Der Dialekt von Bergün und seine Stellung innerhalb der rätoromanischen Mundarten Graubündens [Reprint 2020 ed.] 9783112325025, 9783112325018

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German Pages 372 [378] Year 1923

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Der Dialekt von Bergün und seine Stellung innerhalb der rätoromanischen Mundarten Graubündens [Reprint 2020 ed.]
 9783112325025, 9783112325018

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BEIHEFTE ZUR

ZEITSCHRIFT FÜR

ROMANISCHE

PHILOLOGIE

BEGRÜNDET VON PROF. DK. GUSTAV GRÖBER F

FORTGEFÜHRT UND HERAUSGEGEBEN VON

DR. A L F O N S

HILKA

PROKKSSOR AN DER UNIVKRS1TÄT GÖTTINGKN

LXXI. HEFT C. M A R T I N L U T T A DER DIALEKT VON BERGÜN UND SEINE STELLUNG INNERHALB DER RÄTOROMANISCHEN MUNDARTEN GRAUBÜNDENS

HALLE (SAALE) VERLAG VON MAX NIEMEYER 1923

DER

DIALEKT VON BERGÜN UND SEINE STELLUNG INNERHALB DER RÄTOROMANISCHEN MUNDARTEN GRAUBÜNDENS

vox

C. MARTIN LUTTA

m m HALLE (SAALE) VERLAG VON MAX NIEMEYER

I923

Geleitwort. Der Verfasser dieser Arbeit gehört nicht mehr zu den Lebenden. In den stürmischen Novemberlagen des Jahres 1918, als die Grippe unter unsern Truppen wütete, vermochte sein durch frühere Krankheiten geschwächter Körper nicht zu widerstehen. Er entschlief mit einem Lächeln anf den LippeD, im Alter von 32 Jahren. Er hatte sich gefreut, unter der Leitung von Prof. Dr. C. Pult an den Arbeiten des Idiotikons der rätischen Schweiz tätigen Anteil zu nehmen. Zu dieser Aufgabe schien er prädestiniert. Nach einem Beisammensein von kaum vier Monaten mufste Herr Pult den warmen Nachruf schreiben, der in den Annalas della Società retoromantscha, Bd. XXXIII, p. 239—251, zu lesen ist. Das schönste Denkmal hat sich Herr Lutta selber in diesem seinem Werke gesetzt. Langsam war es herangereift. Als echter, bedächtiger Bündner, unablässig feilend, hatte er es lange nicht gut genug befunden. Den T a g vergesse ich nicht, wo er mir endlich, mit verlegenem Stolz, das saubere, fünfbändige Manuskript seiner Dissertation brachte. Als ob er eine Ahnung gehabt hätte, war das ganze Ausmafs seiner Fähigkeiten hineingelegt. Der Arbeit durfte das beste der üblichen Prädikate zuerteilt, werden. Das mündliche Examen, das am 21. Juli 1917 abgelegt wurde, bestätigte den vorzüglichen Eindruck, den Lutta als Student gemacht hatte. Während das Oberland und das Engadin in prächtigen Monographien durchforscht waren, harrte Mittelbünden noch auf eine tiefere Behandlung. Wohl hatte Herr Dr. J. Luzi in seiner Lautlehre der sutselvischtn Dialekte, Zürcher Dissertation von 1904, die ersten guten Spatenstiche getan. Aber er hatte das Gebiet unmittelbar nördlich des Albula-Massivs nur als Randstreifen betrachtet, und vor allem hatte die Wissenschaft mittlerweile höhere Forderungen aufgestellt. Die Mundart des bis zur Erstellung der Albula-Bahn (1903) ziemlich auf sich gestellten und daher lautlich und lexikologisch originellen Bergün empfahl sich als willkommenes Objekt. Sie war durch die genialen Angaben Ascolis, nach schriftlichen Dokumenten und eigenen Aufzeichnungen (s. Saggi ladini, p. 119), sowie durch die grundlegenden Tabellen Gärtners (.Raetoromanische Grammatik und Handbuch der raelo - romanischen Sprach*

VI

und Literatur, littera g) nur unvollkommen bekannt. Andere Forscher hatten sie nur gelegentlich berührt. 1 Herr Lutta hätte nun einfach die vorbildliche Studie des Schweden Walberg, Saggio sulla fonética del parlare di Celerina-Crtsta, Lund 1907, zum Muster nehmen können, die die Lautverhältnisse jenseits der Berge im Oberengadin schildert. ' Der EinSufs dieses Werkes ist auch unverkennbar. In Graphie und Anordnung des Stoffes lehnt sich Lutta daran an in dem Matee, wie ein nach Unabhängigkeit Ringender sich anlehnt. 1 Huonders von Einfällen strotzende, kühn konstruierende, blitzartig aufbellende Art war ihm nicht gegeben (Der Vokalismus der Mundart von Disentís, iqoi). Seine Natur war klug abwägend und doch, nach reiflicher Überlegung, [energisch vorstofsend. Am meisten Eindruck scheint ihm die tief ausschöpfende und weitblickende Monographie Dr. F. Fankhausers über Das Patois von Val d'Illiez (Wallis), i Q i i , gemacht zu haben. Wie dieser läfst er die Punkte, in denen der Lautstand von Bergün nichts Eigenes hat, zurücktreten und belegt alles Besondere mit langen Reihen von Beispielen aus dem gesamten Wortschatz. Wie dieser läfst er eine Menge seltener Wörter, Pflanzenund Ortsnamen hereinfliefsen. Er ist überhaupt bestrebt, den immer wieder zitierten N o r m a l w ö r t e r n aus dem Wege zu gehen und seiner Darstellung durch Nennung des Eigentümlichen und Lokalen neue Reize zu verleihen. Da bei dem Umfang der Arbeit ein Register des verwendeten Materials umgangen werden mufste, ist überall, wo der Sinn sich nicht von selbst ergibt, eine deutsche Übersetzung beigegeben, auf deren Prägung viel Scharfsinn verwendet wurde. Das ist besonders für diejenigen, denen das Rälische nicht geläufig ist, eine angenehme, wenn auch Platz raubende Zugabe. Luttas Genauigkeit und Aufrichtigkeit hätten nicht zugegeben, dafs Wörter, die zu der Formulierung der Lautregeln nicht stimmen, verschwiegen worden wären. Als Bündner, der von Jugend auf das Zaozer Engadinisch sprach, besafs er den Vorteil, leichter als ein Fremder erkennen zu können, welche Einflüsse störend wirkten. Besonders in den heiklen Lehnwortfragen von Sprache zu Sprache oder von Dialekt zu Dialekt besafs er ein seltenes Urteilsvermögen. Aber oft genug muís auch er mit Erklärung zurückhalten. Die Zuverlässigkeit der Notierungen ist kaum zu übertreffen. Bei Anlafs einer dialektologischen Exkursion des romanischen Seminars hatten wir Gelegenheit, die außergewöhnliche Feinheit seines Ohrs zu beobachten. Er hörte noch Unterschiede, wo wir andern alle versagten. Er hat auch die Niederschriften Ascolis, Gärtners und Luzis vielfach beanstandet In seinem Transkription s1 Seit Lutta hat Herr Dr. Scheuermeier für d t n so verdienstvollen und ergebnisreichen Schweiz.-oberital. Sprachatlas der Herren Jud und J a b e r g im nahegelegenen Latsch eine Normalaufnahme gemacht. Natürlich nützte Lutta nach K r ä f t e n die W i n k e a u s , die Herr Jud in l e i n t r bedeutenden Besprechung W a l b e r g s g e g e b e n hatte.

VII

system finden sich u. a. 6 — 7 verschiedene f - L a u t e , d o c h macht er in der eigentlichen A r b e i t nicht von allen Gebrauch. E i n besonderes akustisches Sensorium war bei einem Dialekt vonnöten, der unglaubliche K o m b i n a t i o n e n wagt, wie aviok^is „ B i e n e n " , artfts „ B o g e n " , krokfts „ K r e u z e " , pri'itßs „ P r e i s e " etc. W a s j e d o c h dieses B u c h über d e n Rahmen einer M o n o g r a p h i e hinauswachsen läfst, ist das Bestreben, das im Untertitel zum A u s druck k o m m t , die Stellung dieses Dialekts im Gesamtbild der Mundarten G r a u b ü n d e n s g e n a u zu bezeichnen. Die kleinsten U n t e r schiede von einem Gewährsmann zum andern einerseits, die A b w e i c h u n g e n u n d Z u s a m m e n h ä n g e innerhalb der G e g e n d u n d d e s g a n z e n romanischen T e i l e s des K a n t o n s andrerseits m a c h e n das Wesen der A r b e i t aus, die, von synoptischen Tabellen durchzogen, zu einem V a d e m e c u t n des R ä t o l o g e n wird. Wer es studiert, dringt mit dem Verfasser in den lebendigen K e r n der Mundart ein u n d hat die Illusion, diese S p r a c h e gehört und gelernt zu haben. In den Schlussparagraphen werden die Charakteristika nochmals nach allen Seiten abgegrenzt. W e n n auch die morphologischen und lexikologischen D i v e r g e n z e n nur zum T e i l berücksichtigt s i n d , so hat sie der Verfasser d o c h beständig vor A u g e n gehabt, so dafs das Schlufsergebnis, dafs die Bergüner Mundart ein nidwaldisches Snbstratum mit engaJinischer Ü b e r m a l u n g darstellt, nicht G e f a h r läuft, neu gestellt u n d gelöst zu werden. Dieses Resultat bestätigt das, was Lutta in seinem ausführlichen Einleitungskapitel vom historischen und verkehrsgeschichtlichen Standpunkte voraussagt. Im übrigen m ö g e das B u c h für sich seiher sprechen. Aufser der Formenlehre wird man alles darin finden, was man suchen mag, sei es die g a n z eigenartige Latinität G r a u b ü n d e n s , sei es die g e duldige Erforschung einzelner Probleme. N o c h nie wurden z. B. die von Gärtner als „verhärtete D i p h t h o n g e " bezeichneten K o m binationen i'k, ek, ik, ok, uk aus früherem »', ei, ti, 011, uu so eing e h e n d und fördernd besprochen (vor allem in den §§ 3 3 1 ff.). D i e Frankoprovenzalisten sprechen d a mit Gillieron von einem „k parasite". Es ist einer der auffallendsten Züge, die die S p r a c h e östlich u n d westlich des G o t t h a r d verbinden. Bergün ist in diesem P u n k t e besonders k o n s e q u e n t und archaistisch. Die Erscheinung war bei der A u s w a h l des T h e m a s mitbestimmend. E s wäre unverantwortlich g e w e s e n , eine solche A r b e i t nach d e m T o d e des Verfassers in einer Schublade zu bergen. Zum G l ü c k waren ein B r u d e r Martin Luttas, der schon während seiner Studien O p f e r gebracht hatte, und die Mutter bereit, die K o s t e n des Druckes zu übernehmen. D a s Manuskript war aber nicht druckfertig, und es bedurfte der entsagungsvollen, langwierigen Arbeit zweier F r e u n d e d e s V e r s t o r b e n e n , der H e r r e n Jud und Fankhauser, um es herzurichten, auf den Stand der inzwischen fortgeschrittenen Wissenschaft zu bringen, die ausführlichen Register zu verfassen und den schwierigen Druck zu überwachen. F ü r die Duichführung dieser nicht einfachen A u f g a b e sind wir alle, denen lebendiges W i s s e n

VIII

am Herzen liegt, beiden herzlich verpflichtet. Auch die Herren Pnlt und cand. phil. R. Vieli haben teilweise mitkorrigiert Unser Dank sei aber auch dem Verleger, Herrn Dr. M. Niemeyer, ausgesprochen, der in dieser schlimmen, bücherlosen Zeit das Unternehmen wagte. Die Offizin Karras, Kröber & Nietschmann in Halle a.S. hat den schwierigen Satz, wie gewohnt, glänzend bewältigt. Möge dieses mit Liebe geschriebene Werk, das nun anch ein Denkmal der Bruder- und Freundesliebe geworden, einer Sprache, die um ihre Existenz kämpft, neue Freunde werben. Z ü r i c h , Januar 1923.

#

L. Gauchat *

*

Dem warm empfundenen Vorwort wünschen die beiden Herausgeber nur noch einige Worte beizufügen. Martin Lutta plante, vor dem Drucke mehr als ein Kapitel seiner Arbeit noch umzugestalten und an gewissen Stellen noch tiefer zu schürfen; er gedachte ferner, auf den Rat von J. Jud, das Wörterbuch an die Spitze der Monographie zu stellen, um so die Wiederholung der Bedeutungen bei jedem einzelnen Worte zu vermeiden. Die Umarbeitung, wie die Bereitstellung des (etymologischen) Wörterbuches steckte leider Ende 1918 durchaus in den Anfängen. Zum Glück hatte der eine Herausgeber dem Werdegang der Arbeit von früh an so nahe gestanden und mit Martin Lutta als einem seiner Studenten und Freunde so oft gemeinsam fesselnde Probleme durchbesprochen, dafs er die Verantwortung übernehmen zu dürfen glaubte, getreu den ihm bekannten Intentionen des Verfassers und gemeinsam mit F. Fankhauser, das Manuskript für den Druck vorzubereiten. Wir haben uns in engster Zusammenarbeit nicht gescheut, formell und stilistisch überall da einzugreifen, wo die Ausfeilung der Darstellung noch im Rückstände war, wir bauten einzelne etwas zu summarisch dargestellte Probleme aus, die Martin Lutta vor dem Drucke selbst wohl in Angriff genommen hätte; doch haben wir anderseits aus Pietät den ursprünglichen Text — selbst wenn er etwa Wiederholungen enthielt — wo immer angängig, intakt gelassen. Bis 1920, d. h. dem Zeitpunkte, da der Druck begann, wurde auch die Bibliographie nachgefühlt. Eine besonders heikle Frage war die Vereinheitlichung der Transkription. Martin Lutta hatte w ä h r e n d der Abfassung Seiner Dissertation in mehreren wichtigen Punkten das Passysche System dem Rätischen angepafst und es vereinfacht, aber die Einheitstranskription in der ganzen Arbeit durchzuführen, war ihm nicht mehr möglich geworden. Soweit als möglich galt es auch hier

IX

den letzten Absichten des Verfassers gerecht zu werden. Die Indices hat J. Jud, die Karte F. Fankhauser beigesteuert. Und nun, Martin Lutta, soll dein Werk zeugen für den nur durch den unerbittlichen Tod gebrochenen Willen, ein deiner Familie, deiner Lehrer und deines rätischen Heimatlandes würdiges Denkmal zu schaffen. Deine Freunde allerdings hätten dich auch ohnedies in ihrer Erinnerung festgehalten als einen jener Menschen, mit denen ein Stück Weges zusammenzugehen einen Glücksfall ihres Lebens bedeutet.

J. Jud.

F. Fankhauser.

Inhaltsverzeichnis. Seile Geleitwort

von

L. Gaiichat

und

den

Herausgebern

J. Jud

und

F. Fankhauser

v—ix

Inhaltsverzeichnis

XI—xn

Bibliographie

xru—xvi

Einleitung I.

i—41

G e o g r a p h i s c he r un d g e s c h i c h t l i c h e r A b r i f s B e r g ü n s § 1

Geographische

Lage

schreibung B e r g ü n s

p. 1 — 2 .



bei Campell

§ 2—4

Älteste

Be-

und die B e d e u t u n g

des

D o r f e s am F u f s e dos A l b u l a p. 2 — 8 . —

1—25

§ 5 D i e politische

G e m e i n d e B e r g a n , B e w o h n e r z a h l , L a n d w i r t s c h a f t p. 8 — 1 1 . —

§6—10

§ 11

Die

p. 23. — II.

Zweck

A b t i f s der G e s c h i c h t e B e r g ü n s p. I I — 2 3 . politische

und sprachliche G e s c h i c h t e



Bergüns

§ 12 S c h u l e und K i r c h e in B e r g ü n p. 1 3 — 2 5 .

und

Ausführung

der A r b e i t

25—41

§ 1 3 — 1 4 S a m m l u n g des Materials p. 25 — 30.



§ 15—17

F r ü h e r e A r b e i t e n über die M u n d a r t von B e r g ü n p 3 1 — 3 7 . § 18 T r a n s k r i p t i o n s s y s t e m p. 3 8 — 3 9 . Vokalismus §19—94

42—136 Betonte

E p. 5 5 — 7 1 .

k p. 7 1 — 8 1 .

f, ü p . 8 7 — 9 8 . vor

Nar(i\ die W o h n r ä u m e vom grofsen Vorraum. Vom Wohnzimmer gelangt m a n über eine Stiege hinter dem Ofen [la, d&vos phja, seil, la ft(e\la davos pipa\ durch eine Falltüre [it bure:l~\ in das Schlafzimmer o d e r die Schlafzimmer [la t(Ombrä\. Neben dem Aufstieg zum Haustor führt ein gepflasterter Abstieg [it !(ay(t) ku\>rt\ von der Strafse in d a s Untergeschofs [la kuwrf], ein weiter Vorraum, von dem man zum Viehstall [it ue'.t oder nue t\ in einzelnen (moderneren) Häusern auch zum P f e r d e stall [la jtal~ä\ und zum Keller [it fle'-r~\ gelangt. Im J a h r 1 8 8 8 waren in B e r g ü n 1 0 1 H ä u s e r bewohnt, im J a h r 1 9 0 0 : 1 4 4 und 1 9 1 0 : 1 1 4 ; P r e d a ist in diesen Zahlen inbegriffen. D i e Einwohnerzahl betrug 1 8 8 8 : 4 2 7 , i q o o : 1 3 6 6 und 1 9 1 0 : 5 3 4 . Dieser enorme vorübergehende Z u w a c h s 4 von 1 9 0 0 wurde d u i c h den B a u der Albulabahn und speziell d e r zahlreichen T u n n e l , Kehrtunnel und des Haupttunnels (Albulatunnels) verursacht, der eine gewaltige Zahl von italienischen A r b e i t e r n ins L a n d rief. Haushaltungen waren 1 8 8 8 : 1 0 5 , 1 9 0 0 : 1 8 8 , 1 9 1 0 : 1 3 8 . Als Muttersprache 5 gaben 1 9 1 0 a n 2 8 8 R o m a n i s c h , 1 7 2 D e u t s c h , 1 Zum Bezirk Albula gehören ferner auch die Kreise Beifort, Alvaschein und Oberhalbstein. ' Für die Hochtouren s. P . Mettier (Bergführer), Die Bergütier Berge, Chur 1904. • Hunziker, Schweizerhaus III, p. 56 ff. gibt dafür die oeng. Form sule'.r an, ebenso Schwarz im SA V. 1915, p. 30. 4 Die Angabe des Geogr. Lexik, d. Schweiz I, 193 „Bergün JOI Häuser, 1335 reform. Einw. romanischer Zunge", ist total falsch, ebenso die Angaben über Filisur. * Dals die Angaben der Schweiz. Volkszählung in Bezug auf die s p r a c h l i c h e Zugehörigkeit mit etwelcher Vorsicht zu benutzen sind, ergibt sich aus

IO 72 Italienisch, 2 Französisch (1900: 3 1 9 R-, 166 D., 878 Ital., 3 Frz., 1 8 8 8 : 359 R., 67 D., 1 Ital.); ig 1 0 waren 420 Protestanten, 1 1 3 Katholiken (1900: 429 P., 933 K., 1888: 403 P., 24 K.). Von den Einwohnern von 1 9 1 0 sind in Bergfin geboren 278 (1900: 249, 1888: 266), in andern Gemeinden Granbündens 166 (1900: 177, 1888: 142), in andern Kantonen 34 (1900: 61, 1888: 3), im Auslande 56 (1900: 879, 1888: 16), davon sind Bärger von Bergün 1 1 8 (1900: 1 3 5 , 1888: 181), Bürger anderer Gem. Grbds. 267 (1900: 275, 1888: 226), Schweizerbürger anderer Kantone 50 (1900: 49, 1888: 1 1 ) , Ausländer 99 (1900: 907, 1888: 9). Das Territorium der Gemeinde Bergün und Latsch umfafst einen bedeutenden Besitz an Weiden, die sich erstrecken ins V a l T u o r s 1 [val tu-)rts] und an den Albulapafs. P r e d a , am Eingangstor des Albulatunnels, war früher im Winter ganz unbewohnt, war und ist aber mit seinen Maiensässhütten [akhs] ein recht belebter Sommeraufenthalt während der Heuernte in den „Maiensässwiesen" (prr.da, e Arbeit hätte zumuten dürfen.

26 me\dj>r); L. itts tfofts „die Grasbüschel in Felsen" (B. tfof p Büschel, Haarbüschel" und puntfja.la, tfof'- Fl.n., sumpfiger Wiesenkomplex bei Naz). Meinen beiden vorzüglichen Gewährsleuten in Latsch verdanke ich es jedoch, dafs ich mit geringem Zeitaufwand doch eine stattliche Anzahl von lexikologischen und phonetischen Unterschieden zwischen Latsch und Bergün feststellen konnte, die ich im § 14 zusammenstelle. An die grofse Aufnahme in Bergün schlössen sich meine Aufnahmen des 800—900 Wörter umfassenden kleinen Fragebogens, den Herr Dr. R. v. Planta speziell für die rätorom. Mundarten aufgestellt hat, im unterhalbsteinischen F i l i s u r [fil. falisoür, bgü. falisokf, oeng. filisukf\ und A l v a n e u [alv. bgü. alvajie, oeng. a/va/w], ferner in C o n t e r s im Oberhalbstein \kunt»r\, sodann in Waltensburg \ttfrs], in B r i g e l s \Jjrjll~\ und endlich in P o n t e im Oberengadin [oeng. la punt, bgü. l& puyt]. Es mögen nun hier einige Angaben über die Zuverlässigkeit meiner Gewährsleute und auch über die Qualitäten des Explorators folgen. Der Verfasser dieser Arbeit stammt aus Zuoz, wo er seit dem dritten Lebensjahr die Engadiner Mundart sprach. Sein Ohr ist also insbesondere an engadinischen Lauten geschult. Wenn ich die Genauigkeit meines Aufnahmeorgans mit der Genauigkeit der Aufnahmen anderer rätischer Dialektforscher vergleiche, so fallt mir etwa auf: 1. Dals der eigentümliche typisch bcrgünische Laut, den ich mit w'e wiedergebe, bei Gärtner mit ut und ue und bei Luzi als ue, ut und uo erscheint. 2. Herr Dr. Luzi, dem der sehr geschlossene ¿-Laut von Haus aus vertraut ist, notiert öfters sehr geschlossenes 2 [a^:, vlkt, vegdsi\, wo ich nur geschlossenes e hörte, und umgekehrt nur e [e/], wo ich sehr geschlossenes i [ef „Tür"] notierte. 3. Die Bestimmung der Qualität des sehr geschlossenen, des geschlossenen, des offenen und sehr offenen e [e, e, e, ce\ stimmt bei Gärtner und mir oft nicht überein, da wir offenbar nicht gleiche Normallaute zum Ausgangspunkt nehmen Gärtner notiert i nie. Wo Luzi und ich i oder e hörten, hat er oft £ ; ' dafür schreibt Gärtner oft ga,, neben ajitfaftradegra,', L. iiartftt „Totenkranz", B. tfapi.; L. I a/a „Hohlbeil, halbkreisförmig schneidendes Beil zum Aushöhlen von Dachrinnen, B. ? ; L. l& batslfa „Bande, Clique",

29 B. la banda, ; L. it brat „gerösteter frischer Zieger", B. ? ; L. it dar\uy „Döbel, Holznagel zwischen zwei Brettern, damit sie sich nicht verschieben, Holznagel in den Radfelgen", dar\une\r „Holznägel anbringen, B. ? ; L. ii djepr „Geiger", B. iisuncdir; L. it frisarti, neben veralt. *amvarnay „junges Winterschwein", B. ii amvarnq/itf, L. ii frugle-.r „die Esse", 13. la, fu^ér/a,', L. fudzekf, 3. sg. tlfii\dza „fliehen", B. fttre:r\ 1 L. Li fwéya „Feuerstätte tief in der Erde, auf den Alpen", B. nur Flurname; L. éya, grttsa „ein spindeldürres Weib", ß. hja me'.gra, fku ¿y pelfalt'y ; L. ii gwardagoU „Förster", B. ferjtsr, silvikultoki;.L. mifltyt „schimmlig", B. da mif.a\ L. murlire'.r, 3. sg. tl marhvegra „sehr streng arbeiten", B. ? ; L. / ogla „Gefafs aus einem Stück Stein (Granit) gemeifselt, z. B. als Wasserwärmer verwendet", B. ? ; L. iipikzuei „Balken der Tür, um den sie sich dreht", B. ? ; L. la, pitfardtl'.a, „fast unzugänglicher Ort in Bergen", B. ? ; L. ii plu\ty „Küchlein, Hühnchen", B. pulir;; L. iidz regynls „eine Art Laus, nur an Schweinen" (cf. ueng. raischen „Schafzecke", Pali.), B. ? ; L. it re:s „die Höhe (imaginäre Fläche), wo das Dach beginnt", B. res nur Adj. „gestrichen voll" ; L. la ridzaia „Schnelligkeit", B. nur Adj. riis „schnell" ; L. egr t'yt kui rob't „mit dem Hausger.it (nach Val Tuors) ziehen für den Sommer", B. ro'.ba, ; L. la fkuatse.ra „Kehrichtschaufel", B. ? ; L. éy /pél". l(fjr!»s „ein Kartenspiel", B. ¿y mats — ; L. fpyjrtis „der obere und die seitlichen Teile der Fensternische", B. la balkune'.ra; L. a ftrülzn „nachschleifend (Holz)", B. ? ; L. jbudzaro:, jbudzate'.da „verdammt!", B. \maladi\ ; L. klo-.dir, klo:dra „empfindlich gegen Kälte", B. ? ; L. it kriks „SpannVorrichtung am Wagen für Bergfahrt, eine Art nachschleifende Gabel, die sich in den Boden bohrt und stemmt, wenn der Wagen rückwärts geht", B. ? ; L. btt( klo.z>r i:i „kein Auge zutun", B. bé/f sare.r i:i; L. ii kadri: „das aufgenähte viereckige Stück zur Verstärkung der Ecken der Blache", B. ? ; L. la ko.irva „Mehltrog mit Deckel", B. ? ; L. la bajie'.ra „Waschzuber", B. ii /sigiar da bueida. b) M o r p h o l o g i s c h e u n d p h o n e t i s c h e U n t e r s c h i e d e : Zunächst sind hier zu nennen die Fälle L. plu'.i, \nu\i, tl fsu:ta,, B. plu\)i, \nit\ii usw., cf. § 84 c; ferner eine lange Reihe von Einzelfällen : L. ii altts „ Ehe", B. alaUf (eng. Lehnw.) ; L. amvornay „Schwein oder Schaf, das man überwintert", B. ainvarnaytc „Schwein, das überwintert wird"; L. balutslfe'.r, 3. sg. i balólsl(a „schwanken, wackeln", B. ibaluls/fe'.r ; L. bruw'yi „Bergün", B. braivyi ; L. lafer dvegza „den Schelmenstrich lassen, d. h. wenn der Nachbar über die Grenze hinausmäht, läfst der Geschädigte einen schmalen Streifen Gras stehen, damit man sehe, wie der andere gemäht hat", B. lafer vegza', L. póma dzanewra, „ Wachholderbeeren", B. póma dzanegra ; L. gudaju'.r „gewinnen", B. gaduße\r\ L. dakajfyt, da kifyl und da keeyt „einwärts, taleinwärts", B. an t'yt; L. da kaßt'.r, da kiw.r und da 1

furr.r;

In L . sagt man auch tfurr.r in gleicher Bedeutung, in B . nur noch vgl. dagegen a l t b g ü , y « r f « ! > Sus. 1 3 1 .

3° ke&.r „auswärts, talauswärts", B . an o:r; L . / ajidjatfr „Fensterg i t t e r B . ii qpdjat->r; L . la lyüfcdna „ D e n g e l s t o c k B . l a . r i j t t f i r . n a , und ryitfidna; L . la marltadcgra, „Dengelzeug", B. markladegra und martl-\ L . ii pits dii lantsv>l „ d i e E c k e der B l a c h e " , B . pits „Nadelstich, Bergspitzc"; L . la ratstföp „Gebet", B. / aratstfiy, L . la rekt „ N e t z " , du>z rekts, B. it artkt; L . re/urmo: „reformiert", B . re/ormo'.', L . salvc.dl „ w i l d " , B . sulvc.dl und salveidjl; L . saptf, „ b e g i n n e n " , B . kuneben sajtlf „ B l u t " , B. nur sajitf, L . fkumantse.r mantse.r; L . las fpaydjis „eingelassene Querhölzer (z. B. in der T ü r ) " , B . f p a / i d j i s " , L . v.r, ö:r „aus, draufsen, hinaus", B . oir; L . dadw.r, dad&.r „ a u ß e r h a l b " , kuv.r, ktiö:r „ d r a u f s e n " , B. dado'.r, kuo'.r; L . u/afeja „ g e r a d e s o " , B . ufe, ufcja\ Plur. itdz ut/ja'Ms „ d i e V ö g e l " , B . iidz utf iis. c) A u c h iür S t u l s kann ich aus meiner Sammlung von ung e f ä h r 8 0 0 Wörtern eine ansehnliche Anzahl von Abweichungen lexikologischer, morphologischer und phonetischer Art g e g e n ü b e r Bergün anführen: Zunächst sind auch hier wie für Latsch zu nennen plu'.i, fmr.i, § 8 4 c ; alets „ E h e " , pöma dzane'.vra, gudctfw.r, und plu^rr/, v. oben, unter b). Ferner S. ii anafpre.i „ L a g e r für die Achse des S p i n n r a d e s " , B. anafpja\l „ R ö h r e oder Ringe in der R a d n a b e " ; S. ii bratsaUg „kurzer S t r i c k " , B . bratsarfy', S. it d\i>mb>r „ A r v e " , B. d\ttnb?r\ S. tsej, le'ya tseja „ z ä h , zähes H o l z " , B. tse:x, tse:xa und tse~.ha; S , ' m i ü g b s , neben mjoglas „ B r o s a m e n " , B . nur rnjogbs; S. la pltsa „ S t ü t z e " , B. pitsa; S. ii pundz*rv>l „ G e w i c h t s t e i n B . pundzvil", S. nur la nur/se:ra „Mutterschaf", B . nu'jrtsa, neben nurtse'.ra; S. ii du:/s „ B e w ä s s e r u n g s g r a b e n " , B . d w e k t ; S. fter fi!(o\ stfla si: „ a u f seiner Meinung b e s t e h e n " , cßöpselami: „ich bleibe bei meiner A u f f a s s u n g " , B . fter sila se:; S. I § 15. D i e Mundart von Bergün war bis heute in der rätischen D i a l e k t f o r s c h u n g nur vertreten durch f o l g e n d e A u f n a h m e n :

1. Ascoli, Saggi ladini, im Archivio Glottologico Italiano, Bd. I, p. 1 1 3 — 1 6 1 (wo Bergün jeweilen unter römisch V I I figuriert) aber auch p. 2 4 2 — 2 4 9 . 1 In folgenden Wörtern weicht Ascolis Notierung von der meinigen a b :

Oa oder nur 0 [wo ich immer 0:9]: p. 1 3 4 oarva,

[y.'rva, morza,

ifty.3rdj&\, p. 246 forba.f, oar/ koarp, koarps, ko'.rna, poarta,

[fyjrba/, X»rf], doarma [mx^r/sa,

istorgta

p. 247 kysrp,

usw. 3:p],

0 ( = mittleres 0) [für 3]: p. 243 /om, rom, klomma [/orn, rom, khma], p. 244 tokr, tokrz [hkf, fykfts], p. 246 bokf, okf, ok/s, nok/, noua [bokf, okf, ok/ts, nok/, nowa], p. 247 es, kurata /omni» [jx:, kurata hm:a]. ea oder e [für : p. 124 anlgerna [ajitffjma], p. 243 /fern [tfi\>rn\, p. 245 vearm, terz, tferner, Ise'.rp, erva, pe'.rdr [yE'Jrm, it'Jrts, t/t'Jrnsr, istJrp, twrva, pPJrtbr]. e [für £]: p. 128 drez, bestgas, vzeva, vzegva [drtts (btfi(»s), vdztva nur satzunbetont, i'dztgva], tschartgevan [tfart(lgir~\, p. 245 unfiirn, anriet n \ttm*fi>rn, amvrern], p. 137 zest [dz(/t], p. 244 a\ejr [a^:], p. 128 urialla \urja.!&\ p. 242 Ifo'.ü [tfo:], p. 246 mcrwra, [mo:ra], p. 137 kuorrer [kicervr\, p. 243 tfanf [t(3mp/\ 2. Gärtner, Rätoroman. Grammatik (Heilbronn 1883), Gärtner, Handbuch der Rätoromanischen Spracht und Literatur (Halle 19io), Gärtner, Die Rätoromanischen Mundarten in Gröbers Grundrifs1, (1904—06), p. Ö08—636. Bergün figuriert bei Gärtner unter dem Buchstaben g. Im folgenden führe ich grundsätzlich nur eine Belegstelle für die Abweichungen von meinen Notierungen an und zwar in erster Linie die Formen aus der Grammatik (G.) mit der Seitenzahl, und erst in zweiler Linie die in der G. fehlenden Formen des Handbuchs (H.) und des Grundrisses (GG.). Meine Notierung folgt in Klammern. V o k a l e : G. 38 anda, „Tante" [pnda\, G. 188 igva „Traube" [ej&\ G. 172 dzekr, H. 140 dztgra „hart" [dtk¡-, digro], G. 178 mzegra „Mals" [amdztgra], H. 234 ts>r „sein" [awr], G. 2 für „Kalb" puj [daneben auch vdi\, vdiec:/a], H. 216 meja,, mej»s, leja, teps [me:s, te:s Sg. und PI. für „meine, deine"]. 3, a: [für 0:9]: G. 192 katy.rd*/ [katy.)rd>/~\, G. 131 po.rt, py.rtos, py.rts, py.rtm [pyjrt, py.srtis usw.], G. 1 1 9 mors [myjrls „gebissen"], H. 160 mord'» [mysrda]. 3 [furo]: G. 192 dods/\dóch/~\, G. 176 dzywm\dzow*ñ\, G. 57 dzjgvna \dzogvna\, G. 51 koísa, [¿«/.ra], G. 170 GG. 624 /kyiv [fkow „(ich) kehre"]. WC [für w6]: G. 182 nuets [mvé¡s], G. 188 utts \_wets], G. 194 di^uets [di\w'cts], G. 198 saguent [sagw'ent]. 6: [für 653]: H. 1 1 8 tft'.rn [tff.srn], H. 170 pf.rtbr [pt'Jrdir], H. 181 ve:rm \ye:>rm\. — £ [für e und é]: G. 17 2 dzt \_dzi\, GG. 612 mar dt [mardi], G. 63 dztts [dzít], G. 172 ftkl [ftkf\, G. 174 ftm Ifém], H. 141 frHs [fräs], H. 137 f i i [ f f ] , II. 200 ftia, [/da], G. I.SO tfl, t/m, tfes [e/t, efin, eßi\, G. 192 ktn/[p¿b/\ G. 198 prtm[prcni\, H. 141 st „auf"], H. 138 fkrtgv>r [fkregnr], fkrits [/kr,'ts\ G. 60 ftarnim [ftarn. m], G. XXVI fltgva [ftegva], G. 54 te [/,' „du"], G. 196 trat/itnt [trttfjenl], tfiínt [t/jent\, G. 184 u/t [u/e, u/ej&\, H. 238 mts [rnés: „gelegt"]. SB [für £]. [Gärtner setzt das ee, der folgenden Bergüner Formen dem Brigelser & in /az/ta,, psel usw. gleich. Im Gegensatz dazu muís ich bemerken, dafs ich in Brigels se sehr wohl wahrnehmen konnte, dagegen in Bergiin kein se zu hören bekam]. H. 2 1 0 ml, tela [t/, f/a], mlts, eehs, G. 19 senta, G. m das, G. 150 se, G. 5 fwlza \ftltiza\, G. 57 fmmna, G. 19 gudzmnt. G. 60 mmma [mtm:a], H. 228 mmtir, tnmt, mmt»s usw. [nittsr, mit usw.], H. 152 paelsm, G. 192 ssed)/, G. 61 /psets, GG. 6 1 1 /pteJsa, G. 80 irse, G. 192

33 trxckf, G. IQ4 trœnta, G . 168 tçavxl, tçavtelts, H. 188 tfsendra, G . 160 vœ, G. X X V I vœdzis, H. 226 vsets, vœdz»s, vtedza, vsedztn, H. 154. vsendsrdzt [vtncbrdzé]. U [für 0 ] : G G . 6 1 1 , H. 120 tçu \tçoi\, G. 170 tçu.ra, \tço\rtï\. — H. 1 1 0 pluìì\_plu ìf\, G. X X V I trtfii [trafi'.t, tr>fr.f\, H . 19Ò. tfur/kayta, [tfaykayta\. Konsonanten: H. 1 1 4 e'.fna, \e'.vna~\, G G . 6 1 2 mimizefna, [nija-dze:vna]\ G. 182 ilts [i:its „Augen"], H. 1 1 0 pluïlts \plu?its\ G. 186 tirjp [ie-ffmp], G. 78 filuntsa „Spinne" [filugtsa und filuntsa], H . 188 mundyr \jnug!yr\, G . 194 w»/î [ w j î / î ] , G G . 6 1 2 antça, H. 134 a.ntça [q/itfâ], G G . 624 andjin, H. 221 andjiy \ajiijiif\, H. IQ2 lunlç, lundja \luji!ç, lujulja\ H. 184 marnljis~\majirts\, G. 65 stysa [stylsa], H. 206 timugs [timutjts], G. 168 tçays [tçayts], G. 71 Pl. Mrs \iC3rts\ 3. Luzi, Lautlehre der Sulselvischen Dialekte, Diss. Zurich (auch: Romanische Forschungen X V I , 7 5 7 — 8 4 6 ) . 1 4. Einzelne Formen von Bergün finden Tappolet, Die romanischen Verwandtschaftsnamen,

1904

sich verstreut bei Strafsburg 1 8 9 5 . 2

5. Luchsinger, Das Molkereigerät in den rom. Alpendialekten der Schweiz, Diss. Zürich 1905 (auch erschienen im Schweiz. Archiv für Volkskunde IX, 1 7 7 — 1 8 6 , 2 5 1 — 2 9 1 ) . 3 6. Huber, Les appellations du traîneau et de ses parties dans les dialectes de la Suisse romane, Diss. Zürich 1 9 1 4 (vollständig als Beiheft III v o n Wörter und Sachen). 4 7.

Hunziker, Das Schweizerhaus,

III. Graubünden,

A a r au 1 9 0 5 . 5

1 Abweichungen: § 38 gaduofi, t^a/tuejia \_gadwejl, t^a/iwefia], guelp \_gwelp~\, § 51 kwtts, uets [kwets, we/s], § 22 nj^ [aji:], § 48 vJkt, \vekt, vegda], § 61 ej \e/\

§ 8l vtgda,

' Zu ftßrot, ftfiratta „Ururgrofsvater, -mutter" (p. 84) ist zu bemerken, dafs einzelne Bergüner meinen, früher die Form gehört zu haben; doch wird sie nicht mehr gebraucht; man s.agt heute j g r a t , -a. — Statt suvrttj, suvrena

p. 115 Anm. \suvrir\, suvritja]. * Abweichungen: p. 16 vafjäla de! tat [va/jwJa dil llts prumavatjts'] „Sommersprossen im Gesicht".

3*

j6 habe, eine Anzahl heute meinen Gewährsleuten nicht mehr bekannt ist Es sind f o l g e n d e : Pall. 1 , 6 7 spann" tadra

asienf

„ W u c h e r " \uzu:ra\;

[ n u r V b . bardaie: „Drescher"

r „vorspannen"] ;

[ h e u t e fkude.d»r\,

blume"

[ = fluhf palantatsa\;

erusiuti

„Auswaschung

i f f l a r u s „heftig",

p. 1 5 5

p. 2 7 0

erttder

p. 95 bardägl p. 6 6 3

battader,

chöds

d'ova

„Vorbat• „Dotter-

„Bodenauswaschung",

durch Ströme und Wildbäche";

[rabi/o\]

„jähzornig",

\_firlanto\\\

p. 350

p. 4 5 5

mel-

fascho „schlecht aufgelegt, niedergeschlagen", \_fafo'me\l „schlecht in Windeln gewickelt"]; p. 542 pigrezza „Trägheit, Faulheit" [dafür fulade:t,

pultrunarejsi\\

[heute garekf, rasta

p. 6 1 8

ameidre'.r u . a . ] ;

„Borste"

=

rtk/ta;

rimedger

„ h e i l e n , verbessern"

p. 630 saidla

p. 6 3 8

sbarrazzer

„längeres H a a r " ; il temp

„ d i e Zeit

vertreiben" \ybaratse:r bedeutet „freimachen (einen Platz)"]; p. 645 s-chanver

„Hanf

ziehen"

\trer

o:r

tfompf~\\

p.

713

stagnin

„Flaschner"; p. 792 usufrüt „Nießbrauch, Ertrag" [man schreibt in Bgü. usufrüt, sagt aber JjoJimvyt\; p. 808 viertsch „schielend" [gt'Jrtf];

p. 8 2 2

zoaia

„Holzschuh"1

[holt/&\.

Aus dem deutsch-romanischen W ö r t e r b u c h von E. Pallioppi (Samaden 1902) seien noch folgende für Bergün angegebene, aber heute unbekannte Formen erwähnt: Pall. 1 1 , 2 1 imbuorchadiira „Abzweigung" [bu->rt(&~\; p. 83 leva „Aushebung" [le'.va bedeutet „ H e b e l " ] ; p. 176 sladrantr „Dieb schelten"; p. 207 seugner „einkeilen"; p. 213 ineurzer la charn „Fleisch einschnüren, zum Aufbewahren"; p. 221 glatschera

„Eisfeld"

„emporfahren"

del tschel

[nur Flurname

[safer

j,;];

„Himmelszelt"

p. 2 7 2

glatfe\rss\\ zacra

\ii vokt dii t/r>l

p. 2 2 4

„Haderer";

saglir p. 4 1 8

„Himmelsgewölbe,

all'ota chappa

Firma-

ment"]. § 17. Das von mir an Ort und Stelle gesammelte Material [auch die Personen-, Familien-, Flur- und Ortsnamen], soweit es etymologisch durchsichtig ist, wurde nun der Lautlehre dienstbar gemacht. Dabei hegte ich den Grundsatz, die c h a r a k t e r i s t i s c h e n bergünerischen Merkmale mit recht zahlreichen Beispielen zu belegen, den A b w e i c h u n g e n von lautgesetzlichen Lautregeln n i c h t aus dem Wege zu gehen und, soweit möglich, auch die s c h r i f t l i c h e n Quellen zur Aufklärung der Geschichte der Mundart heranzuziehen. Da das Wörterbuch von Bergün, das ich zu publizieren gedenke, die Bedeutungen der rom. Wörter enthält, so füge ich nur dann die Bedeutung hinzu, wenn die des Bergüner Wortes von der des lateinischen oder allgemcinromanischen abweicht. Von der Durchführung des Gedankens, nur diejenigen lautlichen Er1 zoata ist nach A n g a b e Pallioppis aus Carisch herübergenommen. Vielleicht sind auch andere Carisch und Pallioppi gemeinsame W ö r t e r von diestm aus jenein entnommen worden.

