Der Brief des Paulus an die Römer, Kapitel 1-5: Historisch Theologische Auslegung 9783417297317, 9783765597312, 3417297311

Mit dem ersten Band des auf zwei Bände angelegten Römerbriefkommentars legt Eckard J. Schnabel eine ausgesprochen solide

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Der Brief des Paulus an die Römer, Kapitel 1-5: Historisch Theologische Auslegung
 9783417297317, 9783765597312, 3417297311

Table of contents :
Cover
Titel
Impressum
Inhalt
Vorwort
Abkürzungen
I. Einleitung
1. Paulus: Missionar, Pastor, Theologe, Autor
2. Ort und Zeit der Abfassung
3. Die Gemeinde in Rom
4. Anlass und Anliegen
5. Literarische Integrität
6. Gattung und Struktur
7. Gedankengang und theologische Grundzüge
8. Textüberlieferung
II. Auslegung
Einleitung 1,1-17
1. Präskript: Absender, Adressaten, Gruß 1,1-7
2. Proömium: Dank, Fürbitte, Thema 1,8-17
1. Die Rechtfertigung der Sünder durch Jesus Christus 1,18-5,21
1.1 Heiden und Juden unter dem Zorn Gottes 1,18-3,20
Die Sünde der Heiden 1,18-32
Die Sünde der Juden 2,1-3,20
Die Juden vor Gottes Gericht 2,1-11
Das Gericht nach den Werken 2,12-29
Widerlegung jüdischer Einwände 3,1-8
Die Schuldigkeit der Juden vor Gott 3,9-20
1.2 Die Heil schaffende Offenbarung Gottes in Jesus Christus 3,21-5,21
Die Offenbarung der Gerechtigkeit Gottes im Sühnetod Jesu Christi 3,21-31
Der Glaube Abrahams und das messianische Gottesvolk 4,1-25
Der Frieden mit Gott und die Hoffnung der gerechtfertigten Sünder 5,1-11
Der Messias Jesus und Adam 5,12-21
III. Verzeichnisse
1. Literaturverzeichnis
Kommentare zum Römerbrief
Alte Kirche und Mittelalter
16. Jahrhundert
17.-18. Jahrhundert
19. Jahrhundert
20. und 21. Jahrhundert
Weitere Literatur
2. Autorenverzeichnis
3. Verzeichnis griechischer Wörter
4. Stichwortverzeichnis

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Historisch Theologische Auslegung

______________________________________________________________________________

Neues Testament Herausgegeben von Gerhard Maier ▪ Heinz-Werner Neudorfer ▪ Rainer Riesner ▪ Eckhard J. Schnabel

Der des BriefPaulus an diean Römer Der Brief die Römer Kapitel 1–5

Eckhard J. Schnabel

SCM R. BROCKHAUS, WITTEN BRUNNEN VERLAG, GIESSEN

© 2015 SCM-Verlag GmbH & Co. KG, 58452 Witten Internet: www.scmedien.de | E-Mail: [email protected] Umschlaggestaltung: agentur krauss GmbH, Herrenberg Satz: E. J. Schnabel (Nota Bene Lingua Workstation Version 10) Druck: Finidr s. r. o. Gedruckt in Tschechien ISBN 978-3-417-29731-7 (SCM R.Brockhaus) ISBN 978-3-7655-9731-2 (Brunnen Verlag) Bestell-Nr. 229.731 Datenkonvertierung: Stephan Maier, Achern

INHALT Vorwort der Herausgeber ................................................................................................... 5 Abkürzungen ...................................................................................................................... 7 I. Einleitung ...................................................................................................................... 13 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8.

Paulus: Missionar, Pastor, Theologe, Autor ............................................................. 13 Ort und Zeit der Abfassung ...................................................................................... 18 Die Gemeinde in Rom .............................................................................................. 20 Anlass und Anliegen ................................................................................................. 36 Literarische Integrität ................................................................................................ 43 Gattung und Struktur ................................................................................................ 47 Gedankengang und theologische Grundzüge ............................................................ 53 Textüberlieferung ...................................................................................................... 73

II. Auslegung .................................................................................................................... 75 Einleitung 1,1-17 ............................................................................................................. 75 1. Präskript: Absender, Adressaten, Gruß 1,1-7 ............................................................. 75 2. Proömium: Dank, Fürbitte, Thema 1,8-17 ................................................................ 138 1. Die Rechtfertigung der Sünder durch Jesus Christus 1,18–5,21 .............................. 195 1.1 Heiden und Juden unter dem Zorn Gottes 1,18–3,20 ........................................... 196 Die Sünde der Heiden 1,18-32 ............................................................................. 199 Die Sünde der Juden 2,1–3,20 .............................................................................. 264 Die Juden vor Gottes Gericht 2,1-11 .............................................................. 267 Das Gericht nach den Werken 2,12-29 ........................................................... 288 Widerlegung jüdischer Einwände 3,1-8 .......................................................... 323 Die Schuldigkeit der Juden vor Gott 3,9-20 ................................................... 344 1.2 Die Heil schaffende Offenbarung Gottes in Jesus Christus 3,21–5,21 ............... 371 Die Offenbarung der Gerechtigkeit Gottes im Sühnetod Jesu Christi 3,21-31 .... 372 Der Glaube Abrahams und das messianische Gottesvolk 4,1-25 ......................... 440 Der Frieden mit Gott und die Hoffnung der gerechtfertigten Sünder 5,1-11 ....... 500 Der Messias Jesus und Adam 5,12-21 .................................................................. 544 III. Verzeichnisse ........................................................................................................... 589 1. Literaturverzeichnis ................................................................................................... 589 Kommentare zum Römerbrief .............................................................................. 589 Weitere Literatur ...................................................................................................617 2. Autorenverzeichnis .................................................................................................... 667 3. Verzeichnis griechischer Wörter ................................................................................ 682 4. Stichwortverzeichnis ...................................................................................................683

Vorwort der Herausgeber Die Kommentarreihe „Historisch-theologische Auslegung des Neuen Testaments“ will mit den Mitteln der Wissenschaft die Aussagen der neutestamentlichen Texte in ihrer literarischen Eigenart, im Hinblick auf ihre historische Situation und unter betonter Berücksichtigung ihrer theologischen Anliegen erläutern. Dabei sollen die frühere wie die heutige Diskussion und neben den traditionellen auch neuere exegetische Methoden berücksichtigt werden. Die gemeinsame Basis der Autoren der einzelnen Kommentare ist der Glaube, dass die Heilige Schrift von Menschen niedergeschriebenes Gotteswort ist. Der Kanon Alten und Neuen Testaments schließt den Grundgedanken der Einheit der Bibel als Gottes Wort ein. Diese Einheit ist aufgrund des Offenbarungscharakters der Heiligen Schrift vorgegeben und braucht nicht erst hergestellt zu werden. Die Kommentatoren legen deshalb das Neue Testament mit der Überzeugung aus, dass die biblischen Schriften vertrauenswürdig sind und eine Sachkritik, die sich eigenmächtig über die biblischen Zeugen erhebt, ausschließen. Wo Aussagen der biblischen Verfasser mit außerbiblischen Nachrichten in Konflikt stehen oder innerhalb der biblischen Schriften Spannungen und Probleme beobachtet werden, sind Klärungsversuche legitim und notwendig. Bei der Behandlung umstrittener Fragen möchten die Autoren vier Regeln folgen: 1. Alternative Auffassungen sollen sachlich, fair und in angemessener Ausführlichkeit dargestellt werden. 2. Hypothesen sind als solche zu kennzeichnen und dürfen auch dann nicht als Tatsachen ausgegeben werden, wenn sie weite Zustimmung gefunden haben. 3. Offene Fragen müssen nicht um jeden Preis entschieden werden. 4. Die Auslegung sollte auch für denjenigen brauchbar sein, der zu einem anderen Ergebnis kommt. Unser Kommentar will keine umfassende Darstellung der Auslegung eines neutestamentlichen Buches in Geschichte und Gegenwart geben. Weder bei der Auflistung der Literatur noch in der Darstellung der Forschungsgeschichte oder der Auseinandersetzung mit Auslegungspositionen wird Vollständigkeit angestrebt. Die einzelnen Autoren haben hier im Rahmen der gemeinsamen Grundsätze die Freiheit, beim Gespräch mit der früheren und aktuellen Exegese eigene Akzente zu setzen. Die Kommentarreihe unternimmt den Versuch einer „geistlichen Auslegung“. Über die möglichst präzise historisch-philologische Erklärung hinaus soll die Exegese die Praxis von Verkündigung, Seelsorge sowie Diakonie im Blick behalten und Brücken in die kirchliche Gegenwart schlagen. Die Autoren gehören zu ver-

6 Römerbrief ————————————————————————————————————

schiedenen Kirchen und Freikirchen der evangelischen Tradition. Unterschiede der Kirchen- oder Gemeindezugehörigkeit, aber auch unterschiedliche exegetische Meinungen wollen sie weder gewaltsam einebnen noch zum zentralen Thema der Auslegung machen. Die Auslegung folgt einem gemeinsamen Schema, das durch römische Ziffern angezeigt wird. Leserinnen und Leser finden unter I eine möglichst genaue Übersetzung, die nicht vorrangig auf eine eingängige Sprache Wert legt. Unter II ist Raum für Bemerkungen zu Kontext, Aufbau, literarischer Form oder Gattung sowie zum historischen und theologischen Hintergrund des Abschnitts. Unter III folgt eine Vers für Vers vorgehende Exegese, die von Exkursen im Kleindruck unterbrochen sein kann. Abschließend findet man unter IV eine Zusammenfassung, in der das Ziel des Abschnitts, seine Wirkungsgeschichte und die Bedeutung für die Gegenwart dargestellt werden, soweit das nicht schon im Rahmen der Einzelexegese geschehen ist. Alle Auslegung der Bibel als Heiliger Schrift ist letztlich Dienst in der Gemeinde und für die Gemeinde. Auch wenn die „Historisch-theologische Auslegung“ keine ausdrückliche homiletische Ausrichtung hat, weiß sie sich dem Ziel verpflichtet, der Gemeinde Jesu Christi für ihren Glauben und ihr Leben in der säkularen Moderne Orientierung und Weisung zu geben. Die Herausgeber hoffen, dass die Kommentarreihe sowohl das wissenschaftlich-theologische Gespräch fördert als auch der Gemeinde Jesu Christi über die Konfessionsgrenzen hinaus dient. Im Frühjahr 2004 Bischof i. R. Dr. Gerhard Maier Dekan Dr. Heinz-Werner Neudorfer Prof. Dr. Rainer Riesner Prof. Dr. Eckhard J. Schnabel

Abkürzungen ABD AGAJU AGLB ALGHJ AnBib AncB ANRW AThANT Bauer / Aland BBB BBR BDAG BDR BEThL Bib. BiKi Bill. BJRL BK BNot BS BSLK BWANT BZAW BZ BZNW Byz CBQ CBQ.MS CIJ CIL CR CSEL DDD DJD DNP DNTB

Anchor Bible Dictionary. Hg. v. D. N. Freedman. New York 1992 Arbeiten zur Geschichte des antiken Judentums und des Urchristentums Aus der Geschichte der lateinischen Bibel Arbeiten zur Literatur und Geschichte des hellenistischen Judentums Analecta Biblica Anchor Bible Aufstieg und Niedergang der römischen Welt. Hg. W. Haase / H. Temporini Abhandlungen zur Theologie des Alten und Neuen Testaments W. Bauer / K. Aland / B. Aland. Griechisch-deutsches Wörterbuch zu den Schriften des Neuen Testaments und der frühchristlichen Literatur Bonner Biblische Beiträge Bulletin for Biblical Research W. Bauer / F.W. Danker / W.F. Arndt / F.W. Gingrich. A Greek-English Lexicon of the New Testment and Other Early Christian Literature. Third Edition F. Blass / A. Debrunner / F. Rehkopf. Grammatik des neutestamentlichen Griechisch Bibliotheca Ephemeridum Theologicarum Lovaniensium Biblica Bibel und Kirche P. Billerbeck (H.L. Strack). Kommentar zum Neuen Testament aus Talmud und Midrasch Bulletin of the John Rylands Library Biblischer Kommentar Biblische Notizen Bibliotheca Sacra Bekenntnisschriften der evangelisch-lutherischen Kirche Beiträge zur Wissenschaft vom Alten und Neuen Testament Beihefte zur Zeitschrift für die alttestamentliche Wissenschaft Biblische Zeitschrift Beihefte zur Zeitschrift für die neutestamentliche Wissenschaft Byzantinischer Text (Mehrheitstext) Catholic Biblical Quarterly Catholic Biblical Quarterly Monograph Series Corpus Inscriptionum Judaicarum. Hg. v. J.B. Frey Corpus Inscriptionum Latinarum Corpus Reformatorum Corpus Scriptorum ecclesiasticorum latinorum Dictionary of Deities and Demons in the Bible. Hg. v. K. van Toorn / B. Becking / P.W. van der Horst Discoveries in the Judaean Desert (of Jordan) Der Neue Pauly. Hg. v. H. Cancik / H. Schneider / M. Landfester Dictionary of New Testament Background. Hg. v. C.A. Evans / S.E. Porter

8 Römerbrief ———————————————————————————————————— DPL DSD EB EDEJ EdF EKK Elb.Ü EtB ET EThL EÜ EvQ EvTh EWNT FilN FRLANT fzb GBL GN GNB HAL HALOT Hfa HNT HvS HThK HThR HUCA HWR ICC IEJ IJudO Int. ISBE JAC JBL JBTh JETh JETS JGRCJ JIGRE JIWE

Dictionary of Paul and His Letters. Hg. v. G.F. Hawthorne / R.P. Martin / D.G. Reid Dead Sea Discoveries Echter Bibel Eerdmans Dictionary of Early Judaism. Hg. v. J.J. Collins / D.C. Harlow Erträge der Forschung Evangelisch-Katholischer Kommentar zum Neuen Testament Elberfelder Übersetzung. Revision 2006 Études Bibliques Expository Times Ephemerides Theologicae Lovanienses Einheitsübersetzung. Revision 1979 Evangelical Quarterly Evangelische Theologie Exegetisches Wörterbuch zum Neuen Testament. Hg. v. H. Balz / G. Schneider Filologia Neotestamentaria Forschungen zur Religion und Literatur des Alten und Neuen Testaments Forschungen zur Bibel Das Große Bibellexikon. Hg. v. H. Burkhardt Gute Nachricht Bibel. Revision 1997 Good News Bible Hebräisches und Aramäisches Lexikon zum Alten Testament. Hg. v. W. Baumgartner / L. Koehler / J.J. Stamm Hebrew and Aramaic Lexicon of the Old Testament. Hg. v. W. Baumgartner / L. Koehler / J.J. Stamm, übers. v. M. Richardson Hoffnung für alle. Die Bibel Handbuch zum Neuen Testament H. von Siebenthal. Griechische Grammatik zum Neuen Testament Herders Theologischer Kommentar zum Neuen Testament Harvard Theological Review Hebrew Union College Annual Historisches Wörterbuch der Rhetorik. Hg. v. G. Ueding International Critical Commentary Israel Exploration Journal Inscriptiones Judaicae Orientis. Hg. v. D. Noy/ A. Panayotov / H. Bloedhorn / W. Ameling Interpretation International Standard Bible Encyclopedia. Hg. v. G. W. Bromiley Jahrbuch für Antike und Christentum Journal of Biblical Literature Jahrbuch für Biblische Theologie Jahrbuch für Evangelikale Theologie Journal of the Evangelical Theological Society Journal of Greco-Roman Christianity and Judaism Jewish Inscriptions of Graeco-Roman Egypt. Hg. v. D. Noy Jewish Inscriptions of Western Europe. Hg. v. D. Noy

Abkürzungen 9 ———————————————————————————————————— JJS JSHRZ JSNT JSNTSup JSP JSPSup JThS KEK KG KJV KuD LEH LGPN LN LNTS LSJ LThK LÜ LXX LXX.D Menge MM MNT MT Muraoka NA28 NEB Neot. NewDocs NGÜ NICNT NIDB NIDNTTE NIGTC NIV NIV NovT NovTSup

Journal of Jewish Studies Jüdische Schriften aus hellenistisch-römischer Zeit Journal for the Study of the New Testament Journal for the Study of the New Testament. Supplement Series Journal for the Study of Pseudepigrapha Journal for the Study of Pseudepigrapha. Supplement Series Journal of Theological Studies Kritisch-exegetischer Kommentar über das Neue Testament R. Kühner / B. Gerth. Ausführliche Grammatik der griechischen Sprache King James Version Kerygma und Dogma J. Lust / E. Eynikel / K. Hauspie. A Greek-English Lexicon of the Septuagint A Lexicon of Greek Personal Names. Bände I–VA. Hg. v. P.M. Fraser / E. Matthews J.P. Louw / E.A. Nida. Greek-English Lexicon of the New Testament Based on Semantic Domains Library of New Testament Studies H.G. Liddell / R. Scott / H.S. Jones / H. Stuart. A Greek-English Lexikon. Rev. Supplement Hg. v. P.G.W. Glare Lexikon für Theologie und Kirche. 3. Auflage. Hg. v. W. Kasper Lutherbibel. Revision 1984 Septuaginta Septuaginta Deutsch. Das griechische Alte Testament in deutscher Übersetzung. Hg. v. W. Kraus / M. Karrer Die Heilige Schrift Alten und Neuen Testaments. Übersetzt von H. Menge J.H. Moulton / G. Milligan. The Vocabulary of the Greek Testament Illustrated from the Papyri and Other Non-Literary Sources Münchener Neues Testament. Hg. v. J. Hainz / M. Schmidl / J. Sunckel Masoretischer Text T. Muraoka. A Greek-English Lexicon of the Septuagint W. Haubeck / H. von Siebenthal Nestle-Aland. Novum Testamentum Graece. Institut für Neutestamentliche Textforschung. 28. revidierte Auflage Neue Echter Bibel Neotestamentica New Documents llustrating Early Christianity. Hg. v. G.H.R. Horsley/ S. Llewelyn Neue Genfer Übersetzung New International Commentary on the New Testament New Interpreter’s Dictionary of the Bible. Hg. v. K.D. Sakenfeld New International Dictionary of New Testament Theology and Exegesis. Hg. v. M. Silva New International Greek Testament Commentary New International Version New International Version 2011 Novum Testamentum Novum Testamentum Supplement

10 Römerbrief ———————————————————————————————————— NPNF NRSV NSS NTA NTD NTOA NTS NW OCD OECS OLA ÖTK OTP PEQ PG PL Preisigke PW RAC RB RdQ RGG RNT RSV SB SBB SBLDS SBLMS SBL.SP SBLTT SBS SESJ SHCT SKKNT SNTSMS SNTU ST StANT StNT StUNT SÜ Syll. TAM TANZ Tg

Nicene and Post-Nicene Fathers. Hg. v. P. Schaff / H. Wallace New Revised Standard Version Neuer sprachlicher Schlüssel zum Griechischen Neuen Testament. Neutestamentliche Abhandlungen Das Neue Testament Deutsch Novum Testamentum et Orbis Antiquus New Testament Studies Neuer Wettstein. Texte zum Neuen Testament aus Griechentum und Hellenismus. Hg. v. G. Strecker / U. Schnelle Oxford Classical Dictionary. Hg. v. S. Hornblower / A. Spawforth Oxford Early Christian Studies Orientalia Lovaniensia Analecta Ökumenischer Taschenbuchkommentar zum Neuen Testament Old Testament Pseudepigrapha. Hg. v. J.H. Charlesworth Palestine Exploration Quarterly Patrologia graeca Patrologia latina Wörterbuch der griechischen Papyrusurkunden. Hg. v. F. Preisigke A.F. Pauly/ G. Wissowa u.a. Real-Encyclopädie der classischen Alterthumswissenschaft Reallexikon für Antike und Christentum Revue Biblique Revue de Qumran Religion in Geschichte und Gegenwart Regensburger Neues Testament Revised Standard Version Schlachter Bibel. Revision 2000 Stuttgarter Biblische Beiträge Society of Biblical Literature Dissertation Series Society of Biblical Literature Monograph Series Society of Biblical Literature Seminar Papers Society of Biblical Literature Texts and Translations Stuttgarter Bibelstudien Suomen Eksegeettisen Seuran Julkaisuja Studies in the History of Christian Thought Stuttgarter Kleiner Kommentar Neues Testament Society of New Testament Studies Monograph Series Studien zum Neuen Testament und seiner Umwelt Studia Theologica Studien zum Alten und Neuen Testament Studien zum Neuen Testament Studien zur Umwelt des Neuen Testaments Schlachter-Übersetzung. Revision 2002 W. Dittenberger, Sylloge Inscriptionum Graecarum. 3. Auflage Tituli Asiae Minoris Texte und Arbeiten zum neutestamentlichen Zeitalter Targum

Abkürzungen 11 ———————————————————————————————————— THAT ThBeitr ThBLNT ThHK ThLZ ThR ThWAT ThWNT ThWQ ThZ TLG TLNT TNIV TRE TU TynB VF VT VTSup WA WBC WdF WMANT WUNT ZAW ZB ZBK ZECNT ZEE ZNT ZNW ZPE ZThK

Theologisches Handwörterbuch zum Alten Testament. Hg. v. E. Jenni / C. Westermann Theologische Beiträge Theologisches Begriffslexikon zum Neuen Testament. Neubearbeitete Ausgabe. Hg. v. L. Coenen / K. Haacker Theologischer Handkommentar zum Neuen Testament Theologische Literaturzeitung Theologische Rundschau Theologisches Wörterbuch zum Alten Testament. Hg.v. G.J. Botterweck / H. Ringgren / H.J. Fabry Theologisches Wörterbuch zum Neuen Testament. Hg. v. G. Kittel / G. Friedrich Theologisches Wörterbuch zu den Qumrantexten. Hg. v. H.-J. Fabry/ U. Dahmen Theologische Zeitschrift Thesaurus Linguae Graecae Theological Lexicon of the New Testament. Hg. v. C. Spicq Today’s New International Version Theologische Realenzyklopädie Texte und Untersuchungen zur Geschichte der altchristlichen Literatur Tyndale Bulletin Verkündigung und Forschung Vetus Testamentum Vetus Testamentum Supplements Weimarer Ausgabe: D. Martin Luthers Werke. Kritische Gesamtausgabe Word Biblical Commentary Wege der Forschung Wissenschaftliche Monographien zum Alten und Neuen Testament Wissenschaftliche Untersuchungen zum Neuen Testament Zeitschrift für die alttestamentliche Wissenschaft Zürcher Bibel. Revision 2007 Zürcher Bibelkommentare Zondervan Exegetical Commentary on the New Testament Zeitschrift für evangelische Ethik Zeitschrift für Neues Testament Zeitschrift für die neutestamentliche Wissenschaft Zeitschrift für Papyrologie und Epigraphik Zeitschrift für Theologie und Kirche

Weitere Abkürzungen sind S. Schwertner, Internationales Abkürzungsverzeichnis für Theologie und Grenzgebiete (Berlin 21992, 32014) zu entnehmen. Zur Zitierung von Kommentaren und der Sekundärliteratur s. die Erklärung zu Beginn des Literaturverzeichnisses.

Einleitung 13 ————————————————————————————————————

I. Einleitung Der Brief des Apostels Paulus an die Christen in Rom ist die erste konsistente Darlegung des Evangeliums im Urchristentum, die uns als Dokument zur Verfügung steht. Und der Römerbrief gehört zu den ganz wenigen Texten, dessen Interpretation und Rezeption tiefgreifende weltpolitische Veränderungen nach sich zog – fast 1500 Jahre nach seiner Abfassung, infolge der Lektüre und Interpretation des Briefs durch Martin Luther. Der Römerbrief wird häufig, zu Recht, als der wichtigste theologische Brief der christlichen Geschichte bezeichnet. Wer den Römerbrief versteht, der versteht die Struktur nicht nur des paulinischen Denkens, sondern des Evangeliums und damit des christlichen Glaubens – eine Struktur, deren Fundament Gott und deren Zentrum Jesus Christus ist, dessen Tod und Auferstehung das seit Adam bestehende Sündenproblem der Menschheit gelöst und Heil bewirkt hat für alle, die an Jesus Christus glauben, für Juden wie für Griechen, für jüdische Fromme wie für heidnische Polytheisten. 1. Paulus: Missionar, Pastor, Theologe, Autor Paulus wuchs im kilikischen Tarsus als Kind gesetzestreuer Juden auf, die sich zu den Kreisen der Pharisäer rechneten. Er bezeichnet sich selbst als beschnittener Israelit vom Stamm Benjamin, als „Hebräer von Hebräern“, der als Pharisäer nach dem Gesetz lebte (Phil 3,5).1 In Röm 11,1 betont Paulus, dass er ein Israelit ist, ein Nachkomme Abrahams und aus dem Stamm Benjamin. Sein hebräischer Name Saul spiegelt seine Zugehörigkeit zum Stamm Benjamin wider.2 Als Hebräer war er engstens mit der hebräischen und aramäischen Sprache und mit der jüdischen Tradition und Kultur vertraut. Als Pharisäer, der in Jerusalem unter der Anleitung des berühmten Rabbi Gamaliel die Tora studierte, war er ein „Eiferer für Gott“ (Apg 22,3), der sich „mit dem größten Eifer“ für die Überlieferungen der Väter einsetzte (Gal 1,14) und infolge seines Eifers für das Gesetz und für Gott die Jesusbekenner verfolgte (Phil 3,6).3 Durch die Herkunft aus Tarsus4 war er auch ————————————————————

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Gal 1,13-14; 2Kor 11,22-23; Röm 11,1; Apg 9,11.30; 21,39; 22,3. Vgl. Hengel, Der vorchristliche Paulus; Niebuhr, Heidenapostel; Haacker, Werdegang; Hengel/Schwemer, Paulus; Murphy-O’Connor, Paul, 32-70; Haacker, Paulus. Saul, der erste König Israels, war Benjaminit: 1Sam 9,1-2.21; 10,20-21; 1Chron 8,29-40. Vgl. Stemberger, Pharisäer, Sadduzäer, Essener; H.F. Weiß, Art. Pharisäer, TRE XXVI, 473-485; R. Deines, Art. Pharisaioi, DNP IX, 740-743; E.J. Schnabel, Art. Pharisees, NIDB IV, 485-496; Nodet, Pharisees; zu Gamaliel: Neusner/Chilton, Paul and Gamaliel. Vgl. Hild/Hellenkemper, Kilikien, 428-439; Schnabel, Urchristliche Mission, 1012-1014.

14 Römerbrief ————————————————————————————————————

in der griechisch-römischen Kultur zu Hause: In Jerusalem verkehrt Paulus in den Synagogen der Griechisch sprechenden Diasporajuden (Apg 9,29). Seine Familie und damit er selbst besaß sowohl das tarsische wie auch das römische Bürgerrecht,5 was allerdings mehr über manche Annehmlichkeiten des Lebens im Römischen Reich besagt – privat-, prozess- und staatsrechtliche Privilegien wie Wahlrecht und Freiheit von Körperstrafen – als über seinen sozialen Status. Paulus ist der römische Name des Apostels, wahrscheinlich als cognomen zu verstehen; den vollen, aus drei Gliedern bestehenden römischen Namen (praenomen, nomen, cognomen) kennen wir nicht. Die schriftgelehrte Ausbildung erklärt die Kenntnis der Tora, der Propheten und der Schriften, d.h. der heiligen Schriften des jüdischen Volkes, sowie jüdischer Texte des Diasporajudentums wie der sog. Weisheit Salomos, und die exegetischen Methoden, mit denen er die Schrift erklärt.6 Im Römerbrief allein finden wir 43 durch Einleitungsformeln markierte Schriftzitate und 9 anderweitig gekennzeichnete Zitate;7 dazu kommen freie Paraphrasen sowie Anspielungen auf alttestamentliche Stellen. Die Kenntnis griechisch-römischer Kultur erklärt die Bezüge zur Diatribe und zu Metaphern aus urbanen Kontexten und dem Militär. Bei den Bezügen zur Diatribe ist an die dialogischen Stellen zu denken, in denen Paulus einen Wortwechsel mit einem Gesprächspartner vorführt.8 Was Metaphern aus urbanen Kontexten oder dem Militär betrifft, denke man an Beispiele aus Militär (Röm 6,13; 13,12), sozialen Gegebenheiten (6,16), Eherecht (7,2-3), Erbschaftsrecht (8,17), Hausbau (15,20), Athletik (15,30). Warum hat Saulus-Paulus die Jesusanhänger verfolgt? Das Vorgehen der führenden Jerusalemer Juden gegen Stephanus und die Griechisch sprechenden Judenchristen (Apg 6,8–8,1), an dem Saulus sich beteiligt hat (Apg 8,3), ist für die Beantwortung dieser Frage aufschlussreich. Offensichtlich hat er die Verkündigung eines gekreuzigten Messias durch die Jesusbekenner als so anstößig empfunden, dass er überzeugt war, sich an aktiven Gegenmaßnahmen zu beteiligen. Er hat sich am Bekenntnis zu Jesus gestoßen, der gekreuzigt worden war und damit unter dem Fluch des Gesetzes stand (Deut 21,23; vgl. Gal 3,13), der jedoch nach dem Glauben der ————————————————————

5 6 7 8

Apg 21,39 sowie Apg 16,37-38; 22,25-29; 23,27; vgl. 25,10-11; 28,19. Vgl. Hengel, Der vorchristliche Paulus, 188-208; Riesner, Frühzeit, 129-139; Omerzu, Prozeß, 27-52. M. Silva, Art. Old Testament in Paul, DPL 630-643; Koch, Schrift; Hays, Echoes; Stanley, Arguing with Scripture; Tiwald, Hebräer; Moyise, Paul and Scripture; Bates, Hermeneutics. Vgl. die Liste in Koch, Schrift, 21-23; aus Jesaja stammen 18 Zitate, aus dem Psalter 13, aus Genesis 7 Zitate. Vgl. S.K. Stowers, Art. Diatribe, ABD II, 190-193; D.F. Watson, Art. Diatribe, DPL 213-214; Stowers, Diatribe; Schmeller, Diatribe; Song, Reading Romans.

Einleitung 15 ————————————————————————————————————

Jesusbekenner der Messias Israels sein soll, durch dessen Tod und Auferstehung die Sünden vergeben werden. Dies war für einen schriftgelehrten Pharisäer ein schwerer Bruch mit der Tradition Israels, der die „Grundfesten des Toragehorsams als der Grundlage jüdischen Heilsverständnisses“ infrage stellte und die Bedeutung des Jerusalemer Tempels und damit der Gegenwart Gottes in der Mitte Israels gefährdete.9 Saulus-Paulus begegnete dem erhöhten Jesus Christus auf dem Weg nach Damaskus, wo er Jesusbekenner gefangen setzen und zur Bestrafung nach Jerusalem bringen wollte (Apg 9,2; 22,5; 26,10), wahrscheinlich im Jahr 31/32 n.Chr. (wenn man die Kreuzigung Jesu in das Jahr 30 datiert). Paulus erwähnt seine Bekehrung zum Glauben an Jesus als Messias (griech. Christos) Israels und Herrn (griech. Kyrios) der Welt mehrfach.10 Lukas berichtet, dass Ananias, ein in Damaskus wohnender Jesusbekenner, in einem Wort des Kyrios Jesus dem erblindeten Saulus die Beauftragung zur Mission unter Heiden und Juden vermittelt (Apg 9,15-16; 22,14-15); im dritten Bekehrungsbericht, der das theologisch Wesentliche zusammenfasst, wird die Beauftragung zur Mission unmittelbar auf Jesus Christus zurückgeführt (Apg 26,26-27). Im Selbstbericht Gal 1,15-17 schreibt Paulus: „Als aber Gott, der mich schon im Mutterleib auserwählt und durch seine Gnade berufen hat, mir in seiner Güte seinen Sohn offenbarte, damit ich ihn unter den Heiden verkündige, da zog ich keinen Menschen zu Rate; ich ging auch nicht sogleich nach Jerusalem hinauf zu denen, die vor mir Apostel waren, sondern zog nach Arabien und kehrte dann wieder nach Damaskus zurück“. Nach seiner Bekehrung und Berufung im Jahr 31/32 war Paulus 25 Jahre lang als Missionar tätig, ehe er im Winter 56/57 den Römerbrief schrieb. Wir können für diese Zeit zwölf Phasen seiner Missionstätigkeit beschreiben: 1. Damaskus (31/32 n.Chr.; Apg 9,19-21; Gal 1,17; Apg 9,2325); 2. Arabien/Nabatäa (32/33 n.Chr.; vgl. Gal 1,17 mit 2Kor 11,32); 3. Jerusalem (33 n.Chr.; Apg 9,26-29; Röm 15,19); 4. Syrien/Kilikien, mit Tarsus als Basis (34–42 n.Chr.; Apg 9,30; 11,25-26); 5. Syrien, unter anderem in Antiochia, der Hauptstadt (42–44 n.Chr.; Apg 11,26-30; 13,1); 6. Zypern, unter anderem in Salamis und Paphos (45 n.Chr.; Apg 13,4-12); 7. Galatien: Antiochia, Ikonium, Lystra und Derbe (45–47 n.Chr.; Apg 13,14–14,23); 8. Pamphylien: Perge (47 n.Chr.; Apg 14,24-26); 9. Makedonien: Philippi, Thessalonich, Beröa (49–50 n.Chr.; Apg 16,6–17,15); 10. Achaia: Athen, Korinth (50–51 n.Chr.; Apg 17,16–18,28); 11. Provinz Asia: Ephesus (52– ————————————————————

9 10

Niebuhr, Heidenapostel, 62-65, Zitat 66; vgl. Dietzfelbinger, Berufung, 22-42. Gal 1,11-17; Phil 3,3-17; 1Tim 1,12-16; vgl. die lukanischen Berichte in Apg 9,1-21; 22,6-21; 26,12-18. Zur Bekehrung von Paulus s. Kim, Origin; Dietzfelbinger, Berufung; Hengel/Schwemer, Paulus, 63-80; Kraus, Zwischen Jerusalem und Antiochia, 82-105; O’Brien, Paul Converted.

16 Römerbrief ————————————————————————————————————

55 n.Chr.; Apg 19,1-41); 12. Illyricum (56 n.Chr.; Röm 15,19).11 Die Missionstätigkeit des Apostels Paulus in Judäa und in den Synagogen der jüdischen Diaspora löste Konflikte aus, die den Konflikten der Jerusalemer Urgemeinde mit der jüdischen Führungsschicht entsprachen: Man sah den modus vivendi mit den römischen Amtsträgern gestört und suchte diese zu veranlassen, die Tätigkeit des jüdischen Predigers zu unterbinden (Apg 13,50; 14,2.4-5.19; 17,5-9.13; 18,12-13). In manchen Städten kam es unabhängig von der örtlichen Synagoge zu Konflikten mit den städtischen Magistraten: Philippi und Ephesus sind Beispiele (Apg 16,16-39; 19,23-40). Paulus begnügte sich nicht mit der mündlichen Verkündigung des Evangeliums und der Bekehrung einzelner Menschen zum Glauben an Jesus Christus: Er gründete Gemeinden, die er manchmal mehrere Monate, manchmal mehrere Jahre hindurch betreute.12 Paulus versteht sich als „Diener Jesu Christi überall in allen Gemeinden“ (1Kor 4,17). Wenn er Weisungen erteilt, gelten diese häufig „für alle Gemeinden“ (1Kor 7,17; vgl. 11,16; 14,33; 16,1). Er berichtet von seiner „Sorge für alle Gemeinden“ (2Kor 11,28). Die konkreten Herausforderungen der neuen Gemeinden waren enorm. Judenchristen mussten Vorbehalte gegen Heiden und jüdische Traditionen überwinden, die das Zusammenleben mit Heidenchristen verhinderten oder erschwerten: sie mussten lernen, dass die Reinheits- und Speisegebote angesichts des Sühnetodes Jesu Christi keine Gültigkeit mehr besaßen. Sie mussten lernen, dass die Beschneidung nicht mehr als Zeichen der Zugehörigkeit zum Heilsvolk Gottes zu verstehen ist. Was die Heidenchristen betrifft, so war fast alles neu, was Paulus über Gott und seine Offenbarung in der Geschichte Israels, über den Messias Jesus und die von ihm ermöglichte Sündenvergebung und über die Identität der Gläubigen als Gottesvolk zu sagen hatte. Die Heidenchristen mussten lernen, dass allgemein akzeptierte Werte und Verhaltensweisen der Gesellschaft angesichts der Offenbarung Gottes in den Heiligen Schriften und in Jesus Christus aufzugeben sind, z.B. was den Gang zur Prostituierten oder den Verzicht auf homosexuelle Kontakte betrifft (Röm 1,24-27; 1Kor 6,12-19). In Röm 12,2 mahnt Paulus: „Passt euch nicht den Maßstäben dieser Welt an“ (GN). Für Heiden bedeutete die Integration in die neue Glaubengemeinschaft ein radikales Umdenken und das Einüben neuer Formen: Sie hatten (fast) keine Möglichkeit, „ihren neuen Glauben in einer jener Formen auszudrücken, die ihnen von Jugend an im Umgang mit der Gottheit / den Göttern vertraut waren: Da gab es weder Tempel noch Altäre, wo Priester Opfer darbrachten und zum Mahl mit der Gottheit einluden. Auch in den Häusern, in denen ————————————————————

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Zu Einzelheiten vgl. Schnabel, Urchristliche Mission, 887-1204. Für das Folgende vgl. Schnabel, Urchristliche Mission, 1311-1318.

Einleitung 17 ————————————————————————————————————

man sich versammelte, fand sich kein Bild – weder von Gott noch von Jesus Christus, seinem Sohn –, vor das der Einzelne treten und beten konnte, um mit Rauchopfern und Weihegaben seine ganz persönliche Dankbarkeit und Verehrung auszudrücken. Und schließlich veranstalteten die Christen auch keine Prozessionen oder Spiele zu Ehren ihres Gottes, an denen sich die einstigen Heiden in festlicher Freude hätten beteiligen können. Was sie vorfanden und worin sie selbst mit den anderen Christen ihren Glauben an Gott gegenüber ausdrücken konnten, waren: die Taufe, das Herrenmahl (das seinerseits weder bestimmte Reinigungsriten noch besondere Geräte, Verhaltensweisen und Kleidung verlangte) sowie das Gebet. Auch für die ‚Völker‘ war Christus das Ende der ererbten Religion.“13 Im ersten Korintherbrief wirft Paulus der mehrheitlich heidenchristlichen Gemeinde in Korinth vor, im Blick auf ihr Verständnis von Führungsaufgaben die säkularen („fleischlichen“) Werte der römischen Gesellschaft übernommen zu haben. Er kritisiert ihre Loyalität gegenüber von ihnen bevorzugten Lehrern, ihre Betonung von Statusfragen, ihre Tolerierung vom Gang zu Prostituierten, ihre Bereitschaft, andere Gemeindeglieder vor Gericht zu bringen und an Festmahlzeiten in heidnischen Tempeln teilzunehmen, und die Missachtung der Bedürfnisse der armen Gemeindeglieder bei den gemeinsamen Mahlzeiten. Die Frage nach der Bedeutung des Evangeliums von Jesus Christus für das Alltagsleben der Jesusbekenner provozierte nicht nur Konflikte mit der Außenwelt, sondern auch innerhalb der Gemeinden. Dies war schon in den ersten Jahren der Existenz der Jerusalemer Gemeinde der Fall. Die Bekehrung von Samaritanern veranlasst die Jerusalemer Gemeinde, Petrus und Johannes zu den Neubekehrten zu senden (Apg 8,14). Die Bekehrung des Römers Kornelius und seine Akzeptanz als Jesusbekenner durch Petrus war ein Ereignis, das diskutiert werden musste (Apg 10,1–11,18). Die Bekehrung von Heiden im syrischen Antiochien veranlasst die Urgemeinde, Barnabas nach Antiochien zur Konsolidierung der neuen Gemeinde zu schicken (Apg 11,22-24). Beim Besuch von Judenchristen aus Judäa in der antiochenischen Gemeinde kommt es zum Streit über die Frage, ob Heidenchristen beschnitten werden müssen und ob Judenchristen mit unbeschnittenen Heidenchristen Tischgemeinschaft haben dürfen (Apg 15,1; Gal 2,1-10). Paulus muss sich zur gleichen Zeit mit Judenchristen auseinandersetzen, die die von ihm in Galatien gegründeten Gemeinden besuchen und von Heidenchristen die Beschneidung fordern (Gal 4,8-10.16-20; 5,1-12; 6,12-16). Die Briefe, die Paulus schreibt, um solche Konflikte zu lösen und theologische Fragen zu klären, sind ein Beleg für seine „Sorge“ um die Gemeinden. ————————————————————

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Limbeck, Religionen, 53.

18 Römerbrief ————————————————————————————————————

2. Ort und Zeit der Abfassung Paulus schrieb den Brief an die stadtrömischen Christen im Winter des Jahres 56 / 57 n.Chr. in Korinth, auf dem Weg nach Jerusalem, in Vorbereitung der geplanten Mission in Spanien.14 Die Verfasserschaft durch Paulus wurde nur von einigen wenigen Kritikern bestritten,15 deren Ansichten zu den Kuriositäten neutestamentlicher Forschung gehören.16 Paulus nennt sich als Autor in Röm 1,1 und er beschreibt seine jüdische Herkunft und seine Zugehörigkeit zum Stamm Benjamin in 11,1 (vgl. 9,3; Phil 3,5). Anspielungen auf den Römerbrief findet man in den Apostolischen Vätern des späten 1. und 2. Jahrhunderts,17 und seit dem 2. Jahrhundert wird Paulus als Verfasser explizit genannt.18 Im Zusammenhang mit der Frage nach der Verfasserschaft ist zu erörtern, welche Rolle Tertius bei der Abfassung des Briefs gespielt hat. In Röm 16,22 identifiziert sich Tertius als „Schreiber dieses Briefes“ (ε� γω` Τε' ρτιος ο� γρα' ψας τη` ν ε� πιστολη' ν).19 Vier Möglichkeiten bestehen. 1. Der Sekretär ist Transkribent: Er schreibt auf, was ihm diktiert wird, entweder syllabatim (Silbe für Silbe) oder viva voce, d.h. er schreibt den vom Verfasser gesprochenen Text im Sprechtempo mithilfe von Stenographie (Tachygraphie) auf, den er anschließend wortgetreu in Langschrift ausschreibt.20 2. Der Sekretär fungiert als Herausgeber: Er formulierte die Endfassung des Briefs aufgrund von Material, das ihm der Autor diktiert oder zur Verfügung gestellt hatte. ————————————————————

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Die ausführlichsten Einleitungen in den Römerbrief bieten Theobald, Der Römerbrief, 2000, und Longenecker, Introducing Romans, 2011; ausführliche Einleitungen in der Kommentarliteratur findet man in Fitzmyer 23-172 und Jewett 1-91. Evanson, Dissonance, 305-312; Bauer, Kritik, III, 47-76; Steck, Galaterbrief, 151.282287; Manen, Paulus. II. An Brief aan de Romeinen (dt. Manen, Unechtheit des Römerbriefes); Schlaeger, Critique radicale, II, 100-118. Dodd 9; Cranfield 2; vgl. Dunn xxxix; Fitzmyer 40-41; Haacker 1, im ersten Satz seines Kommentars; Wolter I 24. Theobald, Der Römerbrief, 16, bezeichnet die Kritik an der Echtheit des Römerbriefs als „Spuk“, der längst vorbei ist. Neuere Kommentatoren wie Lohse, Jewett und Penna übergehen eine Erörterung der Verfasserfrage. 1Klem 32,2 (Röm 9,5); 35,5 (Röm 1,29-32); Ignatius, Eph 19,3 (Röm 6,4); Magn 6,2 (Röm 6,17); Trall 9,2 (Röm 8,11); Sm 1,1 (Röm 1,3-4). Sanday/ Headlam, lxxix-lxxxiii. Marcion (vgl. Tertullian, Adv.Marc. 5,13-14); Apostolikon, Canon Muratori 44-53. Vgl. Lindemann, Paulus im ältesten Christentum, 201-202.360.366.380-381, zu Ignatius, Eph 8,2 (vgl. Paulus in Röm 8,5.8-9), Justinus, Dial. 27,1 (Röm 3,11-17) und Marcion. Paulus nennt im Römerbrief keinen Mitautor, anders als in 1Kor 1,1 (Paulus und Sosthenes); 2Kor 1,1 (Paulus und Timotheus); Gal 1,1-2 (Paulus und alle Brüder, die bei ihm sind); Phil 1,1 (Paulus und Timotheus); Kol 1,1 (Paulus und Timotheus); 1Thess 1,1 (Paulus, Silvanus und Timotheus); 2Thess 1,1 (Paulus, Silvanus und Timotheus). Vgl. G. Menci, Art. Tachygraphie, DNP XI, 1205-1208. Die frühesten Zeugnisse von Tachygraphie in griechischen Papyri datieren in das 1. und 2. Jh. n.Chr. und finden sich im 3. Jh. häufiger.

Einleitung 19 ————————————————————————————————————

3. Der Sekretär ist Mitautor: Er ist für die Form, die Syntax, das Vokabular und den Stil der Endfassung des Briefs verantwortlich, für dessen Formulierung er Material verwendet – sowohl den allgemeinen Inhalt als auch die Argumentation –, das ihm der Auftraggeber überlassen hatte. 4. Der Sekretär schreibt als Autor: Er ist vollständig für den Inhalt des Briefs verantwortlich, den sein Auftraggeber bestellt hatte.21 Der Vorschlag, Paulus habe die Formulierung des Inhalts seines Briefs an die stadtrömischen Christen dem Sekretär Tertius überlassen,22 ist nicht plausibel. Man müsste zeigen können, dass Tertius auch die anderen paulinischen Briefe geschrieben hat, deren Sprache und Stil mit dem des Römerbriefs übereinstimmen.23 Außerdem ist es unwahrscheinlich, dass Paulus die Formulierung eines derart langen und wichtigen Briefs einem Sekretär überlassen hätte, über den sonst nichts bekannt ist. Wir können davon ausgehen, dass Paulus den Brief an die Christen in Rom Wort für Wort diktiert hat: Tertius hat entweder das (langsame) Diktat von Paulus Silbe für Silbe mitgeschrieben24 oder das im Sprechtempo gegebene Diktat mithilfe von Stenographie notiert und anschließend in die Langform transkribiert.25 Korinth als Abfassungsort und der Winter 56/57 n.Chr. als Abfassungszeit ergeben sich aus folgenden Überlegungen.26 Paulus teilt den Christen in Rom mit, dass er zwischen Jerusalem und Illyrien keinen Raum für neue missionarische Initiativen hat und deshalb nach Rom kommen will (Röm 15,19.23), um Unterstützung für die geplante Mission in Spanien zu gewinnen (Röm 15,24.28). Zunächst will er Jerusalem besuchen, um die von den Gemeinden in Makedonien und Achaia für die Gemeinde in Jerusalem gesammelten Gelder zu übergeben (Röm 15,25-28). Diese Angaben können mit dem Bericht des Lukas in der Apostelgeschichte koordiniert werden. Aus der in Delphi gefundenen Inschrift, nach der das Prokonsulat des L. Iunius Gallio in der Provinz Achaia in das Jahr 51/52 zu datieren ist,27 ergibt sich, dass Paulus im Jahr 51 in Korinth war (Apg 18,1-17). Wenn ————————————————————

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Richards, Secretary, 23-53, mit Verweis u.a. auf (1) Cicero, Att. 5,12; Fam. 11,32,2; (2) P.Zenon 111; P.Tebt. 13; (3) Cicero, Att. 11,5; P.Zenon 57; (4) Cicero, Att. 3,15; 11,3. Roller, Formular, 5-19, behandelt die ersten drei Möglichkeiten. Roller, Formular, 22-23. Vgl. Michaelis, Einleitung, 251; Sevenster, Greek, 12. So Fitzmyer 42; Schreiner 2, mit dem Argument, dass das 143 Mal vorkommende γα' ρ („denn“) die Lebendigkeit eines unmittelbar gesprochenen Textes reflektiert. So Sanday/ Headlam lx; als Möglichkeit Cranfield 4-5. Zur Stadt Korinth vgl. Schnabel, 1. Korinther, 14-22; Friesen/Schowalter/Walters, Corinth in Context. Vgl. Riesner, Frühzeit, 180-184. Vgl. Plassart, Inscriptions de la terrasse du temple, 2632 (Nr. 286); Barrett/Thornton, Texte, 59 (Nr. 53). Lucius Iunius Gallio war zwischen dem 1. Juli 51 und dem 30. Juni 52 Prokonsul in Achaia.

20 Römerbrief ————————————————————————————————————

man von der Annahme ausgeht, dass die Juden Korinths kurz nach Amtsantritt Gallios (1. Juli 51) Paulus vor dem neuen Prokonsul verklagten (Apg 18,12-17), ist die Annahme plausibel, dass Paulus im Herbst des Jahres 51 Korinth verließ und nach Jerusalem und von dort nach der syrischen Hauptstadt Antiochien reiste (Apg 18,22-23). Paulus verbrachte den Winter 51/52 in Syrien. Der Aufbruch nach Ephesus, wo er über zwei Jahre lang missionierte (Apg 19,8.10), ist in das Frühjahr des Jahres 52 zu datieren. Die Mission in Ephesus endete vermutlich im Jahr 55. Nach Auskunft des Lukas plante Paulus am Ende seines Ephesusaufenthalts, über Makedonien und Achaia nach Jerusalem und dann nach Rom zu reisen (Apg 19,21). Paulus konnte diesen Plan verwirklichen: Er reiste von Ephesus nach Makedonien und von dort nach Achaia (Apg 20,1-2). Paulus erläutert den Christen in Korinth den Grund, weshalb er den Besuch in Korinth verschieben musste, in einem von Makedonien aus geschriebenen Brief. Da er bei dieser Erklärung mehrfach seinen Aufenthalt in den Gemeinden Makedoniens erwähnt (2Kor 1,16; 2,13; 7,5; 8,1-5; 9,2), ergibt sich, dass Paulus sich dort länger als geplant aufgehalten hat. Paulus hat Korinth offensichtlich nicht im Jahr 55 erreicht, sondern erst im Jahr 56. Lukas notiert, dass Paulus sich drei Monate in Achaia aufhielt und dann in Richtung Syrien abreiste (Apg 20,3). Da er am Pfingstfest in Jerusalem sein wollte (Apg 20,16), das im Jahr 57 am 29. Mai stattfand, ist dieser dreimonatige Aufenthalt in den Winter 56/57 zu datieren. Da der Brief an die Christen in Rom offensichtlich von Phöbe überbracht wurde (Röm 16,1-2), die zur Gemeinde in Kenchreä gehörte, einer der beiden Hafenstädte Korinths, ergibt sich Korinth als Ort der Abfassung und der Winter 56/57 als Abfassungszeit.28 3. Die Gemeinde in Rom Geschichte. Die christliche Gemeinde in der Hauptstadt des Römischen Reiches hat ihren Ursprung in den Synagogen, in denen sich die stadtrömischen ————————————————————

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Riesner, Frühzeit, 282-284.286; Söding, Chronologie, 30; Pokorný/Heckel, Einleitung, 303; Bruce 11-12; Moo 3; Jewett, 18-21. Andere Datierungen: 51/52 oder 54/55 (Lüdemann, Paulus I, 273); 53/54 (Mahieu, Rome and Jerusalem, 501-501); 54/55 oder 57/58 (Penna xlvii); Anfang 55 (Barrett 5; Suhl, Paulus, 249); Winter 55/56 oder Frühjahr 56 (Murphy-O’Connor, Paul, 332; Theobald, Der Römerbrief, 27); im Winter 55/56 oder 56/57 (Lagrange xx; Cranfield I 16; Dunn I xliii); Frühjahr 56 (Haacker 10-11); 57 oder 58 (Schlier 2); 59 (Dodd xxvi); im Winter 57/58 (Brown, Introduction, 560; Longenecker, Introducing Romans, 49-50; Sanday/ Headlam xiii; Michel 27; Black 20; Fitzmyer 87; Légasse 44-45); Wolter I 30 belässt es angesichts der unterschiedlichen Vorschläge bei der allgemeinen Auskunft „in der zweiten Hälfte der 50er Jahre“.

Einleitung 21 ————————————————————————————————————

Juden versammelten.29 Von den rund einer Million Einwohnern Roms waren zwischen 15 000 und 50 000 Juden.30 Die jüdische Bevölkerung wohnte hauptsächlich in Trastevere jenseits des Tiber, aber auch in der Subura, am Rand des Campus Martius und in der Nähe der Porta Capena. Nach seiner Eroberung Jerusalems 63 v.Chr. brachte Pompeius Tausende von jüdischen Gefangenen nach Rom; die meisten von ihnen dürften im 1. Jh. n.Chr. als Freigelassene in Rom gelebt haben. Die Juden Roms sprachen Griechisch: Von den 534 Inschriften der Katakomben, die praktisch die einzige direkte Quelle für Informationen über die Sprache der stadtrömischen Juden darstellen, sind 405 (76%) in Griechisch und 123 (23%) in Lateinisch geschrieben; nur eine Inschrift ist in Aramäisch verfasst; auffallend ist die Tendenz, lateinische Namen zu verwenden (46%; nur 13% haben semitische Namen). Infolge ihrer Unterstützung Cäsars wurden die Juden vom Verbot der Vereine (collegia) ausgenommen, was wöchentliche Versammlungen in den Synagogen ermöglichte. Zwölf Synagogen in Rom sind inschriftlich belegt, von denen mindestens vier im 1. Jh. existierten.31 Das griechische Wort συναγωγη' [synagōgē] bezeichnet nicht immer ein Gebäude, sondern beschreibt, buchstäblich, die „Versammlung“. Namentlich bekannt sind: 1. Die Synagoge der Augustenser, d.h. des kaiserlichen Haushalts, in der sich Freigelassene des kaiserlichen Haushalts trafen. 2. Die Synagoge der Agrippenser, benannt nach Marcus Vipsanius Agrippa, dem Schwiegersohn des Augustus; Marcus Agrippa hatte 29 v.Chr. ehrenhalber das Haus des Marcus Antionius auf dem Palatium erhalten, war Ende der Zwanzigerjahre als Generalstatthalter in die östlichen Provinzen gegangen und unterhielt ab 15 v.Chr. mit Herodes dem Großen eine enge Freundschaft. Laut Josephus war er den Juden wohlgesonnen; zu seinem Haushalt in Rom gehörten jüdische Sklaven und Freigelassene, die im 1. Jh. eine inschriftlich bezeugte Synagoge bildeten.32 3. Die Synagoge der Hebräer, vielleicht die älteste der Synagogen Roms. 4. Die Synagoge der Calcarenser, vielleicht nach einer Straße oder einem Stadtviertel benannt, in dem Kalkarbeiter wohnten. 5. Die Synagoge der Kampesianer, die sich auf dem Campus Martius am Ostufer des Tiber befand. 6. Die Synagoge von Elaia, vielleicht nach dem mysischen ————————————————————

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Zur Geschichte der stadtrömischen Gemeinde vgl. Wiefel, Jewish Community; Lampe, Christen (Lampe, Paul); Schnabel, Urchristliche Mission, 778-793; Lampe, Missionswege; Longenecker, Introducing Romans, 55-74 (nur mit älterer Lit.); Cappelletti, Jewish Community; Jewett 59-74; Penna xvi-xxxv. Für die römische Gemeinde im späten 1. Jh. vgl. Caragounis, Obscurity. Vgl. Clarke, Rome, 466 (40 000–50 000), Juster, Juifs, I, 209-110 (15 000–50 000); Wolff, Juden (25 000–30 000); Brändle/Stegemann, Entstehung (20 000); Solin, Juden, 700 (15 000). Relevante Stellen sind Josephus, Ant. 17,299-303; 18,81-84; Bell. 2,80; Sueton, Tib 36; Tacitus, Ann. 2,85. Levine, Synagogue, 97: die nach Augustus, Agrippa und Volumnius benannten Synagogen sowie die Synagoge der Hebräer; ebd. 97-99.263-66; Lichtenberger, Organisationsformen, 19; Westenholz, Jewish Presence, 23-27; Levinskaya, Diaspora, 182-185; Richardson, Synagogues, 17-29; Lampe, Missionswege, 125-126. Vgl. Josephus, Ant. 15,350-351; 16,12-16.21-62.

22 Römerbrief ———————————————————————————————————— Elaia benannt, dem Hafen Pergamons. 7. Die Synagoge der Sekenier, vielleicht benannt nach der nordafrikanischen Hafenstadt Scina. 8. Die Synagoge der Siburesianer, nach der Subura, einem römischen Stadtteil benannt. 9. Die Synagoge der Tripolitaner, die vielleicht von Juden gegründet wurde, die aus Tripolis stammten. 10. Die Synagoge der Vernaclesianer, in der sich römische Haussklaven oder nicht zugewanderte stadtrömische Juden trafen. 11. Die Synagoge der Volumnesianer, wahrscheinlich die jüdischen Freigelassenen und Sklaven des römischen Legaten Volumnius, der 8 v.Chr. in Syrien residierte und mit Herodes dem Großen befreundet war.33 12. Die Synagoge der Herodianer, deren Entstehung aufgrund des Namens möglicherweise zur Zeit des Augustus zu datieren ist; zu dieser Synagoge hätten jüdische Freigelassene und Sklaven des herodianischen Königshauses in Rom gehört.34

Jede Synagogengemeinde hatte ihre eigenen Ämter und Amtsträger; belegt sind archisynagōgos (Vorsteher, Patron), gerousiarchēs (Vorsitzender des Ältestenrats), archōn (Mitglied des Exekutivkommitees), grammateus (Sekretär), hyperetēs (Assistent des Vorstehers, vielleicht für Synagogalstrafen zuständig), phrontistēs (Manager), patēr / mētēr synagōgēs (Patron / Patronin, Verantwortliche[r] für Wohltätigkeitsangelegenheiten), hiereus („Priester“, wohl Nachkommen Aarons, die vielleicht beim Sprechen der Segensgebete eine Rolle spielten). Die jüdischen Inschriften der Katakomben zeigen, dass viele, vielleicht die meisten stadtrömischen Juden lateinische Namen hatten, jedoch Griechisch sprachen.35 Wir wissen nicht, wo stadtrömische Juden mit dem Evangelium zuerst Kontakt bekamen. Folgende Möglichkeiten bestehen. 1. Juden aus Rom, die zum Pfingstfest des Jahre 30 n.Chr. nach Jerusalem gepilgert waren, konnten Petrus predigen hören. In Apg 2,10 erwähnt Lukas „Besucher von Rom, sowohl Juden als Proselyten“, die sich in Jerusalem aufhielten. Lukas sagt nicht, dass römische Juden zu denen gehörten, die sich am Pfingstfest bekehrten. Es fällt auf, dass die römischen Besucher das einzige europäische Kontingent jüdischer Diasporajuden sind, die ausdrücklich unter den Pilgern erwähnt werden. Dies könnte ein Hinweis auf die Bekehrung römischer Juden in Jerusalem sein, die nach ihrer Rückkehr den Kern der ersten Ge-meinde in Rom bildeten;36 sicher ist dies allerdings nicht. ————————————————————

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Vgl. Josephus, Bell. 1,535-536.538,542; Ant. 16,277.332.335.351.354. Zu 1: JIWE II 96.169.189.194.542.547; zu 2: JIWE II 130.170.549; zu 3: JIWE II 2.33. 578.579; zu 4: JIWE II 69.98.165.558.584; zu 5: JIWE II 288.560.577; zu 6: JIWE II 406.576; zu 7: JIWE II 436; zu 8: JIWE II 338.428.451.452.527.557; zu 9: JIWE II 166; zu 10: JIWE II 106.114.117.540; zu 11: JIWE II 100.163.167.577; zu 12: JIWE II 292. Vgl. Konikoff, Sarcophagi. Die Katakomben wurden generell in das 2. oder 3. Jh. n.Chr. datiert. Rutgers, Recherchen, hat mithilfe von Radiokarbondatierungen nachgewiesen, dass die jüdische Katakombe bei der Villa Torlonia zwischen 50 v.Chr. und 50 n.Chr. begonnen wurde. Bruce 57; Fitzmyer 29; Kruse 2; Jewett 964.

Einleitung 23 ————————————————————————————————————

2. Mitglieder der Jerusalemer Synagoge der Libertiner (Apg 6,9), die mit Stephanus Kontakt hatten und von denen sich einige bekehrt haben können, könnten im Rahmen der Verfolgung, die nach der Tötung von Stephanus in Jerusalem im Jahr 32/33 n.Chr. ausbrach (Apg 8,1-3), nach Rom gereist sein und dort das Evangelium verkündigt haben, so wie andere Griechisch sprechende Judenchristen, die Jerusalem verlassen mussten und das Evangelium verkündigten (Apg 8,4), u.a. in Samarien (Apg 8,5-13), an der phönizischen Küste, in Zypern und in Antiochia in Syrien (Apg 11,19). Libertiner (Lat. libertini) waren nach klassischem römischem Recht Sklaven ex iusta causa manumissi, d.h. Sklaven, die nach rechtlichen Vorgaben freigelassen worden waren und von ihren Besitzern das römische Bürgerrecht bekommen hatten.37 Die jüdischen „Libertiner“ waren Nachkommen der Juden, die Gnaeus Pompeius nach seiner Eroberung Judäas im Jahre 63 v.Chr. als Gefangene nach Rom gebracht hatte.38 Einige dieser Juden waren nach ihrer Freilassung nach Jerusalem zurückgekehrt, wo sie offenkundig die Synagoge der Libertiner gründeten. Da Stephanus in den Synagogen Jerusalems evangelisierte (Apg 6,8-10), ist die Annahme plausibel, dass Mitglieder der Synagoge der Libertiner, die sich zum Glauben an Jesus Christus bekehrt hatten, aufgrund der (zeitweiligen) Vertreibung der Christen aus Jerusalem nach Rom reisten und dort die Botschaft von Jesus als dem gekreuzigten und auferstandenen Messias Israels verkündigten.39 In römischen Familien sind jüdische Sklaven (servi) und Freigelassene (liberti) in der gens Valeria, der gens Volumnia, der gens des Marcus Agrippa sowie im kaiserlichen Haushalt belegt, die Jerusalemer Judenchristen mit einem parallelen Lebenslauf leicht mit dem Evangelium erreichen konnten.40 3. Es ist möglich, dass Petrus, als er Jerusalem im Jahr 41/42 n.Chr. fluchtartig verlassen musste (Apg 12,17), nach Rom ging und in den Synagogen der Stadt das Evangelium verkündigte. Das Edikt des Kaisers Claudius aus dem Jahr 41 n.Chr., das den Juden untersagte, Versammlungen abzuhalten,41 könnte nach Meinung einiger Forscher möglicherweise mit der Ankunft des Apostels Petrus in Rom in Zusammenhang stehen.42 ————————————————————

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J. Heinrichs, Art. Freigelassene II. Rom, DNP IV, 646-650; W. Schrage, Art. συναγωγη' , ThWNT VII, 835-836. Vg. Josephus, Ant. 14,54-91; Bell. 1,155-157. Vgl. Wilckens I 38; Botermann, Judenedikt, 131; Hengel/Schwemer, Paulus, 390-391; Cineira, Religionspolitik, 373. Lampe, Missionswege, 123-127. Cassius Dio 60,6,6: „Die Juden, deren Zahl sich wieder so vermehrt hatte, dass es auf Grund ihrer Menge schwierig gewesen wäre, sie ohne Unruhen aus der Stadt zu weisen, vertrieb er zwar nicht, aber er befahl ihnen, bei ihrer überkommenen Lebensweise zu bleiben und sich nicht zu versammeln“. Zitiert nach Botermann, Judenedikt, 103. Vgl. Botermann, Judenedikt, 124-140.

24 Römerbrief ————————————————————————————————————

Dionysios, Bischof von Korinth, betont in einem ca. 170 n.Chr. an die Christen in Rom geschriebenen Brief, dass die römische Gemeinde eine „Pflanzung“ von Petrus und Paulus ist; Gaius, ein Presbyter der römischen Gemeinde um das Jahr 200, spricht von Petrus und Paulus als Gründern der römischen Gemeinde.43 Irenäus spricht ebenfalls von Petrus und Paulus als Gründern und Organisatoren der Gemeinde in Rom.44 Diese Hinweise sind allerdings zu vage, um als Beweis dafür dienen zu können, dass Petrus als Erster das Evangelium in Rom verkündigt hat. 4. Es ist möglich, dass Sergius Paullus, der römische Statthalter Zyperns, der sich nach Apg 13,12 im Rahmen des evangelistischen Wirkens von Paulus und Barnabas im Jahr 45 bekehrte, nach Ablauf seiner Amtszeit nach Rom zurückkehrte und dort eine christliche Gemeinde gründete.45 Manche Forscher gehen von der Möglichkeit aus, dass die inschriftlich bezeugte Vereinigung (collegium),46 die sich im Haus von Lucius Sergius L. f. Paullus (Konsul des Jahres 70 n.Chr.?)47 traf und offensichtlich von ihm gegründet wurde, eine christliche Hausgemeinde sein könnte. Dieses collegium wurde von dessen Tochter Sergia Paulla fortgesetzt, deren Tochter mit Marcus Acilius Glabrio (Konsul im Jahr 124) verheiratet war, dem Sohn des Marcus Acilius Glabrio, der unter Kaiser Domitian (81–96 n.Chr.) hingerichtet wurde, möglicherweise wegen seines christlichen Glaubens.48 5. Viele Forscher gehen davon aus, dass der älteste direkte Beleg für die Existenz einer christlichen Gemeinde in Rom eine Notiz bei Sueton ist, der schreibt, Claudius habe „die Juden aus Rom ausgewiesen, die auf Betreiben des Chrestus beständig Unruhe verursachen“.49 Der Kaiser reagierte mit dem Ausweisungsedikt offenkundig auf schwere Auseinandersetzungen unter der jüdischen Bevölkerung. Der Name Chrestus (griech. Χρηñ στος) wird bei dieser Rekonstruktion als missverstandene Wiedergabe von Chris————————————————————

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Eusebius, Hist.eccl. 2,25,7-8. Irenäus, Adv.haer. 3,1,1; 3,3,2-3. Vgl. Schnabel, Urchristliche Mission, 703-706. Vgl. Judge/Thomas, Origin; Nobbs, Cyprus, 289 Anm. 44. CIL VI 9148. 9149: collegium quod est in domo Sergiae L[uci] f[iliae] Paullinae. Lucius Sergius L[uci] f[ilius] Paullus ist wahrscheinlich der Sohn des Lucius Sergius Paullus, einer der fünf Kuratoren des Tiber in Rom; vgl. CIL VI 31545, der möglicherweise mit dem in Apg 13,7.12 erwähnten Sergius Paulus identisch ist. Vgl. Schnabel, Urchristliche Mission, 1038. Cassius Dio 67,14,1-3. Vgl. Sordi, Christians, 44-50.185-186; Riesner, Frühzeit, 124-25. Es bleibt unsicher, ob Marcus Acilius Glabrio Christ war; vgl. Jones, Domitian. 184; Lampe, Christen, 313; Lampe, Paul, 204. Sueton, Vit.Claud. 25,4: Judaeos impulsore Chresto assidue tumultuantes Roma expulit. Vgl. Smallwood, Jews, 210-216; Riesner, Frühzeit, 139-180; Botermann, Judenedikt; Cineira, Religionspolitik, 187-216.

Einleitung 25 ————————————————————————————————————

tus (griech. Χριστο' ς) interpretiert.50 Wenn dies richtig ist, dann haben offenkundig die missionarischen Aktivitäten der stadtrömischen Juden, die ihre jüdischen Mitbürger zum Glauben an Jesus als Messias (Χριστο' ς) führen wollten, zu Kontroversen in den Synagogen Roms geführt, die öffentliche Ruhestörungen zur Folge hatten, die so schwerwiegend waren, dass sich der Kaiser zum Eingreifen gezwungen sah. Die Hinweise auf diese Vertreibung bei dem späteren Historiker Orosius51 sowie bei Lukas52 erlauben es, die Vertreibung der Juden aus Rom in das Jahr 49 zu datieren. Bereits das acht Jahre zuvor erlassene kaiserliche Edikt des Jahres 41, das ein Versammlungsverbot für die Juden anordnete (s. oben), ist möglicherweise ein Hinweis auf die Existenz missionarisch aktiver Judenchristen in der Hauptstadt des Reiches. Wenn diese Interpretation der Sueton- und Cassius-Dio-Stelle stimmt, dann entsprach die frühe Geschichte der stadtrömischen Gemeinde dem frühen Entwicklungsstadium der Jerusalemer Gemeinde, in dem die missionarischen Aktivitäten Griechisch sprechender Judenchristen eine massive Gegenreaktion der jüdischen Autoritäten provozierte und zu einer Verfolgung der Judenchristen führte (Apg 6,8–8,3). Lukas berichtet wiederholt von ähnlichen Vorfällen, die durch die Missionstätigkeit des Apostels Paulus in den Synagogen Kleinasiens und Griechenlands provoziert wurden.53 Als Claudius im Jahr 49 die Juden aus Rom vertrieb, mussten auch die Judenchristen die Stadt verlassen, wie zum Beispiel Priscilla und Aquila (Apg 18,2). Die stadtrömische Gemeinde überlebte jedoch: Offensichtlich gab es genügend Heidenchristen – ehemalige Proselyten, Gottesfürchtige und bekehrte Polytheisten –, die die Existenz der Gemeinde garantieren konnten. Wie viele Judenchristen nach dem Tod des Claudius im Jahr 54 n.Chr., also fünf Jahre nach der Vertreibung, zusammen mit anderen Juden nach Rom zurückkehrten, wissen wir nicht. Sie haben jedenfalls eine heidenchristliche Gemeinde vorgefunden, die in der Zwischenzeit wahrscheinlich weiter gewachsen war. Als Paulus im Winter 56/57 n.Chr. den ————————————————————

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Kritik an dieser Identifikation äußern Judge, Judaism, 361-362; Judge/Thomas, Origin, 445-449; Solin, Juden, 659; Slingerland, Claudian Policymaking, 179-217; Barclay, Good News, 92-93. Der Name Chrestus ist in Rom zwar über 100 Mal belegt (CIL VI; vgl. LSJ 1741; siehe LGPN I–VA mit 117 Belegen für den Namen Χρηñ στος); er wird jedoch an keiner Stelle für Juden verwendet; vgl. Stern, Greek and Latin Authors, II 116. Wenn Sueton mit dem Namen Chrestus eine unbekannte Person gemeint hätte, würde man eine Formulierung wie Chresto impulsore quodam („auf Betreiben eines gewissen Chrestus“) erwarten; vgl. Harris, References, 353, mit Verweis auf Suetonius, Vit.Claud. 42.1: cuidam barbaro. Orosius, Hist 7,6,15-16. Apg 18,2: Paulus trifft Aquila und Priscilla in Korinth, die zusammen mit anderen Juden von Claudius aus Rom vertrieben worden waren. Apg 13,45.50-51; 14,2.19; 17,5.13; 18,6.12-13; 19,9; 20,3; 21,27-31; vgl. 1Thess 2,16.

26 Römerbrief ————————————————————————————————————

Römerbrief schrieb, lag die Rückkehr der Judenchristen nach Rom erst ca. zwei Jahre zurück. Die Gemeinde in der Stadt Rom war missionarisch aktiv. Paulus schreibt in Röm 1,8: „Als Erstes danke ich meinem Gott durch Jesus Christus für euch alle, weil man von eurem Glauben in aller Welt spricht.“ Diese Aussage ist mehr als eine captatio benevolentiae am Briefanfang. Paulus spricht nicht nur von dem ausgezeichneten Ruf, den die Gemeinde Roms im Osten des Römischen Reiches erworben hatte: „Glaube“ (πι'στις) bezeichnet über die theologische Lehre und die Existenz von glaubenden Christenmenschen in Rom hinaus die Beteiligung der Gläubigen Roms am Prozess der Verkündigung des Evangeliums (s. zu Röm 1,8). Die Heidenchristen in Rom werden durch die missionarische Verkündigung der ersten Judenchristen in Rom zum Glauben an Jesus Christus gekommen sein. Dies erklärt die aktive Mitarbeit von Aquila und Priscilla, römischen Judenchristen, gleich nach ihrer ersten Begegnung mit Paulus in Korinth (Apg 18,1-6). Lukas berichtet, dass schon bald nach Pfingsten durch Petrus eine judenchristliche Missionsarbeit unter Heiden initiiert wurde (Apg 10,1–11,18) und dass es nicht lange danach in Antiochien, der Hauptstadt der Provinz Syrien, eine wirkungsvolle Heidenmission gab (Apg 11,19-26). Derselbe Prozess der Missionierung von Judenchristen unter Heidenchristen hat offensichtlich auch in Rom zum Wachstum der Gemeinde geführt. Manche haben vermutet, dass Andronicus und Junia, Judenchristen, die unter den Aposteln angesehen sind (Röm 16,7), zu den Missionaren gehörten, die die Gemeinde in Rom gegründet haben.54 Die ersten Heidenchristen waren Gottesfürchtige (θεοσεβειñς, σεβο' μενοι το` ν θεο' ν, φοβου' μενοι το` ν θεο' ν), d.h. Heiden, die die Gottesdienste einer Synagoge besuchten, an den Gott der Juden als den einen wahren Gott glaubten, die ethischen Gebote und einige der rituellen Gesetze der Tora observierten und den Sabbat hielten.55 Andere Menschen, die sich zum Glauben an Jesus Christus bekehrten, waren Proselyten, d.h. Heiden, die durch Beschneidung und volle Torabefolgung Juden geworden waren. Unter den leitenden Männern der frühen Jerusalemer Gemeinde befand sich ein ehemaliger Heide: Nikolaus, ein Proselyt aus Antiochia (Apg 6,5). Was die römische Gemeinde betrifft, so werden in der Grußliste in Röm 16,3-16, drei Personen ausdrücklich als „Landsleute“ (συγγενειñς), d.h. als Juden, beschrieben: Andronicus, Junia und Herodion (16,7.11); dazu kommen ————————————————————

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Vgl. Theobald, Der Römerbrief, 31. Zu den Gottesfürchtigen vgl. Wander, Gottesfürchtige; Schnabel, Urchristliche Mission, 130–135.1056-1057.1113.1124.1178; S. McKnight, Art. Proselytes and Godfearers, DNTB 835-847. Vgl. Brändle/Stegemann, Entstehung, 9-10.

Einleitung 27 ————————————————————————————————————

Aquila und Priscilla (16,3), von denen wir aus Apg 18,2 wissen, dass sie Juden waren. Man kann vermutlich davon ausgehen, dass die nicht explizit als „Landsleute“ bezeichneten Personen Heidenchristen waren (die bekannten judenchristlichen Mitarbeiter Aquila und Priscilla ausgenommen). Das bedeutet, dass 85% der 24 Personen, die Paulus in Röm 16,3-16 grüßt,56 bekehrte Heiden waren (s. unten). Die Aktivitäten judenchristlicher Missionare in den Synagogen der Diaspora haben schon früh zu theologischen Auseinandersetzungen und zu gewaltsamen Ausgrenzungen geführt. Die urchristliche Mission war mit der Überzeugung verbunden, dass der Sühnetod Jesu am Kreuz den Tempel und die kultischen Vorschriften der Tora irrelevant gemacht hat (vgl. Apg 6,13): Heil erlangen Sünder durch den Glauben an Jesus, den Messias Israels und Retter der Welt – unabhängig vom Tempel und den dort dargebrachten Opfern, ohne Befolgung der kultischen Vorschriften der Tora. Und das heißt: Auch Nichtjuden können Sündenvergebung und Heil erlangen, ohne dass sie durch den Vollzug der Beschneidung Juden werden und die gesamte Tora halten. Was Sündenvergebung und Heil betrifft, ist der Unterschied zwischen Proselyten und Gottesfürchtigen und damit grundsätzlich der Unterschied zwischen Juden und Heiden aufgehoben. Griechisch sprechende Judenchristen wie Stephanus haben bei der Formulierung und Verkündigung dieser theologischen Schlussfolgerungen die entscheidende Rolle gespielt.57 Diese Überzeugungen provozierten vehemente Reaktionen unter den Juden Jerusalems. Saulus-Paulus hat als „Hebräer von Hebräern“ und als Pharisäer, der konsequent nach dem Gesetz gelebt hat (Phil 3,5-6), das er als Schüler des berühmten und angesehenen Toragelehrten Gamaliel bestens kannte (Apg 22,3; vgl. 5,34), die Jesusbekenner in Jerusalem verfolgt (Apg 8,3), wahrscheinlich auch in anderen Städten, wie seine Pläne zeigen, gegen die Jesusbekenner im syrischen Damaskus vorzugehen (Apg 9,2-3; 22,5; 26,12).58 Saulus-Paulus hat damals in Jerusalem offensichtlich die Existenzberechtigung der Gruppe der Jesusanhänger innerhalb des Synagogenverbandes bestritten, „sei es mit Hilfe schriftgelehrter Diskussion, sei es, daß er versuchte, synagogale Disziplinarmaßnahmen gegen die Christen in Anwendung zu bringen, sei es auch durch spontane Ausbrüche körperlicher ————————————————————

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Aristobulus und Narcissus werden nicht selbst von Paulus gegrüßt, sondern „die (Christen) unter den (Leuten) des Aristobulus“ bzw. Narcissus, was darauf hinweist, dass Aristobulus und Narcissus selbst keine Christen waren. S. zu 16,10.11. Zu Stephanus und hellenistischen Judenchristen vgl. Hengel, Hellenisten; Hengel, Geschichtsschreibung, 54-62; Neudorfer, Stephanuskreis; Löning, Stephanuskreis; Hill, Hellenists; Schnabel, Urchristliche Mission, 637-653; Zugmann, Hellenisten. Vgl. Niebuhr, Heidenapostel, 58-60, gegen Zweifel an den lukanischen Angaben, die Conzelmann, Geschichte, 65-66; Dietzfelbinger, Berufung, 15-16, und andere äußern.

28 Römerbrief ————————————————————————————————————

Gewalt.“59 Er selbst hat später mehrfach Synagogenstrafen am eigenen Leib erlitten (2Kor 11,24-25). Warum hat Saulus-Paulus die Jesusanhänger verfolgt? Weder Paulus noch Lukas liefern explizit eine Erklärung. Am überzeugendsten ist die Annahme, dass er die Verkündigung eines gekreuzigten Messias als so anstößig empfand (vgl. 1Kor 1,23), dass er gegen die Jesusbekenner aktiv vorging. Der Grund für diese Anstößigkeit lag offensichtlich darin, dass er die „Grundfesten des Toragehorsams als der Grundlage jüdischen Heilsverständnisses“ durch das Bekenntnis zu Jesus als Messias und zur Sühnewirkung seines Kreuzestodes infrage gestellt sah.60 Stephanus wurde vor dem Jerusalemer Sanhedrin angeklagt, gegen den Tempel und gegen das mosaische Gesetz zu reden (Apg 6,11.13). Er wurde hingerichtet (Apg 7,58) wegen seines Bekenntnisses zu Jesus als der gekreuzigte und auferstandene messianische Menschensohn (Apg 7,52.56), dessen Tod und Auferstehung die Bedeutung des Tempels in den Schatten stellte (Apg 7,44-53). Die Evangelisation der Judenchristen außerhalb Judäas konzentrierte sich neben den Juden auf die Proselyten und Gottesfürchtigen, die regelmäßig an den Versammlungen der Synagogen teilnahmen.61 Wenn die judenchristlichen Missionare aus der örtlichen Synagoge verwiesen wurden,62 verlor diese auch die Proselyten und Gottesfürchtigen, die sich zum Glauben an Jesus Christus bekehrt hatten (Apg 19,9). Die Synagogen mussten diese Vorgänge als Provokation gesehen haben: Sie verloren die Früchte der Attraktivität ihrer Gottesdienste, wichtige finanzielle Förderer und Stützen ihrer Reputation in der heidnischen Gesellschaft. Da auch Juden zum Glauben an Jesus Christus kamen, mussten die Juden erleben, dass gerechte „Söhne des Bundes“ (‫[ ְב ֵּני ְבִּרית‬benē berit]), die dem Gesetz treu gewesen waren, den „Sündern aus den Heiden“ (Gal 2,15) gleichgestellt wurden. Als Paulus den Römerbrief schrieb, standen die stadtrömischen Christen wohl schon länger außerhalb der örtlichen Synagogen.63 Profil der römischen Gemeinde. Die bisherige Analyse hat ergeben, dass die römische Gemeinde mehrheitlich aus Heidenchristen bestand, wahrscheinlich größtenteils sog. Gottesfürchtige, die vor ihrer Bekehrung und vor den ————————————————————

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Niebuhr, Heidenapostel, 60-61. Niebuhr, Heidenapostel, 62-65, Zitat 66; vgl. Dietzfelbinger, Berufung, 22-42. Apg 13,43.50; 16,14; 17,4.12.17. Apg 13,45.50; 14,5-6; 17,5-10.13-14; 18,6-7; 19,9. Theobald, Der Römerbrief, 31, gegen Nanos, Mystery, 85-165.289-336, der meint, dass die „Schwachen“ in Röm 14-15 nichtchristliche Juden und die Autoritäten in Röm 13,1-7 die Leiter der Synagogen sind, was belege, dass die christlichen Gemeinschaften Untergruppen innerhalb des stadtrömischen Synagogenverbandes waren (ebd. 338).

Einleitung 29 ————————————————————————————————————

Kontroversen, die im Jahr 41 zu einem Versammlungsverbot und im Jahr 49 zur Ausweisung aus Rom führten, die örtlichen Synagogen besucht hatten. Spätestens seit dem Jahr 54 durften Juden und damit auch Judenchristen nach Rom zurückkehren. Die Grußliste in Röm 16,3-16, die natürlich nicht alle stadtrömischen Christen aufführt, belegt explizit drei Judenchristen in der römischen Gemeinde: Andronicus und Junia, die zusammen mit Paulus im Gefängnis waren und unter den Apostel prominent waren (16,7), sowie Herodion (16,11); dazu sind noch die aus der Apostelgeschichte bekannten Judenchristen Priscilla und Aquila zu zählen, die sich mit ihrem Leben für das Evangelium eingesetzt haben und denen die heidenchristlichen Gemeinden zu Dank verpflichtet sind (16,3-5). Bei den übrigen römischen Christen, die in der Liste aufgeführt sind, handelt es sich wahrscheinlich um Heidenchristen:64 Epänetus, Maria,65 Ampliatus, Urbanus, Stachys, Apelles, Tryphäna, Tryphosa, Persis, Rufus, Asynkritus, Phlegon, Hermes, Patrobas, Hermas, Philologus, Julia, Nereus, Olympas. Die große Zahl von Heidenchristen darf allerdings über den Einfluss der Judenchristen, durch die die Gemeinde in Rom überhaupt erst entstanden war, nicht hinwegtäuschen: Paulus kann ganz selbstverständlich mit dem Alten Testament argumentieren (z.B. Röm 4) und die Leser des Römerbriefs als Christen ansprechen, die das Gesetz kennen (Röm 7,1). Die Grußliste in Röm 16,3-16 erwähnt fünf Hausgemeinden: 1. Die Hausgemeinde, die sich im Haus von Aquila und Priscilla traf (16,3-5). 2. Die Hausgemeinde des Aristobulus (16,10); da Aristobulus, der Patron dieser Hausgemeinde, nicht selbst gegrüßt wird, kann man davon ausgehen, dass er kein Christ war. 3. Die Gemeinde, die sich im Haus des Narcissus traf (16,11). Narcissus, der Patron dieser Hausgemeinde, war wohl ebenfalls kein Christ. 4. Die Gemeinde von Asyncritus, Phlegon, Hermes, Patrobas und Hermas (16,14: „die Brüder bei ihnen“). 5. Die Gemeinde von Philologus, Julia, Nereus und dessen Schwester Olympas (16,15: „und alle Heiligen bei ihnen“). Wenn man annimmt, dass die anderen vierzehn von Paulus genannten Personen zu keiner dieser fünf Hausgemeinden gehörten, lassen sich zwei weitere Hausgemeinden rekonstruieren:66 Die Gemeinde mit Epaenetus, Maria, Andronicus, Junia, Ampliatus, Urbanus, Stachys und Apelles (16,5-10), und die Gemeinde mit Tryphäna, Tryphosa, Persis und Rufus und seiner Mutter (16,12-13). Dies ist aber nicht sicher: Weil sich unter diesen von Paulus Gegrüßten eine ganze Reihe von missionarisch ————————————————————

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Lampe, Christen, 58-59 (Lampe, Paul, 74-75); Lampe, Roman Christians, 224-225. Maria könnte ein jüdischer Name sein, aber die bei Weitem häufigsten Belege für den Namen in Inschriften der Stadt Rom betreffen heidnische Frauen. S. zu 16,6. Vgl. Lampe, Missionswege, 126; Schnabel, Urchristliche Mission, 790.

30 Römerbrief ————————————————————————————————————

aktiven Christen, die teilweise offensichtlich Leitungsfunktionen hatten, befindet, kann sich hinter diesen vierzehn Namen auch eine größere Anzahl – vielleicht acht oder zehn – von Hausgemeinden verbergen. Die Existenz weiterer Gemeinden ergibt sich aus Hinweisen außerhalb des Römerbriefs. Nach Phil 4,22 gab es im „Haus des Kaisers“, d.h. im kaiserlichen Haushalt, eine christliche Hausgemeinde; die jüdischen Glieder dieser christlichen Gemeinde werden ursprünglich zu der oben erwähnten Synagoge der Augustenser gehört haben, in der sich jüdische Freigelassene des kaiserlichen Hauses trafen.67 Der „Verein im Haus des Sergius Paullus“ (collegium quod est in domo Sergiae Paullinae), der in 23 römischen Inschriften erwähnt wird, könnte eine christliche Hausgemeinde sein, gegründet von Lucius Sergius Paullus, der Prokurator Zyperns und spätere Konsul (70 n.Chr.), der sich im Rahmen der Zypern-Mission des Paulus bekehrt hatte.68 Wenn man davon ausgeht, dass diese Hausgemeinden zwischen 20 und 40 Mitglieder hatten, dann würden sich in fünfzehn Hausgemeinden ungefähr 500 Christen versammeln. Die Frage, wie eine zahlenmäßig kleine Gruppe von Christen, die in den 40er-Jahren noch kleiner gewesen sein muss, die von Tacitus und Sueton für die Jahre 41 und 49 berichteten Ereignisse auslösen konnte,69 ist einfach zu beantworten: Die missionarische Tätigkeit von Paulus, der nur von einigen wenigen Mitarbeitern begleitet wurde, hatte in großen und kleinen Städten (Antiochien, Iconium, Lystra, Philippi, Thessalonich, Beröa, Korinth, Ephesus) zu massiven Reaktionen sowohl der Bevölkerung als auch der verantwortlichen Magistrate geführt. Schwieriger ist die Frage, wie man die Zahl von 500 Christen um das Jahr 56/57 mit der neronischen Verfolgung des Jahres 64 in Beziehung setzen kann: Kaiser Nero (54–68 n.Chr.) hätte kaum eine Gruppe von einigen Hundert Mitgliedern zum Sündenbock für den Brand Roms gemacht. Man muss davon ausgehen, dass es zur Zeit Neros mehrere Tausend Christen in Rom gab. Das würde heißen, dass es bei der Annahme von 3000 Christen ungefähr 100 Hausgemeinden gab.70 Wir kennen weder die Struktur dieser Hausgemeinden, noch haben wir Hinweise auf regelmäßig stattfindende gemeinsame Gottesdienste.71 Für die ————————————————————

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Lampe, Missionswege, 127. Zu L. Sergius Paullus s. Schnabel, Urchristliche Mission, 1038-1041 mit Lit. Jewett 62 verweist auf Stark, Rise, 7, der die Zahl der Christen im ganzen Römischen Reich im Jahr 50 auf ca. 1400 schätzt und fragt, „how can a tiny fraction of that number evoke official attention and sanctions twice in a decade?“, ohne eine Antwort zu geben. Vgl. Jewett 62, der von „dozens of groups“ zur Zeit von Paulus spricht. Zu Hausgemeinden im 1. Jh. vgl. Klauck, Hausgemeinde; Vogler, Bedeutung; Lorenzen, Hauskirche; Schöllgen, Hausgemeinden; Branick, House Church; Blue, House Church; Gehring, Hausgemeinde.

Einleitung 31 ————————————————————————————————————

Assimilierung der Struktur der Hausgemeinden an die Struktur hierarchischer und patriarchalischer hellenistisch-römischer Familien ist sicherlich eine Bandbreite konkreter Realitäten anzunehmen, von dominierenden Patronen als Leiter der sich in ihrem Haus treffenden Gemeinde bis zu Gemeindeleitern, die sich mehr um das Wohl der Christen als um die eigene Autorität und Ehre sorgten.72 Die Tatsache, dass von einer „Vollversammlung“ nicht die Rede ist, beweist nicht, dass es diese nicht gab. Die Annahme einer „Fraktionierung“ und sektiererischen Zersplitterung der römischen Gemeinden73 ist bloße Vermutung.74 Die Tatsache, dass ε� κκλησι'α [ekklēsia] („Gemeinde, Gemeindeversammlung, Kirche“) nur in Röm 16,1.4.5.16.23 vorkommt und im Präskript Röm 1,1-7 fehlt, ist zwar auffallend, sollte aber nicht überbewertet werden: Auch in den Präskripten des Philipper- und Kolosserbriefs fehlt das Wort ε� κκλησι'α. Allerdings haben die Größe Roms, die große Zahl der Christen und das Problem einer geeigneten öffentlichen Halle für Versammlungen „Vollversammlungen“ sicherlich erschwert, wenn nicht unmöglich gemacht. Die Grußliste in Röm 16 setzt jedenfalls einen Informationsaustausch unter den stadtrömischen Gemeinden voraus: Paulus schreibt den Brief an alle Christen Roms und rechnet damit, dass er in allen Hausgemeinden (vor)gelesen wird. Die Mehrheit der römischen Christen gehörte wahrscheinlich zu den peregrini, d.h. den Fremden, die kein römisches Bürgerrecht hatten. Dies könnte sich zum einen aus Röm 13,6 ergeben: Tribut (φο' ρος [phoros]) mussten die Rom unterworfenen Völker zahlen, nicht die römischen Bürger.75 Zum anderen hat Nero die Christen in der Verfolgung des Jahres 64 verbrannt und gekreuzigt (Tacitus, Ann. 15,44,4). Das waren Hinrichtungsarten, die nicht über römische Bürger verhängt wurden, es sei denn, die Regeln des Strafgesetzes wurden missachtet.76 Schließlich fällt auf, dass mindestens zwölf der 26 Personen der Grußliste in Röm 16,3-16 entweder aus dem Osten des Römischen Reichs kamen oder Paulus persönlich bekannt waren, ————————————————————

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Theißen, Die Starken und Schwachen, 288, spricht im Anschluss an Troeltsch, Soziallehren, 67-83, vom Liebespatriarchalismus der paulinischen Briefe: „Dieser Liebespatriarchalismus läßt soziale Ungleichheiten bestehen, durchdringt sie aber mit einem Geist der Rücksichtnahme, der Achtung und der persönlichen Fürsorge“. Die Forderung des Apostels Paulus in 1Kor 11,33, dass die wohlhabenderen Christen mit den armen Christen teilen (Schnabel, 1. Korinther, 669-671), spricht eher für eine Transformation der traditionellen sozialen Werte als für eine Akzeptanz sozialer Ungleichheiten. Vgl. Lampe, Christen, 301-302 (Lampe, Paul, 359-360); Jewett 61. Brändle/Stegemann, Entstehung, 8, meinen, „dass zur Zeit der Übersendung des Römerbriefs über die lockere Organisation in Hausgemeinden hinaus keine festere Sozialgestalt einer einheitlichen und durchorganisierten Christengemeinde vorhanden war“. So Haacker 263; kritisch Merklein, Sinn, 418. Vgl. Lampe, Christen, 65-66 (Lampe, Paul, 82-83).

32 Römerbrief ————————————————————————————————————

d.h. ebenfalls aus dem Osten kamen oder mindestens in den Osten gereist waren: Priscilla und Aquila kommen aus Pontus (Apg 18,2), Epänetus aus Asien (Röm 16,5) und Andronicus, Junia, Ampliatus, Urbanus, Stachys, Apelles, Persis, Rufus und seine Mutter (Röm 16,7-13).77 Der niedrige Sozialstatus der Mehrzahl der römischen Christen sowie literarische Hinweise und archäologisches Material spricht dafür, dass die Christen größtenteils in Trastevere und an der Via Appia in der Nähe der Porta Capena wohnten.78 Nicht wenige römische Christen waren Sklaven oder Freigelassene, d.h. ehemalige Sklaven.79 Mindestens neun der in Röm 16,3-13 genannten Personen haben Namen, die im 1. Jh. fast ausschließlich bzw. häufig für Sklaven verwendet wurden: Persis, Hermes und Nereus sowie wahrscheinlich Junia, Ampliatus, Herodion, Tryphäna, Tryphosa und Julia. Die Namen Andronicus, Asyncritus, Patrobas, Philologus werden ebenfalls häufig für Sklaven verwendet, aber mindestens Andronicus und vielleicht auch die anderen drei Männer sind Immigranten aus dem Osten. Der Vergleich mit stadtrömischen Inschriften ergibt, dass die Personen mit lateinischem Namen wahrscheinlich Freigeborene sind: Priska (Priscilla), Aquila, Urbanus, Rufus. Die Tatsache, dass das Verhältnis zwischen Personen, deren Namen auf einen Sklavenhintergrund hindeutet, und Personen, die offensichtlich Freigeborene sind, zwei zu eins beträgt, beweist allerdings nicht, dass zwei Drittel der Mitglieder der stadtrömischen Gemeinde Sklaven oder ehemalige Sklaven waren. Von Interesse ist nicht nur die Tatsache, dass von den 26 Christen, die in Röm 16,3-13 erwähnt werden, acht Frauen und 18 Männer sind, sondern auch, dass Paulus sieben Frauen und fünf Männer wegen ihrer missionarischen oder gemeindebezogenen Aktivitäten explizit würdigt: Priscilla, Maria, Junia, Tryphäna, Tryphosa, Persis und die Mutter des Rufus,80 sowie ————————————————————

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Vgl. Lampe, Christen, 138-139 (Lampe, Paul, 168-169), der auch mit der relativen Häufigkeit dieser Namen in der Stadt Rom argumentiert: Aquila (28 Belege), Andronicus (29), Stachys (13), Apelles (27), Persis (6); zum Vergleich: Julia hat 1400 Belege, Hermes 841, Rufus 374, Junia über 250. Zu Einzelheiten s. 16,7-13. Lampe, Christen, 36-52 (Lampe, Paul, 48-66). Vgl. Lampe, Christen, 141-153. Lampe nennt folgende Kriterien: 1. Träger griechischer Namen sind in der Stadt Rom des 1. Jh.s größtenteils Nachkommen von Sklaven (nur 8 der 26 Namen in Röm 16 sind lateinische Namen). 2. Manche Namen wurden speziell für Sklaven geschaffen (z.B. Ampliatus). 3. Personen, die mit einem nomen gentile (Gentil- bzw. Familienname) benannt werden, könnten freigeborene römische Bürger sein, sind aber ehemalige Sklaven, die bei ihrer Freilassung das nomen gentile ihres Herrn übernommen haben (z.B. Julia). 4. Die Form mancher Namen deutet auf eine Herkunft von Sklaven hin (z.B. Herodion). 5. Die statistische Evidenz der römischen Inschriften. Solin, Personennamen; Solin, Sklavennamen. Für Einzelheiten s. zu 16,3-13. Röm 16,3-4.6.7.12.13.

Einleitung 33 ————————————————————————————————————

Aquila, Andronicus, Urbanus, Apelles und Rufus.81 Es ist wiederum unklar, wie dieser Sachverhalt für die römische Gemeinde auszuwerten ist. Deutlich ist jedenfalls, dass Frauen eine wichtige Rolle sowohl in der Mission des Apostels Paulus als auch in der Gemeinde Roms innehatten.82 Der in Röm 14,1–15,13 behandelte Konflikt zwischen den sog. Schwachen (14,2) und den Starken (15,1) ist auf dem Hintergrund der Geschichte der römischen Gemeinde zu verstehen. Die sog. Schwachen verzichteten auf das Essen von Fleisch (14,21), d.h. sie lebten vegetarisch und aßen nur Gemüse (13,2); außerdem verzichteten sie auf Wein (14,21) und bestanden auf die Einhaltung bestimmter Tage (14,6), wahrscheinlich des Sabbats. Die sog. Starken aßen alles (14,2) und behandelten alle Tage gleich (14,5). Die Argumentation mit dem Ausdrücken „rein“ und „unrein“ in 14,14.20 legt es nahe, die Kontroverse im Kontext jüdischer Lebensweise zu verstehen.83 Das mosaische Gesetz verbietet weder das Essen von Fleisch noch den Genuss von Wein. Allerdings konnten Juden nur Fleisch essen, das koscher war, d.h. das nach den Regeln des Gesetzes geschlachtet worden war: Juden dürfen nach Deut 12,15-16 kein Blut essen. Wein, der bei Libationen für einen der Götter Roms verwendet worden war, war ebenfalls problematisch.84 Außerhalb Judäas war die konsequente Einhaltung der mosaischen Speise- und Reinheitsgebote oft schwierig. Daniel und seine Freunde verzichteten auf Fleisch und Wein, um „sich nicht unrein zu machen“ (Dan 1,8). Weil in Rom gefangen gehaltene Priester sich „trotz ihrer misslichen Lage nicht von der frommen Pflicht gegenüber der Gottheit hätten abbringen lassen“, ernährten sie sich von Feigen und Nüssen (Josephus, Vita 14).85 Die Stadt Sardes in Kleinasien beschloss im Jahr 47 v.Chr. ein Dekret, das drei spezifische Rechte formalisierte, deren Anerkennung die jüdische Gemeinde beantragt hatte: die Erlaubnis, sich wöchentlich am Sabbat sowie ————————————————————

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Röm 16,3-4.7.9.10.13. Vgl. Lampe, Christen, 136-138 (Lampe, Paul, 165-167); Theobald, Der Römerbrief, 32. Zum Thema vgl. Schnabel, Urchristliche Mission, 500-501,1368; Köstenberger, Women; Stenschke, Frauen; zu den Frauen in den Evangelien vgl . Bauckham, Gospel Women. Zum Hintergrund der Position der „Schwachen“ s. die Einleitung zu Röm 14,1–15,13. Vgl. Gäckle, Die Starken, 292-449; Theobald, Der Römerbrief, 32-34. Vgl. Tomson, Paul, 244. Siegert/Schreckenberg/Vogel, Flavius Josephus. Aus meinem Leben (Vita), 29. Philo beschreibt in seiner Schrift De Vita Contemplativa die Therapeuten, eine asketische Lebensgemeinschaft am Mareotischen See in der Nähe Alexandriens, deren Mitglieder auf Fleisch und Wein verzichteten. Philo deutet diese Lebensweise u.a. als Alternative zum dekadenten Luxus der Einwohner Alexandriens und zum Jerusalemer Priestertum. Viele Forscher meinen, das Motiv sei eher das asketische Ideal der Pythagoräer gewesen, die ihre vegetarische Lebensweise philosophisch begründeten. Bei beiden Erklärungen fehlt der Bezug zum mosaischen Gesetz und ist deshalb für das Verständnis der Kontroverse in Röm 14 nicht relevant. Für Einzelheiten s. zu 14,1–15,13.

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zu den jüdischen Festtagen zu versammeln; die Erlaubnis, ein Gebäude für die Versammlungen der jüdischen Gemeinde zu errichten; die Beauftragung der für den Markt Verantwortlichen, „ihnen die notwendigen Nahrungsmittel bereitzustellen“ (Josephus, Ant. 14.259-261).86 Als Claudius im Jahr 49 n.Chr. die Juden aus Rom verwies, mussten die jüdischen Schlachthäuser schließen, wenn man davon ausgeht, dass tatsächlich alle Juden die Stadt verlassen mussten. Als Paulus im Winter 56/57 den Römerbrief schrieb, lag der Tod des Claudius nur zwei Jahre zurück. Wenn Judenchristen koscheres Fleisch kaufen wollten – eine Praxis, an die sie sich als Glieder des römischen Synagogenverbandes gehalten hatten –, konnten sie sich nach den bitteren Kontroversen, die den Kaiser zum Eingreifen veranlasst hatten, kaum bei einem jüdischen Metzger, der koscher schlachtete, oder einem jüdischen Kaufmann, der die rituelle Reinheit der von ihm angebotenen Nahrungsmittel und Getränke garantierte, blicken lassen. Deshalb war es besser, ganz auf Fleisch und Wein zu verzichten. Zu den „Schwachen“ gehörten wahrscheinlich in der Mehrheit Judenchristen, die in den vergangenen beiden Jahren nach Rom zurückgekehrt waren und deren Schwäche darin bestand, „dass sie den Verzehr von nicht ordnungsgemäß geschächtetem Fleisch gegenüber dem Willen Gottes auf kognitiver und psychisch-emotionaler Ebene nicht rechtfertigen und es daher auch nicht ‚im Glauben‘ essen konnten“.87 Manche Forscher sehen in den Schwachen vor allem Heidenchristen, die sich als Gottesfürchtige in der Synagoge an die im Aposteldekret (Apg 15,23-29) formulierten Minimalforderungen für Heiden in jüdischen Gemeinden hielten.88 Die Observanz von Speisevorschriften und jüdischen Festtagen ist auch für die Gottesfürchtigen belegt (Josephus, Ap. 2,282), ausdrücklich auch für die Gottesfürchtigen in Rom (Juvenal, Sat. 14,96-106; Horaz, Sat. 1,9,68-72).89 Andere bleiben skeptisch: Weil die „rudimentäre Toraobservanz“ der Gottesfürchtigen ein Kompromiss war, wurde dieser mit ihrer Hinkehr zum christlichen Glauben wahrscheinlich schnell obsolet.90

Ausschließen kann man nicht, dass einige der Gottesfürchtigen, die früher die Synagogengottesdienste besuchten und sich an manche jüdischen Vorschriften hielten, ebenfalls auf Fleisch und Wein verzichteten. Es ging bei dem Konflikt, der bei den gemeinsamen Mahlzeiten der römischen Gemeinde(n) offen zutage getreten sein musste, um eine differierende Bewertung ————————————————————

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Vgl. Pucci Ben Zeev, Jewish Rights, 216-225 (Nr. 20). Gäckle, Die Starken, 385. Schmithals, Problem, 74-85.101; Schmithals 491-494. Wilckens I 39-41 versteht den Konflikt als Auseinandersetzung zwischen zwei heidenchristlichen Flügeln der römischen Gemeinde, der zwischen 49–54 n.Chr. entstand und in den die zurückkehrenden Judenchristen hineingezogen wurden, und zwar auf beiden Seiten. Vgl. Lampe, Christen, 56 (Lampe, Paul, 72). Gäckle, Die Starken, 366-367; er räumt die Möglichkeit ein, dass „auch eine bestimmte Anzahl Gottesfürchtiger aus einer inneren Gewissensbindung zu den Schwachen hielt“.

Einleitung 35 ————————————————————————————————————

der Notwendigkeit bzw. Überflüssigkeit der Haltung der jüdischen Speiseund Reinheitsgebote. Paulus sowie sicherlich Aquila und Priscilla und andere „starke“ Judenchristen hielten die mosaischen Speisegebote weder für Heiden- noch für Judenchristen für relevant (Röm 14,14.20). Die Schwachen wollten sich bei den gemeinsamen Mahlzeiten mit den Heidenchristen an die Speisegebote halten.91 Zu beachten ist, dass Paulus die Observanz der Speisegebote freistellt (14,5.12-13): Die Schwachen hielten die Einhaltung der Speise- und Reinheitsgebote offensichtlich nicht für heilsnotwendig. Wir wissen nicht, ob sich der Konflikt zwischen den sog. Starken und Schwachen (Röm 14,1–15,13; s. unten) in allen Hausgemeinden oder nur in einigen Hausgemeinden, innerhalb von Hausgemeinden oder zwischen konkurrierenden Hausgemeinden abgespielt hat.92 Die Frühgeschichte der Gemeinde in Rom hat das folgende Profil ergeben. Die Gemeinde wurde wahrscheinlich von aus Jerusalem kommenden Judenchristen gegründet. Die römischen Christen waren missionarisch aktiv und erfolgreich. Die christlichen Gemeinden wuchsen, Heiden bekehrten sich, und es kam zu Unruhen in den Synagogen Roms, die schließlich zur Ausweisung der Juden (und Judenchristen) aus der Hauptstadt führten. Als Paulus den Römerbrief schreibt, bestehen die Hausgemeinden vor allem aus Heidenchristen, darunter viele ehemalige Gottesfürchtige. Nach Rom zurückgekehrte Judenchristen gehörten wieder zu den Gemeinden. Die Verbindung mit Jerusalem muss den theologischen Überzeugungen von Petrus (Apg 1-11) und Jakobus (Apg 15) ein besonderes Gewicht verliehen haben.93 Die Verbindung mit der Mission des Apostels Paulus durch in Rom wirkende Mitarbeiter wie Priscilla und Aquila verankerte dessen theologische Überzeugungen in den römischen Gemeinden. Das bedeutet, dass die römischen Christen gewohnt waren, in den Kategorien der Judenchristen zu denken: Jesus ist der Messias Israels und der Retter aller Menschen; das Evangelium von Jesus Christus ist die Erfüllung der Verheißungen der Heiligen Schrift; das mosaische Gesetz ist Gottes Offenbarung und Autorität für den Glauben und das Leben der Christen. Im Blick auf die Geltung der Speise- und Reinheitsgebote gab es unterschiedliche Überzeugungen und ————————————————————

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Nach Gäckle, Die Starken, 380-381, repräsentieren die judenchristlichen Schwachen und Starken aus jüdischer Sicht zwei unterschiedliche Grade der Assimilation, womit der Konflikt Ähnlichkeiten mit dem innerjüdischen Disput über den Grad der Assimilation an die hellenistisch-römische Kultur hat. Nach Barclay, Jews, 320-335 reicht die Bandbreite von der Verleugnung der eigenen jüdischen Identität bis zu einer jüdischen Binnenkultur, die den Kontakt mit Nichtjuden auf ein Minimum beschränkte. Jewett 72 will wissen, dass die Hausgemeinden in einem bitteren Wettstreit um die größere Ehre miteinander lagen. Dafür liefert 14,1–15,13 keinen Anhaltspunkt. Vgl. Brown/Meier, Antioch and Rome, 103-104; Longenecker, Introducing Romans, 83.

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Verhaltensweisen: Manche hielten offensichtlich den Sabbat und manche verzichteten aus Sorge vor ritueller Verunreinigung auf Fleisch und Wein, während andere alle Tage gleich behandelten und alles aßen. 4. Anlass und Anliegen Nach einer fast fünfundzwanzigjährigen Missionsarbeit in den römischen Provinzen Syrien, Kilikien, Galatien, Makedonien, Achaia und Asia sah Paulus seinen Beitrag zur Missionierung der östlichen Regionen des Römischen Reiches als beendet an (Röm 15,19.23). Paulus verbrachte den Winter des Jahres 56/57 n.Chr. in Korinth im Haus seines Freundes Gaius (Röm 16,23), der sich durch seine Predigt fünf oder sechs Jahre zuvor bekehrt hatte (1Kor 1,14). Paulus sah seinem bevorstehenden Besuch in Jerusalem erwartungsvoll und zugleich mit einiger Besorgnis entgegen (Röm 15,2528.30-32). Der Besuch in Jerusalem sollte das Bemühen des Apostels, in den von ihm gegründeten Gemeinden in Makedonien und Achaja eine Kollekte für die Gemeinde in Jerusalem zu sammeln, zum Abschluss bringen. Die Korinther-Korrespondenz gibt uns ein relativ detailliertes Bild der Organisation der Kollekte für Jerusalem (1Kor 16,1-4; 2Kor 8–9). Paulus hoffte, dass die finanzielle Gabe der neuen Gemeinden an die Jerusalemer Gemeinde die Beziehung zwischen der Muttergemeinde in Judäa und den heidenchristlichen Tochtergemeinden in der Diaspora stärken würde.94 Paulus beschäftigte sich spätestens seit seiner Ephesus-Mission mit Plänen für die Fortsetzung seiner Missionsarbeit, zu denen ein Besuch Roms, der Hauptstadt des Reiches, gehörte (Apg 19,21). Er hatte den Beschluss gefasst, als nächstes in Spanien zu missionieren (Röm 15,24.28). Spanien wurde Teil des Römischen Reiches, nachdem Rom 204 v.Chr. Karthago besiegt hatte. Die beiden Provinzen Hispania Citerior (entlang der Ostküste) und Hispania Ulterior (die Südostküste und das Guadalquivir-Tal) wurden 197 v.Chr. eingerichtet. Anlässlich der administrativen Neugliederungen in den Jahren 29 und 19 v.Chr. wurde Spanien in drei Provinzen aufgeteilt: Hispania Baetica mit der Hauptstadt Corduba, Hispania Lusitania mit der Hauptstadt Emerita Augusta, und Hispania Citerior mit der Hauptstadt Tarraco. Die spanischen Provinzen bildeten das Hauptbollwerk römischer Zivilisation am westlichen Ende der Oikumene.95 Die geplante Reise nach Spanien sollte Paulus endlich auch die Gelegenheit verschaffen, Rom zu besuchen – eine Gelegenheit, die Paulus schon lange gesucht hatte (Röm 1,13). Obwohl er von Geburt ein römischer Bürger war (Apg 22,28), hatte er Rom noch nie ————————————————————

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Zu den Gründen für die Kollekte vgl. Schnabel, 1. Korinther, 999. Vgl. Schnabel, Urchristliche Mission, 1219-1224, für plausible Missionsziele in Spanien.

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gesehen. Auf seinen Reisen in Kleinasien und Griechenland war er einer ganzen Anzahl von Christen begegnet, die jetzt in Rom lebten und der dortigen Gemeinde angehörten (vgl. die Grußliste in Röm 16,3-15). Der Plan, nach der Überbringung der Kollekte in Jerusalem nach Rom und von dort nach Spanien zu reisen, ging nicht so in Erfüllung, wie Paulus sich dies erhofft hatte. Paulus wurde im Mai/Juni des Jahres 57 in Jerusalem verhaftet (Apg 21,27-36) und zwei Jahre lang in Cäsarea gefangen gehalten (Apg 24–26). Weil er sich für die Fortsetzung seines Prozesses auf den Kaiser berufen hatte, wurde er im Jahr 59/60 nach Rom gebracht, wo er sich mindestens zwei Jahre lang aufhielt (Apg 28,30-31). Clemens, einer der leitenden Gemeindeverantwortlichen in Rom, schreibt in einem Brief an die korinthischen Christen um das Jahr 95, dass Paulus in der Tat in Spanien missioniert hat (1Klem 5,5-7),96 vielleicht in der Zeit 63–64 n.Chr. Wenn dies richtig ist, muss Paulus aus der Haft entlassen worden sein. Wenn die letzten Briefe des Apostels nach der Haftentlassung geschrieben wurden, belegen sie eine nochmalige Tätigkeit im ägäischen Raum: auf Kreta (Tit 1,5), in Nikopolis in Illyrien (Tit 3,12) und in Troas und Milet (2Tim 4,13. 20). Paulus schreibt den 2. Timotheusbrief in Rom, wo er sich wieder in Haft befindet (2Tim 4,16). Clemens deutet an, dass Paulus, wie auch Petrus, in Rom als Märtyrer starb (1Klem 6,1).97 Der folgende chronologische Überblick fasst die Hauptstationen seines Lebens und Wirkens zusammen.98 31/32? 32–33 33/34 34–42 42–44 44 45–47

Bekehrung des Saulus / Paulus vor Damaskus und Berufung zum Missionar Paulus missioniert in Arabien / Nabatäa und in Damaskus Paulus in Jerusalem (1. Besuch) Paulus missioniert in Syrien / Kilikien (bis 42) Paulus missioniert in Antiochien (Syrien), zusammen mit Barnabas Paulus in Jerusalem (2. Besuch): Hungerhilfeaktion der antiochenischen Gemeinde Paulus missioniert auf Zypern und Südgalatien, zusammen mit Barnabas Gründung von Gemeinden in Salamis (?), Paphos (?), Antiochien (Pisidien / Phrygien),

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1Klem 5,5-7: „Wegen Eifersucht und Streit hat Paulus den Kampfpreis der Geduld aufgewiesen: Siebenmal Ketten tragend, vertrieben, gesteinigt, Herold im Osten wie im Westen, hat er den edlen Ruhm für seinen Glauben empfangen. Gerechtigkeit hat er die ganze Welt gelehrt, und er ist bis an die Grenze des Westens gelangt und hat Zeugnis abgelegt vor den Führenden; so ist er aus der Welt geschieden und ist an den heiligen Ort gelangt – größtes Vorbild der Geduld.“ S. auch Canon Muratori 35-39; Petrusakten 1-2. Vgl. Schnabel, Urchristliche Mission, 1216-1217. 1Klem 6,1: „Diesen gottgefällig wandelnden Männern [d.h. die in 5,4.6 erwähnten Petrus und Paulus] wurde hinzugestellt eine große Menge von Auserwählten, die viele Martern und Qualen wegen Eifersucht gelitten haben und zum vorzüglichen Beispiel bei uns geworden sind“. Explizit bei Eusebius, Hist.eccl. 2,25,5: „So ließ sich nun dieser unter den schlimmsten Gottesfeinden als erster Sieger ausgerufene Nero zur Hinrichtung der Apostel verleiten. Es wird berichtet, dass Paulus unter Nero in Rom selbst enthauptet und gleicherweise Petrus gekreuzigt wurde“. Für eine ausführliche Behandlung s. Schnabel, Urchristliche Mission, 887-1234.

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Ikonion, Lystra, Derbe, Perge (?) Paulus in Antiochien (Syrien); Konflikt mit Petrus (antiochenischer Zwischenfall) Abfassung des Galaterbriefs (?) Paulus in Jerusalem (3. Besuch): Apostelkonvent („Apostelkonzil“) Paulus missioniert in Makedonien und Achaia Gründung der Gemeinden in Philippi, Thessalonich, Beröa, Athen, Korinth Abfassung des Galaterbriefs (?) und des 1. und 2. Thessalonicherbriefs Paulus in Syrien und in Jerusalem (4. Besuch) Paulus missioniert in Ephesus Abfassung des 1. Korintherbriefs Paulus reist von Ephesus nach Alexandria Troas und nach Makedonien Abfassung des 2. Korintherbriefs (in Philippi?) Paulus in Illyrien und Achaia; Überwinterung in Korinth (Dez 56 bis März 57) Abfassung des Römerbriefs Paulus reist von Philippi nach Jerusalem (5. Besuch): Übergabe der Kollekte Verhaftung in Jerusalem Haft in Cäsarea Haft in Rom Abfassung des Philipper-, Kolosser-, Philemon- und Epheserbriefs Paulus kommt aus der ersten Gefangenschaft in Rom frei (?) Paulus missioniert in Spanien (?) Brand Roms (18. / 19.-27. Juli); Christenverfolgung in Rom Paulus missioniert mit Titus auf Kreta Abfassung des 1. Timotheus- und des Titusbriefs (?) Verhaftung von Paulus (in Ephesus? in Rom?) Abfassung des 2. Timotheusbriefs Märtyrertod in Rom (Oktober ?)

Weshalb schrieb Paulus vor der geplanten Reise nach Jerusalem und Rom einen langen Brief an die römischen Gemeinden? Was wollte er mit dem Brief erreichen?99 Die Beantwortung dieser Fragen werden durch zwei Faktoren erschwert: 1. Der Briefcorpus, vor allem die Erläuterung des Evangeliums von Jesus Christus in Röm 1,16–11,36, scheint von der im Briefrahmen notierten Kommunikationssituation (Paulus an die Christen in Rom) unabhängig. 2. Paulus spricht häufig ein „Du“ an,100 das sich nicht konsequent mit den in 1,6-7 angesprochenen Adressaten identifizieren lässt. Dieses „Du“ nimmt in 2,17-27 durch die ihm zugeschriebenen Einstellungen und Verhaltensweisen eigenständige Züge an und meint konkret den Typus des Juden. Weitere Passagen sind offensichtlich auf denselben Typus zu beziehen (bes. 2,1-5; 9,19-21). Von Paulus formulierte Einwände und falsche Schlussfolgerungen aus seiner Theologie (z.B. 3,1-9; 3,31–4,2; 6,1-3.15-16; ————————————————————

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Vgl. die Überblicke bei Kuss, Paulus, 178-202 (bis 1970); Kettunen, Abfassungszweck, 7-26; Wedderburn, Reasons; Jervis, Purpose, 11-28; Theobald, Der Römerbrief, 35-42; Reichert, Abfassungsproblematik, 13-75; Longenecker, Introducing Romans, 92-166. Röm 2,1-5.17-27; 8,2; 9,19-21; 10,9-10; 11,17-24; 12,20-21; 13,3-4; 14,4.10.15.20-22. Zu diesem Punkt s. bes. Reichert, Abfassungsproblematik, 14-15.

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7,7.13-14; 9,14-15.19-20)101 sind ebenfalls auf dieses „Du“ des typischen Juden zurückzuführen. Im Briefrahmen (1,13-15) und an manchen Stellen im Briefcorpus (deutlich in 11,13) werden die Adressaten jedoch den Heidenchristen zugeordnet. Die entscheidende Frage zum Abfassungszweck des Römerbriefs ist deshalb diese: Weshalb erläutert Paulus das Evangelium im Dialog mit einem ihm gegenüber kritisch eingestellten jüdischen Gesprächspartner in einem Brief, dessen Adressaten er als Heidenchristen anspricht? Welche Verbindung besteht zwischen den in 15,22-32 genannten Stationen der Zukunftspläne des Apostels (Jerusalem – Rom – Spanien) und der Erläuterung des Evangeliums in 1,16–11,36? Paulus will etwas von den römischen Christen – in 15,24 sehr zurückhaltend und allgemein formuliert. Aber er formuliert nicht explizit, weshalb er den Brief schreibt.102 In der Literatur zum Römerbrief finden sich folgende Lösungsmuster.103 1. Der Römerbrief als theologische Abhandlung. Martin Luther schreibt im ersten Satz seiner Vorlesungen zum Römerbrief 1515/1516: „Summa und Absicht des Apostels in diesem Brief ist: alle eigene Gerechtigkeit und Weisheit zu zerstören und umgekehrt Sünden und Torheit, die nicht vorhanden waren (d.h. die um solcher Gerechtigkeit willen von uns geachtet wurden, als wären sie nicht da), festzustellen, zu mehren und großzumachen (d.h. zu bewirken, daß man erkenne, daß sie immer noch bestehen und viel und groß sind), und so vollends zu zeigen, daß zu ihrer wahren Zerstörung erst Christus und seine Gerechtigkeit uns nötig sind“.104 Diese Sichtweise, die häufig vertreten wurde,105 verzichtet auf eine Antwort auf die oben ————————————————————

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Vgl. Stowers, Diatribe, 119-125,133-137,148-152. Reichert, Abfassungsproblematik, 16: „Der Röm hat keine kommunikative Vorgeschichte, vielmehr ergreift der Adressant die Initiative: der Adressant blickt gegen Briefende auf seine näheren und weiteren Zukunftspläne und bezieht die Adressaten – wenngleich in einer nicht sehr deutlichen Weise – in die Pläne ein; aus beiden Blickwinkeln ist es bemerkenswert, daß er darauf verzichtet, seine Adressaten ausdrücklich über den Zweck des Kommunikationsaktes zu orientieren, der die auf Zukunft hin konzipierte Beziehung zu ihnen eröffnet“. Nicht plausibel ist die These, Paulus schreibe den Römerbrief an Judenchristen; contra Baur, Paulus I, 347; Holtzmann, Lehrbuch der historisch-kritischen Einleitung in das Neue Testament, 249-250; Mason, Not Ashamed of the Gospel; vgl. Watson, Paul, Judaism, and the Gentiles: A Sociological Approach, 94-105, nimmt eine mehrheitlich judenchristliche Gemeinde in Rom an. Luther 9: „Summa et intentio Apostoli in ista epistola est omnem iustitiam et sapientiam propriam destruere et peccata atque insipientiam, que non erant (i.e. propter talem iustitiam non esse putabantur a nobis), rursum statuere, augere et magnificare (i. e. facere, ut agnoscantur adhuc stare et multa et magna esse) ac sic demum pro illis vere destruendis Christum et iustitiam eius nobis necessarios esse“. Vgl. die Kommentare von Nygren, Barth, Bruce; Moo 22 will den historischen Kontext nicht überbewertet haben; Beker, Paul, 77: „in some sense a ‚dogmatics in outline‘“.

40 Römerbrief ————————————————————————————————————

gestellten Fragen und kann nicht erklären, weshalb Paulus weder die Christologie noch die Ekklesiologie thematisch behandelt. 2. Der Römerbrief ist ein pastorales Schreiben. F.C. Baur argumentierte, Paulus schreibe im Römerbrief eine Verteidigung der universalen Geltung des Evangeliums gegenüber einem jüdischen Partikularismus, der die mehrheitlich judenchristliche Gemeinde Roms bestimmt und die Legitimität seiner Heidenmission infrage stellt.106 W. Wiefel argumentiert, Paulus wolle mit dem Römerbrief die Konflikte zwischen den sog. Starken und Schwachen in der römischen Gemeinde lösen.107 Eine andere Variante dieser Lösung ist die These, Paulus habe die selbstständigen Hausgemeinden ermutigen wollen, eine geeinte Ortskirche zu werden: Der Römerbrief hat kirchengründenden Charakter.108 Einem ähnlichen Anliegen verpflichtet ist die These, Paulus wolle der römischen Gemeinde die dieser noch fehlende apostolische Weihe geben.109 Ähnlich argumentiert F. Watson: Paulus schreibt den Römerbrief, um Judenchristen und Heidenchristen zu vereinen; beide sollen die Legitimität der jeweils anderen Gruppen akzeptieren und sich bemühen, eine gemeinsame christliche Identität zu schaffen.110 K. Haacker versteht den Römerbrief als „Friedensmemorandum“.111 Eine weitere Variante ist der Vorschlag von M. Nanos, Paulus wolle die Heidenchristen, die sich immer noch im Kontext der römischen Synagogen bewegen, zum „Glaubensgehorsam“, d.h. zum Gehorsam gegenüber den Bestimmungen des Gesetzes führen, die für die „gerechten Heiden“ gelten, und damit zum Gehorsam gegenüber den Leitern der Synagogen.112 Die gegenteilige These vertritt F. Watson: Paulus wollte mit dem Römerbrief die Glieder der judenchristlichen Gemeinde Roms überzeugen, sich von der jüdischen Gemeinde zu trennen und sich mit der heidenchristlichen Gemeinde zu vereinigen.113 Das Hauptproblem, den Römerbrief konsequent von Kap. 14–15 her verstehen zu wollen, besteht darin, dass Kap. 1–11 weder auf konkrete Anfragen der römischen Christen eingeht noch von ————————————————————

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Baur, Zweck und Veranlassung, 147-266. Wiefel, Gemeinschaft; vgl. Bartsch, Situation. Bartsch, Empfänger. Klein, Abfassungszweck. Ähnlich Jervis, Purpose, 163-164. Watson, Paul, 189. Ähnlich Donfried, Presuppositions. Haacker, Friedensmemorandum; Haacker 15. Nanos, Mystery, 289-334. Kritisch Gagnon, Weak; Das, Debate, 115-148. Watson, Paul, Judaism, and the Gentiles: A Sociological Approach, 141-142: „to persuade members of the Roman Jewish Christian congregation to separate themselves from the Jewish community and to recognize and unite with the Pauline gentile Christian congregation“. Zur Kritik vgl. Dunn I lvii. In der revidierten Auflage formuliert Watson vorsichtiger: „The unity of Christian Jews and Gentiles has as its corollary the alienation of the Christian community from the synagogue“ (Watson, Paul, 268).

Einleitung 41 ————————————————————————————————————

einem innergemeindlichen Konflikt bestimmt ist, den Paulus lösen will. Der Römerbrief enthält keine Hinweise auf irgendeine Defizienz der römischen Gemeinde(n). Stärker auf die Missionstätigkeit der römischen Christen ausgerichtet ist die These, Paulus wolle „die uneinheitlich geprägte Adressatenschaft zu einer paulinischen Gemeinde machen und sie für den Fall der eigenen Verhinderung an der Durchführung seiner weiteren Missionspläne zur selbständigen Weiterverbreitung seines Evangeliums zu befähigen“.114 3. Der Römerbrief ist ein kirchenpolitisches Schreiben. Der unmittelbar bevorstehende Besuch in Jerusalem, bei dem die Gefahr besteht, dass die Kollekte der von Paulus gegründeten Gemeinden abgelehnt wird (Röm 15,30-31), veranlasst Paulus, eine Erklärung des Evangeliums zu schreiben, in der er sich mit den Vorwürfen seiner judenchristlichen Gegner in Jerusalem beschäftigt.115 J. Jervell bezeichnet den Römerbrief als „Brief nach Jerusalem“.116 T.W. Manson argumentiert, der Römerbrief sei als Rundschreiben u.a. nach Ephesus (Röm 16) konzipiert worden, das als Manifest ein Resümee aus den Diskussionen mit den Judenchristen ziehe, das die Gemeinden in Syrien und Palästina in der nahen Zukunft hören würden.117 Die Relevanz des bevorstehenden Jerusalembesuchs ist in der Tat bei der Interpretation in Betracht zu ziehen, aber die Adresse der römischen Gemeinde hat Priorität gegenüber dem weiteren Horizont der Diskussion, in die Paulus verwickelt ist. Eine verwandte These geht davon aus, dass Paulus den Brief an die Römer als umfassende Verteidigung seiner Theologie gegen seine judaistischen Gegner schreibt, die in den von ihm gegründeten Gemeinden gegen ihn polemisieren und auch in Rom Stimmung gegen ihn machen bzw. bald machen werden. Paulus schreibt den Römerbrief, um diese Gegner zu widerlegen und die Unterstützung der römischen Gemeinde für seine Spanienmission zu sichern. M. Kettunen schreibt: „Durch den Römerbrief soll Rom für Paulus und seine Pläne, durch die Fürbitten der Römer und durch die Jerusalemreise des Paulus soll Jerusalem für die Heidenchristen und, dadurch ermöglicht, Spanien für Christus gewonnen werden, damit alle zusammen dem Evangelium gehorsam und dem einen Kyrios dienen“.118 P. Stuhlmacher formuliert: „Paulus ringt um die Herzen und das Verständnis der römischen Christen, und zwar angesichts kritischer ————————————————————

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Reichert, Abfassungsproblematik, 321. Als Paulus den Römerbrief schreibt, schätzt er die Chancen seines bevorstehenden Jerusalembesuchs positiver ein als Reichert, ebd. 7882, meint; sie liest Röm 15,25-32 einseitig pessimistisch. Bornkamm, Testament; Wilckens, Abfassungszweck; Wilckens 43-46. Jervell, Brief, 63. Vgl. Horn, Paulusforschung, 40: Paulus schreibt mit dem Römerbrief eine Apologie seiner Theologie „so als schriebe er nach Jerusalem“. Manson, Letter. Kettunen, Abfassungszweck, 175; vgl. ebd. 142-175.

42 Römerbrief ————————————————————————————————————

Einwände gegen sein Evangelium, die in Rom lautgeworden sind und vor allem judenchristliche Wurzeln haben“.119 4. Der Römerbrief ist ein missionsstrategisches Schreiben: Paulus will die römische Gemeinde für sein Projekt der Spanienmission gewinnen.120 Diese Sicht bestimmt den großen Römerbriefkommentar von Robert Jewett: Paulus schreibt den Römerbrief, weil er die Unterstützung der römischen Gemeinden für eine Mission unter den Barbaren Spaniens gewinnen will, die es notwendig macht, dass er das Evangelium von der in Jesus Christus geoffenbarten unparteiischen Gerechtigkeit Gottes erläutert.121 Der historische Kontext der geplanten Spanienmission ist von fundamentaler Bedeutung. Gleichzeitig gilt, dass Paulus explizit nicht davon spricht, die römische Gemeinde zum Stützpunkt seiner Spanienmission zu machen.122 5. Der Römerbrief bietet eine Zusammenfassung des Evangeliums, wie Paulus es verkündigt hat. U. Luz beschreibt den Römerbrief als kohärente Auslegung der theologischen Position, die Paulus in seinen Kontroversen mit den von ihm gegründeten Gemeinden erreicht hat.123 E. Lohse schreibt: „Den Christen in Rom trägt der Apostel eine gründlich durchdachte Rechenschaft über die Bezeugung des Evangeliums vor, mit der er Rückblick auf sein bisheriges Wirken hält und ausführt, was für seinen weiteren apostolischen Dienst gilt“; der Römerbrief ist „eine Summe des Evangeliums“.124 Dieses Verständnis stellt die bevorstehenden Kontroversen in Jerusalem mit judenchristlichen Kritikern in Rechnung, aber nicht in den Mittelpunkt. Wenn man weiter die Tatsache in Betracht zieht, dass Paulus einen Brief an die römischen Christen schreibt, er also eine persönliche Beziehung zu ihnen stiften will, wird man die geplante Spanienmission als Ziel der Kontaktaufnahme berücksichtigen: Paulus will die römischen Christen für eine strategische Partnerschaft für die Missionsarbeit im Westen des Römischen Reiches gewinnen und vorbereiten, indem er das von ihm verkündigte ————————————————————

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Stuhlmacher 14; vgl. Stuhlmacher, Abfassungszweck. Schrenk, Missionsdokument; Michel 29; Schnider/Stenger, Studien; 102. Jewett xv,1,83-89; Jewett, Ambassadorial Letter. Zur Kritik vgl. Barclay, Good News, 89-111, vor allem an Jewetts These, dass Paulus den imperialistischen Streit um Ehre, der die römischen Gemeinden spalte, schlichten wolle. So die Kritik von Lohse, Summa Evangelii, 103. Luz, Aufbau, 162-163. So schon Dodd xxix; Sanday/ Headlam xlii-xliv; Schlier 8 („Evangeliumsbrief“). Lohse 45; vgl. Lohse, Summa Evangelii. Weil Paulus „noch weit ausgreifende Pläne vor sich sieht“ (ebd.), setzt Lohse sich von dem Vorschlag von Bornkamm, Testament, 130135 ab, der Römerbrief sei ein Testament bzw. eine letzte Willenserklärung des Apostels; vgl. Wilckens I 47-48. Ähnlich wie Lohse Dahl, Missionary Theology; Becker, Paulus, 368-369; Dunn, Beginning from Jerusalem, 865-866; Dunn I liv-lxxii; Légasse 41 („une apologie de Paul pro doctrina sua“). Manche Autoren addieren die verschiedenen Motive; vgl. Penna xlii-xlvi; Longenecker, Introducing Romans, 158-160.

Einleitung 43 ————————————————————————————————————

Evangelium erläutert.125 Wenn Paulus in Röm 1–11 die Einwände gegen sein Evangelium widerlegt, kann er gleichzeitig die Einwände gegen seine Heidenmission entkräften, die von judenchristlichen Kritikern in Jerusalem erhoben werden (vgl. Apg 21,18-22) und die in Rom zu Vorbehalten im Blick auf seine apostolische Autorität führen könnten. Paulus behandelt im Römerbrief somit in fundamental theologischer Weise das rechte Verständnis des Evangeliums, das er in der Vergangenheit im Osten des Römischen Reiches verkündigt hat und das er in der Zukunft in Rom und in Spanien verkündigen will.126 5. Literarische Integrität Literaturkritische Teilungshypothesen haben wenig Erfolg gehabt. Entsprechende Vorschläge von Kritikern im 19. Jh.127 wurden generell als spekulativ und subjektiv abgewiesen. Ebenfalls nicht überzeugt haben die Teilungshypothesen von J. Kinoshita,128 H.M. Schenke,129 W. Schmithals130 und R. Scroggs,131 die den Römerbrief als Kombination mehrerer Paulusbriefe verstehen wollen. Nicht besser erging es den Interpolationshypothesen von ————————————————————

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Vgl. Theobald, Der Römerbrief, 41: „Paulus wollte die römischen Christen für eine ehrliche apostolische Partnerschaft mit ihm dadurch gewinnen, dass er sie von seiner Sache überzeugte“. Theißen, Nebenadressat, arbeitet heraus, dass der Römerbrief, den Paulus in Korinth schreibt, zur mündlichen Kommunikation mit der dortigen Gemeinde gehört, deren theologische Positionen er im Vollzug der Abfassung des Briefs an die römischen Christen korrigiert und ergänzt. Weisse, Beiträge, 28-51; Pierson/Naber, Verisimilia; Michelsen, Kritisch onderzoek; Völter, Votum; Völter, Composition; Manen, Paulus II. Zur Kritik vgl. Sanday/ Headlam lxxxvi-lxxxvii; Wolter I 24-26. Kinoshita, Romans, findet einen ursprünglichen Brief, den Paulus an die Heidenchristen in Rom schreibt (Röm 1,1-31; 2,6-16; 3,21-26; 5,1-11; 8,1-39; 12,1–13,14; 15,44-33) und ein Schreiben über jüdische Probleme, das für die gemischte, juden- und heidenchristliche Gemeinde in Ephesus geschrieben wurde (Röm 2,1-5; 2,17–3,20; 3,27–4,25; 5,12– 7,25; 9–11; 14,1–15,13). Zur Kritik Theobald, Der Römerbrief, 25. Schenke, Aporien, hält Röm 14,1–15,13; 16,3–20 für einen ursprünglich nach Ephesus gesandten paulinischen Brief. Zur Kritik vgl. Wilckens I 27. Schmithals, Problem (Zusammenfassung S. 210-211); Schmithals, Briefe. Schmithals meint, der Römerbrief setze sich im Wesentlichen aus zwei Briefen zusammen: Brief A (1,1–4,25; 5,12–11,31; 15,8-12; 11,32-36; 15,13) und Brief B (12,1-21; 13,8-10; 14,1– 15,4a.7.5.6.14-32; 16,21-23; 15,33) sowie ein Empfehlungsschreiben für Phöbe (16,120). Nicht zur Rom-Korrespondenz gehören 5,2-11 und 13,11-14 (aus der Korrespondenz mit Thessalonich) sowie 13,1-7 (ein aus der Synagoge stammendes Traditionsstück). Zur Kritik vgl. Wilckens I 28-29; Fitzmyer 64-65; Theobald, Der Römerbrief, 25-26. Scroggs, Two Homilies, identifiziert „a homily on the meaning of Israel’s history“ in Röm 1–4; 9–11 und „a homily on the new life in Christ“ in Röm 5–8.

44 Römerbrief ————————————————————————————————————

R. Hawkins,132 R. Bultmann,133 J. Kallas,134 C. Talbert135 und J.C. O’Neill.136 Stellen, die als Glossen einem späteren Redaktor zugewiesen wurden (z.B. Röm 16,17-20), werden im Kommentar behandelt. Ein früher häufig vorgetragener Vorschlag betrifft das Kapitel Röm 16,1-23, das ganz oder in Teilen (16,3-23) als ursprünglich nach Ephesus gerichtetes Schreiben zu verstehen sei.137 T.W. Manson argumentierte, eine Kopie des Römerbriefs (Kap. 1–15) sei mit Kap. 16 als Anhang nach Ephesus geschickt worden, einem Text, der als Empfehlungsschreiben für Phöbe gedacht war.138 Die Studien von K. Donfried, H. Gamble, K. Aland, W.H. Ollrog und P. Lampe139 haben manche Kommentatoren zum Umdenken bewegt140 und zu einem neuen (Beinahe-)Konsens geführt: Röm 1–16 ist eine literarische Einheit.141 Folgende Argumente sind wichtig: 1. Die Überleitung von 15,33 zu 16,1 ist nicht weniger abrupt als der Übergang von Phil 3,1 zu 3,2. 2. Paulus war in der Tat noch nicht in Rom. Aber die zwölf ihm persönlich bekannten Christen konnte er im Osten kennengelernt haben, wie Aquila und Priscilla, seine Mitarbeiter in Korinth und Ephesus, die ihn über die Umstände und die leitenden Christen in Rom informiert haben werden. Eine Migrationsbewegung von Christen, die von Kleinasien oder Griechenland nach Rom umsiedelten, ist im Rahmen des Erlöschens ————————————————————

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138 139 140 141

Hawkins, Romans, sieht Glossen in Röm 1,19-21.32; 2,1.16.17; 3,10-18.24-26; 4,1.17. 18-19; 5,1.6-7.17; 7,6.25; 8,1; 9,5; 10,9.17; 11,6; 12,11; 13,1-7; 14,6; 16,5.25. Bultmann, Glossen, hält Röm 2,16; 6,17b; 7,25b–8,1; 10,17 für Glossen. Vgl. die Kritik von Aland, Glosse. Kallas, Interpolation, scheidet Röm 13,1-7 als Interpolation aus. Talbert, Fragment, hält Röm 3,24-26 für unpaulinisch. Vgl. jedoch seinen Kommentar, Talbert 106-116. O’Neill, Romans (Kommentar), identifiziert Röm 1,18–2,29; 5,12-21; 7,14-25; 9,11-24; 10,7–15,13 als Interpolationen. S. die Kritik der Kombinations- und Interpolationshypothesen von Wolter I 25-27. Zum ersten Mal vorgeschlagen von Schulz, Einleitung, 609-612; vgl. Feine/Behm, Einleitung, 174-176; Michaelis, Einleitung, 160-166; Fitzmyer, Letter, 293; G. Friedrich, Art. Römerbrief, RGG3 V 1138; Käsemann 404; Schmithals 543; Schmithals, Problem, 142-147; Schmithals, Irrlehrer; Schenke, Aporien, 881-884; Bornkamm, Testament; Bornkamm, Paulus, 96.249; Jewett, Terms, 41-42; Koester, Introduction, II 143. Manson, Letter, 238-239; neu aufgenommen von Trobisch, Entstehung, 118; Theißen, Das Neue Testament, 56. Zur Kritik s. Cranfield I 9-11; Gamble, Textual History, 42-43. Donfried, Note; Donfried, Presuppositions; Gamble, Textual History, 56-95; Aland, Schluß; Ollrog, Abfassungsverhältnisse; Lampe, Christen, 124-135. Fitzmyer 64; Jewett 9. Cranfield I 5-11; Schlier 11; Wilckens I 22-27; III 133-134; Dunn II 884; Stuhlmacher 215-216; Fitzmyer 57-64; Haacker 374-375; Légasse 946-948; Lohse 51-53; Jewett 8-9; Penna xlix-l; Schnelle, Einleitung, 139-140; Müller, Schluß, 213-233; M. Theobald, Art. Römerbrief, RGG4 VII (2004) 611-618; H. Balz, Art. Römerbrief, TRE 29 (1998) 293; Theobald, Der Römerbrief, 23-25; Reichert, Abfassungsproblematik, 335; Schreiber, Römerbrief, 286-287.

Einleitung 45 ————————————————————————————————————

des Claudius-Edikts im Jahr 54 erklärbar. Die lange Grußliste ist weniger ein Empfehlungsschreiben für Phöbe als für sich selbst. 3. Schlussgrüße gehören zu den wichtigen Formelementen eines Briefs. Und die Kombination des Empfehlungstopos (16,1-2) mit Grüßen sind in der hellenistischrömischen Briefliteratur offenbar einzigartig. 4. Viele der Namen passen eher nach Rom als nach Kleinasien. 5. Die Warnung vor Irrlehrern in 16,1720 ist allgemein gehalten und enthält keine Information über spezifische Inhalte, die für Rom auszuschließen wären. 6. Es gibt (von der späten Minuskel 1506 abgesehen, die aus dem Jahr 1320 datiert) kein Manuskript des Römerbriefs, das mit 15,33 endet. 7. Die Reihenfolge von Röm 5,17– 15,33 + 16,25-27 (Doxologie) + 16,1-23 im frühen Papyrus 46 (um 200 n.Chr.) beweist nicht, dass dieses Manuskript einen aus 15 Kapiteln bestehenden Römerbrief belegt: Die Texttradition ist sich im Blick auf die Stellung von 16,26-27 uneins (s. unten). Ein wichtiges literar- und textkritisches Problem ist der Schluss des Römerbriefs. Der komplexe Sachverhalt kann mit K. Aland folgendermaßen dargestellt werden:142 Texteinheiten: A=1,1–14,23; B1=15,1-33; B2=16,1-23 (B=15,1–16,23); C=16,24 (Segen); D=16,25-27 (Doxologie) 1. 2. 3. 4.

A A+D A+B+C A+B+D

5.

A+B+C+D

6.

A+B+D+C

7. 8. 9. 10.

A+D+B A + C149 + D + B + C A+D+B+C A+D+B+D

Marcion143 1648 1792 2089 D Vorlage Fgr144 G 629gr 1941corr145 Hiermss d61vid146 ‫ א‬B C 048vid147 81 623 1739 2464 bo sa b vgmss Orlat mss D148 Flat 296 630 1104 1869 1882 1903 1909corr 1911 1931 2200 ar c vgmss Pelagius 256 263 365 436 1319 1573 1852 1962 vgL corr Ambrosiaster syp äth altkirchenslawisch 919 m vgmss L Ψ 0209vid c syh georg got A 0151 5 621 2110

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ca. 150 ab 546 vor 500 4. Jh. vor 410 363 / 384 11. Jh. 10. Jh. 7. Jh. 5. Jh.

Aland, Schluß, 287-290; vgl. Aland, Glosse, 46-49; Aland/Aland, Text, 296-298; Gamble, Textual History, 23-28,129-132; Lampe, Textgeschichte; Collins, Doxology, 296; vgl. Kamlah, Untersuchungen, sowie die Kommentare, zuletzt Wolter I 18-20. Im Apparat zu 14,23 von NA28 steht: hic epistulam terminat MarcionOr lat, d.h. nach der lateinischen Übersetzung des Origenes (PL 14. 1290: 10.43.2). Im griechischen Text der lat.-griech. Bilingue ist nach 16,24 Raum, offensichtlich zur eventuellen Einfügung von D. Dasselbe gilt für 629gr. Der Korrektor hat D eingeklammert. Nur 16,23-26 ist erhalten. Der Text ist nur bis 15,9 erhalten. Auslassung von 16,20b; ebenso Flat. Röm 16,24 in verkürzter Form: gratia cum omnibus sanctis.

46 Römerbrief ———————————————————————————————————— 11. 12. 13. 14.

A+D+B+C+D A+D+B+D+C A + B1 + D + B2 A + D + B1 + D

88 1901 vgmss P 33 104 441 459 1243 1573corr 1838 d46 1506

11. Jh. 9. Jh. ca. 200 1320

Nach K. Aland und der Mehrheit der Exegeten ist A + B als ursprüngliche Form der Römerbriefs anzusehen: 1. Die vielen Varianten können auf zwei verschiedene sekundäre Kürzungen des Textes zurückgeführt werden (Textformen 1 und 4); 2. die Tatsache, dass die Textformen 3 und 10 die Doxologie weglassen, macht es wahrscheinlich, dass diese nicht ursprünglich ist; 4. die Doxologie kann durch den liturgischen Gebrauch des Römerbriefs erklärt werden; 5. es ist wahrscheinlicher, dass die Doxologie hinzugefügt, als dass sie ausgelassen wurde, was von der Vielzahl der Platzierungen von D in der Manuskripttradition bestätigt wird; 6. in der Doxologie kommen verschiedene Ausdrücke vor, die als unpaulinisch zu gelten haben.150 Nicht alle Forscher sind überzeugt. Einige argumentieren für A + B + C als ursprüngliche Form:151 1. Die angenommene authentische Form ist rein hypothetisch: Sie wird von keinem einzigen Manuskript bezeugt; 2. wenn man von A + B + C als ursprünglicher Textform ausgeht, kann man für die anderen dreizehn Stufen des Stemmas ein organisches Wachstum rekonstruieren;152 3. im Vergleich mit dem Ende der anderen paulinischen Briefe mutet 16,23 als Ende des Römerbriefs seltsam an. Andere Forscher argumentieren für A + B + D als ursprüngliche Textform:153 1. Die angenommene authentische Form ist rein hypothetisch: Sie wird von keinem einzigen Manuskript bezeugt; 2. die Bezeugung der Doxologie in der Manuskripttradition ist stark (d61vid ‫ א‬B C D 81 365 1739 2464); 3. Formulierungen in 16,25-27 weisen auf Formulierungen in früheren Kapiteln des Römerbriefs zurück (vgl. 16,25 mit 1,1.4.9.11.16.17; 2,17; 16,26 mit 1,2.5; 16,27 mit 3,29-30; 11,33-36) und entsprechen Formulierungen in anderen Paulus————————————————————

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Aland, Schluß, 291-297. Vgl. Schlier 720-721; Cranfield I 5-11; Wilckens I 22-24; Schmithals 566-569; Dunn II 912-913; Theobald II 255-257; Fitzmyer 753; Byrne 461462; Lohse 50; Légasse 975; Penna 1113-1114; Elliott, Language; Collins, Doxology. Das an letzter Stelle genannte Argument setzt voraus, dass z.B. die Pastoralbriefe pseudepigraphisch, d.h. unpaulinisch sind. Kamlah, Untersuchungen, 129-130, glaubt, dass der Autor (nicht Paulus) der Pastoralbriefe die Doxologie Röm 16,25-27 verfasst hat. Für eine Verteidigung der paulinischen Verfasserschaft der Pastoralbriefe vgl. Carson/Moo, Einleitung, 671-711; Schnabel, Paul, Timothy, and Titus. Gamble, Textual History, 88,129-132; Lampe, Textgeschichte; Haacker 389-390; Lohse 417; Jewett 7-8.998-1005 (der außerdem 16,17-20 als Interpolation eliminiert). Vgl. Lampe, Textgeschichte, 274-275 für Einzelheiten; vgl. Jewett 6-7. Bruce 281-282; Stuhlmacher 225; Moo 936-937 Anm. 2; Wright 768; Johnson 221-223; Schreiner 810-811; Witherington 400; Keener 192; Kruse 587; Borse, Schlußwort; Weima, Endings, 218-219; Marshall, Conclusion; Grieb, Story, 146; Longenecker, Introducing Romans, 34-38.

Einleitung 47 ————————————————————————————————————

briefen (vgl. 1Kor 16,22.24); 4. die Parallelen in umstrittenen Paulusbriefen (Eph 3,4-7.8-11; 2Tim 1,9-11; Tit 1,2-3) können nur dann außer Acht gelassen werden, wenn man sich über deren nichtpaulinische Autorschaft absolut sicher ist, was man angesichts der Beweis- und Diskussionslage nicht sein kann;154 5. im Vergleich mit dem Ende der anderen paulinischen Briefe muten die Grüße an Quartus in 16,23 als Ende des Römerbriefs seltsam an; 6. der Segen 16,24 ist schlechter belegt als die Doxologie 16,25-27 und ist kaum authentischer als diese; 7. wenn die Beweislage für Interpolation bzw. Authentizität ausgewogen ist, sollte der Manuskripttradition der Vorrang gebühren: Nur die Textformen 1 und 3 haben keine Doxologie; da Marcion offensichtlich den Römerbrief um zwei ganze Kapitel gekürzt hat, ist das Fehlen einer Doxologie in seiner Textausgabe keine Argument für dessen spätere Interpolation; und das Fehlen einer Doxologie in F G 629 ist spät bzw. erklärbar: G weist zwischen 14,23 und 15,1 eine Lücke von sechs Zeilen auf, was darauf hinweisen könnte, dass der Abschreiber hier die Doxologie vermutete, aber das Manuskript, von dem er kopierte, die Doxologie an dieser Stelle nicht enthielt; F hat die Doxologie nach 16,24 in der lateinischen Kolumne, während die griechische Kolumne die Doxologie auslässt.155 Die zuletzt genannte Option – die ursprüngliche Textform des Römerbriefs war A + B + D (d.h. Röm 1,1–16,23.25-27) – ist immer noch sehr plausibel, aber der momentane Erkenntnisstand lässt eine sichere Entscheidung nicht zu.156 6. Gattung und Struktur Der Römerbrief ist kein Privatbrief, wie keiner der paulinischen Briefe ein reiner Privatbrief ist.157 Die Selbstbezeichnung als „Sklave Jesu Christi“ und als „Apostel“ im Präskript des Briefs (Röm 1,1) macht deutlich, dass der Römerbrief eine „Auftragsarbeit“ ist:158 Paulus schreibt den Brief im Auftrag Jesu Christi. Die Briefe des Apostels Paulus wurden mit den Briefen ————————————————————

154 155 156

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Für die Pastoralbriefe vgl. Schnabel, Paul, Timothy, and Titus. Metzger, Textual Commentary, 471. NA27/28 drucken 16,25-27 (D) im Text, allerdings in eckigen Klammern, die anzeigen, „dass der eingeklammerte Abschnitt textkritisch nach dem heutigen Erkenntnisstand nicht gänzlich gesichert werden konnte“ (NA28 S. 10*). Hurtado, Doxology, betont die Möglichkeit einer paulinischen Verfasserschaft der Schlussdoxologie. Berger, Apostelbrief, 231; Taatz, Briefe, 111; Bauer, Paulus, 396-404; Doering, Letters, 383-406. Zu den Privatbriefen der im ägyptischen Oxyrhynchus lebenden Christen vgl. Blumell, Lettered Christians. So Burchard, Jakobusbrief, 48, im Hinblick auf Jak 1,1; vgl. Doering, Letters, 398, für die Anwendung auf die paulinischen Briefe, mit Verweis auf EpJer inscriptio: „wie ihm von Gott befohlen wurde“.

48 Römerbrief ————————————————————————————————————

von Königen, Kaisern und Administratoren von Provinzen der griechischrömischen Welt verglichen.159 Brauchbarer sind Vergleiche mit philosophischen Briefen160 und mit der brieflichen Kontaktpflege von Vereinigungen (collegia; griech. thiasoi) und Diasporasynagogen.161 Dass der Römerbrief kein Privatbrief ist, zeigt sich auch daran, dass er mehrere Adressaten hat: Paulus schreibt „an alle in Rom, die von Gott geliebt sind, die berufenen Heiligen“ (Röm 1,7) und an die „Gemeinde“ (ε� κκλησι'α), die sich im Haus von Priscilla und Aquila versammelt (16,5), sowie an andere Hausgemeinden (16,10-11.14-15; s. oben). Die einzige antike Definition der Briefgattung stammt von PseudoLibanios: „Ein Brief ist eine schriftliche Unterhaltung mit einem abwesenden Partner (ο� μιλι'α τις ε� γγρα' μματος α� πο' ντος προ` ς α� πο' ντα) … Man spricht in ihm so, als ob man bei der abwesenden Person wäre“ (Characteres epistolici 2). Die antike Epistolographie unterschied zwischen Privatbriefen (epistula familiaris) und für die Veröffentlichung bestimmten Briefen162 und versuchte sich in einer Differenzierung von Briefsorten. Das irrtümlich dem Demetrius von Phaleron (360–280 v.Chr.) zugeschriebene Werk Typoi epistolikoi beschreibt einundzwanzig Arten von Briefen, vom Freundschaftsbrief über den Empfehlungsbrief, den Vorhaltungen machenden Brief, den Vorwürfe machenden Brief, den Trostbrief und den Scheltbrief, den zurechtweisenden Brief bis hin zum Dankbrief.163 Diese Klassifikation ist weder damals noch heute Konsens. Der Brief hat in der Antike keine einheitliche Grundstruktur, sondern kann „eine Vielfalt von Gestalten und Formen annehmen, denen allein das Element des Übermittelns vom Absender zum Empfänger gemeinsam ist und die sich sonst in kaum vorstellbarer Mannigfaltigkeit voneinander unterscheiden“.164 Deshalb ist man gut beraten, die Gattungsbestimmung des Römerbriefs mit dessen Absicht und Inhalt zu verbinden. H. Schlier bezeichnet ihn als Evangeliumsbrief, J. Fitzmyer als Essaybrief, K. Haacker als Friedensmemorandum, M. Wolter als Freundschaftsbrief.165 ————————————————————

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Stirewalt, Paul, the Letter Writer, 25-55. Vgl. Klauck, Briefliteratur, 140-146, der auf die Briefe der Kyniker verweist, und Doering, Letters, 389-390, der die Briefe Epikurs behandelt (in einem Abschnitt zum Thema „The Use of Letters in the Maintenance of a Network of Communities“). Doering, Letters, 390-393; Paulus verwendet die „Exils-“ bzw. „Diaspora-Terminologie“ der jüdischen Diasporabriefe in der Anrede seiner Adressaten nicht (ebd. 405). W.G. Müller, Art. Brief, HWR II, 63.67. Vgl. Malherbe, Theorists, 30-41; Aune, Dictionary, 162-164; Klauck, Briefliteratur, 158163; Bauer, Paulus, 40-41. Der Grundbestand der τυ' ποι ε� πιστολικοι' reicht wohl in das 2. / 1. Jh. v.Chr. zurück. Classen, Paulus, 8; vgl. Theobald, Der Römerbrief, 63. Schlier 8; Fitzmyer 69-71; Haacker 15; Haacker, Friedensmemorandum; Wolter I 60-61.

