekräftigen‘, ‚befestigen‘ oder ‚definieren‘, verlagert: Anscheinend geht es Cusanus bei solchen Formulierungen darum, die Negation als die eigentliche ‚Affirmationsform‘ zu begreifen. Dies wird in der folgenden propositio XV noch mal verdeutlicht. Das Negative oder Nicht-Andere wird von Cusanus an dieser Stelle explizit als Prinzip des Geschaffenen ausgewiesen: Das Negative ist also Prinzip der Affirmation.¹⁵⁸ Vor dem Hintergrund der Transzendenz des Absoluten wird dabei an der Negativität des Absoluten festgehalten. Wenn man das Nicht-Andere bzw. das Negative einfach auflösen würde, würde sich auch das Geschaffene oder das Andere auflösen. Denn bei der Auflösung des Prinzips bleibt nach Cusanus kein Effekt bestehen: „Wenn das Nicht-Andere aufgelöst wird, bleibt das Andere nicht.“¹⁵⁹ Das Nicht-Andere wird nicht einfach ein bestimmtes Anderes, kann nicht einfach in Anderes

 De non aliud (h XIII) prop. XV, p. 63, 26 – 32 [n. 120].  De ven. sap. (h XII) c. 14, n. 40, 17– 18: „Sublato enim li non aliud non manet li | aliud.“ De non aliud (h XIII) c. 5, p. 11, 19 – 20 [n. 15]: „Sicut igitur sublato | ‚non aliud‘ nec manet, nec cognoscitur quidquam.“ De non aliud (h XIII) c. 7, 16, 25 – 26 [n. 26]: „Quoniam positio ipsius ‚non aliud‘ omnium est | positio et eius sublatio omnium sublatio“. De non aliud (h XIII) c. 16, p. 41, 27– 29 [n. 78]: „Sublata enim praesentia non permanent tempora, | sed sublato A nec praesentiam, nec tempora, nec aliud quidquam | possibile est manere.“ Vgl. dazu auch Cusanus’ Anwendung dieser Formel auf die Zahlen; Apol. (h 2II) n. 25, p. 17, 26 – p. 18, 1: „quasi monas est omnia in omnibus numeris, quia ea sublata | nequit numerus esse, qui solum per ipsam esse potest“. Vor diesem Hintergrund ist es unwahrscheinlich, dass Cusanus in der 15. These durch die Auflösung des negativen Prinzips das positive Derivat setzen will; De non aliud (h XIII) prop. XV, p. 63, 31– 32 [n. 120]: „[…] et videt negativam tale principium | affirmationis, quod ea sublata est affirmatio.“ Paul Wilpert übersetzt, dass man „den negativen Satz als ein Prinzip des positiven von der Art“ anzusehen habe, „daß nach der Aufhebung des negativen eine Bejahung bestehen“ bleibe (H 12, 91). Hingegen konjiziert Cürsgen, dass „nach der Aufhebung des negativen Satzes […] keine Bejahung bestehen bleibt“ (Cürsgen 2007a, 125). Damit schließt er sich der Position Mischa von Pergers an (Perger 2004, 129, Anm. 24 und 136). Diese Thesen Pergers und Cürsgens sind fraglos richtig, weil man das Prinzip nicht einfach auflösen darf. Das Absolute ist keineswegs negierend hintergehbar. Daher ist in dieser produktiven Negation keine Negation ursprünglicher Negativität zu sehen: s. dazu auch unten, II.2.4.

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übergehen oder sich selbst hintergehen. Es ist derart über allen, dass es über ihnen als deren Prinzip verweilt. Die Prinzipfunktion des Absoluten wurde zwar zuvor als ‚Affirmation der Affirmation‘ beschrieben. Es ist aber das Nicht-Andere bzw. das Negative, das ‚Affirmation der Affirmation‘ ist. Also ist die Affirmation der Einzelseienden an sich selbst keine Affirmation, sondern gerade das Negative, also das Nicht-Andere. Das Negative wird also nicht affirmiert und ist damit bleibendes Prinzip der Affirmationen. So kann man das negative Absolute als Affirmation jeder konkreten Affirmation beschreiben. Richtig begriffen hat man das Absolute nur dann, wenn man hinter dem bloßen Ausdruck ‚Affirmation‘ den eigentlichen Sinn entdeckt: die ursprüngliche Negation. Die Form dieser ‚Affirmation‘, also der Akt der Definition ist negativ. Nur unter dieser Voraussetzung lässt sich Cusanus’ Aussage begreifen, das Absolute sei als definierender Grund ‚Affirmation der Affirmation‘. So ist also die Faktizität der Prinzipfunktion der Negation einsichtig gemacht. Der bei Meister Eckhart und in der Forschung gebräuchliche Begriff ‚reine Affirmation‘ beinhaltet demgegenüber die Gefahr, die definitorische Potenz der Negation zu verdecken.¹⁶⁰ Überhaupt steht Cusanus dem Affirmationsbegriff in De li non aliud kritisch gegenüber, wo er doch die eigentliche affirmierende oder positivierende Kraft bei den Negationen sieht.¹⁶¹ Die Negation kann aber, so wird sich im Folgenden noch zeigen, nur dann die produzierende und damit die eigentliche affirmierende Kraft entfalten, wenn sie konstant als ‚non aliud‘ begriffen wird. Das Nicht-Andere stellt als doppelte Negation eine spezifische Negationsform dar. Sie allein ist die Bedingung der Schöpfung – inwiefern aber das Nicht-Andere im Detail als Prinzip aller Dinge produktiv wirksam ist, wird sich erst im Folgenden ergeben. Denn um speziell die Produktionskraft des Absoluten einsichtig machen zu können, deutet Cusanus die doppelte Negation als produktive Negation. Dabei fungiert die doppelte Negation gerade als Fundament seiner These, die Negation sei Prinzip aller Dinge. Hierin wird die im Folgenden erörterte Pointe des cusanischen Nicht-Anderen deutlich: Der Begriff soll die Selbst- und Universaldefinition des Absoluten beschreiben. Rückblickend betrachtet hat sich gezeigt, dass die negative Theologie bei Cusanus eine Weiterentwicklung erfahren hat. Das sich zunächst zeigende Paradoxon zwischen negativer und affirmativer Theologie wird über die der Negation zugeschriebene produktive Funktion zunehmend aufgelöst. Eine besondere Rolle zur Harmonisierung negativer und affirmativer Theologie spielt dabei die tran-

 Damit wird eine zentrale Differenz von Cusanus zu Meister Eckhart offensichtlich: Cusanus hält an der Negativität des Absoluten fest. Dies zeigt sich gerade in der an Johannes Scottus Eriugena gemahnende Interpretation der Negation als eigentliche Affirmation aller Dinge: s. unten, IV.2.3 und IV.3.3.  De non aliud (h XIII) prop. XV – XVI, p. 63, 26 – p. 64, 7 [n. 120 – 121]. S. dazu unten, II.2.6 – 7.

2. Das Nicht-Andere als Begriff vom negativen Selbstbezug des Absoluten

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szendierende doppelte Negation.Wie sich im Folgenden noch zeigen wird, verliert die affirmative Theologie offenbar ihre Funktion an diese spezifische Negationsform. Denn diese ist bei Cusanus nicht einfach Instrument einer bloßen Verneinungstechnik. Im Laufe seines philosophischen Schaffens erarbeitet Cusanus schließlich ein komplexes Negationssystem, dessen Höhepunkt der Begriff des Nicht-Anderen ist.

2. Das Nicht-Andere als Begriff vom negativen Selbstbezug des Absoluten 2.1. Das Nicht-Andere als Selbst- und Universaldefinition Das Nicht-Andere kann als die von Cusanus stets gesuchte begriffliche Konkretion eines jahrelang durchdachten metaphysischen Problems bezeichnet werden: der Beziehung des Absoluten zu seinen Derivaten. In diesem speziellen Sinn expliziert die doppelte Negation ‚non aliud‘ nicht nur die Transzendenz des Absoluten, sondern zugleich auch die Produktivität des Absoluten. Die zwei grundlegenden Aspekte des Absoluten, seine Transzendenz und seine Prinzipfunktion gegenüber seinen Derivaten, werden durch das ‚non aliud‘ grundgelegt. Die negative Theologie zeigt also nicht etwa nur die Transzendenz an, sondern kann in ihrer modifizierten Form auch die Prinzipfunktion erhellen. Damit avanciert das NichtAndere zum doppelt negativen Begriff, durch den die Synthese von transzendierender und produzierender Negation letztlich begreifbar werden soll. ¹⁶² Cusanus sucht in der Schrift De li non aliud nach der Definition, die sich und alles Andere bestimmt: Er beginnt seine Diskussion mit einer Definition des Begriffs „definitio“. Die Definition bestimme alles begrifflich. Wenn nun die Definition alles bestimmt, so muss sie sich auch selbst bestimmen. Sie schließt nichts aus, sodass sie sich selbst mit in ihren bestimmenden Akt einschließt.¹⁶³ Der Begriff des Nicht-Anderen erfüllt so nach Cusanus die doppelte Funktion, sich selbst und alles Andere zu bestimmen.¹⁶⁴ Gerade weil das Nicht-Andere als

 Gerade in diesem im Folgenden im Detail zu explizierenden Gedanken hat man die Originalität von Cusanus gegenüber Proklos und Dionysios zu sehen: s. dazu auch unten, III.  De non aliud (h XIII) c. 1, p. 3, 25 – p. 4, 9 [n. 3]. Vgl. De non aliud (h XIII) prop. I, p. 61, 4– 5 [n. 114].  De non aliud (h XIII) c. 1, p. 4, 10 – p. 5, 5 [n. 3 – 5]. Vgl. De non aliud (h XIII) prop. II – IV, p. 61, 6 – 13 [n. 114]. Das Nicht-Andere wurde in der Forschung schon mehrfach als Selbst- und Universaldefinition beschrieben (Dangelmayr 1969, 248 – 254. Schneider 1970, 108 – 120. Sonderegger 1999, 153– 177. Mancini 2002, 871– 881; bes. 876 – 879. Rusconi 2011, 225 – 231). Beson-

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doppelte Negation konstruiert ist, erfüllt es die doppelte Funktion, Selbst- und Universaldefinition zu sein. Die Identität von überwesentlichem ‚Wesen‘ und Tätigkeit des Absoluten, die sich in besagter Gleichzeitigkeit von Selbstdefinition und Universaldefinition anzeigt, ist eine Spezialität von Cusanus: In auffälliger Opposition zu Proklos hat Cusanus in der doppelten Negation nicht bloß den letzten, vom Denken selbst zu vollziehenden Schritt zur ultimativen Aufhebung des Denkens gesehen. Cusanus versteht diese Negation als eigentliche Tätigkeit des Absoluten.¹⁶⁵ Für ihn besteht schon ganz grundsätzlich zwischen dem überwesentlichen ‚Wesen‘ des Absoluten und seiner Tätigkeit keine Differenz: Sein überwesentliches ‚Wesen‘ oder ‚Sein‘, so merkt er auch mehrfach an, ist seine Tätigkeit.¹⁶⁶ Wie bereits angedeutet, hat die doppelte Negation den grundsätzlichen Zweck, die Transzendenz des Absoluten anzuzeigen. Da nun der cusanische Begriff ‚non aliud‘ ein Begriff vom Wesen des Absoluten ist, ist er zugleich Ausdruck der eigenen Tätigkeit des Absoluten. Sicherlich wäre es vollkommen unsachgemäß, zu behaupten, das Absolute müsse sich erst transzendieren, um absolut sein zu können. Denn das Absolute ist als Absolutes transzendent. Cusanus kommt es hierbei aber gerade darauf an, ‚Sein‘ und Tätigkeit des Absoluten als ununterscheidbare Einheit zu begreifen. Hiermit soll darauf aufmerksam gemacht werden, dass das Absolute eine selbstbezügliche Tätigkeit ist, die nicht prozesshaft oder in zeitlicher Sukzession verstanden werden darf, sondern als in Ewigkeit vollzogene Tätigkeit begriffen werden muss. Überwesentliches ‚Sein‘ und ‚Tätig-Sein‘ sind

ders hervorzuheben sind die Ausführungen von Dirk Cürsgen (Cürsgen 2007, 91– 126; bes. 93 – 96. Cürsgen 2009, 341– 369; bes. 341– 347 und 352– 358). Beachtenswert ist darüber hinaus Cürsgens Verweis auf Eriugenas Periphyseon – genauer: auf PL 122, 468D (Cürsgen 2007a, 93, Anm. 93). Mit diesem Hinweis scheint er in Opposition zum Gros der Forschung zu stehen. Die meisten Forscher gehen nicht davon aus, dass Eriugena eine Selbstdefinition des Absoluten angenommen hat. Das Absolute könne sich bei Eriugena aufgrund seiner Unendlichkeit nicht selbst definieren (Beierwaltes 1987, 319 – 321. Beierwaltes 1994, 277– 278. Beierwaltes 2006, 223, Anm. 29. Beierwaltes 2010, 90 mit Anm. 26. Moran 1989, 195, Anm. 19). Eriugena muss man jedoch differenzierter betrachten: s. dazu unten, IV.3.2– 3 und V.  Anders als Cusanus hat Proklos die produktive Negation durch die doppelte Negation vom Absoluten ferngehalten: s. dazu unten, III.  De non aliud (h XIII) c. 23, p. 54, 8 – p. 55, 4 [n. 104– 105]. Dabei greift Cusanus gerne auf ‚intentionale‘ affirmative Begriff wie etwa ‚Sehen‘, ‚Denken‘, ‚Erkennen‘ oder ‚Begreifen‘ zurück; De vis. (h VI) c. 12, n. 49, 10: „Creare enim tuum est esse tuum.“ De princ. (h X/2b) n. 21, 11: „Unde eius intelligere est creare.“ De mente (h V) c. 3, n. 72, 6 – 7: „Conceptio divinae mentis est rerum pro|ductio“. De mente (h V) c. 3, n. 72, 7– 8: „Si mens divina est | absoluta entitas, tunc eius conceptio est entium creatio“. Vater der cusanischen Identifikation von ‚Wesen‘ und der schöpferischer Aktivität Gottes ist wohl niemand anderer als Johannes Scottus Eriugena: s. unten, IV.2.2. Zum rechten Verständnis dieser Deutung s. unten IV, 3.2– 3. Vgl. auch unten, V.

2. Das Nicht-Andere als Begriff vom negativen Selbstbezug des Absoluten

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beim Absoluten ununterschieden. Der Begriff des Nicht-Anderen legt so die Tätigkeit offen und zeigt, wie die reine Negativität tätig sein kann. Das Absolute ist mithin als aktive Selbstdefinition zu verstehen: Das Absolute ist so an ihm selbst transzendente Negativität. Zwangsläufig muss man sich hier die Frage stellen, wie sich das Absolute selbst als transzendente Negativität ‚definiert‘. Darauf kann man zunächst folgende Antwort geben, deren Implikationen und Konsequenzen im weiteren Verlauf ausführlich diskutiert werden sollen: Indem sich das Nicht-Andere negativ auf alles Andere bezieht (non aliud), verweist es selbst auf seine eigene Transzendenz. Dies suggeriert, dass die Negationstätigkeit des Nicht-Anderen auf sich selbst abzielt und deswegen eine Selbstdefinition darstellt: Indem das Nicht-Andere jedes Seiende für sich negiert, verweist es gerade auf sich selbst.¹⁶⁷ Es negiert dabei jedes konkret Seiende für sein ihm eigenes Sein. So ist das Absolute ein völlig inhaltsarmer Begriff, der durch kein Anderes, sondern nur durch sich selbst ‚definiert‘ oder ‚bestimmt‘ werden kann.¹⁶⁸ Die Negation aller Seienden verweist so auf die ursprüngliche Negativität des Absoluten oder die Un-Endlichkeit des Absoluten und ist so ursprünglich selbstbezüglich – oder anders ausgedrückt: Die Negation aller Dinge ist die aktive Selbstdefinition des Absoluten.

 S. dazu unten, II.2.2 – 3.  In diesem Sinne kann man das Absolute bei Cusanus durchaus als ‚authypostaton‘ verstehen, weil es durch sich selbst in sich selbst subsistiert; De princ. (h X/2b) n. 5, 9 – 11: „Patet ex his | quod solum infinitum et aeternum est authypostaton sive per se | exsistens, cum illud solum sit impartibile et cui nihil adici potest.“ Zum ‚authypostaton‘ und den cusanischen Quellen sind die Ausführungen Karl Bormanns instruierend (Bormann 2001, 86 – 90 und 92– 94). Fraglos ist Cusanus hier von seinen neuplatonischen Quellen, insbesondere aber von Proklos beeinflusst. Dabei ist darauf zu achten, dass Proklos das absolute Eine nicht als ‚authypostaton‘ lesen konnte, da das Absolute als ‚authypostaton‘ durch einen Selbstbezug strukturiert wäre, was aber dem proklischen Verständnis absoluter Einheit widerspricht. Auch Dionysios geht von der prinzipiellen Ungeschaffenheit des Absoluten aus. Die neuplatonisch-christliche Tradition ist dabei Dionysios gefolgt: So scheint auch Johannes Scottus Eriugena nicht von einer Selbstdefinition des Absoluten auszugehen. Allerdings ‚definiert‘ er das Absolute sehr wohl als kreative Nichtigkeit. In seinem ihm eigenen überwesentlichen ‚Sein‘ ist das Absolute für Eriugena nicht von einem anderen bestimmt: s. dazu unten, IV.3.2 und 3.4. Freilich hat auch Cusanus im direkten Anschluss an Proklos eine Selbstschöpfung des Absoluten und mithin den Begriff ‚authypostaton‘ als Bezeichnung für das Absolute abgelehnt, insbesondere weil der Begriff ‚authypostaton‘ Teilbarkeit impliziert (De princ. (h X/2b) n. 24. Vgl. Cusanusmarg. 547; Bormann 1986, 134). Letztlich will Cusanus damit der Möglichkeit der Verendlichung und mithin der Diminuierung des Absoluten eine Absage erteilen. Diese drohenden Missverständnisse umgeht Cusanus, indem er das Absolute als Un-Endliches ‚definiert‘ und als Un-Bestimmtes ‚bestimmt‘ sein lässt: s. dazu unten, II.2.3.

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Mit diesem Aspekt ist allerdings die Tätigkeit des Absoluten noch nicht erschöpfend dargestellt: Indem sich das Nicht-Andere als Transzendenz ausweist, definiert es sich nicht bloß selbst, sondern zugleich auch alles Andere, das es gerade transzendiert.¹⁶⁹ Auch hier ist der Ausgangspunkt der folgenden Überlegungen die Annahme, dass das Nicht-Andere in der Negation alles Anderen für sich alles Andere ‚aus sich heraus‘ setzt.¹⁷⁰ Selbst- und Universaldefinition werden also von Cusanus als Tätigkeit des Absoluten angesehen.Weil nun die Tätigkeit des Absoluten von seinem ihm eigenen überwesentlichen ‚Sein‘ nicht verschieden sein kann, muss die Negation andersheitlicher Negation, so paradox das zunächst klingen mag, der Schöpfungsakt selbst sein: Die Form der transzendierenden Negation ist mit der produzierenden Negation identisch, denn sie haben dieselbe Form (non aliud). Die universale Schaffenskraft des Absoluten drückt sich also zugleich in seinem Begriff ‚non aliud‘ aus. Damit intendiert also die doppelte Negation des Cusanus nicht nur das ‚Wesen‘ des Absoluten, sondern soll dessen eigene kreative Aktivität anzeigen. Cusanus hat die Koinzidenz von ‚Wesen‘ und Tätigkeit schon vor De li non aliud anhand von ‚intentionalen‘ affirmativen Begriffen beschrieben. So ist für Cusanus das überwesentliche ‚Sein‘ des Absoluten nichts anderes als sein Denken: Genau deshalb kann Cusanus dem Absoluten noch eine Form des Denkens zuschreiben, wenngleich dieses eigentlich das Denken transzendiert und so unendliches ‚Denken‘ ist.¹⁷¹ Für Proklos hingegen bedeutet die doppelte Negation, die das

 Diese intime Verschränkung von Selbst- und Universaldefinition wird von Cusanus gezielt hervorgehoben; De non aliud (h XIII) c. 1, p. 5, 6 – 8 [n. 5]: „Cum igitur nihil maneat dubii, quin hic definiendi modus, | quo ‚non aliud‘ se et omnia definit, praecisissimus sit atque verissi|mus“. De non aliud (h XIII) c. 5, p. 11, 26 – 28 [n. 16]: „Ita enim | necessarium esse video in eo, quod video ipsum ‚non aliud‘ se de|finire ideoque et omnia, quae nominari possunt.“  Hiermit ist das Hervorgehen der Derivate aus dem Absoluten angesprochen, das bei Cusanus mit dem prominenten Begriff ‚explicatio‘ umrissen wird: Das Absolute lässt (auf der Grundlage seiner kreativen Kraft) alles Nicht-Absolute aus sich hervorgehen (De princ. (h X/2b) n. 39, 12). Neben dem Begriff ‚explicatio‘ verwendet Cusanus auch alternative Begriffe wie „fluere“, „progredi“ oder „emanare“ (Riccati 1983, 111). Das Begründungsverhältnis wird oft auch explizit als Teilhabe gedacht; De princ. (h X/2b) n. 39, 32– 33: „omnis multitudo parti|cipat uno“. Das kreative Hervorgehen der Derivate des Absoluten aus dem Absoluten ist einer der Kernelemente cusanischen Denkens. Einer seiner maßgeblichen Quellen ist hierbei fraglos Dionysios; De ven. sap. (h XII) c. 21, n. 61, 9 – 12: „Verum, ut ait Dionysius, ‚unum, quod est, multi|plicari dicitur multas ex se producens substantias; manet tamen | unum, quod deus, et multiplicatione unus et procedendo coniunc|tus‘.“ Cusanus beruft sich dabei auf De div. nom. II, 11, p. 136, 3 – 5 (PG 3, 649B).  Wie sich noch zeigen wird, denkt das Absolute im Modus der Negativität. Dirk Cürsgen formuliert im Hinblick auf De li non aliud daher treffend; Cürsgen 2009, 346: „Mit dem Satz des non aliud in seiner Selbstverhältnisförmigkeit wird dabei außerdem zum Ausdruck gebracht, daß

2. Das Nicht-Andere als Begriff vom negativen Selbstbezug des Absoluten

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Absolute gerade selbst nicht vollzieht, die Aufhebung des Denkens.¹⁷² Nach Cusanus denkt sich das absolute Eine also in gewisser Weise selbst.¹⁷³ Daher erzeugt das Absolute sich selbst auch als „ratio“, „logos“ und als „diffinitio“.¹⁷⁴ In dieser ‚ratio‘ denkt sich das Absolute nicht nur selbst: Das Absolute ist zudem die Definition aller anderen Dinge, da das absolute Denken jede mögliche Definition in sich einfaltet.¹⁷⁵ Die Einfaltung alles Definierbaren im Ursprung ist für Cusanus die ewige Wahrheit selbst.¹⁷⁶ Dementsprechend ist das Denken des Absoluten zugleich Selbstdefinition des Absoluten und Definition alles anderen. Keine Kreatur kann für Cusanus unabhängig von der inneren Denkbewegung des Absoluten existieren: „eius intelligere est creare“.¹⁷⁷ Dabei ist das Begründete im Absoluten aber nur das Absolute selbst.¹⁷⁸ Das Begründete ist so im Absoluten in eminenter Weise einbegriffen.¹⁷⁹ Für Cusanus bleibt dieses Denken dem Absoluten selbst stets innerlich.¹⁸⁰ Daher expliziert

Gott nur sich selbst denkt (und alle Dinge in sich auch als Gott denkt) – und zwar im Modus der Negativität.“ Expliziert wird dieser Gedanke unten, II.2.2– 3.  Beierwaltes 1979, 345.  De princ. (h X/2b) n. 9, 1– 2: „Et non possumus negare, quin se intelligat, cum melius sit se | intelligente.“ Karl Bormann hingegen meint, Cusanus sage hiermit, dass Gott sich selbst nicht denke, weil er mehr als Denken sei (H 23, 9. Vgl. Bormann 2001, 90 – 91). Notwendige Korrekturen an dieser Lesart hat Dirk Cürsgen angemahnt (Cürsgen 2007a, 49). Bormanns Überlegungen gehen aber nicht völlig am Sachverhalt vorbei. Das Absolute denkt sich in der Tat nicht im Sinne des neuplatonischen Geistes. Dennoch ‚denkt‘ es in gewisser Weise: Es ‚denkt‘ im absoluten Modus, also in reiner Negativität.  De princ. (h X/2b) n. 9, 2– 3.  De princ. (h X/2b) n. 9, 3 – 7.  De princ. (h X/2b) n. 10, 1– 5. Vgl. De princ. (h X/2b) n. 37, 8 – 9: „In | principio igitur, quod est veritas, sunt omnia ipsa aeterna veritas.“ De princ. (h X/2b) n. 25, 6 – 7.  De princ. (h X/2b) n. 21, 11.  Diesen Gedanken hatte Cusanus auch schon vor De principio: De doc. ign. (h I) II, c. 3, p. 72, 14– 15 [n. 111]. Bes. auch De gen. (h IV) c. 1, n. 145, 9 – 13: „Nulli igitur alteri est idem aut diversum inef|fabile idem, in quo omnia idem. Universale et particulare in idem | ipsum idem, unitas et infinitas in idem idem. Sic actus et potentia, sic | essentia et esse. Immo esse et non-esse in idem absoluto idem ipsum | esse necesse est.“  De princ. (h X/2b) n. 37.  Vgl. auch Stallmach 1982a, bes. 13 – 23. Josef Stallmach betont auf der Grundlage seiner Analyse von De coniecturis und De quaerendo deum die Identität von Denken und Sein in der absoluten Einheit. Erwähnenswert ist dabei die von Stallmach angesprochene „innere Dynamik des Geistes“, die als Bedingung kreativer Entfaltung angesehen werden kann (Stallmach 1982a, 21). Freilich muss dabei erwähnt werden, dass das Absolute bei Cusanus jenseits von Denken und Sein und jenseits des seienden Einen neuplatonischer Prägung ist.

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II. Nicolaus Cusanus

Cusanus auch, dass das Absolute alles in sich selbst sieht. ¹⁸¹ Das Absolute wird nach Cusanus deshalb „theos“ genannt, weil es alles schaut.¹⁸² Die „visio absoluta“ ist daher für Cusanus der vom Absoluten selbst vollzogene Sehakt.¹⁸³ Dieser wird mit der schöpferischen Tätigkeit des Absoluten identifiziert: Wenn Begründen nichts anderes als Sehen ist, so sieht das Absolute alles, weil es alles begründet.¹⁸⁴ Da das Absolute mit einem einzigen Blick alles ‚(er‐)sieht‘, so bedeutet dies letztlich, dass es mit einem einzigen Akt zugleich alles insgesamt und jedes Einzelseiende im Speziellen begründet. Cusanus illustriert diesen Sachverhalt durch ein anschauliches Beispiel: Während der Mensch, wenn er ein Buch liest, die ganze Seite nicht auf einmal erfassen kann, sondern sich sukzessiv den einzelnen Silben und Worten zuwenden muss, so sieht das Absolute die ganze Seite auf einmal.¹⁸⁵ Daher sieht das Absolute nicht etwas in Ewigkeit und etwas anderes in der Zeit. Für das Absolute ist beides derselbe Akt.¹⁸⁶ Zwar konstatiert Cusanus, dass die Ewigkeit des Absoluten die Zeit nicht verlässt, weswegen es auch den Anschein hat, als ob sich das Absolute mit oder in der Zeit bewegt. Dies hat seinen Grund darin, dass das Absolute als be-

 De vis. (h VI) c. 8, n. 30, 2: „[I]n te ipso omnia specularis.“ De vis. (h VI) c. 13, n. 54, 7– 15; Hervorh. Ro: „Oppositio oppositorum est oppositio sine oppositione, sicut finis | finitorum est finis sine fine. Es igitur tu, deus, oppositio opposi|torum, quia es infinitus, et quia es infinitus, es ipsa infinitas. In | infinitate est oppositio oppositorum sine oppositione. Domine | deus meus, fortitudo fragilium, video te ipsam infinitatem esse. | Ideo nihil est tibi alterum vel diversum vel adversum. Infinitas | enim non compatitur secum alteritatem, quia, cum sit infinitas, | nihil est extra eam. Omnia enim includit et omnia ambit infinitas | absoluta.“ Vgl. De gen. (h IV) c. 1, n. 147, 4– 5: „Et quia idem absolutum est actu omnis formae | formabilis forma, non potest forma esse extra idem.“ Vgl. auch De non aliud (h XIII) c. 7, p. 16, 26 – 27 [n. 26]: s. dazu unten, II.2.4.  De vis. (h VI) c. 1, n. 5, 6: „theos ob hoc dicitur, quia omnia intuetur“. In der kritischen Ausgabe wird zu Recht nicht nur auf Dionysios, sondern auch auf Eriugena als Quelle dieser etymologischen Deutung des Begriffs „theos“ verwiesen (h VI, 10).  Von herausragender Bedeutung sind hierzu zweifelsohne die Studien von Werner Beierwaltes, die sowohl die „visio absoluta“ (Beierwaltes 1980, 144– 175) als auch die „visio facialis“ bzw. die „visio mystica“ (Beierwaltes 2011, 181– 229) abdecken. Neuerdings hat Claudia D’Amico die „Produktivität“ der „visio absoluta“ bei Cusanus hervorragend herausgearbeitet. Dabei verweist sie wie Werner Beierwaltes auf Johannes Scottus Eriugena (D’Amico 2011a, 97– 110).  De vis. (h VI) c. 8, n. 29, 4– 5: „[V]idere tuum est causare; | omnia vides, qui omnia causas.“  De vis. (h VI) c. 8, n. 29, 5 – 12; Hervorh. Ro: „Doce me, domine, quomodo | unico intuitu omnia simul et singulariter discernas. Cum aperio | librum ad legendum, video confuse totam chartam; et si volo | discernere singulas litteras, syllabas et dictiones, necesse est, ut me | singulariter ad singula seriatim convertam; et non possum nisi suc|cessive unam post aliam litteram legere et unam dictionem post | aliam et passum post passum. Sed tu, domine, simul totam char|tam respicis et legis sine mora temporis.“  De vis. (h VI) c. 8, n. 29, 18 – 20: „Nec aliud legis in aeternitate | et aliud in tempore cum legentibus sed idem eodem te modo | habens“.

2. Das Nicht-Andere als Begriff vom negativen Selbstbezug des Absoluten

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wahrende Kraft seine Derivate nicht verlässt, sondern bewahrt.¹⁸⁷ Das Absolute unterliegt aber nicht den zeitlichen Bewegungen seiner Derivate. In der Ewigkeit ist Bewegung in die Ruhe des Absoluten transformiert.¹⁸⁸ So ersieht das Absolute nach Cusanus alles in sich kreativ, denn für das Absolute gibt es kein ‚außerhalb‘.¹⁸⁹ Indem es sich selbst sieht und denkt, ersieht und erdenkt es zugleich alle Dinge kreativ. Diesen Gedanken pointiert Cusanus auch folgendermaßen: Welche Wesenheit ist wahrer Wesenheit als die, welche jeder Wesenheit das Wesenheitsein gibt, wenngleich sie mehr als jede benennbare Wesenheit ist.¹⁹⁰

Ganz bewusst gebraucht Cusanus äquivalente Formulierungen in De li non aliud. Letztlich begreift er so das Nicht-Andere als einzigen Grund aller Kreaturen. Dies kulminiert schließlich in folgender These: Deine Worte scheinen die Behauptung einzuschließen, es gäbe keine Wesenheiten der Dinge, sondern nur eine einzige, die du als Seinsgrund [Wesensgrund] bezeichnest.¹⁹¹

Cusanus stilisiert so das Nicht-Andere zur einzig wahren Wesenheit oder Substanz überhaupt. Allerdings ist das Nicht-Andere für Cusanus natürlich weder eine  Anhand der ‚icona dei‘ erläutert Cusanus den bewahrenden Blick des Absoluten; De vis. (h VI) c. 4, n. 9, 5 – 12: „[E]t quia visus eiconae te aeque undique respicit et non dese|rit, quocumque pergas, in te excitabitur speculatio provocaberis|que et dices: Domine, nunc in hac tua imagine providentiam tuam | quadam sensibili experientia intueor. Nam si me non deseris, qui | sum vilissimus omnium, nusquam cuiquam deeris. Sic quidem | ades omnibus et singulis, sicut ipsis omnibus et singulis adest esse, | sine quo non possunt esse. Ita enim tu absolutum esse omnium | ades cunctis, quasi non sit tibi cura de quoquam alio.“ Zur ‚icona dei‘ s. Stock 1989, 50 – 62. Trottmann 2005, 67– 85.  De vis. (h VI) c. 8, n. 29, 20 – 22: „Aeternitas | autem, quia non deserit tempus, cum tempore moveri videtur, | licet motus in aeternitate sit quies.“  Quelle dieses Gedankens ist laut der kritischen Edition von De visione dei niemand anderer als Johannes Scottus Eriugena (h VI, p. 46). Erweitern lässt sich dieser Hinweis um eine wichtige cusanische Marginalie zur Clavis Physicae; Cusanusmarg. 9 (Cl. Phys. 17, 11– 12); Lucentini 1979, 85: „quomodo Deus nihil extra se vide[t]“.  Übers. nach Bormann (H 23, 19); (De princ. (h X/2b) n. 20, 7– 9: „Quae | verior substantia quam illa, quae omni substantiae dat esse substan|tiale, licet melior omni substantia nominabili?“ In leichter Abwandlung zu Karl Bormann ist hier der letzte Abschnitt des Zitats wörtlicher übersetzt.  Übers. nach Wilpert (H 12, 33); De non aliud (h XIII) c. 10, p. 22, 31– 32 [n. 39]; Hervorh. Ro: „Videris dicere rerum essentias non esse, verum | unam esse, quam rationem asseveras.“ Hiermit verabschiedet Cusanus aber weder Wesenheiten noch Transzendentalien. Die Definition durch das Nicht-Andere ist gerade eine Wesensdefinition, weil das Nicht-Andere Seins- oder Wesensgrund aller Dinge ist. Das Absolute ist dabei aber nicht einfach Wesen aller Dinge, denn es übersteigt jedes Wesen und sogar alle Transzendentalien: s. dazu unten, II.2.6 – 7.

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II. Nicolaus Cusanus

Wesenheit noch eine Substanz: Das Absolute ist dergestalt zwar die notwendige formgebende Form, aber selbst gestaltlos – oder anders ausgedrückt: Das Absolute ist die „infinitas finiens“, die begrenzende Unendlichkeit oder die begrenzende Grenze, die selbst ohne wesensmäßige Begrenzung ist.¹⁹² Daher ist das Absolute auch über allen Wesenheiten und über allen Transzendentalien, weil es der ausschließliche Grund aller Wesenheiten und Transzendentalien ist.

2.2. Negation andersheitlicher Negation: jenseits andersheitlicher Negation Vor dem Hintergrund der Einfaltung aller Dinge im Absoluten und der durch Denkund Sehakt suggerierten Gleichzeitigkeit von Selbst- und Universaldefinition ist nun ein genauerer Blick auf die Diskussion dieser Thematik im Rahmen des ‚non aliud‘ zu werfen. Zu Anfang von De genesi stellt Cusanus’ Gesprächspartner Conrad die an das klassische Problem des paganen Neuplatonismus gemahnende Frage, wie die untereinander verschiedenen kreatürlichen Dinge aus dem „idem“ entstehen können.¹⁹³ Nach Cusanus ist diese Frage nach der Kreativität des Absoluten eine der gewichtigsten metaphysischen Probleme überhaupt.¹⁹⁴ Sie bleibt über seine gesamte Schaffenszeit hinweg in seinen Werken präsent. Nun erfolgten aber Cusanus frühere Explikationen dieser Frage anhand affirmativer Begriffe (etwa Sehen, Denken oder ‚ratio‘). In De li non aliud geht Cusanus über diese affirmativen Ausdrücke hinaus, indem er einen doppelt negativen Begriff entwirft. Durch diesen will er die kreative Tätigkeit des Absoluten unbeschadet der Einheit und Transzendenz des Absoluten illustrieren. Besondere Beachtung muss man dem sich aufdrängenden Eindruck schenken, dass Cusanus gerade bei der durch das Nicht-Andere dargestellten Definition der Definition, die sich und alles andere bestimmt, besonderen Wert darauf legt, die Universaldefinition im Absoluten und speziell im Selbstbezug des Absoluten zu fundieren.  De princ. (h X/2b) n. 33, 2– 7.  De gen. (h IV) c. 1, n. 143, 1– 2: „Conradus: Admiror quomodo idem ipse est omnium causa, quae | adeo sunt diversa et adversa.“  De gen. (h IV) c. 1, n. 143, 5 – 7. Cusanus scheint allerdings dieses Problem in De genesi, wie bereits angedeutet, keiner einsichtigen Lösung zugeführt zu haben; De gen. (h IV) c. 1, n. 147, 4– 7: „Et quia idem absolutum est actu omnis formae | formabilis forma, non potest forma esse extra idem. Quod enim res | est idem sibi ipsi, forma agit, quod autem est alteri alia, est, quia non | est idem absolutum, hoc est omnis formae forma.“ Klaus Jacobi hat diese Ansicht fälschlicherweise für das gesamte cusanische Œuvre vertreten (Jacobi 1969, 256 – 257). Es kann aber gar nicht davon die Rede sein, dass Cusanus dieses Problem später keiner Lösung zugeführt hat. Dies wird sich im weiteren Verlauf in der Analyse des Nicht-Anderen zeigen.

2. Das Nicht-Andere als Begriff vom negativen Selbstbezug des Absoluten

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Warum dies so ist und wie diese Selbstbezüglichkeit alles Seiende schaffen kann, wird durch einen intensiveren Blick auf die Konstruktion der transzendierenden Negation (non aliud) erklärbar. Cusanus scheint den alles Seiende definierenden Negationsakt so zu deuten, dass sich das Absolute durch Negation von allem Seienden ‚abgrenzt‘ und so alles Seiende aus sich heraus setzt. Allerdings beinhaltet die Formel, dass das Absolute ‚das Andere aus sich heraus setzt‘, die Gefahr einer andersheitlichen Abgrenzung. Der Bezug des Absoluten auf alles Andere hat Cusanus aber nicht als andersheitliche Negation deuten können. In diesem Fall wäre das Absolute nur ein weiteres Anderes neben allen anderen Anderen, deren Anders-Sein untereinander durch die andersheitliche Negation angezeigt wird. Das Absolute unterschiede sich also durch Differenz und damit durch Andersheit von allen Dingen.¹⁹⁵ Das Nicht-Andere ist aber für Cusanus gerade kein Anderes gegenüber seinen Derivaten und so überhaupt kein Anderes, womit allerdings keineswegs die Identität des Absoluten mit seinen Derivaten ausgesagt wird.¹⁹⁶ Andersheit und AndersSein sind also in Bezug auf das Absolute zu negieren.¹⁹⁷

 Tendenziell hat sich Cusanus in De li non aliud durchaus dieser Gefahr ausgesetzt, weil er explizit auf den dionysischen Gottesnamen „der Andere“ hinweist (De non aliud (h XIII) c. 14, p. 36, 9 – 11 [n. 68]). Cusanus hat die Problematik dieser dionysischen Aussage durchaus gesehen; De non aliud (h XIII) c. 15, p. 52, 23 – 24: „Verum Dionysius ille Areopagita dicebat etiam Deum alterum dici, | quod quidem negatur in Parmenide.“ Im Rückgriff auf den von Cusanus hier gemeinten proklischen Parmenideskommentar hat Cusanus versucht, die Problematik des Begriffs „der Andere“ zu überwinden, indem er die Übereinstimmung zwischen Proklos und Dionysios aufzeigt und so die Problematik der dionysischen Ausdrucksweise glättet: Das Absolute als das Andere zu beschreiben, meine – analog zu Proklos – gerade keine „Absonderung“ (De non aliud (h XIII) c. 15, p. 52, 30 – p. 53, 4 [n. 101]. Vgl. Cusanusmarg. 567; Bormann 1986, 140: „nota vnum superexaltatum non secundum alteritatem sed supereminenciam“).  De non aliud (h XIII) c. 6, p. 13, 25 – 28 [n.20]: „‚Non aliud‘ neque est aliud, nec ab alio aliud, nec est | in alio aliud non alia aliqua ratione, quam quia ‚non aliud‘ quod nullo | modo esse aliud potest, quasi sibi desit aliquid, sicut alii. Aliud | enim, quia aliud est ab aliquo, eo caret, a quo aliud.“ De non aliud (h XIII) c. 11, p. 25, 15 – 17 [n. 43]. Vgl. De gen. (h IV) c. 1, n. 146, 11– 12. De gen. (h IV) c. 1, n. 147, 1– 2: „Nam idem absolutum, quod et deum dici|mus, non cadit in numero cum omni alio“. Vgl. ferner De poss. (h XI/2) n. 59, 13 – 14. Daher ist nach Stephan Grotz das Nicht-Andere – völlig korrekt – weder ein Anderes dem Anderen gegenüber noch identisch mit dem Anderen (Grotz 2009, 217).  Cusanus negiert jede Form der Andersheit bezüglich des Absoluten (bes. De vis. (h VI) c. 14, n. 58 – 59). Die Forschung hat gezielt darauf hingewiesen, dass das Absolute keinem Seienden gegenüber ein Anderes ist (Jacobi 1969, 265. Beierwaltes 1980, 114– 117. Cürsgen 2007a, 120, Anm. 73). Burkhard Mojsisch verweist darauf, dass die „Andersheit“ des Absoluten auf „divinale“, nicht aber auf „intellektuale“ Weise verstanden werden dürfe (Mojsisch 1996, 446 – 448. Vgl. Mojsisch 1991, 687– 691). Mojsisch weist dabei völlig zu Recht darauf hin, dass Cusanus gegenüber dem Begriff der „Andersheit“ kritisch eingestellt ist. Schließlich ist „Andersheit“

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II. Nicolaus Cusanus

Der absolute Negationsakt kann also weder eine andersheitliche Negation noch eine Privation sein. Die Welt ist nicht durch eine andersheitliche oder privative Negation entstanden, sondern durch die transzendierende Negation, also durch einen Negationstypus der logisch und ‚ontologisch‘ von der privativen und von der andersheitlichen Negationsform verschieden ist. Der absolute Negationsakt transzendiert jede andere Form der Negation: So ist die absolute Negation keine andersheitliche Negation, sondern eine Negation, die die andersheitliche Negation geradezu transzendieren und zu begründen versucht. ¹⁹⁸ Die absolute Negation kann auch nur dann produktive Negation sein, wenn sie keine andersheitliche Negation ist bzw. wenn man über die Bedeutung der andersheitlichen Negation hinauszugehen wagt. Dies verdeutlicht Cusanus, indem er das Verschiedensein des Nicht-Anderen gegenüber allen Seienden negiert. Hierfür verwendet er explizit auch den Begriff „oppositio oppositorum“, der sachlich dasselbe wie das Nicht-Andere aussagt.¹⁹⁹ In diesem Begriff wird erkennbar, dass das Absolute der Gegensatz zur Gegensatzrelation der ‚opposita‘ ist. Während die ‚opposita‘ untereinander und ge-

Gegenbegriff zur Einheit. Cusanus Anliegen ist aber, die „Andersheit“ Gottes begreifbar zu machen. So meint Mojsisch, dass Cusanus die „Andersheit“ des Absoluten „als reine Negation und schließlich als Nicht-Anderes“ gedacht habe (Mojsisch 1996, 444. Vgl. Mojsisch 1991, 688 – 689). Egil A. Wyller stellt klar, dass das „non“ erstens keine ausschließende Negation bedeuten kann. Das soll bedeuten, dass das „non“ das Andere nicht einfach vom Absoluten abweist. Zweitens kann es nicht als beraubende Negation begriffen werden. Wenn es beraubend wäre, zeigte es einen Mangel an, der stets pejorativ zu denken ist. Drittens ist es nicht im Sinne einer aufhebenden oder dialektischen Negation zu verstehen, womit Wyller Cusanus von Hegel abzugrenzen versucht (Wyller 1970, 424– 427. Vgl. Wyller 1974, 248 – 249). Stephan Grotz hat das Problem der Andersheit systematisch durchdacht: Er denkt dabei das Nicht-Andere im Anschluss an De visione dei völlig korrekt als „Andersheit ohne Andersheit“ (De vis. (h VI) n. 75, 1– 2). Ihm ist daran gelegen, das Absolute nicht in einen andersheitlichen Gegensatz zur Andersheit zu stellen, sondern die Andersheit im Absoluten selbst gründen zu lassen (Grotz 2009, 215 – 223). Maurice de Gandillac ist demgegenüber fälschlicherweise der Meinung, dass man dem Nicht-Anderen „schwerlich den Charakter privativer Begriffe absprechen“ könne (Gandillac 1953, 294, Anm. 122).  Das Absolute ist als Seins- und Erkenntnisprinzip vor allen Anderen; De non aliud (h III) c. 3; bes. p. 7, 4– 5 [n. 8]: „Id vero, quod ante aliud videtur, | non est aliud.“ S. dazu unten, II.2.7.  Die sachliche Äquivalenz von ‚non aliud‘ und ‚oppositio oppositorum‘ ist der Forschung bekannt (Beierwaltes 1964, 175 – 185; bes. 179 – 183. Beierwaltes 1987, 316 – 319. Beierwaltes 1994, 272– 275. Beierwaltes 2006, 222. Ríos 2005, 224. Grotz 2009, 222– 223. Kritisch demgegenüber Schneider 1970, 163 – 170; bes. 167– 168). Der Gedanke, das Absolute sei ‚oppositio oppositorum‘, lässt sich insbesondere bei Johannes Scottus Eriugena wiederfinden. In den genannten Forschungen Werner Beierwaltes’ erscheint dieser deshalb auch als Quelle für Cusanus. Wie intensiv war aber diese Einflussnahme Eriugenas auf Cusanus? S. dazu unten IV.3.2. S. auch unten, V.

2. Das Nicht-Andere als Begriff vom negativen Selbstbezug des Absoluten

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geneinander Gegensätze sind, ist das Absolute als Gegensatz zu diesen Gegensätzen der Gegensatzrelation der Gegensätze entrückt.²⁰⁰ Die ‚oppositio oppositorum‘ ist so die Gegensätzlichkeit zu den Gegensätzen. Dabei steht die absolute ‚oppositio‘ in keinem Gegensatzverhältnis zu den ‚opposita‘. Diese Gegensätzlichkeit zu den Gegensatzrelationen der ‚opposita‘ bedeutet daher, dass das Absolute seine Gegensätzlichkeit zu jedem ‚oppositum‘ negiert. Das Absolute negiert dabei aber weder irgendein ‚oppositum‘ noch die Gegensätzlichkeit der ‚opposita‘ schlechthin. Dadurch zeigt sich auch, dass die absolute Negation nicht mit der Privation und andersheitlichen Negation logisch gleichwertig ist. Das Absolute ist also sowohl gegenüber den Gegensätzen als auch gegenüber jeder Gegensätzlichkeit überhaupt transzendent. Die Transzendenz des Absoluten aufzuzeigen und als Grund aller Seienden zu erweisen, ist die wichtigste Aufgabe der doppelten Negation bei Cusanus. Das Nicht-Andere verhält sich den wesentlichen Grundcharakteristika bzw. dem Sein der Seienden gegenüber insofern ‚different‘, als es selbst in-different ist. Dabei muss explizit darauf verwiesen werden, dass das Absolute seine ‚Differenz‘ zu allem Anderen nicht aus einer andersheitlichen Negation, sondern gerade aus seiner Indifferenz – oder besser: seiner In-Differenz – bezieht.²⁰¹ Erreicht ist

 De non aliud (h XIII) c. 19, p. 47, 6 – 10 [n. 89]: „Sicut enim in contradicentibus contradictionem esse | contradicentium contradictionem vidit, ita ante contradicentia | contradictionem ante dictam vidisset contradictionem, sicut Dio|nysius theologus Deum oppositorum vidit oppositionem sine oppo|sitione. Oppositioni enim ante opposita nihil opponitur.“ De non aliud (h XIII) prop. VI, p. 61, 19 – 24: „Qui videt, quomodo ex eo, quod ‚non aliud‘ se ipsum | definit, ipsum ‚non aliud‘ est non aliud ipsius ‚non aliud‘, et quo|modo ex eo etiam, quod omnia definit et singula, est in omnibus | omnia et in singulis singula: ille quidem videt ipsum ‚non aliud‘ | esse aliud ipsius aliud et videt ‚non aliud‘ ipsi aliud non opponi, | quod est secretum, cuius non est simile.“ De ven. sap. (h XII) c. 14, n. 41, 11– 12: „Nam li non aliud non opponitur | li aliud, cum ipsum diffiniat et praecedat.“ De ven. sap. (h XII) c. 14, n. 41, 15 – 17: „Non | enim est deus, qui alicui opponitur, cum sit ante omnem oppo|sitorum differentiam.“ Cusanus hat schon früh gesehen, dass eine noch auf Gegensätzlichkeit angewiesene Negationsform vom Absoluten negiert werden muss; De coni (h III) I, c. 5, n. 21, 6 – 9; Hervorh. Ro: „Quamvis verius videatur | deum nihil omnium, quae aut concipi aut dici possunt, exsistere quam | aliquid eorum, non tamen praecisionem attingit negatio, cui obviat | affirmatio.“  Dirk Cürsgen meint zwar, das Absolute sei den Seienden gegenüber „sowohl different als auch indifferent“ (Cürsgen 2009, 358). Tatsächlich aber kann das Absolute seine spezifischabsolute ‚Differenz‘ gegenüber den Anderen nur aus seiner absoluten In-Differenz beziehen. Diese cusanische Vorstellung vom Absoluten als In-Differenz mag auf Meister Eckharts Begriff ‚indistinctum‘ fußen (Mojsisch 1983, 92– 94. Mojsisch 1991, 689. Mojsisch 1996, 450. Mojsisch 1997, 136 und 140. Vgl. dazu Beierwaltes 1980, 116 – 117. Speziell zur ‚indistinctum‘-Lehre Eckharts: Beierwaltes 1980, 97– 104. Mojsisch 1983, 86 – 92. Grotz 2009, 18 – 39). Es ist aber insbesondere vor dem Hintergrund der reinen Negativität des Absoluten bei Cusanus davon auszu-

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II. Nicolaus Cusanus

hiermit, dass ‚non aliud‘ keine andersheitliche Negation andersheitlicher Negation, sondern eine nicht-andersheitliche Negation andersheitlicher Negation ist. Wären die beiden Negationsformen der doppelten Negation logisch gleichwertig, könnte die absolute Negation der andersheitlichen Negation als bloße andersheitliche Negation der Differenz und so als Identitätsaussage aufgefasst werden.²⁰² Die spezifische Leistung des Nicht-Anderen besteht aber darin, die InDifferenz des Absoluten gegenüber jeder Differenz anzuzeigen. Das Absolute ist also die In-Differenz, durch die es ‚different‘ gegenüber allen anderen ist. Es bezieht durch seine In-Differenz seine ihm eigene ‚Differenz‘ (gegenüber allen Anderen).²⁰³ Dabei spiegelt der Begriff der In-Differenz zugleich die doppelte Negation wider, ohne dabei bloße Identität zu intendieren. So wird durch die doppelte Negation im Absoluten eine absolute In-Differenz etabliert, die letztlich zu dem Unterscheidungskriterium von Absolutem und Anderem avanciert. Damit ist das Absolute nicht als eine einfach, andersheitliche, privative oder endliche Negation, sondern als ‚gereinigte‘ Form der Negation zu verstehen. Eine einfache Negation, die im Gegensatz zur Affirmation steht, kann keine von jeder Gegensätzlichkeit gereinigte Negation sein. Das Nicht-Andere ist mithin Ausdruck absoluter, transzendenter und insbesondere reiner Negativität. Cusanus entfaltet die reine Negativität des Absoluten im negativen Begriff ‚non aliud‘ und zeigt so, wie reine Negativität gedeutet werden muss: als in sich fixierte nicht-andersheitliche Negation andersheitlicher Negation. Das negativ formulierte Nicht-Andere hat für Cusanus eindeutig Priorität gegenüber allen anderen Begriffen, auch gegenüber dem ‚idem absolutum‘. Weil nach Cusanus der Begriff des Nicht-An-

gehen, dass Cusanus das eckhartsche ‚indistinctum‘ seinen eigenen Vorstellungen gemäß signifikant umgedeutet hat: s. unten, II.2.3 – 4. S. auch unten, V.  Stephan Grotz hat explizit darauf hingewiesen, dass das Nicht-Andere und das Andere „in ihrem Negationscharakter“ nicht gleichgestellt sind (Grotz 2009, 216). So ist auch das NichtAndere nicht bloß eine Aussage, die das Absolute als „schlichte Selbst-Identität“ fassen würde (Grotz 2009, 217). Eine Negation der Negation führt unter der Voraussetzung der logischen Gleichwertigkeit der Negationen zur Auflösung der Negation: Das Erreichte wäre so bloße Identität.  De non aliud (h XIII) c. 5, p. 13, 10 – 12 [n. 19]: „[N]am in unitate, quae indistinc|tionem a se dicit et ab alio distinctionem, profecto ‚non aliud‘ cer|nitur.“ Vgl. auch De ven. sap. (h XII) c. 13, n. 35, 5 – 10: „Est enim ante | differentiam omnem: ante differentiam actus et potentiae, ante | differentiam posse fieri et posse facere, ante differentiam lucis et | tenebrae, immo ante differentiam esse et non esse, aliquid et nihil, | atque ante differentiam indifferentiae et differentiae, aequalitatis et | inaequalitatis, et ita de cunctis.“ Die absolute In-Differenz ist also nicht als Gegenbegriff zur Differenz zu verstehen, denn das Absolute übersteigt und begründet Differenz. Weil das Absolute letztlich der Differenz von Differenz und Indifferenz gegenüber erhaben ist, so ist es gerade aufgrund seiner absoluten In-Differenz ‚different‘ – oder besser: transzendent – gegenüber allen Differenzen.

2. Das Nicht-Andere als Begriff vom negativen Selbstbezug des Absoluten

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deren durch diesen affirmativen Ausdruck keinesfalls beschrieben werden kann, wird das Nicht-Andere wohl kaum, wie etwa Werner Beierwaltes meint, in eine vermeintlich höhere Affirmation übergehen.²⁰⁴ Überführt man die doppelte Negation ‚non aliud‘ einfach in eine reine Affirmation, korrumpiert man sie als Gottesbegriff. Vor diesem Hintergrund kann die eckhartsche Deutung der doppelten Negation als reine Affirmation nicht auf Cusanus appliziert werden. Denn das Nicht-Andere bleibt unhintergehbar reine Negation. Wie das Nicht-Andere als Ausdruck reiner Negativität die Transzendenz und Prinzipfunktion des Absoluten beschreibt, soll im Folgenden weiter präzisiert werden.

2.3. Absoluter Selbstbezug als negativer Selbstbezug Die nicht-andersheitliche Negation ist das entscheidende Instrument um das Kernelement des cusanischen Nicht-Anderen verstehen zu können: den negativen

 De non aliud (h XIII) c. 4, p. 9, 4– 6 [n. 11]: „Qualitercumque autem dixeris, cum id ipsum, quod dicis, non aliud | sit quam idem ipsum, patet ‚non aliud‘ simplicius et prius esse per | aliudque ineloquibile atque inexpressibile.“ De ven. sap. (h XII) c. 14, n. 41, 1– 3: „Advertas autem, quomodo li non aliud non significat tantum sicut | li idem. Sed cum idem sit non aliud quam idem, non aliud ipsum | et omnia, quae nominari possunt, praecedit.“ Vgl. bes. Cürsgen 2007a, 120, Anm. 73. Vor diesem Hintergrund müssen die Thesen Werner Beierwaltes’ revidiert werden: Nach Beierwaltes ist das Nicht-Andere im Sinne Meister Eckharts als reine Affirmation zu verstehen (Beierwaltes 2001a, 164. Beierwaltes 2010, 97. Vgl. Monaco 2010, 149 und 317). Das Nicht-Andere fasst er so als negative Kehrseite des ‚idem absolutum‘ (Beierwaltes 1964, 183. Beierwaltes 1980, 117– 118. Vgl. Santinello 1958, 112, Anm. 74 und 137– 139. Santinello 1971, 131). Nebenbei bemerkt hat aber Cusanus Eckharts Ausführungen zur reinen Affirmation mit keiner Marginalie versehen, obwohl er die dafür wesentliche Schrift (Expositio libri exodi) sehr wohl gekannt hat (Frost 2006, 59 – 60 und 65). Wichtiger ist aber, dass sich das Nicht-Andere nicht in eine reine Affirmation auflöst. Das Nicht-Andere hat für Cusanus eindeutig Priorität gegenüber dem ‚idem‘ und ist durch diesen Begriff auch nicht umschreibbar. Weil nun aber das NichtAndere durch das ‚idem‘ nicht umschreibbar ist, ist es offenbar nicht in eine vermeintlich höhere affirmative Identität umzuwandeln. Es bleibt Bedingung des ‚idem‘ und aller anderen Begriffe, eben auch der Affirmation. Egil A. Wyller merkt daher zu Recht an, dass der volle Begriff „non aliud“ nicht Identität besagt (Wyller 1970, 427– 429). Zudem zeigt auch Siegfried Dangelmayr, dass die doppelte Verneinung „im Gottesbegriff selbst […] als das eigentliche integrierende Element“ enthalten ist, womit die „Negativität“ im Gottesbegriff aufgezeigt wird (Dangelmayr 1969, 232). Damit ist das Nicht-Andere auch nicht einfach die „negative Kehrseite“ der Identität oder des ‚idem‘ (Grotz 2009, 213). Denn das Nicht-Andere besagt, gerade weil es gerade keine andersheitliche Negation andersheitlicher Negation ist, keine bloße Identität. Es geht dem ‚idem‘ als Grund woraus. Wie sich außerdem noch zeigen wird, vermag das Konzept absoluter Identität die innergöttliche Selbstbezüglichkeit im Gegensatz zum Nicht-Anderen nicht zu illustrieren: s. dazu die folgenden Ausführungen.

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II. Nicolaus Cusanus

Selbstbezug des Absoluten, der Ausdruck von Selbst- und Universaldefinition ist. Worin aber besteht nun genau der negative Selbstbezug beim Nicht-Anderen? Der Begriff des Nicht-Anderen ist für Cusanus, wie gezeigt, Ausdruck für die Tätigkeit des Absoluten, da für Cusanus kein Unterschied zwischen der überwesentlichen Transzendenz bzw. dem ‚Wesen‘ des Absoluten und seiner Aktivität besteht. Die Aktivität des Absoluten wird von Cusanus als Selbstdefinition bestimmt. Nun ist das Nicht-Andere kraft seiner selbstdefinitorischen Potenz auf sich selbst bezogen. Als aktive Selbstdefinition bzw. als selbstdefinierende Aktivität muss es selbstbezüglich sein. In der Struktur des Nicht-Anderen wird dabei deutlich, dass die Definition des Nicht-Anderen gerade nicht von einem Anderen, sondern vom Nicht-Anderen selbst vollzogen wird. Damit ist diese Aktivität also als dem Absoluten selbst innerlich bleibende ‚Bewegung‘ zu begreifen. Es steht für Cusanus daher außer Frage, dass das Absolute eine sich selbst definierende Selbstbezüglichkeit aufweist. Die entscheidendere Frage ist hierbei, wie dieser Selbstbezug verstanden werden muss. Der Begriff ‚non aliud‘ gibt genau hierauf eine Antwort: Da das Absolute als Nicht-Anderes absolute In-Differenz ist, ist auch seine ihm eigene Aktivität ein Akt in In-Differenz. Schon der ‚einfache‘ Begriff ‚non aliud‘ vermag den negativen Selbstbezug des Absoluten auszudrücken. Im Begriff ‚non aliud‘ werden Anderes und alle andersheitlichen Bestimmungen negiert und dadurch verweist das Nicht-Andere kraft seiner negativen Struktur auf seine ihm eigene Transzendenz gegenüber jedem Anderen. Es ist also kraft seiner doppelt negativen Struktur gerade auf sich verwiesen. Dieser Bezug wird dabei durch die doppelte Negation als autarke Selbstbestimmung des NichtAnderen selbst ausgewiesen. Denn die Negation andersheitlicher Bestimmungen ist keine andersheitliche Bezugsform und so kein Selbstbezug in oder durch Differenz. Die Art und Weise dieses Selbstbezugs vermag das Nicht-Andere, die Negation (non) der andersheitlichen Negation (aliud), gerade als negativen und mithin als absoluten Selbstbezug auszuweisen. Es bezieht sich als singulär absolute In-Differenz und damit in Form absoluter Negation auf sich selbst. Dadurch bleibt das Nicht-Andere kraft seiner In-Differenz nur und ausschließlich in sich selbst. Es bezieht sich nicht auf ein Anderes ihm gegenüber, so als ob es von einem Anderen abhängig wäre. Da es nicht durch ein Anderes bestimmt ist, ist es selbstbestimmt und so selbstbezüglich. Das Nicht-Andere ist dabei Selbstbezüglichkeit durch die Negation des andersheitlichen Bezugs. Seine ‚Bezugs‘- oder ‚Relationsform‘ ist damit nicht endlich, andersheitlich oder ontologisch. Ansonsten wäre es selbst Teil des Relationsganzen und somit der einfachen ontologischen Relation unterlegen. Cusanus versteht demnach die ‚Relation‘ des Absoluten kraft der doppelten Negation als Selbstbezug in reiner Negativität. ‚Relation‘ bekommt so einen explizit absoluten Charakter und wird so völlig differenzlos: Durch die Negation andersheitlicher Bezugsformen wird die ‚Relation‘

2. Das Nicht-Andere als Begriff vom negativen Selbstbezug des Absoluten

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des Absoluten gerade als absolute ‚Relation‘ gedeutet. Das Nicht-Andere ist eine verwandelnde Negation, da sie die Transzendenz anzeigt und so die innerabsolute ‚Relation‘ als nicht-andersheitliche und daher transzendente oder absolute ‚Relation‘ beschreibt. Ein absoluter Selbstbezug kann so nur in Negativität stattfinden, da jede mögliche Beziehung auf ein Anderes ihm gegenüber völlig unmöglich gemacht wird. ‚Non aliud‘ ist mithin Ausdruck absoluter und reiner Selbstbezüglichkeit kraft der negativen Struktur dieses Begriffs. Im Gegensatz zu Eckhart überwindet sich die doppelte Negation bei Cusanus nicht. Das Nicht-Andere kehrt sich nicht in eine vermeintlich höhere ‚reinste Affirmation‘ um. Denn das affirmative ‚idem absolutum‘ vermag die selbstbezügliche Reflexivität des Absoluten, die gerade durch die negative Struktur des Nicht-Anderen beschrieben wird, gar nicht auszudrücken und wirkt daher statisch.²⁰⁵ Das Nicht-Andere bleibt also wesentlich selbstbezogen, weil es nur in seiner Negativität und In-Differenz überhaupt absolut selbstbezüglich sein kann. Das Absolute befreit sich aktiv durch seine Negativität von allen endlich-begrenzten, verunreinigenden oder zusätzlichen Bezugsformen.²⁰⁶ Nur als negativer Selbstbezug vermag das Nicht-Andere absoluter Selbstbezug zu sein. Vollständig entwickelt hat Cusanus den Selbstbezug des Absoluten in der berühmten Formel „non aliud est non aliud quam non aliud“, die man auch als „Satz des Cusanus“ bezeichnen kann.²⁰⁷ Dabei hat er den Blick auf die innere oder intrinsische Tätigkeit des Absoluten geschärft. Das Absolute wird so als aktive Selbstreflexion ausgewiesen, die in sich selbst ‚beginnt‘, sich durch sich selbst und in sich selbst ‚bewegt‘ und sich auf sich selbst bezieht, wodurch sich das Absolute in gewisser Weise selbst ‚(er‐)denkt‘ und sogar ‚(er‐)schafft‘.²⁰⁸ Die vermeintliche Angewiesenheit des ‚non aliud‘ auf Anderes wird dabei durch Cusanus’ Verweis auf die ursprüngliche Selbstbezüglichkeit absoluter Aktivität klar zu-

 Daher ist das ‚idem‘ ein höchst statischer Begriff, der die Dynamik des Nicht-Anderen nicht mal in Ansätzen erreicht. Das Nicht-Andere ist also – anders als in der Deutung Detlef Thiels – kein „statischer Name“ (Thiel 1999, 41– 52; hier 48. Besser hierzu Wyller 1970, 427– 428).  Zur Negation eines zusätzlichen Bezugs s. unten, II.2.4. S. auch IV.3.3 und V.  De non aliud (h XIII) c. 1, p. 4, 29 – 30 [n. 4]; c. 5, p. 12, 18 [n. 18]; c. 21, p. 50, 8 – 9 [n. 95]; prop. III, p. 61, 9 – 10 [n. 144]; prop. VI, p. 61, 20 [n. 115]; prop. XIII, p. 63, 13 – 14 [n. 119]. De ven. sap. (h XII) c. 14, n. 40, 4– 5; n. 40, 12. Der treffende Begriff „Satz des Cusanus“ stammt von Dirk Cürsgen (Cürsgen 2007a, 93).  De non aliud (h XIII) c. 5, p. 13, 17– 21 [n. 19]: „Quando | enim primum principium ipsum se definit per ‚non aliud‘ signifi|catum, in eo definitivo motu de non alio non aliud oritur atque de | non alio et non alio exorto in non alio concluditur definitio, quae | contemplans clarius, quam dici possit, intuebitur.“ Vgl. Beierwaltes 1980, 154– 157. Monaco 2010, 299 – 318; speziell zum Nicht-Anderen 313 – 318. Davide Monaco begreift dabei den ‚Satz des Cusanus‘ völlig korrekt als selbstreflexive Formel, die die Selbstdefinition bzw. die Selbstschöpfung des Absoluten anzeigt.

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II. Nicolaus Cusanus

rückgewiesen.²⁰⁹ So ist der ‚Satz des Cusanus’ die autarke Selbstbestimmung des Absoluten: Das Nicht-Andere definiert sich in diesem Selbstbezug selbst. Es ist die Definition seiner selbst durch sich selbst in sich selbst. So wird das Absolute gerade nicht durch etwas Anderes bestimmt.²¹⁰ Dies kann Cusanus behaupten, obgleich das Absolute für ihn „indeterminabile“ ist.²¹¹ Denn die prinzipielle Unbestimmtheit wird durch die Selbstdefinition nicht aufgehoben. Wenn sie aufgehoben würde, wäre das Absolute positiv-konkret. Die Bestimmung des Absoluten durch sich selbst ist demnach eine Verneinung aller positiven Prädikate und daher weist das Absolute keine inhaltliche Bestimmung auf. Denn die innerabsolute Reflexion zeigt sich als Negation alles Seienden für sich selbst. Damit hat sich das Absolute als absolute Transzendenz gegenüber allem Seienden ‚definiert‘. Es weist, wie Jens Halfwassen korrekt pointiert, „alle denkbaren Bestimmungen von sich ab, weil jede Bestimmung selbst etwas anderes als das Nichtandere ist, und zwar deshalb, weil sie eben kraft ihrer Bestimmtheit Anderes von sich ausschließt“.²¹² Durch eben diesen ‚Ausschluss‘ hat sich das Nicht-Andere als reine Negativität fixiert und so von allen konkreten Einzelseienden ‚abgegrenzt‘.²¹³ Gegen diese Interpretation wendet sich polemisierend Stephan Grotz: Grenze sich das Absolute gegenüber allem ab, „würde das ‚non aliud‘ durch den Ausschluß von Andersheit – und damit durch Andersheit gegenüber der Andersheit“ definiert werden. Grotz befürchtet, dass die Selbstdefinition des Nicht-Anderen unter dieser Voraussetzung zu einer „Definition wie jede andere“ mutierte.²¹⁴

 Vgl. Cürsgen 2009, 342: „Mittels dieser Definitionsform [scil. non aliud est non aliud quam non aliud] bestimmt das Nicht-Andere sich selbst, zumal es nicht mehr als durch etwas anderes bestimmt gedacht werden kann.“  De non aliud (h XIII) c. 1, p. 4, 31– 32 [n. 4]). Damit ist das Nicht-Andere „definiens“ und „definitum“ zugleich, weil es sich nicht durch Andere, sondern allein durch sich selbst bestimmt hat. Damit ist es Definitionsakt oder -vollzug und Definiertes zugleich (De non aliud (h XIII) c. 1, p. 4, 15 – 16 [n. 3]). Es ist demnach, wie Fritz Nagel zutreffend bemerkte, völlig autark gegenüber dem Anderen (Nagel 1984, 8 – 10). Kritisch anzumerken ist aber, dass Nagel die ontologische Relation wieder einführt, indem er Gott in der „Relation Schöpfer-Geschöpf“ auf die Welt bezogen sein lässt (Nagel 1984, 9 – 10). Das Absolute übersteigt aber jede Relation bzw. verwandelt die Relation durch Negativität in die absolute Relation. Erst dadurch ist es wirklich absolut autark.  De princ. (h X/2b) n. 26, 10.  Halfwassen 2003, 45.  Damit zeigt sich auch, dass das Nicht-Andere ein völlig inhaltsarmer Begriff ist (Sonderegger 1999, 156. Halfwassen 2003, 46. Cürsgen 2007a, 93 – 94). Gerade dadurch aber zeigt es sich als Bedingung aller inhaltlich bestimmten Einzelseienden.  Grotz 2009, 216, Anm. 334. Jens Halfwassen hat in seinen Ausführung auch keineswegs eine andersheitliche Abgrenzung des Absoluten vertreten, sondern auf die transzendierende Nega-

2. Das Nicht-Andere als Begriff vom negativen Selbstbezug des Absoluten

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Dieser Einwand muss zurückgewiesen werden. Denn die Negation aller konkreten Anderen durch das Nicht-Andere ist in Jens Halfwassens Deutung keine Definition des Nicht-Anderen durch Andersheit gegenüber den Anderen. Durch einen andersheitlichen Ausschluss könnten die andersheitlichen Bestimmungen eben nicht vom Absoluten ferngehalten werden. Das Nicht-Andere definiert sich also nicht durch eine andersheitliche, sondern durch eine transzendierende Negation, die logisch wesentlich anders als eine andersheitliche Negation konstruiert wird und der andersheitlichen Negation als deren Prinzip vorangeht. Cusanus möchte durch seine Analyse die metasprachliche Ebene transzendierender Negation illustrieren: Der ‚Ausschluss‘ ist so nicht als andersheitliche Negation zu verstehen. Das Absolute ist daher keine Definition wie jede andere, mag auch die sprachliche Definitionsformel (non aliud quam) diese These suggerieren. Grotz’ These ist letztlich nicht überzeugend, weil Grotz den Negationsbegriff vom Absoluten fernhalten möchte und dadurch den transzendierenden Bedeutungsaspekt der Negation vernachlässigt. Der Selbstbezug des Nicht-Anderen hebt also dessen reine Negativität nicht auf, sondern bewahrt sie gerade. Also wird das eigentlich Unbestimmbare als Unbestimmtes bestimmt: Die reine Negativität Gottes fixiert sich selbst als reine Negativität. Das Absolute bezieht sich so in dreifach negativer Form (non aliud) auf sich selbst. In diesem negativen Selbstbezug kann Cusanus daher auch die Trinität sehen. Er hat aber das absolute Eine in seiner Negativität bewahren wollen. Ihm ist dabei das seltene Kunststück gelungen, dem Absoluten trotz – oder besser: wegen – seiner alles übersteigenden Negativität eine ‚Quasirelation‘ zuzuschreiben. Cusanus harmonisiert so das negative Absolute mit der trinitarischen Reflexivität, ohne es dabei mit der dem neuplatonischen Geist inhärenten Vielheit und Differenz zu belasten. Die zweimalige Wiederholung von ‚non aliud‘ ist mithin die Reflexion im Modus der Negativität.²¹⁵ Damit deutet Cusanus die Trinität als negativ-henologische Reflexivität des Absoluten.²¹⁶

tion bei Cusanus hingewiesen. Grotz unterscheidet nicht hinreichend zwischen Differenz und Transzendenz.  Cusanus selbst spricht zwar von einer „dreifachen Wiederholung“ des Nicht-Anderen (De non aliud (h XIII) c. 5, p. 12, 19 [n. 18]; Hervorh. Ro). Allerdings ist die dreifache Wiederholung des Nicht-Anderen nicht insgesamt dreimal, sondern viermal ‚non aliud‘. Cusanus mag hier im Eifer des Gefechts ein Fehler unterlaufen sein, artikuliert er doch mit der dreimaligen Nennung des Nicht-Anderen explizit die Trinität.  De non aliud (h XIII) c. 5, p. 12, 11– 27 [n. 18] und p. 13, 1– 21 [n. 19]. Das Absolute ist also die „immanente Reflexivität der reinen Negativität“ (Cürsgen 2007a, 100. Vgl. dazu Cürsgen 2007a, 100 – 101 und 103 – 104. Vgl. auch Halfwassen 2003, 45 – 46. Halfwassen 2011, 140 – 141). Gegenüber dieser cusanischen Trinitätsformel kann die dreimalige Setzung des ‚idem absolutum‘ die ursprüngliche Reflexivität des Absoluten nicht ausdrücken. Das ‚idem‘ ist ein statischer

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II. Nicolaus Cusanus

Demnach ist die Selbstdefinition des Nicht-Anderen – entgegen der Meinung Werner Beierwaltes’ – gerade keine „ontologische“ Selbstbestimmung.²¹⁷ Cusanus hat den Selbstbezug ent-ontologisiert und so direkt auf das Absolute übertragen. Grundsätzlich ist demnach die trinitarische Selbstbestimmung Begriff für das innere Selbstverhältnis des absoluten Einen und nicht des seienden Einen.²¹⁸ Diese betont negativ-henologische Trinitätsformel ist keineswegs durch den Begriff reiner Affirmation beschreibbar.²¹⁹ Wie aber kann die Selbstbestimmung des Absoluten zugleich einen kreativen Effekt auf konkret Seiendes haben? Die innerabsolute Reflexion scheint aufgrund ihrer Reflexivität zunächst keine Beziehung des Absoluten zu seiner Schöpfung anzuzeigen. Dieser Eindruck täuscht jedoch: Das Absolute setzt in der Negation alles Endlichen für sich alles Endliche als Nicht-Absolutes bzw. Anderes ‚aus sich heraus‘.²²⁰ Indem sich das Absolute als transzendente Negativität definiert, ist es als Negativität von allem Defizitären entgrenzt. Dabei begrenzt es alles Andere. Die

Begriff für das Absolute, weswegen Cusanus ihn in De li non aliud ablehnt. Der absolute Selbstbezug würde zudem als dreifache Nennung des ‚idem‘ zur bloßen Tautologie degradiert. Das Nicht-Andere ist aber keine tautologische Definition (bes. Cürsgen 2009, 362. Vgl. Cürsgen 2007a, 93 und 96. Perger 2004, 131– 133). Daher sind die Interpretationen von Martin Thurner und Arne Moritz zurückzuweisen (Thurner 2001, 469 – 473. Moritz 2006, bes. 274 mit Anm. 831). Denn das Nicht-Andere wird nicht einfach mit sich selbst tautologisch identifiziert. Cusanus beschreibt hier keinen Zustand. Es kommt ihm gerade auf den Vollzug an: Das Nicht-Andere bezieht sich negativ auf sich selbst. Der ‚Satz des Cusanus‘ verliert daher seine eigentümliche und negativ-reflexive Form, wenn er durch eine bloße Identitätsaussage (etwa: das Nicht-Andere ist das Nicht-Andere) ersetzt wird. Daher kann die trinitarische Selbstbestimmung nicht mit dem ‚idem absolutum‘ ausgedrückt werden.  Beierwaltes 2010, 90.  Werner Beierwaltes begreift demgegenüber das Nicht-Andere fälschlicherweise im Sinne des seienden Einen (Beierwaltes 2007, 220). Ein solches Unternehmen muss aber zwangsläufig scheitern, wie sich im weiteren Verlauf noch zeigen wird: s. bes. unten, II.2.7. Zur Reflexivität des neuplatonischen Geistes bzw. des seienden Einen: s. unten, III und IV.2.2. Vor diesem Hintergrund ist auch ersichtlich, warum Cusanus den sonst für die Trinität üblichen Personenbegriff in De li non aliud nicht verwendet. Die Ent-Ontologisierung des Selbstbezugs zieht eine Ent-Personalisierung Gottes nach sich (anders Beierwaltes 1970, 139). Dadurch zeigt Cusanus eindringlich die reine Negativität des absoluten Gottes.  Demgegenüber gibt es in De li non aliud also keinen Selbstbezug des Absoluten im Sinne einer reinen Affirmation. Die dem absoluten Selbstbezug zugrundeliegende negative Struktur ist notwendiger Bestandteil des Begriffs absoluter Selbstbezüglichkeit. Den Selbstbezug des Absoluten bei Meister Eckhart hat Jens Halfwassen detailliert diskutiert (Halfwassen 1997, 337– 359).  Halfwassen 2003, 46: „Das Nichtandere ist also der bestimmende Grund alles Bestimmten, dem dieses seine Bestimmtheit verdankt. Und es ist dieser bestimmende Grund aller Bestimmtheit gerade kraft seiner negativen Selbstbestimmung.“

2. Das Nicht-Andere als Begriff vom negativen Selbstbezug des Absoluten

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Entgrenzung des Absoluten hat die Begrenzung alles Nicht-Absoluten gewissermaßen zur ‚Kehrseite‘.²²¹ Hierin zeigt sich, dass der an Struktur reichere ‚Satz des Cusanus’ mit dem an Struktur ärmeren ‚non aliud‘ zusammenfällt. Cusanus artikuliert ganz bewusst die Einheit von Einheit und Dreiheit im Absoluten: Dreiheit ist nichts anderes als Einheit und Einheit nichts anderes als Dreiheit, da Dreiheit wie Einheit nichts anderes sind als das einfache, durch das „Nicht-Andere“ bezeichnete Prinzip.²²²

Damit ist die dreifache Nennung des Nicht-Anderen die Definition des Nicht-Anderen als Selbstdefinition, also als reine und transzendente Negativität. Zugleich ist die dreifache Nennung des Nicht-Anderen die Definition des Nicht-Anderen als Universaldefinition, also als Prinzip oder produktive Negation. Schließlich ist „die dreifache Wiederholung [sic: doppelte Wiederholung²²³] des Gleichen die Definition des Ersten“, also des Nicht-Anderen.²²⁴ Damit ist das ‚einfache‘ Nicht-Andere Ausgangspunkt für die Definition seiner selbst als Selbst- und Universaldefinition: Definitions-‚Subjekt‘, Definitionsakt und Definitions-‚Produkt‘ sind jeweils nichts anderes als das Nicht-Andere.²²⁵ Unter dieser Voraussetzung ist es unmöglich, eine reale Unterscheidung zwischen der negativ-henologischen Trinitätsformel und dem Nicht-Anderen anzunehmen. Die Unterscheidung zwischen dem ‚einfachen‘ und an Struktur vermeintlich ärmeren Begriff ‚non aliud‘ einerseits und dem dreigliedrig strukturierten ‚Satz des Cusanus’ andererseits hebt sich letztlich auf. Dies mag zunächst paradox erscheinen. Man hat aber unbedingt darauf zu achten, dass das Nicht-

 Detailliert wird die kreative Aktivität des Nicht-Anderen in der folgenden Diskussion diskutiert: s. unten, II.2.4– 6.  Übers. nach Wilpert (H 12, 16); De non aliud (h XIII) c. 5, p. 12, 24– 27 [n. 18]: „[T]rinitas non sit | aliud quam unitas, et unitas non sit aliud quam trinitas, quia tam | trinitas quam unitas non sunt aliud quam simplex principium per | ‚non aliud‘ significatum.“  S. oben, 65, Anm. 215.  Übers. nach Wilpert (H 12, 15); De non aliud (h XIII) c. 5, p. 12, 19 [n. 18]: „idem triniter repetitum si est primi definitio“. Dabei ist zu beachten, dass es bloß so scheint, als ob hierdurch das Absolute positiviert wird. Die immanente Reflexivität des Absoluten bleibt ihm selbst immanent und wird nicht positiv, denn das Absolute ist und bleibt das ‚non aliud‘ und damit reine Negativität.  Diese drei Aspekte sind damit letztlich dasselbe; vgl. De non aliud (h XIII) prop. VI, p. 61, 20 [n. 115]: „‚non aliud‘ est non aliud ipsius ‚non aliud‘“. Doch diese Identität oder Einheit der drei Aspekte ist – anders als Werner Beierwaltes glaubt – gerade nicht durch den Begriff ‚idem‘ auszudrücken (Beierwaltes 2010, 93, Anm. 42). Die Einheit der Aspekte ist das Nicht-Andere selbst und mithin die absolute In-Differenz. In dieser Weise ist auch die Einheit von Selbst- und Universaldefinition zu verstehen: s. unten, II.2.4.