37 scheinungen zu behandeln, die die Bergüner Mundart charakterisieren, nahm ich A b s l a n d , weil eine Ubersicht über das typisch Bergfinerische erst nach gründlicher Durcharbeit d e s gesamten Stoffes erreicht werden konnte. Die d e u t s c h e n E l e m e n t e im Bergünerischen alle zu besprechen, würde fast den Stoff zu einer eigenen A b h a n d l u n g liefern. Es sei aber hervorgehoben, dafs der deutsche Einschlag im bergünerischen Wortschatz nicht gröfser ist als durchschnittlich in den übrigen rätischen Mundarten. Dies ist leicht begreiflich; denn die Bergüner standen mit dem benachbarten Deutschen bis in die zweite H ä l f t e des letzten Jahrhunderls nicht in direktem G r e n z kontakt. Die zunächst liegenden A l e m a n n e n (Walser) safsen im T a l des Davoser L a n d w a s s e r s ; aber zwischen j e n e und die B e r g ü n e r schob sich Filisur ein, das nun allerdings, wie oben a n g e g e b e n , zum Deutschen übergegangen ist. Wichtig scheint mir die E r kenntnis, dafs früher die deutschen Lehnwörter wohl zum allergeringsten Teil von Bergünern dem Deuischen d i r e k t entnommen worden sind. Es dürfte sich vielmehr in den meisten Fällen um i n n e r r o m a n i s c h e Weiterwanderung gehandelt haben. Heute dagegen wird wohl auch Entlehnung innerhalb Bergüns stattfinden, da durch eine bedeutende Zunahme an deutschsprechenden E i n wanderern immer mehrere Familien in B e r g ü n w o h n e n , mit denen man nicht romanisch sprechen k a n n ; heute sind es 1 4 Familien auf ungefähr 1 2 5 . Die K i n d e r dieser Familien lernten und lernen noch heute Romanisch aul der Gasse und müssen R o m a n i s c h lernen in der Schule, d a in den eisten drei Schuljahren nur in romanischer S p r a c h e unterrichtet wird. A b e r nicht nur diese K i n d e r sind zweisprachig, sondern j e d e r Bergüner kann heute deutsch sprechen. S o ist es nicht verwunderlich, wenn heute nicht nur „ B c d ü r f n i s l e h n w ö r t e r " , 1 sondern auch etwa „ L u x u s l e h n w ö r t e r " 2 allmählich E i n g a n g in die Mundart far.den und noch finden. V o n der B e i g a b e eines m o r p h o l o g i s c h e n Abschnittes habe ich vorläufig abgesehen: es könnte sich hier nur um Materialsammlung handeln, d a die morphologischen Probleme der Bergüner Mundart nur in stetem Zusammenhang mit den andern rätischen Mundarten zusammen gelöst werden können. 1 Z. B. ht/t „Heft", il krut e-.f „Sauerkraut", la mafin-.a, „Maschine", il ntl „die Neun im Kartenspiel". • E. Tappolet, Die alemannischen Lehnwörter in den Mundarten der französischen Schweiz, I, Basel 1913, p. 55 definiert das „Luxuslehnwort" als „Lehnwort, das aufgenommen wurde, ohne dafs ein materielles Bedürfnis vorlag und trotzdem einheimische Synonyma zur Gerüge vorhanden waren". Z. B. „Daubenfalz" la Ju sga, für diavr(r\a,, das allerdings bisonders den „vorstehenden Rand des Fasses" bedeutet; la, fu->ga „die Fuge" für / a f l ' f ftradegra \ il krants du my>rt „Totenkranz" für t/apv.; la, ire'.slsa „Rückenkorb" für il d\i>1 und d~%v>rl\ ay.ir kwits „quitt, weit sein" für ay.3r gtts\ il kes-.br „Kesselflicket" für il parle-.r.

38

Phonetische Transkription. § 18. In dieser Arbeit verwende ich das Transkriptionssystem der A s s o c i a t i o n p h a n é t i q u e i n t e r n a t i o n a l e . 1 U m aber den fürs Rätische einfach unbrauchbaren W o r t a k z e n t des Systems der Ass. phon. zu vermeiden, wende ich — ohne sonst dem System der Ass. phon. untreu zu werden — folgendes Verfahren a n : „ D e r Wortakzent liegt immer auf dem letzten V o k a l eines Wortes, der überhaupt den Wortakzent tragen kann. a Es tragen in dieser Arbeit niemals den Wortakzent folgende L a u t z e i c h e n : 3, &, 1, 2, ö, ü, ä.5 Vokale. u

y

e

e ò e

é

t 3

ae

t f

se ?

a

a a

a ist neutrales [weder nach o noch nach e hinneigendes] a, das dem System der Ass. phon. fehlt, für die Bündner Mundarten aber unentbehrlich ist. a ist velares, gegen o neigendes a a ist ein gegen m neigender, etwas reduzierter und immer unbetonter Laut. [Bei der Umsetzung der nach a n d e r e m T r a n skriptionssystem geschriebenen Formen von Ascoli, Gärtner, Huonder, Pult, L u z i , Candrian habe ich meistens die dem A und 3 entsprechenden ( u n b e t o n t e n ) Laute mit a wiedergegeben, jedoch bei den obwaldischen Formen habe ich > beibehalten. D o c h habe ich (namentlich im Inlaut) auch ä geschrieben, das dem a lautlich entsprechen dürfte. Für m e i n e eigenen Aufnahmen hingegen bin ich dem a und > konsequent treu geblieben]. 1 Vgl. Paul Passy, Petite phonétique comparée des principales langues européennes, 1912 und Otto Jespersen, Elementarbuch der Phonetik, Leipzig 1912. ' Wohl aber kann d.is Lautzeichen } den Wortakzent 111 Zitaten aus Huonder, Der Vok. der Md. von Disentís tragen. Da Huo. mit ¿ mehrere Laute darstellt (vgl. Huo., p. 4320.), habe ich es nicht gewagt, ein Zeichen der Ass. phon. dafür einzusetzen.

39 e, das nur im Diphthongen iv'e vorkommt, ist ein typisch bergönischer Laut, der mir in keiner andern bündnerischen Mundart bisher begegnet ist e ist ein i mit zurückgezogener Zunge mit kaum merklicher Lippenrundung [oder fast ein entrundetes »]. e im Diphthongen iv'e ist immer kurz und deshalb schwer wahrzunehmen. Luzi transkribiert den Laut bald mit ue, bald mit ui und sogar mit uo, Gärtner schreibt dafür meistens UE, selten ue. i entspricht Böhmers e.; « einem Laut, der zwischen offenem u und sehr geschlossenem 6 steht. L ä n g e wird durch Doppelpunkt nach dem Lautzeichen angegeben, z. B. pro\, bja'.la; mifia,. H a l b e L ä n g e durch einen Punkt, z. B. bjarl o:ra, batsr. Vokale ohne Längezeichen sind kurz. P a u s e wird durch 7 ausgedrückt. Konsonanten. Lin| uale Gutturale

Verschlußlaute

Velare

*

Gerollte (Tremulae)

Affrikate

71'

X

/

n

Jl i

h

Labiale Dentale

/ d

y

Laterale

Frikative

Mediopal. Alveolare

8

*

Nasale

Palatale

/

1

r

r \

(

j

f

tf

dj

tf

di

s

b

m

z

f

v

ts dz

(, { sind stimmlose /, r. i steht in der ganzen Arbeit für X — mouilliertes / [ital. figliö\. 1 = mouilliertes n [ital. agnello]. ( = deutsches ch in ich. x = „ ch in ach. w, j = halbkonsonantische u, i. Mit b, g, d bezeichne ich die stimmlose Lenis; t, Ji, y, f sind stimmlos.

4° Zu den Affrikaten ig, tf und den entsprechenden stimmhaften dj, d\ sei bemerkt, dafs Rousselot sie als einheitliche Laute erklärt und dafs wir, die wir sie in der eigenen Mundart verwenden, sie als einheitliche Laute empfinden, genau wie die Italiener ihr c(i), g(i). Zur Beschreibung dieser Laute verweise ich auf Walberg § 162 a und füge hier bei meine Gaumenbilder der Laute tf und tf und das Gaumenbild des italienischen c vor e und i1 aus PanconcelliCalzia,

Italiano,

Leipzig

1911].

p. 6

[ i n Skizzen

tf von t/tndra

1

lebender Sprachen,

hg. v.

in Bergün und Zuoz (tschendra).

auf meinen Gaumen übertragen.

Vietor,

4'

Bemerkung: Muud.irtformen;

kursiv

gesperrt

gedruckt kursiv

sind

alle p h o n e t i s c h

alle n i c h t

phonetisch

tran-.kril)ieilen transkribierten

(intisiens schriftlichin Quellen) entnommenen W ö r t e r . — Die B e d e u t u n g angeführten W ö r t e r

wurde

nur da weggelassen,

der

wo sie der lateinischen oder

der allgemein romanischen entspricht. Da

Dr. Luu.1 während

Transkription

der

Abfassung

seiner A r b e i t

in

der A r t

der

mehrmals Änderungen lingeführt hatte, die im Momente seines

Ablebens noch rieht e i n h e i t l i c h

in der g a n z e n

A r b e i t durchgeführt waren,

so mufste der Herausgeber diese Einheitlichkeit selbst h e r s t e l l e n : dii se Arbeit war nicht ohne Schwierigkeil, letzte

Anschauung

nicht

da über mehr als einen Punkt des Verfassers

mehr

festgestellt

werden

konnte.

So

scheint

D r . Lutta bei der Transkription des zweiten Bestandteils der Diphthongen wie oi

oder ou

zwischen öi oü

und o j , ow

geschwankt zu h a b e n : der Herausgeber

wagte nicht, konsequent der einen oder anderen Notierung den Vorzug zu geben. Auch sonst mögen etwa noch kleine Unstimmigkeiten geblieben sein, für die das nicht druckreife Ms. die Schuld trägt.

Vokalismus. Betonte Vokale. A, AU. § 19. Lateinisches A in offener Silbe ergibt stets f., wie in Filisur, Stalla und dem ganzen Ober-Engadin; im ganzen übrigen nidw. und obw. Gebiet bleibt A in offener Silbe nach Nichtpalatal erhalten. CLAVE

Dis. klaf

Tomils kla'.f

Savognin kla'.f

Alvaneu kla'.f

Filisur klef

Celer. klef

Sent klaf

Einige Beispiele aus Bergün: /& klef „Schlüssel", ACIDU > c.f „sauer" (Alvaneu af), A R A T R U > are\d»r (Alv. ara'.dir), CARRICARE > tfardje.r (Alv. kardjv>r), S C A L A > ft(e'.la (Alv.//Jx,?/a), TONARE > tune'.r „donnern, tönen". Ebenso in Flurnamen: pits e'.l& (ALA) Piz Aela, Berg sw. von Bergün, ii bue'.l ( # BOVALE), Weideland und Wiesen w. von Bergün. Die gleiche Entwicklung zeigt auch das Suffix -ATICU, - A T I C A : trve.di „Grasmiete und Fl.n. bei Weifsenstein", tore.di „Sprunggeld, Bezahlung für die Miete des Stieres", vins.dja, (VINU-) „Rauschbeere". Auch mhd. und schwzd. a in offener Silbe ergeben e:, z. B. e.vna „Suppeuhafen" (cf. REW. 3981 hafen\ ahd. havan), djc.d'm „Gemach" (schwzd. gadem). Auffällig ist der Reflex von A E S T I V A L E = ftivtl „Stiefel", statt des zu erwartenden ftive:l, wie im OEng. gesagt wird. Es liegt möglicherweise Kreuzung mit dem deutschen Wort vor. § 20. Lat. A in offener Silbe vor den Velaren c, G, die ein romanisches j ergaben, hat eine Sonderentwicklung durchgemacht, die sowohl im OEng. als auch an der Albula und im Domleschg zu beobachten ist. In Celerina finden wir ptja < PACAT und pltja. < P L A G A neben e'.la < A L A , im Domleschg ptja, pltja neben a.la, im obern Heinzenberg peja, plcja neben a.la, in Filisur paja, plaja neben e\la. In Bergün erscheint dieses A heute als gedehntes a: F R A G A (früher PI. coli, von FRAGUM) > fraja „Erdbeere", L A C U >

43 KR.J, 1 * L I M A C A (klass. L I M A C E ) > lima'.ja „Schnecke", L A U R I B A C A > fi:ta d arbcr.j's „Lorbeerblätter", P A C A T > tlpa.ja, P L A G A > pla'ja. Hierher gehört wohl auch die Wortsippe la ba'.ja „Stolz, Hochmut, der Protz, Zungenheld", la baja vegda „Prahler, eingebildeter Mensch", Sus. 1 0 5 baja „Geschwätz", tl ba'.ja, 3. Sg zu Inf. bajc.r „lallen (Kinder, Betrunkene)", mit den Ableitungen fer ¿tja, bajc.da „lallen" (bei Pall. 90 auch „nichtssagendes Geschwätz"), la bajtt.a „kokettes Mädchen". Da auch im OEng. die Form ba'ja, [und nicht btja, beja\ erscheint, liegt wohl auch in Bergün Entlehnung aus dem Italienischen vor. Andere Entwicklung zeigt C A C A T > il tfeja, wofür ich keine befriedigende Erklärung finde. Einfluß des vorhergehenden Palatals darf kaum angenommen werden, da der Fall ganz vereinzelt wäre, und da z. B. Alvaneu das lautgerechte tfaja = fra\ja aufweist, wie auch das OEng. Celerina lfeja=/rtja, Zuoz-Ponte t(eja = freja. Die Übereinstimmung der bgü. mit der Form von Zuoz und Ponte wird wohl nur eine zufällige sein und kaum zur Annahme einer direkten Entlehnung berechtigen. Wahrscheinlich handelt es sich um eine Analogiebildung vom lautgerechten Inf. tfitr.r"1 aus, etwa nach dem Vorbilde von sie:r = el seja „er schwitzt", sie:r se = tl seja sc „er trocknet". 3 Vergleiche dazu die Beeinflussungen bei den Verben in den §§ 39, 49. § 21. Das Suffix - A R I U S , - A R I A ergibt in ganz Bünden -era, -tr, -tra oder -e, -era, -t, -tra.

CAPRARIU CELLARIU CALDARIA MOLINARIU

Dis. kn-rv t/alt bldrr» mulint

Tom. kure: tfale: (bajie'.ra)4 muline'.

Conters t(avre.r fle'.r kalde'.ra muline'.r

-er,

Alv. Cel. Sent kure:r tfavre'.r tfavrt'.r fley fltr kalde.ra ifYde.ra (/>t'ra)b muriner muline'.r mutintr

a) In Bergün erscheint -e'.r, -e.ra,: it t(ure\r „Ziegenhirt", fle'.r „Keller", muline'.r nMüller", C A L I G A R I U > tfaidje'.r „Schuster", F E R R A R I U > fare.r „Schmied", C A L C A R I A > t(ait{e:ra, C A R B O N A R I A > t(arvune:ra „Kohlenmeiler", • O V A R I A > ue\ra „Froschlaich, Fischlaich, Eierstock der Henne", S A L A R I A > sale:ra „Salzfafs". So auch in Ortsnamen und Flurnamen: F E R R A R I A > fare'.ra, Dorf Schmitten, glat/e:r>s, Abhang ö. vom Bergünerstein (Abltg. von glatf Eis), heute auch etwa la fra'.na ge1

k o m m t w e n i g s t e n s 6 mal a l s F l . n . v o r , z. B . il la\j, seil, il htj von P r t d a ; vgl. auch die s a t z u n b e t o n t e n F o r m e n im § 3 3 0 . » cfr. § 1 0 7 . 3 cfr. § 67. * BALNED -F ARIA. * PARIA, P u l t § 2 . LACU

da tsavrtt:& nö.

44 nannt, weil durch den Bau der Albulabahn dort ein Erdrutsch stattfand, den die italienischen Erdarbeiter fra\n& nannten; ii lavirw.r trikt L a w i n e n z a g , südL von üallaläna (balalír¡) (lavme'.r ist eine Abltg. von lavfya, < L A B I N A ) . b) Daneben scheint ein zweites Ergebnis von - A R I U , - A R I A in folgenden Beispielen vorzuliegen. U m die geographische Verbreitung dieser zweiten Form zu zeigen, seien hier auch die Beispiele aus Disentís und aus dem O E n g . hinzugefügt: In Bergün liegen folgende Beispiele vor: andzavinvara. „Rätsel", band rita, „ F a h n e " (Dis .bmdün), batarli'tr „Schwätzer" (Dis .p?l>rli>r>), biifisr „Siegelring", dzardini'sr, -& „Gärtner, -in", d\urnali'jr „ T a g löliner" (UEng. giornalier, Pall.), filiara, „Spinnerin" (Dis. fili'ri), fulaftvtr „Niedergelassener", kulrsr „ K r a g e n " (Dis. kulisr), kuftvsra, „ R e b e n g e l ä n d e " , ku\inr¿r, - a „ K o c h , - i n " (Dis. kuynhri), limüra, „Talglicht", litsi-sra, „Bettstatt" (Dis. litghr) Carig., Car.), livvsra, „ Hebeise n" (Cel. /¿viera Pall.), mahsv»r „Mäkler, Zwischenhändler" (Dis. muhsiir „Dolmetscher"), mani'sra, „Anstand. Art" (Dis.mmitr», maniera Pall.), miniara, „Bergwerk", patsni-pra, „Kammtasche", pisi>r „Sorge", pra\unv3r „ G e f a n g e n e r " , puni'ir „ R a u f b o l d " , pujivsra „Heerkuh" (Dis. pujiiir?), ffurtsiir: „Koffer mit Lederüberzug"; st(ali-3r>s „Schlittengeröll"; zgatsiir „Verschwender", tsikurisra, „Zuckerbüchse", t(anäali-3r „Kerzenstock" (Dis. hnd?li?r), tfudisra, „Alpkessel", uftr»r, -a, „Wirt, -in" (Dis. uftiir), Huo. § 3 , Walbg. § 4 . In Bergün sind m. W. nicht vertreten: Cel. kavalür; purthr frz., Dis. b)flr>r3 (bafla: „weinen"), klutfi?r» „Gluckhenne", lit(i)r> (in Somvix: „ K u h , die am meisten Milch gibt"), mizsritr», muld\ura, „ K u h , die am meisten Milch gibt", fkarsini>r) „Wollkrempel", ft>rli»r) „Raufe, erschütternder Fall", sbariera (Carig.) „Schutzgatter, Schlagbaum", y>uri>r> „ K u h , die sich wie ein Stier gebärdet", i,bluki)r> „Schwätzerin", t)ti¿r „ T e l l e r " . Das doppelte Resultat von - A R I U S entspricht im ganzen dem doppelten Resultat im Italienischen. Dem einheimischen toskanischen -ajo, -aja steht das importierte frz. Suffix -iere (-üro) gegenü b e r ; neben dem mailändischen lautgerechten -e:, -e:ra erscheinen auch (gelehrte) -aire, -airo und (analoges) -aira; in Piacenza findet sich neben -er, •era die importierte Form -ar, in Bologna neben lautgerechtem -er (-ser), -era auch -ir, -ira, vgl. Staaff, Le suffixe -arius dansles lang, rom., Diss. Upsala 1896. Für das rätoromanische zweite Resultat neigt Staaff zur Annahme einer Entlehnung wie fürs Italienische. § 22. Der gemeinrätische Zug von A -f- Palatal nach e hin macht sich auch in Bergün geltend. Während wir in Disentís trt („TRAJERE < T R A H E R E ) neben jila• (FILARE), in Tomils Ire: neben fila:, in Alvaneu tre\r neben ifna-r (CENARE) finden, fallen in Bergün (wie in Filisur und im OEng.) die Ergebnisse von A Palatal und A in offener Silbe (§ 19) durchaus zusammen.

45 e'.r, A R E A > e'.ra „Gartenbeet, fette Wiese bei der Alp(für A S S I S ) 2 > e:sa Brett", A Q U I L A > *aiwla > er.glat, B A J U L A > • be\la „ A m m e " , C O A G U L U > kc.i „ L a b m a g e n " , G L A R E A > gle.ra, „Geröll, Geschiebe", 4 M A G I S > • me: „nie, niemals", M A J U > me:ts „Mai, Blumenstraufs", P A R I U > p e \ r „ P a a r " , P L A C I T U > plr.t „Wort", T A X O > te:s „Dachs", 2 T R A H E R E > trr.r „ z i e h e n " ; in Ortsnamen : S A X U > • ii er da se:s „Acker zwischen Bergün und Latsch", surse'.s I. „Wiesen oberhalb des B< rgünersteins", 2. auch „Oberhalbstein". 5 Auch * D R A G I A 6 > dreUs „Futterschwinge, Kornsieb, Holzsieb" scheint hierher zu gehören. Abweichende Entwicklung weisen jedoch H A B E O (über * H A J O ) > e d t „ich habe" ( E ( G ) O I N U E H - ) und S A P I O ( > * S A J O ) > e st „ich weifs" a u f ; vergleiche die gleiche Abweichung und das gleiche Resultat {dt, st) im OEng. bei Walbg. § 4 b und Gärtner, Gram. p. 1 ¿ 0 . — A E R E M ist heute durch das ital. Lehnwort arla „ L u f t " vertreten. Die lautgereehte Entwicklung steckt sicher in der Redensart eya te'.ft ai le\r „ein Luftibus, leichtsinnig", wozu zu vergleichen ist Agnedina es sii Vg laer üri höta terra . . . im Vorwort von Galicius zu Bifruns N. Testament. A G R U 1 >•

hütte",

AXE

Die Entwicklung von F R A X I N U scheint im Obw. und Nidw. mit der von AXE übereinzustimmen, cf. fraissen = aissa bei Carig.; alsa = f r alsan im Boden und untern Heinzenberg; e:sa, fresan im Domleschg; esa — fresan im Schanis (siehe Luzi § 37). Im Engadin geht F R A X I N U eigene Wege, cf. Pall. fraissen und fressen, dagegen assa; Huo. 443, Anm. läfst eng. frälz)n vom Rhein herstammen. Auch in Bergün zeigt F R A X I N U Sonderentwicklung und weist ein zweifaches Resultat auf: frtgtfm und Jrts\)n „Esche". Die abweichende Entwicklung von A + Palatal gegenüber AXE > e:sa wird kaum damit zu erklären sein, dafs F R A X I N U ein Proparoxytonon ist. Es sei auch dahingestellt, ob die Form frtgym aus dem Eng. entlehnt und nach der Gleichung Ponte-Zuoz: ku latent, malza — kuhgym „Vogelbeerbaum", mtgza „Tisch" in Bergün gebildet sei, 1 G a r t n . , Hbch. p. 2 5 8 setzt ein AREUM an, d a s e i n e f a l s c h e R ü c k b i l d u n g v o n AREA w ä r t ; v g l . auch REW. 6 2 6 und S a l v i o n i , Nttove Postille, die G ä r t n e r s V o r s c h l a g a n n e h m e n ; aber k e i n e r b e g r ü n d e t die A b l e h n u n g v o n A s c o l i s AGRU ( A g i I , 9 5 , A n m . 4). 1 I m OEii).'. sagt man a u f f ä l l i g e ! w e i s e as.a, tas:, sas:; vgl. dazu § 1 9 6 .

* Vgl. § 276. 4 I m O E n g . k o m m t nur djtr:a „ K i e s " v o r , d a s o b e r i t a l . L e h n w o r t ist u n d d e m in B g ü . d a s L e h n w o r t dje\r& „ K i e s " entspricht, vgl. W a l b g . § 4 a , cf. a u c h S a n t a M a r i a (Münstertal): la gli.ra, „ G t r ö l l h a l d e " n e b e n d e m L e h n w o r t

hi dft.ra 5

„Kies".

N a t u r g e m ä ß bezeichnet der B e r g ü n e r d a s O b e r h a l b s t e i n als „ ü b e r dem Stein", w ä h r e n d der E n g a d i n e r das Oberhalbstein von der Südseite erreicht und es sursttx, a l s o „ ü b e r d e m S e p t i m e r (jenseits d e s S . ) " nennt. • G e n e l i n , Germanische Bestandteile, p. 2 2 , m ö c h t e das e n t s p r e c h e n d e o b w . dratf v o n T r a c h t e r h e r l e i t e n ; v g l . d a g e g e n J u d , BDR. 111,66. T S i e h e die F o r m bei W a l b g . § 1 5 1 u n d § 4 b .

46 oder ob die zweite Form frts\m stammt.

vielleicht aus dem untern Albulata)

§ 23. Primär oder sekundär auslautendes A wird gewöhnlich zu 0, wie in den meisten Orten Mittelbündens, sowie im OEng. und Tavetsch (cf. Gartn., Gram., § 26). VADE und VADIT ergeben z. B. vo im OEng., Stalla, Savognin, Tiefenkastel, Filisur, Tavetsch, dagegen va in Alvaneu, Schams, Domleschg, Waltensburg, Disentis usw. Für Bergün können angeführt werden: DA > do „gib", FAC > fo „mach", FA(C)IT > tlfo, *ECCU-HAC > h „hier", IN HAC > no „her", ILLAC > h „dort", garde-r ah „achtgeben, aufpassen", SAPIT >

tl so,

STA > fto

„ b l e i b " , VADE > vo „ g e h " , VADIT > tl vo.

Eine andere Entwicklung zeigen DAT > tl dat „er gibt" und STAT > tljtat „er steht", die auch am Rhein das T bewahrt und deshalb auch das A nicht gleich behandelt haben, ferner auch JAM > tlza „weil, da", das wie eng. dja kaum aus dem Italienischen entlehnt wurde, 1 sondern Entwicklung in vortoniger Stellung aufweist, was besonders in Bergün sehr begreiflich ist, da i/za nur voitonig gebraucht wird. Als Bejahung [wie Disentis dit\ kommt es nicht vor und als „schon" [wie im OEng.] ist es durch das schwzd. Lehnwort fon, font ersetzt, blieb also nur als Konj.: dza. tfa t efl ko „weil du (nun) doch da bist". Zum Imperativ Plur. der Verben der I. Konj. vgl. § 50. § 24. Lat. A in geschlossener Silbe bleibt im ganzen rätischen Gebiet erhalten, BASSU z. B. lautet in Disentis bas, in Tomils Las:, VACCA in Alvaneu vatfa,, in Celerina vatfa, in Sent vatfa. In Bergün ist es heute meist kurz (a), nur vor r + Kons, und J + Kons, lang (a:). batsr,

*BATT(U)ACULU > batai „ G l o c k e n s c h w e n g e l " , 1 BATT(U)ERE > BRACHIU > brat/, FASCE > f a f , LACTE > lals, ARCA > a.rtfa

„Mühldamm", HASTA > a'.fta „Rechenstiel", CABALLU > tfavai. Ortsnamen: FRACTA > (/leivil dla) fratsi, Schafboden, PASTUS > itis pa'.fts, Bergwiese auf dem Latscherberg, die nur abgeweidet wird, 3 ALBULA > Alvra, Beigpafs von Bergün nach Ponte im Eng. — Ebenso deutsches (mhd., schwzd.) A : GASSE > dias:a, WAFFEN > gaßm „ D i n g , Gefäfs, Werkzeug", GAST > dja'.ft „Gast, Kurgast". SANCTU GALLU > sajulie'.l „Landgemeindetag (am St. Gallustag))' ist mir noch unklar; man sollte *saji>tjat erwarten, cf. CABALLU > tfavat. Ein zweiter Reflex von ST. GALLUS liegt vor im Latscher Fl.n. ii klamijiuy dii djabs; doch ist diese Form nicht alteinheimisch. In der Entwicklung von AQUA > a'.va und ar.va „Wasser", Sus. 1 8 5 , 187 usw., ava, 261 aua, 4 1 4 auva, marschiert Bergün djn

1 A n d e r s W a l b g . § 6. M a n sagt im O E n g . fijuitd und fijldia t(& ty ve\f „ w e i l du g e h s t ; da du g e h s t " u n d dja „ s c h o n " . * Z u PANNACULA > pnr.ln, d a s nicht h i e r h e r g e h ö r t , v g l . § 104 » C f r . $ 343 f.

„scholl",

47 mit dem Nidwaldischen, wo das haupttonige A überall erhalten blieb, während es im O E n g . owa, aus altoeng. ouua, ouva ergab; vgl. dazu Agi. I, 2 1 1 Anm. Auch das UEng. mit Ausnahme von Zernez geht mit dem Nidw.; Sent awa (Pult § 295) aus altueng. augua. § 25. In einigen Fällen, wo A nach Palatal und vor R -f- Kons, steht, hat es sich zu VJ gewandelt. Diesen besondern Lautwandel zeigen auch noch andere Mundarten des Albulatals, so Filisur, Alvaneu und Tiefenkastel, aber nicht immer in den gleichen Wörtern. In Tiefenkastel lautet CARRU > t(e\r, in Alvaneu tfi sr [in Filisur dagegen igar, Bgü. tfar~\, in Alv. und Fil. lautet (IN) CARDINE >• ajitii'Jrna, „Winkel" und das Verbalsubst. von CARRICARE !a tftvrdia, „Fuder". In Bergün betrifft dieser Lautwandel folgende Wörter: (IN) CARDINE > / ajil(£»rna „Augenwinkel", CARNE > la Igt'Jrti (satzunbelont dagegen t(trn me'./a „wildes Fleisch"), ii f t f f j r p „Rifs" (Verbalsubst. zu DISCARPERE, vgl. auch oeng. ftfarp „Rifs"), #EXCARPSU > f/(E'3rts „knapp, spärlich", Sus. 152 schtears (schlecht), v. 1 1 5 ha~ fchiertzas letzas „ich habe wenig Auswahl, spärliche Wahl", CARRICAT > tl /fs^rdia, dazu die Ableitung slft(f>rdja, Inf. ft(ardje\r „abladen, entladen", und das Verbalsubst. la tftsrdja „Ladung, Fuder". Ebenso haben sich entwickelt SARCULAT > ela tst»rkla (neben tsr.rkla) „sie jätet" und CASTRAT > tl t(f/tra (neben t(Ejtra). Nach erfolgter Metathese schlofs sich auch APERIT > tl dt.srva, „er öffnet", ii bot az dt\>rva „die Knospe öffnet sich", Imp. dtJrva, ii if „öffne die T ü r ! " an. Ob CHARTA > tfesrta. „Brief", dzuer a t(e~.rt>s „Karten spielen", ii dzi» da t(f.rt>s „Kartenspiel" hierher gehört, ist recht fraglich. Der Schwund des 3 [von t:j] Heise sich hier nicht satzphonetisch erklären, da das Wort kaum satzunbetont vorkommt. Zudem finden wir in der Susanna [im Gegensatz zu schiear und schierIzas = heute ftftJrts -«] die Schreibung chia'rta v. 473, also gleich varda t, vardä't < VERITATE chiä rs < CAROS, die heute vardc.t, lfe:rs lauten. § 26. A vor M in offener wie in geschlossener Silbe ergibt wie im gröfsten Teil Bündens j , und zwar bildet Bergün die Grenze gegen das OEng., das mit Einschlufs von Zernez und Stalla a bewahrt [oder wieder eingeführt] hat. FLAMMA

Dis.

Tom.

Sav.

Alv.

Fil.

flom?

flom'.a

flom>

flonv.a

floma

Celer. flama

Sent floma

Bgü.: ADAMAS > adom „Ring an den Latten, um sie am Schlitten zu befestigen", AMITA > onda „ T a n t e " , 1 dazu die Zusammensetzung 1 Gartn., Gram. § 29 gibt für Bgü. nur die oeng. F o r m anda an. Mir begegnete sie nie; dagegen ist zu bemerken, dafs der Bergüner mit romanischen Fremden meist Oberengadiniscb spricht. N e b e n 3ndn kommt auch tantä vor.

48 dunonda „herrische Frau" (DOMINA-), AERAMEN > • arom „Kupfer", germ. BRAMON > broma, „Sehnsucht" und Vb. tl broma »er sehnt sich, verlangt nach", *CAMBA > tfoma „ B e i n " und vielleicht tfomv& „hölzernes Ziegenhalsband", *EXCAMBIAT > tlftfomdja, „er wechselt", CAMERA > /(ombra „Schlafzimmer", CLAMAT > tl kloma,, CORIAMEN > tfirom „ L e d e r " , gali, CRAMA > groma „Rahm", DAMNU > don:, don,

S u s . 4 4 6 don

FAME >

[: angion\,

la fom,

FLAMMA >

flom'.a,

HAMU > om „Angelhaken", hm, toma „weich" (zu LAMA „Sumpf"), 1 LAMINAS > lomas „Eisenbeschläge der Schlittenkufen", LIGAMEN > Ihm und Ijom „Strumpfband", RAMU > rom „Ast" (ebenso deutsch Rahmen = rom), dazu die Abltg. tl ylroma „er entästet", *SAMBATA (für SAMBATU oder SAMIIATI(DIES)) > sonda „Samstag", STRAMEN >ftrom', ebenso in gelehrten Wörtern wie redjinom dadi: „Reich Gottes" neben dem oeng. Lehnwort redjinam. § 27. Die gleiche Entwicklung wie A vor M macht auch A vor NN und A vor ND durch. Die geographische Verbreitung ist nahezu die gleiche. Dis. PANNU

pon

GRANDE gran

Celer.

Sent

pon\

Tom.

pon\

Cont.

pon

Alv.

pon:

Fil.

pan

pon\

graünt

gront

gront

gront

grani

gront

In Bgü. : ANNU > on, IN HOC ANNO > ar/gon „heuer, dieses Jahr", CANNA > tfona „Flintenrohr", fkowa da tfona „Reisbesen", Ableitung tl ftfona 3. Sg , h\i./l(ant:r „erstechen", CANNARE > t(ompf „ H a n f " , CAPANNA ( = *CAMANNA) > t(amo'na „Hütte", *INGANNAT > tl ajidjona „er betrügt", Vbsubst. it ajidjon „Betrug", JOHANNEM > dzon PersN., PANNU > ton, VANNU > von „Kornschwinge" [in it von tudtk/tf steckt kaum Übersetzung des „deutsche Wanne"]. Ableitung von BIBERE + ANDA > bavronda „Getränk, Mehltrank für Kühe", CALANDAE (für CALENDAE) > tfalo'.nda „erster Tag eines Monats", tfalond avrei „ I. April•', COMMANDAT > tl kumonJa, Vbsubst. it kumont, DEMANDAT > tl dumonda „er fragt", Vbsubst. la dumonda „Frage, Verlangen, Forderung", EXPANDERE > fpond'r, tl jponda „vergiefsen, ausbreiten (Mist auf Wiesen)", Abltg. von FILARE + ANDA > filonda „das Gespinst", 2 *GANDA > dionda, „Steinwüste", GLANDE > glonda, GRANDE > gront, gronda. Ebenso im Gerundium (in der Funktion di s Part, praes.) 3 der I. Konj., * z . B . amdziront „ messend", gardont „schauend", ek( fladont 1 Vgl. dagegen REW. 4861, wo das Wort vom german. LAM „schwach, gebrechlich" abgeleitet wird. Aber es besteht kein Grund, von dem Etymon Ascolis abzugehen, cf. pitm. lam „alleDtaio, rilassalo", valses. lam „non leso". ' In filjnda „Gespinst" steckt ein R e s t des Utein. Gerur.divums FIL1ANDA „was gesponnen werden mufs, das zu spinnende", cf. Pieri, ZrP. X X V I I , 4 5 / s s . * Das lat. Part, präs *SIMILIANTK hätte *sundiant ergeben, cfr. § 30. 4 Auch das Gerundium der I I . und teilweise der I I I . K o n j . wurde nach dem der I. K o n j . gebildet, z B . tmsnt „fürchtend", bavjnt „trinkend". Doch herrscht eine gewisse Unsicherheit, was sich aus dem seltenen Gebrauch des

49 Li brat/a „ d i e Arme siimiiiont „ähnlich".

beim Gehen

schlenkern",

*similiando

>

Dieser Entwicklung haben sich angeschlossen: m a n i c u >• ii moril „Stiel, Griff", vgl. § 207. m a n u a [über * mann a\ > la vion\& „ G a r b e " , vgl. dazu * j e n u a > *jenna >• dztn'.a „Gittertür", § 2 7 1 . fpsnts Part, „verschüttet" ist Analogiebildung nach dem Inf. fponfor [und nicht normale Entwicklung aus e x p a n s u ] . Die Entwicklung des Haupttons von a n i m a > y.irma „ S e e l e " ist bis heute noch nicht erklärt. Die gröfste Schwierigkeit bereitet die oeng. Form o:rma, altoeng. oarma. Zur Entwicklung des K o n sonantismus, die auch nicht einwandfrei erklärt ist, vgl. § 3 1 9 , d und § 209, Anna. 4. § 28. A n den meisten Orten Bündens lautet das Resultat von a -\-ji (aus N + j) wie das Resultat von a + n n und a + n d ; vergleiche die Reflexe von p a n n u , g r a n d e (§ 27) mit Disentis 3/1 < a l n e u , moji m a n e o , Tomiis kalkoji •< c a l c a n e u , Conters kaltfyi, Alvaneu kalk&i, Filisur tfaitfjjt, Celerina tfaltgaji, Sent t(ilt(ty. In Bergün machte dagegen a vor x -f- j eine für Bgü. charakteristische Sonderentwicklung durch, die zum heutigen steigenden Diphthongen w'e führte. a l n e c > * a x e t ; 1 > ii iv'eji „Erle", b a ( i . ) n e a t >• il bwijia, Inf. buju'.r „netzen, begiefsen", b a l n e u >• • b a n e u 1 > iifov'eji „ B a d " , als Ortsn. „ A l v a n e u b a d " , c a l c a n e u > t(att(weji „Ferse", # c a n e a > t(w'ejta „ H ü n d i n " , c a s t a x e a > tfaftwejia, „Kastanie", # c o m p a n i o > kumpweji ,.Kamerad", l u c a n i c a >• liw'ejtdia und hvejidia, „Wurst", i mwejim „sie (die K ü h e ) lagern, nächtigen" (nach der I.Präs, m a n e o gebildet, Inf. mantkf „lagern", manigr o:r „im Freien übernachten", heute meist inchoativ ilmanefa), m a n i c a > mw'ejidja „Ärmel", * m o n t a n e a > muntw'ejio, „Berg, G e birge", speziell „Piz Aela mit den beiden Rugnux", laz munhv'ejus „ d e r Heinzenberg", m u s a r a n e a > ii mizaruei „Spitzmaus" (mit Suifixwechsel -w'et für -u-yi, cfr. ueng. misarogn bei Fall.), rem a n e o > e rumwcji „ich verbleibe, halte mich auf" und darnach te rumwQi's, il rumwejia, Inf. 1 umajie.r 3 , Sus. 1 1 3 rumagniair, (eu) rumuoing, germ. w a i d a n j a n > • tl gadwejm ..er verdient", Vbsubst ii gadiveji „Verdienst, G e w i n n " . 4 Gerundiums erklärt, z. B. furbint dzo neben furbjnt dzo „trocken abwischend" (Inf. ftr.trbar dzo); vgl. Gartn., Gram. § 149. Bgü. batint „schlagend", aber kuzint „nähend" (nach der IV. Konj.). 1 Vgl. Agi. I, 13; ildz wefits kommt auch als Fl.n. vor: mehrere Wiesen westlich von suma\/tf»lts sw. von Latsch; vgl. dazu den oeng. Fl.n. laz aflts zwischen Bevers und Ponte. 1 Vgl. M.-L., Rom. Gram. I, 477. 1 rumttfu-.r ist an die Inf. der I. Konj. angeglichen worden. * Luzi § 38 gibt für Bergün die Form gaduoyi neben tfa/tufßa. an; vgl. dazu § 15.

Beiheft zur Zeitschr. f. rom. Phil. L X X l .

4

5o N in offener Silbe lautet heute atj. § 29. A nidw. Gebiet ist das Resultat meist ein Diphthong. Disentís

Tom.

Savogn.

Alv.

phm

paüg

pag

paüti

PANE

Filisur pag

Im obw. und

Celer.

Sent

phm1

pag

Die geographische Verbreitung der diphthongischen Entwicklang läfst den Schlufs ziehen, dais auch Bgü. früher einen Diphthongen besafs. In der Sus. wird stets au geschrieben (mann 239, pH a una 266), was aber wegen der Übereinstimmung mit der engad. Schreibung nicht absolut beweisend ist. Dais aber in der T a t au dem ag zu Grunde liegt, zeigen die parallelen Verhältnisse im UEng. Da beobachten wir, dafs Samnaun, das oft eine ältere Phase als das UEng. bewahrt hat, noch daün, saun, faürt, naün festhält, während im UEng. dag, sag usw. erscheint; cfr. Gartn., Gram., Einleitung, p. XXV11I. Bgü. B A J A N A > badzaga r Erbsen und Bohnen mit den Hülsen", C A Ñ E > t(ag, F O N T A N A > funtag a „Quelle", G R A N U > grag, PANE >

pag,

TABANU >•

tavag.

§ 30. Das gleiche Ergebnis wie A + N in offener Silbe zeigt auch A > NT, NTJ. Diese Übereinstimmung, abgesehen vom folgenden Kons., herrscht auch im Nidw. und im Eng., vgl. P A N E in § 29 mit QUADRAGINTA : Disentís kurontTomils kuraünta, Savognin kuranfa, Alvaneu kuraünta, Filisur karanta, Celerina karv.nta, Sent karanta. In Bgü. lautet A B A N T E > avagt „vor", C A N T A T > tl tfagla, I N F A N T E > um/agt, P L A N T A > plagia „Pflanze", ebenso das Suffix - A N T I A , z. B. farmagtsa „Gewahrsam" (zu farmf.r „festmachen, anhalten"), fradiogtsa „Geschwisterschaft", izaglsa „Brauch", fpragtsa „Hoffnung", (zu fpere.r „hoffen"), wohl alles relativ j u n g e Ableitungen. Auch alte schwzd. Lehnwörter zeigen diese Entwicklung la tfogia „Kanne (für Kaffee, Öl, Wein)" aus schwzd. Chante, nicht aber jüngere wie it kranls = ii tfapr. ..Kranz, Totenkranz", la tfanfsla „Kanzel" u. a. Hierher gehört auch das angeblich halbgelehrte „Türband, Öse". Für

QUADRANTF. >

ANSA

>•

agtsa

garf.gt „abnehmender Mond", cfr. § 61, a).

§ 31. Bei den Fällen von A + N + Velar [auch wenn daraus roman. Palatal entstand] liegt zunächst die gleiche Entwicklung vor. P L A N G E R E > plagdyr „klagen, heulen", S T R A N G U L A T > el ftraggh, langob. (?) S P A N G A > fpagdja „eingelassener Bindeteil an Türen, Querholz" neben fpagfta (s. § 260).

1

Aus a l t e n g . p a u n (Bifrun), wie noch heute geschrieben wird.

5i Vor romanischem Palatal (dj, i{) wurde >j in den meisten Fällen palalalisiert ( = jt). Es liegt also ursprünglich die gleiche Entwicklang auch vor in: bajit( „Bank", vv\najit(tL „Dorf" < * V I C I N A X C A , ajidjil „Engel" < A N G E L U ; vgl. dazu § 260. balantfa, § 32. Bei der Gruppe - A N C I A , lantfa, „Lanze", „Wage", rantf „ranzig", usw., fallt das alveolare n [statt des velaren y ] auf, als ob in Bergün das A dieser Gruppe nicht diphthongiert worden wäre, im Gegensatz zum gröfsten Teil Bündens (cfr. Disentis hntfa, = kuronta,, Domleschg laüntfa, = kuraünta• OEng. It.ntfa, = karhnta\. Vergleiche hierzu § 257. SAXCTU - A > so:ji/f -a „heilig, der Heilige" weist nicht bodenständige Entwicklung auf, wenigstens nicht in Bezug auf den Konsonantismus, cfr. § 258, c. Die altbgü. Form sointza (Sus. 306) hingegen könnte — gestützt von / s c h o n i s c k a . „Geschwätz" (Sus. Churer Ms. 3 8 6 — 7 ) — die Frage aufrollen, ob nicht vielleicht - A N C T - und - A N C I A in Bgü. einst die gleiche Entwicklung durchmachten wie im O b w . ' Bei SANCTU ist keine Frage, dafs Bergün mit dem Nidw. und Obw. marschiert; vgl. Filisur sjjit( -&, Alvaneu söiji/s \_soltits], Savognin solnlf>, Tavetsch sjntfa, UEng. sont(a, im Gegensatz zum OEng. shnlf -a in Celerina, sbjif(& in Zuoz, se:nt( -a in Scanfs, seyitf in Ponte. Zu PLANCTU > plagt „Klage", vgl. § 258, d.

au. (primäres lateinisches und sekundäres romanisches au) § 33. Der lateinische Diphthong AU wird in Bergün zu 0: offenbar über j , das noch an manchen Orten Bündens erscheint 2 ; im Obwaldischen ist au erhalten: Dis.

Tom.

AURU

a»r

RAUBA

rcfib* pa"k(g)

PAUCU

do'.r

po'.k

Savogn. Alv. or do'.r ro\b3 ro'.ba po'k pa'.k

Fil. o'.r ro'.b' po'-H

Stalla o'.r re'M pf.k

Celer. o:r ro'.bz poU(

Sent y.r ry.ba, pa\k

A U R A > o'.r& „ W e t t e r " E X A U R A T > ti fo'.ra, Latsch tl tfo'.ra, Inf. fure'.r, ifure.r „fliehen, sich aus dem Staub machen 3 ; CLAUSU > klo'.s „wasserdicht" von Holzgefäfsen; FRAUDE > fro'.t „Wildfrevel", NAUSEA > no'.fa, „schlecht", dazu m. no'./\ PAUSA > po'.sa „Pause", PAUSAT > tl po'.sa „er ruht", RAUBA (germanisch) > ro'.ba „Habe,_Sachen", TAURU > to'.r „Stier". AURU >

o\r

„Gold",

1 Vgl. §§258, c; 357* I c h kann auf d i e fast von G e m e i n d e zu G e m e i n d e w e c h s e l n d e n V e r hältnisse im U n t e r e n g a d i n h i e r n i c h t e i n g e h e n , für die E n t w i c k l u n g v o n AU v g l . man G a r t n . , Gram., § 2 0 0 , Hbch., p. 1 2 8 — 1 2 9 ; L u z i 37. » V g l . dazu REW. 2941.