Einleitung 49 ————————————————————————————————————

Wenn man den Römerbrief als „Apostelrede“ versteht und rhetorische Kategorien anlegt, wird man ihn einer der drei Gattungen zuweisen: dem genus demonstrativum (griech. epideiktikon; Lob oder Tadel in der Festversammlung), dem genus deliberativum (griech. symbouleutikon; Rat für oder gegen das, was in einem bestimmten Fall zu tun ist, in der Volksversammlung) oder dem genus iudiciale (griech. dikanon; Anklage oder Verteidigung im Gerichtssaal). Es zeigt sich, dass die rhetorischen Klassifikationen ganz unterschiedlich ausfallen. D. Dormeyer verbindet den Römerbrief mit der epideiktischen Rede, attestiert aber auch deliberative Elemente.166 David Aune weist den Römerbrief als logos protreptikos dem genus deliberativum zu.167 R. Jewett interpretiert als „ambassadorial letter“ im Sinn des genus demonstrativum, sieht aber gleichzeitig paränetische und ermahnende Elemente sowie Motive der philosophischen Diatribe.168 M. Theobald weist auf den apologetischen Charakter weiter Teile des Briefs hin, auf den juridischen Charakter der Rede von der Gerechtigkeit Gottes und der Rechtfertigung des Menschen sowie auf die propositio Röm 1,16-17 und hält deshalb „für den Hauptstrom des Briefs das genus iudiciale als Analogie“ am naheliegendsten.169 Angesichts derart divergierender Analysen ist dieser Ansatz wenig vielversprechend für das Verständnis des Römerbriefs. Die Analyse der Makrostruktur des Römerbriefs mithilfe der Kategorien der antiken Rhetorik hat zu unterschiedlichen Ergebnissen geführt.170 Einigkeit herrscht größtenteils über den Anfang (1,1-17) und den Schluss (15,14–16,23), ansonsten gibt es viele Variationen, wie der folgende Überblick zeigt. J.A. Bengel:171 1,1-15 exordium; 1,16-17 propositio; 1,18–15,13 tractatio; 12,1– 15,13 paraclesis; 15,14–16,23 conclusio. W. Wuellner:172 1,1-15 exordium; 1,16-17 transitus; 1,18–15,13 confirmatio: 1,18–11,36 probatio, 12,1–15,13 digressio (exemplum); 15,14–16,23 peroratio. R. Jewett:173 1,1-12 exordium; 1,13-15 narratio; 1,16-17 propositio; 1,18–15,13 probatio; 15,14–16,24 peroratio. F. Vouga:174 1,1-17 exordium (1,16-17 propositio); 1,18–3,20 ————————————————————

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Dormeyer, Literaturgeschichte, 197. Aune, Logos Protreptikos, 91: „the central section of Romans (1:16–15:13) is a λο' γος προτρεπτικο' ς in an epistolary frame (1:1-15; 15:14–16:27). That is, Romans is a speech of exhortation in written form which Paul addressed to Roman Christians to convince them (or remind them) of the truth of his version of the gospel.“ Jewett 44 als Modifikation des Vorschlags von Wuellner, Paul’s Rhetoric, mit Aufnahme der Studien zu diplomatischen und administrativen Briefen von Schubart, Königsbriefe; Welles, Royal Correspondence; Olshausen, Prosopographie. Theobald, Der Römerbrief, 66-67, mit Verweis auf Melanchthon. Für das Folgende s. Theobald, Der Römerbrief, 56-62; er verweist zu Recht auf das Problem des Vergleichmaßstabs: Die „Lausberg-Dogmatik“ (d.h. Lausberg, Handbuch) bietet „nicht mehr als eine unhistorische Systematisierung der untereinander divergierenden antiken Rhetorik-Lehrbücher“ (ebd. 56). Bengel, Annotationes in epistolam Pauli ad Romanos. Gnomon Novi Testamenti (31773). Wuellner, Paul’s Rhetoric (orig. 1976). Jewett, Argument (orig. 1986); Jewett 29-30 (2007). Vouga, Narratio (1987).

50 Römerbrief ———————————————————————————————————— narratio; 3,21-31 propositio; 4,1–11,36 probatio. J.-N. Aletti:175 1,1-15 exordium; 1,16-17 propositio; 1,18–11,36 probatio: 1,18–3,20 – probatio I, 4,1–8,39 probatio II, 9,1–11,36 probatio III (mit folgender Gliederung der dreiteiligen probatio: probatio I: 1,18 propositio; 1,19-32 narratio; 2,1–3,18 probatio; 3,19-20 peroratio; 3,21.22a propositio; 3,22b–3,31 énoncés; probatio II: 5,1-10 exordium; 5,11-19 narratio; 5,20-21 propositio; 6,1–8,30 probatio; 8,31-38 peroratio; probatio III: 9,1-5 exordium; 9,6–11,32 probatio; 11,33-36 peroratio). N. Elliott:176 1,1-15 exordium; 1,16-17 insinuatio; 1,18–4,25 ephodos; 5,1-31 propositio; 6,1– 8,39 ratiocinatio; 15,14–16,23 peroratio. D. Hellholm:177 1,16-17 propositio, 1,18–11,36: probatio: 1,18–8,39 thesis, 9,1–11,36: 1,18–3,20 refutatio, 3,21–8,39 confirmatio, 9,1–11,36 hypothesis; 12,1–5,13 exhortatio. M. Theobald:178 1,1-7 / 8-15 exordium; 1,16-17 propositio; 1,18-32 narratio; 2,1-29 argumentatio; 3,1-8 digressio; 3,9-20 conclusio; 3,21–5,21 confirmatio: 3,21-26 Wiederaufnahme der propositio, 5,12-21 conclusio; 6,1–8,17 refutatio I; 9,1–11,36 refutatio II; 12,1–15,6 exhortatio; 15,7-13 peroratio. B. Witherington:179 1,8-10 exordium; 1,1115 narratio; 1,16-17 propositio; 1,18–8,39 probatio: 1,18–2,16 argumentatio I, 2,17–3,20 argumentatio II, 3,21-31 recapitulatio und Erweiterung der propositio; 4,1-25 argumentatio III; 5,111 argumentatio IV; 5,12-21 argumentatio V; 6,1–7,25 argumentatio VI; 8,1-17 argumentatio VII; 8,18-39 argumentatio VIII; 9,1–15,13 refutatio: 9,1–11,36 argumentatio IX; 12,1-21 argumentatio X; 13,1-14 argumentatio XI; 14,1–15,13 argumentatio XII; 15,14-21 peroratio.

R. Penna warnt mit Recht vor der Gefahr, die Struktur des Römerbriefs in das Prokrustesbett rhetorischer Kategorien zu zwingen.180 Die Variabilität der Vorschläge zeigt, dass man diese Warnung ernst nehmen sollte. Es bringt wenig, die einzelnen Vorschläge kritisch unter die Lupe zu nehmen und einen eigenen, neuen Vorschlag zu unterbreiten, zumal die Anwendung der Kategorien der rhetorischen Handbücher, die mündlich vorgetragene Reden analysieren, auf die Gesamtstruktur von Briefen problematisch ist.181 Demetrius unterscheidet Rede und Brief in seinem Werk De elocutione: „Es wäre ja lächerlich, in Perioden zu schreiben, gleich als schriebe man keinen Brief, sondern eine Prozessrede“.182 Cicero betont, im Brief sei Volksjargon erlaubt, weil er sich von der Rede unterscheide (Fam. 24,1). Nach Seneca können Briefe im lockeren Ton geschrieben werden, während man beim Verfassen von Reden auf sorgfältige Stilisierung zu achten habe (Ep. 75,1). Manche verweisen auf die Verwendung von fiktiven Briefen als Übung im Rahmen der Progymnasmata des Rhetorikunterrichts zur Rechtfertigung ————————————————————

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Aletti, Modèle rhétorique (1990); vgl. Aletti, Dispositio, 392, mit einem modifizierten Vorschlag. Kritisch Theobald, Der Römerbrief, 60. Elliott, Rhetoric. Hellholm, Amplificatio. Theobald, Der Römerbrief, 61. Witherington 21-22. Penna lvii. So auch Wolter I 66: „der Römerbrief (sperrt) sich ganz offensichtlich gegen eine Gliederung nach der dispositio der antiken Schulrhetorik“. Vgl. Classen, Paulus; Porter, Theoretical Justification; Kern, Rhetoric and Galatians. Demetrius, Elocut. 229: γελοιñον γα` ρ περιοδευ' ειν, ω « σπερ ου� κ ε� πιστολη' ν, α� λλα` δι' κην γρα' φοντα.

Einleitung 51 ————————————————————————————————————

einer rhetorischen Analyse antiker Briefe.183 Dies reicht als Begründung für die These, antike Briefe seien nach dem Schema von Reden gegliedert worden, nicht aus.184 Quintilian beschäftigt sich nicht mit Briefen; er schreibt ihnen im Vergleich mit der Rede eine eigene Natur zu (Inst 9,4,19-20). Zu Versuchen, Epistolographie und Rhetorik miteinander zu verbinden, kam es erst bei späteren Autoren des 4. Jh.s (Libanius, Epist 528,4; C. Julius Victor, Rhet 447-448).185 Das bedeutet allerdings nicht, dass ein Briefschreiber im 1. Jh. im Briefcorpus auf die Anwendung der standardisierten rhetorischen Argumentationsweisen und Beweisverfahren verzichtet hätte. Übereinstimmung besteht darin, dass 1,1-17 der Briefeingang ist, der mit dem traditionellen epistolaren Präskript (1,1-7: Verfasser, Adressaten, Gruß) und einem Proömium (1,8-17) beginnt, das nach Dank und Bitte in die thesenhafte Angabe des Briefthemas mündet (1,16-17). Weiter herrscht größtenteils Einigkeit darüber, dass 1,18–11,36 das Briefcorpus bildet, bestehend aus vier Hauptteilen. Der erste Hauptteil (1,18–5,21) beschreibt die Rechtfertigung der Sünder durch den Glauben infolge des Sühnetodes Jesu Christi, mit einer Behandlung (1) der Sünde der Heiden und der Juden in 1,18–3,20 und (2) der Rechtfertigung der Sünder aufgrund des Glaubens an Jesus Christus in 3,21–5,21.186 Der zweite Hauptteil (6,1–8,39) behandelt das Leben der Jesusbekenner angesichts der Wirklichkeit der ihnen geschenkten Gerechtigkeit Gottes im Kontext der Wirklichkeit dieser Welt. Der dritte Hauptteil (9,1–11,36) behandelt den Unglauben Israels angesichts des Kommens des Messias Jesus. Der vierte Hauptteil (12,1–15,13) formuliert die abschließende Paränese (Ermahnung). Den Briefschluss bildet 15,14–16,27. Der Kommentar geht von folgender Disposition aus: Einleitung 1,1-17 1. Präskript: Absender, Adressaten, Gruß 1,1-7 2. Proömium: Dank, Fürbitte, Thema 1,8-17 1. Die Rechtfertigung der Sünder durch Jesus Christus 1,18–5,21 1.1 Heiden und Juden unter dem Zorn Gottes 1,18–3,20 1) Die Sünde der Heiden 1,18-32 2) Die Sünde der Juden 2,1–3,20 1.2 Die Heil schaffende Offenbarung Gottes in Jesus Christus 3,21–5,21 1) Die Offenbarung der Gerechtigkeit Gottes im Sühnetod Jesu Christi 3,21-31 2) Der Glaube Abrahams und das universale Gottesvolk aus Juden und Heiden 4,1-25 ————————————————————

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Vgl. Theon, Progymnasmata 10. Theon von Alexandrien wirkte im 1. / 2. Jh. n.Chr. Siehe Malherbe, Theorists, 2; Kremendahl, Botschaft, 16-17; vgl. Lampe, Analyse, der im Anschluss an Kremendahl versucht, Epistolographie und Rhetorik zu verbinden. Bauer, Paulus, 103 Anm. 55. Vgl. Reed, Epistle. Für den folgenden Punkt vgl. Bauer, Paulus, 104. Zur Stellung von 5,1-11 / 12-21 in der Struktur des Römerbriefs s. die Einleitung zur Kommentierung von Kap. 5.

52 Römerbrief ———————————————————————————————————— 3) Der Frieden mit Gott und die Hoffnung auf die Herrlichkeit Gottes 5,1-11 4) Die Herrschaft der Gnade über die Herrschaft der Sünde: Adam und Christus 5,12-21 2. Die Realität der Rechtfertigung im Leben der Glaubenden 6,1–8,39 2.1 Das neue Leben in wirklicher Gerechtigkeit 6,1-23 1) Das neue Leben im Anschluss an Tod und Auferstehung Jesu 6,1-14 2) Das neue Leben als Freiheit und Gehorsam 6,15-23 2.2 Der Wechsel vom Sein im Fleisch zum Sein im Geist 7,1–8,17 1) Der Wechsel der Herrschaftsgewalt vom Gesetz zu Jesus Christus 7,1-6 2) Die Vergangenheit: Die Existenz unter dem Gesetz der Sünde und des Todes 7,7-25 3) Die Gegenwart: Die neue Existenz im Gesetz des Geistes des Lebens 8,1-17 2.3 Das Leiden der Gläubigen in Hoffnung 8,18-30 2.4 Der Triumph der Gläubigen 8,31-39 3. Die Realität der Rechtfertigung in der Geschichte Israels 9,1–11,36 3.1 Die Fürbitte des Apostels für die ungläubigen Juden 9,1-5 3.2 Gottes Gerechtigkeit in Israels Geschichte 9,6-29 1) Gottes freie Erwählung und die wahre Zugehörigkeit zu Israel 9,6-13 2) Gottes freies Erbarmen und das wahre Gottesvolk 9,14-29 3.3 Israels Widerstand gegen Gottes Gerechtigkeit 9,30–10,21 1) Das Evangelium als Stein des Anstoßes 9,30-33 2) Die Gerechtigkeit Gottes und das Ziel des Gesetzes 10,1-13 3) Der unentschuldbare Unglaube Israels 10,14-21 3.4 Die Wirklichkeit der Gerechtigkeit Gottes und die Errettung Israels 11,1-32 1) Die Erwählung eines Restes in Israel 11,1-10 2) Die Folge der Ablehnung des Evangeliums durch Israel 11,11-24 3) Die Erfüllung der Verheißung und die Rettung Israels 11,25-32 3.5 Der Lobpreis von Gottes Gerechtigkeit 11,33-36 4. 4.1. 4.2 4.3 4.4 4.5 4.6 4.7 4.8

Das Leben der Gerechtfertigten 12,1–15,13 Das Leben des Gläubigen als heiliges Selbstopfer für Gott 12,1-2 Die Gaben der Gnade Gottes 12,3-8 Die Verpflichtung zur Nächstenliebe 12,9-21 Die Verpflichtung gegenüber dem Staat 13,1-7 Die Verpflichtung zur Nächstenliebe als Erfüllung der Gebote 13,8-10 Die endzeitliche Motivation christlichen Verhaltens 13,11-14 Die gegenseitige Annahme der Starken und der Schwachen 14,1-23 Die heilsgeschichtliche Motivation christlichen Verhaltens 15,1-13

Schluss 15,14–16,27 1. Die Pläne des Apostels 15,14-33 2. Empfehlung der Phöbe 16,1-2 3. Grüße 16,3-16 3. Ermahnung zur Wachsamkeit gegenüber Irrlehrern 16,17-20 4. Grüße aus dem Umfeld des Apostels 16,21-23 5. Doxologie 16,25-27

Einleitung 53 ————————————————————————————————————

7. Gedankengang und theologische Grundzüge 1. Paulus lässt bereits in der ersten Zeile das Thema des Briefs anklingen: Er beschreibt sich in der Absenderangabe des Präskripts als „Sklave des Messias Jesus, berufen zum Apostel, ausgesondert zum Evangelium Gottes“ (1,1).187 Es geht im Römerbrief um Jesus, den Messias Israels, den Sohn Gottes, der auf der Erde gelebt hat und nach seinem Tod und seiner Auferstehung als Herr in Macht regiert (1,3-4). Es geht um das Evangelium, d.h. um die gute Nachricht von der Offenbarung Gottes in Jesus Christus, die Heiden wie Juden Heil anbietet, weil der Sühnetod Jesu am Kreuz Heil geschaffen hat, eine Offenbarung, die Paulus in den vergangenen fünfundzwanzig Jahren als Wort Gottes verkündigt hat, in seinem bevorstehenden Jerusalembesuch erläutern wird und bald in Rom und Spanien verkündigen will. Dieser weltweite Bezug des Evangeliums wird im Briefschluss unterstrichen: Paulus ist ein „Diener des Messias Jesus für die Völker, der priesterlich das Evangelium Gottes ausrichtet“ und „von Jerusalem aus im Bogen bis nach Illyrien überall das Evangelium vom Messias“ verkündigt hat (15,16.19). Im Brief an die stadtrömischen Christen thematisiert Paulus das Evangelium, das er als Missionar in den (nord-)östlichen Regionen des Römischen Reiches verkündigt hat. Die Themenangabe in 1,16-17 beschreibt das Evangelium als „Kraft Gottes zur Rettung für jeden, der glaubt“. Das heißt, das Evangelium ist nicht nur das verkündigte Wort Gottes von seiner Offenbarung in Jesus Christus, sondern zugleich und fundamental die Macht, die das Heil, das verkündigt wird, bewirkt für alle, die an Jesus als Messias Israels und Retter der Welt glauben. Im ersten Hauptteil erläutert Paulus das Evangelium von der Offenbarung der Gerechtigkeit Gottes als die Rechtfertigung der Sünder durch Jesus Christus (1,18–5,21). Paulus argumentiert in zwei Schritten. Der erste Argumentationsgang (1,18–3,20) steht unter der Überschrift „Offenbarung des Zornes Gottes“ (1,18): Sowohl die heidnischen Polytheisten, die statt des Schöpfers das Geschöpf anbeten und infolgedessen den Respekt für die Mitmenschen verlieren (1,19-32), wie die Juden, die das Gesetz haben und beschnitten sind (2,1–3,20), bedürfen der Rettung, weil sie als Sünder dem Zorngericht Gottes ausgeliefert sind. Jüdische Einwände, dass man das Volk der Juden infolge der göttlichen Erwählung Israels nicht einfach neben die Heiden unter den Zorn Gottes stellen kann (3,1-8), gelten nicht: Sowohl ————————————————————

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Siehe neben den Kommentaren von Schlier, Fitzmyer, Haacker und Lohse noch Wright, Romans and the Theology of Paul; Becker, Paulus, 370-394; Lohse, Evangelium; Schnelle, Paulus, 338-397; Wilckens, Theologie III, 169-241; Haacker, Theology; Longenecker, Introducing Romans, 353-458.

54 Römerbrief ————————————————————————————————————

Juden als auch Heiden leben unter der Herrschaft der Sünde (3,9-20). Der jüdische bzw. judenchristliche Dialogpartner des Apostels greift mit zwei Schlussfolgerungen das Argument an, dass die Juden genauso wie die Heiden Sünder sind: Erstens annulliert Paulus die heilsgeschichtliche Priorität der Juden (3,1-4) und zweitens macht Paulus Gott zu einem ungerechten Richter und führt zu Libertinismus (3,5-8). Paulus entkräftet diese Einwände nur zum Teil: Im zweiten und dritten Hauptteil wird er diese wichtigen Fragen ausführlicher behandeln. Im zweiten Argumentationsgang (3,21–5,21) erläutert Paulus zunächst die Offenbarung der Gerechtigkeit Gottes, die den Kern des Evangeliums ausmacht (1,17; wieder aufgenommen in 3,21). Gott bewirkt die Rechtfertigung der Sünder aufgrund seiner in Jesus Christus offenbarten Barmherzigkeit, die für alle Heil schafft, die an Jesus Christus glauben, unabhängig vom mosaischen Gesetz (3,21-23). Die Rechtfertigung des Sünders ereignete sich im Sühnetod Jesu Christi, durch den Gott alle Sünder gerecht spricht, sie von ihrer Todverfallenheit erlöst, ihre Schuld sühnt und ihre Sünden vergibt (3,24-26), ohne dass sich der Mensch rühmen könnte und ohne dass das mosaische Gesetz, ohne dessen Zutun Gott das messianische Heil bewerkstelligte, abgeschafft würde (3,2731). Die Offenbarung der Gerechtigkeit Gottes im Sühnetod Jesu, durch den alle Sünder, die Gottes Geschenk der Erlösung annehmen, Gerechtigkeit und Vergebung erlangen, schafft das Abraham verheißene universale Gottesvolk aus Juden und Heiden (4,1-25) und bewirkt Hoffnung und Frieden für die gerechtfertigten Sünder (5,1-11). In 5,12-21 fasst Paulus zusammen: Die von Adam und seinem Fall in die Sünde initiierte Herrschaft der Sünde ist durch den Tod und die Auferstehung Jesu Christi abgelöst worden von der Herrschaft der Gnade Gottes (5,12-21). Jesus Christus hat das universale Sündenproblem gelöst, das seit Adam die Menschen vom Leben in der Gegenwart Gottes getrennt hat. Im zweiten Hauptteil erläutert Paulus die Realität der Rechtfertigung im Leben der Glaubenden (6,1–8,39), ein Thema, das mit dem Hinweis auf das Leben des aus Glauben Gerechten bereits in der Themenangabe in 1,17 angezeigt wurde. Die ausführliche Behandlung dieses Themas im literarischen Mittelteil des Briefs ist notwendig, weil die Erläuterung des Evangeliums als Rechtfertigung des gottlosen Sünders allein durch den Glauben an Jesus Christus zu dem Einwand führt, dass Paulus jeder christlichen Ethik den Boden unter den Füßen entziehe: Wenn es Sünder sind, die ohne Werke von Gott gerecht gesprochen werden, dann führt ein Mehr an Sünde zu einem Mehr an Gnade, und das heißt, dass das Tun der Sünde keine Rolle spielt und Christen also fröhlich weiter sündigen können (6,1). Dieser Einwand wurde bereits in 3,5-8 formuliert. Paulus weist den Einwand in 6,2-23

Einleitung 55 ————————————————————————————————————

erstens dadurch zurück, dass er das neue Leben des Glaubenden als Tod und Auferstehung (6,1-14) und als Freiheit und Gehorsam (6,15-23) beschreibt. Die in der Bekehrung des Sünders zum Glauben an Jesus Christus und sein Heilswerk von Gott geschenkte Glaubensgerechtigkeit impliziert den Tod des Gerechtfertigten im Blick auf sein Leben als Sünder und setzt eine neue Lebenswirklichkeit (6,3-4). Die durch den Glauben erwirkte Teilhabe am Tod Jesu Christi resultiert aus der Freiheit von der Sklaverei der Sünde (6,57), und die durch den Glauben erwirkte Teilhabe an der Auferstehung Jesu Christi aus einem Leben für Gott (6,8-10). Da die Glaubenden infolge ihrer Identifizierung mit dem Tod Jesu Christi der Sünde gestorben sind, soll die Sünde in ihrer Lebenswirklichkeit nicht wieder zur Herrschaft kommen; sie sind und sollen Werkzeuge der Gerechtigkeit sein (6,11-14). Als der Versklavung unter die Sünde entnommene Gerechte sind die Gläubigen aufgerufen, sich in ihrem Alltagsleben als Gerechte und Heilige zu erweisen (6,15-23). Zweitens betont Paulus, dass für den an Jesus Christus Glaubenden ein Wechsel vom Sein im Fleisch zum Sein im Geist stattgefunden hat (7,1–8,17). Dieser Wechsel wird als Wechsel der Herrschaftsgewalt beschrieben: Der Jesusbekenner wird nicht mehr vom Gesetz beherrscht, das Sünder nur mit dem Tod bestrafen kann, sondern von Jesus Christus, durch dessen Tod den Sündern Leben geschenkt ist, das es diesen ermöglicht, Gott Frucht zu bringen (7,1-6). Paulus beschreibt diesen Wechsel der Herrschaftsgewalt als Übergang von der Vergangenheit zur Gegenwart: Die Vergangenheit des Sünders war eine Existenz unter dem Gesetz der Sünde und des Todes (7,7-25); die Gegenwart des an Jesus Christus glaubenden, gerechtfertigten Sünders ist eine Existenz im Gesetz des Geistes und des Lebens (8,1-17). An Jesus Christus Glaubende haben Gottes Geist erhalten und sind deshalb in ihrem Sein nicht vom sündhaften Fleisch, sondern vom göttlichen Geist als Macht der Selbsterschließung Jesu Christi bestimmt: Die Identifikation des Glaubenden mit Jesus Christus bedeutet, dass die Sünde keine Macht über seine Lebenswirklichkeit besitzt, weil diese von der Gerechtigkeit Gottes bestimmt ist, die Leben bedeutet (8,9-11). Die durch den Tod und die Auferstehung Jesu Christi ermöglichte, von Gott geschenkte und vom Heiligen Geist realisierte neue Seinsweise ist zugleich Verpflichtung, nicht in die Seinsweise der von der Sünde beherrschten Existenz zurückzufallen (8,12-17). Paulus ist als Missionar Realist, deshalb kommt er im nächsten Abschnitt auf das Leiden der Gläubigen zu sprechen, dem sie trotz der neuen Seinsweise nicht entnommen sind: Das Leiden der Christen, das am Seufzen der gefallenen Schöpfung partizipiert, ist ein Leiden in Hoffnung auf die zukünftige Herrlichkeit (8,18-27), in der mit Sicherheit ihre Rechtfertigung vollendet werden wird (8,28-30). Paulus beschließt

56 Römerbrief ————————————————————————————————————

diesen Teil mit einem Triumphlied: Weil Gott für uns ist, kann niemand gegen uns sein: Gott hat im Sühnetod Jesu Christi demonstriert, dass er für uns ist und uns in seinem Heilshandeln alles gewährt hat. Gottes Gnade in Jesus Christus führt mit unerschütterlicher Gewissheit zu Herrlichkeit und Vollendung (8,31-39). Im dritten Hauptteil behandelt Paulus die Realität der Rechtfertigung und die Erwählung Israels (9,1–11,36) und beantwortet den Einwand von 3,1-4. Zunächst bringt er seine Trauer über den Unglauben Israels zum Ausdruck (9,1-2): Trotz der heilsgeschichtlichen Vorzüge Israels (9,4-5) sind die Juden vom Messias getrennt (9,3), weil sie Jesus als Israels Messias und Erlöser ablehnen, was Paulus nur zu gut aus seiner Zeit als Verfolger der Jesusbekenner und als Missionar in den Diasporasynagogen wusste. Paulus erläutert erstens das Verhalten Gottes: Die Gerechtigkeit Gottes ist konstant (9,6-29). Die wahre Zugehörigkeit zu Israel war schon immer das Resultat von Gottes freier Erwählung, wie die Beispiele von Isaak und Ismael und von Jakob und Esau beweisen: Nicht alle Nachkommen Abrahams oder Isaaks sind Kinder der Verheißung (9,6-13). Wenn das wahre Gottesvolk nicht aus sämtlichen Nachkommen Abrahams besteht, bedeutet dies nicht, dass Gott ungerecht ist oder willkürlich handelt: Weil der berufende Gott, der sich erbarmt und der verstockt, der Schöpfer ist, weil die Zugehörigkeit zur Erwählung nicht in der eigenen Willensanstrengung begründet ist, sondern auf das Erbarmen Gottes zurückgeht, weil die Geschichte die Setzung von Gottes souveräner Allmacht ist und weil der Mensch als Geschöpf nicht kompetent ist, Gott anzuklagen oder zu widersprechen, hat Gott die Heidenchristen zur endzeitlichen Herrlichkeit vorherbestimmt mit dem Ziel, dass der Reichtum seiner Herrlichkeit kundgemacht wird (9,14-29). Paulus behandelt zweitens das Verhalten Israels (9,30–10,21). Die konkrete Ursache für Israels Ausschluss vom Heil und für die Annahme der Heiden ist Israels Ablehnung des Messias (9,30-33). Israel will nicht akzeptieren, dass die Gerechtigkeit vor Gott nicht mehr durch das Gesetz kommt, sondern durch Jesus Christus, und dass die Gerechtigkeit, die das Gesetz wollte und ermöglichte, jetzt durch den Messias Jesus und den Glauben an ihn gewährt wird: Jesus Christus ist das Ziel und das Ende des Gesetzes (10,1-4). Der Glaube an Jesus Christus bedeutet Zuspruch der Gerechtigkeit Gottes, das konkrete, mündliche Bekenntnis zum auferstandenen Jesus Christus bedeutet Rettung im Endgericht (10,5-10). Die neue Heilsordnung, in der der Glaube an Jesus Christus zum Zuspruch der Gerechtigkeit führt, gilt ohne Unterschied für Juden und für Griechen, weil Jesus Kyrios ist für alle, die sich zu ihm bekennen (10,11-13). Der Unglaube Israels ist unentschuldbar (10,14-21): Israel hat dem Evangelium nicht geglaubt, obwohl Gott Boten

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gesandt hat und Israel das Evangelium gehört hat: Israel hat das Evangelium verstanden, war aber nicht gehorsam; Gott hat sich von den Heiden finden lassen und er streckt seine Hände nach Israel aus. An Gott liegt es nicht, dass die Heiden, die Nicht-Volk waren, Gerechtigkeit erlangen und Israel selbst nicht. Paulus beschreibt drittens die Heilsmöglichkeit Israels als gegenwärtige und zukünftige Wirklichkeit der Gerechtigkeit Gottes (11,132). Trotz der Verstockung Israels ist der Ungehorsam kein vollständiger: Es gibt einen „Rest“ von Israeliten, die aufgrund der göttlichen Gnade erwählt wurden und die zu der verheißenen Erlösung gelangt sind (11,1-10). Die gegenwärtige Verstockung Israels gibt den Heiden die Gelegenheit der Versöhnung: Die Tatsache, dass die Heiden diese Gelegenheit ergreifen, soll Israel eifersüchtig machen und zur Rettung führen (11,11-24). Das ist das Geheimnis von Gottes Heilsplan (11,25-32): Die Verstockung Israels führt zur Errettung der „Fülle der Heiden“, und auf diese Weise rettet Gott „ganz Israel“ (11,26). Paulus schließt mit einem Lobpreis von Gottes Gerechtigkeit (11,33-36). Der vierte Hauptteil behandelt das Leben der Gerechtfertigten, eine alle Teile des Römerbriefs verbindende Thematik (12,1–15,13): Weil die aus Glauben lebenden Jesusbekenner Gerechtigkeit zugesprochen bekommen haben (1,17), weil der Glaube das Gesetz Gottes nicht außer Kraft setzt, sondern aufrichtet (3,31), weil die Jesusbekenner als Sünder Tote waren, die Gott lebendig gemacht hat (4,17), weil es der Gehorsam Jesu Christi war, der uns Sünder zu Gerechten gemacht hat (5,19), weil die Glaubenden die Glieder ihres Leibes nicht als Waffen der Ungerechtigkeit benutzen sollen, sondern im Dienst Gottes als Waffen der Gerechtigkeit (6,13), weil sie in der neuen Wirklichkeit des Geistes Gottes leben (7,6), der sie bevollmächtigt, nicht nach dem „Fleisch“, d.h. der sündigen Eigenmächtigkeit des Menschen zu leben, sondern vom Heiligen Geist bestimmt zu sein (8,9-13), weil sie Söhne des lebendigen Gottes sind (9,26), deshalb sollen die Glaubenden im Alltag der Welt ihr Leben als rechten Gottesdienst gestalten (12,1-2). Paulus behandelt die Gaben der Gnade Gottes (12,3-8). Er betont die Verpflichtung zur Nächstenliebe (12,9-21), zum rechten Verhalten gegenüber dem Staat (13,1-7) und erneut zur Nächstenliebe als Erfüllung der Gebote (13,8-10). Er schreibt von der Motivation christlichen Verhaltens durch die Nähe der Wiederkunft Jesu und des göttlichen Endgerichts (13,11-14). Er mahnt, dass die Starken und die Schwachen sich gegenseitig annehmen (14,1-23) und betont in diesem Zusammenhang das Vorbild Jesu Christi als die heilsgeschichtliche Motivation christlichen Verhaltens (15,1-13). Die Skizze der theologischen Grundzüge des Römerbriefs bestätigt, dass Paulus in diesem Brief eine auf den konkreten historischen Kontext zuge-

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schnittene Zusammenfassung des Evangeliums formuliert: Er schreibt in Korinth, geographisch und missionstaktisch zwischen Jerusalem im Osten und Rom bzw. Spanien im Westen. Dazu passt eine zweifache Beobachtung: Der Römerbrief enthält viele alttestamentliche Zitate, und er enthält eine ganze Reihe von Gedanken und Motiven, die wir in früheren Briefen des Apostels finden.188 Der Römerbrief bietet eine „Summe des Evangeliums“, aber er fasst nicht systematisch die gesamte Theologie des Apostels Paulus zusammen: Wir lesen nichts über das Abendmahl, von dem im 1. Korintherbrief die Rede ist, und wenig über die Lehre von der Gemeinde (Ekklesiologie), die Paulus ausführlich im 1. Korintherbrief und im Epheserbrief behandelt, ebenfalls wenig über die Lehre von den letzten Dingen (Eschatologie), die im 1. und 2. Thessalonicherbrief stärker im Zentrum stehen. Weil Paulus im Römerbrief zentral von Gottes Offenbarung, von Jesus Christus, vom Heiligen Geist, von der Sünde der Menschen, von Sündenvergebung und Erlösung und vom neuen Leben der Jesusbekenner spricht, ist es gleichwohl richtig, diesen als Summe des Evangeliums zu beschreiben. 2. Gott ist der Gott des Volkes Israel (11,1), der Vater Jesu Christi (1,4) und „unser Vater“ (1,7), d.h. der Vater aller, die glauben (4,11-12) und im Geist „Abba, Vater!“ rufen (8,15). Abgesehen von Allerweltsworten wie „und“ (και') oder „in“ (ε� ν) ist „Gott“ (θεο' ς) das im Römerbrief am häufigsten verwendete Wort (153 Vorkommen). Die Genitivverbindungen sind besonders instruktiv: Paulus spricht von „Evangelium Gottes“ (1,1; 15,16) als „Kraft Gottes“ (1,16), „Sohn Gottes“ (1,4), „Gerechtigkeit Gottes“ (1,17; 3,5.21.22; 10,3), „Wille Gottes“ (1,10; 12,2; 15,32), „Zorn Gottes“ (1,18), „Herrlichkeit Gottes“ (1,23; 3,23; 5,2; 15,7 „Ehre Gottes“), „Wahrheit Gottes“ (1,25; 15,8), „Rechtsordnung Gottes“ (1,32), „Gericht Gottes“ (2,2.3), „Gottes Güte“ (2,4), „gerechtes Gericht Gottes“ (2,5), „Name Gottes“ (2,24), „die Worte Gottes“ (3,2), „Treue Gottes“ (3,3), „Furcht Gottes“ (3,18), „Verheißung Gottes“ (4,20), „Liebe Gottes“ (5,5; 8,39), „Gnade Gottes“ (5,15), „Gabe Gottes“ (6,23), „Gesetz Gottes“ (7,22.25; 8,7), „Geist Gottes“ (8,9.14; 15,19), „Söhne Gottes“ (8,14.19; 9,26), „Kinder Gottes“ (8,16.21; 9,8), „Erben Gottes“ (8,17), „die Auserwählten Gottes“ (8,33), „Wort Gottes“ (9,6), „Plan Gottes“ (9,11), „Güte Gottes“ (11,22), „Strenge Gottes“ (11,22), „Reichtum, Weisheit und Erkenntnis Gottes“ (11,33), „Erbarmen Gottes“ (12,1), „Anordnung Gottes“ (13,2), „Diener Gottes“ (13,4; 13,6), „Richterstuhl Gottes“ (14,10), „Königreich Gottes“ (14,17), „Werk Gottes“ (14,20). Er ist der Gott „ewiger Macht und Gottheit“ (1,20), ————————————————————

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Wright, Romans and the Theology of Paul; Wright, Romans 9–11 and the ‚New Perspective‘. Vgl. die Zusammenfassung bei Westerholm, Perspectives, 182-183.

Einleitung 59 ————————————————————————————————————

der „Weisheit und Erkenntnis“ (11,33), der „Geduld und des Trostes“ (15,5), des „Friedens“ (15,33; 16,20) und der „Hoffnung“ (15,13), der die Jesusbekenner „mit aller Freude und Frieden im Glauben“ erfüllt (15,13). Gott, der unvergänglich ist (1,23) und die Welt erschaffen hat (1,20.25; 11,36) und das, was nicht ist, ins Dasein ruft (4,25), herrscht über alle Mächte des Kosmos (8,38-39). Er ist der Gott der Juden (3,39): Er hat Israel Bundesschlüsse (9,4) und seine Worte (3,2) zuteilwerden lassen. Er ist der Gott, dem Abraham geglaubt hat (4,3.17). Er ist der Gott, der sein Volk Israel nicht verstoßen hat (11,1-2). Aber weil er „der Eine“ ist (3,30), ist er auch der Gott der Heiden (3,29). Er ist der lebendige Gott (9,26), der in den Werken der Schöpfung erkannt werden kann (1,19-21) und die Menschen am Tag des Zornes richten wird (2,3-5): Er wird jedem vergelten, wie es seine Taten verdienen (2,6, mit Zitat von Ps 62,13, vgl. Spr 24,12). Alle Menschen werden vor dem Richterstuhl Gottes stehen (14,10, mit Zitat von Jes 49,18; vgl. 45,3). Niemand kann dem Gericht Gottes entrinnen (2,3): Gott wird am Tag der Offenbarung seines Gerichts gerecht richten (2,5). Die fundamentale Bedeutung Gottes für die Theologie des Römerbriefs zeigt sich in der Themenangabe 1,16-17, in der Paulus das Evangelium als „Kraft Gottes“ beschreibt: Was Paulus über den Menschen (Anthropologie), über Jesus (Christologie), über die Rechtfertigung (Soteriologie) und über das rechte Verhalten im Alltagsleben (Ethik) schreibt, muss von der theozentrischen Grundstruktur seiner Theologie her begriffen werden. Paulus erläutert im Römerbrief die Heilsinitiative Gottes. Gott hat in der Inkarnation, im Kreuzestod und in der Auferstehung Jesu zum Heil aller Menschen gehandelt: Er befreit die an Jesus als Messias und Herrn glaubenden Juden und Heiden von der Wirkung seines Zornes; das Wort seines Evangeliums trifft den Menschen ins Herz (10,8-9), macht ihn neu und befähigt ihn zum Tun seines Willens (6,4; 7,6; 8,2-10; 12,2). Die grundlegenden Wendungen „Gerechtigkeit Gottes“ (δικαιοσυ' νη θεουñ ), „Zorn Gottes“ (ο� ργη` θεουñ ) und „Liebe Gottes“ (α� γα' πη τουñ θεουñ ) werden im Kommentar ausführlicher behandelt (s. zu 1,17; 1,18; 5,5). 3. Jesus ist als Nachkomme Davids der königliche Messias Israels, der Sohn Gottes und der Herr, dem Gott nach seinem Tod und der Auferstehung die Macht übertragen hat (1,3-4).189 Paulus legt im Römerbrief aus, wie und weshalb Jesus Christus die Offenbarung Gottes verkörpert, dessen Tod und Auferstehung die Rechtfertigung und das Heil der Menschen bedeutet, die ————————————————————

189

Zur paulinischen Christologie vgl. Becker, Paulus, 423-437; Dunn, Theology of Paul, 182-315; Hurtado, Lord Jesus Christ, 79-134; Stuhlmacher, Theologie I, 282-310; Hahn, Theologie I, 202-221; Schnelle, Paulus, 463-543; Häusser, Christusbekenntnis.

60 Römerbrief ————————————————————————————————————

allesamt Sünder sind, Juden wie Griechen, wenn sie zum Glauben an Jesus Christus kommen. Der Gedanke der Sendung von Jesus, dem messianischen Sohn Gottes, durch den Vater „in der Gestalt des sündigen Fleisches“ (8,3) impliziert einen Kontrast zwischen der Herkunft Jesu aus der Welt Gottes und seinem Leben in der Welt der Menschen: Paulus spricht, um spätere dogmatische Ausdrücke zu nennen, von der Präexistenz und der Inkarnation Jesu. Die Präexistenz Jesu wird bereits im Präskript angezeigt in dem Satz: „(das Evangelium) von seinem Sohn, der geboren ist aus dem Samen Davids nach dem Fleisch“ (1,3).190 Derselbe Gedanke ist wohl auch mit der Bezeichnung Jesu als Gottes „Sohn“ angesprochen (1,3; 5,10; 8,3.32). Der Eigenname � Ιησουñ ς „Jesus“ (35 Vorkommen) wird in 3,26 und 8,11 ohne Zusatz verwendet, verweist dort also deutlich auf den Jesus von Nazareth, ohne dass Paulus im Römerbrief besonderes Interesse am Leben des historischen Jesus zeigt, von der Inkarnation und dem Tod am Kreuz abgesehen. Paulus macht im Römerbrief folgende Aussagen zum irdischen Jesus: Jesus ist „aus dem Samen Davids“, d.h. er ist Nachkomme Davids und königlicher Messias Israels (1,3); er hat in Gehorsam gegenüber dem Gesetz gelebt (5,19); er gehört als geborener Jude zum erwählten Gottesvolk Israel (9,5) und hat innerhalb des jüdischen Volkes die Verheißungen Gottes erfüllt (15,8). Er hat „nicht für sich selbst gelebt“ (15,3): Er war ein „Diener der Beschnittenen“ (15,8), der gehorsam war (5,19) und für alle Menschen gelitten hat (8,17). Paulus redet häufig vom Tod Jesu (3,25; 4,25; 5,9-10; 6,3-4; 7,4; 8,3.32.34; 14,9):191 Jesus ist als Messias für die Gottlosen gestorben (5,6). Sein Tod war ein Tod am Kreuz (6,6), in dem sich Gott zur Sühnung der Sünde geoffenbart hat (3,25). Paulus spricht oft im gleichen Atemzug von Jesu Auferstehung: Jesus wurde wegen der Sünden der Menschen in den Tod gegeben, und wegen der Gerechtmachung der Glaubenden wurde er auferweckt (4,25; vgl. 1,4; 4,24-25; 5,10; 6,4-5.9; 7,4; 8,11.34; 10,9; 14,9).192 Im Zusammenhang mit der Auferstehung Jesu spricht Paulus von dessen Inthronisierung (1,4; 8,34), die mit dem Titel κυ' ριος (kyrios; „Herr“) verbunden ist (10,9). Wenn Paulus von Jesus Christus als κυ' ριος spricht,193 unterstreicht er die universale Geltung seines Heilswerks. Schließlich spricht Paulus kurz von der Wiederkunft Jesu (11,26, mit Worten aus Jes 59,20) ————————————————————

190 191

192 193

Vgl. Hengel, Präexistenz, 288-89; Söding, Präexistenzchristologie; Theobald, Der Römerbrief, 169-170. Vgl. Käsemann, Heilsbedeutung; Hofius, Sühne; Gaukesbrink, Sühnetradition; Söding, Sühne; Dunn, Theology of Paul, 207-233; Wolter, Paulus, 97-128. Zur Auferstehung Jesu im Römerbrief s. Head, Jesus’ Resurrection. 1,4.7; 4,24; 5,1.11.21; 6,23; 7,25; 8,39; 10,9.12; 13,14; 15,6.30; 16,18.20; vgl. 12,11; 14,8; 16,2.8.11.12.13.22.

Einleitung 61 ————————————————————————————————————

und von Jesus als Retter der Glaubenden im Endgericht (5,9-10). Neben dem κυ' ριος-Titel verwendet Paulus vor allem den Ausdruck Χριστο' ς (Christos; Hebr. ‫ָמִׁשיַח‬, maschīach, „Messias“, „der Gesalbte“) für Jesus (63 Mal):194 16 Mal in der Wendung � Ιησουñ ς Χριστο' ς,195 13 Mal in der Wendung Χριστο` ς � Ιησουñ ς196 und 34 Mal allein (s. zu 1,1). Die Bedeutung „Messias“ – der von David abstammende (1,5) Gesalbte, den Gott zur Rettung seines Volkes sendet – liegt eindeutig in 9,5 vor in einem Kontext, in dem Paulus die Vorzüge Israels auflistet (9,4-5). Diese titulare Bedeutung klingt deutlich in der Formulierung Χριστο` ς � Ιησουñ ς (Christos Iēsous) an, die nur Paulus verwendet,197 ist aber auch in der umgekehrten Formulierung � Ιησουñ ς Χριστο' ς nicht verschwunden. Die Benennung Χριστο' ς ist „in der Verbindung mit � Ιησουñ ς als Cognomen aufzufassen, bei dem die titulare Bedeutung durchaus mitschwingen kann“.198 Paulus bezeichnet Jesus 10 Mal als „Sohn Gottes“ (υι�ο` ς θεουñ bzw. υι�ο` ς αυ� τουñ ).199 Jesus ist Gottes Sohn als der von Gott gesandte Messias Israels (8,3). Die Verwendung des Titels „Sohn Gottes“ beschreibt Jesu Gottesverhältnis und das Verhältnis Gottes zu Jesus von Anfang an: die „Identifikation Gottes mit Jesus von Nazaret“ beinhaltet nicht einfach die nachträgliche Rechtfertigung seiner Lebenshingabe durch seine Auferstehung, sondern „betrifft zuerst ihn selbst als Person, die als Heilsgabe Gottes an die Menschen sich schon von ihrem Ursprung her Gottes Selbsteinsatz verdankt“.200 Der auferstandene Jesus Christus, den Gott als seinen Sohn in Macht eingesetzt hat, ist als „Geist der Heiligkeit“ gegenwärtig wirksam (1,4). 4. Die Sünde. Paulus erläutert das Evangelium vom Sohn Gottes, in dessen Tod und Auferstehung Gott sich zum Heil der Menschen offenbart (3,21– 5,12), als Antwort auf das Sündenproblem der Menschen (1,18–3,20).201 ————————————————————

194 195 196 197 198 199 200 201

Die textkritisch unsichere Stelle 8,34 nicht mitgezählt. 1,4.6.7.8; 3,22; 5,1.11.15.17.21; 7,25; 8,11; 13,14; 15,6.30; 16,27. 1,1; 2,16; 3,24; 6,3.11.23; 8,1.2.39; 15,5.16.17; 16,3; vgl. 8,34. Apg 24,24; 1Petr 5,10, und andere Stellen sind textkritisch unsicher. Schnelle, Paulus, 497. Zur titularen Bedeutung von Χριστο' ς bei Paulus vgl. F. Hahn, Art. Χριστο' ς, EWNT III, 1149; Wright, Climax, 41-48; Hengel, Jesus der Messias Israels, 18; Hurtado, Lord Jesus Christ, 98-101. 1,4; 8,14.19; 9,26; mit Possessivpronomen αυ� τουñ : 1,3.9; 5,10; 8,29; mit ι� δι' ου: 8,32; mit ε� αυτουñ : 8,3. S. Blank, Paulus und Jesus, 249-303; Hengel, Sohn Gottes, 78-85,118-125. Theobald, Sohn Gottes, 129 (zu Röm 1,3-4; 8,3). Häusser, Christusbekenntnis, 204: „Die Auferstehung und Erhöhung vermittelt nicht eine neue qualitas, sondern nur einen neuen status, einen status exaltationis“. Zur paulinischen Anthropologie vgl. Gutbrod, Anthropologie; Jewett, Terms; Käsemann, Anthropologie; Schlier, Grundzüge, 55-121; Schnelle, Anthropologie, 44-133; Bell., No One Seeks for God; Dunn, Theology of Paul, 51-161; Hahn, Theologie I, 222-244; Schnelle, Paulus, 565-627; Theobald, Der Römerbrief, 131-167; Lichtenberger, Das Ich

62 Römerbrief ————————————————————————————————————

Paulus spricht von der Schöpfung grundsätzlich im Kontext des Evangeliums und somit im Zusammenhang der Christologie, vor allem in 7,7-25 und in 8,18-30. Er behandelt aber die Schöpfung und das Wesen bzw. das Problem des Menschen in 1,19–3,20 und vor allem in 1,19-32 auch in grundsätzlicher Weise. In Röm 1,19-32 ist der Begriff der Schöpfung (κτι'σις) von Gen 1 her bestimmt: Paulus spricht von den Werken der Schöpfung (1,20) – zu denen fliegende, vierfüßige und kriechende Tiere gehören (1,23; vgl. Gen 1,24) –, in denen Gottes Macht (δυ' ναμις) für den Menschen erkennbar wird (1,19-20; vgl. 7,22). Gott ist „der das Nicht-Seiende als Seiendes ruft“ (4,17; vgl. 11,36). Die Fähigkeit der Menschen, Gottes Macht in den Werken der Schöpfung zu erkennen, bleibt jedoch völlig unwirksam, weil sie sich weigern, der Wahrheit Gottes in ihrem Leben zu entsprechen (1,21-23; vgl. 7,18-23). Anstatt den Schöpfer anzubeten, verehren die Menschen die Schöpfung (1,23) und vertauschen natürliche Beziehungen mit unnatürlichen Beziehungen (1,26-27). In 5,12-21 spricht Paulus von Adam, durch den die Sünde in die Welt kam (ohne Nennung Adams: 7,7-11). In 3,23 spielt er auf die Sünde Adams an, durch die er und seine Nachkommen die „Herrlichkeit Gottes“ verloren haben; in 8,20 spricht er davon, dass die Schöpfung der Vergänglichkeit unterworfen wurde, ebenfalls eine Anspielung auf den Sündenfall. Paulus verwendet im Römerbrief 48 Mal das Wort α� μαρτι'α (hamartia; „Sünde“), 7 Mal das Verb α� μαρτα' νειν („sündigen“).202 Dem entspricht, dass Paulus 22 Mal das Wort θα' νατος (thanatos; „Tod“) und 23 Mal das Verb α� ποθνηñ, σκω („sterben“) verwendet: Die Sünde hat den Tod als Folge.203 Paulus erläutert in drei Stellen die Realität der Sünde. In 1,18–3,20 beschreibt Paulus die äußeren Erscheinungsformen der Sünde: Die Sünde von Heiden und Juden ist die Weigerung, die Wahrheit der Macht und Gottheit Gottes anzuerkennen, ihn als Schöpfer der Welt zu verehren und nach seinem Willen zu leben (1,21). Dabei ist Sünde nicht nur eine Einstellung, sondern Tatsünde, wie die Lasterkataloge in 1,29-32 und 2,21-22 zeigen. In 5,12-21 beschreibt Paulus das Wesen der Sünde ohne Differenzierung zwischen Heiden und Juden, mit der Betonung auf dem Status menschlicher ————————————————————

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Adams; Stuhlmacher, Theologie I, 267-282; Kooten, Paul’s Anthropology; Wolter, Paulus, 376-383. α� μαρτι' α: 3,9.20; 4,7.8; 5,12.13.20.21; α� μαρτα' νειν: 2,12a.b; 3,23; 5,12.14.16; 6,15. Andere Vokabeln für Sünde sind α� μα' ρτημα („Verfehlung, Sünde“; 3,25), παρα' βασις („Übertretung“; 2,23; 4,15; 5,14), παρα' πτωμα („Fehltritt, Vergehen, Sünde“; 4,25; 5,15a.b.16.17.18.20; 11,11.12). θα' νατος: 1,32; 5,10.12.14.17.21; 6,3.4.5.9.16.21.23; 7,5.10.13.24; 8,2.6.38; α� ποθνηñ, σκω: 5,6.7.8.15; 6,2.7.8.9.10; 7,2.3.6.10; 8,13.34; 14,7.8.9.15.

Einleitung 63 ————————————————————————————————————

Existenz und dem Schicksal aller Menschen: Die Sünde ist das Verhängnis menschlicher Existenz seit Adam, der am Anfang der Menschheitsgeschichte gesündigt hat. Sünde wird im Ungehorsam gegen Gottes Gebot sichtbar (5,17-19). Sie bringt allen Menschen die Verurteilung im Gericht Gottes (5,16) und sie resultiert in der Herrschaft des Todes (5,12.14.17). In 7,7-24 beschreibt Paulus den Kernprozess der Sünde im Sinn einer Introspektion, die allen Menschen zugänglich ist, dargestellt als Zeugnis des „Ich“ im Anschluss an Adam und seinen Sündenfall. Sünde ist die Begierde (7,7-8) des Menschen, das von Gott Verbotene zu tun. Das Wesen der Sünde als Macht und Verhängnis zeigt sich in der Erfahrung des Menschen, dass sein „Ich“ an die Sünde verkauft ist (7,14) und von der Sünde gefangen gehalten wird (7,23). Sünde führt immer zum Tod: zum physischen Tod (5,12) und zum Tod diesseits des Sterbens als Leben ε� ν σαρκι' [en sarki] („im Fleisch“), nach 7,13-24 zu verstehen als radikaler Identitätsverlust des Menschen als Geschöpf Gottes, das dem Sündigen hilflos ausgeliefert ist.204 Die Macht der Sünde macht den Sünder, der gottlos denkt und lebt (1,18; 4,5; 5,6), zum Feind Gottes (5,10). Paulus verwendet weitere anthropologisch relevante Wörter, die im Kommentar ausführlicher besprochen werden: σα' ρξ [sarx] („Fleisch“),205 πνευñ μα [pneuma] („Geist“),206 ψυχη' [psychē] („Seele“),207 νουñ ς [nous] („Vernunft“),208 σω ñ μα [sōma] („Leib“),209 τα` με' λη [ta melē] („die Glie210 καρδι'α [kardia] („Herz“),211 συνει'δησις [syneidēsis] („Gewisder“), 212 sen“), ο� ε» σω α» νθρωπος [ho esō anthrōpos] („der innere Mensch“).213 5. Das mosaische Gesetz (νο' μος) darf „Sünde“ und „Tod“ nicht als drittes Glied einer „unheilvollen Trias“214 hinzugefügt werden: Paulus betont in 3,31, dass seine Sicht der Sünden von Heiden und Juden (1,18–3,20) und der Rechtfertigung des Sünders durch den Glauben an Jesus Christus (3,21————————————————————

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Vgl. Theobald, Der Römerbrief, 158-160. Zur Diskussion über die „Dialektik“ im paulinischen Sündenverständnis – Sünde als Tatsünde und Sünde als Macht bzw. Verhängnis – s. im Kommentar zu 5,12. 1,3; 2,28; 3,20; 4,1; 6,19; 7,5.18.25; 8,3.4.5.6.7.8.9.12.13, etc. (insgesamt 26 Mal). Die 34 Vorkommen von πνευñ μα beziehen sich meistens auf den Heiligen Geist (1,4; 5,5; 9,1; 14,17; 15,13.16), den Geist Gottes (8,9.14; 15,19) oder den Geist Christi (8,9). Vom „Geist“ des Menschen ist in 8,16; 11,8 die Rede. 2,9; 11,3; 13,1; 16,4. 1,28; 7,23.25; 11,34; 12,2; 14,5. 1,24; 4,19; 6,6.12; 7,4.24; 8,10.11.13.23; 12,1.4.5. 6,13.19; 7,5.23; vgl. 3,13-15. 1,21.24; 2,5.15.29; 5,5; 6,17; 8,27; 9,2; 10,1.6.8.9.10; 16,18. 2,15; 9,1; 13,5. 7,22. Gräßer, Abraham, 7.

64 Römerbrief ————————————————————————————————————

30) das Gesetz gerade nicht aufhebt, sondern aufrichtet. Die von Paulus wiederholt angesprochene Beziehung zwischen Gesetz und Sünde (3,20; 4,15; 5,13.20; 7,5.7) ist nicht so zu verstehen, dass das Gesetz ein Teil des Problems menschlicher, insbesondere jüdischer Existenz ist.215 In 7,7-25 argumentiert Paulus für eine konsequente Unterscheidung zwischen der Macht und Realität der Sünde auf der einen und dem Gesetz auf der anderen Seite: Das Problem ist die Macht der Sünde und das tatsächliche Sündigen der Menschen, nicht das Gesetz, das „heilig“ ist und dessen Gebote „heilig, gerecht und gut“ sind (7,12).216 6. Das Verständnis von Sündenvergebung und Heil, deren Wirklichkeit die Offenbarung der Gerechtigkeit Gottes und damit das Evangelium von Jesus Christus ausmacht, kann an den folgenden Themen festgemacht werden.217 Das Evangelium ist die Offenbarung der „Gerechtigkeit Gottes“ (δικαιοσυ' νη θεουñ [dikaiosynē theou]): Die Sünder aus Heiden und Juden verdanken ihre Rettung vor dem richtenden Zorn Gottes (1,18) der Heilstat Gottes in Jesus Christus (3,21-26; vgl. 1,16-17). Die zentrale Wendung „Gerechtigkeit Gottes“ betont Folgendes: (1) Gott selbst hat Heil gestiftet (genitivus subjectivus), sowohl für Heiden als auch für Juden, wobei sie sich im Blick auf Letztere als Bundestreue Gottes erweist (3,5; gen. possessoris). (2) Niemand kann aus eigener menschlicher Leistung heraus bzw. aus Werken des Gesetzes seine Sünden kompensieren und Heil erlangen: Gerechtigkeit ist für Sünder ein Vorgang, den Gott selbst in Gang setzen muss und setzt (gen. auctoris). (3) Damit ist die Gerechtigkeit Gottes zugleich eine Gabe, die dem Sünder zuteilwird (gen. objectivus im Sinn der iustitia passiva, bzw. gen. auctoris im Sinn der Gerechtigkeit als donum Dei). (4) Im Horizont des eschatologischen Zornes Gottes (1,18 als Überschrift von 1,19–3,20), durch den am Tag des Gerichts Heiden wie Juden gerichtet werden (2,2.3.5.12; 3,7; 5,9), geht es um den einzelnen Sünder, d.h. die Rechtfertigung hat einen forensischen Charakter. (5) Gleichzeitig ist die Gottesgerechtigkeit eine Macht, die den Sünder ergreift und rechtfertigt ————————————————————

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216 217

Bultmann, Theologie, 242-243: Der höchste Ausdruck der Sünde ist das Rühmen (καυχαñ σθαι) des Menschen, das sich bei dem Juden als Sich-des-Gesetzes-Rühmen äußert und im Bestreben, die Gebote des Gesetzes zu halten, sichtbar wird. So auch G. Klein, Art. Gesetz III. Neues Testament, TRE XIII, 68-71; Klein, Sündenverständnis; Gräßer, Abraham, 10-11. Für eine Behandlung des paulinischen Gesetzesverständnisses s. den Exkurs bei 7,12. Zur paulinischen Soteriologie s. die Überblicke von Stuhlmacher, Theologie I, 310-347; Becker, Paulus, 423-447; Dunn, Theology of Paul, 317-532; Theobald, Der Römerbrief, 186-258; Hahn, Theologie I, 245-267; Schnelle, Paulus, 545-553; Wolter, Paulus, 97-128 (Die Heilswirklichkeit des Todes Jesu), 339-411 (Die Rechtfertigung aus Glauben).

Einleitung 65 ————————————————————————————————————

(1,16-17): Der einzelne Sünder wird durch die offenbarte Gerechtigkeit in Gottes Heilshandeln mit der Welt hineingestellt. Die Initiative der Gerechtigkeit Gottes gilt allen Sündern und wird rettende Wirklichkeit für die Menschen, die glauben, d.h. die Heilsbotschaft des Evangeliums annehmen und auf die Heilstat Gottes vertrauen (1,16-17; 3,22.25-28.30). Der Glaube ist nicht eine Leistung („Werk“) des Sünders, die Gott honoriert: Der rechtfertigende Glaube ist Gnade (4,16), d.h. ein Geschenk des barmherzigen Gottes, das durch die Heilstat Jesu Christi ermöglicht wurde (5,2). Die Offenbarung der Gerechtigkeit Gottes für die Sünder ist an den Tod Jesu gebunden. Die Erlösung, die Gott in seiner Gnade den Sündern „in Christus Jesus“ zuteilwerden lässt, hat ihren Grund darin, dass Gott Jesus dazu bestimmt hat, „Sühne zu leisten mit seinem Blut“ (3,25). Gott hat Jesus wegen der Verfehlungen der Menschen in den Tod hingegeben, und wegen unserer Gerechtmachung wurde er auferweckt (4,25): Jesus starb für die Gottlosen (5,6). Gott hat seine Liebe zu den Sündern darin erwiesen, dass Jesus Christus für diese gestorben ist, als sie noch Sünder waren (5,8). Gott hat seinen eigenen Sohn nicht verschont, sondern er hat ihn für alle Sünder hingegeben (8,32). Die Heilswirkung des Todes Jesu ist sowohl einmalig als auch universal und bleibend gültig: Was Jesus, der Messias Israels und Retter der Welt, gestorben ist, „das ist er der Sünde ein für alle Mal gestorben“ (6,10). Die universale Bedeutung des Todes Jesu wird in der AdamChristus-Typologie (5,12-21) prägnant auf den Punkt gebracht: Die Rechtfertigung aus Glauben (5,1) im Gefolge des Todes Jesu gilt allen Nachkommen Adams, ob Heiden oder Juden. Indem Jesus durch seinen Tod die Macht der Sünde gebrochen hat (5,18; 8,3-4), ist der Glaubende von der Macht des Geistes Gottes erfasst und in die Lage versetzt, nicht nach dem „Fleisch“ zu leben, sondern durch den Geist die sündigen Taten des Leibes zu töten und sich von Gott leiten zu lassen (8,9-14). Die Rechtfertigungslehre galt seit der Reformation des 16. Jahrhunderts, vor allem im lutherischen Deutschland, als articulus stantis et cadentis ecclesiae und damit als Grundlage und Kernstück christlicher Theologie.218 In den Schmalkaldischen Artikeln von 1537 wird sie als der „erste und Hauptartikel“ genannt, und Martin Luther schreibt: articulus iustificationis est magister et princeps, dominus, rector et iudex super omnia genera doctrinarum, qui conservat et gubernat omnem doctrinam ecclesiasticam.219 Diese zentrale Stellung der Rechtfertigungslehre ————————————————————

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Die Formel ist bei Franz Turretini im Jahr 1682 bezeugt; sachlich geht sie auf Luther zurück (vgl. Schmalkaldische Artikel, BSLK, 415-416); Th. Mahlmann, Art. Articulus stantis et (vel) cadentis ecclesiae, RGG I, 799-800. Vgl. G. Sauter, Art Rechtfertigung IV–VII, TRE XXVIII, 315-364. BSELK6 (1967), 415; M. Luther, Promotionsdisputation von Palladius und Tilemann

66 Römerbrief ———————————————————————————————————— wurde von William Wrede bestritten, der meint, sie sei eine „Kampfeslehre“, die nur für die paulinische „Auseinandersetzung mit dem Judentum und Judenchristentum … gedacht“ sei.220 Albert Schweitzer hält sie für einen „Nebenkrater, der sich im Hauptkrater der Erlösungslehre der Mystik des Seins in Christo bildet“ und als „unnatürliches Gedankenerzeugnis“ zu bewerten sei.221 Im Gegensatz dazu betont Rudolf Bultmann im Rahmen seines soteriologischanthropologischen Paulusbildes, dass die Rede von der Rechtfertigung im Mittelpunkt der paulinischen Theologie steht: Die Gerechtigkeit Gottes ist die „von Gott geschenkte, zugesprochene Gerechtigkeit“, die der einzelne Sünder der freien Gnade Gottes verdankt. 222 Ernst Käsemann versteht die Rechtfertigungslehre ebenfalls als Mittelpunkt der paulinischen Theologie, betont aber gegen Bultmann, dass die „Gerechtigkeit Gottes“ nicht nur den Freispruch des einzelnen Sünders durch Gott bezeichnet, sondern zugleich Macht und Gabe Gottes ist.223 Krister Stendahl protestierte gegen die auf die Rechtfertigungslehre konzentrierte Paulusinterpretation: Paulus habe ein „robustes Gewissen“ gehabt und die Einhaltung des Gesetzes nicht grundsätzlich kritisiert; seine Lehre von der Rechtfertigung behandle nicht grundsätzlich die Position des Menschen vor Gott, sondern erwäge die missionarisch relevante Frage, wie die Heiden Zugang zum Heil Gottes bekommen; das erwählte Gottesvolk Israel werde von Gott auf einem eigenen Weg zum Heil geführt.224 Diese Kritik an der „lutherischen“ Interpretation der paulinischen Rechtfertigungslehre wurde von E.P. Sanders aufgenommen:225 Das zeitgenössische Judentum sei keine Gesetzesreligion gewesen; grundlegend ist die Erwählung Israels durch Gott; das mosaische Gesetz gilt als Gabe Gottes, die neben der Gehorsamsforderung die Verheißung Gottes beinhaltet, seiner Erwählung treu zu bleiben; das Gesetz enthält die Mittel zur Sühnung von Sünden, die Israel zur Aufrechterhaltung bzw. Wiederherstellung des Bundesverhältnisses vorgeschrieben bzw. angeboten sind; sowohl die göttliche Erwählung als auch die Rettung sind nicht menschliche Leistung, sondern Tat der Barmherzigkeit Gottes. Paulus zeichne ein Zerrbild des palästinischen Judentums und seines Gesetzesverständnisses. Paulus sei überzeugt, dass Christen das Heil durch ihre Partizipation an Christus empfangen, die bei der Parusie Christi ihren Höhepunkt erreicht. Die Tiefenschichten des paulinischen Denkens seien nicht in rechtlichen Kategorien zu finden, sondern in der Überzeugung von der Teilhabe der Gläubigen an Christus bzw. am Geist Gottes, die einen Wandlungsprozess auslöst. Im Endgericht, bei dem nach den Werken gefragt wird, wird sich herausstellen, ob die Partizipation an Christus festgehalten oder verspielt wurde. Das wichtigste Thema des Römerbriefs sei die Gleichheit von Judenchristen und Heidenchristen. Für Paulus ist das Problem des Judentums nicht das Gesetz, sondern die Tatsache, dass es nicht Christentum ist.226 James Dunn, der die Interpretation von Sanders als „New Perspective on Paul“ („Neue

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220 221 222 223 224 225 226

(1537), WA XXXIX / 1, 205 („Der Artikel von der Rechtfertigung ist der Meister und Fürst, Herr, Lenker und Richter über alle Arten von Lehre, und er erhält und regiert die Lehre der Kirche“). Vgl. Hirsch, Hilfsbuch, 125 (172). Vgl. Stolle, Luther und Paulus. Wrede, Paulus, 72. Zu Wrede sowie Schweitzer, Bultmann und Käsemann vgl. Seifrid, Justification, 6-46. Schweitzer, Mystik, 220. Bultmann, Theologie, 280-283, Zitat 283. Käsemann 90-95; Käsemann, Rechtfertigung. Stendahl, Gewissen; Stendahl, Der Jude Paulus und wir Heiden. Sanders, Paul and Palestinian Judaism (deutsch: Sanders, Paulus und das palästinische Judentum); Sanders, Law; Sanders, Paul (deutsch: Sanders, Paulus). Für eine Darstellung der Positionen von Sanders, Dunn, und Wright vgl. Stuhlmacher, Theologie I, 238-241; Lohse 140-144; Westerholm, Perspectives, 129-193; Maschmeier, Rechtfertigung, 26-36; Yinger, New Perspective on Paul, 5-31.

Einleitung 67 ———————————————————————————————————— Paulusperspektive“) bezeichnete,227 betont in Anknüpfung an Stendahl und Sanders, dass es Paulus bei der Ablehnung der Werke des Gesetzes nicht um ein sowohl Juden als auch Heiden betreffendes Grundsatzurteil gehe, sondern um eine Kritik an dem partikularistischen Missverständnis der Tora als eine exklusiv Israel zuteilgewordene Gnade Gottes, die das jüdische Volk zu einer Abgrenzung von den Heiden führte. Der Ausdruck „Werke des Gesetzes“ bezeichne bei Paulus nicht Werkgerechtigkeit, sondern die nationalistische, d.h. ethnozentrische Engführung des Gesetzesverständnisses im zeitgenössischen Judentum. Die paulinische Rechtfertigungslehre behandle nicht so sehr die Frage, wie der einzelne Sünder gerettet wird, sondern die Beziehung von Juden und Heiden. Paulus bestreite nicht den Bund Gottes mit Israel noch die Tora als Gottes Gesetz, sondern die von Israel für sich allein reklamierten Gaben von Bund und Tora. 228 Der Kritik, man könne den Ausdruck „Werke des Gesetzes“ nicht einseitig als jüdische „boundary markers“ auf die Beschneidung und die Reinheitsvorschriften beziehen, begegnet Dunn mit der Klärung, dass für Paulus in der Tat der Glaube an Jesus Christus die einzige notwendige und ausreichende Antwort ist, die Gott von den Menschen für die Rechtfertigung erwartet: Paulus mag die Rechtfertigungslehre im Kontext der Heidenmission entwickelt haben, sie kann aber nicht auf diesen Kontext beschränkt werden.229 Tom Wright insistiert, dass der Begriff der Rechtfertigung nicht das Mittel beschreibe, durch das Menschen gerettet werden und zum neuen messianischen Heilsvolk stoßen: „Rechtfertigung“ sei das Kennzeichen der durch Gott mit Gott versöhnten Sünder, die zum neuen Gottesvolk aus Juden- und Heidenchristen gehören. Paulus betone, dass der Schöpfergott zugleich der Gott des Bundes ist und dass der Bund mit Israel immer als Mittel gedacht war, den aus den Fugen geratenen Kosmos von den Folgen der Sünde zu befreien, was durch den repräsentativen Tod und die Auferstehung Jesu geschah. Die Lehre von der Rechtfertigung aus Glauben anstatt aus Werken des Gesetzes greife nicht die Meinung an, Gottes Gunst könne durch menschliche Leistung gewonnen werden, sondern die nationale Gerechtigkeit der Juden, die glaubten, ihre Verortung im Bundesvolk Gottes sei durch ihre Loyalität gegenüber den Zeichen der jüdischen ethnischen Identität (Beschneidung, Speisegebote, Sabbat) gesichert. 230 Wright betont in einer neueren Arbeit, dass es ihm nicht darum gehe, die Einsichten der Reformatoren zu negieren: Er will sie in dem größeren Kontext einer Bundestheologie verorten.231 Die positive Aufnahme von Anliegen und Ergebnissen der sog. „New Perspective“ in der Paulusexegese und die Kritik an verschiedenen Engführungen, Missverständnissen und Fehlinterpretationen können folgendermaßen zusammengefasst werden.232 1. Paulus und Luther sind in ihrem jeweils unterschiedlichen historischen Kontext zu interpretieren. Als Paulus den Römerbrief ————————————————————

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Wolter, Paulus, 341-342, weist darauf hin, dass die zentralen Thesen der Neuen Paulusperspektive von Paul Wernle schon 1897 vorweggenommen wurden; s. Wernle, Christ. Dunn, New Perspective, sowie die anderen in diesem Aufsatzband vereinigten Aufsätze; vgl. Dunn I lxiii-lxxii. Dunn, Jesus, Paul and the Law, 196; vgl. Dunn, Theology of Paul, 379. Zur Klärung von Missverständnissen seiner Position s. Dunn, Works; Dunn, Whence, What and Wither. Zu dem Ausdruck „Werke des Gesetzes“ s. unten zu 3,20. Wright, Romans and the Theology of Paul; Wright, Founder; Wright, Romans. Wright, Justification, 222. Zur kritischen Diskussion der „New Perspective on Paul“ vgl. Seifrid, Justification, 4665; Hagner, Paul and Judaism; Hübner, Diskussion; Lohse, Disput; Stuhlmacher, Justification; Kim, Paul and the New Perspective; Westerholm, The ‘New Perspective’ at Twenty-Five; Westerholm, Perspectives; Carson/O’Brien/Seifrid, Hg. Justification and Variegated Nomism; Bachmann, Hg. Lutherische und neue Paulusperspektive; Bendik, Paulus; Lohse 140-145; Kruse 14-22; Maschmeier, Rechtfertigung, 44-90. Waters, Justification, ist oft polemisch, Yinger, New Perspective on Paul, 39-93, apologetisch. Man sollte beachten, dass es die „New Perspective on Paul“ nicht gibt: Einerseits bestehen zum Teil erhebliche Unterschiede zwischen Sanders, Dunn und Wright, andererseits

68 Römerbrief ———————————————————————————————————— schrieb, hatte er sich seit mehreren Jahren mit Judenchristen auseinandergesetzt, die für Heidenchristen die Beschneidung und die Unterwerfung unter die Gebote der mosaischen Tora forderten, sowie mit Juden, die mit dem Hinweis auf die Beschneidung und das von Gott geoffenbarte Gesetz den grundsätzlichen Unterschied zwischen gesetzestreuen Juden, die zum Volk Gottes gehören, und den gesetzlosen Heiden betonen. Luther setzte sich mit der zeitgenössischen christlichen Theologie und Praxis auseinander, in der gute Werke als Bedingung des Heils angemahnt wurden. Diese „guten Werke“ sind nicht mit den „Werken des Gesetzes“ identisch, die manche Judenchristen von den Heidenchristen fordern. 2. Luther löste die Verknüpfung von Gesetz (mosaische Tora) und Israel auf und verstand unter „Gesetz“ alle ethischen, moralischen Forderungen schlechthin. Trotzdem hat Luther in seiner anthropologischen Neufassung der Rechtfertigungslehre „ein wesentliches Element der paulinischen Rechtfertigungslehre bewahrt.“ 233 3. Wenn Juden nicht durch das Tun der Gebote, die in der von Gott geoffenbarten Tora von den Gliedern des Bundesvolkes Gottes gefordert werden, das Heil erlangen, dann werden Heiden schon gar nicht durch gute ethische Taten gerettet. Das heißt, die Rechtfertigungslehre Luthers kann als genuine Interpretation der paulinischen Lehre von der Rechtfertigung aus Glauben im Kontext seiner persönlichen Erfahrung und seiner Auseinandersetzung mit der (spät)mittelalterlichen Theologie verstanden werden. 4. Das Frühjudentum ist im Blick auf das Verständnis von Gesetz und Heil komplexer, als es die Interpretationen von sowohl Luther als auch Sanders erscheinen lassen: Man kann dem Frühjudentum weder pauschal Werkgerechtigkeit (Legalismus) vorwerfen, noch pauschal von Bundesnomismus reden, in dem die erwählende Gnade Gottes Priorität hat.234 Manche frühjüdischen Texte betonen die barmherzige Gnade Gottes, die für das Heil den Ausschlag gibt. Andere Texte dokumentieren die Überzeugung, dass das Tun der Gebote des Gesetzes unabdingbare Voraussetzung für Gerechtigkeit und Heil ist. Was die Neue Paulusperspektive betrifft, besteht von einem theoretischen Standpunkt aus gesehen kaum ein Unterschied zwischen Bundesnomismus und Legalismus: Der „Eintritt“ in das Volk Gottes ist Resultat des Bundes (abgebildet in der Beschneidung), die gegenwärtige und zukünftige Zugehörigkeit zum Volk Gottes hängt von der individuellen Akzeptanz und Praxis der Bundesbestimmungen ab.235 5. Der Ausdruck „Werke des Gesetzes“ kann nicht auf die ethnischen „identity markers“ von Beschneidung, Sabbat und Speisegebote beschränkt werden: Die „Werke des Gesetzes“ bezeichnen die Gesamtheit dessen, was das Gesetz fordert. 6. Die „Gesetzeskritik“ von Paulus ist nicht als Kritik am mosaischen Gesetz selbst, noch als Kritik an einem religiösen Leistungsanspruch der Juden im Sinn der Selbsterlösung zu verstehen. Das Problem ist nicht das Gesetz als solches, das als Gottes Offenbarung heilig ist und dessen Gebote heilig, gerecht und gut sind. Das Problem ist die Sünde, deren Vergebung nicht mehr durch das Gesetz und die Zugehörigkeit zum jüdischen Volk durch die Beschneidung gewährleistet ist. Weil Paulus zentral christologisch denkt (solus Christus), bestimmen Tod und Auferstehung Jesu die Funktion des Gesetzes. 7. Die Betonung der nationalen Gerechtigkeit im Selbstverständnis der Juden läuft Gefahr, die von Paulus beschriebene Rechtfertigung durch den Glauben an Jesus Christus an den Rand der paulinischen Theologie zu drängen und nur für Heiden relevant sein zu lassen. Wer das Anliegen des Paulus auf die Frage nach der Gleichheit von Judenchristen und Heidenchristen reduziert und „als soziologische Erwägungen zur Begründung einer neuen Gruppenmentalität“ erklärt, lässt die Ausführungen des Apostels darauf zusammenschrumpfen, „den Übergang von ————————————————————

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haben sich Dunn und Wright in mehreren Veröffentlichungen mit unterschiedlichen Akzentuierungen, zum Teil Missverständnisse klärend, geäußert. Wolter, Paulus, 411. Die Abgrenzung von der Rechtfertigungslehre Martin Luthers bei E.P. Sanders und anderen Vertretern der „New Perspective on Paul“ beruht auf einer Verzeichnung der Theologie Luthers; s. Härle, Paulus und Luther; Wolter, Paulus, 341. Neusner, Comparing Judaisms, 180, wirft Sanders vor, er übertrage paulinische Kategorien auf die rabbinische Literatur. Campbell, Deliverance, 103-104; Hafemann, Yes and No, 129.

Einleitung 69 ———————————————————————————————————— einer Gruppenzugehörigkeit zu einer anderen zu legitimieren“.236 8. Paulus hat sich gegen ethnozentrische, die Heiden ausschließende Aspekte des jüdischen Selbstverständnisses gewandt, aber seine theologische Energie galt vor allem dem Insistieren auf der Beschneidung und dem Halten der Gebote als Bedingung des Heils seitens mancher Judenchristen. Paulus hat den nach dem Gesetz lebenden Juden nicht einfach vorgehalten, dass sie in ihrem Verhältnis zu den Heiden ihre jüdische Exklusivität betonen: Er verkündigte ihnen Jesus, den Messias Israels, als Gerechtigkeit schaffende und gewährende Offenbarung Gottes. 9. Paulus erläutert sein Verständnis von der Rechtfertigung aus Glauben im Kontext seiner Mission, die nicht als reine Heidenmission zu verstehen ist: Er missioniert immer sowohl in Synagogen unter Juden als auf dem Marktplatz unter Heiden. Die Lehre von der Rechtfertigung aus Glauben an Jesus Christus ist einerseits Teil seines Arguments, dass Heiden, die an Jesus Christus glauben, zum Volk Gottes gehören, ohne dass sie zuerst beschnitten werden und die Gebote der Tora einhalten müssen. Andererseits betont er auch gegenüber Juden, dass die traditionelle Zugehörigkeit zum Volk Gottes durch Beschneidung und Toragehorsam angesichts des Heilstodes Jesu Christi nicht mehr Heil garantiert. Alle, sowohl Heiden als auch Juden, werden nur gerecht, wenn sie zum Glauben an Jesus als messianischen Gottessohn, Herrn und Retter kommen. 10. Die Rechtfertigung des Gottlosen hat eine grundlegende forensische Komponente: Sie ist das Urteil, dass der an Jesus Christus glaubende Sünder gerecht ist, d.h. als Folge des Sühnetodes Jesu seine Sünden vergeben bekommen hat. Die Deklaration der Gerechtigkeit des an Jesus glaubenden Sünders gilt sowohl für die Gegenwart als auch für die Zukunft des Endgerichts.

Analoge Sprachweisen zur Rede von der Rechtfertigung als Wirkung des Todes und der Auferstehung Jesu sind die Begriffe „Rettung“ bzw. „Heil“ (σωτηρι'α [sōtēria]; 1,16; 10,1.10; 11,11; 13,11), „Erlösung“ (α� πολυ' τρωσις [apolytrōsis]; 3,24; 8,23), „Frieden“ mit Gott (ει� ρη' νη [eirēnē]; 5,1; 8,6; 15,13.33), „Versöhnung“ (καταλλαγη' [katallagē]; 5,10-11; 11,15), „Freiheit“ (ε� λευθερι'α [eleutheria], Vb. ε� λευθερο' ω [eleutheroō] von der Sünde (6,18.22) und vom Gesetz der Sünde und des Todes (8,2; vgl. 8,21). 7. Der Heilige Geist ist die Gegenwart und Wirksamkeit des auferstandenen Herrn Jesus Christus in der Gemeinschaft der Glaubenden: Der „Geist Gottes“ (8,9.11) ist der „Geist Christi“ (8,9). Der „Geist der Heiligkeit“, der die Würde von Jesus als messianischer Gottessohn garantiert, ist die Manifestation der Macht und Majestät Jesu Christi (1,4). Das Heilswerk Gottes ist das Heilswerk des Herrn Jesus Christus, wirksam gemacht durch das Wirken des Heiligen Geistes (5,1-5; 8,14-17), durch den die Liebe Gottes in unsere Herzen ausgegossen ist (5,5) und damit die Rettung im Endgericht garantiert (5,8-10). Der Geist ist die Macht, durch die die Glaubenden Freude, Friede und Hoffnung haben (14,17; 15,13). Der Geist Gottes befreit die an Jesus Christus Glaubenden vom „Gesetz der Sünde und des Todes“ (8,2) und versetzt sie in die Lage, nicht „nach dem Fleisch“ zu leben (8,4-13), weil er sie zu Kindern Gottes gemacht hat (8,14-15). Die „Erstlingsgabe“ ————————————————————

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Lohse 143.

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des Geistes garantiert die Erlösung des Leibes (8,23), weil der Geist sich unserer Schwachheit annimmt und vor Gott für uns eintritt (8,26). 8. Die Jesusbekenner. Paulus betont, dass sich infolge des Todes und der Auferstehung Jesu Christi ein Herrschaftswechsel vollzogen hat, der die an Jesus glaubenden Sünder erfasst: Die seit Adam bestehende Herrschaft der Sünde (6,2.6-7.10-14.20.22) wurde abgelöst von der durch Jesus aufgerichteten Herrschaft der Gerechtigkeit (6,13.18-20), die Herrschaft des Gesetzes (7,1-6) von der Herrschaft des Geistes (8,9). Der Jesusbekenner erfährt einen Statuswechsel von der Herrschaft der Sünde zur Freiheit (6,16-23; 7,6; 8,2.21), vom Tod zum Leben (6,2-11.13; 7,1-4; 8,10). Die Freiheit der Christen (6,18.22; 8,2) ist nicht als Autonomie zu verstehen, in der Christen je und je selbst entscheiden, was gutes und rechtes Verhalten ist. Die vom Geist des heiligen Gottes geschenkte Freiheit ist die Verpflichtung, vom Geist geleitet von den eigengesetzlichen Handlungen sündiger Existenz zu lassen und den Willen Gottes zu tun (8,5-14). Die Wirkung des Todes und der Auferstehung Jesu Christi kommt den Sündern aus Heiden und Juden „aus dem Glauben an Jesus Christus“ (3,22; vgl. 1,16-17; 3,25-26.28.30; 4,5.11-12.13.16.24; 5,1; 9,30.32; 10,4.9-10.14; 11,20) zugute. „Glaube“ (πι'στις [pistis]) ist die Antwort des Sünders auf die Verkündigung des Evangeliums (10,8.14): die notwendige Antwort auf die Heilsoffenbarung Gottes im Messias Jesus, der für die Sünden der Heiden und der Juden gestorben und auferstanden ist. Der Glaube beginnt mit dem Hören (10,17) und dem Verstehen des Evangeliums (10,19), beinhaltet die persönliche Akzeptanz des gekreuzigten Jesus als Messias (Christos) Israels und als von Gott auferweckten Herrn (Kyrios) und äußert sich als öffentliches Bekenntnis (10,9) und als Gehorsam gegenüber dem Evangelium (10,16), d.h. gegenüber Gott und dem Wort Christi (10,17; 6,16-17). Der Glaube schließt jegliches „Rühmen“ aus, d.h. jedes Sich-Verlassen auf sich selbst (3,27). Der Glaube ist „Gnade“, d.h. ein Geschenk Gottes, genau so wie die Rechtfertigung des Sünders und seine Versöhnung mit Gott göttliches Geschenk sind (3,24-25; 6,14): Sünder werden „durch Glauben“ infolge des Todes Jesu von Gott gerecht gesprochen, „unabhängig von Werken des Gesetzes“ (3,28). Neben Glaube sind Liebe (8,28; 13,8-10; vgl. 12,13-14) und Hoffnung (5,2-5; 8,24-25; 12,12; 15,4.13) entscheidende Kennzeichen der Jesusbekenner. Die Rechtfertigung allein durch den Glauben führt nicht zu ethischem Libertinismus: Die allein durch den Glauben Gerechtfertigten sind mit der Realität des Todes und der Auferstehung Jesu Christi vereinigt und von dieser beherrscht (6,1-14), sodass sie zur „Neuheit des Lebens“ (6,4) befreit

Einleitung 71 ————————————————————————————————————

sind. Im Vollzug des Glaubens wird der Sünder in die Machtsphäre des Messias und Kyrios Jesus versetzt: Er ist „in Christus“ (ε� ν Χριστω ñ, [en Christō] „im Messias“; 9,1; 12,5; 16,7.9.10) bzw. „in Christus Jesus“ (ε� ν Χριστω ñ, � Ιησουñ [en Christō Iēsou], „im Messias Jesus“; 3,24; 6,11.23; 8,1.2. 39; 15,17; 16,3). Der Imperativ der christlichen Ethik (6,11-14; 12,1–15,13) gründet im Heilsindikativ (6,1-10.18; 8,1-17). Die neue Wirklichkeit „in Christus Jesus“ ist infolge der Rechtfertigung des Sünders durch Gott im Glauben an Jesus Christus ein „der Sünde gegenüber Gestorben-Sein“ (6,2.7). Die Rechtsansprüche der Sünde sind infolge des Sühnetodes Jesu abgegolten: Die von Gott durch den Glauben an Jesus Christus gerechtfertigten Sünder müssen der Sünde nicht mehr sklavisch dienen (6,6), sondern sind befreit zu einem Lebensvollzug in der neuen Wirklichkeit des Lebens (6,4), ermöglicht durch die Kraft des Heiligen Geistes (8,4.15). Die Literatur zu Paulus im Allgemeinen und zum Römerbrief im Besonderen ist immens.237 Seit Origenes (185–254 n.Chr.), der nach unserer Kenntnis als Erster den Römerbrief fortlaufend kommentierte, wurden meines Wissens 740 Kommentare zum Römerbrief geschrieben:238 40 zwischen Origenes und Martin Luthers Römerbriefvorlesung 1515 / 1516,239 weitere 61 bis zum Ende des 16. Jh.,240 sowohl von Katholiken241 wie von Protes————————————————————

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S. die Literaturüberblicke von Bultmann, Paulus-Forschung; Schelkle, Paulus, Lehrer der Väter; Hübner, Paulusforschung; Merk, Paulus-Forschung; Horn, Paulusforschung; Mills, Romans; Wagner, Romans and Galatians, 1-274; Theobald, Der Römerbrief; Seifrid/Tan, The Pauline Writings; Reasoner, Romans. Die Römerbriefkommentarliste im Literaturverzeichnis führt alle mir bekannten Kommentare auf, auch diejenigen, die von dänischen, chinesischen, finnischen, norwegischen, russischen, schwedischen und ungarischen Exegeten geschrieben wurden. Übersetzungen lateinischer, deutscher, englischer, französischer oder italienischer Kommentare in andere Sprachen wurden nicht eigens aufgeführt. Die Kommentarliste ist in fünf chronologische Abschnitte eingeteilt: Alte Kirche und Mittelalter; 16. Jahrhundert; 17.–18. Jahrhundert; 19. Jahrhundert; 20. und 21. Jahrhundert. Von Origenes, Explanatio Origenis Adamantii presbyteri in epistolam Pauli ad Romanos divo Hieronymo interprete, Band 3, Venedig 1512, bis Jacques Lefèvre d’Étaples (Jacob Faber Stapulensis), S. Pauli epistolae XIV ex vulgata editione, Paris 1512, sowie Martin Luther, Vorlesung über den Römerbrief 1515 / 1516, Weimarer Ausgabe Band 56, Weimar 1938. Im Kommentar wird folgende Ausgabe verwendet: Martin Luther, Vorlesung über den Römerbrief 1515 / 1516, Lateinisch-deutsche Ausgabe, Übersetzung E. Ellwein (1957), Hg. v. M. Hofmann, 2 Bände, Darmstadt 1960. Von Desiderius Erasmus, Novum instrumentum . . . una cum annotationibus, Basel 1516, 1-30 (Übersetzung), 411-455 (Annotationes in ep. ad Romanos), bis Samuel Huber, Explicatio capitum 9, 10 & 11 epistolae ad Romanos d. Pauli, Oberursel 1597. Zum Beispiel: Cajetan (Thomas de Vio), Epistolae Pauli et aliorum apostolorum ad Graecam veritatem castigatae iuxta sensum literalem enarratae, Band 5, Paris 1532, 1-84; Marino Grimani, Commentarii in epistolas Pauli, ad Romanos et ad Galatas, Venedig 1542, 1-73; Juan de Valdés, La epistola de san Pablo a los Romanos, Genf 1556.

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tanten.242 Im 17. Jh. wurden 53 Römerbriefkommentare geschrieben,243 im 18. Jh. 41,244 im 19. Jh. 185,245 im 20. Jh. 270,246 im noch jungen 21. Jh. 56.247 Eine Geschichte der Römerbriefauslegung hat noch niemand geschrieben: Diese „müsste nichts Geringeres leisten als eine umfassende Darstellung der Theologiegeschichte aus der Sicht der vielleicht wichtigsten Schrift des Neuen Testaments“.248 Eine solche Literaturfülle ist einerseits für den Autor eines Kommentars insofern eine Herausforderung, als er bei allem Bemühen, den Überblick zu behalten, nur mit den wichtigsten exegetischen Arbeiten und Kommentaren im Gespräch sein kann, andererseits ist sie ein Beleg für den Gedankenreichtum des Römerbriefs, den es in jeder Generation neu zu ergründen gilt. Nicht jeder Ausleger hat sich an den methodischen Grundsatz gehalten, den Calvin in der Widmung seines Römerbriefkommentars an Simon Grynäus formuliert hat: „Darum ist es eine an Heiligtumsschändung grenzende Dreistigkeit, die Schrift mutwillig hierhin und dorthin zu drehen und sich [an ihr] wie an einem Spielzeug ausgelassen zu gebärden, was viele schon von alters her getan haben … Da wir also in diesem Leben das höchst Wünschenswerte nicht erhoffen dürfen, im Verständnis der Schriftstellen über eine dauerhafte Übereinstimmung untereinander zu verfügen, so müssen wir uns bemühen, uns nicht von der Sucht nach Neuerungen reizen, uns nicht zur Lust auf verleumderische Polemik hinreißen, uns von keiner Gehässig————————————————————

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Zum Beispiel: Philip Melanchthon, Annotationes in epistolam Pauli ad Romanos unam, Nürnberg 1522; Johann Bugenhagen, In epistolam Pauli ad Romanos interpretatio, Hagenau 1527; Martin Bucer, In epistolam ad Romanos. Metaphrases et enarrationes in epistulam d. Pauli apostoli., Straßburg 1536, 1-507; Jean Calvin, Commentarii in omnes epistolas Pauli apostoli, Straßburg 1539; Commentarii in epistolam Pauli ad Romanos, Opera omnia VII, Amsterdam 1667–1671, 1-107; Ulrich Zwingli, In epistulam ad Romanos, Opera Completa Editio VI/ 2, Zürich 1545, 76-133. Von Andrew Melville, Commentarius in divinam Pauli epistolam ad Romanos, Edinburgh 1601 bis August Varenius, Paulus evangelista Romanorum succincta divinissimae … epistolae ad Romanos analysi et exegesi repraesentatus, Hamburg 1696. Von Bernardinus Piconio (Picquigny), Epistularum b. Paul apostoli triplex expositio, Band 1, Paris 1703, 1-227, bis James MacKnight, A New Literal Translation from the Original Greek of all the Apostolical Epistles: With a Commentary and Notes, Philological, Critical, Explanatory and Practical, Edinburgh 1795. Von Christopher Friedrich Ammon, Epistola Pauli ad Romanos, 2 Bände, Göttingen 1806, bis Charles Gore, St. Paul’s Epistle to the Romans, 2 Bände, London 1899–1900. Von James Denney, St. Paul’s Epistle to the Romans, The Expositor’s Greek Testament, Band 2, London 1900, 555-725, bis Klaus Haacker, Der Brief des Paulus an die Römer, Theologischer Handkommentar zum Neuen Testament 6, Leipzig 1999. Von Shen Baoluo, Que zuo bu yi de zhen li: luo ma ren shu jiang jie, Hong Kong 2000, bis Michael Wolter, Der Brief an die Römer, Teilband 1: Röm 1–8, EKK VI/ 1, Neukirchen-Vluyn, 2014. Theobald, Der Römerbrief, 315.

Einleitung 73 ————————————————————————————————————

keit aufstacheln und uns von keinem Ehrgeiz kitzeln zu lassen. Vielmehr sollen wir nur dann, wenn es die Notwendigkeit erfordert, und nur mit dem Ziel, einen Nutzen zu erzielen, von den Ansichten der früheren Ausleger abweichen. So jedenfalls soll in der Schriftauslegung verfahren werden“.249 8. Textüberlieferung Der Text des Römerbriefs250 ist durch elf Papyri bezeugt: d46 (um 200)

5,17–6,3.5-14; 8,15-25.27-35; 8,37–9,32; 10,1–11,22.24-33; 11,35–15,9.11-33; 16,1-23.25-27 8,12-22.24-27; 8,33–9,3.5-9 d27 (3. Jh.) 1,24-27; 1,31–2,3; 3,21–4,8; 6,4-5.16; 9,16-17.27 d40 (3. Jh.) 2,12-13.29 d113 (3. Jh.) 15, 26-27.32-33; 16,1.4-7.11-12 d118 (3. Jh.) 1,1-7 d10 (4. Jh.) 1,1 d99 (5. Jh.) d94 (5. / 6. Jh.) 6,10-13.19-22 d26 (ca. 600) 1,1-9; 1,9-16 12,3-8 d31 (7. Jh.) d61 (ca. 700) 16,23-27

Die wichtigsten Majuskel-Handschriften: 0220 (3. Jh.) ‫( א‬01; 4. Jh.) B (03; 4. Jh.) 0221 (4. Jh.) 0219 (4. / 5. Jh.) A (02; 5. Jh.) C (04; 5. Jh.) 048 (5. Jh.) 0172 (5. Jh.) D (06; 6. Jh.)

4,23–5,3; 5,8-13 1–16 (Codex Sinaiticus) 1–16 (Cod. Vaticanus) 5,16-17.19; 5,21–6,3. 2,21-23; 3,8-9.23-25.27-30 1–16 (Cod. Alexandrinus) 1–16, außer 1,1-2; 2,5–3,21; 9,6–10,15; 11,31–13,10 (Ephraemi rescriptus) 13,4-15,9 1,27-30; 1,32–2,2 1–16, außer 1,1-7a,27-30 (Cod. Claromontanus)

Wichtige Minuskel-Handschriften:251 33 (9. Jh.) 2464 (9. Jh.) 1175 (10. Jh.) 1739 (10. Jh.)

1–16 1,1–11,28; 16,11-27 1–16 1–16

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Calvin I 25. Für Einzelheiten vgl. Aland/Aland, Text, 106-164; Aland, Text und Textwert II/1, 2-28; Junack/Güting/Nimtz/Witte, Das Neue Testament auf Papyrus II/1, xxiii-liii; NA28, 792798. Die im Folgenden genannten Papyri enthalten in den meisten Fällen neben Textteilen des Römerbriefs (in Klammer angegeben) auch Teile anderer Paulusbriefe. Von Aland der Kategorie I (33, 1739) bzw. II zugeordnet; vgl. Aland/Aland, Text, 116.

74 Römerbrief ———————————————————————————————————— 81 (11. Jh.) 1506 (14. Jh.) 1881 (14. Jh.)

1–16 1–15 1–16

Die Überschrift ΠΡΟΣ ΡΩΜΑΙΟΥΣ ist seit dem 4. Jh. bezeugt (B, Codex Vaticanus). Dieselbe inscriptio haben d26vid ‫א‬2 A 049c 056c; zusammen mit Verweis auf Paulus als Verfasser: K L Pvid Ψ 0142 0151 0278.252 Die Evaluierung der griechischen Handschriften des Neuen Testaments,253 die für die Herstellung des bestmöglichen griechischen Textes unabdingbar ist, befindet sich im Umbruch. Die Kategorien der traditionellen Textformen des alexandrinischen (bzw. ägyptischen), westlichen und byzantinischen Textes werden in der im Institut für neutestamentliche Textforschung an der Universität Münster entwickelten und in der Editio Critica Maior angewandten Kohärenzbasierten Genealogischen Methode (Coherence-Based Genealogical Method, CBGM) von genealogischen Strukturen abgelöst, die auf der Grundlage von Analysen lokaler Stemmata der Varianten gewonnen werden.254 Diese Methode ist äußerst vielversprechend, ist aber ohne Zugang zu einer zentralen Datenbank mit genealogischen Daten (die auf den textkritischen Entscheidungen von Spezialisten beruhen) vom Nichtfachmann in der Praxis kaum anwendbar.255 Die traditionellen Beschreibungen der neutestamentlichen Textformen als „alexandrinisch“, „westlich“ und „byzantinisch“ werden deshalb immer noch in sinnvoller Weise verwendet.256

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Vgl. Junack/Güting/Nimtz/Witte, Das Neue Testament auf Papyrus II/1, 1. Vgl. Aland/Aland, Text, 82-190; sowie die Aufsätze in dem neuen Sammelband Ehrman/Holmes, Hg., Text of the New Testament in Contemporary Research, 1-113; zu den alten Übersetzungen s. ebd. 143-350. Vgl. Wachtel, Stemmatisierung; Mink, Was verändert sich in der Textkritik; Wachtel, Redefinition of External Criteria; Wasserman, Criteria, 595-607. Wasserman, Criteria, 607. Vgl. Holmes, Reasoned Eclecticism, 793.

Präskript: Absender, Adressaten, Gruß 1,1-7 75 ————————————————————————————————————

II. Auslegung

Einleitung 1,1-17 Präskript: Absender, Adressaten, Gruß 1,1-7 I 1 Paulus, Sklave des Messias Jesus, berufen zum Apostel, ausgesondert zum Evangelium Gottes, 2 das er zuvor verheißen hat durch seine Propheten in heiligen Schriften, 3 (das Evangelium) von seinem Sohn, geboren aus dem Samen Davids nach dem Fleisch, 4 proklamiert als Sohn Gottes in Macht nach dem Geist der Heiligkeit aufgrund der Auferstehung von den Toten, (das Evangelium von) Jesus, dem Messias, unserem Herrn. 5 Durch ihn haben wir Gnade und Apostelamt empfangen zum Gehorsam des Glaubens unter allen Völkern für seinen Namen, 6 unter denen auch ihr lebt, Berufene des Messias Jesus. 7 An alle in Rom, die von Gott Geliebten, die berufenen Heiligen: Gnade sei mit euch und Friede von Gott unserem Vater, und von dem Herrn Jesus, dem Messias. II Das Präskript des Römerbriefs folgt der für die paulinischen Briefe charakteristischen Form „A an B, Gruß“, mit Angabe von Absender (intitulatio/ superscriptio, im Nom.), Adressaten (adscriptio, im Dat.) und Segensgruß (salutatio, in direkter Rede).1 Hätte Paulus sich an die Konvention griechischer Briefe gehalten und stereotyp ein kurzes Präskript verfasst, wären V. 1-7 auf folgenden Satz komprimiert: Παυñ λος τοιñς ουò σιν ε� ν � Ρω' μη, χαι'ρειν („Paulus, an die [Christen] in Rom, Gruß“). Aramäische und hebräische Briefe der griechisch-römischen Zeit bevorzugten den Gruß ‫[ ׁשלום‬schalōm] „Wohlergehen“, der eine ähnliche Funktion wie der griech. Gruß χαι'ρειν hatte.2 Beispiele wie 2Bar 78,2 belegen, dass manche semitische Autoren ————————————————————

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Zum Präskript vgl. White, Epistolary Literature, 1733-1738; Adams, Paul’s Letter Opening; Tite, Pauline Prescript; Doering, Letters, 406-415; für das vergleichbare Formular von Papyrusbriefen vgl. Arzt-Grabner, Philemon, 111-121, speziell zu jüdischen Briefen Doering, Letters, 29-31.72-73.245-248. Zur Terminologie vgl. Schnider/Stenger, Studien, 3-4. Esr 4,17; 5,17; P.Padua 1; 4Q550 Frag. 1, 6; XH.ev/ Se 30; Masada 554; 556; Midrasch Tannaim zu Deut 26,13. Vgl. HAL s.v. ‫ ׁשלום‬3; aram. s.v. ‫ ;ְׁשָלם‬vgl. Doering, Letters, 406. Zu jüdischen Briefen s. Doering, ebd. 28-376; Klauck, Briefliteratur, 181-226. Zu den

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dieser Zeit den Gruß in einem unabhängigen zweiten Satz formulierten, im Anschluss an frühere reichsaramäische und hebräisch-kanaanäische Beispiele. Paulus ist von der Praxis jüdischer Briefkonventionen beeinflusst, er schafft aber mit den Formulierungen der salutatio etwas Neues: Die Näherbestimmungen „Gnade“ und „Friede“ zeigen, dass seine Briefe Gnade und Friede „transportieren“, beide Größen theologisch und christologisch qualifiziert.3 Die Formulierung der salutatio zeigt, dass er mit den Gemeinden nicht korrespondiert, als handle es sich um Juden oder als befänden sie sich in einer ähnlichen Situation wie die jüdischen Diasporagemeinden. Erweiterungen aller drei Glieder findet man manchmal auch in antiken Briefen, allerdings bei Weitem nicht in dem Ausmaß, wie es die Paulusbriefe kennzeichnet. Im Vergleich zu den anderen Paulusbriefen fällt die ausführliche Erweiterung des ersten Elements (Absenderangabe) in V. 1-6 auf. Mehrere Beobachtungen sind wichtig. 1. Paulus verbindet die konventionelle Absenderangabe mit drei Formulierungen, die sein Selbstverständnis als Jesusbekenner und Missionar bestimmen: Er ist Sklave des Messias Jesus, Gott hat ihn zum Apostel berufen, Gott hat ihm die Verkündigung des Evangeliums aufgetragen. Er legitimiert sich vor den stadtrömischen Christen, die er größtenteils nicht persönlich kennt, als von Gott autorisierter Verkündiger des Evangeliums. Der Hinweis auf das Evangelium, das in den folgenden Sätzen seinem Inhalt nach skizziert wird, stellt die Person des Apostels in den Hintergrund: Er bestimmt sein Leben nicht selbst, sondern ist als Sklave Jesu und als Gott gehorsames Glied der Glaubensgemeinschaft weisungsgebunden, und der Inhalt der von ihm verkündigten Botschaft, die er in den folgenden Kapiteln entfalten wird, ist ihm vorgegeben – er verkündigt nicht „sein“ Evangelium, sondern das Evangelium Gottes. 2. Der vierfache Hinweis auf Jesus, den Messias („Christus“), in V. 1.4.5.7 unterstreicht die Bedeutung Jesu für Paulus und für seine Verkündigung. 3. In V. 2-6 erläutert Paulus die beiden Stichwörter „Apostel“ und „Evangelium“ von V. 1 in umgekehrter Reihenfolge: Er skizziert zunächst den Inhalt des Evangeliums (V. 2-4), dann beschreibt er den missionarischen Auftrag als Apostel (V. 5-6); diese Reihenfolge unterstreicht wiederum die Priorität des Evangeliums vor der Person des Apostels. 4. Die Erläuterung des Evangeliums in V. 2-4 besteht aus zwei Grundelementen: Das Evangelium stellt die Erfüllung des gesamten Zeugnisses der heiligen Schriften dar (V. 2); das Evangelium ist primär die ————————————————————

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folgenden Beobachtungen s. Doering, ebd. 407-415. Doering, Letters, 428; die folgende Bemerkung ebd. Manche Ausleger gehen im Anschluss an die Brieferöffnung griechisch-römischer Briefe von einem einzigen Satz in V. 1-7 aus, z.B. Fitzmyer 227.

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Verkündigung von Jesus Christus, dem messianischen Gottessohn, der in seiner irdischen Existenz als Nachkomme Davids der Messias Israels war (V. 3) und nach seiner Auferstehung als Gottessohn Macht hat (V. 4). Der Text in Röm 1,3-4 wird von den meisten Neutestamentlern als von Paulus aufgenommene urchristliche Bekenntnisformel verstanden, die der palästinischen judenchristlichen Tradition entstammte.4 Viele halten es für wahrscheinlich, dass Paulus die „Formel“ praktisch unverändert übernommen hat.5 T. Eskola argumentiert, die christologische Formel sei als Pescher-Zitat der Nathanverheißung 2Sam 7,12-14 im Horizont apokalyptischen Denkens zu verstehen und gehe wahrscheinlich auf ein aramäisches Original zurück,6 das, ins Griechische übersetzt, folgendermaßen lautet: (γενο' μενος) ε� κ σπε' ρματος Δαυι`δ κατα` σα' ρκα / ο� ρισθει`ς υι� ο` ς θεουñ ε� ν δυνα' μει / κατα` ( / και`) πνευñ μα(τι) α� γιωσυ' νης ε� ξ α� ναστα' σεως νεκρω ñ ν / � Ιησουñ ς Χριστο` ς ο� κυ' ριος η� μω ñ ν. R. Jewett nennt, die Forschung zusammenfassend, zwölf Gründe für die Annahme, dass Paulus ein traditionelles Bekenntnis zitiert:7 1. Die Partizipialkonstruktionen in V. 3b.4a sind typisch für Bekenntnisformeln in anderen neutestamentlichen Texten. 2. Die Stellung der Partizipien am Anfang der Nebensätze ist ein Indiz für die Zitierung traditioneller Bekenntnisformeln. 3. Der Parallelismus zwischen V. 3b / 4a, V. 3c / 4d und V. 3d / 4c verweist auf eine sorgfältig konstruierte Komposition für den liturgischen Gebrauch. 4. Das häufige Fehlen des Artikels bei den meisten Substantiven. 5. Die Verwendung von Vokabeln, die bei Paulus sonst nicht belegt sind, wie ο� ρισθε' ντος und πνευñ μα α� γιωσυ' νης. 6. Die Wendung ε� ξ α� ναστα' σεως νεκρω ñ ν, die hier für die Auferstehung Jesu verwendet wird, beschreibt bei Paulus sonst die allgemeine Totenauferstehung. 7. Die Vokabeln σα' ρξ und πνευñ μα werden hier in einem nichtanthropologischen Sinn verwendet, der für Paulus uncharakteristisch ist. 8. Der Hinweis auf die davidische Herkunft Jesu ist ungewöhnlich und steht (nach Jewett) mit 2Kor 5,16 in Spannung. 9. Das Fehlen eines Hinweises auf den (Kreuzes-)Tod Jesu ist angesichts der Aussage in 1Kor 2,2 uncharakteristisch für Paulus. 10. Der adoptianistische Ton des Bekenntnisses fehlt in anderen christologischen Aussagen von Paulus, der häufig die Präexistenz Jesu betont. 11. Paulus führt dieses Material in 1,1-2 als Zusammenfassung des „Evangeliums“ ein, was angesichts von 1Kor 15,1-4 erwarten lässt, dass er Traditionsgut zitiert. 12. Die Auslassung von V. 3a-4d (περι` τουñ υι� ουñ αυ� τουñ … ε� ξ α� ναστα' σεως νεκρω ñ ν) ergibt einen glatten Übergang („das Evangelium von seinem Sohn [3a-4d] Jesus Christus, unserem Herrn“). Der Grund für die Zitierung einer vorgeprägten Bekenntnisformel ist nach R. Bultmann das Bemühen des Apostels, sich „der ihm fremden römischen Gemeinde als Apostel, der die rechte Lehre vertritt, auszuweisen“.8 E. Käsemann formuliert weniger apologetisch: Die ————————————————————

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Seit Weiß, Urchristentum, 89; s. neben den Kommentaren Schweizer, Röm 1,3f; Wengst, Formeln, 112-117; Horn, Angeld, 96-100; Becker, Auferstehung, 20-31; Theobald, Glaubensformel; Pesch, Evangelium Gottes; Söding, Davidssohn; Häusser, Christusbekenntnis, 159-162. Für eine Rückübersetzung der rekonstruierten Vorlage ins Hebräische vgl. Häusser, ebd. 167. Bei Eskola, Messias, 126, findet sich der Versuch einer aramäischen Rekonstruktion. Lohse 64 Anm. 17 und andere sehen die Ausdrucksweise der Vorlage durch die Sprache der hellenistischen Synagoge bestimmt. Käsemann 8-9; Dunn I 5; Lohse 64; Hahn, Hoheitstitel, 252; Hübner, Biblische Theologie II, 334; Söding, Davidssohn, 327. Eskola, Messias, 126: mīn sar‘ā’ Dāwid / ūmmimē‘ähū / / meqām leben-’ælāhā bigbūrāh ūberūchā qedischāh / mīn teqūmat hammētīm / / Jeschua‘ Māschīchā Mār’ānā (adaptiert von der finnischen Transkription); griechische Rekonstruktion ebd. 129. Jewett 98; Jewett, Redaction. Bultmann, Theologie, 52.

78 Römerbrief ———————————————————————————————————— Formel dient Paulus dazu, „die gemeinsame Grundlage des Glaubens mit den Römern herzustellen“.9 M. Theobald hält diese Antworten für nicht befriedigend, da sie nicht erklären, weshalb Paulus gerade diese Formel mit ihrem Hinweis auf die davidische Herkunft Jesu zitiert.10 Er stellt 1,3-4 in den historischen Kontext des Dialogs, den Paulus im Römerbrief mit einem jüdischen bzw. judenchristlichen Diskussionspartner zur Frage der Folgen der Universalität des Evangeliums für die Bedeutung der Gottesoffenbarung in der Geschichte und im Gesetz Israels führt. Paulus hält einerseits an seiner Überzeugung von der Gültigkeit des Evangeliums als Heilsbotschaft für alle, die an Jesus Christus glauben, fest; andererseits bekräftigt er den Zusammenhang des Evangeliums mit Israels heiligen Schriften (1,2; vgl. 3,21; 4,1-25) und mit den Grunddaten jüdischen Glaubens wie Gesetz und Erwählung: Jesus ist der Herr der Heidenvölker, aber er ist und bleibt der Messias Israels. Zu den wenigen Kritikern dieses Konsens gehören V.S. Poythress, J.M. Scott und C.G. Whitsett, denen sich K. Haacker angeschlossen hat, sowie jetzt auch R.M. Calhoun. 11 Folgende Argumente sind wichtig. 1. Der fehlende Konsens über den ursprünglichen Wortbestand der Vorlage und die redaktionellen Hinzufügungen von Paulus12 mindert die Plausibilität der These einer zitierten Bekenntnisformel. 2. Partizipialstil ist kein zuverlässiger Indikator für die Zitierung von Traditionsgut.13 3. Parallele Formulierungen, Semitismen und artikellose Substantive finden wir in anderen Paulustexten. Gleichzeitig gilt, dass sich der Parallelismus auf die beiden Partizipien (im Gen.) und auf die κατα' -Klauseln beschränkt; die Wendung ε� κ σπε' ρμαατος Δαυι' δ entspricht funktional nicht der Wendung ε� ξ α� ναστα' σεως νεκρω ñ ν, sondern υι� ουñ θεουñ ε� ν δυνα' μει. 4. Die Tatsache, dass man die Partizipialsätze auslassen kann, ohne die Syntax des Kontextes zu zerstören, trifft für alle attributiven Partizipialsätze zu und kann deren traditionelle Herkunft nicht beweisen. 5. Das Argument mit „unpaulinischen“ Vokabeln ist nicht überzeugend: γενε' σθαι ε� κ kann durchaus eine paulinische Formulierung sein (sie kommt im NT nur noch in Gal 4,4 vor); α� να' στασις νεκρω ñ ν kommt in 1Kor 15,12.13.21 (mit Artikel 15,42; vgl. Phil 3,11) vor, wobei in 1Kor 15,4-6 die Auferstehung Jesu als Grundlage der allgemeinen Auferstehung der Toten verstanden ist, d.h. es gibt keinen Grund, weshalb α� να' στασις νεκρω ñ ν bei Paulus nicht die Auferstehung Jesu bezeichnen kann;14 κατα` σα' ρκα kommt, von Joh 8,15 abgesehen, nur in den Paulusbriefen vor.15 6. Die einzigen sonst bei Paulus nicht vorkommenden Wendungen sind ο� ρι' ζω, πνευñ μα α� γιωσυ' νης16 und σπε' ρμα Δαυι' δ. Da das Vokabular der erhaltenen

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Käsemann 11; vgl. Lohse 67; Cranfield I 57; Dunn I 5; Fitzmyer 230. Theobald, Glaubensformel, 103; für das Folgende vgl. ebd. 116-117. Poythress, Confession (traditionelles Material in einer freien Komposition); Scott, Adoption, 229-236; Whitsett, Son of God (Paulus kombiniert frühchristliche Exegese von 2Sam 7 und Ps 2); Haacker 27-28; Calhoun, Gospel, 92-106 (Paulus verwendet eine hymnische Form des expandierten Epitheton, die in Anwendung von Synekdoche narrative Texte prägnant zusammenfasst). Vgl. Wolter I 78 Anm. 7: „erwägenswert“. Zur Diskussion s. Häusser, Christusbekenntnis, 163-168. Vgl. Phil 3,3; 1Thess 2,14-15; Gal 1,7; 4,4. Barrett 18 Anm. 1 versteht α� να' στασις νεκρω ñ ν als paulinische Redaktion; vgl. Fitzmyer 230.236. Röm 4,1; 8,12; 9,3.5; 1Kor 1,26; 10,18; 2Kor 1,17; 5,16; 10,2.3; 11,18; Gal 4,23.29; Eph 6,5; Kol 3,22. Als paulinische Redaktion gelten die Wendungen κατα` σα' ρκα/κατα` πνευñ μα bei Bultmann, Theologie, 52; Wengst, Formeln, 112-113; als vorpaulinische Tradition bei Schweizer, Röm 1,3f, 180-181; Wegenast, Tradition, 71; Kramer, Christos, 105; als vorpaulinische Redaktion einer frühen Glaubensformel bei Schlier, Zu Röm 1,3f, 211-218; Jewett, Redaction, 113; nach Linnemann, Tradition, 275; Theobald, Glaubensformel, 104-105, ist nur κατα` σα' ρκα paulinische Hinzufügung. Paulus verwendet α� γιωσυ' νη in 2Kor 7,1; 1Thess 3,13.

Präskript: Absender, Adressaten, Gruß 1,1-7 79 ———————————————————————————————————— Paulus-briefe nicht das gesamte von Paulus in seinem Verkündigungs- und Lehrdienst verwendete Vokabular ausmacht, ist das Etikett „unpaulinisch“ für diese Wendungen spekulativ. 7. Das Argument, die davidische Herkunft Jesu spiele bei Paulus sonst keine Rolle, ist nicht ganz richtig:17 Paulus bezeichnet Jesus in Röm 15,12 als Erfüllung der Verheißung von Jes 11,10, in der von der „Wurzel Isais“ die Rede ist, d.h. Jesus ist der Sohn Davids; in Gal 3,16 argumentiert Paulus, dass der Messias Jesus der in Gen 15,18 verheißene „Same“ (σπε' ρμα) Abrahams ist, da er der in 2Sam 17,12 verheißene „Same“ (σπε' ρμα) Davids ist – nach alttestamentlicher und jüdischer Tradition18 wird die Abrahamverheißung im davidischen Messias erfüllt. Nach dem lukanischen Bericht in Apg 13,23 war die davidische Herkunft Jesu Teil der Missionspredigt des Apostels. 8. Das Argument, die „adoptianistische Sprache“ in V. 4a widerspreche der paulinischen Betonung der Präexistenz Jesu als Sohn Gottes, wird überflüssig, wenn man sieht, dass Paulus auf Ps 2,7-8 („Mein Sohn bist du. Heute habe ich dich gezeugt. Fordre von mir und ich gebe dir die Völker zum Erbe, die Enden der Erde zum Eigentum“) anspielt: Die Auferstehung Jesu eröffnet seinen Dienst für bzw. seine Herrschaft über die Völker (vgl. Röm 15,8.12), deren Apostel Paulus ist (11,13), das Instrument, durch das der Messias Jesus den Gehorsam des Glaubens unter den Völkern aufrichtet (1,1.5-6).19 Wer die zuletzt genannten Argumente nicht überzeugend findet, sollte zumindest die Möglichkeit nicht außer Acht lassen, dass Paulus ganz sicher in der Lage war, eine auf die Bedeutung Jesu zugespitzte Zusammenfassung des Evangeliums in formelhafter Sprache zu formulieren. Als ausgebildeter jüdischer Theologe und als Verkündiger des Evangeliums vor jüdischen und heidnischen Zuhörern war er nicht nur in jüdischen und frühchristlichen Glaubensformeln versiert, sondern konstant vor die Notwendigkeit gestellt, christliche Grundüberzeugungen prägnant zusammenzufassen.20 Außerdem sollte beachtet werden: Die Frage, ob 1,3-4 vorpaulinische Traditionen enthalten, darf die Interpretation dieser beiden Verse nicht kontrollieren.21 Hypothetische Rekonstruktionen dürfen nicht wichtiger werden als der Wortlaut des Textes. Paulus trägt die Formulierungen in V. 3-4 als eigene theologische Grundüberzeugungen vor.

5. Die Erläuterung zu seinem Wirken als Apostel in V. 5 hat fünf Elemente: Es wurde ihm von Jesus Christus aufgetragen, es hat mit der Gnade Gottes zu tun, es hat universale Relevanz für alle Heiden, es führt Menschen zum Glauben an Jesus Christus und es befördert den Gehorsam der Glaubenden zur Ehre des Namens Jesu Christi. In V. 6 benennt Paulus die Zugehörigkeit ————————————————————

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Scott, Adoption, 233; Whitsett, Son of God, 664-674. Im Targum von Ps 89,3-4 finden wir dieselbe Verbindung von Abrahamsverheißung und dem „Samen“ Davids („Ich habe einen Bund mit Abraham gemacht, meinem Erwählten, ich habe meinem Knecht David geschworen: Ich gebe deinem Samen Bestand bis in Ewigkeit“; vgl. Whitsett, Son of God, 672. Vgl. Whitsett, Son of God, 276-278.280-281. Gegen eine adoptianistische Interpretation wenden sich Stuhlmacher, Theologie I, 186-187; Hengel, Präexistenz, 300; Häusser, Christusbekenntnis, 196-205. Wright 416-417; Kruse 49. Die von Calhoun, Gospel, 106-119 vorgeschlagene Herleitung von griechisch-römischen mythologischen Epitheta ist für Paulus wenig plausibel. Wie dies wieder bei Jewett 103-108 der Fall ist. Wolter I 78 folgert, dass sich in 1,3b-4a „Traditionelles und Paulinisches so miteinander verbindet, das sich das eine nicht mehr vom anderen trennen lässt“.

80 Römerbrief ————————————————————————————————————

der in der Stadt Rom lebenden Menschen zum Bereich seines ihm von Gott zugewiesenen apostolischen Wirkungsbereichs. 6. Die Adressenangabe in V. 7 („an alle in Rom“) wird durch zwei Elemente erweitert: Paulus beschreibt die Jesusbekenner in Rom als „die von Gott geliebt sind“ und als „die berufenen Heiligen“. In V. 6 wurden sie im Blick auf ihre geographische und ethnische Lokalisierung charakterisiert: Sie leben inmitten der „Völker“, unter denen Paulus das Evangelium verkündigt, und sie sind „Berufene des Messias Jesus“. Der Gruß in V. 7, mit dem Grundmuster „Gnade sei mit euch und Friede“ (χα' ρις υ� μιñν και` ει� ρη' νη) wurde auf vierfache Weise erklärt. 1. Paulus nimmt eine liturgische Formulierung auf, die urchristliche Gottesdienste eingeleitet haben kann.22 Diese Erklärung scheitert an der Tatsache, dass die Variation des Segensgrußes in urchristlichen Briefen gegen eine Herkunft aus fest geprägter liturgischer Praxis spricht; artikellose Substantive verweisen nicht automatisch auf liturgische Sprache. 2. Paulus kombinierte den ει� ρη' νη-Gruß hellenistisch-jüdischer Briefe mit χα' ρις, in bewusster Anspielung an den χαι'ρειν-Gruß griechisch-römischer Briefe.23 Diese Erklärung kann ebenfalls nicht überzeugen: Eine absichtliche Kombination griechischer und semitischer Formen ergibt eine Wendung, wie wir sie in 2Makk 1,1 finden (χαι'ρειν … και` … ει� ρη' νην α� γαθη' ν), nicht χα' ρις υ� μιñν και` ει� ρη' νη; außerdem ist es wenig wahrscheinlich, dass die paulinische Verwendung von χα' ρις als Anspielung auf den griechischen Gruß χαι'ρειν verstanden worden wäre, zumal es rein jüdische Briefe gibt, in denen „Friede“ neben anderen Ausdrücken vorkommt. 3. Das Präskript urchristlicher Briefe ist von Segensformeln abzuleiten, nicht von antiken Briefeingängen: Der Briefanfang mit einer Segensformel kennzeichnet den frühchristlichen Brief als apostolische Rede mit Offenbarungsanspruch.24 Diese These scheitert an der Tatsache, dass Gott nicht der eigentliche Sender der urchristlichen Briefe ist (Paulus bezeichnet Gott und Jesus Christus als die Quelle von „Gnade und Friede“ und sich selbst als Sender seiner Briefe), dass die Nennung von Mitsendern in einigen Paulusbriefen schwierig zu erklären wäre, und dass sich nichtbriefliche Segnungen und „formelhafte“ Grüße nicht aus————————————————————

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Lohmeyer, Grußüberschriften, 162. Zur Kritik s. Friedrich, Lohmeyers These, 103-106; Doering, Letters, 409. Lietzmann 22; vgl. Wilckens I 69; Lohse, Kolosser und Philemon, 33; Arzt-Grabner, Philemon, 116; Klauck, Briefliteratur, 271. Zur Kritik vgl. Murphy-O’Connor, Paul the Letter-Writer, 54; Reiser, Sprache, 122; Karrer, Johannesoffenbarung, 70; Doering, Letters, 409. Berger, Apostelbrief, 190-207. Zur Kritik vgl. Schnider/Stenger, Studien, 25-29; Karrer, Johannesoffenbarung, 70-71; Standhartinger, Studien, 70-71; Doering, Letters, 409-412.

Präskript: Absender, Adressaten, Gruß 1,1-7 81 ————————————————————————————————————

schließen. 4. Paulus hat jüdische (nordwestsemitische) Modelle mit urchristlichen Wendungen und einer wahrscheinlich von ihm selbst veranlassten binitarischen Akzentuierung („von Gott … und von dem Herrn Jesus Christus“) integriert.25 Diese Erklärung ist naheliegend. Was die jüdische liturgische Tradition betrifft, so ist der aaronitische Segen in Num 6,24-26 besonders relevant,26 wobei Paulus das Wort ε» λεος („Gnade, Barmherzigkeit“) bzw. das Verb ε� λεε' ω durch χα' ρις („Gnade“) ersetzt, einen der wichtigsten Begriffe seiner Theologie (s. zu 1,5), verstanden als Gottes rettenden Hulderweis, mit dem Paulus seinen Briefgruß mit einer eigenen, konkreten theologischen und christologischen Akzentuierung formuliert.27 Die Selbstvorstellung von Paulus in 1,1-6 weist Überschneidungen mit der Beschreibung seines apostolischen Auftrags in 15,15-21 auf: 1,1 ευ� αγγε' λιον θεουñ / 15,16 το` ευ� αγγε' λιον τουñ θεουñ ; 1,1-4 ευ� αγγε' λιον … περι' … � Ιησουñ Χριστουñ / 15,19 το` ευ� αγγε' λιον τουñ Χριστουñ ; 1,5 ε� λα' βομεν χα' ριν / 15,15 τη` ν χα' ριν τη` ν δοθειñσα' ν μοι; 1,5 ει� ς υ� πακοη` ν πι'στεως / 15,18 ει� ς υ� πακοη` ν ε� θνω ñ ν; 1,5 ε� ν παñ σιν τοιñς ε» θνεσιν / 15,16 ει� ς τα` ε» θνη; 1,7 α� γι'οις / 15,16 η� γιασμε' νη.28 Textkritische Anmerkungen. Die meisten Handschriften schreiben in V. 1 � Ιησουñ Χριστουñ (‫ א‬A G K L P Ψ 33 1175 1739 2464 Byz), was wohl als sekundäre Angleichung an V. 4.6.7.8 zu gelten hat; zwei Handschriften des 4. Jh. (d10 B; vgl. 81) schreiben Χριστουñ � Ιησουñ (so auch 2Kor 1,1; Phil 1,1; Kol 1,1; 2Tim 1,1; vgl. 1Kor 1,1, ebenfalls mit der – schlechter bezeugten – Variante � Ιησουñ Χριστουñ ). Die Auslassung der Adressatenangabe ε� ν � Ρω' μη, in V. 7 (G 1739mg 1908mg Or)29 ist wohl das Resultat einer bewussten Entscheidung, die den Römerbrief als einen für die gesamte Kirche relevanten Paulusbrief erscheinen lassen wollte.30 Der Formulierung α� γαπητοιñς θεουñ in V. 7 gebührt aufgrund der besseren Bezeugung (d10, 26 ‫ א‬A B C Ψ 81 1739 vg syr cop arm) der Vorzug gegenüber ε� ν α� γαπη` θεουñ (G it vgmss). ————————————————————

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Wiles, Prayers, 110-112; Karrer, Johannesoffenbarung, 70; Lieu, Apostolic Greeting, 167-170; Doering, Letters, 408.412-415. Num 6,24-26: „Der Herr segne dich und behüte dich. Der Herr lasse sein Angesicht über dir leuchten und sei dir gnädig (ε� λεη' σαι σε). Der Herr erhebe sein Angesicht auf dich und gebe dir Frieden (δω', η σοι ει� ρη' νην)“. Num 6,25-26: ε� πιφα' ναι κυ' ριος το` προ' σωπον αυ� τουñ ε� πι` σε` και` ε� λεη' σαι σε ε� πα' ραι κυ' ριος το` προ' σωπον αυ� τουñ ε� πι` σε` και` δω', η σοι ει� ρη' νην. Vgl. Breytenbach, Charis, 275-276; Doering, Letters, 412-413, der für die Kombination von ε» λεος und ει� ρη' νη auf Tob 7,11[12] GII und für die Kombination von ε» λεος und χα' ρις auf Weish 3,9; 4,15 verweist. Weima, Preaching, 354-355; Wolter I 76. Von Zahn 51.615-617, bevorzugt. Metzger, Textual Commentary, 446; s. die Diskussion von Harnack, Zu Röm. 1,7; Zuntz, Text, 228-229 Anm. 1; Gamble, Textual History, 16-33: Diese Variante gehörte zu einer Textform des Römerbriefs, die Röm 15–16 nicht enthielt und Origenes bekannt war.

82 Römerbrief ————————————————————————————————————

III

1 Paulus nennt zuerst seinen Namen als der Absender des Briefes, in Über-

einstimmung mit dem griechisch-römischen Briefformular.31 Der Name Paulus (Παυñ λος) ist kein ursprünglich griechischer Name, sondern ein Name, der sehr wahrscheinlich von dem lateinischen Adj. paulus („gering, winzig, klein“) abgeleitet ist und spätestens in der Kaiserzeit als (nichtchristlicher) Eigenname verwendet wurde.32 Παυñ λος ist entweder das supernomen des Apostels, d.h. sein lateinisch klingender Beiname, oder das cognomen, d.h. der Individualname, der das praenomen ergänzt und später ersetzt. Da Paulus römischer Bürger war, ist „Paulus“ eher cognomen. Als Sohn von Eltern, die das römische Bürgerrecht hatten (Apg 22,28), wurde Paulus schon von Kind an „Paulus“ genannt.33 Da seine Eltern konservative Juden waren (vgl. Phil 3,5), hatte er zugleich einen hebräischen Namen: Saul (‫ ;ָׁשאּול‬griech. Σαου' λ, Apg 9,4; Σαυñ λος, Apg 7,58; 8,1.3; 9,1.8.11), nach dem ersten König Israels, der, wie die Familie des Apostels, zum Stamm Benjamin gehörte (Phil 3,5; Röm 11,1).34 Paulus stellt sich als Sklave des Messias Jesus vor. Wie ein Sklave (δουñ λος [doulos]; lat. servus) seinem Besitzer (κυ' ριος [kyrios]; lat. dominus; vgl. V. 4) gehört, so gehört Paulus Jesus (� Ιησουñ ist genitivus possessoris).35 ————————————————————

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Vgl. Doering, Letters, 116.506, der zeigt, dass das griechisch-römische Briefformular die zeitgenössischen aramäischen Briefe beeinflusst hat. Reichsaramäische Briefe des 5. Jh. v.Chr. verwenden das Formular „Von A an B“ oder das Formular „An B, A“ (ebd. 116). Vgl. Schwiderski, Handbuch, 102-111. Breytenbach, Name, 465, u.a. mit Verweis auf die Inschrift IG X 2 / 2 75,51-52, die aus dem 1. Jh. n.Chr. stammt. Breytenbach, ebd. 468-476, zeigt, dass der Name Παυñ λος in den Gebieten Kleinasiens, in denen Paulus als Missionar gewirkt hat, in den folgenden Jahrhunderten populär war. Zu den Konventionen römischer Namen, die aus den drei Elementen praenomen / nomen / cognomen bestanden, vgl. H. Rix / J.L. García Ramón, Art. Personennamen, DNP IX, 622-631. So schon Origenes I 70-75, aufgenommen u.a. von Calvin 40-43. Zum Namen und zur Herkunft von Paulus vgl. Riesner, Frühzeit, 126-129; Schnabel, Urchristliche Mission, 887-890. Der Name „Paulus“ ist nur für sehr wenige Juden bezeugt: von Paulus / Saul aus Tarsus abgesehen (Ilan, Lexicon of Jewish Names, I, 336 „Paulus“ Nr. 1; III, 529 „Paulus“ Nr. 1; IV, 336 „Paulus“ Nr. 1) in Palästina sonst nur noch für sechs Personen, in der westlichen Diaspora für fünf und in der östlichen Diaspora für zwei Personen. Vgl. Ilan, ebd. I, 336; II, 289; III 529-530; IV, 336. In Palästina war der Name „Saul“ häufig: 32 Belege für die Zeit von 330 v.Chr. bis 200 n.Chr., 12 Belege zwischen 200–650 n.Chr.; 5 Belege für die westliche Diaspora, keine Belege für die östliche Diaspora. Vgl. Ilan, Lexicon of Jewish Names, I, 211-213.449; II, 164-165.439; III, 148; Ilan listet Paulus / Saul für Palästina (I, 211, Nr. 3) und die westliche Diaspora (III, 148, Nr. 1). HvS §159b: besitzanzeigender Genitiv. Paulus verwendet dieselbe Bezeichnung für sich und Timotheus in Phil 1,1.

Präskript: Absender, Adressaten, Gruß 1,1-7 83 ————————————————————————————————————

Die Übersetzung „Knecht“36 oder „Diener“37 gibt den antiken Sachverhalt nicht wirklich wieder: Weder ein Knecht noch ein Diener gehören ihrem Arbeitgeber. Gerade dies ist bei der Beziehung zwischen Sklave und Herr der Fall: Der Sklave gehört, im rechtlichen Sinn ganz buchstäblich, dem Herrn, der ihn gekauft hat. Die Macht (lat. potestas) eines Herrn über seine Sklaven ist unbeschränkt; sie erstreckt sich auf das Leben und den Tod des Sklaven (ius vitae necisque).38 Es ist wenig überzeugend, den Ausdruck „Sklave Christi Jesu“ als Hoheitsaussage im Sinn von „königlicher Beamter“ oder kaiserlicher Bürokrat verstehen zu wollen.39 Der Ausdruck „Sklave Jesu Christi“ unterstreicht den bewussten „Verzicht auf Selbstinszenierung“.40 Paulus bezeichnet nicht nur sich selbst, sondern jeden Jesusbekenner als „Sklave des Messias“ (1Kor 7,22; Eph 6,6; vgl. Kol 4,12). Christen „gehören“ Jesus, dem Auferstandenen (Röm 7,4; 8,9; 1Kor 3,23; 15,23; Gal 5,24), weil sie mit dem Preis des Kreuzestodes Jesu „gekauft“ wurden und deshalb nicht sich selbst gehören (1Kor 6,19-20). Die „Freiheit“ der Jesusbekenner, von der Paulus spricht, ist die Freiheit von der Macht der Sünde (Röm 6,7.18.20.22) und vom Gesetz der Sünde und des Todes (7,6; 8,2). Christen waren vor ihrer „Freilassung“ keine „Sklaven“ Jesu Christi; sie sind deshalb nicht die „Freigelassenen“ Jesu Christi und als solche diesem als patronus zum weiteren Dienst verpflichtet.41 Christen gehören nicht „zu“ Jesus: Sie „gehören“ Jesus als dominus (κυ' ριος), der Befehlsgewalt über sie besitzt.42 Weil Paulus die Sklaven-Metapher für alle Christen verwendet, wird die Selbstbezeichnung als δουñ λος in 1,1 manchmal als Erklärung interpretiert, dass Paulus wie alle Glaubenden zu Jesus Christus gehört.43 Dies ist ebenfalls wenig überzeugend: Paulus muss sich nicht als ————————————————————

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Elb.Ü, EÜ, LÜ, SB, ZB; Elb.Ü hat „Sklave“ in einer Anmerkung. Wilckens I 55, übersetzt mit „Sklave“; Lohse 57, übersetzt mit „Knecht“, erklärt aber im Sinn des Sklaven (ebd. 60). NGÜ; vgl. GN („Paulus, der Jesus Christus dient“). So auch Haacker 21. Vgl. Kaser, Privatrecht, 78-81. Vgl. Jewett 100, der δουñ λος Χριστουñ � Ιησουñ im Anschluss an die Sklaven des kaiserlichen Haushalts, die als „Sklaven Cäsars“ (Caesaris servus) bekannt waren, als technischen Ausdruck verstehen will, der auf die Zugehörigkeit zur familia Caesaris anspielt. Vgl. Martin, Slavery, 50-51; Brown, Use, 723-737. Aus Phil 4,15 (in Rom geschrieben) kann man schwerlich schließen, dass ein gewichtiger Teil der stadtrömischen Christen, an die Paulus schreibt, zur familia Caesaris gehörten. Zur Kritik Bradley, Slavery, 152. Vorholt, Versöhnung,186, der fortfährt: „Die Würde des Sklaven erschließt sich ihm von seinem Herrn her, dem er zu Diensten steht“. Nicht plausibel ist deshalb Wolter I 79, der aus der Nennung von drei Merkmalen als Näherbestimmung zu seinem Namen schließt, dass Paulus sich den Adressaten „als bedeutend und wichtig präsentieren will“. S. jedoch 1Kor 7,22. Harris, Slave of Christ, 110-111.150. Zu κυ' ριος s. V. 4. Vgl. Byron, Slavery Metaphors, 180.

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an Jesus Glaubender und deshalb zu Jesus Gehörender vorstellen. Wichtig ist die Verwendung von δουñ λος im Alten Testament (LXX), in dem das Wort „Sklave“ ein breiteres Bedeutungsspektrum hat: Abraham (Ps 105,42), Mose (2Kön 18,12; vgl. Dan 9,1144), Josua (Jos 24,29; Ri 2,8), David (2Sam 7,5; Ps 78,70; 89,4) und die Propheten (Am 3,7; Sach 1,6) werden als „Sklaven“ bzw. „Diener“ Jahwes (‫ ;ֶעֶבד יהוה‬griech. δουñ λος κυρι'ου) bezeichnet, wie auch das Volk Israel, dass Jahwe dient (Deut 32,36 LXX; Jos 14,7; Ri 2,7; 1Sam 7,4; Ps 2,11; 19,12; 100,2; Neh 1,6).45 Paulus konnte auch an den „Knecht Jahwes“ (‫ )ֶעֶבד יהוה‬von Jes 49,1-7 denken, der den Auftrag erhält, die Stämme Jakobs wieder aufzurichten, die Bewahrten Israels zurückzubringen, ein „Licht für die Völker“ zu sein und Gottes Heil bis an das „Ende der Erde“ zu tragen.46 Es ist allerdings unklar, ob die ersten Leser, die größtenteils Heidenchristen waren, bei der ersten Zeile des Briefs an diese begrifflichen Zusammenhänge gedacht haben.47 Für δουñ λος sollte man deshalb die im 1. Jh. weitaus üblichste Bedeutung annehmen. Paulus ist „Sklave“ Jesu: Er gehört Jesus, er ist Jesus gehorsam, er arbeitet für Jesus, er ist von Jesus beauftragt und autorisiert.48 In der Wendung δουñ λος Χριστουñ � Ιησουñ hat Χριστο' ς [Christos] titulare Bedeutung: Paulus gehört als „Sklave“ dem Messias Jesus.49 Das Wort Χριστο' ς,50 die Übersetzung von hebr. ‫[( ָמִׁשיַח‬māschīach]; „der Gesalbte“), ————————————————————

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Dan 9,11 ‫ ֶ ֽעֶבד־ָהֱאל ִֹהים‬wird in der LXX mit παιñς θεουñ übersetzt; die Theodotion-Version übersetzt mit δουñ λος τουñ θεουñ . Cranfield 50; Käsemann 3; Dunn I 7; Keener 19; vgl. Hultgren 41; Wolter I 79-80: Mittler zwischen Gott und seinem Volk werden oft als δουñ λοι bezeichnet; richtig ist die Zurückweisung von Jewett 100-101, nach dem Paulus sich mit dem Ausdruck von der römischen familia Caesaris absetzen will, deren Mitglieder sich Caesaris servus nannten. Dunn I 8 sieht eine Anspielung auf Jes 49,1-8: Paulus will wahrscheinlich seinen Dienst unter den Heiden als Erfüllung von Israels Bundesrolle und als Umsetzung von Jesu Rolle als Gottesknecht beschreiben. Zu beachten ist, dass Gehorsam bei diesen atl. Stellen immer auch eine Rolle spielt. Vgl. Doering, Letters, 398, der in diesem Zusammenhang betont, dass Paulus nicht als Privatperson schreibt. Haacker 22-23 will „Sklave“ wegen der negativen Vorstellung einer „entwürdigenden Abhängigkeit“ vermeiden und „eine ausschließlich positiv zu verstehende Funktionsbezeichnung“ verwenden. Dieses Argument ist eher modernen Sensibilitäten gegenüber der Institution der Sklaverei verpflichtet als historisch-kontextueller Exegese (Fitzmyer 231 im Blick auf die Übersetzung mit „servant“ in englischen Bibelübersetzungen). Die genannten Stellen zeigen, dass Christen für Paulus Jesus „gehören“. Stuhlmacher 21; Haacker 23; Kruse 39; vgl. Käsemann 3; Wilckens 61 Anm. 24. Anders W. Grundmann, ThWNT IX, 533-534; Kramer, Christos, 131-148.203-214. F. Hahn, EWNT III, 1149: An den Stellen, wo Χριστο' ς mit � Ιησουñ ς verbunden ist, bleibt die titulare Bedeutung von Χριστο' ς erhalten; vgl. Karrer, Der Gesalbte, 48-64; Wright, Climax, 4155; Hurtado, Lord Jesus Christ, 98-101; Novenson, Christ. Paulus verwendet Χριστο' ς 383 Mal bei insgesamt 531 Belegen im NT; die Formulierung Χριστο' ς � Ιησουñ ς finden wir 91 Mal, � Ιησουñ ς Χριστο' ς 127 Mal.

Präskript: Absender, Adressaten, Gruß 1,1-7 85 ————————————————————————————————————

als „Messias“ transkribiert, wies für Judenchristen auf Jesus als die von Gott autorisierte endzeitliche Gestalt, die als Bevollmächtigter Gottes handelt.51 Die messianischen Hoffnungen des Frühjudentums sind in prophetisch-endzeitlichen Zusammenhängen beheimatet und auf herrscherlich-königliche, priesterliche und prophetische Funktionen konzentriert. Auf dem Hintergrund alttestamentlicher Überlieferungen erwarteten die Juden den „idealen“ endzeitlichen Repräsentanten, „den Stellvertreter des Volkes vor Gott und den Stellvertreter Gottes vor dem Volk. Zu dieser Stellvertretung ist er erwählt und gesalbt mit heiligem Öl, d.h. dem heiligen Geist“.52

Die Übersetzung „Messias“ erinnert an diesen atl. und frühjüdischen Hintergrund. Da die Menschen der Antike Salbungsriten kannten, die auf dem Prinzip basierten: „wer/was gesalbt ist, ist heilig, Gott nah, Gott übergeben,“53 eignete sich der Titel „der Gesalbte“ als ideale Bezeichnung Jesu in der paulinischen Mission.54 Χριστο' ς wurde erst später zu einem Eigennamen. Wenn Paulus auf Griechisch betete, sprach er von Χριστο` ς � Ιησουñ ς [Christos Iēsous], wenn er auf Hebräisch betete, von ‫[ ֵיׁשו ַּע ַהָּמִׁשיַח‬Jeschūac hammāschīach], d.h. vom Messias Jesus. Als „Sklave des Messias Jesus“ ge-hört Paulus Jesus als seinem Herrn, dem er mit uneingeschränktem Gehorsam dient.55 Jesus (� Ιησουñ ς) ist der ins Griechische transkribierte und mit einem angefügten Sigma (zur Erleichterung der Deklination) versehene hebräische Name Jeschua (‫)ֵיׁשו ַּע‬, ursprünglich Josua/Joschua bzw. Jehoschua (‫)ְיה ֹוׁשו ַּע‬, mit der Bedeutung „Jahwe ist Hilfe“ (‫ יהוה‬+ ‫)ׁשוע‬.56 In der LXX wird der Name � Ιησουñ ς für Josua, den Sohn Nuns verwendet (Ex 17,9-10; 24,13; Num 11,28; 14,6; Jos 1,1, u.a.) sowie für andere Personen (Hag 1,1; Sach 3,1). Der Name ————————————————————

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Zur endzeitlichen Gestalt des Messias im Judentum und Urchristentum s. Charlesworth, Messiah; Laato, Star; Zimmermann, Messianische Texte; Collins, Scepter; Horbury, Jewish Messianism; Horbury, Messianism. Zum messianischen Anspruch Jesu s. Stuhlmacher, Theologie I, 107-124; Wright, Jesus and the Victory of God, 477-539; Hengel/Schwemer, Anspruch. Schwemer, Jesus Christus, 170. Karrer, Der Gesalbte, 211. Schnelle, Heilsgegenwart, 181. Karrer, Jesus Christus, 141, betont im Blick auf den kulturgeschichtlichen Kontext der antiken sakralen Salbungen, dass „die semantische Verdichtung ‚Gesalbter‘ nur in Israel“ begegnet. Wilckens I 61, kommentiert: „Die völlige Hörigkeit diesem Herrn gegenüber hebt jegliche Abhängigkeit von Menschen auf“. Wilckens, ebd., will „Sklave Christi“ als einen in der urchristlichen Mission geläufigen „Titel für den Missionar“ verstehen. HAL II, 379 s.v. ‫ְיה ֹוׁשו ַּע‬. Philo, Mut. 121 schreibt: „Jesus (bedeutet) aber ‚Heil des Herrn‘ (� Ιησου ñ ς δε` [ε� ρμηνευ' εται] σωτηρι' α κυρι' ου), Name der besten Verhaltungs-weise“. Vgl. W. Foerster, ThWNT III, 284-294; G. Schneider, EWNT II, 440-452; K.H. Rengstorf / K. Haacker, ThBLNT II, 1052-1053.

86 Römerbrief ———————————————————————————————————— Joschua (‫ )ְיה ֹוׁשו ַּע‬ist der erste theophore Name im Alten Testament. Seit dem 2. Jh. n.Chr. wird der Name Jeschua von Juden nicht mehr als Eigenname verwendet; in der rabbinischen Literatur finden wir die ältere, vorexilische Langform (Jehoschua) des Namens. Im 1. Jh. war der Name unter Juden immer noch als Eigenname gebräuchlich, sowohl in hebräischen, aramäischen als auch griechischen Texten und Inschriften; Josephus nennt neunzehn Personen mit dem Namen � Ιησουñ ς.57 Im Neuen Testament kommt der Name über 900 Mal für Jesus von Nazareth vor,58 sechs Mal für andere Personen: für Josua den Sohn des Nun (Apg 7,45; Hebr 4,8), für den Sohn des Eliezer in der Ahnentafel Jesu (Lk 3,29), als Beiname des Barabbas (Mt 27,16-17 in den griech. Manuskripten Θ f1 700*), für einen Mitarbeiter des Paulus (Kol 4,11), als Name des jüdischen Magiers auf Zypern (Apg 13,6: Barjesus, d.h. „Sohn des Jesus“).

In der zweiten Selbstbezeichnung beschreibt sich Paulus als Missionar: berufen zum Apostel (κλητο` ς α� πο' στολος). Das Verbaladjektiv κλητο' ς, das dem Hebräischen ‫ קרא‬entspricht, bezeichnet im Neuen Testament Gottes gnadenhaften Aufruf zu Leben und Heil – ein Ruf, der zugleich immer ein Aufruf zu Glaube und Gehorsam ist. Für Paulus sind alle Jesusbekenner „Berufene“ (κλητοι'; 1,6-7; 8,28; 1Kor 1,2.24). Während jedoch alle Christen vom Evangelium „gerufen“ wurden, wurde Paulus von Gott zum „Apostel“ berufen (vgl. 1Kor 1,1). Das Wort „Apostel“ (α� πο' στολος) wird im NT in dreifacher Hinsicht verwendet: 1. als allgemeine Bezeichnung für einen Gesandten (Joh 13,16; 2Kor 8,23; Phil 2,25); 2. als Bezeichnung der Zwölf (Apg); 3. als Bezeichnung von Missionaren wie Barnabas und Paulus (Apg 14,14) sowie Andronicus und Junia (Röm 16,7). Die LXX übersetzt mit dem Verb α� ποστε' λλω [apostellō] in über 700 Stellen das hebräische Verb ‫[ ׁשלח‬schalach], das an über 450 Stellen die Sendung einer Person bezeichnet („jemanden [in einem bestimmten Auftrag/ als Boten] senden / schicken“). Gott sendet einzelne Menschen als seine Werkzeuge (z.B. Joseph, Gen 45,5.7), als Retter des Volkes (z.B. Gideon, Ri 6,14); als „Gesandte“ bzw. „Boten“ Gottes werden auch die Propheten bezeichnet (z.B. Mose, Ex 3,14-15; Samuel, 1Sam 15,1; Jesaja, Jes 6,8; Jeremia, Jer 19,14; Hesekiel, Hes 2,3-4). Das Verb „sagt über den Sendenden aus, daß er über Boten verfügt und entweder eine Information / Sache überbringen oder einen Anspruch gegenüber Dritten geltend machen will“; Objekte des Verbs „sind dementsprechend Personen, von denen der Sendende Gehorsam und Bereitschaft zum Botendienst erwarten kann“.59 Karl Heinrich Rengstorf hatte den urchristlichen apostolos im Zusammenhang des jüdischen Rechtsinstituts des schālīach (hebr. ‫ׁשליח‬, „der Gesandte“) verstanden, der entsprechend dem Grundsatz „der Beauftragte (schālūach) ist wie dieser ————————————————————

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Ilan, Lexicon of Jewish Names, I, 126-133.149; II, 103-106; III, 103-105; IV, 85-86.429. In der Liste der zwanzig beliebtesten Namen steht Josua (‫ְיה ֹוׁשו ַּע‬/� Ιησουñ ς) in Palästina (300 v.Chr.–200 n.Chr.) an sechster Stelle (nach Simon, Josef, Judah, Eleazar und Yohanan), zwischen 200 und 650 n.Chr. an elfter Stelle (nach Judah, Josef, Simon, Isaak, Jakob etc.); in der Diaspora (330 v.Chr.–650 n.Chr.) im Westen an fünfzehnter Stelle; im Osten kommt Josua in der Liste der zwanzig beliebtesten Namen nicht vor. Vgl. Ilan, ebd. I, 56; II, 47; III, 63; IV, 46. Ilan, Lexicon of Jewish Names, I, 126, als 13. Name unter ‫יהושע‬. J.-A. Bühner, EWNT I, 341.

Präskript: Absender, Adressaten, Gruß 1,1-7 87 ———————————————————————————————————— selbst“ (mBer 5,5) seinen Auftraggeber vollmächtig vertritt und repräsentiert. 60 Rengstorf nahm an, dass der jüdische schālīach-Begriff juristisch und institutionell festgelegt war und von der prophetischen Sendung unterschieden werden müsse. Diese Überzeugung hat sich nicht halten können.61 1. Das jüdische Rechtsinstitut des schālīach ist erst nach dem Jahr 70 entstanden, als schālīach zur Bezeichnung für eine Person mit amtlicher Funktion wurde im Sinn von „offiziellen Beauftragten des großen Synedriums, die in der Diaspora die Abgaben für die Zentralbehörden erhoben, Visitationsreisen unternahmen, Kollekten für die palästinischen Gelehrten einsammelten und Bibel- und Mischnalehrer einführten“.62 Vor dem Jahr 70 war schālīach bloßer Autorisationsbegriff, dessen konkrete Füllung vom jeweiligen Auftraggeber und der Art des Auftrags bestimmt wurde. 2. Der rabbinische schālīach hat einen meist klar begrenzten und zeitlich befristeten Auftrag von der Institution, die ihn sendet. Er hat keinen göttlichen Verkündigungsauftrag; es handelt sich auch nicht um einen religiösen Begriff, etwa für jüdische Missionare. 3. Die Sendung von Boten war ein weit verbreitetes Phänomen in der jüdischen wie in der griechisch-römischen Welt. Es ist deshalb wenig sinnvoll, den Begriff des „Apostels“ von einer einzigen Tradition herzuleiten.63 Strukturelle Ähnlichkeiten zwischen dem rabbinischen schālīach und dem urchristlichen apostolos bleiben trotz der Korrektur an Rengstorf bestehen; vor allem die Bevollmächtigung und die persönliche Stellvertretung sind wichtig. „Der Bevollmächtigte ist rechtlich und persönlich der Repräsentant seines Auftraggebers. Er ist durch die ihm erteilte Sendung berechtigt und verpflichtet, in selbständiger Entscheidung dessen Interessen zu vertreten. Die Sendung gilt nur in seiner Abwesenheit und erlischt im Augenblick der Rückkehr des Gesandten zu ihm.“ 64 Der neutestamentliche Gebrauch von apostolos stellt „keine gezielte Einführung eines klar definierten Begriffs“ dar, sondern ist eine „semantische ‚Lücke‘ im verfügbaren Wortschatz“ mit engeren und weiteren Bedeutungen.65 Das urchristliche Verständnis von α� πο' στολος [apostolos] ergibt sich aus Mk 3,13-15: Jesus erwählt (θε' λω) die Zwölf, ruft sie zu sich (προσκαλε' ω), setzt sie ein (ποιε' ω) und sendet sie aus (α� ποστε' λλω) zur Verkündigung (κηρυ' σσειν). Sie sind Boten, die zu anderen Menschen hingehen, um die Botschaft, die Jesus verkündigt, nun ihrerseits zu verkündigen. Sie erhalten Vollmacht (ε� ξουσι' α), in Mk 3,15 Macht über Dämonen: Sie werden wie Jesus Menschen von der Macht des Bösen befreien, d.h. sie haben Anteil an der Vollmacht Jesu.66 Entscheidend ist die Wirklichkeit von Bevollmächtigung und Stellvertretung.

