Der Feuervogel als Kunstzeitschrift: Zar ptica: Russische Bildwelten in Berlin 1921-1926
 9783205792017, 9783205787662

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SUSANNE MARTEN-FINNIS

DER FEUERVOGEL ALS KUNSTZEITSCHRIFT ŽAR PTICA. RUSSISCHE BILDWELTEN IN BERLIN 1921–1926

BÖHLAU VERLAG WIEN · KÖLN · WEIMAR

Gedruckt mit Unterstützung durch: University of Portsmouth Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek  : Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie  ; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http  ://dnb.d-nb.de abrufbar. ISBN 978-3-205-78766-2 Das Werk ist urheberrechtlich geschützt. Die dadurch begründeten Rechte, ­insbesondere die der Über­setzung, des Nachdruckes, der Entnahme von A ­ bbildungen, der Funksendung, der Wiedergabe auf ­fotomechanischem oder ä­ hnlichem Wege, der Wiedergabe im Internet und der Speicherung in Daten­ver­arbeitungsanlagen, bleiben, auch bei nur auszugsweiser Verwertung, vorbehalten. Umschlagabbildung: Der Feuervogel, Žar ptica, Nr. 7 (Umschlaggestaltung von Georg Schlicht, 1922) Umschlaggestaltung: Michael Haderer Layout: Eva-Christine Mühlberger © 2012 by Böhlau Verlag Ges.m.b.H. und Co. KG, Wien · Köln · Weimar http  ://www.boehlau-verlag.com Gedruckt auf umweltfreundlichem, chlor- und säurefrei gebleichtem Papier. Druck  : Demczuk Fairdrucker GesmbH., Purkersdorf

Für meine Mutter Renate

INHALTSVERZEICHNIS Danksagung.. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Einige Anmerkungen zur Transliteration von russischen und jiddischen Buchstaben und zur Übersetzung russischer Texte. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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EINFÜHRUNG KAPITEL 1 Das Russische Berlin als ein autonomer Kommunikationsraum . . . . . . . . . . . . 25 Darstellung und Methode . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25 Zentrum und Peripherie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29

KAPITEL 2 Akteure und Institutionen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35 A. E. Kogan und »Der Feuervogel« als Zeitschriftenprojekt . . . . . . . . . . . . . 35 Žar ptica im Kreuzfeuer der Kritik: Emigrantenzeitschrift oder glitzerndes Spielzeug für Ausländer?. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39

KAPITEL 3 Zur Genese von Žar ptica: Geistige Bezüge und Bestimmung. . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Inkubationsphase der Berliner Projekte von A. E. Kogan . . Gorkis Plan.. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kunst als Flucht vor der Wirklichkeit? . . . . . . . . . . . . . .

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Im Reich des Feuervogels . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Inhalte, Themen, Künstler . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Heft 1: Kaufmannsfrauen und Troikas … .. . . . . . . . . . . . . . . Heft 2: Fantastische Märchen ohne Worte erzählen, … .. . . . . . . Heft 3: Arabeske der Linien: Harlekins, Marquisen, Amoretten … . .

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KAPITEL 4

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Heft 4/5: Kinderträume, Stadtmärchen, russisches Spielzeug … .. . . . . Heft 6: Für die kristalline Kunst von Michail Wrubel … .. . . . . . . . . . Heft 7: Frühling und Folklore, Wiedererwachen und Rückbesinnung … . . Heft 8: Grafische Kunst und Ausstellungen … .. . . . . . . . . . . . . . . Heft 9: Die »Rückkehr« von Léon Bakst … .. . . . . . . . . . . . . . . . . Heft 10: Die Dekorationskünste Korovins, Maljavins und Golovins … . . . Heft 11: Das Werk Marc Chagalls … . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Heft 12: Larionovs Burlesken und Bühnenkunst … . . . . . . . . . . . . . Heft 13: Kontinuität im Exil – Pasternaks Porträts und Kogans Palästina-Expedition … . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Heft 14: Von Berlin nach Paris. Bilibin und Benois als Wegweiser?. . . . .

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KAPITEL 5 Positionierungen, Rollenzuweisungen und Vernetzungen: Žar ptica im Vergleich mit Kunstzeitschriften des Russischen Berlin .. . . . . . Milgrojm: Manifest oder Digest?. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Avantgarde-Zeitschrift Vešč – Gegenstand – Objet: ein Außenseiter im Russischen Berlin. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Teatr i žizn: Theater-Feuilleton und Komplement zu Žar ptica . . . . . . . . Die ephemere Zeitschrift Zlatocvet.. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Interne Selektions- und Konsekrationsmechanismen. . . . . . . . . . . . . Scheuerstellen, Vernetzungen und Interaktion von Öffentlichkeiten. . . . .

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KAPITEL 6 Rezeptionsbedingungen und Vermächtnis . Žar ptica als PR-Initiative . . . . . . . . . Leserschaft und Vertrieb. . . . . . . . . Russische Künstler als Animateure .. . .

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SCHLUSSBETRACHTUNGEN ANHANG Bibliografie der Zeitschrift Žar ptica.. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 185

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BIBLIOGRAFIE DER VERWENDETEN SEKUNDÄRLITERATUR Literaturangaben zu den verwendeten Forschungsmethoden.. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Artikel aus zeitgenössischen Zeitungen und Zeitschriften.. Webseiten.. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Briefwechsel und Auszüge aus offiziellen Dokumenten.. . Vorträge, Reden.. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Akronyme.. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Russische Eigennamen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

INDEX..

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DANKSAGUNG Dieser Band über den Feuervogel als Kunstzeitschrift im Russischen Berlin ist das Ergebnis langjähriger Forschungsarbeit. Er verdankt sein Zustandekommen intensiver Recherche-, Vortrags- und Schreibtätigkeit und im Besonderen der fachlichen und moralischen Unterstützung durch Kollegen und Freunde, die mich in meiner wissenschaftlichen Arbeit immer wieder zu dieser Forschung ermuntert haben. An erster Stelle zu nennen sind dabei Frau Professor Ziva Amishai-Maisels (Jerusalem), die mich zur Untersuchung dieser Facette des Russischen Berlins motiviert hat, und Professor John Klier (London), der meine Forschung bis zu seinem Tod (2007) als Mentor begleitet hat. Für die grundlegenden Gespräche bei der Konzeptualisierung des Projektes danke ich vor allem Herrn Dr. Gottfried Kratz (Münster), Herrn PD Dr. Hartmut Walravens (Berlin) und Frau Professor Rena Fuks (Amsterdam). Darüber hinaus zeigt der vorliegende Band den vielfältigen Einfluss der Ideen meines Freundes und Kollegen Professor Igor Duchan von der Universität Minsk, dem ich für die langjährige Zusammenarbeit und Beratung, vor allem im Hinblick auf die kunsthistorischen Aspekte dieser Arbeit, danke. Für ihre konstruktiven Kommentare und Anmerkungen im Zusammenhang mit jiddischen Publikationen im Berlin der 1920er-Jahre danke ich Frau Dr. Delphine Bechtel vom Centre Interdisciplinaire d’Études Centre-Européennes der Sorbonne, Frau Dr. Heather Valencia (Stirling) sowie Frau Maria Kühn-Ludewig (Paris). Für den intensiven wissenschaftlichen Austausch im Verlaufe des Forschungsprojektes danke ich den Kollegen von der Presseforschung der Universität Bremen, in erster Linie Herrn Professor Michael Nagel und Herrn Professor Holger Böning, den Kollegen und Kolleginnen der Universitäten Bath und Oxford sowie des University College London, die in den vergangenen Jahren im Rahmen des internationalen Forschungsnetzes Cultural Continuity in the Diaspora mit mir zusammengearbeitet haben, hier vor allem Herrn Professor Michael Berkowitz, Frau Professor Glenda Abramson, Frau Dr. Olga Tabachnikova und Herrn Dr. Peter Wagstaff. Zu jenen Wissenschaftlern, mit denen ich die behandelten Themen mit Gewinn diskutiert habe, gehören nicht zuletzt die Mitarbeiter meiner Forschungsgruppe an der Universität Portsmouth, Herr Dr. Markus Winkler und Frau Dr. Claire Le Foll, denen auch mein Dank für ihre tatkräftige Unterstützung bei der Organisation von Symposien, Konferenzen und Ausstellungen gebührt.

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Ich danke Herrn Professor Albert Lemmens und Herrn Serge-Aljosja Stommels (Nijmegen) für ihre freundliche Ermutigung und die Bereitstellung des visuellen Materials aus ihrer Kollektion russischer und jüdischer Zeitschriften. Frau Kateryna Stetsevych sei gedankt für ihre sachkundige Hilfe beim Übersetzen russischer Texte. Für die redaktionelle Vorbereitung des Manuskriptes danke ich Herrn Detlev Dehn, ohne dessen Erfahrung, Umsicht und kritische Distanz beim Korrekturlesen der vorliegende Band in dieser Form nicht zustande gekommen wäre. Für ihr Engagement bei der Beschaffung von Quellenmaterial und Sekundärliteratur danke ich den Mitarbeitern der Kunstbibliothek und der Staatsbibliothek zu Berlin, Stiftung Preußischer Kulturbesitz, der Bibliothek des Institut d’Etudes Slaves, des Institut National d’Histoire de L’Art, des Département des Arts du Spectacle sowie der Bibliotheken des Musée des Arts Decoratifs und des Musée d’Art et d’Histoire du Judaïsme in Paris. Jedes große Forschungsprojekt benötigt finanzielles Engagement und Sponsoren. So danke ich der British Academy für ihre Anschubfinanzierung (2004), der Queen’s University of Belfast und der University of Portsmouth für die großzügige Unterstützung meiner Forschung sowie der British Academy/Leverhulme Stiftung für ihre Anerkennung durch das Senior Research Fellowship (2009/2010), welches letztlich die Fertigstellung des Bandes ohne Unterrichtsverpflichtungen ermöglichte. Dank sei nicht zuletzt meiner Familie, vor allem meinem Ehemann Mike Finnis, dessen fürsorglicher Beistand und aufmunternde Resonanz mich auf meiner Zeitreise in das Russische Berlin begleitet haben, ausgesprochen.

Susanne Marten-Finnis Winchester, Hampshire, 12. Juli 2011

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EINIGE ANMERKUNGEN ZUR TRANSLITERATION VON RUSSISCHEN UND JIDDISCHEN BUCHSTABEN UND ZUR ÜBERSETZUNG RUSSISCHER TEXTE Russisch wird bekannlich mit kyrillischen, Jiddisch mit hebräischen Buchstaben geschrieben. Russische und jiddische Namen und Eigennamen werden daher im vorliegenden Band in einer Umschrift wiedergegeben, die der im deutschen Sprachraum üblichen Norm entspricht. Die Transliteration von kyrillischen Buchstaben orientiert sich weitgehend an der wissenschaftlichen ISO-9-Form; von den Diakritika, die laut ISO 9 das Weichheitszeichen im kyrillischen Alphabet markieren, wird dabei kein Gebrauch gemacht. Bei der Umschrift der kyrillischen Buchstaben ist zu beachten, dass das ž in Žar ptica wie das zweite g in ›Garage‹ ausgesprochen wird, das š in Saša als sch, das č in Lunačarskij als tsch und das šč in Vešč als schtsch. Der deutsche z-Laut wird in der Umschrift als c wiedergegeben. Das russische w erscheint in der deutschen Umschrift als v. So wird das v in novyj als stimmhaftes w ausgesprochen. Doch bei bekannten Namen oder Eigennamen wird der im Deutschen eingeführten Schreibweise der Vorzug gegeben, also beispielsweise Woinov, Petruschka, Iwan Zarewitsch oder Kiew. Die Schreibweise von jiddischen Namen und Eigennamen richtet sich nach dem System des YIVO Jewish Research Institute New York, mit einigen kleinen Abweichungen, die dem deutschen Leser das Lesen erleichtern sollen. Das jiddische z wird wie ein stimmhaftes s im Deutschen ausgesprochen, zum Beispiel Jiddisch: a zach – Deutsch: eine Sache. Dagegen wird der deutsche z-Laut in der jiddischen Umschrift als ts wiedergegeben, zum Beispiel Jiddisch: tsuker – Deutsch: Zucker. Das deutsche w wird im Jiddischen durch v wiedergegeben, zum Beispiel Jiddisch: vort – Deutsch: Wort. ch wird immer so wie in Dach ausgesprochen. Die Vokale sind kurz zu sprechen. Da das Jiddische keine Großschreibung kennt, werden in der Umschrift von Zeitungstiteln oder Redewendungen nur Personen- oder Ortsnamen sowie das erste Wort einer Redewendung mit Großbuchstaben geschrieben. Bei Namen, die im deutschen Sprachraum bereits geläufig sind, wird die eingeführte deutsche Schreibweise der jiddischen phonetischen Umschrift vorgezogen, zum Beispiel Abraham Nochem Stenzel anstelle von Avrom Nochem Stencl. Eine besondere Schwierigkeit stellt die Schreibweise von Autorennamen und von jenen Buchtiteln dar, die im Original auf Englisch oder Französisch vorliegen. Da

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sich die Transliteration von kyrillischen Buchstaben in englischen und französischen Zitaten bzw. bibliografischen Angaben von der deutschen Umschrift unterscheidet, wird die im Herkunftsland einer Publikation übliche Umschrift benutzt. Daraus erklärt sich die unterschiedliche Schreibweise von Familien- und Eigennamen wie beispielsweise Gorki, die in englischen Publikationen als Gorky, im Deutschen als Gorki, und in der deutschen Transliteration eines russischen Originals als Gorkij wiedergegeben wird. Ähnliches gilt für Chodassevič (englische Transliteration: Khodassevich) oder Lukomski, dessen Name in französischsprachigen Publikationen als Loukomsky, im Englischen als Lukomsky, und in der deutschen Transliteration des russischen Originals als Lukomskij erscheint. Die Künstlervereinigung Welt der Kunst wird in französischen Publikationen als Mir Iskoustva, im Englischen und Deutschen dagegen als Mir Iskusstva wiedergegeben. Einige Künstler und Kritiker haben ihre Vornamen in der Emigration der landesüblichen Schreibweise angepasst. So wurde aus Georgij etwa George, aus Natalja wurde Natalie, aus Michail Fokin wurde Michel Fokine, aus Leonid Massin wurde Leonide Massine und aus Sergej Diaghilev wurde Serge (de) Diaghilev. Diese Namen erscheinen im vorliegenden Band so wie in der Quelle, aus der sie zitiert sind. Eine weitere Schwierigkeit stellt die Wiedergabe von Zitaten aus den deutschsprachigen Beilagen von Žar ptica und anderen Zeitschriften dar. Hier wurde die teilweise recht willkürlich zum Einsatz gebrachte Orthografie bzw. Transliteration korrigiert und den gegenwärtigen Regeln angepasst. Die Schreibweise der Bilduntertitel wurde vom Original übernommen. Die Übersetzungen von Zitaten und Précises aus russischen Zeitschriften stammen, sofern nicht anders vermerkt, von der Autorin.

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EINFÜHRUNG Vor 100 Jahren wurde das musikalische Märchen vom Feuervogel zum Welterfolg für Igor Strawinsky. Die spektakuläre Uraufführung am 25. Juni 1910 machte den jungen russischen Komponisten über Nacht zu einer internationalen Berühmtheit und Leitfigur der europäischen Moderne. Heute ist der Feuervogel zurückgekehrt: Seit 2010 erlebt das legendäre Wesen aus dem russischen Volksmärchen eine Wiedergeburt. Er erscheint in Ballets Russes-Ausstellungen und Strawinsky-Hommagen in Kino und Konzerten und als Motiv auf T-Shirts. Einkaufstaschen und Geschenkpapier zeigen die russischen Zwiebeltürme und Minarette vom Vorhang der Feuervogel-Aufführung, und neuerdings gibt es sogar das Parfum ihres berühmten Impresarios Sergej Diaghilev zu kaufen. Im russischen Märchen kam der Feuervogel jede Nacht in den Garten des Zaren geflogen, ließ sich auf dem goldenen Apfelbaum nieder, pflückte sich zwei goldene Äpfel und flog wieder davon. Seine Federn leuchteten rot, gelb und orange; sie glänzten wie Feuer und sollten die Menschen vor schwierigen Unternehmungen warnen.1 Als Ballett wurde der Feuervogel zum ersten Mal von Sergej Diaghilevs Ballets Russes aufgeführt. »Dieser Feuervogel erwies sich für die tänzerische Gestaltung als sehr geeignet«2, erinnert sich Choreograf Michel Fokine3, der 1910 die Uraufführung des Werkes an der Pariser Oper inszenierte und das Libretto schrieb, nachdem man in der Diaghilev-Truppe das Repertoire für die Pariser Aufführungen besprochen und festgestellt hatte, dass ein Ballett von nationaler Eigenart fehle: »Die besten Bearbeitungen russischer Märchen waren schon für die Bühne genutzt (hauptsächlich von Rymski-Korsakov in seinen Opern). Alle Figuren, die die Fantasie des Volkes erdacht hatte, waren schon auf der Bühne erschienen, nur die Gestalt des Feuervogels noch nicht.«4­

1 ›Das Märchen von Iwan dem Zarensohn, vom Feuervogel und vom grauen Wolf‹, In: Russische Volksmärchen. Aus dem Russischen nacherzählt von Xaver Graf Schaffgotsch mit farbigen Offsetbildern von Ellen Beck (Leipzig, Abel & Müller, ohne Jahresangabe), S. 161–173. 2 Michael Fokin [sic], Gegen den Strom. Erinnerungen eines Ballettmeisters, herausgegeben von Lydia Wolgina und Ulrich Pietzsch (Berlin 1974), S. 193–216, hier: S. 193. 3 ›L’Oiseau de Feu (The Firebird)‹, Synopsis, in: Alexander Schouvaloff (Hg.), The Art of Ballets Russes. The Serge Lifar Collection of Theater Designs, Costumes, and Paintings at the Wadsworth Atheneum (New Haven, London 1997), S. 212–216, hier: S. 212. 4 Fokin, 1974, S. 193.

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Abbildung 1: Der Feuervogel: Kostüm­ entwürfe von Léon Bakst (1910) und Natalja Gončarova (1926).

Einführung

Fokine kombinierte daraufhin das Märchen vom Feuervogel mit anderen russischen Volksmärchen aus der Sammlung von Alexander Afanasiev (1826–1871), sodass nun der junge Zarewitsch Iwan den geheimnisvollen Vogel im Garten des bösen Zauberers Kastschej fängt, ihn jedoch wieder freilässt im Tausch gegen eine feuerrote Feder aus seinem Gefieder und das Versprechen, ihm bei Gefahr beizustehen. Schon bald muss Iwan die Hilfe des Feuervogels in Anspruch nehmen, um den bösen Zauberer Kastschej zu bezwingen:5 Kastschej hält in seinem Zauberreich 13 Jungfrauen gefangen, darunter die Prinzessin, in die Iwan verliebt ist. Als Iwan auftaucht, wollen ihn Kastschej und seine Dämonen töten, doch da erscheint der Feuervogel mit seiner magischen Musik und zwingt die Dämonen zum Tanz. Als der Zauberer erschöpft in einen tiefen Schlaf sinkt, führt der Feuervogel Iwan zu einer Höhle, in der ein Ei versteckt ist, das die Seele von Kastschej enthält. Der Prinz zerschlägt das Ei, der Zauberer stirbt und die Jungfrauen kommen frei.6 In der Überlieferung erscheint die Gestalt des Feuervogels als weiblicher VogelMensch, als eine Gestalt mit magischer Schutzkraft, die im Ballett auch von einer weiblichen Figur dargestellt wird. Kostümskizzen und Bühnengestaltung für die Premiere, die 1910 unter dem Titel L’Oiseau de Feu in Paris stattfand, stammen von Alexander Golovin und Léon Bakst. Ballets Russes-Impresario Sergej Diaghilev hatte zunächst Golovin damit beauftragt. Doch nicht alle Entwürfe fanden seine Zustimmung, und so bat er Bakst um neue Kostüme für die drei Hauptgestalten Iwan Zarewitsch, die Zarewna und den Feuervogel.7 Jetzt trug der Feuervogel ein dekolletiertes, eng sitzendes grünes, mit Perlen besetztes Oberteil und eine breite rot-grüne gürtelähnliche Borte. Besonders spektakulär war der gelb-orange-grüne Rock, der aus einer Kombination von langen Federn, Stoffen und an biegsamen Federkielen sitzenden Spitzen der Federn bestand, die in den Raum zu schwingen vermochten [Abbildung 1]. An den hinteren Schulterblättern saßen zwei längliche, transparente Flügel.8 Auffällig waren vor allem die beiden Zöpfe, der extravagante Kopfputz und die langen Fingernägel, die auf hinduistische bzw. buddhistische Kultureinflüsse 5 Schouvaloff, 1997, S. 212–216. 6 A. E. Johnson (with illustrations by René Bull), The Russian Ballet (Boston, New York 1913), S. 129–143. 7 Robin Healy, Michael Lloyd, From Studio to Stage. Costumes and Designs from the Russian Ballet in the Australian National Gallery (Canberra 1990), S. 32. 8 Claudia Jeschke, Nicole Haitzinger, Schwäne und Feuervögel. Die Ballets Russes 1909–1929. Russische Bildwelten in Bewegung (mit Beiträgen von Ann-Hutchinson Guest, Evgenia Iljuchina, Gunhild Oberzaucher-Schüler, Andrea Amort, Andreas Wehrmeyer und Petra Kraus), herausgegeben vom Deutschen Theatermuseum (München 2009), S. 31.

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Einführung

zurückzuführen sind und den Theaterkritiker Henri Ghéon bereits 1910 die Frage nach der Authentizität9 dieses Kostüms stellen ließen.10 Nachdem Der Feuervogel zehn Jahre lang regelmäßig aufgeführt worden war, letztmalig 1921 in London, waren zwar die Kostüme noch präsentabel, aber die Kulissen von Golovin in einem farblosen, schäbigen Zustand, weswegen es höchste Zeit sei, sie auszuwechseln, schrieb damals die Berliner russische Theater- und Bühnenzeitschrift Teatr i žizn [Theater und Leben]:11 »Dagegen wirken die Kostüme des Prinzen und des Feuervogels von L. S. Bakst erfrischend und nett. Gut geraten ist der weiße Fleck – eine Menge junger Frauen in Weiß. Doch vor dieser Kulisse verblasst die zauberhaft schöne Komposition.«12 Diaghilev entschloss sich daher zu einer Neuinszenierung und beauftragte nun Natalja Gončarova  – Bakst war 1924 gestorben – mit den Kostüm- und Bühnenbildentwürfen. Doch die Vorbereitungen zogen sich hin, und so sollte es erst 1926 zur Wiederaufführung kommen.13 In jene Phase, da Der Feuervogel als Ballett nicht aufgeführt wurde, fällt die Publikation der gleichnamigen russischen Zeitschrift, die unter der Redaktion von Ale­ xander Eduardovič Kogan mit dem Titel Žar ptica [Der Feuervogel] von 1921 bis 1926 in Berlin erschien. Diese Zeitschrift gilt als Meisterwerk russischer Buchdruckkunst, deren aufwändige Reproduktionen der Schöpfungen russischer Künstler bis heute ebenso wenig übertroffen sind wie die Aufführungen von Diaghilevs Ballets Russes.14 Von der Zeitschrift Žar ptica soll in diesem Band hauptsächlich die Rede sein, wenn auch ihr Erscheinen, wie sich zeigen wird, weder von den spektakulären Produktionen der Ballets Russes noch von der legendären Figur des Feuervogels aus dem russischen Volksmärchen zu trennen ist. 9

Siehe hierzu: Philippe de Lustrac (avec la collaboration de Sylvie Dancre), ›Exotisme et nationalisme. Les Ballets russes et le Siam‹, in: Mathias Auclair et Pierre Vidal assistés de Jean-Michael Vinciguerra (Hg.), Les Ballets Russes, (Katalog der Ausstellung), Bibliothèque-musée de L’Opéra, Paris (24. November 2009 bis 23. Mai 2010) S. 65–81; Etsuo Yamamoto, D. P. Sharma, Garuda in Asian Art (Dehli 2008), S. 102–113. Richard Taruskin, Stravinsky and the Russian Tradition. A Biography of the Works Through Mavra. Volume I (Oxford 1996), S. 555–574; Elena Chernevich, Mikhail Anikst, Russian Graphic Design, 1880–1917 (compiled by Mikhail Anikst and Nina Baburina) (London 1990), S. 65–74; Nicoletta Misler, ›Ex Oriente Lux: Siamese Dancing and the Ballets Russes‹, Annali dell’Istituto Universitario Orientalis, 1986, S. 197–235. 10 Henri Ghéon, ›Propos divers sur le ballet russe‹, La Nouvelle Revue Française, Nr. 20, August 1910, 199–212. 11 G. K. Lukomskij, ›Russkij Balet Djagileva‹: »Šut«, »Žar-ptica« »Flamenco«, Teatr i žizn, Nr. 8, März 1922, S. 5. 12 Ibid. 13 Boris Kochno, Diaghilev and the Ballets Russes (New York 1979), S. 55. 14 H. Halbreich, ›L’Oiseau de feu‹, Textes et Documents pour la classe (Themenheft zu: Igor Stravinsky et les Ballets Russes), Nr. 282 vom 15. Mai 1982, S. 7.

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Einführung

Die geistige und politische Situation der Russen, die sich zu Beginn der 1920er-Jahre in Berlin aufhielten und die Stadt zum ersten Zentrum der Russischen Emigration werden ließen, ist von der Forschung immer wieder thematisiert worden, sodass diese Kulturlandschaft inzwischen recht gut erschlossen ist.15 Allerdings findet die Zeitschrift Žar ptica darin nur marginale Erwähnung, weswegen sich einige Auffassungen etabliert haben, die der Klärung bedürfen. Überprüfungsbedürftig erscheint beispielsweise die Auffassung, Žar ptica sei eine Zeitschrift der Russischen Emigration16 gewesen; ebenso die These, dass es sich dabei um eine Zeitschrift der Berliner russischen Kolonie gehandelt habe, in der die Kunst des vorrevolutionären und des sowjetischen Russlands nebeneinander publiziert worden sei.17 In der Forschungsliteratur immer wieder gepriesen als Meisterwerk russischer Buchkunst, einzigartig in ihrer Perfektion18 und Eleganz,19 sind weder ihre Inhalte und Akteure noch die Hintergründe der Zeitschrift bisher erforscht worden. Dabei reicht das Echo von Žar ptica bis in die Gegenwart. Wie eindrucksvoll seine erste Begegnung mit der Zeitschrift in Paris – am rechten Seine-Ufer war, schilderte unlängst John Freedman in der Moscow Times: »[…] Never have I seen anything anywhere to compare with those extraordinary, elongated green boxes propped on the walls over the Seine and absolutely jam-packed with the treasures of the published world. Everything from used books and rare comics to old prints and out-of-date maps. If it’s been printed, you just might find it here. 15

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Gleb Struve, ›The Double Life of Russian Literature‹, in: Books Abroad, Vol. 28, 1954, Nr. 4, S. 389– 406; ders., Russkaja Literatura v Izgnanii. Kratkij biografičeskij slovar russkogo zarubežja (New York, 1956); ders., ›Russian Writers in Exile: Problems of an Émigré Literature‹, in: W. P. Friederich (Hg.), Comparative Literature, Proceedings of the ICLA Congress in Chapel Hill (North Carolina, 1959); Elias Hurwicz, ›Die russische Emigration in Berlin‹. Hochland Jg. 58 (1965/1966) S.  513–518; Robert C. Williams, Culture in Exile. Russian Émigrés in Germany, 1881–1941 (Ithaca, London 1972); L. Fleishman, R. Hughes, O. Raevskaja-Hughes, Russkij Berlin 1921–1923 (po materialam archiva B. I. Nikolaevskogo v Guverovskom institute) (Paris 1983); Gottfried Kratz, Thomas R. Beyer, Xenia Werner, Russische Autoren und Verlage in Berlin nach dem Ersten Weltkrieg (Berlin 1987); Marc Raeff, Russia Abroad. A Cultural History of the Russian Emigration 1919–1939 (Oxford 1990); Fritz Mierau (Hg.), Russen in Berlin. Literatur Malerei Theater Film 1918–1933 (Leipzig 1990); Michail Parchomovsky (Hg.), Evrei v kulture russkogo zarubežja. Sbornik statej, publikacij, memuarov i esse, 1919–1939 (Jerusalem 1992); Bronislava Kodzis, Literaturnye Centry Russkogo Zarubežja, 1918–1939. Pisateli. Tvorčeskie Obedinenija. Periodika. Knigopečatanie (München 2002); Karl Schlögel, Berlin Ostbahnhof Europas. Russen und Deutsche in ihrem Jahrhundert (Berlin 1998). John E. Bowlt, ›Zhar-Ptitsa. No. 1, 1921‹, Slavic Review, Vol. 43, 1984, Nr. 1, S. 159–160. Williams, 1972, S. 308. I. D. Levitan, ›Russkie izdatelstva v 20-ch g.g. v Berline‹, in: Ja. G. Frumkin, G. Ja. Aronson, and A. A. Goldenweiser (Hg.), Kniga o Russkom Evrejstve 1917–1967 (New York 1968), S. 449. Kodzis, 2002, S. 82–83.

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Einführung

And never will I forget a find I made there 23 years ago. Of all the inanimate objects that have entered my life unexpectedly, this one, obtained on the quai de Gesvres on the rive droite one fall day in 1986, is probably the nearest and dearest to me. It was a lovely Saturday in the early afternoon. The sun was sparkling and a pleasantly warm/cool breeze was wafting eastward along the northern fork of the Seine just across from Ile de la Cite. I had no particular place to go that day, and I decided to spend it rifling through old gravures and dusty novels. I was looking forward to a feast of lazy leisure. I believe it was just the second stop of my projected day-long journey when I found myself staring at the spines of two oversized volumes, beautifully bound and embossed in thick red leather. On one I read the words, ›Jar-Ptitza 1‹; on the other, ›Jar-Ptitza 2‹.«20

Doch was verbarg sich tatsächlich hinter dem eleganten Erscheinungsbild dessen, was als »die eindrucksvollste Zeitschrift der Russischen Emigration«21 bezeichnet wurde? Was wollte die Zeitschrift erreichen? Wer stand hinter dieser Publikation? Wer hat sie gelesen? Und nicht zuletzt: Wer waren die Künstler und Sponsoren dieses aufwändigen Zeitschriftenprojekts? Welche Wirkung hatte die Zeitschrift? Im Folgenden soll nun zum ersten Mal der Versuch unternommen werden, d ­ iese Forschungslücke in der Kultur- und Pressegeschichte zu schließen und die Zeitschrift Žar ptica in ihrem Umfeld einzuordnen und zu dokumentieren. Es geht dabei nicht um eine schlichte Auflistung der Beiträge in den einzelnen Ausgaben, sondern vorrangig um eine Kontextualisierung der Zeitschrift, die zum einen durch die Konfrontation mit unveröffentlichtem Archivmaterial erreicht wird, zum anderen durch das Aufzeigen von Parallelen und Querverbindungen zu ähnlichen Zeitschriften, die zeitgleich im Russischen Berlin erschienen und, ebenso wie Žar ptica, neben russischen auch internationale Öffentlichkeiten ansprechen wollten. Es ist daher angebracht, mit einer kurzen Einführung zu beginnen, die das Russische Berlin der 1920er-Jahre mit seiner vielgestaltigen Presse- und Verlagslandschaft als einen besonderen Kommunikationsraum vorstellt (Kapitel 1). Als nächstes s­ tehen die wichtigsten Akteure und Institutionen im unmittelbaren Umfeld von Žar ­ptica zur Diskussion (Kapitel 2). Daran anschließend werden deren geistige Bezüge und Bestimmungen identifiziert sowie Hintergründe und Motivation von Kogans Berliner Verlags- und Zeitschriftenprojekten erläutert (Kapitel 3). Erst dann wendet 20 John Freedman, ›Discovering Russian Art in Paris‹, The Moscow Times (20. Juli 2009), http://www. themoscowtimes.com/article/1289/42/379641.htm. 21 Bowlt, 1984.

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Einführung

sich die Darstellung den Inhalten von Žar ptica zu und stellt sukzessive die insgesamt 14 Hefte im Einzelnen vor (Kapitel 4), um ausgehend davon Vergleiche mit zeitgleich im Russischen Berlin erscheinenden Kunstzeitschriften anzustellen und Gemeinsamkeiten bzw. Unterschiede herauszuarbeiten (Kapitel 5). Dazu gehören N. G. Berežanskijs ephemere Zeitschrift Zlatocvet [Die Chrysantheme] von 1924, die bereits erwähnte Zeitschrift für Bühnenkunst Teatr i žizn [Theater und Leben], die 1921–1923 von Eugen Grünberg und Leri (Pseudonym für Klopotovskij) herausgegeben wurde, sowie die von El Lissitzky und Ilja Ehrenburg 1922 auf Russisch, Deutsch und Französisch publizierte Avantgarde-Zeitschrift Vešč – Gegenstand – Objet. Ein beträchtlicher Anteil der Berliner Russen war jüdischer Herkunft. Infolgedessen etablierte sich zeitgleich ein jiddisches Presse- und Verlagswesen, das hier ­lediglich insofern Beachtung finden soll, als auf Parallelen und Querverbindungen zu Rachel Wischnitzers jiddischer Revue Milgrojm [Der Granatapfel] mit ihrem ­hebräischen Pendant Rimon (1922–1924) hingewiesen wird. Dies erscheint angebracht, da ­Milgrojm/Rimon unter Mitwirkung des Herausgebers von Žar ptica entstand und maßgeblich von dessen gestalterischen Fähigkeiten profitierte. Das letzte Kapitel ist der Rezeption von Žar ptica gewidmet (Kapitel 6). Es zeigt, welche Reaktionen die Zeitschrift bei ihren Lesern auslöste und wie das Werben ihres Herausgebers für die Welt der russischen Kunst letztlich zur Transformation westlicher Lebenswelten beitrug. Die wissenschaftliche Erfassung von Žar ptica versteht sich somit als ein Projekt, dessen Anliegen weit über eine pressegeschichtliche Archäologie hinausreicht. Vielmehr wird Žar ptica vorgestellt als ein Medium, das sich in einem von prosowjetischen Akteuren und Emigranten gleichermaßen in Anspruch genommenen Kommunikationsraum außerhalb Russlands etablierte und mit seinen mehrsprachigen Beilagen zudem internationale Öffentlichkeiten ansprach.

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KAPITEL 1

DAS RUSSISCHE BERLIN ALS EIN AUTONOMER KOMMUNIKATIONSRAUM DARSTELLUNG UND METHODE »Stiefmutter der russischen Städte«22 nannte Vladislav Chodassevič jenes Berlin, das zu Beginn der 1920er-Jahre das Zentrum der russischen Kultur war. 1922–1923 lebten hier fast eine halbe Million Russen,23 darunter jene, die auf den Sturz der Sowjetmacht warteten, aber auch prosowjetische Intellektuelle, die sich zu Studien­ zwecken in Berlin aufhielten. Die Anziehungskraft der deutschen Hauptstadt speis­ te sich nicht nur aus der geografischen Nähe zum russischen Mutterland, sondern auch aus den bereits existierenden Verbindungen zwischen russischen Intellektuellen und deutschen Bildungsbürgern sowie zwischen neuen sowjetischen Eliten und Vertretern der deutschen Arbeiterbewegung. So entspann sich im Berlin dieser Zeit ein lebhaftes russisches intellektuelles Leben, zu dessen Schauplätzen nicht nur die literarischen Cafés gehörten, diskursive Orte24, an denen sich Schriftsteller und Künstler trafen, um ihre Ideen zu diskutieren, sondern auch ein pulsierendes Presse- und Verlagswesen, das ihnen half, ihre Manifeste zu formulieren und zu verkünden. Ausschlaggebend für die lebhafte Tätigkeit der russischen Verlage waren wirtschaftliche und politische Faktoren. Verleger, die im Besitz von Devisen waren, profitierten in zweifacher Hinsicht: Zum einen vom Verlagsgeschäft, das sich angesichts der Inflation in Deutschland als eine lukrative Geldanlage erwies, andererseits von den in Russland herrschenden Notständen, denn dort wurden vorrangig politische und propagandistische Schriften gedruckt, während die Publikation von Belletris­ tik hintangestellt bzw. ins Ausland verlagert wurde, allerdings mit der Absicht, die Bücher später wieder nach Russland einzuführen. Damit erschlossen sich für die Berliner russischen Verleger innerhalb kürzester Zeit zwei enorme Absatzmärkte, die freilich viele übereilte Verlagsgründungen ohne koordinierte Verlagspolitik nach sich zogen. Die daraus resultierende Buchschwemme und willkürliche Auswahl von

22 Vladislav Chodassevič, Sobranie sočinenij v dvuch tomach (Paris 1982/1983) Bd. 2, S. 23, zitiert in: Thomas Urban, Vladimir Nabokov. Blaue Abende in Berlin (Berlin 1999), S. 15. 23 Williams, 1972, S. 111. 24 Ibid., S. 131.

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Das Russische Berlin als ein autonomer Kommunikationsraum

­ iteln konnte zunächst noch von dem akuten Bedarf an Büchern – in Russland inT folge der Alphabetisierungskampagnen, im russischen Ausland aufgrund der ständig zunehmenden Anzahl von russischen Emigranten – aufgefangen werden. Doch als sich 1924 der Schwerpunkt der Russischen Emigration von Berlin nach Paris verlagerte und die günstigen wirtschaftlichen Bedingungen durch das Ende der Inflation nicht länger vorhanden waren, gingen die Umsätze rasch zurück. Der Emigrantenmarkt schien vorerst gesättigt, und der Absatz auf dem sowjetischen Markt verzögerte sich durch die fortan von der neu etablierten Behörde Glavlit25 einzuholenden Genehmigungen und kam schließlich ganz und gar zum Erliegen.26 Dies erklärt die kurze Existenz der vielen russischen Verlage und Zeitschriften in Berlin, die zunächst wie Pilze aus dem Boden schossen, doch nach nur wenigen Jahren ebenso schnell wieder von der Bildfläche verschwanden. 1922 gab es in Berlin etwa 150 russische Zeitschriften, Zeitungen und Almanache,27 von denen 39 regelmäßig erschienen,28 sowie 48 russische Verlage,29 deren Anzahl bis Juni 1924 auf 86 stieg, sich also fast verdoppelte.30 Dazu gehörten prosowjetische Verlagsunternehmen und Emigrantenverlage, die zum Teil von deutschen Verlegern mitfinanziert wurden. Beispielsweise unterstützte Ullstein den von Ja. N. Bloch und A. S. Kagan gegründeten Emigrantenverlag Slovo [Das Wort], während das Verlagshaus Mosse den Verlag Znanija [Wissen] von S. Ja. Škljaver mitfinanzierte.31 Sechzehn russische Verleger schlossen sich am 27. April 1922 im Verein Russischer Verleger und Buchhändler in Deutschland zusammen.32 Darüber hinaus hatten sich zahlreiche andere Vereine und Komitees gebildet. Dutzende von Verbänden vertraten in Berlin die russischen Ärzte, Journalisten, Schriftsteller, Lehrer, Juristen, Makler, Vermieter, Bankiers, Kaufleute und Künstler.33

25 Akronym für Glavnoje upravlenie po delam literatury  – sowjetische Hauptabteilung zur Bear­ beitung von Angelegenheiten die Literatur betreffend. 26 Alexander Kagan, ›Russkaja Kniga Zagranicej‹, Russkaja Kniga Zagranicej, Nr.  1, 1924 (Berlin, ­Izdatelstvo ›Moskva‹), S. 3–5. 27 Claudia Scandura, ›Das »Russische Berlin« 1921–1924. Die Verlage‹, Zeitschrift für Slawistik, Jg. 32, 1987, Nr. 5, S. 754–762. 28 Urban, 1999, S. 20. 29 Kodzis, 2002, S. 77. 30 Scandura, 1987. 31 Vladas Stanka, ›V. S. Vojtinskij‹, Novyj žurnal, Nr. 61, 1960, S. 237–251. 32 ›Sojuz russkich knigoizdatelej i knigotorgovcev v Germanii‹, Novaja Russkaja Kniga, Nr.  5 (Mai 1922), S. 24–25. 33 Urban, 1999, S. 16.

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Darstellung und Methode

Das Einzugsgebiet der Berliner Russen erstreckte sich vom Halleschen Tor über Schöneberg, Charlottenburg bis hin zum Prager Platz nach Wilmersdorf 34 und verdichtete sich noch einmal zwischen Kantstraße, Nollendorfplatz, Prager Platz und Bayerischem Platz.35 Hier bildeten »die Russen kompakte Kolonien mit einem Kulturkoeffizienten, der den kulturellen Durchschnitt der notwendigerweise verdünnteren ausländischen Bevölkerungen, in die es sie verschlagen hatte, bei weitem übertraf«, schreibt Vladimir Nabokov im Berlin-Kapitel seiner Autobiografie.36 Mit dieser topografischen und zeitlichen Dichte entsprach das Russische Berlin einem autonomen Kommunikationsraum mit ausgeprägten gegenseitigen Bezügen, dessen Komplexität dafür spricht, dass es sich dabei um ein eigenständiges »Feld der kulturellen Produktion« im Sinne des französischen Soziologen Pierre Bourdieu37 handelt. Verstehbar wird ein solcher Raum durch das Aufzeigen spezieller Akteure innerhalb ihrer Tätigkeitsfelder und Diskurse. Dazu gehören nicht nur ihre geistigen Bezüge und Bestimmungen, sondern auch ihre Positionierungen und Rollenzuweisungen im Aktionsfeld sowie ihre Beeinflussung durch interne Selektions- und Konsekrationsmechanismen. (Welche Produkte konnten sich im Feld erhalten und welche blieben ephemer?) Dazu zählen des Weiteren die zwischen den unterschiedlichen Parteien ausgetragenen Kontroversen, die abhängig waren vom Stand der externen Kämpfe und der Verstärkung, die sie von außen bekommen konnten, also beispielsweise von der Unterstützung der Verlags- und Zeitschriftenprojekte durch etablierte deutsche Verleger, Druckereien, Papierlieferanten, emigrierte Künstler und Kunstkritiker in Paris, sowjetische Eliten in Moskau und Öffentlichkeiten in Westeuropa und Amerika. Eine klare Linie zwischen prosowjetischen und Emigrantenunternehmen war dabei nicht zu ziehen. Vielmehr entwickelte sich in den Jahren nach 1921 eine Art Arbeitsteilung, die vor allem, was die russische Buchproduktion betraf, auf die Kooperation zwischen sowjetischen Institutionen und russischen Emigranten angewiesen war. Denn seit dem Frühjahr 1921 sah sich das sowjetische Russland aufgrund fehlender Ressourcen wie Papier, Heizmaterial, ausgebildeten Facharbeitern und völlig

34 Silke Waber, ›Das Russische Wilmersdorf in den Zwanziger Jahren‹, in: Brigitte Mihic [sic] (Hg.), Fremd in Berlin. Das »russische Wilmersdorf« in den 20er-Jahren (Schriften des Wilmersdorf-Museums, Heft 10 (Berlin 1993), S. 4. 35 Schlögel, 1998, S. 102. 36 Vladimir Nabokov, Erinnerung sprich. Wiedersehen mit einer Autobiographie (Reinbek bei Hamburg 1999), S. 377. 37 Pierre Bourdieu, The Field of Cultural Production. Essays on Art and Literature, edited and introduced by Randal Johnson (Cambridge 1993); ders., ›Für eine Wissenschaft von kulturellen Werken‹, in: ders. (Hg.), Praktische Vernunft. Zur Theorie des Handelns (Frankfurt/M. 1998), S. 54–90.

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Das Russische Berlin als ein autonomer Kommunikationsraum

veralteter Druckereien gezwungen, seine Buchproduktion ins Ausland zu verlagern und entweder bei den russischen Emigrantenverlagen drucken zu lassen oder im Ausland eigene Verlagsunternehmen ins Leben zu rufen.38 Typisch für das Russische Berlin war demnach nicht nur der Dialog zwischen erklärten und vorübergehenden Emigranten, zwischen daheimgebliebenen und emigrierten Russen, sondern auch zwischen der institutionellen Zugehörigkeit im jungen Sowjetstaat und dem kreativen Schaffen in der Emigration. Dieser Dialog zwischen ›Russland in Russland‹ und ›Russland in Berlin‹39 äußerte sich in vielfältigen Erscheinungsformen einer häufig unerwarteten Symbiose zwischen literarischen und gesellschaftlichen Kräften sowie zwischen russischen und deutschen Protagonis­ ten, deren gemeinsames Engagement trotz der teilweise gravierenden ideologischen Diskrepanzen zu einzigartigen Höhepunkten in ihrem literarischen und künstlerischen Schaffen führte. Es ist diese Vorläufigkeit und kaleidoskopische Vielfalt, die das Russische Berlin von den nachfolgenden Zentren der Russischen Emigration unterscheidet.40 Zum bestimmenden Charakteristikum des Russischen Berlin wurde damit nicht allein die Tatsache, dass die Stadt von November 1921 bis Oktober 1923 zum Epizentrum des kulturellen Kapitals in der russischsprachigen Welt41 wurde, sondern auch die zu Beginn der 1920er-Jahre noch existierende Vernetzung zwischen dem, was sich im Laufe der folgenden Jahre und Jahrzehnte in zwei Subsysteme der russischen Kulturproduktion teilen sollte:42 das Subsystem der Metropole in der Sowjetunion und das der russischen Diaspora im Ausland.43 Die Blütezeit dieses Berliner russischen literarischen und künstlerischen Schaffens war zum Teil auf die Eliminierung von ideologischen Schattierungen im intellektuellen Leben des neuen Russlands zurückzuführen, zum Teil auf die Attraktivität der deutschen Hauptstadt für russische Publizisten und Künstler, die nun aus ihrer jahrelangen Isolation heraustreten konnten, um von hier aus ihre Manifeste zu verkünden. 38 Susanne Marten-Finnis, »Outsourcing Culture: Soviet and Émigré Publishing in Berlin, and A. E. Kogan’s Illustrated Magazine ›Zhar-ptitsa‹, 1921–26«, in: Susanne Marten-Finnis, Markus Winkler, Presse und Stadt. Zusammenhänge – Diskurse – Thesen (Bremen 2009), S. 61–86. 39 Andrej Belyj, »O ›Rossii v Rossii‹ i o ›Rossii v Berline‹«, Beseda (Berlin), Nr. 1 (1923), S. 211–236. 40 Fleishman et al., 1983, S. 2. 41 Gleb Struve, Russkaja literatura v izgnanii (New York 1956), S. 24. 42 Gleb Struwe, ›The Double Life of Russian Literature‹, in: Books Abroad, Vol. 28, 1954, Nr.  4, S. 389–406. 43 F. Boldt, D. Segal, L. Fleishman, ›Problemy izučenija literatury russkoj emigracii pervoj treti XX veka. Tesisy‹ [Ästhetische and kulturelle Probleme bei der Erforschung der Russischen Emigrationsliteratur im ersten Drittel des 20. Jahrhunderts], Slavica Hierosolymitana (Slavic Studies of the Hebrew University), Vol. 3, 1978, S. 75–88.

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Zentrum und Peripherie

So prägte die kulturellen Produkte des Russischen Berlins ein geballtes Spektrum an widersprüchlichen politischen Meinungen und Orientierungen, wie sie weder das gesellschaftliche Leben in der Sowjetunion noch das moderne westliche Bewusstsein kannte.44 Der schier unaufhörliche Zustrom von Migranten und Ideologien machte es zu einem Ort des intensiven Austausches, dessen Dynamik nicht vergleichbar war mit den geschlossenen Systemen der späteren Emigrantengesellschaften, wie sie typisch waren für das Russische Paris oder das Russische Prag. ZENTRUM UND PERIPHERIE Die kulturelle Produktion in der Emigration lässt sich mithilfe einer Gegenüberstellung von Parametern wie ›Hochkultur – Populärkultur‹, ›Kontaktfähigkeit – Kontaktunfähigkeit‹, ›Kontinuität der Tradition – Bruch mit der Tradition‹ oder ›Zentrum – Peripherie‹ erfassen.45 Bei Inanspruchnahme der Dichotomie des Parameters ›Zentrum – Peripherie‹ muss allerdings berücksichtigt werden, dass sich das ›Zentrum‹ nach außerhalb der Metropole verschoben hatte und sich nun auf das kreative Schaffen in der Emigration bezog, war doch Berlin damals das Verlags- und Kunstzentrum Russlands, denn hier hatten sich die wichtigsten literarischen und künstlerischen Kräfte der vorrevolutionären Epoche außerhalb der Grenzen Russlands versammelt.46 Ihr Schaffen repräsentierte insofern eine internationale russische Kultur47, als es aus den gemeinsamen Kommunikationsakten von prosowjetischen und emigrierten Akteuren schöpfte, deren Interaktion es voraussetzte und deren Produkte es transzendierte. Die Voraussetzung dafür schuf zum einen die Übergangszone zwischen ­vorläufiger und endgültiger Emigration, zwischen den vom sowjetischen Regime genehmigten und den halb legalen Berlinaufenthalten von abwartenden Emigranten, die sich noch nicht endgültig entschieden hatten, zum anderen das Fehlen einer koordinierten ­sowjetischen Kulturpolitik im Ausland.48 Denn bis Mitte der 1920er-Jahre liefen die Bestrebungen der sowjetischen Kulturpropaganda lediglich darauf hinaus, den durch Emigrantenkreise im Ausland verbreiteten Darstellungen eines Barbaren­regimes und des völligen Unterganges der sowjetischen Kultur entgegenzuwirken.49 44 Ibid. 45 Boldt et al., 1978, S. 75–88. 46 Ibid. 47 Marten-Finnis, 2009. 48 Edgar Lersch, Die auswärtige Kulturpolitik der Sowjetunion in ihren Auswirkungen auf Deutschland 1921–1929 (Frankfurt am Main, Bern, Las Vegas 1979), S. 61. 49 Olga Kameneva, ›Obedinennoe bjuro informacii‹, Nowyj wostok, Nr. 7, 1925, S. 294–301; dies., Dva goda kulturnogo zbliženija zagranicej (Moskva 1925), S. 67.

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Das Russische Berlin als ein autonomer Kommunikationsraum

Weiter gehende Konzepte, die über diesen defensiven Ansatz hinausreichten, existierten nicht, abgesehen von den vagen Vorschlägen des sowjetischen Kommissars für Volksbildung Anatoli Lunačarskij, nach dessen Ansicht sich Kontakte zu Vertretern des deutschen Kultur- und Geisteslebens durchaus herstellen ließen, solange aktuelle politische Diskussionen aus dem Kulturdialog ausgeblendet blieben.50 Das sowjetische Russland, so Lunačarskij, könne nur lernen von den westlichen Ansätzen zur proletarischen Kulturarbeit.51 Vor diesem Hintergrund ist unter anderem die Erste Russische Kunstausstellung zu sehen, die das sowjetische Volkskommissariat für Bildungswesen und Kunsterziehung Narkompros 52 1922 gemeinsam mit dem Auslandskomitee zur Organisation der Arbeiterhilfe für die Hungernden in Russland 53 und der Berliner Van Diemen Galerie 54 veranstaltete. Charakteristisch für diese Übergangsphase war beispielsweise, dass die Ausstellung unter sowjetischer Schirmherrschaft55 stattfand und neben einigen avantgardistischen Werken Bilder von Chagall, Kandinsky und Gabo enthielt, die sich zwar in Berlin als Emigranten aufhielten, deren Werk dem Berliner Publikum jedoch im Rahmen der Ausstellung als sowjetische Kunst vorgestellt wurde. Ebenso typisch wie spektakulär waren in der beschriebenen Übergangszone die Arbeiten von El Lissitzky, der sich seit 1921 als sowjetischer Kunstbotschafter in Deutschland aufhielt, gleichzeitig für zahlreiche konstruktivistisch orientierte Kunstzeitschriften in Westeuropa schrieb und zusammen mit Ilja Ehrenburg die Zeitschrift Vešč – Gegenstand – Objet herausgab, ein Medium, das die konstruktivistische Idee sowjetrussischer Prägung aus ihrem ideologischen Kontext heraustreten ließ und – wenn auch für nur kurze Zeit – ihren Herausgebern ein Forum bot, ihre Visionen im Austausch mit Vertretern westlicher Avantgarde-Strömungen weiterzuentwickeln.56 Allerdings wurde Vešč in den herrschenden Kreisen des neuen Russlands nicht als ein lohnender Beitrag zur sowjetischen Kulturpolitik im Ausland verstanden.57 50 Lersch, 1979, S. 64. 51 A. V. Lunačarskij, ›Peredovoj otriad kultury na zapade‹, Chudožestvennaja žizn (Moskva), Nr. 4–5, 1920. 52 Akronym für Narodnyj kommissariat prosveščenija  – Volkskommissariat (Ministerium) für Bildungswesen, das sich auch für Kunsterziehung zuständig sah. 53 David Sterenberg, Erste Russische Kunstausstellung, Galerie Van Diemen & Co. Gemälde Neuer Meister (Berlin 1922), S. 2. 54 Naum Gabo, ›The 1922 Soviet Exhibition‹, Studio International, Vol. 182, Nr. 938 (November 1971), S. 171. Siehe auch: Andrej Nakov, The First Russian Show. A Commemoration of the Van Diemen Exhibition Berlin 1922 (Paris 1983). 55 Anatoli Lunačarskij, ›Russkaja vystavka v Berline‹, in: A. V. Lunačarskij (Hg.), Iskusstvo i Revoljucija. Sbornik statej (Moskva 1924), S. 176–183. 56 Susanne Marten-Finnis, Igor Duchan, ›Transnationale Öffentlichkeit im Russischen Berlin. Die Avantgarde-Zeitschrift Vešč – Gegenstand – Objet, Osteuropa, Jg. 58, 2008, Nr. 3, S. 37–48. 57 B. Arvatov, ›Vešč. Berlin, Nr. 1, 2 i 3 str. 56, 1922 g.‹, ›Pečat i Revoljucija. Žurnal literatury, iskusstva, kritiki i bibliografii pod redakciej A. V. Lunačarskogo‹, Kn. 7, (Moskva 1922), S. 341–342.

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Zentrum und Peripherie

Stärker noch als der Kunstsektor verstand es das russische Verlagswesen, diese Grauzone für sich zu nutzen. Zuweilen geschah dies sogar auf ausdrücklichen Wunsch der sowjetischen Behörden, denn vor allem bei der Produktion von Schulbüchern und schöngeistiger Literatur war der junge Sowjetstaat aufgrund seiner knappen Ressourcen auf die Unterstützung durch russische Emigrantenverlage und deutsche Verlagsunternehmen angewiesen. Dabei lief die Kontaktaufnahme zu deren Vertretern nicht über die Delegierten der staatlichen sowjetischen Institutionen, sondern vorzugsweise über die Inhaber der damals noch in Sowjetrussland bestehenden privaten Kooperative.58 Als Beispiel angeführt sei dafür die Entsendung von Zinovi Isaevič Grzhebin nach Berlin, wo er russische Verlage und deutsche Druckereien zur Zusammenarbeit mit sowjetischen Institutionen bewegen sollte.59 Zu den Schlüsselfiguren dieses Plans gehörte Maxim Gorki, der Grzhebin bereits aus einer Reihe von gemeinsamen Zeitschriften- und Verlagsprojekten kannte.60 Nach Ansicht von Gorki würden die Eigentümer von ausländischen und von Emigranten betriebenen Verlagen eher bereit sein, mit einem Vertreter der privaten Kooperative als mit einem Repräsentanten des sowjetischen Staatsverlages zu verhandeln.61 Ziel solcher Verhandlungen war die Herstellung von Verlagsprodukten, die in erster Linie für das sowjetische Bildungswesen bestimmt waren. Da Grzhebins Verlagsprogramm russische Klassiker und Gegenwartsliteratur, Märchen, populärwissenschaftliche Schriften und Atlanten umfasste, die zudem die aktuellen Grenzziehungen sowie die neue russische Orthografie berücksichtigten,62 gehörte er zu den Ersten, die ihre Verlagstätigkeit 1921 nach Berlin auslagern konnten, um von hier aus den sowjetischen Markt zu bedienen.63 Seine Bücher ließ er in der Spamerschen Verlagsdruckerei Leipzig drucken, von wo aus sie direkt und ausschließlich nach Sowjetrussland versandt wurden. Dieses Arrangement blieb kein Einzelfall. Wie bereits angedeutet, sollte es schon bald zu den typischen Erscheinungen der Arbeitsteilung jener Tage gehören, dass ­sowjetische Institutionen entweder in den Verlagen russischer Emigranten ­drucken ­ließen, deutsche Druckeinrichtungen in Anspruch nahmen oder im Ausland eigene Verlage ins Leben riefen. Letzteres galt für den Verlag Russkoe Iskusstvo [Russische Kunst], den der Žar ptica-Herausgeber A. E. Kogan 1921 als Berliner Dependance von Maxim Gorkis Petrograder Verlagshaus Vsemirnaja Literatura [Weltliteratur] gründete. 58 Leonid Juniberg, ›Evrei-izdateli i knigotorgovcy russkogo zarubežja‹, in: Parchomovsky, 1992, S. 129–141. 59 O. D. Golubeva, Gorkij-izdatel (Moskva 1968), S. 117. 60 Ibid. 62. 61 Ibid. 117. 62 ›Chronika i raznye zametki‹, Russkaja Kniga, Nr. 1 (Januar 1921), S. 9. 63 Leonid Juniberg, ›Zinovii Grjebin [sic] i Maksim Gorkij‹, in: Parchomovsky, 1992, S. 142–169.

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KAPITEL 2

AKTEURE UND INSTITUTIONEN A. E. KOGAN UND »DER FEUERVOGEL« ALS ZEITSCHRIFTENPROJEKT Was wäre das Russische Berlin ohne die schillernde Persönlichkeit von Alexander Eduardovič Kogan gewesen? Kogan (1876–1949)64 war im Frühjahr 1921 aus Petrograd in die deutsche Hauptstadt gekommen, wo er nicht nur als äußerst liebenswürdiger Mensch65 in Erinnerung blieb, sondern vor allem als tüchtiger Geschäftsmann und Experte für Grafik und Buchkunst, dessen Fähigkeiten russische wie deutsche Verleger zu schätzen wussten,66 was ihm damals einen starken Einfluss im Berliner Druckereigewerbe und Verlagswesen verschaffte.67 Denn Kogan war nicht nur Inhaber des Verlages Russkoe Iskusstvo und Herausgeber von Žar ptica. Er beriet darüber hinaus die Redaktionen einer Reihe von deutschen Zeitschriften,68 war in verschiedenen Gremien verlegerischer Unternehmensführung vertreten, unter anderem im Aufsichtsrat der SandersVerlagsgruppe, und unterstützte Verleger und Organisationen aus dem Ausland, die sich in Berlin niederlassen wollten, mit seinem Büro für Technische Zusammenarbeit.69 Dieses Büro hatte Kogan im August 1921 gegründet. Es diente als erste Anlaufadresse für ausländische Verleger, half ihnen bei der Bewältigung der technischen, bürokratischen und sprachlichen Hürden, die häufig bei Verlagsneugründungen und Eröffnungen von Filialen in Deutschland entstanden, und organisierte, dass Unternehmer gegen Devisen die Druckeinrichtungen seines eigenen Verlagshauses Russkoe Iskusstvo nutzen konnten.70

64 Rossijskaja Gosudarstvennaja Biblioteka, Otdel Literatury Russkogo Zarubežja: Nezabitye Mogily, Nekrologi (1917–1997) v šesti tomach, sostavlen V. N. Čuvakovym, tom 3 [I-K], (Moskva 2001), S. 353. 65 Josif Vladimirovič Gessen, Archiv Russkoj Revoljucii, 12. Ed. (Berlin 1937), S. 333–334. 66 Nikolaj Evrejnov, ›Chudožnik pečatnogo dela (Aleksander Eduardovič Kogan)‹, Russkaja mysl ­(Paris), Nr. 118 vom 11. März 1949, S. 5. 67 I. D. Levitan, ›Russkie izdatelstva v 20-ch g.g. v Berline‹, in: Ja. G. Frumkin et al., 1968, S. 449. 68 Evreijnov, 1949. 69 ›Chronika Izdatelsva ›Russkoe Iskusstvo‹‹, Žar ptica, Nr. 1 (August 1921) S. 41–42. 70 Ibid.

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Akteure und Institutionen

Der Verlag Russkoe Iskusstvo bestand seit April 1921 mit Niederlassungen in Berlin und Paris,71 um von hier aus Leser im Ausland mit ausgewählten Schätzen der russischen Kunst bekannt zu machen.72 Erklärtermaßen gehörten dazu Werke aus Malerei, Grafik und Bildhauerei ebenso Texte und Illustrationen zu Theater- und Ballettaufführungen sowie Folklore und Industriedesign.73 Mit demselben Anspruch brachte Kogan kurze Zeit später die beiden Zeitschriften Žar ptica und Russkoe Iskusstvo auf den Markt, erstere im August, letztere im Oktober 1921. Russkoe Iskusstvo erschien in vier Parallelausgaben auf Russisch, Deutsch, Englisch und Französisch. Verlagsort der russischen und deutschen Ausgaben (Russkoe Iskusstvo und Die Russische Kunst) war Berlin; die französischen und englischen Ausgaben (L’Art Russe und Russian Art) verantwortete in Paris der russische Künstler und Kunstkritiker Georgij K. Lukomskij.74 Sowohl Žar ptica als auch Russkoe Iskusstvo folgten dem ästhetischen Programm von Mir Iskusstva.75 Sie zelebrierten das Werk von Künstlern, die dieser Gruppe angehörten, und blieben auch nach deren Emigration ein Anlaufpunkt für russische neonationalistische und symbolistische Aspirationen.76 Beide Zeitschriften waren retrogressiv und vermieden es, auf aktuelle Diskussionen über Kunst und Fragestellungen theoretischer Natur einzugehen. Lukomskij, der als Mitherausgeber von Žar ptica zeichnete, hielt sich seit Juni 1920 in Paris auf,77 wo er zunächst als Hauptorganisator der großen Mir Iskusstva71 Ibid. 72 Ibid. 73 ›Ot redakcii‹, Russkoe Iskusstvo. Chudožestvennyj žurnal, Nr. 1 (Oktober 1923), S. 4–5; siehe auch Inhaltsverzeichnis, S. 3. 74 ›Chronika Izdatelstva »Russkoe Iskusstvo«‹, Žar ptica, Nr. 1 (August 1921), S. 41. 75 Welt der Kunst: Gruppe um Alexandre Benois, Konstantin Somov, Dmitri Filosofov, Léon Bakst, Sergej Diaghilev und Eugene Lansere, die 1898 ins Leben gerufen wurde. Zusammen mit Filosofov, später auch Bakst und Diaghilev, gab Benois ab 1899 die Zeitschrift Mir Iskusstva heraus (1899–1904; Chefredakteur war Diaghilev), die wesentlich dazu beitrug, westliche Künstler in Russland bekannt zu machen. Darüber hinaus organisierte die Mir Iskusstva-Gruppe (miriskusniki) Ausstellungen im großen Stil, um die Werke der neuen russischen Künstlergeneration in Westeuropa vorzustellen. Ab 1909 arbeiteten einige Mitglieder der Gruppe, darunter Bakst, Benois und Dobužinskij, für Diaghilevs Ballets Russes in Paris. Siehe hierzu: André Warnod, ›Les peintres et les Ballets Russes‹, Revue Musicale, Sonderausgabe, Dezember 1930, S. 78–89; Janet Kennedy, The Mir Iskusstva Group and Russian Art 1898–1912 (New York, London 1977); John E. Bowlt, ›Stage Design and the Ballets Russes‹, Journal of Decorative and Propaganda Arts, Vol. 5, 1987, S. 28–45; Dmitri V. Sarabianov, Istorija russkogo iskusstva konca XIX-ogo-načala XX-ogo veka (Moskva 1993), S.  62–119; Anna Winestein, ›Quiet Revolutionaries: The »›Mir Iskusstva‹ Movement and Russian Design«, Journal of Design History, Vol. 21, Nr. 4, 2008, S. 315–333. 76 Taruskin, 1996, S. 557. 77 G. K. Loukomsky [sic]., Sa vie et son œvre de peintre et d’historien d’art. Ouvrage orné de 12

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A. E. Kogan und »Der Feuervogel« als Zeitschriftenprojekt

Ausstellung von 1921 auftrat,78 um in den darauffolgenden Monaten zusammen mit russischen und französischen Kunstkritikern und Sachverständigen die mehrsprachigen Ausgaben von Žar ptica und Russkoe Iskusstvo vorzubereiten. Dies war keine leichte Aufgabe, wie Kogan in seiner Chronik feststellte, denn zum einen bedingte sie aufwändige Nachforschungen über den Verbleib von russischen Kunstwerken im Ausland, zum anderen die technische Aufbereitung in Form von Reproduktionen, Kunstdrucken und Fotografien.79 Günstig auszuwirken schien sich auf die geplante Materialsammlung, dass russische Künstler bereits vor 1917 im Ausland wirkten und sich ihre Werke bereits »vor Ort« befanden. Ebenso galt dies für die Vorstellungen der Ballets Russes, die ausnahmslos im Ausland stattgefunden hatten, sodass deren Reproduktionen, Fotografien und Skizzen von Kostümen und Bühnendekorationen nicht erst aus Russland herangeschafft zu werden brauchten. Diese beiden Umstände liefern zumindest eine Erklärung dafür, warum die früheren Werke von Künstlern der Mir Iskusstva-Gruppe und die Präsentationen von Diaghilevs Theater- und Ballettunternehmen in beiden Zeitschriften vordergründig behandelt wurden und das übrige Material in den Hintergrund drängten. Kogans Berliner Verlags- und Zeitschriftenprojekte standen ganz im Zeichen der Diaghilev’schen Tradition, dem Ausland die Welt der russischen Kunst vorzustellen. Dahin gehende Bestrebungen reichen zurück bis in das Jahr 1906, als Diaghilev zum ersten Mal russische Kunstwerke im Rahmen des Pariser Herbstsalons gezeigt hatte. Allerdings war seinem Unternehmen damals nur mäßiger Erfolg beschieden. Zu fremd war den Franzosen das russische Heiligenbild. Erst nachdem Diaghilev drei Jahre später die Talente seiner Zeitgenossen Bakst, Benois, Roerich, Golovin, Anisfeld, Gončarova und Larionov hin zu den dekorativen Künsten des Theaters gelenkt hatte, wendete sich das Blatt: Ab 1909 provozierten die Kostümentwürfe und Bühnendekorationen russischer Künstler in Westeuropa eine regelrechte Revolution szenografischer Gestaltungsmöglichkeiten.80 Als wichtigster Künstler gilt in diesem Zusammenhang Léon Bakst, der bei seinen Entwürfen für die frühen Ballets RussesProduktionen wie Kleopatra (1909), Scheherazade (1910) und Der Feuervogel (1910) weniger aus der russischen Folklore als aus der Exotik der Antike und des Orients reproductions en couleurs et de plus de 30 reproductions en noir, d’après les dessins, aquarelles et gouaches de Loukomsky (Paris 1929), S. 46. 78 George Loukomsky (Hg.), L’art Russe à Paris en 1921 (Exposition des Artistes Russes à Paris en 1921, organisée par les membres et exposants de la société Mir Isskousstva [sic] à la Galerie ›La Boëtie‹), (Paris 1921). 79 ›Chronika Izdatelstva ›Russkoe Iskusstvo‹‹, Žar ptica, Nr. 1 (August 1921), S. 41. 80 André Levinson, ›Russkoe iskusstvo v Evrope‹, Žar ptica, Nr. 12, S. 9–14; ders., ›Die russische Kunst in Europa‹, ibid., S. 1–2 (internationaler Teil).