4*

52

Ebenso in den Pers.n. NICOLAUS > Mo:, PAULUS > pol, sowie im Latscher Fl.n. sanniMo: „Hügel unter dem Latscher Friedhof" (SANCTUS NICOLAUS). Dahin gehört wohl auch fränkisch BLAO > blcr.f, blowa, „blau" (vgl. dazu oeng. blo:f, bIo:va;

Schieins

blsew'(s),

Savognin blavs(s), Tavetsch blaw»(s), Gartn., Hbch., p. 36, Walbg. § 74). In vollständiger Übereinstimmung mit den obigen Wörtern stehen in Bergfin auch folgende Fälle: PAUCU > • po\t{,

f e m . po:t(&

„wenig";

RAUCU >

rtr.tf,

ro:t(&

„heiser"; AUCA > o:lfa „Gans", SAUMA (für SAGMA) > str.ma, „Saumsattel, die Last des Saumtieres", LAUBJA (german.) > lo.bdja, „Laube", GAUDET > ei dio:da, „er geniefst", laf. diudekg-, In Sent und Savognin aber finden wir pa:k, ra:k; in Stalla pe:k, ra:k; in Savognin y.tf»\ Stalla (G.), in Zuoz tfavai da soma, neben Celerina so:ma, in Zuoz Idbdja, lobdja, neben Celer. lo:bdja; in S a v o g n i n diolcb,

Inf. dioldtr

u n d galdtkj;

(G.).

Hier seien auch erwähnt l& dro:sa „Alpenerle" und „Alpenerlengebüsch", wozu gewifs auch der Fl.n. it dro'j, ein Alpenrosenund Wachholderbezirk am WestabhaDg des Piz Forun [ = Siegfr. 11 Dros] gehört. Vergleiche dazu Jud, AnS. CXXI, 94, BDR. III, 65—66 und Guarnerio, App. 973. Die „Hagebutte" heifst in Bgü. la, fro\zl&, das zu den von Jud, BDR. III, 63 und Guarnerio, App. 375 besprochenen Fällen gehört, und das von Jud (1. c.) auf ein nichilateinisches *FRAUS(U)LA zurückgeführt wird. Zu PAUPERE > po'.sr, f. po'.ra, „arm", das in Bgü. in Bezug auf den Haupttonvokal nichts Auffälliges hat, vgl. § 225. AUT lautet u „oder", weist also Entwicklung von AU in vortoniger Stellung auf [vgl. § 1 1 5 ] , was nicht auffallen kann, da es nur in satzunbelonler Stellung gebraucht wird. Oft wird u durch das deutsche Lehnwort o'.d»r ersetzt, und zwar besonders wenn es betont wird, was wohl seinen Grund darin haben wird, dafs u zu wenig Lautumfang, zu wenig Schallkraft in affektischen Sätzen (komm oder bleib zn Hause!) besitzt. § 34. Sekundäres au der Endungen -ADU, -AGU, -APU, -ATU, in denen der intervokalische Kons, fiel, entwickelte sich wie primäres AU ZU 0:, wie im übrigen Albulatal, Domleschg, Schams und OEng., während im UEng. dafür -a erscheint, also eine verschiedene Entwicklung vorliegt. 1 Dis. Tom. Savogn. Alv. Fil. Celer. Sent PRATU GRADU > gro\ ADVOCATU >

praü

pro'.

pro'.

pro',

pro',

pro'. .

pra'

„Rang, Stufe", FAGU > fo\ „Buche", CAPU(T) > avuo\ ..Vormund", JURATU > dziro: „Richter,

tfo:?

Ge-

1 Vgl. Gartn., Hbch., p. 120 die Reflexe von CAPUT und p. 122 weitere Formen von PRATU. * Eine Zusammensetzung von CAPUT (*DE-RK-CAPUT, cfr. frz. de rechef) lautet dart(3 „wieder", offenbar durch Analogie anderer Advctbia wie &3, lj usw. § 23. Die gleichen Verhältnisse treffen wir auch im OEng., cfr. Walbg. § 5.

53 schworener",

ptfo\,

GRATU >

FILATU >

fib:

gro:

„Dank*,

„gesponnen",

PRATU >

BONU

pro:,

PECCATU

MERCATU >

>

bum\art(o\

„wohlfeil". In der Entwicklung von CAPRA ZU tço'.ra, „ Z i e g e " geht Bgü. mit dem übrigen nidw. und dem obw. Sprachgebiet, wo überall das p von CAPRA über v > w zu u vokalisiert wird. Das dadurch entstandene au entwickelt sich dann wie primäres AU weiter; vgl. Gartn., Gram.., p. 170. Im Eng. wird p in CAPRA nicht vokalisiert, weshalb oeng. tçe.vra, ueng. iça'vra erscheint. Das gleiche Verhältnis von eng. v >• p zu bgü. vokalisiettem v < p sehen wir auch in LEPORE > oeng. Isgvrä, ueng. levra ~ bgü. tokf, s. § 43 und § 228. Den gleichem Gegensatz zwischen Bgü. und OEng. beobachten wir auch in der Entwicklung von FLATU > bgü. Ao\ ~ oeng. fle.t „ A t e m " 1 ; ferner im Lehnwort la par y.la, ~ oeng. pare'.vla „Märchen" (PARABOLA), endlich in ii tro\ „Schusterdraht, Pechdraht ~ oeng. tre'.t, aus schwzd. Trahi. tro\ in Bgü. weist entschieden die gleiche Entwicklung auf wie trait in Disentis, das Huonder (478, u) als indirekten Beweis für einen ehemaligen Wechsel von Plur. -als — Sg. -au, z. B. *prats — praü (PRATOS — PRATUM) anführt und dementsprechend für den Sg. trau von einem Plural * trat s ausgeht. la to'Ja. „ B l e c h " , das R E W . 8514 direkt von *TAULA für TABULA ableitet, ist jedenfalls mit der Sache importiert, aber in Bgü. am lautlichen Gewände nicht als Wanderwort zu erkennen, d a es heute genau zum Erbwort tço'.ra (CAPRA) wie überhaupt zum Resultat von primärem und sekundärem AU stimmt. Im OEng. lautet es dagegen toi a „ B l e c h , Petrolbehälter aus Blech", pafst also nicht zum Resultat von AU. Anders wird es sich dagegen mit oeng. to'.l „der Balken'' 2 verhalten, das ein Erbwort oder jedenfalls sehr alt zu sein scheint und

auf

ein

m . # TABULU

Tisch" zurückgehen wird.

(cfr. W a l b g . § 7 5 )

zu

f. TABULA

„Brett,

Dafs TABULA früher eine kleine Familie

1 Die o e n g . F o r m e n de:t (*DATU) „ W ü r f e l " und le\t (LATU) „ b r e i t " (cfr. W a l b g . § 5), haben k e i n e etymologische Entsprechung mehr in B g ü . F ü r ersteres sagt man il vérf>l, für letzteres la\rtç (LARGO); d a g e g e n ist das F e m . LATA e r h a l t e n , aber nur noch in der festen V e r b i n d u n g la stfitf le-.da „ d a s z w e i s c h n e i d i g e B e i l " . A u c h im O E n g . sagt man fast immer la\rtç und nur selten le:t. * F ü r „ B a l k e n " sagt der Bergüner il parparj, von d u n k l e r Herkunft, denn die V e r m u t u n g v o n G . P a r i s , Mélanges ling. 597, es sei PERFKNDIUM unserem W o r t zugrunde zu legen, ist lautlich unhaltbar. D e r „ D a c h b a u m " , der B a l k e n , der v o n einer M a u e r des H a u s e s zur andern r e i c h t , um das D a c h zu tragen, heilst in B g ü . il titso-.l, hat aber mit oeng. to\l jedenfalls nichts zu tun, sondern g e h ö r t eher zu TECTU > tels „ D a c h " , und s o a u c h die k l e i n e , dazu g e h ö r i g e S i p p e : la titsala „ D a c h s t u h l , Balkenwerk, Z i m m e r w e r k " , plarj titso.l&s F l . n . „ E b e n e bei der L a t s c h e r S ä g e " , la titso.la „Froschlarve, Kaulquappe" [sehr wahrscheinlich aus dem V e r g l e i c h mit dem am G i e b e l aus der Mauer herausschauenden E n d e d e s Dachbaumes, das oft mehr o d e r w e n i g e r künstlerisch zugeschnitten ist].

54 um sich hatte, zeigen die heute allerdings sehr stark abweichenden Formen oeng. )l klamt.nl „Einfahrt in eine Wiese, Zaunöfihung für Wagen" (#TABULAMENTU), dem bgü. ii klamyiug mit unklarer Suffixhäufung entspricht [vielleicht #TABULAMEN -f+ OSE], /er dzo ii klamijiug „die Zaunöffnung aufmachen", /er sc it kl- „verschliefsen" (also auch noch „die verschliefsenden Bretter oder Balken, die Tür"), it klamijiuy dii djal>s Fl.n. in Latsch; 1 ferner Fl.n. si klavadi:, an der Halde unterhalb Latsch (*TABULATELLU), obw. clavaziel „Madstall" bei Carigiet, ktevrtsiil in Disentis (Huonder 468, m, #TABULATIOLU) , endlich it talvo: „Heustall, Scheune" in Bgü., H talvo: im OEng., tabla' in Sent, klavaw im Obw. (TABULATU). Oeng. bgü. la te:vla, „Tafel" ist ein jüngeres Lehnwort; Walbg. § 7 5 denkt an schwzd. Tafel, was durch la te.vla da fkregvir oder te.vla da krap -Schiefertafel" nahegelegt werden könnte (Übersetzungslehnwort?), aber nicht sicher ist; la te:vla heifst auch „Täfelfeld, Feld der Türe, Mühlespiel". § 35. Genau das gleiche Resultat wie primäres AU ergibt auch sekundäres, aus AL + Dental entstandenes au : 0:. Die gleiche Ubereinstimmung zwischen den Resultaten von primärem und diesem sekundären AU herrscht auch in ganz Bünden; vgl. folgende Beispiele mit denjenigen im § 33. Dis. Tom. ALTERU auter o:t)r CAL(I)DU kaül t(o:lt KALCE faütp fo:ltf

Savogn. o:t»r t(o:t fo:tf

AIv. Fil. o.t»r tfo:t fo:tJ~

Stalla t:t»r kt:t ft:tf

Celer. o:t>r t(o:t fo:tf

Sent ot)r tfot fotf

a) Bgü. o-.ter, f. o:tra „der, die andere, anders", t(o:t, f. tfo'.da „warm, heifs", fo:tf „Sense", ferner ALTU > o:t, f. o:ta, CALCEAS > t(o:t/as „Hosen", KALSU > fo:s, i./o:sa, JCVENAL(E)S > dzuvno:s „die ledigen Burschen", SALSA > so:sa „Brühe", ebenso in deutschen Wörtern: BALD > bo:t „bald, früh", *FALDAS > fo:da „Falte", WALD (ahd.) > go:t „Wald". b) Daneben erscheint in einigen Fällen -ol: *ALTIAT > tl jllsa „steigt (besonders von der Wagschale), hebt", Inf. ultsc.r; DE 'ALTIAT > tl doltsa, Inf. dultse.r „ h e b e n " 4 ; EXCALDAT > tl ßfjlda, Inf.ftfa!de:r „wärmen"; SALTAT> tl solta, Inf.saltc.r „tanzen", dazu Vbsubst. ii soll „der Tanz" (wohl nicht direkt SALTU), aber in der Sus. v. 499 ün sot „ein Tanz". — Auch im übrigen Aibulatal, sowie im Oberhalbstein treffen wir Formen mit erhaltenem /, wo 1 Eine andere, aber nicht einwandfreie Etymologie hat für eng. „Hosenlatz" Salvioni, ZrP. X X X I V , 388 aufgestellt.

1

faültf

Vgl. Huo. 442, o.; für Disentis.

clamaint

Garin., Gram., p. 38 und Hbch., p. 131 notiert

' F ü r (germ.) KALDO, cfr. ital falda, afn./aude usw. RBW. 3 1 6 3 . Die dritte Form adojsa, adutse-.r „erhöhen" ist ein Kirchenwori und stammt sicher aus dem Engadin, genauer aus der engad. Schriftsprache. 4

55 wir o: erwarteten; in Alvaneu und Filisur doltsa, fkjlda,

fifilda,

sjlta,,

in S a v o g n i n ßfolda,

solía

djoldtr,

neben

galdekf

das

(GAUDERE),

und

s o g a r djolda.,

Gärtner

(Gram.,

diolt,

§ 58 und

§ 172)

als Überentäufserung bezeichnet. Es ist sicher anzunehmen, dafs in diesen wenigen Fällen in Bergün (und wohl auch in Savognin und im Albulatal) nicht die bodenständige Entwicklung vorliegt. Diese Annahme wird gestützt durch Formen aus der Sus. v. 499 datr ün sot „einen Tanz veranstalten J [heute soll] und Sus. ms. Chur, v. 11 currond ... a sois „in Sprüngen". Es bleibt die Frage offen, ob bei den heutigen -^/-Formen Regression vorliegt, was durch die Form (d)ultse'.r und dann besonders durch djildir, djilt in Savognin nahegelegt wird, und, wenn es sich um Regression handelt, von wo die Regressionsbewegung ausging, oder ob wir es hier mit direkten Entlehnungen aus dem Nidwaldischen zu tun haben. Vgl. Gartn., Hbch., p. 1 3 1 , Gram., p. 38, Luzi § 45.

? (é). § 36, Der durch auslautendes u und 1 und durch j der Gruppen RJ, SJ 1 bedingte Lautwandel des E in offener wie in geschlossener Silbe ist allen bündnerischen Mundarten eigen. Die Resultate gehen heute je nach der Art der folgenden Konsonanten auseinander. Dis.

Tom.

HIUERNU umvisrn

umvisrn

Sav. anvi\>ni

Alv. umvúrn

Fil.

Cel.

Sent

amviirn

ivi'Jrn

invUrti

HERI

i>r

iar

i:?r

v>r

i')r

c.r

ér

CAELU

tfirt

Ifial

tfi-.ll

J'i-Jl

iji\)l

t/e'.l

tfél

AUCELLU utfi

utfi'.

utfe'.l

utfi\

utfi'.

utfi

MEDIU

mi)ts

(me:/s)i

(mfts)

(mvsts)

(méts)

miits

utfi méts

In Bergün liegt ein dreifaches Resultat vor. 1 W a l b e r g meint (§ 15), dieser Lautwandel ereigne sich überhaupt vor JEDEM auf E folgenden U, 1 und J. Man vergleiche aber dagegen COOPERCULA > Vf.trkla, neben COOPERCULU > vi>rt(>l in Bgü. wie vercla neben vierchel im OEng. (Fall.), MEDIA mja:dza neben MEDIU > mjets, NEPTIA >• nfa:tsa, *PETTIA ¿> pja-.tsa neben «PETTIU > pjets, NUDIUS TERTIAS (für TERTrus) > fti:>rtsis. D a TJ schon im 3. Jahrh. zu ts wurde, so ist es gewifs nicht verwunderlich, wenn das J dieser Verbindung, wie auch das von TTJ, PTJ, RTJ, DJ nicht wie auslautendes 1 wirken konnte. Vergleiche auch HODIE J> ots usw. § 18, Anm. 1. D a g e g e n bewirkte das u der E n d u n g -US in allen bündnerischen Mundarten obigen Lautwandel nicht, vergleiche § 37, d. — Zum prädikativ gebrauchten PERSUS ] > pf.srts „verloren" [nicht *PERSU > *pi>rts\, vgl. J u d , Rev. Dial. Rom. II, 115. — A u c h PETRUS pe-.dir „ P e t e r " ist möglicherweise so zu erklären.

* In Savognin wie in A l v . Fil. Cel. ist der Haupttonvokal des F e m . auf das Mask. ausgedehnt worden. In Bergün sind momentan mjets und mja\dza in heifsem K a m p f begriffen, aus dem einstweilen die Doppelformen mjedza, und mjaxts hervorgingen, und der wahrscheinlich mit dem Schwund von mjets, mjtdia enden wird, vgl. Gartn., Gram., p. 178.

56 a) Vor RR, ss und rom&D. ts aus TTJ, OJ erscheint heute gewöhnlich der steigende Diphthong je. Daneben kommen anch Varianten mit schwebendem Akzent vor. F E R R U > it fjtr., S E S S U > it sjtr. „drehbarer Aufsatz des Vorderwagens", M E D I U > da mjets vi „mittelgrofs, halb", tr/ta mjtts „mitten drin" (neben mja'Js vom Fem. aus), ii dimjefs „das Mittel (Hilfsmittel)", Sus. 357 damietz, • P E T T I U > ii pjets „Käsetuch, Fäsche, Windel", Sus. 227 pietz „Umschlagtuch". b) Zur Entwicklung von E der Gruppen (zu -jent, -jentfa, jetnb . . .) s § 59, b.

-ENTU, -ENTIA, -EMULU

c) Vor allen andern Konsonanten erscheint der fallende Diphthong l'J, i'». A C E R E U > a\i»r „Ahorn- 1 , A P K R T U > avi:iri .offen - ', darvi>rl „geöffnet" ; » B E S T I U 1 > ii bi\»ßs gros: „das Rind" (dazu Koll. la bi'-.fjisa „das Vieh"), C A E L U > tfiil „Himmel", Sus. 60 tschiel; C E R E S E A > tfari>d\a „Kirsche", * C E R E S I U 2 > ii ißari->tf „Hanfhechel" und dazu das Vb. tl tßariidza, „er hechelt", C E R T U > da tfint „reichlich" (sonsl tf?.>rt „gewifs"), Sus. 69 da tschiert „gewifs" ; H E R I > /vr, H I B E R N U > amvinn, COOPERC(U)LU > visrtpl, P R E T I U > ii pri>tf „Preis" mit der Abltg. ii fpri'tf „Verachtung, Spott, Hohn", T E P I D U > tvwi „lauwarm", F E R R E A > la frirdja, „Spannkette", 3 I N T E G R U > anirtr „ganz". . d) Dieser Entwicklung hat sich auch D E C E M > disf „zehn" angeschlossen, offenbar nachdem es durch Analogie zu # D E C I (cfr. ital. dieci) geworden war und zwar im ganzen rätischen Sprachgebiet, vgl. Gartn., Gram., p. 192. S I N I S T R U wurde schon in spätlateinischer Zeit an D E X T E R U angeglichen; denn auf eine Basis ' S I N E X T R U (oder # S I N E S T R U ) gehen alle bündnerischen Formen zurück: Sent fncfür, Zuoz fneflsr, PonteCelerina fne'.ftir, Bgü. fni»ß>r, Filisur fnisßir, Alvaneu sani)ßi»r, Tavetsch sanuß>r, Domleschg sania/Ur, cfr. femer Gartn., Hbch., p. 261. Wie in ganz Bünden entspricht auch in Bgü. der Reflex von C I R C U L U einem Typus ' C E R C U L U , der im OEng. und in Bgü. und Filisur auch die lautgereciite Entwicklung von E vor auslautendem u aufweist, während das übrige bündnerische Sprachgebiet diese Brechung nicht zeigt: OEng. tßi\)rtt>l, Bgü. ii tßiirtfil „Reifen, Radreif, Fafsreifen", tßi>rt()l dla iiga, „Mondhof", Filisurßiirtpl, dagegen SeDt tßsrfal, Alvaneu ßisrtpl, Conters tßfrlpl, Domleschg (ßt&rfol, 1 G l e i c h s a m eine R ü c k b i l d u n g a u s einem K o l l . BBSTIA, cfr. H u o . 4 7 6 — 7 , o e n g . »l be\/t( „ d a s S c h a f " , ueng. tfarbif „ S c h a f " , P u l t §§ 35, 274. » C f r . § 3 0 1 , e. 9 E s ist k a u m a u f f ä l l i g , dafs die K o n s o n a n t e n g r u p p e rdj nicht die g l e i c h e F o r t e n t w i c k l u n g d t s D i p h t h o n g e n verursachte, w i e sie in FERRO > fjer\ vorliegt. ilts fjerts „ E i s e n s t ä b e " (am F e n s t e r u. a.) ist j ü n g s t e A n a l o g i e b i l d u n g nach d e m S g . fi'er-, und b e w e i s t natürlich n i c h t s g e g e n die l a u t g e r e c h t e E n t w i c k l u n g v o n fi frdj*.

57 Schams t/t&rkil, Heinzenberg Somvix und Disentis tftrhl.

und

Boden tftrfol,

Uors

t/trbl,

e) Im romanischen Auslaut erscheint i: BELLU > i s bi: „es ist schön", Subst. H bi: „das Bild" (als Adj. dagegen bja'.l aus Fem. bja'Ja, angeglichen), CEREBELLU > tfarvi:, CULTELLU > kurti:, ROTELLU > rudi: „Haarknoten", VASCELLU > vafi. „Sarg", VITELLU > vdi:, usw. In Fl.n. PRATELLU > pradi: „Wiesenkomplex bei Latsch"; •TABULATELLU > si klavadi:, am Abhang unterhalb Latsch, an glaife:r>s angrenzend. Die gleiche Entwicklung zeigt auch ii sidzi: „das Siegel" aus SIGILLU mit Suffixwechsel zu *SIGELLU.

1

D e n jüngeren obw. Ent-

lehnungen sigill bei Carigiet, sidjil in Somvix stehen die durchaus erbwörtlich entwickelten Formen obw. sigi (neben sigil) bei Carisch, sadit in Celerina, sadfe in Zuoz, sadji in Sent entgegen. § 37. Diese Entwicklung ist aber nicht konsequent durchgeführt worden. Das ist leicht begreiflich, wenn man bedenkt, dafs beim Adjektiv der m. Form des Singulars mit Brechung durch auslautendes U ein Plural auf -os, und das Fem. auf -A, -AS, die nicht die Wirkung des auslautenden -u hatten, gegenüberstanden (vgl. § 46), also neben bi: der Plur. bja'.lts und das Fem. bja'.la, neben avi'irt der Plur. *avr.->r/s und das Fem. avfJrta [cf. Sus. 226 oura ä l'avearta = heute o:r a la davi'Jrta, „hinaus ins Freie"]. Auch beim Substantivum war ursprünglich ein Wechsel zwischen dem Sing, mit Brechung des durch auslautendes u und dem Plur. ohne Brechung durch auslautendes u bedingt, der in spärlichen Überresten noch zu erkennen ist, z. B. vdi:, Plur. vdla'J.'s „Kälber", a) In den meisten Fällen fand ein Ausgleich nach der einen oder der andern Seite statt. Gewöhnlich siegte die m. Form des Sing.: avi:trta nach avi'Jrt „offen", anti:>ra nach anii:*r „ganz" (INTEGRU), fni>ftra nach fnisflsr „links", kuviirta, „bedeckt" nach kuvi-irt, iits kurtis „die Messer" nach ii kurti:, iidz utfi:s „die Vögel" nach utfi:, aber in Latsch gelegentlich iidz utfja'Jts, lapulindra „die Stute und weibliches Füllen" nach ii pulitchr „das Füllen". b) In andern Fällen siegte das Fem. und der Plur., z. B. bei bja'J „schön", ud^tJrf ,,feuchtkalt" aus ud\t\)rv& (ACERBA), anlse:)rlpl „Dachsparren" vom Plur. (ASSERCULOS), iiß-t:»rf „Sehne und Nerv" vom Plur. Koll. la jtt:»rva,2 tfe.irt „sicher" vom Fem. (aber 1 Cfr. auch *PAXELLU lür PAXILLU = bgü. pis-.i: „Achsennagel, -stift" (damit das R a d nicht herausfallt), *MAXEIXA für MAXILLA § 46, b. D e r lautgerechte R e f l e x von -ILLU ist -e:l, nur in [med) a tfavr.l erhalten, siehe § 55, a» 1 Eine letzte Spur des frühertn Sg. Jli»rf können wir im palatalen /1 erblicken, das erst im K o n t a k t mit i entstehen konnte (cfr. auch oeng. jit >rf,

la fU trva).

58 da t/ifrl iya, tf'rtsa

„reichlich 1 ' pa.rt

1

ctRru),

aus,

ítj ttiris

„ein Drittel*

falls n i c h t h a l b g e l e h r t (TERTIU,

vom Fem. fpi'trt,

-A),

- a „flink, schnell" (EXPERTU) nach dem Fem., möglicherweise auch halbgelehrt, ebenso dzs'fr/, -a „ärmlich, karg" (DESERTO, -A) ; pi>rts „verloren" und \mf>rts „gefallt, umgeschlagen" (3 -+- MERSU 2 ) können sowohl v o m Fem. a b auch vom Inf. und den andern Formen des V e t b u m s beeinflufst worden sein (pt^rdsr, ynt-frcfyr). Neben VERSU >• vi:>rts „Schrei der Raubvögel" ist ii vesrls „Vers" offenbar gelehrt. — Auffällig bleibt CERVU > ii tft'Jrf „Hirsch" (neben oeng. t/r»r/)\ es wäre sehr gewagt, hier vom Fem. auszugehen. — Vgl. die ähnlichen Verhältnisse im O E n g . bei Walbg. § 19c) A u f d e n oben (S 37, a) besprochenen Wechsel von Sing, und Plur., Mask. und Fem. gehen sehr wahrscheinlich auch folgende Analogiebildungen zurück: VERME > ii vi»rm „Fingerwurm" neben vt'jrm „ W u r m im allgemeinen", Sus. 497 vierm „ W u r m " ; vgl. dazu vürtn, Plur. viarms in Disentís (Huo. 4 5 5 und 463); Agi. I , 17 altobw. vierm, Plur. verms\ Gartn., Hbch., p. 1 8 1 ; Bifrun vierm, Plur. ver ms", Pall. verm

und

in Sent, vtarm

vierm

(heute

m. W .

nur

verm

im O E n g . ) ,

vtrm

im Domleschg (Luzi § 32).

GERMEN > ii Jyorm „ K e i m " ; vgl. \i)rm in Disentís (Huo. 455), obw. fchierm bei Carig., y arm im Domleschg (Luzi § 88), d a g e g e n oeng. d-\trm, Sent ^crm. I v)rta

„Erbschaft"

e i n V b s u b s t . zu

tl i'srta,

Inf. irie:r,

arte\r

und sogar i¡rte\r " e r b e n " < HEREDITÄRE; vgl. oeng. i-.srta (Walbg. § 15), ierta bei Pall., obw. ¡erta bei Carig., Disentís Urb (Huo. 458). ii \di>J

„Verachtung",

Sus. 1 3 0 schdiesch,

3 7 4 sdiesch,

ein

Vbsubst. aus DECET, das als einfaches Verbum noch im O b w . vorkommt, cf. ei defcha „es geziemt sich" bei Carig., diy bei H u o . 443. In Bgü. kommt es auch in der Ableitung \di\idze\r, tl \di\tdza ..verunstalten, entstellen" (neben der Form ylizidze\r, tl 3diztdza, mit progressiver Dissimilation und regressiver Assimilation), Sus. 493 Una sdeschadziusa moart „ein schmachvoller T o d " , vor, das dem engad. sdischager (Pall.) entspricht und wahrscheinlich erst vom V b s u b s t . a u s (mit d e r E n d u n g -idze:r


ptts „Bruststück des R i n d e s " . Es ist gar keine F r a g e , dafs wir es mit einem Erbwort zu tun haben, aber auffällig ist d e r M o n o p h t h o n g t zunächst doch, statt des zu erwartenden *pjets [vgl. * P E T T I U > p j e t s § 36, a]. Auch im Obw. ist keine Einwirkung dieses folgenden u auf das haupttonige K ZU beobachten [vgl. ptts „Brust" in Disentis u n d Brigels]. Bedenken wir a u c h , dafs T E M P U S [obw. ittns, D o m leschg tatmps und tälmp, Schams taints, Alvaneu Filisur tälrnp, Bgü. tt'.ymp, siehe weitere F o r m e n bei Garin., Hbch., p. 1 5 2 ] ebenfalls keinen F.influfs des u auf den Haupttonvokal aufweist, so drängt sich die Vermutung auf, dafs das u der Neutra auf -US nicht u m lautend wirkte wie das u der Maskulina u n d Neutra auf -UM, resp. -U, was sich daraus erklären liefse, dafs bei der E n d u n g -US das U anderer Qualität u n d namentlich g a r nie auslautend war, vgl. H u o . 463, o. In einem geht nun das E n g a d i n entschieden a n d e r e W e g e als das Obw. u n d Nidw. u n d auch als das Beigünische. D e n n T E M P U S weist im Engadin u m l a u t e n d e Wirkung des auslautenden u auf, Celerina te:mp (= tfe.l < CAELU), Zernez temp ( f t l ) , Sent temp (tfil), altoeng. tijmp, timp (schijl, seht/) bei Bifrun, was deutlich darauf hinweist, das hier das s infolge Verwechslung mit dein Maskulinum jedenfalls früh gefallen ist. 1 D a g e g e n erscheint 1 T E C T U S auch im Eng. nicht mit U m l a u t , vgl. peick bei Bifrun, heute oeng. pet, Sent. pit, was darauf zu deuten scheint, dafs d a s Wort sein auslautendes s im Eng. länger bewahrt hat als T E M P U S , was sich auch aus seiner beinahe ausschliefslichen V e r w e n d u n g als Sing, erklärt. 3 § 38. E im Hiatus mit U ergab /:, also genau wie K vor auslautenden u in B E L L U > bi\, V I T E L L U > vidi: usw. § 36, e. UEU > pra\ja „Lockspeise", NEGAT > tl \naja neben tl int ja „er leugnet", SECAT = tl seja „er mäht". In Filisnr finden wir fnctja gegenüber (l)seja, in Alvaneu fnoja — sija. — Ein Vergleich mit den in § 49. besprochenen Fällen legt die Vermutung nahe, dafs es sich bei den Verben um Analogiebildung und zwar um gegenseitige Beeinflussung handelt; denn wie hier yttja neben yicrja 1 I n a d j e k t i v i s c h e r V e r w e n d u n g erscheint nicht »; pee >• pel4 wurde. Das

E von

PEDE, pl. PEDES scheint

in

die E-Reihe geraten

zu sein, wenigstens weist PEDE im gröfsten Teil Bündens die gleiche Entwicklung wie E auf; vgl. weiter unten § 50, ferner Agi. I, 16, Anm., Huo. 463, m, Gartn., Gram., p. 88, Luzi § 2 3 ; Bgü. Filis. pe =pare, Alvancu pe. = pare , oeng. pe = f e [FIDE, Walbg. §i 2b, 14]. Der Plural, wo j a E nicht auslautend wurde, zeigt an den meisten Orten eine vom Sg. abweichende Entwicklung und zwar gewöhnlich die Entwicklung von E in off. Silbe vor oralen Kons., in B g ö . iits psks

=

nälf,

pe,

Plur. piks

„die Füfse"

Lenz pe, —

5

=

nekf =

me&s (cf. § 48), Fil. Alv.

pals

Plur. pals — malza, vätr, Conters und Savognin

nekf,

Stalla pe, Plur. pals —

naif,

malza,

Scharans

pe. = pe.s = ne.f nach Gärtner [nach Luzi pe:, PI.?, n,'\f~\, Disentis PI.?, nhf\ pel = pels = nelf nach Gärtner [nach Huonder ph, U o r s pel,

PI. peis =

ntif.

Im Engadin dagegen stimmt der Plural nicht mit den Reflexen von B in offener Silbe, sondern von E in offener Silbe, Celer. ptks

= fegvra,

nekf

(nicht nef),

Z u o z peks — fegrra,

nekf

(nicht

tialf), Schieins pes = fe'.bra (nicht nalf). A u c h weiter östlich im Münstertal, im Tirol und im Friaul marschiert PEDES nicht mit E in offener Silbe. 6 hat,8

Mit PEDE geht auch E S T , " wo es beide Kons, abgestofsen so in Bgü. el e „er ist" = pe, Fil. £ = pe, Alv. e — pe,

1 Vgl. auch Luzi § 13 und Walbg. § 25, wo eine ähnliche Beeinflussung angenommen wird. * Denkbar wäre es auch, dafs el \dreja. „er holzt ab", el as/fadeja „fr müht sich ab", tl seja. „er schwitzt" mitgewirkt hätten, cfr. § 67, a. 3 Siehe Agi. I, 16 Anm. 4 Siebe Huo. 463, m. ' Der „Feuerbock" weist begreiflicherweise den analogen Plur. trapes auf. 9 Ob PEDES hier mit £ marschiert, kann ich nicht feststellen, da ich keine Fälle von spontaner Entwicklung von E in off. Silbe bei Gärtner finde [abgesehen von 3 Formen von FEBRE, Hbchp. 36, wonach es nicht stimmen würde]. ' Für EST (statt EST), cfr. M.-L., Rom. Gram. II, § 207. • Vergleiche PBDE und EST bei Gartn., Gram., p. 88 und p. 150.

62 Savognin t = pt, Schaians e = pe\, Uors ei — pe'i, Disentis ti — ptl [ = H u o n d e r h = pii]. W o EST das s bewahrt hat, Ce'erina eks = piks', Zuoz eks = Münstertal es = pe:s.

geht es mit PEDES, SO in / w b , Schieins «r^ = pes,

§ 4 1 . K ergibt in offener Silbe vor oralen Kons. e.. Mittelbünden weist im Gegensatz zu Bgü. und Filisur öfters einen D i phthongen auf und das O E n g . einen „verhärteten" Diphthongen. Dis. Tom. VETERE vtdir vi)d)r FEBRE ( f t b r a 3 ) —

Schams Sav. veijir vcuhr" 1 — fe\vr)

Alv. vudir finra

FiL ve\d»r fe'.vra,

Celer. 1 vtgdir fegvra

In Bgü. vc.cbr, f. vc.dra „alt, von Fleisch und K ä s e gesprochen", fewra, „ F i e b e r " , GELAT > 1 dy.la,, LEVE > le.f, f. lewa; METERE > me.tbr, tl me.da „absicheln"; NEPOS (Nomin.) > it ne'.fts „Neffe", *PRE(V)E(D)R (für PRESBYTER4) > it pre'.r „katholischer Priester", *RETINAS >• re'.dnas „Jochriemen". In Fl.n. PETRA > pe'.dra in Val T u o r s , grofse [dicke] Stein) sw. von Naz.

la pe'dra

gros'.a

(der

D i e gleiche Entwicklung zeigen auch FEL > fe.l „Galle", MEL > me.l „ H o n i g " und HEBDOMAS > r.vna „ W o c h e " mit den Zusammensetzungen mjadze.vna „Mittwoch", vede.vna „nächste W o c h e " , lauter Fälle, die auch im O E n g . wie in offener Silbe behandelt wurden (vgl. Walbg. § 13, ferner fek{, mek{, egvna = fegvra in Zuoz). § 41a. Dieser Entwicklung hat sich auch mhd. EI angeschlossen, ein Beweis dafs auch Bergün einen Diphthongen [E > *«' > e] besafs, wie das übrige Nidw. und das O E n g .

it ge.b?l „Gerichtsdiener, Weibel", Sus. 166 guebal, 480 Gutbals (aus mhd. weibel •< ahd. weibil — schwzd. Weibel)-, tl dje\\la „er schlägt" (Abi. von schwzd. Geiste), wozu el djekfla „er peitscht" und la djekfla „Geifsel" in Zuoz und djekfla in Celerina g e n a u stimmen, tl 3 pe'.da „er hat Zeit", e nun t pe.da „ich habe keine Zeit, keine Mufse" aus alem. peila,5 wozu wieder stimmen Zuoz pegda (= fegvra) und schrift-oeng. peida •= f e i v r a bei Pallioppi, peida, = lelf, leiva (LEVE) in Tavetsch (Huo. 438, m.). D e m n a c h ist Walbergs Auffassung, dafs obige Fälle mit schwzd. EI unter die Fälle von A -f- j gehören, zu revidieren (Walbg., § 4, c).

In Zuoz vegiitr, fegvra, in Sent ved»r, fevra, In Conters. ' Form von Tavetsch aus Gartn., Hbch., p. 36. 4 Cfr. Agi. I, 244, Anm. 6. 5 Heutiges schwzd. Verb beiten, Id. IV, 1844.

1

4

63 § 42MULIERE lautet in Bgü. 'a muie'.r „ G a t t i n , E h e f r a u " , k ö n n t e also in B g ü . für ein E r b wort g e h a l t e n w e r d e n , w e n n wir lateinisches offenes E a n n e h m e n , w a s altspan. mugier zu verlangen scheint. Ascoli [ A g i . I, 1 4 ] betrachtet altobw. mttlglr als E r b w o r t und

nimmt eine

B a s i s MULIERE a n ,

so

d a f s e s z u HABERE >

v£r

stimmt. M e y e r - L ü b k e spricht sich w e d e r in der Einführung* § 1 1 0 , n o c h im REW. 5 7 3 0 über d i e Qualität des E aus, sieht a b e r e n g a d . muie'.r für ein Erbwort an. N e h m e n wir n u n mit A s c o l i MULIERE a n , so sollten wir in B g ü . *tnuitkf, in C e l e r i n a *mufk\r, in Z u o z *muiair [ = HABERE >• adavtkf, avV.r, avaif\ erwarten. N e h m e n wir d a g e g e n MULIERE a n , wie ein erbwörtlicheä viuie'.r in B g ü . verlangen würde, so sollten wir in Celerina *muiikr u n d in Z u o z * muh kr [= ftgvra, fegvra] erwarten. Altobeng. muglicr bei Bifrun spräche für MULIERE, falls es E r b w o r t wäre. E r w ä g e n wir noch, dafs die W ö r t e r b ü c h e r v o n Carigiet u n d C o n r a d i d a s W o r t g a r nicht k e n n e n u n d dal's Carisch muglier für g a n z B ü n d e n angibt, und b e d e n k e n wir endlich die verdächtige lautliche Ü b e r e i n s t i m m u n g aller b ü n d n e r i s c h e n F o r m e n von muie'.r, so scheint e s mir ziemlich sicher, dafs wir es hier mit e i n e m importierten W o r t zu t u n h a b e n , 1 im Eng. g a n z sicher u n d sehr wahrscheinlich a u c h im ü b r i g e n B ü n d e n . E s dürfte ü b r i g e n s k a u m überall v o r k o m m e n , d a für r G a t t i n " in g a n z B ü n d e n DO.MINA eingetreten ist. § 43. E i n e b e s o n d e r s eigenartige E n t w i c k l u n g weist in B ü n d e n d a s W o r t LEPORE auf. Z u n ä c h s t scheidet sich B ü n d e n in e i n e Z o n e *LEPORA (cf. a u c h catal. llebra) d e s Inngebietes, d a s a b e r s. Z. von e i n e m LEPORE-Gebiet in T i r o l u n d Veltlin umschlossen war. W ä h r e n d nun im E n g a d i n LEPORE d i e g e w ö h n l i c h e E n t w i c k lung von E in offener Silbe aufweist, also in Celerina Itgvra = ftgvra (FEBRE) [ W a l b g . § 13], Z u o z legvra = fegvra, Sent l,vra = fevra [Pult § 2 5 ] , g e h t I.EPORE in B e r g ü n wie im g a n z e n ü b r i g e n n i d w . u n d o b w . G e b i e t eigene W e g e . D a s intervokalische -P-, d a s in g a n z B ü n d e n regelrecht zu v w u r d e , blieb im nidw. u n d obsv. S p r a c h g e b i e t n i c h t als v erhalten [also nicht wie ira e n g . Itgvra usw.], s o n d e r n w u r d e v o k a l i s c h , so dafs ein T r i p h t h o n g entstand, d e r in Disentis Ißur n o c h heute erhalten ist u n d d e r sehr leicht in d e n h e u t i g e n R e f l e x e n 2 Mittelbündens w i e d e r z u e r k e n n e n ist. S o g e h t z. B . iazvr in Filisur auf eine ältere S t u f e *ljawr < *Hawr zur ü c k , iewr in A l v a n e u auf *ljewr, iöir in S a v o g n i n auf *ljoir, tok{ in B e r g ü n auf *ljokx < *liokr. D e r erste Bestandteil d e s T r i -

1

muliere

Wahrscheinlich

is'. es

ein

altoberitalienisches

Lehnwort,

vgl. amail.

(Biadene, Libro delle tre scritture di Bonvesin da Riva, Gloss., s. v.J,

moier (bei Barsegap£), avenez. muyer. Aber es könnte auch die Übernahme von muliire als lat. Rechtsausdruck ins R ä l i s c h e in Frage kommen. * Vergleiche auch posch. ligwar (Michael § 49), comasc. ligor, ligora (Monti), d i e , wie ¿iura in A r b c d o (BSSvIt. X V I I , 13s) zeigt, auf dieselbe Grundform [ / e u r a ] zurückgehen, die doch in tessin. comasc. Mundarten nur mit der E n t w i c k l u n g LEPORE > levore > leure sich erklären läfst.

64 phthongen hat im Albulatal und im Oberhalbstein das vorausgehende l mouilliert und mit diesem den Laut i ergeben, cfr. § 121, c. In Bergün, und zwar nur in Bergün, 1 trat „Verhärtung" des letzten Bestandteiles des Triphthongen ein. fykf in Bgü. verhält sich zu tawr in Filisur und iewr in Alvaneu genau wie bgü. avhk[ts „Bienen" zu fil. aviawlts, alv. aveivlts, oder wie bgü. tfirok(ts „Milben" zu fil. tgirawlts, alv. tgirewlts. Die Ausführungen in Gartn., Gram., p. 73, wo noch angenommen wurde, dafs k, g der „verhärteten" Diphthonge oder Triphthonge immer auf ein z> j zurückgehen müfsten [also *liour > *iojr > *ioff > *hif, anstatt *liour > *tyuor > *fyxf > *£>kf], sind nun durch Gartn., Hbch., p. 166 berichtigt worden, indem hier neben der Entwicklung ej > e( ek auch eine Entwicklung ou >• ow > ox >• ok angenommen wird, was der Wirklichkeit ganz gewifs eher entspricht und auch in den Verhältnissen des Wallis ein Analogon hat, wo Parasit-/^ nach i und u eintritt: venduk. (Vgl. auch § 331, d.) § 44.

Eine ähnliche Entwicklung wie LEPORE zeigt GELIDA -jm. d-pkt „sehr kalt, eisig kalt, erkaltet [vom Leichnam]", itts mayts d\3kts „halberfrorene, eiskalte Hände", f. awa d\ok!a, „eiskaltes Wasser", dazu das Subst. la d\Ma „Frost, Reif [im Frühling und Herbst]". 2 Während bei LEPORE Bgü. mit dem verhärteten Triphthongen ganz isoliert war, kommen hier noch Conters mit \6kt „kalt (von Kaffee, Milch)" und Filisur mit der Form \okt „frostig" hinzu [die bei Pallioppi sub dscket als dschoat, -a figuriert], GELIDA wurde durch frühzeitige Synkope zu GELDA, worauf das L vor Dental vokalisiert wurde [cf. § 208]. Der velare Vokal färbte nun auf den Haupttonvokal E ab, sodafs *d\c.üda zu *d\owda und *d\ogda wurde, wie LEPORK ZU *lioür > *towr > fykg-.3 Neben der f. Form bestand aber ohne Zweifel auch der Reflex von GTLIDU, in dem das auslautende D stimmlos wurde, also t lautete. Die f. und die m. Form beeinflufsten sich nun gegenseitig; vgl. Zuoz GKLIDU > d\i-9t und darnach d\i')ta,, dagegen Celerina GELIDA >• d\t-\ta, und darnach d\c.t [neben \s\ta,, is:i], bei Pall. oeng. dschet neben dschiet, in Sent \tt [vom Fem. aus], Pall. ueng. sehet, -a. Wir sehen, dafs das t der m. Form sich nicht nur da behauptete, wo der Hauptvokal der m. Form sich durchsetzte, wie in Zuoz, sondern auch da, wo der Hauptton der f. Form siegte, also z. B. in Celerina, Bergün. 4 GELIDU >

Vgl. Gartn., Gram., p. 176 und Luzi § 35. V o n Nuttin Falett, geb. 1828, hörte ich d\okta, „ F r o s t " ; es ist aber keineswegs sicher, dafs d\okta, die ältere Phase darstellt, da auch in Latsch und Stuls d\okta, usw. gesagt wird. • V g l . auch hkt aus LlüT § 67 f., mjogla aus MICULA. § 67, g und § 77. 4 Im Obw. ist fcheltira, fchelira „Frost" an die Stelle von GELIDA (Bgü. dpkta) getreten. 1

2

65 §45-

? + Palatal drängt in ganz Bünden nach i hin. Sav. Fil. Alv. Celer. Sent Dis. Tom. vei vii vv.i vv.i ve\i VECLU Vei vet seks si:s SOIS1 Sc'lS SEX SIS Sf.S2 ses In Bergün ist das Resultat wie im übrigen Nidw. und im Obw. ein doppeltes. a) Vor ts, dz, i, also da, wo der Palatal im folgenden Kons, aufging, erscheint langes i: 3 : COLLEGIT > tl kli'.dza, e(f) klv.ls „er pflückt, ich pflücke", Sus. 401 eu clitz', C O L L E C T U > kliUs und klits „gepflückt", I N T T L L E G I T > tl ayklv.dza, „er verstellt", I N T E L L E C T U > ayklv.ts „verstanden", Sus. 164 ancletz „verstanden", aber Sus. 214 da buti anclitz = heute: da, buy oykli'.ts „verständig"; I N T E L L E C T A > lagkliUsa, „Abmachung, Verabredung", L E G E R K > lrdz»r4 „lesen", LEGIT > tl lt:dza, L E C T U > Iv.ts „gelesen", .MELIUS > mitls, Sus. 384 milgs, NEC > tu' el ni e\f „weder er noch ich", *PULEJU pulv.ts „Kümmel", A T T E G I A (gall.) > ti:dza und tv.dza, „Sennerei(hütte) auf der Alp", V E C L U > ri:i, vi\ia und vv.i, vr.ia, Sus. 40 rilg, 50 vilgs. b) Vor 1 und s erscheint der „verhärtete" Diphthong ik. C O L I . E G E R E > klikf ..pflücken, auflesen", I X T E L I . E G E R E > aykh'kf „verstehen", Sus. 40 anclir [reimt mit ir — (kf\; P E J U S > piks „ärger, schlimmer", Sus. 94 ilg pijs, 150 piss\ stx > siks. c) Eigene Wege geht T E X E R E in Bergün wie in ganz Bünden. Im obw. und nidw. Gebiet stimmen die Reflexe von T E X K R E mit demjenigen von PUDES [cf. § 40] und somit auch mit denjenigen von K in offener Silbe [ X I V K , M E ( N ) S A ] überein. Bgü. ttkssr, tte ttksa, las'.i: p. p. „weben" = piks, ntkj\ Filisur und Alvaneu taissr, tl) lalsa (lisi\) = pais, naif; Stalla lais^r = pais, nalf\ 5 Scharans te\s>r = p,:s, nr.f (Gartn.); Bonaduz tjlssr — pjls — fyi ( F I D E ) , aber nl'.f; Uors teissr, th teisa = pe1s, ne'tf', Brigels tjlssr — nji/\ Disentis ttisar = ptis, ntif (nach Gärtner), lhs>r — phs, nrtf (nach Huonder); 8 Tavetsc.h la\r = mtiza (dagegen peks, nekf). I n C o n t e r s n o t i e r t e ich txjs»r, e/a, tsejm (tasi\a), a l s o n i c h t genau w i e mtiza [ / f i x , nekf], sondern mit e i n e m etwas offeneren f . • H u o n d e r 4 6 1 , m . möchte in t>ls»r Einflufs der vielen V e r b a a u f > — ¿ 7 erblicken.