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II. Nicolaus Cusanus

Andere Begriff der Selbstdefinition und damit bereits Ausdruck absoluter Selbstbezüglichkeit ist. So wird der ‚Prozess‘ der Selbstdefinition in beiden Fällen als Akt in reiner Negativität beschrieben.²²⁶ Somit ist auch die trinitarisch strukturierte Selbstdefinition nicht einfach Bedingung des Nicht-Anderen. Gleiches gilt freilich für das Nicht-Andere selbst: Es geht der trinitarischen Selbstdefinition nicht real voraus, ist es doch ‚erst‘ im ‚Satz des Cusanus’ vollständig expliziert.²²⁷ Der Begriff ‚non aliud‘ und die trinitarisch strukturierte Definition besagen daher durchaus dasselbe. Denn wo man nicht zählen kann, fällt die Differenz von Einheit und Dreiheit.²²⁸ In der Übergegensätzlichkeit und vollkommenen Unbegrenztheit des Absoluten ist ein entscheidender Hinweis für die Freiheit des Nicht-Anderen zu sehen.²²⁹ Im Begriff ‚non aliud‘ spiegelt sich die entgrenzte Freiheit des Absoluten. Denn wahre Freiheit kann nicht erreicht werden, wenn man an aspektuellen Differenzierungen festhält oder der Differenz von Einheit und Dreiheit verhaftet bleibt. Das Absolute ist deshalb frei, weil es als reine Negativität absolute InDifferenz ist. Die Negation andersheitlicher Negation ist eine reine und gereinigte Form der Negation, die das Absolute gerade als Entgrenztes ausweist. Die Freiheit ist damit ein durch absolute Negation grundgelegter Begriff: Nur durch Negativität vermag Freiheit absolut zu sein. ²³⁰ Es ist frei von allen Anderen und so bezieht sich das Nicht-Andere nicht auf ein Anderes, sondern ausschließlich auf sich selbst. Damit wird die Negativität des Selbstbezugs ausgewiesen, denn das Absolute ist nicht-andersheitlich selbstbezüglich und so wird der Selbstbezüglichkeit gerade ein negatives Moment verliehen. Daher kann man nicht behaupten, Cusanus habe als Vertreter der negativen Theologie überhaupt keine Relation im Absoluten angenommen.²³¹ Er hat die Relation bewusst umgedeutet. Dem Absoluten kommt demnach keine endliche oder herkömmliche Relation zu. Auch die noologische Relation des neuplatonischen Geistes kann ihm nicht zukommen. Die absolute Form der ‚Relation‘ ist durch die Negativität die von allen Defiziten befreite absolute und ent-ontologisierte Über-Relation.  Zum definierenden ‚Prozess‘ im Absoluten selbst: s. unten, II.2.7.  Daher nennt Cusanus seinen „Satz“ auch „entfaltete Definition“ (De non aliud (h XIII) c. 5, p. 12, 17 [n. 18]). Aus dieser „Vollendung“ resultiert demnach die „Trinität“ (De non aliud (h XIII) c. 5, p. 12, 22– 23 [n. 18]).  Vgl. De gen. (h IV) c. 5, n. 177, 2: „Idem igitur absolutum est trinum et unum“.  Für Cusanus ist das Absolute aufgrund seiner Übergegensätzlichkeit die „Freiheit selbst“ (De vis. (h VI) c. 8, n. 28, 10. S. dazu unten, II.2.4).  Cusanus steht im Hinblick auf die absolute Freiheit des absolut transzendenten Prinzips sachlich Plotin nahe. Denn bei Plotin vollendet sich die Freiheit, wie Jens Halfwassen zeigen konnte, in der absoluten Transzendenz des absoluten Einen (Halfwassen 2004a, 138 – 141).  So etwa Flasch 1973, 324– 325.

2. Das Nicht-Andere als Begriff vom negativen Selbstbezug des Absoluten

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2.4. Universalbezug als absoluter Selbstbezug Die Forderung, das Absolute als Prinzip aller Dinge und mithin als Grund der Anderen zu verstehen, setzt einen kreativen Bezug des Prinzips auf seine Derivate voraus. Generell instruierend für das cusanische Verständnis des kreativen Bezugs des Absoluten auf seine Derivate ist Cusanus’ Aussage, „das Wort Gottes laufe schnell“ durch die Welt.²³² Das Absolute scheint so eine äußere Beziehung zu seinen Derivaten zu haben: Das Absolute geht als Negation aller Seienden über das Seiende und durch das Seiende hindurch gerade vermittels der Negation zu sich und daher zu seinem eigenen Über-Wesen zurück: Dabei ist zu erkennen, dass hierdurch die in der Forschung apostrophierte triadische Struktur der Weltbegründung aufleuchtet. Die Weltbegründung wird hier durch den neuplatonischen Ternar von ‚Bleiben-Hervorgehen-Rückkehr‘ (μονή-πρόοδος-ἐπιστροφή) reflektiert: Hiermit sind für Cusanus die Transzendenz des Absoluten (mansio) und sein kreativer Aspekt (processio), in dem es sich zugleich auf sich zurückbezieht (reditus), angesprochen, wodurch sich in der Dreiheit eine Einheit ergibt. Mit der ‚processio‘ wird hierbei auch und gerade ein ‚äußerer‘, weil kreativer Bezug des Absoluten auf seine Derivate suggeriert.²³³ Vor dem Hintergrund des Selbstbezugs des Absoluten ergibt sich aber für Cusanus, dass dieses nicht aus sich selbst heraustritt. Der Bezug des Absoluten zu seinen Derivaten und mithin seine weltdurchlaufende Aktivität muss so als eine dem Absoluten selbst innerlich bleibende ‚Bewegung‘ verstanden werden. So ist seine kreative Tätigkeit keine Bewegung, sondern absolute Ruhe.²³⁴ Dabei ist der Stand nicht als ‚tödliche‘ oder sterile Ruhe, sondern als kreative ‚Bewegung‘ oder Tätigkeit zu verstehen. Das Nicht-Andere erscheint dabei als äußerer Bezug. Genau

 Sermo XX (h XVI/3), n. 10, 47– 48: „Velociter currit sermo | eius [scil. dei]“. Sermo CCLXXVII (h XIX/6), n. 27, 8 – 9: „Velociter enim currit ser|mo domini“. Vgl. dazu De poss. (h XI/2) n. 27, 1– 5.  Insbesondere Werner Beierwaltes hat sich um die Deutung dieses neuplatonischen Ternars bei Cusanus verdient gemacht (Beierwaltes 1987, 311– 343. Beierwaltes 1994, 266 – 312. Beierwaltes 2006, 217– 239; bes. 224– 226. Vgl. Riccati 1983, bes. 9 – 147). Dabei zeigt Beierwaltes auch, wie Cusanus’ Auseinandersetzung mit der innertrinitarischen Reflexivität und dem kreativen Hervorgang ‚nach außen‘ von Johannes Scottus Eriugena beeinflusst ist. Im Folgenden wird sich zeigen, inwiefern innertrinitarische Reflexivität und kreativer Hervorgang für Cusanus gerade dasselbe sein können, ohne dass dabei das Absolute mit seinen Derivaten pantheistisch identifiziert werden muss. Dieses Problem zu durchdenken und in Cusanus’ Schriften im Anschluss an Eriugena zu lösen, hat Beierwaltes auch als Forschungsdesiderat ausgezeichnet (Beierwaltes 1987, 322, Anm. 32. Beierwaltes 1994, 280, Anm. 32). Nach Ansicht des Autors ist dieses Desiderat bis heute unerfüllt geblieben.  Bes. De vis. (h VI) c. 9, n. 35, 6 – 21. Die kritische Ausgabe verweist auf Johannes Scottus Eriugena als Quelle für diese in sich ruhende kreative ‚Bewegung‘ des Absoluten (h VI, p. 33)

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genommen handelt es sich hierbei aber um einen Selbstbezug, der nur äußerlich erscheint. Bestes Beispiel für die bleibende Innerlichkeit ist dabei sowohl der ‚Satz des Cusanus’ als auch die nicht-andersheitliche Negation andersheitlicher Negation.²³⁵ Es ist das endliche Denken, das den gründenden Selbstbezug des Absoluten nur über Differenzen und mithin über differenzhafte und äußere Bezüge wahrnimmt. Um der bleibenden Transzendenz des Absoluten Rechnung zu tragen, könnte der schöpferische Negationsakt als vom Absoluten selbst vollzogene Negation der ursprünglichen Negativität gedeutet werden: Durch die „Selbstnegation“ des Absoluten könnte das Absolute seine Überfülle positiv nach außen setzen. Das Absolute setzte das, was es an ihm selbst nicht ist, ‚nach außen‘ und bedingte so das Sein der Anderen. Vor diesem Hintergrund erscheint das Sein der Anderen gerade als Negation der ursprünglichen Negativität.²³⁶ Es muss aber hierbei kritisch angemerkt werden, dass ‚Selbstnegation‘ ein höchst problematischer Begriff ist: Durch ihn wird die Gefahr einer privativen oder andersheitlichen Selbstnegation des Absoluten heraufbeschworen. Eine Selbstnegation des Absoluten im Sinne einer Selbstentfremdung oder Selbstentzweiung hintergeht und korrumpiert jedoch die ursprüngliche Transzendenz des Absoluten. Dies hat Cusanus durch seinen Begriff des Nicht-Anderen keinesfalls intendiert: Die Dynamik der Weltentfaltung wird nicht über eine Negation ursprünglicher Negativität, sondern durch die Negation andersheitlicher Negation grundgelegt. Dennoch ist der Gedanke der Negation ursprünglicher Negativität bei Cusanus in gewisser Weise vorhanden. Mit der ‚Negation ursprünglicher Negativität‘ ist die Faktizität des Seins artikuliert. Der erkennende Geist erfasst das Seiende als Negation des Absoluten. Damit ist aber nicht die Tätigkeit des Absoluten selbst gefunden.²³⁷ Um es noch mal zu betonen: Das Nicht-Andere bezieht sich auf das Andere nicht in Form einer andersheitlichen Negation. Das Nicht-Andere bezieht sich nicht auf ein Anderes ihm gegenüber. Daher kann Cusanus in De li non aliud auch

 Vgl. bes. De non aliud (h XIII) c. 5, p. 13, 17– 21 [n. 19]. An dieser Stelle sei auch darauf hingewiesen, dass diese bleibende Innerlichkeit des Absoluten gerade und nicht zufällig an Johannes Scottus Eriugena erinnert: s. dazu unten, IV.3.4.  Eine solche aktive „Selbstnegation“ des Absoluten nimmt Werner Beierwaltes bei Cusanus an (Beierwaltes 2006, 232). Explizit hat Beierwaltes Eriugena den Gedanken der „Selbstnegation“ des Absoluten zugesprochen (Beierwaltes 1985, 349 – 362). Eriugena erscheint so als Quelle für Cusanus. Dirk Cürsgen hat die Anderen ebenfalls als Negationen des Absoluten beschrieben (Cürsgen 2007a, 112). Gleichwohl hat Cürsgen die Unmöglichkeit einer Selbstverneinung des Absoluten gesehen (Cürsgen 2009, 360).  Interessanterweise aber verwendet der menschliche Geist wiederum Negationen, um sich das Absolute anhand seiner Theophanien, also anhand von etwas, das gerade nicht das Absolute ist, zu erklären: s. dazu unten, IV.3.4.

2. Das Nicht-Andere als Begriff vom negativen Selbstbezug des Absoluten

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ganz entschieden behaupten, dass das Absolute nichts außerhalb seiner selbst sieht und dass nichts außerhalb des Absoluten wahrhaft sein kann.²³⁸ Es bleibt in seiner Transzendenz, und in seiner Transzendenz muss es sich als Prinzip erweisen: Das Sehen [Visus], das zugleich dreifaltiger Gott ist, schaut nicht mit einem Blick sich und mit einem anderen das Andere, sondern erblickt mit demselben Blick, mit dem es sich schaut, zugleich auch alles. Dieses Schauen ist Bestimmen […].²³⁹

Der Gedanke, dass das Absolute alles in sich kreativ (er‐)sieht, wurde bereits oben im Hinblick auf De visione dei angesprochen. Von besonderer Bedeutung für die vorliegende Thematik ist, dass dieses Sehen gegenüber dem endlichen oder kontrakten Sehen der Kreatur, das sich beispielsweise in Schärfe jeweils unterscheidet, absolut überlegen ist: Gegenüber dem kontrakten Sehen betrachtet es nicht das eine Objekt mehr und ein anderes Objekt weniger, sondern behält dasselbe absolute ‚Maß‘ bei. Das Absolute ist so frei und von jeder Beschränkung gelöst.²⁴⁰ Daher sieht das Absolute nichts außerhalb seiner selbst. Es erblickt alles kreativ, ohne sich diesem oder jenem Derivat extra oder über die Natur seines eigenen absoluten Blicks hinaus zuwenden zu müssen.²⁴¹ Dasselbe Ergebnis kann man auch für alle anderen ‚intentionalen‘ affirmativen Begriffe (wie etwa Denken, Wissen, Erkennen oder Begreifen) festhalten.

 De non aliud (h XIII) c. 7, p. 16, 26 – 27 [n. 26]: „[A]liud nec extra ‚non | aliud‘ est nec videtur.“ Vgl. De vis. (h VI) c. 14, n. 58, 4– 5. Zur Herkunft dieses Gedankens aus dem Denken Johannes Scottus Eriugenas: s. unten, IV.3.2– 3.  Übers. nach Wilpert (H 12, 81); De non aliud (h XIII) c. 23, p. 54, 25 – 27 [n. 105]: „Visus ergo, qui et theos unitrinus, non alia sane visione sese et alia | alia videt, sed ea visione, qua se, simul et omnia intuetur. Hoc | videre definire est.“ In Abwandlung zu Wilpert wurde „Visus“ wörtlich mit „Sehen“ übersetzt.  De vis. (h VI) c. 1, n. 6, 1– 9; Hervorh. Ro: „Si enim inspexero ad abstractum visum, quem mente absolvi ab | omnibus oculis et organis, atque consideravero, quomodo ille | visus abstractus in contracto esse suo, prout videntes per ipsum | visum vident, est ad tempus et plagas mundi, ad obiecta singula|ria et ceteras condiciones tales contractus, ac quod abstractus | visus ab his est condicionibus similiter abstractus et absolutus, | bene capio de essentia visus non esse, ut plus unum quam aliud | respiciat obiectum, licet comitetur visum in contracto esse, quod, | dum respicit unum, non possit respicere aliud aut absolute omnia.“ Die ‚visio absoluta‘ ist daher „improportionabiliter perfectior“ als kontraktes Sehen (De vis. (h VI) c. 1, n. 6, 11– 12) und mithin ein „incontractus visus“ (De vis. (h VI) c. 1, n. 6, 10).  De vis. (h VI) c. 8, n. 30, 13 – 17; Hervorh. Ro: „Oculus tuus, domine, | sine flexione ad omnia pergit. Quod enim oculus noster se ad | obiectum flectit, ex eo est, quia visus noster per angulum quantum | videt. Angulus autem oculi tui, deus, non est quantus sed est | infinitus“.

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Gegenüber diesen affirmativen Begriffen hat Cusanus in De li non aliud die doppelte Negation ‚non aliud‘ verwendet, um die dem Absoluten selbst innerlich bleibende Kreativität als Entfaltungsakt auszudeuten: Durch den im Begriff ‚non aliud‘ implizierten selbstbezüglichen Negationsakt setzt das Nicht-Andere alles Andere ‚aus sich heraus‘, indem es jedes Seiende als ein konkretes Seiendes hervorgehen lässt und in die Seinsweise des Anders-Seins entlässt. So lässt sich die These formulieren, dass sich gerade im Selbstbezug des Absoluten der Universalbezug des Absoluten realisiert oder vollzieht. ²⁴² Denn das Absolute schöpft nicht durch andersheitliche Negation, sondern ohne Andersheit bezieht es sich in (seiner) In-Differenz auf jedes Seiende. Das Absolute bezieht sich in Form seiner In-Differenz auf alles, weil es alles in demselben Akt bzw. ‚gleich-gültig‘ begründet und von nichts verschieden ist.²⁴³ Es kann dabei aber gleichwohl nicht einfach mit den Anderen identifiziert werden. Das Absolute bezieht sich daher auf alles gerade in seiner ihm eigenen In-Differenz jenseits aller konkreten Dinge und Bezüge. In seiner in-differenten Selbstbezüglichkeit ist das Absolute gewissermaßen ‚Grund seiner selbst‘ wie auch Grund aller Dinge. Damit ist grundsätzlich erklärt, warum Cusanus besonderen Wert auf den Selbstbezug legt: Nur als negativer Selbstbezug ist das Absolute für ihn als Universalbezug und -definition zu begreifen. Die bleibende Innerlichkeit des Absoluten wird so markant apostrophiert. Dabei scheint es bloß so, als ob das Absolute ‚zunächst‘ in sich ist, um dann ‚nach außen‘ wirksam sein zu können: Denn zwischen der intrinsischen Selbstbezüglichkeit und der extrinsischen Tätigkeit ist keine Differenz oder gar eine zeitliche Abfolge. Beide Aspekte sind nicht-andersheitlich zu begreifen. Dabei zeigt sich erneut die vollkommene Unbegrenztheit des Absoluten: Das Absolute ist unbegrenzt, weil es sich aus der Differenz entgrenzt hat. Ohne diese Entgrenzung müsste man eine Differenz zwischen innerem und äußerem Bezug annehmen. Dies widerspricht aber der Übergegensätzlichkeit des Absoluten. Aus diesem Grund kann der Selbstbezug des Absoluten gerade kein identisch-tautologischer Selbstbezug sein. Erstens wird durch eine einfache Identitätsaussage die innergöttliche Kreativität nicht illustriert. Das bloße ‚idem‘ kann die kreative Potenz des Absoluten nicht ausdrücken und beschreibt es eher als sterile, statische und unbezügliche Ruhe. Zweitens müssten Selbstbezug und Universalbezug, wenn das Absolute

 Vgl. Cürsgen 2009, 357.  Schon Dirk Cürsgen hat den Begriff der ‚Gleich-Gültigkeit‘ verwendet (Cürsgen 2009, 357– 358). Er scheint auf Cusanus übertragen werden zu können, weil das Absolute alles in demselben Akt sieht und schafft. ‚Gleich-gültig‘ meint aber kein Desinteresse, sondern soll die Gleichförmigkeit des göttlichen Schöpfungsaktes apostrophieren und damit auf den Einheitsgrund schlechthin hinweisen.

2. Das Nicht-Andere als Begriff vom negativen Selbstbezug des Absoluten

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identisch-tautologisch auf sich selbst bezogen wäre, notwendig voneinander unterschieden werden. Denn wenn Selbst- und Universalbezug einfach identisch wären, würde ein identischer Selbstbezug – der kraft einer andersheitlichen Negation der Differenz ermöglicht wäre – nichts anderes als Pantheismus anzeigen. Einem identischen Selbstbezug könnte ein Bezug zu etwas Anderem nur als etwas Zusätzliches zukommen. Nur als negativer Selbstbezug vermag das Absolute überhaupt Selbst- und Universalbezug zu sein. Cusanus verwendet also die negativen Formulierungen, um die innergöttliche ‚Aktivität‘ und ‚Prozessualität‘ zu beschreiben, ohne diese dabei als ontologische oder endliche Aktivität oder als sich selbst verwandelnde Prozessualität zu deuten. Das Nicht-Andere ist keine bloße ‚Zwischenstation‘. Deswegen ist der Selbstund Universalbezug des Absoluten bei Cusanus der nicht-andersheitliche Bezug, der also Differenz negiert und keine (tautologische) Identität meint: Selbst- und Universalbezug des Absoluten sind zwar dasselbe, doch Selbst- und Universalbezug sind der eine nicht-andersheitliche Selbstbezug. Der in-differente Selbstbezug überwindet andersheitliche Bezüge, ist dabei aber keine sterile, völlig unbezügliche oder den Pantheismusverdacht befördernde Identität.²⁴⁴ Gerade durch die In-Differenz des Absoluten kann Cusanus also die Beziehung zwischen dem Absoluten und den Anderen beschreiben und so dem Pantheismus endgültig eine Absage erteilen.²⁴⁵ Das Absolute als Universaldefinition begreifen zu können, setzt damit voraus, es als transzendent-negativen Selbstbezug zu deuten. Die entscheidende Frage ist hierbei, wie ein innerlich bleibender Selbstbezug die Weltwirklichkeit setzen kann, wo doch ein äußerlicher Kausalbezug ausgeschlossen ist. Daher soll im Folgenden ein intensiver Blick auf die Definitionsfunktion des Nicht-Anderen geworfen werden. Zu beachten ist, dass das Nicht-Andere in seiner kreativen Tätigkeit keinen äußeren Bezug aufweisen kann: Das Nicht-Andere expliziert das ‚Wesen‘ des Absoluten gerade als negativ-absolute Selbstbezüglichkeit. Allerdings muss die Frage, wie das Absolute seine Transzendenz in seinem kreativen Wirken

 Daher kann man keineswegs davon ausgehen, dass das ‚idem absolutum‘ gerade gegenüber dem Nicht-Anderen insbesondere das „Wirken“ des Absoluten beschreibe (Beierwaltes 1964, 183). Diesbezüglich ist auch die folgende Explikation des Nicht-Anderen als Prinzip aller Dinge zu beachten: s. unten, II.2.5 – 7.  Daher greift Clyde L. Millers These, „not other than“ bedeute „identical with“, zu kurz (Miller 2003, 180 – 205; hier 190). Solche Aussagen zeugen von einem geradezu naiven Unverständnis für die Bedeutung des Nicht-Anderen.

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II. Nicolaus Cusanus

bewahren kann, an dieser Stelle zugunsten der Diskussion der Definition des Anderen zurückgestellt werden.²⁴⁶

2.5. Das Nicht-Andere als Universaldefinition Man kann in der Formel des Nicht-Anderen den Ausdruck sowohl für die Transzendenz des Absoluten als auch für den schöpferischen ‚Ausschluss‘ – oder besser: die Ausfaltung²⁴⁷ – des Anderen aus dem überwesentlichen Wesen des Absoluten erblicken. Denn das Absolute sieht zwar alles in sich und entfaltet seine Kreativität in sich. Allerdings ist das Geschöpf nicht das Absolute, sodass eine Ausfaltung angenommen werden muss. Diese Ausfaltung darf, wie soeben betont wurde, nur über die bleibende Innerlichkeit des Absoluten begriffen werden. Das Absolute faltet also seine Derivate kreativ aus seinem Wesen aus. Stephan Grotz hat zwar, wie bereits betont, durchaus berechtigte Bedenken gegen den Begriff ‚Ausschluss‘ angemeldet. Es lässt sich aber bei genauer Betrachtung feststellen, dass Cusanus den Sachverhalt der Transzendenz und des schöpferischen ‚Ausschlusses‘ durch den negativen Begriff ‚non aliud‘ gerade in neuer logischer Form durchdenken wollte. Burkhard Mojsisch folgert daher nicht zu Unrecht, dass das Sprechen über das Absolute „vermittels der reinen Negation […] in translogischem Sinne verwandt wird“.²⁴⁸ Vor dem Hintergrund der Analyse des Nicht-Anderen als

 Der kreative Prozess aller Dinge wird von Cusanus ganz bewusst als still-stehender Prozess gedeutet, in dem sich das Absolute nicht von sich selbst entfremdet, sondern in seiner Transzendenz verharrt; De vis (h VI) c. 9, n. 43, 2: „successio sine successione“. Dieser Gedanke fundiert die cusanischen Konzepte der Theophanie einerseits und der Dialektik von Transzendenz und Immanenz andererseits. Inwiefern sich also das Absolute in seinem kreativen Wirken in sich bleibt, wird sich im weiteren Verlauf noch zeigen: s. unten, bes. II.2.7.  Schon in der früheren Schrift De dato patris luminum denkt Cusanus die Gabe vom Vater der Lichter als Schöpfung durch das Absolute und aus dem Absoluten. Dabei ist das, was von der Kreatur aufgenommen werden kann, nicht das Absolute selbst. Genau deswegen ist die Aufnahme der Gabe ein Abstieg vom Absoluten; De dato (h IV) c. 2, n. 99, 2– 9; Hervorh. Ro: „[D] ator formarum non | aliud a se ipso donat, sed donum suum est optimum atque est ipsa | sua optimitas absoluta atque universaliter maxima, sed non potest | recipi ut datur, quia receptio dati fit descensive. Recipitur igitur infi|nitum finite et universale particulariter et absolutum contracte. Talis | autem receptio, cum sit cadens a veritate se communicantis, ad simili|tudinem et imaginem vergit, ut non sit veritas datoris sed similitudo. | Nam non potest in alio nisi aliter recipi.“ Diesen Sachverhalt des gründenden Abstiegs hat Cusanus erst in De li non aliud ausführlich dargelegt.  Mojsisch 1991, 690. Kurt Flasch hat ebenfalls darauf hingewiesen, dass Cusanus das herkömmliche Kausalitätsverständnis kritisierte und neu durchdachte, indem er die „aufrüttelnde“

2. Das Nicht-Andere als Begriff vom negativen Selbstbezug des Absoluten

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doppelte Negation ist es jedenfalls offensichtlich, dass es Cusanus um eine Form der Negation gegangen ist, die die herkömmlichen Negationsformen übersteigt: Weil das Nicht-Andere die Negation der andersheitlichen Negation ist und genau hierin die andersheitliche Negation transzendiert, kann das Nicht-Andere als Negation begriffen werden, die die Logik andersheitlicher Negation gerade übersteigt und letztlich sogar begründet. Die Negationslogik von Cusanus löst die Differenz der Seienden also keineswegs auf, sondern begründet sie.²⁴⁹ Dabei ist im Folgenden genau zu klären, wie die doppelte Negation ‚non aliud‘ alles definiert. Für Cusanus gilt, dass die doppelte Negation als definierenden Vollzug von ihren Wirkungen zu ‚unterscheiden‘ ist. Zunächst ist zu beachten, dass es in der Selbstbestimmung des Absoluten keinen Unterschied zwischen Wirken und Wirkung geben kann. In diesem Fall sind Ausgangspunkt, Wirken und Endpunkt identisch (dreimal ‚non aliud‘).²⁵⁰ Im ‚Satz des Cusanus’ wird also das Nicht-Andere als Wirken und Wirkung zugleich gedeutet. Diese Wirkung des Absoluten in sich selbst kann, wie sich oben bereits gezeigt hat, als Selbstbestimmung des Absoluten im Sinne einer aktiv tätigen Negativität gedeutet werden. Das Absolute definiert sich dabei als Wirken bzw. als Definition. ²⁵¹ Durch das Nicht-Andere wird speziell das „quid“ der Seienden, also deren washeitliche Bestimmung definiert.²⁵² Cusanus hat diesen definierenden Akt des Absoluten in einer speziellen Wendung ausgedeutet, die durch die kopulative Verwendung des Nicht-Anderen illustriert wird: Jedes beliebige Einzelseiende X ist nichts anderes als eben dieses X. Die Erde ist so nichts anderes als die Erde, der Himmel nichts anderes als der Himmel.²⁵³ Die nicht-andersheitliche Negation ‚non aliud‘ ist bei diesem Definitionsakt das entscheidende definierende Element.Was ein Einzelseiendes ist, wird nur im Hinblick auf das Absolute erkennbar, weshalb die Universaldefinition gerade anhand solcher Formulierungen zu verstehen ist, in denen das NichtAndere als definierende Kopula erscheint: „aliud est non aliud quam aliud“.²⁵⁴ Blickt man einerseits auf die konkrete Definitionsformel der Form ‚aliud est non aliud quam aliud‘ und andererseits auf den einen unbestimmten und absoluten Selbstbezug der Form ‚non aliud est non aliud quam non aliud‘, so lässt sich eine

Formel Eriugenas von der Identität von Schöpfer und Geschöpf wiederholte (Flasch 1973, 283 – 284).  Vgl. Grotz 2009, bes. 221– 223.  Vgl. De non aliud (h XIII) c. 5, p. 13, 17– 21 [n. 19].  Sonderegger 1999, 153 – 177. Cürsgen 2007a, 92.  De non aliud (h XIII) c. 1, p. 5, 1– 5 [n. 5].  Vgl. De non aliud (h XIII) c. 6, p. 14, 30 – 15, 7 [n. 22]. De non aliud (h XIII) c. 21 [n. 96].  De non aliud (h XIII) c. 21, p. 50, 10 – 11 [n. 95]; Hervorh. Ro. Vgl. De ven. sap. (h XII) c. 14, n. 40, 5 – 6.

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markante Gemeinsamkeit in der Satzstruktur erkennen: Die Definition ist in beiden Fällen negativ selbstbezüglich (non aliud). Die Bedingung für die Möglichkeit, in beiden Fällen eine negative Selbstbezüglichkeit attestieren zu können, liegt im Begriff ‚non aliud‘ begründet. In jeder konkreten Definitionsformel, die ihren allgemeinsten Ausdruck in ‚aliud est non aliud quam aliud‘ hat, ist das NichtAndere reines Wirken. Als ‚non aliud‘ ist es selbst – nebenbei bemerkt – unabhängig von seiner kopulativen Verwendung in diesem Satz und so wiederum begrifflicher Ausdruck absoluter Selbstbezüglichkeit. Entscheidend an dieser Stelle ist, dass kraft der negativen Selbstbezüglichkeit des Nicht-Anderen jede vom Nicht-Anderen erwirkte Definition als negative Selbstbezüglichkeit erscheint: Durch die Verwendung der Definitionsformel ‚non aliud‘ wird jedes Einzelseiende als konkretes negatives Selbstverhältnis definiert.²⁵⁵ Jedes Seiende erscheint so gerade als konkretes, seiendes oder partikuläres Nicht-Anderes. Ein singuläres Anderes X ist eben nichts anderes als eben jenes singuläre Andere X. Jedes seiende Nicht-Andere ist bezüglich sich selbst nichts anderes als es selbst. Jedes Andere verhält sich als ein bestimmtes seiendes Nicht-Anderes.²⁵⁶ Was für das Nicht-Andere absolut gilt, wird in Bezug auf die konkreten Anderen verendlicht, kontrahiert und eingeschränkt, weil das Absolute jedes Seiende auf sich selbst bezogen sein lässt.²⁵⁷ Wesentlich ist, dass das Absolute die Bedingung der Möglichkeit aller konkreten negativen Selbstverhältnisse ist.²⁵⁸ Dieser Zusammenhang soll im Folgenden eingehender betrachtet werden. Diese Wirkung des Absoluten lässt

 Grundlegend und maßgeblich für diese These und die folgende Argumentation ist Dirk Cürsgens Interpretation: In der Formel ‚non aliud‘ sieht Cürsgen die ausschließliche Begründungsformel; Cürsgen 2009, 344: „Gott resp. die reine Form [scil. non aliud] wirkt nur als wesensbildende Copula in den Dingen, formt diese in identifizierender Exklusion.“ Stephan Grotz scheint demgegenüber eher skeptisch zu sein: Er denkt nicht, dass das Nicht-Andere als sprachlicher Operator eingesetzt werden könne, insofern damit die „intrinsische Selbst-Identität“ eines bestimmten bzw. konkreten Nicht-Anderen gemeint sei (Grotz 2009, 212– 219; Zitat 219). Grotz’ Analyse lässt aber den kreativen Akt des Absoluten leider eher im Dunkeln. Es ist nicht damit getan, darauf zu verweisen, dass das Nicht-Andere die „kopulative Koinzidenz von Einheit und Andersheit“ und damit die „Einheit als Andersheit“ und die „Andersheit als Einheit“ erschafft (Grotz 2009, 221). Die Frage, wie das Absolute die Anderen als Andere ausfaltet und expliziert, wird bei Grotz also nur nebenbei tangiert. In dieser Hinsicht ist Grotz entgegen seiner eigenen Behauptung nicht über Jacobi hinausgegangen. Letzterer konnte sich den Modus der Ausfaltung der Andersheit aus dem Absoluten ebenfalls nicht erklären.  De ven. sap. (h XII) c. 14, n. 41, 6 – 7: „Habent igitur omnia ut non | alia quam sunt, quia deus ipsa diffinit“.  De non aliud (h XIII) c. 23, p. 54, 31 – p. 55, 2: „Ex quo omnia una video ratione non | aliud quam id, quod sunt, esse, quia scilicet visus, qui ‚non aliud‘ | est, non aliud a se ipso vidit.“ Vgl. De non aliud (h XIII) c. 13, p. 28, 37 – p. 29, 4 [n. 52].  Cürsgen 2009, 343 – 352.

2. Das Nicht-Andere als Begriff vom negativen Selbstbezug des Absoluten

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sich anhand von zwei Aspekten hervorheben, die ontologisch untrennbar miteinander verbunden sind: Das Setzen der Seienden als Andere durch das negative Selbstverhältnis ist einerseits Grund der Vielheit der Seienden und zugleich Grund für die Individuation der Seienden als Andere. Die allgemeine Definitionsformel (aliud est non aliud quam aliud) verweist darauf, dass bei der Definition der Seienden speziell das ‚aliud‘-Sein des Definierten intendiert ist. Mit dem Nicht-Anderen kommt es Cusanus offenbar auf das Sein der Seienden an. Auf den ersten Blick scheint Cusanus hierbei darauf abzielen zu wollen, dass das Einzelne sich durch den andersheitlichen Ausschluss des ihm gegenüber Anderen (aliud ab) seiner Selbstidentität versichert.²⁵⁹ Die Anderen erscheinen also als äußere Gegensätze gegenüber diesem Anderen. Anderes verweist so immer andersheitlich auf Anderes. Darin verweist das Andere aber zugleich auch auf sich selbst zurück. Hiermit scheint eine Selbstdefinition des Anderen erreicht zu sein: Aus dem Anders-Sein des jeweiligen Anderen ließe sich so die Bestimmung der Anderen ableiten. Unter dieser Voraussetzung bräuchte es allerdings das Absolute als Grund der Dinge nicht. In der Tat hätte man in diesem Fall einen verabsolutierten Funktionalismus etabliert. Es scheint aber nur so, dass schon das Anders-Sein der Anderen ausreicht, um einen bestimmenden Selbst- und Universalbezug in der Dimension der Anderen attestieren zu können. Man hat die cusanische Aussage, dass allein das Nicht-Andere Prinzip aller Dinge ist, ernst zu nehmen: Vor diesem Hintergrund muss beachtet werden, dass das jeweils zu definierende Andere nicht ein Anderes ihm selbst gegenüber ist: Das hierin zum Ausdruck kommende NichtAnders-Sein des zu definierenden Anderen ist dabei nicht primär Ausdruck andersheitlicher Negation. Hiermit wird vielmehr eine Selbstbezüglichkeit angezeigt, die den Grund für die äußerliche Abgrenzbarkeit der Anderen untereinander abgibt. Der Selbstbezug eines Anderen ist die Grundlage für den universalen Bezug dieses Anderen auf alle anderen Andere. Das absolute Nicht-Andere selbst bezieht sich auf sich und auf Anderes als Nicht-Anderes. Dabei ist sein Bezug auf Anderes sein Selbstbezug, also sein ‚non-aliud-Sein‘. Das Andere ist demgegenüber nur in Bezug auf sich selbst ein Nicht-Anderes, bezüglich der Anderen aber nicht Nicht-Anderes, sondern Anderes.²⁶⁰ Nichts anderes als es selbst zu sein und nichts anderes sein zu können als nur es selbst, bedeutet für das Seiende, ein Anderes gegenüber anderen Anderen sein zu müssen – womit zugleich eine

 So etwa Jacobi 1969, bes. 280, 283 und 290.  Auch Dirk Cürsgen geht davon aus, dass das Nicht-Andere jedes Seiende zu einem von sich selbst „Ununterscheidbaren“ macht (Cürsgen 2007a, 102). Die Folge der Wirkung des absoluten Nicht-Anderen ist nach Cürsgens völlig korrekter Deutung, dass jedes Ding „von sich […] ununterscheidbar, aber genau dadurch von allen Anderen unterschieden“ ist (Cürsgen 2009, 346).

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II. Nicolaus Cusanus

Möglichkeit aufgedeckt ist, Cusanus’ Aussagen zur Wirkmacht des Nicht-Anderen mit seinem modalen Begriff „possest“ zu verknüpfen.²⁶¹ Das Absolute erschafft also das Seiende, indem es die Seienden als selbstbezügliche In-Differenzen definiert. Wie beim Absoluten selbst ist der Selbstbezug hierbei das entscheidende Kriterium. Kraft des Nicht-Anderen bezieht sich das Einzelne auf sich. In seinem vom absoluten Nicht-Anderen ermöglichten Selbstbezug ist sein Bezug auf sich und alles Andere realisiert. Dabei liegt im Selbstbezug seine Definition gerade so vor, dass darin sein Bezug zu allem anderen, also sein Universalbezug schon angelegt ist. Kraft des Nicht-Anderen ist dabei das Einzelne primär selbstbezüglich, worin aber keine Negation eines äußeren andersheitlichen Bezugs vorliegt. Diese Definition der Einzelseienden hat für Cusanus einen entscheidenden Zweck: Er möchte durch diese Definition der Einzelseienden als seiende NichtAndere den Grund für das durchgängige Anders-Sein der Einzelseienden pointieren. Zwischen dem Setzen des Seienden als jeweils Anderes und der Definition des Seienden als konkretes Nicht-Anderes ist kein Widerspruch zu sehen. Weil jedes Seiende ein konkretes Nicht-Anderes ist, ist es ein Anderes; und als Anderes ist es gerade ein konkretes Nicht-Anderes. Weil jedes Seiende durch diese Definition als ein Anderes gesetzt ist, ist es im Gesamtzusammenhang der Seienden, dem Universum, positioniert. Genau hierin liegt für Cusanus die entscheidende Antwort auf die Frage, wie aus dem Absoluten Vielheit entstehen kann. Dirk Cürsgen kann daher zu Recht hervorheben, dass Cusanus nicht „nach einer bestimmten Definition für ein spezielles, inhaltlich festgelegtes Definiendum nach dem Art-Gattung-Schema“ suchte. Er suchte vielmehr „nach dem Einheitsgrund für die universal mögliche Abgrenzbarkeit der endlichen Dinge voneinander“.²⁶² Cusanus versucht also, die Schöpfung der Vielheit aus dem Absoluten und durch das Absolute selbst zu ergründen. Indem das Absolute jedes Seiende zu einem konkreten negativen Selbstverhältnis macht, definiert es jedes Seiende als ein Anderes. Genau dadurch ergibt sich die Möglichkeit der Abgrenzbarkeit der Einzelseienden untereinander. Erst durch das durchgängige Anders-Sein der Seienden zeigt sich die Vielheit der Seienden als  Jedes Seiende ist durch die Grenzen seiner (momentanen) Wirklichkeit ein je Anderes und nicht die Verwirklichung aller Möglichkeiten; De poss. (h XI/2) n. 11, 4– 10): „Hic enim sol sensibilis dum | est in oriente, non est in qualibet parte caeli, ubi esse posset, | neque est maximus pariter et minimus, ut non possit esse nec | maior nec minor, neque est undique et ubilibet, ut non possit | esse alibi quam est, neque est omnia, ut non possit esse aliud | quam est, et ita de reliquis. Sic quidem de omnibus creaturis | pariformiter.“ Diesen Status der Begrenztheit kann die Kreatur also niemals überwinden, sodass jede Kreatur immer ein spezifisches Anderes sein muss. Allein das Absolute transzendiert nach Cusanus die Sphäre des ‚Anderes-Sein-Müssen‘ (De poss. (h XI/2) n. 12, 5 – 7; 10 – 13).  Cürsgen 2009, 358.

2. Das Nicht-Andere als Begriff vom negativen Selbstbezug des Absoluten

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Struktur des Universums. Dabei hat man besonders darauf zu achten, dass in der Definition des Anderen als konkrete Nicht-Andere gerade das konkrete So-Sein der Einzelseienden gesetzt wird.²⁶³ Das Absolute wirkt kraft seiner eigenen absoluten Selbstbezüglichkeit nachhaltig in allen Seienden und auf alles Seiende ein, weil es primär ihren Selbstbezug erwirkt. In dieser ihrer inneren Ununterschiedenheit sind sie auf sich selbst begrenzt, selbst-begrenzt oder wesensmäßig begrenzt und so gerade als Andere der Anderen realisiert. Jedes Seiende gibt so als negatives Selbstverhältnis den Blick auf sein Wesen und auf seine innere Bestimmungsgrenze bzw. seinen Bestimmungsumfang frei. Erst durch die innerliche Selbstbegrenzung kann die Differenz des zu definierenden Anderen zu den Anderen überhaupt eingesehen werden. Das äußerliche ‚Zwischen‘ bzw. die äußerliche Differenz der Anderen untereinander im Universum ist so ein „abgeleitete[r] Modus“²⁶⁴ der inneren Differenzierung des Einzelseienden kraft des Nicht-Anderen.²⁶⁵ Nur weil die Differenz in das Einzelseiende ‚eingeschrieben‘ ist, kann es ein Anderes sein. Die intrinsische Ununterscheidbarkeit des Einzelnen gibt den Blick auf das Anders-Sein und das spezifisch Anders-Sein dieses Einzelnen frei – oder anders ausgedrückt: Die innere In-Differenz macht seine wesenhafte Differenz sichtbar. Weil die Differenz so im Wesen jedes Einzelseienden verwurzelt ist, kann die die cusanische Ontologie fundierende Relation überhaupt erst als Grundcharakter des Seins des Seienden begriffen werden. So ist also die Tatsache, dass Etwas ein Anderes ist, nicht über die anderen Anderen, sondern über das Nicht-Andere zu begreifen.²⁶⁶ Unter dieser Voraussetzung eröffnet sich eine Perspektive auf die Position des Einzelseienden

 Vgl. Cürsgen 2009, 353.  Dieser Ausdruck stammt von Thomas Leinkauf (Leinkauf 1994, 186. Leinkauf 2006, 166).  Damit hat Cusanus seine früheren Positionen zur Schöpfungstätigkeit des Absoluten präzisiert, weil er durch das Nicht-Andere den Grund für die Individualität der Seienden und nicht die bloße Faktizität der Individualität der Einzelseienden angeben kann; De doc. ign. (h I) III, c. 1, p. 119, 11– 15 [n. 182]: „Omnia igitur ab in|vicem differre necesse est aut genere, specie et numero; aut specie et | numero; aut numero: ut unumquodque in proprio numero, pondere | et mensura subsistat. Quapropter universa ab invicem gradibus di|stinguuntur, ut nullum cum alio coincidat.“ De gen. (h IV) c. 1, n. 143, 15 – 16: „[…] quod omnia sunt ab ipso idem abso|luto id quod sunt et modo quo sunt.“ Der unterscheidende Blick des Absoluten ist das innerliche Ersehen der spezifischen Differenz eines Einzelseienden; De vis. (h VI) c. 8, n. 29, 5 – 6: „Doce me, domine, quomodo | unico intuitu omnia simul et singulariter discernas.“ Diesen Gedanken hat der späte Cusanus durch das Nicht-Andere logisch vollständig durchdacht, indem er die durchgängige Unterschiedenheit der Einzelseienden gerade mit dem negativen Urgrund verknüpft.  Vgl. De pace (h VII) c. 8, p. 24, 6 – 9 [n. 23]: „Numeralis | autem distinctio est essentialis. Nam binarius differt a ternario | essentialiter; posito enim binario non ponitur ternarius, et ad esse | binarii non sequitur ternarius.“ Zur Erörterung dieses Sachverhalts s. unten, II.2.6.

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im Ganzen. Nur weil jedes Andere durch das Absolute als ein seiendes NichtAnderes gesetzt wird, ist alles Andere gerade das, was es ist (id quod est). Das Nicht-Andere ist so als In-Differenz Grund für die Fixierung des Seienden auf sich selbst.²⁶⁷ Als absolute In-Differenz ist es aber selbst der punktuellen Fixierung entzogen, was sich besonders klar in seiner „entwickelten Definition“, dem ‚Satz des Cusanus’, zeigt.²⁶⁸ So kann davon ausgegangen werden, dass das Absolute jedes Seiende als dieses selbst und damit, so paradox dies vor dem Hintergrund der bleibenden Innerlichkeit des Absoluten auch erscheinen mag, als Anderes intendiert. ²⁶⁹ Dadurch wird endgültig klar, warum sich das Absolute, wie oben schon festgestellt wurde, nicht extra seinen Derivaten zuwenden oder aus seiner In-Differenz ‚herausbewegen‘ muss, um seine Derivate als Andere zu setzen. Cusanus begreift speziell in De ludo globi die Andersheit selbst zwar nicht als

 Cusanus verwendet hierfür auch den Ausdruck, dass das Absolute das „Maß“ (mensura) aller Dinge ist (De non aliud (h XIII) c. 5, p. 11, 22– 28 [n. 16]). Da es sich bei der Definition durch das Nicht-Andere um eine Wesensdefinition handelt, kann man Folgendes konstatieren: Die Wesen der Einzelseienden werden durch das absolute Maß nicht untereinander, sondern durch das vorausgesetzte Maß an ihnen selbst ‚gemessen‘. Das absolute Maß ‚bemisst‘ ihr Wesen und ist damit Bedingung innerer Grenzbestimmungen.  De non aliud (h XIII) c. 5, p. 12, 17– 18: „In explicatam igitur eius definitionem in|tueamur, quod videlicet ‚non aliud‘ est non aliud quam non aliud“.  Daher hat Dirk Cürsgen durchaus recht, wenn er die Differenz nicht mehr vom Absoluten einfach fernhalten will (Cürsgen 2009, 360. Vgl. Halfwassen 2003, 45). Das Absolute, so Cürsgen, „will und bewahrt“ also die Differenz (Cürsgen 2009, 362). Zu beachten ist dabei, dass der Willensbegriff nicht voluntaristisch gedacht werden darf. Der Begriff des Willens zeigt bei Cusanus die Kreativität des Absoluten an, ist also Ausdruck für die schöpferische Tätigkeit des Absoluten und den Wesensgrund aller Dinge; De gen. (h IV) c. 5, n. 178, 4– 5: „ratio [scil. dei] est voluntas et voluntas ratio, quae dicit et | facta sunt, mandat et creata sunt absque morae interventione“. Vgl. De gen. (h IV) c. 5, n. 182, 5 und n. 183, 8 – 9. Der Begriff „ratio“ bedeutet für Cusanus nichts anderes als „Wesensgrund“: Cusanus hat in De li non aliud den Schöpfungsakt also gerade nicht voluntaristisch gedeutet, sondern das Nicht-Andere als kreativ tätigen Wesensgrund (ratio) aller Seienden gedacht (De non aliud (h XIII) c. 9, p. 18, 32 – p. 19, 21 [n. 32]. Vgl. De non aliud (h XIII) c. 10, p. 22, 31– 32 [n. 39]. De sap. (h V) II, n. 35, 1– 2). Demgegenüber ist Hans Blumenbergs These, dass Cusanus’ Spätphase durch die „Rückkehr des Voluntarismus in den Schöpfungsbegriff“ charakterisiert sei, völlig unsachgemäß und unhaltbar (Blumenberg 1966, bes. 487– 292; hier 491). Die Deutung des Willens als Schöpfungsgrund ist also insgesamt höchst fragwürdig. Der Rekurs der Forschung auf den Willen ist wohl letztlich Indiz für das Unverständnis mancher Forscher für Cusanus’ Schöpfungslehre (etwa bei Alvarez-Gómez 1968, 162– 163 und bes. bei Monaco 2010, 285 – 298, 318 – 328. Ähnlich auch Stallmach 1993, 239 – 248; hier 246). Durch solche Berufungen auf den Willen wird wenig deutlich, wie das Nicht-Andere als Grund aller Dinge begriffen werden kann. Sie verkürzen den cusanischen Schöpfungsgedanken, dessen Kern der negative Selbstbezug ist. Grundsätzlich kommt daher dem Willensbegriff bei Cusanus nicht die herausragende Bedeutung zu, die ihm bisweilen zugeschrieben wird.

2. Das Nicht-Andere als Begriff vom negativen Selbstbezug des Absoluten

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Schöpfung des Absoluten.²⁷⁰ Allerdings sollte man bezweifeln, dass Cusanus hierbei das Anders-Sein der Anderen meint. Denn dieses stellt sich nicht kontingent ein. Das Anders-Sein der Anderen ist vielmehr notwendige Folge der Definitionsleistung des Nicht-Anderen.²⁷¹ Damit ist jedes Andere durch seine intrinsisch fundierte Differenz wesentlich eigenständig, aber nicht gegenüber dem Absoluten, sondern gegenüber den Anderen.²⁷² Die wahre Identität eines Einzelseienden zeigt sich in seiner Eigenständigkeit als Anderes gegenüber anderen Anderen: Die Eigenständigkeit des Seienden ist aber nur und ausschließlich durch und im Hinblick auf das Nicht-Andere zu erklären. Das Absolute ist selbst keine konkrete Definition und keine konkrete Affirmation, sondern steht als Bedingung negativer Selbstverhältnisse über jeder nicht-absoluten Form von Negation und Affirmation.

2.6. Die Konstitution der Wesen von Einzelseienden Auf der Grundlage der bisherigen Ergebnisse lässt sich konstatieren, dass derjenige, der das Absolute aus den Augen verliert, nach Cusanus zwangsläufig in die Irre gehen muss. Das absolute Nicht-Andere ist der Ermöglichungsgrund für die Abgrenzbarkeit der Einzelseienden untereinander. So entwickelt sich aus dem Selbstbezug des Absoluten eine schöpferische Dynamik die alles Seiende nicht

 De ludo (h IX) II, n. 81, 4– 20. Vgl. De vis. (h VI) c. 14, n. 58, 5 – 21.  Daher hat Cusanus in der erwähnten Stelle in De ludo globi (De ludo (h IX) II, n. 81, 4– 20) nicht das Anders-Sein der Anderen, sondern die korrumpierende Andersheit gemeint. Letztere kann man mit dem Begriff ‚alteritas‘ bezeichnen. Cusanus kennt also, wie oben bereits festgestellt wurde, zwei Formen von Andersheit. Ausdruck dieser Formen sind einerseits die andersheitliche Negation und andererseits die privative Negation (alteritas). Damit schafft das Absolute die Andersheit zwischen den Anderen nicht direkt, sondern über die Ausfaltung der Anderen als konkrete Nicht-Andere: Es schafft Seiendes als individuell-andersheitliche Negation. Daher ist die Einschätzung Gerhard Schneiders, dass das Nicht-Andere „keineswegs die Gegensätzlichkeit der Gegensätze“ auslege, falsch (Schneider 1970, 163 – 170; Zitat 168).  Gleichwohl kann das Andere aufgrund seiner Begrenztheit auch eine gewisse Selbstständigkeit gegenüber dem Absoluten bewahren. Das Andere ist nicht das Absolute, sondern durch Teilhabe in Andersheit von ihm ‚getrennt‘. Die Eigenständigkeit des Einzelnen gegenüber dem Absoluten bedeutet für Cusanus allerdings nicht, dass das Einzelne für sich allein bestehen könnte; Cusanusmarg. 85 (Cl. Phys. 137, 10 – 12); Lucentini 1979, 101: „creatura per se considerata nichil est“. De non aliud (h XIII) c. 2, p. 5, 25 – 27 [n. 6]: „ Principiatum | vero cum a se nihil, sed, quidquid est, habeat a principio, profecto | principium est ratio essendi eius seu definitio.“ Vgl. dazu De princ. (h X/2b) n. 28, 6 – 7: „Aliter autem praesupponit in se. Hypostasis igitur, quod in alio, est | ab eo, quod in se.“ Das Sein des Seienden wird also von der Innerlichkeit des Absoluten abgleitet. Was also in Andersheit besteht, ist letztlich ein abgeleiteter Seinsmodus.

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einfach ins Sein, sondern jedes Einzelseiende in sein konkretes So-Sein setzt. So kommen durch das Absolute Vielheit und wesenhafte Differenz in die Welt.Welche Folgen ergeben sich aber aus dieser These? Wie muss das Wesen der Einzelseienden konstituiert sein, um genau das zu sein, was es ist? Diese Frage zieht eine Reihe an diskussionswürdigen Themen nach sich: Welche Bedeutung können Identität und Differenz, zwei der wichtigsten Grundbegriffe der cusanischen Ontologie, noch für die Individuation eines Einzelseienden für sich reklamieren? In welcher Beziehung stehen Affirmation und Negation und wie lässt sich positiv Seiendes verstehen, begreifen oder überhaupt erkennen? Schließlich ist auch zu fragen, welche Rolle der Materie und den Akzidenzien bei der Individuation noch zukommen kann. Dabei wird auch die Frage nach der Sterblichkeit bzw. der Unsterblichkeit der Kreaturen des Absoluten beantwortet werden müssen. Es ist notwendig, diese Fragen zu diskutieren, um ein möglichst umfangreiches Bild von der Leistung des Konzepts vom Nicht-Anderen für das cusanische Denken insgesamt zu bekommen. In De li non aliud hat Cusanus das Einzelseiende bzw. die Einzelsubstanz als Verbindung „absoluter Substanz“ mit substanziierender Materie konstruiert.²⁷³ Unter „absoluter Substanz“ versteht Cusanus offenbar einen intelligiblen Ordnungsbegriff bzw. eine „intelligible Substanz“. Konkret nennt er hier beispielhaft die Substanz der „Karfunkel“: Die Karfunkel seien untereinander dann nicht voneinander verschieden, wenn man auf ihre intelligible Substanz, also auf ihr Wesen blicke. Der Unterschied zwischen den Karfunkeln erklärt sich für Cusanus durch die substanziale Materie.²⁷⁴ In seinem Kommentar zu De li non aliud hat Paul Wilpert bei der Frage der Individuation explizit auf die „substantiale Materie“ hingewiesen: Sie erfülle eine entscheidende Funktion bei der Individuation. Materie wird zum Grund für die „quantitative Verschiedenheit“.²⁷⁵ Demgegenüber sei die intelligible Substanz das einheitsstiftende Moment. Nach Wilpert wird dadurch der cusanischen These, dass die intelligible Substanz Grund der Akzi-

 De non aliud (h XIII) c. 12, p. 25, 26 – 30 [n. 45]: „Tu quidem in substantiam absolutam intueris, quae in | aliis alia esse non potest per ipsam substantificatis, at quae, ut sensi|bilis fiat substantia, materiam requirit substantificabilem, sine qua | non posset substantificari. Quomodo enim substantificari posset | absque sensibiliter essendi possibilitate?“  De non aliud (h XIII) c. 12, p. 25, 30 – p. 26, 3 [n. 45]: „Idcirco cum ab illo alius | sit iste carbunculus, ex essendi possibilitate, in uno alia quam in | altero, hoc evenire necesse est. Cum igitur materia sensibilis ad | sensibilem substantiam necessaria sit, erit substantialis materia in | sensibilibus, ex quo secundum substantialem hanc materiam, quae | alia in alio est carbunculo, substantialiter duo carbunculi differunt. | At vero secundum intelligibilem substantiam, quae essendi forma | possibilis sensibilisque substantiae intelligitur, alii et alii duo non | sunt carbunculi.“  H 12, 184– 185.

2. Das Nicht-Andere als Begriff vom negativen Selbstbezug des Absoluten

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denzien sei, „der Boden entzogen, ohne daß freilich diese Konsequenz gezogen wird“.²⁷⁶ Zunächst muss festgehalten werden, dass Cusanus das sinnenfällige Einzelding als Einheit von Substanz und Akzidenz denkt.²⁷⁷ Die Akzidenzien an diesen Substanzen können die Substanzen selbst aber bloß abtasten. Die Substanz ist das intelligible Wesen des Einzelseienden. Die Akzidenzien lassen also gerade die sinnliche Dimension des Einzelseienden erkennen. Sie verorten diese Wesen oder Substanzen in der sinnlich wahrnehmbaren Welt. Tritt aber hierbei die Materie in ein Konkurrenzverhältnis zum Nicht-Anderen? Letztlich kann man davon ausgehen, dass durch die Materie nur scheinbar die Individualität des Einzelseienden zum Ausdruck gebracht wird. Zu beachten ist hierbei, dass die ‚Individuation‘ durch die Materie dem Wesen der Dinge gerade nichts hinzufügen kann. Die Akzidenzien bleiben dem Wesen äußerlich, ‚umkleiden‘ das Wesen also nur. Diese Pseudo-Definition durch die Materie umschreibt Cusanus auch mit dem Begriff ‚Affirmation‘, der in den propositiones zu De li non aliud generell als unzureichend zurückgewiesen wird.²⁷⁸ Der wesenhafte Unterschied der Einzelseienden untereinander wird also nicht durch akzidentielle Bestimmungen der Einzelseienden angezeigt, wenngleich jedes Einzelseiende durch Akzidenzien ‚umkleidet‘ und so als Einzelding in der Dimension der Wandelbarkeit ‚bestimmt‘ ist. Die Akzidenzien sind also bezüglich der Definition und Individuation vernachlässigbares Beiwerk oder bloß Nebensächlichkeiten. Die Akzidenzien bilden nicht das Wesen oder die Substanz ab, sondern geben dem Betrachter nur „Zeichen der Wesenheit“, die der Wesenheit nachfolgen.²⁷⁹ Das Wesen selbst ist eine nicht vergrößeroder verminderbare Substanz. Wandlungen bleiben jeder Substanz gegenüber akzidentiell. Wahre Bestimmtheit empfängt das Einzelseiende nicht von der Materie, sondern vom Absoluten.Wahre Individuation ist nur durch das Nicht-Andere zu erklären. Wenn Cusanus also die Verschiedenheit der Karfunkel untereinander auf die Akzidenzien zurückführt, zielt er auf eine dem Wesen der Karfunkel äußere Differenz ab, die die Einzelseienden akzidentiell umgibt. Das Anders-Sein der Einzelseienden ist demgegenüber dem Wesen des Einzelseienden eingeschrieben, denn das spezifische Anders-Sein der Einzelnen ist das Signum jeder Wesenheit. Dies weist darauf hin, dass Cusanus die spezifische Differenz, die das Anders-Sein der Einzelseienden ausmacht, von der akzidentiellen Differenz der sinnlich wahrnehmbaren Seienden unterscheidet und gerade so das Anders-Sein der Seienden zum Wesenscharakteristikum aller Dinge erhebt.    

H 12, 185. De non aliud (h XIII) c. 12, p. 25, 26 – p. 26, 3 [n. 45]. De non aliud (h XIII) prop. XV – XVI, p. 63, 32 – p. 64, 7 [n. 120 – 121]. De non aliud (h XIII) prop. XVI, p. 64, 5 [n. 121].

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Nach den bisherigen Erörterungen darf man für das Absolute in gewisser Weise eine ‚Versöhnung‘ von Affirmation und Negation annehmen: Das Absolute ist als reine Negativität die Kraft, die alles affirmiert, weswegen das Absolute auch als ‚Affirmation der Affirmation‘ bezeichnet wird. So versöhnen sich affirmativer Ausdruck und negativer Gehalt, sodass es eine Harmonie dieser Gegensätze im Absoluten gibt – jedoch, wie sich gezeigt hat, unter dem Primat des Negativen. Beim Nicht-Anderen tritt Negation zur Affirmation so nicht in einen Widerspruch; und überhaupt ist das Nicht-Andere als Grund von Abgrenzbarkeit völlig widerspruchs- und gegensatzfrei. Diese absolute Widerspruchsfreiheit ist dem Absoluten allein vorbehalten. Durch sie ist die Negativität des Absoluten reine Negativität, da eine einfache Negation, die der Affirmation widerspricht, keine reine Negativität sein kann. Trotzdem findet sich auch in der Dimension der Seienden eine Widerspruchsfreiheit, die es näher zu erläutern gilt. Klaus Jacobi hat, wie bereits erwähnt, die These einer begründenden „allseitige[n] Interdependenz“ der Einzelseienden entworfen.²⁸⁰ Dabei geht er von folgendem Sachverhalt aus: Jeder finite Seinsgehalt ist, was er ist, nur, indem er alle anderen finiten Seinsgehalte von sich ausschließt und indem umgekehrt er selbst von allen anderen ausgeschlossen wird. Nur in der durchgängigen wechselseitigen Entgegensetzung können finite als solche sein, was sie sind.²⁸¹

Die Anderen haben so an sich selbst einen negativen und zugleich einen positiven Aspekt.²⁸² Man kann die Anderen also dementsprechend durchaus als ‚bestimmte Negationen‘ definieren.²⁸³ Das Wesen eines jeden Einzelseienden erscheint als nicht-widersprüchliche Einheit von kontradiktorischen Gegensätzen. Besonders hervorzuheben sind hierbei Identität und Differenz: Identität und Differenz gehen im Wesen jedes Einzelseienden eine intime Verbindung ein: Man kann grundsätzlich konstatieren, dass jedes Einzelseiende durch seine Selbstidentität von allem anderen verschieden und durch seine Verschiedenheit von anderem mit sich identisch ist. Dabei ist diese dialektische Wechselwirkung von Identität und

 Jacobi 1969, 283.  Jacobi 1969, 290. Vgl. Jacobi 1969, 283: „Wenn aber jedes Seiende es selbst nur im Zusammenhang mit allen übrigen Seienden sein kann, dann ist es in einem Wassein auch vom Wassein aller übrigen abhängig, und alle übrigen sind wiederum abhängig von ihm.“  Jacobi 1969, 284.  Der Begriff ‚bestimmte Negation‘ ist eigentlich ein Begriff aus Hegels Philosophie (Gesammelte Werke IX, 57. Gesammelte Werke XXI, 39 – 40, 45 – 48 und bes. 105 – 110). Dieser muss bei Cusanus natürlich in einem spezifisch cusanischen Sinn verstanden werden. Dieser wird im Folgenden expliziert.

2. Das Nicht-Andere als Begriff vom negativen Selbstbezug des Absoluten

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Differenz als intensive und intime Einheit zu denken: Jedes Andere ist als Anderes fixiert und hat seine Identität so in seinem differenzhaften Sein. Genau deshalb kann Cusanus das Wesen der Einzelseienden auch als kopulative Koinzidenz von kontradiktorischen Gegensätzen beschreiben.²⁸⁴ Eine Differenzierung des einheitlichen Wesens eines Einzelseienden in seine Selbstidentität einerseits und seine Differenz zu anderen Anderen andererseits ist daher obsolet. Cusanus hat diese Koinzidenz von kontradiktorischen Bestimmungen im Einzelseienden mit dem Begriff „Kontraktion“ (contractio) beschrieben.²⁸⁵ Die Verschränkung der Gegensätze im Seienden bildet dessen eigenes Wesen. Identität und Differenz sind Strukturelemente der Seienden. In der Differenz besteht ihre Identität, sodass von der Differenz her ihre Selbstidentität gedacht wird. Man kann das Wesen des Einzelseienden als ‚Differenz-Einheit‘ oder ‚seiende Einheit‘ bezeichnen. Differenz und Identität bilden im Einzelseienden also keinen Widerspruch, sondern sind verschränkt. Jacobis Interpretation muss aber vor diesem Hintergrund entscheidend korrigiert werden: Die Wesensbestimmung eines Anderen ist gerade nicht von den anderen Anderen abhängig. Cusanus hat die Grenze eines Einzelseienden nicht erst über die Beziehung dieses Einzelseienden zu den ihm selbst gegenüber anderen Anderen etabliert, sondern im Wesen des Einzelnen fundiert. Wenn seine Grenzbestimmung, seine ihm eigene Differenz im Inneren oder im Wesen eines jeden Einzelseienden zu suchen ist, dann hat es aufgrund seiner eigenen Beschaffenheit eine andersheitliche Bezugsform zu allen Anderen. Diese äußere Relation kann aber dem Wesen nichts mehr hinzufügen. Die Anderen befinden sich demnach nicht in wechselseitiger Abhängigkeit, insofern diese als Grundlage für die Wesensdefinition eines zu definierenden Anderen gesehen wird. Hierin zeigt sich auf frappierende Weise, dass Jacobi – im Anschluss an und mit Heinrich Rombach – den Gesamtzusammenhang der Seienden überschätzt und damit die definierende Rolle des Absoluten unterschätzt hat. So macht also weder die Andersheit noch das Anders-Sein der Seienden jedes Seiende zu einer andersheitlichen Negation, sondern ausschließlich das Absolute. Weder die Andersheit noch die anderen Anderen sind Prinzipien. Vor diesem Hintergrund wird ersichtlich, wie wichtig es ist, Identität und Differenz gerade im Wesen eines Einzelseienden koinzidieren zu lassen. So ist die Differenz durch das vorgängige absolute Nicht-Andere in das Wesen des Einzelseienden eingeschrieben. Es ist die Forderung, die Differenz intrinsisch gegründet sein zu lassen, die den absurden

 Diese Koinzidenz wird insbesondere von Stephan Grotz ausformuliert (Grotz 2009, bes. 204– 208).  Grotz 2009, 188. Vgl. hierzu auch Wolter 2004, 120 – 132.

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Gedanken der Wesensdefinition durch die Beziehung Einzelseiender untereinander verhindert.²⁸⁶ Cusanus hat gerade in De li non aliud die kopulative Koinzidenz von Identität und Differenz im Wesen eines Einzelseienden einerseits und insbesondere die intrinsische Begründung der inneren Grenzbestimmung andererseits präziser auszudrücken vermocht, weil er den begrifflichen Ausdruck der Wesensdefinition aller Einzelseienden im Nicht-Anderen entdeckt hat. Die In-Differenz des Absoluten ist so allererst Grund für die Koinzidenz der Gegensätze. Jedes Einzelseiende kann auf der Grundlage seiner Definition durch das Absolute Singularität, Eigenständigkeit gegenüber Anderem und Individualität für sich in Anspruch nehmen.²⁸⁷ Indem Cusanus die über die In-Differenz operationalisierte Begründung alles Seienden durch das Nicht-Andere hervorhebt, fundiert er in jedem Einzelseienden seine ihm eigene und spezifische Differenz. So muss jedes Seiende aufgrund seiner eigenen inneren Konstitution als das angesehen werden, was es ist. Es ist an dieser Stelle besonders hervorzuheben, dass die Fundierung der Individualität im Inneren des Einzelseienden einen entscheidenden Aspekt impliziert: Jedes Seiende ruht kraft des absoluten Nicht-Anderen in sich selbst. Diese innere Ruhe lässt sich nach De li non aliud durch das Nicht-Anders-Sein jedes Einzelseienden beschreiben: Es ist wesentlich ein konkretes Nicht-Anderes und so primär ein Selbstbezug. Dies scheint mit der cusanischen Aussage in Verbindung zu stehen, dass der „Geist in sich subsistiert“.²⁸⁸ Kann man vor diesem Hintergrund etwa davon ausgehen, dass sich der Geist sogar selbst konstituiert? Hier muss einschränkend betont werden, dass allein das Absolute Grund aller Dinge ist. ‚In-sich-Subsistieren‘ einerseits und Begründung durch das Absolute andererseits scheinen aber gleichwohl in einem unmittelbaren Zusammenhang zu stehen. Jedes konkrete Nicht-Andere kann in gewisser Weise kraft der negativen Bezugsform ‚non aliud‘ als reflexiver Denkakt und damit als etwas Geistiges aufgefasst werden. Cusanus hat in De li non aliud nicht einfach die Schöpfung aller Dinge postuliert, sondern explizit darauf Wert gelegt, dass das Absolute das Wesen

 Stephan Grotz sieht daher zu Recht in der „extrinsische[n] Grenze“ nicht die Definition des Einzelseienden (Grotz 2009, 137, Anm. 83). Stephan Grotz konstatiert daher; Grotz 2009, 206: „Die universal gültige, intrinsische Verschränkung von opposita in jedem Einzelnen ermöglicht dessen extrinsische Gegensätzlichkeit zu jedem anderen Einzelnen.“ Vgl. Grotz 2009, 206, Anm. 302 und 207.  Vgl. Alvarez-Gómez 1968, 161– 165.  De mente (V) c. 1, n. 57, 8 – 9: „Nam alia est mens in se subsistens, alia in cor|pore. Mens in se subsistens aut infinita est aut infiniti imago.“

2. Das Nicht-Andere als Begriff vom negativen Selbstbezug des Absoluten

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jedes Seienden definiert.²⁸⁹ Vor diesem Hintergrund ist es nur verständlich, dass der Definitionsakt durch das Absolute gerade auf Intelligibles und mithin auf Geistiges abzielt.²⁹⁰ Insbesondere scheint Cusanus dadurch, auf das Verhältnis des Absoluten zum menschlichen Geist abzielen zu wollen.²⁹¹ Nur durch den Blick in unser Innerstes und nicht etwa durch Abgrenzung von anderen Individuen erlangen wir überhaupt Einblicke in unser Wesen.²⁹² Allerdings kann der Mensch sein eigenes Wesen nicht vollständig erkennen und kann sich diesem Ideal der Selbsterkenntnis nur annähern.²⁹³ Hätte der Mensch vollständige Einsicht in seine Wesenskonstitution, würde er durch sich selbst bestehen können.²⁹⁴ Eine Selbstkonstitution durch Selbsterkenntnis ist demnach ausgeschlossen. Dennoch ist die Individualität des Menschen in seinem konkreten negativen Selbstbezug zu sehen.