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schöpfte und dessen Ideen, wie zu zeigen sein wird, nicht nur bei der Transformation westlicher Bühnenoptik eine maßgebliche Rolle spielen sollten. Dass sich Kogan bei der Wahl des Titels Žar ptica an den Diaghilev’schen Präsentationsformen orientierte und damit an den früheren Aktivitäten der Mir IskusstvaGruppe, ist kein Zufall. Gerade diese Künstlergruppe hatte den Feuervogel seit dem ausgehenden 19. Jahrhundert81 als Symbol östlicher Exotik gefeiert,82 indem sie seine unerreichbare Schönheit den Alltagszwängen einer nüchternen Gegenwart gegenüberstellte.83 Diese Vorstellung war für Kogan ausschlaggebend bei der Namensgebung seiner Zeitschrift, die den russischen Lesern im Berliner Exil verhieß, zumindest vorübergehend dem rauen Alltag des Emigrantendaseins zu entfliehen und in den Bildwelten von Žar ptica Trost zu finden. Stellvertretend für dieses Anliegen steht am Beginn der russischen Ausgabe das Gedicht »Kunst«.84 Dagegen enthält die deutsche Beilage keinen expliziten Hinweis auf eine mögliche Verbindung zwischen dem Titel der Zeitschrift und ihrer Mission. Deutschen Lesern war die Symbolik des Feuervogels nicht geläufig, und so begnügt sich das deutschsprachige Geleitwort mit der Kundgabe des Wunsches, die Zeitschrift Der Feuervogel möge auch hier, in der Fremde, Freunde finden.85 Ausländischen Lesern dagegen signalisierte der Titel, dass die Zeitschrift bestrebt war, die Werke russischer Künstler zu präsentieren und speziell deren Erfolge bei der Gestaltung von Ballets Russes-Produktionen zu würdigen. Dabei erinnert Der Feuervogel nicht nur an die Glanzleistung des 1910 uraufgeführten Strawinsky-Balletts. Er kam auch jener Wahrnehmung Russlands in den Vorstellungen westlicher Leser entgegen, die zwischen russischer Folklore und orientalischer Exotik kaum zu unterscheiden wusste. Bewusst und gewollt war dementsprechend die ambivalente Darstellung des Russischen, die je nach Bedarf mit den Heldentaten russischer Zarensöhne (wie im Feuervogel ) oder den Bildern eines trägen und barbarischen Orient (wie in Scheherazade) als Verkörperung des Anderen schlechthin aufgeladen werden konnte. Indem er für seine Zeitschrift den Titel Der Feuervogel beanspruchte, schuf Kogan einen Bezug, der gleichermaßen Leser im Russischen Berlin und im Ausland 81 Vgl. hierzu beispielsweise Konstantin Somovs Illustration für den Einband von Konstantin Balmonts Gedichtsammlung Žar ptica (Moskau 1907) oder Yakov Polonskys Gedicht Zimnij put, in: Yakov Polonsky, Polnoe sobranie stichotvorenij, Band I. (St. Petersburg 1896) S. 27. 82 Taruskin, 1996, S. 556. 83 Mikhail Kiselev, ›Graphic Design and Russian Art. Journals of the Early Twentieth Century‹, The Journal of Decorative and Propaganda Arts, Vol. 11, 1989, Russian/Soviet Theme Nr. 2, S. 50–67. 84 Černyj, ›Iskusstvo‹ (erste Strophe), Žar ptica, Nr. 1 (August 1921), S. 6. 85 ›Zum Geleit‹, Žar ptica, Nr. 1 (August 1921) internationaler Teil, S. 1.

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ansprach: Letzteren signalisierte er eine Wiederbegegnung mit den Unterhaltungskünsten jenes Ballettunternehmens, das sie seit vielen Jahren faszinierte. Für die Berliner Russen dagegen ließ Žar ptica die Welt der russischen Kunst aus der Vergangenheit auferstehen, um ihnen in Zeiten von Trennung und Heimatverlust Trost zu spenden und ihr Selbstbewusstsein in der fremden Umgebung zu stärken. Žar ptica lud sie ein zur Rückbesinnung auf solche Künstler wie Sudejkin, Bilibin, Roerich, Gončarova, Larionov, Benois, Bakst, Chagall und Golovin, die mit ihren innovativen Farb- und Gestaltungsmustern das europäische Publikum begeistert hatten, formulierte dies allerdings nicht so deutlich wie beispielsweise die Bühnenzeitschrift Teatr i žizn: »[…] Die wohlklingenden Rhythmen des russischen Balletts und der Tanz der russischen Seele haben sich in ganz Europa vor dem Hintergrund farbenfreudiger Phantasien entfaltet und unsere Visionen kundgetan, die Märchen und Gesänge aus unserer Vergangenheit, unsere Verliebtheit in die Weite, den Himmel, die Sonnenuntergänge […] Und diese glühenden Feuer der russischen Seele mit ihren stillen wasserfarbenen Gedanken hat Diaghilev mithilfe unserer besten ›FarbenZauberer‹ gezeigt, diese wundersamen Beschwörer, die mit ihrem dekorativen Wage­mut die Menschen begeistert haben. […]«86

Dass dabei lediglich jene Fragmente der Gesamtkunstwerke ausgestellt werden konnten, die bleiben, wenn eine Vorstellung zu Ende ist, also Memoiren, Fotografien und Reproduktionen von Kostümentwürfen und Bühnendekorationen87, schien zumindest der westlichen Feuervogel-Euphorie keinen Abbruch zu tun. ŽAR PTICA IM KREUZFEUER DER KRITIK: EMIGRANTENZEITSCHRIFT ODER GLITZERNDES SPIELZEUG FÜR AUSLÄNDER? Dem standen die Reaktionen von Berlins russischer Zeitschriftenpresse entgegen, die Žar ptica heftig kritisierte. Auch deutsche Leser konnten nur wenig mit der Zeitschrift anfangen, denn es fehlte ihnen die entsprechende Vorbildung (siehe Kapitel  6). Dies war umso bedauerlicher, als Kogan, wie er es im Manifest der Zeitschrift zum Ausdruck brachte, gerade diese Zielgruppe besonders am Herzen lag:

86 A. Maslovskij, ›Balety S. Diaghileva i russkie chudožniki‹, Teatr i žizn, Nr. 9 (April 1922), S. 6. 87 Jed Perl, ›Setting the Stage‹, The New Republic, Vol. 25, Nr. 5 vom 12. Januar 1998, S. 25–29.

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»Diese Zeitschrift heißt ›Jar-ptitsa‹ [sic.]. Welch ungewöhnlicher Klang für das deutsche Ohr! Was bedeutet der Name? Vielleicht sagt man am besten ›Feuervogel‹ oder ›Glutvogel‹; das ist aber nicht der Vogel Phönix aus dem deutschen Märchen, vielmehr ist es der ihm verschwisterte, russische Märchenvogel, der um Mitternacht, da ihn niemand erwartet, in den dunklen Garten geflogen kommt: sein strahlendes Gefieder macht alles ringsum leuchten. […] Jeder weiß, wie schwere Dunkelheit auf unsrer russischen Heimat lastet, und schwer wie ein Alp sind die Nachrichten, die von dorther zu uns gelangen. Gleich vielen anderen leben auch die russischen Künstler in der ganzen Welt verstreut. Aber sollten sie nichts mehr zu sagen haben, weil sie ihre Heimat verlassen mußten? In dieser Zeitschrift soll der Versuch unternommen werden, wenn auch in bescheidenem Maße, zu sammeln und zu verbinden, alles was seiner Natur nach organisch  – künstlerisch zusammengehört. Die russische Kunst, vor allem das Ballett und das russische Theater, sind weltberühmt; auch von der russischen Malerei wird mit großer Anerkennung gesprochen; sie ist in Westeuropa, zumal in Deutschland, leider nur wenig bekannt. Wir werden nun der russischen Zeitschrift einen kurzen erläuternden, deutschen Text beigeben, in welchem nur diejenigen russischen Aufsätze der Zeitschrift in deutscher Übersetzung oder im Auszuge gebracht werden sollen, die das russische Kunstleben beleuchten  – in erster Linie die russische Malerei, das Ballett und Theater. Auch literarische Essays, die von bedeutsamen Neuerscheinungen der russischen Literatur handeln, werden dem deutschen Leserkreis, wie wir hoffen, willkommen sein. Wir sind Fremde in diesem Lande, dessen ungemein reiche geistige Kultur uns wie ein Meer mit starkem Wellenschlage umgibt. Es ist uns daran gelegen, wenn auch nur zu einem geringen Teil, aber doch nach Kräften zu bieten, was wir – die Landfremden – zu bieten imstande sind. Es wäre uns eine große Genugtuung, wenn unsere Zeitschrift »Der Glutvogel« auch hier, in der Fremde, Freunde fände.«88

Wie sehr dem Herausgeber von Žar ptica daran lag, Freunde in Berlin zu finden, ist an seinen Bemühungen zu erkennen, eine gemeinsame russisch-deutsche Öffentlichkeit um seine Zeitschrift zu versammeln. Zu diesem Zweck organisierte er ab August 1921 in den Redaktionsräumen von Žar ptica in Berlin-Schöneberg die sogenannten Abende der russischen Kunst, um geladenen Gästen russische Malerei, Tänze und Gesang nahezubringen. Häufig hatten die Eingeladenen dabei die Gelegenheit, russische Sänger, Tänzer, Dichter und Maler persönlich kennenzulernen. 88 ›Zum Geleit‹, Žar ptica, Nr. 1, 1921.

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»Die Abende der russischen Kunst, die Kogan in den Redaktionsräumen seiner Zeitschrift veranstaltet, unterscheiden sich von allen anderen Abenden und Konzerten«,89 hieß es dazu in einem Kommentar von Teatr i žizn, deren Chefredakteur eine dieser Veranstaltungen folgendermaßen beschrieb: »[…] Die russische Kunst hat in Person von A.  E. Kogan einen geschickten und enthusiastischen Förderer. […] Kogan malt keine Bilder, singt keine Lieder, tanzt auch nicht bei Diaghilev […]. Kogan beschäftigt sich einfach damit, dass er Ausländern zeigt, wie gut seine Freunde – russische Maler und Künstler – alle oben erwähnten Dinge tun. Für dieses ehrenvolle Vorhaben gibt er Žar-ptica heraus und verspricht, der Welt bald Monographien über Bakst, Sudejkin und andere, die in Europa bekannter als die russische Revolution sind. Außerdem veranstaltet er eine Reihe von Abenden der russischen Kunst. Damit hat Kogan im letzten August begonnen, ohne Ausgaben zu scheuen. Russen und Deutsche waren an so einem Abend anwesend. Die Deutschen betrachteten die Russen mit sentimentalem Blick, hörten russische Musik, schauten sich russische Bilder an und begeisterten sich für die Tänze der russischen Ballettänzerin O. O. Preobraženskaja. Ich sah aber die ganze Zeit eine Besorgnis in ihren Augen – würde vielleicht plötzlich statt den Liedern zu lauschen eine neue Taktik diskutiert werden, wie Erfahrungen die Deutschen, und auch alle anderen Ausländer, gelehrt haben? Sie können sich kaum eine Emigrantenvereinigung ohne Politik vorstellen. Man munkelte, dass die Deutschen, bevor sie die Einladung zum Abend der russischen Kunst angenommen hatten, einige Garantien verlangten. Gerüchten zufolge wurden ihnen diese Garantien von Ullstein als einem Berliner und Freund der Russen gegeben. […] Ullstein gab sogar sein ehrliches ›Verlagswort‹. Die Deutschen waren zufrieden und erschienen zur Soiree. Und sie sollten es nicht bereuen. Erstens sahen sie die Blüten der Berliner russischen Literatur V. D. Nabokov und I. W. Hessen, den Dramaturgen und Regisseur S. L. Poljakov, […] Saša Černyj, L. M. Nemanov und andere, und sie verstanden: wenn am Anfang nicht über Taktiken gesprochen wurde, versprach der ganze Abend tatsächlich fern von politischen Gesprächen zu verlaufen. Kogan trat auf die kleine Bühne und hielt eine ausdrucksvolle und kurze Rede auf Deutsch. Er glänzte im Vorkriegsweiß seiner Frackbrust. Obwohl die Deutschen nicht viel verstanden, gefiel ihnen die Rede von Kogan sehr gut. Wie sich später herausstellte, dachten einige sogar, dass Kogan Russisch gesprochen hatte. Dieses kleine Missgeschick verdarb aber nicht die allgemein angenehme Atmosphäre und die nächsten Programmteile, wozu auch das gemeinsame Teetrinken gehörte, 89 Leri [V. V. Klopotovskij], ›Na večer »Russkogo Iskusstva«‹, Teatr i žizn, Nr. 1–2 (Oktober 1921), S. 16.

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das zur vollen Zufriedenheit der Beteiligten stattfand, unabhängig von Geschlecht, Alter, Nationalität und politischer Auffassung. Aleksandrovič sang wunderschön. Konzertmusiker spielten Akkorde vom Trio Arenskij. Preobraženskaja tanzte. Von den Wänden blickten Kustodev, Somov, Roerich und Sudejkin auf die Tanzenden, Singenden und Genießenden hinunter. Nicht ein einziges Wort der Politik wurde erwähnt. Beim Abschied schüttelten die Deutschen leidenschaftlich Kogans Hand. Sie gingen durch die wegen der Polizeistunde leergefegten Straßen Berlins und zerbrachen sich ihre Köpfe über folgendes: Warum ist dieses Volk, das so eine wunderschöne Kunst hat, in der Politik so tief gesunken, in eine so widerliche Politik? Wir können den Deutschen auf diese Frage kaum antworten, wir, die Vertreter dieses �� seltsamen Volkes, die sich in einer hoffnungslosen Finsternis verlaufen haben. […]« 90

Klopotovskijs Bericht zeigt, dass sich Kogan bei seinen Unternehmungen in der Tat an Lunačarskijs Vorgaben hielt und bei dem Versuch, sich deutschen Zielgruppen zu nähern, politische Angelegenheiten aus dem Spiel ließ. Er verdeutlicht aber ebenso die misstrauische Distanziertheit, mit der die einschlägige Berliner Szene ihren russischen Mitbewohnern begegnete, was auch andere russische Zeitschriften und Berliner Emigrantenromane immer wieder thematisiert haben. Freunde in Berlin zu finden und die Isolation der russischen Kolonien zu durchbrechen – diese beiden Anliegen standen zweifellos auf Kogans Agenda. Doch mit welchem Anspruch er Žar ptica vorrangig ins Leben rief, erfahren wir nicht aus der Zeitschrift selbst, sondern aus einer kurzen Notiz im Katalog der Pariser Mir Iskusstva-Ausstellung vom Juni–Juli 1921. Kogan kündigte darin an, dass er demnächst eine Zeitschrift auf den Markt bringen werde, mit deren Hilfe er die Rezeption der Pariser Mir Iskusstva-Ausstellung von 1921 fördern wolle.91 Außerdem beabsichtige er damit, im Ausland für die von seinem Verlag Russkoe Iskusstvo veröffentlichten Kunstmonografien zu werben. Diese Monografien sollten im Laufe des Jahres 1921 erscheinen.92 Dabei handelte es sich um eine Bakst-Ausgabe, eine Reihe von Bildbänden über das alte Petersburg, Moskau und Kiew von Georgij K. Lukomskij sowie einen Band über russische Grafik von Sergej Makovskij.93 90 Ibid. 91 »[…] Enfin, pour l’illustration plus complète de la vie artistique, il sera publié le journal ›Jar Ptitza‹ [sic] (L’oiseau de Feu) […]«, in: George Loukomsky [sic] (Hg.), L’art Russe à Paris en 1921. Exposition des Artistes Russes à Paris en 1921, organisée par les membres et exposants de la société Mir Isskousstva (Monde artistes) à la Galerie ›La Boëtie‹ (Paris 1921), ohne Seitenangabe. 92 Ibid. 93 Chronika i raznye zametki: ›Novoe russkoe chudožestvennoe izdatelstvo‹ [ohne Verfasser], Russkaja Kniga, Nr. 4 (April 1921), S. 11–12.

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Dass diese Kunstbände ausschließlich auf Deutsch, Englisch und Französisch, nicht aber auf Russisch erscheinen, ja nicht einmal russische Beilagen haben sollten, ließ Kogans Vorhaben schon im Vorfeld seiner publizistischen Initiative ins Kreuzfeuer der Kritik geraten. Kritische Stimmen erhoben sich dabei vor allem aus den Berliner russischen Emigrantenkreisen und forderten, dass A. E. Kogans Verlag seine Ausgaben demnächst auch auf Russisch veröffentlichen möge.94 Dieser Aufforderung kam Kogan zwar nicht nach; die Kunstbände erschienen nicht in russischer Sprache. Doch vermutlich ist es gerade dieser Kritik zu verdanken, dass er zumindest Žar ptica, ursprünglich als illustrierte Revue des russischen Kunst- und Theaterlebens im Ausland geplant, schließlich als eine russische illustrierte Literatur- und Kunstzeitschrift herausgab und neben ihrem künstlerischen Teil für ausländische Leser einen russischsprachigen Literaturteil mit Gedichten, Essays und Erzählungen anbot, der offenbar seine aufgebrachten Landsleute in Berlin besänftigen sollte. Doch das Gegenteil trat ein: Die Qualität des russischen Literaturteils, mit dessen Redaktion kurzfristig Alexander [Saša] Černyj beauftragt wurde, war  – abgesehen von einigen vereinzelt anzutreffenden Gedichten und Essays aus der Feder von Nabokov (Sirin) und Chodassevič, Bunin, Remizov und Drozdov  – so mittelmäßig, dass er nun für zusätzliche Aufregung sorgte, sodass Černyj Anfang 1922 die Redaktion verlassen musste; Mitte 1923 zog er nach Paris.95 Für die verbleibenden Ausgaben übernahm Kogan selbst die Redaktion des Literaturteils, was dessen Qualität jedoch nicht anhob. Wie heftig die Berliner russischen Zeitschriften Žar ptica damals kritisierten, dokumentiert unter anderem eine Rezension in Nakanune [Am Vorabend], von 1922 bis 1924 eine der führenden Zeitungen der Sowjetnahen und Heimkehrwilligen96 im Russischen Berlin, die zwischen prosowjetischen und emigrierten Russen zu vermitteln suchte und für eine gemäßigte Haltung der UdSSR gegenüber der Russischen Emigration eintrat.97 Mittelmäßige literarische Qualität, so Nakanune, sei verzeihbar, solange eine Zeitschrift in ihrer Inkubationsphase sei. Doch jetzt lägen schon sechs Ausgaben vor, und die Zeitschrift hätte noch immer kein eigenes Credo gefunden.98

94 Ibid. 95 L. Spirigonova, ›Alexander Černyj (eigentlich Glikberg)‹, in: Russkoe Zarubeže. Zolotaja kniga emigracii, pervaja tret XX veka. Enciklopedičeskij biografičeskij slovar (Moskva 1997), S. 691. 96 Schlögel, 1998, S. 104. 97 Walter Andreesen, ›New Russian-language Newspapers in Berlin‹, Vortrag der 64. General Conference of the International Federation of Library Associations and Institutions [IFLA] Amsterdam (16.–21. August 1998). 98 I. Vasilevskij, ›Cvety emigracii. »Spolochi – Žar-ptica – Teatr i žizn«‹, Nakanune (Berlin), Nr. 5, 1922, S. 7–10.

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»[…] Abgesehen von ihrem prächtigen Umschlag und ihrer wunderbaren technischen Qualität suchen wir vergebens nach einer Literaturseite, die uns freuen, bewegen und in Erinnerung bleiben könnte. Warum? […] Saša Černyj [baute] den Literaturteil von Žar ptica auf. Er baute ihn außergewöhnlich talentlos auf: ohne Feuer, schwach und trostlos, Hauptsache, dass der Text die Literaturseiten füllt, ohne welche eine ›Illustrierte Zeitschrift‹ natürlich unvorstellbar ist. Saša Černyj hat zur Freude der Leser die Zeitschrift verlassen und ist zu ›Grani‹ gegangen, um ›sie jetzt zugrunde zu richten‹. Man möchte in der neuen, heute herausgegebenen siebenten Nummer von ›Žar-ptica‹ neue Züge unterstreichen, die Anlass zur Hoffnung geben. Die Zeitschrift weiß, dass es nicht nur in der Emigration Talente gibt. Auf den Seiten der letzten Ausgabe gibt es zum Glück neben dem begabten Teffi, Sergej Gornyj und Aleksander Drozdov lebendige Stimmen aus Russland wie die von Bor. Zajcev, Ivan Rukavišnikov und B. Pilnjak. Obwohl die Zeitschrift noch kein eigenes Gesicht hat, überragt die letzte Nummer trotzdem alle vorherigen. Man möchte glauben, dass die elegante Zeitschrift das von Saša Černyj angerichtete Chaos überwinden kann und aufblüht. […]«99

Neben der Mittelmäßigkeit und Konzeptionslosigkeit ihres literarischen Teils rief die ästhetische Dichotomie von Žar ptica Kritik hervor. Wie frustriert die russischen Leser über den mangelnden Zusammenhang zwischen Literarischem und Künstlerischem, zwischen Text- und Abbildungsteil waren, verdeutlicht eine Rezension in Jaščenkos Zeitschrift Novaja Russkaja Kniga, die darauf hinauslief, dass sich die Zeitschrift Žar ptica zwar für ihre Beiträge über die Welt der russischen Kunst der besten kreativen Kräfte Russlands bediene, dass die Erzählungen, Essays und Gedichte in ihrem Literaturteil aber letztlich in keinerlei Beziehung stünden mit dem ausgestellten Bildmaterial im Abbildungsteil, den sie weder zu erläutern noch zu kommentieren suchten.100 Die Auswahl des literarischen Stoffes erfolge offenbar willkürlich, sei kaum nachvollziehbar und lasse keinerlei Konzept erkennen.101 »[…] Als uns im August letzten Jahres der Verlag Russkoe Iskusstvo die erste Nummer von Žar ptica bescherte, erbebte das Herz eines jeden kunstliebenden russischen Lesers vor Freude. Der erste Schlag der märchenhaften Flügel war so bezaubernd und elegant, der erste Erfolg so beeindruckend, nicht nur für uns Russen,­

 99 Ibid. 100 Levitan, ›Žar ptica, Nr. 6. Izd. A. E. Kogana ›Russkoe Iskusstvo‹ Berlin, 1922‹, Novaja Russkaja Kniga (Berlin), Nr. 3 (März 1922), S. 9–10. 101 Ibid.

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sondern auch die Ausländer, die uns beherbergen, und so durften wir voller Stolz von der Zeitschrift erwarten, dass sie auch weiterhin im Zeichen eines erfolgreichen und gescheiten Dienstes an der russischen Kunst stehen möge. […] Ihre Einzigartigkeit ließ uns hohe Forderungen an sie stellen. […] Nun liegt bereits die sechste Nummer vor, und die Zeit einer Zwischenbilanz ist gekommen. Oh weh, in vielerlei Beziehung hat Žar ptica die in sie gesetzten Hoffnungen enttäuscht. Mag sein, dass ihr technischer Teil nach wie vor auf der Höhe ist und in seiner Neuheit deutsche und andere Leser, darunter auch jene im fernen Russland, gefangen nimmt; doch das Allerwichtigste fehlt: In der Zeitschrift gibt es keine neuen Ideen, keinen sinnvollen Dienst an der Kunst, keine Überzeugungen und keinerlei Versuch, die ideologische Führung zu übernehmen. […] Ihrem literarischen Teil fehlt jegliches Konzept, dem illustrierten Teil auch. […] Gerade weil die Zeitschrift wirklich einzigartig ist, könnten ihre Herausgeber durch ein ernsthaftes und behutsames Herangehen an ihren Inhalt Žar ptica von einem glitzernden Spielzeug (für die Ausländer?) in eine seriöse und ideenreiche Plattform für die russische Kunst umwandeln, was eine nicht unbedeutende Rolle in ihrer weiteren Entwicklung spielen könnte. […]«102

In der Tat beschränkte sich Žar ptica auf das vergangene Schaffen von Künstlern der Mir Iskusstva-Gruppe, während aktuelle Ereignisse im Zusammenhang mit den jüngeren Trends der sowjetischen Kunst wie Konstruktivismus und Suprematismus in den Hintergrund traten und lediglich in einem einzigen Beitrag im Zusammenhang mit der Ersten Berliner Russischen Kunstausstellung von 1922 Erwähnung fanden.103 Dagegen erklärt sich die ästhetische Dichotomie von Žar ptica zumindest teilweise aus dem Umstand, dass Auswahl, Bearbeitung und Präsentation des russischen Literaturteils Alexander (Saša) Černyj, später Kogan selbst, in Berlin unterlagen, während den Abbildungsteil Georgij Lukomskij in der Pariser Verlagsniederlassung verantwortete.104 Doch diese geografische Zweiteilung des Redaktionsstabes war nicht die einzige Ursache dafür, dass der Literaturteil völlig abgekoppelt schien von den Illustrationen und Texten des Abbildungsteils. Schließlich waren beide Teile für unterschiedliche Zielgruppen vorgesehen, ersterer für die Berliner russische Kolonie, der noch im April 1921 eine hochkarätige Kunstzeitschrift in der Art von Apollon in Aussicht gestellt worden war105 und die nun mit einem mittelmäßigen Literaturteil 102 Ibid. 103 ›Russkaja chudožestvennaja vystavka v Berline‹, Žar ptica, Nr. 8, 1922, S. 23–24. 104 G. K. Loukomsky [sic],1929, S. 46. 105 Kunstzeitschrift, die 1909–1913 in Russland erschien. Siehe: Chronika i raznye zametki, ›Novoe russkoe chudožestvennoje izdatelstvo‹, Russkaja Kniga (Berlin), Nr. 4 (April 1921), S. 11–12.

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abgespeist wurde, letzterer für eine Leserschaft im Ausland, die ihr Interesse an russischen Bildwelten und Kunstbänden entwickelte106, sich auf jede neue Žar pticaAusgabe mit den vielen prächtigen Farbtafeln freute und zumindest in den Jahren 1921 bis 1923, da die Zeitschrift regelmäßig erschien, nicht enttäuscht wurde. Damit war es in erster Linie der Kaufkraft dieser Leser aus dem Ausland zu verdanken, dass sich Žar ptica über fünf Jahre halten konnte, also länger als die meisten anderen Periodika des Russischen Berlin. Fünf Nummern von Žar ptica erschienen zwischen August und Dezember 1921 (Nr.  4/5 als Weihnachts-Doppelnummer); 1922 gab es vier (Nr.  6 bis 9) und 1923 zwei Nummern (Nr. 10 und 11). In diesem Jahr endete in Deutschland die Inflation. Damit verschlechterten sich die für ausländische Verleger bis dahin günstigen Standortbedingungen dramatisch, sodass in den darauffolgenden drei Jahren (1924 bis 1926) nur jeweils eine Nummer auf den Markt kam. Immerhin brachte es Žar ptica auf insgesamt vierzehn Ausgaben, von denen dreizehn in Berlin erschienen. Erscheinungsort des letzten Heftes (1926) war Paris, wo sich Kogan 1925 niedergelassen hatte. Er hatte sich damit endgültig für das Exil entschieden und sollte nicht mehr nach Russland zurückkehren. Dies erscheint umso bemerkenswerter, als er im Frühjahr 1921 keineswegs mit eindeutigen Emigrationsabsichten nach Berlin gekommen war, sondern vielmehr als Emissär der sowjetischen Regierung. Er hatte den Auftrag, Verbindungen zu knüpfen zu deutschen Verlegern und Druckereien, um deren Hilfe zunächst bei seiner Verlagsgründung in Anspruch zu nehmen und später für seine Zeitschriftenprojekte im Sinne seiner sowjetischen Auftraggeber zu nutzen. Dieser Nutzen bestand darin, dass das sowjetische Ministerium für Volksbildung und Kunst Narkompros einen Teil des Erlöses aus Kogans Verlagsprodukten als Fördermittel vorsah, mit denen es die sowjetische Buchproduktion ankurbeln wollte. Denn Kogans öffentlich bekundeter Vorsatz, mithilfe seiner Zeitschrift die Mir Iskusstva-Rezeption in Westeuropa zu fördern, war nur die halbe Wahrheit. Wie Žar ptica zum Sponsor einer zu schaffenden Buchproduktion im neuen Russ­ land werden sollte und welche Hintermänner dabei die Fäden zogen, geht aus der Vorgeschichte von Kogans verlegerischer Tätigkeit in Berlin hervor, die bereits 1908 begann, als Kogan zusammen mit seinen Kollegen Katlovker107 und Gorodetzky in St. Petersburg den Kopejka-Verlag gründete.

106 Kagan, 1924 S. 3–5. 107 Gessen, 1937, S. 333–334.

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KAPITEL 3

ZUR GENESE VON ŽAR PTICA: GEISTIGE BEZÜGE UND BESTIMMUNG

DIE INKUBATIONSPHASE DER BERLINER PROJEKTE VON A. E. KOGAN Als Kogan im April 1921 in Berlin ankam, lagen drei turbulente Jahre hinter ihm, die als Inkubationsphase seiner Berliner Verlags- und Zeitschriftenprojekte angesehen werden können. Den Beginn dieser Phase markiert die Übernahme seines Petersburger Verlagshauses Kopejka [Die Kopeke] durch den Schriftsteller Maxim Gorki im Jahre 1918. Den Kopejka-Verlag hatte Kogan 1908 zusammen mit zwei seiner Berufskollegen, Katlovker und Gorodetzky vom renommierten Buchverlag Stadler & Pattinot in St. Petersburg108, gegründet und 1913 in eine Aktiengesellschaft umgewandelt. Die Themenvielfalt des Verlages und seine hervorragende technische Ausstattung, die moderne Farbdruckverfahren in hohen Auflagen ermöglichte, waren ausschlaggebend dafür, dass sich Kopejka zum größten Verlagsunternehmen im vorrevolutionären Russland entwickeln konnte. Neben schöngeistiger Literatur gehörten zum Verlagsprogramm illustrierte Zeitschriften und Magazine, darunter Žurnal Kopejka [Kopejka-Journal] (mit einer Auflage von 300.000 Exemplaren), Listok Kopejka [Kopejka-Blatt] (Auflage: 220.000), Vsemirnaja Panorama [Weltpanorama] (Auflage: 180.000) und Solnce Rossii [Sonne Russlands] (Auflage: 60.000),109 deren dekoratives Erscheinungsbild das Ergebnis neuester Technologien im Druckereigewerbe war. Die reich illustrierten und dennoch erschwinglichen Kopejka-Ausgaben ließ Kogan mithilfe von Rotationspressen herstellen, die er aus Westeuropa eingeführt hatte.110 Sie erfreuten sich in Russland zunehmender Beliebtheit und führten dazu, dass der Verlag in den zehn Jahren seiner Existenz ein beträchtliches Wachstum zu verzeichnen hatte. Dennoch hatte Kopejka zur Zeit der Russischen Revolution trotz der mehreren Tausend Angestellten ihr volles technisches Potenzial längst nicht ausgeschöpft.111 108 Gessen, 1937, S. 333–334. 109 I. Zjuzenkova, T. Kalmykovoj, A. Novikovoj, ›Maxim Gorkij – Komissar tipografii ›Kopejka‹, Voprosy literatury (Organ sojuza pisatelej SSSR i instituta mirovoj literatury imeni A. M. Gorkogo Akademii Nauk SSSR), Nr. 3 (März 1958), S. 63–66. 110 Evrejnov, 1949. 111 Ibid.

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Zur Genese von Žar ptica: Geistige Bezüge und Bestimmung

Maxim Gorki erkannte dieses Potenzial. Als der Kopejka-Verlag 1918 seine Produktion einstellte, übernahm Gorki dessen Druckerei, damals nicht nur die modernste typografische Einrichtung Russlands, sondern auch die einzige, die reibungslos funktionierte und bisher nicht der Verstaatlichung anheimgefallen war,112 um sie für seinen kurz zuvor gegründeten Verlag Vsemirnaja Literatura [Weltliteratur] zu nutzen. Die Genehmigung zur Gründung dieses Verlages erhielt Gorki im Herbst 1918 von Lunačarskij und dem Volkskommissariat für Bildungswesen Narkompros. Einen entsprechenden Dreijahresvertrag unterzeichnete Gorki am 4. September 1918 mit dem Narkompros und einer Gruppe von Verlegern,113 zu der der spätere Herausgeber von Russkij Sovremennik, Aleksander Nikolaevič Tichonov,114 sowie die beiden Verleger Grzhebin und Ladyžnikov115 gehörten, mit denen Gorki bereits bei früheren Publikationsprojekten zusammengearbeitet hatte.116 Gorki bezog daraufhin vom Narkompros eine Anschubfinanzierung von insgesamt 9.000.500 Rubel (1.164.000 Rubel davon wurden direkt auf sein persönliches Konto überwiesen)117 mit der Auflage, populärwissenschaftliche Schriften und ausgewählte russische und ausländische Klassiker des 18., 19. und 20. ���������������������������������������������������� Jahrhunderts samt Übersetzungen, einleitenden Bemerkungen und Illustrationen zu verlegen.118 Gemeinsam mit Blok, Gumilev, Čukovskij, Volynskij, Batjuškov und Lozinskij kümmerte sich Gorki nun um die Bearbeitung westeuropäischer und amerikanischer Literatur, während die Sprachwissenschaftler Marr und Oldenburg für die osteuropäische Literatur zuständig waren.119 112 113 114

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›Rezoljucija na pismo A. M. Gorkogo‹, in: Institut Marksa-Engelsa-Lenina pri C K VKP (b) (Hg.) Leninskij Sbornik, Bd. XXXV (Moskva 1945), S. 106. Akademija Nauk SSSR, Institut Istorii, »A. M. Gorki – organizator izdatelstva ›Vsemirnaja Literatura‹ (1918–1921)«, Istoričeskij Archiv, (März–April) 1958, Nr. 2, S. 67–95, hier: S. 71. Die anderen beiden Herausgeber des Russkij Sovremennik waren K. I. Čukovskij und E. I. Zamjatin. Russkij Sovremennik war das letzte unabhängige Magazin in Sowjetrussland, von dem 1924 vier Nummern erschienen. Siehe: ›The Letters of Maxim Gorky to V. F. Khodasevich, 1922–1925‹ (with notes by V. F. Khodasevich and an introduction by Sergius Yakobson; translated and edited by Hugh McLean), Harvard Slavic Studies I (Cambridge, Massachusetts 1953), S. 279–334, hier S. 313–314. Ivan Pavlovič Ladyžnikov verlegte seit 1905 russische Literatur in Berlin, größtenteils Werke, die in Russland der Zensur anheimgefallen wären, so beispielsweise die frühen Werke von Maxim Gorki. Sein Verlagshaus hatte Filialen in Moskau und St. Petersburg. 1919 spezialisierte sich Ladyžnikov auf russische Klassiker und gab in der Reihe Russkaja Biblioteka in Berlin 74 Bände heraus, da­ runter L. Tostoj, Dostojewsky, Turgenev, and Tschechov. Siehe: Mark Aldanov, ›Izdanija russkich klassikov zagranicej‹, Vremennik Obščestva Druzej Russkoj Knigi (Paris 1925), S. 9–12. Golubeva, 1968, S. 62. Auszug aus dem Protokoll Nr. 52/88 der Sitzung des Narkompros vom 30.  8.  1918, zitiert in: Zjuzen­kova et at. (1958) S. 63. Istoričeskij-Archiv 1958, Nr. 2, S. 71–72. Barry Scherr, ›Notes on Literary Life in Petrograd, 1918–1922: A Tale of Three Houses‹, Slavic Review, Vol. 36, 1977, Nr. 2, S. 256–267.

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Die Inkubationsphase der Berliner Projekte von A. E. Kogan

Gorkis Interesse an einem Verlagsunternehmen wie Vsemirnaja Literatura hatte zwei Gründe. Die Verlagstätigkeit sollte ihm bei seinem Engagement in der Kommission zur Beseitigung des Analphabetentums VČK Likbez120 helfen und außerdem seine Bemühungen unterstützen, das allgemeine Bildungsniveau in der Bevölkerung zu heben:121 »Wir brauchen neue schöpferische Kräfte, müssen uns eine neue Intelligenz heranziehen, und dafür gibt es nur ein einziges Mittel – das Buch«122, schrieb er im Mai 1919 an Vaclav Vaclavovič Vorovskij, den Leiter des sowjetischen Staatsverlages Gosizdat.123 Dementsprechend sah Gorkis Verlagsprogramm die Ausgabe einer sogenannten Basisbibliothek mit 1.500 sowie einer Volksbibliothek mit 1.500 bis 3.000 Bänden vor.124 Darüber hinaus entwickelte sich unter seiner Regie eine rege Übersetzertätigkeit. Eingestellt wurden dafür Journalisten und Autoren aus den inzwischen geschlossenen Verlagen der Stadt,125 die nun auf Gorkis Initiative hin in den verlagsinternen Studios von Vsemirnaja Literatura zu literarischen Übersetzern ausgebildet werden sollten.126 Diese Ausbildungspläne stießen auf großen Enthusiasmus. Čukovskij und Gumilev erarbeiteten ein Lehrbuch über die Prinzipien der literarischen Übersetzung [Principy chudožestvennogo perevoda], Gumilev und Lozinskij boten Seminare zur Übersetzung von Lyrik an. Die übersetzungswissenschaftlichen Vorlesungen von Čukovskij und Zamjatin waren derartig beliebt, dass für den Sommer 1919 ein ganzes Studienprogramm mit Fächern wie theoretische und angewandte Übersetzungswissenschaft und Literaturkritik geplant war.127 Vorerst allerdings waren nicht wenige der insgesamt 350 Mitarbeiter128 mit ihren editorischen und übersetzerischen Aufgaben überfordert. Zum Redaktionsstab von Vsemirnaja Literatura gehörten damals unter anderem Dmitrij Merežkovskij und Zinïda Hippius, die ihre Tätigkeit für Vsemirnaja Literatura folgendermaßen beschrieben: 120

VČK Likbeza: Vserossijskaja črezvečajnaja komissija po likvidacii bezgramotnosti – Kommission zur Beseitigung des Analphabetentums. 121 M. S. [sic]. Andreeva, Kommunističeskaja partija – organizator kulturno-prosvetitelnoj raboty v SSSR (1917–1933 gg) (Moskva 1963), S. 14. 122 Pismo A. M. Gorkogo V. V. Vorovskomu o pečatanii izdanij »Vsemirnoj Literatury« za granicej (21. Mai 1919), Istoričeskij Archiv, Nr. 2, 1958, S. 77. 123 Akronym für Gosudarstvennoe izdatelstvo – sowjetischer Staatsverlag. 124 Scherr, 1977. 125 A. Damanskaja, »Gorkij i ›Vsemirnaja Literatura‹«, Poslednie Novosti (Paris) (vom 25. Juni 1936), S. 4. 126 Konstantin Fedin, Gorki unter uns. Bilder aus dem literarischen Leben (Berlin, Weimar 1982), S. 73. 127 A. D. Zaidman, ›Literaturnye studii »Vsemirnoj Literatury« i »Doma Iskusstv« (1919–1921 gody)‹, Russkaja Literatura, Vol. 16, 1973, Nr. 1, S. 143–145. 128 Ibid.

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Zur Genese von Žar ptica: Geistige Bezüge und Bestimmung

»[…] Dmitrij sitzt tagelang bis zur Erschöpfung über den Korrekturen der dummen stümperhaften Übersetzungen für die ›Weltliteratur‹. Das ist ein unter dem Protektorate Gorkis und eines seiner Schmarotzer, Tichonov, gegründetes Institut, das angeblich den Intellektuellen Nebenverdienst geben soll. Diese Übersetzungen werden nicht gedruckt, und es hat auch keinen Zweck, sie zu drucken. Sie zahlen 300 Lenin-Rubel für den riesengroßen Druckbogen (die Maschinenabschrift geht auf Rechnung des Übersetzers) und 100 Lenin-Rubel für die Korrektur. Dmitrij arbeitet an diesen Korrekturen am Tage und ich bei der Nacht. Für die Korrektur eines französischen Romans, den ein hungerndes junges Mädchen übersetzt hat, brauchte ich vierzehn Nächte […]. Mit diesem Almosen (für die vierzehn Nächte bekam ich tausend Lenin-Rubel – soviel braucht man für einen halben Tag zum Leben –) kann man keine großen Sprünge machen. Es ist vorteilhafter, eine alte Hose zu verkaufen […].«129

Hinzu kam die fortschreitende Abnutzung der technischen Geräte, was zusammen mit der zunehmenden Knappheit von Papier und Brennstoff schließlich dazu führte, dass sich die Kluft zwischen der übersetzerischen und redigierenden Verlagsarbeit und ihrer typografischen Aufbereitung ständig vergrößerte.130 Letztendlich produzierte Gorkis Verlag in den zweieinhalb Jahren seiner Existenz nur 14 Bände im Rahmen der Basisbibliothek und 36 Broschüren in der Reihe der Volksbibliothek. Sein Verdienst bestand demzufolge nicht, wie ursprünglich vorgesehen, in der Herausgabe von Büchern und Broschüren, die das allgemeine Bildungsniveau heben sollten, sondern vielmehr in der gezielten Ausbildung von literarischen Übersetzern, in deren Folge die Übersetzungswissenschaft neue Dimensionen annahm,131 die sie letztlich zur akademischen Disziplin aufsteigen ließen. Welche Rolle Kogan bei Gorkis diversen Aktivitäten im Verlagssektor spielte, wissen wir nicht genau. Verbrieft ist jedoch, dass ihn Gorkis Inanspruchnahme der Kopejka-Druckerei nicht besonders gestört hat. So gelang es Kogan, sogar in den Jahren äußerster Rohstoffknappheit (1918–1921) eine Reihe von ästhetisch wertvollen Monografien zur Geschichte der russischen Kunst auf den Markt zu bringen.132 Demnach bildete die typografische Aufbereitung der Werke russischer Künstler damals bereits den Schwerpunkt seiner verlegerischen Tätigkeit, sodass seine Berliner 129 130 131 132

Dmitrij Merežkovskij, Zinaïda Hippius, Dmitrij Philossofov [sic], Waldimir Slobin, Das Reich des Antichrist. Russland und der Bolschewismus (München 1921) S. 75. Golubeva, 1968, S. 104. Ibid., S. 110–111. Lazar Fleishman, ›Gorki i žurnalnyj projekt A. E. Kogana‹, Slavica Hierosolymitana (Slavic Studies of the Hebrew University), Vol. 4, 1979, S. 268–273.

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Gorkis Plan

Zeitschriften- und Verlagsprojekte praktisch als deren Fortsetzung zu sehen sind. Möglicherweise waren sogar einige Druckerplatten der Petersburger Kunstmonografien, mit denen der Berliner Verlagsprojekte identisch und bereits fix und fertig gesetzt, in Kogans Gepäck aus Russland nach Berlin gereist, wofür unter anderem die Tatsache spricht, dass sich die Berliner Projekte ausschließlich an den vergangenen Bildwelten russischer Künstler orientierten, unkommentiert erschienen und gegenwärtige Trends außer Acht ließen. GORKIS PLAN Zu Gorkis Unternehmungen gehörte neben seinem Engagement für das Volksbildungswesen die Tätigkeit in der Expertenkommission zur Schätzung von Wertgegenständen.133 Diese Kommission hatte er im Februar 1919 in Petrograd auf Empfehlung des Volkskommissars für Handel und Industrie, Leonid Krasin, gegründet.134 Zu den Aufgaben der Kommission zählte es, die in den verlassenen Wohnungen, Depots, Antiquariaten und Pfandhäusern der Stadt lagernden Kunst- und Wertgegenstände zu erfassen und zu bewerten, um sie entweder dem Nationalen Museumsfond oder dem Exportfond zuzuführen und festzustellen, wie hoch ihr Wert im Ausland sei. Dies erwies sich offenbar als notwendig, da russische Experten jahrelang von westlichen Kunstmärkten abgeschnitten waren, weswegen Gorki Emissäre zu führenden Galerien und Antiquariaten in Paris, London, Florenz und Rom schickte, damit sie erkunden sollten, welcher Bedarf dort an Kunstgegenständen herrsche und welche Preise man dafür erzielen könne.135 Die Expertenkommission bestand aus 52 Mitarbeitern, die bis zum 1. Juni 1919 bereits 21.889 Wertgegenstände registriert und evaluiert hatten.136 Dazu gehörten Gemälde, Lithografien, Ikonen, Schmuck, Porzellan,137 Kupferstiche, Möbel, Antiquitäten, Kristall, mit Perlen und Edelsteinen besetzte Gewänder, historische Kostüme, Edelsteinbroschen, Kronen, Zepter, sakrale Trinkbecher und Abendmahlkelche, in Gold gebundene Bücher und ganze Bibliotheken von bildhandschriftlichen Sammlungen, »[…] every object that the genius of man has brought into existence and 133 134 135 136 137

A. M. Gorkij v Sovnarkom. S pometkami V. I. Lenina (21.10.1920), in: V. I. Lenin i A. M. Gorkij, pisma, vospominanija, dokumenty, Izdatelstvo Akademii Nauk SSSR (Moskva 1958), S. 153. Waltraud Bayer, ›Der legitimierte Raub. Der Umgang mit Kunstschätzen in der Sowjetunion, 1917–1938‹, Osteuropa, Jg. 56, 2006, Nr. 1–2, S. 55–70, hier S. 62. A. M. Gorkij v Sovnarkom. S pometkami V. I. Lenina (21.10.1920), in: V. I. Lenin i A. M. Gorkij, pisma, vospominanija, dokumenty, 1958, S. 153–154. ›Iz istorii učastija A. M. Gorkogo v ekspertnoj kommissii narkomvneštorga v 1919–1921 gg‹, in: Gorkovskie čtenija 1961–63: Dramaturgija i teatr (Moskva 1964), S. 222–233, hier: S. 224. Waltraud Bayer, ›Pretiosen für Devisen: Sowjetische Kunstexporte nach Deutschland in der Zwischenkriegszeit‹, Jahrbücher für Geschichte Osteuropas, Jg. 48, 2000, Nr. 2, S. 250–263.

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Zur Genese von Žar ptica: Geistige Bezüge und Bestimmung

his decorative instincts have embellished […]«, wie sich der britische Parlamentarier Martin Conway erinnerte, den die Sowjets als Kunstexperten zur Unterstützung der Kommission ins Land geholt hatten.138 Am 20.  Oktober 1919 war die Anzahl der evaluierten Gegenstände auf 120.000 gestiegen. Ihr geschätzter Wert betrug eine Milliarde (109) Rubel.139 An Dynamik gewann Krasins Maßnahme nach der Unterzeichnung des sowjetisch-estnischen Friedensvertrages von Dorpat am 2. Februar 1920, der eine Wiederbelebung der Handelsbeziehungen zwischen Russland und Westeuropa ermöglichte (zwischen Mai und Dezember 1920 wurden fast 80 Prozent aller sowjetischen Importe über die estnische Hauptstadt Reval abgewickelt), woraufhin nun Krasins Plan, die erfassten Kunstgegenstände im Ausland gegen Devisen zu veräußern, umgesetzt werden konnte.140 Hatte das Kommissariat für Außenhandel bisher nur in Petrograd Auktionen organisiert, wo fast ausschließlich Käufer aus dem Ausland auftraten, so wurde russisches Kulturgut ab 1921 in Amsterdam, Antwerpen, Stockholm, London und anderen europäischen Städten zum Verkauf angeboten. Ebenso erwies sich Deutschland als ein geeigneter Handelspartner, insbesondere nach der Unterzeichnung des deutsch‑russischen Handelsvertrages vom Mai 1921 und des Friedensvertrages von Rapallo vom April 1922.141 Gorkis Tätigkeit innerhalb der Expertenkommission ist inzwischen erfasst.142 Besondere Aufmerksamkeit verdienen im gegenwärtigen Zusammenhang jedoch zwei Umstände, die von der bisherigen Forschung nicht erwähnt werden: Gorkis Plan, einen Teil des Erlöses aus den veräußerten Kunstgegenständen der sowjetischen Buchproduktion zuzuführen und diese ins Ausland, das hieß nach Berlin, zu verlegen,143 sowie seine Absicht, den Verkauf russischer Wertgegenstände ins europäische Ausland von einer zentralen Stelle aus zu koordinieren, für die er als Standort ebenfalls Berlin vorsah.144 Zuständig für diese Koordinierungsstelle wurde schließlich Gorkis zweite Ehefrau Maria Fedorovna Andreeva.145 138 139 140 141 142 143 144 145

Martin Conway, Art Treasures in Soviet Russia (London 1925), S. 21–22. Dramaturgija i teatr, 1964, S. 229. Bayer, 2000, S. 251. Bayer, 2006, S. 63. Bayer, 2000; dies. 2006; dies., ›Revolutionäre Beute: Von der Enteignung zum Verkauf‹, in: Waltraud Bayer (Hg.), Verkaufte Kultur. Die sowjetischen Kunst- und Antiquitätenexporte, 1919–1938 (Bern 2001), S. 19–40. Leninskij Sbornik, Bd. XX (Moskva 1932) S. 324. Bayer, 2000, S. 255–256. Ibid., S. 255.

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Gorkis Plan

Im Januar 1922 schrieb Andreeva an Lenin, der den Ablauf ihrer Berliner Aktivitäten zuvor als »äußerst schleppend«146 kritisiert hatte: »Wir arbeiten hier wie verrückt, jeder von uns, Burenin, Berezin und ich. Wir sind überzeugt, dass wir diesmal einen ordentlichen Erlös in Devisen für unseren ›Bric-a-brac‹ bekommen werden. Hauptsache, unsere Pläne werden nicht durch die offizielle Politik von irgendwelchen hochrangigen Diplomaten durchkreuzt.«147 Im Original des veröffentlichten Briefes wird der Begriff »Bric-a-brac« in einer Fußnote mit ›Antiquitäten‹ erklärt.148 Wie bereits erwähnt, hatte die Voraussetzungen für den Transfer von Devisen zwischen Russland und dem Ausland der sowjetisch-estnische Friedensvertrag von 1920 geschaffen, auf dessen Grundlage nun hohe Valuta-Summen mithilfe von Banken in Estland von und nach Russland transferiert werden konnten. Beispielsweise ­hatte der sowjetische Staatsverlag Gosizdat 50.000 Pfund Sterling beim ständigen bevollmächtigten Vertreter der UdSSR, Isidor Gukovskij, in Reval149 hinterlegt. Diese Summe war für die Auslagerung der russischen Buchproduktion nach Deutschland bestimmt und wartete nur darauf, dass sich eine geeignete Person vor Ort dieses Projektes annahm.150 Die Vorgeschichte dieser Transaktion war, dass sich Gorki bereits seit Anfang 1919 mehrfach an Lenin, Lunačarskij and Vorovskij gewendet hatte mit der Bitte um Genehmigung, die Buchproduktion seines Verlages Vsemirnaja Literatura ins Ausland zu verlagern,151 da dieser dem rasch ansteigenden Bedarf an Büchern angeblich nicht mehr gerecht werden könne.152 Doch obwohl sämtliche Kommissariate in Petrograd Anweisungen hatten, Gorkis zahlreiche Bittschriften mit größter Zurückhaltung zu behandeln,153 gelang es ihm schließlich, die sowjetische Führung von seinem Plan zu überzeugen und sogar ihre finanzielle Unterstützung dafür zu sichern. 146

Alexander Mosjakin: ›Antikvarnyj eksportnyj fond‹, in: Naše nasledie, Nr. 2, 1991, S. 29–42, hier S. 37. Zitiert in Bayer, 2000, S. 259. 147 ›Iz pisma M. F. Andreevoj V. I. Leninu, 25-ogo janvarja 1922, Berlin‹, in: Maria Fedorovna Andreeva, Perepiska, vospominanija, stati, dokumenty (Moskva 1961) S. 287. 148 Ibid. 149 Katherine Amelia Siobhan Sibley, Loans and Legitimacy: The Evolution of Soviet‑American Relations, 1919–1933 (Lexington 1996), S. 26. 150 Pismo A. M. Gorkogo V. I. Leninu s prosboj peresmotret’ rešenie Malogo Sovnarkoma ob otkaze v vydače deneg izdatelstvu »Vsemirnaja Literatura« (17. Juli 1920), Istoričeskij Archiv, 1958, Nr. 2, S. 84. 151 Telegramma zavedujuščego izdatelstvom »Vsemirnaja Literatura« A. M. Gokogo V. I. Leninu ob otsutstvii bumagi u izdatelstva (6. März 1919), Istoričeskij-Archiv 1958, Nr. 2, S. 73. 152 Pismo A. M. Gorkogo V. V. Vorovskomu o pečatanii izdanij »Vsemirnoj Literatury« za granicej (21. Mai 1919), Istoričeskij Archiv, 1958, Nr. 2, S. 77. 153 A. Damanskaja, 1936.

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Zur Genese von Žar ptica: Geistige Bezüge und Bestimmung

Um diese Zusage zu erwirken, hatte Gorki argumentiert, dass nach der Auslagerung der Verlagsproduktion nicht nur Bücher für den sowjetischen Markt, sondern auch für die im Ausland lebenden Russen produziert werden könnten. Diese sollten in Stückzahlen von 5.000 bis 10.000, so seine Einschätzung, über die Verlage Bonner in Stockholm und Ladyžnikov in Berlin vertrieben werden.154 Nach Aussage von Grzhebin, argumentierte Gorki, liege der Selbstkostenpreis eines Buches gegenwärtig bei fünf, der Verkaufspreis dagegen bei 20 Deutschen Mark, was selbst bei Abzug von 50 Prozent für Buchhandels- und Versandkosten einen Reingewinn von fünf Mark pro Buch bedeute, sodass mit jedem im Ausland verkauften Buch ein Exemplar kostenlos nach Russland geschickt werden könne. Bei geschickter Handhabung des Absatzes, der später die Vereinigten Staaten und die Tschechoslowakei einbeziehen sollte, könne die Auflage der im Ausland produzierten Bücher so stark angehoben werden, dass Sowjetrussland praktisch kostenlos 10.000 bis 15.000 Exemplare von jedem im Ausland verlegten Buch erhalten könne.155 Auf der Grundlage dieser Kalkulation schlug Gorki dem Rat der Volkskommissare Sovnarkom156 am 16. Februar 1921 vor, die Buchproduktion von Vsemirnaja Literatura nach Deutschland auszulagern, wofür er sich eine Million Deutsche Mark in Form eines Wiederanlagefonds erbat. Der nächste Schritt sah vor, dass ein Vertreter seines Verlagshauses nach Deutschland entsandt werden sollte, um gemeinsam mit dem dort bereits existierenden sowjetischen Verlagsapparat Druck und Absatz der Vsemirnaja Literatura-Ausgaben in Angriff zu nehmen.157 Dieser Vertreter war A. E. Kogan. Hier zeigte sich wiederum, warum Gorki mit den Vertretern von halbstaatlichen und privaten Verlagen, wie Grzhebin, Ladyžnikov und Kogan, zusammenarbeitete, deren Geschäftssinn, Sprachkenntnisse und Verstetigungspraxis er insofern schätzte, als er ihnen eher als den Vertretern des Staatsverlages Gosizdat zutraute, Geschäftsbeziehungen mit deutschen Verlegern anzuknüpfen, ohne deren Unterstützung im Hinblick auf Papierlieferungen und Drucktechnik sein Plan nicht realisierbar gewesen wäre. Naheliegend ist, dass auch Kogans Büro für Technische Zusammenarbeit zu Gorkis Plan gehörte und der Devisen-Erlös aus dessen Hilfeleistungen mithin Teil jenes Ausschüttungsbetrages war, der schließlich für die sowjetische Buchproduktion wiederangelegt werden und damit zurück nach Russland fließen sollte. 154

Tezisy doklada A. M. Gorkogo o pečatanii za granicej izdanij ›Vsemirnoj Literatury‹, Istoričeskij Archiv 1958, Nr. 2 (März–April), S. 67–95, hier: S. 91–92. 155 Ibid. 156 Akronym für Sovet narodnych kommissarov: Rat der Volkskommissare bzw. sowjetischer Ministerrat. 157 Tezisy doklada A. M. Gorkogo, Istoričeskij Archiv, 1958, Nr. 2, S. 91–92.

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Gorkis Plan

Unmittelbar nachdem Gorki am 27. April 1921 vom Rat der Volkskommissare die Erlaubnis für die Auslagerung seiner Verlagsproduktion samt der benötigten Fördermittel erhalten hatte,158 reiste Kogan nach Berlin, um den Verlag Russkoe Iskusstvo als Dependance von Vsemirnaja Literatura ins Leben zu rufen. Finanziell unterstützt wurde die Verlagsgründung vermutlich von Ullstein.159 Vorläufige Verhandlungen über die Inanspruchnahme von typografischen Einrichtungen in Deutschland hatte Kogan zusammen mit Tichonov in Abstimmung mit dem Rat der Volkskommissare seit dem Sommer 1920 mit der Leipziger Druckerei von Hans Vollmer geführt, denn damals zeichnete sich bereits ab, dass Gorkis Verlag seine Produktion in absehbarer Zeit würde einstellen müssen.160 Als ein Emigrantenverlag ist Kogans Verlag Russkoe Iskusstvo also nur insofern einzustufen, als er von den Beiträgen emigrierter russischer Künstler und Kunsthis­ toriker profitierte. Doch in erster Linie war es ein sowjetischer Verlag, dessen Zustandekommen auf den Ambitionen und Fördergeldern der sowjetischen Führung beruhte. Dementsprechend war Žar ptica zwar auch eine Zeitschrift für Emigranten, hauptsächlich aber ein »Spielzeug« für Leser im Ausland, deren Kaufkraft und Bewunderung für das Schaffen russischer Künstler mithilfe von Kogans Kunstmonografien und Zeitschriftenprojekten jenes Kapital herbeischaffen sollten, das für den Anschub der sowjetischen Buchproduktion so dringend erforderlich war. Kogan selbst erwies sich dabei eher als ein Werkzeug der sowjetischen Führung denn als ein Propagandist ihrer politischen Überzeugungen. Hier in Berlin tat er nichts anderes als in seinem Petersburger Verlagshaus: Er produzierte aufwändige Kunstbände und setzte damit seine Karriere als Experte für russische Buchkunst fort, nunmehr allerdings unter weitaus günstigeren wirtschaftlichen Bedingungen in Berlin und im Auftrag der sowjetischen Führung.

158 159

160

Vypuska iz protokola zasedanija Politbjuro CK RKP (b) o pečatanii za granicej knig »Vsemirnoj Literatury« (27. April 1921), Istoričeskij-Archiv, 1958, Nr. 2, S. 92. Im April 1921 berichtet die Zeitschrift Russkaja Kniga, dass »ein deutsches Verlagsunternehmen die Publikation von Žar ptica in finanzieller und kommerzieller Hinsicht unterstützen« werde. Siehe: ›Chronika i raznye zametki: Novoe russkoe chudožestvennoe izdatelstvo‹, Russkaja Kniga, Nr. 4 (April 1921), S. 11–12. Obwohl in dem Artikel keine Namen genannt werden, kann davon ausgegangen werden, dass der Ullstein-Verlag gemeint ist. Nachweisbare Verbindungen zwischen Kogan und Ullstein existierten, und gerade zu diesem Zeitpunkt entwickelte Ullstein ein spezielles Interesse für buchkünstlerische Gestaltung von Einbänden. Vgl.: Abigail Strubel, The People of the Book: Jews in German Publishing, 1871–1938, Katalog der gleichnamigen Ausstellung (New York 1998), S. 11–12. Pismo A. M. Gorkogo V. I. Leninu s prosboj peresmotret rešenie Malogo Sovnarkoma ob otkaze v vydače deneg izdatelstvu »Vsemirnaja Literatura« (17. Juli 1920), Istoričeskij-Archiv, 1958, Nr. 2, S. 84.

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Zur Genese von Žar ptica: Geistige Bezüge und Bestimmung

Damit stellt sich seine Zeitschrift Žar ptica als Geldbeschaffungsunternehmen he­ raus. Mehr noch: Was einst die geringschätzigen Äußerungen ihrer Zeitgenossen hervorrief, nämlich ihre ästhetische Dichotomie und die Ausrichtung auf die Welt der russischen Kunst in der Vergangenheit, erwies sich letztendlich als eine erfolgreiche Vertriebsstrategie, brachte es doch zwei völlig unterschiedliche Zielgruppen zusammen: ausländische Leser, für die Žar ptica ein Schaufenster war, durch das sie die Welt der russischen Kunst betrachten durften, und russische Emigranten, die sich durch Žar ptica an die künstlerischen Höhepunkte aus ihrer Vergangenheit erinnert fühlten, was ihnen wiederum helfen sollte, sich über ihre leidgeprüfte Gegenwart hinwegzutrös­ ten.161 Darüber hinaus bot ihnen Kogans »Welt des Feuervogels« eine Zufluchtsstätte vor den alltäglichen Herausforderungen des Emigrantenlebens. Zum Ausdruck kommt dieses Anliegen bereits in der ersten Strophe von Saša Černyjs Gedicht »Kunst«162, das stellvertretend für ein Manifest den russischen Teil der Zeitschrift einläutet: »Gott, unser zürnender Vater, Du hast uns in Versuchung gebracht mit Eden, Und uns dann den Hunden überlassen, in die Dunkelheit verbannt, Und nur die Musen mit ihrem zärtlichen Harem Steigen wie ein Echo aus dem Paradies herab zu uns in den Kerker.«163

Dieses Bild – Kunst als Flucht vor der Wirklichkeit in die entrückte Welt der ­Träume, Kunst als Ersatz für die Wirklichkeit, ja als Erlösung164 – bildet den Auftakt von Žar ptica und bleibt auch nachfolgend das Leitthema der Zeitschrift. Aus der Geschichte dieser Genese erklärt sich, warum Berichte über Russland auf die Vergangenheit beschränkt blieben und sich Žar ptica nicht zu neueren künstlerischen Trends äußern konnte, die auf aktuelle politische Entwicklungen zurückzuführen waren. Ihrem Herausgeber blieb gar nichts anderes übrig, als sich im Sinne von Lunačarskijs Vorgaben von jeglicher Tagespolitik fernzuhalten: Antisowjetische Äußerungen waren nicht angebracht, da Žar ptica aus den Geldtöpfen seiner sowjetischen Hintermänner gespeist wurde, prosowjetische Manifestationen nicht, weil die Zeitschrift auf die Kauf161

Susanne Marten-Finnis, Igor Dukhan: ›Dream and Experiment. Time and Style in 1920s Berlin Émigré Magazines: Zhar ptitsa and Milgroym‹, East European Jewish Affairs, Vol. 35, 2005, Nr. 2, S. 225–244. 162 Černyj, ›Iskusstvo‹ (erste Strophe), Žar ptica, Nr. 1 (August 1921), S. 6. 163 Ibid. 164 Siehe hierzu: Emmanuel Lévinas, ›La réalité et son ombre‹, Les Temps Modernes, 1948, Nr. 38 (November), S. 771–789; Igor Dukhan, ›The Ethics of Representation and Modern Art‹, in: Dorothee Gelhard (Hg.), Ethics and Literature (Cambridge Mass. 2001), S. 92–106.

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Kunst als Flucht vor der Wirklichkeit?

kraft von westlichen Lesern und Emigranten angewiesen war, deren politische Einstellung gegenüber den neuen sowjetischen Eliten teils durch kritische Distanz, teils durch offene Gegnerschaft geprägt war und die nicht verprellt werden durften. KUNST ALS FLUCHT VOR DER WIRKLICHKEIT? Den Anspruch, russischen Lesern in der fremden Umgebung Trost und Selbstbewusstsein zu vermitteln, erhob nicht nur Žar ptica. Auch die kurze Zeit später in die Berliner Emigranten-Öffentlichkeit tretende Bühnenzeitschrift Teatr i žizn hatte sich neben ihrem Chronik- und Informationsanspruch zum Ziel gesetzt, an jene Erfolge zu erinnern, mit denen russische Künstler einst das europäische Publikum begeistert hatten, und ihren Lesern damit Zuspruch zu vermitteln. Dementsprechend heißt es im Manifest der Zeitschrift: »[…] Ausländer verhalten sich oft hochmütig gegenüber unserer politischen Talentlosigkeit, die uns aus der Heimat in fremde Länder vertrieben hat. Sie verachten unsere soziale Plumpheit, blicken herab auf unsere endlosen Streitereien. Wenn es aber um die russische Kunst geht – sei es in Gesten, Worten, Klängen oder Farben – so sind sie hingerissen. Ihr zollen sie Respekt. Der Ruhm des Moskauer Künstlertheaters, die überragenden Ausstellungen der russischen Malerei in Paris und London, die Abende der Anna Pavlova in Paris, die brillianten Sinfoniekonzerte von S. Kussavickij, das noch immer charmante Diaghilev-Ballett, die Berliner Erfolge von der Polevickaja, die meisterhaften russischen Inszenierungen, ›Žar-ptica‹  – all das tröstete uns in den Tagen von Trauer und Demut im Exil. […]«165

Einen zentralen Stellenwert nahm in den Lobeshymnen der russischen Kunst generell das russische Ballett ein, vor allem, wie hier deutlich zum Ausdruck kommt, Strawinskys musikalisches Märchen vom Feuervogel, dessen Bekanntheitsgrad den der übrigen Inszenierungen offenbar überstieg. Wie überzeugend Žar ptica als Zeitschrift die Leistungen der russischen Kunst und Künstler zu würdigen wusste, hob Alexander Drozdovs Berliner russische Literatur- und Kunstzeitschrift Spolochi [Die Nordlichter] hervor. Spolochi pries – im Gegensatz zu den sachlich‑kritischen Anmerkungen der anderen Berliner russischen Zeitschriften  – ausgesprochen lautstark und emotional die Rolle von Žar ptica als einem Ort der Zuflucht und des Trostes für russische Emigranten in jenen Jahren: 165

›Ot redakcii‹, Teatr i žizn, Nr. 1–2 (Oktober 1921), S. 1–2.

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Zur Genese von Žar ptica: Geistige Bezüge und Bestimmung

»[…] Nun liegt uns bereits die zweite Nummer dieser herrlichen Zeitschrift vor, welche die Leistung und Originalität der russischen Kunst so überzeugend darzustellen weiß. In diesen Tagen schrecklicher Not, wo in Russland die Kultur zusammenbricht, bekommen wir einen besonderen Trost, schöpfen wir einen besonderen nationalen Stolz aus den Vorbildern der Kunst unserer Heimat. […] Wir sagen es noch einmal: Die ganze Zeitschrift steht über jedem Lob und muss zum tiefen Trost werden für alle jene, die an die Kraft des russischen schöpferischen Geistes glauben. […]«166

Wieder einmal, so der Autor dieser Eloge, habe der Herausgeber von Žar ptica A. E. Kogan, ein Name, der all jenen geläufig sei, die sich mit russischen Kunstausgaben auskennen, sein hervorragendes Geschick in dieser Beziehung unter Beweis gestellt und Roerich, Šuchaev, Sorin, Grigoriev, Sudejkin und Kustodev reproduziert, wie es vollendeter nicht möglich sei. In jedem der reproduzierten Werke fühle man die Seele des Künstlers, fuhr er fort in dem kurzen Bericht, der sogar Žar pticas literarischen Teil lobte.167 Zwar sei die Kunst in Russland zusammengebrochen, doch ihre Bruchstücke glänzten in Europa und der ganzen Welt und überraschten durch die Energie und Frische, die sie ausstrahlten,168 hieß es einige Monate später, als Spolochi das Thema im Zusammenhang mit dem Schaffen von Bakst, Roerich, Šuchaev und anderen Künstlern des Mir Iskusstva-Kreises erneut aufgriff. Vielleicht ungewollt brachte Spolochi damit zum Ausdruck, was der versierte Buchdruckkünstler A. E. Kogan in Žar ptica so offenkundig nicht zugeben konnte, nämlich dass er mit seiner Zeitschrift – neben dem oktroyierten Anliegen, die sowjetische Buchproduktion zu fördern – eben auch noch eine ganz persönliche Agenda verfolgte, die darin bestand, Fragmente aus dem Schaffen der nun im Ausland verstreut lebenden russischen Künstler zusammenzutragen, aufzubereiten und der Öffentlichkeit, wenn auch mit dürftigen oder gar keinen Erläuterungen, zugänglich zu machen. Dass er dabei die neue Kunst des Sowjetlandes außer Acht ließ und den ästhetischen Prinzipien, wie sie sowohl durch die Kunst von Jugendstil und Art Deco als auch vom Konzept der Mir Iskusstva-Gruppe vertreten wurden169, den Vorzug gab, hing also, neben der Verfügbarkeit von Bildmaterial und dem Wiedererkennungseffekt, den er bei westlichen Lesergruppen erreichen wollte, auch mit seinen eigenen Präferenzen zusammen. 166 A. G. Levenson, ›Žar ptica‹, Spolochi (Berlin), Nr. 1 (November 1921), S. 43. 167 Ibid. 168 B. Zack, ›S. SegaL’‹, Spolochi (Berlin), Nr. 6 (April 1922), S. 30. 169 Gabriele Brandstetter, ›Die Inszenierung der Fläche. Ornament und Relief im Theaterkonzept der Ballets Russes‹, in: Claudia Jeschke, Ursel Berger, Birgit Zeidler (Hg.), Spiegelungen. Die Ballets Russes und die Künste (Berlin 1997), S. 147–163 (hier S. 149).

