Der Jüdische Verlag 1902-1938: Zwischen Aufbruch, Blüte Und Vernichtung [Reprint 2012 ed.] 3484651415, 9783484651418

Im Mittelpunkt dieser Untersuchung über die Geschichte des Jüdischen Verlages von seiner Gründung in Berlin 1902 bis zur

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Der Jüdische Verlag 1902-1938: Zwischen Aufbruch, Blüte Und Vernichtung [Reprint 2012 ed.]
 3484651415, 9783484651418

Table of contents :
I. Einleitung
1. Einführung in die Thematik
2. Aufbau der Arbeit
3. Forschungsstand
4. Quellenlage
II. Gründung und Frühphase in Berlin, 1902–1905
1. Die Anfänge des Zionismus in Deutschland bis 1902
2. Die »Demokratische Fraktion«
3. Vorgeschichte, Programm und Aufbau des Jüdischen Verlages
4. Der Streit mit dem Verlag von Max Hickl
5. Die Gründung des Jüdischen Verlages in Berlin
6. Innere Organisation und Struktur
7. Finanzielle und strukturelle Krise des Jüdischen Verlages
8. Die Rettung des Jüdischen Verlages durch die Intervention David Wolffsohns
9. Die Verlagsproduktion in den Jahren 1902 bis 1905
Exkurs 1: Erste Herausgabe der zionistischen Schriften Theodor Herzls
III. Interregnum in Köln, 1906–1911
1. Die Hintergründe der Rettung des Jüdischen Verlages durch David Wolffsohn
2. Die Überführung des Jüdischen Verlages nach Köln
3. Die Jahre bescheidener Aktivität des Jüdischen Verlages in Köln
4. Der Jüdische Verlag im Spannungsfeld zwischen Köln und Berlin
5. Die gescheiterte Intervention Adolf Böhms
6. Vorbereitungen zur Rückführung des Jüdischen Verlages nach Berlin
7. Die Verlagsproduktion in den Jahren 1906 bis 1911
Exkurs 2: Die Kontroverse um Jakobus Kanns Buch Erez Israel – Das Jüdische Land
IV. Der Verlag unter der Leitung von Ahron Eliasberg, 1911–1919
1. Rückführung des Jüdischen Verlages nach Berlin
2. Ahron Eliasberg, 1879–1937
3. Personelle Restrukturierung des Verlages
4. Finanzielle Restrukturierung des Verlages
5. Der Jüdische Verlag in den letzten Vorkriegsjahren
6. Der Jüdische Verlag während des Ersten Weltkriegs
7. Die Verlagsproduktion in den Jahren 1912 bis 1919
Exkurs 3: Die Zeitschrift Der Jude
V. Neuorganisation des Verlages und Interregnum, 1920–1921
1. Die Zionistische Bewegung am Ende des Ersten Weltkriegs
2. Ideen, Pläne und Konzepte: Der Jüdische Verlag auf dem Weg in eine neue Zeit
3. Das neue Verhältnis zur Exekutive und Refinanzierung des Verlages
4. Fusion mit dem Welt-Verlag und Geschäftsführung durch ein Konsortium
5. Trennung vom Welt-Verlag und definitives Ausscheiden Ahron Eliasbergs
6. Die Verlagsproduktion in den Jahren 1920 und 1921
VI. Interimistische Leitung durch Siegmund Kaznelson, 1922–1924
1. Siegmund Kaznelson, 1893–1959
2. Beginn der Tätigkeit Siegmund Kaznelsons im Jüdischen Verlag
3. Der Jüdische Verlag auf dem Weg zur Selbständigkeit
4. Die Verlagsproduktion in den Jahren 1922 bis 1924
Exkurs 4: Erste Ausgabe der Tagebücher Theodor Herzls
VII. Die Jahre der großen Erfolge des Verlages, 1925–1932
1. Überführung des Jüdischen Verlages in Privatbesitz
2. Die Bewältigung ungelöster Probleme
3. Das Verhältnis zwischen dem Jüdischen Verlag und Salman Schocken
4. Der Streit um das Urheberrecht an der Zeitschrift Der Jude
5. Der Zionistische Bücher-Bund
6. Die Verlagsproduktion in den Jahren 1925 bis 1932
Exkurs 5: Das Jüdische Lexikon
VIII. Niedergang und Vernichtung des Verlages, 1933–1938
1. Jüdisches Verlagswesen und nationalsozialistische Kulturpolitik
2. Siegmund Kaznelson im nationalsozialistischen Deutschland, 1933–1937
3. Hozaah Iwrith Limited: Die Parallelfirma des Jüdischen Verlages in Palästina
4. Die Rettung von Buchbeständen des Jüdischen Verlages
5. Die Vernichtung des Jüdischen Verlages in Deutschland
6. Die Verlagsproduktion in den Jahren 1933 bis 1938
Exkurs 6: Die Ausgabe Theodor Herzls Schriften in fünf Bänden
IX. Schlußbemerkungen
X. Bibliographie
1. Vorbemerkungen
2. Unpublizierte Quellen
3. Publizierte Quellen, Handbücher und Nachschlagewerke
4. Sachdarstellungen und Monographien
Anhang: Bibliographie der Publikationen des Jüdischen Verlages, 1902–1938
1. Einleitende Bemerkungen
2. Allgemeine Bemerkungen und Aufbau der Verlagsbibliographie
3. Verlagswerke in deutscher Sprache
4. Verlagswerke in Hebräisch und Jiddisch
Personenregister
Danksagung

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Conditio Judaica 4 1 Studien und Quellen zur deutsch-jüdischen Literatur- und Kulturgeschichte Herausgegeben von HansBodenheimer, Otto Horch Mark H. Gelber und Jakob Hessing in Verbindung mit Alfred

Anatol Schenker

Der Jüdische Verlag 1902-1938 Zwischen Aufbruch, Blüte und Vernichtung

Max Niemeyer Verlag Tübingen 2003

Bibliografische Information der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.ddb.de abrufbar. ISBN 3-484-65141-5

ISSN 0941-5866

© Max Niemeyer Verlag GmbH, Tübingen 2003 http: // www.niemeyer.de Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Printed in Germany. Gedruckt auf alterungsbeständigem Papier. Druck: AZ Druck und Datentechnik GmbH, Kempten Einband: Nädele Verlags- und Industriebuchbinderei, Nehren

Inhalt

I.

Einleitung

1

1. 2. 3. 4.

Einführung in die Thematik Aufbau der Arbeit Forschungsstand Quellenlage

1 2 3 6

II. Gründung und Frühphase in Berlin, 1902-1905

11

1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8.

Die Anfänge des Zionismus in Deutschland bis 1902 Die »Demokratische Fraktion« Vorgeschichte, Programm und Aufbau des Jüdischen Verlages Der Streit mit dem Verlag von Max Hickl Die Gründung des Jüdischen Verlages in Berlin Innere Organisation und Struktur Finanzielle und strukturelle Krise des Jüdischen Verlages Die Rettung des Jüdischen Verlages durch die Intervention David WolfFsohns 9. Die Verlagsproduktion in den Jahren 1902 bis 1905 Exkurs 1: Erste Herausgabe der zionistischen Schriften Theodor Herzls

11 16 25 39 44 49 60

III. Interregnum in Köln, 1906-1911

89

1.

66 75 83

Die Hintergründe der Rettung des Jüdischen Verlages durch David Wolffsohn 89 2. Die Überführung des Jüdischen Verlages nach Köln 92 3. Die Jahre bescheidener Aktivität des Jüdischen Verlages in Köln 95 4. Der Jüdische Verlag im Spannungsfeld zwischen Köln und Berlin .... 103 5. Die gescheiterte Intervention Adolf Böhms 108 6. Vorbereitungen zur Rückführung des Jüdischen Verlages nach Berlin 111 7. Die Verlagsproduktion in den Jahren 1906 bis 1911 113 Exkurs 2: Die Kontroverse um Jakobus Kanns Buch Erez Israel - Das Jüdische Land 118

VI

Inhalt

IV. Der Verlag unter der Leitung von Ahron Eliasberg, 1911-1919

127

1. Rückführung des Jüdischen Verlages nach Berlin 2. Ahron Eliasberg, 1879-1937 3. Personelle Restrukturierung des Verlages 4. Finanzielle Restrukturierung des Verlages 5. Der Jüdische Verlag in den letzten Vorkriegsjahren 6. Der Jüdische Verlag während des Ersten Weltkriegs 7. Die Verlagsproduktion in den Jahren 1912 bis 1919 Exkurs 3: Die Zeitschrift Der Jude

127 130 134 138 147 165 184 192

V.

Neuorganisation des Verlages und Interregnum, 1920-1921

219

1. 2.

Die Zionistische Bewegung am Ende des Ersten Weltkriegs Ideen, Pläne und Konzepte: Der Jüdische Verlag auf dem Weg in eine neue Zeit Das neue Verhältnis zur Exekutive und Refinanzierung des Verlages Fusion mit dem Welt-Verlag und Geschäftsführung durch ein Konsortium Trennung vom Welt-Verlag und definitives Ausscheiden Ahron Eliasbergs Die Verlagsproduktion in den Jahren 1920 und 1921

219

3. 4. 5. 6.

VI. Interimistische Leitung durch Siegmund Kaznelson, 1922-1924

221 234 243 251 257 263

1. Siegmund Kaznelson, 1893-1959 263 2. Beginn der Tätigkeit Siegmund Kaznelsons im Jüdischen Verlag .... 280 3. Der Jüdische Verlag auf dem Weg zur Selbständigkeit 288 4. Die Verlagsproduktion in den Jahren 1922 bis 1924 302 Exkurs 4: Erste Ausgabe der Tagebücher Theodor Herzls 308 VII. Die Jahre der großen Erfolge des Verlages, 1925-1932

321

1. 2. 3.

321 336

Überführung des Jüdischen Verlages in Privatbesitz Die Bewältigung ungelöster Probleme Das Verhältnis zwischen dem Jüdischen Verlag und Salman Schocken 4. Der Streit um das Urheberrecht an der Zeitschrift Der Jude 5. Der Zionistische Bücher-Bund 6. Die Verlagsproduktion in den Jahren 1925 bis 1932 Exkurs 5: Das Jüdische Lexikon

348 370 382 399 417

Inhalt

VII

Vin. Niedergang und Vernichtung des Verlages, 1933-1938

429

1. 2.

Jüdisches Verlagswesen und nationalsozialistische Kulturpolitik .... 429 Siegmund Kaznelson im nationalsozialistischen Deutschland, 1933-1937 434 3. Hozaah Iwrith Limited: Die Parallelfirma des Jüdischen Verlages in Palästina 449 4. Die Rettung von Buchbeständen des Jüdischen Verlages 457 5. Die Vernichtung des Jüdischen Verlages in Deutschland 475 6. Die Verlagsproduktion in den Jahren 1933 bis 1938 484 Exkurs 6: Die Ausgabe Theodor Herzls Schriften in fünf Bänden 497 IX.

Schlußbemerkungen

511

X.

Bibliographie

517

1. 2. 3. 4.

Vorbemerkungen Unpublizierte Quellen Publizierte Quellen, Handbücher und Nachschlagewerke Sachdarstellungen und Monographien

517 518 521 524

Anhang: Bibliographie der Publikationen des Jüdischen Verlages, 1902-1938 1. 2. 3. 4.

535

Einleitende Bemerkungen 535 Allgemeine Bemerkungen und Aufbau der Verlagsbibliographie . . . . 5 3 6 Verlagswerke in deutscher Sprache 537 Verlagswerke in Hebräisch und Jiddisch 603

Personenregister

607

Danksagung

615

I. Einleitung

1. Einführung in die Thematik Nach mehr als dreitausend Jahren bekannter jüdischer Geschichte wurde die Welt in der Mitte des »fortgeschrittenen« zwanzigsten Jahrhunderts Zeuge des grausigsten Verbrechens, dessen Menschen je fähig waren: der Ausrottung eines Volkes.1

Diese einleitenden Worte stammen von Siegmund Kaznelson, der seit 1921 den Jüdischen Verlag leitete und diesen vier Jahre später als Besitzer übernehmen konnte. Der Verleger entkam zwar dem Holocaust, aber, wie er kurz vor seinem Tod im Jahre 1959 weiter festhielt, seine »Generation war dazu verdammt, diesen tiefsten Punkt jüdischen Schicksals zu erleben«.2 So handelt denn die vorliegende Arbeit zwar nicht vom Holocaust, beschreibt aber die Geschichte eines Verlages und einer Leserschaft, die in den verzehrenden Flammen vernichtet worden sind. Neunzig Jahre nach Gründung des Jüdischen Verlages fand im Februar 1992 die viel beachtete Vorstellung des ersten neuen Verlagsprogrammes unter der Affiche der restituierten Firma in Frankfurt am Main statt.3 Mit der Übernahme und Neubelebung des traditionsreichen Betriebs durch den Suhrkamp Verlag Schloß sich der Kreis einer ebenso komplexen wie faszinierenden Verlagsodyssee. Der von einer Gruppe junger Zionisten im Jahre 1902 gegründete Jüdische Verlag war eine neuartige Erscheinung innerhalb der Verlagslandschaft des deutschsprachigen Raums. Die Firma publizierte bisher in deutscher Sprache nicht gekannte Werke, die weit über den eigenen Kreis hinaus Wirkung zeigten. Durch ungeschickte Führung des Unternehmens geriet der Verlag jedoch bald in Schwierigkeiten, die nur durch Eingreifen der Zionistischen Organisation abgewendet werden konnten. In den Jahren 1906 bis 1910 blieb der Jüdische Verlag nur in geringem Masse aktiv, bevor diesem 1911 neue Impulse 1

2 3

Jüdisches Schicksal in deutschen Gedichten. Eine abschließende Anthologie. Hg. von Siegmund Kaznelson. Berlin: Jüdischer Verlag 1959, S. 9. Ebd., S.9. S. u. a. Jürgen Drews: In: Süddeutsche Zeitung, 21. und 25. Februar 1992; Dieter Gräbner: In: Allgemeine Zeitung für das Judentum, 27. Februar 1992; Christiane Heuwinkel: In: Basler Zeitung, 22. Februar 1992; Konrad Lienert: In: Tages Anzeiger, 30. September 1992.

2

I. Einleitung

gegeben wurden. Nach diversen Turbulenzen in den Jahren nach dem Ersten Weltkrieg, konnte die Firma schließlich in Privatbesitz überfuhrt werden, worauf die Zeit der größten Wirkung und Bedeutung des Jüdischen Verlages folgte. Die Jahre nach 1933 waren von zunehmend restriktiveren Maßnahmen gegen jüdische Verlage und der graduellen Unterdrückung sämtlicher Verlagsaktivitäten in Deutschland geprägt. Ende 1938 erfolgte die endgültige Liquidation des Jüdischen Verlages in Berlin durch die nationalsozialistischen Behörden. Diesen verschiedenen Phasen in der Entwicklung des Jüdischen Verlages soll hier nachgegangen werden. Dabei stehen die Firma, ihre Gründer, Geschäftsführer und Besitzer sowie die eigentliche Buchproduktion stets im Mittelpunkt. Durch deren Kontakte mit Institutionen, Autoren und anderen Verlegern zeichnet sich aber ein Bild ab, das teilweise weit über die inneren Verhältnisse der Firma hinausgeht.

2. Aufbau der Arbeit

Die Hauptteile dieser Untersuchung beschreiben die Entwicklung des Jüdischen Verlages in weitgehend chronologischer Abfolge. Wegen der nicht in allen Bereichen idealen Quellenlage, worauf nachfolgend eingegangen wird, bietet sich dieser traditionelle Aufbau an. In Kapitel II sollen jene allgemeinen Bedingungen und das Umfeld skizziert werden, welche die Gründung des Verlages im Jahre 1902 ermöglicht haben. Die Initiatoren und deren Beweggründe werden darin ebenso geschildert, wie die eigentliche Arbeit im Verlag, die strukturellen Probleme der Firma sowie die Produktion der frühen Jahre. Das anschließende Kapitel beschreibt die organisatorischen und finanziellen Veränderungen in den Verhältnissen des Jüdischen Verlages und berichtet über die Jahre relativer Inexistenz in Köln. Kapitel IV zeigt die Anstrengungen der Zionistischen Organisation, die Firma in neue und geregeltere Bahnen zu lenken. Dabei wird über die Rückführung des Jüdischen Verlages nach Berlin ebenso berichtet, wie über Person und Aktivitäten des damaligen Geschäftsführers vor, während und bis kurz nach Ende des Ersten Weltkrieges. Das folgende Kapitel schildert die neuerliche Krise des Jüdischen Verlages in den unmittelbaren Nachkriegsjahren. Die organisatorische Restrukturierung, die vorübergehende Leitung durch ein Kollektiv sowie die unglückliche Verbindung mit dem Welt-Verlag stehen dabei im Mittelpunkt der Untersuchung. In Kapitel VI wird auf Person und Wirken des nachmaligen Besitzers Siegmund Kaznelson eingegangen sowie dessen Beginn der Tätigkeit im Jüdischen Verlag behandelt. Das folgende Kapitel beleuchtet die Überfuhrung des Verlages in Privatbesitz und die Jahre der bedeutendsten Buchproduktionen bis zum Jahr 1932. In dieser Zeit brachte die Firma die Mehrzahl der noch heute be-

2. Aufbau der Arbeit

3

kannten, oft mehrbändigen Verlagswerke auf den Markt. Kapitel VIII berichtet schließlich über die letzten Tätigkeitsjahre in Deutschland sowie die Vernichtung des Jüdischen Verlages Ende der dreißiger Jahre. Dabei wird auch die in Palästina gegründete Parallelfirma des Jüdischen Verlages vorgestellt. In sechs Exkursen werden in exemplarischer Weise anhand ausgewählter und meist populärer Verlagswerke wenig bekannte Aspekte der Produktion, Rezeption sowie damit zusammenhängende Fragen eingehender beleuchtet. Im Anhang findet sich schließlich ein vollständiges Verzeichnis sämtlicher im Jüdischen Verlag zwischen 1902 und 1938 erschienener Zeitschriften, Broschüren und Bücher.

3. Forschungsstand

Die Aufgabe einer Verlagsgeschichte hat Peter de Mendelsohn im Nachwort zu seiner monumentalen Geschichte des S. Fischer Verlags treffend definiert. [...] Eine Verlagsgeschichte ist keine Literaturgeschichte. Sie ist die Geschichte eines Geschäftsunternehmens, das geistige und künstlerische Werte in materielle Werte umwandelt und ihnen einen Markt zu erschließen sucht; Geisteswert und Geldeswert wollen also in gleicher Weise in Rechnung gestellt sein und bedürfen sehr verschiedenartiger, wenngleich zusammenhängender Belege. Auch ist eine Verlagsgeschichte nicht die Biographie eines Verlegers. Sie ist die Geschichte einer eng verflochtenen Gemeinschaft von Schaffenden, die auf kleinem Raum zusammenwirken und deren Wirken in weite Ferne auszustrahlen vermag. [...] 4

Von diesem Verständnis ausgehend, stehen im Mittelpunkt dieser Arbeit über den Jüdischen Verlag die eigentliche Geschichte der Firma, ihrer Besitzer sowie die wechselvollen Beziehungen zu Körperschaften und Autoren. Auf Rezeption und Analyse der im Verlag erschienen Werke wird dabei lediglich in einzelnen Fällen näher eingegangen. Die allgemeine Geschichte des Zionismus und dessen Entwicklung in Deutschland wird überdies nur soweit zusammenfassend dargestellt, als dies für die Einordnung der zentralen Thematik in den Kontext wichtig und sinnvoll erscheint. Die staatlichen Maßnahmen gegen den Verlag sowie die Ausschaltungspolitik des nationalsozialistischen Deutschland im kulturellen und wirtschaftlichen Bereich werden dabei ebenfalls nicht vertieft analysiert, da insbesondere dazu in den letzten Jahren spezielle Literatur erschienen ist. Bis heute gibt es keine quellengestützte Untersuchung über die Geschichte des Jüdischen Verlages von seiner Gründung zu Beginn des 20. Jahrhunderts bis zur Vernichtung im Jahre 1938. Ausgangspunkt zahlreicher kleinerer Arbeiten ist ein anonym publizierter Überblick, der im 1964 herausgegebenen Almanach 4

Peter de Mendelsohn: S. Fischer und sein Verlag. Frankfurt a. M.: S. Fischer 1970, S. 1332.

4

I. Einleitung

des Verlages erschien.5 Dieser basiert auf einem bereits 1924 von Martin Buber fur einen früheren Werkskatalog verfaßten Text und enthält, neben zahlreichen wichtigen und zutreffenden Informationen, auch eine Fülle verwirrender und nicht selten beschönigender Angaben. Einzelne Elemente sind nicht nur oft unkritisch übernommen, sondern zuweilen sogar falsch rezipiert worden.6 Firmeneigene Almanache dienen oft als Ausgangspunkt für größerer Monographien über Verlage. Exemplarisch läßt sich dies am Beispiel der 1886 in Berlin gegründeten Firma Samuel Fischers belegen. Die bis heute umfassendste und detaillierteste Verlagsgeschichte eines im deutschen Sprachraum tätigen Betriebes schrieb Peter de Mendelsohn fur den S. Fischer Verlag als Auftragsarbeit. Dabei stützte sich der Verfasser in Teilen auf die seit fast neunzig Jahren regelmäßig erscheinenden Almanache des S. Fischer Verlages sowie des Bermann-Fischer Verlages fur die Exiljahre.7 Kürzere Darstellungen der gleichen Firma erschienen später in Zusammenhang mit den Jubiläumsveranstaltungen zum 100. Gründungsjahr der Firma im Jahre 1986.8 Dank dieser Publikationen ist die Geschichte des S. Fischer Verlages ungleich besser ausgeleuchtet als jene vieler anderer Unternehmen, bei denen die Quellenlage im übrigen weit günstiger ist. Die Entstehung und Wirkungsgeschichte von Verlagen, die sich mit ihren Publikationen an eine spezifisch jüdische Leserschaft richteten, ist weit weniger gut erforscht. Die Arbeiten Volker Dahms über den Umgang des nationalsozialistischen Deutschland mit jüdischen Verlagen in den Jahren von 1933 bis 1938 sind eigentliche Pionierarbeiten. Obwohl etwa die Geschichte des Schocken Verlages bereits zu Beginn der siebziger Jahre in einem wichtigen Aufsatz von Stephen M. Poppel skizziert worden ist, bedurfte es Volker Dahms vielbeachteter Arbeit, die zuerst in zwei Teilen und nun in einer überarbeiteten, teilweise gekürzten, einbändigen Ausgabe vorliegt.9 Wegen der Bedeutung des Werks und weil es diese Arbeit maßgebend beeinflußt hat, soll hier kurz darauf eingegangen werden. Im 1979 erschienenen ersten Band beschrieb Dahm die Unterdrückung und das schließliche Verbot jeglicher Tätigkeit jüdischer Verlage im Deutschland der dreißiger Jahre, ohne allerdings auf die Gründung und die innere Entwicklung sowie die Produktion der damals aktiven Firmen detailliert einzugehen. Sein Augen5 6

7 8

9

Almanach. 1902-1964. Berlin: Jüdischer Verlag 1964, S. 7 - 2 9 . So ist ζ. B. der Name des zeitweiligen Verlagsleiters Dr. Ahron Eliasberg mit seinem Vetter, dem Übersetzer und Herausgeber Alexander Eliasberg, verwechselt worden. Mendelsohn, S. Fischer und sein Verlag (wie oben, Anm. 4). S. Fischer Verlag. Von der Gründung bis zur Rückkehr aus dem Exil. Hg. von Friedrich Pfäfflin und Ingrid Kussmaul. Marbach a. N.: 1985 (Marbacher Katalog; 40) und Reiner Stach: 100 Jahre S. Fischer Verlag, 1886-1986. Kleine Verlagsgeschichte. Frankfurt a. M.: S. Fischer 1986. Stephen M. Poppel: Salman Schocken and the Schocken Verlag. In: Leo Baeck Institute Yearbook XVII (1972), S. 93-113; Volker Dahm: Das Jüdische Buch im Dritten Reich. Erster Teil: Die Ausschaltung der jüdischen Autoren, Verleger und Buchhändler; Zweiter Teil 2: Salman Schocken und sein Verlag. Frankfurt a. M.: Buchhändler-Vereinigung 1979/1982; ders., Das Jüdische Buch im Dritten Reich. 2., Überarb. Aufl. München: C. H. Beck 1993.

3. Forschungsstand

5

merk galt primär den zuweilen widersprüchlichen, aber zunehmend restriktiveren Maßnahmen der nationalsozialistischen Behörden gegen jüdische Verlage, Buchhandlungen und Leihbibliotheken. Das letzte Hauptkapitel der vorliegenden Arbeit greift, wie erwähnt, auf Dahms Forschungsergebnisse zurück. Der 1982 publizierte zweite Teil behandelt den Schocken Verlag, den bedeutendsten und einflußreichsten jüdischen Buchverlag der dreißiger Jahre. In dieser, gleich dem 1979 erschienenen Band, ebenfalls auf gründlichster Quellenarbeit basierenden Studie werden Aufbau der Firma, ihre innere Struktur sowie die eigentliche Verlagsproduktion und die staatlichen Reaktionen dargestellt. Das so gezeichnete Bild von Repression seitens der staatlichen Behörden und Reaktion seitens des Verlages bildet eine faszinierende Einheit, die auch im Falle der letzten Tätigkeitsjahre des Jüdischen Verlages in Deutschland darzustellen wünschenswert wäre, aber aus Gründen der unten erörterten Quellenlage nur bedingt durchführbar ist. In den Vorbemerkungen zur Darstellung des Schocken Verlages konstatierte Volker Dahm die großen Forschungslücken in dieser Thematik. Weitere Arbeiten wären wünschenswert, vor allem Monographien über andere jüdische Verlage, von denen beispielhaft der Jüdische Verlag (Berlin), der Philo-Verlag (Berlin), die jüdische Buchvereinigung (Erwin Löwe, Berlin) und der Verlag J. Kauffmann (Frankfurt a. M.) genannt sein sollen. 10

1982 erschien im Börsenblatt für den deutschen Buchhandel ein kurzer Beitrag des Verlegers Dietrich Pinkerneil, der 1978 die Rechte am Jüdischen Verlag von der Erbin Siegmund Kaznelsons, Frau Ilse Walter, fur den Athenäum-Verlag erworben hatte. Die konzise Charakterisierung der Verlagsgründung, der Leiter und des Programmes des Jüdischen Verlages enthält trotz aller Knappheit und einiger Fehler viele zutreffende Informationen, die in den später verfaßten Beiträgen nicht genügend gewürdigt worden sind.11 Der 1983 anläßlich einer Ausstellung des Deutschen Literaturarchivs im Schiller-Nationalmuseum in Marbach von Ingrid Belke herausgegebene Katalogband In den Katakomben stützt sich in großen Teilen auf die Arbeit Volker Dahms und hat zur weiteren Erforschung jüdischer Verlage und Verleger beigetragen. 12 In den vergangenen Jahren sind denn auch einige kürzere Arbeiten und Artikel erschienen, die allerdings nicht auf breiterer Auswertung der vorhandenen Quellen basieren. Der aus einer Magisterarbeit resultierende Aufsatz von Susanne Urban-Fahr geht ausfuhrlicher auf den Jüdischen Verlag und den Philo-Verlag ein, ohne sich aber auf die in Israel und den USA liegenden Quellen zu stützen. 13 1992 erschien der erste Almanach des Jüdischen Verla10 11

12

13

Dahm, Salman Schocken und sein Verlag (wie letzte Anm.), Sp. 304 f. Dietrich Pinkemeil: Verlagsporträt. Zum Beispiel der Jüdische Verlag Königsstein. In: Börsenblatt für den deutschen Buchhandel 38 (1982), H. 73, S. 1989-1990. Ingrid Belke: In den Katakomben. Jüdische Verlage in Deutschland, 1933-1938. Marbach a. N.: Deutsche Schillergesellschaft 1983 (Marbacher Magazin; 25). Susanne Urban: Verbannung in ein Ghetto ohne Mauern. Jüdischer Verlag und PhiloVerlag 1933-1938. In: Börsenblatt für den deutschen Buchhandel 50 (1994), H. 23, S. Β 12-B 29. Dieser Beitrag enthält schwerwiegende Fehler und zahlreiche Ungenau-

6

I. Einleitung

ges nach dessen Übernahme durch den Suhrkamp Verlag. Die einleitende kurze Skizze enthält allerdings gravierende Fehler hinsichtlich angeblich verlegter Autoren, von denen nie Werke im Jüdischen Verlag erschienen sind.14 1994 fand eine wenig beachtete Ausstellung über den Schocken Verlag in der Nationalbibliothek in Luxemburg statt, die drei Jahre später auch in Jerusalem gezeigt wurde. Der Katalogband vereinigt eine Anzahl wichtiger Beiträge, welche die vielfältige Geschichte dieser Firma erhellen und Volker Dahms Arbeiten in mancher Hinsicht ergänzen. Dazu werden einige zentrale Aspekte jüdischer Buchproduktion in den dreißiger Jahren erstmals besprochen, ohne aber auf andere jüdische Verlage näher einzugehen.15 Im Jüdischen Almanack 1996 erschien schließlich ein Aufsatz von Inka Bertz über die Frühphase des Jüdischen Verlages und dessen erste wichtige Publikation.16 Dabei sind erstmals Aspekte der Gründung und des Umfeldes basierend auf unveröffentlichten Quellen beleuchtet worden. Die Forschung über kulturgeschichtliche Aspekte des deutschen Judentums im Zeitraum von der Emanzipation bis zur Vernichtung, einschliesslich Buchverlage, Zeitungen und Zeitschriften, hat in den letzten Jahren merklich zugenommen. Verschiedene Arbeiten zur Verlagsgeschichte sind geplant oder werden im Moment geschrieben. So bliebt zu hoffen, daß weitere Einzeluntersuchungen auch zu weniger bekannten Firmen erscheinen werden, wie es Volker Dahm bereits vor Jahren gewünscht hatte.

4. Quellenlage Der Hauptgrund dafür, daß die Geschichte und die Wirkung vieler jüdischer Verlage des 20. Jahrhunderts überhaupt nicht oder nur teilweise und ungenügend erforscht werden kann, ist primär in der meist ungünstigen Quellenlage

14

15

16

igkeiten in der Schilderung des Jüdischen Verlages, die wohl primär auf den genannten Grund zurückzuführen sind. Unzutreffend behauptet die Autorin auf S. Β 15 und Β 16 etwa, daß die Zeitschrift Der Jude von 1916 bis 1924 im Jüdischen Verlag erschienen sei, Eliasberg den Verlag 1919 verlassen habe oder das Jüdische Lexikon nach 1933 nicht mehr vollständig habe ausgeliefert werden können u. a. m. Siegfried Unseld: Der Jüdische Verlag. In: Almanach 1992, Jüdischer Verlag. Frankfurt a. M.: Jüdischer Verlag im Suhrkamp Verlag 1992, S. 7-9. Weder von Scholem Alechem noch von Franz Rosenzweig oder Moses Mendelssohn sind jemals Werke im Jüdischen Verlag erschienen. Der Schocken Verlag Berlin. Jüdische Selbstbehauptung in Deutschland, 1931-1938. Essayband zur Ausstellung »Dem suchenden Leser unserer Tage« der Nationalbibliothek Luxemburg. Hg. von Saskia Schreuder und Claude Weber. Berlin: Akademie Verlag 1994. Inka Bertz: Jüdischer Almanach 5663. In: Jüdischer Almanach 1996. Hg. von Jakob Hessing. Frankfurt a. M.: Jüdischer Verlag im Suhrkamp Verlag 1995, S. 10-24. Genau betrachtet handelt es sich um die zweite Publikation des Verlages; s. dazu Kapitel Π/9.

4. Quellenlage

7

zu suchen. Durch die Vernichtung der in Deutschland sowie in den besetzten Ländern beheimateten Verlage gingen die firmeneigenen Archive entweder verloren oder wurden auf Befehl der deutschen Behörden vernichtet. Selbst die Archive bekannter Firmen, die Mitte der dreißiger Jahre ihre Tätigkeit ins Ausland verlagerten, sind nur zum Teil erhalten geblieben.17 Hinsichtlich der wenigen nach 1933 in Deutschland aktiv gebliebenen jüdischen Verlage wies Volker Dahm bereits vor zwei Jahrzehnten hin. Es steht zu befurchten, daß die meisten, wenn nicht alle Verlagsarchive verlorengegangen sind, so daß man in der Regel mit kurzen, sich im wesentlichen auf die Publikationen selbst stützenden Porträts zufrieden sein müßte.18

Diese Vermutung trifft besonders fur jene Firmen zu, die in keiner engeren Verbindung mit einer Institution oder Organisation standen, deren eigenes Archiv zumindest in Teilen die Nazizeit überlebt oder rechtzeitig ins Ausland hatte gerettet werden können.19 Auch im Falle des Schocken Verlages kann keineswegs auf den vollständig erhaltenen Aktenkorpus zurückgegriffen werden, sondern lediglich auf ein in Jerusalem angelegtes Parallelarchiv, welches allerdings weit umfangreicher als alle übrigen bekannten Quellenbestände zu dieser Firma ist. Aus verschiedenen Gründen ist die Quellenlage im Fall des Jüdischen Verlages zwar als schwierig, aber insgesamt nicht ungünstig zu bezeichnen. Einerseits stand der Verlag während der gesamten hier berücksichtigten Jahre in unterschiedlich enger Beziehung zur Zionistischen Organisation und anderseits sind die Nachlässe einiger mit der Firma eng verbundener Autoren und Funktionäre der Zionistischen Organisation ganz oder zu wesentlichen Teilen erhalten. Grundlage dieser Arbeit waren denn auch die im Zionistischen Zentralarchiv in Jerusalem erhaltenen Akten, die im Jahre 1933 aus Berlin nach Jerusalem überführt werden konnten.20 Die für diese Arbeit verwendeten Archivalien wurden zum größten Teil noch in Berlin inventarisiert und können bis heute nur unvollständig über die Kataloge des Archivs erschlossen werden. Akten über den Jüdischen Verlag sind durch das Zionistische Zentralarchiv nie kon17

18 19

20

So sind ζ. B. große Teile des Verlagsarchivs des S. Fischer Verlags in Berlin vernichtet worden; s. Mendelsohn, S. Fischer und sein Verlag (wie oben, Anm. 4), S. 1335ff. Dahm, Salman Schocken und sein Verlag (wie oben, Anm. 9), Sp. 305. So scheint es aus heutiger Sicht schwierig, etwa die Geschichte des J. Kauffmann Verlages, Frankfurt oder des Welt-Verlages in Berlin quellengestützt gründlich aufzuarbeiten. Gerade diese beiden Unternehmen sind aber besonders lohnenswerte Objekte buchgeschichtlicher Forschung. Im Falle des Philo-Verlages ist zu hoffen, daß sich in den Archivalien des Centrai-Vereins, dem die Firma gehörte, zusätzliche Akten finden. Bisher vernichtet geglaubte Teile des Archivs des Central-Vereins deutscher Staatsbürger jüdischen Glaubens sind vor wenigen Jahren in Geheimarchiven in Moskau wieder aufgetaucht. Nähere Angaben über die abenteuerliche Rettung des Archivs durch den damaligen Leiter Georg Herlitz finden sich in seinen Erinnerung von 1964. Georg Herlitz: Mein Weg nach Jerusalem. Erinnerungen eines zionistischen Beamten. Jerusalem: Rubin Mass 1964, S. 144-156.

8

I.

Einleitung

sequent gesammelt und erfaßt worden. Naheliegend war es, für diese Untersuchung die wenigen unter dem Stichwort »Jüdischer Verlag« katalogisierten Mappen zu sichten. Es zeigte sich jedoch bald, daß ungleich mehr und in der Regel informativeres Material in den laufend gesammelten Korrespondenzmappen der verschiedenen zionistischen Institutionen und Behörden zu finden ist. Dies gilt vor allem für offizielle und interne Gesprächsprotokolle sowie abgelegte Briefentwürfe und Durchschläge in Verlagsangelegenheiten. Solche Dokumente finden sich konzentriert für den Zeitraum von 1910 bis 1925.21 Während der folgenden Dekade blieben die Kontakte zwischen der Zionistischen Organisation und dem Verlag nur noch lose und beschränkten sich auf sporadische Zusammenarbeit bei der Publikation von Büchern und Broschüren. Die Geschäftsführung, wie auch der Verlag als solcher, war in die Hände Siegmund Kaznelsons übergegangen. Die Frühphase des Jüdischen Verlages ließ sich primär über die Privatarchive der verschiedenen, mit der Firma verknüpften Personen erschließen. Ausgangspunkt war dabei der enorm reichhaltige Nachlaß Martin Bubers, der sich in der Israelischen Nationalbibliothek in Jerusalem befindet. Die umfangreiche Korrespondenz Bubers sowie seine Sammlung von Drucksachen enthalten unzählige Hinweise auf die Gründung und die ersten Jahre des Verlages. Sein Briefwechsel mit den Mitinhabern der Firma in der Periode von 1901 bis 1905 diente als Grundlage bei der Schilderung des ersten Hauptteils dieser Arbeit. Auch nach seinem Ausscheiden aus dem Unternehmen blieb Martin Buber in regem Kontakt mit Autoren und Verantwortlichen innerhalb des Jüdischen Verlages. Besonders wichtig ist dabei seine Korrespondenz mit Ahron Eliasberg und Siegmund Kaznelson, die sich bis gegen Ende der dreißiger Jahre fortsetzt. Von den im Zionistischen Zentralarchiv zugänglichen Privatarchiven sind besonders jene von Berthold Feiwel, David Wolffsohn, Victor Jacobson, Arthur Hantke und Arthur Ruppin wichtig. Im Schocken-Archiv in Jerusalem finden sich zudem Teile des recht umfangreichen Briefwechsels mit Siegmund Kaznelson aus den späten zwanziger und frühen dreißiger Jahren. Erste Kontakte zwischen Schocken und dem Jüdischen Verlag reichen allerdings in die Jahre des Ersten Weltkriegs zurück. Die nicht immer problemlosen Beziehungen intensivierten sich allerdings erst ein Jahrzehnt später, wie auszufuhren sein wird. Weitere Materialien über den Jüdischen Verlag, und besonders zur Person Siegmund Kaznelsons, finden sich schließlich im umfangreichen Nachlaß von Robert Weltsch, der im New Yorker Leo Baeck Institut zugänglich ist. Mit der Überfuhrung des Jüdischen Verlages in Privatbesitz im Sommer 1925 wird die Quellenlage insgesamt ungleich schwieriger. Da weder ein eigentliches Verlagsarchiv die Zerschlagung der Firma in Deutschland überlebt hat, noch Siegmund Kaznelsons Privatkorrespondenz erhalten ist, muß sich die Untersuchung auf eine dünnere Basis abstützen. Einiges spricht jedoch dafür, daß der Verlagsbesitzer diesen Zustand in wesentlichen Teilen selber zu ver21

In dieser Zeit gehörte der Verlag der Zionistischen Organisation.

4. Quellenlage

9

antworten hat. Die Nachlaßverwalterin Kaznelsons, Frau Ilse Walter, übergab die wenigen verbliebenen Briefe und Dokumente kurz vor ihrem Tod dem Zionistischen Zentralarchiv, wobei diese Archivalien fast ausschließlich die Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg betreffen. Die umfangreiche Privatbibliothek des 1959 verstorbenen Siegmund Kaznelson lagerte während vieler Jahre als vergessenes Depositum in einem nicht öffentlich zugänglichen Raum der Stadtbibliothek Jerusalem.22 Im Jahre 1994 wurden die Bücher, darunter zahlreiche numerierte Vorzugsausgaben und handgebundene Privatausgaben von Werken des Jüdischen Verlages, der Nationalbibliothek Israels in Jerusalem übergeben. Allfallig übriggebliebene Akten zur Verlagsgeschichte befanden sich allerdings bereits vorher nicht mehr darunter, und es bleibt zu befurchten, daß diese in den ersten Jahren nach Kaznelsons Tod im Jahre 1959 vernichtet worden sind. Neben einigen Briefwechseln mit Verlagsautoren, deren Nachlässe ebenfalls im Zionistischen Zentralarchiv lagern, stützt sich die Arbeit im letzten Hauptkapitel auch auf Material in deutschen Archiven, die im Anhang genannt werden, sowie auf wichtige Unterlagen des Handelsregisters in Jerusalem. Quellenkritisch betrachtet muß festgestellt werden, daß der Korpus der untersuchten Akten kein vollständig ausgewogenes Bild auf die gesamte hier behandelte Periode ermöglicht. Qualitäts- und quantitätsmäßig sind die Materialien aus den Jahren 1912 bis 1924 am reichhaltigsten. Für die Frühphase stützt sich der Quellenkorpus auf eine etwas weniger breite, aber dennoch insgesamt aussagekräftige Basis. Die Jahre nach 1924 können, bezogen auf die innere Entwicklung der Firma, nicht in der gewünschten Tiefe untersucht werden. Für die Jahre nach 1933 wurde stärker auf bereits erarbeitetes Material zurückgegriffen, da die Ausschaltung und Vernichtung der jüdischen Buchverlage in Deutschland in weiten Teilen ähnlich und in der Schlußphase, d. h. nach der Pogromnacht von 1938, beinahe identisch ablief. Es bleibt zu hoffen, daß eines Tages zusätzliches Material über den Jüdischen Verlag auftauchen wird. Das immer wieder kolportierte Gerücht, wonach es ein Verlagsarchiv gäbe, hat sich während den Nachforschungen in Israel, den USA und in Deutschland nicht bestätigt. Vielmehr ist der Verfasser während dieser Arbeit zur - allerdings nicht vollständig gesicherten - Erkenntnis gelangt, daß Siegmund Kaznelson entscheidende Aktenbestände noch vor seiner Emigration aus Deutschland selber vernichtet hatte. Dennoch kann nicht ausgeschlossen werden, daß Teile eines Firmenarchivs die Wirrnisse der Zeit überstanden haben und nach deren Auffinden weitere Aspekte der Geschichte des Jüdischen Verlages geklärt werden können.

22

Der Verfasser konnte die nicht katalogisierten Bestände 1991 und 1992 sichten.

II. Gründung und Frühphase in Berlin, 1902-1905

Jedesmal wenn ich in den Verlag kam, fand ich einen anderen Herren. [...] Alle machten sich breit und taten was sie wollten. [...] Unser verehrter Geschäftsführer ist in Cypern oder irgend wo. [...] Die Beschlüsse des Verlages sind nicht einmal auf Papier. [...] Lieber Told: Du hast genug und ich auch.1

1. Die Anfänge des Zionismus in Deutschland bis 1902 1902, im Jahr der Gründung des Jüdischen Verlag, war der Zionismus in Deutschland eine kleine und elitäre Bewegung. Trotz der fünf Zionistenkongresse seit 1897 mit maßgeblicher Beteiligung deutscher Juden blieb die überwiegende Mehrheit der jüdischen Bevölkerung Deutschlands der neuen Nationalbewegung gegenüber desinteressiert, ambivalent oder ablehnend eingestellt. Die zionistischen Ideen wurden in den verschiedensten Gremien, regionalen und örtlichen Vereinigungen und Körperschaften zwar heftig diskutiert, konnten aber keine Massenbewegung initiieren. Karl Jeremias resümierte das Erreichte in einem Artikel in der Welt vom 14. November 1902. Jeder Bekehrung eines deutschen Juden zum Zionismus geht ein hartes Ringen mit der Anhänglichkeit an die liebgewordenen Kulturgüter voraus, die Loslösung ist stets langsam und bleibt immer schmerzhaft. [...] Die Erkenntnis, wo die Ursachen der Schwierigkeiten liegen, darf uns nicht entmutigen und in der Agitation lahmen; sie muß uns lehren, wo wir den Hebel anzusetzen haben. [...] Die Entlarvung der dunklen Mächte des Widerstandes soll uns ein Sporn sein, nur immer eifriger an ihrer Überwindung zu arbeiten, noch immer planvoller und individueller unsere Agitation zu gestalten.2 So blieb denn auch die Gründung des Jüdischen Verlages ein zwar wegweisendes Projekt, das zeitlich mit mehreren ähnlichen Ideen zusammenfiel, im ganzen aber von der Mehrheit der jüdischen Bevölkerung Deutschlands kaum beachtetes Ereignis. 1

2

Brief von Ε. M. Lilien an Berthold Feiwel, 6. Juni 1904, in: Central Zionist Archives, Jerusalem, W 57/11. Das deutsche Judentum und der Zionismus. In: Die Welt, 6. Jg (1902), Nr 46, S. 3ff.

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II. Gründung und Frühphase in Berlin,

1902-1905

Die programmatischen Schriften von Leo Pinsker, Achad Ha'am und Nathan Birnbaum sowie das Erscheinen von Theodor Herzls Der Judenstaat im Jahre 1896 hatten der alten Sehnsucht des jüdischen Volkes nach einer Rückkehr nach Palästina neuen Aufschwung gegeben. Verschiedenste Versuche oft problematischer Natur seit Mitte des 19. Jahrhunderts von jüdischer und christlicher Seite, die Wiederansiedlung von Juden in Palästina neu zu beleben, waren nicht selten kläglich gescheitert oder wurden gar nicht in die Tat umgesetzt. Erste erfolgversprechende Ansätze zur Verwirklichung erfolgten zu Beginn der achtziger Jahre mit der Schaffung von Organisationen, welche die Errichtung jüdischer Kolonien forderten und diese mit finanziellen Mitteln ausstatteten. Obwohl auch jüdische Gemeinden in Deutschland um Hilfe fur die sich in finanziellen Nöten befindlichen Agrarkolonien Palästinas angefragt wurden, beschränkte sich deren erste Unterstützung auf einige wenige städtische Projekte in Jaffa und Jerusalem. Ein kleine Zahl von Juden in Deutschland erkannte allerdings die Notwendigkeit der Förderung der landwirtschaftlichen Projekte und bildete Vereine, die sich speziell um diese Aufgabe kümmerten. Bereits 1860 hatte Chajm Lorje in Frankfurt/Oder den »Israelitischen Verein zur Kolonisierung von Palästina« gegründet. Dieser national-religiös ausgerichteten Organisation gelang es, die Unterstützung des Thorner Rabbiners Zwi Hirsch Kalischer zu gewinnen.3 Nicht zuletzt seiner Autorität und seinem Einfluß war es zu verdanken, daß sich der Verein besonders im Osten des Deutschen Reiches Anfangs recht vielversprechend entwickeln konnte. Allerdings führten einige ungeschickte Äußerungen Lorjes bald dazu, daß sich die Organisation in internen Streitereien aufrieb statt sich auf ihre eigentlichen Ziele zu konzentrieren. Schon 1865 löste sich der »Israelitische Verein zur Kolonisierung von Palästina« wieder auf. Erst die große Pogromwelle in Rußland von 1881 führte zu neuen Anstrengungen in Deutschland. Dem im folgenden Jahr in Kattowitz gegründeten »Verein zur Kolonisierung der verfolgten russischen Juden Bnei-Brith« kam dabei eine besondere Bedeutung zu. Obwohl nur wenige Mitglieder dem Verein beitreten sollten, gelang 1884 die Durchführung einer kleinen Konferenz jüdischer Vertreter in jener Stadt, die sich erstmals in Deutschland mit konkreten Fragen der Neubesiedlung Palästinas beschäftigte. Obwohl die Beschlüsse nicht in die Tat umgesetzt werden konnten, hatte die »Kattowitzer Konferenz« dennoch beträchtlichen symbolischen Wert.4 Ebenfalls 1884 konstituierte sich in Berlin der Verein »Esra, Sammelbüchse für Palästina«. Trotz beachtlicher Mitgliederzahl blieben die finanziellen Mittel für die Unterstützung der jüdischen Kolonisation Palästinas beschränkt. Diesem ursprünglich religiös-konservativem Verein gelang als erstem, mittels Gründung 3

4

Seine Schrift Drischath Zion (Sehnsucht nach Zion) von 1861 diente dem Verein als ideologisches Programm. Mordechai Eliav: Zur Vorgeschichte der jüdischen Nationalbewegung in Deutschland. In: Bulletin des Leo Baeck Instituts (Tel Aviv), Nr 48 (1969), S. 286f.

1. Die Anfänge des Zionismus in Deutschland bis 1902

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von Lokalkomitees in verschiedenen Städten Deutschlands eine zwar beschränkte, aber doch überregionale und dezentrale Propaganda durchzufuhren. Die von »Esra«-Mitgliedern gegründeten oder herausgegebenen Zeitschriften trugen die Anliegen und Gedanken des Vereins in breitere jüdische Kreise hinein. Mit dem Aufkommen der Zionistischen Organisation in Deutschland sank die Bedeutung des »Esra« rasch, obwohl er faktisch noch bis 1932 weiterbestand.5 Als einziger deutscher Jude gehörte Heinrich Loewe, geboren 1869, im Alter von neunzehn Jahren zu den Gründern des »Russisch-jüdischen Wissenschaftlichen Vereins« in Berlin. Darin fanden sich jene osteuropäischen Studenten zusammen, die besonders von den Schriften Achad Ha'ams, Leo Pinskers und Nathan Birnbaums in Wien erscheinender Zeitschrift Auto-Emanzipation geprägt wurden und deren Inhalte eifrig diskutierten. Heinrich Loewe publizierte bereits 1890 einen ersten Artikel in der Zeitschrift Birnbaums. Im »Russisch-jüdischen Wissenschaftlichen Vereins« trafen in den folgenden Jahren Zionisten wie Chaim Weizmann, Leo Motzkin oder Schmaqa Levin zusammen. Im Frühjahr 1892 gründeten Heinrich Loewe, Willy Bambus und Wilhelm Boehlendorf in Berlin den »Jüdisch-nationalen Verein Jung-Israel«. Loewe trat dem Verein »Esra« bei und zeichnete sich auch dort durch besonders intensives Engagement aus. Wenig später übernahm er die Leitung des Vereins »JungIsrael« und publizierte von 1895 bis 1899 die überaus wichtige Zeitschrift Zion Monatsschrift

fiir

die nationalen

Interessen

des jüdischen

Volkes. Seine Leit-

artikel in Zion sowie in unzähligen weiteren Zeitungen und Zeitschriften gehören zu den wichtigsten programmatischen Texten der frühen Geschichte des Zionismus in Deutschland. Loewe besuchte zusammen mit Willy Bambus bereits 1895 zum ersten Mal Palästina und berichtete in enthusiastischen Artikeln über die jungen landwirtschaftlichen Kolonien des Landes. Am ersten Zionistenkongreß von 1897 in Basel nahm er als Delegierter der jüdischen Kolonisten Palästinas teil. Trotz Loewes unermüdlicher Anstrengungen gelang es allerdings auch ihm und dem Verein »Jung-Israel« nie, größere Kreise des deutschen Judentums fur die Ideen zu begeistern.6 Obwohl Vortrags- und Diskussionsveranstaltungen rege besucht wurden, betrug die Zahl der eingeschriebenen Mitglieder des Vereins lediglich zwanzig Personen.7 Allerdings befanden sich darunter junge Studenten, die in den kommenden Jahren zu wichtigen Personen innerhalb der Zionistischen Organisation werden sollten. Der »Russischjüdische Wissenschaftliche Verein« wirkte schließlich als Ferment für die Gründung der »Demokratischen Fraktion« und letztlich auch des Jüdischen 5

6

7

Vgl. Richard Lichtheim: Die Geschichte des deutschen Zionismus. Jerusalem: Rubin Mass 1954, S. lOlf. Vgl. Jehuda Louis Weinberg: Aus der Frühzeit des Zionismus. Heinrich Loewe. Jerusalem: Rubin Mass 1946. Das Buch basiert auf den Memoiren Heinrich Loewes. Bis heute sind diese leider nicht in kommentierter und kompletter Form erschienen. Vgl. Yehuda Eloni: Zionismus in Deutschland. Von den Anfangen bis 1914. Gerlingen: Bleicher 1987 (Schriftenreihe des Instituts für Deutsche Geschichte der Universität Tel Aviv; 10), S. 66.

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II. Gründung und Frühphase in Berlin, 1902-1905

Verlages, wie sich wenige Jahre später zeigen sollte.8 Aus diesen Gründen dürfen die unterschiedlichsten Tätigkeiten der Vereine, die Heinrich Loewe mitbegründet hatte oder deren aktives Mitglied er war, nicht unterschätzt werden. Die Wurzeln des politischen Zionismus Deutschlands sind in der Stadt Köln zu suchen, wo zwei der markantesten Persönlichkeiten der frühen Jahre lebten und aktiv waren: Max Bodenheimer und David Wolffsohn. Es zeugt freilich von Verkennung der wichtigen osteuropäischen Wurzeln der Idee, wenn die komplexe Geschichte des Zionismus auf die Zentren Köln, Berlin und Wien reduziert wird. In Köln fanden sich allerdings jene Personen zusammen, die von Anfang an auf Theodor Herzls Konzeption des politischen Zionismus setzten. Das Erscheinen von Der Judenstaat im Frühjahr 1896 bewirkte in den Kreisen der Berliner Zionisten heftige Diskussionen und Unsicherheiten. Vereinfacht ausgedrückt trauten die Kreise um Heinrich Loewe dem bisher unbekannten Journalisten Theodor Herzl, im Gegensatz zu den Kölner Zionisten, nicht jene Wirkung auf die Massen zu, obwohl Herzl selbst große Hoffhungen auf die zionistischen Vereinigungen Berlins gesetzt hatte. Der Antagonismus zwischen Köln und Berlin prägte denn auch die frühen Jahre der Geschichte des Zionismus in Deutschland. 1890 veröffentlichte der Kölner Rechtsanwalt Max Bodenheimer eine kleine Schrift mit dem Titel Vision - eine große zionistische Dichtung, im nächsten Jahr gefolgt von Wohin mit den russischen Juden, worin die Ansiedlung russischer Juden in Syrien vorgeschlagen wird. Ebenfalls 1891 erschien sein Artikel »Zionisten aller Länder vereinigt Euch!« in der Zeitschrift Menorah, der in den national-jüdisch interessierten Kreisen gleichfalls große Beachtung fand. Bodenheimers frühe Publikationen wurden vom aus Litauen stammenden Fabrikanten David Wolffsohn gelesen, der selbst auch in Köln lebte. Die beiden lernten sich 1892 kennen und stellten große Gemeinsamkeiten im Denken und in ihren Möglichkeiten zur Umsetzung der Ideen in die Tat fest. Im »National-Jüdischen Klub >ZionWelt< zu scheiden.« Vgl. etwa Berthold Feiwels Artikel: Die Grenzen des Zionismus (Nr 37 und 40, 1901), die Gedichte von Feiwel (Nr 49, 1901), den Artikel über jüdische Künstler (Nr 49, 1901) oder Bubers bedeutenden Aufsatz über jüdische Wissenschaft (Nr 41 und 43, 1901) u. a. m. Die Welt, 5. Jg (1901), Nr 35, S. 1. Die Welt, 5. Jg (1901), Nr 50, S. 2f. Bereits am 3. Juni 1901 informierte Alexander Marmorek Buber schriftlich, daß er seitens des »Grossen Actionscomites« für dieses Referat vorgesehen sei; vgl. Buber, Briefwechsel (wie oben, Anm. 22), Bd 1, S. 157f. Die Welt, 5. Jg (1901), Nr 42, S. 2, nennt als Quelle eine Zeitschrift mit dem Titel Der Jude. Diese existierte aber zu diesem Zeitpunkt erst in Bubers Phantasie; vgl. unten und Exkurs 3.

20

II. Gründung und Frühphase in Berlin,

1902-1905

Die Fragen über geistige, wirtschaftliche und physische Hebung der Juden werden einen breiten Raum in der Arbeit des fünften Congresses ausfüllen, und eine ganz andere Gestalt, als die der früheren Congresse annehmen. Allgemeine Debatten und Discussionen darüber, ob die Culturarbeit von Wichtigkeit ist oder nicht, ob sie zum Programm des Congresses gehöre oder nicht, müssen jetzt ausgeschaltet werden. Diese Fragen wurden vom factischen Leben besser beantwortet als vom Congreß. [...] Der Schwerpunkt der Culturfrage liegt nunmehr in der praktischen Seite derselben, in den Mitteln, wodurch sie zur Realisierung gebracht werden soll. 27

Als Teil dieser Kulturarbeit sollte im Rahmen des Anlasses in Basel auch eine kleine Kunstausstellung in den Räumlichkeiten des dortigen Stadtcasinos durchgeführt werden, die Buber in der Welt mit einigem Pathos ankündigte und durchaus als Ergänzung seiner eigenen Rede verstanden wissen wollte. Im Angesicht dieser Werke werden die Worte unserer Verhandlungen reiner und echter werden: es wird uns nicht möglich sein, Flittertand und abgegriffenes Metall zu biegen, wenn von den Wänden diese wunderbaren Augen auf uns blicken werden. Wir werden von dieser schlichten tiefen Sprache lernen. Unser Bestes, Fruchtbarstes wird dieser stille Zauber der Linien aus uns herauslocken und er wird große Wellen der Anregung wecken. 28

Am Donnerstag, den 26. Dezember 1901, wurde in Basel der 5. Zionistenkongreß feierlich eröfifhet. Der zweite Sitzungstag begann, gemäß Tagesordnung, mit einem ausführlichen Referat Max Nordaus über »Fragen der körperlichen, geistigen und wirtschaftlichen Hebung der Juden«, das, gemäß Kongreßprotokoll, mit einigem Interesse, aber ohne große Begeisterung aufgenommen wurde.29 Ein vorgesehener Vortrag von Rabbiner Ehrenpreis über hebräische Sprache und Literatur fiel aus, da der Redner kurzfristig an der Teilnahme am Kongreß verhindert war. Der in den folgenden Tagen eskalierende Streit zwischen Theodor Herzl und den Mitgliedern der »Demokratischen Fraktion« bahnte sich sogleich in einer kurzen Diskussion über die ausgefallene Rede an: Dem Begehren von Mitgliedern und Sympathisanten der »Demokratischen Fraktion«, das Manuskript des geplanten Referats von Rabbiner Ehrenpreis vorzulegen oder wenigstens in das gedruckte Kongreßprotokoll aufzunehmen, wurde nicht entsprochen. Kurz darauf erteilte Herzl das Wort an Martin Buber, der sein lange vorbereitetes Referat über jüdische Kunst kurzfristig umstellte. Nach einleitender Respektbezeugung für Max Nordau konnte Buber nicht umhin, seinen Vorredner - und mit ihm den engeren Kreis um Theodor Herzl - heftig zu attackieren.

27 28

29

Die Welt, 5. Jg (1901), Nr 42, S. 3. Die Welt, 5. Jg (1901), Nr 50, S. 10. Kunstausstellungen wurden in der Folge mehrfach während der Kongresse organisiert. Einen guten Überblick über die Ausstellungen des 5.-7. Kongresses vermittelt der Artikel von Julius Uprimny, in: Die Welt, 9. Jg (1905), Separatausgabe Nr 6, S. 6f. Vgl. Protokoll des V. Zionisten-Congresses. Wien: Verlag des Vereins Erez Israel 1901, S. 99-131.

2. Die »Demokratische Fraktion«

21

Dr. Max Nordau hat es für eine Leichtfertigkeit und Phantasterei erklärt, hier die Fragen der geistigen Hebung zu erörtern. Aber er hat es nicht berücksichtigt, daß diese Fragen nichts Geringeres betreffen, als das wunderbare Keimen einer neuen jüdischen Volkscultur. Sollen wir hier, in dieser einzigen Versammlung, in der das jüdische Volk sich selbst erkennt, sich seiner selbst bewußt wird, über sich selbst beschließt, sollen wir in den einzigen Zionstagen des Golusjahres an dieser vor kurzem noch ungeahnter, von Tag zu Tag fortschreitenden Umwandlung stumpf vorübergehen? [...] Wenn wir es nicht thun, wenn wir hier kein Wort haben für diese Auferstehung, erfüllt dann noch dieses jüdische Parlament seine Aufgabe? 30 Der Hauptteil seines umfassenden Referates beleuchtete Leben und Werk verschiedener jüdischer Künstler, darunter die Arbeiten seines Freundes Ephraim Moses Lilien, 31 die zum Teil auch mit eigenen Werken an der kleinen Kunstausstellung im Stadtcasino Basel vertreten waren. 32 Im weiteren Verlauf der Ansprache erwähnte Buber das kreative Schaffen jüngerer jüdischer Dichter des Ost- und Westjudentums. Dabei wurde auch betont, daß Die Welt in ihren kurz zuvor erschienenen Ausgaben öfters Werkproben publiziert habe, was eine wichtige Möglichkeit der Verbreitung jüdischer Dichtung sei. Als weitere Maßnahme zur Förderung jüdischer Dichtkunst sei die Schaffung eines »modernen jüdischen Verlages« notwendig, auf den Buber im folgenden einging. 33 Mit Bezug auf den Prospekt für das Verlagsprojekt, dessen Inhalt er mündlich zusammenfaßte, Schloß der Referent mit einem fulminanten Aufruf an den Kongreß, dem Jüdischen Verlag ein Darlehen zu gewähren. 34 Wir verlangen keine Subvention von Ihnen, sondern nur ein Darlehen, das uns den schleunigen Beginn unserer Arbeit ermöglichen soll. Und wir verlangen thatkräftige Unterstützung. Seien Sie dessen eingedenk, daß hier ein positives Culturwerk der Erfüllung harrt. Von Ihrer Entscheidung hängt es ab, ob die jüdische Kunst, die in so kurzer Zeit so wundervoll, so glücksverheißend aufgeblüht ist, nun wie ein verkanntes und vernachlässigtes Stiefkind in einer Ecke dahinwelken soll, oder ob die Thore weit aufgemacht werden, daß sie einziehe in ihr eigenes Reich, die junge holde Königstochter und sitze auf ihrem Throne und allen, die ihr Angesicht schauen, Sonne und Segen schenke. Wir legen unsere Sache vertrauensvoll in ihre Hände.35 Laut Protokoll des Kongresses scheint Bubers Rede sehr großen Eindruck gemacht zu haben, wurde doch »lebhafter, langanhaltender Beifall und Händeklatschen« vermerkt.36 Herzl ging auf die Rede nicht ein und führte die Geschäfte 30 31

32

33 34 35 36

Ebd., S. 151. Lilien schuf auch das viel beachtete und oft reproduzierte Gedenkblatt zum 5. Zionistenkongress »Von Golus nach Zion«; vgl. ζ. B. Eine neue Kunst für ein altes Volk. Die jüdische Renaissance in Berlin 1900 bis 1924. Hg. vom Jüdischen Museum Berlin. Berlin: Museumspädagogischer Dienst 1991 (Ausstellungsmagazin; 28), S. 14. Liste der ausgestellten Arbeiten, in: Protokoll des V. Zionisten-Congresses (wie oben, Anm. 29), S. 459f. Zit. nach: ebd., S. 167. Auf den erwähnten Prospekt wird im folgenden Kapitel eingegangen. Protokoll des V. Zionisten-Congresses (wie oben, Anm. 29), S. 169f. Zit. nach: ebd., S. 169f.