Beiheft zur Zeitschr. f. rom. Phil. L X X I .

5

66 Im Eng. marschiert TAXTRE dagegen mit PECTINE [sowie auch mit MIRRITRB, also wie E, s in geschlossener Silbe]. Celerina les» = pttin, mttor [dagegen ptks] ; Ponte, Zuoz tts'jr,1 sia /t-ru» = pettn, mitsr [peks] ; Sent Izr.ir = ptfon, mttsr \j>c(s)~\ ; Schieins tes»r = petm, met)r [pes]. Sta. Maria (Münstertal) Ufer stimmt weder zu pB/fti, noch zu mtter, dagegen, abgesehen von der Länge, zu pe:t (PEDES).

d) Auch MELIOR weicht in seiner Entwicklung von den übrigen Fällen von E + rom. i ab und zwar nicht nur in Bgü. tnéitbr, f. méídra, „besser", it mehr „am besten", it miör tre goni „der beste Schütz, Schützenkönig", sondern auch in Filisur mibr, méiJra,, Alvaneu nié&r, mitra, Savognin melldn, Celerina mf-tdsr, mthfor. Vergleiche auch die abweichende Entwicklung von K vor CT + Kons, und von E vor einfachem CT unter f). e) Während LECTU „Bett" im Obw. ziemlich geschlossen mit VECLU (VETULU) marschiert [cf. Gärtner, Hbch., p. 1 7 2 ] , weicht es im Nidw. und im Eng. oft davon ab, z. B. Bonaduz litf [vé:/],1 Tiefenkastel ¡elf [vif], Savognin Ulf [vii], Stalla lit([yei], Alvaneu Iiis [vii], Filisur Iiis [zu:i], Celerina Ut [ve:i],3 Zuoz let [veli]. Auch in Bergün erscheint lits statt des zu erwartenden *liits, das belegt ist durch Sus. 182 pons da lite neben 62 letz.4 Bifruns Unterscheidung zwischen Sing, lijt (LECTU) und Plur. lits (LECTOS) könnte den Gedanken nahelegen, der Plur. habe auf den Sing, eingewirkt und die abweichende Entwicklung verursacht. Fürs Eng. scheint eine solche Annahme nicht ausgeschlossen, dagegen fürs Nidw. zum mindesten sehr unwahrscheinlich. Es bleibt die Frage offen, ob wir es hier mit einem Wanderwort (Kulturwort) zu tun haben. f) Vor der Gruppe e r -f- Kons, scheint E in ganz Bünden sich anders entwickelt zu haben als vor einfachem CT und vor Palatal im allgemeinen und hat nicht nach i hingedrängt. Jedenfalls konstatieren wir eine auffällige Übereinstimmung der Resultate v o n PECTINE, PFCTINAT u n d P E C T U S 5 mit d e n j e n i g e n v o n E in g e s c h l o s s e n e r S i l b e ü b e r h a u p t , w i e z. B . mit MKLLINA (MKLLINOS u n d

1 Im Wörterverzeichnis zur Ausgabe von Bifrun, N . Test. (Ges. f . rom. Litt. 32) fuhrt Gärtner den Inf. tessijr an, der aber mit den Hinweisen auf den Text nicht zu finden ist. Ist tessijr nicht nur eine Rekonstruktionsform Gärtners nach dem Part, tesstda, so wäre der heutige Inf. tesfr eine Neubildung nach den stammbetonten Formen des Präsens. * V g l . Huo. 458. m. » V g l . W a l b g . § ao. 4 litz im R e i m (?) mit dretz (drets) „Gericht"; das gleiche Schwanken zeigt die Sus. auch bei anclitz, ancletz v. 2 1 4 , 164 = aflklr.ts. 8 Wegen -US, das nicht wie auslautendes U Brechung des F. bewirkte, siehe § 36, d, und Huo. 463, o., wo die Entwicklung PECTUS > *pst(s ]> ptts plausibel gemacht wird, da wir von *PECTU(S) ein *pttf erwarten sollten.

67 darnach MELLINU ?) und eine ebenso auffällige Abweichung von L E C T U „Bett", wie von den Fällen unter a). In Bergün lauten die Reflexe iiptls>n „Kamm", tlptlstia rer kämmt", ii ptls „Bruststück des Rindes" [ = mibn „gelb", mtlna, mehnts, dagegen léts „Bett", laykli.tsa „Abmachung" I N T E L L K C T A ] ; in Sent ptten, peí: „Brust", ~ Iii: „Bett" [für „gelb" sagt man in Schieins je/giva f., das ich bei Pult nicht finde], im OEng. ptNn, ¡I peina, pst [= mtbn, aber let in Zuoz]; in Filisur pefsm = mthn ~ lé/s; Alvaneu pt/sm = msnfl, f. minia ~ Iiis; Conters pttpn = mthn, menla ~ lil(\ Savognin pelpn = mtnla ~ let

iura,

it:r>

te»ra

ttira

ttra

ttra

p&rcbr

pf.rtbr

pr?rdir

pf»rthr

pirdir

ptrdir

PBKDKKE piardsr a)

V o r L L , R R , s s , PT u n d r o m . ts,

w o j mit d e m Kons, schon m e h r , w i e in d e n F ä l l e n konnte;

AÜNKLLA

>

la

nja:la

bja:la,

„Zeitschaf,

BELLA >

m . bjaJ],

C A P P E L L A > /{apja.la

GEMÜLLOS > ynjcc.lts, S u s . 2 9 1 piall, VASCELLA >

fmjcc.lts, ra\ducla

la vafju'.la,

„männl. Kälber",

tfampja:lts

zum

S u s . 7 5 bealla,

„Gekröse,

[in

nicht wirken

satzunbetonter

erstenmal

3 8 0 bialla

trächtiges

[und

„ H u t " , FABELLA > favja:la

„Darmfett",

Plur. K o l l . ,

analog

„Sprache",

PATELLA > p a d l a : l a , PELLE >

PONTICELLA > p u n t f j a d a r S t e g " ,

t h e s e *RKCITELLA) >

war, dafs es

cfr. § 3 3 0 ] .

Schaf",

>

soweit verschmolzen

unter § 3 6 , auf den H a u p t t o n v o k a l

v g l . H u o . 4 5 6 , u . ] e r s c h e i n t in B g ü . ja:

S t e l l u n g a u c h ja:, ja• ja,

vdla:lts

dz [ a u s l a t DJ, P T J , TTJ,

lapja:l,

KETICELLA ( M e t a -

SELLA >

„Milchgeschirr",

sja:la

„Sattel",

VITELLOS

>

CENTIPELLIO (mit A n g l e i c h u n g a n HELLES) Kutteln".

1 An die Stelle der altengad. [ober- und untereng.] Formen tearra „ L a n d " , ttarz, tearti „dritte", zearp, tsearp „Schlange", tscheart „sicher", uearm „ W u r m " , speart „flink" [v. Agi. I, 232, Ulrich, AltJoseph, obereng. Lesestücke, glo^s. s. v. und Ulrich, J. v. Travers, engad. Drama gloss. s. v.], sind die modernen Formen ttr a, trrts, ts-erp, tfvrt, vi rm usw. getreten [vgl. W a l b g . § 17, Pult § 26]. W i e lange und zähe diese Regressionsbewegung wenigstens in einzelnen Dorfmundarten des Engadins wirkte, zeigt uns die Mundart von Zuoz im untern Teil des O E n g . Schon beim Z u o z t r J. v. Travers (geb. 1483), dem Begründer der engad. Schriftsprache, finden wir (anno 1530) Formen wie terra neben tearra , ferm neben fear m. t schert neben tscheart usw. Und noch im Jahr 1913 hatten wir Zürcher Romanisten auf einer linguistischen Exkursion mit den Heiren Professoren Gauchat und Jud Gelegenheit, eine der ältesten Zuozerinncn fiara und gietara (TERRA, WERRA) sprechen zu hören. Diese Formen, die man bei 99°/ 0 der heutigen Bevölkerung von Zuoz nicht mehr zu hören bekommt, werden in kurzer Zeit mit den wenigen alten Zuozern verstummen, während ttr-a und gwer-a endlich den völligen Sieg davontragen. — Auffälligerweise finden sich m. W . bei Biftun keine ea-Formen. Daraus aber zu schliefen, dafs im oberen Teil des O E n g . [Bevers, Samaden usw.] diese Phase ea nie durchlaufen worden sei, schiene mir sehr gewagt und unwahrscheinlich. E s ist möglich, dafs hier die R e gression [von ea zu e] früher und konsequenter durchgeführt wurde [vielleicht unter stäikercm lat. E'nflufs?]. Doch müssen vor der Beantwortung dieser Frage die anderen Schriftsteller aus dem oberen OEng. auf diese ea — e Formen hin untersucht werden. 1 Weitere Formen von PELLIS siehe Gartn., Gram., p. 184, von TERRA, p. 188; siehe auch SEPTEM p. 190 und MEDIA p. 178; für PERDERK cfr. Gartn., Hbch., p. 170, PECT INE p. 152.

6g IN + * F E K K A T > hl amp/ja'.ra, anfjcc.ra „er beschlägt (ein Pferd u. a.)", »ERRAT > tl sja'.ra „er schliefst", Sus. 3 5 1 el searra [im Reim mit terra\, dazu das Vbsubst. la sja'.ra „Schlois an der T ü r " , TERRA tja'.ra, dazu Ableitungen tl (as)tju'.ra „er lagert (sich)",

I n f . (os)lare'.r

WERRA >

MKSSE > >

sjcct

und

tlsutjicra

..er

begräbt"

(SUB-T-),

ahd.

gja:ra.

„7U,

la mjics difsjict

„Kornernte, Korn mit den Halmen-*,

„17",

vt/jlsasjw.t

„27"

usw.,

MEDIA >

SEPTEM mja'.dza

„halb" [und analog m. mja'ts neben lautgerechtem mjels, wozu auch f. mjedza und zwar schon in der Sus. 40 miatz dzi „Mittag" neben 79

1netz

dz/],

da mja'dza

mccts

„um

Mitternacht",

pier

fw'ents

a

„Grundstücke ir. Halbpacht nehmen", NEPTIA > nja'.tsa, •PETTIA > pja'.tsa „Flicklappen". Ebenso in Ortsnamen: it sjcct [neben st/, das oberhalbst, oder eng. Entlehnung sein dürfte] der Septimer Pafs (SEPTKM '), rudlcclts Fl.n. in Val Tuors [entweder aus KOTELI.OS ..Kreise", vgl. ROTELLU > rudi\ „Haarknoten", oder möglicherweise auch eine Ableitung von ro'.da „Reihe, Tour, schwzd. Rodel", jedenfalls aber mit dem Suffix -ELLOS], platjic.lns bei fah g auf Stulsergebiet (PLATT -EI.LAS, cfr. plat.a „Platte, Steinplatte", plat „flach"), mizja\la, Wiesen und Acker südl. von Stuls, dem oeng. myztl'a, Berg im S. von Ponte und im O. von Bevers entsprechend. [Ob alteng. müsellas „Maulkorb", das phonetisch dazu palst, auch wirklich irgendwie mit den genannten Fl.n. zusammenhängt, müfste erst untersucht werden.] mja\dz)s

b) Dieser Entwicklung haben sich auch altschwzd. SCHLECHT und lat. MAXILLA angeschlossen. „SCHLECHT" erscheint in der Susanna 422 noch als schliatt und lautet heute ßa'.t, f. ßa:ta „schlecht, böse", indem der erste Bestandteil des Diphthongen das / mouilliert hat und im i aufgegangen ist; vgl. dazu iokt, fokf, § 1 2 1 , c. — Klassischlateinisches MAXILLA ist offenbar durch Suffixwechsel zu *MAXELLA 2 geworden, wenigstens gehen alle bündnerischen Formen auf einen solchen Typus zurück; vgl. Sent masel\a

[=

Schams

bel'.a,

utfel\a\,

mistaha

[ =

la misja'.la

OEng. btal'.a],

mastla, Somvix

[ =

btl~a\,

masja'la

Domleschg

[ =

bja'la\,

und Bgü.

„Wange".

c) In VERRE > ii vjar. „Eber" erscheint kurzes ja und langes r\ im Gegensatz zu den übrigen Fällen. Den Grund dazu werden wir sicher darin erblicken dürfen, dafs hier romanisch auslautendes rr vorliegt, in den andern Fällen dagegen nicht; man vergleiche dazu das Gegenstück bei fjer., sjes: des § 36), a. Im OEng. heifst der „Eber" vtrl (Walbg. § 19), in Sent dagegen vtr und im O b w . virr

(bei C a r . u n d

Carig.).

1 D i e r ä t i t e b e n F o r m e n scheinen a u f SEPTEM, n i c h t a u f SKPTIMU ZU b e r u h e n . * S o a u c h ital. mascella (mafel:a), afrz. matssfle. V g l . a u c h *PAXEI.LU für PAX1LLU, *SIGKLLU für SIGILLU § 36, e).

7° d) * K S S E R E (für ESSH) > as:>r „sein -1 hat zunächst die gleiche normale Entwicklung von E zu p > ta: > ea >• ja: durchgemacht, vgl. Sus. 55 easser. Im Laufe der drei letzten Jahrhunderte hat es aber das anlautende j fallen lassen und das a gekürzt. Beides wird seinen Hauptgrund in dem häufigen satzunbetonten Gebrauch von ESSE haben; der Fall des j liefse sich vielleicht auch noch durch die einzigartige, ungewöhnliche Stellung des Diphthongen ja: im Anlaut erklären. Vgl. die Reflexe von ESSE bei Gartn., Hbch. 234.1 e) Vor R + Kons, und einmal vor 1. Kons, erscheint E als r.f oder r»: C E K N E R E > t/f»rn>r, el t/e >rna „wählen", C O O P E R CULA > la vt:?rk!a „Schuld, Ursache", Sus. 234 vearcla „Ausrede"; HERHA > t'Jrva, M E R U A > mrsrda, P E R D E R E > pr?rchr, el pf3rda,,Vax\..pt:>rls, Sus. 381 pearder, 91 pearsas; PEKTICA > p V J r t f a „Rute", * 6 E R P E (für S E K P E N T E ) > la lst:»rp „Schlange", Sus. 495 zearp, S I K K I L E > iiftvsrl, la flt'Jrla „männl., weibl. Rind von J/2 bis i 1 ^ Jahren", V K K B A > la vt'Jrva „Schimpfwort", Sus. 121 vearva „ W o r t e " , V E R M E > vy.srm. Germ, WELMA > bt'.slma ..Schlamm" könnte von mtvrda „Dreck" beeinflufst worden sein; denn M E L L I N A ergibt miirta. — Ferner im Fl.n. las travt:>rts»s „eine kleine Wiese östlich an der veja da kw'elm am kwelm da latf", und las travt'Jrdzss neben las travt:srts?s „ein Weg quer über eine sehr steile Halde in falo: südl. von Naz; ebenso gilt der Name für die Halde" (aus TRANSVERSAS „Querbalken"). Auch ältere gelehrte Wörter zeigen die gleiche Entwicklung: A K T E R N A > eti^rna „ewig", VERSU > ' ii vt:?rts „Vers " (neben erbwörtlichem vrsris „Geschrei"), SUPKRBIA > tsupivrdja und supt'Jrdja ..Stolz, Hochmut- (nicht aber diejenigen jüngern Datums, wie z. B. suptrbt „hochmütig, stolz"). f) Beachtenswert ist die Abweichung in der Aussprache der jüngsten Generation, die zwar die Länge des Vokals beibehält, aber den ¿-Laut fallen läfst, z. B. ifi:rn>r, r.rva, me:rd&, pi\rd>r, pt:ri(a,, tsv.rp, ftf.rl, -a, i'f.rm, bc.lma, tsupr.rdja usw. Es ist dies zugleich auch die Aussprache der älteren Generation, wenn das Wort in satzunbetonter Stellung gebraucht wird. Es ist wahrscheinlich, dafs der zweite Bestandteil des Diphthongen t y früher viel schallkräftiger war, ja vielleicht sogar den Hauptton [i s und meinen N o t i e r u n g e n as-.rr, eß,

f, e/>n, e/is. % Vgl. Gartn., Hbch., p. 170 pr.rdtr, p. 181 vt\rm.

7» a\rd>r „ b r e n n e n " ] . Es scheint d e m n a c h a u c h in B g ü . R e g r e s s i o n e i n g e t r e t e n zu sein, d i e a b e r n i c h t wie im E n g . alle F ä l l e v o n d i p h t h o n g i e r t e m E = ea ergriffen, s o n d e r n sich bisher auf d i e F ä l l e v o n ea vor r K o n s , beschränkt hat. g) V o r c j und einmal vor l l - f K o n s , erscheint £ als t, also als M o n o p h t h o n g wie in g a n z B ü n d e n . 1 FAECEA (für FAECE) 2 > ftt/a „ B o d e n s a t z d e s W e i n e s " , MELLINA > mtlna, m. mthn „ g e l b " . E b e n s o in g e l e h r t e n W ö r t e r n : tlik „ s c h w i n d s ü c h t i g " (HKCTICUS), e/tt „ W i r k u n g " (KFFECTUS). Zu PKCTINE > ptts?n vgl. § 45, f ) . jj 4 7 . W i e im U E n g . u n d in Filisur entwickelt sich a u c h in B g ü . E vor d e n K o n s o n a n t e n g r u p p e n si*t ST, XT wie in offener Silbe, also zu Sent vefpra = febra, a b e r ttra, Fil. vt'.fpra = fc.vra, a b e r tt)ra, d a g e g e n in Z u o z vt-fpra ~ fegvra, Celerina vtfpra ~ ftgvra, Disentis vi afp ~ vtd)r (VIUEKE), aber = p'ial, ttara. Im D o m l e s c h g wird E in offener u n d g e s c h l o s s e n e r Silbe gleich entwickelt: ftsfta (FESTA) = turn = pt>l = rttär. In B g ü . FKNKSTRA > fne.ftra, FESTA > fe'.fta, TEMPESTA > tampe'.fta „ H a g e l " , TKSTA > ts.fta, „ K o p f e i n e s T i e r e s , als g r o b e r A u s d r u c k a u c h d e s M e n s c h e n " , VKSIE > la ve'.ft „ Ü b e r z u g ü b e r K i s s e n u n d D e c k b e t t " , VESPA > ve'./pra „ W e s p e ". E b e n s o in d e n h a l b g f l c h r t e n alten W ö r t e r n adf.jtsr, ade'.fira „ g e s c h i c k t , g e w a n d t " , e'.ftir, e'.ftra „ f r e m d " , it e:ßjr „ F r e m d e , K u r g a s t " , dume:fti „ z a h m " DOMESTICU. B e i d e n ersten zwei Fällen k ö n n t e es sich möglicherweise d o c h um F.rbwörter h a n d e l n , w o b e i d a s Mask. n a c h d e m F e m . u n d d e m Plur. gebildet w o r d e n wäre. In j ü n g e r e n g e l e h r t e n W ö r t e r n erscheint d a g e g e n s, ANNU HISSEXIU = 311 biztft „ S c K a l t j a h r " .

e ( e , I). § 48. V u l g ä r l a t e i n i s c h e s E in offener Silbe d i p h t h o n g i e r t e in g a n z B ü n d e n u n d blieb im gröfsten G e b i e t als D i p h t h o n g erhalten. In B g ü . ist d a s h e u t i g e Resultat ein „ v e r h ä r t e t e r " D i p h t h o n g ; dieser lautliche Z u g v e r b i n d e t B g ü . ü b e r d i e Bergmassive des Piz Aela ( 3 3 4 0 m. la muniw'e/ia) u n d des T i n z e n h o r n s ( 3 1 7 9 m. ii pils da tinilsuy) mit d e m O b e r h a l b s t e i n , g r e n z t es im ü b r i g e n a b e r scharf n a c h a l l e n Seiten a b . Dis. NIVE nhf SERA ser>3

Tom. ni\f [mi'.za)*

Sav. C o n t .

Alv. Fil. P o n t e Z u o z Cel. naif

näif

ne:f

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salra

salra

shra

salra

Siehe oben MELLINA. Vgl. ital. feccia (/&/:{&) mit offenem e. » e für Jl vor freiem r, cfr. Huo. 468, u. 4 ME(N)SA, aus ei, cfr. Luzi § 17. • In Conters ssün. 1 1

Sent.

ntkf

12 Während das Oberhalbstein den verhärteten Diphthongen nur vor romanisch auslantendem Kons, entwickelte, weist ihn Bergan auch vor stimmhaftem K o n s , -f- auslantendem V o k a l anf, mit dem Unterschied, dafs im ersten Fall tk, im zweiten ig erscheint. B g ü . la ntkf „ S c h n e e " , la stgra „ A b e n d " , Sus. 421 seira,1 BIBERK > btgv>r, e bekf, tl btgva „trinken, ich trinke, er trinkt", CRBDÜKE > k r t k f , Sus. 88 creir, GALI.KTA > djaltgda „Kälbereimer", GAUDKRK > djudtki „geniefsen", (INDK) HAHBKK > adavikf und selten avtkf und so die meisten V e r b a der II. Konj., ME(N)SA > mtgza, MELU > it mtk( „ A p f e l " , Plur. Koll. la mtgla, MR(N)SE > it mtks, Sus. 3Q9 met's, NIGRU >• m k f , Sus. 88 titir, PIPKRE > p t g v i r , PIKU > ptkf „Birne", Plur. Koll. la ptgra, RECIPKRE >• artßgv>r, SKHU > it stkf „Talg", SEPE > la stkf „Zaun", SITU > la stkt, STATTRA > ßadtgra, TKI.A > ttgln „ T u c h " , VERU > v t k f , f. vtgra, „wahr, wirklich", QUAUR(AC;)ESIMA> kartgzma „Fastenzeit", CINQU(AG)ESIMA > tfayktgznus „ P f i n g s t e n - ; das Suffix-EKILE: fltgvrf, i.fltgvla „ d ü n n , schwach", amiegvrt „freundlich", bttn/adtgv?l usw.; vgütig" die Imperfektendungen der IL und darnach der I. und III. Konj. TiMi'.HAM usw.: e tmigva ..ich fürchtete", U tmtgv)s(t), tl tmtgva, noks tmtgvin, voks tmigvs, tlls tmtgvm, e ( f ) tfanitgva „ich sang", ti t(anligv*s, tl tfanitgva usw., e vandtgva „ich verkaufte" usw.; ebenso die 2. Pers. Plur. Präs. der II. und darnach der I. und 1IL K o n j . TIMETIS > voks tmtks „ihr fürchtet", voks ffanltks, vogz vandiks. Ortsn. mißekl = Müstail (MONASTERIU) Kirchlein zwischen Alvaschein und Tiefenkastel, früheres Kloster Wapitines; viißtk[ Münster im Münstertal, la vat tnißtk(. Fl.n. la rtgzdja, it plag 1 IIa regzdja in Val T u o r s (Vbsubst. von KESECAT), la bltks kalu\>ft?r am N W . - A b h a n g des Muot (mwet), laz bltks puyt o:ta bei Rots (ro'.ts) westl. von Naz (nals) und Punt ota, la bltgz da vat(as südl. von Naz und der alp da muliks (Alp Mulix bei Siegfr.), als Appellativ la bltks „sehr steile Waldwiese" (cfr. oeng. blais in Z u o z , bli:s in Celerina, Somvix blhzi, schwzd. Bleis(s) [nicht etwa Etymon der rätischen Formen, wie Walbg. § 4, c meint, cfr. Jud, RDR., II, 112]. SEPARAT, das in Somvix lautgerecht ti> tshvrj „sie entwöhnt" ergab, lautet in Bgü. tl tse:vra laz nu\srtsss „er scheidet die Schafe nach ihren Besitzern aus (wenn sie von der W e i d e kommen)", auch tl Ise'.vra, oder tl tscvr o\r „er scheidet aus, Kartoffeln, Federn und d e i g l . " Es handelt sich in Bgü. jedenfalls um eine Analogiebildung vom Inf. Isavre'.r, isavre'r o\r aus, etwa nach Fällen wie lave.r, tl le'.va „waschen", pavle'.r, tlpe'.vla „füttern", also eigentlich um eine morphologische Frage. 1 Man beachte die Schreibung in der Susanna, die konsequent von der eng. abweicht und wie die obw. gewöhnlich ti \neiv, seit, cfr. Carig. und Agi. I, 22] und nicht wie die eng. at [naiv, sait, cfr. Pall. und Agi. 1,175] aufweist.

73 § 49- Wie in einem grofsen Teil Bündens 1 erscheinen auch in Bergün zwei Resultate von lateinischem E im Hiatus mit A, ohne dafs ein einleuchtender Grund datör vorliegt. 1 Dis. VIA E AT

Heinzenberg 3

V3ÌJ 4

5

LIGAT

tiu

PLICAT

pkg.' krh 9

CREDIT

veja

Sav.

Alv.

vej} djtjs

toja (d)ztja li.a ' plar.ja kraj'iü

li'.a pli\a kr tia

Fil.

Celer.

Sent

vi:a via veja (d)zaja ( ßreja „ H e x e " , VIA > veja „ W e g " . Ob und inwieweit eine Beeinflufsung durch die Fälle von i im Hiatus mit A vorliegt, wage ich nicht zu entscheiden. Jeden1 Fürs N i d w . siehe Luzi § 13 und § 2 1 ; für Celerina siehe W a l b g . §§ 24 u- 25I Walbg §§ 24 u. 25 schreibt e i n R e s u l t a t dem primären oder wenigstens f r ü h z e i t i g e n H i a t u s , das a n d e r e R e s u l t a t einem s p ä t e m Hiatus zu. Prüfen wir aber die F ä l l e nach, so sehen wir g l e i c h , wie arbiträr diese E i n teilung und wie unzureichend eine solche E r k l ä r u n g ist. Denn nach dieser Einteilung miifsten gleichartige Fälle gewaltsam getrennt w e r d e n ; so z. B. rnüfste intervokalisches c in THKOA > taja [ W a l b g . § 1 3 3 ] später gefallen sein als in APOTHECA butiia, und *SIAM, *SIAT saja stimmte zu den Fällen von spätem Hiatus, im Gegensatz zu VIA vi:a. * In Toniiis herrscht Übereinsiiinmung in allen F ä l l e n : veja, Itja, pltja. 4 D i e F o r m e n von FAT (EAM, EAS) entsprechen einem T y p u s *JEAT. tl• r nach der I. und 2. Pers. Plur. EAMUS, EATis gebildet werden k o n n t e ; doch wird es sich wohl um Übertragung des Anlautkonsonanten \di, dz] der Pluralformen auf den S i n g u l a r in romanischer Zeit h a n d e l n ; cfr. ital. giamo bei M.-L., Ital. Gram,, § 206; w e g e n J di, dz usw. vgl. § 148. 5 KAT fehlt im O b w . , vgl. dal'iir *SIAT > sii (und stid/i) H u o n d e r 479, u. ' Form von S a m a d e n - Z u o z ; sie fehlt bei W a l b g . ' Herr Dr. Luzi hörte und notierte loja im gleichen D o i f . • Derselbe F o r s c h e r notierte pltja in Fili ur. » I. Pers. Sing. 10 H e r r Dr. Luzi notierte kril in A l v . und F i l . I I V e r g l e i c h e dazu auch § 39. Diesen Einflüssen nachzuforschen ist Aufgabe der Morphologie.

V g l . § 39, A n m . 4. Im O E n g . stimmt SECALK > sejtl nicht zu LIGAT sondern zu PLICAT > pltja, PRAEDA > prtja, NEGAT > / " t j a , SECAT TAEDA >• itja. In Disentis g e h t SECALE > stg>l mit PLICAT > pltgi, SECAT > stg», aber nicht mit LIGAT > Iii}, TAEDA ] > tfU, vgl. H u o . 4 7 1 . Da auch si*dj>l in A l v a n e u , st'gsl im D o m l e s c h g , wie stgtl in T a v e t s c h , eiu unerklärtes *SECALE vorauszusetzen scheinen, gehört der F a l l nur b e d i n g t hierher. "

> li-.a, > seja,

74 falls ist die völlige Übereinstimmung dieser Fälle mit den Resultaten von » + A [ 5 6 7 a] aulfällig, nicht nur in Bergün, Filisur und Alvaneu, sondern auch im OEng. [cfr. Walbg. § § 2 5 und 41], in einem grofsen Teil des nidw. Gebiets [cfr. Luzi § 1 3 ] und in Tavetsch [cfr. mia, via = fpia, Huo. 479, Gartn., Hbch., p. 1 3 7 — 8 ] . b) ej für latein. E im Hiatus mit A liegt vor in folgenden Fällen: CREDIT > el kreja (Inf. krekf „glauben"), te kreps(t) und analog e krej, CREDAT > (t{ el) kreja „(dafs er) glaube", EAM (über *JEAM) > t( e(v) dzeja „dafs ich gehe", EAT > t( el dzeja „dafs er gehe", tfa te dzefts, Inf. ekj, *SIAM ~> tf ef seja, *SIAT > tf el seja „dafs ich, er sei", PI.ICAT > el fpltja sl, Inf. fplaje-r se „aufwinden" neben el fplaja sl, el plaj e'yt „er wickelt ein". Formen, die möglicherweise durch den Inf. beeinflufst worden sind, wahrscheinlich aber doch nicht zu trennen sind von dem analogen Fall Inf. yiaje'.r =. Präs. el \naja neben el yieja, § 39. — Dem heutigen Lautstand nach zu urteilen gehört auch noch TAEDA > teja „Kienholz" hierher, vgl. § 39, Anm. 5. c) Einen Fall für sich bildet heute TRIA in tre pas:a „drei Ellen" in Bgü. [neben TRES > ¿reis, tregs vatps]. In Zuoz dagegen stimmt traja para zu kraja, djaja, saja, im UEng. traja (bei Pall. s. pass) zu craja, in Somvix trh bratfi „ 3 Ellen" zu kril. Hu. Die Form irba von Celerina [anstatt *traja oder *tri:a\ erklärt Walberg ( § 2 5 ) als Neubildung oder Umgestaltung nach trhs •< TRES. Möglicherweise handelt es sich — wenigstens in Bgü. — um eine abweichende Entwicklung in satzunbetonter (vortoniger) Stellung, was in diesem Fall nicht auffallen kann, da tre immer satzunbetont gebraucht wird. Vgl. dazu el seja „er mäht", aber el sea be'p, la veja, neben la vea t fjer\ „Eisenbahn". Das gleiche Verhältnis liegt vor in iretfjenl „ 3 0 0 " und tremill „ 3 0 0 0 " in Bgü. gegenüber trajatfunt und trajamili in Zuoz, in welchen Fällen jedenfalls auch TRIA zu Grunde liegt. § 50. Finales e und sekundär auslautendes E werden 1, in Übereinstimmung mit dem Oberengadin ME > me, TIMETE > tme, und im Gegensatz zu Alvaneu me:, faze\ (*FAC -KTE). ME > me {pH,A me par fämet „nimm mich zum Knecht!"). TE > te (avag te „vor d i r " ; rom. Akk.). SE > se {trar/tsr se „unter sich"), CUM ME > kume „mit mir", MERCEDE > marfe „schade"! PARIETE > la part „Wand". PARIETE entwickelt sich im Engadin nicht wie ME, sondern wie NIVE, wohl weil da der orale Konsonant erhalten bleibt: Celer. pare'J, in Zuoz pardit.1 Hingegen stimmt seine Entwicklung im Obwaldischen wieder mit MERCEDE nberein, Carig. preit ~ mar sehet (Ascoli: mii ME), Somvix prht=-nhf. — In Bergün liegen 1 Die Pluralform, die ja überall den Auslautkonsonanten bewahrt bat, lautet auch in Bgü. las partks neben parekts, also wie ntkf (§ 41).

75 lerner vor: TIMETE > tmt! „fürchtet (euch)"! und so analog alle Imperative 2. Plur. der I. und III. Konj. de „gebt", malst, „tötet", matt „setzt, legt", tradzt „zieht", tfantt „singt". a) Auf ein r ä t i s c h e s t hingegen scheinen zurückzugehen adame ( < # A D - A D - M I H I ) „mir" (rom. Dativ); adati ( < * A D - A D - T I B I ) „dir" (rotn. Dativ); antsatye'. und ajityityf. „etwas, irgend etwas ( < uxu(s) NON SAPIT QUID); QUID > t-fe „was"; DE + SUPER + VIA 1 > dzurave la veja „über die Strafse hinüber", pase'.r zurave „(einen Berg) passieren", egr dzurave la puyt „über die Brücke hinübergehen", \tife\r dzuravi „darüberhin streichen", stty dzurave „obenhin trocken (Heu)". § 51. Eine besondere Entwicklung, die dem Eng. fremd zu sein scheint [cfr. Walbg. § 28], die aber ihre Parallele im Obwaldischen [cfr. Huo. 475 fr.] und Nidwald. [cfr. Luzi § 2 2 ] hat, machte E durch, wenn es (später) mit auslautendem u zusammentraf. Heute ist das Ergebnis e: und i in folgenden Wörtern: a\e\ „E-sig", 2 BOLETU > bulef „Pilz" in Stuls, 3 brini „Glut", *TEDU (fiir TAEDU 5 ) > te'.f „Föhre" und dazu die Abltg. latewa, „Föhrengebiet", VIDUU > ve\f „Witwer" und darnach la ve.ru „Witwe", SAI.ICLTU > sal\e Fl.n. „Wiesen hinter dem Schiefsstand". Hierher gehören vielleicht auch *EO (für EGO) >• e\f „ich" (e.v vor Vokal und e oft vor Konsonant in vortoniger Stellung, z. 13. e soy „ich bin"), vgl. Filisur e.f (e:f), Alvaneu ¿ü, Domleschg t'ü [Luzi § 3 5 ] , ferner JUDAEU > dzide.f „Jude", das nicht Erbwoit zu sein scheint. Es wurde wahrscheinlich zu einer Zeit in die Mundart aufgenommen, als das intervokalische D und T der Endung -ETU schon gefallen waren. So liefse sich wenigstens die Erhaltung des -D- bei sonst erbwörtlicher, lautgerechter Entwicklung erklären. ACETU > •PRUNETU* >

§ 52. In geschlossener Silbe wird E wie in fast ganz Bünden zu t. Disentis ptf (PISCE), Tomils peftf, Savognin p t f , Alvaneu p t f , Filisur p t f , Celer. p t f , Sent p t f . Also: CRESCERE > krtfir, BASILICA > baztUja, FISSU > fts: „gespalten"; MITTERE > mtl>r\ PISCE > ptf\ SICCAT > tl stfya 1

W e g e n VIA

ve, veja, vgl. M.-L., Einf.%,

p. 139; H u b s c h m i e d ,

Zur

Bildung des Imperfekts im Frankoprovenzalischen, 58. Beiheft der ZrP.,

p. 113, Ascoli, VII, 554. * Von Nuttin Falelt (geb. 1828) hörte ich a\ej\ Dr. Luzi notierte fiir Bgü. ají':, fiir Filisur a j í : , für Bgü. und Fil. té\j, vé\f, véwa,. W ä h r e n d Fil. mit Bgü. marschiert, weicht Alvaneu schon bedeutend von Bgü. ab, vgl. i'jrcc,

buliw, téw, véw, véwa.

* In Bgü. und Latsch ist das W o r t durch pampa\drr pompa.\d?r verdrängt und in Stuls durch pa'.dsrts und padartts eingeschränkt. 4 H u o . 475, o. (Disentis burmu < # P R U N E T U ) . • H u o . 475, o., ferner oben § 49, b.

und älteres im Gebrauch

76 „er verdorrt; S T I L L A > fit l\a „Tropfen, Tropfstelle"; S T R I C T U > ßrtts; TECTU > /tfs; V I D E O > e vtis, ebenso die sehr häufigen Suffixe -irru, - I T T A , sowie - I T I A , - T C I A . fitt „kleines Feuer"; alpsta „kleine A l p " ; behisa „Schönheit"; kudtt/a ( * C U T I C E A ) „Bast". 1 Fl.n.: / alpita, „Weide bei Dar lux (darluks)u ( A L P - I T T A ) , ii pro'sttf bei Naz (siccu), davo's l(ay(t) st/f (Siegfr. God Javas Chant sech) am Eingang in Val Tisch. — Für M A X I L L A = misjcc.la, siehe § 46, b). Für S I G I L L U = sidsi:, s. § 36, e. § 5 3 . Vor R haben wir einerseits ebenfalls t in B I R ( O ) T U > btrt „Hintergestell des (Leiter)wagens"; S T I R P E + A > jtirpa,, KolL „Bohnenstroh"; V I R I D E > vtrl, vir da) HIRPICE > trptf „ E g g e " 2 ; H I R P I C A T > tl trptf& „er eggt"; langob. S K E R P A > la ftftrpa Koll. „die zum Pflügen notwendigen Geräte". Anderseits finden wir: F I R M U > fe.irm (ftzrm), fe:>rma „stark", F I R M A T > ft'Jrma (Inf. farme'.r „befestigen, festhalten"), tfar/ da ft'Jrma „Vorstehhund" (ital.?), C I R C A T > tl tft>rtfa „er sucht", wo ER wie KR in geschl. Silbe behandelt wurde, cfr. § 46, e). Und wie dort (§ 46, f.) erscheinen auch hier bei der jüngern Generation Formen ohne 3, z. B. ft'.rm „stark", tl tff.rtga. Für C I R C U L U > tß>rtf*l, vgl. § 46, d). § 54. Auffällig ist das Verhalten die in Bgü. trtd*f und stdsf lauten, wicklung von E in offener Silbe [wie vtgtfor, Q U A D R ( A G ) E S I M A > • kartgzma, Resultat von E in geschlossener Silbe

von T R E D E C I M und S E D E C I A I , also nicht die normale Entz. B. N I V E > ntkf, V I T R U > § 4 8 ] aufweisen, sondern das zeigen.

a u c h CESSAT tl t/ts-.a „ e r w e i c h t z u r ü c k " , z u r ü c k w e i c h e n , v o m Z u g t i e r " , dazu d a s V b s u b s t . beiden S e i t e n d e s A c k e r s " (aber nicht o b e n u n d u n t e n , w o j a nicht g e w e n d e t w i r d ) , o b w o h l es ital. cissa [ / / ¡ w a ] l a u t e t . A u c h la Ittsa „ d i e W a h l " , avt(g)r la Ittsa. „ d i e W a h l h a b e n " , S u s . I I 5 letzas, scheint h i e r h e r zu g e h ö r e n und auf (EJLECTA mit l a n g e m E z u r ü c k z u g e h e n . M i t B e s t i m m t h e i t s c h e i n t es heute nicht e n t s c h i e d e n w e r d e n zu k ö n n e n , o b v i e l l e i c h t d o c h v o n ELECTA a u s z u g e h e n ist, w i e W a l b g . § 1 7 a n n i m m t ; denn die R e s u l t a t e v o n E u n d r. in PECTINE u n d TECTU fallen im g r ö f s t e n T e i l B ü n d e n s z u s a m m e n [ V g l . G a r t n . , Hbch. p. 4 5 und 1 5 2 , ü o m l e s c h g tetf = petfm, F i l . A l v . ttts = pttsin\. S o a u c h in S o m v i x itt( = pttcm = ltt{& „ W a h l " , O E n g . ist = petm = Itta, S c n t ttl: = ptt-.in =. Itt-.n. K ü r S c h a m s , w o tttf „ D a c h " s i c h v o n pet/m „ K a m m " u n t e r s c h e i d ' - 1 , f e h l t "mir d e r R e f l e x v o n ELECTA. W e n n w i r a b e r b e d e n k e n , d a f s INTELLECTA > / aijkli:tsa, d a f s E v o r P a l a t a l i: in B g ü . e r g i b t [ c f r . § 4 5 ] , dais w i r also v o n ELECTA e i n e F o r m * Hierher

reihe

icli

ein

tfase\r „ m i t d e m W a g e n la t/ts-.a „ d e r A c k e r r a n d auf Inf.

*h:lsa,

e r w a r t e n d ü r f t e n , s o d e u t e t d a s d a r a u f hin, d a i s e h e r v o n E L E C T A ausz u g e h e n ist. V i e l l e i c h t k ö n n t e der S c h a m s e r R e f l e x v o n ELECTA e i n e E n t s c h e i d u n g h e r b e i f ü h r e n ; d o c h ist zu b e d e n k e n , d a f s PECTIME, n e b e n d e m a u c h PECTINAT > (tl pttsna in B g ü . ) e i n e R o l l e s p i e l t , k e i n e n i d e n t i s c h e n F a l l zu ELKCTA b i l d e t und z w a r w e g e n d e s f o l g e n d e n N , so d a f s a u c h in B g ü . pttsm u n d n i c h t *pi:ts?n e r i c h e i n t . 1 ' M . - L . , Ein/.' , § 1 5 1 setzt ein *HERPICE a n . W a l b e r g s c h l ä g t ein *HIRPICU v o r . F ü r B e r g i i n p a f s t k e i n e s . D a r u m e r h e b t sich d i e F r a g e , o b nicht ü b e r h a u p t v o m V e r b u m a u s z u g e h e n s e i . L o m b . F o r m e n w i e / r p e c m ü s s e n auch vom V e r b u m aus erklärt werden.