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Kunst als Flucht vor der Wirklichkeit?

Darüber hinaus boten ihm gerade jene darstellenden und dekorativen Künste, die sich vorrangig am Repertoire der Mir Iskusstva-Gruppe und des russischen Balletts orientierten, in ihrer märchenhaften Harmlosigkeit170 die Möglichkeit, ausländische und russische Lesergruppen zusammenzuführen, indem er sie in einen politisch neutralen und ideologiefreien Raum versetzte, nämlich in die unerschütterliche Welt des Märchens: in eine zauberisch makellose Welt der erfüllten Träume, wo Prinzen und Feen herrschten, wo fern von den Bedrohungen der Gegenwart das Gute über das Böse siegte – in das Reich des Feuervogels. Ähnlich wie die Künstler der Ballets Russes mit den Farben und Ornamenten ihrer Märchendekore die Bühnenräume auf grandiose Art und Weise gestalteten, wurden ihre Kompositionen nun mithilfe von technisch perfektionierten Druckverfahren auf die Seiten von Žar ptica projiziert, wo sie als Höhepunkte der Buchkunst in die Annalen eingegangen sind. Den aktuellen Anlass dafür lieferte die Pariser Mir Iskusstva Ausstellung, die vom 16. Juni bis 6. Juli 1921 in der Pariser Galerie La Boëtie stattfand (siehe auch Kapitel 6) und damals als das wichtigste Ereignis des russischen Kunstlebens im Ausland galt.171 Ganz im Sinne dieser Ausstellung widmete sich Žar ptica jenen Künstlern, die sich Bühnenbild und Buchschmuck verschrieben hatten. Dass die Auswahl der präsentierten Werke eine gewisse Willkür offenbarte, war vermutlich auf Kogans Bestreben zurückzuführen, Bildmaterial auszustellen, das sich ohne besonderen Aufwand herbeischaffen bzw. reproduzieren ließ (oder das er bereits mit nach Berlin gebracht hatte). Erläuternde Texte erhielten die Reproduktionen, sofern Experten172 verfügbar und bereit waren, darüber zu schreiben. War das nicht der Fall, erschienen sie in der Zeitschrift schlichtweg ohne Erklärung bzw. ohne Künstlerporträt. Insofern hatten die Kritiker von Žar ptica durchaus recht, wenn sie der Zeitschrift eine gewisse Konzeptionslosigkeit vorwarfen, auf die an dieser Stelle nochmals hingewiesen sei, da sie sich auf die inhaltliche Aufbereitung von sämtlichen Ausgaben auswirkte. Wenn sich nun das folgende Kapitel den Inhalten von Žar ptica zuwendet und der Reihe nach ausgewählte Beiträge in den einzelnen Heften bespricht, orientiert sich die Darstellung an einer chronologischen Vorgehensweise. Im Vordergrund steht dabei das ursprüngliche Anliegen der Zeitschrift, russische Kunst und Künstler im 170 171 172

Carl Einstein, ›Léon Bakst‹, in: Herrmann Haarmann und Klaus Siebenhaar (Hg.), Carl Einstein Werke Bd. 2, 1919–1928 (Berlin 1996), S. 471–500. G. Lukomskij ›Mir Iskusstva‹, Žar ptica, Nr. 1, 1922, S. 17–18. Der überwiegende Teil solcher Erläuterungen und Künstlerporträts stammte von dem russischen Kunstkritiker und ehemaligen Herausgeber der russischen Kunstrevue Apollon, Sergej Makovskij, dem Mitherausgeber von Žar ptica, Georgij Lukomskij, dem Journalisten und Tanzexperten André Levinson und dem Journalisten und Literatur- und Kunstkritiker Max Osborn.

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Zur Genese von Žar ptica: Geistige Bezüge und Bestimmung

Ausland vorzustellen, vor allem jene Künstler, denen ein bestimmtes Heft gewidmet ist, während der im Nachhinein für die russischen Kolonien ins Leben gerufene literarische Teil hier vernachlässigt wird, um dessen ausführliche Analyse einer späteren Publikation vorzubehalten.

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KAPITEL 4

IM REICH DES FEUERVOGELS INHALTE, THEMEN, KÜNSTLER Ganz im Sinne von Kogans Ankündigung, mithilfe von Žar ptica die Rezeption der Pariser Mir Iskusstva-Ausstellung vom Sommer 1921 zu fördern,173 werden die Vertreter dieser Künstlergruppe im ersten Žar ptica-Heft vorgestellt, um nachfolgend jedes Heft dem Werk eines anderen Künstlers zuzueignen. Dabei handelte es sich vorzugsweise um Künstler der dekorativen Gestaltung, die ihr Schaffen zunehmend in den Dienst der Szenografie gestellt hatten, unter ihnen Bakst, Benois, Kustodev, Grigoriev, Jakovlev, Šuchaev, Sudejkin, Sorin, Lukomskij, Larionov und die Gončarova. Nachdem sie Russland verlassen hatten, versammelten sich diese Künstler nun im März 1921 erneut zur gemeinsamen Arbeit in Paris, um von hier aus ihre Tätigkeit fortzusetzen, zu bündeln und zu koordinieren.174 Die Ausstellung bildete den ersten Meilenstein auf diesem Weg. Auch wenn der literarische Teil von Žar ptica in der folgenden Darstellung in den Hintergrund tritt und hier in erster Linie der Abbildungsteil mit den kunstbezogenen Beiträgen und Künstlerporträts zur Diskussion steht, können lediglich repräsentative Beiträge einer Ausgabe besprochen werden. Ihre Auswahl orientiert sich am Hauptanliegen des Herausgebers und Verlegers von Žar ptica, das darin bestand, Leben und Werk russischer Künstler im Ausland bekannt zu machen und dort das Interesse für die russische Kunst der jüngeren Vergangenheit zu wecken. Dementsprechend stehen im Mittelpunkt der folgenden Betrachtung die Beiträge und Porträts jener Künstler, die den thematischen Schwerpunkt eines jeweiligen Heftes bilden. Ein vollständiges Verzeichnis aller Žar ptica-Artikel einschließlich der Beiträge im Literaturteil sowie eine Auflistung der Farbtafeln, Abbildungen und Fotografien befindet sich im Anhang zu diesem Band. Viele Beiträge und Porträts erschienen in Žar ptica zweimal: sowohl im russischsprachigen Teil als auch im internationalen Beilagenteil, teils in deutscher, teils in englischer Übersetzung. Einige Žar ptica-Hefte besaßen Beilagen mit englischen und deutschen Übersetzungen, andere wiederum enthielten entweder nur deutsche oder nur englische Übersetzungen und waren offenbar von vornherein für den Vertrieb in Deutschland und Holland bzw. Großbritannien und Amerika bestimmt. Nach 173 174

George Loukomsky [sic] (Hg.), L’art Russe à Paris en 1921 (Paris 1921), ohne Seitenangabe. G. Lukomskij ›Mir iskusstva‹, Žar ptica, Nr. 1, August 1922, S. 17–18.

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Im Reich des Feuervogels

welchen Gesichtspunkten der Herausgeber dabei vorging, ist kaum nachvollziehbar. Übersetzungen ins Deutsche stellten vermutlich keine Schwierigkeit dar, denn Kogan verfügte über mehr als ein Dutzend Sprachkundige, die in der Lage waren, russische Texte ins Deutsche zu übersetzen, unter ihnen Reinhold von Walter und Artur Luther. Dagegen dürften Personen mit entsprechenden englischen Sprachkenntnissen im Russischen Berlin eher selten anzutreffen gewesen sein, und so richtete sich das Zustandekommen der englischen Übersetzung eines Beitrages sicherlich auch nach der Anwesenheit von Sprach- und Sachkundigen vor Ort. Die Informationen zu den Farbtafeln, die die Hauptattraktion von Žar ptica bilden, erscheinen in vier Sprachen – Russisch, Deutsch, Englisch und Französisch. Dass diese Farbtafeln so außerordentlich gut zur Geltung kamen, hing nicht nur mit der exzellenten typografischen Aufbereitung zusammen, sondern auch mit dem hochwertigen Kunstdruckpapier, auf dem Žar ptica gedruckt wurde. Es stammte von der Württemberger Firma Carl Scheufelen, die als erste Papierfabrik in Europa zweiseitig gestrichenes Papier, genannt Kunstdruckpapier, fertigte. Druckstock bzw. Klischee lieferte die Kunstdruckerei Dr. Selle & Co. in Berlin-Kreuzberg unweit von Kogans Redaktionsstube in Berlin-Schöneberg. Žar ptica erschien mit einem festen Einband im Großformat (31,8 cm x 24,1 cm), hatte also eher das Erscheinungsbild eines Kunstbandes und besaß dennoch Zeitschriftenstatus. Dies verschaffte ihrem Herausgeber und Verleger einen zusätzlichen Vertriebsvorteil, der es ihm ermöglichte, die Zeitschrift ins Ausland zu versenden ohne Exportaufschlag, der bei Büchern und Kunstbänden dieses Formates anfiel und bis zu 100 Prozent des Ladenpreises betragen konnte.175 Neben Momentaufnahmen aus der russischen Stadtgeschichte, Folklore, Dorfkultur und Märchenwelten dominierten bei der inhaltlichen Gestaltung von Žar ptica Aufsätze, Berichte, Erinnerungen und vor allem Farbtafeln und Fotografien, die sich mit den frühen Ballets Russes-Produktionen befassten, diesem in der Geschichte des Tanzes einzigartigen Unternehmen,176 das in seinem Zusammenwirken von Choreografie, Musik, Szenografie und innovativen Farb- und Gestaltungsmustern seit 1909 das westliche Publikum begeisterte. Wie Blickfänge einer Schaufensterdekoration nehmen sich die dekorativen Arbeiten von Roerich, Golovin, Gončarova, Larionov, Bakst und Benois aus, die teils der sagenumwobenen Welt des Orients und der Antike, teils vorchristlichen Riten und russischen Märchenwelten entlehnt sind. Allerdings erscheint das präsentierte Bildmaterial willkürlich zusammengewürfelt: Einmal Mär175 ›Uslovija eksporta knig iz Germanii‹, Novaja Russkaja Kniga (Berlin), Nr. 5 (Mai 1922), S. 26. 176 Claudia Jeschke, Ursel Berger, Birgit Zeidler (Hg.), Spiegelungen. Die Ballets Russes und die Künste [Vorwort] (Berlin 1997), S. 10.

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Inhalte, Themen, Künstler

chenszenen von Bilibin und Burlesken von Somov, dann wieder russisches Spielzeug von Sudejkin, Kupferstiche und Radierungen von russischen Städten, die offenbar aus verstreuten Nachlässen zusammengetragen waren; russische Landschaften, daneben Fotografien und Bildnisse von Tänzern wie Vaclav Nijinskij, Tamara Karsavina, Anna Pavlova und Ida Rubinstein. Das Bildmaterial erscheint unsystematisch und wird kaum erläutert, vergleichbar mit einem Familienalbum oder dem Programmheft eines Theaterstückes, das man irgendwann wieder durchblättert, um sich bestimmte Ereignisse in Erinnerung zu rufen. Gerade im Hinblick auf die Ballets Russes gelangte ja mit den hier ausgestellten Zeugnissen russischer Bühnenkunst jener imaginierte Teil eines künstlerischen Unternehmens zur Ansicht, der Ort und Zeit einer tänzerischen Handlung festlegt und in Form von Aufzeichnungen und Abbildungen auch dann noch weiterlebt, wenn eine Vorstellung längst vorüber ist, der nun zwar nicht mehr denselben Effekt hervorruft wie das Spektakel an sich, doch häufig als einzige Reliquie die Erinnerung daran über längere Zeit wachzuhalten vermag.177 In den Dekorationen dieser getanzten Geschichten ließen sich die unterschiedlichen Talente der einzelnen Künstler festschreiben: Dobužinskij und Benois vermittelten klassische oder romantische Stimmungen; Roerich, Gončarova und Larionov verarbeiteten in ihren Kostümen und Dekorationen barbarische Mythen und die farbenfreudige Pracht russischer Dorfkultur; Bakst war bekannt für seine exotischen Bühnendekorationen und Kostüme eines märchenhaften Orients.178 Die farbigen Reproduktionen solcher Bühnengestaltungen waren, neben der aufwändigen Umschlaggestaltung, für den Herausgeber von Žar ptica das effektivste Mittel, die Aufmerksamkeit seiner Leser zu fesseln und sie in eine fantastische Welt der Märchenträume und Tanzleidenschaften zu entführen. Alexander Benois beschrieb in diesem Zusammenhang das Ballett als ein Spektakel, »[…] in which occasionally the weirdest events take place against a phantastic background, in which nothing is rational and in which – enfin – there is no room for any relation to everyday life. And yet, with all this, there is no other spectacle that can create such an atmosphere of poetry, that can persuade as stongly as ballet. […] Ballet and everything concerning ballet must be artifically conditioned, must be a beautiful lie, and only under these conditions is ballet ›good‹. Only in such cases does it speak the truth that answers to the fundamental demands of human nature, which understands truth far more easily when it is presented in the guise of fiction – that is poetry. […] We, the followers of ballet, know how it satisfies us 177 178

Schouvaloff, 1997, S. 3–9. Ibid., S. 6.

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Im Reich des Feuervogels

more than any other spectacle, how it heals and consoles us. But ballet only retains this ›magic‹ while it enshrines our ideals, the wonderful illusions, the dreams of the poet, dreams that turn their back on sordid reality […]«.179

Nichts anderes als solch eine zauberhafte Lüge war Žar ptica: Ein Feuerwerk, ein Spektakel, das seine Leser im Ausland faszinierte, denn es verhieß ihnen Unterhaltung durch Tanz, Musik und Dekor des Balletts. Seinen russischen Lesern dagegen versprach die Zeitschrift Ablenkung; gleichzeitig vertrieb sie die Bitterkeit und Langeweile des Emigrantenalltags und ermöglichte ihnen die Flucht in eine Welt der Kunst, der Fantasien und Märchenträume, deren Zauber zumindest für kurze Zeit einen Schleier über das erbärmliche und erniedrigende Leben in der Fremde warf. HEFT 1: KAUFMANNSFRAUEN UND TROIKAS … … repräsentierten das Leben in der russische Provinz. Sie waren eine feine Stilisierung der Wohlhabenheit eines Kaufmannsstandes, wie er bis 1917 in Russland exis­ tierte und dessen Vertreter sich nun weitgehend im Ausland aufhielten. Festgehalten hat diese Welt Sergej Sudejkin (1882–1946), dessen Schaffen den Abbildungsteil des ersten Žar ptica-Heftes beherrscht.180 Auf dem Bild Am Teetisch181 – eigentlich ›Teetrinken mit Orgelbegleitung‹ – erblickt der Leser einen dickwanstigen Kaufmann mit seiner Frau und einer verhutzelten Nonne, als religiöses Requisit des behäbigen Kleinbürgers. »Die drei sitzen am Teetisch in der Gaststube einer besseren Schenke. Im Hintergrund rechts ist eine riesige Orgel zu sehen, ein Polyphon. Dabei handelt es sich um ein Instrument, das aufgezogen wird und dann überwältigend laute und nicht ganz einwandfrei gestimmte Töne von sich gibt. Bei so einer Begleitung trinkt man den Tee mit vermehrtem Behagen. Da man sich am heißen Getränk den Schlund verbrennen könnte, pflegt man den Tee aus der Tasse in die Untertasse zu gießen; diese wird dann mit großem Geschick auf Daumen, Mittelfinger und kleinem Finger balanciert und so an den Mund geführt; vorsichtshalber bläst man erst über die heiße Flüssigkeit, ehe man sie herunter schlürft. Wie man sieht, trägt der Kellner nicht einen Frack, sondern ein weißes Hemd, wie das in den kleinen russischen Gasthäusern üblich war.«182

179

Alexander Benois, ›Décor and Costume. The Composers, Designers, and Librettists‹, in: Cobbett Steinberg (Hg.), The Dance Anthology (New York, London 1980), S. 153–171. 180 Gr. Alexej N. Tolstoj, ›Vor den Bildern Sudejkins‹, Žar ptica, Nr. 1, 1921, S. 2–4. 181 Sudejkin, ›Am Teetisch‹, ibid., S. 23 182 ›Zu den Bildbeigaben‹, Žar ptica, Nr. 1, 1921, S. 1 (internationaler Teil).

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Heft 1: Kaufmannsfrauen und Troikas …

Abbildung 2: Sudejkin, Am Teetisch (Žar ptica Nr. 1, 1921).

Den russischen Leser versetzten solche Bilder zurück in die Vergangenheit, »[…] eine Welt voll wunderbarer Poesie, voller Jubel und Heiterkeit, eine Welt der altertümlichen Landschaften und Gutshäuser, der Reigentänze im grünen Schatten der Haine […] eine wiedererstandene Welt sorgloser Herrlichkeit und Liebe […]«:183 »[…] Da sind Jahrmärkte und Rummelplätze, Kasperletheater und Schlittenfahrten bei Nowinskoje, wo alle Welt betrunken ist, da sausen dicke, rotwangige Kaufmannsfrauen in Troikas vorbei und der stumpfnasige Beamte blickt ihnen nach, von wollüstiger Sehnsucht geplagt. Das sind die überheizten guten Stuben der Kleinbürger, die sogen[annten] Kabinette in den Gasthäusern dritten Ranges, deren Fenster auf den Hof der Kirche hinausgehen, […] dann die Lakaien im Gasthof mit ihren Verbrecherphysiognomien, und derselbe stumpfnasige Beamte, der zu einer halben Flasche Ebereschenschnaps seine Zuflucht genommen hat. Das ist 183

Gr. Aleksej N. Tolstoj, ›Pered kartinami Sudejkina‹, Žar ptica, Nr. 1, 1921, S. 23–28; ders., ›Vor den Bildern Sudejkins‹, ibid., S. 2–4 (internationaler Teil).

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die märchenhafte Welt der lehmgeformten Spielsachen […] Da ist der wollustsatte und faule Orient – Georgien, Persien, Armenien […].«184

Der Autor dieses Beitrages kommt hier jener im Ausland verbreiteten Haltung entgegen, die russische Folklore häufig mit den mysteriösen Orten eines »wollustsatten und faulen Orient« assoziierte, einem halb barbarischen Leben im Osten und unbegrenzten sinnlichen Freuden. Diese Assoziation mag zum Teil an den mangelnden Russlandkenntnissen ausländischer Leser gelegen haben, zum Teil aber auch an der Faszination russischer Künstler durch östliche Exotik, die Selbstdarstellungen wie diese nach sich zog und jener Vorstellung westlicher Zuschauer entgegenkam, welche von den Russen eben eine gehörige Portion Barbarentum erwartete. Typisch dafür war, ähnlich wie im hier zitierten Abschnitt, das bewusste Verwischen der Konturen zwischen einem imaginierten Orient und Russland mit seinen islamischen Gebieten, die es selbst erst im 19. Jahrhundert sich angeeignet hatte: dem Kaukasus, Zentral­ asien und dem mittleren Wolgagebiet.185 Der Anspruch, den verstreut lebenden russischen Künstlern eine Stimme zu geben, damit sie ausländischen Öffentlichkeiten die Welt der russischen Kunst, insbesondere »das Ballett und das russische Theater«,186 nahebringen, fixiert der Žar pticaHerausgeber im Geleitwort, das den internationalen Teil des ersten Heftes einleitet. Dagegen verzichtet der russische Teil auf ein Manifest und bringt stellvertretend dafür Saša Černyjs Gedicht »Kunst«.187 Ebenso dem russischen Leser vorbehalten bleibt die Verlagschronik, worin der Herausgeber auf redaktionelle Zuständigkeiten in der international angelegten Tätigkeit des Verlages Russkoe Iskusstvo und damit einhergehend auf die große Reichweite von Žar ptica sowie auf die Einrichtung des Büros für technische Zusammenarbeit verweist.188 Ein längerer Beitrag über die Abspaltung einer Gruppe von Schauspielern des Moskauer Künstlertheaters unter Leitung von Kačalov und Knipper-Tschechow, die sich anlässlich einer Gastspielreise in Charkow aufgrund der Ereignisse plötzlich jenseits der heimatlichen Grenze befand und ein Wanderleben begann, während der Kern des Künstlertheaters unter der Regie von Stanislavskij und

184 Ibid. 185 Vera Tolz, ›Orientalism, Nationalism and Ethnic Diversity in Late Imperial Russia‹, The Historical Journal, Vol. 48, 2005, Nr. 1, S. 127–150. 186 ›Zum Geleit‹, Žar ptica, Nr. 1 (August 1921), S. 1 (internationaler Teil). 187 Saša Černyj, ›Iskusstvo‹, Žar ptica, Nr. 1 (August 1921), S. 6. 188 ›Chronika Izdatelstva »Russkoe Iskusstvo«‹, Žar ptica, Nr. 1, 1921, S. 41–42.

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Heft 2: Fantastische Märchen ohne Worte erzählen, …

Nemirovič-Dančenko mit verkürztem Repertoire in Moskau weiterarbeitete,189 lässt die Absicht erkennen, in Form von längeren Hintergrundartikeln auf aktuelle Ereignisse einzugehen. Ebenso der bebilderte Bericht über Michel Fokine, den Schöpfer des Neuen Russischen Balletts, und seine Inszenierung des Balletts Die Marquise.190 Allerdings sollte es vorerst bei diesen beiden Versuchen bleiben, aktuelle Themen zu behandeln. In den folgenden Žar ptica Heften tritt der hier erkennbare Gegenwartsanspruch zugunsten von Berichten über Ausstellungs- und Theaterhöhepunkte aus der Vergangenheit zurück und erst in der letzten Nummer (14) wieder zutage. HEFT 2: FANTASTISCHE MÄRCHEN OHNE WORTE ERZÄHLEN, … … im Tanz dramatische Geschehnisse darstellen, darin sieht Carl Einstein die positive Kraft des russischen Balletts, denn es bejahe einen Instinkt des Volkes, dem Tanz noch selbstverständlicher Ausdruck sei.191 Die Gewänder und Dekorationen von russischen Legenden, kombiniert mit einigen wundervoll künstlichen Sprüngen,192 präsentiert das zweite Žar ptica-Heft seinen Lesern in Form einer Pavlova-Retrospektive. Den Anlass dazu lieferte offenbar das Pariser Gastspiel der Pavlova im Frühjahr 1921: »[…] Sie hat die Traumelegie des ›Schwanengesangs‹, das rührende Bild des sterbenden Schwan geschaffen, wie es durch sie in der ganzen Welt bekannt geworden ist. Sie selber, die ›Zarewna Schwan‹ der russischen Choreographie versteht es, phantastische Märchen ohne Worte zu erzählen, sie lässt sie aus ihrer begnadeten Seele entstehen und formt sie unerhört im Ausdruck, zu plastischen Gebilden. […] Ganz unmittelbar erfasst sie die feinsten psychologischen Nuancen, sei es der Menschen oder der Natur – das traumhafte Hinleben einer Blume (la Rose, Californian poppy), das sorglose Hinzittern der Libelle, die tolle, liebestrunkene, weintrunkene Leidenschaft der Bacchantin (Bacchanale), die zärtliche Bukolik eines Mädchens aus dem alten Hellas (danse grecque), die ruhige, stolze Majestät der russischen Frau (danse russe), die mythische Dunkelheit einer iranischen Sage (La Peri) und das spielerische Scherzen im Mexikanischen Tanz. […] Schmal, schlank und elastisch wie ein Schilfrohr, mit ihrem naiven südländischen Gesichtchen, ganz durchsichtig 189 190 191 192

Sergej Makovskij, ›Chudožestvennyj teatr zagranicej‹, ibid., S. 19–22; ders., ›Das Moskauer künstlerische Theater im Auslande‹ [übersetzt von S. v. Radecki], ibid., S. 7–8 (internationaler Teil). Alexander Pleščeev, ›M. Fokin i novyj balet‹, ibid., S. 30–32; M. Fokin, ›Markiza (Po povodu moej postanovki mocartovskogo baleta)‹, ibid., S. 38; M. Fokin, ›Die Marquise‹, ibid., S. 8 (internationaler Teil). Einstein, 1996, S. 478. Ibid., S. 476.

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Im Reich des Feuervogels

und überirdisch  – möchte sie wohl an eine zarte Sèvres-Statuette erinnern. […] Man darf wohl sagen, ein in der ganzen Welt geliebter Name setzt der Ära der russischen Choreographie die Krone auf. […]«193

Anders als in der europäischen Kultur verkörpert der Schwan in der russischen Mythentradierung  – ebenso wie der Feuervogel  – eine weibliche Figur: ein Symbol, welches die himmlische mit der irdischen Welt verbindet.194 Nach Ansicht der Tanzwissenschaftlerinnen Jeschke und Haitzinger ist im Motiv des Schwanes die Ästhetik des Untergangs und des Übergangs verdichtet, den die russische Kunst im ersten Jahrzehnt des 20.  Jahrhunderts aufgegriffen hat, die jedoch ohne die Vorlage des großen Petipa-Tschaikowsky-Balletts Schwanensee (1895) sowie den Kontext und die Konventionen der Aufführungspraxis des späten 19. Jahrhunderts nicht denkbar gewesen wäre. Michel Fokine versuchte, diesen Schwan (besser bekannt als Der sterbende Schwan) choreografisch umzusetzen. Er schuf damit, gemeinsam mit Anna Pavlova, die ihn mit ihrem Tanz zum Leben brachte, und Baksts Kostümgestaltung aus Tüll, Pailletten und einem Haarputz aus Federn eine der legendären und schönsten Figuren in der Geschichte des Tanzes.195 Zwei Abbildungen des alten Petersburg (Die Newa und der Blick auf die Newa und das Winterpalais) laden den Leser zu einem nostalgischen Spaziergang durch die »Hauptstadt des Nordens« ein, wie sie bei den Russen bis heute heißt. Der Beitrag beschreibt die ägyptischen Brücken mit den geflügelten Löwen und granitenen Sphinxen und die Alltäglichkeiten wie »die typischen Aushängeschilder der Familienbadestuben, der Kneipen mit Billard, die Gogol verherrlicht hat, der Bierstuben, die Schilder der Frühstückslokale mit ihren gabeldurchspießten Ferkeln und Bierfontänen«. Er erinnert an die altgewohnten typischen Gestalten der Petersburger Straßen: »die Droschkenkutscher in ihren altmodischen, schlafrockartigen Mänteln, die Hofequipagen, die Kuriere der Gesandtschaften, mit buntem Federschmuck geziert, der Sechserzug des Metropolitsch, die tatarischen Trödler – die Generäle des Heumarkts.«196

193 194 195 196

W. Svetlov, ›Anna Pavlova‹, Žar ptica, Nr. 2, 1921, S. 27–28; ders., ›Anna Pavlova‹, ibid., S. VI (inter­nationaler Teil). Jeschke, Haitzinger, 2009, S. 15. Ibid., S. 22. A. Trubnikov, ›Peterburg‹, Žar ptica, Nr. 2, 1921, S. 21–22; ders., ›Petersburg‹, ibid., S. 3–4 (internationaler Teil).

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Heft 2: Fantastische Märchen ohne Worte erzählen, …

»[…] Und jetzt, wo all das so fern liegt und nur noch in der Erinnerung lebt, mutet es einen an wie ein wunderlicher, fast sagenhafter Traum. Und zugleich mit dem kraftvollen Bildnis Petersburgs werden fast wider Willen auch all die heiteren Details in einem lebendig. Das eigenartige Stickmuster gewissermaßen des Petersburger Lebens, und bis in die Bagatellen hinein gedenkt man seiner mit Rührung, man sehnt sich nach den alten Kalatschi, den Wiborger Kringeln, nach dem Laden des Trödlers mit seinen Pfaffenteetassen, nach dem Diwan aus finnischer Birke, man sehnt sich nach den Brücklein über die kleinen Kanäle, nach den Pappengeln des Palmenmarktes und den amerikanischen Glastaucherchen, nach den flammenden Osterfackeln auf den Zinnen der nächtlichen Isaakskathedrale, nach den kleinen, putzigen Dampfern auf der Fontanka, nach dem Sommergarten, nach dem ganzen hingeschwundenen Leben im einstigen Petersburg. […]«197

Darüber hinaus zeigt das zweite Heft ein flüchtiges Porträt des Petersburger Künstlers und Grafikers Ivan Bilibin und ergeht sich in Mutmaßungen über dessen derzeitigen Aufenthaltsort198, ohne dabei jedoch auf seine Arbeiten aus den davor liegenden zwanzig Jahren näher einzugehen. Erst im letzten Žar ptica-Heft (Nr. 14) erfährt der Leser von den Grafiken Bilibins aus dem Jahr 1899, die er für die Zeitschrift Mir Iskusstva schuf, sowie von der darauf folgenden Schaffensperiode, als der Künstler für sich »den Zauberwald des russischen Märchens entdeckte«, Ornamente, Vignetten und Buchschmuck entwarf und Deckenzeichnungen sowie Zeichnungen für Postkarten und Kalender anfertigte.199 Hier erst werden seine Aquarelle vorgestellt, die er von seinen Reisen in den russischen Norden (1902–1904) mitbrachte, und seine Arbeiten für das russische Theater, darunter Kostümzeichnungen für Boris Godunov und Der goldene Hahn.200 Unübertroffen sei jedoch, so der Autor, Bilibins Kunst auf dem Gebiet von Buchschmuck, Grafik und Illustration, dessen Lehrer und Vorahnen in den Werkstätten der feinsten russischen Ikonenmaler zu suchen seien: »[…] Wir sollten russische Inkunabeln durchblättern, reizende buntfarbige alte Bilder beschauen, den tiefen, weichen Schimmer alter Brokate, den heitern Glanz der Kachel, die Zierlichkeit und Fülle des alten Ornaments bewundern. Bilibin 197 Ibid. 198 G[eorgi] L[ukomskij], ›Kak živet i rabotaet I. Ja. Bilibin‹, ibid., S. 22–23; ders., ›Wie I. J. [sic] Bilibin lebt und arbeitet‹, ibid., S. IV–V (internationaler Teil). 199 S. E., ›Ja. [sic] Bilibin (k XXV [sic] chudožestvennoj dejatelnosti)‹, Žar ptica, Nr. 14, 1926, S. 2–8; ders., ›I. [sic] Bilibin‹, ibid., S. 41–42 (internationaler Teil). 200 Ibid.

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übernimmt die Tradition dieser vergessenen, so vollkommenen Kunst, die voll einer Umwandlung von Leben in Kunst ist, einer augenblicklichen Erscheinung in ein schönes, ewiges Ornament. […]«201

Ebenso erfährt der Leser im letzten Heft, dass Bilibin bereits 1920 Russland verlassen hatte, dann in Kairo und Alexandria lebte, von wo aus er 1925 nach Paris übersiedelte, um zurückzukehren in das Reich der russischen Märchen und Mythen. Der Beitrag schließt mit der Hoffnung, dass »schon bald uns der Künstler [wieder] mit eben solchen wunderbaren Perlen seiner Meisterschaft, wie Wassilissa die Schöne, Wolga und Der goldene Hahn beschenken«202 möge. Hingewiesen sei schließlich auf jenen Pariser Brief im zweiten Žar ptica-Heft, dessen Autor eigenen Angaben zufolge Kunstexperte ist. Die Rede ist darin von »Gerüchten und Fabeln«, »Legenden und Apokryphen«, die darauf hinauslaufen, dass »so und soviele russische Kunstsammlungen und Museen beraubt worden« seien und dass man »die Kunstschätze in die europäischen Hauptstädte geschafft bzw. dort verkauft« habe:203 »Es passieren aber allerhand kuriose Geschichten; häufig kamen Leute und sagen, sie hätten ein ganz seltenes Gemälde in ihrem Besitz; man habe es aus Konstantinopel, aus der Krim oder aus dem Kaukasus ›ausgeführt‹, und es handle sich um ein ›Unikum‹ aus der Eremitage.«204 Der Brief erwähnt Auktionsund Versteigerungsobjekte, die angeblich das Eigentum jener Russen seien, die schon früher im Ausland lebten und nun infolge der Revolution ihr Vermögen in Russland verloren hätten. Jetzt seien sie genötigt, ihre Sammlungen zu verkaufen, wofür zwar einige Beispiele, jedoch, abgesehen von Initialen, keine Namen genannt werden. Der Brief trägt kein Datum. Anzunehmen ist, dass er kurz vor dem Erscheinen der zweiten Nummer im Herbst 1921 entstand, zu einem Zeitpunkt also, da die auf Anraten des Volkskommissars für Außenhandel, Leonid Krasin, im Februar 1919 in Petrograd gegründete Expertenkommission zur Schätzung von Wertgegenständen bereits eine Vielzahl von Kunstgegenständen (vgl. Kapitel 3) erfasst hatte, die seit Unterzeichnung des sowjetisch-estnischen Friedensvertrages vom Februar 1920 und dem deutsch-russischen Handelsabkommen vom Mai 1921 verstärkt im westlichen Ausland angeboten wurden, um die dringend erforderlichen Devisen zum Aufbau der sowjetischen Industrie bereitzustellen. Gerade in der zweiten Hälfte des Jahres 201 Ibid. 202 Ibid. 203 A. T-v, ›Pismo iz Pariža‹, Žar ptica, Nr. 2, 1921, S. 38–39; ders., ›Pariser Brief‹, ibid., S. 7–8 (internationaler Teil). 204 Ibid.

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Heft 3: Arabeske der Linien: Harlekins, Marquisen, Amoretten …

1921 gewann das Angebot russischer Pretiosen in den europäischen Hauptstädten an Dynamik,205 sodass es notwendig erschien, russische Emigrantenkreise zu beschwichtigen und vor allem den Klagen jener Emigranten entgegenzuwirken, die unter den Auktionsgegenständen ihre eigenen Kunstgegenstände erblickten. Der Pariser Brief ist daher – ebenso wie die sowjetischen Rechtfertigungen, bei den Auktionsgegenständen handle es sich um überflüssiges staatliches Museumsgut, das in randvollen Depots lagere  – als Bestandteil einer Strategie zu werten, welche die sowjetischen Kunstexporte nach Europa gegenüber einer europäischen Öffentlichkeit verharmlosen und die Argumente der Kläger, die Sowjetregierung habe ihren Besitz widerrechtlich beschlagnahmt, als gegenstandslos erscheinen lassen sollte. HEFT 3: ARABESKE DER LINIEN: HARLEKINS, MARQUISEN, AMORETTEN … … im dritten Žar ptica-Heft entführen den Leser in die Welt von Konstantin Somov (1869–1939), in »ein magisches, ironisches, in Trauer gehülltes achtzehntes Jahrhundert […] die Epoche des Rokoko und die sich daran anschließende Zeit Rousseaus […] mit ihren Idyllen und Maskeraden […]«.206 Somovs Illustrationen, seine »Träumereien von einer unwiederbringlichen und schließlich auch in Wirklichkeit nie dagewesenen Vergangenheit«207 bilden das Thema des Abbildungsteils, in dem Somov vorgestellt wird als dekorativer Maler, dessen »Zauberkraft und Meisterwirkung nicht im elementaren und naiven Blühen der Farbe« liege, »sondern in der feinen, launigen und geschwungenen Arabeske, der zarten und doch völlig bestimmten Linie«.208 Allerdings fehle diesen amüsanten Spielereien die Linie der Sorglosigkeit, wie sie typisch sei für die »kleinen Meister« des echten 18. Jahrhunderts, beispielsweise Chodowiecki und Lawrence. In einigen von Somovs Erfindungen, so der Autor André Levinson, spiegelten sich Handlungen und Figuren, wie wir sie aus Choderlos de Laclos’ Roman Liaisons dangereuses kennen. Ähnlich wie in Laclos’ Gefährlichen Liebschaften seien auch die Zeichnungen Somovs durchtränkt von einem feinen, zersetzenden Gift, von einem kaum wahrnehmbaren Verwesungshauch; unter der scheinbaren Munterkeit dieser Bildchen verberge sich die Müdigkeit des taedium vitae.209 Seine Anregungen verdanke der junge Somov japanischen Holzstichen des 18. Jahrhunderts, vor allem denen von Kitagawa Utamaro (1753–1806) »mit ihrer graziösen, 205 Bayer, 2000. 206 André Levinson, ›Somov‹, Žar ptica, Nr. 3, 1921, S. 17–20; ders., ›Somov‹, [übersetzt von Dr. Erich Lossius], ibid., S. 7–8 (internationaler Teil). 207 Ibid. 208 Ibid. 209 Ibid.

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bemäntelt-strengen Erotik«. Näher noch als Utamaro habe ihm der englische Zeichner Aubrey Beardsley gestanden, dessen großer Einfluss sich durch die Entwicklungen in der gegenwärtigen Kunst des Buchschmuckes verfolgen lasse.210 Das präsentierte Bildmaterial wirbt für die kurz zuvor vom Petersburger Verlag Golike & Wilborg herausgegebene Somov-Kunstmonografie, welche die besten Arbeiten des Künstlers, die Harlekins, Marquisen und Amoretten seines »Echo de temps passé«, erstmalig umfassend vorstellte und beschrieb.211 Darüber hinaus zelebriert das dritte Žar ptica-Heft die Porträtgalerie des russischen Landlebens, wie sie Ivan Bunin (1870–1953) in seinem Werk Das Dorf (1910) beschrieb. Der Autor dieses Beitrages würdigt nicht nur den seltenen Kunstwert dieser düsteren Schilderung bäuerlichen Lebens, sondern auch Bunins ungewöhnliche Beobachtungsgabe und »asketische Redlichkeit des Ausdrucks«, mit der er die Eigenheiten des russischen Landlebens schilderte: die bunten Bauerntrachten und Troikas, die Schauplätze wie Kirchweih, Rummelplätze und Herbergen.212 Bunin habe mit diesem Werk ein unvergängliches und ergreifendes Dokument russischen Dorflebens geschaffen, in dem er Sittengemälde und Schilderungen der Jahreszeiten gleichermaßen individuell und umfassend synthetisch dargestellt habe.213 Unerwähnt bleiben Bunins Beschreibungen von geistiger Armut, Einöde und Verfall. HEFT 4/5: KINDERTRÄUME, STADTMÄRCHEN, RUSSISCHES SPIELZEUG … … bilden angesichts des bevorstehenden Jahreswechsels (1921–1922) den Auftakt dieser farbenfreudigen Doppelnummer, zum einen in Form des Gedichtes Igruški [Spielzeug]214 von Alexander [Saša] Černyj, zum anderen in Form der Bilder Russisches Spielzeug von Sudejkin [Abbildung 3] und Russisches Märchen von Bilibin [Abbildung 4]. Sie versetzen den Leser in die faszinierende Welt der Kinderträume, der Feen und des Puppenspiels, ähnlich wie sie Tschaikowsky in der Nussknacker-Suite nach dem Weihnachtsmärchen von E.T.A. Hoffmann oder Strawinsky in seinem Ballett Pe­ truschka (1911) aufgriff: Szenen, die sich rund um die tragisch-komische Atmosphäre einer Puppenbühne bewegen und nun den russischen Leser im Exil an das Flair heimatlicher Jahrmarktszenen während der Butterwoche erinnern, an das fröhliche Treiben der Kinder, Marktweiber, Trunkenbolde, Drehorgelmusikanten und Puppenspieler. Vielleicht auch sollte ihm diese Assoziation erlauben, sich ähnlich wie dem Zu210 Ibid. 211 Konstantin Andreewitsch Somov [sic], Le livre de la Marquise (Petersburg [sic] 1919). 212 S. Poljakov-Litovcev, ›Ivan Alekseevič Bunin‹, Žar ptica, Nr. 3, 1921, S. 33–35; ders., ›Iwan Bunin‹ [übersetzt von Dr. Erich Lossius], ibid., S. IV–VI (internationaler Teil). 213 Ibid. 214 A. Černyj, ›Igruški‹, Žar ptica, Nr. 4–5, 1921, S. 2–4.

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Heft 4/5: Kinderträume, Stadtmärchen, russisches Spielzeug …

Abbildung 3: Sudejkin, Russisches Spielzeug (Žar ptica Nr. 4/5, 1921).

schauer einer Puppenschau, in die entrückte Welt des Marionettentheaters ziehen zu lassen und, stellvertretend für die eigene Bedrängnis, die Zwistigkeiten dieser winzigen Geschöpfe aus Holz mit distanziertem Blick, Amüsement und Abstand215 zu verfolgen. Darüber hinaus widerspiegle sich in russischem Spielzeug, wie der Beitrag in einem der späteren Žar ptica-Hefte zu bedenken gibt, der Geist der Petersburger historischen Maskeraden, denn Spielzeug verkörpere gleich einem Stadtmärchen das Motiv eines städtischen Zaubers, wie es jene Künstler festzuhalten vermochten, die in die Vergangenheit verliebt seien, nunmehr allerdings vermehrt um Trauer und Ironie, Unwahrscheinliches, Unheimliches und Alltägliches, Törichtes und Amüsantes.216 215 216

Johnson, 1913, S. 15. W[ladimir] E. T[atarinov], ›Grafika Dobužinskogo‹, Žar ptica, Nr. 13, 1925, S. 33–34; ders., ›Grafische Kunst Dobužinskijs‹, ibid., S. 41–43 (internationaler Teil).

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Abbildung 4: Bilibin, Russisches Märchen (Žar ptica Nr. 4/5, 1921).

Überlieferungen, Legenden und Mythen aus vorchristlichen Zeiten, Steppenlandschaften, heidnische Bräuche und kultische Themen des archaischen Russland gehören zu den Themen des Malers und Schriftstellers Nikolas Roerich (1874–1947), der in diesem Weihnachtsdoppelheft als »Schöpfer einer anderen Welt« vorgestellt wird.217 »[…] Bereits sind der Louvre und das Museum in San Franzisco, Moskau und das ewige Rom zu zuverlässigen Hütern seiner künstlerischen Offenbarungen ge-

217

Leonid Andreev, ›Deržava Rericha. Statja Leonida Andreeva‹ [poslednjaja napečannaja 29 marta 1919 g. statja L. N. A. k otkrytiju vystavki N. Rericha v Gelsingforse], Žar ptica, Nr. 4–5, November–Dezember, 1921, S. 17–20; ders., ›Aus Roerichs Reich‹. L. Andrejevs letzter im Druck erschienener Artikel vom 29. März 1919) [übersetzt von R.v.W.], ibid., S. 1–2 (internationaler Teil).

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Heft 4/5: Kinderträume, Stadtmärchen, russisches Spielzeug …

worden; und ganz Europa, das sich doch so mißtrauisch zum Osten verhält, zollte bereits dem großen russischen Künstler Ehrfurcht. Heute aber, da Russlands Größe und seine Zukunft auf der Waage des Weltgeschicks so furchtbar ins Schwanken geraten ist, müssen wir Russen diese Gabe des Künstlers mit ganz besonders ehrfürchtiger Dankbarkeit hinnehmen. Bestrebt, im Fremden Ureigenes zu finden, ewig bemüht, Himmlisches durch irdischen Vorgang zu erklären, scheint es fast, als brächte man Roerich dem Verständnis näher, wenn man ihn den Künstler der grauen Waräger-Vorzeit, den Dichter des Nordens nennt. Das scheint mir falsch zu sein; Roerich ist nicht ein Diener dieser unserer Erde, weder in der Vorzeit noch in der Gegenwart: er lebt ganz und gar in seiner eigenen Welt und verlässt sie auch nie. Selbst dann, wenn sich der Künstler zum bescheidenen Ziele setzt, Bilder dieser Erde zu malen, und die Leinwand ›Kasans Unterwerfung‹ oder Dekorationen zum ›Peer Gynt‹ nennt – selbst dann bleibt er ›Beherrscher der Erdferne‹, bleibt 218 Schöpfer einer anderen Welt. […]« ���

Bekannt geworden war Roerich mit seiner Bühnendekoration zu dem von Fo­kine choreografierten Ballett Polowetzer Tänze, die das Pariser Publikum 1909 nahezu bis zur Hysterie gepeitscht hatten. Die Tänze der nomadischen Stämme mit ihrer Zurschaustellung von Rebellentum, Gesetzlosigkeit und drohender Zerstörung lagen jenseits der Erfahrung westlicher Zuschauer, die nie gesehen hatten, dass Männer so tanzen konnten.219 Bereits 1906 war Roerich mit seinen Bildern, die vor allem von den Landschaften des russischen Nordens und Skandinaviens inspiriert sind – er stammt aus einer alten russischen Familie skandinavischen Ursprungs – mit sechzehn Werken auf Diaghilevs Pariser Ausstellung russischer Kunst vertreten gewesen.220 Als Diaghilev drei Jahre später auf der Suche war nach Visualisierungen der nomadischen Stämme aus der russischen Steppe für die Polowetzer Tänze aus Alexander Borodins Oper Fürst Igor, engagierte er Roerich.221 Diaghilev war sich darüber im Klaren, dass die Franzosen von den Russen eine gehörige Portion Barbarentum erwarteten und zögerte nicht, diese Erwartungen zu erfüllen: 1913 präsentierte er dem Pariser Publikum Die Frühlingsweihe [Le Sacre du printemps] in der Ausstattung von Roerich mit der extrem modernistischen Musik Igor Strawinskys. 218 Ibid. 219 Sara Woodstock, ›The Evidence of the Backcloth‹, in: Alston Purvis, Peter Rand, Anna Winestein (Hg.), The Ballets Russes and the Art of Design (Singapore 2009), S. 55–62, hier: S. 56. 220 Jeschke, Haitzinger, 2009, S. 160. 221 Ibid., S. 33–36.

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Der Erfolg der zum Teil recht orientalisch anmutenden Polowetzer Tänze festigte beim Pariser Publikum nicht nur Roerichs Ruhm als Künstler der Ballets Russes, sondern führte überdies zu einer engeren Zusammenarbeit mit Vaclav Nijinsky und Igor Strawinsky, die in jener Inszenierung von Le Sacre du Printemps gipfelte. Das Bühnenbild des Polowetzer Lagers lässt bereits Merkmale der späteren Ausstattung für Sacre erkennen, so beispielsweise die in den Farben Braun, Grün, Gelb und Blau gehaltene Steppenlandschaft mit den ornamentierten Rundzelten der nomadischen Krieger aus Zentralasien, die Stoffe der Kostüme sowie das außergewöhnliche Farbschema.222 Hingewiesen sei schließlich auf die Retrospektive zum 100. Geburtstag von Fjodor Dostojewsky (1821–1881)223, einen Hintergrundartikel über das Moskauer Künstlertheater224 sowie zwei unkommentierte Skulpturen des Malers und Bildhauers Alexander Archipenko (1887–1964),225 der von 1920 bis 1923 in Berlin lebte, bevor er nach Amerika übersiedelte, um dort an verschiedenen Kunstschulen zu lehren, unter anderen an dem von László Moholy-Nagy gegründeten Neuen Bauhaus. Russische Leser in Berlin, die mehr wissen wollten über Archipenko, bekamen zwei Monate später Gelegenheit, einen längeren Hintergrundartikel in der Literatur- und Kunstzeitschrift Spolochi zu lesen, der Werdegang und Werk des Künstlers ausführlich besprach.226 Archipenko habe für die Plastik dieselbe Bedeutung wie Picasso für die Malerei, heißt es darin. Beide hätten zunächst Werke geschaffen, die im Sinne der gegenwärtigen Ästhetik als beispiellose, eminent wichtige Kunstwerke anerkannt werden sollten; beide hätten das Schicksal geteilt, nach neuen Elementen und Formen zu suchen und dabei mehrfach Anstoß erregt. Doch letztendlich hätten sie sich durchgesetzt und schon jetzt an die Spitze des Jahrhunderts gestellt.227

222 Ibid. 223 M. A. Aldanov, ›Černyj brilliant (O Dostoevskom 1821–1921)‹, Žar ptica, Nr. 4–5, 1921, S. 33–35; ders., ›Der schwarze Diamant (In memoriam Dostojewsky 1821–1921)‹, ibid., [übersetzt von V. Schiratzki], S. III–IV (internationaler Teil). 224 N. Rachmanov, ›K gastroljam chudožestvennikov‹, Žar ptica, Nr. 4–5, 1921, S. 41–42; ders., ›Zum Gastspiel des Moskauer Künstler-Theaters‹ [übersetzt von S. v. R.], ibid., S. V–VI (internationaler Teil). 225 Archipenko, Zwei Skulpturen, ibid., S. 14, 15. 226 ›Archipenko‹ [ohne Verfasser], Spolochi (Berlin), Nr. 5, März 1922, S. 35–37. 227 Ibid.

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Heft 6: Für die kristalline Kunst von Michail Wrubel …

HEFT 6: FÜR DIE KRISTALLINE KUNST VON MICHAIL WRUBEL … … wie sie Sergej Makovskij in seinem Band Silhouetten russischer Künstler beschreibe,228 wirbt das sechste Žar ptica-Heft.229 In einem ausführlichen Beitrag wird Wrubel (1856–1910) von Makovskij als einer der führenden Vertreter des Symbolismus und »als Kenner der byzantinisch-russischen Isographie, der ornamentalen Linie und der Ikonenmalerei« präsentiert.230 Ausführlich beschreibt Makovskij darin die wichtigsten Stationen von Wrubels künstlerischem Werdegang, beispielsweise die Illustration zu Michail Lermontovs Gedicht Der Dämon, die Restaurierungsarbeiten der Malereien in der Kirche des Kyrillklosters bei Kiew und die Skizzen, die Wrubel im Auftrag der lokalen Geistlichkeit für die Fresken in der dortigen Wladimirkathedrale anfertigte. Letztere sieht Makovskij als die Höchstleistung des Künstlers, sogar als nationales Werk, trotz der vielen Einwände, dass er ja nicht russischer, sondern polnischer Herkunft und ästhetischer Kosmopolit gewesen sei. Bezeichnend für das Schaffen Wrubels, so Makovskij, sei dessen Ehrfurcht vor der Natur der Steine gewesen: »Um die Apostel, den Heiland, die trauernde Gottesmutter vor uns erstehen zu lassen, um von der erschütterten Schönheit des gefallenen Geistes, von dem er sein Leben lang träumte, zu erzählen, bringt er aus magischen unterirdischen Höhlen ganze Haufen von nie gesehenen Kristallen, und von Bergen, die keiner ersteigen kann, bringt er die Strahlen der Sonne aus dem Jenseits.«231 Nicht Leinwände, sondern Mauern und Tempelwände habe er für seine besondere Darstellungsweise benötigt und dabei eher aus der byzantinischen Tradition als aus westlichen klassischen Vorlagen geschöpft.232 Im Jahre 1922 war die kulturelle Produktion des Russischen Berlin am intensivsten. Dementsprechend vielgestaltig war auch die Schaufensterwirkung für ausländische Betrachter, die freilich nicht immer zwischen der von prosowjetischen und emigrierten Russen geschaffenen Kunst zu unterscheiden wussten. Dies lag nur zum Teil an der Grauzone zwischen vorübergehender und erklärter Emigration. Darüber hinaus gab es gerade in jenem Jahr besonders viele Initiativen, Verbindungen zu schaffen zwischen russischer Metropole und Diaspora, wobei vor allem künstlerische Belange dazu ausersehen waren, zu einer gemeinsamen Sprache zu finden und die Kunst als Brücke zu betrachten, wie es die Elegie am Schluss des sechsten Heftes zum Ausdruck bringt: 228

Makovskijs Band Silhouetten russischer Künstler sollte, wie hier angekündigt wird, in Kürze im Prager Verlag Naša Rjetsch [sic] erscheinen. 229 Sergej Makovskij, ›Wrubel‹, Žar ptica, Nr. 6 1922, S. 21–26; ders., ›Wrubel‹, ibid., S. 1–3 (internationaler Teil). 230 Ibid. 231 Ibid. 232 Ibid.

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»[…] Zur Zeit des babylonischen Turmbaus, da die Menschheit die Erinnerung an alle verständliche [sic.] Worte, Gedanken und Seelenregungen verlor, hören wir plötzlich Töne klingen, die fernabliegende Erinnerungen in allen gemeinsame [sic.], innere Regungen und Begeisterung wachrufen. Es ist ja restlos alles zerstört worden, was die Menschen einander näherbrachte oder vereinte. […] Und plötzlich kommt uns ein Erinnern. Es gibt ja doch eine gemeinsame Sprache. Der Donner der Kanonen, das Geknatter der Maschinengewehre hatte sie nur übertönt. Das ist die Sprache der Kunst. […]«233

Aufschlussreich im Hinblick auf die Rezeption der russischen Kunst im Ausland ist ein Beitrag über die Ansichten zur russischen Musik. Er thematisiert das Werk von Skrjabin und Strawinsky, bleibt jedoch dem russischen Leser vorbehalten.234 Erst neuerdings, so heißt es darin, lerne der Zuhörer in Deutschland, dem Musik­ land par excellence, die moderne russische Musik kennen und lieben, während sie in Frankreich durch die Diaghilev’schen Gastspiele schon seit mehr als einem Jahrzehnt bekannt und beliebt sei. Andeutungsweise weist der Beitrag damit bereits zu diesem frühen Zeitpunkt auf die unterschiedlichen Präferenzen und Vorkenntnisse russischer Kunst bei deutschen und französischen Lesern hin, die sich auch auf die Rezeption von Žar ptica auswirken sollte (siehe Kapitel 6). So schien es, dass erstere besonders empfänglich waren für die russische Musik, letztere sich dagegen eher für die darstellenden und dekorativen Künste der Russen begeisterten. HEFT 7: FRÜHLING UND FOLKLORE, WIEDERERWACHEN UND RÜCKBESINNUNG … … bestimmen im siebenten Heft die in den warmen Farbtönen gehaltene Umschlaggestaltung von Georg Schlicht. Mit dem überdimensional großen Feuervogel im blau-goldenen Federkleid und der stilisierten russischen Landschaft dahinter wird der Leser darauf vorbereitet, dass dieses Žar ptica-Heft ganz im Zeichen des nahenden Frühlings steht, der – wie auch die anderen Jahreszeiten – für die Russen und ihre Landschaft stets von besonderer Bedeutung war.235 Ein Blick auf den Inhalt des Heftes bestätigt diesen Eindruck. Es beginnt mit einem Frühlingsgedicht236 von Sirin [Vladimir Nabokov]. Daneben befindet sich eine Grafik mit stilisierten Mo233 234 235 236

N. R., ›Elegija‹, Žar ptica, Nr. 6, 1922, S. 35–37; ders., ›Elegie‹ [übersetzt von D. R.], ibid., S. 7–8 (internationaler Teil). Vl. Valter, ›Razsuždenija o muzyke. Skrjabin i Stravinskij‹, Žar ptica, Nr. 6, 1922, S. 39–40. Suzanne Massie, ›Ice Slides and Easter Eggs: Russia Celebrates‹, in: dies. (Hg.), Land of the Firebird. The Beauty of Old Russia (New York 1980), S. 357–406. Vlad[imir] Sirin, ›Vesna‹ [Gedicht], Žar ptica, Nr. 7, 1922, S. 2.

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Abbildungen 5 und 6: Gončarova, florale Motive, inspiriert von Blüten, Blättern und Vögeln (Žar ptica Nr. 7, 1922).

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tiven russischer Folklore von Natalja Gončarova, deren florale Muster bäuerlichen Stickereien des 18. Jahrhunderts237 entnommen zu sein scheinen [Abbildungen 5 und 6]. Ausführlich besprochen wird am Ende des russischsprachigen Teils (der internationale Teil dieses Heftes verzichtet darauf ) das Werk der Gončarova und ihres Lebensgefährten Michail Larionov, die zunächst als Vertreter der abstrakten Malerei galten, jedoch später vor allem im Ausland als Dekorationskünstler bekannt wurden. Doch zunächst widmet sich Sergej Gornyj dem Werk von Isaak Levitan (1860– 1902), dessen Bilder hier ausgestellt sind und »die müde Zärtlichkeit der russischen Natur«238 beschreiben, wie es im Künstlerporträt heißt: »Russischer Himmel – Russisches Ackerland – Russische Traurigkeit«.239 Vor allem den russischen Frühling mit seinen kaum wahrnehmbaren Übergängen, so Gornyj, habe er darzustellen gewusst, jene alltäglichen Frühjahrsmotive, an denen die meisten Menschen vorübergehen.240 Kaum einer der russischen Maler habe es verstanden, diese Jahreszeit so fein nachzuempfinden wie Levitan, keiner wie er »die ersten Anzeichen des Erwachens, die lachende Melodie des schmelzenden Schnees, die scharfen lila Schatten wiederzugeben, welche von den kahlen Bäumen auf die leuchtende, vom Tauwind zerrissene Schneedecke geworfen werden«, kommentiert Igor Woinov an anderer Stelle das Werk Levitans.241 »Mag es ein sich am Horizont verlierender Weg sein, von Birken eingesäumt und jahrzehntelang bewacht, oder ein Fußsteig, der sich durch die flache Ebene einer melancholischen Landschaft schlängelt, oder ein See – eine tiefe Bucht, die einen ruhigen Schlaf schläft, gleich dem, in welchen das russische Dorf versunken ist – alles erscheint mit dem Schleier der romantischen Elegie bedeckt und von einer Andachtsstimmung erfüllt«.242 Ganz im Sinne des Selbstverständnisses von Žar ptica schlägt Gornyj in seinem Beitrag vor, Levitans Malerei als trostspendend zu betrachten: aus der »Lichtung unserer Kinderjahre«, der »verklungenen Harmonie unseres Vorgestern« zu schöpfen, um die »Weglosigkeit unserer Gegenwart« und das »Berserkertum unseres Übermorgen« zu ertragen.243 237 Vgl. hierzu: G.-K. Loukomsky [sic], L’art décoratif russe. Ouvrage contenant 182 planches en phototypie couverture en couleurs de S. Tchekhonine [sic] (Paris 1928) S. 5–10 und PL. CLXXI. 238 Sergej Gornyj, ›Levitan‹, Žar ptica, Nr. 7, 1922, S. 16–20; ders., ›Levitan‹ [übersetzt von R. v. W.], ibid., S. I–II (internationaler Teil). 239 Ibid. 240 Igor Woinov, Meister der russischen Malerei. J. Lewithan [sic], P. Maljawin, K. Korovin, B. Kustodiew [sic], K. Juon [Deutsch Dr. Rie O. Stahn], Kunstverlag Olga Diakow [sic] (Berlin 1924), ohne Seitenangabe. 241 Ibid. 242 Ibid. 243 Gornyj, Žar ptica, Nr. 7, 1922.

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Heft 7: Frühling und Folklore, Wiedererwachen und Rückbesinnung …

Neben der russischen Landschaftsmalerei von Levitan geht es in diesem Heft um Anleihen an die russische Folklore, wie sie typisch sind für das Werk von Natalja Gončarova (1881–1962) und Michail Larionov (1881–1964).244 Beide hätten es in ihren Bestrebungen, Kunst und Dekoration zusammenzuführen, zu allerhöchster Vollendung und Harmonie gebracht, wie die Theaterzeitschrift Teatr i žizn anmerkte.245 Allerdings habe das Engagement der beiden für die Produktionen von Diaghilevs Ballets Russes jenseits der Grenzen Russlands dazu geführt, dass sie im Westen vorwiegend als Dekorations- und Theaterkünstler bekannt geworden seien, während ihr künstlerischer Werdegang in den Jahren davor oft vernachlässigt werde: Dazu gehöre vor allem ihre bewusste Suche nach Motiven aus der russischen Volkskunst und deren Einbeziehung in ihr Werk.246 Denn trotz ihrer Empfänglichkeit für die innovative Form- und Farbgebung in den Arbeiten von Cézanne, Gauguin oder van Gogh gehörten doch zu den Quellen ihrer Inspiration vorrangig die naiven und primitiven Vorlagen aus der russischen Überlieferung: die Ikone, die Verzierung an Spielzeugen und Jahrmarktzäunen, das bemalte Tablett, das Aushängeschild (Vyveska) sowie der seit dem 17. Jahrhundert verbreitete, farbenfrohe und handgefertigte Bilderbogen aus Papier oder Holz (Lubok), der dem analphabetischen Volk moralische oder religiöse Inhalte vermitteln sollte.247 Erst die Mischung aus westlichen Einflüssen und russischer Folklore habe jenen neoprimitivistischen Stil entstehen lassen, wie wir ihn aus den berühmten Theaterdekorationen der Gončarova kennen.248 Beispielgebend dafür ist unter anderem der 1926 für das Ballett Der Feuervogel entworfene Bühnenvorhang mit den unzähligen Minaretten und Zwiebeltürmen, der in seiner Gestaltung und vorwiegend in satten Blau- und Rottönen gehaltenen Farbgebung an Vorlagen aus der russischen Volkskunst erinnert. Unverkennbar im Werk ihres Lebensgefährten Larionov war dagegen die lakonische Betonung von ausdrucksstarken und humorvollen Elementen: die Posse,249 die er freilich nicht durch historische oder ethnografische Authentizität erreichte, sondern, wie John Bowlt feststellt, indem er eine Diskrepanz schuf zwischen erzählerischen bzw. choreografischen Sequenzen und vollkommen unerwarteten visuellen

244 E. Eganbjuri, ›Gončarova i Larionov‹, Žar ptica, Nr. 7, 1922, S. 39–40. 245 V. Svetlov, ›Gončarova i Larionov‹, Teatr i žizn, Nr. 9 (April 1922) S. 4. 246 Ibid. 247 Eganbjuri, Žar ptica, Nr. 7, 1922, S. 39–40. 248 Ibid. 249 John E. Bowlt, ›Art Movements in Russian Painting of the Early Twentieth Century: Some Definition‹, in: ders. (Hg.), Russian Stage Design. Scenic Innovation, 1900–1930. From the Collection of Mr. and Mrs. Nikita D. Lobanov-Rostovsky, Mississippi Museum of Art, 1986, S. 13–15.

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Verschiebungen,250 also Verfremdungseffekten von Perspektiven und Proportionen, für die er besondere Lichteffekte verlangte. Diese Technik, die als Rayonismus bezeichnet wird, gilt als eine der ersten Manifestationen gegenstandsloser Kunst.251 Sie wird im zwölften Žar ptica-Heft im Rahmen der Larionov-Retrospektive noch einmal aufgegriffen und im Detail besprochen.252 Dagegen verwandelte die Gončarova die Bühne in einen ›dreidimensionalen Lubok‹.253 Bowlt spricht in diesem Zusammenhang von einer Transformation der flächenhaften zur räumlichen Bühnendekoration, von der zweidimensionalen Ebene zum dreidimensionalen Raum.254 Kennzeichnend für die moderne Ästhetik ihrer Dekorationen waren neben den groben Formen und verzerrten Perspektiven vor allem leuchtende Farben und florale Muster, mit denen die Künstlerin Bühnenbilder schuf, die von Heiterkeit und Optimismus erfüllt waren.255 Dazu gehört beispielsweise ihre szenografische Gestaltung für Rymski-Korsakovs Le Coq d’Or [Der goldene Hahn] von 1914, die in enger Zusammenarbeit mit Larionov entstand. Der triumphale Erfolg des Coq d’Or war die Antwort auf jene Suche Diaghilevs nach einem neuen Esprit in der Theaterdekoration, die ihn, nachdem die sinnlicherotischen Dekorationen von Léon Bakst die Pariser Öffentlichkeit schon einige Jahre fasziniert hatten, veranlasste, sich Gončarova und Larionov zuzuwenden. Kritiker waren sich damals einig, dass die Dekorationen dieser beiden Künstler eine neue Phase in der Szenografie eingeläutet hätten: spontaner, direkter und russischer als jemals zuvor.256 Dieser Ansatz der Gončarova ist umso deutlicher erkennbar, vergleicht man ihren Kostümentwurf für die 1926 geplante Reinszenierung des Feuervogel-Balletts mit dem ursprünglichen Entwurf von Bakst aus dem Jahre 1910 [siehe Abbildung 1].257 Noch stärker tritt der Unterschied zwischen den 250 John E. Bowlt, ›Die Ballets Russes‹, in: Die Maler und das Theater im 20. Jahrhundert, Katalog der Ausstellung, 1. März bis 19. Mai 1986, Schirnkunsthalle Frankfurt (Frankfurt/M. 1986) S. 40–50. 251 Natalie Gontscharova [sic], Michel [sic] Larionov, ›Serge de Diaghilev ou la Mise en Scène des Arts‹, in: Les Ballets Russes. Serge de Diaghilev et la Décoration Théatrale par Nathalie Gontscharova, Michel Larionov, Pierre Vorms (Paris 1955) S. 9–17, hier: S. 17. 252 G[eorge] I. Isarlov, ›M. F. Larionov‹, Žar ptica, Nr.  12, 1924, S.  26–30; ders., ›M. F. Larionov‹ [übersetzt von R. v. W.], ibid., S. 2–4 (internationaler Teil). 253 John E. Bowlt, ›From Studio to Stage. The Painters of the Ballets Russes‹, in: Nancy van Norman Baer (Hg.), The Art of Enchantment. Diaghilev’s Ballets Russes, 1909–1929 (San Francisco 1989) S. 44–59, hier: S. 53. 254 John E. Bowlt, Russian Stage Design. Scenic Innovation, 1900–1930. From the Collection of Mr. and Mrs. Nikita D. Lobanov-Rostovsky, Mississippi Museum of Art, 1982, S. 25. 255 Ibid., S. 52. 256 Gontscharova [sic] et al., Paris, 1955, S. 17. 257 ›The Firebird‹, The Times (London), 20. November 1926.