22

II. Gründung und Frühphase in Berlin,

1902-1905

gemäß Tagesordnung weiter. Am dritten Tag des Kongresses, dem 28. Dezember 1901, eskalierte der Streit mit den Mitgliedern der »Demokratischen Fraktion«: Davis Trietsch schlug vor, den ersten Paragraphen des zionistischen Programms von 1897 zu ändern, was einem Sakrileg gleich kam, wie die anschließenden, zum Teil aggressiven Voten zeigten.37 Die entscheidenden Ereignisse spielten sich während der Schlußsitzung des Kongresses ab, die am Abend des 30. Dezembers begann und bis 04.30 Uhr am nächsten Morgen dauerte. Es ist naheliegend, daß physische und psychische Grenzen der Leistungs- und Aufnahmefähigkeit der Kongreßteilnehmer zum gereizten Klima in dieser langen Nachtsitzung beigetragen haben. Bis dahin wurde weder auf Bubers Antrag eingegangen noch in Aussicht gestellt, daß dies vor Kongreßende geschehen werde. Zu Beginn dieser Schlußsitzung erteilte Herzl Buber das Wort, der seine Anträge, u. a. jenen nach einem Darlehen fur den Jüdischen Verlag, erneut vortrug. Zusätzlich brachte Chaim Weizmann sein Projekt einer jüdischen Hochschule ein. Seitens religiöser Abgeordneter wurde darauf Widerstand geäußert, der grundlegendes Mißtrauen gegen die ganze Thematik der Kultur zeigte. Rabbiner Jizchak Jakob Reines formulierte es besonders prägnant: »Die Culturfrage ist ein Unglück für uns. Die Cultur wird alles zerschlagen. Unsere Gegend ist ganz orthodox. Die ist verloren durch die Cultur.«38 Eine Abstimmung über die Anträge von Buber und Weizmann konnte weiterhin nicht stattfinden, obwohl auch Leo Motzkin nach einem gehässigen Wortwechsel mit Herzl darum gebeten hatte. Letzerer bestand schließlich darauf, daß darüber erst nach den bis dahin noch nicht erledigten Wahlgeschäften eingegangen werden könne. Darauf verließ eine größere Anzahl von Mitgliedern der »Demokratischen Fraktion« unter Protest den Saal, um ihr weiteres Vorgehen zu besprechen. Berthold Feiwel verlas anschließend ein von 37 Delegierten unterzeichnetes Protestschreiben gegen das Vorgehen der Kongreßleitung. Die Debatte über die Kulturanträge wurde schließlich trotzdem wieder aufgenommen, und nach längerer Kontroverse konnte über die Anträge abgestimmt werden: Mit 81 gegen 48 Stimmen wurde ein Darlehen an den Garantiefonds des Jüdischen Verlages in der Höhe von 2.000 Mark abgelehnt.39 Herzl versuchte die Wogen dadurch zu glätten, indem er für das Projekt dennoch gewisse Sympathien bekundete. Ich glaube aber sagen zu dürfen und sagen zu wollen, daß der Jüdische Verlag, wenn er so wirkt, wie er in dem uns bekannt gewordenen Prospecte sich angekündigt hat, gewiß darauf rechnen kann, von jedem Zionisten unterstützt und empfoh37 38 39

Vgl. ebd., S. 236fiF. Ebd., S. 395. Ebd., S. 428; siehe auch Ahron Eliasberg: Das Werden des jüdischen Verlags. In: Neue jüdische Monatshefte (Berlin), 4. Jg (1919), H. 2-4, 1919, S. 81f., der allerdings fälschlicherweise behauptet, der Kongreß habe schließlich dem Darlehen doch zugestimmt! Dafür gibt es nicht den geringsten Hinweis. Die Behauptung in diesem Beitrag ist besonders seltsam, da Ahron Eliasberg als Quelle für seine Ausführungen das Kongreßprotokoll anführt, er jedoch selbst als Delegierter anwesend war; vgl. Kapitel IV/2.

2. Die »Demokratische

Fraktion«

23

len zu werden. Wenn man eine solche Gereiztheit in eine Versammlung hineinträgt, so ist das denn die Folge, daß auch die gerechtesten Dinge mit Vorurtheil angesehen werden. 40

So Schloß der 5. Zionistenkongreß mit einer versöhnlichen Geste Theodor Herzls, die aber nicht darüber hinweg täuschen konnte, daß sowohl er persönlich als auch eine Mehrheit der Abgeordneten dem Auftreten und den Begehren der »Demokratischen Fraktion« wenig Sympathien abgewinnen konnten. Ein persönliches Fazit der Ereignisse auf dem 5. Kongreß zog Martin Buber in einem ausführlichen Artikel, der sechs Wochen später in der Brünner Jüdischen Volksstimme erschien. Zion kann man nicht machen, zu Zion muß man sich entwickeln - das schrie in unseren Herzen. Der Congress, die zionistische Legislative, sollte die Volksarbeit, die Seelenarbeit anerkennen und sanctionieren. Das verlangten wir. Und weil wir lang genug gewartet hatten, erhoben wir Protest gegen jede weitere Verschleppung. Unser Protest wurde vom Präsidium, theils vom Congresse abgewiesen. Als dies geschehen war, verließen wir und unsere Freunde den Saal. 41

Aber auch innerhalb der Gruppe zeigten sich bereits kurz nach dem Auftreten auf dem Kongreß erste Verwerfungen. Spannungen zwischen den in Berlin ansässigen Mitgliedern um Leo Motzkin und den übrigen Sympathisanten lagen primär darin begründet, daß Weizmann, aber auch Buber Motzkin drängte, endlich einen Entwurf zu einem Programm der »Demokratischen Fraktion« fertigzustellen.42 Als dieser schließlich im Spätsommer 1902 vorlag, hatten sich die verschiedenen Gruppen innerhalb der Fraktion bereits an die Weiterverfolgung ihrer Partikularinteressen gemacht, so daß an ein kohärentes Auftreten der Fraktion nicht mehr zu denken war: Weizmann bemühte sich, das Projekt einer jüdischen Hochschule weiterzuverfolgen, Motzkin weilte mehrere Male in seiner russischen Heimat, und Bubers Kreis setzte nun das Verlagsprojekt in die Tat um. Die Beziehungen zwischen Buber und Weizmann einerseits sowie Theodor Herzl andererseits verschlechterten sich im Lauf des Jahres weiter. Herzls utopischer Roman Altneuland, erschienen Anfang Oktober 1902, wurde besonders von Achad Ha'am, einem der zentralen Vordenker der Ideen der »Demokratischen Fraktion«, heftig abgelehnt 43 Herzls treuer Weggefährte Max Nordau griff in der Folge Achad Ha'am persönlich und die Ideen der »Demokratischen 40 41 42

43

Protokoll des 5. Zionisten-Congresses (wie oben, Anm. 29), S. 429. Jüdische Volksstimme, 3. Jg (1902), Nr 2, S. 2f. So ζ. B. in einem Schreiben Bubers an Motzkin vom 26. April 1902, in: Central Zionist Archives, Jerusalem, A 126/24/7/2/1: »[...] Es wäre mir wünschenswert, etwas vom Programm zu erfahren. Daß bisher auch noch nicht eine Zeile darüber den Weg zu mir gefunden hat, finde ich verwunderlich: Sind wir in der That eine Genossenschaft und kein loses Aggregat, so muß Jeder von uns in stetem Contact mit der Gemeinschaft stehen und deren Weg im Auge haben können. [...]« Zuerst in der hebräischen Monatszeitschrift Haschiloach, die er von 1896-1903 redigierte. In: Ost und West, 3. Jg, H. 4, April 1903, Sp. 227-244, wurde seine ausführliche und beißende Kritik in deutscher Übersetzung publiziert.

24

II. Gründung und Frühphase in Berlin,

1902-1905

Fraktion« generell in einem Artikel in der Welt an. Buber, Weizmann und Feiwel sahen sich in der Folge ihrerseits genötigt, eine Protesterklärung in der hebräischen Zeitung Hazeman zu veröffentlichen. Dies wiederum wurde von Theodor Herzl als Kritik an der zionistischen Bewegung in toto verstanden. Buber drückte seine Verärgerung über die Attacke Nordaus in einem Brief an Marcus Ehrenpreis aus: Wir müssen nun in jeder Hinsicht mehr als sonst je zu Achad Ha'am halten, der vielleicht unsere stärkste Macht gegen die ekelhafte Westlichkeit ist, die sich bisher noch nirgends so abstoßend wie in diesem Artikel Nordaus geäußert hat. 44

Trotzdem bemühte sich Martin Buber weiterhin, nicht zuletzt wegen der Probleme des Jüdischen Verlages, mit Herzl in versöhnlichem Ton zu kommunizieren. 45 Dieser zeigte sich allerdings hartherzig und schrieb im vermutlich letzten Brief, den er vor seinem Tod an Buber richtete, am 28. Mai 1903. Ohne weiter in Einzelnes einzugehen, will ich Ihnen meine Ansicht nicht verschweigen, daß die sogenannte »Fraction« aus mir nicht bekannten Gründen in die Irre gegangen ist. Mein Rat ist, trachten Sie sich zur Bewegung zurückzuführen [...] Mit dem Wunsche, daß es wieder hell in eurem Sinne werde und daß ihr die schweren Fehler, die ihr namentlich gegen Nordau begangen habt, einsehet und auch tätig bereut.46

Am nächsten Tag versuchte sich Buber ein weiteres Mal in einer trotzigen Antwort an Herzl zu rechtfertigen, die allerdings unbeantwortet blieb. Demgegenüber muß ich meine Ansicht dahin präzisieren, daß wir uns nicht zur Bewegung zurückzufinden brauchen, denn wir stehen so fest und aufrecht in der Bewegung wie nur irgend wer, und ich kann bei allem Respekte nicht zugeben, daß Sie darüber aburteilen.47

Auch mit Weizmann hatte Herzl gebrochen: Bezeichnenderweise taucht in seinen Tagebüchern, die er bis kurz vor seinem Tod am 3. Juli 1904 führte, Weizmanns Name kein einziges Mal auf. 48 Die »Demokratische Fraktion« ihrerseits versuchte weiterhin, sich als Gruppe, die auch außerhalb der zionistischen Kongresse vereint auftreten konnte, zu einigen. Wie erwähnt, verfaßte Leo Motzkin zwar einen Programmentwurf, der aber unter anderen von Buber und Weizmann in verschiedenen Briefen als unzulänglich und überarbeitungsbedürftig bezeichnet wurde. Zwischen dem in Genf tätigen Weizmann und Motzkin in Berlin entstanden ebenfalls Meinungsverschiedenheiten, die ein gemeinsames Arbeiten unmöglich machten. 49 Ein von allen Sympathisanten 44

45 46 47 48 49

Brief Bubers an Ehrenpreis vom 16. März 1903, in: Jewish National and University Library, Jerusalem, Are 4° 672/7. Vgl. Kapitel II/6 zu den genannten Problemen. Buber, Briefwechsel (wie oben, Anm. 22), Bd 1, S. 199f. Ebd., S. 200f. Vgl. The Letters and Papers of Chaim Weizmann (wie oben, Anm. 17), Vol. I, S. 31. Vgl. den Brief Chaim Weizmanns an seine spätere Frau Vera Khatzman vom 4. Juli 1902. In: ebd., S. 280ff.

2. Die »Demokratische

Fraktion«

25

verabschiedetes und getragenes Programm der Fraktion sollte denn auch nicht mehr geschaffen werden. Die Träger der Fraktion widmeten sich 1902 und in den folgenden Jahren primär ihren oben erwähnten Eigeninteressen und Projekten. Abgesehen vom lautstarken und von jugendlichem Übermut geprägten Auftreten anläßlich des 5. Zionistenkongresses konnte die Fraktion nie als ernsthafte Opposition gegenüber dem etablierten Kongreßzionismus Herzischer Prägung in Erscheinung treten. Auch verschiedene Bemühungen, im besonderen von Chaim Weizmann ausgehend, die »Demokratische Fraktion« im Vorfeld des 6. Zionistenkongresses erneut als einheitliche Bewegung zum Leben zu erwecken, zeitigten keinen großen Erfolg. 50 Der Auftritt der Fraktionsmitglieder und Sympathisanten auf dem Kongreß Ende August 1903 war von divergierenden Ansichten und unkoordinierten Reden geprägt.51 In der Folge zerfiel die Fraktion rasch, und Martin Buber beschrieb in einem Brief an Marcus Ehrenpreis, wenige Monate nach dem Kongreß, warum er sich selbst gegen deren Fortbestehen wandte: »Und für die Fraktion habe ich nur den einen [...] Wunsch, daß sie aufgelöst werde, um für neuere, gesündere Bindungen Raum zu schaffen.« 52 Die Bedeutung der »Demokratischen Fraktion« als Sammelbecken junger Zionisten und von Ideen, die als Ferment für kommende Entwicklungen dienten, soll allerdings an dieser Stelle nochmals nachdrücklich betont werden.

3. Vorgeschichte, Programm und Aufbau des Jüdischen Verlages

Ebenso unscheinbar wie unbemerkt wurde der noch namenlose Jüdische Verlag in der Welt vom 1. November 1901, knapp zwei Monate vor dem 5. Zionistenkongreß unter der Rubrik »Jüdische Kunst« erstmals öffentlich erwähnt. In der von Martin Buber redigierten Ausgabe wird eine Meldung aus der polnisch-jüdischen Zeitung Hazefirah wiedergegeben, worin die Gründung eines Warschauer Kunst- und Musikalienverlages erwähnt wird. Buber schloß die kurze Notiz mit folgender Ergänzung:

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Eine geplante »Kulturkonferenz« am Rande des 6. Kongresses konnte nicht durchgeführt werden. Einzig eine unverbindliche »Vorkonferenz« fand auf Anregung von Marcus Ehrenpreis statt. Buber schrieb ihm am 27. Juni 1903 dazu: »[...] Im Übrigen gleicht meine Stimmung ungefähr der, die man am Grabe seines Kindes empfindet. [...]«In: Jewish National and University Library, Jerusalem, Are 4° 672/7. Vgl. The Letters and Papers of Chaim Weizmann (wie oben, Anm. 17), Vol. I, S. XXXIX und Protokoll des VI. Zionisten-Kongresses. Wien: Verlag des Vereins Erez Israel 1903. Brief Bubers an Ehrenpreis vom 18. Februar 1904, in: Jewish National and University Library, Jerusalem, Are 4° 672/7.

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II. Gründung und Frühphase in Berlin, 1902-1905 Wie wir ferner erfahren, ist auch in Berlin ein großer jüdischer Kunstverlag im Entstehen begriffen. Wir hoffen, in einer der nächsten Nummern Ausführlicheres darüber bringen zu können.53

Im Gegensatz zur Ankündigung Bubers enthalten die nachfolgenden Ausgaben der Welt keine weiteren Hinweise auf das dann anläßlich des Kongresses vorgestellte Verlagsprojekt. Hingegen hatten sich Martin Buber und Bertold Feiwel bereits seit einigen Monaten mit der Idee eines Verlages auseinandergesetzt. Dies geht aus einem Brief vom 8. April 1902 hervor, worin der Teilhaber des Jüdischen Verlages, Berthold Feiwel, an Buber schrieb: Der Plan, einen Verlag zu gründen, entstand, wie du dich erinnern wirst, bei uns im Sommer 1901. [...] Auf Grund unseres Gesprächs schrieb ich am 28. Juni den Artikel: »Zionismus zuhause«.54 Bubers eigener Plan, einen Verlag zu gründen, hatte ihn veranlaßt, sich im Juni 1901 an Davis Trietsch, den Redakteur und Herausgeber der kurz zuvor gegründeten Zeitschrift Ost und West, zu wenden. Diese Monatsschrift, eine der wichtigsten Publikationen der »Jüdischen Renaissance«, erschien zu jener Zeit im Verlag S. Calvary in Berlin. 55 Seit ihrem Erscheinen ergaben sich Probleme zwischen dem Verlag und der von Trietsch zwecks Herausgabe von Ost und West gegründeten GmbH. Er beabsichtigte daher, Ost und West, nicht zuletzt aus finanziellen Überlegungen, nach Möglichkeit in einem eigenen Verlag zu publizieren. Davis Trietsch berichtete dem im Impressum als Mitarbeiter der Zeitschrift aufgeführten Buber am 27. Juni in einem detaillierten Schreiben über Rechtsform, Organisation und Kapitalbedarf der bestehenden GmbH sowie der neu geplanten Firma. Auch in bezug auf Honorarfragen, Druckkosten und Vertrieb der Monatsschrift gab Trietsch dem in 53 54

55

Die Welt, 5. Jg (1901), Nr 44, S. 8f. Brief Feiwels an Buber vom 8. April 1902, in: Jewish National and University Library, Jerusalem, Ms. Var. 350.204.4. Zum erwähnten Artikel, siehe: Die Welt, 5. Jg (1901), Nr 26, S. lf. Die zentrale, im Brief angedeutete Stelle lautet: »Aber es gibt noch eine andere Art der Propaganda, eine stille, intime Propaganda, die, der Lebhaftigkeit der Versammlungen und dem Parteigezänke entrückt, dennoch mit großer Macht wirken könnte. Das ist die zionistische Werbearbeit im jüdischen Hause, in der jüdischen Familie, die man bisher - sehr mit Unrecht - vernachlässigt hat. [...] Da ist vor allem unsere Presse und Literatur. [...] Die jüdische, insbesondere die zionistische Literatur, ist bisher geradezu stiefmütterlich behandelt worden. Es gibt eine Reihe von schönen Büchern, die ihrem Charakter nach unserer Bewegung dienen. Von zionistischen Schriftstellern selbst ist schon eine ganz stattliche Zahl herausgekommen, die man mit guten jüdischen Büchern aus alter und neuerer Zeit zu einer kleinen, doch wertvollen Familienbibliothek vereinen sollte. Solch eine kleine Bibliothek, die sich nicht allzuschwer einrichten läßt, wäre ein wahrer Hausschatz. Sie würde insbesondere auf die Frauen wirken, die die Öffentlichkeit scheuen und darum zu ihrem und unserem Schaden so wenig vom Zionismus wissen.« Zum Begriff »Jüdische Renaissance« und zur Zeitschrift Ost und West, vgl. Eine neue Kunst für ein altes Volk (wie oben, Anm. 31), sowie Kapitel II/9.

3. Vorgeschichte, Programm und Außau des Jüdischen Verlages

27

Verlagsangelegenheiten offensichtlich völlig unerfahrenen Buber, mit der Bitte um diskrete Behandlung der Informationen, bereitwillig Auskunft. Buber schien zu diesem Zeitpunkt noch kaum ausgereifte Vorstellungen über das publizistische Konzept gehabt zu haben. Es ist daher nicht weiter erstaunlich, daß sich Trietschs Ideen mit dem späteren Bild des Jüdischen Verlages in großen Teilen deckten. Die G. m. b. H. soll sich nicht auf Ost + West beschränken sondern ein »jüdischer Verlag« werden. In einem solchen könnte ζ. B. der deutsche Rosenfeld56 erscheinen, Liliens »Hohes Lied«57, eine kritische jüdische National-Geschichte (Dr. Löwe?)58, eine neue jüd. Literaturgeschichte, jüdische Novellen & Skizzen in billigen Ausgaben, Jugendschriften, [...] eine jüd. Anthologie, ein jüd. Jahrbuch etc. etc. [...] Wie denken Sie darüber?59 Durch die regen persönlichen Kontakte der Hauptpersonen sind die weiteren Schritte im Vorfeld der Gründung des Jüdischen Verlages nur aufgrund weniger Dokumente zu rekonstruieren. In den ersten Juliwochen 1901 trieb maßgeblich Davis Trietsch mit dem in Berlin tätigen Ε. M. Lilien sein eigenes Verlagsprojekt voran. Der noch bis Ende August 1901 als verantwortlicher Redakteur der Welt in Wien beschäftigte, aber regelmäßig in Berlin weilende Feiwel sowie der Künstler Lilien besprachen sich regelmäßig mit Trietsch. Der in Wien studierende Martin Buber war seinerseits mit Feiwel in regem Kontakt und übernahm im Spätsommer dessen Stelle als Redakteur der Welt. Buber realisierte bald, daß, im Gegensatz zum Alleingang, ein Zusammengehen mit Trietsch, Lilien und Feiwel zu einem erfolgversprechenderen Ergebnis fuhren konnte. Am 25. Juli 1901 informierte Trietsch Martin Buber über das zwischenzeitlich in Berlin Geschehene. Was den Verlag betrifft, so brodelt es momentan. Die größte Idee umfaßt einen Kunstverlag lind Buchverlag inclusive »Ost und West« und ähnliches. Der Kunstverlag wird nun von Herrn Winz 60 und mir seit Anfang des Jahres geplant und viele Vorarbeiten 56

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58 59

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Gemeint ist die von Ε. M. Lilien illustrierte und von Berthold Feiwel aus dem Jiddischen übersetzte Ausgabe von Morris Rosenfelds Lieder des Ghetto, die dann allerdings 1903 im Verlag S. Calvary, Berlin, erschienen ist; vgl. Ε. M. Lilien: Briefe an seine Frau, 1905-1925. Hg. von Otto M. Lilien und Eve Strauss. Königstein/Ts: Jüdischer Verlag bei Athenäum 1985, S. 30. Dieses erschien erst 1909 in Bd 6 der großen Bibelausgabe im Verlag Georg Westermann, Braunschweig. Zwischen 1908 und 1912 wurden allerdings nur die drei Bände 1, 6 und 7 mit den berühmten Illustrationen Liliens publiziert. Gemeint ist der in Kapitel II/l erwähnte Heinrich Loewe. Brief Trietschs an Buber vom 27. Juni 1901, in: Jewish National and University Library, Jerusalem, Ms. Var. 350.823.1. Leo Winz, 1876-1952, Gründer und neben Davis Trietsch Mitherausgeber von Ost und West. Nach dem Ausscheiden Trietschs Ende 1902 übernahm Winz die alleinige Verantwortung für die Zeitschrift, in dessen eigenem Verlag Ost und West GmbH sie bis ab Juli 1904 bis 1923 erschien; siehe auch David A. Brenner: »Making Jargon Respectable«. Leo Winz, Ost und West and the Reception of Yiddish Theatre in PreHitler Germany. In: Leo Baeck Institute Yearbook XLII (1997), S. 51-66; bes. S. 59f.

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IL Gründung und Frühphase in Berlin, 1902-1905 sind dazu gemacht. [...] Haben Sie mit Feiwel gesprochen? Wir waren hier öfters zusammen & haben mancherlei die obigen Fragen betreffendes besprochen.61

Im gleichen Brief erwähnte Trietsch einen Projektentwurf fur den Verlag, den er an Buber schickte, aber wieder zurückverlangte. In Absprache mit S. Calvary, dem Verleger von Ost und West, scheint Trietsch bereits recht detaillierte Vorgespräche über Produktion und Vertrieb von Werken des geplanten Verlages geführt zu haben. Dabei wurde auch bereits die Idee des Jüdischen Almanacks aufgegriffen, der dann die erste große Publikation des Jüdischen Verlages werden sollte. 62 Der jüdische Verlag liegt seit einem Monat in der Form des beigeschlossenen Projectes vor, an welchem selbstverständlich das buchhändlerische - allzu buchhändlerische - der Calvary'sche Senf ist, durch den die Sache sich nicht gerade schmackhafter liest. Aber Senf ist ja Nebensache - nicht Mahlzeit. Die Anthologie finden Sie schon darin.63 Parallel dazu entwarf Buber in Wien ein eigenes Papier, das ebenfalls nicht erhalten geblieben ist. Ein weder datiertes noch namentlich gezeichnetes Verlagskonzept aus Bubers Nachlaß stammt hingegen mit einiger Sicherheit von 1901. Die Kernpunkte lassen eine Autorschaft Bubers vermuten, wobei davon ausgegangen werden kann, daß aber auch wesentliche Elemente des in Trietschs Schreiben vom 25. Juli 1901 erwähnten Entwurfes eingeflossen sind. Daher ist anzunehmen, daß folgender Text anläßlich eines Treffens von Trietsch, Feiwel, Buber und Lilien in Berlin im Spätsommer 1901 gemeinsam skizziert und von Buber in nachfolgende Form gebracht worden ist: Es geht darum, nicht bloß die bereits von uns geschaffenen oder begonnen Verlagsunternehmungen auf breiterer Basis fortzusetzen und auszugestalten, - so wichtig dies auch ist - sondern eine auf dem Gesichtspunkt einer groß verstandenen nationalen Kulturpolitik aufgebaute Verlagsarbeit zu eröffnen. Während die privaten Verlage vorwiegend darauf angewiesen sind, was die Autoren ihnen bringen, wird es sich hier darum handeln, die Werke zu bestimmen, die wir vom Gesichtspunkte der nationalen Kulturpolitik aus brauchen, für diese Werke die geeigneten Bearbeiter ausfindig zu machen und diesen die entsprechenden Aufträge zu erteilen - und zwar in einer Form, die es ihnen ermöglicht, sich für die nötige Zeit völlig auf die von uns gewünschte Arbeit zu konzentrieren. Da solche Aufträge zumeist naturgemäß und mit nicht unerheblichen finanziellen Aufwendungen verbunden sind, wird die Kalkulation, wenn es sich um einen in einer einzigen Sprache publizierenden Verlag handelt, erschwert oder unmöglich gemacht. Anders verhält es sich bei einem polyglotten Unternehmen, daß das bestellte Werk in mehreren Sprachen publizieren und so in weit ausgiebigerer Weise verwerten kann. Einem solchen Unternehmen erst wird es möglich sein, die Werke, die wir am meisten brauchen, insbesondere auf dem Gebiete der jüdischen Geschichte und Kulturgeschichte, der hebräischen Litera61

62 63

Schreiben Trietschs an Buber vom 25. Juli 1901, in: Jewish National and University Library, Jerusalem, Ms. Var. 350.823.2. Vgl. Kapitel II/9. Schreiben Trietschs an Buber vom 25. Juli 1901 (wie vorletzte Anm.).

3. Vorgeschichte, Programm und Aufbau des Jüdischen Verlages

29

turkunde, der soziologischen Darstellung des gegenwärtigen Judentums, der Palästinakunde, der Volkskunde u. s. w. zu schaffen und ihnen durch gleichzeitige Veröffentlichung in der hebräischen und den wichtigsten europäischen Sprachen die erwünschte Verbreitung zu geben. Im Anschluß daran wäre, von dem gleichen Gesichtspunkt der nationalen Kulturpolitik aus gesehen die hebräische Verlagsabteilung in besonderer Weise aufzubauen. [...] Einzelne Versuche in dieser Richtung sind ja bereits im Osten gemacht worden, die jedoch einerseits Fragment geblieben, anderseits buchtechnisch völlig unzulänglich sind, wogegen es sich hier um eine allen modernen buchtechnischen Ansprüchen Genüge tuende Veröffentlichungsform handeln kann. Eine ähnliche, aber natürlich in weit bescheidenerem Maße gehaltene jiddische Sammlung könnte sich anschließen. Neben dieser Sammlung unserer hebräischen Geistesschöpfungen hätte auch in den übrigen Teilen der hebräischen Abteilung der erwähnte nationale Gesichtspunkt bestimmend zu sein, so insbesondere bei der Auswahl zu übersetzender Werke soziologischer, politischer, sozialpolitischer und s. w. Art aus dem allgemeinen europäischen Schrifttum.64

Die in diesem Konzept angesprochenen Pläne konnten, wie die späteren Ereignisse zeigen sollten, nur zu einem geringen Teil verwirklicht werden. Hingegen zeugt das Papier von erstaunlicher Weitsicht, was Bedürfnis und Nutzen eines zu gründenden Verlages betraf. Die Erkenntnis, daß eine Nachfrage nach jüdischen Büchern mit wissenschaftlichen Inhalten vorhanden war, wurde mit dem Wunsch nach Vermittlung hebräischer und jiddischer Literatur für ein westeuropäisches Publikum kombiniert. Gerade darin sah der Jüdische Verlag immer eine seiner zentralen Aufgaben. In diesem Entwurf blieb hingegen der Aspekt der Kunst und damit zusammenhängende Publikationen ausgeklammert, was damit zu erklären ist, daß Davis Trietsch wohl weiterhin beabsichtigte, die Zeitschrift Ost und West, zusammen mit Leo Winz, in einen eigenen Verlag einzubetten, der sich primär darauf konzentrieren sollte. Nachdem feststand, daß Trietsch sich als Teilhaber des Jüdischen Verlages engagieren wollte, konnte dieser Teilbereich, der naturgemäß fur Lilien, aber auch für Buber zentral war, in das als nächstes verfaßte Subskriptionsangebot aufgenommen werden. Die Idee, Bücher in Subskription anzubieten, war weder neu noch unüblich, besonders bei kleinen Verlagen mit knappen Finanzmitteln. Daneben sollten Interessenten zur Zeichnung von Anteilen für einen Garantiefonds gefunden werden. Trietsch selbst war es, der in vorerwähntem Brief an Buber vom 27. Juni 1901 letzteres vorgeschlagen hatte. 65 Wie sich zeigen sollte, hatte das duale System, Subskription und Garantiefonds, fur den Jüdischen Verlag zwar den Vorteil, daß mit äußerst knappen Finanzen die Verlagsarbeit aufgenommen werden konnte, andererseits aber die fragile Kapitalstruktur die Firma bei ausbleibenden Überweisungen von Subskriptionsgeldern sehr anfallig machte. 66 Nachdem sich die Protagonisten über

64 65 66

Nicht datierter Programmentwurf, in: ebd., Ms. Var. 350.92. Vgl. den Brief Trietschs an Buber vom 27. Juni 1901, in: ebd., Ms. Var. 350.823.1. Vor diesem Hintergrund ist der Antrag nach einem Darlehen für den Verlag, wie er auf dem 5. Zionistenkongreß gestellt und, wie oben beschrieben, abgelehnt wurde, zu verstehen.

30

II. Gründung und Frühphase in Berlin, 1902-1905

konzeptionelle und rechtliche Fragen weitgehend geeinigt hatten, ging es nun darum, einen Verlagsprospekt zu entwerfen, der gleichzeitig als Subskriptionseinladung dienen sollte. Auch fur den Prospekt läßt sich die Autorschaft nicht eindeutig festlegen, aber es kann auch hier davon ausgegangen werden, die wesentlichen Teile seien von Buber, in Absprache mit Trietsch, Lilien und Feiwel, verfaßt worden. 67 Jüdischer Verlag An die Mitglieder des V. Zionistencongresses zu Basel Die neue Epoche der jüdischen Culturentwickelung, die wir miterleben dürfen, hat auf allen Gebieten literarischen und künstlerischen Schaffens bedeutsame Ideen und Werke reifen lassen. Es ist etwas Erhebendes, die wachsende Schar Jener zu sehen, die alle Gaben ihrer Persönlichkeit in den Dienst der großen Volksbewegung stellen, aus der sie ihrerseits die besten Kräfte schöpfen. Wieder nach langer, langer Zeit sind die Bedingungen für ein Aufblühen des jüdischen Geistes und der jüdischen Kunst gegeben. Noch fehlt aber eine einheitliche Zusammenfassung der Schaffenden, ein Centrum, von dem aus ihre Werke in alle Kreise des Volkes getragen werden sollen. Zugleich aber fehlt unserem Volke, das so lange im Dunkel der Unbildung gefangen war oder durch eine fremddienerische und geschmacklose Litteratur verwirrt und vergiftet wurde, eine sowohl ethisch und ästhetisch einwandfreie als auch wahrhaft jüdische Sammlung erhebender, belehrender und nach jeder Richtung erzieherisch wirkender Bücher. Der Jüdische Verlag unternimmt es, diesen Bedürfhissen - der Schaffenden einerseits, des Volkes andererseits - Erfüllung zu bringen. Keine anderen als diese nationalen und culturellen Beweggründe sind für das unterzeichnete Comite bei der Begründung des Jüdischen Verlages maßgebend gewesen. Für die Publicationen des Verlages sind folgende Grundsätze entscheidend: 1. Alle Verlagswerke werden in jeder Hinsicht - soweit als erforderlich, unter Hinzuziehung erster Fachleute - aufs Sorgfaltigste ausgewählt. 2. Alle Verlagswerke, auch die einfachsten und billigsten, werden in einer Weise, wie sie noch von keinem jüdischen Verlage angestrebt wurde, gedruckt und ausgestattet und sollen so schon durch ihr Äußeres erzieherisch wirken.68 Einleitung und Grundsätze des Prospektes wiederholen die Kernpunkte des vorerwähnten Entwurfes, sind aber sprachlich überarbeitet. Besonders die zweifache Betonung der »erzieherischen« Wirkung der geplanten Verlagswerke, deutet stark auf Bubers Einfluß bei der Formulierung dieser schließlich an die Öffentlichkeit getragenen Fassung. Im anschließenden Abschnitt werden die geplanten Publikationen erwähnt, von denen allerdings nur wenige tatsächlich publiziert werden sollten:

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68

In verschiedenen Nachlässen von Teilnehmern des Kongresses finden sich Einzelexemplare dieses Prospektes; nur unter den Papieren Martin Bubers ist das Blatt in mehreren Kopien vorhanden. Zit. nach dem Exemplar des Prospektes, in: Central Zionist Archives, Jerusalem, DDKongress.

3. Vorgeschichte, Programm und Aufoau des Jüdischen

Verlages

31

Die nachfolgende Aufstellung der für die erste Zeit geplanten Publicationen dürfte weitere Erklärungen über den Charakter des Unternehmens überflüssig machen: Eine Anthologie aus neujüdischer Dichtung (Originalbeiträge und Übertragungen aus der hebräischen, jüdischen etc. Literatur), unter Mitwirkung von Mathias Acher, Berthold Feiwel und Moritz Zobel herausgegeben von Martin Buber. Eine künstlerisch ausgestattete Hagada von Ε. M. Lilien. Ausgewählte Erzählungen von J. L. Perez, übersetzt und eingeleitet von Mathias Acher. Ausgewählte Essays von Achad Haam, übersetzt und eingeleitet von Dr. Israel Friedländer. Eine hebräische Sprachlehre nach moderner Methode (ev. Berlitz) von Dr. S. Bernfeld. Eine Sammlung jüdischer Sagen und Legenden. Jüdische Jugendschriften (Jüdische Geschichte, Märchen, Erzählungen, Bilderbücher) Ein jüdisches Jahrbuch Ein Palästinabuch (mit Beiträgen bedeutender Forscher und reicher kartographischer und illustrativer Ausstattung) Eine hebräische Auswahl aus der Bibel für Schulzwecke. Monographien zur wissenschaftlichen Begründung des Zionismus. Volkstümliche Abhandlungen aus dem Gebiete der jüdischen Cultur- und Literaturgeschichte. Romane, Novellen, Gedichtsammlungen und Dramen der ersten jüdischen Schriftsteller. Sammlung von billigen populären Broschüren aus allen Gebieten jüdischen Wissens. Jüdische Compositionen. Reproductionen jüdischer Kunstwerke.69

Die in Aussicht gestellten Bücher zeigten erkennbar die individuellen Präferenzen der am Projekt beteiligten Personen: Martin Buber hatte bereits konkrete Vorstellungen für die Anthologie, die dann als Almanach veröffentlicht wurde. Sowohl die Novellen von Perez als auch die Essays wurden wohl von ihm vorgeschlagen. Achad Ha'ams Bedeutung für die »Demokratischen Fraktion« drängte eine Übertragung seiner Gedanken ins Deutsche auf. Sprachlehre und Jugendschriften paßten ebenso in Bubers Interessensphäre. Trietschs Affinität mit der Landeskunde Palästinas spiegelte sich im angekündigten Werk, und Liliens künstlerisches Schaffen prägte die entsprechenden Ankündigungen. Der Schriftsteller Bertold Feiwel sollte schließlich fur die literarischen Veröffentlichungen zeichnen, die mangels konkreter Vorstellungen noch unklar formuliert blieben. Im übrigen zeigt die Liste durch Nennung konkreter Titel und Autoren, daß die erstgenannten, von Buber eingebrachten Vorschläge in weiter fortgeschrittenerem Stadium der Vorbereitung waren: Tatsächlich wurden diese Werke dann auch mehrheitlich in die Tat umgesetzt. Probleme innerhalb des Jüdischen Verlages, auf die in folgenden Kapiteln eingegangen wird, zeichneten sich dadurch bereits in diesem ersten Verlagsprogramm ab, 69

Zit. ebd.

32

II. Gründung und Frühphase in Berlin,

1902-1905

ohne daß sich die Protagonisten dessen freilich bewußt sein konnten. Der Prospekt nennt in der Folge die geplante Zusammenarbeit mit anderen Verlagen, bevor die »Geschäftliche Basis« vorgestellt wird: Als geschäftliche Basis des »Jüdischen Verlages« haben wir die Subscription in Aussicht genommen. Im Laufe des Jahres sollen Bücher etc. zum Ladenpreise von Mk. 30 - herausgegeben werden, welche den Subscribenten zum Vorzugspreis von Mk. 20.- berechnet werden. [...] Der Verlag beginnt seine Thätigkeit nicht früher, als die Summe von Mk. 5'000 - eingezahlt oder in genügend sicherer Weise garantiert ist. 70

Gemäß diesem Konzept hätte der Verlag seine Arbeit erst aufnehmen können, wenn mindestens 250 Personen jeweils 20 Mark eingezahlt hätten. Obwohl die effektive Zahl von 250 Personen nicht sonderlich hoch erscheint, zeigte sich bald, daß wegen des Mangels an eigenen Mitteln der Verlagsgründer die Finanzsituation von Anbeginn problematisch war. Außerdem kann ausgeschlossen werden, daß sich die Initiatoren an ihre eigene Vorgaben gehalten haben, sondern im Gegenteil die Buchproduktion vor dem Erreichen der Mindestanzahl an Subskribenten aufgenommen hatten. So kritisch dieses Finanzierungsmodell an sich schon war, wurden im folgenden Absatz zusätzliche Anreize geboten, die von erschreckender Kurzsichtigkeit in kalkulatorischen Fragen zeugen: Jüdische Vereine, welche als Corporationen subscribieren, erhalten den Vorzug, daß sie für den gleichen Betrag wie jeder Einzel-Subscribent jede Erscheinung des Verlages in 2 Exemplaren erhalten. Außerdem genießen jüdische Vereine das Vorrecht, daß ihnen die Einzel-Verlagswerke behufs Weiterverkaufs zum Buchhändlerpreis berechnet werden. So kann die Beteiligung der jüdischen Vereine an diesem Verlage eine nicht unwesentliche Einnahmequelle für sie werden. 71

Die abenteuerlich anmutende Kondition für Vereine bedeutete, daß diese zwei Exemplare jedes der im Verlag erscheinenden Bücher zu einem Drittel des normalen Ladenverkaufspreises beziehen konnten. Im übrigen hätte gerade der Verkauf von Verlagswerken durch jüdische Vereine zu einem erträglichen Geschäft für den Jüdischen Verlag werden können. Mittels des Angebots, an Vereine zum Buchhändlerpreis zu liefern, zeigte man sich zwar äußerst großzügig, bewies aber ein weiteres Mal Unerfahrenheit in finanziellen Angelegenheiten. Um möglichst bald an Kapital zu gelangen, schloß der Prospekt im Hinblick auf die Präsenz möglicher Interessenten auf dem 5. Zionistenkongreß mit der Präsentation des zweiten Standbeins der Finanzierung: Da wir ein thunlichst baldiges Zustandekommen des Verlages als dringend wünschenswert erachten, legen wir den Congreßteilnehmern eine möglichst active Beteiligung an der Begründung des Unternehmens nahe. Wir haben, um eine intensivere Beteiligung zu ermöglichen, die Schaffimg eines Garantiefonds in Aussicht genommen. Die Beteiligung an diesem Garantiefonds geschieht durch Garantiefonds-Scheine zu je 100 Mark. Die Rückzahlung dieser Scheine erfolgt aus 50 Prozent der einflie70 71

Zit. ebd. Zit. ebd.

3. Vorgeschichte, Programm und Aufbau des Jüdischen Verlages

33

ßenden Subscriptionsbeträge. Durch diese Modalitäten glauben wir die definitive Begründung dieses so wichtigen und verheißungsvollen Unternehmens schon innerhalb der Congreßtage bewirken zu können.72 Die vorgeschlagene Rückzahlung von Garantiefondsgeldern mit Subskriptionsgeldern, die für den Betrieb des Verlages benötigt wurden, übertrifft in ihrer Naivität alle vorherigen Versprechungen. Es bleibt im unklaren, welchen Vorteil, außer dem der ideellen Unterstützung des Verlages, eine Garantiefondszahlung ä fonds perdu, gegenüber der Subskription mit dem versprochenen Gegenwert von Buchrabatten, haben sollte. 73 Der Prospekt schließt mit einer Auflistung der Namen des »Künstlerisch-wissenschaftlichen Beirats«, in dem u. a. Achad Ha'am, Nathan Birnbaum, Max Nordau, Jizchak Leib Perez, Nahum Sokolow und Israel Zangwill genannt werden. Für die Annahme von Subskriptionen und Zahlungen für den Garantiefonds fungierte der Berliner Rechtsanwalt Dr. Arthur Hantke, der im weiteren Verlauf der Geschichte des Jüdischen Verlages noch eine zentrale Rolle spielen sollte. 74 Als leitendes Komitee für den Verlag zeichneten Martin Buber, Berthold Feiwel, Ephraim Moses Lilien, Dr. Alfred Nossig, 7 5 Dr. Emil Simonson und Dr. Theodor Zlocisti. 76 Davis Trietschs Name erschien wohl deshalb nicht, da er sein noch nicht umgesetztes Projekt eines Verlages für Ost und West nicht kompromittieren wollte. Der Prospekt wurde rechtzeitig zum Beginn des 5. Zionistenkongresses im Dezember 1901 fertiggestellt und den Delegierten überreicht. Daneben ließen

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Zit. ebd. Vgl. dazu Bubers Brief an Marcus Ehrenpreis vom 15. Januar 1903, in: Jewish National and University Library, Jerusalem, Are 4° 672/7. Zu Arthur Hantke, vgl. Encyclopaedia Judaica (wie oben, Anm. 12), Bd 7, Sp. 1280. Über Werdegang und die frühen Jahre seiner Tätigkeit berichtete die Jüdische Rundschau, 29. Jg (1924), Nr 18, S. 119f. anläßlich seines 50. Geburtstages ausfuhrlich. Der Bildhauer, Schriftsteller und Musikwissenschaftler Alfred Nossig, 1864-1943, befaßte sich zu jener Zeit mit Fragen der jüdischen Statistik, die ebenfalls durch die »Demokratische Fraktion« befürwortet und gefordert wurden. Dies brachte ihn in Kontakt mit Weizmann und dem weiteren Umfeld der Fraktion. Mit dem Verlag selbst hatte er allerdings keinerlei finanzielle Verbindungen und er gehörte nicht zu den eigentlichen Mitgründem, wie dies in der Literatur mehrfach behauptet wurde; vgl. etwa: Michael Berkowitz: Zionist Culture and West European Jewry before the First World War. Cambridge: Cambridge University Press 1993, S. 65. Nossigs Talente in verschiedensten Kunst- und Wissenschaftsgebieten einerseits und sein ambivalenter Charakter andererseits, machten ihn zeitlebens zu einer höchst umstrittenen Person. Auf sein unrühmliches Ende im Warschauer Ghetto im Februar 1943 kann hier nicht eingegangen werden. Siehe auch Lichtheim (wie Kap. I, Anm. 5), S. 162 sowie Encyclopaedia Judaica (wie oben, Anm. 12), Bd 12, Sp. 1229f. Emil Simonson und Theodor Zlocisti hatten mit dem Jüdischen Verlag keine geschäftlichen Verbindungen. Allerdings veröffentliche der Arzt Zlocisti 1912 seinen zweiten Gedichtband, Am Tor des Abends, im Jüdischen Verlag. Beide standen mit den Berliner Sympathisanten der »Demokratischen Fraktion« in engem Kontakt und gehörten zu den Erstzeichnem von Geldern für den Garantiefonds des Verlages.

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II. Gründung und Frühphase in Berlin,

1902-1905

die Initianten ebenfalls Quittungsbelege für überwiesene Gelder zugunsten des Garantiefonds und für Subskriptionen drucken. 77 Das Auftreten der Fraktion am Kongreß schreckte dann allerdings derart ab, daß nur wenige Teilnehmer sich an Ort und Stelle für den Verlag zu begeistern vermochten. Trotz widriger Umstände für die Gründer des Jüdischen Verlages anläßlich der letzten Dezembertage 1901 in Basel ließen sie sich nicht entmutigen und gingen nach Kongreßende daran, das Projekt weiterzuverfolgen. Bis zur offiziellen Gründung der Firma sollte allerdings noch beinahe ein Jahr vergehen. Zu Beginn des Jahres 1902 befand sich Martin Buber weiterhin in Wien und versuchte, den in Berlin lebenden Davis Trietsch, Berthold Feiwel und Ε. M. Lilien bei der Suche nach Geldern für den Verlag zu helfen. Obwohl Buber bereits zu jener Zeit bewunderter Mittelpunkt der Gruppe war, fiel es ihm schwer, die versprochenen Arbeiten in die Tat umzusetzen. Neben dem Studium begann er sich mit dem Chassidismus zu beschäftigen, was ihn dann wenig später, zusammen mit den für ihn frustrierenden Erlebnissen mit dem Zionismus Herzischer Prägung, bewog, sich für mehrere Jahre aus der Bewegung zurückzuziehen. Trietsch und Lilien waren durch ihre unterschiedlichen Tätigkeiten ebenfalls nicht in der Lage, sich dem Verlagsprojekt mit ganzer Kraft widmen zu können: Trietsch fungierte weiterhin als Herausgeber von Ost und West, die sich seit ihrem Erscheinen zu einer angesehenen und respektierten literarisch-kulturellen Monatsschrift entwickelt hatte. Ε. M. Lilien seinerseits war durch die Veröffentlichung der von ihm illustrierten Ausgabe des Gedichtbandes Juda von Börnes von Münchhausen, die 1900 im Verlag F. A. Lattmann (Goslar) erschienen war, zu einem beachteten und viel beschäftigten Künstler geworden. Seine am Kongreß gezeigten Arbeiten sowie das Gedenkblatt »Von Golus nach Zion« brachten ihm weitere Aufträge, die es auch ihm nicht erlaubten, sich mit ganzer Arbeitskraft für den Verlag zu engagieren. So blieb es Berthold Feiwels Aufgabe, sich in der ersten Hälfte des Jahres 1902 um die nötigen Mittel zur Aufnahme der eigentlichen Verlagsarbeit zu kümmern. Dies geschah auf verschiedenen Wegen, die allerdings in keinem Fall zum erhofften raschen Erfolg führten. Am 24. Januar 1902 erschien in der Welt ein Bericht über den Jüdischen Verlag, in dem die Kernpunkte des auf dem Kongreß verteilten Prospektes zusammengefaßt wurden. Das Komitee umfaßte nun nur noch Buber, Feiwel, Lilien und Nossig. Aus vorgenannten Gründen hielt sich Davis Trietsch weiterhin nach außen bedeckt. Zuschriften zuhanden des Verlages wurden an Feiwels Privatadresse, Schönebergerstr. 2, Berlin SW, erbeten, wobei Buber sich als »Auskunftsstelle für Österreich-Ungarn« zur Verfügung stellte. Alle Geldüberweisungen waren dabei an den Verlag S. Calvary, Berlin, zu richten, wo die Mittel von Davis Trietsch verwaltet wurden. 78 Bereits in der folgenden Ausgabe erschien eine weitere Anzeige, worin auch die geschäftliche Basis gemäß des Prospektes vorgestellt wird. Diese Mitteilung ist vom Geschäftsfüh77 78

Ein Exemplar findet sich, in: Central Zionist Archives, Jerusalem, DD-Schweiz. Die Welt, 6. Jg (1902), Nr 4, S. 14.

3. Vorgeschichte, Programm und Aufiau des Jüdischen

Verlages

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rer ad interim, Berthold Feiwel gezeichnet.79 Zwei Monate später wurde in der Welt der Verlag erstmals unter dem Titel »Jüdischer Verlag, Berlin. Modernes Verlagsunternehmen auf Subscriptionsbasis, zur Förderung jüdischer Literatur, Kunst und Wissenschaft«, vorgestellt.80 Die Firmenadresse, Cöthenerstr. 33 I, Berlin SW, zusammen mit vorgenannter Bezeichnung und der bekannten Verlagsvignette von Lilien, wurde dann auch auf dem ersten Briefpapier der Firma seit Frühsommer 1902 verwendet. In der Liste der geplanten Publikationen fallt auf, daß neben der Anthologie aus neujüdischer Dichtung, herausgegeben von Buber, nun auch ein separates Jüdisches Jahrbuch, redigiert von Lilien und Feiwel, angekündigt wird.81 Daß die zugesagten Finanzmittel weiterhin nicht zur Aufnahme der Geschäftstätigkeit genügten, geht aus einem hier erstmals erscheinenden Passus hervor, der weitere Interessenten fur den Verlag ansprechen sollte. Vertrauensmänner, welche fur das ideale Unternehmen des Verlages thätig sein wollen, werden gebeten sich an das Bureau des »Jüdischen Verlages« zu wenden, das jederzeit mit Auskünften und allen Drucksorten gern zur Verfügung steht. 82

Im Aprilheft 1902 von Ost und West erschien eine weitere Kurzfassung des Inserates, worin der Liste der geplanten Verlagswerke die optimistische Bemerkung vorangestellt wurde, daß von den Büchern »einige bereits im Monat Juni vorliegen werden«.83 Verschiedene Dokumente und Briefe geben über die Art und Weise der Geldbeschaffung in den ersten Monate des Jahres 1902 Auskunft. Namens des Verlagskomitees verschickte Berthold Feiwel den Prospekt zusammen mit einem von ihm verfaßten und gezeichneten zusätzlichen Zirkularschreiben an Interessenten, die einerseits der »Demokratischen Fraktion« nahe standen und von denen andererseits erwartet wurde, daß sie über die notwendigen Mittel verfügten, um möglicherweise für den Garantiefonds zeichnen zu können. Das ergänzende Beiblatt enthielt Bemerkungen, die stark von den Erlebnissen auf dem 5. Zionistenkongreß geprägt waren und die Anliegen der Fraktion in bildhafter Sprache zusammenfaßten. Der Prospect gibt eine genügende Aufklärung über das System unseres Planes. Auch zum Verständnisse des Principiellen, das in unserem Unternehmen zum Ausdruck kommt, haben wir für Zionisten nicht viel hinzuzufügen. Dieses Wenige soll in eini79

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Die Welt, 6. Jg (1902), Nr 5, S. 11. Weil in der Vornummer wesentliche Informationen nicht wiedergegeben worden waren, richtete Feiwel einen Protest an Die Welt. In einem Brief an Buber vom 26. Januar 1902 stellte er fest: »Die Notiz in der Welt ist ein Scandal. [...] Ich schreibe darüber selbst an die Welt.«. In: Jewish National and University Library, Jerusalem, Ms. Var. 350.204.1. Die Welt, 6. Jg (1902), Nr 12, S. 7. Die beiden Werke wurden zuerst zum Almanach verbunden aus welchem danach Junge Harfen entstehen sollte; vgl. Kapitel II/9. Die Welt, 6. Jg (1902), Nr 12, S. 7. Ost und West, 2. Jg, H. 4, April 1902, Sp. 270.

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IL Gründung und Frühphase in Berlin, 1902-1905 gen Sätzen gesagt werden, die allerdings Großes einschließen. Die politischen Zionisten haben sich von jeher bemüht, die materiellen Grundlagen des Zionismus mit allen Mitteln zu stärken. Die idealen Elemente des Zionismus aber haben bisher noch nicht die genügende Wirkung gefunden. Und doch empfangt der praktische Zionismus seine höchste Wirkung gerade aus der Idee. Es liegt im Wesen eines reifen und bewußten Zionismus, daß seine Bekenner den ganzen Reichthum der sittlichen Werte, der geistigen Kräfte des Nationaljudentums erkennen und erfassen. Die Möglichkeiten eines solchen Zionismus müssen geschaffen werden. [...] Die jungjüdische Cultur in all ihren Formen, die einen verheißungsreichen Übergang zu einer dereinstigen großen Nationalcultur darstellt, soll mit liebender Sorgfalt gepflegt und in ihren reichsten Ergebnissen nutzbar gemacht werden. [...] Wir werden eine Jugend heranbilden, die aus dem Judenthum ihre Stärke, ihren Idealismus, und eine echte, ausdauernde Begeisterung für den Zionismus holen wird. Den jüdischen Frauen und Mädchen wird die Macht des Nationaljudenthums, dessen aesthetische und ethische Reichthümer sie kennen lernen, offenbar werden. Über Haus und Familie wird wieder die Weihe eines wahrhaften Judenthums liegen. Die Erkenntnis des Zionismus wird vertieft, veredelt werden. Dem literarischen, künstlerischen, wissenschaftlichen Wirken im Geiste des Nationaljudenthums wird immer neue Anregung und verständnisvolle Förderung gegeben werden. Die größten und besten Geister des Judenthums werden sich im Zionismus vereinen, viele darunter die bis jetzt weggeblieben sind, weil sie nicht wissen, daß es eine lebendige Cultur gibt, die aus dem Zionismus entspringt und zu ihm zurückkehrt. Von Ost zu West werden Brücken geschlagen werden, ein intimes Verständnis wird die Zionisten aller Länder einander nahe bringen. Die Zionisten werden ganze Juden werden, fähig, unsere große Sache mit ihrer Persönlichkeit zu vertreten und ein ideales Material für unser dereinstiges Gemeinwesen zu werden. Wer von solchen Hoffnungen erfüllt ist, der wird an der Cultur-Arbeit mit seiner ganzen Kraft teilnehmen wollen. Wir haben uns entschlossen, ein kleines Stück solcher Cultur-Arbeit für unseren Kreis und nach unserer Kraft zu leisten, indem wir den »Jüdischen Verlag« begründeten. Wir sind der festen Überzeugung, daß wir einen reichen Segen aus unserer Arbeit erwarten dürfen. Und wir glauben, daß unsere Überzeugung und unser Wille, einer idealen Sache in idealer Form zu dienen, uns das Recht gibt, von den Gesinnungsgenossen, die uns verstehen, die moralische und materielle Unterstützung unseres Unternehmens zu verlangen. [...] Wir laden auch Sie, [...] hierdurch aufs Herzlichste zur Zeichnung von Garantiefondsscheinen ein.84

Durch Zufall sind Teile der Korrespondenz zwischen dem Kaufmann J. L. Goldberg in Wilna und Berthold Feiwel erhalten geblieben: Die kurzen Zuschriften Goldbergs zeigen, daß er sich für die Anliegen des Verlages mit einigem Erfolg engagierte. Der Inhalt dieser Postkarten und Briefe ist dabei durchaus typisch fur eine Reihe weiterer Briefwechsel, die Feiwel namens des Jüdischen Verlages in dieser Zeit geführt hat. Goldberg scheint bereits vor dem Empfang des vorgenannten Schreibens, Mitte Januar 1902, 100 Mark für den

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Zirkular an J. L. Goldberg, Wilna, datiert vom 24. Januar 1902, in: Central Zionist Archives, Jerusalem, A 9/131.

3. Vorgeschichte, Programm und Aufbau des Jüdischen Verlages

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Garantiefonds eingezahlt zu haben.85 Allerdings monierte Goldberg einen Monat später, daß er noch keine Quittung dafür erhalten habe. 86 In einem Brief vom 3. März bestätigte er den Erhalt von Feiwels Zirkularschreiben und einer Empfangsquittung fur die Fondsgelder. Sein Schreiben schloß mit der Angabe von acht Adressen potentieller Interessenten aus Wilna und Umgebung, an die Feiwel sich ebenfalls wenden solle.87 J. L. Goldberg besuchte aufgrund seines persönlichen Interesses fur den Jüdischen Verlag Berthold Feiwel im Mai 1902 in Berlin, was ihn in der Folge bewog, in noch größerem Umfang unter seinen Freunden und Bekannten in Litauen fur den Verlag zu werben.88 Auch Chaim Weizmann bemühte sich, seinen Freunden zu helfen und Mittel für den Verlag in seiner russischen Heimat zu beschaffen. Im Sommer 1902 schickte er den Verlagsprospekt an seine frühere Mitarbeiterin Catherine Dorfmann und an seine zukünftige Gattin Vera Khatzman nach Rostow mit der Bitte, sich für das Projekt einzusetzen. Beide versprachen, sich um die Sache zu kümmern, ohne daß allerdings bekannt ist, ob und in welchem Umfange sie darauf Mittel beschaffen konnten.89 Neben der Suche nach Geldgebern in Osteuropa versuchte der Verlag, auch in Deutschland mittels Kontakten zu Sympathisanten der »Demokratischen Fraktion« Interessenten und Geldgeber zu finden. Der zu jener Zeit in Hannover tätige Anwalt Sammy Gronemann hatte als Delegierter am 5. Zionistenkongreß teilgenommen und war dabei in Kontakt mit den Protagonisten des Verlages gekommen.90 In einem Schreiben vom 25. April 1902 bat er den Verlag um zusätzliche Quittungen für eingenommene Subskriptionsgelder, obwohl, [...] zu meinem Bedauern habe ich bislang erst eine kleine Zahl von Subskribenten des jüdischen Verlages gewinnen können. Ich hoffe, in den nächsten Wochen noch eine Anzahl Persönlichkeiten zu interessieren.91

Seine weiteren Briefe und Postkarten zeigen, daß es Gronemann gelang, in Hannover und Umgebung sowohl Einzelpersonen als auch jüdische Körperschaften, ζ. B. den dortigen »Verein Ahawat Zion«, für den Verlag zu gewinnen. Andere Zionisten lehnten es dagegen ab, sich am Verlag zu beteiligen. So ließ etwa Max Bodenheimer den sich ebenfalls für Gelder einsetzenden Theodor Zlocisti im Juli 1901 wissen, er glaube: 85 86 87 88

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Vgl. die Postkarte Goldbergs an Feiwel vom 13. Februar 1902, in: ebd., A 345/1/4. Postkarte Goldbergs an Feiwel vom 13. Februar 1902, in: ebd., A 345/1/4. Schreiben Goldbergs an den Jüdischen Verlag vom 3. März 1902, in: ebd., A 345/1/4. Vgl. Goldbergs Brief an Feiwel vom 4. Juni 1902 (Datum nicht völlig leserlich), in: ebd., A 345/1/4. Vgl. The Letters and Papers of Chaim Weizmann (wie oben, Anm. 17), Vol. I, S. 299 und 326. Zur Person Gronemanns, vgl. Encyclopaedia Judaica (wie oben, Anm. 12), Bd 7, Sp. 930f. Brief Gronemanns an den Jüdischen Verlag vom 25. April 1902, in: Central Zionist Archives, Jerusalem, A 345/1/2.

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II. Gründung und Frühphase in Berlin,

1902-1905

[...] daß wir keinen eigenen Verlag schaffen sollen. Wir sind keine Geschäftsleute und werden deshalb niemals mit solchen Experimenten reüssieren. Bleiben wir bei unseren Leisten und überlassen wir das Geschäftliche denen, die es besser verstehen.92

Es entbehrt hingegen nicht einer gewissen Ironie, daß derselbe Max Bodenheimer im Jahre 1907 zu einem Teilhaber der von ihm in Frage gestellten Firma werden sollte.93 Aufschluß über den Erfolg der Bemühungen Feiwels, Kapital für den Verlag zu beschaffen, gibt eine Anzeige, die am 16. Mai 1902 in der Welt erschien: Bis zum 15. April hatten lediglich 40 Personen einen Totalbetrag von knapp über 5.000 Mark gezeichnet. Die Liste mit Namen und Wohnort zeigt, daß die Mehrheit der Personen aus dem osteuropäischen Raum stammte. Nicht weniger als 13 wohnten allein in Warschau und einige weitere in Wilna und Umgebung, die wohl mehrheitlich vom Kaufmann J. L. Goldberg angeworben worden waren. 94 Erstaunlich ist außerdem, daß Ε. M. Lilien selbst als Zahler von 100 Mark für den Garantiefonds aufgeführt wird; nicht aber die anderen Protagonisten des Verlages. Unter den bekannten Persönlichkeiten finden sich die Namen von David Wolffsohn, Nahum Sokolow, Joseph Cowen, Israel Zangwill und Otto Warburg, die je 100 Mark gezeichnet hatten.95 Allerdings geht aus den Akten nicht hervor, wie groß die effektive Zahl der reinen Subskribenten war. Im März 1902 besuchte Chaim Weizmann Berthold Feiwel in Berlin, um mit ihm die Ideen für eine jüdische Hochschule zu diskutieren. Obwohl dies bereits im Vorfeld des 5. Zionistenkongresses eines der Hauptanliegen der »Demokratischen Fraktion« war, hatte sich in der Zwischenzeit wenig Konkretes ergeben. Die Gespräche in Berlin führten dazu, daß es Weizmann gelang, Feiwel zur gemeinsamen Ausarbeitung eines Pamphletes nach Genf einzuladen. Obwohl mitten in den Bemühungen für den Jüdischen Verlag, verbrachte er den Sommer 1902 in der Schweiz. Während eines Aufenthaltes in Leysin verfaßte er, zusammen mit Weizmann, die erste druckfertige Schrift, welche im Jüdischen Verlag erscheinen sollte, Eine Jüdische Hochschule.96 Feiwels angeschlagene Gesundheit sowie die Bekanntschaft mit seiner zukünftigen Gattin Esther Shneerson veranlaßten ihn, weiterhin in der Schweiz zu bleiben. 92 93 94

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Schreiben Bodenheimers an Zlocisti, in: ebd., A 48/63. Vgl. Kapitel III/3. Von den in Warschau wohnenden Subskribenten sind die meisten durch Vermittlung eines Isak Grünbaum geworben worden; vgl. dessen Brief an Feiwel vom 10. April 1902, in: Central Zionist Archives, Jerusalem, A 345/1/1. Ob es sich dabei um den späteren Vorsitzenden des Zentralrates russischer Zionisten und Sprecher der jüdischen Abgeordneten des polnischen Parlamentes handelte, kann nicht belegt werden, ist aber wahrscheinlich. Die Welt, 6. Jg (1902), Nr 20, S. 15. In einem Brief an Vera Khatzman vom 10. August 1902 betonte er, die Schrift sei bereits gedruckt; vgl. The Letters and Papers of Chaim Weizmann (wie oben, Anm. 17), Vol. I, S. 357. Allerdings ist davon auszugehen, daß Weizmann von den ihm zu diesem Zeitpunkt vorliegenden Druckfahnen sprach; siehe auch Kapitel II/5.

4. Der Streit mit dem Verlag von Max Hickl

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Mehr schlecht als recht versuchte Feiwel von der Westschweiz und später von Zürich aus, die Verlagsgeschäfte zu koordinieren. Die dringendsten Aufgaben wurden während seiner Abwesenheit von Trietsch in Berlin wahrgenommen. Lilien konnte und wollte sich kaum zusätzlich engagieren, während Buber sich zunehmend aus der Öffentlichkeit zurückzog.97 Eine Zwischenbilanz des bis Sommer 1902 Erreichten fällt äußerst dürftig aus: Noch immer waren weder die Finanzen für die Aufnahme der Verlagsarbeit gesichert, noch lag zu jener Zeit, mehr als ein halbes Jahr nach der Bekanntgabe des Verlagsprogramms in Basel, auch nur ein einziges druckfertiges Manuskript vor.98 Mit einer Mischung aus Pessimismus und Skepsis Schloß Feiwel einen Brief an Buber vom April 1902: »Ich bin in sehr trüber Stimmung, wenn auch die Arbeit voranschreitet.«99 In den Worten schwang aber auch ein weiteres, den Aufbau des Verlages existentiell bedrohendes Problem mit; das unerwartete Auftauchen eines Konkurrenzverlages.