 Auch für Mariano Alvarez-Gómez sind alle „individuellen Züge“ gerade „Wesensbestimmtheiten“, weswegen Alvarez-Gómez das Absolute als das Individuationsprinzip ansieht (Alvarez-Gómez 1968, 162). Cusanus entwirft besonders vor dem Hintergrund der Definition durch das Nicht-Andere alle Seienden als intelligible Entitäten (vgl. auch De ludo (h IX) I, n. 24, 1– 9).  Grundsätzlich kann Cusanus unter der Voraussetzung, dass wahre Individuation ein intelligibler Akt ist, keineswegs als Nominalist bezeichnet werden. Die kreative Tätigkeit des NichtAnderen ist daher auch keine bloß logische Operation. Demnach kann Hans Blumenbergs These, Cusanus habe bei der Fahrt zwischen „der Skylla des scholastischen Rationalismus und der Charybdis des Nominalismus hindurch“ Schiffbruch erlitten, zurückgewiesen werden (Blumenberg 1966, 489 – 490). Es steht aber außer Frage, dass Cusanus hierin ganz (Neu‐)Platoniker ist. Cusanus eliminiert also keine transzendentalen Bestimmungen und mithin auch nicht die Transzendentalien. Jede Definition durch das Nicht-Andere ist eine Definition transzendentaler Bestimmungen. Denn die Definition durch das Nicht-Andere betrifft keine körperlichen Seienden. Daher ist jede Bestimmung durch das Nicht-Andere intelligibel und daher Körpern, Materie und Wandlungen gegenüber transzendent.  Explizit fasst Cusanus den Menschen auch als „zweiten Gott“ (De beryl. (h XI/1) n. 7, 1– 2. Vgl. De coni. (h III) II, c. 14, n. 144, 3 – 4. Dazu Bormann 1999. Irlenborn 2000, 381– 401).  Andreas Speer hat bereits darauf verwiesen, dass Wesens- uns Selbsterkenntnis eine geistige Wendung ins (Wesens‐)Innere ist (Speer 2003, 525 – 551; hier 550). Dieser Gedanke lässt sich im Hinblick auf den negativen Selbstbezug des Absoluten noch zuspitzen: s. dazu unten, II.2.7.  De ven. sap. (h XII) c. 29, n. 87, 17– 20: „Neque | intellectus propriam suam quiditatem et essentiam intra se attingere | potest nisi modo quo alia intelligit, formando – si potest – ipsius | intelligibilem assimilationem, sicut nec visus videt se.“  Eine Vielzahl an durch sich selbst Subsistierenden schließt Cusanus aus; De princ. (h X/2b) n. 25, 10 – 11: „non sunt multa | seu plura per se subsistentia“. Dennoch bedeutet dies nicht, dass die Einzelseienden überhaupt nicht in sich selbst subsistierten. Sie sind in ihrer Eigenständigkeit ‚lediglich‘ abhängig vom Absoluten und können daher dem eigentlichen Wortlaut entsprechend nicht ‚durch sich selbst subsistieren‘.

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Diese delphisch-sokratische Forderung der Selbsterkenntnis verdeutlicht, inwiefern Cusanus die Negation als Definition aller Seienden begreifen kann: Die unmittelbare Folge des konkreten negativen Selbstverhältnisses eines Einzelseienden – wobei diese Folge in keiner zeitlichen Sukzession zu diesem konkreten negativen Selbstverhältnis steht – ist das spezifische Anders-Sein des Bestimmten. Für jedes Seiende gilt, dass es in seinem Anders-Sein zwar andersheitliche Negation (faktisch) ist. Als andersheitliche Negation ist es aber keineswegs die aktive Bestimmung seiner selbst oder anderer Anderer, sondern lediglich Ausdruck seiner ihm innerlichen negativen Selbstbezüglichkeit. So hat Cusanus in De li non aliud zwar das Anders-Sein der Seienden als deren Seinsmodus aufgedeckt. Dass ihr Anders-Sein aber zur aktiven Wesensbestimmung ihrer selbst oder anderer Anderer beiträgt, hat er in De li non aliud nicht gelehrt. Wenn Cusanus also die Negationen als „Mütter der Affirmationen“ bezeichnet, so hat er in De li non aliud und später in De venatione sapientiae eine genaue Vorstellung von der Art der Negation: Er bestimmt die definierenden Negationen als negative Selbstbezüge. Nicht die bloßen Verneinungen von Affirmationen sind Definitionen der Affirmationen. Es sind die negativen Selbstbezüge, die das Fundament für andersheitliche Abgrenzungen abgeben. Erst und ausschließlich durch die nicht-andersheitliche Negation der andersheitlichen Negation auf sich selbst wird das Seiende als es selbst fixiert und so als Anderes ersichtlich. Hierin wird die Relationalität des Seins der Seienden und damit die Eigenständigkeit und Individualität des Seienden im Seinsganzen erkennbar. Das konkrete negative Selbstverhältnis verweist letztlich auf die Eigenständigkeit des Einzelseienden von anderen Einzelseienden. Die anderen Anderen tragen demgegenüber nichts zum Wesen des zu definierenden Anderen bei: Diese Anderen bleiben dem zu definierenden Anderen gegenüber geradezu akzidentielle oder sekundäre Bestimmungen und seinem Wesen gegenüber „hermetisch“.²⁹⁵ Beispielhaft sei hier auf Cusanus’ Aussage verwiesen, dass die Zahl „Zwei“ wesentlich von der Zahl „Drei“ unterschieden sei. Der wesentliche Unterschied hat aber keine begründende Funktion: Obwohl diese beiden Zahlen für Cusanus „essentialiter“ unterschieden sind, wird durch die Setzung der „Zwei“ nicht die „Drei“ gesetzt.²⁹⁶ Erstens ist hier der Grund für die Abgrenzbarkeit der Anderen im Absoluten selbst ausfindig gemacht. Zweitens ist jedes Einzelseiende – auf der Grundlage der Definition durch das Absolute – gerade als negatives Selbstverhältnis nichts anderes als ‚bestimmte Negation‘. Es wird also die dem Einzelseienden wesensmäßige Diffe Dieser passende Begriff stammt von Dirk Cürsgen (Cürsgen 2007a, 110).  De pace (h VII) c. 8, p. 24, 6 – 9 [n. 23]: „Numeralis | autem distinctio est essentialis. Nam binarius differt a ternario | essentialiter; posito enim binario non ponitur ternarius, et ad esse | binarii non sequitur ternarius.“

2. Das Nicht-Andere als Begriff vom negativen Selbstbezug des Absoluten

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renz in sein Wesen eingeschrieben. Die Differenz ist also kein bloßes Phänomen der Vielheit. Sie ist kein bloßes „äußerliches Zwischen der Anderen“.²⁹⁷ Die anderen Anderen bleiben zwar dem Wesen eines Einzelseienden gegenüber äußerlich. Selbst sind sie aber in ihrer wesensimmanenten spezifischen Differenz definiert und mithin genau das, was sie sind. Zu beachten ist, dass die spezifische Differenz, das Anders-Sein der Anderen, wiederum Ausdruck des spezifischen Nicht-Anders-Seins des Einzelseienden ist. Als konkretes Nicht-Anderes ist das Einzelseiende durch seine Negativität als andersheitliche Negation positiv gesetzt und so ein Gegensatz zu allen Anderen.²⁹⁸ So ist dann jedes konkrete Nicht-Andere an sich eine ‚bestimmte Negation‘, also durch und als negative Reflexivität seine (Selbst‐)Affirmation. Die Negation leitet den Blick des Geistes auf die washeitliche Bestimmung eines Einzelseienden, während die Affirmation lediglich das „tale quid“ eines Einzelseienden beschreiben kann.²⁹⁹ Daher sind „die negativen Aussagen, welche den Blick des Geistes auf die Wesenheit hinlenken, früher […] als die bejahenden Aussagen“.³⁰⁰ Die Namen sind demnach auf Zeichen angewiesen und stellen somit Abstraktionen des menschlichen Geistes dar. Sinnenfällige Zeichen sind Voraussetzungen für die Affirmationen, weswegen diese sich aus den Akzidenzien ableiten lassen, die wiederum der Substanz eines Wesens nachfolgen. Die Negation hingegen negiert alles Zeichenhafte und Akzidentielle vom Wesen der Dinge und zeigt damit an, dass nichts Akzidentielles an das Wesen der Dinge heranreicht. Akzidenzien

 Cürsgen 2009, 353 – 354: „Gott schafft jedes Andere als ausschließlich rein es selbst seiend – mithin ‚positiv‘, obwohl seine Identität negativ gefaßt ist und begründet wird –, so daß die Differenz oder die konkrete Andersheit bloß in der Vielheit und der unabdingbaren Relationalität der Anderen steckt, aus welchem Grund mit den Anderen als notwendig Vielen analytisch die Andersheit (als negatives, äußerliches Zwischen der Anderen, nicht als etwas in ihnen) mitgegeben ist.“ Cürsgen hat hierbei aber zugleich darauf hingewiesen, dass erst die Setzung der Seienden als Andere die äußere Differenzrelation ermöglicht. Es erscheint vor diesem Hintergrund also angebracht, zwischen dem Anders-Sein der Seienden und der daraus folgenden Differenzrelation der Anderen untereinander klar zu unterscheiden.  Vgl. De non aliud (h XIII) c. 5, p. 11, 18 – 14 [n. 15]: „Omne enim, quod est, in tan|tum est, in quantum ‚non aliud‘ est; et omne, quod intelligitur, | in tantum intelligitur, in quantum ‚non aliud‘ esse intelligitur; et | omne, quod videtur verum, usque adeo videtur verum, in quan|tum ‚non aliud‘ cernitur. Et summatim quidquid videtur aliud, in | tantum aliud videtur, in quantum ‚non aliud‘.“  De non aliud (h XIII) prop. XV, p. 63, 32– 33 [n. 120]; Zitat 33. Das „tale quid“ ist dabei keine Wesensaussage (De non aliud (h XIII) prop. XVI, p. 63, 34 – p. 64, 6 [n. 121]).  Übers. nach Wilpert (H 12, 91); De non aliud (h XIII) prop. XVI, p. 63, 34– 35 [n. 121]: [N] egationes, quae mentis | visum in quidditatem dirigunt, sunt priores affirmationibus.“ So intendiert der affirmative Begriff oder Name „Körper“ nicht die unkörperliche Wesenheit, „sed talem scilicet corpoream“ (De non aliud (h XIII) prop. XVI, p. 64, 1– 2 [n. 121]).

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und mithin Affirmationen gehören nicht „proprie“ zum Wesen.³⁰¹ Das also, was von einer Affirmation affirmiert wird, bestätigt, definiert oder fixiert die Affirmation nur scheinbar. Der Begriff der Affirmation täuscht also eine affirmative Funktion bloß vor. Das Wesen eines Dinges wird eigentlich von der Negation ‚affirmiert‘. Die wahre Affirmation der Einzelseienden ist eigentlich die Negation. Denn die Negationen sind die präzisen Definitionen der Einzelseienden und damit wahrer als bloße Affirmationen.³⁰² Die wahre Affirmation oder das wahre Bekräftigen, Festigen und Definieren der Dinge ist eine Negation. Cusanus will also sagen, dass gerade die Verneinung (Negation) die Bejahung, also die eigentliche und wahre Affirmation ist, die sich aber ganz wesentlich von endlichen oder einfachen Affirmationen unterscheidet. In der Negation entdeckt man so das Prinzip der Affirmation. Denn wenn das Negative aufgehoben wird, kann es keine Affirmation mehr geben.³⁰³ Damit geht Cusanus über den die Koinzidenz kontradiktorischer Gegensätze anzeigenden Begriff des Anderen hinaus und lässt ihn durch das Nicht-Andere überformt und bedingt sein. So richtig es zwar ist, die Identität des Seienden in seinem differenzhaften Sein und damit in der Einheit von Differenz und Identität zu sehen, so ist es aber für Cusanus offenbar noch präziser, die Individualität des Seienden in seinem konkreten Nicht-Anders-Sein zu sehen. ³⁰⁴ Als negativ vermittelte Selbstbeziehung ist das Seiende ein spezifisches Anderes und so eine andersheitliche Negation anderer Anderen. Nur als Negation ist es seine Position – oder anders ausgedrückt: Nur als Negation ist es in seinem Sein fixiert. Erstens bedingt die Negation die Affirmation und zweitens ist sie die eigentliche Affirmation. Dabei zeigt sich das Absolute als die Bedingung der Möglichkeit dafür, dass das Andere ein negatives Selbstverhältnis (Negation) ist, durch das es überhaupt erst als Anderes definiert ist. Vor diesem Hintergrund lässt sich auch erklären, warum nach De venatione sapientiae die Negation der Affirmation nicht entgegengesetzt ist, obwohl Cusanus die zunächst fragwürdig anmutende Entsprechung von „negatio“ und „non

 De non aliud (h XIII) prop. XVI, p. 64, 3 – 7 [n. 121].  De ven. sap. (h XII) c. 22, n. 64, 13 – 16; Hervorh. Ro: „Dionysius, qui Platonem imitatur, in campo unitatis similem | venationem fecit et negationes, quae sunt privationes, sed | excellentiae et praegnantes affirmationes, veriores dicit affirmationi|bus.“  S. dazu oben, II.1.5, 47, Anm. 159.  Ganz ähnlich auch Cürsgen 2007a, 96: „[D]ie Identität als Faktum wird in die Identität als identisch begründete Identität resp. negative Unhintergehbarkeit transformiert.“ Es ließe sich hier aber eher davon sprechen, dass Identität und Differenz eines Einzelseiende letztlich gerade in die erwähnte ‚negative Unhintergehbarkeit‘ transformiert werden.

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aliud“ einerseits und „affirmatio“ und „aliud“ andererseits entwirft.³⁰⁵ Das Einzelseiende ist nämlich als ‚bestimmte Negation‘ positiv gesetzt: Es ist insofern positiv gesetzt, als es selbst ein negativer Selbstbezug ist.³⁰⁶ Darüber hinaus ist es kraft seines negativen Selbstverhältnisses zugleich eine andersheitliche Negation. Diese Koinzidenz von negativ fundierter Position und negativ fundierter andersheitlicher Negation wird begrifflich präzise durch das negative Selbstverhältnis des Anderen ausgedrückt. Zwar scheint schon der Begriff des Anders-Seins die Koinzidenz von Identität und Differenz auszudrücken. Allerdings muss beachtet werden, dass das Anders-Sein des Seienden dieses Seiende gerade nicht aktiv definiert, sondern nur in seinem Seinsmodus beschreibt. Präziser ist der erste Ausdruck, weil er den konkreten negativen Selbstbezug als Fundament der Koinzidenz freilegt und damit letztlich auf den absoluten Grund selbst verweist.³⁰⁷ Die Dialektik von Identität und Differenz wird vom Nicht-Anderen überformt und in den negativen Selbstbezügen zu einer ununterscheidbaren Einheit kontrahiert. Das Einzelne existiert nur in Differenz und in Vielheit. Es ist dadurch nicht ‚abgesondert‘ von allen anderen Anderen, sondern Eines unter Vielen. Es ist aufgrund seiner inneren Begrenzung nicht verabsolutierbar oder aus der Vielheit abzusondern. Cusanus kam es dabei offenbar darauf an, das negative Selbstverhältnis der Seienden als die eigentliche ‚bestimmte Negation‘ zu sehen, um so das konstituierende Element in das Innere des Einzelseienden zu verlegen. Bedingt ist jedes konkrete negative Selbstverhältnis durch den negativen Selbstbezug des Absoluten, das selbst in reiner Negativität über der kopulativen Koinzidenz von Identität

 De ven. sap. (h XII) c. 14, n. 41, 10 – 12. Martin Thurner geht davon aus, dass das „non“ der negative Aspekt, das „aliud“ der affirmative Aspekt ist (Thurner 2001, 471). Auch Ekkehard Fräntzki deutet das Andere (aliud) als Affirmation (Fräntzki 1972, 137). Man kann aber das Andere nicht einfach als bloße Affirmation deuten, weil man so das Andere als andersheitliche Negation völlig außer Acht lässt. Außerdem wäre das Nicht-Andere dann einfach eine andersheitliche Negation der Affirmation ‚aliud‘ und so keineswegs der Grund dieses ‚aliud‘.  Vgl. Cürsgen 2007a, 114.  Damit ist die negativ formulierte Definitionsformel ‚X est non aliud quam X‘ die Präzisierung der dialektischen Aussage, dass jedes Einzelseiende „idem sibi ipsi et alteri aliud“ sei (De gen. (h IV) c. 2, n. 154, 7). Dabei ist die Bedeutung der negativen Formulierung nicht zu unterschätzen: Cusanus sagt gerade nicht, dass jedes X bloß mit sich identisch ist. Er sagt, dass jedes X gegenüber sich selbst kein Anderes ist. Die Perspektive auf das Andere diesem X gegenüber ist hiermit bereits einkalkuliert. So werden durch die negative Formulierung die Identität und die spezifische Differenz eines Einzelseienden als Einheit begriffen. Die Aussagen, jedes Einzelseiende sei ‚idem‘ sich selbst gegenüber und ein ‚aliud‘ den anderen Anderen gegenüber, werden im negativen Selbstbezug ununterschieden ausgedrückt. Das Nicht-Andere ist so nicht die negative Kehrseite des ‚idem‘. Genauso wenig ist deshalb die erwähnte negative Definitionsformel eine Tautologie (vgl. Cürsgen 2007a, 93, 96 und bes. Cürsgen 2009, 362. Perger 2004, 131– 133).

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und Differenz steht. Über allen konkreten negativen Selbstverhältnissen liegt das Nicht-Andere, das kraft seiner spezifischen negativen Form und ausschließlich in dieser negativen Form die eigentliche ‚Affirmation aller Affirmationen‘ ist. Dabei ist das Absolute nur dem äußeren Wortlaut nach Affirmation. Der wahren inneren Bedeutung nach ist das Absolute, wie gezeigt, reine Negativität. Nur unter dieser Bedingung lassen sich das Nicht-Andere als Negation und das Andere als Affirmation begreifen. Eine gewisse Ambivalenz ist bezüglich der Bedeutung des Begriffs ‚Negation‘ durchaus einkalkuliert: Denn die „negatio“ der Form ‚non aliud‘ kann zum einen absolut und zum anderen konkret begriffen werden. Cusanus hat hiermit die Priorität des negativen Selbstbezugs in Rahmen von Metaphysik und Ontologie herausstellen wollen: Hervorzuheben ist also die Perspektive auf die Singularität in absoluter Negativität auf der einen und auf die Einzigartigkeiten in Differenz und Vielheit auf der anderen Seite. Man kann so durchaus zwischen der einen absoluten Einheit einerseits und den individuellen Einheiten in der Vielheit andererseits ‚unterscheiden‘. Cusanus unterscheidet also gewissermaßen drei Ebenen: Die oberste Ebene kann dem absoluten Nicht-Anderen, die zweite den konkreten Nicht-Anderen und die dritte den Akzidenzien zugeordnet werden. Cusanus hat allerdings keine Ideen im Sinne von kausalen bzw. begründenden Entitäten zwischen dem Absoluten und den Anderen vertreten.³⁰⁸ Auch sind die Ideen als Ideen oder Wesenheiten nicht im Absoluten. Dennoch sind die intelligiblen oder geistigen Substanzen die Fundamente akzidentieller Erscheinungen.³⁰⁹ Die Akzidenzien ‚umkleiden‘ das Wesen und machen es nach außen hin sichtbar. Dabei zeigen die Akzidenzien letztlich den Wandel an.Wandlungen betreffen so nur die äußeren Erscheinungen jeder intelligiblen Substanz.³¹⁰

 Weil Cusanus das Nicht-Andere zum ausschließlichen Grund aller Dinge macht, benötigt er weder Ideen noch Transzendentalien, um die Schöpfung zu erklären. Daher kann man sich bedenkenlos der Deutung Dirk Cürsgens anschließen (Cürsgen 2007a, 113 – 114).  Daher kann man durchaus Dirk Cürsgens Einschätzung zum Verhältnis von Absolutem und Einzelsubstanzen einerseits und von Einzelsubstanzen und Akzidenzien andererseits folgen; Cürsgen 2007a, 115 – 116: „Die Substanzen verhalten sich prinzipiell genauso zum Absoluten wie die Akzidenzien zur Substanz.“  Vgl. De poss. (h XI/2) n. 11, 4– 10: Darin verwendet Cusanus ein Beispiel der sinnlich wahrnehmbaren Sonne, die (abhängig von der Zeit) immer auch an einem anderen Ort sein kann. Daher ist die sinnliche Sonne nicht die Aktualisierung ihrer Möglichkeiten. Die Individuation der Kreatur hängt aber in De li non aliud gerade nicht von ihrer Erscheinung in Ort und Zeit, sondern allein vom Nicht-Anderen selbst ab.

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Cusanus insistiert darauf, dass zwischen zwei Gegenständen niemals eine genaue oder absolute Gleichheit bestehen könne.³¹¹ Daher sind die Kreaturen nicht in dem (absoluten) Maß Nicht-Andere wie das Absolute selbst und bleiben daher wesentlich der Differenz verhaftet. Gerade dieses wesensimmanente differenzhafte Sein hat sich als Fundament für die äußere Abgrenzbarkeit der Anderen untereinander gezeigt. Äußere Differenz gehört aber nur äußerlich zur Individuation. Denn die äußere Differenz kann nicht als Kriterium der Individuation verstanden werden. Individuationskriterium ist allein das Nicht-Andere. Nun ist für Cusanus jedes Seiende so an ihm selbst ein Anderes. Es unterliegt dadurch dem ‚Mehr oder Weniger‘. Allerdings scheint Cusanus hiermit nicht einfach sagen zu wollen, dass das jeweilige Andere wesentliche Veränderungen erfährt.³¹² Zu beachten bleibt demgegenüber die Unwandelbarkeit und Unveränderlichkeit der Washeiten: Jedes Seiende ist unwandelbar ein Anderes und ferner nur dieses Andere, was es selbst gerade ist. Absolute Genauigkeit und absolutes Nicht-Anders-Sein sind demgegenüber nur im Absoluten möglich.³¹³ Substanzen können aber keinen Veränderungen unterliegen.³¹⁴ Cusanus vertritt daher ein Konzept von

 De non aliud (h XIII) prop. XVII, p. 64, 12– 16 [n. 122]. In diesem Zusammenhang fällt auch der Begriff der Teilhabe (De non aliud (h XIII) prop. XVIII). Für Cusanus hat jedes Seiende nur in Andersheit teil und ist mithin niemals absolut nicht-anders, sondern immer ein Anderes gegenüber Anderen. Dadurch sind zwei Seienden niemals absolut gleich, sondern immer jeweils Andere. Teilhabe steht bei Cusanus also insbesondere für die Verschiedenheit der Seienden untereinander und so auch für die Verschiedenheit der Seienden gegenüber dem Absoluten (bes. Bolberitz 1989, 51– 53. Vgl. Perger 2004, 130 – 131. Vgl. dazu generell Thomas 1996).  Mariano Alvarez-Gómez weist die verändernde Andersheit aus der individuellen Singularität oder Identität eines Einzelseienden zu Recht aus; Alvarez-Gómez 1968, 165: „Andersheit, Verschiedenheit, Vergänglichkeit und Unvollkommenheit der Individuen ereignen sich kontingent, zufällig.“  Das Absolute kann, so Dirk Cürsgen, „sich bloß in sich ständig als Identisches oder Absolutes hervorbringen“. Denn es kann sich „nicht außerhalb seiner […] selbst wiederholen oder identisch verdoppeln“. So kommt Cürsgen zu dem wichtigen Ergebnis: „Außerhalb seiner kann Gott nicht abermalig eine uneingeschränkte Identität erwirken“, denn das „Andere verhält sich zueinander als Andere“ (Cürsgen 2009, 351). Endlichkeit zeichnet sich also dadurch aus, dass jedes Andere niemals das Absolute sein kann und zudem immer ein Anderes gegenüber anderen Anderen ist. Die Einzelseienden können „in ihrer Relation zueinander weder völlig identisch noch völlig unterschiedlich werden“ (Cürsgen 2009, 361).  Zu beachten ist, dass das Eine (unum) nur das Eine ist und nichts anderes. Dabei unterliegt das Eine keiner Veränderung, sondern wird durch das Nicht-Andere als das Eine fixiert (De non aliud (h XIII) c. 15, p. 38, 25-p. 39, 14 [n. 73]. De ven. sap. (h XII) c. 23, n. 70, 2– 7. Vgl. Cusanusmarg. 143; Senger 1986, 73). Grundsätzlich ist die substanziale Form eines Einzelseienden nicht wandelbar; De aequal. (h X/1) n. 3, 10 – 11: „Et pro introitu ad intentum praemitto quod alteritas non potest | esse forma. Alterare enim est potius deformare quam formare.“ Cusanus betont die Konstanz eines Einzelseienden als Einheit von wesenhafter Identität und spezifischer

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Unsterblich- und Unveränderlichkeit intelligibler, geistiger und transzendentaler Entitäten.³¹⁵ Wenn wahre Individuation ein wesensimmanenter und daher intelligibler Vorgang ist, so ist die Welt der Wandlungen bloß akzidentielles Beiwerk. Mit der ‚Endlichkeit‘ geistig-intelligibler Individuen ist so nicht unbedingt eine zeitliche Endlichkeit oder Vergänglichkeit gemeint. Vielmehr intendiert Cusanus mit dem Begriff ‚Endlichkeit‘ die Begrenztheit des individuell-kontrakten Seins der Seienden. Das spezifische Nicht-Anders-Sein der Seienden ist gerade ihre Endlichkeit. Wahre Individualität ist für Cusanus unzerstörbar. Daher ist die Wandelbarkeit der Einzelseienden kein wesentliches oder ein das Wesen treffendes Phänomen.³¹⁶ Die Wesenheiten sind so in der Tat unwandelbar und daher unvergänglich. Allerdings sind sie dadurch nicht das Absolute selbst, das kraft seiner Negativität unendlich und unbegrenzt ist. Welche Konsequenzen hat diese spezifische Konstitution der Einzelseienden für ihre Erkennbarkeit durch Verstand und Vernunft? Der Verstand (ratio³¹⁷) des Menschen setzt das Anders-Sein der Anderen bereits voraus und richtet sich gerade am Anders-Sein der Anderen aus. Der Verstand nimmt demnach die Differenz

Differenz (De doc. ign. (h I) II, n. 91– 97 und III, n. 182). De gen. (h IV) n. 146, 3 – 4). Auch Dirk Cürsgen geht davon aus, dass „das singuläre Wesen […] unvergänglich“ ist (Cürsgen 2009, 366. Vgl. Cürsgen 2009, 345. Leinkauf 1994, 186. Vgl. auch Mojsisch 1982, 341– 359; bes. 354– 358). Der etwas überspitzten Kritik von Grotz muss man demgegenüber nicht folgen (Grotz 2009, 206, Anm. 302).  De non aliud (h XIII) c. 13, p. 28, 7 – p. 29, 7 [n. 51– 52]; bes. p. 28, 11– 13 [n. 51]: „Ex quo impossibilem esse intelligentiis corruptionem, | quae in sensibilibus est, patet, quod sunt a materia separatae, quae | apta est alterari.“  De ludo (h IX) II, n. 81, 12– 13: „De essentia igitur cuiuscumque non po|test esse alteritas, cum in ipsa non sit entitas nec ipsa in entitate.“ Daher sind Bewegung und Ruhe, die Cusanus an dieser Stelle anspricht, akzidentielle und genau deswegen kontingente Formen von Ruhe und Bewegung (15 – 20. Vgl. De mente (h V) c. 6, n. 96, 4– 14. De non aliud (h XIII) c. 10, p. 22, 16 – 18 [n. 37]). Die geistige Bewegung hingegen ist wesentliche und unvergängliche Bewegung; De ludo (h IX) I, n. 24, 1– 9: „Et licet motus vivificandi animal cesset deficiente sanitate corpo|ris, tamen non cessat motus intellectualis animae humanae, quem | sine corpore habet et exercet. Ideo motus ille seipsum intellectua|liter movens est in se subsistens et substantialis. Motus enim, qui | non est seipsum movens, accidens est. Sed seipsum movens sub|stantia est. Non enim illi accidit motus, cuius natura est motus, uti | de natura intellectus, qui non potest esse intellectus sine motu intel|lectuali, per quem est actu. Ideo intellectualis motus est substantia|lis seipsum movens. Numquam igitur deficit.“ Sofern man aber unter dem Begriff des Individuums die Einheit von Substanz und Akzidenzien versteht, unterliegt das Individuum durchaus einem Wandel (vgl. Cürsgen 2009, 366). Hier zeigt sich auch, dass die bloß akzidentiell korrumpierende Andersheit bei Cusanus sachlich Dionysios’ Begriff des Bösen nahe steht (vgl. Schäfer 2002, 458).  Flasch 2008a, 154– 157, 302– 306 und 457– 464. Zum Erkennen bei Cusanus im Allgemeinen vgl. Kremer 2004a, 1– 49.

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als Unterscheidungskriterium der Kreatur an. Für die Erkenntnis der Wesensdefinition ist er so nicht geeignet, da er diese schon voraussetzt und so das Maß seines Messens durch sein Messen nicht denkend einholen und mithin nicht erkennen kann. Weil zwischen den Anderen ein proportionales messbares Verhältnis besteht, kann der Verstand aber Rückschlüsse auf die spezifische Differenz zwischen den Anderen ziehen.³¹⁸ Die Gegensätzlichkeit der Anderen ist die Bedingung der Möglichkeit inhaltlicher Abgrenzbarkeit, also von Messbarkeit. Weil alles Seiende zugleich vom Absoluten ins (Bestimmt‐)Sein gesetzt wird, ist der gesamte Kosmos bestimmter Realitäten in den messbaren Relationszusammenhang der Seienden gesetzt.Wären die Seienden keine Anderen,wäre an ein Messen gar nicht zu denken. Da das Messen aber nur die Beziehung der Anderen zueinander berührt, kann das Messen das Wesen der Einzelseienden nur von außen ‚abtasten‘. Das Wesen wird also durch das rationale Erforschen oder messen nicht an sich, sondern nur über dasjenige erkannt, was das intendierte Seiende umgibt. Der menschliche Geist misst die Einzelseienden und bestimmt so ihre relative Position zueinander. Zwar kann das Seiende aufgrund seines wesentlichen Anders-Seins mit anderen Anderen gemessen werden. Dabei wird aber das Wesen eines Anderen nur mehr oder weniger und gerade nur anhand der äußeren Differenzrelation, die auf das Anders-Sein der Anderen folgt, erkennbar.³¹⁹ Generell kann kein Anderes ein anderes Anderes in seinem ihm eigenen Wesen erkennen, da es diesem wesentlich äußerlich bleibt. Damit sind, wie zuvor bereits mehrfach angedeutet, die einem speziellen Anderen gegenüber Anderen Akzidenzien. Allerdings wird der Verstand nicht einfach in die Irre geführt. Denn einerseits sind die Akzidenzien von den Substanzen abhängig. Andererseits ist die Relation der

 Proportion ist für Cusanus ein zentraler Begriff (De doc. ign. (h I) I, n. 3). Insbesondere beschreibt er ihn mithilfe von Zahlenverhältnissen (De mente (h V) c. 6, n. 88 – 96). Als Quelle hierfür ist auf Johannes Scottus Eriugena hinzuweisen; Cusanusmarg. (PL 122, 466A); MFCG 3, 89: „proporcio est relacio“. Zur Proportion vgl. auch Grotz 2009, 140 – 154.  Durch Relationen kann man die Dinge nicht in ihrem Wesen erkennen. Dies gilt aber nicht nur für die Relation von Körperdingen, sondern auch für die wesenhafte Relation. So geht Tilman Borsche durchaus zutreffend davon aus, dass das Wesen einer Sache grundsätzlich nicht erkannt werden kann. Relation und Unterscheidungen werden bei ihm zur Bedingung des Erkennenkönnens. Da nach Borsche aber Unterscheidungen etwas Akzidentielles zu sein scheinen, ist eine wesensgemäße Erkenntnis für ihn unmöglich; Borsche 1990, 186 – 187; hier 187: „Was etwas ist, reflektiert sich in dem, was es nicht ist.“ Borsche präzisiert dabei: „Was etwas ist, erkennen wir also nur in seinen Verhältnissen, in bezug auf die Sinnendinge nur aus seinem Verhalten – in alteritate. Oder anders, Erkennen ist unterscheiden: cognitio discretio est.“

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Seienden von ihrer Wesensdefinition abhängig. Das Anders-Sein der Seienden ist Grundlage für die rationale bzw. verstandesmäßige Erforschung der Seienden.³²⁰ Darüber hinaus ist das Wesen eines jeden Seienden auch für die menschliche Vernunft (intellectus) an sich völlig unerkennbar und daher negativ. Grund für die Unerkennbarkeit der Einzelwesen ist die Unerkennbarkeit ihres Prinzips. Das Wissen um das Wesen kann immer noch präziser sein, weswegen das Wesen im Wissen niemals erreichbar ist.³²¹ Allerdings ist das Wesen jedes Einzelseienden gerade durch den negativen Begriff ‚non aliud‘ als eine spezielle oder konkrete negative Selbstbezüglichkeit nachvollziehbar. Es wird erkennbar, dass Wesenheiten negativ fundiert und konstituiert sind. Dies kann gerade durch die menschliche Vernunft begrifflich aufgeschlossen werden.³²² Entscheidende Folge der negativen Fundierung jedes einzelnen Wesens ist, dass man über diese negative Bestimmung nicht einfach hinausgehen kann. Dass die Individualität im negativen Selbstverhältnis besteht, kann die menschliche Vernunft zwar sehr wohl erkennen. Darüber hinaus muss aber das Wesen inhaltlich unbestimmbar bleiben, weil jeder (zusätzliche) Begriff über die individuell-konkrete Definition dieses Wesens bereits hinausgeht. Damit wird jede weitere inhaltliche und positive

 De gen (h IV) c. 4, n. 172, 2– 6; Hervorh. Ro: „Cuius etsi diligenti investigatione per proportiones, differentias et | concordantias et studiosum discursum ad ‚quia est‘ elementorum et | combinationum deveniri possit, nullum tamen nomen nec elementi | nec vocalis nec combinationis proprium ex se inquisitor inveniet, sed | inventis ratio discernens nomen appropriat.“  De ven. sap. (h XII) c. 12, n. 31, 10 – 14: „Scilicet quia omne, quod scitur, melius perfectiusque sciri | potest, nihil, uti scibile est, scitur. Hinc sicut ‚quia est‘ dei est | causa scientiae omnium, quia sunt, ita, quia deus quid sit, uti | scibilis est, ignoratur, quiditas etiam omnium, uti scibilis est, igno|ratur.“ De ven. sap. (h XII) c. 12, n. 31, 20 – 23: „Deus igitur cum praece|dat, non potest fieri comprehensibilis. Et cum quid sit posse fieri | non sit comprehensibile, sicut nec eius causa ipsum praecedens, | nullius quiditas causis ignoratis, uti scibilis est, actu comprehenditur.“ Vgl. Sermo LXII (h XVII/5) n. 10, 1– 5: „Fecit Deus omnia mirabiliter; et nihil omnium | est, in quo, si consideratio figatur, aliud quam ad|miratio finaliter reperiatur ita, quod sicut Deus | noster occultus est, ita fecit omnia et omnium ent|itatem occultam, ut nihil, uti est, scire valeamus.“ De poss. (h XI/2) n. 42, 19 – 21: „Bernardus: Cum omne quod per nos scitur non sciatur sicut | sciri potest – potest enim melius sciri –, sola scientia dei, ubi | omne posse est actu, est perfecta et praecisa.“  Verstand und Vernunft erkennen jeweils anders; De vis. (h VI) c. 22, n. 99, 7– 9: „Et hic discursus in homine proxime acce|dit ad virtutem intellectualem, ut sit supremitas perfectionis sensi|bilis virtutis et infimum intellectualis.“ De mente (h V) c. 2, n. 64, 8 – 11: „Nam motus rationis est circa res, | quae sub sensu cadunt, quarum discretionem, concordantiam et | differentiam ratio facit, ut nihil sit in ratione, quod prius non fuit | in sensu.“ Nur durch das absolute Urbild ist jedes Seiende, so Cusanus später konkretisierend in De li non aliud, in seinem Wesen als ein spezifisches, konkretes Nicht-Anderes definiert. Dieses ist nur durch die Vernunft erkennbar, denn die Vernunft vermag hinter die affirmative Fassade des Einzelseienden zu schauen. Dort erkennt sie den Grund des Einzelseienden in der Negativität.

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Bestimmung gegenüber dieser individuellen Wesensdefinition zu etwas Anderem, weil jede weitere Bestimmung die nicht-andersheitliche Wesensdefinition als ihre Bedingung hat und damit ihren Ursprung nicht präzise abbilden kann. Damit sind alle Begriffe gegenüber diesem bestimmten Einzelseienden gerade Andere. Das bedeutet, dass sie der Wesensdefinition äußerlich bleiben. Sie sind als Begriffe sekundäre Bestimmungen am Wesen eines Einzelseienden, weshalb jede dieser Bestimmungen hinter der Wahrheit zurückbleibt. Dirk Cürsgen hat auf diesen Umstand demonstrativ hingewiesen: Das „negative Wesen“ jedes Einzelseienden offenbare „die Unbestimmbarkeit jeder Entität rein in ihrem begrifflichen Wesen durch selbst unendlich viele positive, endliche, konkrete, teilbare, inhaltliche Bestimmungen“.³²³ Cürsgen konkretisiert weiter: Jedes Andere ist der konkrete Ausschluß alles anderen Anderen, der einzig durch das NichtAndere in allem Einzelnen bewerkstelligt werden kann, was bedeutet, daß das non aliud auch als Individuationsprinzip fungiert, indem es die negative Individualität – mittels völliger Deckung eines Dinges mit sich in dieser Selbstidentität – nach sich zieht.³²⁴

Damit ist zwar nicht ausgesagt, dass das Wesen jedes Einzelseienden schlechthin unbestimmt wäre. Denn jedes Einzelseiende ist durch seine innere Verfassung als konkretes Nicht-Anderes individuell bestimmt. Dass nun jedes Einzelseiende in seinem Wesen nicht über sein Nicht-Anders-Sein hinaus bestimmbar ist, hängt damit zusammen, dass das Wesen eines Einzelseienden gerade ausschließlich durch das Nicht-Andere und nicht etwa durch Anderes gesetzt wurde. Die Bestimmung, die durch das Absolute selbst vollzogen wird, kann durch keinen positiven Begriff nachvollzogen werden, da die Bestimmung durch das Absolute die negative Fundierung des Wesens ist. Demgegenüber ist der Begriff vom konkreten und individuellen Nicht-Anders-Sein der Einzelseienden der präziseste begriffliche Ausdruck für die Individualität des Einzelseienden, da hiermit die ursprünglich negative Form der Bestimmung begrifflich aufgeschlossen wird. Über den konkreten negativen Selbstbezug hinaus kann man das Wesen eines Anderen nicht weiter beschreiben, weil man damit zwangsläufig über die innere Grenzbestimmung des Anderen hinausgeht. Man fügt dem Wesen nur noch weitere Aussagen hinzu, wobei sein Wesen aber durch den negativen Selbstbezug schon gesetzt ist. Alle positiven Begriffe bleiben gegenüber dem konkreten Nicht-

 Cürsgen 2007a, 110. Vgl. Cürsgen 2007a, 95. Mariano Alvarez-Gómez hat ebenfalls richtig erkannt, dass das Individuum durch Andere nicht weiter erklärt werden kann (Alvarez-Gómez 1968, 160).  Cürsgen 2007a, 110 – 111.

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Anders-Sein an Präzision zurück. Über das konkrete Nicht-Anders-Sein hinaus können weitere Begriffe dieser Individualität so nur noch verallgemeinerbare und akzidentielle Bestimmungen beilegen.³²⁵ Letztlich zeigt sich also, wie wichtig es Cusanus ist, das Nicht-Andere als das Individuationsprinzip darzustellen. Seine Ausführungen in De li non aliud zur Substanz der Substanzen, zu den Substanzen und zu den Akzidenzien verdeutlichen, dass Cusanus um einen produktiven Negationsbegriff ringt, durch den er die Vielheit und die Individuation der Einzelseienden erklären und vom Absoluten selbst abhängig machen kann, ohne dabei Vielheit und Differenz als konstituierende Prinzipien voraussetzen zu müssen.³²⁶ Vor dem Hintergrund der primären Innerlichkeit und Selbstbezüglichkeit des Anderen als konkretes Nicht-Anderes kann daher sowohl der Grund für die Differenz als Grundcharakteristikum des Seins der Seienden als auch der Grund für die Individuation im Absoluten selbst gesehen werden.³²⁷ So ist entgegen der Ansicht Dirk Cürsgens nicht davon auszugehen, dass der „Ursprung der Differenz und Verschiedenheit im Sein“ unerklärt bleibt.³²⁸

 Vgl. hierzu Cürsgen 2007a, 94– 95. Cürsgen 2009, 351– 352.  Cusanus benötigt daher auch nicht die ‚unbestimmte Zweiheit‘ (ἀόριστος δυάς), die in der ungeschriebenen Prinzipienlehre Platons und im paganen Neuplatonismus eine zentrale Rolle bei der kreativen Ausfaltung der Dinge aus dem Absoluten spielt (Zu Platon vgl. bes. Gaiser 1963. Krämer 1959. Zu Plotin vgl. Varessis 1995. Halfwassen 2006).  Diese Begründung der Differenz aus der reinen Negativität des Absoluten heraus ist kein Gedanke Meister Eckharts: Dass Cusanus das Anders-Sein der Seienden aus dem Absoluten ableitet und durch das Absolute intendiert sein lässt, ist ein weiterer Hinweis darauf, dass Cusanus hierbei nicht von Meister Eckhart beeinflusst war. Denn die Begründung von Vielheit und Differenz bleibt bei Eckhart unerklärt. So deutet er Vielheit und Andersheit als bloßen „Abfall vom Einen“ (casus ab uno) (Exp. in Sap. (LW II) p. 359, 10 – p. 360, 3. Exp. in Ioh. (LW III) p. 100, 2– 5. Vgl. dazu Grotz 2009, 217). Dementsprechend ist einer der wichtigsten Gedanken des Nicht-Anderen, die negativ fundierte Prinzipfunktion, nicht durch Eckharts Philosophie fundiert.  Cürsgen 2009, 353. Mischa von Perger und Dirk Cürsgen haben die These vertreten, das Nicht-Andere sei ein „synkategorematischer Begriff“, also ein Begriff, der nur mit inhaltlich bereits ‚gefüllten‘ Begriffen, etwa ‚Erde‘ oder ‚Himmel‘, Sinn ergebe (Perger 2004, 125 – 126. Cürsgen 2007, 93, Anm. 9. Cürsgen 2009, 353). Da das Nicht-Andere bloß Begriff vom Absoluten ist, ist diese Annahme durchaus verständlich. Denn der Akt der Weltschöpfung und das ‚Warum‘ der Schöpfung entzieht sich letztlich dem menschlichen Erkenntnisvermögen, da dieses den Schöpfungsakt bestenfalls begrifflich nachvollziehen kann. Allerdings hat man zu beachten, dass es Cusanus darauf ankommt, das Absolute nicht von etwas Anderem abhängig sein zu lassen, was auch schon in der trinitarischen Selbstbestimmung begrifflich zum Ausdruck gebracht wird. Ein „synkategorematischer Begriff“ ist hingegen von anderen Begriffen abhängig. Cusanus zeigt aber gerade, dass das Nicht-Andere allen Anderen als Prinzip vorangeht und alle Anderen aus sich heraus setzt, indem es sie zu konkreten Nicht-Anderen macht: Dadurch sind sie als bestimmte Andere konkret und positiv gesetzt (gegen Cürsgen 2009, 351).

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2.7. ‚Immanenz‘ und bleibende Transzendenz des Absoluten In der konkreten Konstitution der Einzelseienden wird nicht nur das Wesen jedes Einzelseienden als konkretes Nicht-Anders-Sein erkennbar. Entscheidend bei dieser Wesensdefinition ist darüber hinaus, dass zugleich auch die Bedingung für dieses Nicht-Anders-Sein, also das Individuationsprinzip aller Dinge erkennbar wird. In der aktiven Erschaffung jedes Anderen als konkretes Nicht-Anderes bietet sich das Prinzip dem erkennenden Geist zur Beschauung dar. In der Erschaffung durch das Prinzip wird demnach ein zentraler Aspekt cusanischen Denkens freigelegt: die Selbstoffenbarung des Absoluten. Das Absolute zeigt sich dem menschlichen Geist und leitet so den Menschen an, es zu suchen und anzuschauen. Die Forschung hat diesen Aspekt aufgedeckt und korrekt als Kernelement cusanischen Denkens identifiziert.³²⁹ Cusanus spricht von der Erscheinung des Nicht-Erscheinenden und meint damit die Offenbarung des Absoluten. Das Absolute offenbart sich, indem es erscheint. Dabei kann man das Erscheinen des Absoluten in einer doppelten Hinsicht verstehen. Erstens erscheint es, indem es erschafft. Zweitens erscheint es, indem es sich speziell dem erkennenden Geist zuwendet. Alle Formen göttlicher Erscheinung können unter dem von Cusanus verwendeten Begriff „Theophanie“ subsumiert werden.³³⁰ Die Funktion der Theophanie als Erscheinung des Absoluten ist hierbei nicht weiter schwer zu erkennen: Die Erscheinungen des Absoluten eröffnen dem erkennenden Geist allererst den Blick auf das Absolute selbst.³³¹ Die Theophanie hat schon

 Zentral hierfür ist vor allem Kurt Flasch (Flasch 2008a, 422– 423).  Mit dem Begriff „Theophanie“ hat sich Werner Beierwaltes intensiv beschäftigt (Beierwaltes 1987, 328 – 338. Beierwaltes 1994, 287– 300. Beierwaltes 2006, 224– 236. Vgl. Wolter 2004). Beierwaltes hat sich dabei auch um die historischen Quellen des Theophanie-Begriffs verdient gemacht. Cusanus konnte diesen Begriff bei Johannes Scottus Eriugena lesen; Cusanusmarg. (PL 122, 449A); MFCG 3, 87: „nota quomodo fit theofania“.  Grundsätzlich ist hiermit die Erkenntnis des Absoluten durch und über seine Derivate angezeigt; De doc. ign. (h I) I, c. 11, p. 22, 4– 6 [n. 30]: „Consensere omnes sapientissimi nostri et divinissimi doctores visi|bilia veraciter invisibilium imagines esse atque creatorem ita cogno|scibiliter a creaturis videri posse quasi in speculo et in aenigmate.“ Gerade der Begriff ‚Theophanie‘ (insbes. verstanden als Geschöpf Gottes) drückt diesen Sachverhalt prägnant aus; De dato (h IV) c. 1, n. 94, 13 – 15: „Sed haec omnis actuans illuminatio, quae donum est desur|sum, descendit a patre omnium donorum, quae dona sunt lumina | seu theophaniae.“ De dato (h IV) c. 4, n. 109, 15 – 17: „Absolute enim deus noster est infinita virtus penitus in | actu, quae dum ex natura bonitatis se vult manifestare, facit a se | varia lumina, quae theophaniae dicuntur, descendere.“ De dato (h IV) c. 4, n. 111, 31– 33: „Sed omnis creatura est ostensio patris participans ostensionem filii | varie et contracte; et aliae creaturae obscurius, aliae clarius ostendunt | eum secundum varietatem theophaniarum seu apparitionum dei.“ Cusanus bleibt diesem Begriff auch in seinen Spätwerken treu (De ludo (h IX) II, n. 78, 7). Häufiger jedoch als

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allein deswegen einen ‚aenigmatisch-manuductorischen‘ Charakter. Das heißt, dass jede Theophanie auf das Absolute (zurück‐)verweist. Denn alles Denk- und Erkennbare ist „nichts anderes als die Erscheinung des Nicht-Erscheinenden“.³³² Cusanus hat die hierfür entscheidende Stelle in der Clavis Physicae, in der das Original Eriugenas nur marginal verändert wiedergegeben wird, ehrfürchtig mit „verba mirabilia“ annotiert.³³³ Cusanus selbst hat diese Stelle mehrfach in seine Werke integriert, wobei er den originalen Wortlaut modifiziert wiedergibt und darüber hinaus innerhalb seines eigenen Œuvres variiert.³³⁴ Doch wie ist der hiermit suggerierte Abstieg des Absoluten aus seiner Unerkennbarkeit in die Erscheinung zu verstehen, wenn es doch stets in sich bleibt? Das Absolute gibt nach Cusanus, wenn es erschafft, nichts anderes als sich selbst.³³⁵ Cusanus hat in De li non aliud die Nicht-Verschiedenheit des Nicht-An-

den Begriff der Theophanie verwendet Cusanus den Begriff ‚apparitio‘. Er kann aber auch, wie soeben verdeutlicht wurde, auf andere sachlich adäquate Begriffe wie etwa ‚imago‘, ‚lumina‘ oder ‚aenigma‘ zurückgreifen. In diesem Zusammenhang ist auch auf die Frage hinzuweisen, ob Cusanus eine Seinsanalogie (analogia entis) vertreten hat. Aufgrund der absoluten Aproportionalität von Endlichem und Unendlichem ist eine ‚analogia entis‘ abzulehnen. Weil das Absolute darüber hinaus weder ein Seiendes noch überhaupt Sein ist, ist schon der Begriff der ‚analogia entis‘ für Cusanus unbrauchbar. Zur ‚analogia entis‘ vgl. Haubst 1991, 232– 242; bes. 240 – 242. Schulze 1978, 24– 27.  Cl. Phys. 128, 14– 23: „Omne enim quod intelligitur et sentitur nichil aliud est nisi non | apparentis apparitio, occulti manifestatio, negati affirmatio, incom|prehensibilis comprehensio, ineffabilis fatus, inaccessibilis accessus, inintelligibilis intellectus, incorporalis corpus, superessentialis essentia, | informis forma, inmensurabilis mensura, innumberabilis numerus, | carentis pondere pondus, spiritalis incrassatio, invisibilis visibilitas, | illocalis localitas, carentis tempore temporalitas, infiniti diffinitio, | incircumscripti circumscriptio, et cetera que puro intellectus et cogi|tantur et perspiciuntur, et que memorie sinibus capi nesciunt et | mentis aciem fugiunt.“ Vgl. Periphys. III, 589 – 598 (PL 122, 633AB).  Cusanusmarg. 76 (Cl. Phys. 128, 12– 23); Lucentini 1979, 99.  De non aliud (h XIII) prop. XV, p. 63, 26 – 31 [n. 120]: „Qui videt in alio ‚non aliud‘ aliud, ille videt | in calefacto non-calefactum calefactum et in frigefacto non-frige|factum frigefactum et in formato non-formatum formatum et in | facto non-factum factum et in divisibili indivisibile divisibile et in | composito in-compositum compositum et generaliter in affirmato | non-affirmatum affirmatum […].“ De princ. (h X/2b) n. 35, 7– 10; Hervorh. Ro: „Inmultiplicabile principium non est | alterabile nec participabile, quia aeternitas. Nihil igitur in hoc mundo | est eius similitudinem habens, cum non sit designabile nec imagina|bile. Mundus est infigurabilis figura et indesignabilis designatio.“ De poss. (h XI/2) n. 72, 6 – 7: „Quid igitur est mundus nisi invisibilis dei apparitio?“  De dato (h IV) c. 2, n. 97, 6 – 15: „Solus enim deus est maxime bonus seu optimus. Datum | igitur optimum si est creatura, quoniam omnis creatura est bona | valde, videtur deus datus esse. Nihil enim dare potest, quod poten|tiae suae non subicitur. Oportet enim in potentia datoris id esse quod | datur. In | potentia autem boni bonum est. Sed optimum non est nisi | unum, simplex, impartibile, quia optimum. Non potest igitur dare nisi | se ipsum. Optimum est sui

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deren gegenüber jedem Anderen klar herausgestellt.³³⁶ Grund hierfür ist die InDifferenz des Absoluten. Weil das Absolute gerade nichts Verschiedenes von sich gibt, kann die vom Absoluten geschaffene Kreatur durchaus als etwas Göttliches begriffen werden. Dies betont Cusanus seit Beginn seines philosophischen Denkens: „Videtur igitur omnem creaturam quodammodo | deum esse.“³³⁷ Mehr noch scheinen das Absolute und seine Kreaturen ein und dasselbe zu sein: „Videtur igitur quod idem ipsum sit deus et crea|tura“.³³⁸ Doch diese Aussage ist höchst problematisch. Sind das Absolute und seine Kreaturen tatsächlich für Cusanus wesenhaft identisch? Ist hiermit das Negative in etwas Positives übergegangen? Geht das Absolute aus seiner Negativität in die Dimension der Erscheinungen über? Dieser Gedanke der Wesensidentität von Schöpfer und Geschöpf ist von unerhörter Brisanz und führt zuweilen sogar zu der Annahme, Cusanus habe pantheistische Vorstellungen vertreten.³³⁹ Ich habe bereits oben auf die Absurdität dieser Annahme hingewiesen.Was aber möchte Cusanus mit dieser problematisch klingenden Aussage seinen Lesern letztlich vermitteln? Die Forschung hat den kreativen Bezug des Absoluten auf seine Derivate oft als das Paradoxon von gleichzeitiger Transzendenz und ‚Immanenz‘ des Absoluten gesehen. Die international rezipierte und daher geradezu kanonisch gewordene Deutung von Transzendenz und ‚Immanenz‘ bei Cusanus liefert Werner ipsius diffusivum, sed non partialiter, cum | optimum non possit esse nisi optimum. Est enim omne id quod esse | potest. Quare suum esse est sua optimitas ac aeternitas. Communicat | igitur se indiminute.“  De non aliud (h XIII) c. 6, p. 13, 25 – 27 [n. 20]: „‚Non aliud‘ neque est aliud, nec ab alio aliud, nec est | in alio aliud non alia aliqua ratione, quam quia ‚non aliud‘ quod nullo | modo esse aliud potest, quasi sibi desit aliquid, sicut alii.“ Cusanus vertieft in direktem Anschluss diesen Gedanken (De non aliud (h XIII) c. 6, p. 13, 27 – p. 14, 17 [n. 20 – 21]. Vgl. dazu Beierwaltes 1980, 114– 117 und 161– 166).  De dato (h IV) c. 2, n. 97, 5 – 6.  De dato (h IV) c. 2, n. 97, 15 – 16.  Gerade dies vermutet Cusanus’ größter zeitgenössischer Kritiker, Johannes Wenck von Herrenberg. In seiner kurzen kritischen Schrift De ignota litteratura kritisiert er Cusanus’ Koinzidenzlehre: Alle Dinge und Geschöpfe, so Wenck, koinzidierten nach Cusanus mit Gott. Gott und Kreatur wären aber so ihrem Wesen nach identisch. Eine Unterscheidung von Gott und Kreatur würde so unmöglich gemacht (Nicholas of Cusa’s Debate with John Wenck, A Translation and an Appraisal of De ignota litteratura and Apologia doctae ignorantiae by Jasper Hopkins, 3rd Edition, Minneapolis: Banning Press, 1988, p. 102, n. 24, 19 – p. 103, n. 25, 14; p. 103, n. 25, 15 – 35; p. 104, n. 26, 31– 33; p. 107, n. 30, 10 – 12. Vgl. dazu Flasch 2008b, 232– 233). Cusanus soll also einen Pantheismus gelehrt haben, den vor ihm schon Johannes Scottus Eriugena und Meister Eckhart vertreten haben sollen. Unter anderem deswegen sind ihre Werke auch anathematisiert worden: Eckhart in der Bulle In agro dominico durch Papst Johannes XXII im Jahr 1329 (Flasch 2008c, 211– 226. Flasch 2010, 276 – 303; bes. 283 – 289 und 291); Eriugena insbesondere durch Papst Honorius III im Jahr 1225 (Cappuyns 1933, 183 und bes. 247– 250).

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Beierwaltes:³⁴⁰ Jene drei von Cusanus gesondert hervorgehobenen „Gottesnamen non aliud, idem, possest“ explizierten „in gleicher Weise das Sein der absoluten Transzendenz Gottes, wie dessen Wirken im Seienden“. Beierwaltes illustriert sein eigenes Verständnis dieses Phänomens besonders anhand des Nicht-Anderen: [D]as ‚Nicht-Andere‘ meint einmal, daß Gott absolute Differenz zu allem Anderen ist, weil Anderes nicht in ihm ist, zum anderen aber ist er als Nicht-Anderes von diesem nicht verschieden, sondern in ihm als dessen Wesen (nicht als er selbst) wirksam.³⁴¹

Offenbar unterscheidet Beierwaltes hier zwischen der Transzendenz des Absoluten und seiner ‚Immanenz‘ im Anderen.³⁴² Wenn Beierwaltes schließlich darauf hinweist, dass das Prinzip „trotz seiner intensiven Immanenz dem Seienden transzendent“ sei, so entwirft er Transzendenz und ‚Immanenz‘ gerade als Gegenbegriffe. Gleichwohl ringt Beierwaltes um die Einheit von Transzendenz und ‚Immanenz‘ des Absoluten, weil er Transzendenz und Prinzipfunktion des Absoluten nicht voneinander trennen möchte.³⁴³ Beierwaltes scheint es dabei gerade darauf anzukommen, dass man das Absolute nicht an sich erkennen kann – auf diesen völlig korrekten Hinweis ist später zurückzukommen.³⁴⁴ Allerdings führt Beierwaltes’ Interpretation letztlich zu einem Spannungsverhältnis von Transzendenz und Prinzipfunktion des Absoluten. Transzendenz und Prinzipfunktion des Absoluten werden aber von Cusanus gerade durch denselben Begriff ausgedrückt. Denn die transzendente Negativität des Absoluten kann mit seiner kreativen Tätigkeit begrifflich identifiziert werden. Aus diesem Grund muss die These Beierwaltes’ zurückgewiesen werden.

 Beierwaltes 1980, 144– 175; bes. 161– 166. Vgl. Alvarez-Gómez 1968, 179 – 195; bes. 180, 188 – 189 und 192. Monaco 2010, 177– 182, 204– 236. Josef Stallmach begreift das Nicht-Andere – für die Forschung geradezu paradigmatisch – als Ausdruck für ein „Maximum von Transzendenz“ und für ein „Maximum von Immanenz“ (Stallmach 1960, 331. Vgl. Stallmach 1989, 63, 67).  Beierwaltes 1980, 162; vgl. 165. Natürlich hat Beierwaltes Recht, wenn er die Unerkennbarkeit des Absoluten apostrophiert. Gleichwohl scheint dieser Gedanke Beierwaltes’ nicht die Pointe des Nicht-Anderen zu treffen. Denn Cusanus geht es, wie sich im Folgenden noch zeigen wird, darum, im Begriff ‚non aliud‘ Transzendenz und Prinzipfunktion des Absoluten begrifflich auszuweisen.  Der Heide macht nach Cusanus den Fehler, dass er das Absolute nicht verehrt, wie es an sich ist; De Deo abs. (h IV) n. 7, 4– 9: „Sed in hoc una et maxima, quia nos veri|tatem ipsam absolutam, impermixtam, aeternam ineffabilemque coli|mus, vos vero non ipsam, uti est absoluta in se, sed uti est in operi|bus suis, colitis, non unitatem absolutam, sed unitatem in numero et multitudine, errantes, quoniam incommunicabilis est veritas quae deus est alteri.“  Beierwaltes 1980, 165.  S. dazu unten, II.2.8.

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Zunächst einmal ist eindeutig zu konstatieren, dass kein Seiendes mit dem Absoluten identisch sein kann.³⁴⁵ Schon Klaus Jacobi geht zwar von der Identität von Schöpfer und Geschöpf aus, spricht aber zugleich von „tiefste[r] Differenz“: „Die Kreatur ist ‚Theophanie‘, Gott im Modus der Erscheinung, nicht aber Gott selbst.“ Cusanus etabliere so eine „ontologische Differenz“ zwischen dem Schöpfer und seinen Geschöpfen.³⁴⁶ Jacobis Deutung des Seinsmodus des Absoluten als „Identität“ und des Seinsmodus der Geschaffenen als differentes Sein ist allerdings problematisch.³⁴⁷ Cusanus kann eben nicht – und das ist entscheidend – von einer ‚ontologischen Differenz‘ zwischen Schöpfer und Geschöpf ausgehen. Erstens ist das Absolute als Überseiendes jenseits ontologischer Dimensionen. Zweitens liegt die ‚Differenz‘ des Schöpfers gegenüber seinen Geschöpfen gerade in der In-Differenz des Absoluten begründet.³⁴⁸ Daher muss man darauf achten, dass das Absolute für Cusanus nicht einfach das Wesen aller Seienden (essentia), sondern das Wesen der Wesenheiten aller Seienden (essentia essentiarum) und damit die absolute Überwesentlichkeit (superessentialitas) ist. Die Nicht-Verschiedenheit des Absoluten gegenüber seinen Derivaten bei gleichzeitiger Nicht-Identität von Grund und Begründetem spiegelt sich in Cusanus’ Begriffen „Deus creatus“ und „infinitas finita“ wider.³⁴⁹ Diese Begriffskonstrukte verweisen dabei einerseits auf die innige Verbindung von Absolutem und Welt und deuten andererseits auf die Tatsache hin, dass das Absolute nicht das Andere ist. Die innige Verbindung von Schöpfer und Geschöpf wird besonders anhand des Nicht-Anderen einsichtig gemacht, durch das jedes Andere zu einem

 Das Prinzip ist „secundum modum datoris“, die Derivate sind „secundum modum dati“ (De dato (h IV) n. 97, 15 – 17).  Jacobi 1969, bes. 146 – 153; hier 148, Anm. 31.  Jacobi 1969, 152: Für Jacobi gelten Identität und Differenz „zugleich […] von demselben (dem Seienden) in derselben Hinsicht (auf das Sein)“. Dies sei kein Widerspruch, denn Identität und Differenz seien „in verschiedenen ontologischen Dimensionen“ gültig. So begreift Jacobi die „Zweiheit der Ontologien“, die er als „Identitätsontologie und Differenzontologie“ versteht, als „Kernpunkt der ganzen cusanischen Philosophie“. Allerdings ist Cusanus’ Metaphysik, wie gezeigt werden konnte, keine Ontologie und auch keine ‚Identitätsontologie‘. Zudem stehen ‚Identitätsontologie‘ und ‚Differenzontologie‘ in Jacobis Deutung unvermittelt nebeneinander. Durch den Begriff des Nicht-Anderen aber konnte Cusanus den kreativen Bezug des Absoluten auf die Kreaturen klären, ohne Schöpfer und Geschöpf miteinander zu vermischen.  Demgegenüber ist aber die Kreatur sehr wohl vom Absoluten verschieden; De gen. (h IV) c. 1, n. 146, 9 – 12: „Conradus: Intelligo te velle nihil omnium entium esse, quod non sit | idem sibi ipsi et alteri aliud et hinc nullum tale esse idem absolutum, | licet cum nullo sibi ipsi idem et alteri diversum idem absolutum sit | diversum.“  Cusanus wertet mit diesen Begriffen aber auch die Welt als geschaffene Unendlichkeit ab: Denn die Welt ist als geschaffene Unendlichkeit defizitäre Unendlichkeit und gerade deshalb Abfall vom Absoluten (De doc. ign (h I) II, c. 1, p. 64, 15 – 17 [n. 97]).

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seienden Nicht-Anderen wird und so durch seine Wesensdefinition auf das Absolute zurückweist: Das Universum ist nach Cusanus durch den transzendenten Definitionsgrund (ratio) geordnet. Dieser ist aber gemäß seiner Transzendenz völlig unerkennbar. In der Dimension der Anderen strahlt aber der Grund auf fassbare Weise wider (elucere bzw. relucere).³⁵⁰ Denn jedes Seiende ist als konkretes Nicht-Anderes eine Verendlichung des unendlichen Nicht-Anderen durch das unendliche Nicht-Andere. Das Verendlichte ist dabei nicht das Absolute selbst, sondern Produkt des absoluten Wirkens. Deswegen spiegeln sie in ihrem je verschiedenen Sein das überwesentliche ‚Sein‘ des Absoluten wieder. Dabei jedoch geben sie das überwesentliche ‚Sein‘ des Absoluten natürlich keineswegs exakt wieder. Denn die konkreten Nicht-Anderen sind anders als das Absolute nicht frei von jeder Begrenztheit, sondern im Gegenteil gerade begrenzt. Es soll einerseits ersichtlich werden, dass es nicht das Absolute ist, was als es selbst in der Welt zu etwas Geformten wird. Zum anderen wird man dazu angeregt, hinter die bloßen Fassaden verschiedener Namen und Begriffen zu blicken. Denn das Absolute ruft den erkennenden Geist in dessen ‚Hemisphäre‘, den Straßen dieser Welt, dazu auf, es dort zu suchen, wo es eigentlich ist: in der Unendlichkeit.³⁵¹ Man erblickt zunächst die konkreten, also die geschaffenen Nicht-Anderen, die durch das ungeschaffene Absolute Andere sein müssen. In den konkreten Nicht-Anderen erkennt man aber unschwer die Bedingung für ihr konkretes So-Sein: die begriffliche Definition ‚non aliud‘. Dieses ist, wie gezeigt, Bedingung dafür, dass jedes Seiende eine ‚bestimmte Negation‘ ist, in der sich die Kreatürlichkeit der Seienden ausdrückt. Sie sind also nicht rein negativ bestimmt, sondern sie sind in die Positivität übergegangen. Aber gerade in diesen konkreten, in Andersheit fixierten NichtAnderen erscheint das Absolute als Bedingung ihrer negativ fundierten Positivi-

 De non aliud (h XIII) c. 9, p. 19, 7– 13 [n. 32]: „Deinde ad | ipsam me rerum rationem converto, quae mundum praecedit et per | quam mundum video constitutum, et illam incomprehensibilem in|venio. Non enim haesito ipsam mundi rationem, per quam omnia | rationabiliter facta sunt, omnem cognitionem praesupponere et in | creatis ipsam omnibus elucere, cum nihil sit factum absque ratione; | ipsam tamen minime comprehendo.“ De non aliud (h XIII) c. 9, p. 19, 18 – 21 [n. 32]: „quare ipsum ‚non aliud‘ comprehendo, quando | quidem universi rationem non esse comprehensibilem video, cum | antecedat omne comprehensibile: ipsam igitur incomprehensibilem, | quod in comprehensibilibus comprehensibiliter relucet, perspicio.“ Klarer allerdings soll das Nicht-Anderen im Intellekt widerstrahlen (De non aliud (h XIII) prop. XIX, p. 64, 34– 36 [n. 124]; prop. XIX, p. 65, 2– 4 [n. 124]).  Vgl. Grotz 2009, 177. Zur Frage nach dem „wo“ Gottes bei Cusanus und den historischen Vorbildern zu dieser Frage vgl. Beierwaltes 1987, 339 – 342. Beierwaltes 1994, 302– 306. Brient 2002, 127– 150.

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tät.³⁵² Damit ist die Definition der Einzelseienden durch das Absolute das Individuationsprinzip schlechthin und zugleich die Bedingung der Möglichkeit des Erkennenkönnens überhaupt.³⁵³ Das Nicht-Andere ist die vorgängige Grundbedingung für jedes Erkennen, ohne die der menschliche Geist keine Definition begrifflich nachvollziehen kann. Cusanus’ Gesprächspartner Ferdinand droht, zunächst „in der Hitze der Jagd“ an der Definition, die alles definiert,vorbeizulaufen. Daher verweist Cusanus noch mal explizit auf das ‚non aliud‘, das sich als die gesuchte All-Definition zeigt.³⁵⁴ Sie ist zwar nach Cusanus durchaus leicht zu finden, dennoch bedarf es konzentrierter Aufmerksamkeit, um bei der Suche nach der Definition nicht bloß Definiertes bzw. Anderes zu finden. Ein solches Konzentrationsdefizit wirft Cusanus Aristoteles vor: Dieser habe sich nicht von dem Blick auf Anderes emanzipieren können.³⁵⁵ Man muss sich also auf die universale Bedingung und Voraussetzung jeder möglichen Form konzentrieren.³⁵⁶ Diese ist nichts anderes als das Absolute, das in jeder Definition als negative Grundbedingung auftritt. So wird die Individualität des Einzelseienden nur durch das Absolute erkennbar. Der menschliche Geist kann durch das Nicht-Andere erkennen, dass die Individualität eines Einzelseienden nur als negativer Selbstbezug verwirklicht ist. Das Absolute leitet unseren Blick auf die spezifische Individualität der Einzelseienden.³⁵⁷ Es wird als Erkenntnisprinzip in der begrifflichen Wesensdefinition jeder Seienden mitvollzogen. Es ist so die Bedingung der konkreten Definition und daher Definition der Definition oder Wesen aller Wesenheiten. Der menschliche Geist setzt also das Absolute zur Erkenntnis des konkreten negativen Selbstbezugs jedes Einzelnen

 De non aliud (h XIII) c. 13, p. 28, 27– 31 [n. 52]. Vgl. De non aliud (h XIII) c. 9, p. 19, 10 – 30 [n. 32– 33].  De non aliud (h XIII) c. 3, p. 7, 1– 13 [n. 8].  De non aliud (h XIII) c. 1, p. 4, 8 – 20 [n. 3 – 4].  De non aliud (h XIII) c. 18, p. 44, 2 – p. 45, 27 [n. 83 – 85]; bes. p. 45, 8 – 17 [n. 85]. Er sei bloß ein Verstandesforscher; De non aliud (h XIII) c. 19, p. 45, 29 – p. 47, 14 [n. 86 – 89]; bes. p. 46, 24– 29 [n. 88]: „Et consequenter si quae|rens adiecisset: quare aliud est aliud? sane quidem, ut prius, dicere | valuisset: ‚quia non aliud quam aliud est‘; et ita ‚non aliud‘ et aliud | neque sibi ut repugnantia vidisset contradicere. Atque illud, quod | primum principium nominat, pro viae ostensione perspexisset non | sufficere ad veritatem, quae supra rationem mente contemplatur.“ Vgl. Cürsgen 2007a, 119 – 120.  Bes. De non aliud (h XIII) c. 18, p. 45, 8 – 14 [n. 85]: „Quia qui quaerit videre, quaenam visibilium sit | substantia, cum visu illam inter visibilia quaerat, lucem se anterio|riter percipere non attendit, sine qua nec posset quaerere nec repe|rire visibile. Quodsi ad illam attenderet, in aliquo alio quaerere | desineret; nempe sic philosopho accidit, qui cum mente rerum quid|ditatem quaereret, lumen, quod per ‚non aliud‘ significatur, illi sese | obtulit, tamquam sine quo nequaquam reperiret.“  Vgl. De non aliud (h XIII) c. 21, p. 50, 8 – 13 [n. 95].