77 Iru Ul-'.rg. stimmen dagegen traid»f und said'f mit na'tf, im O E n g . nur said>f (in Zuoz), shd'/ (in Celerina) mit naif, resp. nbf, während tre.cbf eigene W e g e geht, worin Walbg. § 23 italienischen Einflute sieht. Bergün marschiert also hier mit dem Nidw. und Obw., wo TREDECIM und SEDECIM ebenfalls das E wie in geschlossener Silbe entwickelten, vgl. Luzi § 27, Gartn., Gram., p. 192, Huo. 5 1 5 , m. V g l . auch sali/ [statt *sf.li/~\ § 1 0 1 . Entwicklung von E wie in geschl. Silbe weist auch PRAESEPE oder PRAESEPIU > it prazt-pm „ K r i p p e " a u f ; vgl. § 280. § 55. E vor LJ, CL, GL und auslautendem -ILLU, die romanisches i ergaben, entwickelt sich im Obwaldischen g e n a u wie in geschlossener Silbe überhaupt; im Eng. und in einem Teil des nidw. Gebiets geht diese Gruppe eigene W e g e . AUK1CULA MAXEVIGIL MITTERE

Dis. uririi iwrvti mtl)r

Tom.1 Sav. ureia ureia marvei marvti (pefi() mittr

Alv. ureia mari'ci mtltr

Fil. ure'.ia, marve'i unter

Cel. uraia mamvat mthr

Sent ureia2 manvei mtt'Jr

In Bgü. liegt heute ein dreifaches Resultat vor. a) Die lautgerechte, alte Entwicklung ist ohne j e d e n Zweifel im Ergebnis e:i zu suchen: • A C U I L I U 3 > age:l „Stachel, Stock mit Stachel, um ein Zugtier, bes. Ochsen, anzustacheln", übertragen „Wespenstich", dazu das V b . agiie\r, il agc'.ia „stechen, aneifern, anspornen, reizen", AURICULA > ure'.ia, MANEVIGIL > marve'.i und mamve'.i „frühmorgens", *LUMILIU 4 > it lime'.i und itmer.i „ D o c h t " , MIRABILIA + s > marvr.its „ N e u g i e r " , S SOI.ICULU > suie'.l, Sus. 42 sulgielg,« STRIGILAT > hl ftrc.ia „er striegelt", STRTGILE > la ftre-.ta, „ d e r Striegel"." 1 In S i l s im D o m l e s c h g urala. mar Tal, dagegen ptft\. - Daneben S0L1CULU > sulaj. » Siehe § 278. 4 Cfr. Schuchardt, ZrP. X X V I , 4 0 9 — 4 1 0 . *LUM1LIUM mit Dissimilation aus LUMIN [UM „ D o c h t " und dieses aus LUCINILM -(- LUMEN. 1 e nun e njnUirjts marvr.hs „ich habe kein W u n d e r , keine N e u g i e i " . Neben marve.hs kommt auch die F o r m marive\l>s vor in der R e d e n s a r t

marivexks tun urc\>s dein oeng. bumdirs kun kj:rn>s entsprechend, das man als ausweichende (tadelnde) A n t w o r t auf die vorwitzige F r a g e von K i n d e r n g i b t , w a s es wohl zu essen gebe (oder dergl.). ( W e g e n des R h y t h m u s eingeführtes 1'?). la miravala, „das W u n d e r " endlich ist oeng. L e h n w o r t (Kirchenwort) aus myravala, mit dem geläufigen W e c h s e l von eng. v zu bgü. i. • Cfr. § 3 . 9 , e). ' In völliger phonetischer Ubereinstimmung dazu steht Li ftrr.la, „das enge Gäfschen zwischen zwei Häusern, w o oft keine zwei Personen nebeneinander gehen k ö n n e n " , nicht nur in B g ü . , sondern z. B . auch im O E n g . la ftrola „ S t r i e g e l " und „enges Gäfschen", in S o m v i x la flrhlet. O b aber in beiden W ö r t e r n das gleiche E t y m o n steckt, ist mir noch solange fraglich, als ich die semantische E n t w i c k l u n g von „ S t r i e g e l " zu „schmales Gäfschen" nicht recht übersehen kann. D a s lombard. strecia „ v i u z z a " könnte mit unserem ftre.la identisch sein: doch müfste mar. dann annehmen, dafs nach der A n a l o g i e von lombard. vec : rät. vel ein lomb. strec'a in strela „rätisiert" worden wäre.

78 So auch CAPILLU, dessen lautgerechte Entwicklung in der Form ifave.t steckt, die vorkommt in der Redensart lavurtr.r a Ifavf.i „mit grofser Sorgfalt arbeiten", med a ffave:t „flüchtig, ungenau", Sus. 137 mál & chiavilg, Sus. 235 mál á chiavtilg („unordentlich, ungebührlich"?). Dazu stimmen ganz genau alteng. cun chiawailg [Decurtins, Chrest. V, 166, v. 465], ir . . . cun chavailg [Dec., op. eil. V, 346, v. 802], cun chavalg [Dec., op. cit. V, 344, v. Ö98], t cun chiavailg bei PalL „genau, sorgfaltig", 1 sowie modern obw. caveilg „Haar" und dar caveilg „ordnen" bei Carig. und in Somvix dar tevít, mel>r a bvlt „ordnen, versorgen (Kleider)", dazu das Vb. bvitatl kroti» „ordnen". Die Bezeichnung für „ein Haar, Kopfhaar" lautet heute ét¡ /favtl und wurde aus dem lautgerechten Plur. Ms tfavel/s gewonnen. 1 ILLU > ii „der" und darnach itts (ILLOS) Plur. zeigt begreiflicherweise vortonige Entwicklung des Vokals, vgl. § 1 1 3 . b) Ein zweites Resultat von K -F i ist ¿i in folgenden Fällen: PARICULU >• ii parét „Pfluggespann, Jochgespann von 2 Tieren", ii dzukf da parét „Doppeljoch", SUPERCILIA > swrt/Ha „Augenbraue", VENTRICULU > ii vantréi „Wade"; hierher gt-hört vielleicht auch ARGILLA > ard\éta „Lehm", falls es nicht Lehnwort ist Vergleichen wir diese Fälle mit dem Ergebnis in atidern Teilen Bündens, so sehen wir, dafs die Formen einem lateinischen langen,! entsprechen, und dafs wahrscheinlich Suffixwechsel von -TCULU-A zu TCULU-A vorliegt, oder vielleicht genauer, dafs das Resultat von -1CULU-A in obigen Fällen an das Resultat von ICULU, -A angeglichen wurde. 3 Für Bergün ist ein Suffixwechsel, und besonders ein später, um so begreiflicher, als die beiden Resultate -e\i und -et so wenig voneinander abweichen, vgl. CLAVÍCULA > klavéia, usw., § 69. c) Eine dritte Gruppe endlich zeigt das Resultat -ii. CONSiLiu > kustt „Rat", ERVILJA > / arvtia Kol!. „Erbsen" und daraus Sing, (y arvti, #SIMILIAT >• tl sumtia „er gleicht". Dafs diese Fälle nicht die lautgerechte Entwicklung aufweisen, ist einleuchtend. *SIMILIAT ist eine Verbalform, die der Analogiebildung stark ausgesetzt ist; neben CONSILIU steht das Verbum kus-tf.r, sl kustia „raten"; zudem zeigt die Sus. die Graphie cussilg v. 99 und cusset'lgs v. 516, die deutlich auf eine Aussprache *kuse:t hinweist, wie sulgielg v. 42 = *sute:t = heute sute:/, ERVILIA kann sehr leicht aus dem untern Albulatal importiert sein, wo die Erbsen besser 1 I m E n g . fiel dieses W o r t mit tftrval „Pferd" zusammen und starb wohl deshalb au», weil man ja auch sagt lavure-.r kun tfaval „mit Pferd arbeiten (Gegensatz: mit Ochs oder von Hand)". * Im O E n g . wurde der Sing. t$ave in Zuoz, tfavt in Celerina auch vom Plural tfavelts aus ncugebildet, aber nach A n a l o g i e von F ä l l e n wie vdtlts—

Viie [resp. vdt in Celer.], ut/tlts — utfe, tfaptlts — tfape, so dafs es gleichsam einem ¿.CAP-ELLU entspricht

* Z. B. im OEng. vantril, arjila = klavtla; Disentis vmtrel, Somvix vmtrel, arylj = klrveb; Tomils vantril klavil*.

79 gedeihen, und früher viel gesteckt wurden, im Gegensatz zu heute (Fil. Alv. arviia). Mit dem Suffix -ti stellt sich auch iifpwantii „Vogelscheuche" ein, das sonst in Bünden auf *EXPAVENTICULU 1 zurückgehend, regelrechte Formen auf -ai im Eng. und -ti im Obw. aufweist; vgl. Pall. spaventagl, Carisch eng. spaventaigl (s. v. spuantar), obw. fpucnteigl bei Carigiet und spuventeigl bei Conradi. Die obw. Form spuantaigl bei Carisch scheint mir im Vergleich zu allen andern Formen nicht zuverlässig, wenigstens nicht allgemein obwaldiich zu sein. d) Alle drei Resultate von F. vor i im gleichen Wort finden wir in FAMILIA und FAMILIU. „Der Diener, Knecht, Viehknecht" heifst famti; aber „die Eisenklammer, um zwei Baumstämme (beim Tran>poit u. a.) zusammenzuhalten", heifst hier und da noch famet fjir\ (FAMILIU DE FERRO) neben famtt fjtr\. Hier hätten wir also noch die unverfälschte Form ; das ç mufste in dieser vortonigen Stellung kürzer werden. Die „Familie" zeigt heute die gelehrte Form famiia, „die Hirtenschaft für die Alp dingen" aber lautet üne'.r la famiia und fine'.r la farneia d a'Jp, in welch letzter Form wir wie oben Kürzung in vortoniger Stellung haben. Im OEng. kennen wir einerseits die lautgercchte Form famai „Knecht", anderseits die gelehrte Eorm famiia „Familie", die einzigen mir bekannten Reflexe. FAMILIA hat als Rechtswort wohl zu jeder Zeit und in ganz Bünden in gelehrter Form bestanden, während die normal entwickelte Form speziell auf die Hierarchie im Alpwesen und Ähnliches angewandt wurde, vgl. obw. familia (Carig.) und fumih „Gesinde" (Huo. 473).

e) VIGILAT lautet heute gewöhnlich ei vi.ia, Inf. viis.r „wachen, bewachen, Totenwache halten", ti vi.ia la gwëlp „er lauert dem Fuchs aul", und ist jedenfalls nach den stammunbetonten Formen viie'r, viio'.y el viitgva usw. neugebildet worden. Dals das Präsens dieses Verbums keine starke Stellung einnimmt, beweist die Nebenform el vaia, die eine oeng. Entlehnung ist. § 56. a) Ebenso wie E vor oralen Konsonanten in offener Silbe 2 ergibt E + J in geschlossener Silbe den „konsonantischen Diphthongen" tg vor stimmhaftem und ek vor stimmlosem folgendem Konsonanten, niorru > tgvsr, tgvra ; FERIA >

1 Abltg. von KXPAVENTARE „ e r s c h r e c k e n " ; o b d a s S u f f i x -ICULU oder -ILLU v o r l i e g t , ist n i c h t zu e n t s c h e i d e n , da sie lautlich z u s a m m e n g e f a l l e n sind. I m E n g . pafste e b e n s o g u t das S u f f i x -ACULU, das in ital. spauracchio und

frz. épouvantail

vorliegt.

* D i e s e O b e r e i n s t i m m u n g finden wir in ganz B ü n d e n 1 ; v g l . § 4 8 mit d e n R e f l e x e n von FRIGIDÜ -A in G a r t n . , Hbch., p. 142 u n d 144.

8o /igra „Markt"; F R I G I D U > freki,frtgda', V I R I A 1 > vegra „Sensenring", vix > a vegets „mit Mühe", Sus. 2 1 1 a veistas. b) Entwickelt sich aber aus dem Palatal ein dz, ts, so entsteht kein Diphthong, sondern einfaches kurzes e, wie in geschlossener Silbe: C O R R I G I A > kuredza „Schuhriemen", L I G E > ii alets (in Latsch und Stuls) „die Ehe" [in Bergfin ist es durch die engadiner Form ala\tf verdrängt], ferner die ganze Serie der Verba auf -IDIAT, *BAPTIDIAT (*BAPTIZAT) > el batedza „er tauft", tl danedza ( D A M N - ) „er schadet", tl monedea (von schwzd. M E I N E N ) „er meint", el fflamedza „(das Feuer) flackert, lodert auf" (von F L A H M A ) , ei jinedza (von schwzd. S C H O N E N ) „er schont", und Verbalsubst. it finéis „die Schonung". — R E G E > ra:l( kommt wie ala'.if (auf schrifil. Wege?) aus dem OEngadin. In der Sus. finden wir noch Reiz v. 9 1 , aletz : redz v. 67, also nicht wie bei Bifrun araig. § 57. Die engadinische Eigentümlichkeit, dafs E vor s -{- T, P, CA, cu wie in offener Silbe behandelt wird, greift auch ins Albulatal hinüber und umfafst da Bergün und Filisur. So finden wir abweichende Entwicklung von ARISTA und NIVE in Disentís re/ia—tt'sif, in Tomils refta—nl'.f, Alvaneu refia—nälf, aber Übereinstimmung in Filisur ralfia—nälf, altoberengadinisch2 fraischchia (= fräififa-C F R I S K ) — nälf, Sent frälft(—naif. In Bergün fand ich folgende Beispiele: vor sc ( + A, U): EPISC(OP)U > uvekftf, E S C A > ekfifa „Zunder", F R I S K > frekjtf, frekf!(a\ * T R I S K A > irekfiea „Tanz = 3 Tänze", iudekftf, tudekft(a (cfr. it. tedesco) „deutsch". Vor s r : C R I S P U > krtkfp, krekfpa „gut gebacken''. Vor S T : A R I S T A > rekfia „Granne, Borste", B A L L I S T A > balekftir „Armbrust", 3 C R I S T A > krtkfta „Hühnerkamm", häufiger Ortsname: Hügel; * I M P R E S T A T (für I M P R A E S T A T ) > ei amprekfia, Sus. 502 ampreista „er leiht" und postverbal pie'.r ad amprekft „entlehnen", M A G I S T R A 4 > mjekfira „Ziegerlabe", M A G I S T R U (-+- deutsch Meister?) > mekftor „Meister", S I L V E S T R U > salvekfhr „der Letzte am Silvestermorgen" (kann auch von Schwd. entlehnt sein). Für Silvesterabend sagt der Bergüner la segra dii vit a:d>m. Die gleiche Entwicklung liegt auch vor in 3 + #DEEXCITAT > tl \deg\da „er weckt, er erwacht" und # M I S C I T A T > el meg\da „er mischt" (vgl. oeng. >1 \da\\da, ¡i marida, Walbg. § 31). — d/eks „Gips" ( G Y P S U ) verrät sich durch den Anlaut dj [cfr. § 1 3 5 ] 1 W a r u m REW. 9 3 6 6 o b w . vera „ A r m r e i f " und ueng. vaira „Ring" (und somit alle bündnerischen R e f l e x e von VIKIA) als oberital. Lehnwörter (venez. lombard.) betrachtet, ist mir nicht klar. Auch Huonder fafst es als E r b w o r t auf, vgl. p. 4 3 8 , m., p. 4 6 8 , u. * In der Schrift herrscht noch heute Übereinstimmung, dagegen nicht mehr in der A u s s p r a c h e , vgl. Celerina fraftq— nhf Zuoz fra-.ftf—naif, geschrieben frais'ch, naif. ' Zu ARISTA, B A L L I S T A , die auf weitem roman. Gebiet mit H erscheinen, cfr. M . - L . , Ein/.*, § 1 5 1 und J u d , Ro. X L I V , 6 3 0 . 1

Vgl. §

170.

St als italienisches Lehnwort. 5 Auffallig ist die Diphthongierung und Verhärtung des Haupttonvokals in diesem Lehnwort ( = n i v e > ntkf, cfr. § 49), während es anderswo nicht diphthongiert, sondern als djts\ in Zuoz, gip im U E n g . bei Pall., chiss im O E n g . bei Pall., Jjep in Somvix, giep bei Carig. vorkommt. Eine Ausnahme bildet p i s c a t , das in Bgü. tl pa\ft(a , „er fischt" [statt *ptkft(ä\ lautet. Man könnte an Neubildung vom Inf. pa/t(e:r aus denken. D a aber die Fischerei in Bgü. früher — im Gegensatz zum Engadin — eine u n b e d e u t e n d e Rolle spielte und erst durch die eingewanderte, ursprünglich bergellische Familie Salis etwa anfangs des 18. Jhh. einen Aufschwung erfuhr, indem Salis beim krap alf (Weifsenstein) durch Stauung einen künstlichen See machte und diesen mit Forellen bevölkerte, so ist es nicht ausgeschlossen, dafs paft(e\r, tlpa:fl(& ein oberengad. (bergell. »1 pe/ka) Lehnwort ist. Wie im O E n g . eipa\ft(a, ist auch in Somvix tlptfka lautgerecht entwickelt. § 57 a. In ganz B ü n d e n treffen wir eine besondere Entwicklung von L i n g u a : altobw. liunga, leungua (Agi. VII, 535, 1 , 9 1 ) , Disentis liünga (Gartn.), liiung> (Huo. 475, o), Waltensburg Luyga, Savognin iapg>, Alvaneu lotjga, Filisur iaydja, Bergün tajidia, Latsch iaydja, altoeng. leaungia, Zuoz If.mdia, Celerina it'.jidia [altueng. lengua {Agi. I, 240), Schieins Itüa Gartn., Hbch. p. 198], Münstertal taüt/ga• — E s handelt sich hier also um Propaginierung des u von - g u a in das Innere des Wortes: Lingua > leunga > le"ungia (altoeng.) > liaungia mit Absorbierung des »'durch l > tayg» in Savognin, iajidja in Bgü. und mit Reduzierung des aun (wie in paun § 29), OEng. If.mdia, It'jidia (pf.m), Latsch faydja (paff), Savognin tayg» (paff). In Bergün fand erst in jüngster Zeit Angleichung d e s Velares tj an den folgenden Palatal dj statt, iaydja zu tajidja „ Z u n g e " , neben t ' a j i t y s „ K e i l e , an denen die Latten des W a g e n s befestigt sind". Mit L i n g u a marschiert im Obw. — nicht aber im Nidw. und im Engadin — auch pingue : Dis. piiun, Tavetsch piun (Huo. 475, o, 438, u).

e, vor Nasal. § 58. EN und en in o f f e n e r Silbe lauten heute i'y, t.y. Dafs das heutige e auf einen Diphthongen zurückgeht, wird nicht nur durch das velare folgende y angedeutet, sondern findet seine B e stätigung in der Schreibung ei(tt) in der Susanna (cfr. ain bei Bifrun). A u c h im übrigen Bünden ist ein D i p h t h o n g entweder die Grundlage für die heutige Form oder er besteht n o c h : Disentis 1 In Sta. Maria im Münstertal notierte ich al \ajs „ G i p s " , also a u c h H a u p t t o n w i e najf nive. M a n b e a c h t e , d a f s hier d e r A n l a u t e r b w ö r t l i c h c E n t w i c k l u n g a u f w e i s t , c f r . \Lnd>r < genf.ru, i \e\la < GELAT, /a jx.ta, „ d e r Frost".

Beiheft zur Zeiuchr. f. rom. Phil. LXXI.

6

82 bhn (BENE), pliln (PLENU), Tomils boji, plaji, Alvaneu bajn, plajn, Filisur baji, plaji, Celerina bejt, plf-ji, Sent bajn, plajn. B g ü . : BENE > be ff (Sus. 42 bein), CATENA > tfadrga (Sus. 4 7 1 chiadeina), FENU > Y I T y, MINAT > ei meya „er führt", PLENU > plt'.r), (Sus. 56 plein), POENA > p f f f » (Sus. 380 peina), TERRENU > tartig „ W i e s b o d e n " , Adj. „schneefrei". — Pers.n.: markiga „ M a g d a l e n a " . O.n.: ii reg da,prf.da, reg da tu'jrts, B a c h von Preda, Bach von T u o r s und nach ihrer Vereinigung Uts rtgts ( = RHENU). § 59. W ä h r e n d E und E vor Nasal in o f f e n e r Silbe IUsammengehen, müssen wir in g e s c h l o s s e n e r Silbe zwei Fälle unterscheiden, wo E eigene W e g e einschlägt. a) EN -f- j wird in Bergün zu cg. A u c h im übrigen Bünden weicht ¿as Resultat von ENJ ab von den übrigen Fällen von E + Nasal, VENIO lautet in Dis. vgi (Tom. SENIOR > sijur, INGENIU > andzfji), Alv. ueji, Fi!, vgl, Cel. veji, Zuoz veji, Sent vfjt (vgl. §§ 5 8 — 6 0 ) . In Bgü.: SENIOR > sigir „Herrgott", TENEO > etig (und analog 2. 3. 4. 6. Pers.: te teg»s(t), eltig», noks tigm,1 elts tt'gsn „ h a l t e n " ; aber noch nicht in Sus. 432 e clamS teinst, 2. Pers. „und verführst ein Geschrei", Sus. 344 el tein; Inf. ebenfalls tig>r, aber suf/jitkf „unterstützen", Sus. 461 tegner, aber Sus. 459 sustegneir), VENIO >• e veg (und analog 2. 3. 4. Pers. te fegst, el veg, noks vtym), Sus. 348 sch'eau veng, aber 432 chia Ii reinst, 41 ella vein, aber auch schon 140 chi veng. and\iji „Fertigkeit, Geschicklichkeit" geht wohl nicht direkt auf INGENIU zurück, sondern eher auf das Verbum *z and\yu\r, das heute nicht mehr vorhanden zu sein scheint, aber im OEng. noch lebt (z' indyjie.r); vgl. auch das A d j . andyjiegwl in Bgü. D a s n verdankt das Subst. den Formen, wo nj vortonig war; den T o n vokal aber aus *el z and\iga (?). Zu der Form von Disentis vgl. Huo. 459 u. (jndy'n); zu der eng., vgl. Walbg. § 34 (ind^yi und indyji). b) E in -ENTU, -ENTIA und -EM(U)LU ergibt den Diphthongen jl [also auch vor Nasal ein durch folgendes 11 oder j bedingter Lautwandel von E (wie § 36)]. «) Altes -ENTU wird zwar nur in einer kleinen Gruppe von Wörtern zu -jent, gall. CARPENTU > tgarpjitit „Fuhrwerk im allgem.", CAEMENTU > fimjcnt „Küchenboden", CENTU > tfjent, fimjint „ R a u c h für Fleisch" in fer fimjint „räuchern" (Abltg. von FUMU), ARGENTU > ardzjent, das zwar w e g e n des dz (statt a\) kein Erbwort sein kann [Sus. 83 ardzient], cfr. § 225. Hier kann man auch ABSINTHIU > antsjints „Wermuth" anführen. — Neben dieser kurzen Reihe erscheint eine weit längere von -ENTU > -r.yt, z. B. ARMENTU > arme'.gl „ T i e r " , tfadami'.g 1

Die

5.

P e r s . lautet d a g e g e n

voks ijmks

(TENETIS).

83 (ACET ) „Sauerteig", fundatnigt „Fundament", FRUMENTU > fürmt'pt, djudimf.pt „Genufs" (GAUD-), JURAMENTU > dziramc.nt „Schwur", L E V A M E N T U > lavamt.pt „ H e f e " , TORMENTU > turmy.pt „ Q u a l " nsw.

Die gleiche Doppelentwicklung ist in Disentis wahrzunehmen, cfr. Huo. § 19, z. B. i/itn, k)rpi>n, aber hvtmin, tirdimtn „Verrat". Huonder hegt gar keinen Zweifel, dais die Formen mit Diphthong die ä l t e r e n seien und weist nach, wie die Formen mit Monophthong meist volkstümliche Neubildungen (nach einigen kirchensprachlichen Formen wie fpindrtmtn „Etlösung", trusmtn „Gericht" usw.) sind. Auch in Bergün scheint mir die Entwicklung - E N T U > • -jint unzweifelhaft die ältere. Susanna bietet leider keinen sicheren Beleg für die 6 ersten Beispiele, sondern nnr das unzuverlässige ardzient, v. 83. ß) Das halbgelehrte aber schon sehr alte Suffix - E N T I A lautet in der Regel -jentfa. Daneben kommt auch die moderne allgemeine bündnerische Form -tntsa vor. Die Susanna hat meistens -ientscha. ( A P P A R - ) aparjentfa und parjintfa „Anschein, Schein", Sus. 286 an apparientscha „scheinbar", Sus. 5 1 1 parientscha', CONFIDENTIA > kumpftdi(ntf& (veraltet) und konfidintsa „Vertrauen", (MALE + voL-) melvutibitfa, vielvufientfa „Übelwollen", (NASC-) nafjbitfa (daneben noch 3 Formen in Gebrauch: nafi»ntfa, nafe'.ntfa uud ital. 'nafita,) „Geburt", da nafjentfa „von Geburt a n " , P R A E S E N T I A > an pra\jentfa da „in Gegenwart von", Sus. 449 an praschienscha; PRUDENTIA > prudh'ntfa „Klugheit, Vorsicht" (daneben: prudtntsa und prudentsja), Sus. 75 prudientschia, SENTENTIA > santjentfa „Urteil" (daneben häufiger: santjcntsa, san/entstfa und stnt tntsa), Sus. 480 santien zchia, 451 santientzchias', fkurtjentfa und fkirtjentfa (Ableitung von fkj'.Jrt) „Gescheitheit". Neben -jhitfa kommt die Endung -e'.ntfa öfters vor: (COMPLAC-) kumplay.ntf& „Gefälligkeit", (NASC:-) naf e'.ntfa „Geburt" (neben nafjintfa u. a.), arigie'.ntfa „Reue" (vgl. schwzd. rüwen, reuen), (*SIMILIARE oder SIMILARE, Abltg.) sumie'.ntfa „Ähnlichkeit", (TURPE-) las ßrupt(e\ntfis „Unzucht, Unlauterkeit", Sus. 60 sturpchientschas da Sodotn' e Gomorra. — Es handelt sich hier wahrscheinlich um eine Entlehnung aus dem Oberengadin; ftrup!(e\ntßs und sumie'.ntfa könnten jedoch die Auffassung nahe legen, dafs sich -e'.ntfa aus -jintfa (oder genauer aus den frühern Phasen von -jentfa) entwickelt habe, indem j in dem vorhergehenden Palatal aufging und e gelängt wurde. y) Als einziges Beispiel von Diphthongierung des E vor M, durch folgendes u verursacht, findet sich TREMULU in trjimhl „Espe, Zitterpappel" und tja'.ra trilmtel „ E r d b e b e n " . Werfen wir noch einen Blick auf das übrige Bünden. Wo wir CENTU begegnen, finden wir Formen mit Diphthong (cfr. Gartn., Gram. § 200). Das scheint, wenigstens nach Pult, Luzi und Gandrian, in Sent, Tomils und Stalla das einzige Wort 6*

84 zu sein, wo sich -ENTU diphthongisch entwickelte. Walberg (§ 15) führt für Celerina neben tfünt auch noch a n : ardivnt, gudmif (C aus altem ij) < GAUDENTIU, ase.nt (ABSINTHIU) und irrtümlicherweise(?) gare\nt „abnehmender M o n d " , vgl. § 6 1 , a Anm. und RE IV 6 9 1 3 QUADRANS(?). Bei Bifrun finden wir neben argient und schient n o c h fümijnt (FUM-) „ R ä u c h e r u n g " und asijnt (ABSINTHIU), also gleiche Entwicklung wie CAELU >• schijl, schil, aber viel häufiger fundamaint die F o r m -atnt, z. B. FRUMENTU > • furmaint, „ F u n d a m e n t " , ingraechiamaint „Dank". Etwas vermehrt wird diese spärliche Liste durch Wörter auf -ENTIA, -ENTIU: Sent ^Intf (*GENTIU?) „Namensvetter" 1 ( = CAELU > tfél) (Pult § 33), Celer. nafc'.ntfa, sumdje.ntfa, melvuie.ntfa, kuntfe'.ntfa, (= tfe.l, Walbg. § 234), Bifrun mdvuglijntscha, praschinscha und preschijnscha, scijntia u n d scintia (= schijl, schil), ferner terrastrimblas „ E r d b e b e n " , T o m i l s kunaßsntfa, kuntanlimtfa, kardimtja (CRED-), sabifntfa (Luzi § 31). In Disentís (cfr. Huo. § 19) finden wir neben tfi)n, forpitn usw. auch \i>ndir (GENERU) und iri>mb>l. Darnach k ö n n e n wir feststellen: Die durch nachfolgendes u, j bedingte Diphthongierung von E vollzog sich nicht nur vor oralen K o n s o n a n t e n , sondern auch vor Nasal und zwar in g a n z Bunden. Während der Diphthong sich im Oberland und O E n g . in gröfserem U m f a n g behauptet, zeigt er sich im Nidwaldischen und im UEng. nur noch in einer beschränkten Anzahl von Wörtern und Endungen, sodafs wir in ganz B ü n d e n zwei parallele Entwicklungen finden. § 60. In geschlossener Silbe ergeben E und E vor Nasal (abgesehen von E vor u und J, cfr. § 59) in Bünden zwei Resultate: einerseits t(n), t(ji); anderseits t\y, fg. Mit B e z u g auf die Verteilung der Fälle geht Bergün genau mit d e m O b e r e n g a d i n , weicht aber in einzelnen Fällen ab von Disentís, dem Nidwaldischen und in 2 Fällen von Sent, § 6 1 , c — d . E und E vor ND, NDR ( < N'R und GN'R), NN, N'CA und NGU lautet heute e. Die Übereinstimmung in diesen Fällen fehlt dem Nidwaldischen, man vergleiche folgende Beispiele: DOMINICA

CIÑERE VENDERE •GAUDIENDO PINNA

Disent.

Tomils

Alvaneu

Filis.

dumtndja,

dumajidja,

dum iridia,

dumejidia,

Disent. tfindr» vtndtr budhn

1 Zu ueng. schensch ZrP. XXXIV, 398, 404.

Tomils tfendra, vender

Alvaneu Filis. — — —— — buztnt guztttf — perra

Celer. dumindja, Sent dumendia

Celer.

Sent.

tfendra, verubr gudjint pina

tfendra, vendtr jent pew.a.

vgl. Muisafia, Beitrag iai und jetzt Salvion!,

85 Für Bergün seien aufgezählt: a) vor ND : FINDERE > fvubr, GAUDIENDO > gudzenl,1 (DE-) ABINDE > davtnt „fort", 1NDICE > tndtf „Nestei", MENDA > mtnda, TRANSIENDA > ftra^nda „ G ä n g lein hinter den Krippen, Hohlweg"; VENDERE > vtndir. Dahin gehört auch TENDULAS > las tiygbs „Nägel, um die Latten am Schlitten zu befestigen". Das y ist erst sekundär vor g. #

b) vor NDR < NR : CINERE > tftndra, MINOR > minder, mindt a „gering", itts mincbrts „Burschen von 1 6 — 1 8 Jahren", TENERA > itndra (und analog ttndir)2 „dünnflüssig", VENERIS DIE > 'vtndsrdze (und vtndsr'dze). c) vor NDR < GN'R: Einen Fall für sich bildet gewifs die Gruppe GN'R im Gegensatz zu GX im Auslaut, § 6 i , d. PIGNORAT > Bgü. ei pendra [Inf. pandre.r „pfänden" (vom Vieh in Wiesen)], cfr. § 2 0 1 , c. und das Kompositum: tl fptndra „er erlöst", das heute wohl nur noch in der Kirchensprache gebräuchlich ist. — Mit dem Resultat von R vor N'R > NDR stimmt PIGNORAT auch in Celerina und Zuoz (und wohl im ganzen OEng.) tl ptndra überein. In Tomils hingegen geht pbi'lra, mit dem Resultat von E + NJ (INGENIU > andtfji). d) vor NN: BENNA > btna „vierrädriger Mistkarren", JANUA > *JENUA > *JEXNA 3 > dztrr.a „Gattertür, Zaunöffnung für Fufsgänger, grofses Sandsieb, Fl.n. usw.", PINNA > pttt'.a. e) vor N'CA: DOMIMCA > dumijidja,', DOMINICA mtjidia, Pers.n. f) vor NGL" : PINGUE > ptjit( „Butter", CINGULOS > Fl.n., Bergwiesen unter I'latta Roggia im Val Tuors.

tftjidjilts

§ 6 1 . Weit gröfsere Abweichungen finden wir in Bünden in Bezug auf die Verteilung der Resultate von E und E vor den nasalen Konsonantengruppen: NT (ausgenommen -ENTU, -ENTIA, siehe § 59), NS, NG (-f- E, i), GN, NFL, xc(-j- E, i). Disentis: ktrftn (CRESCENTE [LUNA]),

tn

(INTUS),

miins

(MINUS u n d

MENSE),

Itndyr

(LINGERE),

Itn (G.) (LIGNU), tntJißr (INTUS -f- INFRA), vtntfer (VINCERE). Tomils: karfajnt, andavajnts ([INDEAB]INTUS), rnajnts ( w i N U s ) , Im (LIGNU). Alvaneu: vajntn (VENTRE), ajnt, Im. Filisur: vajntir, ajnt, laß. Celerina: vp.nUr, i'.nt, mp.ji (MINUS), tp.ndyr (TINGERE), It'ji, vp.ndyr (VINCERE). Sent: vajntir, ajnt, rnajn, lotdyr (ATTINGERE), leji. In B e r g ü n treffen wir in all diesen Fällen in Übereinstimmung mit dem OEng. ein gedehntes 1 : , manchmal ein halblanges p . 1

Cfr. §

137, n. 1 .

1

B e i TENERU (cfr. § 59, b) kann man A n a l o g i e des F e m . annehmen, nicht aber bei GENERU > djtndjr. Daher bleibt f < E vor lat. -u in d\tnd>r aufläJlig gegenüber lautgerechtem \i>nd>r in Disentis. ' C f r . MANUA >

»MANNA >

mjna,

„Garbe".

86 a) vor N T : CRESCENTE (LUNA) > krafe'.gt, os li kra/f.yt „jetzt ist wachsender M o n d " , 1 DENTE > • dtpt, Sus. deint; INTRAT > . t / eytra, INTUS > e'yt, Sus. 66 einten, 69 enien; JENTAT > tl dzt'.yia, „sie spült Geschirr a n s " , V(IG)INTI RECENTAT > ela ar\t:yla > vfgtt, Sus. 65 veintz (anch vegts, vtr/tsép = 2 1 , wegen der häufigen satzunbetonten Stellung). Bei pulenta, ßuptnt, ßupenta, talent, torent, tren/a, vent handelt es sich offenbar um Fremdwörter, wie im Engadin, ebenso bei trament fr.gtr „starker, baumlanger K e r l " ( = ital. tremendo + schwzd. Fäger), wo die Obereinstimmung mit § 60, a nur ein Zufall ist. b) vor N S : MINUS > mtpts, siks miydz du:ts " 6 — 2", Sus. 1 1 4 #SE-IMPENSAT > tl zampvytsa u' lg vieints, 485 u'lg meindz; „er d e n k t " , PENSO > e m ampeyts, Sus. 131 eu peintz, 180 el s' ampeinza', Inf. zampise.r. c) vor ATTINGIT >

sticken",

KG ( >

E, 1 ) :

el te-ffd^a;

(AT)TINGERE >

EXSTINGERE >

It ijdyr fifydyr,

„langen, reichen", (ftt-t/dyr)

„er-

tlfiryd\a, STRINGERE > ftreyd\>r „schnüren", STRINGIT > el jtre-ijd\a, TIKGERE > te-ydyr (tr.gdtfr), TINGIT > tl te~yd\a, ZINGIBER > dzfyts „Ingwer" (volkstümliche Entw.?). EXSTINGIT >

d) vor G N : LIGNU > It'.y, la le:ya pl. koll., PIGNU(S) > pen „ P f a n d " , SIGNU > sty „ G l o c k e " , aber öfters seyts, also = analoger Plural, ii sty/s da fko\Ia „Schulglocke", i soya seyts da fko\l& „es läutet zur Schule", seyts prim „erstes Glockenzeichen am Sonntag". Ein Verbalsubst. von CONSIGNARE lautet pter an kuntsry „in V e r wahrung nehmen" (das kein Italianismus zu sein scheint). Neben diesen Beispielen finden wir auch einige, die ich (mit Walbg. § 34) als Italianismen betrachte : tl kuntsiya, Inf. kuntsijie.r „verwahren" (CONSIGNÂT), tl dis-.éya, Inf. dis'.ijw.r „zeichnen" und das Verbalsubst. ii disr.ii/ „Zeichnung" (DÉSIGNÂT), tl séya, Inf. sijie'.r „Bäume u. a. (be)zeichnen" (SIGNÂT), il sey „ W i n k , Zeichen 11 (cfr. dagegen SIGNU > st y „ G l o c k e " ) . iNsiGNiA lautet heute antsiya, las antséy>s „die (12) Himmelszeichen", garder si l antsiya „auf das Zeichen im Kalender sehen". Auch dieses Wort gehört nicht zum alten Sprachgut; man vergleiche auch OF.ng. intstjia, inlsejta mit Bifruns insaina, isaina. Der richtige Tonvokal von INSIGNIA wird wohl in laz antsf.tjtsis, „die Vorzeichen" stecken. Die Endung kann man sieh folgenderm a ß e n entstanden denken : V o n INSIGNIA wurde (vielleicht unter dem Ein flu ta von SIGNU > sty und s/y) ein rom. Sing. (*antsey) und von diesem ein Plural (*

§ 62. E und E vor m ergibt in Bgü. ein kurzes, offenes t und zwar in offener und geschlossener Silbe, in Ubereinstimmung mit einem Teil Bündens. Dis. semen >• stm, membra > mtmbr Tom. sem, semda (semita), Stalla sem, femna, Celer. stm, mtmbra, Sent sem, memb>r. ximis > mtma, semen > stm, timet > tl ttma, in simul > antstmrt, Sus. 460 ansemmel; decembre > d\tmb>r, heute fast ganz verdrängt durch das gelehrte delstmbir, femina > ftmna, membra > la mtmbra, Koll. r die Glieder" und analog Sg. it mt.mbsr, sf.mixat > tl stmna. — Kbcnso im halbgek-hrten la blaßtnr.a ,,Fluch" (blasphemia oder besser Yerbalsubst. zu blaßme\r „fluchen", tl blaßtnr.a). § 63. Einzig vor der Gruppe -mp müssen wir eine besondere Entwicklung dis E und E feststellen und zwar im gröfsten Teil Bündens: templu 1 S1MPLU Semper TEMPUS

Sent Uümpil — — temp

Ctler. Stalla tr.mpil tdimpil st\mp)l — — salmpsr te.mp —

Filis. Domleschg — — saimpal — — — taimp iäimps

Bifrun: saimpels, taimpel, Sus. 58 seimpel, 62 aseimper, 355 teimp, 42 iivip. In Bergün liegt die Phase f.ymp vor. Einwandfreie Beispiele scheinen mir: implet > tl tympla erfüllt.", simplu > st\ymp>l, st'.ympla „einfältig", temperat > tl ttympra „er stählt, härtet". Dagegen werden gelehrt sein: contemplat > tl kontfympla, exempi.u > eksrympH, Semper > a st'ympsr „auf immer" (nach Gartn., Gram. p. 110), templu > tt'ymp?l und vielleicht auch temporas >• tt'.ympns „Schläfen".

I, Q. § 64. Wie im Nidwaldischen und besonders im Obwaldischen fallen die Ergebnisse von lateinischem I und ü auch in Bergün zusammen. Dadurch wird Bergün streng vom Engadin geschieden und zur nidwaldischen Dialektgruppe geschlagen. 1

volkstümlich?

88 § 65. Vor oralen Labialen und Dentalen (ausgenommen vor rom. f , 3) diphthongieren 1 und 6 in offener Silbe. Diphthongierung finden wir im allgemeinen in Mittelbünden, während das UEng. und das Obw. (die Peripherie) keine Brechung aufweisen. Disentis DORMIRE

durmi

OBSCURU

fifir

(G.) (G.)

Uors

Tomils

durmi'.

durmi".

Filisur

Savognin

durmojr

ft(i\r1

ß(i-.r

Stalla

A Ivanen

durmekf

ftfojr

Celerina

durmi- r

durmejr

durmikj

ftyr

ftfejr

ßfykf

ftfikf

Sent dyrmir jtfyr

a) In Bergiin lautet dieser Diphthong heute vor stimmlosem rom. Konsonanten ek, vor stimmhaften eg. [Die Zweiteilung in ¿k, t'g finden wir auch im OEng.: durmiki-tfamtg'^a, dykf-imdzygra und im Oberhalbstein, wo sich der Diphthong vor stimmhaften Kons, überhaupt nicht bis zu einem Kons, verhärtete; z. B. Savognin durmek[-t(amejia, ek:

BULLIRE > „Garn",

dckf-mazejra.']

g e r m . BRÜTE buitkf,

FUSU >

( a h d . BRUT) >

DESTRUERE > ftks

la brekt

\drek[

„Schwiegertochter",

„abholzen",

FILU >

„ S p i n d e l d e s S p i n n r a d e s " , MUGIRE >

feh[ midukf

„Muhen, Lärmen der Kühe", PALUDES > las paleks „die Sümpfe", PARTIRE >• par/sekf „teilen" ( jünger und Lehnwort ist partekf „verr e i s e n " ) , *RECIDI\'U >

ra\dekf

„Emd",

RIDERE >

rekf,

RISU >

reks

„gelacht", RUDU > rekt „Kehricht", SALFTK (oder eher Verbalsubst. von SALUTAT) > ii salekt „Grufs", ferner als Fl.n. in Val Tuors l a\v& da salekt eg:

und

salekt

CULTURA >

„Schnallen", „Jauchzer",

(cfr. S i e g f r i e d k a r t e

kulegra

FILAT > LIXIVA >

„bebautes

tla fegla, iifegva

Land",

v:VA >

Saleg/). FJBULAS >

fegvhs

JUBILU >

dzegvsl

egia,

„grofse Wäsche",

I L L A ME(N)SURA

>

latndzegra- „Mafs", laz amdzegm -das Messen der Alpprodukte", NATURA > PITUITA,

nadtgra

„Scheide der K u h " ,

resp. *PIPITA

SCRIPTURA > fkritsegra,

>

pivegda *STÜPA

NUBILA >

„Hühnerpips", (oder

negvla

„Wolke",

RIPA >

EXTÜFA >) > f t e g v a ,

regva, „Wohn-

zimmer Stube", SUBULA > segvla „Pfriemen, Schusterahle". — Ferner in Fl.11.: RUPTURA > rutegra „Wiesen westlich vom Latscher Schulhaus" (vgl. I'all. ruottüra „Einbruch (im Land)", afrz. roture „urbar gemachtes Land"). Vgl. auch Ruteira, Fl.n. bei Tiefenkastel, ASRet. III, 345. b) Nach romanischem l{. di oder vor f , 5 entwickeln sich lat. I, ü zu ik, resp. ig, d. h. in dieser Stellung erhält sich eine ältere Entwicklungsstufe mit gesteigertem, hohem Tonvokal, während er unter andeien Bedingungen zu e herabgestimmt wurde. 1

Savognin durmehjr, lifiwSk, ft(ik£. Gartn., Gram. § 2 0 a notiert tnztgra (aber DURU > Jztitr). — Zur Verbreitung der Diphthongierung von lat. i in den roman. Alpenmundarten, vgl. Fankhauser, Das Patois von Val d'Illiez, Diss. Bern 1 9 1 1 , § 6 7 — 7 1 . 1

89 ACUTU > adiikt1 (und analog adiikta neben seltenerem ACUTA > adjigdä) „spitzig, schrill", SECURA > zdjigra, SECURU > zdiHf „sicher", ACCUSAT > tl atçigza „er verklagt", CULU >• t(ik(, CURA > tçigra „ P f l e g e " , EXCUSAT > tl as flçigza „er entschuldigt sich", „AllOBSCURA > ftçigra, OBSCURU > ftçikr, PASTURA > paftfigra m e n d , W e i d e " , PERCURAT > tl paf/çigra „er hütet (das V i e h ) " , SE IN-FERCURAT tl s ampar tçigra „er hütet sich", SECURU > stçikr, stçigr da go'.t1 „ B a u m a x t " . — D e m g e g e n ü b e r beweist das einzige sitfegra, ssffegra „Dürre, T r o c k e n h e i t " , nichts. Es ist eine Neubildung von sttf ( < s i c c u ) und d e m häufigen Suffix -ÜRA > -egra, was schon durch den Vortonvokal t verraten wird. Ebenso r e g e l m ä ß i g treffen wir ig, ik vor romanischem f oder 5: germ. BISA > big^a „Schneegestöber" (Abltg. i big\a oder i du big\a „es stöbert", la bi\a sttça3 „die Graupeln (Hagelkörnchen), die wie harter Schnee, n o c h nicht Eis, sind", BRÏSA > la brigua „Nordwind", BÜCINA ( # BÜCINU) > it bigyn, bigym „ D e i c h e l , hölzerne R ö h r e " , gall. CAMISIA ( > • Buchwort *CAMÏSIA) > tçamig^a, germ. GRls > grikf, grig\a „ g r a u " , LUCE > tikf PERDICE > p)rnikf RADICE > rikf „ W u r z e l " , TAMÎSIU > it tamikf „Beutelsieb in der Mühle, Sandsieb aus Ruten geflochten", it tamikf gront „das grofse Mehlsieb", (*TRANS)LÜCE > iiftraiikf „Wetterleuchten" (cfr. aprov. traslutz „clarté, sérénité", limous. trelutz „lueur" [Laborde]), TRILÏCE > it tratikf „Drilch, dreitretiges T u c l i " . Natürlich tritt dasselbe Resultat ein, wenn beide Faktoren (vorausgehendes t( und folgendes f ) v o r h a n d e n sind wie in tçikf „weibliches, einjähriges Schaf" (*CADÏCE nach Huo. 5 3 3 ) ; eine Vokalsteigerung über i hinaus ist eben nicht möglich. c) Auffallend ist nun freilich folgende Reihe von Wörtern, in denen wir ik, ig statt, wie zu erwarten wäre, ek, eg finden. DURÂT >» tl digra „er dauert", I n f , d i r e \ r \ dazu andire'.r, tl andigra „ertragen, erleiden", Sus. 421 chi 1' an dura", DURU > dikf, digra', JURÂT > y! dzigra „er schwört", Inf. dzire'.r ; MATURAT > tl madigra „er reift", Inf. maJire\r\ AIATURU > madikf, madigra; MIRÂT > tl migra „er visiert, nimmt aufs K o r n " , In f. mire: r; MURE > la mikx „ M a u s " , migr da fwènts „ F e l d m a u s " ; MURU > ii mikç „Mauer". Pl. mikj;ts, Abiig. tl migra „er mauert", Inf. mire\r\ SUDU > nikt, nigda „ n a c k t " , 4 dazu Abltg. tl ^nigda „er entblöfst", Inf. yiide:r; PURU (und PURE) >• fpikç, fpigra „lauter, unverfälscht, nur", or da fpigra nordet „aus lauter Bosheit" (vortonig: pir os'.a „erst jetzt", té taj pir dzo ! „ d u schweig nur still"); TRITU > trikt, trigda „häfslich", Abi. von u s u (EX DE-) > el z adigza, z adize:r „sich g e wöhnen", tlaz yiigza, Inf. az ylize.r „sich a b g e w ö h n e n " , Verbalsubst. 1 Disentis auch diit (Huo. 488, o.), • Cfr. § 331" ' Vgl. § 332. 4 Vgl. 1165.