4. Der Streit mit dem Verlag von Max Hickl

Die internen Schwierigkeiten und die Unfähigkeit nach außen hin mit Verlagswerken in Erscheinung zu treten, riefen nicht überraschend Konkurrenz hervor. Die in Brünn seit dem 1. Februar 1900 vierzehntägig erscheinende Zeitung Jüdische Volksstimme verstand sich seit ihrer Gründung als Ergänzung und gleichzeitig Konkurrentin zur Welt. Gemäß ihrem Motto, das in der ersten Ausgabe abgedruckt wurde, sah sie sich als »das Blatt der jüdischen Arbeiter und Armen«, einer Bevölkerungsgruppe, die in der Welt nicht ausdrücklich angesprochen wurde.100 Im Unterschied zu dieser Zeitung führte die Jüdische Volksstimme verstärkt Berichte aus Ost- und Zentraleuropa über zionistische Vereinigungen, Vorträge und Anlässe in ihren Seiten. In offene Konkurrenz zur Welt trat sie besonders nach dem 5. Zionistenkongreß, als sie etwa Martin Buber ermöglichte, einen langen Artikel über den vergangenen Kongreß aus 97

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So bemerkte etwa Trietsch in einem Schreiben an Leo Motzkin vom 19. August 1902: »Lilien ist zu beschäftigt [...] und thatsächlich ist er außer Stande selbst längstbestellte und überfällige Zeichnungen auszufuhren. « Central Zionist Archives, Jerusalem, A 126/24/7/2. Außerdem reiste er zu Maxim Gorki nach Rußland, um mit ihm die Illustrationen für einen nie erschienenen Sammelband zu besprechen; vgl. Lilien, Briefe an seine Frau (wie oben, Anm. 56), S. 11. Ein Blatt, das er für dieses Werk bereits fertiggestellt hatte, erschien jedoch 1904 in Berthold Feiwels Die Judenmassacres in Kischinew; vgl. Kapitel II/9. Abgesehen von der Hochschulbroschüre. Schreiben Feiwels an Buber vom 8. April 1902, in: Jewish National and University Library, Jerusalem, Ms. Var. 350.204.9. Zit. nach: Jüdische Volksstimme, 1. Jg (1900), Nr 1, S. 1.

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II. Gründung und Frühphase in Berlin,

1902-1905

Sicht der »Demokratischen Fraktion« zu publizieren. 101 Die Kontakte zum Umfeld der Fraktion reichten hingegen weiter zurück. Berthold Feiwel schrieb bereits in der ersten Nummer einen längeren Bericht über »Die Entwicklung des Zionismus« und veröffentlichte bis zu seinem Ruf als Redakteur der Welt regelmäßig journalistische Beiträge, aber auch Gedichte in der Zeitung. 102 Die Jüdische Volksstimme erschien im Verlag von Max Hickl, der gleichzeitig in der Brünner zionistischen Ortsgruppe verschiedene Ämter wahrnahm. 103 Im Oktober 1901, zu einer Zeit, als die Idee zur Gründung des Jüdischen Verlages bereits gereift war, traten Hickl und Feiwel gemeinsam an einem Vortragsabend im »Verein jüdischer jugendlicher Arbeiter« in Brünn auf. 104 Die Bekanntschaft des Verlegers Hickl mit Feiwel läßt vermuten, daß auch über das Projekt zur Verlagsgründung in Berlin gesprochen wurde. Hingegen fanden mit Sicherheit Gespräche zwischen den beiden statt, in denen Hickl den Wunsch äußerte, in Berlin zusätzlich eine Druckerei zu eröffnen. Außerdem hatte er Feiwel angeboten, Bücher, Zeitschriften und Zeitungen des Jüdischen Verlages in Kommission zu vertreiben. Die Verhandlimgen zerschlugen sich allerdings wegen persönlicher Differenzen bald und führten dazu, daß Max Hickl kurz danach eigenständig aufzutreten begann. 105 Am 15. Februar 1902 erschien in der Jüdischen Volksstimme eine Anzeige, die von der Gründung des Jüdischen Buchund Kunstverlages, Brünn berichtete. Nach einer Einleitung, die in ihren Formulierungen stark an den Prospekt des Jüdischen Verlages erinnert, wurden die geplanten Verlagswerke vorgestellt. Diese umfaßten unter anderem Schriften von Max Nordau, eine Neuauflage von Herzls Der Judenstaat und Birnbaums Jüdische Moderne, aber auch einen Jüdischen Volkskalender und einen Almanach.106 Besonders betreten mußten sich die Initianten des Jüdischen Verlages bei der Lektüre der Welt vom 21. Februar 1902 gefühlt haben: Unmittelbar unter einer Anzeige ihres Berliner Verlages erschien das kurz zuvor in der Volksstimme veröffentlichte Inserat auch hier. 107 Parallel dazu druckte der Verlag von Max Hickl einen einseitigen Prospekt, der in seiner ganzen Art jenem des Jüdischen Verlages sehr nahe kam. In beißender Weise wurde darin Kritik am im Entstehen begriffenen Jüdischen Verlag geübt. Wie alle Volksbewegungen, hat auch die moderne jüdisch-nationale Bewegung, der Zionismus, in den letzten Jahren eine umfangreiche und vielseitige Literatur gezeitigt. Wenn dieses neue Schriftthum sich nur in äußerst geringem Maße in die interessierten Kreise Eingang zu verschaffen vermochte, wenn es nicht die Wirkung erzielt hat, die seinem epochalen Inhalt entspricht, so ist dies hauptsächlich dem Man101

Jüdische Volksstimme, 3. Jg (1902), Nr 2, S. 2f. Jüdische Volksstimme, 1. Jg (1900), Nr 1, S. 5f. 103 Vgl. Kurzbiographie in Encyclopaedia Judaica (wie oben, Anm. 12), Bd 8, Sp. 464. 104 Vgl. Bericht in: Jüdische Volksstimme, 2. Jg (1901), Nr 18, S. 5. 105 Ygj dazu den ausfuhrlichen Brief Feiwels an Buber vom 8. April 1902, in: Jewish National and University Library, Jerusalem, Ms. Var. 350.204.9. 106 Jüdische Volksstimme, 3. Jg (1902), Nr 2, S. 5. 107 Die Welt, 6. Jg (1902), Nr 8, S. 7f. 102

4. Der Streit mit dem Verlag von Max Hickl

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gel jeglicher Organisation der Herausgeber zuzuschreiben. Die einzelnen Schriften, die heute theils im Selbstverlage localer, in ihrem Wirkungskreise beschränkter Corporationen, denen es überdies an fachverständigen Factoren mangelt, erschienen, theils von Privatunternehmern, die an der Sache nur rein geschäftliches Interesse nehmen, herausgegeben werden, bleiben auf einen minimalen Leserkreis beschränkt. Der Jüdischer Buch- und Kunstverlag ist zu dem Zwecke gegründet, um in dieser Richtung Abhilfe zu schaffen. [...] An alle Freunde jüdischen Geisteslebens, insbesondere aber an alle zionistischen Vereine und Körperschaften ergeht die Bitte, dem neugegründeten Verlage, dessen Zweck ein wahrhaft nationaler ist, ihre thatkräftige Mithilfe angedeihen zu lassen. 108

Den Anzeigen in der zionistischen Presse sowie dem Prospekt folgten Taten. Im Gegensatz zum Jüdischen Verlag mußte sich das Konkurrenzunternehmen aus Brünn nicht auf die Suche nach Kapital begeben, da dieses, wenngleich knapp, durch die Herausgabe der Jüdischen Volksstimme vorhanden war. Die Zeitung verkaufte sich zu jener Zeit sehr gut, so daß diese ab Januar 1903 sogar wöchentlich erscheinen konnte. Die finanziellen Anreize fur Interessenten der Verlagsprodukte waren außerdem attraktiv und ungewöhnlich gestaltet: In Ergänzung zur Subskription, wobei auf vorausbezahlte Bücher ein Rabatt von 33 % gewährt wurde, offerierte der Verlag großzügige Mengenrabatte für Vereine. 109 Im Laufe des Jahres 1902 wurden denn auch die ersten Broschüren und Bücher im Brünner Verlag veröffentlicht, so etwa Ende März Max Nordaus Broschüre Der Zionismus in einer ersten Auflage von nicht weniger als 10.000 Exemplaren und im Juli ein Traktat von Adolf Kurrein. Die Initiatoren des Jüdischen Verlages blieben den Aktivitäten Hickls gegenüber nicht untätig, waren sich aber bewußt, daß sie nicht in der Lage waren, mit eigenen Werken der Brünner Firma Paroli bieten zu können. In seinem ausfuhrlichen Brief an Martin Buber vom 8. April 1902 versuchte Berthold Feiwel seine Sicht der Dinge zu schildern. Es ist anzunehmen, daß Buber Feiwel heftige Vorwürfe wegen seiner Kontakte zu Hickl in Sachen Druckerei und Kommissionsvertrieb gemacht hatte. Feiwel versuchte sich zu rechtfertigen: Hickl war zu allen Zeiten ganz fern von dem Plane, einen eigenen Verlag unserer Art zu gründen. [...] Dann kam die Gründung des Brünner Verlages mit dem Titel J. b.- & K-V. und unserem plagiierten Aufruf, wenigstens gedanklich plagiiert, mit den Mißverständnissen und Unzuträglichkeiten in der Öffentlichkeit und Hickl eröffnete zugleich die Campagne gegen mich. Zugegeben, ich hatte ihn auch angegriffen. 110

Bereits im Mai wurde eine weitere Attacke gegen den Jüdischen Verlag lanciert, indem Hickls Firma eine Broschüre über Eine Nationalschule für Palästina. Ein Project zur culturellen und wirtschaftlichen Hebung der palästinensischen

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Ein Exemplar des Blattes findet sich, in: Central Zionist Archives, Jerusalem, DDKongress. Vgl. die Anzeige in: Jüdische Volksstimme, 3. Jg (1902), Nr 6, S. 8. Brief Feiwels an Buber vom 8. April 1902, in: Jewish National and University Library, Jerusalem, Ms. Var. 350.204.9.

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IL Gründung und Frühphase in Berlin,

1902-1905

Juden angezeigte. 111 Diese Schrift, ein offensichtliches Plagiat der zur gleichen Zeit von Weizmann und Feiwel vorbereiteten Studie Eine Jüdische Hochschule, ist allerdings nicht erschienen. Hingegen kam Hickl mit einem weiteren Werk auf den Markt, das der Jüdische Verlag in ähnlicher Art seit Monaten angekündigt, aber bis dahin nicht zu publizieren vermocht hatte: Im Juli 1902 erschien ein Jüdischer Volkskalender, der in Konzept und Inhalt stark an den geplanten Almanach des Jüdischen Verlages erinnerte. 112 Aufmachung und Gestaltung waren allerdings nicht auf gleichem Niveau, wie der einige Monate später erschienene Almanach beweisen sollte. 113 Die Publikation des Jüdischen Volkskalenders führte nun zu heftigen, öffentlichen Auseinandersetzungen zwischen Max Hickl und den Berliner Initiatoren des Jüdischen Verlages. In der Ausgabe der Jüdischen Volksstimme vom 15. September 1902 erfolgte ein Angriff auf die »Demokratische Fraktion«, welcher das Blatt noch wenige Monate zuvor viel Raum in ihren Spalten gelassen hatte. Obwohl der Jüdische Verlag mit keiner Silbe erwähnt, richtete sich die Tirade offensichtlich gegen dessen Gründer. Fraktionierung als mutwillig aufgestellter Organisationsgrundsatz ist Kliquenwirtschaft zum Prinzipe erhoben und in Permanenz erklärt. [...] Ihr Debut auf dem letzten Kongresse war nicht geeignet, Sympathien zu erwerben. [...] Welches Schicksal sie sich auch bereiten will, es drängt sich nach dem Tam-Tam der Gründung die Frage auf: Wozu der Lärm? 114

Ausgangspunkt des nun gehässiger werdenden Umgangs der Parteien war dabei die Wiedergabe von Ε. M. Liliens vorerwähnter Karte fur den 5. Zionistenkongreß in Hickls Volkskalender,115 Da weder Feiwel noch Buber der Brünner Firma - mangels eigener Verlagswerke - den Vorwurf beweisen konnte, Plagiate produziert zu haben, wurde nun Lilien eingeschaltet. Dieser protestierte im September 1901 in einem Brief an die Redaktion der Welt gegen die anonyme und angeblich nicht autorisierte Wiedergabe seines Werkes im Jüdischen Volkskalender. Unmittelbar darunter folgte eine Erklärung Hickls, worin er betonte, das Originalcliche und damit das Reproduktionsrecht erworben zu haben. 116 Drei Wochen danach wiederholte Lilien seinen Protest in einem langen Schreiben, das ebenfalls in der Welt abgedruckt wurde. Darin erwähnte er zwar seine Tätigkeit als Mitglied der Leitung des Jüdischen Verlages, protestierte aber in wenig überzeugender Weise gegen den Abdruck, primär aus Grün111 112

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Jüdische Volksstimme, 3. Jg (1902), Nr 8, S. 8. Der Verleger Hickl bemühte sich, möglichst namhafte Mitarbeiter zur Mitarbeit am Kalender zu gewinnen. So fragte er u. a. mehrfach Leo Motzkin an, ob dieser einen Beitrag schreiben wolle (vgl. Central Zionist Archives, Jerusalem, A 126/11). Motzkin lehnte allerdings ab, nicht zuletzt im Wissen um die Konkurrenz zum Jüdischen Verlag. In einer Kurzkritik wurde das Werk zwar zum Kauf empfohlen, aber gleichzeitig die »störende Zusammenstellung« vermerkt. In: Die Welt, 6. Jg (1902), Nr 36, S. 9. Jüdische Volksstimme, 3. Jg (1902), Nr 16, S. 3. Abgebildet auf S. 82 des Jüdischen Volkskalenders. Die Welt, 6. Jg (1902), Nr 37, S. 9.

4. Der Streit mit dem Verlag von Max Hickl

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den der unsachgemäßen Wiedergabe in fraglichem Buch. 117 Seine in freundlichen Worten gehaltene Zuschrift evozierte eine neuerliche Replik Max Hickls, dem zur Darstellung seiner Sichtweise breiter Raum gewährt wurde: Hickl bestand darauf, das Recht zur Wiedergabe von Liliens Kongreßkarte durch Kauf der übriggebliebenen Exemplare einwandfrei und rechtlich unzweifelhaft erworben zu haben. Der Schluß von Hickls Zusendung bewies, wie sehr sich die Fronten inzwischen verhärtet hatten. Man versteht also daraus, daß das von Herrn Lilien so stolz vorgetragene Bedenken rein geschäftlicher Natur war. Jedem Unbefangenen wird es erkenntlich sein, daß die ganze Polemik, deren Klärung der Unterzeichnete durch obenstehende Ausführungen herbeifuhren will, nicht vom Künstler und Nationaljuden Lilien, sondern einzig und allein vom reklamesüchtigen und in der Wahl seiner Mittel nicht skrupulösen Geschäftsmanne Lilien stammt. Max Hickl. 118 Als Reaktion auf diesen Angriff verfaßte Buber ein Protestschreiben im Namen Liliens, das einer Eingabe an das Kongreßgericht beigefugt werden sollte. Sowohl der von Lilien zu unterzeichnende erste Teil als auch die gemeinsame Klage namens des Jüdischen Verlages scheinen allerdings nie abgeschickt worden zu sein. In dem von Buber für Lilien verfaßten Text wird energisch gegen Max Hickl und dessen angeblich unwahre Behauptungen protestiert. Im Übrigen wird es dem Congreßgericht zustehen, dieses Problem [...] zu lösen und in der leidigen Angelegenheit, die von Herrn Hickl nun gar auf das Gebiet wüster Schimpferei gezerrt wird, ein endgiltiges Urteil zu fällen.« 119 Den Hauptteil der Eingabe verfaßte ebenfalls Buber und ist vom 15. Januar 1903 datiert. Mittels eines fünfseitigen Schreibens an das Kongreßgericht wurde die Klage gegen Max Hickl und dessen Verlag einleitend begründet. An das zionistische Congreß-Schiedsgericht zu Paris. 120 [...] Herr Max Hickl, Inhaber des »Jüdischen Buch- und Kunstverlages« in Brünn, hat vom Augenblicke der Eröffnung seines Unternehmens den früher gegründeten »Jüdischen Verlag« durch private und publicistische Äußerungen der verschiedensten Art herabgesetzt und geschädigt. Obwohl dadurch nicht nur der »Jüdischer Verlag« als solcher große Einbuße, insbesondere in Österreich, erlitten hat, die bis zum heutigen Tage nicht gutzumachen ist, obwohl des Weiteren dadurch einzelne Mitglieder des »Jüdischen Verlages« auch persönlich in ihrer Ehre gekränkt wurden, hat der »Jüdische Verlag« dennoch, aus zionistischen Gründen und über besonderen Wunsch einzelner Mitglieder des leitenden Comites Herrn Max Hickl nicht zur Verantwortung gezogen, in der Voraussetzung, daß er endlich seiner gegen den »Jüdischen 117 118 119

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Die Welt, 6. Jg (1902), Nr 40, S. 12. Die Welt, 6. Jg (1902), Nr 41, S. lOf. Schreiben Bubers vom 15. Januar 1903, in: Jewish National and University Library, Jerusalem, Ms. Var. 350.742.529. Sitz des Kongreßgerichts war, gemäß § 35 der Organisationsstatuen der Zionistischen Organisation, der Wohnort des Vorsitzenden; zum Zeitpunkt Max Nordau in Paris.

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IL Gründung und Frühphase in Berlin,

1902-1905

Verlag« gerichtete Campagne ein Ende setzen werde. Diese Voraussetzung hat sich nicht erfüllt. 121

Die geltend gemachten Einbußen in Österreich ruhten primär darauf, daß der Brünner Verlag unter dem Patronat des österreichischen Landeskomitees auftrat. Diese Nähe von Hickls Verlag zur Exekutive der Zionistischen Organisation, gepaart mit der Tatsache, daß Max Nordau dem dreiköpfigen Kongreßgericht vorstand, mag den Jüdischen Verlag bewogen haben, die Klage gar nicht einzureichen, da unter diesen Vorzeichen nicht mit einem klaren Entscheid zu Gunsten des Jüdischen Verlages gerechnet werden konnte. Hingegen bemühte sich Buber im Lauf des Jahres 1903, den Konflikt doch noch gütlich zu lösen, was schließlich nach längerem Hin und Her gelang. Buber berichtete darüber am 1. Juli 1903 an Feiwel: »[...] ich habe mit Hickl vorbehaltig Eurer Zustimmung die beidseitige Zurückziehung der Angriffe vereinbart (mehr war nicht zu haben).« 122 Tatsächlich publizierte die Brünner Firma weiterhin Bücher und Broschüren im Jüdischen Buch- & Kunstverlag, wobei sie aber öfters die unproblematische Bezeichnung Verlag der Jüdischen Volksstimme oder, seltener, Verlag M. Hickl 123 verwendete. Auch das anfänglich intensive Schalten von Inseraten in der jüdischen Presse, mit offenen oder versteckten Seitenhieben gegen den Jüdischen Verlag, nahm über die Jahre ab. Max Hickl leitete die Jüdische Volksstimme und den Verlag bis zu seinem Tod in Wien im November 1924.124 Hickls Neffe, Hugo Gold, übernahm darauf die Leitung der Firma und publizierte die Zeitung bis zur Zerschlagung der Tschechoslowakei 1939 weiter. In Israel redigierte Gold seit 1964 die Zeitschrift fiir die Geschichte der Juden und gründete den Verlag Olamenu, in dem eine Zahl beachtlicher historischer und biographischer Bücher erschien. 125

5. Die Gründung des Jüdischen Verlages in Berlin

Neben der weiterhin schwierigen Suche nach Betriebskapital für den Jüdischen Verlag ging es im Sommer 1902 darum, endlich mit den längst angekündigten Büchern auf den Markt zu kommen. Davis Trietsch arbeitete weiterhin hauptsächlich als Mitherausgeber von Ost und West und mußte daneben, wegen der Abwesenheit Feiwels, die Geschäfte des Verlages leiten. In Anbetracht der schwie121

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Schreiben Bubers vom 15. Januar 1903, in: Jewish National and University Library, Jerusalem, Ms. Var. 350.742.529. BriefBubers an Feiwel vom 1. Juli 1903, in: ebd., Ms. Var. 350.204.136. Ζ. B. Josef Bendow, Der Lemberger Judenpogrom 1918/19. Brünn, 1919. Nachruf in der Jüdischen Rundschau, 29. Jg (1924), Nr 96, S. 682. Darunter wichtige Werke über die vernichteten jüdischen Gemeinden in Österreich, Böhmen, Mähren und der Bukowina. Siehe auch Kurzbiographie Hugo Golds in: Encyclopaedia Judaica (wie oben, Anm. 12), Bd 7, Sp. 696f.

5. Die Gründung des Jüdischen Verlages in Berlin

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rigen Situation und seiner gesundheitlichen Probleme, schien Berthold Feiwel zu dieser Zeit überzeugt gewesen zu sein, daß der Verlag nicht mehr geschaffen werden könne, wie er Ende Juli in einem ausfuhrlichen Brief an Buber mitteilte. Ich weiß nun nicht, was aus unserem Verlag werden wird. [...] Aber alles Geschäftliche müssen wir an einen oder an eine Körperschaft oder an den offiziellen Zionismus übergeben, dazu aber ist notwendig, daß wir den größten Teil des Garantiefonds von den Zeichnern geschenkt bekommen. 126

Teile der Fondsgelder waren bereits für Prospekte, Inserate und Honorarvorauszahlungen an Autoren ausgegeben worden. Aus diesem Grund gelang es Martin Buber in Wien, Feiwel umzustimmen, und dieser war nun seinerseits bemüht, die Beiträge fur den Almanack von den verschiedenen Autoren zu bekommen, was sich ebenfalls verzögerte. Bereits im Frühjahr hatte Feiwel mittels eines Zirkularbriefes Beiträge mit der Bemerkung eingefordert, der Redaktionsschluß sei am 15. Mai 1902.127 Durch langwierige Verzögerungen bei der Einsendung der Manuskripte, durch die Finanzierungsprobleme und vor allem durch Feiwels Abreise, konnte dieser Termin nicht eingehalten werden. Gegen seinen Willen mußte sich nun Buber um die Sache kümmern, was ihm offensichtlich nicht behagte. Am 16. Juni fragte er Rabbiner Ehrenpreis. Da Feiwel ins Sanatorium mußte, vertrete ich ihn, obgleich selber leidend, in der Redaction des Almanachs. Daher folgende Frage. Haben Sie Ihren Essay bereits abgeschickt? 128

Auch Leo Motzkin verzögerte die Einsendung seines Beitrages, so daß auch er von Buber in spitzem Ton angemahnt wurde. Ich begreife zwar vollkommen, daß es Ihnen unangenehm ist, Briefe zu beantworten. Trotzdem muß ich Sie nochmals bitten, mir mitzuteilen, ob und event, wann ich von Ihnen einen Beitrag erwarten darf. 129

Ähnliche Bittschreiben verschickte Buber in großer Zahl, doch erhielt er in den kommenden Wochen nach und nach die gewünschten Manuskripte von den Autoren. Erste Artikel wurden gesetzt, obwohl die Firma noch immer nicht gegründet worden war. Um vor den Autoren, die nun ihrerseits damit rechneten, das Werk erscheine nächstens, das Gesicht zu wahren, ließ sich Buber gegen126

Schreiben Feiwels an Buber vom 28. Juli 1902, in: Jewish National and University Library, Jerusalem, Ms. Var. 350.204.12. 127 vgl. das Rundschreiben Feiwels vom 16. April 1902, in: Central Zionist Archives, Jerusalem, A 126/24/7/2. 128 Schreiben Bubers an Ehrenpreis vom 16. Juni 1902, in: Jewish National and University Library, Jerusalem, Are 4° 672/7. Berthold Feiwel beabsichtigte, sich in der Schweiz zu erholen und mit Weizmann zu arbeiten. Über seine physische Erschöpfung berichtete Weizmann bereits im April an Vera Khatzman. Vgl. The Letters and Papers of Chaim Weizmann (wie oben, Anm. 17), Vol. I, S. 249 u. ö. 129 Brief Bubers an Motzkin vom 26. Juni 1902, in: Central Zionist Archives, Jerusalem, A 126/24/7/2/1.

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II. Gründung und Frühphase in Berlin,

1902-1905

über Briefpartnern in nicht sehr feiner Weise über seine Geschäftspartner aus. So schrieb er etwa Rabbiner Ehrenpreis im August 1902. Der Druck des Almanachs ist teils durch Schwierigkeiten, teils durch Schlamperei meiner Collegen verzögert worden, doch erhalten Sie in den nächsten Tages Corrector. 130

Wiederum einen Monat später äußerte sich Buber ihm gegenüber erneut etwas ungenau. Der Druck des Almanachs wird durch Nachlässigkeiten der Berliner in einer Weise aufgehalten, die Feiwel und mich zur Verzweiflung bringt. Feiwel muß deshalb seine Kur unterbrechen und nach Berlin fahren. Den Abzug Ihres Aufsatzes erhalten Sie ebenfalls noch vor dem Druck. 131

Tatsächlich kehrte Feiwel um den 20. September für einige Tage nach Berlin zurück, primär um den Druck des Almanachs zu überwachen. 132 Es gibt allerdings keine Hinweise, daß Buber Feiwel, in Anbetracht dessen angeschlagener Gesundheit, dazu aufgerufen hatte. Im Gegensatz zur tradierten Fehlinformation, der Almanack 5663 sei das erste im Verlag veröffentlichte Buch gewesen, erschien die von Feiwel und Weizmann verfaßte Broschüre Eine Jüdische Hochschule tatsächlich davor.133 Weizmann hatte sich, im Wissen um die großen Probleme der Freunde in Berlin, selbst auf die Suche nach Geldern für deren Druck gemacht. In seinen Briefen vom Sommer 1902 berichtete er öfters, daß ihm Freunde aus Rußland Mittel für diesen Zweck überwiesen hätten.134 Den Druck hatte offenbar eine größere Überweisung von Samuel Shriro, einem Ölmagnaten aus Baku, ermöglicht, der auch im folgenden das Hochschulprojekt mit Geldüberweisungen an Weizmann unterstützte.135 Gegen Ende Juli 1902 hatten Weizmann und Feiwel das Manuskript soweit abgeschlossen, daß es ohne weitere Verzögerung in den Druck gehen konnte. Weizmann erwähnte schon am 31. Juli, Druckfahnen des ersten Teils erhalten zu haben, und die fertige Schrift muß um den 20. August 1902, während seines kurzen Aufenthalts in Berlin auf der Durchreise nach Rußland, erschienen sein.136 Nach der Publikation von Eine Jüdische Hochschule und der weitgehenden Fertigstellung der Manuskripte und Illustrationen des Almanachs drängte nun die 130

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Brief Bubers an Ehrenpreis vom 12. August 1902, in: Jewish National and University Library, Jerusalem, Are 4° 672/7. Brief Bubers an Ehrenpreis vom 15. September 1902, in: ebd., Are 4° 672/7. Vgl. den Brief Feiwels vom 25. September 1902 aus Berlin an Motzkin, in: Central Zionist Archives, Jerusalem, A 126/24/7/2. Im Vorwort zum Almanach 5663, S. 9, bemerkte Feiwel, daß es sich um das erste Buch des Verlages handle. Es war durchaus geplant, den Almanach 5663 vor der Hochschulbroschüre zu veröffentlichen, aber letztere erschien zuerst. Vgl. The Letters and Papers of Chaim Weizmann (wie oben, Anm. 17), Vol. I, S. 315f. Vgl. ebd., S. 321 f. Vgl. ebd., S. 335ff. resp. S. 375f.

5. Die Gründung des Jüdischen Verlages in Berlin

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Gründung der Firma in Berlin immer mehr. Der Absatz der Broschüre wurde in erster Linie durch Weizmanns »Bureau der Jüdischen Hochschule« in Genf organisiert, so daß fur deren Vertrieb eine eingetragene Firma noch nicht unbedingt notwendig war. Anders verhielt es sich bei Druck und Vertrieb des ungleich aufwendiger gestalteten und in der Produktion viel teureren Almanachs. Am 25. Oktober 1902 erschienen Davis Trietsch, Ephraim Moses Lilien, Berthold Feiwel und Martin Buber bei Notar Max Salinger in Berlin, um die Gründung der Firma zu beurkunden. Der Gesellschaftsvertrag bestand aus lediglich sieben kurzen Paragraphen. Name und Zweck der Firma wurde eingangs wie folgt formuliert: Sie [die vier Gesellschafter] errichten hierdurch eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung unter der Firma: Jüdischer Verlag, Gesellschaft mit beschränkter Haftung. Der Sitz der Gesellschaft ist Berlin. Gegenstand des Unternehmens ist die Herausgabe von Werken modern jüdischer Litteratur und Kunst. Zur Erreichung dieses Zweckes ist die Gesellschaft befugt, gleichartige und ähnliche Unternehmungen zu erwerben, sich an solchen zu betheiligen und deren Vertretung zu übernehmen.137 Nach den Bestimmungen über Dauer des Geschäftsjahres folgten in Paragraph 3 die zentralen Formulierungen über die Finanzen der Firma. Das Stammkapital der Gesellschaft beträgt 30Ό00 Mark, die Stammeinlage eines jeden Gesellschafters 7'S00 Mark. Die Gesellschafter leisten ihre Einlagen dadurch, daß sie das von ihnen gemeinschaftlich zu gleichen Rechten und Antheilen betriebene hiesige Verlagsunternehmen mit allen Verlagsrechten, Forderungen aus Verträgen mit Schriftstellern und Künstlern, sowie mit dem Jnventar zu einem Gesammtwerth von 30Ό00 Mark in die Gesellschaft einbringen und die Gesellschaft das vorbezeichnete Verlagsgeschäft zu dem genannten Preise übernimmt.138 Gemäß dieser gewagten Formulierung war es möglich, den Verlag sowohl theoretisch als auch praktisch ohne jegliches Bargeld zu eröffnen! Die Bestätigung dafür, daß dies tatsächlich geschah, liefert ein von Davis Trietsch im Dezember 1904 verfaßter Text. 139 Der Jüdische Verlag wurde als GmbH im November 1902 handelsgerichtlich mit einem Stammkapital von 30Ό00 Mark bewertet und eingetragen. Die Bewertung erfolgte derart, daß das bis dahin durch 11 Monate vorbereitete Unternehmen mit Firma, Organisation, Inventar, Verträgen, Verlagsrechten und ideellen Werten mit obigem Betrage in die GmbH inferirt wurde. 140 137

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Vertrag vom 25. Oktober 1902, in: Central Zionist Archives, Jerusalem, Ζ 3/1066. Dabei handelt es sich um die dritte Abschrift aus dem Besitz Feiwels. Ebd. Siehe auch Kapitel II/7. Expose Trietschs vom Dezember 1904, in: Central Zionist Archives, Jerusalem, A 104/65. Die angebliche »Bewertung« erfolgte mit aller Wahrscheinlichkeit aufgrund von Angaben der Verlagsgründer.

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Die mit 30.000 Mark bezifferten immateriellen Werte der Gesellschaft waren illusorisch hoch und absolut unrealistisch bewertet. Die real vorhandenen Mittel beschränken sich auf die verfügbaren Garantiefondsgelder, die kaum mehr als ein Viertel dieser Summe ausgemacht haben dürften.141 Wie sich zeigen sollte, ergaben sich aus dieser Überbewertung bald große Probleme. In einem weiteren Punkt wich der Gründungsvertrag deutlich von den im ersten Prospekt gemachten Ankündigungen ab. War darin die Rede, daß die Hälfte des Reingewinnes an den »Jewish Colonial Trust« überwiesen werden sollte, hielt Paragraph 5 schlicht fest: Der Reingewinn wird, soweit die Versammlung [der Gesellschafter] nicht beschließt, ihn zum Zweck von Abschreibungen und Rücklagen zu verwenden, unter die Gesellschafter nach Verhältnis Jhrer Geschäftsantheile vertheilt. 142

Da der Verlag zu keiner Zeit aus den roten Zahlen kommen sollte, ergab diese offensichtliche Täuschung der aufgrund des Prospektes zeichnenden Geldgeber nie Probleme. Im Schlußparagraphen des Gründungsvertrages wurde schließlich Davis Trietsch »bis auf weiteres« zum Geschäftsführer ernannt.143 Am 10. November 1902 folgte der Eintrag der Firma in das Berliner Handelsregister unter »Abt. B, Nr. 1964« mit Wiedergabe der Zweckbestimmungen und Nennung des »Grund- oder Stammkapitals« von 30.000 Mark. 144 Eine »Gewerbeanmelde-Bescheinung« wurde allerdings erst anfangs Oktober 1904 ausgestellt, was den Jüdischen Verlag aber nicht hinderte, die eigentliche Geschäftstätigkeit aufzunehmen. 145 Als am 25. Oktober 1902 der Jüdische Verlag auch formaljuristisch gegründet wurde, stand die Auslieferung des Almanacks unmittelbar bevor. Das Erscheinen wird erstmalig in der Welt vom 31. Oktober 1902 in einer kurzen Notiz vermerkt.146 Endlich war der Verlag in der Lage, seinen Subskribenten ein Buch vorzulegen. Die Publikation des Almanacks rief ein unerwartet großes Echo in der jüdischen und nichtjüdischen Presse hervor, wie in Kapitel II/9 gezeigt werden wird. Andererseits begannen sich damit Probleme zwischen den Verlagsbesitzern zu verstärken, die schon seit längerem latent gewesen waren. Im übrigen zeigte sich, daß mit dem Erscheinen des ersten Verlagswerkes die Ungeduld der fast ein Jahr lang hingehaltenen Subskribenten eher noch verstärkt worden war. 141

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Bis Mitte April 1902 wurden ungefähr 5.000 Mark eingezahlt (vgl. Kapitel II/3). Es fanden sich keine Hinweise auf den effektiven Stand zum Zeitpunkt der Gesellschaftsgründung. Da während des Sommers keine größeren Anzeigen in der Sache publiziert wurden, ist nicht anzunehmen, daß die Summe im Herbst wesentlich über geschätzten 7.000-8.000 Mark lag. Vertrag vom 25. Oktober 1902, in: Central Zionist Archives, Jerusalem, Ζ 3/1066. Ebd., § 6 . Eintragungsbestätigung vom 10. November 1902, in: Central Zionist Archives, Jerusalem, Ζ 3/1066. Vgl. die Bescheinigung vom 6. Oktober 1904, in: ebd., Ζ 3/1066. Die Welt, 6. Jg (1902), Nr 44, S. 10. Eine Zeile darunter wird pikanterweise eine Neuausgabe von Herzls Judenstaat angekündigt, die der in Kapitel II/4 beschriebene Brünner Verlag verlegte.

6. Innere Organisation und Struktur

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6. Innere Organisation und Struktur

Ein erstes Problem des endlich gegründeten Jüdischen Verlages bestand darin, daß von den vier Gesellschaftern lediglich der zum Geschäftsführer ernannte Davis Trietsch auch tatsächlich Zeit hatte, für den Verlag in Berlin zu arbeiten. Allerdings agierte Trietsch weiterhin als Mitherausgeber von Ost und West, war sich aber bewußt, daß die Doppelbelastung nicht länger tragbar war. 147 Da keiner der anderen drei Verlagsbesitzer Arbeit in Berlin verrichten konnte oder wollte, trat Trietsch per Ende 1902 aus der Redaktion von Ost und West aus, um sich vermehrt dem Jüdischen Verlag zu widmen. Buber hielt sich weiterhin in Wien auf, wo er einerseits Verlagsprojekte ausarbeitete und andererseits seinen Studienabschluß anstrebte. Lilien hielt sich grundsätzlich weitgehend aus den Verlagsgeschäften heraus, und Feiwel verbrachte den Winter 1902/1903 in Zürich. Im Mai kehrte er nach Genf zurück, um in Weizmanns Hochschulbüro mitzuarbeiten. Erst nach Ende des 6. Zionistenkongresses im Spätsommer 1903 kehrte er nach Berlin zurück. Buber und Feiwel führten regelmäßig Korrespondenz über den Stand der gemeinsam oder individuell vorbereiteten Verlagsmanuskripte, ohne aber von Trietsch stets über die Probleme in Berlin informiert zu werden. Eine zweite Schwierigkeit bestand darin, daß der Jüdische Verlag faktisch bankrott war, bevor die ersten Verlagswerke ausgeliefert werden konnten. Trietsch bat Weizmann in Genf mehrere Male um Überweisung von angeblich versprochenen Mitteln. Das »Bureau der Jüdischen Hochschule« hatte selbst auch kaum Geld, war aber doch in der Lage, in Berlin bestellte Drucksachen, Briefbögen u. ä. zu bezahlen und dabei mehrfach auch kleinere Beträge fur den Verlag zu überweisen. 148 Dennoch war der Jüdische Verlag nicht in der Lage, seinen Verpflichtungen nachzukommen und den Subskribenten die ihnen zugestehenden Bücher auszuliefern. Durch Rezensionen in der Presse über den Almcmach war es den Subskribenten inzwischen bekannt, daß Verlagswerke erschienen waren. Sie konnten nicht länger mit bloßen Versprechungen hingehalten werden. W. Gluskin aus Warschau monierte verschiedene Male, nichts vom Verlag erhalten zu haben. So auch am 17. Februar 1903: Ich möchte gerne dem »Verlage« nützlich sein, aber, ich muß es Ihnen offen sagen, ich finde mich beleidigt: ich bin Mitglied, d. h. ich habe baares Geld Μ 120 vor 9 Monaten eingezahlt u. bis zum heutigen Tage besitze ich nicht einmal ein einziges Blatt von all' dem was im Verlage schon so lange erschienen ist. Ich glaube, es gibt Wege genug, wie man Bücher schicken kann, u. die Mitglieder müßten doch die Allerersten sein! So lange ich nicht die erschienenen Werke einmal gesehen habe, kann 147 Ygj jgg Schreiben Trietschs an Buber vom 8. November 1902, in: Jewish National and University Library, Jerusalem, Ms. Var. 350.823.3. 148 y g j jjjg L e tt e r s and Papers of Chaim Weizmann (wie oben, Anm. 17), Vol. II, S. 120f.

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II. Gründung und Frühphase in Berlin,

1902-1905

ich über die Leistungen des Verlages ja gar kein Urteil haben und folglich auch nichts dafür thun. Ich hoffe, Sie werden gestehen, daß ich Recht habe. 149

Viele ähnliche Schreiben erreichten den Verlag im Winter 1902/1903. Um wenigstens die dringendsten Arbeiten erledigen zu können, stellte der Verlag per 1. Januar 1903 mit Ina Schimmer eine Assistentin ein, die sich von nun ab »als Buchhalterin und Korrespondentin« betätigte, wie in ihrem von Trietsch am 1. November 1903 ausgestellten Abgangszeugnis hervorgeht.150 Ina Schimmer (1881-1949), seit Anfang der zwanziger Jahre verheiratete Britschgi-Schimmer, stammte aus Wien und lernte Feiwel und Buber während deren Zeit bei der Welt kennen. Besonders mit Paula Buber blieb sie über Jahre in engem Kontakt, der aber immer wieder von finanziellen Streitigkeiten mit ihr und Martin Buber überschattet wurde.151 1929 erschien eine zweibändige Ausgabe der Briefe von Gustav Landauer, »unter Mitwirkung von Ina Britschgi-Schimmer herausgegeben von Martin Buber« im Verlag Rütten & Loening in Frankfurt am Main. Zahlreiche Briefe und Akten lassen den Schluß zu, daß Ina BritschgiSchimmer - und nicht Buber - die Hauptarbeit an dieser Edition geleistet hatte.152 Nach ihrer Einwanderung verfaßte sie in Palästina mehrere Studien über Fragen der beruflichen Umschulung und der Absorption jüdischer Immigranten aus Deutschland und Österreich und entwickelte sich zu einer der führenden Sozialarbeiterinnen des Landes.153 Die Anstellung von Ina Schimmer war notwendig geworden, da Davis Trietsch mit der Leitung des Verlages überfordert war. Ε. M. Lilien kümmerte sich seinerseits kaum um die Belange der Firma. Im November 1902 warf er allerdings genau dies seinem Partner Buber vor, und damit begann eine Zeit des schwindenden Vertrauens, der Vorwürfe und der Missgunst: Wir sind einmal schon darauf angewiesen, schriftlich mit einander zu verkehren, und dann verzeih, wenn ich Deine Ruhe zu stören wage. Wie Du weißt, haben wir großes vor, aber von Dir hört man gar nichts. 154

Lilien und Trietsch besuchten Buber in Wien, um über die Zukunft der maroden Firma zu sprechen und wohl auch, um das gespannte Verhältnis zwischen Buber und Lilien zu klären. Feiwel, der zu spät von dem Treffen informiert 149

Schreiben Gluskins an den Jüdischen Verlag vom 17. Februar 1903, in: Central Zionist Archives, Jerusalem, A 345/1/3. 150 Vgl. das Zeugnis vom 1. November 1903, in: ebd., A 110/1. 151 Ina Schimmer schien beiden öfters Geld geliehen, aber nie zurückerhalten zu haben; vgl. ihre Korrespondenz mit Martin und Paula Buber, in: ebd., A 110/125. 152 vgl. dazu das Material, in: ebd., A 110/9-15. Bereits 1925 hatte sie Lasalles letzte Tage. Nach den Originalbriefen und Dokumenten des Nachlasse« im Axel Juncker Verlag, Berlin, veröffentlicht. 153 Vgl. die erhaltenen Briefe, Entwürfe und Manuskripte, in: Central Zionist Archives, Jerusalem, A 110/52-53 u. ö. 154 Brief Liliens an Buber vom 8. November 1902, in: Jewish National and University Library, Jerusalem, Ms. Var. 350.432.

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worden war, nutzte die Gelegenheit, seine Analyse und Prognosen schriftlich abzugeben. Am 22. Januar 1903 schrieb Berthold Feiwel einen ausfuhrlichen Brief an seine drei Geschäftspartner, der das zentrale Dokument über den Zustand des Jüdischen Verlages in dieser Phase darstellt.155 Der Bedeutung entsprechend, begann er das Schreiben mit einem Blick auf die Finanzlage des Verlages. Seine kursorische Bilanz per 12. Januar 1903 wies als verwertbare Aktiva eine geringe Barschaft, sowie knapp 1.000 unverkaufte Exemplare des Almanacks auf. Daneben wurden darin, als eher fiktive Aktivposten, ausstehende Schulden der vier Geschäftsinhaber aufgeführt. Dem Total an Aktiva von knapp 8.000 Mark standen Schulden von 12.000 Mark gegenüber. Diese setzten sich primär aus rückzahlbaren Garantiefondsgeldern von 4.500 Mark und über 7.000 Mark nicht bezahlter Rechnungen für die Produktionskosten des Almanachs zusammen. Selbst bei vollständiger Einbringung der noch nicht verrechneten Gesellschaftsanteile von je 7.500 Mark hätte eine Unterbilanz bestanden! Feiwel schloß daraus: »Unsere nächste Aufgabe ist, Geld zu bekommen.« 156 Durch seine regelmäßigen Kontakte mit Weizmann wußte Feiwel, daß kaum weitere Mittel vom Hochschulbüro zu erwarten waren. Trietschs drängende Nachfragen in dieser Sache ließen Feiwel schließen, es sei »jammerschade, daß wir es uns mit Weizmann so verdorben haben«.157 Gleichwohl versprach er, sich bei ihm erneut für den Verlag einsetzen zu wollen. Weizmann fährt Ende Februar nach Rußland. Ich werde mich bemühen, ihn zu bringen [!], daß wieder ein Theil der Gelder, die er sammelt, auf den Verlag fällt - ich glaube aber nicht, daß ich etwas erreichen werde. 158

Als Ausweg aus der Finanzkrise sah Feiwel nur zwei Möglichkeiten, entweder »bleibt uns der Zufall und Subskribenten«, oder es gehe nun endlich darum, »die jetzt fertigen Bücher herauszubringen«.159 Er versprach seinerseits, die ihm aufgetragenen Manuskripte bis zum kommenden Monat fertigzustellen, und forderte besonders Buber auf, dies endlich auch zu tun. Neben den rein finanziellen Aspekten erkannte Feiwel auch, daß das im Verlagsprospekt angekündigte großzügige Rabattwesen fur die Krise mitverantwortlich sei, denn »die Vereinsbegünstigung aber müßte aufhören. Sie hat sich nicht bewährt.«160 Daneben monierte er, vom Almanach seien viel zu viele Rezensionsexemplare unentgeltlich verschickt worden.161 Neben den finanziellen und produktionstechnischen Punkten äußerst sich Feiwel sehr kritisch über den eigenen Geschäftsführer Davis Trietsch und Partner Ε. M. Lilien. 155

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Rundschreiben Feiwels an seine Partner vom 22. Januar 1903, in: ebd., Ms. Var. 350.204.17-21. Nachfolgende Zahlen sind diesem Brief entnommen. Zit. ebd. Zit. ebd. Zit. ebd. Zit. ebd. Zit. ebd. Vgl. dazu auch Kapitel II/9.

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Da ich auf lange Dauer nach Berlin nicht werde kommen können, so sind Trietsch und Lilien bis auf Weiteres mit der Leitung des JV engagiert. Nur kann Lil nicht leiten, obwohl er manchmal die besten Vorsätze hat. Trietsch aber - das ist meine größte Sorge - hat zuviel Angelegenheiten und zuwenig Ordnung in seiner Zeit, seinen Erledigungen, daß er sich als Leiter in dieser kritischen Situation eignen würde. Ich habe das in der letzten Zeit sehr gut gesehen. 162

Dieser massive Vorwurf Feiwels sollte das bereits angespannte Verhältnis der Besitzer des Jüdischen Verlages zusätzlich verschärfen. Auf der Sitzung mit Buber, Trietsch und Lilien Ende Januar 1903 in Wien wurde beschlossen, die Punkte aus Feiwels Brief bestenfalls zur Kenntnis zu nehmen, aber andererseits die von ihm als dringend monierten Maßnahmen weiterhin nicht umzusetzen. Es lag an Buber, im Auftrag des offenbar verstimmten Trietsch, Feiwel nach Zürich über die Beschlüsse zu berichten, was wiederum Feiwel bewog, sich direkt an Trietsch in Berlin zu wenden.163 Am 7. Februar 1903 nahm Feiwel erneut Stellung und eröffnete sein ausfuhrliches Schreiben mit einer spitzen Bemerkung an den Adressaten. Lieber Herr Trietsch - ich habe aus mehreren Gründen Ihnen lange nicht geschrieben. Die Hauptsache war, daß ich nach den Wiener Verhandlungen, soweit Buber mir darüber berichtete, dem Verlage ziemlich rathlos gegenüberstehe. Ich hoffte, auch von Ihnen einen Brief zu bekommen. 164

Dem in Zürich weilenden Feiwel war nach der Sitzung in Wien berichtet worden, im Verlag sei »alles in schönster Ordnung«, und auch die finanziellen Probleme hätten gelöst werden können. Dies bewog ihn, erneut seine Bedenken anzubringen, besonders da Lilien fur nicht fertiggestellte Arbeiten durch großzügige Reduktion seiner Schuld am Gesellschaftsanteil vergütet worden war.165 Feiwel führte weiter aus: Sie haben in Wien meine Befürchtungen für grundlos erklärt. Wenn Sie mir das beschreiben könnten, wäre ich ja zufrieden. [...] Ich frage mich, wie Sie so überhaupt noch lange weiter machen können. Von Weizmann wird vorläufig kein weiteres baares Geld mehr kommen. 166

Weil Trietsch entweder keine Zeit hatte, abwesend oder nicht willens war, Feiwel zu antworten, hatte dieser in Verlagsangelegenheiten vermehrt direkt an Ina Schimmer geschrieben, ohne sich an den eigentlichen Geschäftsführer zu wenden, ein Vorgehen, das Feiwel zu rechtfertigen suchte.

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Feiwel, Rundschreiben vom 22. Januar 1903 (wie oben, Anm. 155). Bubers Antwort an Feiwel ist nicht erhalten. Schreiben Feiwels an Trietsch vom 7. Februar 1903, in: Jewish National and University Library, Jerusalem, Ms. Var. 350.204.25. Feiwel schickte den Brief in Kopie auch an Buber. Dies geht aus dem Schreiben Feiwels an Trietsch vom 7. Februar 1903 (wie letzte Anm.) hervor. Ebd.

6. Innere Organisation und Struktur

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[Da] Frl. Schimmer doch mit Recht unsere Vertrauensperson ist, habe ich einfach an Frl. Schimmer geschrieben, weil ich weder von Ihnen noch von Lilien recht zeitige Erledigung bekommen hätte. 167

Die Vorwürfe an den Geschäftsführer in Berlin endeten mit beschwichtigenden, aber klaren Worten, die zeigen, wie sehr Feiwel, im Gegensatz zu seinen Partnern, Realitätssinn in der kritischen Phase bewahrt hatte. Begreifen Sie meinen gereizten Ton. Ich habe Sorgen für den Verlag, der mir sehr am Herzen liegt, und für uns aus Angst wegen unserer bisherigen Leichtfertigkeit und Nonchalance. 168

Der »gereizte Ton« Feiwels führte umgehend dazu, daß Trietsch in seinen Briefen nun ebenfalls nicht umhin konnte, sich undiplomatisch gegenüber seinen auswärtigen Partnern zu äußern. Einzig mit Lilien schien Trietsch vorläufig ein gutes Verhältnis zu wahren, was um so einfacher war, als der Künstler sich kaum in die Verlagsgeschäfte einmischte. Trietsch eröffnete beispielsweise einen Brief an Feiwel, wenige Tage nach Erhalt dessen Kritik, mit dem sarkastischen »Dear Sir!«.169 Auch gegenüber Buber verschärfte sich der Ton, da dieser ganz offensichtlich realisiert hatte, wie sehr Feiwels Bedenken und Kritik insgesamt berechtigt waren. In Zusammenhang mit unbeantwortet gebliebenen Anfragen Bubers antwortete ihm Trietsch in zynischem Ton. Ihre dreimalige Reclamation nach Kostenanschlag für die neuen Seiten-Arrangements ist in diesen 24 Stunden an uns gelangt. Wir sehen der weiteren Entwicklung der Reclamationsflut entgegen. Die Sache wird sich von selbst und in aller Eile erledigen, unabhängig davon, ob Sie bis dahin zu 24 Reclamationen innerhalb drei Stunden gelangt sind oder nicht. 170

Die ungute Stimmung unter den Besitzern des Verlages lag, wie erwähnt, primär daran, daß seit dem Erscheinen des Almanach 5663 bereits wieder mehrere Monate ohne weitere Publikationen verstrichen waren. Um die Zeit bis zum Vorliegen der längst angekündigten weiteren Werke der ersten Subskriptionsreihe zu überbrücken und um mögliche neue Kunden gewinnen zu können, wurde im Frühjahr 1903 eine Broschüre mit gesammelten Rezensionen über den Almanach 5663 unter dem Titel Jüdische Renaissance herausge-

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Ebd. Ebd. Schreiben Trietschs vom 16. Februar 1903, in: Jewish National and University Library, Jerusalem, Ms. Var. 350.823.4. Der nicht namentlich adressierte Brief wurde von fremder Hand nachträglich mit »an Buber gerichtet?« versehen und in dessen Archiv deponiert. Der Inhalt spricht allerdings dafür, daß Feiwel der Empfänger war. Brief Trietschs an Buber vom 25. März 1903, in: Jewish National and University Library, Jerusalem, Ms. Var. 350.823.5. Bezeichnend ist überdies, daß Trietsch seine Schreiben an Buber während dieser Zeit mit »L. Η. B.«, statt der früher verwendeten Phrase »Lieber Herr Buber« eröffnete.

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II. Gründung und Frühphase in Berlin,

1902-1905

geben.171 Die Verlegenheitsproduktion konnte nicht darüber hinweg täuschen, daß nun endlich größere Werke erscheinen mußten. Auch die im Sommer erschienene Sammlung Junge Harfen, redigiert von Berthold Feiwel, gehört zu diesen Verlegenheitsproduktionen. In geschickter Weise wurden darin Gedichte, die zum Teil bereits im Almanach 5663 erschienen waren, erneut veröffentlicht. Trotz Mangel an neuem Material konnte so ein weiteres Buch für die ungeduldigen Subskribenten herausgegeben werden. Zudem konnten die Herstellungskosten nicht unerheblich dadurch gesenkt werden, daß die bereits früher publizierten Teile nicht neu gesetzt werden mußten. Ursprünglich war geplant, die Sammlung unentgeltlich abzugeben, was aber von Feiwel, im Wissen um die kritische Finanzlage des Verlages, schließlich abgelehnt worden war.172 Bereits im Januar 1903 erwähnte er dies in vorgenanntem Schreiben nach Wien und schlug einen Ausweg vor, wie das den Kunden gegenüber gemachte Versprechen zu relativieren sei. Junge Harfen erscheinen nicht gratis, wie ursprünglich geplant, sondern kosten 2 Mk. Den Subskribenten legen wir einen Zettel bei, daß infolge technischer Schwierigkeiten und der über den Plan hinausgegangene Umfang das Buch in die Subskription einbezogen werden mußte. 173

Im Anhang dieses Buches erschien eine gegenüber der im Almanach 5663 gelisteten Werke der ersten Subskriptionsreihe rektifizierte und gekürzte Fassung, die weniger den Wunschzielen, sondern eher dem Machbaren entsprach. Mit Ausnahme der Übersetzung einer Novellensammlung von Hirsch Dawid Nomberg, die seit längerem von Berthold Feiwel geplant worden war, aber nie erschien, wurden die übrigen Verlagswerke der ersten Reihe in den folgenden Monaten tatsächlich veröffentlicht. Zudem publizierte der Verlag außerhalb der Subskription im Sommer 1903 den außerordentlich wichtigen Sammelband Jüdische Statistik, den der gleichnamige Verein unter der Redaktionsleitung von Alfred Nossig zusammengestellt hatte. Obwohl in einer kleinen Auflage von 1.200 Exemplaren gedruckt und wenig beachtet, initiierte der Sammelband eine beachtliche Zahl weiterer Publikationen auf dem Feld der jüdischen Statistik.174

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Vgl. dazu den Brief von Ina Schimmer an Buber vom 20. Februar 1903, in: Jewish National and University Library, Jerusalem, Ms. Var. 350.684. Die nie regulär in den Handel gelangte Publikation erscheint daher in der Verlagsbibliographie nicht. Ein im Spätsommer 1902 gedrucktes Blatt mit Informationen über die geplanten Bücher der ersten Subskription enthielt am Ende den Passus: »Außer den oben angeführten Büchern stellen wir unseren Subskribenten eine Anzahl von Broschüren (darunter >Eine jüdische Hochschulen eine Gedichtsammlung Junge Harfen< und andere) auf Wunsch kostenlos zur Verfugung.« Ein Exemplar des Dokuments findet sich, in: Central Zionist Archives, Jerusalem, DD-Germany. Feiwel, Rundschreiben vom 22. Januar 1903 (wie oben, Anm. 155). Siehe auch Kapitel II/9. Zur Forschungsgeschichte der jüdischen Statistik vgl. Encyclopaedia Judaica (wie oben, Anm. 12), Bd 15, Sp. 343ff. Zur Höhe der Auflage vgl. Central Zionist Archives, Jerusalem, A 104/65.

6. Innere Organisation und Struktur

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Das neben dem Almanach 5663 bedeutendste Buch der frühen Phase des Jüdischen Verlages kam schließlich im August 1903 auf den Markt: Der von Martin Buber redigierte Band Jüdische Künstler konnte so nach langer Verzögerung gerade noch rechtzeitig zum 6. Zionistenkongreß, der Ende August 1903 in Basel tagte, der Öffentlichkeit übergeben werden. Bereits im November 1902 hatte Lilien Buber mit zynischen Sätzen dringend aufgefordert, das Manuskript endlich abzuschließen, um das Werk noch rechtzeitig vor den Dezemberfeiertagen auf den Markt bringen zu können: Glaubst Du vielleicht, der liebe Herrgott hat dieses Jahr den Weihnachtsmarkt verschoben? Es ist höchste Zeit, daß das Künstlerbuch in Druck geht [...]. Nimm Dich, lieber Buber, endlich zusammen und fange an, ein Ende zu machen. 175

Auch Feiwel stellte im Dezember 1902 in einem Brief an Buber fest, »das Künstlerbuch sollte jetzt wirklich endlich heraus«. 176 Allerdings dauerte es weitere acht Monate bemühenden Hin und Hers zwischen Buber und Lilien, der den Druck in Berlin überwachte, bis das Werk erscheinen konnte. Die Beteiligten waren sich im klaren, daß es für das Ansehen und den Ruf des Verlages von zentraler Bedeutimg war, auf dem Zionistenkongreß eine größere Zahl der im Dezember 1901 angekündigten Bücher vorlegen zu können. Dies betonte unter anderem auch Buber nachdrücklich in einem Schreiben an Feiwel und Weizmann vom 12. Juni, was allerdings eher seltsam anmutet, da der Schreibende selbst für die langwierigen Verzögerungen bei der Fertigstellung diverser Manuskripte verantwortlich war. 177 Während des 6. Kongresses vom 23. bis 28. August 1903 stellte der Jüdische Verlag an einem Stand im Stadtcasino in Basel seine Werke vor. Diese Aktion wurde von Ina Schimmer organisiert und geleitet, wie aus einem Brief hervorgeht. 178 Neben der Präsentation der Verlagswerke stand die Sicherung neuer Finanzmittel im Zentrum des Auftrittes auf dem Kongreß. Feiwel, Buber, Lilien und Trietsch nahmen als Delegierte teil, ohne aber ein weiteres Mal um finanzielle Mittel fur den Verlag zu bitten. Die Besitzer der Firma versuchten während des Kongresses, zusammen mit Ina Schimmer, den Verlag in gutem Licht erscheinen zu lassen. Trotz aller Verzögerungen war es 1903, im Gegensatz zu 1901, endlich möglich, Interessenten mit fertigen Verlagsproduktionen zu überzeugen. Obwohl davon ausgegangen werden kann, daß in Basel selbst Bücher abgesetzt wurden, und es zudem gelang, eine unbekannte Zahl neuer Subskribenten zu gewinnen, verbesserte sich die äußerst angespannte Finanzlage der Firma keineswegs. 175

176 177

178

Schreiben Liliens an Buber vom 8. November 1902, in: Jewish National and University Library, Jerusalem, Ms. Var. 350.432. Zit. nach dem BriefFeiwels an Buber 9. Dezember 1902, in: ebd., Ms. Var. 350.204.16. Vgl. den Brief Bubers an Weizmann vom 12. Juni 1903, in: ebd. Teile dieses Schreibens sind in Buber, Briefwechsel (wie oben, Anm. 22), Bd 1, S. 201f., gedruckt. Brief Ina Schimmers an Martin Buber, 11. Oktober 1903, in: Jewish National and University Library, Jerusalem, Ms. Var. 350.684.

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II. Gründung und Frühphase in Berlin,

1902-1905

Der Verlag war nicht in der Lage gewesen, die ausstehenden Beträge fur die Produktion des Almanachs zu begleichen, obwohl die betroffenen Firmen über längere Zeit Nachsicht zeigten und wiederholten Zahlungsaufschüben zustimmten. Neben Schulden gegenüber der »Buchbinderei Baumbach« blieben auch Rechnungen fur die Herstellung der Klischees bei der Firma »Richard Labisch«, beide in Berlin, offen. Diese Passiva tauchten zwar bereits in der von Feiwel gemachten Bilanz vom 12. Januar 1903 auf, ohne daß sich dieser aber weiter darum gekümmert hätte.179 Schon im März 1903, wenige Wochen nachdem sie ihre Arbeit im Verlag aufgenommen hatte, klagte Ina Schimmer bei Buber über dringend zu bezahlende Rechnungen in diesem Zusammenhang. Wo Sie gehört haben, daß wir jetzt Geld haben, weiß ich nicht. Ich sehe, daß wir keines haben und ich weiß, daß wir an Told und Weizmann depechierten, sie mögen Geld senden, da Baumbach unbedingt befriedigt werden müsse. Rechnung = 600 M, Told sandte 323 M, Weizmann bisher nichts. Labisch mahnt heute dringendst einen Betrag von 220 M. - Vergegenwärtigen Sie sich die Situation.180

Die weitaus größten Schulden hatte der Jüdische Verlag allerdings gegenüber der Druckerei »Pass & Garleb« in Berlin, die in den folgenden Jahren eine zentrale Rolle für den Jüdischen Verlag spielen sollte. Im Spätsommer verschlimmerte sich die Lage dadurch, daß in Zusammenhang mit der Produktion des aufwendig gestalteten Buches Jüdische Künstler eine große Zahl zusätzlicher Rechnungen an dieselben Firmen zu begleichen waren. Die Hoffnung der Verlagsinhaber, daß der Auftritt auf dem Kongreß in Basel der Firma neue Mittel zufuhren würde, hatten sich nur zu einem kleinen Teil bestätigt. Immerhin kehrte Ende August 1903 Berthold Feiwel nach Berlin zurück und versuchte, zusammen mit Davis Trietsch, in Verhandlungen mit den Gläubigern, weitere Zahlungsaufschübe zu erlangen.181 Dies taten beide in der Hoffnung, daß möglicherweise Weizmann Geld fur den Verlag in Rußland würde auftreiben können. Chaim Weizmann schrieb mehrere Briefe an potentielle Geldgeber, u. a. an Menachem Ussischkin, die aber vorläufig noch nichts Konkretes ergeben hatten, wie er Ende September Feiwel in Berlin wissen ließ.182 Im übrigen verschärften sich die Spannungen zwischen den in Berlin arbeitenden Besitzern der Firma. Ina Schimmer beschloß darum, ihr Arbeitsverhältnis beim Jüdischen Verlag per 31. Oktober 1903 zu kündigen. Die Gründe dafür sind in einem tiefen Zerwürfnis zwischen ihr und Ε. M. Lilien zu suchen. Der Streit nahm seinen Anfang während des Verlagsauftritts in Basel und 179 180

181

182

Vgl. Feiwel, Rundschreiben vom 22. Januar 1903 (wie oben, Anm. 155). Ina Schimmer an Martin Buber, 25. März 1903, in: Jewish National and University Library, Jerusalem, Ms. Var. 350.684. In einem Rundschreiben an die Mitinhaber des Verlages vom 5. September 1903 klagte Trietsch über Rechnungen im Gesamtbetrag von knapp über 3.000 - Mark, die bis Anfang Oktober zu bezahlen seien (vgl. ebd., Jerusalem, Ms. Var. 350.823). Vgl. The Letters and Papers of Chaim Weizmann (wie oben, Anm. 17), Vol. III, S. lOff. und 23f.

6. Innere Organisation und Struktur

57

eskalierte in den folgenden Wochen in Berlin. Lilien schien ihr vorgeworfen zu haben, sich nicht genügend um den Verlag zu kümmern, wie Ina Schimmer mehrmals in aller Ausführlichkeit an Buber schrieb, zu dem sie als einzigem noch Vertrauen hatte. Außerdem hatte Lilien bereits einige Wochen vor dem 6. Zionistenkongreß mit dem Gedanken gespielt, sich primär aus Gründen der Finanzlage, aber auch aus allgemeinem Desinteresse an der Leitung eines Buchverlages aus der Firma zurückzuziehen. Von Mitte Juni 1903 ist ein Vertragsentwurf erhalten, worin Trietsch vorschlug, daß Lilien sämtliche Originalzeichnungen des Buches Juda gegen Teilerlaß der von ihm noch geschuldeten Geschäftsanteile dem Verlag zur Verwertung überlassen solle.183 Obwohl sich Buber gegen diese Abmachung ausgesprochen hatte, vor allem weil er selbst dem Verlag ebenfalls sehr viel Geld aus der Zeit dessen Gründung schuldete, aber im Gegensatz zu Lilien keine materiellen Werte einbringen konnte, scheint der Vertrag hinter seinem und Feiwels Rücken abgeschlossen worden zu sein. Am 11. Oktober 1903 informierte Ina Schimmer Buber über die verschiedenen Vorfälle. Mit Lilien ist die Sache noch unklar. - Besser wäre, er wäre schon draußen. Mehr schädigen als jetzt, kann er nicht. [...] Den Anfang mit Lilien kennst Du ja von Basel aus. [...] Hier ging es dann weiter, erzählte - natürlich in meiner Abwesenheit - daß ich mich um nichts gekümmert hätte. [...] Zum Schluß meinte er, er werde nicht dulden, daß ich bleibe. [...] Kurz: Die Sache wurde so eklig und schmutzig, daß ich fühlte, daß ich mit diesem Menschen nicht zusammen sein könnte. [...] Daß Du Dich gegen den Vertrag gewendet hast, ist richtig, aber es ist immer noch besser, wir haben die Bilder als wir haben nichts. Und Du glaubst doch nicht, daß man von ihm auch nur einen Pfennig zurückerhalten wird. 184

Ina Schimmer hoffte, offenbar vergeblich, daß sich Davis Trietsch oder Berthold Feiwel für sie einsetzen würden. Trietsch verhielt sich in diesem Streit weitgehend neutral, stand aber weiterhin mit Lilien in freundschaftlicher Verbindung. Feiwels Gesundheitszustand hatte sich kurz nach seiner Rückkehr aus der Schweiz erneut verschlechtert, so daß er kaum mehr etwas für den Verlag tun konnte, wie Ina Schimmer im selben Brief lakonisch mitteilte.185 Sie selbst hatte sich stets bemüht, die dringendsten Probleme innerhalb des Verlages zu lösen, besonders dann, wenn Trietsch abwesend war. Verbittert und tief enttäuscht, zog sie sich aus dem Verlag zurück, im Wissen, daß dies zu einem für die Firma existentiell bedrohlichen Zeitpunkt geschehen würde. Mit diesen Gedanken Schloß sie ihr Schreiben an Buber.