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voraus, ohne dass dabei das Absolute auch immer mitintendiert ist.³⁵⁸ Dabei wird erkennbar, dass man das Nicht-Andere im Definitionsvollzug schon immer vorausgesetzt hat.³⁵⁹ Es verhält sich ähnlich wie das Licht, das Cusanus als Ermöglichungsgrund für das Sehen versteht.³⁶⁰ Die Definition aller Dinge wirkt so in jeder begrifflichen Erfassung der Dinge mit und ist so an und in allen Dingen als der definierende Grund erkennbar.³⁶¹ Wenn man also auf die Theophanien des Absoluten blickt, kann man letztlich auf die Voraussetzung und den Grund für die Theophanien blicken. In seinen Wirkungen und in seinem definierenden Wirken zeigt sich das Absolute als transzendenter Grund aller Dinge. Weil das Absolute tätiger Grund ist, hat der Mensch auch ein intuitives Wissen oder einen „Vorgeschmack“ (praegustatio) vom Absoluten.³⁶² Erschafft sich das Absolute also selbst in seinen Theophanien, damit es als Grund aller Dinge erkennbar wird? Diese Deutung scheint Cusanus tatsächlich intendiert zu haben. Er geht davon aus, dass sich das Absolute in dem, was man schaut, selbst bestimmt.³⁶³ Mit diesen Begriffen wird daher die Selbstbestimmung des Absoluten in seiner Schöpfungstätigkeit ausgesagt. Bereits zuvor konnte aber gezeigt werden, dass das Absolute völlig unbestimmt und als völlig Unbestimmbares ausgewiesen ist. Daher kann die Selbstbestimmung des Absoluten in seinem Schöpfungsakt nicht als Erschaffung des Absoluten als Kreatur begriffen werden. Dennoch ‚definiert‘ sich das Absolute bei Cusanus in gewisser Weise, jedoch ohne dabei seine absolute Transzendenz aufzuheben. Cusanus etabliert keinen Unterschied zwischen absoluter Selbstbestimmung und absoluter Schöpfungsaktivität, so als ob sich das Absolute zunächst ‚definierte‘ und dann auch noch alles Andere schöpfte: Die In-Differenz des Absoluten gegenüber seinen Derivaten bei gleichzeitiger Nicht-Identität von Absolutem und Kreatur soll das Absolute gerade als Grund aller Dinge einsichtig machen. Das Absolute ‚bestimmt‘ sich also gewissermaßen selbst als Ursache aller Dinge und ist insofern selbst ‚geschaffen‘. So fallen beim Absoluten Geschaffenwerden und aktives

 Die Erkenntnis aller Dinge geschieht, wie Klaus Jacobi bemerkt, nur durch das Absolute; Jacobi 1969, 147: „All unser Erkennen geschieht in Gottes Licht, auch wenn wir dessen nicht bewußt sind.“  Vgl. De non aliud (h XIII) c. 4, p. 10, 26 – 29 [n. 14].  De non aliud (h XIII) c. 3, p. 7, 1– 13 [n. 8]; c. 18, p. 45, 8 – 14 [n. 85].  Vgl. Cürsgen 2007a, 99 – 100. Cürsgen 2009, 343 – 344.  De sap. (h V) I, n. 10, 7– 19. Zur „praegustatio“ und zum Absoluten als Bedingung des Erkennenkönnens sind insbesondere die Arbeiten Klaus Kremers maßgeblich (Kremer 2004b, 51– 91; bes. 54– 69. Kremer 2004c, 147– 178. Vgl. Dangelmayr 1969, 87– 96. Monaco 2010, 255 – 257).  De non aliud (h XIII) c. 5, p. 11, 26 – 28 [n. 16].

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Schaffen zusammen.³⁶⁴ Die vom Absoluten entfaltete Dynamik des Erschaffenwerdens geht also an ihm selbst nicht einfach vorbei, ist aber bezüglich des Absoluten in absoluter Form zu verstehen: Das Absolute schafft sich als Grund aller Dinge, wobei es allerdings schon immer Grund aller Dinge war. Sein Selbstschaffen ist dabei nicht von seinem überwesentlichen ‚Wesen‘ zu trennen, genauso wenig wie seine kreative Tätigkeit von seiner Überwesentlichkeit verschieden sein kann. Dadurch stellt Cusanus das Kausalitätsverständnis auf eine neue Grundlage.³⁶⁵ Zudem zeigt sich hier, dass er die perspektivischen Unterschiede zwischen Gott als transzendentem Absoluten und gründendem Prinzip im Begriff ‚non aliud‘ auflösen möchte: Nach Cusanus ‚definiert‘ sich das Absolute als transzendenter Grund aller Dinge im kreativen Akt, durch den er die Anderen als konkrete Nicht-Andere setzt. Dabei darf man aber das Nicht-Andere nicht einfach als Anderes betrachten, sondern muss sich aus der Fixierung auf das Andere oder konkrete Nicht-Andere lösen und sich der Bedingung jedes konkreten negativen Selbstbezugs zuwenden.³⁶⁶ Damit wird nicht nur die Form des Absoluten, also seine reine Negativität und Transzendenz gewahrt. Besonders hervorzuheben ist, dass das Absolute so als es selbst Prinzip aller Dinge ist. Es wird besonders aufgrund seiner Negativität als gründende In-Differenz erkannt. Man begreift bei genauer Betrachtung, dass die Bedingung des Definitionsvollzugs die reine Negativität ist. So wird selbst an einem konkreten Seienden erkennbar, dass das Absolute die reine Negativität schlechthin ist: Damit wird das Absolute aufgrund seiner Negativität als In-Differenz gegenüber allem Seienden angezeigt. Es wirkt in allem und an allem völlig gleich-gültig, weswegen das Absolute in seinem Wirken verallgemeinert werden kann.³⁶⁷ Das Absolute ist also nur insofern gründende ‚essentia omnium‘, als es an sich selbst negative Überwesentlichkeit ist. Damit ‚definiert‘ sich das Nicht-Andere in der Definition alles Anderen als das an sich transzendente Nicht-Andere: Als Absolutes ist es reine Negativität und als reine Negativität ‚bestimmt‘. Die Theophanie, auf die wir hinblicken, um in ihr und durch sie das Absolute zu erblicken,

 De vis. (h VI) c. 12, n. 49, 10 – 12: „Nec est aliud creare | pariter et creari quam esse tuum omnibus communicare, ut sis | omnia in omnibus et ab omnibus tamen maneas absolutus.“ Vgl. De vis. (h VI) c. 15, n. 66, 4.  Vgl. Flasch 1973, 283 – 284.  Wie schon Plotin forderte, muss man alles wegnehmen, um letztlich zum Absoluten gelangen zu können (Enn. VI, 8, 21, 23 – 33).  Zugleich aber ist darauf zu achten, dass es zwar vom Konkreten begrifflich abstrahiert, aber nicht vom Konkreten entfernt werden darf. Würde die Ablösung des Nicht-Anderen vom Anderen tatsächlich vollzogen, verginge das vom Nicht-Anderen definierte Seiende ins völlige Nicht-Sein.

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verdeutlicht uns, dass das Absolute eigentlich nur als doppelt negatives ‚non aliud‘ zu fassen ist. Das Andere wiederum, also die Erscheinung des Absoluten, ist nicht das Absolute selbst. Weil das Andere Produkt des Nicht-Anderen ist, ist es nicht das Nicht-Andere. Das Andere ist nicht mit dem Wirken des Nicht-Anderen identisch. Das Absolute bleibt demgegenüber in seiner kreativen Tätigkeit absolute Transzendenz. Genau in dieser Transzendenz – die in seiner In-Differenz, also seiner nicht-andersheitlichen Negation andersheitlicher Negation begründet liegt – ist das Absolute vom Anderen ‚geschieden‘. Vom Anderen bleibt das Nicht-Andere stets ‚unterschieden, weil das Absolute auch als sein eigenes Produkt (non aliud) seine Transzendenz nicht verlässt: Das Nicht-Andere bleibt in jedem Definitionsvollzug der Form nach unhintergehbar es selbst, also ‚non aliud‘. So wird auch verdeutlicht, wieso Cusanus behaupten kann, dass sich das an sich Verborgene in der theophanen Welt als Verborgenes in den Dingen zeigt.³⁶⁸ Das Absolute offenbart sich als die alles begründende reine Negativität. Damit ist die oben zurückgestellte Frage nach der bleibenden Innerlichkeit des Absoluten in seinem kreativen Wirken beantwortet. Das Absolute hat sich oben als absolute In-Differenz jenseits aller Differenz gezeigt. Es kennt also nur reine Innerlichkeit, wohingegen die Dimension der Einzelseienden plural strukturiert ist und so eine andersheitliche und ferner eine äußere Differenzrelation zulässt. Beschreibt man das kreative Wirken des Absoluten also mit dem Begriff ‚Immanenz‘, so muss man diese ‚Immanenz‘ mit der absoluten Transzendenz verbinden, von ihr abhängig machen und letztlich mit ihr identifizieren. So wird klar, dass das Nicht-Andere nur dann als Prinzip begriffen werden kann, wenn man es als Mitte der Mitte (medium medii) denkt.³⁶⁹ Indem das Absolute als überwesentliches Prinzip den Blick des Betrachters auf die innere Grenze des zu Definierenden leitet, ist es die absolute Sinnmitte aller Seienden. Jedes Wesen ist als seine eigene Mitte durch sein Nicht-Anders-Sein konstituiert. In seiner Mitte ist das Andere zugleich Identität und Differenz, die zur Wesenseinheit des Anderen zusammengezogen bzw. kontrahiert werden. Die Mitte eines jeden Einzelseienden ist also seine ihm eigene Wesenseinheit. Bedingung dieses kontrahierten MitteSeins ist das Absolute als Mitte jeder beliebigen Mitte. Die innerwesentliche, also

 De ludo (h IX) II, n. 103, 12– 16: „Sicut enim centrum omnium circulorum est in | profundo occultatum, in cuius simplicitate vis est omnia compli|cans, sic in centro animae rationalis complicantur omnia in ratione | comprehensa; sed non sentiuntur, nisi attenta cogitatione vis illa | concitetur et explicetur.“ De ludo (h IX) II, n. 104, 1– 2: „Deum absconditum ‚ab oculis omnium‘ sapientium | scribitur et omne invisibile in visibili occultatur.“ Vgl. De ap. theor. (h XII) n. 8, 19 – 20: „Qui enim claritatem lucis in visibilibus | invisibilem videt, verius ipsam videt.“  De non aliud (h XII) prop. XV, p. 61, 14– 18 [n. 115]; hier 16. Den Begriff der Mitte hat Stephan Grotz intensiv diskutiert (Grotz 2009, 191– 195 und 204– 208).

2. Das Nicht-Andere als Begriff vom negativen Selbstbezug des Absoluten

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die sich im Wesen eines jeden Einzelseienden entwickelnde Koinzidenz von Identität und Differenz wird vom Nicht-Anderen überformt. Es selbst ist jenseits dieser Koinzidenz, da es die Bedingung der Koinzidenz von Gegensätzen ist. Das Absolute ist als Wesen aller Wesenheiten – in Anlehnung an Augustinus – „innerlicher als jedes Innere“.³⁷⁰ Die Erweiterung der augustinischen Formel „intimior intimio meo“ durch „omni“ verdeutlicht markant, dass das Absolute für Cusanus nicht nur das Innerste meiner selbst, sondern das Innerste aller Seienden ist. So ist das Absolute also insofern in allen, als es die überwesentliche Bedingung jedes konkreten negativen Selbstbezugs ist. ³⁷¹ Gerade im Begriff des transzendenten Nicht-Anderen leuchtet also die Prinzipfunktion des Absoluten auf. Es ist also völlig unmöglich, in Bezug auf den Begriff des Nicht-Anderen zwischen Transzendenz und Prinzipfunktion zu unterscheiden. Der Begriff bleibt unhintergehbar sowohl in sich als auch in Anderen er selbst, weil er sich aufgrund seiner negativen Struktur stets allen konkreten andersheitlichen Definitionsbestimmungen entzieht. Produktive und transzendierende Negation drückt Cusanus gerade durch denselben Begriff aus. Das Absolute ist daher in seiner Transzendenz und Negativität der Grund aller Dinge.³⁷² Das Absolute weist somit einen Bezug zu seinen Derivaten auf, in dem es seine Transzendenz gerade bewahrt. Es geht dabei nicht aus seinem Selbstbezug heraus. Daher sagt Cusanus auch im Anschluss an Dionysios, das Absolute sei „causaliter“, nicht aber „essentialiter“ alles in allem.³⁷³ Er ist also als transzendenter Grund alles und nicht mit seinen Derivaten wesentlich deckungsgleich. Man kann das Absolute ‚causaliter‘ in der Welt und in den Dingen verstehen, weil es eben das Prinzip oder die Form der Dinge ist. Als Prinzip aller Dinge ist es zwar durchaus als ‚essentia omnium‘ beschreibbar. Doch dieser Begriff droht das Absolute einerseits zu depotenzieren bzw. zu diminuieren, insofern er das Absolute als das Sein aller Dinge definiert. Andererseits hätten die Seienden so überhaupt kein eigenes Wesen mehr und gingen so völlig im Sein oder Wesen des Absoluten auf. Der

 Sermo CXCVIII (h XVIII/5) n. 14, 10 – 11: „Quia voluntas Dei est intimior | omni intimo.“ Conf. III, 6, 57– 58: „Tu autem eras interior intimo meo et superior summo meo.“ Vgl. auch De non aliud (h XIII) c. 13, p. 27, 7– 8 [n. 48].  Ähnlich Cürsgen 2007a, 115. Cürsgen 2009, 343 – 344.  Vgl. Cürsgen 2009, 351: „Das Andere verhält sich zueinander als Anderes, ist im NichtAndere aber Nicht-Anderes; das Nicht-Andere jedoch ist sowohl in sich als auch im Anderen allein Nicht-Anderes.“ Cürsgen fasst den Begriff ‚Immanenz‘ als „Nichtunterscheidbarkeit“ des Absoluten von seinen Derivaten, also den Anderen (Cürsgen 2009, 350). Man kann darüber hinausgehend präzisieren, dass ‚Immanenz‘ soviel wie ‚Nichtabtrennbarkeit‘ des Absoluten von seinen Derivaten bezeichnen kann. Vgl. auch Jacobi 1969, 262.  Cusanusmarg. 188; Baur 1941, 99: „Quomodo Deus in omnia omnibus causaliter non essentialiter“.

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Begriff ‚essentia omnium‘ impliziert also Pantheismus und Akosmismus. Den Pantheismusvorwurf kann man fraglos, wie bereits gezeigt, als unsinnig zurückweisen. Der Akosmismus kann ebenfalls zurückgewiesen werden, weil Cusanus das Absolute gerade nicht als ‚essentia omnium‘ entworfen hat. Er hat also keineswegs die „Eigenwirklichkeit“ der Kreatur aufheben wollen, weil das Absolute die individuellen Wesenheiten der Kreaturen nicht „absorbiert“.³⁷⁴ Das Erscheinende ist also kein bloßer Schein. Entscheidend ist, dass das Absolute nur übertragen und nicht eigentlich als ‚essentia‘ verstanden werden darf. Daher kann das Absolute nicht „essentialiter“ alles sein.³⁷⁵ Cusanus hat allerdings an anderer Stelle hervorgehoben, das Absolute sei „essentialiter“ in allen.³⁷⁶ Hierbei ist aber zu beachten, dass das Absolute ‚essentialiter‘ nichts anderes als die negative Überwesentlichkeit (non aliud) ist. Daher ist das Absolute seinem ‚Wesen‘ nach reine Negativität, weswegen letztlich auch das ‚Sein‘ der Dinge in Gott „negativer Panentheismus“ ist.³⁷⁷ Denn das Absolute ist gerade als reine Negativität oder im Modus reiner Negativität alles. Daher können ‚essentialiter‘ und ‚causaliter‘ in dieser Hinsicht nicht mehr differenziert werden.Vor diesem Hintergrund lässt sich auch konstatieren, dass das Absolute durchaus ‚essentialiter‘ in allen Einzelseienden und „omnia in omnibus“³⁷⁸ ist, insofern man das ‚Wesen‘ des Absoluten als reine Negativität begreift: Das Absolute ‚steigt‘ im kosmologischen Prozess (processio) gewissermaßen aus seiner Negativität in das Innerste jedes Einzelseienden hinab, hat dabei aber seine absolute Transzendenz nicht verlassen, sondern bleibt auch in allen Einzelseienden die transzendente Mitte aller konkreten Mitten oder das absolute Zentrum jedes Wesens. Damit geht das Absolute aus seiner Negativität über seine Negativität in seine Negativität über und damit in seine Negativität zurück. In seiner Negativität ist und bleibt er als Mitte aller Mitten Bedingung aller kontrakten Mitten. Das Absolute ‚steigt‘ aus sich selbst in sich selbst hinab, ohne sich dabei selbst zu verlassen und bezieht sich daher trinitarisch-reflexiv auf sich selbst. Es ‚steigt‘ so aus seiner völligen Unerkennbarkeit in die Mitte jedes Einzelseienden hinab und bleibt selbst in allen Dingen es selbst, also reine Negativität. Es ist mithin Sukzession ohne Sukzession und Prinzip des  Kremer 2004d, 273 – 318; hier 280 – 288.  De vis. (h VI) c. 15, n. 61, 17 – n. 62, 4.  De poss. (h XI/2) n. 58, 11. De non aliud (h XIII) c. 9, p. 20, 23 – p. 21, 2 [n. 35]; bes. p. 20, 26 – 27 [n. 35]: „triniter relucet [scil. rex regum] in om|nibus, essentialiter scilicet“.  Der Begriff stammt von Dirk Cürsgen (Cürsgen 2007a, 106. Cürsgen 2009, 363. Vgl. auch Cooper 2006, bes. 52– 57).  Cusanus hat diesen Begriff von Dionysios übernommen (bes. De non aliud (h XIII) c. 14, p. 32, 11 [n. 59]; p. 36, 9 – 11 [n. 68]). Erwähnenswert ist dabei, dass sich Cusanus hierbei auch auf die Clavis Physicae beruft (Cusanusmarg. 76 (Cl. Phys. 128, 12– 23); Lucentini 1979, 99. Cusanusmarg. 102 (Cl. Phys. 164, 4– 6); Lucentini 1979, 105).

2. Das Nicht-Andere als Begriff vom negativen Selbstbezug des Absoluten

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kreativen Hervorgehens, ohne selbst hervorzugehen.³⁷⁹ Das Absolute bezieht sich als Universaldefinition nur auf sich selbst, ist also selbst als Universaldefinition auf sich selbst bezogen. Die definierende Kraft des Absoluten besteht in seinem Selbstbezug, dessen in sich bleibende Kraft jedes Seiende auf sich selbst fixiert sein lässt. Das Absolute ist so in allen Dingen gewissermaßen der ‚Punkt absoluter Gravitation‘, dessen Selbstbezüglichkeit eine Kraft entfaltet, durch die jedes Wesen zu einer konkreten Mitte zusammengezogen oder eben kontrahiert wird. Man muss demnach das Absolute nicht als Wesen aller Dinge bezeichnen, um es als Prinzip zu charakterisieren. Schon die Überwesentlichkeit des Absoluten, die ihren Ausdruck gerade im Begriff ‚non aliud‘ hat, macht seine Prinzipfunktion deutlich. Die doppelte Perspektive, dass das Absolute einerseits Sein aller Dinge und andererseits überwesentlich sein soll, ist demgegenüber paradox. Unter der Voraussetzung des negativen Selbstbezugs muss dieses Paradoxon aber nicht ‚ausgehalten‘ werden. Denn der negative Selbstbezug vermag zugleich Transzendenz und Prinzipfunktion des Absoluten zu verdeutlichen. Damit ist das Absolute als es selbst Grund aller Dinge und gerade nicht „Grund der Anderen in Gestalt des seienden Einen“.³⁸⁰

2.8. Das Nicht-Andere als Begriff reiner Negativität Wie in den vorangegangenen Kapiteln gezeigt, kann man das Absolute denkend niemals einholen. Man betrachtet das Absolute demnach nicht, wie es an sich ist, sondern immer an Anderen. Diese Abhängigkeit des menschlichen Geistes von Anderen und Begriffen artikuliert Cusanus ganz bewusst. Der erkennende Geist kann sich dem Absoluten nur mithilfe von Begriffen, ‚aenigmata‘ bzw. Rätselbildern asymptotisch annähern. Das bedeutet, dass auch das Nicht-Andere nichts anderes als ein Begriff vom Absoluten ist und durch die menschliche Vernunft

 De non aliud (h XIII) c. 5, p. 13, 17– 21 [n. 19]: „Quando | enim primum principium ipsum se definit per ‚non aliud‘ signifi|catum, in eo definitivo motu de non alio non aliud oritur atque de | non alio et non alio exorto in non alio concluditur definitio, quae | contemplans clarius, quam dici possit, intuebitur.“ De vis (h VI) c. 9, n. 43, 2: „successio sine successione“. Vgl. auch De princ. (h X/2b) n. 17, 1– 8: „Diceres: cum statim Christus de patre suo loquatur, ut habet evan|gelium, mirum est quomodo se dicat principium, qui fatetur se | filium. Dico: non esset propria locutio, si se principiatum diceret; | nam cum principium nihil sit principiati, in natura divina, ubi pater | omnia dat filio, pater non est aliud a filio et filius non potest proprie | dici principiatum, cum principiatum sit aliud a principio; sed sicut | pater est principium, ita dat filio esse principium. Est igitur prin|cipium de principio sicut lumen de lumine et deus de deo.“  Beierwaltes 2007, 220; Hervorh. Ro. Keineswegs ist der absolute Gott also „nicht als er selbst“ Grund der Anderen (Beierwaltes 1980, 162).

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entworfen wird.³⁸¹ Als Begriff ist das Nicht-Andere ‚nur‘ eine ‚Handreichung‘ für den menschlichen Geist zur Annäherung an das Absolute. Das Absolute muss also bei Cusanus im Spiegel des Begriffs ‚non aliud‘ verstanden werden: Das NichtAndere ist, bildlich gesprochen, nur die Straße, die zur Stadt führt. Aber die Straße trägt nicht den Namen der Stadt, zu der sie führt. Daher ist das Nicht-Andere nicht der Name Gottes.³⁸² Cusanus denkt das Nicht-Andere ganz bewusst als Begriff der menschlichen Vernunft. Wenn das Absolute schlechthin erkennbar wäre, dann wäre man selbst das Absolute und hätte Einblick in den Grund der Schöpfung. Der Mensch hat aber nach Cusanus keine absolute kreative Potenz.³⁸³ Wir können das Absolute zwar nicht angemessen erkennen, weil es unerkennbar ist. Der Begriff täuscht dem erkennenden Geist aber nicht etwas vor. Erstens kann der menschliche Geist das Absolute als reine Negativität erkennen. Zudem wird durch den begrifflichen Ausdruck der reinen Negativität des Absoluten, ‚non aliud‘, die reine Negativität des Absoluten aufgeschlossen. ³⁸⁴ Wie gezeigt, setzt

 De non aliud (h XIII) c. XXII, p. 52, 9 – 12 [n. 99]: „[S]ed ipsum ‚non aliud‘ | non dico equidem illius nomen, cuius est super omne nomen nuncu|patio. Sed de ipso primo conceptus mei nomen per ipsum ‚non | aliud‘ tibi patefacio.“ Dass schon der Begriff vom Nicht-Anderen Widersprüche zu übersteigen vermag und die Voraussetzung von Vielheit und Individualität begrifflich aufdeckt, erweist diesen Begriff als Vernunftsbegriff (vgl. Flasch 2008a, 261).  De non aliud (h XIII) c. 2, p. 6, 12– 16 [n. 7]. Davide Monaco hat zu Recht auf die bleibende Differenz von Absolutem und seinen Namen hingewiesen; Monaco 2010, 236 – 269; hier 244: „La differenza tra Dio e i suoi nomi non è mai negata.“ Die Begrenztheit und Endlichkeit menschlicher Erkenntnismöglichkeiten ist ein unhintergehbares Grundcharakteristikum cusanischen Denkens, wie Hubert Benz vehement betont (Benz 1999, 386 – 390). Vor diesem Hintergrund wird die Bedeutung der ‚aenigmata‘ des Cusanus ersichtlich; Monaco 2010, 249 – 250: „Il non aliud ha dunque un duplice valore, non è solo via, guida, directio speculantis, ma è allo stesso tempo espressione, rivelazione, benché certo non esaustiva, né precisa, del nome innomabile di Dio che si rivela in esse enigmaticamente.“ Grundsätzlich muss man hierbei beachten, dass beide von Monaco erwähnten Bedeutungsvalenzen miteinander in engem Kontakt stehen und kaum voneinander unterschieden werden können. In den Worten Monacos schwingt die eigene Tätigkeit des Absoluten unausgesprochen mit. Diese ist die Bedingung der Möglichkeit, den spekulativen Blick des menschlichen Geistes auf das Absolute zu richten.  De non aliud (h XIII) c. 9, p. 19, 13 – 18 [n. 32]: „[I]psam [scil. rationem] tamen minime comprehendo. Nam si ipsam comprehenderem, | profecto cur mundus sic est et non aliter scirem, cur sol sol, luna luna, | terra terra et quodvis id, quod est et nec aliud, nec maius, nec | minus; quippe si statim haec scirem, non ego essem creatura et | portio universi, | quia ratio mea esset ars universi creativa ita et | suiipsius creatrix.“ Außerdem ist das, was der menschliche Geist erkennen kann, gerade nicht das Absolute; De non aliud (h XIII) c. 20, p. 49, 16 – 18 [n. 94]: „Si quidem posses id concipere, haud utique esset om|nium principium, quod in omnibus omnia significaret. Omnis enim | humanus conceptus unius alicuius conceptus est.“  Vgl. De non aliud (h XIII) p. 19, 20 – 21 [n. 32]: „[I]psam [scil. rationem] igitur incomprehensibilem, | quod in comprehensibilibus comprehensibiliter relucet, perspicio.“ Dass das Ab-

2. Das Nicht-Andere als Begriff vom negativen Selbstbezug des Absoluten

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man in der Selbsterkenntnis und im Erkennen der Wesensdefinition der Anderen das Nicht-Andere als notwendige Universaldefinition voraus. Selbstbewusstsein und Wesenserkenntnis werden so von Cusanus auch als Bewusstwerden der Abhängigkeit vom Absoluten gewertet. Gerade dadurch erkennt der menschliche Geist, dass die Bedingung aller Dinge die reine Negativität der Form ‚non aliud‘ ist. Zwar ist der negative Begriff ‚non aliud‘ nicht der Name des Absoluten. Dennoch ist die Präzision dieses cusanischen Begriffs höchst bemerkenswert. Bisweilen scheint es daher so, als ob Cusanus dem Begriff ‚non aliud‘ mehr abverlangt, als ‚non aliud‘ als Begriff zu leisten vermag. Der unverhohlene Stolz des Cusaners auf seine Entdeckung ist dabei ein nicht zu unterschätzender Aspekt.³⁸⁵ Cusanus scheint durch seine Begriffsbildungen vom Absoluten die Schwelle zum Absoluten hin bzw. die „Mauer des Paradieses“ überschreiten zu wollen.³⁸⁶ Daher nennt er diesen Begriff auch „conceptus absolutus“.³⁸⁷ Der Kunstbegriff ‚non aliud‘ wird aber – wie auch jeder andere cusanische Gottesbegriff – stets als Begriff oder als ‚aenigma‘ gedeutet.³⁸⁸ Dadurch bleibt der Begriff als ‚aenigma‘ letztlich hinter der mystischen Einung mit Gott zurück. Die Lösung dieser Spannungen besteht darin, im Begriff des Nicht-Anderen und im trinitarischen Selbstverhältnis des Nicht-Anderen einen begrifflichen Verweis auf die uneinholbaren Voraussetzungen des begrifflichen Denkens

solute auf fassliche Weise erscheint, bedeutet somit, dass die reine Negativität durch den negativen Begriff ‚non aliud‘ erfasst wurde.  Bes. De non aliud (h XIII) c. 22, p. 52, 12– 13 [n. 99]: „[N]eque mihi praecisius occurrit conceptum me|um exprimens nomen de innominabili, quod quidem a nullo aliud est.“  De vis. (h VI) n. 37, 9. Diese „Mauer“ ist aber eigentlich nur in der mystischen Einung mit Gott, nicht jedoch begrifflich zu überwinden (vgl. Beierwaltes 2011, 204– 207. Vgl. auch Speer 2003, 540 – 551).  De non aliud (h XIII) c. 20, p. 49, 20 – 21 [n. 94].  In De non aliud (h XIII) c. 20, p. 49, 18 – 27 [n. 94] mach Cusanus das Nicht-Andere zur Bedingung auch des Begriffs „Begriff“. Demnach setzt begriffliches Erfassen das Nicht-Andere voraus, das man zwar nicht erfassen, aber sehr wohl noch vor dem Begriff als dessen Bedingung erschauen kann. Diese Ambivalenz zeigt sich auch bei Burkhard Mojsisch: Cusanus gibt die Begrifflichkeit des Begriffs der Begriffe nicht auf, obwohl es den Anschein hat, also ob er mit seinem „divinaliter“ Sprechen vom Absoluten den „Standpunkt der absoluten mentalen Einheit“ einnimmt (Mojsisch 1991, 691. Vgl. auch Mojsisch 1998, 71– 83). Für Sandro Mancini ist das NichtAndere einerseits nicht der exakte Name für das Absolute und doch zugleich Bedingung der Möglichkeit von Benennungen überhaupt; Mancini 2002, 878: „Il non aliud è dunque nome divino, simbolo del Massimo assoluto, ma esso è anche condizione della nominabilità, giacché ogni altro nome viene dopo di esso e in forza di esso; si dispone quindi a cavallo tra il piano linguistico e quello metalinguistico, nella loro congiunzione.“ Man kann vor diesem Hintergrund davon ausgehen, dass sogar der präzise Ausdruck ‚non aliud‘ gerade als Begriff nicht absolut präzise ist (vgl. De non aliud (h XIII) c. 9, p. 19, 30 – 31 [n. 33]).

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überhaupt zu sehen: Der Begriff ‚non aliud‘ ‚setzt‘ gewissermaßen die trinitarische Selbstbestimmung des Nicht-Anderen ‚voraus‘. Zugleich ‚setzt‘ die trinitarische Selbstbestimmung des Nicht-Anderen den Begriff ‚non aliud‘ ‚voraus‘. Cusanus hat hiermit aber kein logisches Problem schaffen wollen.³⁸⁹ Er möchte hiermit vielmehr die Grenzen des begrifflichen Denkens vom Absoluten festlegen. Der Begriff ‚non aliud‘ illustriert dabei an ihm selbst, dass er als Begriff Anfang, Mitte und Ziel absoluter Begriffsbestimmung ist.³⁹⁰ Zugleich soll damit auf die metaphysischen Voraussetzungen begrifflichen Denkens, d. h. auf das Absolute selbst verwiesen werden. So ist das Nicht-Andere begriffliche Auslegung der undenkbaren reinen Negativität und des produktiven Nicht-Wissens (ignorantia) des Absoluten. Der Begriff zeigt dabei, dass das Nichts des Absoluten als reine Negativität verstanden werden muss. Zugleich bleibt das Nicht-Andere Auslegung reiner Negativität, vermag aber die Negation, die das Absolute als seine eigene Tätigkeit vollzieht, von andersheitlichen und privativen Konnotationen abzugrenzen. Durch diesen Begriff kann der erkennende Geist spekulativ bzw. im Spiegel des Begriffs ‚non aliud‘ auf das Absolute selbst hinblicken.³⁹¹

 Der pyrrhonische Skeptiker Sextus Empiricus freilich hätte hierin ein logisches Problem – genauer: eine Diallele – gesehen. In seinem Werk über die Grundlagen der pyrrhonischen Skepsis arbeitet er den Tropus der Diallele aus (Pyrroneion hypotyposeon I, 164– 177).  Hierin hat man die cusanische Präzisierung der „theologia circularis“ oder „theologia in circulo“ zu sehen (zur „theologia in circulo“ vgl. Beierwaltes 1980, 145 – 161 und 166, Anm. 89). Vor dem Hintergrund der transzendierenden Doppelungen wie etwa der ‚Wesenheit der Wesenheiten‘, der ‚Form der Formen‘ oder der ‚Definition der Definition‘ verweist Cusanus explizit darauf, dass es keine ‚Unendlichkeit der Unendlichkeit‘ geben könne (De non aliud (h XIII) c. 10, p. 23, 20 – 22 [n. 40]). Gleiches kann für das Nicht-Andere konstatiert werden. Daher scheint die Systematisierung von Burkhard Mojsisch nicht ganz stimmig zu sein. Dieser nimmt auch beim Unendlichen eine Prozess der Selbstentrückung an; Mojsisch 2004, 257– 266; 262: „Mit der Theorie des interminus terminus geht notwendig einher die des progressus in infinitum. Cusanus selbst ist es, der den gänzlich neuartigen – um nicht zu sagen: unerhörten – Gedanken denkt, daß das Absolute nur dann den Titel „Unendliches“ verdient, wenn es als unendliches Absolutes sein unendlicher Progreß ist, da es sich nur als dieser unendliche Progreß über sich selbst als absolute Grenze hinaus erheben kann, um in sich selbst ins Unendliche so fortzugehen, daß es dieser Fortgang als Unendliches ist.“ Diese Prozessstruktur der Selbstentgrenzung ist für Mojsisch ein immer wieder ansetzendes ‚Über-Sich-Selbst-Hinausgehen‘. Es ist aber zutreffender, den Prozess der Selbstentgrenzung insbesondere im Hinblick auf das Nicht-Andere zyklischreflexiv zu denken, sodass zwischen dem Akt der Entgrenzung und dem Entgrenzt-Sein des Absoluten keine Differenz besteht. Dies zeigt sich gerade markant im negativen Selbstbezug des unendlichen Absoluten, worin sich das Unendliche schon immer als Unendliches erreicht hat.  De non aliud (h XIII) c. 8, p. 18, 10 – 16 [n. 30]; Hervorh. Ro: „Imaginabilis enim magnitudo magnitudinem praesupponit, quae est | ante imaginabilem contractionem, et intelligibilis eam, quae ante | contractionem intelligibilem, quae sic et sic relucet in speculo et | aenigmate, ut, quae est ante aliud et modum et omne effabile et | cognoscibile, cognoscatur, qualis est illa Dei, cuius

2. Das Nicht-Andere als Begriff vom negativen Selbstbezug des Absoluten

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In diesem spekulativen Blick durch den präzisen Begriff erkennt der menschliche Geist, dass sich das Absolute „sicher und leicht überall finden“ lässt,³⁹² weil es sich überall als negativer Urgrund aller Dinge zeigt. So zeigt sich das Absolute ‚revelate‘, insofern es sich als reine Negativität offenbart. Man kann davon ausgehen, dass der negative Begriff ‚non aliud‘ präziser Transzendenz und Prinzipfunktion des Absoluten illustriert als Cusanus’ positive Begriffe ‚idem‘ oder ‚possest‘. Das Nicht-Andere ist als Ausdruck reiner Negativität Prinzip auch dieser affirmativen Begriffe.³⁹³ Darüber hinaus weist Cusanus auf die Präzision und größere Einfachheit des Nicht-Anderen auch gegenüber jenen henologischen Begriffen hin, die im spätantiken Neuplatonismus noch die bevorzugten Begriffe für das Absolute waren: „das Eine“ und „das Gute“. Damit verweist Cusanus auf deren noch verbliebene affirmative Konnotation.³⁹⁴ Wenn der negative Begriff vom Absoluten präziser als jeder mögliche affirmative bzw. positive Begriff ist, dann kann man auch argumentieren, dass christliche Dogmen präziser in der negativen als in der affirmativen Theologie betrachtet werden können. Cusanus selbst geht davon aus, dass die Trinität präziser im negativen Selbstbezug des Absoluten als im Ternar ‚Vater-Sohn-Geist‘ gefasst werden kann.³⁹⁵

non est ullus | finis: magnitudo, quae nullis cognoscibilibus terminis comprehen|ditur.“ Zum spekulativen Sehen bei Cusanus vgl. auch Beierwaltes 2011, 181– 229.  De ap. theor. (h XII) n. 5, 12– 13.  Vgl. Westerkamp 2006, 142.  De non aliud (h XIII) c. 4, p. 10, 3 – 8 [n. 13]: „Quamvis unum propinquum admodum ad ‚non | aliud‘ videatur, quando quidem omne aut unum dicatur aut aliud, | ita quod unum quasi ‚non aliud‘ appareat, nihilominus tamen unum, | cum nihil aliud quam unum sit, aliud est ab ipso ‚non aliud‘. Igitur | ‚non aliud‘ est simplicius uno, cum ab ipso ‚non aliud‘ habeat, quod | sit unum; et non e converso.“ Cusanus fügt hinzu; De non aliud (h XIII) c. 4, p. 10, 11– 14 [n. 13]: „Tamen, cum unum sit aliud a non uno, ne|quaquam dirigit in primum omnium principium, quod sive ab alio | sive a nihilo aliud esse non potest, quod item nulli est contrarium, | ut inferius videbis.“ Es ist dieser Widerspruch, der hier beispielhaft an der Opposition von Einheit und Nicht-Einheit dargestellt wird, durch den ein affirmativer Begriff niemals absolut einfach und damit widerspruchslos sein kann. Aus diesem Grund wird auch der Name des Guten zurückgewiesen; De non aliud (h XIII) c. 23, p. 56, 2– 3 [n. 107]: „Bonum vero, quia aliud videtur a non-bono, non est praecisum no|men Dei.“ Vgl. De ven. sap. (h XII) n. 41. Geleitet ist Cusanus’ Transzendierung der wichtigsten Namen für das Absolute (das Eine und das Gute) natürlich vom Neuplatonismus selbst (vgl. Cusanusmarg. 616; Bormann 1986, 152– 153). Einen entscheidenden Anteil an Cusanus’ vorgetragener Begründung dürfte Johannes Scottus Eriugena haben: s. unten, IV.3.1.  De non aliud (h XIII) c. 5, p. 13, 1– 7 [n. 19]; Hervorh. Ro: „Trinitatis secretum, Dei utique dono fide receptum, | quamvis omnem sensum longe exsuperet atque antecedat, hoc me|dio, quo in praesentia Deum indagamus, non aliter nec praecisius | quam superius audisti, declarari potest. Sed qui Patrem et Fi|lium et Spiritum sanctum Trinitatem nominant, minus praecise | quidem appropinquant, congrue tamen nominibus illis utuntur prop|ter scripturarum conveni-

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II. Nicolaus Cusanus

Cusanus kommt es mit seiner Begriffsbildung vom Absoluten und in besonderer Weise mit dem Begriff ‚non aliud‘ auf die innige und intime Verbindung von Absolutem und seinen Derivaten an: Erstens hat das Nicht-Andere in seiner begrifflichen Form Anderes ‚aufgenommen‘. Damit hat die transzendierende Negation scheinbar Anderes zur Voraussetzung und bleibt so scheinbar der Differenz verhaftet.³⁹⁶ Zweitens ist jede Kreatur gerade Theophanie. Hiermit wird ein entscheidender Aspekt des cusanischen Metaphysikverständnisses erkennbar: Insgesamt ist diese begrifflich betonte und sprachlich greifbare Verbindung von Absolutem und Begriffen des menschlichen Geistes von Cusanus gewollt. Das Absolute ist für den menschlichen Geist immer nur begrifflich zu erfassen: Völlig losgelöst von allem wird es begrifflich niemals erkennbar sein. Daher ist der Begriff ‚non aliud‘ ein geistimmanenter Begriff vom Absoluten und nicht das Absolute selbst. Dennoch vermag der Begriff vom Nicht-Anderen zu illustrieren, dass jeder Begriff und auch jedes Seiende oder Andere von einer Voraussetzung abhängt. Voraussetzungsloses Denken oder Sein ist also unmöglich. So ist der erkennende Geist auf das Absolute angewiesen und diese Angewiesenheit auf das nie Einholbare, aber alles Bedingende kann er durch den negativen Begriff des Nicht-Anderen illustrieren. Schon die begriffliche Form des an sich freien Absoluten ist für uns, unser Sein und unser Denken absolute Notwendigkeit.

entiam.“ Im selben Kapitel konstatiert Cusanus so; De non aliud (h XIII) c. 5, p. 13, 14– 17 [n. 19]: „Sic ita|que patet in non aliud et non aliud atque non aliud, licet | minime usitatum sit, unitrinum principium clarissime revelari supra | omnem tamen nostram apprehensionem atque capacitatem.“ Darüber hinaus korreliert die unversöhnliche Gegenüberstellung von Negativität und Christlichkeit nicht mit Cusanus’ eigenem Verständnis vom Christentum. Grundsätzlich bilden für Cusanus Philosophie und Theologie gerade aufgrund der durch das Nicht-Andere konstruierten Trinitätsformel einerseits und seiner Rezeption des Neuplatonismus andererseits eine Einheit. So kann man keinesfalls die absurde Meinung vertreten, Cusanus habe bei philosophischen Themen Proklos zitiert, bei theologischen Themen diesen aber völlig ausgespart. Vielmehr ist für Cusanus Philosophie auch Theologie. Die postreformatorische Dichotomie von Philosophie und Theologie ist ihm unbekannt. Daher ist auch Davide Monacos Deutung, ein negatives Prinzip sei eine Negation christlicher Glaubenswahrheiten, sachlich völlig unangemessen (Monaco 2010, 297).  Flasch 1973, 281– 282.

III. Proklos und Dionysios (Ps.‐)Areopagitês: Vordenker eines negativen Selbstbezugs? Auf der Grundlage der vorangegangenen Analyse des negativen Selbstbezugs bei Nicolaus Cusanus stellt sich die Frage, auf welche Quellen sich Cusanus bei der Abfassung des Nicht-Anderen berufen hat. Die Forschung hat auf mehrere Quellen verwiesen, derer sich Cusanus bedient habe. Häufig wurde dabei auf Meister Eckhart hingewiesen.³⁹⁷ Zuweilen wurde fälschlicherweise auch Raimundus Lullus als mögliche Quelle genannt.³⁹⁸ Folgte man Cusanus’ eigenen Aussagen, dann wäre die Frage nach den Hauptquellen eindeutig geklärt. Cusanus gibt sie in De li non aliud an: den Neuplatoniker Proklos und den christlichen Neuplatoniker Dionysios (Ps.‐)Areopagitês.³⁹⁹ Hier müssen allerdings Zweifel angemeldet werden. Zwar haben Proklos und Dionysios Cusanus in einigen Bereichen maßgeblich beeinflusst. Es ist aber mehr als fraglich, ob sie die entscheidenden Vordenker des speziellen Gedankens eines negativen Selbstbezugs des Absoluten sein können.

 Für eine Einflussnahme Eckharts auf De li non aliud setzen sich, wie oben bereits gezeigt, Burkhard Mojsisch und Werner Beierwaltes ein. In Anbetracht dieser Verweise auf Meister Eckhart muss aber an dieser Stelle noch mal betont darauf hingewiesen werden, dass der negative Selbstbezug des Absoluten gerade kein Gedanke Eckharts ist. Besonders deutlich wird dies (u. a.) an der Prinzipfunktion reiner Negativität bei Cusanus und an der negativ-henologischen Trinitätsformel des Nicht-Anderen. Grundsätzlich scheinen sich die kritischen Stimmen zum Verhältnis von Eckhart und Cusanus zu mehren. Kürzlich hat Mikhail Khorkov in einem anderen Zusammenhang zu Recht darauf hingewiesen, dass Eckharts Einfluss auf Cusanus von der Forschung zuweilen überschätzt wird (Khorkov 2010, 125 – 136; bes. 134– 136).  H 12, 135– 136. Cürsgen 2007a, 91 mit Anm. 4. Zweifelhaft ist, ob das cusanische Konzept absoluter ‚Relation‘ und mithin von absoluter Selbstbezüglichkeit überhaupt auf Lullus zurückgeführt werden kann. Diejenige Relationsform, die Lullus auf Gott bezieht, fußt auf Vielheit und ist nichts anderes als „substantielle Relation“ (Mayer 2008, 255 – 263 und 267– 270; vgl. 224– 225. Vgl. auch Platzeck 1963, 572– 581). Diese ontologische Relationsform kann aber dem Absoluten bei Cusanus auf keinen Fall zukommen.  Proklos und Dionysios werden in De li non aliud auffällig häufig und oft gemeinsam von Cusanus herangezogen (bes. De non aliud (h XIII) c. 14– 17 und c. 20 – 22). In De li non aliud spricht Cusanus zwar oft auch von Platon, doch Platonisches hat Cusanus letztlich weniger von Platon selbst, sondern von Proklos übermittelt bekommen. Gleichwohl kannte er einige Schriften Platons (Klibansky 1943, 281– 330. Vgl. dazu Hankins 1991). Cusanus verweist gesondert darauf, dass Dionysios dem Konzept des Nicht-Anderen am nächsten gekommen sei; De non aliud (h XIII) c. 1, p. 5, 13 – 14 [n. 5]): „Licet nullum legerim, prae ceteris tamen Dionysius pro|pinquius videtur accessisse.“

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Der Neuplatoniker Proklos ist für das cusanische Denken insgesamt maßgeblich. Besonders gilt dies für die Spätphase cusanischen Denkens.⁴⁰⁰ Vor allem in De principio ist dieser Einfluss greifbar. Diese Schrift ist in besonderer Weise von Proklos’ Parmenideskommentar beeinflusst.⁴⁰¹ Auch in der unmittelbaren Folgezeit bleibt Proklos für Cusanus’ Denken bestimmend. Proklos’ Theologia Platonis scheint auf Cusanus tiefen Eindruck gemacht zu haben. Auf Spuren dieser proklischen Schrift stößt man insbesondere in De li non aliud. In diesem Tetralog wirkt sogar der (von Cusanus selbst beauftragte) Übersetzer der Theologia Platonis, Petrus Balbus Pisanus, mit. Dieser dürfte auch, wie Maria Feigl und Josef Koch bereits 1949 vermuteten, der Adressat von De principio sein.⁴⁰² Von besonderer Bedeutung ist, dass Cusanus den Ausdruck ‚non aliud‘ wohl direkt aus der Theologia Platonis geschöpft hat.⁴⁰³ Cusanus’ intensive Prokloslektüre vor und

 Zum Einfluss von Proklos auf Cusanus und zur Entwicklung ihrer Beziehung: Klibansky 1929. Senger 1986, 11– 42. Hoffmann 1998. Bormann 2001, 84– 96. D’Amico 2007, 33 – 64. Vgl. dazu D’Amico 2011b, 309 – 317. Beierwaltes 2007, 165 – 189, 191– 212 und 215 – 222; bes. 191– 195. Monaco 2010, 172– 185. Insbesondere ist noch auf einen kurzen Artikel Werner Beierwaltes’ hinzuweisen: Dort befasst er sich mit Gemeinsamkeiten und Unterschieden von Proklos und Cusanus insbesondere im Hinblick auf De li non aliud (Beierwaltes 1970, 137– 140). Dabei schätzt er ihr Verhältnis grundsätzlich richtig ein. Kritisch anzumerken ist aber, dass der Selbstbezug des Nicht-Anderen gerade kein ontologischer Selbstbezug ist und eher keinen „personalen“ Charakter besitzt.  Darauf haben schon Maria Feigl und Josef Koch in der Einführung zur ersten deutschen Übersetzung von De principio überzeugend hingewiesen (Schriften des Nikolaus von Cues in deutscher Übersetzung, Im Auftrag der Heidelberger Akademie der Wissenschaften herausgegeben von Ernst Hoffmann, Über den Ursprung. De principio, Deutsch mit Einführung von Maria Feigl, Vorwort und Erläuterung von Josef Koch, Heidelberg: Karle, 1949, 9 – 41). Besonders eindringlich lässt sich dies auch in der von Karl Bormann und Heide Dorothea Riemann herausgegebenen kritischen Edition von De principio fassen (h X/2b). Vgl. Bormann 2001, 84– 96. Vgl. dazu auch Karl Bormanns Einleitung zur vierbändigen Ausgabe philosophisch-theologischer Schriften von Cusanus: Nikolaus von Kues, Philosophisch-Theologische Werke, Lateinisch – deutsch, 4 vol., Mit einer Einleitung von Karl Bormann, Hamburg: Meiner, 2002, vol. 1, XLIV – XLVII.  Über den Ursprung. De principio, p. 11. Vgl. Bormann 2001, 84.  Cusanusmarg. 143; Senger 1986, 73: „vnum est nichil aliud quam vnum“. Dies wiederholt Cusanus in De li non aliud (De non aliud (h XIII) c. 4, p. 10, 5 – 6 [n. 13]. Vgl. Cusanusmarg. 159; Senger 1986, 75. Cusanusmarg. 175; Senger 1986, 78. Cusanusmarg. 190; Senger 1986, 80. Cusanusmarg. 208, Senger 1986, 83). Durch die Formel, dass eben „das Eine nichts anderes (nihil aliud) als das Eine“ ist, wird auch klar, dass ‚non aliud‘ und ‚nihil aliud‘ grundsätzlich dasselbe bedeuten. Cusanus selbst scheint keine sachliche Differenz zwischen diesen beiden Ausdrucksformen zu sehen. Einwände gegen die Identifizierung beider Ausdrücke hat Stephan Grotz formuliert (Grotz 2009, 212, Anm. 321). Proklos aber hat dem Ausdruck „nichts anderes“ (οὐδὲν ἄλλο) in seiner Theologia Platonis keine besondere Beachtung geschenkt hat (Theol. Plat. III, 9, p. 35, 5 – 7). Gleichwohl hat auch er die Übergegensätzlichkeit des Absoluten gezielt

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während der Abfassung von De li non aliud hat ihn verstärkt auf die negative Theologie aufmerksam gemacht. Die wichtigsten Aspekte, die Cusanus von Proklos übernommen hat, sind die negative Theologie und mithin entscheidende Elemente von Proklos’ Negationslehre. Dieser Einfluss ist für das cusanische Denken maßgebend, bestimmt er doch Cusanus’ oben erörtertes Verständnis der Negation. Grundsätzlich kann man bei Proklos wenigstens drei Formen der Negation unterscheiden: Die erste Form der Negation steht für Proklos gewissermaßen unterhalb des Seins, die zweite erscheint als mit dem Sein koordiniert und die dritte ist dem Sein gegenüber transzendent. ⁴⁰⁴ Cusanus hat diese drei Negationsformen aus dem Parmenideskommentar adaptiert.⁴⁰⁵ Der erste, für das vorliegende Thema aber zu vernachlässigende Negationstyp, ist der einer privativen Negation. Die zweite Form der Negation, die mit dem Sein und der Affirmation durchaus gleichgestellt ist, ist grundsätzlich nichts anderes als eine andersheitliche Negation. Weil das je Andere die Negation eines bestimmten Seienden ist, kann dieser Negationstypus anhand der Differenz expliziert werden: Differenz ist bei Proklos ein grundlegender Begriff und für das sogenannte seiende Eine wie für jedes intelligible Seiende gleichermaßen maßgeblich. Proklos’ Interpretation der zweiten Hypothesis des platonischen Parmenides ist von höchster Komplexität und kann an dieser Stelle nicht erschöpfend dargelegt werden. Wesentlich für das seiende Eine ist aber, dass es ‚Ort‘ der Ideen und insbesondere jener allgemeinen Bestimmungen ist, die Platon im Sophistês und im Parmenides diskutiert. Das Verhältnis der Ideen untereinander wird gerade durch allgemeine Bestimmungen und besonders durch Ruhe und Bewegung, Identität und Differenz bestimmt. Die Ideen sind als intelligible Gründe aller Dinge in einer untrennbaren Viel-Einheit miteinander verbunden. Ihre Totalität ist dabei als intensive Form der Einheit zu verstehen, die durch Vielheit und Differenz nicht zerteilt wird. Diese Totalität intelligibler Bestimmungen und ihre wechselseitige Durchdringung (πάντα ἐν πᾶσιν) ist maßgeblich für Proklos’ Begriff vom Sein bzw. für sein Verständnis der Geisthypostase.⁴⁰⁶

herausgearbeitet und darin ist er fraglos Vorbild für Cusanus (Cusanusmarg. 486; Bormann 1986, 121).  In Parm. VI, 1072, 14– 1073, 9. Vgl. dazu insgesamt Cürsgen 2007b, 238 – 242. Vgl. auch Beierwaltes 1979, 341– 343. Carabine 1995, 171– 176. Westerkamp 2006, 14– 23. Wesentlich für den vorliegenden Sachverhalt ist, dass Cusanus’ Denken grundsätzlich von diesen drei Negationsformen bestimmt ist.  Cusanusmarg. 432; Bormann 1986, 109.  Die Geistkonzeption bzw. das seiende Eine bei Proklos sind in der Forschung bereits eingehend diskutiert worden (Beierwaltes 1972, 166 – 197; hier 177– 188. Auch in Beierwaltes 1980,

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Proklos’ Begriff vom Sein hat einerseits intensiv auf Dionysios’ Deutung göttlichen Denkens, andererseits aber auch auf Cusanus eingewirkt. Entscheidend für die cusanische Rezeption ist aber, dass dieser die Geistkonzeption in De principio und De li non aliud nicht etwa auf das Absolute selbst bezieht. Er illustriert durch diese dialektische Form der Viel-Einheit vielmehr seinen Begriff vom Universum.⁴⁰⁷ Die Dialektik von Identität und Differenz ist bei Cusanus für seine Ontologie, nicht aber für seinen Begriff vom Absoluten maßgeblich. Die dritte Form der Negation drückt, wie bereits gesagt, die Transzendenz aus. Cusanus annotiert im Parmenideskommentar jene Stellen, in denen Proklos die Transzendenz des Einen und damit die Übergegensätzlichkeit des Absoluten apostrophiert.⁴⁰⁸ Besonders beachtenswert ist im Rahmen der transzendierenden

24– 56; hier 36 – 49. Ferner Beierwaltes 1979, 24– 164. Beierwaltes 1985, 201– 211. Siorvanes 1996, 148 – 167. Halfwassen 1999, 445 – 462. Cürsgen 2007b, 83 – 87 und 188 – 194). In diesem Zusammenhang muss das Absolute auch im Hinblick auf die „μέγιστα γένη“ betrachtet werden (Beierwaltes 1979, 343 – 348. Halfwassen 2006, 322– 372. Cürsgen 2007b, 251– 268). Proklos’ Konzeption der Geisthypostase ähnelt zweifelsohne der von Plotin; Halfwassen 1999, 445: „Wie Plotin, so denkt auch Proklos das Sein als die Einheit aller Ideen im seienden Einen, das Leben als die Selbstentfaltung (ἀνέλιξις) der Einheit des seienden Einen in die Vielheit der besonderen Ideen und das Denken als die in der Einheit des Seins entfaltete Vielheit der Ideen oder als das in seiner Selbstentfaltung in die unterschiedenen Ideen in ungeteilter Einheit und Ganzheit bei sich bleibende seiende Eine, das sich in seinen Momenten auf sich selbst bezieht und so im Vollzug seiner Entfaltung in sich selbst zurückkehrt.“ Jens Halfwassen nennt bei dieser Gelegenheit auch sogleich die Spezialität von Proklos etwa gegenüber Plotin; Halfwassen 1999, 445: „Dieser Grundgedanke der neuplatonischen Nouslehre wird jedoch von Proklos stärker in seine einzelnen Momente unterschieden, wobei die verschiedenen Phasen und Stufen in der Selbstentfaltung des Nous einerseits als eigenständige, einander sowohl hierarchisch subordinierte als auch koordinierte Hypostasen erscheinen, die gesamte Hierarchie der intelligiblen, intellektuellen und intelligibel-intellektuellen Hypostasen aber aufgrund der Koordination und wechselseitigen Durchdringung aller Stufen und Momente andererseits in der umfassenden Einheit der Einen Noushypostase bewahrt bleibt und in ihr aufgehoben ist.“ Halfwassen weist dabei darauf hin, dass Werner Beierwaltes die proklische Noushypostase passend als „ontologisches Identitätssystem“ gedeutet habe (Halfwassen 1999, 445. Vgl. Beierwaltes 1979, 35; vgl. auch 50). Schon allein hieran lässt sich die Sonderstellung Cusanus’ gegenüber dieser Selbstentfaltung des Seins deutlich ablesen.  Vgl. Beierwaltes 2007, 215 – 222; bes. 219 – 222.  Cusanus unterscheidet deutlich zwischen der absoluten Einfachheit des Absoluten selbst und der Viel-Einheit des seienden Einen. Cusanus folgt Proklos’ Einschätzung zur Transzendenz des Einen gegenüber dem Einheitsmoment des seienden Einen, dem Ganzen und der Vielheit (bes. Cusanusmarg. 405; Bormann 1986, 103. Cusanusmarg. 441; Bormann 1986, 111. Cusanusmarg. 447; Bormann 1986, 112– 113. Cusanusmarg. 456; Bormann 1986, 115. Cusanusmarg. 460; Bormann 1986, 115. Cusanusmarg. 462, 465, 466 und 467; Bormann 1986, 116 – 117. Cusanusmarg. 468 und 469; Bormann 1986, 117. Cusanusmarg. 474; Bormann 1986, 118. Cusanusmarg. 484; Bormann 1986, 120. Cusanusmarg. 488; Bormann 1986, 121. Cusanusmarg. 535;

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Negation die von Proklos vertretene Produktivität der Negation. Diese produktiven Negationen begründen die in und an ihnen verneinten Bestimmungen. Sie sind demnach für Proklos „Mütter der Affirmation“.⁴⁰⁹ Damit hat er einen entscheidenden cusanischen Gedanken zur Negation präfiguriert.⁴¹⁰ Vor diesem Hintergrund hat man Cusanus’ Konzept des Nicht-Anderen als negativen Grund aller Dinge zu verstehen. Proklos drückt die Transzendenz des Absoluten insbesondere durch eine spezielle Wendung aus, durch die die Radikalität seines Transzendenzdenkens offenbart wird. Er transzendiert das Absolute durch eine doppelte Negation, also die Negation der Negation. Damit entrückt er es als schlechthin Unsag- und Undenkbares und erklärt so alle Aussagen bezüglich des Absoluten für falsch.⁴¹¹

Bormann 1986, 132). Das Absolute ist so für Cusanus auch jenseits von Identität und Differenz (Cusanusmarg. 573; Bormann 1986, 141– 142. Cusanusmarg. 575 und 576; Bormann 1986, 142. Cusanusmarg. 581 und 582; Bormann 1986, 143). Hierbei mag Cusanus entscheidende Anregungen für seinen Gedanken absoluter In-Differenz bekommen haben. Proklos negiert Identität und Differenz umfassend in Bezug auf das Absolute und zeigt damit dessen Übergegensätzlichkeit: Das Absolute ist weder von sich noch von anderen verschieden und weder mit sich noch mit anderen identisch; In Parm. VI, 1177, 22– 24: „τὸ ἓν οὐκ ἔστιν ἑαυτοῦ ἕτερον, τὸ ἓν οὐκ ἔστι τῶν ἄλλων ἕτερον, τὸ ἓν οὐκ ἔστιν ἑαυτῷ ταὐτόν, τὸ ἓν οὐκ ἔστι τοῖς ἄλλοις ταὐτόν.“ Dazu Beierwaltes 1979, 66. Halfwassen 2006, 338. Cürsgen 2007b, 260. Vgl. auch Siorvanes 1998, 1– 19. Jedoch münden diese Negationen bei Proklos in der völligen Relationslosigkeit des Absoluten. Cusanus hingegen deutet diesen Gedanken zur ‚Bezugsform‘ des Absoluten um. Er denkt das Absolute als in sich ‚bewegte‘ Aktivität. Aufgrund der in den absoluten Negationen intendierten absoluten In-Differenz ist es Cusanus möglich, dem Absoluten selbst eine Form des Bezugs zuzuschreiben: den negativen Selbstbezug des Absoluten. Gerade dadurch kann Cusanus – anders als Proklos – die kreative Aktivität des Absoluten erklären.  In Parm. VI, 1133, 3 – 4: „αἱ ἀποφάσεις, ὡς δέδεικται, μητέρες εἰσὶ τῶν καταφάσεων“. Vgl. In Parm. VI, 1075, 14– 15. In Parm. VI, 1077, 9 – 10. In Parm. VI, 1099, 24. In Parm. VII, 1208, 19 – 20. In Parm. VII, 520, 1– 2.  Cusanusmarg. 436; Bormann 1986, 109. Cusanusmarg. 440; Bormann 1986, 111. Cusanusmarg. 520; Bormann 1986, 129. Cusanusmarg. 585, Bormann 1986, 144. Cusanus ist somit, wie Klaus Kremer ganz richtig betont, eindeutig im „Fahrwasser des Proklos“ (Kremer 2008, 69 – 72). Klaus Jacobi geht so insgesamt zu Unrecht davon aus, dass der cusanische Negationsbegriff „in einem ganz anderen Sinn“ als diejenige der neuplatonischen Tradition verstanden werden müsse (Jacobi 1969, 155).  In Parm. VII, 519, 10 – 12: „Et non mireris, si ubique honorans axiomata contradictionis Plato hic simul mentiri dicit et affirmationes et negationes in uno.“ Cusanus annotiert diesen Passus, was einiges über Cusanus’ Negationsbegriff aussagt (Cusanusmarg. 619; Bormann 1986, 153). Wesentlich für die absolute Transzendenz des Absoluten bei Proklos ist Werner Beierwaltes’ Habilitationsschrift (Beierwaltes 1979, 361– 382). Ferner sind hierfür die Arbeiten Carlos Steels, Dirk Cürsgens und Jens Halfwassens erwähnenswert (Steel 1999, 351– 368. Steel 2003, 581– 599; bes. 594– 599. Cürsgen 2007b. Halfwassen 1999). Dirk Westerkamp bezeichnet diese überstei-

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Allerdings unterscheiden sich Proklos und Cusanus in ihrer Einschätzung der absoluten Negation in einem entscheidenden Punkt. Proklos sieht in der letzten transzendierenden Negation der Negation am Ende des siebten Buches seines Parmenideskommentars die Aufhebung des Denkens überhaupt: Das Absolute selbst denkt nicht.⁴¹² In diesem Zuge wird auch die kreative Potenz vom Absoluten negiert.⁴¹³ Wenn Negationen Mütter der Affirmationen sind, so ist die Negation der Negation die Negation der generierenden Kraft der Negation. So kann dem Absoluten, streng genommen, keine Prinzipfunktion mehr zugesprochen werden.⁴¹⁴ Grundsätzlich generiert also die radikal gedachte Transzendenz des Absoluten ein für das neuplatonische Denken markantes Problem: Das Absolute soll transzendente Unbegreifbarkeit und zugleich Prinzip aller Dinge sein. Jean Trouillard hat dieses Problem anhand von Damaskios so kurz wie paradigmatisch geschildert: Pour être absolu, l’Un doit être à la fois principe et ineffable. Or ces deux exigences s’excluent l’une l’autre, puisque la notion de principe introduit une relation que l’ineffabilité repousse.⁴¹⁵

Dieses paradoxe Moment charakterisiert auch Proklos’ Henologie: Wie das Eine unteilnehmbar und zugleich Grund des Seins von Teilhabe, also über und zugleich in Allem Grund der Einheit des Systems von Seienden und zugleich – als über-

gernde Negationsbewegung daher treffend als Negation vom „letzten Rest an affirmativer Bestimmtheit“ (Westerkamp 2006, 22).  Zu Recht sieht Beierwaltes hierin durchaus einen entscheidenden Unterschied zwischen Proklos und Cusanus’ Konzept des Nicht-Anderen (Beierwaltes 1970, 139). Die doppelte Negation führt bei Proklos, wie Werner Beierwaltes intensiv ausführt, ins völlige Schweigen (Beierwaltes 1979, 361– 366).  In Parm. VII, 520, 1– 8: „Tertio igitur, aiunt, dicimus quod abnegationes in uno assumens ut generatiuas affirmationum, sicut dictum est sepe, ut non uirtutem putans habere le unum generatiuam entium omnium et existentiam substitutiuam auferens ab ipso et essentiam lateas intermedie horum entem uirtutem uni apposita, fert et abnegationes generatiuas ab ipso. Et hoc est le non possibile esse hec circa unum, le neque potentiam generatiuam totorum ipsum habere, qualem esse abnegationem dicebamus.“ Vgl. Cürsgen 2007b, 282– 283.  In Parm. VII, 501, 3 – 9. Proklos beruft sich dabei auf Speusippos (Fr. 48; Táran 1981, 152). Vgl. auch Plotin Enn. VI, 8, 8.  Trouillard 1973, 98 – 113; hier 104. Damaskios selbst beginnt sein Werk „Über die Prinzipien“ mit einer Kritik der Transzendenz des Einen (Peri Archon I, 1– 2). Vgl. dazu vor allem Cürsgen 2007b, 317– 359.

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seiendes Nichts – absolute Differenz [scil. gegenüber dem Sein und den Seienden] zu sein vermag, bleibt dem Denken als nicht aufhebbare Paradoxie aufgegeben.⁴¹⁶

Cusanus hat auf diese Frage des Neuplatonismus, wie bereits gezeigt, eine durchaus elegante Lösung gefunden. Und hier wird auch der markante Unterschied zu Proklos deutlich: Cusanus unterscheidet nicht wie Proklos graduell zwischen transzendierend-produzierender Negation einerseits und radikaler transzendenter Negativität andererseits, sondern identifiziert transzendente Negativität und produzierende Negation gerade im negativen Selbstbezug des Absoluten. Cusanus schreibt so die generierende Kraft der Negation dem Absoluten selbst als dessen eigene Tätigkeit zu. Das Absolute bei Proklos hingegen ist als radikale Negativität keine produktive Tätigkeit. Selbst die Negation der Negation bleibt so dem Absoluten äußerlich. Damit ist das Absolute bei Proklos in sich radikal unbewegt und kann deswegen auch keinen Selbstbezug aufweisen.⁴¹⁷ Proklos hat Reflexivität und Denken vor allem ontologisch beschrieben. Cusanus hat demgegenüber die selbstbezügliche Reflexivität gerade ent-ontologisiert und so direkt auf das Absolute selbst übertragen. Dieser Gedanke eines negativen Selbstbezugs des Absoluten, der in eins Transzendenz und Prinzipfunktion und mithin negativ fundierte Selbst- und Universaldefinition ist, kann bei Proklos nicht nachgewiesen werden. Cusanus hat sich so zwar einiger entscheidender Elemente des proklischen Denkens bedient, sie aber höchst originell umgedeutet. Der christliche Denker Dionysios firmiert in der Forschung noch vor Proklos als Hauptquelle von Cusanus im Allgemeinen und für De li non aliud im Speziellen.⁴¹⁸ Es steht mittlerweile außer Frage, dass Cusanus’ Verständnis der nega Beierwaltes 1979, 347– 348. Dabei merkt Beierwaltes zutreffend an, dass Cusanus diese Paradoxie „im Anschluß an und zugleich in Unterscheidung von Proklos“ durchdacht habe (Beierwaltes 1979, 348, Anm. 46). Natürlich lassen sich Lösungen für dieses Problem im neuplatonischen Denken selbst finden: Denn das Absolute ist gerade durch seine absolute Transzendenz vollkommen widerspruchsfrei. Cusanus entdeckt also den für ihn so entscheidenden Gedanken der Übergegensätzlichkeit bei Proklos (Cusanusmarg. 486; Bormann 1986, 121).  Diese Radikalität lässt sich insbesondere am Ende des Parmenideskommentars finden (vgl. dazu Cürsgen 2007b, 279 – 284. Beierwaltes 1965, 343 – 348. Vgl. auch Beierwaltes 1970, 139). Erkennbar wird vor diesem Hintergrund, dass Proklos an dem christlichen Verständnis eines absoluten Gottes, dem kreatives Denken und trinitarische Relationalität zukommen müssen, massiv Kritik übt. Cusanus hat dies gesehen und vermutlich deswegen die proklische Einheitsmetaphysik nach seinen eigenen Vorstellungen umgedeutet (vgl. Cusanusmarg. 425; Bormann 1986, 107).  Das Verhältnis dieser beiden Denker im Allgemeinen und in Bezug auf De li non aliud im Speziellen ist in der Forschung bisher in einigen Arbeiten behandelt worden (Baur 1941, 9 – 92. Beierwaltes 2001a, 130 – 171. Senger 2002, 228 – 254. Zedania 2005. Monaco 2010, 185 – 192. Vgl. auch Ríos 2011, 299 – 308).

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tiven Theologie nicht nur auf Proklos, sondern auch auf seiner Lektüre dionysischer Schriften beruht. Davon zeugt nicht nur die überbordende Zahl der von Cusanus über alle Entwicklungsphasen hinweg zitierten Textstellen aus dem Œuvre des (Ps.‐)Areopagiten, sondern auch seine Marginalien zum Corpus Dionysiacum und insbesondere das Florilegium an Dionysioszitaten im 14. Kapitel von De li non aliud. ⁴¹⁹ Im Florilegium lassen sich insbesondere jene Stelle aus dem Corpus Dionysiacum wiederfinden, in denen Gott zum einen als überwesentliche Transzendenz und zum anderen als Prinzip aller Dinge beschrieben wird.⁴²⁰ Diese beiden Aspekte synthetisiert Cusanus durch seinen negativen Begriff vom Absoluten. Ob sich aber in Dionysios’ System der komplexe Gedanke des negativen Selbstbezugs finden lässt, ist mehr als bloß zweifelhaft. Als Schüler des Neuplatonikers Proklos hat Dionysios entscheidende neuplatonische Konzepte adaptiert.⁴²¹ Dies betrifft insbesondere die Transzendenz des absoluten Einen, das sich bei Proklos, wie gezeigt, gerade nicht als selbstbezügliche Einheit fassen lässt. Für Dionysios ist Gott absolute Einheit jenseits aller sinnlich-körperlichen Dinge und auch jenseits aller intelligiblen und transzendentalen Bestimmungen. Im Sinne dieser Transzendenz nennt Dionysios Gott „τὸ ὑπεράγαθον, τὸ ὑπέρθεον, τὸ ὑπερούσιον“.⁴²² Dionysios ist Vertreter einer radikal gefassten negativen Theologie, durch die Gott nicht nur gegenüber allen möglichen affirmativen Begriffen, sondern auch gegenüber allen Negationen transzendiert wird. Deswegen muss Gott bei Dionysios als Absolutes oder als das absolute Eine begriffen werden. Er verwendet dabei die ihm von Proklos übermittelte doppelte Negation, durch die er die Transzendenz des Absoluten massiv apostrophiert. Damit ist das absolute

 Baur 1941, 93 – 113. Die wichtigsten Zitate des Florilegiums an Dionysioszitaten deutet Cusanus in den folgenden Kapitel aus (De non aliud (h XIII) c. 15 – 17).  Gott ist einerseits „ab omnibus alte|rum“ (De non aliud (h XIII) c. 14, p. 36, 16 – 17 [n. 68]. Vgl. De div. nom. IX, 7, p. 212, 10 (PG 3, 916A)). Andererseits ist er „esse | omnium“ (De non aliud (h XIII) c. 14, p. 30, 20 – 21 [n. 55]. Vgl. De coel. hier. c. 4, 1, p. 20, 16 – 17 (PG 3, 177CD)). So ist also Gott für Cusanus alles in allem und dennoch nichts von allem (De non aliud (h XIII) c. 6, p. 14, 17 [n. 21]. Vorlage für Cusanus ist die leicht von Cusanus’ Formulierung abweichende Aussage Dionysios’, Gott sei „ἐν πᾶσι πάντα […] καὶ ἐν οὐδενὶ οὐδὲν“ (De div. nom. VII, 3, p. 198, 8 (PG 3, 872A)).  Abgesehen davon, dass Dionysios geistiger Schüler des Proklos war, gibt die historische Figur des Pseudo-Areopagiten der Forschung bis heute Rätsel auf (Pseudo-Dionysius Areopagita, Über die Mystische Theologie und Briefe, (Bibliothek der Griechischen Literatur 40), Eingeleitet, übersetzt und mit Anmerkungen versehen von Adolf M. Ritter, Stuttgart: Hiersemann, 1994, 4– 19. Vgl. dazu Ritter 1995, 169 – 181. Ritter 2005, 87– 101. Suchla 2008, 15 – 25. Vgl. auch Mazzucchi 2006, 299 – 334).  De div. nom. II, 3, p. 125, 14– 16 (PG 3, 640B).

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Eine radikal gedachte Transzendenz. Diesen Gedanken entwickelt Dionysios vor allem im letzten Kapitel von De mystica theologia. In kaum überbietbarer Weise wird durch eine stetig radikaler verfahrende negative Argumentation die Transzendenz des Einen radikalisiert.⁴²³ Dionysios zeigt damit auf markante Weise, dass das absolute Eine gegenüber jeder Form des Denkens und jeder Form geistiger Reflexivität transzendent ist. Es ist Einheit über dem Geist und mithin über- oder nicht-geistige Einheit. Aus diesem Grund ist Werner Beierwaltes in aller Ausdrücklichkeit zuzustimmen, wenn er schreibt, dass eben durch diese radikale Transzendenz des dionysischen Gottes die Parallelen zu Proklos’ Konzeption des Einen gezogen werden können: Das absolute „Über-Sein“ entspreche „dem proklischen Einen präzis“.⁴²⁴ Damit aber weist das Eine bei Dionysios wie schon bei Proklos weder zu etwas anderem noch zu sich selbst eine Beziehung auf. Dionysios beschreibt folgerichtig das Absolute als „das überseiende Eine“ (τὸ ὑπερούσιον ἕν) und transzendiert es so im vollen Bewusstsein gegenüber „dem seienden Einen“ (τὸ ἓν ὄν) und damit gegenüber allen intelligiblen Ideen und mithin auch gegenüber dem absoluten Geist.⁴²⁵ Damit ist Gott als absolute Einheit „überwesentlich entrückt“ (ὑπερουσίως ἐξῃρημένον), „jenseits jeder Wesenheit“ (πάσης οὐσίας ἐπέκεινα) oder schlicht „jenseits von allem“ (πάντων ἐπέκεινα).⁴²⁶ Affirmative Gottesnamen sind demgegenüber bloß Theophanien oder Projektionen erkennender Geister.⁴²⁷ Das Ab-

 De myst. theol. V, p. 149 – 150 (PG 3, 1045D – 1048B). Damit negiert Dionysios auch ‚VaterSohn-Geist‘ in Bezug auf das Absolute. Vgl. ferner De div. nom. I, 1, p. 109, 11 – p. 110, 1 (PG 3, 588B): „Καὶ πάσαις διανοίαις ἀδιανόητόν ἐστι τὸ ὑπὲρ διάνοιαν ἕν, ἄῤῥητόν τε λόγῳ παντὶ τὸ ὑπὲρ λόγον ἀγαθόν, ἑνὰς ἑνοποιὸς ἁπάσης ἑνάδος καὶ ὑπερούσιος οὐσία καὶ νοῦς ἀνόητος καὶ λόγος ἄῤῥητος, ἀλογία καὶ ἀνοησία καὶ ἀνωνυμία κατὰ μηδὲν τῶν ὄντων οὖσα καὶ αἴτιον μὲν τοῦ εἶναι πᾶσιν, αὐτὸ δὲ μὴ ὂν ὡς πάσης οὐσίας ἐπέκεινα καὶ ὡς ἂν αὐτὴ περὶ ἑαυτῆς κυρίως καὶ ἐπιστητῶς ἀποφαίνοιτο.“  Beierwaltes 1980, 55. Vgl. Beierwaltes 1988a, 466 – 467. Beierwaltes 1985, 212– 213. Beierwaltes 2001a, 53 – 58. Werner Beierwaltes vermutet darüber hinaus sogar, Dionysios radikalisiere „den Akt des Negierens sogar – wenn dies möglich ist – noch gegenüber Proklos“ (Beierwaltes 2001a, 142).  De div. nom. XIII, 3, p. 228, 14 – p. 229, 5 (PG 3, 980CD); bes. p. 229, 3 – 4: „Τὸ δὲ ὑπερούσιον ἓν καὶ τὸ ὂν ἓν καὶ πάντα ἀριθμὸν ὀρίζει“.  De div nom. I, 5, p. 117, 4 (PG 3, 593C). De div. nom. I, 1, p. 109, 16 (PG 3, 588B). De div. nom. II, 4, p. 126, 16 (PG 3, 641A).  Halfwassen 2004a, 169. Die Forschung hat sich insgesamt intensiv mit der negativen und affirmativen Theologie bei Dionysios beschäftigt. Die Priorität der negativen Theologie gegenüber der affirmativen Theologie bei Dionysios wird in der Forschung allgemein akzeptiert (Andia 1996, 205 – 206. Andia 2006, 129 – 139; hier 132– 135. Westerkamp 2006, 23 – 36. Zur negativen Theologie vgl. ferner O’Rouke 1992, 55 – 78. Jones 1996, 355 – 371. Vgl. auch Vannier 1998, 403 – 419).