9° ii adiks „Gewohnheit", germ. *\vis (ULA) > giks „Marder"; ELISU 1 > tiks „fadenscheinig, abgetragen (Kleid)", tiqza. Eine befriedigende Erklärung für diese Sonderentwicklung finde ich nicht. A n einen Einflute des I n f i n i t i v s ist nicht zu denken, da es nur einen Teil der Fälle betreffen wurde und weil wir daneben zu viele Verba haben, wo kein Einflufs stattfand, z. B. MARITAT > el maregda, maridc.r „heiraten", M U T A T > tl mcgda, mide'.r „ändern", S A L U T A T > tl salegda, salide.r „grüfsen" u. a. Eber könnte man an eine Sonderentwicklung des ü vor R (meist am Wortende) denken, NÜDU, ÜSU, TRITU wären dann auszuscheiden. nikt mit erhaltenem d > / geht sowieso eigene Wege (OEng. nykt, UEng. nyf, vgl. P A L Ü D E > pale, CRÜDU > krej § 67, b, d), aber auch giks und üks blieben dann unerklärt. Dagegen sprechen aber \irekf „abholzen" (DESTRUERE) und die vielen Substantiva in - Ü R A , wie C U L T U R A > kutegra, (MOLIT) mutegra „Mahllohn", N A T U R A > nadegra „Scheide der Kuh" (nategra „Natur"), P I L U R A > ptegra, Mauserung-1, V E C T U R A > ftsegra ,,Fuhre.', Ladung". Der Text der Susanna gibt uns ebenfalls keine Erklärung dieser Verschiedenheit. Lat. 1 wird im Ms. L. immer durch i dargestellt, ü hingegen meistens durch ii (des Engadins); doch sind die Fälle nicht selten, wo der Schreiber die engadinische Rechtschreibung vergifst, oder wo man aus Assonanzen deutlich sieht, dafs ü den Laut i (oder fil\ aber PILA > peb (pul). d) Auffällig ist das Part, visu > ve\s (während RISU > reks wird). Im OEng. viks = ßk( (FILU), UEng. vis = fit. — Leider gibt die Susanna auch keinen Anhaltspunkt für die Klärung der Form, da der Text folgende voneinander abweichende Formen 1 C f r . REIV. 2846, f e r n e r bei C a r i s c h glis P a l l . g i b t f ü r B g ü . Iis, -a „ f a d e n s c h e i n i g " an.

(=

ly!s)

für ganz B ü n d e n ;

9« enthält: Sus. 4 6 1 : Sui/ chie boafck ev Vs ha• vi lueint? „Unter welchem Baum ich sie (Plur.) gesehen habe dort drinnen? -4 — Dagegen im Ms. Chur heifst es (in dem später und von einer andern Hand geschriebenen Teil): v. 4 6 1 : ev /s' he vtgs [ = OEng. i-l-ze viks?], v. 462 im Ms. L : Is ha• ev vt'/s [im Reim mit mifs, heute mèri], Ms. Chur: Is he vigs. e) In einer Reihe von Lehnwörtern (oder solchen Wörlern, die wenigstens gelehrter Einwirkung ausgesetzt waren) entwickeln sich I, Ü wie in geschlossener Silbe, vgl. § 69. MULU > mU „Maulesel", Fem. meta, [und mil\>\ MUTU > mit, mi/a „stumm", PIPA > pép\a „Tabakpfeife", TÜBA > téba „Alphorn", VITA > vita,. § 66. In der Lautgruppe -ILE diphthongiert I nicht, sondern entwickelt sich wie in geschlossener Silbe, in Übereinstimmung mit ganz Bünden, L wird gewöhnlich mouilliert. Dis.

Tomils

Stalla

Conters

Alvaneu

Filisur

Celer.

Sent

wrel

avrii

avrit

avrii

avrei

avrèi

avrii

avrii

(cfr. § 172). Bergiin: APRILE > avrii, * A X I L E > ißi „Achse", DATILE (für BATILLU) > badii „Schaufel", [ I N ] OVILE > nive'.i [auch nwei und ue'i] „Viehstall", aber viftsi: dad wii „Stallkleid". stii „dünn" ( < SUBTILE), das auch im Eng. so lautet, ist natürlich jüngeres Lehnwort. Zum Konsonantismus sl- statt f t cfr. § 146. § 67. a) Im romanischen Hiatus mit a ergeben I und ü den Diphthongen tj. Während es sonst in Bünden auf das Alter des Hiatus anzukommen scheint und auch vielfach zwischen I und ü in diesem Fall zu unterscheiden ist, herrscht in Bergün volle Ubereinstimmung. Dis. /pili SÜDAT siüi SPIGA

>

Tom. fptja seüa

Alv. fpoja si'va,

Fil. fpeja 0)seja

Savogn. fptja, —

Celer. fpi.a J>'3

Ponte fpi\a syja

Sent fpia syja

Bergün: fpeja, „Ähre", ti seja, Inf. sis.r „schwitzen", CONDUCIT ti kundeja „er liefert, befördert (Ware)", CRUDA > kreja „roh,

ungekocht",

buaneja

DESTRÜIT >

ti \dreja

„er

holzt

ab",

EPIPHAXIA

>

„Dreikönigsfest", EXSÜCAT > ti se ja sé „er trocknet", F A T I G A > fadeja „Mühe", FORMICA > • furmeja (auch furmeja habe ich gehört), FRUGE ( * F R U G A ) > freja „Saatfrucht, Frucht", ahd. GIGA > (fjeja „ G e i g e " , germ. (?) K R Ü K A > kreja „Milchkrug", QUADRIGA > kadreja „Viergespann (beim Pflügen)", RIDET > tl reja, URTICA > urtseja (REDUCIT > il rideja, redeja, zu Inf. redekr „mit Mühe irgendwohin bringen", und 2 ardekf „sich begeben", ti s ardtfa. Fest sitzt heute nur noch das Part, arde'/s, die übrigen Formen sind unsicher und werden durch rabaie'.r ersetzt). — Ebenso

92 in Pers.n.

MAKIA >

malejfs.

mareja (avatnareja „Frühläulen"),

MATHIAS

>

M Ü G I T > ila mi:dza „(die Kuh) muht", Inf. midzek{, ist ein Fall für sich. Intervokalisches G vor i (and E) fällt nicht, sondetn wird normalerweise dz (cfr. § 170). Es ist somit mi:dza mit alets ( < L E G E ) , kuredea, < C O R R I G I A gegenüber dikt < DTGITU, fegr* > F £ R I A § 56, a, b zu vergleichen, wo auch der zweite Bestandteil des (romanischen) Diphthongen im dz aufgeht, vgl. auch Dis. medj» neben foctto und fidedj) < F A T I G A , H U O . 486. Zu einer besondern Bemerkung veranlaßt ÜVA. Gärtner gibt im § 200 für Bergün die Form egva an. Da es sich -hier kaum um ein Verschreiben handeln wird, so marschierte ÜVA einzig in Bergün (um 1880) mit M E N S Ü R A > amdzegra. (cfr. Gartn. § 200) und Ü B E R E > egvsr. Denn schon die nächstgelegenen Orte zeigen diese Ubereinstimmung nicht.

Filisur

iwa

ejvir amzejra

Alvatieu

Savognin

hva (neben tru\ba)

ojv)r nuzojra.

iwa (G.)

ejvf (G.) mazejn (G.) •

Mir wurde von allen Bergünern angegeben: eja, auch in Latsch und dem abgelegenen Stuls [eja pas\a „grofse getrocknete Weinbeeren, Rosinen, Zibeben", laz ejttas „kleine Weinbeeren, Korinthen", iq barddp d' ejus „Traubendolde"]. eja reiht sich wie engad. yja, ya und obwald. iüJ, eüa (G) unter § 67, a ein. egva wird heute, entsprechend dem OEng. igva für „Iva, Wildfräuleinkraut" [ = I V A N A N A ] gesagt (cfr. Pallioppi iva — Achillea moschata). Wir haben es hier jedenfalls mit einem Ausdruck des Botanikerlateins zu tun (cfr. REW. 4559). b) Im romanischen Auslaut haben wir ebenfalls ej [wie im Iliat mit d] in folgenden Fällen: Dis. UMBILICU FESTUCU CRUDU

Tom.

Filis.

Celer. I'onte, Zuoz

umblit( ttmbli!( atnblej nygli fiftitr — ( s u c u ) dzej fty kriü krlü krv.f kry

"ygli - ftyj kryj

Sent

umbli fafly kryj

x

In Bergün: A M I C U > amej, C A P U ( T ) VICU > kivej „Dorfmeister-, 1 C R U D U > krej, (THEO)DORICU > durej „Ulrich", 1 F E S T U C U > f a f i f j «Halm", sie > fej* ,.ja", SPICU > fpej „der Grat", sucu > dzej „Saft", U M B I L I C U > umblej „Nabel". 1 Der Plural v o n amej und kwej lautet jetzt g e w ö h n l i c h amejs, kwejs neben älterem (jetzt veraltetem) ameks, kwe&s, die die lautgerechte E n t w i c k l u n g v o n i in geichloasener S i l b e a u f w e i s e n , cfr. § 69. ' V o m deutschen Ulrich finden wir den R e f l e x 'ufri, Pers.n. V i e l l e i c h t g e h t aber durej eher auf UDALRiCü zurück. 8 Auch in den R e d e n s a r t e n : J,ej ad a-.msn „ja und fertig", (um einem T h e m a ein E n d e zu machen), ma fej! „ n u n j a " . L a t s c h : ujejtt, ufafejb

93 feks sg. und pl. „ F e i g e " , ist wohl, wie die Sache, importiert, sodafs es blofs ein Zufall ist, wenn feks ( < F I C O S ) mit altera ameks ( • < AMICOS) und kweks übereinstimmt. Man vergleiche Bifruns vijchs, vichs [ v i c o s ] Schreibung ficks, fig s gegenüber amichs, und o b e r l . / Y f gegenüber amtig (Carig.), cfr. d a g e g e n Walbg., p. 88, wo eng. fiks für eine Bildung vom Plural aus gehalten wird. c) Anderseits haben wir im rom. Auslaut é [Gärtner t] in einer Reihe von Wörtern sowie in -ITE, E n d u n g der 2. PI. Imperativ der I V . K o n j . : DÍEM ( > DIE') > ii dzé „ T a g " \bimdi! „Guten Morgen"], Sus. 147 dzi d' damaurt „ m o r g e n " , 42 dzi, Sus. Chur 33 dze, PI. dzeks ( • < * D I E S ) , ebenso iendaylzc „ M o n t a g " , vtndardzé „ F r e i t a g " [und ma'rdi „ D i e n s t a g " ] ; PLUS > pié „mehr", ii pié „am meisten"; Sic > f l 3 dzet da kfé „er hat zugesagt, ja g e s a g t " , medifé „ja freilich, ja und nochmals j a " ( = oeng. madifl, oberital. ma les)), nifé „nicht wahr?" (NEC-) [neben fej usw. § 67, b ] ; s ü s u > sé „auf", ansé „aufwärts", sé da t(o\ „munter", as fer sé „sich aufraffen", ek¡- sé „sich verflüchtigen", Sus. si; TU > té [aber G . /T „ d u " ] . Dazu gehören vielleicht auch die in § 50 zusammengestellten Formen adamé, dzuravé usw., ferner die Imperative 2. PI. der IV. K o n j . : sab' „springet", Inf. saiekf „springen", luié, Inf. bttiekr „sieden", íus:é, tusekf „husten", muré, murekf „sterben". d) P A L Ü D E > > palt — palt „Sumpf, auch Flurname bei Preda" [dagegen P A L U D E S > paleks, Fl.n. von Latsch und darnach auch etwa im Sg. pale]; * V I L L Ü T U > vi Ii „Sammet". PALÜDE und ' V I L L Ü T U gehen also eigene W e g e und zwar nicht nur in Bergün, sondern auch an andern Orten Bündens, oder sie gehen mit D Ü R U (im Eng.) oder mit C R Ü D U und - Ü T U (im Obw. und z. T . im Nidw.).

Dis. ptliü, aber in O.n. p)li, lali (G.), dir (G.), kriü; paléü, valéü, di\r, kréü; Alvaneu pale (PI. palajs), dojr, kriw, palé, dejr, kri\f\ Celer. palykt, vlyk!, dykf, kry (Ponte kryj)\ paly, dyr, kryj.

Tom. Filis. Sent

e) -ITU und -ÜTU ergeben /': Es ist hier angebracht, auf Gartn., Gram. § 57 hinzuweisen, wo er die F r a g e aufwirft, ob nicht auch im Nidwaldischen und Obw. Suffixwechsel stattgefunden habe wie in Stalla und im OEng.

-ITU -ÜTU ÜVA

Dis.

Tom.

iü(s) iä iüs

éü éü éüa

Savogn. i> Ú v.i'3

Stalla

Celer.

Schieins

Sent

i:> i'J yga

i\> i\> y&

i y ya

y ya

1

„gerade s o " ; hingegen: medife „ja und nochmals ja, ja freilich"; tl 3 dzet da kfé „er hat zugesagt, ja gesagt"; nifi „nicht wahr ?", Latsch: ufé gudzenl „noch so gern", und vortonig: f i dzi- ( fini: „ b e e n d e t " , p a r t i t u > partsi: „geteilt", ramutu > (Itg) rumi: „(Holz) mit vielen Astansätzen skrvitu >• strvi: „ g e d i e n t " , vestItu > viftsi: „ K l e i d , Part, g e k l e i d e t " ; das Part, von timére und venire lautet: tmi:, jii:. — Dieser Entwicklung hat sich wahrscheinlich auch diu >- dzi: „lange" angeschlossen; vgl. d a g e g e n Sus. 106 dzich, Dis. ditf, Huo. p. 486, Bifrun dich, dijch und Agi. VII, 522. — maledictu ist durch Konjug.-wechsel auch in diese Reihe gelangt, $maladi: „verflucht" (aber dIctu > dzit). Ein ganz vereinzelter Fall ist nIdu > ii ni:& „Nest". [Nicht nur in B e z u g auf d e n Vokalismus, sondern auch wegen des a n lautenden n statt wie sonst überall in Bünden ji\. Im Nidw. entwickelt sich nidu gewöhnlich wie dormitu; Tomils néü (ujtéu) =

durméü;

und durmhv,

Lenz

(ujiéu), >/tif —

durmiü; durmiü

S c h a r a n s ju> —

und

Filisur jti =

durme>\

Klv.jiiw

durmi',

aber Bonaduz

=

durmivu

ajUü

O b e r v a z j i i f ; U o r s ijiif (jiijiif), durmeü; Disentís (G., cfr. H u o . 4 8 6 / 7 ) ; O E n g . j i i j = durmió; aber

U E n g . Sent jiioü,

dormí• (vgl. Pult 42).

f) Eines der ältesten deutschen Lehnwörter im Rätischen, ahd. l i u t = mhd. l i u t e , 1 zeigt in B ü n d e n besondere Entwicklung. D e r romanische Diphthong aus l i u t ist an manchen Punkten mit dem in B ü n d e n allgemein anzutreffenden Diphthongen aus apiölu zusammengefallen, an andern Punkten d a g e g e n mit dem Resultat von dormitu. Es stehen sich gegenüber: in D i s e n t í s tiüt, »viül; i m O b e r h a l b s t e i n tokt, avioül, durmi:; in A l v a n e u ieüt, aveül, durmiü2; in Filisur tokt, aviaül, durmi:; in B e r g ü n fokt, avök(, durmi:; i m O E n g . ii»t, avie:/, durmi:a; Sent tioüt, avioü (durmi•); a l t o e n g . glieud, aviöl, durmieu', altbergün. Igiout,8 durmi.

Es scheint sich aus l i u t ein Triphthong lieut entwickelt zu haben, dessen mittlerer Bestandteil in einem Teil Bündens mit A n g l e i c h u n g des e an das folgende u zu 0 wurde (liout). Der erste Bestandteil des Triphthongen bewirkte in g a n z Bünden die Mouillierung des anlautenden l und ging vielerorts im i auf. Zum verhärteten Dhiphthongen fok/ in Bergün vgl. ötg- aus lepore § 43. nisse

g) Eine besondere G r u p p e bilden die bündnerischen Ergebvon perIculu, micula, sowie die in Bergün nicht vor-

1 Brandstetter, Schwul. Lehngut im Romontschen, p. 9, leitet die romanischen Formen in Bänden vom schwzd. Laut in Peist im Schanfigg her, vgl. dazu Jud, Rom. X X X I V , 619. ' Für weitere Formen, vgl. Lnzi § 14. " Sus. 98, neben Igieud 58 ( = oeng. Schreibg.). Im jüngeren M*. v. Chnr erscheinen dagegen schon Formen wie gliodt 433, gliedt 397, gliagt 494, 487.

95 kommenden PICULA, 1 TEGUI.A, 2 ferrer im OEug. auch SHCULAT 3 und endlich SPSCULV, WOZU § 4 5 , g zu vergleichen ist. Altobw. 4 PERICULU priguel MICULA meula SPECULU — Stalla primi mula, —

Dis.

Waltensbg.

prigil jniüh5 fpi'g'l

}

pri'g l fmlühs

Conters

Alvaneu

pri\v»l jtoübs

priwil miüla

pri'.vil mjoüla,







Filisur

Altueng. prigual miglas spegiel9

8

Tomils 6 pri'.gal miüla fpög'l

Bergün prjouii l mjogla fpjoivil

Scheid priwsl miüla fP tßjitf, 1 QUINDECIM > kbidif, PATRINU > padriy „Pate", PINEA > piga „Ofen", ebenso in FULIGINE > futty „Rufs", SILIGINE > tsl/p

„Spelt". In jüngeren Neubildungen wird das Suffix -INU > -ig, z. B. baliyts „Schrot", botfiy „Mundstück", diatiy „Kätzchen" (aber älteres diatttj „Zank"), frtriy „Brüderchen". — In älteren dagegen ig: kurtsiy (COHORT-) „Blacktengarten", kuplg (CUPPA) „Schüsselchen mit Henkel". Auffällig sind die folgenden zwei Wörter: CÜNA > • tfin'.a „Wiege", TICINU > ta\ig „Bergamaskerschäfer", nwjrtsn ta\ig>s „ Bergamaskerschafe (nicht Tessiner!)". Letzteres Wort ist wohl wie der aus dem Engadin kommende Hirte ein nicht einheimisches [engadinisches] Wanderwort. Bei tfin.a zeigt schon der Konsonantismus, dafs wir es nicht mit einem bodenständigen Wort zu tun haben. § 6g. In geschlossener Silbe ist é das gewöhnliche Resultat von I, ü. Hierin geht Bergün genau mit dem Obw. und Nidw., wo überall grofse Einförmigkeit herrscht Übrigens hat auch das Eng. hier einen Monophthongen, vgl. DÎCTU, Gartn., Gram. p. 63 und FRÜCTU, Gartn., Hbch. p. 1 4 1 . Dis.

Tom.

Stalla

Alv. Fil.

det( (G.) djêtç ditç (G.) zéi fretç (G.) frilç fryt (G.) (exsûCTu)^

OEng.

Sent

dit dit. fryt (fryt (G.))

BÜSTU > ii bift „ärmelloses Prinzefskleid (Bluse und Rock an einem Stück)", béft sât „Unterrock" [Sus. 399 in ilg mes biisl, Sus. Chur 399 bist „Leib, Schois"], CLAVÎCULA > klaveia „Bolzen, Holznagel", CORNÏCULA ( + CORVU) > kurvda „Krähe", (EX)SÜCTU 1 Gartner hat kendf/ gehört, cfr. Gram. § aoo, dagegen ei¡. et]&, end>f, ver) Gram. § 200.

97 - A > slts, FRUCTU >

sJtsa, „trocken", f r e t s 1 „Frucht",

FILIU -A > f e i , fHa, „ S o h n , T o c h t e r " , JUSTU > dzi/t „gerecht, g e r a d e " , LICIOS

> i i l f t s „Schnurkämme (am Webstuhl), d a s T r u m m (Ende der K e t t e cum Anknüpfen neuer F ä d e n , eines neuen Zettels)", MINUTULA > (bi>fts[a] amblidna, „ K l e i n v i e h " , PERDÜCTA > parditsa, „Brautführer", *RUPTICIU > rutttf "neugebrochener A c k e r , Neubruch (im ersten Jahr)" (vgl. Pall. rutlitsch), ü s n u (für OSTIU) > ef „ T ü r " . Die gleiche Entwicklung zeigen a u c h : PLUS > iils plis: „ d i e Mehreahl" u n d darnach: ii pli „ a m meisten", vortonig aber pi „mehr", pi bo:t „früher" ; auch im O E n g . pys, p y . PULICE > pihf [Gartn., Gram. § 200 p t h f \ „ F l o h " . — Ein Blick auf Gärtners § 200 zeigt, dafs PLUS und PULICE in ganz Bünden wie in gegeschlossener Silbe sich entwickelten. Weit verbreitet in Oberitalien [cfr. Mussafia, Beitrag, p. 69] ist ein Verbum INITIARE „ a n s c h n e i d e n " , dessen romanische Vertreter gröfsten Teils nicht auf INITIUM, sondern auf INITIUM [Einflufs von INIRE (?)] zurückgehen. Damit stimmt auch überein bgü. tl nlts f f f t „er brockt ein" (INTUS), tl yicts» „er braucht an, schneidet an [Butterballen]", tl \nitsa /& butita „er öffnet die Flasche". Diese Entwicklung von ü, > > i weisen auch gelehrte und jüngere Wörter auf, wie # D I S - UTILE > da\it*l, da\(tla, „träg", „VerFASTIDIU > f a f t l d i „ G r a m , K u m m e r " , JUDICIU > djudtts? nunft". SPIRITU, das in allen romanischen Sprachen nur als Buchwort vorkommt, lautet in Bgü. ii fpi->rt „Geist, Gespenst; Brennspiritus". A u c h die Formen von Sent f p l e r t , O E n g . f p i i r t , altobeng. s p i e r t bei Bifrun, Domleschg fpi&rt stimmen genau zu einem hypothetischen # SPKRITU, d. h. gelangten zum gleichen Resultat wie E vor auslautendem u [cfr. § 36]. Solange wir nicht wissen, in welcher Form es in die romanischen Sprachen aufgenommen wurde, wird es wohl unentschieden bleiben, o b SPIRITU vielleicht zu einer Zeit in den Mundarten des E n g a d i n s und Mittelbündens Einlafs fand, d a es unwillkürlich in die Reihe der Fälle von E vor auslautendem u geriet, oder o b mit Walbg. (§ 46) Entwicklung eines » nach «' vor Liquida + K o n s , angenommen werden mufs. — Wie die altobw. Form s p i e r t neben s p i r t [ d g i - 1 , 24 und 20, n. 2] zu bewerten ist, wage ich nicht zu entscheiden; jedenfalls geht heutiges obw. f p e r t (Dis.), f p e r t (Somvix) „ G e i s t , Gespenst, Einbildung" eigene W e g e , d. h. nicht mit HIBERNU > umviirn, sondern eher mit I in geschlossener Silbe, f t i , d e t f , vgl. Huo. 492 u. § 70. W i e wir in offener Silbe eine ganze Reihe von Wörtern treffen, w o I, ü > i g , ik werden (statt e g , ek § 65, c), so b e g e g n e n wir auch in geschlossener Silbe einer ähnlichen Reihe und wie dort, fehlt auch hier eine befriedigende Erklärung. 1

Gärtner notiert frtts.

Beiheft eur Zeilachr. f. rom. Phil. L X X 1 .

7

98 ACUTIAT > tl djitsa „ e r w e t z t " , tl \diitsa „er stumpft a b " ; (•CIÜCCA » tfit(& „ B a u ins t r u n k " [ E n g . t/yt{&\; (*CLTICCA > ) fkudit(& „ P e i t s c h e " , V b . tl /kudit(& „geifseln, peitschen"; ERICIU > ritf, rit/a „ k r a u s " , t(o ritf „ L o c k e n k o p f " , trva ritja „Krausem i n z e " , itts rit/ts „ d i e L o c k e n w i c k e l " ; FICTE (FICTU) > fits „ s e h r " ,

LENTICULA > lantiia „ L i n s e " , tif, ii/a „glatt" (germ. Lisi) dürfte ital. Lehnwort sein, cfr. REW. 5 0 8 1 ; *PICCAT > tl petfa „er klopft" [neben

pel(&\;

Abltg. von

*PILÜCCARE >

tfavtlts

iiplitf

„kleiner

Haarbüschel", /y plitf „Schlag mit Lineal auf die Fingerspitzen (und auch auf die Handfläche)", do to; plitf sc.l Ii tfu'.ra, „gib der Ziege ein wenig Salz (d. h. ein bifschen, was man mit den Fingerspitzen erfafst)"; PITS- > pits „ G i p f e l , Bergspitze", pits alvra, = „neuer Piz Üertsch", aber in Latsch iits pits dit lantsv»l „die Ecken der B l a c h e " ; PÜ(N)CTU > ii pits „ S t i c h = N a d e l s t i c h " ( p i t s da kro\tt& „ K r e u z - " , pits da fltp.sn „ H i n t e r s t i c h " ) ; PÜ(N)CTA >• lapitsa „Stütze,

Pfosten, jeder aufrechte B a l k e n " , pitsa, true./ „Brunnensäule", pitsts dit klf.r „Seitenbäume am Webstuhl", la p/tsa, las petsn „ D a c h pfetten, aufrechte B a l k e n " ; PDTEO > e /pits (analog tl /pitsa) „ich s t i n k e " ; TRISTE >

tri/t,

tri/ta

„traurig".

§ 7 1 . D a s heutige Resultat von lateinischen 9 in offener Silbe ist o\. Dieser Z u g trennt Bergün vom O E n g . (mit „verhärtetem" Diphthong dg, dk) und verbindet es anderseits mit dem nidwaldischen Gebiet. 1 Dis.

T o m . Savogn.

COR

kor (G.)

ROTA

roda (G.) ro'.da ro'.da

Bergün: FILIOLA >

>

ko'.r

ko:r

Alv.

Stalla

Celer. Zuoz

Sent

kdkf

kor

rdgda

roda

ko:r

ro'.da

ro\da ro'.da ( G . )

ko:r, ro'-da, ferner

fiio'.la

Filis.

kor

ko\r (G.)

#CORROTAT

>

tl kro:da „er fällt",

„ w e i b l i c h e s P a t e n k i n d " , MORIT >

no:da „Muttermal, Hauszeichen",

g e w o h n t " , SOROR >

SOLET >

tl mo:ra,

tl so:la

NOTA

„pflegt,

ist

so.ra.

FORIS (FORAS) lautet heute o:r „aus", ebenso in den Zusammensetzungen dzuro'.r „Uber . . . hinaus, obenhin". Sus. 87 our, 132 oura, 4 1 9 londr' our. In Latsch und vom ältesten Bergüner (Nuttin Falett) hörte ich ein sehr geschlossenes ö:, oder ein offenes «:. dadv.r, dadö'.r „draufsen", /er m romanischen Hiatus mit a ergibt ywa. Diese Sonderentwicklung scheint dem O b w . und einem Teil des Nidw. fremd zu sein [weil der K o n s o n a n t nicht fällt und somit kein Hiatus entsteht], findet sich hingegen auch im Eng., im Oberhalbstein, in Alvaneu und in Filisur. [Vgl. Agi. I, 1 7 g (§ 50) und die heutigen Resultate ro~a neben jova in Sent.] Dis. *PLQVERE phv>r

Tom.

(G.)

Savogn.

plowir

Alv.

plyw>r

rawa



dzawa



rog>

ro'.ga



ruja

JOCAT









Celer.

Stalla

(plo'.[vpr)

ROGAT

plff.vtr

Fil.

plwutr

plotr

(G.)

Sent plo\v*r

ro:va

ro~a1

diowa

jova,

(G.)

Bergün: pljw>r, i phiva „es regnet" ; tl rowa „ e r b i t t e t , fleht", „spielt", ferner: LOCAT > tl Iowa „er ordnet", tl (a)z Iowa legt sich zurechi" [ebenso die 1. sg. ev am low (analog), die

dzowa

„er

2. s g . te (a)d öwjs, I. pl. nogz andz hwm, 3. pl. tldz az hw>n\, i l \tewa ( < DISLOCAT) „er verlegt (etwas)", MOVET > tl (az) mowa,

„er bewegt (sich), rührt sich", Inf. m3tv>rm, NOVA > la tiywa „ N a c h richt, Bericht", Sus. 147 nouvas'1', ADOPERAT > tl drywa „er braucht" [mit Metathese, die auch im Eng. vorkommt = drow&\, Inf. drue'.r u n d duvre.r, Sus. 4 7 6 el douvr' angion'1', PROBAT > prDiva „er versucht"; kumprywa (COM-) „beweist, Beweis".

tl

Walbg. erklärt § 230, dafs das v in lo va (LOCAT) und dio'va von ou im Hiatus herrührt und hat damit sicher Recht. A b e r in der Fufsnote zu § 134 trennt er auffälligerweise die beiden (JOCAT)

F ä l l e lo'va (OPERA),

(LOCAT) u n d djo'va dro-va

(ADOPERAT)

(JOCAT) v o n mo vsr u n d plo-va

(PLÖVIT

(MOVERE), cl.

PLUIT),

o'vra die

er

d a n n im § 48 bespricht. Diese Auffassung ist kaum haltbar; vielmehr ist auch für das O E n g . die abweichende Entwicklung auf romanischen Hiatus zurückzuführen. Das v in den engad. Wörtern wie plo-va „es regnet", mo va (MOVET) geht eben auch nicht direkt auf lat. -v-, oder genauer -w-, zurück, sondern ging aus d e m gleichen Diphthong im Hiatus hervor wie das v in lo-va, dio'va, ro'va — b e r g ü n . hua, roüa = Filisur lawa,

wo v nicht direkt endgültig, z. B. ADOPERARE > PROBARE >

dzyiva, rjiva dzawa, rawa;

=

S e n t loüa, jova, roa A l v a n . luja, zuja, ruja.

auf den Haupttonvokal

O E n g . u. B g ü . drue'.r „



prue.r

neben Denn

folgt, verschwindet

JOCARE > wie: ROGARE >

es

OEng. djue.r, B g ü . dzue'.r OEng. und B g ü . rue'.r.

1 Palt § 83; dagegen roüa im § 328. * Die Sus. gibt auch hier, wie in den Beispielen für § 71, immer die eDgadinische Orthographie, Sus. 157 (tu) rouv da cour.

7*

too § 73. Lateinisches 9 vor auslautendem U u n d vor j erleidet im g a n z e n rätoromanischen Gebiet Brechnng. D i e Fortentwicklung und das jetzige Ergebnis hängen vielfach von der SteDung d e s 9 im W o r t und von der Natur des folgenden Konsonanten ab. Tom.

Dis. HORTU FOCU *PL9VIA OCULU SOMNIU

irrt ùrt fiük fi» plütii» plirodi& ti èl siimi siimi

Savognin i'.'rt

Filisur

Stalla

ùrt

i»rt Prt fra fyK (G.) fi fi» plr.vdia. plvjvdja. plr.ivdja, plyvdja (G.) ii H i-i yi (G.) siimi (t)siimì symi —

Celer.

Sent

yirt fe plSvdia 0\Ì soffrii

Alvaneu

ieri f* plevdja 0t semi

Bergiin virt fra plinaja, i-i (Ù) sjemi

In unserer Mundart ergibt die durch u, j bedingte Brechung 5 verschiedene Resultate: »v, je, e, é, (j)u, ohne die Resultate, die in d e n §§ 74 fr. besprochen sind, mitzuzählen. a) fo [oft auch i\> und »>]. Im Auslaut und vor den romanischen f, l, r, t, t{, v lautet der Diphthong heute i v [Sus. schreibt: ie; das E n g . hat 0, und vor r y>, Sent ie, Stalla y, T o m . »«, Dis. i>, iü\. jocu >

dzi-3,

[Sus. 64 fie\ LOCU > Iii [Sus. 64 briitf da, ptr/lf „Schmalztopf", bri-itf da grjma „ R a h m g e f ä f s " , briitf da me'.l „ H o n i g k ü b e l " , A b l t g . brvil(& „sehr dickes W e i b " ; CASEOLU > tfiyjl „ K ä s e " ; CORNU > tfiirn „ H u f (des Pferdes)"; FLOCCU > fli-itf "Härchen am Wollstoff"; G L O R I A > gli'rdja, „ R u h m " (veralt); HORDEOLU > surandzi'il „Gerstenkorn am A u g e " ; *JOVIA > dzirvdja, „ D o n n e r s t a g " ; LINTEOLU > lantsiü „Leinwand"; MEMORIA > mimiirdja „Gedächtnis" [Sus. C h . 5 1 1 mimirgia]; MODU > mirt „Art und Weise" [Sus. 154, 436 mied]-, (DE) NOVU >• ig dani'•»/ „eine Neuigkeit" und A d v . daninmt.yls „aufs neue, von n e u e m " ; PARIOLU > pariil „ K e s s e l " ; POPULU > pirnl „ V o l k " [Sus. 44 pievef]; PORCU > purtf „ S c h w e i n " ; PORTICU > piirfi „ V o r r a u m im Hausflur (nur noch in alten H ä u s e r n ) " ; SOLIDU > sisl und siiti, isp siil „gesundes (nicht faules) Holz, frisch, nüchtern". Abltg. iits siilts „Holzbeschläge a n den Schlittenkufen (offenbar weil dazu kerngesundes Holz nötig)"; TORTU > • ti>rt „ U n r e c h t " , dazu ftiirt „ V e r r e n k u n g " und A d j . „verbogen, verdreht". /»>]; BROCHIS [ = =

FOCU >

#BROCCU]

fri

>

b) V o r ss, TS (aus -TJU), NN und MM lautet der Diphthong meistens je [neben Te oder i> mit unbestimmter A k z e n t l a g e , was vielleicht den Schlufs erlaubt, das Resultat je als ziemlich j u n g anzusehen; im Eng. lautet der Diphthong 0, in Dis. und T o m .

101

vor s s : DOSSU > dies: „Rücken", als Fl.n. som dies:, pro: da dies:, davo's som dies:. — GROSSU bat in einigen Wendungen als Adv. noch die echte Entwicklung bewahrt, so in kj t da, grjes: „da hat's haufenweise, dick" (seil. Geld, Ungeziefer u. a.), ko ii da grjes, i j t grjes: „hier ist Überflufs"; das Adj. heilst heute grjs:, nach dem Fem. gros:a < GROSSA. — XOSTRU (für ganz Bünden pafst ein hypothetisches *N'9SSU) > njts: „unser", aber nur betont und in Pausa, ke ko t tijes: „das ist unser", ii njts: „das Unsrige", Sus. 4 7 7 ilg tiiess. Ebenso [ V E S T R U = ] VOSTRU ( = * V 9 S S U ) > 7jes: „euer", kt io ( vjes:, ii vjes:. — SUPER OSSU > suries• [und surfes, suri-ss] „Überbein". Für „Knochen" sagt man heute: ii os:, PI. iidz osUs, Koll. usr.adegra „das Gebein", om dad us:?d i jung. Im Engadin, wo der Diphthong aus 9 nicht ii, je ergab, wurde LL nicht palatalisiert: OEng. kulels, Sent kalots. Im gewöhnliches I, Disentis Obw. treffen wir vor dem Diphthongen kulüts Huo. 495 u. Vor lateinischem la sjen „Schlaf".

MX :

SOMXIU >

ii sjemi „Traum",

SOMNU

>

c) Vor romanischem tj ( < [^JKIU, [9]NIA) wird der Diphthong [aus 9] zu e, 6. Die rätische Entsprechung von ital. bisogno, aprov. be\oith und der Reflex von *MENTIONIA lauten in Dis. baze/is miniseji)

Tom. Savogn. bazfjits bazi:nls mantstji& —

Alvaneu Filisur bazejits da bzfjits — mantseji*

Stalla bazqji mantsfyi*

EDg. bzq/i mantsqjia

Es kann kein Zweifel herrschen darüber, dafs für das rätische Gebiet von - 9 N I U , - 9 N I A auszugehen ist, im Gegensatz zum Italienischen bisogno, das vielleicht auf-oNlU zurückgeht (cfr. immerhin spgno, M.-L., Gramm, della ling. it., § 40). Vgl. dazu Ascoli, Agi. I, 29, § 56 [wo er 9, sei es primäres oder sekundäres, ansetzt], Agi. VII, 505, ferner auch Huo. 504 o. [und 497 m.]. Bergüner Beispiele: bziyts in adavtr da bzigts „nöiig haben", ii da bz-ffls „Not" [ = ital. bisogno], Kng. bzeyi, Obw. bazejts; fatfiij „Geschäftigkeit" [Abi. von F A C E R E ] , Eng. f a t f f y i ; er ampfantstya, „fantasieren" [ I R E IN PHANTASIA + Suffixwechsel, Eng. fanlsfyia]; mantsirja „Lüge" [ < *MENTIONIA], Eng. mantsejia, Obw. msntsejia; pitaneg „Hurerei" [Abi. von P U T I D A N A ] , Eng. pitanq/i; ftritq „Spuk, Hexerei" [AbL von S T R I G A ] , Eng. ftriqji. 1

-ociu geht nicht, weil ci >

t j geworden wäre, cfir. § 303.

102 d) Ganz eigentümlich hat sich der Diphthong [aus 9 vor j, u] in folgenden zwei Fällen entwickelt: ( D E ) L O N G E + L O N G U 1 > iugtf und daiugtf; sl t daturjtf ditts se:s „er ist fern von den Seinen", i torja, daturjtf „es donnert in der Ferne", e vep tur/tf davtnt „ich gehe weit weg", Sus. 77 da liuntsch „weit entfernt", Sus. 53 liuntsch davtnd „weit". — ' C O M P T I A T > titfuytfa, „sie flickt" [Inf. t(ugtfer.r] und dazu das Adj. und Adv. ¡fugt/ „leicht", tfavat tfi ttma, tfur/tf „Pferd, das leicht scheut", tfugtfa, manr.a „gute, nachgibige Mutter", Sus. 407 mamma chiuntscha, Sus. 383 cuschidr' eu chiuntsch. In Bergün werden wir es in diesen Fällen mit einem frühem Triphthongen *ieu [cfr. Agi. I, 134, n. 2.] zu tun haben. Der erste Teil des Triphthongen ist im vorausgehenden Konsonanten aufgegangen. Das geht nicht nur aus den heutigen Konsonanten i (und t{) hervor (vgl. §§ 127 und 1 2 1 ) , sondern auch aus direkten Beweisen aus der Sus. 77 da liuntsch, 53 liuntsch davend. Der dritte Teil des Triphthongen hätte mit dem dentalen Nasal den velaren Nasal r/ gebildet, vgl. dazu § 29: P A N E > *paun > pay. § 74. Vor romanischem i [ < CL, LJ] entwickelt sich 9 zu i: und in einigen Fällen zu ¿\ [Eng. zu 0, Stalla y, Tomils Dis. bi.t „Darm"; * D O L I A S > dv.bs „Geburtswehen"; F O L I A > fr.ta „Laub" (Koll.); F O L I U > fi.i „Blatt", dazu T R I F O L I U > trafi-i „Klee"; O C ( U ) L U > i:i [und e\f\; M O L L I A T > f/a \miisb, Inf. ynite'.r — „Wäsche in heifsem Wasser einseifen und reiben"; M O L L I U (oder Verbalsbst.) > ii ^rnii, fmli „Lauge, Lau gen wasser", ava, \mei „zweites Laugenwasser (neben \me.i, fme'.i)', * V O L E O > e vi: „ich will"; Inf. Iskf (vgl. Huo. 497, o.) und Verbalsubst. (nach Huo. 4 Q 7 o. * V O L E A ) > vi.ia „Willen (Lust?)", hinter vi.ia „mit Widerwillen", Sus. 104 viglia. § 75. Eine zweite Art der Brechung des 9 tritt vor Palatal, vor anderm Auslaut als u ein. Während aber die Brechung von 0 vor u, j allgemein rätisch ist, scheint die Brechung vor Palatal, wenigstens heute, nur an einzelnen Punkten Spuren hinterlassen zu haben, cfr. Gartn., Gram., § 200. Früher war aber die Diphthongierung des 9 vor Palatal vielleicht über das ganze rätoromanische Gebiet verbreitet, jedenfalls über ein gröfseres Gebiet als heute; es scheint später eine Regressionsbewegung den Diph1 E s sei vorerst bemerkt, data wir in lurjtj, dalutjtf den Vokal von LONGU vorfinden, dagegen steckt in -uftf das lateinische -NG vor K von LONGE, cfr. Agi. I, 134, n. 2. Zu (DK) LONGU > lurjtf „lange", daloytf „sofort", cfr. § 260; zu - N G E § 259. — Genau die gleiche Verteilung finden wir im O E n g . : dale.nt/ „weit, fern"; aber Iv.ntf „lange", dale-.tjtf „seit langem". — In Disentis scheint LONGE (ohne Einwirkung von LONGU > llinj ergeben zu haben [denn LONGU > hurt]). A b e r im Tavetsch begegnen wir dem Vokal von LONGU in L 9 N G E

> lunf (aus liunj);

ebenso z. T. im Nidw. Itinf, cfr. Huo. 504 m. und n. 2.

io

3

thongen wieder verwischt zu haben. Man vgl. z. B. Bifruns Formen und Agi. I, 182, § 5 4 : altoeng. COCTA > cuotta, COCCINA > cuotschna und danach cuotschen (neben COCCINU > chinetschen) und altueng. noatt, coalta, cfr. Agi. I, 234, § 54 gegenüber den heutigen Formen im OEng. o:tf, kota, kytfna, ko't/m, not. Für Scanfs, die unterste Gemeinde des OEng., notiert Gärtner allerdings noch o^/f, k"atfin (Zuoz, nur bei alten Leuten: kwatfen], NOCTE > no*t, Formen, die aber von der heutigen Generation nicht mehr gebraucht werden. Wir stehen also hier noch mitten in der Regressionsbewegung. Während NOCTE und OCTO in Bünden folgendermaßen lauten Dis. Tom. Savogn. Alvan. Filis. Stalla Celer. Sent not( (G.) no/( ny.tf (G.) nots no?ts no:?ff (G.) not not (G.) o!( ot( o.i( (G.) ots oats y.st( (G.) otf ot. hat Bergün die Brechung bis zu dem steigenden Diphthongen w'e fortgeführt. k-vclfnii „rot", und danach m. kivetfm1; COCTA danach m. kw'ets „gekocht", Part, von kzt'ekf; UECE(M) OCTO > di\wets; EXCOCTA > fhveisa „Käseschotten ( = Molken)"; NOCTE > mue/s; OCTO > ivets; PODIA > pwedza „Stütze"; roDTAT > vipiv'edza „er stützt", Inf. pudze'.r. COCCINA >

>

facetsa.

und

§ 76. Eine dritte Art bedingten Lautwandels des lateinischen y vor nachfolgendem Palatal \_j < c, j ] und auslautendem u führt im romanischen Inlaut zu besondem Resultaten, die sich wieder, je nach ihrer Umgebung, differenzieren. Diese Sonderentwicklung vor P a l a t a l + trennt Bergün scharf vom Engadin, wo sich CORIU > t(6r wie FOCU > fe, 'pLyviA > phrvdja entwickelt und verbindet Bergün mit Mittelbünden und dem Obwaldischen, wo auch Sonderentwicklung vorliegt. Disentis tpr aber fiük, plm FOSSA) und oeng. cossa „Schenkel" (Pallioppi); Sent kof* „Schenkel".¡> § 77. Eine letzte, hochinteressante bergünerische Art der Brechung des lat. 9 fand statt vor L -j- s und v -J- s (in romanischer Zeit) und vor v im romanischen Auslaut. Das Resultat lautet heute -okftts] und - j k [ f ] und betrifft folgende Wörter: 1. -9LOS: APIOLOS > aviok(ts „Bienen- 1 ; CALCÉOLOS > tfatfok(ls „Hausschuhe, Finken"; CAPREOLOS > tfavriokfts „Rehe"; CARIÓLOS > /(¡rjk{ts „Milbe, Käsemilbe"; HAEDIOLOS* > udz3k(is 1 F ü r d e n Wechsel v o n NM > rm vgl. ANIMA > J.srm» „Seele" § 319, d . * Vgl. Huo. 498. 8 Cfr. Gartn., Gramm., § 4 8 , Gartn., Hbch., p. 271. 4 la fo\ rfk di\dz udzjk^ts, FI,o. t eine W e i d e am Eingang des Val Tuors«

io

5

„ R e h z i c k l e i n " ; RAPIOLOS(?) > ravbkfis „ ( K r a u t - ) K r ä p f l e i n " ; *SPOLO -f- s (ahd.) > fpoktfs und fpbkfts „Fadenspulen- 1 . 2. -9VOS: NOVOS >

nok/ts \njkf, nogva, njgws];

*QVOS >

ok/ts

\pkf\ 3. -9VE: XOVEM).