183

184 185

Vgl. das nicht signierte Expose Treitschs, in: Jewish National and University Library, Jerusalem, Ms. Var. 350.684. Ina Schimmer an Martin Buber, 11. Oktober 1903, in: ebd., Ms. Var. 350.684. S. a. Feiwels ausfuhrlichen Brief an Victor Jacobson vom 30. Oktober 1903, in: Central Zionist Archives, Jerusalem, A 19/2. Darin vermerkte er kritisch und kurz: »Im Verlag ist ein sehr schweres Arbeiten.«

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II. Gründung und Frühphase in Berlin,

1902-1905

Ich kann darüber nicht reden, aber glaube mir, daß es schwerwiegende sind wenn all die Vorwürfe [!], die ich mir selber mache, daß ich den Verlag in dieser kritischen Zeit verlasse. Ich kann einfach nicht anders. [...] Glaub nicht, daß ich mir Dein Leben zu leicht vorstelle aber wer von uns hat seit Wochen auch nur eine frohe Minute gehabt und Widerwärtigkeiten sind auch hier. Wohin man blickt, kein Lichtschein. Aber ich will doch hoffen, daß es besser kommt. 186

Eine Woche nach Empfang dieses verzweifelten Briefes berichtete Buber Weizmann in Genf über die Lage im Verlag. Um die Streitigkeiten zu schlichten und um einen Ausweg aus den zwischenmenschlichen und finanziellen Problemen zu suchen, berief Trietsch eine Sitzung der Teilhaber des Verlages auf den 24. Oktober 1903 nach Berlin ein. Buber ließ Chaim Weizmann wissen: Lieber Chaim, da für den 24. eine wichtige Generalversammlung des Verlages (es haben sich dort, scheint es, alle mit allen verzankt und die Situation ist ganz unhaltbar) und am 25. eine ebenso wichtige der Orient-Colonisations Gesellschaft stattfindet [...]. 187

Die Sitzung selbst trug offenbar wenig zur Lösung der unterschiedlichen Probleme bei. Ina Schimmer konnte selbst von Buber nicht von ihrem Vorhaben, den Verlag zu verlassen, umgestimmt werden.188 Das gespannte Verhältnis zwischen ihr, Davis Trietsch und Ε. M. Lilien geht auch aus dem Abgangszeugnis für Ina Schimmer deutlich hervor. Obwohl sich Trietsch nie offen gegen sie ausgesprochen hatte, versuchte er anscheinend nicht, ihren Streit mit Lilien zu schlichten. Stark euphemistisch drückte sich der Geschäftsführer des Verlages im Zeugnis für Ina Schimmer vom 1. November 1903 aus, als er vermerkte, daß »sie heute - sehr gegen unseren Wunsch - uns verläßt.« Und »so möchten wir nicht unterlassen zu konstatieren, daß ihre großen und vielseitigen Fähigkeiten, verbunden mit der unbedingtesten persönlichen Zuverlässigkeit, Frl. Schimmer uns zu einer sehr lieben Mitarbeiterin gemacht haben«.189 Chaim Weizmann war nur mehr teilweise über die Verhältnisse im Verlag informiert. Noch am 19. November 1903 schrieb er Ina Schimmer nach Berlin, offensichtlich in Unkenntnis, daß sie die Stelle bereits aufgegeben hatte.190 Als Reaktion auf eine nicht erhaltene Antwort von Ina Schimmer, worin sie über ihre Kündigung berichtet haben muß, schrieb ihr Weizmann eine Woche später eine Postkarte, in der er in markigen Worten seine Ansicht über den Verlag, die »Demokratische Fraktion« und über die eigenen engen Mitstreiter, Bertold Feiwel und Martin Buber, kund tat. Die Vertrautheit Weizmanns mit Ina Schimmer und sein jetziges Wissen, daß sie aus dem Jüdischen Verlag ausgeschieden war, erlaubte ihm, in unüblicher Offenheit seine Gedanken zu äußern. 186

187 188 189

190

Brief Ina Schimmers an Buber vom 11. Oktober 1903, in: Jewish National and University Library, Jerusalem, Ms. Var. 350.684. Schreiben Bubers an Weizmann vom 24. Oktober 1903, in: ebd., Ms. Var. 350.877. Von dieser Sitzung scheint kein Protokoll erstellt worden zu sein. Zit. nach dem Zeugnis vom 1. November 1903, in: Central Zionist Archives, Jerusalem, A 110/1. Vgl. The Letters and Papers of Chaim Weizmann (wie oben, Anm. 17), Vol. m , S. 125.

6. Innere Organisation und Struktur

59

Liebe Ina! [...] Kommen Sie mit den unseren noch zusammen? Allmählich gerät alles in eine solche Zerfahrenheit, daß einem ganz der Mut sinkt. [...] Ich gebe mir die größte Mühe, das schwer zusammengebrachte noch zu halten, aber Gott - das Menschenmaterial ist zerfetzt und zerfressen. Jeder geht mit so viel eigener »Zores« herum, daß von ihm für die Sache nichts übrig bleibt. Berthold scheint mir in einer Verfassung zu sein, bei welcher man nichts thun kann. [...] Martin vergißt den einen Tag, was er den anderen geschrieben hat und so stockt alles; unnütze Energie wird darauf verwendet und verschwendet um die kleinste Kleinigkeit ins Werk zu setzen. [...] Ich habe es schon satt, aber was thun? 191

Ein wichtiger Grund dafür, daß Ina Schimmer ohne Widerstände seitens Trietsch aus dem Arbeitsverhältnis entlassen wurde, waren dessen private und in den meisten Fällen eigenmächtigen Bemühungen, endlich zusätzliches Kapital für den Verlag zu gewinnen. Von Weizmann in der Schweiz waren, besonders nach Feiwels Rückkehr nach Berlin, kaum mehr Gelder zu erwarten. Im übrigen ging er, zumindest innerlich, vom Kreis rund um den Verlag zunehmend auf Distanz, wie obiges Schreiben unterstreicht. Dies hing offensichtlich eng damit zusammen, wie Ina Schimmer durch Lilien und mit stillschweigendem Einverständnis Trietschs aus dem Jüdischen Verlag hinausgeekelt worden war. Mit gleicher Post schickte er an Feiwel einen geharnischten Brief, worin Weizmann erklärte, sich in keiner Weise mehr für den Verlag einsetzen zu wollen. Gegenüber Buber drückte er sich am 27. November 1903 ähnlich aus.192 Martin Buber bat in dieser Zeit mehrmals um Darlehen des Verlages zum Bestreiten seines privaten Lebensunterhaltes, so daß auch von ihm, genauso wie von Lilien, keinerlei Mittel erwartet werden konnten. Trietsch reiste im Herbst 1903 mehrere Male in dieser Angelegenheit nach Breslau, wie Ina Schimmer in ihren Briefen an Buber berichtete.193 Trotz scheinbar erfolgversprechender Gespräche mit interessierten Kapitalgebern aus dieser Stadt, konnte bis Ende Oktober 1903 kein Ausweg gefunden werden, was Ina Schimmer bewog, Buber in aller Deutlichkeit mitzuteilen: Du kannst Dir denken, daß eine Liquidierung des Verlages für Alle eine Erlösung wäre. Aber es ist unmöglich und nun heißt es, einen Ausweg finden. Zwei Verhandlungen wegen Beteiligung sind resultatlos geblieben und nun heißt es weitersuchen nach einem Compagnon. 194

Ende 1903 scheint sich eine neue Lösung angebahnt zu haben, die aber aus unklaren Gründen ebenfalls nicht verwirklicht werden konnte. In einem Brief vom 12. Dezember 1903 teilte Trietsch Martin Buber mit, daß die Mutter eines nicht näher bekannten Herrn Jacob das benötigte Kapital in den Verlag einzu191

Brief Weizmanns an Ina Schimmer vom 26. November 1903, in: Central Zionist Archives, Jerusalem, A 110/110. 192 Ygj j j j e Letters and Papers of Chaim Weizmann (wie oben, Anm. 17), Vol. III, S. 142f. und 144f. 193 S. a. das Rundschreiben Trietschs vom 5. September 1903, in: Jewish National and University Library, Jerusalem, Ms. Var. 350.823. 194 Brief Ina Schimmers an Buber vom 11. Oktober 1903 (wie oben, Anm. 186).

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II. Gründung und Frühphase in Berlin,

1902-1905

bringen gewillt sei. Die Verhandlungen zwischen Trietsch und Jacob hatten zu diesem Zeitpunkt offenbar bereits ein fortgeschrittenes Stadium erreicht. Neben Fragen über das Gehalt für die Mitarbeit des Herrn Jacob im Verlag wurden auch weitreichende Absprachen über die zukünftige Zusammenarbeit in Verlagsfragen getroffen, wie Trietsch Buber mitteilte. Über redactionelle Angelegenheiten des Verlages entscheiden wir, über finanzielle Jacob. Gegenseitiges Vetorecht. [...] Die anderen Fragen können zwischen Herrn Jacob und mir erledigt werden, u. z. in einer auch Sie bindenden Weise. [...] Lilien kennt die Sache genau und ist mit meinen Ansichten und Schritten einverstanden. Sie werden fragliches von dort aus nicht so beurteilen können. 195

Weder Buber noch Feiwel waren vorher über Details dieser Absprache informiert worden, was deren heftigen Widerstand hervorrief und den Abschluß des Vertrages mit Herrn Jacob verhinderte. In der Folge beschäftigte Trietsch für die alltäglichen Arbeiten im Verlag mehrere Personen aus seinem Freundesund Bekanntenkreis, die sich in rascher Folge abwechselten. Ganz im Gegensatz zu Ina Schimmer war aber niemand aus dieser Gruppe fähig, den kritischen Zustand und die ernste Lage der Firma zu erkennen oder etwas dagegen tun zu können. Im übrigen fehlte diesen Personen auch das Vertrauen und die persönliche Bekanntschaft mit Martin Buber und Chaim Weizmann, von welchem am ehesten noch mit einigen bescheidenen Zuwendungen für die marode Firma zu rechnen war - und dies trotz seiner wachsenden Abneigung gegen Trietsch und Lilien. Chaim Weizmann bemühte sich im Januar 1904 tatsächlich ein weiteres Mal, von Ussischkin Gelder aus Rußland fur den Verlag zu bekommen, was schließlich gelang.196 Damit konnte der drohende Konkurs der Firma einmal mehr in letzter Minute abgewendet werden.

7. Finanzielle und strukturelle Krise des Jüdischen Verlages

Zu Beginn des Jahres 1904 lag eine bescheidene Zahl weiterer Verlagswerke vor. Die meist kleineren Arbeiten ergänzten die seit Sommer des Voqahres erschienenen größeren Bücher, Junge Harfen, Jüdische Statistik, Jüdische Künstler und Die Juden als Rasse. Die 1902 von Alfred Nossig gegründete und Anfang 1903 in den Jüdischen Verlag überführte Zeitschrift Palcistina, nun redigiert von Trietsch, konnte ebenfalls als fertiger Jahresband angeboten werden. Dies bedeutete, daß endlich die Mehrzahl der Subskribenten, die teilweise bereits im Dezember 1901 Geld eingezahlt hatten, nach zwei Jahren ihre Gut195

Schreiben Trietschs an Buber vom 12. Dezember 1903, in: Jewish National and University Library, Jerusalem, Ms. Var. 350.823. 196 Ygj The Letters and Papers of Chaim Weizmann (wie oben, Anm. 17), Vol. III, S. 200 und 206f.

7. Finanzielle und strukturelle Krise des Jüdischen

Verlages

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haben aufgebraucht hatten. Der Jüdische Verlag konnte dank der attraktiven Bücher darauf zählen, daß trotz der Verspätungen nun neue Subskriptionen gezeichnet würden. Diese dringend benötigten Gelder ermöglichten, zusammen mit den Mitteln, die Weizmann organisiert hatte, eine Weiterarbeit des Verlages. Bereits im September 1903 wies Davis Trietsch in einem Rundschreiben an die Mitinhaber daraufhin, das Verlagsprogramm für 1904 müsse zusammengestellt werden. Im Wissen um die Verzögerungen bei der Produktion der Ende 1901 angekündigten Bücher der ersten Subskriptionsreihe, mahnte Trietsch zur Zurückhaltung. Neue Subscriptionsbasis. Wir sollten fur die Subscription 1904 eine kleine Übersicht (unverbindlich) der zu erwartenden Bücher geben - ich bin aber sehr gegen eine überstürzte Zusammenstellung, die uns nur Verpflichtungen und Unannehmlichkeiten verursachen würde. 197

Süffisant vermerkte Davis Trietsch im gleichen Schreiben bezüglich der erfolgreichen ersten großen Verlagsproduktion: Der Neue Almanach. Ich werde freundschaftlich aufmerksam gemacht, daß ein Almanach ein Jahrbuch ist, und daß ein Jahrbuch jährlich erscheinen soll. Wie weit hält Feiwel? Er war im Mai [1903] ungeduldig als Briefbogen mit Almanach-Aufdruck nicht schnell genug geliefert wurden. Wann soll der neue Almanach herauskommen?198

Ein jährlich herausgegebener Almanach hätte dem Jüdischen Verlag tatsächlich ein prägnantes Profil verleihen können. Aus finanziellen Gründen, wegen der weiterhin gereizten Stimmung der Inhaber untereinander sowie den diversen Nebenbeschäftigungen der Mitarbeiter konnte davon aber keine Rede mehr sein. Der Almanach 5663 erschien im Laufe des Jahres 1904 in massiv veränderter Neuausgabe als Jüdischer Almanach schlechthin, wie in Kapitel Π/9 gezeigt wird. Ein gemeinsam erarbeitetes Verlagsprogramm fur 1904 konnte vorläufig gar nicht vorgelegt werden. Im Laufe des Jahres wurden neben der Neuausgabe des Almanachs lediglich ein umfangreicher Novellenband von Heinrich York-Steiner und eine kleine Schrift von Salomon Schechter publiziert.199 Die Schulden konnten nur zum geringsten Teil abbezahlt werden, aber die limitierte Verlagsproduktion begrenzte immerhin das Anwachsen zusätzlicher finanzieller Verpflichtungen. Neben diesem Dauerproblem, gerieten die persönlichen Beziehungen der Inhaber in den ersten Monaten des Jahres 1904 vollends außer Rand und Band. Bereits zu Beginn des Jahres hatten sich massive Spannungen zwischen Buber und 197

198 199

»Circularbrief« Trietschs vom 5. September 1903, in: Jewish National and University Library, Jerusalem, Ms. Var. 350.823. Ebd. Der Sammelband von York-Steiner, Der Talmudbauer, faßte in wesentlichen Teilen bereits früher publizierte Texte zusammen. Die klischeehafte, aber nicht unbedeutende Titelerzählung, in den frühen Kolonien Palästinas spielend, erschien zuerst in Fortsetzungen in Nr 35 bis 51 des 3. Jg. der Welt, 1899. Auszüge aus York-Steiners »Mutter Eva« und »Anti« wurden im Band als »Mater Dolorosa«, resp. »Croccolo's Synagoge« neu aufgelegt.

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II. Gründung und Frühphase in Berlin,

1902-1905

Weizmann aufgebaut. Bubers wiederholtes Drängen, daß sich Weizmann um Gelder fur den Verlag kümmern möge, verärgerten letzteren offensichtlich, besonders nach der Episode mit Ina Schimmer. Wie oben erwähnt, war es Weizmann ein weiteres - und wie sich zeigen sollte, letztes - Mal möglich, Geld nach Berlin zu überweisen. Postwendend monierte Buber am 9. Februar 1904 bei Weizmann schriftlich, ursprünglich sei ein größerer Betrag versprochen worden sei, und forderte den Adressaten auf, dringlichst weitere Mittel aufzutreiben. Was die Geldsache selbst betrifft, so war es mein Ansuchen - von einer wahrhaft qualvollen Situation diktiert - doch wohl nicht unmäßig, da Du ja dem Verlag ursprünglich 1500 Francs zugesagt hast. [...] Solltest Du es nicht tun wollen, so könntest Du doch wenigstens Klarheit schaffen. Auch jetzt noch bitte ich Dich um einfachen Bescheid. 200

Dieser Brief Bubers blieb unbeantwortet, und Chaim Weizmann entzog sich darauf des Kontakts mit den vier Verlagsinhabern fast gänzlich. Außerdem hatte der Zionist und Chemiker aus privaten und wissenschaftlichen Gründen seit längerem beabsichtigt, die Schweiz zu verlassen: Im Sommer 1904 übersiedelte Chaim Weizmann nach England, was ihn auch geographisch weiter vom Jüdischen Verlag weg bewegte. Martin Buber seinerseits hatte bereits gegen Ende 1903 im Stillen den Entschluß gefaßt, fur unbestimmte Zeit seine gesamten zionistischen Tätigkeiten aufzugeben und sich somit auch als aktiv Mitarbeitender aus dem Jüdischen Verlag zurückzuziehen. Sein väterlicher Freund, Rabbiner Marcus Ehrenpreis, monierte Bubers Entscheidung und versuchte, ihn zu Beginn des Jahres 1904 noch einmal umzustimmen.201 Im Februar relativierte Buber in einem Brief an Ehrenpreis seine ursprüngliche Aussage, sich vollständig zurückziehen zu wollen, und äußerte sich auch über sein Verhältnis zum Jüdischen Verlag. Ich habe nicht »meine Demission gegeben«, sondern mir einen Urlaub zu eigener Arbeit genommen: zu einer stillen, unkonventionellen und dynamischen Arbeit, die mir gegenwärtig not tut. Über meinem Entschlüsse stand und steht das »bis auf weiteres«. Der Zionismus hat mich zersplittert; nun kommt es darauf an, mich zu sammeln. [...] Aber der »Jüdische Verlag« wird unter derselben Leitung wie bisher fortbestehen, nur habe ich meine Tätigkeit an ihm auf das Mindestmaß eingeschränkt, zu dem eben ich unentbehrlich bin. 202

200

201

202

Schreiben Bubers an Weizmann von 9. Februar 1904, in: Jewish National and University Library, Jerusalem, Ms. Var. 350.877. Vgl. die Briefe von Buber an Ehrenpreis vom 29. Dezember 1903, in: ebd., Are 4° 672/7 und Ehrenpreis an Buber vom 3. Januar 1904; wieder in: Buber, Briefwechsel (wie oben, Anm. 22), Bd 1, S. 225f. Obwohl nur acht Jahre älter als Buber, bestand zwischen den beiden ein über viele Jahre dauerndes Vertrauensverhältnis, das, wie die zum größten Teil unveröffentlichten Briefe zeigen, durchaus den oft arg strapazierten Begriff »väterlicher Freund« zuläßt. Brief Bubers an Ehrenpreis vom 18. Februar 1904, in: Jewish National and University Library, Jerusalem, Are 4° 672/7.

7. Finanzielle und strukturelle Krise des Jüdischen Verlages

63

Auch der Verlagsleiter, Davis Trietsch, hielt sich immer seltener in Berlin auf. Seine Auseinandersetzung mit Herzl auf dem 6. Kongreß über das »ElArish-Projekt« und die Arbeit in der von ihm gegründeten »Jüdischen Colonisations-Organisation« führten ihn auf regelmäßige Reisen nach Großbritannien und Zypern. 203 Um die wenigen unbedingt zu erledigenden Tagesgeschäfte im Verlag kümmerte sich immer mehr, nolens volens, Berthold Feiwel. Ε. M. Lilien hielt sich, wie bereits in den vergangenen Jahren, auf Distanz zur Firma. Neben seiner intensiven Arbeit als Illustrator, bewogen ihn private Beziehungen ebenfalls häufig Berlin zu verlassen. 204 Besser als sämtliche anderen Belege illustriert ein ausfuhrlicher Brief Liliens an Berthold Feiwel vom 6. Juni 1904 die chaotischen Verhältnisse im zu diesem Zeitpunkt quasi inaktiven Jüdischen Verlag. 205 Lieber Toldi! Der Grund meines heutigen Schreibens - ich sehe, daß Du dich wunderst, daß ich schreibe - ist das Geschäft und das Vergnügen. Zuerst natürlich das Geschäft. Du weißt, wie wenig in dem letzten V* Jahr ich mich darum geschert habe. Ich wollte Euere Arbeit nicht stören. Von Zeit zu Zeit kam ich, um nachzusehen, ob vielleicht schon ein neuer Almanach oder ein neues Künstlerbuch erschienen ist aber es ist keins erschienen; im Verlag war es zu langweilig und da kam ich immer seltener, bis unbestimmte Gerüchte meiner Nachbarn mich veranlaßten, öfters in den Verlag hinein zu gucken. Ich hörte, daß der Verlag ein Schlafhotel und eine Küche geworden ist. [...] Jedesmal wenn ich in den Verlag kam, fand ich einen anderen Herren: Der erste hieß Lesser, der zweite Posnanski, der dritte war eine Frau und hieß Thomaschewski. Alles waren Vertreter von Trietsch. Alle machten sich breit und taten, was sie wollten. [...] In aller Form legitimierte ich mich als Mitinhaber des Verlages und forderte Herrn Posnanski auf, zu verschwinden oder sich als Vertreter Trietschs zu legitimieren. Er tat nur ein Drittes, d. h. er machte Skandal. Gutes Zureden half nichts, Portierfrau, Hausherr u. s. w. half alles nichts. Die Polizei hat Herrn Posnanski abgeholt, seine Persönlichkeit festgestellt und nun kann er sich in Moabit 206 mit Trietsch nachträglicher Legitimation verantworten. [...] Unser verehrter Geschäftsführer ist in Cypern oder irgendwo. Er ist fort ohne Sitzung einzuberufen und einen ordentlichen Vertreter zu lassen. Die Beschlüsse des Verlages sind nicht einmal auf dem Papier. Lieber Told: Du hast genug und ich habe es auch 2 0 7 Im Gegensatz zu Trietsch, Feiwel und Buber blieb Lilien in Kontakt mit Herzl, der dessen künstlerisches Schaffen trotz seines Mitwirkens in der »Demokrati-

203 Ygj Encyclopaedia Judaica (wie oben, Anm. 12), Bd 6, Sp. 565 zum »El-ArishProjekt« und Bd 15, Sp. 1394 zur »Jüdischen Colonisations-Organisation«. 204 y g j Lüien, Briefe an seine Frau (wie oben, Anm. 56), S. 12. 205 Dieses Schreiben findet sich als Abschrift im Nachlaß von David Wolffsohn und dürfte dessen spätere Aktivitäten zur Rettung der Firma maßgeblich beeinflußt haben. Bei der Abschrift haben sich wohl die zahlreichen Rechtschreib- und Interpunktionsfehler eingeschlichen, die in den zitierten Passagen stillschweigend korrigiert worden sind. 206 Polizei- und Untersuchungsgefängnis im Nordwesten Berlins. 207 Brief Liliens an Feiwel vom 6. Juni 1904, Abschrift in: Central Zionist Archives, Jerusalem, W 57 II.

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IL Gründung und Frühphase in Berlin,

1902-1905

sehen Fraktion« sehr schätzte. 208 Wenige Tage nach den Zwischenfällen am 5. Zionistenkongreß dankte Herzl Lilien für die Übersendung der Photographie, die den Präsidenten der Bewegung auf einem Balkon des Basler Hotels »Drei König« zeigt. Herzl schloß sein Schreiben mit der Bemerkung, Lilien sei der »liebenswürdigste Krakehler«. 209 Ob der Tod Herzls am 3. Juli 1904 den Entschluß Liliens, sich aus dem Verlag ganz zurückzuziehen und eigene Wege zu beschreiten, noch verstärkt hat, kann weder belegt noch ausgeschlossen werden. Jedenfalls tat Lilien noch im gleichen Monat diesen Schritt und übertrug seine Gesellschaftsanteile am Verlag an Feiwel. Am 29. Juli 1904 erschienen Berthold Feiwel und Ε. M. Lilien beim Berliner Notar Oskar Ehrlich, um das Ausscheiden des Künstlers als Teilhaber des Jüdischen Verlags juristisch zu beurkunden, womit Feiwel »in die Rechte und Pflichten des Herrn Lilien« eintrat, wie der Akte zu entnehmen ist. 210 Ob es sich dabei um einen Verkauf oder eher um eine Übertragung von Schulden auf Feiwel gehandelt hat, läßt sich in Zahlen nicht belegen. Allerdings ist gänzlich ausgeschlossen, daß der nicht vermögende Feiwel in der Lage gewesen wäre, Lilien einen größeren Barbetrag auszuzahlen. Nach dem Ausscheiden eines der vier Gründer befand sich der Jüdische Verlag nun zu 50 % im Besitz von Berthold Feiwel; Buber und Trietsch waren zu je 25 % daran beteiligt. Abgesehen davon, daß Feiwel während dieser Zeit den Verlag bereits faktisch geleitet hatte, lag es nun in seinem eigenen Interesse, die ihm zur Hälfte gehörende Firma wieder aktiver werden zu lassen. Weil Buber in der Zwischenzeit nach Berlin gezogen war und Trietsch, falls nicht auf Reisen, ebenfalls am Verlagssitz wohnte, wurden die Beschlüsse der Firma nur in den seltensten Fällen schriftlich festgehalten. Feiwel bemühte sich im Sommer 1904, eine beachtliche Zahl neuer Bücher fertigzustellen, die dem Verlag wieder Schwung verleihen sollten. Kurz vor dem jüdischen Neujahrsfest im September 1904 wurde ein doppelseitiger Prospekt hergestellt, der zur neuen Subskription für die kommenden zwölf Monate einlud.211 Neben den älteren Verlagswerken, einschließlich der angeblich letzten Exemplaren des Almanachs 5663 sowie einer Luxusausgabe von Jüdische Künstler in Mappenform, kündigte der Verlag nicht weniger als elf Neuerscheinungen an, von denen dann allerdings lediglich vier erscheinen sollten.212 Neu war, daß sich der Jüdische Verlag auch intensiver um den Ver208 vgl. Alfred Werner: The Tragedy of Ephraim Moses Lilien. In: Herzl Year Book. Essays in Zionist History and Thought 2 (1959), S. 92-112. Hier S. 102ff. Der Beitrag enthält im übrigen eine Fülle falscher Behauptungen sowie anhand der Akten nicht belegbare Einschätzungen über die Rolle Lilien. 209 Zit. nach dem Schreiben Herzls an Lilien vom 10. Januar 1902, in: Theodor Herzl: Briefe und Tagebücher. Hg. von Alex Bein, Hermann Greive, Moshe Schaerf und Julius H. Schoeps. 7 Bde, Berlin, Frankfurt a. M., Wien: Propyläen 1983-1996, Bd 6 (1993), S. 420. 210 Zit. nach der Notariatsakte vom 29. Juni 1904, in: Central Zionist Archives, Jerusalem, Ζ 3/1066. 211 Original des Prospektes im Besitz des Verfassers. 212 Die überarbeitete Neuauflage des Almanachs nicht mitgezählt.

7. Finanzielle und strukturelle Krise des Jüdischen

Verlages

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trieb von Büchern aus anderen Verlagen bemühte. Im Prospekt wurden, aus aktuellem Anlaß, Theodor Herzls Schriften, aber auch der Baedeker-Reiseführer für Palästina sowie Ansichtskarten des Landes angeboten. »Die BuchhandlungsAbteilung des Jüdischen Verlages empfiehlt sich für den Bezug aller Werke jüdischen und nichtjüdischen Inhalts«, wurde dabei selbstbewußt festgehalten.213 Der Absatz nach Rußland, »wo es an organisierter Bezugsmöglichkeit besonders im jüdischen Ansiedlungsrayon« fehlte, scheint recht erfolgreich gewesen zu sein.214 Nachdem seit längerer Zeit keine Inserate mehr in der jüdischen Presse aufgegeben worden waren, unternahm Feiwel auch in dieser Hinsicht einen neuen Anlauf. In der ersten Nummer der Welt von 1905 erschien eine Anzeige, die zwar nicht auf die neue Subskription, aber auf die im Verlag erscheinenden oder durch diesen vertriebenen Periodika hinwies.215 Noch im Dezember 1904 hatte Berthold Feiwel einen neuerlichen und fast schon verzweifelt erscheinenden Versuch zur Sicherung dringend benötigter finanzieller Mittel für den Verlag unternommen. In einem ausführlichen »Expose betreffend die Reorganisation der Gesellschaft mit beschränkter Haftung, Jüdischer Verlag, Berlin« betitelten Papier, suchte er namens der maroden Firma nach neuem Kapital. Das angeblich »einer kleinen Zahl von Persönlichkeiten in Deutschland, Österreich und Rußland« zugeschickte Papier hielt Sinn und Zweck des Verlages fest und bestätigte außerdem, daß die GmbH ohne jegliche in bar eingezahlte Gelder gegründet worden war.216 Basierend auf einer dem Expose beigefugten handschriftlichen Inventarliste hielt Feiwel fest, die materiell vorhandenen Werte in Form nicht verkaufter und gegenüber dem Verkaufspreis um 45 % abgeschriebener Bücher des Jüdischen Verlages überstiegen sämtliche Verbindlichkeiten der Firma um ungefähr 8.000 Mark. 217 Dies garantiere, daß der Verlag seine Arbeit weiterführen könne, sofern diesem freilich neues Kapital zur Verfügung gestellt werde. Daher wurde um die Zeichnimg neuer Anteile zu jeweils 1.000 Mark eingeladen. Neben einer ideellen Unterstützung des Unternehmens, solle zusätzlich aus der Mitte der Obligationäre eine Person bestimmt werden, die in der Form eines Aufsichtsrats die Geschäftsführung des Verlages dauernd überprüfe. Das Schreiben Schloß mit der Hoffnung, daß sich der Jüdische Verlag »in Zukunft - von den Agenden mehr geschäftlicher Natur entlastet - in höherem Maße den geistigen und kulturellen Zwecken des Instituts« werde zuwenden können.218 213 214

215 216

217

218

Zit. nach dem erwähnten doppelseitigen Prospekt (s. vorletzte Anm.). Zit. nach dem Expose Feiwels von Dezember 1904, in: Central Zionist Archives, Jerusalem, A 104/65. Die Welt, 9. Jg (1905), Nr 1, S. 18. Eine Kopie dieses Dokuments findet sich im Nachlaß Davis Trietschs, in: Central Zionist Archives, Jerusalem, A 104/65. Es spricht aber nichts dafür, daß er mit der Abfassung des Textes etwas zu tun gehabt hätte. Siehe auch Kapitel II/5. Diese Liste ist daher besonders wichtig, da diese Auskunft über die Auflagenhöhe einiger der frühen Publikationen des Jüdischen Verlages gibt. Zit. nach dem Expose vom Dezember 1904, in: Central Zionist Archives, Jerusalem, A 104/65.

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II. Gründung und Frühphase in Berlin, 1902-1905

Einer der Empfänger dieses Schreibens war David Wolffsohn, der aber darauf nicht sofort reagierte, sondern vorerst diskrete Abklärungen in Berlin treffen ließ, wie im folgenden Kapitel beschrieben wird. Feiwels intensivierte Bemühungen fur den Jüdischen Verlag änderten daher und des auch sonst fast gänzlich ausbleibenden Echos wegen vorläufig nichts an der Tatsache, daß die Firma weiterhin mit enormen Finanzproblemen zu kämpfen hatte. Mittels einer par force Leistung versuchte Feiwel, den Verlag durch zahlreichere und attraktive Neuerscheinungen zu retten. Weit zurückliegende Rechnungen, besonders der Buchdruckerei »Pass & Garleb«, blieben aber weiterhin unbezahlt. Diese Drukkerei, welche fast alle bisherigen Bücher des Verlages hergestellt hatte, war daher nicht länger willens, zusätzliche Aufträge ohne verbindliche Garantien anzunehmen. Im Fall der überaus wichtigen Essaysammlung von Achad Ha'am, Am Scheidewege, dessen Manuskript seit Ende 1904 druckfertig vorlag, ging Feiwel einen anderen Weg. Um das bereits in der ersten Subskription von 1901 angekündigte Buch fertigstellen zu können, wich er für den Druck auf die Firma »M. DuMont-Schauberg« in Straßburg aus. Die Initiative dazu ging vom dortigen Buchhändlerehepaar Josef und Ulli Singer aus. In Zusammenarbeit mit dem befreundeten Übersetzer Israel Friedlaender besorgten Singers die Korrekturen, überwachten die Drucklegung und trugen schließlich die halben Druckkosten selbst. Daher schlug Josef Singer eine Druckerei an seinem Wohnort vor. 219 Trotz der vielversprechenden Neuerscheinungen des Frühjahres 1905 verschlimmerte sich die Lage des Verlages von Woche zu Woche, da die Umsätze hinter den Erwartungen zurückblieben. Abhilfe und tiefgreifende Änderungen für die Firma ergaben sich durch glückliche Umstände in Zusammenhang mit vorerwähntem Expose und der ambitiösesten aller von Berthold Feiwel geplanten Neuerscheinungen: Der ersten Gesamtausgabe von Theodor Herzls Schriften.

8. Die Rettung des Jüdischen Verlages durch die Intervention David Wolffsohns

Nach dem Ableben Theodor Herzls im Juli 1904 wurde ein Konsortium eingesetzt, das sich im Namen der Familie um seinen Nachlaß kümmern sollte. Dieses bestand aus Joseph Cowen (London), Johann Kremenetzky und Moritz Reichenfeld (beide Wien) sowie David Wolffsohn (Köln). Die vier Personen aus Herzls nächstem Freundes- und Mitarbeiterkreis schlossen am 3. Januar 1905 einen Vertrag mit Leon Kellner über die Herausgabe von Herzls zionistischen Schrif219

Vgl. Dokument über den Jüdischen Verlag, S. 1, in: ebd., W/156 sowie Israel Friedlaender: Vorwort des Übersetzers. In: Achad Ha'am: Am Scheidewege. Ausgewählte Essays. Berlin: Jüdischer Verlag o. J. [1905], S. VII-XVII, hier S. XVI, Anm. 1 und Kapitel II/9.

8. Die Rettung des Jüdischen Verlages durch die Intervention David Wolffsohns

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ten. Kellner erhielt gemäß Paragraph III des Abkommens vom Konsortium die Vollmacht, sich betreffend der Publikation an einen Verlag seiner Wahl zu wenden. 220 Kellner hatte bis Sommer 1900 die Redaktion der Welt in Wien geleitet. Aus gesundheitlichen Gründen mußte er sein Amt niederlegen, das dann von Bertold Feiwel übernommen worden war. 221 Auf diese Zeit geht die Freundschaft der beiden zurück. Als Kellner nun einen Verlag fur das geplante Buch suchen mußte, fiel seine Wahl auf den von Feiwel geleiteten Jüdischen Verlag. Zudem hatten sowohl Cowen als auch Wolffsohn zu den ersten Zeichnern von Anteilen am Garantiefonds des Verlages gehört, so daß diese möglicherweise Kellner ebenfalls nahe legten, diesen Weg zu beschreiten. 222 Berthold Feiwel seinerseits realisierte, daß damit ein Buch gemacht werden konnte, das auf große Resonanz und Akzeptanz stoßen würde. Die in Exkurs 1 geschilderten Bemühungen, schon vor dem Druck einen beträchtlichen Teil der Kosten abzusichern, blieben aber wenig erfolgreich. Feiwel hatte sich durch seine gegen außen sichtbaren Vorarbeiten aber zumindest moralisch verpflichtet, das Projekt auszufuhren. Wenn das Buch mit den zionistischen Schriften Theodor Herzls nicht fertiggestellt worden wäre, hätte dies nicht nur dem Jüdischen Verlag sowie dem Herausgeber Leon Kellner, sondern dem Ansehen und Ruf der Zionistischen Organisation insgesamt geschadet. Durch den Briefwechsel zwischen Feiwel und David Wolffsohn im Frühjahr 1905 über Photographien und Autographen, die dem Buch beigegeben werden sollten, entwickelte sich allmählich eine persönliche Beziehung der beiden höchst unterschiedlichen Charaktere. 223 Der durch die angespannte Lage verunsicherte und zuweilen verzweifelte Feiwel fand im Kölner Kaufmann David Wolffsohn einen anfanglich verständnisvollen, langmütigen Ansprechpartner, der zudem über die finanziellen Sorgen der Firma spätestens durch das Ende 1904 verfaßte Papier informiert war. Nachdem Kellner von den Problemen der Firma ebenfalls erfahren hatte, riet dieser Feiwel, sich über Fragen der Zukunft des Verlages an Wolffsohn zu wenden. Am 14. April 1905 schrieb ihm Feiwel erstmals darüber. Der Ton des Briefes unterstreicht, wie dramatisch die Situation für ihn und den Jüdischen Verlag geworden war. Sehr geehrter Herr Wolffsohn, Professor Kellner verständigte mich von Ihrer frdl. Bereitwilligkeit, mir in der Angelegenheit der Übernahme des Jüdischen Verlages an die Hand gehen zu wollen. Ich bin Ihnen schon für die ausgesprochene Bereitwilligkeit sehr dankbar. Ich möchte Sie aber - obwohl die Angelegenheit sehr aktuell ge220

221

222 223

Abschrift des Vertrages vom 3. Januar 1905, in: Central Zionist Archives, Jerusalem, ΗΝ XIII/2. Herzl selbst hatte in seinem allgemeinem Testament vom 23. Mai 1900 Leon Kellner als Herausgeber vorgeschlagen (vgl. Theodor Herzl Jahrbuch. Hg. von Tulo Nussenblatt. Wien: Heinrich Glanz 1937, S. 298f., sowie Exkurs 1). Vgl. Paula Arnold: Leon Kellner. In: Herzl Year Book. Essays in Zionist History and Thought 2 (1959), S. 171-183, hier S. 179. Vgl. Kapitel II/3. Aus Kostengründen wurden im Buch schließlich keine Dokumente als Faksimile wiedergegeben.

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II. Gründung und Frühphase in Berlin,

1902-1905

worden ist und eine allernächste Entscheidung fordert - nicht auf diesem Wege mit langen Ausführungen in Anspruch nehmen. Es war schon vor meiner - eigentlich unerwarteten - Unterredung mit Prof. Kellner meine Absicht gewesen, Sie persönlich um Ihren Rat, evtl. Ihre Mithilfe zu bitten. Prof. Kellner, dessen freundschaftliche Gesinnung für mich ich nicht dankbar genug anerkennen kann, bestärkte mich in dieser Sache. Ich möchte Sie demgemäß bitten, mir, sobald Sie aus London zurück sind, und möglichst recht bald eine Zeit und einen Ort zu bestimmen für eine Besprechung der Angelegenheit - natürlich so, daß ich Ihnen dabei keine zu großen Störungen bereite. 224

Ein Treffen zwischen Wolffsohn und Feiwel fand ungefähr zehn Tage später in Köln statt, wie Feiwel am 27. April mitteilte.225 Anläßlich dieser Begegnung bekundete Wolffsohn reges Interesse, sich nach Möglichkeit fur den Verlag und damit das Erscheinen des Herzl-Buches einzusetzen. Der Kölner Kaufmann beauftragte den bereits erwähnten, in Berlin als Notar tätigen Arthur Hantke, in seinem Auftrag mit Feiwel klärende Gespräche über den Jüdischen Verlag zu führen. Hantke kannte Wolffsohn durch deren gemeinsame Teilnahme an mehreren Zionistenkongressen und galt schon zu jener Zeit als einer der angesehensten Persönlichkeiten der zionistischen Bewegung in Berlin. In privatem Briefwechsel diskutierten Hantke und Wolffsohn seit Herzls Tod intensiv, wie die Zukunft der Bewegung gestaltet und die divergierenden Interessen innerhalb des Zionismus in geordnete Bahnen geführt werden könnten.226 Der Anwalt war jedoch auch mit den Besitzern des Jüdischen Verlages persönlich bekannt. Bereits im März 1902 wurde er von diesen, zusammen mit Leo Motzkin, zu einer »wichtigen Besprechung« eingeladen, in deren Folge sich beide um Gelder für den Verlag kümmerten.227 Am 30. April und 1. Mai 1905 fanden erste Treffen zwischen Hantke und Feiwel statt, über deren Ergebnisse beide getrennt Wolffsohn berichteten.228 Es stellte sich heraus, daß der Verlag der Druckerei »Pass & Garleb« ungefähr 25.000 Mark, davon 3.000 Mark aufgelaufene Zinsen, schuldete. Davon hätten bis zum 1. Mai des Jahres mindestens 10.000 Mark durch den Verlag bezahlt werden müssen, aber, wie Hantke mitteilte: »Baare Mittel für diese Zahlung sind nicht vorhanden. [...] Es fragt sich nun, ob der Jüdische Verlag lebensfähig ist.«229 Hantke unterbreitete Wolffsohn im folgenden einen Vorschlag, wie die verworrene Situation gelöst werden könne: Als erstes müßten die Geschäftsanteile von Buber, Trietsch und Feiwel aus juristischen Gründen und zur Abwendung eines unmittelbar bevor224

Brief Feiwels an Wolffsohn vom 14. April 1905, in: Central Zionist Archives, Jerusalem, W 58/1. 225 Vgl. das Schreiben Feiwels an Wolffsohn vom 27. April 1905, in: ebd., W 58/1. 226 Yg| g i o n j ; Zionismus in Deutschland (wie oben, Anm. 7), S. 236, Anm. 52 u. ö. 227 Zit. nach dem Brief Feiwels an Hantke vom 4. März 1902, in: Central Zionist Archives, Jerusalem, A 11/19. S. a. die Mitteilung Bubers an Motzkin, ebenfalls vom 4. März 1902, in: ebd., A 126/11. 228 Vgl. die Briefe Feiwels an Wolffsohn vom 2. Mai 1905, in: ebd., W 58/1 und Hantke an Wolffsohn vom 1. Mai 1905, in: ebd., W 80. 229 Zit. nach dem Brief Hantkes an Wolffsohn vom 1. Mai 1905, in: ebd., W 80.

8. Die Rettung des Jüdischen Verlages durch die Intervention David Wolffsohns

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stehenden Konkurses an die Buchdruckerei übereignet werden. In einem weiteren Schritt solle die Druckerei Feiwel als nicht länger teilhabenden Geschäftsführer einsetzen, um den Verlagsbetrieb aufrecht halten zu können. Hantke sah verschiedene Vorteile in diesem Vorgehen. Wir sind zunächst Buber und Trietsch los und haben nur noch mit Pass & Garleb zu thun bezw. mit Feiwel. 230

Weil sich weder Trietsch noch Buber zu diesem Zeitpunkt um den Verlag kümmerten, erfolgten von deren Seite keine Einwände gegen diesen Plan. Im Gegenteil: Da alle drei Besitzer der Firma auch mit ihrem Privatvermögen für Geschäftsschulden hafteten, öffnete sich dadurch fur sie eine Hintertür, den Verpflichtungen zu entgehen. Beide wären keinesfalls in der Lage gewesen, ihre Schulden gegenüber dem Verlag zu begleichen und konnten so den Privatkonkurs abwenden. Einzig Berthold Feiwel, der zu 50 % am Jüdischen Verlag beteiligt war, suchte sich gegen diesen Vorschlag Hantkes zu wehren. In zahlreichen Briefen unterbreitete er während der folgenden Wochen Wolffsohn immer wieder neue und überarbeitete Konzepte, die eine seiner Meinung nach bessere Lösung bringen sollten.231 Dennoch kam schließlich auch Feiwel zur Einsicht, daß es keinen anderen Ausweg gab. Nach einiger Erregung bin ich zur Erkenntnis gelangt, daß es zweckmäßig ist, wenn ich den Verlag nicht als mein privates, sondern mehr oder minder als öffentliches Unternehmen führe. 232

Vorzitiertem Brief fugte Feiwel eine »Bücher-Aufnahme per 1. April 1905« sowie eine kursorische Bilanz bei. Damit sollte Wolffsohn offensichtlich suggeriert werden, daß den Verbindlichkeiten des Verlages in der Höhe von knapp 35.000 Mark Aktiva in fast gleicher Höhe gegenüber stünden. Feiwel setzte dabei als Aktivposten des Verlages die Lagerbestände älterer Bücher mit optimistisch geringen Abschreibungssätzen ein und führte u. a. auch ein noch gar nicht erschienenes Buch mit einem Buchwert von 4.000 Mark auf. 233 Aufgrund dieser Übersicht und Wolffsohns Vertrauen in Arthur Hantke konnten die entsprechenden Verhandlungen aufgenommen werden, die dadurch kompliziert wurden, da Feiwel nicht in vollen Zügen über die Ziele, die Hantke und Wolffsohn mit dem Verlag verfolgten, informiert wurde.234 In Unkenntnis dieser Tatsachen suchte Feiwel weiterhin nach einer, wie er glaubte, für sich und den Verlag besseren Lösung. Tatsächlich tat er sich schwer, seine Besitz230 231 232 233

234

Ebd. Sämtliche Briefe in: Central Zionist Archives, Jerusalem, W 156. Schreiben Feiwels an Wolffsohn vom 13. Mai 1905, in: ebd., W 156. Dabei handelte es sich um Moses von Adolf Gelber und Henry George. Zu den späten Folgen dieser geschönten Bilanz vgl. Kapitel III/l. Diese, nur drei Monate nach der erwähnten Aufstellung von Dezember 1904 gemachte Liste zeigt, daß die Passiva des Verlages in der Zwischenzeit stark angestiegen waren. Vgl. Kapitel ΠΙ/1.

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II. Gründung und Frühphase in Berlin,

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anteile am Verlag entschädigungslos abtreten zu müssen, doch konnte er die Entwicklungen nicht aufhalten. Als erstes wurde am 6. Mai 1905 notariell beurkundet, daß Berthold Feiwel neben Davis Trietsch gleichberechtigter, aber alleinvertretungsbefahigter Geschäftsführer des Jüdischen Verlages sei.235 Ohne diese Regelung wäre Feiwel gar nicht berechtigt gewesen, die Interessen des Verlages nach Außen zu vertreten, was er de facto schon seit längerer Zeit getan hatte. Seitens der Buchdruckerei »Pass & Garleb« schaltete sich deren Geschäftsführer, Heinrich Bennigson, in die Verhandlungen ein. Es zeigte sich bald, daß die Druckerei am Besitz eines Buchverlages keinerlei Interesse hatte, sondern lediglich bemüht war, endlich zu ihrem Geld zu kommen. Da die Firma »Pass & Garleb« nun auf eine rasche Entscheidung drängte, setzte Bennigson Feiwel unter Druck, der seinerseits bei David Wolffsohn um Rat nachfragte. Widerwillig antwortete ihm Wolffsohn am 31. Mai 1905: »Es ist mir nicht sehr angenehm, daß Sie gezwungen sind mit der Sache zu drängen. Eine solche Geschichte läßt sich nicht übers Knie brechen.«236 Trotzdem überwies der Kaufmann ein weiteres Mal 500 Mark an den Verlag im Wissen, daß in weiteren Schritten die Besitzverhältnisse des Jüdischen Verlages gänzlich neu zu ordnen seien. Am 3. Juni 1905 erschienen Feiwel, Trietsch und Buber in der Kanzlei der Berliner Anwalts Maximilian Kempner und übertrugen ihre sämtlichen Geschäftsanteile an den ebenfalls anwesenden Buchdruckereibesitzer Heinrich Bennigson. Berthold Feiwel blieb als Geschäftsführer eingesetzt, hatte aber selbst keinerlei Anteile an der Firma mehr.237 Dadurch war der Jüdische Verlag ein erstes Mal, wenngleich nur für kurze Zeit in Privatbesitz einer Einzelperson gelangt. Martin Buber äußerte sich über diesen Schritt in einem Brief an Marcus Ehrenpreis, der zudem zeigt, daß der ehemalige Mitinhaber des Jüdischen Verlages den Sinn dieser Transaktion wohl ahnte, aber über Details nicht informiert worden war oder diese ihn nicht länger interessierten. Übrigens bin ich (dies vorläufig unter uns) aus dem Verlage ausgetreten, der wahrscheinlich in den Besitz einer anderen Gesellschaft oder eines einzelnen übergehen wird. Ich habe mich bis auf weiteres von allen zionistischen Aktionen völlig zurückgezogen, um mich ganz meinen Arbeiten widmen zu können. [...] Zum Kongresse fahre ich dieses Jahr nicht; die Berliner Konferenzen an denen ich teilgenommen habe, haben mir die Sache vollends verleidet. Ich sehe wahrhaftig in dieser Partei, wie sie jetzt ist, keinen Platz für mich, für uns. 238

Am 7. Zionistenkongreß, der vom 27. Juli bis 2. August 1905 in Basel tagte, nahmen sowohl Berthold Feiwel als auch Arthur Hantke sowie der im Verlauf des Kongresses zum Vorsitzenden des Engeren Aktionskomitees (E. A. C.) 235

236 237 238

Notariatsurkunde vom 6. Mai 1905, in: Central Zionist Archives, Jerusalem, Ζ 3/1066. Schreiben Wolffsohns an Feiwel vom 31. Mai 1905, in: ebd., W 8, S. 207. Vgl. die Notariatsakte vom 3. Juni 1905, in: ebd., Ζ 3/1066. Brief Bubers an Ehrenpreis vom 30. Juni 1905, in: Jewish National and University Library, Jerusalem, Are 4° 672/7.

8. Die Rettung des Jüdischen Verlages durch die Intervention David Wolffsohns

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gewählte David Wolfssohn teil. In informellen Gesprächen zwischen den drei Protagonisten wurde das weitere Vorgehen geklärt. Bereits am 21. Juni 1904, nach Übertragung sämtlicher Anteile des Verlages an Bennigson von der Druckerei »Pass & Garleb«, aber noch vor dem Kongreß, schlug Feiwel Wolffsohn vor, wie die Verbindlichkeiten von 30.000 Mark gegenüber ihrem Gläubiger abgelöst werden sollten. Die Grundzüge unseres Vertrages sind, daß P. & G. zur Ablösung ihrer Forderung per 30.000 Mark an den Jüdischen Verlag erhalten: 3Ό00 Mark von Trietsch (für dessen »Palästina«) 4Ό00 Mark von Buber zur Abfindung auf dessen Verbindlichkeiten 5'000 übernimmt P. & G. in Anteilen der Gesellschaft 5Ό00 erhält P. & G. nach notariellem Abschluß des Vertrages, Ende dieses Monats 5'000 erhält P. & G. am 10. August 8Ό00 erhält P. & G. in Raten zu 500 Mk aus dem Ertrag der Herzlbücher ab 1. November 1905. 239

Die 3.000 Mark von Trietsch bezogen sich auf die Rechte an der von ihm herausgegebenen Zeitschrift Palästina, die aber bereits Ende 1903 ihr Erscheinen vorübergehend eingestellt hatte.240 Daß die Summe durch ihn bezahlt wurde, ist allerdings ebenso unwahrscheinlich wie die Vermutung, daß Buber in der Lage gewesen wäre, seinerseits 4.000 Mark aus eigener Tasche zu bezahlen. Aufgrund von Wolffsohns Zusagen, sich auch mit Geldern aus seinem Privatvermögen am Verlag beteiligen zu wollen, konnte der nächste Schritt vollzogen werden. Ebenfalls noch kurz vor dem Kongreß, am 19. Juli 1905, hatte Heinrich Bennigson, der Geschäftsführer und Besitzer von »Pass & Garleb«, Anteile in der Höhe von 25.000 Mark an David Wolffsohn übertragen.241 Die Druckerei behielt danach, wie von Berthold Feiwel vorgeschlagen, nur noch 5.000 Mark Anteile an der Firma. Die Übernahme der Kapitalmehrheit durch Wolffsohn erfolgte, weil dieser die Bedeutung der Firma als Propagandainstrument für die Bewegung erkannt hatte sowie plante, den Jüdischen Verlag entsprechend zu nutzen und sich zur Rettung der Firma ein Finanzierungskonzept überlegt hatte. Andererseits realisierte Wolffsohn sehr wohl, daß ein Bankrott des Verlages dem Ruf der Zionistischen Organisation schaden würde.242 Auf dem Kongreß wurde wohl das Thema angeschnitten, nicht aber über den Jüdischen Verlag namentlich diskutiert. In einem ausführlichen Referat über »Propaganda und Agitation« kritisierte Sammy Gronemann die zionisti239

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Schreiben Feiwels an Wolffsohn vom 21. Juni 1905, in: Central Zionist Archives, Jerusalem, W 156. Details zur komplexen Erscheinungsgeschichte der Zeitschrift, die unter wechselndem Titel mehrfach neu auf den Markt gebracht wurde, in: Palästina. Monatsschrift für die Erschließung Palästinas, 11. Jg (1928), Η. 11/12 (Doppelnummer), S. 554. Original der Notariatsurkunde vom 19. Juli 1905, in: Central Zionist Archives, Jerusalem, Ζ 3/1066. Vgl. dazu Kapitel III/l.

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sehe Presse und indirekt den Verlag, ohne diesen aber beim Namen zu nennen und wohl auch in Unkenntnis der Pläne Wolffsohns. Das wichtigste aber und unentbehrlichste Hilfsmittel der Agitation ist die Literatur und die Presse. Ich glaube, wir können uns jedenfalls darüber nicht beklagen, daß quantitativ ein Mangel an Büchern herrscht, welche unsere Sache angehen. Im Gegenteil gibt es erstaunlich viele und so absonderlich gestaltete Erscheinungen, daß man nicht begreift, woher die Leser kommen sollen. Es ist wohl des Guten etwas zu viel getan, und teilweise auch des Schlechten. Es gibt unendlich viele Wiederholungen, und dabei fehlt es oft an Erörterungen wirklich wichtiger Fragen. Noch immer fehlt es an Werken über Kolonisationskunde oder die neueste Palästinaforschung, wie an wirklich zuverlässigem statistischen Material und belletristischen Werken. Schriften über Kunst usw. finden eher Absatz und erscheinen daher auch in besonders starker Fülle. Aber mir scheint, auch da geschieht des Guten etwas zu viel, denn wenn man sich über die schöne Zeichnung eines unserer Künstler, die man in Almanach sieht, herzlich freut, ist man wohl auch noch freudig überrascht, sie in »Ost & West« wiederzufmden. Wenn sie dann aber in einem Separatwerke über diesen Künstler, dann wieder in dem Werke, aus dem sie ursprünglich entnommen ist, dann in einer Gesamtausgabe der Werke des Künstlers, dann in einer Studie, dann in einem Werke über jüdische Kunst, dann wieder in den Kritiken aller dieser Werke in »Ost & West« wiedersieht, erfüllt einen dieses Wiedersehen nicht ganz mit der ursprünglichen Freude, und man hat das Gefühl, daß weniger mehr wäre. 243 David Wolffsohn hatte die Absicht, vor und vor allem während des Kongresses in Zusammenarbeit mit Arthur Hantke kapitalkräftige Interessenten zu suchen, die Anteile des Jüdischen Verlages aus seinem Besitz übernehmen sollten. 244 Wolffsohn war selbst immer davon ausgegangen, im Falle einer Übernahme des Verlages nur wenig aus seinem Privatvermögen einfließen lassen zu müssen. Er selbst war jedoch nun im Besitz von Verlagsanteilen in der Höhe von 25.000 Mark, fur die allerdings zu diesem Zeitpunkt erst 5.000 Mark an »Pass & Garleb« bezahlt worden waren. 245 Inwiefern mangelndes Interesse seitens dritter Investoren oder gar die Kritik Gronemanns an der bisherigen Verlagsarbeit dafür verantwortlich war, daß nur wenige Geldgeber gefunden werden konnten, läßt sich nicht klären. Nach einem Erholungsurlaub in der Schweiz im Anschluß an den Kongreß, besuchte Feiwel David Wolffsohn Ende August in Köln. 246 Dort wurde abgesprochen, in welcher Form der Jüdische Verlag in Berlin unter der Leitung Fei243

Protokoll des VII. Zionisten-Kongresses. Berlin: Jüdischer Verlag 1905, S. 175. Die Rede wurde zuerst abgedruckt in: Die Welt, 9. Jg (1905), Separatausgabe Nr 6, S. 4ff. und Nr 32, S. Iff. Bezeichnenderweise fehlt bei dieser ersten Wiedergabe genau der oben zitierte Absatz. 244 vgl. den Brief Hantkes an Wolffsohn vom 24. Juni 1905, in: Central Zionist Archives, Jerusalem, W/80 sowie Kapitel III/l. 245 Dabei handelte es sich um die in Feiwels Aufstellung vorgesehene Rate nach Vertragsabschluß. 246 S. a. Weizmanns Brief an Vera Khatzman vom 10. September 1905, in: The Letters and Papers of Chaim Weizmann (wie oben, Anm. 17), Vol. IV, S. 145.

8. Die Rettung des Jüdischen Verlages durch die Intervention David Wolffsohns

Tb

weis weiter geführt werden solle. Anfang September unterbreitete Hantke dem Vorsitzenden der Zionistischen Organisation einen »Entwurf fur die Einrichtung des Berliner Büros« der ZVfD: Darin war vorgesehen, daß Feiwel neben der Verlagsleitung auch die Redaktion der von Wien nach Berlin zu überfuhrenden Welt leiten solle, und daß der Jüdische Verlag mit »einem Buchhalter, einem Maschinenfräulein« und »einem Laufjungen« zu dotieren sei.247 Sein eigenes reges Interesse an einer Rückkehr in die Redaktion der Welt, die er bereits vor der Gründimg des Jüdischen Verlages in Wien geleitet hatte, bekundete Feiwel gegenüber Wolffsohn bereits früher in unverbindlicher Weise.248 Wolffsohn konnte sich jedoch in der Auseinandersetzung mit der Berliner Fraktion um die Frage nach dem Hauptsitz der wichtigsten Organe der Zionistischen Organisation schließlich durchsetzen, so daß Köln zu deren Zentrum wurde.249 Noch Anfang Dezember 1905 wog Feiwel ausführlich die Vor- und Nachteile einer Verlegung des Jüdischen Verlages und der Redaktion der Welt nach Köln ab. Er begann sein Schreiben an Wolffsohn mit einer Zusammenfassung seiner Ansichten. Ich hoffe, Sie werden nach Durchsicht nicht unzufrieden sein mit der darin bekundeten Auffassungen und Stellungnahme und - ich greife mit Absicht heraus - daraus, daß ich mich zu dem Entschlüsse durchgerungen habe, eventuell mit »Welt« und »Verlag« auch nach Cöln mitzugehen, entnehmen, daß ich für meinen Teil der Sache so nützen will, wie wir es gemeinsam als richtig erkennen [!]. 250

Wolffsohn erachtete es primär als wichtig, die Welt in Köln zu haben. Zu diesem Zeitpunkt spielt bei ihm sämtliche Überlegungen zur Zukunft des Verlages eine untergeordnete Rolle. Da Feiwel durch die Ereignisse um den Verlag auf Wolffsohns Wohlwollen angewiesen war, blieb ihm keine andere Wahl, als dessen Ruf nach Köln zu folgen. Somit wurde am 15. Dezember 1905 die Öffentlichkeit über die Verlegung informiert, ohne freilich den Jüdischen Verlag mit einer Silbe zu erwähnen. Das Aktionskomitee hat sich in seiner Kölner Sitzung dahin ausgesprochen, daß die Redaktion der »Welt« nach Berlin, die Administration nach Köln gelegt, die endgültige Erledigung dieser Angelegenheit aber dem Präsidenten des Aktionskomitees Herrn David Wolffsohn und dem zweiten Vorsitzenden Herrn Professor Warburg überlassen werden solle. [...] Es wurde demgemäß beschlossen, daß vom 1. Jänner 1906 ab sowohl die Redaktion als auch die Administration der »Welt« nach Köln gelegt werde. Die Leitung der »Welt« übernimmt von diesem Zeitpunkte ab Herr Berthold Feiwel, zugleich tritt Herr A. Coralnik in die Redaktion ein 2 5 1 247

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Zit. nach dem Brief Hantkes an Wolffsohn vom 7. September 1905, in: Central Zionist Archives, Jerusalem, W 80. Vgl. Feiwels Schreiben an Wolffsohn vom 19. Juli 1905, in: ebd., W/156. Die Entscheidungen fielen anläßlich einer Sitzung des E. A. C. Ende November 1905 in Köln; vgl. Kurzbericht in: Die Welt, 9. Jg (1905), Nr 47, S. 12 sowie ausfuhrlich in: Eloni, Zionismus in Deutschland (wie oben, Anm. 7), S. 167ff. Brief Feiwels an Wolffsohn vom 4. Dezember 1905, in: Central Zionist Archives, Jerusalem, W 156. Die Welt, 9. Jg (1905), Nr 50, S. 1.

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II. Gründung und Frühphase in Berlin,

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Vorerst konnte an eine Wiederaufnahme der Tätigkeit des Verlages nicht gedacht werden, da mit Ausnahme einer zweiten Teilüberweisung von 5.000 Mark der Kaufpreis für die auf den Namen Wolffsohns eingetragenen Anteile aus der Übernahme von »Pass & Garleb« bis Ende 1905 noch nicht bezahlt worden waren. 252 Faktisch besaß Wolffsohn die Mehrheit der Anteile an der Firma, schuldete aber Heinrich Bennigson weiterhin ungefähr 15.000 Mark! 253 Zu den finanziellen Fragen kam erschwerend hinzu, daß Feiwel per Ende 1905 nach Köln umzog, um die Leitung der Welt zu übernehmen. Juristischer Sitz des Verlages und vor allem das Bücherlager verblieben vorläufig in Berlin. Hingegen hätte es Feiwels doppeltes Amt zeitlich kaum erlaubt, sowohl für die Herausgabe einer wöchentlich erscheinenden Zeitung als auch für den Verlag zu arbeiten. Trotz aller Turbulenzen des Jahres 1905 erschienen innerhalb dieser zwölf Monate neben den von Feiwel bereits im Vorjahr geplanten Büchern zwei weitere Werke, die den Verlag nicht ganz in Vergessenheit geraten ließen: Das Protokoll des 7. Zionistenkongresses und Herzls gesammelte zionistische Schriften, deren in Frage gestellte Finanzierung den ganzen Wirbel um den Jüdischen Verlag erst ausgelöst hatte. Mit dem Umzug Feiwels nach Köln und dem Verwaisen der Firma in Berlin endete im Dezember 1905 die erste Phase in der Geschichte des Jüdischen Verlages auf unspektakuläre Art und Weise. Fast zwanzig Jahre später beurteilte Martin Buber den Aufbruch und die Frühphase im Vorwort eines kommentierten Verlagsverzeichnisses mit treffenden Worten. Nur drei bis vier Jahre währte die »heroische« Zeit des Jüdischen Verlages. Dann erwies sich die Inkongruenz zwischen den Kräften der meist sehr jugendlichen Begründer, die weder über genügend Geld und Kredit noch auch über Fachkenntnisse und Geschäftserfahrung verfügten, und den Verhältnissen als zu stark.254

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Dabei handelte es sich um die im Vorschlag Feiwels erwähnte Rate per 10. August 1905. Es kann davon ausgegangen werden, daß weder Trietsch noch Buber die von Berthold Feiwel vorgesehenen 3.000, resp. 4.000 Mark bezahlt hatten. Gesamtkatalog der Werke des Jüdischen Verlages. Berlin: Jüdischer Verlag 1924, S. 5. Der nicht signierte Text stammt von Martin Buber (vgl. seinen handschriftlichen Entwurf, in: Jewish National and University Library, Jerusalem, Ms. Var. 350/92). Die Urfassung Bubers enthält markante Abweichungen von der veröffentlichten Version. Buber hob dabei die Leistungen der Verlagsgründer deutlicher hervor, sparte allerdings auch nicht mit Selbstkritik. Es kann davon ausgegangen werden, daß Siegmund Kaznelson den Text für den Gesamtkatalog überarbeitete; s. a. Kaznelsons Brief an Buber vom 21. April 1924, in: Jewish National and University Library, Jerusalem, Ms. Var. 350.360.5.