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Feuervogel-Produktionen von 1910 und 1926 hervor, vergleicht man die beiden Bühnendekorationen. Golovins Dekoration von 1910 war ganz in der Tradition der Symbolisten gehalten. Sie glich einem persischen Teppich, in dem fantasievoll eingewebte Pflanzenmotive, juwelenähnliche Schmuckelemente und sanfte Farben miteinander verschmolzen und die Illusion eines verzauberten Königreiches hinterließen.258 Sehr realistisch wirkte demgegenüber die Dekoration der Gončarova von 1926, vor allem der Vorhang mit den vielen russischen Zwiebeltürmen und Zitadellen. HEFT 8: GRAFISCHE KUNST UND AUSSTELLUNGEN … … prägen das achte Heft neben einem längeren Beitrag über die Porträts von S. A. Sorin259 am Beginn des russischsprachigen Teils. Nachgezeichnet wird hier die Hinwendung russischer Maler und Bildhauer zu Grafik und Buchkunst260 sowie die Aufbereitung und Präsentation von russischen Kunstausgaben für Ausstellungen im Ausland. Des Weiteren liefert das achte Heft einen kurzen Bericht über die Erste Russische Kunstausstellung,261 die seit Mitte Oktober 1922 in der Berliner Galerie Van Diemen Unter den Linden stattfand und Westeuropa das neue Russland vorstellen wollte.262 Anlass des Sorin-Beitrages263 ist das Erscheinen des schon für das Jahr zuvor angekündigten264 Kunstbandes Russische Grafik, dessen verzögerte Herausgabe der Autor mit der starken Nachfrage nach russischen Kunstmonografien im Ausland begründet: Dass die Verlage derzeit gezwungen seien, unter Exilbedingungen zu arbeiten, wirke sich nachteilig auf die Ästhetik eines Bandes aus. Diesen Umstand nimmt er zum Anlass, an die eigentliche Blütezeit der Buchkunst im vorrevolutionären Russ­ land zu erinnern. Er benennt ihre Entwicklungsstadien und weist speziell auf die grafischen Arbeiten von Künstlern der Mir Iskusstva-Gruppe wie Benois, Bakst, Somov und Dobužinskij hin, bei denen Kunst und Handwerk zu einer eigenen Sprache verschmolzen seien, mit deren Hilfe sich erzählen lasse, was nur schwer in Worte zu kleiden sei.265 258 Healy, Lloyd, 1990, S. 32. 259 Sergej Makovskij, ›Portrety S. A. Sorina‹, Žar ptica, Nr. 8, 1922, S. 2–6. 260 Ders., ›Russkaja grafika novogo veka‹, Žar ptica, Nr. 8, 1922, S. 33–34. 261 ›Russkaja chudožestvennaja vystavka v Berline‹, Žar ptica, Nr. 8, 1922, S. 23–24. 262 David Sterenberg, Erste Russische Kunstausstellung, Galerie Van Diemen & Co. Gemälde Neuer Meister (Berlin 1922), S. 2. 263 Makovskij, Žar ptica, Nr. 8, 1922. 264 Chronika i raznye zametki: ›Novoe russkoe chudožestvennoe izdatelstvo‹ [ohne Verfasser], Russkaja Kniga, Nr. 4, April 1921, S. 11–12. 265 Ibid.

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Das Thema Buchschmuck erfreute sich damals allgemeiner Beliebtheit und wird auch in anderen Zeitschriften des Russischen Berlin mehrfach in Form von längeren Hintergrundartikeln aufgegriffen. Für die Vorgeschichte von Žar ptica hat dies insofern Bedeutung, als es darin um die Entwicklung der Buchkunst266 bzw. um die Wiederbelebung267 des schönen Buches in der Zeit der Russischen Revolution268 geht: Die Buchkunst, wie sie im vorrevolutionären Russland in liebevoller Zusammenarbeit zwischen Künstlern und Druckern entstanden sei, heißt es, sei in der Masse von Prunkausgaben, die einige russische Verlage mit beinahe unbegrenztem technischem und materiellem Aufwand auf den Markt gebracht hätten, fast völlig untergegangen.269 Zwar habe der Verfall der Druckereien sowie der Mangel an hochwertigem Papier und technischen Möglichkeiten im nachrevolutionären Russland die Produktion von Kunstbänden stark eingeschränkt. Dennoch, so berichtet der Autor aus Moskau, seien gerade in dieser schwierigen Zeit des Wandels den für einen kleinen Kreis von Ästheten bestimmten Luxus- und Prachtausgaben der vorrevolutionären Zeit »die wirklichen Kunstbücher unserer Tage« gefolgt, die mit ihrem Anspruch, der breiten Masse zu dienen, gleichermaßen vom Talent eines Künstlers wie von der technischen Perfektion typografischer Meisterschaft geprägt und deren Exemplare ausgezeichnet geeignet seien für Ausstellungen im Westen.270 Eine derartige Ausstellung sollte in Berlin schon bald stattfinden: Im darauffolgenden Jahr berichtet Žar ptica, dass die Bibliothek des Staatlichen Kunstmuseums den deutschen Lesern und Kunstfreunden »eine eigenartige und bisher fast unbekannte Sammlung russischer Buch- und Bildkunst« zeige, welche die bei den deutschen Sammlern und Experten vorhandenen Kenntnisse der »neueren russischen Buchkunst und Grafik durch die interessanten Neuerscheinungen der russischen Verleger anschaulich erweitert«.271 Damit waren freilich die russischen Verleger in Berlin gemeint, denn in Russland selbst hatten ja Rohstoff- und Papiermangel sowie veraltete technische Ausrüstungen das Druckereigewerbe praktisch zum Erliegen gebracht. Also fand zunächst die Buchkunst des »exterritorialen Russlands«272 ihre Öffentlichkeit im Ausland. Ausgestellt wurden damals im Berliner Kunstmuseum,

266 E. Gollerbach, ›Knižnaja Illjustracija‹, Novaja Russkaja Kniga, Nr. 4 (April 1922), S. 3–4. 267 E. Gollerbach, ›Rol chudožnika-illjustratora v sovremennosti‹, Nakanune, Nr. 5, 1924, S. 4–5. 268 Ivan Lazarevskij (Moskva), ›Russkie chudožestvennye izdanija‹, Novaja Russkaja Kniga, Nr. 1 (Januar 1923) S. 5–9. 269 Ibid. 270 Ibid. 271 Wolfgang Bruhn, ›Eine Ausstellung russischer Buchkunst in Berlin‹, Žar ptica, Nr. 10, 1923, S. 8. 272 Ibid.

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wie aus dem Bericht hervorgeht, Märchenkünstler, Kunstliteratur und Buchkunst des Grzhebin-Verlages, Radierungen und Steindrucke des Newa-Verlages sowie dekorative Arbeiten von Künstlern aus dem Verlag Russkoe Iskusstvo, die den Sammlern der Žar ptica-Hefte bereits hinlänglich bekannt seien.273 Damit wird hier erstmals ein Aspekt angesprochen, der Žar ptica nicht nur als Gegenstand für Interessenten russischer Kunst erscheinen lässt, sondern auch für unvorgebildete Sammler, die von den in der Zeitschrift abgebildeten Reproduktionen nichts anders wollten, als sie eingerahmt in ihren Wohnräumen zu bewundern. Der Bericht über die Erste Russische Kunstausstellung in Berlin274 ist kurz gehalten und begnügt sich mit einer Auflistung von unterschiedlichen Kunstrichtungen und deren Vertretern. Wie aus ihrem Katalog hervorgeht, war die Ausstellung im Herbst 1922 in Zusammenarbeit mit dem Narkompros und der Internationalen Arbeiterhilfe (IAH)275 als Verkaufsausstellung organisiert worden, deren Erlös den Hungernden in Russland zufließen sollte. Doch vor allem ging es den Veranstaltern darum, »Westeuropa alles das zu zeigen, was geeignet ist, über die schöpferischen Errungenschaften der russischen Kunst in den Kriegs- und Revolutionsjahren Aufschluss zu geben«,276 und »eine Skizze zu geben, die Europa das neue Russland vorstellen soll«.277 Zu den Exponaten gehörten Werke der Peredvižniki [Wanderer], der Impressionisten und Expressionisten sowie des Verbandes der linken Gruppen, zu denen Kubisten, Suprematisten und Konstruktivisten zählten, die Plakatkunst aus der Zeit des Bürgerkrieges sowie einige Produkte der staatlichen Porzellanfabrik und Schülerarbeiten aus den Kunstschulen.278 Außerdem waren in der Van Diemen-Galerie die Verbände Mir Iskusstva [Welt der Kunst], Bubnovyj Valet [Karobube] sowie der Verband Russischer Künstler vertreten.279 Die Kürze des Berichtes verdeutlicht, wie wenig Interesse der Žar ptica-Herausgeber bei seinen Lesern für die Kunst des neuen Russland vermutete. Dabei bestand die Bedeutung der Ausstellung ja gerade darin, dass sie im Unterschied zu den zuvor in Paris280 und London281 organisierten Kunst273 Ibid. 274 ›Russkaja chudožestvennaja vystavka v Berline‹, Žar ptica, Nr. 8, 1922, S. 23–24. 275 David Sterenberg, Erste Russische Kunstausstellung, Galerie Van Diemen & Co. Gemälde Neuer Meister (Berlin 1922), S. 3. 276 Ibid., S. 2. 277 ›Zur Einführung‹, Erste Russische Kunstausstellung, Galerie Van Diemen & Co. Gemälde Neuer Meister ohne Verfasser, (Berlin 1922), S. 10–14. 278 Sterenberg, 1922, S. 4. 279 Ibid. 280 Mir Iskusstva-Ausstellung in Paris in der Galerie La Boëtie, 1921. 281 Russian Exhibition of Arts and Crafts, Whitechapel Gallery London, 28. Juni bis 16. Juli 1921.

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ausstellungen eben nicht ausschließlich die russische Kunst vergangener Epochen, sondern nebeneinander die Kunst des alten und des neuen Russland zeigte.282 Dieser Aspekt ist relevant, bleibt jedoch unerwähnt. Wer sich für die Hintergründe der Ausstellung interessierte, musste andere Quellen befragen. So ist beispielsweise einem Bericht Lunačarskijs zu entnehmen, dass die Auswahl der auszustellenden Werke den sowjetischen Behörden überlassen geblieben sei und es große Meinungsverschiedenheiten darüber gegeben habe, ob die avantgardistische Kunst der Suprematisten und Konstruktivisten dem Westen tatsächlich gezeigt werden solle.283 Letztendlich lag die Hauptverantwortung, wie Naum Gabo später berichtete, bei David Sterenberg, der im Auftrag des Narkompros gemeinsam mit Nathan Altman und Gabo selbst sowie dem Direktor der Berliner Van DiemenGalerie für die Auswahl der Exponate zuständig war.284 Was die Rezeption der Ausstellung betrifft, so waren die Reaktionen der Berliner gemischt: »Eine Enttäuschung und zugleich eine der interessantesten Kunstbilanzen, die uns seit Jahren gegeben worden sind«, nannte sie Paul Westheim im Kunstblatt: »Enttäuschung insofern man nach dem ›Bleibenden‹ [sucht], nach dem, was aus der Zeit da ist und ins Überzeitliche emporzuwachsen vermag; interessant, weil sie einen einzigartigen Einblick gewährt in ein intellektuelles Ringen um Probleme der Kunstgestaltung, die aufgeworfen werden mußten von Geistern, für die Zukunft nur noch heißen kann: radikaler Bruch mit all und jeder Vergangenheit.«285 Äußerst wohlwollend rezensierte die Erste Russische Kunstausstellung dagegen der polnische Maler und Grafiker Henryk Berlewi für Rachel Wischnitzers jiddische Kunstzeitschrift Milgrojm.286 In seiner ausführlichen Analyse bespricht er vorzugsweise die Werke von jüdischen Künstlern wie Marc Chagall, El Lissitzky, Natan Altman und David Sterenberg weitgehend im Kontext der russischen Avantgarde‑Kunst, die sich seiner Ansicht nach aus zwei Hauptströmungen entwickelt habe: einerseits aus der Orientierung an der rein abstrakten Form, andererseits aus der Imitation von primitiven Formen wie der Ikone, dem farbigen Holzschnitt (Lubok) und dem Aushängeschild (Vyveska). Berlewi folgt mit dieser Argumentation der im Manifest von Wischnitzers Revue verkündeten Auffassung, die neue jüdische Kunst sei Teil eines 282 283

Nakov, 1983, S. 15. Anatoli Lunačarskij, ›Russkaja vystavka v Berline‹, in: A. V. Lunačarskij (Hg.), Iskusstvo i Revoljucija. Sbornik statej (Moskva 1924), S. 176–183. 284 Gabo, 1971, S. 171. 285 P[aul] W[estheim], ›Die Ausstellung der Russen‹, Das Kunstblatt (Berlin 1922), S. 493–498, hier S. 493. 286 Henryk Berlewi, ›Jidische kinstler in der hajntiger rusischer kunst. Tsu der rusischer kunstojsschtellung in Berlin 1922‹, Milgrojm, Nr. 3, 1923, S. 14–18.

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breiteren schöpferischen Prozesses, der weniger von nationalen Eigenarten als von dem Zeitgeist und der Persönlichkeit eines Künstlers bestimmt werde.287 HEFT 9: DIE »RÜCKKEHR« VON LÉON BAKST … … ist das Thema des neunten Žar ptica-Heftes. Besprochen wird darin die kurz zuvor vom Verlag Russkoe Iskusstvo in englischer Sprache herausgegebene Bakst-Monografie, mit der Kogans Verlagshaus dem Künstler bereits zu Lebzeiten ein Denkmal setzen wollte.288 Dass der Theaterjournalist André Levinson selbst die Texte in dieser Lebensbeschreibung verfasst hatte, konnte ihn freilich nicht daran hindern, auf den Seiten von Žar ptica noch einmal in aller Ausführlichkeit »[…] der feierlichen und harmonischen Prachtentfaltung dieses an malerischer Fülle überreichen buchtechnischen Meisterwerkes alles schuldige Lob zu spenden […]«.289 Für die russischsprachigen Leser der Zeitschrift war dies umso erfreulicher, als Levinson speziell auf jenes Material einging, das bisher nur in englischer Sprache vorlag, und eine russische Ausgabe aus technischen Gründen, wie es damals hieß, nicht so bald zu erwarten sei. Die hier angezeigte Monografie konzentrierte sich vorrangig auf Léon Bakst (1866–1924) als »lebhaften, graziösen und farbenfreudigen Erneuerer der Theaterdekoration und des Theaterkostüms«,290 dessen Entwürfe nicht nur die Geschlossenheit des szenischen Eindrucks in einer Theateraufführung zurückbrachten, sondern auch die Pariser Modewelt in Spannung versetzten. Dagegen stehen im Vordergrund von Levinsons Žar ptica-Artikel nicht so sehr die zurückliegenden Erfolge von Bakst im Ausland, sondern vor allem das Spätwerk seiner künstlerischen Laufbahn, in der er sich wieder Russland zuwandte: seine symbolische »Rückkehr« nach Russland, über die Levinson im August 1922 an anderer Stelle berichtete: »Heute ist Bakst gänzlich gefangen in dieser vergessenen Welt, die von fern Vergangenem sich abhebt. Er hungert nach Erinnerungen und der Erschütterung durch russische Visionen. Jeden Tag wächst in seinem Atelier ein Volk russischer Gestalten an: Gruppen, Figurinen, die nicht nur um ihres Kostüms willen, sondern in ihrer Geste undefinierbar russisch sind.«291 Dass es sich dabei um die Vorbereitungen der Kulisse zur Oper Sadko 287

Rachel Wischnitzer, ›Di naje kunst un mir‹, Milgrojm, Nr. 1, 1922, S. 2–7; vgl.: Rachel Wischnitzer-Bernstein, ›Berlin, the early 1920s‹, in: dies., From Dura to Rembrandt. Studies in the History of art (Wien 1990), S. 166. 288 André Levinson, ›Vozvraščenie Baksta‹, Žar ptica, Nr. 9, 1922, S. 2–5; ders., ›Baksts Rückkehr‹, ibid. [übersetzt von W. v. R. [sic]], S. 1–3 (internationaler Teil). 289 Ibid. 290 ›Monografija o L. Bakste‹, Žar ptica, Nr. 9, 1922, S. 6–8; ›L. S. Bakst. Eine Monografie‹, ibid., S. 3 (internationaler Teil). 291 André Levinson, Zum Ruhme des Balletts. Léon Bakst in Wort und Bild (mit einem Nachwort von Eva-Elisabeth Fischer) (Dortmund 1982), S. 158.

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handelte, lässt Levinson unerwähnt. Erst 1927 offenbarte der Saisons Russes-Chronist Valerian Svetlov, dass die Pariser Oper damals Bakst diesen Auftrag erteilt hatte, den der Künstler offenbar ohne viel Aufsehen zu erregen in der Stille seines Ateliers erledigt wissen wollte.292 Heutzutage ist Bakst fast ausnahmslos durch seine Dekorationen für Diaghilevs Ballets Russes bekannt. Doch die Berliner russische Literatur- und Kunstzeitschrift Spolochi bezeichnete ihn damals schon als den ersten Bühnenbildner des 20. Jahrhunderts, dessen Schwerpunkt auf dem Gebiet der dekorativen Kunst liege, auf jenem Gebiet, das für die großen Künstler äußerst attraktiv sei, da es so viele Möglichkeiten für die Entfaltung ihrer Fähigkeiten und Talente bereithalte.293 Die orientalisch anmutende Farbenpracht und Üppigkeit seiner Bühnenbilder, wie er sie für die Produktionen Kleopatra (1909), Scheherazade (1910) und Thamar (1912) in Paris geschaffen habe, hätten den Eindruck entstehen lassen, Bakst sei der Schöpfer einer morgenländischen Féerie; Paris sei damals regelrecht trunken gewesen von Bakst, so Levinson, »und diese Trunkenheit wuchs an und währte«.294 Noch anschaulicher beschreibt der französische Kunstkritiker Louis Réau die für Bakst typische Spielart des Theaterorientalismus und dessen Wahrnehmung beim Publikum: »Never before had a painter succeeded in identifying himself with the mysterious East to the same degree as Bakst did. His evocation was so perfect, his incantation so powerful that the puzzled spectator of the Shéhérazade decorations began to wonder whether this Russian Jew had not lived his previous existence in Damascus or at Ispahan under the turban of a vazir or a pasha.«295

Ebenso war Bakst, vor allem in den Jahren, bevor er Russland verließ, als Porträtmaler und Buchillustrator erfolgreich. Doch den wichtigsten Teil seines Werkes bilden zweifellos seine Bühnendekorationen,296 wobei sich die Experten bis heute nicht sicher sind, womit er mehr überraschte,

292

Valerian Svetlov, ›The Art of Bakst‹, in: ders. (Hg.), Inedited Works of Bakst. Essays on Bakst by Louis Réau, Denis Roche, V. Svetlov and A. Tessier (New York 1927), S. 11–34, hier: S. 26. 293 ›L. S. Bakst i teatralnyj kostjum‹ [ohne Verfasser], Spolochi (Berlin), Nr. 12 (Oktober 1922), S. 32–33. 294 Levinson, ›Baksts Rückkehr‹, 1922. 295 Louis Réau, ›Leo [sic] Bakst. Renovator of the Modern Art‹, in: V. Svetlov (Hg.), 1927, S. 41–50, hier: S. 44. 296 Irina Pruzhan, Léon Bakst. Set and Costume Designs – Book illustrations – Paintings and Graphic Works (Text and selection by Irina Pruzhan. Designed by Sergej Dyachenko. Translated from the Russian by Arthur Shkarovski-Raffé) (New York 1988), S. 31.

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»[…] ob durch eine barbarisch dekorative Kraft des Schmückens, durch raffinierten Geschmack oder ein unheimliches Gedächtnis aller möglichen Stile, das ihm gestattete, viele Zeit- und Formstimmungen nachzuerleben. Bühnenmalerei ist letzten Endes illustrative Malerei. Das Produktive ist hier durch die Absicht des Dichters umgrenzt und durch die Haltung des Gedichts vorbestimmt. Ebenso ist man architektonisch gebunden und arbeitet innerhalb eines bereits gegebenen Raumes. Man gibt eher dessen Varianten und deutet ihn gemäß der jeweiligen Aufgabe um. Einfühlung in fremden Stoff gilt hier als Parole, man gestaltet die Raummaske des dramatischen Vorgangs. […] Er schuf eine moderne Bühne, wobei er die mannigfaltige Erbschaft der malenden Künste ungemein klug und geschmackvoll nutzte. Er begriff die szenische Einheit der theatralischen Mittel und mag hierin wohl unbewußt Wagner gefolgt sein. Bakst nährt den Empfindungsgehalt und die musikalische Beweglichkeit der Farbe. Der Dekor stimmt den Grundton des Akts an. Man variiert jenen durch das Licht und die bewegten farbigen Komponenten der Gewänder, entsprechend dem musikalisch dramatischen Vorgang. […]«297

Schouvaloff stellt in diesem Zusammenhang fest, dass ein Bühnengestalter ein geradezu enzyklopädisches Wissen benötige und sich mit Kunst und Architektur, Sozialund Militärgeschichte wie auch mit Modeerscheinungen und Couture auskennen müsse. Natürlich solle er auch wissen, wie die unterschiedlichen Elemente zusammengeführt werden, also wie ein Kleid zu schneidern und eine Bühne zu beleuchten sei, kurzum, wie er die Wirklichkeit mit seiner Vorstellungskraft verzerren und verzaubern könne.298 Eine besondere Herausforderung, so der britische Tanzexperte Sir Peter Wright, stelle dabei das Ballett dar, »wo die Tänzer den Bühnenraum regelrecht aufessen und es daher die Aufgabe des Gestalters ist, die Bühne ebenso weitläufig wie anregend herzurichten, daß die Tänzer genügend Platz für die Choreografie bekommen, und gleichzeitig unauffällig genug, daß die Blicke der Zuschauer nicht von ihren tänzerischen Bewegungen abgelenkt werden, denn Tänzer haben keine Stimmen, sondern nur ihre Körper, um die Aufmerksamkeit des Publikums zu fesseln.«299

297 298 299

Einstein, 1996, S. 481. Schouvaloff, 1997, S. 7. Sir Peter Wright, ›Introduction‹ to the catalogue of the art exhibition The Desingers: Pushing the Boundaries – Advancing the Dance, held at the Lethaby Galleries, London, 10.–28. November 1995 (London 1995), S. 5. Zitiert in Schouvaloff, 1997. S. 7.

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Abbildung 7: Bühnenbild für Thamar von Léon Bakst (Žar ptica Nr. 9, 1922).

Beispielhaft dokumentiert das Bühnenbild von Thamar [Abbildung 7] visuelle Effekte und Raumaufteilung bei Léon Bakst: Ein Bühnenraum mit einem Giebel, der so hoch ist, dass er die Figuren am Boden geradezu zwergenhaft klein erscheinen lässt. Als Farbakkord lässt Bakst neben den goldenen Verzierungen einen aufreizenden Komplementärkontrast aus Rot- und Grüntönen dominieren,300 der zusammen mit der spektakulären Bühnenform eine Atmosphäre ungezügelter Lust und Gewalt vermitteln und das Publikum auf die in Kürze folgenden Bluttaten vorbereiten soll.301 300 Johnson, 1913, S. 39–40. 301 Ibid.

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Schauplatz von Thamar ist Georgien, der »Balkon Europas«, wie ihn seine Einwohner nannten, ein Ort, der sich zu diesem Zeitpunkt seit weniger als einhundert Jahren im russischen Herrschaftsbereich befand und westlichen Orientvorstellungen insofern entgegenkam, als sich Zuschauer wie Leser bestätigt fühlten in den von Bakst mittels ferner Kulturen und Epochen evozierten Sehnsuchtsbildern, allerdings, wie bereits im Zusammenhang mit dem ersten Žar ptica-Heft angedeutet, zwischen dem Russischen und dem Orientalischen kaum zu differenzieren wussten.302 Diese exotische Andersartigkeit kam in den Entwürfen und Dekorationen von Bakst stärker zum Ausdruck als bei den übrigen Designern von Diaghilev, jene üppige Sinnlichkeit des Ostens mit ihrem überschwänglichen Reichtum an Verzierungen, wie sich die Ballerina Tamara Karsavina erinnert, jene naive Spontaneität der Russen, die ungezähmte Fülle an ekstatischen Bewegungen und die Sehnsucht nach den unendlich weiten Ebenen, die das Pariser Publikum hingerissen habe.303 Nach Ansicht von Balme und Treibler beruhte der Erfolg von Baksts Bühnendekorationen sowohl auf seiner Vorliebe für dekorative Opulenz und Farbgebung als auch auf der Fähigkeit, die Spielart des Theaterorientalismus mit einer effektvollen visuellen Vielfalt zu füllen und die Schauplätze östlicher Kultur auf der Bühne überzeugend zu verräumlichen.304 Die besonderen Farbkombinationen, Linienführungen, Lichteffekte und Textilien, wie sie Bakst und die anderen Vertreter des Mir Iskusstva-Kreises auf die Bühne brachten, sollten in den folgenden Jahren westliche Interieur-Vorstellungen so stark beeinflussen, dass sie nicht nur Mode und Szenografie revolutionierten, sondern vor allem bei den Briten entscheidenden Anteil hatten an der Transformation ihrer Wohnkultur (Kapitel 6). Dass sich gerade die Vertreter des Mir IskusstvaKreises  – die Helden von Žar ptica  – als die Animateure dieser Transformation erwiesen und sich die Zeitschrift selbst als ein Medium zu deren Propagierung herausstellen sollte, hätte ihre Leser im Russischen Berlin bestimmt mit Stolz und Zuversicht erfüllt. Doch die Zeitschrift Žar ptica reagierte nicht auf die Gegenwart, sondern führte ihre Leser wieder und wieder zurück in die überkommenen Verhältnisse der Vergangenheit, die Woinov hier für sie in Form des Gedichtes Interieur auferstehen lässt: 302 303 304

Lynn Garafola, Diaghilev’s Ballets Russes (New York, Oxford 1989), S. 16. Tamara Karsavina, Theatre Street. The Reminiscences of Tamara Karsavina [Foreword by Dame Ninette de Valois] (London 1948), S. 201. Christopher B. Balme, Claudia Teibler, ›Orient an der Wolga. Die Ballets Russes im Diskurs des Orientalismus‹, in: Claudia Jeschke, Ursel Berger, Birgit Zeidler (Hg.), Spiegelungen. Die Ballets Russes und die Künste (Berlin 1997), S. 113–133.

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INTERIEUR Viele Geschichten wohnen in alten Möbeln, Casanovas Geist in den Falten des Vorhangs aus Seide, zarte Schleier, Kelche und Vasen Elisabethanisches Porzellan. Die Jahre stehen still – die Zeit kehrt zurück … in den Farben des Teppichs, schon halb verblichen … Noch haftet der Duft längst vergangener Mode mit ihren Launen – ein selten bizarres Spiel.305

HEFT 10: DIE DEKORATIONSKÜNSTE KOROVINS, MALJAVINS UND GOLOVINS … … bestimmen neben einem Beitrag über farbige Holzschnitte und Ikonen den Inhalt des zehnten Žar ptica-Heftes. Den Anlass dazu bot die Korovin-Ausstellung, die kurz zuvor in der Berliner Galerie von Karl Nikolai stattgefunden hatte.306 Sie umfasste 17 Gemälde, darunter solche, die aus den Jahren 1920–1923, also aus der späteren Schaffensperiode des Künstlers, stammen und dem Leser hier als »Errungenschaften auf dem Gebiet eines eigenartigen Impressionismus präsentiert werden: Russische Winter, Schneetreiben, früher Lenz mit Fluten von Sonnenstrahlen ins Fenster, Sommerwolken über einem Kornfeld, die Wehmut eines Herbstabends, schmelzender Schnee in der Schlucht«.307 Konstantin Korovin (1861–1939) gilt als Vertreter des russischen Impressionismus an der Schwelle des 20. Jahrhunderts. In Russland war er durch seine Mitwirkung bei den Peredvižniki [Wanderern], bei Mir Iskusstva sowie dem Verband Russischer Künstler bekannt; das Ausland kannte ihn durch seine Teilnahme an zahlreichen internationalen Kunstausstellungen. Ähnlich wie Bakst und andere Künstler des Mir Iskusstva-Kreises hatte sich Korovin nach der Jahrhundertwende zunehmend der dekorativen Malerei und Bühnengestaltung zugewandt und eine Fülle von Theaterdekorationen für die ehemals kaiserlichen Bühnen in Moskau und St. Petersburg entworfen. 80 Opern, 37 Ballette und 17 dramatische Werke hatte er in Szene gesetzt, wobei er, wie es hier heißt, als Neuerer aufgetreten sei, der für die dekorative Kunst eine ganz neue »Welt voll märchenhafter Phantastik, voll nie bisher gesehe-

305 Igor Woinov, ›Interieur‹ (Gedicht), Žar ptica, Nr. 9, 1922, S. 26. 306 ›Vystavka kartin Korovina v Berline‹, Žar ptica, Nr. 10, 1923, S. 9–10; ›K. A. Korovins Gemäldeausstellung in Berlin‹ [übersetzt v. R. v. W.], ibid., S. 5–6 (internationaler Teil). 307 Ibid., S. 5–6.

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Heft 10: Die Dekorationskünste Korovins,Maljavins und Golovins …

Abbildung 8: Golovins Dekoration für Strawinskys Oper Das Lied der Nachtigall (Žar ptica Nr. 10, 1923) nach dem Märchen von Hans Christian Andersen. Schauplatz der Handlung ist China. Strawinsky hatte die Fertigstellung dieses Vokalwerkes zurückstellen müssen, um auf Geheiß Diaghilevs zunächst den Feuervogel zu komponieren. Die Uraufführung der Nachtigall fand am 26. Mai 1914 in Paris unter der Leitung von Pierre Monteux statt.

ner Formen, wundersamer Architektur und voll tiefsten Eindringens ins Volksepos« entdeckt habe.308 Eine enge Zusammenarbeit verband Korovin mit Alexander Golovin (1863–1930), nachdem beide Ende der 1890er-Jahre an das Moskauer Theater berufen worden waren. Golovin habe zwar damals mit seinen Gemälden schon eine Reihe von Erfolgen zu verzeichnen gehabt, sei aber seinem Temperament nach eher als dekorativer Künstler zu bezeichnen, wie Makovskij feststellt.309 Er hebt vor allem Golovins außergewöhnliche Begabung für farbige Kompositionen hervor, wie sie zum Beispiel in seiner Dekoration für Strawinskys Oper Das Lied der Nachtigall [Abbildung 8] zum Ausdruck kommt, seinen stilistischen Erfindungsreichtum sowie sein Vermögen, dramatische Themen darzustellen, aufgrund dessen er 1902 aus seiner Geburtsstadt Moskau als künstlerischer Leiter der kaiserlichen Bühnen nach St. Petersburg berufen wurde. 308 Ibid. 309 S. K. Makovskij, ›A. Ja. Golovin‹, Žar ptica, Nr. 10, 1923, S. 15–16; ders., ›A. J. Golovin‹, [übersetzt von R. v. W.], ibid., S. 5–6 (internationaler Teil).

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Im Reich des Feuervogels

Darüber hinaus thematisiert das Heft Nr.  10 das Werk von Filip Maljavin (1869– 1940), dessen Porträt auf den 25 Jahre zurückliegenden Erinnerungen von Sergej Makovskij basiert und lediglich im russischen Teil vorliegt,310 sowie die Ausstellung russischer Buchkunst,311 die kurz zuvor in Berlin stattgefunden hatte und bereits im Zusammenhang mit Heft Nr. 8 erwähnt wurde. Aufgrund der hinlänglich bekannten Transportschwierigkeiten für Bücher berücksichtigte diese Ausstellung, wie dem Bericht zu entnehmen ist, nur solche Ausgaben, die sich bereits vor Ort befanden, darunter einige Originale von Dobužinskij und Konašewič, die als stimmungsreiche und humorvolle Märchenkünstler galten und ihre Werke beim »unternehmungsfreudigen Grzhebin-Verlag«312 veröffentlichten. Bücher von Puschkin, Gogol, Lermontov, Tschechow und Tolstoj vermittelten darüber hinaus den Ausstellungsbesuchern Einblicke in die geistig-literarischen Bestrebungen und Neigungen »unserer russischen Nachbarn«.313 Zu empfehlen sei außerdem ein Besuch der Sonderausstellung mit so vorzüglich ausgestatteten Proben von Kunstzeitschriften wie Starye Gody [Die alten Jahre], Apollon [Apollon], Zolotoe Runo [Das Goldene Vlies], Russkaja Ikona [Die russische Ikone), Mir Iskusstva [Welt der Kunst] und Sofin [Sofin], »welche erstaunliche Fruchtbarkeit auf allen Gebieten der Kunst die Russen gerade kurz vor dem Weltkrieg entwickelt haben«.314 Als Herausgeber von geschmackvoll illustrierter Literatur präsentierten sich neben Grzhebin die Verlage Newa, Russkoe Iskusstvo, Efron, Petropolis und Walter Rankin,315 die inzwischen in Berlin Dependancen eröffnet hatten oder ganz und gar hierher gezogen waren. Buchkünstlerische Ambitionen bildeten nur einen Schwerpunkt im Programm der damals in Berlin ansässigen russischen Verlage. Deutschland und insbesondere Berlin sei jetzt zum Zentrum des russischen Buchwesens aufgestiegen, stellte Teatr i žizn bereits im Oktober 1921 fest.316 Hätten bisher russische Klassiker und Bücher von hoher technischer Qualität zu den Verlagsschwerpunken gehört, so zeichnete sich nach Ansicht von Teatr i žizn 1921 insofern ein Umbruch ab, als neuerdings auch populärwissenschaftliche Schriften und Sachbücher hinzugekommen seien; impulsgebend dafür gewesen sei unter anderem der unter Mitwirkung des Verlages von Rudolf Mosse gegründete Verlag Znanija.317 310 Sergej Makovskij, ›Maljavin‹, Žar ptica, Nr. 10, S. 2–6. 311 Wolfgang Bruhn, ›Eine Ausstellung russischer Buchkunst in Berlin‹, Žar ptica, Nr. 10, S. 8. 312 Ibid. 313 Ibid. 314 Ibid. 315 Ibid. 316 ›Bibliografija. Russkaja kniga zagranicej‹, Teatr i žizn, Nr. 1–2 (Oktober 1921), S. 18. 317 Ibid.

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Heft 10: Die Dekorationskünste Korovins,Maljavins und Golovins …

Auf russische Klassiker hatten sich schon in den Jahren 1919–1921 die Verlage Slovo, Ladyžnikov und Grzhebin spezialisiert, wobei die Ausgaben des Grzhebin-Verlages, wie Aldanov in einer Retrospektive schreibt, nicht unbedingt als russische Auslandsausgaben einzustufen waren.318 Sie würden zwar in Leipzig gedruckt, als Verlagsorte jedoch Berlin, St. Petersburg und Moskau angeben; dabei lebten sämtliche Redakteure des Verlages mit Ausnahme von Maxim Gorki, so Aldanov, in Russland, darunter Zamjatin, Braun, Lerner, Pinkevič, Čukovskij und Ajchenbaum.319 Deutlich wird anhand der vom Grzhebin-Verlag praktizierten Geschäftsgebarung wiederum, warum die Buchproduktion ein so einträgliches Geschäft war, vor allem in jener Zeit, da  – wie im genannten Fall  – ihre Redakteure in Russland lebten, ihre Produkte aber im Ausland gegen Devisen veräußert werden konnten. Vor diesem Hintergrund ist ein Beitrag in der Berliner russischen Zeitschrift Russkaja Kniga zu verstehen, die im Zusammenhang mit Grzhebin von diversen Beschuldigungen sprach, in denen sogar die Bezeichnung »Literaturparasit« fiel, da man ihm zur Last legte, die Not russischer Autoren auszunutzen, um den Wert ihrer Arbeit herunterzuhandeln.320 Allerdings gab es auch Stimmen, die behaupteten, es habe zwischen 1918 und 1921 nur zwei Verlage in Petrograd gegeben, die »eine rettende Rolle für russische Autoren« gespielt hätten: Grzhebin und Vsemirnaja Literatura.321 Aldanov bestätigte 1925, was Kagan bereits ein Jahr zuvor festgestellt hatte, nämlich dass im Berliner russischen Verlagssektor eine gewisse Anarchie geherrscht habe, die weitgehend auf die unkoordinierte Üppigkeit bei der Produktion russischer Klassiker zurückzuführen sei und sich hätte vermeiden lassen, hätten sich die Verleger untereinander besser abgesprochen und die Empfehlungen von Experten berücksichtigt.322 Beispielsweise weist er darauf hin, dass in der aktiven Phase zwischen 1919 und 1923 politische Bücher kaum zum Programm der Berliner russischen Verlage gehörten, was um so erstaunlicher sei, als russische politische Schriften vor 1917 fast ausschließlich im Ausland und in erster Linie in Deutschland gedruckt wurden, um anschließend auf illegalem Weg nach Russland gebracht zu werden.323 Fehlende Absprachen, die Ignoranz von Experten-Empfehlungen und mangelnde Koordinierung stellten sich schließlich als Faktoren heraus, die maßgeblich zum Niedergang des Berliner russischen Verlagswesens beitrugen (siehe Kapitel 5). 318

M. Aldanov, ›Izdanija russkich klassikov zagranicej‹, Vremennik Obščestva Druzej Russkoj Knigi (Paris 1925), S. 9–12. 319 Ibid. 320 ›Chronika i raznye zametki‹, Russkaja Kniga, Nr. 1 (Januar 1921) S. 9–10. 321 A. F. Damanskaja, ›Feuilleton‹, Volja Rossii (18. Oktober 1920). 322 Aldanov, 1925. 323 Ibid.

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HEFT 11: DAS WERK MARC CHAGALLS … … steht im Mittelpunkt des elften Žar ptica-Heftes, nicht Boris Grigoriev, wie man nach dem Umschlag mit dem von Grigoriev angefertigten Porträt des Schauspielers W. Kačalov als Zar Feodor annehmen könnte. Die Visionen Grigorievs spielen nur insofern eine Rolle, als dessen kurz zuvor publizierter Band Visages de Russie324 mit Porträts von Schauspielern des Moskauer Künstlertheaters an exponierter Stelle angepriesen wird.325 Grigoriev hatte die Schauspieler bei ihrem jüngsten Gastspiel am Pariser Théâtre des Champs-Elysées getroffen und porträtiert. Träume und Theaterdekorationen, Formen und Farbgebungen bei Chagall bestimmen den Rest des illustrierten Teils dieses Heftes, darunter bekannte Bilder wie Der Spaziergang, Der Geburtstag, Der Kuss und Über der Stadt. Doch den Auftakt bilden Chagalls Arbeiten für das Moskauer Jüdische Kammertheater: »[…] Wenn sich der Vorhang hebt, erblickt der Zuschauer ein seltsames Durcheinander von windschiefen Häusern, die nach kubistischer Art auf unterschiedlichen Ebenen angeordnet sind; eines erhebt sich über dem anderen; manche überschneiden sich in spitzen Winkeln; manche haben breite Dächer, andere gar keine – sie ähneln einem Mann, der gerade seinen Hut zieht – und enthüllen die Geheimnisse ihres Innenlebens. Hier und dort sind sie durch Brücken und Durchgänge verbunden. Dazwischen liegen enge Gassen, aufsteigend und abfallend: ein kubistisches Design, das zusammen mit der Farbgebung im Stile Cézannes beim Zuschauer die phantasievolle Vorstellung eines jüdischen Schtetls in Russland evoziert – eine außergewöhnlich heitere, ja anmutig wirkende Stimmung, die durch die Kompaktheit der Bühne noch verstärkt wird. […] Plötzlich wird mir klar, dies ist die Welt von Marc Chagall. […]«326

Mit diesem Einstieg beginnt Max Osborn sein Porträt des Künstlers, dessen Dekorationen er kurz zuvor bei einem Besuch des Moskauer Jüdischen Kammertheaters bewundert hatte. Chagall war es gewesen, der, so Osborn, die dekokrative Kunst des jungen Malers Rabičev angeregt hatte, die Entwürfe von Granovskij und die Musik von Pulov  – eine bizarre Mischung aus orientalischen Klängen, alten hebräischen Motiven und russischen Melodien.327 324

Boris Grigoriev, Visages de Russie (mit Texten von Louis Réau, André Levinson, André Antoine und Clare Sheridan), herausgegeben von A. G. Levinson (Paris 1923). 325 Lollij Lvov, ›Videnija Borisa Grigoreva‹, Žar ptica, Nr. 11, 1923, S. 2–6; ders., ›The Visions of Boris Grigoriev‹, ibid., S. 38 (internationaler Teil). 326 Max Osborn, ›Mark Šagal‹, Žar ptica, Nr.  11, 1923, S.  13–20; ders., ›Marc Shagal [sic]‹, ibid., S. 34–35 (internationaler Teil). 327 Ibid.

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Heft 11: Das Werk Marc Chagalls …

Osborn bemerkt, wie stark Russland und die Umgebung des jüdischen Schtetls die Kunst Chagalls geprägt haben. So seien Chagalls szenografische Gestaltungen nicht isoliert zu betrachten, sondern einerseits das Ergebnis seiner seit 1908 wiederkehrenden Begegnungen mit Bakst, der bekanntlich für ein stärkeres Engagement der bildenden Künste in der Welt des Theaters eingetreten sei.328 Andererseits waren sie, so Osborn, seinem Stolz darauf zu verdanken, Teil einer modernen jüdischen Kultur im revolutionären Russland zu sein. Allerdings sollte sich dieser Stolz schon bald mit Chagalls Frustration darüber mischen, welche Stellung der jüdischen Kultur im sowjetischen Russland zugewiesen wurde.329 Denn von der anfänglichen Offenheit des Sowjetregimes für alle künstlerischen Bestrebungen, die revolutionäre Ziele in Anspruch nahmen, zeugt Chagalls Karriere vielleicht am deutlichsten, zeigt sie doch, dass nur wenige Jahre nach der Revolution das Theater die letzte Zuflucht jener Künstler war, die ein spezifisch jüdisches Erleben gestalten wollten.330 Chagall verließ Russland im Sommer 1922 in Richtung Berlin, um im darauf folgenden Jahr nach Paris weiterzureisen. In die Zeit seines Berlin-Aufenthaltes fällt die Veröffentlichung des elften Žar ptica-Heftes. Detailliert behandelt Osborn darin das zwischen 1914 und 1918 geschaffene Bild Spaziergang (auch bekannt unter den Titeln Über der Stadt bzw. Les amoureux au-dessus de la ville) [Abbildung 9] mit seinen armseligen kleinen Häusern, die der Betrachter, wie zusammengekauert im fröhlichen Geplänkel, unter einem hoch am Himmel schwebenden Paar erblickt. Zartes Purpur, Grün- und Blautöne beherrschen das Bild. ›Eine Hymne an den Frühling‹, nennt es Osborn, der in dieser Farbgebung nichts anderes erblickt als einen malerischen Gefühlsüberschwang, schlicht und echt, moderne Romantik, verbildlicht in der Art der Pariser Malerei, und dabei durchdrungen von den slawischen und hebräischen Grundmotiven des Sehnens und Erwartens. Ähnlich hatte sich kurze Zeit davor Spolochi zum Werk Chagalls geäußert. Kaum ein anderer Künstler besitze eine solche Palette von Farben, in denen man den Orient erspüren könne, »einen ganzen Blumenstrauß einer anderen märchenhaften, jahrhundertealten Kultur«331, nannte es damals Xenia Boguslavskaja: 328

329 330 331

Werner Hanak, ›»Wer ist hier Regisseur, Sie oder ich?« Notizen zu Chagalls Malerei im Raum‹, in: Chagall. Bilder  – Träume  – Theater 1908–1920 (herausgegeben vom Jüdischen Musum der Stadt Wien. Mit Textbeiträgen von Wassili Rakitin, Ziva Amishai-Maisels, Werner Hanak und G. Tobias Natter, mit 131 Abbildungen, davon 64 in Farbe) (Wien 1994), S. 58–72. Ziva Amishai-Maisels, ›Chagalls Wandgemälde für das Staatliche Jüdische Kammertheater‹, ibid., S. 22–56. Avram Kampf, Jüdisches Erleben in der Kunst des 20. Jahrhunderts (Berlin 1987), S. 46. K[senja] Boguslavskaja, ›Marc Chagall‹, Spolochi (Berlin), Nr. 2, Dezember 1921, S. 33–34.

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Abbildung 9: Chagall, Die Liebenden über der Stadt (Žar ptica Nr. 11, 1923).

»[…] Die Maler, die sich der Farbe verschrieben haben, werden im Süden geboren, aber sie haben ein sozusagen lebensbejahendes, ›direktes‹ Verständnis der Farbe, und nur die orientalischen Völker sind dazu fähig, aus der Farbe nicht nur das Grelle, das Schillern herauszulocken, sondern auch ihren inneren Ton, die Schärfe. Zum Beispiel das Grün bei Chagall […] ist nicht einfach nur bunt, sondern trägt etwas Giftiges in sich, das Blau ist würzig. (Daneben sollte man sich Griogorievs Grün vorstellen: Möchte man es denn mit irgendetwas anderem vergleichen als mit der grünen Seide eines Stoffladens für Damen?) […] Der Kunstgriff, eine Farbe zu ›modulieren‹, wurde in Paris geboren, natürlich von Cezanne und den Kubisten. Modulieren bedeutet dabei, eine Fläche, die mit der Farbe bedeckt wird, auf mannigfaltige Weise zu bearbeiten, damit alle Eigenschaften, die in der Farbe verborgen sind, zum Vorschein kommen, damit die Farbe sozusagen ›hineingeschrieben‹ wird. […]«332 332 Ibid.

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Heft 11: Das Werk Marc Chagalls …

Chagalls Vorliebe für die besonderen Farbenzusammenstellungen – samtiges Schwarz oder Violett, das in ein dunkelrotes Bordeaux übergeht  – schreibt Boris Aronson Chagalls Erinnerungen an das jüdische Milieu seiner Kindheit zu: Atlas und Seide der Talare, Tefillin-Beutel, Pathos und Verehrung ritueller Gegenstände, die, so Aronson, im starken Kontrast von Grau, Blau und rötlichem Bordeaux vibrieren.333 Die Entstehung von Aronsons Band fiel ebenfalls in jenen Zeitraum 1922/1923, da sich Chagall in Berlin aufhielt. Aronson präsentierte Chagall darin als einen der sogenannten »Hauch«-Künstler; Chagall gehöre zu den Visionären, zu den Märchenhaften, in deren »geheimnisvoller Art die Literaten so viel Material für ihre Zwecke finden«.334 Doch erst Paris und der Kubismus hätten ihm jene »bildnerische Zähigkeit und die grundlegenden Vorstellungen von der Struktur« gegeben, die seinen Werken aus der Zeit vor seinem Paris-Aufenthalt noch fremd seien.335 Als Chagall 1922 in Berlin ankam, war er hier kein Unbekannter mehr. Bereits 1913 hatte Herwarth Walden ihn und andere Vertreter der europäischen Avantgarde in seinem Ersten Deutschen Herbstsalon ausgestellt, den er dem Pariser Salon d’Autumne nachempfunden hatte. Chagalls zweiter Berlin-Aufenthalt fast ein Jahrzehnt später läutete einen Umbruch im Schaffen des Künstlers ein. Er war geprägt von einer verstärkten Rückbesinnung auf seine jüdischen Wurzeln, die – ausgelöst durch eine Anfrage Cassirers – zu einer künstlerischen Neuorientierung führte. Paul Cassirer, Verleger, Kunstfreund und Mäzen, hatte sich der individuellen Betreuung der von ihm geförderten Kunst- und Literaturschaffenden verschrieben.336 Nach einer Lesung, in der Chagall Fragmente aus seinen noch unpublizierten Memoiren vortrug, hatte Cassirer ihm 1922 vorgeschlagen, diese als illustrierten Text herauszugeben. So nutzte Chagall die Zeit in Berlin, um seine künstlerisch-handwerklichen Fähigkeiten zu entwickeln. Er experimentierte in Josef Budkos Atelier mit Holzschnitten,337 erlernte bei Hermann Struck im Berliner Hansaviertel die Grundlagen der Kaltnadel- und Radiertechnik und setzte sich mit jüdischen Grafikern und neuen Kunstströmungen wie Symbolismus (Lesser Uri), Impressionismus (Max Liebermann) und 333

Boris Aronson, ›Marc Chagall‹ (aus dem Russischen übersetzt von Reinhold von Walter) (Berlin 1924), S. 24–26. 334 Ibid., S. 12. 335 Ibid., S. 22. 336 Markus Brandis, ›»Ich bitte um besonders lebhafte Verwendung«. Selbstverständnis und Präsentation des Paul Cassirer Verlags als einer der großen Kulturverlage seiner Zeit‹, in: Rahel E. Feilchenfeldt und Thomas Raff (Hg.), Ein Fest der Künste. Paul Cassirer. Der Kunsthändler als Verleger (Berlin 2006), S. 281–296. 337 Annette Weber, ›»Womöglich jefällt mir das Zeug!« Chagall in Deutschland und sein Publikum von 1913 bis heute‹, in: Monika Grütters und Georg Heuberger (Hg.), Chagall und Deutschland. Verehrt. Verfemt (München, Berlin, London, New York 2004), S. 50–63, hier: S. 54.

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Expressionismus (Jacob Steinhardt) auseinander, die in den zurückliegenden Jahren die modernistischen Trends in der jüdischen Kunst geprägt und damit wesentlich zu einer Renaissance jüdischer Kunst und Kultur in Berlin beigetragen hatten. Freilich musste sich Cassirer letzten Endes mit den Illustrationen allein zufriedengeben und auf die Memoiren verzichten, denn der russische Originaltext von Cha­ galls Aufzeichnungen erwies sich als ungeeignet zum Übersetzen, sodass eine Publikation in Deutschland vorerst nicht infrage kam.338 Unter dem geplanten Titel Mein Leben erschien schließlich das bekannte Album mit den zwanzig ursprünglich für den Textteil vorgesehenen Ätzradierungen.339 Doch ob Radierung, Bühnenbild oder Gemälde – eines, so Osborn, sei allen Chagall-Werken gemeinsam: seine Kunst löse den Betrachter »aus den Fesseln des Alltags, aus den Seilen, die ihn an die materielle Welt binden«340 und versetze ihn in die Welt der Fantasien, Träume und des Theaters. HEFT 12: LARIONOVS BURLESKEN UND BÜHNENKUNST … … bilden den Schwerpunkt im zwölften Žar ptica-Heft. »L’art de Michel Larionov révèle une personalité extrêment forte qui arrive à ­exprimer les nuances des sentiments et des ­sensations éprouvés par L’artiste avec un rigueur qui fait de son art lumineux, extrêment sobre et précis, une merveilleuse découverte esthétique.« [Guillaume Apollinaire]

Hinter der Kunst Michel Larionovs steht eine extrem starke Persönlichkeit, die ihre Gefühls- und Empfindungsnuancen derartig rigoros ausdrückt, daß seine Beleuchtungskunst, dezent und genau, wie sie ist, zu einer außergewöhnlichen Entdeckung der Ästhetik wird.

Mit diesem Zitat des prominenten französischen Kunstkritikers Guillaume Apolli­ naire beginnt Isarlov seine Rückschau auf das Werk von Michail Larionov.341 Dass es in diesem Heft vorzugsweise um Larionov geht, zeigt bereits die Gestaltung des Umschlages mit den leuchtenden Farben und stilisierten Motiven russischer Volkskunst, deren zuweilen recht grotesk anmutenden Fragmente collagenförmig in Form von Schnitten und Brüchen aneinandergesetzt sind [Abbildung 10]. 338

Benjamin Harshav, Marc Chagall and His Times, A documentary narrative with translations from Russian, Yiddish, French, German, and Hebrew by Benjamin and Barbara Harshav (Stanford, California 2004), S. 78. 339 Georges Charensol, ›Préface‹, in: Marc Chagall, Ma vie, traduction de Bella Chagall, avec 31 dessins de jeunesse et 14 reproductions d’eaux fortes de L’auteur (Paris 1931), S. 3. 340 Osborn, ›Šagal‹, Žar ptica, Nr. 11, 1923. 341 G[eorge] I. Isarlov, ›M. F. Larionov‹, Žar ptica, Nr.  12, 1924, S.  26–30; ders., ›M. F. Larionov‹ [übersetzt von R. v. W.], ibid., S. II–IV (internationaler Teil).

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Abbildung 10: Larionov, Titelblatt von Žar ptica-Heft Nr. 12, 1924.

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Diese Diskontinuitäten stehen symbolhaft für die Übergänge und den Wandel im Schaffen des Künstlers, das von den sprühenden Karnevalsszenen und Burlesken der russischen Provinzstädte bis hin zu den anspruchsvollsten Theaterdekorationen der westlichen Weltmetropolen reicht. Verbildlicht wird dies auf dem Umschlag zum einen durch die grellen Farben, zum anderen durch die Maske im Vordergrund sowie die beiden nach oben hin spitz zusammenlaufenden Türme mit den Zwiebelhauben im Hintergrund sowie dem angedeuteten Vorhang in Bordeaux. Selten, so schreibt der Autor des Žar ptica-Beitrages, habe sich Larionov den vorherrschenden Trends seines Umfeldes angepasst, sondern eher seine eigene Welt gesehen und abgebildet. Dabei habe er aus frühesten Erfahrungen geschöpft: aus seiner Kindheit in der Steppenlandschaft der Schwarzmeerküste, aus den Stillleben von Tschechows Provinz-Helden, aus dem Leben des reglementierten Soldatenalltags, des malerischen, zechenden Moskau oder des fieberhaften Treibens und Lärmens in den Weltmetropolen. Stets sei er darauf bedacht, die wesentlichen und elementaren Merkmale eines bestimmten Millieus aufzudecken:342 »[…] so beispielsweise die bunten Aushängeschilder der Geschäfte und Läden, […] der Kringel vor der Bäckerei – er strahlt so golden, dass er es mit jedem Heiligenbild aufnehmen kann. Dort – die blaue Aufschrift ›Sawwa Deshentjew und Sohn‹, mit zinnoberroten Schnörkeln. Endlich – die bemalten Truhen, wie man sie bei den alten Tanten noch findet: sie bergen in ihrer Tiefe feine Tischwäsche und Spitzen oder Großmütterchens Plüschumhang. Larionow trat an diese Truhen heran, als wären sie die kostbarsten Behältnisse und studierte liebevoll ihre Farben. […] dort – der stets dienstbereite Friseur vor einem Arsenal von Scheren, Rasiermessern und Flacons; dann wieder  – ein flotter Husar oder ein würdiger Herr; ein Mädel im blauen Korsett auf dem poetischen Hintergrund knallroter Tapeten. Diese Eindrücke bewerten wir aber nicht als Genrebilder, sondern als neue entdeckte Welt verwaister, einsamer Seelen, die unter dem äußeren Schein ihrer Hüllen uns jämmerlich entgegengähnen. Von der Art sind ja auch Dégas‹ ›Waschweiber und Reiter‹, Lautrecs ›Weiber‹, Cézannes und van Gogh’s ›Arbeiter und Greise‹. […]«.343

Larionov wird hier als Wegbereiter einer neuen Generation russischer Künstler vorgestellt, als Organisator von diversen Ausstellungen wie Zolotoe Runo [das goldene Vlies] 1906, Vetok 1907, Bubnovyj Valet [Karobube] 1910 und Eselsschwanz 1911, aber 342 Ibid. 343 Ibid.

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Heft 12: Larionovs Burlesken und Bühnenkunst …

auch als Choreograf und Bühnenkünstler einer Reihe von Diaghilev-Balletten in den Hauptstädten der alten und der neuen Welt.344 Dabei stießen seine gewagten Gestaltungsmuster nicht immer auf Zustimmung, so beispielsweise seine Entwürfe für Šut [Der Narr], die nicht nur dem Londoner Publikum missfielen,345 sondern auch russischen Kritikern wie Lukomskij, der in seiner Rezension für Teatr i žizn zwar die Kostüme lobte, aber die Kulisse als schwach beurteilte. »[…] Larionov schuf in Šut eine außerordentliche Kraft der Farben. Nicht nur die Farbtöne (rot-gelb und schwarz-weiß) sind gelungen, sondern auch die Kostüme (Heiratsvermittlerinnen, Soldaten) […]. Hier ist deutlich jene Dynamik der Farben erkennbar, über die russische und französische Maler so oft sprechen. Der Schnitt der Kleider bei den Heiratsvermittlerinnen ist stilgemäß und treffend. Überzeugend sind auch die Schnitte der Soldatenkostüme, eine gute Mischung aus den Uniformen unserer Kavallerie- und Husarenregimente in einer sehr kurios dargestellten Art und Weise. Flatternde Schulterklappen und Hosenstreifen sind ebenfalls gelungen. Die Masken für den unteren Gesichtsteil sind brillant und geben wunderbar den lächelnden Gesichtsausdruck eines perfekt gedrillten Soldaten wieder. […] Die Kulisse muss in Šut schwächer beurteilt werden. Die gotische Burg, die Fenster mit den Jalousien und die Inschriften sind unverständlich. Es gibt viel Vorsätzliches daran, und Märchenelemente sind nicht erkennbar. Das Phantastische wirkt recht schwerfällig. […]«346

Der Žar ptica Artikel vertiefte die bereits im siebten Heft begonnene Diskus­ sion über die von Larionov entwickelte Strahlentheorie – den Rayonismus, hier als Lutschismus bezeichnet [abgeleitet von luč – russisch: der Strahl], eine Stilrichtung in der russischen Avantgarde, die sich aus Kubismus und Futurismus ableitete und die Einbeziehung einer ›vierten Dimension‹, nämlich des Lichtes, beanspruchte. Larionov verwendete sie nach 1912 in seiner Malerei und Szenografie, in der er bewegliches Licht einsetzte, um damit den Effekt einer größeren Räumlichkeit zu erreichen,347 damals ein Novum nicht nur in Russland, sondern ganz Europa.

344 345 346 347

Isarlov, 1924. L[eri], ›Balet. Russkij balet v Londone‹, Teatr i žizn, Nr. 1–2 (Oktober 1921), S. 11. G. K. Lukomskij, ›Russkij Balet Djagileva: ›Šut‹, ›Žar-ptica‹, ›Flamenco‹, Teatr i žizn, Nr. 8 (März 1922), S. 5. Bowlt, 1986, S. 15.

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Im Reich des Feuervogels

Die Wirkungsgeschichte und Rezeptionsästhetik der russischen Kunst in Europa kommentiert in diesem Heft André Levinson.348 Er beginnt mit dem Echo des Pariser Herbstsalons von 1906, erinnert an die großartigen Erfolge von »Diaghilevs Ballett-Offensive« und würdigt die dekorative Kunst der russischen Designer, die gleichermaßen aus dem russischen Volksbilderbogen wie aus der östlichen Exotik schöpften.349 Mit Levinsons Hintergrundartikel über die Wege der russischen Kunst in Europa und dem Einblick in das Werk Larionovs dokumentiert dieses Žar pticaHeft wie kein anderes die Verbindung zwischen russischer Volkskunst und den gestalterischen Tendenzen der europäischen Moderne. Sergej Sudejkin gehörte offenbar zu den Lieblingen des Verlagshauses Russkoe Iskusstvo, denn das zwölfte Žar ptica-Heft widmet ihm erneut einen eigenen Beitrag. Zwei frühere Hefte hatten bereits über Leben und Werk dieses Künstlers berichtet, Heft Nr. 1 über das von ihm illustrierte städtische kleinbürgerliche, mal behäbige und mal ausgelassen feiernde Russland, und Heft Nr. 4/5 über die entrückte Welt von Stadtmärchen, Kinderträumen und Puppenspiel. Jetzt galt die Aufmerksamkeit Sudejkin als einem experimentierfreudigen Schöpfer russischer Kabarett-Dekorationen und -Kostüme.350 Wieder geht es dabei um seine Verwendung von leuchtenden Farben, ebenso um sein Festhalten an traditionellen Vorlagen wie dem Volksbilderbogen, dem alten russischen Porzellan sowie den Gobelins, Holzschnitzereien und Rummelplätzen aus längst vergangenen Zeiten, die Sudejkin zum Markenzeichen seiner dekorativen Kunst machte: »Das russische Kabarett hält seinen Siegeszug durch die Welt. Seine grellen schwungvollen Plakate kann man überall sehen: in dem etwas langweiligen Berlin, im blendenden, spiegelnden Paris, in den bleichen Nebeln Londons und in der transatlantischen Stadt des Gelben Teufels. Von Warschau bis Madrid, und von Christiania bis Konstantinopel … […] Wie ein Zauberer hebt er [Sudejkin] die Hand, und schon treten anstelle der entzückend-ungeschlachten russischen Oleographien elegante, spielerische Silhouetten mit Masken aus der italienischen Commedia dell’arte. Sein Zauberpinsel zeigt uns bald üppige rotwangige schwarzäugige moskauische Bräute, bald wieder manierierte, gepuderte französische Marquis. […] Sudejkin liebt und kennt Russland. [Wie] Benois und Dobužinskij […] sieht er Russland durch das europäische Prisma. […] Das Russland, jenseits der Moskwa, 348

André Levinson, ›Russkoe Iskusstvo v Evrope‹, Žar ptica, Nr. 12, 1924, S. 9–14; ders., ›Die russische Kunst in Europa‹, ibid., S. I–II (internationaler Teil). 349 Ibid. 350 Vl[adimir] Tatarinov, ›Sudejkin v kabare‹, Žar ptica, Nr. 12, 1924, S. 22–23; ders., ›Sudejkin im Kabarett‹, ibid., S. IV (internationaler Teil).

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Heft 13: Kontinuität im Exil – Pasternaks Porträts und Kogans Palästina-Expedition …

und der Petersburger Seite. Selbst die Bauern Sudejkins gemahnen eher an eine Landschaft, an Leibeigene, die er sich durch das Pariser Lorgnon, durchs wohlwollende Auge eines Gutsbesitzers ansieht. […] Sudejkins Dekorationen und Kostüme scheinen ein gesundes, kindliches, russisches Lachen zu lachen. Man fühlt in ihnen den ganzen Schwung der flotten ›Kamarinskaja‹, der naiv kecken ›Polka‹ an. Alles lebt, alles tanzt. […]«351

Unverhohlen bringt Tatarinov hier die unter russischen Emigranten verbreitete Haltung zum Ausdruck, die dem »etwas langweiligen Berlin« gern das »blendende spiegelnde Paris« entgegenhielt. Zu bestätigen scheint sich diese Auffassung in der Tatsache, dass sich ein Teil der erklärten Emigranten ursprünglich für Paris entschieden hatte und zwischen 1921 und 1923 nur deswegen nach Berlin übersiedelte, weil hier die Lebenskosten aufgrund des niedrigen Wertes der Deutschen Mark niedriger waren und ihre Ersparnisse demzufolge länger reichten.352 HEFT 13: KONTINUITÄT IM EXIL – PASTERNAKS PORTRÄTS UND KOGANS PALÄSTINA-EXPEDITION … … bestimmen neben der grafischen Kunst Mstislaw Dobužinskijs und einigen kommentierten Stadtansichten des alten Petersburg den Inhalt des 13. Žar ptica-Heftes. Bei den Stadtansichten handelt es sich um Reproduktionen eines unbekannten Künstlers aus den Jahren 1820–1825, die aus der Sammlung von K. Wrangel in Paris stammen. Sie zeigen Kathedralen, Theater und Paläste aus der nördlichen Hauptstadt, wobei der Blick des Künstlers vor allem auf die Newa mit ihren Quais gerichtet ist, die Kolonnaden, Säulen, Bögen, Obelisken, Kuppeln und die pfeilergeschmückten Brücken.353 Solche herumflatternden Blätter mit Aquatinten, Gravüren und Lithografien, die aus Büchern herausgerissen waren, nachdem ihre Eigentümer Russ­ land verlassen hatten, waren typisch für diese Zeit. Sie lagen mit zerfetzten Rändern bei den fliegenden Händlern am Pariser Seine-Ufer oder in den Antiquariaten der Pariser Rue Bonaparte und der Berliner Behrensstraße und wurden trotz ihres Wertes für nur wenige Groschen verkauft. Für den Herausgeber von Žar ptica erwiesen sich solche Funde insofern als nützlich, als sie ihm ermöglichten, kostensparend auf Bildmaterial zurückzugreifen, das sich, ähnlich wie die Werke emigrierter Künstler oder die Ballets Russes-Reliquien, bereits vor Ort befand.

351 Ibid. 352 Williams, 1972, S. 112. 353 L. K-ov [sic], ›Staryj Peterburg‹, Žar ptica, Nr.  13, 1925, S.  9–14; ders., ›Alt-Petersburg‹, ibid., S. 39–40 (internationaler Teil).

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Erinnerungen an St. Petersburg sind auch das Thema in der Besprechung der kurz zuvor vom Petropolis-Verlag herausgegebenen Kunstmonografie zum Werk des Buchkünstlers Mstislav Dobužinskij (1875–1957).354 Indem Dobužinskij das alte Petersburg stilisiert, heißt es darin, werde er »zum Erzähler, zum spöttischen Illustrator, der etwas Spielerisches von Dingen beimengt, die man am wenigsten braucht, die sich ganz zufällig nur erhalten haben. […] Er liebt das erzählende Ornament, das irgend­ ein Wesenhaftes des betreffenden Werkes enthüllt und gleichsam den bezauberten Leser verulkt: ein Feuerwerk hinschwingender Flecken und zackiger Linien, Sterne, Halbmonde, Arabesken, Ampeln, Speere, Pfeile, durchbohrte Herzen, Degen, Masken, Malteserkreuze […].«355 Unerwähnt bleibt, dass Dobužinskij auch im Bereich der Szenografie experimentierte. Beispielgebend dafür waren seine Arbeiten für das Moskauer Künstlertheater und Diaghilevs Ballets Russes-Produktionen. Doch die wichtigste Figur des 13. Žar ptica-Heftes ist der Künstler Leonid Pas­ ternak (1862–1945), der Vater des Schriftstellers Boris Pasternak. Seine Gemälde, Porträts, Skizzen und Studien dominieren den Abbildungsteil dieses Heftes. Bevor er zur Mir Iskusstva-Gruppe stieß, gehörte Leonid Pasternak, zusammen mit Korovin, Serov und Levitan, zu jener jüngeren Gruppe der Peredvižniki, die sich aus der akademischen Schablone befreien wollten, um Städte, Landschaften und Volkstum darzustellen.356 Mit seinen frühen Landschaftsskizzen, Gemälden und Studien, seinen Ansichten der russischen Ebenen oder seinem Blick über Moskau habe er, wie es im Künstlerporträt heißt, vom russischen Leben seiner Zeit eine unschätzbare Dokumentation hinterlassen, die für die Kulturgeschichte Russlands bzw. Moskaus um die Wende des 19. und im ersten Viertel des 20. Jahrhunderts ebenso wichtig sei wie für die künftige Russland-Forschung.357 Seit 1921 lebte Pasternak in Berlin, wo er seine Tätigkeit unvermindert fortsetzte.358 Dies betraf vor allem seine Bildniskunst; er porträtierte Gerhart Hauptmann und Sergej Rachmaninov, Saul Tschernichowsky, Albert Einstein, Gustav Stresemann, Adolph v. Harnack und Rainer Maria Rilke.359 Außerdem entstanden in den Berliner Jahren seine Porträtradierungen der Künstler Hermann Struck und Lovis Corinth.360 354

W[ladimir] E. T[atarinov], ›Grafika Dobužinskogo‹, Žar ptica, Nr. 13, 1925, S. 33–34; ders., ›Grafische Kunst Dobužinskijs‹, ibid., S. 41–43 (internationaler Teil). 355 Sergej Makovskij, M.W. Dobužinskijs Grafik (Berlin 1924). 356 Max Osborn, ›L. O. Pasternak‹ (per. s nem. [übersetzt aus dem Deutschen] von V[ladimir] E. T[atarinov], Žar ptica, Nr. 13, 1925, S. 2–8; ders., ›Pasternak‹, ibid., S. 37–39 (internationaler Teil). 357 Ibid. 358 Max Osborn, Leonid Pasternak. Mit 4 Fragmenten aus der Selbstbiografie des Künstlers (Warschau 1932), S. 31. 359 Ibid., S. 33–34. 360 Osborn, ›L. O. Pasternak‹, Žar ptica, Nr. 13, 1925.