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K.H. Rengstorf, α� πο' στολος, ThWNT I, 406-446. Vgl. J. Roloff, Apostel / Apostolat / Apostolizität. I. Neues Testament, TRE III, 430-445; J.-A. Bühner, EWNT I, 342-51; K. Haacker, ThBLNT II, 1654-1667; vgl. Vorholt, Versöhnung, 52-92, der auch die Apostolatsmetaphern Sklave, Diener, Mitarbeiter Gottes, Untergebener Christi, Verwalter von Geheimnissen Gottes, Vater und Mutter der Gemeinde, weiser Architekt, Vorbild behandelt. Roloff, Apostel, TRE III, 432. Mitchell, Envoys, 645 mit Anm. 13. Mitchells Versuch, die urchristlichen „Gesandten“ von der zeitgenössischen Diplomatie und ihren Konventionen abzuleiten, ist im Blick auf inhaltliche Parallelen attraktiv, wird aber durch die Tatsache erschwert, dass die Ausdrücke presbeuein und presbeia insgesamt nur vier Mal im NT vorkommen, was trotz der wichtigen Stelle 2Kor 5,20 den Vorschlag spekulativ erscheinen lässt, das Verständnis der ntl. „Gesandten“ sei aus dem Bereich der Diplomatie abzuleiten. Roloff, Apostel, TRE III, 432. Haacker, ThBLNT II, 1661-1662; Lohmeyer, Apostelbegriff, 123-159; Wolter I 81. Für das Folgende s. Haacker, ebd. 1662. Das Wort apostolos war kein „Titel“, den Jesus für die Zwölf geprägt und reserviert hat, aber es gibt keinen Grund zu zweifeln, dass Jesus seine Jünger als schelūchīm (apostoloi) bezeichnet hat; vgl. Meier, Marginal Jew, III, 126; McKnight, Jesus and the Twelve.

88 Römerbrief ———————————————————————————————————— Im Blick auf die Apostelschaft von Paulus ist Folgendes festzuhalten. Petrus und Jakobus, die Jerusalemer Gemeinde und die anderen Apostel hatten die von Paulus und Barnabas verantwortete Missionsarbeit in Syrien, Zypern, Galatien und Pamphylien auf dem sog. Apostelkonzil bestätigt und anerkannt (Apg 15,1-29; vgl. Gal 2,1-10).67 In den folgenden Jahren traten judenchristliche Gegner auf, die die apostolische Autorität von Paulus in Zweifel zogen. Diese Auseinandersetzung wurde in die neu gegründeten Gemeinden in Galatien und Korinth hineingetragen (vgl. Gal 1-2; 1Kor 9,2; 15,8-10; 2Kor 10-13). Diese Gegner scheinen zwei Hauptargumente gegen Paulus als Apostel vorgebracht zu haben: 1. Paulus war nicht von Jesus vor Ostern berufen worden; 2. Paulus war zunächst von den Leitern der Jerusalemer Gemeinde abhängig, ehe er seine Missionsarbeit als unabhängiger Apostel begann. Die Möglichkeit, dass die Aktivitäten dieser Gegner die stadtrömische Gemeinde beeinflussen und seine Pläne einer Weiterführung der Missionsarbeit im Westen des Reiches gefährden könnten, ist vielleicht der Grund, weshalb Paulus im Präskript seines Briefes seine apostolische Autorität beschreibt und begründet. Diese Zusammenhänge könnten auch erklären, weshalb das Wort α� πο' στολος im Röm selten ist: Es kommt nur zwei Mal auf Paulus bezogen vor (1,1; 11,13),68 während es im viel kürzeren Galaterbrief drei Mal und in 1-2Kor insgesamt 16 Mal vorkommt.

Paulus ist als „Apostel“ der von Gott berufene (1Kor 1,1) und bevollmächtigte Stellvertreter des Messias Jesus, der autorisierte Repräsentant des Herrn, der ihn beauftragt hat, das Evangelium zu verkündigen. Entscheidend für das apostolische Selbstverständnis von Paulus ist Gal 1,15-16: Gott hat ihn schon vor seiner Geburt für diese Aufgabe auserwählt; er erfuhr seine Berufung in einer Offenbarung, in der er Jesus Christus, dem Sohn Gottes, begegnet ist; seine Berufung ist einzig und allein das Resultat der Gnade Gottes; der ihm von Gott zugewiesene Wirkungskreis sind die Völker. Paulus betont in 1Kor 15,3-10, dass er Jesus gesehen hat und von ihm beauftragt wurde, das Evangelium zu verkündigen: Er ist ein Gesandter an Christi Statt, der in seinem Namen die Botschaft von der Versöhnung proklamiert (2Kor 5,19-20). In Röm 11,13 bezeichnet er sich als „Apostel der Völker“ (ει� μι ε� γω` ε� θνω ñ ν α� πο' στολος). Paulus betont im ersten Satz seines Briefes an die Gemeinden in Rom, die er nicht selbst gegründet hat, dass seine Verkündigung des Evangeliums keine von ihm selbst gewählte Tätigkeit ist, sondern ihm von Gott aufgetragen wurde. Er schreibt kraft der Autorität, die sich aus seiner Berufung zum Apostel ergibt. In der dritten Selbstbezeichnung beschreibt Paulus seine Tätigkeit als Apostel: Er ist ausgesondert zum Evangelium Gottes. Das Partizip α� φωρισμε' νος ist passivum divinum: Gott hat Paulus „ausgesondert“, das Evangelium zu verkündigen.69 In Gal 1,15 führt Paulus seine Berufung ebenfalls ————————————————————

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Vgl. Schnabel, Urchristliche Mission, 945-958; zum Folgenden s. ebd. 981-989. Das Substantiv α� ποστολη' kommt in 1,5 vor, das Verb α� ποστε' λλειν in 10,15. In 16,7 werden andere Apostel im Zusammenhang mit Andronicus und Junia erwähnt. Macholz, Passivum divinum, spricht vom Passivum regium, d.h. vom „königlichen Passiv“, mit Verweis auf atl. Stellen wie Num 32,2; 1Sam 18,17.19; 25,18.27; 2Sam 21,5-6

Präskript: Absender, Adressaten, Gruß 1,1-7 89 ————————————————————————————————————

auf Gott zurück, der70 ihn „schon im Mutterleib auserwählt“ (ο� α� φορι'σας με ε� κ κοιλι'ας μητρο' ς μου) und „durch seine Gnade berufen“ (και` καλε' σας δια` τηñ ς χα' ριτος αυ� τουñ ) hat. Diese Erklärung seiner Berufung nimmt Jes 49,1 und Jer 1,5 auf71 und unterstreicht das prophetische Selbstverständnis des Apostels. Das Verb α� φορι'ζω bedeutet „aussondern, bestimmen zu“;72 es wird im AT für die kultische „Aussonderung“ für Jahwe verwendet, durch die Tiere, Menschen oder das ganze Volk als Gottes Eigentum geheiligt und, im Fall Aarons und seiner Söhne sowie der Leviten, für seinen Dienst reserviert werden.73 In Apg 13,2 beschreibt das Verb die Aussendung von Barnabas und Paulus von Antiochien in die Missionsarbeit auf Zypern. Das Wort spielt nicht auf die Zugehörigkeit des Apostels zu den Pharisäern an:74 Diese betonten die Absonderung weg von Unreinheit, während das Verb in 1,1 die Absonderung zu einer bzw. für eine bestimmte Aufgabe beschreibt; außerdem bezeichnet „Pharisäer“ alle Angehörigen einer bestimmten theologischen und sozialen Bewegung, während Paulus sich als von Gott Berufener bezeichnet, dem eine besondere Aufgabe innerhalb der christlichen Gemeinde zugewiesen wurde; außerdem ist nicht gesichert, dass „Pharisäer“ eine Selbstbezeichnung dieser Gruppe war.75 Im Zusammenhang von Gal 1,15 beschreibt Paulus nicht seine Bekehrung und Berufung vor Damaskus (Apg 9,1-22; 22,6-16; 26,12-18), sondern seine Erwählung zum Verkündiger des Evangeliums durch Gott bereits vor seiner Geburt, analog der göttlichen Erwählung der Propheten. Seine Tätigkeit als Verkündiger des Evangeliums ist nicht seine eigene Entscheidung, sondern die Konsequenz der Indienstnahme durch Gott; die Autorität, in der er missioniert, lehrt und ————————————————————

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als Beispiele für den „Hofstil“; s. auch Gen 42,22.28; Lev 4,20.26.31.35; 5,6.10.13.16.18; 2Kön 18,30 (Jes 36,15); Ps 130,4; Dan 9,9; Neh 9,17. Das Subjekt ο� θεο' ς fehlt zwar in d46 B F G 629 1505 (vorhanden in ‫ א‬A D Ψ 0278 33 1739 1881 Byz), ist aber aus Gal 1,16 eindeutig zu erschließen. Jes 49,1: ε� κ κοιλι' ας μητρο' ς μου ε� κα' λεσεν το` ο» νομα' μου; Jer 1,5: προ` τουñ σε ε� ξελθειñν ε� κ μη' τρας η� γι' ακα' σε. An beiden Stellen ist der Kontext ein universaler: In Jes 49,1 werden die Inseln und die Völker zum Hören aufgerufen, in Jer 1,5 wird Jeremia zum „Propheten für die Völker“ berufen. Vgl. BDAG s.v. α� φορι' ζω 2: „to select one pers[on] out of a group for a purpose, set apart, appoint). Vgl. Ex 13,12 (männliche Erstgeburt); 29,24 (Aaron und seine Söhne); Lev 13,4 (Personen mit weißem Hautfleck); 14,12 (eines der makellosen Lämmer im Reinigungsritual bei Aussatz); 20,25 (reine und unreine Tiere); 20,26 (Israel); Num 8,11 (Leviten); 15,20 (Erstlingsgabe vom Brotteig). Anders Zahn 31 („ein Pharisäer in höherem Sinne ist er noch immer“); Schlatter 17; Barrett 17; Nygren 40; Michel 68 mit Anm. 16 (zurückhaltender als in früheren Auflagen); Fitzmyer 232; vgl. Jewett 102; Kruse 40. Der Ausdruck „Pharisäer“ scheint von der mittelhebräischen u. aramäischen Wurzel ‫[„( פרׁש‬sich] absondern“) hergeleitet. Cranfield I 54; Schlier 21; Wilckens I 63; Dunn I 9; Haacker 24; Lohse 61; Penna 12.

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schreibt, ist nicht seine eigene Autorität, sondern die Autorität des von Gott Beauftragten, der im Dienst Gottes für Gott missioniert, lehrt und schreibt. Der Nachdruck liegt auf der Wendung zum Evangelium Gottes. Die Präposition ει� ς beschreibt das Ziel seiner Berufung und Erwählung: Gott, der Ursprung (gen. originis) und Urheber des Evangeliums (gen. auctoris) ist,76 bestimmte Paulus zur Verkündigung des Evangeliums.77 Das Evangelium (ευ� αγγε' λιον) ist die frohe Botschaft von der Heilstat Gottes im Kreuzestod und in der Auferweckung Jesu Christi, durch die Sünder (1,18– 3,20) Vergebung, Versöhnung und Frieden (3,21–5,11) erlangen und die Überwindung der auf Adam zurückgehenden Gottesferne und die Lösung der verfahrenen conditio humana erfahren (5,12-21). Das Wort ευ� αγγε' λιον bezeichnet hier die Botschaft, die verkündigt wird, wie die inhaltliche Beschreibung in V. 3-4 deutlich macht.78 Das Wort „Evangelium“ (ευ� αγγε' λιον [euangelion])79 ist für Paulus einer der zentralen theologischen Begriffe seiner Missionspredigt und Gemeindeunterweisung. Von 76 Vorkommen der ευ� αγγελ-Wortgruppe im Neuen Testament finden wir 60 in den paulinischen Briefen. In der klassischen und hellenistischen Literatur wird der ευ� αγγελ-Stamm zur Bezeichnung von „Neuigkeiten“ bzw. „Nachrichten“ verwendet, z.B. für die Nachricht von einer Hochzeit, 80 der Geburt eines Kindes81 oder niedrigen Sardellenpreisen.82 Der Wortstamm kommt in Verbindung mit dem hellenistischen Herrscherkult und dem römischen Kaiserkult vor, zur ————————————————————

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Wolter I 83: „Weil er und sein Heilshandeln aber auch der Gegenstand der paulinischen Evangeliumsverkündigung sind (1,16-17), wären Interpretationen als genitivus objectivus oder genitivus qualitatis theologisch nicht falsch“. Evangelium Gottes: Röm 15,16; 2Kor 11,7; 1Thess 2,2.8.9; Evangelium Christi: Röm 15,19; 1Kor 9,12; 2Kor 2,12; 9,13; 10,14; Gal 1,7; Phil 1,27; 1Thess 3,2; vgl. Röm 1,9; 2Kor 4,4. Das Evangelium Gottes ist identisch mit dem Evangelium Christi und wird deshalb von Paulus als „mein Evangelium“ (Röm 2,16; 16,25; 2Kor 4,3; 1Thess 1,5) bezeichnet. Vgl. Wolter I 83-84. D.h., ευ� αγγε' λιον ist hier nicht nomen actionis (die Verkündigung des Evangeliums). Vgl. G. Friedrich, ThWNT II, 705-735; G. Strecker, EWNT II, 176-186; O. Betz, ThBLNT I 432-441; C. Spicq, TLNT II, 82-93; O. Michel, „Evangelium“, RAC VI, 1107-1160; Wilckens I, 74-75; Lohse 62-63; Stuhlmacher, Evangelium; Dormeyer / Frankemölle Evangelium; Merklein, Verständnis; Lohse, Paul’s Interpretation; Spallek, Origin; Hengel, Die vier Evangelien; Dickson, Gospel as News. P.Oxy. XLVI 3313,1-4 (2. Jh. n.Chr.): �Απολ[λω' νι]ος και` Σαραπια` ς Διονυσι' α, χαι' ρειν. χαρ[αñ ς η� μ]αñ ς ε� πλη' ρωσας ευ� αγγελι.σ. α. με' νη το` ν γ[α' μον] τουñ κρατι' στου Σαραπι' ωνος („Appollonios und Sarapias an Dionysia, Grüße. Du hast uns mit Freude erfüllt, als du die gute Nachricht von der Hochzeit des edelsten Sarapion bekannt gabst“); vgl. Menander, Georgos 83; Longus, Daphnis and Chloe 3,33,1. Theophrastus, Charon 17,7; Soranus, Gynaikeia 21; Josephus, Ant. 5,277.282. Aristophanes, Hippes 644-647: „‚Ich verkünd’ euch Heil und Segen, Ihr Ratsherrn, gute Botschaft bring’ ich euch (λο' γους α� γαθου` ς φε' ρων ευ� αγγελι' σασθαι πρω ñ τον υ� μιñν βου' λομαι): Noch niemals seit dem Ausbruch dieses Kriegs sah ich so wohlfeil die Sardellen hier!‘ Da klärte plötzlich sich ihr Antlitz auf, ich ward bekränzt für meine frohe Nachricht (μ� ευ� αγγε' λια)“ (L. Seeger).

Präskript: Absender, Adressaten, Gruß 1,1-7 91 ———————————————————————————————————— Bezeichnung von Nachrichten bedeutender Ereignisse im Leben oder Handeln des Herrschers, wie Geburt des Thronerben, Erreichen der Volljährigkeit, Thronbesteigung, militärische Siege83 und die Opfer, die anlässlich solcher Ereignisse dargebracht wurden. Das Substantiv wird dabei als Neutrum Plural formuliert (ευ� αγγε' λια [euangelia]): Es handelt sich fast immer um mehrere ευ� αγγε' λια. Oft wird das Edikt des Prokonsuls der Provinz Asia zitiert, der veranlasste, dass der julianische Kalender eingeführt wird und das Jahr mit dem Geburtstag des Kaisers Augustus am 23. September beginnt: „Da [die göttlich] unser Leben durchwaltende Vorsehung, Eifer beweisend und Ehrgeiz, das vollkommenste [Gut] dem Leben einfügte, indem sie Augustus hervorbrachte … da also für die Welt den Anfang der ihm geltenden Freudenbotschafte[n der Geburtstag] des Gottes bildete (η» ρξεν δε` τω ñ ι κο' σμωι τω ñ ν δι� αυ� το` ν ευ� ανγελι' [ων η� γενε' θλιος η� με' ]ρα τουñ θεουñ ) … so hat Paullus Fabius Maximus, der Prokonsul der Provinz … zur Ehre des Augustus ersonnen: dass von dessen Geburt die Zeit des Lebens beginne“.84 Diese „politische“ Verwendung des Wortstamms finden wir auch bei Philo und Josephus.85 In den nichtchristlichen dokumentarischen Papyri kommt der Wortstamm sehr selten vor; das Substantiv ευ� αγγε' λιον kommt in zwei späten Fragmenten vor, das Verb ευ' αγγελι' ζομαι ist ebenfalls nur in zwei Texten aus nachpaulinischer Zeit zu finden.86 Die Verwendung des ευ� αγγελ-Wortstamms für „Neuigkeiten“ in grundsätzlich allen Lebensbereichen87 bedeutet allerdings, dass die Bedeutung nicht auf den politisch-religiösen Gebrauch des Wortes konzentriert werden sollte. Dieser ist nicht der religionsgeschichtliche Hintergrund des neutestamentlichen Gebrauchs.88 1. Die hellenistische Verwendung des ————————————————————

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Lycurgus, Leocrates 1.18; Pausanias 4.19.5; Plutarch, Pomp. 41.3; 66.3; Mor. 347D; Chariton, Callirhoe 8.2.5; Philostratos, Apoll. 8.27.2. I. Priene 105,33-35.39-41.48-49 (Syll 458; OGIS 458; SEG IV, datiert 9 v.Chr.); vgl. Leipoldt/Grundmann, Umwelt II, 105-107 (Nr. 130); Witulski, Adressaten, 229-234. Philo, Legat. 231; Josephus, Ant. 5,24; 7,245.250; 15,209: militärische Siege; Ant. 18,228-229: Tod des Tiberius; Bell. 4,618.656: Thronbesteigung Vespasians. ευ� αγγε' λιον: P.Oxy. LV 3810,10 (2. / 3. Jh. n.Chr.); SB I 421,1 (236 n.Chr.); der Beleg in P.Köln IX 364,5 (270 oder 232 v.Chr.) bedeutet „Geschenk“; ευ� αγγελι' ζομαι: P.Giss. 27,6 (115 n.Chr.); P.Oxy. XLVI 3313,3-4 (2. Jh. n.Chr.; siehe oben). Arzt-Grabner, Philemon, 219; Arzt-Grabner, 1. Korinther, 79.189; Arzt-Grabner, 2. Korinther, 464 verweist auf acht neue Belege für ευ� αγγελι' ζομαι in den Ostraka von Mons Claudianus (O.Claud IV 852,5; 853,5-11; 856,4-5; 857,5-10; 859,3-8; 860,6-7; 849,3-10; 850,8), alle aus dem 2. Jh. n.Chr., die den „Fortschritt oder erfolgreichen Abschluss eines Arbeitsauftrags“ beschreiben. Vgl. Dickson, Gospel as News, 212-220, mit Verweis u.a. auf Lycurgus, Leocrates 1,18; Pausanias 4,19,5; Plutarch, Pomp. 41,3; Sertorius 11,4; Moralia 184A, 266B, 347D; Philostratus, Vit.Ap. 1,28,37; 8,27,2; Vit.Soph. 1,508,14; 2,572,12; Chariton, Callirhoe 6,5,5; 17,7,1; Philo, Leg.Gai. 18.99.231; Op. 34.115; Mos. 2,186; Josephus, Bell. 1,607; 2,420; 3,143; 4,618.656; Ant. 2,45; 5,24; 7,50; 11,65; 18,229; in den Evangelien wird die ευ� αγγελ-Wortgruppe zur Beschreibung der Neuigkeit bzw. Nachricht vom Kommen des Messias bzw. der Ankunft der Königsherrschaft Gottes verwendet: Mt 24,14; Mk 1,1; Lk 1,19; 2,10; 3,18; 9,6; 16,16 u.a. Stuhlmacher, Evangelium, 204-205; Hengel, Die vier Evangelien, 258; Wilckens I 75; Lohse 62-63; Wolter I 83. Anders Strecker, Evangelium; G. Strecker, EWNT II, 179180; Cranfield I 55; Witherington 31-32; Wright, Paul, 517, 915-916: Die Verwendung von euangelion beinhaltet eine implizite Abgrenzung zum römischen Kaiserkult. Zur Herleitung der urchristlichen Verwendung von ευ� αγγελι' ζομαι s. Dickson, MissionCommitment, 153-177.

92 Römerbrief ———————————————————————————————————— Wortes beschränkt sich auf den Plural ευ� αγγε' λια; der im NΤ übliche „technische“ Singular kommt nicht vor.89 2. Im ntl. Gebrauch von ευ� αγγε' λιον finden wir keine politischen bzw. polemischen Nuancen, die zu erwarten wären, wenn der hellenistische bzw. römische Herrscherkult das Modell für die frühchristliche Verwendung des Wortstamms wäre. Angesichts des weitverbreiteten Gebrauchs von ευ� αγγελ-Wörtern ist jedoch gleichzeitig deutlich, dass der ntl. Gebrauch vom größeren Kontext der Koine nicht geschieden werden kann. Die theologische Bedeutung des ευ� αγγελ-Wortstamms, die Paulus maßgeblich aus alttestamentlichen und jüdischen Texten und Vorstellungen übernimmt, war sowohl philologisch als auch gesellschaftlich für heidnische Zeitgenossen ohne Schwierigkeiten verständlich. 90 In der LXX wird der ευ� αγγελ-Wortstamm als Übersetzung von Hebr. ‫[ ְּבׂש ֹו ָרה‬besōrāh] verwendet. Die Wurzel ‫[ בׂשר‬basar] kommt im AT 30 Mal vor und bedeutet in ihrem säkularen Gebrauch „gute Nachricht (bringen)“.91 Die Nuance „gute“ bzw. „freudige“ Nachricht ist impliziert, wenn nicht durch Adjektive explizit herausgestellt.92 Die Nachricht kommuniziert generell Neues. Der theologische Gebrauch findet sich nur in den Psalmen und den Propheten. Im Gottesdienst Israels beschreibt die Wurzel ‫ בׂשר‬nicht das bloße Vermelden (guter) Nachricht, sondern die freudige Verkündigung der großen Taten Jahwes im Bekenntnis und in der Weckung geistlicher Freude.93 In den Propheten finden wir die Gestalt des endzeitlichen „Freudenboten“ (‫[ ְמַבֵּׂשר‬mebassēr]), der die Nachricht von Jahwes Sieg und den Beginn der Heilszeit verkündet; vgl. Jes 52,7: „Wie willkommen sind auf den Bergen die Schritte des Freudenboten (‫ ; ַר ְגֵלי ְמַבֵּׂשר‬πο' δες ευ� αγγελιζομε' νου), der Frieden ankündigt, der eine frohe Botschaft bringt (‫ ;ְמַבֵּׂשר ט ֹוב‬ευ� αγγελιζο' μενος α� γαθα' ) und Rettung verheißt, der zu Zion sagt: Dein Gott ist König“; 61,1: „Der Geist des Herrn ist auf mir, denn der Herr hat mich gesalbt, gute Nachricht zu bringen den Niedergedrückten (‫ ;ְלַבֵּׂשר ֲעָנ ִוים‬ευ� αγγελι' σασθαι πτωχοιñς)“ (vgl. Jes 40,9; 41,27; 60,6; Nah 2,1). Die Qumran-Gemeinde nimmt die prophetische Tradition des ‫ ְמַבֵּׂשר‬auf, vor allem von Jes 52,7 und 61,1 her. Der ‫ ְמַבֵּׂשר‬ist der Gesalbte des Geistes (‫)והמבשר הואה משיח הרוח‬, der eschatologische Prophet, der den Sieg Melchisedeks und die Vernichtung Belials verkündigt und die Empfänger der Erlösungsnachricht tröstet.94 Die Verkündigung dieser Heilsbotschaft ist, nach 1QH XXIII,12-1595 (mit Anspielung auf Jes 61,1), verbunden mit der Wahrheit und Macht Gottes, dessen Güte und Barmherzigkeit der Heilsbote (‫)מבׂשר‬, der von Gott erhoben wird, den Armen und Demütigen verkündigt. In 4Q521 Frag. 2 II wird der „Gesalbte“ (‫ )משיחו‬beschrieben, auf den ————————————————————

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Zumindest nicht in vorchristlicher Zeit: Der Papyrus SB 1 (1915) 421, der kurz nach 238 n.Chr. datiert, ist der einzige nichtchristliche Beleg für das Substantiv im Singular (Z. 2): ε� πει` γν[ω' ]στ[ης ε� γενο' μην τουñ ] ευ� ανγελ[ι' ο]υ περι` τουñ α� νηγορευñ σθαι Και' σαρα („seit mir die gute Nachricht von der Proklamation als Kaiser [von Gaius Julius Verus Maximus Augustus] bekannt wurde“); vgl. Horsley/Llewelyn, New Documents III, 12. G. Horsley, in Horsley/Llewelyn, New Documents, III, 14-15; vgl. Haacker 25. Zum AT s. O. Schilling, ThWAT I, 845-849; Dickson, Mission-Commitment, 153-177. Die einzige Ausnahme ist 1Sam 4,17, wo Eli die traurige Nachricht von der Niederlage Israels überbracht wird. Vgl. auch den Gebrauch in Ugarit, wo sowohl das Verb bšr als auch das Substantiv bšrt „gute Nachricht (bringen)“ bedeutet. Vgl. Ps 96,2 [LXX 95,2]: „Singt dem Herrn und preist seinen Namen, verkündigt sein Heil von Tag zu Tag (‫ ; ַב ְ ּּׂשרו ּ ִמי ּ ֹום־ְלי ֹום ְיׁשו ָּעת ֹו‬ευ� αγγελι' ζεσθε η� με' ραν ε� ξ η� με' ρας το` σωτη' ριον αυ� τουñ )“; vgl. Ps 40,10; 1Chron 16,23. Vgl. F. Zanella, s.v. ‫בׂשר‬, ThWQ I, 537; ebd. zur folgenden Beobachtung. Die essenischen Hodayot werden nach der alten Zählung (Sukenik) zitiert, was der Übersetzung von Lohse entspricht. Die Zählung nach der neuen Rekonstruktion findet man in García Martínez/Tigchelaar, Dead Sea Scrolls Study Edition, 147-203, mit Sukeniks Zählung in Klammern.

Präskript: Absender, Adressaten, Gruß 1,1-7 93 ———————————————————————————————————— Himmel und Erde hören und durch den Gott Heilstaten bewirkt: Wenn Gott durch seinen Geist seine Königsherrschaft auf der Erde durchsetzt, wird er nach den Frommen sehen, die Gerechten beim Namen rufen, die Armen mit seinem Geist erneuern, die Frommen ehren sowie (Zitat Ps 146,7-8) die Gefangenen befreien, die Augen der Blinden öffnen, die Gebeugten aufrichten; durch ihn ereignen sich noch nicht geschehene Wunder: Erschlagene werden geheilt, Tote werden lebendig, und (Zitat Jes 61,1) Armen wird frohe Botschaft verkündigt (‫)ענוים יבשר‬.96 Der theologische Gebrauch von ευ� αγγε' λιον in der frühchristlichen Verkündigung wurde von Jesajas Vision des endzeitlichen Bringers guter Nachricht abgeleitet, was die erwähnten Qumrantexte nahelegen. Die Verbindung von Jes 35,5 (Krankenheilungen), Jes 61,1 (Freudenbotschaft für die Armen) und Totenauferweckung (vgl. Jes 26,19), die wir in 4Q521 finden, wird in Mt 11,2-6/Lk 7,18-23 im Blick auf das Wirken Jesu ausgesagt.97 Jesus sah sich als der Bringer der endzeitlichen Nachricht, von dem der Prophet Jesaja sprach (Lk 4,16-20, mit Zitat von Jes 61,1). Die judenchristliche Jesustradition beschrieb deshalb die Verkündigung Jesu von der Ankunft des Königreiches Gottes als Vermittlung einer (guten) Nachricht (ευ� αγγελι' ζεσθαι; Lk 3,18; 4,43; 7,22; 8,1; 9,6; 16,16; 20,1; Apg 10,36). In der judenchristlichen Mission wird dasselbe Verb für die Verkündigung von Tod und der Auferstehung Jesu verwendet (Apg 5,42; 8,4.12.25.35.40; 11,20; 13,32; 14,7 u.a.). Die Apostel verkündigen die Nachricht vom Kommen des Messias zum Heil Israels und der Völker. Bei Paulus ist ευ� αγγε' λιον zentraler theologischer Begriff, der für die freudige Nachricht von der Gegenwart der Heilsmacht Gottes in Tod und Auferstehung Jesu Christi steht (vgl. Röm 1,16; 15,16.19; 1Kor 4,15; 9,12; 15,1; 2Kor 2,12; 2Kor 4,3-4; 10,14; Gal 1,7.11; 2,2.7.14 u.a.). Bei Paulus bezeichnet ευ� αγγε' λιον sowohl den Akt der Verkündigung (το` ευ� αγγε' λιον im Sinn von ευ� αγγελι' ζεσθαι; Röm 1,9; 2Kor 2,12; 4,3; 8,18; Phil 4,3; 1Thess 3,2) als auch den Inhalt der Verkündigung (ευ� αγγελι' ζεσθαι το` ευ� αγγε' λιον; Gal 1,11; 1Kor 15,1-2; 2Kor 11,7) – Leben, Tod und Auferstehung Jesu Christi als heilsschaffendes Ereignis für alle Nationen. Die parallelen Formulierungen ευ� αγγε' λιον τουñ θεουñ (Röm 1,1; 15,16; 1Thess 2,2.8.9) und ευ� αγγε' λιον Χριστουñ (Röm 15,19; 1Kor 9,12; 2Kor 2,12; 10,14; Gal 1,7; Phil 1,27; 1Thess 3,2) belegen, dass für Paulus sowohl der Inhalt der Missionspredigt als auch der Akt der Verkündigung die Initiative sowohl von Gott als auch von Jesus Christus sind. Gott, der in Tod und Auferweckung Jesu gehandelt hat, spricht in den Worten des Apostels, der als Gesandter Gottes das Wort von der Versöhnung proklamiert (2Kor 5,19-20).

Die Erwähnung von ευ� αγγε' λιον in 1,1 führt in 1,2-4 und 1,16-17 zu einer Definition des Evangeliums, die den antiken Regeln für Definitionen folgt.98 Paulus formuliert prägnant, im Anschluss an die rhetorische Figur der Synekdoche.99 Er erinnert an bekannte Aussagen und Überzeugungen, die die

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Vgl. Zimmermann, Messianische Texte, 343-389. Vgl. Zimmermann, Messianische Texte, 363.389; O. Michel, ThBLNT I, 433-435. Vgl. Calhoun, Gospel, 9-84 zu den Merkmalen und Funktionen einer Definition und zur Forderung nach Prägnanz, u.a. der Synekdoche; ebd. 85-192 zu Röm 1,2-4.16-17. HvS §295h: Synekdoche (lat. auch comprehensio, conceptio, intellectio): „ein Ausdruck, der einen Teil des Gemeinten bezeichnet, wird zur Bezeichnung des Ganzen gebraucht oder umgekehrt“.

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Adressaten mit ihm teilen. Paulus definiert in 1,2-4, was das Evangelium ist (Wesen) und in 1,16-17, was das Evangelium bewirkt (Funktion).100 Die auf das Wesentliche reduzierten Formulierungen entsprechen der rhetorischen Strategie, die in den Progymnasmata (rhetorische Vorübungen) für die gerade am Anfang eines Vortrags erforderliche Prägnanz (συντομι' α) empfohlen wird: die συντομι' α ε� κ τω ñ ν πραγμα' των limitiert den Umfang einer Erzählung (διη' γησις) durch die sorgfältige Auswahl der aufzunehmenden Elemente; die συντομι' α ε� κ τηñ ς λε' ξεως limitiert den Stil durch die Weglassung überflüssiger Worte und Formulierungen und die Auswahl kürzerer Vokabeln, wo dies möglich ist. Siehe Theon, Progymnasmata 2,83 (Kennedy 5): „Auf dieselbe Art ist die erzählende Mitteilung (η� διη' γησις) prägnant im Blick auf das, was gesagt wird (ε� κ τω ñ ν πραγμα' των), und im Blick auf das, wie es gesagt wird (και` τηñ ς λε' ξεως). Prägnanz ist Sprache, die die wichtigsten Tatsachen aussagt (ε» στι γα` ρ η� συντομι' α λο' γος τα` καιριω' τατα τω ñ ν πραγμα' των σημαι' νων), ohne hinzuzufügen, was nicht notwendig ist, und ohne auszulassen, was für das Thema und den Stil notwendig ist (κατα` τα` πρα' γματα και` τη` ν λε' ξιν). Prägnanz ergibt sich von den Themen, wenn wir nicht viele Themen zusammen kombinieren, wenn wir sie nicht mit anderen Dingen vermischen und wenn wir auslassen, was angenommen werden kann“. 101

Das Wesen des Evangeliums wird in 1,2-4 folgendermaßen definiert: Das Evangelium besteht darin, dass die Verheißungen der Propheten in den heiligen Schriften (Synekdoche für die gesamte heilige Schrift) in Jesus, dem Sohn Gottes, in Erfüllung gegangen sind, dessen Leben mit der Angabe der äußeren Grenzen (Geburt/Auferstehung, Synekdoche für sein ganzes Leben und Wirken) und der Benennung seines Wesens (Fleisch/Geist, Synekdoche für seine ganze Person) beschrieben wird. Die Funktion bzw. Wirkung des Evangeliums wird mit den Ausdrücken „Heiligkeit“, „Macht“ und „Auferstehung“ angedeutet und später in 1,16-17 („Macht“, „Rettung“, „Gerechtigkeit Gottes“, „Offenbarung“) weiter entfaltet. Der Abschnitt 1,2-4 lässt sich in drei Teile gliedern:102 1. Grundsätzliche Definition: Das Evangelium ist die Erfüllung der früheren Verheißungen (ο� προεπηγγει'λατο; V. 2a); Modifikation durch drei Präpositionalsätze (V. 2b3a): „durch seine Propheten“ (δια` τω ñ ν προφητω ñ ν αυ� τουñ ), „in heiligen Schriften“ (ε� ν γραφαιñς α� γι'αις), „von seinem Sohn“ (περι` τουñ υι�ουñ αυ� τουñ ). 2. Erste Erläuterung von „Gottes Sohn“ mit Erwähnung seiner Herkunft und des Fleisches (V. 3b); Einleitung durch ein attributives Partizip: „geboren“ (τουñ γενομε' νου); erläutert durch zwei Präpositionalsätze: „geboren aus dem Samen Davids“ (ε� κ σπε' ρματος Δαυι'δ), „nach dem Fleisch“ (κατα` σα' ρκα). 3. Zweite Erläuterung von „Gottes Sohn“ mit Erwähnung seiner Auferstehung und des Geistes (V. 4); Einleitung durch ein attributives Partizip und ————————————————————

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Plato, Phaed. 237C verlangt für eine Definition (ο« ρος) die Nennung des Wesens einer Sache (οιòο' ν τ’ ε» στι) und ihrer Funktion (η� ν ε» χει δυ' ναμιν). Vgl. Calhoun, Gospel, 143. Kennedy, Progymnasmata, 32; Calhoun, Gospel, 65 Anm. 74. Calhoun, Gospel, 88; Lee, Paul’s Gospel, beginnt seine Diskursanalyse erst in 1,16.

Präskript: Absender, Adressaten, Gruß 1,1-7 95 ————————————————————————————————————

Prädikat: „proklamiert als Sohn Gottes“ (τουñ ο� ρισθε' ντος υι�ουñ θεουñ ); erläutert durch drei Präpositionalsätze: „in Macht“ (ε� ν δυνα' μει), „nach dem Geist der Heiligkeit“ (κατα` πνευñ μα α� γιωσυ' νης), „aufgrund der Auferstehung von den Toten“ (ε� ξ α� ναστα' σεως νεκρω ñ ν); Abschluss mit der Nennung des Namens Jesu und seiner Titel: „(das Evangelium von) Jesus, dem Messias, unserem Herrn“ (� Ιησουñ Χριστουñ τουñ κυρι'ου η� μω ñ ν). Die Funktion des Evangeliums besteht nach 1,16-17 in der Rettung von Menschen, die glauben (für Einzelheiten s. 1,8-17 Abschnitt II).

2 Das Evangelium Gottes, das Paulus verkündigt, ist die Botschaft, die

Gott durch seine Propheten in heiligen Schriften angekündigt hat. In V. 2 setzt Paulus seine Beschreibung des Evangeliums durch einen Relativsatz (ο« ) fort: Das Evangelium ist die Erfüllung von Gottes Verheißungen (ε� παγγελι'αι). Dieser Satz beschreibt die heilsgeschichtliche Grundlage des Evangeliums. Die Wendung „heilige Schriften“ (γραφαι' α� γι'αι) wird in jüdisch-hellenistischen und späteren rabbinischen Texten verwendet.103 Unsere Stelle ist die einzige im NT, an der α« γιος im Zusammenhang mit γραφαι' gebraucht wird (ähnlich 7,12; vgl. 2Tim 3,15: ι�ερα` γρα' μματα). Der übliche Ausdruck für das Alte Testament ist αι� γραφαι' („die Schriften“). Das Adjektiv α� γι'αι beschreibt hier die maßgeblichen Texte Israels und der jüdischen Tradition als Schriften, die an der Vollkommenheit, Macht und Würde Gottes Anteil und deshalb im Volk Gottes autoritative Geltung haben. Bei diesen Texten handelt es sich um „Schriften“ (γραφαι'), d.h. um schriftliche Dokumente, die als solche eine objektive Realität besitzen: Man kann sie immer wieder neu lesen, und man kann sie konsultieren, nicht zuletzt bei strittigen Fragen. Die „Propheten“ (προφηñ ται) sind hier wahrscheinlich nicht nur die als Propheten bekannten Gestalten des AT, auch nicht nur die zweite Abteilung des alttestamentlichen Kanons,104 sondern die inspirierten Gottesmänner des Alten Bundes, einschließlich Mose (vgl. Apg 3,22) und David (Apg 2,30-31).105 Paulus charakterisiert das gesamte Alte Testament als „prophetische“ Schrift, die auf Jesus verweist, den Messias Israels und Retter der Welt. Die ersten Christen lasen das ganze AT als prophetisches Zeugnis, das auf Jesus Christus hinweist (Röm 3,21; 1Petr 1,1011) und in ihm zur Erfüllung gekommen ist (Lk 4,17-21; 18,31; 24,27.32. 44-45; Apg 8,35; 17,2-3.11; 18,28; Joh 1,45; 5,39). Paulus verwendet ein ————————————————————

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Philo verwendet oft die Wendung αι� ι�εραι` γραφαι' , vgl. Abr. 61.121; Decal. 8.37; Fug. 4; Her. 106.159.286; Op. 77; Spec.Leg. 1,214; 2,104.134; in den rabbinischen Schriften s. den Ausdruck ‫ִּכְתֵבי ִה ֹּקֶדׁש‬. So Schlier 22. Vgl. in 3,21 die Bezeichung „das Gesetz und die Propheten“. Cranfield I 56, Anm. 56.

96 Römerbrief ————————————————————————————————————

traditionelles frühchristliches Motiv: Das Leben, der Tod und die Auferstehung Jesu Christi ereigneten sich „nach der Schrift“ (1Kor 15,3-4). Die Wendung „wie geschrieben steht“ findet sich als ein ständiges Argument in der frühchristlichen Verkündigung.106 Der Rahmen, den 1,3-4 und 15,7-13 mit dem Motiv der Davidssohnschaft bilden, zeigt, an welche Schriftstellen er denkt:107 Ps 17,50 LXX (2Sam 22,50); Deut 32,43; Ps 117,1; Jes 11,10. Lukas beschreibt in Apg 13,16-41, wie Paulus das Evangelium als Erfüllung der Verheißungen Israels verkündigt.108 Das mit das er zuvor verheißen hat übersetzte Verb (προεπαγγε' λλεσθαι) kommt noch in 2Kor 9,5 vor.109 Das Simplex ε� παγγε' λλομαι bedeutet „versprechen, verheißen“, was immer im Voraus geschieht; die Vorsilbe προ- verstärkt den Gedanken der Priorität. Da die heiligen Schriften in ihrer Gesamtheit „prophetisch“ sind, kann ihr Inhalt insgesamt als „Verheißung“ (ε� παγγελι'α) bezeichnet werden. Die ε� παγγελι'α der prophetischen heiligen Schriften sind der Prototyp des ευ� αγγε' λιον: Paulus verkündigt in der Proklamation des Evangeliums Gottes die Erfüllung der Verheißungen Gottes.110 Die vielen Schriftzitate im Römerbrief zeigen, dass dies für Paulus nicht nur Theorie ist, sondern exegetische und theologische Praxis. Paulus betont in V. 2 Folgendes.111 1. Das Evangelium Gottes von Jesus Christus ist vertrauenswürdig und zuverlässig. Die Entsprechung von Evangelium und alttestamentlichen Verheißungen bezeugt seine Wahrheit. Die Tatsache, dass das Evangelium im Voraus von den Propheten angekündigt wurde, beweist, dass es sich nicht um eine Neuerung handelt, der man mit Misstrauen begegnen müsste. Paulus beruft sich auf die heiligen Schriften als Zeugen, dass er das Recht hat, die Gerechtigkeit aus Glauben (1,17) für Juden wie für Heiden zu verkündigen. 2. Da die Schrift die Verheißungen ————————————————————

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Mt 2,5; 4,4.6.7.10; 11,10; 21,13; 26,24; Mk 1,2; 7,6; 9,12; 10,5; 11,17; 14,21.27; 15,26; Lk 2,23; 3,4; 4,4.7.9.17; 7,27; 10,20; 18,31; 19,46; 20,17; 21,22; 22,37; 24,44; Joh 1,45; 2,17; 5,46; 6,31; 8,17; 10,34; 12,14; 15,25; 19,19; 20,30; Apg 1,20; 7,42; 13,29; 15,15; 23,5; 24,14; Röm 3,4; 4,17; 9,13.33; 10,15; 11,8; 12,19; 14,11; 15,3; 1Kor 1,19; 2,9; 3,19; 9,9; 10,7; 14,21; 15,45; 2Kor 4,13; 8,15; 9,9; Gal 3,10; 4,22; 1Petr 1,16. Söding, Davidssohn, 333. Schnabel, Urchristliche Mission, 1320-1324; Schnabel, Acts, 573-585. Vor Paulus findet sich das Verb nur in der Inschrift I. Priene 113 (datiert 84 v.Chr.); für spätere Belege s. Arrian, Anab. 6,27,1; Cassius Dio 36,39,1; 38,13,5; 39,31,1 u.a. Käsemann 7, mit Hinweis auf Röm 4; Gal 3. Es fällt auf, dass im Kontext der ε� παγγελι' αι Israel als Empfänger der Verheißungen zwar impliziert ist, aber nicht erwähnt wird. Käsemann erklärt dies mit dem Hinweis, dass Paulus an dieser Stelle nicht über die historisch-irdische Kontinuität zwischen der Verheißung und dem Evangelium reflektiert, sondern über die Verbundenheit der göttlichen Aktivität in den vorigen Zeiten mit seinem Handeln in der (gegenwärtigen) Endzeit. Für die ersten drei Punkte vgl. Wilckens I 64.

Präskript: Absender, Adressaten, Gruß 1,1-7 97 ————————————————————————————————————

an Israel, das erwählte Gottesvolk, enthält, werden die römischen Christen von Paulus an die Vorgeschichte ihres Glaubens verwiesen – einer Geschichte, der nicht nur die Juden, sondern auch die Heiden angehören (4,925; vgl. 1,16; 9,24; 15,7-12). Paulus macht somit von Anfang an deutlich, dass die Heidenchristen ihren Platz in der Heilsgeschichte neben den Juden haben (vgl. 11,13-16): Der Gott Israels ist der eine, wahre Gott der Juden und auch der Heiden (vgl. 3,29-30). 3. Da die heilige Schrift, d.h. das Alte Testament, von Jesus Christus zeugt, ist und bleibt sie Autorität für den Gläubigen: Dies gilt sowohl für die Gebote (vgl. 7,12; 13,8-10; Gal 5,14) als auch im Blick auf die Ermutigung, mit der sie die christliche Hoffnung stärkt (15,3). 4. Da die Verheißung der Schrift in Jesus Christus erfüllt ist, muss die rechte Auslegung der heiligen Schriften, d.h. des Alten Testaments, von der Struktur „Verheißung/Erfüllung“ ausgehen. Die richtige Auslegung des Alten Testaments ist jetzt, in der Zeit der Erfüllung von Gottes Verheißungen, auf den Messias Jesus zu konzentrieren. 3 Paulus formuliert in V. 3-4 zentrale Grundwahrheiten des Evangeliums.112 Die erste und die letzte Wendung (περι` τουñ υι�ουñ αυ� τουñ , V. 3; � Ιησουñ Χριστουñ τουñ κυρι'ου η� μω ñ ν, V. 4),113 die beide das Stichwort „Evangelium“ (ευ� αγγε' λιον [euangelion]) in V. 1 qualifizieren, unterstreichen eindrucksvoll das auf Jesus konzentrierte Verständnis des Evangeliums. Jesus Christus ist der Inhalt des Evangeliums, das Paulus verkündigt und an das die römischen Christen glauben. Das Evangelium zu verkündigen und Jesus Christus zu predigen, ist ein und derselbe Vorgang.114 Weshalb die Botschaft vom Messias Jesus eine „gute Botschaft“ ist, wird Paulus in V. 16-17 erläutern und im weiteren Verlauf ausführlich entfalten. Die beiden Rahmenformulierungen konzentrieren das Evangelium auf die Titel (Prädikate), die Jesus hat (υι�ο` ς θεουñ , V. 3; Χριστο' ς, κυ' ριος, V. 4); die beiden Partizipialkonstruktionen (τουñ γενομε' νου, V. 3; τουñ ο� ρισθε' ντος, V. 4) machen narrative Aussagen. Dies entspricht dem Charakter der neutestamentlichen Christologie, der durch die ntl. Texte hindurch zu beobachten ist: Die Bedeutung Jesu wird in den Titeln deutlich, mit denen er bezeichnet wird, und sie zeigt sich in seinen Handlungen bzw. in den Taten Gottes, die mit der Geschichte des irdischen Jesus in Verbindung stehen. ————————————————————

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Zur oft angenommenen vorpaulinischen Herkunft s. oben unter II. περι' m. Gen. bezeichnet den Gegenstand oder die Person, auf die sich eine Tätigkeit – hier die Botschaft, die von Paulus verkündigt wird – bezieht. HvS §184n. Die Gen.Wendung � Ιησουñ Χριστουñ τουñ κυρι' ου η� μω ñ ν ist gen. obj.: Im Evangelium geht es um Jesus Christus, der unser Herr ist. Légasse 56; Haacker 26; vgl. 1Kor 1,23; 15,12; 2Kor 1,19; 11,4; Phil 1,15.

98 Römerbrief ————————————————————————————————————

Jesus ist der Sohn Gottes (υι�ο` ς θεουñ ). Die Bezeichnung Jesu als „Sohn Gottes“ wird von Paulus in grundlegender Weise theozentrisch verwendet.115 Jesus, der Sohn Gottes, wurde Mensch als der von Gott gesandte Präexistente (Röm 1,3; 8,3.32; Gal 4,4); der gekreuzigte Gottessohn wurde von Gott auferweckt (Röm 5,10; Gal 1,16; 2,19-20); dem erhöhten Gottessohn wurde die Herrschaft Gottes übertragen (1Kor 15,20-28); der wiederkommende Gottessohn bewirkt Gottes Gericht (1Thess 1,9-10; 1Kor 15,20-28). Jesus hat teil am Gottsein Gottes, sowohl an seiner Macht als auch an seiner Liebe zu den glaubenden Sündern (Röm 8,31-39; 2Kor 4,4; Phil 2,6.11). Neben der theozentrischen Betonung stellt Paulus das Heilswirken des Gottessohnes Jesus heraus.116 Das Evangelium „von (Gottes) Sohn“ (1,3), dessen Verkündigung ihm als Apostel aufgetragen ist, führt Menschen aus den Völkern zum „Gehorsam des Glaubens“ (1,5; vgl. 1,8), weil es Juden und Griechen, die an Jesus Christus glauben, „rettet“ (1,16) und sie zu „Heiligen“ (1,7) macht, die an der Sohnschaft Jesu Anteil gewinnen, damit dieser „der Erstgeborene unter vielen Brüdern“ sei (8,29). Die „Macht“ des Sohnes Gottes, der von den Toten auferstanden ist (1,4), konkret sein stellvertretender Sühnetod am Kreuz (Gal 3,13-14), bewirkte den Freikauf von der Sklaverei der Sünde und die Sohnschaft der Glaubenden (Gal 4,4-5). Die Heil bringende Beziehung zwischen „dem Sohn“ und „den Söhnen“ ist eine Wirkung des Geistes Gottes (Röm 8,12-17; vgl. Gal 4,1-7). Die Identifikation der Glaubenden mit dem gekreuzigten Messias (Gal 2,19) begründet eine rettende Gemeinschaft mit Jesus, dem Sohn Gottes, „der mich geliebt und sich für mich hingegeben hat“ (Gal 2,20; vgl. 1Kor 10,16-17). Die entscheidenden Heilsdaten sind die Sendung des Sohnes Gottes (Röm 8,3), der Kreuzestod des Sohnes Gottes (Röm 5,10) und die Auferweckung des Sohnes Gottes (Röm 1,4; 1Thess 1,10) – Heilsereignisse, die alle „für“ die Sünder aus Juden und Heiden geschehen sind (Röm 8,31-39) und die Liebe Gottes als Inbegriff der Gnade den Feinden Gottes entgegenbringt (5,1-11). Nur weil Jesus der Sohn Gottes ist, in dessen Tod und Auferweckung Gott gezeigt hat, dass er „für uns“ ist (8,31-34), können Sünder in diesem Leben und im Endgericht gerettet werden (8,35-39). Im Kontext der Verwendung von „Sohn Gottes“ in Röm 1,3-4; 1Thess 1,10; 1Kor 15,24-28 betont der Titel „Sohn“ den Status Jesu als messianischer Bevollmächtigter Gottes. In Röm 5,10; 8,32; Gal 2,20 bringt der Titel „Sohn“ die einzigartige Rolle Jesu im Plan Gottes sowie die direkte Beteiligung Gottes ————————————————————

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Vgl. Hurtado, Lord Jesus Christ, 101-108; Söding, Davidssohn, 335-338; Theobald, Sohn Gottes, 119-141. Von Söding, Davidssohn, 336, als „Proexistenz des Gottessohnes“ bezeichnet.

Präskript: Absender, Adressaten, Gruß 1,1-7 99 ————————————————————————————————————

am Wirken Jesu zum Ausdruck. Jesus gehört als Sohn Gottes unmittelbar zu Gott.117 Im AT ist wiederholt von den himmlischen Heerscharen (Engel) als „Söhne Gottes“ die Rede (Gen 6,2-4; Hi 1,6; 2,1; Ps 29,1; 89,6; die LXX übersetzt an manchen Stellen, z.B. Deut 32,8, mit „Engel Gottes“). Wichtiger für den christologischen Titel „Sohn Gottes“ sind atl. und frühjüdische Stellen, an denen der davidische König (2Sam 7,14; Ps 2,7; 89,26-27), gerechte Einzelgestalten (Weish 2,18; 5,5; Sir 4,10; PsSal 13,9; 18,4) und Israel als Kollektiv (Ex 4,22; Deut 14,1; Jes 1,2; Jer 3,22; Hos 1,10; 11,1; Weish 12,21; 16,10.26; 18,4.13) als „Sohn“ oder „Erstgeborener“ Gottes bezeichnet werden. Jesaja spricht von der Geburt eines „Kindes“ (‫ֶיֶלד‬, LXX παιδι' ον) bzw. eines „Sohnes“ (‫בן‬ ּ ֵ ; LXX υι�ο' ς), der auf dem Thron Davids sitzt und die Herrschaft Gottes als universale und ewige Friedensherrschaft verwirklichen wird (Jes 9,5). Der Herrscher auf dem Thron Davids ist Gottes „Sohn“; er wird nicht als „Messias“ bezeichnet, aber als „umsichtiger Herrscher, mächtiger Held, ewiger Vater, Friedensfürst“ ist er die erwartete Erlösergestalt. Die Geburt des Gottessohns kommt in der Verheißung Jes 7,14 zur Sprache: Ein Sohn wird auf die Welt kommen, der den Namen „Immanuel“ (‫מנו ּ ֵאל‬ ָּ ‫ִע‬, LXX Εμμανουηλ, „Gott ist mit uns“) trägt und, nach der Septuaginta, der Sohn einer Jungfrau (παρθε' νος) sein wird.118 In Ägypten wurde der Pharao als Sohn des Sonnengottes (Re) betrachtet, was als physische Sohnschaft verstanden wurde. Im Anschluss an diese Tradition bezeichnete Alexander sich als „Zeussohn“. Die in Syrien herrschenden seleukidischen Könige bezeichneten den Sohn des Herrschers, der als göttlich geehrt wurde und als „Gott“ galt – Antiochos II (268 / 261– 246 v.Chr.) wählte als Epithet θεο' ς ([theos], „Gott“) –, als „Sohn Gottes“ (θεουñ υι� ο' ς).119 Als (Adoptiv-)Sohn des nach seinem Tod vergöttlichten Julius Caesar (divus Caesar) ließ sich Octavian ab 27 v.Chr. als Kaiser Augustus zur Legitimierung seiner Herrschaft als „Sohn Gottes“ bezeichnen.120 Augustus, der wie Caesar erst nach seinem Tod als Divus unter die Staatsgötter aufgenommen werden wollte, verhinderte in Rom den direkten Kult seiner Person, hat aber eine indirekte kultische Verehrung gefördert, u.a. durch den Kult der Lares Augustales. In den Provinzen, vor allem im griechischen Osten, hat er eine kultische Verehrung seiner Person gefördert, die fast immer mit dem Kult der Dea Roma, des vergöttlichten Rom, einherging.121 Als Augustus nach seinem Tod im Jahr 14 n.Chr. unter die Götter erhoben wurde (consecratio), wurde Tiberius, sein Adoptivsohn und Nachfolger, Divi filius („Sohn Gottes“); Tiberius (14–37) wurde nach seinem Tod nicht vergöttlicht. Caligula (37– 41) beanspruchte ab dem Jahr 40 göttliche Ehren, war aber als Sohn des Germanicus nicht ————————————————————

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Nach Söding, Davidssohn, 335, signalisiert der Titel „Sohn Gottes“ die „radikale Zugehörigkeit zu Gott“. Hurtado, Lord Jesus Christ, 103-104, betont, dass „Sohn Gottes“ nicht die Göttlichkeit Jesu unterstreicht, sondern die Funktion Jesu beschreibt, die aus seinem einzigartigen Verhältnis zu Gott erwächst. Der in der LXX (in Gen 24,43 und Jes 7,14) mit παρθε' νος übersetzte Ausdruck ‫ַעְלָמה‬ bedeutet 1. mannbares Mädchen, 2. Mädchen, das verheiratet sein kann, 3. junge Frau (HAL III, 790). Vgl. C. Dohmen, ThWAT VI, 167-177; Rösel, Jungfrauengeburt; Troxel, Isaiah; Watts, Immanuel; Hamilton, Virgin. Vgl. Colpe, Gottessohn, 29-31. BGU 543: θεουñ υι� ο' ς („Gottessohn“); OGIS 6552: θεο` ς ε� κ θεουñ („Gott aus Gott“). Kienast, Augustus, 244-260; Bleicken, Augustus, 378-386. Vgl. die Aufschrift einer unter Trajan in Pergamon geprägten Münze, auf deren Rückseite sich folgende Aufschrift befindet: θεα Ρωμη και θεω σεβαστω („Göttin Roma und vergöttlichter Augustus“); vgl. Leschhorn/Franke, Lexikon der Aufschriften auf griechischen Münzen, I, 136; Wroth, Catalogue of the Greek Coins of Mysia, No. 262.

100 Römerbrief ———————————————————————————————————— Divi filius. Dies gilt auch für Claudius (41–54), Sohn des Drusus, der nach seinem Tod im Jahr 54 divinisiert wurde; sein Kult überlebte in den Provinzen jedoch nicht. Nero (54–68), der von Claudius, seinem Großonkel, adoptiert worden war, nannte sich divi Claudi filius („Sohn des göttlichen Claudius“).122 Diese Traditionen setzen alle eine dünne Trennlinie zwischen göttlicher und menschlicher Sphäre voraus, die von beiden Seiten durchschritten werden konnte: Götter und Göttersöhne konnten in menschlicher Gestalt erscheinen, und Menschen konnten vergöttlicht werden. Die biblische Tradition trennt grundsätzlich und prinzipiell den einen wahren Gott und die von ihm geschaffene Welt. Gott offenbart sich durch sein Wort und durch Gerichts- und Rettungstaten in der Geschichte und wird so von Menschen „gegenwärtig“ wahrnehmbar. Menschen jedoch können nicht durch Vergöttlichung als Götter „offenbar“ werden: Sterbliche Menschen bleiben Menschen. Nach urchristlichem Zeugnis, das in Röm 1,3-4 aufgenommen bzw. formuliert wird, ist Jesus die eine Ausnahmeerscheinung: Er ist Gottessohn, der am Gottsein Gottes Anteil hat, und er ist ein als Mensch auf die Welt gekommener Nachkomme Davids.

Die Beschreibung Jesu als Sohn Gottes (υι�ουñ αυ� τουñ ) wird durch zwei attributive Partizipien (γενομε' νου V. 3, ο� ρισθε' ντος V. 4) näher ausgeführt, die zwei für die Identität Jesu fundamentale Grundereignisse beschreiben und im Sinn der Synekdoche das ganze Leben Jesu bezeichnen. Das erste Ereignis ist die Geburt Jesu als Nachkomme Davids. Der Satz geboren aus dem Samen Davids nach dem Fleisch, der den Titel „Sohn Gottes“ erklärt, beinhaltet mehrere Aussagen. 1. Jesus ist Sohn Gottes nicht erst nach seiner Auferstehung und Erhöhung, sondern schon vor seiner Geburt:123 Der Gottessohn kam als Davidssohn in die Welt. Eine Adoptionschristologie,124 nach welcher der aus der Familie Davids stammende Mensch Jesus von Nazareth von Gott (erst) mit der Auferweckung von den Toten (gemäß Ps 110,1) zum „Sohn Gottes in Macht“ eingesetzt wurde, liegt nicht vor, was sich aus dem folgenden Punkt ergibt.125 ————————————————————

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Levick, Tiberius, 82.221; Levick, Claudius, 187; Barrett, Caligula, 140-153; Griffin, Nero, 96-97. Die Grundbedeutung von γι' νομαι ist „zum Dasein gelangen, werden, entstehen“ (Bauer / Aland); oft liegt die Bedeutung „geboren werden, erzeugt werden“ vor (Weish 7,3; Sir 44,9; Homer, Od. 19,400; Epiktet 2,17,8; SIG 1168,6); BDAG definiert als erste Bedeutung von γι' νομαι: „to come into being through process of birth or natural production“. E. Schweizer, Art. υι� ο' ς κτλ., ThWNT VIII, 368: „Die dem Davididen verheißene ewige Königsherrschaft als Gottessohn aber hat sich seit Ostern erfüllt. Seit seiner Erhöhung in die Sphäre des Geistes ist er der verheißene Gottessohn, der in Macht … sein Königtum über die Gemeinde als sein Volk ausübt. Damit treten in eigentümlicher Weise die Titel Davidssohn und Gottessohn, die vom Alten Testament her identisch sind … als zwei Stufen hintereinander“. Immerhin lehnt Schweizer den Ausdruck „Adoptionschristologie“ als „nicht ganz korrekt“ ab. Hengel, Präexistenz; Stuhlmacher, Theologie I, 186-187; Dunn, Theology of Paul, 243; Häusser, Christusbekenntnis, 196-209.

Präskript: Absender, Adressaten, Gruß 1,1-7 101 ————————————————————————————————————

2. Jesus ist der Präexistente: Er existierte vor seiner Geburt aus dem Samen Davids als Sohn Gottes.126 Im Kontext der Definition von Evangelium, in dem Paulus prägnant formuliert und Bekanntes annehmen kann, setzt der Hinweis auf die Geburt Jesu möglicherweise die Geschichte der Geburt Jesu (Mt 1,18-25/Lk 2,1-7) voraus.127 3. Jesus stammt aus dem Samen Davids (ε� κ σπε' ρματος Δαυι'δ), d.h. er ist der verheißene messianische König, der die Verheißungen und die Hoffnung Israels erfüllt. Die Geburt Jesu als Nachkomme Davids erklärt die Geburt in Bethlehem (Mt 2,1.5-6; Lk 2,4; vgl. Joh 7,42). Paulus betont einerseits, dass der Stammbaum Jesu auf König David zurückgeht (vgl. Mt 1,1.617.20; Lk 1,27; 2,4; 3,23-31), andererseits unterstreicht er im Zusammenhang seines Hinweises auf die Erfüllung der Verheißungen der Propheten im Evangelium (1,2), dass Jesus der königliche Messias Israels ist, der erwartete Nachkomme Davids, der als König herrschen und für Recht und Gerechtigkeit sorgen wird (2Sam 7,8-9.12-14; Jes 11,1-3; Jer 23,5; vgl. PsSal 17,4.21.37). Da Paulus in Röm 1,3 die Herkunft aus dem Geschlecht Davids in einer auf das Wesentliche reduzierten, prägnant formulierten Definition von Evangelium erwähnt, ist es möglich, dass er bei den römischen Christen die Kenntnis der Genealogie Jesu (Mt 1,1-17/Lk 3,23-38) voraussetzen kann, mit der man die Herkunft aus der Linie Davids demonstrieren konnte. Die Bezeichnung „Sohn Davids“ bringt in den Evangelien die genealogische Verbindung Jesu mit David zum Ausdruck (Mt 1,6-16.17.20; Lk 1,27; 2,4; 3,31-31).128 Als Prädikat unterstreicht die Bezeichnung die messianische Würde Jesu. Der Ausdruck ist besonders mit den Wundern Jesu verbunden (Mt 9,27/Mk 10,47-48/Lk 18,38-39; Mt 15,22; Mt 20,30-31), die für die Bevölkerung die Frage nach seiner Messianität aufwerfen (Mt 12,23; Mt 21,9/ Mk 11,10). Die königlichen Konnotationen des Einzugs Jesu in Jerusalem sind mit der Nennung Davids verbunden (Mk 11,9-10; Mt 21,9). Weil Jesu Wunder Zeichen der anbrechenden Königsherrschaft sind, sagt der Titel „Davidssohn“ nicht alles aus, was über Jesus zu sagen ist: Er ist „mehr als Salomo“ (Mt 12,42), der politisch erfolgreichste Sohn Davids. Weil Jesus der zur Rechten Gottes sitzende Kyrios ist, ist er mehr als der „Davidssohn“ (Mk ————————————————————

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Vgl. Wilckens I 65. Stuhlmacher, Theologie I, 186, verweist auf äthHen 48,3.6: Der messianische Menschensohn war vor der Erschaffung der Welt in Person bereits „auserwählt und verborgen vor Gott, bevor die Welt geschaffen wurde“. Stuhlmacher kommentiert: „Als Jesus den Anspruch erhob, eben dieser von Gott gesandte Menschensohn zu sein, hat er die Präexistenzvorstellung nicht ausgeklammert (vgl. Mk 12,35-37 Par. mit Lk 7,28 Par und Joh 8,58)“. Die Aussage von der Präexistenz Jesu wird von Kuschel, Geboren, mit großem Aufwand bestritten. Dunn, Theology of Paul, 266-293, reduziert den Präexistenzgedanken auf die Präexistenz der personifizierten Weisheit, mit der Jesus als Gekreuzigter und Auferstandener identifiziert wurde (1Kor 8,6; Kol 1,15-20). Vgl. Calhoun, Gospel, 132; ebd. zur Herkunft aus der Linie Davids. Vgl. generell Hahn, Hoheitstitel, 242-279.

102 Römerbrief ———————————————————————————————————— 12,35-37/Mt 22,41-46/Lk 20,41-44): Er ist in Wirklichkeit der Gottessohn. Die entscheidenden Texte aus den „Schriften“ (Röm 1,2) für die Verbindung zwischen dem Davidssohn und dem Gottessohn sind 2Sam 7,12-14; Ps 2,7 und Ps 110,1-3.129 Die Nathanverheißung in 2Sam 7,12-14 verbindet die Verheißung eines „Samens“, d.h. Nachkommens, mit der Verheißung des ewigen Beistands des Hauses Davids mit der Zusage, Gott werde sein Vater und er werde Gottes Sohn sein: „Und es wird sein, wenn deine Tage erfüllt sind und du schlafen wirst mit deinen Vätern, dann werde ich deinen Samen nach dir aufstehen lassen (α� ναστη' σω το` σπε' ρμα σου μετα` σε' ), der aus deinem Schoße sein wird, und ich werde seine Königsherrschaft bereiten (ε� τοιμα' σω τη` ν βασιλει' αν αυ� τουñ ). Er wird mir ein Haus bauen, für meinen Namen, und ich werde seinen Thron aufrichten bis in Ewigkeit (α� νορθω' σω το` ν θρο' νον αυ� τουñ ε« ως ει� ς το` ν αι� ω ñ να). Ich werde ihm zum Vater werden, und er wird mir zum Sohn werden (ε� γω` ε» σομαι αυ� τω ñ, ει� ς πατε' ρα, και` αυ� το` ς ε» σται μοι ει� ς υι� ο' ν)“. In Röm 1,3 wird Jesus als „Same Davids“ (σπε' ρμα Δαυι' δ) bezeichnet, in V. 3.4 als Gottes „Sohn“ (υι�ο` ς αυ� τουñ / υι�ο` ς θεουñ ), der von den Toten auferstanden ist (ε� ξ α� ναστα' σεως νεκρω ñ ν). Die Verheißung eines „Samens“ Davids, den Gott „aufstehen“ lassen würde, wird mit Jesus verbunden, der „Same Davids“ ist und den Gott von den Toten „auferstehen“ ließ.130 Zu beachten ist, dass David auf die Nathanverheißung mit einem Bekenntnis zur Einzigartigkeit Jahwes reagiert: „um des willen, dass du groß bist, mein Herr, Herr, denn keiner ist wie du, und es gibt keinen Gott außer dir (ου� κ ε» στιν ω� ς συ` και` ου� κ ε» στιν θεο` ς πλη` ν σουñ ) in allem, wovon wir mit unseren Ohren gehört haben“ (2Sam 7,22 LXX; vgl. Jes 45,5.14.21). Die Betonung der Machtstellung des Gottessohnes aufgrund der mit der Auferstehung Jesu verbundenen Proklamation Gottes in V. 4 beinhaltet die Einbeziehung Jesu in die einzigartige Identität des Gottes Israels. Psalm 2 wird an mehreren Stellen mit dem messianischen Wirken Jesu (Mk 1,11/Mt 3,17/ Lk 3,22) und der Erhöhung Jesu verbunden (Apg 13,33; Hebr 1,5; 5,5). Die Aussagen von Paulus in Röm 1,3-4 und dem weiteren Kontext in Röm 1 legen es nahe, dass er auf Psalm 2 anspielt.131 In Ps 2,1-2 ist von den Völkern (ε» θνη) die Rede, die übermütig geworden sind und Leeres ersonnen haben, und von den Königen der Erde (οι� βασιλειñς τηñ ς γηñ ς) und den Herrschern (οι� α» ρχοντες), die sich „gegen den Herrn (κατα` τουñ κυρι' ου) und gegen seinen Gesalbten (κατα` τουñ χριστουñ αυ� τουñ )“ versammeln. Gott, der im Himmel (ε� ν ου� ρανοιñς) wohnt, lacht die Völker und ihre Herrscher aus (2,4); er reagiert mit Zorn (ε� ν ο� ργηñ, ) und Grimm (2,5). Der von Gott auf Zion, seinem heiligen Berg, eingesetzte König erklärt in direkter Rede: „Ich bin ja von ihm eingesetzt als König (ε� γω` δε` κατεστα' θην βασιλευ` ς υ� π’ αυ� τουñ ) … Der Herr sprach zu mir: Mein Sohn bist du (υι� ο' ς μου ειò συ' ), ich habe dich heute gezeugt“ (ε� γω` ση' μερον γεγε' ννηκα' σε; 2,6-7). Gott erklärt, dass er seinem König-Sohn Völker (ε» θνη) zum Erbe und die Enden der Erde (τα` πε' ρατα τηñ ς γηñ ς) zum Besitz geben wird. Gottes König wird die Könige und die Völker unterwerfen und ermahnen, dem Herrn zu dienen und die Unterweisung anzunehmen, um dem Zorn Gottes zu entkommen (μη' ποτε ο� ργισθηñ, κυ' ριος) und in Abkehr vom gerechten Weg (ε� ξ ο� δουñ δικαι' ας) nicht zugrunde zu gehen (2,9-12). Der König, der Sohn Gottes ist, hat singulären Status: Er besitzt universale Macht und ist Herrscher über die Völker. Dieser davidische König ist „Sohn“: Gott hat ihn „gezeugt“ (γεγε' ννηκα; 2,7). Das „heute“ (ση' μερον) verweist auf die Inthronisation auf dem Zion, die gleichbedeutend ist mit der Geburt oder Zeugung durch Gott,132 und damit „auf die ————————————————————

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Die folgenden atl. Stellen sind nach der Septuaginta Deutsch (LXX.D) zitiert. Vgl. Novakovic, Raised from the Dead, 133-146 zur Exegese von 2Sam 7,12-14 und Ps 2,7, die Röm 1,3-4 voraussetzt. Vgl. Wright, Paul, 818-819, gegen Chester, Messiah and Exaltation, 114, der den Einfluss von Ps 2 (und Jes 11) ausschließt. Gese, Natus ex Virgine, 137.

Präskript: Absender, Adressaten, Gruß 1,1-7 103 ———————————————————————————————————— ureigene Schöpferkraft Gottes, der kraft seines Wortes eine neue Wirklichkeit ins Leben ruft“.133 In Röm 1,3.4 wird Jesus als Sohn Gottes (υι�ο` ς αυ� τουñ /υι� ο` ς θεουñ ) bezeichnet; in 1,5 spricht Paulus vom Ziel seines apostolischen Dienstes, das darin besteht, „unter allen Völkern (ε� ν παñ σιν τοιñς ε» θνεσιν)“ für den Gehorsam gegenüber dem einen wahren Gott und seinem Gesalbten zu werben, auch in Rom (1,15), dem Sitz des Kaisers (βασιλευ' ς); in 1,18 spricht Paulus von der Offenbarung des Zornes Gottes (ο� ργη` θεουñ ) vom Himmel her (α� π’ ου� ρανουñ ) über die Gottlosigkeit und Ungerechtigkeit der Menschen (α� σε' βειαν και` α� δικι' αν α� νθρω' πων). Der im NT nicht zitierte Psalm 89 verbindet die Nathanverheißung (89,4.29) mit der Tradition vom Davidssohn, der von Gott mit heiligen Öl gesalbt (‫תי‬ ּ ִ ‫ ְמַׁשְח‬/ ε» χρισα) wurde (89,21) und den Gott zum „erstgeborenen Sohn“ macht (πρωτο' τοκον; 89,28). Als „Gottessohn“ ist der König Israels der Sachwalter Gottes auf Erden, als „Davidssohn“ ist er der Träger einer Verheißung Gottes, die Israel und am Ende auch den Völkern Segen verheißt. In den Psalmen Salomos wird die Nathanverheißung vor einer Beschreibung der Unheilsgeschichte Israels (PsSal 17,5-20) genannt (V. 4) und mit der Hoffnung auf einen endzeitlichen Davidssohn verbunden: „Sieh zu Herr, und richte ihnen auf ihren König, den Sohn Davids, zu der Zeit, die du ausersehen, o Gott, über Israel, deinen Knecht, zu herrschen“ (17,21).134 Dieser „Gesalbte des Herrn“ (χριστο` ς κυ' ριος; 17,32) ist mit dem Heiligen Geist Gottes begabt (17,37; vgl. 18,7; Jes 11,2; 1QSb V, 25); er stellt das Volk Israel wieder her (PsSal 17,22-30.32-41) und führt die Völker zur Anbetung Gottes (17,31). Paulus spricht von Jesus als „Same Davids“ auch in 2Tim 2,8 und Apg 13,23. Vergleiche Joh 7,42: Stimmen aus dem jüdischen Volk sagen: „Sagt nicht die Schrift: Der Messias kommt aus dem Geschlecht Davids (ε� κ τουñ σπε' ρματος Δαυι' δ) und aus dem Dorf Betlehem, wo David lebte?“ (EÜ).

Die Bezeichnung Jesu als Davidssohn betont ein Zweifaches.135 Erstens, Jesus gehört zu Israel, dem Gottesvolk, in dem Gott seine Verheißungs- und Erfüllungsgeschichte fortschreibt. Paulus nennt in 9,5 die „fleischliche“ Herkunft des Messias unter den Vorzügen Israels. Zweitens, Jesus gebührt als königlichem Messias eine herausragende Stellung im Volk Israel und zentrale Bedeutung für die Völker. In 15,12 bezeichnet Paulus mit einem Schriftzitat Jesus als „Spross aus der Wurzel Isais“, d.h. als Davidssohn, der als Diener der Beschneidung Gottes Verheißungen für Israel erfüllt (15,8) und als Herrscher Gottes Erbarmen für die Heidenvölker eröffnet (15,9-12). Der Zusammenhang mit 15,8-13 macht deutlich, dass Jesu Davidssohnschaft mehr als genealogische Verwandtschaft mit David, dem König Israels, aussagt: Es geht „um Jesu Wirken zur Rettung Israels und zur dadurch vermittelten Rettung der Heiden. Dieses Heilswirken setzt die Identität Jesu mit dem Davidssohn voraus – weil allein dies der Verheißung Gottes entspricht, an dessen ‚Wahrheit‘ (Röm 15,8) alles Heil hängt“.136 ————————————————————

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Söding, Davidssohn, 344. Zitiert nach Holm-Nielsen, Psalmen Salomos, 101. Vgl. Söding, Davidssohn, 330-334; Schwemer, Jesus Christus, 195-196. Söding, Davidssohn, 333-334. Wolter I 88 bestreitet, dass 1,3b Jesus als Messias Israels kennzeichnen will; Jesu Abstammung von David sei genauso wie seine Geburt in Beth-

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4. Im Evangelium, das Paulus in 1,3-4 im Anschluss an 1,1 skizziert, geht es grundsätzlich um den irdischen Jesus: κατα` σα' ρκα („nach dem Fleisch“) spricht von der irdischen Existenzweise Jesu.137 Der Hinweis auf das irdische Leben Jesu in der bekenntnishaften Zusammenfassung des Evangeliums zeigt, dass dieses für Paulus bleibende Bedeutung hat, auch wenn er in seinen Briefen primär vom Tod und von der Auferstehung Jesu spricht. Fleisch (σα' ρξ [sarx]) bezeichnet hier die irdisch-natürliche Existenz, „die Wirklichkeit menschlichen Lebens unter den Bedingungen des Todes“.138 Die Präposition κατα' beschreibt die Entsprechung der Existenz Jesu (nach seiner Geburt) zur menschlichen Existenz, d.h. sie bringt die Realität der Menschwerdung Jesu zum Ausdruck: Jesus partizipiert an „der Geschichtlichkeit, Kontingenz, Endlichkeit und Sterblichkeit der Menschen, wenn er als Davidssohn geboren wird“.139 Der Mensch gewordene Gottessohn, der im Evangelium Gottes verkündigt wird (1,1-2), erfüllt in seiner Person die Verheißungen Gottes. Das irdische Leben Jesu wird durch dessen Auferstehung nicht irrelevant: Jesus bleibt auch als auferstandener und erhöhter Kyrios der Messias Israels, der im Evangelium auch den Heiden als königlicher Erlöser verkündigt wird. 4 Das zweite Ereignis ist der Antritt der Machtstellung Jesu als himmlischer Herrscher. Jesus wurde proklamiert als Sohn Gottes in Macht. Das mit „proklamiert“ übersetzte Verb (ο� ρι'ζειν) bedeutet hier nicht „einsetzen“,140 sondern „deklarieren“ im Sinn von „definieren“.141 Gott142 pro————————————————————

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lehem „erst daraus abgeleitet worden, dass man in ihm nach Ostern den endzeitlichen Messiaskönig Israels sah“ (87). Die Behauptung von Walter, Paulus und die urchristliche Jesustradition, 504, nirgends werde „in christologischen oder soteriologischen Aussagen des Paulus irgendein anderer Bezug auf den ‚irdischen Jesus‘ hergestellt als der auf den Leidenden, Sterbenden, Gekreuzigten“, ist zu korrigieren. Vgl. Theobald, Der Römerbrief, 171. Söding, Davidssohn, 339. Die negativen Konnotationen des Lebens unter dem Diktat der Sünde (Röm 7,5.18.25; 8,5.13) liegen in 1,3 nicht vor; vgl. Scornaienchi, Sarx und Soma, 289, 345: In 1,3 verweist σα' ρξ auf die menschliche Existenz und die historische Wirklichkeit Christi. Söding, Davidssohn, 339. So Bauer / Aland s.v. ο� ριζω 1b „bestimmen, einsetzen, bestellen“, mit Verweis auf Röm 1,4; so die meisten Übersetzungen (EÜ, Elb.Ü, LÜ, ZB; vgl. GN: „ist ihm die Macht übertragen“; NGÜ: „ist ihm … die Macht gegeben worden“); G. Schneider, EWNT II, 1300; so die meisten Ausleger. Vgl. Wilckens I 65: Gott hat Jesus Christus als seinem Sohn „seit seiner Auferstehung die Machtstellung des himmlischen Herrschers übertragen“; Lohse 65: „Der Auferstandene wurde in seine himmlische Würde eingesetzt“; Wolter I 89: „Versetzung Jesu in einen Status, den er bis dahin noch nicht eingenommen hatte“. Zur Erklärung vgl. Haacker 29: „Im Hintergrund könnte die verbreitete Unterscheidung zwischen bloß nomineller und wirklicher Herrschaft stehen“ (vgl. Josephus, Bell. 4,637; Ant. 13,409; Tacitus, Ann. 6,43 u.a.).

Präskript: Absender, Adressaten, Gruß 1,1-7 105 ————————————————————————————————————

klamiert Jesus als Gottessohn. Die Wendung „in Macht“ (ε� ν δυνα' μει) ist auf die unmittelbar vorausgehende Wendung „Sohn Gottes“ zu beziehen:143 „Macht“ ist ein Attribut des Gottessohnes (vgl. 1Kor 5,4; Phil 3,10).144 Im Zusammenhang der Proklamation Gottes und der mit dieser verbundenen Auferstehung Jesu bezeichnet „Macht“ (δυ' ναμις) die universale Allmacht, die kosmische Souveränität Gottes, an der Jesus Anteil hat.145 In Phil 2,9 formuliert Paulus: „Darum hat ihn auch Gott erhöht und hat ihm den Namen gegeben, der über alle Namen ist“.146 Der „Name, der über alle Namen ist“ ist Jahwe, der Name des einen und einzigen Gottes, des Bundesgottes Israels. Andere Stellen betonen ebenfalls die Einbeziehung Jesu in die Identität des einen wahren Gottes (Röm 10,13; 1Kor 8,5-6).147 Der Messias, der Sohn Gottes ist, hat Anteil an der Macht Gottes. Im Kontext des Römerbriefs und der Mission des Apostels bezeichnet „Macht“ die Macht Jesu Christi, die in der Verkündigung des Evangeliums wirksam ist148 und sich als die Rechtfertigung von Juden und Heiden durch den Glauben erweist.149 Jesus, der ————————————————————

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Bauer / Aland s.v. ο� ριζω 2; LSJ s.v. ο� ριζω III.1 „ordain, determine, lay down“, III.2 „define“. Origenes 95: „bestimmt zum Sohn Gottes“; so auch Chrysostomus, Theodoret; Tertullian, Adversus Praxean 27: „qui definitus est filius dei secundum spiritum – hic erit deus, et sermo dei filius“; vgl. NIV1984; Söding, Davidssohn, 340; Calhoun, Gospel, 135: „God exercises his power to define, to call something by a name, to specify its attributes and functions, and to make these specifications real“. Das Partizip ο� ρισθε' ντος ist passivum divinum. Zuletzt Wolter I 90. Anders Sanday/ Headlam 9; Zeller 36; erwogen von Wilckens I 65: „Der Sohn Gottes ist durch Gottes Macht, nämlich entsprechend der (totenauferweckenden) Kraft des Geistes Gottes, auferweckt und in die himmlische Herrschaftsfunktion des Erhöhten eingesetzt worden“. Vgl. Söding, Davidssohn, 341 mit Anm. 70; Gräbe, Power, 158-169. Das Wort δυ' ναμις (dynamis) kommt in Papyrusdokumenten häufig vor, meistens in formelhaften Wendungen wie κατα` δυ' ναμιν („nach dem Vermögen/gemäß den Möglichkeiten“; BGU IV 1051,17); υ� πε` ρ δυ' ναμιν („über das Leistungsvermögen hinausgehend“; P.Oxy. II 282,8); μετα` (πα' σης) δυνα' μεως („mit [aller] Kraft/Autorität“; P.Oxy. II 292,56). Das Edikt des Präfekten Tiberius Iulius Alexander erwähnt die δυ' ναμις τουñ αυ� τοκρα' τορος („kaiserliche Macht“) des Galba (BGU VII 1563; OGIS II 669). In Papyrusbriefen ist von der δυ' ναμις eines Gottes erst in späten christlichen Texten die Rede (SB XIV 11882,8; 4. / 5. Jh.). F. Winter in Arzt-Grabner, 1. Korinther, 84-85. Vgl. Eph 1,20-21: Gott hat seine Macht (δυ' ναμις) „an Christus erwiesen, den er von den Toten auferweckt und im Himmel auf den Platz zu seiner Rechten erhoben hat, hoch über alle Fürsten und Gewalten, Mächte und Herrschaften und über jeden Namen, der nicht nur in dieser Welt, sondern auch in der zukünftigen genannt wird“ (EÜ); vgl. 4,10. Vgl. Bauckham, Jesus and the God of Israel, der die relevanten ntl. Stellen behandelt. Wilckens I 65, mit Verweis auf 1,16; 2Kor 13,3-4; 1Kor 1,18.24; 2,4. Gräbe, Power; Söding, Davidssohn, 341. Theobald, Glaubensformel, 113 legt die davidische Herkunft Jesu V. 3 im Sinn ihrer Bedeutung für die Juden aus, und die „österliche Inthronisation Jesu zum Kyrios“ in V. 4 in Bezug zur Heidenwelt. Man vergleiche die inclusio von 1,1-5 und 15,7-13 mit dem Zitat aus Jes 11,10: „Kommen wird

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messianische Gottessohn, ist aktiv an Gottes Rettungswerk beteiligt, von dem im Evangelium die Rede ist. Otto Michel formuliert: „Die Erhöhung ist nicht nur Zeichen der Kraft Gottes, sondern auch Ausstattung des Sohnes mit Kraft“.150 Die Wendung nach dem Geist der Heiligkeit (κατα` πνευñ μα α� γιωσυ' νης)151 wurde im Sinn des von Heiligkeit gekennzeichneten (menschlichen) Geistes Jesu152 oder der Göttlichkeit Jesu,153 als Umsetzung des Messiasprädikats „der Heilige“154 und als Parallelbegriff zur heiligen Hoheit und Macht Gottes155 verstanden. Am überzeugendsten ist das Verständnis im Sinn des Heiligen Geistes (πνευñ μα α« γιον, [pneuma hagion]),156 im Anschluss an die hebr. Wendung ‫[( רו ַּח ק ֹוֶדׁש‬rūach qōdäsch], „Geist der Heiligkeit“).157 Der „Geist der Heiligkeit“ ist zu verstehen als „der Geist Gottes, insofern er Gott in seiner Herrlichkeit, seiner Macht und Gottheit offenbart, in seiner radikalen Unterschiedenheit von den Menschen, gleichzeitig aber in seiner Kraft, alles zu vernichten, was sich seinem Willen entgegenstellt, und alles zu verlebendigen, was er retten will“.158 Die Bedeutung der Präposition κατα' ist nicht eindeutig. Die instrumentale Deutung („durch“) interpretiert den Geist als die Wirklichkeit, die Jesus als Sohn Gottes mit Gott verbindet und die im Leben Jesu das entstehen lässt, „was ihn über alle erhöht und seine Botschaft zur Heilsbotschaft macht“,159 oder als „die Macht, kraft deren Jesus als Gottessohn eingesetzt wurde“.160 Die räumliche Deutung („über … hin“) betont das in V. 4 beschriebene Ereignis als eschatologisches Geschehen, als Anfang der neuen Schöpfung Gottes.161 Die modale Interpretation („nach Art und ————————————————————

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der Spross aus der Wurzel Isais; er wird sich erheben, um über die Heiden zu herrschen. Auf ihn werden die Heiden hoffen“. Michel 74. Vgl. Umoren, Power Christology, für eine Verknüpfung der exegetisch recht verstandenen Macht Jesu Christi mit der existentiellen Wirklichkeit von Christen heute. „Geist der Heiligkeit“ (πνευñ μα α� γιωσυ' νης) ist nur noch in TestLev 18,7.11 bezeugt; das Substantiv α� γιωσυ' νη ist im NT nur in 2Kor 7,1; 1Thess 3,13 belegt. Sanday/ Headlam 2. Lagrange 8; dazu Cranfield I 63. Boismard, Fils; Haacker 29. Schlier 26; Haacker 29 mit Verweis auf Röm 6,4; Apg 5,31; 1Petr 4,14; TestLev 18,7-11. Röm 5,5; 9,1; 14,17; 15,13.16; 1Kor 12,3; 2Kor 6,6; Eph 4,30; 1Thess 1,5.6; 4,8; 2Tim 1,14; Tit 3,5; vgl. 1Kor 6,19; 2Kor 13,13; Eph 1,13. Vgl. Ps 51,13; Jes 63,10-11; 1QS IV, 21; VIII,16; IX,3; 1QH VII,6-7; vgl. die Formulierungen in Röm 8,15; Gal 6,1; Eph 1,17; 2Tim 1,7. Söding, Davidssohn, 341. Vgl. Wolter I 90: „Geist Gottes als Leben und Auferstehung schenkende Gotteskraft“. Schlatter 20; vgl. Dunn I 15. Käsemann 10. Michel 74.

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Weise“) interpretiert im Sinn einer Übereinstimmung der Bestimmung Jesu als Gottes Sohn mit dem „Geist der Prophetie“ (in Analogie zur Aussage in V. 2 und der Wendung κατα` τα` ς γραφα' ς in 1Kor 15,4),162 oder, wahrscheinlicher, im Sinn des Heiligen Geistes, der die Manifestation der Macht Jesu Christi als Macht Gottes und damit die Garantie für seine Stellung als Sohn Gottes ist.163 War Jesus als messianischer Davidssohn ganz vom „Fleisch“ bestimmt, so ist er als der auferweckte Gottessohn ganz vom „Geist der Heiligkeit“ bestimmt. Das heißt: Der Messias Israels hat als Sohn Gottes Anteil an der Gottheit Gottes. Die Proklamation der Gottessohnschaft des Messias Jesus geschah aufgrund der Auferstehung von den Toten (ε� ξ α� ναστα' σεως νεκρω ñ ν).164 Gemeint ist die Auferstehung Jesu von den Toten als Resultat göttlichen Handelns.165 Die Präposition ε� κ bezeichnet entweder Zeit („seit“) oder Ursache („aufgrund“) der Proklamation des Davidssohns als Sohn Gottes. Im ersten Fall betont Paulus das Datum der Proklamation Jesu als Sohn Gottes:166 Seit der Auferstehung besitzt Jesus die himmlische Machtstellung. Im zweiten Fall ist die Grundlage der göttlichen Proklamation im Blick.167 Die Auferstehung Jesu bestätigt seine messianische Würde und seine Teilhabe an der Souveränität Gottes als Gottessohn. Die beiden Bedeutungsnuancen schließen sich nicht gegenseitig aus:168 Die Auferstehung Jesu ist sowohl Datum als auch Grundlage der göttlichen Machtstellung des Messias Jesus. Die Auferstehung Jesu ist der Beginn der „Endzeit“, sie markiert den Beginn der endzeitlichen Totenauferweckung.169 ————————————————————

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Haacker 29. Cranfield I 64; Penna 20 spricht von einer impliziten („discretamente“) trinitarischen Struktur des Osterereignisses. Wolter I 90: Die Wendung mit κατα' steht für eine „Betrachtungsweise“, welche „die Wirklichkeit als Gottes Wirklichkeit wahrnimmt“. Die Wendung ε� ξ α� ναστα' σεως νεκρω ñ ν kürzt ε� ξ α� ναστα' σεως ε� κ νεκρω ñ ν ab; vgl. 4,24; 8,11; 10,9; vgl. Eph 1,20; Apg 13,33; 1Petr 1,21. Zur Auferstehung Jesu bei Paulus s. Röm 4,24.25; 6,4.5.9; 7,4; 8,11.34; 10,9; 1Kor 6,14; 15,1-10.12-17.20; 2Kor 4,14; 5,15; Gal 1,1; Eph 1,20; 2,6; Phil 3,10; Kol 2,12; 3,1; 1Thess 1,10; 4,14; 2Tim 2,8; in den Evangelien: Mt 28,1-20; Mk 16,1-8; Lk 24,1-49; Joh 20,1-23; s. weiter Apg 1,3.22; 2,24.31.32; 3,15; 4,2.10.33; 5,30; 10,40.41; 13,30.33.34.37; 17,3.18.31; 26,8.23; 1Petr 1,3.21; 3,21; Offb 5,6. S. die Monographien Wilckens, Auferstehung; Hempelmann, Auferstehung Jesu Christi; Wright, Resurrection of the Son of God; Licona, Resurrection of Jesus; Novakovic, Raised from the Dead. EÜ, ZÜ; Kuss I 6; Lietzmann 25; Fitzmyer 236; Schreiner 44; Hultgren 48; Lohse 65; Hahn, Hoheitstitel, 256-257. Elb.Ü, LÜ. Stuhlmacher, Theologie I, 187; Wright, Paul, 699-700.818-820. Fitzmyer 235; Légasse 58; Haacker 28; Kruse 46; Wolter I 89. Vgl. 1Thess 4,13-18; 1Kor 15,20-28; Apg 26,23. Vgl. Kirk, Resurrection, 39-50.

108 Römerbrief ———————————————————————————————————— Timo Eskola betont, dass 1,4 die Inthronisation Jesu als Aktualisierung wichtiger eschatologischer Themen beschreibt.170 Das Motiv der Inthronisation des irdischen Königs fungiert als Metapher, die die Bedeutung des neuen Status zum Ausdruck bringt, den Jesus erhalten hat. Die messianische Erwartung von 2Sam 7,12-14 wird nicht in der davidischen Abstammung Jesu erfüllt, sondern in der Inthronisation Jesu als davidischer König im Himmel. Im Kontext der davidischen Verheißungstradition ist die Inthronisierung Jesu als Herr im Himmel als Anfang des davidischen Bundes im Sinn des Bundes der Gnade Gottes zu verstehen (Jes 55,3). Für Paulus war die Verbindung der Auferstehung der Toten mit der Inthronisierung des verheißenen davidischen Königs offenkundig ein grundlegendes Argument seiner missionarischen Vision. Der neue davidische Bund der Gnade steht allen Heiden offen (Jes 55,3-5; 11,1.10; vgl. Röm 15,12). Der Hinweis auf die universale Herrschaft Jesu, des davidischen Königs der neuen Heilszeit, kam dem universalen Horizont der paulinischen Mission entgegen. Der zentrale Wendepunkt der Heilsgeschichte ist die Auferstehung Jesu, nach der Jesus der universale Kyrios ist. Neil Elliott vergleicht 1,3-4 mit dem Anspruch Neros (Kaiser seit 54 n.Chr.), Sohn des göttlichen Claudius zu sein sowie Nachkomme von Tiberius und Germanicus, Söhne des göttlichen Augustus.171 Im Unterschied zu Nero, der seine Position der consecratio durch den römischen Senat verdankt, werde Jesus durch die Macht Gottes in der Auferstehung von den Toten als Sohn Gottes proklamiert. Ähnlich wie Seneca, der die Vergöttlichung des gerade verstorbenen Kaisers Claudius als politisch nützliche List persifliert,172 setze sich Paulus im Sinn eines „hidden transcript“ mit Nero auseinander: Der Apostel stelle dem offiziellen Selbstverständnis Neros, das öffentlich in Inschriften propagiert wurde und die Vergöttlichung als Recht der Cäsaren beinhaltete, die göttliche Identität von Jesus als königlicher Messias gegenüber – eine Identität, die exklusive Wahrheit besitzt und den römischen Kaiser als unweise, ungerecht, unmoralisch, ja als Mörder entlarvt. Solche politischen Interpretationen, so interessant sie im Detail auch sein mögen,173 können nicht überzeugen. Auch wenn man nicht ausschließen kann, dass zum Beispiel Seneca in Röm 1,3-4.18-32 sowie 2,1-16 gegen den Kaiser gerichtete Sätze gefunden haben könnte, so ist das Ziel der paulinischen Missionsarbeit und damit auch des Römerbriefs keine bewusst geführte politische Auseinandersetzung mit der Ideologie des Kaiserhauses, sondern die Verkündigung des Glaubens an Jesus Christus (1,5; 3,22.25-28.30), durch dessen Tod und Auferstehung alle Menschen, die alle Sünder sind, Sündenvergebung (3,25-26; 5,8-9.16-21; 6,6-7.10-11.1718.22; 8,3) und Versöhnung mit Gott (5,1.10-11; 11,15) erlangen können. Man kann das Substantiv πι' στις in der Wendung υ� πακοη` ς πι' στεως in 1,5 angesichts seiner Verwendung im Römerbrief nicht einfach auf die adjektivische Bedeutung „treu“ reduzieren („treuer Gehorsam“) und 1,5 als programmatische Ankündigung des Triumphes Gottes über eine rebellische Welt und über feindliche und Unterdrückung bringende Nationen interpretieren.174

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Eskola, Messias, 201-204 (englische Zusammenfassung). Elliott, Arrogance, 61-83. Vgl. Seneca, Apocolocyntosis 1, 11. Zum Beispiel Elliott, Arrogance, 55-56: Die Überzeugung, dass Jesus der Messias und dass seine Herrschaft eine gerechte ist, widerspricht den zwei Grundreaktionen auf die römisch-kaiserliche Herrschaft – Akzeptanz der römischen Ordnung trotz des Mangels an Gerechtigkeit (Akkommodation), oder Bemühungen, durch eine aktive Ablehnung der römischen Ordnung Gerechtigkeit herzustellen (Rebellion); gegen diese beiden Handlungsstragegien betont Paulus: Die ideale Ordnung wird durch den Messias herbeigeführt werden, der ein wahrhaft gerechter Herr ist. Elliott, Arrogance, 45-46, der meint, „we should not think of Paul as some sort of religious entrepreneur, offering a new message of personal salvation to individuals who happened not to be ethnically Judean“ (46).

Präskript: Absender, Adressaten, Gruß 1,1-7 109 ———————————————————————————————————— Auch und gerade als Völkerapostel geht es Paulus um das Heil des einzelnen Menschen: Die Versuchung der Sünde und die Macht der Sünde, von denen Paulus in 6,12-23 und 7,7-25 ausführlich schreibt, betreffen den „Leib“ (6,12; 7,24), d.h. die reale, körperliche Existenz des einzelnen Menschen.

Die Wendung Jesus, dem Messias, unserem Herrn175 bringt die definitorische Beschreibung des Evangeliums auf den Punkt: Jesus ist der verheißene Messias (Χριστο' ς; s. V. 1) und der Herr. Die Bezeichnung „Herr“ (κυ' ριος) ist Übersetzungsäquivalent für hebr. ‫[ ֲאֹדָני‬adonāj], das übliche Substitut von ‫( יהוה‬JHWH, Jahwe), dem hebräischen Namen Gottes. Das Tetragrammaton wird in hebräischen Manuskripten mit aramäischer Quadratschrift (‫)יהוה‬, mit althebräischer Schrift, mit vier Punkten oder mit der Glosse adonai wiedergegeben. In griechischen Manuskripten finden wir das Tetragrammaton in althebräischer Schrift oder in aramäischer Quadratschrift, wiedergegeben mit ΙΑΩ oder ΠΙΠΙ, oder mit κυ' ριος übersetzt.176 Philo kennt griechische Manuskripte, in denen das Tetragrammaton in althebräischer Schrift oder in aramäischer Quadratschrift wiedergegeben ist, und zitiert so, wie er den Text ausgesprochen hätte, d.h. mit Verwendung von κυ' ριος.177 A. Pietersma argumentiert, das Tetragrammaton sei von den frühen Übersetzern mit κυ' ριος wiedergegeben worden; in späteren Revisionen der griechischen Übersetzung sei κυ' ριος mit Transliterationen von griechischen, aramäischen und althebräischen Wiedergaben des göttlichen Namens ersetzt worden. In den christlichen Codices des 4. und 5. Jh. wird das Tetragrammaton mit κυ' ριος wiedergegeben. Paulus bezeichnet Jesus Christus 275 Mal als κυ' ριος.178 Der Titel κυ' ριος wird in den Papyri (sowie in literarischen Texten) für ägyptische und griechische Gottheiten (P.Oxy. II 242 Z 17-18: Sarapis; P.Giss. 14 Z 4-5: Hermes), für ptolemäische Könige, manchmal gleichzeitig mit der Bezeichnung θεο' ς (SB VI 9612,2-3: Ptolemaios IX Soter II) sowie für die römischen Kaiser, ebenfalls in Verbindung mit θεο' ς (BGU IV 1197,15; 1200,11; VIII 1143,4: Augustus) verwendet.179 Die häufige Verwendung des κυ' ριος-Titels für Claudius und für Nero (für Letzteren über 120 Belege) wird angesichts der häufigen Nennung des κυ' ριος � Ιησουñ ς bei Paulus von manchen Auslegern als bewusster Kontrast zum κυ' ριος Claudius oder zum κυ' ριος Nero interpretiert.

Texte wie Röm 10,11-13 (mit Zitat von Joel 3,5 [2,32] und Jes 28,16 und Anspielung auf die monotheistischen Aussagen in Joel 2,26-27) und Phil 2,6-11 (mit Anspielung auf Jes 45,23) zeigen, dass Paulus Jesus mit Jahwe in seiner universalen Souveränität identifiziert. Das Bekenntnis „der Messias Jesus ist der Herr“ (vgl. Phil 2,11) ist die Anrufung Jesu als der am Kreuz Gestorbene und von Gott Erhöhte, dem Gott den Namen gegeben hat, ————————————————————

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Die mit Gen. formulierte Wendung � Ιησουñ Χριστουñ τουñ κυρι' ου η� μω ñ ν steht in Apposition zu περι` τουñ υι� ουñ αυ� τουñ V. 3. Vgl. GN, wo V. 3-4 so eingeleitet werden: „Es ist die Botschaft von seinem Sohn, Jesus Christus, unsrem Herrn“. Vgl. Capes, YHWH Texts and Monotheism, 120-121. Vgl. Royse, Philo. Zum Folgenden s. Pietersma, Kyrios or Tetragram. Zu κυ' ριος s. ausführlicher den Exkurs in Schnabel, 1. Korinther, 64-65. Vgl. Arzt-Grabner, Philemon, 173-175 für weitere Beispiele. Vgl. D. Zeller, Art. Kyrios, DDD 918-928; K. Spronk, Art. Lord, DDD 994-998.

110 Römerbrief ————————————————————————————————————

der über alle Namen ist (Phil 2,9), Jahwe, und gleichzeitig das Bekenntnis zur souveränen Herrschaft Jesu als Sohn Gottes in Macht (1,4).180 Die meist mit „Jesus Christus, der Herr“ übersetzte Wendung kommt, in mehreren Variationen, bei Paulus häufig vor – � Ιησουñ ς Χριστο` ς κυ' ριος: Röm 1,4; 5,21; 6,23; 7,25; 1Kor 1,9; 2Kor 4,5; Χριστο` ς � Ιησουñ ς κυ' ριος: Röm 8,39; 1Kor 15,31; Eph 3,11; Phil 3,8; Kol 2,6; 1Tim 1,2.12; 2Tim 1,2; κυ' ριος � Ιησουñ ς Χριστο' ς: Röm 1,7; 5,1.11; 13,14; 15,6.30; 1Kor 1,2.3.7.8.10; 6,11; 8,6; 15,57; 2Kor 1,2.3; 8,9; 13,13; Gal 1,3; 6,14.18; Eph 1,2.3.17; 5,20; 6,23.24; Phil 1,2; 2,11; 3,20; 4,23; Kol 1,3; 1Thess 1,1.3; 5,9.23.28; 2Thess 1,1.2.12; 2,1.14.16; 3,6.12.18; 1Tim 6,3.14; Phlm 3.25; κυ' ριος Χριστο' ς: Röm 16,18; Kol 3,24.

Das Personalpronomen (η� μω ñ ν) unterstreicht die persönliche Bindung zwischen den Glaubenden und Jesus: Wer auf das Evangelium mit Glauben antwortet und Jesus als Messias und als Verkörperung der machtvollen Wirklichkeit Gottes begreift, unterwirft sich seiner Herrschaft. Mit den Aussagen in V. 3-4 macht Paulus deutlich: Das Evangelium, das er verkündigt (1,1) und dessen Grundstrukturen er im Römerbrief erklärt, handelt zentral und grundsätzlich von Jesus, dem messianischen Davidssohn, dessen Auferstehung von den Toten deutlich gemacht hat, dass er an der Souveränität des Gottes Israels Anteil hat – eine Wahrheit, die alle Menschen angeht. 5 Nach den christologischen Aussagen, mit denen Paulus in V. 3-4 den Kern des Evangeliums beschreibt, kehrt er im Anschluss an die Nennung des von den Toten auferstandenen Jesus Christus, der Herr (κυ' ριος, V. 4) ist und als dessen Sklave (δουñ λος, V. 1) er arbeitet, zur Erklärung seiner Apostelschaft (V. 1) zurück. In der Wendung durch ihn haben wir Gnade und Apostelamt empfangen181 kennzeichnet die Präposition δια' („durch“) Jesus Christus als Mittler seiner apostolischen Sendung, die mit „Gnade und Apostelamt“ beschrieben wird; in V. 7 wird Gott als Ursprung (α� πο' ) von „Gnade“ und „Frieden“ bezeichnet. In Gal 1,1 stehen δια` � Ιησουñ Χριστουñ und δια` θεουñ parallel als die Auftraggeber des Apostels; nach 1Kor 1,1; 2Kor 1,1; Kol 1,1; Eph 1,1; 2Tim 1,1 ist Paulus „Apostel des Messias Jesus“ (α� πο' στολος Χριστουñ � Ιησουñ ) „durch den Willen Gottes“ (δια` θελη' ματος θεουñ ). Beauftragung durch Gott und Beauftragung durch Jesus Christus sind für Paulus ein und dasselbe. An anderen Stellen erklärt Paulus, dass Gott ————————————————————

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Vgl. Capes, Old Testament Yahweh Texts, 114-149.164-183, zu atl. Jahwe-Texten, die auf Jesus Christus angewendet werden; s. Rowe, Name, 135-173; Bauckham, Jesus and the God of Israel, 199-201. In Apg 17,31 verknüpft Paulus die Auferweckung Jesu durch Gott mit dem Gericht über alle Menschen, das in der atl.-jüdischen Tradition immer das Gericht ist, in dem Gott richtet, in dem jetzt jedoch Jesus der Richter ist. Der Relativsatz δι’ ουð ε� λα' βομεν schließt an � Ιησουñ Χριστουñ τουñ κυρι' ου η� μω ñ ν V. 4 an. Die meisten Übersetzungen beginnen mit V. 5 einen neuen Satz (Elb.Ü, EÜ, LÜ, NGÜ; NET, NIV); im Griech. sind V. 1-7 eine einzige Satzperiode (ZÜ; ESV, NASB, NRSV).

Präskript: Absender, Adressaten, Gruß 1,1-7 111 ————————————————————————————————————

ihm die Offenbarung zuteilwerden ließ, in der er Jesus als den auferstandenen und erhöhten Sohn Gottes sah (Gal 1,12.15-16; 1Kor 9,1), der ihn als sein Zeuge zu den Völkern sendet (Apg 26,15-18; vgl. 1Kor 15,8). Der Plural des Verbs „wir haben empfangen“ (ε� λα' βομεν) beschreibt weder die Apostel182 noch die Adressaten (bzw. sämtliche Jesusbekenner)183 als Empfänger von Gnade und Apostelamt: V. 5 gehört zur Absenderangabe des Präskriptformulars (V. 1-6), die keine Mitabsender in V. 1 nennt,184 und andere Christen werden erst in der Adressatenangabe in V. 7 erwähnt. Paulus spricht von sich selbst,185 mit einer Formulierung, die vielleicht deshalb bewusst allgemein gehalten ist, damit „sein Ich in den Hintergrund treten“ kann.186 Paulus beruft sich auf seine Begegnung mit Jesus Christus vor Damaskus, der ihn dort in die Nachfolge und in den missionarischen Dienst berufen hatte (vgl. Gal 1,15-16; Apg 9,4-20; 22,6-16; 26,13-20). Die mit Gnade und Apostelamt (χα' ρις και` α� ποστολη' ) übersetzte Formulierung wird im Blick auf die Zuordnung der beiden Begriffe unterschiedlich interpretiert. 1. Gnade (χα' ρις) ist die unverdiente Zuwendung Gottes und das durch Jesus Christus ermöglichte Heil, die in der Bekehrung von Paulus auf der Straße nach Damaskus Wirklichkeit wurden; Apostelamt (α� ποστολη' ) ist die Sendung zu Juden und Heiden, die Paulus als Lebensaufgabe zugewiesen wurde.187 2. Gnade und Apostelamt sind für ————————————————————

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Feine 8; Zahn 43-49; Schlatter 22; Dunn I 16; Roller, Formular, 172; Turner, Syntax, 28: Paulus schreibt im Auftrag einer Gruppe; Müller, Plural: Paulus verwendet den Plural, wenn er von seinem apostolischen Wirken und seiner Missionsarbeit spricht; wenn er in der 1. Pers. Sg. von und für sich selbst spricht, tritt er aus der Gruppe seiner apostolischen Mitarbeiter heraus; Doering, Letters, 481: Der Plural reflektiert, wenigstens zum Teil, „participation in the collective of apostles“; Jewett 109: Paulus will seine Solidarität mit den Aposteln zum Ausdruck bringen, deren Gesandte die stadtrömischen Gemeinden gegründet hatten. BDR §2803 bezieht α� ποστολη' ν auf Paulus, χα' ριν auf „die Adressaten und alle Christen“; Barrett 21; Reichert, Abfassungsproblematik, 117: die Pluralformulierung bezieht sich auf die Person des Verfassers als „berufenen Apostel“ (V. 1), öffnet aber „die Beschreibung des Auftrags dieses Verfassers so, dass sich die Adressaten mitgemeint sehen können (nicht müssen) als Empfänger von χα' ρις und α� ποστολη' “; aufgenommen von Stegemann, Paul’s Self-Introduction, 129-130. Mitabsender werden genannt in 1Kor 1,1; 2Kor 1,1; Gal 1,2; Phil 1,1; Kol 1,1; 1Thess 1,1; 2Thess 1,1; Phlm 1. Zu Mitabsendern vgl. Doering, Letters, 394-395.399-402. Der Plural ε� λα' βομεν ist ein schriftstellerischer Plural (pluralis sociativus; HvS §139e). Vgl. Käsemann 11-12; Cranfield I 65; Schlier 28; Wilckens I 66; Stuhlmacher 22 („Majestätsplural“); Fitzmyer 237; Lohse 67; Penna 23; Haacker 30 mit Anm. 41; Wolter I 91. Zur Diskussion vgl. Byrskog, Co-Senders. Schlier 28; vgl. Michel 75: Die Formulierung im Plural drückt Bescheidenheit aus. Zahn 43; Sanday-Headlam 11; Lagrange 10; Barrett 21; Jewett 109. Vgl. Apg 9,3-19; 22,6-16; 26,12-18; Gal 1,15-16.

112 Römerbrief ————————————————————————————————————

Paulus identisch, die Formulierung ist als Hendiadyoin188 zu verstehen, d.h. die beiden Begriffe interpretieren sich gegenseitig: Paulus wurde kraft göttlichen Gnadenerweises zum Apostel berufen und weiß sich ganz durch die Gnade Gottes in Beschlag genommen.189 3. Mit der Wendung „Gnade und Apostelamt“ beschreibt Paulus seine Berufung zum Apostel als Erweis der Gnade Gottes, ohne zu vergessen, dass die Gnade Gottes die für ihn grundlegende Wirklichkeit ist, die ihn zum Jesusbekenner werden ließ und die ihn in seiner missionarischen Arbeit bevollmächtigt.190 Bekehrung und Berufung zum Apostel fielen in der Biographie des ehemaligen Verfolgers zusammen, aber Paulus war sich des Primats der Gnade Gottes immer bewusst. Anders kann man 1Kor 15,9-10 kaum erklären, wo Paulus schreibt: „Denn ich bin der letzte der Apostel, der ich nicht wert bin, Apostel genannt zu werden, weil ich die Gemeinde Gottes verfolgt habe. Doch durch Gottes Gnade bin ich, was ich bin (χα' ριτι δε` θεουñ ει� μι ο« ει� μι), und seine Gnade mir gegenüber (η� χα' ρις αυ� τουñ η� ει� ς ε� με' ) ist nicht ohne Wirkung geblieben, sondern ich habe mehr gearbeitet als sie alle, aber nicht ich, sondern die Gnade Gottes, die mit mir ist (η� χα' ρις τουñ θεουñ η� συ` ν ε� μοι')“. Paulus weiß: Gottes Gnade „für mich“ (ει� ς ε� με' ) bewirkt Gottes Gnade „mit mir“ (συ` ν ε� μοι') und ist deshalb immer die Grundwirklichkeit, die bestimmt, wer „ich bin“ (ο« ει� μι) – ein von Gott gerechtfertigter Sünder, den Gott zu seinem Gesandten erwählt und bestimmt hat. Paulus bezeichnet das Apostolat nie direkt als „Gabe“ (χα' ρισμα),191 und die Gaben (χαρι'σματα) des Geistes werden nie als „Gnade“ (χα' ρις) bezeichnet; man kann jedoch beides nicht streng voneinander trennen, wie Röm 12,3.6 zeigt,192 gerade was die Biographie des Paulus angeht. Die unverdiente Gunst Gottes, die im Heilsgeschehen des Todes Jesu Christi zugunsten von Sündern in deren Rechtfertigung und Erlösung zur Wirkung kommt (3,24; 5,15.17.20-21), hat Paulus vom Verfolger zum Jesusbekenner werden lassen und zugleich zum Verkündiger des Evangeliums berufen.193 ————————————————————

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HvS §294v: Bedeutungseinheit wird durch zwei gleichgeordnete Begriffe ausgedrückt. Lohse 67, mit Hinweis auf Gal 2,9; 1Kor 3,10; 15,10; so die meisten Kommentatoren, s. Kuss I 9-10; Cranfield I 65-66; Wilckens I 66; Black 23; Fitzmyer 237; Moo 51; Légasse 60; Penna 24; Haacker 29-30; Kruse 50; Wolter I 91. Vgl. Dunn I 17; Witherington 33; vgl. Vorholt, Versöhnung, 182. S. jedoch 1Kor 12,4 im Zusammenhang von 1Kor 12,28. Lips, Apostolat; Zeller, Charis, 142; anders Satake, Apostolat. Zu χα' ρισμα s. V. 11. Nach Wilckens I 66 betont das Substantiv α� ποστολη' in erster Linie „die Autorität des Boten“: „Ist Gottes Gnade die Kraft seiner Sendung, so ist in ihr auch die Autorität des Gesandten begründet“. Wäre dies die Zielaussage gewesen, hätte Paulus diese einfacher formulieren können.

Präskript: Absender, Adressaten, Gruß 1,1-7 113 ———————————————————————————————————— Das Wort „Gnade“ (χα' ρις [charis]), das bevorzugt von Paulus verwendet wird (100 von 155 Vorkommen im NT), hat ein breites Bedeutungsspektrum. Den Standardlexika folgend kann man vier Hauptbedeutungen unterscheiden:194 1. Die Qualität der Schönheit und des Attraktiven, die Freude vermittelt: Anmut, Lieblichkeit, Schönheit, Charme – die Anmut der Sprache (Plutarch, Aem. 2,2), eines Meisterwerks (Plutarch, Tim. 35,4), einer Unterhaltung (Plutarch, Eum. 11,2), eines Gartens (Anth. Pal. 9,666); die Gunst des Schicksals (Aeschylos, Ag. 417); dann vor allem auch das Reizvolle bei Personen, persönlicher Charme, Schönheit und Freundlichkeit (Euripides, Bacchae 236; Josephus, Ant. 2,231). 2. Die subjektive Haltung des Wohlwollens: Gunst, Huld, Wohlwollen, Fürsorge – das Wohlwollen anderen gegenüber (Theokrit 28,24-28), die in gefälligen Taten oder Gebärden geäußerte Sympathie (Homer, Od. 5,307; Plato, Tim. 20B), die fürsorglichen Handlungen eines Arztes gegenüber seinem Patienten (Hippokrates, Epid. 6,4,7), das zum Handeln motivierende Wohlwollen (Plato, Phaedo 115b), als Gefälligkeit die Freude bereitende Tat (Euripides, Herc. 321), die Gunst der Götter (Aeschylos, Ag. 182; Plato, Leg. 7,796C; 8,844D; Hippokrates, De aere aquis locis 22); in der griechisch-römischen Zeit häufig die Gunsterweisungen eines Freundes (P.Princ. 162,12), eines Gouverneurs (Plutarch, Cicero 12.4), des Kaisers (OGIS II 669,44).195 3. Der konkrete Nutzen des Wohlwollens anderen gegenüber: der Huldbeweis, das Gnadengut, der Gnadenstand – Menschen, die anderen verpflichtet sind, ersuchen den Machthaber um eine Gunst, die diese (nicht immer) gewähren (Ep. Aristides 230.249; I.Magn. 115,14). Die gnädige Gesinnung bekommt die konkrete Bedeutung von huldvollem Geschenk (Syll. II 814,18-19).196 Hierher gehört auch der Gnadenerweis im juristischen Prozess (P.Flor I 61,61-62). Im Kontext der Beziehung von Klientel und Patronat, die auf dem Prinzip der Gegenseitigkeit basiert, ergibt sich die Bedeutung des geschuldeten Erweises (Aeschylos, Prom. 985; Diodorus Siculus 1,90,2).197 4. Die Reaktion auf den Gunstbeweis: Dank (Euripides, Hec. 767; Xenophon, An. 3,3,14; Syll. II 613,36-37). Bauer / Aland identifizieren als weitere Kategorie die Bedeutung „besondere Wirkungen der göttlichen Gnade“, die nicht durch den Status des Christseins bedingt sind: die Begnadung in den makedonischen Gemeinden (2Kor 8,1; 9,14); die Gnade Gottes als Grund der Berufung des Paulus als Apostel und die Ausstattung mit den zu diesem Amt gehörenden Kräften und Fähigkeiten (Röm 1,5; 12,3; 15,15; 1Kor 3,10; 15,10; u.a.); die Gnade Gottes als Macht, Weisheit und Herrlichkeit Gottes (Apg 6,8; 1Kor 15,10; 2Kor 1,12; 2Petr 3,18).198 Diese Kategorie ist jedoch unnötig, die angeführten Stellen können in Punkt 3 eingefügt werden. In der vorchristlichen Literatur ist χα' ρις weder in der Religion noch in der Philosophie ein zentraler Begriff, was sich in der urchristlichen Verkündigung und Literatur ändert.

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LSJ s.v. χα' ρις; Bauer / Aland, s.v. χα' ρις; BDAG s.v. χα' ρις; TLNT III, 500-506; H. Conzelmann, ThWNT IX, 377-366.377-393; K. Berger, EWNT III, 1095-1102; Zeller, Charis, 13-32. P.Fouad 21,15-16 = SB VIII 96678,10 (63 n.Chr.), fast gleichlautende Kopien eines Protokolls einer Audienz beim Präfekten C. Caecina Tuscus, bei der eine Beschwerde von Veteranen verhandelt wurde; ein relevantes Edikt Kaiser Neros wird als η� χα' ρις τουñ κυρι' ου („der Gnadenerlass des Herrn“) bezeichnet; Arzt-Grabner, Philemon, 168. In zeitgenössischen Registern wird χα' ρις mehrfach im Sinn von „gratis, kostenlos“ verwendet; vgl. P.Mich. II 123 (45–47 n.Chr.); 124 (46–49 n.Chr.); 128 (46–47 n.Chr.); V 38 (46 n.Chr.); 240 (46–47 n.Chr.); Arzt-Grabner, Philemon, 169. Für eine Darstellung des griechisch-römischen Prinzips der Benefaktion s. Harrison, Grace, 26-96 (Behandlung von Inschriften und Papyri). Vgl. Engberg-Pedersen, GiftGiving, der die Bedeutung hellenistischer Konventionen über- und das Alte Testament unterbetont. Bauer / Aland, s.v. χα' ρις 4; BDAG s.v. χα' ρις 4.

114 Römerbrief ———————————————————————————————————— Im Neuen Testament finden wir Beispiele für alle vier Bedeutungen: zu 1. s. Lk 4,22; Kol 4,6; zu 2. s. Lk 2,40; 3,14; Apg 3,14; 25,11; Röm 3,24; Kol 3,13; zu 3. s. Apg 24,27; 25,9 (von Menschen), die Kollekte für Jerusalem (1Kor 16,3; 2Kor 8,4.6-7), von Gott (Apg 20,24; Röm 5,17; 1Kor 1,4; 1Petr 5,10), von Jesus Christus (Apg 11,23; Röm 6,14; Gal 1,6); zu 4. s. Lk 17,9; 1Tim 1,12; Hebr 12,28. Die Bedeutungen 2 und 3 kommen am häufigsten vor: χα' ρις ist die Gunst, die Huld, das Wohlwollen, die Fürsorge, die einer dem anderen gewährt oder die einer von anderen erfährt, zumeist auf Gott oder Jesus Christus bezogen; und χα' ρις ist die konkrete Betätigung des Wohlwollens und dessen Resultat, zumeist im Sinn der Gnadentat, die Gott in Jesus Christus vollbracht hat, und des göttlichen Gnadenbesitzes, aufgrund dessen die Gläubigen das Heil geschenkt bekommen – χα' ρις ist das Gnadengut, das Gott bzw. Jesus Christus spendet, und der Gnadenstand, in dem die Gläubigen stehen.199 Wer χα' ρις von sich aus „gibt“, der „befindet sich in der überlegenen Position und könnte auch anders handeln, ohne dass er sich dafür rechtfertigen müsste“.200 H. Conzelmann identifiziert die Bedeutung „Macht“ als aus der Überwelt einströmende Potenz, die religiöse Qualität besitzt, als Sonderentwicklung im Hellenismus, mit Hinweis auf Corpus Hermeticum I, 32; XIII, 12; Ascl 41.201 Die philosophischen Texte dieses in Alexandrien entstanden Corpus entstanden zwischen dem 1. und 4. Jh. n.Chr.; die vorhandenen 17 Abhandlungen wurden aber nicht vor dem 10. / 11. Jh. n.Chr. kompiliert.202 Der älteste Traktat, Poimandres, ist kaum vor 200 n.Chr. geschrieben worden. Das Corpus Hermeticum hat das Neue Testament nicht beeinflusst, eher umgekehrt: Der Poimandres ist wahrscheinlich eine kritische Auseinandersetzung mit dem Johannesevangelium.203 Alttestamentliche und jüdische Texte (Gen 39,21; Ex 3,21; Ps 44,2; 84,11; Sir 21,16; Bar 2,14; TestJud 2,1) können den ntl. Sprachgebrauch von χα' ρις als Macht, die im Gläubigen wirksam ist, durchaus erklären, ohne dass man späte hellenistische Texte bemühen muss. 204 In der LXX übersetzt χα' ρις nicht ‫[ ֶח ֶסד‬chäsäd],205 das mit ε» λεος („Mitleid, Erbarmen, Barmherzigkeit“) wiedergegeben wird,206 sondern ‫[ ֵחן‬chen].207 G.P. Wetter argumentiert deshalb, dass Paulus mit χα' ρις einen dem Judentum fremden Begriff einführte: Die LXX verwendet ε» λεος, wenn sie von der gnädigen Barmherzigkeit Gottes spricht; analog zu den Inschriften des frühen Kaiserreichs, in denen χα' ρις die souveränen Handlungen des Kaiser beschreibt, verwendet Paulus den Ausdruck zur Bezeichnung der Handlungen Gottes den Menschen gegenüber und in Analogie zu den magischen Papyri als geistliche Macht, die die Gläubigen ————————————————————

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Bauer / Aland s.v. χα' ρις 2a, b; 3b. Wolter I 92. H. Conzelmann, ThWNT IX, 366; s. bereits Moffatt, Grace, 21-29. Holzhausen, Corpus Hermeticum Deutsch, IX; Holzhausen datiert CH I in das 2. Jh. (ebd. 3); CH XIII ist später entstanden, da der Traktat sich explizit auf CH I bezieht (ebd. 159); das (verlorene) griechische Original des Traktats Asclepius entstand im 2./3. Jh. (ebd. 233). Vgl. J. Holzhausen, Art. Corpus Hermeticum, DNP III, 203-207. Büchli, Poimandres; Hengel, Ursprünge der Gnosis, 572-573. Nolland, Grace, 26-31. HAL s.v. ‫ ֶח ֶסד‬II: 1. „Gemeinschaftspflicht“ in Verwandtschafts-, Freundschafts-, Gast-, Zugehörigkeits- oder Dienstverhältnis; Verbundenheit, Solidarität, Loyalität, Treue; 2. „Treue, Güte, Huld“ in Verhältnis Gottes zum Volk oder Einzelnen; „frommes Tun, Leistungen“ des Menschen oder „Gnadenerweise“ Gottes als aus der Solidarität fließende Akte; s. H.-J. Zobel, ‫ֶח ֶסד‬, ThWAT III, 48-71. Die eine Ausnahme ist Est 2,17, wo ‫ ֵחן ָוֶח ֶסד‬mit χα' ρις übersetzt wird. HAL s.v. ‫ֵחן‬: 1. Anmut, Liebreiz; 2. Gunst, Beliebtheit; s. D.N. Freedman / J.R. Lundbom/ H.-J. Fabry, ‫ָחַנן‬, ThWAT III, 23-40.

Präskript: Absender, Adressaten, Gruß 1,1-7 115 ———————————————————————————————————— ethisch verwandelt.208 H. Dörrie beschreibt den Begriff der χα' ρις in der griechischen Welt so: „Die Huld der Götter ist überall gegenwärtig. Sie überschüttet die gesamte Menschheit mit einer Fülle von G[naden]gaben. Aber sie greift nicht in die Naturgesetze ein, sie begünstigt keinen einzelnen, u. sie ist ohne Wirkung u. ohne Nutzen für alles, was nach dem Tode kommt; dafür ist sie nicht kompetent … sie rettet keinen; σωτηρι' α darf nicht von ihr erwartet werden.“209 J.R. Harrison argumentiert, dass die Gewährung von χα' ρις durch die römischen Kaiser, wie sie in Ehreninschriften beschrieben wird und im Kontext der Gegenseitigkeit (Reziprozität) im System des augusteischen Patronats zu verstehen ist – Ausgangspunkt des paulinischen Verständnisses von Gnade –, von Paulus, was die Offenbarung Gottes in Jesus Christus betrifft, gekippt wird: Gott erweist, erstaunlicherweise, seine χα' ρις undankbaren Feinden, ohne den Anspruch seiner Ehre aufzugeben, wobei der Akt göttlicher Patronage, den Tod und Auferstehung Jesu darstellen, die Benefaktion des Kaisers sowohl in Rom als auch in den Provinzen verdrängt.210 C. Breytenbach weist nach, dass das paulinische Verständnis von χα' ρις nicht auf dem Hintergrund der Benefaktionsideologie des Römischen Reichs zu verstehen ist, sondern seine Grundlage der biblischen Tradition der göttlichen Barmherzigkeit (ε» λεος) gegenüber dem Sünder verdankt; Paulus verwendet die (kaiserzeitliche) Sprache der Benefaktion bzw. des Patronats, um den biblischen und jüdischen Glauben an die reiche Barmherzigkeit Gottes auszudrücken.211 K. Berger spricht für viele, wenn er das griechische Wort χα' ρις definiert als „das freie, unerzwingbare, glückhaft geschenkte Offensein füreinander, daher im Verhältnis zu Gott das von ihm geschenkte ‚Heil‘ und den ‚Dank‘ des Menschen zugleich“.212 Diese Definition liest das neutestamentliche, vor allem paulinische Verständnis von „Gnade“ in das Wort χα' ρις ein. In jüdisch-hellenistischen Texten hat χα' ρις eine anders gelagerte Bedeutung: χα' ρις ist das wohlwollende Geschenk Gottes, das im Sinn rationaler Fairness solchen Menschen gewährt wird, die sich diesem als würdig erweisen. Siehe Weish 8,21: „Ich erkannte aber, dass ich die Weisheit nur als Geschenk Gottes erhalten könnte (ε� α` ν μη` ο� θεο` ς δω ñ, ) – und schon hier war es die Klugheit, die mich erkennen ließ, wessen Gnadengeschenk sie ist (τι' νος η� χα' ρις)“; 6,16: „Sie geht selbst umher, um die zu suchen, die ihrer würdig sind (του` ς α� ξι' ους αυ� τηñ ς)“; Philo, Praem. 126: „Dies sind die Segenswünsche für die tugendhaften und die Gesetze treu beobachtenden Menschen, die, wie der Prophet verheisst, in Erfüllung gehen werden durch die Gnade des huldreichen Gottes (χα' ριτι τουñ φιλοδω' ρου θεουñ ), der die edlen Taten (καλα` … ο� μοιο' τητα) wegen des Strebens nach Ähnlichkeit mit ihm ehrt und auszeichnet“.213 In diesen Texten ist χα' ρις einerseits der unverdiente, zugleich aber der erklärbare Nutzen, den Gott einem geeigneten, seiner Gunst würdigen Empfänger zuteilwerden lässt – nicht im Sinn eines kommerziellen Tausches, sondern als Wiederspiegelung der Rationalität und Güte des schenkenden Gottes. D. Zeller betont, dass Philo in seinem ————————————————————

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Wetter, Charis, 36, 195-198. Harrison, Grace, 63, stimmt Wetter zu: Der Ausgangspunkt des ntl. Verständnisses von χα' ρις sei die Gewährung von „Gnade“ durch die Kaiser. H. Dörrie, „Gnade“, RAC XI, 313-333, Zitat 333. Nur in den Mysterienkulten gewähren die Götter χα' ρις im Sinn eines glücklichen Lebens nach dem Tod. Harrison, Grace, 211-288. Breytenbach, Charis, 207-238. K. Berger, EWNT III, 1096, im Blick auf Paulus: „Gnade ist die Ermöglichung des Zugangs zu Gott überhaupt durch diesen Gott selbst … Gottes rettende Gnade angesichts des Sünderseins aller“ (1098, 1099). Weiter Philo, Vit.Mos. 2,242; Conf. 182; Leg.Gai. 3,166; sowie Seneca, Ben. 1,1,2; 1,10,4; vgl. Linebaugh, God, 49-55.83-87. Zu Philos Verständnis von χα' ρις vgl. Zeller, Charis, 33-128. Philo spricht 52 Mal von Gottes χα' ρις und 46 Mal von Gottes χα' ριτες (Gnadenerweisen).

116 Römerbrief ———————————————————————————————————— Verständnis von der χα' ρις Gottes die stoische Tugendlehre umwertet: Vollkommenheit wird „gerade im Bekenntnis der eigenen Nichtswürdigkeit und der Allursächlichkeit Gottes erreicht … Nicht menschliche Selbstvervollkommnung, sondern die Offenheit für die Gnade Gottes und deren bewußte Wahrnehmung definieren ihn … Sichere Erkenntnis Gottes, wahre Weisheit und damit sittliche Vollkommenheit sind letzten Endes nur im Bereich der Offenbarung zu haben. Zugleich stellt er aber die besonderen Gnadenerweise für Israel vor den Hintergrund des Schöpferwirkens Gottes in aller Welt, interpretiert die Zusagen für das Volk wenigstens teilweise um auf den tugendliebenden Einzelnen und hält so für den interessierten Heiden – sprich: Proselyten – den Zugang zu diesem Bereich offen“.214 Paulus versteht die χα' ρις Gottes nicht als (durchaus souveräne, allein von Gott veranlasste) Belohnung für Tugendhaftigkeit und Gesetzestreue, sondern als Rechtfertigung des Gottlosen (Röm 4,4-5) durch die Erlösung, die Jesus Christus bewirkt hat (Röm 3,24). Während die Weisheit Salomos und Philo die Wirkung der göttlichen Gnade im Rahmen der göttlichen Gerechtigkeit und Fairness verstehen, verbindet Paulus die Gerechtigkeit Gottes, der sich im Messias Jesus geoffenbart hat, mit Jesus, dem Sohn Gottes, als Geschenk Gottes, das die Rechtfertigung der Sünder bewirkt.215 In Röm 3,23-24 beschreibt Paulus grundlegend die Gnade Gottes: Es sind Sünder (πα' ντες γα` ρ η« μαρτον), die die Herrlichkeit Gottes verloren haben, (υ� στερουñ νται τηñ ς δο' ξης τουñ θεουñ ), die durch die Gnade Gottes (τηñ, αυ� τουñ χα' ριτι) gerecht gesprochen werden (δικαιου' μενοι) – geschenkweise (δωρεα' ν), kraft der Erlösung, die im Messias Jesus geschehen ist (δια` τηñ ς α� πολυτρω' σεως τηñ ς ε� ν Χριστω ñ, � Ιησουñ ). 1Kor 15,9-10 unterstreicht, wie zentral für Paulus der Geschenkcharakter der Gnade Gottes ist, die sich in Jesus Christus offenbart hat: Sein Verhalten als Verfolger der Jesusbekenner demonstriert seine „Wertlosigkeit“ – er bekennt Jesus als Messias und er dient ihm als Gesandter allein infolge der Erfahrung der Gnade Gottes.

Das Apostelamt, d.h. der Verkündigungsdienst des Paulus als berufener Apostel, „bezeugt die Wirklichkeit und Wirksamkeit der Gnade, die ihm im Ereignis seiner Berufung zuteil wurde“.216 In V. 5b beschreibt Paulus Ziel, Reichweite sowie Motivation und Thema seines Wirkens als Apostel mit drei Präpositionalverbindungen. Die Wendung zum Gehorsam des Glaubens (ει� ς υ� πακοη` ν πι'στεως) beschreibt das Ziel seiner Sendung.217 Der Ausdruck kommt noch einmal in der Doxologie in 16,25-27 vor (s. dort). Im Alten Testament beinhaltet der Begriff „Glaube“ (hebr. ‫אמן‬, hiph. ‫)ֶהֱאִמין‬218 ein Urteil, ob eine Person oder eine Sache Vertrauen verdient. Die Wurzel kommt 330 Mal im AT vor. Die Grundbedeutung des Wortstamms ist „Stabilität erlangen, sich auf jmd. verlassen, einer Botschaft Glauben schenken oder sie für wahr halten, jmd. vertrauen“.219 Die profanen Vor————————————————————

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Zeller, Charis, 128. Linebaugh, God, 160-175. Vorholt, Versöhnung, 182-183. HvS §184g.cc(1): ει� ς als Kennzeichnung von Bestimmung bzw. Ziel einer Handlung. A. Jepsen, ThWAT I, 313-348 (mit Belegstellen); vgl. A. Weiser, Art. πιστευ' ω κτλ., ThWNT 6:182-197; Schumacher, Entstehung, 232-246. Jepsen, ThWAT I, 308. HAL s.v. ‫אמן‬, übersetzt den Niphal mit 1. sich als fest, zuverlässig erweisen, 2. Bestand haben, bleiben, andauern; Hifil: 1. glauben = meinen, 2. etw. als zuverlässig ansehen, glauben, 3. Gott vertrauen, an ihn glauben.

Präskript: Absender, Adressaten, Gruß 1,1-7 117 ———————————————————————————————————— kommen des Verbs stehen alle in einem negativen Kontext: es gibt Menschen und Beziehungen, auf die man sich nicht verlassen kann, und Botschaften, die man nicht für wahr halten kann. In den seltenen Fällen, in denen ‫ ֶהֱאִמין‬für die Haltung des Menschen Gott gegenüber verwendet wird, gründet sich das Vertrauen Gott gegenüber auf göttliche Zeichen (Ex 4,31), Wunder (Ex 14,31; Ps 106,12) und das göttliche Wort (Gen 15,6; Jona 3,5). Wenn der Mensch infolge der Zeichen, Wunder oder Worte Gottes diesem vertraut, wird diese menschliche Reaktion als ‫[ ְצָדָקה‬zedāqāh], als rechtes Verhalten, bezeichnet. Unglaube, d.h. das Zweifeln an Gottes Wort oder Verheißung, führt die Wüstengeneration in den Tod. Vertrauen auf Gottes Wort oder Verheißung führt zu Leben. Das Substantiv ‫’[ ֱאֶמת‬æmät] wird für Gegenstände gebraucht, die sich als zuverlässig erwiesen haben – für das Wort, das wirklich wahr ist und auf das man sich deshalb verlassen kann; für einen Menschen, der wirklich zuverlässig ist und dem deshalb ein Amt anvertraut werden kann; für ein Urteil, das gerecht ist. Das Wort ‫ ֱאֶמת‬beinhaltet immer die Beziehung zum Mitmenschen und betrifft dessen Rede und Handlungen: ‫ ֱאֶמת‬ist immer das, worauf sich andere verlassen können. So beschreibt ‫ ֱאֶמת‬nicht nur eine objektive Tatsache, sondern beinhaltet eine persönliche Beziehung.220 Im religiösen Bereich beschreibt ‫ ֱאֶמת‬das Wesen Gottes. Jahwe ist ‫ֵאל ֱאֶמת‬, ein „treuer, zuverlässiger Gott“ (Ps 31,6). Als Schöpfer ist er ‫שֵמר ֱאֶמת‬ ֹ ׁ ּ ‫ַה‬, „der, der Treue hält“. Deshalb kann sich der Mensch „ewig“ auf ihn verlassen (Ps 146,6). Gottes ‫ ֱאֶמת‬ermöglicht es dem Menschen, sich auf Gott zu verlassen. So soll ‫ ֱאֶמת‬auch das Wesen des Menschen bestimmen – seine Taten und Handlungen, vor allem in seinem Verhalten Gott gegenüber. Wir finden im AT jedoch immer wieder den Hinweis auf die Ungewissheit, ob ‫ ֱאֶמת‬im Menschen ist, und dann die Klage, dass der Mensch keine ‫ ֱאֶמת‬hat. Es ist Gott allein, der Wahrheit, Treue und Zuverlässigkeit besitzt. Diese sind vom Menschen gefordert, auch wenn er sie oft zurückweist. Die LXX übersetzt ‫ ֱאֶמת‬gelegentlich mit πι' στις, meistens jedoch mit α� λη' θεια. Das Substantiv ‫’[ ֱאמו ָּנה‬æmūnāh] ist mit ‫ ֱאֶמת‬verwandt, hat jedoch eine eigene Bedeutung. Während ‫ ֱאֶמת‬immer jemand oder etwas bezeichnet, auf den oder das man sich verlassen kann, betont ‫ ֱאמו ָּנה‬mehr die innere Haltung und die Verhaltensweise, die diese innere Haltung vorbringt. ‫ ֱאמו ָּנה‬bezeichnet jenes Verhalten, das aus jener inneren Stabilität und Festigkeit heraus erwächst, die ‫ ֱאֶמת‬entsprechen: Gemeint ist Aufrichtigkeit, Treue, Zuverlässigkeit, Redlichkeit, Gewissenhaftigkeit, Stabilität.221 In Ps 89 verweist der Psalmist fünf Mal auf die ‫ ֱאמו ָּנה‬Gottes (V. 2.3.6.9.50): ‫ ֱאמו ָּנה‬ist jenes Verhalten, in dem Gott sich seinem Wesen gegenüber treu, zuverlässig verhält. Die LXX übersetzt ‫ ֱאמו ָּנה‬mit πι' στις. Auch wenn die Vokabel „glauben“ (‫ )אמן‬nicht allzu häufig in einem theologischen Kontext vorkommt, kann man ihr jedoch kaum eine grundlegende Bedeutung für die Theologie des AT absprechen.222 Da „Glaube“ eine Verhaltensweise ist, die sowohl vom einzelnen Israeliten als auch von Israel insgesamt gefordert ist, wird das Wort zu einer fundamentalen Kategorie der Beziehung zu Gott. In Jes 43,10 bedeutet „Glaube“ deshalb: „erkennt, dass ich derselbe bin“. In Ex 14,31 steht Glauben parallel zur „Furcht des Herrn“. In Num 14,11 ist Unglaube mit der „Verachtung“ Jahwes verbunden, in Deut 9,23 mit „Ungehorsam“. Nach 1Sam 26,23 belohnt Jahwe jeden Menschen für seine ‫ ְצָדָקה‬und seine ‫ֱאמו ָּנה‬. Die Voraussetzung für „wahres“ Leben ist ‫( ֱאמו ָּנה‬Ps 37,3). Gott neigt sich zu denen, die ‫ ֱאמו ָּנה‬zeigen (Ps 12,22; 31,24). Nach Hab 2,4 gilt: „Der Gerechte aber wird durch seinen Glauben leben“ (LÜ; ‫) ְו ַצִּדיק ֶב ֱּאמו ָּנת ֹו ִיְחֶיה‬. Hier bezeichnet ‫ ֱאמו ָּנה‬jenes Verhalten, das mit ‫ ֱאֶמת‬übereinstimmt, beinhaltet also Zuverlässigkeit, Stabilität, Aufrichtigkeit, Treue – solche ‫ ֱאמו ָּנה‬ist dem Gerechten (‫ ) ַצִּדיק‬eigen und bringt ihm Leben. Das griech. Wort πι' στις [pistis] bedeutet „Treue, Zuverlässigkeit, Vertrauen, Zutrauen“ gegenüber Menschen, „Verantwortlichkeit, Glaubwürdigkeit“ (im Zusammenhang der

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Jepsen, ThWAT I, 313; für das Folgende ebd. 316. HAL s.v. ‫ ;ֱאמו ָּנה‬Jepsen, ThWAT I, 317. Jepsen, ThWAT I, 308.

118 Römerbrief ———————————————————————————————————— Rechtssicherheit), in der Philosophie „Überzeugungskraft, Argument“, im Finanz- und Rechtswesen „Sicherheit, Kredit“ (im Sinn von Pfandsicherheit, Schutzurkunde, Schutzbrief).223 Das Wort kommt in fast allen Lebensbereichen vor, ist also nicht auf den religiösen Bereich beschränkt. In den Papyri finden wir die Bedeutungen „Treue, Zuverlässigkeit, Vertrauen, Zutrauen“ sowie „Verantwortlichkeit, Glaubwürdigkeit“ (im Sinn von Pfandsicherheit, Schutzurkunde, Geleitbrief); Belege aus vorpaulinischer Zeit für die Bedeutung „religiöser Glaube“ liegen nicht vor.224 Die religiöse Konnotation von πι' στις konzentriert sich häufig auf das Vorherwissen der Götter und die Hoffnung, die z.B. durch die Konsultation von Orakeln zum Ausdruck gebracht wird, dass die Götter den Menschen, die in Not bzw. krank sind, helfen können.225 Die LXX übersetzt die hebr. Wurzel ‫ אמן‬fast ausnahmslos mit der πιστ-Wortgruppe,226 wodurch die Nuancen der Stabilität und Zuverlässigkeit und der Verbindung mit Wahrheit und Gerechtigkeit betont werden; die Wortgruppe bekommt „einen festen und prominenten Platz unter jenen Begriffen, mit denen die Beziehung zu Gott zur Sprache gebracht werden kann“.227 Ben Sira verbindet Glaube mit Gesetzesgehorsam: „Wer dem Gesetz glaubt, beachtet die Gebote, und wer dem Herrn vertraut, wird keinen Verlust erleiden … Ein verständnisvoller Mann wird sich auf das Gesetz verlassen: für ihn ist das Gesetz so zuverlässig wie eine Befragung der Urim“ (Sir 32,24; 33,3).228 Glaube, der im Gesetzesgehorsam besteht, entscheidet über den Ausgang des Jüngsten Gerichts (4Esr 9,7; 13,23). Gleichzeitig ist Glaube die Anerkennung des einen, wahren Gottes durch einen Heiden, der sich zum Judentum bekehrt (JosAs 1–15). Der Glaube Abrahams in Gen 15,6 gilt als Model des Glaubens eines Proselyten. Philo verwendet πι' στις entsprechend der traditionellen Wortbedeutung für „Gewähr, Garantie, Beweis, Überzeugung, Zuverlässigkeit“, zur Bezeichnung einer Vertrauensbeziehung, auch im Sinn der Beziehung zu Gott.229 Josephus verwendet πι' στις mit ganz ähnlichen Bedeutungen, im Sinn von „Beweis, Gewähr, Zuversicht, Überzeugung, Verantwortung, Ehrenwort, d. Anvertraute“, im politischen Bereich für Friedensverträge, politische Treue oder Sicherheit, im religiösen Bereich für die Beziehung zu Gott und zum Gesetz sowie für die Treue Israels. Das lat. Wort fides hat ähnliche Bedeutungsnuancen und Verwendungsmöglichkeiten wie πι' στις und wird deshalb z.B. in den Res gestae divi Augusti, der Lebensbeschreibung des Kaisers Augustus, auch direkt mit πι' στις übersetzt: „Plurimaequae aliae gentes exper[tae sunt p(opuli) R(omani)] fidem me principe quibus antea cum populo Roman[o nullum extitera]t legationum et amicitiae [c]ommercium/Πλειñστα' τε α» λλα ε» θνη πειñραν ε» λ[α]βεν δη' μου � Ρωμαι' ων πι' στεως ε� π� ε� μουñ η� γεμο' νος, οιðς το` πρι`ν ου� δεμι' α ηò ν προ` ς δηñ μον � Ρωμαι' ων π[ρε]σβειω ñ ν και` φιλι' ας κοινωνι' α“ („Auch viele andere Völker haben während meiner Regierung die Redlichkeit des römischen Volkes in Erfahrung bringen können, obwohl sie zuvor mit dem römischen Volk keinerlei Gesandtschafts- oder Freundschaftsverhältnis ————————————————————

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LSJ 1408 s.v. πι' στις; Preisigke s.v. πι' στις; vgl. R. Bultmann, Art. πιστευ' ω κτλ., ThWNT VI, 174-182; Lindsay, Josephus and Faith, 7-19. Arzt-Grabner, Philemon, 178-180; Arzt-Grabner, 2. Korinther, 234. Vgl. Barth, Pistis; Schunack, Glaube; vgl. Schnelle, Paulus, 603-604. R. Bultmann, ThWNT VI, 197-198 u. Anm. 149; vgl. Lindsay, Josephus and Faith, 21-38. Schumacher, Entstehung, 265. Vgl. Sib 3,283ff; 4Esr 7,23-24.83; syrApkBar 54,5. Zu πι' στις bei Ben Sira s. Lindsay, Josephus and Faith, 39-51; Schumacher, Entstehung, 246-253, mit Kritik an der These Lindsays, Ben Sira sei repräsentativ für den Trend, mithilfe der πιστ-Wortgruppe einen theologischen Schlüsselbegriff zu schaffen. Philo, Migr.Abr. 43-44; Schumacher, Entstehung, 254. Zu Philo vgl. Lindsay, Josephus and Faith, 53-73, zu Josephus ebd. 77-91.

Präskript: Absender, Adressaten, Gruß 1,1-7 119 ———————————————————————————————————— gepflegt haben“; Res gestae divi Augusti 32).230 Mit fides verweisen Autoren auf das Vertrauen, das Zutrauen, den Glauben, sodann auf die Treue, Verlässlichkeit, Zuverlässigkeit, Gewissenhaftigkeit sowie Garantie, Beweis, Sicherheit, Kredit und Wahrheit, Gewissheit, Glaubwürdigkeit, im politischen und militärischen Bereich die Bündnistreue und eidliche Zusage sowie Schutz, Obhut, Hilfe. Im Neuen Testament ist πι' στις ein zentraler theologischer Begriff; Substantiv und Verb kommen je 243 Mal vor; Paulus verwendet das Verb 54 Mal, das Substantiv 142 Mal. Das Wort πι' στις bezeichnet das rechte Gottesverhältnis und ist das zentrale Merkmal der urchristlichen Verkündigung.231 Angesichts der Bedeutung von πι' στις in der griechischen Welt und im NT kann man zwei hauptsächliche Bedeutungsbereiche unterscheiden: 1. Glaube als das, was Vertrauen, Glaube hervorruft, konkret Treue, Zuverlässigkeit, feierliches Versprechen, Schwur, Beweis;232 2. Glaube als das Vertrauen, das man übt, konkret Vertrauen auf Gott und Jesus Christus.233 Im Zusammenhang der griechischen Rhetorik bedeutet πι' στις „Überzeugung“. Der Aorist des Verbs πιστευ' ειν wird in der Missionssprache der ersten Christen zur festen Wendung für das Zum-Glauben-Kommen, d.h. die Bekehrung.234 Die zentrale Bedeutung des Glaubens geht auf Jesus zurück. Nach Mk 1,15 gehört die Aufforderung zum Glauben zur summarischen Kennzeichnung der Verkündigung Jesu: „Die Zeit ist erfüllt, und das Reich Gottes ist nahe gekommen. Tut Buße und glaubt an das Evangelium“. Der Glaube an das Evangelium ist die Antwort auf das Kommen Gottes. Auf den Indikativ des Heils – die Zeit ist erfüllt und Gottes Herrschaft ist gekommen – folgt die Aufforderung zur Nachfolge und zum Glauben. Der Glaube, den Jesus fordert und bewirkt, ist Vertrauen auf Gottes gnädige Herrschaft – und zugleich Vertrauen auf Jesus Christus als Mittler der Gottesherrschaft (Mk 1,1; 8,35; 13,10; 14,9). Deshalb erwartet Jesus, dass die Menschen an ihn glauben (Mk 9,42; Mt 18,6). Der Glaube ist, wie der Eintritt in die Gottesherrschaft, ein Geschenk Gottes (Mk 10,14-15.17-25). Bei Paulus bedeutet πι' στις fast immer die Annahme der Botschaft von Gottes Heilshandeln im Tod und in der Auferweckung Jesu Christi, das Vertrauen auf Gottes Gnade, der in und durch Jesus Christus Sünden vergibt, den Sünder mit sich versöhnt und ihm seinen Geist gewährt.235 Das „Kommen“ des Glaubens (Gal 3,23.25) „meint sachlich den mit Christus gekommenen Heilsweg des Glaubens“.236 Der Glaube kommt für Paulus aus dem Wort der

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Weber, Augustus: Meine Taten. Res gestae divi Augusti, 40-41. Zum Folgenden vgl. Schumacher, Entstehung, 274-276. Vgl. G. Barth, EWNT III, 216-231; K. Haacker, Glaube II. Altes und Neues Testament, TRE XIII, 277-305; Schlatter, Glaube; Neugebauer, In Christus; Binder, Glaube; Dobbeler, Glaube; Yeung, Faith; Schließer, Abraham’s Faith, 7-78 (Forschungsgeschichte). Zur Deutung des ntl. Glaubensbegriffs im Kontext der griech. Rhetorik s. Kinneavy, Greek Rhetorical Origins. Zum folgenden Punkt s. Barth, ebd. 219-220. Bei Paulus: Röm 3,3; Gal 5,22; 2Tim 4,7; Tit 2,10; vgl. Apg 17,31. 1Thess 1,8; Kol 2,12 und öfter. Schumacher, Entstehung, 285-290 bemüht sich, das Verständnis von πι' στις bei Paulus nicht auf die Beziehung zu Jesus Christus bzw. Gott zu beschränken, sondern auf zwischenmenschliche Beziehungen auszuweiten und stets die Nuancen von lat. fides mitzuhören. Röm 10,14; 13,11; 1Kor 3,5; 15,2; Apg 2,44; 4,4.32; 8,13; 11,21; 13,12; 14,1; 15,7; 19,2. 1Kor 1,21; 2,5; 15,2.11; Röm 10,9.14; 13,11; Gal 2,16. Vgl. Schlatter, Glaube, 325-417; Dobbeler, Glaube; Schnabel, Glaube; Stuhlmacher, Theologie I, 341-347. An einigen Stellen bezeichnet πι' στις das zwischenmenschliche Vertrauen (Gal 5,22; 2Thess 1,4; Tit 2,10) und die Treue Gottes zum Menschen (Röm 3,3). Weitere Stellen bespricht Schumacher, Begriff, 490-499; Schumacher, Entstehung, 209-219. G. Barth, EWNT III, 226, das folgende Zitat ebd. 225.

120 Römerbrief ———————————————————————————————————— Verkündigung des Evangeliums (Röm 10,8.17; Gal 3,2.5). Glaube und Gnade gehören bei Paulus eng zusammen: „Hat Gott ein für allemal im Kreuz Christi Heil schaffend gehandelt, so kann die Antwort des Menschen nur in der gehorsamen Annahme, im Sich-Verlassen auf Gottes χα' ρις, im Sich-Beschenken-Lassen mit und im Leben aus dieser Gabe bestehen“.237 Die grundsätzliche Bedeutung des Glaubens ist für Paulus mit der Rechtfertigung des Gottlosen verknüpft, die Gott bewirkt (Röm 3,22-24; 4,5). Als Annahme der Botschaft von Gottes Heilshandeln in und durch Jesus Christus (10,14.17) ist Glaube auch immer Gehorsam gegenüber Gott und seinem Wort (1,5; 16,26).

Der Genitiv (πι'στεως) ist als epexegetischer Genitiv zu fassen.238 Die Menschen, denen Paulus das Evangelium Gottes und von Jesus Christus (V. 1.4) verkündigt, sollen zum Glauben (πι'στις) an Jesus als Messias und Sohn Gottes kommen – ein Glaube, der im Gehorsam (υ� πακοη' ) gegenüber Gott und gegenüber Jesus Christus besteht.239 Nach 1,8 wird vom Glauben der stadtrömischen Christen überall geredet, nach 16,19 ist es ihr Gehorsam, der allen bekannt ist. In 10,16 erklärt Paulus die Tatsache, dass nicht alle Juden dem Evangelium gehorsam geworden sind (υ� πη' κουσαν), mit einem Zitat aus Jes 53,1, in dem der Prophet mit einer rhetorischen Frage feststellt, dass viele der Botschaft nicht geglaubt haben (ε� πι'στευσεν). Nach 10,17 kommt der Glaube aus der Botschaft (α� κοη' ), die der Verkündiger proklamiert und die der Hörer akzeptiert. Glaube an Jesus Christus ist Gehorsam gegenüber Gott und bedeutet Unterwerfung unter Jesus Christus als Herr.240 Gleichzeitig gilt: Der Glaube beginnt mit dem Hören und der Annahme des Evangeliums, ist aber mehr als intellektuelle Akzeptanz: Der Glaube an Jesus als messianischer Sohn Gottes hat Konsequenzen für den persönlichen Lebens————————————————————

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Vgl. Stuhlmacher, Theologie I, 343: „Als fides veniens und fides ex auditu ist [der Glaube] Geschenk Gottes, der die Menschen von der mittels des Gesetzes aufgerichteten Herrschaft der Sünde befreit zu einem neuen Leben unter der Herrschaft Christi“. Zahn 45; Schlatter 22; Käsemann 12; Cranfield I 66-67; Schlier 29; Wilckens I 66-67; Fitzmyer 237; Légasse 60-61; Lohse 67; Penna 24; Hultgren 50; Wolter I 92; GN: „dass sie sich Gott im Gehorsam unterstellen“. Manche interpretieren im Sinn eines gen. obj.: „Gehorsam gegenüber dem Glauben“ (fides quae creditur); Kuss 10; Michel 75-76; Haacker 30: „positive Reaktion auf das Evangelium“. BDAG s.v. υ� πακοη' 1, definiert: „a state of being in compliance, obedience (one listens and follows instructions)“. Der Duden definiert „Gehorsam“ als „Unterordnung unter den Willen einer Autorität“. Nach Arzt-Grabner, Philemon, 250 ist υ� πακοη' in den Papyri erst ab der byzantinischen Zeit belegt; das Verb υ� πακου' ω kommt seit der ptolemäischen Zeit häufig vor, vgl. Kreinecker, 2. Thessaloniker, 139-141. Manche Ausleger wollen in V. 5 eine antiimperiale Spitze gegen die fides-Ideologie der römischen Kaiser erkennen (Augustus hat den Kult der personifizierten fides neu belebt): πι' στις/fides wird nicht auf den Kaiser und das Imperium Romanum bezogen, sondern auf das Heilshandeln Gottes (z.B. Schumacher, Entstehung, 297). Man kann nicht ausschließen, dass römische Leser hier und an anderen Stellen einen antiimperialen „Subtext“ hören; dass aber Paulus bewusst solche Assoziationen provozieren will, lässt sich nicht beweisen.