9. Die Verlagsproduktion in den Jahren 1902 bis 1905

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9. Die Verlagsproduktion in den Jahren 1902 bis 1905

»Jüdische Renaissance« betitelte Martin Buber einen Artikel, der in der ersten Nummer der Zeitschrift Ost und West erschien. 255 Über Ziele, Bedeutung und Folgen der »Jüdischen Renaissance« ist in den vergangenen Jahren viel publiziert worden. 256 Der Jüdische Verlag war zweifellos eine der wichtigsten Produktionsstätten von Werken dieser Bewegung des Aufbruchs. In der ersten Phase, zwischen 1902 und 1905, veröffentlichte der Verlag eine, verglichen mit der Produktion späterer Jahre, kleine Anzahl Bücher, die eine beachtliche Wirkung zeigten. Der Almanach 5663, Junge Harfen oder Jüdische Künstler waren in ihrer Art neuartige Werke, die in Rezensionen entsprechend gewürdigt worden sind. Trotz aller Bedeutung dieser Titel standen diese keineswegs isoliert da. Bereits die mehr als ein Jahr zuvor gegründete Monatsschrift Ost und West orientierte sich an damals populären Vorbildern, etwa dem gänzlich entgegengesetzt ausgerichteten Kunstwart oder anderer illustrierter Zeitschriften, die zu dieser Zeit gegründet wurden. Allerdings richtete sich Ost und West - wie auch die Werke des Verlages - an ein Publikum, das sich bisher kaum für jüdische Kunst und Literatur interessiert hatte. 257 Auch der Almanach 5663 war keineswegs eine gänzlich neuartige Schöpfung. Obwohl von der Aufmachung und Vielfalt des Inhalts bis dahin unerreicht, stand das bekannteste der frühen Verlagswerke in Konkurrenz mit einer Reihe ähnlicher Jahrbücher, die in jenen Jahren auf den Markt gebracht wurden. Bereits zwischen 1897 und 1899 gab die ZVfD einen schlichten Jüdischen Volkskalender heraus. Neben dem erwähnten Jüdischen Volkskalender des Brünner Verlegers Max Hickl, erschien seit dem Jahr 1900 eine weiteres Konkurrenzprodukt in Österreich, das von Adolf Stand und Emil Silberstein redigierte Jüdische Jahrbuch. Der zweite Band, welcher im November 1901 herausgebracht wurde, enthielt Beiträge von Martin Buber, Marcus Ehrenpreis und Ε. M. Lilien. 258 255 256

257

258

Ost und West, 1. Jg, Heft 1, Januar 1901. Ζ. B. Mark H. Gelber: The Jungjüdische Bewegung. An Unexplored Chapter in German-Jewish Literary and Cultural History. In: Leo Baeck Institute Yearbook XXXI (1986), S. 105-120; Haim Finkelstein: Ε. M. Lilien. Das Werden eines Künstlers. In: Bulletin des Leo Baeck Instituts (Jerusalem) 87 (1990), S. 55-66; Eine neue Kunst für ein altes Volk (wie oben, Anm. 31); Berkowitz, Zionist Culture and West European Jewry before the First World War (wie oben Anm. 75); Gavriel Rosenfeld: Defining »Jewish Art« in Ost und West, 1901-1908. A Study in the Nationalisation of Jewish Culture. In: Leo Baeck Institute Yearbook XXIX (1994), S. 83-110. u. a. m. Vgl. dazu Andrea Hopp: Zwischen Kulturpessimismus und Avantgarde. Die Kulturzeitschrift als Indikator für die Krise des Fin de siecle. In: Krisenwahrnehmungen im Fin de siecle. Jüdische und katholische Bildungseliten in Deutschland und der Schweiz. Hg. von Michael Graetz, und Aram Mattioli. Zürich: Chronos 1997 (Clio Lucernensis; 4), S. 303-321, hier S. 303 und 313ff. Vgl. Die Welt, 5. Jg (1901), Nr 48, S. 10.

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II. Gründung und Frühphase in Berlin, 1902-1905

Im Leitartikel der ersten Nummer der kaum rezipierten und wegen einiger beachtenswerter Beiträge zu unrecht vergessenen Zeitschrift Jüdische Moderne faßte 1897 der Herausgeber Max Jungmann den Zustand der neuen jüdischen Literatur, vier Jahre vor dem Erscheinen von Ost und West, zusammen. Wo wir auch einen Blick auf unsere gegenwärtige jüdische Belletristik werfen, wir finden fast durchgängig auf der einen Seite zur Kräftigung des Glaubens Märtyrergeschichten aus dem Mittelalter, auf der anderen wieder Märtyrer - wenn es auch hier nicht Gut und Leben, sondern ein Offiziersrock, oder ein Richterposten ist, die zur Ehre des Judentums geopfert werden. Überall drängt sich die Tendenz in unliebsamer Weise vor und man merkt die Absicht und wird verstimmt. Nirgends ein in kräftigen Farben gemaltes Bild vom echten Leben und Werden in der jüdischen Seele, ein Bild, das, den Juden in der realen Wirklichkeit vorführend, ohne Reflexionen und ohne Philosopheme, einzig durch die Darstellung der nackten Thatsachen in unserem Herzen verwandte Saiten anschlüge und uns zum tiefen Mitempfinden fortrisse. Und doch kann die moderne jüdische Literatur bereits solche Erzeugnisse aufweisen. Dank den neuhebräischen Schriftstellern und jenen, die mit unendlich viel Talent ausgestattet, in dem Idiom der großen Masse der Judenheit im Osten Europas (Jargon) schreiben, verfugen wir bereits über Schöpfungen, die wahre Meisterwerke in Conception und Ausführung sind. Das jüdische Leben da erfassend, wo es noch am stärksten pulsiert, erheben sich diese Darstellungen aus einem Milieu von Armut, Elend, politischer und persönlicher Unfreiheit zu einer erschütternden Tragik, deren Wirkung durch die Form der Satire, durch das Lachen unter blutigen Thränen nur noch gesteigert wird. - Diese Literatur dem deutschen jüdischen Publikum zu vermitteln, wird eine der vornehmsten Aufgaben unserer Blätter sein.259 Das Bedürfnis nach Vermittlung neuer, häufig ost-jüdischer Literatur und Kultur an eine deutsch-jüdische Leserschaft, eingebunden in eine breite Diskussion über politische Fragen und die zionistischen Ideen, ermöglichte die Schaffung dieser Vielfalt von Periodika und stand auch maßgebend hinter der Gründung des Jüdischen Verlages. Im Vorwort zum Jüdischen Almanach 5663 formulierte Berthold Feiwel diese Ziele in prägnanter Weise. Ein Stück jüdischer Kulturarbeit wollten wir leisten und mehr noch vermitteln helfen, da wir eine Zentralstelle zur Förderung jüdischer Literatur, Kunst und Wissenschaft ins Leben gerufen haben. Neben dem jüdisch-sittlichen Ideal, das dem jüdischen Menschen wieder Einheit und Festigkeit, nationales und persönliches Selbstbewußtsein gibt, soll das jüdisch-ästhetische aufgerichtet werden. In die neue jüdische Lebensanschauung soll etwas Tiefinnerliches, Seelenvolles einströmen, eine neue Macht, eine neue Schönheit. Dem jüdisch-ästhetischen Ideal wollten wir nach unserer Kraft dienen, als wir den »Jüdischen Verlag« errichteten.260 Wie diese Absicht mittels Publikationen des Verlages in die Tat umgesetzt werden sollte, unterstreicht ein kursorischer Blick auf die frühen Verlagswerke. 259

260

Max Jungmann, in: Jüdische Moderne, 1. Jg, Η. 1, April 1897, S. 2. Diesen hohen Ansprüchen konnte die kurzlebige Zeitschrift allerdings selbst nie genügen. Berthold Feiwel: Geleitwort. In: Jüdischer Almanach 5663. Hg. von Berthold Feiwel und E[phraim] M[oses] Lilien. Berlin: Jüdischer Verlag 1902, S. 12.

9. Die Verlagsproduktion in den Jahren 1902 bis 1905

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Die erste Publikation des Verlages, die Broschüre Eine Jüdische Hochschule, wurde im Vergleich zu anderen Werken wenig beachtet. Die darin entwickelten Ideen zeigten aber, ungleich jener in den übrigen Büchern des Jüdischen Verlages der frühen Jahre, eine besonders nachhaltige Wirkung. Chaim Weizmann und Berthold Feiwel stellten darin das Projekt einer jüdischen Universität vor, deren Schaffung vorzugsweise in Palästina angestrebt werden soll. 261 Weniger als ein Vierteljahrhundert später konnte die Universität 1925 in Jerusalem offiziell eröffnet werden. 262 Die Bedeutung der Pionierarbeit Weizmanns und Feiwels 263 wird dadurch unterstrichen, daß die Broschüre als einziges der frühen Werke des Jüdischen Verlages als Nachdruck mit hebräischer Übersetzung in Israel erschienen ist. 264 Die wohl ausfuhrlichste Rezension der Schrift stammt aus der Feder Heinrich Loewes und erschien in der Jüdischen Rundschau. Loewe äußerte sich dabei zwar grundsätzlich positiv über das Projekt betonte aber, daß eine solche Hochschule ausschließlich in Palästina gegründet werden dürfe, wie es Hermann Schapira bereits während der achtziger Jahre des 19. Jahrhunderts gefordert hatte. 265 Ja gewiß! Wir wollen und müssen dazu kommen, eine Jüdische Hochschule zu erhalten, aber keine solche, die dem jüdischen Volke schaden wird, sondern eine Hochschule, die die Gewähr der Zukunft in sich trägt. Dann aber müssen wir zu Schapiras Plan zurückkehren, eine Jüdische Hochschule zu gründen, aber nur in Palästina.266

Über Konzept, Inhalt und Gestaltung des berühmten Almanach 5663 sind in letzter Zeit einige wichtige Arbeiten verfaßt worden. 267 Nach der Veröffentlichung Ende Oktober 1902 wurde das Buch in zahlreichen Zeitschriften und Zeitungen rezensiert. Eine Sammlung mit Auszügen aus Besprechungen stellte der Verlag selber zur Broschüre Jüdische Renaissance zusammen, die an neu subskribierende und andere Interessenten gratis abgegeben wurde. 268 Unter den mehrheitlich positiven, zuweilen elogischen Rezensionen gehört jene in der Welt zu den markantesten. Einleitend wurde die Bedeutung des Buches gewürdigt: 261

262 263

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267 268

Vgl. Chaim Weizmann / Martin Buber / Berthold Feiwel: Eine Jüdische Hochschule. Berlin: Jüdischer Verlag 1902, S. 20f. Vgl. Encyclopaedia Judaica (wie oben, Anm. 12), Bd 8, Sp. 219ff. Der als Autor mitgenannte Martin Buber war nur am Rande an der Entstehung des Textes beteiligt. Der Nachdruck erschien 1968 im universitätseigenen Verlag Magnes, Jerusalem, unter dem Titel Beit-Sefer-Gavodah Yehudi, eingeleitet von S. H. Bergmann und übersetzt von Schaul Asch. Vgl. dazu Encyclopaedia Judaica (wie oben, Anm. 12), Bd 14, Sp. 941ff. Jüdische Rundschau, 7. Jg (1902), Nr 47, S. 57f. Seit Nr 40 des 7. Jg vom 1. Oktober 1902 erschien die als Israelitische Rundschau gegründete Zeitung unter dem Titel Jüdische Rundschau mit fortlaufender Seitennumerierung. Besonders Bertz, Jüdischer Almanach 5663 (wie Kap. I, Anm. 16). Die Broschüre scheint auch an Theodor Herzl geschickt worden zu sein, da sich in dessen Nachlaß (Central Zionist Archives, Jerusalem, Η VIII, 124) ein Exemplar befindet.

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II. Gründung und Frühphase in Berlin, 1902-1905 Es darf ruhig gesagt werden, daß das moderne Judentum kein Buch wie dieses hervorgebracht hat. Beseelt von reinster Kunstliebe, der das Beste gerade noch gut genug für das Volk ist. In dem Buch, das uns zur Besprechung vorliegt, ist die Ausstattung von der ersten bis zur letzten Seite auf der Höhe des Geschmackes. Der Jüdische Almanach ist aber mehr als ein bloßes Kunstwerk, er ist eine Tat. Was jung und triebkräftig ist im Judentum unserer Zeit, hat Berthold Feiwels geschickte Redaktion hier vereinigt zu einer grandiosen Gesamtleistung, die eine Bereicherung des nationalen Vermögens und die Stiftung eines ideellen Nationalfonds darstellt, der noch ungeheure Zinsen tragen wird.269

In drei längeren Artikeln werden daran anschließend die Essays, die literarischen und die künstlerischen Beiträge separat behandelt.270 Es entbehrt im übrigen nicht einer gewissen Pikanterie, daß Bubers Gattin den künstlerischen Teil besprach: Hont soit qui mal y pense, denn gewisse Formulierungen Paula Winklers erinnern in Vokabular und Form an Martin Bubers eigenen Stil - oder umgekehrt. Den positiven Besprechungen standen jedoch einige kritische aus nicht-jüdischer Presse gegenüber, deren bekannteste im Berliner Tageblatt erschienen ist. Über Titel und Verlag wäre man versucht, eine besondere kleine Abhandlung zu schreiben. [...] Wozu ein jüdischer Verlag? Wozu ein jüdischer Almanach? Das sind, gelinde ausgedrückt, Anachronismen. Ja, wenn es sich noch um Werke spezifisch jüdischer Gelehrter, wenn es sich um die Herausgabe jüdisch-theologischer oder ähnlicher Werke aus dem Bereiche jüdischer Sonderforschung handelte! Dann gäbe es allenfalls noch einen Sinn, einen jüdischen Verlag zu begründen. Aber, um schöngeistige Arbeiten zu veröffentlichen, einen jüdischen Verlag zu begründen - das ist wirklich mehr als überflüssig. Oder soll Deutschland, das nachgerade an konfessionellen Spannungen und Spaltungen genug aufzuweisen hat, noch um eine neue bereichert werden? [...] Mit diesen prinzipiellen Voreinschränkungen treten wir an die Beurteilung des Buches heran. Dann allerdings muß man es rundheraus sagen, daß sowohl sein literarischer wie sein künstlerischer Inhalt ganz ungewöhnlich geschmackvoll und mannigfaltig anregend angeordnet ist. Auch seine Ausstattung ist eigenartig und prächtig. Gegen die Gesamttendenz des jüdischen Almanachs als solchen können wir uns indessen nicht scharf und nicht entschieden genug aussprechen.271 Dem Almanach 5663 hätte, gemäß Logik des Titels, jedes Jahr ein neuer Band folgen sollen. Aus welchen Gründen Verlagsinhaber und Herausgeber dies nicht bewerkstelligen konnten, wurde geschildert. Die überarbeitete Neuauflage erschien 1904 als Jüdischer Almanach unter Weglassung einiger Essays und teilweise veränderter Illustrationen.272 Der gewichtigste Unterschied besteht darin, daß, mit Ausnahme der Verlagsvignette, sämtliche Beiträge Liliens, einschließ269 270 271

272

Die Welt, 6. Jg (1902), Nr 51, S. 4. Ebd., S. 4-6. Berliner Tageblatt, 7. Februar 1903. Zit. nach: Feiwel, Jüdischer Almanach 5663 (wie oben, Anm. 260), Anhang. Vom Almanach 5663 wurden 2.000 Exemplare und von der Neuausgabe 5.000 Exemplare gedruckt (vgl. Central Zionist Archives, Jerusalem, A 104/65).

9. Die Verlagsproduktion in den Jahren 1902 bis 1905

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lieh der eindrücklichen Einbandillustration, in der Neuauflage nicht mehr wiedergegeben und verwendet werden konnten. Durch Liliens Ausscheiden aus dem Verlag im Juli 1904 verlor der Verlag die Rechte dazu. Aus diesem Grund sind weder Lilien noch Feiwel als Herausgeber genannt. Die Neuauflage blieb über viele Jahre im Sortiment des Jüdischen Verlages. Noch im April 1913 wurde versucht, die letzten Exemplare abzusetzen. In der Welt erschien dazu eine aussagekräftige redaktionelle Notiz. Der jüdische Almanach, das erste Werk und der Stolz des Jüdischen Verlages ist fast vergriffen. Von der gewöhnlichen Ausgabe hat der Verlag nur noch 2-300 nicht mehr ganz frisch aussehende Exemplare, die nunmehr im Preis herabgesetzt worden sind. Wir nehmen an, daß die Gesinnungsgenossen diese gute Gelegenheit nicht vorübergehen lassen werden, zu einem billigen Preis ein Buch zu erwerben, in welchem sich alle vereinigt finden, die über Juden und Judentum etwas auszusagen haben. 273

Mehr als drei Jahrzehnte nach Erscheinen des Almanachs 5663, erschien 1936 in der Jüdischen Rundschau ein bemerkenswerter Artikel aus der Feder Helene Hanna Thons unter dem Titel »Erfüllter Traum? Wiedersehen mit einem Buch«. Die in Palästina lebende Verfasserin beschreibt darin ihre persönlichen Gefühle bei der neuerlichen Lektüre des Buches. Ihre Ausführungen zeigen, daß die in einigen Texten des Almanachs 5663 ausgedrückte Utopie im Palästina der dreißiger Jahre Wirklichkeit geworden war. Ich blättere in den unmodern gedruckten, mit dem Buchschmuck einer überholten Epoche ausgestatteten Seiten; ich verweile bei Namen, deren Träger schon tot oder doch seit langer Zeit verstummt sind, bei Namen anderer, die noch heute an der damals begonnenen Sache arbeiten oder doch im alten Gleise weiterziehen. [...] Ich blättere nochmals im Jüdischen Almanach: was er uns damals von diesem Leben zu sagen wußte, war noch vage, traumhaft. [...] So traumhaft das alles noch war - uns berauschte es und erfüllte uns mit Kraft, das unerhörte Wagnis zu unternehmen.274

Der im zweiten Subskriptionsangebot angekündigte neue Almanach erschien ebensowenig wie ein Folgeband der Jüdischen Künstler. Der von Martin Buber herausgegebene und eingeleitete erste Band präsentiert Leben und Werk von sechs Künstlern, darunter Ε. M. Lilien sowie vier weitere, die ihre Wurzeln im Ostjudentum haben. Jedem Essay sind zahlreiche, ζ. T. ganzseitige Abbildungen beigegeben, was die Herstellung des Buches enorm verteuerte. Der Verkaufspreis der Normalausgabe betrug 10 Mark gegenüber jenem des Almanachs 5663 von 6 Mark. Wegen dieses hohen Preises wurde der Band Jüdische Künstler längst nicht von allen Subskribenten bezogen. Um die überschüssigen Rohbogen zu verwerten, produzierte der Verlag in der Folge sechs schlicht gebundene Bände, die je einen Künstler präsentieren. Diese Monographien wurden zu 3 Mark angeboten, aber verkauften sich trotz sehr positiver Kritiken in der Presse auch nicht besonders gut. Gleiches galt für den mit 8.50 Mark ebenfalls sehr teuren Sammelband Jüdische Statistik. Die aus dem Almanach 5663 sowie 273 274

Die Welt, 17. Jg (1913), Nr 14, S. 439. Jüdische Rundschau, 41. Jg (1936), Nr 36, S. 5.

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neuen Beiträgen von Feiwel zusammengestellte Sammlung Junge Harfen verkaufte sich, nicht zuletzt wegen des relativ günstigen Preises von 2 Mark, weit besser, so daß davon eine zweite, unveränderte Auflage in den Handel gelangte. Auch diese zusätzlichen 1.000 Exemplare konnten in den Jahren vor dem Ersten Weltkrieg sämtlich abgesetzt werden, so daß es sich bei Junge Harfen mit einer verkauften Gesamtauflage von rund 7.000 Exemplaren um den eigentlichen »Bestseller« unter den frühen Publikationen der Firma handelt.275 Aus heutiger Sicht erweist sich das ebenfalls aufwendig gestaltete, aus dem polnischen übersetzte Buch von J. M. Judt als bedenklich, paßt aber in eine Reihe zeitgenössischer Erscheinungen zur Thematik. Die Juden als Rasse Eine Analyse aus dem Gebiete der Anthropologie enthält detaillierte Tabellen über »Hauptschädelindex«-Werte, über Haar- und Augenfarbe, behandelt eugenische Fragen, solche der Rassenhygiene u. ä. m. Judts Werk steht im Programm des jüdischen Verlages isoliert da, weil bis zur Zerschlagung der Firma kein weiteres Werk dieser Art erscheinen sollte.276 Im übrigen paßte es nicht zu den literarisch-künstlerischen Leitlinien des Verlages, obwohl die Verleger Judts Buch in Anzeigen speziell hervorhoben. Bei dem empfindlichen Mangel an wertvollen Arbeiten über das jüdische Rassenproblem ist die Anschaffung dieses Werkes selbst bei kleineren Bücherkollektionen des jüdischen Stoffgebietes dringend anzuraten.277

Neben den bisher erwähnten Publikationen erschienen bis Ende 1903 überdies einige kleinere Werke, die in die Verlagsbibliographie im Anhang aufgenommen worden sind. Im folgenden Jahr konnten nur der bereits erwähnte umfangreiche Novellenband von Heinrich York-Steiner sowie zwei kleine Arbeiten herausgegeben werden. Neben der kurzen und heute noch lesenswerten Einfuhrung in den Chassidismus von Salomon Schechter, kam Berthold Feiwels Darstellung der Pogrome von Kischinew auf den Markt. Das dem Heft beigegebene »Weiheblatt« von Lilien gehört zu dessen eindrücklichsten Kunstwerken und hätte im nie erschienenen Band mit Erzählungen Maxim Gorkis, illustriert von Lilien, abgedruckt werden sollen.278 Feiwels spontane Arbeit, unmittelbar geprägt vom Schrecken der Osterpogrome des Jahres 1903, schließt mit einem wortmächtigen Aufruf, die Konsequenzen aus den Ereignissen zu ziehen.279 275

Vgl. Gesamtkatalog (wie oben, Anm. 254), S. 45 sowie Verlagsverzeichnis. 276 vgl. dazu Kapitel VIII/6 über ein unveröffentlichtes Manuskript ähnlicher Thematik, das im Jüdischen Verlag erscheinen sollte, aber nie fertiggestellt wurde. 277 Hier zit. nach: Jüdischer Almanach. Teilweise veränderte Neuausg., Berlin: Jüdischer Verlag 1904, Anhang. Im übrigen wurde die gesamte Auflage des Buches innerhalb weniger Jahre verkauft: Die Bestandsliste der Verlagswerke per 30. Juni 1911 fuhrt lediglich noch zwei, wohl nicht zum Verkauf bestimmte, Archivexemplare auf (vgl. Central Zionist Archives, Jerusalem, W 68/11). 278 Gemäß der Bildunterschrift im Buch. Vgl. Werner, The Tragedy of Ephraim Moses Lilien (wie oben, Anm. 208), S. 98. 279 Vgl. Encyclopaedia Judaica (wie oben, Anm. 12), Bd 10, Sp. 1064ff. zu den Pogromen des Jahres 1903.

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Wenn jetzt für die notgepeitschten Juden ein Wort gesprochen werden soll, so kann es nicht sein um eines kleinen Mitleids oder um eines kleinen Almosens willen. Eine große Hilfe in Wort und Tat muß der großen jüdischen Volksnot entsprechen. Die Juden sollen zuerst aufgerufen werden. Denjenigen unter ihnen, die schon für das Werk der Volksbefreiung sich vereinigt haben, müssen sich die anderen zugesellen, die sonst nur augenblicklich jüdische Not zu lindern versuchen. Aber auch die Nichtjuden, die wahrhaft menschlichen, die gewohnt waren, mit Abwehr oder Protest die Juden zu verteidigen, müssen sich zur Tat entschließen, wenn sie wirkliche Judenfreunde sind. [...] Man muß es möglich machen, daß Juden, statt aus dem Elend ins Elend zu wandern, statt daß man ihnen ein Almosen in die Hand drückt, im Orient angesiedelt werden, als freie Menschen, die von freier Arbeit leben können. Das muß die Parole sein, die man Ereignissen, wie den Kischinewer, entgegensetzt, und die Taten und die Gaben sollen dieser Parole folgen. 280 Im Jahre 1905 erschienen im Verlag einige bedeutende Werke, die, wie erwähnt, bereits seit längerem angekündigt worden waren. Zusätzlich zu dem von Buber übersetzten Drama Eisik Scheftel von David Pinski, gelangte der Jüdische Verlag mit einem Novellenband von Jizchak Leib Perez an die Öffentlichkeit. 281 Damit wurde das Schaffen des herausragenden ostjüdischen Autors, von dem bis dahin nur wenige Texte ins Deutsche übersetzt worden waren, einer westeuropäischen Leserschaft näher gebracht. In seiner Einleitung würdigte Nathan Birnbaum Leben und Werk des Dichters und betonte insbesondere dessen Verdienste um die Aufwertung des Jiddischen als Literatursprache. Mit Simon Dubnows kurzer Schrift über Die Grundlagen des Nationaljudentums trat einer der später wichtigsten Verlagsautoren erstmals mit einer Publikation im Jüdischen Verlag auf. Seine großen Arbeiten, die in den zwanziger Jahren erscheinen sollten, prägten das Profil der Firma bis in die Gegenwart. In seiner Einleitung betonte der Übersetzer Israel Friedlaender die Bedeutung des russischen Historikers für das Judentum Westeuropas. Die jüdische Literatur, besonders die des Westens, zeigt einen erschreckenden Mangel an Versuchen, die großen jüdischen Fragen der Gegenwart von hohen Gesichtspunkten aus zu betrachten und, von den Tagesereignissen unbeirrt, feste allgemeine Nonnen für eine zielbewußte jüdische Volkspolitik auszuarbeiten. Den jüdischen Denkern des Westens fehlt meistens das Interesse oder der Mut, ihre jüdischen Anschauungen mit jener Intensität zu erfassen und jener Offenheit zu vertreten, die das Kennzeichen echter Herzensüberzeugung ist, und der düstere Ernst der jüdischen Lebensfragen wird hinter Zeitungsphrasen und Predigtblüten versteckt. [...] Indem der Übersetzer die Gedankenarbeit eines der besten Männer des jüdischen Rußlands, der mit klarem Kopfe und warmem Herzen eine Lösung des Judenproblems anstrebt, dem deutschlesenden Publikum vorlegt, gibt er sich der Hoffnung hin, daß die in der vorliegenden Schrift niedergelegten Ideen in den Kreisen der Lauen und Gleichgültigen zur Anregung und Aufmunterung, in den Kreisen derjenigen, die, ihrem Judentum gefühlsmäßig ergeben, zugleich nach einer klaren Gedankenmäßigen Formulierung ihrer Empfindungen ringen, zur Klärung und Vertiefung 280

281

Told [d. i. Berthold Feiwel]: Die Judenmassacres in Kischinew. Berlin: Jüdischer Verlag 1903, Schlußseite o. pag. Zu Pinskis Drama, vgl. Brenner, Making Jargon Respectable (wie oben, Anm. 60), S. 60, Anm. 30.

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beitragen und überall die Festigung jener »Grundlagen des Nationaljudentums« herbeifuhren werden, von deren Annahme oder Verwerfung, wie der Unterzeichnete fest überzeugt ist, die künftige Gestaltung des Judentums abhängt.282

Neben den Büchern von Perez und Dubnow zahlt die ebenfalls von Israel Friedlaender übersetzte Sammlung von Essays Achad Ha'ams zu den wichtigsten Neuerscheinungen des Jahres 1905.283 Vom Berliner Verlag Nathansen & Lamm wurde ein offenbar kleiner Teil der ersten Auflage von Leo Baecks frühem Hauptwerk, Das Wesen des Judentums, übernommen, mit einem Einband des Jüdischen Verlages versehen und dem Aufdruck »Special-Auflage« vertrieben. Dabei handelt es sich um den frühesten bekannten Fall einer Übernahme eines Werkes aus einem Drittverlag.284 Ein im Vergleich wenig beachtetes, aber sehr aufwendig gestaltetes Moses-Ruch wurde ebenfalls noch im gleichen Jahr fertiggestellt. Gegen Ende des Jahres 1905 gab der Jüdische Verlag einen größeren Katalog heraus, in dem 20 verschiedene Terracottareliefs- und Büsten von Boris Schatz abgebildet und zum Kauf angeboten wurden.285 Der Verlag selbst hatte mit der Produktion der Kunstgegenstände nichts zu tun, plante allerdings die Herausgabe eines ergänzenden Werkes über das Schaffen des Künstlers. Auf zwei Seiten des Kataloges wurde fur das auf Januar 1906 angekündigte Buch von Berthold Feiwel geworben. »Zum Subskriptionspreis von drei Mark (gegen Vorauszahlung) pro Exemplar« konnte das Buch bestellt werden, das allerdings nie erschienen ist.286 Der Katalog listet zudem auf einer Doppelseite sämtliche größeren Werke des Jüdischen Verlages auf, die seit dessen Gründung erschienen sind. Die Mehrzahl der frühen Bücher des Jüdischen Verlages zeichnen sich durch ungewöhnlich sorgfaltige und aufwendige Gestaltung aus. Die Qualität der Drucke ist durchwegs hoch, was auf die enge Zusammenarbeit zwischen den Verlagsbesitzern und der Druckerei »Pass & Garleb« zurückzufuhren ist. Dadurch, daß trotz ausstehender Rechnungen die meisten Bücher bei der gleichen Firma gedruckt werden konnten, ergab sich eine einheitliche Linie, die aber keineswegs eintönig wirkt. Sowohl beide Ausgaben des Almanachs, Junge Harfen aber auch Moses weichen vom gängigen Oktav- oder Quartformat ab und sind quadratisch angelegt. Ungewöhnlich aufwendig im Vergleich zu anderen Verlagen sind in der Regel auch die Einbände gestaltet. So ließ der Verlag etwa auf 282

Israel Friedlaender: Vorrede des Übersetzers. In: S[imon] M[arkowitsch] Dubnow: Die Grundlagen des Nationaljudentums. Berlin: Jüdischer Verlag 1905, S. 7-15. Hier S. 14f. Friedlaender hatte bereits 1898 im Berliner Verlag S. Calvary eine wenig beachtete Übersetzung von Dubnows Essay Die jüdische Geschichte - Ein geschichtsphilosophischer Versuch herausgegeben. 283 Ygj Kapitel II/7 über die Umstände des Druckes und der Finanzierung. 284 Diese Ausgabe erscheint in keinem der bekannten Verlagsverzeichnisse; die Information basiert auf dem Exemplar im Besitz des Verfassers (s. Abb. im Verlagsverzeichnis). 285 Katalog in: Central Zionist Archives, Jerusalem, DD-Germany 4. Zu Boris Schatz, dem Initiator, Gründer und ersten Leiter der »Bezalel«-Schule für Kunst- und Kunsthandwerk in Jerusalem, vgl. Encyclopaedia Judaica (wie oben, Anm. 12), Bd 14, Sp. 945f. 286 Zit. nach dem genannten Katalog (o. pag.), in: Central Zionist Archives, Jerusalem, DD-Germany 4.

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den orangefarbigen Leineneinband der Perezschen Novellensammlung ein zusätzliches Kunstdruckportrait eines alten Juden montieren. 287 Die aparte Besonderheit bei Jüdische Künstler ist, daß die Signaturen der sechs im Band präsentierten Künstler auf dem Einband als Faksimile wiedergegeben wurden. Im Vergleich dazu sind die kleineren Arbeiten und die Broschüren recht konventionell gedruckt und gestaltet. Die Inhaber des Verlages legten offensichtlich Wert darauf, die größeren Werke besonders sorgfältig, aufwendig und häufig auch in einer neuartigen Weise gestaltet zu fertigen. Die entsprechend angestiegenen Produktionskosten schlugen sich in vergleichsweise hohen Verkaufspreisen nieder. Die in traditionellerer Weise gemachten übrigen Werke konnten andererseits recht günstig angeboten werden. Das Kalkül der Verleger, sich dank einer Mischung aus aufwendigen, aber teuren Büchern und einfacher gestalteten kleineren Schriften auf dem Markt behaupten zu können, erwies sich als falsch. Eine weitere bibliographische Besonderheit des Jüdischen Verlages stellen die ausfuhrlichen Anzeigen im Anhang der meisten Bücher dar. Neben der Vorstellung der Subskriptionsangebote, werden darin die bereits erschienenen Werke mittels kurzer Auszüge aus Rezensionen vorgestellt. Obwohl diese Methode durchaus auch von anderen Firmen angewendet wurde, benutzte sie der Jüdische Verlag in besonders intensiver Weise. Durch das Aufkommen der Schutzumschläge nach dem Ersten Weltkrieg setzte der Jüdische Verlag das Mittel weniger häufig ein, da diese nun selbst als Werbefläche genutzt wurden. Während der Vorbereitung für die ebenfalls aufwendig gestaltete Ausgabe von Herzls zionistischen Schriften geriet der Jüdische Verlag in die beschriebenen Schwierigkeiten, die nur durch das Eingreifen Wolffsohns abgewendet werden konnten. Einige Aspekte des Produktionsablaufs, der Finanzierung, der Vermarktung sowie der Rezension dieses Werkes sollen im folgenden Exkurs beleuchtet werden.

Exkurs 1: Erste Herausgabe der zionistischen Schriften Theodor Herzls

Im Februar 1905 verschickte Berthold Feiwel Einladungen an kapitalkräftige Exponenten der zionistischen Bewegung zwecks Reservierung eines Vorzugsexemplars des geplanten Herzl-Buches. 288 Das erste Echo daraufblieb für den 287

288

Dies wurde bei der gebundenen Ausgabe ohne Illustrationen so gemacht. Das Photo stammt von Lars Larsson und findet sich auch in Sven Hedin: Jerusalem. Verlag F. U. Brockhaus Leipzig, 1918, S. 197. Der Einband der sogenannten »Prachtausgabe« war schlichter gehalten, enthielt aber acht separat beigebundene Bilder von Jra Jann (vgl. auch Verlagsbibliographie). Vgl. Kapitel II/8 über die Hintergründe. Ein Exemplar des Prospektes in: Central Zionist Archives, Jerusalem, A 142/49/6.

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Verlagsleiter enttäuschend. Am 1. März bat er einen nicht namentlich bekannten Vertrauten in Wien, weitere Adressen von potentiellen Käufern bekanntzugeben. Heute in der Angelegenheit der Herzl-Bücher folgendes: Du weißt, daß unserem Verlage die Herausgabe übertragen wurde. Wir veranstalten nun zunächst für die, die sich's leisten können, eine Prachtausgabe zu 30 Mk. Ich gebe Dir nun gerne ein Verzeichnis davon, an die wir uns bisher in Deutschland und Österreich gewandt haben, und bitte Dich, diese Verzeichnisse, insbesondere was Österreich anbelangt, durch Mittheilung weiterer geeigneter Personen ergänzen zu wollen. [...] Wie gesagt, handelt es sich um Adressen besser situierter Zionisten.289 Unter den avisierten kapitalkräftigen Personen auf Feiwels Liste befand sich auch der enge Freund Herzls, David Wolffsohn in Köln. Ende Februar 1905 erhielt er den Prospekt, der in der Einleitung Details über das geplante Werk enthielt. Sehr geehrter Herr! Das Curatorium des Theodor Herzl'schen Nachlasses hat beschlossen, die zionistischen sowie die mit dem Zionismus zusammenhängenden Schriften des Verewigten unter dem Titel »Theodor Herzl's sämtliche zionistische Schriften« zu veröffentlichen. Das Werk, das von Professor Leon Kellner redigiert und eingeleitet wird, wird ungefähr 600 Seiten stark sein und im Lauf des Monats April d. Js. erscheinen. Mit der Herausgabe des Buches hat das Curatorium unseren Verlag betraut.290 Die Angaben über Preis und die Bitte um Einsendung der Karte für die Reservation eines Exemplars ergänzte Feiwel im Prospekt für Wolffsohn mit der handschriftlichen Bemerkung: »Der Betrag kann selbstverständlich auf Ihr Conto (Garantiefonds) verrechnet werden.« 291 Tatsächlich hatte David Wolffsohn bereits im Frühjahr 1902 100 Mark für den Garantiefonds des im Aufbau begriffenen Verlages gezeichnet und war daher wohl mit der Firma, aber noch nicht mit Berthold Feiwel persönlich vertraut.292 Am 3. März 1905 bestätigte Feiwel schriftlich, daß fur Wolffsohn sowie zwei seiner engsten Freunde je ein Exemplar der Vorzugsausgabe reserviert worden seien. Im übrigen fragte er den Kölner Kaufmann, ob dieser Photographien oder Dokumente zur Illustration des Buches zur Verfugung stellen könne. 293 Feiwel ließ Wolffsohn zudem wissen: Was die rechtzeitige Fertigstellung betrifft, so können sie versichert sein, daß damit unbedingt gerechnet werden kann, falls das Manuscript pünktlich eingeliefert wird. Ich freue mich, daß Sie von Vornherein Vertrauen in die gute Herstellung setzen. Ich 289 290

291

292 293

Brief Feiwels vom 1. März 1905, in: ebd., A 345/1/8. Hektographiertes Schreiben Feiwels an Wolffsohn von Ende Februar 1905, in: ebd., W 58/1. Zit. nach dem hektographierten Schreiben Feiwels an Wolffsohn von Ende Februar 1905, in: ebd., W 58/1. Vgl. Die Welt, 6. Jg (1902), Nr 20, S. 15; sowie Kapitel II/3. David Wolffsohn erklärte sich postwendend dazu bereit (vgl. Brief Feiwels an Wolffsohn vom 16. März 1905, in: Central Zionist Archives, Jerusalem, W 58/1). Aus Kostengründen wurde, wie bereits erwähnt, auf den Faksimiledruck von Dokumenten und die Beigabe von Photographien verzichtet.

Exkurs l: Erste Herausgabe der zionistischen Schriften Theodor Herzls

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glaube, wir werden dieses Vertrauen rechtfertigen können, wenigstens werden wir alle Mühe darauf wenden. 294

Das Echo auf den Prospekt für die Vorzugsausgabe, die zumindest Teile des Druckes hätten finanzieren sollen, verlief weiterhin enttäuschend. Waren ursprünglich 50 bis 100 Exemplare der teuren Ausgabe vorgesehen, hatten bis Ende März erst gut ein Duzend Personen verbindlich zugesagt, das Buch zu kaufen, wie Feiwel seinem unbekannten Vertrauten in Wien mitteilte. 295 Parallel dazu hatte der Verlag geplant, eine normale Ausgabe ebenfalls nur aufgrund von Vorbestellungen zu produzieren und auch dieses Werk nicht durch den Buchhandel abzusetzen, wie aus einem Prospekt hervorgeht. 296 Aufgrund mangelnder Resonanz sah Feiwel jedoch davon ab. Bereits im März 1905 wurde der Leserschaft der Welt mitgeteilt, daß im Laufe des Monats April das Buch erscheinen werde und auch ohne Vorbestellung gekauft werden könne. In der Notiz wurde allerdings noch nicht auf die Vorzugsausgabe hingewiesen, da Feiwel weiterhin hoffte, diese Exemplare durch persönliche Kontakte abzusetzen. 297 Anfang März des Jahres berichtete Chaim Weizmann seiner Verlobten Vera Khatzman über Berthold Feiwel und die guten Aussichten für den Verlag, welche aus der Herausgabe des Buches resultieren würden. I have just received a letter from Toldy full of good cheer and high spirits. He has been cured by work. [...] The »Verlag« is also in better shape. They are going to put out a »Herzlbuch«, i. e., writings that remained unpublished after Herzl's death. This will redeem the »Verlag« and transform it from an opposition into a party instrument, making it all the more influential. I am highly gratified. 298

Weizmann ahnte bereits zu diesem Zeitpunkt, daß die Produktion des Buches die Lage des maroden Verlages verbessern konnte. Die durch den Berliner Anwalt Arthur Hantke eingeleiteten Gespräche zwischen Wolffsohn und Feiwel, welche schließlich kurz vor dem 7. Zionistenkongreß zur Übernahme des Verlages führten, wurden allerdings erst einen Monat später aufgenommen. Die Vorzugsausgabe des Herzl-Buches in zwei Bänden, gedruckt auf Büttenpapier und gebunden in schwarzes Leder, erschien schließlich nach einigen Verzögerungen im Frühsommer 1905 in einer Auflage von vermutlich 100 Exemplaren. 299

294

Feiwel an Wolffsohn, 16. März 1905 (wie letzte Anm.). 295 Ygj (j e n Brief Feiwels vom 2. April 1905, in: Central Zionist Archives, Jerusalem, A 345/1/8. 296 In: ebd., DD-Germany. 297 Vgl. Die Welt, 9. Jg (1905), Nr 9, S. 1. 298 Original in Russisch, zit. nach der Übersetzung, in: The Letters and Papers of Chaim Weizmann (wie oben, Anm. 17), Vol. IV, S. 47. 299 Die auf dem Innentitel der Normalausgabe genannte Zahl von 200 Exemplaren scheint eher dem ursprünglichen Wunsch des Verlegers, als den Tatsachen zu entsprechen.

86

II. Gründung und Frühphase in Berlin,

1902-1905

Die Normalausgabe war ursprünglich ebenfalls in zwei Bänden geplant.300 Aus finanziellen Gründen kam Feiwel davon ab und ließ die bereits auf gewöhnliches Papier gedruckten Bogen im Satz der Vorzugsausgabe in einen stattlichen Band binden. Dadurch konnten nicht nur die Kosten eines Neusatzes, sondern auch jene der Buchbinderei reduziert werden. Auch in diesem Fall verzögerte sich die Produktion aber um einige Wochen. Schon am 16. Juni 1905 erschien ein Inserat, worin das unmittelbar bevorstehende Erscheinen dieser »Ausgabe in Prachtband mit Relief-Plakette Theodor Herzls« zum Preis vom 10 Mark angekündigt wurde.301 Der Verlag wollte das Buch unbedingt rechtzeitig vor Eröffnung des Kongresses in Basel am 27. Juli fertigstellen, was schließlich gelang, indem die einbändige Ausgabe um den 10. Juli in den Handel gelangte.302 In derselben Anzeige warb der Verlag erstmals auch fur die angeblich noch in einigen Exemplaren vorrätige Luxusausgabe, die nun statt zum Subskriptionspreis von 30 Mark fur 35 Mark einem breiten Publikum angeboten wurde. Am Vorabend des Kongresses, in der Welt vom 21. Juli 1905, erschien eine erste Würdigung des Buches durch Siegmund Werner, einem der engsten Mitarbeiter Herzls. Theodor Herzls zionistische Schriften: Jetzt, unmittelbar vor dem siebenten Kongresse, wurden sie der Öffentlichkeit übergeben. Wie eine Mahnimg an diejenigen, die sein Erbe zu verwalten haben, wie ein Ruf an die Genossen, die seine erste, größte praktische Schöpfung, den Kongreß, weiterführen sollen. [...] Wohl, ein Sammelwerk und nicht einmal eines, das alles enthält, und doch eine Gabe, wie sie selten geboten wird. [...] Bei jedem Blatte des Buches möchte ich verweilen. 303

Die pathetischen Worte des Rezensenten trugen dazu bei, daß das neue Buch während des Kongresses in Basel - dem ersten nach dem Tode Herzls - auf reges Interesse stieß. Allerdings waren die Verkaufspreise fur beide Ausgaben sehr hoch, so daß eine dritte, die sogenannte »Volksausgabe«, in Arbeit genommen wurde, die fur breitere Kreise erschwinglich sein sollte. Auch in dieser Sache mußte sich Feiwel mehrfach an Wolffsohn wenden, der über den Stand der Produktion und der Vermarktung detailliert informiert werden wollte. Ich versende jetzt [...] vom Verlage direkt an Vereine, Verbände und Vertrauensmänner Propaganda-Zirkulare. Kann ich darin bemerken: »Wir bitten um angelegentliche Bemühung wegen möglichst weiter Verbreitung dieses Werkes. [Es] wird vom Präsidenten des A.-C. [Aktionskomitee] Herrn D. W. (der zugleich einer der Kuratoren des Herzl'schen Nachlasses ist) befürwortet.«? Ich glaube, das wäre insbesondere in Deutschland wertvoll. 304

Bereits am 6. Oktober 1905 erschien ein ganzseitiges Inserat in der Welt, worin zu Bestellungen für die broschierte Billigausgabe des Buches eingeladen wurde. 300 301 302 303 304

Vgl. Die Welt, 9. Jg (1905), Nr 9, S. 1. Zit. nach der Anzeige in der Welt, 9. Jg (1905), Nr 24, S. 18. Vgl. ebd., Nr 28, S. 17. Ebd., Nr 29, S. 29f. Schreiben Feiwels an Wolffsohn vom 17. Oktober 1905, in: Central Zionist Archives, Jerusalem, W 58/1.

Exkurs 1: Erste Herausgabe der zionistischen Schriften Theodor Herzls

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Den oben zitierten, von Feiwel später vorgeschlagenen Passus, ließ er dabei auf Wunsch Wolffsohns weg, da dieser sich nach außen hin nicht mit dem Jüdischen Verlag in Verbindung gebracht sehen wollte. Auf Grund eines mit unserem Verlage getroffenen Abkommens wurde für die zionistische Agitation eine wohlfeile Ausgabe des Werkes Theodor Herzl's Zionistische Schriften [...] veranstaltet, die soeben zur Ausgabe gelangt. Der Preis fur diese Ausgabe wurde mit Mk. 3.50 = Κ 4 - angesetzt. Diese im Hinblick auf den Umfang (über 600 Seiten) und die schöne Ausstattung des Werkes ganz außergewöhnlich niedrige Preis-Ansetzung, durch die die weitesten zionistischen Kreise in den Stand gesetzt werden, sich die hinterlassenen Schriften des verewigten Führers anzuschaffen, hätte zur Voraussetzung, daß alle Vereine und Vertrauensmänner sich für eine möglichst große Verbreitung des Werkes einsetzen werden. [...] Diese Ausgabe ist zu diesem Preise nur von Angehörigen der Zionistischen Organisation zu beziehen.305 Das im Inserat erwähnte Abkommen bezieht sich auf einen informellen, vermutlich noch während des Kongresses in Basel gefaßten Beschlusses des E. A. C., den das leitende Gremium jedoch erst anläßlich einer Sitzung am 19. November 1905 in Köln endgültig verabschiedete. Dabei wurde unter Federführung Wolffsohns, der dem E. A. C. von 1905 bis 1911 vorstand, entschieden, die Publikation der Billigausgabe finanziell zu unterstützen.306 Damit trat die Zionistische Organisation erstmals als aktive Partnerin des Jüdischen Verlages in Erscheinung, ohne daß dies nach außen hin deutlich gemacht worden wäre. Außerdem bestätigten sich die Vermutungen, die Weizmann bereits im März desselben Jahres in seinem zitierten Brief geäußert hatte. Dank der materiellen Hilfe konnte nun die »wohlfeile Ausgabe« der Herzischen Schriften innerhalb kürzester Zeit fertiggestellt werden. Wenige Tage nach der Anzeige vom 6. Oktober 1905 ist mit der Auslieferung der ersten Auflage in der Höhe von 5.000 Exemplaren begonnen worden, die sich wegen des tiefen Preises gut verkaufte und über mehrere Jahre im Sortiment des Verlages blieb. 307 Erst in Zusammenhang mit der Ausgabe der Herzischen Schriften in 5 Bänden zog der Verlag das Werk vom Markt zurück und makulierte die Restbestände. 308 305

Die Welt, 9. Jg (1905), Nr 40, S. 18. Die Anzeige erschien unverändert in den folgenden Nummern der Zeitung. 306 Ygj jjjg L e tt e r s a nd Papers of Chaim Weizmann (wie oben, Anm. 17), Vol. IV, S. 113, Anm. 2 mit unpräzisen Angaben. Aufgrund der bereits im Oktober 1905 erscheinenden Inserate muß ein informeller Entscheid bezüglich der Unterstützung des Verlages bereits während des Kongresses in Basel gefällt worden sein. Die in der Fußnote nicht näher bezeichnete Sitzung des E. A. C. wurde wegen des Todes Oser Kokeschs und der Pogrome in Rußland mehrfach verschoben und fand schließlich erst am 19. November 1905 in Köln statt. Vgl. Die Welt, 9. Jg (1905), Nr 46, S. 16. 307 Ab 1907 wurde eine Nachdruck, d. h. das 5.-10. Tsd angeboten (vgl. Protokoll des 8. Zionistenkongresses [1907], Anzeige im Anhang). Noch 1924 war das Werk in einer neu gesetzten, als zweite Auflage bezeichneten Ausgabe im 11.-15. Tsd zu beziehen (vgl. Gesamtkatalog [1924], S. 27, Verlagsverzeichnis [1931], S. 8 sowie Verlagsbibliographie im Anhang). 308 Vgl. dazu Exkurs 6.

III. Interregnum in Köln, 1906-1911

Es ist eine traurige Tatsache, daß der Verlag nicht über ein genügendes Betriebskapital verfugt. Wir fühlen das fast jeden Tag. [...] Auf diese Weise ist eine fruchtbare Arbeit sehr schwer und Sie sind ganz im Rechte, wenn Sie behaupten, daß dem Verlag neues Geld aus anderen Quellen als der zionistischen Parteikasse zugeführt werden müßte. [...] Offen gestanden schrecken wir im heutigen Moment vor einschneidenden Reformen zurück.1

1. Die Hintergründe der Rettung des Jüdischen Verlages durch David Wolffsohn Einer Schilderung der weiteren Entwicklung des Jüdischen Verlages muß ein Blick auf die Hintergründe und die Motivation des Engagements David Wolffsohns vorangehen. Der Kaufmann hatte sich entschlossen, der Firma zu helfen, indem er durch seinen Mittelsmann Arthur Hantke die Besitzverhältnisse neu regeln ließ. Seit dem 19. Juli 1905 waren Verlagsanteile in der Höhe von 25.000 Mark auf den Namen David Wolffsohns eingetragen. Die restlichen 5.000 Mark der ursprünglichen Anteile von 30.000 Mark verblieben bei Heinrich Bennigson, dem Besitzer der Druckerei »Pass & Garleb«, bei welcher der Jüdische Verlag tief verschuldet war. David Wolffsohn engagierte sich für den Verlag, da er darin einerseits ein für die ganze Bewegung nutzbar zu machendes Propagandainstrument sah und andererseits überzeugt war, die Firma könne bei geeigneter Reorganisation Geld erwirtschaften. In einem Brief an Simon Rosenbaum drückte Wolffsohn dies so aus: Den Jüdischen Verlag will ich jetzt neu gründen und zwar auf besserer Basis wie unsere Gründungen bis jetzt waren. [...] Die Sache wird von Arthur Hantke gemacht [...] und hoffe ich zuversichtlich, daß wir dabei nicht nur nichts verlieren werden, sondern daß auch unsere Bewegung ein gutes Geschäft dabei machen wird. 2 1

2

Brief des Jüdischen Verlages, gezeichnet von Sigfried Hoofien und Martin Rosenblüth, an Adolf Böhm in Wien, 26. August 1910, in: Central Zionist Archives, Jerusalem, Ζ 2/440. Brief Wolffsohns an Rosenbaum vom 17. Juni 1905, in: ebd., W 8, S. 240.

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III. Interregnum in Köln,

1906-1911

Die von Hantke während der Monate Mai und Juni 1905 gemachten Vorschläge nahm Wolffsohn mit großem Interesse zur Kenntnis, bat aber sowohl ihn als auch Feiwel um präziseste Informationen über kleinste Details. Eine ungleich wichtigere Frage war allerdings, welche verwertbaren Werte die Firma zu diesem Zeitpunkt überhaupt noch besaß. Aufgrund dessen erstellte Feiwel am 13. Mai die erwähnte Bilanz per 1. April 1905, welche Wolffsohn und Hantke den Eindruck vermittelte, daß der Wert des Bücherlagers ungefähr der Höhe der Verbindlichkeiten entsprach.3 Berthold Feiwels unrealistisch hohe Bewertung der Lagerbestände wurde vorläufig nicht weiter geprüft, sondern für bare Münze genommen. Für Wolffsohn stand somit fest, daß die Übernahme der Firma weiterverfolgt werden solle. Obwohl selber vermögend, wollte sich Wolffsohn als Privatperson nicht über Gebühr für den Jüdischen Verlag einsetzen, sondern diesen für die zionistische Bewegung gewinnen. Daher suchte er unmittelbar nach Erhalt der Unterlagen Feiwels den Kontakt zu engen Freunden, die sich mit Anteilen von je 1.000 Mark am Verlag beteiligen sollten, wie er den Geschäftsführer in Berlin wissen ließ: »Natürlich will ich den Betrag von Freunden aufbringen und mich selbst nur mit einem kleinen Betrag, wie die Anderen beteiligen. Ich werde in Wien schon die nötigen Schritte tun.«4 Anläßlich einer Sitzung des E. A. C. in Wien gelang es ihm tatsächlich, von einigen Personen verbindliche Zusagen zu bekommen. Andere Zionisten wurden von ihm schriftlich angefragt.5 Es entbehrt dabei nicht der Ironie, daß genau dieselbe Art der Finanzierung bereits bei der Gründung des Jüdischen Verlages mit sehr bescheidenem Erfolg angestrebt worden war. Ähnlich enttäuschend wie fur die Initiatoren im Jahre 1902 fiel das Ergebnis drei Jahre danach für David Wolffsohn aus: Den mündlichen und ζ. T. schriftlichen Zusagen folgten entweder nur Teilüberweisungen, wie im Falle des Kaufmannes J. L. Goldberg,6 oder Wolffsohn mußte mehrfach darauf drängen, das versprochene Geld möglichst bald an Hantke zu überweisen, der auch in dieser Sache für Wolffsohn agierte. Ende Mai berichtete er Feiwel über das bisher Erreichte. Ich habe bis jetzt von folgenden Herren mit je 1Ό00 Mark feste Zusagen: CowenLondon, Dr. Katzenelsohn, Goldberg-Wilna, Prof. Warburg und natürlich ich selbst. Kremenetzky-Wien. Dann habe ich noch mehrere Herren in Aussicht, die sich gewiß beteiligen werden, wenn ich persönlich mit ihnen sprechen werde. Es wäre am besten wenn wir bis zum Congreß Zeit hätten, dann bekomme ich sicherlich noch mehr Teilnehmer, wenn es aber eilt, so veranlassen Sie Dr. Hantke, daß er die Sache in die Hand nimmt. [...] Mit den technischen Arbeiten kann ich mich nicht befassen.7 3 4 5

6 7

Von Feiwel erstellte Bilanz vom 13. Mai 1905, in: ebd., W 156. Brief Wolffsohns an Feiwel vom 19. Mai 1905, in: ebd., W 8, S. 203. Vgl. etwa die Schreiben Wolffsohns an J. Cowen vom 15. Mai 1905, an N. Katzenelsohn vom 17. Juni 1905 oder an S. Rosenbaum vom 17. Juni 1905, alle in: Central Zionist Archives, Jerusalem, W 8, S. 227, S. 235 sowie S. 240. Vgl. dazu den Brief Wolffsohns an das E. A. C. vom 15. August 1912, in: ebd., W 22. Brief Wolffsohns an Feiwel vom 31. Mai 1905, in: ebd., W 8, S. 207. Der Kaufinann J. L. Goldberg hatte sich bereits bei der Gründung des Jüdischen Verlages beteiligt und selber Gelder organisiert; vgl. Kapitel II/3.

1. Die Hintergründe der Rettung des Jüdischen Verlages durch David Wolffsohn

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Die in den Wochen vor dem Kongreß bei Hantke eingegangenen Beträge erlaubten eine erste Überweisung von 5.000 Mark an »Pass & Garleb«, worauf die Anteile des Verlages umgeschrieben werden konnten.8 Allerdings resultierten aus Wolffsohns Bemühungen nicht ausreichend Zusagen, die eine hundertprozentige Übernahme der Firma erlaubt hätten. Obwohl ihn Hantke ursprünglich dazu bewegen wollte, war dies gar nie seine Absicht. Die in einem Brief an den Anwalt geäußerten Überlegungen sollten fur die nächste Zukunft des Verlages einschneidende Konsequenzen haben. Noch stehe ich auf dem Standpunkt, daß es für den Verlag besser wäre, wenn die Firma Pass & Garleb daran beteiligt bliebe. Ich habe dadurch mehr Vertrauen zu der Sache und wir brauchen nicht so viel baares Geld für diese alten Schulden herzugeben. Die Druckerpreise können neu auf viel gesunderer Basis vereinbart werden.9

Wolffsohn konnte zu diesem Zeitpunkt nicht ahnen, daß die Mitbeteiligung der Druckerei am Verlag über lange Jahre zu einer drückenden Last werden sollte. Im übrigen hoffte Wolffsohn noch immer, während des 7. Zionistenkongresses in Basel weitere Geldgeber zu finden. Dies erwies sich allerdings als Trugschluß, und so war jener Fall eingetreten, den der Kölner Kaufmann zu Beginn der ganzen Verhandlungen hatte vermeiden wollen. Trotzdem er ungefähr 5.000 Mark aufgrund seiner Bemühungen unter Freunden aufbringen konnte, besaß Wolffsohn weiterhin Anteile am Verlag in der Höhe von 25.000 Mark, die auf seinen Namen mit Rechten und Pflichten eingetragen blieben.10 Im Anschluß an den Kongress wurden weitere 5.000 Mark an Heinrich Bennigson bezahlt, die mit aller Wahrscheinlichkeit aus Wolffsohns Privatvermögen stammten. Somit hatte der Kaufmann bereits weit mehr in den Jüdischen Verlag investiert, als er sich vorgenommen hatte. Dieser Umstand, gepaart mit den veränderten Prioritäten hinsichtlich der Propaganda und den erst allmählich erkannten zusätzlichen Finanzproblemen, waren fur die im folgenden beschriebene Phase der Lethargie des Jüdischen Verlages verantwortlich. Anläßlich einer Sitzung des E. A. C. am 19. November 1905 besprach Wolffsohn die Angelegenheit mit den beiden anderen anwesenden Mitgliedern des Gremiums: Es wurde beschlossen, den Jüdischen Verlag grundsätzlich zu übernehmen, diesen allerdings im Moment ruhen zu lassen.11 8 9

10

11

Vgl. Kapitel II/8. Brief Wolffsohns an Hantke vom 19. Mai 1905, in: Central Zionist Archives, Jerusalem, W 8, S. 198. Die genaue Summe der Beträge, die effektiv von dritter Seite eingeflossen sind, bleibt schwer zu bestimmen, weil Wolffsohn in einzelnen Fällen Geld aus seinem Privatvermögen in Namen von Freunden an Hantke überwiesen hatte, so etwa für Nissan Katzenelsohn. Vgl. Wolffsohns Brief an Hantke vom 4. Juli 1905: »Dr. Katzenelsohn schreibt mir, daß er sich mit 1000 Mk beteiligen wird und werde ich den Betrag für ihn zahlen.« In: Central Zionist Archives, Jerusalem, W 8, S. 246. Siehe auch Kapitel IV/4. Vgl. The Letters and Papers of Chaim Weizmann (wie Kapitel II, Anm. 17), Vol. IV, S. 113, Anm. 2 zu Brief 97. In Exkurs 1 wurde daraufhingewiesen, daß ein informeller Beschluß in dieser Sache bereits während des 7. Zionistenkongresses Ende Juli 1905 in Basel gefaßt worden war.

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III. Interregnum in Köln,

1906-1911

Mehr als zehn Jahre später formulierte der damalige Verlagsleiter, Ahron Eliasberg, die Beweggründe fur die Intervention Wolffsohns in einem ausführlichen Thesenpapier zuhanden des E. A. C. in Berlin. Es ist Ihnen, meine Herren, natürlich bekannt, daß David Wolffsohn den Verlag nach Köln nur deshalb überführte, weil er aus dessen geschäftlichen Beziehungen zu der Firma Pass & Garleb außer dem Zusammenbruch des Verlages auch eine moralische Einbuße für die Organisation befürchtete. Es ist für niemand ein Geheimnis, daß die Kölner Leitung mit dem J. V. nichts anzufangen wußte. 12

Obwohl etwas überspitzt formuliert, traf Eliasbergs Einschätzung zu. Die kommende Entwicklung des Jüdischen Verlages bewies in der Tat, daß Wolffsohn den Verlag ohne große Begeisterung übernommen hatte, obwohl er um dessen potentielle Bedeutung durchaus wußte.

2. Die Überführung des Jüdischen Verlages nach Köln

Am 5. Januar 1906 erschien die erste Nummer der Welt in Köln. Die Redaktion lag in den Händen von Berthold Feiwel und Abraham Coralnik, die bis Mitte Mai des Jahres die Wochenzeitung in alleiniger Verantwortung herausgaben. Danach erschienen beide im Impressum als Redakteure, wobei Julius Berger neu als verantwortlicher Redakteur zeichnete. Berger war daneben Sekretär des E. A. C. und genoß Wolffsohns Vertrauen. Der Grund dafür, daß Feiwel zunehmend in Konflikt mit Wolffsohn und den Mitgliedern des E. A. C geriet, lag nicht zuletzt in der Struktur des Gremiums begründet. Auf dem 7. Kongreß wurden neben Wolffsohn sechs weitere Personen als Mitglieder des Exekutivgremiums bestimmt. Von diesen nahmen allerdings nur Otto Warburg und Jakobus Kann regelmäßig an den Sitzungen teil, so daß die Geschäfte faktisch durch einen Dreierausschuß von untereinander befreundeten Männern gefuhrt wurden. 13 Zwischen Wolffsohn und Kann bestand eine besonders enge Freundschaft, die mit dazu führte, daß Berliner Zionisten die vor allem wenig transparenten Prozesse und Entscheidungen dieses Gremiums mit zunehmendem Argwohn verfolgten. Trotzdem sind die drei Persönlichkeiten an den beiden folgenden Kongressen in Haag und Hamburg wiedergewählt worden.

12

13

Memorandum Eliasbergs vom 12. Dezember 1916, S. 2 f., in: Central Zionist Archives, Jerusalem, Ζ 3/1069. J. Bernstein-Kogan, Μ. Ussischkin, A. Marmorek und J. L. Greenberg blieben den Sitzungen primär wegen ihrer entfernten Wohnsitze in Rußland, Paris und London fern. Nach dem 8. Kongreß setzte sich das E. A. C. auch offiziell nur noch aus Wolffsohn, Warburg und Kann zusammen.