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solute ist also bei Dionysios – analog zum Einen bei Proklos oder dem Absoluten bei Damaskios – jenseits jeder möglichen Form von Reflexivität. Dionysios betont aber freilich neben der radikalen Transzendenz des Absoluten zugleich die Prinzipfunktion des Absoluten. Wie gezeigt, führt aber die Annahme einer radikalen Transzendenz zu jenem oben skizzierten und für den Neuplatonismus so charakteristischen Paradoxon. Dionysios versucht, diesem durch einen energischen Zugriff zu entgehen. Zunächst ist zu beachten, dass Dionysios der Gedanke einer produktiven Negation im Unterschied zu Proklos fremd ist.⁴²⁸ Dies liegt vor allem daran, dass er die Negationen lediglich dazu verwendet, die Transzendenz Gottes anzuzeigen. Negationen haben bei Dionysios grundsätzlich einen epistemologischen, aber keinen prinzipientheoretischen Aspekt. Auch ist die doppelte Negation keineswegs Ausdruck für die Aktivität des Absoluten. Der Negationsakt wird nicht vom Absoluten selbst vollzogen. Dionysios’ Gebrauch transzendierender Negationen erschöpft sich so im Hinblick auf die Seins- und Erkenntnistranszendenz einerseits und auf die mystische Einung mit dem Absoluten (ἕνωσις bzw. θέωσις) andererseits. Bestes Beispiel hierfür ist De mystica theologia. Dort wird eine Aufstiegsbewegung apostrophiert, die von der Affirmation ausgeht, über die Negation zur Negation der Negation führt und letztlich im Schweigen endet.⁴²⁹ Die Prinzipfunktion Gottes expliziert Dionysios vor diesem Hintergrund also nicht über die reine Einheit des Absoluten, sondern über affirmative Begriffe, die er „αἰτιολογικὰ πάντα“ nennt. Die wichtigsten dieser Schöpfungsbegriffe sind „τὸ ἀγαθόν, τὸ καλόν, τὸ ὄν, τὸ ζωογόνον, τὸ σοφὸν“.⁴³⁰ Die Beschreibung der Schöpfung erfolgt also demgemäß – anders als bei Cusanus in De li non aliud – über transzendentale Begriffe. Spätestens seit Eugenio Corsinis Analyse der Be-

 Darin unterscheidet er sich nicht nur von Proklos, sondern auch von einem seiner bedeutendsten Schüler: Johannes Scottus Eriugena: s. dazu unten, IV.3.3.  Ysabel de Andias umfangreiches Werk zu Dionysios ist grundsätzlich um die Einung mit dem absoluten Gott bemüht (Andia 1996, 209 – 453). Wesentlich ist, dass sie die mystische Theologie des (Ps.‐)Areopagiten als „ascension gnoséologique“ begreift (Andia 1996, 341). Damit interpretiert sie die negative Theologie vollständig im Rahmen der mystischen Einung. Ganz ähnlich hat Ralf Stolina in seiner Habilitationsschrift Dionysios’ Fixierung auf das „ekstatische Moment“ der negativen Theologie herausgestellt (Stolina 1999, 19 – 23). Dionysios ist demnach nicht über diesen Aspekt der negativen Theologie hinausgegangen; Stolina 1999, 26: „In all dem zeigt sich, daß die negative Theologie des Dionysius zwar die Transzendenz Gottes auszudrücken und zu wahren vermag, nicht jedoch seine Kondeszendenz, seine Offenbarung und Selbstmitteilung. Dies blieb späteren Vertretern einer negativen Theologie vorbehalten.“ Zur mystischen Theologie von Dionysios s. auch Vanneste 1959.  De div. nom. II, 4, p. 125, 15 – 18 (PG 3, 640BC). Der wichtigste Begriff ist dabei eindeutig „das Gute“ (Schäfer 2006, 84).

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ziehung der neuplatonischen Parmenideskommentare und insbesondere des Parmenideskommentars des Proklos auf das dionysische Denken ist in der Forschung allgemein bekannt, dass Dionysios Gott nicht nur oder einfach bloß als absolute Transzendenz, sondern auch als das seiende Eine beschreibt, das im paganen Neuplatonismus für gewöhnlich vom absoluten Einen unterschieden wird.⁴³¹ Denn nur so scheint es für Dionysios möglich zu sein, Gott als Prinzip aller Dinge (1) und insbesondere als trinitarischen Christengott (2) ausweisen zu können. Dionysios’ Modifikation am Neuplatonismus scheint hierbei von dem Paradoxon der absoluten Transzendenz und von der für die Trinitätslehre problematischen radikalen Einheit des Absoluten geleitet zu sein.⁴³² (1) Dionysios’ Gott ist so analog zum neuplatonischen Geist eine Viel-Einheit, in der alle transzendenten Ideen in einer untrennbaren und unauflöslichen Einheit subsistieren.⁴³³ Dionysios beschreibt die Prinzipfunktion besonders über jene ‚sophistischen‘ und ‚parmenideischen‘ Prädikate, die im Neuplatonismus maßgeblich für das seiende Eine sind.⁴³⁴ In diesem Zusammenhang nennt Dionysios Gott auch „ἕτερον“, womit er der Differenz einen Platz in seiner Geistmetaphysik einräumt. Er vereint damit die höchsten Gattungen als innergöttliche Zentralbestimmungen zu einer Einheit, die unbeschadet ihrer Vielheit in sich Einheit bleibt und sich als Einheit verwirklicht. Als jene Einheit in Vielheit und Differenz ist Gott

 Corsini 1962, 115 – 165. Kremer 1966, 324– 328 und 329 – 332. Brons 1976, 130 – 167. Beierwaltes 1980, 49 – 56. Beierwaltes 1985, 211– 216. Beierwaltes 2001a, 44– 84. Lilla 1990, 27– 50; hier 48 – 50. Halfwassen 1995, 46 – 50. Halfwassen 2004a, 167– 169. Andia 1996, 200 – 203; vgl. 65 – 69. Schäfer 2006, 80 – 89. Eindeutiger hält demgegenüber Plotin die beiden Einheitsformen auseinander (Enn. V, 1, 8, 23 – 27). Eine Ausnahme hierbei ist der berühmteste Schüler Plotins: Porphyrios (Hadot 1977, 208 – 237. Halfwassen 1996, 52– 83; hier 57– 60). Dessen versuchte Synthese stieß aber bei seinen Nachfolgern auf Kritik (Halfwassen 1996, 60 mit Anm. 35).  Werner Beierwaltes weist daher darauf hin, dass Dionysios’ Modifikationen am proklischen System radikal gedachter absoluter Einheit vor allem durch sein christliches Denken motiviert gewesen sein dürften (Beierwaltes 1980, 55).  De div. nom. V, 8, p. 188, 4– 10 (PG 3, 824C). Die Ideen sind „in jener unvermischten Einigung, der gemäß alle Dinge ungeteilt geeint sind und doch je in der eigenen Art unerschütterlich und unversehrt bestehen, so daß sie nicht durch Mischung mit den gegensätzlichen Elementen getrübt werden und gar nichts von ihrer Klarheit und Reinheit bei der Einigung einbüßen“ (Übers. nach Stiglmayr (Des Heiligen Dionysius Areopagita angebliche Schriften über „Göttliche Namen“. Angeblicher Brief an den Mönch Demophilus, (Bibliothek der Kirchenväter II.2), Aus dem Griechischen übersetzt von Josef Stiglmayr, München–Kempten: Kösel; Pustet, 1933, 142); De div. nom. XI, 2, p. 218, 18 – p. 219, 2 (PG 3, 949C)). Bei Dionysios sind also die einander entgegengesetzten Ideen (τὰ ἀλλήλοις ἐναντία) in Gott vereint und so harmonisiert (De div. nom. V, 7, p. 185, 17– 18 (PG 3, 821B)).  De div. nom. IX, 4– 9 (PG 3, 912B – 916D). Vgl. dazu Beierwaltes 1980, 49 – 55. Beierwaltes 1985, 211– 216.

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absoluter Geist, da er sich in sich denkend auf sich selbst (zurück‐)bezieht.⁴³⁵ Er ist in diesem Zusammenhang die Einheit von ‚μονή-πρόοδος-ἐπιστροφή‘ und mithin selbstbezügliche Aktivität.⁴³⁶ Allerdings bleibt zu konzedieren, dass Dionysios einen kreativen Selbstbezug auch vor dem Hintergrund seiner Rezeption des seienden Einen nur angedeutet hat.⁴³⁷ Allein schon deswegen unterscheidet er sich maßgeblich von Cusanus. (2) Gerade auf der Grundlage der Prädikate der zweiten parmenideischen Hypothesis wird erkennbar, dass Dionysios diese auch zur Explikation der Trinität verwendet.⁴³⁸ Es zeigt sich hier, dass Dionysios die Trinität ohne ontologische Begriffsstrukturen nicht beschreiben kann. Für Dionysios ist Gott „ἡνωμένα τῇ διακρίσει καὶ τῇ ἑνώσει διακεκριμένα“.⁴³⁹ Damit kommt es Dionysios auf eine Einheit an, in der die jeweiligen Eigenheiten der göttlichen Personen nicht vermischt werden.⁴⁴⁰ Jede göttliche Person zeichnet sich durch eine nur ihr eigene Eigentümlichkeit aus. Die Namen, die sich speziell auf die Eigentümlichkeiten von Vater, Sohn und Heiligem Geist beziehen, nennt Dionysios daher auch „τὰ διακεκριμένα“.⁴⁴¹ Die „διάκρισις“ ist für Dionysios freilich kein Gegenbegriff zur Einheit, sondern korreliert mit der Einheit, sodass Gott in und trotz seiner Geschiedenheit eine Einheit bleibt. Die von Dionysios eingeführte Differenz ist keine, die Widersprüchlichkeit meint, sondern diese gerade überwindet. Ganz ohne Differenz ist für Dionysios weder Trinität noch Reflexivität vorstellbar.⁴⁴²

 De div. nom. XI, 1, p. 218, 10 – 12 (PG 3, 949AB): „οὔτε εἰς ἑαυτὴν εἰσιοῦσα καὶ πολλαπλασιάζουσα ἑαυτὴν ἀπολείπει τὴν ἑαυτῆς ἕνωσιν, ἀλλὰ καὶ πρόεισιν ἐπὶ πάντα ἔνδον ὅλη μένουσα“. Vgl. De div. nom. V, 2, p. 196, 12 – p. 197, 2 (PG 3, 869AB). De div. nom. I, 7, p. 120, 2 (PG 3, 596CD).  Bes. Beierwaltes 1980, 52. Vgl. Beierwaltes 1994, 213. Beierwaltes 2001a, 59.  Beierwaltes 1994, 214. Vgl. Gersh 1977, 367– 376; hier 372– 375. Gersh 1978, 182– 190. Werner Beierwaltes geht darüber hinaus davon aus, dass die Dionysios von Proklos vermittelte Einheitsmetaphysik zwar eine „differenziertere Explikation der Trinität irritiert“, aber nicht verhindert habe (Beierwaltes 1980, 55. Vgl. dazu Beierwaltes 1994, 210 – 218; bes. 211, Anm. 16).  Beierwaltes 1980, 50 – 55; bes. 53. Beierwaltes 1994, 210 – 218.  De div. nom. II, 4, p. 127, 7 (PG 3, 641B).  De div. nom. II, 2, p. 125, 3 – 8 (PG 3, 640A).  De div. nom. II, 3, p. 125, 19 – p. 126, 2 (PG 3, 640C).  Zu Recht ist für Werner Beierwaltes daher „die Dominanz der reinen Einheit zunächst suspendiert […] zugunsten einer relationalen ‚Perichorese‘ der Drei auf ‚seiende‘ und denkende Einheit hin“ (Beierwaltes 1994, 214). Beierwaltes führt dementsprechend weiter aus; Beierwaltes 1994, 217: „Das relationale Ineinander-Sein der Drei auf die Einheit hin oder als Eines wahrt also das je Eigene, die Identität; die Selbstunterscheidung des je Eigenen aber betrifft und bestimmt im gegenseitig sich einenden Bezug zugleich das ganze Wesen der Gottheit.“ Freilich bleibt einschränkend zu konstatieren, dass Dionysios wenigstens versucht hat, die Differenz oder Andersheit aus der Trinitätsdiskussion möglichst auszuschließen. Ansatzweise kann man den

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Dionysios hat also insbesondere vor dem Hintergrund der Prinzipfunktion Gottes einerseits und der Trinität andererseits die radikale Einheit des Absoluten bewusst aufgebrochen.Wenn Gott eine Einheit ist, die in sich zugleich Vielheit ist, so ist hiermit also nicht mehr das Absolute in seiner reinen absoluten Transzendenz angesprochen. Natürlich ist dabei zu beachten, dass das absolute Eine bei Dionysios Prävalenz besitzt, weil Gott für Dionysios mehr als Sein und auch mehr als Wesen ist.⁴⁴³ Dionysios unterteilt die Gottesnamen, wie gesehen, in zwei Kategorien: Erstens in diejenigen Gottesnamen, die Gott in seiner Transzendenz anzeigen, und zweitens in diejenigen, die die Prinzipfunktion und die Trinität illustrieren. Es stehen sich also reine absolute Einheit auf der einen und seiende, dialektisch vermittelte Einheit auf der anderen Seite gegenüber. Für Dionysios’ Gottesbegriff sind aber Unendlichkeit, transzendente Einheit und Absolutheit einerseits und Prinzipfunktion und Trinität andererseits gleichermaßen maßgeblich. Dionysios’ Denken ist so offensichtlich durch eine markante Vorliebe für Paradoxien charakterisiert. In dieser paradoxieverliebten Art stellt er die durch negative Aussagen radikal gedachte Transzendenz der ausschließlich über affirmative Begriffe beschriebenen Prinzipfunktion und Trinität gegenüber. Durch diese Gleichzeitigkeit der beiden Gottesmomente entsteht die für die neuplatonische Logik höchst paradoxe Zusammenführung von relationsloser und relationaler Einheit in Gott. Die Einheit dieser beiden Momente wurde vor Dionysios schon von Porphyrios vertreten, ist aber im Neuplatonismus auf vehemente Kritik gestoßen. Denn das Absolute ist genau dann nicht mehr absolute Einheit und nicht mehr absolute Transzendenz, wenn es mit der Viel-Einheit des Geistes synthetisiert wird. Dionysios’ Unternehmen gleicht in gewisser Weise einer Fahrt zwischen Skylla und Charybdis: Auf der einen Seite droht die Korruption des absoluten Einen und mithin der absoluten Transzendenz des Einen und auf der anderen die Vernichtung der vielheitlich-differenzhaften Struktur der seienden Einheit.⁴⁴⁴

Versuch entdecken, die Trinität mit Begriffen aus der Henadenlehre – besonders derjenigen proklischer Prägung – zu beschreiben (Andia 1996, 29 – 61; bes. 49 – 55. Vgl. Andia 1997, 278 – 301). Auch an die erste intelligible Triade aus dem philosophischen System von Damaskios kann man hierbei denken (Lilla 1997, 117– 152; hier 146 – 148. Vgl. Lilla 2005, 88 – 89). Letztlich aber muss man vor dem Hintergrund von Dionysios’ Gebrauch des Begriffs „διάκρισις“ gegenüber einer Herleitung des Trinitätsdenkens aus der differenzfreien Einheit der Henaden oder der ersten intelligiblen Triade skeptisch bleiben: Bei Damaskios etwa steht der von Dionysios hauptsächlich auf die Trinität angewendete Begriff „διάκρισις“ für „reale Differenz“ (Cürsgen 2007b, 392– 393). Damit bleibt Dionysios’ Trinitätsdenken letztlich ontologische Trinitätsspekulation.  Schäfer 2006, 88 – 89.  Die oben genannte Kritik des orthodoxen Neuplatonismus an Porphyrios’ Konzept kann dementsprechend auch auf Dionysios angewendet werden. Vgl. auch Brons 1976, 165.

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Dionysios hat sich aber gleichwohl an einer Synthese von absolutem und seiendem Einen versucht: Gott ist für ihn zugleich „ἡ πάντων θέσις, ἡ πάντων ἀφαίρεσις, τὸ ὑπὲρ πᾶσαν καὶ θέσιν καὶ ἀφαίρεσιν“.⁴⁴⁵ Dionysios kann also „die ‚sophistischen‘ und ‚parmenideischen‘ Prädikate“ von Gott negieren, diese ihm aber auch im Sinne der neuplatonischen Geistmetaphysik wiederum zusprechen.⁴⁴⁶ Wie Jens Halfwassen in einem profunden Artikel zeigen konnte, folgt daraus die doppelte Aufhebung des aristotelischen Widerspruchgesetzes. Gerade durch diese doppelte Aufhebung kann Dionysios die Einheit beider Gottesmomente fordern, ohne ihre jeweilige Eigentümlichkeit aufzulösen: Gott ist absolute Einheit und seiende Einheit zugleich.⁴⁴⁷ Ob diese versuchte Synthese philosophisch tatsächlich tragfähig ist, kann an dieser Stelle nicht diskutiert werden. Für die vorliegende Frage ist ohnehin wichtiger, dass hierdurch die Frage nach dem negativen Selbstbezug des Absoluten eindeutig beantwortet werden kann: Dionysios kannte keinen negativen Selbstbezug des Absoluten bzw. des absoluten Einen. Nur der absolute Geist, der im Neuplatonismus wahrhaft seiend und in sich trotz seiner bleibenden Einheit vielheitlich strukturiert ist, kann überhaupt einen Selbstbezug aufweisen. Die für den Selbstbezug notwendigen Strukturen hat Dionysios konsequent dem göttlichen Geist vorbehalten. Dem Absoluten selbst kommt demgegenüber weder eine kreative Aktivität noch ein Selbstbezug zu, da dieses völlig unbezüglich und unbewegt ist. Das absolute Eine bezieht sich aufgrund seiner von Dionysios so radikal gefassten Einheit nicht reflexiv auf sich selbst. Vor diesem Hintergrund ist Dionysios an der Synthese der beiden Hypotheseis interessiert: Denn nur so muss er die trinitarischen, reflexiven und demiurgischen Momente seines Gottesbegriffs nicht aufgeben. Es zeigt sich also gerade in der versuchten Synthese, dass Dionysios das Absolute selbst nicht als selbstbezügliche Einheit beschreiben kann. Er kann dem unbezüglichen Absoluten einen Selbstbezug gewissermaßen nur

 De div. nom. II, 4, p. 127, 1– 2 (PG 3, 641A).  Beierwaltes 1980, 55.  Halfwassen 1995, 46 – 47 und 49 – 50. Der dionysische Gott ist einerseits das absolute Eine, für das – wie schon bei Proklos – keine affirmative oder negative Aussage Gültigkeit beanspruchen kann: Affirmative und negative Aussagen sind zugleich falsch (Halfwassen 1995, 49). Andererseits aber sind gegensätzliche Aussagen für Dionysios in Bezug auf Gott auch zugleich wahr. Dies gilt, weil das Widerspruchsprinzip im göttlichen Geist aufgehoben ist; Halfwassen 1995, 47: „Le principe de contradiction se fonde ontologiquement sur la disjonction de l’être et du non-être. Mais le cosmos des Idées, en tant que totalité, englobe aussi le non-être sous la forme de l’altérité; il est une unité de coincidence qui englobe en soi les opposés qui s’excluent dans toute Idée singulière.“ Indem Dionysios auf der Gültigkeit beider Aspekte besteht, indem er also Affirmationen und Negationen als falsch und wahr zugleich auszeichnet, denkt er Gott zugleich als absolute und seiende Einheit.

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nachträglich oder bloß indirekt über die doppelte Aufhebung des Widerspruchprinzips und mithin über die Synthese von absolutem und seiendem Einen zusprechen. In der Tat ist so das Absolute bei Dionysios nicht als es selbst oder an ihm selbst, sondern nur als Wesen aller Dinge kreativ wirksam und aktiv selbstbezüglich. ⁴⁴⁸ Im Gegensatz zu Dionysios aber kann Cusanus dem Absoluten die Selbstbezüglichkeit direkt zuschreiben, weil er den Selbstbezug durch das Nicht-Andere ent-ontologisiert.⁴⁴⁹ Dabei kann Cusanus auf affirmative Schöpfernamen (etwa Sein, Weisheit, Denken oder Leben) – anders als Dionysios – verzichten. Er geht mit dem Nicht-Anderen über diese Begriffe hinaus und zeigt damit deren Abhängigkeit vom Nicht-Anderen: Sie werden von Cusanus so als translative und mithin als nicht-eigentliche Begriffe vom Absoluten enttarnt und als erste oder beste Begriffe vom Absoluten durch das aufgrund seiner negativen Form präzisere Nicht-Andere ersetzt.

 Gerade diese Aussage hat Werner Beierwaltes, wie gezeigt, fälschlicherweise Cusanus zugeschrieben (Beierwaltes 1980, 162 und 165).  Immerhin aber hat Dionysios mithilfe seiner Aufhebung des Widerspruchprinzips Cusanus’ Gedanken relativer und absoluter Widerspruchsfreiheit vorweggenommen. Dionysios ist somit durchaus Cusanus’ Quelle für die Koinzidenz der Gegensätze einerseits und der absoluten Übergegensätzlichkeit des Absoluten (durch die Negation der gleichzeitigen Gültigkeit konträrer und kontradiktorischer Bestimmungen bezüglich des Absoluten) andererseits. Cusanus allerdings hat diesen Gedanken originell zum negativen Selbstbezug des Absoluten umgedeutet: Denn insbesondere in De li non aliud steht Gott über der Koinzidenz von Gegensätzen. Letztlich aber scheint Cusanus in Dionysios’ Denken wohl mehr gesehen zu haben, als Dionysios’ System wirklich leistet. Diese für Cusanus geradezu programmatische Blindheit in Bezug auf Dionysios spiegelt sich auch in seiner Weigerung wieder, die schon von Lorenzo Valla aufgedeckten Fakten zum Leben des Dionysios anzuerkennen. Statt dessen bestand er fälschlicherweise weiter auf der historischen Priorität von Dionysios gegenüber Proklos (De non aliud (h XIII) c. 20, p. 47, 23 – 24 [n. 90]. Vgl. hierzu Beierwaltes 2001a, 132– 134).

IV. Johannes Scottus Eriugena 1. Einleitung: Eriugenas Denken und sein Bezug zu Cusanus Wie gezeigt werden konnte, generiert das neuplatonische Denken jene markante metaphysische Frage, inwiefern das unbezügliche Eine, das jedem Seienden und sogar dem Sein selbst gegenüber transzendent ist, Grund aller seienden Dinge sein kann. Auch der irische Philosoph und Theologe Johannes Scottus Eriugena scheint sich mit einer ähnlichen Frage intensiv auseinandergesetzt zu haben.⁴⁵⁰ Seine Antwort auf diese Frage scheint zunächst in dem augenscheinlich markantesten Theorieelement seines Denkens zu finden zu sein, das auch in der Forschung viel

 Die erwähnte Frage des Neuplatonismus scheint Eriugena aber nicht durch direkte Lektüre der Werke paganer Neuplatoniker überliefert worden zu sein. Eriugena hat grundsätzlich auf eine Vielzahl an Quellen, insbesondere aus der lateinischen und griechischen Patristik, zurückgegriffen (Schrimpf 1982, 11– 14). Die Forschung geht ferner davon aus, dass Eriugenas griechische Quellen bis auf wenige Ausnahmen christliche Denker waren (Sheldon-Williams 1973, 1– 15. Vgl. Jeauneau 1983, 137– 149). Platon, Aristoteles oder die paganen Neuplatoniker habe er hingegen nicht gelesen (Sheldon-Williams 1973, 1– 4. Moran 1989, 104– 107). Nach Dermot Moran kannte Eriugena zwar Platons Namen, allerdings habe er seine Schriften weder im griechischen Original noch in lateinischen Übersetzungen gelesen, sondern nur über Calcidius überliefert bekommen (Moran 1989, 104– 105). Nichtsdestoweniger steht in der Forschung außer Frage, dass neuplatonisches Gedankengut die entscheidende Voraussetzung Eriugenas war. Neuplatonische Theorien wurden ihm vor allem durch seine für ihn maßgeblichen Quellen, Dionysios (Ps.‐)Areopagitês und Maximus Confessor, überliefert. Dabei sind ihm zweifelsohne Theorieelemente des späten Neuplatonismus, die insbesondere auf dem Denken von Iamblich, Syrianos, Proklos und Damaskios gründen, überliefert worden (Gersh 1977, 367– 376. Gersh 1978. Beierwaltes 1994, 32– 51). Gerade aufgrund der Vielzahl seiner Quellen wird Eriugenas Denken als „eklektisch“ gesehen. Jean Trouillard hat diesem Umstand etwas Positives abgerungen: Denn dadurch erkläre sich, dass Eriugena mit neuplatonischem Gedankengut zuweilen höchst originell umzugehen verstehe (Trouillard 1973, 98). Davon abgesehen sei an dieser Stelle auch noch bemerkt, dass das umfassende Werk von Maïeul Cappuyns, einem der wichtigsten Eriugenaforscher der ersten Stunden, zu Herkunft, Leben und Wirken von Eriugena noch immer maßgeblich ist (Cappuyns 1933). Zur Einführung in sein System liegen gleich mehrere detaillierte Einführungen vor (O’Meara 1988. Moran 1989. Rudnick 1990. Carabine 2000. Steel/Hadley 2005, 397– 406. Vgl. Gregory 1963a). Erwähnenswert ist hierbei auch die Monografie von Hilary AnneMarie Mooney, in der aber Eriugena leider ausschließlich als Theologe betrachtet wird (Mooney 2009). Doch die pauschale Entgegensetzung von Philosophie und Theologie ist wie schon bei Cusanus höchst fragwürdig. Nebenbei sei auch noch vermerkt, dass sich Eriugena nach Cappuyns meist selbst Johannes und wenigstens einmal sogar Eriugena nannte (Cappuyns 1933, 5). Der Namenszusatz ‚Scottus Eriugena‘ ist eigentlich eine Doppelung, denn beide Namen verweisen auf Eriugenas Herkunftsland (Cappuyns 1933, 7– 8). Der Namenszusatz „Scottus“ ist nach Cappuyns älter und philologisch korrekter als „Scotus“ (Cappuyns 1933, 3, Anm. 1).

1. Einleitung: Eriugenas Denken und sein Bezug zu Cusanus

133

beachtet wurde: in der vierfachen Einteilung der Natur.⁴⁵¹ Eriugena teilt schon am Anfang des ersten Buches seines Hauptwerkes Periphyseon ⁴⁵² den universalen Begriff „natura“ in vier Aspekte ein:⁴⁵³ (1) Die erste Natur schafft, wird aber nicht geschaffen. Eriugena hat mit dieser Natur den absoluten Gott bzw. das Absolute selbst im Blick.⁴⁵⁴ (2) Die zweite Natur wird geschaffen und schafft. Eriugena meint damit speziell den Sohn Gottes, die Weisheit und die in der Weisheit geschaffenen intelligiblen „Erstursachen“ (primordiales causae) bzw. Ideen.⁴⁵⁵ Weil Eriugena die zweite Natur hauptsächlich anhand seines stark vom Neuplatonismus beeinflussten Wesensbegriffs (οὐσία) erörtert, lässt sich seine Diskussion der zweiten Natur auch als ‚Ousiologie‘ bezeichnen. Darüber hinaus hat man in dieser Natur die Trinität zu sehen.⁴⁵⁶ (3) Die auf die zweite Natur folgende dritte Natur wird geschaffen und schafft nicht. Diese Natur beinhaltet die sinnlich wahrnehmbaren Kreaturen. (4) Die vierte und letzte Natur wird nicht geschaffen und schafft auch

 Die vierfache Einteilung der Natur ist ein in der Forschung intensiv diskutiertes Thema. Entscheidend für die vorliegende Studie ist aber, dass diese vierfache Einteilung von der Forschung völlig zu Recht als Explikation des Verhältnisses von Schöpfer und Geschöpf gesehen wird (O’Meara 1981, 126 – 145; hier 139). Besonders zu erwähnen ist in diesem Zusammenhang Jean Trouillard. Er sieht Eriugenas Lösung des erwähnten Problems in der Selbstschöpfung des Absoluten: Indem es aus sich selbst in die Erstursachen hinabsteige, werde es Grund aller Dinge (Trouillard 1973, 104). Diesen Gedanken Trouillards formuliert Werner Beierwaltes intensiv aus: s. dazu unten, IV.2.1. Vgl. dazu IV.3.3. Allerdings – so kann gleich an dieser Stelle warnend vorweggenommen werden – entäußerte sich so das Absolute gewissermaßen selbst. Außerdem wird das von Trouillard genannte Problem so nicht wirklich gelöst. Letztlich steht das in die Erstursachen entäußerte Absolute als Grund in einem begründenden und gerade deswegen in einem relationalen Verhältnis zu seinen Effekten. Dieses Verhältnis kann auf das Absolute als Absolutes bzw. auf das Absolute selbst nicht übertragen werden, ohne es als Absolutes zu korrumpieren. Es ist aber demgegenüber zu vermuten, dass Eriugena das Absolute als absoluten Grund begreifen wollte. Daher hat er es, wie sich noch zeigen wird, durch eine spezifische Wendung als kreative Tätigkeit gedeutet. Durch diese Aktivität entäußert sich das Absolute aber nicht, sondern bringt die intelligiblen Entstehungsgründe hervor. Es geht Eriugena hierbei also um die absolute Kreativität: s. unten, IV.3.1– 4.  Insbesondere vor dem Hintergrund der Analyse des berühmten Eriugenaforscher Édouard Jeauneau, nach der Periphyseon nicht bloß ein Werk über die Einteilung der Natur, sondern zugleich auch „a discours about unification“ sei, scheint der Titel Periphyseon dem in der Forschung ebenfalls gebräuchlichen Titel De divisione naturae vorzuziehen zu sein (Jeauneau 1991, 3 – 29; hier 11. Vgl. Weiner 2007, 139 – 147; bes. 146 – 147).  Zum Folgenden: bes. Periphys. I, 9 – 27 (PL 122, 441B – 442A).  Periphys. I, 402– 417 (PL 122, 451C – 452A).  Paradigmatisch zusammengefasst in: Periphys. III, 679 – 701 (PL 122, 635B – 636A).  Periphys. II, 3025 – 3052 (PL 122, 613A – C). Gerade wegen der Diskussion der Trinität anhand von „essentia“ und „substantia“ ist der ‚Ort‘ von Eriugenas Trinitätsspekulation die zweite Natur (Halfwassen 2000, 383 – 385; hier 384. Beierwaltes 1994, 218 – 219).

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IV. Johannes Scottus Eriugena

nicht. Eriugena identifiziert sie letztlich auch mit dem Absoluten der ersten Natur.⁴⁵⁷ Durch die Einteilung der Natur wird der kreative Hervorgang (processio) aller Dinge bzw. die Schöpfung beschrieben. Zugleich wird mit dem finalen Bezug aller Kreaturen auf die vierte Natur ein Rückbezug (reditus) auf die erste Natur konstruiert, weil vierte und erste Natur für Eriugena identisch sind: Letztlich wird damit in der Einteilung der Natur zugleich die Einheit der Natur postuliert. Dieses Modell von Einteilung und Einheit des Naturbegriffs avanciert zum zentralen Element von Eriugenas Schöpfungslehre, die von ihm – wie im Neuplatonismus allgemein üblich – mit der bleibenden Transzendenz des (demiurgischen) Schöpfers verknüpft und also mit dem Ternar ‚mansio-processio-reditus‘ (μονήπρόοδος-ἐπιστροφή) beschrieben wird.⁴⁵⁸ Wichtiger aber noch als diese vierfache Einteilung der Natur ist ein anderes Theorieelement aus Eriugenas Philosophie: der negative Selbstbezug des Absoluten. Eriugena hat wohl als erster Denker überhaupt einen negativen Selbstbezug des Absoluten selbst, also der ersten Natur gelehrt. Darin scheint er Cusanus nahe zu stehen, worauf erst kürzlich Jens Halfwassen hingewiesen hat.⁴⁵⁹ Wie gestaltet

 Die Einheit erster und vierter Natur wird dann deutlich, wenn Eriugena Gott als Anfang und Ende aller Dinge bezeichnet (vgl. Periphys. I, 402– 412 (PL 122, 451C – 452A). Periphys. I, 3156 – 3175 (PL 122, 515D – 516B)). Besonders deutlich betont Eriugena die Einheit erster und vierter Natur am Anfang des zweiten Buches des Periphyseon (Periphys. II, 65 – 79 (PL 122, 526C – 527A)).  Édouard Jeauneau fasst diesen Gedanken folgendermaßen zusammen, wobei er auch die Struktur des Periphyseon anhand von Hervorgehen und Rückkehr expliziert; Jeauneau 1991, 10 – 11: „The Periphyseon […] is entirely pervaded by these two themes of Processio/diuisio on one hand, and of Reuersio/adunatio on the other. Its plan itself follows faithfully this twofold movement. Books I, II, III and IV correspond to the movement of Procession: from the Nature which creates and is not created (Book I) to the Nature which is created and also creates (Book II), and then to the Nature which is created and does not create (Books III and IV). Book V is entirely dedicated to the theme of Return: it explains how all things revert to the Nature which neither creates nor is created.“ Die Einheit von Hervorgehen und Rückkehr verdeutlicht Eriugena selbst explizit (Periphys. II, add. 9, 61– 65 (PL 122, 529A)). Maßgeblich zur Explikation der Triadik Eriugenas ist ohne jeden Zweifel Werner Beierwaltes (bes. Beierwaltes 1985, 337– 367. Beierwaltes 1994. Vgl. auch Trouillard 1973, 98 – 113. Trouillard 1977, 349 – 356. Gersh 1978. Gersh 1990, 108 – 125). Zu Hervorgehen und Rückkehr sei an dieser Stelle auch auf Carlo Riccati verwiesen, der zudem einen Bezug von Eriugena auf Cusanus im Rahmen ihrer Schöpfungslehre zu etablieren versucht (Riccati 1983, bes. 13 – 25, 91– 110 und 123 – 136).  Halfwassen 2011, 140 – 141: „Eriugena integriert die Selbstvermittlung des Absoluten als Geist durch Schöpfung und Trinität in die Transzendenz des Überseins und hält damit die negativ-theologische Grundintuition des Platonismus konsequent fest, ohne die im Christentum begriffene Weltzuwendung des Absoluten zur Vorstufe herabzusetzen; diese erscheint vielmehr als das notwendige Implikat der Transzendenz selber. Eriugena vermag somit Platonismus und Christentum, Transzendenz und Weltzuwendung vollkommen zu vereinen. Ähnliches gilt für

1. Einleitung: Eriugenas Denken und sein Bezug zu Cusanus

135

sich aber der negative Selbstbezug des Absoluten bei Eriugena und kann dieser dieselben Funktionen erfüllen wie das cusanische ‚non aliud‘? Um nun diesen beiden Fragen nachzugehen, ist eine detaillierte Analyse von Eriugenas Gottesverständnis notwendig. Dabei muss gleich an dieser Stelle darauf verwiesen werden, dass Eriugena einerseits die Negativität des Absoluten – wie auch schon Proklos und Dionysios – besonders radikal formuliert hat, um so die vollkommene Transzendenz der ersten Natur gezielt herauszuarbeiten. Er etabliert damit eine negative Metaphysik – oder genauer: eine negative Henologie. Aber es zeigt sich andererseits auch bei ihm – wie schon bei Dionysios – eine gewisse Tendenz zur ‚Ontologisierung‘ Gottes.⁴⁶⁰ Dies gilt einerseits für die Trinität, die Eriugena insbesondere aus Rücksicht auf seine patristischen Quellen mit ontologischen Begriffen beschreibt. Nebenbei sei dabei auch auf die allgemeine Befürchtung der Forschung verwiesen, die absolute Negativität verhindere die für das Trinitätsdogma notwendige Relation.⁴⁶¹ Andererseits gilt die erwähnte ‚Ontologisierungstendenz‘ besonders im Rahmen der Prinzipfunktion Gottes. Diese wird von Eriugena – wie schon von Dionysios – mit affirmativen Begriffen umschrieben. Besonders Werner Beierwaltes hat darauf verwiesen, dass Eriugena die innertrinitarische Relation mit der affirmativen Beschreibung der Prinzipfunktion Gottes und der vierfachen Einteilung der Natur verknüpft: Die trinitarische Selbstexplikation und die in dieser Selbstexplikation geschaffenen Erstursachen entfalten so den Horizont für das Verständnis von der Schöpfung des sinnlich wahrnehmbaren Kosmos.⁴⁶² Eriugena lässt keinen Zweifel daran, dass die Erstursachen als ewige intelligible Gründe im Wort Gottes geschaffen wurden und die Bedingungen kreatürlicher Erscheinungen im sinnlich wahrnehmbaren Kosmos sind. Die entscheidende Frage des vorliegenden Kapitels ist aber, ob und wie

Cusanus: zumal für seine Denkfigur des „Nicht-Anderen“ als des dreifach-einigen negativen Selbstbezugs des überseienden Absoluten (non aliud est non aliud quam non aliud), das gerade durch seine Selbst-Ausgrenzung aus allem anderen alles Seiende in seiner Differenzstruktur ermöglicht, die es vom Nicht-Anderen zugleich unterscheidet und mit ihm verbindet; das NichtAndere ist darin der absolute, sich selbst begreifende Begriff (conceptus absolutus), dessen Inhalt aber kein bestimmbarer Seinsgehalt ist, auch nicht die Totalität aller Gehalte, sondern gerade die übersteigende Verneinung aller bestimmten Gehalte.“ Zur Beurteilung dieser These: s. unten, V.  Schon dadurch zeigt sich Dionysios zweifellos als eine von Eriugenas wichtigsten Quellen. Zu beachten ist aber dabei, dass Eriugena nicht bloß der Übersetzer von Dionysios war, sondern dessen Philosophie weiterentwickelt hat (Roques 1973, 59 – 77; hier 66 – 67. Vgl. Rorem 2005. Allard 1982, 89 – 96; hier 90).  Besonders hervorzuheben ist hierbei fraglos Kurt Flasch (Flasch 1971, 3 – 25; hier 16).  Beierwaltes 1985, 337– 367. Beierwaltes 1994, 115 – 158. S. dazu unten, IV.2.1. Zur Kritik s. unten, IV.3.3.

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IV. Johannes Scottus Eriugena

die Prinzipfunktion des Absoluten mit der Negativität des Absoluten verbunden werden kann und inwiefern der vermutete negative Selbstbezug in diesen Kontext einzuordnen ist. In der folgenden Diskussion soll daher zunächst der affirmative Aspekt der Prinzipfunktion Gottes und zentrale Begriffe von Eriugenas Kausalitäts- und Seins-Verständnis kurz erläutert werden (IV.2.1– 2). Darauf aufbauend sollen Möglichkeiten und Grenzen affirmativer und negativer Aussagen in Bezug auf das Absolute ausgelotet werden (IV.2.3). Vor diesem Hintergrund kann das Absolute selbst und die reine Negativität des Absoluten in den Blick genommen werden (IV.3.1). Erst im Anschluss kann zur Erörterung des negativen Selbstbezugs übergegangen werden (IV.3.2). Dabei soll der negative Selbstbezug auch intensiv im Hinblick auf die kreative Tätigkeit des Absoluten, das Verhältnis von Schöpfer und Geschöpf (IV.3.3) und schließlich im Rahmen der schwer verständlichen Dialektik von Transzendenz und ‚Immanenz‘ (IV.3.4) erörtert werden. Unabhängig davon, ob Eriugena einen negativen Selbstbezug des Absoluten im Sinne des cusanischen Nicht-Anderen gedacht hat, stellt sich die Frage, ob er auch als das historische Vorbild und mithin als die entscheidende Quelle für das cusanische Konzept vom Nicht-Anderen angesehen werden kann. Dabei kann zunächst einmal konstatiert werden, dass Cusanus wenigstens das erste Buch des Periphyseon intensiv gelesen hat. Diese Tatsache wird insbesondere durch Cusanus’ Marginalien zu diesem Buch belegt. Freilich konnte die Forschung bisher nicht nachweisen, dass Cusanus auch die restlichen Bücher des Periphyseon aus direkter Anschauung kannte. Allerdings kannte er die Clavis Physicae des Mönches Honorius Augustodunensis. Dieses Werk ist grundsätzlich nichts anderes als eine Paraphrase des Periphyseon. Cusanus hat es intensiv gelesen und mit zahlreichen Marginalien versehen.⁴⁶³ So hatte er über Honorius Zugang zu den Inhalten der restlichen Bücher des Periphyseon. Dass Cusanus in der Clavis Physicae selbst eine Paraphrase des Periphyseon gesehen hat, impliziert sein Brief an den Prior der mit Cusanus im engen Briefwechsel stehenden Mönche vom Tegernsee, Bernard von Waging, vom 09. September 1454.⁴⁶⁴ Darin bedankt er sich bei Bernard insbe-

 Lucentini 1979, 82. Vgl. Beierwaltes 1987, 312. Beierwaltes 1994, 267. Beierwaltes 2006, 218 – 219.  Vansteenberghe 1915, 150 – 151: „Ago gracias pro muneribus et maxime pro munusculo precioso, nam complectitur omnia quam breviter; puto ex Johanne Scotigena, qui primo transtulit Dyonisium tempore Karoli Magni, in libro Peri fiseos esse abstracta; memor sum me illa ibi ad litteram legisse.“ Edmond Vansteenberghe weist in seinem kritischen Apparat auf den Kommentar von Hugo von St. Victore zu Eriugenas Übersetzung der Mystischen Theologie von Dionysios hin (Vansteenberghe 1915, 151, Anm. 1). Cusanus scheint hier aber eher eine Kurzfassung des Periphyseon zu meinen. Zu denken ist hier also vor allem an die Clavis Physicae.

1. Einleitung: Eriugenas Denken und sein Bezug zu Cusanus

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sondere für die Übersendung einer Schrift, in der über Themen berichtet wird, die Cusanus schon bei Eriugena gelesen haben will. Darin kann man mit großer Wahrscheinlichkeit die Clavis Physicae sehen.⁴⁶⁵ Dass sich Cusanus der unübersehbaren Parallelen zwischen dem Periphyseon und der Clavis Physicae tatsächlich bewusst war, wird zudem dadurch angezeigt, dass er beide Werke in der Apologia doctae ignorantiae in einem Atemzug nennt.⁴⁶⁶ Plausibel ist daher die Annahme, Cusanus habe wenigstens den der Sache nach „identischen Charakter“ von Periphyseon und Clavis Physicae erkannt.⁴⁶⁷ Letztlich entdeckt Cusanus in beiden Werken jene höheren Lehren, die nach seiner eigenen Aussage unverständigen Lesern vorenthalten werden müssten. Speziell meint er damit nichts anderes als die „docta ignorantia“.⁴⁶⁸ Darüber hinaus wird Cusanus wohl spätestens bei der endgültigen Abfassung des negativen Selbstbezugs in De li non aliud um die innige geistige Verwandtschaft von Eriugena und Honorius gewusst haben: Denn Honorius gibt gerade die Stellen des Periphyseon in voller Länge und nahezu exakt wieder, in denen Eriugenas Vorstellungen des ‚nihil absolutum‘ und seiner Kreativität erläutert werden. Diese Passagen befinden sich hauptsächlich im dritten Buch des Periphyseon. Die Verwandtschaft beider Denker ist im Rahmen der Schöpfung aus dem Nichts und dem in diesem Zusammenhang erörterten Verhältnis von Schöpfer und Geschöpf kaum zu übersehen: So behauptet auch Honorius die ‚Identität‘ von Schöpfer und Geschöpf und verknüpft diesen paradoxen Gedanken gerade mit der Schöpfung aus dem absolut transzendenten Nichts und durch das absolut transzendente Nichts.⁴⁶⁹ Weil also Honorius Eriugenas Negationslogik auf diese Weise übernommen hat und Cusanus wiederum Honorius rezipierte, ist es mehr als wahrscheinlich, dass Cusanus entscheidende Anreize für sein Verständnis absoluter Negation aus Eriugenas Gedankenwelt adaptierte. Diese These hilft, ein bis heute ungelöstes Forschungsdesiderat zu erfüllen: Das „Theorem der Identität von Schöpfer und Geschöpf“ ist einerseits „in seiner Vielschichtigkeit im Zusammenhang mit dem Problem von Transzendenz und Immanenz genauer zu ana Beierwaltes 1987, 312, Anm. 5. Beierwaltes 1994, 267, Anm. 5.  Apol. (h 2II) n. 43, p. 29, 17. Dass Cusanus meint, der Autor der Clavis Physicae sei ein gewisser Theodorus, wird in der kritischen Ausgabe der Apologia als Missverständnis gedeutet (h 2 II, p. 29).  Beierwaltes 1987, 312. Beierwaltes 1994, 267. Vgl. Lucentini 1979, 81– 82.  Apol. (h 2II) n. 43, p. 29, 6 – 20.  Cl. Phys. 161, 1: „Deus et creatura idem.“ Cl. Phys. 65. 163. 165. 169 – 170. Demgegenüber sieht Dermot Moran das Verhältnis von Eriugena und Honorius kritischer: So glaubt er fälschlicherweise, Honorius habe paradoxe Formulierungen zur Beschreibung des Verhältnisses von Schöpfer und Geschöpf vermieden (Moran 1989, 275 – 276). Hierin folgt er Stephen Gershs Einschätzung (Gersh 1987, 162– 173; hier 172– 173).

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IV. Johannes Scottus Eriugena

lysieren“ und andererseits im Hinblick auf das Verhältnis von Eriugena und Cusanus zu erörtern.⁴⁷⁰

2. Ontologie und transzendente Negativität 2.1. Die „ontologische“ Selbstbestimmung des Absoluten Gemäß der vierfachen Einteilung der Natur bestimmt Eriugena die erste Natur (das Absolute) als kreative Aktivität: Denn das Absolute ist gerade die Natur, die schafft und nicht geschaffen wird. Deswegen ist nach Eriugena im Anschluss an Dionysios der überwesentliche bzw. überseiende Gott das gründende „Sein aller Dinge“.⁴⁷¹ Das Absolute avanciert so zum absoluten Grund oder zum Ausgangspunkt der ihm nachfolgenden kreativen Entfaltung des intelligiblen und sinnlich-kreatürlichen Kosmos. Diesen Akt der Entfaltung hat Werner Beierwaltes intensiv durchdacht.⁴⁷² Der Akt der kreativen Entfaltung ist für ihn die Selbstentfaltung des Absoluten: Nach Beierwaltes bestimmt sich das Absolute selbst im göttlichen Geist. Diese aktive Selbstbestimmung der ersten Natur in der zweiten Natur ist für ihn die Grundlage für die kreative Entfaltung des Kosmos, der dritten Natur. Werner Beierwaltes beschreibt in diesem Zusammenhang „Gott als Geist […] oder Einheit, die als Geist, Logos, Weisheit sich selbst denkt, und sich als ‚Ort der Ideen‘ creativ in die Welt entfaltet“.⁴⁷³ Mit den intelligiblen Ideen identifiziert Beierwaltes die sogenannten Erstursachen (primordiales causae).⁴⁷⁴ Gerade in diesem Gedanken

 Beierwaltes 1987, 322, Anm. 32. Beierwaltes 1994, 280, Anm. 32.  Periphys. I, 59 – 61 (PL 122, 443B); Hervorh. Ro: „Ipse [scil. deus] nanque om|nium essentia est, qui solus uere est, ut ait Dionysius Ariopagita: | ‚Esse enim‘, inquit, ‚omnium est super esse diuinitas‘.“ Vgl. De coel. hier. IV, 1, p. 20, 16 – 17 (PG 3, 177CD): „τὸ γὰρ εἶναι πάντων | ἐστὶν ἡ ὑπὲρ τὸ εἶναι θεότης.“ Genau diesen Gedanken an einen überwesentlichen Grund hat Eriugena gezielt ausgedeutet. Denn der Grund aller Dinge ist nicht einfach „essentia“ oder „esse“, sondern jenseits von Wesen und Sein: s. unten, IV.3.1– 3.  Beierwaltes 1985, 337– 367. Beierwaltes 1994, 115 – 158. Vgl. Bauchwitz 2005, 41– 48. Werner Beierwaltes’ Schriften decken nahezu das gesamte Themenspektrum von Eriugenas Denken ab. Dies dokumentiert seine 1994 publizierte Monografie zu Eriugena eindrucksvoll (Beierwaltes 1994).  Beierwaltes 1985, 349.  Beierwaltes 1985, 351. Die Erstursachen sind bei Eriugena in der Tat den intelligiblen Ideen der (neu‐)platonischen Tradition sehr ähnlich, insbesondere weil sie die Formen aller Dinge sind (Periphys. II, 134– 148 (PL 122, 529A – 529C)). Eriugena diskutiert die Erstursachen im zweiten, besonders aber über weite Strecken des dritten Buchs von Periphyseon (Periphys. II, 3141– 3191 (PL 122, 615D – 617A). Bes. Periphys. III, 133 – 576 (PL 122, 622B – 632D)). Werner Beierwaltes’ Deutung der Erstursachen als Ideen ist zugleich eine berechtigte Kritik an der Deutung Gangolf

2. Ontologie und transzendente Negativität

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der erfüllten Einheit entdeckt Beierwaltes das neuplatonische Konzept des Geistes. Eriugena aber übertrage, so Beierwaltes, dieses im Neuplatonismus dem seienden Einen vorbehaltene Konzept der Selbstbestimmung in origineller Weise auf das Absolute selbst.⁴⁷⁵ Die daraus resultierende Selbstaffirmation des Absoluten ist für Beierwaltes insgesamt ein prinzipimmanenter Übergang von Nichts in Etwas, die er als produktive Negation des Nichts interpretiert. Die Negation fundiere so einen Bestimmungsprozess der zunächst noch „unbestimmten Seinsfülle“. Aktives, selbst wirkendes Subjekt dieser Selbstnegation sei dieses Nichts selbst.⁴⁷⁶ Beierwaltes macht dabei deutlich, dass durch diesen Übergang aus Nichts in Sein unmittelbar auch die vierte Natur, die nach Eriugena nichts anderes als das Absolute selbst ist, realisiert werde: Die daraus resultierende Gleichzeitigkeit von Abstieg und Rückkehr sei das Fundament für die Aussage Eriugenas, dass das Absolute nicht aufhöre, über allem zu sein.⁴⁷⁷ Beierwaltes hält aber an der Nichtigkeit des Absoluten fest und kann so bestätigen, es könne aufgrund seiner „in-finitas“ nicht definiert oder geschaffen werden.⁴⁷⁸ Daher geht Beierwaltes von einer produktiven Selbstnegation des Absoluten aus.

Schrimpfs, der „Ideen“ und „Entstehungsgründe“ nicht identifiziert hat (Beierwaltes 1985, 349, Anm. 34. Vgl. Schrimpf 1982, 256 – 295). Gangolf Schrimpf stellt diesbezüglich auch fest, dass es für die „primordiales causae“ keine sprachliche Entsprechung in Eriugenas griechischen Quellen gebe (Schrimpf 1982, 261– 262). Dies kann aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass die (neu‐)platonischen Ideen in den entscheidenden Punkten mit Eriugenas Erstursachen übereinstimmen (Gregory 1969, 343 – 365. Trouillard 1973, 104. Moran 1989, 262– 268. Halfwassen 2000, 384. Halfwassen 2004a, 171– 172. Carabine 2000, 53 – 58. Vgl. auch Crouse 1998, 209 – 220). Zu kritischeren Stimmen: s. unten, IV.2.2, 147, Anm. 521.  Beierwaltes 1985, 354. Stephen Gersh hat das Konzept des ‚authypostaton‘ bei Eriugena ausführlich diskutiert, die Quellen dieses Konzepts erarbeitet und sogar die sachliche Nähe zu Proklos und Damaskios herausstellt (Gersh 1977, 367– 376. Gersh 1978, 125 – 137 und 181– 190). Nach Gersh übertragen Dionysios, Maximus und Eriugena das Konzept der selbstbezüglichen Aktivität auf das göttliche Wesen (Gersh 1977, 372– 376. Gersh 1978, 181– 188). Bei Eriugena – und dies sei eine Modifikation gegenüber Dionysios und Maximus – würde dem Selbstbezug die Bedeutung der Selbstschöpfung hinzugefügt (Gersh 1977, 375. Gersh 1978, 188 – 189). Mögliche Konsequenzen aus dieser Erweiterung deutet Gersh an. Sie sind aber alles andere als unproblematisch: Attribute des Schöpfers und Attribute der Kreatur würden miteinander vermischt, der Kontrast von Transzendenz und Immanenz verliere sich und Eriugenas Denken neige so dem Pantheismus zu (Gersh 1978, 188, Anm. 273). Diese Lesart trifft jedoch nicht die Pointe von Eriugenas Denken: s. dazu unten, vor allem IV.3.3 und V.  Beierwaltes 1985, 358.  Beierwaltes 1985, 362.  Beierwaltes 1987, 321. Beierwaltes 1994, 278. Beierwaltes 2006, 223, Anm. 29. Vgl. zum Ganzen Beierwaltes 1994, 180 – 203; hier 193 – 198. Eine Definition des Absoluten selbst widerspricht so für Beierwaltes der absoluten Negativität des Absoluten. Darin sieht er einen Unterschied zwischen Cusanus und Eriugena. Dass aber beide Denker von einem negativen Selbst-

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Genau dadurch glaubt Beierwaltes, die Originalität Eriugenas gegenüber dem Neuplatonismus aufzudecken.⁴⁷⁹ Denn er weist so das Absolute selbst – anders als im Neuplatonismus im Allgemeinen und bei Proklos und Dionysios im Speziellen – als tätiges Prinzip aus. Das an sich Unbestimmte wird durch die aktive „Selbstnegation der absoluten Negativität“ in die absolute Seinsfülle der Erstursachen überführt.⁴⁸⁰ Zentraler Gedanke dieser Selbstkonstitution ist, dass das Absolute so in sich die Erstursachen oder Ideen entfaltet und sich so erfüllt: In dieser sich selbst erfüllenden Selbstbestimmung ist die Welt für Beierwaltes im Modus eines „seienden Vorbegriffs der Vielfalt in der Einheit“ vorweggenommen.⁴⁸¹ Gerade so werde aus dem Absoluten der ersten Natur der göttliche Geist der zweiten Natur, der – analog zum neuplatonischen Geist – in sich selbst „unum multiplex“ sei.⁴⁸² Die Erstursachen werden damit in den Kontext der Schöpfung der dritten Natur eingeordnet: Sie sind die dem universalen Wesen des göttlichen Geistes immanent bleibenden Schöpfungsmittler. Grundintention von Beierwaltes hegelianisch anmutender Deutung der Selbstentzweiung des Absoluten und der damit einhergehenden Selbstexplikation des göttlichen Geistes ist letztlich die Lösung der Frage nach der Beziehung von absolutem und seiendem Einen.Werner Beierwaltes hat demnach mit der Selbstbestimmung des Absoluten eine Synthese von erster und zweiter parmenideischer Hypothesis, also von absolutem Einen und seiendem Einen versucht. Doch durch die These einer Selbstentzweiung droht letztlich die Ontologisierung des Absoluten. Es stellt sich aber die Frage, ob Eriugenas henologische Metaphysik diesem Ansinnen nicht zuwiderläuft. Aus diesem Grund sollen Eriugenas Ontologie und ‚Ousiologie‘ noch einmal näher betrachtet werden.

2.2. „Wesen“ und „Relation“ als Grundbegriffe der Ontologie Der Begriff „οὐσία“ und seine lateinischen Pendants „essentia“ und „esse“ nehmen eine zentrale Stellung in Eriugenas Diskussion der Schöpfung ein.⁴⁸³ Gerade

bezug und mithin von einer negativen Selbstbestimmung des Absoluten ausgegangen sind, wird hierbei von Beierwaltes völlig außer Acht gelassen.  Beierwaltes 1985, 360, Anm. 68.  Beierwaltes 1985, 359. Ob allerdings die kreative Tätigkeit des Absoluten in seiner Selbstnegation besteht, muss bezweifelt werden: s. dazu unten, IV.3.3 und V.  Beierwaltes 1985, 360.  Periphys. III, 2271 (PL 122, 674C). Vgl. Periphys. III, 983 – 992 (PL 122, 642CD).  Eriugena selbst macht deutlich, dass dem griechischen Ausdruck „οὐσία“ der lateinische Ausdruck „essentia“ entspreche (Periphys. I, 894– 896 (PL 122, 463A). Vgl. Periphys. I, 1885 –

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deshalb wird in der Forschung der Wesens- und Seinsbegriff als Begriff für den Grund aller Dinge, also für Gott gedeutet.⁴⁸⁴ Noch entscheidender ist aber, dass sich vor diesem Hintergrund die neuplatonische Geistmetaphysik als sachliche Entsprechung zu Eriugenas Wesensbegriff erweist. Denn Eriugena versteht unter dem göttlichen, universalen Wesen grundsätzlich nichts anderes als den Geist der neuplatonischen Tradition. Deshalb liegt die entscheidende Pointe von Eriugenas Wesensbegriff erstens darin, dass durch den Wesensbegriff Gott nicht einfach bloß als Grund aller Dinge, sondern dieser gerade als triadisch selbstbezügliche und kreative Tätigkeit in den Blick genommen wird. Gott ist nach Eriugena das einfache und universale Wesen aller Dinge (essentia omnium).⁴⁸⁵ In diesem Sinne ist das universale Wesen, wie bereits gezeigt, eine erfüllte Einheit, die die intelligiblen Gründe der dritten Natur, die sogenannten Erstursachen, in sich einfaltet. Letztlich hängt von dieser alles ab.⁴⁸⁶ Dabei ist die sich selbst denkende Aktivität des göttlichen Geistes einerseits und dessen kreatives Durchdenken der Ideen andererseits letztlich derselbe Akt des göttlichen Geistes. Das Wesen aller Dinge erscheint mithin als Totalität des intelligiblen und wahrhaften Seins, also als absolute Seinsfülle. Die absolute Seinsfülle ist aktiv in sich bewegt, legt sich in sich selbst aus und realisiert sich als Seinsfülle. Aus diesem Grund kann Eriugena sagen, dass das universale Wesen zugleich schöpferisch aktiv und von sich selbst geschaffen ist.⁴⁸⁷ Dabei unterliegt dieser Prozess der inneren Selbstentfaltung keineswegs Wandlungen, sondern ist gerade zeitfreier und mithin ewiger Akt. Eriugena versteht diesen als eigenen Akt des göttlichen Wesens. Wenn Eriugena Gott als Wesen aller Dinge bezeichnet, möchte er auf die kreative Aktivität Gottes hinweisen: Denn erstens legt Eriugena 1886 (PL 122, 486B). Periphys. I, 2728 (PL 122, 505C). Vgl. dazu auch die von Philippe Chevallier publizierten Gegenüberstellung der Dionysios-Übersetzungen, der Dionysiaca. Dazu auch Weiner 2007, 165 – 168). Der Wesensbegriff bei Eriugena scheint allerdings mehrere Bedeutungsvalenzen aufzuweisen. Diese Bedeutungsvielfalt führt John Marenbon auf Eriugenas Rezeption verschiedener ‚οὐσία-Konzepte‘ zurück. Marenbon geht dabei nicht davon aus, dass Eriugena diese Konzepte zu einem konsistenten System vereint hat (Marenbon 1980, 117– 134. Marenbon 1981, 67– 87).  Besonders intensiv vertritt Sebastian F. Weiner diese These (Weiner 2007. Vgl. Erismann 2002, 187– 215). In dieser Deutung wird aber vergessen, dass das Absolute bzw. der absolute Grund aller Dinge für Eriugena wesens- und seinstranszendent ist: s. unten, IV.3.1 und V.  Bes. Periphys. I, 59 – 60 (PL 122, 443B).  Vgl. Carabine 2000, 36 – 37. Erismann 2002, 204. John Marenbon nennt dieses universale Wesen durchaus treffend „Platonized ousia“ (Marenbon 1980, 126. Vgl. Halfwassen 1998a, 504). Das Abhängigkeitsverhältnis der Derivate von diesem Wesen beschreibt Eriugena vorzugsweise mit der Teilhabe (Periphys. I, 500 – 503 (PL 122, 454A). Periphys. III, 475 – 588 (PL 122, 630A – 633A)).  Vgl. Gersh 1977, 375. Gersh 1978, 188 – 189.

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den Begriff des Wesens im Ternar „essentia-uirtus-operatio“ aus. Diese drei Komponenten sind nicht etwa voneinander unterschieden, sondern bilden – analog zum neuplatonischen Geist – eine untrennbare Einheit. Das Wesen deutet er so zugleich als „uirtus“ und „operatio“.⁴⁸⁸ Eriugena verbindet diesen transzendentalen, ontologischen Ternar dabei mit der Trinität.⁴⁸⁹ Zweitens sieht er das göttliche Wort als „artifex“, in dem die Erstursachen vom Schöpfer kreativ durchdacht werden.⁴⁹⁰ Besonders eindringlich weist Eriugena aber auf die kreative Aktivität Gottes hin, wenn er konstatiert, dass die Schöpfung der Welt nicht zufällig geschieht. Die Vermutung des Alumnus, dass Gott ‚vor‘ der Schöpfung der Welt ‚war‘, suggeriert eine chronologische Sukzession oder eine ontologische Abfolge, die die Gefahr in sich birgt, die Schöpfung als akzidentiellen Akt zu begreifen, der dem Wesen Gottes nachträglich oder zusätzlich zukommt.⁴⁹¹ Daher hat Eriugena die Schöpfung durch Gott nicht unabhängig vom Wesen Gottes gefasst: Denn nach Eriugena sind „esse“ und „facere“ auch gar nicht unterschieden, sondern dasselbe.⁴⁹² Eriugena illustriert diese Identität auch anhand des Begriffs „θεός“, den er etymologisch von „θεωρῶν“ (Sehen) und „θέων“ (Laufen) ableitet.⁴⁹³ Die Kreativität Gottes beschreibt er in diesem Zusammenhang auch mit dem Begriffskonstrukt „motus stabilis | et status mobilis“.⁴⁹⁴ Damit ist Gott gerade aktives Prinzip. Interessanterweise gilt für Eriugena in diesem Zusammenhang, dass die Gründe aller Dinge, die Erstursachen, im „Wort Gottes“ einfach und unteilbar subsistieren.⁴⁹⁵ Daher kann Eriugena auch behaupten, dass die Erstursachen nicht nur ewig, einfach und unteilbar in Gottes Wort subsistieren, sondern sogar das göttliche Wort selbst sind.⁴⁹⁶ Daher sieht Gott auch nichts

 Periphys. I, 1883 – 1902 (PL 122, 486B – D) und Periphys. I, 2737– 2780 (PL 122, 505C – 507A). Für diese Triade und insbesondere zu ihrer sachlichen Verwandtschaft zum neuplatonischen Geist ist die Abhandlung Giulio d’Onofrios entscheidend (d’Onofrio 1990, 337– 366).  Marenbon 1980, 130. d’Onofrio 1990, 346 – 351. Costa Macedo 2006, 801– 826; hier 807– 809. Besonders ist in diesem Zusammenhang auf die umfangreiche und detaillierte Explikation des Trinitätsgedankens Eriugenas bei Werner Beierwaltes hinzuweisen (Beierwaltes 1994, 204– 261; bes. 218 – 261).  Periphys. II, 1590 – 1597 (PL 122, 577AB).  Periphys. I, 3213 – 3215 (PL 122, 517A).  Periphys. I, 3248 – 3260 (PL 122, 518A). Honorius übernimmt diese Argumentation (Cl. Phys. 65 – 66).  Periphys. I, 436 – 453 (PL 122, 452B – D).  Periphys. I, 446 – 447 (PL 122, 452C). Vgl. Periphys. I, 458 – 478 (PL 122, 453AB).  Periphyseon III, 225 – 237 (PL 122, 624BC).  Periphys. III, 896 – 905 (PL 122, 640CD). Periphys. III, 915 – 917 (PL 122, 641A); Hervorh. Ro: „His atque huiusmodi exemplis ac testimoniis in unum collectis | apertissime datur intelligi omnia in uerbo dei non solum aeterna, | uerum etiam ipsum uerbum esse.“ Dieser Gedanke taucht auch, wie gesehen, in Cusanus’ Werken auf.

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außerhalb seiner selbst, weil er in sich zugleich sich selbst und alle Dinge in ihrer intelligiblen Wahrheit sieht: Wie schon Plotin argumentiert Eriugena für die Identität von Sein und Denken im göttlichen Geist.⁴⁹⁷ Dieser weiß sich so im Wort positiv. Man kann also zunächst konstatieren, dass sich das göttliche Wesen selbst auslegt, indem es sich denkend auf sich und alle intelligiblen Urgründe bezieht. Die Tätigkeit des universalen göttlichen Wesens besteht dabei in seinem selbstreferenziellen Schöpfungsakt, in dem sich das Wesen selbst setzt und gerade darin Bedingung der Weltschöpfung ist. Für die intensive Diskussion der kreativen Tätigkeit Gottes bei Eriugena und Honorius Augustodunensis hat sich Cusanus besonders interessiert.⁴⁹⁸ Vor dem Hintergrund seiner Selbstentfaltung scheint der göttliche Geist als Selbst- und Universaldefinition beschrieben werden zu können.⁴⁹⁹ Bei Cusanus kann man insbesondere in den Schriften De visione dei und De principio ähnliche Überlegungen entdecken. Allerdings konnte oben gezeigt werden, dass Cusanus dieses ontologisch-affirmative Konzept der Selbst- und Universaldefinition in De li non aliud explizit negativ fasst und so letztlich als negativen Selbstbezug des Absoluten denkt, da das Absolute gerade mehr als Geist,Wesen und Sein ist. Eriugena hat mit diesem Konzept nun zwar die kreative Aktivität Gottes beschrieben, dabei aber auf ontologische Strukturen zurückgegriffen: Denn es ist unbedingt darauf zu achten, dass Eriugenas Gedanken das Konzept des neuplatonischen Geistes sachlich treffen. Vor diesem Hintergrund wird eine zentrale ontologische Kategorie Eriu-

 Periphys. II, 1054– 1055 (PL 122, 559AB): „In|tellectus enim omnium essentia omnium est.“ Dazu Clarke 1982, 109 – 127; hier 117.  Cusanusmarg. (PL 122, 518A); MFCG 3, 99: „nota: facere et esse dei sunt idem“. Cusanusmarg. (PL 122, 518A); MFCG 3, 99: „quid facere dei“. Cusanusmarg. (PL 122, 505D); MFCG 3, 97: „essencialis trinitas, essentia, virtus, operatio“. Dass Gott nicht ‚vor‘ seinem Schöpfungsakt ‚war‘, hat Cusanus in der Clavis Physicae annotiert; Cusanusmarg. 80 (Cl. Phys. 132, 13 – 16); Lucentini 1979, 100: „quomodo Deus non fuerit prius quam creaturam conderet“. Die von Eriugena verwendeten Begriffe des kreativen Sehens und der stehenden Bewegung hat Cusanus ebenfalls übernommen: Cusanusmarg. (PL 122, 452D); MFCG 3, 88: „currere et videre in deo idem“. Cusanusmarg. (PL 122, 453A); MFCG 3, 88: „quid motus dei sit“. Auch bei Honorius entdeckt Cusanus äquivalente Aussagen; Cusanusmarg. 9 (Cl. Phys. 17, 11– 12); Lucentini 1979, 85: „quomodo Deus nihil extra se vide‹t›“. Cusanusmarg. 10 (Cl. Phys. 18, 5 – 8); Lucentini 1979, 85: „quis cursus vel status Dei“. Auch in den kritischen Ausgaben der Werke Cusanus’ und insbesondere in De visione dei wird intensiv auf Eriugena verwiesen. Vgl. Riccati 1983, 35 – 36. Beierwaltes 1987, 319 – 328. Beierwaltes 1994, 279 – 287. Beierwaltes 2006, 223 – 224. D’Amico 2011a, 102– 104. Nicht verschwiegen werden soll, dass auch Dionysios als Quelle der etymologischen Deutung von „θεός“ im Sinne von „Sehen“ angesehen werden kann (H 12, 206. Vgl. Cusanusmarg. 568; Baur 1941, 111).  Vgl. Moran 1989, 212– 240; bes. 236 – 238.

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genas klar herausgearbeitet: die Relation. Allerdings negiert Eriugena die Relation bezüglich des Absoluten mit aller Entschiedenheit. Schon Kurt Flasch hat eindrucksvoll gezeigt, dass Eriugena die Relation rehabilitiere.⁵⁰⁰ Eriugena gehe nicht nur von einer akzidentiellen Relation bzw. einer „relatio extra usia“, sondern auch von einer wesenhaften bzw. einer substanzialen Relation aus.⁵⁰¹ Dementsprechend konnte Jens Halfwassen konstatieren, dass Eriugena die aristotelische Kategorienlehre in ihr ursprüngliches platonisches Fundament reintegriere. Denn Eriugena, so stellt Halfwassen fest, bestimme die zehn Kategorien als „höchste Gattungen“ (universalia genera bzw. μέγιστα γένη).⁵⁰² Das Wesen ist für Eriugena grundsätzlich die erste der zehn Kategorien. Noch über dieser allgemeinen Gattung sind die „höheren Gattungen“, Ruhe und Bewegung, anzusetzen. Auch diese können noch unter dem „genus generalissimum“, der „universitas“, subsumiert werden.⁵⁰³ Das Wesen fällt dabei unter die Ruhe.⁵⁰⁴ Allerdings ist dies nicht Eriugenas letztes Wort. Denn mithilfe der Kategorie der Relation kommt dem Wesen trotz seiner Ruhe auch eine gewisse Bewegung zu. Denn eine strikte Dichotomie von Ruhe und Bewegung hat Eriugena in dieser Ausschließlichkeit gar nicht vertreten. Die Relation ist keineswegs bloß Akzidenz. Bemerkenswert ist, dass Eriugena die spezifische Differenz eines Wesens gerade nicht über die Akzidenzien erklärt.⁵⁰⁵ Die Relation geht durch alle Kategorien hindurch, ist also eine universale Kategorie und mithin für das universale Wesen und für alle Wesenheiten und Kategorien überhaupt maßgeblich.⁵⁰⁶ Um die Bedeutung der Relation für Eriugenas Wesensbegriff einsichtig zu machen, ist besonders auf die Selbstentfaltung Gottes im universalen, göttlichen

 Flasch 1971, 3 – 25; bes. 7– 14. Vgl. dazu Beierwaltes 1994, 256 – 261. Halfwassen 1998a, 504– 505.  Flasch 1971, 9. Aufbauend auf Kurt Flaschs Thesen hat Dirk Ansorge die Relationstheorie von Eriugena auf zwei Aspekte reduziert: Im Bereich des Intelligiblen sei die Relation substanziell bzw. wesenhaft, im Bereich des Vergänglichen und Veränderlichen sei die Beziehung akzidentiell (Ansorge 1996, 124– 126). Vgl. dazu Periphys. I, 1268 – 1269 (PL 122, 471D – 472A): „In ipsa uero OYCIA relatio | est, cum genus ad speciem refertur et species ad genus.“  Halfwassen 1998a, 504. Jens Halfwassens Ausführungen sind auch für die folgende Diskussion maßgeblich.  Periphys. I, 1154– 1157 (PL 122, 469AB).  Periphys. I, 1149 – 1150 (PL 122, 469A).  Sebastian F. Weiner sieht darin wohl zu Unrecht ein Problem (Weiner 2007, 176). Auch Christoph Erismann hat die Individuation über die Materie zu erklären versucht (Erismann 2005, 19 – 46; hier 24– 27).  Nach Kurt Flasch ist Kategorie der Relation für Eriugena die „dunkelste“ wegen ihrer „außerordentlichen Weite“. Es gäbe kaum eine Kategorie, in der die Relation nicht sei. Eriugena fasst die Relation nach Flasch so als Kategorie der Kategorien. Damit können sie allen anderen Kategorien vorgeordnet werden (Flasch 1971, 7– 8).