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Heft 13: Kontinuität im Exil – Pasternaks Porträts und Kogans Palästina-Expedition …

Bei diesen Männerporträts gehe es Pasternak, wie Max Osborn feststellt, vor allem um die Erfassung des Geistigen, dagegen lege er bei seinen Frauenporträts vorrangig Wert auf die Darstellung von Anmut.361 Pasternak wollte seine Porträts nicht nur als Zeitdokumente betrachtet wissen, sondern hatte sie auch als Raumschmuck gedacht.362 Sein Interesse für InterieurMalerei ging einher mit seinen Beobachtungen von natürlichem Licht und Beleuchtungsschemen sowie seinem ausgeprägten Gefühl für Form und Linienführung, das er in seiner frühen Schaffensperiode entwickelt hatte.363 Darüber hinaus wird Pasternak hier als ein glänzender Zeichner vorgestellt, der die entscheidenden Umrisse eines Wirklichkeitsausschnittes oder einer Figur schnell überblickte und festzuhalten verstand. So zählten zu seinen reizvollsten Kunstäußerungen einige skizzenhafte Zeichnungen, die er blitzschnell mit Bleistift, Feder, Kohle oder Kreide anfertigte und die vor allem seine Fähigkeit zeigten, momentane Eindrücke rasch zu Papier zu bringen und in eine künstlerische Sprache zu übertragen.364 Am Ende seines Beitrages weist Osborn auf die vielen Zeichnungen und Skizzen hin, die Pasternak von seiner jüngsten Studienreise aus Palästina mitgebracht hatte. Diese Palästina-Expedition wird vom Herausgeber selbst noch einmal in einer separaten Meldung am Ende des Heftes aufgegriffen.365 Sie ist insofern relevant, als sie Aufschluss gibt über die weiter gehenden Pläne von Kogan, die für den Herbst 1925 die Herausgabe einer zweibändigen Palästina-Kunstmonografie vorsahen. Die Monografie sollte reich an Illustrationen sein und gleichermaßen Kenntnisse über Geografie, Kultur und Geschichte des Landes vermitteln, das viele von Kogans Freunden und Gefährten damals als neue Heimstätte in Betracht zogen. Zu diesem Zweck hatte Kogan im Frühsommer 1924 eine exklusive Sonderexpedition ausgerüstet, zu der er außer Kennern des Landes und Fachfotografen auch einige Künstler eingeladen hatte. Unter ihnen waren Leonid Pasternak, Adolphe Aizik Feder aus Paris, Saul Raskin aus New York und Abel Pann366, der seit 1920 in Palästina lebte, profilierte Künstler, deren sechswöchiger Palästina-Einsatz, wie Pasternak in seinen Memoiren hervorhob, von Kogan außerordentlich großzügig entlohnt worden sei.367

361 Ibid. 362 Osborn, 1932, S. 33–34. 363 Ibid. 364 Osborn, ›L.O. Pasternak‹, Žar ptica, Nr. 13, 1925. 365 ›Chudožestvennaja Monografija o Palestine‹, Žar ptica, Nr. 13, 1925, S. 36; ›Palästina‹-Kunst­mono­ grafie, (ohne Verfasserangabe), ibid., S. 44 (internationaler Teil). 366 Leonid Osipovič Pasternak, Zapisi raznych let (Moskva 1975), S. 84–94. 367 Ministerstvo Kultury Rossijskoj Federacii, Gosudarstvennaja Tretjakovskaja Galereja (Hg.), Leonid Pasternak v Rossii i Germanii (Moskva 2001), S. 13.

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Dafür sollten sie Das Goldene Palästina-Buch, wie der Titel der geplanten Monografie lautete, mit anspruchsvollen Illustrationen versehen368, »um in künstlerischer, plastischer Form den Geist dieses eigenartigen Landes mit seinen jahrtausendalten Denkmälern und Legenden, mit dem ganzen Zauber seiner wundervollen Natur, mit der absonderlichen Bevölkerung samt deren Leben und Treiben und Folklore« wiederzugeben.369 Diese Aufgabe sei in Form der üblichen Kunsteditionen, die auf Archiv- und Museumsmaterial basierten, nicht zu lösen, denn es solle ja der lebendige Geist des Landes gezeigt werden, weswegen es »der lebendigen Sprache des Lebens […], des lebendigen Materials« bedürfe.370 Die Monografie sollte zwei Bände mit jeweils 240 Textseiten und Bildbeigaben umfassen und im Format 30 x 39 cm erscheinen. Der erste Band sollte die Geschichte Palästinas und dessen Bedeutung als kultur- und religionsgeschichtliches Zentrum erfassen, der zweite Band das im Lande neu erwachende Leben beschreiben.371 Welche Absichten verbargen sich hinter Kogans Palästina-Initiative? Wollte der Herausgeber von Žar ptica und Förderer russischer Kunst im Ausland, der sich längst von seinen jüdischen Wurzeln gelöst hatte, neuerdings das zionistische Projekt fördern? Wohl kaum. Vielmehr hatte er als wendiger Verleger und Geschäftsmann den Bedarf an illustrierten Palästina-Bänden erkannt. Denn gerade in den Jahren nach der Balfour-Erklärung, da die britische Regierung signalisierte, die zionistischen Bestrebungen einer nationalen Heimstätte des jüdischen Volkes in Palästina zu unterstützen, wollten Tausende das Land ihrer Zukunft kennenlernen, was die Publikation einer Reihe von Palästina-Bildbänden nach sich zog.372 Den Bedarf an objektiven Informationen und Abbildungen, die über das übliche zionistische Propagandamaterial hinausgingen, erkannten dagegen nur wenige Verleger. Unter ihnen war Kogan, der mit seinem geplanten Palästina-Band diese Marktlücke schließen wollte. Dies erschien nicht zuletzt angebracht vor dem Hintergrund, dass osteuropäische Juden, die bisher nach Amerika ausgewandert waren, nach Alternativen suchten, nachdem die USA die Zuwanderung aus bestimmten Ländern durch den Immigration Act von 1924 massiv gedrosselt hatten, wovon jüdische Bewerber aus Ost- und Südosteuropa besonders hart betroffen waren. 368 David Buckman, Leonid Pasternak. A Russian Impressionist 1862–1945 (London 1974) S. 72. 369 ›Chudožestvennaja Monografija o Palestine‹, Žar ptica, Nr. 13, 1925. 370 Ibid. 371 Ibid. 372 Arthur Rund, Das Palästina-Bilderbuch. 96 Photographien von Hans Casparius. (Leipzig, Wien 1934). Siehe auch: Ludwig Preis und Paul Rohrbach, Palästina und das Ostjordanland. Mit 214 Tiefdrucken und 21 farbigen Uvachromien nach Aufnahmen von Ludwig Preis (Stuttgart 1925).

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Mit seiner Palästina-Expedition setzte Kogan die Tradition der ethnografischen Expeditionen fort, die sich im russischen wie auch im jüdischen künstlerischen Milieu etabliert hatte: Experten wurden in entlegene Landstriche entsandt, um folkloris­ tische Bräuche und Kunstgegenstände zu erkunden, zu registrieren und gegebenenfalls miteinander zu vergleichen. Beispielgebend dafür waren die von der Jüdischen Historisch-Ethnographischen Gesellschaft geförderten Expeditionen von Salomon An-Sky, der sich 1912–1914 zu diesem Zweck in den Ansiedlungsrayon begab, oder El Lissitzkys Expedition von 1915–1916, da er gemeinsam mit Issacher Ryback den Dnjepr hinauffuhr, um jüdische historische Orte zu erkunden. Lissitzky berichtete darüber in seinen 1923 publizierten Erinnerungen an die Synagoge von Mogilew.373 Die Rückkehr zu den Motiven jüdischer Volkskunst prägte in den darauffolgenden Jahren bis 1919 das Schaffen Lissitzkys ebenso wie die Suche nach den abstrakten und primitiven Formen russischer Volkskunst das Schaffen der Gončarova und Larionovs in den Jahren davor beeinflusst hatte. Der erhebliche finanzielle und publizistische Aufwand, den Kogan im Zusammenhang mit der Expedition betrieb374, machte das Unternehmen zu einem bedeutenden Ereignis und schuf bereits im Vorfeld eine große Öffentlichkeit für den zu erwartenden Kunstband. Umso bedauerlicher ist daher, dass das Goldene Palästina-Buch nicht erschien. Ausschlaggebend dafür dürften Unstimmigkeiten zwischen den Künstlern und dem Verleger gewesen sein, wofür unter anderem die Ankündigung spricht, die Expedition im Frühjahr 1925 zu wiederholen.375 Tatsächlich berichtet nur Pasternak in seinen Memoiren über die Expedition von 1924; Raskin handelt sie in einem einzigen Satz ab,376 während man sie in den Aufzeichnungen von Feder und Pann vergeblich sucht. Auch im folgenden Žar ptica-Heft (Nr. 14) gibt es keinen Hinweis auf die Expedition. Es erscheint darin lediglich eine Schwarz-Weiß-Abbildung vom Hof der OmarMoschee in Jerusalem. Sie stammt von Bilibin, der ebenfalls im Sommer 1924 durch Syrien und Palästina reiste, um seine Eindrücke von den altertümlichen Stätten und Denkmälern in Form von Skizzen und Gemälden festzuhalten.377 Er brachte »eine Reihe schöner sonniger Landschaften und genauster Etüden von Arabien zurück«,378 373 374 375 376 377 378

El Lissitzky, ›Wegn der Mohilewer schul‹, Milgrojm, Nr. 3, 1923, S. 9–13. Englische Übersetzung: ›The Synagogue of Mohilev‹, in: Ruth Apter-Gabriel (Hg.), Tradition and Revolution. The Jewish Renaissance in Russian Avant-Garde Art, 1912–1928 (Jerusalem 1988), S. 233–234. Leonid Pasternak v Rossii i Germanii, 2001, S. 13. ›Palästina‹-Kunstmonografie, Žar ptica, Nr. 13, 1925. Shoul Raskin, Erets Israel in vort un bild. Aindrike fun tsvey rayzes (1921–1924) (New York 1925), S. 290. Sergej Vasilevič Golynec, Ivan Jakovlevič Bilibin (Moskva 1972), S. 149–153. S. E., ›Ja. Bilibin (K XXV chudožestvennoj dejatelnosti)‹, Žar ptica, Nr. 14, S. 2–8; S. E. ›I. Bilibin‹, ibid., S. 41–42 (internationaler Teil).

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berichtet Žar ptica, gibt aber keine Auskunft darüber, ob Bilibin zu der von Kogan ausgerüsteten Expedition gehörte. Die zweite Expedition, die für das Frühjahr 1925 geplant war, kam nicht zustande. Die Gründe dafür liegen auf der Hand: Seit der Stabilisierung der Deutschen Mark war das Verlagsgeschäft für ausländische Anleger in Berlin längst nicht mehr so lukrativ wie in den Jahren zuvor. Angesichts der großzügigen Entlohnung jener Künstler, die an der Palästina-Expedition teilgenommen hatten, und auch der Tatsache, dass Kogan keine Kosten im Hinblick auf öffentlichkeitswirksame Maßnahmen zu Beginn seines Berlin-Aufenthaltes gescheut hatte, erhebt sich zudem die Frage, ob die eingenommene Valuta tatsächlich, wie ursprünglich von Gorki erdacht, in Form von Büchern oder gar Gewinnausschüttungen an ihn bzw. seine sowjetischen Auftraggeber zurückflossen, und wenn ja, wie viel davon. Konkrete Angaben ließen sich dazu bisher nicht finden. Es kann nur vermutet werden, dass die in Berlin herausgegebenen Zeitschriften und Kunstmonografien trotz ihrer relativ geringen Auflagen Kogan und Gorki mit einem finanziellen Polster ausgestattet zu haben schienen, das ihnen die ständige bzw. im Fall Gorkis die vorläufige Emigration mit kostspieligen Kuraufenthalten379 erlaubte, denn erst 1928 kehrte Gorki wieder nach Russland zurück. Wie so viele russische Verleger sah sich 1924 auch der Herausgeber von Žar ptica vor die Entscheidung gestellt, entweder nach Russland zurückzukehren oder sich in die ständige Emigration zu begeben. Mit seiner Palästina-Expedition von 1924 und der für 1925 geplanten Kunstmonografie schien er diese Entscheidung hinauszögern zu wollen, bot ihm doch beides die Möglichkeit, Zeit zu gewinnen, um das mit seinem Verlagshaus Russkoe Iskusstvo verdiente Geld im Ausland anzulegen und weiter abzuwarten, ohne dass ihm die sowjetischen Behörden bei einer eventuellen Rückkehr nach Russland Emigrationsabsichten unterstellt hätten. Letztlich entschied sich Kogan, der nicht als Emigrant, sondern als Freund und Förderer von emigrierten Künstlern, Experte für Buchkunst, Geschäftsmann und sowjetischer Emissär nach Berlin gekommen war, für die Emigration. Nach Petersburg kehrte er nicht zurück.380 1925 zog er nach Paris, wo er ein Jahr später das 14. und letzte Žar ptica-Heft herausgab.

379 Gorki reiste am 16. Oktober 1921 aus Petrograd über Finnland und Schweden nach Deutschland, wo er am 2. November eintraf; bis Ende November 1923 hielt er sich in Berlin und verschiedenen Kurorten Deutschlands auf: von Dezember 1921 bis April 1922 in St. Blasien (Schwarzwald), im April/Mai 1922 in Berlin, von Juni bis Ende September 1922 in Heringsdorf und von Oktober 1922 bis Oktober 1923 in Güntersthal bei Freiburg. Vgl. Edel Mirowa-Florin, ›Gorkij als Zeitschriftenredakteur in den Jahren 1923–1925 (›Beseda‹, Berlin)‹, Wissenschaftliche Zeitschrift der Humboldt-Universität zu Berlin (Gesellschafts- und Sprachwissenschaftliche Reihe XVI) 1967, Heft 5, S. 743–747. 380 Evrejnov, 1949, S. 5.

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Heft 14: Von Berlin nach Paris. Bilibin und Benois als Wegweiser?

HEFT 14: VON BERLIN NACH PARIS. BILIBIN UND BENOIS ALS WEGWEISER? Kogans Entscheidung, sich aus der vorläufigen in die endgültige Emigration zu begeben, schlägt sich auch in den Beiträgen des 14. Žar ptica-Heftes nieder. Neben zwei Berichten über die Afrika-Expedition von A. E. Jakovlev von 1924381 und den Auftritten des Opernsängers Alexander Mozžuchin in der Pariser Grand Opéra und der Opéra Comique (Oktober 1925) gilt das Hauptaugenmerk dieses Heftes den beiden Künstlern Bilibin und Benois. Bilibin kannten die Leser bereits als Darsteller von altrussischen Mythen und Märchen aus dem zweiten Žar ptica-Heft.382 Spekulierte Lukomskij damals, im September 1921, über den Verbleib des Künstlers, so lieferte dessen Ankunft in Paris im August 1925 den Herausgebern einen willkommenen Anlass, erneut auf sein Schaffen in den vergangenen 25 Jahren einzugehen. Das Porträt beginnt mit den Aquarellen aus seiner Jugendzeit und seiner farbenfreudigen Wiedergabe des russischen Altertums. Es erwähnt Bilibins Naturdarstellungen, seine Gesichter und schließlich die Kostümentwürfe für die Oper Boris Godunov sowie die dekorativen Arbeiten seines erst kurz zuvor beendeten Aufenthaltes in Ägypten, darunter ein großes Panneau für einen Speisesaal, die Ikonostase einer griechischen Kirche sowie einige Skizzen für die Bemalung der syrischen Kirche in Kairo.383 Das zweite Künstlerporträt gilt dem Maler und Kunstkritiker Alexander Benois (1870–1960), der neben Bakst und Diaghilev zu den Initiatoren des Mir IskusstvaKreises gehörte. Benois hatte Russland erst kurz zuvor (1926) verlassen und lebte fortan in Paris, wo er hauptsächlich an Theaterdekorationen und Kostümen arbeitete. Doch auf das moderne Ballett hatte er schon zuvor großen Einfluss genommen. Mit seiner szenografischen Gestaltung der Produktionen von Le Pavillon d’Armide im Petersburger Marinsky-Theater (1907) und im Pariser Théâtre du Châtelet (1909) sowie von Les Sylphides (1909) knüpfte er an die höfische Balletttradition an und versuchte, inszenatorisch die Ära des romantischen Balletts wiederzubeleben.384 Für die Bühnengestaltung des Pavillon hatte er damals ein frisches, lebhaftes Grün gewählt, neben das er dunkle Ornamente und Kostüme in einem herben, satten Rot setzte, ein Rot, das der Blüte des Granatbaumes nachempfunden war, wie der

381 382 383 384

A. S., ›A. E. Jakovlev v Afrike‹, Žar ptica, Nr. 14, 1926, S. 25–31; ders., ›A. E. Jakovlev in Afrika‹, ibid., S. 46 (internationaler Teil). G[eorge] L[oukomskij], ›Kak živet i rabotaet I. Ja. Bilibin‹, Žar ptica, Nr. 2, 1921, S. 22–23; ders., ›Wie I. J. Bilibin lebt und arbeitet‹, ibid., S. IV–V (internationaler Teil). S. E., ›Ja. Bilibin (k XXV chudožestvennoj dejatelnosti)‹, Žar ptica Nr. 14, 1926, S. 2–8; S. E. ›I. Bilibin‹, ibid., S. 41–42 (internationaler Teil). Jeschke, Haizinger, 2009, S. 25.

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französische Kunstkritiker und Schriftsteller Jean-Louis Vaudoyer bemerkt.385 Später entstanden Entwürfe für Giselle (1910), Petruschka (1911–12) und Le Rossignol [Die Nachtigall] (1914). Diese Märchenaufführungen, die mit ihren Helden und ihrem Reichtum an Fantasie begeisterten, zählen, nach Ansicht von Teatr i žizn, nicht nur zu den schönsten und farbenprächtigsten Bühnenerfolgen von Benois, sondern auch zu den unvergesslichen Ereignissen im russischen Theaterleben schlechthin.386 Mit ihnen gelangte das Schaffen Benois’ zur eigentlichen Blüte, denn sie boten ihm ein reichliches Betätigungsfeld für seine Vorlieben, Launen, Einfälle und Spiele. Viele Zuschauer und Kritiker seien geneigt, die Kunst von Benois mit jener von Bakst zu vergleichen, denn beide gehörten, so Vaudoyer, neben Roerich und Golovin zu den großen Bühnengestaltern des russischen Balletts.387 Doch in ihrem Ansatz seien die beiden Künstler ganz unterschiedlich: Baksts Ausstattung für Schehera­ zade habe die Zuschauer mit einer barbarischen Fülle gebündelter Farbnuancen berauscht, während Benois’ Dekorationen für Petruschka einen friedlichen Zauber ausgestrahlt und die Zuschauer mit Farben beeindruckt hätten, deren zarte Schauer dem Auge gefielen, ohne es zu überraschen oder gar zu schockieren.388 Das Talent Benois’ bestehe nicht allein in der präzisen Schilderung eines Zeitabschnitts aus der Vergangenheit, sondern vor allem darin, ihn zu interpretieren und aus ihm zu schöpfen. Als Beleg führt er Benois’ Aquarelle des ehemaligen Versailles an, von denen Heft Nr. 14 neun farbige Reproduktionen ausstellt. Auch der folgende Beitrag stammt aus der Feder eines französischen Experten: Paul Vitry bespricht die erst kurz zuvor (1926) stattgefundene Ausstellung Naum Aronsons (1873–1943), eines russischen Bildhauers aus Witebsk, die er als Krönung dessen künstlerischen Schaffens wertet.389 Die Ausstellung sei beim Pariser Publikum gut angekommen; sie zeuge von einer großen Gewandtheit, Erfindungskraft und Abenteuerlust dieses Künstlers bei der Wahl seiner Gegenstände und ihrer Behandlung. Zudem bot sie dem Autor Gelegenheit, auf den im Vorjahr von Aronson für die Pariser Weltausstellung von Kunstgewerbe und Industriedesign (Exposition Internationale des Arts Décoratifs et Industriels Modernes) fertiggestellten Brunnen 385

Jean-Louis Vaudoyer, ›Alexander Benois‹, Žar ptica, Nr. 14, 1926, S. 10–16; ders., ›Alexander Benois‹, ibid., S. 42–44 (internationaler Teil). 386 Alekseij Kan, ›A. Benua  – chudožnik teatra (Po povodu postanovki ›Careviča Alekseja‹ D. S. Merežkovskogo na Berlinskoj scene)‹, Teatr i žizn, Nr. 10 (Mai 1922), S. 5. Siehe hierzu auch den Beitrag von Sergei Gornyj, ‚Merežkovskij i Benua (Carevič Aleksej)‹, Teatr i žizn, Nr. 10 (Mai 1922), S. 3–4. 387 Vaudoyer, Žar ptica, Nr. 14, 1926. 388 Ibid. 389 Paul Vitry, ›Naum Aronson‹, Žar ptica, Nr. 14, 1926, S. 17–22; ders., ›Naum Aronson‹, ibid., S. 45 (internationaler Teil).

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einzugehen, der rein zufällig auf dem Cours la Reine errichtet und später vom Staat gekauft wurde.390 Es folgt ein kurzer Überblick über Aronsons Werdegang, der bis in das Jahr 1897 zurückreicht. Vitry hebt darin vor allem die Kompositionen, Brustbilder, Zeichnungen und Studien von Köpfen und menschlichen Gesichtern hervor, darunter das Symbol eines denkenden und leidenden Russlands in Form eines sitzenden Mannes mit hageren Zügen, tief liegenden Augen und hoher Stirn – das Bild eines müden Kämpfers, dem nichts anderes mehr bleibt, als die Hoffnung auf eine ferne Zukunft.391 Mit Heft Nr. 14 endet die Publikation von Žar ptica. Ob die von Gorki vorgeschlagene Strategie, Kogans Zeitschrift weiterhin in Berlin zu publizieren und ihr ein neues Profil zu geben, erfolgreich gewesen wäre, ist zweifelhaft. Als er 1925 an Kogan mit dem Vorschlag herantrat, Žar ptica im Layout bescheidener und dafür vom Inhalt her anspruchsvoller zu gestalten, vor allem im Hinblick auf den Literaturteil, der russische und übersetzte Literatur vorstellen sollte,392 dachte er offenbar an eine Fortsetzung seiner eigenen Zeitschrift Beseda [Das Gespräch], die er seit 1923 gemeinsam mit Vladislav Chodassevič in Berlin herausgab und die 1925 nach sieben Ausgaben (Heft Nr. 6/7 erschien als Doppelnummer) eingestellt wurde. Denn auch für Gorki hatte sich seit seiner Abreise aus Russland im Jahre 1921 das Blatt gewendet. Beseda hatte er ins Leben gerufen, um sowjetische Literaten und Wissenschaftler mithilfe von übersetzten und kommentierten Beiträgen über Literaturkritik und populärwissenschaftliche Abhandlungen ihrer Kollegen im Ausland zu informieren.393 Insofern stellte Beseda nichts anderes dar als eine Fortsetzung seiner 1918–1921 in Russland ausgeübten Tätigkeit für den Verlag Vsemirnaja Literatura, dessen Moskauer Niederlassung damals Chodassevič leitete.394 Umso unverständlicher erschien es Gorki daher, dass die sowjetischen Behörden trotz seiner intensiven Bemühungen und Proteste nicht einem einzigen der sieben Beseda-Hefte die Einfuhr nach Russland gestatteten.395

390 Ibid. 391 Ibid. 392 ›Brief Gorkis an Kogan vom 19. Mai 1925‹, abgedruckt in: Lazar Fleishman, ›Gorkij i žurnalny proekt A. E. Kogana‹, Slavica Hierosolymitana (Slavic Studies of the Hebrew University), Vol. 4, 1979, S. 268–273. 393 Mirowa-Florin, 1967. 394 Hugh McLean (Hg.), ›The Letters of Maxim Gorky to V. F. Khodasevich, 1922–1925‹ (with notes by V. F. Khodasevich and an introduction by Sergius Yakobson) Harvard Slavic Studies I (Cambridge, Massachusetts 1953), S. 279–334, hier: S. 280. 395 Ibid., S. 283.

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Neben diesen äußeren Hindernissen gab es zunehmend interne Kontroversen zwischen Gorki und Chodassevič: Gorki wollte eine wissenschaftlich-literarische Umschau für sowjetische Leser, Chodassevič eine Zeitschrift für russische Emigranten.396 Da Gorki noch immer einen loyalen Freund in Kogan zu besitzen glaubte, schlug er ihm vor, Žar ptica ein neues Profil zu geben, nämlich das von Beseda. Doch Kogan hatte sich bereits umorientiert und den Entschluss gefasst, die Redaktion von Žar ptica dauerhaft nach Paris zu verlegen. Mit dem Umzug nach Paris erhielt Žar ptica tatsächlich ein verändertes Profil, das jedoch nicht Gorkis Ideen entsprach. Vielmehr unterscheidet sich das letzte Heft von seinen Vorgängern durch drei Besonderheiten: erstens durch die deutlich bescheidenere Aufmachung am neuen Ausgabeort Paris, der für Kogans Entscheidung stand, nicht nach Russland zurückzukehren, sondern sich aus der vorläufigen in die endgültige Emigration zu begeben. Eine entsprechende Meldung aus der Redaktion weist darauf hin, dass die Zeitschrift, die bisher »in Berlin, dem früheren Zentrum der russischen Emigration gedruckt wurde«397, fortan in Paris erscheinen werde. Eine zweite Besonderheit bezieht sich auf den Inhalt, der im Gegensatz zu den vorangegangenen Heften von einem stärkeren Aktualitätsanspruch gekennzeichnet ist. So kündigt der Herausgeber an, dass sich Heft Nr. 14 vorzugsweise den Arbeiten der damals (1926) in Paris lebenden russischen Künstler widmen werde, beispielsweise dem Werk von Benois und Bilibin, die soeben in Paris eingetroffen seien, sowie der zuvor stattgefundenen Ausstellung von Naum Aronson und der Tätigkeit von Alexander Jakovlev. Mit diesem Vorsatz löst sich die Zeitschrift aus ihrer zuvor intendierten Fokussierung auf die Vergangenheit und gibt zu erkennen, dass sie sich künftig stärker auf aktuelle Ereignisse einlassen will. Sie signalisiert damit ihren Lesern, dass sie den Status quo akzeptiert und sich mit der Unmöglichkeit einer zeitnahen Heimkehr nach Russland zu arrangieren beginnt. Erkennbar wird dies unter anderem an dem Bestreben der Herausgeber, in der neuen Umgebung Fuß zu fassen, sich zu integrieren und mit Kunstkritikern vor Ort zusammenzuarbeiten. Dementsprechend lassen sie die beiden französischen Experten JeanLouis Vaudoyer und Paul Vitry zu Worte kommen, weisen aber gleichzeitig darauf hin, dass die russische Übersetzung ihrer Beiträge »aufgrund von technischen Problemen«398 nur in verkürzter Form erscheinen könne. Dies stellt eine dritte Besonderheit dar: Stammte das Gros der Beiträge in den Berliner Heften von emigrierten russischen Künstlern und Kunstkritikern, war also aus dem Russischen ins Deutsche bzw. ins Eng396 Mirowa-Florin, 1967. 397 Ot redakcii, Žar ptica, Nr. 14, 1926, S. 33. 398 Ibid.

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lische übersetzt worden, so vollzog sich im letzten Heft eine umgekehrte Reihenfolge: Beiträge stammten von französischen Experten vor Ort und wurden für die Leser des Russischen Paris ins Russische übersetzt bzw. erschienen als übersetzte Zusammenfassungen, was dafür spricht, dass sich die in Berlin offenbar problemlos gehandhabte Mehrsprachigkeit der Zeitschrift in Paris nicht ohne Weiteres aufrechterhalten ließ. Dies musste zwangsläufig zu einem Rückgang der internationalen Leserschaft führen, die sich zudem aufgrund der gestiegenen Vertriebskosten kaum noch erreichen ließ. Naheliegend ist, dass die drei Besonderheiten der letzten Ausgabe, bescheidenes Layout, Aktualitätsanspruch und abnehmende Internationalität, auf eingeschränkte finanzielle Mittel zurückzuführen sind, was sich bereits vor dem Umzug der Zeitschrift nach Paris angekündigt hatte, denn auch in Berlin war in den beiden Jahren nach der Inflation 1924 und 1925 nur jeweils eine Ausgabe erschienen. Mit ihrer neuen Ausrichtung auf aktuelle Kunstnachrichten für eine russische Leserschaft vor Ort hebt sich das letzte Žar ptica-Heft deutlich von den übrigen 13 Heften ab, die mit ihrer eleganten Aufmachung, Rückwärtsgewandtheit und Mehrsprachigkeit jene internationale russische Kultur verkörperten, die so typisch gewesen war für das Russische Berlin und die den nachfolgenden Zentren der Russischen Emigration fehlte. Die Mission, russischen Lesern Trost und Selbstbewusstsein zu vermitteln, ausländische Leser für die russische Kunst zu begeistern und zudem die Nachfrage nach russischen Kunstausgaben zu schüren399, hatte sich vom Standort Berlin aus leichter verwirklichen lassen. Denn wie kaum ein anderes Medium hatte Žar ptica dort durch die Vernetzungen ihres Herausgebers im Hinblick auf Finanzierung, Inhalte, Vertrieb und Rezipienten von der Grauzone zwischen sowjetischen und emigrierten Russen profitiert und dabei nicht nur die besten schöpferischen Kräfte aus beiden Lagern für sich in Anspruch genommen, sondern sich auch der finanziellen bzw. technischen Unterstützung des Berliner Verlagssektors zu versichern gewusst – im Unterschied zum Russischen Paris, wo die Voraussetzungen zur Produktion der Zeitschrift sowie die Bedürfnisse ihrer Leser ganz andere waren. Trotz seiner Integrationsbestrebungen und Bezugnahme auf aktuelle Themen gelang es Kogan nicht, seine Zeitschrift in Paris am Leben zu erhalten, und so blieb Žar ptica eine Zeitschrift des Russischen Berlin. In Paris verliert sich Kogans Spur. In der Öffentlichkeit tritt er kaum noch in Erscheinung. Aus einem Brief von Ja. B. Polonsky an B. I. Elkin vom 31. Januar 1945 geht hervor, dass er die deutsche Besetzung in Paris überlebte; seine Ehefrau wurde deportiert.400 Aus dem Nachruf von Nikolaj Evrejnov erfahren wir, dass Kogan nach 399 Kagan, 1924. 400 ›»Kraine tjažolye dni«. Pisma iz Francii«, Vstup. statja, podg. teksta i komment. O. Demidovoj‹, in: Russkie evrei v Francii: Stati, publikacii, memuary i esse. Kn. 1. (Jerusalem 2001) S. 239.

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dem Krieg eine Monatsschrift über die Kunst des Tanzes [Iskusstvo Tanca] plante, zu deren Herausgabe er jedoch aufgrund seines Leidens nicht mehr kam. Am 6. März 1949 verstarb er in Paris an Lungenkrebs.401

401 Evrejnov, 1949.

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KAPITEL 5

POSITIONIERUNGEN, ROLLENZUWEISUNGEN UND VERNETZUNGEN: ŽAR PTICA IM VERGLEICH MIT KUNSTZEITSCHRIFTEN DES RUSSISCHEN BERLIN Žar ptica war nicht die einzige Kunstzeitschrift des Russischen Berlin. In ihren Erscheinungszeitraum fällt die Ausgabe von vier weiteren Kunstzeitschriften russischer Herausgeber und Verleger, die Berlin als zentrale Plattform nutzten, um von hier aus ihre Manifeste russischen und internationalen Öffentlichkeiten zu verkünden: Milgrojm, Vešč, Teatr i žizn und Zlatocvet. In ihrem Selbstverständnis unterschieden sich diese Zeitschriften weitgehend von Kogans Projekten. Dennoch kam es zu marginalen Überschneidungen ihrer Inhalte und Öffentlichkeiten, was darauf zurückzuführen war, dass sich ihre Verleger und Redakteure häufig trotz gravierender ideologischer Diskrepanzen für mehrere Zeitschriftenprojekte gleichzeitig engagierten. Welche Positionierungen sich schließlich herauskristallisierten, welche Rollen die unterschiedlichen Akteure für sich und ihre Gegenspieler in Anspruch nahmen und welche Netzwerke dabei entstanden, ist in diesem Kapitel Gegenstand der Ausführungen. Im Folgenden werden die oben genannten vier Kunstzeitschriften vorgestellt und mit Žar ptica verglichen, um nachfolgend Parallelen und Querverbindungen zwischen ihnen transparent zu machen und solcherart die Vernetzungen zwischen ihren Akteuren offenzulegen. MILGROJM: MANIFEST ODER DIGEST? Milgrojm galt damals als die schönste und eleganteste jüdische Kunstzeitschrift.402 Sie erschien 1922–1924 unter der Redaktion von Rachel Wischnitzer-Bernstein im Rimon-Verlag, der in Berlin und London ansässig war. Zeitgleich erschien eine hebräische Schwesternzeitschrift unter dem Titel Rimon, die Milgrojm in Form und Inhalt nachempfunden war. Beide Titel bedeuten auf Deutsch »Granatapfel«, eine Frucht, die im Lied der Lieder die Schönheit der Geliebten symbolisiert. Das Lied der Lieder wird oft als Allegorie der Liebe zwischen Gott und dem Volk Israel gedeutet. 402 Leo und Renate Fuks, ›Yiddish Publishing Activities in the Weimar Republic, 1920–1933‹, Leo Baeck Institute Year Book, Vol. 23, 1988, S. 417–434, hier: S. 423.

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Žar ptica im Vergleich mit Kunstzeitschriften des Russischen Berlin

Milgrojm und Rimon als Zeitschriften des Russischen Berlin zu bezeichnen, ist sicherlich gewagt. Doch da es im Folgenden um die Vernetzungen zwischen den Herausgebern und Redakteuren der einzelnen Zeitschriftenprojekte geht, müssen sie hier vordergründig genannt werden, denn »die Produktion des ersten Heftes unserer Revue lag in den Händen von Alexander Kogan, dem Herausgeber von Jar Ptitza [sic.]«,403 wie sich die Herausgeberin von Milgrojm Rachel Wischnitzer-Bernstein erinnert. »Das war eine russische Kunstzeitschrift, die großen Einfluss hatte auf Format und Erscheinungsbild unserer Zeitschrift.«404 Kogan schuf also nicht nur Verbindungen zwischen russischen und deutschen Verlegern, er lieferte auch das Layout für das erste Milgrojm-Heft. Den Einfluss von Žar ptica auf das Erscheinungsbild von Milgrojm haben Experten wie Bezalel Narkiss bestätigt.405 Milgrojm und Rimon standen ganz und gar im Zeichen der jüdischen Tradition.406 Sie enthielten illuminierte Handschriften und Reproduktionen von Werken jüdischer Künstler, widmeten sich also hauptsächlich künstlerischen Belangen, besaßen aber auch einen Literaturteil,407 der unter der Redaktion von Dovid Bergelson und Der Nister408 aus dem Kreis der Kiewer Kulturliga erschien.409 Wischnitzer-Bernstein hatte damals bereits einen internationalen Ruf als Expertin für jüdische Kunst und Architektur aufgrund von zahlreichen Veröffentlichungen in einschlägigen internationalen Zeitschriften. Dazu gehörten Abhandlungen im Christian Science Monitor und im Jewish Guardian, im Jewish Quarterly Review sowie in der Pariser Vierteljahresschrift Revue des Études Juives. In Deutschland erschienen ihre Artikel bis 1938 in der Jüdischen Rundschau, der Frankfurter Monatsschrift für Geschichte und Wissenschaft des Judentums und im Gemeindeblatt, der monatlichen 403

Rachel Wischnitzer, ›From my archives‹, in: Rachel Wischnitzer-Bernstein, From Dura to Rem­ brandt. Studies in the History of Art (Wien 1990), S. 166–177, hier: S. 168. 404 Ibid. 405 Bezalel Narkiss, ›Rachel Wischnitzer, Doyenne of Historians of Jewish Art‹, in: Wischnitzer-Bernstein, 1990, S. 18. 406 Susanne Marten-Finnis, Heather Valencia, Sprachinseln. Jiddische Publizistik in London, Wilna und Berlin, 1880–1930 (Köln, Weimar, Wien 1999), S. 79–100. 407 Arthur Tilo Alt, ›A Survey of literary contributions to the post-World War I Yiddish Journals of Berlin‹, Yiddish. A Quarterly Journal Devoted to Yiddish and Yiddish Literature, Vol. 7, 1987, Nr. 1, S. 42–52. 408 Pseudonym für Pinchas Kahanowitsch (1884–1950), der als der bedeutendste jiddische Schriftsteller der Sowjetunion gilt. 409 Jiddisch: Kultur-lige. Zu den Mitgliedern der Kulturliga zählten Zelig Kalmanovič, Nochem ­Schtif, Wolf Latzki-Bertoldi, Dovid Bergelson, Boris Aronson, Issachar Ber Ryback, Lejb Kvitko und Joseph Tschaikov. Siehe: Hillel Kazovskij, Chudožniki Kultur-Ligi (Moskva 2003), S. 16.

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Milgrojm: Manifest oder Digest?

Zeitschrift der Jüdischen Gemeinde Berlins. Zusammengefasst sind ihre Arbeiten in dem Band Symbole und Gestalten der jüdischen Kunst.410 Ebenso wenig wie Kogan war Wischnitzer-Bernstein 1921 mit vorsätzlichen Emigrationsabsichten nach Berlin gekommen, sondern lediglich ihrem Ehemann Mark Wischnitzer gefolgt, der als Generalsekretär des Hilfsvereins der Deutschen Juden in die deutsche Hauptstadt berufen worden war. Kogans und Wischnitzers Publikationen ähnelten einander insofern, als sie reich an Abbildungen waren und sich als Publikumszeitschriften mit ihrem Informationsund Unterhaltungsanspruch an breite Zielgruppen richteten. Beide hatten trotz ihrer relativ geringen Auflagen eine große Reichweite und waren für einen internationalen Leserkreis bestimmt; so erschienen die Žar ptica-Hefte nicht nur auf Russisch, sondern besaßen deutsche und englische Beilagen für Leser in Westeuropa und Amerika, während die jiddischen und hebräischen Hefte von Milgrojm und Rimon ebenfalls für einen weiteren Leserkreis im Ausland vorgesehen waren. Dass sich Wischnitzer-Bernstein für diese beiden Sprachen entschieden hatte, beruhte auf ihrem Anspruch, im Sprachenkampf zwischen Jiddischisten und Hebraisten eine neutrale Position zu bewahren.411 Dabei richtete sich ihre Zeitschrift nicht in erster Linie an die Jiddisch sprechenden Migranten des Berliner Scheunenviertels und auch nicht an die Vertreter der neuen hebräischen Literatur, die sich damals in Berlin versammelt hatten.412 Vielmehr wollte sie jüdische Leserkreise in Amerika und Palästina ansprechen:413 »Jiddisch und Hebräisch erschienen dafür angebracht, denn die deutsche Sprache konnte nach dem Krieg nicht mehr als einigendes Band zwischen den jüdischen Intellektuellen dienen«414, schrieb sie in ihren Memoiren, »außerdem wollten wir jüdische Zielgruppen in Amerika und Palästina erreichen.«415 Dieser Anspruch ist umso bemerkenswerter als Wischnitzer-Bernstein, ähnlich wie Kogan, aus einer jüdischen Familie stammte, die sich von den überkommenen Verhältnissen gelöst hatte und weitgehend an die russische Sprache und Kultur assimiliert war. Sie sprach und schrieb zwar fließend Russisch, Deutsch, Englisch und

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Rachel Wischnitzer-Bernstein, Symbole und Gestalten der Jüdischen Kunst (Berlin-Schöneberg 1935). Katharina S. Feil, ›Art under Siege: The Art Scholarship of Rachel Wischnitzer in Berlin, 1921– 1938‹, Leo Baeck Institute Year Book, Vol. 45, 2000, Nr. 1, S. 121–133. Elias Hurwicz, ›Shay Ish Hurwitz and the Berlin He-Athid. When Berlin was a Centre of Hebrew Literature‹, Leo Baeck Institute Yearbook, Vol. 12, 1967, Nr. 1, S. 85–102. Joseph Gutman, ›Introduction: Rachel Wischnitzer‹, artibus et historiae. an art anthology IRSA, Vol. 17 (IX) (Wien 1988), S. 11. Narkiss, 1990, S. 9–25. Gutman, 1988, S. 11.

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Žar ptica im Vergleich mit Kunstzeitschriften des Russischen Berlin

Französisch, beherrschte aber weder das Jiddische noch das Hebräische. Das bedeutete, dass ihre Beiträge für Milgrojm und Rimon – ebenso wie die der meisten anderen Beitragenden – übersetzt werden mussten. Doch die Ähnlichkeiten zwischen Žar ptica und Milgrojm waren rein äußerlicher Natur. In ihren Inhalten unterschieden sich beide Zeitschriften grundlegend vonei­nander. Folgte Žar ptica dem ästhetischen Programm von Mir Iskusstvo, so wollte Milgrojm Verbindungen schaffen zwischen jüdischer Tradition und Moderne und folgte damit dem aufklärerischen Anspruch der Kiewer Kulturliga, mit dem Wischnitzer-Bernstein wohl vertraut war.416 Die Künstler und Theoretiker der Kulturliga waren zwischen 1917 und den beginnenden 1920er-Jahren bestrebt, ein Modell zu entwickeln, das traditionelle jüdische Volkskunst und Moderne gleichermaßen unterbrachte.417 Wobei die Kunstabteilung der Kulturliga für sich eine doppelte Mission sah: Einerseits wollte sie die jüdischen Volksmassen mit Kunst im Allgemeinen und speziell mit jüdischer Kunst bekannt machen, andererseits mithilfe von Kunststudiengängen sowie Museums- und Ausstellungsbesuchen ein Umfeld schaffen, das auch Menschen ohne Vorbildung erlaubte, sich aktiv mit jüdischer Kunst auseinanderzusetzen oder selbst kreativ zu werden.418 Sowohl Žar ptica als auch Milgrojm bewerteten das künstlerische Erbe als einen Eckpfeiler nationaler Identität. Dabei konzentrierte sich Žar ptica auf jene vergangenen Zeiten, in denen die berühmten urbanen Landschaften Moskaus, St. Petersburgs und Kiews entstanden waren, sowie auf die Schätze der russischen Malerei und Dekorationskunst, wobei Recherche und Zuschreibung hinter einem Diskurs zurücktraten, der gekennzeichnet war durch kulturelle Reflexion und Sehnsucht nach dem Vergangenen. Dem gegenüber stand die Zukunftsgewissheit von Milgrojm mit dem Anspruch, das Werk jüdischer Künstler – teilweise zum ersten Mal – zu entdecken, zu bekunden und einer breiten Leserschaft zugänglich zu machen, wobei sich der Aufwand von Recherche und Zuschreibungen den didaktischen Ambitionen ihrer Herausgeberin unterordnete. Insofern lassen die Inhalte von Žar ptica und Milgrojm zwei entgegengesetzte Ausrichtungen erkennen: Stellte Žar ptica das künstlerische Erbe des Silbernen Zeitalters dar, so sah Milgrojm die Entdeckungen in der jüdischen Kunst als Mosaiksteine und 416 Rachel Bernstein-Wischnitzer [sic], ›Jüdische Kunst in Kiew und Petrograd (1918–1920)‹, Der Jude, Berlin, V. Jahrgang, Heft 5/6, Aug.–Sept. 1920 (Berichte von jüdischem Leben), S. 353–356. 417 Marina Dmitrieva-Einhorn, ›Kunstdiskurs in der jüdischen Presse der Zwischenkriegszeit in Warschau, Kiew und Berlin‹, in: Susanne Marten-Finnis, Markus Winkler (Hg.) Die jüdische Presse im europäischen Kontext 1686–1990 (Bremen 2006), S. 247–265. 418 Ibid.

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Die Avantgarde-Zeitschrift Vešč – Gegenstand – Objet: ein Außenseiter im Russischen Berlin

Inspiration bei der Suche nach einem spezifisch jüdischen Stil.419 Milgrojm wurde damit zum Sponsor einer künftigen jüdischen Kunst, während Žar ptica die jüngsten Entwicklungen der russischen Kunst lediglich im Zusammenhang mit den Arbeiten von Larionov, Gončarova, Bakst und Chagall aufgriff und die Kunst der sowjetischen Avantgarde, Konstruktivismus und Suprematismus praktisch ignorierte. Diese beiden entgegengesetzten Ausrichtungen waren damals charakteristisch für die Situation der russischen Kunst im Ausland: Larionov, Gončarova, Bakst und andere Künstler des Silbernen Zeitalters und der vorrevolutionären Avantgarde – die Hauptprotagonisten von Žar ptica – hatten ihr Talent, ihren Stil und ihre Visionen bereits vor 1917 zum Teil außerhalb Russlands entwickelt und sich ästhetisch von der Kunst des Sowjetsystems abgegrenzt. Die Helden von Milgrojm dagegen – Künstler, die sich jüdischen Themen widmeten und von der anfänglichen Offenheit des Sow­ jetsystems nationalen Belangen gegenüber profitierten, unter ihnen Marc Chagall, El Lissitzky und Naum Gabo –, verließen das sowjetische Russland zu Beginn der 1920er-Jahre, um sich an den Experimenten der europäischen Avantgarde zu beteiligen. DIE AVANTGARDE-ZEITSCHRIFT VEŠČ – GEGENSTAND – OBJET: EIN AUSSENSEITER IM RUSSISCHEN BERLIN Zu diesen Experimenten gehörte die Zeitschrift Vešč – Gegenstand – Objet, eine internationale Rundschau der Kunst der Gegenwart, die El Lissitzky gemeinsam mit Ilja Ehrenburg 1922 in Berlin herausgab. Aus der Presselandschaft des Russischen Berlin ragt sie ebenso heraus wie die schillernden Persönlichkeiten ihrer Herausgeber, denen sie – wenn auch für nur kurze Zeit – ein Forum bot, ihre Visionen im Austausch mit Vertretern westlicher Avantgardeströmungen zu teilen und weiterzuentwickeln.420 Bis heute gilt Vešč als einzigartiges Produkt der russischen Avantgarde, als ein Medium, das die konstruktivistische Idee sowjetrussischer Prägung aus ihrem ideologischen Kontext heraustreten ließ und von den Vertretern der europäischen Avantgarde als wohltuend belebender Ansatz im Umgang mit neuen Kunstformen angenommen wurde. Ausschlaggebend für die Dynamik der Revue und ihre Offenheit für unterschiedliche künstlerische Belange war der Umstand, dass Lissitzky und Ehrenburg ihre formativen Jahre abwechselnd in Russland und Westeuropa verbracht hatten und damit den Vorstellungen und Kontroversen hier und dort aufgeschlossen gegenüberstanden. 419 Marten-Finnis, Dukhan, 2005. 420 Marten-Finnis, Duchan, 2008, S. 37–48.

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Žar ptica im Vergleich mit Kunstzeitschriften des Russischen Berlin

Die Palette der Beitragenden konnte kaum vielfältiger sein. Unter ihnen waren berühmte Persönlichkeiten wie Charly Chaplin, Le Corbusier, Sergej Jessenin, Raoul Hausmann, Vladimir Majakovskij, Vsevolod Meyerhold, Boris Pasternak, Alexander Rodčenko, André Salmon, Alexander Tairov und Vladimir Tatlin, wie einer Anzeige des Skythen-Verlages zu entnehmen ist, in dem Vešč erschien.421 Der Eigentümer des Skythen-Verlages, Alexander Schreyder, stand den Inhalten der Revue durchaus kritisch gegenüber,422 was wiederum beispielgebend dafür war, dass der von Vešč angestrebte intellektuelle Austausch den Vorrang vor politischen Schuldzuweisungen hatte und sich Verlagsprogramme weniger an ideologischen Überzeugungen als an intellektuellen Präferenzen, sowie an geschäftlichen Interessen und Marktbedingungen orientierten. Zu den Inhalten von Vešč gehörten Themen aus Malerei, Architektur, Bildhauerei, Literatur, Musik, Film, Tanz und Theater, die, ebenso wie die Vielfalt der Beitragenden, für den breit gefächerten Ansatz der Revue sorgten. Neben Beiträgen von russischen, deutschen, französischen, holländischen, italienischen und amerikanischen Experten erschienen Übersetzungen aus den Zeitschriften der europäischen Avantgarde wie Le Corbusiers Esprit Nouveau, Kurt Schwitters’ Merz oder Theo van Doesburgs De Stijl. Ihrem Ruf folgend, sowjetische Künstler und westeuropäische Meister um sich zu versammeln, die der Krieg voneinander getrennt hatte423, sowie dem Anspruch, »die in Russland Schaffenden mit der neuesten westeuropäischen Kunst bekannt zu machen und Westeuropa über die russische Kunst und Literatur zu informieren«424, brachte Vešč konzeptionelle Beiträge und solche über die europäische Kunst der Gegenwart vorwiegend in Russisch, zum Teil auch in deutscher und französischer Übersetzung, wohingegen Beiträge speziell über die russische Kunst der Gegenwart und ihre Ausstellungen425 vorzugsweise auf Deutsch und Französisch erschienen. Damit erhob Vešč, ähnlich wie Milgrojm und Žar ptica, Anspruch auf Internationalität, richtete sich aber im Unterschied zu diesen beiden Zeitschriften nicht an die breite 421

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Ankündigung von Vešč – Gegenstand – Objet durch den Verlag »Skythen« GmbH Berlin W 30 (Skythen-Verlag: Kunstbibliothek Berlin, Per 8/877 Nr. 7, 1994, S. 145); siehe auch: Nachdruck und bibliografischer Kommentar zu Vešč, herausgegeben von Lars Mueller (Baden, Switzerland 1995). Marten-Finnis, Duchan, 2008. Zu den unterschiedlichen Orientierungen der Avantgarde-Bewegungen vor, während und nach dem Ersten Weltkrieg siehe David Cottington, Cubism in the Shadow of War (New Haven 1998); Peter Paret, German Encounters with Modernism, 1840–1945 (Cambridge 2001), S. 133–185; Elena Basner, ›My i Zapad: ideja missionerstva v russkom avangarde‹, in: G. Kovalenko (Hg.), Russkij avangard 1910–1920-ch godov v evropejskom kontekste (Moskva 2000), S. 27–35. Ankündigung des Skythen-Verlages, op. cit. Ulen, ›Die Ausstellungen in Russland‹, Vešč – Gegenstand – Objet, Nr. 1–2,1922, S. 18–19.

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Die Avantgarde-Zeitschrift Vešč – Gegenstand – Objet: ein Außenseiter im Russischen Berlin

Masse, sondern an einen Kreis von Experten mit einem Erkenntnisstand, der Zielgruppen ohne entsprechende Vorbildung praktisch ausschloss. Doch in erster Linie unterschied sich Vešč von den beiden anderen Zeitschriften durch ihren absoluten Gegenwartsanspruch, während Žar ptica in die Vergangenheit und Milgrojm in die Zukunft blickte. Als Lissitzky und Ehrenburg im April 1922 mit der ersten Nummer von Vešč an die Öffentlichkeit traten, ging es ihnen in erster Linie darum, das 1915 von Kasimir Malewitsch vorgestellte Konzept der gegenstandslosen Kunst weiterzuentwickeln und zu internationalisieren.426 Im Dezember 1915 hatte Malewitsch in der russischen Hauptstadt 39 gegenstandslose Werke vorgestellt, darunter das sogenannte »schwarze Quadrat«, ein einfaches Viereck, das auf weißem Feld ein schwarzes Quadrat darstellte. Das »schwarze Quadrat« steht für eine neue Auffassung von der Malerei, nämlich die der gegenstandslosen Formen: ein System, das, wie Malewitsch in seinem Manifest »Vom Kubismus und Futurismus zum Suprematismus« verkündete, aus reinen Flächen bestehe, die von jeglichem Zwang gegenüber irgendeiner außermalerischen Realität und jedem der Nachahmung dienenden Vorwand (Porträt, Landschaft, erzählende Szene) frei seien. Für diesen neuen Zustand der Malerei wählte er den Begriff Suprematismus  – ein Begriff, der im Russischen nicht existierte, weswegen Malewitsch dabei auf seine Muttersprache, das Polnische, zurückgriff. Allerdings folgte im Mai 1922 nur eine weitere Vešč-Nummer der ursprünglich als Monatsschrift mit insgesamt sechs Heften vorgesehenen Revue.427 Dies lag nun freilich weniger an ihrem internationalen Echo als an den massiven Angriffen aus dem eigenen Umfeld, die nicht zuletzt von Malewitsch selbst kamen.428 So erfreute sich Vešč zwar bei den Vertretern der europäischen Avantgarde großer Beliebtheit, war aber daheim in Russland heftiger Kritik ausgesetzt,429 und nicht nur dort, sondern auch im Russischen Berlin.430 Mit ihrem Manifest, Vešč werde »für die konstruktive Kunst eintreten, deren Aufgabe nicht etwa ist, das Leben zu schmücken, sondern es

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Marten-Finnis, Duchan, 2008. Ju. A. Molok, ›Berlinskij žurnal »Vešč« i ego russkie kritiki. Komissija po izučeniju iskusstva avangarda 1910–1920 godov‹, in: Kovalenko, 2000, S. 299–307. 428 ›Perepiska Kazimira Maleviča i El Lissitzkogo (1922–1925)‹, in: Kazimir Malevič: Sobranie sočinenij, Band 4 (Moskva 2003) S. 296. 429 B. Arvatov, ›Vešč. Berlin, Nr. 1, 2 i 3, str. 56, 1922 g.‹, in: A. V. Lunačarskij (Hg.), Pečat i Revoljucija. Žurnal literatury, iskusstva, kritiki i bibliografii, Kn. 7 (Moskva 1922), S. 341–342; A. Gornfeld, ›Novoje iskusstvo i ego ideologija‹ (Razdel I: Stariki i molodye; Razdel II: Estetika ›Vešči‹) Literaturnye zapiski (Petrograd), Nr. 2, 1922, S. 5–6. 430 Ivan Puni, ›I. Ehrenburg. A vse taki ona vertitsja. Izd. ›Gelikon‹. Berlin. 1922‹, Rezension in: Novaja Russkaja Kniga, Nr. 2 (Februar 1922), S. 10–12.

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Žar ptica im Vergleich mit Kunstzeitschriften des Russischen Berlin

zu organisieren«,431 traten Lissitzky und Ehrenburg ganz entschieden den nostalgischen Tönen von Žar ptica und anderen Zeitschriften entgegen, was viele Berliner Russen als Affront auffassten. Dementsprechend provokativ formulierten die Vešč-Herausgeber ihren Aufruf zum internationalen Stil, die Kunst sei »von nun ab, bei Wahrung aller lokalen Eigentümlichkeiten und Symptome, international. […] Der neue kollektive, internationale Stil ist ein Produkt gemeinsamen Schaffens. Alle, die an seiner Durchbildung teilhaben, sind Freunde und Mitkämpfer des ›Gegenstandes‹.«432

Dieses Manifest beschwor gleich nach der Ausgabe des ersten Heftes einen Sturm der Empörung herauf. Auf einem Diskussionsabend im Heim der Künste geriet Vešč unter Anwesenheit von Archipenko, Altman, Šklowskij, Majakovskij, Sterenberg, Gabo und Schreyder, dem Verleger der Zeitschrift, ins Kreuzfeuer der Kritik.433 Ehrenburg spricht in diesem Zusammenhang von einem regelrechten Donnerwetter.434 Kritisch geäußert hatte sich zudem Andrej Belyj, der die Herausgeber von Vešč »Larven des Antichrist«435 nannte. Die Zeitschrift Teatr i žizn warf ihnen sogar vor, sie würden mit ihrem Chaos und ihrer Desorganisation […] die innere Ordnung und […] Disziplin des Emigrantenlebens stören«.436 Insofern nahm Vešč in der Zeitschriftenlandschaft des Russischen Berlin tatsächlich die Position eines heftig umstrittenen Außenseiters ein. Doch was wollten Lissitzky und Ehrenburg mit ihrer publizistischen Initiative bewirken? Tatsächlich ging es ihnen in erster Linie um die Internationalisierung der konstruktivistischen Idee. Darüber hinaus ist Vešč als ein Vorhaben zu bewerten, die Kreativität und Sensibilität von internationalen Avantgarde-Strömungen in das Konzept einer zu schaffenden jüdischen Kunst einzubringen, wobei sich die Vešč-Herausgeber klar von jüdischen modernistischen Strömungen abgrenzten, wie sie die jiddischen Zeitschriften Milgrojm437 und Uri Zvi Grinbergs Albatros 431

El Lissitzky und Ilja Ehrenburg, ›Die Blockade Russlands geht ihrem Ende entgegen‹, Vešč – Gegenstand – Objet, Nr 1–2, 1922, S. 1–4, hier: S. 2. 432 Ibid. 433 John E. Bowlt, ›Art in Exile: The Russian Avant-Garde and the Emigration‹, Art Journal, Vol. 41, 1981, Nr. 3 (The Russian Avant-Garde) S. 215–221. 434 Ilja Ehrenburg, Menschen – Jahre – Leben. Memoiren, Band II (Berlin 1962), S. 19. 435 Eberhard Steneberg, Russische Kunst in Berlin 1919–1932 (Berlin 1969), S. 21. 436 V. Amfiteatrov-Kadaščev, ›Zdes’ i tam‹, Teatr, Nr. 12/13 (Juli/August 1922), S. 4. 437 Arthur Tilo Alt, ›A Survey of Literary Contributions to the Post-World War I Yiddish Journals of Berlin‹, Yiddish. A Quarterly Journal Devoted to Yiddish and Yiddish Literature, Vol. 7, 1987, Nr. 1, S. 42–52; Marten-Finnis, Valencia, 1999, S. 121–137.

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Teatr i žizn: Theater-Feuilleton und Komplement zu Žar ptica

(1922–1923)438 vertraten. Allerdings sollte es bei diesem Vorhaben bleiben, denn Vešč erwies sich als das letzte Medienprojekt in einer Reihe von Versuchen, die Bestrebungen jüdischer Künstler mit denen der radikalen Avantgarde in Einklang zu bringen. TEATR I ŽIZN: THEATER-FEUILLETON UND KOMPLEMENT ZU ŽAR PTICA »Wertvoll ist […] die Erinnerung an das Theater besonders in der Emigration […]«,439 heißt es im Oktober 1922 in einer Rezension über Teatr i žizn [Theater und Leben]. Der Rezensent lobt darin diese Bühnenzeitschrift als ein Medium, das seit einem Jahr regelmäßig und immer äußerst lebhaft über die Ereignisse des russischen Theaterlebens im Ausland berichte.440 In der Tat sah sich Teatr i žizn als ��������������������������������������������������� Chronik, ����������������������������������������������� Echo und Förderin des russischen Theaterlebens im Ausland. Zunächst als Zweiwochenschrift geplant, gab es schließlich nur ein Heft pro Monat. Insgesamt erschienen zwischen Oktober 1921 und Anfang des Jahres 1923 (der genaue Erscheinungszeitpunkt der letzten Ausgabe ist nicht bekannt) 16 Ausgaben von Teatr i žizn im gleichnamigen Verlag von Eugen Grünberg unter der Redaktion von V. V. Klopotovskij [Pseudonym »Leri«]. Ihre wichtigsten Autoren waren neben Klopotovskij und Grünberg die Kritiker G. Lukomskij, S. Gornyj und A. Kohn.441 Noch fünf Monate zuvor, im Mai 1922, war Teatr i žizn heftig kritisiert worden. Anlass dazu gegeben hatte offenbar das dritte Heft, das nicht nur eine abstoßende Umschlaggestaltung gehabt, sondern auch wenig Geistreiches berichtet habe.442 Nun liege das achte Heft vor, informativ und unterhaltsam, sodass man den Eindruck gewinne, die Zeitschrift habe sich von ihren Kinderkrankheiten erholt und werde künftig als Chronik der Tätigkeit russischer Schauspieler im Ausland in der Zeit des revolutionären Terrors dienen können.443

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Die Zeitschrift erschien ursprünglich in Warschau, lediglich die letzte Ausgabe erschien als Doppelnummer (3/4) in Berlin. Siehe: Heather Valencia, ›The Vision of Zion from the ›Kingdom of the Cross‹: Uri Tsvi Grinberg’s Albatros in Berlin (1923)‹, in: Susanne Marten-Finnis, Matthias Uecker (Hg.), Berlin – Wien – Prag. Moderne, Minderheiten und Migration in der Zwischenkriegszeit (Bern 2001), S. 159–174. 439 I., [sic], ›»Teatr«. Dvuchnedelnyj žurnal. Redaktor-izdatel E. Ju. Grjunberg‹, Novaja Russkaja Kniga, Nr. 10 (Oktober 1922), S. 17–18. 440 Ibid. 441 I. V[asilevskij], ›Teatr i žizn – žurnal, posvjaščennyj propagande russkogo iskusstva za granicej‹, Spolochi (Berlin), Nr. 7 (Mai 1922), S. 35. 442 Ibid. 443 Ibid.

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Žar ptica im Vergleich mit Kunstzeitschriften des Russischen Berlin

Teatr i žizn richtete sich an russische Leser im Ausland; fremdsprachige Beilagen enthielt die Zeitschrift nicht. In Berlin erfolgte ihr Vertrieb an Zeitungskiosken, Bahnhöfen und über die Buchhandlungen Moskva, Olga Djakow und Ladyžnikov, im Ausland dagegen lediglich über die russischen Buchhandlungen.444 Anhaltspunkte dafür, dass sie auch in Russland gelesen wurde, gibt es nicht. Ursprünglich als Zeitschrift der darstellenden Künste vorgesehen, widmete sich Teatr i žizn speziell dem Theater und Ballett sowie dem Neuen Russischen Kino. Als Echo, Chronik und Förderin des russischen Theaterlebens im Ausland wollte sie nicht nur Aufführungen besprechen (und loben), die in der Vergangenheit stattgefunden hatten, sondern nach Möglichkeit umfassend über russische Schauspieler sowie jüngste Entwicklungen und Höhepunkte des russischen Theaterlebens im Ausland informieren.445 Erklärtermaßen bestand ihr Ziel darin, »[…] die Tätigkeit und das Leben der Kunstschaffenden im Ausland zu beleuchten […] und als Chronist russischer Bühnenkunst ein Bindeglied zu werden zwischen allen Akteuren, die heute in ganz Europa verstreut leben und arbeiten. Natürlich können wir uns ein normales Theaterleben […] außerhalb Russlands nicht vorstellen. Denn nur dort in der Heimat, in der Atmosphäre der russischen Sprache, kann das russische Theater aufblühen und sich entwickeln. Wir hoffen, dass unser Umherirren in fremden Ländern bald ein Ende findet. Dennoch erachten wir es für notwendig, heute ein russisches Theater in Deutschland zu haben; ein Theater, das sich an den bemerkenswerten russischen Theatertraditionen orientiert; ein Theater nicht nur für Ausländer, denen wir unsere Kunst vorstellen können, sondern vor allem für uns, die Hunderttausende von russischen Emigranten. Denn wir alle spüren das Bedürfnis nach den künstlerischen Klängen der russischen Sprache. Die Redaktion von Teatr i žizn geht davon aus, dass eine Theaterzeitschrift wie diese idealerweise zu einem engeren Zusammenschluss der Theaterschaffenden beitragen wird, der letztendlich zu gemeinsamen Initiativen im Theater- und Bühnensektor führen könnte. […] Solche Ziele sind im Interesse eines jeden Theaterschaffenden. Die Redaktion von Teatr i žizn wirbt daher um mitfühlende Aufmerksamkeit bei all denen, die sich für die russische Kunst interessieren, und nur diese Aufmerksamkeit wird der Redaktion helfen, ihr Ziel zu erreichen.«446

444 Impressum, Teatr i žizn, Nr. 1–2, Oktober 1921. 445 ›Ot redakcii‹, Teatr i žizn, Nr. 1–2 (Oktober 1921), S. 1–2. 446 Ibid.

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Teatr i žizn: Theater-Feuilleton und Komplement zu Žar ptica

Ganz im Sinne dieses Manifests hielten sich Erinnerungen an zurückliegende Theatererfolge und aktuelle Meldungen die Waage. Erstere erschienen meist in Form von Essays, so beispielsweise die Erinnerungen von V. D. Nabokov an das Petersburger Theater,447 letztere dagegen als feststehende Rubriken. Die Rubrik Russische Kunst im Ausland [Russkoe iskusstvo zagranicej] enthielt, neben Kurzmeldungen aus anderen Zentren der Russischen Emigration, Hintergrundartikel aus Berlin, Paris, London und Amerika; für die Rubrik Kunst in Sowjetrussland [Iskusstvo v Sovetskoj Rossii] lieferten Russlandkorrespondenten Aufzeichnungen von Interviews und aktuelle Meldungen, die auch Nachrichten über sowjetische Kulturpropaganda im Ausland einbezogen. Abgesehen vom Anzeigenteil nahmen die Berichte über die Ereignisse und Entwicklungen im Bereich der Bühnenkunst in Sowjetrussland etwa ein Viertel, jene über die russischen Bühnenerfolge im Ausland etwa drei Viertel des redaktionellen Raums ein. Darüber hinaus informierte Teatr i žizn über aktuelle Veranstaltungen in Berlin, beispielsweise über die von der Redaktion organisierten Symphoniekonzerte zu wohltätigen Zwecken, sowie die fortlaufenden Aktivitäten des Russisch-Deutschen Theaters Der Blaue Vogel [Sinjaja ptica], das seit den Weihnachtstagen des Jahres 1921 existierte.448 Offensichtlich wird in einem Artikel über die Eröffnung des Blauen Vogels, dass auch Teatr i žizn von nostalgischen Tönen nicht frei war; so erinnern die Schilderungen von russischen Märchenszenen, Tänzen und Burlesken an die entrückte Welt der russischen Kunst, wie sie Žar ptica aufrief: »[…] Wir sahen unseren echten russischen blauen Vogel. Uns Russen war er schon bekannt, für die Deutschen war er wie ein Wunder, wie eine Offenbarung. In einem nicht allzu großen, aber geschmackvoll eingerichteten Saal versammelten sich geladene Gäste und das Publikum. […] Die deutsche Sprache vermischte sich mit dem Russischen. […] Bruchstücke des russischen Lebens in Bildern der russischen Kunst. […] man erblickt bekannte Gesten, Lächeln und hört Lieder aus der Heimat. Da sieht man den netten Schützen [Streloček], den bunten Mädchenchor, das bekannte Wirtshaus, ein weites lustiges Lied ›Čto tancuješ, Katenka?‹ [Was 447 Vladimir Nabokov, ›Teatralnyj Peterburg. Vospominanija V. D. Nabokova‹, Teatr i žizn, Nr.  8 (März 1922), S. 10. 448 Der Blaue Vogel existierte bis Ende April 1923. In den folgenden Jahren bis 1931 traten seine Schauspieler zuweilen noch auf verschiedenen Bühnen der deutschen Hauptstadt auf. Siehe: Michaela Böhmig, »Das ›Emigranten‹-Theater in Berlin im Spiegel der zeitgenössischen Theaterkritik. Berichte und Rezensionen aus Berliner Tageszeitungen«, in: Karl Schlögel (Hg.), Russische Emigration in Deutschland 1918 bis 1941. Leben im europäischen Bürgerkrieg (Berlin 1995), S. 343–355.