2. Die Überführung des Jüdischen Verlages nach Köln

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Der Aktionsradius von Berthold Feiwel wurde während des Jahres 1906 in Köln zunehmend eingeengt. In der Redaktion der Welt, die ihm Wolffsohn im Vorjahr angetragen hatte, spielte Feiwel nur mehr eine Nebenrolle. Davon, daß man ihn auch zur Leitung des Verlages nach Köln geholt hatte, war nicht länger die Rede. Wolffsohn dachte im Moment nicht daran, den Jüdischen Verlag zu reaktivieren, was mit den beschriebenen Schulden und der nicht nach Wunsch geglückten Suche nach Investoren zusammenhing. Der Kaufmann realisierte, daß sein Engagement für den Verlag zu einer großen Bürde geworden war und es im Moment, trotz des Ε. A. C.-Beschlusses, nicht opportun erschien, dem Verlag die zur Weiterarbeit benötigten Mittel zuzusprechen. Feiwel konnte und wollte dies jedoch nicht einsehen, da er durch Wolffsohn nur noch teilweise informiert wurde. Erfolglos versuchte er Wolffsohn zu überzeugen, der Verlag sei weiterzuführen. 14 Während des Jahres 1906 kam denn auch nur eine einzige Broschüre auf den Markt, die zudem in den Verlagsverzeichnissen fehlt. Die von Arthur Ruppin redigierte »Veröffentlichung des Bureaus für Statistik der Juden« mit dem Titel Die sozialen Verhältnisse der Juden in Rußland wurde zwar im Jüdischen Verlag veröffentlicht, aber Berthold Feiwel hatte mit dem druckfertig gelieferten Manuskript nichts zu tun. In der Welt erschienen bis Mitte Oktober 1906, abgesehen von der Ankündigung der Broschüre Ruppins, keinerlei Anzeigen oder Mitteilungen des Verlages.15 Anläßlich der 3. Zionistischen Jahreskonferenz, vom 28. bis 31. August 1906 in Köln, erstattete David Wolffsohn im Namen des E. A. C. Bericht über die seit dem Kongreß des Vorjahres geleistete Arbeit und erwähnte darin auch den Verlag. Der Jüdische Verlag in Berlin ist durch Unterstützung einiger Zionisten und des AktionsKomitees diesem unterstellt worden. Wir hoffen, das Institut, das so viel Gutes und Schönes auf jüdisch-literarischem Gebiete geleistet hat, dadurch auf eine solche Basis zu stellen, daß es sich auch weiterhin gut entwickeln und daß es insbesondere die Grundlage zu der von uns geplanten Ausgestaltung unserer publizistischen und literarischen Propagandamittel bieten wird.16

In seinen Ausführungen betonte Wolffsohn mehrfach die angespannte Finanzlage der Bewegung, die einen gewünschten Ausbau der Propaganda nicht zuließe. In der Bilanz des zionistischen Zentralbüros zu Händen der Jahreskonferenz erscheint der Jüdische Verlag per 30. Juni 1906 mit einem Aktivwert von knapp 10.000 Mark. 17 Worauf diese Bewertung beruhte, läßt sich nicht belegen. Naheliegend ist, daß die von Feiwel erstellte und oben erwähnte Bücheraufnahme vom April 1905 dafür verwendet und die darin 14

15 16 17

Die Beziehung zwischen Wolffsohn und Feiwel in diesen Monaten läßt sich nur anhand ganz weniger Quellen belegen. Da beide in Köln wohnten und sich regelmäßig trafen, wurde kaum etwas schriftlich festgehalten. Siehe auch Kapitel III/3. Vgl. Die Welt, 10. Jg (1906), Nr 33, letzte Anzeigenseite. Ebd., Nr 35, S. 3. Ebd., Nr 36, S. 11.

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III Interregnum in Köln,

1906-1911

gelisteten Buchwerte um ungefähr 50 % abgeschrieben wurden. Die Bilanz nennt keine Passiva in Zusammenhang mit dem Verlag, was zusätzlich belegt, daß seitens des E. A. C. bis dahin keine Gelder aus dem Vermögen der Zionistischen Organisation dafür eingesetzt worden waren. Anläßlich der Konferenz wurde in kleinem Kreis und ohne Aktennotiz dennoch beschlossen, den Sitz des brachliegenden Verlages von Berlin nach Köln zu verlegen. 18 Am 26. Oktober 1906 informierte eine Anzeige die Leserschaft der Welt\ Per 1. November nahm der Jüdische Verlag in den Büros der Redaktion der Zeitung am Ubierring 23 in Köln seine Tätigkeit auf. 19 Kurz zuvor hatte Wolffsohn Feiwel beauftragt, die notwendigen juristischen Schritte einzuleiten. Als Gesellschafter der Firma Jüdischer Verlag GmbH in Berlin-Charlottenburg, Herderstr. 3/4, erkläre ich mich damit einverstanden, daß der Sitz dieser Gesellschaft nach Köln verlegt werde, und ersuche Sie, sofort die hierzu nötigen Schritte einzuleiten und bevollmächtige Sie hierzu. 20

Mitte November 1906 wurde die Verlegung des Sitzes in der Anwaltskanzlei des Kölner Notares Stephan Fröhlich amtlich vollzogen. Es ist bemerkenswert, daß seitens der Firma »Pass & Garleb« nicht deren Geschäftsführer Heinrich Bennigson, sondern der mit einer Vollmacht ausgestattete Julius Berger anwesend war. Letzterer fungierte zu dieser Zeit, wie erwähnt, als Chefredakteur der Welt und als Sekretär des E. A. C. Kurz danach muß er zudem zum Verlagsleiter bestimmt worden sein.21 Berthold Feiwel nahm an der Beurkundung die Interessen des ebenfalls abwesenden David Wolffsohn wahr. Die notarielle Urkunde bestätigte die bisherigen Besitzverhältnisse, d. h. 25.000 Mark blieben auf Wolffsohn sowie 5.000 Mark auf die Druckerei »Pass & Garleb« eingetragen. Abgesehen von der Sitzverlegung der Gesellschaft wurden an der Sitzung in den Büros des Anwaltes keine weiteren Entscheidungen getroffen. 22 Somit waren auch die rechtlichen Schritte erledigt, die zur Aufnahme der Geschäftstätigkeit in Köln erforderlich waren.

18

19 20

21 22

Obwohl Wolffsohn letztlich alleiniger Inhaber der Mehrheit an Verlagsanteilen war, ist davon auszugehen, daß er zumindest die Mitglieder des E. A. C. darüber in Kenntnis setzte. Die Welt, 10. Jg (1906), Nr 43, S. 23. Brief Wolffsohns an Feiwel vom 30. Oktober 1906, in: Central Zionist Archives, Jerusalem, Ζ 3/1066. Vgl. folgendes Kapitel. Die Sitzung fand am 15. November 1906 statt. Die Abschrift der Notariatsakte erfolgte am 5. Dezember 1906, in: Central Zionist Archives, Jerusalem, Ζ 3/1066.

3. Die Jahre bescheidener Aktivität des Jüdischen Verlages in Köln

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3. Die Jahre bescheidener Aktivität des Jüdischen Verlages in Köln

Bis Ende des Jahres 1906 und erneut von Juni bis September 1907 arbeitete der noch immer als Geschäftsführer des Verlages eingetragene Berthold Feiwel in der Redaktion der Welt. Seine Beziehung zu David Wolffsohn hatte sich während des Sommers 1907 merklich abgekühlt, nachdem es schon im Vorjahr zu Meinungsverschiedenheiten über die Zukunft des Verlages gekommen war. Der Bruch zwischen den beiden bahnte sich nach Verlegung des Sitzes und der Überführung des kompletten Bücherlagers von Berlin nach Köln an. Die ominöse Bilanz und Inventurliste Feiwels von Mitte Mai 1905 offenbarte von Tag zu Tag gravierendere Mängel. Wolfssohn ahnte, daß die Probleme des Jüdischen Verlages viel größer waren, als er sich dies vorgestellt hatte. Darum unternahm er bis November 1906 keinerlei Schritte zur Wiederaufnahme der Geschäftstätigkeit. Die Tragweite der in Wirklichkeit schlimmer als befürchteten Verhältnisse hatte er allerdings bis dahin nicht anhand genauer Zahlen einzuschätzen vermocht. Wolffsohns Erkenntnisse, die resultierenden Streitigkeiten und daraus folgenden Konsequenzen lassen sich anhand eines bisher nicht veröffentlichten Briefwechsels, der erst im Juni 1910 gefuhrt wurde, rekonstruieren. Zu Beginn dieses Monats reichte Rechtsanwalt Dr. E. Goitein aus Ludwigshafen im Namen Feiwels eine Klage gegen David Wolffsohn ein. Darin wurde dem Kölner Kaufmann unterstellt, sich gegenüber Feiwel abschätzig und ehrenrührig geäußert zu haben. Rechtsanwalt Goitein drückte dies deutlich aus. Herr Feiwel hatte schon seit einiger Zeit die Empfindung, daß über ihn vorwiegend in Kreisen, die der zionistischen Bewegung angehören, aber auch außerhalb derselben Gerüchte kursierten, die ihn schwerer Verfehlungen beschuldigen und sein moralisches Ansehen beeinträchtigen. [...] Vor einigen Tagen ist ihm diese Kenntnis geworden. Er hat [...] erfahren, daß Sie [Wolffsohn] im Kreise einiger zionistischer Herren folgende Äußerung über ihn getan haben: »Als ich von ihm - Feiwel - den Jüdischen Verlag übernommen habe, hätte ich ihn, wenn ich gewollt hätte, ins Gefängnis bringen können; sein Verhalten war geradezu kriminell.«23

Die näheren Umstände dieser massiven Vorwürfe gehen aus der Antwort Max Bodenheimers hervor, der im Auftrag Wolffsohns dem Ludwigshafener Berufskollegen schrieb. Feiwels Beschuldigungen wurden sämtlich zurückgewiesen und in Replik der Sichtweise Wolffsohns gegenübergestellt. Herr Wolffsohn hat die ihm unterschobene Äußerung in der von Ihnen angeführten Form nicht gemacht. Wohl ist es möglich und wahrscheinlich, daß Herr Wolffsohn bei Gelegenheit politischer Diskussion innerhalb der zionistischen Bewegung, an deren Spitze Herr Wolffsohn steht, sich über den durchaus verlodderten Zustand in scharfen Worten geäußert hat, in welchem ihm seinerzeit der Jüdische Verlag von dem Geschäftsführer desselben Herrn Feiwel übergeben worden war. Die Tatsachen über welche sich Herr Wolffsohn insbesondere beschwert sind die folgenden: Der 23

Brief Goiteins an Wolffsohn vom 2. Juni 1910, in: ebd., W 64/1.

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III. Interregnum in Köln,

1906-1911

Jüdische Verlag befand sich im Zustande völliger Zahlungsunfähigkeit, was aus der Bilanz nicht zu ersehen war. Es waren erhebliche Aktivposten in derselben angeführt, die nicht vorhanden waren. Andererseits waren Forderungen, die gegen die Gesellschaft bestanden in den Büchern und in der Bilanz nicht aufgeführt. Der Lagerbestand entsprach nicht dem Inventurverzeichnis, indem viele Hunderte Exemplare von Büchern fehlten. Da diese Bilanz zum Zwecke des Verkaufs des Jüdischen Verlages an Herrn Wolffsohn bezw. der Organisation der zionistischen Bewegung vorgelegt wurde und Herr Feiwel über diese Differenzen keinerlei befriedigende Auskunft geben konnte, hält sich Herr Wolffsohn durchaus berechtigt, die erhobenen Vorwürfe aufrecht zu halten. 24

Die Ausführungen Bodenheimers erhellen die Umstände, welche fur die Entwicklung des Verlages in der Zeit nach Sommer 1906 verantwortlich waren. Die Quellen bestätigen dabei weitgehend die Ansicht des eng mit Wolffsohn befreundeten Kölner Anwalts in der verfahrenen Angelegenheit. Tatsächlich trat Berthold Feiwel nach der Überführung des Verlages nicht länger als Geschäftsführer der Firma in Erscheinung. Diese Aufgabe nahm nun Julius Berger in jenem Umfang wahr, der für den quasi inaktiven Verlag notwendig war.25 Seitens des Jüdischen Verlages wurde lediglich versucht, die Lagerbestände der aus Berlin überführten Bücher abzubauen. Zu diesem Zweck erschienen seit Anfang November 1906 wieder regelmäßig Inserate in der Welt, die Berger ebenfalls weiterhin redigierte.26 Neuerscheinungen entstanden in dieser Zeit keine, sondern es wurde vielmehr versucht, mittels großzügiger Rabatte möglichst viele der älteren Verlagswerke abzusetzen. Außerdem bot die Firma Postkarten und allgemeine zionistische Literatur aus anderen Verlagen an, die Gelder für den nun zu einer bloßen Zweigstelle der Welt herabgestuften Jüdischen Verlag erwirtschaften sollten. Ende 1906 schied Feiwel vorübergehend aus der Redaktion der Welt aus, nahm aber im Juni 1907 die Arbeit noch einmal für drei Monate auf. Nicht zuletzt, weil er durch seine frühe Tätigkeit für die Zeitung im Jahr 1901 mit deren Entstehungsgeschichte bestens vertraut war, wurde er gebeten, den Leitartikel zur Ausgabe vom 7. Juni 1907 zu verfassen. 27 Mit dieser auch inhaltlich von Feiwel geprägten Nummer markierte die Zeitung das Jubiläum ihres zehnjährigen Bestehens. Die Sonderausgabe enthält einige Beiträge von Autoren aus dem Umfeld der »Demokratischen Fraktion«, einschließlich eines Artikels von Martin Buber und mehrerer Illustrationen Liliens. Die Schaffung des Jüdi24

25

26

27

Schreiben Bodenheimers an Goitein Brief vom 22. Juni 1910, in: ebd., W 64/1. Ein neuerliches Schreiben seitens des in Feiwels Auftrag klagenden Ludwigshafener Anwalts ist nicht erhalten, so daß durchaus angenommen werden darf, Feiwel habe auf eine weitere Konfrontation verzichtet. Es konnte nicht eruiert werden, wann genau Berger die Leitung des Verlages in juristischem Sinne übernommen hatte. Naheliegend ist, daß dies Ende 1906 erfolgte, jedoch fehlt unter den gesichteten Notariatsakten dafür ein Beleg. Vgl. etwa: Die Welt, 10. Jg (1906), Nr 45, S. 23 sowie doppelseitiges Inserat in Nr 46, S. 22f. Vgl. Kapitel II/2 zur früheren Tätigkeit Feiwels für die Zeitung.

3. Die Jahre bescheidener Aktivität des Jüdischen Verlages in Köln

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sehen Verlages oder dessen Existenz in Köln wird hingegen darin mit keiner Silbe erwähnt, was ebenfalls unterstreicht, wie unklar und unbestimmt zu diesem Zeitpunkt die Zukunftschancen fur die Firma waren. Während der folgenden Ausgaben agierte Feiwel erneut als Redakteur, wobei die Verantwortung bei Julius Berger verblieb. Anfang September 1907 schied Feiwel endgültig aus der Redaktion und somit auch aus dem Verlag aus. In der Folge betätigte sich der Mitbegründer des Jüdischen Verlages vermehrt als Schriftsteller und wurde nach dem Ersten Weltkrieg von Chaim Weizmann nach London geholt, um beim Aufbau des »Keren Hajessod« in leitender Stellung mitzuwirken.28 In seiner Funktion als geschäftsfuhrender Direktor dieser Institution sollte er 1925 noch einmal eine zentrale Rolle in der Entwicklung des Jüdischen Verlages spielen.29 Als Berthold Feiwel 1937 in Palästina starb, ging Georg Landauer in einem bewegenden Nachruf auf seinen Charakter und Leistungen ein. Folgende Bemerkungen gelten im besonderen fur Feiwels Leistungen im und fur den Jüdischen Verlag. Feiwel war ein Mensch von starken Affekten. Animosität, ja Verachtung waren ihm nicht fremd. Die Art seines Auftretens war maßvoll, seine Sprache beherrscht, aber seine Kritik war scharf. Feiwel war nicht leicht zu täuschen, er kannte die Menschen und erkannte ihre Beweggründe. Er schaute hindurch, weil er nur das Wesentliche schätzte. [...] Die Werte, an denen Feiwel maß, waren das Wahrhaftige und das Gute. Er erlebte sie vor allem im Schönen. Er was weit davon entfernt, ein Schöngeist zu sein, aber in ihm lebte das Schöne und der Geist. 30

Während des Jahres 1907 trat der Jüdische Verlag nach außen hin kaum mehr in Erscheinung. Abgesehen vom Protokoll des 8. Zionistenkongresses, der vom 14. bis 21. August in den Haag stattfand, publizierte er keine neuen Werke, sondern versuchte weiterhin, sein umfangreiches Buchlager abzubauen.31 Im Tätigkeitsbericht des E. A. C. zu Händen des Kongresses wurde die Inaktivität des Verlages ausschließlich mit der finanziellen Lage der Organisation begründet - ohne jedoch zu erwähnen, daß bis dahin von dieser Seite noch gar kein Geld in den Verlag geflossen war. Nachdem das A. C. schon im Jahre 1906 Teilhaber des Jüdischen Verlages geworden war, übersiedelte dieser am 1.9.1906 [recte: 1. November] ganz nach Köln. Auch der Jüdische Verlag wurde einer durchgreifenden Reorganisation unterzogen, die erst vor wenigen Wochen zum definitiven Abschluß gelangt ist. Die allgemeine 28

29 30

31

Vgl. Encyclopaedia Judaica (wie Kap. II, Anm. 12), Bd 6, Sp. 1215f. zur Biographie Feiwels sowie Bd 10, Sp. 914ff. über den »Keren Hajessod«; siehe auch Exkurs 3. Vgl. Kapitel VII/1. Zuerst in: Mitteilungsblatt der H. O. G., Tel Aviv, März 1938. Zit. nach: Georg Landauer: Der Zionismus im Wandel dreier Jahrzehnte. Hg. von Max Kreutzberger. Tel Aviv: Bitaon 1957, S. 371. Auszüge aus dem Kongreßprotokoll mit den wichtigsten Reden wurden als Agitationsbroschüre separat herausgegeben (vgl. Die Welt, 11. Jg [1907], Nr 48, S. 42 u. ö). Diese Billigproduktion erschien in keinem Verlagsverzeichnis und ist daher auch nicht in die Verlagsbibliographie aufgenommen worden.

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Lage unserer Bücher, wie sie sich in der ersten Periode unserer Tätigkeit gestaltete, war eine derartige, daß von einer regelrechten zionistischen Arbeit nicht die Rede sein konnte. 32

Daß der Verlag reorganisiert worden war, traf in der Tat teilweise zu. Die Öffentlichkeit wurde allerdings über Details der getroffenen und für Wolffsohn keineswegs sehr angenehmen Vereinbarungen nicht informiert. Die verworrene Finanzlage des Jüdischen Verlages war von den Mitgliedern des E. A. C. inzwischen in aller Deutlichkeit erkannt worden und im Stillen mußten kurz vor dem Kongreß Konsequenzen gezogen werden. Dies geschah primär darum, weil der wichtigste Gläubiger des Verlages auf eine Lösung drängte. Am 10. Juni 1907 kam es zu einer Vereinbarung zwischen der Firma »Pass & Garleb« und dem Jüdischen Verlag, die aufgrund der darin formulierten drückenden Bedingungen eine weitere Buchproduktion vor größte Hindernisse stellen sollte. In acht Paragraphen wurde definiert, wie die Altlasten gegenüber Heinrich Bennigsons Firma abzutragen seien. Die Gesamtschulden an den Druckereibesitzer betrugen zu diesem Zeitpunkt 14.580 Mark und 91 Pfennig, wie akribisch genau festgehalten worden ist. Diese Schuld sollte wie folgt beglichen werden: § 2. Die Befriedigung der Firma Pass & Garleb wegen dieser Forderung soll in der Weise erfolgen, daß sämtliche Einnahmen des Jüdischen Verlages 1) aus seinen gegenwärtigen Außenständen, 2) aus den jetzt bereits vorhandenen Druckwerken und Verlagsrechten, 3) aus dem Reingewinne, der sich bei Nachdrucken der gegenwärtigen Verlagsobjekte ergibt, an die Firma Pass & Garleb bis zur vollständigen Tilgung ihrer Forderung allmonatlich abgeführt werden. [...] § 3. Bis zur völligen Begleichung der Forderung der Firma Pass & Garleb verpfändet der Jüdische Verlag der Firma Pass & Garleb das ganze gegenwärtige Eigentum des Jüdischen Verlages bis zur jeweiligen Höhe seiner Schuld. [...] § 8. Die Firma Pass & Garleb steht es bis zur völligen Tilgung ihrer Forderungen jederzeit frei, Briefe und Schriftstücke des Jüdischen Verlages einzusehen und zu diesem Zwecke sich in den Bureauräumen des Jüdischen Verlages aufzuhalten.33

Die Erklärung dafür, daß sich Wolffsohn auf dieses Abkommen überhaupt eingelassen hatte, geht aus dem separaten Vertrag hervor, den Heinrich Bennigson mit dem Kölner Kaufmann am gleichen Tag abschloß. Bis zum 1. April 1908, also innerhalb weniger als zehn Monaten, sollte bereits ein Viertel der Gesamtforderung, also über 3.600 Mark, beglichen werden. Außerdem verpflichtete sich Wolffsohn, den Geschäftsbetrieb des Verlages so zu überwachen, daß die Bestimmungen des Hauptvertrages erfüllt werden konnten; sowie abschließend:

32

33

Bericht des Zionistischen Zentralbureaus an den VIII. Zionistenkongreß im Haag, 14.-20. August 1907. Köln 1907, S. 5f. Vertrag zwischen der Firma »Pass & Garleb« und dem Jüdischen Verlag vom 10. Juni 1907, in: Central Zionist Archives, Jerusalem, Ζ 3/1079.

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§ 3. Die Firma Pass & Garleb verpflichtet sich, ihre Geschäftsanteile von Mark 5'000.- an der Gesellschaft Jüdischer Verlag GmbH als Gegenleistung für die von Herrn WolfFsohn übernommenen Verpflichtungen an Herrn Wolffsohn abzutreten und alle zur Abtretung und Umschreibung der Anteile notwendigen Schritte unverzüglich vorzunehmen.34 Zur Vereinbarung mit der Berliner Druckerei war es gekommen, da Wolffsohn den Verlag trotz aller Probleme aus finanziellen Überlegungen und Prestigegründen - die Gefahr eines Konkurses war immanent - nicht aufzugeben gewillt war. Wahrscheinlich ist, daß auch Arthur Hantke Wolffsohn riet, mit dem Hauptgläubiger eine Lösung zu suchen. Hantke könnte dies im Wissen darüber getan haben, daß seine zionistischen Freunde in Berlin durchaus Interesse am Jüdischen Verlag hatten, wie die folgenden Ereignisse zeigen sollten. 35 Allerdings ist zweifelhaft, ob der Berliner Anwalt die Schärfe der Bestimmungen des Abkommens kannte. Um sich nach knapp zwei Jahren relativer Ungewißheit endlich ein genaues Bild über den Verlag machen zu können, ließ Wolffsohn kurz vor dem 8. Zionistenkongreß eine präzise, interne Analyse der Verlagsverhältnisse erstellen. Das nicht signierte, aber vermutlich von Julius Berger zusammengestellte Papier offenbarte, inwiefern Berthold Feiwels früher gemachte Angaben unzutreffend und wie erschreckend wenig die früheren Geschäftsführer in kaufmännischen Dingen bewandert waren. Ein Ausschnitt aus der kommentierten Liste alter Schulden des Verlages an diverse Firmen und Privatpersonen liefert dafür drastische Belege. Cliche-Fabrik Labisch & Cie., Berlin war in den Büchern des Jüdischen Verlages mit Mk. 121,35 kreditiert, forderte aber von uns die Bezahlung von Mk. 604,50. Wir verweigerten anfanglich die Zahlung auf Grund von Angaben des Herrn Feiwel, wurden aber verklagt und mußten den Betrag zahlen, außerdem noch Mk. 63,75 an Gerichtskosten.36 Daran anschließend folgen vernichtende Bemerkungen über die früheren Geschäftsführer in bezug auf deren Buchführung und Inventarbewertung. Die Bücher, in denen die betr. Buchungen eingetragen wurden, befanden sich in einem gänzlich verlotterten Zustande. Es war vielfach nicht ersichtlich, wofür die betreffenden Belastungen erfolgt sind, so daß es nicht möglich war, den Schuldnern, welche die Richtigkeit der Forderungen bestritten, ihre Schuld zu beweisen. Bei einigen Schuldnern war im Konto-Korrent-Buch nur der Name aufgeführt, aber kein Wohnort und ließ sich nicht feststellen, wo die betreffenden wohnten. Mahnungen 34

35 36

Zusatzvereinbarung zwischen Heinrich Bennigson und David Wolffsohn zum Vertrag zwischen der Firma »Pass & Garleb« und dem Jüdischen Verlag, beide vom 10. Juni 1907, in: Central Zionist Archives, Jerusalem, Ζ 3/1079. Vgl. anschließendes Kapitel. Nicht datiertes, aber vermutlich von Anfang Juli 1907 stammendes Papier, in: Central Zionist Archives, Jerusalem, W 156. Die genannten Schulden reichten ins Jahr 1903 zurück; die Firma »Labisch & Cie.« hatte die Klischees für den Almanach 5663 hergestellt. Vgl. Kapitel II/6.

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sind jahrelang nicht erfolgt, einige der Schuldner waren schon längst verstorben oder nach fremden Ländern ausgewandert. [...] Die Inventur-Preise der Bücher sind viel zu hoch angesetzt worden. Laut der Aufstellung des Herrn Feiwel vom 1.4.1905, die für die Übergabe des Jüdischen Verlages an Herrn Wolffsohn maßgebend war, [...] wurde durchschnittlich 50-60 % des Ladenpreises als Inventur-Wert angenommen, in einem Falle (Achad Ha'am »Am Scheidewege«) ist sogar [...] der volle Ladenpreis berechnet worden, trotzdem die Hälfte des Buches dem Autor, resp. dem Vertreter Singer in Straßburg, gehörte. Korrekterweise hätte der Herstellungspreis als Norm angenommen werden müssen. 37

Die abschließende, detaillierte Neuberechnung des erwähnten Feiwelschen Inventars von 1905 ergab eine Minderbewertung der übernommenen Bücher von nicht weniger als 7.500 Mark, ohne daß die ursprünglich ebenfalls verrechneten Broschüren und Ansichtskarten überhaupt berücksichtigt worden wären. 38 Diesen unerfreulichen Erkenntnissen wurde in der Bilanz der Zionistischen Organisation per 30. Juni 1907 insofern Rechnung getragen, als der Verlag nur noch mit einem Aktivwert von 8.790 Mark erschien; eine Summe, die dem revidierten Inventurwert nahe kam.39 Aufgrund der ernsten Lage erstaunt es nicht, daß Nahum Sokolow im ausführlichen Rechenschaftsbericht an die Delegierten des 8. Zionistenkongresses in Den Haag lediglich kurz und nicht sehr präzis über den Verlag informierte. Im übrigen deckten sich dessen Ausfuhrungen bis auf feine, aber entscheidende Nuancen mit den Worten, die Wolffsohn bereits ein Jahr früher an die zionistische Jahreskonferenz gerichtet hatte. Sokolow berichtete den Kongreßdelegierten: Der Jüdische Verlag ist durch Unterstützung einiger Zionisten und des AktionsKomitees diesem unterstellt worden. Das Bureau befindet sich jetzt in Köln. Wir hoffen, den Verlag in den Stand zu setzen, auch fernerhin Gutes und Schönes auf jüdisch-literarischem Gebiete zu leisten. 40

Im Gegensatz zu 1906 blieb nun unerwähnt, der Verlag möge sich weiterentwickeln und als Plattform für zionistische Propaganda dienen. Offensichtlich waren Wolffsohn und seine Freunde unter den bekannt gewordenen Umständen selbst nicht länger überzeugt, die Firma in absehbarer Zeit aus der Krise fuhren zu können. Immerhin: Kaum zwei Wochen nach Abschluß des Zionistenkongresses übertrug Heinrich Bennigson von der Druckerei »Pass & Garleb« am 2. September 1907 aufgrund der Vereinbarung vom 10. Juni seine restlichen Anteile von 5.000 Mark mit allen Rechten und Pflichten an Wolffsohn.41 In der Notariatsurkunde wurde zudem festgehalten, die Zession habe rückwirkend auf den 15. August Gültigkeit, so daß sämtliche Verlagsanteile 37

38 39 40 41

Nicht datiertes, aber vermutlich von Anfang Juli 1907 stammendes Papier, in: Central Zionist Archives, Jerusalem, W 156. Vgl. S. 4f. der vorgenannten Analyse von Anfang Juli 1907, in: ebd., W 156. Protokoll des VIII. Zionisten-Kongresses (wie Kap. II, Anm. 307), S. 42. Ebd., S. 53. Erste Abschrift der Notariatsakte vom 2. September 1907, in: Central Zionist Archives, Jerusalem, Ζ 3/1066.

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tatsächlich zu Beginn des Kongresses in den Besitz David Wolffsohns übergegangen waren.42 Dieser akzeptierte die Übertragung von Bennigsons Anteilen, wie aus der am 5. Oktober in Köln unterzeichneten Akte hervorgeht.43 Damit die mehrfach geäußerte Botschaft, der Verlag sei dem E. A. C. unterstellt, juristisch zutreffend war, mußte ein weiterer Schritt unternommen werden, weil andernfalls der Vorsitzende des Exekutivgremiums als Privatperson alleiniger Besitzer der Firma gewesen wäre. Dies hätte im Falle eines Konkurses gravierende rechtliche und moralische Folgen fur Wolffsohn gezeitigt. Aus diesem Grund übertrug der Kaufmann ebenfalls am 5. Oktober 1907 einen symbolischen Anteil im Wert von 1.000 Mark an seinen Rechtsanwalt und Freund Max Bodenheimer.44 Ironischerweise war nun jene Person - zumindest auf dem Papier - Teilhaber des Verlages, die sich im Sommer 1901 noch entschieden gegen dessen Gründung ausgesprochen hatte.45 Wie bereits in der Periode vor und nach dem 7. Zionistenkongreß von 1905 schien es auch zwei Jahre später wiederum so, als ob ernsthafte Versuche unternommen worden seien, den Jüdischen Verlag aus der Krise zu fuhren und im Idealfalle wieder auf eine arbeitsfähige Basis zu stellen. Die Gründe dafür, daß es trotz des einschneidenden Vertrages mit »Pass & Garleb« einmal mehr bei den guten Vorsätzen blieb, waren die alten. Obwohl nun vollständig im Besitz von Wolffsohn und Bodenheimer befindlich, wurde dem Verlag durch die Verpfändung des Firmeneigentums und der Abgabe allfälliger Reingewinne an den Hauptgläubiger die Arbeit fast unmöglich gemacht. Die Produktion neuer Bücher blieb mit dem Risiko behaftet, daß geschäftliche Fehlschläge die Lage umgehend weiter verschlimmert hätten. Auch der Absatz älterer Verlagswerke kam allmählich ins Stocken, wodurch die Firma keinen Gewinn erwirtschaften konnte und die Druckerei »Pass & Garleb« Mal um Mal um Zahlungsaufschub gebeten werden mußte. Dadurch, daß keine neuen Bücher gedruckt wurden, entstanden wenigstens keine zusätzlichen Lasten. So erschien denn während des ganzen Jahres 1908 kein einziges neues Buch im Verlag, den faktisch weiter Julius Berger leitete 46 Die Probleme des Jüdischen Verlages blieben im übrigen einem der Mitgründer der Firma, Davis Trietsch, nicht verborgen. Nach seinem Ausscheiden aus dem Verlag begab er sich für längere Zeit nach Palästina und wurde auf 42

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45 46

Der 8. Zionistenkongreß war am 14. August 1907 im niederländischen Den Haag eröffnet worden. Abschrift der Notariatsakte vom 5. Oktober 1907, in: Central Zionist Archives, Jerusalem, Ζ 3/1066. Erste Abschrift des Vertrages vom 5. Oktober 1907, in: ebd., Ζ 3/1066. Wahrscheinlich riet ihm Bodenheimer, dies aus konkurs- oder betreibungsrechtlichen Gründen zu tun; Details des wilhelminischen Rechtssystems soll hier jedoch nicht nachgegangen werden. Vgl. Kapitel II/3. Berger spielte während der sich anbahnenden Neuorganisation des Jüdischen Verlages in den Jahren 1919/1920 erneut eine Rolle. Vgl. Kapitel V/2.

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dem 8. Zionistenkongreß von 1907 in das »Grosse Aktionskomitee« der Zionistischen Organisation gewählt. Ende des Jahres startete er einen Versuch, die Geschäfte des Jüdischen Verlages wieder zu leiten. Gerüchteweise muß er von Berliner Freunden erfahren haben, daß, wie im folgenden Kapitel beschrieben wird, diese beabsichtigten, den Verlag in die Reichshauptstadt zurückzufuhren.47 Am 25. Dezember 1907 schickte darum Trietsch dem E. A. C. in Köln ein ausfuhrliches Schreiben, worin er sein Ansinnen in unverblümter und fordernder Weise formulierte. Ich beabsichtige im März 1908 [aus Palästina] nach Berlin zurückzukehren und hoffe neben anderen Arbeiten - eine gründliche Reorganisation und Wiederbelebung des Jüdischen Verlages durchführen zu können. Es ist mein specieller Wunsch dabei die Palästina-Seite des J. V. wesentlich auszugestalten. Sollte mein Vorschlag nicht acceptiert werden, so wäre ich ohnehin gezwungen, einen besonderen Verlag für Palästina etc. Publicationen zu arrangieren, und da mir dies viel lieber in Verbindung mit dem Jüdischen Verlag wäre, so bin ich bereit, hierfür ein weitgehendes Entgegenkommen zu zeigen. [...] Ich brauche Sie nicht daraufhinzuweisen, daß ich den Jüdischen Verlag und seine Erfordernisse hinreichend kenne und ich habe keine Zweifel, daß ich innerhalb des Budgets, das dem Jüdischen Verlag ja in jedem Falle zur Verfügung stehen müßte, ihn besser werde leiten können, als irgend eine nur buchhändlerisch geschulte Kraft. Eine solche ist im Verlag nötig, aber nicht zu seiner Leitung.48

Dem Schreiben legte Davis Trietsch ein Expose bei, das er auch an einen Kreis weiterer Personen verschickte, ohne allerdings vorher abzuklären, ob seine Einmischung überhaupt erwünscht sei. Darin wiederholte er die zentralen Punkte des Briefes an das E. A. C. und ergänzte diese mit einer reichhaltigen Liste projektierter Bücher, die Trietsch mehrheitlich selbst verfassen wollte. Das Expose enthielt außerdem einige recht anmaßende Sätze, die dafür verantwortlich waren, daß seitens der Kölner Exekutive keine Begeisterung für das Vorpreschen Trietschs aufkommen mochte. Für den Fall, daß der Jüdische Verlag nach Berlin verlegt wird, wäre ich bereit die Leitung des Unternehmens unter den für den Jüdischen Verlag günstigsten Bedingungen zu übernehmen. [...] Für meine Geschäftsführung würde ich ein Minimum an festen Bezügen, dagegen aber eine hohe Beteiligung am Reingewinn beanspruchen.49

Da David Wolffsohn erst wenige Monate vorher die Besitzverhältnisse des Verlages neu geregelt und den Vertrag mit der Druckerei »Pass & Garleb« abgeschlossen hatte, war die Aktion von Davis Trietsch zum Scheitern verurteilt. Wolffsohn dachte wohl nicht daran, die Geschicke des Jüdischen Verlages wieder in die Hände jener Person zu legen, die einen guten Teil der Verantwortung für die Probleme der ersten Phase zu tragen hatte. Trietsch machte eine seiner Drohungen nachfolgend insofern wahr, als er 1910 den Orient-Verlag gründete, 47

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Möglicherweise erhielt Trietsch von seinem ehemaligen Partner Leo Winz, dem Herausgeber der Zeitschrift Ost und West, entsprechende Hinweise. Schreiben Trietschs an das E. A. C. vom 25. Dezember 1907, in: Central Zionist Archives, Jerusalem, A 104/86. Ebd.

3. Die Jahre bescheidener Aktivität des Jüdischen Verlages in Köln

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in dem bis 1930 fast ausschließlich von ihm selbst verfaßte Bücher über Fragen der Kolonisation Palästinas erschienen.50 Allerdings arbeitete er auch regelmäßig mit anderen Firmen, einschließlich dem Jüdischen Verlag, zusammen.51 Tiefgreifende Veränderungen fur den Jüdischen Verlag bahnten sich in der Folge des allmählichen Machtverlustes der Exekutivorgane in Köln an. Der zunehmende Einfluß der zionistischen Kräfte in Berlin, welcher letztlich auch fur Davis Trietschs Eingreifen verantwortlich gewesen war, führte schließlich doch zur Rückkehr des Verlages in die Reichshauptstadt. Dieser Ablösungsprozeß zog sich allerdings über mehrere Jahre hin.

4. Der Jüdische Verlag im Spannungsfeld zwischen Köln und Berlin

Das durch einen Beschluß des 7. Delegiertentages der Zionistischen Vereinigung für Deutschland im Jahre 1904 gegründete Zentralbüro in Berlin hatte sich über die Jahre zu einem eigentlichen Gegenpol zur offiziellen Zentrale des Zionismus in Köln entwickelt. Die in Berlin tätigen, mehrheitlich jüngeren Kräfte gewannen durch ihre breitere Akzeptanz unter den Mitgliedern der Ortsgruppen im deutschsprachigen Raum zunehmend an Macht und Einfluß, was nicht zuletzt durch die wenig transparente, im kleinsten Kreis geführte Politik um Wolffsohn unbewußt gefördert wurde.52 Als Bindeglieder zwischen den beiden Zentren agierten um 1907 einerseits Otto Warburg in seiner Funktion als Mitglied des E. A. C. und gleichzeitig federführende Kraft in der Hauptstadt, sowie andererseits der in beiden Städten gleichermaßen angesehene und respektierte Arthur Hantke, dessen Einfluß immer größer wurde. Anfang Oktober 1907 beschloß das E. A. C. in Köln, daß unter der Leitung Otto Warburgs in Berlin ein der Exekutive unterstelltes, separates Büro mit genau definierten Kompetenzen und Pflichten einzurichten sei. Als dessen geschäftsfuhrender Leiter wurde Arthur Hantke bestimmt. Anläßlich einer Sitzung am 16. Oktober 1907 in Berlin umschrieb das E. A. C. die Aufgabe des Büros näher. Ohne den Jüdischen Verlag explizit zu erwähnen, spielte dieser in den nachfolgenden Überlegungen doch eine wichtige Rolle. Dem Bureau obliegt die Erledigung der ihm von Herrn Professor Warburg zugewiesenen Palästina-Angelgenheiten, die Press[e]angelegenheiten, Agitation und Propaganda etc., sowie die Ausführung der ihm sonst vom Actions-Comitee resp. dem Zionistischen Zentralbureau in Koeln übertragenen Aufträge. 53

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Die Akte Central Zionist Archives, Jerusalem, A 104/86 enthält zusätzlich Prospekte, Entwürfe u. a. m. des Orient-Verlags. 1912 veröffentlichte der Jüdische Verlag die 3. Auflage seines Palästina-Handbuches (vgl. Verlagsbibliographie). Vgl. Eloni, Zionismus in Deutschland (wie Kapitel II, Anm. 7), S. 148 und 167fF. Sitzungsprotokoll, in: Central Zionist Archives, Jerusalem, Ζ 2/343.

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III. Interregnum in Köln, 1906-1911

Einige der Vorwürfe, die sich gegen die Exekutive in Köln richteten, kreisten um die Frage der Propaganda. Daß der Verlag in dieser Hinsicht nicht genügend genutzt wurde, wußte auch Wolffsohn, der aber weiterhin nichts dagegen zu tun gewillt war. Ganz anders das neu gegründete Büro in Berlin, wo die lokalen Persönlichkeiten umgehend zu handeln begannen, wie die Sitzungsprotokolle aus dieser Zeit belegen. Im Februar 1908 befaßte sich die Gruppe ausführlich mit der Frage des Jüdischen Verlages. Aus den Überlegungen einiger Mitglieder des Büros in der Hauptstadt, namentlich Otto Warburg, Arthur Hantke, Alfred Nossig, Sammy Gronemann, Jakob Lestschinsky und Heinrich Loewe, resultierte ein vierseitiges Schreiben, das Julius Becker verfaßte und unterzeichnete.54 Diese Eingabe wurde am 27. Februar 1908 zu Händen des E. A. C. nach Köln geschickt. Jüdischer Verlag. Gemäß den Beschlüssen des Zionistischen Zentralbureaus, Abteilung Berlin, vom 9. und 23. Februar 1908 beantragt das Zionistische Zentralbureau beim Engeren A.-K. die Verlegung des Jüdischen Verlages nach Berlin und seine Verbindung mit dem Zionistischen Zentralbureau. Begründung. Für die Überführung des Jüdischen Verlages nach Berlin spricht außer einer Reihe von Gründen, deren Erörterung überflüssig sein dürfte, weil sie aus der zentralen Lage Berlins sich ohne weiteres ergeben, vor allem der eine Umstand, daß hier bereits ein ziemlich umfangreicher Broschürenverlag der »Jüdischen Rundschau«, sowie der Verlag des Palästina-Ressorts existiert, die beide immer größere Dimensionen annehmen. Durch eine Vereinigung aller dieser Unternehmungen mit dem J. V. könnte hier ein sehr gut rentierender Verlag geschaffen werden. [...] Die Vorteile der Verlegung nach Berlin. 1. Die Verlegung des J. V., der ja im weiteren Sinne auch ein Propaganda-Unternehmen unserer Bewegung ist, und seine Verbindung mit dem Zentralbureau in Berlin, das die internationale Propaganda im großen Stile einzuleiten im Begriffe ist, böte den Vorteil, daß den verschiedenen Anregungen auf Herausgabe dieser oder jener Propaganda-Schriften unmittelbar nachgegangen werden könnte. [...] 3. Die Spesen des Verlages könnten hier auf ein Minimum reduziert werden. [...] 4. In Berlin ließe sich die Errichtung eines SortimentsGeschäftes ins Auge fassen, das dem Verlag einen großen Gewinn bringen könnte, besonders wenn die große Zahl hier am Orte wohnender Zionisten daran gewöhnt würde, ihren gesamten Bücher- und Zeitschriften-Bedarf durch den Verlag zu beziehen. Das allein könnte in Berlin den Verlag vollkommen lebensfähig machen. [...] Die Reorganisation des Verlages. Selbstverständlich müßte der Verlag auch bei der Verlegung nach Berlin, wenn er lebensfähig sein soll, mit einem gewissen Betriebskapital ausgestattet werden; aber das könnte ziemlich gering sein. [...] Wir beschränken uns auf diese wenigen Andeutungen, da es sich uns ja hier nicht darum handelt, ein neues Programm für den Jüdischen Verlag zu entwerfen, sondern nur darum, die Notwendigkeit und Zweckmäßigkeit seiner Verlegung nach Berlin zu begründen. Wir hoffen, daß das Engere A.-K. sich dieser Notwendigkeit nicht verschließen und dadurch dem Jüdischen Verlage zu neuem Leben verhelfen wird, damit er ein wirklich nutzbringendes Instrument unserer Bewegung sein kann. 55 54

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Vgl. Protokoll der 6. Sitzung des Zentralbüros Berlin vom 9. Februar 1908, in: ebd., Ζ 2/343. Eingabe des Zentralbüros Berlin an das E. A. C. in Köln vom 27. Februar 1908, in: ebd., Ζ 2/343.

4. Der Jüdische Verlag im Spannungsfeld zwischen Köln und Berlin

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Die in diesem Memorandum formulierten Gedanken entsprachen der Dynamik und dem Willen, mit der das Büro in Berlin seine Arbeit verfolgte. Der heikelste Punkt war die Frage der Finanzierung des eventuell zu verlegenden Betriebes. Sowohl Hantke, der die Verhältnisse am besten kannte, als auch das Ε. A. C.Mitglied Warburg wußten, daß der Hauptgrund fur die Inaktivität des Verlages in Köln damit zusammenhing. Allerdings deutet nichts darauf hin, daß sie über die Höhe der Verbindlichkeiten und die belastenden Konditionen des Vertrages mit Heinrich Bennigson genau informiert waren; andernfalls wäre nicht die Rede davon gewesen, daß relativ wenig Betriebskapital zur Wiederaufnahme der Tätigkeit in der Hauptstadt genüge. Den durchaus überzeugenden Argumenten, die fur eine Verlegung sprachen, stand diese blauäugig wirkende Aussage diametral entgegen. Offensichtlich empfand dies Wolffsohn bei der Lektüre des Berichtes ebenso. Am 2. März 1908 antwortete er dem Büro in Berlin und drückte sich vor einer eindeutigen Stellungnahme zum Inhalt des Memorandums. Was den Jüdischen Verlag anbetrifft, so können wir in dieser Angelegenheit eine feste Entscheidung vorläufig nicht treffen. Wir sind z. Zt. bemüht, in die Angelegenheit des Verlages Ordnung zu bringen. Das ist nicht so leicht. Jeder Tag bringt neue Überraschungen. [...] Diese Dinge müssen zunächst erledigt werden. Wir behalten uns vor, auf diese Angelegenheit später zurückzukommen.56

Tatsächlich dauerte es noch über drei Jahre, bis die Verlegung des Jüdischen Verlages verwirklicht werden konnte. Innerhalb dieser Periode wurde in Köln wesentlich mehr fur die Firma unternommen als während der ganzen Zeit seit Ausscheiden der Verlagsgründer. Im Juli 1909 jährte sich der sechzigste Geburtstag Max Nordaus, was die Exekutive bewog, einen Sammelband mit dessen zionistischen Schriften vorzubereiten. Bereits im Frühjahr 1909 verfaßte der Jubilar ein Vorwort fur das Werk, das im Sommer in einer beachtlich hohen Auflage von 5.000 Exemplaren erschienen ist.57 Dem innersten Kreis des Aktionskomitees entstammte eine weitere Neuerscheinung des Verlages, die deutsche Übersetzung des bereits 1908 in Holländisch erschienenen Berichtes von Jakobus Kann über seine Palästinareise von 1907. In Exkurs 2 wird auf Inhalt und Folgen des höchst umstrittenen Werkes eingegangen. Neben einem marginalen Drama von Heinrich Grünau kümmerte sich der Verlag in der zweiten Jahreshälfte 1909 um die Fertigstellung einiger weiterer Werke, die gemäß Impressum sämtlich erst 1910 herausgebracht worden sind. Zwei dieser Bücher wurden allerdings noch rechtzeitig für den Kongreß Ende Dezember 1909 in Hamburg fertiggestellt.

56 57

Schreiben Wolffsohns an das Zentralbüro Berlin vom 2. März 1908, in: ebd., Ζ 2/343. Die gesamte Auflage wurde innerhalb von 5 Jahren verkauft. 1923 erfolgte eine erweiterte Neuauflage (vgl. Gesamtkatalog 1924 [wie Kap. II, Anm. 254], S. 36ff.). Broschierte Exemplare dieser zweiten Auflage des Buches konnten noch 1964 (!) gekauft werden (vgl. Almanach, 1902-1964 [wie Kap. I, Anm. 5], S.169 sowie Kapitel VI/4 und Verlagsbibliographie).

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Wie bereits im Vorfeld des 7. und 8. Kongresses im Jahre 1905 und 1907, war das E. A. C. erneut bemüht, den Verlag vor den Dezembertagen in Hamburg in ein günstiges Licht zu rücken, um Diskussionen und unangenehmen Anfragen auszuweichen. Tatsächlich hatte sich seit Mitte 1907 so gut wie nichts am Zustand der Firma verändert. Die Schulden blieben trotz des Abkommens mit Bennigson bestehen, die Produktion war bis Mitte 1909 vollständig zum Erliegen gekommen, und der Absatz vorhandener Verlagswerke wurde keineswegs einfacher, da viele der Bücher in der Zwischenzeit längst bekannt oder teilweise arg veraltet waren. Die Initiative des Berliner Büros war ohne Wirkung geblieben, und dem seit Beginn des Jahres als interimistischen Verlagsleiter beschäftigten Karl Levy waren die Hände weitgehend gebunden. Ebenfalls seit 1909 war der von Wolffsohn nach Köln geholte Sigfried Hoofien in der Zentrale beschäftigt, dem der sonst nicht weiter in Erscheinung tretende Karl Levy unterstellt war, wie die Unterschriften auf Korrespondenzen in Angelegenheiten des Verlages aus dieser Zeit belegen.58 Der Rechenschaftsbericht des E. A. C. zu Händen des 9. Zionistenkongresses, der vom 23. bis 30. Dezember 1909 in Hamburg abgehalten wurde, enthielt wenig aussagekräftige Formulierungen, die gleich oder ähnlich bereits 1905 und 1907 den Kongreßdelegierten unterbreitet worden waren. Jüdischer Verlag. Der Jüdische Verlag ist in der Berichtsperiode einer durchgreifenden Reorganisation unterzogen worden. Diese unter fachmännischer Leitung vollzogene Neuordnung hat sich bereits vollauf bewährt und vor allen Dingen die Administration des Verlages auf eine modernen Ansprüchen entsprechende Grundlage gestellt. [...] Nachdem die Verhältnisse des Verlages eine Umgestaltung erfahren haben und er nunmehr in der Lage ist, seinen Geschäftlichen Aufgaben mit allen Mitteln eines modernen Verlagsunternehmens gerecht zu werden, darf wohl damit gerechnet werden, daß es ihm jetzt in erhöhten Maße möglich sein wird, die hohen Aufgaben zu erfüllen, zu deren Pflege er gegründet wurde. 59

Da anläßlich des Kongresses in Hamburg erstmals darauf verzichtet wurde, den Tätigkeitsbericht des E. A. C. dem Plenum vorzulesen, erschien der Passus unverändert im Anhang des offiziellen Protokolls des 9. Zionistenkongresses.60 In der Vermögensaufstellung per 30. Juni 1909 schlägt der Verlag mit einem gegenüber der Bilanz vom 30. Juni 1906 verdoppelten Aktivwert von 20.000 Mark zu Buche.61 Die Zunahme erklärt sich allein dadurch, daß in der zweiten Hälfte 1909 die erwähnten neuen Bücher erschienen sind. 58

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Siehe auch: Encyclopaedia Judaica (wie Kap. II, Anm. 12), Bd 8, Sp. 968f. zu Hoofien. Biographische Informationen zur Person Karl Levys konnten nicht ermittelt werden. Bericht des Actions-Comites der Zionistischen Organisation an den IX. ZionistenKongreß. Hamburg, 23.-30. Dezember 1909. Köln 1909, S. XXI. Protokoll des IX. Zionisten-Kongresses. Köln: Jüdischer Verlag 1910, S. 398f. Der gesamte Tätigkeitsbericht wurde auf den vorhergegangenen Zionistenkongresse jeweils vorgelesen. Protokoll des IX. Zionisten-Kongresses (wie letzte Anm.), S. 454.

4. Der Jüdische Verlag im Sparmungsfeld zwischen Köln und Berlin

107

Am Tagungsort Hamburg stellte der Jüdische Verlag während des 9. Kongresses im Rahmen einer groß angelegten Verkaufsausstellung seine Bücher vor. 62 Die bereits im Tätigkeitsbericht erwähnten Werke Die Judenpogrome in Rußland und Von jüdischer

Kunst erschienen zu diesem Zeitpunkt. 6 3 Vor

allem die umfangreiche Sammlung von Berichten über die Pogromwelle von Dezember 1905 bis Juli 1906, zusammengestellt und teilweise durch eine Kommission unter der Leitung Motzkins finanziert, der selbst unter dem Pseudonym »A. Linden« weite Teile der Analyse verfaßt hatte, erregte großes Aufsehen. Daneben konnten auch Nordaus Schriften und das umstrittene Buch Kanns als Neuerscheinungen angeboten werden. Somit hatte der Jüdische Verlag endlich wieder einen recht beachtlichen Leistungsausweis vorzuzeigen. Der 9. Kongreß ging als einer der Unerfreulichsten in die Annalen des Zionismus ein. Die Opposition der »praktischen Zionisten« gegen das wiedergewählte E. A. C. drohte die Bewegung zu spalten. Durch sein entschiedenes Auftreten gelang es Wolffsohn noch einmal, einen Sieg über die Kräfte um Weizmann, Ussischkin, Tschlenow und Heinrich Loewe davonzutragen, doch das Gefühl blieb, daß sich Änderungen in der Politik und in der Zusammensetzung der Exekutive nicht mehr lange aufhalten ließen. Wolffsohn war sich bewußt, daß dies auch eine Verschiebung des Sitzes der leitenden Institutionen nach sich ziehen würde. In der Folge des Kongresses von Hamburg trennten sich die Wege von Wolffsohn und Sokolow, der sein Amt als Generalsekretär der Bewegung niederlegte. Arthur Hantkes Rolle hinter den Kulissen des Kongresses ist umstritten. Einerseits war er als treuer Freund Wolffsohns nicht offen gegen ihn aufgetreten, hegte aber andererseits große Sympathien für die unzufriedene Fraktion der Berliner Zionisten.64 Wenige Monate später bahnten sich die Ereignisse an, die zur Überführung verschiedener Institutionen nach Berlin und damit zur endgültigen Rückkehr des Verlages in die Reichshauptstadt führten. Aufgrund eines bisher unbekannten Briefwechsels läßt sich zeigen, daß das Schicksal den Jüdischen Verlag statt dessen aber auch nach Wien hätte führen können.

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Details finden sich in zwei Schreiben des Jüdischen Verlages vom 7. November und 13. Dezember 1909 an das Büro des 9. Zionistenkongresses in Hamburg, in: Central Zionist Archives, Jerusalem, Ζ 2/91. Bei letztgenannter Broschüre handelt es sich um den Essay von Max Eisler über Jozef Israels; nicht zu verwechseln mit dem von Buber redigierten Band Jüdische Künstler. Vgl. Kapitel II/7. Vgl. Eloni, Zionismus in Deutschland (wie Kapitel II, Anm. 7), S. 227ff. sowie Adolf Böhm: Die Zionistische Bewegung. 2 Bde, Berlin: Jüdischer Verlag, 1935 [= Bd 1]; Jerusalem: Hozaah Iwrith 1937 [= Bd 2], hier Bd 1, S. 499f. und 607.

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III Interregnum in Köln,

1906-1911

5. Die gescheiterte Intervention Adolf Böhms

Am 9. Zionistenkongreß in Hamburg nahm auch Adolf Böhm, der spätere Verfasser von Standarddarstellungen über die Geschichte des Zionismus, teil.65 Der 1873 geborene Textilindustrielle Böhm hatte 1907 Palästina besucht und engagierte sich danach in Wien besonders für den »Jüdischen Nationalfonds«, welcher Geld für Landkäufe sammelte.66 Im Frühjahr 1910 erschien im Jüdischen Verlag eine kleine Schrift Böhms über diese Institution.67 Durch die Kontakte mit dem Verlag in Köln erfuhr der Autor von dessen finanziellen und strukturellen Problemen. Dies bewog ihn, ähnlich der beschriebenen Aktion Davis Trietschs, in eigener Initiative und in guter Absicht tätig zu werden. Am 13. Mai 1910 schrieb er ein erstes Mal über seine Pläne nach Köln. Eine sehr wichtige und fruchtbringende Anregung, die ich momentan zu geben hätte, wäre die Errichtung einer Buchhandlung des Jüd. Verlages in Wien. Bitte mich recht zu verstehen: Einer Buchhandlung, in der man alles erhält, nicht bloß einen Ableger des Verlages. Das wäre eine lucrative Sache, denn es existiert hier nichts dergleichen. [...] Ich bitte, dies zu überlegen. Ohne Geld ist das natürlich nicht zu machen. Aber Herr Wolffsohn wird als Kaufmann großzügiger denken und wissen, daß man in ein Geschäft etwas hineinstecken muß. Eventuell könnte sich der Verlag mit einem Buchhändler, der seinerseits etwas investiert oder schon etabliert ist, verbinden. Dies wäre vielleicht der beste Weg. [...] In Brünn und Prag haben zwei ganz kleine Leute mit einem bißchen Jüd. Verlag ganz gute Resultate. Der Verleger in Brünn verdient verhältnismäßig sehr viel. Was wäre erst in Wien zu machen! 68

Die Anspielung auf den Brünner Verlag bezieht sich auf die Firma Max Hickls, die als frühe Konkurrentin des Jüdischen Verlages bereits beschrieben worden ist. Im übrigen enthält das Schreiben Böhms eine Anzahl Vorschläge, die in anderer Form später vom Jüdischen Verlag umgesetzt worden sind. Die mögliche Verbindung mit einem Buchhändler, der seinerseits Geld in den Verlag einbringt, wurde wenig später in die Tat umgesetzt, allerdings in Berlin. Ob die Vorschläge Böhms die Geschicke des Jüdischen Verlages beeinflußt haben, kann nicht belegt werden, aber es ist auffallig, daß er danach verwirklichte Ideen erstmals formuliert hatte. Seitens des E. A. C. und Wolffsohns stießen die Vorschläge Böhms auf wenig Begeisterung, wie ihm in einer umgehend erfolgten Antwort vom 17. Mai beschieden wurde.

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Die überarbeitete und erweiterte Fassung des zweibändigen Werkes Die zionistische Bewegung erschien 1935/37 im Jüdischen Verlag (vgl. letzte Anm). Die Darstellung ist in vielen Teilen bis heute unübertroffen. Vgl. Encyclopaedia Judaica (wie Kap. II, Anm. 12), Bd 4, Sp. 1166. Vgl. Verlagsbibliographie. Schreiben Böhms an das E. A. C. vom 13. Mai 1910, in: Central Zionist Archives, Jerusalem, Ζ 2/440.

5. Die gescheiterte Intervention Adolf Böhms

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Für Ihre Anregungen bezüglich des Jüdischen Verlages sind wir Ihnen sehr dankbar. Sie werden gewiß im gegenwärtigen Stadium der Sache keine bestimmten Versprechungen erwarten; wir möchten aber betonen, daß es durchaus möglich ist, daß der Jüdische Verlag sich an einem Unternehmen, wie das von Ihnen skizzierte beteiligt, wenn auch zu bemerken wäre, daß es die erste Aufgabe des Verlages ist, seine Mittel für das Verlegen jüdische Bücher zu verwenden und erst in zweiter Reihe die Etablierung einer Detailbuchhandlung in Betracht kommen könnte. 69

Die von Hoofien und Martin Rosenblüth unterzeichnete Antwort ist in ihrem unverbindlichen Ton bezeichnend dafür, daß sich Wolffsohn im Moment nicht festlegen wollte. Dies ist in Zusammenhang mit den Ereignissen im Vorfeld der zionistischen Jahreskonferenz vom Juni 1910 zu verstehen, über die im nächsten Kapitel berichtet wird. Adolf Böhm ließ sich nicht beirren und verfolgte seinen Plan in Wien weiter. Auf der Jahreskonferenz in Berlin besprach er die Angelegenheit mit Sigfried Hoofien. Am 6. Juli wurde Böhm schriftlich bestätigt, was dabei herausgekommen war. Er hatte vorgeschlagen, in Wien eine GmbH zu gründen, die den Jüdischen Verlag übernehmen sollte. Vom Grundkapital seien 50 % durch Wolffsohn oder das E. A. C. zu übernehmen, aber nur 20 % müßten bar bezahlt werden. Die andere Hälfte, und somit das eigentliche Betriebskapital, wollte Böhm in kleinen Anteilen unter zionistischen Freunden in Wien auftreiben. Ein möglicher Geschäftsführer war von Böhm ebenfalls bereits gefunden worden. Herr Hoofien sagte Ihnen zu, daß er geneigt wäre, auf dieser Grundlage für den Jüdischen Verlag einen Abschluß herbeizuführen, daß er aber ohne die Zustimmung des Herrn Wolffsohn keine bindende Zusage geben könne. 70

Adolf Böhm schloß aus diesem Passus, daß es für die Verlegung des Jüdischen Verlages nur mehr einer formellen Zusage David Wolffsohns bedurfte. Mittels verbindlicher Versprechen von Wiener Investoren erhoffte Böhm, eine Beschleunigung dieses Prozesses herbeiführen zu können. Anfang August schickte er die Kopie eines ausführlichen Briefes nach Köln, den er an dreißig Exponenten der zionistischen Bewegung in Wien verschickt hatte. Darin stellte Böhm das Projekt sowie sein Finanzierungsmodell ausfuhrlich vor. Den Schreiben lag ein ebenfalls von ihm gestaltetes Blatt bei, worin Anteilscheine für die »zu gründende Büchervertriebs- und Verlagsgesellschaft »Jüdischer Verlag< GmbH in Wien« gezeichnet werden konnten.71 Das E. A. C. in Köln ließ er in einem Begleitschreiben wissen, er »interessiere« sich »für diese Angelegenheit sehr und tue«, was er könne, obwohl er im Zuge seiner Erkundigungen auch negative Punkte festgestellt habe. »Leider habe ich bei großen Verlagsanstalten nicht sehr günstiges über den J. V. Köln gehört. Er gilt als nicht pünktlich.«72 69 70 71 72

Brief des E. A. C. an Böhm vom 17. Mai 1910, in: ebd., Ζ 2/440. Schreiben des Jüdischen Verlages an Böhm vom 6. Juli 1910, in: ebd., Ζ 2/440. Zit. nach dem von Böhm verschickten Zeichnungsprospekts, in: ebd., Ζ 2/440. Zit. nach dem Brief Böhms an das E. A. C. vom 8. August 1910, in: ebd., Ζ 2/440.

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III. Interregnum

in Köln,

1906-1911

Weil Böhm durch seine von Wolffsohn nie offiziell genehmigten Tätigkeiten den Jüdischen Verlag in ein schlechtes Licht hätte rücken können, sah sich Köln veranlaßt, dem Treiben in Wien und den informellen Kontakten mit Vertretern des E. A. C. ein Ende zu setzen. Es gibt im übrigen auch keinerlei Hinweise dafür, daß es Böhm gelungen wäre, auch nur annähernd genügend Interessenten fur eine Kapitalbeteiligung zu gewinnen. Durch seine Gespräche mit anderen Verlagen und Buchhändlern muß er außerdem weitere kritische Bemerkungen über die Kölner Firma vernommen haben. Hoofien klärte ihn am 26. August 1910 darüber auf, daß mit einer Einwilligung Wolffsohns vor dem grundsätzlichen Entscheid über den zukünftigen Sitz der Exekutivorgane im Moment keinesfalls zu rechnen sei.73 Böhm versuchte jedoch seinen Plan weiterhin umzusetzen, da er sich durch den Versand des Rundbriefes an bekannte Persönlichkeiten in Zugzwang gesetzt hatte und nun um seinen eigenen guten Ruf fürchtete. Dies bewog ihn am 30. August 1910, das E. A. C. in Köln ein letztes Mal über seine Ansichten in der Sache zu informieren. Was die Sanierung betrifft, so wollen Sie damit warten, bis die Bureaux in das größere Zentrum verlegt werden. Damit ginge aber wieder ein kostbares Jahr verloren, in dem sehr viel geschaffen werden könnte. Ich kann das aber nicht einsehen, weil ich es nicht für nötig halte, daß der Verlag unbedingt am Orte des Zentralbüros seinen Sitz haben muß. Ich denke daher, daß unabhängig von der Frage des Sitzes der Leitung, [...] die des J. V. erwogen werden muß. Where is a will, there is a way. Ich kann mir keinen besseren Sitz des J. V. denken, als in Wien, wo er unbedingt reüssieren würde. Sollte meine Aktion wegen Geldbeschaffung einigen Erfolg haben, dann wäre ich, mit Änderung meines eigenen Plans dafür, daß der J. V. der ja eine GmbH darstellt, einfach die Kapitalzeichner in die Gesellschaft aufnimmt und seinen Hauptsitz nach Wien verlegt. [...] Im Falle ich kein Geld auftreiben werde, wäre die Etablierung einer Niederlassung in Wien trotzdem zu erwägen, die mit geringen Kosten durchgeführt werden könnte. 74

Da Böhm offensichtlich noch immer nicht einsehen wollte, daß seitens des E. A. C. für die Vorschläge aus Wien keinerlei Interesse bestand, wurde der Ton in der Antwort schärfer. Am 6. September erhielt Böhm einen letzten Brief in der Angelegenheit. Sie werden einsehen, daß es uns nicht möglich ist, uns zu ihren Anregungen mit Bezug auf dem Jüdischen Verlag in irgend einer positiven Form zu äußern. Wir können Ihnen nur für Ihren freundlichen Rat recht herzlich danken. 75

Böhm versuchte in der Folge nicht länger, den Verlag nach Wien zu holen. Ob im Falle größeren Interesses des E. A. C. eine Verlegung des Firmensitzes geschäftlichen Erfolg gebracht hätte, kann nicht schlüssig beurteilt werden. Es scheint allerdings recht unwahrscheinlich, daß die Maßnahme für den Verlag, 73 74

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Vgl. die Essenz jenes Briefes am Anfang dieses Kapitels. Brief Böhms an das E. A. C. vom 30. August 1910, in: Central Zionist Archives, Jerusalem, Ζ 2/440. Schreiben des E. A. C. an Böhm vom 6. September 1910, in: ebd., Ζ 2/440.