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Wesen zu achten. Die beschriebene Entfaltung der Erstursachen bleibt dem universalen Wesen selbst immanent, löst aber dabei die Einheit dieses Wesens nicht auf. Die Erstursachen sind zwar in Ewigkeit gemacht, geformt und geschaffen, dennoch werden sie im Wort als intensive Einheitsform gedacht: Die Erstursachen sind für Werner Beierwaltes „viele“ und „voneinander unterschieden“, allerdings ist diese Unterschiedenheit kein „kategorial faßbares Auseinander“.⁵⁰⁷ Das Wesen aller Dinge bleibt somit „höchstmögliche Einheit“.⁵⁰⁸ Erkennbar wird dabei aber, dass diese Einheit keine völlig unbezügliche oder unbewegte Einheit ist, die Vielheit und Differenz überhaupt nicht zulässt. Dies lässt sich anhand der Selbstentfaltung des universalen Wesens näher explizieren: Ausgangs- und Endpunkt der Selbstentfaltung ist nichts anderes als das universale Wesen: Es entfaltet sich in diesem Entfaltungsprozess in seine Subdivisionen und kehrt zugleich zu sich selbst zurück.⁵⁰⁹ In diesem Zusammenhang ließe sich das universale Wesen auch als allgemeinste oder höchste Gattung bezeichnen.⁵¹⁰ Der Selbstbezug des universalen Wesens wird von Eriugena mithilfe der Relation expliziert. Jens Halfwassen beschreibt diese Dialektik paradigmatisch: Weil das allgemeine Art-Eidos als ganzes und einheitliches unzerteilt in den an ihm teilhabenden Individuen ist und die Individuen selber im Eidos ungeteilte Einheit sind, so ist das Eidos nichts anderes als die Einheit der Individuen, und diese sind nichts anderes als die Vielheit des Eidos.⁵¹¹

Die höchste Gattung bleibt bei diesem Prozess von Hervorgehen und Rückkehr unbeschadet eine Einheit und ist dabei als Ganzes sowohl in sich als auch in allen Subdivisionen.⁵¹² Damit ist das Wesen auch überall gleichermaßen präsent.⁵¹³

 Beierwaltes 1985, 355.  Beierwaltes 1985, 353.  Periphys. I, 1295 – 1305 (PL 122, 472C): „Num ΟΥCΙΑ in generibus generalissimis | et in generibus generalioribus, in ipsis quoque generibus eorum|que speciebus, atque iterum specialissimis speciebus, quae | atoma (id est indiuidua) dicuntur uniuersaliter proprieque con|tinetur? | A. Nil aliud esse uideo, in quo naturaliter inesse ΟΥCΙΑ pos|sit, nisi in generibus et speciebus a summe usque deorsum des|cendentibus, hoc est a generalissimis usque ad specialissima (id | est indiuidua) seu reciprocatim sursum uersus ab indiuiduis ad | generalissima; in his enim ueluti naturalibus partibus uniuersalis | ΟΥCΙΑ subsistit.“  Halfwassen 1998a, 504.  Halfwassen 1998a, 504. Vgl. Flasch 1971, 11.  Periphys. I, 1269 – 1279 (PL 122, 472A): „Genus | enim speciei est genus, et species generis est species. Habitus | quoque et extra OYCIAN et intra reperitur, ut armatum, indutum | secundum corpus dicimus. Habitus uero OYCIAE generis aut | speciei est uirtus ipsa immobilis, per quam genus dum per spe|cies diuiditur in se ipso semper unum indiuiduumque permanet | et totum in speciebus singulis et singulae species in ipso unum | sunt. Eadem uirtus et in specie perspicitur

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Hervorgehen und Rückbeziehen sind also die dem Wesen selbst innerlich bleibenden Aspekte seiner Selbstbezüglichkeit.⁵¹⁴ Die universale „οὐσία“ bleibt trotz ihrer Einteilung eine Einheit und ist damit – anders als Zusammengesetztes – unvergänglich.⁵¹⁵ Das Wesen bezieht sich als das Ganze des intelligiblen Seins in allen seinen Subdivisionen auf sich selbst: Seine Selbstunterscheidung in Gattungen, Arten und Individuen ist so zugleich seine „Rückkehr in die Einheit“.⁵¹⁶

quae, dum per nume|ros diuidatur, suae indiuiduae unitatis inexhaustam uim custodit, | omnesque numeri in quos diuidi uidetur in infinitum in ipsa fi|niti unumque indiuiduum sunt.“ Periphys. I, 2149 – 2155 (PL 122, 492C): „At | uero ΟΥCΙΑ, quamuis sola ratione in genera sua speciesque nu|merosque diuidatur, sua tamen naturali uirtute indiuidua perma|net ac nullo actu seu operatione uisibili segregatur; tota enim si|mul et semper in suis subdiuisionibus aeternaliter et incommu|tabiliter subsistit omnesque subdiuisiones sui simul ac semper in | se ipsa unum inseperabile sunt.“ Eriugena deutet dabei an, dass der Hervorgang der Gattung in ihre Arten auch als eigene Tätigkeit der Gattung gedeutet werden kann. Dabei entzweit sich die Gattung freilich nicht; Periphys. I, 1281– 1283 (PL 122, 472AB): „Genera quoque et species ipsius | OYCIAE, cum se in diuersas species numerosque multiplicant, | agere uidentur.“ Diese an die neuplatonische Geistmetaphysik gemahnenden Aussagen werden von Eriugena durch die Aufhebung der Unterscheidung von „subiectum“ und „de subiecto“ vorbereitet (Periphys. I, 1224– 1245 (PL 122, 470D – 471B)).  Eriugena gebraucht dabei ein instruierendes Beispiel; Periphys. I, 2132– 2134 (PL 122, 492A): „Et ut exemplis utamur, ΟΥCΙΑ non est maior in omnibus | hominibus quam in uno homine, nec minor in uno homine quam | in omnibus hominibus.“  Vgl. Periphys. II, add. 9 (PL 122, 528C – 529A). Im Hinblick auf die soeben erwähnte Ergänzung (addendum 9) ist kurz auf die These Édouard Jeauneaus hinzuweisen, dass die zahlreichen Ergänzungen zum zweiten Buch des Periphyseon womöglich nicht von der Hand Eriugenas stammen (Jeauneau 2001, 113 – 153). Aus diesem Grund fügt er sie in der kritischen Ausgabe dem Haupttext als Ergänzungen an. Speziell diese Ergänzung aber widerspricht Eriugenas Thesen zur Entfaltung des universalen Wesens nicht (vgl. generell d’Onofrio 2008, 186, Anm. 89).  Periphys. I, 2024– 2065 (PL 122, 489C – 490C).  Halfwassen 1998a, 504. Hierin treffen sich offenbar Eriugena und Plotin (Halfwassen 1998a, 507, Anm. 114). Plotin denkt das Sein als sich selbst vermittelnde Tätigkeit. Die sich selbst setzende Tätigkeit des Geistes bei Plotin hat Jens Halfwassen in instruierender Kürze beschrieben; Halfwassen 2004a, 68: „Plotin denkt das Sein […] selbst als reine oder absolute Tätigkeit, die sich selbst setzt, indem sie sich zu sich selbst vermittelt. Kraft seiner tätigen Selbstvermittlung ist das Sein selber Geist und Denken. Das Sein ist also nicht bloß das Gedachte des Geistes, sondern es ist in sich selbst Geist. Denken (noêsis) ist nicht bloß die subjektive Erfassung eines Seins, das ihm als Objekt gegenübersteht, sondern eigentlicher der tätige Selbstvollzug des Seins selber, dessen eigene Tätigkeit.“ Damit knüpfe Plotin an Platon, insbesondere aber an den Sophistês und den Parmenides an. Deshalb ist Platon die Hauptquelle für Plotins Explikation der „tätigen Selbstvermittlung“ des Seins; Halfwassen 2004a, 69 – 71; hier 71: „Das Sein ist Geist, weil es Tätigkeit ist, und zwar die Tätigkeit der Selbstentfaltung und Selbstvermittlung. Dabei legt Plotin den Akzent darauf, daß das Sein durch seine Selbstentfaltung in die Ideen zu sich selbst als Einheit zurückkehrt. Die Einheit des Seins, das seiende Eine, ist darum nicht bloß der

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Eriugena weist in diesem Zusammenhang auch explizit auf die Trinität hin. Er versteht die Trinität – im Rückgriff auf das Johannes-Evangelium – hauptsächlich als untrennbare Einheit, die aber Vielheit und Differenz nicht einfach von sich ausschließt.⁵¹⁷ Das universale Wesen, die zweite Natur, ist also eine Einheit in Vielheit, wobei die Vielheit die Einheit des Ganzen nicht zerstört. In dem dem Wesen selbst immanent bleibenden triadischen Prozess von Hervorgang, Rückkehr und verbleibender Einheit wird die Relationalität des universalen Wesens offensichtlich: Damit bezieht sich die zweite Natur – wie schon die Idee des Seins in Platons Sophistês oder der absolute Geist bei Plotin – auf sich selbst und ist mithin als Selbstbezug definiert. Dieser Selbstbezug vollzieht sich dabei an ihren Subdivisionen. Darüber hinaus kann sich die Gattung ohne ihre Arten gar nicht zu sich selbst verhalten. Arten bzw. Subdivisionen sind für Eriugena notwendige Komponenten der höheren Gattung. So kann er sogar sagen, dass unter der Voraussetzung der Auflösung der Arten auch die Gattung zerstört würde. Daher werde die Gattung in den Arten bewahrt.⁵¹⁸ Auch Grund und Effekt sind relationale Begriffe, die nur zusammen bestehen können.⁵¹⁹ Das göttliche Wesen ist mithin analog zur Viel-Einheit (ἕν-πολλά) der plotinischen Geisthypostase oder zur „dynamischontologische[n] Identität“ des Seins bei Proklos gerade als „unum multiplex in seipso“ zu verstehen.⁵²⁰ Der Geist ist also „höchstmögliche Einheit“ in und trotz „bewahrter Differenz“.⁵²¹

Grund aller anderen Ideen, die es durch seine Entfaltung hervorbringt, sondern es enthält die anderen Ideen als seine eigenen Bestimmungsmomente in sich, die in ihm untrennbar zusammengehören.“  Beierwaltes 1994, 225.  Periphys. III, 4983 – 4984 (PL 122, 737B): „Genus enim in suis speciebus sal|vatur, et species in genere“.  Vgl. Periphys. V, add. 5, 24– 27 (PL 122, 912B).  Vgl. Beierwaltes 1985, 351– 355. Der Begriff „dynamisch-ontologische Identität“ für das Sein bei Proklos stammt von Werner Beierwaltes (Beierwaltes 1979, 35; vgl. 50). Die Verwandtschaft der neuplatonischen Geisthypostase zum göttlichen Geist bei Eriugena hat auch Tullio Gregory intensiv und überzeugend ausdiskutiert (Gregory 1969, 343 – 365).  Beierwaltes 1994, 209; vgl. 261. Auf mögliche Probleme der Deutung der Erstursachen als die intelligiblen Ideen der (neu‐)platonischen Tradition hat William Norris Clarke hingewiesen (Clarke 1982, 109 – 127; hier 115 – 120. Vgl. Weiner 2007, 115 – 118 und 202– 208). Dass die Erstursachen aber im Wort als Wesenheiten bestehen und in dieser Einheit nicht voneinander separiert, sondern eine intensive Einheit bilden und mithin alle in allen sind, weist auf die Geisthypostase des Neuplatonismus hin. Erwähnenswert ist darüber hinaus, dass Jean Trouillard im Zusammenhang mit den Erstursachen auch auf die „πρωτουργοὶ αἴτιαι“ und damit auf die Henadenlehre von Proklos hinweist (Trouillard 1976, 15 – 39 ; hier 17. Vgl. Trouillard 1973, 106). Diese sind in intensiver Form alle in allen, wobei sie aber gleichwohl viele sind (Bechtle 1999,

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Für Eriugena ist darüber hinaus jedes Wesen in Ruhe und Bewegung: Jedes Wesen ist nach Eriugena eine „Zusammensetzung“ aus der „essentia“ und der „differentia essentialis“.⁵²² Den Ausdruck ‚Zusammensetzung‘ nimmt Eriugena allerdings zurück, denn er betont, dass jedes Wesen eine einfache und unteilbare Einheit sei. Nun scheinen sich demnach Gattung und Art in jedem Wesen so wechselseitig zu durchdringen, dass ihre Koinzidenz im Wesen des Einzelseienden gerade das Wesen dieses Einzelseienden ausmacht. Dadurch kann jedes Wesen einerseits von anderen Wesen derselben Art und andererseits von allen anderen Wesensformen, welcher Art oder Gattung auch immer sie angehören, abgegrenzt werden.⁵²³ Unter dieser Voraussetzung sind alle Wesenheiten nicht einfach bloß gesetzt (posita), sondern wesentlich als ‚opposita‘ bestimmt. Jedes Wesen ist also in Ruhe, weil seine Einheit unzerstörbar ist. Es ist aber auch in Bewegung, weil es aufgrund seiner eigenen spezifischen Differenz, die zu seinem Wesen gehört und mithin seine Identität ausmacht, in einer Beziehung zu anderen Wesen steht.⁵²⁴ Jedes Wesen ist daher die Einheit von Identität und artspezifischer Differenz.⁵²⁵

358 – 391. Cürsgen 2007b, 74– 83 und 232– 235). Immerhin stehen sie dem Absoluten näher als intelligible Ideen. Dennoch sind sie letztlich nicht das Absolute. An dieser letzten ‚Differenz‘ hält auch Eriugena fest, denn das Wort Gottes, also die gesamte Ousiologie ‚folgt‘ dem Absoluten ‚nach‘. Das Absolute selbst bleibt jenseits aller ontologischen Formeln.  Periphys. I, 2030 – 2038 (PL 122, 489D – 490A). Diese Stelle wurde von Cusanus mit der Bemerkung „composicio ουσια“ versehen (Cusanusmarg. (PL 122, 489D); MFCG 3, 92). Dieses ‚zusammengesetzte‘ Wesen ist für Eriugena einfach und unzerstörbar. Genau diesen Gedanken hat Cusanus auch annotiert (MFCG 3, 92 und 93).  Dass der Mensch aber die Wesenheiten und das universale Wesen nicht erkennen kann (vgl. dazu Piemonte 1985, 19 – 41), widerspricht dieser Deutung nicht. Für Eriugena ist jede Wesenheit an sich unerkennbar. Sachlich ist hierbei vor allem an Cusanus’ Begründung für die Unmöglichkeit, Wesenheiten an sich erkennen zu können, hinzuweisen: Wir können die Wesenheit(en) nicht an sich erkennen, weil wir sie nur nachvollziehen, nicht aber schaffen. Denn wahrhaftes Wissen ist kein nachvollziehendes Wissen, zumal wahres Wissen und Schaffen für Eriugena und Cusanus, wie gezeigt werden konnte, dasselbe sind. Was nun etwas ist, entzieht sich somit der menschlichen Erkenntnisfähigkeit. In diesem Zusammenhang sollte auch der negative Aspekt des Menschen beachtet werden (McGinn 1977, 315 – 325. Vgl. Otten 1999, 438 – 455). Zur Anthropologie Eriugenas insgesamt vgl. Otten 1991.  Eriugena expliziert die Relationalität von Wesenheiten, besonders von Gattungen, Arten und Individuen in Periphys. I, 1328 – 1343 (PL 122, 473BC). Kurt Flasch hat daher festgestellt, dass man die Bezüglichkeit der Wesenheiten bzw. die Bezüglichkeit als wesentliche Eigenschaft der Wesenheiten bereits voraussetzt, wenn man nach Gattung und Art definiert (Flasch 1971, 8 – 9). Auch Jean-Claude Foussard hat dies erkannt; Foussard 1986, 120 – 148; hier 122: „Poser la question ‚qu’est-ce que‘ (quid), c’est demander une définition de l’objet. Mais définir, c’est déterminer un être, c’est-à-dire le poser d’emblée dans une multiplicité qui l’englobe, en faire un être parmi d’autres êtres, avec lesquels il fait nombre, et dont il se distingue par sa définiton, par les limites qui l’enserrent.“ Damit kann das Wesen erst über die Relation gedacht werden. Eine

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Dieser Gedanke lässt sich insbesondere auf Eriugenas Kategorien übertragen: [A]ls Denkbestimmungen gehen sie durcheinander hindurch (‚omnia in omnibus‘) und bestimmen sich so wechselseitig.⁵²⁶

Eriugena bezieht demnach Ruhe und Bewegung auf alle Kategorien, weil sie in ihrer wechselseitigen Durchdringung zugleich in Ruhe und Bewegung sind. Ein Wesen ist als Koinzidenz von Identität und spezifischer Differenz zu fassen, weswegen diese beiden Komponenten gerade nicht voneinander isolierbar sind. Die von Eriugena angesprochene, aber bloß scheinbare ‚Zusammengesetztheit‘ der Wesen aus Gattung und artspezifischer Differenz ist nur Produkt des erkennenden Geistes. Eigentlich ist kein Wesen im eigentlichen Wortsinn ‚zusammengesetzt‘, sondern in sich eine untrennbare Einheit von Identität und Differenz, die in ihrer

unbezügliche Substanz ist also nach Eriugena undenkbar. Jedes Seienden hat also relationales Sein. Dieses aber kann das Wesen an sich nicht entschlüsseln, da die Relation die Erkenntnis des Wesens von Anderen, also von Verhältnissen abhängig macht. Das heißt nicht, dass die Relation etwas Akzidentielles an den Substanzen wäre. Jedes Wesen ist vom Absoluten als es selbst geschaffen. Dieses Wesen liegt damit vor unserem denkenden Nachvollzug. Zwar mag die Relation dem Wesen eines Seienden eingeschrieben sein. Dennoch bleibt der Nachvollzug des Wesens durch seine Beziehungen zu Anderen etwas, was dem Wesen des Seienden (als das es vom Absoluten und nur vom Absoluten geschaffen wurde) äußerlich bleibt. Eriugena versteht unser Denken im Sinne Platons als „Bezüglich-Setzen konträrer Grundbestimmungen“. So sei die „Autarkie isolierter Bestimmungen“ für Eriugena „nur Schein“. Daher ist die Relation in allen anderen Kategorien, auch in der Substanz (Flasch 1971, 11). Aus diesem Grund wird auch die Unterscheidung von „de subiecto“ und „subiectum“ aufgehoben (dazu Flasch 1971, 11. Halfwassen 1998a, 504. Weiner 2007, 115 – 118).  Dies wirft auch Licht auf Eriugenas Einteilung der „natura“ in „ea quae sunt“ und „ea quae non sunt“ am Anfang des Periphyseon (Periphys. I, 1– 10 (PL 122, 441A). Sebastian F. Weiner übersetzt diese beiden Begriffe korrekt mit „Seiende“ und „Nicht-Seiende“ (Weiner 2007, 33 – 35. So auch Piemonte 1986, 81– 113). Es scheint sinnvoll zu sein, diese beiden Aspekte als „Aussageweisen“ und nicht als Arten der Gattung „natura“ zu verstehen (Weiner 2007, 35– 38). Denn letztlich ist jedes Seiende als Seiendes auch immer ein relationales Nicht-Seiendes. Weniger zutreffend ist demgegenüber die Deutung Gangolf Schrimpfs (Schrimpf 1982, 149 – 152. Schrimpf 1989, 113 – 151).  Halfwassen 1998a, 504. Jens Halfwassen kann durch diese wechselseitige Durchdringung intelligibler Kategorien auch die Entstehung der Materie erklären: Während Substanz, Relation, Ort, Zeit, Tun und Leiden sinnlich unerkennbar blieben, gingen die anderen vier Kategorien durch eine wunderbare Vereinigung in den sichtbaren Stoff über. Der Stoff sei so nichts anderes als der „concursus“ bestimmter Kategorien. In der Wesenheit selbst aber seien alle kategorialen Bestimmungen keine Akzidenzien, sondern mit der Wesenheit identisch: Dort seien sie sich wechselseitig durchdringende substanziale Gattungen und Arten. Diese Wesenheit bleibe so an sich rein intelligibel (Halfwassen 1998a, 504– 505). Eriugena braucht demnach weder Materie noch Akzidenzien, um die Individuation der Einzelseienden zu erklären.

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wechselseitigen Durchdringung dieses Wesen gerade ausmachen.⁵²⁷ Diese Koinzidenz kann behauptet werden, auch wenn Eriugena – wie schon Plotin vor ihm – an der Wesenheit als Seinsfundament aller Kategorien und mithin auch der Kategorie der Relation festhält.⁵²⁸ Damit werden ‚essentia‘ und ‚relatio‘ insgesamt zu Grundbegriffen der Individuation. Mit dem Aufweis der Verwandtschaft neuplatonischer Geistmetaphysik und Eriugenas Konzept des universalen göttlichen Wesens wird erkennbar, dass Eriugena Gott durchaus ontologisiert. Genau deshalb kann er auch die Trinität denken: Nur so ist es ihm möglich, die für innergöttliche Relation notwendigen Strukturen in das göttliche Wesen zu integrieren, ohne dabei freilich die Einheit Gottes zu zerstören. Auch wenn Eriugenas Aussagen zur Relation eher die Form eines Exkurses haben, wird doch das Fundament von Eriugenas Ontologie- und Wesensbegriff durch die Relation grundgelegt.⁵²⁹ Kurt Flaschs Einschätzung zur Rezeption dieses Gedankens durch Cusanus ist dabei durchaus korrekt: Cusanus entdecke in Eriugenas Relationsbegriff und insbesondere im „motus stabilis et status mobilis“ seine Koinzidenzlehre.⁵³⁰ Damit ist aber noch immer nicht die besonders mit Blick auf Cusanus und seine Eriugenarezeption wichtige Frage beantwortet, ob sich die absolute Selbstbestimmung bei Eriugena nur oder ausschließlich als positive Selbstentfaltung und damit als Selbstentzweiung und Selbstunterscheidung des Absoluten begreifen lässt. Muss das Absolute aus seiner Negativität in die Positivität hinabsteigen, um sich selbst als Selbst- und Universaldefinition zu bestimmen? Ontologisiert sich also das Absolute notwendigerweise durch seine Selbstbestimmung? ⁵³¹

 Periphys. I, 2030 – 2038 (PL 122, 489D – 490A). Periphys. I, 2149 – 2155 (PL 122, 492C). Ganz ähnlich äußert sich, wie gesehen, Plotin. Dieser hebt die unzertrennbare Einheit der obersten Wesenheit, die alles umfasst, hervor. Sie wird nur gedanklich zerteilt, bleibt aber eine Einheit (Enn. III, 3, 1, 8 – 27 und Enn. VI, 2, 3, 20 – 32).  Halfwassen 1998a, 504.  Flasch 1971, 14– 16.  Flasch 1971, 20.  Im Hintergrund steht dabei die Frage, ob Kurt Flaschs Einschätzung der negativen Theologie bei Eriugena korrekt sein kann. Nach Flasch drohe die negative Theologie neuplatonischer Prägung eine Relationstheorie zu verschlingen (Flasch 1971, 16). Demnach annotiere Cusanus gerade jene Passagen von Eriugenas Diskussion der Relation, die auf die Überwindung der negativen Theologie hindeuteten (Flasch 1971, 20). Dieser Einschätzung Flaschs muss man aber keineswegs folgen: Schon im Hinblick auf die cusanische Spätschrift De li non aliud konnte gezeigt werden, dass negative Philosophie die Relation nicht einfach ausschließen muss. Auch bei Eriugena scheint die negative Theologie nicht diesen ihr von Flasch zugesprochenen destruktiven Charakter zu besitzen.

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Das entscheidende Problem einer Ontologisierung des Absoluten ist, dass Eriugena den Wesensbegriff und den Relationsbegriff vom Absoluten mit aller Entschiedenheit negiert.⁵³² Obwohl er also die Transzendenz und Negativität des Absoluten betont, begreift er es dennoch als aktives Prinzip: So kommt es zu der zunächst paradox anmutenden Situation, dass Eriugena das Absolute selbst nicht mit dem Wesensbegriff bezeichnet, wenngleich er mit dem Wesensbegriff gerade die kreative Tätigkeit Gottes expliziert. Scharfsinnig fragt Sebastian F. Weiner daher danach, wie Eriugenas Aussagen über Gott als Wesen aller Dinge mit der absolut transzendenten Überwesentlichkeit des Absoluten in Verbindung zu bringen seien. Leider gibt er selbst darauf keine Antwort.⁵³³ Es spricht aber einiges dafür, dass Eriugena beim trinitarisch-ontologischen Selbstaufschluss Gottes nicht einfach stehen geblieben ist.⁵³⁴

2.3. Die absolute Harmonie von Affirmation und Negation Eriugenas Hauptwerk ist von Anfang an und durchgehend von einer Dialektik affirmativer und negativer Aussagen durchzogen. Wie bereits erwähnt, unterteilt Eriugena gleich zu Anfang des Periphyseon den Begriff „natura“ in Seiendes und Nicht-Seiendes, also in „ea quae sunt“ und „ea quae non sunt“.⁵³⁵ Was aber Eriugena unter den Seienden und Nicht-Seienden jeweils versteht, scheint bei ihm durchaus von der Position des Betrachters abhängig und daher nur relativ gültig zu sein. Dieses dialektische Verständnis affirmativer und negativer Aussagen wird besonders in der Diskussion der fünf möglichen Aussageweisen von „esse“ und „non esse“ suggeriert.⁵³⁶ Vor allem Dermot Moran denkt die Perzeption von Sein und Nicht-Sein als Frage nach der eingenommenen Position oder der Perspektive des Betrachters.⁵³⁷ Sein und Nicht-Sein scheinen also stets relativ betrachtet

 Periphys. I, 748 (PL 122, 459D) und Periphys. I, 970 – 980 (PL 122, 465A).  Weiner 2007, 113. Die Problematik von göttlicher Wesenheit und absoluter Überwesentlichkeit ist aber – vorwegnehmend gesagt – bloß scheinbar: s. dazu unten, IV.3.3.  Wie schon Dermot Moran völlig korrekt herausgestellt hat, entwirft Eriugena im Hinblick auf das Absolute eine „meontology“ im Sinne einer „hyperontology“. Somit dekonstruiert er die Ontotheologie (Moran 1989, 99 – 102; Zitate 100).  Periphys. I, 1– 10 (PL 122, 441A). Zu Übersetzung und Deutung von „ea quae sunt“ und „ea quae non sunt“ als „Seiende“ und „Nicht-Seiende“ vgl. vor allem Piemonte 1986, 81– 113. Weiner 2007, 33 – 35.  Periphys. I, 48 – 153 (PL 122, 443° – 446A). Vgl. hierzu O’Meara 1981, 126 – 145. Moran 1989, 212– 226. Weiner 2007, 61– 99.  Moran 1989, 218: „It all depends on the viewpoint of the inquirer and his position on the scale of being“. Nach Moran entwerfe Eriugena mit seinen fünf Aussagemodi ein System, in dem

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werden zu müssen. Moran geht dabei prinzipiell davon aus, dass Negationen bei Eriugena nicht apodiktisch ins völlige Nichts abgleiteten und Nicht-Sein somit relationales Nicht-Sein indiziere.⁵³⁸ Dabei liegt diesen Perspektiven zweifelsohne eine objektive Struktur zugrunde.⁵³⁹ Eriugena negiert also nicht einfach das Bestimmt-Sein des von ihm Negierten. Noch weniger negiert er hiermit die Existenz des Negierten. So wird beispielsweise im ersten Modus von Sein und Nicht-Sein die Existenz der transzendenten Wesenheiten und des Absoluten gar nicht geleugnet. Nach Eriugena klassifiziere man das, was erkannt werden kann, mit „esse“. Was Intellekt und Wahrnehmung hingegen entfliehe, so sage man, sei nicht.⁵⁴⁰ Sind nun aber die Priorität von Affirmation gegenüber der Negation oder der Negation gegenüber der Affirmation einerseits und das Verhältnis negativer und affirmativer Aussagen andererseits ausschließlich relativ, eine Frage der eingenommenen Perspektive oder der Erkennbarkeit? Diese Möglichkeiten müssen in Bezug auf das Absolute grundsätzlich verneint werden. Denn diesbezüglich gibt Eriugena eine klare und unmissverständliche Antwort: Das Absolute ist nicht einfach im Hinblick auf ein So-oder-So-Seiendes relativ negativ zu fassen. Um dies im Detail zeigen zu können, soll das Verhältnis von Affirmation und Negation im Folgenden in Bezug auf das Absolute untersucht werden. Eriugena ist grundsätzlich und ähnlich wie Dionysios an einer Versöhnung affirmativer und negativer Aussagen bezüglich des Absoluten interessiert, zeigen sie doch einerseits die Prinzipfunktion Gottes und andererseits die Transzendenz

sich affirmative und negative Aussagen sich nicht notwendig widersprächen. Darin folge er vor allem Dionysios. Allerdings verweist Moran auch auf die sachlichen Parallelen zu Platon (Moran 1989, 217– 228). Michael Fournier geht demgegenüber davon aus, dass die fünf Modi grundsätzlich die wichtigsten göttlichen Namen von Dionysios darstellten (Fournir 2009, 581– 589). Die fünf Modi repräsentierten „Gutheit“, „Sein“, „Leben“, „Weisheit“ und „das Eine“. Damit orientiere sich Eriugena an der Struktur von De divinis nominibus (Fournir 2009, 581– 582 und 586). Fournir kommt damit letztlich zu folgendem Ergebnis; Fournir 2009, 586: „Eriugena uses the primary distinction between being and non-being to explicate the diversity in the effects of the names that are for God equal.“ Daher seien die Modi keineswegs bloß Perspektiven (Fournir 2009, 581).  Moran 1989, 220. Moran verweist aber auch darauf, dass Eriugena hierbei nicht zu einer klaren Einsicht gelangt sei (Moran 1989, 220 – 221). Dies zeige sich auch an der Terminologie Eriugenas. Er verwende „privatio“, „negatio“ und „ablatio“ ununterschieden (Moran 1989, 220, Anm. 12).  Diese objektive oder ontologische Grundlage bestätigt auch Dominic J. O’Meara, obgleich er die Unterscheidung von Seiendem und Nicht-Seiendem als epistemologische Unterscheidung denkt (O’Meara 1981, 139. Vgl. Weiner 2007, 61– 67; bes. 63). Nach Moran bricht Eriugena mit seiner relativen Betrachtung von Sein und Nicht-Sein den Primat des Seins auf (Moran 1989, 218). In der Tat ist in den ersten drei Modi das Nicht-Sein dem Sein übergeordnet.  Periphys. I, 53 – 83 (PL 122, 443° – D). Vgl. Marenbon 1981, 74– 75.

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Gottes an. Nach Eriugena wird in der negativen Theologie die Denk- und Sagbarkeit des Absoluten grundsätzlich und mit aller Entschiedenheit negiert: Das Absolute ist keines der denk- oder sagbaren Seienden.⁵⁴¹ Die affirmative Theologie wiederum bejaht alles vom Absoluten. Dabei allerdings besagt die Affirmation nach Eriugena nicht, dass das Absolute eines der seienden Dinge ist, sondern dass alles, was durch das Absolute entsteht, auch über es ausgesagt werden kann.⁵⁴² Weil man über das Begründete den Grund bezeichnet, kann man ontologische Bestimmungen auf das Absolute übertragen.⁵⁴³ Deshalb wird der Grund von Eriugena auch mit transzendentalen Namen, vornehmlich als Wesen, Gutheit oder Weisheit bezeichnet.⁵⁴⁴ Eriugena bezieht in dieser zentralen Passage seines Hauptwerks also auch von den Seienden abgeleitete Begriffe auf das negativ aus allem geradezu ‚ausgegrenzte‘ Absolute. Der Widerspruch, den man darin vermuten kann, ist aber nur scheinbar. Denn in der Diskussion der affirmativen und negativen Theologie ordnet Eriugena die negative der affirmativen Theologie letztlich über. Wesentlich ist zunächst, dass die Transzendenz des Absoluten sogar in der affirmativen Theologie wenigstens anklingt. Denn Eriugena leugnet, dass das Absolute tatsächlich etwas von den Einzelseienden sein könne. Man kann nach Eriugena nur deswegen Affirmationen vom Absoluten aussagen, weil alle Entitäten ihr Sein vom Absoluten empfangen haben. Wenn der Grund über das Begründete benannt wird, so handelt es sich dabei aber offenbar um eine metaphorische Redeweise über das Absolute.⁵⁴⁵ Wie aber ist es zu verstehen, dass sogar die göttlichsten Namen nichts anderes als metaphorische Signifikate für das

 Periphys. I, 682– 685 (PL 122, 458AB): „Vna quidem, | id est ΑΠΟΦΑΤΙΚΗ, diuinam essentiam seu substantiam esse | aliquid eorum quae sunt, id est quae dici aut intelligi possunt, | negat.“ Die negative Theologie Eriugenas und ihr Verhältnis zur affirmativen Theologie ist in der Forschung detailliert diskutiert worden (Duclow 1974, 138 – 200. McGinn 1975, 232– 238. Carabine 1991, 63 – 82. Carabine 1995, 301– 322. Westerkamp 2006, 49 – 61. Vgl. auch Allard 1992, 181– 193. O’Meara 1983, 151– 167. Kijewska 2004, 4– 17). Natürlich sind hierzu auch die bereits mehrfach erwähnten Eriugenastudien Werner Beierwaltes’ relevant.  Periphys. I, 685 – 688 (PL 122, 458B): „[A]ltera uero, ΚΑΤΑΦΑΤΙΚΗ, omnia quae sunt de ea prae|dicat, et ideo affirmatiua dicitur, non ut confirmet aliquid esse | eorum quae sunt, sed omnia quae ab ea sunt de ea posse prae|dicari suadeat.“  Periphys. I, 688 – 689 (PL 122, 458B).  Periphys. I, 689 – 691 (PL 122, 458B).  Periphys. I, 699 – 705 (PL 122, 458C): „Sed prius considerandum, ut arbitrior [scil. Alumnus], cur | praedicta nomina, essentiam dico, bonitatem, ueritatem, iusti|tiam, sapientiam, caeteraque id genus, quae uidetur non solum | diuina sed etiam diuinissiam esse, et nil aliud praeter illam ip|sam diuinam substantiam seu essentiam significare metaphorica | fieri, id est a creatur ad creatorem translata, praedictus sanctis|simus pater atque theologus esse pronuntiarit.“

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Absolute sind? Der Alumnus vermutet stellvertretend für den Leser, dass hinter dieser Annahme eine geheime Bedeutung stecken müsse.⁵⁴⁶ Die Antwort darauf setzt bei einer kurzen Diskussion der Gegensätzlichkeit an: Es stellt sich die Frage, ob es etwas Gegensätzliches dem Absoluten gegenüber geben könne. Unter dem Gegensatz versteht Eriugena an dieser Stelle den privativen, den konträren und den relationalen Gegensatz.⁵⁴⁷ Eriugena betont ganz entschieden, dass nichts dem Absoluten entgegengesetzt werden könne, denn jede Form des Gegensatzes müsse bezüglich des Absoluten negiert werden.⁵⁴⁸ Nun widersprechen sich nach Eriugena die Affirmation der Wahrheit einerseits und die Negation der Wahrheit andererseits.⁵⁴⁹ Gegensätzlich zueinander verhalten sich so auch Sein und Nicht-Sein. Vom Absoluten kann Sein vor allem deswegen nicht eigentlich ausgesagt werden, da das Sein dem Nicht-Sein entgegengesetzt ist.⁵⁵⁰ Wie Eriugena diese Gegensätzlichkeit auflöst, zeigt sich insbesondere an der Definition der ‚Affirmation der Wahrheit‘. Denn mit der Affirmation, dass Gott Wahrheit sei, wird nach Eriugena „nicht eigentlich“ ausgesagt, dass Gott Wahrheit ist. Es wird lediglich ausgesagt, dass dieser Name übertragen von Gott gilt.⁵⁵¹ Diese Bezeichnung ist also eine bloße Metapher. Dies gilt freilich nicht nur für die Wahrheit: Die Affirmation „umkleidet“ generell durch beliebige affirmative „Bezeichnungen“ das von allen Signifikaten freie Absolute.⁵⁵² Die Negation der Wahrheit hingegen besagt nach Eriugena gerade die Unerkenn- und Unbegreifbarkeit des Absoluten. Damit sagt diese Negation jedoch nicht einfach die Inexistenz des Absoluten aus. Die Negation verweist aber ganz entschieden darauf, dass das Absolute weder „proprie“ Wahrheit genannt werden kann noch

 Periphys. I, 705 – 706 (PL 122, 458C): „Non enim sine | quadam mystica atque secreta ratione talia dixisse aestimo.“  Periphys. I, 707– 712 (PL 122, 458CD).  Periphys. I, 713 – 731 (PL 122, 458D – 459B). Eriugena beantwortet dabei zugleich die Frage, ob etwas neben dem Absoluten mitgedacht werden könne. Etwas dem Absoluten gegenüber Gleichewiges und Gleichwesentliches kann aber nicht gedacht werden. Dies ist bereits ein Hinweis auf das Verhältnis von Negation und Affirmation im Absoluten selbst: s. dazu die folgenden Erörterungen.  Periphys. I, 828 – 829 (PL 122, 461C).  Periphys. I, 821 (PL 122, 461B): „inuicem opposita“. Periphys. I, 822 (PL 122, 461B): „nil plus contrarium“. Periphys. I, 830 (PL 122, 461C): „forma contradictoris“. Periphys. I, 829 (PL 122, 461C): „contradicit“.  Periphys. I, 831– 833 (PL 122, 461C); Hervorh. Ro: „Nam quae dicit ‚ueritas est‘ non affirmat proprie | diuinam substantiam ueritatem esse sed tali nomine per meta|phoram a creatura ad creatorem uocari posse.“  Periphys. I, 833 – 835 (PL 122, 461C).

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„proprie“ Wahrheit ist.⁵⁵³ Alle Signifikate, durch die die Affirmation das Absolute „umkleidet“, „zieht“ die Negation dem Absoluten wieder „aus“.⁵⁵⁴ Die Negation ist somit fähig, das Absolute der affirmativen Signifikate zu ‚berauben‘. Hierin zeigt sich aber, dass Affirmation und Negation gerade nicht einander entgegengesetzt, sondern „per omnia in omnibus“ miteinander harmonisiert sind.⁵⁵⁵ Dies kann man bezüglich des Absoluten folgendermaßen demonstrieren: (1) Ein beliebiges Prädikat kann nicht eigentlich, sondern nur metaphorisch vom Absoluten ausgesagt werden. (2) Demgegenüber ist die Negation dieses Prädikats eine eigentliche Aussage vom Absoluten, die den metaphorischen Charakter dieses Prädikats negativ bestätigt. ⁵⁵⁶ Die Affirmation bestätigt für sich genommen bereits ihren nur metaphorischen Aussagegehalt. In der Negation wiederum wird die negative Aussage dem Absoluten eigentlich zugeschrieben. Demgegenüber fällt die Metapher zur bloßen ‚Hülle‘ ab. Die Negation dominiert hier die Dialektik von Affirmation und Negation und diminuiert den metaphorischen Aussagehalt als nicht-eigentlich. Dadurch wird deutlich, dass sich Affirmation und Negation nicht wirklich widersprechen, denn prinzipiell sagen sie der Sache nach durchaus dasselbe: Das Absolute ist gerade nicht im eigentlichen Sinne durch ein Prädikat auszusagen. Demnach ist der eigentliche Sinn hinter affirmativen und negativen Aussagen eine Negation. Die Affirmation täuscht so eine bekräftigende oder definierende Potenz vor, die sie aber nicht hat.⁵⁵⁷ Wenn nun aber das Absolute nicht durch positive Prädikate eigentlich beschrieben werden kann, wie kann Eriugena das Absolute dann eigentlich „ὑπερούσιος“ nennen oder als „superessentialitas“ bezeichnen?⁵⁵⁸ Denn das  Periphys. I, 835 – 838 (PL 122, 461C): „Ea uero quae dicit ‚ueritas non est‘ merito | diuinam naturam incomprehensibilem ineffabilemque clare cog|noscens non eam negat esse, sed ueritatem nec uocari proprie | nec esse.“  Periphys. I, 838 – 841 (PL 122, 461D).  Periphys. I, 826 – 827 (PL 122, 461C).  Periphys. I, 841– 843 (PL 122, 461D). Beide Theologieformen machen demnach klar, dass das Absolute nicht eigentlich (non proprie) durch ein beliebiges positives Prädikat bezeichnet werden kann. Damit ist auch impliziert, dass „nihil“ ein eigentlicher Name für das Absolute ist.  Westerkamp 2006, 59: „Die Begründung dieses Vorrangs [scil. der Negation vor der Affirmation] wird auch mit einer Analyse des Begriffs affirmativ gestützt: Negationen stehen fest (firmus); Affirmationen sind unsicher, worüber aber ihr Wortsinn – af-firmare – hinwegzutäuschen droht.“ Eine Affirmation kann daher die Prinzipfunktion des Absoluten nicht hinreichend beschreiben. Wie sich noch zeigen wird, übernimmt aus diesem Grund die Negation die definierende Funktion der Affirmation: s. dazu unten, IV.3.1 und bes. IV.3.3.  Periphys. I, 748 – 750 (PL 122, 459D): „Essentia igitur dicitur deus, sed proprie essentia non est. | Esse enim opponitur non esse. ΥΠΕΡΟΥCΙΟC igitur est, id est | superessentialitas.“ Dasselbe gilt für „Gutheit“ und „Gottheit“ (Periphys. I, 750 – 755 (PL 122, 459D – 460A)).

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IV. Johannes Scottus Eriugena

Absolute ist für ihn nicht etwa Wesen oder Sein, sondern Über-Wesen oder ÜberSein.⁵⁵⁹ Die Überwesentlichkeit soll also Affirmationen übersteigen, obgleich dieser Ausdruck der Form nach durchaus eine Affirmation ist. Der Intellekt erkennt aber hinter dieser Fassade die okkulte negative Bedeutung.⁵⁶⁰ Diese ist für Eriugena die „absprechende Kraft“.⁵⁶¹ Obgleich also die Negation im Begriff der Überwesentlichkeit nicht erscheint, liegt sie doch darin verborgen. Demnach gehört die Überwesentlichkeit, obgleich sie der Form nach keine Negation ist, inhaltlich eher der Negation als der Affirmation an.⁵⁶² Vor diesem Hintergrund muss auch eine der prominentesten Aussagen Eriugenas verstanden werden: „Wesenheit ist Affirmation, Nicht-Wesenheit ist Negation, Überwesentlichkeit ist Affirmation und Negation zugleich.“ Oberflächlich betrachtet ist die Überwesentlichkeit dabei keine Negation, der Bedeutung nach ist sie aber eine Negation.⁵⁶³ Die Nicht-Widersprüchlichkeit von Affirmation und Negation im Begriff der Überwesentlichkeit wird also hergestellt, indem die Affirmation gerade als bloße ‚Hülle‘ eines negativen Kerns gedeutet wird. Die Negativität des Absoluten macht die Metaphorik der Affirmation und ihre ‚umhüllende‘ Funktion einsichtig. Die Einheit von Affirmation und Negation ist daher für Eriugena nur unter dem Primat der Negation zu verstehen, denn nur sie ist eigentlich vom Absoluten auszusagen.⁵⁶⁴ So ist also der Begriff der Überwesentlichkeit ein eigentlicher, weil nega-

 Periphys. I, 785 – 799 (PL 122, 460C – 461A).  Periphys. I, 861– 862 (PL 122, 462B).  Periphys. I, 875 (PL 122, 462C). Vgl. Periphys. I, 867– 869 (PL 122, 462B). Inglis Patrick Sheldon-Williams und Dirk Westerkamp übersetzen „intellectum“ hier mit „Bedeutung“ und treffen damit den von Eriugena intendierten Sinn (Iohannis Scotti Eriugenae Periphyseon (De Diuisione Naturae), vol. 1, (Scriptores Latini Hiberniae 7), Edited by Inglis P. Sheldon-Williams, with the collaboration of Ludwig Bieler, Oxford: Oxford University Press, 1969, 85. Westerkamp 2006, 60).  Periphys. I, 863 – 866 (PL 122, 462B).  Periphys. I, 876 – 878 (PL 122, 462C): „‚essentia est‘, af|firmatio; ‚essentia non est‘, abdicatio; ‚superessentialis est‘, affir|matio simul et abdicatio, in superficie etenim negatione caret, | intellectu negatione pollet.“  Daher muss Kurt Flaschs Analyse affirmativer und negativer Theologie als Teile „der einen spekulativen Theologie“ modifiziert werden (Flasch 1973, 11). Die Versöhnung besteht darin, die absolute Negation über alle Formen von Affirmation und Negation zu setzen. Dabei wird die Affirmation aber zur ‚Hülle‘ degradiert, ist also kein gleichberechtigter Partner der Negation. Eriugena behauptet zwar, dass die Affirmation der absoluten Negation nicht entgegengesetzt ist. Aus diesem Grund tritt er für eine Harmonie affirmativer und negativer Aussagen ein. Gleichwohl ist die Affirmation als Affirmation nicht genauso gültig wie die Negation und daher nicht direkt auf das Absolute zu beziehen. Affirmation und Negation sind nicht gleichwesentlich für das Absolute. Die Negation hat eindeutig Priorität, weil nichts neben dieser Negativität noch zusätzlich bestehen kann (vgl. Periphys. I, 707– 715 (PL 122, 458C – 459A)).

2. Ontologie und transzendente Negativität

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tiver Begriff vom Absoluten. Diese Negation ist keine ‚herkömmliche Negation‘, da eine einfache Negation der Affirmation zu widersprechen droht oder mit ihr koordiniert ist. Die hier von Eriugena mühsam erarbeitete Negation widerspricht aber der Affirmation nicht einfach und ist zudem nicht mit ihr koordiniert. Sie ist mithin eine transzendierende Negation: Diese absolute Negation negiert die herkömmliche Bedeutungsvalenz von Affirmationen und Negationen und besagt daher „mehr als“ (plus quam) Affirmation und Negation.⁵⁶⁵ Eminentes und überwesentliches ‚Sein‘ ordnet Eriugena damit gerade der negativen Theologie zu.⁵⁶⁶ Eriugena hat mit dieser Deutung, so scheint es zunächst, insbesondere epistemologische Fragen bezüglich des Absoluten geklärt: Das Absolute ist nur negativ umschreibbar, weil es erkenntnistranszendent ist. Doch Eriugena geht über den bloß epistemologischen Charakter der Negation hinaus. Er arbeitet, wie im Folgenden noch zu zeigen ist, den prinzipientheoretischen Aspekt der transzendierenden Negation heraus und etabliert damit – wie bereits Proklos – eine produktive Negation.⁵⁶⁷

 Periphys. I, 750 – 773 (PL 122, 459D – 460B).  Die Forschung ist sich weitgehend darüber einig, dass der Ausdruck ‚mehr als‘ (plus quam) der negativen Theologie zugeordnet werden muss (Duclow 1974, 165 – 171. Duclow 1977, 109 – 123; hier 110 – 115. Halfwassen 2000, 383 – 384. Westerkamp 2006, 60). Deidre Carabine geht dabei einen etwas anderen Weg; Carabine 1995, 312: „Although Eriugena stresses God’s transcendence over against his immanence, in preferring negation to affirmation, he too, like Dionysius, understands that the negation of all created attributes implies a super-affirmation“. Carabine bezeichnet den Zusammenfall von negativer und affirmativer Theologie als „‚hyperphatic‘ theology“. Sie präzisiert aber dabei; Carabine 1995, 314: „In the Periphyseon, the divine essence, even when described as the reconciliation of all opposition in the ‚hyperphatic‘ way, remains unknowable.“ Vgl. dazu Carabine 1991, 63 – 82; hier. 70 – 73. Carabine 2000, 58 – 66. Grundsätzlich muss aber an dieser Stelle angemahnt werden, dass von einer „super-affirmation“ bei Eriugena keineswegs die Rede sein kann. Vielmehr ist das Absolute gerade, wie sich auch in der folgenden Diskussion zweifelsfrei zeigen wird, reine Negativität. Daher ist die ‚via eminentia‘ bei Eriugena auch als Aspekt der negativen Theologie zu verstehen (Duclow 1974, 168 – 171. Anders Falque 2002, 539 – 554; hier 545).  Hierbei stellt sich die für die Forschung bedeutende Frage, ob Eriugena die proklische Theorie der Produktivität der Negationen direkt von Proklos übernommen haben könnte. Denn bei Dionysios hat diese proklische Theorie keine deutlichen Spuren hinterlassen. Sollte Eriugena auf Proklos zurückgegriffen haben, hätte dies deutliche Auswirkungen auf die Erforschung der Quellen Eriugenas.

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3. Der negative Selbstbezug des Absoluten bei Eriugena 3.1. Die absolute Negativität Das Absolute wird von Eriugena über die negative Theologie im Allgemeinen und durch die Formel ‚mehr als‘ im Speziellen als transzendente Negativität gefasst. Die absolute Negation ist so jeder beliebigen Affirmation, aber auch jeder herkömmlichen Negation überlegen. Die Pointe der Versöhnung von affirmativer und negativer Theologie besteht für Eriugena gerade darin, dass sich Sein und NichtSein nur dann bezüglich des Absoluten nicht widersprechen, wenn die Negation der Affirmation übergeordnet wird. Sein und Nicht-Sein gelten also nicht etwa gleichzeitig vom Absoluten, weil das Absolute eigentlich nur absolute Negation ist. Das Absolute ist für Eriugena dementsprechend „nihil per excellentiam“ und „negatio omnium“ und daher absolutes oder unendliches Nichts. ⁵⁶⁸ Damit apostrophiert Eriugena die Transzendenz des Absoluten, denn diese Negationen übersteigen alles Seiende und Nicht-Seiende negativ. Negative Begriffe sind für ihn zur Beschreibung des Absoluten ganz grundsätzlich besser geeignet.⁵⁶⁹ Denn

 Besonders deutlich wird dies an in Eriugenas Kommentar zu Dionysios’ De coelesti hierarchia, im Folgenden zitiert nach der Edition Jeanne Barbets; Exp. in ier. coel. c. 4, 50 – 82; hier 72– 82: „Quid est ergo quod de eo | predicatur? Credimus enim ipsum de nihilo omnia fecisse; | nisi forte illud nihil ipse est qui, quoniam super omnia super|essentialis extollitur et super omne quod dicitur et intelligitur | glorificatur, non irrationabiliter per excellentiam nihil esse | dicitur, quoniam in numero omnium que sunt nullo modo | collocatur. Si enim ipse est simul omnia que sunt et que non | sunt, quis dixerit aliquid eum esse uel non esse, dum omnium | sit esse et plus quam esse? Aut, si aliquid non est per excel|lentiam, non priuationem, conficitur nihil esse per infinita|tem.“ Aber auch in seinem Hauptwerk macht er dies deutlich; Periphys. III, 2549 – 2550 (PL 122, 681A): „Dum ergo incomprehensibilis intelligitur, per excel|lentiam nihilum non immerito uocitatur.“ Periphys. III, 2653 – 2657 (PL 122, 683B): „Ac sic de nihilo facit omnia, de sua uidelicet super|essentialitate producit essentias, de superuitalitate uitas, de su|perintellectualitate intellectus, de negatione omnium quae sunt | et quae non sunt affirmationes omnium quae sunt et quae non | sunt.“ Vgl. Periphys. I, 2474– 2477 (PL 122, 500A): „Nam summa omnium causa per excellentiam omnium for|marum finiumque informis est atque infinita: non enim solum|modo forma omnium est principalis sed plus quam forma, omnem | formam superans omneque formabile et informabile formans.“ Damit zeigt Eriugena auch, dass die Unbegrenztheit (infinitas) der Materie von der des Absoluten zu unterscheiden ist. Wichtige Analysen des absoluten Nichts haben Werner Beierwaltes und Édouard Jeauneau vorgelegt (Beierwaltes 1994, 180 – 203. Jeauneau 1997, 331– 337).  Periphys. III, 2716 – 2722 (PL 122, 684D – 685A): „In theologicis siquidem regulis ad inuestigandam diui|nae naturae sublimitatem et incomprehensibilitatem plus nega|tionis quam affirmationis uirtus ualet. Quam si quis intentus | inspexerit, non mirabitur eo uocabulo, quod est nihilum, saepe | in scripturis ipsum deum uocari. | A. Nec ego miror, cognoscens plus negationes quam affirma|tiones diuinae cognitioni, teste sancto Dionysio, coaptari posse.“ In diesem Zu-

3. Der negative Selbstbezug des Absoluten bei Eriugena

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Negationen sind wahrer als Affirmationen und lassen sich nicht im übertragenen Sinn, sondern eigentlich vom Absoluten aussagen.⁵⁷⁰ Für Eriugena ist überhaupt die einzig mögliche Aussageform, die dem Absoluten eigentlich zukommen kann, gerade die einer absoluten Negation, die Affirmation einerseits und privative wie andersheitliche Negation andererseits übersteigt. Für Eriugena ist es sogar „notwendig“, das Absolute mit diesem Begriff zu bezeichnen. „Nihil“ bzw. „negatio“ gelten ihm als „eigentlicher“ Ausdruck für das Absolute.⁵⁷¹ So werden alle herkömmlichen, also privativen und andersheitlichen Negationsformen negiert. Genau deswegen ist die absolute Negation eine von allen Deprivationen und Gegensatzbeziehungen ‚gereinigte‘ Negation. Das ‚Wesen‘ des Absoluten ist also eigentlich nichts anderes als reine Negativität. Die negative Transzendenz des Absoluten ist eine der wichtigsten Anknüpfungspunkte für Cusanus. Dabei zeigt sich, dass Cusanus den negativen Charakter des transzendierenden Ausdrucks „mehr als“ (plus quam) und des hiermit korrespondierenden Begriffs „superessentialitas“ erkannt hat: Unter dem Begriff der Überwesentlichkeit versteht Cusanus also nichts anderes als das transzendente Nichts.⁵⁷² Cusanus selbst transzendiert mit diesem Ausdruck affirmative Begriffe,

sammenhang wird von Eriugena auch konstatiert, dass das Absolute besser durch Nicht-Wissen gewusst wird (Periphys. III, 2793 – 2801 (PL 122, 686C – 687A); hier 2800 – 2801).  Noch mal sei paradigmatisch auf das Ende des ersten Buches des Periphyseon verwiesen; Periphys. I, 3418 – 3428 (PL 122, 522AB): „Et haec est | cauta et salutaris et catholica de deo praedicanda professio: ut | prius de eo iuxta catafaticam (id est affirmationem) omnia siue | nominaliter siue uerbaliter praedicemus, non tamen proprie sed | translatiue; deinde ut omnia quae de eo praedicantur per catafa|ticam eum esse negemus per apofaticam (id est negationem) non | tamen translatiue sed proprie. Verius enim negatur deus quid | eorum quae de eo praedicantur esse quam affirmatur esse. | Deinde super omne quod de eo praedicatur superessentialis na|tura, quae omnia creat et non creatur, superessentialiter su|perlaudanda est.“  Periphys. III, 2793 – 2801 (PL 122, 686C – 687A); Hervorh. Ro: „Si uero quis dixerit neque priuationem habitudinis neque ab|sentiam alicuius praesentiae nihili nomine significari, sed uniuer|salem totius habitudinis et essentiae uel substantiae uel acciden|tis et simpliciter omnium quae dici et intelligi possunt negation|em, concludetur sic. Eo igitur uocabulo deum uocari necesse | est, qui solus negatione omnium quae sunt proprie innuitur, quia | super omne quod dicitur et intelligitur exaltatur, qui nullum eo|rum quae sunt et quae non sunt est, qui melius nesciendo sci|tur.“  Cusanus hat die entscheidende Stelle der Überwesentlichkeit des Absoluten über Sein und Nicht-Sein mit einem sechs Zeilen langen Vertikalstrich annotiert (Cusanusmarg. (PL 122, 459D); MFCG 3, 88). Auch in den Anmerkungen zur Clavis Physicae lässt sich Cusanus’ Begeisterung für die negative Überwesentlichkeit des Absoluten ablesen; Cusanusmarg. 78 (Cl. Phys. 129, 9 – 10); Lucentini 1979, 100: „Deus non est sed est plus quam est“. Cusanusmarg. 12 (Cl. Phys. 25, 5 – 8); Lucentini 1979, 85: „superessentia dicitur Deus“. Der von Cusanus annotierte Textabschnitt ist für Honorius’ Verständnis der Transzendenz des Absoluten höchst aufschlussreich, wiederholt doch Honorius an dieser Stelle die Argumentation Eriugenas (Cl. Phys. 25, 5 – 55). Für Honorius

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insbesondere affirmative Schöpfernamen.⁵⁷³ Wie bereits gezeigt, entwickelt Cusanus in De li non aliud den negativen Begriff des Nicht-Anderen um die Dichotomie von ‚gut‘ und ‚nicht-gut‘ und mithin die Gegensätzlichkeit überhaupt zu transzendieren. Cusanus hat dementsprechend die Intention Eriugenas souverän erkannt.⁵⁷⁴ Dabei weist Cusanus explizit darauf hin, dass das absolute Nichts nicht privativ, sondern „per excellentiam“ Nichts ist.⁵⁷⁵ Cusanus zeigt sich also insgesamt fasziniert von der negativen Theologie Eriugenas im Allgemeinen und der durch sie intendierten Reinheit und Übergegensätzlichkeit der transzendenten Negativität im Speziellen.⁵⁷⁶ Dieses absolute Nichts ist für Eriugena nun mehr als bloße Unerkenn- und Unaussprechbarkeit. Mit der transzendierenden Negation verfolgt Eriugena nicht bloß epistemologische Interessen. Ihm geht es ganz explizit um die Prinzipfunktion des Absoluten. In den vorangehenden Kapiteln hat sich aber ‚essentia omnium‘ als grundlegender Begriff für die Kreativität Gottes gezeigt. Das eigentliche ‚Wesen‘ des Absoluten ist aber für Eriugena gar nicht ‚essentia‘, sondern wird von ihm gerade in dem Begriff ‚superessentialitas‘ ausgedrückt. Daher ist nicht etwa die ‚essentia omnium‘, sondern jene ‚negatio omnium‘ der eigentliche und absolute Grund aller Dinge.⁵⁷⁷ Im Begriff ‚negatio omnium‘ wird also nicht bloß die übersteigt das Absolute letztlich jede Benennbarkeit und jede Kategorie (Cl. Phys. 24– 36). Einzig der Name „nihil“ ist so ein eigentlicher Ausdruck für das Absolute (Cl. Phys. 169, 18 – 23). Gerade diese Stelle hat Cusanus mit einer Anmerkung versehen (Cusanusmarg. 108 (Cl. Phys. 169, 18 – 23); Lucentini 1979, 106).  Vgl. De vis. (h VI) c. 12, n. 50, 4– 10.  Cusanus merkt an, dass kein Name aufgrund der relativen oder gegensätzlichen Charakters von affirmativen Bezeichnung dem Absoluten eigentlich zukommen könne; Cusanusmarg. (PL 122, 460A); MFCG 3, 89: „non est deus veritas“; 90: „nota: nullum nomen proprie deo convenire“. Cusanusmarg. (PL 122, 512C); MFCG 3, 97: „uerbis translatiue in deo vtimur“. Daraus folgt nicht nur für Eriugena, sondern auch für Cusanus die negative Überwesentlichkeit des Absoluten; Cusanusmarg. (PL 122, 462C); MFCG 3, 90: „nota quare superessenciale deo proprie conuenit“.  Cusanusmarg. (PL 122, 500B); MFCG 3, 95: „nota: deus informis et materia informis, deus per excellentiam, materia per priuacionem“.  Die Forschung hat den Einfluss Eriugenas auf Cusanus insbesondere im Hinblick auf die negative Theologie bereits vor einiger Zeit apostrophiert (Duclow 1974, 78 – 200. McGinn 1975, 238. Riccati 1983, 13 – 41).  Periphys. III, 2541– 2843 (PL 122, 680D – 688A). Vgl. Periphys. I, 3484– 3490 (PL 122, 524AB). Dieser absolute Grund ist das absolute Nichts, das noch ‚vor‘ den Erstursachen anzusetzen ist. Denn die (zweite) göttliche Natur, das Wort Gottes und die Erstursachen gehen erst aus dem absoluten Nichts hervor; vgl. Periphys. III, 1867– 1869 (PL 122, 664AB): „Iterum elementa non de nihilo facta, sed ex | primordialibus causis procedere fateor. Quas primordiales cau|sas simul et semel in uerbo dei factas nullus fidelium dubitat“. Anderer Auffassung ist hierbei vor allem Wayne Teasdale (Teasdale 1984, 232– 247; hier 235). Dabei geht er auch davon aus, negative

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Transzendenz des Absoluten, sondern auch die Prinzipfunktion des Absoluten grundgelegt. Eriugena drückt diese Tatsache besonders durch seine Interpretation der Schöpfung aus dem Nichts bzw. der „creatio ex nihilo“ aus.⁵⁷⁸ Dieses Nichts ist, wie gesehen, das Absolute selbst.⁵⁷⁹ Denn dieses Nichts, aus dem das Absolute alles schafft, ist kein weiteres Nichts, das als etwas mit dem Absoluten Gleichwesentliches neben diesem gedacht werden könnte. Dabei muss in aller Ausdrücklichkeit festgehalten werden, dass das Absolute, aus dem alles hervorgeht, an ihm selbst kein steriles oder untätiges Nichts ist: Die ‚negatio omnium‘, die erste Natur, ist tätiges Prinzip, weil sie alle Dinge schafft.⁵⁸⁰ Dem Absoluten wird also von Eriugena gerade durch die absolute Negation eine absolute Form von ‚Tätigkeit‘ und mithin eine eigene ‚Bewegung‘ zugesprochen. Diese ‚Tätigkeit‘ des Absoluten deutet sich markant in einer berühmten Formulierung Eriugenas an, die aber aufgrund ihrer paradoxen Formulierung leicht zu Missverständnissen führen kann: Die göttliche Gutheit, die angemessenermaßen Nichts genannt wird, weil sie jenseits von allem ist, was ist und nicht ist, und in keinem Sein gefunden wird, steigt aus der Negation allen Seins in die Affirmation des ganzen Alls des Seins von sich selbst her in sich selbst herab, gleichsam aus dem Nichts in Etwas, aus der Nicht-Wesenheit in die Wesenheit, aus der Formlosigkeit in die unzählbaren Formen und Gestalten.⁵⁸¹

Aussagen wiesen auf ein höheres „positives Konzept von Intelligibilität“ hin (Teasldale 1984, 237). Völlig verkannt hat Teasdale damit aber die absolute Transzendenz Gottes.  Die „creatio ex nihilo“ ist in der Forschung bereits mehrfach thematisiert worden (Piemonte 1968, 37– 58. Duclow 1974, 129 – 135. Duclow 1977, 109 – 123. Beierwaltes 1985, 337– 367. Beierwaltes 1987, 311– 343. Beierwaltes 1994, bes. 115 – 158 und 266 – 312. Beierwaltes 2006, 217– 239. Moran 1989, 228 – 240. Hoeps 1992, 161– 191). Eingehend wird Eriugenas Verständnis dieses Schöpfungsaktes weiter unten erörtert (IV.3.3). Zur Vorgeschichte des Theorems einer „creatio ex nihilo“ vgl. May 1978.  Vgl. Exp. in ier. coel. c. 4, 72– 82. Die Forschung sieht in der „creatio ex nihilo“ daher eine „creatio ex deo“ (Duclow 1974, 132. Duclow 1977, 114. Moran 1989, 236. Vgl. dazu Monaco 2010, 298).  Periphys. I, 20 – 21 (PL 122, 441B). Vgl. Periphys. I, 3400 – 3428 (PL 122, 521C – 522B). Periphys. III, 2653 – 2657 (PL 122, 683B). Vgl. auch Beierwaltes 1985, 358.  Übers. nach Halfwassen 2004a, 170; Periphys. III, 2569 – 2575 (PL 122, 681C): „Diuina igitur bonitas, | quae propterea nihilum dicitur quoniam ultra omnia quae sunt | et quae non sunt in nulla essentia inuenitur, ex negatione om|nium essentiarum in affirmationem totius uniuersitatis essentiae | a se ipsa in se ipsa descendit, ueluti ex nihilo in aliquid, ex | inessentialitate in essentialitatem, ex informitate in formas innu|merabiles et species.“ Wie dieser ‚Abstieg‘ des Absoluten zu verstehen ist, wird weiter unten ausführlich diskutiert: s. dazu unten, IV.3.3 und IV.3.4.

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Eriugena möchte hiermit offenbar darauf hinweisen, dass das Absolute an sich selbst kreativer Vollzug ist. Dabei steht für Eriugena fest, dass das Absolute diesen kreativen Vollzug aus dem Nichts gerade aktiv bedingt. Die für Eriugena unmögliche Alternative ist die aktive Einwirkung von etwas Anderem auf das Absolute.⁵⁸² Denn das Absolute ist an sich ursprungs- oder anfangslos, aber doch aktiver Urgrund aller Dinge.⁵⁸³ Durch die absolute Negativität wird die kreative Tätigkeit also nicht privativ negiert, sondern transzendiert, weil diese Negation aus dem Bereich einfacher Negationsformen befreit ist. Eriugena lässt dem Kausalitätsbegriff so offenbar eine absolute Bedeutung zukommen und befreit ihn damit von begrenzten und ontologischen Konnotationen. Eriugenas auffallend häufige Betonung des transzendierenden ‚mehr als‘ ist Indiz dafür, dass er über bloß ontologische Momente hinausgehen will. Das Absolute ist so als absolute Negativität in sich und an sich selbst kreative ‚Tätigkeit‘. Wenn nun die eigentliche Wesensaussage über das Absolute nicht affirmativ, sondern negativ ist, so folgt daraus eine grundlegende Modifikation für die dem Absoluten eigene ‚Tätigkeit‘. Wenn also überwesentliches ‚Wesen‘ und überseiende ‚Tätigkeit‘ des Absoluten nicht voneinander verschieden sind, so kann man nicht einfach nicht-eigentliche affirmative Begriffe als Ausdrücke für die Kreativität des Absoluten auf der einen und eigentliche negative Begriffe als Ausdrücke für die transzendente Überwesentlichkeit des Absoluten auf der anderen Seite verwenden. Damit trennte man die Transzendenz des Absoluten von seiner Prinzipfunktion. Eriugena scheint es also besonders darauf anzukommen, die in Bezug auf das Absolute bloß metaphorischen Bedeutungen von Wesen und Tätigkeit in die Negativität zu integrieren. Eriugena hat diesen Umstand auch gezielt durch den vielsagenden Begriff ‚negatio omnium‘ auszudrücken versucht, denn dieser ist gleichermaßen Begriff für das überseiende ‚Wesen‘ und für den überseienden Grund aller Dinge. Wenn also affirmative Begriffe die Prinzipfunktion des absoluten Nichts nicht eigentlich beschreiben können, so übernehmen letztlich negative Aussagen die eigentliche affirmierende, definierende und kreative Funktion. Diese Negation ist so als eigentliche Tätigkeit des Absoluten zu  Vgl. Periphys. I, 550 – 552 (PL 122, 445A).  Eriugenas Betonung der Ursprungslosigkeit des Absoluten bei gleichzeitiger Akzentuierung der kreativen Aktivität des Absoluten verdeutlicht ebenfalls, dass Eriugena das Absolute als an sich autarke Schöpfungstätigkeit denkt; Periphys. I, 403 – 408 (PL 122, 451CD): „Praedictarum itaque naturae diuisionum prima differentia | nobis uisa est in eam quae creat et non creatur. Nec immerito, | quia talis naturae species de deo solo recte praedicatur, qui so|lus omnia creans ANARXOC (hoc est sine principio) intelligitur | esse, quia principalis causa omnium quae ex ipso et per ipsum | facta sunt solus est. Ac per hoc et omnium quae ex se sunt finis est; ipsum enim omnia appetunt.“ Vgl. Periphys. I, 3165 – 3175 (PL 122, 516AB). Periphys. II, 1902– 1912 (PL 122, 585AB). Periphys. III, 2877– 2883 (PL 122, 688CD).

3. Der negative Selbstbezug des Absoluten bei Eriugena

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verstehen: Denn wenn das Absolute die Negation aller Dinge ist, sein ‚Wesen‘ und seine ‚Tätigkeit‘ aber identisch sind, so ist die Negation aller Dinge zugleich die kreative ‚Tätigkeit‘ des Absoluten. Wie aber kann die ‚negatio omnium‘ aktives Schöpfungsprinzip aller Dinge sein? Zunächst lässt sich die ‚Tätigkeit‘ des Absoluten in zwei Aspekte differenzieren, die aber letztlich ununterscheidbar sind und nur aus hermeneutischen Gründen voneinander getrennt werden: Indem das Absolute alles Seiende und Nicht-Seiende negiert, verweist es als Negationstätigkeit aktiv auf sich selbst, also auf seine absolute Transzendenz. In dieser Negation setzt es zugleich alle Seienden und Nicht-Seienden, die gerade von ihm negiert werden, kreativ ‚nach außen‘.⁵⁸⁴ Dieses Konzept erinnert nicht zufällig an das cusanische Nicht-Andere: Denn das Nicht-Andere ist für Cusanus zugleich Begriff der transzendierenden und der produzierenden Negation. Eriugenas Ausgestaltung dieses Konzepts gilt es, im Folgenden eingehender zu klären.

3.2. Absoluter Selbstbezug als negativer Selbstbezug Weil Eriugena das Absolute als kreative Tätigkeit begreift, ist es für ihn also nicht völlig unbewegt. Es steht deshalb außer Frage, dass das Absolute nach Eriugena einen ihm eigenen Bewegungsmodus aufweist. Denn das Absolute Eriugenas ist nicht mit dem absoluten Einen von Plotin, Proklos oder Dionysios gleichzusetzen. Entscheidend ist, dass Eriugena hiermit das Absolute selbst als Aktivität denkt. Denn dem Absoluten wird Aktivität zugeschrieben, weil es in gewisser Weise ‚aus‘ sich selbst in sich selbst ‚herabsteigt‘. Diese vom Absoluten selbst aktiv bedingte und von ihm selbst vollzogene Tätigkeit ist aber nicht als realer Abstieg des Absoluten und so gerade nicht als Veränderung oder Selbstverfremdung des Absoluten zu verstehen. Dies wird besonders zu Anfang des dritten Buches des Periphyseon deutlich. Dort wird ein kurzer Abriss über die bleibende Negativität des Absoluten gegeben: Dem Absoluten scheint es nicht vergönnt zu sein, sich selbst zu umfassen. So weiß es nicht, was es ist, kann sich selbst nicht begreifen und auch nicht von etwas Anderem begriffen werden. So weiß das Absolute aber von sich selbst, dass es nicht begriffen werden kann. Das Absolute begreift sich, indem es sich als das erkennt, was unbegreiflich ist.⁵⁸⁵ Damit ist nicht gesagt, dass das Absolute der Erkenntnis oder des Denkens völlig unfähig wäre. Das ‚Denken‘ des  Eriugena deutet dies in folgender metaphorischer Aussage an; Periphys. I, 554– 555 (PL 122, 455AB): „Nam cum dicitur se ipsam creare, | nil aliud recte intelligitur nisi naturas rerum condere.“  Periphys. III, 60 – 71 (PL 122, 620CD).