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Žar ptica im Vergleich mit Kunstzeitschriften des Russischen Berlin

tanzt du, Katenka?], Soldaten, Puppen, Spielzeug, Tänze. […] Das Theater zeigte dem Berliner Publikum die reine russische Kunst, die Kunst der Freude, des ehrlichen Lachens und des Klanges von zarten Saiten, ohne die Einheit der Eindrücke durch Satire oder Erbitterung zu zerstören. […]«449

Doch überwiegend besaß Teatr i žizn einen sehr viel stärkeren Gegenwartsbezug als Žar ptica, der sich nicht allein durch den beachtlichen redaktionellen Raum äußerte, den die Zeitschrift den Korrespondentenberichten aus Russland zubilligte, sondern auch darin, dass sie auf die Kritik vom Mai 1922 reagierte, indem sie sowohl ihr äußeres Erscheinungsbild als auch ihre inhaltliche Qualität verbesserte. Zudem vollzog sie jenen ideologischen Orientierungswechsel, der sich Mitte 1922 im Theaterleben wie auch in anderen künstlerischen Bereichen des Russischen Berlin ankündigte und Verbindungen zum sowjetischen Russland befürwortete, denn etwa ab Juni 1922 (Nr. 11) ist eine intensivierte Berichterstattung über das Theaterleben in Sowjetrussland zu beobachten. Darüber hinaus beginnt sich Teatr i žizn zu diesem Zeitpunkt ausländischen Lesern zu öffnen. Dies betraf weniger den Textteil der Zeitschrift, der unverändert auf Russisch erschien, sondern deren Umschlaggestaltung und Bilduntertitel. Waren letztere bisher nur auf Russisch und Deutsch erschienen, so wiesen sie fortan zusätzlich englische und französische Übersetzungen auf, was umso auffälliger ist, als das ausgestellte Bildmaterial ab dem elften Heft zunimmt. Waren die Hefte Nr. 1 bis 10 nach einer anfänglichen Orientierungsphase in Form von Themenheften450 in einer eher bescheidenen Ausführung gehalten  – naiv wirkende Titelblätter und billiges Papier –, so präsentierten sich die letzten fünf Ausgaben (Heft Nr. 12/13 erschien als Doppelnummer) in einer sichtbar aufwändigeren Aufmachung. Als Beispiel dafür sei die Umschlaggestaltung des 14. Heftes [Abbildung 11] angeführt mit den Staketenzäunen und den von Dynamomaschinen angetriebenen Karussellpferden, wie sie Baksts Bühnendekoration von Lâcheté entsprach. Die Zeitschrift hieß jetzt nicht mehr Teatr i žizn, sondern Teatr – Das Theater – Le théâtre – The theatre. Dementsprechend konzentrierte sie sich fortan stärker auf Berichte über Theaterereignisse. Schauspielerbiografien und Künstlerporträts traten in den Hintergrund, wobei »das illustrierte Material […] den Text aufs beste ergänzt. Der äußere Anblick der Zeischrift ist tadellos und wird – man muss dem 449 ›K otkrytiju teatra Sinjaja ptica‹ [ohne Verfasserangabe], Teatr i žizn, Nr. 5/6, (Dezember 1921), S. 20. 450 Heft 5/6: Moskauer Künstlertheater; Heft 7: Musik; Heft 8 Ballett; Heft 9: Diaghilevs Ballett und die russischen Künstler; Heft 10: Künstler und Theater zum Anlass des Gastspiels von Zarewitsch Alexej im Theater des Westens, für das Alexander Benois die Bühnengestaltung übernahm.

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Abbildung 11: Bakst, Dekoration für Lâcheté, Titelblatt von Teatr, Nr. 14, 1922.

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Herausgeber Gerechtigkeit widerfahren lassen  – mit jeder Nummer eleganter«451, wie Novaja Russkaja Kniga bestätigte. Sogar die prosowjetische Zeitung Nakanune musste zugeben: »Die Zeitschrift hat ihre Qualitäten im Hinblick auf Theaterereignisse und Berichterstattung; sie ist nützlich.«452 Allerdings kritisierte sie die Dünkelhaftigkeit ihrer Redakteure, die stets »ihre Bildung zeigen [möchten] und häufig bewußt ins Unverständliche [sprechen]«.453 Doch trotz der sich im Sommer 1922 anbahnenden Öffnung nach Russland wie zum Westen hin blieb Teatr eine Emigrantenzeitschrift. Welche Positionen ihre He­ rausgeber einnahmen und welchen Stellenwert sie dem russischen Theater hier – in der Emigration – und dort – in Russland beimaßen, verdeutlicht eine Gegenüberstellung, in der sie sich vom Theater in Russland abgrenzen. Die Fortsetzung der russischen Theatertradition erblicken sie im ›Hier‹, in der Emigration, während sie dem ›Dort‹, in Russland, die in Chaos ausartenden Experimente unterstellen:454 Zwar sei das russische Theater hier in der Emigration heute nicht so erfolgreich, wie man sich das wünsche. Es sei wenig innovativ und schlage keine neuen Richtungen ein, bewahre aber, indem es das Alte wiederhole, den Kern einer großen russischen Theaterkultur mit ihrer Struktur und Ordnung, die dort in Russland verloren gehe. Experimente seien zulässig und sogar notwendig, solange eine gewisse innere Ordnung eingehalten und nicht Kunst in Chaos verwandelt werde. So sei das hiesige Theater in seiner Erhabenheit eher bescheiden, aber ganz und gar nicht minder wichtig als das »tolldreiste, wagemutige und suchende Theater dort mit seiner Hast, seinem Wirrwarr und seiner affektierten Ziererei«.455 Ebenso wie Žar ptica hatte sich Teatr der Förderung der russischen Kunst im Ausland verschrieben. Deutlich wird aber, beispielsweise anhand des letztgenannten Beitrages, dass Teatr im Gegensatz zu Žar ptica über die Theaterwelten hier und dort berichtete, was Meldungen über aktuelle Entwicklungen im sowjetischen Theaterleben einschloss. Obwohl sich Teatr-Beiträge an die im Ausland lebenden Russen richteten, lassen doch die mehrsprachigen Umschlaggestaltungen und Untertitel der Abbildungen erkennen, dass zumindest das ausgestellte Bildmaterial auch für nicht-russische Leser bestimmt war. Dem gegenüber stand der Anspruch von Žar ptica, mit seinen aufwändigen Farbtafeln und mehrsprachigen Beilagen ausländische Zielgruppen anzusprechen, während der Literaturteil für russische Leser eher improvisiert erschien und 451 452

I., [sic], ›Teatr‹, Novaja Russkaja Kniga, Nr. 10 (Oktober 1922). I. Vasilevskij, ›Cvety emigracii. »Spolochi – Žar-ptica – Teatr i žizn«‹, Nakanune (Berlin), Nr. 5, 1922, S. 7–10. 453 Ibid. 454 V. Amfiteatrov-Kadašev, ›Zdes i tam‹, Teatr Nr. 12/13, (Juli/August) 1922, S. 4. 455 Ibid.

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erkennen ließ, dass ihm deutlich weniger Bemühungen zugeflossen waren. In Teatr ist dagegen ein umgekehrter Trend zu beobachten: Die in bescheidener Aufmachung gehaltenen Abbildungen profitierten von fundierten Hintergrundartikeln, deren Verfasser über aktuelle und vergangene Ereignisse kompetent informierten und – trotz ihres zuweilen recht propagandistisch oder dünkelhaft anmutenden Berichtstils – dem Leser ein faires Bild vom Ablauf eines Theaterereignisses vermitteln konnten. Damit steht der starken Fixierung auf eine idealisierte Vergangenheit bei Žar ptica das Bestreben von Teatr gegenüber, ein Theaterfeuilleton zu schaffen, welches – trotz seiner mangelnden Bezugnahme auf Fragen theoretischer Natur – das gegenwärtige russische Theaterleben in Berlin realistisch wiedergab und dabei auch die Verbindungen zu Russland und den anderen Zentren der Russischen Emigration nicht außer Acht ließ. Die publizierten Kommentare, Chroniken und Hintergrundartikel machen Teatr zu einem wichtigen »Partner« von Žar ptica, der häufig gerade dort wertvolle Informationen liefert, wo die aufwändigen Reproduktionen von Žar ptica unzureichend oder gar nicht erläutert werden. DIE EPHEMERE ZEITSCHRIFT ZLATOCVET In ihrem Format und Erscheinungsbild war die Zeitschrift Zlatocvet [Chrysantheme] mit den exklusiven Farbtafeln auf wertvollem Papier Žar ptica am dichtesten nachempfunden. Sie erschien 1924 in einer einmaligen Ausgabe unter der Redaktion von Nikolai G. Berežanskij (Pseudonym für Kozyrev) im Verlag Olga Djakow als Zeitschrift für Kunst und Literatur auf Russisch mit einer etwas gekürzten Parallelausgabe auf Deutsch. Damit fällt die Publikation von Zlatocvet in jene Phase, da sich die Berliner russische Zeitschriften- und Verlagsszene aufzulösen begann und die meisten Emigranten die deutsche Hauptstadt verließen. Eine Ausnahme bildeten, wie aus dem Zensus von 1925 bekannt ist, zwei Bevölkerungsgruppen: Juden und Baltendeutsche, beide aus den westlichen und nordwestlichen Regionen Russlands, für die das Deutsche weder sprachlich noch kulturell eine große Hürde darstellte. So blieben viele von ihnen auch dann noch in Berlin, als es längst aufgehört hatte, die Hauptstadt der Russischen Emigration zu sein.456 Zu dieser Nachhut gehörte Berežanskij. Er stammte aus der Region Pskov im Nordwesten des Russischen Reiches an der Grenze zur baltischen Region. Sein Geburtsjahr ist nicht bekannt. Im Unterschied zu Kogan war er kein versierter Experte des Zeitschriften- und Verlagsgeschäftes, der über langjährige Verbindungen in Russ­ land und im Ausland verfügte, sondern ein junger Journalist, der gute Deutsch456

Williams, 1972, S. 113.

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kenntnisse hatte und erst 1923 nach Berlin gekommen war. Zunächst schrieb er Hintergrundartikel für die russische Wochenzeitung Vremja [Die Zeit]. Ab 1924 wendete er sich eigenen Zeitschriftenprojekten zu. Dazu gehörten neben Zlatocvet die beiden literarisch-künstlerischen Almanache Russkaja Derevnja [Das Russische Dorf ]457 und Russkaja Ženščina [Die Russische Frau]458. Diese beiden Themen  – die Überlieferungen russischer Dorfkultur sowie ihre weiblichen Protagonisten mit ihrem handwerklichen Geschick und ihren farbenprächtigen bäuerlichen Trachten als Schöpferinnen und Vermittlerinnen volkstümlicher Muster, Bräuche, Legenden und Riten – bilden auch in Zlatocvet einen visuell spektakulären Einstieg: »[…] Archipovs ›Weiber‹ und ›Mädchen‹ sind Visionen, die die Welt der Vergangenheit, von der wir nie loskommen, bestrahlen, sind ein Sehnen nach etwas, was früher war und bleiben wird, denn dem Zauber dieser Gesichter, die sonnenverbrannt und gewissermaßen derb sind, liegt ein tiefer Glauben an unermessliche Weiten der Natur inne, die Liebe zu den oft gegangenen Pfaden, zu den Sümpfen, wo das Moos an neue Dielen erinnert, zum Frühlingszug der Vögel und zum weißen, anhaltenden Schnee, der so weiß wie die silbernen Ikonenbeschläge in der nahen Kirche ist. […] so warst du, Russland, und so wirst du bleiben, licht, windumweht, sonnengebadet, mit solchen Augen, in denen sich das helle Lachen, der Glaube an Gott, das Glück des ersten Kusses hinter dem Zaune widerspiegelt, dort, wo die Weite endlos ist, daß man sie mit dem Blick nicht erfassen kann, und blaue Waldstreifen im weihrauchwallenden Äther verschwinden. […]«459

Repräsentativ für Zlatocvet ist dieser Ausschnitt insofern, als er verdeutlicht, dass es sich um eine Zeitschrift handelt, die  – ähnlich wie Žar ptica  – kaum aus ihrer Verklärung der Vergangenheit herauszutreten vermochte. Stärker noch als Žar ptica kennzeichneten sie Konzeptionslosigkeit und Willkür bei der Materialauswahl. Wahllos herausgegriffen, so scheint es, sind Gedichte, Essays und Erzählungen im Literaturteil, die offenbar der Unterhaltung und Zerstreuung des russischen Lesers dienen sollten. Dabei existierte dieser Literaturteil ähnlich wie in Žar ptica praktisch 457 458 459

Russkaja Derevnja. Literaturno-chudožestvennyj almanach pod redakcii N. G. Berežanskogo. Izdatelstvo Olga Djakow i Ko. (Berlin 1924). Rossijskaja Gosudarstvennaja Biblioteka. Otdel Literatury Russkogo Zarubežja, Nezabytye Mogily. Nekrologi 1917–1997 v šesti tomach, sostavlen V. N. Čuvakov, tom 1 [A-B], (Moskva 1999), S. 283. Igor Woinov, ›Meždu »včera« i »segodnja«‹. Etjud k ›russkim krestjankam‹ akademika A. Archipova‹, Zlatocvet, Nr. 1, 1924 S. 39; ders., »Zwischen ›gestern‹ und ›heute‹«. Eine Studie zu den ›Russischen Bäuerinnen‹ des Akademikers A. Archipov«, ibid., 1924, S. 17 (deutsche Parallelausgabe).

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Abbildung 12: Kuznecov, Porzellan­ figur »Žar ptica« (Zlatocvet) 1924.

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Abbildung 13: Dobužinskij, Skizze der Dekoration zur Oper Eugen Onegin (Tschai­ kowski) in Dresden, 2. Akt, 1. Bild (Zlatocvet) 1924.

losgelöst vom künstlerischen Teil mit den Abbildungen der Werke russischer Künstler wie Kustodev, Juon und Dobužinskij. Sie dienten offenbar demselben Zweck wie bei Žar ptica: Erinnerungskultur für russische Emigranten und Präsentation russischer Kunstschätze für deutsche Leser. Allerdings war dieser Anspruch nirgendwo fixiert, denn auf ein Manifest oder Geleitwort verzichtete Berežanskij. Lediglich die in der kurzen Rubrik Chronik zusammengefassten Informationen waren aktuell und boten russischen und deutschen Lesern Einblicke in die gegenwärtigen Wirkungsfelder russischer Künstler im In- und Ausland. Dazu gehörten Nachrichten über Ausstellungen und Museumsinitiativen sowie Kritiken und Hintergrundartikel über Ballett- und Theateraktivitäten. Hervorzuheben sind zwei Beiträge mit farbenprächtigen Abbildungen, zum einen über die Arbeiten der ehemaligen Kaiserlichen, jetzt Staatlichen Porzellanfabrik [Abbildung 12],460 zum anderen über die am 4. März 1924 im Dresdener Opernhaus stattgefundene Aufführung von Eugen Onegin mit vier Skizzen der Dekoration von Dobužinskij461 [Abbildung 13]. 460 ›Gosudarstvennyj Farfororyj Zavod‹, Zlatocvet, Nr. 1, 1924, S. 35; ›Die Staatliche Porzellanfabrik‹, ibid., 1924, S. 21 (deutsche Parallelausgabe). 461 Nikolai Berežanskij, ›Evgenij Onegin v Dresdene‹, Zlatocvet, Nr.  1, 1924, S.  40; ders., ›Eugen

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Die ephemere Zeitschrift Zlatocvet

Damit kennzeichnet Zlatocvet ebenso wie Žar ptica eine Dichotomie, in der das elegante Äußere der Zeitschrift ihrer inneren Konzeptionslosigkeit gegenübersteht. Dieser Umstand war laut Teatr i žizn repräsentativ für jene beiden Trends, welche die Tätigkeit der Russischen Emigration schlechthin kennzeichneten: »die donnernden Trompeten« und »die klagenden Flöten«462, denn zum einen, so schreibt die Zeitschrift, seien die Emigranten »[…] Träger der russischen Kultur. Ähnlich wie byzantinische Wissenschaftler, die vor den Türken nach Italien geflohen waren und dort die ersten Samen der Renaissance gesetzt haben, offenbaren die Einwanderer dem Westen den großen Glanz der russischen Kunst und Wissenschaft, so daß dem Westen der Mund vor Begeisterung offen steht.«463

Zum anderen seien sie »[…] eine Herde ohne Hirte. Sie haben das Gefühl für ein reales Leben verloren. Das neue Antlitz Russlands wird dort, hinter den Grenzen, in einem hungrigen und geplagten Russland geschaffen. Hier – in der Gemütlichkeit des gefahrlosen europäischen Lebens – sind die Russen wie das stehende Wasser, das in einem Teich verfault.«464

Bezeichnend für die hier zum Ausdruck gebrachte Polarität ist auch die Symbolik, die sich hinter dem Titel der Zeitschrift verbirgt. Denn die Chrysantheme [russisch: Zlatocvet] steht allgemein für die westliche Verehrung der Schönheit, Würde und Lebensfreude des Ostens. Exemplarisch dafür ist unter anderem eine Äußerung des französischen Kritikers M. Denis, der in einer Besprechung von Eugen Onegin schrieb: »Wir Europäer lieben die künstlerischen Schauspiele, die uns die Russen vorführen. Wir lieben sie auch deshalb, weil wir in solchen Stunden darüber trauern, daß die Fähigkeit, Schauspiele schön zu gestalten, uns scheinbar für immer verloren gegangen ist.«465 Speziell im Zusammenhang mit der Russischen Emigration und dem Schreiben im Exil erhielt das Symbol der Chrysantheme freilich eine ganz neue Konnotation, die darauf hinauslief, dass die Zotteln der Chrysantheme, auf den ersten Blick Onegin in Dresden‹, ibid., Nr. 1, 1924, S. 22 (deutsche Parallelausgabe). 462 Amfiteatrov-Kadaščev, ›Zdes’ i tam‹, Teatr Nr. 12/13 (Juli/August 1922), S. 4. 463 Ibid. 464 Ibid. 465 Zitiert in: Berežanskij, ›Onegin in Dresden‹, Zlatocvet, Nr. 1, 1924, S. 22 (deutsche Parallelausgabe).

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scheinbar noch in voller Pracht, sich längst vom Inneren der Blüte gelöst hätten und im Kern bereits verrottet seien. Diese Symbolik bezog 1931 der im Pariser Exil lebende russische Dichter Georgij Iwanov auf den angeblichen Verfall der russischen Literatur und fragte sich in seinem pessimistischen Ausblick, für wen der russische Exil-Schriftsteller eigentlich schreibe, wenn er im Paris der beginnenden 1930er-Jahre einen Roman, ein Gedicht oder einen Aufsatz auf Russisch publiziere: »[…] Und die Zotteln der Chrysanthemen welken im stickigen Rauch. Sie welken, sie welken. Und wie sollen diese ›Zotteln‹ der Exilliteratur auch nicht welken, wenn der Rauch um sie herum immer stickiger wird? Es gibt keine ersti­ ckendere Atmosphäre als die Atmosphäre der geneigten Gleichgültigkeit, der hochachtungsvollen Mäßigkeit. In einer solchen Atmosphäre wird man selbst, egal wer man ist, geneigt-hochachtungsvoll, man wird es unmerklich, je unmerklicher, umso hoffnungsloser. […] Die Exilliteratur existiert seit dreizehn Jahren. Seit dreizehn Jahren werden Bücher geschrieben, erscheinen Zeitschriften, wachsen und schwinden Reputationen, eine immer beeindruckendere Pyramide ist Stein für Stein erbaut worden, und es schien so, dass man sowohl über jeden einzelnen Stein als auch über die Pyramide im Ganzen alles wusste. Man wusste, wer gut, wer schlecht und wer mittelmäßig ist, wer in der Blüte seines Talents steht, wer nichts Neues mehr zu sagen hat, bei wem man etwas lernen könnte und von wem man sich lieber fernhalten sollte. Über all dem schwebte das stolze, die Großen und die Kleinen ehrende Bewusstsein einer unglaublichen Wichtigkeit der gemeinsamen Sache: Schutz der Sprache, Bewahren der Traditionen, der russischen Kultur im Ausland, wie die Reporter schreiben. Und nun – lasst uns der Wahrheit in die Augen schauen – wo ist denn diese russische Kultur geblieben? Worin besteht sie? Im unterschütterlichen Buchstaben ъ? Darin, dass man jedes Buch, das in der Emigration herausgegeben wurde, einem Heranwachsenden in die Hände geben kann, und wenn man es nicht kann, dann ist dieses Buch zwangsläufig unanständig? […]«466

Iwanov schließt mit der Annahme, »daß, wenn uns irgendetwas angerechnet wird, so werden es ganz gewiß nicht die Verteidigung des Buchstabens ъ467 und auch nicht die kunstvolle Beschreibung eines Schach-Erlebnisses468 sein«.469 466 Georgij Iwanov, ›Bez čitatlja‹, Čisla – Sborniki literatury, iskusstva i filosofii [Die Zahlen – Jahrbücher für Literatur, Kunst und Philosophie], Band 5, Paris 1931, S. 148–152. 467 Buchstabe des russischen Alphabets, der durch die sowjetische Rechtschreibreform abgeschafft wurde. 468 Anspielung auf Nabokovs Roman Lužins Verteidigung. 469 Iwanov, Paris 1931.

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Interne Selektions- und Konsekrationsmechanismen

Es sollte bei dieser einzigen Ausgabe von Zlatocvet bleiben, eine Nachzüglerin unter den Kunstzeitschriften des Russischen Berlin und eines seiner kurzlebigsten Verlagsprodukte, das dennoch seiner attraktiven Erscheinung und Ähnlichkeit mit Žar ptica wegen Erwähnung verdient. 1925 verließ Berežanskij Berlin, um in Riga zusammen mit Ivan Lukaš die russischsprachige Zeitung Slovo [Das Wort] herauszugeben und als Redakteur für Perezvony [Das Glockenspiel] zu arbeiten, eine illustrierte Zeitschrift für Kunst und Literatur, die 1925–1929 erschien. Berežanskij starb 1935 in Riga.470 INTERNE SELEKTIONS- UND KONSEKRATIONSMECHANISMEN Damit stellt sich die Frage nach den feldinternen Selektions- und Konsekrationsmechanismen: Welche Zeitschriften konnten sich im Feld der kulturellen Produktion des Russischen Berlin erhalten, welche waren ephemer und was waren die Ursachen dafür? Damit und darüber hinaus lassen sich die im Feld wirksamen Kräfteverhältnisse ermitteln, die konkreten Kämpfe zwischen den Vertretern von Tradition und Innovation, Konservativen und Neuerern, emigrierten und prosowjetischen Russen, so beispielsweise die Auseinandersetzungen wie sie zwischen Gorki und Chodassevič bei der Herausgabe der Zeitschrift Beseda oder auch zwischen dem Eigentümer des Skythen-Verlages Alexander Schreyder und den Herausgebern von Vešč, Ehrenburg und Lissitzky, auftraten. Solche Auseinandersetzungen gewannen nach 1923 an Dynamik, denn sie waren nicht nur von den internen ideologischen Kontroversen abhängig, die zwischen den unterschiedlichen Parteien vor Ort ausgetragen wurden, sondern auch vom Stand der externen Kämpfe, vorzugsweise von den Entwicklungen im sowjetischen Russ­ land und der zunehmenden Überzeugung, dass die Vermittlungsversuche zwischen sowjetischen und emigrierten Russen zum Scheitern verurteilt seien und die sowjetische Regierung ihre Haltung gegenüber der Russischen Emigration nicht mäßigen würde. »Mitte der zwanziger Jahre platzten die meisten Verlage wie Seifenblasen«471, wie Ilja Ehrenburg lakonisch im Berlin-Kapitel seiner Memoiren bemerkt. Generell war dieser plötzliche Niedergang auf drei Ursachen zurückzuführen. Erstens war das Zeitschriften- und Verlagsgeschäft seit der Stabilisierung der Deutschen Mark längst nicht mehr so einträglich wie in den Jahren der Inflation. Die Preise für Papier und Druck in Deutschland, dem wichtigsten Zentrum russischer Verlagstätigkeit 470 ›N. G. Berežansky‹, Nachruf, Vozroždenie (Paris), Nr. 3734 (24. August 1935), S. 4. 471 Ehrenburg, (München 1962), S. 574–577.

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im Ausland, hatten sich erhöht. Die Gehälter im Druckereigewerbe waren auf das Doppelte und die Versandkosten auf das Zehn- bis Fünfzehnfache gestiegen.472 1922 hatte der Versand von fünfzig Büchern nur 1,5 bis 2 Dollar gekostet; 1924 kostete er 26 Dollar.473 Viele Verleger erwogen daher, ihr Geschäft an einen anderen Ort zu verlegen, zum Beispiel nach Riga, das damals als neues Zentrum des russischen Buches im Gespräch war, obwohl das Niveau der typografischen Ausstattungen in der lettischen Hauptstadt nicht mit dem Berlins vergleichbar war.474 Zweitens waren die Märkte für russische Bücher gesättigt, sodass der Buchabsatz ins Stocken geriet, hohe Lagerkosten anfielen und große Warenposten verschleudert wurden. Neue Bücher mussten zwischengelagert werden; zuweilen verließen sie das Lager gar nicht erst.475 Nachteilig begann sich drittens auszuwirken, dass viele Unternehmer ihre Verlage eilig aus dem Boden gestampft und zum Teil bei voller Straffreiheit die Urheberrechte ihrer Autoren vernachlässigt, das heißt weder sie noch deren Erben entsprechend entlohnt hatten.476 Auch die Verlage der hier besprochenen Kunstzeitschriften wurden nach und nach geschlossen.477 Dass Žar ptica bis 1926 überleben konnte, beruhte vor allem auf dem kulturellen und ökonomischen Kapital478, das ihr Herausgeber länger als seine russischen Kollegen für seine Zeitschrift einsetzen konnte. Dazu gehörte die umfangreiche redaktionelle Unterstützung durch Autoren, Redakteure, Übersetzer, Künstler und Kunstkritiker aus dem In- und Ausland. Des Weiteren profitierte Kogans Unternehmen Russkoe Iskusstvo und damit auch Žar ptica von der durch Gorki im Frühjahr 1921 ausgehandelten Anschubfinanzierung des sowjetischen Kommissariats für Bildungswesen sowie von einem umfangreichen Annoncenteil mit Anzeigen von einheimischen wie russischen Unternehmen, die sich in Berlin niedergelassen 472

D. [sic], ›Krizis russkogo knižnogo dela v Germanii‹, Vremennik Obščestva Druzej Russkoj Knigi (Paris 1925), S. 84–86. 473 Ibid. 474 Ibid. 475 Alexander Kagan, ›Russkaja Kniga Zagranicej‹, Russkaja Kniga Zagranicej, Nr. 1, 1924 (Berlin, Izdatelstvo ›Moskva‹), S. 3–5. 476 Ibid. 477 Russkoe Iskusstvo existierte bis 1925, ebenso der Skythen-Verlag von Alexander Schreyder, der Verlag Olga Djakow bis 1928. Sämtliche Angaben zitiert nach: Kratz et al., 1987. Über den Teatr-Verlag liegen keine Angaben vor, und es ist anzunehmen, dass seine Lebensdauer die der gleichnamigen Zeitschrift nicht überstieg. Der Milgrojm/Rimon-Verlag existierte bis 1924; siehe: Maria KühnLudewig, Jiddische Bücher aus Berlin (1918–36). Titel, Personen, Verlage (Nümbrecht 2006), S. 153–154. 478 Pierre Bourdieu, ›Ökonomisches Kapital, kulturelles Kapital, soziales Kapital‹, in: Reinhard Kreckel, Soziale Ungleichheit (Göttingen 1983) S. 183–198.

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hatten. Positiv ausgewirkt hatte sich zudem die Zusammenarbeit mit ortsansässigen Verlegern, typografischen Einrichtungen und Papierlieferanten in Deutschland. Doch als versierter Experte für Buchkunst und wendiger Geschäftsmann verfügte Kogan nicht nur über ein Netz von deutschen Partnern bei der Herstellung von Žar ptica, sondern auch über einen professionell aufgezogenen Vertriebsapparat mit Partnern in Paris, Brüssel, New York, Washington, London und Buenos Aires, mit deren Hilfe die Zeitschrift einen großen internationalen Leserkreis und profitable Umsätze erreichte. Zur Folge hatte dies unter anderem, dass auch die Nachfrage nach den von Russkoe Iskusstvo herausgegebenen Kunstmonografien im Ausland stieg. Alexander Kagan vom Petropolis-Verlag führt diesen Umstand auf die Popularität von Kogans Zeitschrift Žar ptica und deren professionelle Vermarktung im Ausland zurück.479 Wie das Beispiel von Žar ptica zeigt, konnten äußere Faktoren  – sowjetische Sponsoren, Zusammenarbeit mit Verlegern, Papierlieferanten und Kunstdruck-Einrichtungen in Deutschland sowie redaktionelle Unterstützung durch Übersetzer vor Ort und Kunstkritiker in Paris – die Lebensdauer einer Publikation entscheidend beeinflussen. Auch Milgrojm/Rimon und Teatr profitierten von der Unterstützung durch ortsansässige Geschäfte und Handelsunternehmen in Form eines umfangreichen Anzeigenteils. Für Teatr zählte zudem die Anwesenheit von russischen Musik- und Theaterschaffenden im Umfeld der Redaktion, mit deren Hilfe sich Benefizveranstaltungen organisieren und deutsche Öffentlichkeiten ansprechen ließen. Milgrojm wiederum profitierte von der Anwesenheit namhafter jüdischer Künstler wie Chagall und Lissitzky sowie von den Beiträgen der Vertreter jiddischer modernistischer Gruppierungen, die sich damals in Berlin aufhielten und als Verfasser oder Übersetzer von Artikeln infrage kamen. Doch kein anderer Verleger konnte so viele begünstigende Faktoren für sich in Anspruch nehmen wie A. E. Kogan. Dies zeigt sich besonders deutlich, vergleicht man Kogans Projekt mit Berežanskijs Zeitschrift Zlatocvet, deren Kurzlebigkeit hauptsächlich drei Gründe hatte: Zlatocvet erschien erst relativ spät, als die Preise für Papier, Druck und Versand wieder stiegen und sich die wirtschaftliche Lage in Deutschland zu stabilisieren begann. Dies bedeutete einen Mangel an russischen Lesern im unmittelbaren Umfeld der Zeitschrift, denn der größte Teil der russischen Emigranten hatte Berlin inzwischen wieder verlassen. Ob der Vertriebsapparat des Verlages Olga Djakow deutsche Leser erreichte, ist zweifelhaft; in der Zeitschrift 479 Kagan, 1924.

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selbst finden sich keinerlei Hinweise darauf. Sie gleicht eher einem Bilderbuch für Erwachsene; dieser Eindruck verstärkt sich durch die Abwesenheit eines Annoncenteil, wie ihn Teatr und Žar ptica besaßen. Dass aber nicht allein das kulturelle und ökonomische Kapital für das Überleben einer Zeitschrift ausschlaggebend war, verdeutlicht die Avantgarde-Revue Vešč – Gegenstand – Objet, deren Debüt zwar in jene aktive Phase fiel, da die Kreativität russischer Künstler und Verleger in Berlin ihren Höhepunkt erreichte, die aber von Anfang an als »eine vorübergehende Erscheinung« eingestuft wurde.480 Mit nur drei Ausgaben, davon eine Doppelnummer, gilt die Revue als ephemer. Ihre Kurzlebigkeit erklärt sich zum einen aus den Diskrepanzen zwischen den He­ rausgebern und dem Verleger481, zum anderen aus den inneren Widersprüchen, vor allem der Kluft zwischen proklamierten und tatsächlichen Zielen. Laut Manifest wollte Vešč »Bindestück zwischen zwei benachbarten Laufgräben«482 sein, »die in Russland Schaffenden mit der neuesten Kunst bekannt machen und Westeuropa über die russische Kunst und Literatur informieren«,483 wurde dieser erklärtermaßen zweifachen Ausrichtung aber kaum gerecht. Denn sowohl die vermehrte Anzahl der russischsprachigen Beiträge als auch deren Inhalte sprechen dafür, dass es den Herausgebern zum einen darum ging, die russische Öffentlichkeit über die neuesten künstlerischen Entwicklungen in Deutschland, Holland und Frankreich zu unterrichten, was im Übrigen dem entsprach, was Lissitzky an Rodčenko in Moskau geschrieben und auch Ehrenburg gegenüber Majakovskij geäußert hatte.484 Zum anderen signalisiert der umfangreiche russische Anzeigenteil deutscher Buchhändler und Verleger am Ende der beiden Hefte, dass die Herausgeber auch die in Berlin und im Ausland lebenden Exilrussen ansprechen wollten, sodass westeuropäische Zielgruppen letztendlich weniger Berücksichtigung fanden als russische. Doch gerade in ihrem russischen Umfeld hatte Vešč besonders viele Gegner, denn kritischer noch als die Berliner russische Kolonie Žar ptica beurteilt hatte, standen Vešč die im Heim der Künste zusammengeschlossenen russischen Exilschriftsteller und ‑journalisten gegenüber.485 Sie sahen in der Revue eine Art

480 Arvatov, 1922. 481 ›Leserbrief von Alexander Schreyder an die Redaktion von Vešč‹, Vešč  – Gegenstand  – Objet, Nr. 3, S. 21–22. 482 Lissitzky, Ehrenburg, ›Die Blockade Russlands geht ihrem Ende entgegen‹, Vešč – Gegenstand – Objet, Nr. 1–2, 1922, S. 1. 483 Ankündigung von Vešč – Gegenstand – Objet durch den Verlag »Skythen« GmbH Berlin W 30. Kunstbibliothek Berlin, Per 8/877 Nr. 7, 1994. S. 145. 484 Molok, 2000, S. 299. 485 Bowlt, 1981.

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enfant terrible des Russischen Berlin, die das innere System des Emigrantenlebens empfindlich störe.486 Die Ursachen dafür, welche Produkte sich im Feld erhalten konnten, waren also vielgestaltig. Ob und wie lange eine Zeitschrift überlebte, hing von internen Kon­ troversen wie äußeren Faktoren ab, vom mitgebrachten bzw. eingeworbenen kulturellen und ökonomischen Kapital und, wie Zlatocvet verdeutlicht, vom Zeitpunkt der Premiere einer Publikation. Nun gibt es aber im Hinblick auf die besprochenen Kunstzeitschriften auch Ähnlichkeiten, die nicht unbedingt in ihrem Profil, Erscheinungsverlauf oder plötzlichen Niedergang zu suchen sind, sondern vor allem in dem gemeinsamen Ansatz, der ihren Aufstieg prägte: Dem Anliegen, nach Jahren der Trennung und Isolation einen Ort der Versammlung zu schaffen und russischen Künstlern eine Stimme zu verschaffen in einem internationalen Kommunikationsraum, der weit über das Russische Berlin hinausreichte. Maßgebend für ihre gezielte Ausrichtung auf internationale Zielgruppen in Deutschland, Westeuropa, Amerika und im Fall von Milgrojm/Rimon auch Palästina waren die kataklysmischen Ereignisse im Vorfeld gewesen: Weltkrieg und Revolution, Isolation, Flucht und Vertreibung, in deren Folge nicht nur das Bedürfnis des Wieder-zueinander-Findens entstanden war, sondern eben auch der Wunsch, in jener Zeit, da die Blicke der Weltöffentlichkeit auf Russland und seinen Völkern ruhten, um mitfühlende Aufmerksamkeit zu werben und ein Massenpublikum für Solidarität und Protest zu schaffen. Diese hier mehr oder weniger ausdrucksstark postulierte Forumfunktion ist westeuropäischen und anglo-amerikanischen Presseidealen fremd. Vielmehr ist sie Ausdruck eines jüdischen Presseideals, das sich zurückverfolgen lässt bis in die Zeit der Haskala, der jüdischen Aufklärung, wo hinter der Gründung einer Zeitschrift nur allzu oft die Absicht von aufgeklärten jüdischen Kreisen stand, ihre Leser um eine Publikation zu »versammeln«, mithilfe einer Zeitschrift Verbindungen zu schaffen und gemeinsam mit den Lesern gezielt Sachverhalte zu erörtern, um sie letztendlich als Verbündete für eine bestimmte Sache zu gewinnen. Dies überrascht umso weniger, als sämtlichen hier besprochenen Zeitschriften jüdische Herausgeberschaften zugrunde lagen. Nicht nur Wischnitzer-Bernstein, sondern auch Kogan, Ehrenburg, Lissitzky, Berežanskij und Grünberg hatten ihre Wurzeln in den jüdischen Lebenswelten Osteuropas, was ihren publizistischen Einsatz für die Welt der russischen Kunst umso bemerkenswerter erscheinen lässt.

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V. Amfiteatrov-Kadaščev, ›Zdes’ i tam‹, Teatr Nr. 12/13 (Juli/August 1922), S. 4.

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Žar ptica im Vergleich mit Kunstzeitschriften des Russischen Berlin

SCHEUERSTELLEN, VERNETZUNGEN UND INTERAKTION VON ÖFFENTLICHKEITEN Wie die hier in Berlin existierenden Vernetzungen, die teils auf frühere Kontakte in Russland zurückgingen, teils vor Ort mit Vertretern der russischen und deutschen Verlags- und Kunstszene neu geknüpft wurden, besondere Teil-Öffentlichkeiten schufen, soll im folgenden Abschnitt transparent gemacht werden. Im Vordergrund stehen dabei die zentralen Figuren solcher Netzwerke zusammen mit ihren Wirkungsfeldern und dem ökonomischen Kapital, das sie für ihre Projekte einwerben konnten. Wiederum nimmt der Herausgeber von Žar ptica hier eine besondere Position ein, denn kaum jemand konnte sich so geschmeidig wie er an den Scheuerstellen zwischen prosowjetischen Russen und erklärten Emigranten bewegen, kaum jemand konnte seine Kontakte in Deutschland und im Ausland so gewinnbringend einsetzen. Verdeutlicht wird dies anhand der grafischen Darstellung [Abbildung 14], die Kogan und seine verlegerische Tätigkeit im Zentrum der kulturellen Produktion des Russischen Berlin verzeichnet und die Vielzahl der Schnittstellen zu anderen Akteuren und ihren Projekten sichtbar macht. Die Darstellung zeigt, dass die Lebensdauer eines Zeitschriftenprojektes nicht allein von dem mitgebrachten kulturellen Kapital und der wirtschaftlichen Unterstützung von außen abhing, sondern auch durch interne Vernetzungen maßgeblich beeinflusst werden konnte. Denn was schließlich in Form von Briefen und anderen schriftlichen Kommunikationsformen, wie Appellen und Manifesten, fixiert und nachfolgend vom Presseund Verlagswesen aufgegriffen wurde, um es einer weiteren Leserschaft zugänglich zu machen, erhielt seine Nahrung zunächst aus den mündlichen Kommunikationsakten der umliegenden Organisationen, Vereine, Berufsverbände, Salons und Kaffeehäuser.487 Diese Kommunikation zwischen Akteuren mit unterschiedlichen kulturellen, sozialen, sprachlichen und geografischen Hintergründen erforderte freilich keine geschliffenen Fähigkeiten zur Artikulation oder Selbstreflexion, sondern eher das Vermögen, auf unerwartete, flüchtige Situationen schnell zu reagieren. Dabei stellte sich die von der Verlagskultur im unmittelbaren Umfeld der Literaturcafés geschaffene literarische Öffentlichkeit – Belletristik, Essays und Feuilleton – nicht nur als ein Umschlagplatz von Ideen heraus, sondern wiederum als ein zusätzlicher Katalysator für die mündliche Interaktion. Das bedeutete, dass die Verlage mit ihren Produkten die in den Literaturcafés ausgetragenen Debatten stimulieren und sich insofern kommunikationsfördernd auswirken konnten.488 Umgekehrt erhielten die geografisch eng 487 Jürgen Habermas, Strukturwandel der Öffentlichkeit. Untersuchungen zu einer Kategorie der bürgerlichen Gesellschaft (Frankfurt/M. 1962). 488 Andrew Edgar, Habermas. The Key Concepts (London, New York 2006), S. 124–126.

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Scheuerstellen, Vernetzungen und Interaktion von Öffentlichkeiten

Interaktion von Teil‐Öffentlichkeiten Kulturelles und ökonomisches Kapital

Kulturelles Kapital

Romanisches Café

Tscharni, Bergelson Markisch, Kulbak, Stenzel, Schtif, Lasker‐Schüler, A. Zweig, Roth

Café  Landgraf

Prosowjetische Emigranten

Skythen

Teatr i žizn Leri [Klopotovskij] Gornyi, Grünberg

Café Leon Ноллендорфплацкафе

B. Pasternak,Lukaš , Aldanov Ehrenburg, Essenin, Aichenvald Chodassevič , Belyj, Remisov, Gornyj, Černyj , Drozdov,  Šklovskij, Alekseev, Bergelson

Vešč Ehrenburg, Lissitzky Essenin, B.Pasternak Raoul Hausmann Le Corbusier Kurt Schwitters Van Doesburg

Café Josti Emigrierte Schriftsteller

Verlag Epocha

(Zeitschrift Beseda) Belyi Sanders Chodassevič VerlagsGorki gruppe

Russkoe Iskusstvo

A.E. Kogan, Gorki, Černyj Lukomskij, Nabokov Chagall, Bakst, Benois Larionov, Gončarova Maljavin, Bilibin

Ökonomisches Kapital

Ladyž ‐ Nikov

Grzhebin Narkompros Slovo Ullstein

Paul Cassirer Prager Diele Milgrojm Verleger, Mäzen Belyi, Pilnjak, Tajrov Rimon Galerist Meyerhold, Majakovskij R. Wischnitzer Šklovskij, Lissitzky, Lissitzky, Der Nister Hermann Ehrenburg Bergelson Struck, Josef Hilfsverein Budko Deutscher De Stijl, Merz Juden Mark Esprit Nouveau Wischnitzer

Klal farlag Mosse

Znanija

Abbildung 14: Darstellung zur Interaktion der Berliner russischen Verleger und der von ihnen geschaffenen Teil-Öffentlichkeiten.

beieinanderliegenden Verlage zwischen Rankestraße und Schöneberg starke Impulse aus der intellektuellen Umgebung der literarischen Cafés, die sich am Generalszug zwischen Gedächtniskirche und Bülowbogen befanden. Abbildung 14 veranschaulicht jene Vernetzungen, wie sie sich zwischen den zentralen Figuren der unterschiedlichen Zeitschriftenprojekte und den von ihnen geschaffenen Öffentlichkeiten bzw. Teil-Öffentlichkeiten entwickeln konnten. Das legendäre Romanische Café befand sich an der Budapester Straße/Ecke Tauentzienstraße, etwa dort, wo heute das Europacenter steht. Es war damals ein beliebter Ort der Begegnung nicht nur zwischen russischen und deutschen Berlinern, sondern auch zwischen deutsch-jüdischen Schriftstellern und Vertretern von jiddischen modernistischen Gruppierungen489 und vielleicht der bekannteste Erinnerungsort 489

Fuks, 1988.

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Žar ptica im Vergleich mit Kunstzeitschriften des Russischen Berlin

des Russischen Berlin.490 Viele von ihnen beschrieben das Romanische Café in ihren Memoiren, darunter Nochem Schtif, Moshe Kulbak, Abraham Nochem Stenzel und Daniel Tscharni. Stenzel nannte es »das Hauptquartier der politischen Gruppierungen jüdischer Exilanten«491; Tscharni schilderte es als einen Ort in Berlin, an dem er sich sofort zu Hause fühlte,492 und Peretz Markisch polemisierte gegen das Romanische Café im ersten Heft der jiddischen Zeitschrift Chaljastre.493 Folgte man dem Generalszug von der Tauentzienstraße über den Wittenbergplatz, die Kleiststraße entlang, bis hin zum Nollendorfplatz, so gelangte man zum Café Léon, das mit seinen Räumen im zweiten Stock zu den beliebtesten Treffpunkten von emigrierten und prosowjetischen Russen gehörte. Dort fanden regelmäßig die Sitzungen des Bundes russischer Schriftsteller und Journalisten in Deutschland statt,494 einer Vereinigung von überzeugt antibolschewistisch eingestellten Russen. Ebenso gehörten zu den regelmäßigen Besuchern des Léon die noch Unentschlossenen – die sogenannten »Half-way émigrés«, wie sie bei Williams heißen495, vorübergehende Emigranten, die später nach Russland zurückkehrten. Emigranten prosowjetischer Orientierung trafen sich im Café Landgraf in der Kurfürstenstraße, dessen hoffnungslos rauchig-düstere Atmosphäre die junge Vera Lourié folgendermaßen beschrieb: »Der Sozialrevolutionär und der Menschevik streiten im Rauch der Zigaretten Düster über ein stümperhaftes Gedicht 496 Und machen Pläne für den kommenden Winter.« ���

Diese Pläne würden sich, wie Lourié signalisiert, in Rauch auflösen, denn bekanntlich hatte die Politik von emigrierten Parteianhängern wenig Aussicht auf Erfolg.497 490 Siehe hierzu: Otto Friedrich, Before the Deluge. A portrait of Berlin in the 1920s (London 1972); Jürgen Schebera, Damals im Romanischen Café. Künstler und ihre Lokale im Berlin der zwanziger Jahre (Leipzig 1988); Delphine Bechtel, ›Les revues modernistes Yiddish à Berlin et à Varsovie de 1922 à 1924. La quête d’une nouvelle Jérusalem?‹ Etudes Germaniques, Vol. 46, 1991, Nr. 2, S.  161–177; Heather Valencia, Else Lasker Schüler und Abraham Nochem Stenzel. Eine unbekannte Freundschaft. Mit jüdischen und deutschen Texten aus dem Elisabeth-Wöhler-Nachlass. (Frankfurt/M., New York 1995). 491 A. N. Stenzel, Loschn un lebn, London, Oktober–November 1968, S. 24. 492 Daniel Tscharni, ›A jortsendlik aza, 1914–1924‹ [So ein Jahrzehnt], (New York 1943), S. 329. 493 Peretz Markisch, ›Biznes Moskve Berlin‹, Chaljastre, Nr. 1, Warschau 1922, S. 62. 494 Thomas R. Beyer Jr., ›The House of the Arts and the Writers‹ Club, Berlin 1921–23‹, in: Kratz­ et al., 1987, S. 9–37. 495 Williams, 1972, S. 132. 496 Jan Paul Hinrichs, Verbannte Muse. Zehn Essays über russische Lyriker der Emigration (München 1992), S. 72. 497 Ibid.

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Scheuerstellen, Vernetzungen und Interaktion von Öffentlichkeiten

Eine Zeit lang war hier das Heim der Künste untergebracht, das dem Petrograder Dom Iskusstv nachempfunden war,498 und nur einen Steinwurf davon entfernt am Prager Platz lagen Flora-Diele und Prager Diele, beliebte Orte der Diskussion zwischen den schon länger in Berlin anwesenden Russen und den Neuankömmlingen. Aus einer Dokumentation des Museums Berlin Wilmersdorf geht hervor, dass »die Begegnungen hier und die Verständigung auch dann nicht abriss, als sich das Russische Berlin infolge der sich polarisierenden politischen Anschauungen immer stärker aufzuspalten begann […] Offenbar ließen sich im Flair des Wilmersdorfer Cafés Konflikte noch austragen, welche anderswo, z.B. im Heim der Künste, eskalierten und zu Zerwürfnissen führten.«499 Die Scheuerstellen zwischen erklärtermaßen antibolschewistisch eingestellten und prosowjetischen Russen im Café Léon am Nollendorfplatz/Ecke Bülowstraße beschreibt Arbatov ausführlich in seiner Momentaufnahme Nollendorfplatz-Café, wie es die Berliner Russen nannten.500 Arbatov war der Sekretär des Bundes russischer Schriftsteller und Journalisten in Deutschland, der seine Mitglieder sowohl finanziell als auch mit praktischen Hinweisen im Hinblick auf Aufenthaltsgenehmigungen, Anmeldeformalitäten und juristische Fragen und vor allem bei der Wohnraumvermittlung unterstützte. Ausführlich schildert Arbatov in seinem Stimmungsbild das gespannte Verhältnis zwischen den Mitgliedern des Bundes russischer Schriftsteller und Journalisten und jenen Russen, die sich damals schon mit Rückkehrabsichten trugen, unter ihnen Viktor Šklovskij, Alexej Tolstoj, Alexander Drozdov, Herausgeber der Literaturzeitschrift Spolochi und Initiator der literarischen Gruppe um die Zeitschrift Vereteno [Die Spindel], sowie Andrej Belyj: »Wir wussten Bescheid über ihre häufigen Besuche in der sowjetischen Botschaft Unter den Linden und waren ziemlich besorgt darüber.«501 Wie das Bild dagegen aus der Sicht eines Umkehrwilligen aussah, verdeutlicht ein Beitrag in der Zeitschrift Beseda, in dem Andrej Belyj den Mangel an geistiger Nahrung und Originalität im Russischen Berlin beklagt: »Herrschaften! Man kann doch nicht ein kollektives Quatschen veranstalten, nur weil allen langweilig ist. […] Gebt mir Nahrung, geistige Nahrung!«502 Belyj machte darin keinen Hehl daraus, wie sehr ihm Russland fehlte und wie sehr ihm die sogenannte Kurfürstendamm-Stimmung der Berliner Russen zuwider war: 498 ›Dom Iskusstv v Berline‹, Bjulleten Dom Iskusstv Berlin (Knigoizdatelstvo Gelikon), Berlin, (17. Februar 1922) S. 22–26; siehe auch: Amory Burchard, Das russische Berlin. Mit Beiträgen von Mina Polianski, Marina Schubart, Ljudmila Duwidowitsch, Thomas Beyer, Wladimir Kaminer und Fritz Mierau (Berlin 2002), S. 32. 499 Waber, 1993, S. 5–9. 500 Z. Arbatov, ›Dnevniki. Vospominanija. Dokumenty. ›Nollendorfplackafe‹ (Literaturnaja Mozaika)‹, Grani. Žurnal literatury, iskusstva, nauki i obščestvenno-političeskoj mysli, Jg. 14, 1959, Nr. 41 (Januar–März), S. 106–122. 501 Ibid. 502 Belyj, 1923.

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Žar ptica im Vergleich mit Kunstzeitschriften des Russischen Berlin

»[…] Hier, in Berlin, fühle ich mich fremd, nutzlos und mißverstanden. Ich kenne die hiesige Jugend nicht. Es scheint mir, daß die Stimmung des Publikums eine ›Kurfürstendammstimmung‹ ist und daß meine Vorträge nur die kostbare ›Café Landgraf‹- bzw. ›Café Prag‹-Zeit des Publikums stehlen. Ich habe das Gefühl gehabt, daß bei meinem Vortrag einfach das falsche Publikum saß […]. Wie oft gingen meine Treffen mit dem Publikum aus dem heutigen Russland in eine Art Sich-einmal-miteinander-bekannt-machen über. Es wäre viel besser, wenn ich mit den Besuchern meiner Vorträge vorher ausmachen würde, daß es Unsinn ist, einen Vortrag zu halten, und daß wir sofort mit dem gemeinsamen Kaffeetrinken und Foxtrott-Schauen anfangen sollten. (Foxtrott muß man lernen, denn ohne Foxtrott kann man hier nicht überleben). […] Es scheint mir, daß der ›gestrige‹ Russe am Tauentzien flaniert, die Ausgaben von Olga Djakow liest und vor einem aphoristischen Gedanken Angst hat. Seine Sprache ist nicht reich an russischen Ausdrücken. […] Ihr Dichter ist Černyj. […] Unter der Kruste eines dogmatischen Berliner Publizisten versteckt sich nur Trauer. […] Natürlich geht man dann zu den Vertretern der russischen Kultur, zu den Gebrüdern Schriftstellern, Malern und Kritikern, die sich in irgendwelcher ›Diele‹ treffen. Ich bin in diese ›Diele‹ gegangen und habe dort mehrere Abende verbracht, aber ich kann mich an kein einziges Gespräch erinnern, an dem man sich hätte erwärmen können und worüber man überhaupt gesprochen hat. Über Honorare, den Eisgeschmack, kleine Zankereien, Gerüchte und sonst über nichts mehr. […] Es ist mir kalt in diesem warmen Kulturort des Berliner Russlands. […] Am Tischchen der Berliner russischen Bohème spürte ich nicht mal eine Einsamkeit, ich spürte Null, sogar eine Minus Null – eine negative Größe. Ich spürte, wie die schlimmsten Substanzen in meine Seele eindrangen, die mir nicht nur keine geistigen Impulse für das künstlerische Schaffen gaben, sondern mir meine wenigen Kräfte, die ich noch in mir fühlte, raubten. Diese Kräfte gab mir das russische Russland, wo es keine Feder, kein Papier und keine Möglichkeit zu arbeiten gab, das mich aber mit Energie auflud. […]«503

In Belyjs Einschätzung des Russischen Berlin kündigte sich bereits jene hoffnungslose Stimmung an, wie sie später im literarischen Almanach Čisla [Die Zahlen] des Russischen Paris anzutreffen ist. Repräsentativ dafür ist neben dem oben angeführten Artikel von Georgij Iwanov ein Beitrag von Ekaterina Bakunina, der über die abstürzende Qualität von literarischen Texten und die schwindenden Leseransprüche klagt:

503 Ibid.

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Scheuerstellen, Vernetzungen und Interaktion von Öffentlichkeiten

»[…] Jetzt sind die Bedingungen anders. Man beginnt zu schreiben, ohne daß man eine Hoffnung auf irgendetwas hätte, man weiß, daß die Stimme in der Leere erklingt. Es ist müßig, die Ursachen dieser Hoffnungslosigkeit aufzuzählen. Aber ihretwegen ist die Nachfrage nach Literatur überall herabgesunken, besonders in der Masse der russischen Emigranten. Mechanisch, nach dem Gesetz der Trägheit liest man noch den Schriftsteller, der zuvor in den Leserkern wie eine Samenzelle ins Ei eingedrungen war. Bei den Erfolgen der neuen Autoren gibt es zu oft einen Beigeschmack des Skandalösen. Und jene, die in die Tiefe gehen, braucht man überhaupt nicht. Sie sind überflüssig. […]«504

Auch Ilja Ehrenburg kam ins Nollendorfplatz-Café, wie Arbatov berichtet: »Mit gemischten Gefühlen sahen wir Ilja Ehrenburg in unserem Café auftauchen. Seine Bücher waren lebhaft geschrieben; er hatte durchaus Talent, und die literarische Exilpresse widmete seinen Schriften damals eine Menge Aufmerksamkeit. […] Doch wir alle wussten, daß er häufig direkt von unserem Café in die sowjetischen Botschaft eilte, wo er lange Nachmittage in dem geräumigen und dekorativ hergerichteten Arbeitszimmer des Kulturattachés verbrachte.«505 Aufgrund seiner redaktionellen Arbeit für Vešč verfügte Ehrenburg über Kontakte zu den Vertretern der internationalen Avantgarde, die sich im Übrigen ausgesprochen positiv zu den Leistungen ihrer russischen Kollegen äußerten. So lobte der Vertreter der holländischen De Stijl-Gruppe, Theo van Doesburg, 1922 die hervorragenden Arbeiten der Russen und ihres inoffiziellen Sprechers in Berlin, El Lissitzky:506 »In unserer Sache bekommen wir enorme Unterstützung durch die Russen; dagegen ist der Beitrag der Deutschen zaghaft und unscheinbar […], große Ereignisse stehen uns bevor.«507 Gleichermaßen beeindruckt war der Herausgeber der Dadaistischen Zeitschrift Merz, Kurt Schwitters. Die Prinzipien der Konstruktivisten seien unwiderstehlich, so Schwitters: Sie seien international in ihrer Orientierung, Oberflächlichkeit lehnten sie ab, und in ihrem Streben nach einer besseren Welt stellten sie die eigenen Bedürfnisse hintan; sie setzten auf internationale Kommunikation und vergaßen auch nicht den kleinen Mann.508 Ein Jahr später lud er Lissitzky ein, für Merz zu schreiben. In gemeinsamer Arbeit entstanden damals die Merz-Ausgaben

504 505 506 507 508

Ekaterina Bakunina, ›Dlja kogo i dlja čego pisat‹, Čisla – Sborniki literatury, iskusstva i filosofii [Die Zahlen – Jahrbücher für Literatur, Kunst und Philosophie], Band 6, Paris 1932, S. 255–256. Arbatov, 1959. Gwendolen Webster, Kurt Merz Schwitters. A Biographical Study (Cardiff 1997), S. 117–118. Kay-Uwe Hemken, El Lissitzky (Köln 1990), S. 29. Webster, 1997, S. 126–127.

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Žar ptica im Vergleich mit Kunstzeitschriften des Russischen Berlin

für Juli509 und Oktober 1923510, und im Juli 1924 gaben Schwitters und Lissitzky zusammen eine Merz-Doppelnummer511 heraus, von der es heißt, dass sie das bemerkenswerteste aller Merz-Hefte gewesen sei.512 Darüber hinaus schrieb El Lissitzky für Wischnitzer-Bernsteins Zeitschrift Milgrojm513 – übrigens als einziger Künstler, der jiddische Beiträge im Original liefern konnte. Indes stand Lissitzkys Vešč-Mitherausgeber Ilja Ehrenburg in Verbindung mit Le Corbusier und publizierte unter anderem in dessen Zeitschrift L’Esprit Nouveau.514 Kogan wiederum unterstützte Wischnitzer-Bernstein bei der künstlerischen Gestaltung ihrer Revue. Seine Verbindungen nach Sowjetrussland ergaben sich aus der früheren Zusammenarbeit mit Gorkis Verlag Vsemirnaja Literatura, als dessen Dependance sein Berliner Verlagshaus Russkoe Iskusstvo mit der Anschubfinanzierung des Narkompros gegründet worden war. An der Gründung von Vsemirnaja Literatura waren außerdem Grzhebin und Ladyžnikov beteiligt gewesen; beide Verleger besaßen Niederlassungen in Berlin, während Gorki zusammen mit Chodassevič von 1923 bis 1925 in Berlin die Zeitschrift Beseda herausgab. Grzhebins Verbindungen zum deutschen Druckereisektor liefen über die Spamersche Verlagsdruckerei in Leipzig, Kogans Kontakte zu deutschen Verlegern über Ullstein und Sanders.515 Zudem existierten Verbindungen zwischen Mosse und Znanija;516 Ullstein dagegen unterstützte nicht nur Kogans Verlag Russkoe Iskusstvo, sondern auch den Emigrantenverlag Slovo und den jiddischen Klal-farlag, eine Fortführung des Folksfarlag in Kiew.517 Darüber hinaus bestanden Kontakte zwischen russischen Künstlern und Berliner Kunstförderern, zu denen unter anderem Kogan mit seinen Abenden der russischen Kunst beigetragen hatte,518 wie der Bühnenzeitschrift Teatr i žizn zu entnehmen ist. Diese Zeitschrift ist beispielgebend für die Kooperation zwischen emigrierten Redakteuren und Korrespondenten im sowjetischen Russland. 1922 509 El Lissitzky, ›Topographie der Typographie‹, Merz, Nr. 4, Juli 1923, S. 47. 510 El Lissitzky, ›Proun [Stadt]‹, Merz Nr. 6, Oktober 1923, S. 1. 511 Merz, Nr. 8/9, 1924 (Nasci). 512 Webster, 1997, S. 155. 513 El Lissitzky, ›Wegn der mohilever schul‹, Milgrojm, Nr. 3 (1923), S. 9–13; englische Übersetzung: ›The Synagogue of Mohilev‹, in: Ruth Apter-Gabriel (Hg.), Tradition and Revolution. The Jewish Renaissance in Russian Avant-Garde Art, 1912–1928 (Jerusalem 1988), S. 233–234. 514 Elie [sic] Ehrenburg, ›Le théâtre russes pendant la Révolution‹, L’Esprit Nouveau, Dezember 1921, S. 1515–1519. 515 Evrejnov, 1949. 516 Stanka, 1960. 517 Fuks, 1988. 518 ›Vtoroj večer, Žar pticy‹, Teatr i žizn, Nr. 3 (November 1921), S. 8.

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Scheuerstellen, Vernetzungen und Interaktion von Öffentlichkeiten

entstanden berufliche Verbindungen zwischen Marc Chagall und Josef Budko und Hermann Struck; bei letzterem lernte Chagall die Kunst der Kaltnadeltechnik und des Radierens, die er später bei der Gestaltung seiner Autobiografie einsetzte. Ihre Veröffentlichung übernahm Paul Cassirer,519 der in Berlin nicht nur als Verleger tätig war, sondern auch als Kunsthändler und Mäzen zeitgenössischer Künstler aus ganz Europa.520 Dieser kurze Einblick in die Vernetzungen von russischen verlegerischen Initiativen in Berlin und damit einhergehend in das Ineinandergreifen von ihren Öffentlichkeiten und Teil-Öffentlichkeiten verdeutlicht, dass sich feldinterne Netzwerke hauptsächlich innerhalb von institutionalisierten Strukturen entwickelten, in denen private Interessen in den Hintergrund traten. Die Netzwerke hatten informellen Charakter, waren jedoch exklusiv und unterlagen einer eigenen Dynamik, die häufig dazu führte, dass sie durchlässiger wurden oder sich marginal überlappten, mit der Folge, dass sich kleinere Gruppen abspalteten, um sich anderen Strömungen anzuschließen, etablierte Grenzen niederzureißen und überkommene Haltungen zu korrigieren. Die Dauerhaftigkeit solcher Netzwerke hing nicht nur von dem kulturellen Kapital ab, das ihre zentralen Figuren und Akteure mitbrachten oder einwarben, sondern auch davon, welchen Zugriff sie auf öknomisches Kapital hatten und welcher Art ihre Verbindungen zu den politischen Machtfeldern waren. Erst die Kombination all dieser Faktoren und Voraussetzungen ließ jene internationale russische Kultur um Žar ptica und die anderen Kunstzeitschriften entstehen, in denen ideologische Spannungen zugunsten von Kreativität und geschäftlichen Interessen in den Hintergrund treten konnten: eine Kultur, die vorzugsweise durch das Bestreben russischer Akteure gekennzeichnet war, sich hier in Berlin einen gemeinsamen Publikationsraum außerhalb der Grenzen Russlands zu schaffen. Dabei unterscheiden sich die besprochenen Kunstzeitschriften von den übrigen Verlagsprodukten des Russischen Berlin durch die intensiven Bemühungen ihrer Herausgeber, die deutsche Hauptstadt als eine Plattform zu benutzten, um von hier aus ihre Manifeste einem internationalen Publikum zu verkünden, also ein bestimmtes Ideengut nicht nur mit ihren russischen Landsleuten zu teilen, sondern auch Öffentlichkeiten außerhalb der russischen Sprachgemeinschaft zugänglich zu machen. 519 520

Georges Charensol, ›Foreword‹, in: Marc Chagall, Ma vie, traduction de Bella Chagall, avec 31 dessins de jeunesse et 14 reproductions d’eaux fortes de L’auteur (Paris 1931), ohne Seitenangabe. Ein Fest der Künste. Paul Cassirer. Der Kunsthändler als Verleger, herausgegeben von Rahel E. Feilchenfeldt und Thomas Raff (München 2006); Emily D. Bilsky (Hg.), Berlin Metropolis: Jews and the New Culture, 1890–1918 (Berkeley, Los Angeles, London 1999), S. 42–67; Abraham Gilam, ›Erich Goeritz and Jewish Art Patronage in Berlin During the 1920s‹, Journal of Jewish Art, Vol. 11, 1985, S. 60–72.

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Žar ptica im Vergleich mit Kunstzeitschriften des Russischen Berlin

Auch diese Haltung resultiert, ähnlich wie der Anspruch, mittels einer Zeitschrift einen Ort der Versammlung zu schaffen, aus einem Presseideal, das in den jüdischen Lebenswelten seinen Ursprung hat: aus einem ausgeprägten Kommunikationsethos, das auf der Annahme beruht, das Verkündete sei sowohl für das eigene als auch das Interesse von anderen von Belang, und insofern als messianisch zu betrachten ist.

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KAPITEL 6

REZEPTIONSBEDINGUNGEN UND VERMÄCHTNIS ŽAR PTICA ALS PR-INITIATIVE In dem Bestreben, die Welt der russischen Kunst internationalen Öffentlichkeiten vorzustellen, war die Zeitschrift Žar ptica nicht das einzige Unternehmen, sondern Teil einer strategisch angelegten PR-Kampagne. Allerdings war sie das einzige Projekt, das von der sowjetischen Führung gefördert wurde, denn die wirtschaftliche Grundlage für die Eröffnung des Verlages Russkoe Iskusstvo, und damit für die Premiere von Žar ptica, hatte der Sovnarkom, der Rat der Volkskommissare, im April 1921 bereitgestellt und demzufolge das Zeitfenster für Kogans verlegerische Initiative in Berlin bestimmt. Den kulturellen Auftakt für die Premiere von Žar ptica im August 1921 lieferte dagegen eine Initiative, die hauptsächlich von emigrierten russischen Künstlern ausging: die Mir Iskusstva-Ausstellung vom Sommer 1921 in der Pariser Galerie La Boëtie.521 Diese Ausstellung, der die sogenannte Wiedergeburt der Mir IskusstvaGruppe in Paris522 vorausgegangen war, enthielt Arbeiten von Bakst, Benois, Kustodev, Grigoriev, Jakovlev, Šuchaev, Sudejkin, Sorin, Lukomskij, Larionov, Remisov und der Gončarova; sie war gut besucht und bekam ausgezeichnete Kritiken in der französischen Presse.523 Vier ihrer Gemälde erwarb damals das Palais du Luxembourg im gleichnamigen Park des VI. Arrondissements, wie einem Bericht von Lukomskij524 zu entnehmen ist, worin der Žar ptica-Mitherausgeber zudem ankündigt, dass die Ausstellung demnächst auch in Berlin gezeigt werde.525 Neben Žar ptica als Periodikum planten Kogan und Lukomskij die Herausgabe von Kunstmonografien zum Werk von Bakst und Somov sowie zwei weitere Bände über die russische Kunst des 15. bis 17. Jahrhunderts (zu verfassen von Stelleckij) 521

George Loukomsky (Hg.), L’art Russe à Paris en 1921. Exposition des Artistes Russes à Paris en 1921, organisée par les membres et exposants de la société Mir Isskousstva (Monde artistes) a la Galerie ›La Boëtie‹ (Paris 1921), ohne Seitenangabe. 522 Léonce Bénédite, Rede zur Eröffnung der Mir Iskusstva Ausstellung (ohne Titel), in: ibid., 1921, ohne Seitenangabe. 523 G. Lukomskij, ›Mir iskusstva‹, Žar ptica, Nr. 1, August 1922, S. 17–18. 524 Ibid. 525 Ibid.

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Rezeptionsbedingungen und Vermächtnis

und über das alte Kiew, das alte Petersburg und das alte Moskau (zu erstellen von Lukomskij). Diese Bände sollten die beiden Ausstellungen flankieren und dem Werk russischer Künstler zu noch größerer Publizität verhelfen.526 Doch ihre He­ rausgabe verzögerte sich (siehe Kapitel 4), und so kam zunächst Lukomskijs Revue L’Art Russe auf den Markt, die illustrierte Beiträge von erstklassigen Experten zu folgenden Rubriken ankündigte: 1.  Ausstellungen und Chroniken russischer künstlerischer Tätigkeit in Europa und Amerika, 2. Bibliografien russischer Kunstausgaben, 3.  Versteigerungen russischer Kunstwerke, 4.  Chronik, Pressespiegel, Rossica.527 Kurze Zeit später trat in Berlin Kogan an die Öffentlichkeit mit seiner Zeitschrift Žar ptica, deren Profil sich an ähnlichen Vorgaben orientierte:528 1. Leben und Schaffen russischer Künstler im Ausland, 2. Durch die Ateliers russischer Bildhauer, 3.  Das alte Russland, 4.  Beiträge über russische Architektur unter Überschriften wie Die Klöster, Unsere Festungen, Bauwerke unserer Meister aus dem XVIII. Jahrhundert, Russische Izbas [Bauernstuben], Zarenpaläste, 5.  Kunstwunder aus russischen Palästen, 6. Russische Museen (der Haupt- und Provinzstädte), 7. Russische Schauspieler sowie Charakteristika des russischen dramatischen Theaters und der russischen Oper, 8.  Russische Trachten, 9.  Russische Bücher, 10.  Russische Tänze (Volkstänze).529 Obwohl Kogan letztlich nicht all diese Themen aufgreifen konnte, erschien die Herausgabe seiner Zeitschrift in Berlin schon allein deswegen angebracht, als die geplante Mir Iskusstva-Ausstellung hier nicht zustande kam und deutschsprachige Zielgruppen, bei denen »die russische Kunst«, wie Kogan im Geleitwort feststellt, »leider nur wenig bekannt«530 war, nun wenigstens über Žar ptica erreicht werden konnten. Die Aufgabe, deutsche Leserkreise zu erschließen, schien wie geschaffen für Kogan, den erfahrenen Journalisten, Verleger und Buchkünstler, der zudem am Petersburger Konservatorium Musik und Tanz studiert hatte, Deutsch sprach und auch in Deutschland bereits einen Namen hatte als Mäzen der Bruderschaft zwischen bildenden und darstellenden Künsten.531 Žar ptica stellt sich damit nicht nur als ein sowjetisches Projekt zur Förderung der Buchproduktion im neuen Russland heraus, sondern auch als eine von mehreren Initiativen zur Förderung der russischen Kunst im Ausland, die von emigrierten 526 Loukomskiy, 1921. 527 Ibid. 528 Ibid. 529 Ibid. 530 ›Zum Geleit‹, Žar ptica, Nr. 1, 1921. 531 Evrejnov, 1949.