5. Die gescheiterte Intervention Adolf Böhms

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der seine Hauptkundschaft in Deutschland hatte, sinnvoll gewesen wäre. Die Grundströmung innerhalb des Zionismus deutete allgemein auf eine Zentrierung der Kräfte in Berlin hin, was dem Kreis um Wolffsohn spätestens seit der Jahreskonferenz von 1910 klar geworden war. Dies gab letztlich den Ausschlag, daß Adolf Böhms wohlgemeinter Plan auf derart wenig Akzeptanz gestoßen ist. Böhm ging in der Folge auf Distanz zu Wolffsohn und den seiner Meinung nach zu wenig aktiven Kreisen des E. A. C. In einer Rede auf dem 10. Zionistenkongreß am 9. August 1911 konnte Böhm nicht umhin, seiner allgemeinen Enttäuschung Ausdruck zu verleihen. Dabei mögen die fur ihn frustrierenden Erfahrungen um den Jüdischen Verlag im Vorjahr mitgespielt haben, hatte er doch in guter Absicht versucht, dem aus seiner Sicht wertvollen Verlag zu helfen. Ich kann nur konstatieren, daß ich in den sechs Jahren, die ich die Ehre habe, an leitender Stellung in der westösterreichischen Landsmannschaft zu stehen, keine lebendige Blutwelle aus Köln bekommen habe, daß unsere Organisation nicht gekräftigt wurde, sondern sehr oft Bewegungen, die unsere Organisation schwächen konnten, begünstigt wurden. 76

6. Vorbereitungen zur Rückführung des Jüdischen Verlages nach Berlin

Vom 27. bis 29. Juni 1910 fand in Berlin die in den Jahren zwischen den Kongressen tagende zionistische Jahreskonferenz statt. Trotz anfänglicher Widerstände war Wolffsohn damit einverstanden, daß dem 1911 stattfindenden 10. Zionistenkongreß die Verlegung des Zentralbüros der Organisation und den unterstellten Institutionen in ein noch nicht endgültig bestimmtes »größeres jüdisches Zentrum« vorzuschlagen sei.77 Außerdem solle das E. A. C. vergrößert und dessen Vorsitzender nicht länger durch die versammelten Kongreßdelegierten, sondern durch die Mitglieder des E. A. C. selbst gewählt werden. Dies entsprach weitgehend den Wünschen jener Kräfte, die bereits 1909 auf dem Kongreß in Hamburg offen gegen das Kölner E. A. C. aufgetreten waren. Im Anschluß an die Tagung wurden notariell jene Schritte festgehalten, die sich in der Zwischenzeit im Jüdischen Verlag ergeben hatten. Der nie als handlungsbevollmächtigter Geschäftsführer eingetragene Karl Levy war zwar weiterhin fur den Verlag tätig, wobei Julius Berger, der Sekretär des E. A. C., in juristischem Sinn als Verlagsleiter wirkte. Da nun aber Berger nicht länger im Jüdischen Verlag beschäftigt war, sondern die Vertretung nach 76 77

Protokoll des X. Zionisten-Kongresses. Berlin: Jüdischer Verlag 1912, S. 47. Zit. nach: Bericht des Actions-Comites der Zionistischen Organisation an den Zehnten Kongreß. Basel, 9.-15. August 1911. Köln 1911, S. 12.

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außen allein durch Sigfried Hoofien wahrgenommen wurde, drängte sich dessen offizielle Bestätigung als Verlagsleiter auf. Dies geschah am 5. August 1910, indem die beiden Inhaber des Verlages, David Wolffsohn und Max Bodenheimer, in der Kanzlei des Notars Fröhlich in Köln bestimmten, Hoofiens sei in Nachfolge Bergers als Geschäftsführer des Jüdischen Verlages einzutragen. Im übrigen wurden die Besitzverhältnisse vom 5. Oktober 1907 bestätigt, d. h. Wolffsohn war am Verlag mit einem Anteil von 29.000 Mark und Bodenheimer mit einem solchen von 1.000 Mark beteiligt.78 Der 10. Zionistenkongreß fand vom 9. bis 15. August 1911 in Basel statt. Wie bereits in Hamburg erschien der Rechenschaftsbericht der Exekutive bereits kurz vor dem Kongreß, damit dieser nicht in ganzer Länge dem Plenum vorgelesen werden mußte. Auf dem Kongreß setzte sich Berlin als neuer Sitz der Zionistischen Organisationen durch. Der gesundheitlich angeschlagene David Wolffsohn verzichtete, ebenso wie Jakobus Kann, auf eine Wiederwahl in das vergrößerte E. A. C., dem nun auch Arthur Hantke angehörte. Im Rechenschaftsbericht wurde über die Tätigkeit des Jüdischen Verlages in der Zeit seit dem Hamburger Kongreß recht ausfuhrlich informiert. Einer Zusammenstellung der seit 1909 erschienenen Verlagswerke gingen bemerkenswerte Sätze voraus, aus denen sich zum ersten Mal seit Übernahme der Firma durch Wolffsohn eine verhalten positive Tendenz erkennen läßt, obwohl zur Besitzund Kapitalverteilung ein weiteres Mal nicht Stellung genommen wurde. Jüdischer Verlag. Obgleich die Folgen der Verhältnisse, die vor der Übernahme des Verlags durch die Organisation in demselben herrschten noch immer nicht überwunden sind, tritt doch allmählich eine Gesundung ein. Im abgelaufenen Jahre war der Verlag zum ersten Male in der Lage, seine sämtlichen Kosten zu bestreiten und das Berichtsjahr sogar mit einem kleinen Gewinn abschließen. Der Absatz hat sich sehr gehoben und es wurde eine bedeutend regere Verlagstätigkeit entfaltet als dies in den letzten Jahren der Fall gewesen ist. 79

In der Bilanz der Exekutive per 30. Juni 1911 erscheint der Jüdische Verlag mit einem kumulierten Wert von knapp 25.000 Mark. Wie 1909 wurde der Buchwert wiederum mit 20.000 Mark in die allgemeine Vermögensaufstellung übernommen, wobei die durch den Verlag vertriebenen Ansichtskarten des Nationalfonds zu dieser Summe hinzukamen.80 Auf dem Kongreß wurde nicht über den Jüdischen Verlag debattiert, aber zwischen David Wolffsohn und Arthur Hantke fanden informelle Gespräche über die Zukunft der Firma statt.81 Einzig der Delegierte Daniel Pasmanik, dessen Buch Die Seele Israels 1911 im Verlag erschien, äußerte sich öffentlich zum Thema und kritisierte dabei die 78

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Abschrift der Notariatsakte vom 5. August 1910, in: Central Zionist Archives, Jerusalem, Ζ 3/1066. Bericht des Actions-Comites (wie vorletzte Anm.), S. 25f. Vgl. Bericht des Actions-Comites (wie oben, Anm. 77), S. 200, 227 sowie 241. Vgl. die Hinweise dazu im Brief Hantkes an Wolffsohn vom 24. Oktober 1911, in: Central Zionist Archives, Jerusalem, W 140/1.

6. Vorbereitungen zur Rückfiihrung des Jüdischen Verlages nach Berlin

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seiner Meinung nach nicht ausreichend genutzten Möglichkeiten des Verlages. Pasmanik gehörte zu den Kräften, die entschieden für eine Verlegung des Sitzes der Organisation eintraten und hofften, insbesondere mit diesem Schritt auch den Verlag reaktivieren zu können. Der »Jüdische Verlag« hat in der letzten Zeit tatsächlich manches geleistet, aber es wurde alles systemlos geleistet, ohne Initiative, ohne Entwicklung und ohne Vertiefung. [...] Der Zionismus ist auch eine Weltanschauung, er muß vertieft, er muß begründet werden. Das muß die Leitung machen und deshalb ist die erste Forderung: Entwicklung und Vertiefung der zionistischen Propaganda und Agitation. 82

Die geforderte Intensivierung von Propaganda und Agitation stand im Mittelpunkt der Anstrengungen des neu gewählten und vergrößerten E. A. C. mit Arthur Hantke. Der Berliner Anwalt hatte bereits in der Vergangenheit mehrfach Gelegenheit, sich mit dem Jüdischen Verlag zu beschäftigen. Seinen unermüdlichen Bestrebungen bleibt es zu verdanken, daß in der Folge der Entscheidung, den Sitz der Exekutive nach Berlin zu verlegen, auch der Jüdische Verlag eine zunehmend wichtigere Rolle spielen sollte. Inmitten dieser Phase des Aufbruchs gelangten mehrere neue Bücher des Verlages in den Handel, die vor der weiteren Schilderung der Ereignisse erwähnt werden sollen.

7. Die Verlagsproduktion in den Jahren 1906 bis 1911

Im Vergleich zu den nachfolgenden Perioden blieb die Produktion des Jüdischen Verlages im behandelten Zeitraum bescheiden. Nicht nur die Zahl der Neuerscheinungen war sehr gering, auch ließ das Verlagsprogramm eine deutliche Linie vermissen. Das von den Gründern angestrebte Ziel, primär Werke der jüngeren oder weniger bekannten osteuropäischen Kräfte zu veröffentlichen, wich in der Kölner Phase einem unklaren Konzept. Die eher zufällige Auswahl der während der Jahre von 1906 bis 1911 publizierten Werke hing damit zusammen, daß nach der Ablösung Berthold Feiwels die zuständigen Verlagsleiter rasch wechselten und kein einheitliches Konzept erarbeitet werden konnte. David Wolffsohns abwartende und ambivalente Einstellung gegenüber dem Verlag ließ es nicht zu, über mehrere Jahre Bücher zu veröffentlichen, die der Firma hätten Charakter verleihen können. Neben naheliegenden Publikationen, etwa den Kongreßprotokollen, legte der Jüdische Verlag Werke von Autoren aus dem nahen Umfeld Wolffsohns vor.83 Die wenigen außergewöhnlichen und einflußreichen Bücher, die in der Kölner Periode erschienen, sind insgesamt wohl eher dem Zufall als einer durchdachten Programmplanung entsprungen. 82 83

Protokoll des X. Zionisten-Kongresses (wie oben, Anm. 76), S. 93. In erster Linie ist das in Exkurs 2 beschriebene Buch von Jakobus Kann zu nennen. Dazu zählen aber auch die Zionistischen Schriften Nordaus.

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III Interregnum in Köln,

1906-1911

Daß der Jüdische Verlag mit der kurzen, aber in Erinnerung der Leserschaft wach gebliebenen Phase der Gründerzeit nicht zu brechen beabsichtigte, geht aus den Texten der Inserate hervor. In der Welt und, weit weniger zahlreich, in den meisten übrigen zionistischen Zeitungen und Zeitschriften, erschienen seit Ende 1906 regelmäßig Anzeigen, die in Inhalt und Vokabular vom Stil der Verlagsgründer geprägt waren. Als Überschrift wurden öfters Formulierungen benutzt, die an Feiwels Einleitung zum Almanach 5663 erinnern. Unser Unternehmen hat es sich zur Aufgabe gemacht, eine Zentralstelle zu schaffen, von der aus jüdische Literatur, Kunst und Wissenschaft in schöner Form in weite jüdische Kreise getragen werden soll. Unser Verlag hat, als der erste modern- jüdische, mit seinen Publikationen im jüdischen Buchwesen anerkanntermaßen bahnbrechend gewirkt und sich die einmütige Anerkennung von Publikum und Kritik errungen.84

Bezeichnend für den Zustand des Jüdischen Verlages blieb, daß noch 1910, also über acht Jahre nach dem Erscheinen der ersten Publikationen, damit geworben wurde, die Firma habe die Absicht, eine »Zentralstelle« für jüdische Literatur, Kunst und Wissenschaft zu werden. Wenn überhaupt, erfüllte der Jüdische Verlag diese Aufgabe erst in der Phase seiner größten Erfolge in den späten zwanziger Jahren. 1906 und 1907 erschienen im Jüdischen Verlag lediglich die bereits erwähnten Broschüre des »Bureaus für Statistik der Juden« sowie das Protokoll des VIII. Zionisten-Kongresses. 1908 ist in Zusammenhang mit dem Verlag insofern besonders hervorzuheben, als dies das einzige Jahr im gesamten behandelten Zeitraum von 1902 bis 1938 ist, in welchem die Firma nichts herausgeben konnte. 85 Auf die Schriften Max Nordaus, das Drama Heinrich Grünaus, beide im folgenden Jahr erschienen, wurde bereits hingewiesen und Jakobus Kanns Buch wird im Anschluß näher betrachtet. Der von Max Eisler 1910 vorgelegte Essay über Jozef Israels, einem der wichtigsten Vertreter des niederländischen Realismus, beschreibt primär Leben und Werk des Malers. In seinem Schlußbetrachtungen analysiert der Autor Sinn und Aufgabe der jüdischen Kunst mit enormem Pathos, was den anonymen Rezensenten in der Welt bewogen haben mag, mit Eisler gleichzuziehen. Dankbar sind wir dem Verfasser für seine biographischen Ausführungen, dankbar für seine sinnige Einleitung über Kunstwerk und Seele; am dankbarsten sind wir ihm dafür, daß er uns zum sicheren Bewußtsein brachte, daß wir eine in unserer nationalen Psyche wurzelnde Kunst besitzen, die uns nach des Alltags Mühen und Sorgen emporführen kann in das Traumreich der Phantasie. In den berückenden Stunden der Einsamkeit und des Verlassenseins, in den bezaubernden Nächten, in denen wir den Liebesschauer der Kunst über uns ergehen lassen, brauchen wir nicht mehr, Bettlern gleich, die kärglichen Brosamen unter fremdem Tische aufzulesen; wir können aus dem nie versiegenden Born der Judenkunst schlürfen und uns laben. 86 84

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Protokoll des IX. Zionisten-Kongresses (wie oben, Anm. 60), Anhang; siehe auch Kapitel II/9. Wobei allerdings das auf dem Titel mit Erscheinungsjahr 1909 bezeichnete Buch von Jakobus Kann bereits Ende 1908 auf den Markt kam; vgl. Exkurs 2. Die Welt, 13. Jg (1909), Nr 51, S. 1126.

7. Die Verlagsproduktion in den Jahren 1906 bis 1911

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Ebenfalls 1910 veröffentlichte der Jüdische Verlag in Kommission den Jüdischen Almanach 5670. Der anläßlich des »25-semestrigen Jubiläums von der Vereinigung Jüdischer Hochschüler aus Galizien, Bar-Kochba, in Wien« zusammengestellte Band knüpft inhaltlich und in der Aufmachung an den Almanach 5663 an. Wie in der Neuauflage des Almanachs fehlt auch bei der Wiener Produktion ein Kalendarium, so daß es sich beim Werk um einen reinen Sammelband handelt, in welchen Beiträge einiger der wichtigsten Exponenten des und west- und vor allem osteuropäischen Judentums aufgenommen wurden. Reproduktionen von Künstlern wechseln sich mit belletristischen Werkproben ab. Zionistische Beiträge, etwa erstmals veröffentlichte Briefe Herzls und Achad Ha'ams sowie eine kritische Analyse der Persönlichkeit und des Wirkens von Herzl, folgen der am Anfang des Buches stehenden Wiedergabe von Martin Bubers Rede »Der Jude und sein Werk«. In der Folge überarbeitete Buber diesen zentralen Text. Daraus entstand, ohne den nur im Almanach 5670 abgedruckten Schluß, die zweite seiner wichtigen Drei Reden über das Judentum, die gesammelt erst ein Jahr später erschienen.87 Deren enorme Bedeutung ist in der Literatur ausfuhrlich gewürdigt worden. 88 Nicht zuletzt Siegmund Kaznelson, der spätere Besitzer des Jüdischen Verlages, ist durch Bubers Reden ganz entscheidend geprägt worden. 89 Ohne den Almanach 5670 aus Wien wäre die kleine Zahl ähnlicher Publikationen, sämtliche noch vor dem Ersten Weltkrieg editiert und in mancher Beziehung einen Höhepunkt des deutschsprachigen Judentums Österreich-Ungarns darstellend, kaum initiiert worden. So veröffentlichte die Akademische Verbindung »Emunah« aus Czernowitz 1912 den zu unrecht vergessenen, aber wichtigen Sammelband Heimkehr 5672, eingeleitet vom dort lehrenden Zionisten, Herausgeber der Herzischen Schriften und Professor der Anglistik Leon Kellner. 1913 erschien schließlich der Sammelband Vom Judentum der Prager Studentenverbindung »Bar-Kochba«, das zweifellos bedeutendste Werk dieser Art aus der Zeit unmittelbar vor dem Untergang der Doppelmonarchie.90 Als Epilog dazu darf aber auch der von Siegmund Kaznelson redigierte und Ende 1916 erschienene Band Das jüdische Prag, nicht ungenannt bleiben.91 87 88

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Vgl. Kohn, Martin Buber (wie Kap. II, Anm. 20), S. 385. Vgl. Michael Löwy: Erlösung und Utopie. Jüdischer Messianismus und libertäres Denken. Eine Wahlverwandtschaft. Berlin: Karin Kramer 1997. Treffend brachte es der Verfasser in seiner Studie auf den Punkt: »[...] seine [Bubers] berühmten Vorträge über das Judentum in den Jahren 1909 bis 1911 [...] haben die moderne jüdische Spiritualität tiefgreifend erneuert. Die Ausstrahlung sowohl seiner politischen als auch seiner religiösen Ideen hat eine ganze Generation von jüdischen Intellektuellen entscheidend geprägt, von Prag bis nach Wien und von Berlin bis Budapest.« (S. 67) Vgl. Kapitel VI/1. Siehe auch: Bertz, Jüdischer Almanach 5663 (wie Kap. I, Anm. 16), S. 16, über den 1911 in Budapest von Raphael Patai herausgegebenen Magyar Zsidö Almanach der, obwohl nicht in deutscher Sprache, durchaus in diese Reihe gehört. Vgl. dazu Kapitel VI/1. Das jüdische Prag erschien 1978 als Nachdruck (vgl. Bibliographie). Die anderen vorgenannten Sammelbände tauchen nur noch selten im Antiquariatshandel auf.

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1906-1911

Die bereits erwähnte, ebenfalls 1910 in kleiner Auflage erschienene Dokumentation über die Judenpogrome in Rußland, herausgegeben in zwei umfangreichen Bänden, zählt zu den wichtigsten Verlagswerken, die während der Kölner Jahre erschienen sind. Heute zählt es zu den seltensten Bücher der gesamten Verlagsproduktion überhaupt. 1911, dem letzten Jahr des Jüdischen Verlages in Köln, wurden sieben neue Werke herausgegeben, darunter die erste deutsche Übersetzung von Gedichten Bialiks und ein bedeutendes Werk Arthur Ruppins. Einzelne Gedichte von Chaim Nachman Bialik, geboren 1873, waren früher ins Russische, Jiddische und Italienische übersetzt worden. Auch in Deutsch lagen bereits vereinzelte Ausschnitte aus seinem Schaffen vor, doch erst die von Ernst Müller besorgte Auswahl und Übertragung aus dem Hebräischen ebnete dem Dichter den Weg zur deutschsprachigen Leserschaft. Das Buch wurde von Otto Herschdörfer mit Vignetten, Zierleisten und an Lilien erinnernden Illustrationen aufwendig gestaltet, was in einer sonst positiven Rezension mit geringer Begeisterung aufgenommen wurde. Von Herschdörfers Buchschmuck ist hervorzuheben, daß er das Bestreben hatte, die Einteilung des Übersetzers in Federzeichnungen zu allegorisieren, was ihm in vielen Fällen gelungen ist. 92

Dank des guten Echos in der jüdischen Presse konnte die gesamte Auflage von 3.000 Exemplaren innerhalb weniger Jahre abgesetzt werden. 1922 erschien eine zweite, überarbeitete Auflage der Müllerschen Übersetzungen ohne den inzwischen völlig veraltet wirkenden Buchschmuck aus den Vorkriegsjahren im Wiener Verlag R. Löwit. Arthur Ruppins Pionierarbeit Die Juden der Gegenwart war 1904 in erster Auflage im Berliner Verlag S. Calvary erschienen und hatte großes Aufsehen erregt.93 Kaum eine andere Neuerscheinung wurde in der Presse derart ausfuhrlich diskutiert wie diese Studie. Die Einleitung zur beinahe dreiseitigen Besprechung durch B. Jakobs in der Welt zeigt, welche Bedeutung dem Buch bereits bei dessen erstem Erscheinen beigemessen worden war. Das vorliegende Buch füllt eine wesentliche Lücke aus. Es ist die erste zusammenfassende pragmatische Arbeit über die Juden der Gegenwart vom sozialwissenschaftlichen Standpunkte aus. Der Verfasser, der ein abgesagter Feind aller Luftschlösser und Wolkenkuckucksheime ist, wartet uns mit Zahlen auf, er ist bemüht, auf Grund der Statistik und eigener Beobachtungen Tatsachen festzustellen und auf diese Weise erst einen festen Boden für die Erörterung der vielen Probleme des Judentums zu schaffen. 94

Nicht zuletzt aufgrund der überaus wohlwollenden Rezeption des Werkes verstärkte Arthur Ruppin seine Arbeit auf dem Gebiet der jüdischen Statistik, 92 93

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David Rothblum, in: Die Welt, 16. Jg (1912), Nr 4, S. 122. Wirkung und Bedeutung analysierte Alex Bein in seinem wichtigen Aufsatz »Arthur Ruppin. The Man and his Works«, in: Leo Baeck Institute Yearbook XVII (1972), S. 125-129. Die Welt, 9. Jg (1905), Nr 21, S. 12-15, hier S. 12.

7. Die Verlagsproduktion in den Jahren 1906 bis 1911

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deren frühe Ergebnisse in die erste Auflage eingeflossen waren. Im Vorwort zur vollständig überarbeiteten Neufassung, die 1911 im Jüdischen Verlag erschienen ist, verwies der Autor ebenso darauf, wie auf seine eigenen Erfahrungen in Palästina.95 Noch vor dem Ersten Weltkrieg wurde sein Buch auch in Hebräisch und Englisch sowie 1922 in Italienisch herausgegeben. Eine unveränderte dritte Auflage der deutschen Fassung erschien 1918 nochmals im Jüdischen Verlag. 96 Die stark erweiterte Fassung von Die Juden der Gegenwart wurde schließlich unter Siegmund Kaznelsons Verlagsleitung in zwei Bänden 1930 und 1931 unter dem Titel Soziologie der Juden veröffentlicht. Zu den wenig beachteten Neuerscheinungen des Jahres 1911 zählt Heinrich Loewes Arbeit über Die Sprache der Juden. Darin zeichnet der Autor die Entwicklung und Bedeutung des Hebräischen als Volkssprache auf und beleuchtet auch das Jiddische und Spaniolische. Im Rechenschaftsbericht der Exekutive an den 10. Zionistenkongreß wurde das Buch, ähnlich wie die übrigen Neuerscheinungen des Jahres, kurz vorgestellt. Dr. Heinrich Loewe: Die Sprache der Juden. Wir glauben mit der Herausgabe dieses Werkes zur Förderung der Bestrebungen, die dahingehen, die Judenheit und ihre nationale Sprache wieder in einen innigen Zusammenhang zu bringen, viel beigetragen zu haben.97 In seinen Erinnerungen erwähnte Loewe ein pikantes Detail in Zusammenhang mit dem Buch. Seine ironischen Bemerkungen werfen ein kritisches Licht auf die Zustände im Jüdischen Verlag dieser Periode, die aber durch die Fakten weitgehend bestätigt werden. In demselben Jahre (1911) [...] erschien auch eine nicht sehr große Schrift von mir, die auf die Ausbreitung und Würdigung der modern-hebräischen Umgangssprache stark eingewirkt hat. Das Buch, das im jüdischen Verlag erschien, heißt: »Die Sprache der Juden«. Das Buch hatte einen doppelten Erfolg: Mir war ein Honorar von 400 Mark vom Jüd. Verlag zugesagt worden. Ich legte Wert darauf, daß es beim Beginn des [10.] Kongresses vorliegen sollte. Wenn das der Fall wäre, würde ich auf das Honorar verzichten. Das Buch kam aber erst aus dem Druck nach dem Kongresse. Honorar bekam ich nicht 98 Bei der Mehrheit der zwischen 1909 und 1911 erschienenen Bücher des Jüdischen Verlages ist auf dem Titelblatt als Erscheinungsort »Köln und Leipzig« 95

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97 98

Ruppin lebte seit 1908 in Jaffa, wo er das Büro der Zionistischen Organisation (»Palästina-Amt«) aufbaute und leitete. Vgl. dazu: Encyclopaedia Judaica (wie Kap. II, Anm. 12), Bd 14, Sp. 430ff.; sowie Arthur Ruppin: Briefe, Tagebücher, Erinnerungen. Hg. von Schlomo Krolik, 2 Bde, Königstein/Ts: Jüdischer Verlag bei Athenäum 1985. Bein, Arthur Ruppin (wie oben, Anm. 93), S. 125, Anm. 14, nennt irrtümlich 1920 (siehe auch Verlagsbibliographie). Bericht des Actions-Comites (wie oben, Anm. 77), S. 26. Central Zionist Archives, Jerusalem, A 146/6/2. Teile der außergewöhnlichen Erinnerungen Loewes wurden bereits 1946 durch J. L. Weinberg unter dem Titel Aus der Frühzeit des Zionismus veröffentlicht. Bis heute fehlt leider eine vollständige und kommentierte Edition dieser eminenten Quelle.

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III. Interregnum in Köln,

1906-1911

vermerkt. Eindeutige Erklärungen für die Nennung des fingierten Zweitsitzes des Verlages lassen sich aufgrund der Quellen nicht geben. Mit Sicherheit hatte der Verlag aber während dieser Jahre keinen Ableger in Leipzig. Daß während dieser Jahre ein Teil der Verlagswerke durch einen dortigen Kommissionär vertrieben wurde, scheint wegen der bescheidenen Tätigkeit der Firma ebenfalls wenig wahrscheinlich. Naheliegend ist hingegen, daß die Nennung Leipzigs mit der Verpfändung der Werte des Verlages und den Rechten an Heinrich Bennigson von der Druckerei »Pass & Garleb«, gemäß dem beschriebenen Vertrag von Juni 1907, in kausalem Zusammenhang stand. Obwohl darin nicht erwähnt, wurde vermutlich vereinbart, im Falle juristischer Streitigkeiten diese an neutralem Ort, also weder in Köln noch in Berlin, auszutragen. Dafür bot sich Leipzig als Zentrum des deutschen Buchhandels mit entsprechend spezialisierten Anwaltskanzleien an. Ahron Eliasberg, der Leiter des Jüdischen Verlages während der anschließenden Jahre, beschrieb in einem Zeitschriftenartikel die letzten in Köln erschienenen Publikationen der Firma treffend. Zu Ende der Kölner Periode machte sich sogar ein gewisser Aufschwung bemerkbar, indem nach einer längeren Pause einige wertvolle Bücher herausgegeben wurden. In erster Linie sei die zweite, völlig umgearbeitete Auflage von Ruppins »Juden der Gegenwart« genannt, die seither die soziologische Fundierung der zionistischen Theorie bildet. Gleichzeitig wurde durch die Müller'sehe Bialik-Übersetzung der erste Versuch gemacht, auch die moderne hebräische Dichtung in Westeuropa einzuführen."

Exkurs 2: Die Kontroverse um Jakobus Kanns Buch Erez Israel Das Jüdische Land

Die in diesem Exkurs geschilderte Episode betrifft nur insofern den Jüdischen Verlag als das Buch von Jakobus Kann seine weiteste Verbreitung in der deutschen Übersetzung fand, welche gegen Ende der Kölner Phase, 1909, im Verlag erschienen ist. Die zahlreichen unveröffentlichten Quellen in Zusammenhang mit dem Streit um die französische Edition werfen dabei ein Licht auf das Verhältnis zwischen dem E. A. C. und den stärker werdenden oppositionellen Kräften gegen David Wolffsohn.100 Die Art der Kontroverse zeigt darin durchaus Parallelen zum angespannten Verhältnis zwischen dem innersten Führungskreis der Zionistischen Organisation in Köln und den Kräften in Berlin, wie sie in diesem Kapitel bereits aufgezeigt worden sind und die sich nach 1911 verstärken sollten. 99 100

Eliasberg, Das Werden des jüdischen Verlages (wie Kap. II, Anm 39), S. 83f. Vgl. Isaiah Friedman: Germany, Turkey and Zionism, 1897-1918. Oxford: Clarendon Press 1977. In dieser wichtigen Untersuchung wird die Episode überhaupt nicht erwähnt.

Exkurs 2: Die Kontroverse um Jakobus Kanns Buch

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Am 10. Januar 1910 erhielt David Wolffsohn ein Telegramm aus Konstantinopel mit auf den ersten Blick reichlich unklarem und irrlichtigem Inhalt: insistieren dringendst verkauf erdstockes loewenberg verhindern verteilte exemplare dufts und lichthofs eierbier haushaltlich zurueckziehen sonst läge unhaltbar drahtet antwort eierbier ausschusz 101

Dadurch, daß auf dem Original des Telegramms die kodierten Worte mit Bleistift hinzugefugt worden sind, läßt sich der Text entschlüsseln. Die von Wladimir Jabotinsky nach Köln geschickte Depesche lautet in Klartext: Insistieren dringendst Verkauf Buches Jakobus Kann verhindern. Verteilte Exemplare [in] Europa und [in der] Türkei [an] Presse telegraphisch zurückziehen; sonst Lage unhaltbar. Drahtet Antwort [an den] Presseausschuß.102

Im Mittelpunkt des sich in der Folge dieses Telegramms entwickelnden Streites stand das von Jakobus Kann, dem engen Freund David Wolffsohns und Mitglied des E. A. C., verfaßte Buch Erez Israel - Das Jüdische Land. 1907 bereiste der holländische Bankier Palästina und schrieb in der Folge das Buch, in welchem er neben unbedenklichen Reiseerlebnissen und Schilderungen der jüdischen Kolonien auch eine brisante politische Analyse, einschließlich Vorschlägen für die Zukunft des Landes, vornahm. Es waren diese Bemerkungen im Schlußteil seiner Aufzeichnungen, die Anlaß zu heftigen Brief- und Telegrammwechseln gaben. Kann vertrat darin im wesentlichen den Standpunkt, die jüdisch besiedelten Gebiete des Osmanischen Reiches sollten ein Statut der Selbstverwaltung erhalten. Dabei sollte diese [...] so weit gehen, daß das jüdische Volk sich frei wird entwickeln können. Das Verhältnis zum türkischen Reiche wird ungefähr so sein wie zwischen einer sich selbst verwaltenden Kolonie und dem Mutterlande. Am britischen Reiche sehen wir, daß ein solches Verhältnis alle Teile befriedigt.103

Um den türkischen Sultan von einem solchen Plan überzeugen zu können, wäre es sinnvoll, das in dessen Besitz befindliche Land in Palästina mittels eines mindestens hundert Jahre gültigen Pachtvertrages zu übernehmen. Dafür sei das Osmanische Reich finanziell zu entschädigen.104 Der heikelste Vorschlag Kanns folgte bei seinen Überlegungen, welche konkreten Bedürfnisse abzudecken seien. Aber wie die jüdische Verwaltung sich auch gestalten möge, sie wird sich in Palästina vor eine keineswegs leichte Aufgabe gestellt sehen. Und um dieser Aufgabe völlig gerecht zu werden, wird man über diejenigen Hilfsmittel verfugen müssen, die sich durch alle Zeiten hindurch als die geeignetsten bewährt haben, um die Autorität aufrechtzuhalten: Diese Hilfsmittel also sind an erster Stelle: Geld und Soldaten. [...] Was die jüdischen Soldaten anbelangt, so wird es uns daran gewiß nicht fehlen. [...] 101

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Telegramm Jabotinskys an Wolffsohn vom 10. Januar 1910, in: Central Zionist Archives, Jerusalem, Ζ 2/9. Ebd. Kann, Jakobus: Erez Israel - Das Jüdische Land. Köln: Jüdischer Verlag 1909, S. 167f. Ebd., S. 175.

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III. Interregnum in Köln,

1906-1911

Es wird vielleicht schwer halten, für die höheren Chargen in der Armee eine genügende Anzahl geeigneter Personen zu finden. Wir werden deshalb anfangs wohl fremde Instruktoren brauchen, und vielleicht wird sich die türkische Armee bereit zeigen, die hierzu erforderlichen Offiziere zur Verfügung zu stellen. 105

Vor dem Hintergrund des Beginns der Jungtürkischen Revolution 1908 und der unklaren Zukunft des Osmanischen Reiches waren solche Bemerkungen nicht unbedenklich und hätten die in Palästina erreichte Duldung der jungen Kolonien gefährden können.106 Noch während der Veränderungen in der Türkei ergriff die Zionistische Organisation die Initiative, im Osmanischen Reich aktiver fur die Interessen der Bewegung aufzutreten. Diese Forderung stammte von Kreisen russischer Zionisten, die darin eine große Chance witterten und dem E. A. C. einen entsprechenden Plan vorlegten.107 Eher gegen seinen Willen stimmte David Wolffsohn nach einem Besuch in Konstantinopel im Juni 1909 schließlich der Errichtung eines »Pressecomites« im Spätsommer 1909 zu. Dessen Leitung wurde dem seit 1906 in Beirut fur die »Anglo-Palestine Company« tätigen Victor Jacobson übertragen, der ab 1908 hauptamtlich für das Finanzinstitut in der Hauptstadt des Osmanischen Reiches tätig war. Ihm unterstellt und für die eigentliche Arbeit des »Pressecomites« zuständig war Wladimir Jabotinsky, wie Jacobson ebenfalls aus Rußland stammend. Jabotinsky war beauftragt, mittels Organisation propagandistischer Veranstaltungen, Vorträgen und dem Verfassen von Artikeln die Stimmung im Land für die zionistischen Anliegen zu verbessern. Insbesondere suchte er den Kontakt zu einem der wichtigsten Sprachrohre der Jungtürkischen Bewegung, dem in französisch erscheinenden Courrier d Orient. Mittels Geldern von russischen zionistischen Organisationen, die primär durch Victor Jacobson organisiert worden waren, konnte die Mehrheit an der Zeitung erworben werden. Jabotinsky gehörte zu den Redakteuren des in der Folge als Le Jeune Türe erscheinenden Blattes.108 Daneben wurden drei weitere sympathisierende Zeitungen finanziell unterstützt.109 Das Erscheinen von Jakobus Kanns Buch platzte dabei mitten in diese politisch heiklen Tätigkeiten. 105 106

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Ebd., S. 178. Auf Details kann im Rahmen dieses Exkurses nicht eingegangen werden. Zu den Gefahren und Chancen für den Zionismus in der Folge der Jungtürkischen Revolution, siehe den ausführlichen und informativen Artikel von Ernst Simon, in: Jüdische Rundschau, 34. Jg (1929), Nr 101/102, S. 691f. Darin wird die Kontroverse um Kanns Buch erwähnt, ohne allerdings Quellen zu zitieren. Auf Simons Darstellung basiert im übrigen die kurze Darstellung des Vorfalls im Artikel über Jakobus Kann, in: Encyclopaedia Judaica (wie Kap. II, Anm. 12), Bd 10, Sp. 736f.; siehe auch Friedman, Germany, Turkey and Zionism (wie oben, Anm. 100), S. 120ff. Von den ungefähr 100.000 Juden, die zu jener Zeit in Konstantinopel wohnten, waren viele nach den Pogromen aus Rußland ins Osmanische Reich geflohen. Vgl. Encyclopaedia Judaica (wie Kap. II, Anm. 12), Bd 9, Sp. 1095. Vgl. ebd., Sp. 1243. Ittihad (Türkisch), L 'Aurore (Französisch) und El Tiempo (Spaniolisch). Vgl. dazu das Memorandum Victor Jacobsons vom 22. Juni 1910 zuhanden des E. A. C., in:

Exkurs 2: Die Kontroverse um Jakobus Kanns Buch

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Die Erstausgabe des Buches erschien Ende 1908 in Holländisch und hatte, wohl aufgrund der kleinen Auflage und vor allem der Sprache wegen, in der Türkei keinerlei Aufsehen erregt.110 Die wenige Wochen später im Jüdischen Verlag erschienene deutsche Übersetzung machte das Buch ungleich bekannter.111 Die vom Autor darin postulierten chartistischen Ideen, wie sie bereits Theodor Herzl vertreten hatte, stießen bei vielen westeuropäischen und vor allem der Mehrheit der osteuropäischen Zionisten auf wenig Gegenliebe.112 Entscheidend für den Streit war hingegen, daß es dem Autor gelang, Anfangs 1910 das Buch in einer französischen Übersetzung herauszugeben.113 Da nun das bereits in Zentraleuropa heftig umstrittene Werk auch noch in einer Sprache vorlag, die von den meisten Intellektuellen des Osmanischen Reichs verstanden wurde, tangierte dies die Arbeit des mit einigem Erfolg wirkenden »Pressecomites« um Jacobson und Jabotinsky in Konstantinopel, die sich auch vom Inhalt her vehement gegen die Vorstellungen Kanns aussprachen. Jakobus Kann selbst wollte die potentiellen Schwierigkeiten, die sein Buch für die zionistische Sache in der Türkei haben konnte, in keiner Weise wahrhaben. Im Gegenteil: Während eines privaten Aufenthaltes in der Stadt überreichte der Autor persönlich Exemplare des Buches an Freunde und verschickte solche an die Redaktionen verschiedener Zeitungen, nicht zuletzt an jene, mit denen das »Pressecomite« in regelmäßigem Kontakt stand. Angeblich soll auch Max Nordau Exemplare an türkische Bekannte geschickt haben.114 Kurz nachdem Jabotinsky davon erfahren hatte, schickte er am 10. Januar 1910 das einleitend erwähnte Telegramm nach Köln. Wohl wußte er um die Freundschaft zwischen Wolffsohn und Kann, aber er hoffte dennoch, daß der Vorsitzende des E. A. C. gegen das Buch vorzugehen bereit sei. Tatsächlich schrieb

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Central Zionist Archives, Jerusalem, Ζ 2/9. Siehe auch: The Letters and Papers of Chaim Weizmann (wie Kap. II, Anm. 17), Vol. V, S. 180, Anm. 12, S. 180 sowie Friedman, Germany, Turkey and Zionism (wie oben, Anm. 100), S. 148ff. Jacobus Henricus Kann: Erets Israel - Het Joodsche Land. Leiden: E. J. Brill 1908. Die deutsche Ausgabe erschien ungefähr Ende November 1908, obwohl auf dem Titel 1909 vermerkt wurde (vgl. Redaktionelle Notiz und Abdruck des Vorwortes, in: Die Welt, 12. Jg [1908], Nr 41, S. 9). Wie darin erwähnt, war geplant, beide Ausgaben gleichzeitig herauszugeben, wobei sich aber der Druck der deutschen Version etwas verzögerte. Mit »chartistischen Ideen« ist die Errichtung eines staatlichen Gebildes entsprechend der Herzischen Vorstellung gemeint. Nach der jungtürkischen Revolution begann sich die Einstellung gegenüber dem Zionismus im Gegensatz zur Zeit unter dem Sultan eher zu verschlechtern. Eine politische Lösung wie sie Kann im Buch propagierte, schien nach der Revolution unwahrscheinlich (vgl. Friedman, Germany, Turkey and Zionism [wie oben, Anm. 100], S. 140ff. sowie Jüdische Rundschau, 34. Jg [1929], Nr 101/102, S. 691f.). Jacobus Henricus Kann: Erets Israel - Le Pays Juif. Bruxelles: Librarie Falk Fils 1910. Es ist davon auszugehen, daß auch diese Fassung bereits Ende 1909 erschienen, aber im Impressum, gleich der deutschen Ausgabe, vordatiert worden ist. Vgl. den Brief Jabotinskys an Wolffsohn vom 29. Januar 1910, in: Central Zionist Archives, Jerusalem, Ζ 2/9.

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III. Interregnum in Köln, 1906-1911

Wolffsohn bereits am nächsten Tag an Jakobus Kann und äußerte sich gegenüber seinem Freund recht kritisch. Mit Deinem französischen Erez Israel wird die Sache wirklich unangenehm werden. Nicht die türk. Regierung, aber die Bande [Jabotinsky und seine Freunde] wird eine Hetze veranstalten die schließlich sehr unangenehm werden könnte, ohne daß wir andererseits von der französischen Übersetzung irgend welche Vorteile zu erwarten hätten. Wozu treibst Du in Constantinopel eine Reclame mit dem Buche? Was erwartest Du davon? Glaubst Du etwa Gegner mit Deinem Buche zu überzeugen?115 Einerseits geht aus den Zeilen Wolffsohns Abneigung gegenüber dem »Pressecomite« als solchem und besonders dessen Zusammensetzung hervor, zum anderen erstaunt, daß er Kanns Initiative kritisierte, obwohl er nicht von einer wirklichen Gefahr des Buches ausging. Tatsächlich sollte sich zeigen, daß Jabotinsky mit seinen Befürchtungen nicht ganz unrecht, aber letztlich massiv übertrieben hatte. Gleichzeitig teilte Wolffsohn Jabotinsky mit, in der Sache könne vorläufig nichts unternommen werden, eine Sistierung des Verkaufes liege nicht in seiner Kompetenz, und daher müßten sich die Parteien »vorläufig ganz neutral verhalten, weder für noch gegen etwas tun«. 116 Diese Ansicht bestätigte David Wolffsohn in einem Brief vom 21. Januar 1910, welcher den erregten Jabotinsky zu einer ausführlichen Antwort bewog, die er in gebrochenem Deutsch nach Köln schickte. 117 Wir bedauern sehr, daß Herr Kann nicht das Opfer bringen wollte, den Vorsprung [lies: die Herausgabe] seines Buches zu sistieren. Wer auch einmal in seinem Leben mit Verlägen zu tun gehabt hat, weiß ganz genau, daß die nachträgliche Sistierung einfach eine Geldfrage ist, die selbstverständlich für Herrn Kann keine Rolle spielen könnte." 8 Damit nicht genug: Jabotinsky informierte befreundete zionistische Ortsgruppen in Rußland über das seiner Meinung nach skandalöse Verhalten Wolffsohns, dem er dessen Verbindung mit Kann übel nahm. Die Auseinandersetzung eskalierte in einer Weise, die offensichtlich machte, daß nicht länger das Buch selbst im Mittelpunkt der Kontroverse stand. Am 7. Februar 1910 schickte Jabotinsky ein weiteres Telegramm nach Köln, dessen maßlose Forderungen dies unterstreicht. Unterzeichnete fordern einstimmig erstens augenblicklich telegraphische Desavouierung des programm- und kongresswidrigen Buches Kanns namens engeren Actionscomites, bis Mittwoch hier, zweitens unbedingten, sofortigen Rücktritt Kanns; beide Forderungen übermittelten sämtlichen Landsmannschaften und Presseorganen.119

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Brief Wolffsohns an Jakobus Kann vom 11. Januar 1910, in: ebd., A 121/137/IV. Zit. nach dem Entwurf eines Telegramms Wolffsohns an Jabotinsky, in: ebd., Ζ 2/9. Der erwähnte Brief Wolffsohns an Jabotinsky vom 21. Januar 1910 in: ebd., Ζ 2/9. Schreiben Jabotinskys an Wolffsohn vom 29. Januar 1910, in: ebd., Ζ 2/9. Abschrift des Telegramms Jabotinskys an Wolffsohn vom 7. Februar 1910, in: ebd., Ζ 2/9.

Exkurs 2: Die Kontroverse um Jakobus Kanns Buch

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Nach diesem Ultimatum, mitunterzeichnet von einigen mit Jabotinsky befreundeten Journalisten aus Konstantinopel, schlug auch Wolffsohn in den folgenden Schreiben einen Ton an, der sonst in seiner Korrespondenz sehr selten zu finden ist.120 Zwei Tage nach Erhalt dieses Telegramms berichtete Wolffsohn Kann von der Eskalation. Mit Constantinopel habe ich viel Ärger. Jabotinsky telegraphierte mir frech. Er und alle die dortigen Mitarbeiter verlangen [...]. Ich habe furchtbar grob geantwortet und ihnen jede Einmischung verboten. Wie die Sache enden wird, weiß ich nicht. Es scheint mir aber, daß diese Bande mit Rußland in Verbindung steht und von dort die Weisungen erhält.121

Jabotinsky ließ sich nicht beirren und setzte seinen Konfrontationskurs fort. Allerdings war nicht zutreffend, wenn Wolffsohn von »allen« Mitarbeitern sprach. Der eigentliche Leiter des »Pressecomites« in Konstantinopel, Victor Jacobson, befand sich zu diesem Zeitpunkt gar nicht in der Türkei, sondern zur Erholung in einem Sanatorium in Berlin. Wolffsohn schrieb Jacobson bereits am 15. Februar 1910 über seinen Streit mit Jabotinsky und betonte, wie wichtig es wäre, wenn Jacobson sich vor Ort um die Sache kümmern würde. 122 Jabotinsky informierte tatsächlich, wie im Telegramm vom* 7. Februar angedroht, befreundete Kreise in Rußland, so namentlich Jizchak Grünbaum, den Vorsitzenden des Zentralrats russischer Zionisten.123 Auch Chaim Weizmann muß, offenbar bereits vor Ablauf des von Jabotinsky gesetzten Ultimatums, von der Affäre um das Buch erfahren haben. Jedenfalls schrieb er darüber am 10. Februar an Moses Gaster in London. Mr. Wolffsohn has launched into high politics. You will hardly believe what the gentlemen are capable of. Perhaps you know that Kann (The Hague) has perpetrated a book. I don't need to describe his scribbling. The stuff was translated into French and distributed in Constantinople with foil steam. The impression was such that our representatives there immediately protested against the further distribution of the book. Wolffsohn, of course, took no notice. [...] Wolffsohn is fuming with rage, and what does he propose to do? To stop the Press established in Constantinople with so much toil and trouble.124

Der Austausch von gehässigen Depechen und Briefen zwischen Köln und Konstantinopel zog sich bis Mitte März 1910 hin, wobei beide Seiten auf ihren jeweiligen Standpunkten beharrten, ohne über konkrete Vor- oder Nachteile von Kanns Buch zu berichten. Der Streit hatte eine Eigendynamik angenommen und stand in keinem Verhältnis zur eigentlichen Sache mehr. Erst dadurch, daß 120

Vgl. Brief Wolffsohns an Jabotinsky vom 10. Februar 1910, in: ebd., Ζ 2/9. Brief Wolffsohns an Kann vom 9. Februar 1910, in: ebd., Ζ 2/9. 122 y g ] ^ Schreiben Wolffsohns an Jacobson vom 15. Februar 1910, in: ebd., Ζ 2/9. 123 Vgl. Jüdische Rundschau, 34. Jg (1929), Nr 101/102, S. 692. Es handelt sich übrigens mit einiger Sicherheit um denselben Jizchak Grünbaum, der 1902 Gelder für den Jüdischen Verlag gesammelt hatte (vgl. Kapitel II/3). 124 The Letters and Papers of Chaim Weizmann (wie Kap. II, Anm. 17), Vol. V, S. 179f. 121

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um den 13. März 1910 Victor Jacobson in die Türkei zurückkehrte, konnten die Wogen allmählich geglättet werden. Mitte April wurde an einer Sitzung des E. A. C. in Köln beschlossen, Jabotinskys Verhalten in der Sache ausdrücklich zu mißbilligen. 125 Dies bewog Jabotinsky am 4. Mai 1910 als Mitglied des »Pressecomites« zu demissionieren. In einem Schreiben von nicht weniger als elf Seiten suchte er seinen Schritt zu begründen, ohne freilich belegen zu können, inwiefern das Buch Kanns der zionistischen Sache im Osmanischen Reich geschadet habe. 126 Die Episode rund um das umstrittene Werk von Jakobus Kann endete mit einem Brief Wolffsohns an Jacobson, worin deutlich wurde, wie sehr der Vorsitzende des E. A. C. erleichtert war, Wladimir Jabotinsky losgeworden zu sein. Was nun die »Demission« des Herrn Jabotinsky betrifft, so muß ich gestehen, daß mir die Auffassungen und das Benehmen dieses Herren immer unverständlicher werden. [...] Ich beschränke mich einfach darauf festzustellen, daß ich keineswegs bedaure, daß unsere Beziehung zu diesem Herrn, der vielleicht ein ganz guter Zionist ist, dem aber jede Spur von Verantwortungsgefühl und Disziplin abgeht, jetzt gelöst sind. 127

Erst nach dem Abgang Jabotinskys zeigte sich, daß er mit seinen übertrieben wirkenden Befürchtungen wegen des Kannschen Buches doch nicht ganz unrecht hatte. Besonders die Forderung nach einer jüdischen Polizei und eigenen militärischen Truppen wurde vom jungtürkischen Regime gar nicht geschätzt. 128 Es kam in der türkischen Presse, nicht zuletzt in der mit zionistischen Geldern unterstützten Zeitimg II Tiempo, zu Attacken gegen den Zionismus, die sich auf die Ausführungen in Kanns Erez Israel stützten. 129 Trotzdem blieb die Wirkung des Buches insgesamt gering. Wichtiger war, daß ein weiteres Mal Opposition gegen Wolffsohn und das E. A. C. manifest wurde, diesmal in direktem Zusammenhang mit einem Werk, das der Jüdische Verlag in deutscher Übersetzung herausgegeben hatte. Mehr als ein Jahr nach diesem Sturm im Wasserglas ließ David Wolffsohn seinen Freund Jakobus Kann in Zusammenhang mit der nachfolgend beschriebenen Verlegung des Verlagssitzes lakonisch wissen: »Dein Buch wird weiter verkauft werden, vielleicht noch besser als vorher.« 130 125 Ygj Jen von David Wolffsohn signierten Brief des E. A. C. an Victor Jacobson vom 12. April 1910, in: Central Zionist Archives, Jerusalem, Ζ 2/9. 126 y g j arische< Horst Rittershofer zwar nicht offiziell, aber im Auftrage Kaznelsons gewisse Tätigkeiten ausführte. Der Verleger hatte, wie geschildert, im Frühjahr 1936 unter Druck der Reichskammer der bildenden Künste das von ihm 1932 erworbene Antiquariat- und Auktions-Institut Max Perl an seinen Mitarbeiter Rittershofer abgetreten, hielt aber Kontakte zu diesem aufrecht. 171 Im Licht der wenigen erhaltenen Quellen betrachtet, ist darum eine andere Möglichkeit am wahrscheinlichsten. Wie gezeigt, pflegte Kaznelson nicht nur ausführlich, sondern auch pedantisch zu korrespondieren. Im Gegensatz zur Zeit der Verlagsleitung unter Ahron Eliasberg, tragen daher praktisch sämtliche ausgehenden Briefe ein Verfasserkürzel. 172 Auf den offiziellen Schreiben des Jüdischen Verlages erscheint seit Beginn der Tätigkeit Kaznelsons in Berlin bis zur Überfuhrung in seinen Privatbesitz im Sommer 1925 meist das Kürzel »Ka« gefolgt von einem häufig wechselnden Großbuchstaben, der, wovon auszugehen ist, für den Namen der den Brief abschreibenden Sekretariatsperson steht. Nach diesem Zeitpunkt änderte sich dies insofern, als diese Kürzel in der Regel aus römisch »I«, gefolgt von einem Querstrich und zwei Buchstaben bestehen. Neben »Kl.« für die vom Verlagsbesitzer persönlich auf der Maschine geschriebenen Briefe, taucht dabei ab Frühjahr 1928 erstmals das Kürzel »Gl.« auf, das offensichtlich für den Namen einer zumindest mit Schreibarbeiten betrauten Person stehen muß. Dabei scheint es sich um einen gewissen (Israel) Gottlieb zu handeln, der, abgesehen von einem einzigen, aber zentralen Brief von März 1939 nie namentlich genannt wird. 173 Unklar bleibt jedoch der Umfang der Tätigkeit Gottliebs, aber vermutlich war er es, der in Vertretung Kaznelsons nach dessen Emigration mindestens bis Frühjahr 1939 für den Jüdischen Verlag in Berlin handelte. Die Lage für die noch in Deutschland tätigen jüdischen Verlage, Buchhandlungen und Leihbibliotheken verschärfte sich im Sommer 1937 massiv. Am 6. Juli des Jahres erließ die Reichsschrifttumskammer einen neuen Erlaß, mittels welchem sämtliche im Bereich des jüdischen Buchwesens tätigen Betriebe aus 169

Im Nachlaß Robert Weltschs im Leo Baeck Institute, New York, finden sich keinerlei Hinweise auf eine diesbezügliche Tätigkeit. 170 vgl. Robert Weltsch: Looking Back over Sixty Years. In: Leo Baeck Institute Yearbook XXVII (1982), S. 379-390, hier S. 385: »I [...] was allowed to emigrate in the autumn of 1938 just before the Munich Conference.« 171 Vgl. Kapitel VIII/2. 172 Die viel größere Verwaltung der Zionistischen Exekutive pflegten dies bereits früher so zu handhaben. Bei einer vergleichsweise kleinen Firma, wie der Verlag Kaznelsons es war, handelte sich aber eher um eine Marotte. 173 »Israel« entsprach mit aller Wahrscheinlichkeit nicht seinem wahren Vornamen, mußten diese doch seit anfangs 1939 durch Erlaß der nationalsozialistischen Behörden in pejorativer Weise durch »Israel« und »Sara« ersetzt werden. Auf den erwähnten Brief wird nachfolgend eingegangen.

5. Die Vernichtung des Jüdischen Verlages in Deutschland

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der Kammer ausgeschlossen und direkt dem »Sonderbeauftragten des Herrn Reichsministers für Volksaufklärung und Propaganda zur Überwachung der geistig und kulturell tätigen Juden im deutschen Reichsgebiet, Herrn Reichskulturwalter Hinkel« unterstellt wurden.174 Eine bereits zu Beginn des Monats erstellte »Amtliche Liste« führte alle noch aktiven Firmen auf und umschrieb detailliert, welche Themenbereiche die Bücher der genannten Verlage überhaupt abdecken durften. 175 Unter den insgesamt achtzehn in Berlin tätigen Verlagen und dort wohnhaften Verlagsleitern findet sich auch der Eintrag »Jüdischer Verlag, Berlin W 50, Nürnberger Str. 8, Siegmund Kaznelson«. Ende Juli verschickte das Sonderreferat Hinkel ein »1. Rundschreiben an die zum jüdischen Buchhandel gehörenden Personen und Unternehmen«, worin erneut ausfuhrlich definiert wurde, was unter den Begriff »jüdische Literatur« falle. Für die jüdischen Verlage entscheidender war hingegen, daß ab diesem Datum für alle Publikationen die Vorzensur in Kraft trat. Die jüdischen Buchverlage bedürfen für die Herausgabe jedes einzelnen Werkes der vorherigen Zustimmung des Sonderbeauftragten. Vor der Drucklegung ist jeweils das Manuskript mit einem Durchschlag oder zwei Korrekturabzüge des Werkes zur Prüfung und Genehmigung einzureichen, wobei in dem entsprechenden Antrag der Nachweis zu führen ist, daß der Verfasser Jude ist. 176

Obwohl nicht erhalten, kann angenommen werden, daß auch der Jüdische Verlag eine Fassung dieser einschneidenden Anordnungen zugestellt erhielt. Gleich dem Schocken Verlag, für den Abschriften der entsprechenden Akten erhalten geblieben sind, erreichte den Jüdischen Verlag um den 31. Juli 1937 ein weiteres Schreiben. Darin teilte die Dienststelle Hinkeis mit, daß »widerruflich die Fortfuhrung Ihrer Firma als >Jüdischer Buchverlagdes schädlichen und unerwünschten Schrifttums.- Ladenpreis.

Kriwhiclien sind bis jeint: J Ü D I S C H E R A L M A N A C H 5663 Redigiert von ßerthold Feiwel und F. M. l.ilien. ! Ladenpreis gebunden .Vf. Neuesten Geschichte des jüdischen VolkescrJüDe SONDERHEFT (lubcntum

uitb JDeutfd)tum

INHALT: J©alter S u l g b a d ) / Die Juden unter den Deutsehen Ctjcobor l e f f t n g / Jüdisches Schicksal H e p a r i n e oon 0i)cimb / Die Judenirage JÄajr j u jSadrfen / Zionismus und Rücksicht auf deutsches oder anderes Nationalgefühl S i m o n ©ufanoto / Das alte und das neue Judentum • f , B e r u f t e m / Soziologie des Judenhasses © e e a r 91. iädjmit) / Der jüdisch-christliche Komplex J H n e t i n B u b e r / Bericht und Berichtigung ©uftat) Ärojattfer / „Gerechtigkeit" n Ε Μ Ε Κ Κ υ Ν (1 F.

Ν.

®ritft s®e(f / Adliges Volk aifretl ©öbltn / Ein Brief Siegmunt) Ä a j n e l f o n / Entgegnung jFrefyerr t)On / Juden alu Soldaten

JÜDISCHER VERLAG /

BERLIN

Abb. 17: Der Jude - Sonderheft »Judentum und Deutschtum« (s. 184)

Bibliographie der Publikationen des Jüdischen Verlages 1902-1938

587

183 KAZNELSON, Siegmund, Hg. Der Jude - Sonderheft [II]: Erziehung Jüdischer Verlag, Berlin 1926.137 (+ 2) S. F: 8° E: Brosch. A: - D: Mänicke & Jahn, Rudolstadt P: Katalog 1931 Ebenfalls im gebundenen 9. Jg der Zeitschrift Der Jude enthalten; s. 076. 184 KAZNELSON, Siegmund, Hg. Der Jude - Sonderheft [III]: Judentum und Deutschtum Jüdischer Verlag, Berlin 1926.108 (+ 4) S. F: 8° E: Brosch. A: - D: Mänicke & Jahn, Rudolstadt P: AS Ebenfalls im gebundenen 9. Jg der Zeitschrift Der Jude enthalten; s. 076. Außerdem zusammen mit 178 und 185 aufgebunden und ab 1927 verramscht. 185 KAZNELSON, Siegmund, Hg. Der Jude - Sonderheft [IV]: Judentum und Christentum Jüdischer Verlag, Berlin 1926. 85 (+ 8) S. F: 8° E: Brosch. A: - D: Mänicke & Jahn, Rudolstadt P: Katalog 1931 Ebenfalls im gebundenen 9. Jg der Zeitschrift Der Jude enthalten; s. 076. Außerdem zusammen mit 178 und 184 aufgebunden und ab 1927 verramscht. 186

[Ko 27] MALKIZEDEK Probleme der jüdischen Geschichte und Geschichtsphilosophie Jüdischer Verlag, Berlin 1926 [?]. 127 S. F: 8° E: Brosch. A: - D: ? Ü: Elias Hurwicz (Russ.) P: Katalog 1931 Im Kommissionsverlag herausgegeben und verkauft. Gemäß Katalog der Jewish National and University Library, Jerusalem, Pseudonym für Meir Kaznelson (?).

187 SOLOWEITSCHK, Max Die Welt der Bibel - Ein Bilderatlas zur Geschichte und Kultur des biblischen Zeitalters Jüdischer Verlag, Berlin 1926. 240 S. F: 4°. E: Ln, [Halbldr] A: - D: Saladruck Zieger & Steinhorst, Berlin P: AS Beworben als Ergänzung zu Dubnows Weltgeschichte. 3 Karten im Anhang. Eine gekürzte Fassung in Hebräisch erschien im Berliner Verlag Dwir-Mikra.

1927 188 GRONEMANN, Sammy Schalet - Philosophie des > Wenn Schon< Jüdischer Verlag, Berlin 1927. 296 (+ 4) S. F: 8° E: Ln A: E. R. [Weiß] D: Mänicke & Jahn, Rudolstadt P: AS

588

Anhang

Soeben

erscheint

nach

achtjähriger

Vorbereitung:

JÜDISCHES LEXIKON Ein enzyklopädisches Handbuch des jüdischen Wissens in vier Bänden Herausgegeben von Dr. G E O R G H E R L I T Z und Dr. B R U N O

KIRSCHNER

Unter Mitarbeit von mehr als 230 jüd. Gelehrten u. Schriftstellern und unter redaktioneller Mitwirkung von

Prof.Dr.Ismar ELBOGEN / Dr. Jose! MEISL / Dr.Aron SANDLER Dr. Max SOLOWEITSCHIK / Dr. Felix A. THEILHABER Dr. Robert WELTSCH / Rabb. Dr. Max WIENER *

Mit über 2000 Illustrationen, Beilagen und Tabellen D a r u n t e r : Über 500 Porträts berühmter geschichtlicher und zeitgenössischer Persönlichkeiten in Autotypie, dazu über 450 Autogramme in Faksimile, 35 Tafeln in Vier- und Fünffarbendruck und Kupfertiefdruck, über 150 Tafeln in Doppeltondruck, historische Briefe in originalgetreuem Lichtdruck, sowie zahlreiche andere Bilder im Text, ferner: 30 mehrfarbige geographische und statistische Karten, 30 Notenbeilagen außer vielen Noten-Beispielen im Text usw. usw.

Jüdischer Verlag G.m.b.H. / Berlin W 57 Abb. 18: Prospektblatt-zamJüdischen Lexikon (s. 189)

Bibliographie der Publikationen des Jüdischen Verlages 1902-1938 189

589

HERLITZ, Georg / KIRSCHNER, Bruno (Begründer) Jüdisches Lexikon - Ein Enzyklopädisches Handbuch des jüdischen Wissens in vier Bänden Jüdischer Verlag, Berlin 1927-1930. F: Groß-8° E: Halbldr [Ln, Ganzldr] A: - D: Ohlenroth'sche Buchdruckerei Georg Richters, Erfurt P: AS 189/1: Bd I (A-C), Berlin 1927. XXXVIII, 1472 Sp. 189/11: Bd II (D-Η), Berlin 1928. XXXII, 1728 Sp. 189/III: Bd III (Ib-Ma), Berlin 1929. XXXI, 1448 Sp. 189/TV: Bd IV/1 (Me-R), Berlin 1930. XXXI, 1592 Sp. 189/V: Bd IV/2 (S-Z), Berlin 1930. XXXI, 1664 Sp. Ursprünglich lediglich auf 4 Bde angelegt. Vorzugsausgabe von 100 Ex. in Maroquin mit separat gedruckten, eingeklebten Tafeln.

1928 190

COHN, Emil Bernhard, Hg. Jüdischer Kinder-Kalender - Erster Jahrgang (5689) Jüdischer Verlag, Berlin 1928/29. 146 S. F: 8° E: Ln [Pappbd] A: Nina Brodsky D: Mänicke & Jahn, Rudolstadt P: AS 1 Würfelspielplan im Anhang. Hg. »unter Mitwirkung der Jugendschriftenkommission der Grossloge U. Ο. B. B.« Erschienen zu Rosch ha'schana 5689 (1928). Zusammen mit 194 und 199 aufgebunden und ab 1931 [?] in einem Bd verramscht; s. 207.