Präskript: Absender, Adressaten, Gruß 1,1-7 121 ————————————————————————————————————

vollzug. Die Interpretation im Sinn eines gen. subjectivus („Gehorsam, den der Glaube bewirkt“)241 hat deshalb ihr theologisches Recht: Paulus spricht kaum von einem einzigen Akt des Gehorsams (in der Bekehrung).242 Das Wort υ� πακοη' ist deshalb auch ein Ausdruck der christlichen Ethik243 und deutet an, was Paulus in Kap. 6–8 ausführlicher darstellen wird: Menschen, die zum Glauben gekommen sind und mit dem Tod und der Auferstehung Jesu Christi identifiziert wurden (6,1-11), gehorchen nicht mehr den Begierden der Sünde, sondern Gott (6,12-17), und sie leben als „Sklaven der Gerechtigkeit“ (6,18) in Überwindung der sündigen Begierden und Handlungen des „Fleisches“ in der Kraft des Geistes Gottes (8,1-17).244 Das Ziel der missionarischen Arbeit des Apostels Paulus245 ist die Weckung des Glaubens an Jesus Christus, ein Glaube, der den Gehorsam gegenüber Jesus Christus dem Herrn (V. 4) einschließt und bewirkt. Die Wendung unter allen Völkern (ε� ν παñ σιν τοιñς ε» θνεσιν) beschreibt die geographische Reichweite des missionarischen Wirkens des Apostels Paulus.246 Die Formulierung erinnert an den Missionsbefehl Jesu, der die Jünger zu „allen Völkern“ (πα' ντα τα` ε» θνη [panta ta ethnē]) sendet (Mt 28,19). Hier sind mit dem Wort „Völker“ [ta ethnē] die nichtjüdischen Völ————————————————————

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NIV: „obedience that comes from faith“. Schreiner 50; vgl. Dunn I 17-18; Moo 51-53; Kruse 50-52; Garlington, Obedience, 233253; vgl. Garlington, Faith, 30: „the obedience which consists in faith, and the obedience which is the product of faith;“ Garlingtons vorgeschlagene Übersetzungen „faith’s obedience“ bzw. „believing obedience“ korrelieren (ethischen) Gehorsam mit dem Glauben, sodass „Glaube“ und „Werke“ dasselbe bedeuten (Faith, 146.163), gleichzeitig betonend, dass Gehorsam das Produkt des Glaubens ist (ebd. 147), wobei diese Priorität des Glaubens eine relative ist: Der Glaube gewährt die gegenwärtige Rechtfertigung, während die zukünftige Rechtfertigung (im Endgericht) durch den „Gehorsam des Glaubens“ kommt (ebd. 69.150). Zur Kritik s. O’Brien, Covenantal Nomist, 269-270 Anm. 78: Garlington reduziert den Ausdruck „Gehorsam des Glaubens“ manchmal auf den Gehorsam, identifiziert mit Werken (Heiligung), und scheint die Erlösung am Ende vom „desire to remain within the covenant bond“ (Faith, 163) abhängig zu machen. Lohse 68. Das Wort υ� πακοη' bedeutet nicht „Botschaft“ (Friedrich, Glaubensgehorsam; Schumacher, Entstehung, 223). Haacker 30 will Auslegungen im Sinn eines „neuen Gehorsams“ des Christen („im Sinne der Ethik“) ausschließen. Wenn man υ� πακοη' im Sinn des mit dem Glauben an Jesus Christus gegebenen Lebensvollzugs interpretiert, wird die Bedeutung des Wortes nicht automatisch „auf die Befolgung von Geboten eingeengt“ (ebd.), sondern die zentrale Bedeutung von Röm 6–8 bei der Interpretation des Präskripts in Rechnung gestellt. Wilckens I 66, hält υ� πακοη` πι' στεως für einen Terminus technicus der Missionssprache, auch Penna 24; angesichts der Verwendung des Substantivs (15 Mal) in Röm 1,5; 5,19; 6,16; 15,18; 16,19; 2Kor 7,15; 10,5; Phlm 21; Hebr 5,8; 1Petr 1,2.14.22 ist dies wenig überzeugend; bestenfalls lässt sich die Verwendung des Verbs in Apg 6,7 für diese Annahme anführen. HvS §184i.aa: ε� ν mit Dativ.

122 Römerbrief ————————————————————————————————————

ker gemeint, die Heiden, was sich aus V. 6 ergibt („unter denen auch ihr lebt“) und zu 11,13 passt, wo Paulus sich als „Apostel der Völker“ (ε� θνω ñν α� πο' στολος) bezeichnet (sinngemäß 15,16.18), sowie zu Gal 2,8-9, wo Paulus von seiner Sendung zu den Völkern statt zu den Juden spricht.247 In außerbiblischen griechischen Texten bezeichnet ε» θνη [ethnē] ethnisch homogene Gruppen wie Stämme, Klans, Nationen, Völker248 wie die Lykier, die Achäer, die Völker der Griechen neben denen der Makedonen oder die Völker der Ägypter.249 Wenn man die Missionstätigkeit des Paulus überblickt, hat er unter folgenden nichtjüdischen Völkern das Evangelium verkündigt: Syrer (Damaskus: Apg 9,19-21.23-25; Gal 1,17; Antiochien: Apg 11,26-30; 13,1), Araber (Gal 1,17; 2Kor 11,32), Kilikier (Apg 9,30; 11,25-26; Gal 1,21), Zyprioten (Apg 13,4-12), Phrygier (Pisidisches Antiochien, Apg 13,46-49), Lykaonier (Apg 14,6-21), Pamphylier (Apg 14,24-26), Makedonier (Apg 16,6–17,15), Achäer (Apg 17,16– 18,28), Ionier (Apg 19,1-41). In Mt 28,19 bezieht sich πα' ντα τα` ε» θνη auf alle Völker, das jüdische Volk eingeschlossen (wie in Mt 24,7.14; 25,32), vgl. Apg 10,22 (το` ε» θνος τω ñν � Ιουδαι' ων); 24,17; 26,4; 28,19, auch Lk 7,5.250 Paulus spricht von den ε» θνη als Adressaten seiner Mission „weder herablassend noch irgendwie negativ“.251

Paulus wird in 1,16 davon sprechen, dass das Evangelium die Kraft Gottes ist, die rettet, an erster Stelle die Juden; in 9,1-5 und 10,1 betont er seine Sorge um Israel. Die Tatsache, dass die von Paulus formulierten Einwände und falschen Schlussfolgerungen aus seiner Theologie auf das „Du“ des typischen Juden zurückgehen,252 rät ebenfalls zur Vorsicht, das jüdische Volk nicht ganz außen vor zu lassen.253 Im Zusammenhang von V. 6 wird jedoch deutlich, dass Paulus die Sprache Israels verwendet, in der das erwählte Volk (λαο' ς) von den anderen Völkern (ε» θνη; hebr. ‫ )ג ּ ֹוִים‬unterschieden wurde. Paulus will den stadtrömischen Christen, von denen in den nächsten beiden Versen die Rede ist, verdeutlichen, dass sie im geographischen Bereich seines Missionsauftrags leben.254 Paulus spricht hyperbolisch: Er weiß sich nicht selbst zu buchstäblich „allen“ Völkern gesandt. Er ————————————————————

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Zahn 47-48 will in ε� ν παñ σιν τοιñς ε» θνεσιν auch die Juden mit angesprochen sehen, weil τα` ε» θνη, verbunden mit πα' ντα, immer alle Völker einschließlich des jüdischen Volkes meint. Zu Gal 2,8-9 s. Schnabel, Urchristliche Mission, 951-958. Louw, Transformations, 182. In Papyrustexten bedeutet ε» θνος „Gruppe, Vereinigung, Berufsgruppe, Provinz“; erst ab dem 2. Jh. n.Chr. begegnet ε» θνος im Sinne von „Volk“. Arzt-Grabner, 1. Korinther, 99-101. Homer, Il. 12,330: Λυκι' ων με' γα ε» θνος; ebd. 17,552: �Αχαιω ñ ν ε» θνος; I. Ephesus I 24B,1819; I. Laodikeiai 95,6. Schnabel, Urchristliche Mission, 356-361; Schnabel, Christian Identity, 384-385. Arzt-Grabner, 2. Korinther, 492. Röm 3,1-9; 3,31–4,2; 6,1-3.15-16; 7,7.13-14; 9,14-15.19-20; s. Einleitung: Anlass. Vgl. Michel 76. Nach Apg 13,14-46; 14,1; 17,1-4.10-12.17; 18,1-8.19-20; 19,8-10 hat Paulus in Synagogen das Evangelium verkündigt und ist dafür mehrfach mit Schlägen bestraft worden (2Kor 11,24). Cranfield I 68; Wilckens I 67-68.

Präskript: Absender, Adressaten, Gruß 1,1-7 123 ————————————————————————————————————

hat weder Nordafrika noch die Gebiete östlich von Syrien besucht, sondern die Regionen und Provinzen des nördlichen Mittelmeergebiets bereist, „von Jerusalem im Kreis bis nach Illyrien“ (Röm 15,19), und will jetzt nach Spanien reisen (15,24.28). Das Wort „alle“ (πα' ντα) beschreibt die universale Reichweite des Evangeliums, dem Paulus verpflichtet ist und das keine ethnische oder soziale Gruppierung ausschließt (s. zu 1,14). Die Bekehrung der Völker zum Glauben an das „Evangelium Gottes“ (1,1), d.h. an Gott und seinen Sohn, den Messias Israels, signalisiert die Erfüllung der göttlichen Bundesverheißung, dass in Abraham alle Stämme der Erde Segen erlangen (Gen 12,3) und die Völker sich in den letzten Tagen bekehren werden.255 Die „neue Schöpfung“ (2Kor 5,17; Gal 6,15) der messianischen Zeit, die mit Jesus Christus ihren Anfang genommen hat, gewinnt im Leben der Gläubigen und der Gemeinde sichtbare Gestalt. Die Wendung für seinen Namen (υ� πε` ρ τουñ ο� νο' ματος αυ� τουñ ) formuliert die Motivation und das Thema der missionarischen Verkündigung des Apostels Paulus.256 Da die griech. Präposition auch Stellvertretung ausdrücken kann, interpretieren manche in diesem Sinne: Paulus „wirkt als Legat des Christus“.257 Der hebraisierende Ausdruck ist im Sinn von „zur Ehre seines Namens“ zu verstehen.258 Gott handelte in Israel „um seines Namens willen“, d.h. damit sein Name geehrt wird (Ps 23,3; 79,9; 106,8; 109,21; Jes 48,9; Jer 14,7; Hes 20,14): Der Name bezeichnet die Person, seine Kenntnis beinhaltet Kenntnis der Person. Der Hinweis auf den „Namen“ Gottes beschreibt Gottes Reputation, Ansehen, Ehre. Die Ausrufung des Namens Gottes stellt ein Herrschafts- und Eigentumsverhältnis her.259 Der Name Jesu Christi, der hier gemeint ist (Anschluss an V. 4), ist Grundlage und Gegenstand der Verkündigung (Lk 24,47; Apg 4,17-18; 5,28.40; 8,12) und kommt deshalb auch in der Beschreibung der Sendung und der missionarischen Arbeit von Paulus vor (Apg 9,15.27-28; Röm 15,20). Der Inhalt des Evangeliums ist Jesus Christus; es ist kein Zufall, wenn die Jünger Jesu in Antiochien als „Christianoi“ bezeichnet wurden (Apg 11,26). Der Hinweis auf ————————————————————

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Jes 2,1-4; 11,9-10; 25,6-9; 42,1-6; 49,1-6; 56,6-7; 60,1-5; Mich 4,1-4; Jer 3,17; Zef 3,920; Hag 2,6-9; Sach 8,20-23. HvS §184r.bb: υ� πε' ρ mit Gen. übertragen „für = im Interesse von; wegen, um – willen“. Haacker 76; vgl. Kruse 53. Bauer / Aland s.v. ο» νομα I.4c.θ; Michel 76; Cranfield 67; Wilckens I 67; Moo 53; Schreiner 35-36; Légasse 61; Lohse 68. H. Bietenhard, ThWNT V, 256: die Formel ‫ְלַמַען ֵׁשם יהוה‬ weist „auf Jahves Herrschaftsanspruch und Ehre in der Welt unter den Völkern“; vgl. H. Ringgren, ‫ ֵׁשם‬III.10, ThWAT VIII, 174-175. In der LXX wird die Formel (meistens) mit ε« νεκεν τουñ ο� νο' ματος αυ� τουñ (σουñ ) übersetzt; die Formulierung υ� πε` ρ τουñ ο� νο' ματος (αυ� τουñ ) kommt in der LXX nicht vor. Im NT s. Apg 5,41; 9,16; 15,26; 21,13; 3Joh 7. H. Bietenhard, ο» νομα, ThWNT V, 252-253; für die folgende Bemerkung s. ebd. 277-278.

124 Römerbrief ————————————————————————————————————

den „Namen“ und damit die Ehre Jesu Christi in V. 5 erinnert einerseits an die Identifizierung von Jesus Christus und Jahwe (s. V. 4) und unterstreicht gleichzeitig die Motivation der Evangeliumsverkündigung: So wichtig die Bekehrung der Völker als Ziel der missionarischen Arbeit ist, geht es doch in erster Linie um die Ehre Jesu Christi, dem Paulus als sein Sklave dient (V. 1), und damit, weil er der Sohn Gottes ist (V. 3-4), um die Ehre Gottes selbst. 6 Die Erwähnung der Völker in V. 5, zu denen Paulus als Apostel gesandt ist, veranlasst Paulus, von den Adressaten zu reden. Deren Nennung mit dem Dativ erfolgt erst in V. 7; deshalb ist V. 6 als Übergang von der Nennung des Absenders zur Nennung der Adressaten zu verstehen. Der Relativsatz unter denen auch ihr lebt betont, dass die stadtrömischen Christen inmitten der in V. 5 erwähnten Völker leben.260 Die Präposition beschreibt die Christen in Rom nicht im Blick auf ihre ethnische Herkunft als Heidenchristen,261 sondern im Blick auf ihre geographische Lokalisierung inmitten der Völker.262 Weil die stadtrömischen Christen inmitten der Völker leben, gehören sie zum Bereich seines missionarischen Wirkungskreises, auch wenn sie zu Gemeinden gehören, die er nicht gegründet hat.263 Manche Ausleger meinen, Paulus komme es in V. 6 auf den folgenden Syllogismus (Enthymem) an: Paulus wurde von Jesus Christus zum Apostel unter den heidnischen Völkern berufen; die Einwohner Roms gehören zu den heidnischen Völkern; deshalb gehört es zur Aufgabe des Paulus, das Evangelium den Einwohnern Roms zu verkündigen.264 Wenn es Paulus auf dieses rhetorische Schlussverfahren angekommen wäre, hätte er dies sicherlich deutlicher gesagt und in V. 5-6 die erste Prämisse nicht ausgelassen (sie muss von V. 1 eingetragen werden). Gleichzeitig ist zu bedenken, dass Paulus nach 15,20-21 seine Missionsarbeit auf Gebiete konzentriert, in denen noch keine anderen Missionare gearbeitet haben, was auf die Stadt Rom nicht zutrifft. Die „Frucht“, die er nach 1,13 auch in der Stadt Rom ————————————————————

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Das Relativpronomen οιðς bezieht sich auf ε� ν παñ σιν τοιñς ε» θνεσιν, V. 5. Die Formulierung mit ε� ν sollte nicht mit ε� κ gleichgesetzt werden (Bauer / Aland s.v. ε� ν III.4; BDAG s.v. ε� ν 3b); einen Hinweis auf die heidenchristliche Identität der Adressaten sehen Sanday/ Headlam 22; Barrett 22; Käsemann 13; Schlier 30; Zeller 37; Dunn I 19; Fitzmyer 238; Moo 54; Schreiner 36; Witherington 35; Kruse 53; Das, Debate, 54-64. Zahn 50; Schlatter 23; Michel 77; Wilckens I 67; Stuhlmacher 22; Hultgren 51; Haacker 30; Penna 26; vgl. Cranfield I 20.68; Esler, Conflict, 111-115. Wenn die Formulierung ε� ν οιðς ε� στε ein Hinweis auf die heidnische Herkunft der römischen Christen ist, würde Paulus die judenchristlichen Mitglieder der Gemeinde vom Adressatenkreis ausnehmen, was wenig einleuchtet. In der Grußliste Röm 16,3-16 werden Andronicus, Junia und Herodion als „Landsleute“ (συγγενειñς), d.h. als Juden, beschrieben (16,7.11); dazu kommen Aquila und Priscilla (16,3), die Juden waren (Apg 18,2). Das και' verweist auf die anderen „Völker“, zu denen Paulus gesandt ist und unter denen er Gemeinden gegründet hat. Godet I 90; Jewett 112; Kruse, 53; Toit, Persuasion, 221.

Präskript: Absender, Adressaten, Gruß 1,1-7 125 ———————————————————————————————————— haben will, kann nicht rhetorisch aus der Berufung zum Apostel und der Konzentration von Nichtjuden abgeleitet werden.

Die Christen in Rom sind, wie alle Christen, Berufene des Messias Jesus (κλητοι` � Ιησουñ Χριστουñ ). Die Wendung ist als Apposition zu „ihr“ (υ� μειñς) zu verstehen: Die Christen in den römischen Gemeinden sind „Berufene“ (κλητοι'). Die Vokabel καλε' ω [kaleō] bedeutet zunächst „rufen“ im Sinn von „beim Namen rufen, mit Namen nennen“ und „einladen“ und „herbeirufen“ und hat dann die erweiterte Bedeutung „zum Empfang eines besonderen Nutzens oder Erfahrung auswählen“, meistens mit „berufen“ übersetzt, vor allem an Stellen, an denen das Wort den souveränen göttlichen Ruf bezeichnet.265 Wenig wahrscheinlich ist, dass Paulus auf V. 1 zurückverweisen und betonen will, dass die gemeinsame Berufung die Verbundenheit zwischen ihm und der römischen Gemeinde herstellt.266 Seine in V. 1 erwähnte Berufung ist der Ruf, als Apostel das Evangelium Gottes zu den Nationen zu tragen; die Berufung der römischen Christen in V. 6 ist der Ruf zum Heil und in die Zugehörigkeit zum Volk Gottes (V. 7). Die Näherbestimmung „des Messias Jesus“ beschreibt wohl nicht Jesus als den Rufenden (gen. auctoris): Paulus verbindet sonst die Berufung mit Gott.267 Als von Gott Berufene gehören die Christen in Rom zum Messias Jesus (gen. possessoris).268 Die Zugehörigkeit zum Messias Jesus verbindet die römischen Christen mit Paulus, der sich in V. 1 als „Sklave des Messias Jesus“ bezeichnet. Das Evangelium ist immer, auch in der Hauptstadt des Römischen Reiches, die Macht Gottes, die alle rettet, die an Jesus glauben (V. 16b). Wer diese rettende Macht Gottes erfahren hat, gehört zum Messias Jesus – die Juden zuerst, aber ebenso die Griechen (V. 16c). Was dies für das Leben der Jesusbekenner bedeutet, wird Paulus in Kap. 6–8 erläutern. 7 Die Adressenangabe, die wie üblich nach der Angabe des Absenders erfolgt (V. 1-6) und im Dativ formuliert ist, besteht aus drei Teilen. An erster Stelle steht eine geographische Angabe: An alle in Rom (παñ σιν τοιñς ουò σιν ε� ν � Ρω' μη, ). ————————————————————

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Bauer / Aland s.v. καλε' ω; BDAG s.v. καλε' ω; vgl. K.L. Schmidt, ThWNT III, 488-497; J. Eckert, EWNT II, 592-601; Chester, Conversion, 59-112, zum Gebrauch bei Paulus. Michel 77; vgl. Lohse 68. Haacker 31 meint, die Verbindung von Berufung und Auftrag in V. 1 lege auch in V. 5 den Gedanken nahe, „daß das Christsein damit durch eine Aufgabe definiert wird“. Letzteres ist zwar sachlich richtig, aber nicht durch eine Verknüpfung von V. 6 mit V. 1 zu belegen. Röm 8,28.30; 11,29; 1Kor 1,9; Phil 3,14; 1Thess 5,24; vgl. Hebr 3,1. Meyer 54; Lagrange 11; Schlier 30; Dunn I 19; Moo 54; Fitzmyer 238; Hultgren 51; Kruse 53; Wolter I 95. Hofmann 12; Cranfield I 68; Lohse 68; Witherington 35 interpretieren als gen. auctoris.

126 Römerbrief ———————————————————————————————————— Rom (�Ρω' μη, urbs Roma)269 war bereits in der späten republikanischen Zeit eine internationale Stadt.270 Aelius Aristides beschreibt im 2. Jh. das kosmopolitische Rom anschaulich: „Was Hesiod von den Grenzen des Ozeans sagte, dass es einen Ort gebe, wo alle Wasser zu einem Anfang und zu einem Ende ineinanderströmen, geradeso kommt auch alles hier zusammen, Handel, Schiffahrt, Ackerbau, Metallveredelung, Künste, wie viele es auch gibt und je gegeben hat, und alles, was erzeugt wird und auf der Erde wächst. Was man hier nicht sieht, zählt nicht zu dem, was existiert hat oder existiert“ (Romrede, 26.11-13).271 Die Topographie war von der Lage der Stadt im bis zu 3 km breiten Tal des Tiber und den sieben Hügeln bestimmt (Caelius, Esquilin, Viminal, Quirinal, Capitol, Palatium, Aventin). In der späten Republik und der frühen Kaiserzeit wuchs die Einwohnerzahl auf eine Million, darunter zwischen 15 000 und 50 000 Juden. Innerhalb kurzer Zeit wurden zahlreiche öffentliche Gebäude und Tempel errichtet. Die Aristokraten wohnten größtenteils auf dem Palatin. Die Wohnviertel der Bevölkerung, zum Beispiel die Subura am Fuß des Viminal, bestanden aus einem Gewirr von hohen Mietshäusern und engen Gassen. Pompeius baute 55 v.Chr. das erste steinerne Theater Roms, Julius Cäsar baute im Forum, es entstanden Gärten und Parkanlagen. Augustus ließ achtundzwanzig Tempel wiederherstellen, die verfallen oder im Bürgerkrieg zerstört worden waren, er baute neue Tempel und das erste Kaiserforum. Tiberius baute das Prätorianerlager, Claudius vollendete zwei Wasserleitungen, Nero baute auf dem Caelius das Macellum magnum und den Tempel des Divus Claudius, zwischen dem Palatium und dem Esquilin seinen Kaiserpalast (domus aurea). Zur jüdischen Bevölkerung und Geschichte der christlichen Gemeinden in Rom s. oben S. 23-38.

Paulus setzt betont das Adjektiv „alle“ an die erste Stelle: Er schreibt an alle Jesusbekenner in der Stadt Rom – an Juden- und Heidenchristen, an Christen, die er kennt (16,3-16), und an Christen, die er nicht kennt.272 Es fällt auf, dass das Substantiv „Gemeinde“ bzw. „Gemeinden“ fehlt, das Paulus meistens im Präskript seiner Briefe verwendet.273 Das Fehlen der Vokabel ε� κκλησι'α ist weder mit der Annahme zu erklären, Paulus betrachte die römischen Jesusbekenner nicht als „Gemeinde“ im Vollsinn des Wortes, weil sie kein apostolisches Fundament besitze,274 noch mit der Annahme, es habe zu ————————————————————

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Zur Stadt Rom s. W. Eder / W. Jongman / M. Heinzelmann, Art. Roma, BNP X, 10771106; Brödner, Wohnen, 171-185; Richardson, Topographical Dictionary; Robinson, Ancient Rome; Kolb, Rom; Grundmann, Architekturführer Rom; Claridge, Rome; Coarelli, Rom; Neumeister, Rom. Ciceros Bruder Quintus charakterisiert Rom als „eine aus der Zusammenkunft der Nationen gebildete Bürgerschaft“ (civitas ex nationum conventu constituta“; De Petitione Consulatus 54). Zitiert nach Klein, ΕΙΣ ΡΩΜΗΝ. Vgl. Hesiod, Theogonie 738-741. Lohse 69, formuliert in „universalem“ Horizont: „Adressat der apostolischen Predigt ist demnach die Welt und zugleich jeder einzelne, der eingeladen wird, das Evangelium in vertrauendem Glauben anzunehmen“. Vgl. 1Thess 1,1 u. 2Thess 1,1: τηñ, ε� κκλησι' α, Θεσσαλονικε' ων; Gal 1,2: ταιñς ε� κκλησι' αις τηñ ς Γαλατι' ας; 1Kor 1,2 u. 2Kor 1,1: τηñ, ε� κκλησι' α, τουñ θεουñ τηñ, ου» ση, ε� ν Κορι' νθω, . Klein, Abfassungszweck, 143; zur Kritik s. Wilckens I 68; Haacker 31; Theobald, Der Römerbrief, 37-38.

Präskript: Absender, Adressaten, Gruß 1,1-7 127 ————————————————————————————————————

diesem Zeitpunkt noch keine ordentlich verfasste Gemeinde in Rom gegeben,275 noch mit der Annahme, die zahlreichen Hausgemeinden in Rom (ε� κκλησι'α in 16,5; 16,1 im Blick auf die Gemeinde in Kenchreä) hätten noch kein Zusammengehörigkeitsbewusstsein276 bzw. keinen zentralen Versammlungsort gehabt277 oder seien theologisch gespalten gewesen.278 Solche Vermutungen setzen teils spätere Definitionen von „Kirche“ voraus, teils ignorieren sie die Tatsache, dass die galatischen Gemeinden keinen zentralen Versammlungsort hatten und die korinthische Gemeinde von theologischen Spannungen gekennzeichnet war – und trotzdem spricht Paulus sie als ε� κκλησι' α an. Man darf nicht vergessen, dass auch andere Paulusbriefe in der Adressenangabe das Wort ε� κκλησι'α nicht verwenden.279 Die Adressaten sind, genau wie die korinthischen Christen, „berufene Heilige“ und deshalb Glieder der „Gemeinde Gottes“ (1Kor 1,2).280 Die Christen in Rom sind die von Gott Geliebten (α� γαπητοιñς θεουñ ).281 Nur hier verwendet Paulus diese Beschreibung im Präskript eines seiner Briefe.282 Das Adjektiv (α� γαπητο' ς) bezeichnet die Liebe, d.h. die Wertschätzung Gottes, seine Zuneigung zu den Jesusbekennern.283 Angesichts der von Paulus im ersten Hauptteil des Briefs ausführlichen dargestellten Sünde von Heiden und Juden (1,18–3,20), beinhaltet die Beschreibung als „von Gott Geliebte“ das ganze Evangelium: An Jesus Glaubende stehen nicht unter dem Zorn Gottes (1,18) – sie sind Empfänger der Liebe Gottes, da Gott seine Liebe für sie im Tod des Messias Jesus demonstrierte, der als Sündopfer ihre Sünden getragen und ihre drohende Verurteilung aufgehoben hat (5,8; 8,1-4), und sie diese Wirklichkeit im Glauben angenommen haben, ————————————————————

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Judge/Thomas, Origin, 442; zur Kritik s. Haacker 32: Wenn Judge und Thomas recht hätten, dürfte bei dem vorausgesetzten Verständnis von „Gemeinde“ bzw. „Kirche“ der Galaterbrief nicht an die dortigen „Gemeinden“ adressiert sein und Paulus hätte nicht die „Gemeinde Gottes“ (1Kor 15,9) verfolgen können. Wilckens I 68-69; Theobald, Der Römerbrief, 38. Lohse 69; Dunn I 19; Banks, Paul’s Idea of Community, 34-35. Lampe, Roman Christians, 229; Lampe, Christen 301 (Paul, 359); Esler, Conflict, 383; zur Kritik Barentsen, Leadership, 603-604. Phil 1,1: τοιñς α� γι' οις ε� ν Χριστω ñ, � Ιησουñ τοιñς ουò σιν ε� ν Φιλι' πποις; Kol 1,2: τοιñς ε� ν Κολοσσαιñς α� γι' οις; Eph 1,1: τοιñς α� γι' οις τοιñς ουò σιν ε� ν � Εφε' σω, . Richtig Wilckens I 69: Der Begriff ε� κκλησι' α ist zur Charakterisierung der römischen Christen als Angehörigen der Heilsgemeinde Gottes „keineswegs unverzichtbar“. Die Wendung ist als Apposition verstanden, nicht im Anschluss an τοιñς ουò σιν als substantiviertes Adjektiv (Wilckens I 68; Jewett 113); vgl. Haacker, Lohse; Michel 77-78, nennt beide Möglichkeiten. In 12,19 spricht Paulus die römischen Christen als α� γαπητοι' an. Eine Bedeutungsänderung ergibt sich nicht. Sonst nur im Briefcorpus: 1Kor 15,58; 2Kor 7,1; 12,19; Phil 2,12; 4,1. In 12,19 beschreibt das Adj. die Liebe bzw. Wertschätzung des Apostels für die römischen Christen, in 16,5.8.9.12 für einzelne Christen in der römischen Gemeinde.

128 Römerbrief ————————————————————————————————————

sodass niemand und nichts sie von der Liebe Gottes, die die Liebe Jesu Christi ist, scheiden kann (8,35.37.39).284 Von Gott Geliebte gehören zum erwählten Gottesvolk. Im AT wird an mehreren Stellen die Erwählung Israels mit Gottes Liebe zu Abraham verbunden (Deut 4,37; Jes 41,8; 51,2 LXX285). Die LXX übersetzt hebr. ‫[ ְי ֻׁשרּון‬jeschurūn], das in Deut 32,15; 33,5.26; Jes 44,2 als Äquivalent für „Jakob“ und „Israel“ verwendet wird, mit ο� η� γαπημε' νος [ho ēgapēmenos].286 Von Gott Geliebte gehören zur Familie Gottes: Sie sind Kinder Gottes, die sich nicht mehr vor Gott fürchten müssen, sondern „Abba, Vater“ zu ihm sagen (Röm 8,15-17). Das Wort α� γαπα' ω war seit frühhellenistischer Zeit das übliche Wort für „Liebe“ (Zuneigung, Wertschätzung), das die Vokabel φιλε' ω zunehmend verdrängt hatte.287 Die Vokabel α� γαπα' ω bzw. α� γα' πη kann mit theologischen Inhalten verbunden werden, weil es ein in der Umgangssprache lebendiges Wort war, das vom jeweiligen Kontext her die gewünschte Bedeutungsnuance erhalten konnte. Was mit „Liebe“ konkret gemeint ist, muss sich im jeweiligen Kontext zeigen. Definitionen wie „ein schenkendes, tätiges Lieben, das dem andern zugute kommt“288 treffen auf Stellen wie Joh 3,16 und Röm 5,8; 8,35 zu, beschreiben aber nicht die semantische Grundbedeutung von α� γαπα' ω / α� γα' πη.289 Die Grundbedeutung „Wertschätzung“ bzw. „Zuneigung“ mag theologisch wenig anspruchsvoll klingen, hat aber den Vorteil, dass sie in allen Belegstellen Sinn ergibt.

Jesusbekenner sind „von Gott Geliebte“, nicht weil sie Gott lieben, sondern weil sie die berufenen Heiligen sind. Gottes erwählender Ruf ist primär: Die Christen in den römischen Gemeinden haben das Evangelium Gottes (V. 1) von Jesus, dem messianischen Davidssohn (V. 2-4), gehört und im Gehorsam gegenüber Gott angenommen (V. 5-6a), weil sie von Gott beru————————————————————

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Vgl. 2Kor 5,14; 13,11; Gal 2,20; 2Thess 2,16; Eph 2,4; 5,2.25; Offb 1,5. Jes 51,2: „Schaut auf Abraham, euren Vater, und auf Sara, die euch in Wehen geboren hat; denn er war einer, und ich habe ihn gerufen und ihn gesegnet und ihn liebgewonnen (και` η� γα' πησα αυ� το' ν) und ihn vermehrt“ (Zusätze in LXX gesperrt gedruckt; LXX.D). Jes 44,2 LXX fügt erklärend „Israel“ hinzu: ο� η� γαπημε' νος Ισραηλ. Vgl. M.J. Mulder, Art. ‫ְי ֻׁשרּון‬, ThWAT III, 1070-1075. Siehe auch Jer 11,15; Hos 2,25 (MSS B V): α� γαπη' σω τη` ν ου� κ η� γαπημε' νην („ich will ‚Nicht-Geliebter‘ lieben“). Vgl. H.-J. Fabry, Art. ‫אהב‬, ThWQ I, 72 zu den Qumrantexten, in denen die Mitglieder der Gemeinde als von Gott Geliebte bezeichnet werden (z.B. 1QH 6,21; 4Q504 1-2 ii 9; iv 4; CD 8,15-17; 19,30). Shipp, Vocabulary, 126-127: vielleicht weil φιλε' ω in sexuellen Kontexten die Bedeutung „illegitimer Sexualverkehr“ hatte. Zu α� γα' πη in der profanen Gräzität vgl. CeresaGastaldo, ΑΓΑΠΗ; Joly, Vocabulaire. Swinn, ΑΓΑΠΑΝ, zeigt, dass die Häufigkeit der α� γαπ-Wortgruppe in der LXX (338) damit zusammenhängt, dass α� γαπα' ω / α� γα' πη zu der Zeit, als die LXX übersetzt wurde, die Standardvokabeln für „Liebe“ waren und deshalb fast überall, wo die hebr. Vorlage ‫ אהב‬schreibt, mit α� γαπα' ω / α� γα' πη übersetzt werden konnten. Ausführlich Schnabel, 1. Korinther, 758-760. E. Stauffer, Art. α� γαπα' ω κτλ., ThWNT I, 37. In 2Tim 4,10 verwendet Paulus α� γαπα' ω für Demas, der offenkundig die Mitarbeit „aus Liebe zu dieser Welt“ (EÜ; α� γαπη' σας το` ν νυñ ν αι� ω ñ να) aufgekündigt hatte.

Präskript: Absender, Adressaten, Gruß 1,1-7 129 ————————————————————————————————————

fen wurden (V. 6b; s. dort zu κλητο' ς). Gottes souveräner Ruf, dem sie gehorsam waren, hat sie zu „Heiligen“ gemacht.290 Das Wort α« γιος [hagios] übersetzt hebr. ‫[( ָקד ֹוׁש‬qādōsch], „heilig“), und gehört zu den vier Zustandsarten, in die Menschen, Tiere und Gegenstände eingeteilt werden. Nach Lev 10,10 sind die Priester angewiesen „zu unterscheiden zwischen dem Heiligen (‫[ ָקד ֹוׁש‬qādōsch]) und dem Gemeinen (‫[ ֹחל‬chol]), und zwischen dem Unreinen (‫[ ָטֵמא‬thāme’]) und dem Reinen (‫[ ָטה ֹור‬thahōr])“.291 Eine früher öfter angeführte Grundbedeutung von ‫ ָקד ֹוׁש‬ist „scheiden, absondern, aussondern“, spezifisch für den Dienst an bzw. für Gott.292 Diese Bedeutung wird heute meist als bloß abgeleitete Bedeutung gesehen. Nach H.-P. Müller bezeichnet die Wurzel ‫„ קדׁש‬offenbar schon ursemitisch den Zustand bzw. die Eigenschaft der Heiligkeit; sie bezeichnet also einen numinosen Wertbegriff sui generis“.293 Nach HAL bedeutet ‫ָקד ֹוׁש‬ „heilig, dem gewöhnlichen Gebrauch entzogen, besonderer Behandlung unterworfen, dem Heiligtum verfallen sein“.294 Wahrscheinlich bedeutet ‫ ָקד ֹוׁש‬mehr: nicht nur „dem gewöhnlichen Gebrauch entzogen“, sondern auch, und grundsätzlicher, „Ganzheit, Vollständigkeit, Vollkommenheit“.295 Die Tiere, die in den Opfern dargebracht werden konnten, mussten „ohne Tadel“ sein, d.h. sie durften keine Defekte aufweisen. Die Priester, die am Altar dienten, durften keine körperliche Missbildung haben, sie mussten einen ganzen, „vollkommenen“ Leib haben. Heiligkeit bedeutet Vollständigkeit. Das bedeutet für Menschen, Tiere und Gegenstände des Volkes Israel, dass sie sich der „Klasse“ gegenüber, der sie angehören, konform verhalten müssen. Verschiedenartige Klassen von Sachen durften nicht miteinander vermengt werden; Hybride oder „Kreuzungen“ und andere Vermengungen verschiedener Klassen gelten als Gräuel. Menschen dürfen mit Tieren keinen Sexualverkehr haben: Dies ist eine „Vermischung, Verwirrung“ (‫ ֶ ּתֶבל‬, Lev 18,23). Ein Feld darf nicht mit zweierlei Arten von Samen besät werden und Kleidungsstücke dürfen nicht aus zweierlei Arten von Stoff gemacht sein (Lev 19,19). Diese Beispiele zeigen, dass Heiligkeit die Trennung vom Unreinen und vom Profanen beinhaltet.296 „Gemein“ bzw. „profan“ bedeutet ohne Ritus zugänglich. Profane Menschen, Tiere und Gegenstände können „rein“ oder „unrein“ sein. Reine Dinge können unrein werden, wenn sie verunreinigt werden; sie werden heilig, wenn sie „geheiligt“ (‫ )ַק ֵדּׁש‬werden. Heilige Dinge (z.B. der Tempel) können profan werden, wenn sie „entweiht“ bzw. „profaniert“ (‫ )ִחֵּלל‬werden; sie werden unrein, wenn sie verunreinigt werden. Die Zustände der Unreinheit und der Heiligkeit dürfen niemals in Kontakt miteinander kommen. Die Menschen sind in drei Kategorien eingeteilt, die als konzentrische Kreise dargestellt werden können: Priester (heilig), Israel (rein) und die Heiden (profan). Den drei Kategorien der Menschen entsprechen drei Kategorien von Tieren: Opfertiere, reine Tiere und alle übrigen Tiere; Gott akzeptiert von den reinen Tieren nur solche als Opfertiere, die domestiziert sind und keinen Defekt haben; reine Tiere sind die Tiere, die in Israel gegessen werden können; Heiden essen alle Tiere, einschließlich der Tiere, die zur Kategorie „profan“ gehören. Diese Dreiteilung hat eine räumliche Dimension: das Heiligtum (Priester, Opfer), das Land ————————————————————

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Paulus verwendet „Heilige“ auch in anderen Briefpräskripten als Bezeichnung der Christen, vgl. 1Kor 1,2; 2Kor 1,1; Phil 1,1; Eph 1,1; Kol 1,2. Für das Folgende vgl. Milgrom, Leviticus, 615-617.718-736.1397-1400.1711-1726. Eichrodt, Theologie II, 176-177; als Grundbedeutung abgelehnt in HAL s.v. ‫ ;קדׁש‬H.-P. Müller, s.v. ‫קדׁש‬, THAT II, 590. H.-P. Müller, THAT II, 589. HAL s.v. ‫קדׁש‬, 1003. Vgl. Wenham, Leviticus, 23-24, im Anschluss an Douglas, Purity and Danger. Milgrom, Leviticus, 730: „holiness implies separation“.

130 Römerbrief ———————————————————————————————————— (Israel, das nur reine Tiere isst) und die Erde (die übrige Menschheit, die alle Tiere isst). Priester und Volk werden unterschieden, wie Israel (Priester, Volk) und Menschheit (Heiden) unterschieden werden. So wie Gott das Volk Israel von allen Nationen zu seinem Volk auserwählt hat, so muss Israel die Tiere als Nahrungsmittel wählen, die Gott zum Verzehr sanktioniert hat (vgl. Lev 20,24-26). Heiligkeit ist nicht angeboren: Die Grundlage für den Begriff der Heiligkeit ist die Heiligkeit Gottes. Gottes Name, der sein Wesen ausdrückt, ist heilig (Lev 20,3; 22,2.32). Die Heiligkeit Gottes wird als solche nicht wirklich erklärt: Sie eignet dem Wesen Gottes an sich. Wir erfahren nur, dass Gottes Heiligkeit entweiht wird durch Götzendienst, falsches Schwören und andere Sünden (Lev 18,21; 19,12; 20,3; 21,6; 22,2) und dass Gott seine Heiligkeit im Richten der Sünde demonstriert (Lev 10,3). Wenn Land (Kanaan), Menschen (Priester), Ort (Heiligtum), Zeit (Sabbat, Festtage) als „heilig“ bezeichnet werden, geht dies auf eine Anordnung Gottes zurück.297 Gott und alles, was zu ihm gehört, ist heilig. Jeder Gegenstand und jede Person, die Gott übergeben wird, wird heilig – die Anteile der Priester an den Opfergaben, die Stiftshütte und ihre Ausrüstung, der Sabbat und die anderen Feste. Heilige Personen sind vor allem die Priester (Lev 21,6-15), sodann die Leviten und die Nasiräer. In einem mehr allgemeinen Sinn ist das ganze Volk Israel heilig, da es einem heiligen Gott dient, der mit Israel einen Bund geschlossen hat (Lev 20,26; vgl. Ex 19,5-6). Israel soll heilig sein, weil Jahwe heilig ist (Lev 19,2). Für die Israeliten ist Heiligkeit kein statischer Zustand, sondern ein Ziel, das durch die Haltung der Gebote (im Fall der Laien) erreicht bzw. (im Fall der Priester) aufrechterhalten wird.298 Heiligkeit bedeutet deshalb, die Kategorien der Schöpfung auseinanderzuhalten. Aus diesem Grund sind richtige Definition (der Kategorien), Unterscheidung und Ordnung wichtig. Inzest und Ehebruch entweihen Heiligkeit, weil sie die rechte Ordnung verletzen (Lev 18,6-20). Rechtschaffenheit und Ehrlichkeit entsprechen Heiligkeit, während Widerspruchsgeist, Falschheit und Unaufrichtigkeit gegen Ordnung sind. Diebstahl, Lüge, falsches Zeugnis, Betrug mit Maßen und Gewichten, schlechtes Reden vor gehörlosen Menschen (während man in ihr Gesicht lacht), seinen Bruder im Herzen hassen (während man freundlich mit ihm redet) – dies sind samt und sonders Widersprüche zwischen Schein und Sein und deshalb Handlungen, die die Heiligkeit des Volkes Gottes verletzen. Im Unterschied zur Reinheit kann Heiligkeit nicht einfach durch eine rituelle Handlung oder ein bestimmtes moralisches Verhalten angeeignet werden. Die Heiligung hat zwei Aspekte: sie umfasst einen göttlichen Akt, und sie ist an bestimmte menschliche Handlungen gebunden. Nur solche Personen können geheiligt werden, die Gott zur Heiligkeit beruft (Num 16,7). In Levitikus liegt der Schwerpunkt meist auf dem Beitrag des Menschen zur Heiligung: Dies gilt für die Priester, die Stiftshütte, den Altar, das Salben mit Öl und die Opfer (Lev 8–9). Was Israel als „heiliges“ Volk Gottes betrifft, so gilt: Israel ist heilig infolge seiner Erwählung durch Gott; der Beitrag Israels zu seiner Heiligkeit ist das gehorsame Halten des Gesetzes und, im Fall von (unbeabsichtiger oder bewusster) Untreue, das Reinigen bzw. Heiligen durch Opfer. Heiligkeit ist somit ein Zustand der Gnade, des Beschenktseins, in den der Mensch von Gott berufen wird.299 Die Heiligkeit Israels war, wie die Heiligkeit der Priester, das Resultat der gnädigen Erwählung durch Gott sowie das Resultat der göttlichen Vergebung von Sünden durch das stellvertretende Vergießen des Blutes von Opfertieren. Die Heiligkeit der Priester und die Heiligkeit des Volkes implizierten die Pflicht, sich im Lebensvollzug dafür einzusetzen, das zu sein und zu tun, was mit dem offenbarten Willen Gottes übereinstimmte, d.h. das Gesetz Gottes zu halten.

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297 298 299

Milgrom, Leviticus, 730. Milgrom, Leviticus, 1714-1719. Wenham, Leviticus, 23; Milgrom, Leviticus, 730.1711-1712: „The source of holiness is assigned to God alone“.

Präskript: Absender, Adressaten, Gruß 1,1-7 131 ———————————————————————————————————— Die Reinheitsgesetze galten für Israel bzw. für die Juden, nicht für die Heiden, sodass Letztere nicht als rituell unrein galten.300 Im Frühjudentum galten Heiden als moralisch unrein: Sie begingen die Sünden, die das Gesetz in Lev 18,24-27 den Einwohnern Kanaans vorwirft (Götzendienst, sexuelle Sünden, Essen von Blut; vgl. Weish 11–15; slavHen 10,4-6; Sib 3,845; TestAbr A 10). Heiden sind „profan“ und damit das Gegenteil von „heilig“. Aus diesem Grund dürfen Heiden unter keinen Umständen den Tempel betreten – nicht deshalb, weil sie etwa unrein wären, sondern weil sie profan sind: Sie gehörten nicht zu Israel, dem heiligen Volk des heiligen Gottes.301 Heiden, die sich vom Götzendienst und dem moralischen Fehlverhalten, das für Heiden typisch war, abwenden, ohne jedoch durch Beschneidung zu Juden zu werden, wären sowohl rituell rein und moralisch rein, aber sie wären immer noch „profan“. In der Diaspora konnten solche „Gottesfürchtige“ bzw. „gerechte Heiden“ zusammen mit Juden in den Synagogen beten, ohne dass ihre „Anomalität“ (Fehlen der Beschneidung) zu viele Schwierigkeiten verursacht hätte, aber sie hätten während eines Besuchs in Jerusalem den Tempel nicht betreten dürfen. In Israel und in Jerusalem zeigt sich, dass Heiden das Land profanieren und deshalb vom Besuch des Tempels ausgeschlossen sind. Diese Bedeutung des Wortes ‫ָקד ֹוׁש‬/α« γιος erweist die Ungeheuerlichkeit der Verwendung des Wortes bei Paulus, der Juden und Heiden als „heilig“ bezeichnet. Dies ist nur möglich, weil jetzt nicht nur die Nachkommen Abrahams von Gott erwählt sind, sondern dies auch für Heiden gilt, die von Gott in seiner Gnade erwählt und infolge dieser Berufung heilig sind – als Resultat der Heilsoffenbarung Gottes im Tod Jesu, des messianischen Gottessohns, mit dem sie durch den Glauben identifiziert wurden.

Christen sind nicht von Gott Berufene, weil sie Heilige sind: Sie sind Heilige, weil Gott sie erwählt und geheiligt hat (vgl. 15,16; 1Kor 1,30; Eph 1,4) durch den Tod Jesu Christi und durch die Gegenwart des Geistes Gottes (1Kor 6,11; Eph 5,25-26; Kol 1,22; 2Thess 2,13). Die Metapher vom heiligen Tempel Gottes, der die Ortsgemeinde ist (1Kor 3,17; Eph 2,21-22), setzt die Heiligkeit der Gemeindeglieder voraus. Weil Christen noch nicht in der unmittelbaren, sichtbaren Gegenwart Gottes leben, ist Heiligkeit zugleich ihre Aufgabe (6,19.22; 12,1; 2Kor 7,1; 1Thess 3,13; 4,3.7; 5,23). Das dritte Element des Briefpräskripts ist der Segensgruß: Gnade sei mit euch und Friede von Gott unserem Vater, und von dem Herrn Jesus, dem Messias.302 Paulus wünscht303 mit dem Segensgruß den Christen in Rom, dass sie das mit „Gnade“ und „Friede“ beschriebene Heil in ————————————————————

300 301 302

303

Vgl. Klawans, Impurity and Sin; anders Alon, Jews, 146-189; Sanders, Judaism, 72-76. Eine Ausnahme bildeten wohl die Essener, die nach einem Kontakt mit Heiden badeten (Josephus, Bell. 2,150). Bauckham, James, Peter, and the Gentiles, 100; zum folgenden Punkt s. ebd. 101-102. Zum Segensgruß s. Abschnitt II. Der identisch formulierte Segensgruß findet sich auch in 1Kor 1,3; 2Kor 1,2; Eph 1,2; 2Thess 1,2; Phlm 3; sowie Gal 1,3 (mit Erweiterung von κυρι' ου � Ιησουñ Χριστουñ in V. 4-5). In 1Tim 1,2 und 2Tim 1,2 wird ε» λεος zwischen χα' ρις und ει� ρη' νη und τουñ κυρι' ου η� μω ñ ν hinter Χριστουñ � Ιησουñ gestellt; Tit 1,4 ersetzt κυρι' ου durch σωτηñ ρος. Die kürzeste Formel hat der älteste (?) Paulusbrief: χα' ρις υ� μιñν και` ει� ρη' νη (1Thess 1,1); s. Kol 1,2: χα' ρις υ� μιñν και` ει� ρη' νη α� πο` θεουñ πατρο` ς η� μω ñ ν. Zu ergänzen ist der Optativ ει»η (NSS II, 1); Cranfield I 71, ergänzt den Imperativ ε» στω.

132 Römerbrief ————————————————————————————————————

noch größerem Maße erfahren. Gnade (3,24; 4,16; 5,2.15-17.20; 6,14; 12,6) und Friede (5,1; 14,17) sind gegenwärtige Wirklichkeit, die sie infolge des Heilshandelns Gottes in Jesus Christus erfahren haben. „Gnade“ (χα' ρις; s. 1,5) ist das huldvolle Geschenk der Rechtfertigung des Sünders durch Gott infolge des Todes und der Auferstehung Jesu Christi – eine grundlegende Wirklichkeit, die in ihrem Leben herrscht und herrschen soll (5,21) und deshalb im Segenswunsch an erster Stelle steht (vgl. 16,20). „Friede“ (ει� ρη' νη; s. 5,1) bezeichnet hier den Zustand, der durch Gottes Gnade hergestellt wird und in der Aufhebung des Zornes Gottes (1,18–3,20), der Überwindung der Trennung von Gott besteht, dessen Feinde die Sünder sind (5,10) – eine Wirklichkeit, die ihr Leben als Leben in heilvoller Gemeinschaft bestimmt und bestimmen soll (vgl. 5,21; 8,6; 12,18; 14,19) und deshalb ebenfalls im Segenswunsch erwähnt wird (vgl. 15,13.33). Die Quelle von Gnade und Friede sind „Gott, unser Vater“ (α� πο` θεουñ πατρο` ς η� μω ñ ν) und „der Herr Jesus, der Messias“ (κυρι'ου � Ιησουñ Χριστουñ ).304 Paulus unterscheidet hier nicht zwischen Gott als Quelle der Heilsgüter und Jesus Christus als deren Vermittler (die Präposition α� πο' gehört zu beiden Genitivwendungen). Jesus, der messianische Gottessohn, hat am Gottsein Gottes Anteil (s. 1,3-4) und ist, gerade als „Herr“, genauso wie Gott die Quelle von Gnade und Friede. Das Personalpronomen η� μω ñ ν („unser“) schließt Paulus und die römischen Christen als gemeinsam zur Gemeinschaft der von Gott berufenen Heiligen gehörend zusammen. Die Vaterschaft Gottes ist im NT nicht wie in der antiken Religion biologisch oder mythologisch verstanden, sondern soteriologisch: Die Christen in Rom sind Gottes Kinder, weil sie von Gott erwählt und erlöst wurden und die Gegenwart seines Geistes erhalten haben und gegenwärtig erfahren (8,14-16).305 Die Bezeichnung von Gott als „Vater“ (πατη' ρ) will nicht in erster Linie Gott (θεο' ς) von Jesus (� Ιησουñ ς), dem Sohn Gottes (1,3-4), unterscheiden, sondern unterstreichen, dass jene Menschen Gnade und Frieden von Gott erhalten, die zu ihm als Vater gehören. Dies ist dann der Fall, wenn sie Jesus als Herr (κυ' ριος)306 und Messias (Χριστο' ς) anerkennen. ————————————————————

304 305

306

Haacker 32 sieht einen Chiasmus: „Gnade“ ist „Herr Jesus Christus“ zuzuordnen und „Gott“ dem Stichwort „Friede“. In 1,5 wird χα' ρις mit Jesus Christus verbunden, in 5,15 jedoch mit Gott, und in 5,1 wird ει� ρη' νη auf Jesus Christus zurückgeführt. Vgl. O. Hofius, ThBLNT II, 1724.1727. Im AT wird die Bezeichnung von Gott als „Vater“ nicht für Einzelpersonen oder für Heiden angewandt, sondern immer auf das Volk Israel und auf den König Israels; vgl. Deut 32,6; Jes 63,16; 64,7; Jer 31,9; Mal 1,6; 2,10 (Israel); 2Sam 7,14; 1Chron 17,13; 22,10; 28,6; Ps 89,27 (Israels König). Zur Bezeichnung von Jesus als κυ' ριος s. Schnabel, 1. Korinther, 64-65.

Präskript: Absender, Adressaten, Gruß 1,1-7 133 ————————————————————————————————————

IV Paulus verwendet den üblichen Briefeingang antiker Briefe mit Angabe von Absender, Adressaten und Gruß, verändert aber die einzelnen Elemente auf eine Art und Weise, die den Leser die Grundüberzeugungen des Apostels erkennen lässt, allen voran die Bindung an Jesus Christus und die alles überragende Bedeutung des Evangeliums Gottes, das zentral von Jesus Christus handelt und zu dessen Verkündigung er berufen ist. Das Selbstverständnis des Apostels ist nicht primär an seinen Auftrag oder seine Arbeit, und schon gar nicht an den Erfolg seiner Arbeit gebunden: Sie ist einzig und allein durch seine Bindung an Jesus Christus bestimmt. Als „Sklave“ hat diese Bindung ausschließlichen und konsequenten Charakter: Er gehört allein Jesus, dem Messias Israels – keinem anderen Herrn, keiner anderen Autorität. Die erste und wichtigste Konsequenz dieser Bindung war für Paulus die Berufung zur Verkündigung des Evangeliums. In vielen, auch evangelikalen Kreisen ist umstritten, was „Evangelium“ bedeutet. Oft hört man, dass die Konzentration auf Jesus Christus, auf Sündenvergebung und ewiges Leben eine Engführung sei – man müsse „Evangelium“ und „Mission“ weiter fassen im „holistischen“ Sinn einer missio Dei, die von medizinischer Arbeit, Transformation ungerechter wirtschaftlicher und politischer Strukturen bis hin zur Bewahrung der Schöpfung reicht. So wichtig und berechtigt solche Anliegen sind, die konzentrierten Formulierungen in 1,1-7 lassen keinen Zweifel, dass für Paulus das Evangelium fundamental mit der Person, dem Tod und der Auferstehung Jesu zusammenhängt. Wenn man 1,3-4 als traditionelle „Formel“ versteht, die Paulus zitiert, ist festzuhalten, dass diese nicht einfach der Demonstration seiner Rechtgläubigkeit oder als „Propädeutikum seiner ureigenen Theologie“ dient: Sie ist „eine präzise Kurzformel des Glaubens, die zwar gewiss nicht alle relevanten Aspekte erfassen, aber Wesentliches zur Verkündigung des Evangeliums beitragen kann“.307 Es fehlen zwar die Kreuzigung und die Wiederkunft Jesu, aber einerseits verweist die Einheit von Davidssohnschaft und Gottessohnschaft auf die heilsgeschichtliche Dimension des Offenbarungshandelns Gottes, und andererseits verweist der Hinweis auf die Geburt des Davidssohns „nach dem Fleisch“ und der Hinweis auf die machtvolle Wirksamkeit des Gottessohn „aufgrund der Auferstehung von den Toten“ auf den stellvertretenden Sühnetod Jesu. Die christologischen Aussagen von 1,3-4 sind zentral für das Evangelium: der Menschgewordene ist identisch mit dem Auferstandenen, der Messias mit dem Präexistenten, der Davidssohn mit dem Gottessohn. Der Text ist sowohl Weihnachts- als auch Ostertext. ————————————————————

307

Söding, Davidssohn, 342; s. ebd. 342-343 für das Folgende.

134 Römerbrief ————————————————————————————————————

Wer 1,3-4 als urchristliche Bekenntnistradition versteht, die Paulus in seinem Brief an die nicht von ihm gegründeten Gemeinden in Rom zitiert, betont die Bedeutung des formulierten Bekenntnisses für die Kirche. Die „Geschichtlichkeit aller Sätze kirchlicher Bekenntnisse und Dogmen“ hat nur dann einen „Relativierungseffekt“,308 wenn man die Autorität der kanonischen heiligen Schriften außer Acht lässt. Wer sagt, dass die Traditionsformel, die Paulus zitiert, historisch kontingent ist und deshalb keine Autorität beanspruchen kann, der kann von dem christologischen Bekenntnis in 1,3-4 nur dann dasselbe sagen, wenn er die ntl. Paulusbriefe nur für historische Dokumente hält, und nicht als Wort Gottes, das Autorität besitzt für alle Gemeinden und für alle Jesusbekenner. Wenn man 1,3-4 als von Paulus formulierte Definition des Evangeliums versteht, erklärt sich, weshalb er den Kreuzestod Jesu nicht erwähnt, der für Paulus zentral ist (vgl. 3,25; 5,10; 6,3-8; 1Kor 1,17.18.23-24; 2,2; Gal 3,1): Eine Definition bemüht sich um Prägnanz, limitiert den Umfang einer Erzählung und beschränkt sich auf charakteristische Elemente, die es den Hörern bzw. Lesern erlauben, die ausgelassenen Elemente zu ergänzen. Paulus betont in seiner Definition des Evangeliums in 1,3-4, dass Jesus die Verheißungen der Propheten in den heiligen Schriften erfüllt – sein Leben von seiner Geburt (über seinen Tod am Kreuz) bis zu seiner Auferstehung erweist ihn als messianischen Davidssohn und machtvollen Gottessohn. Das Evangelium ist ganz grundsätzlich auf Jesus konzentriert: Jesus ist der Messias Israels, durch den Gott seine Verheißungen erfüllt; er ist der Sohn Gottes, in dem Gott seine Macht manifestiert, er ist der Kyrios, der zur Rechten Gottes herrscht. Für Paulus ist sowohl der irdische als auch der auferstandene Jesus grundlegend.309 Paulus spricht in 1,3-4 zuerst vom Leben und von der Person Jesu, ehe er vom Wirken Jesu spricht (1,16-17). T. Söding formuliert: „Das Gefälle von der Christologie zur Soteriologie ist entscheidend für das Verständnis der paulinischen Rechtfertigungslehre, umgekehrt ist der soteriologische Kontext entscheidend für das paulinische Verständnis der Christusaussage“.310 Die christologischen Aussagen erweisen sich im Kontext von 1,3-4 als theozentrisch. Gott hat Jesus als Evangelium im Voraus durch seine Propheten angekündigt (1,2) und gewährt durch Jesus, den Messias Israels, die Gnade der Rechtfertigung sowohl Juden als Heiden (1,16-17; 3,21-26). Paulus dankt Gott „durch Jesus den Messias“ (1,8) und betont, dass er seinen apostolischen Dienst der Verkündigung des Evangeliums als „Sklave des Messias Jesus“ (1,1) verrichtet. ————————————————————

308 309 310

Wilckens I 71. Vgl. Hengel, Sohn Gottes, 118-125. Söding, Davidssohn, 326.

Präskript: Absender, Adressaten, Gruß 1,1-7 135 ————————————————————————————————————

Irenäus berief sich auf 1,3-4 in seinem Kampf gegen den Doketismus: Paulus betont explizit das wahre Menschsein Jesu.311 Origenes begründete mit der Beschreibung Jesu κατα` σα' ρκα und κατα` πνευñ μα – die menschliche und die göttliche Natur Jesu – in 1,3-4 die im Kampf gegen den Arianismus entwickelte Zwei-Naturen-Lehre.312 So wichtig die Leistung der ZweiNaturen-Lehre war und ist, so ist ebenso klar, dass Paulus mit σα' ρξ bzw. πνευñ μα hier nicht die Menschheit bzw. Göttlichkeit Jesu Christi beschreiben wollte. Tertullian spricht von einer persona und zwei status Jesu:313 Er achtet die Bedeutung der Davidssohnschaft Jesu und versteht die Bewegung der ersten zur zweiten Zeile der Formel nicht in einem Wechsel der Identität Jesu, sondern in der Machtposition Jesu.314 Die Zweistufenchristologie, von der viele Ausleger sprechen,315 beleuchtet den Übergang von „Fleisch“ zu „Geist“, hat aber das Problem, dass sie häufig von einer konstruierten Entwicklung von einer palästinischen Jesus-Christologie zu einer hellenistischen Erhöhungs-Christologie,316 von einem Gegensatz zwischen Davidssohnschaft und Gottessohnschaft und häufig von einem unmessianischen irdischen Jesus ausgeht – Annahmen, die sich nicht halten lassen.317 Manche Ausleger sprechen von zwei „Existenzweisen“,318 zwei Stadien319 oder zwei Aspekten320 im Bemühen, weder die Davidssohnschaft bzw. das Erdenleben Jesu noch die Gottessohnschaft bzw. Jesu Auferweckung abzuwerten. T. Söding spricht von einer „zweidimensionalen Christologie“, die „wesentliche Momente des Christusgeschehens zur Sprache“ bringt, „die bleibend wichtig sind, allerdings zeitlich aufeinander folgen und steigernd hintereinander gestellt sind“.321 Paulus verbindet die Beschreibung des Evangeliums, auf das christologische Bekenntnis konzentriert, in 1,5 mit dem Glauben, der im Gehorsam ————————————————————

311 312 313

314 315 316 317 318 319 320 321

Irenäus, Adv.haer. 3.16.3; 22.1. Origenes 93-97; Origenes, Joh 32. Tertullian, Adversus Praxean 27,11: videmus duplex status, non confusus, sed coniunctus in una persona, Deum et hominem Iesum. Söding, Davidssohn, 353, der anmerkt, dass die Begriffe persona und status nicht mit den paulinischen Begriffen deckungsgleich sind, sondern vom römischen Recht und stoischer Philosophie geprägt sind. Vgl. Wilckens I 72; E. Schweizer, Art. υι� ο' ς, ThWNT VIII, 368; Hahn, Hoheitstitel, 254255; Burger, Davidssohn, 27. Deutlich bei Bousset, Kyrios Christos, 3. Söding, Davidssohn, 354. Zur Kritik an der Adoptionschristologie s. Hengel, Sohn Gottes, 119; Stuhlmacher, Theologie I, 197; Hübner, Biblische Theologie II, 336. Kuss I 8. Toit, Gospel Tradition, 242. Karrer, Jesus Christus, 187. Söding, Davidssohn, 356.

136 Römerbrief ————————————————————————————————————

gegenüber Gott und Jesus Christus besteht und Konsequenzen für die Werte und den Lebensvollzug der Jesusbekenner hat. So ist υ� πακοη' auch ein Ausdruck der Individualethik (persönlicher Lebensvollzug), der Personalethik (Verhältnis zu den Mitmenschen) und der Sozialethik (Gestaltung sozialer Strukturen).322 Paulus wird implizit in 1,18–3,20 und explizit in Kap. 6–8; 12–15 den Gehorsam der Jesusbekenner konkretisieren. Vor allem Heidenchristen waren vor größte Herausforderungen gestellt, denen sie sich nur infolge ihrer Verbindung mit dem gekreuzigten und auferstandenen Jesus Christus (6,1-14) und der machtvollen Gegenwart des Geistes Gottes (8,117) stellen konnten. Die Werte und Verhaltensweisen, die Paulus in den sog. Lasterkatalogen nennt (13,13; 2Kor 12,20; Gal 5,19-21),323 waren für die griechisch-römische Gesellschaft geradezu charakteristisch. Der Gehorsam des Glaubens, der das Verhalten der Jesusbekenner charakterisiert, ist von deren Identität als mit Jesus Gestorbene und Auferstandene bestimmt, die als Kinder Gottes den Geist Gottes haben. Calvin kommentiert den Segenswunsch „Gnade und Friede“, dem Kontext gemäß, in vertikaler und horizontaler Perspektive: „Nichts ist mehr zu wünschen als einen gnädigen Gott zu haben. Dies ist mit dem Wort ‚Gnade‘ gemeint. Dann soll aus Gott Segen und Gelingen in allen Dingen fließen. Dies bezeichnet das Wort ‚Frieden‘. Denn mögen unsere Aussichten auch noch so günstig erscheinen – wenn Gott uns zürnt, so wendet sich sein Segen zum Fluch. Das einzige sichere Fundament unserer Glückseligkeit ist darum Gottes Wohlwollen, wodurch wir wahren und geständigen Segen genießen und unser Heil selbst durch widrige Erfahrungen noch gefördert wird. Daraus, dass auch der Friede von Gott erbeten wird, ersehen wir: Alles Gute, das uns zufällt, ist eine Frucht göttlicher Wohltat. Man soll auch nicht vergessen, diese Güter zugleich auch von dem Herrn Jesus zu erbitten“.324

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322 323 324

Zu diesen Begriffen s. Honecker, Theologische Ethik, 8-11. S. auch 1Kor 5,10-11; 6,9-10; Eph 4,31; 5,3-4; Kol 3,5.8; 1Tim 1,9-10; 2Tim 3,2-5; Tit 3,3; vgl. Mk 7,21-22; 1Petr 4,3; Offb 22,15. Calvin I 55. Der lat. Text beginnt mit dem Satz: „Nihil prius optandum quam ut Deum propitium habeamus“.

Proömium: Dank, Fürbitte, Thema 1,8-17 137 ————————————————————————————————————

Proömium: Dank, Fürbitte, Thema 1,8-17 I 8 Zunächst danke ich meinem Gott durch Jesus, den Messias, für euch alle, dass von eurem Glauben in der ganzen Welt berichtet wird. 9 Denn Gott, dem ich mit meinem Geist am Evangelium von seinem Sohn diene, ist mein Zeuge, dass ich unablässig euer gedenke 10 und allezeit in meinen Gebeten darum bitte, ob es mir vielleicht endlich durch Gottes Willen gelingen möchte, zu euch zu kommen. 11 Denn ich sehne mich danach, euch zu sehen, damit ich euch etwas an geistlicher Gabe mitteile zu eurer Stärkung, 12 das heißt, um mit euch Zuspruch zu erfahren in eurer Mitte durch den gegenseitigen Austausch eures und meines Glaubens. 13 Ich will euch aber nicht in Unkenntnis darüber lassen, Brüder, dass ich schon oft geplant habe, zu euch zu kommen – ich wurde jedoch bis jetzt daran gehindert –, um wie bei den übrigen Heiden auch bei euch etwas Frucht zu wirken. 14 Griechen und Barbaren, Gebildeten und Ungebildeten bin ich verpflichtet. 15 Deshalb war es, was mich betrifft, mein Wunsch, auch euch in Rom das Evangelium zu verkündigen. 16 Denn ich schäme mich des Evangeliums nicht, denn es ist die Macht Gottes zur Rettung für jeden, der glaubt, für den Juden zuerst und auch für den Griechen. 17 Denn Gottes Gerechtigkeit wird in ihm offenbart aus Glauben zum Glauben, wie geschrieben steht: „Der Gerechte aber wird aus Glauben leben“. II Auf das Präskript folgt das Proömium (lat. exordium), das, wie meistens bei Paulus, vom Dank an Gott bestimmt ist.1 Paulus informiert die römischen Christen über sein Beten für sie, das aus Dank für ihren Glauben (V. 8) und aus Bitte um das Gelingen seiner Besuchspläne besteht (V. 9-10). Er teilt ihnen mit, dass sein geplanter Besuch ihnen einen geistlichen Nutzen bringen wird, dass er aber hofft, durch sie in seinem eigenen Glauben gestärkt zu werden (V. 11-12). Er betont, dass er schon mehrmals geplant hatte, nach Rom zu kommen, daran jedoch gehindert wurde (V. 13). Er wollte in Rom evangelisieren, weil er verpflichtet ist, Griechen und Barbaren das Evangelium zu verkündigen (V. 14-15). Paulus beschließt die Einleitung seines ————————————————————

1

Zum Proömium vgl. H.A. Gärtner, Art. Prooemium, DNP X, 409-412; I. MännleinRobert, Art. Prooimion, HWR VII, 247-256; Böhme, Prooimion; Schubert, Pauline Thanksgivings; White, Introductory Formulae; O’Brien, Introductory Thanksgivings; Schnider/Stenger, Studien, 42-49; Doering, Letters, 415-421.

138 Römerbrief ————————————————————————————————————

Briefes mit dem Bekenntnis zum Evangelium, das die Macht Gottes zur Rettung aller Menschen ist, die an Jesus glauben, sowohl der Juden als auch der Griechen, weil im Evangelium Gott seine Gerechtigkeit offenbart (V. 16-17). Das paulinische Proömium entspricht nach Struktur und Stellung der formula valetudinis initialis griechisch-römischer Briefe.2 Die Grundform der formula valetudinis initialis in den Papyrusbriefen lautet: ει� ε» ρρωσαι, καλω ñ ς α� ν ε» χοι, υ� γι' αινον δε` και` αυ� το' ς („Wenn du wohlauf bist, verhält es sich wohl gut. Und auch ich selbst bin gesund“). Die Formel thematisiert meist nur die Gesundheit von Empfänger und Absender. P. Arzt-Grabner hat deshalb betont, dass einleitende Danksagungen nicht standardmäßig Teil der zeitgenössischen Papyrusbriefe sind: „Ausdrücke und Wendungen des Dankes begegnen zwar durchaus häufig in den Papyrusbriefen, doch erwachsen solche Formulierungen konkreten, individuellen Situationen und sind mehr oder weniger an beliebiger Stelle eines Briefes anzutreffen oder als formelhafte Wendungen zeitlich beschränkt und zu weit von Paulus entfernt“.3 Die Danksagungen in Papyrusbriefen, auf die als Gegenargument verwiesen wird,4 sind meistens nicht mit der einleitenden formula valetudinis verknüpft.

Der Einfluss jüdischer Briefe auf das Proömium der paulinischen Briefe ist wichtiger als oft angenommen.5 Das Proömium kann man in zwei Grundtypen unterteilen: 1. Paulus dankt (ευ� χαριστω ñ ), 2. (seinem) Gott (τω ñ, θεω ñ, μου), 3. allezeit (πα' ν-), 4. für die Adressaten. In Typus I folgt 5. ein oder mehrere Partizipien, die das Verb „ich danke“ modifizieren und oft davon sprechen, dass der Autor des Briefs an die Adressaten „denkt“, gefolgt 6. von einem Finalsatz, in dem der positive Zustand der Gemeinde thematisiert wird, gefolgt 7. von einer eschatologischen Klimax.6 In Typus II folgt 5. ein kausaler Nebensatz, dem 6. ein Konsekutivsatz folgen kann.7 In Röm 1,8-12 liegt eine Mischform vor: Die Danksagung folgt in V. 8 Typus II (mit ο« τι eingeleiteter kausaler Nebensatz: Gegenstand des Dankes) und in V. 9 dem Typus I (Paulus denkt an die Adressaten).8 ————————————————————

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4 5 6 7 8

Doering, Letters, 415-416. Arzt-Grabner, Philemon, 135. Die Danksagungen am Beginn einiger Briefe – z.B. P.Cair.Zen. I 59032; II 59160; III 59526; P.Mich. I 23; P.Petr. I 29; II 13 – stammen aus dem 3. Jh. v.Chr. und „stehen in Verbindung mit einem Gesundheitswunsch, der Dank wird dabei nicht mit dem Verb ευ� χαριστε' ω formuliert, sondern mit dem Substantiv χα' ρις“ (ebd. 135 Anm. 109); vgl. ebd. 135-140; Arzt, Epistolary Introductory Thanksgiving. Lohse 71 betont die Ähnlichkeiten, mit Berufung auf ältere Literatur. Reed, Paul’s Thanksgivings, 94, dem sich Kremendahl, Botschaft, 34 Anm.12 anschließt. Doering, Letters, 161-162.239-241.415-421. In 2Makk 1,11 steht ευ� χαριστουñ μεν am Anfang eines Briefes, wenn auch nicht als erstes Wort des Proömiums. Phil 1,3-11; 1Thess 1,2-10; Phlm 4-7; Kol 1,3-23. 1Kor 1,4-9. Schnider/Stenger, Studien, 46; Mischformen liegen ebenfalls in 1Thess 2,13-16; 3,9-13; 2Thess 1,3-12; 2,13-14 (ebd. 47) vor.

Proömium: Dank, Fürbitte, Thema 1,8-17 139 ————————————————————————————————————

Im Vergleich mit den Proömien antiker Briefe fällt auf, dass Paulus nicht für äußeres Wohlergehen dankt.9 Paulus schreibt durchaus von sich selbst und von den Empfängern, die er besuchen will (V. 11-13), aber seine Gesundheit und die der Empfänger bleibt unerwähnt. Vorbilder in Proömien jüdischer Briefe10 für die Aufnahme des in zeitgenössischen Briefen üblichen Wunsches von Gesundheit11 gab es durchaus. Andererseits wird auch in manchen jüdischen Proömien der Wunsch von Gesundheit durch den Hinweis auf Gottes (vergangene oder zukünftige) Handlungen zugunsten der Empfänger verwiesen. Ein Beispiel ist der im Jahr 124 v.Chr. von den Juden Jerusalems und Judäas an die in Ägypten lebenden Juden geschriebene Brief (2Makk 2,1-10); das Proömium in V. 2-5 lautet: „Gott möge euch Gutes erweisen und seines Bundes gedenken, den er mit seinen treuen Dienern Abraham, Isaak und Jakob geschlossen hat. Er gebe euch allen ein Herz, das euch fähig macht, ihn zu fürchten und seiner Lehre mutig und bereitwillig zu folgen. Er öffne euer Herz für sein Gesetz und für die Gebote und schenke euch Frieden. Er erhöre eure Gebete, schenke euch Versöhnung und verlasse euch nicht in der Not“ (EÜ).12 Paulus schreibt im Proömium V. 8-17 zwar von sich selbst, jedoch konzentriert auf seinen Dienst am Evangelium von Jesus Christus (V. 9), das die Macht Gottes zur Rettung aller Menschen ist (V. 16) und in dem die Gerechtigkeit Gottes offenbart wird, sowie auf seinen Wunsch, den Empfängern geistliche Gaben zukommen zu lassen (V. 11) und durch die Empfänger selbst im Glauben gestärkt zu werden (V. 12). Und Paulus schreibt von den Empfängern, jedoch konzentriert auf ihren Glauben (V. 8) und dessen Stärkung (V. 1112) sowie auf ihren Wohnort in Rom (V. 15). Das Proömium weist auf die Hauptthemen des Briefs hin: Gott und Jesus Christus (V. 8.9.16.17), Glaube (V. 8.12.16.17), Evangelium (V. 9.15. 16.17), die ganze Welt (V. 8; vgl. V. 14.16), Rettung (V. 16), Gottes Gerechtigkeit (V. 17), Leben (V. 17; vgl. V. 11), Begründung des Evangeliums aus der heiligen Schrift (V. 17), Gebet (V. 9.10), Verpflichtung (V. 14). ————————————————————

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Auf diesen Sachverhalt hat schon Tertullian, Adv.Marc. 5.5.1, hingewiesen. S. den Brief von Josephus an Jonatan: ε� ρρωμε' νους υ� μαñ ς ει� ς Γαλιλαι' αν η« κειν πυθο' μενος η« δομαι („Dass ihr wohlbehalten in Galiläa angekommen seid, freut mich zu hören“ [Siegert]; Vita 226); Mason, Life of Josephus, 109 übersetzt: „I am pleased to discover that you have arrived in Galilee in good health“. S. den Brief des Antiochus IV an die Judäer (2Makk 9,19: χαι' ρειν και` υ� γιαι' νειν και` ευò πρα' ττειν) und an die Gerusie (Ältestenrat) und die übrigen Juden (2Makk 11,28: ει� ε» ρρωσθε, ει»η α» ν ω� ς βουλο' μεθα· και` αυ� τοι` δε` υ� γιαι' νομεν). In CPJ II 424 (= P.Bad. II 35) findet sich ein Wunsch von Gesundheit am Ende des Briefs der Jüdin Johanna an Epagathos (15. Dez. 87): ε» ρροσο, προ` πα' ντων σατουñ ε� πιμελουñ , «ινα υ� γιαι' νη, ς (Z. 26). Doering, Letters, 161.562; vgl. 2Makk 1,11-17; Eupolemus, Frag. 2; 2Bar 78,3.

140 Römerbrief ———————————————————————————————————— Manche entdecken im Proömium des Römerbriefs „eine gewisse Verlegenheit“, die sich in V. 8-13 „durch einen etwas stockenden Gedankengang und durch verklausulierte Sätze verrät“; erst in V. 14-15 und erst recht in V. 16-17 formuliere Paulus „freier und bestimmter“.13 U. Wilckens sieht in V. 11-13 „eine eigenartige Befangenheit und geradezu ängstliche Vorsicht“.14 Er meint, Paulus, der sich als der Apostel der Heiden sieht (11,13) und Rom als zu seinem Missionsbereich gehörend versteht (1,6), wolle der möglichen Besorgnis der römischen Christen entgegenwirken, die den Eindruck bekommen könnten, er wolle die Gemeinde in Rom seiner apostolischen Autorität unterwerfen – deshalb spiele Paulus seinen Autoritätsanspruch und seine Missionsabsicht herunter. J. Dunn spricht, etwas zurückhaltender, von einer „Unbeholfenheit“, die auf die Schwierigkeit zurückgehe, den rechten Ton gegenüber der ihm unbekannten Gemeinde zu treffen.15 Solche Analysen sind in den Text hineingetragen. 1. Die konstatierte „Unsicherheit“ betrifft die Frage, wann Paulus seinen geplanten Rombesuch durchführen kann. Paulus ist Realist: Er konnte frühere Pläne, in Rom zu evangelisieren, nicht durchführen, und er weiß nicht, wann er den neu gefassten Plan eines Rombesuchs verwirklichen kann. Er weiß nicht, was geschieht, wenn er in Jerusalem ankommt, wo er die in den Gemeinden von Achaia und Makedonien gesammelte finanzielle Unterstützung überbringen will (15,25-27) und wo ihm ungläubige Judäer nachstellen (15,31). Für beide Situationen ersucht er die römischen Christen um ihre Fürbitte (15,30). Sowohl der Kontakt mit der Jerusalemer Gemeinde als auch die Gefahr durch feindselige Judäer können seinen geplanten Rombesuch verzögern. Deshalb sollen sie beten, dass er, wenn es Gottes Wille ist, nach Rom kommen kann (15,32). Die Ereignisse, die sich wenige Monate später in Jerusalem zugetragen haben, bestätigen, dass Paulus allen Grund hatte, zurückhaltend und „unsicher“ zu sein, was seinen geplanten Rombesuch betrifft: Er wurde in Jerusalem fast umgebracht (Apg 21,27-31), von den römischen Behörden verhaftet (Apg 21,32-34; 22,24–23,10) und zwei Jahre lang in Cäsarea in Gewahrsam gehalten (Apg 24–26). Weil Paulus nicht abschätzen kann, wie bald er in Rom eintreffen wird, ist es schlicht unmöglich, „Sicherheit“ an den Tag zu legen. 2. Im Blick auf das Verhältnis des Apostels zu den stadtrömischen Hausgemeinden lässt der Text keine Unsicherheit erkennen. Paulus anerkennt die Prominenz der römischen Christen (V. 8), er betet unablässig für sie (V. 9-10), er möchte ihnen geistlichen Nutzen bringen (V. 11). Dieselbe Zurückhaltung, die man für V. 11-12 konstatiert („etwas an geistlicher Gabe“, „gegenseitiger Austausch“), ist auch in V. 13-15 zu finden: Paulus spricht von der Hinderung seiner bisherigen Besuchspläne, ohne Einzelheiten zu nennen, und er spricht von „etwas Frucht“, die er in Rom erwirken will (V. 13). 3. Die Erwartung, von den römischen Christen im Glauben gestärkt zu werden (V. 12), bedeutet nur dann ein Herunterspielen seines Autoritätsanspruchs, wenn man ein streng hierarchisches Verständnis von apostolischer Autorität hat. Da schon V. 11 vom Gedanken der Gemeinsamkeit zwischen Paulus und den römischen Christen ausgeht (μεταδι' δωμι), stellt V. 12 keine Korrektur dar, sondern führt den im Blick auf die beabsichtigte Stärkung der römischen Christen komplementären Gedanken ein, der mehr auf Paulus bezogen ist: Die Mitteilung von geistlicher Gabe bedeutet für Paulus, dass er selbst, zusammen mit ihnen, Zuspruch erfährt.16 4. Der Gedankengang ist nicht „stockend“, wenn man erkennt, dass sich V. 11-12 auf den geplanten zukünftigen ————————————————————

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Schlier 34. Wilckens I 79; die folgende Erklärung ebd. Dunn I 27.34-35. Reichert, Abfassungsproblematik, 125, gegen Schlier 38-39; Käsemann 16. Toit, Persuasion, 236 spricht ebenfalls von einer „Korrektur“, versteht sie jedoch als rhetorische Figur, die den Eindruck einer überzogenen Selbsteinschätzung vermeiden will.

Proömium: Dank, Fürbitte, Thema 1,8-17 141 ———————————————————————————————————— Besuch und V. 13-15 auf die vergangenen Besuchspläne beziehen. 5. Die Spannung zwischen V. 15 und der Erklärung in 15,20 löst sich auf, wenn man das Verb ευ� αγγελι' ζωμαι in V. 15 konsequent auf die Mitteilung von Neuigkeiten, d.h. auf die Verkündigung des Evangeliums vor Heiden (und Juden) in Rom bezieht, für die sich Paulus bei seinen früheren Besuchsplänen (als Verb ist ε� γε' νετο zu ergänzen, nicht ε� στι' ν) einsetzen wollte.17 6. Die bestehenden Unterschiede zwischen 1,8-17 und 15,14-29 sind rhetorisch zu erklären: Paulus schreibt an eine nicht von ihm gegründete Gemeinde und kann nicht einfach annehmen oder verlangen, dass sie ihn bei der geplanten Spanienmission unterstützt. Deshalb bereitet er die römischen Christen in 1,1-17 auf den Inhalt des Briefes und auf sein in 15,24 genanntes konkretes Anliegen der missionarischen Zusammenarbeit rhetorisch geschickt vor.18 Schon J.A. Bengel schlug eine rhetorische Analyse von Röm 1 vor, mit 1,16-17 als propositio. R. Jewett analysiert 1,8-12 als exordium, 1,13-15 als narratio und 1,16-17 als propositio; B. Witherington versteht 1,8-10 als exordium, 1,11-15 als narratio und 1,16-17 als propositio; L. Legrand behandelt 1,8-15 als propositio, mit 1,16-17 als „propositio subordonnée“.19 Die Einordnung von 1,16-17 als propositio ist nicht überzeugend: Die beiden zentralen Begriffe „Evangelium“ und „Glaube“ wurden bereits im Präskript 1,1-7 genannt und verweisen nicht einfach voraus auf das Kommende; außerdem wäre es seltsam, wenn Paulus ausgerechnet in der propositio des Briefes das Christusgeschehen unerwähnt ließe.20 Manche analysieren 1,16-17 als transitus.21 A. du Toit verfolgt ebenfalls eine rhetorische Analyse, erkennt jedoch die epistolarischen Konventionen an, denen Paulus folgt; er teilt in 1,1-7 („the prescript“), 1,8-12 („the thanksgiving section“), 1,13-17 („body-opening“).22 Der Text wird von NA28 in sieben Sätze geteilt. Wer die Begründungssätze mit γα' ρ und anderen Partikeln und Konjunktionen konsequent als zu einem einzigen Satzgefüge gehörend behandeln will, muss 1,8-23 als einen einzigen Satz nehmen.23 Man darf nicht vergessen: Die Begründungspartikel γα' ρ kann auch erklärend, folgernd (u.a. in stark verblasster Bedeutung das Vorhergehende wieder aufnehmend) sowie anknüpfend und fortführend (im Sinn von δε' ) verwandt werden.24

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Käsemann 18; Stuhlmacher 29; Zeller 41; Byrne 50-51; Kettunen, Abfassungszweck, 119-126; Zeller, Juden und Heiden, 57-58; Dickson, Gospel as News, 224-228. Gegenargumentation bei Reichert, Abfassungsproblematik, 88-89 Anm. 19. Toit, Persuasion, 226-237. Vgl. Haacker 34: Der Rückblick im Proömium und die Entfaltung seiner Zukunftspläne erst im Epilog entspricht rhetorischer Tradition (Quintilian 4,1,28). Michel 79-80 erklärt die „Zurückhaltung“ in V. 8-13 mit Misstrauen und Verdächtigungen gegen Paulus, die in der römischen Gemeinde entstanden oder von außen in die Gemeinde hineingetragen wurden; so auch Käsemann 14, mit Berufung auf Preisker, Problem, und Michel. Die Annahme von Misstrauen und Verdächtigungen gegen Paulus in Rom ist rein hypothetisch. Bengel 542; Jewett 117.127.135; Witherington 40.47; Legrand, Proemium ou Propositio, 568-570. Zur propositio (griech. προ' θεσις) in der Rhetorik vgl. G. Krapinger, Art. Propositio, HWR VII, 307-315, zur narratio (griech. διη' γησις) J. Knape, Art. Narratio,l HWR VI, 98-106. Wolter I 104, der auch auf die Tatsache verweist, dass die propositio auf die narratio folgt, die in 1,8-15 nicht vorhanden ist (Jewett 127-128 hält 1,13-15 für die narratio, was angesichts des Inhalts von 1,18–15,13 nicht plausibel ist). Vgl. Vorster, Strategies; Lee, Paul’s Gospel, 87-88. Toit, Persuasion, 230-237. Keener 23 versteht 1,8-15 als Satzgefüge, Achtemeier 35 mindestens 1,16-20, vielleicht 1,14-23. HvS §252,9; Bauer/Aland s.v. γα' ρ 2-4); BDAG s.v. γα' ρ 2-3, kombiniert die erklärende und anknüpfende Verwendung (2, marker of clarification; 3, marker of inference).

142 Römerbrief ————————————————————————————————————

Gliederung. Das Proömium besteht aus drei Teilen: 1. Danksagung an Gott (ευ� χαριστω ñ τω ñ, θεω ñ, μου; V. 8), begründet (ο« τι) mit dem überall bekannten Glauben der römischen Christen. 2. Die Ankündigung seines Besuchs der stadtrömischen Christen (V. 9-15), erläutert in vier Schritten. (a) Besuchspläne als Gegenstand des Gebets (V. 9-10), eingeleitet mit einer Beteuerungsformel (begründet mit γα' ρ): Paulus betet, dass Gott ihm die Verwirklichung seiner Besuchspläne gestatten möge. (b) Begründung der Besuchspläne im Blick auf das Ziel, das Paulus mit einem Besuch verfolgt (V. 1112), formuliert als Begründungssatz (γα' ρ): Er will die römischen Christen im Glauben stärken und selbst Stärkung durch sie erfahren. (c) Rückblick auf vergangene Besuchspläne (V. 13-15), eingeleitet mit einer direkten Anrede der Adressaten (α� δελφοι'), begründet mit der Verpflichtung, allen Menschen das Evangelium zu verkündigen. 3. Zweite Definition des Evangeliums (V. 16-17), eingeleitet mit einem Bekenntnis zum Evangelium, formuliert als Begründungssatz (γα' ρ): Das Evangelium ist die Macht Gottes zur Rettung aller Menschen, die glauben; der Grund (γα' ρ) für diese Wirklichkeit ist die Tatsache, dass das Evangelium die Offenbarung der Gerechtigkeit Gottes ist. Die Beschreibung des Evangeliums in V. 16-17, die von vielen Kommentatoren in einem eigenen Abschnitt behandelt wird,25 gilt zu Recht als Themenangabe für das folgende Briefcorpus, gehört jedoch zum Proömium26 und ist nach 1,2-4 die zweite Definition des Evangeliums, die auf das Bekenntnis zum Evangelium in V. 16a folgt.27 Sie lässt sich in zwei Teile gliedern: 1. Grundsätzliche Definition: Das Evangelium ist die Macht Gottes zur Rettung von allen Menschen, die glauben (V. 16b); Prädikat des Subjekts „Evangelium“ (το` ευ� αγγε' λιον): „Macht Gottes“ (δυ' ναμις γα` ρ θεουñ ε� στιν); Präpositionalsatz mit Angabe von Absicht bzw. Resultat: „zur Rettung“ (ει� ς σωτηρι'αν); Dativ des Interesses: „für jeden, der glaubt“ (παντι` τω ñ, πιστευ' οντι); Erweiterung des Dativs: „für den Juden zuerst und auch für den Griechen“ (� Ιουδαι'ω, τε πρω ñ τον και` « Ελληνι). 2. Beweis, verkürzt formuliert: „denn Gottes Gerechtigkeit“ (δικαιοσυ' νη γα` ρ θεουñ ); Präpositionalsatz mit Angabe von Grund bzw. Mittel: „in ihm“ (ε� ν αυ� τω ñ, = ε� ν ευ� αγγελι'ω, ); Aktion: „wird offenbart“ (α� ποκαλυ' πτεται; Handelnder: Gott); Präpositionalsatz mit ————————————————————

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Zahn 71; Lagrange 16.388; Barrett 27; Bruce 77; Kuss I 20; Cranfield I 87; Dunn I 37; Edwards 39; Fitzmyer 253; Moo 63-64; Schreiner 59; Légasse 93; Wright 423; Osborne 39; Penna 51-52; Harrison / Hagner 41; Keener 25; Hultgren 71. Schlier 34; Michel 79-80; Wilckens I 77; Zeller 40; Stuhlmacher 27; Byrne 48; Lohse 72; Matera 34; Haacker 40; Kruse 66; vgl. O’Brien, Introductory Thanksgivings, 200.202; Toit, Persuasion, 225; Porter, Functional Letter Perspective, 23. Calhoun, Gospel, 143-192; zur Gliederung ebd. 147-148, die hier leicht modifiziert ist.

Proömium: Dank, Fürbitte, Thema 1,8-17 143 ————————————————————————————————————

Angabe von Ursprung bzw. Quelle: „aus Glauben“ (ε� κ πι'στεως); Präpositionalsatz mit Angabe des Ziels: „zum Glauben“ (ει� ς πι'στιν); Schriftbeweis: Hab 2,4 (Zitierformel: καθω` ς γε' γραπται; Zitat: ο� δε` δι'καιος ε� κ πι'στεως ζη' σεται). Textkritische Anmerkungen. In V. 8 lassen ‫ א‬und 1270 die Wendung δια` � Ιησουñ Χριστουñ aus, was ein Schreibfehler sein muss. Die Präposition περι', die infolge der besseren Bezeugung als ursprünglich zu gelten hat (‫ א‬A B C D* K 33 81 1506 1739 1881), wird in Dc G Ψ Byz durch υ� πε' ρ ersetzt, wohl im Sinn einer stilistischen Verbesserung; die Bedeutung ändert sich nicht, weil περι' m. Gen. („um, betreffs, über, von, in“) im NT häufig die Bedeutung von υ� πε' ρ m. Gen. („für, im Interesse von“) annimmt.28 In V. 9 ersetzen größtenteils späte MSS den Gen. des Personalpronomens μου' durch den Dat. μοι' (D* G Ψ 424 1505 l 249), vielleicht mit der Absicht, den Gedanken des Besitzes zu vermeiden.29 In V. 13 wird die Wendung ου� θε' λω in D G b*; Ambst durch ου� κ οι»ομαι („ich denke nicht“) ersetzt, die vielleicht den Eindruck vermeiden will, Paulus werfe der römischen Gemeinde Ignoranz vor; die Wendung ου� θε' λω ist weitaus besser bezeugt (‫ א‬A B C Dc u.a.) und entspricht paulinischer Diktion (vgl. Röm 11,25; 1Kor 10,1; 12,1; 2Kor 1,8; 1Thess 4,13).30 In V. 15 wird προ' θυμον durch die mit Nominativendung (προ' θυμος) ersetzt (d vgmss; Ambst), sicherlich mit dem Ziel, den Text zu glätten.31 Einige MSS lesen ε� ν υ� μιñν (D* 440 b vgmss), vielleicht als Assimilation an 1,13, vielleicht auch um den Eindruck zu vermeiden, Paulus wolle ihnen selbst das Evangelium verkündigen.32 Die Auslassung der Ortsangabe τοιñς ε� ν � Ρω' μη, (G) ist wie in 1,7 sekundär. In V. 16 ergänzen Dc Ψ Byz mit τουñ Χριστουñ , offensichtlich als Klärung gedacht, aber infolge der besseren Bezeugung der Auslassung (d26 ‫ א‬A B C D*.c G 33 81 u.a.) als sekundär zu betrachten. Die Auslassung von ει� ς σωτηρι'αν in G ist sicher ein Schreibfehler.33 Die Auslassung von πρω ñ τον (B G sa; Marcion nach Tertullian) geht wahrscheinlich auf den Einfluss Marcions zurück, für den der Gedanke der Vorrangstellung der Juden unakzeptabel war.34 In V. 17 ist die Hinzufügung von μου hinter δι'καιος (C*) Angleichung an die LXX-Version des Zitats. ————————————————————

28 29 30 31 32 33 34

BDR §229.2 (4); HvS §184n(a); Bauer / Aland s.v. περι' 1f. Jewett 117; Michel 81 meint, es mache keinen Unterschied, ob man μου' oder μοι' liest. Metzger, Textual Commentary, 447; Jewett 127. Diese Lesart wird in NA28 nicht mehr erwähnt. Cranfield I 86 Anm. 1; Jewett 127. Cranfield I 87 Anm. 3 vermutet eine Assimilation an andere Stellen, z.B. 1Kor 1,18. Lietzmann 30, im Anschluss an Harnack, Marcion, 102; vgl. Michel 88; Wilckens I 86 Anm. 107; Cranfield I 90-91; Jewett 135; Wolter I 101 Anm. 3.

144 Römerbrief ————————————————————————————————————

III

8 Paulus setzt den Dank an Gott an den Anfang seiner Einleitung.35 Die

Aussage ich danke beinhaltet die Anerkennung von Zuwendungen, hier die Würdigung des Wirkens Gottes in der römischen Gemeinde. Das Dankgebet ist persönlich formuliert: Von meinem Gott spricht Paulus an mehreren Stellen.36 Für Kinder Gottes, die den Geist Gottes empfangen haben und deshalb „Abba, Vater“ sagen können (8,15-16), ist Gott nicht ein fremder, ferner Gott, sondern ihr Vater, zu dem sie eine enge, persönliche Beziehung haben. Die Wendung durch Jesus, den Messias (δια` � Ιησουñ Χριστουñ )37 unterstreicht die Bedeutung Jesu Christi: Als personifizierter Ort der heilschaffenden Offenbarung Gottes (3,25) ist Jesus der Mittler von Gottes gnädiger Gegenwart, zu der die Jesusbekenner im Gebet Zugang haben.38 Weil Gott sich in Jesus Christus ein für alle Mal geoffenbart hat, beten Christen zu Gott im Vertrauen auf Jesus, der sie mit Gott versöhnt hat und der sie zur Rechten Gottes vertritt (8,34). Paulus dankt für euch alle, d.h. für alle Christen in Rom, nicht nur für eine der Hausgemeinden oder die Gemeindeleitung. Alle römischen Christen, ohne Ausnahme, haben das Wirken Gottes in ihrem Leben erfahren und werden deshalb im Dankgebet des Apostels erwähnt. Der Grund des Dankes ist wie in 1Thess 1,2-3; 2Thess 1,3-4; Kol 1,3-4; Eph 1,15-16 auf den Glauben der Briefempfänger bezogen. „Glaube“ (πι'στις) ist grundsätzlich auch hier die Annahme der Botschaft von Gottes Heilshandeln im Tod und in der Auferweckung Jesu Christi (vgl. zu 1,5), gleichzeitig aber auch der Gehorsam gegenüber Gottes Heilsoffenbarung im persönlichen und gemeindlichen Lebensvollzug. Man sollte vermeiden, Bekehrung (zum Glauben kommen) und christliche Existenz (im Glauben leben) hier gegeneinander auszuspielen. Die Tatsache, dass in Rom Menschen leben, die zum Glauben an Gottes Heilsoffenbarung in Jesus gekommen sind, ist und bleibt ein Grund des Dankes, was genauso für die Tatsache gilt, dass die römischen Christen der Wirklichkeit ihres Glaubens konstant und konsequent im Alltag sichtbaren Ausdruck verleihen, was ihre Teil————————————————————

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Das Adv. πρω ñ τον („erstens“) markiert oft die Reihenfolge in einer Aufzählung, kann aber auch verwendet werden, ohne dass die Reihe (z.B. mit ε» πειτα) fortgesetzt wird; Bauer / Aland s.v. πρω ñ τος 2b. Zum με' ν solitarium ohne nachfolgendes δε' s. BDR §447c (Anm. 14: Röm 1,8; 1Kor 11,18, etwa „gleich von vornherein“); HvS §252,34b. 1Kor 1,4; Phil 1,3; Phlm 4; vgl. 2Kor 12,21; Phil 4,19. In der LXX kommt ο� θεο' ς μου oft in Gebeten vor: Gen 28,3; 30,23; 43,14; 48,3; 2Sam 15,31; 1Kön 3,7; 5,18; 17,21; Ps 3,8; 5,3; 7,2; 12,4; 17,3; 21,2; 24,1; u.a. Vgl. 7,25; Kol 3,17; Eph 5,20. Vgl. Röm 16,27; 2Kor 1,20; sowie Hebr 13,15; 1Petr 2,5; 4,11; Jud 24. In Röm 8,26 vermittelt der Geist die Gebete.

Proömium: Dank, Fürbitte, Thema 1,8-17 145 ————————————————————————————————————

nahme an dem gesamten Prozess der Verkündigung des Evangeliums – Annahme der Glaubensbotschaft, Veränderung des Lebensvollzugs, Evangelisierung von Juden und Heiden, Gründung neuer Gemeinden – demonstriert.39 Dies zeigt die folgende Wendung. Die Formulierung, dass man vom Glauben der Christen in Rom in der ganzen Welt (ε� ν ο« λω, τω ñ, κο' σμω, ) spricht, wird oft als hyperbolische Übertreibung bezeichnet,40 die die Bedeutung der Gemeinde in der Hauptstadt des Römischen Reiches unterstreiche. Die Beachtung der historischen Vorgänge in Rom weist in eine andere Richtung. Wichtige Nachrichten wie das Erdbeben in Pompeji des Jahres 63 n.Chr. haben sich in der ganzen Welt (des Römischen Reiches) verbreitet.41 Die Nachricht von der Verbannung der Juden aus Rom im Jahr 49 durch Claudius muss sich in den römischen Provinzen und in Regionen außerhalb des Römischen Reiches, in denen es jüdische Gemeinden gab (z.B. in Babylonien), rasch verbreitet haben (s. Einleitung S. 27). Das Claudiusedikt reagierte offensichtlich auf Unruhen in den stadtrömischen Synagogen, die durch die missionarischen Aktivitäten der Judenchristen ausgelöst wurden. Paulus formuliert also keine captatio benevolentiae, deren schmeichelnde Übertreibung ihm das Wohlwollen der römischen Gemeinde sichern soll.42 Paulus kommentiert historische Vorgänge. Der aktive Glaube der römischen Christen hatte (unbeabsichtigte) Folgen für die Juden und die Judenchristen43 in der Hauptstadt des Weltreichs – aktuelle Folgen, die für die jüdischen Synagogen genauso wie für die christlichen Gemeinden potentiell weitere politische Konsequenzen nach sich ziehen könnten und deshalb von allergrößtem Interesse waren. Paulus sieht in diesen Entwicklungen die Hand Gottes und hat deshalb Grund, Gott ————————————————————

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Richtig Jewett 120; Dobbeler, Glaube, 39 (im Blick auf 1Thess 1,5). Wolter I 105 betont, dass „Glaube“ hier als Kennzeichen der christlichen Gemeinden in Rom verwendet wird und damit für diese dasselbe leistet wie für das Judentum die Befolgung der Tora: „Er stiftet überindividuelle Identität und soziale Kohäsion“. Weiß 59; Godet I 93; Käsemann 15; Cranfield I 75; Michel 81; Wilckens I 77; Moo 57; Penna 34; Légasse 77; Lohse 34; Haacker 35; Wolter I 105. Als Parallele kommt 1Thess 1,8 nur bedingt in Betracht: Vom Glauben der Thessalonicher ist „an allen Orten“ (ε� ν παντι` το' πω, ) die Rede, was heißen kann: an allen Orten, an denen es eine christliche Gemeinde gibt; vgl. Malherbe, Thessalonians, 117. Seneca, Nat.quaest. 6,25,3; vgl. Cicero, Milo 98, im Blick auf den Tod des Publius Clodius; Sueton, Dom. 16, im Blick auf die Ermordung des Kaisers Domitian, die von diesem selbst im Voraus als Tat beschrieben wird, „von der man auf der ganzen Welt sprechen wird“. Vgl. Haacker 35; Jewett 120. Jewett 120; vgl. O’Brien, Introductory Thanksgivings, 207-208, der die Wendung „in der ganzen Welt“ auf die Städte bezieht, in denen es christliche Gemeinden gab. Das jüdische Ehepaar Aquila und Priscilla verließen Rom als Folge des Claudiusedikts und reisen nach Korinth, wo sie wie Paulus in der Synagoge aktiv waren (Apg 18,2-4).

146 Römerbrief ————————————————————————————————————

zu danken: Der Glaube der stadtrömischen Christen und ihr evangelistisches Engagement hatten konkrete, sichtbare, weltweit berichtete Auswirkungen. Richtig ist, dass die Wendung „in der ganzen Welt“ zugleich Missionsterminologie ist (vgl. Mt 26,13): Die Reichweite der Nachricht von der Verbannung der Juden aus der Hauptstadt und vom aktiven Glauben der stadtrömischen Jesusbekenner entspricht dem Ziel der apostolischen Mission, die alle Nationen (Mt 28,19) bis an das Ende der Erde (Apg 1,8) erreichen will. Wenn man das mit berichtet wird übersetzte Verb (καταγγε' λλεται) als Wort der Missionssprache versteht,44 wird man eher mit „verkündet wird“ übersetzen.45 Das Verb kommt zwar im Neuen Testament fast immer in der Bedeutung „verkündigen“ im Sinn der missionarischen Proklamation des göttlichen Heilshandelns in Jesus Christus vor,46 es gibt jedoch Ausnahmen.47 Die Grundbedeutung von καταγγε' λλω [katangellō] ist „etw. in der Öffentlichkeit bekannt machen, ankündigen, bekanntgeben, berichten“.48 Die Verwendung des Verbs in 1,8 bedeutet deshalb nicht, dass Paulus die in alle Welt gedrungene Nachricht von den römischen Christen als „Evangelium für alle Welt“ versteht.49 Die allgemeine Bedeutung „berichtet“ reicht auf der historischen Ebene der Vorgänge in Rom, die auf der ganzen Welt bekannt wurden, aus,50 wobei Paulus allerdings in der Tat diese Ereignisse als „Gotteswerk“51 versteht und deshalb Gott dankt. ————————————————————

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O’Brien, Introductory Thanksgivings, 209; kritisch Wolter I 105 Anm. 27. Elb.Ü, EÜ; NASB, NET, NRSV; Wilckens I 76; Légasse 77; Lohse 70; Wolter I 100. J. Schniewind, Art. κατ-, προκαταγγε' λλω, καταγγελευ' ς, ThWNT I, 69-71; I. Broer, Art. καταγγε' λλω, EWNT II, 632-633; vgl. Apg 4,2; 13,5.38; 15,36; 16,17; 17,3.13.23; 26,23; 1Kor 2,1; 9,14; Phil 1,17.18; Kol 1,28; vgl. 1Kor 11,26. In Apg 3,24 bedeutet das Verb „verheißen, prophezeien“. Apg 16,21: Paulus wird in Philippi angeklagt, Bräuche zu „verkündigen“, die Römer weder annehmen können noch ausüben dürfen; aus der berichteten Perspektive der heidnischen Redner bezeichnet καταγγε' λλουσιν die öffentliche Verbreitung einer Botschaft. BDAG s.v. καταγγε' λλω „to make known in public, with implication of broad dissemination, proclaim, announce“; LSJ s.v. καταγγε' λλω 1. announce, proclaim, declare, report; 2. recite, recount. In der LXX gibt es nur zwei Belege (2Makk 8,36; 9,17); Muraoka s.v. καταγγε' λλω („to state solemnly and publicly the veracity or reality of“ schließt sich der Definition von J. Schniewind, ThWNT I, 69-71, an. In SB III 7268 bezeichnet καταγγε' λλω die Ankündigung eines Schriftstücks, in P.Oxy. X 1274,5-7 die Meldung des Todes eines Ehemannes; in beiden Beispielen wird die Wichtigkeit der Ankündigung bzw. der Nachricht betont; vgl. Arzt-Grabner, 1. Korinther, 112-113. Broer, ThWNT II, 633. LÜ: „dass man von eurem Glauben in aller Welt spricht“; ähnlich GN, NGÜ, ZÜ; vgl. NIV: „because your faith is being reported all over the world“; NLT: „because your faith in him is being talked about all over the world“. Schniewind, ThWNT I, 70.

Proömium: Dank, Fürbitte, Thema 1,8-17 147 ————————————————————————————————————

9 Auf die Danksagung folgt die Ankündigung seines Besuchs in Rom, die

Paulus in vier Schritten erläutert (V. 9-15). Zunächst unterstreicht er seine Verbundenheit mit den römischen Christen. Paulus bekräftigt (begründet mit γα' ρ) die Wahrheit seines Gebetseinsatzes für die Gemeinde in Rom mit der höchsten Autorität: Die Wendung denn Gott ist mein Zeuge unterstreicht die Wichtigkeit seiner Gebete für die Gemeinde und für die Verwirklichung seiner Besuchspläne, deren Wahrheit die römischen Christen nicht überprüfen können.

Die Wendung „denn Gott ist mein Zeuge“ (μα' ρτυς γα` ρ μου' ε� στιν ο� θεο' ς) findet sich in ähnlichem Kontext in Phil 1,8; vgl. 2Kor 1,23; 11,31; Gal 1,20; 1Thess 2,5.10; ähnlich Röm 9,1; 2Kor 2,17; 12,19; Gal 1,20. Für atl. Parallelen vgl. Jos 22,27; 1Sam 12,5; Jer 42,9; Ps 89,38; jüdische Parallelen findet man bei TestRub 1,6; 6,9; Josephus, Ant. 4,40.46; griechische Parallelen bei Homer, Od. 1,273; 14,158; Polybius 2,6; Xenophon, Cyr. 4,6,10. Paulus beruft sich „auf Gott als Zeugen für Vorgänge und Beweggründe seines inneren Lebens … für die andere Tatsachenzeugen nicht zur Verfügung stehen“.52 Die Anrufung Gottes als Zeuge bedeutet nicht, Christen in Rom hätten Paulus eine Vernachlässigung seiner Pflichten vorgeworfen.53

Paulus versichert ihnen: Es ist wirklich wahr, dass ich unablässig euer gedenke.54 Die Wendung μνει' αν ποιειñσθαι („gedenken, erwähnen“)55 schließt die Fürbitte ein, ist aber nicht auf diese beschränkt: Der in V. 8 erwähnte Dank gegenüber Gott ist mit enthalten. Paulus erwähnt die römischen Christen in seinen Gebeten „unablässig“ (α� διαλει'πτως), d.h. wenn Paulus für die christlichen Gemeinden betet, erwähnt er immer die Gemeinde in Rom, so wie er auch immer die Gemeinde in Thessalonich erwähnt (1Thess 1,2; 2,13), wie sicher alle Gemeinden, die er gegründet hat, sowie Gemeinden, die andere Missionare gegründet haben.56 ————————————————————

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H. Strathmann, ThWNT IV, 494. Dunn I 34; richtig Haacker 33-36, gegen Barth, Foi et Salut, 45-46. Das Relativadverb ω� ς hat nach Verben des Erkennens, Sagens und Hörens, hier nach μα' ρτυς, dieselbe Bedeutung wie ο« τι („dass“); vgl. HvS §252,61b.aa(1); §271a; Bauer / Aland s.v. ω� ς IV.4; NSS II, 1. Richtig LÜ, ZÜ; vgl. NGÜ: „Gott weiß, dass“. Viele übersetzen mit „wie“ (Elb.Ü, Lohse, Michel, Wilckens). EÜ und GN lassen ω� ς unübersetzt und geben den Satz mit direkter Rede wieder. μνει' α bedeutet „Erinnerung, Gedenken“ (vgl. 1Thess 3,6; 2Tim 1,3), in Verbindung mit dem Verb ποιειñσθαι (Med.) „Erwähnung“; vgl. Plato, Prot. 317E; Phaedr. 254A; I.Priene 50; I.Magn. 90; in der LXX gibt es mehrere Belege: Ps 111,4; Jes 32,10; 23,16; 26,8; Sach 13,2; Hi 17,13. Im NT wird die Formulierung μνει' αν ποιειñσθαι immer im Zusammenhang mit Gebeten verwendet: Röm 1,9; 1Thess 1,2; Eph 1,16; Phil 1,3; Phlm 4. Für diese religiöse Verwendung gibt es Parallelen in den Papyri (BGU II 632; P.Lond. I 42,6; SB I 4086; III 6720; V 8655; 8672; 8673). Vgl. Schnabel, Urchristliche Mission I, 464-1468 (für die Zeit ca. 90–100 n.Chr.).

148 Römerbrief ———————————————————————————————————— Die Liste von Gemeinden, die im Jahr 56 / 57 n.Chr. existierten und für die Paulus gebetet hat, enthielt mindestens 31 Städtenamen – in Judäa und Galiläa: Jerusalem, Cäsarea, Joppe, Lydda, Ptolemais, Kapernaum; in Samarien: Sychar; in Syrien: Antiochien, Damaskus, Sidon, Tyrus; in Kilikien: sicherlich (mindestens) Tarsus; in Zypern: Paphos (vielleicht auch Salamis); in Galatien: Antiochien, Derbe, Ikonion, Lystra; in Pamphylien: Attaleia, Perge; in Makedonien und Achaia: Philippi, Thessalonich, Beröa, Athen, Korinth, Kenchreä; in der Provinz Asia: Ephesus, Milet, Hierapolis, Kolossä (vielleicht auch schon Magnesia, Philadelphia, Sardes, Smyrna, Thyatira, Tralles, Pergamon, Laodikeia); Italien: Rom, Puteoli.

Von ununterbrochenem, beständigem Beten57 ist auch in 1Thess 1,2; 2,13; 2Tim 1,3 die Rede und in 1Thess 5,17 als Aufforderung an alle Christen (vgl. Kol 4,2). Juden beteten zwei Mal täglich, am Morgen und am Abend, im Anschluss an den Aufgang und den Untergang der Sonne, verbunden mit der Rezitation von Schema (Deut 6,4-9; 11,13-21; Num 15,37-41), Dekalog (Ex 20,1-17; Deut 5,6-21) und Segenssprüchen.58 Heiden haben im Allgemeinen ein Mal am Tag gebetet.59 Die frühchristliche Betonung des ständigen, unablässigen Betens (neben den erwähnten Paulusstellen vgl. Apg 1,14; 2,42; 6,4) geht auf Jesus zurück: „Jesus sagte ihnen durch ein Gleichnis, dass sie allezeit beten und darin nicht nachlassen sollten“ (Lk 18,1). Die unablässigen Gebete des Apostels für die Christen in Rom und in anderen Städten, mit Dank und Fürbitte, bringen seine enge geistliche Verbundenheit mit den Gemeinden zum Ausdruck.60 Paulus nimmt die Erwähnung Gottes zum Anlass, auf sein apostolisches Wirken zu verweisen: dem ich mit meinem Geist am Evangelium von seinem Sohn diene. Das Beten für die bestehenden Gemeinden, der Dank und die Fürbitte für den Glauben der Jesusbekenner in Rom und in anderen Städten ist ein integraler Bestandteil seines Dienstes für Gott, was gleichzeitig erklärt, weshalb er auf Gott als Zeuge seiner Wahrhaftigkeit verweisen kann. Die Wendung „mit meinem Geist“ (ε� ν τω ñ, πνευ' ματι' μου) bezieht sich auf das Innenleben des Menschen, auf den Geist als Sitz von Einsicht, ————————————————————

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Vgl. Bauer / Aland s.v. α� διαλει' πτως; Spicq, TLNT I, 32-35. S. die parallele Verwendung in 1Makk 12,11; 2Makk 13,12; 3Makk 6,33 (die Vokabel kommt sonst in der LXX nicht vor); vgl. Arist 92; SB I 5156,11; V 7746,14. Falk, Jewish Prayer Literature, 287-288.296, mit Verweis auf Arist. 158-160; Josephus, Ant. 4,212-213; Papyrus Nash; 1QS X, 1-3; 1QH XII, 4-7; 1QM XIV, 12-14; 4Q503; Philo, Vit.cont. 27-28 sowie in Qumran gefundene Phylakterien (tefillin); zu Letzteren s. de Vaux/Milik, Qumrân Grotte 4, 34-79; L.H. Schiffman, Art. Phylacteries and Mezuzot, EDSS II, 675-677. Tannaitische Belege sind mTamid 5,1; mBer 2,2; Sifre Deut 34-35. Es lässt sich nicht belegen, dass die Amidah (Achtzehn-Bitten-Gebet, Schemone Esre) schon im 1. Jh. zusammen mit dem Schema rezitiert wurde, sowohl morgens, mittags und abends (so Beckwith, Worship; zur Kritik vgl. Falk, ebd. 294-295). C. Spicq, TLNT I, 32: P.Alex 28,2-3; P.Hamb. 89,3; PSI 206,4; P.Stras. 268. Vgl. Gebauer, Gebet, 194-196.

Proömium: Dank, Fürbitte, Thema 1,8-17 149 ————————————————————————————————————

Gefühl und Willen, kurz: auf das menschliche Ich.61 Beides, die Verkündigung des Evangeliums und das Gebet für die entstandenen Gemeinden und ihre Glieder, erfordert ganzes Engagement. Mit dem Verb λατρευ' ω [latreuō] beschreibt Paulus seinen Einsatz für das Evangelium als Dienst für Gott. Das Wort λατρευ' ω wird im außerbiblischen Griechisch für körperliches Dienen verwendet, z.B. für den Sklavendienst, aber auch für den Dienst gegenüber den Gesetzen oder der Zeit sowie für den kultischen Dienst der Götter.62 In der LXX bezeichnet das Verb fast ohne Ausnahme das religiöse Dienstverhältnis, im Sinne von „kultisch dienen, kultisch verehren, vor allem durch Opfer“.63 In der grundlegenden Stelle Deut 10,12-13 wird Israel von Jahwe aufgefordert, ihn zu fürchten, was bedeutet, auf allen seinen Wegen zu gehen, ihn zu lieben, ihm „mit ganzem Herzen und mit ganzer Seele“ (ε� ξ ο« λης τηñ ς καρδι' ας σου και` ε� ξ ο« λης τηñ ς ψυχηñ ς σου) zu „dienen“ (λατρευ' ειν) und seine Gebote und Gesetze zu halten. Wenn man also bei λατρευ' ω von „kultischer“ Verehrung spricht, darf man nicht nur an die Opfer denken, sondern an die „Forderung innerster frommer Gesinnung des Herzens und ihrer Bewährung im gesamten religiösen und sittlichen Verhalten“.64 Im Neuen Testament beschreibt λατρευ' ω das Dienen im Blick auf Gott (in Röm 1,26; Apg 7,42 für das Dienen den heidnischen Göttern gegenüber). In Hebr 8,5; 9,9; 10,2; 13,10 beschreibt es den Opferdienst, ohne zwischen priesterlichem Opferdienst (für den in der LXX das Verb λειτουργε' ω verwendet wird) und kultischer Verehrung überhaupt zu unterscheiden. In Mt 4,10; Lk 2,37; 4,8; Apg 26,7; Offb 7,15; 22,3 wird λατρευ' ω für den Gebetsdienst, d.h. die Anbetung und das fürbittende Gebet verwendet. Mehrere Stellen beschreiben mit λατρευ' ω das ganze Tun des Gläubigen gegenüber Gott: Lk 1,74; Apg 27,23; Phil 3,3; 2Tim 1,3; Hebr 12,28. Hierher gehört auch Röm 1,9: Mit λατρευ' ω bezeichnet Paulus nicht nur sein Beten als Gottes————————————————————

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So auch in Röm 8,16; vgl. 1Kor 5,3-5; 7,34; 16,18; 2Kor 2,13; Gal 6,18; Phil 4,23; 1Thess 5,23; Phlm 25; vgl. Bauer / Aland s.v. πνευñ μα 3b; Zahn 57; Dunn I 29; Lohse 73; vgl. Michel 81: Der priesterliche Dienst beansprucht den Geist, „damit den ganzen Menschen, sein Denken, Wollen und Handeln“. Andere verstehen „Geist“ im Sinn des Inneren des Menschen im Gegensatz zu äußerlichen Handlungen (Althaus 10; Cranfield I 77), andere im Sinn des Heiligen Geistes (E. Schweizer, ThWNT VI, 434; Schlatter 26), was jedoch im Kontext nicht überzeugt. J. Kremer, Art. πνευñ μα, EWNT III, 285 meint, dass das anthropologisch verstandene πνευñ μα durch die Überzeugung, dass die an Jesus Christus Glaubenden den Geist Gottes erhalten haben, einen neuen Inhalt erhält, mit Verweis auf Röm 1,9; 8,13; 9,1; 12,11; 1Kor 7,34; 2Kor 6,6, mit dem Zusatz: „ohne daß das Verhältnis zw. natürlichen Fähigkeiten und dem π[νευñ μα] im einzelnen abgegrenzt wird“. Wenn dies so ist, lässt sich die neue Bedeutungsnuance kaum bestimmen. Sophokles, Trach. 35; Xenophon, Cyrop. 3,1,36 (Sklavendienst); Xenophon, Ag. 7,2; Pseudo-Phocylides 121; Euripides, Ion 152; Plutarch, Pyth. 26; Epictet, Diss. 3,22,56. Vgl. H. Strathmann, Art. λατρευ' ω, ThWNT IV, 59; ebd. 59-62 für die LXX, Zitat 60. Als Übersetzung von hebr. ‫עבד‬, wo dies für das religiöse Verhalten verwendet wird; an anderen Stellen wird ‫ עבד‬mit δουλευ' ω übersetzt. Vgl. Muraoka, s.v. λατρευ' ω, „1. to perform religious, cultic services; 2. to offer (in cultic services), 3. to dedicate oneself in service to“. Beispiele sind, auf Jahwe bezogen: Ex 3,12; 7,16; 8,4; 23,25; Deut 6,13; 10,12.20; 28,47; Jos 22,27; auf fremde Götter bezogen: Ex 20,5; 23,24; Deut 4,28. Strathmann, ThWNT IV, 61; zum NT ebd. 62-65; H. Balz, Art. λατρευ' ω, λατρει' α, EWNT II, 848-852; W. Günther, ThBLNT I, 552-553; Jobes, Semantic Domain of Worship, 185 definiert λατρευ' ω als „duties performed in a religious vocation“.

150 Römerbrief ———————————————————————————————————— dienst,65 sondern seine gesamte Missionsarbeit, die auf die Verkündigung des Evangeliums von Gottes Sohn konzentriert ist und die das Gebet für die Gemeinden einschließt.66

Paulus betont: Missionsdienst ist Gottesdienst. In Röm 12,1 weitet er die priesterliche Perspektive auf den gesamten Lebensvollzug der Christen aus. Das Evangelium von seinem Sohn (τω ñ, ευ� αγγελι'ω, τουñ υι�ουñ αυ� τουñ ; gen. obj.) entspricht dem „Evangelium Gottes“ (ευ� αγγε' λιον θεουñ gen. subj.; V. 1), erläutert als Nachricht vom Sohn Gottes (περι` τουñ υι�ουñ αυ� τουñ , V. 3). Das Evangelium ist das Wort Gottes und handelt von seinem Sohn, dem Messias Jesus.67 Auch wenn der Genitiv τουñ υι�ουñ αυ� τουñ eine andere Funktion hat als der Genitiv θεουñ in V. 1, ist die parallele Formulierung auffällig und verweist auf die „hohe Christologie“ des Apostels. 10 Die Wendung allezeit in meinen Gebeten (πα' ντοτε ε� πι` τωñ ν προσευχωñ ν μου) ist am besten zum folgenden Partizip δεο' μενος zu ziehen.68 Paulus spricht von Gebeten (προσευχαι'; Plural),69 was das Element „zu allen Zeiten“ (πα' ντοτε) verstärkt. Für Paulus ist das Beten „die durch den Geist gewirkte Gabe, Gott unablässig (Röm 1,9f; 12,12; 1Thess 1,2; Phlm 4) und mit freudiger Heilszuversicht (Phil 4,4-6; 1Thess 5,17) lobend, dankend, und (für-)bittend anzurufen“.70 Das mit (ich) bitte übersetzte Verb δε' ομαι, mit der Grundbedeutung „ermangeln, bedürfen“,71 hat im NT den Sinn ————————————————————

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So jedoch Wilckens I 78 Anm. 75. Strathmann, ThWNT IV, 64-65; Lohse 73: „die Gott geschuldete Verehrung überhaupt“; Wolter I 106; vgl. Ostmeyer, Kommunikation, 80. Die Auskunft von Günther, ThBLNT I, 552, „Dieser Gottesdienst ist befreit von allem Zwang durch kultische Vorschriften und Werkgerechtigkeit“ ist theologisch richtig, aber in den Text eingelesen. Ebenso eingelesen ist die Auslegung von Dunn I 29, die Formulierung in 1,9 stelle absichtlich die dem Evangelium gemäße Anbetung („worship“) in Gegensatz zur typischen, kultorientierten Anbetung seiner jüdischen Zeitgenossen: „Paul abandoned the cultic distinctiveness of Judaism by ‚spiritualizing‘ the cultic language and applying it to all activity which expressed commitment to Christ and his gospel“. D.h., ευ� αγγε' λιον ist hier verbum actionis, und das vorausgehende ε� ν ist instrumental zu verstehen. Vgl. 1Kor 9,14.18; 2Kor 2,12; 8,18; 10,14; Gal 2,7; Phil 4,3.15; 1Thess 3,2; vgl. Wilckens I 78; Fitzmyer 245; Wolter I 106. GN, LÜ, ZÜ; NASB, NET; NLT; Cranfield I 77; Schlier 37; Wilckens I 76; Fitzmyer 237; Légasse 79; Lohse 73; Penna 38; Jewett 122. Zu μνει' αν υ� μω ñ ν ποιουñ μαι ziehen Elb.Ü, EÜ; NIV, NRSV; Michel 81. προσευχη' bei Paulus: Röm 1,10; 12,12; 15,30; 1Kor 7,5; Eph 1,16; 6,18; Phil 4,6; Kol 4,2.12; 1Thess 1,2; 1Tim 2,1; 5,5; Phlm 4.22. Das Verb προσευ' χομαι beschreibt in der LXX wie im NT das Beten zu Gott, im Sinn von „um etwas/für jemand bitten“, das Substantiv προσευχη' bedeutet „Gebet, Fürbitte“ sowie „Gebetsstätte“. Sowohl Verb als auch Substantiv schließen verschiedene Formen und Aspekte des Gebets ein: Anbetung, Bitte, Fürbitte, konkretes Einzelgebet, andauerndes Beten, gottesdienstliches Gebet; vgl. H. Balz, Art. προσευ' χομαι, προσευχη' , EWNT III, 400; Ostmeyer, Kommunikation, 41. H. Balz, EWNT III, 404-405.

Proömium: Dank, Fürbitte, Thema 1,8-17 151 ————————————————————————————————————

„flehen, bitten, beten“.72 Der folgende Nebensatz zitiert aus den Gebeten des Apostels für die römischen Christen: Er betet, ob es mir vielleicht endlich durch Gottes Willen gelingen möchte, zu euch zu kommen. Die mit „ob vielleicht“ übersetzte Wendung (ει» πως)73 drückt Ungewissheit aus, ob sein Wunsch, „zu euch zu kommen“ (ε� λθειñν προ` ς υ� μαñ ς), d.h. die Gemeinde in Rom zu besuchen, bald in Erfüllung geht, zugleich aber auch die Hoffnung, dass die geplante Reise „gelingen möchte“.74 Die adverbielle Bestimmung „endlich“ (η» δη ποτε' )75 drückt Ungeduld aus. Die Pläne, Rom zu besuchen, sind dringlich.76 Paulus weiß, dass die Durchführung seiner Pläne von Gottes Willen (ε� ν τω ñ, θελη' ματι τουñ θεουñ ) abhängig ist, auch im Blick auf den geplanten Rombesuch (vgl. 15,32).77 Die Aussage entspricht Jak 4,15: „Wenn der Herr es will, werden wir noch leben und dies oder jenes tun“ (GN). Der Hinweis auf Gottes Wille als die Realität, von der man immer abhängig ist, kommt im Alten Testament und in der jüdischen Literatur genauso vor wie in antiken heidnischen Texten.78 Das Vorzeichen des „wenn der Herr will“ ist das „Basis-Niveau aller Frömmigkeit … wer darunter rangiert, ist ebenso töricht wie gottlos; er bewegt sich auf subheidnischem Niveau“.79 Der häufige Hinweis auf den Willen Gottes,80 die ————————————————————

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Isokrates 6.67: οι� δεο' μενοι, die Bedürftigen; LSJ s.v. δε' ω II.1 δε' ομαι. Horsley/Llewelyn, New Documents, VI, 145-146, bezeichnet die Verwendung von δε' ομαι in Privatbriefen als „markiert“, d.h. betont; vgl. Hartman, Petitions/Requests. Bauer / Aland s.v. ει� VI.14; HvS §273f. Das Verb (ευ� οδωθη' σομαι) wird in der frühchristlichen Literatur nur im Passiv verwendet, der deshalb nicht als passivum divinum gedeutet werden sollte; die ursprüngliche Bedeutung „einen guten Weg geführt werden“ (Lohse 73; Wolter I 107) ist hier weniger wahrscheinlich als die metaphorische Bedeutung „guten Erfolg haben, gelingen“; vgl. Bauer / Aland s.v. ευ� οδο' ω; Cranfield I 78; Légasse 79 mit Anm. 58; anders Lagrange 14. Bauer / Aland s.v. η» δη 1c: η» δη ποτε' „endlich einmal“; LSJ s.v. η» δη 2; MM s.v. η» δη verweist für η» δη ποτε' auf ein Ostrakon aus Theben (SB I 4253; Deissmann, Licht vom Osten, 167) und Epiktet 3.24.9. Das bedeutet jedoch nicht, dass die Bitte „an eine Klage grenzt“ (Haacker 36): Paulus weiß sich vom Willen Gottes abhängig. Vgl. 1Kor 4,19; 16,7; 1Thess 3,11; Apg 18,21. Die Präposition ε� ν ist instrumental. 1Chron 13,2 (LXX: παρα` κυρι' ου θεουñ η� μω ñ ν ευ� οδωθηñ, ); Sir 39,6 (ε� α` ν κυ' ριος ο� με' γας θελη' ση, ); TestIss 4,3; TestNaph 3,1; Philo, Leg.Gai. 3,197; Josephus, Ant. 2,333 (τουñ θεουñ θελη' σαντος).347 (κατα` βου' λησιν θεουñ ); 7,373. Heidnische Belege: Plato, Alk. 135D (ε� α` ν θεο` ς ε� θε' λη, ); Demosthenes, Or. 25,2 (ε� α` ν θεο` ς θε' λη, ); Epiktet, Diss. 1,1,17 (α� ν ο� θεο` ς θε' λη, ); 4,6,21 (α� ν ο� θεο` ς θε' λη, ); Plautus, Cap. 455 (si dis placet); Sallust, Jug. 14.19 (dis volentibus); Minicius Felix, Oct. 18,11 (si deus dederit); in Briefen: P.Oxy. XIV 1666,15 (θεω ñ ν ουò ν βουλομε' νων); P.Mich. VIII 492,18 (ε� α` ν ο� Σα' ραπι[ς ε� πι] τρε' ψη, ); 493,14-15 (συ` ν θεω ñ, ); 503,24 (συ` ν θεοιñς). Vgl. Allison, James, 659-660. Popkes, Jakobus, 292. Mk 3,35; Röm 12,2; 1Kor 1,1; 2Kor 8,5; Eph 1,1; 6,6; Kol 1,1; 4,12; 1Thess 4,3; 5,18; 2Tim 1,1; Hebr 6,3; 10,36; 1Petr 4,2.

152 Römerbrief ————————————————————————————————————

Bitte „Dein Wille geschehe“ (γενηθη' τω το` θε' λημα' σου; Mt 6,10) im Vaterunser und Jesu Bitte in Gethsemane – „Vater, wenn du willst (ει� βου' λει), nimm diesen Kelch von mir! Aber nicht mein, sondern dein Wille soll geschehen (πλη` ν μη` το` θε' λημα' μου α� λλα` το` σο` ν γινε' σθω)“ (EÜ; Lk 22,42)81 – belegen, dass es sich nicht um abgeflachte heidnische Floskeln handelt, sondern um biblisch-jüdische und frühchristliche Sprache. Als „Sklave des Messias Jesus“ (V. 1), der von Gott zur Verkündigung des Evangeliums ausgesondert wurde, weiß sich Paulus nicht nur rhetorisch, sondern konkret zu jeder Zeit und in allen Umständen vom Willen Gottes abhängig. Gott hat es bislang nicht möglich gemacht, dass Paulus nach Rom reist (vgl. V. 13). Da Paulus nicht weiß, wie lange die bevorstehende Reise nach Jerusalem dauern wird, meldet er sich nicht konkret, mit einer Zeitangabe, an. 11-12 Paulus beginnt seine Begründung (γα' ρ) der Besuchspläne im Blick auf das Ziel, das er verfolgt: Er will die römischen Christen im Glauben stärken und durch sie selbst im Glauben gestärkt werden. In 15,23-24 wird er die Ziele seines Besuchs im Blick auf die geplante Spanienmission konkretisieren. Mit ich sehne mich formuliert Paulus sein intensives Verlangen,82 die römischen Christen zu sehen (ι� δειñν υ� μαñ ς), d.h. zu treffen und kennen-zulernen. Der Zweck der persönlichen Begegnung in Rom ist die Vermittlung83 von etwas an geistlicher Gabe (τι χα' ρισμα πνευματικο' ν). Das Substantiv χα' ρισμα [charisma] bezeichnet in 5,15.16 die Gabe der Gnade Gottes in Jesus Christus, in 11,29 die Gaben, die Gott Israel gegeben hat, in 12,6-8 die von Gott einzelnen Gemeindegliedern gegebenen Gaben (d.h. die Geistesgaben von 1Kor 14). Die betont vorangestellte verallgemeinernde Partikel τι lässt es nicht ratsam erscheinen, χα' ρισμα im dritten Sinn zu verstehen und mit einer konkreten Gabe zu verbinden.84 Genauso wenig ————————————————————

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Die Formulierungen in den synoptischen Parallelen sind unterschiedlich: Mt 26,39: „Mein Vater, wenn es möglich ist (ει� δυνατο' ν ε� στιν), gehe dieser Kelch an mir vorüber. Aber nicht wie ich will, sondern wie du willst (πλη` ν ου� χ ω� ς ε� γω` θε' λω α� λλ’ ω� ς συ' )“; Mk 14,36: „Abba, Vater, alles ist dir möglich (πα' ντα δυνατα' σοι). Nimm diesen Kelch von mir! Aber nicht, was ich will, sondern was du willst“ (α� λλ’ ου� τι' ε� γω` θε' λω α� λλα` τι' συ' ). BDAG s.v. ε� πιποθε' ω „to have a strong desire for something, with implication of need, long for, desire“; die Nuance „with implication of need“ liegt nicht immer vor, so in 2Kor 9,14; Phil 1,8; 4,1, wo das Verb die Zuneigung und Liebe des Apostels beschreibt; vgl. Spicq s.v. ε� πιποθε' ω, TLNT II, 58-60. Muraoka s.v. ε� πιποθε' ω beschreibt zwei Bedeutungen: 1. to yearn after (Ps 41,2; 61,11; 118,20.131.174); 2. to display protective, caring affection (Jer 13,14; Deut 13,8; 32,11). Bauer / Aland s.v. μεταδι' δωμι: Anteil geben an, mitteilen; Muraoka s.v. unterscheidet für die LXX zwei Bedeutungen: „1. to give part of sth. (acc.) to share + dat. pers.; 2. to communicate a message about + acc. rei“. Vgl. Röm 12,8; 1Thess 2,8; Eph 4,28. Käsemann 16: „den mit der Predigt gegebenen Segen“; Moo 60: eine nicht näher konkretisierte Einsicht oder Fähigkeit; Matera 32: Die Verkündigung des Evangeliums.

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überzeugt, die „Gabe“ als das Verständnis des Evangeliums zu bestimmen, das Paulus im Römerbrief entfaltet, wobei er einen angenommenen „Judaismus“ der römischen Christen korrigiere85 oder diese von der Einheit von Juden- und Heidenchristen überzeugen wolle.86 Paulus verfolgt mit der Bezeichnung der Gabe als „geistlich“ (πνευματικο' ν) auch nicht das Ziel, mit „Pneumatikern“ in Rom ins Gespräch zu kommen, diese von seiner apostolischen Vollmacht zu überzeugen und sich als Pneumatiker zu legitimieren.87 Paulus drückt „die bescheidene Hoffnung aus, daß er den Lesern bei seinem Besuch doch irgend etwas von dem, was er durch Gottes Gnade sein eigen nennen darf, mitteilen, sie daran teilnehmen, daraus Nutzen ziehen lassen werde, was dann zu ihrer Befestigung in ihrem bisherigen Christenstand dienen werde“.88 Alle von Gott geschenkten χαρι'σματα sind geistlich; das hinzugefügte πνευματικο' ν dient der Klärung des allgemeinen Hinweises auf die Gabe, die er den römischen Christen mitteilen will – sie ist ein vom Heiligen Geist gewirkter Segen. Das Ziel ist jedenfalls die Stärkung der Christen in Rom. Das Verb (στηριχθηñ ναι) meint die innere Festigung der Gemeinde, die Stärkung im Glauben und im Gehorsam (vgl. V. 5).89 Die Passivform verweist auf Gott als den Urheber der Stärkung. Was immer auch Paulus in Rom sagen, verkündigen, lehren oder tun wird – der Nutzen, den die römischen Christen haben, kommt vom Heiligen Geist und ist von Gott gewirkt.

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Michel 82: Erst in der Begegnung wird sich herausstellen, „welches Wort, welche Erkenntnis, welche Glaubensstärkung der Gemeinde nottut“. Baur, Paulus I, 396-397, mit Berufung auf Ambrosiaster: Es geht um seine „dem Judaismus der römischen Gemeinde entgegenwirkende Tendenz“, die die Gemeinde „zum wahrhaft evangelischen Glauben“ bringen soll; Zahn 60 nennt Baur hier „ohne jede Entschuldigung verkehrt“. Schreiner 54; Fee, Holy Spirit, 487-488; vgl. Kruse 62. Michel 83; ähnlich Wilckens I 79 Anm. 82; Jewett 124. Kritisch Cranfield I 79; Fitzmyer 248: diese Auslegung liest die Problematik der korinthischen Gemeinde in den Text ein. Zahn 60. Der ursprüngliche Sinn „stützen, festigen“ liegt in Lk 16,26 vor. Bei Paulus kommt nur die übertragene Bedeutung „kräftigen, stärken, beständig machen“ vor: 1Thess 3,2.13; 2Thess 2,17; 3,3; Jak 5,8; 1Petr 5,10; 2Petr 1,12; Offb 3,2; vgl. ε� πιστηρι' ζω in Lk 22,32; Apg 14,22; 15,32; 18,23. Die religiös-ethische Bedeutung geht auf die LXX zurück; vgl. Muraoka s.v. στηρι' ζω 3. „to support morally“ (LXX Ex 17,12; Ps 103,15; 111,8; Sir 3,9; 13,21; 1Makk 2,17; PsSol 16,12). Vgl. G. Harder, Art. στηρι' ζω, ThWNT VII, 653-657 (die Hauptbedeutung von στηρι' ζω ist „stützen, etw. so befestigen, daß es aufrecht u[nd] unverrückbar steht“; 653); G. Schneider, EWNT III, 660-661; Spicq, TLNT III, 291-295.

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In V. 12 folgt die klärende Erläuterung.90 Paulus will durch seinen Besuch in Rom nicht nur die römischen Christen durch die Mitteilung einer geistlichen Gabe stärken, sondern er will durch die Begegnung auch selbst Zuspruch erfahren. Das nur hier im Neuen Testament vorkommende Verb (συμπαρακληθηñ ναι)91 beschreibt die gemeinsame (συ' ν-) Erfahrung von Ermunterung, Ermutigung und Trost; die Formulierung im Passiv verweist auf Gott als Quelle der Ermutigung. Die erste Umstandsbestimmung in eurer Mitte (ε� ν υ� μιñν) verweist auf die Begegnung in der Gemeinde als der konkrete Ort, an dem Paulus sich Zuspruch erhofft. Die zweite Umstandsbestimmung durch den gegenseitigen Austausch eures und meines Glaubens benennt das Mittel, durch das der Zuspruch zustande kommt: Paulus erwartet, durch den Glauben der römischen Christen ermutigt zu werden (δια` τηñ ς … πι'στεως υ� μω ñ ν), während er diese durch seinen Glauben ermutigen will (δια` τηñ ς … πι'στεως … τε και` ε� μουñ ).92 Die mit „durch den gegenseitigen Austausch“ übersetzte attributive Präpositionalwendung ε� ν α� λλη' λοις unterstreicht die Gegenseitigkeit: Die Ermutigung geschieht durch den Glauben, der wechselseitig sowohl in den römischen Christen als auch in Paulus wirksame Realität ist. Glaube (πι'στις) ist hier die Glaubenserkenntnis, die Bindung an Gott, der durch Jesus Christus rettet,93 und zugleich die Auswirkung des Glaubens im Alltagsleben, zu der die von Gott dem Glaubenden verliehenen geistlichen Gaben gehören.94 Die Erwartung der gegenseitigen Ermutigung durch den Glauben beinhaltet sowohl Gemeinsamkeit als auch Unterschiedlichkeit: Paulus und die römischen Christen haben denselben Glauben, eine Tatsache, die Ermutigung bedeutet, und sie haben unterschiedlich akzentuierte Glaubenserkenntnis, Glaubenserfahrung und ver————————————————————

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Eingeleitet mit der formelhaften Wendung τουñ το δε' ε� στιν („das heißt“), wobei δε' das gerade Gesagte klarstellt; zur häufig vorkommenden Wendung τουñ τ’ ε» στιν (Röm 7,18; 9,8; 10,6.7.8; Phlm 12; vgl. Mt 27,46; Mk 7,2; Apg 1,19; 19,4; Hebr 2,14) s. BauerAland s.v. ουð τος 1b.ε; HvS §263f. Die Klärung, die τουñ το δε' anzeigt, bezieht sich nicht nur auf στηριχθηñ ναι, sondern auf die nach ε� πιποθω ñ γα' ρ folgenden Aussagen in V. 11. Eine „Korrektur“ der Aussage in V. 11 liegt nicht vor; zur Grammatik Zahn 61 Anm. 16. LSJ s.v. συμπαρακαλε' ω nennt als Belege nur Plato, Resp. 555A; Xenophon, Inst.Cyr. 5,1,38; Hist. 4,8,13; 3,3,21; Dinarchus, Dem. 1,65; s. auch Polybius, Hist. 5,83,3; Plutarch, Def. 431D; Frat.Amor. 491D. Das Possessivpronomen ε� μουñ ist betont, τε και' verknüpft enger als das einfache και' ; vgl. BDR §2846, 444.2. Michel 83, und Légasse 89 Anm. 68. Dunn I 31; zum folgenden Punkt Moo 60. Schumacher, Begriff, 492 und Wolter I 109 verstehen πι' στις als „gegenseitiges Vertrauen“, was dann zu erwägen ist, wenn man den Römerbrief als Werben um das Vertrauen der stadtrömischen Christen ihm und seinen Missionsplänen gegenüber versteht (Haacker 37 Anm. 28). Die Bedeutung von πι' στις im Kontext von Röm 1 legt die Bedeutung „Glaube“ nahe.

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schiedene Gaben, die ebenfalls dem gegenseitigen Zuspruch dienen. Die Betonung der Gegenseitigkeit schließt den Gedanken „an eine einseitig beanspruchte Überlegenheit“ aus.95 Oft wird angenommen, V. 12 sei im Rahmen eines diplomatischen Umgangs mit der römischen Gemeinde, die Paulus nicht gegründet hat, aber für seine Spanienmission gewinnen will, als kalkulierte captatio benevolentiae zu verstehen.96 Diese Auslegung ist plausibler als die Auskunft, V. 12 zeige, dass die von Paulus behauptete Autorität sich nicht mit dem decke, „was ihm in Wirklichkeit zugestanden wird“,97 bleibt aber hypothetisch. Es gibt keinen Grund, Paulus nicht beim Wort zu nehmen. Auch als Apostel ist er auf den Glauben und die Ermutigung durch andere Christen angewiesen.98 Calvin formuliert treffend: „Und Paulus spricht dabei ganz aufrichtig. Denn kein [Glied] der Kirche Christi ist derart gering, dass es nicht etwas Brauchbares zu unserem Fortschritt beitragen könnte. Aber unsere Missgunst und unser Hochmut hindern uns daran, von überall her solche Frucht zu sammeln“.99 Paulus kennt und schätzt die geistliche Statur der Gemeinde und vergisst nie die theologische Wirklichkeit des gemeinsamen Glaubens, der alle Glaubenden zu „Brüdern“ macht.100 13 Paulus schließt die Ankündigung seines Besuchs mit einem Rückblick auf vergangene Besuchspläne (V. 13-15), eingeleitet mit der öfter vorkommenden Wendung ich will euch aber nicht in Unkenntnis lassen101 und ————————————————————

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Lohse 74; Wilckens I 79: Paulus will „jeden Anschein eines einseitigen Autoritätsanspruches“ vermeiden. Kuss I 18; Moo 60; vgl. Witherington 44. Kritisch Cranfield I 80; Légasse 80. Käsemann 17, der zu dem Schluss kommt: „Der wichtigste theologische Brief christlicher Geschichte ist unzweifelhaft auch Dokument einer um Anerkennung ringenden Existenz und einer als fragwürdig geltenden Apostolizität“ (ebd.). Ähnlich Wilckens I 80 mit Anm. 87. Kritisch Fitzmyer 249. Wenn man die römischen Christen als unreif oder Paulus gegenüber feindselig gestimmt versteht, werden die Aussagen in V. 12 „zu einer unwahren und unwürdigen Schmeichelei“ (Weiß 63). Calvin I 64-67; Zahn 60-61; Lietzmann 28; Cranfield I 80 interpretieren im Sinn der Bescheidenheit, Gaugler I 28; Murray 22; Godet I 95-96, im Sinn der Demut. Godet kritisiert Erasmus, der im Sinn der pia vafritia (fromme List) und der sancta adulatio (heilige Schmeichelei) interpretiert (Erasmus, Annotations, hg. v. Reeve / Screech, 344): „Die Aufrichtigkeit der Demut des Apostels hat er nicht begriffen“ (96). Calvin I 67 („unerfahrene Neulinge“ waren die römischen Christen allerdings nicht!). Schlier 39; Cranfield 80; Dunn I 35. Die Litotes ου� θε' λω δε` υ� μαñ ς α� γνοειñν („ihr sollt unbedingt wissen“; Röm 11,25; 1Kor 10,1; 12,1; 2Kor 1,8; 1Thess 4,13) meint das Gegenteil des doppelt Negierten: Paulus will, dass die Angesprochenen die folgende Information, die von besonderer Bedeutung ist, kennen. Die positive Formel γινω' σκειν σε θε' λω („ich will, dass Du weißt“) kommt in hellenistischen Briefen vor; Michel 83 verweist auf BGU I 27,3; 38,11.16; III 846.

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einer direkten Anrede der Adressaten mit Brüder (α� δελφοι').102 Das aus dem Bereich der Familie stammende Wort charakterisiert einerseits die (lokale und überregionale) Gemeinde als eine neue Familie, zu der die Jesusbekenner gehören, andererseits unterstreicht sie hier, am Anfang des Briefs, die Bedeutung der bestehenden Beziehung zwischen Paulus und den römischen Christen. Im AT wird häufig der Mit-Israelit, der kein biologischer Bruder ist, als „Bruder“ (‫ )ָאח‬bezeichnet.103 Besonders im Deuteronomium wird Israel als Volk von Brüdern bezeichnet.104 Die Glieder der Qumrangemeinde werden als „Brüder“ beschrieben, wenn auch nicht häufig.105 Frühjüdische Texte verwenden „Bruder“ häufig für Volksgenossen, d.h. für Mitbürger, sowie für Verbündete in anderen Völkern.106 In der griechisch-römischen Welt war die metaphorische Verwendung von „Bruder“ ebenfalls bekannt. Plato verwendet α� δελφο' ς [adelphos] für Volksgenossen, Xenophon für Freunde, Vettius Valens für Mitglieder einer religiösen Vereinigung, und Epiktet spiegelt mit seiner Meinung, alle Menschen, einschließlich der Sklaven, seien α� δελφοι' , die Sicht der stoischen Philosophie wider.107 Plutarch behandelt die Beziehung unter Brüdern in seiner um 90. n.Chr. verfassten Schrift De fraterno amore (Περι` φιλαδελφι' ας).108 In Papyrusbriefen wird α� δελφο' ς metaphorisch für Freunde, Beamte, Geschäftspartner und Mitglieder von Gilden verwendet.109 Die griechischrömischen Texte betonen mit der metaphorischen Verwendung von „Bruder“, je unterschiedlich, vier Charakteristika: Liebe, Harmonie und Kooperation, Nachsicht und Vergebung im Fall von Zwietracht und Konflikt sowie Hierarchie (im Blick auf Alter, Wesen, Rollen, Fähigkeit und gesellschaftliche Position).110 Der Hintergrund der paulinischen Verwendung von „Brüder“ ist zunächst das Alte Testament: Juden haben andere Juden schon vor ihrer Bekehrung zum Glauben an Jesus als Messias Israels mit „Bruder“ angesprochen.111 Wirkungsgeschichtlich von größerer Bedeutung ist die Sprache Jesu, der α� δελφο' ς von seinen biologischen Brüdern auf seine Nachfolger ausweitet: „Da sagte jemand ————————————————————

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Für die Anrede mit α� δελφοι' s. auch 7,1.4; 8,12; 10,1; 11,25; 12,1; 15,14.30; 16,17; vgl. 14,10.13.15.21; 16,23; sowie Apg 1,15.16; 9,30; 10,23; 11,1 u.ö. Vgl. H. von Soden, Art. α� δελφο' ς, ThWNT I, 144-146; J. Beutler, EWNT I, 67-72; S. Nägele, ThBLNT I, 208212; K.H. Schelkle, RAC II, 631-640; Aasgaard, Brothers; Trebilco, Self-Designations, 16-67. HAL s.v. II ‫ ָאח‬6. Volksgenosse: Ex 2,11; Lev 19,17; Deut 5,12; 17,5. Vgl. E. Jenni, THAT I, 98-104; H. Ringgren, ThWAT I, 205-210; Aasgaard, Brothers; Trebilco, SelfDesignations, 16-67. Deut 3,18; 15,2-3.7.9.11-12; 22,1-4; 23,19; 24,7. Vgl. Aasgaard, Brothers, 112-113. CD VI, 20 (Gebot der Nächstenliebe, in dem Lev 19,18 das Wort ‫ ֵרַע‬verwendet); VII, 1.2; 1QS VI, 21; im Strafgesetz Qumrans wird nicht ‫ ָאח‬verwendet, sondern ‫ ֵרַע‬. Vgl. J. Jokiranta, Art. ‫ָאח‬, ThWQ I, 129-136. Jdt 7,30; 8,14; 1Makk 2,40-41; 5,13; 11,30; 12,6-7; 2Makk 1,1; Tob 1,3.10.16; Philo, Spec. 2,79-80; Virt. 82; Josephus, Ant. 8,223; 10,39.201; Bell. 2,122; 6,433. Plato, Menex. 239A; Resp. 461E; Xenophon, An. 7,2,25; Vettius Valens 4,11; Epiktet, Diss. 1,13,4. Vgl. Betz, De fraterno amore, 231-263. Vgl. Arzt-Grabner, Brothers, 189-203; Dickey, Kinship Terms, 149.155-156. Trebilco, Self-Designations, 18-21, mit Belegen. Zum letzten Punkt s. Clarke, Equality. H. von Soden, ThWNT I, 145; Barrett, Acts I, 95; Trebilco, Self-Designations, 39; zu Jesus ebd. 39-42, zur Funktion von α� δελφο' ς bei Paulus ebd. 30-38.

Proömium: Dank, Fürbitte, Thema 1,8-17 157 ———————————————————————————————————— zu ihm: Deine Mutter und deine Brüder stehen draußen und wollen mit dir sprechen. Dem, der ihm das gesagt hatte, erwiderte er: Wer ist meine Mutter, und wer sind meine Brüder? Und er streckte die Hand über seine Jünger aus und sagte: Das hier sind meine Mutter und meine Brüder (ι� δου` η� μη' τηρ μου και` οι� α� δελφοι' μου). Denn wer den Willen meines himmlischen Vaters erfüllt, der ist für mich Bruder und Schwester und Mutter (αυ� το' ς μου α� δελφο` ς και` α� δελφη` και` μη' τηρ ε� στι' ν; Mt 12,46-50; Parallelen in Mk 3,31-35; Lk 8,19-21; vgl. auch Mt 5,46-47; 8,21-22; 23,8; 28,10; Mk 10,29-30; Lk 22,32; Joh 20,17; 21,23). Paulus bezeichnet Juden und Heiden, die Jesusbekenner sind, als „Brüder“ (Gal 1,11; 3,15; 4,12.28.31; 5,11.13; 6,1.18; 1Thess 2,1); er betont die Liebe, die Brüder zueinander haben (sollen) (1Thess 1,3-4; 2,8.17; 3,6.9.12; 5,8.13; Röm 14,10.13.15.21), die Notwendigkeit von Einheit und Solidarität von Brüdern (1Kor 1,10-11.26; 2,1; 3,1; 4,6; 8,11-13; Röm 14,15) und die Konfliktlösung unter Brüdern (1Kor 6,5-6).112

Paulus markiert den folgenden Bericht über frühere Pläne, die Gemeinde in Rom zu besuchen, als eine wichtige Mitteilung. Mit ich habe schon oft geplant berichtet er über seine häufig anvisierte Absicht (προεθε' μην), nach Rom zu kommen und die römischen Christen zu besuchen (ε� λθειñν προ` ς υ� μαñ ς). Das mit „ich habe geplant“ übersetzte Verb, das in den Papyri für die öffentliche Bekanntmachung z.B. eines Edikts verwendet wird113 und hier „sich vornehmen, sich vorsetzen, beschließen“ bedeutet,114 deutet darauf hin, dass Paulus die Planung eines Rombesuchs mit seinen Mitarbeitern besprochen hatte und dass es sich nicht um eine vage Hoffnung handelte, sondern um handfeste Planungen. Die Angabe, dass Paulus schon oft (πολλα' κις) den konkreten Plan gefasst hatte, nach Rom zu reisen, unterstreicht einerseits die Ernsthaftigkeit seiner Planungen und verweist andererseits auf konkrete Situationen in der Vergangenheit, in denen er nach Rom reisen wollte. Folgende Daten kommen infrage: 1. Im Frühjahr des Jahres 50, nach der verhinderten Mission in der Provinz Asia und in der Provinz Pontus-Bithynien. Paulus hatte, von Troas kommend, in Neapolis europäischen Boden betreten und in den Jahren 49 / 50 n.Chr. in Philippi und Thessalonich Gemeinden gegründet, zwei Städte, die an der Via Egnatia gelegen waren. Statt nach Beröa zu gehen und anschließend in den Süden nach Athen weiterzureisen, hätte Paulus auf der Via Egnatia nach Westen reisen können, der großen Überlandstraße, die ————————————————————

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Stellen wie 1Thess 5,12-13 zeigen, dass α� δελφοι' nicht streng egalitär ist: Paulus ermahnt dort mit den „Brüdern“ diejenigen, „die unter euch arbeiten und euch vorstehen im Herrn und euch zurechtweisen“, anzuerkennen und „sie ganz besonders in Liebe achte(n) um ihres Werkes willen“ (Elb.Ü). Die „Brüder“, die Gemeindeglieder sind, stehen in einer nicht egalitären Beziehung zu den Brüdern, die Leitungsfunktionen haben. Wanamaker, Thessalonians, 194; Aasgaard, Brothers, 307; Trebilco, Self-Designations, 35-37. P.Oxy. I 34; VIII 1100; XIV 1633; MM s.v. προτι' θημι. Bauer-Aland s.v. προτι' θημι 3; LSJ s.v. προτι' θημι II.4 „determine to do, decide“; vgl. Plato, Phaedr. 259A; Resp. 1,352D; Polybius 6,12,8; 8,13,3; Josephus, Vita 290; Ant. 18,286; 19,37; Syll. 457.