BOVE >

bjkf,

bjk/ts;

NOVE > nokf, diytjkf

(DECEM

Hierher gehört auch der Ortsn. vitlsarjk(ts „ Vazerol, ein Weiler nördlich von Tiefenkastel (ffa/(ii)u, eine Abltg. vom Stamm vafs, d a s der romanische N a m e für Obervaz und weitbekannt ist d u r c h die mittelalterlichen Freiherrn von Vaz. F e r n e r vielleicht auch noch MOLITU > mjokt (neben mjjkt) „ g e m a h l e n " , Sus. 4 6 6 miout [cfr. Filis. miokt, A l v . mnvt, S a v o g n . miokt, Dis. miiit, Sent mioüt\; MOLITA > mjokia fem.; *VOLVITA > tokta, vokta, „ W e n d u n g , Drehung [mit dem P f l u g ] " , dazu anoha „schnelle W e n d u n g " (•< RE + v-), cfr. Dis. viüt» (neben r?ü!ia,', •VOLVITU > vokt, vokt „ G e w ö l b e , T o r b o g e n , Part.: g e k e h r t " [cfr. Filis. vijkt, Alv. viwt, Sent vot]\ *EXVOLVITAT > el \vokta „ e r durchwühlt". V g l . auch LEP(O)RL > iok{, vgl. § 4 3 . S e h e n wir noch, wie es im übrigen B ü n d e n mit dieser Sonderentwicklung steht. Im Oberengadin ist keine Spur d a v o n vorh a n d e n , d a APIOLOS > avibklts1 — BOVE > buk/ — COR > kdkr — ROTA > rdgd* lauten. 2 Schon bei Bifrun herrscht Übereinstimmung linzous (LINTEOLOS) = bouf (und buof) — nou/s (und nuofs) (NOVOS) = cour = rouda. In Mittelbünden, im Obwaldischen und im U n t e r e n g a d i n hing e g e n finden wir Spuren dieser Sonderentwicklung, doch nicht überall so zahlreiche Belege. In Filisur aviawlts, tfiraiclls [aber ko'.r usw. vgl. o b e n ] ; Alvaneu avewlts, tfirewlts, kalfewlts „ S t r ü m p f e " ; Savognin ai'hwl, kaltfowl, S g . vom Plur. zurückgebildet. In Sent finden wir v o n den oben angeführten Wörtern nur avioü „ B i e n e " , ein Sg., der selbstredend vom PI. APIOLOS seinen Vokalismus bezogen hat. D a f ü r aber haben sich dort die Plurale joüs und loüs (JOCOS und LOCOS) neben dem Sg. je und Je erhalten u n d bei Campell (altueng.) pouvels (POPULOS) neben Sg.paevel. F ü r joüs und loüs in Sent genügt die Erklärung der B r e c h u n g des 9 durch f o l g e n d e s l -f- s, v + s, wie in B e r g ü n , nicht. M a n müfste denn a n n e h m e n , d a f s - c - schon vor der Diphthongierung des 9 über -G- zu iv w u r d e ; dagegen wäre a b e r einzuwenden, dafs die D i p h t h o n g i e r u n g zeitlich eine der ersten romanischen Spracherscheinungen ist. In Tomils sind zwei verschiedene Resultate der S o n d e r entwicklung zu verzeichnen; d a aber so spärliches Material vorliegt, 1

Daneben die analoge Form avie.lts nach dem Sg. » Vgl. § 7 und Walbg. § 47, 49 g.

ioó begnüge ich mich, sie hier anzugliedern, aviül „die Biene", 1 Mtfw.l „der Strumpf", beides Sg. vom Plural aus zurückgebildet.1 In Disentís sind ebenfalls zwei Resultate der Sonderentwicklung zu unterscheiden (vgl. Huo. p. 500—502). Zum Sg. -J>/ lautet der PI. -iüls, kitfiüls ( C A L C É O L O S ) , Carig. tgareuls ( C A R I O L O S ) [und so noch in ungefähr 30 Wörtern], A P I O L O S und R A P I O L O S (?) ergeben roiüls, nviüls = Sg. sviül, rmiül. Huonder läfst die Frage unentschieden, ob der PI. lautgerecht ist; der Sg. kann es natürlich nicht sein. Ferner (cfr. p. 501 u.) wirft er die Frage auf, ob das vorhergehende j die Sonderentwicklung bewirkt haben könnte. Er bezweifelt es und schlägt eher A P I O L U -{- A P I C U L A vor. Es scheint mir sicher, dafs in den Fällen unter 1. und 2. vom Plural ( A P I O L O S , NOVOS) auszugehen ist. — Bei BOVE > bokf ist ein Plural unwahrscheinlich und bei NOVE > nokf unmöglich anzunehmen. Die Sonderentwicklung mufs also wohl durch folgendes L oder v, die ja beide dem u sehr nahe stehen und vielleicht ein u abgegeben haben, erklärt werden. Auffällig ist dann freilich, dafs L vor s nicht fällt. Wenn wir nun in Sent avioüs und bei Bifrun linzous (I.INTEOLOS) neben Sg. linzoel finden, so liegt es sehr nahe, auch für das übrige Bünden früheren Schwund des L anzunehmen. Vom Sg. wäre I. wieder in den Plural gedrungen. Man kann aber für Mittelbünden und fürs Obwaldische auch sehr frühe Analogiewirkung des Sg. auf den PI. annehmen, derart dafs L nie ganz schwinden konnte. Jedenfalls ist die Erhaltung (oder Wiedereinführung) des l im PI. der Analogiewirkung des Sg. zuzuschreiben.

§ 78. In geschlossener Silbe (aufser vor auslautendem -u, -1 und vor gewissen j-Verbindungen 3 ) erscheinen zwei Resultate aus 9 : 3 und Während der Monophthong j im Obw. und Eng. das einzige h e u t i g e Resultat zu sein scheint, 4 begegnen wir in einem Teil des nidw. Gebietes dem Diphthongen o'J vor r -f- Kons, und / + Kons. COSTA DORMIT FOSSA VOLVERE

Dis. Tomils kofti kofta dorm) do»rma — for.z volver volver

Alvan. (BOSCU >

(katy.rdif) fos.a volvtr

Filis. byjftf) (katyjrdif) fjs:a volv>r

Celer. Sent kyflsi kofta, rhrma dorma, fosa fos.a volv>r volvar

1 Luzi § 14 setzt APICULA a n ; aber auch hier liegt wohl APIQLOS (vielleicht -+- APICULA?) ZU G r u n d e w i e im übrigen B ü n d e n . * T r o t z d e m L u z i § 87 »CALCEOLU ansetzt. * V g l . § 73 *PL(JVIA pli rvdja, GLQRIA USW.; hingegen gehören hierher F ä l l e wie: FORTIA fo\9Vts& „ K r a f t " ; il ffy.irtsa, „ z w i n g t " , HODIE > als; ROTULAT > el ro-.dla, ro-.rla,, SCORTKA > fky.trtsa, „ R i n d e " . V g l . dazu § 36, n. 1. * V g l . Gartn., Hbch., p. 160 DORMIT, Gartn., Gram., p. 192 QUATTUORDECIM.

107 Ein Blick auf die alteng. Verhältnisse zeigt uns aber, dafs der heute nur noch im Nidw. erhaltene D i p h t h o n g früher viel weiter verbreitet w a r ; denn wir finden im Altueng. F o r m e n wie uoaluer, poass, oassa, prapoast, coarna, moarta, s' algoarda, soart usw., cfr. Agi. I, 234. Im Altoeng. algoardas, dnormen bei Bifrun (cfr. Agi. I, 182). F e r n e r in Ulrichs Altoeng. Lesestücken, gloss.: s' arvoaiver „sich w e n d e n " , aroast „ R o s t " , coarp „Körper", coasta „ R i p p e " , foarza „ G e w a l t " , forza „ K r a f t " , foarza „vielleicht", foassa „ G r u b e " , oarf „ b l i n d " , poast „Stellung", soart „Schicksal", spoardscher „ r e i c h e n " , moart „Tod". Somit ist es klar, dafs wir in den bgün. und nidw. Fällen mit erhaltenem Diphthong eine alte, früher viel weiter verbreitete P h a s e zu sehen haben, und dafs die jüngeren m o n o p h t h o n g i s c h e n F o r m e n als Resultat einer Regression aufzufassen s i n d , die noch heute im G a n g ist. D e n n bei der jüngsten G e n e r a t i o n in Bergün ist nur n o c h ein sehr g e d e h n t e s y., aber kein o.3 mehr hörbar, z. B. tl dy.rma, fy.rtsa (*FORTIA), 11 z algy.rda (RECORDAT), apy.fta „ a b sichtlich", tl z dy.fta, (DE -(- OBSTAT). Die gleiche A u s s p r a c h e treffen wir a u c h bei der mittlem und altern Generation B e r g ü n s in satzunbetonter Stellung, z. B. 11 dyrma fttq a bry „er schläft fest und g u t " ; tl dyfta In fom „er stillt den Hunger". Im Domleschg kommt dieser D i p h t h o n g JJ nur vor r + K o n s , v o r ; cfr. Luzi § 53. In Filisur vor r + K o n s , und f -f- K o n s , wie in Bgü. Gärtner hat diesen L a u t nirgends notiert, w e d e r in R o t h e n brunnen, noch in Scharans, noch in B e r g ü n ; vgl. Gartn., Graf»., p. 1 9 2 QUATTUORDECIM u n d

Hbch.,

Ascoli ihn festgehalten, cfr. Agi.

p. 1 6 o

DORMIT ; w o h l a b e r

hat

I, 247 u n d vgl. o b e n p. 3 1 .

a) In Bgü. erscheint der Diphthong y.? heute vor r -f- K o n s . THORDA > kwrda „ S c h n u r " , *EXCORT(I)CAT > tl fky)rt(a „er zieht die Haut a b " , EXPORR(I)GIT > tlfpytrd-^a „er bietet a n " , Inf. fpwrdyr-, EXTORQ(U)ET > tl ftyjrd^a „er verdreht", Inf. fty.»rdyn-\ FORFICE > fyjrb?/ „ S c h e r e " , MORDIT > tl my»rda, Inf. myjrd»r „beifsen"; MORSA > myjrtsa „Bifs", PORTA > posrta „Tor", PORTAT > tlapysrta „sie trägt, a u c h : ist trächtig", QUATT(U)ORDECIM > katy.3rd>/, RECORDAT > tl z algy^rda „er erinnert sich", SORTK > sy?rt „Los, A r t " . V o r / + K o n s . : APPOS(I)TA (?) > apy.sfta ..absichtlich" (oder ital. a posta}), byjft( „ B a u m " , Y\.by.?ft(a (BCJSCU) ; COSTA > ky.s/ta „ R i p p e " , DE -f- OBSTAT > tl dysfta „er wehrt a b " , tl az dy.ifta „er wehrt s i c h " ; POSTA > po'»fta „Lagerstelle d e s W i l d e s " , POSTE > py.»ft „Pfosten". E b e n s o in L e h n w ö r t e r n : apyrftrtls (APOSTOLOS), impy.)fta (IMPOS(I)TA) „ S t e u e r " . b) V o r allen übrigen K o n s o n a n t e n lautet 9 in geschlossener Silbe o, und zwar immer kurz. *CL9CCA > k h t ( a „ F l ä s c h c h e n " (= tu. cloche), COLLA > kola „ L e i m " , FOLLE > fol, fol\ „Fell,

io8 Blasbalg", FOSSA > fos:a „Grab" und darnach fos\ »Graben, Grube", GROSSA > gros:a „dick", POLLICE > pol»/, germ. *R9CCA > rolfa „Spinnrocken, 1 VOLVERE > volvr „kehren", il volvaHier können auch COLYRU (für CORYLU, cfr. § 323) > ii koUr „Haselnufsstrauch" und MOLERE und MOLIT > mobr und el mola „mahlen (Korn u. a.)" angeführt werden. Genau wie im Eng. entwickeln sich diese Formen nicht wie in offener Silbe, wie wir es erwarten sollten, sondern wie in geschlossener. Seilt miliar — fossa •< FOSSA und nicht wie ro'da •< ROTA. — Celer. mobr = fosa und nicht wie rbgda, ebenso noch im obern Albulatal, in Filisur und Alvaneu mobr = fos.a, und nicht wie ro:da. HODIE lautet o/s „heute", geht also seine eignen Wege, da sich 9 nicht wie vor Palatal entwickelt hat und auch nicht wie vor 1, § 76. Man könnte nun leicht auf den Gedanken kommen, die Form o/s sei gewählt worden, um ein Mißverständnis mit w'ets — 8 zu vermeiden; denn genau so miifste HODIE lauten, wenn es sich wie vor Palatal: PODIA > pivcdza, OCTO > weis, entwickelt hätte. Allein die abweichende Entwicklung von HODIE > o/s als Umgehung der Homonymie erklären zu wollen, wäre gewagt; denn in Alvaneu z. B. stört die Homophonie von OCTO und HODIE > o/s m. VV. gar nicht. Beachtenswert bleibt, dafs HODIE nicht überall mit OCTO und NOCTE marschiert, siehe oben § 7 5 ; so z. B. in Filis. o/s, aber o»/s — 8, noits „Nacht", in Stalla o/s, aber o\»/( = 8, nov/f „Nacht" (Gartn.), vgl. auch HODIE, Gartn., Hbch., p. 200. Bei Bifrun weichen diese Formen noch stärker voneinander a b ; für HODIE schreibt er huoz, hous, hoz, für OCTO > oick, für NOCTE immer no/. Vgl. endlich auch altueng. hoa/zmae und noa/i, Agi. 1, 234. Warum HODIE in Bünden eigne Wege geht, ist bis heute noch nicht erklärt worden. 0 ( l a t . ö , n). § 7g. Im H i a t u s mit folgendem Vokal (durch Schwund eines D, B, F, P, v, c) ergibt 9 den fallenden Diphthongen ow. Einen Diphthongen zeigt auch im allgemeinen das Obwaldische und Mittelbünden, während das Engadin heute einen Monophthongen hat. CODA IN UBI

Dis. k'?ü3 —

Tom. kiün —

Sav. ku'.ri —

Alv. kewa tmea

Filisur Celer. Sent kowa ku:a kte& noiv& inu:a —

Bergün: CODA > kowa, CUBAT > tla koiva „sie brütet aus", dazu das Subst. ii koiutl „die Brut", DOGA > dowa „Daube, Fafs1 Das rätische rotfa (mit offenem 0) stimmt also mit dem spanischen rueca, nicht mit ital. rocca, geht also auf eine Urform RQKKA (nicht got. RUKKA) zurück.

log d a u b e " , schw. GLUFE > glowa „ S t e c k n a d e l I N S U B U I . U > antsowr „ W e b b a u m " , JUYENE >• dzn1 „ j u n g u n d J ü n g l i n g " , MOBILE > mmvrl „ H e r d e " , NODAT >• g/a nowa, „ ( d i e n e u e n W e b z e t t e l an d i e alten) k n ü p f e n " , OCTOBRE > utsowir, ROBUR >• row?r „Eiche", SCOPA > fkowa, SCOPAT > ila fkowa, *SOCA > sowa „ S e i l " , # IN UBI > anmua „ w o " , Sus. 1 3 1 annua; antsanowa „ i r g e n d w o " (UNU[S?] NON SAPIT IN UBL). I m r o m a n i s c h e n A u s l a u t ist d a s E r g e b n i s ein M o n o § 80. p h t h o n g 0, in Ü b e r e i n s t i m m u n g mit d e m E n g . u n d d e m O b w a l d i s c h e n . M i t t e l b ü n d e n z e i g t a u c h hier (wie i m H i a t ) e i n e n D i p h t h o n g e n .

DEORSU

Dis.

Tom.

Conters

Alv.

Fil.

Celer.

Sent

dju

diiü

dm

zeiv

zo

djb

jo

In B e r g ü n : NON SAPIT QUO (MODO) > antsako: „ i r g e n d w i e " , DEORSU > dzo „ h i n u n t e r , a b " , ALTER UBI > otro „ a n d e r s w o " . — s i e QUO > fku „ w i e " erklärt sich als proklitische F o r m . — STUPET > £///J „ e r m u f s " ist wohl n a c h A n a l o g i e v o n so (SAPIT) u n d / } (FACIT) g e b i l d e t ; n a c h d e r 3. Pers. d a n n a u c h d i e 1. Sg. e f t j „ich mufs". § 81. V u l g ä r l a t e i n i s c h e s o in o f f e n e r Silbe e r g i b t vor o r a l e n Konsonanten einen „konsonantischen oder verhärteten" Diphthongen. D i e s e n Z u g hat B e r g ü n s o w o h l mit d e m O E n g . als a u c h mit d e m Oberhalbstein gemein. Dis. VOCE

vuf

FLORE fliir (G.) GULA

gul»

Tom. vuf flu'.r

Sav. vukf fiokf

Alv.

Filis.

Stalla C e l e r .

vewf

vawf

vuf

vukf

vuf

flowr

flu'.r

flukf

(fluors PI.)

flewr

gu'.la, (yivra1) gnvla, gmvla

gu'Ja gugla

Sent

gula

a) I n B e r g ü n ist d a s h e u t i g e E r g e b n i s meist - o f c v o r stimmlosem u n d -Off- v o r s t i m m h a f t e m K o n s o n a n t : AMOROSU > maroks „Liebster, Schatz", COLORE > kalokf, COLU > kok{ „ M i l c h s e i h e r ( T u c h s i e b ) " , COTE > la kokt „ W e t z s t e i n " , CRUCE > krokf DOLORE > dulokf, VOCE > vokf, CO(N)S(U)ERE > kogzir, EXCUTIT > el fkogda „ e r d r i s c h t " , GULA > gogla „ K e h l e " , u n d hierher g e h ö r t a u c h d a s nur in L a t s c h n o c h l e b e n d i g e og/a „ G e f a f s aus e i n e m Stein (Granit) g e m e i f s e l t " , d a s w i e afrz. oule a u f OLA (statt OLLA) z u r ü c k g e h t , HORA > ogra, „ U h r , S t u n d e " , SPO(N)SA > fpogza „ B r a u t " ; e b e n s o s c h w z . PÜR > pokf „ B a u e r " . — Z u STUPULA > la ftogla K o l ! , „ d i e S t o p p e l n " vgl. § 2 1 2 .

ohne

b) A b e r n e b e n ok, og treffen wir z i e m l i c h h ä u f i g a u c h uk, U f f , d a f s d a f ü r e i n l a u t p h y s i o l o g i s c h e r G r u n d zu finden w ä r e

1 Im Fem. dtogvna, wo v durch Anlehnung an N blieb, entwickelt sich o regelrecht nach § 81.

• HORA.

110 (vgl. auch ek, ik aus I, ü § 65, c). FI.ORE > la flukf „Blume" (neben va/okf); UNU(S) N O N S A P I T Q U A H O R A ' > antsakugra „irgendwann (neben ogra)\ NUCE > nukf „Nufs" (neben noks < N O S , krokf < C R U C E ) ; * O R U > uk{ „Saum", ugr dlaveja „Wegrand"; S E M O R E > si/iukf „Herr", sijtugra „ D a m e " ; S O L U > suk(, sugla „unheimlich, häfslich", ( D E ) S U P E R > dzukf, zukf „oberhalb", O.N. sukf Dorf im Oberhalbstein, „ S u r " ; (DE)S>UPRA > la dzugra „Dachboden", der sugra „übergeben". c) Hierher gehören auch folgende Fälle [z. T . Neubildungen] mit dem Suffix -osu, - O S A 1 : banduks, bandugza ( B O N I T - ) „sanftmütig", defetuks, -ugza „fehlerhaft" ( D E F E C T - ) , dubiuks, -ugza „zweifelhaft" ( D U B I - ) , dziuks „saftig" (von dzej < sucu), d\iiuks „eifersüchtig" ( * z t L o s u ) , faftidiuks „lästig" ( F A S T I D I O S Ü ) , furiuks „hastig, eilig" ( F U R I O S U ) , gu/tuks „wohlschmeckend" ( G U S T - ) , gutruks „mit Kropf behaftet" (von G U T T D R ) , manduks „gelähmt" (von M E N U A ) , paliduks „sumpfig" ( P A L U D O S U ) , pluks „haarig (am Körper)" (PILOSU), plugza „Raupe" und Adj., fpinuks „dornig" ( S P I N O S U ) , valoruks „tapfer" ( V A L O R - ) . d) Die Übereinstimmung dieser Gruppe banduks, dubiuks usw. mit dem Lautstand im OEng., wo o vor einfachem Konsonant immer uk, ug lautet, also auch banduks, dubiuks, flukf, kulukf (vgl. Walbg. § 54), könnte die Vermutung nahe legen, dafs hier engad. Einflufs vorliege. Bei manchen adjektivischen Neubildungen kann man das annehmen (z. T . wohl direkte Entlehnung), wie auch bei Substantiven wie sijiukf „Herr". Aber bei fiukf, ukf, antsakugra, dzugra, (d)zukf ist ein direkter Einflufs des OEng. wohl ausgeschlossen. 3 In der Sus. L. 503 nus (NOS), Sus. Chur 503 nugs, Sus. 501 vus (vos), Sus. Chur 501 71 ugs. Die ältere Stufe wird somft wohl uk, ug' (oder itk, vg) sein. § 82. Besonders zu erwähnen sind J U G U , L U P U , N O D U , WO das auslautende u nach dem Schwund des vorhergehenden K o n sonanten im ganzen rätorom. Gebiet zu f wurde. Während die Peripherie, das Obw. und das UEng., vollständige Übereinstimmung dieser Fälle mit V O C E (USW. § 81) zeigt, weisen Mittelbünden und das OEng. oft verschiedene Resultate auf.

JUGU LUPU* NODU5

Dis.

Tom.

Sav.

Alv.

Fil.

Bergtin

Cel.

Sent

djuf luf nuf

djuf luf nuf

djokf lokf —

dzuf. luf. nuf.

dzowf lowf nowf

dzukf lukf nukf

djüf lüf nuf

juf\ luf nuf.

1 oder vielleicht auch HOMO NON SAPIT . . . wie im Wallis. « Zu einem weiteren Resultat von -osus vgl. § 86, c. * Beachte auch die Schwankung in Savognin vukf, flokf mit umgekehrtem

Verhältnis zu Bgü. voi/, flukf.

4 lugva „Wölfin", besonders lukfii\ neben lugvtt „Wölfchen" sind romanische Ableitungen. 5 Cfr. oben NIDU § 67.

111 Iii T o m i l s u n d Stalla treffen wir k u r z e s u g e g e n ü b e r l a n g e m u\ in i'V.f, in A l v a n e u kurzes u n e b e n vewf, im O E n g . einfaches u n e b e n uk, ug in vukf, gugla, in Filisur a b e r v o l l s t ä n d i g e Ü b e r e i n -

stimmung von dzowf mit vowf, gowla, in Savognin das unklare Verhältnis djokf.1 lokf zu vukf, flokf und endlich in Bergün wieder S o n d e r e n t w i c k l u n g , A b w e i c h u n g v o n d e n z u v e i l ä s s i g e t e n u n d zahlr e i c h e r e n F ä l l e n w i e vokf usw. im § 8 1 . § 83.

Dis.

dutf 'HULGEA bu/dy PULTE put DUI.CE

Tom.

Cont.

Alv.

Filisur

Celer.

Sent

dultf dokf dewtf dökf (ditkf) dükf dvtf buld^a bu\\a btiv\a bög\a (bitg^a) büg\a buol\a — phikt pM-lt pckt (fiikt) pükt put

D a s gleiche Ergebnis und das gleiche Schwanken zwischen ok u n d uk w i e in o f f e n e r Silbe (§ 8 1 , a, b) finden wir a u c h in g e s c h l o s s e n e r Silbe, w o o vor L -F- r o m a n i s c h e m D e n t a l o d e r A l v e o l a r s t a n d , also vor e i n e m L, d a s l a u t g e r e c h t vokalisievt w u r d e , vgl. § 208. In B e r g ü n : a) BULGA (eher *BI:LGEA) > bog\a „lederner Mehls a c k " , CULTRU > koktn „ P f l u g m e s s e r " , *DISOJLCEA > fkcksa, in ßogza fkoksa „ u n b t s c h l a g e n e r S c h l i t t e n " ; A b i . v o n PULTE > U fpokt „ d e r S t ö s s e l " , e! fpokta „ e r z e r d r ü c k t " ; BULSU > boks „ d ä m p f i g (bes. v o m P f e r d ) " . b) DULCE > dukf „ s ü f s " (und d a r n a c h F e m . dukfa, Sus. 3 5 2 dutsch, Sus. Q i u r 5 1 8 dugsch), t'jrva duk/a „ S ü f s h o l z " , PULTE > pukt

„eine Speise von Mais und

Weifsmehl".

§ 84. In g e s c h l o s s e n e r Silbe treten uns j e n a c h d e r B e s c h a f f e n h e i t d e r f o l g e n d e n K o n s o n a n t e n g r u p p e n v e r s c h i e d e n e lautliche V e r t r e t e r d e s lateinischen 9 e n t g e g e n :

u") w'e 6. A u c h im ü b r i g e n B ü n d e n finden wir überall m e h r e r e Resultate; a b e r diese s i n d nicht überall a n die g l e i c h e n K o n s o n a n t e n g r u p p e n gebunden. Dis. FURCA Y«r/(V 1 FORMA fu>rm> MUSCA Vlilftp GENUCULU YNNIT

Tom.

— fiirma miift(a \anvi

Sav.

Alv.

Fil.

Stalla

fu\rtta — mo/tfa yinui

förifa — niö/tfa \anut

fu\nt(a — mu>ft(a \anut

fwrtfa fu)rma mw/t(a ymui (G.)

Celer.

Sent

fu\>rt(& fu\3rma muvftfa fnuvi

fuortfs. fuorma muoftfa fnuot

1 Man beachte die grofse Unregelmäßigkeit selbst innerhalb einer einzigen Ortschaft, vgl. Huo. 511, m.

112 U'e erscheint in Bergün a) vor r + K o n s . : BURSA > busrtsä „ G e l d b e u t e l " , CURTE (für COHORTK) > kw>rt „ H o f , Untergeschofs (vor dem Stall)", FORMA > fu'trma, „ F o r m " , FURCA > fu-triga, „ G a b e l , G a l g e n " , FURNU > fuarn „ O f e n " , ORDIT > da usrdza „sie zettelt (Vorbereitung zum Weben)", SURDU >• su-?rt, su-irda, „taub". — Ebenso in Fl.n.: BIFÜRCAS >• bu'ertps „ W e g g a b e l u n g zwischen Latsch und Stuls", la buarfya, „Weggabelung in V a l T u o r s " ; FURCAS > fu srtps „früherer Richtplatz zwischen dem Dorf und dem krap (Stein)". — Hier sei auch das junge 'u~)rl aus schwz. Ulrich, Pers.N. angeführt. b) vor romanischem \ + K o n s . , f + Kons, (lateinischem s + Kons.): A(U)GUSTU > avusft „ A u g u s t " , CO(N)STAT > kierfta, „es kostet", CRUSTA > krwtfla „Kruste, R i n d e " , MUSCA >• murftga, „ F l i e g e " , Abi. von SÜBSTARE > la, suafta „ d e r g e d e c k t e R a u m fürs V i e h (auf der Alp)", V e r b u m i su-sfta „es hört auf zu r e g n e n " [Part, i s surft und i o su/to'i]) SUSCITAT + OSCITAT > elsu-i^da „er gähnt", *VETUSCULU > vdwsftpl, lafer vdwsftpl „eine Wiese ungemäht lassen", pro', vdtetflfil „Wiese, die nur alle zwei Jahre gemäht w i r d " ; VARI(OLA) + -USCÜLU 1 > virwaftfü „Rotsucht", ebenso schwz. BRÜST > bru'sft „Brust". c) vor romanischem i (aus lateinischem C(U)L) : ACUCEJLA >• la gu-)ia „ N a d e l " , GENUCULU > \nu-)f, fnwsi, PANUCULAS > pnwtäs „Reihen trockenen Heues auf der W i e s e " , PEDUCULU >• plte>t, PI. plwstts. — Hierher gehören auch el iswrta, Inf. tsuie'.r „ b e d e c k e n , zudecken, schweigen" und ii tsu-ii „ i . das zum Verstopfen dienende, 2. Armvoll zusammengebundene Gerste, 3. ein T r u p p , Rudel (Gemsen)" (veraltet). Hier sei auf eine A b w e i c h u n g in der Lautierung von L a t s c h und S t u l s hingewiesen. Diese beiden isolierten B e r g d ö r f c h e n zeigen hier immer u: (dagegen Bergün u-s): ¿¿nu'.i, fnir.t „ K n i e " , plu'.i „ L a u s " , tsu:t&! „schweig still". Dieser lautliche Z u g verbindet Latsch und Stuls enger mit Filisur (\anui; plwf) und Alvaneu (\amci, pltrf), vgl. § 14. d) vor romanischem ts aus GJ: *TROGIUM > irw>ts „Pfad, F u f s w e g " , cfr. Dis. trutf Huo. 507, O E n g . lru:>l{, Alvaneu tröts {Iritis), Filisur Irw.ls'2', Stuls: DÜCTU > ii dw.ts „Rinne, K a n a l " . 3 1 Zur bgü. Form gehört bergell. vadrofk&l, obw. vidrußtil und vadrufkil etc., die Salvioni auf eine Kreuzung von VARIÜ + VETUSCULU zurückzuführen scheint (Rendic. dell' Ist. Lomb. XLV, 283). 9 Hier sei auf das Versehen Walbgs. p. 4 t hingewiesen, der das bergünerische trur.f „Brunnen", Pall. truesch zu Eng. tru\tt(, Bergün tru-jts stellen möchte, truexf geht auf ein *TORBXCE zurück, was auch das Obw. vorraussetzt, cfr. jetzt F. Fankhauser, SA V X X I I , 50—59. 8 In Bgü. kommen nur die halbgelehrten il dwekt „Wassergraben, Abzuggraben (im Schnee), Entwässerungsgraben" und l&g-adwekt „die Wasserleitung (der Mühle)" vor; vgl. § 191.

»»3 § 85- Vor bestimmten KonsoDantengroppen entwickelt sich o [statt zu w i ] zu W&, also za einem steigenden Diphthongen; wv und w'e gehen jedenfalls beide auf den gleichen Diphthoogen [wo] zurück, vgl. Sus. 64 suolper, Bifrun cvolpa, cuorrer, cuorsa, cuost, und noch heutige Schreibung im Eng. puoz, puolvra. D e n gleichen Akzentschub finden wir auch an andern Orten Bündens, z. B. in Sent, im Tavetsch. 1

VULPE PULVERE CÜRRERE TURRE TUSSE

Dis. Tom. Conters gölp wlp (G.) vualp pitrb piilvri (polvra,"1) ku)r)r kit:r&r — — tw.r • tör Ivs As: lös:

Alv. gwlp — — to:r lös:

Fil. Celer. gu'lp vu-jlp — pw.üvra — ku.)r>r ni'.r tu\*r lös: [/WI] iu\>s

Sent wolp puolvra, küor.ir tüor\ tos:

Es erscheint in Bergün tve: a) vor R R : BURRA > bw'era „Schneeball, Holzklotz", CURRERE > kw'ersr „laufen", CURRIT > el kwera,, DISCURRERE > difkwer:*r „reden", DISCURRIT > il difkwer.a, TURRE > la tw'er [und twir\. b) vor LL ( > romanisch /, /:, i): BULLA > bw'ela „Beule", Abltg. von BULLA ' > el bw'ela „er stempelt, drückt das Siegel auf", weitere Abltg. it bwe'l „die Oblate, Petschaft"; BULLIT > elbw'eta „er siedet", 4 Abltg. iibw'ei „Strudel, Wirbel", Abltg. labweta „der Brei, das M u s " ; FULLAT > el*fw'ela „er walkt", Abltg. la fwela „Walkmühle", Abltg. la fwela „Auflauf, Volkshaufe"; MEDULLA (oder *MEDULLIU 5 ) > migw'et „Mark", SATULLU > sadw'et, sadw'el'.a „satt". — elffo:la „er zwingt sich durch" (statt *ffwel:a < FULLAT) sieht aus wie eine Neubildung vom Inf. ffule'.r, etwa wie el ro'.dla zum Inf. rudle:r. c) vor L + Kons., wo l geblieben® oder zu i geworden ist: bweHf „Ochsenhirt", CEPULLA > Stuls tfwela, Bergün tfigweta, „Zwiebel", *COLPU (für COLAFHUS) > kw'elp „Schlag", CULMEN > kw'elm „Berg, Alpwiesen", CULPA > kwelpa „Schuld", PULPA > • pwelpa „Muskel", PULVERE > lapw'elvra „Staub", PULVERE > as f e r or dit pwihnr „sich aus dem Staub machen", SULCU > sweitf „Furche, Ackerfurche", SULP(H)UR > tsw'elptr „Schwefel", Sus. 64 suolper; VULPE > la gwelp; ebenso die Pers.n.: RUDOLF > radwilf „Rudolf", WOLF > gwelf „Wolfgang". BUBULCU >

1 Tavetsch Selp. Keim cfr. Huo. 515 u. (aber Gartn., Gram. p. 188 uilp). * In Savognin nach Gartn.

* V g l . REW.

1385, nicht BULLARK 1386.

* l stammt vom Infinitiv her, wo es berechtigt ist (l vor I > f), also BDLI.IRB >

buUkf.

' Aach Disentis mjguil (Huo. 460, n.), Tom. tnagVl, (Sent midoia wohl ital.). 4 Vgl. dagegen DDI.CS > dukf § 83, b. Beiheft la bw'et „grofsrs Weinfafs", > ffgw'et „Tropfen (Nasenwasser)", Abltg. NEC G U T T A > aggwet „nichts", GUTTUR > gwetor „Kropf", M U T T - > mwet, mwet, mw'eta „stumpf", ¿r/a tfo.ra mw'eta „eine hornlose Ziege", Ortsn. mwet ,{o-ra), mwet, nach „Mutten" hinaus, das auf dem Berg zwischen Solis und Thusis gelegen ist, la mw'eta da lats „die grofse Milch gebse, die Milchgebse", Fl.n. la mw'eta, Weide in Val Tuors, auf der Siegfriedkarte La Muotta. GUTTA

e) vor primärem s s : EXCUSSU fkw'er. „gedroschen", EXCUSSA > fkwesr.a [„abgedroschen": iftyndja fkwes:a (dzo)\ TUSSE > • la twesr. „der Husten", TUSSIT > • el twes:a. — Ebenso zweimal vor sekundärem s (vgl. dagegen § 86, c ) : M O N S T R A T > el mwes:a „er zeigt", TIMOS(U)S > tmwes:, tmw'es:a „furchtsam, zaghaft". f ) vor romanischem / (aus lateinischem S T J , sei): A N G U S T I A aygwifa „Angst", COGNOSCERE > kajiw'efir „kennen", COGNOSCIT et kajiwe/a, e kajvwef „er kennt, ich kenne", MUSTEU > mw'ef, mwe/a „feucht", auch THEODOSIU > ba rba dw'ef, Pers.n. „Herr Theodor". g) j e einmal vor romanischem di (aus kw'edja „Schwarte". Vgl. dagegen trurts aus h) vor ts (aus Flachsröste".

TJ):

i) vor tf (aus c j ) : k) schwzd. 1) CODICE Huo. 515, o).

BUEB

>

PUTEU

>

*CAMÖCIU >

(ev. schon

pwets

CUTICA > •

*TROGIU,

„Teich

§

la

84, d.

für Hanf- und

ifamw'etf „Gemse".

BUOB) >

kwedi/ „Buch"

T(I)C) :

bw'ep „Bub im Kartenspiel".

ist Lehnwort (zu Dis. kiidlf,

vgl.

§ 86. In einer dritten Gruppe von Wörtern erscheint 6 für vulgärlat. o in geschlossener Silbe. Ob aber das heutige 6 der direkte Fortsetzer von lat. 9 sei, ist sehr fraglich; denn im Süden und im Korden, im Eng. und in Filisur, sind bis auf heute Formen mit diphthongiertem o anzutreffen; vgl. auch Pult § 112. Auch hier herrscht keine Übereinstimmung der einzelnen Fälle in Graubünden. BUCCA BUKK

Dis.

Tom.

buk)

bvka

Savogn. buh



Alv.

Fil.

bdka

böktfa böktf



Stalla boka

Celer.

Sent

bu:»t(a bok\a bu-3t(

In Bergün erscheint ö: a) vor romanischem tf aus lateinischen c c und D ( I ) C : BUCCA > böt(a „Mund", BUKK (fränk.?) > bdt( „Ziegenbock", MUCCU > mötf „Schleim, Nasenschleim", * T U D I C A T > el tdtfa „er trifft, berührt", dazu Verbaladj. tötf „berührt, getroffen", Sus. 108 tuch „betastet". b) vor romanischem p\, p, pt( aus PP, B L ( I ) C : CUPPA > • köpa „Becken, Schüssel", # C U P P A R E (von C U P P A „Hinterkopf"), el köpa,

»15 kuper.r „erschlagen, niederschlagen", PUPPA > p6p\a „ P u p p e " , > ß 6 p \ & „ W e r g " , SUPPA (germ.) (oder schwzd. D ' S U P P A ? ) > dzifr.a „Stippe", SUBLICA > sdptfa „Stuhl". Inf.

STUPPA

c) im Suffix - o s u s 1 { — Nomin. os(u)s) > ös: und darnach das Femininum - ó r a ) : amvìidjór. „neidisch" (INVIDIOSUS) oder genauer Abltg. von amveidja), buklijtós: „höckerig", buklös', „schartig", Abltg. von la bókla „Beule, Scharte" aus schwz. B U C K E L ; bundridzós: „neugierig" (Abltg. v. schwzd. WUNDRIG, aber § 9 2 ) , gulös: „gierig, lecker" (von G Ü L A , ital.?), maiós\ „gefräfsig" (von mate'.r „fressen"), mel/kwidós: „mifsgünstig" (von me'.l und fkwekf „mifsgönnen", von CUPIRE), ruindr. „heikel, leicht zu beschädigen, leicht Schaden anrichtend" (von R U I N A ) , suft/iis". „rechthaberisch" (von sußjitlf < SUSTIKERE),

fparjiif.

„sparsam" (von fparjie-.r), \gutst(6s\ „kitzelig" (von \%u mjogla „Brosamen"), trupidzis: „scheu, schüchtern, f r e m d e n d " (von trupidze'.r „schämen" *TURPIDIARE), tsupardios: „stolz" (von SUPERBIA). E b e n s o * H O - P S A 2 > ós:, ós\a „jetzt".

d) vor späterem (romanischem) t aus BT, P T , r r : R U P T U > • Part, und Adj., RUPTA > ròta, SUBTU > sài „unter", ebenso gali, JUTTA > dzóta „Gerste", S I N G U L T U H > * S I N G L U T T U > sayglót „ G l u c k s e r " , TOTU (wo für den T o n vokal vom PI. m. TOT(O)S auszugehen ist) > tòt „alles, ganz", tóis sag tga • •. „alle (Männer) wissen, dafs", tól)s sag t(& . . . „alle (Frauen) wissen, dafs", tdts antstmü „allesamt, alle miteinander".

rót „ g e b r o c h e n " ,

e) vor romanischem f \ , fl, aus lateinischem FF, FFL: BUFF > SUFFLAT > el tsófla „er schnaubt, saust".

böfi „Windstofs",

f) Endlich scheint 6 auch noch i n : DUPLU > dibil „ d o p p e l t " , schwzd. BLUTZGER > • blitstpr „Blutzger (altes Geld)", ebenso in schwzd. SUBER > dzöbir in der W e n d u n g dzób>r net „sauber alles, d. h. samt und sonders", aber auch als A d j . dzifor, dzóbra „heiter (ironisch)", iy dzóbir fer.g>r „ein heiterer K e r l " . §87. o + j. D a s Suffix -ÖRIU und überhaupt 9 . vor ergeben d e n typisch bergünerischen Triphthongen -weh-, -weg-. Dis. PRESSORIU FÖRIA

Alv.

parsili parsujr fuer» —

Fil.

Celer.

pr>sujr prasùjr ffujra ffùjr*

RJ

Sent

prasuojr ffuojra,

fkas:wekf

„beweglicher Teil des Dreschflegels", Abltg. von ORDiRe > urdzadwekf „Zettelrahmen", * P A S T Ö R I A S >paftwegr>s „Fufskoppeln (der Pferde)", PRES^ORIU praswekf „Wiesbaum, L a d e b a u m " , R A S O R I U > razwek{ EXCUSSORIU >

FöRiA >

fwtgra

„Durchfall",

1 Cfr. § 81, c. Auch Huo. 510, u„ Luzi 788 setzen -osus neben -OSUM an. « Vgl. Ascoli, Agi. VH, 553.

8*

116 „Rasiermesser", #SALMURIA 1 > s&latnwtgra „Salzlake, Salzbrühe", Abltg. von *SAPPA > tsapadwegra „Hackmesser", *TRAJECTORIU > tratsnvekf „(alter) Holztrichter, Trichter", Abi lg. von igratr.r „kratzen" > igratadwegra „Reibeisen", ebenso der Ortsn. Chur hvegra

('CURIA

für *CÜRIA RAETORUM;

anzusetzen), Stnls /pltjaduiegra

ist

Ü

für g a n z

Bünden

„Garnwinde".

o vor Nasal. § 88. Wie die Resultate von E ünd E vor Nasal im Rätischen zusammenfallen, so auch die von lat 9 und 9 vor Nasal. Aber wie dort (§ 59, a—b) E auch vor Nasal eine durch j und auslautendes U bedingte Sonderentwicklung zeigt, so ist auch 9 vor Nasal, durch folgendes u, j bedingt, eigne Wege gegangen (§ 73, b—d). Die A u s n a h m e n sind selten: ii sog „der Schall" geht nicht direkt auf SONU zurück, sondern ist postverbal zu SONAT > i soga, cfr. Huo. 504, O.; it tog „Ton, Donner", nicht direkt TONU, sondern postverbal zu TONAT > i toga, cfr. Huo. 504, o.; lujttf „lang", nach dem Fem. hyidja < LONGA, nicht LONGU 2 ; bug „gut", nach buga < BONA, nicht BONU 3 ; it /tomi „Magen" ist ein Buchwort, vgl. R E W . 8276 a. Vor M erscheinen 9 und 9 immer als kàma „Mähne", HOMO > óm,b NOMEN > 1

nóm, POMU > póm „ K n a u f , Griff", POMA > la póma,

Cfr. REW. 7545 •SALMOEIA, eher: SAL + MUHA.

pàm:a

Auch Hno. 508, m.

nimmt für Dis. salmin eia ù an, wie für oeng. salamujra, neng. salamuojrB und erklärt das obw. » durch Suffixwechsel. • Cfr. § 73, d. * Der Reflex von BONU steckt sehr wahrscheinlich in btirj „gut" Adv.,

1. B. /er bliq „gutmachen"; in der Sus. noch als biun, v. 101 chia oura vegnia biun „dafs daraus Gutes entstehe", v. 501 pglià

londer tische

poch per biun „nehmt mit so wenig vorlieb". Alvan. I e bin/n „es ist gut" [neben il vojn e bewn, in bun vojn (vojn VINO !)]. Für Filis. notiert Luzi

bjìiT] [ eh: bàri]-, Dis. bim [neben buns, buni\, OEng./e be:n „tut, was ihr

wollt" [neben bum, -a], /time-.r pir b$:n „gut finden". Für die Entwicklung von altbergün. biun > blótj, d. h. von bj > ài könnte vielleicht PBDUCLU >pluvi „Laus" als Gegenstück angeführt werden; zudem ist der W e g von der ungewöhnlichen Lautgruppe bj zu bl ganz klein, and es ist nicht ausgeschlossen, dafs ble.r „viel" dabei eine Rolle gespielt hat, das einzige Wort, das mit bl anlautet und zwar schon in der Sui. 83 avaunt bgliers ons, 519 bglia-ras gia-das „oft"; vgl. endlich auch lutjtf < LONGK § 73, d. 4

Häufiger uiu:trn nach ivi:>rn.

' Daneben hörte ich auch bm ( = im) wie man im OEng. sagt, und woher die Form stammen dürfte.

1

„Obst" (Kollekt), QUOMODO > „wie und was", Ortsn. CÖMUM

>

kim in der Redensart: kim „Como".