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Žar ptica als PR-Initiative

Künstlern und Kunstkritikern in Paris ausgingen und sich an Zielgruppen in Europa und Amerika richteten. Bei dieser Initiative waren die Hauptakteure Kogan und Lukomskij auf die Zusammenarbeit mit russischen Künstlern und international anerkannten Kritikern angewiesen, von denen sich die meisten in Paris aufhielten. Somit war der Erscheinungsort Berlin – neben der aussichtsreichen Kooperation zwischen sowjetischen und emigrierten Russen  – eher in den günstigen verlegerischen und wirtschaftlichen Voraussetzungen in Deutschland begründet, in der Anwesenheit von russischen Übersetzern sowie in dem Umstand, dass Žar ptica von hier aus kos­ tengünstig ins Ausland versandt werden konnte, als im Vorhandensein von Künstlern, Kritikern und einer Leserschaft vor Ort, die jeder neuen Nummer womöglich ungeduldig entgegenfieberte. Wenn es eine solche Leserschaft überhaupt gab, war sie allenfalls in Paris anzutreffen, wo Diaghilev bereits 1906 den »Schleier vor der russischen Kunst gelüftet«532 und das Interesse der französischen Öffentlichkeit für das künstlerische Schaffen russischer Meister geweckt hatte. Damals, so stellte der französische Kunstkritiker Arsène Alexandre in seiner Rede zur Eröffnung der Mir Iskusstva-Ausstellung fest, hatten die Franzosen zum ersten Mal »die grandiose Wildheit eines Wrubel, die raue Idylle eines Roerich, die fantasievollen Einfälle von Benois, die Feinfühligkeit von Somov, die Poesie und Sinnlichkeit von Bakst gespürt, und gemeint, die russische Kunst zu verstehen. Wie eitel und nativ sie waren!«533 Seitdem waren 15 Jahre vergangen, in denen Europa viel über die Welt der russischen Kunst gelernt hatte. Allerdings schwebe heute, wie der französische Kunsthistoriker Léonce Bénédite in seinem Grußwort zu bedenken gab, wieder ein neues Geheimnis über jenem Land hinter der Weichsel und dem Nordmeer, von dem Frankreich derzeit durch den Eisernen Vorhang abgeschnitten sei, weswegen es der russischen Musiker, Tänzer und Künstler bedürfe, um an das lebende Russland zu erinnern:534 »[…] Dabei ist es nicht nur das politische und wirtschaftliche Interesse, das uns an das Riesenreich des europäischen ›Orient‹ bindet, sondern die tiefe Empathie des französischen Geistes gegenüber der slawischen Seele. […] dieser Sinn für Widerstände, das seltene Gefühl für Nuancen, diese unnachahmbare Natürlichkeit, die Beweglichkeit, die uns fehlt, die außergewöhnliche Aufnahmefähigkeit für die Schauspiele sowohl des Lebens als auch der Natur, dieser 532 Arsène Alexandre, ›L’art Russe à Paris en 1921‹, in: Loukomsky, 1921. 533 Ibid. 534 Bénédite, 1921.

161

Rezeptionsbedingungen und Vermächtnis

Realismus, der mächtig ist und unschuldig zugleich […] diese Flut von altruis­ tischen und evangelisierenden Ideen, diese ganze tiefe Ursprünglichkeit der slawischen Seele verführen uns und fesseln uns. Bereits Renan äußerte sich über die starke Affinität der lateinischen Völker gegenüber den slawischen Völkern. […]«535

Die Leistungen russischer Künstler, insbesondere der Mir Iskusstva-Gruppe, bei der Gestaltung von Theaterdekorationen und Buchillustrationen würdigte bei der Ausstellungseröffnung auch der Pariser Kunstkritiker Louis Réau.536 Den Ursprung dieser Orientierung sieht er in ihrem Sinn für Tradition, ihrer besonderen Fähigkeit, mit leuchtenden Farben umzugehen, wie sie in der Ikonenmalerei und der bäuerlichen Heimkunst (Koustari) vorkommen, aber auch in ihrem Talent zur raschen Improvisation und ihrer relativen Gleichgültigkeit gegenüber dem technischen Fortschritt. Wirtschaftliche Gegebenheiten waren seiner Ansicht nach ebenfalls von Belang; Gemälde verkauften sich nur schwer in Russland, wo Kunstliebhaber eher die ausländischen Meister bewunderten, weswegen russische Künstler gezwungen waren, andere »Ventile« für ihre Kreativität zu finden. Dies gelang ihnen, als sie ihr Talent in den Dienst von Theaterdekoration und Buchschmuck stellten, und genau diese Themen hatten in Frankreich am meisten beeindruckt.537 Als Beispiel führt Réau die Malkunst von Benois, Bakst, Roerich, Sudejkin und Gončarova an, die im Vergleich zu ihren Theaterdekorationen und -kostümen sehr viel weniger vom Talent dieser Künstler preisgebe, weswegen eine Ausstellung über moderne russische Kunst nicht vollständig sein könne, solange sie nicht auch Proben von Bühnenkunst und Buchschmuck enthalte.538 Dass genau diese beiden Themen  – Bühnenkunst und Buchschmuck – den Abbildungsteil von Žar ptica bestimmen, ist also kein Zufall. Vielmehr sollte das Werk russischer Künstler, die sich diesen Themen verschrieben hatten und bei der französischen Öffentlichkeit schon seit geraumer Zeit beliebt waren, nun auch der deutschsprachigen und englischsprachigen Welt vorgestellt werden, was unter anderem erklärt, dass der internationale Teil von Žar ptica zwar deutsche und englische, aber keine französischen Beilagen enthielt.

535 Ibid. 536 Louis Réau, ›Le Groupe du Mir Iskousstva [sic]‹, in: Loukomsky, 1921. 537 Ibid. 538 Ibid.

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LESERSCHAFT UND VERTRIEB Die heftige Kritik der Berliner russischen Kolonie gegenüber Žar ptica, wie sie 1922 in Rezensionen und Leserbriefen zum Ausdruck kam (vgl. Kapitel 2), beweist immerhin, dass die Zeitschrift im Russischen Berlin tatsächlich gelesen wurde. Dies konnte nun freilich nicht im Hinblick auf ihr deutsches Umfeld behauptet werden, denn hier gelang es Žar ptica kaum, den im Geleitwort539 geäußerten Wunsch des Herausgebers zu erfüllen, dass seine Zeitschrift in Deutschland viele Freunde finden möge, und dies trotz der passablen deutschen Übersetzungen von ausgewählten Beiträgen und Kogans öffentlichkeitswirksamen Bemühungen, Verbindungen zwischen russischen Künstlern und deutschen Lesern zu schaffen. Die Ursachen sind in der mangelnden Vorbildung deutscher Rezipienten zu vermuten, liegen also nicht allein in den von vornherein separat angelegten Produktions- und Rezeptionsbedingungen: Dort in Paris die Initiative zur Revue, ersonnen von Kunstkritikern und flankiert von Ausstellungen vor Ort sowie einem durch die Saisons Russes vorgebildeten Publikum, »für die jede weitere Ausstellung ein Fest« bedeutete540; hier in Berlin die günstigen wirtschaftlichen Voraussetzungen für Verlagsgeschäft und Versand, mit Experten, die sich mit Buchschmuck und Kunstdruck auskannten, hervorragenden typografischen Gestaltungsmöglichkeiten durch neues­ te Technik im Druckgewerbe sowie den Aussichten einer fruchtbaren Zusammenarbeit mit deutschen Verlegern, aber mit einer kaum vorgebildeten bis gleichgültigen Leserschaft, die der russischen Kunst kaum Interesse entgegenbrachte. Kurzum dort die Kunststadt Paris – hier die ehemalige Reichshauptstadt mit ihrer wilhelminischen Kunstpolitik, die sich nach 1918 erst neu zu orientieren suchte. Förderlich schien sich dabei auszuwirken, dass es in den zwei Jahrzehnten davor, ungeachtet der Zentralisierungs- und Reglementierungsbestrebungen des Kunstbetriebes seitens der Akademie der Künste und des preußischen Hofes, durch Kunsthandel und wachsende Ausstellungstätigkeit zu einer Öffnung in der Kunstpraxis gekommen war.541 Den Boden dafür hatte die Tätigkeit der Berliner Sezession bereitet – einer hauptsächlich aus jüdischen Malern und Bildhauern bestehenden Gruppe in Berlin, unter ihnen Max Liebermann, Lovis Corinth, Lesser Uri, Hermann Struck, Max Slevogt, Käthe Kollwitz, Heinrich Zille, Hans Baluschek, die sich 1898 von dem bis dahin herrschenden akademischen Kunstbetrieb abgespalten hatte und haupt-

539 540 541

›Zum Geleit‹, Žar ptica, Nr. 1, 1921. S. Lisim, ›Russkaja vystavka i russkie chudožniki v Pariže‹, Teatr i žizn, Nr. 7, (Januar 1922), S. 16. Petra-Regine Dehnel, ›Die russische Kunst der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts im Spiegel der zeigenössischen deutschen Kunstjournale‹, Germano-Slavica. A Canadian Journal for Literary, Linguistic and Cultural Perspectives, Vol. 7, 1990, S. 365–381.

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sächlich von jüdischen Finanziers und Geschäftsleuten gefördert wurde.542 Eine zentrale Rolle spielte zudem die gezielte Vermittlung des Verlegers, Kunsthändlers und Galeristen Paul Cassirer und seines Vetters Bruno Cassirer, noch unbekannte Künstler aus ganz Europa und vor allem aus Frankreich in ihrer Galerie auszustellen und zu unterstützen. Die Cassirers wurden damit nicht nur zu Förderern des Impressionismus in Berlin,543 sondern auch zu Schlüsselfiguren eines Geschehens, das als Kulturtransfer zwischen Frankreich und Deutschland über die staatlichen und politischen Gegensätze jener Zeit hinweg die bildenden Künste zu einem grenzüberschreitenden Medium machte,544 und die mit ihrem Mäzenatentum revolutionärer Stilrichtungen maßgeblich zu einem Wandel in der Kunstauffassung des Berliner Publikums beitrugen.545 Doch was die russischen Meister betraf, so traf Žar ptica 1921 praktisch auf eine unvorbereitete Öffentlichkeit, denn bis auf wenige persönliche Ausstellungen von Archipenko, Chagall und Boguslavskaja hatte es bis zur Ersten Russischen Kunstausstellung vom Oktober 1922 in Berlin keine größeren Ausstellungen russischer Meister gegeben.546 Das Pariser Publikum dagegen kannte sie seit 1906, und zwar nicht nur durch Diaghilevs Herbstsalons und Ballets Russes-Produktionen, sondern durch fünf weitere russische Kunstausstellungen, die allein zwischen 1919 und 1921 in Paris stattgefunden hatten.547 Ebenso waren russische Meister in Venedig, London und Amsterdam ausgestellt worden, wobei allerdings lediglich Arbeiten von Künstlern gezeigt wurden, die emigriert waren, freiwillig oder gezwungenermaßen, zufällig oder aus Überzeugung. Dagegen thematisierte 1922 die Erste Russische Kunstausstellung in Berlin zum ers­ten Mal das Werk jener Künstler, die in der schweren Zeit von Revolution und Bürgerkrieg in Russland geblieben und dort schöpferisch tätig gewesen waren.548 542

Walter Rathenau, Richard Israel und die Bankiers Julius Stern und Carl Fürstenberg trugen maßgeblich zur Finanzierung des am 19. Mai 1899 eröffneten Gebäudes bei. Vgl.: Vera Gorodzinski, ›Jews in the Avant-Garde in Fin-de-Siècle Paris and Berlin‹, unveröffentlichter Vortrag, gehalten auf der Konferenz Jews, the Arts, and Scholarship. Production and Reception der British Association for Jewish Studies, 11.–13. Juli 2007; Adolf Donath, ›Der Berliner Kaufmann als Kunstfreund‹, in: Berlins Aufstieg zur Weltstadt. Ein Gedenkbuch. Herausgegeben vom Verein Berliner Kaufleute und Industrieller aus Anlass seines 50-jährigen Bestehens. Mit Beiträgen von M. Osborn, A. Donath und F. Feldhaus (Berlin 1929), S. 241–310. 543 Gilam, 1985. 544 Peter-Klaus Schuster, ›Geleitwort‹, in: Feilchenfeldt, Raff, 2004, S. 9–10. 545 Gilam, 1985. 546 G. Lukomskij, ›Russkaja vystavka v Berline‹, Argonavty. Illjustrirovannye sborniki po voprosam izobrazitelnogo iskysstva i muzejnoi žizni (Petrograd), Nr. 1 (1923), S. 68–69. 547 Ibid. 548 Ibid.

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Doch die Berliner zeigten sich wenig beeindruckt. Die Berliner Tagespresse reagierte lauwarm,549 die Kunstpresse distanzierte sich550 und die breite Öffentlichkeit hielt sich zurück. Am 2. November 1922 berichtete Lukomskij aus Berlin, dass er am 15. Ausstellungstag das Ticket mit der Nummer 1697 erhalten habe. Dagegen habe die Pariser Mir Iskusstva-Ausstellung von 1921 zwei Wochen nach ihrer Eröffnung bereits 15.000 Besucher gezählt.551 Ähnlich zurückhaltend war in Deutschland die Rezeption der Ballets Russes-Produktionen gewesen und dementsprechend gering die Kenntnis der szenografischen Kunstwerke von Diaghilevs Gestaltern. Musikkritiker schrieben dies dem Umstand zu, dass in Deutschland eine andere Herangehensweise an den Tanz als Kunstform geherrscht habe als beispielsweise in Frankreich, Großbritannien oder Österreich.552 Dies wirkte sich offenbar nachteilig auf Kogans Zeitschrift Žar ptica aus und machte es ihr schwer, Freunde zu finden an ihrem Verlagsort Berlin, wo die technische Perfektion ihrer Aufmachung stets mehr beeindruckte als das ästhetische Programm ihrer Mir Iskusstva-Protagonisten. Dass in Deutschland die Aufmachung von Žar ptica besonders geschätzt wurde und die Zeitschrift schließlich als ein Meisterwerk von Grafik und Buchkunst in die Annalen eingegangen ist, beruhte zudem auf der im Vorfeld geleisteten Arbeit des seit 1910 bestehenden Vereins Deutsche Buchkünstler. Dessen Engagement war es zu verdanken, dass es in den 1920er-Jahren zu einer regelrechten Blütezeit der deutschen Buchkunst kam, in die prompt das Erscheinen der Zeitschrift Žar ptica fiel, die mit ihrem harmonischen Layout, ihrer Vornehmheit und Pflege von ornamentalen Reizen in der Einbanddekoration in Verbindung mit bestem Material ganz und gar den Idealen der deutschen Buchkunst entsprach.553 Im Hinblick auf die in seiner Zeitschrift ausgestellten Farbtafeln und Fotografien von Dekorationen und russischen Tänzern konnte Kogan eine bessere Vorbildung bei britischen und amerikanischen Zielgruppen vermuten. In London gehörten Ballets Russes-Gastspiele seit 1911 zu den unverzichtbaren Bestandteilen der Theatersaison,554 und seit 1916 trat das Russische Ballett auch in den Vereinigten Staaten auf. Einem Bericht der Zeitschrift Teatr i žizn zufolge, verwandelte sich 549 Ibid. 550 Westheim, 1922. 551 Lukomskij, ›Russkaja vystavka v Berline‹, 1923. 552 Paul Bechert, ›The Diaghileff Ballet in Vienna‹, Christian Science Monitor (vom 14. Januar 1928). 553 Julius Zeitler, ›Neuzeitliche Buchkunst in Deutschland‹, in: Europäische Buchkunst der Gegenwart. Herausgegben vom Verein ›Deutsche Buchkünstler‹ Leipzig für die PRESSA in Köln (Leipzig 1928), S. 15–19. 554 L[eri], ›Balet. Russkij balet v Londone‹, Teatr i žizn, Nr. 1–2 (Oktober 1921), S. 11.

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die abwartende Kühle der »sachlichen und geschäftstüchtigen Amerikaner« gegenüber der Truppe bei den ersten Vorstellungen von Scheherazade und Kleopatra gegen Ende der Spielzeit in eine jugendliche Verliebtheit, was die vielen wohlmeinenden Rezensionen bestätigten.555 Auch das Londoner Publikum zeigte sich, wie aus den Briefen an die Redaktion von Teatr i žizn hervorgeht, gegenüber den Ballets Russes-Produktionen aufgeschlossen und tolerant. Es liebte die frühen Inszenierungen Fokines, beispielsweise für Petruschka, Les Sylphides, Scheherazade, Kleopatra, Carneval, Feuervogel und die Polowetzer Tänze.556 Kritisch geäußert hatten sich die Londoner allerdings zu den szenografischen Innovationen Larionovs für Šut [Der Narr] und die Choreografie Massines, was auf einen eher konservativen Publikumsgeschmack hindeute.557 Vielleicht auch deswegen hatte Diaghilev davon Abstand genommen, neue szenografische und choreografische Formen zu propagieren, wie sie typisch waren für Šut, und sich mit der Produktion von Dornröschen wieder den klassischen Traditionen des Russischen Balletts zugewendet.558 Unkenntnis, so schreibt ein zweiter Teatr-Korrespondent, herrsche dagegen im Hinblick auf das russische Theater, das den Briten lediglich aus den Opern- und Ballettaufführungen von Diaghilevs Truppe bekannt sei.559 Daher habe sich bei ihnen offenbar die einseitige Sichtweise etabliert, die Grundlage der russischen Theaterkunst sei vor allem eine fantasievolle und farbenfreudige Pracht, »eine asiatische wilde Buntheit«, die man im Bühnenbild zu erkennen vermeine.560 Doch über die Seele des russischen Theaters – das russische Drama – wisse der Brite nichts.561 Seine Einstellung zum Theater sei geprägt von »Geringschätzung, Lächerlichkeit und einem gewissen Theaterkommerz«, mit dem er über das Schicksal von Schauspielern, Theaterstücken und Regisseuren urteile.562 Insgesamt sei die Kenntnis des »kontinentalen Theaters« bei den Briten »sehr schwach«, weswegen aus dem Repertoire des neueren russischen Theaters der letzten drei Jahre nur zwei Stücke zur Aufführung gelangt seien: Der Revisor und Der lebende Leichnam [živoj trup].563 555 Z. Arbatov, ›Amerika i russkoe iskusstvo‹, Teatr, Nr. 11 (Juni 1922), S. 4. 556 L[eri], ›Balet. Russkij balet v Londone‹, 1921. 557 Ibid. 558 ›Pariž. Russkij balet Diaghileva‹, Teatr, Nr. 15 (ohne Monats- und Jahresangabe), S. 18. 559 F. Komissarževskij, ›Russkoe iskusstvo v Londone. Trete pismo iz Londona‹, Teatr, Nr. 14 (ohne Monatsangabe, 1922), S. 11. 560 Ibid. 561 Ibid. 562 F. Komissarževskij, ›Russkij teatr v Anglii. Pisma iz Londona. Pismo pervoe‹, Teatr, Nr. 11 (Juni 1922), S. 13. 563 Ibid.

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Ganz andere Bedingungen herrschten dagegen in Frankreich, wo »die russischen Dichter, die Puschkins, Gogols, Turgeniews, die Dostojewskys und Tolstois, um nur die wichtigsten zu nennen, nicht weniger bekannt sind als die Literaten des eigenen Landes«.564 Zuzuschreiben war dies nach Auffassung von Bénédite der besonderen Aufgeschlossenheit der Pariser Öffentlichkeit gegenüber den Werken russischer Künstler, die »in dieser Ausstellung wie in einem Lieblingsbuch die klangvollen Echos und schillernden Reflexionen der slawischen Seele«565 entdecke. Die Franzosen schätzten das Talent von Larionov, Gončarova, Sudejkin und Grigoriev, das typisch Russische566 und das essenziell Slawische in den Schöpfungen dieser Künstler, ihre besondere Linienführung, Form und Farbgebung, ihre Theaterdekorationen und Kostüme, die neben einer modernistischen Schrillheit eben auch die Traditionen der Ikonen- und Wandmalerei bzw. der byzantinischen Malerei in sich aufgenommen und bewahrt habe.567 Doch uneingeschränkten Zuspruch für das Werk russischer Künstler hatte es in Paris nicht gegeben. Immerhin galten auch hier einige Ballets Russes-Produktionen zunächst als misslungen, beispielsweise Le Sacre du Printemps,568 das bei seiner Erstaufführung von 1913 durchfiel569 und erst 1923 als musikalisches und choreografisches Meisterwerk anerkannt wurde. Ebenso war dem 1917 uraufgeführten Ballett Parade in der Szenografie Picassos und der Choreografie Massines kein unmittelbarer Erfolg beschieden gewesen.570 Diese kurze Rezeptionsgeschichte im Spiegel der Äußerungen französischer Kunst­ experten und der Beiträge von Teatr bzw. Teatr i žizn deutet darauf hin, dass die Erfolge und Misserfolge russischer Künstler im Ausland einen eher konservativen Publikumsgeschmack erkennen ließen, der offenbar Kogan bei seiner Materialauswahl für Žar ptica beeinflusste. Denn bei seinem ausgestellten Bildmaterial konzentrierte er sich auf das Frühwerk der Mir Iskusstva-Gruppe und jene Ballets Russes-Produktionen aus den Jahren 1909–1917, die hauptsächlich in Zusammenarbeit mit russischen Künstlern entstanden waren, während er die nach 1917 in Zusammenarbeit mit den Künstlern der internationalen Avantgarde geschaffenen Produktionen vernachlässigte. 564 Bénédite, Mir Iskusstva-Ausstellung, Paris, 1921. 565 Ibid. 566 Denis Roche, ›L’Exposition du Mir Iskoustva‹, in: Loukomsky, 1921, ohne Seitenangabe. 567 Louis Vauxcelles, ›L’art Russe à Paris en 1921‹, in: Loukomsky, 1921, ohne Seitenangabe. 568 Jacques Émile Blanche, ›Un bilan artistique de 1913. Les Russes. Le Sacre du Printemps‹, La Revue de Paris, Nr. 6 (November–Dezember 1913), S. 517–534. 569 W. Svetlov [sic], ›Diagilevs neue Inszenierungen‹, Zlatocvet Nr. 1, 1924, S. 18–19. 570 Sarah Woodcock, ›Ballets Russes Costumes and the Art of Design‹, in: Alston Purvis, Peter Rand, Anna Winestein (Hg.), The Ballets Russes and the Art of Design (Singapore 2009) S. 40–53; siehe auch Informationsblatt der Ausstellung ›Les Ballets russes‹, BnF. (Paris 2009/2010).

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Dass die Ballets Russes-Rezeption im Ausland Kogan als Barometer für das zu erwartende Interesse an seiner Zeitschrift diente, ist außerdem an seiner Vertriebspolitik erkennbar. So waren die Absatzmärkte von Žar ptica weitgehend identisch mit den Gastspielorten und Erfolgsstationen von Diaghilevs Truppe: In Paris hatten die Aufführungen jedes Jahr stattgefunden, in London fast jedes Jahr. Darüber hinaus hatte es in den zehn Jahren zuvor Gastspiele gegeben in Brüssel (1910), Berlin (1910, 1912, 1914), in den USA (1916 und 1917) sowie in Buenos Aires (1912 und 1917). An all diesen Orten wähnte Kogan Leser mit Vorkenntnissen, weswegen er dort seine Vertriebspartner wählte: In Frankreich und Belgien erfolgte der Vertrieb über die Pariser Niederlassung des Verlages Russkoe Iskusstvo, die Société Moskva und die Société N. P. Karbasnikoff, in den Vereinigten Staaten über die Brentanos Booksellers in New York und Washington, in Großbritannien und Irland über Marc Wilenkin’s Agency of Russian Newspapers and Periodicals und in Südamerika über die Gregorio A. Kassian Import of Russian Books, Music and Home-Industry Agentur in Buenos Aires. Mithilfe dieses umfangreichen Vertriebsapparates erreichte Žar ptica trotz der geringen Auflage von 300 Exemplaren571 weite Leserkreise und einen außergewöhnlichen internationalen Bekanntheitsgrad. Anhaltspunkte dafür, dass Žar ptica in Russland vertrieben und gelesen wurde, gibt es nicht, was im Übrigen eine weitere Parallele zu Diaghilevs Ballett darstellt, das niemals in Russland auftrat. Dass Žar ptica praktisch im Format eines Kunstbandes erschien, aber dennoch den Status einer Zeitschrift besaß und als solche ins Ausland versendet werden konnte, sparte dem Verlag den damals für großformatige Bände und Bücher üblichen Exportaufschlag von bis zu 100 Prozent des Ladenpreises.572 RUSSISCHE KÜNSTLER ALS ANIMATEURE Diese günstigen Produktions- und Vertriebsbedingungen trugen zusammen mit Kogans anderen verlegerischen Initiativen maßgeblich dazu bei, dass die Kreationen russischer Künstler – einst vorgestellt durch Diaghilevs Herbstsalon und die Aufführungen der Ballets Russes – nun im Ausland erneut Beachtung fanden. Erst jetzt konnte sich ihre Wirkungsgeschichte, die bereits vor dem Ersten Weltkrieg ihre Spuren in der Szenografie, Haute Couture573 und Innenraumgestaltung hinterlassen hatte, entfalten. Doch wie nachhaltig russische Künstler das westliche Savoir-vivre bis weit in die 1920er-Jahre hinein prägen sollten, konnte Diaghilev 1910 noch nicht ahnen, als er feststellte:

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Feliks Moiseevič Lurie, Žurnal Žar ptica. Annotirovannaja chronologičeskaja rospis (St. Petersburg 1999), S. 6. ›Uslovija eksporta knig iz Germanii‹, Novaja Russkaja Kniga, Nr. 5 (Mai 1922), S. 26. Mary E. Davis, Ballets Russes Style. Diaghilev’s Dancers and Paris Fashion (London 2010).

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»[…] In den Aufführungen unseres klassischen Balletts bildet der Tanz nur eine Komponente. Doch der Wandel, den wir im klassischen Ballett bewirkt haben, betrifft nicht allein den Tanz, sondern auch die anderen Aspekte einer Produktion: die Bühnendekoration und Kostümgestaltung […].«574

Vorausgegangen war dieser Äußerung der spektakuläre Erfolg der beiden orientalischen Ballette Kleopatra (1909) und Scheherazade (1910), deren Dekorationen von Léon Bakst, dem vielleicht einflussreichsten russischen Künstler, stammten. Baksts exotische Kostüme und Bühnenbilder für Kleopatra hatten bereits für großes Aufsehen gesorgt. Doch erst die Aufführung von Scheherazade ein Jahr später brachte eine Palette an Farben, Formen und Stoffen hervor, wie sie die Pariser Öffentlichkeit bis dahin nicht gekannt hatte, und inspirierte gleichermaßen die Bühnenkünstler und Modedesigner der Stadt, den Kreationen von Bakst nachzueifern.575 Nach Auffassung von Bakst besaß jede einzelne Farbe eine Reihe von Schattierungen, mit deren Hilfe sich Offenheit und Keuschheit darstellen ließen, Sinnlichkeit und Grausamkeit, Stolz und Verzweiflung, und all diese Effekte waren auf das Publikum übertragbar.576 In Scheherazade konfrontierte er die Zuschauer mit einer nie da gewesenen Heftigkeit von Farben, indem er das Grün von Pfauenfedern und das Blau von Saphiren aufeinanderprallen ließ, was den Juwelier Cartier veranlasste, Smaragde und Saphire nebeneinanderzusetzen. Er schuf damit etwas, das es seit den mogulischen Herrschern nicht mehr gegeben hatte.577 Innovativ war in der Bühnengestaltung von Kleopatra und Scheherazade zudem die räumliche Aufteilung. Bakst war darauf bedacht, die Bühne nicht als eine Bildfläche erscheinen zu lassen, sondern als einen dreidimensionalen Raum, als ein Relief. Er ersetzte die herkömmlichen horizontalen Sequenzen durch diagonale Achsen und gestaltete den Bühnenraum mithilfe von volumetrischen Formen. Dieser Übergang von der zweidimensionalen zur dreidimensionalen Bühnengestaltung und damit einhergehend von der symmetrischen zur asymmetrischen Anordnung einer Dekoration kennzeichnete auch das Werk von anderen Künstlern der Mir Iskusstva-Gruppe wie Benois, Bilibin, Golovin, Roerich, Sudejkin und Dobužinskij, deren Engagement und Kompetenz in der Bühnenkunst heute um so bemerkenswerter erscheinen, als keiner von ihnen eine formale Ausbildung als Kunsthandwerker oder Bühnenbildner hatte. Sie alle gelangten zur Bühnengestaltung über den Weg der Studiomalerei.578 574 575 576 577 578

Sergej Diaghilev, 1910, Informationsstafel. ›Les Ballets russes‹, BnF., Paris, 2009/2010. Gabriel Mourey, ›Les Robes de Bakst‹, La Gazette du Bon Ton Vol. 1 Nr. 6 (April 1913), S. 165–168. Zitiert nach: Sergej Vasilevič Golynec, Lev Bakst. Zhivopis – Grafika (Moskva 1992), S. 32–36. Richard Buckle, Diaghilev (New York 1979), S. 171. John E. Bowlt, ›From Studio to Stage. The Painters of the Ballets Russes‹, in: Nancy van Nor-

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Dennoch hatte ihr Können großen Einfluss auf die Arbeiten französischer Bühnenkünstler, die »müde geworden bei ihrer Suche nach neuen Ideen, plötzlich die Pracht exotischer Farben entdeckten und dabei einer regelrechten Euphorie anheimfielen, welche letztendlich den sogenannten Ballets Russes Stil schuf, an dem sie bis Mitte der 1920er-Jahre festhielten«.579 Doch die Vorbildwirkung russischer Künstler beschränkte sich nicht auf Farbgebungen; sie erstreckte sich zudem auf die Auswahl von Textilien sowie die Aufteilung von Räumen. Der französische Kunstkritiker Léon Moussinac verweist in diesem Zusammenhang auf die Begabung russischer Künstler, einen Dekor »räumlich« erscheinen zu lassen und eine ganz besondere Beziehung herzustellen zwischen einem Darsteller und dem Raum, der ihn auf der Bühne umgibt, denn im russischen Theater, so Moussinac, gleiche die Bühne einem lebenden Organismus. Dagegen hätten es die Europäer nur bis zum Konzept eines solchen Organismus gebracht, dessen Maßstäbe jedoch beim Zusammenfügen der einzelnen Teile vernachlässigt. Daher müsse die vorrangige Aufgabe des europäischen Theaters nicht darin bestehen, die inkohärenten Teile einer Dekoration miteinander in Einklang zu bringen, sondern erst einmal darin, die Anzahl ihrer Unstimmigkeiten herabzusetzen.580 Hatten Bakst und die anderen russischen Dekorationskünstler mit ihren innovativen Gestaltungsmustern Juweliere, Modeschöpfer und Theaterkünstler in Frankreich bewogen, in ihren Kreationen neue Akzente zu setzen, so war es auf der anderen Seite des Ärmelkanals vor allem die Wohnkultur der oberen Mittelschicht, die unter dem Einfluss von Diaghilevs Designern einen Wandel erfuhr. Dieser Wandel vollzog sich hauptsächlich durch eine Wiederbelebung von ungewöhnlichen Kombinationen jener Elemente, welche die Grundprinzipien moderner Innenraumgestaltung bilden: Raumaufteilung, Farbe, Textilien und Beleuchtung. Der britische Kunstkritiker und Bühnengestalter Osbert Lancaster bestätigt, dass die exotischen Farbgebungen der Ballets Russes-Produktionen die Interieurs der Londoner Upper Middle Class insofern veränderten, als die blassen Pastelltöne aus den Wohnsalons von Mayfair verschwanden. Sie wurden ersetzt durch eine Palette von rebellisch-wild anmutenden Farben wie Jade-Grün, Purpur, Scharlachrot, und vor

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man Baer, The Art of Enchantment. Diaghilev’s Ballets Russes, 1909–1929 (San Francisco 1989), S. 44–59, hier: S. 49. Léon Moussinac, La Decoration Théatrale (Paris 1922), S. 51–52. Léon Moussinac, Tendances Nouvelles du Théâtre. Choix du décors, costumes, détails de mise en scène utilizes dans les representations les plus originales de ces quinze dernières années (Paris 1931), S. 21.

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allem Orange.581 Hatten zuvor in der Wohnkultur der Briten gedämpfte Pastelltöne wie Mondstein, Perlmutt, Elfenbein und das blasse Grün von Platanen geherrscht, so waren fortan satte Farben in schrillen Kombinationen angesagt. Praktisch über Nacht hielten die intensiven Blautöne von Türkisen, Lapislazuli und Saphiren Einzug in die britischen Salons, wo sie durch großzügige Beigaben aus Gold und Silber ergänzt wurden. Jetzt sah man leuchtende Rottöne, wie sie in Rubinen und Korallen anzutreffen sind, das Grün von Smaragden, Malachiten und Grünspan, alle möglichen Schattierungen von Orange, wie sie in Feueropalen, Zinnien und Ringelblumen vorkommen, sowie das intensive Violett und Purpur, das an Amethyst, Weintrauben und Auberginen erinnert.582 Zuvor galt es bei der Gestaltung von Innenräumen als exzentrisch, zwei Schattierungen derselben Farbe, beispielsweise Karmesin- und Zinnoberrot, nebeneinanderzusetzen. Dass Bakst und die anderen russischen Künstler solche Konventionen ignorierten, transformierte »nicht nur die Bühnenkunst, Mode und Buchproduktion«.583 Nach Auffassung des Kunsthistorikers und Kritikers Gabriel Mourey beeinflusste es auch die Mustergebung und Manipulation von Textilien. Stoffe, für die »in den leuchtenden Farben des Orient« geworben wurde, begannen neuerdings unter Namen wie Bagdad oder Tabadan die britischen Märkte zu frequentieren.584 Es entstand der Beruf des Innenraumgestalters, vorzugsweise als eine weibliche Domäne, der sich vom Theater schlechthin inspirieren ließ und ganz speziell an der Dekorationskunst der Ballets Russes orientierte: »Jedes Stuhlposter, jeder Lampenschirm und jedes Sofakissen erinnerte an die Visionen der Russischen Ballette, sowohl in ihrer griechischen als auch ihrer orientalischen Spielart«585, schilderte der britische Schriftsteller Sir Osbert Sitwell die Interieurgestaltung der Londoner oberen Mittelschicht. Baksts Interesse an der Kunst der Antike und des Orients hatte sich nach seiner Griechenlandreise von 1907 manifestiert, die er zusammen mit seinem Freund Valentin Serov unternahm586 und deren Eindrücke er nachfolgend in den griechischen Balletten Daphnis et Chloë (1910/1911), Narcisse (1911), L’Après-midi d’un faune (1912), 581 582

Osbert Lancaster, Home Sweet Home /So die 1948er-Edition/ (London 1939), S. 58. Martin Battersby, ›Diaghilev‹s Influence on Fashion and Decoration‹, in: Charles Spencer, The World of Serge Diaghilev, with contributions by Philip Dyer and Martin Battersby (London 1974), S. 149–162. 583 Ibid. 584 Zitiert in: Ibid. 585 Sir Osbert Sitwell, Great Morning! (Boston 1947), S. 258. 586 Pruzhan, 1988, S. 13.

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und den orientalischen Balletten Kleopatra (1909), Scheherazade (1910), Les Orientales (1910), Le Dieu Bleu (1912) und Thamar (1912) verarbeitete. Diese Griechenland-Reise stellt einen Wendepunkt im Schaffen von Bakst dar.587 Schon seit 1901 hatte Bakst die Bühnengestaltungen für klassische griechische Dramen am Petersburger Alexandrinskij-Theater übernommen,588 war also mit hellenischer Kunst hinreichend vertraut. Doch nach seiner Griechenlandreise wandelte sich seine Vorliebe für die Kunst des griechischen Altertums zu einer regelrechten Besessenheit – »jusqu’au delire«589, wie seine Zeitgenossen damals ironisch feststellten. Von all den Orten, die Bakst in Griechenland besuchte, beeindruckte ihn am stärksten der minoische Palast in Knossos auf Kreta, den einige Jahre zuvor der britische Archäologe Sir Arthur Evans ausgegraben hatte.590 In seinen Reisenotizen, die er 1923 im Berliner Slovo-Verlag publizierte,591 berichtet er voller Ehrfurcht über die Tausenden von unerwarteten, exotischen Farben, die unterschiedlichen Stimmungen am Morgen und am Abend, die durch das unaufhörliche Spiel des Windes hervorgerufen werden  – jedes Kapitel des kurzen Bandes beginnt mit einer ausführlichen Schilderung der durch die verschiedenen Windarten evozierten Atmosphären –, und das Schillern des südlichen Lichtes.592 So waren es nicht nur die leuchtenden Farben, die asymmetrische Raumgestaltung und die Ornamentierung bzw. Manipulation von orientalisch anmutenden Textilien, die Baksts Produktionen ihren spektakulären Erfolg bescherten, sondern eben auch jene Lichteffekte, die er gezielt einzusetzen wusste, um Stimmungen wie das Mysteriös-Unheilverkündende zu evozieren, so beispielsweise in den Dekorationen von Scheherazade und Thamar, in denen er das Publikum mithilfe einer ausgeklügelten Beleuchtungstechnik auf das dramatische Geschehen vorbereitete.593 In Scheherazade setzte er dazu zwei unterschiedliche Beleuchtungsschemata ein: Erstens eine Reihe von bronzenen Laternen, die an einer Kette aufgezogen waren und ihr Licht über die gemusterte Decke und die Trennwand aus Gaze sprenkelten, zweitens das Licht aus einer stärkeren Quelle, welche die spitzbogigen Türen im Hintergrund anstrahlte.594 587 Charles Spencer, Léon Bakst and the Ballets Russes (London 1973), S. 60–66. 588 ›Bakst on Classicism: »The Paths of Classicism in Art«. Léon Bakst, translated with an Introduction by Robert Johnson‹, Dance Chronicle, Vol. 13. 1990, Nr. 2, S. 170–192. 589 Auclair, Einführung zum Katalog der Ausstellung ›Les Ballets russes‹, BnF. (Paris 2009/2010). 590 Healy, Lloyd, 1990, S. 26. 591 Léon Bakst, Serov i ja v Grecii. Dorožnye zapisi (Berlin 1923). 592 Ibid., S. 10, 19, 22, 25, 33, 45, 51. 593 Alexandre Benois, ›Russkie spektakli v Parizhe‹ (»Scheherazade«), Rede vom 12. Juli 1910, zitiert in: Golynec, 1992, S. 32. 594 Golynec, 1992, S. 33–36.

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Russische Künstler als Animateure

Abbildung 15: Bakst, Bühnenbild und Kostüm für Scheherazade (Žar ptica Nr. 9, 1922).

Diese beiden unterschiedlichen Lichtquellen [Abbildung 15] verliehen dem über die Decke gestreuten Licht eine sehr weiche Qualität. Deren Zustandekommen beruhte darauf, dass mehrere Quellen gedämpften Lichtes in der Nähe des zu beleuchtenden Gegenstandes angebracht waren und der Gegenstand zudem aus anderen Richtungen und Entfernungen beleuchtet wurde, was einen nahezu schattenfreien Effekt ergab. Ein zweiter Effekt bestand darin, dass die Übergänge zwischen beleuchteten und dunklen Zonen fließend und daher kontrastarm waren. Dagegen kam das auf die spitzbogigen Türen gerichtete Fokuslicht aus einer starken Lichtquelle, die jedoch weiter entfernt war und somit schärfere Kontraste zwischen beleuchteten und schattierten Zonen hervorrief, was die dramatische Stimmung zusätzlich steigerte. Solche akzentuierten Beleuchtungstechniken fanden ebenfalls ihren Niederschlag in der britischen Wohnkultur. Sie bewogen die Briten – neben einer Reihe von anderen Begegnungen mit dem Orient –, die schattigen Interieurs des viktorianischen Englands hinter sich zu lassen und sich der Schönheit von Halbschatten­

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und diffusem Licht zu öffnen, die so typisch sind für den Orient.595 Doch ab Mitte der 1920er-Jahre verschwand die Vorliebe für orientalische Gestaltungsmuster wieder aus der Wohnraumkultur, teils aus Überdruss, teils weil neue Themen in der Luft lagen, die Ästhetik der Maschine zum Beispiel, die in den 1930er-Jahren dominierte. Zwar beeindruckten die Ballets Russes-Produktionen nach wie vor in Europa und Amerika, doch hatten ihre späteren Kreationen nur wenig Einfluss auf die dekorativen Künste.596 Nun erhebt dieser kurze Exkurs nicht den Anspruch, den Wandel westlicher Wohnkultur, Mode, Kunst und Theaterdekoration ausschließlich auf den Einfluss von Bakst und den anderer Ballets Russes-Künstlern zurückzuführen. Beigetragen haben dazu – neben einem länderspezifischen Orientverständnis, das aus Reisebeschreibungen und kolonialen Netzwerken resultierte – viele andere Ereignisse, so beispielsweise die Pariser Weltausstellung von 1900, wo zum ersten Mal Bauchtänzerinnen aus dem Orient zu sehen waren,597 oder die Entdeckung des nahezu unversehrten Grabes des altägyptischen Königs Tutenchamun598 durch den britischen Archäologen Howard Carter im Jahre 1922. Gezeigt werden sollte lediglich, dass Städte wie London und Paris bei der beschriebenen Transformation westlicher Lebenswelten eine besondere Rolle beanspruchen konnten: London als Rezeptionsort, in dem sich die Professionalisierung der Innenraumgestaltung als einer vorwiegend weiblichen Domäne vollzog, Paris als Ausgangspunkt für den Wandel in Haute Couture, Schmuckdesign und szenografischen Gestaltungsmöglichkeiten. Dagegen blieb Berlin von den Schöpfungen der Ballets Russes-Gestalter nahezu un­berührt.599 Bezeichnend dafür ist bis heute, dass London und Paris das 100. Jubiläum von Diaghilevs Unternehmen in Form der Ausstellungen Diaghilev and the Golden Age of the Ballets Russes, 1909–1929600 im Victoria & Albert Museum und Les Ballets Russes im Palais Garnier601 zelebrierten, Berlin jedoch diesbezüglich keine Aktivitäten zu vermelden hatte. Lediglich München und Wien begingen das Jubiläum mit der Ausstellung Schwäne und Feuervögel. Die Ballets Russes 1909–1929. Russische 595

Marie-Pierre Dubois Petroff, ›Lumière et culture‹, in: Esprit déco: Lumière naturelle (Avant-propos) (Paris 2009), S. 4. 596 Battersby, 1974, S. 149–162. 597 Vgl. hierzu: Wendy Buonaventura, Bauchtanz. Die Schlange und die Sphinx (München 1984). 598 Bevis Hillier, Art Deco of the 20s and 30s (London 1968), S. 52. 599 Spencer, 1974, S. 133. 600 ›Diaghilev and the Golden Age of the Ballets Russes, 1909–1929‹, Herbstausstellung im Victoria & Albert Museum (London, 25. September 2010 bis 9. Januar 2011), http://www.vam.ac.uk/exhibitions/future_exhibs/diaghilev/index.html. 601 ›Les Ballets russes‹, Bfn, Paris, 2009/2010.

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Bildwelten in Bewegung. Die genannten Ausstellungen würdigten nicht nur die Musikalität und Tanzleistung der Diaghilev-Truppe, sondern eben auch deren optische Begleitung durch die außergewöhnlichen Dekorationen und Kostüme russischer Künstler, die zusammen genommen die Vorstellung von einem Gesamtkunstwerk im Wagner’schen Sinne zuließen. Als bezeichnend für das perfekte Zusammenspiel von Musik, Choreografie und Dekoration wird bis heute immer wieder Der Feuervogel gepriesen, das der französische Kritiker Henri Ghéon folgendermaßen beschrieb: »[…] Die wurmartig drapierten, alt-goldenen Stoffe bilden einen fantastischen Hintergrund, der nach derselben Formel erfunden zu sein scheint wie das schillernde Gewebes des Orchesters. Und hört man dann zu, so entspringen ihm die Laute des kreischenden Zauberers, der schwirrenden Geister und amoklaufenden Wichtelmänner. Wenn der Vogel vorüberfliegt, so ist es wahrhaft die Musik, die ihn empor trägt. Strawinsky, Fokine und Golovin verschmelzen in meinen Augen zu einer einzigen Person.«602

Fasziniert hatten dabei das Publikum zwei Vorstellungen, die freilich der Überlieferung aus dem russischen Volksmärchen so nicht entsprachen: Zum einen die Konfrontation von Gut und Böse – hier der Feuervogel als gute Fee, dort das Ungeheuer Kastschej, der kreischende Zauberer – beide mythische, nicht menschliche, Figuren; zum anderen die erst neuerdings von den Künstlern der Mir Iskusstva-Gruppe gefeierte Prominenz des Feuervogels als Symbol unerreichbarer und unwiederbringlicher Schönheit, deren manigfaltige Erscheinungsformen Igor Strawinsky musikalisch mit Leben füllte, indem er sie mit unzähligen Variationen aus dem von Rymski-Korsakov zusammengetragenen russischen Volksliedgut unterlegte.603 Gerade die musikalische Verarbeitung des Feuervogels erfreute sich in Deutschland besonderer Beliebtheit, was vielleicht daran lag, dass den Deutschen der Feuervogel als Teil einer Aufstellung magischer Vögel – Schumanns Vogel als Prophet und Wagners Waldvogel 604 – aus ihrer eigenen Musikgeschichte geläufig war. Doch dass sie sich ebenso an die prunkvollen Dekorationen der Mir Iskusstva-Gruppe erinnerten, war eben nicht zuletzt Zeitschriftenprojekten wie Žar ptica und Teatr i žizn zu verdanken, die gerade diese Stilrichtung publizistisch förderten und auch dann noch propagierten, als sich Diaghilevs Unternehmen längst den Experimenten der internationalen Avantgarde zugewandt hatte. 602 Zitiert in: Healy, Lloyd 1990, S. 32. 603 Edwin Evans, Stravinsky. The Firebird and Petrushka (Oxford 1922), S. 10–11. 604 Taruskin, 1996, S. 557.

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Darüber hinaus verdeutlicht Der Feuervogel als Kunstzeitschrift, dass gemeinsame Projekte zwischen russischen und deutschen Berlinern trotz der vielen Hürden und Rückschläge möglich waren. Untermauert wird diese Erkenntnis durch die Berliner Erfolge von Chagall, Lissitzky, Pasternak, Korovin sowie gemeinsame verlegerische Initiativen wie die von Mosse und Znanija oder Ullstein und Klal bzw. Slovo. Sie offenbaren aber gleichzeitig, dass sich solche gemeinschaftlichen Projekte im Kunstund Verlagssektor eher bewerkstelligen ließen als im literarischen Millieu, wo man gern unter sich blieb und Begegnungen zwischen russischen und deutschen Berlinern als eine Art zweiphasiges System von »Wasser und Öl«605 charakterisiert wurde. Damit steht Žar ptica, neben einer Reihe von weiteren Kunstzeitschriften, im Zeichen eines nach Krieg und Revolution aufblühenden Kommunikationsethos, der Ausdruck fand in den gemeinsamen Bemühungen russischer Künstler und Verleger, eine Zeitschrift zu einem Ort der Versammlung zu machen, um die Isolation der russischen Kolonien zu durchbrechen, sowie in ihrem Anspruch, eine Zeitschrift zur Plattform zu erheben, von der aus sie ihre Manifeste russischen wie internationalen Öffentlichkeiten verkünden konnten. Von Erfolg gekrönt waren ihre Bemühungen allerdings nur in jener kurzen intensiven Phase zu Beginn der 1920er-Jahre, als Berlin die vorläufige Hauptstadt der Russischen Emigration und der wichtigste Kommunikationsstützpunkt zwischen der russischen Diaspora und ihrer Metropole war. Dagegen waren es die historisch gewachsenen und privilegierten Verbindungen zwischen Russland und Frankreich, die Paris schließlich zur endgültigen Hauptstadt der Russischen Emigration werden ließen.

605 Vadim Andreev, ›Vozvrashchenie v zhizn‹, Svesda (Leningrad) Nr. 5, (Mai, 1969, S. 85–129, hier S. 121.

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SCHLUSSBETRACHTUNGEN Den Feuervogel feierten russische Künstler als Symbol östlicher Exotik, indem sie ­seine unerreichbare Schönheit der nüchternen Wirklichkeit gegenüberstellten. ­Dieser Vorstellung entsprang die Idee zur Gründung der gleichnamigen Zeitschrift Žar ptica, wie sie auf Russisch heißt, die dem ästhetischen Programm von Mir Iskusstva (Welt der Kunst) folgte; sie verherrlichte das Werk dieser Gruppe von Künstlern und blieb auch nach deren Emigration ein Anlaufpunkt für russische neonationalistische und symbolistische Aspirationen. Doch war Žar ptica tatsächlich, wie bisher angenommen, eine Zeitschrift der Russischen Emigration? Wie sich herausstellt, war sie zugleich eine Initiative des sowjetischen Ministeriums für Volksbildung und Kunst (Narkompros), die darauf ausgerichtet war, die Buchproduktion im neuen Russland zu fördern. Rohstoffmangel, Papierknappheit und obsolete Druckeinrichtungen hatten den sowjetischen Ministerrat (Sovnarkom) bewogen, im April 1921 dem Vorschlag Maxim Gorkis zuzustimmen, die Buchproduktion seines Petrograder Verlagshauses Vsemirnaja Literatura (Weltliteratur) nach Berlin auszulagern und die Mittel dafür bereitgestellt. Kurze Zeit später reiste der renommierte Experte für russische Buchkunst, Alexander E. Kogan, im Auftrag der sowjetischen Regierung nach Berlin, um hier den Kunstverlag Russkoe Iskusstvo (Russische Kunst) als Dependance von Vsemirnaja Literatura zu eröffnen und gemeinsam mit dem bereits in Berlin bestehenden sowjetischen Verlagsapparat die Herstellung und den Vertrieb von russischen Kunstbänden in Angriff zu nehmen. Teil dieser publizistischen Initiative war zwischen 1921 und 1926 die Kunstzeitschrift Žar ptica. Vsemirnaja Literatura stellt sich praktisch als Nachfolgeeinrichtung des Verlages Kopejka dar, den Kogan schon zehn Jahre lang geleitet hatte, als Gorki 1918 dessen Druckerei übernahm. Neben schöngeistiger Literatur gehörten zum Verlagsprogramm von Kopejka illustrierte Zeitschriften und Magazine für den russischen Markt. Dagegen konzentrierte sich der Nachfolgeverlag Vsemirnaja Literatura von 1918–1921, wie der Name andeutet, auf Weltliteratur, die in den eigens dafür ins Leben gerufenen literarischen Studios des Verlages ins Russische übersetzt wurde. Parallel dazu publizierte Kogan in diesen drei Jahren eine Reihe von ästhetisch wertvollen Monografien zur Geschichte der russischen Kunst, die auch in den Berliner Jahren 1921–1925 sein Haupttätigkeitsfeld blieben.

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Schlussbetrachtungen

Für den Absatz der in Berlin von Russkoe Iskusstvo produzierten Kunstmonogra­ fien warb Kogan mithilfe von deutschen und englischen Beilagen in Žar ptica. Offiziell waren diese Monografien dazu ausersehen, die Mir Iskusstva-Rezeption in Westeuropa und Amerika zu fördern und das Interesse ausländischer Leser an der Welt der russischen Kunst zu wecken. Inoffiziell jedoch sollte mithilfe ihrer Kaufkraft die Buchproduktion im sowjetischen Russland angekurbelt werden, denn Gorkis Plan sah vor, mit jedem im Ausland verkauften Buch ein Exemplar kostenlos nach Russ­ land zu schicken bzw. den Devisen-Erlös aus dem Verkauf der Berliner Kunstmonografien über einen eigens für diesen Zweck ins Leben gerufenen Fonds nach Russland zurückzuführen. Die Bedingungen für solche Geschäfte waren denkbar günstig, fiel doch die Premiere von Žar ptica in jene Phase, da der deutsch‑russische Handelsvertrag vom Mai 1921 und der Vertrag von Rapallo vom April 1922 die Voraussetzungen für einen intensivierten Devisen- und Kulturtransfer zwischen Russland und Deutschland geschaffen hatten. Die bei Russkoe Iskusstvo verlegten Kunstmonografien erschienen nicht auf Russisch, sondern auf Deutsch, Englisch und Französisch. Eine Ausnahme bildete die Zeitschrift Žar ptica, hinter deren Gründung zunächst ebenfalls das Anliegen stand, die Rezeption der russischen Kunst im Ausland zu fördern und vor allem die Arbeiten der Mir Iskusstva-Gruppe für das russische Ballett und Theater anzupreisen. Doch in der Vorbereitungsphase der Zeitschrift (Juni–August 1921) änderte Kogan diesen Plan und brachte Žar ptica als Literatur- und Kunstzeitschrift auf den Markt. Damit erhielt die Zeitschrift neben dem internationalen Beilagenteil für ausländische Leser nun zusätzlich einen russischen Teil, der speziell auf die russische Leserschaft in Berlin zugeschnitten sein sollte. Doch gerade dort stieß diese Ad-hoc-Entscheidung auf Befremden. So hatten die russischen Kolonien zwar beanstandet, dass Kogan seine Kunstausgaben ausschließlich auf Deutsch, Englisch und Französisch und nicht auf Russisch publiziere. Allerdings sagte ihnen der rasch aus dem Boden gestampfte russische Literaturteil von Žar ptica, dem deutlich weniger redaktionelle Bemühungen zugeflossen waren als dem Abbildungsteil mit seinen aufwändigen Farbtafeln und Artikeln russischer Künstler und Kritiker, in dieser Art auch nicht zu. Scharfe Kritik rief vor allem die Qualität der literarischen Beiträge hervor. Weiterhin bemängelten sie die Konzeptionslosigkeit und Willkür bei der Auswahl des präsentierten Materials, die mangelnde Bezugnahme auf aktuellen Stoff sowie die ästhetische Dichotomie der Zeitschrift, deren literarischer Teil völlig abgekoppelt erscheine von dem dargestellten Bildmaterial. Dies überrascht nicht angesichts des ursprünglichen Planes ihres Herausgebers, nicht russische, sondern ausländische Zielgruppen anzusprechen, und nicht die russische Literatur und Poesie, sondern »das russische Kunstleben zu beleuchten – vor

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Schlussbetrachtungen

allem die russische Malerei, das Ballett und Theater«, wie Kogan seinen ausländischen Lesern im deutschen Geleitwort mitteilte. Tatsächlich wurde er diesem Anspruch in glänzender Weise gerecht; dazu bediente er sich der Arbeiten russischer Künstler, die er auf hochwertigem Papier reproduzierte, sowie der Kompetenz einer Reihe von Experten und Übersetzern aus dem redaktionellen Umfeld in Berlin und anderen Zentren der Russischen Emigration. So profitierte Žar ptica – als Produkt des Verlages Russkoe Iskusstvo – nicht nur von der finanziellen Unterstützung sowjetischer Sponsoren, sondern ebenfalls von den redaktionellen Beiträgen russischer Emigranten. Beide Initiativen verstand Kogan auf geschickte Weise zu jenem Projekt zusammenzuführen, das sich in der kollektiven Erinnerung als die eindrucksvollste Zeitschrift der Russischen Emigration und als ein einzigartiges Meisterwerk russischer Buchkunst etabliert hat: Eindrucksvoll wegen ihrer prunkvollen Erscheinung mit den aufwändigen Reproduktionen der Arbeiten russischer Künstler. Einzigartig insofern, als es ihrem Herausgeber gelang, seine bereits im Vorfeld existierenden Vernetzungen aus St. Petersburg und Paris nach Berlin zu bringen und sich zudem die technische Unterstützung von ortsansässigen Verlegern, Papierlieferanten und typografischen Einrichtungen zu sichern. Darüber hinaus nutzte er die wirtschaftlichen Bedingungen während der Inflationszeit in Deutschland, die russischen Verlegern vorteilhafte Druck- und Versandkosten ermöglichten. Arbeitskräfte waren billig in der deutschen Hauptstadt und sprachkundige Übersetzer vor Ort zahlreich. War Žar ptica eine Zeitschrift des Russischen Berlin? Ja und nein, denn sie verdankte ihr Zustandekommen nicht nur der Tätigkeit von Akteuren innerhalb der Berliner russischen Kolonien, sondern vor allem den mobilen Netzwerken ihres Herausgebers, seinen Verbindungen zu den politischen Machtfeldern im sowjetischen Russland und dem kulturellen Kapital, das er mit der redaktionellen Unterstützung durch Kunstkritiker und Übersetzer in Berlin und Paris einwerben konnte. Erst das Zusammenwirken dieser internen und externen Faktoren ließ jenes exklusive Zeitschriftenprojekt entstehen, das aufgrund seiner ästhetischen Erscheinung und Lebensdauer aus den Verlagsprodukten des Russischen Berlin weit herausragte. Diese Besonderheiten von Žar ptica erfordern die Anwendung transparenter Forschungsmethoden und eines Begriffsapparates, der gleichermaßen von Sprach- und Literaturwissenschaftlern ebenso wie von Historikern, Kulturwissenschaftlern und Migrationsforschern verbindlich abgerufen werden kann. So haben sich bei der Erfassung und Darstellung des Publikationsverlaufes von Žar ptica vorzugsweise zwei Methoden bewährt: Zum einen die von Boldt, Segal und Fleishman zum Studium der russischen literarischen Produktion im Exil herangezogenen Parameter zur

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Schlussbetrachtungen

­ ichotomie von Zentrum und Peripherie. Hier ist zu beachten, dass Zentrum und D Peripherie ihre Rollen getauscht hatten, denn für das Russische Berlin der beginnenden 1920er-Jahre gilt, dass sich das Zentrum nach außerhalb der Metropole verschoben hatte und sich nun auf das kreative Schaffen in der Emigration bezog. Berlin war damals das Verlags- und Kunstzentrum Russlands, in dem sich die wichtigsten literarischen und künstlerischen Kräfte der vorrevolutionären Epoche versammelt und für sich einen autonomen Kommunikationsraum außerhalb der Grenzen Russlands geschaffen hatten. Dabei handelte es sich um einen Raum mit ausgeprägten gegenseitigen Bezügen, der in seiner topografischen und zeitlichen Dichte gleichzusetzen ist mit einem eigenständigen »Feld der kulturellen Produktion« im Sinne des französischen Soziolinguisten Pierre Bourdieu, das einen weiteren methodischen Ansatz bietet. Verstehbar wird ein solcher Raum laut Bourdieu, wenn sämtliche Akteure innerhalb ihrer Tätigkeitsfelder und Diskurse gezeigt werden, und zwar zusammen mit ihren geistigen Bezügen und Fixpunkten, ihren Positionierungen und Rollenzuweisungen im Aktionsfeld sowie ihrer Beeinflussung durch interne und externe Faktoren. Erst beide Forschungsansätze zusammen ermöglichen die Analyse und transparente Darstellung der Zeitschrift Žar ptica sowohl in der zeitlichen und geografischen Dichte der Berliner russischen Presse- und Verlagslandschaft als auch im Hinblick auf ihre Rezeption, die weit über das Russische Berlin hinausreichte. Was die beiden Ansätze nicht leisten können, ist eine kritische Annäherung an den literarischen Teil von Žar ptica, dessen ausführliche Diskussion sich der künftigen Forschung empfiehlt. Als eine Emigrantenzeitschrift im herkömmlichen Sinne kann Žar ptica also nicht eingeordnet werden. Vielmehr präsentiert sie sich als ein gemeinschaftliches Unternehmen von prosowjetischen und emigrierten Russen, erdacht von der Troika Gorki, Lunačarskij�������������������������������������������������������������������� und Kogan, gespeist aus den Finanztöpfen des sowjetischen Bildungsministeriums, gemacht von russischen Künstlern und Kritikern in der Emigration mithilfe des technischen Know-how von Kunstdruckexperten in Deutschland. Ähnlich weit ausdifferenziert war die Absatzlogistik der Zeitschrift, denn Žar ptica wurde nicht nur in Berlin vertrieben, sondern auch in Paris, Brüssel, London, New York und Buenos Aires. In diesen Städten unterhielt ihr Herausgeber Vertriebspartnerschaften. Žar ptica folgte damit einem Trend, der sich generell für die Kunstzeitschriften des Russischen Berlin als typisch erwies: Richteten sich die russischen literarischen Zeitschriften und Zeitungen vorwiegend an die Leser der russischen Kolonien, so wollten die russischen Kunstzeitschriften mit ihren mehrsprachigen Umschlaggestaltungen, Beilagen, Parallelausgaben und Bildunter­

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Schlussbetrachtungen

schriften die Isolation der russischen Kolonie durchbrechen und öffneten sich darüber hinaus deutschen Lesern sowie einem internationalen Publikum. Hinter dieser Verstetigungspraxis stand der Anspruch, die Rezeption der russischen Kunst in Europa und Amerika zu fördern, womit der Herausgeber von Žar ptica einer Tradition folgte, die fünfzehn Jahre zuvor der berühmte Impresario Sergej Dia­ ghilev begründet hatte, als er im Pariser Herbstsalon von 1906 zum ersten Mal den Schleier vor der russischen Kunst lüftete. Ab 1909 lenkte Diaghilev die Talente seiner Zeitgenossen Bakst, Benois und den anderen Mitgliedern des Mir IskusstvaKreises hin zu den dekorativen Künsten und beauftragte sie mit Kostümentwürfen und Bühnendekorationen für die russischen Ballette – mit großem Erfolg: In den darauffolgenden Jahren provozierten Diaghilevs Gestalter in Frankreich und Großbritannien eine regelrechte Revolution in der Szenografie sowie in der Mode- und Innenraumgestaltung. Weniger bekannt und einflussreich waren die Ballets Russes-Produktionen – und damit auch die Entwürfe von Diaghilevs Designern – in Deutschland, was Kogans Eifer erklärt, gleich zu Beginn seiner Berliner Verlagstätigkeit eine gemeinsame deutsch-russische Öffentlichkeit um seine Zeitschrift zu versammeln, damit »Der Feuervogel in guter Nachbarschaft« aufgehoben sei und »in Deutschland viele Freunde finden« möge. Dennoch hat die technische Perfektion ihrer Aufmachung hier stets mehr beeindruckt als das ästhetische Programm ihrer Mir Iskusstva-Protagonis­ ten; so blieb die Žar ptica-Rezeption in Deutschland verhalten, was sicherlich nicht auf zu geringe Bemühungen ihres Herausgebers zurückzuführen war, denn an Kogan erinnerte man sich noch lange und gern in Berlin. Vielmehr war die schwache Žar ptica-Rezeption in der mangelnden Vorbildung deutscher Leser im Hinblick auf die Welt der russischen Kunst begründet, hatte es doch in Berlin in den Jahren zuvor nicht nur weniger Vorstellungen der Ballets Russes gegeben, die den Bekanntheitsgrad visueller Gestaltungsmöglichkeiten durch russische Künstler hätten fördern können, sondern im Gegensatz zu den Großstädten Westeuropas auch keine größeren russischen Kunstausstellungen. Abgesehen von kleineren Ausstellungsinitiativen einzelner Künstler fand die erste große russische Kunstausstellung in Berlin erst 1922 statt. Dass die Vertriebsorte von Žar ptica mit den Erfolgsstationen von Diaghilevs Unternehmen in den zwölf davor liegenden Jahren identisch sind, ist kein Zufall, denn die Ballets Russes-Rezeption erkannte Kogan als Voraussetzung für das Interesse an seinen russischen Kunstausgaben. Zum Ausdruck kommt dies unter anderem in der Wahl des Zeitschriftentitels Der Feuervogel, der nicht nur russischen Künstlern als Symbol unerreichbarer Schönheit galt, sondern auch Ballets Russes-Bewunderern im Ausland, die mit dem Feuervogel die Vorstellung eines Gesamtkunstwerkes im Wagner’schen Sinne verbanden.

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Schlussbetrachtungen

Russische Leser assoziierten den Feuervogel vor allem mit der legendären Figur aus der russischen Märchenwelt, die für das vergangene Leben in Russland steht: das Treiben in der russischen Provinz, den Kaufmannsstand, die fröhlichen Schlittenfahrten, Dorfkultur, Stadtmärchen, Puppenspiele, Burlesken, Jahreszeiten, Rummelplätze und Spielzeuge, einst festgehalten von den Künstlern des Mir Iskusstva-Kreises, jetzt reproduziert auf den Seiten von Žar ptica. Damit wird die in Žar ptica ausgestellte Welt der Kunst für sie zu einem Ort der Zuflucht im Alltag ihres bitteren Emigrantendaseins. Der Zeitschriftentitel birgt demnach eine Aussage für beide Zielgruppen: Ausländischen Lesern verhieß er den erneuten Genuss der russischen Künste, nunmehr in Form von Fotos und farbigen Reproduktionen wie in einem Schaufenster zu bewundern. Russischen Emigranten bot er die Möglichkeit, für kurze Zeit aus den Kümmernissen der Gegenwart aufzutauchen und in die heile Welt der Musen vergangener Tage zurückzukehren. Gerade diese Vergangenheitsbezogenheit ermöglichte es Kogan überhaupt, beide Zielgruppen miteinander zu vereinen, indem er sie in einen politisch neutralen und ideologiefreien Raum führte, in eine Welt der Märchen und östlichen Exotik, weit entfernt vom aktuellen politischen Geschehen. Denn antisowjetisch konnte er sich nicht äußern, basierte doch seine Berliner Verlagstätigkeit auf den Fördergeldern des jungen Sowjetstaates. Prosowjetische Äußerungen konnte er sich nicht erlauben, denn er war angewiesen auf die redaktionelle Zusammenarbeit mit russischen Emigranten und die Kaufkraft ausländischer Leser, deren Verhältnis zum Sowjetstaat bestenfalls durch abwartende Zurückhaltung, wenn nicht offene Gegnerschaft gekennzeichnet war. Vor diesem Hintergrund wird verständlich, warum sich Žar ptica in diesen Jahren der fundamentalen politischen Umwälzungen und hitzigen Debatten aus dem politischen Tagesgeschäft heraushielt und weder, wie in Emigrantenkreisen bemängelt, die ideologische Führung übernehmen noch auf aktuelle Trends in der russischen Kunst eingehen konnte, sondern ein Ort der Vergangenheit bleiben musste. Darüber hinaus offenbart die Zeitschrift gerade in jener Phase zu Beginn der 1920er-Jahre das Bedürfnis des Wieder-zueinander-Findens. Žar ptica stand damit, neben einer Reihe von weiteren russischen Kunstzeitschriften, im Zeichen eines nach Krieg und Revolution erstarkenden Kommunikationsethos, der Ausdruck fand in den gezielten Bemühungen von Akteuren, eine Zeitschrift zu einem Ort der Versammlung zu machen, um damit die Isolation der russischen Kolonien zu durchbrechen, und sie zur Plattform zu erheben, von der aus sie der Welt ihre Manifeste verkünden konnten.