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Absoluten geschieht aber ausschließlich in völliger Transzendenz und daher im Modus der Negativität.⁵⁸⁶ In der Forschung ist daher dieses Nicht-Wissen zu Recht als absolutes Wissen beschrieben worden.⁵⁸⁷ Die dem Absoluten eigene Tätigkeit bleibt ihm also immanent, denn das Absolute ist und bleibt transzendente Negativität. Demgemäß ist das Absolute als Negation aller Dinge (negatio omnium) kreative Tätigkeit, weil die erste Natur, die gerade (proprie) nichts anderes als jene Negation aller Dinge (negatio omnium) ist, alles schafft. Diese Negation ist also absolutes Prinzip aller Dinge. Das ‚Wesen‘ – oder genauer: das Über-Wesen – des Absoluten ist so aktiv begründende Negation. Aus diesem Grund ist es an ihm selbst Tätigkeit und so ‚wesentlich‘ in sich selbst ‚bewegt‘. Denn trotz seines kreativen ‚Abstiegs‘ hält Eriugena an der bleibenden Transzendenz des Absoluten mit aller Entschiedenheit fest. Es ist also nicht die Frage, ob das Absolute tätig und mithin bewegt ist, sondern wie die absolute Form der Aktivität und Bewegung zu verstehen ist und welche Implikationen diese Form der Bewegung mit sich bringt. Ganz eindeutig möchte Eriugena nicht, dass diese ‚Bewegung‘ als verändernde Bewegung verstanden wird. Die dem Absoluten eigene ‚Bewegung‘ geschieht nicht etwa in einem herkömmlichen ontologischen Sinn, der ja auch negiert wird, sondern „secundum excellentissimum | modum“.⁵⁸⁸ Dieser herausragende Bewegungsmodus dürfte

 Periphys. II, 2380 – 2386 (PL 122, 598A); Hervorh. Ro: „In quantum se ipsum in his quae fecit non | intelligit subsistere, in tantum intelligit se super omnia esse, ac | per hoc ipsius ignorantia uera est intelligentia; et in quantum se | nescit in his quae sunt comprehendi, in tantum se scit ultra om|nia exaltari, atque ideo nesciendo se ipsum a se ipso melius sci|tur. Melius est enim se scire ab omnibus remotum esse, quam si | sciret in numero omnium se constitui.“ Periphys. II, 2110 – 2115 (PL 122, 590CD): „De hac mirabili diuina ignorantia, qua deus non intelligit | quid ipse sit, quae a te dicta sunt, quamuis caliginosa, non ta|men falsa, sed uera uerique similia mihi uideri fateor. Non enim | suades deum se ipsum ignorare, sed solummodo ignorare quid | sit et merito, quia non est quid. Infinitus quippe est et sibi ipsi | et omnibus, quae ab eo sunt.“ Daran schließt sich passend Ergänzung 162 an; Periphys. II, add. 162, 667– 668 (PL 122, 590D): „Ac per hoc, in hac specie ignorantiae apertissime pulcher|rimeque summa et ineffabilis arridet sapientia.“ Mit diesem Nicht-Wissen ist also nicht so sehr das Nicht-Wissen gemeint, durch das wir das Absolute wissen können. Das Absolute selbst weiß sich selbst im Nicht-Wissen (so auch Beierwaltes 1994, 198 mit Anm. 95). Dieses absolute Nicht-Wissen ist das Nichts des Absoluten selbst. Dieses ist eine reine Form des Nicht-Wissens: Das Absolute ist kein „quid“, kein Begrenztes und gerade deshalb reines „nihil“ (Periphys. II, 2061– 2068 (589AB)). Also ‚weiß‘ sich das Absolute nach Eriugena als transzendentes Über-Wesen und dieses überkategoriale und transzendente Nicht-Wissen des Absoluten (ignorantia) ist für Eriugena „summa sapientia“, also die „höchste Weisheit“ (bes. Periphys. II, 2213 – 2215 (PL 122, 594A).  Beierwaltes 1994, 180 – 203; bes. 193 – 198.  Periphys. I, 3400 – 3444 (PL 122, 521C – 522C); hier 3437– 3438. Die ‚Bewegung‘ des Absoluten hat man demnach als durch absolute Negation gereinigte ‚Bewegung‘ zu begreifen (Pe-

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also dem Absoluten eigentlich zukommen.⁵⁸⁹ Weil das Absolute in sich selbst ‚bewegt‘ ist und weil sein ‚Wesen‘ von seiner ‚Aktivität‘ nicht verschieden ist, geht die Aktivität des Absoluten nicht einfach an seiner eigenen Überwesentlichkeit vorbei, sondern ist gerade wesentlicher Bestandteil seiner Überwesentlichkeit. Diese dem Absoluten selbst immanent bleibende ‚Bewegung‘ ist daher keine akzidentielle, äußere, äußerliche oder andersheitliche Bezugsform. Weil das Absolute von sich selbst in sich selbst bewegt ist, ist es nicht auf etwas Anderes oder ihm Äußerliches, sondern ausschließlich auf sich selbst bezogen. Diese in sich bleibende absolute ‚Bewegung‘ kann so nur als Selbstbezüglichkeit ausgelegt werden, weil akzidentielle, äußere oder andersheitliche Bezugsformen vom Absoluten negiert werden müssen. Von entscheidender Bedeutung hierbei ist, dass Eriugena explizit darauf hinweist, dass bei der Diskussion des göttlichen Nichts die Gegensätze mit in die Betrachtung einfließen müssen.⁵⁹⁰ Das Absolute ist aufgrund seiner Negativität die Negation von Andersheit und andersheitlichem Sein.⁵⁹¹ Der absolute Negationsakt ist daher Ausdruck absoluter Selbstbezüglichkeit. Diese doppelte und daher absolute Form der Negation beschreibt Eriugena insbesondere anhand seiner doppelt negativen Begriffskonstruktion „Gegensätzlichkeit der Gegensätze“ (oppositio oppositorum).⁵⁹² Mit dieser Konstruktion hat Eriugena gerade das Absolute im Blick. Das Absolute ist jedem Gegensatz enthoben, denn es ist die „Unendlichkeit der Unendlichkeiten“ und daher mehr als Unendlichkeit oder als

riphys. I, 3218 – 3288 (PL 122, 514A – 518D)). Eriugena gewinnt der dionysischen Beschreibung von göttlicher Ruhe und Bewegung einen besonderen Aspekt ab (Periphys. I, 3445 – 3475 (PL 122, 522D – 524A). Vgl. De div. nom. IX, 8 – 9, p. 212, 16 – p. 213, 20 (PG 3, 916B – D)): Das Absolute bewegt sich selbst und wird von sich selbst in sich selbst und in uns bewegt. Jedoch bewegt das Absolute sich selbst nicht und es wird nicht von sich selbst in sich und in uns bewegt, weil es sich mehr als bewegt und in sich selbst und in uns mehr als bewegt wird (Periphys. I, 3415 – 3418 (PL 122, 522A)). Die „nominaliter“ prädizierten Signifikate werden dem Absoluten durch die Negation abgesprochen (Periphys. I, 3419 – 3425 (PL 122, 522AB)). In der Folge dieser Negationsbewegung endet Eriugena in der Formel „plus quam“ (Periphys. I, 3426 – 3428 (PL 122, 522B)). Er hat hiermit eine Negationslogik entworfen, die den negativen Charakter des Absoluten gezielt herausarbeitet und das Absolute dabei mit der Bewegung verbindet, ohne diese dem Absoluten in einem herkömmlich-ontologischen Sinne eigentlich zuzuschreiben und ohne sie privativ vom Absoluten zu negieren.  Periphys. I, 3440 – 3444 (PL 122, 522C).  Periphys. III, 2768 – 2769 (PL 122, 686A).  Vgl. Cusanusmarg. zu Periphys. I, 3289 – 3291 (PL 122, 518D – 519A); MFCG 3, 99: „In deo non est aliud et diuersum“.  Periphys. I, 3231– 3232 (PL 122, 517C). Honorius hat diesen Gedanken Eriugenas übernommen (Cl. Phys. 65, 30 – 33). Cusanus’ Rezeption dieses Konzepts wird in der folgenden Argumentation eigens thematisiert.

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unendliche Seinsfülle.⁵⁹³ Der doppelte negative Begriff ‚oppositio oppositorum‘ bezieht sich auf die entrückte Überwesentlichkeit des Absoluten, also auf die absolute Unendlichkeit jenseits aller möglichen Gegensatzverhältnisse.⁵⁹⁴ Durch das Konzept der ‚oppositio oppositorum‘ illustriert Eriugena also die Übergegensätzlichkeit des Absoluten. In diesem werden sowohl privative als auch andersheitliche Negationen, die beide durch den Begriff ‚opposita‘ repräsentiert werden, transzendiert: Der privative, beraubende und das Negierte ins leere Nichts herabziehende Negationstypus wird durch die absolute Negation überwunden. Eriugena artikuliert mit dieser Negation also keineswegs die bloße „absentia“ des Absoluten.⁵⁹⁵ Noch wichtiger ist, dass auch andersheitliche Negationsformen überwunden werden: Während alle Derivate des Absoluten in einem andersheitlichen, also einem widersprüchlichen, konträren oder relationalen Verhältnis zueinander stehen, transzendiert das Absolute jede Form der Relation. Es ist nicht als relationales Nicht-Seiendes zu verstehen, denn so wäre es nur ein ‚oppositum‘ unter vielen verschiedenen ‚opposita‘. Es negiert die Kontrarietät der Seienden, deren Sein von Eriugena auch als proportioniertes und harmonisches Ganzes beschrieben wird.⁵⁹⁶ Die Negativität des Absoluten ist also eine Negation an-

 Periphys. I, 3224– 3225 (PL 122, 517B): „Fatetur enim deum infinitum esse plusque | quam infinitum – infinitas enim infinitorum est“.  Periphys. I, 748 – 750 (PL 122, 459CD).  Periphys. III, 2793 – 2801 (PL 122, 686C – 687A). Die Welt wird also nicht durch die privative Negation der Kreatur („de negatione dei et creaturae“) geschaffen (Periphys. III, 2813 (PL 122, 687B)). Die schöpferische Negation ist deswegen keinesfalls als Privation zu verstehen. Vgl. Cl. Phys. 169, 30 – 31.  Periphys. I, 3230 – 3237 (PL 122, 517BC). Vgl. Periphys. I, 1328 – 1343 (PL 122, 473BC). Periphys. III, 782– 786 (PL 122, 637D – 638A). Die ‚essentia‘ ist gegenüber dem Absoluten trotz ihrer inneren Harmonie durchaus noch in gewissen gegensätzlichen Verhältnissen befangen (Periphys. I, 748 – 749 (PL 122, 459CD). Periphys. I, 821– 822 (PL 122, 461B). Periphys. I, 828 – 831 (PL 122, 461C). Denn sie steht einerseits im Gegensatz zu ihrer privativen Verneinung, also dem leeren Nichts, und andererseits als Fülle unwandelbarer und ewiger Bestimmungen gemäß dem vierten Aussagemodus von Sein und Nicht-Sein in einem gewissen Gegensatz zu den wandelbaren Einzeldingen des sinnlichen Kosmos (Periphys. I, 131– 136 (PL 122, 445BC)). Überhaupt bilden Grund (essentia) und Effekt eine relationale Einheit, sodass sie nur zusammen bestehen können. Eriugena hat ein solches Verhältnis in Bezug auf das Absolute negiert. Eriugena geht es um eine neue Art des Bezugs, in dem das Absolute seine absolute Autarkie bewahrt und dennoch gründend und bewahrend auf alle Derivate bezogen sein kann. Daher hat er das Verhältnis von Grund und Effekt auch in der ‚oppositio oppositorum‘ transzendiert und das Absolute als Negation ‚herkömmlicher‘ Grund-Effekt-Beziehungen aus dieser Abhängigkeitsbeziehung gelöst. Das Absolute negiert also die Relation und alle ontologischen Formen der spezifischen Differenz (auch die der Trinität). Dadurch aber erhält es eine ‚spezifische Differenz‘, die nicht mehr durch Gattung und Art zu bestimmen ist, sondern in der Negation aller Dinge besteht: also in InDifferenz.

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dersheitlicher Negation. Damit wird das in dieser Negation Negierte gerade nichtandersheitlich verneint: Eriugena drückt so die In-Differenz des Absoluten aus. Entscheidend ist, dass diese In-Differenz des Absoluten es ermöglicht, Eriugenas Aussagen, dass Gott nichts außerhalb seiner selbst sehe, sich nur in sich selbst bewege und von keinem Anderen geschaffen werde, als Umschreibungen absoluter Selbstbezüglichkeit zu verstehen.⁵⁹⁷ Eriugena negiert die Möglichkeit der Differenz im Absoluten derart, dass das Absolute keinen ‚nach außen‘ gerichteten oder seine eigene Überwesentlichkeit verlassenden Bezug aufweisen kann. So ist dann auch diese absolute Negation nicht von den negierbaren Anderen, den Seienden und Nicht-Seienden, abhängig. Kann vor diesem Hintergrund die Relation also in spezifischer Weise direkt auf das Absolute bezogen werden? Eriugena gibt selbst zu bedenken, ob die Relation nicht „proprie“ von Gott ausgesagt werden könne.⁵⁹⁸ Die Negation behält allerdings letztlich die Überhand; Eriugena leugnet so die Gültigkeit der Relation für das Absolute – eine Aussage, auf die Kurt Flasch mit Unverständnis reagiert.⁵⁹⁹ Um die Frage zu klären, inwiefern die Relation dem Absoluten zugesprochen werden kann, müssen zwei fundamentale Grundbestimmungen in Eriugenas Denken, Ruhe und Bewegung, genauer betrachtet werden. Diese sind für Eriugenas Verständnis der Relation ausschlaggebend. Ruhe und Bewegung bilden für Eriugena im Bereich der Endlichkeit eine Disjunktion.⁶⁰⁰ Gleichwohl können Ruhe und Bewegung, wie schon oben gezeigt wurde, miteinander koinzidieren. Denn

 Periphys. I, 440 – 442 (PL 122, 452C): „Nam cum a uerbo ΘΕΩΡΩ deducitur, ΘΕΟC uidens inter|pretatur. Ipse enim omnia quae sunt in se ipso uidet, dum nihil | extra se ipsum aspiciat quia nihil extra se ipsum est.“ Periphys. I, 458 – 463 (PL 122, 453A): „Deum moueri non extra se dixi, sed a se ipso in se ipso ad | se ipsum. Non enim alium motum in eo oportet credi praeter | suae uoluntatis appetitum, quo uult omnia fieri, sicut status eius | non quasi post motum stet sed eiusdem suae uoluntatis incom|mutabile propositum intelligitur, quo omnia in incommutabili ra|tionum suarum stabilitate permanere diffinit.“ Periphys. I, 550 – 551 (PL 122, 455A): „N: Non ergo ambigis dum ipsam creari audis non ab alia sed a | se ipsa creari?“  Periphys. I, 959 – 960 (PL 122, 464C).  Periphys. I, 978 – 979 (PL 122, 465A). Der Mangel von Eriugenas Rehabilitationsversuch der Relation besteht für Kurt Flasch in Eriugenas Betonung der negativen Theologie. Indiz für eine gewollte aber nicht erreichte Überwindung sei der Versuch, die unbestimmte Gottheit aus ihrer Unendlichkeit heraustreten zu lassen, um sie über die Entzweiung ihrer absoluten Einheit in Beziehungen und in „korrelativen Denkbestimmungen“ aufgehen zu lassen. Die negative Theologie verschlinge demgegenüber den „relationstheoretischen Ansatz“ (Flasch 1971, 16; vgl. 7– 8 und 15 – 16). Flasch will demgegenüber die Relation nicht vom Absoluten ausschließen: Weil die Relation für Eriugena über allen anderen Kategorien stehe, diese bedinge und auf keine der anderen Kategorien reduziert werden könne, erscheine die Relation gerade „als das Absolute selbst“ (Flasch 1971, 8 mit Anm. 5).  Periphys. I, 3149 – 3175 (PL 122, 515C – 516B).

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jede Wesenheit hat sich als Koinzidenz von Ruhe und Bewegung gezeigt, weil sie einerseits unwandelbar sie selbst ist und andererseits mit anderen Wesenheiten in Beziehung steht. Das Absolute ist gerade deshalb nicht durch die Kategorie der Relation beschreibbar. Denn das Absolute bezieht sich weder andersheitlich auf ein Anderes ihm gegenüber noch ist es von einem anderen oder höheren Sein abhängig. Das Absolute ist daher weder Ruhe noch Bewegung. Wichtig ist hierbei, dass sich diese Negation nicht in die Konjunktion von Ruhe und Bewegung überführen lässt: Eriugenas transzendierende Negation, die Gegensätzlichkeiten, andersheitliche Bewegungen und alle Bestimmungen überwindet, kann nicht einfach durch logische Überlegungen überwunden werden.⁶⁰¹ Denn bereits jedes Wesen ist zugleich in Ruhe und Bewegung. Selbst der paradoxe Begriff „motus stabilis“ muss in Bezug auf das Absolute als nicht-eigentlicher Ausdruck gewertet werden.⁶⁰² Das Absolute lässt sich also letztlich nur durch die transzendierende Negation als ‚Relation‘ beschreiben,weil diese Negation die Relation verabsolutiert.⁶⁰³ Diese absolute Relation ist nichts anderes als reine Negativität. Diese ist aber keineswegs eine tote, sterile oder völlig unbezügliche Negativität. Denn die Negation andersheitlicher Bezugsformen ist keine andersheitliche Negation andersheitlicher Negationsformen, die die Differenz durch Negation in die Identität übergehen ließe. Gerade weil diese absolute Negation keine andersheitliche Negation ist,

 So ist auch die Einheit bzw. Koinzidenz von ‚Wollen‘, ‚Sehen‘ und ‚Sein‘ des Absoluten nicht einfach ihre Koinzidenz, sondern Einheit in der negativen Überwesentlichkeit; Periphys. III, 2306 – 2312 (PL 122, 675BC); Hervorh. Ro: „Si enim diuina uoluntas diuinaque uisio es|sentialis est et aeterna, et non aliud est ei esse, aliud uelle, | aliud uidere, sed unum et id ipsum superessentiale, et omne | quodcunque intra uoluntatem et uisionem suam comprehendit | non aliud praeter ipsum ratio sinit intelligi – simplex siquidem | natura intra se non patitur esse quod ipsa non sit – restat sine | ulla controuersia unum deum omnia in omnibus esse fateri.“  Beierwaltes 1994, 259, Anm. 178. Dies wird indirekt auch dadurch illustriert, dass Ruhe und Bewegung für Cusanus in der Deutung Beierwaltes’ Begriffe für die Koinzidenz der Gegensätze sind. In der Tat weist Beierwaltes darauf hin, dass diese Begriffe wie auch Identität und Differenz in ihrer wechselseitigen Durchdringung das seiende Eine beschreiben (Beierwaltes 1994, 285 – 288). Da Cusanus und Eriugena letztlich davon ausgehen, dass das Absolute jenseits der Koinzidenz von Gegensätzen liegt, können Ruhe und Bewegung das Absolute gerade nicht eigentlich beschreiben, sondern bleiben Bestimmungen des dem Absoluten subordinierten Seins.  Wie schon Werner Beierwaltes anmerkt, können zwar Ruhe und Bewegung auch in ihrer paradox-koinzidentalen Gleich-Gültigkeit dem Absoluten nicht eigentlich zugesprochen werden. Dennoch würde dieser durch Ruhe und Bewegung suggerierte Gedanke des „In-sich-Seins“ und „der ‚nach außen‘ wirkenden (creativen) Bewegung“ dem Unendlichen nicht einfach oder „schlechterdings abgesprochen“ (Beierwaltes 1994, 287). In der Tat handelt es sich bei der transzendierenden Negation nicht um eine privative Form der Negation.

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kann sie das Absolute nicht als unbezügliche Selbstidentität oder Sterilität ausweisen. Wie schon in Bezug auf Cusanus festgestellt werden konnte, ist das Absolute nicht einfach die ‚negative Kehrseite‘ ontologischer Positionen, sondern absolute Negativität. Eriugena wendet die nicht-andersheitliche Negation ganz bewusst auf das Absolute an und verdeutlicht damit den Selbstbezug des Absoluten kraft der Negation, durch die Differenz und Identität transzendiert werden. Vor diesem Hintergrund wird ersichtlich, wie die dem Absoluten eigene Form der selbstbezüglichen ‚Bewegung‘ verstanden werden muss: als Selbstbezug in absoluter In-Differenz und Negativität. Die absolute Negation ist somit Bedingung und Vollzugsform absoluter Selbstbezüglichkeit. Eriugena denkt den absoluten Selbstbezug also durch die Negativität und in der Negativität des Absoluten. Dieser ist mithin kein andersheitlicher Bezug. Er ist weder steril, noch völlig unbezüglich und letztlich auch kein tautologischer (Selbst‐)Bezug, sondern ein Selbstbezug, der durch die nicht-andersheitliche Negation hergestellt und in ihr vollzogen wird. Da die absolute Negation Ausdruck absoluter Selbstbezüglichkeit ist, kann man zudem annehmen, dass sich das Absolute im Verneinen aller Dinge für sich, also indem es alles Nicht-Absolute negiert, auf sich selbst bezieht. Die Negation aller Dinge verweist primär auf sich (zurück), weil sie von sich selbst verneint, durch positive und andersheitliche Bestimmungen bestimmbar zu sein: Die Negation des Endlichen entspricht so der Negativität des Absoluten oder der Unendlichkeit des Absoluten.⁶⁰⁴ Dabei zeigt sich genau hierin die Pointe von Eriugenas These, dass das Absolute zwar alles schaffe, aber selbst nicht geschaffen werde. Das Absolute wird so insofern nicht geschaffen oder nicht begriffen, als es von einem Anderen geschaffen oder begriffen werden kann.⁶⁰⁵ Das Absolute ‚weiß‘ sich in seinem in sich selbst ‚bewegten‘ Selbstbezug als reine Negativität. Aus diesem Grund ‚erkennt‘ und ‚schafft‘ sich das Absolute als das, was von keinem Anderen bestimmt, erkannt oder definiert werden kann. Allerdings bleibt bei der soeben beschriebenen ‚Selbstbestimmung‘ des Absoluten als absolute Tran Vgl. Periphys. III, 2766 – 2843 (PL 122, 686A – 688A).  Periphys. I, 413 – 423 (PL 122, 452A – 452B): „Firmissime credo et quantum datur intelligo, de diuina so|lummodo omnium causa recte hoc praedicari, quia sola omnia | quae a se sunt creat et a nulla superiori ac se praecedente crea|tur. Ipsa enim est summa ac sola causa omnium quae ex se et in | se subsistunt. Velim tamen scire quid de hac re sentias. Non enim | parum me mouet dum saepissime in libris sanctorum patrum qui | de diuina natura disputare conati sunt inuenio eam non solum | omnia quae sunt creare, sed etiam creari. Ea siquidem, ut aiunt, | facit et fit, et creat et creatur. Si igitur ita est, quomodo nostra | ratiocinatio steterit non facile inuenio. Dicimus enim eam solum|modo creare, a nullo autem creari.“ Eriugena schlussfolgert; Periphys. I, 550 – 552 (PL 122, 445A); Hervorh. Ro: „N: Non ergo ambigis dum ipsam creari audis non ab alia sed a | se ipsa creari? | A: Non ambigo.“ Vgl. Weiner 2007, 111.

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szendenz und reine Negativität zu konzedieren, dass sich das Absolute nicht transzendieren muss, um absolut zu sein. Auch wird damit die Unendlichkeit oder die absolute Unbestimmtheit des Absoluten nicht hintergangen, sondern bewahrt. In diesem Negationsakt bezieht sich das Absolute auf sich selbst, also auf seine Negativität. Dadurch bewahrt es seine ihm eigene Form der negativen Aktivität. In der Forschung wird also zu Recht zwischen dem cusanischen Nicht-Anderen und Eriugenas ‚oppositio oppositorum‘ eine historische Verbindung vermutet.⁶⁰⁶ Ersichtlich wird dieser Konnex bereits dadurch, dass Cusanus Eriugena bezüglich der Transzendenz des Absoluten gegenüber Anderem und der Differenz folgt.⁶⁰⁷ Wie sehr sich Cusanus an Eriugena orientiert hat, wird aber auch in den Cusanusmarginalien zu Eriugenas Verständnis des nicht-andersheitlichen Bezugs des Absoluten in seiner Begründung durch die ‚oppositio oppositorum‘ ersichtlich. Cusanus hat die hierfür entscheidenden Stellen des Werks von Eriugena kommentiert und offenbar durch die Lektüre Einsicht in die übergegensätzliche Überwesentlichkeit des Absoluten gewonnen.⁶⁰⁸ Cusanus hat den kurzen Abschnitt, in dem Eriugena das Absolute als Gegensätzlichkeit der Gegensätze beschreibt, intensiv hervorgehoben:⁶⁰⁹ Zunächst annotiert er Eriugenas Beschreibung des Absoluten als „Überunendlichkeit“ und als „Unendlichkeit der Unendlichkeit“. Cusanus hat also erkannt, dass Eriugena hiermit das Absolute im Blick hat.⁶¹⁰ Im Anschluss markiert er den für die doppelte Negation besonders relevanten Abschnitt⁶¹¹ mit einer Vertikale: Denn gerade diesen Abschnitt, so Cusanus, müsse man ganz besonders beachten.⁶¹² Noch vor diesen Anmerkungen hebt er in einer eigenen Marginalie den mit der ‚oppositio oppositorum‘ korrelierenden Begriff „contrariorum contrarietas“ hervor.⁶¹³  Letztlich war es aber Werner Beierwaltes, der das cusanische Nicht-Andere als sachliche Entsprechung zur ‚oppositio oppositorum‘ Eriugenas gewertet hat (Beierwaltes 1964, 175 – 185; bes. 183 – 184. Beierwaltes 1987, 316 – 319. Beierwaltes 1994, 272– 275. Beierwaltes 2006, 222. Beierwaltes 1994, 272– 275. Beierwaltes 2006, 222. Vgl. Mojsisch 1983, 94. Ríos 2005, 224. Grotz 2009, 222– 223).  Cusanusmarg. (PL 122, 518D); MFCG 3, 99: „In deo non est aliud et diuersum“. Davide Monaco sieht hierin eine Quelle des cusanischen Nicht-Anderen (Monaco 2010, 198).  Die Übergegensätzlichkeit des Absoluten konnte Cusanus, wie oben gezeigt, auch von Proklos und Dionysios übernehmen. Doch Proklos und Dionysios kennen keinen negativen Selbstbezug des Absoluten.  Periphys. I, 3224– 3237 (PL 122, 517BC).  MFCG 3, 98: „deus infinitas est infinitorum“.  Periphys. I, 3230 – 3235 (PL 122, 517BC).  MFCG 3, 98: „nota istud singularissime“. Diesen Bemerkungen fügt er noch ein für ihn typisches Merkzeichen, eine Hand mit Zeigefinger, hinzu.  MFCG 3, 98: „deus contrariorum contrarietas“. Honorius trifft ebenfalls diesen Gedanken Eriugenas. Dass sich hierbei Cusanus, Honorius und Eriugena sachlich treffen, kann folgen-

3. Der negative Selbstbezug des Absoluten bei Eriugena

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Nun sind ‚oppositio oppositorum‘ und ‚non aliud‘ strukturgleiche Begriffskonstrukte, die die reine, übergegensätzliche Negativität des Absoluten intendieren und diese als absolute In-Differenz ausweisen. Demnach ist das Absolute für beide Denker kraft der Negation andersheitlicher Bezugsformen absoluter Selbstbezug. Für Eriugena und Cusanus ist der Selbstbezug des Absoluten nur als negativ-transzendenter Selbstbezug zu verstehen. Cusanus hat den Gedanken der ‚oppositio oppositorum‘, der für ihn eine sachliche Entsprechung zu seinem Begriff ‚non aliud‘ darstellt, also gerade vor dem Hintergrund dieser Passage des Periphyseon entwickelt. Diese dem Absoluten selbst innerlich bleibende Aktivität beschreiben Eriugena und Cusanus auch als Nicht-Wissen, das sie aber beide nicht als Un-Wissen, sondern als absolute Form des Wissens begreifen.⁶¹⁴ Darin zeigt sich auch, dass Cusanus und Eriugena von einer ‚Selbstdefinition‘ bzw. von einem negativen ‚Selbstwissen‘ des Absoluten ausgehen können, weil ‚Selbstdefinition‘ und ‚Selbstwissen‘ nicht ontologisch zu verstehen sind. Vielmehr bewahrt das

dermaßen verdeutlicht werden: Honorius verbindet wie Cusanus und Eriugena die ‚Bewegung‘ des Absoluten mit seiner überwesentlichen Negativität; Cl. Phys. 65, 7– 9: „Deus autem est principium et finis omnium, et omnia ab ipso per | ipsum ad ipsum moventur, et ipse ad nullum eorum movetur.“ So bewegt sich das Absolute nicht außerhalb seiner selbst. Honorius präzisiert, dass nichts dem Absoluten akzidentiell zukommen könne, so als ob sich das Absolute aus sich selbst heraus bewegen müsste, um sich seinen Derivaten überhaupt erst zuwenden zu können (Cl. Phys. 65, 26 – 27). Daher ist es das Unendliche schlechthin bzw. „opposi|torum oppositio“ (Cl. Phys. 65, 32– 33). Die Bedeutung von Dionysios und Proklos für diese Konzeption muss demgegenüber infrage gestellt werden: Bei Dionysios, den Cusanus in De li non aliud bei seiner Diskussion der ‚oppositio oppositorum‘ nennt, findet sich dieser Begriff so nicht (De non aliud (h XIII) c. 19, p. 47, 8 – 10). Dies hat die Forschung bereits vor längerer Zeit souverän erkannt (Baur 1941, 51. Beierwaltes 1964, 183 – 184. Beierwaltes 1987, 318. Beierwaltes 1994, 275). Ferner spielt der Begriff ‚non aliud‘, den Cusanus, wie bereits gezeigt, bei seiner Lektüre der Theologia Platonis entdeckt, bei Proklos und Dionysios konzeptionell keine tragende Rolle, weil diese beiden Denker keinen negativen Selbstbezug des Absoluten kennen.  Diesen Gedanken hat Cusanus insbesondere in Honorius’ Eriugenaparaphrase gelesen; Cusanusmarg. 69 (Cl. Phys. 110, 2); Lucentini 1979, 97: „ignorantie Dei“. Vgl. Cusanusmarg. 71 (Cl. Phys. 111, 12– 14); Lucentini 1979, 98: „quomodo cognoscitur Deus esse et non esse“. Werner Beierwaltes sieht hierin eine Parallele zwischen Eriugenas und Cusanus’ Konzept absoluten Wissens. Gleichwohl merkt er an, Cusanus habe die radikale Formulierung Eriugenas zum NichtWissen des Absoluten korrigieren wollen (Beierwaltes 1987, 335 mit Anm. 89. Beierwaltes 1994, 297 mit Anm. 89). Cusanus scheint in der Tat Eriugenas These, die ihm von Honorius übermittelt wurde, skeptisch gegenüberzustehen, da er sie mit „male“ annotiert (Cusanusmarg. 64 (Cl. Phys. 107, 24– 28); Lucentini 1979, 96). Grundsätzlich steht aber außer Frage, dass sich Cusanus und Eriugena in ihrer Einschätzung absoluten Wissens treffen: Denn sie entwerfen das Wissen des Absoluten von sich selbst als Wissen in reiner Negativität.

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Absolute darin seine Negativität: Das Absolute ‚definiert‘ bzw. ‚weiß‘ sich in absoluter Negativität als absolute Negativität.⁶¹⁵ Wie oben festgestellt werden konnte, hat Cusanus diesen Gedanken negativer Selbstbezüglichkeit durch den Satz ‚non aliud est non aliud quam non aliud‘ trinitarisch ausgedeutet und so eine neue und höchst ungewöhnliche Trinitätsformel entworfen. Hat aber auch Eriugena den Selbstbezug des Absoluten trinitarisch ausformuliert? Dies scheint nicht der Fall zu sein: Das Absolute ist für Eriugena „mehr als Einheit und mehr als Dreiheit“.⁶¹⁶ Er entwirft die Trinität daher vor allem analog zum nizäo-konstantinopolitanischen Glaubensbekenntnis.⁶¹⁷ Er verbleibt dabei auf der ontologischen Ebene der zweiten Natur. Diese dogmatischontologische Trinitätsformel ist aber im Hinblick auf das Absolute uneigentlich und bezeichnet daher gerade nicht das Absolute. Im Satz ‚non aliud est non aliud quam non aliud‘ hat man also die Originalität von Cusanus gegenüber Eriugena zu sehen. Er formuliert damit eine präzise, weil negative Trinitätsformel, die allen anderen Trinitätskonzeptionen gegenüber genauer sein soll.⁶¹⁸ Daher spielt die positiv-ontologische Trinitätsformel bei Cusanus im Rahmen des negativen Selbstbezugs keine Rolle. Außerdem kann Cusanus sehr viel deutlicher von einer Selbstdefinition des Absoluten sprechen, die in diesem selbst ihren Anfang nimmt, in und durch sich selbst vollzogen und in diesem selbst beschlossen

 Demgegenüber muss die Einschätzung Werner Beierwaltes’, der einerseits von einer „ontologischen“ Selbstbestimmung des Nicht-Anderen ausgeht und auf der anderen Seite meint, das Absolute Eriugenas könne sich aufgrund seiner Unendlichkeit nicht definieren, mit Nachdruck zurückgewiesen werden (Beierwaltes 2010, 90 mit Anm. 26). Denn hiermit grenzt Beierwaltes Cusanus von Eriugena ab. Allerdings gehen beide Denker gerade nicht von einer ontologischen Selbstdefinition des Absoluten, sondern von einem negativen Selbstbezug des Absoluten aus.  Periphys. II, 3084– 3092 (PL 122, 614C); Hervorh. Ro: „Nam quaecunque de simplicissimae bonitatis trinitate | dicuntur seu cogitantur seu intelliguntur uestigia quaedam sunt | atque theophaniae ueritatis, non autem ipsa ueritas, quae supe|rat omnem theoriam non solum rationalis uerum etiam intellec|tualis creaturae. Neque enim talis unitas est seu trinitas, qualis | ab ulla creatura potest excogitari seu intelligi, seu aliqua phan|tasia, quamuis lucidissima et uerisimillima, formari. Haec enim | omnia fallunt, dum in eis finis contemplationis ponitur. Siquidem | plusquam unitas est et plusquam trinitas.“  Periphys. II, 3025 – 3052 (PL 122, 613A – C). Periphys. II, 2440 – 2441 (PL 122, 599B): „Est igitur una causa in tribus causis et tres | in una.“ Periphys. II, 2784 (PL 122, 607B): „trinitatem in unitate et unitatem in trinitate“. Dazu Beierwaltes 1994, 204– 261; bes. 218 – 261. Vgl. dazu Beierwaltes 1994, 204– 261.  De non aliud (h XIII) c. 5, p. 13, 1– 17 [n. 19].

3. Der negative Selbstbezug des Absoluten bei Eriugena

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wird.⁶¹⁹ Wie gezeigt, macht Cusanus aber klar, dass es sich dabei nicht um eine Definition im endlichen oder eigentlichen Wortsinn handelt. Gegenüber dieser Differenz zwischen Eriugena und Cusanus müssen aber die sachlichen und historischen Übereinstimmungen im Hinblick auf das Konzept eines ‚einfachen‘ negativen Selbstbezugs betont werden. Cusanus hat den von Eriugena entdeckten Gedanken eines negativen Selbstbezugs des Absoluten rezipiert. Stimmen aber Eriugenas und Cusanus’ Konzepte des negativen Selbstbezugs auch im Hinblick auf die Prinzipfunktion des Absoluten überein? Wie gezeigt, hat sich das Nicht-Andere als selbstbezügliches Prinzip aller Dinge erwiesen. Wie aber kann der absolute Selbstbezug bei Eriugena alles Seiende und Nicht-Seiende aus sich hervorgehen lassen? Suggeriert nicht der Selbstbezug, dass das Absolute nur in sich kreist, mithin auf Anderes nicht bezogen und daher völlig a-relational ist? Im Folgenden soll daher auf Eriugenas Deutung der sogenannten Schöpfung aus dem Nichts eingegangen werden, um zu zeigen, ob und wie der absolute Selbstbezug kreativ tätig sein kann.

3.3. „Creatio ex nihilo“ und der Universalbezug des Absoluten Eriugena denkt das Nichts oder das Absolute als die überwesentliche Gutheit, die gewissermaßen aus ihrer überwesentlichen Nichtigkeit in Etwas hervorgegangen ist.⁶²⁰ Dieser ‚Abstieg des Absoluten‘ in den Kosmos geschaffener Seiender ist aber kein realer Abstieg des Absoluten selbst, den man als Selbstentzweiung deuten könnte. Eriugena präzisiert auch, dass das Absolute in der ihm eigenen überwe-

 De non aliud (h XIII) c. 5, p. 13, 17– 21 [n. 19]: „Quando | enim primum principium ipsum se definit per ‚non aliud‘ signifi|catum, in eo definitivo motu de non alio non aliud oritur atque de | non alio et non alio exorto in non alio concluditur definitio, quae | contemplans clarius, quam dici possit, intuebitur.“ Gleichwohl konnte sich Cusanus hierbei auch auf Eriugena berufen, denn dieser hat im Hinblick auf Gott nicht zwischen Anfang, Mitte und Ende unterschieden; Periphys. III, 2855 – 2859 (PL 122, 688B): „De deo, ut opinior, inter nos conuenerat quod totius | uniuersitatis conditae principium sit et medium et finis. Non | quod aliud ei sit esse principium, aliud medium, aliud finis – | haec enim tria in ipso unum sunt – sed quod theologicae con|templationis triplex motus sit.“ Periphys. III, 2846 – 2851 (PL 122, 688A): „Et quoniam propemodum inter nos | est confectum omnia ex deo et deum in omnibus esse, et non | aliudne nisi ex ipso facta esse – quoniam ex ipso et per ipsum | et in ipso facta sunt omnia – quomodo quadripertita totius na|turae discretio deo conueniat, plane ac breuiter recapitules fla|gito.“ Diese Stelle annotiert Cusanus in der Clavis Physicae; Cusanusmarg. 110 (Cl. Phys 170, 20 – 22); Lucentini 1979, 107: „ex ipso per ipsum in ipso“. Vgl. Cusanusmarg. (PL 122, 515D); MFCG 3, 98: „deus a quo, per quem et ad quem omnia mouentur“.  Periphys. III, 2569 – 2575 (PL 122, 681C).

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sentlichen und unerkennbaren Art aus seiner überwesentlichen Negativität in Etwas hervorgegangen ist.⁶²¹ Damit spielt Eriugena auf die ‚Tätigkeit‘ des Absoluten an, durch die es alle Bestimmungen ausfaltet. Durch diese Tätigkeit schafft es die Vielheit. Daher ist das Absolute nicht an sich „unum multiplex“, sondern eher „unum multiplex uirtute“.⁶²² Es bleibt bei seiner kreativen ‚Tätigkeit‘ unhintergehbar in sich selbst und daher über allem jenseits der Vielheit und auch jenseits der göttlichen Wesenheit. Dies wird besonders deutlich, wenn man die oben dargelegte Dialektik von Affirmation und Negation in diesem Zusammenhang noch mal durchdenkt: Beim Schöpfungsakt, in dem alle Bestimmungen aus dem Absoluten hervorgehen, bleibt das Absolute selbst in seiner eigenen Überwesentlichkeit, die negativ aus aller Bestimmtheit ‚ausgegrenzt‘ werden muss. Die hervorgegangene Bestimmung ist demgegenüber eine Affirmation und kann als Affirmation das Absolute nicht eigentlich beschreiben. Wenn demnach hinter jeder affirmativen Aussage das an sich Negative liegt, so wird klar, dass das Absolute in seinem Wirken nicht aus seiner Negativität hervorgegangen sein kann. Denn die bestimmten Positionen sind eben nicht das Absolute selbst, sondern nur Theophanien und Metaphern für das Absolute. Wie oben gezeigt wurde, geht Werner Beierwaltes von einer selbstbezüglichen Negation aus, deren Zweck es ist, die ursprüngliche Negativität so zu negieren, dass alle Derivate des Absoluten durch Selbstnegation und Selbstentzweiung positiv aus der Negativität ausgefaltet werden. Der Schöpfungsakt des Absoluten wird daher von Beierwaltes als Negation der ursprünglichen Negativität verstanden.⁶²³ Zwar weist Beierwaltes entschieden darauf hin, dass die Negation ursprünglicher Negativität nicht zu einer Selbstüberwindung des Absoluten führt.⁶²⁴

 Periphys. III, 2541– 2552 (PL 122, 680D – 681A). Vgl. Periphys. III, 2444– 2446 (PL 122, 678C); bes. 2446: „inuisibilis uisibilem se faciens“. Das Absolute macht sich auf unsichtbare Weise sichtbar. Es wirkt also – gemäß der eigenen Natur des Absoluten – im Modus der Negativität: s. dazu unten, IV.3.4.  Periphys. III, 2838 (PL 122, 687D); Hervorh. Ro. Vgl. Cl. Phys. 170, 16. Cusanus folgt dieser Einschätzung; Sermo CCXLIV, n. 14, 1– 2: „unum prin|cipium multiplex in virtute“.  Beierwaltes setzt dabei „Selbstnegation“ und „Selbstaffirmation“ erstaunlicherweise gleich; Beierwaltes 1994, 124: „Wenn die Negativität (als Seinsfülle) des göttlichen Grundes Voraussetzung von Theophanie ist, so muß Selbstnegation oder Affirmation eben dieser Negativität durch Schöpfung und Inkarnation als deren realer Vollzug oder als deren Entstehen begriffen werden.“ Ähnlich wie Beierwaltes spricht Johann Kreuzer von einer „anhaltende[n] Negation dieser [scil. ursprünglichen] Negation“ (Kreuzer 2006, 404).  Beierwaltes hat erkannt, dass die Affirmation ein „ihr immanente[s] negative[s] Moment“ hat. Die „Selbst-Affirmation“ des Absoluten schlägt also letztlich in die Negativität um (Beierwaltes 1994, 123).

3. Der negative Selbstbezug des Absoluten bei Eriugena

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Gleichwohl soll diese Negation aber den Prozess der Weltentstehung initiieren. Mehr noch wird durch diese These eine Abstiegsbewegung des Absoluten selbst suggeriert. Das Absolute ist für Eriugena aber keineswegs ein ‚Ausgangspunkt‘, der erst überwunden werden muss. Die kreative Aktivität kann nicht einfach als negierender Selbstbezug begriffen werden.Wenn das Absolute Objekt der Negation wäre, dann müsste die Negation als andersheitliche oder privative Negation gedeutet werden. Demnach würde sich diese Negation selbst überwinden und aufheben. Außerdem hört es nicht mit seinem schöpferischen Wirken auf, sondern bleibt ewig absoluter Grund aller Dinge. Freilich kann die Welt demgegenüber durchaus als Verneinung des Absoluten gedeutet werden: Die Seienden sind schlicht nicht das Absolute. Damit ist aber die Faktizität des Seienden und nicht die Aktivität des Absoluten gemeint. Die von Beierwaltes suggerierte Selbstentzweiung des Absoluten zum Zweck seiner Selbstoffenbarung kann letztlich nur auf Kosten der ursprünglichen Negativität gedacht werden. Insgesamt ist Beierwaltes’ These hier zu stark an einem Theorem aus Hegels Philosophie orientiert: an der Aufhebung und Entzweiung der ursprünglichen Einheit durch Negation.⁶²⁵ Man hat nun unbedingt darauf zu achten, dass sich das Absolute nicht selbst zur Immanenz transformiert. Ist es also sinnvoll von einer doppelten Negation zu sprechen, die als Negation ursprünglicher Negativität begriffen werden soll? Soll demnach nach dem Abstieg des Absoluten die ursprüngliche Einheit des Absoluten gewissermaßen ‚nachträglich‘ durch den transzendierenden Rückbezug (reditus) wiederhergestellt werden? Letztlich droht damit das Absolute in mehrere – wenngleich unzeitlich aufeinander ‚folgende‘ – Aspekte differenziert zu werden. Verwundern muss aber vor allem, dass die eigentlichen negativen Aussagen bezüglich des Absoluten gegenüber den Aussagen über seine Kreativität, insofern diese als Negation ursprünglicher Negativität gedacht wird, keineswegs im Einklang stehen. Das Absolute ist aber, wie gezeigt, primär selbstbezüglich. In diesem Selbstbezug ‚weiß‘ es sich als Absolutes und als transzendentes Prinzip aller Dinge. Man kann also das überwesentliche ‚Wesen‘ des Absoluten und die kreative ‚Tätigkeit‘ des Absoluten nicht durch unterschiedliche Begriffskonstrukte beschreiben, ohne dabei Eriugenas thematische Fixierung auf die absolute In-Differenz zu korrumpieren. Die fehlende Strukturgleichheit zwischen der negativen Überwesentlichkeit einerseits und der Negation ursprünglicher Negativität andererseits ist kein marginales Problem. Eriugena kommt es gerade auf die Einheit von

 Theorie Werkausgabe IX, 471– 473; bes. 472. Vgl. Gesammelte Werke XXI, 102– 104. Vgl. dazu Halfwassen 1999, 414– 431; bes. 425 – 431. Dieser Gedanke Hegels entspricht aber gerade nicht Eriugenas Konzept und hat auch bei Cusanus keine Entsprechung.

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‚Wesen‘ und ‚Tätigkeit‘ im Absoluten an. Die ‚Tätigkeit‘ des Absoluten ist also mit anderen Worten sein ‚Wesen‘ und sein ‚Wesen‘ ist die reine Negativität und nicht die Negation seiner ihm eigenen Negativität. Eriugena ist sich auch der Gefahr einer Selbstentzweiung des Absoluten bewusst. Aus diesem Grund warnt er vor einer Negation des Absoluten.⁶²⁶ Demgegenüber arbeitet er die transzendierende Negation als Grund aller Dinge heraus und setzt diese so explizit mit der produktiven Negation gleich: Es bleibt allein jene Negation zum Grund der Weltschöpfung übrig, die durch die Negation jeder Kreatur Gott über alles, was gesagt und gedacht werden kann, heraushebt und ihn als Nichts aller Seienden und Nicht-Seienden verkündet.⁶²⁷

Also ist die produzierende Negation als eigene und eigentliche ‚Tätigkeit‘ des Absoluten nicht eine Negation ursprünglicher Negativität. Die von Eriugena hier beschriebene aktive ‚Bewegung‘ des Absoluten entspricht also einer Selbstbestimmung, durch die das Absolute sich selbst und alles andere definiert. Eriugena hat auch in aller Deutlichkeit gezeigt, dass der Universalbezug des Absoluten nur in der absoluten Negation und mithin im Selbstbezug bestehen kann. Denn andersheitliche und beraubende Negationsformen werden hierbei negiert und so überstiegen. Daher ist ein zusätzlicher Negationsakt, der speziell die kreative Seite der Selbstbezüglichkeit ausdrücken soll und mithin das Absolute in Aspekte differenziert, nicht denkbar. ⁶²⁸ Absolute Kreativität wird demnach von Eriugena durch den Selbstbezug beschrieben, durch den das Absolute seinen Universalbezug realisiert. In diesem Universalbezug wird zugleich deutlich, dass sich das Absolute nicht einfach von seinen Derivaten absondert oder andersheitlich abgrenzt. Man könnte zunächst vermuten, dass die kreative Tätigkeit des Absoluten gewissermaßen als eine Art Rückzug (remotio) des Absoluten gedeutet werden kann, durch die der ‚Raum‘ für  Periphys. III, 2812– 2814 (PL 122, 687B): „nemo sa|num sapiens aestimarit mundum de negatione dei et creaturae | factum“.  Periphys. III, 2814– 2817 (PL 122, 687B): „[R]elinquitur sola illa negatio ad causam mundi faciendi, | quae ablatione totius creaturae super omne quod dicitur et intel|ligitur deum exaltans, nihil eorum quae sunt et quae non sunt | eum esse pronuntiat.“ Diese Übersetzung stimmt sachlich weitgehend mit der Übersetzung von Inglis P. Sheldon-Williams und der – freilich veralteten – Übersetzung Ludwig Noacks überein (Iohannis Scotti Eriugenae Periphyseon (De Diuisione Naturae), vol. 3, (Scriptores Latini Hiberniae 11), Edited by Inglis P. Sheldon-Williams, with the collaboration of Ludwig Bieler, Oxford: Oxford University Press, 1981, 181. Johannes Scotus Eriugena, Über die Einteilung der Natur, (Philosophische Bibliothek 86 – 87), Übersetzt von Ludwig Noack, Dritte, unveränderte Auflage, mit einer Vorbemerkung und neuer Bibliographie von Werner Beierwaltes, Hamburg: Meiner, 1994, 342).  Vgl. Periphys. I, 3248 – 3260 (PL 122, 518A).

3. Der negative Selbstbezug des Absoluten bei Eriugena

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die Derivate des Absoluten überhaupt erst frei wird.⁶²⁹ Dies erinnert an die kabbalistische Lehre Isaak Lurias. Gershom Scholem, der auch über Disziplingrenzen hinweg bekannte Kabbalaforscher, hat sich Lurias Konzept des sogenannten „Zinzum“ gewidmet. Er deutet dieses folgendermaßen: Der Urakt des Unendlichen sei eine „Selbstbeschränkung“ Gottes, durch die sich Gott in sich selbst zurückziehe, um so den Raum für die Schöpfung freizugeben.⁶³⁰ Die Begründung dieses Gedankens ist durchaus plausibel: Wenn Gott alles in allem ist, wird dann nicht alles Seiende und Nicht-Seiende vom Wesen Gottes absorbiert? An diesem Problem knüpft die Selbstbeschränkung an. Scholem beschreibt Lurias Lehre dabei durchaus mit an Eriugena gemahnenden Worten: Der erste aller Akte des unendlichen Wesens, des En-Sof, war also, und das ist entscheidend, nicht ein Schritt nach außen, sondern ein Schritt nach innen, ein Wandern in sich selbst hinein, eine, wenn ich den kühnen Ausdruck gebrauchen darf, Selbstverschränkung Gottes ‚aus sich selbst in sich selbst‘.⁶³¹

Allerdings kann Eriugena eine solche Lehre der Selbstbeschränkung des Absoluten, die Scholem gerade als „Exil“ oder „Verbannung“ interpretiert, nicht vertreten haben.⁶³² Diese Deutung droht die Transzendenz des Absoluten zu gefährden, erscheint doch diese ‚remotio‘ des Absoluten wie ein depravierender Rückzug des Absoluten. Entscheidend ist, dass hiermit das Absolute von seinen Derivaten abgetrennt würde. Allerdings können die Derivate nach Eriugena nicht vom Absoluten getrennt werden. Stattdessen insistiert Eriugena darauf, dass der kreative ‚Blick‘ des Absoluten keines seiner Derivate verlässt und er erklärt diesen unzerstörbaren Bezug mit seiner Negationslogik. In seinem Universalbezug wird also die spezifische ‚Differenz‘ des Absoluten gegenüber allem Kreatürlichen deutlich: Die Ausfaltung der Derivate ist keine andersheitliche Abgrenzung. Denn die absolute Negation ist nicht verschieden von ihren Derivaten. Man kann das Absolute demnach nicht wie ein Anderes abgrenzen. ⁶³³ Eriugena negiert in einem „maxi-

 Suggeriert wird dieser Gedanke durch Eriugenas Verwendung des entrückenden Ausdrucks „remota“. Im Anschluss an Dionysios verknüpft er „remota“ sachlich mit der „essentia totius essentiae“ und damit mit der Prinzipfunktion des Absoluten (Periphys. III, 1104– 1118 (PL 122, 645BC. Vgl. De div. nom. II, 10, p. 134, 7 – p. 135, 1 (PG 3, 648CD)).  Scholem 1957, 286 – 287. Vgl. Scholem 1973, 148 – 150.  Scholem 1957, 286. Scholem verweist in diesem Zusammenhang auch auf die Möglichkeit einer historisch nachweisbaren Verbindung von Eriugena und der Kabbala des 13. Jahrhunderts (Scholem 1966, 37– 54; hier 52– 53).  Scholem 1957, 286 – 287.  Periphys. III, 49 – 62 (PL 122, 620BC).

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IV. Johannes Scottus Eriugena

mum argumentum“ die Identität des Absoluten mit seinen Derivaten und damit den Pantheismus. Zugleich deutet er das Absolute nicht als etwas Anderes gegenüber seinen Derivaten. Zwischen Absolutem und Kreatur besteht keine einfache Differenzrelation.⁶³⁴ Daher sind die problematisch klingende Behauptung der Identität von Schöpfer und Geschöpf und die Behauptung der Selbstschöpfung Gottes paradoxe und metaphorische Formulierungen für die Verneinung von Identität und Differenz zwischen Schöpfer und Geschöpf. ⁶³⁵ Identität und Differenz werden negiert und in die dem Absoluten eigene In-Differenz überführt, durch die das Absolute sich von allen Identitäten und Differenzen nicht-andersheitlich ‚unterscheidet‘. Der Bezug des Absoluten auf seine Derivate oder auf Anderes ist damit kein identifizierender Bezug, sondern gerade ein Bezug in In-Differenz. Dieser Bezug in In-Differenz ist der absolute Selbstbezug des Absoluten. Wäre der Selbstbezug des Absoluten einfach nur ein identischer Selbstbezug, wären Selbstbezug und Universalbezug notwendig voneinander verschieden. Denn wenn unter dieser Voraussetzung Selbst- und Universalbezug identisch wären, würde der identische Selbstbezug, der kraft einer andersheitlichen Negation der Differenz ermöglicht würde, nichts anderes als Pantheismus anzeigen. Einem identischen Selbstbezug könnte ein Bezug zu etwas Anderem nur zusätzlich zukommen. Nur als negativer Selbstbezug vermag das Absolute überhaupt Selbst- und Universalbezug zu sein. Deswegen ist der Selbst- und Universalbezug des Absoluten bei Eriugena und bei Cusanus ein nicht-andersheitlicher Bezug, der also Differenz negiert und keine tautologische Identität meint. Die Negation schlägt dabei nicht in ihr Gegenteil um, sondern zeigt die Transzendenz des Absoluten an. Selbstbezug

 Periphys. III, 2818 – 2832 (PL 122, 687BC). Damit ist aber nicht einfach die Identität von Ursache und Wirkung ausgesagt. Es geht hierbei um die Nicht-Verschiedenheit von Absolutem und Kreatur aus der Sicht des Absoluten. Denn es schafft gerade nicht etwas ihm gegenüber Fremdes. Vgl. Periphys. II, add. 7, 45 – 49 (PL 122, 528A). Vgl. auch Periphys. 2436 – 2455 (PL 122, 678B – D); bes. 2443 – 2444.  Jean-Claude Foussard findet dafür eine treffende Formulierung; Foussard 1986, 127: „Dieu et le créé ne sont ni un même être ni deux être différents.“ Die Aussage der Identität von Schöpfer und Geschöpf muss also als metaphorische Aussage gewertet werden. Eriugena geht es nicht um die reale Identität von Schöpfer und Geschöpf. Gleichwohl will er insbesondere nicht von einer Differenz ausgehen, weil sich das Absolute sonst seinen Derivaten noch mal extra (neben seinem Selbstbezug) zuwenden müsste. Insgesamt geht es Eriugena um die Indifferenz, in der Absolutes und Kreatur nicht tautologisch vermischt, aber auch nicht voneinander getrennt werden: Eriugena geht es um die Intimität ihrer Beziehung. Daher ist das Absolute so das Innerste aller Dinge. Man kann also der Einschätzung Donald F. Duclows zustimmen: Das Absolute manifestiere sich selbst in symbolischen Ausdrücken. Theophanie ist daher für ihn die symbolische Selbstmanifestation des Absoluten. Nach Duclow ist Eriugenas Aussage, Gott schaffe sich selbst, strikt metaphorisch zu verstehen (Duclow 1977, 115 – 123). Die ‚Differenz‘ zwischen der Transzendenz des Absoluten und der Theophanie bleibt so gerade bewahrt.

3. Der negative Selbstbezug des Absoluten bei Eriugena

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und Universalbezug sind so zwar für das Absolute identisch, aber dieser Bezug ist in beiden Fällen nichts anderes als der nicht-andersheitliche Selbstbezug. ⁶³⁶ Aus diesem Grund kann man gerade nicht davon ausgehen, dass sich das Absolute erst auf sich und dann auch noch auf Anderes bezieht. Eriugena kommt es auf die in-differente Form dieser absoluten Bezüge an. Die Selbstidentität des Absoluten besteht also nicht in bloßer Identität, womit das Absolute einfach different gegenüber anderen Identitäten oder Wesenheiten wäre, sondern in seiner In-Differenz. Nur in der Form absoluter Negation können privative, sich ausschließende oder andersheitliche Bezugs- und Negationsformen überwunden werden, ohne zugleich Sterilität, Unbezüglichkeit oder pantheistisch-tautologische Vorstellungen zu suggerieren. Eriugena kommt es dabei gerade auf den Vollzug des Absoluten an, denn es ist dieser nicht-andersheitliche Bezug. Ihm ist es über die Negativität gelungen, das Absolute als transzendentes Über-Wesen und als Prinzip aller Dinge auszuweisen, das sich gerade auf seine Derivate – auch auf Gegensätze – (widerspruchslos) beziehen kann.⁶³⁷ Fraglos treffen sich hier Eriugena und Cusanus: Beide Denker wehren die Gefahr des Pantheismus ab, indem sie die spezifische ‚Differenz‘ des Absoluten gegenüber seinen Derivaten als absolute In-Differenz denken, durch die das Absolute sich weder von seinen Derivaten entfernt noch mit ihnen identifiziert. Dies ist die Pointe des negativen Selbstbezugs des Absoluten. Eriugena illustriert so die innige Beziehung von absolutem Grund und den Derivaten dieses Grundes, denn der kreative Bezug ist der Bezug der In-Differenz. Eriugena – oder genauer: Honorius – ist hierbei das Vorbild für Cusanus, der den Universalbezug des Absoluten mit dem Nicht-Anderen als absolute In-Differenz durchdacht hat: Transzendenz und Prinzipfunktion werden bei Eriugena und Honorius durch denselben Begriff beschrieben (negatio omnium); und Cusanus hat genau diese Stelle bei Honorius gelesen und annotiert. Offenbar war er von der Schöpfung aus dem Nichts fasziniert.⁶³⁸ Werner Beierwaltes drückt demgegenüber Transzendenz und Prinzipfunktion des Absoluten nicht mit demselben Begriff aus und suggeriert damit eine Trennung von Transzendenz und Prinzipfunktion. Dies liegt in gewisser Weise sogar in seinem Interesse: Auch bei Cusanus unterscheidet er zwischen dem transzen-

 Daher ist das Absolute zwar auch jenseits der Identität. Eriugena schreibt dem Absoluten aber gerade hierdurch eine ganz eigene Form der ‚Identität‘ zu: die absolute In-Differenz. Damit ist das Absolute weder Identität noch Differenz noch die Konjunktion von Identität und Differenz.  Periphys. I, 2955 – 2956 (PL 122, 511A): „Contrariorum quoque causa | est“.  Cusanusmarg. 108 (Cl. Phys. 169, 18 – 23); Lucentini 1979, 106: „quomodo de nichilo factus est mundus“.

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denten Grund und dem Absoluten als transzendente Überwesentlichkeit, indem er zwischen dem Absoluten als Absolutem und dem Wesen aller Dinge differenziert.⁶³⁹ Bezüglich der Identität von Selbst- und Universalbezug annotiert Cusanus,wie oben bereits gezeigt, auch jene Passagen des Periphyseon und der Clavis Physicae, in denen der Topos vom absoluten Sehen Gottes (visio absoluta) ausgeführt wird.⁶⁴⁰ Dieser Topos hat nicht nur in De visione dei Spuren hinterlassen.⁶⁴¹ In De li non aliud wird er, wie oben bereits gezeigt, direkt über die negativen Theologie speziell mit dem negativen Nicht-Anderen verknüpft und gerade anhand dieses Begriffs ausgedeutet.⁶⁴² Ausschlaggebend für Cusanus ist in diesem Zusammenhang die doppelt negative Form von Eriugenas Begründung der Übergegensätzlichkeit des Absoluten. Cusanus gelangt durch die Adaption der ‚oppositio oppositorum‘ zu der Erkenntnis, dass sich das Absolute keinem Seienden extra zuwendet, so als ob es sich auf etwas Anderes außerhalb seiner Unendlichkeit beziehen würde. Insgesamt denkt Eriugena die Beziehung des Absoluten zu seinen Derivaten als in-differente Bezugsform einerseits und beschreibt die Ausfaltung der Derivate aus dem Absoluten als eigene Tätigkeit der reinen Negativität andererseits: Was das Absolute nicht ist, wird aus ihm als Bestimmung ausgefaltet.⁶⁴³ Indem das  Beierwaltes 1980, 162 und 165. Ein ähnliches Problem hat Sebastian F. Weiner, der die „οὐσία“ ins Zentrum seiner Überlegungen zu Eriugena stellt. Dadurch hat er aber erhebliche Probleme, die Überwesentlichkeit des Absoluten zu erklären. Weiners Konzept des Schöpfers als ‚causa essentialis‘ wird brüchig, weil die „οὐσία“ nicht eigentlich vom absoluten Grund ausgesagt werden kann. Die Überwesentlichkeit des Absoluten wird so von Weiner leider völlig unterschätzt (Weiner 2007, 113). Eine detaillierte Analyse der Dialektik von Transzendenz und ‚Immanenz‘ findet sich weiter unten: IV.3.4.  Grundsätzlich erscheint also Eriugenas Gedankenwelt hierbei als die eigentliche Quelle für Cusanus (vgl. Beierwaltes 1994, 275 – 286; bes. 283 – 286). Erwähnt werden muss dabei, dass das kreative Setzen der Derivate nicht einfach ein dem Absoluten selbst innerlich bleibender Prozess ist. Denn dann hätte das Absolute seine Derivate real in sich aufgenommen. So aber würde es durch die Vielheit seiner Derivate belastet. Die absolute Negation kann demgegenüber zeigen, dass das Absolute so etwas wie ‚äußerliche Bezüge‘ gar nicht kennt, weil das Absolute immer in sich bleibt und nicht aus sich heraustritt. Daher ist sein kreativer Bezug sein Selbstbezug, weswegen er sich auf seine Derivate nicht wie auf etwas ‚Äußerliches‘ oder ‚Andersheitliches‘ beziehen kann. Gleichwohl identifiziert es sich dabei nicht mit seinen Derivaten.  Vgl. De vis. (h VI) c. 13, n. 54, 7– 15.  Vgl. De non aliud (h XIII) c. 23, p. 54, 25 – 27 [n. 105]: „Visus ergo, qui est theos unitrinus, non alia sane visione sese et alia | alia videt, sed ea visione, qua se, simul et omnia intuetur. Hoc | videre definire est.“  Daher kann man die kreative Tätigkeit des Absoluten als Selbstbezug begreifen, in dem das Absolute „die von ihm verneinten Bestimmungen schöpferisch aus sich hervorbringt“ (Halfwassen 2000, 384).

3. Der negative Selbstbezug des Absoluten bei Eriugena

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Absolute Relation und Bestimmungen von sich ‚ausschließt‘, werden Relation und Bestimmungen erst aufgeschlossen. Das Absolute ist also die selbsttätige Verneinung, durch die alle Bestimmungen gesetzt werden. Cusanus ist Eriugena hierin gefolgt. Es lässt sich aber konstatieren, dass die entscheidende Weiterentwicklung und mithin die Originalität von Cusanus gegenüber Eriugena darin besteht, dass er das Nicht-Andere als ausdifferenzierenden Definitionsakt deutet. Damit hat er die Kreativität der absoluten Negativität begrifflich konkret erörtert und so die Art und Weise der weltbegründenden Funktion des Absoluten klarer und begrifflich schärfer als Eriugena herausgearbeitet. Cusanus kann erklären, wie die In-Differenz des absoluten Nicht-Anderen das Anders-Sein der Einzelseienden erwirkt, mithin jedes Einzelseiende individuiert und so die Differenz zum Grundcharakteristikum des Seins der Seienden macht. Eriugena erörtert die Individuation der Wesenheiten demgegenüber vorzugsweise über die wechselseitige Durchdringung von Gattung und Art, verlagert also die Individuationsthematik auf die ontologisch-intelligible Ebene der zweiten Natur. Allerdings bleibt das Absolute als absoluter Grund die eigentliche Ursache. Dieser absolute Grund ist der negative und so aktive Selbstbezug des Absoluten. Letztlich gibt es bei Eriugena nur eine absolute Ursache und aus dieser geht die vermittelnde Wesenheit überhaupt erst hervor.

3.4. ‚Immanenz‘ und Transzendenz: die Verbindung von Theophanie und negativer Theologie Die soeben gezeigte Einheit von Transzendenz und Prinzipfunktion des Absoluten wird in der Forschung dialektisch aufgefasst und mit dem Begriffspaar ‚Transzendenz-Immanenz‘ beschrieben.⁶⁴⁴ Das Konzept der ‚Immanenz‘ ist aber nicht ganz unproblematisch. Suggerieren die Anwesenheit des Schöpfers in allen Dingen und insbesondere die These, Gott sei und werde in allen alles, nicht gerade den gefürchteten Gedanken des Pantheismus? Erklärbar wird der Gedanke der ‚Immanenz‘ mit einem für Eriugenas Denken zweifelsohne zentralen Begriff: mit dem Begriff „Theophanie“.⁶⁴⁵ Diesen Grundgedanken gilt es im Folgenden zu klären und in das Konzept des negativen Selbstbezugs zu integrieren.

 In der Forschung steht dieses dialektische Verhältnis ganz grundsätzlich im Mittelpunkt (vgl. bspw. Gersh 1980, 55 – 74; bes. 56. Riccati 1983. Beierwaltes 1985, 341– 347 und 356 – 358. Beierwaltes 1994, 121– 131).  Die Theophanie bei Eriugena ist ein solide untersuchter Topos: Gregory 1963b, 75 – 91. Bosnjak 1966, 264– 271. Trouillard 1973, 98 – 113; bes. 98 – 101. Trouillard 1976, 15 – 39. Duclow 1974, 86 – 121; bes. 92– 104. Duclow 1977, 115 – 119. Beierwaltes 1987, 311– 343; bes. 328 – 358.

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IV. Johannes Scottus Eriugena

Jede Kreatur des Absoluten ist für Eriugena Theophanie. Sein und Seiendes sind die Erscheinung davon, was eminent Nichts ist.⁶⁴⁶ Theophanien sind also hervorgegangene Bestimmungen des an sich Negativen. Eriugena formuliert dies an prominenter Stelle folgendermaßen: Alles, was eingesehen (gedacht) und sinnenfällig erfahren wird, ist nichts anderes als Erscheinen des Nicht-Erscheinenden, Offenbar-Machen des Verborgenen, Bejahung des Verneinten, Begreifen des Unbegreiflichen, Sagen des Unsagbaren, Zugang zum Unzugänglichen, Einsicht in das Nicht-Einsehbare, Körper (Verkörperung) des Unkörperlichen, Wesen des Über-Wesentlichen, Gestalt (formende Form) des Gestaltlosen, Maß des Unmeßbaren, Zahl des Unzählbaren, Gewicht des Gewichtlosen, Festwerden des Geistigen, Sichtbarkeit des Unsichtbaren, Ortwerdung des Ortlosen, Zeitlichkeit (Verzeitlichung oder ‚Zeitigung‘) des Zeitlosen, Begrenzung des Grenzelosen, Umschreibung (Umfassung oder Bestimmung) des Unumschreibbaren, und alles Übrige, was durch reine Vernunft (Verstehen) gedacht und durchschaut wird und was nicht im Raum des Gedächtnisses gefaßt (gehalten) werden kann und was der Schärfe des Geistes entzogen ist.⁶⁴⁷

Hiermit wird erkennbar, dass die Erscheinung lediglich die Erscheinung des NichtErscheinenden ist. Daher wird hiermit gerade keine Absage an die Transzendenz und Unerkennbarkeit des Absoluten formuliert.⁶⁴⁸ Denn das Absolute ist nicht aus seiner Überwesentlichkeit herabgestiegen, um selbst zur Theophanie zu werden. Es bewahrt seine Negativität in seiner absoluten Selbstbezüglichkeit. Es wird lediglich dargelegt, dass das Absolute negativ transzendent ist. Anhand der Theophanie wird das an sich völlig Unbegreifbare begreifbar, weil der erkennende Geist stets auf Seiendes angewiesen ist. Damit sind Theophanien nichts anderes als Metaphern oder Bilder des Absoluten, nie aber dieses Absolute selbst. Theophanien haben so aber als Gotteserscheinungen und Offenbarungen eine entscheidende hinweisende Funktion. Sie sind der Zugang erkennender Geister zum

Beierwaltes 1994, 115 – 158 und 266 – 312; bes. 287– 300. Beierwaltes 2006, 217– 239. Hoeps 1992, 161– 191. Kijewska 1996, 33 – 50. Jeauneau 1997, 331– 337. Mooney 2009. Vgl. auch Wöhler 2006, 33 – 42.  Vgl. O’Meara 1981, 144.  Übers. nach Beierwaltes 2006, 227; Periphys. III, 589 – 598 (633AB): „Omne enim quod intelligitur et sentitur nihil aliud est nisi non | apparentis apparitio, occulti manifestatio, negati affirmatio, in|comprehensibilis comprehensio, ineffabilis fatus, inaccessibilis | accessus, inintelligibilis intellectus, incorporalis corpus, superes|sentialis essentia, informis forma, immensurabilis mensura, innu|merabilis numerus, carentis pondere pondus, spiritualis in|crassatio, inuisibilis uisibilitas, illocalis localitas, carentis tem|pore temporalitas, infiniti definitio, incircumscripti circumscrip|tio, et caetera quae puro intellectu et cogitantur et perspiciuntur | et quae memoriae sinibus capi nesciunt et mentis aciem fugiunt.“ Vgl. Cl. Phys. 128, 14– 23.  Beierwaltes 2006, 230.

3. Der negative Selbstbezug des Absoluten bei Eriugena

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selbst Unzugänglichen, Unsichtbaren, Unerkennbaren und absolut Negativen.⁶⁴⁹ Deshalb sind die Theophanien der Horizont, in dem die Begriffsbildung vom Absoluten überhaupt erst stattfinden kann. Damit sind sie die Bedingung dafür, das Absolute überhaupt als transzendentes Prinzip begreifen zu können: Das Absolute ist nicht diese oder jene Erscheinung, sondern es erscheint an oder in den Theophanien – so paradox dies klingen mag – als das an sich Nicht-Erscheinende. So zeigt Eriugena explizit, dass das Absolute auch bei seinem kreativen ‚Abstieg‘ unerkennbar bleibt: Denn es geht aus seiner Verborgenheit in die verborgensten Tiefen der Kreaturen über.⁶⁵⁰ Es ist „superessentialis in essen|tiis, supersubstantialis in substantiis“.⁶⁵¹ Daher verdeutlichen die Theophanien, auf die der erkennende Geist hinblickt, um in und durch (in/per) sie das Absolute zu erkennen, dass das Absolute eigentlich (proprie) nur negativ zu fassen ist.⁶⁵² Die Offenbarung vermittelt dem erkennenden Geist letztlich die Negativität und Transzendenz des Absoluten, damit aber auch, dass der eigentliche bzw. absolute Grund aller Dinge nichts anderes als die reine Negativität ist. Gerade dies kann der erkennende Geist durch die Theophanien erkennen. Cusanus hat die oben zitierte Textstelle wohl deshalb mit der große Faszination implizierenden Anmerkung

 Beierwaltes 2006, 229 – 230.  Periphys. I, 65 – 68 (PL 122, 443B): „Nam sicut ipse deus in se ipso ultra omnem creaturam nullo | intellectu comprehenditur, ita enim in secretissimis sinibus crea|turae ab eo factae et in eo existentis consideratus incomprehen|sibilis est.“  Periphys. III, 2406 – 2407 (PL 122, 677C); Hervorh. Ro. Vgl. Cl. Phys. 160, 8. Das selbst Unbestimmte oder Formlose wirkt als formgebende Form. Nur in diesem Sinne ist das Absolute für Eriugena die Wesenheit aller Wesenheiten oder Form aller Formen; Periphys. III, 1110 – 1113 (645C); Hervorh. Ro: „[…] forma formicans in informibus tanquam forma principalis, in|formis in ipsis formis tanquam superformis, essentia totius essen|tiae incontaminata supergrediens et superessentialiter omni es|sentia remota […].“ Johann Kreuzer geht daher zu Recht davon aus, dass die schöpferische Ewigkeit „[g]erade wegen“ ihrer Immanenz jeder Erscheinung gegenüber transzendent sei. Diese Transzendenz sei aber, so Kreuzer, keine Negation des Endlichen, sondern Prinzip aller endlichen Dinge. Letztlich sei es „ein- und dieselbe Natur“, die transzendent und zugleich „in der Immanenz erscheinender Natur“ betrachtet werde (Kreuzer 2006, 405).  Periphys. III, 2541– 2555 (PL 122, 680D – 681A).Vgl. Cl. Phys. 163, 1– 15. Vgl. dazu Eriugenas Illustration dieses Sachverhalts durch den Begriff „Feuer“ (Periphys. III, 2518 – 2520 (PL 122 680B)). Édouard Jeauneau hat versucht zu zeigen, dass Gott wie das Feuer an sich unsichtbar ist: Daher nennt er die Manifestationen des Feuers auch „pyrophanies“ (Jeauneau 1997, 336. Zum Bild des „Feuers“ bei Eriugena vgl. Jeauneau 1987a, 299 – 319). Das Absolute zeigt sich so an den Theophanien als das ‚An-sich-Unsichtbare‘. Im Anschluss an Jens Halfwassen kann man daher die endliche Theophanie als das definieren, „das auf das Absolute hin durchsichtig ist“: Das Endliche ist so „Durchsichtigkeit nicht auf ein ihm selbst Sichtbares, sondern auf den alle Sichtbarkeit verzehrenden Abgrund des bestimmungslosen Absoluten“ (Halfwassen 1999, 310).