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nach Illyrien und weiter nach Rom führte.115 2. Im Sommer des Jahres 51, nach Abschluss der Mission in Achaia mit der Gründung von Gemeinden in Athen und Korinth. Statt nach Antiochien in Syrien zurückzukehren, hätte Paulus von Korinth aus direkt nach Rom weiterreisen können; und statt die unerwartete Einladung, in Ephesus zu lehren (Apg 18,19-21), anzunehmen (Apg 19,1), hätte Paulus im Frühjahr des Jahres 52 von Jerusalem nach Rom reisen können. 3. Im Frühjahr des Jahres 55, nach Abschluss der Mission in der Provinz Asia mit dem Schwerpunkt in Ephesus. Statt die Gemeinden in Makedonien und Achaia zu besuchen und dann nach Jerusalem zu reisen, hätte Paulus nach Rom gehen können. Die Organisation und Überbringung der Kollekte nach Jerusalem hätte er seinen Mitarbeitern überlassen können. 4. Im Sommer des Jahres 56, nach dem Besuch der Gemeinden in Makedonien und der Mission in Illyrien (Rο¨ m 15,19). Statt nach Korinth zu reisen und dort zu überwintern und nach Jerusalem zu segeln, hätte Paulus vom illyrischen Apollonia (bzw. dem Hafen Aulon) oder von Dyrrhachium nach Brundisium in Italien übersetzen (ca. 140 km) und von dort aus nach Rom weiterreisen (ca. 600 km) können.116 Der Satz ich wurde jedoch bis jetzt daran gehindert ist eine Parenthese.117 Paulus erklärt nicht, was die Verhinderung verursacht hat (anders als in 1Thess 2,18, wo er die Verhinderung von zwei Versuchen, Thessalonich zu besuchen, auf das Wirken Satans zurückführt). Die passivische Formulierung (ε� κωλυ' θην [ekōlythēn]) verweist wohl auf den Willen Gottes, dem sich Paulus gefügt hat.118 In die Formulierung mit Aorist kann man nicht die Auskunft hineinlesen, die Verhinderung sei eine Sache der ————————————————————

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Schlier 39; Haacker 37; Jewett 129; Suhl, Paulus, 95-96. Die meisten Kommentatoren zeigen kein Interesse an der zeitlichen Einordnung früherer Pläne, Rom zu besuchen. Zu den sechzehn Phasen der paulinischen Missionsarbeit s. Schnabel, Paul the Missionary, (die in Schnabel, Paul, 58-121 referierten fünfzehn Phasen wurden um die separate Betonung der Mission in Pamphylien [Apg 14,24-25] erweitert). Die Mission in Makedonien (Philippi, Thessalonich, Beröa) ist die neunte Phase (nach Damaskus, Arabien, Jerusalem, Kilikien, Antiochien, Zypern, Südgalatien, Pamphylien). Phase zehn ist die Mission in Achaia (Athen, Korinth), Phase elf die Mission in der Provinz Asia (Ephesus), Phase zwölf eine Mission in Illyrien. Vgl. Schnabel, Urchristliche Mission, 43-50 für eine Zeittafel zur Ereignisgeschichte. Die Mission in Zypern, Südgalatien und Pamphylien erforderte 1440 km Reisen auf dem Land (die Seereisen von Antiochien nach Zypern, von Zypern nach Pamphylien und von Pamphylien zurück nach Antiochien machen noch einmal 1080 km aus). Vgl. Schnabel, Urchristliche Mission, 1029.1230. Haacker 37 weist mit Recht darauf hin, dass der Hinweis auf die Zerschlagung früherer Pläne, Rom zu besuchen, in einer Parenthese gegen die Annahme spricht, Paulus müsse sich gegen Vorwürfe verteidigen. Haacker 38 erwägt prophetische Weisungen, mit Verweis auf Apg 16,6.

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Vergangenheit.119 Die Angabe „bis jetzt“ (α» χρι τουñ δευñ ρο) besagt, dass die Verhinderung bis zum Zeitpunkt des Schreibens andauert; der Verweis in V. 10 auf den Willen Gottes, was die Verwirklichung des Rombesuchs betrifft, beinhaltet die Möglichkeit, dass der Besuch sich infolge des Willens Gottes noch weiter verzögert – was dann ja auch geschehen ist: Paulus schreibt den Römerbrief im Winter 56 / 57, wird im Frühjahr 57 in Jerusalem verhaftet, und verbringt die Jahre 57–59 in Cäsarea in Haft und gelangt erst im Jahr 60, als Gefangener, nach Rom. Der Finalsatz um wie bei den übrigen Heiden auch bei euch etwas Frucht zu wirken beschreibt das Ziel des mehrfach geplanten Besuchs in Rom.120 Paulus verwendet die landwirtschaftliche Metapher „Frucht“ (καρπο' ς) in Phil 1,22 für das Resultat seiner missionarischen Arbeit; in 1Kor 3,6-9 beschreibt Paulus seine Arbeit als Pioniermissionar mit dem Bild des „Pflanzens“ (ε� φυ' τευσα); in Kol 1,6 verweist das Verb „Frucht bringen“ (καρποφορε' ω) auf den Ertrag der Missionsarbeit „in der ganzen Welt“.121 Paulus wollte anlässlich früherer Besuche in Rom offensichtlich als Missionar das Evangelium verkündigen und Griechen und Barbaren zum Glauben an das Evangelium Gottes führen (s. V. 14). Das bedeutet nicht unbedingt, dass Paulus als erster Pioniermissionar in Rom wirken wollte. Wenn die Gemeinde in Rom bereits im Jahr 30 durch in Jerusalem zum Glauben an Jesus Christus bekehrte römische Juden gegründet wurde, wäre dies zu keinem Zeitpunkt möglich gewesen. Andererseits wissen wir nicht, ab wann Paulus sich an das in Röm 15,20 formulierte Prinzip hielt, das Evangelium nicht dort zu verkündigen, wo schon andere Missionare tätig sind: In den Jahren 42–44 hatte Paulus zusammen mit Barnabas in Antiochien missioniert (Apg 11,25-26), in den Jahren 52–55 in Ephesus, wo das missionarische Zeugnis von Aquila, Priscilla und Apollos wahrscheinlich bereits zu einer Gemeindegründung geführt hatte (Apg 18,18.24-28). ————————————————————

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So Fitzmyer 250; Jewett 129. HvS §194e: Ein Sprecher will mit den Formen des AoristStammes „über den Verlauf – das Andauern (vgl. Präsensstamm) oder Nichtandauern – und das Vorliegen (vgl. Perfektstamm) oder Nichtvorliegen eines Ergebnisses … nichts aussagen; in Bezug auf all dies stellt er die Verwirklichung des Verbinhalts als ‚unbestimmt‘ dar“; mit Verweis auf Bornemann/Risch, Grammatik, §77: „Die Bezeichnung (χρο' νος) α� ο' ριστος bedeutet ‚(hinsichtlich Dauer und Ergebnis) unbestimmte‘ Zeitform“. Der Finalsatz ist an προεθε' μην ε� λθειñν προ` ς υ� μαñ ς angeschlossen; HvS §292d(b). Die Metapher „Frucht“ wurde in der Antike in verschiedenen Zusammenhängen für den Ertrag menschlichen Verhaltens verwendet, auch im Alten Testament und Frühjudentum; vgl. Ps 1,3; 58,12; Jes 3,10; Am 6,12; Philo, Fug. 176; Josephus, Ant. 20,48; im NT vgl. Mt 3,8; Hebr 12,11; 13,15; Jak 3,17-18; bei Paulus noch Röm 6,21-22; 7,4; 15,28; Gal 5,22; Phil 1,11.22; 4,17; Kol 1,10. Vgl. F. Hauck, Art. καρπο' ς, ThWNT III, 617-619; H.T. Wrege, EWNT II, 619-623; R. Hensel, ThBLNT I, 1524-1527.

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Das Prinzip von Röm 15,20 wird als Erläuterung dafür angeführt, dass Paulus jetzt seine Tätigkeit aus dem östlichen Mittelmeerraum nach Spanien verlagern will. Die Wendung wie bei den übrigen Heiden belegt, dass „Frucht“ hier eine erfolgreiche Missionsarbeit meint. Paulus erläutert in V. 13, dass er bei früher geplanten Rombesuchen als Missionar kommen wollte, um das Evangelium Gottes zu verkündigen und Menschen zum Glauben an Jesus Christus zu führen.122 Das Indefinitpronomen (τινα' , „etwas“) verweist nicht auf Bescheidenheit und Zurückhaltung, sondern auf das Wissen um die Tatsache, dass es immer Gott ist, der das Wachstum gibt (1Kor 3,7: ο� αυ� ξα' νων θεο' ς). Bei der Frucht seiner Verkündigung des Evangeliums „bei den übrigen Heiden“ (ε� ν τοιñς λοιποιñς ε» θνεσιν) denkt Paulus an Gemeindegründungen in Arabien und Kilikien123 sowie in Südgalatien (Antiochien, Ikonium, Lystra, Derbe), Pamphylien (Perge), Makedonien (Philippi, Thessalonich, Beröa), Achaia (Athen, Korinth) und in der Provinz Asia (Ephesus). Die vier griechischen Vokabeln fassen den Ertrag der Missionsarbeit der vergangenen dreiundzwanzig Jahre (33–55 n.Chr.) zusammen.124 Paulus weiß sich als Apostel der Heiden berufen (11,13) und hat den Auftrag Gottes, das Evangelium zu verkündigen, intensiv und extensiv ausgeführt. Im Rahmen dieses Auftrags wollte er mehrfach auch in Rom das Evangelium verkündigen. 14 Paulus begründet seine früheren Pläne, Rom zu besuchen, mit der Verpflichtung, allen Menschen das Evangelium zu verkündigen. Die Begriffspaare Griechen und Barbaren, Gebildete und Ungebildete sind mit den Kategorien der griechisch-römischen Bildungselite formuliert. Griechen (« Ελληνες [Hellēnes]) sind die Menschen, die die griechische Sprache ————————————————————

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Vgl. Stuhlmacher 28; Wilckens I 79; Byrne 50; Dickson, Gospel as News, 225. Mit καρπο' ς meint Paulus hier sicher nicht (wie in 15,28) einen Kollektenertrag (Kruger, Tina Karpon): Wenn die römischen Christen den Römerbrief lesen, ist die Kollekte bereits auf dem Weg nach Jerusalem. Paulus meint sicher auch nicht die logistische Unterstützung, die er sich von den römischen Christen erhofft (Jewett 130; kritisch Haacker 38), oder die Stärkung der Gemeinde durch die Mitteilung der geistlichen Gabe, die Gott ihm verliehen hat (Moo 61). Paulus spricht in V. 13-15 von den Besuchsplänen der Vergangenheit. Vgl. Wolter I 110-111. Für Arabien / Nabatäa vgl. Gal 1,17; 2 Cor 11,32; für Kilikien vgl. Apg 9,30; 11,25-26; Gal 1,21 sowie Apg 15,23.41. Dunn I 32 schließt sich der Meinung vieler Ausleger an, dass die Formulierung „wie bei den übrigen Heiden“ gleichzeitig darauf hinweist, dass ein beträchtlicher Teil der römischen Gemeinde aus Heidenchristen bestand (vgl. 11,13.17-24; 15,7-12.15-16). Wenn die Bestimmung „bei euch“ (ε� ν υ� μιñν) sich nicht auf die römische Gemeinde bezieht, sondern auf Rom als Stadt, in der die römischen Christen wohnen, erübrigt sich diese Interpretation.

Proömium: Dank, Fürbitte, Thema 1,8-17 161 ————————————————————————————————————

beherrschen und von der griechischen Kultur geprägt sind.125 Der Ausdruck entspricht griechischem Selbstverständnis und beinhaltet als Selbstbezeichnung ein kulturelles Überlegenheitsbewusstsein. Die Römer gehören kulturell auf die Seite der Griechen: Paulus schreibt seinen Brief auf Griechisch. Wenn Paulus von „Juden und Griechen“ spricht (V. 16),126 betont er jenseits sprachlicher Kompetenzen und kultureller Einflüsse die religiöse Unterscheidung zwischen Israeliten und Juden, die den einen wahren Gott anbeten, und den Griechen, die Polytheisten sind.127 Die Barbaren (βα' ρβαροι [barbaroi]) sind, aus griechischer Perspektive, die Ausländer, die eine unverständliche Sprache sprechen, d.h. Menschen mit nichtgriechischer (nichtlateinischer) Sprache und nichtgriechischer Bildung, also fremde Völker; oft abwertend verwendet bezeichnet das Wort ungebildete, kulturlose, rohe, grausame Völker.128 Im 1. Jh. findet man ein komplexes Verständnis der „Barbaren“, so zum Beispiel bei Plutarch, von dem es heißt: „Er war viel zu sehr Grieche, um die ‚Barbaren‘ als gleichwertig anzusehen, viel zu sehr Mensch, um nicht den Angehörigen ‚barbarischer‘ Völker gegenüber tolerant zu sein und viel zu wißbegierig und klug, um nicht deren Sitten zu erkunden und deren Leistungen auf kulturellem und militärischem Gebiet anzuerkennen“.129 Nach Apg 14,11 hatte Paulus es in der Provinz Asien mit Lykaonisch sprechenden Menschen zu tun; in Kilikien hatte er möglicherweise Kontakt mit dem alten Stamm der Isaurier, die als Barbaren galten.130 Zu den Barbaren gehörte das spanische Volk, das Paulus missionieren will: Viele widersetzten sich der römischen Herrschaft, inszenierten Rebellionen, lehnten die lateinische Sprache ab und ————————————————————

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Bauer-Aland s.v. « Ελλην 1; H. Windisch, ThWNT II, 501-514; J. Wanke, EWNT I, 1061-63; Dabelstein, Heiden, 18-19; Heckel, Heiden, 272-273; Scott, Paul and the Nations, 123-124. « Ελλην sollte man nicht mit „Heide“ übersetzen, auch wenn das Wort an einigen Stellen parallel zu ε» θνη steht; vgl. Röm 1,14/16; 10,12/11,25; 1Kor 1,22-23; gegen Bauer-Aland, s.v. « Ελλην 2; Wanke, ebd. 1061; richtig Windisch, ebd. 510; Dabelstein, ebd. 18; Heckel, ebd. 273. Vgl. weiter Röm 2,9.10; 3,9; 1Kor 1,22; 10,32; vgl. Kol 3,11. In Röm 10,12; 1Kor 1,24; 12,13; Gal 3,28 sowie Apg 6,1 wird « Ελληνες für Griechisch sprechende Judenchristen verwendet, was Bauer-Aland s.v. « Ελλην 2 nicht differenziert; vgl. Heckel, Heiden, 272. Strabo 14.2.28. Vgl. H. Windisch, Art. βα' ρβαρος, ThWNT I, 544-551; H. Balz, EWNT I, 473-475; V. Losemann, Art. Barbaren, DNP II, 349-443; J. Jüthner, Art. Barbar, RAC I, 1173-1176; Strobach, Plutarch und die Sprachen, 47-54. Im NT Röm 1,14; 1Kor 14,11; Kol 3,11 (βα' ρβαρος, Σκυ' θης); Apg 28,2.4: die Eingeborenen der Insel Malta. Strobach, Plutarch und die Sprachen, 52. Die konsequent negative Charakterisierung der „Barbaren“ bei Jewett 131 verlässt sich einseitig auf Vogt, Kulturwelt und Barbaren, 812; Dauge, Le barbare, 472-473. Feld, Die Isaurier, 44, mit Verweis auf die apokryphen Paulusakten, in denen die isaurische Märtyrerin Thekla eine wichtige Rolle spielt.

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wollten die römischen Namen für ihre Städte, Flüsse und Berge nicht verwenden.131 Das Begriffspaar „Griechen und Barbaren“ bezeichnet in der griech. Literatur die Gesamtheit der Völker,132 für Paulus die Gesamtheit der nichtjüdischen Menschheit.133 Die Koordinierung mit τε και' („sowohl als auch“)134 ist für griechische Ohren provozierend: Griechen und Barbaren werden auf dieselbe Stufe gestellt – das Evangelium von Jesus, dem gekreuzigten und auferstandenen Messias Israels, gilt für alle Menschen. Aus Sicht der Griechen sind die „Weisen“ (σοφοι' [sophoi]) die Gebildeten, d.h. alle, die das Curriculum des Gymnasion durchlaufen haben, sprachliche und rhetorische Kompetenz besitzen und für juristische, militärische und politische Laufbahnen vorbereitet wurden. Die „Ungebildeten“ (α� νο' ητοι [anoētoi]) sind alle anderen Menschen, nicht nur die Toren und die Irrationalen, sondern die große Masse der ungeschulten und für städtische oder provinzielle Ämter unfähigen Menschen. Gebildete und Ungebildete gibt es unter den Griechen, aber auch unter den Barbaren.135 Wieder ist die Koordinierung mit τε και' zu beachten: Paulus will nicht nur die Gebildeten mit dem Evangelium von Jesus Christus erreichen, sondern auch die Ungebildeten. Beide Begriffspaare bezeichnen die gesamte (nichtjüdische) Menschheit, wobei „Griechen und Barbaren“ eher auf Lebensgemeinschaften und „Gebildete und Ungebildete“ auf Einzelpersonen abzielt.136 Die Wendung ich bin verpflichtet (ο� φειλε' της ει� μι', „ich bin ein Schuldner“) spricht von der Arbeit, die Paulus als „Sklave des Messias Jesus“ (V. 1) seinem Herrn schuldig ist.137 Der Plan, in Rom zu missionieren, war kein Privatwunsch des Apostels, sondern Ausdruck seiner Pflicht gegenüber Gott und Jesus, die ihn beauftragt hatten, als Apostel der Heiden allen Menschen das Evangelium zu verkündigen: ohne Ausnahme, ohne Differenzierung von ethnischer Herkunft, kultureller Identität oder sozialem Stand. ————————————————————

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Dauge, Le barbare, 175.479.489.661.733; Jewett 131. Cicero, Quint.fratr. 1,1,27 klassifiziert die Spanier mit den Afrikanern und Galliern als „unzivilisierte und barbarische Völker“ (immanibus ac barbaris nationibus). Plato, Theat. 175A; Isokrates, Or. 18,27,5; Demosthenes, Or. 69,40; Strabo 1,3,9; Cicero, Flacc. 24; vgl. H. Balz, EWNT I, 473. Hengel, Juden, Griechen und Barbaren, 77-115; Dabelstein, Heiden, 18. BDR §444.2: τε … και' verknüpft enger als das einfache και' . Dionysius Halicarnassus, Ant.Rom. 5,4,3,15: βα' ρβαρος und α� νο' ητος sind Synonyme. Cranfield I 84. Bauer-Aland s.v. ο� φειλε' της 2b.: d(er) zu einer Leistung Verpflichtete (mit Dat. der Person); BDAG s.v. ο� φειλε' της 2: „one who is under obligation in a moral or social sense“. Im buchstäblichen Sinn einer Geldschuld Mt 18,24; sonst im NT im übertragenen Sinn: Röm 1,14; 8,12; 15,27; Gal 5,3.

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15 Der missionarische Auftrag für Griechen und Barbaren beinhaltet,138 dass Paulus auch in Rom139 das Evangelium verkündigen wollte.

Die Syntax von V. 15 kann verschieden interpretiert werden. 1. Die Wendung το` κατ’ ε� με' ist Subjekt, eine neutrische Umschreibung der 1. Pers. Sing., und προ' θυμον ist Prädikat („ich, was mich betrifft, so ist es mein Wunsch“).140 2. Die Wendung το` κατ’ ε� με` προ' θυμον ist Subjekt, ευ� αγγελι' σασθαι ist Prädikat („mein Wunsch ist … das Evangelium zu verkündigen“).141 3. Die Wendung το` κατ’ ε� με' ist eigenständiger Adverbialsatz, der το` … προ' θυμον (für Adj. προ' θυμος) qualifiziert, ευ� αγγελι' σασθαι ist Prädikat („was mich betrifft, so ist / war es mein Wunsch, das Evangelium … zu verkündigen“).142 4. Die Syntax von V. 13-15 muss neu bedacht werden:143 « Ελλησι' ν τε και` βαρβα' ροις, σοφοιñς τε και` α� νοη' τοις V. 14ab ist Apposition zu der vorausgehenden Dativwendung ε� ν τοιñς λοιποιñς ε» θνεσιν V. 13, d.h. der Punkt am Ende von V. 13 ist zu entfernen und durch ein Komma zu ersetzen;144 dafür ist hinter α� νοη' τοις in V. 14b ein Punkt zu setzen; in dem Neueinsatz V. 14c ist ο� φειλε' της ει� μι' Subjekt bzw. Prädikat, mit nachfolgendem Infinitiv ευ� αγγελι' σασθαι V. 15 („ich bin verpflichtet … das Evangelium zu verkündigen“),145 der durch die Dativbestimmung υ� μιñν τοιñς ε� ν � Ρω' μη, modifiziert wird; die Wendung το` κατ’ ε� με` προ' θυμον ist als Adverbialwendung (Akk. der Art und Weise) zu verstehen, mit κατ’ ε� με' als Umschreibung eines Possessivpronomens (= το` προ' θυμον μου); das Adv. ου« τως leitet eine Folgerung ein.146 Option 1 ist wenig wahrscheinlich. Optionen 2 und 3 sind beide möglich. Option 4 ist beachtenswert, ignoriert jedoch die Verbindung von 1,14 mit 11,13 und 15,16: Paulus ist der Apostel der Nationen und ein „Diener“ an den Nationen und deshalb in der Tat verpflichtet, Griechen und Barbaren das Evangelium zu verkündigen.147

Im Anschluss an die universale Reichweite seines apostolischen Auftrags, der ihn zu Griechen und Barbaren sendet, spricht Paulus von seinem Plan, ————————————————————

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Bauer-Aland s.v. ου« τως 1b: Eine Folgerung aus dem Vorhergehenden ziehend. υ� μιñν ist Dativobjekt von ευ� αγγελι' σασθαι; ε� ν � Ρω' μη, steht für den lokalen Dativ; HvS §152d, 181. Sanday/ Headlam 21-22. Bauer-Aland s.v. προ' θυμος (als substantiviertes Neutrum) s.v. κατα' II.7b; BDR §2241 (το` κατ’ ε� με` προ' θυμον = η� ε� μη` προθυμι' α); NSS II, 2; Godet I 97; Weiß 67; Cranfield I 85; Michel 85; Wilckens I 81; Fitzmyer 251-252; Moo 62; Lohse 75 Anm. 12; vgl. EÜ, NGÜ, ZÜ; NET, NIV, NRSV. Moule, Idiom Book, 58; Jewett 133; vgl. Elb.Ü, LÜ, NGÜ Anm. p; RSV, NAB, NASB. Thorsteinsson, Duty, 539-544, mit Behandlung des Kommentars von Origenes zur Stelle. Referiert von Kruse 65 Anm. 23; akzeptiert von Das, Debate, 61-62; Gaventa, Preach the Gospel, 183-185. Dadurch erübrigt es sich, in V. 14 ein „befremdliches Asyndeton“ zu sehen (Zahn 65). So schon Parkin, Romans, 95. Kritisch Hultgren 60: V. 14 besteht bei dieser Lesung aus einer Anhäufung von Konjunktivwendungen; die Syntax ist einfacher, wenn hinter ε» θνεσιν ein Punkt gesetzt wird; das adverbielle Verständnis von το` κατ’ ε� με` προ' θυμον ist weniger plausibel als die Interpretation als Subjekt. Thorsteinsson, Missionary Duty, 545, folgert aus seiner Neuordnung der Syntax von V. 13-15, dass Paulus weder den Griechen und Barbaren noch irgendjemand in Rom verpflichtet sei, das Evangelium zu verkündigen.

164 Römerbrief ————————————————————————————————————

Rom zu besuchen. Die Formulierung deshalb war es, was mich betrifft, mein Wunsch (το` κατ’ ε� με` προ' θυμον) spricht von dem Eifer, ja dem Enthusiasmus,148 mit dem Paulus seine Besuchspläne betrieben hatte. Der Satz auch euch in Rom das Evangelium zu verkündigen (και` υ� μιñν τοιñς ε� ν � Ρω' μη, ευ� αγγελι'σασθαι) wird meistens auf den geplanten, bevorstehenden Besuch in Rom auslegt. Diese Interpretation muss die dann bestehende Spannung zu 15,20 erklären – Paulus will nur dort missionieren, wo das Evangelium noch nicht verkündigt wurde. Mehrere Erklärungen sind möglich. 1. Die Adressaten der Evangeliumsverkündigung sind Griechen und Barbaren in Rom, denen Paulus, in Zusammenarbeit mit der römischen Gemeinde, das Evangelium verkündigen will.149 2. Die Adressaten der Evangeliumsverkündigung sind die römischen Christen, wobei das Verständnis des Verbs „das Evangelium verkündigen“ (ευ� αγγελι'σασθαι) von der Evangelisierung Ungläubiger auf die Unterweisung der Gemeinde ausgeweitet wird: Paulus erläutert den römischen Christen, die das Evangelium schon kennen, dieses noch einmal.150 3. Die Adressaten der Evangeliumsverkündigung sind die römischen Christen, denen Paulus als Neuigkeit die „Spirale“ der Sünde in 1,18–8,4 erläutert.151 Die erste Erklärung muss das Wort „euch“ (υ� μιñν) im allgemeinen Sinn von „in eurem Umkreis“, d.h. im Hinblick auf die Stadt interpretieren, in der die römischen Christen wohnen, was nicht unmöglich ist. Andererseits will Paulus bei seinem bevorstehenden Besuch die römischen Christen sehen und von ihnen nach Spanien geleitet werden (15,24), was nicht viel Zeit für eine missionarische Arbeit in Rom lässt. Die zweite Interpretation geht an der Wortbedeutung von ευ� αγγελι'ζω vorbei, ein Verb, das in der alttestamentlichen, jüdischen und griechischen-hellenistischen Literatur immer die Weitergabe einer Botschaft beschreibt, die für die Hörer neu war.152 Die vierte Interpretation erkennt Letzteres an, ignoriert jedoch die historische Situation, in der Paulus den Römerbrief schreibt: Es geht Paulus in seinem Brief nicht um eine Korrektur eines lückenhaften Verständnisses des Evangeliums, sondern um die ————————————————————

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Spicq, s.v. προθυμι' α, TLNT III, 181, mit Verweis auf Diodorus Siculus 19,91,5. Godet I 97; Wolter I 113-114; Thorsteinsson, Missionary Duty, 547. G. Friedrich, Art. ευ� αγγελι' ζομαι κτλ., ThWNT II, 717: „In der Missions- wie in der Gemeindepredigt wird dasselbe Evangelium gepredigt. Paulus macht keinen Unterschied“; ebenso G. Strecker, Art. ευ� αγγελι' ζω, EWNT II, 175; Bowers, Studies, 81-103; Cranfield I 86; Wilckens I 82; Moo 63; Dunn I 34-35; Fitzmyer 251; Légasse 83; Lohse 75-76. Gaventa, Preach the Gospel, 188-195. S. die Erklärung von ευ� αγγε' λιον in 1,1. Vgl. Dickson, Gospel as News, 213-220. Litfin, Proclamation, 195-197, zeigt, dass die ευ� αγγελ-Wortgruppe in der antiken Rhetorik und Literatur kaum eine Rolle spielt, weil das Wort „Bericht“ und nicht „Überzeugung“ bedeutet. Aufgenommen von Haacker 39; Gaventa, Preach the Gospel, 186-188.

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Vorbereitung seiner Spanienmission angesichts seines bevorstehenden Besuchs in Jerusalem und der dort zu erwartenden Kontroversen. Deshalb ist der Vorschlag mehrerer Ausleger attraktiv, die als finites Verb für die Kopula in V. 15 nicht die Präsensform ε� στιν ergänzen, sondern die Aoristform ε� γε' νετο; d.h., Paulus spricht nicht von seinem bevorstehenden Rombesuch, sondern von den Besuchsplänen der Vergangenheit.153 Paulus hatte mehrfach geplant, nach Rom zu reisen und dort den Griechen und Barbaren das Evangelium zu verkündigen – vielleicht nicht als der erste Pioniermissionar der Millionenstadt, aber doch als Missionar, der Gemeinden gründen wollte. Im Briefschluss, in dem Paulus ausdrücklich das Ziel seines bevorstehenden Rombesuchs beschreibt (15,22-29), ist von der Verkündigung des Evangeliums nicht die Rede: Paulus will sich an den römischen Christen erfreuen und von ihnen nach Spanien geleitet werden (15,24). Im Kontext von 15,20-21 betont er in 15,22: Weil er denen, die das Evangelium noch nicht gehört haben, das Evangelium verkündigte, wurde er oft verhindert, nach Rom zu kommen. Genau dies erklärt Paulus in 1,1315: Weil er unter den „übrigen Nationen“ Frucht bringen musste, konnte er nicht nach Rom kommen, um dort den Griechen und den Barbaren das Evangelium zu verkündigen. 16 Die Beschreibung seines Auftrags, Griechen und Barbaren das Evangelium zu verkündigen und in diesem Zusammenhang auch nach Rom zu reisen, veranlasst Paulus, in V. 16-17 eine zweite Definition des Evangeliums zu schreiben.154 Die Definition wird durch ein Bekenntnis zum Evangelium eingeleitet, formuliert als Begründungssatz (γα' ρ): Das Evangelium ist die Macht Gottes zur Rettung aller Menschen, die glauben; der Grund (γα' ρ) für diese Wirklichkeit ist die Tatsache, dass das Evangelium die Offenbarung der Gerechtigkeit Gottes ist. Die erste Definition in V. 3-4 beschrieb den Inhalt des Evangeliums als Botschaft von Jesus, dem messianischen Sohn Gottes; die Definition in V. 16-17 beschreibt die Wirkung des Evangeliums als Botschaft, in der die Macht Gottes wirksam ist, die bei den Hörern, die sie annehmen, Rettung und Gottes Gerechtigkeit bewirkt. Der Satz ich schäme mich des Evangeliums nicht (ου� κ ε� παισχυ' νομαι το` ευ� αγγε' λιον) eröffnet die Definition und leitet die folgende Bekenntnisaussage ein. Die Aussage, dass man sich „nicht schämt“, kann auf dem Hintergrund von Stellen wie Mk 8,38/Lk 9,26 als intensivierte Entsprechung ————————————————————

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Stuhlmacher 27; Käsemann 18; Zeller 41; Byrne 50-51; Stuhlmacher, Purpose of Romans, 236-237. Vgl. BDR §2526: Im Definitionsstil (wie in Röm 1,16-17) fehlt der Artikel auch bei generischen Substantiven.

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zur Aussage „ich bekenne“ (ο� μολογε' ω) verstanden werden.155 Bekennen ist das Gegenteil von Schämen und Verleugnen. Paulus bekennt sich zum Evangelium als von Gott berufener und zur Verkündigung des Evangeliums ausgesonderter Sklave des Messias Jesus (V. 1), den Gott beauftragt hat, unter allen Völkern zum Gehorsam des Glaubens zu führen (V. 5). In Ausführung dieses Auftrags ist Paulus unter Griechen und Barbaren, Gebildeten und Ungebildeten (V. 14) tätig und hatte mehrfach geplant, auch in Rom das Evangelium zu proklamieren (V. 15), weil er sich zum Evangelium bekennt. Doch darf man nicht vergessen, dass Paulus nicht ο� μολογε' ω („ich bekenne“) schreibt, sondern ου� κ ε� παισχυ' νομαι („ich schäme mich nicht“).156 Das Verb bezeichnet ein schmerzhaftes Gefühl oder das Empfinden von Statusverlust als Resultat eines bestimmten Ereignisses oder einer bestimmten Handlung.157 In der griechisch-römischen Welt, vor allem in den Städten, spielten Ehre und Scham eine große Rolle, die man nicht unterschätzen darf. Die Rede von Scham verweist auf gesellschaftliche Normen, deren Missachtung mit Verachtung und Marginalisierung bestraft wird. Ehre gründet auf der Anerkennung und Wertschätzung durch andere. Werden diese entzogen, resultiert Scham. Im 1. Jh. wird kein Autor von Scham reden, ohne auch Scham zu meinen. Man sollte nicht vergessen, dass Pudicitia („Schamhaftigkeit“) als Göttin personifiziert und angebetet wurde, u.a. in den Kulten der Pudicitia Patricia und der Pudicitia Plebeia, die in Rom beheimatet waren. Augustus initiierte einen Kult der Pudicitia zur Unterstützung seiner

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Vgl. Mk 8,38 (par Lk 9,26): „Denn wer sich vor dieser treulosen und sündigen Generation meiner und meiner Worte schämt (ε� παισχυνθηñ, ), dessen wird sich auch der Menschensohn schämen, wenn er mit den heiligen Engeln in der Hoheit seines Vaters kommt“ (EÜ); Mt 10,32-33 (par Lk 12,8-9): „Wer sich nun vor den Menschen zu mir bekennt (ο� μολογη' σει), zu dem werde auch ich mich vor meinem Vater im Himmel bekennen (ο� μολογη' σω). Wer mich aber vor den Menschen verleugnet (α� ρνη' σηται' με), den werde auch ich vor meinem Vater im Himmel verleugnen (α� ρνη' σομαι)“; Joh 1,20; 2Tim 1,8.12.16; Hebr 2,11; 11,16. D.h., ου� κ ε� παισχυ' νομαι ist eine Litotes, HvS §296h; NSS II, 2. Vgl. Michel 86; Käsemann 19; Wilckens I 82; Dunn I 38; Byrne 51; Lohse 76; A. Horstmann, Art. αι� σχυ' νομαι 4, EWNT I, 101; Michel, Sprachgebrauch; Barrett, I am not Ashamed; Stuhlmacher, Gerechtigkeit Gottes, 78-79. Légasse 94 bleibt skeptisch: in den synoptischen Stellen wird das Verb ε� παισχυ' νομαι nicht auf das Evangelium angewandt. R. Bultmann, Art. αι� σχυ' νω κτλ, ThWNT I, 189: „Das Med begegnet im alten Sinn sich schämen, nämlich etwas zu tun … einer verdächtigten Person oder Sache“ (mit Verweis auf Mk 8,38; Röm 1,16; 2Tim 1,8.16). In der LXX ist Gott häufig das Subjekt von αι� σχυ' νω bzw. ε� παισχυ' νω, und die Schande, in die er versetzt, ist sein Gericht (Ps 43,10; 118,31.116 LXX; Jes 45,24-25. Vgl. Wolter I 114: Die Formulierung ist keine konfessorische Aussage, sondern rhetorische Bekräftigungsformel. BDAG s.v. ε� παισχυ' νομαι.

Proömium: Dank, Fürbitte, Thema 1,8-17 167 ———————————————————————————————————— Moralgesetzgebung.158 Im ethischen Diskurs der augusteischen Zeit spielte pudor („Schamgefühl, Ehrgefühl“) eine wichtige Rolle und wurde wie pudicitia personifiziert. Bereits für die hellenistische Zeit gibt es im Blick auf die Darstellung von Frauen als Statuen den Pudicitia-Typus, in dem der Körper der Frau fest in das Gewand geschlungen dargestellt wurde, als Zeichen für pudicitia: „Die Frau steht in diesem Bildschema ruhig da und stützt einen Arm mit dem Ellbogen auf den angehobenen Handrücken. Die zum Gesicht geführte Hand hält dabei meist den Rand des über den Kopf gezogenen Mantels fest … Zusätzlich blickt die Frau oft aber auch in auffälliger Weise zur Seite oder zu Boden“.159

Paulus verwendet das Wort mit der üblichen griechischen Bedeutung.160 Die Sache, deren Paulus sich nicht schämt, ist das Evangelium von Jesus, dem messianischen Sohn Gottes, der am Kreuz stellvertretend für die Sünder starb und am dritten Tag auferweckt wurde – eine Botschaft, die den Werten und Interessen der Zeitgenossen nicht konform, für Juden ein Skandal und für Griechen Unsinn ist (1Kor 1,22) und der deshalb Widerstand geleistet wird (1Thess 2,14-16).161 Wer das „Wort vom Kreuz“ (ο� λο' γος ο� τουñ σταυρουñ ; 1Kor 1,18) verkündigt, ist „einem Druck gesellschaftlicher Verachtung und Feindschaft ausgesetzt, so daß sich seiner ‚nicht zu schämen‘ eines besonderen Mutes bedarf“.162 Paulus verkündigt das Evangelium von Jesus Christus unter Griechen und Barbaren und wollte es auch in Rom verkündigen, weil er sich des Evangeliums nicht schämt. Der Begründungsatz denn es ist die Macht Gottes (δυ' ναμις γα` ρ θεουñ ε� στιν) erläutert, weshalb Paulus sich des Evangeliums nicht schämt.163 Pau————————————————————

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Vgl. G. Radke, Art. Pudicitia, PW XXIII, 1942-1945; D. Wardle, Art. Pudicitia, DNP X, 585; zum folgenden Punkt vgl. A. Becker, Art. Pudor, DNP X, 585. Zanker, Bürgerbild, 263; vgl. Alexandridis, Frauen, 15-16; Fejfer, Roman Portraits, 136.333-336. Légasse 94, mit Verweis auf Homer, Od. 21, 323; Sophokles, Oed.Tyr. 1079; Plato, Symp. 216B; Soph. 247C; Xenophon, Hist. 4,1,34. Jewett 137 zitiert Isokrates, Or. 16,35,1 („was die anwesenden Choregoi, Gymnasiarchen und Triarchen betrifft, so schäme ich mich nicht zu reden“) und Aeschines, Fals.leg. 69,16 („Ich schäme mich meiner Worte nicht, sondern bin stolz auf sie“); vgl. Isocrates, Or. 12,74,3; 15,272,7; Isaeus, Or. 5; Phil. 39,7; Aeschines, Ctes. 217,6; Ep. 5,3; Tim. 120,13; 135,2-3. Vgl. Jewett, Paul, Shame, and Honor. Vgl. Watts, Not Ashamed of the Gospel, 22-23: Paulus hätte sich im Blick auf sein Verständnis des Evangeliums schämen können, wenn man es so interpretiert, dass er Israel und Israels Traditionen zugunsten der Heiden beiseite setzte. Wilckens I 82; vgl. Schlier 42; Zeller 42; Cranfield I 86-87; Fitzmyer 255; Légasse 94; Jewett 137; Haacker 41; Moxnes, Honour, 73. Zur Schande des Kreuzes vgl. Hengel, Mors Turpissima Crucis; Chapman, Crucifixion, 252-253. Chapman/Schnabel, Trial and Crucifixion of Jesus, 697-754. Lohse 76 Anm. 17 will δυ' ναμις mit „Kraft“ übersetzen, nicht mit „Macht“, weil bei Letzterem „leicht an zwanghaft wirkende Erscheinung gedacht werden könnte“. Zwanghaftigkeit ist bei der δυ' ναμις Gottes ganz gewiss auszuschließen und ist auch in dem Wort „Macht“ nicht automatisch impliziert.

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lus hatte bereits in der ersten Definition in V. 3-4 das Evangelium mit „Macht“ in Verbindung gesetzt: Gott hat in seiner Macht Jesus als seinen Sohn proklamiert und er teilt seine Macht mit Jesus dem Gottessohn. In seiner zweiten Definition ist „Macht Gottes“ das primäre Prädikat („das Evangelium ist die Macht Gottes“). Die Wendung „Macht Gottes“ beschreibt somit die Art bzw. die Klasse, zu der das zu Definierende gehört, ehe die Attribute und Funktionen genannt werden. Das heißt: Das Evangelium gehört in die Kategorie „Macht Gottes“. Das Wesen des Evangeliums Gottes (V. 1) als Macht Gottes (V. 16) ist ursächlich mit der Auferweckung Jesu und mit Jesu Proklamation als Gottessohn und Kyrios (V. 3-4) verbunden.164 Dass Gott Macht hat und als der Schöpfer der allein Mächtige ist, wird im Alten Testament immer wieder betont.165 Im Judentum war „Macht“ eine Umschreibung des Gottesnamens (vgl. Mk 14,62 par.). Macht (δυ' ναμις) gehört wie Herrlichkeit (δο' ξα) zum Wesen Gottes und steht deshalb parallel zu seiner Gottheit (θειο' της; Röm 1,20). Der neue Höhepunkt der Macht, die Gott in der Geschichte hat und ausübt, ist auf das Evangelium konzentriert – das „Evangelium Gottes“ (V. 1), das von Jesus handelt, dem messianischen Davidssohn, der sein Sohn ist (V. 3-4), und das Menschen rettet (V. 16). Das machtvolle Handeln Gottes bewirkt den Anbruch der Gottesherrschaft (Mk 9,1) und die Auferweckung der Toten (Röm 4,17; von der Auferweckung Jesu: Röm 1,3; 1Kor 6,14). In 1Kor 1,18 beschreibt Paulus das „Wort vom Kreuz“ als „Gottes Kraft“ (δυ' ναμις θεουñ ), die die Jesusbekenner rettet (τοιñς σω, ζομε' νοις): Die Botschaft von Jesus, dem gekreuzigten Messias Israels ist „Gottes Macht“ (θεουñ δυ' ναμιν) und Gottes Weisheit (1Kor 1,24). Die Auferweckung Jesu und die Auferweckung der Glaubenden „durch seine Macht“ (δια` τηñ ς δυνα' μεως αυ� τουñ ; 1Kor 6,24) ist der zentrale Machterweis der neuen Heilszeit.166 Gott ist der, der die Toten lebendig macht und das, was nicht ist, ins Dasein ruft (Röm 4,17). Diese Macht Gottes ist in der missionarischen Arbeit des Apostels wirksam – die Macht des Geistes Gottes (δυνα' μει πνευ' ματος θεουñ ), die Zeichen und Wun————————————————————

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Vgl. Calhoun, Gospel, 149-150. Ex 9,16; 15,6; 32,11; Deut 4,37; 9,29; 2Kön 17,36; Hi 26,21; Ps 65,7; 111,6; 147,4-6; Jes 40,26; 50,2; Jer 10,12; 27,5; 32,17; 51,15; 1Chron 29,12; 2Chron 20,6; 25,8. Vgl. H. Ringgren, Art. ‫ֹכַח‬, ThWNT IV, 135-137; zu Röm 1,16 s. Gräbe, Power, 170-182. In der Geschichte Israels war die Herausführung aus Ägypten der zentrale Erweis der Macht Gottes; Deut 3,24: „Gott, mein Herr! Du hast angefangen, deinen Knecht deine Macht und deine starke Hand (τη` ν ι� σχυ' ν σου και` τη` ν δυ' ναμι' ν σου) schauen zu lassen. Welcher Gott im Himmel oder auf der Erde hat etwas vollbracht, was deinen Taten und deinen Siegen vergleichbar wäre?“ (EÜ); Ps 77,15-16 (LXX 76,15-16): „Du allein bist der Gott, der Wunder tut, du hast deine Macht (τη` ν δυ' ναμι' ν σου) den Völkern kundgetan. Du hast mit starkem Arm dein Volk erlöst, die Kinder Jakobs und Josefs“.

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der bewirkt und Paulus von Jerusalem bis Illyrien das Evangelium Christi verkündigen ließ (15,19). Die Überzeugungskraft des Evangeliums hängt nicht von der rhetorischen Brillanz des Verkündigers ab, sondern ist mit der in der Evangeliumsverkündigung wirksamen Macht Gottes gegeben (1Kor 2,4-5; 1Thess 2,13).167 Die Botschaft des Evangeliums, in der die Erfüllung der göttlichen Verheißung vom Heil Israels und vom Heil der Völker in und durch Jesus Christus verkündigt wird, ist die endzeitliche „Konzentration derjenigen Kraft, die das Wort Jahwes im Munde der Propheten gehabt hat, das ‚nicht leer zu ihnen zurückkommt, sondern wirkt, was er beschlossen, und durchführt, wozu er es gesandt hat‘ (Jes 55,11; vgl. Röm 4,21).“168 In der Verkündigung des Evangeliums ist die Schöpfermacht Gottes am Werk, durch die er das ruft, was nicht ist, dass es sei (Röm 4,17). Die Zielangabe zur Rettung (ει� ς σωτηρι'αν) benennt in der Definition des Evangeliums die erste Besonderheit (το` »ιδιον)169 seiner Funktion: Ziel und Resultat des Evangeliums ist die Rettung. Die Verknüpfung der Macht Gottes mit Rettung erinnert an Ps 21,2 (20,1 LXX: „Herr, in deiner Kraft (ε� ν τηñ, δυνα' μει σου) wird sich der König freuen, und über dein Heil (ε� πι` τω ñ, σωτηρι'ω, σου) sehr jubeln“) und Ps 140,8 (139,8 LXX: „Herr, Herr, Kraft meiner Rettung (δυ' ναμις τηñ ς σωτηρι'ας μου)“). Im Alten Testament ist die Rettung Israels durch die Herausführung aus Ägypten der zentrale Beweis und die grundlegende Demonstration der Macht Gottes (Deut 3,24-25; Ps 76,15-16). Für Paulus ist die Auferweckung Jesu, des gekreuzigten Messias, die entscheidende geschichtliche Heilstat, in der Gott seine Macht erweist und die Rettung der Menschen bewirkt: „Gott aber hat den Herrn auferweckt und wird auch uns auferwecken durch seine Macht“ (1Kor 6,14; vgl. Röm 6,4; 2Kor 13,4; Phil 3,10). Das Wort „Rettung“ (σωτηρι' α; Verb σω, ζω ñ ) bedeutet in der außerbiblischen Literatur, im säkularen Sinn, „körperliche Gesundheit, Wohlergehen, Sicherheit“, so auch häufig in zeitgenössischen Papyrusbriefen.170 In religiösen Kontexten verweist sōteria auf die Errettung ————————————————————

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Betz, Christianity as Religion, 215: Die Verkündigung des Evangeliums ist kein bloßer Sprachakt, sondern eine „Demonstration des Geistes und der Macht“ (1Kor 2,4). Wilckens I 83. Wolter I 115 verweist auf Ps 76,15 LXX; 117,15-17 LXX. Vgl. Aristoteles, Analytica posteriora 101b39-102a40. Vgl. W. Foerster / G. Fohrer, Art. σω, ζω ñ κτλ., ThWNT VII, 966-1024; K.H. Schelkle, Art. σωτηρι' α, EWNT III, 784-788; J. Schneider/W. Haubeck, ThBLNT I, 369-374; Spicq, TLNT III, 344-356; C. Andresen, Art. Erlösung, RAC VI, 54-219; zu den Papyri ArztGrabner, 2. Korinther, 192-193: Rettung aus einer brenzligen Lage (z.B. P.Petr. III 36(a), verso Z. 33); Wohlergehen des Adressaten von Briefen (z.B. BGU XVI 2616,5-6); das Wohl/Heil der Untertanen von politisch Verantwortlichen (z.B. BGU VII 1563,15-17). Zu Jesus als σωτη' ρ (Lk 2,10-11; Joh 4,42; Phil 3,20; Eph 5,23; 2Tim 1,10; Tit 1,3-4; 3,46; 2,13; 2Petr 1,1-2.11; 2,20; 3,2.18) s. Karrer, Jesus.

170 Römerbrief ———————————————————————————————————— durch einen Gott aus allen möglichen Gefahren, im Corpus Hermeticum auch aus der Macht des Todes. In den Mysterienreligionen empfing der Eingeweihte Teilhabe am Heil des Gottes. In den attischen Mysterien wurde gelehrt, dass der jährliche Tod und die jährliche Auferstehung von Attis die Erneuerung des Lebens der Gläubigen nach dem Tod garantiere. Der Heilsruf der attischen Mysterien lautete: „Wohlauf, ihr Mysten! Weil der Gott gerettet ist (τουñ θεουñ σεσωσμε' νου), werden auch wir Heil empfangen nach allen Leiden (ε» σται γα` ρ υ� μιñν ε� κ πο' νων σωτηρι' α)“.171 Im AT beschreiben die relevanten Vokabeln (‫ֵיַׁשע‬, ‫ְיׁשו ָּעה‬, ‫„ ) ְ ּתׁשו ָּעה‬Hilfe, Befreiung, Heil“.172 Das Verb ‫[ ֵיַׁשע‬jescha‘] ist „der häufigste soteriologische Terminus in religiösen Kontexten, dagegen der seltenste in der täglichen Umgangssprache“.173 Das Wort bezeichnet Hilfe zwischen Menschen in Gebieten wie Arbeit, Krieg und Gerichtswesen. Die Richter werden in einem politischen-rechtlichen Kontext „Retter“ (‫ )מ ֹוִׁשיַע‬genannt (Ri 3,9.15). Die klassische Stelle der theologischen Verwendung ist Ex 14,13, wo im Zusammenhang des Sieges über die Ägypter am Schilfmeer von der „Rettung durch Jahwe“ (‫עת ְיהָוה‬ mַּ ‫ ;ְיׁשו‬LXX: τη` ν σωτηρι' α τη` ν παρα` τουñ θεουñ ) die Rede ist. In den Psalmen kommt die hebr. Wurzel 136 Mal vor. Der Israelit bittet Gott in konkreten Situationen um Hilfe, eine Bitte, die oft vom Ruf „hilf!“ (‫ה ֹוִׁשיָעה‬, ‫ )ה ֹוִׁשיָעה ָּנא‬begleitet wird. Der Beter erwartet in seiner Notlage eine Antwort von Gott im Sinn von Gottes Eingreifen und Rettung aus der Not. Die erwartete Rettung wird an einigen Stellen mit den Begriffen der Theophanie beschrieben: Gott möge sein „Angesicht scheinen“ lassen (vgl. Ps 31,17; 44,4; 80,4.8.20). Was in den Klagepsalmen eine Bitte ist, wird in den Dankpsalmen als Erfahrung formuliert (vgl. Ps 18,4; 98,1). Das Substantiv findet sich vor allem in diesem Kontext: Gott offenbart sich als derjenige, der Rettung bringt (Ps 12,6). Wenn Israeliten ihr Vertrauen auf Jahwe bekennen, wird Gott oft als „Gott meiner Hilfe/meines Heils“ oder „Gott unserer Hilfe/unseres Heils“ (‫ֱאל ֹוֵהי ִיְׁשֵענּו‬, ‫ )ֱאל ֹוֵהי ִיְׁשִעי‬bezeichnet (Ps 18,47; 25,5; 65,6 u.a.). Die Substantive ‫[ ְ ּתׁשו ָּעה‬teschū‘āh[ und ‫[ ְיׁשו ַּע‬jeschū‘a] beschreiben oft die Erfahrung der Hilfe bzw. Rettung durch Gott in der Vergangenheit und sind häufig mit Ausdrücken der Freude (‫ ) ִּגיל‬verbunden (Ps 9,15; 13,6; 21,2). Parallelausdrücke zeigen, welcher Inhalt mit der Hilfe Gottes verbunden war: Rechtschaffenheit (‫ ְצָדָקה‬, Jes 46,8; 46,13), Kraft (‫ֹעז‬, Ps 21,2; 28,8), Gerechtigkeit (‫פט‬ ָּ ‫ִמְׁש‬, Jes 59,1), Segen (‫ ְבָּרָכה‬, Ps 3,9), Gnade (‫ֶח ֶסד‬, Ps 119,41), Licht (‫א ֹור‬, Ps 27,1). Gott ist der, der „Heilstaten (‫וע ֹות‬ ּ ‫ )ְיׁש‬vollbringt auf der Erde“ (Ps 74,12). Gottes heilschaffendes Handeln für sein Volk ereignet sich nicht nur in der Geschichte Israels, sondern im Kultus: Jahwe schafft auf Zion Heil (‫ּעה‬º‫)ְיׁשו‬ für Israel (Ps 14,7). Da die Opfer Heil bringen, gilt der Tempel als Zentrum der Erde. Die Propheten Jesaja und Jeremia betonen, dass es nur Jahwe ist, der Rettung bringen kann.174 Diese Überzeugung ist an vielen Stellen im zeitgenössischen Kontext im politischen Sinn zu verstehen. Wir finden jedoch dieselbe Überzeugung in Verbindung mit dem eschatologischapokalyptischen Heil, das Jahwe gewähren wird (Jes 25,9; 33,22; 35,4; 60,16; 63,1; Sach 8,7.13; 9,16 u.a.). In nachexilischer Zeit wird der Begriff „Heil“ meist mit dem eschatologischen Handeln Gottes verbunden. Man betonte zunehmend, dass dieses Heil nur den Gerechten gegeben wird. Da die historische Erfahrung Israels immer wieder die Ungerechtigkeit Israels demonstriert hatte, wurde die Heilserwartung (nur in manchen Gruppen?) auf jene Israeliten bzw. Juden beschränkt, die sich der göttlichen Erwählung in ihrer Gerechtigkeit würdig erwiesen. So ————————————————————

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Firmicius Maternus, De errore profanarum religionum 22,1 (4. Jh. n.Chr.), zitiert von MM s.v. σωτη' ρ; Schelkle, EWNT III, 785. HAL s.v. ‫יׁשע‬, 427-428; F. Stolz, THAT I, 785-790; J.F. Sawyer/H.-J. Fabry, Art. ‫יׁשע‬, ThWAT III, 1035-1059. J.F. Sawyer, ThWAT III, 1040. Jes 45,17.20.22; 43,3.11; 45,15.21; Jer 2,27-28; 8,20; 11,12; 15,20; 17,14.

Proömium: Dank, Fürbitte, Thema 1,8-17 171 ———————————————————————————————————— wird in der Henochapokaypse darauf verwiesen, dass nur die Gerechten errettet werden: „Der Segen Henochs, mit dem er die Auserwählten und die Gerechten gesegnet hat, die am Tag der Drangsal, zur Zeit der Entfernung aller Gottlosen, anwesend sein würden“ (1Hen 1,1; vgl. 1,8; 99,10). Alle Sünder, auch die Sünder Israels, werden im Endgericht vom Heil ausgeschlossen sein (1Hen 5,6; 98,10,14; 99,1; 108,1; 4Esr 7,60; 9,15). Heil ist auch in Qumran ein eschatologischer Begriff.175 Die „Zeit des Heils“ (‫ )עת ישועה‬für das Gottesvolk ist die Zeit der Herrschaft der Männer des Loses Gottes (1QM I, 5); sie bricht an, wenn Gott Belial vernichtet (1QM I, 4-5): „Das Königtum kommt Gott zu, und seinem Volk das Heil. Gottes Bund ist Frieden für Israel für alle Zeit“ (1QMa 11 ii 17-18). Im Psalmenkommentar wird Ps 37,39-40 („die Hilfe [‫ ]תשועה‬der Gerechten kommt von Jahwe … er hilft ihnen [‫ )“]ישע‬im Hinblick auf die Gemeinde ausgelegt: Gott hilft (‫ )ישע‬denen, die ihm vertrauen, und errettet (‫ )נצל‬sie „aus der Hand der Gottlosen“ (4QpPsa 3-10 iv 19-21). Die Glieder der Gemeinde halten in der gegenwärtigen Zeit der Bedrängnis durch bis zur Zeit des Gerichtes Gottes und erwarten Gottes Rettung (1QH VI, 15-16) an dem Tag, an dem sie „sein Heil schauen“ (‫ ;ראו בישועתו‬CD XX, 34). Das Wort σωτηρι' α bezieht sich bei Paulus normalerweise immer auf die Beziehung zwischen Gott und Menschen sowie auf die Rettung im Endgericht (Röm 1,16; 10,10; 2Kor 7,10; Phil 1,28; 1Thess 5,8). Heil bedeutet einerseits Errettung vor dem kommenden Zorn Gottes (Röm 5,9; 1Kor 3,15; 5,5; 1Thess 1,10; 5,9), andererseits den Empfang der göttlichen Herrlichkeit (Röm 8,18-30; 2Thess 2,13.14). An einigen Stellen ist „Heil“ auf die gegenwärtige Zeit bezogen (2Kor 6,2; 7,10; Phil 2,12-13). Paulus teilt die Voraussetzungen der jüdischen Heilserwartung. Für Paulus ist es immer Gott, und Gott allein, der Heil gibt. Gott, der in der Vergangenheit zugunsten Israels gehandelt hat, hat jetzt im Tod und in der Auferweckung Jesu zugunsten aller Menschen, tatsächlich zugunsten der gesamten Schöpfung gehandelt. Paulus teilt auch die jüdische Vorstellung, dass nur die Gerechten Gottes Heil erhalten. Es ist jedoch genau an diesem Punkt, dass Paulus mit der traditionellen jüdischen Heilserwartung bricht: Das Heil besteht in der Gerechtigkeit, die Gott den Menschen schenkt, die an Jesus Christus glauben – sowohl Juden als auch Griechen.

Im Kontext des Hinweises auf Gottes Gerechtigkeit (V. 17) und Gottes Zorn (V. 18) bezeichnet „Heil“ die Rettung im Endgericht, d.h. den Freispruch durch Gott, die Bewahrung vor dem verdammenden Zorn Gottes.176 Die Wendung für jeden, der glaubt (παντι` τω ñ, πιστευ' οντι)177 beschreibt die Empfänger des göttlichen Heils: Alle Menschen, die glauben, werden im Endgericht gerettet. Im Zusammenhang von V. 1 ist der Glaube auf das Evangelium Gottes bezogen, im Zusammenhang von V. 3-4 auf Jesus als den messianischen Davidssohn, den (gekreuzigten und) erhöhten Gottessohn und Kyrios. Die Rettung im Endgericht wird denen zuteil, die das ————————————————————

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Vgl. E. Ballhorn, ThWQ II, 309-318. Die profane und juristische Bedeutung kommt auch in einigen Qumrantexten vor. Für die Bedeutung „Rettung vor einer gerichtlichen Verurteilung“ vgl. Xenophon, Hist. 5,4,26; Andocides, Myst. 31; vgl. Foerster, ThWNT VII, 967; Calhoun, Gospel, 150-151; vgl. Lietzmann 30; Cranfield I 89; Hultgren 74; Lohse 77; anders Wolter I 116, der eine inhaltliche Spezifizierung ablehnt (und dabei den Kontext außer Acht lässt). BDR §413.2: nach παñ ς „jeder“ steht oft ein substantiviertes Partizip (mit Artikel), das einem Relativsatz entspricht.

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Evangelium hören und dem im Evangelium gegenwärtigen Wort Gottes glaubend vertrauen. Die Formulierung mit dem Ptz. Präsens unterstreicht den durativen Aspekt der ständigen Grundhaltung des Glaubens.178 Wer Jesus als den gekreuzigten und auferstandenen Kyrios bekennt und als Messias Israels anerkennt, und wer glaubt, dass Gott ihn von den Toten auferweckt hat, wird gerettet (10,9-10). Das Heil hängt nicht mehr nur an dem Glauben an den einen wahren Gott, der in Israel angebetet wird, sondern jetzt auch an dem Glauben an Gott, der seine Verheißungen in und durch Jesus erfüllt, den messianischen Davidssohn und den gekreuzigten und auferstandenen Gottessohn und Kyrios. Dies gilt für „jeden“, d.h. für alle Menschen, ohne Ausnahme.179 Deshalb richtet sich die Verkündigung des Evangeliums nicht nur an Heiden, sondern auch an Juden. Die Formulierung im Singular wird auf dem Hintergrund der atl. Verbindung von Glaube und Rettung mit der Frömmigkeit des einzelnen Israeliten verständlich und ist wahrscheinlich auch mit den Heilungswundern Jesu verbunden, in denen der Geheilte an Jesus glaubt (Mk 5,34 par Mt 9,22/Lk 8,48).180 Wer der Verkündigung des Evangeliums nicht glaubt, „hält sie nicht für eine ‚Macht Gottes zum Heil‘, und darum wirkt sie sich für ihn auch nicht als eine solche aus. Man darf der assertorischen Aussage von Röm 1,16b eine konditionale und einschränkende Konnotation darum nicht absprechen“.181 Gleichwohl ist zu beachten: Der Glaube „ist weder als eine zuvor geforderte Bedingung oder Voraussetzung noch eine zu erbringende eigene Tat verstanden, sondern ausschließlich als vertrauende Antwort begriffen, die sich der δυ' ναμις θεουñ öffnet und sich auf den Zuspruch des Evangeliums verläßt“.182 Der Satz für den Juden zuerst und auch für den Griechen konkretisiert die universelle Aussage der vorausgehenden Wendung. Wie Griechen (« Ελληνες) und Barbaren (βα' ρβαροι) in V. 14, so sind hier Juden ( � Ιουδαι'οι) und Griechen ( « Ελληνες) miteinander verknüpft. Die Juden sind die Nachkommen Abrahams (4,1), die Angehörigen des erwählten Volkes Israel (9,4). Die Griechen, hier an die zweite Stelle gesetzt, sind als Vertreter der Nichtjuden genannt. Die Wendung „Juden und Griechen“ kann als Totali————————————————————

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Haacker 42: „die perseverantia ist bei Paulus (ebenso wie die Praxis der Liebe, vgl. Gal 5,6) ein Merkmal des Glaubens, dem die Zusage des Heils gilt (vgl. Röm. 4,18-21).“ Haacker 42: die Wendung „für jeden, der glaubt“ ist „primär einladend und inklusiv gemeint und nicht als Vorbehalt“. Vgl. auch Mk 10,52 par Lk 18,42; Lk 7,50; 17,19; s. Haacker 42; Haacker, Art. Glaube II. Altes und Neues Testament, TRE XIII, 286.293. Wolter I 117. Lohse 77. Vgl. Légasse 95, der den Glauben als notwendige Antwort betont: „Le salut, tout en reposant sur l’initiative gracieuse de Dieu, n’en est pas moins conditionné par la réponse humaine sans laquelle il ne saurait être ni espéré ni accompli“.

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tätsformel bezeichnet werden: Paulus spricht von der ganzen Menschheit.183 Alle Menschen, Juden und Nichtjuden, erfahren die Macht Gottes, die im Endgericht rettet, wenn sie auf Gottes Heilszuspruch in Jesus Christus vertrauen. Das Evangelium hebt den gesellschaftlichen Unterschied zwischen Griechen und Barbaren auf und es setzt den ethnischen Unterschied zwischen Juden und Nichtjuden außer Kraft. Weil Gott den Menschen das Heil ohne das Gesetz zuteilwerden lässt (3,21), ist die „Bindung der Heilsteilhabe an Israel als dem Volk der Erwählung“ aufgehoben.184 Juden erfahren Heil, wenn sie an Gottes Heilsoffenbarung in Jesus Christus glauben. Griechen wird Heil zuteil, wenn sie an Gottes Heilsoffenbarung in Jesus, dem auferstandenen Messias Israels, glauben, ohne dass sie Juden werden müssen. Da es nur einen Gott gibt (3,30), der sich im Kreuzestod des Messias Jesus zur Erlösung von Sünde und Gericht geoffenbart hat (3,24-26), gibt es keinen Unterschied (διαστολη' ) zwischen den sündigenden Menschen (3,22) und deshalb auch keinen Unterschied (διαστολη' ) zwischen Juden und Griechen im Blick auf die Errettung im Gericht (10,12). Deshalb schreibt Paulus in 10,9: „Denn wenn du mit deinem Mund Jesus als Herrn bekennst und in deinem Herzen glaubst, dass Gott ihn von den Toten auferweckt hat, wirst du gerettet werden“. Die fundamentale Gleichheit von Juden und Griechen angesichts des Gerichtes Gottes und damit angesichts des Evangeliums zeigt sich in der Reaktion beider Gruppen auf die Verkündigung des Evangeliums von Jesus als dem gekreuzigten und auferstandenen Messias und Kyrios: Für die Juden ist diese Botschaft ein empörendes Ärgernis, für die Griechen ist sie Unsinn (1Kor 1,23-24). Juden und Griechen sind wie in V. 14 Griechen und Barbaren einerseits eng miteinander verknüpft (τε … και'). Diese Gleichstellung bedeutet jedoch nicht, dass Paulus Juden und Griechen miteinander identifiziert: Der fortbestehende Vorrang der Juden wird mit dem Wort „zuerst“ (πρω ñ τον) angezeigt. Dieser „Vorsprung“ wird von Paulus in 9,4-5 näher beschrieben: Die Juden gehören zum Volk Israel, das Gottes erwählter Sohn ist; sie haben die Gegenwart der Herrlichkeit Gottes in ihrer Mitte erfahren; sie sind Nachkommen der Väter, mit denen Gott wiederholt einen Bund geschlossen hat; sie haben von Gott sein Gesetz erhalten; sie beten den einen wahren Gott an; sie haben Gottes Verheißungen erhalten. Andere Aussagen des Apostels Paulus über den Status Israels machen deutlich, dass πρω ñ τον nicht ein Vorrecht der Juden im Sinn einer Bevorzugung impliziert, sondern den Vorrang ————————————————————

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Heckel, Heiden, 273, mit Hinweis auf Dabelstein, Heiden, 15. Wilckens I 85; Wolter I 118: Die Heilswirkung des Evangeliums von Jesus Christus macht den Unterschied zwischen Juden und Nichtjuden „theologisch bedeutungslos“.

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der göttlichen Heilszusagen für die Juden meint (3,1.9.22-23; 9,6; 10,12). Paulus spricht von einer Vorrangstellung in der Kontinuität von Gottes Heilsplan. O. Michel schreibt: „Sachlich bedeutet dieser Vorsprung, daß das Evangelium dem Heidentum immer über das Judentum zugängig werden wird. Wenn Jesus sich zunächst an Israel gesandt weiß, wenn Paulus über die Synagoge an das Heidentum herantritt, so liegt in diesem Weg des Evangeliums nicht nur ein zeitlicher Vorsprung Israels, sondern eine heilsgeschichtliche Notwendigkeit“.185 Dieses paradoxe Bestehen auf der grundsätzlichen Gleichheit von Juden und Heiden einerseits und auf der heilsgeschichtlichen Priorität Israels andererseits wird in Röm 9–11 behandelt. 17 Der verkürzt formulierte Beweis für die zweite Definition des Evangeliums (V. 16) benennt im ersten Präpositionalsatz den Grund bzw. das Mittel der Macht Gottes, die alle an Jesus als Messias und Kyrios glaubenden Menschen rettet und im Evangelium und seiner Verkündigung zur Wirkung kommt:186 Gottes Gerechtigkeit wird in ihm offenbart. Im Evangelium wird die Gerechtigkeit Gottes offenbart, d.h. die Rettung durch den Glauben an das Evangelium von Jesus Christus (V. 3-4) ist eine Wirkung der Gerechtigkeit Gottes. Das Substantiv δικαιοσυ' νη kommt 91 Mal im Neuen Testament vor: 57 Mal bei Paulus, davon 33 Mal im Römerbrief.187 Alle 27 Vorkommen des Verbs δικαιο' ω [dikaioō] finden wir bei Paulus, 15 im Römerbrief.188 Paulus verwendet den Wortstamm, um ein Grundanliegen seiner Theologie zum Ausdruck zu bringen. Das Grundwort der Wortgruppe δικist δι' κη mit der ursprünglichen Bedeutung „Brauch, was gebräuchlich ist“.189 Für Solon (600 v.Chr.) war δι' κη das göttliche Gesetz des Universums sowie des gesellschaftlichen Lebens, die wahre Norm menschlichen Verhaltens („Gerechtigkeit, Recht“). Später war die juristische Bedeutungsnuance vorherrschend: Das Wort beschreibt das Urteil, den Prozess, ————————————————————

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Michel 88; vgl. Käsemann 21 (der von „Vorrang“ spricht und die Rede von „Vorsprung“ abschwächend findet); Wilckens I 86; Lohse 77. Haacker 42 spricht von einem Vorrang, der „keine Bevorzugung, sondern eine größere Unmittelbarkeit zu Gott in Gericht und Gnade meint (vgl. Amos 3,2). Der ‚Überschuß‘ des Juden ist eine Einheit von Gabe und Aufgabe; Israel trägt eine Verantwortung für die ihm anvertraute Offenbarung“. Wolter I 118 spricht von einer besonderen Affinität der Juden zu dem Heil, das aus dem Evangelium von Jesus Christus kommt. ε� ν αυ� τω ñ, V. 17 bezieht sich auf το` ευ� αγγε' λιον V. 16: δικαιοσυ' νη γα` ρ θεουñ ε� ν ευ� αγγελι' ω, α� ποκαλυ' πτεται. δικαιοσυ' νη: Röm 1,17; 3,5.21.22.25.26; 4,3.5.6.9.11(2x).13.22; 5,17.21; 6,13.16.18.19. 20; 8,10; 9,30(3x).31; 10,3(3x).4.5.6.10; 14,17. δικαιο' ω: Röm 2,13; 3,4.20.24.26.28.30; 4,2.5; 5,1.9; 6,7; 8,30(2x).33. Vgl. G. Quell / G. Schenk, Art. δι' κη κτλ., ThWNT II, 176-229; K. Kertelge, Art. δικαιοσυ' νη, EWNT I, 784-796; idem, Art. δικαιο' ω, EWNT I, 796-807; K. Grünwaldt, Art. δικαιοσυ' νη, ThBLNT II, 729-739; C. Spicq, Art. δι' καιος κτλ., TLNT I, 318-347; A. Dihle, Art. Gerechtigkeit, RAC X, 233-360; Seifrid, Righteousness Language; Irons, Righteousness, 61-262, sowie die in Anm. 203 genannte Literatur.

Proömium: Dank, Fürbitte, Thema 1,8-17 175 ———————————————————————————————————— die Strafe. Das Adjektiv δι' καιος beschreibt die Person, deren Verhalten δι' κη entspricht: „dem Brauch folgend, der Pflicht nachkommend, gerecht, rechtschaffen“. δι' καιος steht oft in einem ethischen Kontext und bezieht sich auf die Erfüllung gesellschaftlich bzw. sozialer, d.h. zwischenmenschlicher Verpflichtungen. Das Substantiv δικαιοσυ' νη bezeichnet die Qualität des δι' καιος-Seins, beschreibt also die Tugend (α� ρετη' ) des ehrlichen, gesetzestreuen Bürgers der seinen Pflichten treu nachkommt. δικαιοσυ' νη war somit neben Weisheit, Mäßigkeit und Mut eine der vier Kardinaltugenden. Manchmal wird δικαιοσυ' νη auch als Gesamtbegriff für alle Tugenden gebraucht. Schließlich bezeichnet δικαιοσυ' νη die den Richter angehende Gerechtigkeit; in diesem Kontext ist δικαιοσυ' νη die Rechtsprechung des Unschuldigen und die Verurteilung des Schuldigen (iustitia distributiva). Das Verb δικαιο' ω, verbunden mit einem Personalobjekt, bedeutet „gerecht behandeln“, vor allem im Zusammenhang mit dem Urteilen bzw. Verurteilen (und Bestrafen) in einer Verhandlung vor Gericht. Was den biblischen Gebrauch betrifft, wurde die Bedeutungsbreite der δικWortgruppe sehr stark durch den Sprachgebrauch der LXX verändert, wo die δικ-Wortgruppe als Übersetzung für den ‫צדק‬-Stamm gebraucht wird. Im AT bezeichnen ‫[( ְצָדָקה‬zedāqāh], „Gerechtigkeit“) und ‫[( ַצִּדיק‬zadīq], „gerecht“)190 eine Bandbreite von Normen und Beziehungen, die nicht auf einen einzigen Grundbegriff (wie „covenant faithfulness“ oder „Gemeinschaftstreue“) reduziert werden können. 191 Manche Forscher interpretieren ‫ ְצָדָקה‬im Sinn der Beziehung zu Gott bzw. zu den Mitmenschen als Geschenk und die Gerechtigkeit Gottes als praktisch synonym mit seinem Rettungshandeln (H. Cremer, G. von Rad, H. Koch). Andere beschreiben ‫ ְצָדָקה‬als Verhalten, das mit einem Standard bzw. einer Norm übereinstimmt, ohne die Stellen zu übersehen, in der Rettung oder Heil das Resultat des Verhaltens ist (J. Scharbert, H.H. Schmidt, B. Johnson, M. Seifrid). Mit ‫ ְצָדָקה‬und ‫ ַצִּדיק‬werden rechtliche, legislative und exekutive Vorstellungen beschrieben. Manche Stellen setzen ‫ ְצָדָקה‬zu ‫’[ ֱאמו ָּנה‬æmūnāh] und ‫’[ ֱאֶמת‬æmät] parallel (s. oben V. 5 zu „Glaube“), als Bezeichnung der geordneten Beziehungen mit der geschaffenen Welt (Ps 85,11-12), der Beziehung von Gott und Menschen (Ps 40,11; 96,13; 143,1; Neh 9,33; Jes 48,1; Jer 4,22; Hos 2,21-22), zwischen David und Gott (1Kön 3,6), zwischen dem König und dem Volk (Jes 11,5) und allgemein zwischen Menschen (1Sam 26,23; Spr 12,17; Jes 1,26; 26,2; 59,4). In diesen Stellen beschreibt ‫ צדק‬wie ‫ אמת‬Handlungen, die den positiven Erwartungen der Umgebung entsprechen: Die Handlungen gerechter Menschen zeigen, dass sie zuverlässig sind. Mehrere Stellen sprechen von der ‫ ְצָדָקה‬Gottes oder des Königs, oft im Zusammenhang mit dem Wort ‫[ ָׁשל ֹום‬schālōm] zur Beschreibung von wohlgeordneten, günstigen Gegebenheiten (Ps 35,27; 72,3; 85,11; Jes 48,18; 60,17). Andere Stellen verbinden ‫ צדק‬mit ‫יׁשע‬: Gottes heilschaffende Intervention ist Ausdruck seiner Gerechtigkeit (Ps 65,6; 71,2; 98,2; 116,5-6; 118,15; 119,123; Jes 45,8; 51,5-6; 61,10; 63,1); die beiden Vokabeln werden zusammen auch für den König (Sach 9,9) und für Jerusalem (Jes 62,1) verwendet. In Ps 24,4-5 stehen Gerechtigkeit und Segen parallel, Jes 59,16 Gerechtigkeit und Arm Gottes, Jes 49,24 Gerechtigkeit und Stärke, Ps 98,1-2 Gerechtigkeit und Heil, an ————————————————————

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Vgl. H. Ringgren / B. Johnson, Art. ‫ ָצַדק‬, ThWAT VI, 898-924; K. Koch, THAT II, 507530; J. Scharbert, Art. Gerechtigkeit I. Altes Testament, TRE XII, 404-441; Schmidt, Gerechtigkeit; Ziesler, Righteousness, 17-127; Seifrid, Righteousness Language; Irons, Righteousness, 108-193. Die Wurzel ‫ צדק‬kommt 523 Mal im AT vor. Seifrid, Righteousness Language, 318, contra Cremer, Rechtfertigungslehre, 34-36 (s. ebd. 33: „Im ganzen Alten Testament ist und bleibt die Gerechtigkeit Gottes justitia salutifera, weil sie ihrem Wesen nach justitia justificatoria ist“). Zur Kritik Irons, Righteousness, passim. Oft werden falsche Alternativen aufgestellt: Das Kriterium der Gerechtigkeit ist „nicht die Übereinstimmung mit einer gesetzten Norm, sondern die Angemessenheit des Verhaltens innerhalb einer bestehenden Gemeinschaft“ (Wolter I 122).

176 Römerbrief ———————————————————————————————————— mehreren Stellen Gerechtigkeit und Herrlichkeit bzw. Ehre (Ps 97,6; 112,9; Spr 8,18; Jes 58,8; 62,2). An mehreren Stellen bezieht sich ‫ צדק‬auf rettendes Handeln, in dem Recht gesprochen wird (Ps 71,2; 72,2; 82,3-4; Spr 31,9; Jer 20,12). Der häufigste Parallelbegriff (über 80 Mal) zu ‫ ְצָדָקה‬ist ‫פט‬ ָּ ‫[ ִמְׁש‬mischpāth] als Wort für die etablierte Ordnung: Gottes „Urteile“ (oder Gesetze, Gebote, Rechte) sind gerecht (Ps 19,10); die beiden Wörter scheinen manchmal Synonyme zu sein (Jes 1,21; 16,5). Gott, der König und der einzelne Israelit üben „Recht und Gerechtigkeit“ (2Sam 8,15; 1Kön 10,9; Jer 9,23; Hes 18,5; vgl. Gen 18,19; Deut 33,21; Jes 58,2). Jahwe erwartet „Recht und Gerechtigkeit“ (Jes 5,7): Er ist im „Gericht“ erhaben und erweist sich durch seine „Gerechtigkeit“ als heilig (Jes 5,16). Er liebt Recht und Gerechtigkeit (Ps 33,5). Zion und alle Bußfertigen werden durch Recht und Gerechtigkeit gerettet (Jes 1,27). Das Wort ‫פט‬ ָּ ‫ ִמְׁש‬beschreibt oft das Resultat oder die praktischen Konsequenzen der Gerechtigkeit (Deut 32,4; Hi 34,17; Ps 119,137). In Ps 119,40.138.142.144.172 werden mehrere Ausdrücke für das Gesetz mit „Gerechtigkeit“ verbunden; andere Stellen verbinden Gerechtigkeit mit Gnade, Barmherzigkeit und Mitleid (Ps 111,3-4; 112,4; 116,5; Hos 2,21). Die ‫ ְצָדָקה‬Jahwes wird als zuverlässig, treu, stabil beschrieben (Ps 36,7; 71,19; 111,3; 119,142; Jes 51,6.8). ‫ ְצָדָקה‬bezieht sich auf die wohltätige Intervention Gottes in der Geschichte Israels und für das Volk (Deut 6,25; 24,13; 1Sam 12,7; Ps 103,6; Jes 45,23; 46,13; 51,6). Nach Ps 98,2 wird die ‫ ְצָדָקה‬Jahwes den Nationen offenbart: „Der Herr hat kundgetan sein Heil, vor den Augen der Völker geoffenbart seine Gerechtigkeit (‫“)ה ֹו ִדיַע ְיהָוה ְיׁשו ָּעת ֹו ְלֵעיֵני ַהג ֹוִּים ִג ָּּלה ִצ ְדָקת ֹו‬. Im Kontext des Bundes bezeichnet ‫ ְצָדָקה‬die Treue Gottes zu seinem mit Israel geschlossenen Bund (vgl. Ps 111,3.5.9). Die der ‫ ְצָדָקה‬Jahwes gemäße Reaktion der Menschen ist das Bekenntnis und das Rühmen der Gerechtigkeit Gottes (Ri 5,11; Ps 22,32; 40,11; 51,16; 71;15-17; 88,13; 145,7; Mich 6,5; 7,9). Gottes Heil schaffendes Eingreifen wird zur ‫ ְצָדָקה‬der Menschen, die ‫ ְצָדָקה‬empfangen (Jer 51,10). Die ‫ ְצָדָקה‬, die Menschen tun, kommt am Ende zu ihnen zurück (Hes 3; 18; 33). Nach Gen 15,6 machte Gott Abraham Verheißungen; Abraham glaubte, was Gott ihm als ‫ ְצָדָקה‬zurechnete. Der von Jesaja beschriebene Gottesknecht wird die Vielen gerecht machen (‫)ַי ְצִּדיק ַצִּדיק ַעְבִּדי‬ indem er ihre Schuld auf sich lädt (Jes 53,11). Die LXX übersetzt den ‫צדק‬-Wortstamm meistens mit δικαιο' ω, δικαιοσυ' νη und δι' καιος, verwendet manchmal jedoch auch andere griechische Vokabeln. Nach Muraoka 192 kommt δικαιοσυ' νη in sechs Zusammenhängen vor: 1. Konformität mit den Geboten der Religion Israels, die das Verhalten des Einzelnen charakterisieren soll (Gen 15,6; Hos 10,12); 2. Aufrichtigkeit und Gerechtigkeit als Attribut Gottes (Mal 2,17); 3. göttliches Recht, das sich in Gottes Heilstaten manifestiert (Ex 34,7; Hos 2,19); 4. rechtes Verhalten (Gen 20,13); 5. Fairness und Konformität mit moralischen und ethischen Geboten (Lev 19,15); 6. berechtigter Anspruch (Neh 2,20). Für das Verb δικαιο' ω unterscheidet er 1. als gerecht erklären: rechtfertigen, freisprechen (Ex 23,7); urteilen, dass sich jemand korrekt verhalten hat (Sir 18,22); als gerecht und korrekt betrachten (PsSal 4,8); in tadellosem Zustand halten (Ps 72,13); 2. sich als Richter der Sache einer Person annehmen (2Kön 15,4; Ps 81,3); 3. vor Gericht verhandeln und ein Urteil sprechen (Hes 21,13). Die Qumrangemeinde war überzeugt, die einzige Bundesgemeinschaft in Israel zu sein, in der das Heil von Gottes Gerechtigkeit wirksam ist. Der Bereich außerhalb Qumrans war eine Welt von Abfall. Die Glieder der Qumrangemeinde waren sich zwar bewusst, dass auch sie Sünder waren (1QS XI, 9-10). Sie glaubten jedoch, durch ihren Eintritt in die Gemeinde gerecht geworden zu sein (1QH XV, 19-20: „[Denn in] deiner Gerechtigkeit hast du mich hingestellt für deinen Bund, und ich stütze mich auf deine Wahrheit“ (‫בצדקתכה העמדתני‬ ‫ ;לבריתכה ואתמוכה באמתכה‬Sukenik col. VII). In der Gemeinderegel heißt es: „durch seine Gerechtigkeit wird meine Sünde getilgt (‫ … )בצדקותו ימח פשעי‬aus dem Quell seiner Gerech————————————————————

192

Vgl. Muraoka s.v. δικαιοσυ' νη, δικαιο' ω; vgl. Irons, Righteousness, 68-75.

Proömium: Dank, Fürbitte, Thema 1,8-17 177 ———————————————————————————————————— tigkeit (‫ )ממקור צדקתו‬kommt mein Recht, Licht ist in meinem Herzen aus seinen wunderbaren Geheimnissen … Ich aber, wenn ich wanke, so sind Gottes Gnadenerweise (‫)חסדי אל‬ meine Hilfe auf ewig. Und wenn ich strauchle durch die Bosheit des Fleisches, so besteht meine Gerechtigkeit (‫ )משפטי‬durch die Gerechtigkeit Gottes (‫ )בצדקת אל‬in Ewigkeit … und durch seine Gnadenerweise (‫ )ובחסדיו‬kommt meine Gerechtigkeit (‫)משפטי‬. Durch die Gerechtigkeit seiner Wahrheit (‫ )בצדקת אמתו‬hat er mich gerichtet, und durch den Reichtum seiner Güte sühnt er alle meine Sünde, und durch seine Gerechtigkeit (‫ )בצדקתו‬reinigt er mich von aller Unreinheit“ (1QS XI, 3.5.12.13-14; Übersetzung E. Lohse). Die Gerechtigkeit kommt nicht durch das Tun des Gesetzes, sondern ist Gabe Gottes. Für den Sünder, der zur Gemeinde gehört, steht die Gerechtigkeit fest, weil sie für alle Zeit von Gott festgelegt wurde193 und am Ende der Zeit durch Gottes Taten der Gerechtigkeit zugesprochen werden wird.194 Auffällig ist das konsequent forensische Verständnis von Gerechtigkeit als Vergebung von Sünden und die Betonung des Einzelnen, der sündigt, sich von Gott Gerechtigkeit erhofft und diesem für das Geschenk der Gerechtigkeit dankt.195 In den wahrscheinlich aus pharisäischen Kreisen stammenden Psalmen Salomos wird Gottes Gerechtigkeit einseitig auf Gottes Gerichtshandeln an den Ungerechten konzentriert. Gottes Gerichte sind gerecht (δι' καιος), in Gottes Gericht manifestiert sich seine Gerechtigkeit (δικαιοσυ' νη): „Gott ist ein gerechter Richter und sieht die Person nicht an … Und seht nun, ihr Mächtigen der Erde, das Gericht Gottes, denn er ist ein großer und gerechter König, der die Erde richtet“ (PsSal 2,18.32).196 Das gerechte Gericht Gottes trifft die Sünder, die aufgrund ihres sündigen Verhaltens gerichtet werden (PsSal 2,16; 17,8-10), während die „Gerechten“ von Gott zurechtgewiesen und auf den Weg der Erneuerung gebracht werden. Auch wenn die Vorstellung einer rettenden Gerechtigkeit sprachlich fehlt, der Gedanke ist vorhanden: Der Sünder, der sich seines Fehlverhaltens durchaus bewusst ist (PsSal 9,1-2), anerkennt die Gerechtigkeit des Gerichts Gottes (9,2-7); er erinnert sich an Gottes Heilstaten (9,9-10) und bittet um Gottes Barmherzigkeit (9,8.11); dabei beruft er sich nicht auf seine Werke, sondern auf Gottes Güte und Barmherzigkeit, die Erwählung Israels und den Bund mit Abraham (9,8-11).197 Paulus spricht häufig von „Gerechtigkeit“ (δικαιοσυ' νη)198 und von „rechtfertigen, für gerecht erklären“ (δικαιο' ω).199 Das Verb hat bei Paulus immer eine forensische Bedeutung, auch und gerade an Stellen, in denen es um die Heilsoffenbarung Gottes in und durch Jesus Christus geht.200 Das Verb δικαιο' ω, das auch „jemand sein Recht verschaffen“ bedeuten kann (2Kön 15,4; Ps 81,3; Jes 53,11), bedeutet bei Paulus fast immer „für gerecht erklären, rechtfertigen im Sinn von „ein günstiges Urteil fällen“, „freisprechen“. In Bauer / Aland s.v. ————————————————————

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Becker, Heil Gottes, 116-117; vgl. ebd. 118: „So ist auch sie [die Gerechtigkeit] auf das Gesetz hin ausgerichtet, selbst wenn sie nicht durch das Gesetz erworben wird“. J.H. Charlesworth, Art. Righteousness, EDSS II, 781-782, mit Verweis auf 1QHa V, 3436; XIV, 4-35; XIX, 4-14; 1Q27 I 6. Vgl. Betz, Rechtfertigung in Qumran, 20-25. Vgl. Bockmuehl, 1QS and Salvation, 398; jetzt Irons, Righteousness, 196-207. S. weiter PsSal 4,24; 5,1; 9,5; 10,5; 17,29; 18,7. Vgl. Sanders, Paul and Palestinian Judaism, 407; Seifrid, Justification, 119; Irons, Righteousness, 222-225. Falk, Prayers and Psalms, 41-42. Neben den oben genannten Stellen im Römerbrief vgl. 1Kor 1,30; 2Kor 3,9; 5,21; 6,7.14; 9,9.10; 11,15; Gal 2,21; 3,6.21; 5,5; Eph 4,24; 5,9; 6,14; Phil 1,11; 3,6.9; 1Tim 6,11; 2Tim 2,22; 3,16; 4,8; Tit 3,5. Neben den Belegen im Römerbrief (s. oben) vgl. 1Kor 4,4; 6,11; Gal 2,16.17; 3,8.11.24; 5,4; 1Tim 3,16; Tit 3,7. Vgl. K. Kertelge, Art. δικαιο' ω, EWNT I, 799-803; zur forensischen Bedeutung von δικαιο' ω s. Cranfield I 95; Bird, Saving Righteousness, 17-18.

178 Römerbrief ———————————————————————————————————— δικαιο' ω finden wir unter 2 die Übersetzungsmöglichkeiten „rechtfertigen, als gerecht hinstellen, für gerecht erklären, als gerecht behandeln“; unter 3 erhalten wir die Auskunft, dass Paulus das Wort „fast ausschließl[ich] v[om] Urteil Gottes“ verwendet: 3a „v[on] Menschen δικαιουñ σθαι im göttl. Urteil e[inen] Freispruch erlangen … u. dadurch z. δι' καιος werden, das göttl. Geschenk der δικαιοσυ' νη erhalten“ (Röm 2,13; 3,20.24.28; 4,2; 5,1.9; 1Kor 4,4; Gal 2,16-17); 3b „v. Gottes Tätigkeit“ (Röm 3,26.30; 4,5; 8,30.33; Gal 3,8).201 In Röm 3,4 setzt Paulus mit dem Zitat von Ps 116,11 den Rechtsstreit zwischen Gott und Mensch voraus: Gott erweist seine Gerechtigkeit trotz der Untreue Israels, indem er seine Verheißungen aufrecht erhält. Gott ist nicht nur Rechtspartei, sondern auch der Richter: Er spricht die hoffnungslos in Unrecht verstrickten Menschen gerecht, als Geschenk, durch seine Gnade (Röm 3,24; 4,5); in der vergebenden Gerechtsprechung, die dem Gottlosen Rettung gewährt, erweist Gott sich als gerecht (Röm 3,26). In Röm 4,25 und 1Kor 6,11 sind Gerechtsprechung und Sündenvergebung gleichbedeutend. In Röm 8,30.33 ist die forensische und die soteriologische Bedeutung von δικαιο' ω eng miteinander verbunden: Der sündige Mensch sitzt auf der Anklagebank; Gott spricht die Sünder gerecht, die an Jesus Christus glauben; weil Gott mit seiner Gerechtsprechung für den von der Liebe Jesu Christi erfassen Sünder eintritt, ist dieser der Verurteilung im Endgericht entzogen (8,34-39). Die Wendung „Gerechtigkeit Gottes“ (δικαιοσυ' νη θεουñ [dikaiosynē theou])202 wurde in der Forschung unterschiedlich interpretiert.203 Eine Grundfrage der Diskussion betrifft den Zusammenhang von „Gerechtigkeit“ und „Gott“ in der Formulierung „Gerechtigkeit Gottes“. In der Auslegungsgeschichte wurden lange zwei Hauptpositionen unterschieden. Die erste Position betont die Gerechtigkeit des glaubenden Sünders, die dieser als Gabe Gottes erhalten hat: Der Genitiv θεουñ beschreibt die Gerechtigkeit der Gläubigen als Resultat ihrer Beziehung zu Gott. Bei dieser Interpretation ist θεουñ genitivus objectivus sive relationis im Sinn der dem Sünder als Gabe verliehenen Gerechtigkeit, die vor Gott gilt (Augustin, Luther, Cranfield), oder genitivus auctoris im Sinn der von Gott geschenkten, dem Menschen zugesprochenen Gerechtigkeit (Bultmann, Irons). Martin Luther hat mit seiner Auslegung gegen die von Origenes (s. unten) repräsentierte traditionelle Auslegungstradition protestiert, wie er 1545 im Rückblick betont: „Inzwischen war ich in diesem Jahr [1519] zum Psalter zurückgekehrt, um ihn erneut auszulegen, im Vertrauen darauf, dass ich geübter sein würde, nachdem ich die Briefe des hl. Paulus an die Römer, an die Galater und den, der an die Hebräer gerichtet ist, in Vorlesungen behandelt hatte. Von einem wunderbaren Eifer war ich gewiss ergriffen gewesen, Paulus im Brief an die Römer kennenzulernen; aber es hatte bis dahin im Wege gestanden nicht die Kälte meines Herzens, sondern das einzige Wort im 1. Kapitel (Röm 1,17): ‚Die Gerechtigkeit Gottes wird in jenem (dem Evangelium) geoffenbart.‘ Denn ich hasste dieses Wort ‚Gerechtigkeit Gottes‘, welches ich nach ————————————————————

201

202 203

BDAG s.v. δικαιο' ω 2. „to render a favorable verdict: vindicate“, 2a „activity of humans: justify, vindicate, treat as just“; 2b „of experience or activity of transcendent figures, esp. in relation to humans, 2bβ „of God: be found in the right, be free of charges“ (Röm 2,13; 3,20.24.28; 4,2; 5,1.9; 1Kor 4,4; Gal 2,16-17; 3,11.24;l 5,4; Tit 3,7; Phil 3,12). Röm 1,17; 3,5.21.22; 10,3; vgl. 2Kor 5,21; Phil 3,9: τη` ν ε� κ θεουñ δικαιοσυ' νην. Zur Auslegungsgeschichte s. Käsemann 22-27; Cranfield I 91-97; Wilckens I 223-233; Bird, Saving Righteousness, 6-39; Irons, Righteousness, 9-60. Vgl. Wilckens I 202-222; Lohse 78-81; Haacker 43-47; Wolter I 119-125; Cremer, Rechtfertigungslehre; Bultmann, ΔΙΚΑΙΟΣΥΝΗ ΘΕΟΥ; Käsemann, Gottesgerechtigkeit; Stuhlmacher, Gerechtigkeit Gottes; Kertelge, Rechtfertigung; Ziesler, Righteousness; Hofius, Rechtfertigung; Seifrid, Justification; Dunn, Paul and Justification by Faith; Kertelge, Rechtfertigung II. Neues Testament; Hahn, Gerechtigkeit; Söding, Rechtfertigungslehre; Karrer, Rechtfertigung; Westerholm, Perspectives; Southall, Righteousness, 6-35.

Proömium: Dank, Fürbitte, Thema 1,8-17 179 ———————————————————————————————————— der üblichen Gewohnheit aller Doktoren gelehrt worden war, philosophisch von der sogenannten formalen oder aktiven Gerechtigkeit zu verstehen, durch die Gott gerecht ist und Sünder wie Ungerechte straft. Ich aber fühlte mich, obwohl ich als Mönch untadelig lebte, vor Gott als Sünder und unruhig in meinem Gewissen und konnte nicht hoffen, dass ich durch meine Genugtuung versöhnt sei. Ich liebte den gerechten Gott, der die Sünder straft, nicht, sondern hasste ihn. Ich war unmutig gegen Gott, wenn nicht mit heimlicher Lästerung, so doch mit gewaltigem Murren, indem ich sprach: als ob es nicht genug ist, dass die elenden, durch die Ursünde ewig verdammten Sünder von vielfältigem Unheil bedrückt sind durch das Gesetz des Dekalogs! Muss Gott durch das Evangelium Leid auf Leid fügen und uns auch durch das Evangelium seine Gerechtigkeit und seinen Zorn androhen? So raste ich in meinem verwirrten Gewissen, pochte aber trotzdem ungestüm an dieser Stelle bei Paulus an, indem ich vor Durst brannte zu wissen, was der hl. Paulus wollte. Da erbarmte sich Gott meiner. Unablässig sann ich Tag und Nacht, bis ich auf den Zusammenhang der Worte achtete, nämlich: ‚Die Gerechtigkeit wird in jenem (dem Evangelium) geoffenbart, wie geschrieben steht: Der Gerechte lebt aus dem Glauben.‘ Da begann ich die Gerechtigkeit als diejenige zu verstehen, durch welche der Gerechte als durch Gottes Geschenk lebt …, nämlich aus dem Glauben, und (erkannte), dass dies die Meinung sei, dass durch das Evangelium die Gerechtigkeit Gottes geoffenbart wird, nämlich die passive, durch welche uns der barmherzige Gott durch den Glauben rechtfertigt, wie geschrieben steht: ‚Der Gerechte lebt aus dem Glauben‘. Hier meinte ich geradezu, ich sei wiedergeboren, die Türen hätten sich geöffnet und ich sei in das Paradies selbst eingetreten. Gleich darauf zeigte mir die ganze Schrift ein anderes Gesicht. Ich durchlief darauf die Schrift, wie ich sie im Gedächtnis hatte, und stellte bei anderen Begriffen Ähnliches fest, wie etwa: Werk Gottes, das heißt das, was Gott in uns wirkt, Kraft Gottes, durch die er uns stark macht, Weisheit Gottes, durch die er uns weise macht, Stärke Gottes, Heil Gottes, Herrlichkeit Gottes. So, wie ich vorher das Wort ‚Gerechtigkeit Gottes‘ gehasst hatte, mit solcher Liebe pries ich jetzt den mir süßesten Begriff, so wurde mir diese Paulus-Stelle zur Pforte des Paradieses. Danach las ich Augustin, De spiritu et littera, wo ich wider Erwarten fand, dass auch er die Gerechtigkeit Gottes ähnlich versteht: (nämlich als) die, mit der Gott uns bekleidet, wenn er uns rechtfertigt. Und obwohl das (von ihm) noch unvollkommen gesagt ist und er nicht deutlich alles von der Zurechnung auslegt, gefiel es mir doch, dass (von ihm) die Gerechtigkeit Gottes gelehrt wird, durch die wir gerechtfertigt werden“.204 Diese Neuinterpretation von „Gerechtigkeit Gottes“ gilt als Luthers reformatorischer Durchbruch. Die zweite Position betont das Handeln Gottes als Rechts- oder Heilshandeln in und durch Jesus Christus: θεουñ ist genitivus subjectivus im Sinn der richterlichen iustitia distributiva, des göttlichen Strafgerichts (Origenes), oder, entscheidend anders akzentuiert, im Sinn der dem Sünder Gerechtigkeit schenkenden Gnade Gottes (Schlatter, Käsemann, Stuhlmacher). Adolf Schlatter schreibt: „Paulus denkt in jeder Aussage über Gott [‚Kraft Gottes‘, ‚Zorn Gottes‘] an den Schöpfer, an den, der will und wirkt, sich offenbart und den Menschen in das von ihm gewollte Verhältnis zu sich bringt … Jetzt ist Gottes Gerechtigkeit das, was dem Menschen die Rettung bringt, weil sie ihn in dasjenige Verhältnis zu Gott stellt, in das ihn Gott einführen will, in dem er leben kann“.205 Schlatter meint, die reformatorische Aus-

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204 205

M. Luther, Vorwort zum ersten Band der gesammelten lateinischen Werke; WA LIV, 185-186. Zitiert nach Lohse, Luthers Theologie, 104-105. Schlatter 36, 37; das folgende Zitat ebd. 38. Zu Schlatter s. Rieger, Adolf Schlatters Rechtfertigungslehre. Michel 94-95: Luthers Theologie und Exegese haben „einen anderen geschichtlichen Ort, eine anderen Denkform und Denkrichtung als Paulus, doch hat kein Ausleger Paulus in seinen tiefsten Intentionen so gut verstanden wie M. Luther … Gegensatz ist für ihn nicht so sehr die Auseinandersetzung zwischen Urchristentum und Judentum, sondern zwischen Gott und Mensch … Der Kampf des Paulus um die rechte

180 Römerbrief ———————————————————————————————————— legung habe eine „Entfernung“ zum Text entstehen lassen, weil sie „völlig vom Verlangen bestimmt war, zu hören, was der Glaubende empfange. Daß er Gerechtigkeit haben müsse, war gewiß; von welcher Art konnte diese Gerechtigkeit sein, da er ein Sünder war? Sie konnte nur eine zugerechnete, nur eine geschenkte sein, und eben dadurch war sie Gottes Gerechtigkeit. Hier gab das Bedürfnis des Lesers an, was Paulus zur Erfüllung seines Verlangens gesagt haben müsse. Paulus dagegen sagt, wie Gott sich dem Menschen als der offenbare, der ihn rettet. Der Ausleger ging von seinem Ich, Paulus von Gott aus; der Vordersatz des Auslegers war seine eigene Not, der des Paulus war die Sendung des Christus, sein Tod, durch den die Schuld von der Menschheit weggenommen ist, und seine Herrschaft, die ihn zum Geber des Lebens für sie machen wird“. Ernst Käsemann interpretiert Gottes Gerechtigkeit „nicht primär als Gabe, sondern als Macht“ mit der Betonung Gottes als dem, „der die gefallene Welt in den Bereich seines Rechtes zurückholt …, sei es im Zuspruch oder im Anspruch, in Neuschöpfung oder Vergebung oder in der Ermöglichung unseres Dienstes“. 206 Exegeten haben zunehmend infrage gestellt, dass es sich bei diesen beiden Hauptpositionen um Alternativen handelt, die sich gegenseitig ausschließen: Es ist sowohl von einem subjektiven wie von einem objektiven Genitiv auszugehen.207 Gleichzeitig wird die Annahme hinterfragt, dass „Gerechtigkeit Gottes“ ein terminus technicus ist, der immer die gleiche Bedeutung hat. Peter Stuhlmacher versteht δικαιοσυ' νη θεουñ bei Paulus als „das Heil und Wohlordnung schaffende Wirken Gottes, und zwar so, daß mit ein und demselben Begriff Gottes eigene Wirksamkeit und das Resultat dieser Wirksamkeit benannt werden können“. 208 Eduard Lohse spricht ebenfalls von unterschiedlichen, vom jeweiligen Kontext abhängigen Bedeutungen von δικαιοσυ' νη θεουñ : in Röm 3,5.25.26a bezeichnet die Wendung eine Eigenschaft Gottes, die ihn als unbestechlichen Richter charakterisiert (gen. subjectivus); in Röm 3,26b; 10,3; Phil 3,9 als Gottes Bundestreue im Sinn des Geschenks seiner Barmherzigkeit (gen. auctoris); in 2Kor 5,21 als Gerechtigkeit, die vor Gott gilt (gen. objectivus).209

Die Bedeutung der Wendung „Gerechtigkeit Gottes“ (δικαιοσυ' νη θεουñ ) in 1,17 ist im Zusammenhang der im unmittelbaren Kontext vorkommenden ————————————————————

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Verkündigung vor Heidentum und Judentum wird bei M. Luther zu einem Kampf um Gottes Wahrheit in der Kirche und vor den Menschen überhaupt. So wird M. Luthers Römerbrief zu einer neuen Interpretation des paulinischen Briefes angesichts der reformatorischen Lage“. Käsemann 25, 26. Zu Käsemann s. Zahl, Rechtfertigungslehre. Wilckens I 232; Dunn I 41-42; Lohse 80-81; Haacker 44; Kruse 70-71; vgl. Kertelge, Rechtfertigung, 75; Bird, Saving Righteousness, 15-16. Käsemann 24 merkt an, dass man „mit griechischer Grammatik und der aus ihr gewonnen Unterscheidung zwischen einem subjektiven oder objektiven Genetiv, einem genetivus relationis oder auctoris … zwar die Interpretation in ihrer Intention einigermaßen verständlich [machen kann]“, dass man aber „nur chiffriert, was als Sachproblem empfunden wird“. Stuhlmacher, Theologie I, 344, mit Verweis auf 3,21-26 als Beispiel für die synthetische Bedeutungsbreite bzw. den mehrdimensionalen Sinn von δικαιοσυ' νη θεουñ (ebd. 335). Lohse 80-81, der am Ende seines Exkurses über den exklusiven Gegensatz von Gesetzeswerken und Glaube in Röm 3,28 Calvin und Luther zitiert: „Denn die Rechtfertigung des Menschen gründet ‚einzig in der in Christus offenbar gewordenen Barmherzigkeit Gottes, die durch das Evangelium angeboten und vom Glauben ergriffen wird … Allein durch das Erbarmen Gottes werden wir gerechtfertigt‘ (Calvin, zu 1,17). Justitia enim Dei est causa salutis (Luther, Röm., zu 1,17)“ (ebd. 81).

Proömium: Dank, Fürbitte, Thema 1,8-17 181 ————————————————————————————————————

Wendungen „Macht Gottes“ (δυ' ναμις θεουñ ; 1,16) und „Zorn Gottes“ (ο� ργη` θεουñ ; 1,18) zu verstehen, die beide ein Handeln Gottes formulieren, sowie im Zusammenhang der Begriffe „Evangelium“ („ευ� αγγε' λιον) und „Rettung“ (σωτηρι'α) in V. 16 und des Verbs „wird offenbart“ (α� ποκαλυ' πτεται) in V. 17. Mit „Gottes Gerechtigkeit“ verweist Paulus umfassend auf das Handeln Gottes, das in und durch Jesus Christus die Rettung der Menschen bewirkt, die gerechtfertigt, mit Gott versöhnt und zu einem neuen Leben befähigt werden. Gottes Gerechtigkeit umfasst sein Wirken als Schöpfer, Erhalter, König und Richter der Welt; sein Handeln als Richter, der rechtfertigt und rettet und verurteilt und bestraft; seine Treue im Blick auf die Verwirklichung der Verheißungen, die er seinem Volk gegeben hat.210 Die Aussage, dass Gottes Gerechtigkeit in ihm (ε� ν αυ� τω ñ, ), d.h. im Evangelium, geoffenbart wird, d.h. dass Gott seine heilschaffende Gerechtigkeit in der Gegenwart im Evangelium Realität werden lässt, bedeutet: Das Evangelium ist seinem Inhalt nach der Ort der Offenbarung der Gottesgerechtigkeit, und die Verkündigung des Evangeliums bewirkt, dass die Gottesgerechtigkeit Wirklichkeit wird. Diese beiden Verstehensmöglichkeiten sind nicht gegeneinander auszuspielen. Siehe 1Kor 2,4-5: „mein Wort und meine Verkündigung erging nicht mit Überredungskunst der Weisheit, sondern im Beweis des Geistes und der Kraft, damit euer Glaube nicht auf menschlicher Weisheit beruhe, sondern auf der Macht Gottes“; 1Thess 1,4-5; 2,13: „Wir wissen, von Gott geliebte Brüder, dass ihr erwählt seid. Denn wir haben euch das Evangelium nicht nur mit Worten verkündet, sondern auch mit Macht und mit dem Heiligen Geist und mit voller Gewissheit … Darum danken wir Gott unablässig dafür, dass ihr das Wort Gottes, das ihr durch unsere Verkündigung empfangen habt, nicht als Menschenwort, sondern – was es in Wahrheit ist – als Gottes Wort angenommen habt; und jetzt ist es in euch, den Gläubigen, wirksam“. Im Evangelium geht es um die Offenbarung der heilschaffenden Gerechtigkeit Gottes, die in der missionarischen Verkündigung Menschen anspricht, zum Glauben führt und verändert. Die Formulierung wird offenbart, verstanden als Tat Gottes,211 betont einerseits die Autorität Gottes, des Herrn des Himmels und der Erde (Mt 11,25.27 par. Lk 10,21-22; Mt 16,17; 1Kor 2,10; Eph 1,17), und verweist ————————————————————

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Vgl. Calhoun, Gospel, 168. Vgl. Bird, Saving Righteousness, 16: „The righteousness of God, at least in Rom. 1.17, introduces the entire package of salvation through justification, redemption, propitiatory sacrifice, forgiveness of sins, membership in the new covenant community, reconciliation, the gift of the Holy Spirit, power for a new obedience, union with Christ, freedom from sin, and eschatological vindication“. Die Passivform α� ποκαλυ' πτεται ist als passivum divinum zu verstehen, das Präsens verweist auf ein gegenwärtiges, duratives Geschehen.

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andererseits auf den Anbruch der letzten Tage, d.h. der messianischen Zeit, in der Gott die verborgene Wirklichkeit seines eschatologischen Heilshandelns kundmacht und verwirklicht.212 Paulus spielt auf mehrere atl. Texte an. Psalm 98,2 (LXX 97,2): „Der Herr hat sein Heil (σωτη' ριον) kundgetan, vor den Völkerschaften hat er seine Gerechtigkeit geoffenbart (τη` ν δικαιοσυ' νην αυ� τουñ α� πεκα' λυψεν)“ (LXX.D). Jesaja 51,4-5: „Merkt auf mich, mein Volk, und meine Nation, hört auf mich! Denn Weisung geht von mir aus, und mein Recht werde zum Licht der Völker (ει� ς φω ñ ς ε� θνω ñ ν). Im Nu ist nahe meine Gerechtigkeit (η� δικαιοσυ' νη μου), mein Heil (σωτη' ριον) ist hervorgetreten, und meine Arme werden die Völker richten. Auf mich hoffen die Inseln, und auf meinen Arm warten sie“. Jes 52,10: „Der Herr hat seinen heiligen Arm entblößt (α� ποκαλυ' ψει) vor den Augen aller Nationen (ε� θνω ñ ν), und alle Enden der Erde sehen die Rettung (σωτηρι'αν) unseres Gottes“. Jes 56,1: „So spricht der Herr: Wahret das Recht und übt Gerechtigkeit! Denn mein Heil (σωτη' ριον) ist nahe, dass es kommt, und meine Gerechtigkeit (το` ε» λεο' ς μου; MT hat ‫) ְצָדָקה‬, dass sie geoffenbart wird (α� ποκαλυφθηñ ναι)“. Diese Prophezeiungen der Offenbarung der Gerechtigkeit Gottes, von der auch die Heiden erfasst werden, haben sich jetzt mit Jesus erfüllt. Das Kommen Jesu, des messianischen Gottessohns (V. 3-4), ist Evangelium, weil es die Macht der Gerechtigkeit Gottes zur Rettung von Juden und Griechen kundtut und zugleich in Gang setzt und Wirklichkeit werden lässt,213 und weil es den Beginn der von Gott verheißenen und von Israel erwarteten Heilszeit (vgl. 3,21) markiert. Jüdische Leser erkennen bereits hier, dass Paulus die zentrale Stellung der Tora bestreitet und das Evangelium von Jesus Christus an deren Stelle setzt. Die „Macht Gottes zur Rettung“ (V. 16) ist das Evangelium Gottes von Jesus, dem messianischen Gottessohn, nicht die Tora, die dem Israeliten Sündopfer (‫טאת‬ ּ ָ ‫ )ַח‬und Schuldopfer (‫ )ָאָׁשם‬vorschreibt (Lev 4–5), durch die er nach der Darbringung des Opfertiers, der Handaufstemmung (mit Sündenbekenntnis, Lev 5,5; Num 5,6-7), der Schlachtung und dem Blutritus Vergebung (‫ )סלח‬durch Jahwe erhält.214 Nach Auffassung der Essener war eine besondere Offenbarung notwendig, um die Tora in ihrem wahren Sinn verstehen und vollkommen halten zu können, eine Offenbarung, die dem Lehrer der Gerechtigkeit gewährt wurde (1QS I, 21; IV, 23-25; V, 8-9; VIII, ————————————————————

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Wilckens I 86-88, mit Verweis auf die μυστη' ρια (‫)רזין‬, die nach der jüdischapokalyptischen Tradition in der Zeit vor dem Anbruch der Endereignisse „offenbart“ werden, vgl. Dan 2,28-29.47; 12,9-10; äthHen 48-49; 86,1; 69,15.29; 103-104; 106,19; 4Esr 7,33; 14,25.45-46; syrApkBar 29,3; 39,7; 72-73; 1QH XIV, 15-16; 1QS VIII, 15-16. Für Paulus verweist Dunn I 43 auf Röm 2,5; 8,18-19; 16,25; 1Kor 1,7; 3,13; Gal 3,23; 2Thess 1,7; 2,3.6.8; Eph 3,3.5; vgl. 1Petr 1,5.7.12-13; 4,13; 5,1; Offb 1,1. Lambrecht, Justification by God, 145: „Revelation is realization“. Vgl. Preuß, Theologie II, 263; zum Sündopfer s. K. Koch, Art. ‫טא‬ ּ ָ ‫ַח‬, ThWAT II, 857-870, zum Schuldopfer s. D. Kellermann, Art. ‫ָאָׁשם‬, ThWAT I, 463-472. Zur Vergebung vgl. Lev 4,20.26.31.35; 5,10.13.16.18.26; s. J. Hausmann, Art. ‫סלח‬, ThWAT V, 859-867.

Proömium: Dank, Fürbitte, Thema 1,8-17 183 ———————————————————————————————————— 15-16; IX, 13-14.19; XII, 12-13.33-34) und von Priestern in der Gemeinschaft tradiert wird.215 In hebrHen 11,1 werden die „Geheimnisse der Tora“ als Geheimnisse der Weisheit und als Tiefen des vollkommenen Gesetzes beschrieben. In späteren Texten ist von „Geheimnissen Israels“ die Rede, zu denen der Sabbat, die Beschneidung, das Passalamm und der Name Gottes gehören und die Israel geoffenbart wurden.216 Nach mAbot 6,1-2 ist die Auslegung der Tora ein Offenbarungsereignis: „Rabbi Meir sagte: Jeder, der sich mit der Tora um ihretwillen beschäftigt, erwirbt sich viele Dinge, und nicht bloß dies, sondern die ganze Welt ist ihm gleichwertig. Er heißt Freund, Liebling, einer der Gott liebt, Gott erfreut und die Geschöpfe erfreut. Sie bekleidet ihn mit Demut und Furcht; sie befähigt ihn, gerecht und fromm, rechtschaffen und zuverlässig zu sein; sie hält ihn von der Sünde fern und bringt ihn der Ausübung verdienstlicher Handlungen nahe … Man enthüllt ihm die Geheimnisse der Tora. Er wird wie ein Quell, der nie versiegt, und gleich einem Strom, der immer kräftiger wird“.217 Paulus betont: Gott offenbart sein Heilshandeln im Evangelium von Jesus, dem messianischen Gottessohn – eine Offenbarung, die offen ist „für jeden, der glaubt“ (V. 16).

Die Interpretation des zweiten und dritten Präpositionalsatzes aus Glauben zum Glauben (ε� κ πι'στεως ει� ς πι'στιν) ist umstritten. 1. Die Wendung bezieht sich auf die Bewegung von Israel zur Gemeinde der Jesusbekenner. Sie bedeutet: vom Glauben an das Gesetz zum Glauben an das Evangelium;218 vom Glauben an die Propheten zum Glauben an das Evangelium;219 vom Glauben Israels zum Glauben an das Evangelium;220 vom Glauben der alten Heilszeit zum Glauben der neuen Heilszeit.221 2. Die Formulierung bedeutet „ex fide annuntiantium in fidem oboedientium“ („aus dem Glauben der Verkündiger auf den Glauben der Gehorchenden hin“).222 3. Das Wort πι'στις hat hier zwei der Bedeutungen von πι'στις: „Treue“ und „Glauben“: Die Wendung bedeutet „von Gottes Treue zum Glauben des Menschen“;223 oder ————————————————————

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Vgl. Bockmuehl, Revelation, 49; Wilckens I 87; s. ebd. sowie Bockmuehl, ebd. 117-118, für das Folgende. GenR 71,5; bShab 88a; BKet 111a; bBes 16a; GenR 49,2; ExR 19,6; 1,29. Zitiert nach Marti/Beer, �Abôt, 159-163; vgl. Avemarie, Tora und Leben, 271-272, der „Geheimnisse der Tora“ im Sinn von übernatürliches Wissen interpretiert und einen Hinweis auf magisches Wissen erwägt. Wilckens I 87 interpretiert im Sinn der „Gründe, die bei der Festsetzung der Einzelgebote durch Gott maßgeblich gewesen sind und seitdem in Kraft stehen“. Tertullian, Adv.Marc. 5.13. Theodoret, PG 82, 57; vgl. Calhoun, Gospel, 178 Anm. 99. Origenes I 134-135; vgl. Calhoun, Gospel, 176-177 mit Anm. 98. Johannes Chrysostomus, Homilien 2; vgl. Calhoun, John Chrysostom; Calhoun, Gospel, 178-180; Quarles, From Faith to Faith, 18-20, der diese Interpretation für überzeugend hält (ebd. 21). Augustin, De spiritu et littera 18 (Forster); vgl. Calhoun, Gospel, 182-184, der sich dieser Interpretation anschließt (ebd. 184-187). Ambrosiaster 1.17.2 (ex fide dei promittentis in fidem credentis); Barth 16 („‚Aus Treue‘ enthüllt sich die Gerechtigkeit Gottes, aus seiner Treue zu uns … ‚Dem Glauben‘ enthüllt sich, was Gott aus Treue enthüllt“); Dunn I 44; Davies, Faith, 43. Zur Kritik an Barth s. ausführlich Murray 363-374.

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„von Jesu Christi Treue zum Glauben des Menschen“, πι'στις verstanden als die Treue Jesu, seinen Gehorsam in seinem Leben bzw. sein Gehorsam, der ihn zum Tod am Kreuz führte, der auf den Glauben des Menschen zielt.224 4. Die Wendung beschreibt den Fortschritt von einem weniger starken zu einem ausgereifteren Glauben: „in dem Maße, wie unser Glaube vorwärts schreitet und in jener Erkenntnis weiter kommt, wächst auch in uns zugleich die Gerechtigkeit Gottes und wird in gewisser Weise unser Eigentum“.225 5. Die Wendung ist eine rhetorische Figur, die das „aus dem Glauben“ (lat. sola fide) unterstreicht: „Offenbarung der Gottesgerechtigkeit verwirklicht sich, weil an das Evangelium gebunden, immer nur im Bereich des Glaubens“.226 6. Der Präpositionalsatz ε� κ πι'στεως verweist auf den Ursprung bzw. die Quelle der Gerechtigkeit Gottes, während ει� ς πι'στιν das Ziel der Gerechtigkeit Gottes angibt: „Die Gerechtigkeit Gottes ist begründet durch den Glauben (nicht durch Werke); darum zielt sie auf den Glauben, d.h. daß alle zum Glauben kommen. Mit ει� ς πι'στιν wird also die Wirkung der Verkündigung der ε� κ πι'στεως empfangenen Gottesgerechtigkeit in ihrer universalen Zielrichtung markiert“.227 7. Die Wendung beschreibt den Glauben des Apostels, der das Evangelium proklamiert (ε� κ πι'στεως), und den Glauben der bekehrten Sünder als Wirkung dieses Glaubens (ει� ς πι'στιν).228 8. Die Wendung bedeutet „vom Glauben der Juden zum Glauben unter den Heiden“.229 Nicht alle Auslegungsversuche sind plausibel. Paulus spricht zwar im Kontext V. 8-15 von seiner Verkündigung des Evangeliums, nicht jedoch von seiner „Treue“ (gegen Erklärung 2). In Röm 3,3 bezeichnet πι'στις die Treue Gottes; in dem begründenden Zitat am Ende von 1,17 bezeichnet πι'στις jedoch den Glauben des Menschen, und im Kontext deutet nichts dar————————————————————

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Hays, Faith, 132-141; Hays, Πι' στις and Pauline Christology, 279-281; Campbell, Deliverance, 376-379.610-613. Zur Kritik an Hays s. Lee, Against; zur Kritik an Campbell s. Dodd, Crux. Calvin 74-75; vgl. Luther 44-45 (semper in clariorem fidem); Lietzmann 31 („eine stufenweise Erreichung des Ziels …‚ aufgrund von Glauben und hinführend zu noch höherem Glauben, von einer Glaubensstufe zur anderen‘“); Sanday/ Headlam 28; Lagrange 20; Kuss 23-24; vgl. Fitzmyer 263. Käsemann 28; vgl. Althaus 13-14; Barrett 30-31; Dodd 13-14; Cranfield I 100; Zeller 44; Stuhlmacher 30; Fitzmyer 263; Moo 76; Schreiner 72; Lohse 78; Haacker 47; Wolter I 125-126; Fridrichsen, Aus Glauben; vgl. NGÜ („eine Gerechtigkeit, zu der man durch den Glauben Zugang hat; sie kommt dem zugute, der ihm vertraut“); NIV („by faith from first to last“); NLT („from start to finish by faith“). Wilckens I 88; vgl. Schlatter 42; Keck 52-53; Fitzmyer 263; Légasse 99; Heliso, Pistis, 165-239. GN („Nur auf den vertrauenden Glauben kommt es an, und alle sind zu solchem Glauben aufgerufen“); NRSV („through faith and for faith“). Seifrid 610; Seifrid, Faith of Christ, 138-140. Taylor, From Faith to Faith; im Anschluss daran jetzt Kruse 72.78.

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auf hin, dass πι'στις mit zwei unterschiedlichen Bezugswörtern (Gott bzw. Jesus Christus sowie der glaubende Mensch) zu verbinden ist, weshalb diese Auslegung als nicht wahrscheinlich bewertet werden muss (gegen Erklärung 3).230 Paulus spricht in 1,16-17 definitorisch vom Evangelium im Rahmen der endzeitlichen Offenbarung Gottes, was bedeutet, dass πι'στις kaum den wachsenden Glauben des einzelnen Christen bezeichnet (gegen Erklärung 4). Linguistische Studien zeigen, dass die Wendung nicht als rhetorische Formel verstanden werden kann, die den Glauben unterstreicht (gegen die populäre Erklärung 5).231 Die Formulierung ε� κ + A + ει� ς + A kommt in der griech. Literatur vor und verweist auf (räumliche) Bewegung, ausgedehnte Zeit und Progression bzw. Zunahme.232 Paulus verwendet diese Konstruktion in 2Kor 2,16 als Hinweis auf Progression. Im Zusammenhang des Zitats aus Hab 2,4 und der Verwendung der Wendung ε� κ πι'στεως an anderen Stellen ist es wenig plausibel, dass die ersten Leser in dieser Formulierung einen Hinweis auf die Treue Gottes und den Glauben des Menschen oder als Hinweis auf die Verkündigung des Apostels gesehen hätten (gegen Erklärungen 3 und 7). Drei der skizzierten Vorschläge sind plausibel. Paulus beschreibt den Ursprung und das Ziel der Offenbarung der Gerechtigkeit Gottes: Sie wird Wirklichkeit durch den Glauben, und sie will Juden und Heiden zum Glauben bringen (Erklärung 6). Paulus redet vom Glauben Israels, der die Quelle des Glaubens an das Evangelium bzw. des in der neuen Heilszeit maßgebenden Glaubens ist (Erklärung 1). Paulus betont, dass es eine Progression gibt vom Glauben der Juden zum Glauben der Griechen: Juden haben sich zuerst zum Glauben an den gekreuzigten und auferstandenen Jesus als Messias Israels bekehrt, jetzt kommen vermehrt Griechen zum Glauben (Erklärung 8). Die letzten beiden Erklärungen werden der Formulierung ε� κ + A + ει� ς + A und dem impliziten Gedanken der Progression sowie der Betonung der Bekehrung von Heiden im Kontext (1,5.8.11-16) am ehesten gerecht. Die letzte Erklärung steht in einem plausiblen Zusammenhang der oben erwähnten atl. Texte, die von einer Offenbarung der Gerechtigkeit Gottes sprechen, von der Israel und die Heiden erfasst werden (Jes 51,4-5; 52,10; 56,1; Ps 98,2), und nimmt die Aussage „für jeden, der glaubt, für den Juden zuerst ————————————————————

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Taylor, From Faith to Faith, 341, mit Hinweis auf Matlock, Detheologizing, 3-11, der zeigt, dass bewusste Zweideutigkeit selten ist. Quarles, From Faith to Faith, 5-13; Taylor, From Faith to Faith, 342-343. Räumliche Bewegung: Gen 50,24; Deut 13,8; Jer 31,11; Sir 29,24; ausgedehnte Zeit bzw. wiederholte Handlung über einen Zeitraum hinweg: Lev 21,17; Num 28,14; 1Sam 2,19; Jer 25,5; Progression bzw. Zunahme (A ist ein abstraktes Nomen): Ps 84,8 LXX; Jer 9,3 (LXX 9,2); Plutarch, Galba 14,1,9; Clemens von Alexandria, Strom 6,15,126.

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und auch für den Griechen“ im unmittelbaren Kontext 1,6 auf (vgl. 2,9-10; 9,24; 15,8-9.19). Die Offenbarung der Gerechtigkeit Gottes beginnt mit den Juden, die zum Glauben an Jesus kommen, und wächst jetzt auch unter den Griechen. Mit der Wendung wie geschrieben steht233 leitet Paulus ein Schriftzitat aus Hab 2,4 ein: „Der Gerechte aber wird aus Glauben leben“. Der Text liegt in unterschiedlichen Fassungen vor: MT Tg LXX 8HevXIIgr Röm 1,17

‫ְו ַצִּדיק ֶב ֱּאמו ָּנת ֹו ִיְחֶיה‬ der Gerechte aber wird durch seine Treue leben234 ‫ושְטֹהון ִיתַקְיימּון‬ ּ ‫ְו ַצ ִדיַקָיא ַעל ק‬ aber die Gerechten werden gemäß ihrer Wahrheit leben235 ο� δε` δι' καιος ε� κ πι' στεω' ς μου ζη' σεται236 der Gerechte aber wird aus dem Glauben an mich leben237 και` δι' ]καιος ε� ν πι' στει αυ� τουñ ζη' σετ[αι]238 und der Gerechte wird durch seine Treue leben ο� δε` δι' καιος ε� κ πι' στεως ζη' σεται der Gerechte aber wird aus Glauben leben

Im Kontext von Hab 2,4 geht es um Jahwes Antwort auf die Klage des Propheten über die Unterdrückung Israels durch die Chaldäer (Babylonier) in Hab 1,12-17. Gott teilt dem Propheten mit, dass der gerechte Judäer, der ‫ ֶב ֱּאמו ָּנת ֹו‬/ ε� κ πι' στεως lebt und auf das Kommen Gottes wartet, infolge seiner Treue „leben“, d.h. bewahrt werden wird, wenn die Babylonier in das Land einfallen.239 Im essenischen Kommentar, in dem der Habakuk-Text an dieser Stelle ergänzt werden muss (1QpHab VII, 17), wird ebenfalls im Sinn der Treue zum Gesetz inter————————————————————

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Die Zitationsformel γε' γραπται kommt in Röm öfter vor: 2,24; 3,4.10; 4,17; 8,36; 9,13.33; 10,15; 11,8.26; 12,19; 14,11; 15,3.21. In die Übersetzung von Hab 2,4 wird häufig die Bedeutung von ‫ ֱאמו ָּנה‬im Licht der Verwendung von πι' στις in Röm 1,17/Gal 3,11 gelesen. Das Wort ‫ ֱאמו ָּנה‬bedeutet Treue, Zuverlässigkeit (richtig EÜ, GN, ZÜ; vgl. Elb.Ü Anm.). D.h., gemäß der Wahrheit des in V. 2-3 Gesagten, d.h. der Prophezeiungen des Buches des Gesetzes; vgl. Cathcart/Gordon, Targum of the Minor Prophets, 151 mit Anm. 18; für den aram. Text s. Sperber, The Bible in Aramaic III 461. Wilckens I 89 übersetzt „die Gerechten werden wegen ihrer Gerechtigkeit leben“, ohne Angabe von Text. So die Lesart der LXX in W* B S Q V etc (entspricht Röm 1,17 in C* vgmss syp Or Hier sowie Hebr 10,38 in D* 1518 1611 itd,e syp,h Eus). Die Lesart in A (ο� δε` δι' καιος μου ε� κ πι' στεως ζη' σεται, „mein Gerechter wird aus Glauben / Treue leben“; entspricht Hebr 10,38) sowie die Lesart in 763* pc (ο� δε` δι' καιος ε� κ πι' στεω' ς ζη' σεται, „der Gerechte wird aus Glauben / Treue leben“; entspricht Röm 1,17; Gal 3,11), sind mit großer Wahrscheinlichkeit nachpaulinisch: Koch, Text; Koch, Schrift, 127. LXX.D 1204. 8HevXIIgr XVII, 29-30. Tov, The Greek Minor Prophets Scroll, 52-53. P.J. Parsons datiert den Text in das späte 1. Jh. v.Chr. („The Scripts and their Date“, ebd., 19-26). Dieser griech. Text repräsentiert eine am hebr. Text orientierte Revision der LXX. Anders Seifrid 610, der ‫ ֶב ֱּאמו ָּנת ֹו‬im Sinn der Treue Jahwes interpretiert, der seine Verheißung von Heil erfüllen wird. Zur Frage der Verzögerung des Eingreifens Gottes, die im Kontext von Hab 2,4 eine Rolle spielt, vgl. Strobel, Verzögerungsproblem.

Proömium: Dank, Fürbitte, Thema 1,8-17 187 ———————————————————————————————————— pretiert: „Seine Deutung bezieht sich auf alle Täter des Gesetzes im Hause Juda, die Gott erretten wird aus dem Hause des Gerichts um ihrer Mühsal und ihrer Treue willen zum Lehrer der Gerechtigkeit“ (1QpHab VIII, 1-3). Die Treue zum Lehrer der Gerechtigkeit ist die Treue zu den „Geheimnissen der Worte seiner Knechte, der Propheten“, die dem Lehrer der Gerechtigkeit und damit der Gemeinde geoffenbart wurden.240 Die Rettung im Gericht ist an das Tun des Gesetzes gebunden. Diesem Verständnis entspricht auch die Targum-Version und der griech. Text von Nahal Hever. Durch die Verwendung der 1. Person des Possessivpronomens verlagert der Übersetzer der Septuaginta den Akzent von der Treue des Menschen auf die Treue Gottes.241 Das Zitat von Hab 2,4 in Röm 1,17 folgt weder dem MT noch der griech. Übersetzung. Paulus lässt das Possessivpronomen fallen und versteht πι' στις nicht im Sinn von „Treue“, sondern als „Glaube“, und „Leben“ nicht als Bewahrung vor physischen Gefahren, sondern als Teilhabe an dem Auferstehungsleben Jesu Christi (vgl. 6,4.8). Das heißt jedoch nicht, dass er den atl. Text gegen dessen ursprünglichen Sinn interpretiert. Mehrere Erklärungen werden angeboten. 1. Paulus hat das Pronomen vielleicht deshalb weggelassen, weil er nicht zwischen der 3. Person (MT, Targum, 8HevXIIgr) und der 1. Person (LXX) unterscheiden, sondern auf beide Versionen anspielen wollte: Es geht sowohl um die Treue Gottes gegenüber seinen Verheißungen, die dem Menschen Leben (Heil) vermittelt, und es geht um den Glauben als Antwort des Menschen, die Leben (Heil) zur Folge hat.242 Die Unterschiede zwischen den hebr. und griech. Textvarianten und der Bedeutung von Hab 2,4 in Röm 1,17 sind insgesamt nicht allzu groß. Alle Textvarianten betonen die Zuverlässigkeit der Vision vom Eingreifen Jahwes, die in der Zuverlässigkeit Jahwes ihren Grund hat; wenn der Botschaft jedoch nicht geglaubt wird, werden die gerechten Judäer keinen Anlass haben, inmitten der verwirrenden zeitgeschichtlichen Ereignisse Gott und seiner Verheißung treu zu bleiben. 2. Paulus hat Hab 2,4, im Anschluss an die LXX, als messianische Prophetie verstanden, die einen kommenden Gerechten (ο� δι' καιος) verheißt, auf den die Judäer warten sollten (Hab 2,3; nach dem hebr. Text sollen sie auf das Kommen der Gerechtigkeit Gottes warten), der jetzt jedoch in Jesus Christus gekommen ist. Die Manifestation der Treue Gottes ist mit der Offenbarung der Gerechtigkeit Gottes gegenwärtige Wirklichkeit geworden (Röm 1,17).243 Eine messianische Interpretation von Hab 2,4 LXX ist jedoch nicht sehr wahrscheinlich.244

Paulus nimmt beide Perspektiven der Texttradition von Hab 2,4 auf: die Treue Gottes gegenüber seinen Verheißungen und die damit einhergehende Notwendigkeit, dass die Empfänger der Offenbarung Gottes mit Glauben ————————————————————

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D.h., es geht nicht um die Treue gegenüber einer Person per se. Anders Käsemann 28-29; Fitzmyer 264. Vgl. Koch, Text, 72-74; Koch, Schrift, 127. Zu den Lesungsvarianten s. jetzt Heliso, Pistis, 40-69. Dunn I 45.48. Hays, Faith, 132-141; Hays, Conversion, 137-140; Campbell, Rhetoric, 203-214; Campbell, Deliverance, 613-616. Zu ο� δι' καιος als messianischer Titel s. Hays, Righteous One; Hurtado, Lord Jesus Christ, 189-190. Watts, Not Ashamed of the Gospel, 13.16-17; Taylor, From Faith to Faith, 339-340: ο� δι' καιος (Hab 2,4) und ε� ρχο' μενος (Hab 2,3) beziehen sich nicht auf dieselbe Person – das Kommen des „Kommenden“ in der LXX (und möglicherweise im hebr. Text) ist die Intervention bzw. das Kommen Gottes (vgl. Haak, Habakkuk, 57); ο� δι' καιος bezeichnet den gerechten Judäer, der mit den Bösen kontrastiert wird (Hab 1,4.5.13; 2,4).

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antworten, der der Weg zum Leben ist. Wie Gottes Handeln zur Zeit von Habakuk darauf hinauszulaufen schien, dass er sein Volk zugunsten der noch böseren Heiden verwerfen würde, so scheint Gottes Handeln in der Gegenwart die Verstoßung Israels bei gleichzeitiger Annahme der Heiden zu bewirken. Paulus betont in Röm 1,16-17 mit Hab 2,4: Wer auf die Offenbarung der Gerechtigkeit Gottes mit Glauben antwortet, der erfährt die Macht Gottes, durch die sowohl Juden als auch Griechen gerettet werden.245 Das Zitat bestätigt, dass die Offenbarung der Gerechtigkeit Gottes, d.h. die Rettung durch die Macht Gottes, die Juden und Griechen erfasst und im Evangelium offenbart wird, an den Glauben gebunden ist – Glaube verstanden als Antwort auf das verheißene und jetzt im Evangelium Wirklichkeit gewordene Rettungshandeln Gottes. Paulus unterstreicht mit dem Zitat die Bedeutung der Begriffe Gerechtigkeit, Glaube und Leben, die allesamt im Verlauf des Briefs erläutert werden. Die Frage, ob die Formulierung „aus Glauben“ (ε� κ πι'στεως) das Subjekt „der Gerechte“ (ο� δι'καιος)246 oder das Verb „wird leben“ (ζη' σεται)247 qualifiziert, kann offengelassen werden. Beide Bedeutungen ergeben einen Sinn. Paulus gibt seinen Lesern in Rom keinen Hinweis, wie er die Syntax des Satzes verstanden haben will.248 Juden und Heiden werden gerecht allein durch den Glauben an Gottes Offenbarung in Jesus Christus,249 und der aufgrund des Glaubens Gerechte wird die Wirklichkeit seines Glaubens in seinem Leben erfahren und bewahren. Der Ton liegt auf der Wendung „aus Glauben“ (ε� κ πι'στεως). Die in der Habakukstelle betonte Treue ist der Glaube an die Offenbarung der Gerechtigkeit Gottes in und durch Jesus Christus, der sich zuerst unter Juden und jetzt zunehmend unter Heiden Raum schafft. ————————————————————

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Watts, Not Ashamed of the Gospel, 14.16-25. Seifrid 610 argumentiert: die Treue, von der Habakuk im hebr. Text spricht, ist die Treue Gottes, der seine Heilsverheißung, die in Hab 3,1-15 folgt, erfüllt; die LXX bewahrt den Sinn des hebr. Textes, auch wenn es das Pronomen anders versteht: Die Treue Gottes gibt dem Gerechten Leben; Paulus, der das Pronomen auslässt, nimmt diese Bedeutung auf und betont gleichzeitig den Aufruf zum Glauben – „To ‚live by my [i.e. the Lord’s] faithfulness‘ is to live by faith“. EÜ, ZÜ: „der aus Glauben Gerechte wird leben“; GN: „wer durch Glauben vor Gott als gerecht gilt, wird leben“; vgl. NGÜ Anm; vgl. Käsemann 29; Cranfield I 102; Wilckens I 90; Koch, Schrift, 290-291, mit Hinweis auf die Verwendung des Zitats in Gal 3,11; Hebr 10,38. Elb.Ü, LÜ, NGÜ; vgl. Schlatter 43-44; Schlier 45-46; Fitzmyer 265; Lohse 82; vgl. Haacker 48, der auf Gal 3,10-14 verweist; er schreibt: „Paulus kämpft zwar um den Begriff der δικαιοσυ' νη, zeigt sich aber an einer Neubestimmung des Adjektivs δι' καιος nicht interessiert“. Dunn I 45-46; Kruse 74; Moody, Habakkuk Quotation; Davies, Faith, 41. Zu beachten ist die Verbindung der beiden Definitionen „Evangelium“ in 1,16-17 und 1,3-4, die nicht aufgelöst werden darf.

Proömium: Dank, Fürbitte, Thema 1,8-17 189 ————————————————————————————————————

IV Wenn Paulus betet, rezitiert er weder festgelegte Formeln, noch formuliert er seine Anliegen gemäß einem bestimmtem Schema. In seinem Brief an die Gemeinde in Korinth – der Ort, an dem er den Römerbrief schreibt – betonte Paulus in der einleitenden Danksagung das vergangene, gegenwärtige und zukünftige Handeln Gottes, das in Korinth Menschen zum rettenden Glauben an Jesus Christus geführt und eine Gemeinde ins Leben gerufen hat, die reiche geistliche Gaben besitzt und in der Menschen im Glauben an das Evangelium gestärkt werden (1Kor 1,4-9). Im Römerbrief ist die einleitende Danksagung an Gott kurz und prägnant, auf den Glauben der römischen Christen und auf ihr missionarisches Engagement konzentriert (Röm 1,8), das infolge der Verbannung der Juden aus Rom durch das Claudiusedikt weltweit bekannt geworden war. Während Paulus im später geschriebenen Philipperbrief in seiner Fürbitte für die Gemeinde reicher werdende Liebe, Einsicht und Verständnis, Beurteilungsvermögen, reinen Wandel und die Frucht der Gerechtigkeit nennt, erwähnt er im Römerbrief nur seine Besuchspläne als Gegenstand seiner Fürbitte (Röm 1,9-10). Die Konstante in den Gebeten des Paulus ist das Gebet zu dem einen wahren Gott, der für die Glieder seines Volkes immer ein persönlicher Gott ist, und die Überzeugung, dass der Gott Israels jetzt, da dieser seine Gerechtigkeit in Jesus, dem Messias Israels, geoffenbart hat, authentisch nur im Kontext des Glaubens an Jesus Christus angebetet werden kann – Paulus dankt „meinem Gott durch Jesus, den Messias“. Die Erwähnung seines mehrfach anvisierten Plans, Rom zu besuchen, gibt Einblick in die Frage, wie Paulus „Führung“ in konkreten Lebensfragen verstand. Paulus hat beschlossen, dass er die Gemeinde in Rom besuchen sollte: Er betet zu Gott um die Realisierung seiner Besuchspläne, er betont den geistlichen Charakter seiner Pläne, er hofft nahezu ungeduldig auf die Erfüllung seines Wunsches, er gesteht seine Unsicherheit im Blick auf seine Zeitplanung ein, er betont seine Abhängigkeit vom Willen Gottes (1,10-11). Als Missionar entwirft er Strategien zukünftiger Arbeitsgebiete, als Pastor will er die Jesusbekenner in Rom stärken, als Gläubiger bittet er Gott um Hilfe und als Theologe weiß er, dass Gottes souveräner Wille bestimmt, was tatsächlich geschehen wird. Authentisches Gebet versucht nicht, Gott von der Richtigkeit der eigenen Pläne und Wünsche zu überzeugen. Authentisches Gebet erkennt die Autorität Gottes an, räumt die potentielle Unvollkommenheit eigener Pläne ein und vertraut auf die Souveränität des Willens Gottes. Paulus führt den Bericht über seine Fürbitte um die Verwirklichung seiner Besuchspläne mit der Formulierung „Gott ist mein Zeuge“ ein (1,9).

190 Römerbrief ————————————————————————————————————

Wenn man diese Formulierung als Schwur versteht, stellt sich die Frage, ob Paulus das Schwurverbot Jesu gekannt hat: „Ihr habt gehört, dass zu den Alten gesagt worden ist: Du sollst keinen Meineid schwören, und: Du sollst halten, was du dem Herrn geschworen hast. Ich aber sage euch: Schwört überhaupt nicht, weder beim Himmel, denn er ist Gottes Thron, noch bei der Erde, denn sie ist der Schemel für seine Füße, noch bei Jerusalem, denn es ist die Stadt des großen Königs. Auch bei deinem Haupt sollst du nicht schwören; denn du kannst kein einziges Haar weiß oder schwarz machen. Euer Ja sei ein Ja, euer Nein ein Nein; alles andere stammt vom Bösen“ (Mt 5,33-37, EÜ). Jakobus nimmt dieses Verbot auf: „Vor allem, meine Brüder, schwört nicht, weder beim Himmel noch bei der Erde noch irgendeinen anderen Eid. Euer Ja soll ein Ja sein und euer Nein ein Nein, damit ihr nicht dem Gericht verfallt“ (Jak 5,12). Eine plausible Erklärung, die eine lange Tradition hat, versteht die Tatsache, dass Paulus schwört, als Hinweis, dass Jesus nicht alles Schwören verbietet. Calvin schreibt: Ein Eid „ist ein notwendiges Mittel, so oft eine Aussage, die unbedingt sicher und unbezweifelbar sein muss, durch irgendeine Ungewissheit in Zweifel gezogen wird. Denn wenn der Eid nichts anderes ist als Gottes Beistand zur Bestätigung unserer Aussage, ist es vollkommen töricht, wenn jemand die Tatsache verdunkelt, dass der Apostel hier einen Eid geschworen hat. Er hat damit auch nicht das Gebot Christi übertreten. Von daher steht fest, dass Christus nicht geboten hat, den Eid völlig abzuschaffen (wie die buchstabengläubigen Wiedertäufer faseln), sondern eher zur rechten Beachtung des Gesetzes zurückführen wollte. Das Gesetz aber erlaubt den Eid und verurteilt nur den Meineid und das überflüssige Schwören. Wenn wir also recht schwören wollen, sollen wir beim Eid die Besonnenheit und heilige Scheu übernehmen, die sich bei den Aposteln zeigt. Damit man aber diese Eidesformel versteht, soll man wissen, dass Gott derart als Zeuge angerufen wird, dass er auch als Rächer heraufbeschworen wird, wenn wir lügen“.250 Der Protest gegen eine Interpretation der Formulierung „ich schäme mich nicht“ im Sinn einer psychologischen Befindlichkeit kann stutzig machen, vor allem wenn er von verbeamteten Theologieprofessoren und Bischöfen etablierter Landeskirchen formuliert wird.251 Wer ex officio die christliche Botschaft vertritt, kann auf die Pflichten seines Amtes verweisen und gerät offensichtlich nie in eine Situation, in der man sich der Rede von Jesus als gekreuzigter und auferstandener Messias hätten schämen müssen. ————————————————————

250 251

Calvin 59, 61; vgl. Augustin, Mend. 15; Calvin, Inst. 2.8.26-27; Cranfield I 75; Kruse 59. Käsemann 15 meint, Paulus sei das Schwurgebot Jesu nicht bekannt gewesen. Dies ist wenig wahrscheinlich. Käsemann 19; Wilckens I 82; Lohse 76.

Proömium: Dank, Fürbitte, Thema 1,8-17 191 ————————————————————————————————————

Angehörige von Minderheiten wissen, was Scham ist. Missionare und Evangelisten wissen, dass die Verkündigung des Evangeliums von Jesus Christus persönlichen Mut erfordert. Christen, die Verwandten, Bekannten, Freunden und Arbeitskollegen das Evangelium von Jesus Christus nahe bringen wollen, wissen, wie leicht man ausgelacht werden kann, auch im sog. christlichen Abendland. U. Wilckens hat recht: Weil das Evangelium den Interessen und Urteilsmaßstäben der Umwelt nicht konform ist, ist der Verkündiger des Evangeliums „einem Druck gesellschaftlicher Verachtung und Feindschaft ausgesetzt, so daß sich seiner ‚nicht zu schämen‘ eines besonderen Mutes bedarf“.252 Christen schämen sich des Evangeliums von Jesus Christus deshalb nicht, weil sie wissen, dass es die Macht Gottes zur Rettung für jeden ist, der glaubt. Martin Hengel erinnert daran, dass die christliche Gemeinde damals, „25 Jahre nach dem Gründungsgeschehen, eine obskure Sekte innerhalb der an sich schon verachteten jüdischen Religions- und Volksgemeinschaft (war). Auffällig an ihr war lediglich ihr fanatischer Missionseifer, ihre den Gebildeten abstoßende Weltverachtung und die Tatsache, daß sie es mit dem jüdischen Gesetz nicht mehr so ernst nahm … Sie waren eine winzige Minderheit, deren Bedeutungslosigkeit zunächst im umgekehrten Verhältnis zu ihrem universalen Heilsanspruch stand … Es gibt wohl keine Gruppe in der Weltgeschichte, die, ganz der Kraft des ihr anvertrauten Wortes vertrauend, eine größere Diskrepanz zwischen äußerer Machtlosigkeit und innerer sieghafter Machtgewißheit verkörperte als die frühe Urgemeinde“.253 Die zweite Definition des Evangeliums in 1,16-17 ist mit der ersten Definition zu verbinden: Das Wesen des Evangeliums ist auf Jesus konzentriert, den messianischen Davidssohn und Gottessohn (1,3-4), der die Funktion des Evangeliums bestimmt – das Evangelium rettet Juden und Griechen, die (an Jesus als Messias und Gottessohn) glauben, indem es allen Juden und Griechen, die glauben, die Gerechtigkeit Gottes zueignet (1,1617). Die Christologie ist die Grundlage der Soteriologie: Die Offenbarung der Gerechtigkeit Gottes ist untrennbar verbunden mit dem Kommen Jesu, der der Messias Israels und der Retter von Juden und Griechen ist. Die Macht Gottes, die im Evangelium verkündigt wird und die im Gefolge der Verkündigung des Evangeliums als Wirklichkeit erfahren wird, ist die Macht des Auferstandenen, der zur Rechten Gottes als Kyrios herrscht.254 ————————————————————

252 253 254

Wilckens I 82. Hengel, Christus und die Macht, 127-128. Vgl. Wilckens I 91-92, der in Auseinandersetzung mit R. Bultmann betont: „Die Christologie der Tradition ist keineswegs in ihrer soteriologischen Interpretation durch Paulus in dem Sinn aufgehoben, daß sie auf die Ebene der Anthropologie transportiert wäre“.

192 Römerbrief ————————————————————————————————————

Was Paulus in den beiden Definitionen des Evangeliums in 1,3-4 und 1,1617 herausstellt, bestimmt seine ausführliche Behandlung im ersten Hauptteil des Römerbriefes (1,18–5,21): Die Rechtfertigung der sündigen Menschheit (1,18–3,20) ist die Wirkung der Heil schaffenden Offenbarung der Gerechtigkeit Gottes durch Jesus (3,21–5,21), effektiv durch den Tod Jesu (3,2126; 5,10). Dass Paulus grundsätzlich theozentrisch formuliert und zentral christologisch argumentiert, ist deshalb kein Widerspruch, weil Jesus, der Messias Israels, als Sohn Gottes Anteil hat an der Gottheit Gottes. Wenn Paulus von Gottes Handeln spricht, spricht er vom Leben und Wirken Jesu. Die Betonung des Glaubens in 1,16-17 (παντι` τω ñ, πιστευ' οντι, ε� κ πι'στεως ει� ς πι'στιν, ε� κ πι'στεως) darf nicht so missverstanden werden, dass es der Glaube ist, der rettet. Wenn die Rechtferigung „aus Glauben“ eine Rechtfertigung aus „Werken des Gesetzes“ ausschließt (3,28; Gal 2,16), dann ist der Glaube nur eben kein „Werk“, das die Sünder bewerkstelligen müssen. Paulus schreibt nicht vom Glauben als neue menschliche Grundhaltung, die an die Stelle der Werke des Gesetzes tritt; er meint den Glauben an den gekreuzigten und auferstandenen Jesus Christus als „den Grund aller Gerechtigkeit vor Gott, der Glaube an Gott, der den Gottlosen rechtfertigt (4,5)“.255 Reformatorisch formuliert: Das „aus Glauben“ der zweiten Definition des Evangeliums in 1,16-17, das als „allein durch den Glauben“ zu verstehen ist, ist grundsätzlich und konsequent an Jesus Christus gebunden, der im Zentrum der ersten Definition des Evangeliums in 1,3-4 steht. Das sola fide ist die soteriologische Explikation des solus Christus.256

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255 256

Wilckens I 89. So der katholische Neutestamentler Michael Theobald, in Theobald, Gespräch, 248, im Zusammenhang der Diskussion zur Gemeinsamen Erklärung zur Rechtfertigungslehre (1999): „Der Respekt vor dem Gewicht des Paulus, der als einziger Theologe im Neuen Testament eine reflektierte Rechtfertigungslehre entwickelt hat, [verlangt es,] dass man das sola fide als soteriologische Explikation des solus Christus im paulinischen Sinne keinesfalls als zweitrangig behandeln darf. Hier kann jedenfalls der Neutestamentler nicht anders, als das Recht der paulinischen Theologie einzuklagen“.

Heiden und Juden unter dem Zorn Gottes 1,18–3,20 193 ————————————————————————————————————

Die Rechtfertigung der Sünder durch Jesus Christus 1,18–5,21 Paulus entfaltet ab 1,18 die Definition des Evangeliums von 1,3-4.16-17, die auf Jesus, den messianischen Davidssohn und den (gekreuzigten und) auferstandenen Gottessohn konzentriert war, durch den Gott seine Verheißungen für sein Volk erfüllt – die Botschaft von Jesus Christus proklamiert und gewährt die Macht Gottes, die glaubende Juden und Griechen rettet, indem Gott ihnen seine heilschaffende Gerechtigkeit zueignet. Die Definition des Evangeliums in 1,3-4.16-17 weckt beim Leser die Erwartung, dass Paulus das Heilshandeln Gottes, die Bedeutung Jesu Christi, die Situation der der Rettung bedürftigen Juden und Heiden, die Offenbarung der Gerechtigkeit Gottes, das Wesen des Glaubens und die Rolle des Glaubens für Juden und Heiden erklärt. Dies geschieht in vier Hauptteilen. Im ersten Hauptteil (1,18–5,21) erläutert Paulus die Rechtfertigung von Griechen und Juden, deren Sünde sie dem Zorngericht Gottes ausliefert, durch den Glauben an Jesus Christus, dessen Sühnetod die Folgen der Sünde Adams aufhebt, die Verheißung an Abraham von einer weltweiten Familie Gottes erfüllt und allen Glaubenden Gerechtigkeit und Frieden mit Gott zueignet (3,21–5,21).1 Im ersten Teil geht es, auf den Punkt gebracht, um Gott und die Menschen: Weder Heiden noch Juden sind gerecht, weshalb sie nicht in Gottes Zorngericht bestehen könnten (1,18–3,20). Paulus beschreibt die Konfrontation zwischen dem einen wahren Gott im Himmel und den Menschen, deren Gottlosigkeit, Ungerechtigkeit und Götzendienst und deren orientierungslose Werte und perverse Lebenspraxis den Zorn Gottes – und das heißt den Tod im Endgericht – verdient haben (1,18-32). Paulus schließt die Juden in dieses Verdikt ein: Wer im konkreten Lebensvollzug das mosaische Gesetz nicht hält, dem helfen im Endgericht weder der Besitz des Gesetzes noch die Beschneidung (2,1–3,20). Alle Menschen, Juden wie Griechen, werden von der Sünde beherrscht: Es gibt keinen, der gerecht ist und dem Gericht Gottes entrinnen kann.2 Im zweiten Teil geht es um Jesus Christus und die Menschen, die an ihn glauben (3,21–5,21). Paulus erläutert den Tod Jesu Christi, die Rettung von Heiden und Juden, Gottes Gerechtig————————————————————

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Zur Zugehörigkeit von 5,1-11 / 12-21 zum ersten Hauptteil s. die Einleitung zu Kap. 5. Spitaler, Diatribe, protestiert gegen eine „metathematische“ Lektüre von Röm 1–3, bei der das Thema der universalen Sündhaftigkeit vorausgesetzt werde, und schlägt eine alternative Lektüre vor, die nicht von einer pessimistischen anthropologischen Norm ausgeht und ergibt, dass Paulus Gerechtigkeit und Ungerechtigkeit und Leben unter der Sünde (3,9) und Leben aus dem Vertrauen (1,17) kontrastiert, d.h. sowohl gerechte als auch ungerechte Menschen beschreibt. Diese Interpretation scheitert an der Zusammenfassung des ersten Hauptabschnitts in 3,9-20 und in 3,23.

194 Römerbrief ————————————————————————————————————

keit, Vergebung der Sünden, Zugehörigkeit zur weltweiten messianischen Familie, Friede mit Gott und die Überwindung der seit Adam in der Welt herrschenden Sünde. Die Heilsinitiative Gottes im Sühnetod Jesu Christi hat, wie von Gott verheißen, die real existierende Situation von Juden und Heiden aufgehoben und Gerechtigkeit, Heil und Leben geschaffen. Für alle Glaubenden, die als Sünder zu Jesus gehören, dem messianischen Davidssohn und Gottessohn, gilt, dass dessen Tod und Auferstehung die universale Wirkung der Sünde Adams aufgehoben hat.