'7

ko: a kim

b) in primär geschlossener Silbe: A U T U M N U > ulón:, ulón „Herbst",* C O M P E R A I (vgl. § 103, b) > elkómpra „er kauft", PLUMBU > plöm, R U M P E R E > rimpir „brechen", el rómpa, SUMMU > s»sóm (SUB-) „ZU oberst", Fl.n. tóm dur.. c) in sekundär geschlossener Silbe : C U M U L U > kómbrt, kómbla „übervoll", D O M I N A > dón'M,, HOMINES > ómmis, NOMINAT > ti (as) nórma „er nennt (sich)", N U M E R U > andimbir „Zahl, Anzahl", ebenso jüngeres nónDr „Nummer". § 90. Mannigfaltiger sind die Ergebnisse von 9, o vor N, und zwar in ganz Bünden. Dis. TONAT BONA

tum bum

CARBONE TJIMONE UNGULA MULGERE ROTUNDU ABUNDE CUNEU FUGNU



Tom. —

béûga fkarvêûy

tçamun (G.) — tingla 1 — mvldtfr 2 mùll-tfr rsdìin radimi — wnd)S kùji kvji piiji pif/t Fil tôt/a bòga tçarvôy timug uggia muffgyr radônt avânda

Stalla (tuV) but/a —

timug uggì» mundyr raduni avonda

— —



pun

Conters tuga buya karvug timug uggia mundyr radónl avónda kfy pun Celer. turna buma kravutn timum uggia mundyr ardu'jnt avu'jnda ku'Jji pu:yt

Alv. tcwna buna karvewn timewn uggia mewntfyr radónt avónda — —

Sent tuna buna (bug) —

(karuna) uggìi —

radont avonda kuoji püojt4

In Bergün erscheint vor N in offener Silbe 0, •u und u ; n wird velar zu g, ohne dafs ich vor einer neuen Nachkontrolle zu bestimmen vermöchte, nach welchen Normen diese 3 Laute auftreten. a) 6: C A R B O N E > tfarvog, C O R O N A > karoga „Gestell, Türgesims", M A N S I O N E > ma\og „Hühnerstange", PONTONE > pantog „Brücke im Stall", SONAT > i soga „es läutet, schlägt", T O N A T > i toga „es donnert". 1

Gartner ut^ln,

* Vgl. Huo. 51a, o. m^ldyr zeigt den Vokal von pfandjer, faid\er. * Gartner avfittda. V g l . noch PONTE und FRONTS > Dis. p^n,

4

fréun, friunt", Celer, punt, /runt, Sent punt, f runt.

fr ahntsjvy, Abltg. von BAUCO > balkuy „Fensterschwelle", CANTIONE > t(antsvg, Abltg. von CANTHUS > ¡(antuy „Ecke, Winkel", Abltg. von CRISPU > • krafpug (und auch krajput/) r Zwilch, zweitretiges Tuch", DRACONE > dragvr/, PREHENSIONE > pra\ur/ „Gefängnis". c) u: BONA > butja und darnach masc. buy, -ONE > -uij in tfapuy „Kapaun", aratsuy „Pflügezeit", avatsug „Hochwasser". § QI.

In geschlossener Silbe erscheint zunächst u und zwar:

a) vor y : [d. h. vor lat. NT, das zu roman. pt wurde, ferner vor lat. NGI (-E) > ydz, vor NGU (-O) > ijk und vor N-S > gLs] a) vor lateinisch NT > rom. yt\ FRONTE > frugt „Stirn", MONTE > mutjt „Berg (aber nur soweit er mit Rasen bedeckt ist)", PONTE > la,purjt „Brücke" (über Wasser und Abteilung im Stall)", ebenso CONTRA > kur/tir* „gegen", IN CONTRA > aykuijUr „entgegen, zuwider".

ß) vor NGI (-E) > 7/dy. AXUNGIA > suyd\a, „Schmer", JÜNGERE > d\uyJ\)r „ins Joch spannen", JUNGIT > d d\uyd\a; dazu (EX-) > ^d^ut/d^r „ausspannen aus dem Joch", PUNGERE > pugdyr „aufgehen, vom Teig", la par.fta put/d\a „gären", UNGERE > • uqdyr „salben, einfetten", UNGIT > sl uifd\a. y) vor NGU (-O) > • t;k: JUNGULA > dzuykla „Jochriemen", 2 LONGOS > luffks, Plur. masc. „lang", UNGULA > «ygla „Fingernagel, Klaue". 6) Im Suffix -ONE + s > -uyts, -uqtsa 3 : zu FULLARE > fuluyts „Stampfblöcke, Hanfbreche", zu FILARE > • filupts „Spinner", filuptsa „Spinnerin und Spinne", zu SALTARE > saltupts, -a „Tänzer, -in". b) vor ji (d. h. vor lateinischem -NCA = romanisch -jitf und vor -NGA = romanisch -jtdj): «) vor -NCA > -jit(\ RHONCHAT > tl ru/tlfa „er schnarcht", FIrujitfa „er jätet, rodet aus", 'CIUNCAT * > tl tfujtffa „er mäht Getreide", Sus. 490 schi tschiunch 'el „so schneidet, erntet er (401 eu tschunc, 206 tschunc gio). RUNCAT >

1 Daneben fast ebenso häufig die vortonigen Formen kuntfr, aijkunttr. CUM zeigt überhaupt nur die vortonig entwickelte F o r m tun „mit", was sehr begreiflich ist, cfr. § 246—269. ' Häufig auch das analoge lurjtfts vom Sg. aus. » Vgl. Agi. V I I , 433—435. Gartn., Gram. p. 78, H u o . 505, m., W a l b g . 4 5 , o. ' Cfr. Carig. n. Carisch: obw. tschuncar „abschneiden, K o i n ichneiden, (abschlagen, versagen)", Conradi tschunckar (giu) „abschlagen", Fall.

tschuncher, UE. tschuncar „schneiden"; Zuoz t/untff.r, tl tfujrit{&, Part. t/uyitf, Sent tju-qkir „reifsen", Münster t/fuijk»r, tl tf(urjk&, Part. t/(utji K o r n schneiden",

Conters t/ujit(i-.)r,

tl t/6mt(& „schneiden",

tl fujitfa, Fil. fujnt(e\r, tl fujitfa; obw. tschuncar,

Imperf.

Alv.

Agi. I, 152; cfr. auch ital cioncarc „zertrümmern, zerbrechen". Formen führen auf eine Grundform *CIUNCARE zurück.

/uyitfvfr,

tschumtgiva A l l e diese

ii9 ß) vor - N G A > -jidi'. LONGA > lujijja „lang" und darnach rnasc lujtlf, *SPONGA > fpvjidja „Schwamm" (für SPONGIA, REW. 8 1 7 3 ) . — Aber unerklärt bleibt das ó in DE LONGA > dal kumpfw'éndìr „verwechseln", el kumfwenda, dazu fkumfw'éndir, el fkumfiv'énda, „schluchzen", F U N D I T > tifw'énda, „er sinkt ein", *EXFIJNDORAT (Abltg. von FUNDORA [?]) > ti fw'éndra „er sinkt ein", F U N D U S > • fw'énis „Boden, Grundbesitz", MUNDU > mivent „Welt", MUNDAT > el mwenda, „er schält Obst, Kartoffeln etc., reinigt die Alpweide", RE -f- MUNDAT > • el armw'énda „er beschneidet die Klauen", RESPONDERE > rrfpw'éncbr und reffnv'ènd'r, tl refpw'cnda, SPONDA > fpw'énda „Lehne, Stuhllehne; Abhang", dtsch. WUNDER (oder tirol. BUNDER) > it bvj'cmhr „Neugier". b) n a c h r o m . V e l a r : SECUNDU > • it sagwent „der zweite", sagwent „je nachdem", SECUNDA > • la, sagw'énda „die zweite". c) im A n l a u t :

UNDA >

wenda

„Welle".

d) Ebenso vor sekundärem nd in: IMPONERE > ampw'èndìr, ila, ampw'énda, „1. Sauerkraut u. a. Eingemachtes beschweren, 2. den Schotten aus dem Käsekübel \réfl&\ auspressen, 3. verwenden, anwenden" = Sus. 5 1 6 ampuonder; DISPONERE lautet heute difpwcn)r, el difpwena "verfügen", das gewifs auf ein älteres *difpw'étidir zurückgeht. Daneben ist eine Konkurrenzform im Gebrauch, difpònìr, el difpbna „verfügen", von der wahrscheinlich n statt nd herrührt. § 93. Aber vor ND, wo 9, o nicht direkt auf Labial oder Velar folgen, erscheint d: ROTUNDU - A • > radónl, radónda „rund, drall", *SUNDRU > tsondsr „Legföhre, Zwergföhre", Fl.n. bei Preda la tsóndra, TONDERE > täntbr „scheren", TONDET > el tónda; Abltg. von FRONDIA 1 ( + ULA) > la fróndzla Koll. „die Nadeln der Nadelbäume", it go't da fróndzla „Nadelwald". Hierher gehören a u c h : germ. B L U N D ( ? ) > blónt, blónda „blond", schwzd. PFUND > itfónt. — Zu tsóni „ganz und gar" in tsónt arjgvuét „gar nichts", cfr. § 120, b, Anm. 7. § 94.

o

NJ

Das Suffix - Ö N I U , - Ö N I A , überhaupt im allgemeinen ergibt -we/i2 : ARÖNIA > la rwyia „Schorf, Räude",

* E n g . fruondzal „ L a u b " ; Zuoz frif.mtsla, „Tannennadeln", § 2 3 $ , b, Celcr. fru\»ntsla, cfr. endlich unten § 293. » Im Gegensatz zu -9NIU > -¿rj § 7 3 , c.

Walbg.

\20 •BETONIU > vdwyt „Birke", CUNEU > kw'eji „Keil", FAVONIU > favwéjt „Föhn", SYMFHONIA (*SUMPONIA>) > sampwyi „rundliche „Schande, Schmach". 2 Kuhglocke", auch VERECUNDIA > vargwyia

Ebenso erscheint we vor N in: PUNCTA > p w y i t s a , „Lungenentzündung" [Eng. puoncha, Zuoz fncjyit(t[\, daneben auch pwegtsa oder genauer pwe^isa, d. h. ji ist weiter hinten artikuliert, fast wie y ; PUGNU > fruoyi „Faust", MONACHA > mwfrdja, „Nonne", MONACHU > mw'éjitf „Mönch", vgL § 207.

Unbetonte Vokale. I.

Nachtonvokale.

A. Auslautvokale. § 95. Wie in ganz Bünden und weit darüber hinaus fallen sämtliche Auslautvokale, ausgenommen A. A bleibt' stets erhalten, weist aber einen etwas reduzierten Laut auf, der sich dem m und e nähert, und zwar am Wortende weniger und vor einem Konsonanten etwas mehr. Ich notiere ersteren mit a, letzteren mit CASA > tff.za, TERRA > tjcT.ra, NOTA > ItO'.da,CAPRAS > l(o:r3s, PLANTAS > playtis, CANTANT > elts tfaybn. § 96. Finale E, I, O, U fallen wie in ganz Bünden, vgl. Gartn., Gram. § 200 BENE, BONU usw.

ifante-.r, IIODIE > o/s, NOVEM > nokf, SERVIRE kw'elm, MONTES > muijts. — 1 : HERI > o:r, VADIT > el vo, VIGINTI > ve-pts, *ECCU + ISTI O : CLAMO > ef klom, VIDEO > e vets, FILIOS > jHts, ifavalis. — U : LIGNU > leg, PASSU > pas:, PILU > > piirtf.

E : CANTARE >

> sarvekf, r»r, FORIS > ki/t. —

CULMEN >

>

CABALLOS >

pek{,

PORCU

Die Verbalendungen -is, -IT, -ES, -ET sind unter der Analogiewirkung (oder infolge morphologischen Systemzwangs) von -AS, -AT der ersten Konjugation [CANTAS > tfar/tts, CANTAT > tfaff/a] als •»s, -a erhalten oder durch analogische Verdrängung durch -As, - A T ersetzt worden, z. B. TIMES > ti terms, TIMET > el tema, VENDIS > ti vendis, VENDIT > el venda, DORMIS > ti dyjrmis, DORMIT > tl do'Jrma. 1 A »coli, Agi. XIV, 347. " VgL Huo. 513, m. und Walbg. § 66, b.

121 § 97- W i e im gröfsten T e i l B ü n d e n s 1 bleibt die E n d u n g -IUM als i erhalten: in SOMNIU > sjetril „ T r a u m " , das Erbwort sein durfte, cfr. § 73, b , ferner in CORDOLIU > kordish „Herzeleid", Susanna v. 217 dielt, OLEUM > r»h, die vielleicht halbgelehrt sind, cfr. frz. Autle, endlich in gelehrten Wörtern: PALATIUM > pa,latsl, VITIUM > vitsl, EVANGELIUM > evojldje'.tl, FASTIDIUM > faftedl „Kummer". § 98. Gelangt die Gruppe Konsonant + R oder L nach dem Fall des Auslautvokals ans W o r t e n d e , so entwickelt sich aus dem stimmhaften r, resp. /, ein sogenannter Stützvokal, der sich zwischen dem Kons, u n d r, resp. /, einstellt D o c h liegt hier kein spezifisch bergünerischer, sondern gemeinbündnerischer Z u g vor, vgl. Gartn., Hbch. p. 1 1 0 LATRO und QUATTUOR. ES ist also QUADRU über *ke:dr zu ker.d>r, CULTRU über *koktr zu kokter und so wohl auch MELIOR über *mlir zu it vufrr g e w o r d e n , wie die Form viiiJir vermuten läfst. J CRIBLU > kregvsl „ S i e b " , > pc.dir Pers.n., PATRASTRU > puliidtr „ F ü l l e n " , SCALPRU > > gw'ifjr „ K r o p f " , PIPERE > Isw'elfar, UBER > egvsr.

SIMPLU > svympil „albern", PETRU padra'-ftn „Stiefvater", PULETRU > ft(alpir „Meifsel". Ebenso GUTTUR ptgv»r, SULP(H)UR (für SULFUR) >

Einzig in den Formen der ersten Person Präsentis hat sich kein solcher Stützvokal eingestellt. Nachkonsonantisches r , l erscheinen dann in Pausa vollständig stimmlos, also als f , /, z. 13. INTRO > ev i pi „ich trete ein" [3. P. tl ?.ytra\, CONSIDERO > e(f) kußli „ich bemitleide" [3. P. tl kußdra\, SEPARO > e(f) tse'fy „ich scheide Schafe aus" [3. P. tl ise\vra\% CRIBLO [für CRIBRO durch Dissim.] > e krekf{ [E/ kregvla], SARCULO > e(f) lsr>rk{ [E/ fswrkla], SUFFLO > e(f) tsößl [F/ tsöf.la], *COMPERO (vgl. § 103, b) > ef kämpf [f/ kimpra\. Dafs sich hier kein Stützvokal einstellte, mag zum T e i l auf dem geringen Grad von Stimmhaftigkeit des r, l nach Kons, und speziell nach stimmlosem Kons, beruhen, ist aber jedenfalls zum andern und wohl zum gröfsern Teil der Analogiewirkung der erdrückenden Mehrheit der V e r b a zu v e r d a n k e n , wo der 3. Pers. und 2. Pers. Sing, mit vokalischem Auslaut eine i . P e r s . mit konsonantischem Auslaut und einer Silbe weniger entspricht, z. B. tl maßdia, — ev majtff „ich esse", el vtnda— e vtnt „ich verkaufe", tl btgva — e btkf „ich trinke", sl tfat.a, — ef l(ai\ „ich finde". 1 Vgl. Gartn., Hbch. p. 200 OLEUM. An einzelnen Orten Ist dieses i zu U, in Filisur. 1 Vgl. hierzu auch die im § IOO besprochene analoge Erscheinung.

122

B. Nachtonvokale in der Pänultima. § 99. In Proparoxytonis fallen durch SyDkope in der Regel alle Nachtonvokale. D o c h ist die S y n k o p e n i c h t überall gleich a l t . S o wird man bei VIRIDE, das in allen romanischen Sprachen durch ein schon lateinisch bezeugtes VIRDE vertreten ist, die S y n k o p e des 1 im Rätischen nicht auf gleiche Stufe setzen dürfen wie bei AMITA zu onda,, wo die Synkope erst stattgefunden hat, nachdem das intervokalische T zu d geworden war. A u c h bei PARICULU ZU parÜ oder bei CATULA ZU t(e\ia wird man ältere S y n k o p e annehmen müssen als bei SPATULA ZU fpe.dla,. — W i r g e b e n im folgenden die Fälle in zwei G r u p p e n : 1. Fälle, die wohl schon in spätlateinische oder frühromanische Zeit hinaufreichen. 2. F ä l l e , die — wenn auch alt — d o c h erst in romanischer Zeit die S y n k o p e erfuhren, aber immerhin gemeinbündnerisch sind. a) CAT(U)LA > tfr'.ia „Strauch", CRED(I)TA > krtta, „ G l a u b e " , NIT(I)DU - A > net, neta „sauber, rein", PARIC(U)LU > paréi „ Z w e i g e s p a n n " , VIR(I)DE > veri, vsrda, „ g r ü n " , vgl. für weitere Beispiele § 213, a—c. b) AMITA > onda „ T a n t e " , obw. onda, oeng. anda', CAMERA > tfombra „Schlafzimmer", obw. combra, oeng. tfambra', CIÑERE > t/endra „ A s c h e " , obw. tschendra, oeng. tftndra; CUTICA > kui'édja „ S c h w a r t e " , obw. kvtfn', oeng. kudja; SPATULA > fpe'dla „ V o r d e r s c h i n k e n " , o b w , / p a t l a , oeng. fpe\dla,; STERILE > • fti'jri „einjähriges männliches R i n d " , obw. ftierl, oeng. fttrl", SUBULA > • segvla „Ahle", obw. sibh, oeng. sygvla; TÉMPORA > tí.r¡mpra „ S c h l ä f e " , obw. tempra, oeng. tkmpra) URSULA > wirfla „Ursula", obw. urfh, oeng. w.'/la, u'jrfla,; VERTICE > vi'jrtfa „Scheitel", obw. vertscha (Conradi), oeng. verif, vi'irtf. F ü r weitere Beispiele vgl. § 2 0 5 . — PLACITU, ein fränkischer Rechtsausdruck, ist wohl über *PLAGITU > *plaidu1 zu ple:t „ W o r t , R e d e " g e w o r d e n , vgl. die Entwicklung von afrz. plait. c) Nicht gemeinbündnerisch sind die F ä l l e : CANNABE [oder CANNAPU] > tfompf „ H a n f " , vgl. obw. conniv bei Carig., conti) (Heinzenberg coven) bei Carisch, oeng. tfampf, Sent tfonva (Pult 1 4 2 ) ; BÍROTU > • bert „Hintergestell des W a g e n s " , oeng. bi>rt, Lungnez bsrt, aber Disentís birst (Huo. 4 8 3 ) , o b w . b erret bei Carig. „ V o r d e r teil des W a g e n s " . d) In einigen Fällen trat in Bergün im Gegensatz zum E n g a d i n keine S y n k o p e ein: *CISPITE [für CAESPITE] > tsé/pft „ R a s e n " , aber oeng. tfifp, tsifpJ [cfr. § 1 2 9 ] ; gallisch DERBITA > Ms dczrvits 1 Vgl. im ältesten rätorom. Sprachdenkmal (Gartn., Hbch. p. 275, Zeile 5) die Form si plaida. * Vielleicht aber Unterschied der Flexion, cfr. ital. cespo.

123

und dfr Vitt „Flechten", aber oeng. der! bei Pall., jedoch obw. di»rv>t.1 Zu eng. larf, forf usw. gegenüber bgü. larsf fyirbtf vgl. § 1 0 1 . § ioo. Wenn aber durch Fall des Auslautvokals und durch Synkope des Nachtonvokals in Proparoxytonis nachkonsonantische r, /, n, m, also Liquida oder Nasal, ans Wortende gelangen, so stellt sich ein Stützvokal ein, der vor r, l, n, m tritt und sehr wahrscheinlich erst aus dem stimmhaften Nasal oder aus der Liquida hervorgegangen ist. 1 Doch liegt auch hier [wie in § 98] ein gemeinbündnerischer Fall vor, vgl. Gartn., Hbch. p. 1 1 2 — 1 1 4 , sowie Gartn., Gram. p. 180 MITTERE, p . l 8 8

VIVERE.

o'.tsr, MOLERE > mohr, PLANGERE > playd-tfr „weinen", RUMPERE > römfar. 2. CIRCULU > tfi'trtpl „Radreifen", CUMULU > kömbil „übervoll", MASCULU > maflpl, PABULU > pewH „Futter". 3. ASINU > e:z>n, COCCINU > kwetfin, ORDINE > u'»rd>n „Ordnung, Gerät", PECTINE > pttsm, STEPHANU > fltgvm. 4. FRAXINU > • fregym und frts'Jn, ebenso ku/egym „Vogclbeerbaum" [cfr. § 184], miltgz>m „Jahrtausend", BAPTISMU > balegzfm, schwzd. GADEM > dje'.dim „Gemach". 1.

ALTERU >

§ 1 0 1 . Nicht gemeinbündnerisch ist dagegen die Erhaltung oder die Wiedereinführung eines Stützvokals zwischen stimmhaftem Kons. + auslautendem f . 3 Dabei müssen wir von den Zahlwörtern 1 1 — 1 6 absehen, die in ganz Bünden in der Anlautsilbe einen reduzierten Laut [-d>f oder -dif~\ erhalten haben, was aber jedenfalls unter dem EinfluTs von DECEM geschah, welcher Einflufs wohl auch in der Erhaltung des intervokalischen d von DUODECIM und SEDECIM sich verrät, vgl. Gartn., Gram. p. 192. Während im UEng. — abgesehen von obgenannten Zahlwörtern — zwischen Kons, und auslautendem f kein Stützvokal erscheint, also FORBICE > f o r f , LARICE > • larf SALICE > salf POLLICE > pjlf PULICE > pylf [cfr. Pult § 142], und während im OEng. nur pyl'f und pyl'f einen Stützvokal erhalten haben 1

Übrigens weist auch frz. dartre

eigenartige Verhältnisse

hinsichtlich

der Synkope des unbet. Vokals auf, cfr. Meyer-Lübke, Hist. Gramm, d. frz.

Sprache* § 134.

* V g l . § 9 8 LATRO > U\d>r, P1PERK > ptgvtr usw. Nur die Auslautgruppe -rl bekam keinen Stützvokal, den sie ja anch nicht braucht, z. B. GERULU _> d\t >rl neben d\i>l „Rückentragkorb", mtrl „Amsel" (ital. Lehnw. ?), STERILE > ß f » r l „ R i n d von I J a h r " . * O b es sich hier um Erhaltung oder Wiedereinführung des Stützvokales handelt, wage ich nicht zu entscheiden, LARICE scheint wirklich über larf zn lar>f geworden zu sein, da A wie in geschlossener Silbe erhalten wurde. Aber tndlf < INDICB, ft-)rb>f sprechen eher für Erhaltung des V o k a l s .

124 [nicht aber f y r f , leer/, sah'f, tfaltf < CALICE, cfr. Walbg. § 84], marschiert Bergiin mit dem Nidwaldischen [und Obw.], indem hier in allen Fällen der Stutzvokal erscheint [cfr. Luzi § 74, Gartn., Gram. p. 184 PULICE, Gartn., Hbch. p. 1 1 2 LARICE]. In Bergün treffen wir zwei qualitativ verschiedene Stützvokale, einerseits « in INDICE > tndlf „ N e s t e i " , 1 SALICE >• sa'hf und in tfahf „ Abendmahlskelch" (CALICE), das kaum Erbwort sein wird, anderseits » in f y t r b t f , lar?f, pohf, plbf und kw'eckf „ B u c h " , das auch nicht Erbwort, sondern junger, halbgelehrt ist [cfr. § 165, d], § 102. In der E n d u n g -ICUM ist 1 ursprünglich wohl in Bünden erhalten geblieben, und nur in MANICU ist im Eng. 1 palatalen Konsonanten geworden, vgl. dazu § 207. In Bgü. MANICU > moril „Stiel", PORTICU > p v i r t i , SALVATICU > mlvr.il

ganz zum wird usw.

Die Synkope hat also im Gegensatz zum frz. porche, manche, hier nicht stattgefunden. Die Verhältnisse zeigen bei diesen Wörtern manche Übereinstimmungen mit dem Ostfranzösischen, cfr. Horning, Die Behandlung der lat. Proparoxytona in den Mundarten der Vogesen und im Wallonischen, Strafsburg 1902, p. 21 ss. In der Entwicklung des Suffixes -JDUM treffen wir zwei Resultate. -CIDU liegt vor in FLACIDU > ple'.f Pers.n., MARCIDU > mar.rtf, ACIDU > e.f, RANCIDU > rantf, wo Synkope stattgefunden hat. Während nun aber in MARCIDU die Synkope nicht nur in ganz BUnden, sondern auch in den alpinlombardischen Mundarten vorliegt, vgl. borminisch martfg \marl\ scheint die Synkope in ACIDU nur in Bünden eingetreten zu sein [vgl. Agi. I, 2^8 obw. af, oeng. e'.f\ nicht aber im Borminischen, wo ACIDU in der Form 'a\i lebt. D a s legt die Vermutung nahe, dafs in MARCIDU die Synkope älter ist a l s i n

ACIDU.

Die älteste Synkope liegt vor in FRIGIDU > frekt und GELIDU > d-pkt „sehr kalt, eiskalt (Hände)", ohne welche sich die Erhaltung des D als / nicht wohl erklären liefse; vgl. o e n g . / r e : t , d^e'.t (Celerina), f r a j t (Zuoz), obw. f r t j t usw. bei Gartn., Hbch. p. 142 und ferner siehe oben § 44. — Endlich ist bei TEPIDU und SOLIDU in ganz Bunden die Synkope nicht oder erst in spätromanischer Zeit eingetreten, vgl. Gartn., Hbch. p. 266: bgü. ivnl „lau", si-th „nüchtern". 2 Walberg nimmt für diese beiden Wörter Suffixwechsel an [ - i c u für -IDU § 85]. 1

Vgl. Gartn., Gram. p. 71, o. oeng. tndtf, Schieins entf, Savognin indlf.

Daneben kommt anch die Form si'tl vor, die nur in der Bedeutung „gesund (vom Holz)" gebraucht wird und wohl durch sv>lts SOLIDOS „Holzbeschläge an Schlittenkufen" beeinflulst sein wird, das fast nur im Plur. vorkommt und deshalb über den Sg. gesiegt hat, der heute srtl lautet. Vgl. etwa Plur. avükjts, aus dem der Sg. ir\ aviok/ „Biene" gewonnen wurde. 9

>25 II. Vortonvokale. A. Nachnebentonvokale

(Contrafinalis).

§ 103. D i e Nachnebentonvokale werden in Bergün wie in g a n z B ü n d e n wie die Auslautvokale behandelt, d. h. A bleibt erhalten, die übrigen V o k a l e fallen. D o c h gibt es eine grofse M e n g e v o n A u s n a h m e n , die nicht alle durch Analogie erklärt werden können. a) A: COMMANDARE > kumande:r, JURAMENTU > dziramf.yt, LAVATURAS > lavadegns „Küchenabfälle W , LEVAMENTU > lavamt'.ijt „ S a u e r t e i g " , *PALANCÍTU 1 (Abltg. von 'PALANCA aus griech. PHALANX) > iipalantji: „Hausflur". b) kumpre.r [vgl. obw. cumprar, nidw.kumpra'., oeng.kumpre.r, ueng. kumprar, ital. comprare neben comperare, span. comprar] geht auf *COMPERARE nicht COMPARARE zurück, und ebenso tsavre'.r „ S c h a f e ausscheiden" [vgl. obw. zevrar, Disentís t&vra, nidw. tsavra:, o e n g . tsavre'.r, ueng. tsevrar, frz. sevrer, ital. scevrare neben sceverare\ auf *SEPERARE nicht SEPARARE (cfr. Dict. gén., s. sevrer). In CATHARINA > t(atriy& Pers.n. [oeng. tfatrijia] dürfte Einflufs des Deutschen vorliegen. c) E: CEREBELLU > l/arvi\, RESECARE > razdje'.r „ s ä g e n " , VASCELL-ARIU > vafle.r „ K ü f e r " . — 1 : CAPITELLU > t(avdi\ „Brustwarze", LARICATU > lardjo: „ L ä r c h e n h a r z " , PONTICELLA >puntfja'.la, „ S t e g " . — O: *PARIOL-ITTU > parlit, TEMPORIVA > tampregva, „ ( K u h ) die früh zu kalben h a t " . — u : PABULARE > pavle'.r „ f ü t t e r n " , TABULATO > talvff. „ S c h e u n e " , TITULARE > tarle'.r „horchen, zuhören". d) V o n den vielen Ausnahmen m ö g e n einige wenige Beispiele g e n ü g e n : ii tfaridy.r „Kirschbaum" nach tfarv)d\& „ K i r s c h e " < CERESEA, ii lavine'.r „ L a w i n e n z u g " nach lavttja, „ L a w i n e " •< LABINA, LABORARE > lavure'.r „arbeiten" nach lu ¿avokf, tl lavogra, usw., MARITARE >• maride.r „heiraten" nach tl maregda, ii marekt, MATURARE > madire'.r „reifen" n a c h tl madigra,, madikf „reif", MOLINARIU > muline'.r „Müller" nach ii mullq „Mühle", SAPORARE > savure.r „ r i e c h e n " nach tl savogra, la savokf „ G e r u c h " . e) Ausnahmen, die nicht auf A n a l o g i e beruhen können, s i n d : tfaviiugts „Schnittlauch" ( < 'CEPILIONES, wohl späte Ableitung von CEPULLA und daher erhaltener Nachnebentonvokal), vgl. dazu obw. tschavagliunt s. „Schnittlauch" bei Conradi und tschavogliuns s. tschagola, ferner obw. tschagugliuns, ueng. chatlunchQ), oeng. puors bei Carisch s. tschaguolla und tschu/luns im A n h a n g p. 5 2 [im O E n g . sagt man für „Schnittlauch" pwrrfs = 1 Vgl. Huo. 537, pUnt/Bü, oeng.palantß-.a-, eh. *CAP*ITÜ, obw. cavriu „dürre Tanne" Jud, AnS. C X X , 93, n.

126

bei Pal).]. — salay.da „Pflaster (Steine)" (#SILICEATA < cfr. oeng. salay.da und Vb. salay.r „pflastern", Eng. salase ha da bei Carisch s. „Pflaster", Nachtrag, dagegen obw. sulada (•< SOL-ATA) „Pflaster" bei Conradi. Liegt in der oeng.-bgü. Form ein oberital. Lehnwort vor ? (cfr. jedoch den Fl.n. sal\¿ < SALICETU). — *SALMURIA > la salamwegra „Salzbrühe", cfr. ueng. Sent salamüojra, oeng. salamujra, Disentís salmira (Huo. 508), obw. salmira bei Carig, salamuira, salmira bei Carisch s. sal. Möglicherweise haben wir es hier mit einem Sprofsvokal zu tun, -Im- > -¿am-, *salmwegra zu salamwegra, cfr. § 123 und 126 LAETARE > *ldare > alde'.r.

puorvs

SILICEU),

f) Die Synkope des Nachnebentonvokals erfolgte nicht in allen Fällen zur gleichen Zeit; das geht deutlich aus folgenden Beispielen hervor: PATELLANAS >paklayss „Pfannkuchen" gegenüber ROTULARE > rudle'.r, rurle'.r „rollen", BONITATE > la bunteJ „Güte", aber SANITATE > sandeU „Gesundheit", *MOLITURA > muUgra „Mahllohn" gegenüber FALSITATE > fuzde\t „Falschheit", *AMICITATE > la mi/te.t „Verlobung" gegenüber VERECUNDIA > vargwyia „Schande" und LARICATU >• lardjo: „Lärchenharz". — In gelehrten Wörtern bleibt der NachnebentSnvokal natürlich erhalten: HABITARE > abite.r „wohnen" [cfr. ueng. avdar, obw. avdar (Carisch)], LIMITATU >• limito: „beschränkt", MURMURARE > murmure\r.

B. Anlautsvokale. § 104. V o n einzelnen Ausnahmen abgesehen, ist der Anlautvokal wie im Nidw. und Obw. immer t, u oder a, die aber stets kurz und meist ein wenig reduziert sind. 1 A erscheint wie in ganz Bünden als kurzes a, vgl. Gartn., Gram. p. 168 CABALLU, CAMISIA usw.: ARATRU > are-.dir, MARTELLU > marti:, SALIRE > saiekf „springen", SAPORE > savokf „Geruch". In einigen wenigen Fällen ist interkonsonantisches A der Anlautsilbe gefallen: *PANNACULA 2 [mit Suffixwechsel in Bergün] ergibt la pne.ia „Butterfafs", vgl. dazu oeng. pneglia neben pigntla bei Pall., penala in Silvaplana, tme.ia in Zuoz, 3 ueng. panagtia 1 Vgl. Luzi § 78—79, H u o . 518/519 (er transkribiert jedes unbetonte a mit 3, vgl. auch p. 432, o.). Im Eng. tritt noch y hinzu. • *PANNACULA ist wohl nicht als Ableitung von PANNUS „ T u c h " aufzufassen, wie REW. 6204 vorschlägt, und wohl ebenso wenig von PANNA „ R a h m " herzuleiten, wie Salvioni, Ro. X X V I I I , 101—2, annimmt; es dürfte eher eine Abltg. von PANNA „ T o p f , Gefäfs, Pfanne" sein, wie Jud, ZrP. X X X V I I I , 44 vorschlägt und begründet. Für Bgü. geht Salvioni direkt von *PANNicuLA aus, was lautlich einwandfrei ist, cfr. § 55. * Vgl. Luchsinger, Molkereigerät, p. 24—35. In einem Cudasch da Scossiun (tConkursbuch) des Archivs in Bergün findet sich die Schreibung 3 tmeglias (2 Butterfässer); doch ist das gewifs nur engadinische Schreibung — wie in weitaus den meisten Urkunden und Büchern des Archivs — und stellt nicht eine ausgestorbene bgü. Form dar.

127 (Pall. und Carisch), obw. penaglia bei Carigiet, obw. panaglia bei Carisch, ferner p l a j y a im Bergell [melathetisuhe Form, cfr. Guarnerio, im Tessin, lomb. penad\a, Appunti p. 400], pnad\a, dmad\a, tmad\a immer mit der Bedeutung „Butterfafs". Wie Salvioni und Jud (I. c.) annehmen, wird bei den Formen mit anlautendem e [für a] wie auch bei denen mit Fall des A [über e\ begriffliche Kreuzung von *PANNACULA durch pen „Buttermilch" vorliegen [obw. ueng. pens, bergell. pen, oeng. bgü. pen, Bormio pen, Puschlav pen, Veltlin l a i p e n , pen bei Monti]. — Ferner ' P A N U C U L A S 1 > las pnurj&s „Reihen trockenen Heues in etwa 2 m Abständen", vgl. dazu Zuoz pnu'j&s, o e n g . p n u o g l i a s neben panuoglias bei Pall., u e n g . p a n u o g l i a , obw. panuglia „die Grummetreihe" bei Carisch, panuglia „die mahdartige Endreihe, ein doppelter Emdschwaden" bei Carigiet, nidw. panuta (Luzi § 60) „mahdartige Heu- oder Emdreihe". — In R A D I C E > la, rikf „Wurzel" ging A der Anlautsilbe nach dem regelrechten Schwund des D im Hauptton auf, wie im OEng. r i k f , Domleschg ri'.f (neben r i d j r . f ) , was an der Schamserform rii'.f leicht ersichtlich ist, vgl. auch r i e j f in Filisur und weitere Formen bei Gartn., Gram. p. 184, Luzi § 104. § 105. A + L vor Dental wird in der Anlautsilbe in der Regel über au > u. Während aber im OEng. dieser Lautwandel konsequent durchgeführt wurde, treffen wir in Bergün mehrere Resultate: a) C A L D A R I A > • /{udiira, „grofser Alpkessel" [vgl. dazu oeng. ¡(yde'.ra,,2 Domleschg kalde'.ra, Disentis b l d i r ) , Tavetsch hdtr>, Huo. 438]; * F A L C I - A L E > f u t f e ' . l „Rutenmesser, Gertel" [cfr. Domleschg f a u t f i i , Schams und im Boden f a l t ß j i , Luzi § 132, Disentis f u r f e l , Huo. 484 aus * F A L C I L E ] ; * F A L C E - A T A > i t j a futfe\d& „eine Mähzeile, ein Strich mit der Sense" [cfr. oeng. f o t s c h e d a , f o t s c h i g l i e d a bei Pallioppi, und den Disentiser Ortsn. ftltfiridss neben f>ntßridis, wahrscheinlich für f ) l t f i d i r ) s aus * F A L C E - A T U R A S , Huo. 463, n. 3 ] ; F A L S I T A T E > fuzde'J „Falschheit" [oeng.fo~zde\t, nach fo'.s, obw. fauizadat nach f a u l z Carig. (Disentis//¡¡isla „fälschen", Huo. 472)]; V A L L E T E L L I N A > vuliirja, „Veltlin" [oeng. vukhjta]', * A L - S ! C > • u f e j a „so" [oeng. u/t, u f i j a , obw. aschi, Ascoli, Agi. VII, 5x6]. b) In *ALTER-CJBI > otrö „anderswo" ist wohl Einflufs von o'.ter zu sehen [im OEng. sagt man utrS\. — * C A I C I N A > t f a l t f i y a „ K a l k " mag von t(alt(e\ra „Kalkofen" < C A L C A R I A beeinflufst worden sein [OEng. t ( y t f i j i a \ . In i f a t f 3 k ( t s „Finken, Überschuhe" aus CALCEOLOS liegt möglicherweise Dissimilation yor wie in COLORE > kalokf usw., siehe § 1 1 6 ; vgl. dazu auch ueng. c hat schäl usw. im § 305. 1

Abltg. von PANDS „Faden", vgl. y R P . I V , 171.

' Zum Wandel von vortonigem u zn y , vgl. Walbg. § 93, a.

128

c) Anders aber müssen folgende Fälle erklärt werden: *ALTIARE > ultse.r und dultser.r „heben, steigen", osr. e i ultse.r „jetzt ist zunehmender Mond" [oeng. ulse.r, ueng. dotsa'r, Filisur dultse.r, Alvaneu dultsar.r, Domleschg da/tsa: und dultsa:, Luzi § 118, Disentis >ltsa\; *CALCEARIU > tfaltse'.r „Schuh" mit der Abltg. tfaltsadokf „Schuhlöffel" [Tavetsch käisers, Disentis Jbtse, Filisur ifälttf.r usw., cfr. § 305]; EXCALDARE > fifalde:r „ wärmen" [oeng. ftfude.r, ueng. fi(3dar, Domleschg fkaldaz, Disentis fkilda, Tavetsch fk»da, Huo. 449]; SALTARE > salte.r „tanzen" [oeng. suterr, Sent Abltg. sutarets „Getanze", Pult § 87, Filisur salte'.r, Alvaneu salta'.r, Domleschg salttr., Disentis s>lla, Tavetsch suta, Huo. 438]; SALTUARIU > ii salte.r „Feldhüter" (veraltet), [oeng. suter, ueng. salter „Pfandbote" bei Pallioppi, obw. salti, saltir „Gerichtsdiener" bei Carig.]. Während also im Domleschg A + L vor Dental in der Anlautsilbe fast immer als al erscheint, begegnen wir im Obw. und speziell im Tavetsch wieder ähnlichen Schwankungen wie in BergUn. — Überblicken wir alle Fälle und ihre geographische Verteilung in Bünden, so drängt sich die Vermutung auf, es liege im Wandel von AL vor Dental in der Anlautsilbe zu sulvc\dl „wild" verglichen werden, das auch im OEng. sulve.dl, im UEng. sulvadt lautet, dagegen in Filisur salve:dl, in Alvaneu salva:dl, im Domleschg salva:dl, obw. salvadl, cfr. § 114. — CAPRARIU > tfure:r „Ziegenhirt" ist nicht zu trennen von t(o\ra < CAPRA und wird zu vergleichen sein mit tfus-yt aus Ifo usw. im § 108. — Für AQUALE > ue-.l, *RAMUTU > rumi:, siehe § 114. § 106. In einigen Fällen erscheint für lateinisches A in direktem Anlaut romanisches u, ohne dafs der Grand dafür ersichtlich wäre. Es scheint sich dabei um eine bergünisch-ober1

Dieses etwas gelehrt, als Terminus technicus.

I2Q engad. Eigentümlichkeit zu handeln, wobei in Bergün öfters eine ältere Phase gegenüber dem Engadin erhalten zu sein scheint1 ACERBA > ud\£jrva, wonach m. ud\t\>rf „feuchtkalt", oeng. uyrsrf und u\trf, altobeng. uscher/s „unreif (?)" bei Bifrun, altueng. dschearw, dschearwgia „herb, sauer" in Campells Psalter, Gloss. 432 und Agi. I, 236, n., Disentis \arv> (Huo. 462), com. zerb „acerbo, immaturo" (Moriti), mail. dztrb, Münstertal dschiervi, dschierva (cfr. Pall. uscherv-a), Puschlav gerbisc „terreno incolto, sodaglia", com. piem. girb, cfr. Salvioni, Dial. Posch. 512. — ACIDULA > • ud\ogla neben ud\3gla „Sauerampfer", Rumex acetosa, Stuls urd\ogla, oeng. U\VJV1& (Celer., Zuoz), in Ponte u\r3gla, Sent und Sta. Maria ar\ykla (Pult § 275), Filisnr \awla, Alvaneu \iwla, Conters ar\owla, Disentis \ub (Huo. 462), Puschlav 'figula (Michael § 64), Bergeil u'zikla [= usikla\ (cfr. Guarnerio, App. 212, 980 diese und eine Reihe anderer Formen), Bormio an'dygula, Campodolc. \iula (Salvioni, Dial. Posch. .512), Nonsberg dzdtla,, adzdela (Battisti, Nonsbg. §64), Fassa \ndola (Schuchardt, ZrP. XXVI, 401). — *ACIALINU > utfaleq „Feuerstahl, Stahlplatte der Flinte, auf die der Hahn aufschlägt", oeng. atschalin bei Pall. 2 — ii ulfamE'.yt „Dengelzeug, d. h. Hammer und Dengelstock", oeng. atschlamainta „Feuerzeug (d. h. Stahl, Stein und Zunder)" neben atschladüra „Stählung, Stahlbeschlag", ueng. atschaladüra, Filisur und Alvaneu utfamajnt „Dengelzeug", wohl alles Ableitungen von *ACIALE (für ACIARIU), falls die bgü.-nidw. Formen nicht von den engad. zu trennen und von *ACIA (für ACIES) „Schärfe" abzuleiten sind, was begrifflich und lautlich sehr gut passen würde, gleichsam „was zum Schärfen dient". — Desgleichen in udzi: „gehabt", Part, von (ad)avtk{, el o udzi: „er hat gehabt", el ves: udzi: „er hätte gehabt", obwald. diu, Savognin dji), oeng. (lji:a, Schieins jiy, Greden mbu, cfr. Gartn., Gram. p. 152. Walberg konstruiert dafür die hypothetischen Vors t u f e n HABITUM >

*HABUTUM >

*HABEUTUM >

*HAJUTUM >

#

HAJI-

TUM, § 146. Mit der bgü. Form stimmen überein: Alvaneu uziw (el a uziw foriu:na), Filisur tl o uzt: fortw.na „er hat Glück gehabt". Hier seien auch die Reflexe von HAEDIOLU, HAEDIOLA angeführt, die ebenfalls anlautendes u in Bergün und im OEng. aufweisen, oeng - udzer.l, udzbgla „Zicklein", bgü.udzok{ (Rückbildung vom Plur.) „männlicher Jährling, bes. Rehzicklein", udzo'.la „weibliches Zicklein", 1 Da nicht nur im Obw. und Nidw., sondern auch in den alpin-lombardischen und tirolischen Mundarten der Anlautvokal der entsprechenden Formen öfters gefallen ist, so könnte man die Frage aufwerfen, ob nicht auch in Bergün nnd im OEngadin zunächst Aphärese des anlautenden A und erst später wieder Prothese des u erfolgt sei. Dafür würde auch die Entwicklung von -C- vor E, I sprechen, vgl. § 157.

' Das Simplex *ACIALE (für ACIARIU) erscheint dagegen nirgends mit anlautendem u, vgl. oeng. at/exl, bgü. at/r.l „Stahl", Filisur at/exl, Alvaneu it/a-.l, nidw. itfa-.l (Luzi § 81), Schams at/a.l. Beiheft zur Zeitschr. f. rom. Phil. L X X I

Q

«30 auch Fl.n. la fosa, diidz udzokfts1 „Weide am Eingang in Val Tuora", Filisur andzoúa neben uzo'.la, Alvaneu andzowla, Waltensburg andsorfa, Disentís »ndzül (Huo. 451). § 107. A + J u n d A vor folgendem Palatal haben in ganz Bünden mehr oder weniger die Tendenz, in der Anlautsilbe zu i zu werden. 1 Aber gestützt auf die Anzahl der Fälle, dürfen wir wohl von einem Gegensatz zwischen Bergün und dem Engadin 3 sprechen, indem Bergün viel konsequenter Palatalisierung aufweist, wie die folgenden Beispiele zeigen: A R E A L E > irt.l „Tenne", oeng. ;>