191

GRANOWSKY, Abraham Bodenbesteuerung in Palästina Jüdischer Verlag, Berlin 1928. 120 S. F: 8° E: Pappbd [Brosch.] A: - D: Mänicke & Jahn, Rudolstadt P: AS Ebenfalls in Kassette zusammen mit 177 und 198 angeboten.

192

[Ko 28] RUPPIN, Arthur Die jüdische landwirtschaftliche Kolonisation in Rußland Jüdischer Verlag, Berlin 1928. 29 (+ 2) S. F: 8° E: Brosch. A: - D: Druck- & Verlagsanstalt Melantrich, Wien P: AS In keinem Verlagsverzeichnis aufgeführter Sonderdruck. Zuerst erschienen in Nr 1/2, XI. Jg, der Zeitschrift Palästina (Wien), S. 2-28.

193

WELTSCH, Robert, Hg. Der Jude - Sonderheft [V]: Zu Martin Bubers fünfzigstem Geburtstag Jüdischer Verlag, Berlin 1928. 170 (+ 8) S. F: 8° E: Brosch. A: - D: Mänicke & Jahn, Rudolstadt P: AS Fünftes und letztes Sonderheft. Nur separat angeboten; s. a. 076.

590

Anhang

Ein Zionistischer Bücher-Bund wurde vom

Jüdischen Verlag in Berlin

im Einverständnis

mit der Zionistischen E x e k u t i v e i n London gegründet und wendet sich hiermit an die jüdische Öffentlichkeit mit der Einladung zum Beitritt.

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ZWECK

Z.B.B.

D e r Zionistische Bücher-Bund ( Z . B . B . ) hat den Z w e c k , die Herausgabe zionistischer Literatur zu billigen Preisen und in guter, vornehmer Ausstattung durch Organisierung eines festen Teilnehmerkreises sicherzustellen. Γη den letzten fünfzehn Jahren ist in der zionistischen Bücherproduktion eine bedauerliche Stagnation zu verzeichnen, die für das geistige Leben der zionistischen Bewegung, für das zionistische Denkeri und für die Propaganda verhängnisvoll geworden ist. Der heranwachsenden jüdischen Generation sind die geistigen Grundlagen der zionistischen B e w e g u n g beinahe gänzlich unbekannt. Der Ζ. Β. B. will diesem in weiten Kreisen empfundenen Mangel durch s y s t e malische Schaffung einer zionistischen Bibliothek abhelfen.

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DES

DER BEIM

MITGLIEDSCHAFT Z.B.B.

W e l c h e Vorteile bietet der Ζ. Β. B. seinen Mitgliedern? E r liefert j ä h r l i c h m i n d e s t e n s v i e r B ä n d e zionistischer Literatur in vornehmer Ausstattung. Er gibt die Möglichkeit, ohne großen materiellen Aufwand eine klassische jüdische Bibliothek zu erwerben und diejenigen wichtigen Werke der zionistischen und jüdischen Literatur, die bisher nur in anderen Sprachen zugänglich waren, auch in deutscher Sprache zu lesen. "III ||ll»ll Ιι,ιι' ·Ιι,|·»Ι|||,·ι·ΙΙ|»|Ι1Ι|3!|ΙΙ·>

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Bibliographie der Publikationen des Jüdischen Verlages 1902-1938

591

1929 194

COHN, Emil Bernhard, Hg. Jüdischer Kinder-Kalender - Zweiter Jahrgang (5690) Jüdischer Verlag, Berlin 1929/30. 120 S. F: 8° E: [Pappbd, Ln] A: ? D: ? P: Katalog 1931 1 Würfelspielplan im Anhang. Hg. »unter Mitwirkung der Jugendschriftenkommission der Großloge U. Ο. B. B.« Erschienen zu Rosch ha'schana 5690 (1929). Zusammen mit 190 und 199 aufgebunden und ab 1931 [?] in einem Band verramscht; s. 207.

195

EXEKUTIVE DER ZIONISTISCHEN ORGANISATION, Hg. Herzl - Ein Gedenkbuch zum 25. Todestage Jüdischer Verlag, Berlin 1929. 79 S. F: 8° E: Ln A: J. Neufeld D: Mänicke & Jahn, Rudolstadt P: AS

196

GOLDSCHMIDT, Lazarus, Übers. Der Babylonische Talmud - Nach der ersten zensurfreien Ausgabe unter Berücksichtigung der neueren Ausgaben und handschriftlichen Materials neu übertragen [12 Bde] Verlag Biblion, Berlin 1929 (Bd 1, Erste Ausgabe); Jüdischer Verlag, Berlin (Bd 2-12) 1930-1936. F: 8° E: Ln [Halbldr] D: Herrose & Ziemsen, Wittenberg (Bd 1 & 2); Julius Kittls Nachf., Keller & Co., Mährisch-Ostrau (Bd 3-12) Ü: Lazarus Goldschmidt P: AS 196/1: Band 1. Berakhoth, Mischna Zeraim, Sabbath. Berlin 1929. ΧΠΙ, 948 S. 196/1 a: Unveränderte Neuauflage 1930 im Jüdischen Verlag. 196/Π: Bd 2. Erubin, Pesahim, Seqalim. Berlin 1930. 704 S. 196/ffl: Bd 3. Joma, Sukka, Jom Tob, Rosch ha'schana, Taanith, Berlin 1930. 750 S. 196/IV: Bd 4. Megilla, Moed Qatan, Hagiga, Jabmuth. Berlin 1931. 766 S. 196/V: Bd 5. Kethuboth, Nedarim, Nazir. Berlin 1931. 694 S. 196/VI: Bd 6. Sota, Gittin, Qidduschin. Berlin 1932. 803 S. 196/VÜ: Bd 7. Baba Qamma, Baba Mecia. Berlin 1933. 866 S. 196/VHI: Bd 8. BabaBathra, Synhedrin I. Berlin 1933. 798 S. 196/IX: Bd 9. Synhedrin II, Makkoth, Schebuoth, Edijoth, Aboda Zara, Aboth, Horajoth. Berlin 1934. 756 S. 196/X: Bd 10. Zebahim, Menahoth. Berlin 1935. 753 S. 196/XI: Bd 11. Hulin, Bekhoroth, Arakhin. Berlin 1936. 762 S. 196/XII: Bd 12. Temura, Kerethoth, Meila, Tamid, Middoth, Qinnim, Nidda, Mischna Taharuth. Berlin 1936. 868. S. Bd 1 erschien zuerst im Verlag Biblion von Jankew [Jakob] Seidmann. 150 Ex. auf handgeschöpftem Bütten in Interimseinband oder Ganzpergament sowie 3 Ex. der Luxusausgabe auf Japanpapier in Maroquin; s. a. Wassermann, 0064.

592

Anhang



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Einschluß der

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Nach der ersten jreuwrfreien Ausgabe u n t « Borütkuchtigiaig der neueren Aufgaben und handschriftlichen M j t e r U K in» D e u u c h e übertragen durch L A Z A R U S

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Vollständig neu bearbeitete und berichtigt« Aufgabe diene« F u u d a m c u u l w o r k t a de* Judeuuitus in zwölf Biindeu

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V Ε R L Λ G

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Β Ε R L I Ν W

5 0

Abb. 20: Prospekt zum Babylonischen Talmud (s. 196)

197

GORDON, A. D. Erlösung durch Arbeit - Ausgewählte Aufsätze Jüdischer Verlag, Berlin 1929. 296 S. F: 8° E: Pappbd, Ln A: - D: Mänicke & Jahn, Rudolstadt Ü: Viktor Kellner (Hebr.) P: AS Mit entsprechendem Titel und Einband als auch »1. Buch der 1. Jahresreihe des Zionistischen Bücherbundes« erschienen.

198

GRANOWSKY, Abraham Boden und Siedlung in Palästina Jüdischer Verlag, Berlin 1929. 206 S. F: 8° E: Brosch. [Pappbd, Ln] A: - D: Mänicke & Jahn, Rudolstadt P: AS Ebenfalls in Kassette zusammen mit 177 und 191 angeboten.

1930 199

COHN, Emil Bernhard, Hg. Jüdischer Kinder-Kalender - Dritter Jahrgang (5691) Jüdischer Verlag, Berlin 1930/31. 128 S. F: 8° E: [Pappbd, Ln] A: ? D: ? P: Katalog 1931

Bibliographie der Publikationen des Jüdischen Verlages 1902-1938

593

1 Würfelspielplan im Anhang. Hg. »unter Mitwirkung der Jugendschriftenkommission der Großloge U. Ο. B. B.« Erschienen zu Rosch ha'schana 5691 (1930). Zusammen mit 190 und 194 aufgebunden und ab 1931 [?] in einem Band verramscht; s. 207. 200

DEUTSCHER KREIS IM MAKKABI WELTVERBAND, Hg. Jüdisches Liederbuch Jüdischer Verlag, Berlin 1930. 212 (+ 4) S. F: Klein-8° E: Ln, Pappbd A: - D: Siegfried Scholem, Berlin P: AS (200 & 200a) 200a: 2., unveränderte Auflage. Berlin, 1935 Zweite Aufl. mit entsprechendem Aufdruck auf Titelblatt und verändertem Einbandtitel (»Makkabi-Liederbuch«). Fehlt bei Wassermann. 200a ab 1935 [?] auch zusammen mit 218 und 241 in einem Pappschuber angeboten.

201

ELBOGEN, Ismar / MEISL, Josef / WISCHNITZER, Mark, Hg. Festschrift zu Simon Dubnows siebzigstem Geburtstag (2. Tischri 5691) Jüdischer Verlag, Berlin 1930. 296 S. F: 8° E: Pappbd [Ln] A: - D: Mänicke & Jahn, Rudolstadt P: AS Mit einer Bibliographie der Schriften Dubnows.

202

JABOTINSKY, Vladimir Die Jüdische Legion im Weltkrieg Jüdischer Verlag, Berlin 1930. 259 (+ 1) S. F: 8° E: Ln A: - D: Mänicke & Jahn, Rudolstadt P: AS Mit entsprechendem Titel und Einband auch als »2. Buch der 1. Jahresreihe des Zionistischen Bücherbundes« erschienen. Restposten überstempelt mit »Sonderausgabe der staatszionstischen Organisation (Vereinigte Revisionisten Deutschlands), Berlin 1936«.

203

KLAUSNER, Joseph Jesus von Nazareth - Seine Zeit, sein Leben und seine Lehre Jüdischer Verlag, Berlin 1930. 592 S. F: 8° E: Ln, Halbldr. A: - D: Mänicke & Jahn, Rudolstadt Ü: Walter Fischel (Hebr.) P: AS Erweiterte Neuauflage 1934; s. 213.

204

LESSING, Theodor Der Jüdische Selbsthaß Jüdischer Verlag, Berlin 1930. 257 (+ 3) S. F: 8° E: Pappbd, Ln A: - D: Mänicke & Jahn, Rudolstadt P: AS Mit entsprechendem Titel und Einband auch als »3. Buch der 1. Jahresreihe des Zionistischen Bücherbundes« erschienen.

594 205

Anhang RUPPIN, Arthur Soziologie der Juden [2 Bde] Jüdischer Verlag, Berlin 1930/31. F: 8° E: Ln [Pappbd, Halbldr] A: - D: Mänicke & Jahn, Rudolstadt P: AS 205/1: Bd 1. Die soziale Struktur der Juden. Berlin 1930. 522 S. (Mit Bildanhang) 205/11: Bd 2. Der Kampf der Juden um ihre Zukunft. Berlin 1931. 336 S.

206

TRAUB, Michael Jüdische Wanderbewegungen vor und nach dem Weltkriege Jüdischer Verlag, Berlin 1930. 142 (+ 2) S. F: 8° E: Brosch., Ln [Pappbd] A: - D: Mänicke & Jahn, Rudolstadt P: AS Erweiterte Neufassung von 162 mit ergänztem Titel.

1931 207

COHN, Emil Bernhard, Hg. Jüdischer Jugendkalender [Sammelband] Jüdischer Verlag, Berlin 1931 [?]. 146,120, 128 S. F: 8° E: [Pappbd, Ln] A: s. Einzelbde D: s. Einzelbde P: Jewish National and University Library, Jerusalem In einen Band aufgebundene Rohexemplare von 190, 194 und 199 mit verändertem Titel.

208

DUBNOW, Simon Geschichte des Chassidismus [2 Bde] Jüdischer Verlag, Berlin 1931. F: 8° E: Ln [Halbldr] A: - D: Mänicke & Jahn, Rudolstadt Ü: A. [S.] Steinberg (Hebr.) P: AS 208/1: 1. Bd. Berlin 1931. 340 S. 208/11: 2. Bd. Berlin 1931. 336 S. Ein geplanter Zusatzband mit Materialien und Dokumenten ist nicht erschienen; s. Mitteilungen des JIVO (Berlin), 1. Jg (1930), Η. 1, S. 4.

1932 209

[Ko 29] PINSKER, Leon Autoemanzipation - Mahnruf an seine Stammesgenossen von einem russischen Juden (Jubiläumsauflage) [4. Aufl.] Jüdischer Verlag, Berlin 1932. 31 S. F: 8° E: Brosch. A: - D: Berthold Levy, Berlin P: AS (209) 209a: Unveränderte 5. Auflage. Berlin 1933 [?] »Neu herausgegeben vom Keren Kajemeth Lejisrael«. Kommissionsauftrag; s. a. 083,140,214, und 220.

Bibliographie der Publikationen des Jüdischen Verlages 1902-1938

595

1933 210

HERZL, Theodor Der Judenstaat [9. Aufl.] Jüdischer Verlag, Berlin 1933. 107 S. F: 8° E: Brosch. A: - D: ? P: Jewish National and University Library, Jerusalem 210a: 10. Aufl. Sonderdruck aus 211/1. Berlin 1934. 96 S. [?] 210b: 11. Aufl. Berlin 1936. 96 S. Parallelausgabe der 9. (und folgenden?) Auflage(n) im Verlag R. Löwit (Wien) mit Copyrightvermerk »Jüdischer Verlag 1905«; s. a. Wassermann, 0510 (unvollständige Angaben) sowie 007, 031, 092 und 132. *

*

*

In einem Rundschreiben über die Neuveröffentlichungen des Verlages von Februar 1934 wurde der Band Ja-Sagen zum Judentum - Eine Aufsatzreihe der Jüdischen Rundschau zur Lage der Juden, erschienen Berlin 1933, angekündigt. Die Sammlung erschien jedoch nur im Verlag der Jüdischen Rundschau, wurde aber während wenigen Monaten auch durch den Jüdischen Verlag vertrieben.

1934 211

COHN, Emil Bernhard, Hg. Jüdischer Jugendkalender - Vierter Jahrgang (1934) Jüdischer Verlag, Berlin 1934. 108 S. F: 8° E: [Hb] A: Kurt Arndt D: Mänicke & Jahn, Rudolstadt P: Katalog 1959 Hg. »unter Mitwirkung der Jugendschriftenkommission der Großloge U. Ο. Β. B.«. Fortführung des 1930 im 3. Jg erschienenen Jüdischen Kinder-Kalenders; s. 199. Zusammen mit 216 und 219 aufgebunden und ab 1937 in einem Band verramscht; s. 222 sowie Wassermann, 0645 und 0662 (irreführende Angaben).

212

KAZNELSON, Siegmund, Hg. Theodor Herzl: Gesammelte zionistische Werke [5 Bde] Jüdischer Verlag, Berlin 1934/35. F: 8° E: Ln [Brosch.] A: - D: Julius Kittls Nachf., Mährisch-Ostrau P: AS 212/1: 1. Bd. Zionistische Schriften. Zionistische Schriften. Berlin 1934. 542 S. »3. Auflage« = 16.-18. Tausend; s. 021 und 136. 212/11: 2. Bd. Tagebücher I. Tagebücher - Erster Band. Berlin 1934. 648 S. »2. Auflage« = 8.-10. Tausend; s. 156/1. 212/III: 3. Bd. Tagebücher II. Tagebücher - Zweiter Band. Berlin 1934. 620 S. »3. Auflage« = 7.-9. Tausend; s. 156ΛΙ. 212/IV: 4. Bd. Tagebücher III. Tagebücher - Dritter Band. Berlin 1934. 661 S. 2. Auflage = 6.-8. Tausend; s. 156/ΠΙ. Auf dem Titel falschlich als »3. Auflage«. 212/V: 5. Band. Das Neue Ghetto; Altneuland; Aus dem Nachlaß. Berlin 1935. 556 S.

596

Anhang Alle 5 Bände für den Verkauf außerhalb Deutschlands auch parallel bei Hozaah Iwrith, Tel Aviv/Jerusalem veröffentlicht. Vorzugsausgabe auf Maschinenbütten; s. a. Wassermann, 0509 sowie 021 und 136.

213

KLAUSNER, Joseph

Jesus von Nazareth - Seine Zeit, sein Leben und seine Lehre Zweite erweiterte Auflage Jüdischer Verlag, Berlin 1934. 611 S. F: 8° E: Ln [Brosch.] A: - D: Mänicke & Jahn, Rudolstadt Ü: Walter Fischel (Hebr.) P: AS 2., erweiterte Aufl. von 203. S.a. Wassermann, 0718. Vorzugsausgabe in Halbleder. 214

PINSKER, Leon

Autoemanzipation - Mahnruf an seine Stammesgenossen von einem russischen Juden [6. Aufl.] Jüdischer Verlag, Berlin 1934. 31 (+1) S. F: 8° E: Brosch. A: - D: Julius Kittls Nachf., Keller & Co., Mährisch-Ostrau P: AS (214) 214a: Unveränderte, 7. Aufl. Berlin 1935. S. a. Wassermann, 0061 sowie 083, 140, 209 und 220.

1935 215

BÖHM, Adolf

Die zionistische Bewegung [2 Bde] Jüdischer Verlag, Berlin 1935/1937. 732, 687 S. F: Groß-8° E: Ln [Pappbd] A: - D: Mänicke & Jahn, Rudolstadt (Bd 1); Buchdruckerei »Viktoria«, Berlin (Bd 2). P: AS 215/1: 1. Bd. Die zionistische Bewegung bis zum Ende des Weltkrieges. Berlin 1935. 732 S. »2., erweiterte Auflage« der 1920/21 im Welt-Verlag (Berlin) erschienenen Ausgabe in 2 Bdn. 215/11: 2. Bd. Die zionistische Bewegung 1918 bis 1925. Berlin 1937. 687 S. Beide Bände erschienen sowohl in Berlin als auch in Jerusalem. Bei einer Teilauflage des ersten Bandes der Berliner Ausgabe fehlt der Vermerk über die Druckerei. Beide Bände der Jerusalemer Ausgabe wurden bei Julius Kittls Nachf., Keller & Co., Mährisch-Ostrau, gedruckt. Ein auch im 2. Bd angekündigter und vom Autor geplanter dritter Teil erschien nicht; s. a. Wassermann, 0151.

Bibliographie der Publikationen des Jüdischen Verlages 1902-1938

S ο e b e η e r s ch i e η d er

zw ei t e

Band!

"ADOLF BÖHM DIE ZIONISTISCHE BEWEGUNG Drei

Bände

I BAWD- DIE BEWEGUNG BIS ZUM ENDE DES WELTKRIEGES II. BAND: VOM JAHRE 1918 BIS 1925 III. BAND: VON 1925 BIS ZUM JUDENSTAAT (Erscheint 1938). Preis des ersten und ziveiten In Ganzleinen je RM 9.50, kartoniert

Bandes: je RM 6.50.

Dieses seit vielen Jahren vergriffen gewesene Standardwerk erscheint j ( § t in einer umgearbeiteten, erweiterten und bis zur Gegenwart fortgeführten Neuauflage. Im ersten Band gibt auf fast 750 Seiten der Verfasser eine umfassende Darstellung nicht nur der politischen Geschichte des modernen Zionismus, sondern audi der zionistischen Ceistesgescliichte, der Kolonisationsarbeit vor dem Weltkriege usw. Sdion die erste Auflage des I Bandes, die 1920 erschien, ist als »die« GeschiAte des Zionismn* bezeichnet worden. Der zweite Band behandelt die Zeit von 1918 bis 1925 und verarbeitet erstmalig ein ungeheures Quellenmaterial. Die politischen Verh a n d l u n g vor. während und nach der Pariser Friedenskonferenz, das Palästin: Mandat (das im Anhang, ebenso die Verfassung Palästinas, vollinhaltlich abgedruckt wird), die zionistische Siedlungstätigkeit bis 1925, die seit der Balfour-Deklaration entstandenen politischen, wirtschaftlichen und geistigen Probleme werden auf ca. 700 Seiten mit der höchst lebendigen und hinreißenden Darstellungshunst des Verfassers geschildert. Quellenverzeichnis und Register dieses Bandes umfassen allein 34 engbedruckte Seiten. Im Aull an-; des Bandes, der auch 5 Landkarten enthält, sind zahlreiche Original-Dokumente publiziert. Besonderes Interesse gewinnt der Band durch einen ihm unmittelbar vor Erscheinen beigefügten Epilog: »Der Peel-Bericht 1937«. der eine tJbersicht über die Ereignisse von 1925 bis 1937, einen Auszug aus dem Beridit der »Royal Commission« und eine Darstellung dieses Berichtes gibt. So ist der II. Band des Werkes gerade im heutigen Zeitpunkt von größter Bedeutung fiir di* weitesten, auch nicht jüdischen Kreise. — Der dritte, abschließende Band wird das Werk bis zur legten Gegenwart weiterführen. Lebendigkeit der Darstellung, klare und übersichtliche Gliederung des riesigen Stoffes und eine bei aller Objektivität persönliche Betrachtungsweise des Verfassers sind die Vorzüge des Werkes, das nicht nur das beste Lehr- und Infnrmationsbuch für Kurse und S e l b s l u n t e m A t mt, sondern auch eine geradezu als spannend bezeichnete Lektüre.

JÜDISCHER

VERLAG,

BERLIN

Abb. 21: Prospektblatt zu Adoig Böhm, Die zionistische Bewegung (s. 215)

597

598

Anhang

216

COHN, Emil Bernhard & RABIN, Else, Hg. Jüdisches Jugendbuch - Fünfter Jahrgang des Jüdischen Jugendkalenders (1935) Jüdischer Verlag, Berlin 1935. 100 S. F: 8° E: HLn A: Heinz Wallenberg D: Mänicke & Jahn, Rudolstadt P: AS Hg. »unter Mitwirkung der Jugendschriftenkommission der Großloge U. Ο. B. B.« Fortführung von 211. Zusammen mit 211 und 219 aufgebunden und ab 1937 in einem Band verramscht; s. 222 sowie Wassermann, 0645 und 0662 (irreführende Angaben).

217

HESS, Moses Rom und Jerusalem - Die letzte Nationalitätenfrage Hozaah Iwrith, Tel Aviv 1935. 253 S. F: 8° E: Brosch. A: - D: Julius Kittls Nachf., Keller & Co., Mährisch-Ostrau P: AS Mit neuem Nachwort von Theodor Zlocisti. Keine Ausgabe in Deutschland.

218

KAUFMANN, Fritz Mordechai Die schönsten Lieder der Ostjuden - 47 ausgewählte Volkslieder [2. Aufl.] Jüdischer Verlag, Berlin 1935. 100 (+ 4) S. F: Klein-8° E: Brosch., Pappbd A: - D: »Printed in Germany« Ρ: AS 2., unveränderte Aufl. von 135 mit stark verkleinertem Satzspiegel; s. a. Wassermann, 1045. Ab 1935 [?] auch zusammen mit 200a und 241 in einem Pappschuber angeboten.

1936 219

COHN, Emil Bernhard, Hg. Jüdisches Jugendbuch - Sechster Jahrgang des Jüdischen Jugendkalenders (1936) Jüdischer Verlag, Berlin 1936. 100 S. F: 8° E: [Hin] A: Heinz Wallenberg D: Buchdruckerei »Victoria«, Berlin P: Katalog 1959 Hg. »unter Mitwirkung der Jugendschriflenkommission der Großloge U. Ο. B. B.« Fortfuhrung von 211. Zusammen mit 211 und 216 aufgebunden und ab 1937 in einem Band verramscht; s. 222 sowie Wassermann, 0645 und 0662 (irreführende Angaben).

220

PINSKER, Leon Autoemanzipation - Mahnruf an seine Stammesgenossen von einem russischen Juden [8. Aufl.] Jüdischer Verlag, Berlin 1936. 39 (+1) S. F: 8° E: Brosch. A: - D: Julius Kittls Nachf., Keller & Co., Mährisch-Ostrau P: AS Neu gesetzte Aufl. Fehlt bei Wassermann; s. a. 083, 140, 209 und 214.

Bibliographie der Publikationen des Jüdischen Verlages 1902-1938

599

Grundlegende zionistische Literatur • • .

·

• .

I STANDARD-WERKE des

j

JÜDISCHEN VERLAGS BERLIN W 50

Abb. 22: Prosepkt des Jüdischen Verlags, 1937

600

Anhang

Φ Jüdisches

d-

VERLAG

Abb. 23: Jüdisches Jugendbuch (s. 222)

Bibliographie der Publikationen des Jüdischen Verlages 1902-1938 221

601

TfflEBERGER, Friedrich & RABIN, Else, Hg. Jüdisches Fest - Jüdischer Brauch: Ein Sammelwerk Jüdischer Verlag, Berlin 1936. 482 S. F: Groß-8° E: Ln A: Ludwig Schwerin D: Buchdruckerei »Victoria«, Berlin P: AS S. a. Wassermann, 0654.

1937 222

COHN, Emil Bernhard & RABIN, Else, Hg. Jüdisches Jugendbuch Jüdischer Verlag, Berlin 1937 [?]. 108, 100,100 S. F: 8° E: HLn A: Heinz Wallenberg D: Mänicke & Jahn, Rudolstadt [Teile 1 u. 2]; Buchdruckerei »Victoria«, Berlin [Teil 3] P: AS Aufgebundene Rohbogen von 211, 216 und 219 unter Verwendung der Titelillustration von 216. Diese Ausgabe fehlt bei Wassermann.

223

DUBNOW, Simon Weltgeschichte des jüdischen Volkes [3 Bde] Jüdischer Verlag/Hozaah Iwrith, Berlin/Jerusalem. 1937/38. F: Groß-8° E: Ln [Brosch.] D: Buchdruckerei »Victoria«, Berlin (Bd 1 u. 2), Julius Kittls Nachf. Keller, Mährisch-Ostrau (Bd 3) Ü: A. [S.] Steinberg (Russ.) P: AS 223/1: 1. Bd. Die orientalische Periode in der Geschichte des jüdischen Volkes. Berlin, 1937. 541 S. 223/11: 2. Bd. Die europäische Periode in der Geschichte des jüdischen Volkes. Berlin, 1937. 555 S. 223/III: 3. Band. Die neueste Geschichte des jüdischen Volkes. Jerusalem, 1938. 704 S. Gekürzte und zusammen mit dem Autor bearbeitete Fassung von 176. Der dritte Bd erschien nur in der Jerusalemer Ausgabe; s. Wassermann 0278. Bd I und II erschienen parallel auch in Jerusalem.

224

GORDON, A. D. Auswahl aus seinen Schriften Jüdischer Verlag, Berlin 1937. 292 S. F: 8° E: Ln [Brosch.] A: - D: Buchdruckerei »Victoria«, Berlin Ü: Viktor Kellner (Hebr.) P: AS »Nach der von N. Tradjon unter Mitwirkung von E. Schochat bearbeiteten hebräischen Ausgabe«; s. a. Wassermann 0415.

602

Anhang

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HAFTARO Hebräischer Text und deutsche

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Dr. Joseph Herman Hertz Oberrabbiner der jüdischen Gemeinden des Britischen Reiches

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JÜDISCHER VERLAG / BERLIN

225

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HERTZ, Joseph Herman (Kommentar)

Pentateuch und Haftaroth - Hebräischer Text und deutsche Übersetzung mit Kommentar [5 Bde] Jüdischer Verlag, Berlin. 1937 / 38 F: 8° E: Ln A: - D: o.A. Ü: s. Einzelbände P: AS 225/1: Genesis. Berlin 1937. XVI, 544 S. Übers, des Kommentars: Hans Goslar (Engl.) 225/11: Exodus. Berlin 1937. XVI, 611 S. Übers, des Kommentars: Hans Goslar (Engl.) 225/III: Leviticus. Berlin 1938. XV, 478 S. Übers, des Kommentars: Otto Lehmann (Engl.) 225/IV: Numeri. Berlin 1938. XV, 484 S. Übers, des Kommentars: Hans Goslar (Engl.) 225/V: Deuteronomium. Berlin 1938. XV, 620 S. Übers, des Kommentars: Otto Lehmann (Engl.) Vorzugsausgabe in 5 Ex. auf Bütten in Pergament; s. a. Wassermann, 0915. Unklar ist, ob die Bände auch parallel bei der Hozaah Iwrith, Jerusalem, erschienen.

Bibliographie der Publikationen des Jüdischen Verlages

1902-1938

603

1938

226

GRANOWSKY, Abraham

Jüdische Bodenpolitik in Palästina Jüdischer Verlag, Berlin 1938. 233 (+ 1) S. F: 8° E: Pappbd A: - D: ο. A. P: Jewish National and University Library, Jerusalem Parallelausgabe bei Hozaah Iwrith, Jerusalem. S.a. Wassermann, 0420.

4.

Verlagswerke in Hebräisch und Jiddisch

Alle nicht datierten Publikationen erschienen in den Jahren 1919 bis 1923 in Berlin. Bei den meisten hebräischen und jiddischen Verlagsproduktionen fehlen sämtliche Angaben über Ausstattung und Druckereien. Wo nicht anders vermerkt, handelt es sich um Bücher und Broschüren in Oktavformat.

227

ACHAD HA'AM

Al paraschath derachim 1921. 1008 + XL + 56 S. (Gesammelte Essays, 4 Bde; Neuauflage 1930). 228

AGNON, S. J.

Wehaja he'akow lemischor 1919 (Ausstattung von Joseph Budko) 229

AGNON, S. J.

Giw'ath hachol 1920 230

AGNON, S. J.

Mechamath hamezik 1921 231

AGNON, S. J.

Bessod jescharim 1921 232

AGNON, S. J.

Al kapoth haman'ul 1923

Anhang

604 233

BACHJA Ibn Pakuda Sefer thorat chowoth halewawoth (Hg. von S. J. Hurwitz)

234

BUBER, Martin Drai reden iber jidentum. 56 S. (Jiddische Ausgabe, übersetzt von Η. Frank)

235

Dwir. Masaf-Etei lechochmat Israel (In Zusammenarbeit mit dem Verlag »Dwir«. Hg. von Ismar Elbogen, J. N. Epstein und H. Torczyner)

236

FRIEDEMANN, Adolf Dos lebn fun Teodor Herzl 128 S. (Jiddische Ausgabe von 062, übersetzt von D. Z. [?])

237

FRIEDMANN, D. A. En hakore. Lebikoret welebibliographia 108 S. (Η. 1), 106 S. (H. 2/3). Hebr. Vierteljahrschrift für Bibliographie und Kritik, redigiert von D. A. Friedmann und in Zusammenarbeit mit dem Verlag »Moriah«, 1923, publiziert. (Doppelheft 2/3 zu Bialiks 50. Geburtstag.)

238

FRIEDMANN, D. A. I. Ch. Brenner 56 S. (Zum Gedenken an den 1921 verstorbenen Dichter)

239

HURWITZ, Saul J. Meajin weleajin (Gesammelte Aufsätze und Essays) 296 S. Die erste Ausgabe erschien 1914 im Verlag »Achisefer«, Berlin/Warschau; in Kommission vertriebene, aufgebundene Restposten.

240

IDELSON, Avraham Zvi Sefer haschirim 84 S. (Zusammenstellung für Schulunterricht)

241

SCHÖNBERG, Jakob, Hg. Schirej Erez Israel 208 S. (Klein-8°.) 1935 erschienene Liedersammlung; s. a. Wassermann 1396. Ab 1935 [?] auch zusammen mit 200a und 218 in einem Pappschuber angeboten.

Bibliographie der Publikationen des Jüdischen Verlages 1902-1938 242

HEBRÄISCHER SCHULVEREIN BERLIN, Hg. Sch'wilim. Lese- und Unterrichtshefte 242/1: Agada: Von Adam bis zum Tode Mosis. (Auswahl von Chaim Bialik und Jehoshua H. Rawnitzki) 242/11: David Frischmann: 4 Erzählungen 242/III: Izak Dov Berkowitsch: 4 Erzählungen 242/TV: Mordechai Zeev Feierberg: 5 Erzählungen 242/V: S. Ben-Zion: Skenim 242/ VI & VII: Mendale Moicher Sfurim: Baderech Drei weitere, in Η. 1 angezeigte Broschüren sind nicht erschienen.

Register

Kursive Seitenzahlen verweisen auf einen Autor oder Herausgeber im Verlagsverzeichnis. Herausgebende Körperschaften oder Organisationen einer darin aufgeführten Publikation sind ebenfalls kursiv gedruckt. Achad Ha'am (Ascher Ginzberg) 12— 13, 23-24, 31, 33, 66, 82, 100, 115, 150, 166, 173, 188, 195, 267, 305306, 414, 542, 544, 553, 558, 581, 603 Acher, Mathias s. Birnbaum, Nathan Agnon, S. J. (Samuel Josef Czaczkes) 134, 173, 179, 188-190, 232, 259, 348, 351-355, 360-368, 376, 557, 558, 562-563, 581, 583, 603 Aigner, Dietrich 485,494 Arndt, Kurt 595 Arnold, Paula 67 Asch, Schalom 150,164, 549, 554 Asch, Schaul 77 Aschkenasi, Ludwig 451 Auerbach, Elias 149,185,191,549, 570-571, 575 Ausschuß der jüdischen Turnerschaft Bar Kochba 546 Avadio, Abraham 460,464 Bachja Ihn Pakuda 604 Badt-Strauß, Bertha 569 Baeck, Leo 82,381,544 Baerwald, Alex 572, 575 Balaban, Majer 566-567 Bambus, Willy 13,15-16 Baum, Oskar 256 Becker, Julius 104 Bein, Alex 116,308,501 Belke, Ingrid 5,429,441 Bendow, Josef 44 Bennigson, Heinrich 70-71,74,89, 91, 94, 98-101, 105-106, 118, 135, 138-139 Bensusan, S. L. 540

Ben-Zion, S. (Simcha Alter Gutman) 605 Bergelson, David 581 Berger, Julius 92, 94, 96-97, 99,101, 111-112, 155-157, 159, 170, 200, 205, 207, 210-211, 227-230, 234, 236-238, 240-241, 244, 285, 287, 290-293, 304,311-312 Bergmann, Schmuel Hugo 77, 270, 275, 278-280, 567 Berkowits, Eli L. 495 Berkowitsch, Izak Dov 605 Berkowitz, Michael 33, 75 Berliner Büro der zionistischen Organisation 578 Bernfeld, Siegfried 575 Bernfeld, Simon 31, 575 Bernhardt, Georg 441 Bernstein, Fritz 585 Bernstein, Simon 567 Bernstein-Kogan, Jacob 92 Bertz, Inka 6,77,115 Besser, Max 548 Bialik, Chaim Nachman 116, 286, 549, 583, 605 Bileski, Moritz 443,451,453^456, 500-509 Binder, Hartmut 197,266,268,273 Bing, Luise 284 Birnbaum, Menachem 190,243,246, 256, 301, 549, 551, 553-554, 557558, 577-578, 581 Birnbaum, Nathan (Mathias Acher) 12-13, 31, 33, 40, 81, 187, 190, 226, 538, 545, 549, 551, 554, 557-558, 567

608 Birnbaum, Salomo 583, 585 Blum, L. 127 Blumenfeld, Kurt 129,133-135, 165, 198-200, 363, 365, 371, 373-374, 376,379,401 Blumenthal-Weiß, Ilse 263 Blumstein, Leo 231, 252 Bodenheimer, Henriette Hannah 14 Bodenheimer, Max 14-15,37-38,9596, 101, 112, 138, 144, 266 Boehlendorf, Wilhelm 13 Böhm (Buchgestalter) 570-574 Böhm, Adolf 107-111,176,202, 205, 219-221, 244, 250, 261, 443-444, 487-488, 493, 496-497, 513, 546547, 558,596 Bossart (Sekretärin) 423 Bourgeois, Leon 317 Brandeis, Richard 266 Braun, Bernd 284, 429, 433, 480, 482483 Brenner, David A. 27, 81 Brenner, Michael 409, 417, 419, 422 Breslauer, Bernhard 245 Britschgi-Schimmer, Ina s. Schimmer, Ina Brod, Max 205, 257, 266, 268-269, 300, 381, 558 Broder, Henryk M. 431 Brodsky, Nina 589 Bronstein, L. D. 231, 252,404 Brünn, Wilhelm 355,575 Buber, Martin 4, 8, 17-31, 33-35, 3947, 49-64, 68-71, 74-75, 77-79, 81, 96,115, 130-134,166-167,172, 189, 191-213, 215-217, 226, 235239, 241-242, 245-247, 249, 251252, 254-259, 264-265, 267, 271, 273-276, 278, 280-281, 286, 289290, 296-297, 301-302, 310, 314— 319, 322, 326, 328, 330, 334, 337340, 355-357, 367-374, 376-377, 379, 381, 385, 398-400,409, 418419, 511, 514, 537, 540, 545, 560, 562, 571, 604 Buber, Paula 50,78 Budko, Joseph 231,354,562,567,583 Bundesleitung Blau- Weiß 562 Bureau fiir Statistik der Juden 545, 562 Bürgin, Hans 494

Register Calvary, Moses 199, 201, 257, 571 Chamberlain, Houston Stewart 478 Chancellor, John Herbert 450 Cohen, Hermann 207-208 Cohen, Israel 313, 337, 342-343, 346 Cohn, Emil Bernhard 491,561,559, 591-592, 594-594, 598, 601 Cohn, Helena Hanna 258, 571, 577 Coralnik, Abraham 73, 92 Cowen, Joseph 3 8,66-67,90,141, 313, 315 Dahm, Volker 4-7, 202, 206, 257258, 338, 348, 351-355, 357, 359, 429-430, 432, 437, 439-440, 443, 445-448, 457, 4 7 7 ^ 7 8 , 480, 485, 493, 496 David, Jakob Julius 578 Davidsohn, D. 182 Davidsohn, Marie 157 Deutscher Kreis im Makkabi Weltverband 593 Dietz, Ludwig 205, 267-268 Donath, Adolf 581 Dorfmann, Catherine 37, 193 Drews, Jürgen 1-2 Dubnow, Simon 81-82, 260, 331, 397398, 407—409, 414, 417, 478, 481482, 486-487, 496-497, 513, 544, 571, 584, 587, 593, 594, 601 Ehrenpreis, Marcus 20, 24-25, 33, 4546, 62, 70, 75, 195, 212, 238-239, 241,247 Ehrlich, Oskar 64 Einstein, Albert 411 Eisinger, Arpad 469-473, 475 Eisler, Max 107, 114, Elbogen, Ismar 423,425,428, 593, 604 Eliasberg, Ahron 4, 6, 8, 22, 92, 118, 127, 129-139, 141-164, 166-188, 190-191, 197, 200, 208, 221-227, 229-237, 240-243, 245-249, 251256, 259, 276, 280, 282, 288-290, 292, 295-296, 299, 321, 325, 327, 337, 348-352, 360, 382-388, 398399, 410, 418, 434, 476, 512-514, 551, 553-554, 557, 558, 562, 578 Eliasberg, Alexander 4,132,191, 205, 207, 227, 250, 260, 565, 571, 581

Register Eliasberg, Dorothea 133 Eliashew, Israel 193 Eliav, Mordechai 12 Eliot, George 179,250,564-565 Eloni, Yehuda 13, 15-16, 68, 73, 103, 107, 166, 201 Engel, Erwin 203,211 Epstein, Harry 203 Epstein, J. N. 604 Ewers, Hans-Heino 222 Exekutive der zionistischen Organisation 585, 591 Fehr, Oscar 424 Feierberg, Mordechai Zeev 605 Feilchenfeld, Alfred 152,186,553,572, 581 Feininger, Lyonel 489^490 Feiwel, Berthold 8,11,18-19,22,24, 26-28, 30-31, 33^42,44-47,49-61, 63-74,76-86, 90,92-97,99-100, 113-114,129,132-133,167,192-196, 205, 221,235, 242, 254, 327-335, 337-341,346-347,402,419,457,462, 464, 470-471, 511, 537, 540-541 Feiwel-Shneerson, Esther 38 Finkelstein, Haim 75 Fischel, Walter 593,596 Fischer, Hans 567 Fischer, Jean 304-305 Fischer, Samuel 382 Flanter, E. 544 Frank, H. 604 Frankenstein, Betty 349-3 51 Frankenstein, Ruben 350 Freeden, Herbert 431,433,479 Fried, Leon 425 Friedemann, Adolf 164, 187, 414, 482, 554, 567, 604 Friedlaender, Israel 31, 66, 81-82, 542, 544, 553, 581 Friedman, Isaiah 118,121 Friedmann, D. A. 604 Frischmann, David 605 Fröhlich, Stephan 94, 112 Fuchs, Eugen 207 Führerschaft des jüdischen Wanderbundes Blau- Weiß Berlin 554-555 Fuks, Leo 192 Fuks, Renate 192

609 Gabelsberger, Fritz 275, 280 Gaster, Moses 123 Geisel, Elke 431 Gelber, Adolf 69,544 Gelber, Mark H. 75 George, Henry 69, 544 Gerson, Georg 326 Glanz-Sohar, Heinrich 258, 572 Glaser, Karl 554,572 Gluskin, W. 49-50 Goebbels, Joseph 431-432,445 Göring, Hermann 433 Goetz, Martin 207 Goitein, E. 95-96 Gold, Alfred 540 Gold, Hugo 44 Goldberg, Jizchak Leib 36-38, 90, 136, 146 Goldmann, Felix 425 Goldmann, Nachum 233,419^120, 422-423, 428, 568 Goldschmidt, Lazarus 409,421,591 Goldstein, Moritz 481,550-557 Gordon, Ahron David 369-370,393396, 444, 592, 601 Gorelik, Schemaija 394-395, 551-552, 568 Gorelik, Schlomo 150,565 Gorki, Maxim 39,80 Goslar, Hans 481, 494, 568,602 Gotthardt, Dr. (Gestapo) 4 4 1 ^ 4 2 Gottlieb, Israel 476,481-482 Gräbner, Dieter 1 Graetz, Heinrich 260,407 Granowsky, Abraham 416, 495, 584, 589, 592, 603 Greenberg, Leopold Jacob 92 Greve, Heinz Ludwig 267 Gronemann, Sammy 37, 71-72,104, 306, 583, 587 Groys, Boris 397 Grünau, Heinrich 105, 114, 546 Grünbaum, Jizchak 123 Grünberg, F. 343 Hall, Murray G. 203-204 Hantke, Arthur 8, 33, 68-70, 72-73, 85, 89-91, 99,103-105, 107,112113, 127-129, 135-136, 138-147, 156-157, 159-165, 169-175,177-

610 183,206, 210, 220-224, 226, 228231, 234, 237, 245, 254, 256, 266268, 271-273, 283, 285-287, 294296, 309, 311-313, 325-326, 349, 374-375, 394, 458, 460-465, 514 Hauptbüro des Jüdischen Nationalfonds 560-561, 568, 572 Hauptmann, Gerhart 413 Hebräischer Schulverein Berlin 605 Heartfield, John 140 Hedin, Sven 83 Heilborn, Ernst 578 Hellmann, Albrecht s. Kaznelson, Siegmund Henker, Karl Richard 567 Heppner, Ernst 226 Herder Johann Gottfried 544 Herlitz, Georg 7,396,401,404-406, 413^120, 422^123, 425, 428, 488, 490, 589 Hermann, Georg 540 Hermannsdorfer, Fritz 489^490 Herrmann, Hugo 164,187, 197, 200201, 206, 275, 385, 557, 562, 567 Herrmann, Leo 154-155,176,189, 197-198, 200-201, 207-209, 212, 214, 233, 235, 241-242, 244-245, 250, 263-264, 266-267, 269-270, 272-276, 282-284, 298, 300, 307, 314, 329, 331-332, 451, 557, 561 Herschdörfer, Otto 116, 549 Herzl, Hans 216, 310, 313-314, 316319, 501 Herzl, Pauline 310,314,316 Herzl, Theodor 12,14-24,40,48, 6368, 74, 77, 83-87,115,121, 150, 164, 187, 216, 229, 279, 284, 303-304, 307-313, 316-320, 328, 340, 357, 400-406, 416, 443^44, 452-^53, 459, 482, 485,493, 496-506, 508509, 541, 546, 565, 573, 578, 595 Herzl, Trade s. Neumann-Herzl, Trude Hertz, Joseph Herman 341-343, 479, 494—495, 602 Heß, Moses 400, 424, 486, 598 Heuwinkel, Christine 1 Hickl, Max 39^14, 75, 108, 419 Hilferding, Rudolf 441 Hillel, Bath 573 Hindenburg, Paul von 440

Register Hinkel, Hans 432, 448, 477-481, 483 Hirschfeld, Ariel 348 Hitler, Adolf 440 Hoeflich, Hans 216 Holitscher, Arthur 299 Holländer, Ludwig 488 Hoofien, Sigfried 89, 106, 109-110, 112, 128

Hopp, Andrea 75 Hurwicz, Elias 571,587 Hurwitz, Saul J. 604 Idelson, Avraham Zvi 604 Israels, Jozef 107,114,546 Jabotinsky, Wladimir 119-124, 389, 394-397, 593 Jacobson, Victor 8, 120-121, 123-124, 149, 194-200, 202-203, 210-211, 214, 217, 220-221, 224, 227-229, 231, 233-234, 236-247, 249, 251252, 254, 256, 266, 269, 280-283, 286-287, 289, 294-297, 304-305, 309-314, 321-326, 328, 330, 334, 336-342, 346, 353, 372-375, 379, 394, 411, 458, 460-466, 468, 470471,474, 498, 514 Jacoby, Karl 426-427,484 Jakobs, B. 116 Jann, Jra 83, 545 Jeremias, Karl 11 Jolowicz, Joseph 299 Judt, J. M. 80,54/ Jungmann, Max 76 Kafka, Franz 204-205, 267-268 Kahn, Fritz 261 Kalischer, Zwi Hirsch 12 Kann, Jakobus H. 92, 105, 107, 112114, 118-125,136,141-143,146, 246,296,325, 329-330, 334, 336,546 Kanowitz, Siegfried 4 0 1 ^ 0 2 Kaplan, Josef 565 Kartell jüdischer Verbindungen 568 Kartell jüdischer Verbindungen und jüdischer Turnerschaft 568 Kastein, Josef 573 Katzenelsohn, Nissan 90-91,136,146, 246, 296, 325, 329, 334, 336 Kauffmann, Felix 426-427, 445, 484

Register Kaufmann, Fritz Mordechai 190, 258259, 261, 349, 569, 573, 598 Kaznelson, Siegmund 1-2, 5, 8-9, 74, 115,117,192,205,208-213,215-217, 238-240,243,245,247,250-251,256, 263-298, 300-304, 306-307, 310312, 314-319, 321-348, 353-383, 3 8 5 ^ 1 7 , 420,423^27, 429-432, 434—482, 484, 486-492, 494-509, 512-514,560,561,578,585,587,595 Kaznelson-Weltsch, Lise 267-268, 279-280, 449,451, 475 Keller (Buchhalter) 167 Kellner, Anna 310 Kellner, Leon 66-68, 84,115,308-310, 313,315-316, 544,573 Kellner, Viktor 583, 592, 601 Kempner, Maximilian 70 Khatzman, Vera s. Weizmatm, Vera Kirschner, Bruno 197,417-419,422423, 425, 428, 589 Kisselhoff, Sussmann 553 Klatzkin, Jakob 232-233, 259, 280282, 419-420, 422-423, 428, 565, 569, 577 Klausner, Joseph 577, 593,596 Klee, Alfred 384 Klötzel, Cheskel Zwi 225-226, 258, 571, 573 Knöpfmacher, Hugo 581 Kochanowski, Erich 483 Kohn, Erwin 212 Kohn, Hans 18,115,195,265,267,275, 392, 395-396, 577 Koigen, David 578-579 Kokesch, Oser 87 Kopf, Leo 562 Krasny, Emil 502,505-508 Krayn, Hugo 558 Kremenetzky, Johann 66, 90, 136, 146, 309,312-318,498 Krohn, Helga 427 Krojanker, Gustav 243, 245-247, 249250, 252, 277,280-291, 296, 325, 333-334, 352, 381-382, 551, 560 Krupnik, Baruch 569 Kurrein, Adolf 41 Lanczener, Josef 250, 293-295 Landauer, Georg 97, 3 3 8 , 4 7 2 ^ 7 3

611 Landauer, Gustav 50 Landmann, Isaac 426 Lappin, Eleonore 192, 196, 211, 308, 371 Larsson, Lars 83, 545 Lassalle, Ferdinand 441 Lasker-Schüler, Else 231, 299 Lauterbach, Leo 377, 389, 398,405406, 414, 416 Lehmann, Otto 494,602 Lehmann, Siegfried 560 Lessing, Theodor 195, 389, 397, 593 Lestschinsky, Jakob 104 Leszynsky, Betty 315-316 Leszynsky, Eduard 144,309-310,316, 328 Levin, Schmaijah 13 Levine, Glenn S. 192 Levy, Karl 106,111,127 Lichtheim, Richard 13,297,569, 570 Liebrecht, Rose 423,425 Lilien, Ephraim Moses 11, 19, 21, 2731, 33-35, 38-39,42^13, 47,49-53, 55-60, 63-64, 75-76, 78-80, 96, 116, 191, 193, 493, 511, 537, 538, 540542, 544 Lienert, Konrad 1 Linden, A. s. Motzkin, Leo Lipschütz, Elieser Meir 574 Lipsky, Louis 332 Lipstadt, Emil 137 Locker, Berl 443-444,460,463,465469,472—473 Löwe, Erwin 446 Loewe, Heinrich 13-14, 17, 27,77, 104, 107, 117, 150, 165, 544, 549, 551, 580 Löwenstein, Fritz 189,560 Loewenstein, Kurt 265-266 Loewenthal, Alwin 225-227, 243-247, 249, 252-256, 280-281, 296, 325, 333-334 Löwy, Michael 115, 265 Loije, Chaim 12 Lubinski, Georg 429 Lublinski, Samuel 541 Malkizedek (Meir Kaznelson?) 587 Mann, Thomas 413,493^194 Margulies, Isidor 443, 507-508

612 Margulies, Lazar 343 Marmorek, Alexander 19,92 Marten-Finnis, Susanne 192 Marwedel, Rainer 397 Marx, Gertrud 569 Masaryk, Tomas 195 Maybaum, Ignaz 377 Mayer, Hans-Otto 494 Mayer, Ludwig 285,290 Meidner, Ludwig 574 Meisl, Josef 423,595 Melnik, Alexander 223 Mendale Moicher Sfurim (Schalom Jakob Abramowitsch) 306, 583, 585,605 Mendelsohn, Peter de 3-4, 7, 191, 413 Mendelssohn, Moses 6 Meyer, Franz Ludwig 561 Meyer, Max 560 Michel, Richard 261-262, 575 Minde, Paul 484 Moses, Siegfried 128,202-203,363, 365, 373-375, 377, 379-381, 467469,472-473 Motzkin, Leo 13,16-19,22-24,39,42, 45, 68, 107, 195, 548 Motzkin, Paula 17 Müller, Ernst 116,118, 549, 581 Nadel, Arno 574 Nawratzki, Curt 569 Neufeld, J. 591 Neumann-Herzl, Trude 310, 498-509 Nomberg, Hirsch Dawid 54 Nordau, Max 20-21,23,33, 40-41, 43^14, 105, 107, 114, 121, 229, 266, 304-305, 311, 357, 400, 414, 497, 548, 581 Nossig, Alfred 33-34, 54, 60, 104, 538, 541 Nussbaum, Willi 426, 4 9 5 ^ 9 6 Nussenblatt, Thulo 67,308,401,500 Oettinger, Jakob 561 Oppenheimer, Franz 163, 207, 542, 557, 565 Oppenheimer, Susi 492 Ostertag, Ferdinand 223, 231, 252 Pasmanik, Daniel 112-113, 549

Register Patai, Josef 569 Patai, Raphael 115,235 Perez, Jizchak Leib 31, 33, 81-83,545, 554 Pfäfflin, Friedrich 536 Pinkerneil, Dietrich 5,512,514 Pinner, Ludwig 459 Pinsker, Leo 12-13, 179, 400, 485, 496-497, 561, 574, 594, 596, 598 Pinski, David 81,545 Podlischesky, A. 334 Poljakoff, S. 384 Pollak, Adolf 127-128 Poppel, Stephen M. 4 Porges, Oscar 445 Präger, Max (Mayer) 203-205, 207212, 235, 275-276, 560 Prinz, Joachim 492 Raabe, Paul 267 Rabin, Else 491^93, 598, 601 Rasch, Harold 437^138 Rauschenberger, Katharina 427 Rawnitzki, Jehoshua H. 605 Reichenfeld, Moritz 66, 310, 316, 498499 Reines, Jizchak Jakob 22 Reinke (Gestapo) 441 Remarque, Erich Maria 440 Riesser, Gabriel 193 Rittershofer, Horst 438-439, 476 Robinsohn, Abraham 577 Rojansky, A. 453 Rosenbaum, Simon 89-90 Rosenblüth, Felix 201,335,386-389, 393-395, 397-398, 401^102, 405, 420,458,460,464, 471,512 Rosenblüth, Martin 89, 109, 128, 133, 136-137, 144-145, 149, 152, 155, 294, 378-380, 4 0 5 ^ 0 6 Rosenfeld, Gavriel 75 Rosenstein, Moses 286 Rosenzweig, Edith 208 Rosenzweig, Franz 6, 207-208, 381 Rothschild, Edmond James de 317 Rothziegel, J. 544 Ruppin, Arthur 8, 93,116-118, 163, 242, 259, 290-292, 298, 302, 325, 341, 343-346, 364, 408, 410-413, 487, 549, 557, 570, 574, 589, 594

Register Saenger, Erwin 486 Salinger, Max 47 Salomon, Martin 231 Sandler, Aron 423^124,575 Sapir, Elijahu 150 Schachtel, Hugo 185-186, 545, 551 Schapira, Hermann 77 Schatz, Boris 82 Schechter, Salomon 61, 80, 542 Schimmer, Ina 50, 52-51, 54-60,62, 511 Schlesinger, Abraham 306 Schmidt, Erich 578 Schneider, Lambert 348, 362-367, 369, 434 Schochat, E. 601 Schocken, Salman 8,181,188,202204, 206, 208, 210-213, 217, 226, 239, 241, 245, 247, 257-258, 264, 272, 274, 276, 322, 338-339, 348356, 358-363, 365-368, 370, 374382, 409,411, 424,434, 477, 501 Schönberg, Jakob 604 Scholem Alejchem (Schalom Rabinowitsch) 6,557 Scholem, Gerhard (Gershom) 3 81, 562, 583 Schreuder, Saskia 447,497 Schrieber, Karl-Friedrich 430, 435^136 Schüler, Alexander 551 Schwarz, Karl 435,489 Schwarzschild, Leopold 441 Schwerin, Ludwig 493 Seidmann, Jankew Jakob 409, 591 Servaes, Franz 540 Shavit, Zohar 222 Shneerson, Esther s. Feiwel, Esther Shriro, Samuel 46 Silberstein, Emil 75 Simon, Ernst 120,208,215-216,371, 373,407, 456, 560, 568 Simonsohn, Emil 33,570 Singer, Josef 66,100 Singer, Leo 569 Singer, Ulli 66 Sörgel, Franziska 536 Sokolow, Helene 164,554 Sokolow, Nahum 33, 38, 100, 107, 129, 197,220,309,311-314,316,394,411 Soloweitschik, Max 215, 305,408, 423, 587

613 Sombart, Werner 411 Soskin, Selig Eugen 542, 574 Stahl, Fritz 540 Stammen, Theo 494 Stand, Adolf 75 Stark, Jakob 544,548 Stein, Arthur 568 Stein, Walter 151 Steinberg, Aaron S. 260, 408, 584, 594, 601 Steinberg, Jehuda 574 Steiner, Franz 266 Steinweis, Alan E. 432 Stender, Emil 182 Stern, Gerson 497 Stradtmann, Adolf 565 Strasser, Nadja 568 Straus, Elias 203 Straus, Raphael 201,203 Strauß, Max 560,562,570,574,581,583 Struck, Hermann 546, 569, 572, 577 Tannenbaum, Eugen 169, 557 Tausig, Olga 542 Theilhaber, Felix A. 226, 423, 577 Thieberger, Friedrich 4 9 1 ^ 9 4 , 601 Thieberger, Nelly 273 Thon, Helene Hanna 79 Toeplitz, Erich 581 Told s. Feiwel, Berthold Torczyner, Harry 456,495,558,581,604 Tradjon, N. 601 Tramer, Hans 197-198, 243, 265-266, 459 Traub, Michael 580,594 Treidel, Josef 570 Trietsch, Davis 18-19,22,26-31,3334, 39,44,47-53, 55-61, 63-65, 6 8 71, 74, 101-103, 108, 148-150, 193, 225-226, 243,511,538,553 Trumpeldor, Joseph 585 Tschlenoff, E. W. 554 Tschlenow, Jechiel 107, 159, 220 Tucholsky, Kurt 140 Tur-Sinai, Ν. H. s. Torczyner, Harry Twersky, Nachum 502 Ullstein, Leopold 440 Unseld, Siegfried 6 Uprimny, Julius 20

614 Urban-Fahr, Susanne 5 Ussischkin, Menachem 56, 60, 92, 107 Valencia, Heather 192 Verein Bar-Kochba Wien 548 Verein für Jüdische Statistik 541 Viertel, Berthold 190 Walk, Joseph 154,190, 199,338, 427, 440, 450, 467, 472, 495 Wallenberg, Heinz 598, 601 Walter, Hans-Albert 536 Walter, Ilse 5 , 9 Walzer, R. 574 Warburg, Max 411 Warburg, Otto 38, 73, 90, 92,103-104, 136,143, 162-163,170-171, 175, 211,220-221, 266, 309, 542, 565 Wassermann, Henry 364, 433,485, 489, 536, 568, 591, 593, 595-596, 598, 601-604 Weinbaum, David 575 Weinberg, Jehuda Louis 13, 117, 450454 Weiss, Emil Rudolf 190-191,205, 560, 562, 570-571, 583, 587 Weissenberg, Samuel A. 495-496 Weizmann, Chaim 13, 16-19, 22-25, 37-38, 42, 45-47, 49, 51-52, 55-56, 58-62, 72, 76, 85, 97, 107, 123, 130132, 193-196, 220-221, 235, 254, 279, 310, 313, 315, 327, 411, 511, 537 Weizmarm-Khatzman, Vera 24, 37-38, 45, 72, 85, 87, 194 Weltsch, Felix 266-268, 273, 278-279, 365 Weltsch, Lise s. Kaznelson, Lise Weltsch, Robert 8, 200, 233, 242, 263267, 270, 272-279, 300-301, 357, 370, 373-374, 381, 388-389, 394, 397, 418, 423, 425, 440, 444, 447448, 451, 475-476, 514-515,589 Werfel, Franz 493 Werner, Alfred 64,80

Register Werner, Hans 255-256, 299-300 Werner, Siegmund 86 Wiener, Adolf 137 Wiener, Max 4 2 2 ^ 2 3 , 4 2 5 Wilbuschewitsch, Nahum 575 Wilensky, Miijam 585 Willstätter, Richard 440 Wininger, Solomon 442 Winz, Leo 27,29,102 Wischnitzer, Mark 593 Wittmann, Reinhard 257, 302-303, 383, 392, 413 Wolff, Kurt 198,200-201 Wolffsohn, David 8, 14-15, 38,66-74, 83-87, 89-96, 98-113,118-124,129, 133, 135-148, 156, 177, 246, 264266, 309, 329,336, 499,511 Wolfsberg, Oskar 456 Wolfskehl, Karl 195 Wyler, Viktor 182 York-Steiner, Heinrich 61, 80, 542 Zamory, Hans 154-162 Zangwill, Israel 33, 38 Zeller, Magnus 583 Ziegler, Engelbert 502 Zentralbüro der zionistischen Organisation 580 Zionistische Organisation 545, 548, 553, 557, 580 Zionistische Vereinigungfiir Deutschland 570 Zionistischer Hilfsfonds in London 548 Zionistisches Aktionskomitee 546 Zlocisti, Hulda 208 Zlocisti, Theodor 33, 37, 186, 261, 424, 553, 575, 598 Zobel, Moritz 31 Zucker, Albert 190 Zunz, Leopold 494 Zweig, Arnold 213-214, 299, 320, 381 Zweig, Stefan 493

Danksagung

Diese Arbeit wurde der philosophisch-historischen Fakultät der Universität Basel im Mai 2000 als Dissertation eingereicht. Die Idee zur Bearbeitung des Themas reifte nach einem ersten Gespräch, das ich mit dem ehemaligen Leiter des Leo Baeck Instituts Jerusalem, Prof. Dr. Joseph Walk, führte. Prof. Dr. Hans R. Guggisberg (gest. 1996) regte die Bearbeitung im Rahmen einer Dissertation an. Prof. Dr. Julius Schoeps, Potsdam, unterstützte mich ganz am Anfang dieses Projekts mit wertvollen Hinweisen. Ihnen, sowie dem Referenten Prof. Dr. Heiko Haumann (Basel) und der Korreferentin Prof. Dr. Monika Richarz (Hamburg), gilt mein erster Dank. Prof. Dr. Hans Otto Horch (Aachen) ermöglichte freundlicherweise die Aufnahme der Arbeit in die Reihe Conditio Judaica. Till Schicketanz, Μ. A. (Aachen), lektorierte mit großer Kompetenz, Geduld und Umsicht das Manuskript, wofür ich ihm besonders herzlich danke. Meine Forschungsaufenthalte in Israel und den USA wurden durch Nachwuchsstipendien des Schweizerischen Nationalfonds und der Freiwilligen Akademischen Gesellschaft Basel finanziert. Zu danken habe ich auch der Christine-Bonjour-Stiftung fur ihre finanzielle Unterstützung und der Gesellschaft für das Gute und Gemeinnützige (GGG) in Basel. Allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Zionistischen Zentralarchivs Jerusalem, wo die wichtigsten Akten des Jüdischen Verlags heute lagern, gilt mein besonderer Dank. Speziell erwähnt seien Dr. Michael Heymann, der mir wertvolle Hinweise auf weitere Materialien gegeben hat, sowie Yoram Mayorek und Rochelle Rubinstein, Direktor und Vizedirektorin des Archivs. Mein herzlicher Dank gilt den folgenden Personen fur ihre Hilfe: Dr. Saskia Schreuder (Haarlo/Basel), Dr. des. Erik Petry (Basel/Jerusalem), Margot Cohn (Buber-Archiv, Nationalbibliothek Jerusalem), Silke Schaeper (Schokken-Archiv, Jerusalem), Schlomo Mayer (Leo Baeck Institut, Jerusalem), Avraham Vilner (Stadtbibliothek Jerusalem), Irene Levitt (Israel-Museum, Jerusalem), Sara Palmor (Jerusalem), Familie Hoida (Hadera), Ernst Laske (Tel Aviv), Familie Ben-Ami (Tel Aviv), Jochanan Arnon (Stadtbibliothek Tel Aviv), Dr. Ingrid Belke (Deutsches Literaturarchiv Marbach), Dr. Volker Dahm (München), Diane Spielmann und Jeffrey Liu (Leo Baeck Institut, New York), Dr. des. Jennifer Jermann (Basel), Robert Gabathuler (Ettingen), Martin Dreyfus (Zürich) sowie meinen Freunden in Basel, Israel und den USA.