Heiden und Juden unter dem Zorn Gottes 1,18–3,20 Paulus beginnt die Erläuterung seiner Definition des Evangeliums in 1,34.16-17 mit einer Darstellung der Konfrontation zwischen Gott und den Menschen, von denen keiner gerecht ist und die deshalb alle den Tod verdienen. Die Aussage zur Offenbarung der Gerechtigkeit Gottes in der Definition des Evangeliums in 1,17 wird antithetisch erläutert mit der Schilderung der faktischen Situation der Menschen, eingeleitet mit der Aussage zur Offenbarung des Zornes Gottes in 1,18. Wie das Heil der Gerechtigkeit Gottes allen Menschen zuteilwird, die glauben, Juden wie Griechen (1,17), so trifft das Unheil des Zornes Gottes alle Menschen, Heiden (1,18-32) wie Juden (2,1–3,20). Die Darstellung erfolgt in zwei Schritten. 1. Paulus erläutert zunächst die Offenbarung des Zornes Gottes gegen die Gottlosigkeit und Ungerechtigkeit der Menschen, die die Herrlichkeit des einen wahren Gottes mit der Anbetung von Bildern von Menschen und Tieren vertauscht haben (1,18-32). Die Zuweisung der Polytheisten unter den Zorn Gottes entspricht der atl. und jüdischen Tradition. 2. Paulus richtet dieselbe Anklage der Offenbarung des Zornes Gottes gegen die Juden, die das Gesetz haben und als Beschnittene zum Bundesvolk Gottes gehören, aber das Gesetz nicht halten (2,1–3,20). Paulus schildert den Status der Juden vor Gottes Gericht (2,1-11) und erläutert das Gericht nach den Werken (2,12-29). Weil die Gleichstellung von Heiden und Juden im Gericht Gottes heftigen Widerspruch hervorrufen musste, behandelt Paulus jüdische Einwände, die sich auf die Erwählung Israels berufen (3,1-8).3 Paulus fasst mit einer Reihe von atl. Zitaten die Schuldigkeit der Juden vor Gott zusammen (3,9-20). Folker Siegert identifiziert in 1,18–3,20 folgende Stilelemente: Antithesen (1,18ff), Argumente ad personam (2,1.17), Argumente ad hominem ————————————————————

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Diese jüdischen bzw. judenchristlichen Einwände werden ausführlicher in Kap. 6–8 und 9–11 behandelt.

Heiden und Juden unter dem Zorn Gottes 1,18–3,20 195 ————————————————————————————————————

(3,5), Anapher und Epipher (2,21-22) und Gott als „Vorbild“ (1,20; 2,4; 3,4).4 Die kommunikativen Passagen in 2,1-11.17-24; 3,1-8.9.27-30 und andere Stellen5 stehen literaturgeschichtlich der Diatribe nahe, die im Sinn der rhetorischen Erziehungstradition der philosophischen Schulen und des populärphilosophischen Vortragsstils die direkte Ansprache und den Dialog simuliert, den imaginären Gesprächspartner mit zugespitzen Fragen traktiert, Antworten vorschlägt, die dieser ablehnen muss, Einwände gegen die Beweisführung des Autors behandelt und falsche Schlussfolgerungen formuliert, gegen die sich der Autor verwahren will.6 Es gibt keinen klar umrissenen Stil der Diatribe.7 Aber die für diese typischen stilistischen Merkmale und rhetorischen Strategien sind im Römerbrief mehrfach vorhanden. Angesichts der Gründe für die Abfassung des Römerbriefs bleibt festzuhalten, dass die „diatribischen“ Passagen weder einen imaginären Diskussionspartner noch eine fiktive Argumentation voraussetzen: Paulus setzt sich mit der judenchristlichen Kritik seiner Missionstheologie auseinander, die ihn in den zwanzig Jahren seiner Missionsarbeit im östlichen Mittelmeerraum beschäftigt hat, die ihm bei dem bevorstehenden Besuch in Jerusalem begegnen wird und die in der römischen Gemeinde offensichtlich bekannt war.8 Nach Johannes Piscator verwendet Paulus in 1,18–3,31 folgenden Syllogismus: Homo iustificatur aut ex operibus Legis, aut ex fide. Non autem ex operibus. Ergo ex fide („Der Mensch wird gerechtfertigt entweder aus Werken des Gesetzes, oder aus Glauben. Er wird nicht aus Werken [des Gesetzes gerechtfertigt]. Folglich [wird er] aus Glauben [gerechtfer-

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Siegert, Argumentation, 182-185.212-213.228-229.234. 4,1-12; 6,1-3.15-16; 7,7-25; 8,31-39; 9,14.19-21.30-33; 10,14-21; 11,1-10.11-24; 13,3-4; 14,4.10-12; vgl. Schmeller, Diatribe, 407, der auch 1,18–2,11; 8,31-39; 11,1-24 als diatribisch behandelt. Vgl. Theobald, Der Römerbrief, 71-74. S.K. Stowers, Art. Diatribe, HWR II, 627-633, hier 628. Vgl. H. Görgemanns / K.H. Uthemann, Art. Diatribe, DNP III, 531-533; S.K. Stowers, Art. Diatribe, ABD II, 190193; D.F. Watson, Art. Diatribe, DPL 213-214; Stowers, Diatribe; Schmeller, Diatribe; Song, Reading Romans. Siehe den Protest von Donfried, Presuppositions, 211-221 im Blick auf Paulus. Campbell, Deliverance, 519-600 liest 1,18–3,20 nicht als paulinischen Text, sondern als Stimme des Lehrers, der ein alternatives Evangelium verkündet und gegen den Paulus argumentiert, indem er dessen Argumente, die auf einem forensischen (retributiven) Verständnis der Gerechtigkeit Gottes basieren, ad absurdum führt. Diese Interpretation ist im Rahmen von Campbells Projekt einer radikalen Neuinterpretation von Paulus zu verstehen, die die traditionelle „Justification Theory“ eliminieren will, ein Projekt, das an den exegetischen Daten gerade von Röm 1–5 scheitert. Nichts weist darauf hin, dass 1,18– 3,20 nicht die Meinung von Paulus ist. Zur Kritik s. Moo, Deliverance.

196 Römerbrief ———————————————————————————————————— tigt]“).9 Piscator meint, Paulus brauche den ersten Satz (propositio) nicht erwähnen, weil er selbstverständlich sei. Um den zweiten Satz (assumptio) zu beweisen, verwende Paulus folgenden Syllogismus: Nullus transgressor Legis, ex operibus Legis iustificatur. At omnis homo, transgressor Legis est. Nullus igitur homo ex operibus legis iustificatur („Kein Übertreter des Gesetzes wird aus Werken des Gesetzes gerechtfertigt. Jeder Mensch ist ein Übertreter des Gesetzes. Folglich wird kein Mensch aus Werken des Gesetzes gerechtfertigt“). Nach Piscator liefert Paulus in 1,18–3,20 den Beweis für die assumptio, d.h. für die Annahme, dass jeder Mensch ein Übertreter des Gesetzes ist. Johan Vos meint, Paulus biete in 1,18–3,20 nur einen scheinbaren Beweis: Die Anklage, dass alle Menschen, sowohl Juden wie Griechen, unter der Sünde sind, wurde nur scheinbar erhoben. Die Anklage in 2,1-11 gelte einem fiktiven Gesprächspartner, nicht explizit einem Juden; in 2,17-24 gehe es um einen fiktiven Juden, der die elementaren Gebote des Gesetzes übertritt; in 2,12-16.25-29 kontrastiere Paulus Heiden, die ohne Besitz des schriftlichen Gesetzes die Forderung des Gesetzes erfüllen, mit Juden, die das schriftliche Gesetz besitzen, aber dieses übertreten; in 3,1-9 werde der Dialog mit dem fiktiven Gesprächspartner fortgesetzt. Vos folgert, dass Paulus „hier nach den Kriterien des Aristoteles eine sophistische Strategie verfolgt“ und Verwirrung stiften will, „eine bekannte Strategie von Rednern, die mehr an dem Sieg in der Debatte als an der Wahrheit interessiert sind“.10 Moisés Mayordomo zieht nach einer Analyse von 1,18–3,20 das Fazit, dass die Argumentation „über weite Strecken als logisch stringent erwiesen werden“ kann. Vom Basissatz in 1,18 ausgehend „lassen sich viele Abschnitte als ein modus ponens verstehen“.11 Der von der stoischen Argumentations- und Schlusslehre formulierte modus ponens wird von Sextus Empiricus so beschrieben: „Wenn ein Argument zwei Prämissen hat, von denen die eine eine Implikation und die andere der in der Implikation enthaltene Vordersatz ist, und wenn es außerdem als Konsequenz den in derselben Implikation enthaltenen Nachsatz hat“. 12 Modusformel: „Wenn das Erste, dann das Zweite; nun aber das Erste; also das Zweite“. Beispielsatz: „Wenn es Tag ist, ist es hell; nun aber ist es Tag; also ist es hell“. Die Hauptaussage des Textes, formuliert in 1,18, enthält Prämisse 1 (Menschen erkennen die Wahrheit), Prämisse 2 (Menschen handeln unrecht), und die Konklusion nach modus ponens (Gottes Zorn kommt als Strafe über sie).13 Als Formalisierung ergibt sich (G A)→O, wobei G (γινω' σκω, Wahrheitserkenntnis), A (α� μαρτι' α / α� δικι' α, Sünde) und O (ο� ργη' , Strafe). Eine ähnliche Struktur wie der Basissatz in 1,18 haben 1,32; 2,2; 2,8; 2,12b. Der Abschnitt 1,1923 lässt sich als modus ponens zum Basissatz 1,18 lesen: Die Menschen haben Gott durch seine Offenbarung in der Natur erkannt (G, 1,19-20) und gesündigt (A, 1,21-23) mit der Folge, dass Gott sie der Unreinheit ausliefert (O, Konklusion, 1,24). Der Form G A lässt sich auch 1,25 zuordnen (die Menschen erkannten die Wahrheit Gottes; die Menschen entschieden sich statt für die Wahrheit für die Lüge und beteten das Geschöpf an), die Konklusion O erfolgt als zulässiger Schluss (aus V. 18) in 1,26-27 (Gott liefert die Menschen ∨



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Piscator 7; zitiert nach der 4. Auflage 1608 (erste Auflage 1595). Die folgende Diskussion orientiert sich an Vos, Argumentation, 78-79, der Piscator nach dessen Comentarii in omnes libros Novi Testamenti, 2. Auflage, Herborn 1638, zitiert (erste Auflage 1613). Vos, Argumentation, 79, 86; nach Aristoteles, Sophistici elenchi 1,164a20-24, „sind syllogistische Argumente, die nur scheinbar, aber nicht wirklich solche sind, kennzeichnend für die sophistische Argumentationsweise“ (Vos, ebd. 77-78). Räisänen, Paul, 99, nennt die Schlussfolgerung in 3,9 „a blatant non sequitur“. Mayordomo, Paulus, 228; vgl. insgesamt ebd. 166-228, logische Analyse 212-228. Sextus Empiricus, Adversus Mathematicos 8,224; Hülser, Fragmente zur Dialektik der Stoiker, 1131. Vgl. Mayordomo, Paulus, 85, ebd. für das Folgende. Mayordomo, Paulus, 215-216; für das Folgende s. ebd. 217-228.

Heiden und Juden unter dem Zorn Gottes 1,18–3,20 197 ———————————————————————————————————— entehrenden Leidenschaften aus). Der Basissatz 1,18 mit der Logik (G A)→O liegt sodann in 1,28 vor: Die Menschen haben Gott erkannt; sie weigerten sich, Gott anzuerkennen; Gott lieferte sie einem verworfenen Denken aus. Die Aussage A wird in 1,29-31 mit einer langen Reihe von Beispielen belegt, die in einer Neuformulierung des Basissatzes in 1,32 mit der Struktur (G A)→O gipfelt: Die Menschen kennen Gottes Rechtssetzung (G); die Menschen handeln entgegen Gottes Rechtssetzung (A); die Menschen haben den Tod verdient (O). Die Logik der Verknüpfung von 2,1 (διο` α� ναπολο' γητος) kann mit dem Instrumentarium der aristotelischen Termlogik kaum erkannt werden, lässt sich aber mit der stoischen Aussagenlogik herausstellen.14 Paulus stellt die conclusio voran (U, υ� πο' δικος; Menschen sind schuldig) und begründet (γα' ρ, V. 1b) die Aussage über Prämisse 2 (A, der Mensch tut selbst das, was er bei anderen verurteilt) des Basissatzes 1,18; es ergibt sich für 2,1 die Struktur (G A)→U (Prämisse 1, d.h. der Aspekt der Erkenntnis, ist im Akt des Richtens impliziert; die für den Schluss notwendige Prämisse 2 wurde in 1,18 formuliert, woraus sich der Anschluss mit διο' ergibt; für Paulus sind die Sätze U [Schuld] und O [Zorn Gottes] austauschbar, eine theologische Prämisse, die Paulus nicht explizit erwähnt). In 2,6-11 wird das Axiom eingeführt, dass Gott unparteiisch ist (2,11), aus dem das Prinzip abgeleitet wird, dass er alle Menschen nach dem gleichen Prinzip der Werke richtet (2,6); aus diesem Axiom und Prinzip ergeben sich zwei Aussagekonstellationen – Paulus argumentiert in 2,8-9: Wenn Menschen Gott erkennen (G) und sündigen (A), sind sie vor Gott schuldig (U); und in 2,7.10: Wenn Menschen Gutes tun (E, ε� ργα' ζομαι, Menschen tun, was Gott nach dem Gesetz verlangt), belohnt sie Gott mit dem ewigen Leben (D, δικαιο' ω, Gott erkennt sie als gerecht an). Paulus setzt bei dem Schluss von 2,11 auf 2,6 die unausgesprochene Prämisse voraus, dass sich das Prinzip der Gleichbehandlung nach dem Kriterium der „Werke“ richtet – eine Annahme, die nach Aristoteles zu den endoxa, den „allgemein geteilten Meinungen“ zählt.15 Der Schluss von 2,6 auf 2,7-10 benötigt die Zusatzprämisse, dass es nur gute oder schlechte Werke gibt und entsprechend nur Rettung oder Vernichtung im Gericht; diese Antithesen fungieren als kontradiktorische Gegensätze – die Negation von beiden kann nicht wahr sein. Nach dem vierten und fünften Axiom der stoischen Logik16 ergibt sich aus 2,8.10 der neue Basissatz E→D: Wenn Menschen Gutes tun (E), dann erkennt Gott sie im Gericht als gerecht an (D). In 2,12 erläutert Paulus die Konsequenz von 2,11: Der Besitz des Gesetzes hebt die Unumgänglichkeit des Basissatzes E→D (2,8.10) nicht auf – wenn Menschen das Gesetz nicht haben und sie tun Unrecht, dann werden sie von Gott gerichtet (2,12a); wenn Menschen das Gesetz haben und sie tun Unrecht, werden sie von Gott gerichtet (2,12b). Das heißt, wenn Gott alle Menschen nach dem gleichen Prinzip richtet, und wenn der Zusammenhang des Basissatzes von 1,18 nicht aufgelöst werden kann, dann spielt es keine Rolle, ob sich die Erkenntnis der Wahrheit aus dem Gesetz oder aus der göttlichen Offenbarung in den Werken der Schöpfung herleitet. Damit ist 2,12b eine Variante des Basissatzes in 1,18. Die Abschnitte 2,14-16 und 2,26-29 formulieren die Protasis des Basissatzes E→D für ∨





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Vgl. Mayordomo, Paulus, 219-220. Mayordomo, Paulus, 221-222; der aristotelische Barbara-Schluss folgert: 1. Ein unparteiischer Richter ist ein Nach-Werken-Richtender; 2. Gott ist ein unparteiischer Richter; Conclusio Gott ist ein Nach-Werken-Richtender. Viertes Axiom: „Entweder das Erste, oder aber das Zweite; nun aber das Erste also nicht das Zweite“ („Entweder es ist Tag, oder aber es ist Nacht; nun ist es Tag; also nicht: es ist Nacht“); fünftes Axiom: „Entweder das Erste oder das Zweite; nun aber nicht das Erste; also das Zweite“ (Entweder es ist Tag, oder aber es ist Nacht; nun aber nicht: es ist Nacht; also: es ist Tag“). Mayordomo, Paulus, 85, mit Zitat von Diogenes Laertius 7.8081; Hülser, Fragmente zur Dialektik der Stoiker, 1036.

198 Römerbrief ———————————————————————————————————— Nichtjuden.17 In 2,17-20 demonstriert Paulus analog 2,1-3 den Widerspruch zwischen Anspruch und Tat. Der Abschnitt 2,21-24, ein argumentatives Pendant zu 1,19-32, greift 2,1-3 auf und argumentiert: Juden erkennen die Wahrheit durch das Gesetz (G), und sie übertreten das Gesetz (A); der Schluss, dass sie schuldig sind (U) bzw. unter dem Zorn Gottes stehen (O), muss nicht mehr explizit formuliert werden. Der Abschnitt 3,9b-18 begründet mit Schriftzitaten, dass die Menschen sündigen (A). Die letzte Begründung in 3,20b entspricht der Protasis des Basissatzes (G A)→O: durch das Gesetz kommt es zur Erkenntnis der Sünde; mit 1,18 kann daraus geschlossen werden, dass alle unter dem Verdammungsurteil Gottes stehen (O), was mit der Negation von E (Gott anerkennt Menschen im Gericht als gerecht) identisch ist. Mayordomo: „Wenn man mit 3,9b-18 nun im modus ponens die Protasis von 1,18 auf die gesamte Menschheit anwendet, dann ergibt sich daraus, dass niemand von Gott als gerecht anerkannt werden kann“. Das Fazit in 3,9b (alle, Juden und Nichtjuden, stehen unter der Herrschaft der Sünde) ergibt sich logisch nicht aus der bisherigen Argumentation: Die Protasis des ersten Basissatzes (G A)→O wird sowohl für Nichtjuden (1,19-32) wie für Juden (2,1-13) belegt, während die Protasis des zweiten Basissatzes E→D zwei Mal für Nichtjuden belegt wird (2,14-16.2629), jedoch in 2,10 ganz allgemein für Nichtjuden und Juden formuliert wird. Die Spannung wird durch den Schluss in 3,20 verschärft, dass kein Mensch durch gesetzeskonformes Handeln von Gott als gerecht anerkannt wird, während 2,13b formuliert hatte, dass Gott die gerecht erklärt, die das Gesetz tun. Mayordomo will für die Spannung zwischen 3,20 und 2,13b nicht vorschnell das Scheitern der Logik konstatieren; er sieht zwei Lösungsmöglichkeiten.18 1. Die beiden Aussagen können als aristotelische Allaussagen formuliert – Alle Gesetzestäter sind Gerechtgesprochene / Kein Gesetzestäter ist Gerechtgesprochener – und der Gegensatz mithilfe der aristotelischen Moduslehre aufgehoben werden. Wenn man 3,20 als apodiktische Aussage und 2,13b als problematische Aussage versteht, ergibt sich die kohärente Aussage: Es ist möglich, dass ein Mensch, der das Gesetz tut, von Gott als gerecht anerkannt wird, faktisch kommt dies aber nicht vor. 2. Die beiden Sätze haben kein gemeinsames Subjekt, das einerseits bejaht und gleichzeitig negiert wird. In 2,13b spricht Paulus von den Menschen, die das Gesetz angemessen halten, während er in 3,20 von den Menschen spricht, die das Gesetz unangemessen halten, z.B. reduziert auf Beschneidung und Speisegebote19 oder ohne die Erfüllung in und durch Jesus, den Messias Israels, in Betracht zu ziehen.20 ∨



Die Analyse menschlicher Existenz in 1,18–3,20 ist nicht das letzte Wort zu diesem Thema im Römerbrief: In den Argumentationsgängen 5,12-21; 7,725 und 9,6-29 wird Paulus weitere Argumente liefern, die die Ausweglosigkeit menschlicher Existenz seit Adam, auch angesichts der Gabe des Gesetzes und der Erwählung Israels, untermauern und das Profil des Evangeliums Gottes von der Rettung durch Jesus, den Messias Israels und Kyrios, schärfen. ————————————————————

17

18 19 20

Nach Mayordomo, Paulus, 223 ist 2,14-16 „nicht nur inhaltlich, sondern auch argumentativ-logisch schwer zu verstehen“; s. unten den Kommentar. Für das Folgende ebd. 224226, Zitat 228. Mayordomo, Paulus, 227. Dunn, New Perspective, 121-152.213-226.381-394.413-428. So im Kommentar zur Stelle.

Die Sünde der Heiden 1,18-32 199 ————————————————————————————————————

Die Sünde der Heiden 1,18-32 I 18 Denn Gottes Zorn wird offenbart vom Himmel her gegen alle Gottlosigkeit und Ungerechtigkeit der Menschen, die die Wahrheit durch Ungerechtigkeit niederhalten. 19 Denn was von Gott erkennbar ist, das ist unter ihnen offenbar, denn Gott hat es ihnen kundgemacht. 20 Denn seine unsichtbare Wirklichkeit wird seit der Erschaffung der Welt in den Werken (der Schöpfung) kraft vernünftiger Einsicht wahrgenommen, seine ewige Macht und göttliche Majestät, sodass sie ohne Entschuldigung sind. 21 Denn obwohl sie Gott erkannt haben, haben sie ihm nicht als Gott Ehre und Dank dargebracht, sondern sie verfielen in ihren Gedanken der Nichtigkeit und ihr unverständiges Herz wurde verfinstert. 22 Obwohl sie behaupteten, weise zu sein, wurden sie töricht 23 und haben die Herrlichkeit des unvergänglichen Gottes vertauscht mit der Gestalt des Bildes eines vergänglichen Menschen oder von Vögeln und Vierfüßlern und Kriechtieren. 24 Darum hat Gott sie in den Begierden ihrer Herzen der Unreinheit übergeben, sodass ihre Leiber durch sie selbst geschändet werden. 25 Sie haben die Wahrheit Gottes mit der Lüge vertauscht, und sie haben das Geschaffene angebetet und ihm gedient statt dem Schöpfer, der gepriesen sei in Ewigkeit. Amen. 26 Darum hat Gott sie an schändliche Leidenschaften übergeben: Ihre Frauen haben den natürlichen Verkehr mit dem widernatürlichen vertauscht. 27 Ebenso gaben die Männer den natürlichen Verkehr mit dem weiblichen Geschlecht auf und entbrannten in Verlangen zueinander; Männer begehen schamlose Handlungen mit Männern und erhalten den gebührenden Lohn für ihre Verirrung an sich selbst. 28 Und weil sie es nicht für nötig hielten, Gott anzuerkennen, hat Gott sie einem unbrauchbaren Denken übergeben, sodass sie tun, was sich nicht gehört: 29 Sie sind angefüllt mit aller Ungerechtigkeit, Schlechtigkeit, Habsucht, Bosheit; sie sind voll Neid, Mord, Streit, Tücke, Verschlagenheit: Intriganten, 30 Denunzianten, Gotthasser, Gewalttätige, Angeber, Aufschneider; erfinderisch im Bösen, den Eltern ungehorsam, 31 unverständig, unbeständig, lieblos, erbarmungslos. 32 Obwohl sie Gottes Rechtssetzung kennen, dass die, die solches tun, den Tod verdienen, tun sie es nicht nur, sondern geben auch denen Beifall, die es tun.

200 Römerbrief ————————————————————————————————————

II Paulus beginnt seine Erläuterung des Evangeliums als Offenbarung der Gerechtigkeit Gottes, die Juden und Griechen rettet (1,16-17), mit einer prophetischen Gerichtsrede. Die Anklage wird in 1,18 formuliert, V. 19-23 liefern die begründende Entfaltung, V. 24-28 enthalten das „Darum“ der Botenformel, V. 32 die Gerichtsankündigung; in 3,19 wird die Verkündigung des göttlichen Todesurteils formuliert, in 3,20 die abschließende Begründung.1 Der wuchtig formulierte Satz in 1,18 – Gottes Zorn wird offenbart vom Himmel her gegen alle Gottlosigkeit und Ungerechtigkeit der Menschen – markiert einen deutlichen Kontrast des Abschnitts zu 1,16-17: „Zorn Gottes“ (ο� ργη` θεουñ ; 1,18) ist Gegenbegriff zu „Rettung“ (σωτηρι'α; 1,16); „sie haben den Tod verdient“ (α» ξιοι θανα' του ει� σι'ν; 1,32) entspricht antithetisch dem „wird leben“ (ζη' σεται; 1,17). Die Gegenüberstellung von „Tod“ und „Leben“ spielt in der Zusammenfassung des ersten Hauptteils in 5,12-21 und im zweiten Hauptteil Kap. 6–8 eine zentrale Rolle. Die Situation der Menschheit steht seit Adam unter dem Urteil „sie haben den Tod verdient“; das Evangelium verkündigt die Offenbarung Gottes in und durch Jesus, den Messias Israels und Retter der Welt, durch die die Menschen, die an Jesus glauben, „Leben“ bekommen. Es ist gut möglich, dass dieser Abschnitt ein integraler Bestandteil der missionarischen Verkündigung des Apostels vor einem heidnischen Publikum war. Der Abschnitt betont, rhetorisch eindrucksvoll, die Symmetrie von Anklage und Beweis, von menschlicher Sünde und göttlicher Reaktion. (1) Die Ausdrücke α� σε' βεια und α� δικι'α (V. 18) werden zwei Mal erläutert: in V. 1921 (α� σε' βεια) und V. 22-23 (α� δικι'α) chiastisch, und in V. 25-27 (α� σε' βεια) und V. 28-31 (α� δικι'α) in der Reihenfolge von V. 18. (2) Das Verb „vertauschten“ ([μετ-]η' λλαξαν) wird drei Mal wiederholt (V. 23.25.26). Der Ausdruck kennzeichnet die menschliche Sünde als Austausch bzw. Perversion der von Gott gegebenen Möglichkeiten des Lebens. (3) Die Wendung „[darum] hat Gott sie übergeben“ (παρε' δωκεν αυ� του` ς ο� θεο' ς) kommt drei Mal vor (V. 24.26.28). (4) Die Korrespondenz von menschlicher Aktion und göttlicher Reaktion als Festhalten des Menschen an seiner Handlung wird mit drei ähnlichen Wendungen beschrieben: ει� ς α� καθαρσι'αν („der Unreinheit“, V. 24), ει� ς πα' θη α� τιμι'ας („an schändliche Leidenschaften“, V. 26), ει� ς α� δο' κιμον νουñ ν („einem unbrauchbaren Denken“, V. 28). (5) Paulus formuliert paradoxe Antinomien: τα` α� ο' ρατα αυ� τουñ / νοου' μενα καθοραñ ται (Gottes unsichtbare Wirklichkeit/wird wahrgenommen; V. 20) und Kontraste: „obwohl sie Gott erkannt haben/haben sie ihm nicht als Gott Ehre und Dank ————————————————————

1

Vgl. Wischmeyer, Gerichtsrede, 363, die die futurische Zuspitzung erst in Kap. 2 sieht.

Die Sünde der Heiden 1,18-32 201 ————————————————————————————————————

dargebracht“ (V. 21); „obwohl sie behaupteten, weise zu sein / wurden sie töricht“ (V. 22); „die Herrlichkeit des unvergänglichen Gottes / vertauscht mit der Gestalt des Bildes eines vergänglichen Menschen“ (V. 23); „sie haben die Wahrheit Gottes / mit der Lüge vertauscht“ (V. 25); „sie haben das Geschaffene angebetet und ihm gedient / statt dem Schöpfer“ (V. 25); „Ihre Frauen haben den natürlichen Verkehr / mit dem widernatürlichen vertauscht“ (V. 26). Paulus argumentiert in seinem Aufweis der Schuld der Menschen im Anschluss an die jüdische Tradition, die den heidnischen Polytheismus angreift.2 Wie diese beschreibt er „den Götzendienst als die geschichtliche Wirklichkeit des Abfalls der Menschen von Gott und ihren moralischen Verfall als dessen Folge“.3 Die Argumentation in 1,18-32 berührt sich in vier Punkten sowohl in der argumentativen Struktur als auch in einzelnen Motiven mit Weish 13–15.4 1. Die aufgrund der Schöpfung mögliche Erkenntnis Gottes wurde vergeudet. Zu Röm 1,19-20 vgl. Weish 13,1-5: „Verstandleer nämlich waren zwar alle Menschen von Natur aus (μα' ταιοι με` ν γα` ρ πα' ντες α» νθρωποι φυ' σει), bei denen Nichterkenntnis Gottes war (παρηñ ν θεουñ α� γνωσι' α), und aus den sichtbaren Gütern vermochten sie nicht den Seienden zu erkennen (ου� κ »ισχυσαν ει� δε' ναι το` ν ο» ντα), und wenn sie den Werken (τοιñς ε» ργοις) ihre Aufmerksamkeit zuwandten, anerkannten sie nicht den Werkmeister, sondern meinten, entweder das Feuer oder der Geist oder die schnelle Luft oder der Kreis der Gestirne oder das gewalttätige Wasser oder die weltbeherrschenden Himmelsleuchten seien Götter. Wenn sie sich zwar an deren Schönheit erfreuten und sie für Götter hielten, sollten sie erkennen, um wie viel besser als diese der Gebieter ist; der Urheber der Schöpfung nämlich hat sie erschaffen (ε» κτισεν αυ� τα' ). Wenn sie aber über deren Macht (δυ' ναμιν) und Wirkkraft (vor Staunen) außer sich gerieten, sollten sie von ihnen her wahrnehmen, um wie viel mächtiger der ist, der sie bereitet hat. Aus der Größe nämlich und der Schönheit der Geschöpfe (κτισμα' των) wird in Entsprechung dazu ihr Schöpfer geschaut (α� ναλο' γως ο� γενεσιουργο` ς αυ� τω ñ ν θεωρειñται)“ (LXX.D). Das Urteil in Röm 1,20, dass die Menschen „ohne Entschuldigung“ sind, findet in Weish 13,8 seine Entsprechung: „Auch sie sind nicht entschuldbar“ (πα' λιν δε` ου� δ’ αυ� τοι` συγγνωστοι' ). 2. Die vergeudete Möglichkeit der Erkenntnis des wahren Gottes manifestiert sich in falscher Religion. Die in Weish 13,10-16 folgende Kritik an den Götzenbildfabrikanten erinnert an ————————————————————

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Zur Verbindung von Röm 1,18-32 und Weish 13–14 vgl. Wilckens I 96-100; Dunn I 53; Lohse 85 und die meisten Kommentatoren; Grafe, Verhältnis; Daxer, Lehrauffassung; Romaniuk, Sagesse; Bussmann, Missionspredigt, 112-122; Dabelstein, Heiden, 64-73; Gaca, Declaration 166-171; Linebaugh, God, 93-121; Campbell, Deliverance, 360-362. Wilckens I 100; Wilckens betont ebd. 99-100, dass der negativ-kritische Duktus der paulinischen Ausführungen erklärt, „daß all jene Gedanken und Motive fehlen, die in hellenistisch-jüdischer Literatur dort dominieren, wo apologetische Absicht die Feder führt“, z.B. die „natürliche Theologie“ des Frühjudentums, „die mit dem Rückschlußverfahren der Gotteserkenntnis aus der Natur auf Gott als deren Prinzip nicht einen ‚Gottesbeweis‘ liefern, sondern die Wesensart der Gottheit erschließen wollte“ und deshalb geeignet war, „den Glauben an Jahwe als den Schöpfer und Herrn für jedermann verständlich und also als allgemeine Wahrheit aussagbar zu machen“. Zum Folgenden s. Linebaugh, God, 96-100.

202 Römerbrief ———————————————————————————————————— Jes 44,6-21: „Unglücklich aber sind und bei Totem (verweilen) die Hoffnungen von denen, die die Werke von Menschenhänden (ε» ργα χειρω ñ ν α� νθρω' πων) Götter genannt haben, Gold und Silber, handwerklich Gestaltetes und Nachbildungen (α� πεικα' σματα) von Lebewesen oder unbrauchbaren Stein, ein Werk altertümlicher Hand. (So ist es) aber auch, wenn irgendein Holzhandwerker einen leichtbeweglichen Baum absägte, dessen ganze Borke ringsum kundig entfernte, und ihn schön bearbeitete, (daraus) ein nützliches Gerät bereitete zum Dienst im (täglichen) Leben, die Abfälle seines Werkstücks aber für die Zubereitung von Essen verwendete und sich sättigte, den für nichts brauchbaren Abfall davon aber, krummes und knotiges Holz, nahm und als Feierabendbeschäftigung daran schnitzte und es mit der Erfahrenheit von entspannter Tätigkeit formte, es der Gestalt eines Menschen nachbildete (α� πει' κασεν αυ� το` ει� κο' νι α� νθρω' που) oder es irgendeinem wohlfeilen Lebewesen ähnlich machte (η� ζω', ω, τινι` ευ� τελειñ ω� μοι' ωσεν αυ� το' ), es mit Rötel überstrich und seine Oberfläche rot schminkte und jeden Flecken auf ihm überstrich und für es eine ihm entsprechende Nische machte und es an einer Wand mit einem Eisen(nagel) sicherte und aufhängte. Zwar traf er also, damit es nicht herunterfiel, Fürsorge für es im Wissen, dass es unfähig ist, sich selbst zu helfen, es ist nämlich nur ein Bild und benötigt Hilfe“. Dem Hinweis auf Gottes Strafe und Gericht in Röm 1,24-31 entspricht Weish 14,8-11: „Das Handgemachte aber – verflucht (ε� πικατα' ρατον) ist es und der es gemacht hat; denn dieser hat zwar gewirkt, das Vergängliche aber wurde Gott genannt (το` δε` φθαρτο` ν θεο` ς ω� νομα' σθη). Gleichermaßen nämlich sind vor Gott verhasst sowohl der Gottlose als auch seine Gottlosigkeit (ο� α� σεβω ñν και` η� α� σε' βεια αυ� τουñ ); auch das Hergestellte nämlich wird zusammen mit dem, der es gefertigt hat, bestraft werden (κολασθη' σεται). Deshalb wird auch an den (Götzen)bildern der Völker eine Heimsuchung (ε� πισκοπη' ) stattfinden, weil sie in der Schöpfung Gottes zu einem Gräuel wurden und zu Fallen für die Seelen der Menschen und zur Schlinge für die Füße der Toren“. 3. Wie Röm 1,24-31 verbindet Weish 14,12-14.22-29 Götzendienst und unmoralisches Verhalten: „Anfang der Unzucht nämlich (war) das Ersinnen von (Götzen)bildern (α� ρχη` γα` ρ πορνει' ας ε� πι' νοια ει� δω' λων), ihre Erfindung aber Verderbnis von Leben (ευ« ρεσις δε` αυ� τω ñ ν φθορα` ζωηñ ς)“ (Weish 14,12). Der Irrtum in der Gotteserkenntnis, der zur Anbetung von Bildern führte, ist der Ursprung aller Laster: „Sodann genügte (ihnen) das Irregehen in Bezug auf die Erkenntnis Gottes nicht (το` πλαναñ σθαι περι` τη` ν τουñ θεουñ γνω ñ σιν), sondern, während sie in einem großen Krieg von Nichtkenntnis (α� γνοι' ας πολε' μω, ) lebten, bezeichneten sie so große Übel (auch noch) als Frieden. Sie treiben entweder kindermörderische Feierbräuche oder verborgene Geheimkulte oder wilde Umzüge nach fremdartigen Vorschriften und bewahren weder Lebensführung noch Ehen rein; einer tötet hinterhältig den andern oder verletzt ihn durch Ehebruch“ (Weish 14,22-24). Entsprechend Röm 1,29-31 folgt in Weish 14,25-26 ein Lasterkatalog: „Alles aber ist ein Gemisch von Blut und Mord, Diebstahl und Betrug, Verderbnis, Treulosigkeit, Verwirrung, Meineid, Unruhe der Guten (θο' ρυβος α� γαθω ñ ν; EÜ „Umkehrung der Werte“), Vergessen von Geschenktem, Befleckung der Seelen, Vertauschung des Geschlechts (γενε' σεως ε� ναλλαγη' ), Unordnung der Ehen (γα' μων α� ταξι' α), Ehebruch (μοιχει' α) und Ausschweifung (α� σε' λγεια)“. In Weish 14,27 wird der Zusammenhang zwischen Götzendienst und Sittenlosigkeit so formuliert: „Die Verehrung der namenlosen (Götzen)bilder nämlich (η� γα` ρ τω ñ ν α� νωνυ' μων ει� δω' λων θρησκει' α) ist Anfang von allem Bösen und Ursache und Ende (παντο` ς α� ρχη` κακουñ και` αι� τι' α και` πε' ρας ε� στι' ν)“.5 4. Die Menschen, die Götzen anbeten und sich der daraus resultierenden Sittenlosigkeit anheimgeben, werden von Gott gerichtet werden. Vergleiche Röm 1,32 mit Weish 14,30-31: „Für beides aber wird ihnen das Gerechte zukommen: denn sie haben falsch gedacht über Gott, indem sie (Götzen)bildern ihre Aufmerksamkeit zuwandten, und sie ————————————————————

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Für eine Analyse von Weish 14,1–15,13 s. Winston, Wisdom, 247-291; Gilbert, Critique; McGlynn, Divine Judgement, 132-169; Linebaugh, God, 67-69.

Die Sünde der Heiden 1,18-32 203 ———————————————————————————————————— haben unrecht geschworen mit Falschheit, indem sie Heiligkeit verachteten. Nicht die Macht derer nämlich, bei denen geschworen wird, sondern das (strafende) Recht der Sündigenden überkommt immer die Übertretung der Ungerechten“. Die in 1,19-21 angesprochene Erkenntnis Gottes aus den Werken der Schöpfung ist nicht nur jüdisch-hellenistische, sondern alttestamentliche Tradition, die für Paulus als „Hebräer von Hebräern“ (Phil 3,5) Priorität hatte: „Die Himmel erzählen (διηγουñ νται) die Herrlichkeit Gottes, und das Werk (ποι' ησιν) seiner Hände verkündet (α� ναγγε' λλει) die Feste. Ein Tag spricht (ε� ρευ' γεται) dem (anderen) Tag ein Wort zu, und eine Nacht verkündet (α� ναγγε' λλει) der (anderen) Nacht Erkenntnis (γνω ñ σιν). Keine Reden und keine Worte gibt es, deren Stimme nicht gehört werden. Auf die ganze Erde (ει� ς παñ σαν τη` ν γηñ ν) ging ihr Schall hinaus und bis an die Enden des Erdkreises (ει� ς τα` πε' ρατα τηñ ς οι� κουμε' νης) ihre Worte“ (Ps 19,2-5; LXX.D). Und ähnliche Urteile über Frevel und Sittenlosigkeit der Heiden und das Gericht Gottes finden sich in Sib 3,8-45.184-187.594-600.764; Arist 128-138; syrApkBar 54,17-18; äthHen 1,9; 2–5; 90,18; 91,7-9; 100,4; AssMos 10,1-10. Dass diese Tradition nicht auf das hellenistische Diasporajudentum beschränkt ist, zeigt der Qumrantext 1Q34 Frag. 3-5 II, 46: „Aber es begriff die Nachkommenschaft des Menschen nicht (‫ )ולא הבין זרע‬alles, was Er ihm zum Erbe gegeben, und sie haben Dich nicht erkannt (‫)ולא ידעוך‬, um zu handeln nach all Deinem Wort, und sie verursachten Frevel von allem her, und sie begriffen nicht Deine Kraft, die große (‫)ולא הבינו בכוחך הגדול‬. Da verwarfst Du sie (‫)ותמאס בם‬, denn Du hast kein Gefallen an Unrecht und Frevel hat keinen Bestand vor Dir (‫“)ורשע לא יכון לפניך‬.6

Paulus redet in 1,18-32 nicht explizit von Heiden (ε» θνη) oder Griechen ( « Ελλησες), sondern von den „Menschen“ (α» νθρωποι). Manche Ausleger finden in 1,18-32 Anklänge an Adams Erschaffung und Sünde (Gen 2–3): Adam war der erste, der seine Kenntnis Gottes pervertierte und durch das Essen der verbotenen Frucht seinen Status als Geschöpf hinter sich lassen wollte; er glaubte einer Lüge und wurde von Gott gerichtet.7 J.A. Fitzmyer bleibt skeptisch: Anspielungen auf Genesis beziehen sich auf Gen 1, nicht auf Gen 2–3; rabbinische Interpretationen sind für das 1. Jh. nicht unmittelbar relevant; die Beschreibung der göttlichen Strafe in Gen 3,23-24 mit den Verben „er schickte weg“ (ε� ξαπε' στειλεν) und „er vertrieb“ (ε� ξε' βαλεν) entsprechen nicht dem Verb „er hat übergeben“ (παρε' δωκεν) in Röm 1,24.26.28; zu beachten ist, dass Adam in Weish 10,1 als „Urvater der Welt nach seiner Erschaffung“ bezeichnet wird, und dass vergleichbare Hinweise in Röm 1,18-32 fehlen.8 Zu beachten ist weiter, dass Adam von Gott bestraft wurde, ohne dass er ein Abbild von Gott herstellte oder in das von Paulus beschriebene unmoralische Verhalten verfiel. Der Kernprozess der Sünde in 1,18-32 entspricht nicht dem in Gen 2–3 beschriebenen Geschehen. Wenn man nun jedoch das rhetorische Ziel der Argumentation in Röm 2,1–3,20 mit der Überschrift in 1,18 sowie mit der Definition des Evangeliums in 1,16-17 als Macht Gottes zur Rettung von Juden und Griechen verbindet und in diesem Licht 1,18-32 liest, zeigt sich, dass Paulus von universal-anthropologischen Dimensionen des Menschen spricht. Dies ————————————————————

6 7 8

Maier, Texte I, 254; Zeilenangabe und hebr. Text nach Charlesworth, Psalms and Prayers, 53. Dunn I 53; Hooker, Adam; Jervell, Imago Dei, 313-318; Dunn, Theology of Paul, 919993; Levison, Adam and Eve, 519-534; Linebaugh, God, 111-115; Wright, Paul, 769. Wedderburn, Adam ist vorsichtig. Fitzmyer 274 mit der Folgerung: „The alleged echoes of the Adam stories in Genesis are simply nonexistent“.

204 Römerbrief ———————————————————————————————————— ergibt sich gerade durch den Vergleich von Röm 1,18-32 und Weish 13–15, deren Parallelen in Röm 2,1-5 aufhören.9 Nach Weish 15,1-4 ist Israel von den Heiden verschieden, weil das Volk Israel sich nicht des Götzendienstes und der moralischen Sittenlosigkeit, die in Weish 13–14 beschrieben werden, schuldig gemacht hat. Paulus argumentiert in Röm 2,1-5, dass der jüdische Richter, der die Heiden verurteilt, vor Gott keine Immunität besitzt, weil er sich derselben Sünden schuldig gemacht hat, die er den Heiden attestiert. Nach Weish 13–14 hat die nichtjüdische Menschheit zwar auf törichte Weise ihr rationales Potential nicht ausgeschöpft, ein Versagen, das sie als ignorant entlarvt, ohne dass sie jedoch ihr erkenntnistheoretisches Potential verloren hätte; die Menschen sind eingeladen, neu und kompetenter „von unten“ über Gott nachzudenken und ihn zu erkennen. Bei Paulus ist dies nicht möglich: Das Urteil von Röm 1,18 von der Offenbarung des Zornes Gottes steht fest, sowohl für Heiden wie für Juden. Paulus fordert mit seiner Argumentation in 1,18-32 die Menschen nicht auf, ihre Ablehnung der Erkenntnis Gottes durch die Werke der Schöpfung noch einmal zu überdenken und mit rechter Anwendung der Ratio in den Werken der Schöpfung die Majestät Gottes wahrzunehmen. Paulus argumentiert weder von der Misere des Menschen zur Lösung, noch von der Lösung zur menschlichen Misere: Er proklamiert sowohl die Lösung (1,16-17, erläutert in 3,21–5,11) als auch die menschliche Misere (1,18–3,20, erläutert in 5,12-21 und 7,7-25).10 Nach Weish 13,1-5 ist Gott erkennbar. Für Paulus haben die Menschen Gott erkannt, ihn aber nicht verehrt (Röm 1,21). Nach Weish 15,2 verhindert Israels Erkenntnis Gottes das Sündigen. Nach Paulus verhindert die Erkenntnis Gottes das Sündigen nicht, sondern entlarvt dieses als Rebellion gegen Gott: Die Unterdrückung der Wahrheit (1,18) setzt die Erkenntnis Gottes voraus (1,19). Während Weish die Menschen auffordert, „von unten“ nachzudenken und Gott zu erkennen, proklamiert Paulus eine Offenbarung „von oben“. Die Offenbarung Gottes in den Werken der Schöpfung ist abgelehnte Offenbarung. Sie stellt kein Wissen über Gott dar, das verbessert werden könnte und sollte, sondern ist der Grund für die Unentschuldbarkeit der Menschen und der Grund für die Notwendigkeit einer neuen Offenbarung, die Paulus in 3,21–5,11 beschreibt. Nach Weish sind sowohl der Ursprung als auch die Konsequenzen der Sünde konsequent anthropologisch (vom Hinweis auf den δια' βολος abgesehen). Paulus führt mit dem dreifachen Verweis auf die „Übergabe“ durch Gott (1,24.26.28) Gottes Handeln in die kausale Verbindung zwischen Götzendienst und Sittenlosigkeit ein: Gott straft die Menschen, indem er sie an ihre destruktiven Begierden übergibt. Die parallele Argumentation in 7,7-12 zeigt, dass Paulus auch in Röm 1,18-32 nicht nur von den Heiden handelt, sondern die tragische Geschichte der Sünde als die Geschichte aller Menschen beschreibt.11

Jüdische Leser werden die Ankündigung von Gottes Zorngericht gegen alle Gottlosigkeit (Frevel) und Ungerechtigkeit auch auf sich bzw. die Geschichte Israels bezogen haben, in der es zur Genüge Beispiele für Glieder des Gottesvolkes gibt, die Götzenbilder angebetet und moralisch degenerierte Verhaltensweisen praktiziert haben und von Gott bestraft wurden. Jesusbekenner werden bei der Lektüre an die ernste Realität des Gerichtes ————————————————————

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Für das Folgende vgl. Linebaugh, God, 100-121. Seifrid, Unrighteous by Faith, 105; Linebaugh, God, 108. Linebaugh, God, 114-115 verweist auf die „wahrscheinliche Anspielung“ auf Gen 1,26 und auf Ps 106,20/Ex 32,1-34 in Röm 1,23 für die These, dass Paulus Israel in die „Geschichte des Götzendienstes“ einreiht. Wenn dies ein Ziel von Paulus gewesen wäre, hätte er dies direkter sagen können. Anspielungen, zumal unsichere Echos, können nur exegetische Möglichkeiten belegen, aber keine argumentativen Aussagen beweisen.

Die Sünde der Heiden 1,18-32 205 ————————————————————————————————————

Gottes erinnert, in dem nicht nur die Gottlosigkeit von Ungläubigen, sondern die Ungerechtigkeit aller Menschen zur Sprache kommen wird. In 1,23.25 wird jedoch deutlich, dass es in diesem Abschnitt primär um die Polytheisten geht, d.h. um die Heiden, die Bilder von göttlicher Wirklichkeit herstellen (1,23) und anbeten (1,25). Die Unterscheidung von „Juden“ und „Griechen“ in 2,9, die Unterscheidung von Menschen, die das Gesetz nicht haben, von Menschen, die das Gesetz haben, in 2,12 sowie die Anrede des Gesprächspartners in 1,17 als „Jude“ zeigen, dass Paulus in 1,18-32 von der nichtjüdischen Menschheit spricht.12 Der Ton liegt insgesamt nicht auf einer Beschreibung der Menschen, die den einen wahren Gott nicht kennen, auch nicht auf einer anthropologischen Analyse der conditio humana (obwohl 1,18-32 Grundgedanken zur einer theologischen Anthropologie enthalten; s. den Einzelkommentar sowie IV), sondern auf dem Handeln Gottes – Handeln im Gericht (1,18.32) und sein strafendes Handeln gegen den Götzendienst und gegen unmoralische Werte und Verhaltenweisen. Das Wort „Sünde“ (α� μαρτι'α) kommt in 1,18-32 zwar nicht vor,13 ist aber die Realität, die Paulus in diesem ersten Abschnitt beschreibt. Wenig überzeugend ist die imperiale Lektüre von N. Elliott, der die Beschreibung der Menschen, die sich weigern, Gott zu ehren, und stattdessen andere Götter anbeten, auf die Kaiser bzw. den Kaiserkult bezieht.14 Hinweise auf die Charakterisierung des Kaisers Caligula durch Suetonius können diese These nicht beweisen: Die Struktur der paulinischen Argumentation zielt nicht auf ein bestimmtes politisches System und schon gar nicht auf den eng begrenzten Kreis der für das Römische Reich Verantwortlichen, sondern auf alle Menschen ohne Unterschied (3,22-23), ohne Rücksicht auf ethnische, gesellschaftliche und religiöse Differenzierungen (1,14.16). Das schließt natürlich nicht aus, dass die Leser im 1. Jh. die Aussagen von Paulus auch auf den Kaiserkult bezogen haben. Dieser fällt wie alle Phänomene des Polytheismus unter das Urteil des Apostels bzw. Gottes.

Gliederung. Der Text lässt sich in vier Teile gliedern.15 1. Die Grundaussage 1,18 formuliert thetisch das Urteil Gottes über die Gottlosigkeit und Ungerechtigkeit der Menschen. 2. Der Abschnitt 1,19-23 bestätigt die Grundaussage durch eine Beschreibung des Wesens menschlicher Sünde, ————————————————————

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Anders Niebuhr, Nicht alle aus Israel, 438-442; Niebuhr, Menschenbild, 148-151, der Röm 1–2 im Sinn der gesamten vorabrahamitischen Menschheit interpretiert. α� μαρτι' α wird zum ersten Mal in 3,9 verwendet; das Wort α� μαρτωλο' ς kommt in 3,7 vor. Elliott, Arrogance, 78-79. Vgl. Lee, Paul’s Gospel, 101-102, der in drei Abschnitte teilt (1,18-23.24-27.28-32); vgl. Schreiner 90-91; Jewett 149-150.165-166. Eine andere chiastische Analyse bietet Wolter I 136: (a) konkrete Beschreibung der Schuld in V. 21-23; (b) allgemeine Zusammenfassung der Strafe in V. 24; (b') allgemeine Zusammenfassung der Schuld in V. 25; (a') konkrete Beschreibung der Strafe in V. 26-27, wobei V. 25 sich wie die Zusammenfassung von V. 21-23 liest und V. 26-27 sich wie die Entfaltung von V. 24 liest.

206 Römerbrief ————————————————————————————————————

die in zwei Schritten erfolgt: (a) Der Beweis der Unentschuldbarkeit in V. 19-20 begründet die Grundaussage vom Zorn Gottes über alle Gottlosigkeit und Ungerechtigkeit der Menschen im Blick auf die Voraussetzung der Sünde: Die Erkenntnis Gottes, die der Schöpfer in den Werken der Schöpfung ermöglicht, wird von den Menschen unterdrückt. (b) Die Schilderung der Konsequenzen des göttlichen Urteils in V. 21-23 begründet die Grundaussage vom Zorn Gottes über alle Gottlosigkeit und Ungerechtigkeit der Menschen im Blick auf die konkrete Form, in der die Ablehnung der wahren Gotteserkenntnis in der real existierenden Wirklichkeit vorliegt. Die Anbetung des wahren Gottes wird pervertiert in die Anbetung des Geschöpfs. 3. Der Abschnitt 1,24-31 beschreibt die Konsequenzen der Sünde in zwei Schritten, in denen chiastisch die vorausgehenden Abschnitte V. 21-23/2427 und V. 19-20/28-31 aufgenommen werden. (a) In V. 24-2716 schildert Paulus die Konsequenzen der Anbetung des Geschöpfs statt des Schöpfers: Weil die Menschen nicht zwischen Schöpfer und Geschöpf unterscheiden, können sie auch nicht zwischen Geschöpf und Geschöpf unterscheiden. (b) In V. 28-3117 geht es um die Konsequenzen der Leugnung bzw. Unterdrückung der Gotteserkenntnis: Weil die Menschen den einen wahren Gott nicht achten, haben sie keine Achtung für das Leben. 4. Der Schluss in 1,32 formuliert die Rechtmäßigkeit, die Strenge und den Umgang des göttlichen Verdammungsurteils. Die Menschen, die nicht Gott, sondern selbstgemachte Götter anbeten, unmoralisch leben und andere zu einem unmoralischen Leben ermuntern, erhalten im Endgericht von Gott das Todesurteil zugesprochen. Textkritische Anmerkungen. Nur wenige Handschriften lassen in 1,18 den Genitiv θεουñ aus (876 1908), offensichtlich im Anschluss an Marcion. Die Einfügung τουñ θεουñ hinter α� λη' θειαν ist durch einige Versionen (ar vgcl sa) sowie durch Hippolyt und Ambrosiaster belegt; sie ist sachlich richtig, aber im Kontext unnötig und deshalb sicher sekundär. In 1,20 lassen L 1506 das Adj. α� ¨ι'διος aus, wohl die Folge eines Schreibfehlers. In 1,23 wird der Aorist Aktiv η» λλαξαν in K 6 88 630 u.a. durch den Aorist Medium η» λλαξαντο ersetzt, wie in Ps 106,20 (LXX 105,20); die Aktivform ist breiter belegt und ursprünglich. In 1,24 fügen D G Ψ Byz b syh die Partikel και' vor ————————————————————

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Neueinsatz mit διο' . Lee, Paul’s Gospel, 101 verweist für V. 24-27 auf die Subjekte Gott (V. 24), Mensch (V. 25), Gott (V. 26a), Mensch (V.26b-27). Die beiden „Gott-Sätze“ enthalten παρε' δωκεν, die beiden „Mensch-Sätze“ μετη' λλαξαν. Lee, Paul’s Gospel, 101-102 sieht in V. 28-31 die kognitive Dimension menschlicher Sünde behandelt, was auf V. 28a und einige der „Laster“ in V. 29-31 zutrifft, jedoch nicht auf V. 28b und Laster wie Mord, Streit oder Ungehorsam.

Die Sünde der Heiden 1,18-32 207 ————————————————————————————————————

παρε' δωκεν ein; die Lesart ohne και' ist besser belegt.18 Das Pronomen αυ� τοιñς am Ende von 1,24 wird in G Ψ 33 1739 1881c Byz durch das Reflexivpronomen ε� αυτοιñς ersetzt; αυ� τοιñς ist besser bezeugt; das Reflexivpronomen erläutert und entspricht der Interpretation des Verbs α� τιμα' ζεσθαι als Mediumform von manchen griech. Kommentatoren.19 In 1,26 ersetzt D* χρηñ σιν („Verkehr“) durch κτι'σιν („Schöpfung“), offensichtlich im Sinn einer redaktionellen Klärung; dasselbe gilt für die Einfügung von χρηñ σιν nach φυ' σιν in D* G. In 1,27 ersetzen A D* G P Ψ 33 104 u.a. die Partikel τε (‫ א‬B Dc K L 81 365 u.a.) durch δε' ; diese Lesart ist weniger gut bezeugt und zerstört die Verknüpfung von V. 26 und V. 27 durch τε … τε. Die nur in G bezeugte Lesart α� ντιλαμβα' νοντες („sie nahmen an“) statt α� πολαμβα' νοντες ist wohl eine stilistische Anpassung an das zuvor erwähnte α� ντιμισθι'αν. Die Auslassung von ο� θεο' ς in 1,28 in ‫ *א‬A 0172* 1735 ist wahrscheinlich der Versuch einer stilistischen Verbesserung (Vermeidung eines zweifachen θεο' ς im gleichen Vers). In 1,29 wird die Reihenfolge der Vokabeln πονηρι'α, πλεονεξι'α, κακι'α, von C DS2 33 81 1506 (κακι'α, πονηρι'α, πλεονεξι'α, ) und ‫ א‬A (πονηρι'α, κακι'α, πλεονεξι'α, ) umgestellt, was aufgrund der schlechteren Bezeugung als sekundär gelten muss. Die Handschrift 88 fügt zwischen allen Substantiven ein και' ein, vielleicht um grammatikalische Verwirrung zu vermeiden. Die Mehrheit der Handschriften (L Ψ 88 326 330 614 Byz sy(p) arm sowie einige der Kirchenväter) fügt im Lasterkatalog nach α� δικι'α, das Wort πορνει'α („Unzucht“) ein; die Lesart von ‫ א‬A B ohne πορνει'α ist vorzuziehen.20 Die Auslassung von δο' λου in A ist entweder ein Schreibfehler oder der Versuch einer stilistischen Verbesserung (die zweite Reihe von Lastern wird auf vier reduziert, entsprechend den anderen Reihen). Die Ersetzung in 1,30 von καταλα' λους durch κακολα' λους („Schlechtredner“) in Ds ist ein Schreibfehler. In 1,31 fügt die Mehrheit der Handschriften hinter α� στο' ργους das Wort α� σπο' νδους („unerbittlich“) ein (‫א‬2 C D2 Ψ (33 transponiert) 81 104 1881 Byz vg sy u.a.), offensichtlich in Anpassung an 2Tim 3,3; die Lesart ohne α� σπο' νδους ist gut belegt (‫ *א‬A B D* G 6 1506 1739 it bo u.a.). In 1,32 ersetzen B 1506 u.a. ε� πιγνο' ντες durch ε� πιγινω' σκοντες; das ist wohl eine redaktionelle Änderung in dem Versuch, das Aorist des Parti————————————————————

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Anders Zahn 96. Vgl. die Diskussion in Jewett 163: Die Lesart διο` και' in Lk 1,35; Apg 10,29; 24,26; Röm 4,22; 15,22; 2Kor 1,20; 4,13; 5,9; Phil 2,9; Hebr 11,12; 13,12 könnte darauf hinweisen, dass die Addition von και' in Röm 1,24 eine Anpassung an diesen Gebrauch darstellt. Cranfield I 123; vgl. die Diskussion in Jewett 163. Metzger, Textual Commentary, 447 meint, die Lesart πορνει' α (in Majuskelschrift: ΠΟΡΝΕΙΑ) hätte sich aus der Verwechslung mit ΠΟΝΕΡΙΑ („Schlechtigkeit“) ergeben, dem zweiten Terminus des Lasterkatalogs. Jewett 164 findet dieses Argument nicht überzeugend, vertraut jedoch der Lesart von ‫ א‬A B.

208 Römerbrief ————————————————————————————————————

zips an die präsentischen Formen in diesem Vers anzupassen.21 Die Hinzufügung von ου� κ ε� νο' ησαν hinter ε� πιγνο' ντες durch D* u.a. (G fügt ου� κ ε» γνωσαν ein) ist der Versuch einer grammatikalischen Verbesserung. Die finiten Verben der Wendung αυ� τα` ποιουñ σιν α� λλα` και` συνευδοκουñ σιν („tun sie es nicht nur, sondern geben auch denen Beifall, die es tun“) werden in B b vgcl in Partizipformen umgeschrieben: αυ� τα` ποιουñ ντες α� λλα` και` συνευδοκουñ ντες; lat. Handschriften (ar m) sowie Ambrosiaster nominalisieren die Partizipien mit der Hinzufügung von οι�. Der in NA28 gedruckte Text ist besser bezeugt und deshalb vorzuziehen.22 III

18 Das Evangelium, in dem die rettende Offenbarung der Gerechtigkeit

Gottes sowohl verkündigt als auch Wirklichkeit wird, handelt zunächst vom Zorn Gottes (ο� ργη` θεουñ ). Die Rede vom Zorn Gottes ist eine Konstante im AT und in der jüdischen Literatur.23 Gottes Zorn ist meist eine Reaktion auf das Handeln Israels oder einzelner Israeliten, die ihren Bundesverpflichtungen nicht nachgekommen sind und den Bund gebrochen haben (Deut 29,27; Jos 23,16), z.B. durch die Hinwendung zu anderen Göttern (Ex 32; Num 25; Deut 2,15; 4,25; 1Kön 11,9; 14,9.15; Jes 1,10-17), nicht auf Gott vertrauten (Num 11,33; 32,11-14) oder die soziale Ungerechtigkeit geübt haben (Ex 22,23). Gottes Zorn ist Ausdruck seiner absoluten Souveränität (Hi 9,45.13). Gottes Zorn zeigt sich meistens in konkreten Strafen, die Israel, den Einzelnen oder die Nationen treffen. Die Propheten verbinden darüber hinaus den Zorn Gottes mit dem „Tag des Zorns“ als endzeitliches Geschehen (Am 5,18-20; Jes 2,6-21; Zef 1,15.18). Die Qumrantexte zeigen, dass das atl. Verständnis des Zornes Gottes beibehalten wurde.24 Der Zorn Gottes gegen Israel hat seinen Grund in den bundeswidrigen Taten der Menschen und ist eine gegenwärtige Realität: Gottes Zorn entzündet sich an der Verstocktheit des Herzens und am Ungehorsam gegenüber dem Gesetz Gottes (CD II, 17-18; III, 5-6; VIII, 19); er wirkt sich aus im Tod durch das Schwert, in der Verwüstung des Landes und im Exil. Gleichzeitig wird vom Zorn Gottes als Wirklichkeit des eschatologischen Gerichts geredet: Gottes ————————————————————

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Jewett 164. Zuntz, Text, 219 meint, 1Klem 35,6 belege, dass die Lesart schon im 1. Jh. vorhanden war; die Partizipien sind vielleicht durch Angleichung an die beiden anderen Partizipien in Röm 1,32 entstanden. Vgl. Jewett 164. Zum AT s. G. Sauer, Art. ‫ַאף‬, THAT I, 220-224; J. Bergman/E. Johnson, Art. ‫ָאַנף‬, ‫ַאף‬, ThWAT I, 376-389; G.B. Struthers, Art. ‫ָאַנף‬, NIDOTTE I, 462-465; B. Baloian, Anger, NIDOTTE IV, 377-385; O. Grether/J. Fichtner, Art. ο� ργη' B., ThWNT V, 392-410. Für das Folgende s. E.J.C. Tigchelaar, Art. ‫ַאף‬, ‫ָאַנף‬, ThWQ I, 258-263.

Die Sünde der Heiden 1,18-32 209 ————————————————————————————————————

Zorn richtet sich gegen die Männer „des Loses des Belial“ (1QS II, 4-5), gegen Abtrünnige, deren Herz und Leben verstockt ist (1QS II, 11-12), alle, die dem Laster anhängen (1QS IV, 12) und auf bösen Wegen gehen (1QS V, 12); Gottes Zorn und Vergeltung gehören zusammen: Beide bewirken ewige, restlose Zerstörung (1QS II, 15, IV, 12-14; V, 13; 1QM III, 6.9; 4QHa 7 I 21; 7 II 10; 4Q511 Frag. 35, 1-2). In jüdischen apokalyptischen Texten ist wiederholt vom Zorngericht Gottes im Sinn des Endgerichts die Rede: „Und wenn die Ungerechtigkeit, die Sünde, die Blasphemie und die Frevelhaftigkeit und Schändlichkeit zunehmen werden, wird ein großes Straf(gericht) vom Himmel herab über sie alle kommen, und der heilige Herr wird mit Zorn und Strafe kommen, dass er Gericht auf Erden halte“ (äthHen 91,7).25 Das ntl. Verständnis26 ist mit Johannes dem Täufer (Mt 3,7; Lk 3,7) und mit der Verkündigung Jesu zu verbinden, der Zorn zeigt gegenüber Menschen, wie Pharisäer und Sadduzäer, die nicht glauben, dass er sowohl heilen als auch Sünden vergeben kann (Mk 3,4); die Menschen, die den Sohn ablehnen, werden vom Zorn Gottes getroffen (Joh 3,36). Paulus spricht 18 Mal vom Zorn Gottes, meistens im Sinn des Endgerichts.27 Wenn oft gewarnt wird, „Zorn Gottes“ nicht als psychologisches Gefühl zu verstehen, ist dem entgegenzuhalten, dass der Ausdruck „aber auch keine gefühllose Amtshandlung eines himmlischen Richters“ ist.28 In atl. Texten wird unumwunden vom Zorn Gottes im Sinn von Emotionen geredet, oft im Zusammenhang bildhafter Schilderungen der Auswirkungen von Gottes Zorn (z.B. 2Sam 22,8-9.16), eine Tatsache, die zeigt, dass Gott eine Person ist und mit seiner Schöpfung kommuniziert.29 Der Zorn Gottes ist bei Paulus „sein göttliches Zorneswirken am Ende der Zeit, sein Zorngericht … die eschatologische, d.h. unwiderrufliche postmortale Auslieferung an den θα' νατος, also die Besiegelung und Verewigung des Todes als eines Sterbens in die absolute Gottesferne hinein“.30 ————————————————————

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Übersetzung S. Uhlig, JSHRZ V / 6, 706. Vgl. äthHen 55,3; 62,12; 90,18; 91,9; 99,16; 101,3; Jub 15,24; syrApkBar 12,4; TestIss 5,13). Vgl. Eckstein, Gottes Zorn, 84-85. Vgl. G. Stählin, Art. ο� ργη' E., ThWNT V, 419-448; W. Pesch, Art. ο� ργη' , EWNT II, 1293-1297; H. Hahn / K. Haacker, Art. ο� ργη' , ThBLNT II, 2024-2030; Tasker, Doctrine; Bornkamm, Offenbarung; Theobald, Zorn Gottes; Bini, L’ira di Dio. Röm 2,5.8; 5,9; 9,22; 12,19; Eph 5,6; Kol 3,6; 1Thess 1,10; 5,9; eine Ausnahme ist 13,14-15. Vgl. Offb 6,16.17; 11,18; 14,10; 16,19; 19,15. Haacker 52. B. Baloian, NIDOTTE IV, 380. Interpretationen, die den Zorn als Emotion Gottes bezweifeln (so schon Origenes, Cels. 4.72), sind von der stoischen Affektenlehre beeinflusst, „die den Zorn nur als zu überwindendes πα' θος einstufen konnte“ (Theobald, Zorn Gottes, 72 Anm. 25, mit Verweis auf Pohlenz, Vom Zorne Gottes). Theobald, Zorn Gottes, 72,73.

210 Römerbrief ————————————————————————————————————

Die verbale Bestimmung wird offenbart (α� ποκαλυ' πτεται) beschreibt hier nicht die Kundgabe eines bislang verborgenen Sachverhalts, sondern, auf den Zorn Gottes bezogen, das In-Erscheinung-Treten der Wirklichkeit, die mit „Gottes Zorn“ beschrieben wird, d.h. das Eintreffen des Zornes Gottes, die Vollstreckung der Strafe. Die adverbiale Bestimmung vom Himmel her markiert den Ursprung und die Unabwendbarkeit des Eintreffens des göttlichen Gerichtszornes. Es ist Gott im Himmel, der die Menschen von seinem Gerichtsthron her richtet, und niemand kann sein Gericht aufhalten, niemand kann seinem Gericht entrinnen.31 Auf dem Hintergrund von 1Thess 1,9-10; 2Thess 1,7 verweist die Formulierung auf die Parusie, d.h. die Wiederkunft Jesu.32 In der Forschung umstritten ist die Frage, wann sich die Offenbarung des Zornes Gottes ereignet. Folgende Vorschläge sind in Erwägung zu ziehen. 1. Die Offenbarung des Zornes Gottes geschieht „im Evangelium“, d.h. in der aktuellen Verkündigung des Evangeliums.33 Die Parallelität von V. 18 mit V. 17 bedeutet, dass V. 18 auf das Evangelium zu beziehen ist: Wie Gottes Gerechtigkeit in Leben, Tod und Auferweckung Jesu offenbart wurde, so wurde Gottes Gericht über die Sünde der Menschheit am Kreuz von Golgatha vollstreckt. Diese Interpretation ist schwierig: Sie kann die adverbielle Bestimmung „vom Himmel her“ nicht erklären. Das Evangelium wird nicht „vom Himmel her“ verkündigt; der Begriff „Evangelium“ ist bei Paulus sonst nicht mit dem Gericht bzw. dem Zorn Gottes verbunden; das Gerichtshandeln Gottes hat nicht den Charakter einer Epiphanie. 2. Die Offenbarung des Zornes Gottes findet in der Geschichte durch die Übergabe der die Wirklichkeit Gottes leugnenden Menschen an Irrtum und Laster statt.34 Der Zorn Gottes zeigt sich jetzt darin, dass er die Menschen sich selbst und ihren selbstgewählten sündigen Wegen und deren Konsequenzen überlässt. Manche bestimmen die präsentische Vollstreckung des Zorns Gottes als Teil der Gerechtigkeit Gottes, was nur dann möglich ist, wenn man Gerechtigkeit als Attribut Gottes versteht. Andere beziehen das verdammende Handeln Gottes auf den eschatologischen Einbruch des neuen Äons mit dem Kommen Jesu, das den Anbruch der „letzten Tage“ eingeläu————————————————————

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Michel 97; Cranfield I 111; Theobald, Zorn Gottes, 75. Vgl. H. Traub / G. von Rad, Art. ου� ρανο' ς, ThWNT V, 496-543; ebd. 511,521 zu „Himmel“ als Ersatzwort für „Gott“. Traub, ebd. 531-531 interpretiert α� π’ ου� ρανουñ als Entsprechung zu ε� ν αυ� τω ñ, (d.h. im Evangelium). Eckstein, Gottes Zorn, 83-86. Pallis 40; Barth, Kurze Erklärung, zu 1,18; Cranfield I 109-110; Wilckens I 101-102; Lohse 86; W. Pesch, EWNT II, 1296; vgl. Pak, Paul, 29-33,46-47. Weiss 76; Zahn 87; Schlatter 47-48; Dodd 47-50; Schlier 48; Moo 101; Fitzmyer 277278; Schreiner 84-85; Légasse 114; Keener 31; G. Stählin, ThWNT V, 427,432.

Die Sünde der Heiden 1,18-32 211 ————————————————————————————————————

tet hat.35 Für diese Interpretation spricht auf den ersten Blick das Präsens des Verbs und der im Kontext 1,24-31 geschilderten „Übergabe“ des Menschen an lasterhafte Werte und Verhaltensweisen. 3. Die Offenbarung des Zornes Gottes ist streng futurisch zu verstehen. Paulus spricht vom Endgericht, in dem Gott die Menschen, die ihn nicht anbeten, richten wird.36 Mehrere Gründe sprechen für diese Interpretation: Die Offenbarung des Zornes Gottes geschieht „vom Himmel her“, eine Formulierung, die im Kontext von 1Thess 4,16; 2Thess 1,7 als Hinweis auf das Endgericht zu verstehen ist; am Ende des Abschnitts verweist Paulus auf den Tod als Urteil Gottes (1,32), was auf die Zukunft verweist; in 2,5 ist vom „Tag des Zornes“ deutlich als zukünftiger Gerichtstag die Rede, an dem nach 2,16 Jesus der Messias richten wird; die in 2,7-8/9-10 mit einem Chiasmus wieder aufgenommene Gerichtsvorstellung benennt zwei eschatologische Alternativen: Leben oder Tod, Heil oder ewiger Ausschluss von der Gemeinschaft mit Gott. Diese Interpretation versteht das Präsens von α� ποκαλυ' πτεται als futurisches Präsens.37 4. Mehrere Ausleger verbinden die beiden letzten Interpretationen. Die Offenbarung des Zornes Gottes in 1,18 bezieht sich auf das zukünftige Endgericht, in dem Gott die Menschen richten wird, wobei die in 1,24-31 geschilderte „Auslieferung des Menschen an die Hölle seiner eigenen ‚Begierden‘ einen Vorgeschmack des zukünftigen Gotteszorns erblickt“.38 Mit dieser Auslegung ist die sachlich plausibelste Interpretation der Wendungen „Zorn Gottes“ und „vom Himmel her“ sowie des Kontextes in 1,32; 2,5.16 verbunden mit dem unmittelbaren Kontext von 1,18 in 1,19-31, in dem die Urteilsverkündigung (V. 18) verknüpft wird mit der Urteilsbegründung und dem Nachweis der Verantwortlichkeit des Angeklagten (V. 19————————————————————

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Michel 98; Kuss 33; Käsemann 34; Moo 101-102. Wright 431-432; Haacker 53-54; Wolter I 131-132; Eckstein, Gottes Zorn; Konradt, Gericht, 498; Wright, Paul, 767. Vgl. BDF §323; HvS §197c: „Manchmal steht der Indikativ Präsens mit Zukunftsbezug (im NT häufiger als im Klass.), bezogen auf etwas unmittelbar Bevorstehendes, Wahrscheinliches, Sicheres oder Drohendes“. Theobald, Zorn Gottes, 83 („1,18 bezeichnet sozusagen den übergreifenden Horizont, vor dem Aussagen wie die in 1,24.26.28 gemachten zu lesen sind“; ebd. 82); vgl. Kruse 88, mit Verweis auf die (etwas anders gewichtende) Auslegung von Dunn I 54: „God’s final judgment is simply the end of a process already in train“. Vgl. Gutbrod, Anthropologie, 127: Der Zorn Gottes ist in erster Linie „ein Tun Gottes, nämlich das richtende und verderbende Handeln Gottes an den Menschen, schon in der Gegenwart, endgültig erst in der Zukunft“. Zur sog. Dahingabeformel s. V. 24. Nach Eckstein, Gottes Zorn, 87 hat die in V. 24-31 geschilderte „Übergabe“ als innergeschichtlicher und gegenwärtiger Vorgang adäquater Vergeltung mit dem zukünftigen Gerichtsvollzug, der ein eschatologischer Vorgang ist, nichts zu tun.

212 Römerbrief ————————————————————————————————————

20), der Nennung des eigentlichen Urteilsgrundes (V. 21-23) sowie der Straffolgen (V. 24-31). Der Erkenntnisgrund für die Offenbarung des Zornes Gottes (1,18) ist das Evangelium nicht in dem Sinn, dass Gottes Zorn, analog zum Evangelium, kundgetan wird (1,17).39 1. Der Inhalt des Evangeliums ist die Offenbarung der Gerechtigkeit Gottes (1,17). 2. Das Evangelium ist nicht mehrdeutig in dem Sinn, dass eine Seite das Heil verkündet und die andere den Menschen, die Nein zum Evangelium sagen, das Unheil zuspricht. 3. Das Evangelium ist eindeutig: Es bedeutet „Rettung“ (1,16) vom „Zorn Gottes“ (1,18) für Juden und Griechen, die glauben (V. 17); die Offenbarung des zukünftigen göttlichen Zorns markiert den Horizont, vor dem das Evangelium von der „Rettung“ verständlich wird. 3. Das Evangelium Gottes von der Rettung durch Jesus Christus (1,3-4.16-17) erklärt die Überzeugung, dass es keinen Gerechten gibt, „auch nicht einen“ (3,10). Wenn Jesus, der Messias Israels, für die Sünden aller gestorben ist, dann zeigt diese von Gott veranlasste Wirklichkeit, dass alle Menschen die Versöhnung mit Gott durch Jesus benötigen, was auch für Juden gilt, die das Gesetz haben (2,1–3,20; 7,7-25). Der wichtige Hinweis in 2,16 auf den Messias Jesus als Richter, durch den Gott alle Menschen, Heiden wie Juden, richten wird, zeigt im Zusammenhang von 5,12-21 (Adam), 7,7-25 (Gesetz) und 9,6-29 (Israel), dass das Problem von Götzendienst und Sittenlosigkeit nicht nur ein Problem der polytheistischen Heiden ist, sondern, was das Herz betrifft (1,21.24; 2,5.29), auch ein Problem der Juden40 – ein Problem, das die mosaische Tora weder lösen konnte noch sollte.

Das Evangelium Gottes von Jesus Christus (1,3-4) ist deshalb (γα' ρ, denn; 1,18) eine Botschaft und eine Wirklichkeit, die Juden und Griechen, die glauben, rettet (1,16-17), weil Gott alle Menschen ohne Ausnahme im Endgericht richten wird, die die Wahrheit Gottes niederhalten.41 Die Wendung gegen alle Gottlosigkeit und Ungerechtigkeit der Menschen beschreibt Grund und Objekt des Zorngerichts Gottes. Das Adj. „alle“ (παñ σαν) unterstreicht die universale Reichweite des göttlichen Gerichts. Im Kontext von 1,16 sind in dem „alle“ sowohl die Juden wie auch die Griechen eingeschlossen, was Paulus in 1,23-31 für die Griechen und in 2,1–3,8 für die Juden demonstrieren wird. Paulus benennt die Schuldhaftigkeit der Menschen (α� νθρω' πων) mit zwei Vokabeln. Das Wort „Gottlosigkeit“ (α� σε' βεια [asebeia]) bezeichnet die Verletzung des Willens Gottes in umfassendem Sinn, ein Verhalten, das sowohl soziale Ungerechtigkeiten als auch Ehrfurchtslosigkeit gegenüber Gott einschließt.42 Im Griechentum bezeich————————————————————

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Bei dieser Interpretation muss α� ποκαλυ' πτεται durch ε� ν αυ� τω ñ, ergänzt werden. Die folgende Diskussion referiert Theobald, Zorn Gottes, 84-86. Wright, Paul, 767-770. D.h., γα' ρ in 1,18 ist anaphorisch, so die meisten, jüngst Wolter I 130; anders Lietzmann 31; Kuss I 35; Dunn I 54; Fitzmyer 277, die kataphorisch oder adversativ interpretieren. G. Foerster, Art. α� σεβη' ς κτλ., ThWNT VII, 186-187 zur LXX. Bauer / Aland s.v. α� σε' βεια bieten nur „Gottlosigkeit“ (in Gesinnung und Handlung) als Glosse; BDAG s.v. α� σε' βεια definiert: „in general α� σε' βεια is understood vertically as a lack of reverence for deity and hallowed institutions as displayed in sacrilegious words and deeds“ und übersetzt mit

Die Sünde der Heiden 1,18-32 213 ————————————————————————————————————

net α� σε' βεια alle Vergehen gegen die den Staat tragenden Ordnungen, einschließlich dem Nichtverehren der Stadtgötter; in späteren Texten wird α� σε' βεια („Gottlosigkeit, Frevel“) von α� θεο' της („Gottlosigkeit“) getrennt.43 Mit „Ungerechtigkeit“ (α� δικι'α [adikia]) ist das Unrecht gemeint, das man tut, die Ungerechtigkeit, die Ruchlosigkeit.44 Die beiden Begriffe sind nicht so voneinander zu unterscheiden, dass α� σε' βεια (übersetzt mit „Gottlosigkeit“) auf Verstöße gegen den ersten Teil des Dekalogs und α� δικι'α auf Vergehen gegen die zweite Hälfte des Dekalogs verweisen,45 oder auf die Sünde der Heiden (α� σε' βεια) sowie auf die Sünde der Juden (α� δικι'α).46 Die allgemeine Bedeutung von α� σε' βεια, ähnliche parallele Formulierungen z.B. in Mich 7,1847 und die Wiederaufnahme von α� δικι'α im folgenden Satz spricht gegen eine solche Unterscheidung: Gottlosigkeit und Ungerechtigkeit sind eine einzige Wirklichkeit (Hendiadyoin) – schuldhafte Handlungen im Zusammenhang der Weigerung, Gott die Ehre zu geben. Μöglich wäre eine Unterscheidung von Verfehlungen gegen Gott und Verfehlungen gegen die Mitmenschen.48 Gleichzeitig wird „Ungerechtigkeit“ häufig als die Folge der „Gottlosigkeit“ dargestellt.49 Der Satz die die Wahrheit durch Ungerechtigkeit niederhalten (τω ñν τη` ν α� λη' θειαν ε� ν α� δικι'α, κατεχο' ντων) beschreibt Sünde als Frevel gegen die Wahrheit. Das Wort α� λη' θεια [alētheia] bezeichnet in klass. griech. Texten die „Erschlossenheit des sich zeigenden und deshalb wahrgenommenen wirklichen Tatbestandes“, also die „Wirklichkeit und Eigentlichkeit bzw. ————————————————————

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„impiety“; Muraoka: „impiety, ungodliness“. Die meisten Übersetzungen haben „Gottlosigkeit“ oder „gottlosen Wesen”; NLT übersetzt treffender „sinful … people“. Vgl. Plutarch, Superst. 14, für den α� θεο' της eine philosophische Meinung ist, die man zwar für einen Irrtum halten muss, die den Menschen aber nicht unglücklich und ihn nicht unbedingt zu einem α� σεβη' ς macht. G. Schrenk, Art. α» δικος κτλ., ThWNT I, 150-163; M. Limbeck, Art. α� δικε' ω κτλ., EWNT I, 74-79. In den Papyri ist α� δικι' α ein juristischer Begriff, der „Unrecht, Ungerechtigkeit, Ruchlosigkeit“ sowie „Benachteiligung, Schaden“ bedeutet; vgl. Papathomas, Begriffe, 172-174; vgl. SB I 5238,21-23; BL II 463; BGU IV 1123,23; P.Oxy. IX 1203. So Schlatter 49; Michel 98-99. Dagegen Foerster, ThWNT I, 189; Limbeck, EWNT I, 77; Fiedler, EWNT I, 406; Cranfield 111-112; Wilckens I 104; Lohse 86; Haacker 53, auch Stuhlmacher 36, der die Missachtung des ersten und zweiten Gebots (Ex 20,2-6) in V. 21.23.25.28 angesprochen sieht, des sechsten Gebots (Ex 20,14) in V. 24.26-27 und der restlichen Gebote der sog. zweiten Tafel (Ex 20,12-17) in V. (21.)28-31. Fiedler, EWNT I, 406. Mich 7,18 LXX: „Welcher Gott ist wie du, (ein Gott der) Vergehen wegnimmt (ε� ξαι' ρων α� δικι' ας) und Gottlosigkeit übergeht (υ� περβαι' νων α� σεβει' ας)“. Vgl. Hi 16,11; Ps 72,6 LXX; Hes 21,29; Weish 4,16; grHen 10,20; 13,2; Philo, Her. 90; Spec.Leg. 1,215. Zahn 88: Irreligiosität und Immoralität; vgl. Wolter I 132, mit Hinweis auf Xenophon, Hell. 2,3,53; Cyrop. 8,8,7; Josephus, Ap. 2,217; Bell. 7,260. Ps 10,5 LXX; Spr 11,5; Hos 10,13; Philo, Conf. 152. Vgl. Wolter I 132.

214 Römerbrief ————————————————————————————————————

Richtigkeit der Aussage des sehenlassenden Redens“.50 Insofern das Verhalten im Blick ist, meint α� λη' θεια „Wahrhaftigkeit“. In den nichtchristlichen Papyri bezeichnet α� λη' θεια in juristischen Zusammenhängen die „Wahrheit“ im Sinn der „Wirklichkeit“ einer Deklaration, die oft mit einem Eid bestätigt wird; in privaten Kontexten spielt der moralische Gehalt des Wortes („Wahrheit“ im Gegensatz zur Lüge) eine Rolle.51 Im Kontext der LXX und der Übersetzung von hebr. ‫ֱאֶמת‬, ‫ ֱאמו ָּנה‬und ‫ ַצִּדיק‬bezeichnet α� λη' θεια den Vollzug der Wahrheit im Sinn der Gerechtigkeit und kann deshalb manchmal mit „Rechtschaffenheit“ oder „Zuverlässigkeit“ übersetzt werden. Paulus meint mit α� λη' θεια hier, im Kontext des begründenden V. 19, „die erschlossene Wirklichkeit (Gottes)“:52 „Die Realität der Welt und die Grundsünde des Menschen bestehen darin, Gott in seiner sich uns erschließenden Wirklichkeit nicht anzuerkennen, vielmehr diese in rebellischem Widerspruch gegen das mit ihr gesetzte Recht niederzuhalten“.53 Sünde ist immer ein Angriff gegen Gott den Schöpfer, Richter und Retter.54 Die Offenbarung des Zornes Gottes über alle Ungerechtigkeit ist „die Begründung dafür, daß die im Evangelium offenbarte Gerechtigkeit Gottes nur für den Glauben und den Glaubenden gilt“; der Zorn Gottes ergeht deshalb gerecht, „weil das Erkennbare an ihm durch ihn selbst den Menschen bekannt ist“.55 Das Partizip (κατεχο' ντων) ist Attribut zu α� νθρω' πων; das Präsens beinhaltet eine Zustandsbeschreibung: Die Menschen „unterdrücken“ die Wahrheit Gottes,56 die ihnen in den Werken der Schöpfung erkennbar ist (V. 19-20). ————————————————————

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H. Hübner, Art. α� λη' θεια, EWNT I, 139-140; vgl. Aristoteles, Interpr. 4,17a. Vgl. G. Quell / G. Kittel / R. Bultmann, Art. α� λη' θεια κτλ., ThWNT I, 233-251; H. Link, ThBLNT II, 1834-1844; Spicq, TLNT I, 66-86. Papathomas, Begriffe, 188-191; Arzt-Grabner, 2. Korinther, 297; vgl. P.Oxy. II 283,1314; SB XX 14440 sowie P.Lond. III 897; P.Fay. 119. Bultmann, ThWNT I, 244, gefolgt von Hübner, EWNT I 143; Link, ThBLNT II, 1842. Zu erwägen wäre auch die Bedeutung „Forderung“ Gottes (im Zusammenhang des atl. ‫ֱאֶמת‬: α� λη' θεια als das, was Bestand hat und gilt) oder die Bedeutung „Rechtschaffenheit“ (Bultmann, ebd.), was aber im Kontext von V. 19 weniger wahrscheinlich ist. Wilckens I 104 interpretiert als „Gottes Wahrheit … die Beständigkeit seiner den Menschen verpflichtenden Treue“. Es ist zwar richtig, dass α� λη' θεια im NT oft durch die Bedeutung von ‫ ֱאֶמת‬geprägt ist, was aber nicht bedeutet, dass diese Bedeutung „im gesamten urchristlichen Sprachgebrauch“ vorliegt und deshalb in 1,18 anzunehmen ist. Käsemann 35. Barrett 34; Cranfield I 112. Gutbrod, Anthropologie, 127 (Hervorhebung Gutbrod), mit dem Hinweis, dass γα' ρ in 1,18 mit ε� κ πι' στεως in 1,16-17 verbindet. Bauer / Aland s.v. κατε' χω 1aβ; BDAG s.v. κατε' χω 1, „to prevent the doing of someth[ing] or cause to be ineffective“, 1b „hold down, suppress“ mit Verweis auf Röm 1,18. Das Wort wird auch in den Papyri in unterschiedlichen Zusammenhängen verwendet; vgl. Arzt-Grabner, Philemon, 216.

Die Sünde der Heiden 1,18-32 215 ———————————————————————————————————— Cranfield will das Präsens als konatives Präsens (Versuch, den Verbinhalt zu verwirklichen) verstehen,57 was im Kontext weder angezeigt noch wahrscheinlich ist. Die Aussage: „it is of the essence of sin that it can never be more than an attempt to suppress the truth, an attempt which is always bound in the end to prove futile“ stimmt nur dann, wenn man die Macht der Offenbarung Gottes in Rechnung stellt, die Juden und Heiden von der Wahrheit des Evangeliums und damit von der Wahrheit Gottes überzeugt (vgl. 1Kor 1,18–2,5, im Blick auf die Verkündigung vom gekreuzigten Messias); im Kontext von Röm 1,18-32 geht es um die Nichtigkeit des menschlichen Denkens, das Gott nicht erkennen will. Wilckens meint, der sonstige paulinische Wortgebrauch nehme „die gängige Bedeutung“ auf, die er mit „festhalten, in Besitz nehmen“ definiert,58 was der Bandbreite ntl. und paulinischer Verwendungen der Vokabel jedoch nicht entspricht.59 Wilckens’ Interpretation („Die Ungerechtigkeit besteht darin, daß die Menschen Gottes Wahrheit zu ihrem Gefangenen machen, d.h. sie als Herrin absetzen“) ist möglich, aber im Kontext nicht angezeigt. Danker geht von der juristischen Bedeutung von κατε' χω im Sinn von „Anspruch erheben“ aus und interpretiert: Die Menschen erheben Anspruch auf Wahrheit, leugnen diese jedoch in ihrem Verhalten, das von α� δικι' α gekennzeichnet ist.60 Da Paulus in 1,18-32 eine Anklage erhebt, könnte das Verb juristische Konnotationen haben. Verbunden mit der Bedeutung „unterdrücken“ sagt Paulus: Die Menschen besitzen die Wahrheit in Gottes Offenbarung in der Schöpfung, halten sie jedoch zurück, d.h. sie weigern sich, die notwendigen Konsequenzen zu ziehen.

19 Der Beweis61 der Unentschuldbarkeit für die in V. 18b vermerkte Reali-

tät der Unterdrückung der Wahrheit Gottes in V. 19-20 begründet die Grundaussage vom Zorn Gottes im Blick auf die Voraussetzung der menschlichen Ungerechtigkeit: Die Unterdrückung der Wahrheit Gottes ist Schuld des Menschen. Die Wendung was von Gott erkennbar ist (το` γνωστο` ν τουñ θεουñ ) bedeutet entweder „Gott, insofern er erkennbar ist“ (gen. partitivus): Es geht nicht um die Wirklichkeit Gottes schlechthin, sondern um das, was von Gott in den Werken der Schöpfung erkannt werden kann.62 Oder die Formulierung zielt im Sinn eines gen. objectivus auf „Gott in seiner Erkennbarkeit“, d.h. auf Gottes unsichtbares Wesen insgesamt, das dem vernünftigen „Sehen“ des Menschen offen steht.63 Der Unterschied ist nicht groß.64 Der Präpositionalsatz unter ihnen (ε� ν αυ� τοιñς) bezieht sich nicht auf ————————————————————

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Cranfield I 112; zum konativen Präsens s. HvS §197a.c); das folgende Zitat ebd. Wilckens I 104-105; folgendes Zitat ebd. 105. Die Bedeutung „besitzen“ für κατε' χω liegt in 1Kor 7,30 vor und ist in den Papyri häufig belegt; vgl. Arzt-Grabner, 1. Korinther, 298. Danker, Contract; BDAG s.v. κατε' χω 6, ohne Verweise auf weitere Belege. Kruse 89 hält dies für eine mögliche Interpretation. διο' τι ist kausale (begründende) Konjunktion; BDAG s.v. διο' τι 3: „marker used to indicate why someth[ing] just stated can reasonably be considered valid“. Vgl. Michel 99; Cranfield I 113; Dunn I 56; Lohse 87. Käsemann 35; Wilckens I 105, mit Hinweis auf V. 20; Wolter I 138. το` γνωστο' ν bedeutet „erkennbar“, nicht „erkannt“ (Luther 50-51; Calvin 80-81; Bengel 544; Sanday/ Headlam 42; Schlatter 55), was eine Tautologie ergäbe.

216 Römerbrief ————————————————————————————————————

die Innerlichkeit des einzelnen Menschen, etwa im Sinn des subjektiven Denkvermögens oder des Gewissens,65 sondern auf die Menschheit, in deren Mitte Gott sich kundtut. Der unsichtbare Gott ist in den Werken der Schöpfung (V. 20) zugänglich. Paulus beschreibt nicht das Erfassen der verborgenen Wirklichkeit Gottes durch die menschliche Ratio, sondern das Erkennen dessen, was seit Anfang der Schöpfung bereits offenbar ist, wie Paulus in der nächsten Wendung betont.66 Was von Gott für Menschen erkennbar ist, ist offenbar (φανερο' ν ε� στιν), was einerseits „offenkundig“ bedeutet,67 andererseits auf die Offenbarung Gottes hinweist, die im nächsten Satz betont wird: denn Gott hat es ihnen kundgemacht (ο� θεο` ς γα` ρ αυ� τοιñς ε� φανε' ρωσεν). Das Verb φανερο' ω impliziert den „Charakter des Öffentlichen (zuweilen Amtlichen) und Klaren“.68 Hier liegt Offenbarungssprache vor: Gott hat das, was von ihm erkannt werden kann, bekannt gemacht. Die Erkenntnis Gottes aus den Werken der Schöpfung (V. 20) ist empfangene Offenbarung Gottes.69 Der Mensch kann das, was von Gott bekannt gegeben wurde, erkennen (γινω' σκω), aber dieses Erkennen ist nicht rational entwickeltes Wissen über Gott, sondern von Gott ermöglichte Wahrnehmung. Paulus erklärt nicht, welche Möglichkeiten der Erkenntnis Gottes sich aus der Beobachtung der Natur ergeben könnten, sondern er konzentriert sich ganz auf die Verantwortung, die die Menschen vor Gott haben, und auf die Unentschuldbarkeit ihres Verhaltens angesichts der Tatsache, dass sie die Wahrheit Gottes unterdrücken.70 Aus Apg 14,17 ergibt sich, dass Paulus, in seiner missionarischen Verkündigung vor Heiden, mit ————————————————————

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So P.-G. Müller, Art. φανερο' ς, EWNT III, 987: „daß [die Heiden] in sich selbst Gott deutlich erkennen und Gottes Wirken erfahren“. Vgl. Hahn, Theologie I, 229: „Das ist nicht die Wirklichkeit Gottes schlechthin; das Schauen von Angesicht zu Angesicht ist keine irdische Möglichkeit, sondern der Zukunft vorbehalten (vgl. 1Kor 13,9-12). Es geht vielmehr um das, was von Gott im Zusammenhang mit seinem Schöpferhandeln für die Menschen erkennbar ist“. Vgl. Papathomas, Begriffe, 48-50, der die juristische Konnotation hervorhebt, die φανερο' ς in Ammenverträgen (oft in der Klausel „ausgenommen offenkundigen Verschleiß, wofür sie nach Beweislegung entlastet sein soll“) und Petitionen hat (C.Pap.Gr. I 5,31-34; P.Mich. V 231,23-24; u.a.); Arzt-Grabner, 1. Korinther, 152. F. Winter, in Arzt-Grabner, 1. Korinther, 168, für die Bedeutung „bekannt geben, melden, (einen Sachverhalt) anzeigen“, der z.B. in P.Brem 53 Kol. I, 25-26 vorliegt. Vgl. Lührmann, Offenbarungsverständnis, 21-22.148; Käsemann 35. Anders Bockmuehl, Revelation, 141-142, der argumentiert, φανερο' ω sei nicht einfach ein Synonym für α� ποκαλυ' πτω („offenbaren“), sondern ein Verb, das „etwas evident machen“, d.h. erkennbar, wahrnehmbar machen, bedeutet. Lohse 87 weiter: „Darum spricht er nicht vom Wesen Gottes, zu dessen Einsicht der Mensch durch nachdenkliche Hinwendung zur Natur aufsteigen könnte. Sondern es wird auf die den Menschen unerreichbare Majestät und Hoheit Gottes hingewiesen, vor der die Verlorenheit aller offenkundig wird“.

Die Sünde der Heiden 1,18-32 217 ————————————————————————————————————

der Güte Gottes argumentiert, die an dem Regen, der die Felder bewässert, an den fruchtbaren Zeiten, in denen geerntet werden kann, an der Nahrung, die man aus der Ernte gewinnt, und an der Freude, die das menschliche Herz erfüllt, abgelesen werden kann; die Menschen hätten erkennen müssen, dass diese Segnungen nicht von Zeus und anderen Göttern stammen, sondern von dem Gott, der den Himmel, die Erde, das Meer und alles, was dazugehört, geschaffen hat.71 In der Areopagrede Apg 17,22-31 erwähnt Paulus die Einheit der Menschheit, die auf die Erschaffung eines einzigen Menschen durch Gott zurückgeht; die Epochen der Geschichte und die politischen Grenzen, die von der Providenz Gottes festgelegt und bestimmt sind; die Suche der Menschen nach Gott; die physische Existenz und das Leben der Menschen, das die Verwandtschaft mit Gott nahelegt (17,26.27.28-29). Zur Frage, ob Paulus eine „natürliche Theologie“ beschreibt, s. unten IV. 20 Der die Erkennbarkeit Gottes begründende Satz (γα' ρ) verweist zunächst auf seine unsichtbare Wirklichkeit (τα` α� ο' ρατα αυ� τουñ ). Das nominalisierte Plural Neutrum τα` α� ο' ρατα beschreibt die Wirklichkeit bzw. das Wesen Gottes als „unsichtbar“ (vgl. Kol 1,15; 1Tim 1,17; Hebr 11,27),72 im Unterschied zu der heidnischen Auffassung von der gedachten sichtbaren Gegenwart der Götter im Kultbild.73 Der Mensch kann auf Gott weder hinschauen noch zugreifen. Gott ist dem Menschen nicht verfügbar, steht ihm nicht zur Verfügung.74 Die Wendung Werke der Schöpfung (τοιñς ποιη' μασιν), wörtl. das (von Gott) Geschaffene, beschreibt nicht nur die Dinge und Prozesse, die den Kosmos im Allgemeinen und die Erde im Besonderen ausmachen, sondern auch Ereignisse der Geschichte wie die Segnungen der Ernte und die Epochen der Geschichte und die politischen Grenzen, die von der Providenz Gottes festgelegt und bestimmt sind (so Paulus in Lystra, Apg 14,17, und in Athen, Apg 17,26). Mit dem Verb wird wahrgenommen (καθοραñ ται) will Paulus nicht sagen, dass die Unsichtbarkeit Gottes in den Werken der Schöpfung sichtbar gemacht wird: Das Wahrnehmen der unsichtbaren Wirklichkeit Gottes geschieht kraft vernünftiger Einsicht (νοου' μενα), d.h. ————————————————————

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Breytenbach, Zeus, verweist auf die Namen, die mit Zeus verbunden werden und dessen „Verantwortung“ für die Ernte unterstreichen: Καρποδο' της, � Επικα' ρπιος, Καρποφο' ρος. Zahn 91: Das Wesen Gottes wird pluralisch ausgedrückt, „weil es in der Mannigfaltigkeit seiner Eigenschaften betrachtet wird“. Turner, Syntax, 14 interpretiert die Wendung im Sinn von „he the Invisible“. J. Kremer, Art. ο� ρα' ω κτλ., EWNT II, 1292. Zu α� ο' ρατος und καθοραñ ται s. W. Michaelis, ThWNT V, 370-371.379-381. Vgl. die Aussage, dass Menschen Gott nicht gesehen haben: Joh 1,18; 8,37; 1Joh 4,20; 3Joh 11. Dies ist atl. Überzeugung, vgl. Ex 33,20: „Du kannst mein Angesicht nicht sehen; denn kein Mensch kann mich sehen und am Leben bleiben“; vgl. Num 12,6-8/ Deut 34,10 (Mose als Ausnahme); Ri 13,21; Jes 6,5.

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nicht durch Sehen oder Greifen, sondern durch die menschliche Vernunft (νουñ ς).75 Die Unsichtbarkeit Gottes ist keine rational abgeleitete ontologische Abstraktion, sondern seit der Erschaffung der Welt (α� πο` κτι'σεως κο' σμου)76 mit den Werken der Schöpfung verbunden und in diesen erkennbar. Als der Unsichtbare (α� ο' ρατος) kann und soll Gott der Schöpfer in seinen Werken wahrgenommen (καθοραñ ται) werden: Im Sichtbaren wird der Unsichtbare erkannt.77 Das Wahrnehmen des νουñ ς ist weder philosophische Spekulation noch mystisches Schauen, sondern, weil es auf Gottes Schöpfungshandeln bezogen ist, die Erkenntnis der Wahrheit Gottes, die zu Dank und Anbetung führt (v. 21). Der νουñ ς kann die mit der Schöpfung gegebene Forderung Gottes verstehen und befolgen (d.h. Gott anbeten) oder sie durch die Unterdrückung der Wahrheit ablehnen.78 Die Werke der Schöpfung und die in ihnen erkennbare Wirklichkeit Gottes macht dem diese Realität erkennenden Menschen deutlich, dass er nicht Herr ist, sondern auf Gott, den einen wahren Herrn, angewiesen ist.79 Die in den Werken der Schöpfung wahrnehmbare Wirklichkeit Gottes wird mit seine ewige Macht und göttliche Majestät beschrieben.80 In ————————————————————

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NSS II 3 erwägt für das Partizip Passiv νοου' μενα eine konditionale („wenn es erkannt wird“), kausale („dass es sich erkennen lässt“) oder eine modale („mit dem Auge der Vernunft“) Bedeutung. BDR §418.2 mit Anm. 2 interpretiert als Konditionalsatz. Wolter I 138 kommentiert: „Auch als νοου' μενα können Gottes unsichtbare Eigenschaften einzig und allein durch seine Offenbarung (V. 19) ‚sichtbar‘ werden und nicht aufgrund einer natürlichen Erkenntnis- und Denkfähigkeit, die in den Menschen vorhanden wäre“. κτι' σις ist hier nomen actionis und deshalb mit „Erschaffung“ zu übersetzen; HvS §160b; die Präp. α� πο' ist temporal zu verstehen; Michel 100; Fitzmyer 280; Wolter I 139-140. Zahn 92 betont das „kühne Oxymoron“: „Indem der Mensch seinen Blick über die vor ihm ausgebreitete Welt dahinschweifen läßt, erblickt er überall, was doch nicht zu sehen ist, Gottes unsichtbares Wesen in der Mannigfaltigkeit seiner Eigenschaften“; vgl. Cranfield I 115; Wilckens I 105; Fitzmyer 280; Wolter I 138; gegen Käsemann 37, der ein paradoxes Oxymoron nur dann gelten lassen will, wenn der Satz eine einfachere Konstruktion hätte. Wilckens I 106 will aus dem Dativ τοιñς ποιη' μασιν, zu dem er ε� ν ergänzt, ablesen, dass die Wirklichkeit Gottes nicht „aus den Werken“ (ε� κ τω ñ ν ποιημα' των), sondern „in“ den Werken erkannt werden kann. Im Text steht keine Präposition; der Dativ ist sicherlich als dat. instrumentalis zu verstehen, was aber nicht ausschließt, dass die Werke der Schöpfung zugleich die Ursache des Erkennens sind. Käsemann 37 nimmt Bultmanns Verständnis von νουñ ς als „das kritische, urteilende Verstehen, das den Anspruch einer Situation oder eines fordernden Willens erkennt“ auf; Bultmann, Theologie, 213-214; vgl. Lohse 87. Käsemann 38: Wer die Werke der Schöpfung „kritisch in ihrem Anruf und Anspruch versteht, dem sind sie nach [Paulus] Hinweis auf seinen Herrn und damit auf die eigene Geschöpflichkeit. Sie sind es stets, von Anfang an und für jedermann gewesen, sofern jeder ihnen gegenüber seiner Angewiesenheit auf den Schöpfer und der Begrenzung durch seinen Herrn, also nicht auf dem Wege rationaler Deduktion, sondern existentiell und merkwürdig unvermittelt … innewerden konnte“. Die Wendung η« τε α� ¨ι' διος αυ� τουñ δυ' ναμις και` θειο' της ist Apposition zu τα` α� ο' ρατα αυ� τουñ .

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Weish 2,23 ist α� ¨ιδιο' της ein Attribut Gottes,81 wie oft bei Philo.82 Im Alten Testament und in der jüdischen Tradition wird die Ewigkeit Gottes üblicherweise mit anderen Vokabeln beschrieben (αι� ω' νιος, ζω ñ ν). Das Adjektiv α� ¨ι'διος beschreibt die Macht und die Majestät Gottes als „ewig“, d.h. ohne Anfang und ohne Ende. Von der „Macht“ (δυ' ναμις, s. oben zu 1,4) Gottes ist so oft die Rede,83 dass „Macht“ eine Umschreibung für den Namen Gottes war (Mt 26,64 / Mk 14,62). Von der „Macht“ der Schöpfungswerke ist in Weish 13,4; Arist. 132 die Rede. Die Werke der Schöpfung reflektieren die Macht Gottes deshalb, weil kein Mensch das Geschaffene erschaffen könnte und weil der Schöpfer mächtiger ist als das Geschaffene. „Göttliche Majestät“ (oder „Gottheit“; θειο' της) beschreibt „das, was Gott als Gott erweist und ihm das Recht auf göttliche Verehrung gibt“,84 hier die unvergleichliche Majestät des Schöpfers, die in den Werken der Schöpfung erkannt werden kann.85 In einer zweisprachigen Inschrift aus dem Jahr 18/19 n.Chr. beruft sich der Gouverneur der Provinz Galatien auf die maiestas / θειο' της des (verstorbenen) Kaisers Augustus, d.h. auf dessen (nach der Meinung des Gouverneurs) unübertroffenen Supremat als oberste Gewalt im Reich.86 Der griech. Ausdruck θειο' της ist betonter als das lat. maiestas; die Inschrift zeigt jedoch, dass θειο' της, auch in der Anwendung auf die Kaiser, ————————————————————

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Der Mensch wurde erschaffen als Bild „seiner eigenen Ewigkeit“ (ει� κο' να τηñ ς ι� δι' ας α� ¨ιδιο' τητος ε� ποι' ησεν αυ� το' ν); Ziegler, Sapientia Salomonis, 101 liest ι� διο' τητος („als Bild von sich selbst hat er ihn gemacht“, so die LXX.D; EÜ „zum Bild seines eigenen Wesens“), mit dem Argument: „Bei der theologisch bedeutsamen Stelle 2:23 haben dogmatische Vorstellungen die Änderung der Lesarten beeinflußt; sicherlich ist das bereits von Clem. bezeugte ι� διο' τητος als ursprünglich in den Text aufzunehmen“ (ebd. 65); α� ¨ιδιο' τητος wird in vielen jüngeren Handschriften gelesen und in der Rahlfs-Edition als ursprünglich vorgezogen. Das Adj. α� ¨ι' διος kommt in der LXX nur in Weish 7,26 als Beschreibung des „ewigen Lichts“ sowie in 4Makk 10,15 v.l. („die ewige Zerstörung des Tyrannen“). Philo, Decal. 41,60,64; Jos. 265; Spec. 1,20.28; 2,166; 4,73; Virt. 204; vgl. H. Sasse, Art. α� ¨ι' διος, ThWNT I, 167. Im Zusammenhang der Schöpfung (Jer 10,12; LXX ι� σχυ' ς), des Exodus (Ex 9,16; 15,6; 32,11; Deut 4,37; LXX hat jeweils ι� σχυ' ς) sowie in den Psalmen (Ps 63,2; 66,3; 68,34) und in den Propheten (Jer 16,21; jeweils δυ' ναμις). H. Kleinknecht, θειο' της, ThWNT III, 123; vgl. H. D. Betz, θειñος, θειο' της, EWNT II, 338. Die Vokabel kommt nur hier im NT vor, in der LXX nur in Weish 18,9 („das Gesetz der Gottheit“); vgl. auch Arist. 95; Philo Det. 86,7 (Op. 172 v.l; θειñος kommt öfter vor); Josephus, Ant. 10,268. In der griech. Literatur ist θειο' της zum ersten Mal bei Epikur belegt (De perditorum libroroum reliquiae 19,2,18), sodann bei Chrysipp, Fragmenta logica et physica 1190,2; Plutarch (Rom. 28,7,5; Aem. 24,4,1l; Sull. 6,7,8; Alex. 28,6,4; Is. 351E; Pyth. 398A,E; 407A; Def. 411D; 415C; Quaest.conv. 665A; Soll. 975A; Quaest.Plat. 1001B; Heraclitus, All. 76,16,3. Mitchell, Requisitioned Transport, 107 Z. 7/31; vgl. Horsley/Llewelyn, New Documents I, 36-38.40.

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nicht mit divinitas („Göttlichkeit“) gleichzusetzen ist.87 Paulus könnte demnach mit der Wendung η« τε α� ¨ι'διος αυ� τουñ δυ' ναμις και` θειο' της nicht zwei Attribute Gottes unterscheiden, sondern, mit Nachdruck, von der unübertroffenen Macht Gottes reden.88 Cicero verbindet in seiner Abhandlung über die Natur der Götter die Attribute Macht und Wesen.89 Die göttliche Würde des Schöpfers besteht in der Macht seines Handelns, die inmitten der Werke der Schöpfung wahrgenommen wird. Die ungewöhnlichen Vokabeln in V. 20, die im Neuen Testament teilweise nur hier vorkommen (καθορα' ω, θειο' της) oder äußerst selten sind (α� ¨ι'διος sonst nur noch in Jud 6, ποι'ημα nur noch in Eph 2,10) und auch im Alten Testament so gut wie keine Rolle spielen, aber in griechischen, vor allem stoischen sowie in jüdisch-hellenistischen Texten häufiger verwendet werden, zeigen ein Zweifaches. 1. Paulus greift, wie in der Areopagrede (Apg 17,22-31), offensichtlich bewusst Argumentationsmuster auf, die in der griech. Religionsphilosophie beheimatet waren und im Griechisch sprechenden Judentum verwendet wurden.90 Paulus führt einen apologetischen Dialog mit Argumenten, die über die traditionelle jüdische Weltsicht hinausgingen, was für einen Missionar, der vor Heiden das Evangelium Gottes (1,1) erläutert, zu erwarten ist.91 Seine Aussagen berühren sich in vier Punkten mit stoischer Terminologie und apologetischer Argumentation des hellenistischen Judentums.92 (a) Die sichtbare Wirklichkeit gibt dem erkennenden Menschen Anlass, nach dem Gott zu fragen, der für die Phänomene der Wirklichkeit verantwortlich ist, und aus der Schönheit des Werkes auf die Größe der Gottheit zu schließen (kosmologischer Gottesbeweis).93 (b) Solches Erkennen göttlicher Realität ist nicht nur die Erkenntnis einer prima causa der Phänomene, sondern zugleich ein Erfassen der in der Welt waltenden Gesetzmäßigkeit. (c) Zur Erkenntnis Gottes gehört die Verehrung des Göttlichen und eine entspre————————————————————

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Mitchell, Requisitioned Transport, 107. Gegen Kleinknecht, ThWNT III, 123 („im Kaiserkult ist θειο' της terminus für die Göttlichkeit der kaiserlichen Majestät“). Jewett 156, aus grammatikalischen Gründen (Verweis auf den Artikel η� , der beide Substantive miteinander verbindet). Vgl. HvS §131c: „Steht umgekehrt ein einziger Artikel vor mehreren Substantiven, so werden die Begriffe zu einer gewissen Einheit zusammengefasst, in manchen Fällen einander sogar gleichgesetzt … Man kann von ‚Koreferenz‘ sprechen“); vgl. BDR §276. Cicero, De natura deorum 1,19. Vgl. Cook, Logic; zu den Parallelen mit der Areopagrede Baum, Paulinismen, 427-434. Dunn I 58 kommentiert die Breite und die Kühnheit dieser apologetischen Strategie. Für das Folgende s. Michel 101. Vgl. Plato, Tim. 28-29; Aristoteles, Eth.Nic. 7,15; Metaph. 12; Xenophon, Mem. 4,3,1213; Cicero, Tusc. 1,28,68-70; Weish 13,3-5 (Zitat oben II); Philo, Op. 7; Spec.leg. 1,18; Josephus, Ap. 2,167.

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chende Lebensführung. (d) Wer sich der wahren Erkenntnis Gottes verschließt, endet in den Gräueln des Götzendienstes und eines ruchlosen Lebens. Paulus spricht von dem unsichtbaren Bereich, zu dem Gott als der Unsichtbare gehört, und von der sichtbaren Wirklichkeit, an deren Phänomenen die Wahrheit Gottes – seine ewige Macht und göttliche Majestät – mithilfe der menschlichen Ratio erkannt werden kann. Ciceros Abhandlung über das Wesen der Götter zeigt, dass solche Argumente als überzeugend galten. 2. Paulus ist von grundlegenden atl. Überzeugungen nicht abrückt, sondern hat vor deren Horizont die stoische Religionsphilosophie kritisch hinterfragt. Er verweist im Anschluss auf das Alte Testament ganz selbstverständlich auf die Schöpfung des Kosmos (α� πο` κτι'σεως κο' σμου) und die sichtbaren Phänomene des Geschaffenen (τοιñς ποιη' μασιν), die auf den Schöpfer schließen lassen.94 Das heißt, er spricht nicht mit Plato vom „Auge der Vernunft“, er spricht „nicht von Ideen, sondern von Dingen und Ereignissen, die Gottes Kraft hervorbringt“.95 Er verbindet, im Kontext von V. 21 (und 12,1), das Erkennen Gottes mit Gehorsam und Anbetung.96 Und er verbindet die menschliche Möglichkeit des Erkennens Gottes mit der apokalyptischen Wirklichkeit des Zornes Gottes und des Endgerichts (V. 18.32).97 Weil die Menschen Gott in der göttlichen Majestät der Macht seines Handelns in der Schöpfung erkennen können,98 ergibt sich angesichts der Realität konkreter menschlicher Existenz, dass sie ohne Entschuldigung sind (ει� ς το` ειòναι αυ� του` ς α� ναπολογη' τους). Aus der Tatsache, dass die Menschen die Erkenntnis Gottes niederhalten (V. 18), folgt,99 dass sie im Gericht Gottes (1,32) nichts zu ihrer Verteidigung anführen können. Die Diskrepanz zwischen dem Erkennen der Wahrheit Gottes in den Werken der Schöpfung und der Wirklichkeit, in der der Mensch diese unterdrückt und ————————————————————

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Ps 8,4; 19,2. Michel 100: „Weil Gott aus der Schöpfung und aus der Heilsgeschichte erkannt werden kann, darum braucht das Judentum keinen eigentlichen Gottesbeweis“. Schlatter 57; Dunn I 58. Vgl. Hi 38,4–39,30. Wilckens I 105: „Der νουñ ς hat darum als Wahrnehmung Gottes wesenhaft die religiöse Funktion des Gehorsams … und sein ‚Schauen‘ nicht die mystische Funktion der Erhebung der Seele über den Bereich des Irdisch-Gewordenen zu unmittelbarem Einswerden mit dem abstrakt-transzendenten Gott wie bei Philon, sondern der Verherrlichung Gottes mitten in der geschaffenen Welt“. Die jüdische Apokalyptik betont sowohl die natürliche Gotteserkenntnis als auch die Verschuldung, die von Gott gestraft wird. Vgl. TestNaph 3,4-5; Sib 3,6-45; äthHen 99,116; syrApkBar 54,17-19. Haacker 55 spricht von „geschenkte(r) Erkenntnis“, was Paulus so nicht sagt. ει� ς το' ist nicht final, sondern konsekutiv; A. Oepke, Art. ει� ς, ThWNT II, 428; HvS §226a.b). Das Adj. α� ναπολο' γητος beschreibt „das Unentschuldbarsein im rechtsgültigen Verständnis“ (F. Thiele, ThBLNT II, 1596).

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ins Gegenteil verkehrt (V. 23), ist nicht Gottes Absicht, sondern Schuld des Menschen. So formuliert es 4Esr 8,60: „Denn nicht der Höchste hat gewollt, dass Menschen verloren gehen; vielmehr die Geschöpfe selber haben den Namen dessen, der sie geschaffen hat, verunehrt und Undankbarkeit bewiesen gegen den, der ihnen doch das Leben bereitet hat“. 21 Paulus begründet (διο' τι) in V. 21-23 die Grundaussage vom Zorn Gottes über alle Gottlosigkeit und Ungerechtigkeit der Menschen (V. 18), die Gott in den Werken der Schöpfung erkennen können (V. 19-20), mit der Ablehnung der wahren Gotteserkenntnis in der real existierenden Wirklichkeit. Der mit obwohl sie Gott erkannt haben übersetzte Partizipialsatz (γνο' ντες το` ν θεο' ν) ist konzessiv: Trotz der Tatsache, dass sie Gott erkannt haben, haben sie ihm nicht als Gott Ehre und Dank dargebracht. Paulus konstatiert einerseits, ohne Qualifikation, die Tatsächlichkeit der Gotteserkenntnis. Er dämonisiert die heidnische Religiosität nicht a toto. Auch die Heiden, von denen in den folgenden Aussagen direkt die Rede sein wird, haben es immer mit dem wirklichen Gott zu tun gehabt.100 Die „natürliche“ Weltsicht der Menschen ist nicht der Atheismus, sondern die Erkenntnis göttlicher Realität. Im Kontext von V. 25 (το` ν κτι'σαντα) hat Paulus wohl die Erkenntnis Gottes als Schöpfer im Blick.101 Ein Widerspruch zu 1Kor 1,28-25 besteht nicht, wenn man die Zentralität des Kreuzes im Blick behält.102 Die Erkenntnis der Macht und Majestät Gottes in den Werken der Schöpfung sollte den Menschen zur Anerkennung seines Herrseins und somit zur Anbetung führen. Dies geschieht jedoch nicht: Die Menschen haben Gott nicht verehrt (ου� χ … ε� δο' ξασαν), d.h. sie haben den einzigartigen Status von Gott, der die Welt erschaffen hat, nicht anerkannt und entsprechend von ihm geredet,103 sie haben sich geweigert, seine Herrlichkeit (δο' ξα) anzuerkennen.104 Und sie haben ihm nicht gedankt (ου� χ … ηυ� χαρι'στησαν), d.h. sie haben die Gott gebührende Wertschätzung verweigert.105 Die Formulierung der beiden Verben im Aorist (im Unterschied zum Präsens in V. 18-20) bedeutet nicht, dass Paulus von einer in der Vergangenheit liegenden Epo————————————————————

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Käsemann 39: „Denn seine Wirklichkeit ist unablässig erfahrene Kreatürlichkeit und insofern Wirklichkeit coram deo“. Käsemann 38: Die Formulierung ου� χ ω� ς θεο' ν bestätigt diese Interpretation: Auch die Heiden haben Gott erkannt, aber ihn nicht als Gott verehrt. In Weish 13,5 ist von der Erkenntnis Gottes als γενεσιουργο' ς die Rede. Vgl. Poggemeyer, Knowing God, 16-17,136-146 und passim. BDAG s.v. δοξα' ζω 1. to influence one’s opinion about another so as to enhance the latter’s reputation, praise, honor, extol; vgl. LN 87.8, 33.357. Zur δο' χα Gottes s. Ex 24,15-17; Jes 6,1-5; Hes 1; bei Paulus in Röm 15,69; 1Kor 6,20; 2Kor 9,13; Gal 1,24. BDAG s.v. ευ� χαριστε' ω 2. to express appreciation for benefits or blessings, give thanks, express thanks, render / return thanks.

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che der menschlichen Geschichte spricht, in denen die Menschen Gott erkannten, ihm aber die Anbetung verweigerten. Der Aorist ist als gnomischer Aorist zu interpretieren: Paulus formuliert eine zeitlose Erfahrungstatsache.106 In der Areopagrede verweist Paulus auf den Altar, der „einem unbekannten Gott“ (�Αγνω' στω, θεω ñ, ) geweiht war (Apg 17,23): Die Identität des Gottes, den die Athener verehren, ohne zu ihn kennen, wird von Paulus in Athen verkündigt. Wer Gott die Ehre verweigert, der verweigert ihm auch den Dank. Denn wer die Macht Gottes in den Werken der Schöpfung erkennt und die mit nichts und niemandem vergleichbare Majestät Gottes anerkennt, der wird Gott für seine Fürsorge danken. Paulus beschreibt zunächst zwei Folgen der Weigerung des Menschen, Gottes Wahrheit mit Ehre und Dank anzuerkennen. Der Satz sie verfielen in ihren Gedanken der Nichtigkeit beschreibt den Realitätsverlust des Menschen, d.h. seine Unfähigkeit, die Situation zu begreifen, in der man sich befindet. Das mit „sie verfielen der Nichtigkeit“ übersetzte Verb (ε� ματαιω' θησαν) kommt nur hier im Neuen Testament vor; in der LXX wird es für den Götzendienst verwendet (Jer 2,5),107 von dem in V. 23 die Rede sein wird: Götzen sind μαται'οι, „Nichtse“ (LXX Lev 17,7; Jer 2,5; 8,19; Hos 5,11; Am 2,4; Sach 11,17), d.h. bedeutungslose und wertlose Objekte. Die wertlose Nichtigkeit menschlicher Existenz wird auf das Denken bezogen (ε� ν τοιñς διαλογισμοιñς), auf den Prozess logischen Denkens und die Schlussfolgerungen der Vernunft.108 Wer die Wahrheit Gottes des Schöpfers unterdrückt, kann die Welt nicht mehr richtig verstehen. Wer das Leben nicht als Geschenk Gottes erkennt, verliert den Blick für die Realität und verfällt der Illusion. Der Satz ihr unverständiges Herz wurde verfinstert beschreibt die Orientierungslosigkeit des Menschen (vgl. Eph 4,18). „Herz“ (καρδι'α) bezeichnet hier den Sitz des inneren, geistigen Daseins, den Mittelpunkt und die Quelle des menschlichen Denkens, Wollens und Fühlens. ————————————————————

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Zum gnomischen Aorist vgl. HvS §199l; BDR §333.1. Vgl. Fitzmyer 282; Lohse 88, gegen Cornely 86; Feuillet, Connaissance, 218-219. Es erübrigt sich deshalb, wie Haacker 56 auf Hesiod, Op. 135-136.138-139 zu verweisen, der den Beginn der Vernachlässigung der Götter dem „silbernen Geschlecht“ zuschreibt. Jer 2,5 LXX: „Dies spricht der Herr: Welches Vergehen fanden eure Väter an mir, dass sie sich weit von mir entfernten und hinter den Nichtsen (μαται' ων) hergelaufen und zu nichts (ε� ματαιω' θησαν) geworden sind?“. Vgl. Ps 93[94],11: „Der Herr weiß, dass die Gedanken (διαλογισμου' ς) der Menschen nichtig sind (μα' ταιοι)“ (LXX.D). BDAG s.v. διαλογισμο' ς „1. the process of reasoning, 2. content of reasoning or conclusion reached through use of reason“; Röm 1,21 sollte nicht nur bei Bedeutung 1 angeführt werden. Bei Bauer / Aland s.v. findet man diese an sich sinnvolle Unterscheidung nicht.

224 Römerbrief ———————————————————————————————————— Das Wort καρδι' α [kardia]109 kommt 157 Mal im Neuen Testament vor. In der LXX (912 Belege) übersetzt das Wort meistens hebr. ‫[ ֵלב‬leb] (718 Mal), das auch mit δια' νοια (Denkvermögen, Verstand, Denkart) und ψυχη' (Seele, Leben) übersetzt wird, und der wichtigste anthropologische Begriff im AT ist. Das hebr. ‫ ֵלב‬bezeichnet nicht das menschliche Organ, das wir als „Herz“ bezeichnen; eine anatomische Referenz von leb ist in allen semitischen Sprachen vage; in 2Sam 18,14; 2Kön 9,24 u.a. bezeichnet leb den Brustkorb, der mit Pfeilen getroffen werden kann; nach Ex 28,29-30 trägt Aaron die Lostasche „über seinem Herzen“; in Ex 15,8; Jona 2,4; Ps 46,3 u.a. bezeichnet das Wort die „Mitte“ des Meeres. H.-J. Fabry beschreibt sechs Bedeutungsbereiche von ‫ֵלב‬: 1. Die personale Identität des Menschen: leb bezeichnet sämtliche Aspekte einer Person, d.h. vitale, affektive, noetische und voluntative Realitäten (Ps 22,15; 27,3; Spr 18,2; Hes 13,22) und kann deshalb anstelle des Personalpronomens stehen (Gen 18,5; Ex 9,14); ‫ ֵלב‬ist hier oft identisch mit ‫ֶנֶפׁש‬. 2. Das vitale Zentrum, d.h. die physische Natur des Individuums (1Sam 25,37; Ps 22,15.27; 61,3; 69,33; 104,15; Spr 4,23; 25,13). 3. Das affektive Zentrum, d.h. der Sitz menschlicher Gefühle (1Sam 15,10; Ps 38,9; Spr 12,25), vor allem Furcht (Num 32,7; Deut 1,28; Jos 7,5; Ps 143,4; Jes 7,2.4; 65,14), auch Hass (Lev 19,17), aber auch Zuneigung und Vertrauen (Ri 16,15.17.18; Spr 31,11; Hos 2,4-17), auch im erotischen Bereich (Gen 34,3; Ri 19,3; Rut 2,13), sodann Freude und Lobpreis Gott gegenüber (Ps 13,6; 45,2; 57,8; 84,3), z.B. angesichts der Erfahrung von Heil (Ps 105,3; Zef 3,14). 4. Noetisches Zentrum, d.h. intellektuelles Verstehen (Ex 7,22; Deut 8,5; 29,3; Spr 22,17; Jes 32,4; Hes 3,10) und Erinnern (Deut 4,9; Ps 31,13; 88,6; 137,1-2.5-6; Jes 46,8; 47,7), auch als Sitz der Weisheit (1Kön 10,24; Spr 2,6.10; 15,28; Jes 32,4), auch von Verwirrung und Torheit (Ex 7,23; 9,21; Spr 6,32; 10,21; Jes 44,19). 5. Voluntatives Zentrum, d.h. Sitz des Wollens und Planens (Gen 17,17; 24,45; 1Sam 14,7; 2Chron 29,10; Ps 19,15; 37,4). 6. Im religiösen und ethischen Bereich bezeichnet es den Ort des Wirkens Gottes (1Kön 8,39; Ps 7,10; 17,3; 33,15; Spr 16,1.9; 19,21; Jer 20,12), das Gewissen (Deut 30,14.17; 1Sam 24,6; 2Sam 24,10; Jer 31,33; Hes 36,26-27), als Sitz menschlicher Laster (Ps 28,3; 41,7; 101,4; Spr 16,5; Jes 14,13; 47,8.10; Jer 32,6; Zef 1,12), im Sinn der „Härte des Herzens“ (Ex 7,3; 8,11; 10,1; Deut 2,30; Ps 95,8; Spr 28,14; Jes 63,17) mit der Tendenz zu Götzendienst und Apostasie (Deut 11,16; 29,17.18; 30,17; Ps 78,18; Jer 7,24; 17,5; Hes 14,3.4.7; Hos 10,2), als Sitz der Gerechtigkeit (Ps 7,11; 11,2; 36,11; 94,15), als „reines Herz“ (Ps 73,1; Spr 22,1); der Mensch gibt sich mit der „Beschneidung des Herzens“ Gott willig hin (Deut 30,6; Jer 4,4); in der Zukunft wird das Gesetz Gottes dem Herzen eingezeichnet (Jes 51,7; Jer 31,33); das „Lieben von ganzem Herzen“ als bewusste und umfassende Willens- und Lebenshingabe kann und soll allein auf Gott gerichtet sein (Deut 6,5). Das Wort καρδι' α ist 156 Mal im NT belegt und hat generell die gleiche Bedeutungsbreite wie das atl. ‫ֵלב‬. Allgemeine Definitionen – „das Innere des Menschen, den Sitz von Verstand, Erkenntnis und Wille“ oder „die entscheidende Stelle im Menschen, an der es zur eigenen Selbstbestimmung kommt, welche ihren Ausdruck dann in einem entsprechenden Verhalten findet … und als Ort der Gottesbegegnung ausgezeichnet“110 – sind generell hilfreich, aber kein Ersatz für eine Erklärung von καρδι' α im konkreten Kontext.

Das Verb „wurde verfinstert“ (ε� σκοτι'σθη) ist Metapher: Wo das Licht der Erkenntnis Gottes das Denken und Handeln des Menschen erleuchten sollte, ————————————————————

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Bauer / Aland s.v. καρδι' α 1bβ; F. Baumgärtel / J. Behm, Art. καρδι' α, ThWNT III, 609616; A. Sand, Art. EWNT II, 615-619; V. Stolle, ThBLNT I, 948-953; Jewett, Terms, 305-333.447-448; Schnelle, Anthropologie, 120-122; zum atl. Befund H.-J. Fabry, Art. ‫לב‬, ‫לבב‬, ThWAT IV, 413-451; Krüger, Herz. Sand, EWNT II, 616; Stolle, ThBLNT I, 950.

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hat sich Finsternis breit gemacht. Ohne Licht wachsen keine Pflanzen, ohne Licht ist der Mensch orientierungslos, er weiß nicht, wohin er geht. Das Adjektiv „unverständig“ beschreibt das Resultat der Weigerung, Gott den Schöpfer anzuerkennen: Verfinsterung des Denkens bedeutet Verständnislosigkeit. Was der Mensch, den Gott nach seinem Ebenbild erschaffen hat, denkt, ist weder automatisch noch in jedem Fall richtig. Die Auffassungsgabe und Urteilskraft (συ' νεσις), die der Mensch als Geschöpf Gottes hat, sind in ihrer Funktion beeinträchtigt, Einsicht und Verständnis sind schwer geschädigt.111 Die Passiva der beiden Verben verweisen, interpretiert als passiva divina, auf das Handeln Gottes, der den Menschen, der sich seiner Wahrheit verweigert, mit seinem Zorngericht straft. 22 Der Realitätsverlust und die Orientierungslosigkeit der Menschen zeigt sich in der Diskrepanz zwischen Anspruch und Wirklichkeit. Obwohl112 die Menschen die Behauptung aufstellen (φα' σκοντες), weise zu sein, sind sie zu Toren geworden. Als weise σοφο' ς) gelten Menschen, die aufgrund ihrer Einsicht (und Bildung) vernünftige Einstellungen haben und recht handeln. Diese Behauptung ist objektiv falsch: Die Menschen wurden töricht.113 Ihre Torheit ist ein objektiver Tatbestand und ergibt sich zugleich aus dem Urteil Gottes (ε� μωρα' νθησαν).114 In Jer 10,14 ist von dieser Einschätzung der Heiden im Blick auf den Götzendienst die Rede: „Zum Toren wird jeder Mensch, fern von Erkenntnis, zuschanden wird jeder Goldschmied wegen seinen Gravuren, denn Lügen haben sie gegossen, kein Atem ist in ihnen“ (LXX.D; vgl. Weish 11,15). 23 Die Ablehnung der wahren Gotteserkenntnis endet im Götzendienst. Das vorangestellte Verb vertauscht (η» λλαξαν)115 betont sowohl den Grundprozess menschlicher Sünde also auch die Verantwortlichkeit der Menschen für die Misere, in der sie sich befinden. Die Anbetung Gottes des Schöpfers wird umgetauscht in die Anbetung der von Gott geschaffenen Geschöpfe. ————————————————————

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Die Verwendung von ματαια' für Götzendienst in der LXX (Jer 2,5; Weish 13,1) und die Verbindung von Verfall in Torheit und Verfinsterung der Sinne mit Götzendienst in TestRub 3,8; TestLev 14,4; Sib 3,26 belegt noch nicht, dass Paulus schon in V. 20 vom Götzendienst spricht (so Wilckens I 107). φα' σκοντες ist, wie γνο' ντες V. 21, konzessiv. G. Bertram, Art. μωρο' ς κτλ., ThWNT IV, 850; Käsemann 41. Lohse 88, der die Formulierung im Passiv als passivum divinum interpretiert. Vgl. Bauer / Aland s.v. α� λλα' σσω 2. In der LXX beschreibt das Verb mehrfach das Wechseln von Kleidern (Gen 35,2; 41,14; 45,22; Ri 14,13; 2Sam 12,20; 2Kön 5,5). In den Papyri bezeichnet das Verb meistens den „Umtausch“ oder das „Auswechseln“ einer Ware oder das „Ändern“ eines Vertrags, auf Personen bezogen geht es um eine „(Ver-) Wandlung“ im Sinne einer inneren Veränderung des Wesens oder Charakters; vgl. R.E. Kritzer in Arzt-Grabner, 1. Korinther, 501.

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Der Kontrast der vom Menschen zu verantwortenden Auswechslung wird mit drei antithetischen Formulierungen beschrieben. 1. Die Herrlichkeit (δο' ξα [doxa]) Gottes wird eingetauscht gegen die Gestalt (ο� μοι'ωμα [homoiōma]) von Menschen und Tieren.116 Herrlichkeit ist die transzendente Majestät und Erhabenheit Gottes, der die Welt erschaffen hat – die belebte und unbelebte Natur, Menschen wie Tiere. Die δο' ξα Jahwes (hebr. ‫ )ָּכב ֹוד‬war für Israel die strahlende, sichtbare Manifestation seiner Gegenwart in der Stiftshütte und im Tempel (Ex 24,17; 40,34-35). Jahwe ist der „König der Herrlichkeit“ (‫ֶמֶל ְך ַהָּכב ֹוד‬/ο� βασιλευ` ς τηñ ς δο' ξης; Ps 24,8 [LXX 23,8]). Das mit Gestalt übersetzte Wort verweist auf das „Faksimile“ oder Abbild, das der Mensch herstellt und verehrt, auf die materiell-plastische Repräsentation eines Gottes.117 Durch die Parallelisierung von δο' ξα und ο� μοι'ωμα „wird, trotz der scharfen Polemik, eine zu stark verkürzende Identifikation des Wesens Gottes mit den Götterbildern vermieden. Die heidnische Religion pervertiert die Doxa Gottes zum Abbild der Gestalt … der Schöpfung“.118 2. Gott (θεο' ς [theos]) wird vertauscht mit Mensch (α» νθρωπος [anthropos]) und mit Tieren, konkret mit Vögeln (πετεινα' ), 119 Vierfüßlern (τετρα' ποδα)120 und Kriechtieren (ε� ρπετα' ).121 Von Meereslebewesen abgesehen entspricht diese Liste dem Schöpfungsbericht Gen 1,20-27.122 3. Der Mensch weigert sich, den unvergänglichen (α» φθαρτος) Gott anzubeten; stattdessen betet er den vergänglichen (φθαρτο' ς) Menschen und die vergänglichen Tiere an. Gott ist „unvergänglich“, d.h. unverderblich, ewig, und ————————————————————

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J. Schneider, ο� μοι' ωμα, ThWNT V, 191-197; Holz, EWNT II, 1253-55; Vanni, �Ομοι' ωμα. Lorenzen, Eikon-Konzept, 190-191. Holz, EWNT II, 1254. Vögel werden im NT häufiger erwähnt: Mt 6,26; 8,20; 13,4.32; Mk 4,4.32; Lk 8,5; 9,58; 12,24; 13,19; Apg 10,12; 11,6; Jak 3,7. Vierfüßler werden im NT nur noch in Apg 10,12 erwähnt; in der LXX s. Gen 1,24; Ex 8,12.13.14; 9,9.10; Lev 18,23; 20,15; Num 35,3; Hi 40,20; 41,17; Jes 30,6. Kriechtiere werden im NT noch in Apg 10,12; 11,6; Jak 3,7 erwähnt. In der LXX 44 Vorkommen: Gen 1,20.21.24.25.28.30; 6,7.19.20; 7,8.14.21.23; 8,1.17.19; 9,3; Lev 11,20.21.23.29.31.41.42.43.44; 20,25; 22,5; Deut 4,18; 14,19; 1Kön 5,13; Ps 103,25; 148,10; Hos 2,14; Weish 11,15; 17,9; Sir 10,11. Aristoteles, zu dessen Taxonomie keine Verbindung besteht, teilt die Tiere in Bluttiere (heute Vertebraten) und Blutlose (Invertebraten) ein; als größte Gattungen der Bluttiere nennt er Vögel, Fische und Meeressäuger, als größte Gattungen der Blutlosen die Schaltiere (Muscheln und Schnecken), Krebse (Crustaceen), Tintenfische (Cephalopoden) und die Insekten; in seiner dritten Behandlung (2.15) rechnet er auch die Vierfüßler zu den größten Gattungen, die er in lebendgebärende und eierlegende Vierfüßler unterteilt; neben diesen „größten Gattungen“ gibt es noch die fußlosen eierlegenden Tiere (Schlangen) und die fußlosen lebendgebärenden Tiere (Vipern) sowie Gattungen, die aus dieser Einteilung herausfallen (z.B. die Seeanemonen). Vgl. Kullmann, Aristoteles’ Biologie, 233-234, mit Verweis auf Hist. an. 1,4,489a30ff; 1,6,490b7ff; 2,15,505b26ff.

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verdient deshalb Anbetung. Menschen und Tiere sind „vergänglich“, d.h. verderblich, der Auflösung verfallen, sterblich,123 und verdienen deshalb offensichtlich keine Anbetung, zumal der Mensch derselben Kategorie (der Geschöpfe Gottes) angehört wie Vögel, Vierfüßler und Kriechtiere. Was der Mensch anbetet, ist ein Bild (ει� κω' ν), nicht das Original, nicht der Schöpfer des Menschen und der Tiere. Die Wendung ει� κω` ν φθαρτουñ α� νθρω' που ist am besten als genitivus materiae zu deuten: Es geht um das (Stand-)Bild, das einen vergänglichen Menschen zeigt.124 Dieser Tausch ist in der Tat Torheit. Die beiden Vokabeln der Genitivverbindung ο� μοιω' ματι ει� κο' νος („Gestalt des Bildes“), die als Synonyme gedeutet werden können,125 sind einerseits in der Tradition paralleler atl. Stellen zu finden (s. unten), dienen zugleich aber dem Ziel, die Distanz zwischen der Realität und der Wirklichkeit, die ein Götzenbild darstellen soll, zum Ausdruck zu bringen.126 Die Heiden beten das Faksimile eines Bildes, die Kopie einer Kopie an. Gerade darin erweisen sie sich als töricht (V. 22). Der Götzendienst ist ein sacrificium intellectus.127 Die Sprache in V. 23 spielt auf Ps 105[106],20 LXX an: „Und sie vertauschten (η� λλα' ξαντο) ihre Herrlichkeit (τη` ν δο' ξαν αυ� τω ñ ν)128 mit dem Abbild (ε� ν ο� μοιω' ματι) eines Kalbs, das Gras frisst“ (LXX.D). Die Psalmstelle handelt von der Episode des Goldenen Kalbs, das die Israeliten am Berg Horeb produzierten und anbeteten (Ex 32,1-34). Ähnliche Formulierungen liegen auch in Jer 2,11 LXX vor: „Werden etwa Völker ihre Götter austauschen (α� λλα' ξονται)? Und diese sind keine Götter. Mein Volk aber tauschte seine Herrlichkeit (η� λλα' ξατο τη` ν δο' ξαν αυ� τουñ ) gegen (etwas) aus, von dem sie keinen Nutzen haben werden.“ Wichtig ist auch Deut 4,15-18 LXX: „Und gebt sehr sorgsam acht auf eure Seelen, denn ihr habt keine Gestalt gesehen (ου� κ ει»δετε ο� μοι'ωμα) an dem Tag, an dem der Herr am Horeb auf dem Berg zu euch gesprochen hat aus der Mitte des Feuers. Han————————————————————

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Zu den beiden Vokabeln vgl. G. Harder, Art. φθει' ρω κτλ., ThWNT IX, 94-106; T. Holz, EWNT III, 109-1013; F. Merkel, ThBLNT II, 1734-1737. In den Papyri beschreibt φθει' ρω und φθορα' oft die Zerstörung von Eigentum und kommt deshalb in Petitionen und Strafanzeigen vor; vgl. Papathomas, Begriffe, 209, mit Verweis auf BGU VIII 1824,27-29; VIII 1866,3-5. Vgl. Woyke, Götter, 376-377, der diese Deutung mit einem gen. possessoris (die Gestalt, die ein vergänglicher Mensch besitzt) verbindet. Lorenzen, Eikon-Konzept, 191-192 deutet als gen. qualitatis: ει� κο' νος beschreibt eine Eigenschaft von ο� μοι' ωμα, als „Gestalt“ der „(Bild)Plastik“, die die Menschen herstellen. T. Holtz, EWNT II, 1254: Durch die Verwendung von ο� μοι' ωμα vermeidet Paulus „trotz der scharfen Polemik eine zu stark verkürzende Identifikation des Wesens Gottes mit den Götterbildern“. Söding, Gott, 116. Mit dem Plural „ihre“ ist Gott gemeint (LXX.D Anm.).

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delt nur nicht gesetzwidrig und macht euch selbst kein geschnitztes Abbild (γλυπτο` ν ο� μοι'ωμα), überhaupt kein Bild (παñ σαν ει� κο' να), (weder) das Abbild (ο� μοι'ωμα) eines männlichen noch eines weiblichen (Wesens), (noch) das Abbild (ο� μοι'ωμα) jeglichen Tieres, die auf der Erde leben, (noch) das Abbild (ο� μοι'ωμα) jeglichen geflügelten Vogels (πε' ταται), der unter dem Himmel fliegt, (noch) das Abbild (ο� μοι'ωμα) jeglichen Kriechtiers (ε� ρπετουñ ), das auf der Erde kriecht, (noch) das Abbild (ο� μοι'ωμα) jeglichen Fisches, was alles in den Wassern unterhalb der Erde ist“ (LXX.D). Was Israel und die Juden getan haben, ist das Kernproblem der gesamten Menschheit. Manche sehen eine Anspielung auf die Erschaffung Adams Gen 1,26 LXX: „Und Gott sprach: Wir wollen den Menschen machen nach unserem Bild (κατ’ ει� κο' να) und nach (der) Ähnlichkeit (καθ’ ο� μοι'ωσιν)“. Weil in dieser Stelle nicht von ο� μοι'ωμα, sondern von ο� μοι'ωσις die Rede ist, und weil sich ει� κω' ν in V. 23 nicht nur auf den Menschen, sondern auch auf die Vögel, Vierfüßler und Kriechtiere bezieht, ist eine Anspielung auf Gen 1,26 wenig wahrscheinlich.129 Manche verweisen auf Hes 8–11, wo Gottes Herrlichkeit den Tempel verlässt, weil Stadt und Heiligtum durch die Verehrung von Bildern entweiht worden waren, eine Vorstellung, die Paulus auf die gesamte Menschheit überträgt: „Gerade der Versuch, die Gottheit(en) durch bildliche Darstellung in Statuen und Gemälden wirksamer zu vergegenwärtigen, vertreibt die Gegenwart Gottes, macht Gott zum deus absconditus. Anstelle der unverfügbaren, aber immer wieder geschenkten Gottesgegenwart bleibt den Menschen nur eine – bestenfalls – anthropomorphe Gottesvorstellung“.130 Von einem Verlust seiner Gottesebenbildlichkeit spricht Paulus allerdings nicht.131 Eine Nähe besteht zu Dan 5,23 (LXX Theod.): Beltschazar wird vorgeworfen, er habe „Gott, in dessen Hand dein Atem ist und alle deine Wege … nicht verherrlicht“ (αυ� το` ν ου` κ ε� δο' ξασας), stattdessen habe er „die goldenen und silbernen und bronzenen und eisernen und hölzernen und steinernen Götter, die nicht sehen und nicht hören und nicht erkennen … gelobt“ (LXX.D).

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Dunn I 61-62; Fitzmyer 283; Jewett 161 Anm. 119; gegen Hyldahl, Reminiscence; Hooker, Adam. Haacker 57-58. Dunn I 61 sieht zugleich Anspielungen auf Jes 44,9-20 und Weish 11,15; 12,24; 13,10.13-14; 14,8; 15,18-19. Wedderburn, Adam, 418; Haacker 58. Paulus spricht nicht explizit von der Gottesebenbildlichkeit des Menschen; diese ergibt sich nur im Umkehrschluss aus dem, was Paulus über die verfehlte menschliche Religiosität des Menschen als Abbild Gottes sagt; Niebuhr, Menschenbild, 154.

Die Sünde der Heiden 1,18-32 229 ———————————————————————————————————— Literarische Texte und Inschriften belegen zwischen 3700 und 4000 antike Gottheiten.132 Der Verweis auf „das Bild eines vergänglichen Menschen“ könnte ein Hinweis auf den Kaiserkult sein. Sicher ist dies jedoch nicht: Viele Götter, in der Tat sämtliche römische Gottheiten, wurden in menschlicher Gestalt vorgestellt und „hergestellt“ – Zeus / Jupiter als erwachsener Mann mit Vollbart, Ares / Mars als Mann mit Schild und Lanze in der Hand, Apollo als nackter Jüngling, Athena / Minerva als junge Frau in kriegerischem Kleid, Artemis als jungfräuliche Jägerin, Aphrodite / Venus als zunächst nackte, dann bekleidete Frau, Demeter / Ceres als Frau mit einer Weizenähre in der Hand. Die Kaiser, als Gottheiten verstanden, bildeten nur eine verschwindend kleine Zahl der antiken Götter, „die allerdings aufgrund der ungeheuren Macht und ebensolchen Präsenz in der Öffentlichkeit alle übrigen, Iupiter einmal ausgenommen, in den Schatten stellte“.133 In der Religion Ägyptens spielten Repräsentation von Tieren (Anubis wird als Hund bzw. Schakal dargestellt, Horus als Falke, Atum als Schlange, Hathor als Kuh, Sobek als Krokodil, Thot als Ibis) eine wichtigere Rolle als in der griechischen und römischen Religion. Pan wird mit einem menschlichen Körper und dem Unterleib einer Ziege dargestellt, Dionysos wird manchmal als Bulle dargestellt. In der Mythologie kommt die Vorstellung von Göttern als Tieren häufiger vor: Poseidon als Hengst, Demeter als Stute, Zeus als Bulle. Römische Götter wurden oft mit Tieren assoziiert: Ceres reitet auf einem Bullen, Vesta erscheint zusammen mit einem Esel, Artemis / Diana mit einer Hirschkuh, Zeus mit einem Adler, Poseidon mit Meerestieren, Asklepius mit einer Schlange. In der griechischen Religion sind Götter „nicht definierbare Begriffe, man kennt sie als Gestalt. Man stellt sich den Gott im Vollzug einer individuellen Geschichte vor, in bestimmten Szenen agierend und sprechend. Götter haben Eltern und Familie. Sie sind dem Menschen weit überlegen an Kraft und Wissen, doch nicht notwendigerweise allmächtig und allwissend. Sie können vernichten, nicht aber Leben geben. Sie sind auf ihre Ehre bedacht … sie lieben und hassen, sie sind sexuell aktiv und pflanzen ihr Wesen in menschlichen Kindern fort“.134 Gleiches gilt für die römische Religion.

Paulus beschreibt in V. 23 weder eine historische, chronologisch in die früheste Menschheitsgeschichte nach der Vertreibung aus dem Paradies einzuordnende Entscheidung des Menschen noch eine Entscheidung, die jeder Mensch, jeder Heide, immer je und je neu trifft. Die von atl. Texten referierten Beispiele vom Abfall in den Götzendienst illustrieren für Paulus „einen schicksalhaften Geschehenszusammenhang, in dessen Vorgegebenheit der Einzelne sich schon stets vorfindet“.135 24 Gott lässt den Menschen die Folgen seiner Weigerung, Gott als Schöpfer zu ehren, an sich selbst erfahren. Der Satz Gott hat sie übergeben ————————————————————

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Clauss, Kaiser und Gott, 22, der fortfährt: „Wenn wir davon ausgehen, daß dies wie in den meisten Bereichen nur einen Bruchteil der antiken Verhältnisse widerspiegelt, dann waren antike Gottheiten im Wortsinn unzählig. Es gab sie überall, jeder antike Mensch hätte problemlos ein ganzes Bündel von Götternamen auflisten können“. Clauss, Kaiser und Gott, 22. Zur griechischen Religion s. Burkert, Griechische Religion; W. Burkert, „Griechische Religion“, TRE XIV, 235-253, zur römischen Religion Latte, Römische Religionsgeschichte; K. Hoheisel, Art. „Römische Religion“, TRE XXIX, 311-319, zur Ikonographie römischer Kultbilder s. Gladigow, Ikonographie; zur ägyptischen Religion der hellenistischen Zeit s. Stadler, Einführung. Burkert, „Griechische Religion“, TRE XIV, 238. Käsemann 42.

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(παρε' δωκεν αυ� του` ς ο� θεο' ς) erläutert, dass die Folgen der Gottesverachtung von Gott dekretiert sind. Als Vorspiel der Offenbarung seines Zorns im Endgericht (V. 18.32)136 gibt Gott den Menschen preis an die Folgen seiner Sünde. Das Verb παρε' δωκεν, das in V. 26.28 wiederholt wird, beschreibt im Alten Testament oft die Übergabe von Menschen an Feinde und die Übergabe von Feinden an Menschen.137 Im Neuen Testament liegt häufig die in den Papyri bezeugte prozesstechnische Bedeutung von παραδι'δωμι vor, regelmäßig im Zusammenhang mit dem Prozess Jesu: die Übergabe von Angeklagten bzw. Übeltätern an die Organe, die Strafen vollziehen.138 Paulus betont, dass Gott den Menschen, der sich geweigert hat, seine Ehre und Majestät anzuerkennen, zwangsweise an die Folgen seiner Weigerung überführt. Paulus will nicht sagen, dass Gott den Menschen sich selbst „überlässt“139 (was sicherlich auch eine Strafe wäre),140 sondern dass Gott „als Richter den Menschen an die Mächte des Verderbens“ preisgibt.141 Paulus beginnt die Schilderung der Konsequenzen,142 die sich aus der in V. 21-23 behandelten Anbetung des Geschöpfs statt des Schöpfers ergeben (V. 24-27), mit einer Beschreibung des Verlusts der Kontrolle über die eigenen Wünsche, die im Missbrauch ihrer Leiblichkeit resultiert. Weil sie den Gottesbezug der Werke der Schöpfung leugnen und das geschöpfliche Trugbild verehren, missachten sie den Gottesbezug ihrer eigenen Körper, indem sie ihren eigenen Leidenschaften gehorchen.143 In der Wendung Begierden ihrer Herzen kann sich „Begierde“ (ε� πιθυμι'α [epithymia]) allgemein auf das Verlangen und die Wünsche beziehen, die fundamental zum ————————————————————

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Eckstein, Gottes Zorn, 87, beschreibt die „Auslieferung“ als innergeschichtlichen Vorgang adäquater Vergeltung, die mit dem zukünftigen Gerichtsvollzug nichts zu tun hat. Gen 14,20; Ex 23,31; Lev 26,25; Num 21,34; Deut 1,27; 21,10; Jos 7,7; Ri 13,1; 1Sam 14,10; 1Kön 8,46; Jes 19,4; 36,15; Jer 21,10; Hes 11,9. Mk 3,19; Mt 17,22/Mk 9,31/Lk 9,44; Mt 20,18/Mk 10,33/Lk 18,32; Mt 26,15.16.21. 24.45/Mk 14,10.11.18.21.41.42; Mt 27,2/Mk 15,1; Lk 22,21; Joh 13,2.21; 18,30.35.36; 19,16; vgl. Mk 10,45; Röm 4,25; 8,32. Vgl. W. Popkes, Art. παραδι' δωμι, EWNT III, 4347; Popkes, Christus traditus, 83-85. Bauer / Aland, s.v. παραδι' δωμι 1b: Ausdruck der Polizei- und Gerichtssprache: „zwangsweise vorführen, gefangen einliefern“. Für Beispiele aus den Papyri s. Papathomas, Begriffe, 64-70. So z.B. Dunn I 62-63: God „has accepted the fact of man’s rebellious desire to be free of God (in terms of Gen 3, to be „as God“), and has let go of the control which restrained them from their baser instincts“. Haacker 58: „so bedeutet schon Gottes ‚Nichteinmischung‘ ein Gericht über die sich selbst überlassene Menschheit“. Michel 104; vgl. Jewett 167; Lohse 89; Kruse 99. Gutbrod, Anthropologie, 127: Gott zeigt die Unverletzlichkeit seiner Heiligkeit „daran, daß sie den Menschen, der sie verletzt, verdirbt“. S. den Einsatz mit διο' . Lorenzen, Eikon-Konzept, 192-193.