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IV. Johannes Scottus Eriugena

„verba mirabilia“ versehen, weil sich das Absolute in den Theophanien als Unbegreifliches zeigt.⁶⁵³ Zwar ist das Absolute nur anhand der Theophanien erkennbar. Anhand der Theophanien zeigt sich aber die vollkommene Transzendenz des Absoluten. Die Transzendenz des Absoluten wird also von Eriugena in der Metapher begreifbar gemacht. Denn in jeder Erscheinung kann man erkennen, dass das Absolute selbst von allem entgrenzt ist: Das Absolute ist kraft seiner Negativität vollkommen transzendent. So teilt Eriugena seinen Lesern im Bild der Theophanie mit, dass er das Absolute als transzendentes Nichts ‚definiert‘. Der Gedanke der Theophanie, der mithin Ausdruck für die kreative Beziehung des Absoluten auf seine Derivate in Form der In-Differenz ist, fordert demnach den Gedanken absoluter Transzendenz. Vor diesem Hintergrund kann man den Ausdruck ‚essentia omnium‘ gerade nicht als Begriff vom Absoluten fassen. Denn dieser Gedanke kann als Wesensidentität des Absoluten mit seinen Derivaten missverstanden werden. Man läuft dabei Gefahr, das Absolute mit seinen Derivaten pantheistisch zu vermischen oder das Sein im Absoluten aufzuheben. Man kann bei Eriugena also nur dann überhaupt von einer ‚Immanenz‘ des Absoluten im Kosmos sprechen, wenn man diese mit der absoluten Transzendenz (superessentialitas bzw. supersubstantialitas) des Absoluten identifiziert. Der Begriff der Theophanie hat insgesamt einen nicht zu unterschätzenden Einfluss auf Cusanus. Dabei übernimmt Cusanus nicht einfach den Ausdruck „theofania“, sondern den in der Theophanie angelegten Begriff von gleichzeitiger Transzendenz und Prinzipfunktion des Absoluten.⁶⁵⁴ Mit dem Begriff der Theophanie wird damit auch deutlich, dass das Absolute bloß scheinbar aus sich selbst herabsteigt. Eriugena will zwar demonstrieren, dass sich das Absolute seinen Kreaturen kreativ zuwendet. Gleichwohl hält er an der Transzendenz des Absoluten fest und deutet so die Kreativität des Absoluten als negativen Selbstbezug der vollkommenen Transzendenz. Das Absolute wendet sich also als absoluter Selbstbezug seinen Kreaturen zu. Das Absolute kreist also nicht einfach nur in sich. Zwar erscheint der Bezug des Absoluten zu seinen Kreaturen wie dessen ‚Abstieg‘, doch diesem Eindruck steuert Eriugena gerade durch die selbsttätige Negation des Absoluten entgegen: Durch den negativen Selbstbezug zeigt sich, dass das Absolute nicht auf die Seienden angewiesen ist, so als ob sich seine Selbstbewegung an seinen intelligiblen oder sinnlich wahrnehmbaren Derivaten vollziehen würde.⁶⁵⁵ Dabei wird durch die begrifflich auf

 Cusanusmarg. 76 (Cl. Phys. 128, 12– 23); Lucentini 1979, 99.  Cusanusmarg. (PL 122, 449A); MFCG 3, 87: „nota quomodo fit theofania“.  Periphys. I, 3156 – 3175 (PL 122, 515D – 516B). Honorius fasst dies in aller Kürze zusammen; Cl. Phys. 65, 7– 8: „Deus autem est principium et finis omnium, et omnia ab ipso per | ipsum ad ipsum moventur, et ipse ad nullum eorum movetur.“

3. Der negative Selbstbezug des Absoluten bei Eriugena

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Seiendes hin ausgerichtete Struktur der ‚negatio omnium‘ ersichtlich, dass der Selbstbezug zwar als ‚äußere‘ Bewegung des Absoluten durch den Kosmos begriffen werden könnte: Das Absolute geht als ‚negatio omnium‘, also als Negation aller Seienden und Nicht-Seienden gerade über diese und durch diese vermittels dieser Negation zu sich zurück. Das Absolute geht damit aus sich selbst kraft seines Negationsaktes zu sich selbst zurück, bleibt aber genau deshalb stets in sich. Dieser Selbstbezug des Absoluten wird durch die selbsttätige Verneinung aus seinen differenzierenden und äußerlichen Konnotationen befreit und so zur absoluten Transzendenz selbst stilisiert. Durch den Selbstbezug wird ersichtlich, dass das, was äußerlich erscheint, eigentlich eine innergöttliche Reflexion auf sich selbst ist. Dabei ist es der menschlichen Logik geschuldet, dass die Negation sich an Affirmationen, Positionen oder Seienden gewissermaßen ‚abarbeiten‘ muss. Der Negationsakt erscheint zunächst als Hervorgang oder als externe Beziehung. In Wahrheit jedoch wird schon in der äußerlichen Erscheinung der Negationstätigkeit (negatio omnium) das von Eriugena angegebene Ziel, also die vierte Natur erreicht, die ja nichts anderes als die erste Natur (negatio omnium) ist.⁶⁵⁶ Während man zunächst mutmaßen könnte, dass das Absolute aus sich selbst in seine Theophanien hinabsteigt und wieder zu sich zurückkehrt, wird bei genauer Analyse, also durch die Überwindung des bloß Augenscheinlichen klar, dass das Absolute in seiner kreativen Tätigkeit seine ursprüngliche Negativität nie verlassen und immer schon erreicht hat: „Et dum sic extrinsecus apparet, semper in|trinsecus inuisibilis permanet.“⁶⁵⁷ Daher deutet Eriugena auch den ‚Abstieg‘ des

 Vor diesem Hintergrund ist Eriugenas Konzept des Rückgangs bzw. der Rückkehr (reditus) zu erwähnen, den dieser hauptsächlich im vierten und fünften Buch des Periphyseon beschreibt: Alles Seiende geht nach Eriugena im eschatologischen Rückgang zu seiner ihm eigenen Wahrheit zurück. Die Rückkehr zum Ursprung beschreibt Eriugena als Rückkehr aller Dinge zu den intelligiblen Erstursachen und damit als Rückkehr zur Weisheit (sapientia) und Wahrheit (ueritas). Die Erstursachen sind daher die Wahrheit der Kreatur. Die Erstursachen sind allerdings nicht mit dem überwesentlichen Absoluten selbst identisch. Eriugena macht deutlich, dass die Rückkehr aller Dinge nicht einfach einer Identifikation mit dem Absoluten gleichkommt. Die Einung mit Gott (deificatio) bleibt wenigen Auserwählten vorbehalten. Das bedeutet letztlich, dass die universale Rückkehr nicht einfach die Einung aller Dinge mit der vierten Natur ist. Die Erstursachen repräsentieren die paradiesische und göttliche Existenzweise aller Dinge. Die universale Rückkehr aller Dinge ist also letztlich die Rückkehr in die intelligiblen Gründe (Jeauneau 1991, 19 – 29; bes. 24– 25. Vgl. Jeauneau 1987b, 367– 394. Vgl. ferner Trouillard 1977, 349 – 356. Gersh 1990, 108 – 125; bes. 120 – 122). Die Rückkehr aller Dinge als Rückkehr zu ihren Gründen (in die Erstursachen) ist so nichts anderes als die ‚Wiederherstellung‘ des universalen „genus“ (Gersh 1990, 116). Das Absolute jedoch ist für Eriugena nicht oberste Gattung, sondern gegenüber allen Gattungen und auch gegenüber den Erstursachen transzendent.  Periphys. III, 603 – 604 (PL 122, 633B). Als Beispiel nennt Eriugena den Geist, der an sich unfassbar ist und nur über Zeichen nach außen sichtbar wird (Periphys. III, 599 – 603 (PL 122,

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IV. Johannes Scottus Eriugena

Absoluten als Abstieg in die verborgensten Tiefen aller Dinge. Vor diesem Hintergrund beschreibt Eriugena das Absolute ähnlich wie Cusanus als aktiven Grund im „innersten Herzen“ aller Derivate.⁶⁵⁸ Auch im ersten Buch des Periphyseon weist Eriugena darauf hin, dass sich das Absolute in sich selbst und „in uns“ bewege.⁶⁵⁹ Damit wird aber kein ‚Ortswechsel‘ angezeigt, denn das Absolute ist völlig ortlos. Daher kann Eriugena letztendlich auch behaupten, dass „nichts verborgener“ und „nichts gegenwärtiger“ ist als das Absolute.⁶⁶⁰ Es begründet als transzendente Negativität jedes Seiende; es ist als selbsttätige Verneinung gegenwärtig, also überwesentliche ‚Präsenz‘ und als Entzogenes ‚präsent‘. Daher geht das Absolute, um es noch mal explizit zu betonen, nicht aus seiner Transzendenz in die Immanenz des Seins über. Eriugena kommt es auf den negativen Selbstbezug des Absoluten an, den dieser in sich selbst, also in absoluter Negativität an sich selbst vollzieht und dadurch alle an ihm selbst verneinten Bestimmungen aus sich ausfaltet. Das Absolute ist also insofern ‚in‘ allen, als es die Bedingung der Möglichkeit jedes Seienden ist. Daher ist das Absolute als es selbst und mithin als vollkommene Transzendenz der Grund aller Dinge. Es ist als es selbst Grund aller Dinge und bleibt als es selbst allem gegenwärtig und entzogen. Insgesamt kann man also konstatieren, dass für Eriugena nur noch der eine negative Selbstbezug nötig ist, um bleibende Transzendenz und kreative Tätigkeit des Absoluten zu erklären. Und gerade dadurch kann Eriugena das Paradoxon von Präsenz und Entzug, von Prinzipfunktion und Transzendenz abschließend klären. Diesen Gedanken hat Cusanus von Eriugena übernommen und zugleich weiterentwickelt, indem er ihn mit dem Definitionsvollzug des Nicht-Anderen verbunden hat.⁶⁶¹ Das Nicht-Andere durchdringt alles durch seinen überwesentlichen Definitionsvollzug. Das Nicht-Andere ist als Grund jeder konkreten negativen Selbstbezüglichkeit gewissermaßen der ‚Punkt absoluter Gravitation‘, der

633B)). Cusanus hat diesen Gedanken in der Clavis Physicae entdeckt und mit einem Zeichen vermerkt (Cusanusmarg. 77 (Cl. Phys. 128, 23 – 25); Lucentini 1979, 100).  Periphys. III, 615 (PL 122, 633C). Cusanus verwendet eine sachlich analoge Formulierung; Sermo CXCVIII, n. 14, 10 – 11: „Quia voluntas Dei est intimior | omni intimo.“  S. dazu oben, IV.3.2.  Periphys. III, 2040 (PL 122, 668C): „nihil secretius, nihil praesentius“. Vgl. Periphys. III, 617 (PL 122, 633D): „semper in se ipso manet“. Periphys. III, 619 – 620 (PL 122, 633D): „Et dum aliis adiungitur, suam simplicitatem | non relinquit.“ So braucht das Absolute auch keinen Ort, in dem es schaffen kann, und keine Zeit, in der es schaffen kann (Periphys. III, 3337– 3339 (PL 122, 699C)).  Cusanus Annotation zur ‚Bewegung‘ des Absoluten ‚in sich‘ und ‚in uns‘ am Ende des ersten Buches des Periphyseon macht es wahrscheinlich, dass er hier die absolute ‚Bewegung‘ als Grund jeder kreatürlichen Bewegung erkannt hat (Cusanusmarg. (PL 122, 522B); MFCG 3, 100).

3. Der negative Selbstbezug des Absoluten bei Eriugena

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durch seine absolute Selbstbezüglichkeit jedes Seiende auf sich selbst bezogen sein lässt. Bei Cusanus steigt das Absolute so gewissermaßen ‚aus‘ sich selbst in alle Anderen ‚hinab‘, entfremdet sich dabei aber nicht von sich selbst und ist daher die absolute Mitte aller Mitten bzw. die vermittelnde Mitte aller Seienden, durch die ihr Wesen konstituiert wird.⁶⁶² Insgesamt betrachtet ist beiden Philosophen ihre Verehrung für die negative Theologie gemeinsam. Denn die negative Theologie ist nicht nur für Cusanus, sondern auch für Eriugena die entscheidende Methode, um das Absolute überhaupt fassen zu können: Sie ist keine das Absolute verhüllende Form der Theologie, sondern die Bedingung, die Kreativität des Absoluten zu explizieren. Die enorme Bedeutung, die der negativen Theologie von Eriugena zugesprochen wird, lässt sich auch daran ermessen, dass sie durchaus mit einer quasi-erotischen Vorstellung konnotiert wird: Wenn man das Absolute unverhüllt sehen möchte, muss man negative Theologie betreiben. Denn die das Absolute bekleidenden affirmativen Signifikate werden diesem durch die Negation „ausgezogen“.⁶⁶³ Eriugena entgrenzt das Absolute durch die absolute Negation. In gewisser Weise befreit er das Absolute so aus Vereinzelungen und Bestimmungsgrenzen, löst es aus Korrelationen und ‚bestimmt‘ es damit als absoluten Grund. Indem er das Absolute aus den Grenzen befreit, apostrophiert er die Mächtigkeit des absoluten und grenzenlosen Universalbezugs, in dem das Absolute allen Wesenheiten Sein und Bestimmung verleiht. Weil das Absolute durch Negation transzendiert wird, kann es jede mögliche Form oder Gestalt überwinden und so absoluter Grund aller Dinge sein.⁶⁶⁴ Gerade aufgrund der Übergegensätzlichkeit und Unbestimmtheit bezieht es sich universal auf alles, selbst auf Widersprüchliches, und ist Grund jedes Einzelnen und aller Seienden. Damit aber wird das Absolute nicht im eigentlichen, d. h. im dialektischen Sinne definiert, sondern als Unbestimmbares und als In-Differenz ‚bestimmt‘. Diese Bestimmung definiert das

 In gewisser Weise ist das Absolute bei Eriugena auch die absolute Mitte aller Dinge. Er verweist beispielhaft auf den Kreismittelpunkt, aus dem die Radien hervorgehen (Periphys. II, 3242– 3253 (PL 122, 618AB)). Den Variantenreichtum des Begriffs der Mitte bei Eriugena hat GuyH. Allard umfassend vorgestellt (Allard 1990, 95 – 107).  Periphys. I, 838 – 841 (PL 122, 461D): „Omnibus enim significationibus quas KATAΦATIKH | diuinitatem induit AΠOΦATIKH eam spoliare non nescit. Vna | enim dicit ‚sapientia est‘, uerbi gratia, eam induens; altera dicit | ‚sapientia non est‘, eandem exuens.“  Die Entgrenzung des Urgrundes durch die negative Theologie erinnert unwillkürlich an Plotins Konzept der Freiheit des absoluten Einen und der Sache nach treffen sich hier Eriugena und Plotin. Dieser hatte das absolute Eine über die absolute Negation als Freiheit gedeutet und es so als Prinzip aller Dinge ausgewiesen (Enn. VI, 8). Eriugena denkt hier zwar ähnlich wie Plotin, hat jedoch dem Begriff der Freiheit innerhalb seiner Metaphysik des Einen keine tragende Rolle zugesprochen.

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IV. Johannes Scottus Eriugena

Absolute nicht im eigentlichen Wortsinn. Begriffe wie „superessentialitas“ sind keine definierenden bzw. begrenzenden Signifikate.⁶⁶⁵ Denn Definitionen binden das Definierte in einen Kontext ein und setzen es in einen relativen Bezug zu anderen ‚relata‘. Das Absolute bezieht sich aber auf jedes Wesen in derselben nicht-andersheitlichen oder in-differenten Weise und offenbart damit seine Transzendenz gegenüber einem dialektisch bestimmbaren Beziehungsverhältnis. Eriugena hat die Reflexivität und kreative Aktivität durch den negativen Selbstbezug also gerade ent-ontologisiert und so verabsolutiert. Die negative Theologie hat also bei Eriugena insgesamt einen aufschließenden oder verweisenden Charakter: Sie zeigt, dass das Absolute als reine Negativität begriffen werden muss, damit man es als Grund aller Dinge anschauen kann.⁶⁶⁶ Cusanus folgt Eriugena hierbei zwar, ist aber bei der Analyse der Reichweite der negativen Methode deutlich präziser. Er macht die Reichweite und Grenzen von Begriffen (conceptus) eigens zum Thema. Dabei hat er auch den negativen Begriff ‚non aliud‘ analysiert und als Begriff ausgewiesen. So hat Cusanus den bloß verweisenden Charakter von Denken und Sprache aufgedeckt. Denken und Sprache bleiben damit auf ontologische oder logische Bezüge bezogen und können das Absolute daher nur aenigmatisch beschreiben. Trotzdem gelingt sowohl Eriugena als auch Cusanus der Verweis auf das alles Bedingende gerade durch die Negation. Eriugena und Cusanus waren sich beide ihrer Verwurzelung im Bereich der Theophanie und in sprachliche und logische Bezüge bewusst, weswegen ihre Negationen, ‚oppositio oppositorum‘ und ‚non aliud‘, als sprachliche Konstrukte auf Seiendes verwiesen bleiben.⁶⁶⁷ Es kommt aber beiden Denkern darauf an, die Transzendenz und Prinzipfunktion des Absoluten philosophisch einsichtig zu machen. Dies gelingt ihnen anhand ihrer negativen Begriffe. Alle anderen Begriffe können die überwesentliche Autarkie und die davon

 Periphys. I, 882– 884 (PL 122, 462D).  Genau aus diesem Grund betont Eriugena – wie Cusanus später auch –, dass man das Absolute besser und daher vorzugsweise durch Negationen betrachten sollte (vgl. etwa Periphys. III, 2797– 2801 (PL 122, 686D – 687A).  Kurt Flasch hat daher auf folgende Tatsache hingewiesen: „Nennen wir Gott z. B. das non aliud, so verliert dieser Name seinen Sinn, wenn es kein aliud gibt. Der einzigartige Vorrang des non aliud vor jedem aliud würde dadurch keineswegs tangiert“ (Flasch 1973, 281– 282). Diese These stützt Flasch, indem er darauf hinweist, dass Cusanus den „Verstandesbegriff der Kausalität“ überwinden wolle: Vor diesem Hintergrund rehabilitiere Cusanus Eriugenas Lehre von der Identität von Schaffen und Erschaffenwerden Gottes (Flasch 1973, 283 – 284; Zitat 284). Eriugenas und Cusanus’ Intention ist hierbei, den Relations- und Schöpfungsbegriff aufzubrechen und neu zu deuten. Dies gelingt ihnen – jedoch anders als Flasch glaubt – gerade durch ihre negativen Formeln. Für Bedeutung, Leistung und Reichweite der Sprache bei Eriugena ist die Arbeit Werner Beierwaltes unabdingbar (Beierwaltes 1994, 52– 81).

3. Der negative Selbstbezug des Absoluten bei Eriugena

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ununterschiedene Kreativität des Absoluten nicht eigentlich (Eriugena) oder präzise (Cusanus) fassen.

V. Konklusion Nicolaus Cusanus entwirft in seiner Spätschrift De li non aliud seinen prägnantesten Gottesbegriff: den Begriff des Nicht-Anderen. Die Struktur dieses Begriffs ist, so hat sich in der vorangehenden Diskussion gezeigt, die einer doppelten Negation. Cusanus’ Begriff des Anderen (aliud) steht für ihn für einen andersheitlichen, relationalen Negationstypus und ist Grundlage seiner Ontologie. Der Begriff des Anderen zeigt an, was ein jedes Einzelseiende ist: ein Anderes anderen Anderen gegenüber. Dadurch zeigt sich im konkreten Anders-Sein dieses Einzelseienden seine ihm eigene Identität. Die Selbstidentität eines Einzelseienden wird wiederum durch das spezifische Anders-Sein eines Einzelseienden ausgedrückt. Spezifische Differenz und Identität eines Einzelseienden fallen also im Begriff des Anderen zusammen. Demgegenüber ist das Nicht-Andere die Negation jedes konkreten Anderen und damit die Negation von andersheitlichem Sein und Differenz überhaupt. Diese Negation ist dabei aber keine privative Negation. Wäre diese Negation privativ, könnte das Absolute gerade nicht, wie Cusanus fordert, Definition aller Dinge sein. Das Nicht-Andere ist aber auch keine andersheitliche Negation. Für Cusanus ist das Nicht-Andere Begriff für die Definition, die sich selbst und alles andere definiert. Also bezieht sich das Nicht-Andere definierend auf sich selbst und ist deswegen Ausdruck aktiver Selbstbezüglichkeit. Cusanus scheint den alles definierenden Negationsakt so zu deuten, dass sich das Absolute durch Negation von allem Seienden abgrenzt und so alles Seiende aus sich selbst heraus setzt. Diese doppelte Negation illustriert somit die Transzendenz Gottes, indem durch die Negation jedes Andere überstiegen wird. Allerdings birgt die Annahme, dass das Absolute vom Anderen negativ abgegrenzt ist, die Gefahr einer andersheitlichen Abgrenzung. Den Bezug des Absoluten auf alles Andere hat Cusanus aber nicht als andersheitliche Negation deuten können. In diesem Fall wäre das Absolute nur ein weiteres Anderes neben allen anderen Anderen, deren Anders-Sein untereinander durch die andersheitliche Negation angezeigt wird. Das Absolute würde sich also durch Differenz und damit durch Andersheit von allen unterscheiden. Das Nicht-Andere ist aber gerade kein Anderes gegenüber seinen Derivaten, und so überhaupt kein Anderes. Dieser Negationstypus ist daher von privativen und andersheitlichen Negationsformen logisch zu unterscheiden. Der absolute Negationsakt transzendiert jede andere Form der Negation: So ist die absolute Negation eben keine andersheitliche Negation, sondern eine Negation, die die andersheitliche Negation übersteigt. Das cusanische Nicht-Andere ist demnach der Begriff für die reine Negativität des Absoluten. Als doppelte Negation ist es eine von andersheitlicher und pri-

V. Konklusion

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vativer Negation ‚gereinigte‘ Negationsform, die die Transzendenz und Prinzipfunktion des Absoluten anzeigt. Die durch den Begriff ‚non aliud‘ apostrophierte Negativität des Absoluten lässt sich auch als Indifferenz – oder besser: als InDifferenz – bezeichnen. Der Begriff der In-Differenz ist mehrdeutig: (1) Zum einen meint die absolute In-Differenz das überwesentliche ‚Sein‘ der Anderen im NichtAnderen. Dieser Bedeutungsvalenz ist auch die In-Differenz von Transzendenz und Prinzipfunktion des Absoluten zuzuordnen. Damit soll freilich keine bloße Koinzidenz gemeint sein: Die Einfaltung aller Dinge im Absoluten ist als negativer Panentheismus zu verstehen, da im Absoluten selbst nichts im kreatürlichen Modus, sondern alles ent-ontologisiert im negativ-henologischen Modus besteht. (2) Zum anderen meint In-Differenz die Kreativität des Absoluten gegenüber seinen Derivaten: Es erschafft überall und jedes in völliger Gleich-Gültigkeit. Das heißt, dass das Wirken des Absoluten ununterschieden stets die Negation aller Dinge ist. Diese Negation ist überall identisch wirksam. (3) In-different ist schließlich die Beziehung des Absoluten zu jedem Anderen. Denn schließlich ist das Absolute gegenüber keinem Anderen verschieden und so gegenüber jedem indifferent, wenngleich es gerade nicht mit den Anderen identisch ist. Diese Aspekte der In-Differenz machen auch die Quasi-‚Differenz‘ des Absoluten zu allen Anderen aus. Denn das Absolute ist nicht wie Andere untereinander different zu Anderen. Wenn es das wäre, wäre es ein weiteres Anderes unter den vielen Anderen. Genauso wenig ist es „sowohl different als auch indifferent“.⁶⁶⁸ Die ‚Differenz‘ des Absoluten gegenüber den Anderen besteht gerade und ausschließlich in seiner singulären In-Differenz. Daher steht der Begriff ‚In-Differenz‘ für die nichtandersheitliche Negation der andersheitlichen Negation. Deswegen ist das NichtAndere – anders als von der Forschung immer wieder behauptet – kein Ausdruck reiner Affirmation im eckhartschen Sinne. Das Absolute weist sich nun aufgrund seiner In-Differenz als negativer Selbstbezug aus: Es verneint als selbsttätige Negation alle Bestimmungen und ist so als Negation auf sich selbst bezogen. Diese Negation ist aber keine andersheitliche Negation. Den Bezug des Nicht-Anderen konzipiert Cusanus so als nichtandersheitliche oder in-differente Bezugsform und damit als negativen Selbstbezug. Indem also das Absolute die andersheitliche Negation transzendiert, bezieht es sich auf sich und alles Seiende nicht-andersheitlich. Vor allem aber bleibt das Nicht-Andere gerade durch den nicht-andersheitlichen Ausschluss andersheitlicher und äußerer Bezugsformen vollkommen in sich selbst. Damit aber beschreibt Cusanus keinen bloßen Zustand. Es geht ihm dabei um den Vollzugs- oder Bezugsmodus des Absoluten. Das Absolute ist das Nicht-Andere, ist also der nicht-

 Cürsgen 2009, 358.

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andersheitliche Bezug. Damit wird der Selbstbezug des Absoluten erst durch die absolute Negativität des Absoluten ersichtlich, weil der Selbstbezug damit als negativer Selbstbezug ausgewiesen ist: Nur als negativer Selbstbezug vermag das Absolute absoluter Selbstbezug zu sein. Damit wird schon im ‚einfachen‘ Begriff ‚non aliud‘ der negative Selbstbezug des Absoluten ausgedrückt. Konkretisiert hat Cusanus den Selbstbezug des Absoluten mit seiner berühmten Formel ‚non aliud est non aliud quam non aliud‘. Diese schärft den Blick auf die innere Aktivität des Absoluten und erweitert das Konzept des negativen Selbstbezugs um eine Neuformulierung der Trinität. Die reine Negativität wird von Cusanus als Selbstdefinition beschrieben, die in sich selbst beginnt, sich durch sich selbst und in sich selbst bewegt und sich auf sich selbst bezieht. Die absolute Negativität bewahrt dabei ihre reine Negativität, denn das Nicht-Andere definiert sich selbst als reine Negativität. Genau deshalb ist der Selbstbezug des Absoluten – anders als in der Deutung Werner Beierwaltes’ – kein ontologischer Selbstbezug.⁶⁶⁹ Cusanus hat den Selbstbezug dem Absoluten direkt zugesprochen und ihn so ent-ontologisiert. In dieser Selbstbezüglichkeit ist nicht nur die Transzendenz des Absoluten, sondern gerade auch die Prinzipfunktion des Absoluten ‚verwirklicht‘. Es ist die bleibende Innerlichkeit kraft nicht-andersheitlicher Negation, die den gründenden Bezug ‚nach außen‘ ermöglicht, ja dieser ‚Bezug‘ selbst ist. Als negativer Selbstbezug ‚verwirklicht‘ das Absolute seinen Universalbezug, da sich das Absolute auf seine Derivate nicht-andersheitlich bezieht. Sein Bezug zu allem ist negativ, dabei aber weder andersheitlich noch privativ, sondern produzierend. Dieser produzierende Bezug wird von der Selbstbezüglichkeit des Absoluten nicht getrennt, denn als Prinzip bezieht es sich auf sich selbst. In diesem Selbstbezug wird der universale Bezug zu allem realisiert, wobei das Absolute trotz seiner kreativen Bezüglichkeit zu allem Anderen nicht aus seiner Negativität heraustritt. Sein kreatives Er-Sehen der Dinge ist selbst kein andersheitlicher Bezug, schafft aber andersheitliche Bezüge. Von entscheidender Bedeutung ist, dass die negative Theologie mithin nicht mehr zur Auflösung der Prinzipfunktion führt. Ganz im Gegenteil hat die negationslogische Analyse von Cusanus zur Folge, dass reine Negativität als selbstbezüglicher Grund aller Dinge angesehen werden kann. Insofern ist das Absolute nicht abgetrennt von seinen Derivaten, sondern durch seine spezifische Negativität intim auf sie bezogen. Noch einmal sei darauf hingewiesen, dass es sich dabei nicht mit seinen Derivaten identifiziert. So hat Cusanus mit dem negativen Selbstbezug jede pantheistische Vorstellung abgewehrt: Er hat das Nicht-Andere

 Beierwaltes 2010, 90.

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gerade als Antwort auf den Pantheismusvorwurf konzipiert, der vor ihm auch Eriugena traf. Das Absolute ist demnach als In-Differenz weder durch Identität noch durch Differenz bestimmt, sondern bringt diese beiden Bestimmungen überhaupt erst hervor. Als selbstbezügliches Prinzip lässt das Absolute jedes Seiende als Anderes aus sich hervorgehen, indem es jedes Seiende in seiner Individualität gründet und so zu einem singulären Anderen im Seinsganzen macht, das es wiederum simultan erschafft. In diesem Sinne ist das Absolute Universaldefinition, weil es Grund aller Kreaturen ist. Alle Seienden werden gerade kraft der Selbstbezüglichkeit des Absoluten ebenfalls zu negativen Selbstbezügen. Das Absolute ist das Innerlichste aller Seienden, das vermittels seiner Selbstbezüglichkeit alles zu konkreten Selbstbezügen werden lässt. Es ist mithin der ‚Punkt absoluter Gravitation‘, durch den Identität und Differenz als Konstituentien des Wesens jedes Einzelseienden erst zur Wesenseinheit oder Wesensmitte kontrahiert werden. Als konkrete negative Selbstbezüge sind die Einzelseienden so ‚bestimmte Negationen‘ und genau darin besteht ihre Individualität und ihre Positivität. Als negative Selbstverhältnisse sind sie positiv gesetzt. Negation und Affirmation sind ja gerade im Wesen eines Seienden nicht mehr entgegengesetzt, sondern kopulativ verbunden. Dabei dominiert aber die Negation in Form des negativen Selbstbezugs die Affirmation. Genauer gesagt ist das konkrete Nicht-Anders-Sein der Anderen der präzise Ausdruck für ihre Individualität, die sich durch positive Begriffe nicht in derselben Präzision ausdrücken lässt. Anderes oder die dieses spezielle Individuum umgebenden Anderen können diesem Individuum nichts Wesentliches, sondern nur noch Akzidentielles hinzufügen. Die Individualität ist als innere Grenze eines Anderen diesem Anderen eingeschrieben und so intrinsisch fundiert. Das Nicht-Andere ist also, abschließend formuliert, ein Begriff von ungewöhnlicher Reichweite, da er auf alle hier behandelte Fragen cusanischen Denkens eine Antwort zu geben vermag. Besonders wichtig ist hierbei, dass Cusanus Transzendenz und Prinzipfunktion des Absoluten ununterschieden gerade vermittels der durch In-Differenz hergestellten negativen Selbstbezüglichkeit des Absoluten denken kann. Genau dieser Gedanke wird durch den Begriff ‚non aliud‘ von Cusanus illustriert: Die reine Negativität des Absoluten wird, obgleich sie an sich unerkennbar ist, durch den doppelt negativen Begriff ‚non aliud‘ aufgeschlossen. Damit ist De li non aliud insgesamt ein Werk von bemerkenswerter philosophischer Tiefe und ein Manifest für die negative Theologie in ihrer speziellen cusanischen Form. In diesem Werk der cusanischen Spätphase werden Unklarheiten der cusanischen Frühphase – etwa in De docta ignorantia oder De genesi – einer entscheidenden Lösung zugeführt. Daher kann eine bekannte These Kurt Flaschs zurückgewiesen werden, die an der in der Forschung grassierenden Verwirrung über affirmative und negative Theologie nicht ganz unschuldig sein

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dürfte: Cusanus harmonisiert affirmative und negative Theologie unter dem Primat der Negativität. Dass er nach 1453 und speziell in De li non aliud nicht mehr das „Programm der Vereinigung positiver und negativer Theologie“ vertreten habe, wie Flasch meint, liegt schlicht daran, dass Cusanus die Funktion der affirmativen Theologie in die negative Theologie integriert hat. Dass er an diesem Programm, wie Flasch weiterhin annimmt, „irre“ geworden sei, ist eine Fehleinschätzung, die aus dem Unverständnis für die negative Theologie cusanischer Prägung und speziell für das Nicht-Andere herrührt.⁶⁷⁰ Für Johannes Scottus Eriugena lässt sich ein ganz ähnliches Ergebnis festhalten: Wie in den vorangegangenen Kapiteln gezeigt wurde, gibt es auch bei ihm wie bei Cusanus einen negativen Selbstbezug des Absoluten. Dadurch setzt er sich entscheidend von Proklos und Dionysios ab. Eriugena denkt das Absolute als reine Negativität. Dabei weist Eriugena es explizit als kreatives ‚nihil omnium‘ bzw. als kreative ‚negatio omnium‘ aus. Diese Verneinung alles Seienden und Nicht-Seienden ist für Eriugena das Über-Wesen des Absoluten selbst und nicht bloß unsere Perspektive auf das Unendliche: Die absolute Verneinung setzt diejenigen Bestimmungen, die es von sich selbst negiert, als seine Kreaturen ‚nach außen‘; und indem das Absolute alles von sich negierend abweist, bezieht es sich negativ auf sich selbst. Das Absolute ‚geht‘ so gewissermaßen ‚aus‘ seiner Negativität in sich selbst ‚über‘. Dabei hört es aber gerade nicht auf, über allem zu sein – und zwar auch gegenüber dem universalen Wesen. Eriugenas stetes Insistieren darauf, dass das Absolute negativ transzendent und mehr als Wesenheit (plus quam essentia) ist, verweist auf sein ambitioniertes Vorhaben, das Absolute selbst in den Blick zu bekommen. Unverständlich ist daher, dass etwa bei Sebastian F. Weiner die Überwesentlichkeit des Absoluten unerklärt bleibt.⁶⁷¹ Denn durch die bleibende Transzendenz des Absoluten wird ein Bezug des negativ-transzendenten Absoluten auf sich selbst angezeigt. Dieser kann folglich nur als Selbstbezug in Negativität gewertet werden. Denn es hat seine Negativität niemals verlassen. So ‚bewegt‘ sich das Absolute in sich. Das Absolute wird mithin als Aktivität in Negativität gedeutet, zumal diese innerabsolute ‚Bewegung‘ nicht von etwas Anderem, sondern vom Absoluten selbst initiiert und vollzogen wird. Diese selbstbezügliche Aktivität bewahrt die dem Absoluten eigene reine Negativität, da die Aktivität des Absoluten (negatio omnium) sein negatives Über-Wesen (negatio omnium) ist.

 Flasch 1973, 328.  Weiner 2007, 113. Seine einseitige Fixierung auf das universale Wesen (οὐσία) greift jedenfalls zu kurz.

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Insbesondere hat sich der Selbstbezug des Absoluten gerade kraft der spezifischen Negativität des Absoluten als negativ-absoluter Selbstbezug erwiesen. Durch die Negation andersheitlicher Negationsformen, also durch die dem Absoluten selbst eigene Negativität wird die Bezugsform des Absoluten überhaupt erst interpretierbar: als Bezug in In-Differenz. Weil die andersheitliche Negation nicht-andersheitlich negiert wird, ist die absolute Negation kein Ausdruck andersheitlicher oder relationaler Negation. Eriugena drückt dies über den Begriff ‚oppositio oppositorum‘ aus. Dieser Begriff weist wie das Nicht-Andere eine doppelt negative Struktur auf, in der andersheitliche bzw. relationale Negationsformen negierend transzendiert werden. Da sich das Absolute so nicht auf ein Anderes ihm gegenüber beziehen kann, bleibt nur die Möglichkeit eines Selbstbezugs. Anders formuliert: Es bezieht sich nicht auf ein Anderes ihm gegenüber und daher auf sich selbst. In der absoluten Negation ist so der Selbstbezug grundgelegt und damit als negativer Selbstbezug ausgewiesen: Denn indem das Absolute andersheitliche Negation transzendiert, bezieht es sich auf sich selbst nicht-andersheitlich und damit gerade negativ. In dieser absoluten In-Differenz ist zugleich der Bezug des Absoluten auf seine Derivate realisiert. Daher unterscheidet sich sein Selbstbezug auch nicht von seinem Universalbezug: Da das Absolute keinen andersheitlichen Bezug, sondern nur seinen negativen Selbstbezug kennt, kann es sich nur in der Form seiner ihm eigenen In-Differenz überhaupt ‚auf etwas‘ beziehen. In diesem nicht-andersheitlichen Bezug zeigt sich, dass es sich von seinen Derivaten nicht einfach abgrenzt, sondern stets auf sie bezogen bleibt. Aus diesem Grund kann Eriugena auch illustrierend behaupten, dass das Absolute nichts außerhalb seiner selbst sehe. Eriugena gelingt es über die spezifische Negativität des Absoluten zu zeigen, dass selbst in der absoluten Negation eine absolute Form von ‚Bezüglichkeit‘ oder ‚Relation‘ angenommen werden darf. Die Negativität des Absoluten avanciert so zur Bedingung und Vollzugsform absoluter Relation. Das Absolute übersteigt als Negation aller Dinge jede Form der Dialektik und der wesenhaften Beziehungen, also der Relation. Es bezieht sich gerade durch und in der Negation auf sich selbst. Genau hierin zeigt sich der ‚Unterschied‘ des Absoluten gegenüber seinen Derivaten. Denn die Derivate sind Einheiten aus Identität und Differenz, aus Ruhe und Bewegung. Das Absolute hingegen bezieht sich in negativer Form auf alles, sodass es mit ihnen nicht identisch und zugleich nicht von ihnen verschieden ist. Das Absolute negiert in diesem Bezug zugleich Identität und Differenz. Dabei geht es aber nicht in eine vermeintlich höhere reine Affirmation über: Denn das Absolute ist dieser nicht-andersheitliche Bezug; es ist diese nicht-andersheitliche Negationsform. Darin ist es aktiv, denn in dieser Negation verwirklicht es seinen Bezug. Diese innerabsolute ‚Aktivität‘ ist von seinem überwesentlichen ‚Sein‘

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nicht verschieden, denn in dieser Negation ist das Absolute der in-differente Bezug. In dieser selbstbezüglichen Negation ‚weiß‘ sich das Absolute nicht nur als reine Negativität, sondern auch als transzendentes Prinzip. Auf diese Weise wird alles Nicht-Absolute aus dem Absoluten ausgefaltet. Dabei trennt diese Ausfaltung das Absolute nicht von seinen Derivaten ab, da das Absolute auf alles bezogen bleibt. So kann man also sagen, dass negative Theologie nicht etwa zur völligen Entrückung des Absoluten führt oder es sogar – wie bei Isaak Luria – aus der Welt verbannt. Negative Theologie lässt das Absolute weiterhin auf alles Seiende bezogen sein, aber ohne es dabei zu einem Seienden oder zur Wesenheit zu transformieren. Dies hat Eriugena verdeutlicht, indem er das Absolute als immanent wirkendes Prinzip gedeutet hat, das auch in seinem Wirken seine Transzendenz nicht verlassen hat. Es ist in sich und in allen ‚ortlos‘ wirkende Innerlichkeit schlechthin, die nicht etwa die Wesenseinheit der Einzelseienden, sondern die transzendente Bedingung jeder Wesenseinheit ist. Daher ist die ‚negatio omnium‘ Ausdruck transzendenter und produzierender Negativität. Aus diesem Grund vollzieht das Absolute – anders als Werner Beierwaltes meint – in sich auch keine Negation seiner ursprünglichen Negativität. Ein solcher Negationsakt ginge über die Überwesentlichkeit des Absoluten (negatio omnium) hinaus. So kann dieser nur als ein zusätzlicher Akt begriffen werden. Das Absolute vollzieht aber keine zusätzliche Selbstnegation, um alles zu schaffen, sondern ist als es selbst, also als Negation von allem Prinzip aller Dinge.⁶⁷² Von einer ontologischen Selbstdefinition oder einem ontologischen Selbstaufschluss des Absoluten selbst geht also Eriugena streng genommen gar nicht aus, gerade weil er das Absolute mit aller Entschiedenheit nicht als ein Seiendes und auch nicht als das Sein selbst oder als Wesen denkt. Eriugena kann demgegenüber Transzendenz und Prinzipfunktion des Absoluten kraft der durch In-Differenz (doppelt negativ) fundierten negativen Selbstbezüglichkeit des Absoluten als Einheit denken. Dies ist zugleich die Pointe von De li non aliud. Wie gezeigt wurde, lässt sich belegen, dass Cusanus bei seiner Konzeption des negativen Selbstbezugs von Eriugena beeinflusst war und dessen Gedanken aufgegriffen hat. In diesem Zusammenhang sind insbesondere zwei von der Forschung bislang nicht genügend beachtete Cusanusmarginalien wichtig: Zum einen fällt am Ende des ersten Buchs des Periphyseon Cusanus’ intensive Annotierung des Konzepts der ‚oppositio oppositorum‘ auf; zum anderen hat Cusanus ein intensives Interesse an dem

 Periphys. III, 2814– 2817 (PL 122, 687B).

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Gedanken der Schöpfung aus dem Nichts gezeigt, den er im 169. Kapitel der Clavis Physicae entdeckt. Da der Gedanke des negativen Selbstbezugs in keiner anderen Schrift, die Cusanus rezipierte, auftaucht, ist erwiesen, dass er sich von Eriugena und Honorius hat inspirieren lassen. Dass Eriugenas Philosophie auf Cusanus maßgeblichen Einfluss hatte, wird noch deutlicher durch die Tatsache, dass De li non aliud keineswegs die einzige Schrift ist, die diese Zusammenhänge aufweist. Insbesondere in der etwas früheren Schrift De visione dei ist der Einfluss Eriugenas bereits mit Händen zu greifen, ohne aber voll ausgereift zu sein. Erst in De li non aliud treffen Cusanus’ Ausführungen die Intention Eriugenas vollständig, insbesondere weil Cusanus dort das Nicht-Andere als negativen Begriff entwirft und mit diesem den prinzipientheoretischen Aspekt der negativen Theologie vollständig ausdeutet. Damit hat Cusanus erst in De li non aliud einen Begriff gefunden, der sachlich Eriugenas ‚oppositio oppositorum‘ entspricht und sich historisch aus dieser herleiten lässt: seinen doppelt negativen Begriff ‚non aliud‘. Dabei hat Cusanus aber nicht einfach die Thesen Eriugenas wiederholt. Vielmehr hat er aus dem Denken Eriugenas fruchtbare Anregungen erhalten, durch die er über Eriugenas Konzept hinauszugehen vermochte. (1) Es geht beiden Denkern einerseits darum, den Gedanken absoluter Selbstbeziehung, den der Neuplatonismus paganer wie christlicher Prägung ontologisch als Wesensbestimmung des Geistes entwickelt hat, zu ent-ontologisieren und auf das Absolute selbst als den Grund des Geistes, der gerade mehr als Geist ist, zu übertragen. Eriugena ist dabei die einzige von Cusanus rezipierte Quelle, die die Negativität des Absoluten als eigene Tätigkeit des Absoluten selbst gedacht hat, in der sich das Absolute auf sich bezieht, ohne deswegen Geist zu sein oder zu werden. Denn das Wissen des Absoluten bleibt transzendentes Nicht-Wissen. Es gibt daher bei Eriugena einen negativen Selbstbezug des Überseins bzw. der absoluten Transzendenz selbst. Diesen Gedanken formuliert der sogenannte Satz des Cusanus, ‚non aliud est non aliud quam non aliud‘, trinitarisch aus, aber ohne zu ontologisieren und damit unter voller Wahrung der Transzendenz des Absoluten. Demgegenüber bleibt der trinitarische Selbstaufschluss der Gottheit bei Eriugena wegen seiner traditionellen Trinitätsformel ontologisch und beschreibt daher nicht das Absolute. Cusanus hat die Trinität durch das Nicht-Andere begrifflich explizit in die reine Negativität überführt. Die Stärke der Satzes des Cusanus liegt also darin, dass dieser gerade nicht ontologisch, sondern negativ-henologisch ist. Cusanus kann deswegen mit Verve darauf hinweisen, dass seine Formel allen anderen Trinitätsformeln, also auch der affirmativen und mithin unpräzisen Trinitätsformel ‚Vater-Sohn-Geist‘ überlegen ist.

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(2) Auch kommt es beiden Denkern darauf an, Prinzipfunktion und Transzendenz des Absoluten zusammenzudenken. Gegenüber Eriugena fasst Cusanus die kreative Tätigkeit des Absoluten aber nicht einfach als Ausfaltung der Derivate, sondern als ausdifferenzierende und individuierende Tätigkeit. Dadurch illustriert er die Weltbegründung als die jedem Einzelseienden wesensimmanente Selbstfixierung und -begrenzung durch die negative Selbstbezüglichkeit des Absoluten. Das Nicht-Andere begreift Cusanus als ‚Punkt absoluter Gravitation‘ und kann so das Anders-Sein der Seienden direkt aus der kreativen Tätigkeit des Absoluten ableiten. Auch wenn Cusanus diese zwei Aspekte intensiver als Eriugena durchdacht hat, ist es höchst bemerkenswert, dass Eriugenas Überlegungen zum Absoluten als selbsttätiger Negation von allem, die das Verneinte durch Verneinung setzt, sachlich präzise dem cusanischen ‚non-aliud-Gedanken‘ entsprechen. Beide beschreiben das Absolute als nicht-andersheitlichen und nicht-identischen (Selbst‐) Bezug. Gerade so können beide die absolute Koinzidenz von Transzendenz und Prinzipfunktion in absoluter Negativität erklären. Also haben beide Denker den Selbstbezug dem Absoluten direkt zugeschrieben, weil sie den Selbstbezug des Absoluten als negativen und dadurch als absoluten Selbstbezug gedeutet haben. Vor diesem Hintergrund muss Kurt Flaschs These, Cusanus habe jene Stellen bei Eriugena annotiert, die die negative Theologie aufbrächen, zurückgewiesen werden.⁶⁷³ Gerade weil Cusanus affirmative und negative Theologie unter dem Primat der Negativität verbindet und in De li non aliud die Bedeutung der affirmativen Theologie in die negative Theologie integriert, kann er als Schüler Eriugenas angesehen werden. Dass Eriugenas Denken für den späten Cusanus in Forschungsarbeiten der letzten Jahrzehnte massiv unterschätzt wurde, liegt vor allem daran, dass die Bedeutung und Funktion der negativen Theologie beim späten Cusanus nicht erkannt wurde. So wurde Eriugenas negative Theologie als mögliche sachliche und historische Grundlage systematisch ausgeblendet. Die bisherigen Fehleinschätzungen des cusanischen Nicht-Anderen, insbesondere im Hinblick auf die Leistung der negativen Theologie resultieren also aus der fehlerhaften Einschätzung historischer Bezüge. Dazu haben Cusanus’ eigene Aussagen vermutlich nicht unwesentlich beigetragen: Er selbst verweist auf Proklos und Dionysios als Quellen des NichtAnderen. Nachweislich hat aber der negative Selbstbezug des Absoluten keinen Platz im Denken von Proklos oder Dionysios. Es lässt sich also die These formulieren, dass Eriugenas negative Theologie als der Deutungshorizont verstanden

 Flasch 1971, 20.

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werden kann, auf dessen Grundlage Cusanus die Schriften von Proklos und Dionysios ausgelegt hat. Daher muss schließlich die bis heute im Allgemeinen unumstrittene These Werner Beierwaltes’ korrigiert werden. Zum Überblick: In einer 1986 erschienen Rezension kritisierte Beierwaltes die Monografie Carlo Riccatis, angeblich weil dieser den Einfluss von Eriugena auf Cusanus über das „historisch-objektive Maß hinaus“ betont habe. Speziell für das Verhältnis von Transzendenz und Immanenz in De li non aliud sei, so Beierwaltes, nicht die Philosophie Eriugenas ausschlaggebend; vielmehr habe Cusanus diesbezüglich auf Proklos und Dionysios zurückgegriffen.⁶⁷⁴ Allerdings verdeutlichen Cusanus und Eriugena die Einheit von Transzendenz und Prinzipfunktion des Absoluten durch ihr Konzept absoluter In-Differenz. Genau deswegen steht Cusanus Eriugena sachlich deutlich näher als Proklos oder Dionysios.⁶⁷⁵ Paradoxerweise hat Beierwaltes den Zusammenhang von Eriugena und Cusanus durchaus gesehen, folgte aber dennoch primär den cusanischen Angaben über Art und Inspiration seiner Philosophie. Die Hinweise Beierwaltes’ auf Eriugena reichten daher für eine befriedigende Einordnung des cusanischen Nicht-Anderen in die Philosophiegeschichte bislang nicht aus. Letztlich konnte so das Nicht-Andere nur bedingt als Begriff für den negativen Selbstbezug des Absoluten in den Blick der Forschung treten. Es zeigt sich also eindringlich, wie entscheidend die Verbindung systematischer und historischer Analysen für die vorliegende Studie über den negativen Selbstbezug ist: Denn die systematische Analyse des Nicht-Anderen ist auf historische Kontextualisierung angewiesen. Ohne diese hätten Genese und Wesen des Konzepts des Nicht-Anderen, das Cusanus gerade im Rückgriff auf Eriugena als Antwort auf drängende Fragen der neuplatonischen Tradition entworfen hat, gar

 Beierwaltes 1986, 275. In aller Deutlichkeit ist hier hinzuzufügen, dass Carlo Riccati den negativen Selbstbezug des Absoluten sowohl bei Cusanus als auch bei Eriugena übergangen und daher die entscheidende Parallele zwischen diesen beiden Denkern nicht herausgestellt hat.  Abschließend kann man sich die Frage stellen, warum Cusanus Eriugena nicht direkt zitiert. Man sollte das hierfür nicht unwesentliche Argument, dass Cusanus Eriugena deswegen nicht nennt, weil Eriugena ein verurteilter Ketzer war, zwar nicht überbewerten. Denn immerhin hielt Cusanus die Verurteilung Eriugenas – und nebenbei bemerkt auch Meister Eckharts – für einen Fehler bzw. einen unglücklichen Irrtum. Außerdem war Cusanus als Kardinal und Bischof von Brixen, also allein schon wegen seiner offiziellen Positionen über jeden ketzerischen Zweifel erhaben. Aber es ist durchaus plausibel, dass es Cusanus nicht besonders günstig erschienen sein mag, einen seiner zentralsten und wichtigsten Gedanken in aller Deutlichkeit auf einen verurteilten Ketzer zurückzuführen. Mehr als nur implizite Hinweise auf Eriugena zu geben, schien Cusanus nicht opportun.

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nicht geklärt werden können.⁶⁷⁶ Erst die intensive Verbindung historischer und systematischer Analysen hat Eriugenas Philosophie als eigentliche Quelle für den negativen Selbstbezug des Absoluten erkennen lassen. Cusanus’ und Eriugenas Denken kann auf der Grundlage der vorgelegten Studie zweifelsfrei als negative Henologie charakterisiert werden. Wenn nun die zentrale Forderung der Metaphysik letztlich darin besteht, Vielheit auf absolute Einheit zurückzuführen, dann haben Cusanus und Eriugena diese Forderung zweifellos erfüllt. Ihre Bemühungen um das Absolute zeugen grundsätzlich von einem fundamentalen Verständnis für die henologische Metaphysik und ihrer Bedeutung. Denn sie haben mit ihren Konzepten vom Absoluten eine zentrale Forderung des Neuplatonismus erfüllt. Dieser war bekanntermaßen durch ein intensives metaphysisches Bemühen gekennzeichnet. Jens Halfwassen hat gezeigt, dass die neuplatonische Philosophie in letzter Konsequenz in einen radikalen Transzendenzgedanken mündete, durch den der Neuplatonismus als Vollendungsform der Metaphysik verstanden werden kann.⁶⁷⁷ Denn die Ontologie ist keineswegs grundlegend für das Unternehmen der Metaphysik. Vielmehr muss man Seiendes und das Sein selbst negativ übersteigen, um zum eigentlichen und absoluten Einheitsgrund vordringen zu können. Letztlich muss man dabei über die Ontologie, die affirmative Theologie und sogar über die Vereinigung affirmativer und negativer Theologie (im seienden Einen) hinausgehen. Jede Ontotheologie bleibt demgegenüber zu ‚beschränkt‘, als dass sie das Absolute selbst erreichen könnte. Die Vollendungsform der neuplatonischen Metaphysik besteht also „in der äußersten möglichen Radikalisierung des Transzendenzgedankens“.⁶⁷⁸ Und diese Vollendung kann letztlich nur über die negative Theologie erreicht werden.⁶⁷⁹ Dieser Anspruch war auch das Leitmotiv von Cusanus’ und Eriugenas metaphy-

 Die systematische Analyse der cusanischen Negationslogik durch Stephan Grotz ist demgegenüber zurückzuweisen (Grotz 2009, 119 – 228): Die historische Komponente kommt in seiner Analyse eindeutig zu kurz. Auf mögliche Quellen des Nicht-Anderen geht er mithin nur bedingt ein. Aufgrund der dadurch fehlenden Bezugsquellen verwendet Grotz Argumentationsmuster analytischer Provenienz. Ergebnis ist eine merkwürdige Verzerrung der cusanischen Argumentation, die durch eine umfassende historisch-systematische Studie hätte verhindert werden können.  Halfwassen 2002, 13 – 27. Wenig später hat Halfwassen diese Aussagen wiederholt (Halfwassen 2004b, 690 – 700. Vgl. auch Halfwassen 1998b, 29 – 42).  Halfwassen 2002, 13. Halfwassen 2004b, 690. Auch Émmanuel Lévinas hat diesbezüglich Ähnliches vermutet; Lévinas 1982, 158, Anm. 1: „Elle [scil. „caractère métaphysique“] n’a peutêtre aucun sens dans la version ontologique qu’on en donne alors qu’il s’agirait d’un au-delà de l’être.“  Halfwassen 2002, 23 – 26. Halfwassen 2004b, 697– 699.

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sischen Spekulationen. Denn beide haben intensiv negative Theologie und genau deshalb Metaphysik des Absoluten betrieben. Ihr Konzept absoluter Transzendenz spricht sich in der reinen Negativität des Absoluten aus. Zugleich sind Eriugena und Cusanus aber auch über den Neuplatonismus massiv hinausgegangen, denn sie haben keineswegs neuplatonische Theoreme einfach wiederholt. Zwar transformiert bei ihnen wie schon im Neuplatonismus die negative Theologie das Absolute nicht zur völligen Leere, auch wenn man im paganen Neuplatonismus über das Absolute letztlich nur noch schweigen kann. Gegenüber den neuplatonischen Modellen zeigen aber die Konzepte Eriugenas und Cusanus’, dass die negative Theologie die Transzendenz des Absoluten als dessen produktive Tätigkeit und im Fall von Cusanus sogar als Trinität bestimmen kann. Insgesamt ist es Cusanus und Eriugena durch ihren originellen Umgang mit den zentralsten Fragen des paganen und christlichen Neuplatonismus gelungen, den ungewöhnlichen, ja einzigartigen Gedanken des negativen Selbstbezugs des Absoluten zu konzipieren. Dieser Gedanke ist der Kulminationspunkt ihrer metaphysischen Spekulation.

VI. Anhang 1. Quellenverzeichnis 1.1. Primärquellen Nicolaus Cusanus (A) Editio maior Nicolai de Cusa, Opera omnia, Iussu et auctoritate Academiae Litterarum Heidelbergensis ad codicum fidem edita, Leipzig–Hamburg: Meiner, 1932– 1944; 1959–. h I: De docta ignorantia, Ediderunt Ernst Hoffmann et Raymund Klibansky, Leipzig: Meiner, 1932. 2 Apologia doctae ignorantiae, Edidit Raimund Klibansky, Editio h II: stereotypa praefatione editoris altera et addendis corrigendisque aucta, Hamburg: Meiner, 2007. h III: De coniecturis, Ediderunt Josef Koch et Karl Bormann Hans G. Senger comite, Hamburg: Meiner, 1972. h IV: Opuscula I: De deo abscondito. De quaerendo Deum. De filiatione Dei. De dato patris luminum. Coniectura de ultimis diebus. De genesi, Edidit Paul Wilpert, Hamburg: Meiner, 1959. h V: Idiota de sapientia – de mente, Editionem post Ludwig Baur alternam curavit Rentate Steiger, duas appendices adiecit Raymund Klibansky. De staticis experimentis ex editione Ludwig Baur, brevem dissertationem addiderunt Karl Bormann et Hans G. Senger, Hamburg: Meiner, 1983. h VI: De visione dei, Edidit Heide D. Riemann, Hamburg: Felix Meiner, 2000. h VII: De pace fidei. Cum epistula ad Ioannem de Segobia, Ediderunt commentariisque illustraverunt Raymund Klibanky et Hildebrand Bascour, Editio altera, Hamburg: Meiner, 1970. h VIII: Cribratio Alcorani, Edidit commentariisque illustravit Ludwig Hagemann, Hamburg: Meiner, 1986. h IX: Dialogus de ludo globi, Edidit commentariisque illustravit Hans G. Senger, Hamburg: Meiner, 1998. h X/1: Opuscula II. Fasciculus I: De aequalitate (vita erat lux hominum) et appendicem Responsio de intellectu evangelii Ioannis (quomodo ratio divina sit vita) edidit Hans G. Senger, Hamburg: Meiner, 2001.

1. Quellenverzeichnis

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h X/2b:

Opuscula II. Fasciculus II b: De Deo unitrino principio. Tu quis es ‚De principio‘, Ediderunt commentariisque illustraverunt Karl Bormann et Heide D. Riemann, Hamburg: Meiner, 1988. h XI/1: De beryllo, Editionem funditus renovatam atque instauratam curaverunt Hans G. Senger et Karl Bormann, Hamburg: Meiner, 1988. h XI/2: Trialogus de possest, Edidit Renate Steiger, Hamburg: Meiner, 1973. h XII: De venatione sapientiae. De apice theoriae, Ediderunt commentariisque illustraverunt Raymund Klibansky et Hans G. Senger, Hamburg: Meiner, 1982. h XIII: Directio speculantis seu de non aliud, Ediderunt Ludwig Baur et Paul Wilpert, Leipzig: Meiner, 1944. h XVI/0 – 4: Sermones I – XXVI, A Rudolf Haubst et Martin Bodewig, Werner Krämer, Heinrich Pauli editi, Hamburg: Meiner, 1991. h XVII/0 – 6: Sermones XXVII – CXXI, Ediderunt Marc-Aeilko Aris, Rudolf Haubst, Heidi Hein, Hermann Schnarr, indices a Johannes Leicht editi Heidi Hein adiuvante, Hamburg: Meiner, 2009. h XVIII/0 – 5: Sermones CXXII – CCIII, Ediderunt Silvia Donati, Rudolf Haubst, Isabelle Mandrella, Heinrich Pauli, Harald Schwaetzer, FranzBernhard Stammkötter, indices contulit Johannes, Leicht Heidi Hein comite, Hamburg: Meiner, 2007. h XIX/0 – 7: Sermones CCIV – CCXCIII, Ediderunt Marc-Aeilko Aris, Silvia Donati, Walter A. Euler, Isabelle Mandrella, Klaus Reinhardt, Heide D. Riemann, Harald Schwaetzer, Franz-Bernhard Stammkötter, indices contulit Johannes Leicht, Heidi Hein comite, Hamburg: Meiner, 2008.

(B) Editio minor Schriften des Nikolaus von Kues in deutscher Übersetzung, Im Auftrag der Heidelberger Akademie der Wissenschaften herausgegeben von Ernst Hoffmann, Paul Wilpert und Karl Bormann, Leipzig–Hamburg: Meiner, 1936 – 1948; 1948–. H 1: Der Laie über die Weisheit, (Philosophische Bibliothek 411), Auf der Grundlage des Textes der kritischen Edition neu übersetzt und mit Einleitung und Anmerkungen herausgegeben von Renate Steiger, Hamburg: Meiner, 1988. H 2: Über den Beryll, (Philosophische Bibliothek 295), Neu übersetzt, eingeleitet und mit Anmerkungen herausgegeben von Karl Bormann, Vierte, verbesserte Auflage, Hamburg: Meiner, 2002.

204

H 3:

H 4:

H 8: H 9:

H 12:

H 15a:

H 15b:

H 15c:

H 17:

H 19:

H 21:

VI. Anhang

Drei Schriften vom Verborgenen Gott, Mit Einführung, Anmerkungen und Begriffsverzeichnis herausgegeben von Elisabeth Bohnenstädt, Hamburg: Meiner, 1967. Von Gottes Sehen, (Philosophische Bibliothek 219), Von Elisabeth Bohnenstädt, Zweite, mit der Ausgabe von 1942 übereinstimmende Auflage, Leipzig: Meiner, 1944. Über den Frieden im Glauben, (Philosophische Bibliothek 223), Von Ludwig Mohler, Leipzig: Meiner, 1943. Dreiergespräch über das Können-Ist, Mit einer Einführung von Lothar und Renate Steiger, neu übersetzt und mit Anmerkungen herausgegeben von Renate Steiger, Dritte, durchgesehene Auflage, Hamburg: Meiner, 1991. Vom Nichtanderen, (Philosophische Bibliothek 232), Übersetzt und mit Einführung und Anmerkungen herausgegeben von Paul Wilpert, Dritte, durchgesehene Auflage, Hamburg: Meiner, 1987. Die belehrte Unwissenheit. Buch I, (Philosophische Bibliothek 264 a), Übersetzt und mit Vorwort und Anmerkungen herausgegeben von Paul Wilpert, Vierte, erweiterte Auflage besorgt von Hans G. Senger, Hamburg: Meiner, 1994. Die belehrte Unwissenheit. Buch II, (Philosophische Bibliothek 264 b), Dritte, erweiterte Auflage in der Übersetzung von Paul Wilpert, Mit Anmerkungen, Bibliographie und Register herausgegeben von Hans G. Senger, Hamburg: Meiner, 1999. Die belehrte Unwissenheit. Buch III, (Philosophische Bibliothek 264 c), Übersetzt und mit Einleitung, Anmerkungen und Register herausgegeben von Hans G. Senger, Zweite, verbesserte Auflage, Hamburg: Meiner, 1999. Mutmaßungen, (Philosophische Bibliothek 268), Übersetzt und mit Einführung und Anmerkungen herausgegeben von Josef Koch und Winfried Happ, Dritte Auflage mit verbesserter Bibliographie, Hamburg: Meiner, 2002. Die höchste Stufe der Betrachtung, (Philosophische Bibliothek 383), Auf der Grundlage des Textes der kritischen Edition übersetzt und mit Einleitung, Kommentar und Anmerkungen herausgegeben von Hans G. Senger, Hamburg: Meiner, 1986 Der Laie über den Geist, (Philosophische Bibliothek 432), Mit einer Einleitung von Giovanni Santinello, Auf der Grundlage des Textes der kritischen Ausgabe neu übersetzt und mit Anmerkungen herausgegeben von Renate Steiger, Hamburg: Meiner, 1995.

1. Quellenverzeichnis

H 22:

H 23:

H 24:

205

Gespräch über das Globusspiel, (Philosophische Bibliothek 467), Auf der Grundlage des Textes der kritischen Ausgabe neu übersetzt und mit Einleitung und Anmerkungen herausgegeben von Gerda von Bredow, Hamburg: Meiner, 1999. Über den Ursprung, (Philosophische Bibliothek 487), Neu übersetzt, eingeleitet und mit Anmerkungen herausgegeben von Karl Bormann, Hamburg: Meiner, 2001. Die Jagd nach Weisheit, (Philosophische Bibliothek 549), Auf der Grundlage der Ausgabe von Paul Wilpert neu herausgegeben von Karl Bormann, Hamburg: Meiner, 2003.

(C) Weitere Ausgaben und Übersetzungen Schriften des Nikolaus von Cues in deutscher Übersetzung, Im Auftrag der Heidelberger Akademie der Wissenschaften herausgegeben von Ernst Hoffmann, Über den Ursprung. De principio, Deutsch mit Einführung von Maria Feigl, Vorwort und Erläuterung von Josef Koch, Heidelberg: Karle, 1949. Nikolaus von Kues, Philosophisch-theologische Schriften, 3 vol., (Studien- und Jubiläumsausgabe), Herausgegeben und eingeführt von Leo Gabriel, Übersetzt von Dietlind und Wilhelm Dupré, Wien: Herder, 1964 – 1967. Nicholas of Cusa on God as Not-Other, A Translation and an Appraisal of De li non aliud by Jasper Hopkins, Minneapolis: University of Minnesota Press, 1979. Nicholas of Cusa’s Metaphysics of Contradiction, by Jasper Hopkins, Minneapolis: Banning Press, 1983. A concise Introduction to the Philosophy of Nicholas of Cusa, by Jasper Hopkins, 3rd Edition, Minneapolis: Banning Press, 1986. Nicholas of Cusa’s dialectical Mysticism, Text, translation and interpretive Study of ‚De visione Dei‘ by Jasper Hopkins, 2nd Edition, Minneapolis: Banning Press, 1988. Nicholas of Cusa’s Debate with John Wenck, A Translation and an Appraisal of De ignota litteratura and Apologia doctae ignorantiae by Jasper Hopkins, 3rd Edition, Minneapolis: Banning Press, 1988. Complete Philosophical and Theological Treatises of Nicholas of Cusa, 2 vol., Translated by Jasper Hopkins, Minneapolis: Banning Press, 2001. Nikolaus von Kues, Philosophisch-Theologische Werke, Lateinisch – deutsch, 4 vol., Mit einer Einleitung von Karl Bormann, Hamburg: Meiner, 2002. Nikolaus von Kues, De non aliud. Nichts anderes, (Texte und Studien zur Europäischen Geistesgeschichte A.1), Herausgegeben von Klaus Reinhard, Jorge M. Machetta und Harald Schwaetzer, Münster: Aschendorff, 2011.

(D) Marginalieneditionen Baur, Ludwig, 1941, Cusanus-Texte. III. Marginalien. 1. Nicolaus Cusanus und Ps. Dionysius im Lichte der Zitate und Randbemerkungen des Cusanus, (Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften: Philosophisch-historische Klasse 4), Heidelberg: Winter.

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Procli in Platonis Parmenidem Commentaria, 3 vol., (Scriptorum classicorum bibliotheca Oxoniensis), Edidit Carlos Steel, Recognoverunt brevique adnotatione critica instruxerunt Carlos Steel, Caroline Mace et Pieter D’Hoine, Oxford–New York: Oxford University Press, 2007 – 2009.

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Damaskios Damascius, Traité des premiers principes, 3 vol., (Collection des Universités de France), Texte établi par Leendert G. Westerink et traduit par Joseph Combès, Paris: Les Belles Lettres, 1986 – 1991.

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Hegel Georg Wilhelm Friedrich Hegel, Gesammelte Werke, In Verbindung mit der Deutschen Forschungsgemeinschaft herausgegeben von der Rheinisch-Westfälischen Akademie der Wissenschaften, vol. 9, Phänomenologie des Geistes, Herausgegeben von Wolfgang Bonsiepen und Reinhard Heede, Hamburg: Meiner, 1980. —, vol. 21, Wissenschaft der Logik. Erster Teil: Die objektive Logik, vol. 1, Die Lehre vom Sein (1832), Herausgegeben von Friedrich Hogemann und Walter Jaeschke, Hamburg: Meiner, 1985. Georg Wilhelm Friedrich Hegel, Werke in zwanzig Bänden. Theorie Werkausgabe, Auf der Grundlage der Werke von 1832 – 1845 neu edierte Ausgabe, Redaktion Eva Moldenhauer und Karl M. Michel, vol. 19, Vorlesungen über die Geschichte der Philosophie II, Frankfurt am Main: Suhrkamp, 1971.

1. Quellenverzeichnis

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Platon Platonis Opera, 5. vol., (Scriptorum classicorum bibliotheca Oxoniensis), Recognovit brevique adnotationes critica instruxerit John Burnet, Oxford: Oxford University Press, 1900 – 1907.

Plotin Plotins Schriften, 6 vol., (Philosophische Bibliothek 211 – 215; 276), Übersetzt von Richard Harder, Neubearbeitung mit griechischem Lesetext und Anmerkungen fortgeführt von Rudolf Beutler und Willy Theiler, Hamburg: Meiner, 1956 – 1971.

Speusippos Speusippus of Athen, (Philosophia antiqua 39), A critical Study with a Collection of the related Texts and Commentary by Leonardo Táran, Leiden: Brill, 1981.

Sextus Empiricus Sexti Empirici Opera, (Bibliotheca Scriptorum Graecorum et Romanorum Teubneriana), Recensuit Hermann Mutschmann, vol. 1, Pyrrôneiôn hypotypôseôn libros tres continens, Editionem stereotypam emendatam curavit addenda et corrigenda adiecit Jürgen Mau, Leipzig: Teubner, 1958.

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228

VI. Anhang

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3.

Personenverzeichnis

Aertsen, Jan A. 38 Albertus Magnus 9 Allard, Guy-H. 135, 153, 187 Alvarez-Gómez, Mariano 38, 43, 80, 86 f., 93, 97, 102 Andia, Ysabel de 125–127, 129 Ansorge, Dirk 144 Aristoteles 105, 132 Augustinus 109 Barbet, Jeanne 158 Bauchwitz, Oscar F. 10, 138 Baur, Ludwig 1, 9, 109, 123 f., 143, 171 Bechtle, Gerald 147 Beierwaltes, Werner 4–11, 16, 18, 23, 27 f., 34 f., 41, 43, 50, 53 f., 57–59, 61, 63, 66 f., 69 f., 73, 99, 101 f., 104, 111, 113–115, 117–123, 125, 127 f., 130–140, 142–145, 147, 153, 158, 161, 164, 168, 170–172, 174–176, 179–183, 188, 192, 196, 199 Bender, Melanie 38 Benz, Hubert 23, 112 Bessarion 2 Bieler, Ludwig 156, 176 Blumenberg, Hans 80, 87 Bohnenstädt, Elisabeth 14 Bolberitz, Paul 93 Bormann, Karl 9, 14–16, 21, 28, 37, 43–45, 51, 53, 55, 57, 87, 115, 118–121, 123 Borsche, Tilman 95 Bosnjak, Branko 181 Bredow, Gerda von 6, 12, 16, 41 Brient, Elizabeth 104 Brons, Bernhard 127, 129 Brüntrup, Alfons 4 Calcidius 132 Cappuyns, Maïeul 101, 132 Carabine, Deirdre 119, 132, 139, 141, 153, 157 Cassirer, Ernst 6 Catà, Cesare 10 Chevallier, Philippe 141

Clarke, William Norris 143, 147 Cooper, John W. 110 Corsini, Eugenio 126 f. Costa Macedo, José M. da 142 Cousin, Victor 2 Crouse, Robert D. 139 Cürsgen, Dirk 4–9, 23, 25, 27, 38, 45, 47, 50, 52 f., 57, 59, 61, 63–66, 70, 72, 75–80, 88–94, 97 f., 105 f., 109 f., 117, 119–123, 129, 148, 191 Damaskios 122, 126, 129, 132, 139 D’Amico, Claudia 37, 54, 118, 143 Dangelmayr, Siegfried 4, 6, 41, 45, 49, 61, 106 D’Hoine, Pieter 2 d’Onofrio, Giulio 142, 146 Duclow, Donald F. 10, 38, 153, 157, 160 f., 178, 181 Dupré, Louis 28, 34 Eckhart 9, 35, 41, 48, 59–61, 63, 66, 98, 101, 117, 191, 199 Enders, Markus 43 Erismann, Christophe 141, 144 Euler, Walter A. 26, 28, 30, 38 Falque, Emmanuel 157 Federici-Vescovini, Graziella 38 Feigl, Maria 118 Fichte, Johann G. 1 Flasch, Kurt 1, 6–9, 26, 28–32, 34, 38, 41, 68, 74 f., 94, 99, 101, 107, 112, 116, 135, 144 f., 148–150, 156, 167, 188, 193 f., 198 Fournir, Michael 152 Foussard, Jean-Claude 148, 178 Fräntzki, Ekkehard 91 Frost, Stephanie 61 Gaiser, Konrad 98 Gandillac, Maurice de 9, 58 Gersh, Stephen 128, 132, 134, 137, 139, 141, 181, 185

230

3. Personenverzeichnis

Gregory, Tullio 132, 139, 147, 181 Grotz, Stephan 6 f., 14 f., 17, 23–25, 32, 41 f., 44, 57–61, 64 f., 74–76, 85 f., 94 f., 98, 104, 108, 118, 170, 200 Hadot, Pierre 127 Halfwassen, Jens 4–8, 35, 64–66, 68, 80, 98, 120 f., 125, 127, 130, 133 f., 139, 141, 144–146, 149 f., 157, 161, 175, 180, 183, 200 Hankins, James 117 Haubst, Rudolf 9, 100 Hegel, Georg W. F. 58, 84, 140, 175 Heil, Günther 2 Hoeps, Reinhard 161, 182 Hoffmann, Hans W. 118 Honorius III 101 Hopkins, Jasper 1, 6, 28, 101 Hoye, William J. 28 Iamblich 2, 132 Irlenborn, Bernd 87 Jacobi, Klaus 6, 9, 15–23, 41, 56 f., 76 f., 84 f., 103, 106, 109, 121 Jaeschke, Walter 30 Jaspers, Karl 6 Jeauneau, Édouard 10, 132–134, 146, 158, 182 f., 185 Johannes XXII 101 Jones, John N. 125

Lucentini, Paolo 10, 55, 81, 100, 110, 136 f., 143, 159 f., 171, 173, 179, 184, 186 Lullus, Raimundus 9, 117 Mace, Caroline 2 Machetta, Jorge M. 1, 7, 38, 45 Mancini, Sandro 49, 113 Marenbon, John 141 f., 152 Maximus Confessor 132, 139 May, Gerhard 161 Mayer, Annemarie C. 117 Mazzucchi, Carlo M. 124 McGinn, Bernard 28, 148, 153, 160 Meuthen, Erich 1 Miller, Clyde L. 73 Mojsisch, Burkhard 6–9, 27, 38 f., 42, 44 f., 57–59, 74, 94, 113 f., 117, 170 Monaco, Davide 6–10, 28–30, 35, 38, 41, 44, 61, 63, 80, 102, 106, 112, 116, 118, 123, 161, 170 Mooney, Hilary A.-M. 132, 182 Moran, Dermot 34, 50, 132, 137, 139, 143, 151 f., 161 Moritz, Arne 9, 66 Nagel, Fritz 36, 64 Noack, Ludwig 176 O’Meara, Dominic J. 133, 151–153, 182 O’Meara, John J. 132 O’Rouke, Fran 125 Otten, Willemien 148

Kampitz, Peter 15, 17, 20–23 Khorkov, Mikhail 117 Kijewska, Agnieszka 10, 30, 153, 182 Klibansky, Raymund 117 f. Koch, Josef 10, 37, 118 Krämer, Hans J. 98 Kremer, Klaus 32, 44, 94, 106, 110, 121, 127 Kreuzer, Johann 28, 31, 174, 183 Kristeller, Paul O. 1

Perger, Mischa von 45, 47, 66, 91, 93, 98 Piemonte, Gustavo A. 148 f., 151, 161 Platon 2–4, 16, 20, 24, 40, 45, 90, 98, 117, 119, 132, 144, 146 f., 149, 152 Platzeck, Erhard W. 117 Plethon 2 Plotin 2, 68, 98, 107, 120, 122, 127, 143, 146 f., 150, 163, 187 Porphyrios 2, 127, 129

Leinkauf, Thomas 15, 17, 23 f., 79, 94 Lévinas, Émmanuel 200 Lilla, Salvatore 127, 129 Lohr, Charles 9

Reinhard, Klaus 1, 7 Riccati, Carlo 10, 34, 52, 69, 134, 143, 160, 181, 199 Ríos, José G. 38, 45, 58, 123, 170

3. Personenverzeichnis

Ritter, Adolf M. 2, 124 Rohstock, Max 28, 30 Rombach, Heinrich 6, 15 f., 19–22, 85 Roques, René 135 Rorem, Paul 135 Rudnick, Ulrich 132 Rusconi, Cecilia 23, 49 Saffrey, Henry D. 2 Santinello, Giovanni 5 f., 16, 61 Schäfer, Christian 15, 94, 126 f., 129 Schneider, Gerhard 6, 38, 41, 49, 58, 81 Scholem, Gershom 177 Schrimpf, Gangolf 132, 139, 149 Schulze, Werner 100 Schwaetzer, Harald 1, 7 Senger, Hans G. 9, 33, 38 f., 93, 118, 123 Sextus Empiricus 114 Sheldon-Williams, Inglis P. 132, 156, 176 Siorvanes, Lucas 120 f. Sonderegger, Erwin 49, 64, 75 Speer, Andreas 87, 113 Speusippos 122 St. Victore, Hugo von 136 Stallmach, Josef 4, 6, 8, 32, 38 f., 41, 53, 80, 102 Steel, Carlos 2, 121, 132 Stock, Alex 55 Stolina, Ralf 126 Suchla, Beate R. 2, 124

231

Táran, Leonardo 122 Teasdale, Wayne 160 f. Thiel, Detlef 63 Thomas, Michael 14 f., 93 Thurner, Martin 30, 66, 91 Trottmann, Christian 55 Trouillard, Jean 122, 132–134, 139, 147, 181, 185 Valla, Lorenzo 131 Vanneste, Jean 126 Vannier, Marie-Anne 28, 125 Vansteenberghe, Edmond 29, 31, 136 Varessis, Evangelia 98 Wackerzapp, Herbert 9 Waging, Bernard von 136 Weiner, Sebastian F. 133, 141, 144, 147, 149, 151 f., 169, 180, 194 Wenck, Johannes 32, 101 Westerink, Leenhard G. 2 Westerkamp, Dirk 27, 31, 35, 38, 45, 115, 119, 121 f., 125, 153, 155–157 Wilpert, Paul 1, 6, 27, 35, 40, 41, 46 f., 55, 67, 71, 82, 89 Wöhler, Hans-Ulrich 182 Wolter, Johannes 85, 99 Wyller, Egil A. 6, 16, 20, 58, 61, 63 Yamaki, Kazuhiko Zedania, Giga

123

28