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ANHANG

BIBLIOGRAFIE DER ZEITSCHRIFT ŽAR PTICA

NR. 1 (AUGUST 1921) Žar ptica (Jar-ptitza) Russische Monatsschrift für Kunst und Literatur – Revue russe d’art et de literature Umschlag und Buchschmuck von Sergej Čechonin Kliše i pečat chudožestvennoj tipografii Dr. Selle & Co., Berlin SW 29, Zossener Str. 55

RUSSISCHER TEIL Saša Černyj, ›Iskusstvo‹ [Gedicht], S. 6 Teffi, ›Solovki‹ I. A. Buninu, S. 7–15 K. Balmont, ›Nevesta‹ [Gedicht], S. 16 G. Lukomskij, ›Mir Iskusstva‹, S. 17–18 Sergej Makovskij, ›Chudožestvennyj teatr zagranicej‹, S. 19–22 Gr. Aleksej N. Tolstoj, ›Pered kartinami Sudejkina‹, S. 23–28 Alexander Pleščeev, ›M. Fokin i novyj balet‹, S. 30–32 Evgenij Čirikov, ›O čem? … Posv. V. A. Č-oj‹, S. 33–35

Vladimir Sirin, ›Krym‹ [Gedicht], S. 36–37 Sergej Makovskij, ›Otraženie‹ [Gedicht], S. 37 M. Fokin, ›Markiza (Po povodu moej postanovki mocartovskogo baleta)‹, S. 38 A. Černyj, ›Kurortnoe‹ (Ahlbeck-Seebad)‹, S. 39–40 Kinto, ›Tiflisskaja pesnja‹, S. 40 Chronika izdatelstva Russkoe Iskusstvo, S. 41–42 A[lexander] Č[ernyj] ›Podorožnik‹ [›Podorožnik‹, Petersburg, PetropolisVerlag, 1921], S. 43 André Levinson, ›Nezrjačij prorok (Novyje knigi Bloka)‹, S. 44

INTERNATIONALER TEIL (DEUTSCH)607 ›Zum Geleit‹, S. 1608 ›Zu den Bildbeigaben‹ [ohne Verfasserangabe], S. 1 Gr. Aleksej N. Tolstoj, ›Vor den Bildern Sudejkins‹, S. 2–4

606 Die deutschen Übersetzungen von Žar ptica-Artikeln wurden, sofern nicht anders vermerkt, von Reinhold von Walter [R.  v.  W.] angefertigt. Einige Übersetzer zeichneten lediglich mit ihren Kürzeln, die hier auch in dieser Form wiedergegeben werden. Die Wiedergabe von bibliografischen Informationen und Bilduntertiteln folgt der in den deutschen Beilagen und Untertiteln von Žar  ptica verwendeten Schreibweise, die nicht immer den Normen der ISO 9-Umschrift entspricht und auch nicht immer vereinheitlicht ist. 607 Die Seitenzählung des internationalen Teils folgt dem Original von Žar ptica. Darin schließt sich die Seitenzählung in einigen Ausgaben fortlaufend an den russischen Teil an. In anderen Ausgaben beginnt sie von vorn und erfolgt teils in arabischen, teils in römischen Ziffern.

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Bibliografie der Zeitschrift Žar ptica

›Mir Iskusstva‹ [hier ohne Verfasserangabe; das russische Original stammt von von G. Lukomskij], S. 4 A. T., ›Wegerich‹ [übersetzt von Wolfgang E. Groeger], S. 5 André Levinson, ›Ein blinder Seher (Zu den neuen Gedichtsammlungen Alexander A. Blocks)‹, S. 6 (Beide Gedichtsammlungen sind in Petersburg erschienen; die erstgenannte im Verlage Grzhebin, die zweite im Verlag Alkonost). Sergej Makovskij, ›Das Moskauer künstlerische Theater im Auslande [sic.] (Auszug aus dem Artikel von Sergej Makovskij)‹ [übersetzt von S. V. Radeckij], S. 7–8 M. Fokin, ›Die Marquise‹, S. 7

ABBILDUNGEN: G. Lukomskij, Kloster bei Kiew 2 Vignetten von Sergej Čechonin N. Roerich, Eine Botschaft dem heiligen Tyro Vasilij Šuchaev, Der Winter in Finnland Bildnis N. Roerich, Korellia. Das ewige Erwarten S. Sorin, Bildnis der Fürstin Dadiani B. Grigoriev, Ein Bildnis N. Roerich, Korellia Vignette von Sergej Čechonin V. I. Kačalov, Bast: In den Krallen des Lebens [Foto] S. Sudejkin, Devka Am Teetisch Russischer Herrensitz Faschingsvergnügen in Russland Ein Lied von Glinka Die Promenade

Die Schenke Vera Fokin im Ballet Die Marquise (3 Fotos) 5 Vignetten von Sergej Čechonin.

NR. 2 (SEPTEMBER 1921) Žar ptica (Jar-ptitza) Ežemesjačnyj literaturno-chudožestvennyj illjustrirovannyj žurnal, Pariž, Berlin, Russkoe Iskusstvo Umschlag von I. Ja. Bilibin Kliše i pečat chudožestvennoj tipografii Dr. Selle & Co., Berlin SW 29, Zossener Str. 55

RUSSISCHER TEIL Georgij Grebenščikov, ›Polyn-trava. ­Rasskaz‹, S. 2–8 K. Balmont, ›Vospominanie‹ [Gedicht], (Bretan, 5 avgusta 1921 g.), S. 10 Alexander Drozdov, ›Pervocvet‹, S. 11–18 A[lexander] Černyj, ›Vesna na krestovskom. A. I. Kuprinu‹ [Gedicht], S. 20 A. Trubnikov, ›Peterburg‹, S. 21–22 ›Poslednie stranicy dnevnika L. N. Andreeva‹, S. 24–26 V. Svetlov, ›Anna Pavlova‹ (Pariž, 1921 g.), S. 27–28 G[eorgi L[ukomskij], ›Kak živet i rabotaet I. Ja. Bilibin‹, S. 33–34 Iv[an] Bunin, ›Skazka o koze‹, ›Zazimok‹ [2 Gedichte], S. 36 A[lexander] Č[ernyj], ›Pamjati A. Bloka [Gedicht]‹, S. 37 A. T-v, ›Pismo iz Pariža‹, S. 38–39 ›Kinto‹, ›Uzakonnoe ljubitelstvo (Ob odnom neserjeznom, no črezvyčajno populjarnom iskusstve‹), S. 39–40

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Bibliografie der Zeitschrift Žar ptica

INTERNATIONALER TEIL (DEUTSCH) ›Lied des Wanderers [Gedicht]. Aus dem Drama Rose und Kreuz von Alexander Block‹, übertragen von Wolfang E. Groeger, S. 1 D. R., ›Zum Tode Alexander Blocks‹, S. 1 ›Die letzten Seiten aus dem Tagebuch von L. N. Andrejew‹ [übersetzt von A. M.], S. 2 ›Petersburg‹ [übersetzt von E. v. V.], S. 3–4 ›Wie I. J. Bilibin lebt und arbeitet‹ [übersetzt von Erich v. Voß], S. 4–5 W. Svetlov [sic.], ›Anna Pawlowa‹ (Paris 1921), S. 6 A. Tr-ff [sic.], ›Pariser Brief‹, S. 6–7

ABBILDUNGEN S. Sorin, Bildnis des Frl. Tiščenko A. Jakovlev, Montmartre Ausstellungsraum der russ. Künstlergruppe Mir Iskusstva in Paris (2 Fotos) V. Šuchaev, Finnische Landschaft Bildnisse N. Remizov, Russische Schenke W. Timm, Izvoščik B. Kustodev, Dekorationsstudie V. Šuchaev, Akt (erworben für den Louvre) G. Lukomskij, ohne Titel B. Grigoriev, Der Kommissar A. Jakovlev, Bildnis der Frau Šuchaev (erworben für den Louvre) G. Lukomskij, Rjazan B. Grigoriev, Aus dem Zyklus ›Russische Gesichter‹ S. Sudjbinin, Der Seraph ›Halleluja‹ Ohne Quelle, Auferstehung (Skulptur) A. Kardovskij, Illustration zu Gogols Nevskij Prospekt

Ohne Quelle, Senatsplatz und Denkmal Peters d. Gr. E. Lanceray, Der Senat Ohne Quelle, Alt-Petersburg, Die Neva Ohne Quelle, Alt-Petersburg, Blick auf die Neva und das Winterpalais L. N. Andreev (Foto) L. Andreevs Landhaus in Finnland (Foto) A. Pavlova als Bacchantin (Foto) A. Pavlova in ihrem Heim (Foto) A. Pavlova als Libelle (Foto) A. Pavlova, Griechischer Tanz (Foto) A. Pavlova als Libelle (Foto) M. Fokin, Russischer Tanz (Foto) I. Ja. Bilibin, Vignette (1906) Illustration [ohne Titel] Vignette von Sergej Čechonin Illustration von Vladimir Levickij (1913) Vignetten von V. Levickij.

NR. 3 (OKTOBER 1921) Žar ptica Russische Monatsschrift für Kunst und Literatur – Revue russe d’art et de literature Umschlag von B. Kustodev Die Bilder der russischen Schauspieler in dieser Nummer wurden im Kunstatelier von Becker & Maass in Berlin angefertigt Kliše i pečat chudožestvennoj tipografii Dr. Selle & Co., Berlin SW 29, Zossener Str. 55

RUSSISCHER TEIL G. R., ›K postanovke Salomej‹, S. 2–4 Iv[an] Bunin, ›Molodost‹ [Gedicht], S. 5–6 I. Sokolov-Mikitov, ›Krasnoe Leto‹, S. 7–11 A. Damanskaja, ›Prosti – proščaj‹, S. 12–16 André Levinson, ›Somov‹, S. 17–20

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Bibliografie der Zeitschrift Žar ptica

Alekšej Remizov, ›Krestovaja baryšnja‹, S. 22–26 Natalja Krandevskaja [Gedicht ohne Titel] Cambes, sentjabr 1921 g.), S. 30 Turdus, ›Romans‹ [Gedicht], S. 30 A[lexander] Č[ernyj], ›V. A. Polevickoj [Gedicht]‹, S. 32 S. Poljakov-Litovcev, ›Ivan Alekseevič Bu­ nin‹, S. 33–35 A[lexander] Černyj], »›Šater‹ Gumileva«, S. 36–37 ›Stranicy iz dnevnika L. N. Andreeva‹, S. 38–40

INTERNATIONALER TEIL (DEUTSCH) ›Aus L. N. Andrejevs Tagebuch‹ [deutsch von D.R.]. S. 1–3. (Diese Tagebuchblätter sind bisher noch nicht veröffentlicht worden. Der vorliegende Abschnitt des Tagebuchs, das Andrejev bis zu seinem Tode fortlaufend geführt hat, ist in sich abgeschlossen. Der Verlag hat das Recht zur Herausgabe von der Witwe des verstorbenen Dichters erworben.) S. Poljakov-Litovcev, ›Ivan Bunin‹ [übersetzt von Dr. Erich Lossius], S. 4–6 Ivan Bunin, ›Jugend‹: Am Vorabend; Die ersten Verse; Maiblume [3 Gedichte], S. 7 André Levinson, ›Somov‹ [übersetzt von Dr. Erich Lossius], S. 7–8

ABBILDUNGEN K. Somov, ohne Titel (1921) Russische Schauspieler in Berlin: Salome von Oscar Wilde (4 Fotos) O. V. Gzovskaja – Salome. Salome von Oscar Wilde (Foto) Iv[an] Bunin (Foto)

Alexander Benois Italienische Komödie Die Jagd D. Stelleckij Die Bojaren Eine Skizze V. Šuchaev Zeichnung Selbstbildnis S. Sudjbinin, Seraph Der Trauerengel K. Somov Harlekin Aus dem Buch der Marquise Bildnis des Herrn M. Lukianov Bildnis des Dichters A. Block Ohne Titel Die Dame im blauen Kleide Aus dem Buche der Marquise (2 Bilder) Tamara Karsavina (4 Fotos) S. A. Kuzevickij (Foto) S. A. Kuznecov, Lemm. Adelsnest von Turgenev (Foto) Olga Preobraženskaja (Foto) E. A. Polevickaja, Lise, Adelsnest von Turgenev (2 Fotos) Vignette von Sergej Čechonin.

NR. 4–5 (NOVEMBER– DEZEMBER 1921) Žar ptica (Jar-ptitza) Ežemesjačnyj literaturno-chudožestvennyj illjustrirovannyj žurnal, Pariž, Berlin, Russkoe Iskusstvo Umschlag von I. Ja. Bilibin Gedruckt auf Scheufelen-Kunstdruckpapier, Oberlenningen (Württemberg). Das Bildnis von A. Borowski und die Skulpturaufnahmen von A. Archipenko

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Bibliografie der Zeitschrift Žar ptica

wurden im Kunstatelier von Becker & Mass angefertigt. Kliše i pečat chudožestvennoj tipografii Dr. Selle & Co., Berlin SW 29, Zossener Str. 55

RUSSISCHER TEIL A[lexander] Černyj, ›Igruški‹ [Gedicht], S. 2–4 K. Balmont, ›Na bolčei šube‹, S. 6–10 I. Sokolov-Mikitov, ›Na svjatki‹, S. 11–16 Leonid Andreev, ›Deržava Rericha. Statja Leonida Andreeva‹ [poslednjaja napečatannaja 29 marta 1919 g. statja L.N.A. k otkrytiju vystavki N. Rericha v Gelsingforse], S. 17–20 M. K. Pervuchin, ›Santa Kjara (Iz italjanskich akvarelej)‹, S. 21–29 Teffi [2 Gedichte ohne Titel], S. 30 Natalja Krandevskaja [Gedicht ohne Titel], S. 30 M. A. Aldanov, ›Černyj brilliant (O Dostoevskom 1821–1921)‹, S. 33–35 Pisma L. N. Andreeva k S. S. Golouševu, S. 36–40 Vl[adimir] Sirin, ›Pero‹ [Gedicht], S. 40 N. Rachmanov [sic.], ›K gastroljam chudožestvennikov‹, S. 41–42 B. Šlecer, S. A. Kusevickij, S. 43–44 V. C., ›Koncerty S. A. Kusevickogo v Pariže‹, S. 44

INTERNATIONALER TEIL (DEUTSCH) Aus Roerichs Reich. Von Leonid Andrejev. S. 1–2 L. Andrejevs letzter im Druck erschienener Artikel vom 29. März 1919) [übersetzt von R. v. W.]

M. A. Aldanov, ›Der schwarze Diamant (In memoriam Dostojewsky 1821–1921)‹ [übersetzt von V. Schiratzki], S. 3–4 N. Rachmanov [sic.], ›Zum Gastspiel des Moskauer Künstler-Theaters [übersetzt von S. v. R.], S. 5–6 B. Schlözer, ›S. A. Kussewitzkij‹ [übersetzt von Arthur Luther], S. 7–8

ABBILDUNGEN G. Lukomskij, Kiew, St. Nikolaus-Kirche im Kloster G. Narbut, drei Abbildungen ohne Titel S. Sudejkin Russisches Spielzeug Russisches Rodeln I. Ja. Bilibin Initiale Russisches Märchen (1909) B. Kustodev, Wintervergnügen in Moskau V. Šuchaev, Zeichnung B. Grigoriev, Aus dem Zyklus Russische Gesichter I. Ja. Bilibin, Initiale S. Sorin, Bildnis der Fürstin O. Orlova (1914) A. Archipenko, zwei Skulpturen ohne Titel A. Stepanov, Im Winter N. Roerich Cor ardens Schrei der Schlange Befehl des Himmels Eine Kirche im Gouvernement Novgorod Das Zeichen Der Erzbischof Vor dem Regen Der verborgene Schatz (Zyklus Heroica) Menschliche Taten

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Bibliografie der Zeitschrift Žar ptica

Skizze einer Dekoration für Fuente Ovechuna Die Zauberer Das Grab Ohne Quelle, Bildnis des Pianisten A. Borovskij (Foto) Ohne Quelle, A. Alexandrowitsch, Artist der ehemaligen Petersburger Kaiserlichen Oper (Foto) Ohne Quelle, W. J. Kačalov (Foto).

NR. 6 (1922) – OHNE MONATS­ ANGABE Žar ptica Ežemesjačnyj literaturno-chudožestvennyj illjustrirovannyj žurnal, Pariž, Berlin, Russkoe Iskusstvo Gedruckt auf Scheufelen-Kunstdruckpapier, Oberlenningen (Württemberg). Die Reproduktion der Ansicht vom Kreml nach einer alten Gravüre wurde im Kunstatelier von Dr. Selle & Co. in Berlin ausgeführt. Kliše i pečat chudožestvennoj tipografii Dr. Selle & Co., Berlin SW 29, Zossener Str. 55

RUSSISCHER TEIL N. Minskij, ›Videnie‹ [Gedicht], S. 2 Gr. Aleksej N. Tolstoj, ›Četyre kartiny volšebnogo fonarja‹, S. 3–10 Alexander Drozdov, ›Moskovskoe‹, S. 11–12 N. Pinegin, ›U naduna (Iz skazok severa)‹, S. 13–20 Sergej Makovskij, ›Wrubel‹, S. 21–26 Ivan Sergeev, ›Smetana. Pečerskaja skazka (Po zapisi N. E. Ončukova)‹, S. 28–32 N. Baltrušajtis, ›Bezmolvie‹ [Gedicht], S. 32

A. Černyj, ›Bal v ženskoj gimanzii (Rasskaz v stichach)‹, S. 33–34 N. R., ›Elegija‹, S. 35–37 Avtograf ›Neznakomki‹ A. Bloka. ›Vosproizveden s. originala, prinadležaščego O. V. Gzovskoj‹, S. 38 Vl. Valter, ›Razsuždenija o muzyke. Skrjabin i Stravinskij‹, S. 39–40

INTERNATIONALER TEIL (DEUTSCH) Sergej Makovskij, ›Wrubel‹, [übersetzt von W. H.]. Diese Charakteristik Wrubels ist dem Buche Makovskijs Silhouetten russischer Künstler entnommen, das demnächst im Verlage Nascha Rjetsch in Prag erscheinen wird, S. 1–3 Teffi, ›Solovki (J. A. Bunin zugeeignet)‹ [übersetzt von W. v. R. [sic.]], S. 3–7 N. R. ›Elegie‹ [übersetzt von D. R], S. 7–8

ABBILDUNGEN B. Kustodev, Frühling Russische Kunstausstellung in Paris D. Levickij, Bildnis der Großfürstin Alexandra Pavlovna I. Kiprenskij, Selbstbildnis Ivanov, Studie S. Čechonin, Russisches Porzellan (2 Fotos) A. Jakovlev, Dame mit zwei Masken Ohne Quelle, Moskau Roter Platz und Kirche Basiliuskathedrale Kapelle der Gottesmutter von Iberien Der Kreml und die Moskwa Der Kreml und Kremlgarten von der Nordseite Thron des Zaren Boris Godunov, Geschenk des Schahs Abbas (1604), Zeughaus in Moskau

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Bibliografie der Zeitschrift Žar ptica

Thron des Zaren Ivan III., (Griechische Arbeit, XVI. Jahrhundert), Zeughaus in Moskau Thron des Zaren Alexej Michailowič, Geschenk Kisil Paschas (1660), Zeughaus in Moskau D. Stelleckij Kaufmann Junge Bojarin Kustodev, Russische Provinz D. Stelleckij, Skizze M. A. Vrubel, Pan (1899) Majolika-Skulptur Selbstbildnis Totenklage (1887) Der Ritter (1898) Sitzender Dämon (1890) Dämon (1901) Dämon (1890) Das Moskauer Künstlertheater im Ausland V. I. Kačalov als Hamlet (Foto) A. K. Tarassova als Ophelia im Hamlet I. N. Bersenev als Student Trofimov in Tschechows Kirschgarten P. A. Bakšeev als Mitja in Brüder Karamasow A. Arnštam, Vignette V. Šuchaev, Badende Frauen.

NR. 7 (1922) – OHNE MONATS­ ANGABE Žar ptica Ežemesjačnyj literaturno-chudožestvennyj illjustrirovannyj žurnal, Pariž, Berlin, Russkoe Iskusstvo Gedruckt auf Scheufelen-Kunstdruckpapier, Oberlenningen (Württemberg).

Grafik auf S. 2, 3 und 4 von Natalja Gončarova Umschlag von G. Schlicht Kliše i pečat chudožestvennoj tipografii Dr. Selle & Co., Berlin SW 29, Zossener Str. 55

RUSSISCHER TEIL Vl[adimir] Sirin,›Vesna‹ [Gedicht], S. 2 Kalma, ›Rus‹ [Gedicht], S. 3 V. Piotrovskij, ›Svjatoj Georgij‹ [Gedicht], S. 3 Bor. Zajcev, ›Duša‹. Sentjabrskij, sveženkij denek Andr. Belyj‹, S. 4–8 Bor. Pilnjak, ›Smerti‹, S. 9–14 V. Piotrovskij, ›Lunnoe molenie‹ [Gedicht], S. 14 Sergej Gornyj, ›Levitan‹, S. 16–20 Alexander Drozdov, ›Paločka-vyručaločka‹, S. 22–32 Teffi, ›Anjuta‹, S. 33–34 Ivan Rukavišnikov, ›Triolety‹ [Gedicht], S. 35 Teffi, ›Vesna‹ [Gedicht], S. 35 F.B., ›Volga k ksilografijach Alekseja Kravčenko‹, S. 36–37 Georgij Grebenščikov, ›Na kone bulanom. Scena iz neizdannoj misterii Bog Erlik‹, S. 37–38 E. Eganbjuri, ›Gončarova i Larionov‹, S. 39–40

INTERNATIONALER TEIL (DEUTSCH) Sergej Gornyj, ›Levitan‹ [übersetzt von R. v. W.], S. I ›Tode. Von Boris Pilnjak‹ [übersetzt von R. v. W.], S. II–IV Alexander Drozdov, ›Das Zauberstäbchen‹, [übersetzt von K. R.], S. IV–VIII

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Bibliografie der Zeitschrift Žar ptica

ABBILDUNGEN Natalja Gončarova Die Osterwoche Vier Grafiken ohne Titel L. Pasternak, Eierfärben, 1913 G. Lukomskij, Kiew, In der Lawra S. Sudejkin, ohne Titel K. A. Somov, ohne Titel S. Jurevič, Das Erwachen (Skulptur) S. Sudejkin Russisches Hirtengedicht In alten Zeiten B. Grigoriev, Bildnis der ›Groß­ mutter der Russischen Revolution‹, E. Breško‑Breškovskaja I. Levitan, Nach einem Porträt von L. Bakst S. Čechonin, Vignette I. Levitan Abendläuten Der letzte Strahl Ein Sommerabend Der große Weg Der See S. Čechonin, Vignette I. Levitan Die Mühle März Vera Fokina (Foto) M. M. Fokin (Foto) L. Pasternak, Der Komponist und Pianist S. Rachmaninov (1919) A. Kravčenko, drei Abbildungen ohne Titel.

NR. 8 (1922) OHNE MONATS­ ANGABE Žar ptica Ežemesjačnyj literaturno-chudožestvennyj

illjustrirovannyj žurnal, Pariž, Berlin, Russkoe Iskusstvo Umschlag von L. Tschirikow Gedruckt auf Scheufelen-Kunstdruckpapier, Oberlenningen (Württemberg). Kliše i pečat chudožestvennoj tipografii Dr. Selle & Co., Berlin SW 29, Zossener Str. 55

RUSSISCHER TEIL Sergej Makovskij, ›Portrety S. A. Sorina‹, S. 2–6 Vladislav Chodassevič, ›Avtomobil‹, (Petrograd), S. 6 Teffi, ›Poručik Kaspar‹, S. 7–13 Iv[an] Lukaš, ›Oblaka. Malenkaja povest‹, S. 14–20 Marija Smirnova, ›Vozmi‹ [Gedicht], S. 20 N. R., ›Vystavka gruppy chudožnikov‹, ›Mir Iskusstva‹ v Peterburge, S. 21–22 ›Russkaja Chudožestvennaja vystavka v Berline‹ [ohne Verfasserangabe] (In dieser Nummer reproduzieren wir einige Bilder aus dieser Ausstellung. Leider konnten die außergewöhnlichen Reproduktionen [»Kupčicha za samovarom« und »Nevesta« von Kustodev sowie je eine Reproduktion aus dem Werk von Exter, Altman und Sterenberg] bis zur Ausgabe dieser Nummer nicht fertiggestellt werden und erscheinen daher in der folgenden Ausgabe], S. 23–24 Ilja Surgučev, ›Miniatjury‹, S. 25–32 Sergej Makovskij, ›Russkaja grafika novogo veka‹, S. 33–34 Jurij Slezkin, ›Ona prinesla emu sigaru‹, S. 35–40

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Bibliografie der Zeitschrift Žar ptica

INTERNATIONALER TEIL (ENGLISCH) Teffi, ›Lieutenant Caspar‹, S. 1–4 Iv[an] Lukaš, ›Clouds. A short story‹, S. 5–7 N. R., ›Exhibition of the artistic group, ›The World of Art‹, S. 8

ABBILDUNGEN S. Sorin Porträt von Frau Dossel Porträt des Dramaturgen S. Litovcev S. Čechonin, Vignette Sorin, Porträt der Frau B. B. Grigoriev Bretagne Aus dem Zyklus Russische Bildnisse Porträt des Philosophen Lev Šestov K. Juon, Russische Provinzstadt [Eigentum von P. F. Fichtner] B. Grigoriev, Porträt N. Aronson, vier Skulpturen V. Šuchaev Stillleben Skizze (Rötelzeichnung) Grüner Pfeffer Violoncello Porträt der Mme L. (im Besitz von Mme. L.) Porträt von Frau Andreev Ein Teil der Ausstellung ›Mir Iskusstva‹ in St. Petersburg (Foto) Porträt des Herrn F. I. Šaljapin von B. M. Kustodev (aus der Mir Iskusstva-Ausstellung, St. Petersburg) Russische Kunstausstellung in Berlin Porzellan aus der Staatlichen Manufaktur, St. Petersburg V. Krymov, Landschaft I. Maškov, Russische Landschaft

Tatlin, Bühnendekoration Falk, Ein Mädchen M. Balašova und V. Smolcov (Foto) Ada Poljakova (Foto) Die Sängerin Ada Poljakova, die am letzten russischen Konzert unter Leitung von Arthur Nikisch teilnahm S. V. Čechonin, Titelseite der Osternummer (1912) von der Zeitschrift Solnce Rossii Russische Grafik: A. Benois I. Bilibin S. Čechonin M. Dobužinskij K. Somov A. Benois K. Somov M. Dobužinskij K. Somov M. Dobužinskij Sudejkin.

NR. 9 (1922) OHNE MONATS­ ANGABE Žar ptica Ežemesjačnyj literaturno-chudožestvennyj illjustrirovannyj žurnal, Pariž, Berlin, Russkoe Iskusstvo Die beiden Reproduktionen von B. Kustodev ›Kaufmannsfrau beim Tee‹ (auf dem Umschlag) und ›Die Braut‹ (im Text, wurden nach Originalen der Russischen Kunstausstellung in Berlin (Galerie Van Diemen) hergestellt. Kliše i pečat chudožestvennoj tipografii Dr. Selle & Co., Berlin SW 29, Zossener Str. 55

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Bibliografie der Zeitschrift Žar ptica

RUSSISCHER TEIL André Levinson, ›Bakst (K vychodu v svete polnoj monografii ego tvorečstva). Vozvraščenie Baksta‹, S. 2–5 ›Monografija o L. Bakste‹, S. 6–8 Teffi, ›Kraj moj‹ [Gedicht], S. 8 V. Tatarinov, ›Boris Grigoriev‹, S. 9–10 Vl. Lidin, ›Budda. Rasskaz. Iz knigi Myšinye budni‹, S. 12–16 Ju. Baltrušajtis, ›Bezmolvie‹ [Gedicht], S. 17 ›Zoloto zakata. Rasskaz Josifa Matuseviča‹ (Vesna 1917 g. Moskva), S. 18–26 Igor Woinov, ›Interieur‹ [Gedicht], S. 26 Vas. Nemirovič Dančenko, ›Desjat rtov (Iz vospominanij)‹, S. 27–32 Nikolaj Ocup [Gedicht ohne Titel], S. 32 Sergej Gornyj, ›Vyveski (Po russkoj ulice). Posv. M. Dobužinskomu)‹, S. 33–34 Arnold Zukker, ›Problema dirižera‹, S. 34–36

INTERNATIONALER TEIL (DEUTSCH) André Levinson, ›Baksts Rückkehr‹ [übersetzt von R. v. W.] S. 1–3 ›L. S. Bakst. Eine Monografie‹, S. 3 ›Boris Grigoriev. Von V. Tatarinov‹ [übersetzt von E. R.], S. IV ›Abendgold‹, Erzählung von Josef Matussewitsch (Moskau, Frühjahr 1917) [übersetzt von E.R.), S. 5–7

ABBILDUNGEN L. Bakst Bühnendekoration zu Thamar Porträt von Ida Rubinstein Modell Skizze zur Bühnendekoration von Chloë Strand Porträt von Alexander Benois

Porträt von V. V. Rozanov Die rote Sultanin B. Grigoriev, fünf Zeichnungen ohne Titel Th. I. Brenson, An der Moika in St. Petersburg (Kaltnadelradierung) B. M. Kustodev, Die Braut Kunstausstellung Berlin Filonov, Komposition D. Sterenberg, Stillleben A. Exter, Stadt Kuznecov, Fantasie A. Ostroumova-Lebedeva, Neva-Ufer am Gornyj-Institut A. Benois, Chinesischer Pavillon S. Sudejkin Aus dem Leben eines alten Landgutes Ohne Titel Moskauer Bräute (Skizze zu Balievs Fledermaus) I. E. Repin in seinem Atelier in Kuokkalla (Finnland) Modell – die Geigerin Cecilie Hansen, Aufnahme von 1922 (Foto) Ohne Quelle, L. Ja. Lipkovskaja zu ihrer Tournée durch Japan und Amerika (Foto) K. Juon, III Bakst, vier Zeichnungen.

NR. 10 (1923) OHNE MONATS­ ANGABE Žar ptica Ežemesjačnyj literaturno-chudožestvennyj illjustrirovannyj žurnal, Pariž, Berlin, Russkoe Iskusstvo Umschlag von Natalja Gotscharowa Kliše i pečat chudožestvennoj tipografii Dr. Selle & Co., Berlin SW 29, Zossener Str. 55

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Bibliografie der Zeitschrift Žar ptica

RUSSISCHER TEIL Sergej Makovskij, ›Maljavin‹, S. 2–5 Boris Zajcev, ›Duši čistilišča‹, S. 6–8 ›Vystavka kartin K. A. Korovina v Berline‹, S. 9–10 V. Chodassevič [Gedicht ohne Titel], S. 10 V. Ireckij, ›Dioniseva Ikona. Gravjura‹, S. 12–14 E-m, ›A. Ja. Golovin‹, S. 15–16 M.V. Muratov, ›Vojna ptic‹, Raskaz, S. 17–25 [Schalom] Asch, ›Svetlyj luč v temnom carstve‹ (Russkij Romantičeskij Teatr), S. 27–31 Aleksej Remizov, ›Verenica‹ (drei Gedichte), S. 33–35 ›Verenica Rossija‹ ›A-u-ka‹ Skazka [Märchen in Versen] Sergej Rafalovič, ohne Titel [Gedicht], S. 36 Nikolaj Ocup, ohne Titel [Gedicht], S. 36

INTERNATIONALER TEIL (DEUTSCH) Sergej Makovskij, ›Maljavin‹ [übersetzt von R. v. W.], S. 1–3 K. A. Korovins Gemäldeausstellung in Berlin, [übersetzt von R. v. W.], S. 4 Sergej Makovskij, ›A. Ja. Golovin‹ [übersetzt von R. v. W.], S. 5–6 [Schalom] Asch, ›Ein lichter Strahl im dunklen Reich‹, S. 7–8 Wolfgang Bruhn, ›Eine Ausstellung russischer Buchkunst in Berlin‹, S. 8

ABBILDUNGEN F. Maljavin Modell Mädchen (Skizze)

Drei Skizzen Bäuerinnen K. Korovin Sommer auf dem Lande Sommer (1912) Im Garten N. Gončarova, zwei Vignetten A. Golovin Dekoration für die Oper Die Nachtigall Kostümentwurf für die Oper Die Nachtigall Der Fischer Kostümentwurf für die Oper Die Nachtigall Der Kaiser Dekoration für die Oper Die Nachtigall Kostümentwurf für die Oper Die Nachtigall Der Tod Ch. Orlova, Skulptur S. Meščaninov, Skulptur Ja. Lipšic, Skulptur G. Fedder, Porträt Bogdanov-Belskij, Bauernmädchen (aus der Ausstellung seiner Werke in Berlin) N. Gončarova, Vignette Russisches Romantisches Theater (Foto) D. Obuchov Russisches Romantisches Theater R. Romanov (Foto) N. Gončarova, Vignette Russisches Romantisches Theater (Foto) E. Smirnova (Foto) D. Obuchov (Foto) E. Krüger (Foto) K. Pavlova N. Gončarova, Vignette V. Levickij, Vignette (zwei) A. Benois, Zeichnung D. M., drei Zeichnungen M. D., Vignette.

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Bibliografie der Zeitschrift Žar ptica

NR. 11 (1923) OHNE MONATS­ ANGABE

Max Osborn, ›Marc Chagall‹, S. 34–35

Žar ptica Ežemesjačnyj literaturno-chudožestvennyj illjustrirovannyj žurnal, Pariž, Berlin, Russkoe Iskusstvo Umschlag von B. Grigoriev, Porträt von W. Kačalow als Zar Feodor Umrahmung nach dem Entwurf von Th. Brenson Kliše i pečat chudožestvennoj tipografii Dr. Selle & Co., Berlin SW 29, Zossener Str. 55

RUSSISCHER TEIL Lollij Lvov, ›Videnija Borisa Grigoreva‹, S. 2–6 Vladislav Chodassevič, ›Serenada (Nadpis k siluetu)‹ [Gedicht], S. 6 Nik. Nikitin, ›Les‹, S. 8–12 Max Osborn, ›Marc Chagall‹, S. 13–20 Nina Berberova, ›Mogilščik‹ [Pesnja], S. 20 Gleb Alekseev, ›Deti ple������������������ šivogo Otca‹ (Rasskaz A. M. Remizovu), (Verder, ��������������� Germanija 1923), S. 22–25 Gleb Struve, ohne Titel [Gedicht] (1922), S. 25 V. Fride, ›E. P. Eduardova (K otkrytiju četvertogo učebnogo goda eje baletnoj školy)‹, S. 26–32 V. Sirin, ohne Titel [Gedicht], S. 32

INTERNATIONALER TEIL (DEUTSCH UND ENGLISCH)609

ABBILDUNGEN B. Grigoriev ohne Titel Das Weltkind Volksschulkinder Der Mann im Keller Der Prophet Aus dem Buche Boui Boui au bord de la mer Porträt von Moskvin als Zar Feodor (Moskauer Künstler-Theater) S. Sorin, Porträt von Frau N. Kovanjko Marc Chagall Das blaue Haus Selbstbildnis Über der Stadt Der grüne Jude Der Kuss Die Vision Das Tor des jüdischen Friedhofs in Vitebsk Spaziergang Der Geburtstag Olga Sacharova Bretonische Fischer Der König von Spanien Russische Künstler in New York, I. Moskvin, F. Šaljapin, ������������������������������������ K.S. Stanislavskij, S. Sorin, V. P. Kačalov (Foto) S. Sorin, Bildnis von A. Pavlova E. P. Eduardova (Foto) Die Tänzerin Julija Bekeffi (Foto) V. Levickij, zwei Vignetten.

Lollius Lvov, ›Die Visionen Boris Grigorievs‹ [übersetzt von R. v. W.], S. 33–34 608 Die Seitenzählung in den deutschen und englischen Žar ptica-Beilagen ist nicht immer übereinstimmend.

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Bibliografie der Zeitschrift Žar ptica

NR. 12 (1924) OHNE MONATS­ ANGABE Žar ptica Russische Monatsschrift für Kunst und Literatur – Revue russe d’art et de literature Umschlag von M. F. Larionov

RUSSISCHER TEIL K. Balmont, ›V dalekoj doline‹, S. 2–3 Teffi, ›Potomok‹, S. 4–7 K. Balmont, Stepnoj orel. [Gedicht], S. 8 André Levinson, ›Russkoe iskusstvo v Evrope‹, S. 9–14 Georgij Grebenščikov, ›U vavily v lapach‹, S. 16–21 Vl[adimir] Tatarinov, ›Sudejkin v kabare‹, S. 22–23 Vsevolod Roždestvenskij (Petersburg 1923) [Gedichte], S. 24–25 G. I. Isarlov, ›M. F. Larionov‹, S. 26–30 ›Z.P. Jurevskaja‹, S. 31 Leonid Čackij, ›Černyj monach‹ [Gedicht], S. 32 Vl[adimir] Sirin, ›Šekspir‹ [Gedicht], S. 32 Leonid Strachovskij, ›Vedma‹, S. 33–36

INTERNATIONALER TEIL (DEUTSCH UND ENGLISCH)610 André Levinson, ›Die russische Kunst in Europa‹, S. 1–2 George Isarlov, ›M. F. Larionov‹ [übersetzt von R. v. W.], S. 2–4 Vl[adimir] Tatarinov, ›Sudejkin im Kabaret‹ [übersetzt von R. v. W.], S. 4

ABBILDUNGEN N. S. Gončarova Drei Abbildungen ohne Titel Der Kindermord zu Bethlehem Zwei Abbildungen ohne Titel M. F. Larionov, ohne Titel Serov, Zeichnung K. P. Brjullov, Herr und Frau Naričkin Herr und Frau Olenin D. G. Levickij Cathérine Khavansky et Cathérine Kroustcheva Glycerya Ivanovna Alymova Nathalie Barstčeva A. G. Venecianov, Balançoire (zwei) V. L. Borovikovskij, Princesses Anne et Barbe Kourakine E. Lanceray, Clio S. Sudejkin, Porzellan Brautschau Ohne Titel Katinka-Polka Ringelreihn A. E. Jakovlev, Paris – im Café Rotonde M. F. Larionov, vier Kostümentwürfe für die Oper Šut (Der Narr) S. Sudejkin, ohne Titel Zinaida Jurevskaja, Mitglied der Staatsoper Berlin und der ehem. Kais. Oper St. Petersburg (Foto) Bilibin, Orientalin K. A. Somov, ohne Titel V. Levickij, Vignette.

609 Dieses Heft besaß eine deutsche und eine englische Beilage.

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Bibliografie der Zeitschrift Žar ptica

NR. 13 (1925) OHNE MONATS­ ANGABE Žar ptica Russische Monatsschrift für Kunst und Literatur – Revue russe d’art et de literature Umschlag von Léon Bakst Initiale und Buchschmuck von M. Dobužinskij

RUSSISCHER TEIL Max Osborn, ›L. O. Pasternak‹ (Per[evod] s nem[eckogo] W. E. T.), S. 2–8 L. K-ov, ›Staryj Petersburg‹, S. 9–14 Kalma [Gedicht], S. 14 Sergej Gornyj, ›Pjat i odna‹ (Detstvo), S. 15–22 Lev Gordon, ›Dancing‹ [Gedicht], S. 22 Ivan Lukaš, ›Waterloo‹, S. 22–32 V. E. Tatarinov, ›Grafika Dobužinskogo‹, S. 33–34 Sergej Makovskij, ›Russkaja skulptura v osennem salone‹, S. 35–36 ›Chudožestvennaja monografija o Palestine‹, S. 36

INTERNATIONALER TEIL Max Osborn, ›Pasternak‹, S. 37–39 L. K-ov, ›Alt Petersburg‹, S. 39–40 W. E. T., ›Die grafische Kunst Dobužinskijs‹, S. 41–43 Sergej Makovskij, ›Russische Skulpturen‹, S. 43–44 ›Palästina-Kunstmonografie‹, S. 44

ABBILDUNGEN L. O. Pasternak Porträt des Dichters Boris Pasternak Blumenstrauß (Aquarell)



Tolstoj im Familienkreise (Skizze) Schwestern (1918) Bildnis des Dichters S. Tschernichowksy Der Kreml (Aquarell) Bildnis (1921) Bildnis der Frau W.

Ohne Quelle Das Moskauer Tor in St. Petersburg Der Newa-Kai Aussicht auf die Isaakskathedrale und das Senatsgebäude Kirche des heiligen Nikolaus Winterpalais und Alexandersäule Denkmal Peters des Großen Die Isaakskathedrale Akademie der Wissenschaften und Börse Winterpalais Generalstabsbogen Newski-Prospekt Palais Paul I. L. O. Pasternak, Bildnis des Schrifstellers A. M. Remizov (1923) Lev Samojlovič Bakst (Foto) [Nachruf ] O. Me����������������������������� š���������������������������� čaninov, Mädchen mit Blumenstrauß (vor dem Spiegel fotografiert); Herbstsalon Paris Chana Orlova, Porträtbüste des Ehepaares Andreu; Herbstsalon Paris L. Lučanskij, Junges Mädchen Ljubov Černyševa in Scheherazade (Foto); Diaghilev-Ballett Lidija Sokolova, Heiliger Frühling [sic.] (Sacre du Printemps) (Foto); Diaghilev‑Ballett Lidija Sokolova in Die Parade (Foto); Diaghilev-Ballett Vera Nemčinova als Dornröschen (Foto);

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Bibliografie der Zeitschrift Žar ptica

Diaghilev-Ballett T. Wojzechovskij in Die Parade (Foto); Diaghilev-Ballett M. Dobužinskij, zwei Zeichnungen A. Grunenberg, Polowetzer Tänze (Zeichnung); Diaghilev-Ballett M. Dobužinskij, zwei Zeichnungen A. Grunenberg, Anatoli Vilčak als Neger in Scheherazade (Zeichnung); Diaghilev‑Ballett M. Dobužinskij, Zeichnung.

slučivšijasja v Staroj Prage v 183 … [sic.] godu‹ [Erzählung], S. 33–39 ›A. B. Lachovksij‹ [ohne Verfasserangabe], S. 40 V. Svetlov, ›A. ������������������������������� I. Mozžuchin (K ego vystuplenijam v Pariže)‹, S. 40 S. E., ›I. Bilibin‹, S. 41–42

INTERNATIONALER TEIL

NR. 14 (1926) OHNE MONATS­ ANGABE Žar ptica Russische Monatsschrift für Kunst und Literatur – Revue russe d’art et de literature Die Illustrationen und der Text sind in der Buchdruckerei Kadar gedruckt. Der russische Text wurde in der ›Imprimerie Navarre‹ gedruckt Initiale und Buchschmuck von M. Dobužinskij

RUSSISCHER TEIL S. E., ›I. Ja. Bilibin (k XXV chudožestvennoj dejatelnosti)‹, S. 2–8 Jean-Louis Vaudoyer, ›Alexandre [sic.] Benois‹, S. 10–16 Paul Vitry, ›Naum Aronson‹, S. 17–22 Vladislav Chodassevič, ohne Titel [Gedicht], S. 22 K. Balmont, ›Dva kryla‹, S. 24 A. S., ›A. E. Jakovlev v Afrike‹, S. 25–31 ›Ot redakcii‹ [Information über den Umzug der Redaktion von Žar ptica von Berlin nach Paris], S. 33 P. Potemkin, ›Avtomat ili čudesa,

Jean-Louis Vaudoyer, ›Alexandre [sic.] Benois‹, S. 42–44 Paul Viltry, ›Naum Aronson‹, S. 45 A. S., ›A. E. Jakovlev in Afrika‹, S. 46 V. Svetlov, ›A. I. Mosjuchin‹ (gelegentlich eines Auftritts in Paris), S. 46

ABBILDUNGEN Bilibin Schiff – Skizze für Panneau Vignette (1906) Illustration zu einem russischen Märchen Jerusalem, im Hofe der Omar-Moschee Ein alter Fellah (Bleistift, 1922) Illustration zu einem russischen Märchen, 1919–25 Goldener Hahn, Märchen von Puschkin Vignette [Sirin] (1924) Alexandre [sic.] Benois Versailles – Parterre d’eau Versailles – Die Nymphe Versailles – Im Park Versailles – Sommerallee Versailles – Apollo-Bassin Versailles – Am Wintertage Versailles – Das Hunderttreppentor Versailles – Neptun-Bassin Versailles – Ein Fluss N. Aronson

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Bibliografie der Zeitschrift Žar ptica

Wiege der Liebe Geheimnisvolles Schweigen Kopf eines Mädchens Dorian Grey A. Jakovlev, Aia – Eine Frau aus der Rasse der Banda (aus der Sammlung der Citroën-Expedition) Eine Frau aus dem Stamme der Hassa (Sudan) (aus der Sammlung der CitroënExpedition) Eine Frau mit dem Kinde aus dem Stamme Banda (Ubangi-Schari) (aus der Sammlung der Citroën-Expedition) Die Tochter des Häuptlings Eki Bondo (Belg. Kongo) (aus der Sammlung der

Citroën-Expedition) Sultan Barma Mata (Sudan) (aus der Sammlung der Citroën-Expedition) Reiter aus dem Stamme Tuareg (aus der Sammlung der Citroën-Expedition) Zeichnung [Frauenkopf ] (aus der Sammlung der Citroën-Expedition) A.I. Mozžuchin, Berühmter russischer Basssänger (Foto: I. Radzičevskij) A. Lachovskij, Der Winter A. D. Alexsandrovič, Artist der ehem. Petersb. Kais. Oper (Foto) 2 Illustrationen v. N. Roerich Vignette von S. Čechonin.

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BRIEFWECHSEL UND AUSZÜGE AUS OFFIZIELLEN DOKUMENTEN A. M. Gorkij v Sovnarkom. S pometkami V. I. Lenina (21.10.1920), in: V. I. Lenin i A. M. ­Gorkij, Pisma, Vospominanija, Dokumenty, Izdatelstvo Akademii Nauk SSSR (Moskva 1958), S. 153. ›Brief Gorkis an Kogan vom 19. Mai 1925‹, abgedruckt in: Lazar Fleishman, ›Gorkij i žurnalnyj proekt A. E. Kogana‹, Slavica Hierosolymitana (Slavic Studies of the Hebrew University), Vol. 4, 1979, S. 268–273. ›»Kraine tjažolye dni«. Pisma iz Francii’, Vstup. statja, podg. teksta i komment O. Demidovoj‹, in: Russkie evrei v Francii: Stati, publikacii, memuary i esse. Kn. 1 (Jerusalem 2001), S. 239. ›Perepiska Kazimira Maleviča i El Lissitzkogo (1922–1925)‹, in: Kazimir Malevič, Sobranie sočinenij, Band 4 (Moskva 2003), S. 296. Pismo A. M. Gorkogo V. I. Leninu s prosboj peresmotret rešenie Malogo Sovnarkoma ob

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Vorträge, Reden

otkaze v vydače deneg izdatelstvu ›Vsemirnaja Literatura‹ (17. Juli 1920), Istoričeskij Archiv, 1958, Nr. 2, S. 84. Pismo A. M. Gorkogo V. V. Vorovskomu o pečatanii izdanii »Vsemirnoj Literatury« za granicej (21. Mai 1919), Istoričeskij Archiv, 1958, Nr. 2, S. 77. ›Pismo M. F. Andreevoj V. I. Leninu, 25-ogo Janvarja 1922, Berlin‹, in: Maria Fedorovna Andreeva, Perepiska, Vospominanija, Stati, Dokumenty (Moskva 1961), S. 287. Tezisy doklada A. M. Gorkogo o pečatanii za granicej izdanii ›Vsemirnoj Literatury‹, Istoričeskij Archiv, 1958, Nr. 2 (März–April), S. 67–95, hier: S. 91–92. ›Rezoljucija na pisme A. M. Gorkogo‹, in: Institut Marksa-Engelsa-Lenina pri C K VKP (b) (Hg.), Leninskij Sbornik, Band XXXV (Moskva 1945), S. 106. Telegramma zavedujuščego izdatelstvom ›Vsemirnaja Literatura‹ A. M. Gokogo V. I. Leninu ob otsutstvii bumagi u izdatelstva (6. März 1919), Istoričeskij Archiv, 1958, Nr. 2, S. 73. Tezisy doklada A. M. Gorkogo o pečatanii za granicej izdanii ›Vsemirnoj Literatury‹, Istoričeskij Archiv, 1958, Nr. 2 (März–April), S. 91–92. ›The Letters of Maxim Gorky to V. F. Khodasevich, 1922–1925‹ (with notes by V. F. Khodasevich and an introduction by Sergius Yakobson; translated and edited by Hugh McLean), Harvard Slavic Studies I (Cambridge Mass. 1953), S. 279–334. Vypuska iz protokola zasedanija Politbjuro CK RKP (b) o pečatanii za granicej knig ›Vsemirnoj Literatury‹ (27. April 1921), Istoričeskij Archiv, 1958, Nr. 2, S. 92.

VORTRÄGE, REDEN Andreesen, Walter, ›New Russian-language Newspapers in Berlin‹, Beitrag zur 64. General Conference of the International Federation of Library Associations and Institutions [IFLA], Amsterdam (16.–21. August 1998). Benois, Alexander, ›Russkie spektakli v Pariže‹ (»Scheherazade«), Rede vom 12. Juli 1910, zitiert in: Golynec, Lev Bakst. Živopis Grafika (Moskva 1992), S. 32. Gorodzinski, Vera, ›Jews in the Avant-Garde in Fin-de-Siècle Paris and Berlin‹, paper given at the conference Jews, the Arts and Scholarship. Production and Reception of the British Association for Jewish Studies, 11.–13. July 2007.

AKRONYME Glavlit: Glavnoje upravlenie po delam literatury – sowjetische Hauptabteilung zur Bearbeitung von Fragen der Literatur.

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Russische Eigennamen

Gosizdat: Gosudarstvennoje izdatelstvo – Sowjetischer Staatsverlag. Narkompros: Narodnyj kommissariat prosveščenija – Volkskommissariat (Ministerium) für Bildungswesen, das sich auch für Kunsterziehung zuständig sah. Narkomvneštorg: Narodnyj kommissariat vnešnej torgovli – Volkskommissariat (Ministerium) für Außenhandel. Sovnarkom: Sovet narodnych kommissarov: Rat der Volkskommissare bzw. Ministerrat. VČK Likbeza: Vserossijskaja črezvechajinaja komissija po likvidatsii bezgramotnosti  – Kommission zur Beseitigung des Analphabetentums.

RUSSISCHE EIGENNAMEN Mir Iskusstva – Welt der Kunst; Vereinigung russischer Künstler in St. Petersburg, die von 1899 bis 1904 unter der Redaktion von Sergej Diaghilev die gleichnamige Zeitschrift herausgab. Peredvižniki – Wanderer; Gruppe von russischen Künstlern, vorwiegend Vertretern des Realismus in der Malerei, die sich im Protest gegen die von der Petersburger Kunstakademie auferlegten Restriktionen zusammenschlossen. Russkoe Iskusstvo – Russische Kunst (Berliner Verlagsunternehmen von Alexander E. Kogan) und gleichnamige Zeitschrift, die auf Deutsch, Russisch, Englisch und Französisch in Berlin und Paris erschien. Vyveska – verziertes Aushängeschild. Lubok – farbiger Holzbilderbogen. Koustari – bäuerliche Heimkunst. Izba – Russische Bauernstube.

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INDEX SYMBOLE Šuchaev 63, 157, 185, 186, 187, 191 Šut 17, 105, 164, 195 A Albatros 129, 207 Aldanov 48, 78, 97, 187, 209 Alexandre 34, 159, 170, 199 Altman 88, 128, 190 Andreeva 49, 52, 53, 76, 184, 186, 187, 213 Apollon 43, 59, 96 Archipenko 78, 128, 162, 186, 187, 209 Aronson 18, 101, 114, 116, 122, 191, 197, 199, 202

B Bakst 14, 16, 17, 34, 35, 37, 39, 40, 58, 59, 63, 64, 65, 84, 85, 89, 90, 91, 92, 93, 94, 99, 113, 114, 125, 133, 157, 159, 160, 167, 168, 169, 170, 171, 172, 179, 190, 192, 196, 199, 201, 202, 204, 205, 206, 207, 210, 213 Ballets Russes 13, 16, 17, 34, 35, 36, 58, 59, 64, 77, 78, 83, 84, 90, 93, 107, 108, 162, 163, 164, 165, 166, 167, 168, 169, 170, 172, 179, 199, 200, 201, 202, 203, 204, 205, 206, 207, 208, 212 Belyj 26, 128, 149, 189, 209 Bénédite 157, 159, 165 Benois 34, 35, 37, 63, 64, 65, 66, 85, 106, 113, 114, 116, 132, 157, 159, 160, 167,

170, 179, 186, 191, 192, 193, 197, 200, 213 Berežanskij 135, 138, 139, 141, 145, 209 Bergelson 122 Berlewi 88, 209 Beseda 26, 112, 115, 116, 141, 149, 152, 204, 209 Bilibin 37, 65, 71, 72, 74, 76, 111, 113, 116, 167, 184, 185, 186, 187, 191, 195, 197 Boguslavskaja 99, 162, 209 Boris Godunov 71, 113, 188 Bourdieu 25, 142, 178, 208 Bubnovyj Valet 87, 104 Budko 152 Bunin 41, 74, 184, 185, 186, 188

C Café Landgraf 148, 149 Café Léon 148 Cassirer 101, 102, 152, 162, 201 Černyj 36, 39, 41, 42, 43, 56, 68, 74, 78, 150, 183, 184, 186, 187, 188, 195, 206 Chagall 28, 37, 88, 98, 99, 100, 101, 102, 125, 143, 152, 162, 174, 194, 201, 202 Chaljastre 147, 211 Chodassevič 11, 23, 41, 115, 141, 152, 190, 193, 194, 197, 201 Čisla 140, 150, 209, 210 Corbusier 126, 151

217

Index

Corinth 108, 161 Čukovskij 48, 49, 97

D Der Blaue Vogel 131 Der goldene Hahn 71, 72, 84 Der Nister 122 De Stijl 126, 151 Diaghilev 11, 13, 16, 17, 34, 35, 37, 39, 57, 77, 84, 93, 105, 113, 159, 164, 166, 167, 168, 169, 172, 179, 196, 197, 199, 200, 201, 202, 203, 205, 206, 212 Dobužinskij 34, 65, 85, 96, 106, 108, 138, 167, 191, 196, 197 Doesburg 151 Dom Iskusstv 148, 209 Dostojewsky 78, 187

E Ehrenburg 20, 28, 125, 127, 128, 141, 144, 145, 151, 152, 201, 210, 211 Erste Russische Kunstausstellung 28, 85, 87, 88, 162, 207 Esprit Nouveau 126, 152, 210 Evrejnov 33, 47, 112, 117, 118, 152, 158, 210 Expertenkommission 51, 52, 72

F Feder 16, 41, 109, 111, 114, 150 Flora-Diele 148 Fokine 11, 13, 69, 70, 77, 173 Fürst Igor 77

G Gabo 28, 88, 125, 128, 202 Galerie La Boëtie 59, 87, 157 Gessen 33, 44, 47, 202

Ghéon 17, 173 Glavlit 24 Golovin 16, 17, 35, 37, 64, 95, 114, 167, 173, 193 Gončarova 14, 17, 35, 37, 63, 64, 65, 81, 82, 83, 84, 111, 125, 157, 160, 165, 189, 190, 193, 195, 211 Gorki 11, 29, 47, 48, 49, 50, 51, 53, 54, 55, 97, 112, 115, 141, 142, 152, 175, 201 Gornyj 42, 82, 114, 189, 192, 196, 210 Gorodetzky 44, 47 Gosizdat 49, 53, 54, 214 Gr 129 Grigoriev 58, 63, 98, 157, 165, 184, 185, 187, 190, 191, 192, 194, 202 Grünberg 20, 145 Grzhebin 29, 48, 54, 87, 96, 97, 152, 184 Gukovskij 53

H Heim der Künste 128, 144, 148 Hippius 49, 50, 204

I Iwanov 140, 150

J Jakovlev 63, 113, 116, 157, 185, 188, 195, 197, 198

K Kagan 24, 44, 97, 117, 142, 143, 210 Kandinsky 28 Karsavina 65, 93, 186, 203 Katlovker 44, 47 Kleopatra 35, 90, 164, 167, 170 Klopotovskij 20, 39, 129, 210 Kogan 17, 26, 29, 33, 34, 35, 36, 37, 39,

218

Index

40, 41, 43, 44, 47, 50, 54, 55, 58, 64, 109, 110, 111, 112, 115, 116, 117, 122, 123, 135, 143, 145, 146, 152, 157, 158, 159, 163, 165, 175, 176, 177, 179, 204, 210, 212, 214 Kopejka 44, 47, 48, 50, 175, 208 Korovin 82, 94, 95, 108, 174, 193, 208 Krasin 51, 72 Kulbak 147 Kulturliga 122, 124 Kustodev 40, 58, 63, 138, 157, 185, 187, 188, 189, 190, 191, 192

L Lâcheté 132, 133 Ladyžnikov 48, 54, 97, 130, 152 Larionov 35, 37, 63, 64, 65, 82, 83, 84, 102, 103, 104, 105, 125, 157, 165, 189, 195, 202, 211 Lasker Schüler 147, 207 Lenin 50, 51, 53, 212 Le Pavillon d’Armide 113 Leri 20, 39, 129, 210 Le Sacre du printemps 77 Le Sacre du Printemps 78, 165, 209 Les Sylphides 113, 164 Levinson 35, 59, 73, 89, 90, 98, 106, 183, 184, 185, 186, 192, 195, 202, 204 Levitan 18, 33, 42, 82, 83, 108, 189, 190, 211 Liebermann 101, 161 Lissitzky 20, 28, 88, 111, 125, 127, 128, 141, 143, 144, 145, 151, 174, 202, 211 Lukomskij 11, 17, 34, 40, 43, 59, 63, 105, 113, 129, 157, 159, 162, 163, 183, 184, 185, 187, 190, 211 Lunačarskij 10, 28, 48, 53, 88, 127, 209, 211

M Majakovskij 126, 128, 144 Makovskij 40, 59, 69, 79, 85, 95, 96, 108, 183, 184, 188, 190, 193, 196, 204 Malewitsch 127 Maljawin 82, 96, 208 Markisch 147, 211 Merežkovskij 49, 50, 114, 204, 210 Merz 126, 151, 207, 211 Meyerhold 126 Milgrojm 20, 88, 89, 111, 121, 122, 123, 124, 125, 126, 129, 142, 143, 145, 151, 209, 211, 212 Mir Iskusstva 11, 34, 36, 40, 43, 44, 58, 59, 63, 71, 85, 87, 93, 94, 96, 108, 113, 157, 158, 160, 163, 165, 167, 173, 176, 179, 180, 183, 184, 185, 190, 191, 203, 208, 214 Mosse 24, 96, 152, 174 Moussinac 168, 205

N Nabokov 23, 25, 39, 41, 80, 131, 205, 207, 211 Nakanune 41, 86, 134, 210, 212 Narkompros 28, 44, 48, 87, 88, 152, 175, 214 Nijinskij 65

O Olga Djakow 130, 135, 136, 142, 143, 150 Osborn 59, 98, 99, 102, 108, 109, 162, 194, 196, 205

P Pann 109, 111 Pasternak 108, 109, 110, 111, 126, 174, 190, 196, 200, 204, 205

219

Index

Pavlova 57, 65, 69, 70, 184, 185, 193, 194 Peredvižniki 87, 94, 108, 214 Petropolis 96, 108, 143, 183 Petruschka 10, 74, 114, 164 Picasso 78 Polowetzer Tänze 77, 78, 164, 197 Prager Diele 148

R Raskin 109, 111, 206 Rayonismus 84, 105 Réau 90, 98, 160, 202, 206, 207 Remisov 157 Rimon 20 Rodčenko 126, 144 Roerich 37, 40, 58, 64, 65, 76, 77, 114, 159, 160, 167, 198 Romanisches Café 147 Rubinstein 65, 192 Russkaja Derevnja 136 Russkaja Ženščina 136 Russkoe Iskusstvo 29, 33, 34, 35, 40, 42, 55, 68, 87, 89, 96, 106, 112, 142, 143, 152, 157, 166, 175, 176, 177, 183, 184, 186, 188, 189, 190, 191, 192, 194, 211, 214 Rymski-Korsakov 13, 173

S Salmon 126 Sanders 33, 152 Scheherazade 35, 36, 90, 114, 164, 167, 170, 171, 196, 213 Schlicht 80, 189 Schreyder 126, 128, 141, 142, 144, 211 Schtif 122, 147 Schwitters 126, 151, 207 Serov 108, 169, 170, 195, 199 Sirin 41, 80, 183, 187, 189, 194, 195, 197

Šklowskij 128 Skrjabin 80, 188 Skythen 126, 141, 142, 144 Slevogt 161 Slovo 24, 97, 141, 152, 170, 174 Somov 34, 40, 65, 73, 74, 85, 157, 159, 185, 186, 190, 191, 195, 206 Sorin 58, 63, 85, 157, 184, 185, 187, 191, 194 Sovnarkom 51, 54, 157, 175, 212, 214 Spolochi 41, 57, 58, 78, 90, 99, 129, 134, 149, 209, 210, 212 Stelleckij 157, 186, 189 Stenzel 10, 147, 207 Sterenberg 28, 85, 87, 88, 128, 190, 192, 207 Strawinsky 13, 36, 74, 78, 80, 95, 173, 202 Struck 101, 108, 152, 161 Struve 18, 26, 194, 207 Šuchaev 58, 184, 185, 189 Sudejkin 37, 39, 40, 58, 63, 65, 66, 67, 74, 75, 106, 157, 160, 165, 167, 184, 187, 190, 191, 192, 195 Šut 105, 211 Svetlov 70, 83, 90, 165, 184, 185, 197, 207, 211

T Tairov 126 Teatr i žizn 17, 20, 37, 39, 41, 57, 83, 96, 105, 114, 121, 128, 129, 130, 131, 132, 134, 139, 145, 152, 161, 163, 164, 165, 173, 209, 210, 211, 212 Thamar 90, 92, 93, 170, 192 Tichonov 48, 50, 55 Tscharni 147, 207

220

Index

U

W

Ullstein 24, 39, 55, 152, 174

Wagner 91 Walden 101 Wischnitzer 89, 121, 122, 123, 124, 145, 151, 152, 201, 205, 208, 212 Wrubel 79, 159

V Vereteno 149 Vešč 10, 20, 28, 121, 125, 126, 127, 128, 141, 144, 151, 205, 209, 211 Vorovskij 49, 53 Vremja 136 Vsemirnaja Literatura 29, 48, 49, 53, 54, 55, 97, 115, 152, 175, 199, 209, 213

Z Zamjatin 48, 49, 97 Zlatocvet 20, 121, 135, 136, 137, 138, 139, 141, 143, 145, 165, 209, 210, 211, 212 Znanija 24, 96, 152, 174 Zolotoe Runo 96, 104

221

Alex Ander BAr Anov, erhArd hexelschneider (hg.) in ZusAmmenArBeit mit toBiAs Burg

„in mosk Au ein kleines AlBertinum BAuen“ iwAn ZwetAjew und georg treu im Briefwechsel (1881–1913)

Es ist heute weitgehend unbekannt, dass die Gründung des berühmten Moskauer Puschkin-Museums für bildende Künste auf das Engste mit Dresden verknüpft ist. Der Kunsthistoriker und spätere Sammlungsdirektor Iwan Zwetajew orientierte sich an einem großen Vorbild: der Skulpturensammlung im Dresdner Albertinum. Deshalb bat er 1893 deren Direktor Georg Treu um Unterstützung. In dem folgenden langjährigen Briefwechsel kommen sämtliche Fragen zur Sprache, die sich bei der Museumsgründung stellen – von der Erwerbspolitik und der inhaltlichen Konzeption bis zur Gestalt des neuen Hauses. „Diese Neuerscheinung ist ein Meilenstein in den Kulturbeziehungen beider Länder – und selbst für kunst- und geschichtsinteressierte Laien leicht zu lesen. Abseits politisch geführter Debatten um Beutekunst haben Museumsleute in Dresden und Moskau ihre Zusammenarbeit auf eine qualitativ neue Stufe gestellt.“ Sächsische Zeitung 2006. 416 S. mit 75 S/w-Abb. Gb. 170 x 230 mm. | iSbN 978-3-412-06306-1

böhlau verlag, ursulaplatz 1, 50668 köln. t : + 49(0)221 913 90-0 [email protected], www.boehlau-verlag.com | wien köln weimar

Marianna Butenschön

ein ZauBerteMpel für die Musen die erMitage in st. petersBurg

Die Ermitage, hervorgegangen aus der Privatsammlung Katharinas der Großen, ist wie kein anderes großes Museum der Welt von der Landesgeschichte geprägt. Marianna Butenschön stellt diese wechselvolle Beziehung bis in die Gegenwart dar, wirft aber auch einen Blick hinter die Kulissen des berühmten Museums an der Newa. 2008. 411 S. Mit 106 S/w-Abb. FrAnz. br. 170 x 240 MM. iSbn 978-3-412-20102-9

„Manchmal erscheinen fabelhafte Bücher. […] Mit der Verve einer echten Liebhaberin, die ein verehrtes Stück immer wieder ins Licht hält, poliert und noch zu jeder abgestossenen Ecke eine Geschichte zu erzählen weiss, hat [Marianna Butenschön] ein grossartiges Museumsbuch geschrieben.“ Neue Zürcher Zeitung „Marianna Butenschön hat eine facettenreiche Geschichte des St. Petersburger Museums geschrieben […] und die wird mit bewunderungswürdiger Kenntnis aufgeblättert. […] Enthusiasten und Liebhaber unter den Kunstfreunden werden ihr Buch zu schätzen wissen.“ Frankfurter Allgemeine Zeitung böhlau verlag, ursulaplatz 1, 50668 köln. t : + 49(0)221 913 90-0 [email protected], www.boehlau.de | köln weimar wien

Bodo Zelinsk y (Hg.)

RussiscHe BucHillustR ation unteR MitaRBeit von Jessica kR avets und MicHael MülleR (liteR aRiscHe BildeRwelten, Band 9)

Realismus im 19. Jahrhundert, Ornamentalismus um die Jahrhundertwende, Futurismus und Konstruktivismus zu Beginn des 20. Jahrhunderts – in der russischen Buchgraphik spiegelt sich eindrucksvoll die stilistische Entwicklung der Malerei in Russland wider. Einer Sammlung dieser hervorragenden Exponate widmet sich der vorliegende Band der Reihe „Literarische Bilderwelten“. In Einzelartikeln werden vornehmlich illustrierte Ausgaben der russischen Roman- und Erzählliteratur des 19. und 20. Jahrhunderts vorgestellt. Darüber hinaus bietet der Band einen Überblick über die russische Buchkunst in den beiden vergangenen Jahrhunderten. Beginnend mit den realistischen Tendenzen wird sodann der spätere Bruch mit dem Realismus geschildert, der mit Symbolismus und Jugendstil einherging. Auch die Vielfalt der künstlerischen Strömungen des 20. Jahrhunderts, von der künstlerischen Avantgarde der ersten Jahrzehnte bis zu den unterschiedlichen Strömungen der Stalinzeit, wird anschaulich ausgebreitet. Ein Ausblick auf die Buchillustration in heutiger Zeit beschließt den Querschnitt. 2009. VI, 267 S. 55 farb. u. 150 S/w-abb. Gb. 210 x 295 mm. ISbN 978-3-412-22505-6

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