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Menschsein gehören. 144 Im Zusammenhang der Konstatierung von „Unreinheit“ als das Ziel (ει� ς) der Begierde ist sie jedoch negativ als Verlangen nach Verbotenem oder Unbeherrschtem zu verstehen.145 Der Ursprung der negativen Bewertung des Verlangens in der atl.-jüdischen Tradition ist das zehnte Gebot Ex 20,17: „Du sollst nicht begehren (ου� κ ε� πιθυμη' σεις) deines Nächsten Haus. Du sollst nicht begehren deines Nächsten Frau, Knecht, Magd, Rind, Esel noch alles, was dein Nächster hat“; LÜ), das zur Überschrift über die gesamte sog. Zweite Tafel des Dekalogs wurde, sodass das Begehren neben den Götzendienst tritt, die „Grundsünde“ der Ersten Tafel.146 Der Plural des Substantivs zeigt, dass Paulus nicht die stoische Position von der Begierde als Grund der menschlichen Misere versteht, sondern im Anschluss an die Schrift (LXX) als Hinweis auf die komplexen menschlichen Motivationen, die den gesamten Menschen und sein Verhalten bestimmen (und nicht nur seine körperliche Natur).147 Mit „Herz“ (καρδι'α) ist hier konkret der Sitz der menschlichen Affekte, der Begierden, des Verlangens, der Gefühle gemeint.148 Weil der Mensch es vorgezogen hat, die Erkenntnis Gottes in den Werken der Schöpfung abzulehnen, ist sein unverständiges Herz finster geworden (V. 21), was nach V. 24 heißt: Er ist dazu verurteilt, sein Leben unter der Kontrolle destruktiver Begierden fristen zu müssen.149 ————————————————————

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In der LXX vgl. Gen 31,30; Num 11,4; Deut 12,20; Ps 20,3; im NT Mk 4,19; Lk 22,15; Phil 1,23; 1Thess 2,17; Offb 18,14. Siehe zu Röm 6,12; 7,7. BDAG s.v. ε� πιθυμι' α 2, „a desire for someth(ing) forbidden or simply inordinate“. In der LXX in diesem Sinn selten (Sus 8.11.14 Theodotion; 4Makk 1,3); im NT häufig: Joh 8,44; Röm 1,24; 6,12; 7,7.8; Eph 4,22; Kol 3,5; 1Thess 4,5; 1Tim 6,9; 2Tim 2,22; 4,3; Jak 1,14-15; Jud 18; 1Petr 1,14; 4,2.3; 2Petr 1,4; 2,10 u.a. Die negative Wertung von ε� πιθυμι' α spielt in der stoischen Philosophie eine wichtige Rolle. Nach Diogenes Laertius 7,116 unterscheidet Zeno zwischen Verlangen (ε� πιθυμι' α) und Wollen (βου' λησις); vgl. Seneca, Ep. 116,1. Cicero, Tusc. 4,7,14 definiert ε� πιθυμι' α im Sinne von cupiditas und libido (opinio venturi boni, quod sit ex usu iam praesens esse atque adesse). F. Büchsel, ε� πιθυμι' α, ThWNT III, 168-169. Der möglicherweise in das 1. Jh. v. / n. Chr. datierende Autor des Textes VitAd schreibt: „Das Begehren ist der Anfang jeglicher Sünde“ (ε� πιθυμι' α γα' ρ ε� στιν κεφαλη` πα' σης α� μαρτι' ας; VitAd 19); vgl. H. Hübner, Art. ε� πιθυμι' α κτλ., EWNT II, 69. Wilckens I 108, mit Verweis auf Berger, Gesetzesauslegung, 346-349. Jewett 168, gegen Fredrickson, Use, 208. Bauer / Aland s.v. καρδι' α 1bε. Die Präposition ε� ν in der Wendung ε� ν ταιñς ε� πιθυμι' αις beschreibt den Bereich, in dem der Mensch gefangen gehalten wird. Sowohl die Entsprechung zwischen Schuld und Vergeltung als auch die fortdauernde Wirkung des Götzendienstes finden sich in der jüdischen Tradition: „Anstelle ihrer unverständigen Gedanken von Unrecht, von denen irregeleitet sie vernunftlose Kriechtiere verehrten und wohlfeiles Getier, ließest du los gegen sie eine Menge vernunftloser Lebewesen zur Strafe, damit sie erkannten, dass man, wodurch man sündigt, eben dadurch bestraft wird (δι’ ω ð ν τις α� μαρτα' νει, δια` του' των κολα' ζεται) … Die

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Ziel (ει� ς) des menschlichen Verlangens, und damit Konsequenz menschlichen Handelns, ist jetzt die Unreinheit (α� καθαρσι'α). Damit ist nicht kultische Unreinheit gemeint (in der LXX Lev 7,10; 18,19; 20,25; Hes 22,10; Lev 7,10), sondern moralische Unreinheit, konkret sexuelle Sittenlosigkeit (vgl. Röm 6,19).150 Der folgende konsekutive Infinitivsatz konkretisiert: sodass ihre Leiber durch sie selbst geschändet werden. Wer dem unsichtbaren Gott die Ehre verweigert und damit die Realität der Schöpfung fundamental verkennt, kann nicht umhin, seinen eigenen Leib zu schänden. Das mit „schänden“ übersetzte Verb (α� τιμα' ζεσθαι)151 bedeutet „die Ehre verweigern, verunehren, verächtlich behandeln“. Der Mensch, der sich der Erkenntnis Gottes verschließt, „verliert die Kontrolle über die eigenen Wünsche“ und ist fixiert „auf die Möglichkeiten der Zukunft, die kein Tabu kennt (α� καθαρσι'α) und im Umgang mit dem eigenen Körper und dem anderer die Menschenwürde verleugnet und antastet“.152 25 Paulus wiederholt V. 23 und erklärt V. 24 mit V. 18.153 Die Herstellung und Anbetung von Götzenbildern ist Vertauschung der Wahrheit Gottes mit der Lüge: Sie haben die Wahrheit Gottes mit der Lüge vertauscht. Und statt den Schöpfer anzubeten, haben sie das Geschaffene angebetet und ihm gedient. Die „Wahrheit Gottes“ (η� α� λη' θεια τουñ θεουñ ) ist die Erkenntnis Gottes als „der Schöpfer“ (ο� κτι'σαντος).154 Die „Lüge“ (ο� ψευñ δος) besteht darin, dass man „das Geschaffene“ (η� κτι'σις) anbetet.155 Die Vertauschung der Wahrheit über Gott mit der Lüge über ihn kann in dreierlei Hinsicht verstanden werden: 1. Bestreitung der Existenz des Göttlichen, konkret eines Schöpfergottes; 2. Widerspruch gegen die Bestimmung göttlicher Realität ————————————————————

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Verehrung der namenlosen (Götzen)bilder nämlich ist Anfang von allem Bösen und Ursache und Ende (παντο` ς α� ρχη` κακουñ και` αι� τι' α και` πε' ρας ε� στι' ν)“ (LXX.D). Vgl. TestJud 14-15; TestJos 4,6; s. in NT die Lasterkataloge in Gal 5,19; 2Kor 12,21; Kol 3,5; Eph 5,3. Das Verb kommst sonst nur noch in Mk 12,4 / Lk 20,11; Joh 8,49; Apg 5,41; Jak 2,6 vor. Haacker 58. Wolter I 146 interpretiert α� καθαρσι' α allgemein als „Zustand der Heillosigkeit und Gottesferne“. οι«τινες ist qualitativ-kausal; BDR §293.2b; NSS II, 4. D.h., der Genitiv ist als gen. objectivus zu verstehen (die Wahrheit über Gott); Woyke, Götter, 384-385 hält auch einen gen. epexegeticus (appositivus) für möglich (die Wahrheit, die Gott selbst ist); Letzteres von Wolter I 147-148 bevorzugt. Vgl. Deut 4,16-18. Im Blick auf den Wortlaut ist die Auslegung von Ex 32 in Philo, Vit.Mos. 2,159-173 zu erwähnen: Als Mose vom Berg herabkommt, nimmt er erstaunt wahr, „mit welcher Lüge sie eine solch große Wahrheit vertauscht hatten“ (ο« σον ψευñ δος α� νθ’ ο« σης α� ληθει' ας υ� πηλλα' ξαντο, 167); dies wird dadurch interpretiert, dass man handgemachte Bilder (τω ñ ν χειροποιη' των, 168) und erschaffene Wesen (γενητα' ) anstelle des Herrschers des Alls (ε« να το` ν η� γεμο' να τω ñ ν ο« λων) für Götter gehalten hat (νομι' ζει θεου' ς). Woyke, Götter, 385; das Folgende ebd.

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als ewig, gestaltlos, nicht darstellbar und fürsorglich; 3. Aufsprengung der transzendenten Einheit und Einzigkeit Gottes zugunsten der Einbeziehung der Welt und ihrer Bestandteile in der Definition Gottes. Dem Gegensatz von Wahrheit und Lüge entspricht in V. 26-27 der Gegensatz von Natürlich und Widernatürlich. Die Verben „anbeten“ (ε� σεβα' σθη-σαν) und „dienen“ (ε� λα' τρευσαν) sind hier Synonyme: Paulus spricht von der Verehrung von Götzenbildern unter den Heiden.156 Das Geschaffene tritt an die Stelle des Schöpfers. Der Mensch kommt ohne Anbetung nicht aus: Wenn er sich weigert, Gott anzubeten, betet er die Werke der Schöpfung und am Ende sich selbst an. Manche Ausleger haben vorgeschlagen, das Verb ε� σεβα' σθησαν (Pass. Aorist von σεβα' ζομαι) auf den Kaiserkult zu beziehen, in dem Octavian und seine Nachfolger als σεβαστο' ς (lat. Augustus) bezeichnet werden.157 T. Zahn kommentiert zurückhaltender: „Wenn jeder Leser dabei zunächst an die außermenschlichen Körperwesen und Naturkräfte … denken wird, sind doch die Menschen, die vergöttert worden sind, Heroen und Herrscher, auch die Kaiser, deren Titel Σεβαστο' ς schon an den ihnen gewidmeten Kultus erinnerte, keineswegs ausgeschlossen“.158 Für Juden und für Jesusbekenner gehörte der Kaiserkult zu der kultischen Verehrung heidnischer Religiosität, die eine Perversion der wahren Gottesanbetung darstellt.159 Die Anbetung des Geschaffenen statt des Schöpfers ist für Paulus derart verabscheuungswürdig, dass er seine Darstellung heidnischer Sünde unterbricht und einen Lobpreis Gottes formuliert: der gepriesen sei in Ewigkeit (ο� ε� στιν ευ� λογητο' ς).160 Paulus ist daran gelegen, die Ehre, die Gott dem Schöpfer zusteht, zu proklamieren. Das Amen markiert den Lobpreis Gottes als Sprache des Gebets und signalisiert die Bedeutung, die Paulus der Verehrung des einen wahren Gottes beimisst. 26-27 Den zweiten Hinweis auf die strafende „Übergabe“ (παρε' δωκεν) der die Ehre Gottes unterdrückenden Menschen konkretisiert V. 24: Die „Lei————————————————————

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Schlier 61; Jewett 171; Cranfield I 124: Der erste Ausdruck ist allgemein, der zweite konkret. W. Foerster, Art. σε' βομαι κτλ., ThWNT VII, 173: Der erste Ausdruck bezeichnet „Akte der Verehrung“, der zweite präzisierend „im Kult verehren“. Jobes, Semantic Domain of Worship, 188-189: readers „could not miss the allusion to the imperial cult“, mit Verweis auf Dio Cassius 53,16,7, der σεβαστος auf Augustus bezieht. Jetzt mit Nachdruck Jewett 170-171. Zahn 99; vgl. Wolter I 148: Dass die paulinische Formulierung speziell auf den römischen Herrscherkult abzielt, ist nicht erkennbar, obwohl sie ihn natürlich einschließt. Zur Lüge s. zu 3,4. Cranfield I 125, verweist auf die rabbinische Formel ‫וא‬ ּ ‫ברו ּ ְך ה‬ ּ ָ ‫„( ַהָּקד ֹוׁש‬der Heilige sei gesegnet“), vgl. Bill. II, 310; III, 64. Vgl. Heckel, Segen, 42-49. Siehe auch Röm 9,5; 11,36, 2Kor 11,31.

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denschaften“ (πα' θη) sind die „Begierden“ (ε� πιθυμι'αι), der mit „schändlich“ übersetzte gen. qualitatis (α� τιμι'ας) das Verb „geschändet werden“ (α� τιμα' ζεσθαι). Die von Gott veranlasste strafende „Übergabe“ des gegen ihn rebellierenden Menschen an schändliche Leidenschaften (πα' θη α� τιμι'ας) entlarvt diese als unausweichliches Verhängnis. Das Wort πα' θος beschreibt das „Widerfahrnis“, oft das Missgeschick und Unglücksfall, die Niederlage oder die Krankheit (πα' σχειν), aber auch die Stimmung, das Gefühl, die Erregung, den Affekt im guten wie im bösen Sinn, oft auch die negativ bewertete Leidenschaft und den Trieb.161 Aristoteles beschreibt im zweiten Buch seiner Rhetorik die πα' θη Zorn, Sanftmut, Furcht, Zuversicht, Freundesliebe, Hass, Dankbarkeit, Scham, Schamlosigkeit, Neid, Entrüstung, Eifer, Schadenfreude, Verachtung sowie zwei namenlose Emotionen.162 In der stoischen Popularphilosophie galt die Erwartung, von den Affekten Befriedigung zu erhalten, als irrational: Die πα' θη sind eine Krankheit der Seele, die geheilt werden muss. Nach Chrysipp ist ein Affekt eine vernunftlose, gegen die Natur gerichtete Bewegung und deshalb ein Defekt. Die Therapie erfolgt durch Belehrung, durch die die relevanten Annahmen im Blick auf die Beschaffenheit der Welt und unseren Bezug zu ihr offengelegt und korrigiert werden, sowie durch die Linderung von Affekten durch Ablenkung.163 Philo spricht häufig von πα' θος.164 Im Anschluss an die stoische Lehre definiert er: „Jede Leidenschaft ist verwerflich, denn sowohl jeder ungeordnete und sich steigernde Drang als auch eine der Natur widersprechende Bewegung der Seele gilt als verwerflich; denn sind beide nicht irgendwie der Ausbruch einer lang anhaltenden Leidenschaft? Wenn also jemand seine Triebe nicht maßvoll begrenzt und ihnen wie durchgehenden Pferden einen erzenen Zügel anlegt, wird er das Opfer einer ungesunden Leidenschaft, die ihn, noch ehe er es wahrnimmt, wie einen Wagenlenker von seinem durchgehenden Gespann in Schluchten und unentrinnbare Abgründe fortreißt, aus denen es schwerlich eine Rettung gibt“ (Philo, Spec. 4,79). Der von den Affekten besessene Mensch wird durch die Begierde (ε� πιθυμι' α) nach dem gequält, was er nicht besitzt, ihm aber gut erscheint, und dadurch auf schlechte Wege geführt; sie ist die eigentliche Quelle alles Bösen wie Unterschlagungen, Räubereien, Ableugnung von Schulden, falschen Anklagen und Entscheiden, Ehebrüchen und Morden (Spec. 4,80-85). Die Begierde (ε� πιθυμι' α) ist die schlimmste aller Leidenschaften, wie sie im Inneren des Menschen verwurzelt ist, weil sie freiwillig geschieht und weil sie ihrem Wesen nach unersättlich ist und deshalb zum leiblichen und seelischen Ruin des Menschen führt, der von ihr ergriffen ist (Decal. 142-150).

Die Leidenschaften sind von „Schändlichkeit“ (α� τιμι'α) charakterisiert. Das Wort bezeichnet die Unehre, Verachtung, Schmach, Schande.165 Weil die ————————————————————

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Vgl. W. Michaelis, πα' θος, ThWNT V, 926-927. Im NT wird das Wort sonst nur noch in Kol 3,5; 1Thess 4,5 verwendet. Rapp, Theorie der Emotionen, 54. Buddensiek, Stoa und Epikur, 82-88. Kaiser, Aretē und Pathos, 394-399. H. Hübner, Art. α� τιμι' α, EWNT I, 426-427; Papathomas, Begriffe, 161: In juristischen Kontexten hat α� τιμι' α die Bedeutung „Einschränkung oder Verlust der politischen Rechte“; vgl. Rainer, Atimie.

Die Sünde der Heiden 1,18-32 235 ————————————————————————————————————

Menschen sich weigerten, Gott mit der ihm zustehenden Wertschätzung (τιμη' ; δο' ξα V. 21) anzuerkennen, müssen sie sich selbst und damit gegenseitig entehren. Paulus betont: „Nicht erst die Taten, sondern schon die sie hervorbringenden und bestimmenden πα' θη sind pervertiert und entehrend. Die Perversion ist ins Blut gedrungen“.166 Was Paulus mit unehrenhaften, Verachtung und Schande generierenden Leidenschaften konkret meint, erläutert er in V. 26b-27: lesbischer und homosexueller Sexualverkehr. Das Wort Verkehr (χρηñ σις) bedeutet allg. „Gebrauch, Benutzung, Brauchbarkeit“ sowie „Umgang“, hier vom geschlechtlichen Umgang bzw. dem Sexualverkehr.167 Paulus spricht zuerst von Frauen (αι« θη' λειαι), dann von Männern (οι� α» ρσενες). Paulus will möglicherweise mit dieser gegenüber Gen 1,27168 umgekehrten Reihenfolge die „Vertauschung“169 des natürlichen Verhaltens von Männern und Frauen illustrieren.170 Oder er will verdeutlichen, dass nach Gen 2 die Frau für den Mann erschaffen wurde.171 Oder diese Reihenfolge gibt ihm die Gelegenheit, ausführlicher von männlicher Homosexualität zu sprechen.172 Oder er nennt den aggressiveren homosexuellen Sexualverkehr als bewusste Steigerung der geschilderten Schande.173 Paulus kontrastiert den natürlichen Verkehr (τη` ν φυσικη` ν χρηñ σιν) von Frauen mit Männern (V. 26b) und von Männern mit Frauen174 (V. 27a) mit dem widernatürlichen (Verkehr) (τη` ν παρα` φυ' σιν), bei dem Frauen den Mann durch eine Frau austauschen (μετη' λλαξαν) und mit Frauen schlafen, und bei dem die Männer den Geschlechtsverkehr mit einer Frau aufgeben (α� φε' ντες) und mit Männern schlafen. In V. 26b geht es um lesbischen, in V. 27 um homosexuellem Sexualverkehr. ————————————————————

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Schlier 61; vgl. Dunn I 64. Im Sinn von „Geschlechtsverkehr“ auch bei Plato, Leg. 841a; Plutarch, Mor. 905b. Vgl. Bauer / Aland s.v. χρηñ σις; H. Balz, EWNT III, 1137. Gen 1,27: „männlich und weiblich machte er sie“; α» ρσεν και` θηñ λυ ε� ποι' ησεν αυ� του' ς. Zu μετη' λλαξαν s. V. 25 sowie zu η» λλαξαν V. 23. Michel 105; Wilckens I 109 Anm. 200. „Verächtlich“ ist die Verwendung der Vokabeln „weiblich“ und „männlich“ nicht (gegen Käsemann 44). Brooten, Love, 240. Cranfield I 125. Dunn I 64; Lohse 90. Wenig überzeugend ist Pak, Paul, 76: Der Hinweis auf weibliche Homosexualität signalisiere ein Interesse von Paulus an der Bekehrung von Frauen. Spekulativ und nicht plausibel ist die These von Brinkschröder, Sodom, 516-529, dem Abschnitt liege als mythologischer Subtext das „Imaginäre der Wächter- und SodomEschatologie“ zugrunde, das die unausgesprochenen Prämissen der Argumentation erkläre, „vor allem den Stellenwert der widernatürlichen Sexualität von Frauen und Männern als Symptome, die das Kommen des Endgerichts definitiv anzeigen“ (519). Der Sing. τηñ ς θηλει' ας, „mit dem weiblichen Geschlecht“ oder „mit einer Frau“. GN hat „mit Frauen“, was im Sinn der Polygamie missverstanden werden könnte.

236 Römerbrief ————————————————————————————————————

In der hellenistischen Welt war homosexueller Sexualverkehr verbreitet und wurde vor allem vom freien Mann mit Knaben, Sklaven und Freigelassenen praktiziert.175 Als der Redner Q. Haterius einen Freigelassenen verteidigte, dem man vorwarf, die Konkubine seines Herrn gewesen zu sein, prägte er den bekannten Satz: „Die passive sexuelle Position einzunehmen ist für einen freigeborenen Mann ein Verbrechen, für einen Sklaven eine Notwendigkeit, für einen Freigelassenen eine Verpflichtung“ (inpudicitia in ingenuo crimen est, in servo necessitas, in liberto officium).176 Griechische und lateinische Vokabeln für homosexuelle Männer sind μαλακο' ς (der passive Partner), α� ρσενοκοι' της, δαλο' ς („glühende Kohle“, d.h. ein junger Mann, der andere Männer nicht mehr zu homosexueller Liebe entflammen lässt), δεισανη' ς (der nach Schmutz riecht, abschätziges Wort für einen Homosexuellen), κατα' πυγων (passiver Partner); cinaedus (der unnatürliche Wollüstling), catamitus (ein Ganymed, d.h. ein Buhlknabe), pathicus (der Unzucht mit sich treiben lässt), pedico (Knabenschänder). Das in griechischen Quellen am häufigsten verwendete Wort für lesbische Frauen ist τριβα' ς, wahrscheinlich abgeleitet vom Verb τρι' βω „reiben“ im Sinne sexueller Stimulierung. Andere Vokabeln sind ε� ταιρι' στρια, διεταιρι' στρια und λεσβι' ς bzw. λε' σβια. Römische Quellen verwenden das Lehnwort tribas, sodann frictrix bzw. fricatrix (von frico, „reiben“) und virga bzw. virago („die mannhafte Jungfrau“), wahrscheinlich auch subigiatrix.177 In der zeitgenössischen Gesellschaft waren Köche, Masseure, Redner (besonders Sophisten), Kitharoiden, Flötenspieler, Schauspieler, Mimen, Pantomimen und Dichter für die Neigung zur Homosexualität bekannt.178 In den Bädern Pompejis findet man Darstellungen lesbischer Sexualakte in Wandmalereien.179 Plato beschreibt im Symposion im Rahmen des Mythos vom Ursprung des Menschen die gleichgeschlechtliche Liebe als selbstverständlich und normal: „Welche Weiber aber Abschnitte eines Weibes sind, die kümmern sich nicht viel um die Männer, sondern sind mehr den Weibern zugewendet und die Tribaden kommen aus diesem Geschlecht; die aber Schnitte eines Mannes sind, suchen das männliche auf, und so lange sie noch Knaben sind, lieben sie als Schnittstücke des Mannes die Männer, und bei Männern zu liegen und sich mit ihnen zu umschlingen ergötzt sie, und dies sind die trefflichsten unter den Knaben und heranwachsenden Jünglingen, weil sie die männlichsten sind von Natur“.180 Wenn nun behauptet wird, in der griechisch-römischen Gesellschaft sei homosexuelles Verhalten allgemein ————————————————————

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Krenkel, Prostitution, 1296: „Intercourse between masters and their male slaves was normal and in accordance with the standards of a male-dominated society“; vgl. Veyne, Homosexualität, 43-44. Zur Homosexualität in der Antike s. E. Hartmann, Art. Homosexualität, DNP V, 703-707; K. Hoheisel, Homosexualität, RAC XVI, 289-364; Patzer, Knabenliebe; Reinsberg, Ehe, Hetärentum und Knabenliebe; Dover, Greek Homosexuality; Williams, Roman Homosexuality; Lear, Pederasty; Hubbard, Peer Homosexuality; Boehringer, Female Homoeroticism. Zu den biblischen Texten s. Gagnon, Homosexual Practice, 43-339. Seneca, Contr. 4 praef. 10. Vgl. Petronius 75,11: „Trotz des Bartwuchses blieb ich vierzehn Jahre der Liebling meines Herrn. Und es ist ja keine Schande, was der Herr befiehlt. Doch stellte ich auch immer wieder meine Herrin zufrieden. Ihr wisst ja, was ich meine“. Vgl. Adams, Latin Sexual Vocabulary, 15.121-122.184; Brooten, Love, 4-5. H. Herter, Art. Effeminatus, RAC IV, 627-628. Vgl. Jacobelli, Pitture erotiche. Plato, Symp. 191e-192a; Übersetzung F. Schleiermacher.

Die Sünde der Heiden 1,18-32 237 ———————————————————————————————————— akzeptiert gewesen, so weisen Kenner der Antike diese These zurück. Im Blick auf den „Mann auf der Straße“, mindestens den Mann auf dem Forum und in den Gerichtssälen, der üblicherweise das Ziel politischer Aussagen war, kann man davon ausgehen, dass er ein Feind männlicher Homosexualität war.181 Bei Martial finden wir den Gedanken, dass homoerotische Sexualpraxis an eine finanziell gesicherte Existenz gekoppelt ist, was den Rückschluss zulässt, „daß Männer, die ausschließlich mit Frauen sexuelle Kontakte pflegen, arme Schlucker sind und sich nichts ‚Besseres‘, d.h. pueri [d.h. Knaben], leisten können“.182 Medizinische Autoren, allen voran Soranos von Ephesus, sahen gleichgeschlechtliche Handlungen als chronische Krankheit des Geistes, die die Identität der betreffenden Menschen beeinflusst und die geheilt werden kann.183 Griechische und lateinische Autoren der römischen Zeit stellen lesbisches sexuelles Verhalten generell als unnütz, monströs, maskulin und ausländisch dar.184 Seneca der Ältere widmet eine seiner juristischen Kontroversen einem Mann, der zwei tribades im Bett überrascht: seine Ehefrau, die mit einer anderen Frau sexuell verkehrt; er tötet beide, was als gerechtfertigt dargestellt wird.185 Seneca der Jüngere schreibt von Frauen, die maskulines Verhalten an den Tag legen und deshalb an Männerkrankheiten, wie z.B. Glatzköpfigkeit leiden.186 Wenn Plutarch die Knabenliebe spartanischer Männer und die Liebe spartanischer Frauen zu Jungfrauen positiv erwähnt, 187 heißt das nicht, dass er homoerotisches Verhalten für die zeitgenössische Gesellschaft gutheißt: Er befürwortet nicht weibliche Autonomie und Gleichheit, sondern er rät den Frauen, sich unterzuordnen.188 Interpretationen, die V. 26 im Sinne von analem Sexualverkehr189 oder Verkehr mit Tieren (Sodomie / Bestialität)190 verstehen, sind nicht überzeugend.191 1. Miller zitiert keinen antiken Text, der überzeugend aussagt, analer Sexualverkehr sei „widernatürlich“. 2. Tomson lässt die Tatsache außer Acht, dass die Mehrheit der Rabbinen den Sexualverkehr ‫ׁשלא כדרכה‬ („nicht nach ihrer Art“) zulässt. 3. Gegen Haacker ist Folgendes festzuhalten: (a) Weibliche Homoerotik war in der römischen Welt bekannt und wurde diskutiert, auch in jüdischen Kreisen, d.h. sowohl Paulus als auch die Leser in der römischen Gemeinde kannten entsprechende Praktiken. (b) Das Adverb ο� μοι' ως in V. 27, das dieses Verb mit V. 26 verbindet, ergibt mehr Sinn, wenn sich beide Verse auf homoerotische Praktiken beziehen und nicht nur V. 27 von (männlicher) Homosexualität spricht. (c) Die Wendung „sodass ihre Leiber ————————————————————

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MacMullen, Greek Love, 491, gegen Boswell, Homosexuality. Obermayer, Martial, 29. Brooten, Love, 143-173, behandelt Soranos, Über akute und chronische Krankheiten (nur in Zitaten erhalten; vgl. Schrijvers, Homosexualität); Über akute Krankheiten 4.9; Gynaikeia 25 (Mustio). Soranos datiert in das 2. Jh. n.Chr. Brooten, Love, 42-50. Seneca, Controversiae 1,2,23. Seneca, Ep. 95,20-21. Plutarch, Lykurgos 18,4. Brooten, Love, 50-51 mit Anm. 102. Brooten ebd. 249-250 weist darauf hin, dass viele griechisch-römische Autoren – Plato, Seneca der Ältere, Martial, Ovid, Ptolemaios, Artemidoros, wahrscheinlich auch Dorotheos von Sidon – sexuelle Beziehungen unter Frauen als unnatürlich beschreiben. Vgl. Dover, Greek Homosexuality, 172. Miller, Practices, 1-11; Fredrickson, Use, 201; Tomson, Paul, 68-69; Stowasser, Homosexualität, 516; Debel, Unnatural Intercourse. Haacker, Gesichtspunkte, 174-175; Haacker, Homosexualität, 44, mit Verweis auf Lev 18,23 (vgl. Lev 20,15-16; Philo, Spec.Leg. 3,43-50). Zur Kritik Brooten, Love, 249-250. Zur Kritik vgl. Brooten, Love, 248-252; Gagnon, Homosexual Practice, 297-299; Loader, Sexuality, 308-313; Toit, Homosexuality, 99-104; vgl. Stegemann, Homosexualität, 65.

238 Römerbrief ———————————————————————————————————— durch sie selbst (ε� ν αυ� τοιñς) geschändet werden“ (V. 24) verweist auf zwischenmenschliche Handlungen, nicht auf Sexualverkehr von Menschen mit Tieren. (d) Wenn Paulus von Sodomie oder Bestialität sprechen wollte, hätte er sich deutlicher ausdrücken können: Der Mangel an Deutlichkeit in V. 26 wird durch die deutliche Beschreibung männlicher Homosexualität in V. 27 behoben, die durch ο� μοι' ως „ebenso“ auf das Verhalten der Frauen in V. 26 übertragen werden kann. (e) Haackers Argumentation mit dem Kontext von Lev 18 könnte genauso auf das Verbot des Sexualverkehrs mit menstruierenden Frauen bezogen werden (Lev 18,19; 20,18), d.h. der Kontext in Lev 18 verweist den Leser von Röm 1,26 nicht automatisch auf Sodomie / Bestialität. – Ebenfalls nicht überzeugend sind Interpretationen von V. 26 im Sinn von heterosexuellen Frauen, die homoerotische Handlungen vollziehen.192

Die beiden Verben μετη' λλαξαν und α� φε' ντες unterstreichen das schuldhafte Verhalten der Menschen, die lesbischen und homosexuellen Sex praktizieren. Manche Ausleger meinen, das Wort „vertauschten“ zeige, dass Paulus von heterosexuellen Menschen spricht, die bewusst homosexuelle Handlungen vollziehen, nicht jedoch von homosexuellen Menschen, die sagen, dass sie zu heterosexuellem Geschlechtsverkehr nicht in der Lage sind und dass ihre Homosexualität identitätsstiftenden Charakter hat.193 Andere weisen zu Recht darauf hin, dass diese Unterscheidung Paulus und seinem kulturellen Kontext fremd ist: Paulus verurteilt jegliche homosexuellen Handlungen.194 Die Unterscheidung zwischen „natürlich“ (φυσικο' ς) und „unnatürlich“ (παρα` φυ' σιν), die auf die anatomische Komplementarität von Mann und Frau und auf die Fähigkeit der Zeugung von Kindern anspielt, entspricht der Tradition griechischer Philosophie, gerade in der Anwendung auf homosexuelle Beziehungen. Plato schreibt: „Und ob man solche Dinge von der scherzhaften oder von der ernsten Seite zu betrachten hat, so muss man doch bedenken, dass dem weiblichen und dem männlichen Geschlecht (τηñ, θηλει' α, και` τηñ, τω ñ ν α� ρρε' νων φυ' σει), wenn sie sich zu gemeinsamer Zeugung vereinen, die damit verbundene Lust offensichtlich gemäß der Natur (κατα` φυ' σιν) zugeteilt worden ist, während die Vereinigung von Männern mit Männern und von Frauen mit Frauen wider die Natur (παρα` φυ' σιν) ist, und dass diese Frechheit zu den allerersten Vergehen gehört wegen der Unbeherrschtheit gegenüber der Lust“.195 Plutarch schreibt: „Wenn der widernatürliche Verkehr (παρα` φυ' σιν) mit Männern die der Liebe eigene Zuneigung nicht zerstört, ja nicht einmal schädigt, dann ist es umso wahrscheinlicher, dass die Liebe von Frauen und Männern, die es ja mit der Natur hält (ε» ρωτα τηñ, φυ' σει χρω' μενον), zur Freundschaft in Gunst beitragen wird“.196 Philo schreibt: „Es hat sich aber in den Städten noch ein anderes … Übel eingenistet, die Knabenliebe (το` παιδεραστειñν): während es früher als ————————————————————

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Wengst, Homosexualität, 77-78; Boswell, Homosexuality, 109,112-113; Spijker, Gleichgeschlechtliche Zuneigung, 82-83. Zur Kritik s. Brooten, Love, 242. Vgl. Kähler, Exegese, 31; Boswell, Homosexuality, 109; Wengst, Homosexualität, 77. Zur Kritik vor allem an Boswell s. Hays, Relations. Hays, Relations, 200. Plato, Leg. 1,636c, Übersetzung K. Schöpsdau. NW II.1, 33-34. Plutarch, Mor. 751c-d; Übersetzung G. Strecker. NW II.1, 37.

Die Sünde der Heiden 1,18-32 239 ———————————————————————————————————— große Schande (με' γα ο» νειδος) galt, auch nur davon zu sprechen, rühmen sich ihrer jetzt nicht nur die, welche sie üben, sondern auch diejenigen, die sich dazu gebrauchen lassen; zu krankhafter Frauenart haben sie sich durch Gewöhnung erzogen, geben Leib und Seele dem Verfall preis und lassen gleichsam keinen Funken ihrer Mannesart mehr fortglimmen: Mit auffallend gekämmtem Haupthaar, wohlgeputzt, die Augen mit Bleiweiß, Purpurfarbe und ähnlichen Dingen geschminkt und bemalt, mit duftenden Salben fein gesalbt – denn an allen sorgfältig herausgeputzten Menschen übt von solchen Reizmitteln der schöne Duft am stärksten anlockende Wirkung aus – schämen sie sich nicht, künstlich durch gewisse Mittel ihre männliche Art in weibliche umzuwandeln. Gegen diese Menschen muss man schonungslos vorgehen nach der Vorschrift des Gesetzes, dass man den Androgynen, der das Gepräge der Natur verfälscht (το` φυ' σεως νο' μισμα παρακο' πτοντα), unbedenklich töten und keinen Tag, ja keine Stunde am Leben lassen soll, da er sich, seinem Hause, seinem Vaterlande und dem ganzen Menschengeschlecht zur Schande gereicht. Und der Päderast soll wissen, dass ihn die gleiche Strafe trifft, weil er widernatürlicher Lust nachgeht (τη` ν παρα` φυ' σιν η� δονη` ν διω' κει) und an seinem Teile auf die Verödung und Entvölkerung der Städte hinarbeitet, wenn er seinen Samen zu Grunde richtet, weil er sich ferner zum Verkünder und Lehrer der schlimmsten Laster macht, der Unmännlichkeit und Weichlichkeit“.197 Diese Tradition, die auf den ersten Blick gegen das sexuelle Genießen zu argumentieren scheint, betont primär die Bedeutung der Fortpflanzung und in diesem Zusammenhang den Unterschied zwischen der aktiven bzw. passiven Rolle zwischen Männern und Frauen, verbunden mit dem Gedanken, dass es einen natürlichen Unterschied zwischen den Geschlechtern gibt.198

Für Paulus sind primär der Schöpfungsbericht in Gen 1 und die biblische Sexualethik grundlegend.199 Nach Gen 1,27-28 ist die Erschaffung von Mann und Frau, die zur Kinderzeugung führt, die Grundkonstante menschlicher Existenz und gesellschaftlicher Realität: „Gott schuf also den Menschen als sein Abbild; als Abbild Gottes schuf er ihn. Als Mann und Frau (α» ρσεν και` θηñ λυ) schuf er sie. Gott segnete sie und Gott sprach zu ihnen: Seid fruchtbar und vermehrt euch, bevölkert die Erde, unterwerft sie euch und herrscht über die Fische des Meeres, über die Vögel des Himmels und über alle Tiere, die sich auf dem Land regen“ (EÜ). Die Homosexualität der Männer Sodoms, die als Gruppenvergewaltigung ausgelebt werden sollte, wird in Gen 19,5-8 als Verbrechen verurteilt.200 Nach Lev 18,22; 20,13 ist homosexuelles Verhalten eine mit der Todesstrafe zu ahnende Handlung: „Du darfst nicht mit einem Mann schlafen, wie man mit einer Frau schläft; ————————————————————

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Philo, Spec.Leg. 3,37-49 (Übers. I. Heinemann). NW II.1, 32-33. Ward, Unnatural, mit dem Schluss, dass viele praktizierende Homosexuelle diese Argumentation, einschließlich die von Paulus in Röm 1,26-27, für „unnatürlich“ gehalten hätten (ebd. 284). Wolter I 153 macht es sich im Vollzug seiner Befürwortung homosexueller Identität und Praxis zu leicht, wenn er Paulus vorwirft, in 1,27 „ein antipaganes jüdisches Stereotyp“ wiederzugeben. Man sollte nicht jede Erwähnung von Sodom und Gomorra als Beleg für Homosexualität ansehen; gegen Cranfield I 127; Dunn I 65, die auf Jes 1,9; 3,9; Klgl 4,6; Mt 10,14; 11,23.24 u.a. verweisen.

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das wäre ein Gräuel … Schläft einer mit einem Mann, wie man mit einer Frau schläft, dann haben sie eine Gräueltat begangen; beide werden mit dem Tod bestraft; ihr Blut soll auf sie kommen“ (EÜ). Die Erklärung, Lev 18,22; 20,13 verbiete nur männliche Homosexualität, nicht jedoch lesbische Liebe, führt ins Leere: Wenn homosexuelle Handlungen verboten sind, dann auch lesbische.201 Die jüdische Tradition hat die Verurteilung der Homosexualität festgehalten: Homosexualität gilt im Judentum als charakteristische Sünde der Heiden.202 Das jüdisch-weisheitliche Lehrgedicht des Pseudo-Phokylides (30 v.Chr.–40 n.Chr.) verbindet Homosexualität und Ehebruch: „Brich nicht in fremde Ehen ein, lass nicht Männerliebe aufkommen“ (PsPhok 3); sexueller Verkehr von Männern mit Männern ist gegen die Natur und findet sich nicht einmal unter Tieren; Väter haben die Aufgabe, ihre Söhne vor der sexuellen Verführung durch andere Männer zu schützen.203 Pseudo-Phokylides reiht lesbisch-sexuelles Verhalten unter die Verbote des Dekalogs ein (PsPhok 192). Philo betont den „natürlichen Verkehr“ (τηñ ς κατα` φυ' σιν χρη' σεως) heterosexueller Beziehungen (Mut. 111-112). Josephus beschreibt die Vereinigung von Mann und Frau als „gemäß der Natur“ (κατα` φυ' σιν; Ap. 2,199). Der spätere rabbinische Leviticus-Kommentar Sifra leitet aus Lev 18,3 das Verbot lesbischer Beziehungen ab: Das allgemeine Verbot, die Ägypter und die Kanaanäer nachzuahmen, wird auf feminine gleichgeschlechtliche Beziehungen angewendet und als Verbot lesbischer Beziehungen interpretiert (Sifra zu Lev 18,3).204

Paulus nennt passive (μαλακοι') und aktive Homosexuelle (α� ρσενοκοιñται) im Lasterkatalog von 1Kor 6,9-10, eingerahmt von sexuell Zügellosen, Götzendienern, Ehebrechern sowie Dieben, Habgierigen, Säufern, Lästerern und Räubern – alles Verhaltensweisen, die vom Reich Gottes ausschließen. Für Paulus verstößt lesbischer und homosexueller Sexualverkehr gegen die von Gottes Schöpfung gesetzte Ordnung Gottes.205 Paulus macht über lesbischen Sexualverkehr von Frauen keine näheren Angaben, vielleicht deshalb, weil er weibliche Homoerotik für schandhafter und deshalb für „unaussprechlich“ hält.206 Im Blick auf männliche Homosexuelle erwähnt Paulus nicht nur den Austausch von natürlichem gegen ————————————————————

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Brooten, Love, 62: „the most plausible explanation may simply be that the lawmakers generally showed greater interest in males and their behavior“. Ep.Arist. 152; TestLev 14,6; 17,11; TestNaph 4,1; Sib.Or. 3,185-186.594-600. 763; 5,166.387; yQid 4,11 (§6). PsPhok 190-191.213-214. Die anschließende paränetische Reihe ist nach dem Dekalog gestaltet; Thomas, Phokylides, 98; Horst, Sentences of Pseudo-Phokylides, 239-240. Vgl. Brooten, Love, 64-65. Lohse 90. Helminiak, Homosexuality, 65 meint, mit „widernatürlich“ beschreibe Paulus Frauen und Männer, die sexuelles Verhalten praktizieren, das ungewöhnlich ist und über das Durchschnittsverhalten hinausgeht, ohne dass Paulus auch nur andeute, dass solches Verhalten falsch, gegen Gott oder gegen die göttliche Schöpfungsordnung sei. Brooten, Love, 240.

Die Sünde der Heiden 1,18-32 241 ————————————————————————————————————

unnatürlichen Sexualverkehr, sondern macht darüber hinaus drei weitere Aussagen. Männer entbrannten in Verlangen zueinander, d.h. die homosexuellen Leidenschaften werden als begehrendes Verlangen (ο» ρεξις) charakterisiert und mit der Metapher des verzehrenden Feuers (ε� ξεκαυ' θησαν)207 beschrieben. Der Satz Männer begehen schamlose Handlungen mit Männern unterstreicht die Hässlichkeit und Obszönität des homosexuellen Akts (α� σχημοσυ' νη)208 sowie die aktive Handlung des Sexualverkehrs (κατεργαζο' μενοι),209 bei dem ein Mann einen anderen Mann penetriert (α» ρσενες ε� ν α» ρσεσιν). Man darf das implizite Verbot der männlichen Homosexualität nicht auf Päderastie (Knabenliebe, d.h. Sexualverkehr zwischen Männern und männlichen Kindern bzw. Jugendlichen) einschränken:210 Wenn Paulus Päderastie wegen deren entmenschlichenden Aspekte ablehnt, stellt sich die Frage, weshalb er im gleichen Satz Sexualverkehr von Frauen mit Frauen ablehnt. Auch die Einschränkung auf Kultprostitution211 ist nicht überzeugend: Die Quellen der römischen Zeit konzentrieren sich nicht auf Kultprostitution. Der Satz (sie) erhalten den gebührenden Lohn für ihre Verirrung an sich selbst beschreibt den homosexuellen Sexualverkehr als „Lohn“ (α� ντιμισθι'α), d.h. als Strafe212 für das Verlangen, das bereit ist, widernatürliche Akte zu begehen, sowie als „Verirrung“ (πλα' νη),213 d.h. als Täuschung im Blick auf die Ordnung der Schöpfung Gottes, die sie missachten. Der „Lohn“, d.h. die Strafe, ist kaum ein impliziter Hinweis auf Geschlechtskrankheiten wie Syphilis. Wahrscheinlich will Paulus sagen, dass die homosexuelle Aktivität von Männern selbst die Strafe für ihre Ablehnung Gottes

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LSJ s.v. ε� κκαι' ω I „burn out“, II „light up, kindle; inflame“. LSJ s.v. α� σχημοσυ' νη I want of form, ungracefulness, awkwardness; II indecorum, obscene or disgraceful conduct. Bauer / Aland s.v.: die schamlose Tat (Röm 1,27), das unschickliche Aussehen, die Schande, die Scham/ die Schamteile (Offb 16,15). Bauer / Aland s.v. κατεργα' ζομαι 1. vollenden, ausführen. Gegen Scroggs, Homosexuality, 109-118.140-144; Furnish, Moral Teaching, 87-90. Zur Kritik vgl. Brooten, Love, 253 (Anm. 106).256-257. Ridderbos, Homosexualität, 59-62. BDAG s.v. α� ντιμισθι' α expresses the reciprocal (α� ντι' ) nature of a transaction as requital based upon what one deserves, recompense, exchange, either in the positive sense of reward or the negative sense penalty, depending on the context. Bauer / Aland s.v. πλα' νη, d. Irren, d. Herumirren, d. Abirren, im NT im metaphorischen Sinn als Abirren vom Weg der Wahrheit, d.h. „Irrtum, Irrwahn, Täuschung“ (Mt 27,64; Röm 1,27; Eph 4,14; 1Thess 2,3; 2Thess 2,11).

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ist.214 Vielleicht meint er, dass homosexuelles Verhalten effeminiert, unmännlich macht. Philo schreibt im Blick auf die gleichgeschlechtlichen Beziehungen unter Männern, konkret der Päderastie: „zu krankhafter Frauenart haben sie sich durch Gewöhnung erzogen, geben Leib und Seele dem Zerfall preis und lassen (gleichsam) keinen Funken ihrer Mannesart mehr fortglimmen“ (SpecLeg 3,37; vgl. Abr 135-136), d.h. sie werden weiblichweich, sexuell-passiv und die aktiven Partner werden steril. Das Wort „gebührend“ (η� ν ε» δει) verweist auf die Notwendigkeit der Strafe, die in Gottes „Übergabe“ des Menschen an seine Leidenschaften (V. 26) begründet ist, oder auf die moralische Verwirrung als natürliche Konsequenz der Abwendung von Gott; oder auf die Angemessenheit der Strafe im Blick auf das Vergehen.215 Was Griechen und Römer „als Ausdruck ihrer Freiheit und Selbstbestimmung betrachten mögen, ist in Wahrheit sich bereits hier und jetzt vollziehendes Gericht Gottes“.216 Paulus beschreibt gleichgeschlechtliche Liebe in V. 26-27 als Sünde gegen die von Gott bei der Schöpfung etablierte Ordnung. Er behandelt sie nicht als Fehlverhalten im Kontext privater Moralität.217 Der Satz, dass es vor Gott „kein Ansehen der Person“ (2,11) gibt, bezieht sich auf ethnische Unterschiede – Heiden werden genauso wie Juden als Sünder von Gott gerichtet –, nicht auf geschlechtsspezifische Unterschiede. Beschneidung und Unbeschnittenheit sind nicht mehr relevant, aber die biblischen Gebote und Verbote im Blick auf das Sexualverhalten im Rahmen von weiblicher und männlicher Identität bleiben bestehen. Dies gilt grundsätzlich, auch wenn man zu Recht darauf hinweisen kann, dass Paulus lesbischen und homosexuellen Sexualverkehr als exemplum für Begierde, Unreinheit und Schändung des menschlichen Leibes und der Leidenschaften (V. 24.26a) anführt.218 28 Die Schilderung der Konsequenzen, die sich aus der Unterdrückung der Gotteserkenntnis ergeben (V. 28-31), beginnt mit der Feststellung der Orientierungslosigkeit der Menschen, gefolgt von einem Lasterkatalog (V. 29-31). Nach V. 24.26 spricht Paulus zum dritten Mal davon, dass Gott ————————————————————

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Wilckens I 110 formuliert drastisch: „Die ο» ρεξις sieht Paulus darum als in Gottlosigkeit begründete Not, als Erweis des Zornes Gottes, der sich darin auswirkt, daß der auf sich gestellte, mit sich allein bleibende Mensch in der Suche nach Möglichkeiten zu einem befriedigten, heilen Leben über die ihm ‚natürlich‘ vom Schöpfer gegebenen hinaus nach ‚widernatürlichen‘ greifend, deren Versagen erfährt und zum unglücklichen Tier wird“. Cranfield I 127. Lohse 91. Richtig Brooten, Love, 264, die Letzteres als heute naheliegendes Verständnis für Paulus zurückweist; für den folgenden Punkt s. ebd. Jewett 173 zum exemplum in griechisch-römischer Rhetorik.

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die Menschen an die Folgen ihrer Weigerung, seine Ehre und Majestät anzuerkennen, „übergeben“ hat (παρε' δωκεν). Der vorangestellt Satz begründet219 die strafende Übergabe: weil sie es nicht für nötig hielten, Gott anzuerkennen. Die Weigerung, Gott anzuerkennen (το` ν θεο` ν ε» χειν ε� ν ε� πιγνω' σει) nimmt V. 21.25 auf. Erkenntnis ist zugleich Anerkennung. Die Formulierung ist gleichbedeutend mit ε� πιγινω' σκω („erkennen“),220 könnte aber auch „das Nichtverharren des Geschöpfes in der Erkenntnis des Schöpfers“ betonen.221 Der Kontext zeigt: Gotteserkenntnis ist nicht theoretische Exploration göttlicher Identität, sondern die Wahrnehmung der Majestät des Schöpfers in der Schöpfung und die Anerkennung seiner Macht sowohl in der Schöpfung als auch im praktischen Lebensvollzug. Das mit „für nötig halten“ (ε� δοκι'μασαν) übersetzte Verb bedeutet zunächst „prüfen“ im Sinn von „etwas abwägend untersuchen, um seine Echtheit oder Nützlichkeit zu bestimmen“, sodann, im Hinblick auf das Ergebnis der Prüfung, „als erprobt annehmen, bewährt finden, nach Prüfung beschließen, für geeignet halten, für gut befinden, für richtig halten“.222 Die Menschen hielten es nicht für richtig, die Erkenntnis Gottes und seines Willens festzuhalten. Die Formulierung im Aorist betont, dass die Weigerung, Gott anzuerkennen, eine konkrete und deshalb schuldhafte Entscheidung war, gegen Gottes Macht und gegen Gottes Willen zu handeln, eine Entscheidung, die Gott bestraft. Die Strafe Gottes besteht in der Übergabe des Menschen an ein unbrauchbares Denken (ει� ς α� δο' κιμον νουñ ν). Das Adj. bedeutet „unbewährt, untüchtig, unbrauchbar“ und betont, dass das menschliche Denken (νουñ ς) „nicht mehr imstande ist, aufgrund vernünftiger Abwägung zur gebotenen Entscheidung zu kommen“.223 Weil die Menschen glaubten, Gott bewähre sich nicht (ου� κ ε� δοκι'μασαν), müssen sie die Erfahrung machen, dass sich ihr Denken in der real existierenden Welt, die Schöpfung Gottes bleibt, nicht bewährt. Die Menschen verweigern Gott die Anerkennung, aber sie werden Gott nicht los. Gott straft sie an der Stelle, wo sie schuldhaft versagt haben: in ihrem Denken, Entscheiden und Wollen. Die Folge ist, dass sie tun, was sich nicht gehört (ποιειñν τα` μη` καθη' κοντα). Das subst. Partizip το` καθηñ κον ————————————————————

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καθω' ς ist kausale (begründende) Konjunktion; HvS §277a. ε� πιγινω' σκω kommt in Röm nur in 1,32 vor; das Subst. ε� πι' γνωσις in 1,28; 3,20; 10,2; vgl. Eph 1,17; 4,13; Phil 1,9; Kol 1,9.10; 3,10; 1Tim 2,4; 2Tim 2,25; 3,7; Tit 1,1; Phlm 6. Zur Konstruktion ε» χειν ε� ν ε� πιγνω' σει vgl. Bauer / Aland s.v. ε» χω 7a. Schlier 63; als Möglichkeit Wilckens I 111 Anm. 207. Bauer / Aland s.v. δοκιμα' ζω 1 und 2; BDAG s.v.; vgl. Papathomas, Begriffe, 51-52: Die Bedeutung „für gut befinden, für richtig halten“ findet sich als juristischer Terminus in den Papyri, z.B. P.Eleph. 1,10-11; P.Mert. I 18,28-32; SB XXII 15357,7-8. Lohse 91; vgl. Wolter I 155.

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bedeutet „das Schickliche, die Pflicht“,224 in vielen Texten als Beschreibung der Forderung, „die das Herkommen und die allgemeine Moralität als solche erscheinen lässt“, in der philosophischen Sprache „die Forderungen und Handlungen, die [dem Menschen] aus dem Anspruch seiner Umwelt erwachsen und sich vor der kritischen Vernunft als seinem Wesen entsprechend erweisen“.225 Epiktet unterscheidet drei Arten des καθηñ κον: Pflichten gegenüber den natürlichen Bedürfnissen und dem Vorteil des Menschen; Pflichten, die durch Gesetz und Sitte zu allgemeiner Gültigkeit gelangt sind; Pflichten, die dem gewöhnlichen sittlichen Bewusstsein fremd sind, oft sogar widersprechen, wie die Aufopferung für Freunde oder die Nächstenliebe (Diss. 2,14,18; 4,10,12); er formuliert aber auch allgemein, dass sich τα` καθηñ κοντα „auf das Daß und das Wie der menschlichen Existenz als solcher und auf die sittliche Entscheidung innerhalb der Existenz beziehen“226 Die Ausschaltung Gottes aus dem Denken und aus dem Alltag führt zu unbrauchbarem Denken und Handeln. Religiöse Orientierungslosigkeit bedingt moralische Orientierungslosigkeit. Wenn Gott nicht mehr Maß und Norm des Denkens ist, dann hat der Mensch keinen Maßstab für sein Handeln, was dazu führt, dass die Normen richtigen Verhaltens immer grundsätzlich zur Disposition stehen. Die Folge ist moralisches Chaos. 29-31 Die ausführliche Auflistung unmoralischer Verhaltensweisen illustriert die Orientierungslosigkeit, die den Menschen im alltäglichen Verhalten befallen hat. Der Lasterkatalog, der im Hinblick auf den mündlichen Vortrag rhetorisch geschickt gestaltet ist, kann am besten als aus vier Teilen bestehend analysiert werden, die insgesamt einundzwanzig Laster auflisten. 1. Vier Substantive im Dativ, die mit α-privativum enden, abhängig von πεπληρωμε' νους. 2. Fünf Substantive im Genitiv, abhängig von μεστου' ς. 3. Acht Adjektive, aufgelistet in vier Paaren, wobei das letzte Paar aus zwei Wörtern mit Genitivverbindung besteht. 4. Vier Adjektive mit (effektivem) α-privativum, die ersten beiden mit Paronomasie, die beiden letzten mit inhaltlicher Parallelität: V. 29a α� δικι' α πονηρι' α πλεονεξι' α κακι' α V. 29b φθο' νου φο' νου ε» ριδος δο' λου κακοηθει' ας V. 29c-30 ψιθυριστα' ς καταλα' λους θεοστυγειñς υ� βριστα' ς υ� περηφα' νους α� λαξο' νας ε� φευρετα' ς κακω ñ ν γονευñ σιν α� πειθειñς V. 31 α� συνε' τους α� συνθε' τους α� στο' ργους α� νελεη' μονας ————————————————————

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Das Verb kommt nur in Apg 22,22 und Röm 1,28 im NT vor. In der LXX häufiger, z.B. Gen 19,31; Ex 5,13.19; 16,16.18.21; Lev 5,10; 9,16; Deut 21,17. H. Schlier, Art. καθη' κω (το` καθηñ κον), ThWNT III, 441, mit Verweis auf Diogenes Laertius 7,107-109; Cicero, Off. 1,8; Stobaeus, Ecloge 2,85,12ff; für das Folgende ebd. 442. Vgl. NW II.1, 52-54. Schlier, ThWNT III, 442, mit Verweis auf Diss. 3,7,25. Der Begriff wurde in der jüdischhellenistischen ethischen Unterweisung verwendet; vgl. 2Makk 6,4; 3Makk 4,16.

Die Sünde der Heiden 1,18-32 245 ———————————————————————————————————— Ähnliche Listen finden sich in frühjüdischen Texten: Weish 14,25-26; 4Makk 1,26-27; 2,16; TestRub 3,3-6; TestLev 17,11; 1QS IV, 9-11; äthHen 10,4-5; grApkBar 8,5; 13,4; Philo, Sacr. 32 (mit 140 Elementen). Das Judentum nahm eine entsprechende philosophi-sche und rhetorische Tradition auf, was möglich war, weil „die Gebote der Zweiten Tafel des Dekalogs im Kontext von Reihen sozialer Gebote für sich gesondert überliefert worden sind“.227 Im Neuen Testament finden wir folgende Lasterkataloge: Mk 7,21; Röm 1,29-31; 13,13; 1Kor 5,10-11; 6,9-10; 2Kor 12,20-21; Gal 5,19-21; Eph 5,3-5; Kol 3,5.8; 1Tim 1,910; 3,2-5; Tit 3,3; 1Petr 2,1; 4,3; Offb 21,8; 22,15; in der frühchristlichen Literatur in 1Klem 35,5; Did 2–5; Barn. 18–20.228 Für Paulus sind die in 1,29-31 aufgezählten Laster „als Taten der Ungerechtigkeit zugleich Erweis für das endzeitliche Zorngericht Gottes“; für Christen sind sie Vergangenheit, sie werden allerdings vor Rückfall gewarnt (1Kor 5,10-11; 2Kor 12,20-21) – „Die Bekehrung bildet die Zäsur zwischen ποτε' und νυñ ν“, was sich aus dem Kontext von 3,21-31 und 6,1-23 ergibt.229

Die Liste in 1,29-31 hebt auf den Gesamteindruck der einundzwanzig genannten Laster ab; das Fehlen z.B. sexueller Sünden, die bei Paulus sonst oft an erster Stelle genannt werden, darf nicht im Sinn einer ethischen Systematik verrechnet werden. Er beschreibt nicht charakterliche Schwächen einzelner Menschen, die keinen starken Willen haben, sondern allgemeine Wesensmerkmale der Menschheit seit Adam. Das mit sie sind angefüllt (πεπληρωμε' νους, m. Dat.) übersetzte modale Partizip markiert die Umstände, die sich aus der Übergabe des Menschen an maßstabloses Denken ergeben. Das Verb beschreibt den Menschen als von den im Folgenden genannten Verhaltensweisen völlig bestimmt.230 Denselben Effekt hat das Adj. alle (πα' ση, ), das vor dem ersten Begriff steht, sich aber auf alle in V. 29a genannten Laster bezieht, sowie das Adj. voll (μεστου' ς, m. Gen.) V. 29b, das sich auf die folgenden fünf Begriffe bezieht. Die erste Serie nennt vier Laster. Ungerechtigkeit (α� δικι'α) beschreibt jede Handlung, die die Maßstäbe rechten Verhaltens verletzt (Fehlverhalten, Rechtsverletzung) sowie die Qualität ungerechten Verhaltens („Ungerech————————————————————

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Wilckens I 112, mit Verweis auf Berger, Gesetzesauslegung, 362-395. Vögtle, Tugend- und Lasterkataloge, 227-232; Wibbing, Tugend- und Lasterkataloge, 14-78; Kamlah, Paränese, 39-175, zu Röm 1,29-31 ebd. 18-21; Bussmann, Missionspredigt, 120-121.155-158. In den Papyri sind Lasterkataloge nicht belegt, so Vögtle, ebd. 89 und immer noch Arzt-Grabner, 2. Korinther, 527; der einzige Beleg auf Papyrus ist der astrologische Text SB XXIV 16047 (3. / 4. Jh. n.Chr.), der nicht nur Laster enthält, sondern auch Schicksalhaftes wie Dunkelheit, Furcht, Krankheit, Armut und Sklaverei, die ebenfalls auf Planetenkonstellationen zurückgeführt werden. Wilckens I 112. G. Delling, πληρο' ω, ThWNT VI, 290: „dem Begriff haftet ein starkes Moment der Ausschließlichkeit bzw. der Totalität an“. Wenn man als passivum divinum interpretiert, sieht man in den Lastern von V. 29-31 die Strafe Gottes, die mit der „Übergabe“ V. 28 ausgesprochen ist. Der Akkusativ des Ptz. πεπληρωμε' νους, des Adj. μεστου' ς sowie der Substantive und Adjektive in V. 29c-31 sind von αυ� του' ς V. 28 abhängig.

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tigkeit, Bosheit, Unrecht, Ruchlosigkeit“).231 Als Aufnahme von α� δικι'α V. 18 ist „Ungerechtigkeit“ hier der Oberbegriff über alles maß- und normlose Verhalten der Menschen, was durch das Adj. πα' ση, unterstrichen wird. Schlechtigkeit (πονηρι'α) beschreibt das Fehlen moralischer oder gesellschaftlicher Werte („Schlechtigkeit, Bosheit, Gemeinheit, Niedertracht, Sündhaftigkeit“),232 der defekte Zustand, Wille und Vorsatz des Menschen, die sich in bösen Handlungen äußern. Habsucht (πλεονεξι'α) ist das Mehr-haben-Wollen („Gewinnsucht, Habgier, Unersättlichkeit, Geiz, Eigensucht“).233 Habgier ist ein Verstoß gegen das 9. und 10. Gebot des Dekalogs. In der LXX kommt πλεονεξι'α in Schelt- und Drohreden gegen unredlichen Gewinn und gewaltsame Bereicherung vor (Jes 28,8; Jer 22,17, Hes 22,27; Hab 2,9 LXX). Für Dio Chrysostomus ist πλεονεξι'α die „Ursache der größten Übel“ (Or. 17,6). Die Begierde kann sich auf Besitz, Nahrung, sexuellen Genuss oder politische Macht beziehen. „Der Mensch, der nicht mehr in Gott Ziel und Erfüllung hat, sucht die Erfüllung bei sich selbst, im eigenen Besitzen- und Haben-Wollen, ja er erhebt sich letzten Endes selbst zum Abgott, der sich alles zu unterwerfen strebt“.234 Bosheit (κακι'α) ist das Gegenteil der Tugend, das verwerfliche Verhalten schlechthin („Schlechtigkeit, Verdorbenheit, Verderben, Laster, Übel, Bosheit“).235 Es ist gleichbedeutend mit „Schlechtigkeit“. Die zweite Serie nennt fünf Laster. Neid (φθο' νος) ist die Missgunst, die dem anderen nichts gönnt.236 Plutarch schrieb über Neid und Hass eine Abhandlung.237 Nach Weish 6,23 verzehrt der Neid den Menschen: Er hat ————————————————————

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BDAG s.v. α� δικι' α 1-2; Bauer / Aland s.v. Vgl. G. Schrenk, Art. α� δικε' ω κτλ., ThWNT I, 150-163; M. Limbeck, EWNT I, 74-79; W. Günther, ThBLNT II, 1592-1594. Für die Papyri s. Papathomas, Begriffe, 172-174. Bauer / Aland s.v. πονηρι' α; BDAG s.v. Vgl. G. Harder, Art. πονηρι' α, ThWNT VI, 563566; A. Kretzer, EWNT III, 320; A. Achilles / R. Heiligenthal, Art. πονερο' ς, ThBLNT I, 862-863. Zu den Papyri s. Papathomas, Begriffe, 72-74: häufiger als πονηρι' α wird das Kompositum μισοπονηρι' α („Abscheu gegen Untaten“) in juristischen Texten verwendet. Bauer / Aland s.v. πλεονεξι' α; BDAG s.v.; G. Delling, Art. πλεονε' κτης κτλ., ThWNT VI, 266-274; C. Spicq, Art. πλεονεξι' α, TLNT III, 117-119; G. Finkenrath / K.-W. Niebuhr, ThBLNT I, 133-135. Zu den Papyri vgl. Arzt-Grabner, 2. Korinther, 431-432: die Personen, denen Habgier vorgeworfen wird, sind häufig politisch Verantwortliche. Finkenrath / Niebuhr, ThBLNT I, 134, zu Röm 1,29; 1Kor 6,10-11; vgl. Kol 3,5, wo die Habgier mit Götzendienst bzw. Abgötterei gleichgesetzt wird. Vgl. W. Grundmann, Art. κακο' ς κτλ., ThWNT III, 470-487; M. Lattke, Art. κακι' α, κακο' ς EWNT II, 583-585,587-589; A. Achilles / R. Heiligenthal, Art. κακο' ς, ThBLNT I, 856859. Zu den Papyri Papathomas, Begriffe, 70-72: Der Ausdruck wird in juristischen Urkunden verwendet, um das Benehmen des Prozessgegners zu verurteilen; die illegalen Handlungen, gegen die protestiert wird, werden auf die κακι' α der relevanten Personen zurückgeführt; P.Dion. 9; P.Köln VIII 349; SB IV 7517. Vgl. C. Spicq, TLNT III, 434-436.

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mit der Weisheit nichts gemein. Neid äußerst sich oft in der Verleumdung anderer, denen man schaden will (Plutarch, Per. 13.15); dieser Sachverhalt wird oft in Papyri angesprochen.238 Das Motiv des „bösen Auges“ wird in der Antike oft bildhaft dargestellt.239 Mord (φο' νος), die vorsätzliche Tötung von Menschen, wird vom 6. Gebot des Dekalogs untersagt (Ex 20,15; Deut 5,18). Im Alten Testament wie in allen antiken Gesetzeswerken wird Mord mit der Todestrafe geahndet.240 Streit (ε» ρις)241 hat mit Rivalität zu tun, meistens im Blick auf unterschiedliche Meinungen, die zu Uneinigkeit, Unfrieden, Zank und Zerwürfnis führen. Tücke (δο' λος) beschreibt Handlungen, in denen ein Mensch durch hinterhältige Methoden sich einen Vorteil zu verschaffen sucht, d.h. vorsätzliche betrügerische Handlungen („Betrug, List, Tücke“).242 Verschlagenheit (κακοηθει'α)243 ist die bewusste, willentliche Bosheit, die Tendenz, anderen zu schaden.244 Die dritte und vierte Serie beschreiben zwölf Arten von Personen, die unmoralisches und asoziales Verhalten an den Tag legen. Die Beschreibung von unmoralischen Personen anstatt von Lastern ist im Vergleich mit ähnlichen Listen beispiellos.245 Die acht Personen und ihre Verhaltensweisen der dritten Reihe (V. 29c-30) sind alle verwerflich, werden aber in zeitgenössischen Texten häufig erwähnt und manchmal sogar bewundert. Intriganten ————————————————————

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Plutarch, Περι` φθο' νου και` μι' σους (De invidia et odio), Mor. 536E-538E. P.Ryl. I 144; P.Thead. 14; P.Oxy. II 237; vgl. Spicq, TLNT III, 435-436. Dunbar/Dickie, Invidia; vgl. Jewett 185. Wenig überzeugend ist Gemünden, Todesangst, 244-245, die spekuliert, ob Paulus das sonst in seinen Lasterkatalogen nicht vorkommende Stichwort „Mord“ erwähnt, weil er an seine gefährlichen Gegner in Palästina denken musste: Abgesehen davon, dass es Juden aus der Provinz Asia waren, die ihn in Jerusalem beinahe gelyncht hätten (Apg 21,2-31), war Paulus mehrfach in Todesgefahr gewesen (2Kor 11,23.25) und hätte in früheren Lasterkatalogen auf „Mord“ hinweisen können. C. Spicq, Art. ε� ριθι' ζω κτλ., TLNT II, 69-74. Papathomas, Begriffe, 23-24 merkt an, dass ε» ρις, das in den dokumentarischen Papyri nur in P.Turner 43,10-14 bezeugt ist, kein juristischer Ausdruck ist; juristische Papyri sprechen von α� μφιβολι' α, α� μφισβη' τησις, στα' σις und φιλον(ε)ικι' α. BDAG s.v. δο' λος; L. Oberlinner, Art. δο' λος, EWNT I, 830-832; das Wort steht in Papyri, die mit Erbschaftsangelegenheiten zu tun haben; Arzt-Grabner, 2. Korinther, 523. BDAG s.v. κακοηθει' α: „a basic defect in character that leads one to be hurtful to others, meanspiritedness, malice, malignity, craftiness“; vgl. W. Grundmann, κακοηθει' α, ThWNT III, 485-486; C. Spicq, Art. κακοηθει' α, TLNT II, 236-237. Im NT nur hier; vgl. 3Makk 3,22; 7,3; 4Makk 1,4.25; 2,16; 3,4; in Josephus, Ant. 1.42.50 das Verhalten der Schlange gegenüber Eva. Wilckens I 113 weist „Streit“, „Heimtücke“ und „Verschlagenheit“ dem „selben Kontext der Eigentumsdelikte“ zu, dem „Neid“ und „Mord“ angehören. Dies ist wenig plausibel, weil Paulus weder eine Systematik der Laster noch eine Kausalität innerhalb der Laster entwerfen will. Richtig Jewett 185. Jewett 186; der folgende Punkt ebd.

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(ψιθυρισται') sind Menschen, die anderen etwas „zuflüstern“, d.h. Menschen, die anderen übel nachreden, Rufmord begehen oder sich als politische Informanten betätigen und mit Gerüchten und Anschuldigungen operieren.246 Denunzianten (κατα' λαλοι) sprechen offen schlecht von anderen, reden Böses nach, verleumden, klagen an.247 Paulus könnte die in der Kaiserzeit stärker zutage tretende Praxis des Denunziantentums ansprechen, das in der Bevölkerung gefürchtet war, vor allem die Anzeige wegen Majestätsverbrechen (crimen laesae maiestatis), bei der auch Frauen, Sklaven, Soldaten und Vorbestrafte als Denunzianten zugelassen waren.248 Nero machte sich zunächst in der Bevölkerung dadurch beliebt, dass er die Prämien für Denunzianten herabsetzte.249 Gotthasser (θεοστυγειñς) meint hier nicht passivisch „Gottverhasste“,250 sondern beschreibt in aktivem Sinn die Menschen, die Gott hassen,251 gottlose Menschen, die sich gegen Gott auflehnen und Gott verachten.252 Der Hass gegen Gott ist eine Verletzung des 1. Gebots des Dekalogs. Gewalttätige (υ� βρισται') beschreibt „einen Menschen, der in frevelhafter Überschätzung eigener Kräfte u[nd] in Übersteigerung eigener Ansprüche sich in Wort und Tat über Götter und Menschen immer wieder ————————————————————

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BDAG s.v. ψιθυρισμο' ς (2Kor 12,20): „derogatory information about someone that is offered in a tone of confidentiality, (secret) gossip, tale-bearing“. ψιθυριστη' ς kommt nur hier im NT vor. Luther übersetzte mit „Ohrenbläser“ (so immer noch Bauer / Aland, Elb.Ü, ZÜ, Michel, Wilckens, Lohse; Grimm, Wörterbuch XIII, 1254 erklärt: „zuträger und einflüsterer von dingen, besonders solchen, die dem hörenden schmeicheln und andere bei ihm verklatschen oder verleumden“; Wolter I 158). NGÜ: „sie reden abfällig über ihre Mitmenschen“. BDAG s.v. κατα' λαλος: speaking ill of others, slanderous; LSJ s.v. καταλαλε' ω I „talk, babble loudly“; II „talk down, rail at“. Vgl. Jewett 187, der auf die Berichte von feindlich gesinnten Informanten verweist, die erreichten, dass Claudius jenes Edikt erlies, das die Juden Roms zwang, die Stadt zu verlassen, unter ihnen die Judenchristen (s. Einleitung). C. Gizewski, Art. Maiestas, DNP VII, 710-712. Die Person, die der römischen Behörde vom Fehlverhalten anderer „berichtete“, war der delator, der im Prozess den Status des Anklägers (accusatio) hatte; die Anzeige einer bestimmten Person bzw. eines Namens wurde als delatio nominis bezeichnet; vgl. G. Schiemann, Art. Delatio nominis / Delator, DNP III, 386-387,387-388. Haacker 62 interpretiert κατα' λαλοι in diesem Sinn. Sueton, Nero 10; vgl. Griffin, Nero, 63. Lagrange 32; Lietzmann 35; Zahn 102-103; Schlatter 69-70; Kuss I 54; vgl. O. Michel, Art. μισε' ω, ThWNT IV, 688; E. Güting, Art. υ« βρις, ThBLNT I, 258. 1Klem 35,5; Pseudo-Klementinen Hom. 1,12. Vgl. Michel 107; Wilckens I 113; Jewett 187; Lohse 92; Bauer / Aland, s.v. θεοστυγη' ς; BDAG s.v.; G. Schneider, EWNT II, 353. Das Verb στυγε' ω, in der griech. Literatur häufig belegt (s. LSJ), bedeutet „hassen“ (LXX 2Makk 5,8; 3Makk 2,31; nicht im NT, wo μισε' ω verwendet wird, in Tit 3,3 parallel zum Adjektiv στυγητο' ς). Vgl. G. Bertram, Art. υ« βρις κτλ., ThWNT VIII, 306, der θεοστυγειñς als Adj. versteht, mit υ� βριστα' ς verbindet und mit „gottverhaßte Menschenverächter“ übersetzt.

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frech überhebt“.253 Es geht um Menschen, die andere angreifen, misshandeln, schänden; Menschen, die sich in Überheblichkeit und Übermut an Übergriffen und Ausschreitungen beteiligen und Gewalt ausüben; Menschen, die unter Verachtung von göttlichem und menschlichem Recht gewalttätig handeln. Das Wort υ« βρις wird, als Erscheinungsform der Geringschätzung anderer, im Sinne von Misshandlung, auch für Vergewaltigungen, verwendet.254 Philo verwendet die Wortgruppe für Übergriffe gegen Juden sowie gegen die Eltern und gegen Sklaven.255 Angeber (υ� περη' φανοι) bezeichnet den Menschen, „der stolz und übermütig in törichter Anmaßung auf Stellung, Macht und Reichtum pocht und dabei auf andere verächtlich herabsieht“.256 Im Alten Testament wird wiederholt darauf hingewiesen, dass Gott den Höchmütigen richtet (Jes 2,12; 13,11; Dan 4,34; Ps 18,27 [LXX 17,28]). Der Hochmütige, der vorsätzlich gegen Gottes Willen handelt, sündigt „mit erhobener Hand“ (‫ ְב ָּיד ָרָמה‬, LXX: ε� ν χειρι` υ� περηφανι'ας; Num 15,30; vgl. Deut 17,12). In Spr 3,34 heißt es grundsätzlich: „Der Herr widersteht den Hochmütigen, den Demütigen gibt er Gnade“ (LXX.D).257 In den Makkabäerbüchern werden die Heiden insgesamt als „hochmütig“ charakterisiert (1Makk 1,21.24; 2Makk 9,4; 3Makk 1,27; 5,14; 4Makk 9,30). Es geht um den Egoisten, der über eine selbstsüchtige Grundhaltung hinaus sich arrogant gegenüber anderen verhält. Aufschneider (α� λαζο' νες) bezeichnet den „eitlen Prahler, der sich selbst und andere betrügt, indem er seine Vorzüge, Fähigkeiten und Erfolge marktschreierisch anpreist“.258 Theophrast definiert das Prahlen als „Vorspiegelung von Vorzügen, die man in der Wirklichkeit nicht hat“ (Char. 23.1). In der griech. Literatur werden Redner, Philosophen, Dichter, Zauberer, Ärzte, Köche und Offiziere als Aufschneider charakterisiert. Nach Hab 2,5 LXX ist „der Weinberauschte und der Verächter“ (ο� δε` κατοινωμε' νος και` καταφρονητη' ς) ————————————————————

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G. Bertram, Art. υ« βρις κτλ., ThWNT VIII, 295-307, Zitat ebd. 296; zu Röm 1,30 ebd. 306; G. Schneider, EWNT III, 908; E. Güting, Art. υ« βρις, ThBLNT I, 257-258. Das Wort spielt im Rechtswesen eine wichtige Rolle; in Athen ist die υ« βρεως γραφη' das Gesetz gegen Beleidigungen und Übergriffe (Demosthenes, Or. 21,47; für das alexandrinische Recht vgl. P.Hal. 1,210; NewDocs VIII, 180-88); das Wort ist kein Schlüsselbegriff der griech. Philosophie (ebd. 298-299). Vgl. die Beispiele in NW II.1, 58-60. Aristoteles, Rhet. 1378b.14-15; Eth.Nic. 1129b.22; 1148b.30; Bertram, ebd. 298-299. Philo, Flacc. 58-59.77; Vit.Mos. 1,72, sowie Spec.Leg. 2,83.245. G. Bertram, Art. υ� περη' φανος κτλ., ThWNT VIII, 526-530, Zitat 526; vgl. C. Spicq, Art. υ� περηφανι' α κτλ., TLNT III, 390-397; E. Güting, ThBLNT I, 259-260; Schoonheim, Vokabel. Die etymologische Ableitung von υ� πε' ρ + φαι' νομαι (einer, der über anderen glänzt) ist problematisch (Spicq ebd. 390). Spr 3,34 LXX: κυ' ριος υ� περηφα' νοις α� ντιτα' σσεται, ταπεινοιñς δε` δι' δωσιν χα' ριν. G. Bertram, ThWNT VIII, 526. Vgl. G. Delling, Art. α� λαζω' ν κτλ., ThWNT I, 227-228; Spicq, α� λαζονεια κτλ., TLNT I, 63-65; E. Güting, ThBLNT I, 259-260; NW II.1, 62-64.

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„ein prahlerischer Mann (α� νη` ρ α� λαζω' ν); bestimmt nichts wird der fertigbringen, der seine Seele weit macht wie die Unterwelt, und dieser kann wie der Tod nicht gesättigt werden“ (LXX.D). Die Menschen, die erfinderisch im Bösen (ε� φευρεται` κακω ñ ν) sind, setzen ihre von Gott dem Schöpfer verliehene Kreativität für die Verfolgung von Zielen ein, die böse, schlecht, schädlich sind.259 Die Formulierung kann mit der ähnlichen Wendung κακι'ας ευ� ρετη' ς verglichen werden, mit der Antiochus IV. Epiphanes in 2Makk 7,31 angeprangert wird: „Du aber, Erfinder jeder Schlechtigkeit an den Hebräern (συ` δε` πα' σης κακι'ας ευ� ρετη` ς γενο' μενος ει� ς του` ς � Εβραι'ους), wirst den Händen Gottes gewiss nicht entkommen!“ (LXX.D); Philo verwendet die Formulierung für die Feinde der Juden (κακω ñ ν ευ� ρεται'; Flacc. 20,73); Tacitus bezeichnet Sejanus als facinorum omnium repertor („Anstifter von Verbrechen aller Art“; Ann. 4,11,2); Vergil bezeichnet Odysseus als scelerum inventor („Erfinder von Frevel, Unfug“; Aen. 2,164).260 Die Menschen, die den Eltern ungehorsam (γονευñ σιν α� πειθειñς) sind, verstoßen gegen das 4. Gebot (Ex 20,12; Deut 5,16). Ungehorsam gegenüber den Eltern sollte nach Deut 21,18-21 auf die Anzeige beider Elternteile hin mit dem Tod bestraft werden.261 Es geht also nicht nur um die Weigerung der Ehrerbietung, sondern um ein Verbrechen, das geahndet werden sollte. Seneca der Ältere erinnert an den absoluten Gehorsam, den Kinder ihren Eltern schuldig sind (Con. 1.2); Seneca der Jüngere betont, dass er seinen Eltern immer gehorsam war, unabhängig davon, ob sie fair oder unfair waren (Ben. 3,38,2); Dionysius Halicarnassus erinnert an die von Romulus gegebenen Gesetze über die Pflichten der Ehrfurcht und die Pflicht der Kinder, ihre Eltern zu ehren, „kraft welcher sie alle ihre Befehle aufs heiligste befolgen“ (Ant.Rom. 2,26.1). In der römischen Gesellschaft war die patria potestas des Vaters über die Familie, und damit über die Kinder, fast absolut. Der Ungehorsam gegen die Eltern wird auch im Lasterkatalog 2Tim 3,2 erwähnt. Die vierte Serie von Lastern besteht aus vier negativ qualifizierten, reimenden Adjektiven. Menschen, die unverständig (α� συ' νετοι) sind, haben weder Einsicht noch Urteilskraft, sie verhalten sich uneinsichtig, sie begrei————————————————————

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BDAG s.v. ε� φευρετη' ς: „one who forms strategies or tactics to effect something; inventor, contriver“; Bauer / Aland s.v. „Erfinder“. Das Wort ist sehr selten; LSJ führt neben Röm 1,30 nur noch Anacreontea 36,3 an, für die fem. Version Scholia Oppianus Cilix, Halieutica 1,354. Vgl. NW II.1, 64-66. Michel 107. Jewett 188 betont den politischen Kontext. Wilckens I 114 sieht im Kontext von 1,30 von einer politischen Bedeutung ab: „alles verderbliche Sinnen und Trachten in seiner bösen Kreativität“. Haacker 62: „Schreibtischtäter, die andere zur Ausführung ihrer verbrecherischen Einfälle benutzen“. Vgl. Jungbauer, Ehre Vater und Mutter; ebd. 331-332 zu Röm 1,30.

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fen nicht. Ihre Unverständigkeit ist das Resultat der Nichtigkeit ihres Denkens und der Dunkelheit ihres Herzen (V. 21) und äußert sich in unmoralischem Verhalten (V. 28).262 In der atl. Weisheit steht alles frevelhafte Handeln im Widerspruch zur Vernunft, die in der Gottesfurcht besteht, „ohne die auch eine noch so große intellektuelle Begabung nur verderbliche, zerstörerische Wirkung haben kann“.263 In Ps 76,5 (LXX 75,6) erschrecken alle, „die im Herzen unverständig sind“ (οι� α� συ' νετοι τηñ, καρδι'α, ; LXX.D). Psalm 92,6-7 (LXX 91,6-7) preist die großen Werke und die tiefen Gedanken Jahwes und stellt fest: „Ein unverständiger Mann (α� νη` ρ α» φρων) wird (das) nicht erkennen, und ein Uneinsichtiger (α� συ' νετος) wird das nicht einsehen“ (LXX.D). Menschen, die unbeständig (α� συ' νθετοι) sind, halten ihr Wort nicht, brechen ein Versprechen, handeln treulos und pflichtvergessen, eigenwillig und querköpfig.264 In Jer 3,7 LXX heißt es im Blick auf die Gemeinde Israel: „Und ich sagte, nachdem sie all dies gemacht hatte: ‚Kehre um zu mir!‘, aber sie kehrte nicht um. Und das untreue Juda (η� α� συ' νθετος Ιουδα) sah ihre Untreue (α� συνθεσι'αν)“ (LXX.D). Menschen, die lieblos (α» στοργοι) sind, haben keine positiven Gefühle für andere Menschen und setzen deshalb die Beziehungen in der Familie und in der Gesellschaft aufs Spiel, die für ein funktionierendes Gemeinwesen grundlegend sind.265 Menschen, die erbarmungslos (α� νελεη' μονες) sind, erweisen anderen keine Barmherzigkeit (ε» λεος).266 Hiob klagt: „Meine Freunde sind unbarmherzig geworden“ (φι'λοι δε' μου α� νελεη' μονες γεγο' νασιν; Hi 19,13). In Spr 5,9 findet man den Rat, sich von der „fremden Frau“ fernzuhalten, „damit du nicht anderen dein Leben preisgebest und deine Lebenszeit Unbarmherzigen“ (και` σο` ν βι'ον α� νελεη' μοσιν; LXX.D). Unbarmherzige Menschen sind selbst dem Vieh gegenüber unbarmherzig: „Ein Gerechter hat Mitgefühl mit dem Leben seines Viehs, das Gemüt der Gottlosen aber ist erbarmungslos“ (τα` δε` σπλα' γχνα τω ñ ν α� σεβω ñ ν α� νελεη' μονα). Wer erbarmungslos ist, wird von Gottes Zorn ohne Erbarmen gerichtet, so Weish 19,1: „Die Gottlosen aber überfiel bis zum Ende erbarmungsloser Grimm (α� νελεη' μων θυμο' ς): Er wusste nämlich von ihnen auch das Künftige im Voraus“ (LXX.D). ————————————————————

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H. Conzelmann, Art. συνι' ημι κτλ., ThWNT VII, 886-894, ebd. 893 zu Paulus. Wilckens I 114. Vgl. auch Sir 15,7: „Nicht werden unverständige Menschen (α» νθρωποι α� συ' νετοι) sie [d.h. die Weisheit] erfassen, und sündige Männer (α» νδρες α� μαρτωλοι' ) werden sie nicht sehen. Weit entfernt ist sie von Hochmut, und lügnerische Männer werden sich ihrer nicht erinnern“. BDAG s.v. α� συ' νθετος; Fridrichsen, ΑΣΥΝΘΕΤΟΣ, 47-48. BDAG s.v. α» στοργος: „of one who is lacking in good feelings for others, thereby jeopardizing the maintenance of relationships (e.g. political and familial) that are essential to a well-ordered society; ‚hardhearted, unfeeling, without regard for others‘“. Vgl. R. Bultmann, α� νελεη' μων, ThWNT II, 483.

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32 Paulus argumentiert im letzten Relativsatz, dass die Menschen keine

Entschuldigung haben, wenn sie vom Zorn Gottes gerichtet werden.267 Er formuliert (wie in V. 25) mit einem konzessiven Partizipialsatz: obwohl sie Gottes Rechtssetzung kennen (οι«τινες το` δικαι'ωμα τουñ θεουñ ε� πιγνο' ντες). Die „Rechtssetzung“, die die Menschen, auch und im Kontext vor allem die Heiden, kennen (ε� πιγνο' ντες),268 ist entweder allgemein der Wille Gottes, der in den Werken der Schöpfung erkannt werden kann und unter dessen Rechtsforderung die ganze Welt faktisch steht:269 „Mit seiner Existenz in der Welt steht der Mensch vor Gott … Er ist schon immer zu Ehrfurcht, Dankbarkeit und sich nicht überhebender, der Verantwortung nicht entfliehender Menschlichkeit gefordert. Deshalb kann er darauf angesprochen werden, daß er faktisch in pervertierter Geschöpflichkeit lebt“.270 Man kann diese Interpretation konkreter im Sinne eines „natürlichen“ Gespürs, einer Common-Sense-Erkenntnis des einen Gesetzes Gottes verstehen, das den Menschen durch ihr moralisches Bewusstsein vermittelt wird.271 Damit kann die „Rechtssetzung“ auf das mosaische Gesetz bezogen werden (δικαι'ωμα meint in 2,26; 8,4 die Tora): Was die Juden explizit wissen, ahnen die Heiden, die Gott und damit seinen Willen in den Werken der Schöpfung erkennen können und sollen – die Wahl zwischen Gehorsam und Ungehorsam gegenüber Gott ist die Wahl zwischen Leben und Tod (Deut 30,19). Obwohl die Heiden das Schrift gewordene Gesetz Gottes nicht kennen, teilen sie mit den Juden die Kenntnis der grundlegenden Rechtssetzung Gottes.272 Auch die Heiden kennen die Grundnormen menschlichen Verhaltens. Moralphilosophen wie Seneca hätten dieser Aussage zugestimmt. Manche Ausleger schlagen vor, dass Paulus die noachitischen Gebote meint, deren Einhaltung durch die gesamte Menschheit von den Juden gefordert wurde.273 Siehe Jub 7,20: „Und zum 28. Jubiläum begann Noah, zu gebieten den Kindern seiner Kinder die Ordnungen und die Gebote und alles Recht, das er kannte. Und er verordnete und bezeugte über seine Kinder, dass sie Gerechtigkeit täten und dass sie die Scham ihres Fleisches bedeckten und dass sie den segneten, der sie geschaffen, und dass sie Vater und Mutter ehrten und dass sie ein jeder den Nächsten liebten und dass ein jeder bewahre seine Seele vor Unzucht und Unreinheit und vor aller Ungerechtigkeit“ (Übers. K. Berger). Die in rabbinischen Quellen fassba————————————————————

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Popkes, Aufbau, 498. Das Partizip ε� πιγνο' ντες ist konzessiv zu interpretieren; HvS §231g. Bornkamm, Offenbarung, 19, gefolgt von Wilckens I 115; vgl. Michel 108. Käsemann 47. Bockmuehl, Jewish Law, 131, mit Bezug auf Röm 2,14-15; vgl. Lohse, Gewissen. Thielman, Paul and the Law, 169. Vgl. Haacker 63: Paulus verwischt hier die Grenze zwischen Heiden und Juden. Davies, Paul, 115-116; Flückiger, Unterscheidung (sieht in V. 32 bereits Juden angesprochen); Jervell, Imago Dei, 319; Dunn I 69 als Möglichkeit.

Die Sünde der Heiden 1,18-32 253 ———————————————————————————————————— ren Konkretisierungen der noachitischen Gebote erwähnen das Verbot von Götzendienst, Blasphemie, Mord, Inzest, Diebstahl, Rechtsbeugung und Verzehr von Fleisch, das Blut enthält (tAZ 8,4; bSan 56a). Angesichts der zahlreichen und meist allgemein gehaltenen unmoralischen Verhaltensweisen in V. 29-31 ist es wenig wahrscheinlich, dass Paulus diese jüdische Tradition im Auge hat.

Diese Interpretation ergibt sich einerseits aus dem Wissen, dass die, die solches tun, den Tod verdienen, andererseits aus der Tatsache, dass die in V. 29-31 genannten Verhaltensweisen, von Mord, Ungehorsam den Eltern gegenüber und Gotteshass abgesehen, nicht mit der Todesstrafe und in den meisten Fällen überhaupt nicht bestraft wurden. Diese Interpretation kann mit dem Hinweis verbunden werden, dass Paulus bei Heidenchristen eine breite Kenntnis jüdischer Tradition voraussetzen konnte: Die meisten Heidenchristen in der römischen Gemeinde waren wohl ehemalige Gottesfürchtige, die in der Synagoge eine Kenntnis des Gesetzes und der Forderung Gottes erhalten hatten.274 „Tod“ (θα' νατος) ist deshalb am besten als Hinweis auf die Konsequenzen der Rebellion gegen Gott zu verstehen, die zu Recht Gottes Zorn auslöst (1,18) und die mit dem urgeschichtlichen Todesurteil Gottes zusammenhängt, das über Adam, Eva und ihre Nachkommen ausgesprochen wurde (Gen 2,16). „Tod“ ist der ewige Tod im Endgericht.275 Die Wendung „die, die solches tun“ (οι� τα` τοιαυñ τα πρα' σσοντες) bezieht sich auf alle in V. 29-31 genannten Verhaltensweisen. Mit „den Tod verdient haben“ (α» ξιοι θανα' του ει� σι'ν) wird der Zusammenhang zwischen Tat und Ergehen unterstrichen: Wer gegen Gottes bekannte Rechtssetzung verstößt, qualifiziert sich selbst für den Tod als Folge seines Tuns. Der Zusammenhang zwischen Auflehnung gegen Gottes Willen und Tod ist nach Gen 2,17 ein fundamentaler Kernprozess der Schöpfungsordnung. Leben und Heil gibt es nur als Folge des Gehorsams gegen Gott, Ungehorsam schließt die Frevler vom Heil aus. Die Schuldverfallenheit der Menschen zeigt sich auch darin, dass unmoralisches Verhalten mit Beifall versehen wird. Die Menschen, die sich weigern, Gottes Ehre und Majestät anzuerkennen und nach seinen Normen zu leben, tun (sie) es nicht nur, sondern geben auch denen Beifall, die es tun. Die Wendung „sie tun es“ (αυ� τα` ποιουñ σιν) greift „die solches tun“ (οι� τα` τοιαυñ τα πρα' σσοντες) auf. Das mit „Beifall geben“ (συνευδοκουñ σιν) übersetzte Verb bedeutet „Gefallen haben, zustimmen, einwilligen, billigen“, in Klauseln juristischer Texte „als Mitbeteiligter Zustimmung geben, einwilli————————————————————

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Wilckens I 115. Dunn I 69; Kruse 108; Konradt, Gericht, 500. Anders z.B. Quesnel, Mort, 56.

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gen“.276 Bei Seneca findet sich eine parallele Aussage: „Sie genießen nicht nur Schändliches, sondern haben auch Gefallen daran“ (turpia non solum delectant, sed etiam placent; Ep. 4,39,6).277 Die Formulierung „nicht nur … sondern auch“ (ου� μο' νον … α� λλα` και') ist additiv, wobei die zweite Aussage besonders hervorgehoben ist.278 Wer die Aussage als steigernd interpretiert,279 kann auf Seneca, Ep. 16,97,5 verweisen („Schlimmer ist es, zu Ehebruch anzustiften, als ihn zu begehen“) oder argumentieren, dass Menschen, die unmoralisch handeln, dies oft unter Druck z.B. einer intensiven Leidenschaft tun, während Menschen, die unmoralisch Handelnden zuschauen und Beifall zollen, dies als Reflex einer reflektierten Entscheidung tun und die öffentliche Meinung in dem Sinn beeinflussen, dass unmoralische Taten nicht mehr als solche betrachtet, sondern als mögliches Verhalten akzeptiert werden. Wenn man die Formulierung eher als addierend versteht, gibt die Aussage in dem Sinn, dass die Billigung böser Taten genauso Sünde ist wie das unmoralische Verhalten selbst. So Philo: „Es freveln nicht nur die Täter allein, sondern auch alle, die ihre Tat aus freien Stücken billigen“ (Spec.Leg. 3,19). Wo sich solcher billigender Beifall konkret äußert, sagt Paulus nicht; er könnte an öffentliche Reden, Theaterstücke und Bankette denken, an denen die geschilderten Laster zur Sprache kommen.280 Paulus versteht den Lasterkatalog V. 29-31 nicht als Teil eines sittlichen Appells, der darauf abzielt, die Menschen, allen voran die Heiden, zur Besserung anzuhalten. Die einleitende Rede vom Zorn Gottes (V. 18) und die Darstellung des aktiven und passiven Widerstandes gegen die Ehre und Majestät Gottes (V. 19-21) zeigen: Paulus geht es um eine umfassende Anklage, „deren Wucht sich niemand entziehen kann. Hier reicht kein moralischer Appell aus, der zu sittlicher Besserung anhalten mag. Denn durch keine von Menschen zu leistende Anstrengung kann der Zorn Gottes abgewendet werden“.281 ————————————————————

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Bauer / Aland s.v. συνευδοκε' ω; zu den Papyri Papathomas, Begriffe, 124-125; vgl. P.Lond II 277; P.Mich. V 340; das Substantiv συνευδο' κησις, das in römischer Zeit belegt ist, bedeutet „Zustimmung, Einwillungserklärung“: P.Yadin I 17; P.Oxy. X 1276. Vgl. auch TestAss 6,2: „Die Zweigesichtigen werden zweifach bestraft: Weil sie sowohl das Böse (selber) tun, als sich auch mit denen freuen, die (es) tun“ (J. Becker). Hollander/de Jonge, Commentary, 355, betrachten die Stelle als christl. Addition und lehnen einen Vergleich mit Röm 1,32 ab. HvS §325c; vgl. Bauer / Aland s.v. α� λλα' 1a, mit Verweis auf BDR §448 und Robertson, Grammar, 1187, die die Konstruktion allerdings nicht als „steigernd“ charakterisieren. Vgl. Haacker 63; Cranfield I 135. Ähnlich Lohse 93. Lohse 93, mit Verweis auf Schweizer, Lasterkataloge.

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IV Paulus beginnt die Erläuterung des Evangeliums, das er in 1,3-4.16-17 als Evangelium Gottes von Jesus Christus zur machtvollen Rettung von Juden und Griechen definiert hatte, mit einer Beschreibung der conditio humana, der Grundverfassung des Menschen, der Bedingungen und Aspekte des Menschseins, ein Thema, das heute von der Philosophie, den Sozialwissenschaften und der Sozialpsychologie erforscht wird.282 Schon in der Antike gab es intensive Reflexionen über den Menschen und seine Natur. Plato setzt das Menschliche dem Göttlichen entgegen und betont, die menschlichen Dinge hätten keinen Bestand: Sie sind der Inbegriff des Sterblichen, eine Abfolge von Übeln. H.P. Balmer betont: „Die Philosophie gebietet seit Pythagoras die Angleichung an Gott (ο� μοι'ωσις θεω ñ, ) und bekämpft die ihres Erachtens lügnerische Zentralaussage griechischer Dichter, als Mensch doch auf Menschliches bedacht zu sein“.283 Aristoteles engagiert sich in dieser Polemik ebenfalls: „Man darf aber nicht jener Mahnung Gehör geben, die uns anweist, unser Streben als Menschen auf Menschliches und als Sterbliche auf Sterbliches zu beschränken, sondern wir sollen, so weit es möglich ist, uns bemühen, unsterblich zu sein, und alles zu dem Zweck tun, dem Besten, was in uns ist, nachzuleben. Denn ob auch klein an Umfang, ist es doch an Kraft und Wert das bei weitem über alles Hervorragende. Ja, man darf sagen: dieses Göttliche in uns ist unser wahres Selbst, wenn anders es unser vornehmster und bester Teil ist. Mithin wäre es ungereimt, wenn einer nicht sein eigenes Leben leben wollte, sondern das eines anderen. Und was wir oben gesagt, paßt auch hieher. Was einem Wesen von Natur eigentümlich ist im Unterschiede von anderen, ist auch für dasselbe das Beste und Genußreichste. Also ist das für den Menschen das Leben nach der Vernunft, wenn anders die Vernunft am meisten der Mensch ist. Mithin ist dieses Leben auch das glückseligste“ (Nic.Eth. 1177b-1178a; E. Rolfes).284 Cicero will sich ähnlich am Menschlichen orientieren, wobei Menschsein sterblich sein heißt (Tusc. 1,77; 3,60); gleichzeitig gehört zur humanitas die Erhebung zum Heil der Seele und zu den göttlichen Dingen (res divinae), dargelegt in seiner Schrift De natura deorum. Paulus beginnt, der biblischen Tradition verpflichtet, nicht mit dem Menschen, sondern mit Gott. Ehe er von der Möglichkeit der Gotteserkenntnis des Menschen spricht, betont er den Zorn Gottes, der durch die Gottlo————————————————————

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Vgl. Balmer, Philosophie der menschlichen Dinge. H.P. Balmer, Art. Condicio humana, HWR II, 337-348, hier 338. Claussen, Glück, 98, kommentiert, „die Berücksichtigung dieses spekulativ-ekstatischen Motivs … (sollte) davor bewahren, „die aristotelische Ethik auf den Begriff des kleinen Glücks des bürgerlich Üblichen und politisch Wünschenswerten zu reduzieren“.

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sigkeit und Ungerechtigkeit der Menschen ausgelöst wird, und die Gegenwart Gottes in den Werken der Schöpfung, deren Erkenntnis sich der Mensch verweigert.285 Wenn Paulus den Menschen beschreibt, dann nicht als Ergebnis einer phänomenologischen Analyse menschlicher Existenz, sondern im Kontext einer prophetischen Anklage. Wenn und weil dem Menschen seine wahre Lage so nicht durchsichtig ist, sollte er dem Urteil Gottes zustimmen. In diesem Sinn schreibt Luther in einer Scholie zu Röm 3,5: „Auch wenn wir keine Sünde bei uns erkennen, müssen wir doch glauben, dass wir Sünder sind“.286 Alles, was Paulus über den Menschen sagt, sagt er im Zeichen des Evangeliums, das in 1,3-4.16-17 definiert und in 3,21–5,21 erklärt wird. Wenn Paulus von der Geschichte Gottes mit dem Menschen spricht, dann existiert der Mensch immer in der Ferne von Gott und ist damit immer Adressat des Evangeliums. Die Geschichte des Menschen ist die Geschichte der Schuld des Menschen. Der Mensch ist schuldig geworden, weil er sich der Erkenntnis Gottes als sein Schöpfer verweigert hat, eine Erkenntnis, die infolge der Werke der Schöpfung und infolge der Fähigkeit des Menschen, sachgemäße Schlüsse ziehen zu können, möglich war und möglich ist. Die Schuld des Menschen begründet seine Unentschuldbarkeit. Weil der Mensch sich geweigert hat, die Ehre und Majestät Gottes anzuerkennen, ist menschliche Existenz immer gekennzeichnet von der Unterdrückung der Wahrheit. Die conditio humana ist gekennzeichnet von kognitiver Beschränktheit im Sinne vorurteilshafter Unvernunft, antisozialen Impulsen im Sinn praktizierter Ungerechtigkeit und Kriminalität und Gottlosigkeit im Sinn fehlender Gotteserkenntnis. Die Parallelen, die zwischen 1,20 und den Texten hellenistischer Philosophen bestehen, zeigen, dass Paulus bereit war, Begriffe und Konzepte der dominierenden Kultur zu verwenden. Sie demonstrieren jedoch gleichzeitig, dass seine kontrakulturelle Verurteilung der Anbetung von Bildern eine Norm ablehnt, die die dominierende Kultur vereinte.287 Die Frage, ob die Möglichkeit der Gotteserkenntnis aus den Werken der Schöpfung eine mit dem Sündenfall verlorene Möglichkeit oder in der Schöpfung weiterhin gegeben ist, wurde unter der Überschrift „natürliche Theologie“ intensiv diskutiert. Die mittelalterliche Normalposition wurde von Thomas von Aquin exegetisch formuliert, im 1. Vatikanischen Konzil 1870 (Sessio III, Dei Filius) dogmatisch fixiert und im 2. Vatikanischen Konzil rezipiert: „Das heilige Konzil bekennt, dass Gott, der Ursprung und ————————————————————

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Für das Folgende s. Eichholz, Theologie, 62-81. Luther 172-173 (Quia sicut per fidem iustitia Dei vivit in nobis, ita per eandem et peccatum vivit in nobis i. e. sola fide credendum est nos esse peccatores). Cook, Logic, 514-516; Gibson, Evangelization; Kruse 93.

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das Ziel aller Dinge, mit dem natürlichen Licht der menschlichen Vernunft aus den geschaffenen Dingen sicher erkannt werden kann [vgl. Röm 1,20]; doch lehrt es, seiner Offenbarung sei es zuzuschreiben, dass das, was an den göttlichen Dingen der menschlichen Vernunft an sich nicht unzugänglich ist, auch bei der gegenwärtigen Verfasstheit des Menschengeschlechtes von allen ohne Schwierigkeit, mit sicherer Gewissheit und ohne Beimischung eines Irrtums erkannt werden kann“ (Dei verbum, Kap. 1, Nr. 6).288 Der Unterscheidung zwischen natürlicher und übernatürlicher Offenbarung entspricht einerseits die Übereinstimmung von Vernunft (ratio) und Glaube (fides), andererseits die Notwendigkeit der Selbstoffenbarung Gottes durch innere Erleuchtung sowie durch die Heilige Schrift als Grundlage und Vorbereitung der Heilsoffenbarung in Christus. Die reformatorische Theologie hat die Wahrheitsfähigkeit menschlicher Erkenntnis weniger positiv beurteilt, obschon keiner der Reformatoren die Fähigkeit der Vernunft zur Erkenntnis Gottes aus den Schöpfungswerken und im Gewissen bestritten hat.289 Wenn Luther in der Auseinandersetzung mit Erasmus Glaube und Vernunft im Blick auf die Gotteserkenntnis konsequent unterscheidet, so ist das Ziel seiner Argumentation die Bestreitung der Meinung, der menschliche Wille habe eine eigene Funktion in der Rechtfertigung. Die reformatorische Orthodoxie hat sich im Blick auf die Erkenntnis Gottes ausdrücklich auf Thomas von Aquin berufen.290 Karl Barth hat vehement die natürliche Theologie bekämpft, insbesondere den Versuch Emil Brunners, eine „rechte“ natürliche Theologie zu formulieren.291 Die protestantische Theologie hat sich die Frage nach der Erkenntnis Gottes aus den Werken der Schöpfung bzw. der Natur nicht verbieten lassen – nicht nur, aber auch angesichts der Naturwissenschaften und der neuen Popularität des Atheismus, die die Frage nach dem Verhältnis von Glaube und Vernunft aufwerfen. Der Atheismus ist nicht der Normalfall menschlichen Denkens. Der reflektierte Atheismus ist auf die Metaphysik- und Religionskritik des ————————————————————

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„Confitetur Sacra Synodus, Deum, rerum omnium principium et finem, naturali humanae rationis lumine e rebus creatis certo cognosci posse [cf. Rm 1,20]; eius vero revelationi tribuendum esse docet, ut ea, quae in rebus divinis humanae rationi per se impervia non sunt, in praesenti quoque generis humani conditione ab omnibus expedite, firma certitudine et nullo admixto errore cognosci possint“ (Denzinger, Enchiridion, 4206) Der kursiv markierte Text ist Zitat aus Dei Filius. Vgl. Aquin 49-51; Aquin, Lectura §114. Für Luther s. Lohse, Luthers Theologie, 216, mit Verweis auf WA 19, 206; WA 40 I, 607 (Galaterbriefvorlesung); zu Calvin s. Niesel, Theologie, 39-52; Schreiner, Nature; Schreiner, Schöpfung; vgl. Frank, Gläubige Vernunft. Vgl. Wilckens I 119, mit Verweis auf Baur, Vernunft, 150-156. Barth, Kirchliche Dogmatik I/1, 25-30; Barth, Nein!; s. außerdem Brunner, Aufgabe; Brunner, Natur und Gnade, bes. 31-33. Zu dieser Kontroverse vgl. Gestrich, Denken; McGrath, Brunner, 90-132.

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17. und 18. Jahrhunderts zurückzuführen.292 Für manche ist die Geschichte des Atheismus die Geschichte von der Befreiung vom christlichen Gottesbegriff: Weil es im Altertum keine religiösen oder theologischen Dogmen gab, sei Atheismus in der Antike lediglich Störung des öffentlichen Gottesdienstes gewesen.293 Dies ist so nicht richtig, wenn man die Angriffe auf die Religion von Epikur, Lukrez und Lukian ernst nimmt.294 Dies sind jedoch Ausnahmen. Paulus argumentiert im Kontext des antiken Polytheismus. Weil die Menschen gleichzeitig ein Gespür für moralisches und unmoralisches Verhalten haben, kann man durchaus davon ausgehen, dass die Möglichkeit der Gotteserkenntnis, die auf das Verhalten im Alltag durchschlägt, nicht nur eine vergangene, auf die Urgeschichte begrenzte und damit vergangene, sondern eine gegenwärtige Möglichkeit ist. Paulus wirft allen Götzenfabrikanten, allen Götzenanbetern und allen unmoralisch handelnden Menschen vor, dass sie die Erkenntnis Gottes und seines Willens unterdrücken. Wer die Erkenntnis Gottes aus den Werken der Schöpfung für eine sowohl vergangene als auch aktuelle Möglichkeit hält, spricht damit nicht automatisch von der Möglichkeit, dass der Mensch von sich aus zu Gott gelangen und, um mit Cicero zu sprechen, die Seele zum Heil erheben kann. Aus den Werken der Schöpfung lässt sich kein „persönliches Profil“ Gottes erstellen: Paulus spricht nur von der ewigen Macht und göttlichen Majestät Gottes. Wer den einen wahren Gott authentisch kennen und erfahren will, bleibt auf Gottes Offenbarung in der Geschichte angewiesen. Gleichzeitig ist Paulus ernst zu nehmen, wenn er vom Verlust menschlicher Erkenntnisfähigkeit spricht, die er auf das Versagen der Möglichkeit des Erkennens Gottes zurückführt. Der Zustand der menschlichen Existenz ist, was die Erkenntnis Gottes und was moralisches Verhalten betrifft, in der Tat hoffnungslos – ohne das Evangelium.295 So radikal die Geschichte des Menschen die Geschichte der Gottesferne ist, so radikal ist die Gnade Gottes, die diese Ferne im Tod und in der Auferstehung Jesu überbrückt und den Menschen zum Glauben an den einen wahren Gott und damit zum Gehorsam zurückführt, den er seinem Schöpfer schuldig ist. ————————————————————

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Schröder, Ursprünge des Atheismus; vgl. das Kapitel „Exzeptionalität des Atheismus“. Er schreibt: „Den Satz Non est Deus (Ps 13,1 und 52,2), der scheinbar so leicht zu sagen ist, hat dem Psalmisten bis in die Neuzeit niemand nachgesprochen“ (ebd. 394). Mauthner, Atheismus. Cancik-Lindemaier, Gottlosigkeit im Altertum. Manche merken zur Argumentation des Apostels an, dass diese, zusammen mit der vorausgesetzten Weltsicht, kaum mehr geteilt wird. Vgl. Dunn I 58: „this is no longer a widely acceptable world-view“. Dies ist wohl gerade deshalb der Fall, weil das Denken der Menschen finster geworden ist!

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Aus der Anklage V. 22-25 ergibt sich, dass der Mensch, der Geschöpf Gottes ist, zur Antwort des Dankes und Lobes aufgerufen ist. Authentische menschliche Existenz beinhaltet die Erkenntnis der Abhängigkeit von Gott, die im Gotteslob anerkannt und ausgesprochen werden soll. Die Schuld des Menschen ist, dass er Antwort nicht gibt, weil er die Macht und Majestät Gottes als Schöpfer und die Güte Gottes nicht anerkennt. Paulus erkennt die Religiosität der Heiden nicht als Anerkennung des Schöpfers an, weil sie Bilder angefertigt und diese als Gott angebetet haben. Die Herrlichkeit des Schöpfers kann man jedoch nicht in Bildern darstellen. Wer Phänomene der Schöpfung nimmt und diese als göttlich verehrt, verehrt nicht den einen wahren Gott, sondern die Schöpfung. Er verwechselt geschöpfliche Phänomene und Mächte mit dem Schöpfer. Der Monotheismus, wie Paulus ihn vertritt, setzt nicht, wie Jan Assmann meint, die „mosaische Unterscheidung“ von wahrer und falscher Religion, deren Preis Exklusivität, Intoleranz und Gewaltbereitschaft sei,296 auf einer anderen Ebene fort – als Christentum versus Judentum. Im Gegenteil: „dieser Monotheismus öffnet vielmehr das Judentum in die Welt hinein“.297 Assmann meint, dass der „emphatische Wahrheitsbegriff, der keine Kompromisse duldet mit dem als Unwahrheit ausgegrenzten“, mit Zwang, Pflicht und Angst verbunden ist und so mit Strukturen, in denen „die Motive der Gewalt“ wurzeln.298 Dies trifft für Paulus schon deshalb nicht zu, weil sein Argument gegen die Anbetung der Geschöpfe (was Assmann als „AntiKtiseitheismus“ bezeichnet) „in einem eschatologischen Horizont steht: Einzig das Bekenntnis zu dem Gott, der allein das Nichtseiende ins Dasein zu rufen vermag, kann tragfähige Hoffnung geben – Hoffnung nämlich auf einen nachhaltigen, ja endgültigen Sieg über die Sünde und auf durchgreifende Befreiung von Vergänglichkeit und Tod. Gerade das Festhalten an der somatisch-kosmischen Dimension auch der Neuschöpfung widerstrebt einer Vergeistigung und Verjenseitigung und inkludiert die gesamte Schöpfung in das Gerechtigkeit schaffende, schöpferische Handeln Gottes“.299 Es ist auch bei Exegeten üblich geworden, die Aussagen des Apostels Paulus zur Homosexualität in ihrer kategorischen Ablehnung derselben wahrzunehmen, diese aber im Rahmen ihres kulturellen Kontextes – sowohl des alttestamentlich-jüdischen wie auch des griechisch-römischen – zu relativieren und das, was man als den „aktuellen humanwissenschaftlichen Er————————————————————

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Assmann, Die mosaische Unterscheidung. Bachmann, Botschaft, 71. Assmann, Monotheismus, 50-51; vgl. Assmann, Gewaltpotential. Woyke, Wahrheit, 183. Zur Monotheismuskritik s. Ritter, Monotheismus; Stiegler/ Swarat, Monotheismus; Tilly/Neubert, Gott.

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kenntnisstand“ bezeichnet, als normativ für eine moderne christliche Ethik auszugeben.300 Angesichts der Meinung antiker Autoren, homosexuelles Verhalten sei eine Krankheit, die geheilt werden könnte, muss festgehalten werden, dass Paulus durchaus der Meinung sein konnte, dass tribades mit einer homoerotischen Veranlagung geboren wurden, ohne davon Abstand zu nehmen, ihr sexuelles Verhalten als widernatürlich und schandhaft zu verurteilen.301 Die oft vorgetragene These, Homosexualität, verstanden im Sinn konstitutioneller homoerotischer Veranlagung, sei ein moderner Begriff, der erst seit dem 19. Jahrhundert existiere,302 ist nicht zu halten. Dagegen sprechen 1. antike astrologische Texte, die von lebenslangen erotischen Orientierungen zeugen;303 2. die Vokabeln tribas und frictrix, die eine erotische Identität implizieren; 3. die frühchristliche Praxis, homoerotische Männer und Frauen zusammen zu gruppieren.304 Der häufig anzutreffende Verweis auf Jesus, bei dem man keine Verurteilung von Homosexualität findet, ist nicht nur ein Argument aus dem Schweigen, das immer schwach ist, sondern im Kontext der Verkündigung Jesu positiv nicht stichhaltig. H. Hempelmann hat recht: „Wenn Jesus sich auffällig verhalten und von seinen Mitmenschen, vor allem den Schriftgelehrten und Pharisäern unterschieden hat, wurde das sorgfältig vermerkt … Wenn Jesus sich von der ablehnenden Haltung des Judentums zur Homosexualität unterschieden hätte, wäre das ein solcher Skandal gewesen, dass das mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ebenfalls einen Niederschlag in den Evangelien gefunden hätte. Hier finden wir jedoch nichts. Dieses Schweigen als Beleg für eine positive, nicht ablehnende Haltung Jesu zur Homosexualität ————————————————————

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Wilckens I 110-111 Anm. 205: „Die Erkenntnisse über die Entstehungsbedingungen der Homosexualität in ihren sehr verschiedenen Arten schließen es jedenfalls aus, die Aussage des Paulus heute noch in dem Sinne zu übernehmen, daß Homosexualität ein sittlich verwerfbares Vergehen sei“. Vgl. jedoch Wilckens, Kritik, wo er die Normativität von Röm 1 akzeptiert. Wolter I 153-154 schreibt: Homosexuelle Identität sei „von derselben Art wie alle anderen kulturellen Identitäten“ und im Licht von Gal 3,28 genauso wie Heterosexualität als „Bestandteil der guten Schöpfung Gottes und deren Vielfalt“ zu betrachten. Gielen, Leib, 245-246, meint, Paulus hätte bei dem modernen Erkenntnisstand sicher akzeptiert, „dass Gott in seiner Schöpfung auch der homosexuellen Neigung von Menschen Raum geschenkt hat“; vgl. Loader, Sexuality, 321.499-500. So richtig Brooten, Love, 244. Hultgren 616-622 (Appendix 2); Halperin, Homosexuality; Becker, Homosexualität, 56. Vgl. Dorotheos von Sidon, Carmen astrologicum 2,4,21; 2,7; 2,26,15; Manetho, Apotelesmatika 4,358; Ptolemaios v. Alexandrien, Tetrabiblos 3,14,171-172; 4,5,187-189; Vettius Valens, Anthologiai 2,17,66-68; 2,37,17; Hermes Trismegistos, 25.27.32; Firmicus Maternus, Matheseos libri viii 3,5,23; 3,6,15.30; 4,6,4; 6,30; 7,25,1-5.11.13,23; 8,9,1; 8,19,7; 8,25,4; 8,27,8; 8,30,2; Hephaistion v. Theben, Apotelesmatika 1,1,118; 2,16,8-9; 2,21,19.23-25. Vgl. Brooten, Love, 115-141. Brooten, Love, 361.

Die Sünde der Heiden 1,18-32 261 ————————————————————————————————————

zu deuten, wäre wissenschaftlich nicht haltbar“.305 Die paulinischen Aussagen zur Homosexualität können nicht nur innerbiblisch als authentische ethische Position, sondern in ihrer Befolgung von Jesusbekennern auch heute begründet werden.306 Es ist bezeichnend, dass Theologen und Kirchenvertreter, die homosexuelles Verhalten als natürlich ansehen und von der Kirche Toleranz und Akzeptanz fordern, jedenfalls zum Teil eingestehen, dass dies gerade deshalb geht, weil „das Schriftprinzip mit einer normativen und offenbarungs-positivistischen Funktion“ im Kontext einer postmodernen Schrifthermeneutik als abgeschafft betrachtet werden darf.307 Es ist gesellschaftlicher Konsens geworden, dass Homosexualität als individuelle Veranlagung, als konstitutionelle Neigung anzusehen ist. Im Zusammenhang der Ablehnung des Gangs zur Prostituierten erwähnt Paulus in einem Katalog verurteilungswürdigen Fehlverhaltens auch die Homosexualität (1Kor 6,9). Wenn Paulus mit der Ablehnung von Götzendienst, Ehebruch, Diebstahl, Trunksucht und Prostitution recht hat, dann besitzt die Homosexualität genauso wenig „konstitutionellen Charakter“308 wie Götzendienst, Ehebruch, Diebstahl, Alkoholismus und der Verkehr mit Prostituierten. Wer von seiner Veranlagung her zur Gewalttätigkeit oder zum sexuellen Verkehr mit Minderjährigen neigt, darf sich diesen Tendenzen genauso wenig ungestraft hingeben wie Menschen, die konstitutionell zur Unfreundlichkeit neigen. Was legitim und was illegitim ist, entscheidet sich im Raum der Autorität der Heiligen Schrift und, letztlich, vor dem Gericht Gottes. Was W. Pannenberg vor einiger Zeit zum Verhältnis der Kirche zu sog. unterschiedlichen Lebensstilen gesagt hat, behält seine Gültigkeit: „Hier gilt generell, daß die Kirche die unterschiedliche Beurteilung und Wertung der im Evangelium und in der Verkündigung der Apostel begründeten Normen christlichen Lebens einerseits und der davon abweichenden Formen der Lebensführung andererseits aufrechterhalten muß … (Sie darf) nicht den Unterschied zwischen der ehelichen Gemeinschaft von Mann und Frau und dem Bruch der Ehe verwischen. Die Wahrung der ehelichen Treue und der Ehebruch sind nicht in gleicher Weise Gegenstand von Gottes Wohlgefallen. Sie sind theologisch und sittlich nicht gleichwertig. Der Ehe————————————————————

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Hempelmann, Liebt Gott Schwule und Lesben?, 26-27; vgl. Gagnon, Homosexual Practice, 341-493; Hays, Moral Vision, 379-406. Vgl. Eibach/Haacker/Hempelmann, Kirche und Homosexualität; Gagnon, Homosexual Practice, 229-339 zu Paulus, 341-493 im Blick auf die hermeneutische Relevanz für eine biblische Ethik. Vgl. mit Abstrichen Toit, Homosexuality, 104-106. Krohn, Problem kirchlicher Amtshandlungen, 136.137. Porsch, Sexualmoralische Verstehensbedingungen, will einen „integrativen theologischen Diskurs“ ermöglichen. Vgl. Merklein, Korinther II, 63.

262 Römerbrief ————————————————————————————————————

brecher und der in nichtehelichen Beziehungen Lebende bedarf, wenn er Glied der Kirche ist, nicht nur der seelsorgerlichen Begleitung im Sinne der Aufrichtung und Tröstung, sondern auch der Mahnung zur Umkehr … Entsprechendes gilt schließlich auch für das Verhältnis der Kirche zu Homosexuellen … Anerkennung der Gleichwertigkeit der homosexuellen Lebensform ist aber genau das, was die Kirche nicht geben kann, solange sie auf dem Boden der Schriftautorität und damit auch auf dem Boden des reformatorischen Christentums bleiben will. Die Schriftaussagen sind in ihrer negativen Beurteilung homosexueller Praxis als Ausdruck der Abwendung der Menschen von Gott und seinem Gebot völlig eindeutig und einmütig“.309 Wer Sachkritik an der Ächtung der Homosexualität in Röm 1,26-27 üben will, muss bereit sein, an der Rede vom Gericht Gottes (1,18) Abstriche zu machen. Die Bereitschaft zur Sachkritik am biblischen Verbot der Homosexualität kann man nicht mit dem Liebesgebot (Röm 14,15; 1Kor 16,14) begründen. Liebe begründet keine Ethik. Die Liebe ist der Maßstab für die Art und Weise, wie bestehende Werte und Gebote praktiziert werden. Die Unterscheidung des natürlichen Verkehrs von Mann und Frau von unnatürlichem Verkehr ist nach biblischer Überzeugung nicht kulturelle Vereinbarung, sondern gehört zur Schöpfungsordnung. Wer sich dieser entzieht, leugnet faktisch die Erkenntnis Gottes des Schöpfers in den Werken der Schöpfung. Wenn Paulus uns die Wahrheit über den Menschen als Geschöpf und als Sünder sagt, dann gilt: „Die Ehe zwischen Mann und Frau ist die normative Form sexueller Erfüllung; Homosexualität ist eines von vielen tragischen Hinweisen darauf, dass wir gebrochene Menschen sind, entfremdet von der liebenden Absicht Gottes“.310 Exegetische und theologische Klärungen müssen im Kontext von Politik, Gesellschaft und Seelsorge erörtert werden. Im Westen ist die Diskussion um die Legalität homosexueller Praxis politisch und rechtlich entschieden. Homosexualität ist gesellschaftlich akzeptiert, homosexuelle Paare sind rechtlich emanzipiert und können heiraten. Wenn die Gleichstellung Homosexueller als Zivilrecht betrachtet wird, kann dies für Christen, die die Heirat von Homosexuellen ablehnen, zu enormen beruflichen Schwierigkeiten führen. In den Vereinigten Staaten werden z.B. Photographen gerichtlich verfolgt, die sich weigern, Hochzeiten homosexueller Paare zu photographieren; evangelikale Studentengruppen an Universitäten werden mit Versammlungsverboten konfrontiert; katholische und evangelikale Universitäten, die Lehrer für öffentliche Schulen ausbilden, geraten unter Druck. ————————————————————

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Pannenberg, Pluralismus, 32-33. Hays, Moral Vision, 400.

Die Sünde der Heiden 1,18-32 263 ————————————————————————————————————

Während Toleranz von „Konservativen“ eingefordert wird, ist die gay lobby zunehmend intolerant. Das bedeutet nicht, dass der Autorität der Schrift verpflichtete Christen versuchen sollen, Gleiches mit Gleichem zu vergelten: Dieser Versuch muss angesichts gesellschaftlicher Mehrheiten scheitern – dieser Zug hat den Bahnhof verlassen, wie man in den Vereinigten Staaten sagt. Aber protestieren sollten aufrechte Protestanten durchaus, auch gegen Anschlussentwicklungen, die dazu führen, dass auch Inzest erlaubt wird.311 Christen bewähren sich in gesellschaftlichen und ethischen Kontroversen, indem sie das Liebesgebot Jesu ernstnehmen, das auch für alle Sünder gilt, zu denen sie selbst gehören. Jenseits der exegetischen, theologischen und politischen Diskussion bedeutet ein schriftgemäßer Umgang mit Homosexuellen mindestens Dreierlei: 1. Menschen, die in gleichgeschlechtlicher Gemeinschaft leben, ist gemäß bestehender rechtlicher Regelungen Toleranz entgegenzubringen. Wenn sie Christen sein wollen, sind sie auf die in der Heiligen Schrift begründeten Normen hinzuweisen und seelsorgerlich zu begleiten. 2. Menschen, die homoerotische Gefühle haben, dürfen nicht verachtet, sondern müssen ernst genommen werden. Wenn sie Christen sind oder werden wollen, sind sie auf die in der Heiligen Schrift begründeten Normen hinzuweisen, zu denen gehört, dass nach der Bergpredigt auch das Verlangen nach Beziehungen, die dem offenbarten Willen Gottes widersprechen, Sünde ist (Mt 5,27-28: „Ihr habt gehört, dass gesagt worden ist: Du sollst nicht die Ehe brechen. Ich aber sage euch: Wer eine Frau auch nur lüstern ansieht, hat in seinem Herzen schon Ehebruch mit ihr begangen“). Diese und ähnliche Stellen belegen, was Christen aus ihrer persönlichen Erfahrung wissen: Das Leben mit Jesus Christus ist nicht frei von Versuchungen, denen wir in der Kraft des Heiligen Geistes widerstehen wollen und können. Orientierung, auch homosexuelle Orientierung, begründet nicht persönliche Identität (Sünder könnten sonst niemals Kinder Gottes werden) und führt nicht automatisch zu einem der Orientierung entsprechendem Verhalten.312 Menschen, die homoerotische Gefühle haben, sind seelsorgerlich zu begleiten, was die Unterscheidung zwischen homosexuellem Verhalten und homosexueller Orientierung beinhaltet: Beides widerspricht den Normen christlichen Lebens, aber Christenmenschen, die sich immer auch ihrer eigenen Versuchungen (Orientierungen) eingedenk sind, ————————————————————

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Siehe die Stellungnahme des Deutschen Ethikrats zum Inzestverbot vom 24. September 2014 (www.ethikrat.org), die den biblischen Ursprung des Inzestverbots zwar anerkennt (Abschnitt 3.2, mit Verweis auf Lev 18), aber die biblischen Aussagen angesichts der Praxis im antiken Ägypten und Persien für irrelevant hält und das vorausgesetzte sexuelle Selbstbestimmungsrecht „konsequent“ fortführen will (Abschnitte 5.4 und 6). Betont von Hollinger, Meaning Sex, 172-173, im Blick auf homosexuelle Orientierung.

264 Römerbrief ————————————————————————————————————

können für solche Gefühle Verständnis zeigen, ohne sie damit als richtig (und in die Praxis umsetzbar) zu akzeptieren. 3. Seelsorgerliche Begleitung bedeutet persönliches Engagement, offenes und ehrliches Gespräch, Erläuterung der biblischen Normen Gott wohlgefälligen Verhaltens, Mahnung zur Umkehr, Vergebung, Aufrichtung und Tröstung nach Niederlagen, Rat und Hilfe zu einem zölibatären Leben, wenn Veränderung nicht möglich ist. Die Rede vom Zorn Gottes (V. 18) wird von vielen als nicht mehr zeitgemäß angesehen. Manche Religionspädagogen haben sich dem Kampf gegen die „Angst vor Gott“ verschrieben.313 Manche kritisieren das Gottesbild von Paulus mit einem schiefen Vergleich mit Jesus, bei dem Jesu Gerichtsworte verschwiegen werden und die paulinischen Aussagen zum Zorn Gottes als Ressentiment interpretiert werden.314 Der Zorn Gottes ist der Horizont, auf dem Paulus vom Evangelium spricht (vgl. V. 18 mit V. 16-17): Das Evangelium Gottes von der Rettung des Menschen wird erst verständlich, wenn der Zorn Gottes in aller Radikalität und Universalität verstanden wird. Die Rettung, die im Evangelium proklamiert wird, ist die Rettung vor dem Zorn Gottes, d.h. die Rettung vor dem Todesurteil im Endgericht. Anzumerken ist, dass bei Paulus, wenn er vom Zorn Gottes spricht, kein „allgemeines Bedrohungsgefühl“ angesichts der bevorstehenden Reise nach Jerusalem mitschwingt.315 Paulus war häufig in Lebensgefahr, wie das Referat seiner missionarischen „Mühen“ in 2Kor 11,23-29 belegt. Die Betonung des Zornes Gottes in 1,18 ist nicht das Resultat seiner „Todesangst“, sondern seiner in der atl. und jüdischen Tradition beheimateten Reflektion über die Sünde der Menschen und die Notwendigkeit der Rettung.

Die Sünde der Juden 2,1–3,20 Auf den Abschnitt 1,18-32, in dem Paulus die Sünde und damit die Schuld der Heiden erläutert, die den Tod im Zorngericht Gottes verdient haben, folgt in 2,1–3,20 ein noch ausführlicherer Abschnitt, in dem Paulus die Sünde und damit die Schuld der Juden erläutert, die genauso wie die Heiden den Tod im Zorngericht Gottes verdient haben. Dass Paulus ab 2,17 („Wenn du dich aber Jude nennst“) einen jüdischen Dialogpartner anspricht, wird allgemein akzeptiert. Die Adresse von 2,1-16 ist umstritten. Manche ziehen ————————————————————

313 314 315

Vgl. Oberthür, Angst vor Gott?; zur Kritik Miggelbrink, Zorn Gottes. Theobald, Zorn Gottes, 68 Anm. 3 als Kritik an M. Limbeck. So Gemünden, Todesangst, 258.

Die Sünde der Juden 2,1–3,20 265 ————————————————————————————————————

2,1-16 zu 1,18-32 und bestreiten, dass Paulus in 2,1 eine andere Person anspricht als die Heiden, deren Verhalten er seit 1,18 thematisiert hatte.1 Andere sehen in 2,1-16 sowohl den Heiden von 1,18-32 als auch den Juden von 2,17-29 angesprochen.2 Folgende Faktoren zeigen, dass Paulus bereits in 2,1-16 einen jüdischen Dialogpartner im Auge hat:3 1. Der jüdische Charakter der Kritik in 1,18-32, dem der Dialogpartner von 2,1 zustimmt, und deren Umkehrung in 2,1 legt für 2,1-16 einen jüdischen Dialogpartner nahe. 2. Die Wendung „jeder, der richtet“ (ο� κρι'νων) in 2,1 verweist auf einen Juden: Juden waren stolz darauf, „Richter“ der Güte Gottes zu sein (Weish 12,22: σου τη` ν α� γαθο' τητα μεριμνω ñ μεν κρι'νοντες). 3. Das Gericht Gottes „zu Recht“ bzw. „der Wahrheit entsprechend“ (κατα` α� λη' θειαν) in 2,2 entspricht jüdischen Vorstellungen. 4. Der Hinweis auf die Güte, Geduld und Langmut Gottes in 2,4 und auf den Tag des Zorns und des gerechten Gerichtes Gottes entspricht zentralen Betonungen biblisch-jüdischer Theologie. Paulus verwendet in 2,4 Ausdrücke, die er sonst kaum verwendet, die aber in Röm 9–11 vorkommen, wo es um Israel geht (πλουñ τος, 9,23; 11,12.33; χρηστο' της, 11,22; μακροθυμι'α, 9,22; vgl. α� νοχη' mit 3,26). 5. Güte (χρηστο' της; auch το` χηρστο' ν) wird in griechischen Texten selten für die Götter verwendet, häufig jedoch in der biblischen Tradition, vor allem in den Psalmen.4 Der Gedanke, dass Gott Zeit zur Buße gibt (2,4), wird in der jüdischen Tradition betont (Sir 5,4-7; Philo, Leg.All. 3,106). 6. Die Betonung der Umkehr (μετα' νοια) in 2,4 ist mehr als Sinnesänderung, die auch u.a. in der stoischen Philosophie eine Rolle spielt: Der bei Paulus sonst nur noch in 2Kor 7,9-10; 12,21; 2Tim 2,25 vorkommende Ausdruck spielt in der biblischen und jüdischen Tradi————————————————————

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Pelagius; Zahn 104-105 (für 2,1-5); Leenhardt 44; Haacker 67. Stowers, Rereading, 100, bezeichnet 2,1-16 als „apostrophe of the pretentious Gentile“, d.h. eine diatribentypische, die Rede unterbrechende anklagende Frage (α� ποστροφη' ) zum Thema des anmaßenden Heiden (vgl. Stowers, Diatribe, 79-118), und meint, 2,1-16 enthalte keine Hinweise, dass die Person, mit der Paulus dialogisiert, ein Jude sein könnte (ebd. 101104). Thorsteinsson, Interlocutor, argumentiert, Paulus spreche in Röm 2 einen Heiden an, vielleicht einen Proselyten, der in 2,17 die Pose eines Juden einnimmt. Vgl. Elliott, Rhetoric, 119-127; Wischmeyer, Gerichtsrede, 365. Barrett 43; Légasse 161-163; Jewett 1992-196; Dahl, Missionary Theology, 79; Heiligenthal, Werke, 165-166; Magda, Territoriality, 160; Niebuhr, Menschenbild, 152. Chrysostomus sieht überwiegend die weltlichen Richter und Machthaber angesprochen, Origenes christliche Bischöfe, Presbyter und Diakone. Michel 112-113; Käsemann 49; Wilckens I 121; Moo 127-128; Dunn 81-82; Fitzmyer 296-297; Schreiner 105-106; Wright 438; Penna 198; Lohse 98; Kruse 119; Wolter I 163; Fridrichsen, Jude; Watson, Paul, 197-199; Konradt, Gericht, 501; Schnelle, Paulus, 344; Dunson, Individual, 112-114; Gathercole, Boasting, 198-200; vgl. Tomson, Täter, 191-195, der in 2,4-11 „Synagogensprache“ vorfindet. Ps 25,7; 69,17; 86,5; 100,5; 106,1; 109,21; 136,1; 145,8-9 (jeweils in der Septuaginta).

266 Römerbrief ————————————————————————————————————

tion eine wichtige Rolle.5 7. Das Schriftzitat in 2,6 (Ps 62,13) spricht für einen jüdischen Dialogpartner. 8. Die explizite jüdische Adresse in 2,17 erklärt sich am einfachsten als Fortsetzung eines bereits begonnenen Dialogs. 9. Die Berührungen zwischen 2,1-6 und 2,17-24 machen es wahrscheinlich, dass sich Paulus in beiden Passagen an dieselbe Person wendet. 10. Die Unterscheidung von Juden und Griechen (1,16) in 2,9.10; 3,9 entspricht der Unterscheidung zwischen Menschen, die ohne das Gesetz sündigen, und den Menschen, die mit dem Gesetz sündigen (2,12), sowie der Unterscheidung zwischen Heiden und „du, Jude“ (2,14.17). Diese Zweiteilung scheint in dem gesamten Abschnitt 1,18–3,20 Gültigkeit zu besitzen. Indem Paulus die jüdische Adresse seiner Argumentation in 2,1-16 zunächst nicht nennt, diese aber mit zunehmender Deutlichkeit im Blick hat, zwingt er den jüdischen Dialogpartner in 2,17-29, seine Sündhaftigkeit einzugestehen. Somit zeigt Paulus, dass die Überschrift 1,18, in der von der Offenbarung des Zornes Gottes im kommenden Endgericht über alle Menschen die Rede war, voll berechtigt ist. Paulus betont, dass nur das gelebte Ethos, das Tun des Gesetzes, zählt, nicht die ethische Überzeugung oder Lehre, d.h. der Besitz von Gesetz und Beschneidung. Implizit geht es um das Thema der Diskrepanz zwischen Anspruch und Wirklichkeit, d.h. um das Thema der ethischen und religiösen Heuchelei (auch wenn das Wort υ� ποκριτη' ς „Heuchler“ bzw. υ� πο' κρισις „Heuchelei“ nicht vorkommt).6 Der Abschnitt, der sich im Rahmen jüdischer Kategorien bewegt, hat große Ähnlichkeit mit der alttestamentlichen Kritik der Propheten an Israel7 und schließt sich damit kontingent an die prophetische Gerichtsrede 1,18-32 an. Paulus macht in 2,1–3,20 sechs Grundaussagen:8 1. Gottes Gericht ergeht unparteilich (2,1-11). 2. Kenntnis und Besitz des mosaischen Gesetzes stellen keine Garantie gegen Gottes Zorn dar (2,12-16). 3. Gottes Zorn richtet sich gegen die Juden, genauso wie gegen die Heiden, aufgrund ihrer mangelnden Gotteserkenntnis und ihrer Lebensführung (2,17-24). 4. Die jüdische Beschneidung rettet nicht vor dem Zorn Gottes, wenn man das Gesetz nicht hält (2,25-29). 5. Die Berufung auf die religiösen Privilegien der Juden rettet nicht vor dem Gericht Gottes (3,1-8). 6. Alle Menschen, Juden genauso wie die Griechen, sind Sünder und dem göttlichen Zorngericht verfallen (3,9-20). ————————————————————

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LXX: Jes 46,8; Jer 8,6; 18,8; Joel 2,13.14; Jona 3,9; 4,2; Sach 8,14; sowie Sir 17,24; 44,16; 48,15; Weish 5,3; 11,23; 12,10.19. Vgl. Wischmeyer, Gerichtsrede, 359, die allerdings in dem „Menschen“ von 2,1 nicht den Juden, sondern „den Typus des richtenden Menschen“ (365) sieht. Vgl. Gathercole, Boasting, 198. Fitzmyer 296-297; Wischmeyer, Gerichtsrede, 369.

Die Sünde der Juden 2,1–3,20 267 ————————————————————————————————————

Aufgrund der Verzahnung der ersten vier Grundaussagen ist der Abschnitt 2,1–3,20 am besten in vier Teile zu gliedern:9 1. Die Juden vor Gottes Gericht (2,1-11). 2. Das Gericht nach den Werken (2,12-29). Diese beiden Teile sind miteinander verzahnt: In dem jeweils ersten Abschnitt V. 111 und V. 17-24 betont Paulus, dass der jüdische Dialogpartner das gleiche Zorngericht zu erwarten hat, wie der Heide; in dem jeweils zweiten Abschnitt V. 12-16 und V. 25-29 weist Paulus nach, dass der Hinweis des Juden auf seine heilsgeschichtlichen Privilegien des Gesetzes und der Beschneidung angesichts der fehlenden Bekehrung des Herzens (V. 4-5 und V. 29) im Gericht Gottes nichts nützen wird. 3. Widerlegung jüdischer Einwände (3,1-8). 4. Die Schuldigkeit der Juden vor Gott (3,9-20).

Die Juden vor Gottes Gericht 2,1-11 I 1 Darum bist du ohne Entschuldigung, o Mensch, (und zwar) jeder, der richtet. Denn worin du den anderen richtest, verurteilst du dich selbst. Denn du tust dasselbe, der du richtest. 2 Wir wissen aber, dass das Gericht Gottes zu Recht über diejenigen ergeht, die solche Dinge tun. 3 Rechnest du etwa damit, o Mensch, der du diejenigen richtest, die solche Dinge tun, und dasselbe tust, dass du dem Gericht Gottes entrinnen wirst? 4 Oder verachtest du den Reichtum seiner Güte, Geduld und Langmut, ohne zu erkennen, dass die Güte Gottes dich zur Umkehr führen will? 5 Doch in deinem Starrsinn und in deinem unbußfertigen Herzen sammelst du dir selbst Zorn an für den Tag des Zorns und der Offenbarung des gerechten Gerichtsurteils Gottes, 6 der jedem vergelten wird nach seinen Werken: 7 denen, die Herrlichkeit, Ehre und Unvergänglichkeit suchen, indem sie beharrlich am Tun des Guten festhalten, ewiges Leben, 8 aber denen, die aus Eigennutz handeln, sich der Wahrheit widersetzen und dem Unrecht Folge leisten, Zorn und Grimm. 9 Bedrängnis und Angst wird über jeden einzelnen Menschen kommen, der das Böse tut, wie zunächst über die Juden, so auch über die Griechen; 10 Herrlichkeit und Ehre und Friede wird über jeden kommen, der das Gute tut, wie zunächst über die Juden, so auch über die Griechen. 11 Denn es gibt kein Ansehen der Person bei Gott. ————————————————————

9

Wischmeyer, Gerichtsrede, 362, gliedert 2,1-29 im Sinn von zwei Reden mit anschließendem Kommentar: 2,1-10 Erste Rede; 2,11-16 Erste kommentierende Erwägung; 2,1724 Zweite Rede; 2,25-29 Zweite kommentierende Erwägung.

268 Römerbrief ————————————————————————————————————

II Paulus geht von der bisherigen Argumentation in der dritten Person Plural in 2,1-6 zu einem Dialog in der zweiten Person Singular über. Dies entspricht dem populärphilosophischen Vortragsstil der Diatribe.10 Der Dialogpartner ist ein typischer Jude,11 der Einwände gegen Paulus und seine Theologie formuliert. Dabei handelt es sich nicht um einen Judenchristen, etwa in der stadtrömischen Gemeinde, sondern um einen Juden, der sich nicht zum Evangelium und das heißt zum Glauben an Jesus als Messias Israels, der im Endgericht rettet, bekehrt hat. Paulus schreibt nicht als Theologe, der seine anthropologischen Ansichten über Juden darlegt, sondern als Missionar, der missionstheologisch erläutert, weshalb nicht nur die Griechen (1,18-32), sondern auch die Juden (2,1–3,20) an Jesus glauben müssen, um im Endgericht gerettet zu werden. Der Abschnitt konzentriert sich auf die Kategorien des Richtens und des Gesetzes. Die Vokabel „richten“ (κρι'νω) kommt in 2,1(3x).3.12.16 vor, „verurteilen“ (κατακρι'νω) in 2,1, „Gericht“ (κρι'μα) in 2,2.3, „gerechtes Gerichtsurteil“ (δικαιοκρισι'α) in 2,5, „Gesetz“ (νο' μος) in 2,12(2x).13(2x). 14(4x), „ohne das Gesetz“ (α» νομος) in 2,12(2x). Der Mensch, der andere Menschen richtet, obwohl er wie diese handelt, ist der Jude, der das Gesetz besitzt und kennt, es aber nicht hält. Deshalb sind Juden, genauso wie die Heiden, dem Zorn Gottes (1,18) und damit dem kommenden Endgericht Gottes ausgesetzt (1,32, aufgenommen und erläutert in 2,5-11). Paulus stellt Juden, die das Gesetz haben, jedoch das, was Gott fordert, nicht tun, Heiden(christen)12 gegenüber, die das mosaische Gesetz nicht haben, dafür aber Jesus Christus und ein vom Gesetz informiertes Herz (2,14-16). Textkritische Anmerkungen. In V. 1 fügen C*vid 69 88 104 1319 u.a. h** sy sa? hinter ε� ν ω ð, γα' ρ das Wort κρι'ματι ein, was eine hebraisierende Angleichung an Mt 7,2 (vgl. Offb 18,20) sein könnte.13 In V. 2 lesen A B D G K L P Ψc 6 88 103 181 Byz die Partikel δε' , die damit etwas besser bezeugt ist als das den Übergang von V. 1 glättende γα' ρ (‫ א‬C Ψ* 33 436 1573 u.a. Die Umschreibung der ersten elf Wörter von V. 3 in P (νομι'ζεις ουò ν ο� ταυñ τα πρα' σσων) will den Text vereinfachen und ist kaum die ursprüngliche Lesart. Die Ersetzung von σε α» γει in V. 4 durch ε� να' γει in 33 ist wohl ein Schreibfehler. Die Ersetzung von α� ποκαλυ' ψεως in V. 5 durch α� νταποδο' σεως in A ist der nicht sehr geglückte Versuch, die Formulierung ————————————————————

10 11 12 13

Zur Diatribe s. die Einleitung zu 1,18–3,20. Zur Begründung s. die Einleitung zu 2,1–3,20. Zur Begründung s. den Kommentar zu 2,14. Cranfield I 142; Jewett 192.

Die Juden vor Gottes Gericht 2,1-11 269 ————————————————————————————————————

des Satzes zu verbessern.14 Die sich anschließende Hinzufügung von και' in ‫א‬2 D2 K L P Ψ 33 88 104 u.a. Byz glättet den Text durch die Herstellung von drei parallelen, η� με' ρα, ο� ργηñ ς modifizierenden Genitivwendungen und ist deshalb sicher sekundär (gegenüber dem Text von ‫*א‬A B D*.c G 81 1506 u.a.). Die Hinzufügung von μεν hinter α� πειθουñ σιν in V. 3 (‫א‬2 A D2 K L P Ψ 6 33 u.a. Byz; ohne μεν: ‫ *א‬B D* G 1739 1881 u.a.) versucht, die Syntax zu glätten. III

1

Paulus rechnet nach dem Erweis der Sündhaftigkeit und Gerichtsverfallenheit der Heiden im vorausgehenden Abschnitt mit einer Verteidigung (α� πολογι'α) seines jüdischen Dialogpartners. Er weist in den folgenden Ausführungen nach, dass dieser ohne Entschuldigung (α� ναπολο' γητος) ist, genauso wie Heiden keine Entschuldigung haben (1,20). Der Jude, der die Heiden aufgrund ihres Götzendienstes und ihres unmoralischen Verhaltens verurteilt, kann in Gottes Gericht deshalb nichts zu seiner Verteidigung anführen, weil er genauso handelt wie diese. Der Anschluss von V. 1 an 1,32 mit διο' gilt als schwierig, weil Paulus die Partikel sonst in folgerndem Sinn verwendet (Röm 4,22; 13,5; 15,7.22 u.a.), das in 2,1 Gesagte sich jedoch nicht aus 1,32 ergibt, vor allem dann nicht, wenn man 2,1-11/16 an einen jüdischen Dialogpartner gerichtet sieht. In 1,32 werden Menschen verurteilt, die anderen Sündern Beifall spenden, während in 2,1 Menschen verurteilt werden, die andere richten. Manche scheiden deshalb 2,1 als Glosse aus.15 Andere argumentieren, διο' könne dann in seiner vollen, logisch schlussfolgernden Bedeutung verstanden werden, wenn man in 1,18-32 und in 2,116 sowohl Juden wie Heiden angesprochen sieht (s. dazu oben).16 Der Vorschlag, διο' sei ein Schreibfehler für δι' ς („doppelt unentschuldbar“),17 ist kreativ, aber nicht überzeugend. Andere halten διο' in 2,1 für eine einfache Übergangspartikel.18 Am überzeugendsten ist der Vorschlag, διο' nicht nur auf 1,32, sondern auf 1,18-32 insgesamt zu beziehen:19 U. Wilckens hat recht: „Der Gedanke ist der: Auch du, Mensch, der du dich von dem sündigen ‚Menschen‘ distanzierst, indem du über ihn richtest, verfällst ebenso Gottes Gericht, weil du nämlich selbst Gleiches tust“. Paulus zielt seit 1,18 auf die Wendung „darum bist du ————————————————————

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Jewett 192, mit Verweis auf Cranfield I 145. Bultmann, Glossen, 281: 2,2 schließt an 1,32 an, und in 2,3 wird mit δε' das neue Argument eingeführt; vgl. Käsemann 49; Schmithals 204. Die Annahme einer Glosse ist nicht plausibel: 2,3 setzt 2,1 voraus; Wilckens I 123. Cranfield I 141-142; Jewett 196, mit Verweis auf Bassler, Impartiality, 133: διο' signalisiert eine weitere Konsequenz des vorausgehenden Arguments: Die Menschen, die Gottes Willen kennen, können sich nicht damit entschuldigen, dass sie andere richten, während sie in ähnlicher Weise durch ihr eigenes Verhalten die Wahrheit unterdrücken. Als Konsequenz aus dem vorher Gesagten ergibt sich dies jedoch immer noch nicht. Fridrichsen, Jude, 187, mit Verweis auf den freien Gebrauch der Partikeln bei Paulus. Molland, Beobachtungen; Lietzmann 39; Michel 113. Sanday/ Headlam 55; Meyer 100; Cranfield I 141; Schreiner 107; Wilckens I 123.

270 Römerbrief ———————————————————————————————————— ohne Entschuldigung“ als Überraschungseffekt: „Aus der Gerichtsrede gegen die Heiden folgt nicht die Selbstinszenierung des Juden, sondern sie mündet vielmehr aus in der Behaftung des Juden selbst bei ebendem sündigen Tun, das er bei den Heiden verurteilt“. 20

Für Paulus ist das Problem nicht das Richten über andere Menschen als solches,21 sondern das Richten bei gleichzeitigem Tun derselben Sünden.22 Die ò α» νθρωπε) erinnert an das entlaranklagende Formulierung o Mensch (ω vende „Du bist der Mann“ in der Nathanparabel 2Sam 12,7 (‫תה ָהִאיׁש‬ ָּ ‫ ;ַא‬LXX: 23 συ` ειò ο� α� νη` ρ ο� ποιη' σας τουñ το). Die Wendung jeder, der richtet (παñ ς ο� κρι'νων) verallgemeinert: Es geht nicht um einen Einzelfall, sondern um alle Menschen, die andere richten. Der Jude, der sich hinter dem „o Mensch“ verbirgt, repräsentiert das ganze jüdische Volk. Das Verb „richten“ ist hier kein juristischer Fachbegriff, sondern bedeutet in negativem Sinn „aburteilen, kritisieren, schlechtmachen, verdammen“.24 Im Kontext von 1,32 ist allerdings eine juristische Komponente nicht ganz auszuschließen: Paulus spricht von dem jüdischen „Selbstbewusstsein, das sich jede Gleichstellung mit den Heiden in der Schuldfrage verbietet“.25 Paulus will nicht sagen, dass Juden eher geneigt sind, andere Menschen zu verdammen.26 Er verweist auf den Stolz der Juden, in der Lage zu sein, zwischen moralischem und unmoralischem Verhalten unterscheiden zu können, sowie auf ihr Vertrauen auf die Barmherzigkeit Gottes, der sie sich als Folge des Bundes sicher sein können. Weish 12,22: „Während du [Gott] also uns erziehst, geißelst du unsere Feinde in unzähligen Weisen, damit wir, wenn wir richten (κρι' νοντες), uns um deine Güte bemühen, wenn wir aber gerichtet werden (κρινο' μενοι), Barmherzigkeit erhoffen“ (LXX.D). Weish 15,1-6: „Du aber, unser Gott, bist gütig und wahr (χρηστο` ς και` α� ληθη' ς), langmütig und mit Erbarmen (μακρο' θυμος και` ε� λε' ει) alles regierend. Selbst wenn wir nämlich sündigen (ε� α` ν α� μα' ρτωμεν), gehören wir dir (σοι' ε� σμεν), da wir um deine Kraft wissen; wir werden aber nicht sündigen (ου� χ α� μαρτησο' μεθα), da wir wissen, dass wir dir zugerechnet sind. Dich zu kennen ist nämlich vollkommene Gerechtigkeit (το` γα` ρ ε� πι' στασθαι' σε ο� λο' κληρος δικαιοσυ' νη), und um deine Kraft zu wissen ist Wurzel der Unsterblichkeit. Uns hat nämlich weder das Böses bewirkende Ersinnen von Menschen irregeführt noch die fruchtlose Mühe von Malern, eine mit verschiedenen Farben bekleckste Gestalt; deren Anblick erregt bei Toren Verlangen, und so begehrt jemand eines toten Bildes Gestalt, die nicht atmen kann. Von Bösem Liebhaber und würdig derartiger Hoffnungen sind sowohl die Anfertigenden als auch die Bekeh————————————————————

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Wilckens I 123. Wie in Röm 14,13; 1Kor 4,5; vgl. Mt 7,1/Lk 6,37. Zum Vergleich mit Mt 7,1 s. Brodie, Countering Romans, 529-530. So ähnlich Jak 4,11-12. Wilckens I 124; Zeller 52; Dunn I 79; Stuhlmacher 38-40; Fitzmyer 297. Bauer / Aland s.v. κρι' νω 6b; M. Rissi, Art. κρι' νω, EWNT II, 789; Wolter I 167. Michel 113. Gathercole, Boasting, 204-205, gegen Barrett 44.

Die Juden vor Gottes Gericht 2,1-11 271 ———————————————————————————————————— renden und die Verehrenden“ (LXX.D, unter der Überschrift „Sündenvergebung und ewiges Leben durch Anerkennung des wahren Gottes“). Das in diesem Text zum Ausdruck kommende Vertrauen kann als orthodoxe theologische Aussage verstanden werden: Gott hat innerhalb des Bundes die Möglichkeit gegeben, dass Sünden vergeben werden. Deshalb kann Israel nicht von Gott getrennt werden, weil das Volk Gott gehört.27 Gleichzeitig ist richtig, dass die Stelle konsequent auf die Immunität vom Götzendienst zu beziehen ist, der in Israel nicht (mehr) vorkommt.28

Die Formulierungen worin du den anderen richtest (ε� ν ω ð, γα` ρ κρι'νεις το` ν ε«τερον) und du tust dasselbe (τα` … αυ� τα` πρα' σσεις) beziehen sich einmal auf die in 1,18-32 und besonders 1,29-31 genannten Sünden, sind aber nicht auf diese zu beschränken: Es gibt mehr als eine Möglichkeit, das erste oder das sechste Gebot zu brechen. In V. 21-24 wird Paulus die Sünden, derer die Juden schuldig sind, ausführlicher behandeln. 2 Mit dem Satz wir wissen (οι»δαμεν)29 beschreibt Paulus den vom jüdischen Dialogpartner akzeptierten, unstrittigen Grundsatz, dass das Tun des Menschen das Kriterium des Gerichtes Gottes ist. Das Gericht Gottes (το` κρι'μα τουñ θεουñ ) ist das Zorngericht Gottes (V. 5),30 in dem die Menschen, die solche Dinge tun (τα` τοιαυñ τα πρα' σσοντας), d.h. die in 1,18-31 genannten Taten begehen, mit dem Tod bestraft werden (1,18.32). Der Maßstab (κατα' ) des göttlichen Gerichts ist das Recht (α� λη' θειαν), d.h. die Wirklichkeit des Willens Gottes: Weil Gott die Menschen bestraft, die seinem Willen zuwiderhandeln, ergeht sein Urteilsspruch zu Recht.31 ————————————————————

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Hübner, Weisheit Salomons, 184. Gathercole, Boasting, 166-168: Die Aussage in Weish 15,2a („selbst wenn wir nämlich sündigen, gehören wir dir, da wir um deine Kraft wissen“) wird durch die Aussage in 15,2b („wir werden aber nicht sündigen, da wir wissen, dass wir dir zugerechnet sind“) zu einer bloß hypothetischen Annahme. Winston, Wisdom, 282; vgl. Judit 8,18: „Denn eines gab es bei uns nicht und gibt es auch heute nicht: Es gibt weder einen Stamm noch eine Familie, weder einen Gau noch eine Stadt, die von Menschen gemachte Götter anbeten, wie es in früherer Zeit geschah“ (EÜ). Vgl. Hübner, Weisheit Salomons, 185; Gathercole, Boasting, 166-169, mit Kritik an Exegeten, die Weish 15,2 als Beleg für das Vertrauen auf die Barmherzigkeit Gottes und damit auf die Bundeszugehörigkeit Israels interpretieren (Dunn I 82; Longenecker, Eschatology, 182; vgl. Dodd 58; Wilckens I 124; Schreiner 109). Vgl. Röm 3,19; 7,14; 8,22.26.28; 1Kor 8,1.4; 2Kor 5,1.16; 1Tim 1.8. Um einen „Lehrsatz“ (Michel 143) handelt es sich bei der Formulierung οι»δαμεν ο« τι nicht automatisch. Bauer / Aland s.v. κρι' μα 4b: das richterliche Urteil, meist im negativen Sinn von der „Entscheidung, die Strafe verhängt, dem Verdammungsurteil“; vgl. M. Rissi, Art. κρι' μα, EWNT II, 785. Für die Bedeutung „Urteil, Rechtsspruch“ in den Papyri vgl. Papathomas, Begriffe, 95-96 (SB X 10211; XVI 12531). Bauer / Aland s.v. α� λη' θεια 3, „die Wirklichkeit“ im Gegensatz zum Schein; Röm 2,2: „dem wahren Sachverhalt entsprechend“. Konradt, Gericht, 502, verweist auf die Parallelen 1QS IV, 20; CD XX, 29-30; 4Esr 7,34; syrApkBar 85,9; TestIob 43,13. Haacker 69 interpretiert im Sinn der persönlichen „Glaubwürdigkeit Gottes“ und der moralischen „Stimmigkeit“ seines Urteilens. Anders Wolter I 168, der κατα` α� λη' θειαν als Satzadverbi-

272 Römerbrief ————————————————————————————————————

3 Paulus wendet den Grundsatz von V. 2 konkret auf den jüdischen Dialogò α» νθρωπε). Paulus formuliert eine Frage, partner von V. 1 an: o Mensch (ω die dem im Blick auf den vom Evangelium nicht erfassten Juden ein Dreifaches vorwirft. 1. Er richtet (ο� κρι'νων)32 die Heiden, die solche Dinge tun (του` ς τα` τοιαυñ τα πρα' σσοντας), d.h. die entgegen dem Willen Gottes handeln. 2. Er tut dasselbe (ποιω ñ ν αυ� τα' ), d.h. er tut die in 1,18-31 genannten Dinge, die unter den Heiden gang und gäbe sind. 3. Er rechnet damit (λογι'ζη, τουñ το), dass er dem Gericht Gottes entrinnen wird (ε� κφευ' ξη, το` κρι'μα τουñ θεουñ ). Das Verb λογι' ζομαι bedeutet „meinen, denken, glauben, annehmen“, hier in 2,3 in dem Sinn „bildest du dir etwa dieses ein, dass“.33 In profanen griech. Texten bezeichnet das Verb entweder das kaufmännische „rechnen, berechnen“ oder das rationale Denken im Sinn von „bedenken, schließen“. In den Papyri bedeutet das Verb „berechnen, anrechnen, in Rechnung stellen“, meist im Zusammenhang von Grundstücken, Geld oder Getreide. In der LXX schwingt eine größere Subjektivität mit, es wird zur Bezeichnung der persönlichen Meinung verwendet („ersinnen, erdenken, planen, halten für“; Gen 31,15; 1Kön 1,13), aber auch für kaufmännisches Rechnen (Lev 25,27.50.52), im religiösen Bereich für den Ratschluss und das Urteil Gottes (Jer 18,8.11; Gen 15,6).34 Das Verb kommt in Röm häufig vor: 2,3.26; 3,28; 4,3-6.8-11.23; 4,23.24; 6,11; 8,18.36; 9,8; 14,14.

Weil Juden dem Grundsatz von V. 2 zustimmen, bedeutet die dritte Beschreibung, dass sie der Meinung sind, keine Sünde zu haben, die im Endgericht von Gott gerichtet werden wird. Der jüdische Dialogpartner ist überzeugt, dass Sünder im zukünftigen Endgericht von Gott gerichtet werden, glaubt aber, dass er dem Urteilsspruch Gottes entrinnen wird.35 Die Frage soll deshalb als rhetorische Frage verstanden werden: Wenn Juden akzeptieren, dass im Endgericht das Tun entscheidet, dann müssen sie akzeptieren, dass sie im Zorngericht Gottes gerichtet werden, da sie genauso dem Willen Gottes zuwiderhandeln, wie das die Heiden tun. Das Problem der Juden ist nicht, dass sie andere richten, was Sünde ist, weil das Richten Sünde ist bzw. nur Gott zusteht. Ihr Problem ist nicht die Annahme, dass sie ————————————————————

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ale im Sinn von „tatsächlich“ interpretiert („Das Gericht Gottes ergeht in Wahrheit …“). ο� κρι' νων ist Apposition zu dem in λογι' ζη, implizierten συ' ; NSS II, 6. Bauer / Aland s.v. λογι' ζομαι 3; für die Papyri s. Arzt-Grabner, 1. Korinther, 161. Vgl. H.W. Heidland, Art. λογι' ζομαι, ThWNT IV, 287-288; H. Bartsch, Art. λογι' ζομαι, EWNT II, 874-875; zur Kritik an Heidland s. Neubrand, Abraham, 158-161. Bauer / Aland s.v. ε� κφευ' γω 2bβ „entrinnen, entkommen“ in übertragener Bedeutung. Diese Bedeutung des Verbs im Sinn von „entkommen“ oder „meiden“ einer bestimmten, misslichen oder lebensgefährdenden Situation kommt auch in den Papyri vor (P.Tebt. III.1 798; P.Yale I 57); auch vom Entrinnen der Komplikationen bei einer Geburt (P.Münch. III 57) oder einer Krankheit, die man nicht aufgeschnappt hat (P.Iand. VI 111); Arzt-Grabner, 2. Korinther, 504.

Die Juden vor Gottes Gericht 2,1-11 273 ————————————————————————————————————

aufgrund der Erwählung durch Gott im Endgericht von Gott anders behandelt werden.36 Das Problem des jüdischen Dialogpartners besteht darin, dass er seine Sündhaftigkeit ignoriert bzw. falsch einschätzt, indem er nicht erkennt, dass er unvergebene Sünden hat und er deshalb im Endgericht dem Zorn Gottes ausgesetzt ist. Die folgende Argumentation von Paulus betont die Sündhaftigkeit der Juden (V. 21-24; 3,9-18), deren diese sich nicht in rechter, auf das vom Messias Jesus vollzogene Endgericht (V. 16) bezogene Weise bewusst sind. 4 Die zweite Frage formuliert ebenfalls einen dreifachen Vorwurf. 1. Der jüdische Dialogpartner verachtet den Reichtum seiner Güte, Geduld und Langmut. Der „Dreiklang“ von Güte, Geduld und Langmut Gottes ist rhetorisch, verweist aber zugleich auf die jüdische Gebetssprache: Gott ist barmherzig, gütig, langmütig, edelmütig, gnadenreich, verzeihend (4Esr 7,132-140).37 „Güte“ (χρηστο' της) ist die Milde bzw. Freundlichkeit, die sich in Taten niederschlägt, die dem Bedürftigen „nützen“.38 Gottes Güte besteht hier konkret darin, dass er das Endgericht noch auf sich warten lässt. „Geduld“ (α� νοχη' ) ist die Nachsicht, hier der Aufschub der Strafe Gottes.39 „Langmut“ (μακροθυμι'α) beschreibt die Zurückhaltung angesichts von Provokationen,40 hier Gottes einstweilige Duldung von Übertretungen, ohne ————————————————————

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So Yinger, Judgment, 152-153: „Paul’s purpose in Romans 1–4 is to destroy any sense of distinction, privilege, or advantage before the divine tribunal based on racial or religious differences … It is not against a world claiming ‚we have not sinned‘ that he is arguing, but against Jews or Jewish-Christians claiming that they will not be treated the same as the ‚sinners‘ in the judgment of God“. Ähnlich Longenecker, Eschatology, 182. Zur Kritik s. Gathercole, Boasting, 210-211. Michel 114. Alle drei Genitive sind von τουñ πλου' του abhängig; der Genitiv von τουñ πλου' του ergibt sich aus dem Verb (Bauer / Aland s.v. καταφρονε' ω). Bauer / Aland, s.v. χρηστο' της: 1. Güte, Rechtschaffenheit; 2. Güte, Milde, Freundlichkeit; J. Zmijewski, Art. χρηστο' της, EWNT III, 1139: „Güte, Rechtschaffenheit, Milde, Freundlichkeit“; vgl. K. Weiss, Art. χρηστο' ς κτλ., ThWNT IX, 472-481; E. Beyreuther / R. Heiligenthal, ThBLNT I, 864-865. Die wörtl. Bedeutung ist „Brauchbarkeit, Nützlichkeit“. Das Wort wird in den Papyri als Form der Anrede an höhergestellte Personen wie Statthalter verwendet; es bezeichnet „eine Eigenschaft, die bestimmte Menschen vor anderen auszeichnete“ und die aufgrund ihrer ethischen und wirtschaftlichen Voraussetzungen in der Lage sind, anderen „nützlich“ zu sein; Arzt-Grabner, 2. Korinther, 349, mit Verweis u.a. auf SB XX 14662 Kol. I, 17-18; P.Oxy. XXXI 2600. Paulus verwendet das Wort noch in Röm 3,12; 11,22; 2Kor 6,6; Gal 5,22; Eph 2,7; Kol 3,12; Tit 3,4. Bauer / Aland, s.v. α� νοχη' : 1. d. Innehalten, Aufhalten, Hemmung, Aufschub; 2. Zurückhaltung, Nachsicht, so Röm 2,3; 3,26; H. Schlier, Art. α� νε' χω κτλ., ThWNT I, 360-361, zur Stelle 361: Die α� νοχη' ist „das An-sich-halten Gottes in seinem Zorneswirken, das als wesentliche Bestimmung der Welt mit Christus ein Ende gefunden hat“; H. Balz, EWNT I, 256; U. Falkenroth / H.-P. Willi, ThBLNT I, 668-669. BDAG s.v. μακροθυμι' α 2: „state of being able to bear up under provocation, forbearance, patience toward others“. Vgl. J. Horst, Art. μακροθυμι' α κτλ., ThWNT IV, 377-

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diese sofort zu ahnden. Mit „Reichtum“ ist gemeint, dass Gott Güte, Geduld und Langmut nicht widerwillig oder in kleinlich-sparsamer Weise gewährt, sondern im Überfluss gibt. Der implizite Vorwurf, dass der Dialogpartner den Vollzug des Zorngerichts als aufschiebende Güte Gottes „verachtet“ (καταφρονειñς),41 setzt voraus, dass Fehlverhalten vorliegt, das Gott richten muss, aber noch nicht richtet. 2. Der Jude erkennt das Ziel der Güte Gottes nicht. Die Wendung ohne zu erkennen (α� γνοω ñ ν) verbindet das Fehlverhalten des jüdischen Dialogpartners mit dem Fehlverhalten der Heiden in 1,21, die zwar Gott erkannt haben (γνο' ντες το` ν θεο' ν), aber aus dieser Erkenntnis nicht zur Anbetung Gottes gelangten, weil sie ein unverständiges (α� συ' νετος) Herz haben. 3. Der Jude verweigert sich der Umkehr, zu der Gottes Güte ihn führen will.42 „Umkehr“ (μετα' νοια)43 bedeutet „Sinnesänderung“, oft verbunden mit der Änderung von Absichten oder Plänen oder der Neuerwägung einer früheren Meinung; in den atl. Propheten beschreibt das Verb ‫וב‬ ּ ‫[ ׁש‬schūb] das Umkehren zu Jahwe, oft verbunden mit dem Gedanken eines Neuanfangs.44 Für die Juden gründete das Heilsvertrauen auf die Buße, die Gott fordert und zugleich gewährt, auf den Taten, die sich aus der Buße ergeben sowie auf Gott, der seine Gnade den Menschen gewährt, die Buße tun. Siehe Weish 12,10.19: „Indem du sie [die Gottlosen] aber (nur) nach und nach straftest, gabst du Raum zur Umkehr (ε� δι'δους το' πον μετανοι'ας), wohl wissend, dass schlecht war, was sie hervorbrachten, und ihre Bosheit von Geburt an (bestand), und dass sich ihr Denken nicht ändern würde (ου� μη` α� λλαγηñ, ο� λογισμο` ς αυ� τω ñ ν) in Ewigkeit … Du hast aber dein Volk durch solches Wirken gelehrt, dass der Gerechte menschenfreundlich sein soll, und hast deinen Söhnen gute Hoffnung gemacht, dass du bei Verfehlungen ————————————————————

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390; H.W. Hollander, EWNT II, 936-938; U. Falkenroth/H.-P. Willi, ThBLNT I, 671673, mit dem Kommentar: Gottes „Zorn würde verharmlost, wollte man seine Langmut allein als erziehendes Handeln, als Gelegenheit zur Besserung deuten“. Bauer / Aland s.v. καταφρονε' ω 1: „verachten, geringschätzen, verächtlich behandeln“; C. Schneider, Art. καταφρονε' ω κτλ., ThWNT III, 633-634, hier: unziemlich denken über Gott. Vgl. Arzt-Grabner, 1. Korinther, 396-397 zu den Papyri, in denen das Verb für die „Geringachtung“ bzw. „Kränkung“ einer Person verwendet wird. Das Präsens α» γει ist konatives Präsens: Gott will den Juden zur Umkehr führen. NSS I, 6; Lohse 99-100; Wolter I 171. Bauer / Aland, s.v. μετα' νοια: Sinnesänderung; Buße, Umkehr, Bekehrung; vgl. J. Behm/ J. Würthwein, Art. μετανοε' ω κτλ., ThWNT IV, 962-1004; H. Merklein, EWNT II, 10221031; C. Spicq, TLNT II, 471-477; J. Goetzmann, ThBLNT I, 234-236; zu Paulus Schnabel, Repentance. Vgl. 2Kor 7,9-10; 12,21; 2Tim 2,25. „Umkehr“ ist ein Schlüsselwort der Verkündigung von Johannes dem Täufer (Mk 1,4) und von Jesus (Lk 5,32); vgl. Merklein, Umkehrpredigt; Kim-Rauchholz, Umkehr. M. Graupner/H.J. Fabry, ‫ׁשוב‬, ThWAT VII, 1118-76; Wolff, Umkehr; Fohrer, Umkehr.

Die Juden vor Gottes Gericht 2,1-11 275 ————————————————————————————————————

Umkehr gibst (διδοιñς ε� πι` α� μαρτη' μασιν μετα' νοιαν)“ (LXX.D). Der Prozess der Umkehr beinhaltet ein Zweifaches: das Eingeständnis der eigenen Sünde und die Bitte an Gott um Vergebung, sodann den Dank an Gott für seine Gnade und Vergebung und die Verpflichtung zu einem neuen und konsequenteren Gehorsam. Das atl. und jüdische Verständnis von Umkehr ist Paulus bekannt:45 Der Sünder muss sein Fehlverhalten erkennen, seine sündigen Handlungen bekennen und sein Verhalten ändern.46 Die Ablehnung der von Gott ermöglichten Umkehr bedeutet in einem atl.-jüdischen Kontext, dass der sündigende Jude seine Sünde nur dann vergeben bekommt, wenn er „umkehrt“, d.h. wenn er seine Sünde eingesteht, bekennt, Opfer darbringt bzw. sich rituellen Waschungen unterzieht, und sein Denken und Verhalten ändert. Die Opfer vergeben nicht ex opere operato das getane Fehlverhalten, nur weil der sündigende Jude zum Bund Gottes mit Israel gehört.47 Wer nicht umkehrt, bekommt keine Sündenvergebung – das Ritual von Sündopfern und Waschungen nützt dem Unbußfertigen nicht. In der jüdischen Apokalyptik wird Israel gewarnt, dass die Zeit der Langmut Gottes, in der Umkehr möglich ist, zu Ende sein wird, wenn das Endgericht kommt. Nach äthHen 50,2-5 gibt es unmittelbar vor der endzeitlichen Auferstehung der Toten für die Sünder die Möglichkeit der Buße, deren Zeit allerdings begrenzt ist: „Am Tag der Not wird sich das Unheil über den Sündern sammeln, und die Gerechten werden siegreich sein im Namen des Herrn der Geister, und er wird es die anderen sehen lassen, damit sie Buße tun und von dem Tun ihrer Hände ablassen. Sie werden keine Ehre vor dem Herrn der Geister erlangen, jedoch durch seinen Namen gerettet werden. Und der Herr der Geister wird sich ihrer erbarmen, denn seine Barmherzigkeit ist groß. Er ist gerecht in seinem Gericht, und vor seiner Herrlichkeit und in seinem Gerichte wird keine Ungerechtigkeit Bestand haben: Wer aber keine Buße vor ihm tut, der wird untergehen. Von nun an aber will ich mich ihrer nicht (mehr) erbarmen, spricht der Herr der Geister“ (E. Kautzsch). syrApkBar 85,12: „Denn siehe, der Höchste wird all dieses kommen lassen. Dort wird dann nicht mehr Gelegenheit für Reue sein und keine Grenze für die Zeiten, auch keine Dauer für die Perioden, kein Wechsel auch zur Ruhe und nicht Gelegenheit für ein Gebet; ein Aufsteigen der Bitten wird es nicht mehr geben und kein Erlangen von Erkenntnis, auch nicht die Gabe der Liebe und nicht Gelegenheit für Umkehr; es gibt kein Flehen mehr für Übertretungen und keine Gebete der Väter, kein Flehen der Propheten und keinen Beistand der Gerechten“ (A.F.J. Klijn). Der Text datiert ca. 100–130 n.Chr., d.h. eine Zeit, in der der Tempel zerstört war und keine Opfer mehr dargebracht wurden.

Die Frage in V. 4 ist in provozierender Weise anklagend: Wenn sich Juden der Güte, Geduld und Langmut Gottes verweigern, die sie zur Umkehr und ————————————————————

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Stuhlmacher, Theologie I, 258. Wischmeyer, Gerichtsrede, 370, meint, die Pragmatik des Abschnitts eröffne „keinen Weg zu Buße und Umkehr“, ohne 2,3-4 zu erörtern, ein Text, der im Kontext von 2,16 und 3,21-31 dem jüdischen Dialogpartner in der Tat einen „Weg zur Buße“ zeigt. Gathercole, Boasting, 209-210, gegen die Vertreter der sog. Neuen Paulusperspektive.

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das heißt zur Sündenvergebung und zum rechten Verhältnis mit Gott führen kann und soll, dann bleibt für sie nur das Zorngericht Gottes.48 Im Zusammenhang der missionarischen Theologie des Apostels bedeutet „Umkehr“ die Hinwendung zur Heilsoffenbarung Gottes in Jesus, dem Messias Israels und Retter von Juden und Griechen, die im Evangelium verkündigt wird (1,3-4.16-17). 5-6 Die explizite Anklage ersetzt die impliziten Anklagen von V. 3-4. Paulus wirft dem jüdischen Dialogpartner bzw. dem jüdischen Volk ein Zweifaches vor. 1. Ihr Leben ist gekennzeichnet von Starrsinn (σκληρο' της),49 d.h. Härte gegenüber dem Willen Gottes. In der griech. Literatur wird σκληρο' ς („hart, trocken, steif“) oft mit μαλακο' ς („weich, biegsam, geschmeidig“) kontrastiert. Im physischen Sinn beschreibt das Wort oft die Eigenschaften von Stein, Metallen, Holz, Gebein, im übertragenen Sinn die Hartnäckigkeit und Eigensinnigkeit. Das Subst. kommt in der LXX vier Mal vor (Deut 9,27: Hartnäckigkeit bzw. Eigensinnigkeit gegen Gottes Willen; 2Sam 22,6: Situation, die hart bzw. schwer erträglich ist; Jes 4,6: Härte klimatischer Bedingungen; 28,27: Härte der Behandlung durch andere). 2. Sie sind gekennzeichnet von einem unbußfertigen Herzen (α� μετανο' ητος καρδι'α), d.h. von einem Denken, Wollen und Verhalten, das sich der Umkehr verweigert.50 Da Paulus V. 16 betont, dass Jesus Christus der Richter im Endgericht ist, ist der Starrsinn und die Unbußfertigkeit auf den nicht an Jesus glauben wollenden Juden zu beziehen.51 Die Wendung (du) sammelst dir selbst Zorn an beschreibt die Folge der starrsinnigen Verweigerung der Umkehr. Das Verb θησαυρι'ζω [thēsaurizō] bedeutet im buchstäblichen Sinn ————————————————————

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Gathercole, Boasting, 205-210: Paulus wirft den Juden nicht Selbstgerechtigkeit, sondern fehlende Buße angesichts von konkreten Sünden vor; weil sein jüdischer Dialogpartner seine Sünden nicht bereut und nicht Buße tut, ist das Opfersystem für sie nicht wirksam. Vgl. K.L. Schmidt/M.A. Schmidt, σκληρο' της, ThWNT V, 1030-3031; P. Fiedler, Art. σκληροκαρδι' α κτλ., EWNT III, 606-608; C. Spicq, TLNT III, 258-262; U. Becker/ K. Haacker, ThBLNT I, 867-870. Siehe den Ausdruck σκληροκαρδι' α („Herzenshärte, Sprödigkeit, Verstocktheit“) in Mt 19,8; Mk 10,5. Vgl. J. Behm, α� μετανο' ητος, ThWNT IV, 1004: „keiner Sinnesänderung ausgesetzt, unbereubar, unwiderruflich, unverbrüchlich“; in Epiktet, Diss. Frag. 25 zur Beschreibung des stoischen Ideals des Nicht-Bereuens. Die Aussage, „der eigenmächtige Mensch ist unfähig zur der entscheidenden Wendung zu Gott hin … ‚Weil das Herz α� μετανο' ητος ist, war Paulus nicht Bußprediger, sondern Evangelist‘“ (ebd, mit Zitat von Schlatter 77 Anm. 1) geht über den Text hinaus, wo von einer Unfähigkeit des menschlichen Herzens im Blick auf die Umkehr nicht die Rede ist. Zu μετα' νοια s. 2,4, zu καρδι' α s. 1,21. Vgl. Fiedler, EWNT III, 608: „Röm 2,4 greift den Vorwurf der Herzenshärte, der vom Christusverständnis des (Paulus) her von vornherein für die nicht an Jesus Christus glaubenden – und in diesem Sinn nicht zur Umkehr bereiten – Juden feststeht, im Blick auf die Gerichtsverfallenheit auf“.

Die Juden vor Gottes Gericht 2,1-11 277 ————————————————————————————————————

„etwas Materielles aufbewahren, aufspeichern, aufheben“, in übertragenem Sinn „etwas tun, das ein zukünftiges Ereignis bzw. Zustand bewirkt“.52 Weil „ansammeln“ hier in negativem Sinn verwendet wird, ist die Aussage „fast ironisch“.53 In jüdischen Texten wird das Verb für das Anhäufen guter Werke als „Schatz“ im Himmel verwendet: Tob 4,8-11: „Wie viel dir gehört, entsprechend dieser Menge gib Almosen; wenn du wenig hast, fürchte dich nicht, entsprechend dem Wenigen Almosen zu geben. Denn du sammelst dir einen guten Schatz (θε' μα γα` ρ α� γαθο` ν θησαυρι' ζεις σεαυτω ñ, ) für den Tag der Not. Denn Almosen errettet vom Tode und lässt nicht in die Finsternis eingehen. Eine gute Gabe ist ein Almosen für alle, die es geben, vor dem Höchsten“ (LXX.D). PsSal 9,5: „Wer Gerechtigkeit tut, sammelt Leben für sich (θησαυρι' ζει ζωη` ν αυ� τω ñ, ) beim Herrn, und wer Unrecht tut, verschuldet sein eigenes Verderben“ (LXX.D). Vgl. 4Esr 6,5.

Paulus wirft dem jüdischen Dialogpartner vor, sich durch seinen Starrsinn und Unbußfertigkeit „Zorn“ (ο� ργη' , s. zu 1,18) aufzuhäufen für den Tag des Zorns und der Offenbarung des gerechten Gerichtsurteils Gottes. Der „Tag des Zorns“ (η� με' ρα ο� ργηñ ς) ist der Tag, an dem Gott sein „gerechtes Gerichtsurteil“ (δικαιοκρισι'α)54 offenbart, das seinen Zorn vollstreckt. Die Propheten sprechen wiederholt vom Gericht als Tag des Zornes Gottes.55 Das Verb „offenbaren“ (α� ποκαλυ' πτω) bedeutet im profanen Sinn z.B. das „Freilegen“ des Ackerlandes nach dem Zurückweichen des jährlichen Nilhochwassers,56 sodann „etwas Verborgenes aufdecken“ (LXX: Ex 20,27; Lev 18,6; Num 5,18) sowie „offenlegen, öffentlich bekannt machen“ (LXX: Hos 2,19; 7,1; Dan 2,19.22; Sir 6,9), z.B. Geheimnisse (LXX Spr 11,13; Sir 27,16).57 Das in der griech. Literatur selten belegte Subst. α� ποκα' λυψις58 ————————————————————

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BDAG s.v. θησαυρι' ζω 1-2; Hauck, θησαυρι' ζω, ThWNT III, 138; Zeller, EWNT II, 369. Michel 114; Gathercole, Boasting, 206; anders Käsemann 53. Wolter I 171: Paulus beschreibt mit der Finanzmetapher θησαυρι' ζεις den Stand des Kontos, auf dem der α» νθρωπος παñ ς ο� κρι' νων von V. 1 Gottes Zorn gegen sich angesammelt hat. G. Schrenk, δικαιοκρισι' α, ThWNT II, 228: δικαιοκρισι' α ist „das gerechte Urteilen als die Eigenschaft eines δι' καιος κριτη' ς“; man sollte bei der Behandlung des Wortes nicht das gerechte Gerichtsurteil gegen den Charakter eines gerecht urteilenden Richters ausspielen (gegen Schrenk, der ebd. 229 meint, in Röm 2,5 gehe es um die Enthüllung von „Gottes Charakter als den des gerecht urteilenden Richters“). Die frühesten Belege stammen aus der jüdisch-hellenistischen Literatur: TestLev 3,2; 15,2 im Blick auf das Endgericht; in 2Makk 12,41 heißt Gott „der gerechte Richter“ (δικαιοκρι' της). Eine „besonders scharfe polemische Note“ hat δικαιοκρισι' α nicht (gegen Wilckens I 125; Dunn I 84). Vgl. Hos 6,5 LXX; Sib 3,704; TestLev 3,2; 15,2. Jes 13,9; 37,3; Zef 1,14-15.18; 2,2-3; für Paulus s. Röm 2,16; 1Kor 1,8; 5,5; Phil 1,6.10; 2,16; 1Thess 5,2.4. P.Cair.Zen. III 59497; P.Iand. III 27; SB IXV 12090; Arzt-Grabner, 1. Korinther, 128. Die Bedeutung „Enthüllung vor Gericht“ ist nur in dem späten Papyrus P.Cair.Masp. III 67295 (6. Jh.) belegt; Arzt-Grabner, 1. Korinther, 129 Anm. 327. Der früheste Beleg findet sich bei Ariston, Frag. 14.7 (3. Jh. v.Chr.), sodann grApkEsr

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beschreibt in Sir 22,22 den „Verrat“ eines Geheimnisses, in Sir 11,27[29] das Geschehen im Endgericht: „das Ende des Menschen (ist) die Offenbarung seiner Werke (α� ποκα' λυψις ε» ργων αυ� τουñ )“ (LXX.D). In Gal 1,12.16 bezeichnet das Substantiv die Offenbarung des Gottessohnes, die Paulus bei seiner Bekehrung und Berufung widerfuhr, in Röm 1,17 die Offenbarung der Gottesgerechtigkeit im Evangelium, in 16,25 die Evangeliumsoffenbarung (vgl. Eph 3,3.5). Von einer zukünftigen Offenbarung spricht 1,18 (Offenbarung des Zornes Gottes); 1Kor 1,7; 2Thess 1,7 (Offenbarung des Herrn Jesus Christus); Röm 8,19 die Offenbarung der Söhne Gottes und hier in 2,5 die Offenbarung des gerechten Gerichtsurteils Gottes. Der Zorn Gottes, der im Endgericht gegen die unbußfertigen Sünder vollstreckt wird, ist die Konsequenz der Gerechtigkeit Gottes des Schöpfers als des Herrn der Schöpfung.59 Sie wirkt sich für den jüdischen unbußfertigen Sünder in genau derselben Weise aus wie für den heidnischen Sünder – im Zorn Gottes, der den Tod des Sünders bedeutet (1,18.32).60 Paulus bestätigt die Aussage, dass das Endgericht ein Gericht nach den Werken ist (V. 2.3), mit einem nicht markierten atl. Zitat: Gott ist der Richter, der jedem vergelten wird nach seinen Werken – Ps 62,13 (LXX 61,13) und Spr 24,12.61 Dieser Grundsatz62 hat in Ps 62,13 eine positive Bedeutung: Der von Feinden bedrängte Gerechte hofft auf Gottes rettenden Eingriff. Bei Paulus ist die Bedeutung eine potentiell negative: Wenn der jüdische Dialogpartner trotz seiner ungesühnten Sünden nicht umkehrt, sondern auf seinem Starrsinn beharrt, dann bekommt er63 im Gericht Gottes das, was seine Taten verdienen: den Zorn Gottes, der gleichbedeutend ist mit dem Tod. Das Gericht Gottes ist sowohl universal – es trifft nach V. 910 Juden wie Griechen – als auch individuell (ε� κα' στω, , „jedem“).64 ————————————————————

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24,2; 26,20; 30,21; In den Papyri bisher nicht belegt; Arzt-Grabner, 1. Korinther, 51. Vgl. A. Oepke, Art. α� ποκαλυ' πτω κτλ., ThWNT III, 565-597; T. Holtz, EWNT I, 312-17. Käsemann 52: „Der verschmähte Herr kann sich jedoch, sofern er seinen Anspruch auf die Schöpfung nicht aufgibt und das in seiner Herrschaft bestehende Heil nicht selber relativiert, nur als Richter und zu unserm Unheil offenbaren … Dieser Herr erscheint denen, die sich ihm öffnen, als Heil, dagegen denen, die ihm widerstehen, als Unheil, weil sie damit dem eigenen Leben Ursprung, Ziel und Weg verstellen.“ D.h., δικαιοκρισι' α ist iustitia distributiva; Wilckens I 124. Röm 2,6 ο� ς α� ποδω' σει ε� κα' στω, κατα` τα` ε» ργα αυ� τουñ Ps 61,13 LXX συ` α� ποδω' σεις ε� κα' στω, κατα` τα` ε» ργα αυ� τουñ Spr 24,12 ο� ς α� ποδι' δωσιν ε� κα' στω, κατα` τα` ε» ργα αυ� τουñ Vgl. auch Hi 34,11; Jer 17,10; Hos 12,2; sowie Sir 16,12-14; Jub 5,15; äthHen 100,7; JosAs 28,3; AntBibl 3,10; im NT: Mt 16,27; 2Kor 5,10; Kol 3,25; 2Tim 4,14; 1Petr 1,17; Offb 2,23; 22,12. Vgl. Heiligenthal, Werke, 172-175. Bauer / Aland s.v. α� ποδι' δωμι 3: „vergelten“ im guten und schlimmen Sinn; F. Büchsel, α� ποδι' δωμι, ThWNT II, 170: „vergelten als Lohn und Strafe“; A. Sand, EWNT I, 307. Yinger, Judgment, 153-154; Gathercole, Boasting, 125.

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Paulus erläutert in V. 7-10 den biblischen Grundsatz vom Gericht nach den Werken (V. 6) in einem Chiasmus zwei Mal mit einem streng antithetischen Parallelismus: V. 7 Vergeltung der guten Taten / V. 10 Belohnung der Gerechten, V. 8 Vergeltung der bösen Taten / V. 9 Bestrafung der Übeltäter.65 Es geht um ein Entweder-oder: Menschen empfangen im Endgericht entweder ewiges Leben oder den Zorn Gottes.66 Paulus geht vom Singular in den Plural über, was die universale Dimension des göttlichen Gerichts unterstreicht. 7 Menschen, die den Reichtum der Güte Gottes annehmen und ein bußfertiges Herz haben, werden zweifach beschrieben. Sie sind Menschen, die beharrlich am Tun des Guten festhalten. Die mit „Tun des Guten“ (ε» ργου α� γαθουñ ) übersetzte Wendung kann auch mit „gutes Werk“ wiedergegeben werden.67 Gott belohnt nicht für die eine oder andere gute Tat, sondern die Menschen, die „beharrlich“ (καθ’ υ� πομονη' ν) am Tun des Guten festhalten.68 „Beharrlich“ meint das Ausharren, die Geduld, die Ausdauer, die Standhaftigkeit,69 hier nicht das geduldige Ertragen,70 sondern die aktive Ausdauer im Tun guter Werke.71 Sie sind Menschen, die Herrlichkeit, Ehre und Unvergänglichkeit suchen. Das Verb „suchen“ (ζητουñ σιν) bedeutet hier „sich zu verschaffen suchen, zu erlangen bemüht sein, zu besitzen trachten“72 und verstärkt das Verb „beharren“; das Präsens des Ptz. unterstreicht, dass Paulus von einem ausdauernden, bewussten Handeln spricht. ————————————————————

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Lohse 100, mit Verweis auf Grobel, Retribution-Formula, der die angenommene jüdische Tradition auf eine hebräische oder aramäische Urfassung zurückführt; Lohse nimmt eine Überlieferung der hellenistischen Synagoge an. Anders Heiligenthal, Werke, 163.182-184, der schicksalwirkende Kraftsphäre und göttliche Vergeltung unterscheiden will; ähnlich Wilckens I 129, der meint, das Gerichtsurteil Gottes V. 5 sei „nicht als vergeltendes Gericht aufgefaßt, sondern als endzeitliches Inkraftsetzen des den Taten der Menschen folgenden, ihnen entsprechenden Unheilsgeschicks“. Paulus spricht eindeutig von Gottes Handeln im Endgericht. Vgl. Wolter I 173. So Elb.Ü; LÜ, ZÜ: „gute Werke“, so auch NET („good works“). Die Formulierung τοιñς με' ν … τοιñς δε' V. 7 / 8 steht in Apposition to ε� κα' στω, V. 6. Der Genitiv ε» ργου α� γαθουñ ist gen. objectivus. Bauer / Aland s.v. υ� πομονη' ; vgl. F. Hauck, ThWNT IV, 585-593; W. Radl, EWNT III, 969-971; C. Spicq, TLNT III, 414-420; U. Falkenroth / H.P. Willi, ThBLNT I, 673-675. Das Subst. ist in den Papyri bislang nicht belegt, vgl. Arzt-Grabner, 2. Korinther, 195. Luther 93: „So lange wir Gutes tun und um deswillen nicht Widerspruch, Haß, Widerwärtigkeiten oder Schaden erfahren, solange laßt uns in Sorge sein, daß unser Werk Gott noch nicht gefallen hat. Denn dann ist noch nicht die Bewährung und die Geduld hinzugetreten und Gott hat es noch nicht gutgeheißen, weil er’s noch nicht erprobt hat“. Barrett 46 meint, Paulus spreche von Menschen, die über ihr Gutestun hinaus auf die Herrlichkeit, Ehre und Unvergänglichkeit schauen, die nur Gott geben kann. Diese Interpretation scheitert an der griech. Syntax; vgl. Cranfield I 147. Bauer / Aland s.v. ζητε' ω 2a; BDAG s.v. ζητε' ω 3a.

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Er schildert das Ziel des von Gott im Endgericht belohnten Handelns mit drei Substantiven, die sich auf die eschatologischen Gaben Gottes beziehen. Herrlichkeit (δο' ξα) ist das Leben in der Gegenwart Gottes,73 eine Wirklichkeit, die Adam infolge des Sündenfalls verloren hat (3,23) und die durch den Messias Israels wiederhergestellt wird (5,2; 8,18-30; 9,23).74 In 1Sam 2,30 sagt Jahwe: „Nur die, die mich ehren, werde ich ehren (του` ς δοξα' ζοντα' ς με δοξα' σω), die aber, die mich verachten, geraten in Schande (α� τιμωθη' σεται)“. Ehre (τιμη' ) ist hier die Anerkennung durch Gott (vgl. 1Petr 1,7) in Analogie zu Jesus, der von Gott Ehre empfangen hat, als Gott ihn öffentlich als seinen Sohn, an dem er Wohlgefallen hat, anerkennt (2Petr 1,17; vgl. Hebr 2,7). Herrlichkeit und Ehre kommen häufig zusammen vor, sowohl in der atl. und jüdischen Tradition75 wie in der griech. Literatur.76 Besonders in der griechisch-römischen Gesellschaft spielten „Ruhm und Ehre“ eine große Rolle, für Cicero die einzige glaubwürdige Form der Unsterblichkeit.77 Paulus verschiebt „Ruhm und Ehre“ auf den Tag des Endgerichts78 und verbindet sie mit der Anerkennung durch Gott. Das Wort Unvergänglichkeit (α� φθαρσι'α),79 auch „Unsterblichkeit“, ist der griech. Ausdruck für die atl. und jüdische Vorstellung vom ewigen Leben. In Weish 2,23 heißt es: „Gott hat den Menschen geschaffen auf Unvergänglichkeit hin (ε� π’ α� φθαρσι'α, ), und als Bild von sich selbst hat er ihn gemacht“ (LXX.D). Paulus macht in 1Kor 15,42.50.53-54 ähnliche Aussagen. Der Lohn Gottes für die Menschen, die in ihrem vom Tun des Guten gekennzeichneten Leben die künftige Herrlichkeit anstreben, ist ewiges Leben (ζωη` αι� ω' νιος), d.h. Leben in Gottes Gegenwart. Der Ausdruck „ewiges Leben“ wird zum ersten Mal in Dan 12,2 erwähnt: „Von denen, die im Land des Staubes schlafen, werden viele erwachen, die einen zum ewigen Leben (ει� ς ζωη` ν αι� ω' νιον), die anderen zur Schmach, zu ewigem Abscheu“ (EÜ).80 In Röm 5,21; 6,21-22 verbindet Paulus das ewige Leben ————————————————————

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Wilckens I 126: der strahlende Lichtglanz der unmittelbaren Nähe Gottes, mit Verweis auf syrApkBar 51,12; äthHen 51,4-5; 62,16; 58,2-6; 104,2; 4Esr 7,95. Wright 516; Kruse 228. Vgl. auch 1Kor 2,7; 15,43; 2Kor 3,18; 4,17; Eph 1,18; Phil 3,21; Kol 1,27; 3,4; 1Thess 2,12; 2Thess 2,14; 2Tim 2,10. Ps 8,5; 29,1; 96,7; Hi 37,22; 40,10; 1Makk1 4,21; 2Makk 5,16; in umgekehrter Reihenfolge Ex 28,2; Dan 2,37; 4,27. Bauer / Aland s.v. τιμη' 2b, mit Verweis auf Dio Chrysostomus, Or. 4,116; 27,10; Appian, Bell.civ. 3,18,388; Arrian, Ind. 11,1; Josephus, Ant. 12,118; vgl. Plutarch, Mor. 486b. Harrison, Authorities, 212 mit Anm. 37. Judge, Appeal, 187, gefolgt von Haacker 71. Der Akkusativ ζωη` ν αι� ω' νιον ist von α� ποδω' σει V. 6 abhängig. S. auch Röm 5,21; 6,22.23; Gal 6,8; 1Tim 1,16; Tit 3,7; sonst Mt 19,16.29; 25,46; Mk 10,17.30; Lk 10,25; 18,18.30; Joh 3,15.16.36 u.a. In frühjüdischen Texten 2Makk 7,9; 4Makk 15,3; 1QS IV, 7.

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mit der von Jesus Christus erwirkten Gnade Gottes. Herrlichkeit, Ehre, Unvergänglichkeit und ewiges Leben sind keine Belohnung für gute Werke, sondern Gabe Gottes für alle, die an Jesus Christus glauben, den Retter, der im Evangelium verkündigt wird. 8 Menschen, im Zusammenhang der jüdische Dialogpartner und mit ihm die Juden, die den Reichtum der Güte Gottes verachten und sich der Buße verweigern (V. 4-5), werden in dreifacher Weise beschrieben.81 Sie sind Menschen, die aus Eigennutz handeln (τοιñς ε� ξ ε� ριθει'ας), d.h. deren Verhalten von Selbstsucht bzw. Egoismus bestimmt ist.82 Das Subst. kommt in den Lasterkatalogen 2Kor 12,20 und Gal 5,20 vor.83 Sie sind Menschen, die sich der Wahrheit widersetzen (α� πειθουñ σι τηñ, α� ληθει'α, ), d.h. die der Wirklichkeit Gottes und seines Willens den Gehorsam verweigern.84 Die Parallele 1,18, wo Paulus den Heiden vorwirft, dass sie die Wahrheit Gottes des Schöpfers, der Anspruch auf Verehrung und Gehorsam hat, durch Ungerechtigkeit unterdrücken, entspricht dem Ziel seiner Argumentation, Heiden und Juden als Sünder zu beschreiben, die im Zorngericht Gottes nur durch den Glauben an Gottes Heilsoffenbarung in Jesus Christus gerettet werden können. In 10,21; 11,31; 15,31 (vgl. Apg 14,2; 19,9) finden wir eine ähnliche Beschreibung der jüdischen Zeitgenossen. Drittens sind Juden Menschen, die dem Unrecht Folge leisten (πειθομε' νοις τηñ, α� δικι'α, ), d.h. der Ungerechtigkeit Gehorsam leisten.85 Obwohl die Juden die göttliche Gerechtigkeitsforderung kennen, lassen sie sich in ihrem Lebensvollzug zu Handlungen überreden, die unrecht sind. Ungerechtigkeit und Wahrheit sind wie in ————————————————————

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Das Hauptgewicht liegt syntaktisch auf τοιñς … α� πειθουñ σιν …και' … πειθομε' νοις („die sich [der Wahrheit] widersetzen und [dem Unrecht] Folge leisten“); die Präpositionalwendung ε� ξ ε� ριθει' ας modifiziert α� πειθουñ σιν und και' ist Korrelat mit dem folgenden δε' (zu και' … δε' s. BDR §447d; HvS §252.12); zur Syntax vgl. Zahn 115-116. Bauer/Aland s.v. ε� ριθει' α, die im Anschluss an Lietzmann die Bedeutung „Streitsucht, Hader“ für möglich halten (so LÜ, Elb.Ü Anm.; NGÜ Anm.). F. Büchsel, Art. ε� ριθει' α, ThWNT II, 657-658; H. Giesen, EWNT II, 130-131; C. Spicq, ε� ρεθι' ζω κτλ., TLNT II, 69-73. Der einzige vorchristliche Beleg des Substantivs ist Aristoteles, Pol. 5.3.1302b; 4.1303a.14, wo es das unlautere, selbstsüchtige Buhlen um die Gunst der Parteien beschreibt. Der einzige papyrologische Beleg ist P.Sorb. I 34. Etymologisch abgeleitete Deutungen sind problematisch: So Büchsel ebd. 658, der von ε� ριθευ' ω ableitet und in Röm 2,8 die Bedeutung „die Niederträchtigkeit von Leuten, die … nur an den nächsten Gewinn denken“ sieht (so auch Zahn 113-115); auch Barrett 47-48, der im Blick auf Menschen interpretiert, die ihre Arbeit als persönliche Leistung betrachten, die ihnen bestimmte Rechte garantiert. S. auch Phil 1,17; 2,3; Jak 3,14.16. Paulus verwendet das Verb α� πειθε' ω auch in Röm 10,21; 11,30.31; 15,31; sonst im NT in Joh 3,36; Apg 14,2; 19,9; Hebr 3,18; 11,31; 1Petr 2,8; 3,1.20; 4,17. Zu α� λη' θεια s. 1,18. Bauer / Aland s.v. πει' θω 3b: „gehorchen, folgen“. Zu α� δικι' α s. 1,29.

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1,18.29 und 1,25 scharfe Gegensätze, die im Blick auf die Loyalität der Menschen in ihrem Lebensvollzug Konsequenzen im Endgericht haben. Der Lohn Gottes für die Menschen, die egoistisch, unwahrhaftig und ungerecht leben, ist Zorn und Grimm (ο� ργη` και` θυμο' ς).86 Von der Offenbarung des Zornes Gottes war in 1,18 die Rede: Es ist die strafende Gerechtigkeit Gottes, die im Endgericht das Todesurteil über die Menschen ausspricht, die sich Gottes gerechtem Willen widersetzen (1,32). Dies trifft nicht nur für Heiden zu (1,18-32), sondern auch für den jüdischen Gesprächspartner. „Grimm“ beschreibt das intensive Missfallen an der beschriebenen Lebenseinstellung und Verhaltensweise.87 Die Kombination mit „Zorn“ verstärkt den Gedanken des Zornes Gottes,88 der persönliche, tief empfundene Empörung ist. 9 Paulus setzt die Beschreibung des zukünftigen Schicksals der Menschen fort, die sich der Wahrheit Gottes verweigern und sich der Umkehr verschließen, d.h. des Menschen, der das Böse tut. In 1,30 beschrieb Paulus die Menschen, die im Zorngericht Gottes gestraft werden als „erfinderisch im Bösen“. Das Wort „tun, vollbringen, ausführen“ (κατεργαζομε' νου) ist das verbale Äquivalent zu ε» ργον (ergon) in V. 6.7. Das substantivierte Neutrum το` κακο' ν bezeichnet „das Böse“ im Sinn von Handlungen, die gesetzeswidrig, Verbrechen, Sünde sind. Die mit jeder einzelne Mensch (ε� πι` παñ σαν ψυχη` ν α� νθρω' που) übersetzte Formulierung beschreibt im Anschluss an das atl. Verständnis des Menschen diesen als „Seele“ (ψυχη' ; hebr. ‫)ֶנֶפׁש‬. Siehe Gen 2,7: „Da formte Gott, der Herr, den Menschen aus Erde vom Ackerboden und blies in seine Nase den Lebensatem. So wurde der Mensch zu einem lebendigen Wesen (‫ ; ַוְיִהי ָהָאָדם ְלֶנֶפׁש ַחָּיה‬ε� γε' νετο ο� α» νθρω-πος ει� ς ψυχη` ν ζω ñ σαν)“. Vgl. 1Kor 15,45. Das Adj. „jeder“ (παñ σαν) unterstreicht den individuellen Aspekt der göttlichen Strafe und betont, dass niemand vom Gericht Gottes ausgenommen ist. Die Strafe im Endgericht89 für das Tun des Bösen ist Bedrängnis und Angst. Das Wort „Bedrängnis“ (θλιñψις) beschreibt hier nicht die Leidenserfahrungen der Gläubigen (wie in 5,3; vgl. 2Kor 1,4; Phil 4,14; 1Thess 1,6; 3,7 u.a.) oder die Trübsal der Endzeit (1Kor 7,26; vgl. Mt 24,4-8; Offb 1,9), sondern die Drangsal des Endgerichts, dem kein Mensch, der Böses tut, entkommen kann. Das mit „Angst“ (στενοχωρι'α) übersetzte Wort bedeutet in ————————————————————

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Zu ergänzen ist ε» σται; BDR §1285; NSS II, 6. BDAG s.v. θυμο' ς 2: „a state of intense displeasure, anger, wrath, rage, indignation“; Bauer / Aland s.v. θυμο' ς 2: „Zorn, Wut“. Vgl. F. Büchsel, Art. θυμο' ς, ThWNT III, 167168; H.W. Hollander, EWNT II, 396-397. Wie in Offb 16,19; 19,15; vgl. Deut 9,19; Ps 2,5; Hos 13,11. Zu ergänzen ist wieder ε» σται, so auch V. 10; BDR §1285, 4692; NSS II, 6.

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physischen Sinn „Engräumigkeit, Platznot“ und in übertragenen Sinn die Bedrängnis als widrige Befindlichkeit, den „Engpass“ an Mitteln,90 hier „Not, Angst“ im Blick auf die Zwangslage des Endgerichts. Das Nebeneinander von „Bedrängnis“ und „Angst“ bedeutet eine Steigerung.91 Der Satz wie zunächst über die Juden, so auch über die Griechen (� Ιουδαι'ου τε πρω ñ τον και` « Ελληνος) erhellt das Argumentationsziel seit 2,1: Nicht nur die Heiden werden von Gott im Endgericht für das Tun des Bösen gestraft, sondern auch die Juden. Das Wort „zunächst“ (πρω ñ τον), das in 1,16 den heilsgeschichtlichen Vorrang des jüdischen Volkes beschreibt (vgl. 3,1-4; 9,1-5), betont die Priorität der Juden im Erleben des göttlichen Gerichts. Das Kriterium der guten bzw. bösen Werke für den Ausgang des Endgerichts gilt gerade für die Juden, die den Willen und die Gebote Gottes besser kennen als die Heiden. 10 Der Mensch, der das Gute tut (ε� ργαζομε' νω, το` α� γαθο' ν), d.h. der nach dem Willen Gottes lebt und Herrlichkeit, Ehre und Unvergänglichkeit dem Eigennutz und dem Unrecht vorzieht, der wird im Endgericht Herrlichkeit und Ehre und Friede (δο' ξα δε` και` τιμη` και` ει� ρη' νη) erhalten. Die Formulierung wiederholt V. 7 und ersetzt „Unvergänglichkeit“ durch „Friede“, der damit als das endzeitliche Heil qualifiziert ist (zu ει� ρη' νη s. 1,7). Das Adjektiv jeden (παντι') unterstreicht wieder die Tatsache, dass es im Gericht nach den Werken keine Ausnahmen gibt. Die Wiederholung der Wendung wie zunächst über die Juden, so auch über die Griechen betont noch einmal, dass Juden und Heiden im Endgericht gleich behandelt werden. Wer die Griechen sind, die in Gottes Gericht das endzeitliche Heil zugesprochen bekommen, wird in V. 14-16.26-29 thematisiert. 11 Der Grund für die Gleichbehandlung von Juden und Heiden im Gericht ist die Tatsache, dass es kein Ansehen der Person bei Gott gibt. Die mit „Ansehen der Person“ (προσωπολημψι'α) übersetzte Wendung bezeichnet die Parteilichkeit und betont, dass Gott ein unbestechlicher, gerecht urteilender Richter ist.92 Deut 10,17 formuliert: „Denn der Herr, euer Gott, ist der Gott über den Göttern und der Herr über den Herren. Er ist der große ————————————————————

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Arzt-Grabner, 2. Korinther, 345: UPZ II 208; P.Erl. 18; P.Harr. I 69. Das Wort kommt in den Leidenskatalogen 2Kor 6,4; 12,10 vor. Wie in Deut 28,53.55.57; Jes 8,22; 30,6. G. Bertram, Art. στενο' ς κτλ., ThWNT VII, 607, der θλιñψις und στενοχωρι' α als „innere und äußere Not“ beschreibt (so auch Wilckens I 127 Anm. 290), die sich beide „auf gegenwärtige und zukünftige irdische Erfahrungen“ beziehen, aber „zugleich auf das Endgericht“ hinweisen. Anders Dunn I 88: Paulus verwendet Lebenserfahrungen, die den einzelnen Menschen unter Druck setzen und persönliche Not verursachen, um das Geschehen im Endgericht darzustellen. E. Lohse, Art. προσωπολημψι' α κτλ., ThWNT VI, 780-781; K. Berger, EWNT III, 433.

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Gott, der Held und der Furchterregende. Er lässt kein Ansehen gelten (ου� θαυμα' ζει προ' σωπον) und nimmt keine Bestechung an“ (EÜ).93 Die Formulierung erklärt sich aus der atl. Wendung ‫ָנָׂשא ָפִנים‬, die in der LXX mit λαμβα' νειν προ' σωπον oder θαυμα' ζειν προ' σωπον übersetzt wurde (LXX Ps 81,2; Mal 1,8; Sir 4,22; 35,13) und das Erheben des Antlitzes des zur Begrüßung Niedergefallenen als Zeichen der Wertschätzung beschreibt. Das Substantiv kommt im NT noch in Eph 6,9; Kol 3,25; Jak 2,1 vor, die verbale Formulierung in Mt 22,16; Mk 12,14; Lk 20,21; Gal 2,6; Jud 16. Das Substantiv kommt erst im NT vor, war aber wohl schon im hellenistischen Judentum gebräuchlich. Apg 10,34: Im Blick auf die Gleichbehandlung von Heiden und Juden, die an Jesus Christus glauben und den Geist erhalten, sagt Petrus: „Wahrhaftig, jetzt begreife ich, dass Gott nicht auf die Person sieht (προσωπολη' μπτης ο� θεο' ς)“.

In Gottes Zorngericht, in dem Sünder ein Todesurteil erhalten (1,32), werden die Juden nicht anders behandelt als die Heiden (2,8-9). IV Die Betonung der Rechtfertigung allein aus Glauben, hat vor allem in der protestantischen exegetischen Tradition nicht selten zu einer Minimalbehandlung von Röm 2 geführt, weil der Topos vom Gericht nach den Werken als problematisch empfunden wurde. U. Wilckens meint, „die moderne Exegese“ habe gezeigt, dass das Verständnis der Gerechtigkeit Gottes im Sinn einer vergeltenden Strafgerechtigkeit (iustitia distributiva) „eine Fehldeutung des biblischen ‚Gerechtigkeits‘verständnisses aus dem Denkhorizont griechisch-römischer Tradition“ sei, die im Zusammenhang der „griechischen Interpretation“ der Alten Kirche in die theologische Tradition eingedrungen sei.94 Das „Herzstück biblischer Religion“ sei nicht „das talioPrinzip“, d.h. die Vergeltung der Tat als Lohn oder Strafe, bemessen an einer vorgegebenen Norm, sondern „ein fester Folge-Zusammenhang alles menschlichen Tuns mit entsprechendem Ergehen“. Das Handeln des Menschen schafft eine „Kraftsphäre, in der der Täter mit der Wirkung seiner Tat verbunden ist“. Grundlegend ist nicht, dass Gott die Sünde bestraft und die Erfüllung seines Willens belohnt, sondern dass sich die Konsequenzen der Sünde in diesem Prozess des Tat-Ergehen-Zusammenhangs aufgrund des ————————————————————

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Die Unparteilichkeit Gottes wird öfter betont: 2Chron 19,7; Sir 35,12-13; Jub 5,16; 21,4; 30,16; 33,18; PsSal 2,18; syrApkBar 13,8; 44,4; äthHen 63,8. Vgl. Bassler, Impartiality. Als Warnung an Menschen vor der Parteilichkeit des Richtens: Lev 19,15; Deut 1,17; 16,19; Mal 2,9; Sir 4,22.27; vgl. Did 4,3; Barn 19,4; Polyc 6,1. Wilckens I 128, in dem Exkurs „Gericht nach den Werken I“; vgl. Pedersen, Israel; Fahlgren, Sedaqa; Koch, Vergeltungslehre. Zum Weiteren Wilckens, ebd. 128-131. Vgl. den Exkurs zu δικαιοσυ' νη bei 1,17.

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Wesens der Sünde quasi von selbst einstellen.95 Gott setzt die Folge der menschlichen Tat in Kraft und garantiert diese Ordnung durch seine Treue, aber seine „Superiorität“ verwirklicht sich nicht in seinem richterlichen Handeln als talio. Diese Interpretation ist aus mehreren Gründen problematisch.96 1. Das Thema des Zusammenhangs von Tun und Ergehen ist in der Weisheitsliteratur prominent (vgl. Spr 26,27: „Wer eine Grube gräbt, fällt selbst hinein“), kann aber nicht als Grundstruktur atl. und jüdischen Denkens bezeichnet werden. Manche plädieren dafür, den Begriff des Tun-Ergehen-Zusammenhangs zu vermeiden, weil auch nach H. Gese Jahwe schon in der älteren Spruchweisheit als Lenker des menschlichen Schicksals gilt.97 2. In der LXX ist das Motiv des Tat-Ergehen-Zusammenhangs weniger prominent.98 Wenn Paulus in Röm 2,6 das Verb α� ποδι'δωμι verwendet, das nach Koch in der griechischen Übersetzung von Ps 62,12 den Gedanken der vergeltenden Gerechtigkeit einführt,99 zeigt dies, dass er in der Tat von der iustitia distributiva schreibt. 3. Neben der Tradition des Tun-Ergehen-Zusammenhangs finden wir in biblischen und jüdischen Texten die Tradition einer transzendenten, von Gott initiierten Vergeltung menschlichen Tuns. Im AT finden wir Gottes Verheißung von Leben für das Halten seiner Gebote und Gottes Androhung von Tod für diejenigen, die seinen Geboten nicht gehorsam sind (vgl. Gen 2,17; 3,22-23; Deut 30,17-20). 4. In Röm 2,2 ist eindeutig vom Gericht die Rede, das Gott vollstrecken wird, was in 2,5 wiederholt wird, wo das eschatologische Ereignis als δικαιοκρισι'α τουñ θεουñ („gerechtes Gerichtsurteil Gottes“) beschrieben wird, nicht als zwangsläufige Folge der sündigen Tat des Menschen. In 2,6 wird dies noch einmal betont, mit dem Akzent auf dem Gerichtshandeln Gottes.100 5. Wenn man im Rahmen der ————————————————————

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Vgl. Gese, Lehre, 42, der von der Anschauung „unmittelbaren Zusammenhangs von Sünde und Strafe“ spricht. Für die folgenden Punkte s. Gathercole, Justified, 169-175. Neher, Weisheit, 28; mit Verweis auf Gese, Lehre, 45-50. Heiligenthal, Werke, 144-163, der aus einer Untersuchung von ε» ργον die Folgerung zieht: „In den griechischen Übersetzungen des AT kann ein merkliches Zurücktreten des für das hebräische Denken wichtigen Vorstellungsbereiches der ‚schicksalwirkenden Tatsphäre‘ beobachtet werden. Innerhalb dieses Gedankenzusammenhanges kommt ε» ργον keine Verwendung als Terminus technicus zu“. Koch, Vergeltungslehre, 174-176. Wilckens I 126 stellt die Übersetzung von α� ποδω' σει in abschwächende Anführungszeichen („Gerecht ist Gottes Gericht gegenüber dem sündigen Juden einzig darin, daß er ihm ‚zurückgibt‘, was er sich durch seine Taten selbst erwirkt hat“). Wenn er 2,6 statt von „Vergeltung“ von „Vollendung“ spricht und 2,5 nicht als vergeltendes Gericht verstehen will, sondern „als endzeitliches Inkraftsetzen des den Taten der Menschen folgenden, ihnen entsprechenden Unheilsgeschicks“ (ebd. 129), dann erklärt sich diese Interpretation aus der Voraussetzung der von K. Koch übernommenen Grundanschauung vom

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Vorstellung eines Tat-Ergehen-Zusammenhangs Rechtfertigungsgeschehen und Gerichtsvorstellung auseinanderhalten will, auch um eine Interpretation im Sinn der iustitia distributiva zu vermeiden, entsteht das Problem, dass die Personalität Gottes nicht gewahrt wird: „Die Folgen einer zwar von Gott gesetzten aber im Grunde mechanistisch funktionierenden Ordnung (‚schicksalwirkende Tatsphäre‘) [werden] durch den personalen Eingriff in Gestalt des sündentilgenden Opfers Christi außer Kraft gesetzt“.101 Viele Ausleger kommentieren die Spannung zwischen dem von Paulus hier beschriebenen Gericht nach den Werken und der Offenbarung der Gerechtigkeit Gottes, die nicht nach Werken, sondern allein nach Gottes Barmherzigkeit geschieht. Die damit aufgeworfene Frage nach dem Verhältnis zwischen Rechtfertigung und dem Endgericht wurde unterschiedlich beantwortet.102 Eine häufige Antwort nimmt an, dass Paulus in 2,7-10 nur hypothetisch redet: Die Vorstellung eines offenen Beurteilungsgerichts gehört zur rhetorischen Situation von 2,5-11, „in der es Paulus darauf ankommt, die Unparteiischkeit Gottes als Richter herauszustellen. Ein jeder bekommt das, was er verdient – und keiner kann dem Gericht entfliehen (2,3). Ob es dabei tatsächliche Menschen geben kann, die aufgrund ihrer guten Werke das ewige Leben erhalten, wirft hier eine (theoretische) Frage auf, die an der primären Stoßrichtung von Röm 2,6-11 im Kontext vorbeigeht. Paulus fächert hier lediglich die Möglichkeiten auf: ewiges Leben bei guten Werken, Unheil hingegen bei schlechten. Der Ton liegt darauf, daß es im Gericht keine Rolle spielt, ob jemand Jude oder ‚Heide‘ ist“.103 Diese verbreitete Interpretation ist wenig überzeugend. Paulus argumentiert nicht für die Unparteilichkeit Gottes im Endgericht, sondern auf der Grundlage der atl. und jüdischen Überzeugung, dass Gott unparteiisch richtet.104 Die Realität der Unparteilichkeit Gottes ist das argumentative Mittel, das Paulus in 2,5-6 einsetzt, um gegen seinen jüdischen Dialogpartner Anklage zu erheben, die er mit dem Zitat von Ps 62,12 untermauert. In 2,7-10 erläutert er das „Tun“ bzw. die Werke, um die es geht. Die Symmetrie zwischen dem Menschen, der Gutes tut und Herrlichkeit, Ehre und Unvergänglichkeit sucht und ewiges Leben erhalten wird, und dem Menschen, der Böses tut ————————————————————

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Tun-Ergehen-Zusammenhang, in den auch Gottes Handeln eingebunden ist, und nicht aus einer unvoreingenommenen Auslegung des Textes. Heiligenthal, Werke, 189, als Kritik an Wilckens. Lohse 101, mit Verweis auf Braun, Gerichtsgedanke; Donfried, Justification; Lohse, Ethik, 79-83; Mattern, Verständnis; Synofzik, Gerichts- und Vergeltungsaussagen; s. auch Yinger, Judgment; Konradt, Gericht, 501-513; McFadden, Judgment. Konradt, Gericht, 503-504. Ähnlich z.B. Cranfield I 151-152 (revidierte Aufl. 2010); jüngst Wolter I 179-180.182-183. Elliott, Rhetoric, 122; Gathercole, Boasting, 125; für das Folgende s. ebd. 127-134.

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und der Wahrheit ungehorsam ist und Zorn und Grimm Gottes erhalten wird, ist grundsätzlich und schroff. Paulus redet eindeutig von Gottes Gerichtshandeln, und zwar nicht nur im Blick auf dessen negativen Ausgang, sondern in V. 7.10 auch im Blick auf einen positiven Ausgang.105 Überzeugender ist die Interpretation von V. 7.10 im Sinn von Jesusbekennern, ob Juden oder Heiden, die die Symmetrie der paulinischen Aussagen nicht mit Hinweis auf rhetorische Argumentationsziele aufbricht.106 Paulus beschreibt in 1,18–3,20 die aus Heiden und Juden bestehende Menschheit im Sinn einer von der Macht und Realität der Sünde beherrschten Existenz, einschließlich einer Beschreibung des göttlichen Gerichts. Er argumentiert nicht hypothetisch, sondern kommentiert vorab die Wirklichkeit und das Ergehen im Endgericht von Menschen, die an das Evangelium von Jesus, dem Messias Israels und machtvollen Retter von Juden und Heiden, glauben (1,3-4.16-17). Folgende Überlegungen sind entscheidend.107 1. Die Betonung des „symmetrischen“ Gerichts über die Menschen, die Gutes tun, und die Menschen, die Böses tun in 2,6-10 ergibt sich aus der in 2,2 formulierten Überzeugung, die Paulus mit dem jüdischen Gesprächspartner teilt, dass Gott im Endgericht böse Werke strafen wird. Die Diskussion in 2,3-6 setzt das Thema des göttlichen Gerichts fort, wobei das Argument davon abhängt, dass Paulus und sein Dialogpartner dem Prinzip von 2,2 zustimmen. Es gibt keine Hinweise im Text auf die Annahme, dass Paulus seine Argumentationsweise ändert, etwa im Sinn von hypothetischen Annahmen. Die Verwendung der Formel „wie zunächst über die Juden, so auch über die Griechen“ in 2,9.10 belegen, dass Paulus seine konkrete Überzeugung vorträgt. 2. Paulus spricht in 2,14-15 von Heiden, denen das vom Gesetz geforderte Handeln in die Herzen geschrieben ist und die im Endgericht gerechtfertigt werden (zur Begründung der Interpretation im Sinn von Heidenchristen s. unten zu 2,14). 3. In 2,25-29 schreibt Paulus, dass ein Jude durch das Übertreten des Gesetzes seine Erwählung verwirken kann, während ein Nichtjude durch seinen Gehorsam gegenüber Gottes Willen als von Gott Erwählter gelten kann. Während 2,26 hypothetisch sein könnte, ist dies für 2,27 kaum möglich. Dabei beschreibt Paulus keine Werkgerechtigkeit seitens des Nichtjuden in dem Sinn, dass er sich bemüht, das mosaische Gesetz ————————————————————

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Gegen Wilckens I 130-131, der sich auf die „rhetorische Absicht“ des Abschnitts beruft, wenn er meint, „der Erwartung eines doppelten Ausgangs des Endgerichts“ sei „faktisch der Boden entzogen“. So auch Konradt, Gericht, 504. So Cranfield I 152 (erste Auflage 1975), nach einer Diskussion von zehn verschiedenen Auslegungsvarianten. Gathercole, Boasting, 127-134; vgl. Snodgrass, Justification.

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zu halten. Die Beziehung zwischen dem Jesusbekenner und der Tora wird im Kontext des Evangeliums von Jesus Christus als Gottes Heilsoffenbarung neu konzipiert.108 Der Inhalt des Gesetzes wird neu bestimmt, was am Beispiel der Beschneidung deutlich wird: Der Nichtjude, der den Willen Gottes erfüllt, tut dies aufgrund der vom Geist Gottes vollzogenen „Beschneidung des Herzens“; die Erfüllung des Gesetzes ist nicht das Ziel christlichen Verhaltens, sondern ein Nebenprodukt seines Glaubens an den Messias Jesus. In den Heidenchristen werden so die Prophezeiungen von Hesekiel und Jeremia erfüllt (Jer 31,33-34; 32,40; Hes 36,26-27; 37,24). Paulus verweist in 2,14-15.25-29 auf Heidenchristen, um seinen jüdischen Dialogpartner zu beschämen, indem er von Heiden schreibt, die vor ihm Heil erfahren haben. 4. Paulus spricht von der Rolle der guten Werken im Endgericht auch in 6,21-22 und Gal 6,8.

Das Gericht nach den Werken 2,12-29 I 12 Denn alle, die ohne das Gesetz gesündigt haben, werden auch ohne das Gesetz zugrunde gehen, und alle, die unter dem Gesetz gesündigt haben, werden durch das Gesetz gerichtet werden. 13 Denn vor Gott sind nicht die Hörer des Gesetzes gerecht, sondern die Täter des Gesetzes werden gerecht gesprochen werden. 14 Denn wenn Heiden, die von Natur aus das Gesetz nicht haben, die Forderungen des Gesetzes tun, dann sind sie sich selbst Gesetz, obwohl sie das Gesetz nicht haben. 15 Sie zeigen, dass ihnen das vom Gesetz geforderte Handeln in ihre Herzen geschrieben ist, wovon ihr Gewissen Mitzeuge ist und die Gedanken, die einander verklagen oder auch verteidigen 16 – an dem Tag, an dem Gott das Verborgene der Menschen richten wird, gemäß dem von mir verkündigten Evangelium durch den Messias Jesus. 17 Wenn du dich aber Jude nennst und dich auf das Gesetz verlässt und rühmst dich Gottes 18 und seinen Willen kennst und einschätzen kannst, worauf es ankommt, da du aus dem Gesetz unterwiesen bist, 19 und dir zutraust, ein Führer für Blinde zu sein, Licht derer, die in Finsternis sind, 20 ein Erzieher der Unverständigen, ein Lehrer der Unmündigen, da du die Verkörperung der Erkenntnis und der Wahrheit im Gesetz hast – 21 der du den anderen lehrst, dich selbst aber lehrst du nicht? Der du verkündigst, man solle nicht stehlen, du ————————————————————

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Vgl. Gathercole, Boasting, 131-133, sowie den Kommentar zu 2,14-15.25-29.

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stiehlst? 22 Der du sagst, man solle die Ehe nicht brechen, du brichst die Ehe? Der du die Götterbilder verabscheust, du begehst Tempelraub? 23 Der du dich des Gesetzes rühmst, du raubst Gott durch die Übertretung des Gesetzes die Ehre? 24 Denn „der Name Gottes wird um euretwegen unter den Heiden gelästert“, wie geschrieben steht. 25 Denn die Beschneidung ist zwar nützlich, wenn du das Gesetz hältst; aber wenn du ein Übertreter des Gesetzes bist, dann ist deine Beschneidung zur Unbeschnittenheit geworden. 26 Wenn nun der Unbeschnittene die Rechtsforderungen des Gesetzes befolgt, wird dann nicht seine Unbeschnittenheit als Beschneidung angerechnet werden? 27 So wird der von Natur aus Unbeschnittene, der das Gesetz erfüllt, dich richten, weil du trotz des schriftlichen Gesetzes und der Beschneidung ein Übertreter des Gesetzes bist. 28 Nicht der ist ein (wahrer) Jude, der es öffentlich ist, und nicht das ist die (rechte) Beschneidung, die öffentlich am Fleisch vollzogen wird, 29 sondern der ist (wahrer) Jude, der es im Verborgenen ist, und das ist die (rechte) Beschneidung, die am Herzen vollzogen wird, durch den Geist, nicht im Buchstaben. Das Lob (eines solchen Juden) kommt nicht von Menschen, sondern von Gott. II Das Argument, dass Juden im Gericht Gottes genauso wie die Heiden gerichtet werden, stößt auf einen gravierenden Einwand seitens des jüdischen Dialogpartners: Israel hat das Gesetz Gottes als Zeichen der mit der Beschneidung gegebenen Erwählung. Paulus hält diesem Einwand, der nicht explizit formuliert wird, entgegen, dass nicht der Besitz des Gesetzes im Endgericht entscheidend ist, sondern das Tun des Gesetzes. Er behandelt also den Grundsatz von 2,2 im Kontext des Unterschieds zwischen Juden und Heiden – die Juden sind beschnitten und haben das Gesetz, die Heiden gehören weder zum Bundesvolk Gottes, noch haben sie das Gesetz. Das Wort „Gesetz“ (νο' μος) kommt in 2,12-29 neunzehn Mal vor (neun Mal allein in 2,12-16); das Wort „ohne Gesetz“ (α� νο' μως) zwei Mal (2,12). Paulus betont, dass dieser Unterschied im eschatologischen Endgericht keine Rolle spielen wird, da es dort allein auf das Kriterium des Gehorsams gegenüber dem Willen Gottes ankommt. Das Gegenbeispiel zu den beschnittenen Juden, die das Gesetz haben, aber nicht halten, sind unbeschnittene Heiden(christen), deren Herzen durch den Geist Gottes beschnitten wurden und die das Gesetz Gottes halten (2,14-15.25-29). Paulus greift mit der direkten Anrede seines jüdischen Dialogpartners in 2,17 die in 2,6 unterbrochene Diskussion mit dem Vertreter der Juden auf,

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die nicht an Jesus als Messias Israels und Retter im Endgericht glauben. Die erneute Anrede verändert allerdings nicht die Thematik.1 Nur im griechischen Original und im mündlichen Vortrag kann man erkennen, dass 2,17-23 das rhetorische crescendo der Anklage ist:2 17 18 19 20 21 22 23

Ει� δε` συ` � Ιουδαιñος ε� πονομα' ζη, και` ε� παναπαυ' η, νο' μω, και` καυχαñ σαι ε� ν θεω ñ, και` γινω' σκεις το` θε' λημα και` δοκιμα' ζεις τα` διαφε' ροντα κατηχου' μενος ε� κ τουñ νο' μου, πε' ποιθα' ς τε σεαυτο` ν ο� δηγο` ν ειòναι τυφλω ñ ν, φω ñ ς τω ñ ν ε� ν σκο' τει, παιδευτη` ν α� φρο' νων, διδα' σκαλον νηπι' ων, ε» χοντα τη` ν μο' ρφωσιν τηñ ς γνω' σεως και` τηñ ς α� ληθει' ας ε� ν τω ñ, νο' μω, ο� ουò ν διδα' σκων ε« τερον σεαυτο` ν ου� διδα' σκεις; ο� κηρυ' σσων μη` κλε' πτειν κλε' πτεις; ο� λε' γων μη` μοιχευ' ειν μοιχευ' εις; ο� βδελυσσο' μενος τα` ει»δωλα ι�εροσυλειñς; ο� ς ε� ν νο' μω, καυχαñ σαι, δια` τηñ ς παραβα' σεως τουñ νο' μου το` ν θεο` ν α� τιμα' ζεις;

Textkritische Anmerkungen. Die Lesart ε� ννο' μως V. 12 anstelle von ε� ν νο' μω, in l 44 ist sicher ein Schreibfehler. Die Auslassung des Artikels τω ñ, in V. 13 * * (B D 056 1874 ) entspricht semitischer Redeweise und ist angesichts der besseren Bezeugung des Artikels (‫ א‬A D2 G Ψ 6 33 69 1739 1881 u.a. Byz) wohl sekundär.3 Die Lesart παρα` θεω ñ, nach δικαιωθη' σονται (G vgmss Spec) ist Dittographie nach dem vorausgehenden δι'καιοι παρα` τω ñ, θεω ñ, . Die Ersetzung von ουð τοι durch οι� τοιουñ τοι V. 14 in G will die Syntax glätten; dasselbe gilt für die Lesart διαλογισμω ñ ν statt λογισμω ñ ν V. 15 in G. Die Konjektur von Pohlenz in V. 16, der vor ε� ν η� με' ρα, durch και` δικαιωθη' σονται ergänzt, ist in der Manuskripttradition nicht bezeugt; NA28 führt die Konjektur nicht mehr an. Die Lesart ε� ν ηð, η� με' ρα, in B (akzeptiert von NA25,26,27) sowie die Lesart ε� ν η� με' ρα, ηð, in A 1506 u.a. sind gegenüber der Lesart ε� ν η� με' ρα, in ‫ א‬D G Ψ 33 1739 1881 u.a. Byz (NA28) weniger gut bezeugt.4 Das Verb ist entweder als Präsens zu akzentuieren (κρι'νει), so B2 Ψ 6 1241 1243 u.a., oder als Futur (κρινειñ), so D2 33 1739 1881 u.a. Byz; die Majuskelhandschriften des 4. Jh. haben keine Akzente; die Änderung von einem ————————————————————

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Viele Kommentatoren haben sich durch die Anrede συ` � Ιουδαιñος in 2,17 dazu verleiten lassen, hier einen neuen Abschnitt beginnen zu lassen. Caragounis, Greek, 440-441; s. bereits Bengel 551; vgl. Jewett 219-220. Michel 117; Jewett 193. Jewett 193; Käsemann 62 folgt Lietzmann 42, der die singuläre Lesart in B für ursprünglich hält.

Das Gericht nach den Werken 2,12-29 291 ————————————————————————————————————

Präsens zum logischeren Futur ist leichter zu erklären als umkehrt; die schwierigere Lesart ist vorzuziehen. Die Auslassung von μου nach ευ� αγγε' λιον (69 d* samss ist sekundär. Die Lesart Χριστουñ � Ιησουñ (‫*א‬vid B 81 1506) ist früher bezeugt als � Ιησουñ Χριστουñ (‫א‬1 A D K L Ψ 6 33 69 88 u.a. Byz) und sicher ursprünglich. Statt ει� δε' in V. 17 lesen D2 L 6 33 69 u.a. Byz »ιδε („siehe!“), wahrscheinlich das Resultat von Itazismus.5 In V. 25 ersetzen D* latt πρα' σση, ς („du tust“) durch das allgemeinere φυλα' σση, ς („du hältst“), ist aber wegen der schlechteren Bezeugung sekundär. In V. 26 wird ου� χ (‫ א‬B Ψ 945 1506 u.a.) in D G K L 6 33 69 1739 u.a. Byz durch das emphatischere ου� χι' ersetzt, das aber erst später bezeugt ist. In V. 27 behält G die Wendung η� ε� κ φυ' σεως α� κροβυστι'α bei, was wohl auf einen Schreibfehler zurückgeht. III

12 Im Endgericht, das ein Gericht nach den Werken ist, kommt für den

jüdischen Gesprächspartner dem Gesetz eine entscheidende Rolle. Das Gesetz (νο' μος) ist die von Gott am Sinai offenbarte mosaische Tora. Dies ist der erste von siebzig Belegen für νο' μος im Römerbrief.6 Implizit war schon in 2,1.3 vom Gesetz als Kriterium des Verhaltens und des Gerichts die Rede. Paulus betont in diesem Abschnitt, dass die Kenntnis des Gesetzes im Gericht Gottes nicht rettet. Die Wendung alle, die ohne das Gesetz gesündigt haben beschreibt Heiden, die das mosaische Gesetz nicht kennen: Sie sind α� νο' μως ([anomōs], mit α-privativum) im Sinn von „ohne das Gesetz zu haben“ oder zu kennen. Heiden verstoßen gegen den Willen Gottes, wie Paulus in 1,18-32 gezeigt hat, aber sie tun dies unabhängig vom mosaischen Gesetz. Das Verb „sündigen“ (α� μαρτα' νω [hamartanō]) kommt hier zum ersten Mal im Römerbrief vor.7 Das Verb α� μαρτα' νω und das Subst. α� μαρτι' α [hamartia] beschreiben die Grundbefindlichkeit des Menschen, der in der Gottesferne lebt. In der LXX dient die Wortgruppe zur Übersetzung folgender Vokabeln: ‫טאת‬ ּ ָ ‫[( ַח‬chaththā’t], 238 Mal), die Verfehlung, das Verfehlen ————————————————————

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Metzger, Textual Commentary, 448. Von insgesamt 121 Belegen in den Paulusbriefen und 194 Belegen im NT. Für das Verb s. weiter Röm 3,23; 5,12.14.16; 6,15; sowie 1Kor 6,18; 7,28.36; 8,12; 15,34; Eph 4,26; 1Tim 5,20; Tit 3,11; paulinische Belege für das Subst. α� μαρτι' α: Röm 3,9.20; 4,7.8; 5,12(2x).13(2x).20.21; 6,1.2.6b.6c.10.11.12.13.14.16.17.18.20.22.23; 7,5.7(2x).8(2x).9.11.13(3x).14.17.20.23.25; 8,2.3(3x)10; 11,27; 14,23; sodann 1Kor 15,3.17.56; 2Kor 5,21; 11,7; Gal 1,4; 2,17; 3,22; Eph 2,1; Kol 1,14; 1Thess 2,16; 1Tim 5,22.24; 2Tim 3,6. Vgl. G. Quell / G. Bertram/ G. Stählin / W. Grundmann, Art. α� μαρτα' νω κτλ., ThWNT I, 267-320; P. Fiedler, Art. α� μαρτι' α κτλ., EWNT I, 157-165; W. Günther, ThBLNT II, 1596-1601; M. Karrer, Art. Sünde IV. Neues Testament, TRE XXXII, 375389; zum Thema Sünde bei Paulus s. Röhser, Metaphorik; Klinghardt, Sünde; Lyu, Sünde.

292 Römerbrief ———————————————————————————————————— eines Ziels (Ri 20,16; Spr 19,2), das Vergehen gegen eine Norm (1Sam 14,33), die das Gemeinschaftsverhältnis mit einem Menschen oder mit Gott verletzende Tat (Ex 10,17; 1Sam 7,17.25; 1Kön 8,46; Jer 16,10-12), das Vergehen gegen Normen und konkrete Gebote (Lev 20,20; 2Sam 12,13; 24,12; Hos 4,1.6-8); ‫‘[( ָע ֹון‬āwōn], 70 Mal), der willentliche, absichtliche Verstoß gegen das Rechte, die Sünde als Tat, als angerechnete Schuld und die daraus folgende Strafe; ‫[( פֶַּׁשע‬päscha‘], 19 Mal), das Verbrechen, oft der Bruch mit Jahwe; das Wort α� μαρτωλο' ς ([hamartōlos], „Sünder“) wird meistens mit ‫[( ָרָׁשע‬rāschā‘], 72 Mal) übersetzt, einem Wort, das den Frevler bezeichnet, der Böses tut.8 Andere Vokabeln für Sünde in den paulinischen Briefen9 sind: 1. η� α� δικι' α [hē adikia]: das Unrecht, die Ungerechtigkeit, die Ruchlosigkeit (Röm 1,18.29; 2,8; 3,5; 6,13; 9,14; 1Kor 13,6; 2Kor 12,13; 2Thess 2,10.12; 2Tim 2,19), die GesetzWidrigkeit, der Verstoß gegen die im Gesetz geoffenbarte Wahrheit Gottes; 2. το α� μα' ρτημα [to hamartēma]: die Verfehlung, die Übertretung, der Verstoß (Röm 3,25; 1Kor 6,18; vgl. Röm 5,16) gegen den Willen Gottes, auch unabhängig vom Gesetz; 3. η� α� νομι' α [hē anomia]: Gesetzlosigkeit (Röm 4,7; 6,19; 2Kor 6,15; 2Thess 2,3; 2,7), das Handeln ohne Rücksicht auf Gottes Gesetz; 4. η� α� σε' βεια [hē asebeia]: die Gottlosigkeit in Gesinnung und Handlung, der Frevel, die Freveltat (Röm 1,18; 11,26; 2Tim 2,16; Tit 2,12), das gegen Gott gerichtete Handeln, das Verhalten, als ob es Gott nicht gäbe; 5. η� κακι' α [hē kakia]: die Schlechtigkeit, die Bosheit, das Böse (Röm 1,29; 1Kor 5,8; 14,20; Eph 4,31; Kol 3,8; Tit 3,3); 6. η� παρα' βασις [hē parabasis]: die Übertretung des Gesetzes, der Gesetzesbruch (Röm 2,23; 4,15; 5,14; Gal 3,19; 1Tim 2,14), die Sünde nach ihrem Verhältnis zur Forderung des Gesetzes Gottes; 7. η� παρακοη' [hē parakoē)]: der Ungehorsam, das Nichthören (Röm 5,19; 2Kor 10,6), die Weigerung, auf Gott zu hören und seinem Willen zu gehorchen; 8. το` παρα' πτωμα [to paraptoma]: das Vergehen, die Verfehlung, die Sünde (Röm 4,25; 5,15a.15b.16.18.18.20; 11,11.12; 2Kor 5,19; Gal 6,1; Eph 1,7; 2,1.5; Kol 2,13), die durch persönliche Schuld hervorgerufene Störung des Verhältnisses des Menschen zu Gott; 9. η� πονηρι' α [hē ponēria]: die Bosheit, die Schlechtigkeit, die Gemeinheit (Röm 1,29; 1Kor 5,8; Eph 6,12). Bei Paulus ist α� μαρτι' α einerseits das irrtümliche oder schuldhafte Verfehlen eines Ziels, andererseits auch das Schuldigwerden und das Schuldigsein vor Gott (und den Mitmenschen) durch ein gegen Gottes Willen gerichtetes bzw. unter Absehung von Gottes Willen geführtes Leben. Zugleich ist hamartia die Macht, die den Menschen so leben lässt.10 „Sünde“ ist einerseits eine allgemein zu konstatierende Befindlichkeit im Sinn des überindividuellen Schuldverhängnisses (Röm 5,12-21), andererseits wird sie in Einzelverstößen vorstellbar und sichtbar, was in den Pluralformulierungen αι� α� μαρτι' αι (1Thess 2,16; Gal 1,4), τα` α� μαρτη' ματα (von α� μα' ρτημα; Röm 3,25), τα` παραπτω' ματα (2Kor 5,19; Röm 4,25) und τα` παραβα' σεις (Gal 3,19; Röm 2,23; 4,15) deutlich wird. Grund der ————————————————————

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Vgl. K. Koch, Art. ‫ָחָטא‬, ThWAT II, 857-870; idem, ‫ָע ֹון‬, ThWAT V, 1160-1177; H. Ringgren, H. Seebass, Art. ‫פַָּׁשע‬, ThWAT VI, 791-810; Preuß, Theologie II, 186-190. Vgl. Kraus, Tod Jesu, 108-111. Papathomas, Begriffe, 191-194 unterscheidet eine heidnische Bedeutung („eine Verfehlung, eine strafbare Handlung begehen“) und eine christliche Bedeutung („sündigen“ im Sinn von „Taten, wörtlichen Äußerungen und Gedanken gegen das ewige, göttliche Gesetz“). Belege für die heidnische Bedeutung in den Papyri sind SB XIV 11346 (Anklage wegen strafbaren Handlungen); P.Oxy. I 34 Kol. III,3-6 (illegale Handlungen); P.Brem. 37 (Eingabe bez. eines Mordprozesses).

Das Gericht nach den Werken 2,12-29 293 ———————————————————————————————————— Gottesferne ist die Sünde Adams (Röm 5,12-21; vgl. 1Kor 15,26; s. Gen 3,17-19). Die Sünde ist eine Sklavenhaltermacht (Röm 6,16.20; 7,14; Gal 3,22), an die alle verkauft sind. Der Mensch hat nach Paulus weder freien Willen noch genügend Kraft, um der Sünde durch Buße und die Befolgung der Tora zu entkommen. „Sünde ist nach paulinischer Glaubenseinsicht ein Schicksals- und Tatzusammenhang, aus dem nur Christus befreien kann, weil nur er die Herrschaft der Sünde überwunden hat (Röm 5,15-21; 8,3-4)“.11

Heiden, die sündigen, werden auch ohne das Gesetz zugrunde gehen. Das mit „zugrunde gehen“ (α� πολουñ νται)12 übersetzte Wort beschreibt in der griech. Literatur allgemein Verlust, Zerstörung, Vernichtung, auch das endgültige Verderben des Menschen im Tod, im Alten Testament neben dem Verlust des Lebens, in Verbindung mit Hades und Tod, den endgültigen Zustand (Hi 26,6; 38,22); in Qumran ist von „Männer und Söhne des Verderbens“ die Rede (1QS IX, 16.22; CD VI, 15). Hier bezeichnet das Wort die Verlorenheit vor Gott, das ewige Verderben, das im Endgericht als Strafe verhängt wird. Der Grund für diese Strafe wurde in 1,18-32 erläutert. Wie die Heiden, so müssen auch die Juden vor Gottes Gericht erscheinen. Die Wendung alle … im Geltungsbereich des Gesetzes (ο« σοι ε� ν νο' μω, ) beschreibt die Juden, die „im Geltungsbereich“ (ε� ν) des Gesetzes leben,13 d.h., die das Gesetz kennen und seiner Normativität unterworfen sind. „Gesetz“ (νο' μος) bezeichnet hier die mosaische Tora, kann aber auch die gesamte Hl. Schrift im Auge haben (s. 3,19). Juden, die gesündigt haben (η« μαρτον), werden im Endgericht durch das Gesetz gerichtet werden (δια` νο' μου κριθη' σονται), weil das Gesetz das Kriterium des göttlichen Gerichts ist. Das passive Verb beschreibt das Handeln Gottes, der Richter der Menschen ist. Das Futur beider Verben (α� πολουñ νται, κριθη' σονται) verweist auf das zukünftige Endgericht. Wenn Sünde nicht gesühnt und die Schuld nicht vergeben wurde, ist das Urteil im Gericht Gottes auch für die Juden das ewige Verderben. Der Nexus von Sünde und Verurteilung im Zorngericht Gottes (V. 8-9) besteht unabhängig davon, ob Menschen die Tora kennen oder nicht. Während Paulus später in diesem Abschnitt den Unterschied zwischen Juden und Heiden mit dem Besitz bzw. dem Hören des Gesetzes markiert (V. 12.14; vgl. 3,2l; 9,4-5), betont er hier die grundlegende Gemeinsamkeit, die diesen Unterschied unwirksam werden lässt: die Sünde.14 ————————————————————

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Stuhlmacher, Theologie I, 279; Röhser, Metaphorik, 142-143 betont den Tatcharakter. Bauer / Aland s.v. α� πο' λλυμι 1. Aktiv: verderben, vernichten, verlieren; 2. Medium: zugrunde gehen, umkommen, sterben, verderben; vgl. A. Oepke, Art. α� πο' λλυμι κτλ., ThWNT I, 393-396; A. Kretzer, EWNT I, 325-327. Paulus verwendet das Wort in Röm 2,12; 14,15; 1Kor 1,18.19; 8,11; 10,9.10; 15,18; 2Kor 2,15; 4,3.9; 2Thess 2,10. Bauer / Aland s.v. ε� ν I.5d; NSS 7; Wilckens I 132. Wolter I 180-181; Gutbrod, Anthropologie, 30.

294 Römerbrief ————————————————————————————————————

13 Paulus begründet, dass Besitz und Kenntnis des Gesetzes den Sünder im

Gericht Gottes nicht vor der Verurteilung bewahren kann. Die Wendung vor Gott (παρα` τω ñ, θεω ñ, ) beschreibt Gott als Richter, vor dem die Menschen stehen. Im Zusammenhang von V. 12 unterscheidet Paulus zwei Arten von Juden. Auf der einen Seite sind die Hörer des Gesetzes (οι� α� κροαται` νο' μου),15 d.h. die Juden, die die Tora nur hören, wenn sie selbst lesen oder in der Synagoge die Tora gelesen wird. Auf der anderen Seite sind die Täter des Gesetzes (οι� ποιηται` νο' μου), d.h. die Juden, die die Tora sowohl hören als auch tun, und das heißt: die Gebote Gottes befolgen. Nur die Juden, die das Gesetz sowohl kennen als auch befolgen, werden gerecht gesprochen werden (δικαιωθη' σονται), d.h., werden von Gott als „gerecht“ erklärt und erhalten somit einen Freispruch. Das Passiv verweist auf Gott als den, der allein das Urteil „gerecht“ aussprechen kann, das Futur auf das zukünftige Gericht. Paulus beruft sich mit der Betonung des Tuns auf einen Rechtsgrundsatz des Gesetzes, der im Judentum allgemein anerkannt war. Das Gesetz formuliert in Lev 18,5 mit aller wünschenswerten Deutlichkeit: „Ihr sollt auf meine Satzungen und meine Vorschriften achten. Wer sie einhält (α� ποιη' σας α» νθρωπος), wird durch sie leben. Ich bin der Herr.“ Das aus Deut 4,4-5 entnommene jüdische Glaubensbekenntnis schärft das Tun des Gesetzes ein: „Höre, Israel! Jahwe, unser Gott, Jahwe ist einzig. Darum sollst du den Herrn, deinen Gott, lieben mit ganzem Herzen, mit ganzer Seele und mit ganzer Kraft“ (EÜ). Im Mischnatraktat Abot heißt es: „Nicht die Lehre ist die Hauptsache, sondern die Tat“ (mAb 1,17). Jakobus schärft dieselbe Wahrheit ein: „Seid aber Täter des Worts (ποιηται` λο' γου) und nicht Hörer allein (μη` μο' νον α� κροαται'); sonst betrügt ihr euch selbst“ (Jak 1,22). Der jüdische Dialogpartner muss Paulus zustimmen: Die Kenntnis des Gesetzes kann Juden, die mit unvergebener Sünde vor Gott stehen, nicht retten. 14 Der Rechtsgrundsatz, dass das Tun des Gesetzes vor Gott rechtfertigt, nicht jedoch die bloße Kenntnis des Gesetzes, wird auf Heiden (ε» θνη) angewendet. Paulus beschreibt im Übergang von V. 13 zu V. 14 (man beachte das γα' ρ) eine ironische Situation: Juden, die das Gesetz hören und deshalb kennen, es jedoch nicht befolgen, werden im Endgericht nicht gerecht gesprochen, während Heiden, die von Natur aus das Gesetz nicht haben (V. 14a: τα` μη` νο' μον ε» χοντα, V. 14c: νο' μον μη` ε» χοντες), die Forderungen ————————————————————

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Das Subst. α� κροατη' ς („Hörer“) kommt bei Paulus nur hier vor; s. Jak 1,23.25; in der LXX Jes 3,3; Sir 3,29. Das Verb α� κροα' ομαι kommt in NT nicht vor, in der LXX in Jes 21,7; Weish 1,10 (Muraoka: „to listen attentively“), häufiger in der profanen griech. Literatur, vgl. LSJ mit Belegen. Der Genitiv νο' μου ist ein gen. objectivus, so auch in der folgenden Formulierung.

Das Gericht nach den Werken 2,12-29 295 ————————————————————————————————————

des Gesetzes tun (τα` τουñ νο' μου ποιω ñ σιν, V. 14vb). Die entscheidende Frage für das rechte Verständnis dieser Aussage ist die Identität der Heiden, verbunden mit der Frage, was mit dem „Gesetz“ gemeint ist, das diese Heiden halten. Die Mehrheit der Ausleger identifiziert die „Heiden“ als Griechen und Barbaren (vgl. 1,14), und das Gesetz als Naturgesetz bzw. Naturrecht oder als implizit in Gottes Schöpfung vorhanden: Paulus spricht entweder von einem „immer wieder einmal auftretenden Fall“ von einzelnen Heiden, die in ihrem Verhalten dem entsprechen, worum es im Gesetz geht, oder er erläutert das allgemeine Prinzip, um die Berufung der Juden auf das Gesetz zu unterminieren, oder es geht ihm lediglich um den Erweis der Unentrinnbarkeit des universalen Gerichts.16 Manche können sich nicht entscheiden, ob es um „Ausnahmefälle aus der massa perditionis der heidnischen Sünder“ oder ob Paulus überhaupt keine konkreten Beispiele nennt, sondern „vielmehr nur argumentativ-hypothetisch den Fall heidnischer Gesetzeserfüllung“ beschreibt.17 Diese Auslegung ist möglich. Die Interpretation der „Heiden“ als Heidenchristen und das „Gesetz“ als mosaische Tora, im Sinn von Jer 31,33 in ihr Herz geschrieben, ist überzeugender.18 Der Einwand, dass Paulus nie Juden und Heidenchristen kontras-

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Siehe jeweils Haacker 73; Dunn I 98; Käsemann 58, die repräsentativ sind. Käsemann 60 bezeichnet die Auslegung im Sinn von Heidenchristen lexikalisch für möglich, im Kontext jedoch als „absurd“, obgleich er bemerkt, wenn man dem Text nicht „das Schwebende“ belasse, könne man dieser „Fehldeutung“ (Augustins) „nur schwer … entgehen“. Schreiner 121-124 entfaltet die Argumente gegen die Interpretation im Sinn von Heidenchristen. Räisänen, Paul, 101-109 bezeichnet die Argumentation in 2,14-15 als Widerspruch zu dem, was Paulus sonst über die Heiden bzw. über das Gesetz sagt. Wilckens I 133; Wolter I 182-184, u.a.; vgl. Sanders, Law, 123-135; Bell., No One Seeks for God, 132-136: die „Rechtfertigung der Gesetzestäter“ ist eine gezielte reductio ad absurdum. Wolter I 184: Paulus sagt, weder bloß hypothetisch oder theoretisch, dass es Heiden gibt, „die mitunter in Übereinstimmung mit der Tora handeln“. Siehe bereits Ambrosiaster 74-75; Augustin, Contra Julianum 4,3,25; De spiritu et littera 26,43-46 (Augustin interpretierte zunächst im Sinn des Naturrechts; s. die Kritik von Luther 109); Zahn 122; Barth 40-43 (sowie in KD); Cranfield I 156-163; Wright 441442; Jewett 213-214; Kruse 138-140; Mundle, Auslegung; Flückiger, Werke; Bergmeier, Gesetz, 52-54; Hays, Echoes, 45; Watson, Paul, 205-216; Wright, The Law in Romans 2, 146-150; Gathercole, Law; Gathercole, Boasting, 126-129; McFadden, Judgment, 148150; Wright, Paul, 1088.1379-1382. Tomson, Täter, 208-214 bezieht die Aussage auf das Verhältnis von christusgläubigen Juden und Nichtjuden und meint, die Rede von der „Rechtfertigung aus Glauben allein“ sei zwar terminologisch verschieden von der „Rechtfertigung für die Gesetzestäter“, was den letzteren Gedanken jedoch nicht ausschließe: Wie bei Jakobus, so impliziert nach Paulus der Jesusglaube im Blick auf Judenchristen das „Tun des Gesetzes“.

296 Römerbrief ————————————————————————————————————

tiere,19 ist nicht stichhaltig: Paulus kontrastiert glaubende Heiden mit dem ungläubigen Israel in 9,30 und 11,11-14.20 Wichtig ist die Beobachtung, dass Paulus in V. 13 vom Tun der Tora spricht (οι� ποιηται` νο' μου), die zur Rechtfertigung im Endgericht führt, und im unmittelbar folgenden V. 14 wieder von einem Tun der Tora redet (τα` τουñ νο' μου ποιω ñ σιν). Die mit „die Forderungen des Gesetzes“ (τα` τουñ νο' μου) übersetzte Wendung beschreibt ein zwar allgemeines, aber zugleich umfassendes (τα` τουñ ) Halten des Gesetzes, nicht im Sinn von sündloser Perfektion, sondern im Sinn einer grundlegenden Orientierung am Willen Gottes. Das Adv. „von Natur aus“ (φυ' σει) ist nicht mit der folgenden Wendung (τα` τουñ νο' μου ποιω ñ σιν) zu verbinden, sondern mit dem vorausgehenden Verb (ε» χοντα): Paulus spricht von Heiden, die das Gesetz nicht „von Geburt an“ haben.21 Ausleger, die φυ' σει mit τα` τουñ νο' μου ποιω ñ σιν verbinden, sehen in V. 14 einen Hinweis auf das Naturrecht bzw. Naturgesetz: „Pate steht hier die frühjüdische Rezeption der Vorstellung vom ‚ungeschriebenen Gesetz‘. Das Naturgesetz, das jedem Menschen zugänglich ist und insbesondere von den jüdischen Ahnvätern vor dem Sinai vorbildhaft gehalten wurde, findet seinen klaren Ausdruck in der Tora des Mose, und umgekehrt wird damit die Tora als schriftliche Fassung des Weltgesetzes geadelt“.22 Siehe Aristoteles, Eth.Nic. 4,8,1128a3132: „Der eine und großzügige Mensch wird sich also, wie wir es beschrieben haben, benehmen: er ist sich gleichsam selbst Gesetz (οιðον νο' μος ω � ν ε� αυτω ñ, )“; vgl. Chrysippus, nach Plutarch, Stoic. 9,1035C; Philo, Abr. 276; Prob. 46; Jos. 29. Der Begriff der lex naturae bzw. lex naturalis ist seit Cicero belegt. Viele nehmen die Aufnahme durch das hellenistische Judentum vermittelter stoischer Tradition an, „deren ethische Lehre den Nachdruck darauf legt, der Mensch werde sich dann sittlich verhalten, wenn er den Zusammenhang der kosmischen Ordnung begreift und in Übereinstimmung mit der φυ' σις handelt“.23 Was die stoische Tradition vom Naturgesetz betrifft, so sollte man nicht vergessen, dass stoische Philosophen, die von den ethischen Fähigkeiten der Mehrheit der ————————————————————

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Bornkamm, Gesetz und Natur, 109; zur Kritik s. Bergmeier, Gesetz, 53; Maertens, Étude; Gathercole, Law, 31-32. Gegen Bell., No One Seeks for God, 153 ist anzumerken, dass Paulus in Röm 2 mehrere Kontraste beschreibt: zwischen Menschen, die Gutes tun, und Menschen, die Böses tun (2,7-8), zwischen Juden allgemein und Juden, die das Gesetz halten (2,13), zwischen ungehorsamen Juden und zwischen gehorsamen Heiden (2,25-29). Cranfield I 156-157; Achtemeier 45; Haacker 73; Gathercole, Law, 35-37, der die Argumente gegen eine Verbindung von φυ' σει mit ε» χοντα beantwortet (z.B. Dunn I 98; Fitzmyer 310): Paulus verwendet φυ' σις nie, um eine Handlung zu beschreiben, sondern um eine Gruppe zu charakterisieren (Röm 11,21.24; Gal 2,15; 4,8; Eph 2,3); in 2,27 beschreibt φυ' σει die Heiden als Unbeschnittene. Konradt, Gericht, 505, mit Verweis auf die Beschreibung Abrahams durch Philo, Abr 275-276: Das Leben Abrahams war „selbst Gesetz und ungeschriebene Satzung“. Bassler, Impartiality, 142 bezeichnet die Interpretation im Sinn des Naturgesetzes als die generell akzeptierte Auslegung; ähnlich Eckstein, Syneidesis, 148, der rät, die „Behauptung endgültig fallen (zu) lassen“, es gehe um Heidenchristen. Die Entwicklung der exegetischen Forschung geht jedoch in eine andere als die von Eckstein gewünschte Richtung. Lohse 104. Zum folgenden Punkt Martens, Stoic Reading.

Das Gericht nach den Werken 2,12-29 297 ———————————————————————————————————— Menschen nicht viel hielten, es lediglich für möglich und geboten erachteten, dass der Weise „Elemente des Gesetzes (der Natur)“ befolgt. Die Interpretation im Sinn des Naturrechts kann missverstanden werden. Deshalb betonen manche, Paulus wolle „weder der Natur den Rang zuweisen, göttliche Offenbarungsquelle zu sein, noch von Möglichkeiten natürlicher Gotteserkenntnis reden, wie sie allgemein gegeben sein könnten. Sondern er stellt mithilfe überkommener Argumente heraus, daß der Jude in keiner Weise einen Vorrang vor den Heiden besitzt, diese aber auch nicht anders dastehen als Israel, das Volk des Gesetzes.“24 Andere haben Zweifel: „Votiert der Apostel hier im Sinne eines jedermann vertrauten Naturgesetzes … aus dem vielleicht sogar naturrechtliche Folgerungen zu ziehen sind? Variiert und modifiziert er wenigstens die griechische Anschauung vom νο' μος α» γραφος, welcher den Grund und die Norm kodifizierter Gesetzgebung bildet oder sich in seiner Ursprünglichkeit und Universalität gegen die willkürlichen θε' σεις politischer Machthaber wendet? … empfiehlt sich mindestens unserer Stelle gegenüber äußerste Zurückhaltung (Kuss; Ridderbos). Ein durchschlagender Beweis dafür, daß sie von der griechischen Anschauung aus verstanden werden müsse, ist nicht erbracht und nicht einmal wahrscheinlich.“25

Die Formulierung dann sind sie sich selbst Gesetz (ουð τοι … ε� αυτοιñς ει� σιν νο' μος) ist nicht von Aristoteles her zu erklären, sondern auf dem Hintergrund des Kontrasts zwischen der Tatsache, dass die Heiden das Gesetz nicht von Geburt an besitzen, und der bemerkenswerten Tatsache, dass (manche) Heiden das Gesetz verkörpern. Paulus wird in V. 15 erläutern, was dies bedeutet. Die Aussagen in 1,19-21 sind keine wirklichen Parallelen zu 2,14-15: Dort geht es um die „externe“ Offenbarung göttlicher Realität in der Schöpfung (deren Wahrheit sich die Menschen verweigern), hier geht es um eine „interne“ Realität im Menschen. Die nächsten Parallelen sind 2,2529 (von Auslegern im Sinn von Heidenchristen interpretiert; s. zu 2,25) sowie 8,3-4. Paulus spricht in 2,14 von Heidenchristen, die das Gesetz von Geburt aus nicht haben, seinen Forderungen in umfassender (nicht partieller) Weise in ihrem Verhalten jedoch entsprechen und so das Gesetz verkörpern und im Endgericht freigesprochen werden (2,13). Anders als (viele) Juden erfüllen sie die Bedingungen für die Rechtfertigung – sie sind Täter des vom Gesetz Geforderten. Ihre Erfüllung des Gesetzes ist kein „natürlicher“ Prozess, sondern das Resultat göttlichen Handelns, wie in V. 15 mit dem Hinweis auf Jer 31,33 erläutert wird.26 15 Paulus bestätigt und erläutert das in V. 14 von Heiden Gesagte (οι«τινες). Das Verb sie zeigen (ε� νδει'κνυνται)27 und der Hinweis auf das Gewissen, ————————————————————

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Lohse 104-105; vgl. Wilckens I 135; Haacker 73. Käsemann 58-59. Zur weiteren Kritik s. Gathercole, Law, 38-40. Davies, Faith, 53-67 argumentiert, die Heiden in 2,14-15 seien vorchristliche Heiden, deren spätere Bekehrung belegt, dass Gottes Gesetz auf ihr Herz geschrieben war. Diese Interpretation steht zwischen der Interpretation im Sinn von Heiden und der Interpretation im Sinn von Heidenchristen. Zur Kritik s. Gathercole, Law, 29. Das Verb ε� νδει' κνυμι kommt in den ptolemäischen Papyri in Petitionen und Prozesspro-

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das Mitzeuge ist (συμμαρτυρου' σης), legt es nahe, V. 15 im Sinn von drei unterschiedlichen Zeugen zu interpretieren und forensisch, d.h. auf das Endgericht bezogen, zu verstehen.28 Der erste Zeuge wird mit der Wendung dass ihnen das vom Gesetz geforderte Handeln in ihre Herzen geschrieben ist beschrieben. Die Formulierung „das vom Gesetz geforderte Handeln“ (το` ε» ργον τουñ νο' μου [to ergon tou nomou]) ist singulär, Paulus verwendet üblicherweise den Plural „Werke des Gesetzes“ (ε» ργα νο' μου [erga nomou]).29 Der Ausdruck beschreibt die „Ausführung“ oder das „Vollbringen“ der Tora (s. zu 3,20). Der Satz weist vier Lexeme auf, die in Jer 31,33 (LXX 38,33) vorkommen, was die Annahme einer bewussten Anspielung auf diesen Text nahelegt:30 Jer 38,33 LXX Röm 2,15

νο' μους μου … ε� πι` καρδι' ας αυ� τω ñ ν γρα' ψω αυ� του' ς το` ε» ργον τουñ νο' μου γραπτο` ν ε� ν ταιñς καρδι' αις αυ� τω ñν

Die Jeremia-Stelle spielt für Paulus eine wichtige Rolle. Er schreibt in 2Kor 3,2-3: „Unser Empfehlungsschreiben seid ihr; es ist eingeschrieben in unser Herz und alle Menschen können es lesen und verstehen. Unverkennbar seid ihr ein Brief Christi, ausgefertigt durch unseren Dienst, geschrieben (ε� γγεγραμμε' νη) nicht mit Tinte, sondern mit dem Geist des lebendigen Gottes (πνευ' ματι θεουñ ζω ñ ντος), nicht auf Tafeln aus Stein, sondern – wie auf Tafeln – in Herzen von Fleisch“ (EÜ). Die Gegenüberstellung von „Tafeln aus Stein“ (ε� ν πλαξι`ν λιθι' ναις) und „Tafeln in Herzen von Fleisch“ (ε� ν πλαξι`ν καρδι' αις σαρκι' ναις) ergibt sich aus der Gegenüberstellung des Alten Bundes und des Neuen Bundes in Jer 31,31-32 (LXX 38,31-32: „Siehe, Tage kommen, sagt der Herr, da werde ich mit dem Haus Israel und mit dem Haus Juda einen neuen Bund (διαθη' κην καινη' ν) schließen, nicht nach der Art der Bundes (ου� κατα` τη` ν διαθη' κην), den ich mit ihren Vätern geschlossen habe am Tag, als ich ihre Hand ergriff, um sie aus dem Land Ägypten herauszuführen, denn sie hielten an meinem Bund nicht fest, und ich habe mich nicht um sie gekümmert, sagt der Herr“, LXX.D) und der Verheißung in Hes 11,19-20 (= 36,26), dass das Herz auf Stein durch ein Herz aus Fleisch ersetzt werden wird: „Und ich werde ihnen ein anderes Herz geben und einen neuen ————————————————————

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tokollen vor, wobei es darum geht, „einen Sachverhalt als dem Gesagten gemäß richtig ‚nachweisen‘“; Arzt-Grabner, 2. Korinther, 425. Schlatter 92; Käsemann 60-61, aufgenommen von Gathercole, Law, 40-46. Röm 3,20.28; Gal 2,16; 3,2.5.10. Konkret νο' μος, καρδι' α, αυ� τω ñ ν, γρα' φω. Die Verbindung von Röm 2,14 mit Jer 31,33 (LXX 38,33) ist das stärkste Argument für die Interpretation im Sinn von Heidenchristen und wird deshalb von den Auslegern bestritten, die diese Interpretation ablehnen (z.B. Bornkamm, Gesetz und Natur, 106-108; Michel 124; Käsemann 60; Schlier 78; Wilckens I 134; Zeller 69-70; Haacker 74; Wolter I 186; Kuhr, Verheißung). Für die Anspielung auf Jer 31,33 (LXX 38,33) s. Zahn 124; Cranfield I 158-159; Jewett 215; Wright, The Law in Romans 2, 148-149; Ito, Reading, 30; Watson, Paul, 211; Gathercole, Law, 4143; auch Dunn I 100, der nicht im Sinn von Heidenchristen interpretiert. Mijoga, Deeds of the Law, 58-61 vergleicht V. 15 mit Aristoteles, Rhet. 1,15,1-12[1375] (το` ε» ργον το` τουñ νο' μου) und Appian, Bell.civ. 1,12-13 (μη` το` ε» ργον ε� κλειφθει' η τουñ νο' μου); vgl. Bachmann, Keil, 114-115: An beiden Stellen geht es um die Funktion, die Aufgabe, das Ziel des νο' μος.

Das Gericht nach den Werken 2,12-29 299 ———————————————————————————————————— Geist werde ich in sie geben, und ich werde das steinerne Herz (τη` ν καρδι' αν τη` ν λιθι' νην) aus ihrem Fleisch reißen und ihnen ein fleischernes Herz (καρδι' αν σαρκι' νην) geben, damit sie in meinen Vorschriften wandeln und meine Rechtssätze beachten und sie tun werden. Und sie werden mir zum Volk sein, und ich werde ihnen zum Gott sein“ (LXX.D). Die Jeremia-Stelle veranlasst Paulus, das „steinerne Herz“ Hesekiels als Hinweis auf die Steintafeln der Sinaioffenbarung zu lesen.31 Der explizite Hinweis auf den Neuen Bund in 2Kor 3,6 entspricht Jer 31,31 (LXX 38,31). Der Einwand, dass in Röm 2,15 „kein eschatologischer Tatbestand aufgedeckt wird“, und dass das im Herzen geschriebene Gesetz in Jer 31,33 eine eschatologische Gabe ist, die Israel in der Heilszeit erhalten wird, während es in Röm 2,15 um die dem Menschen aufgrund seiner menschlichen Natur eignenden Fähigkeit zum sittlichen Handeln geht,32 ist nicht stichhaltig. Die Jeremia-Verheißung betont, dass sich der Alte und der Neue Bund darin unterscheiden, dass Israels Väter den Alten Bund gebrochen haben (Jer 31,31-32), und dass der Neue Bund von einem neuen Gehorsam gekennzeichnet sein wird – nicht im Sinn einer größeren Anstrengung, sondern als Resultat des Handelns Gottes, der das Gesetz auf ihr Herz schreibt (Jer 31,33) und sein Volk durch den Geist beschneidet (Röm 2,29). Das heißt, der Gehorsam des Neuen Bundes ist in der Tat eine eschatologische Heilsgabe Gottes.33 Die Anspielung auf Jer 31,33 ist aus zwei weiteren Gründen von Bedeutung. Erstens, Jeremia verheißt eine Internalisierung (Verinnerlichung) der Tora, ähnlich wie in Deut 6,6 („Diese Worte, auf die ich dich heute verpflichte, sollen auf deinem Herzen [ε� ν τηñ, καρδι' α, σου] geschrieben stehen [ε» σται]“), allerdings ohne dass die Worte Gottes durch aktives Auswendiglernen und aktiven Gehorsam verinnerlicht werden, sondern als Resultat eines Handelns Gottes. Zweitens, der Alte Bund war von Anfang an von Ungehorsam gekennzeichnet (Jer 31,32), und gerade darin ist der Neue Bund „nicht nach der Art des Bundes“ (ου� κατα` τη` ν διαθη' κην), der bisher bestanden hat.

Formulierungen, die auf den Neuen Bund verweisen, finden sich auch in V. 25-29 (mit Anspielungen auf Hesekiel). Der einzige Unterschied zwischen Jeremia und Paulus ist die zeitliche Perspektive: Jeremia prophezeit Ereignisse in der Zukunft, Paulus spricht von einer in der Gegenwart zu beobachtenden Wirklichkeit. Das Herz der Heiden, das in 1,21 unverständig und verfinstert und in 1,24 von Begierden, die zu einem unmoralischen Leben zwingen, beherrscht war, hat eine Transformation erfahren. Paulus schreibt vom Tun des Gesetzes der Heiden(christen), die zum Neuen Bund gehören, in kontrastierendem Vergleich mit den Juden, die (immer noch) unter den Bedingungen des Alten Bundes leben und ungehorsam sind gegenüber den rechtlichen Forderungen des Gesetzes (V. 21-22). ————————————————————

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Watson, Paul, 211 Anm. 49; vgl. Cranfield I 159, der neben 2Kor 3 auf 1Kor 11,25 und 2Kor 6,16; Röm 11,27 verweist. Man vergleiche auch die Bedeutung von Jer 31,31-34 für Hebr 8,8-12; 10,16-17 sowie Lk 22,20 (Mk 14,24; Mt 26,28). Käsemann 60 sowie Kuhr, Verheissung, 260. Zur Kritik s. Gathercole, Law, 42. Der weitere Einwand von Wilckens I 134, die Jeremia-Stelle werde im hellenistischen Judentum „nirgends zu apologetischem Zweck im Sinne des νο' μος α» γραφος ausgewertet“, ist ein Zirkelschluss: Er setzt voraus, dass das ungeschriebene lex naturalis die Grundlage für 2,14-15 darstellt und daraus „folgert“, dass keine Anspielung auf Jer 31,33 vorliegen kann; Gathercole, Law, 42; für das Folgende ebd. 42-43.

300 Römerbrief ————————————————————————————————————

Der zweite Zeuge, der im Endgericht für die Heiden(christen) eintritt, ist das Gewissen (συνει'δησις). Das „Gewissen“ ist hier nicht „das fordernde, verpflichtende Gewissen“,34 auch nicht das moralisch schlechte Gewissen,35 sondern positiv „die innere Kontrollinstanz, mit der der Mensch sich selbst beurteilt und richtet“, eine Instanz also, „die das Verhalten im Lichte einer bestehenden Norm reflektiert und überprüft, nicht aber selbst Norm setzt“.36 Die Instanz des Gewissens hat „die Aufgabe, das Denken, Wollen, Reden und Handeln des Menschen auf die Übereinstimmung mit den bewußt oder unbewußt akzeptierten Normen des νουñ ς zu überprüfen und das Ergebnis dem Menschen bestätigend oder anklagend zu bezeugen“, d.h. die „reflektierende Instanz im Menschen, die das Verhalten des Menschen positiv oder negativ beurteilt und es ihm bewußt macht“.37 Das Urteilsvermögen des νουñ ς von Heiden ergibt sich aus seiner Kreatürlichkeit als Geschöpf Gottes (vgl. 1,19-21.32). Als zweiter Zeuge neben der Einschreibung des Gesetzes in das Herz der Heiden(christen) hat das Gewissen hier eine positive Rolle. Es bestätigt im Endgericht die Übereinstimmung mit der Norm des Willens Gottes. Wenn man 9,1 als nächste Parallele heranzieht, besteht das Zeugnis des Gewissens in einer Gewissheit, die von der Gegenwart und dem innerlichen Handeln des Heiligen Geistes herrührt.38 Der dritte Zeuge39 sind die Gedanken, die einander verklagen oder auch verteidigen. Der mit „Gedanken“ (λογισμοι') übersetzte Ausdruck beschreibt die Überlegung, die Erwägung, die Gedanken.40 Die Verben ————————————————————

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Bultmann, Theologie, 217; vgl. Käsemann 61. Dies ist die Tradition der conscientia antecedens, „die als der Entscheidung vorausgehend, zum Guten treibend und auf Pflicht und Verantwortung verweisend verstanden wurde“ (Eckstein, Syneidesis, 171; zur Kritik ebd. 171-173). Vgl. Luther 117: „Sicherlich kommen aus unserem Gewissen nur anklagende Gedanken, weil unsere Werke vor Gott ein Nichts sind“; Bornkamm, Gesetz und Natur, 114: Es geht um den „höchst lästigen, unbestechlichen, nicht zum Schweigen zu bringenden, den Menschen erinnyenhaft quälenden Mitwisser seiner eigenen Taten“. So auch Pierce, Conscience, 50. Zur Kritik Eckstein, Syneidesis, 173-175. Merklein, Korinther II, 193; vgl. C. Maurer, Art. συ' νοιδα, συνει' δησις, ThWNT VII, 897918; G. Lüdemann, EWNT III, 721-725; C. Spicq, TLNT III, 332-336; H. C. Hahn, ThBLNT I, 774-781; M. Wolter, Art. Gewissen II, TRE XIII, 213-218; Eckstein, Syneidesis, 35-135, zu Röm 2,15 ebd. 137-179, bes. 171-179. Eckstein, Syneidesis, 177, 178; ebd. 177 zum folgenden Punkt. Gathercole, Law, 44. Das die beiden absoluten Genitive (αυ� τω ñ ν τηñ ς συνειδη' σεως / α� λλη' λων τω ñ ν λογισμω ñ ν) verbindende και' ist additiv zu verstehen; vgl. Eckstein, Syneidesis, 165-167; Wilckens I 136; anders Cranfield I 161; Fitzmyer 311; Lohse 106; Wolter I 187 (epexegetisch). Bauer / Aland s.v. λογισμο' ς 1. Dies ist die übliche Bedeutung in der LXX, vgl. Muraoka s.v. λογισμο' ς 1, mit Verweis auf Mich 4,12; Nah 1,11; Ps 32,11; Jer 18,11; 27,45. Anders Schlatter 93 („die Aussagen derer, vor denen und für die das Handeln geschah“).

Das Gericht nach den Werken 2,12-29 301 ————————————————————————————————————

„verklagen“ (κατηγορου' ντων) und „verteidigen“ (α� πολογουμε' νων) sind forensisch zu verstehen. Die Heiden(christen), die das vom Gesetz geforderte Handeln in ihrem Herzen geschrieben haben und in ihrem Lebensvollzug erfüllen, erfahren im Endgericht, wenn sie vor Gott stehen, dass ihre Gedanken sie verklagen oder auch verteidigen.41 Wichtig und für den jüdischen Dialogpartner überraschend sind die mit „oder auch“ übersetzten Partikeln (η� και'), die auch mit „und“ wiedergegeben werden können.42 Während die Heiden in 1,18-32 „ohne Entschuldigung“ (α� ναπολογη' τους, 1,20) waren, können sie jetzt im Endgericht auf eine Realität verweisen, die ihrer Verteidigung (α� πολογι'α) dient. 16 Der Tag, an dem Gott das Verborgene der Menschen richten wird, ist der Tag des Endgerichts, von dem seit 1,18 die Rede war, der Tag, an dem die gegen den Willen Gottes verstoßenden Menschen das Todesurteil erleiden (1,32), was auch für Juden gilt, die das Gesetz nicht halten, nicht Buße tun und deshalb mit unvergebener Sünde vor Gott stehen (2,1-3). In 2,5-6 beschrieb Paulus diesen „Tag des Zorns“ als „Tag der Offenbarung des gerechten Gerichtsurteils Gottes“, an dem Gott allen Menschen nach ihren Werken vergelten wird. In V. 16 setzt Paulus seine Beschreibung des göttlichen Endgerichts fort.43 Gott ist der Richter (κρι'νει ο� θεο' ς). Paulus klärt im Anschluss an V. 15, dass Gott nicht nur die sichtbaren Taten der Menschen (V. 1-10.13) richten wird, sondern auch das Verborgene der ————————————————————

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Manche betonen die Anklage und unterschlagen die Verteidigung; z.B. Lohse 106: „Ohne daß der Mensch es zu steuern oder zum Schweigen zu bringen in der Lage wäre, meldet es (das Gewissen) sich zu Wort, indem es vor allem zu kritischer Überlegung anhält und schuldhaftes Verhalten anklagend benennt“; ähnlich Haacker 74. Mit der „verbal combativeness of Greco-Roman culture“ (Jewett 217) hat die Formulierung nichts zu tun. Elb.Ü, GN, LÜ, Wilckens: „oder auch; EÜ, NGÜ, Lohse: „und“; ZÜ, NRSV, Zahn, Michel, Käsemann, Haacker, Fitzmyer: „oder“ („or“); RSV: „or perhaps“, Dunn: „or even“; NIV1984: „now … now even“; NIV2011: „sometimes … at other times“. Die Übersetzung mit „sogar“ (engl. „even“) geht gegen den Kontext, da das zweite Element nicht etwas Nichtzuerwartendes darstellt. Die Partikel η» wird meistens disjunktiv verwendet (HvS §252,26a), wenn sie zwei zur Wahl stehende Elemente verknüpft (HvS §326); και' kann additiv oder auch alternierend verwendet werden (HvS §252,29c.aa), im Anschluss an η» ist es als Adverb im Sinn von „auch“ (oder „sogar“, wenn etwas Nichtzuerwartendes folgt) zu deuten. Eine alternative Verbindung kann je nach sachlichem Kontext inklusiv oder exklusiv gemeint sein, d.h., die verknüpften Elemente können nebeneinander gelten (inklusive Lesart) oder sich gegenseitig ausschließen (exklusive Lesart). Hier liegt eine inklusive Bedeutung vor (HvS, private Kommunikation). Die Annahme einer Glosse (Bultmann, Glossen, 282-283) erübrigt sich; Wilckens I 137; Käsemann 62-63 („Verlegenheitseinfälle“); Lohse 107 (trotz Sympathien); Saake, Überlegungen. Die Schwierigkeiten lösen sich, wenn man V. 14-15 auf das zukünftige Endgericht bezieht (Weiß, Beiträge, 218, wollte 2,14-15.26-27 als Glossen ausscheiden), von dem V. 16 eindeutig handelt.

302 Römerbrief ————————————————————————————————————

Menschen (τα` κρυπτα` τω ñ ν α� νθρω' πων), d.h. das Herz der Menschen und was sich dort an Gedanken, Begierden, Wünschen abspielt. Dass Gott das Verborgene kennt, ist breite atl. Überzeugung, die im Neuen Testament aufgenommen wird.44 In V. 15 sprach Paulus vom Herzen, vom Gewissen und von den Gedanken, die alle „verborgen“ im Sinn von unsichtbar sind. Es wäre ein psychologisches Missverständnis seiner Anthropologie, wenn man ihn so verstehen würde, als ob Gott nur Taten richtet, nicht jedoch den Menschen als ganzen.45 In 1Kor 4,5 schreibt Paulus: „Richtet also nicht vor der Zeit, bis der Herr kommt, der das Verborgene der Finsternis ans Licht bringen und die Pläne der Herzen offenbaren wird; und dann wird einem jeden das Lob von Gott zuteil werden.“ Die beiden präpositionalen Wendung gemäß dem von mir verkündigten Evangelium (κατα` το` ευ� αγγε' λιο' ν μου) und durch den Messias Jesus (δια` Χριστουñ � Ιησουñ ) sind mit dem Verb „richten“ zu verbinden. Das Kriterium im Endgericht ist das von Paulus verkündigte Evangelium.46 Der Richter im Endgericht ist Jesus, der Messias.47 Die Verkündigung von Jesus, dem Retter (1,3-4.16-17), der im Endgericht der Richter sein wird, ist ein integraler Bestandteil des Evangeliums. Diese Tatsache bedeutet, wie Paulus in 8,1.31-39 erläutern wird, dass es für Jesusbekenner, für die Gott seinen Sohn hingegeben und infolge seines Todes am Kreuz und seiner Auferstehung Gerechtigkeit geschenkt hat, keine Verurteilung im Endgericht geben wird. Dies trifft für Heiden(christen) zu, denen Gott die Forderung des Gesetzes ins Herz geschrieben hat und die im Endgericht infolge des Handelns Gottes und in Anbetracht ihres Lebensvollzugs gerecht gesprochen werden (2,7.10). Und es gilt für Juden (2,10), wenn sie sich zu Jesus als Messias und Retter (1,3-4.16-17) und Ort der endzeitlichen und normativen Heilsoffenbarung Gottes (3,21–5,21) bekennen. Paulus „unterhält“ sich mit seinem jüdischen Gesprächspartner nicht als Religionsphilosoph, der neutral abwägend über die Grundkonstanten der Anthropologie oder über die Aufgabe und das Ziel menschlicher Verantwortlichkeit in Handeln und Denken doziert. Paulus redet und schreibt immer als Missionar, der Juden ————————————————————

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1Sam 16,7; 1Chron 28,9; Hi 34,22; Ps 139,1-2.23; Jer 16,17; 23,24; 17,10; Dan 2,22; Mt 6,4.6; Hebr 4,12-13. Vgl. Käsemann 63, der gegen Bultmann, Glossen, 283 (orig. 201) argumentiert. Vgl. die Formulierung in 16,25; 2Tim 2,8. Zu ευ� αγγε' λιον s. zu 1,1. Vgl. 2Kor 5,10: „Denn wir alle müssen vor dem Richterstuhl Christi (τουñ βη' ματος τουñ Χριστουñ ) offenbar werden, damit jeder seinen Lohn empfängt für das Gute oder Böse, das er im irdischen Leben getan hat“ (EÜ); vgl. 2Tim 4,1: Paulus schwört „bei Gott und bei Christus Jesus, dem kommenden Richter der Lebenden und der Toten, bei seinem Erscheinen und bei seinem Reich“; vgl. Apg 10,42; 17,31. Die Wendung ist mehr als „klangvoller liturgischer Abschluß“ (Lohse 107, mit Verweis auf Käsemann 63-64).

Das Gericht nach den Werken 2,12-29 303 ————————————————————————————————————

und Heiden zum Glauben an Jesus als Messias und Retter führen will. Alle, ob Heiden oder Juden, müssen sich im Endgericht verantworten. Das Endgericht endet in einem Freispruch („Rechtfertigung“) nur für die, die sich im Glauben auf Jesus Christus verlassen – das ist die „gute Nachricht“, die Paulus verkündigt. 17-20 Paulus spricht den jüdischen Dialogpartner wieder direkt an (συ` � Ιουδαιñος).48 Eingeführt mit dem Vordersatz eines Konditionalsatzes (dessen Nachsatz fehlt),49 beschreibt Paulus in V. 17-20 den Anspruch des Juden gegenüber den Heiden in elf Sätzen. Mit Stolz nennt er sich Jude (� Ιουδαιñος; V. 17). Die Zugehörigkeit zum Volk Gottes wurde traditionell mit der Bezeichnung „Israel“ zum Ausdruck gebracht. Der zunächst eher von Heiden verwendete Ausdruck „Jude“ wurde in der hellenistischen Zeit als Ehrentitel übernommen und findet sich in der Diaspora oft auf Grabinschriften.50 „Man nennt sich Jude um der Nichtjuden willen.“51 Wer Jude ist, der gehört zum Volk Gottes und besitzt in der Tora die Weisung Gottes für das Leben und damit eine göttliche Gabe, die die Heiden nicht kennen. Als Zeichen der Erwählung kennzeichnet den Juden, dass er sich auf das Gesetz verlässt (ε� παναπαυ' η, νο' μω, ). Im Gegensatz zu den Heiden, die das Gesetz nicht haben, besitzt der Jude in der von Gott gegebenen Tora die zuverlässige Offenbarung des Willens Gottes, der ihm im Leben Halt gibt. Das Verb, das auch „ruhen, ausruhen“ bedeuten kann,52 ist nicht mit negativem Beiklang zu verstehen, den man oft Micha 3,11 LXX entnimmt.53 Gott hat Israel das Gesetz genau deshalb gegeben, dass sich der einzelne ————————————————————

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Die 2. Pers. Sing. ε� πονομα' ζη, behandelt die angesprochene Person als Vertretung für eine beliebige Person zum Ausdruck von etwas allgemein Gültigem; HvS §139e.c. D.h., es liegt ein Anakoluth vor, hier im Sinn der Aposiopese: „die Rede bricht aus Erregung, Scheu o.ä. ab … Der Dann-Satz bleibt unausgesprochen, etwa: Was können wir dagegen tun?“; HvS §293f. Lohse 109 erklärt den Anakoluth theologisch: Paulus will seinem Gesprächspartner klarmachen, „wie er sich im Widerstreit zwischen Anspruch und Wirklichkeit befindet“. Vgl. IJudO II 208,1: „Der Sarkophag und der Platz gehören Aurelius Annius Memnon, Jude“ (Hierapolis); s. den Index ebd. 597 für weitere Belege in Kleinasien; für Rom vgl. JIWE II 567; für Ägypten JIGRE 122–123. Michel 128 Anm. 2; vgl. Wolter I 192: semantisch muss die Abgrenzung von den Nichtjuden „mitgehört werden“. Bauer / Aland s.v. ε� παναπαυ' ομαι 1. ruhen, sich der Ruhe hingeben, 2. sich ausruhen, sich stützen; für die Bedeutung „sich verlassen auf“ Verweis u.a. auf Mich 3,11; 1Makk 8,11. Haacker 77, gegen Bultmann, Calvin, Kühl, Nygren, auch Lohse 109 („Der Apostel spielt auf die überhebliche Haltung des Juden an“); dagegen auch Käsemann 65. Cranfield I 164 markiert als Problem, dass Juden das Gesetz „aus Werken“ halten und nicht „aus dem Glauben“, was zwar theologisch richtig ist, Paulus aber hier nicht sagt.

304 Römerbrief ————————————————————————————————————

Israelit bzw. Jude auf das im Gesetz Gesagte im Blick auf sein Verhalten im Gottesdienst und im Alltag verlässt. So lesen wir in syrApkBar 48,22-24: „Denn auf dich vertrauen wir, da dein Gesetz ja bei uns ist; und wir wissen, dass wir nicht fallen, so lange, als wir an deinen Bundesvorschriften festhalten. Zu aller Zeit Heil uns – auch insofern, dass wir nicht unter die Völker gemischt worden sind. Denn wir alle sind ein Volk, das einen berühmten Namen trägt, die wir von Einem ein Gesetz empfangen haben. Und jenes Gesetz, das unter uns weilt, hilft uns, und die vortreffliche Weisheit, die in uns ist, wird uns unterstützen.“ Die Beschreibung du rühmst dich Gottes (καυχαñ σαι ε� ν θεω ñ, ) bezieht sich auf das Gebet und das Bekenntnis des Juden. Das Verb „sich rühmen“ kann sowohl negative als auch positive Bedeutung haben, im ersten Fall kann mit „prahlen“ übersetzt werden, im zweiten Fall, wenn das Denken und Reden in die richtige Richtung gelenkt ist, mit „stolz sein auf“.54 Im Kontext der menschlichen Gesellschaft markiert das Rühmen „die Positionierung und Differenzierung“ des Einzelnen; es ist die Größe, die die eigene Identität in der Abgrenzung zu anderen bestimmt.55 Anders als die Heiden kennen Juden den einen wahren Gott, weil dieser sich den Vätern geoffenbart hat und sich im Gesetz weiterhin Israel offenbart. Diese Beschreibung ist positiv zu verstehen. Paulus hat vielleicht Jer 9,23 im Blick, eine Stelle, die er in 1Kor 1,31 und 2Kor 10,17 zitiert: „Wer sich rühmen will, rühme sich dessen (ε� ν του' τω, καυχα' σθω ο� καυχω' μενος), dass er Einsicht hat und mich erkennt, dass er weiß: Ich, der Herr, bin es, der auf der Erde Gnade, Recht und Gerechtigkeit schafft. Denn an solchen Menschen habe ich Gefallen – Spruch des Herrn“ (EÜ). In Deut 10,21 LXX heißt es: „Er selbst ist dein Ruhm und er selbst ist dein Gott (ουð τος καυ' χημα' σου και` ουð τος θεο' ς σου), der an dir dieses Große und Herrliche getan hat, das deine Augen gesehen haben“ (LXX.D).56 In PsSal 17,1 heißt es: „Herr, du selbst bist unser König immer und ewig; in dir, o Gott, rühmt sich unsere Seele.“ Sich Gottes rühmen heißt, dankbar und vertrauensvoll die Verbundenheit mit dem einen wahren Gott, dem Gott Israels, herauszustellen. Sich Gottes rühmen heißt, die eigene Identität durch die Wirklichkeit Gottes bestimmt sein zu lassen. ————————————————————

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Vgl. Muraoka s.v. καυχα' ομαι für die LXX: „with positive connotations“: Ps 32,11 (LXX 31,11); 150,5 (LXX 149,5); Sir 24,1; 38,25; „with negative connotations, to boast, brag“: Ps 94,3 [93,3]; Spr 11,7; 27,1; Dan 5,1 LXX; Sir 11,4. Für die positive Verwendung bei Paulus vgl. Röm 5,2.3.11; 1Kor 1,29.31; 2Kor 9,2; 10,8.17; 11,3; Gal 6,14; Phil 3,3; für die negative Nuance vgl. 1Kor 3,21; 4,7; 11,8; 12,1; Eph 2,9; Phil 3,3. Bosch, Gloriarse, 26 (ebd. 134-136 zu Röm 2,17) und F. Winter in Arzt-Grabner, 1. Korinther, 109 meinen, dass das Verb der griechischen Popularsprache angehört. Flebbe, Solus Deus, 125-126; vgl. Malina, Welt, 40-66; DeSilva, Shame, 143. Vgl. Ps 5,12; 89,18; Jer 17,14.

Das Gericht nach den Werken 2,12-29 305 ————————————————————————————————————

Juden kennen den Willen (το` θε' λημα) Gottes (V. 18),57 der ihnen in der Tora geoffenbart wurde. Der kausale Partizipialsatz da du aus dem Gesetz unterwiesen bist (κατηχου' μενος ε� κ τουñ νο' μου) bezieht sich wahrscheinlich sowohl auf den ersten als auch auf den zweiten Satz in V. 18.58 In Ps 40,8-9 (LXX 39,8-9) heißt es: „Dann sprach ich: Siehe, ich komme, in einer Buchrolle steht von mir geschrieben; deinen Willen (το` θε' λημα), mein Gott, zu tun, (das) habe ich mir vorgenommen, und dein Gesetz (zu tun) mitten in meinem Leib“ (LXX.D); vgl. Ps 143,10: „Lehre mich, deinen Willen zu tun; denn du bist mein Gott. Dein guter Geist leite mich auf ebenem Pfad“ (EÜ). Nach 2Makk 1,3-4 schrieben die Juden vom Jerusalem und Judäa den in Ägypten wohnten Juden: „Er gebe euch allen ein Herz, das euch fähig macht, ihn zu fürchten und seiner Lehre mutig und bereitwillig zu folgen. Er öffne euer Herz für sein Gesetz und für die Gebote und schenke euch Frieden“ (EÜ). Die Pharisäer nahmen das Studium des Gesetzes und die sich daraus ergebende Unterweisung im Willen Gottes besonders ernst.59 Das Gesetz wurde wöchentlich in den Synagogen gelesen und studiert, was Josephus zum Kommentar veranlasst, dies sei eine geniale Erfindung Moses, des großen Volkserziehers, die dazu geführt hat, dass die Kenntnis des Gesetzes das ganze jüdische Volkes kennzeichnet (Ap. 2,171-178). Die Kenntnis des Willens Gottes ist auch für Paulus grundlegend (1,10; 15,32). Ein Jude kann einschätzen … worauf es ankommt (δοκιμα' ζεις τα` διαφε' ροντα). Das mit „einschätzen“ übersetzte Verb bedeutet hier „prüfen, untersuchen“; das subst. Verb τα` διαφε' ροντα beschreibt „das, worauf es ankommt, das Wesentliche“.60 Paulus verwendet dieselbe Formulierung in seinem Gebet für die philippische Gemeinde: „Und ich bete darum, dass eure Liebe immer noch reicher an Einsicht und Verständnis wird, damit ihr beurteilen könnt, worauf es ankommt (ει� ς το` δοκιμα' ζειν υ� μαñ ς τα` διαφε' ροντα). Dann werdet ihr rein und ohne Tadel sein für den Tag Christi, reich an der Frucht der Gerechtigkeit, die Jesus Christus gibt, zur Ehre und zum Lob Gottes“ (Phil 1,9-11). In vielen Situation muss man Wesentliches von Unwesentlichem unterscheiden, um entscheiden zu können, wie man sich verhalten soll. Juden können diese Prüfung vornehmen, weil das Gesetz sie im Willen Gottes unterweist.

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Der Artikel steht hier im Sinne eines Possessivpronomens, vgl. HvS §131a.c, 140d. Cranfield I 166; Dunn I 111; Wolter I 193. Haacker 77, mit Verweis auf Josephus, Bell. 2,162; Ant. 17,31; das Folgende ebd. Bauer / Aland s.v. δοκιμα' ζω 1; ebd. s.v. διαφε' ρω 2b, mit der verbalen Bedeutung „sich vorteilhaft von jemandem oder von etwas unterscheiden, sich hervortun, mehr wert sein“.

306 Römerbrief ————————————————————————————————————

Juden haben das Selbstvertrauen, Führer für Blinde (ο� δηγο` ν τυφλω ñ ν) sein zu können. Das Verb „du traust dir zu“ (πε' ποιθα' ς τε, V. 19)61 leitet eine Aufzählung ein, in der aufgelistet wird, was sich der Jude alles zutraut. Die Formulierung im Perfekt weist darauf hin, dass der jüdische Dialogpartner diese Vorzüge eines Juden als zu konstatierenden Zustand betrachtet. Weil er das Gesetz hat, den einen wahren Gott kennt, um dessen Willen weiß und das Wesentliche vom Unwesentlichen unterscheiden kann, versteht er sich als Autorität, als Lehrer der Heiden. Weil diese den einen wahren Gott nicht kennen und das Gesetz nicht haben, sind sie blind, unfähig, den Willen Gottes zu erkennen und das Wesentliche vom Unwesentlichen zu unterscheiden. Nach Jes 42,7 LXX hat der Gottesknecht den Auftrag, „die Augen der Blinden zu öffnen“ (α� νοιñξαι ο� φθαλμου` ς τυφλω ñ ν). Josephus schreibt: „Wir haben immer Werke aufzuweisen, die noch deutlicher reden als die Schrift. Deshalb darf ich kühn behaupten, dass wir gar viele und herrliche Tugenden bei anderen eingeführt haben (ει� σηγητα` ς τοιñς α» λλοις)“ (Ap. 2,292-293). Vgl. äthHen 105,1; Sib 3,194; Philo, Abr. 98; ironisch Mt 15,14; 23,16.24.62 In der LXX von Personen, die als ortskundige Führer dienen (1Makk 4,2; 2Makk 5,15), in Weish 7,15 von Gott als „Führer der Weisheit“ (τηñ ς σοφι'ας ο� δηγο' ς), die auf dem rechten Weg hält. Juden sind überzeugt, Licht derer, die in Finsternis sind (φω ñ ς τω ñ ν ε� ν σκο' τει), sein zu können. Weil die Heiden weder Gott noch seinen in der Tora offenbarten Willen kennen, befinden sie sich in religiöser und moralischer Finsternis. Die Aufgabe des Gottesknechts wird in Jes 42,6-7 in diesem Zusammenhang so beschrieben: „Ich, der Herr, habe dich aus Gerechtigkeit gerufen, ich fasse dich an der Hand. Ich habe dich geschaffen und dazu bestimmt, der Bund für mein Volk und das Licht für die Völker (φω ñ ς ε� θνω ñ ν) zu sein: blinde Augen zu öffnen, Gefangene aus dem Kerker zu holen und alle, die im Dunkel sitzen, aus ihrer Haft zu befreien.“ Das Licht, das Israel erhalten hat, ist das Gesetz: „Dein Wort ist meinem Fuß eine Leuchte, ein Licht für meine Pfade (φω ñ ς ταιñς τρι'βοις μου)“ (Ps 118[119],105 LXX). Sir 24,37[27] sagt über das Buch des Gesetzes: „das offenbart wie Licht die Bildung“ (ο� ε� κφαι'νων ω� ς φω ñ ς παιδει'αν; LXX.D). Sir 34,20[17] beschreibt Gott als „Freude für das Herz, Licht für die Augen (φωτι'ζων ο� φθαλμου' ς), ————————————————————

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Bauer / Aland s.v. πει' θω 2. Perfekt 2b: „die Überzeugung haben, gewiß sein, sicher sein“, hier mit folgendem AcI. Wilckens I 148 Anm. 381 meint, hinter ο� δηγο' ν stehe das Bild von der Gesetzeslehre als „Weg“ (Halacha), und entsprechend der Jude als Wegführer der Heiden, und der Weisheit bzw. der Tora als Wegführer; dies ist in die Vokabel eingelesen. Vgl. W. Michaelis, Art. ο� δηγο' ς, ThWNT V, 101-106: Das Wort bedeutet „Führer (auf einem Weg), daneben übertr. Lehrer, Anleiter“; er will die Bedeutung in Röm 2,19 von Mt 15,14 her erklären.

Das Gericht nach den Werken 2,12-29 307 ————————————————————————————————————

Heilung, Leben und Segen“. Nach 4Esr 14,20 liegt die Welt in Finsternis und ihre Bewohner sind ohne Licht. Nach Weish 18,4 hielten die verblendeten Ägypter, die es wert waren, „des Lichts beraubt und in Finsternis gefesselt zu werden“, die Israeliten gefangen, „durch welche das unvergängliche Licht des Gesetzes (το` α» φθαρτον νο' μου φω ñ ς) der Welt gegeben werden sollte“. Aseneth, die Tochter von Pentephres, dem heidnischen Priester von Heliopolis, sagt, als sie Joseph sieht: „Und nun, siehe, die Sonne des Himmels ist auf ihrem Wagen zu uns gekommen und hat heute unser Haus betreten und erhellt es wie das Licht auf der Erde (ω� ς φω ñ ς ε� πι` τηñ ς γηñ ς)“ (JosAs 6,5). Da Juden mit der Kenntnis Gottes und des Gesetzes das für ein gelingendes Leben notwendige Licht besitzen, sind sie in der Lage, Heiden zu unterweisen, die sich an sie wenden, um Licht zu erhalten.63 In 2Kor 4,4 schreibt Paulus vom „Lichtglanz (το` ν φωτισμο' ν;) des Evangeliums von der Herrlichkeit des Christus“ (Elb.Ü), den die verblendeten Ungläubigen nicht sehen. In Eph 5,11-14 schreibt er von den „unfruchtbaren Werken der Finsternis“ (τοιñς ε» ργοις τοιñς α� κα' ρποις τουñ σκο' τους), die bloßgestellt werden sollen, „denn alles, was offenbar wird, ist Licht (παñ ν γα` ρ το` φανερου' μενον φω ñ ς ε� στιν)“, verbunden mit der Aufforderung, aufzuwachen und von den Toten aufzustehen, „und der Christus wird dir aufleuchten (ε� πιφαυ' σει)“.

Die beiden folgenden Beschreibungen haben dieselbe Bedeutung. Der Jude, der Gott und sein Gesetz kennt, weiß sich in der Lage, ein Erzieher der Unverständigen (παιδευτη` ν α� φρο' νων, V. 20) zu sein. Heiden, die weder Gott noch sein Gesetz kennen, sind „unverständig“, d.h. ohne Vernunft, dumm.64 Seit Deut 4,6 und die Weisheitstradition65 die Weisheit mit dem Halten des Gesetzes gleichsetzen, gelten Gesetzesbrecher in Israel sowie die Heiden als „Toren“. Heiden, die weder Gott noch das Gesetz kennen, verstehen weder die Wirklichkeit göttlicher Majestät und Macht noch den Willen Gottes und haben deshalb keine Kenntnis grundlegender moralischer Maßstäbe. Juden, die sowohl Gott als auch das Gesetz kennen, verstehen die Realität Gottes und haben Einsicht in seinen Willen, und können deshalb die unverständigen Heiden erziehen.66 ————————————————————

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Viele sehen einen Bezug zur jüdischen Heidenmission (Käsemann 66). Da es eine aktive, bewusst verantwortete und geplante Mission von Juden unter Heiden mit dem Ziel, diese zum Glauben an Jahwe und zum Gesetzesgehorsam zu führen, nicht gab (Schnabel, Urchristliche Mission, 94-174), ist diese Interpretation nicht plausibel. G. Bertram, Art. φρη' ν κτλ. ThWNT IX, 216-231; D. Zeller, Art. α� φροσυ' νη κτλ., EWNT I, 444-446. In den Papyri ist das Adj. nur zwei Mal belegt, einmal als Spitzname (BGU I 241), dann als Bezeichnung für einen Menschen, der sein Versprechen nicht hält (P.Fay. 124). Paulus verwendet das Adj. noch in 1Κor 15,36; 2Kor 11,16.19; 12,6.11; Eph 5,17. Vgl. Spr 1,22; 16,22; Weish 10,21; 12,24; 15,14; 1QH II, 9. Siehe Mt 11,25 / Lk 10,21. Bauer / Aland s.v. παιδευτη' ς: Erzieher, Lehrer. Vgl. B. Bertram, Art. παιδευ' ω κτλ., ThWNT V, 596-624; C. Spicq, παιδαγωγο' ς, παιδευτη' ς, TLNT III, 1-3. Das Subst. kommt

308 Römerbrief ————————————————————————————————————

Während „Erzieher“ den Gedanken der Korrektur beinhaltet, ist der Lehrer der Unmündigen (διδα' σκαλον νηπι'ων) neutral, besagt aber grundsätzlich dasselbe. Wer unvernünftig ist, ist unmündig und kann keine eigenständigen Entscheidungen treffen. Der Unterschied zwischen der Unmündigkeit von Kindern und der Urteilsfähigkeit des reifen Mannes war in der Antike ein beliebtes Thema.67 Der „Unmündige“ (νη' πιος)68 ist das unmündige, hilflose, unerfahrene Kind. Mediziner wie Hippokrates und Galen verwenden das Wort als terminus technicus für verschiedene Altersstufen, für den Fötus, den Säugling, das Kleinkind bis zum fünften oder sechsten Lebensjahr und für das Kind bis zur Pubertät; auf Grabinschriften wird νη' πιος häufig für Kinder vom ersten bis zum zehnten Lebensjahr verwendet, die im Blick auf ihre Fähigkeiten und ihre Stärke den Erwachsenen unterlegen sind.69 Die begründende Erläuterung da du die Verkörperung der Erkenntnis und der Wahrheit im Gesetz hast erklärt das jüdische Selbstwusstsein. Das Gesetz, das der Jude besitzt (ε» χοντα), ist die „Verkörperung“ (μο' ρφωσις) von Erkenntnis und Wahrheit, d.h. die vollkommene Ausprägung der Erkenntnis und der Wahrheit.70 Die Begriffe Erkenntnis (γνω ñ σις) und Wahrheit (α� λη' θεια) sind Schlüsselwörter, „in denen sich die Sehnsucht des antiken Menschen, aber auch der Anspruch der Philosophie und der Religionen widerspiegelt“.71 Im atl. Kontext ist „Erkenntnis“ auf den Willen Gottes bezogen, der im Gesetz offenbart ist. Die im Gesetz verkörperte „Wahrheit“ ist zunächst die Wahrheit der Wirklichkeit des einen ————————————————————

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nur hier im NT vor. In der LXX Hos 5,2 von Gott, Sir 37,19 und 4Makk 5,34 von Menschen. S. das Selbstverständnis der Essener: 1QS III, 13; VIII, 11-12; IX, 19-21. Epiktet, Diss. 3,24,52-53; Ench. 51,1; Seneca, Ep. 4,2; 27,2; Xenophon, Cyr. 8,7,6; Euripides, Fr. 603 (Stobaeus IV, 23,25); Philo, Abr. 48; Agric. 9; Congr. 19. G. Bertram, Art. νη' πιος κτλ., ThWNT IV, 913-925; S. Légasse, EWNT II, 1142-1143; G. Braumann / F. Avemarie / K. Haacker, ThBLNT II, 1124-1126. Paulus verwendet das Wort noch in 1Kor 3,1; 13,11; Gal 4,1.3; Eph 4,14; 1Thess 2,7. Arzt-Grabner, 1. Korinther, 136-137; vgl. UPZ I 20; P.Tebt. II 326. Der übliche Ausdruck für „minderjährig“ im Sinn von „(noch) nicht rechtsfähig“ in den Papyri ist allerdings das oft belegte α� φηñ λιξ. Vgl. Bauer / Aland s.v. μο' ρφωσις; W. Pöhlmann, Art. μορφο' ω, EWNT II, 1092-93; Michel 130; Käsemann 66; Dunn I 113; Jewett 226. Pöhlmann, ebd. hält auch die Interpretation Schlatters für möglich: Der Jude hat durch das Gesetz die „Formung“ erhalten, die ihm Erkenntnis und Wahrheit vermittelt (Schlatter 103). J. Behm, μο' ρφωσις, ThWNT IV, 761-762: es geht um das Gesetzbuch als „leibhafte Darstellung“ der Erkenntnis, als „Ausgestaltung der Idee einer göttlichen Norm“ (Zitat Holtzmann, Lehrbuch, 2:259). Der Vorschlag, die Wendung μο' ρφωσις τηñ ς γνω' σεως και` τηñ ς α� ληθει' ας klinge „geradezu wie die Bezeichnung einer Schrift hellenistisch-jüdischer Missionspropaganda“ (Lohse 111; vgl. Schlier 85), ist weder belegbar noch plausibel, weil es Letztere nicht gab. Michel 129-130, mit Verweis auf Weish 18,4; Sib 3,195; Josephus, Ap. 2.193; Philo.

Das Gericht nach den Werken 2,12-29 309 ————————————————————————————————————

wahren Gottes, sodann die Richtigkeit und Zuverlässigkeit des im Gesetz offenbarten Willens Gottes.72 21-22 Paulus offenbart mit vier Fragen den Widerspruch zwischen dem stolzen, in der Wirklichkeit der Offenbarung Gottes begründeten jüdischen Selbstverständnis und der tatsächlichen Wirklichkeit jüdischen Verhaltens. Paulus stellt nicht die Wahrheit der heilsgeschichtlichen Privilegien seines jüdischen Gesprächspartners infrage, sondern dessen Recht, sie für sich selbst zu beanspruchen und so legitimiert gegenüber den Heiden als Lehrer aufzutreten. Der entscheidende Vorwurf besteht darin, dass der Jude das Gesetz nicht erfüllt. Was er sagt, widerspricht dem, was er tut. Die als Verbalsätze übersetzten substantivierten Partizipien – „du lehrst“ (ο� διδα' σκων), „du verkündigst“ (ο� κηρυ' σσων), „du sagst“ (ο� λε' γων) – beschreiben die vom Juden beanspruchte Identität als Lehrer, Verkündiger und Ausleger des Gesetzes bzw. der heiligen Schriften. Mit dem Satz der du den anderen lehrst (ο� ουò ν διδα' σκων ε« τερον) verweist Paulus auf den jüdischen Anspruch, ein Erzieher und Lehrer der unverständigen und unmündigen Heiden sein zu können (V. 20). Die Frage dich selbst aber lehrst du nicht? (σεαυτο` ν ου� διδα' σκεις) ist für Paulus mit Nein zu beantworten. Der Vorwurf besteht nicht darin, dass sich Juden von der Verpflichtung, Gottes Willen zu tun, ausnehmen, sondern darin, dass sie selbst nicht tun, was sie lehren. Die folgenden drei rhetorischen Fragen nennen konkrete Beispiele – Diebstahl, Ehebruch, Tempelraub – die repräsentativ für das gesamte jüdische Volk sind. Alle drei Delikte werden von Seneca in einem Atemzug genannt (Ep. 87,23), durch Mord ergänzt auch bei Philo, Conf. 163. Die Essener bezeichnen Unzucht, Reichtum und Befleckung des Heiligtums als die drei Netze Beliars (CD IV, 14-19). Zeitgenössische Kritik an Missständen im Ungehorsam gegen das Gesetz gab es im Judentum. In PsSal 4,1-3 heißt es: „Warum sitzt du, Entweihter, in der Versammlung der Frommen, da doch dein Herz weit entfernt ist vom Herrn, indem du durch Gesetzlosigkeit den Gott Israels erzürnst? Hervorragend in Worten, hervorragend in Zeichen vor allen, hart in Worten, die Sünder im Gericht zu verurteilen. Und unter den ersten ist seine Hand gegen ihn wie in frommem Eifer, und selbst ist er schuld an allerlei Sünden und an Unmäßigkeit. Seine Augen (sind gerichtet) auf jede Frau ohne Unterschied, seine Zunge (ist) lügnerisch in eidlicher Absprache“ (S. Holm-Nielsen). Nach tSota 14,1 (320) sagte R. Jochanan b. Zakkai (starb ca. 80–90 n.Chr.): „Seitdem die Mörder sich mehrten, hörte das Verfahren mit dem Kalbe auf, dem das Genick zu brechen war [Deut 21,4], weil das Kalb, dem das Genick zu brechen war, nur in einem Zweifelsfall zur Anwendung kommt; jetzt aber mordet man frei öffentlich. Seitdem die Ehebrecher sich mehrten, hörte das Eiferwasser auf, weil man nur in einem Zweifelsfall trinken läßt. Seitdem ————————————————————

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Käsemann 66: „Das Judentum erblickt einen Vorzug darin, den Gotteswillen nicht bloß actualiter, sondern fixiert zu besitzen“. Dies ist richtig, sollte aber nicht als antijüdische Polemik verstanden werden.

310 Römerbrief ———————————————————————————————————— die Wollüstlinge sich mehrten, hörte die Ehre der Tora auf und das Gerichtsverfahren wurde verderbt. Seitdem die Einflüsterer von Einflüsterungen vor Gericht sich mehrten (zwecks Beeinflussung der Richter), kam Zornesglut in die Welt, und die Schekhina entfernte sich von Israel. Seitdem die Anseher (der Person) sich mehrten, schwand dahin: ‚Ihr sollt nicht ansehen‘ [Deut 1,17] und hörte auf: ‚Ihr sollt euch nicht scheuen‘ [Deut 1,17] und man warf das Joch des Himmels (das Gesetz Gottes) von sich und man machte zum Herrscher über sich das Joch eines Königs von Fleisch und Blut. Seitdem die sich mehrten, die Waren den Besitzern (Händlern) aufdrängten (gegen Gewinnanteil), nahm die Bestechung zu, und das Recht wurde gebeugt, und man kam zurück und nicht vorwärts; und ebenso heißt es: Seine Söhne wandelten nicht in seinen Wegen und neigten sich hinter dem Gewinne her und nahmen Bestechung an und beugten das Recht [1Sam 8,3] … Seitdem die Mißgünstigen sich mehrten und die, welche Raub an sich reißen, das sind die Blutvergießer, mehrten sich die Hartherzigen und jeder einzige verschloß seine Hand vor dem anderen. Seitdem die sich mehrten, von denen es heißt: ‚Dem Gewinn läuft ihr Herz nach‘ [Hes 33,31], mehrten sich ‚die, die das Schlechte gut und das Gute schlecht nennen‘ [Jes 5,20]. Seitdem die sich mehrten, die das Schlechte gut u. das Gute schlecht nennen, wurde die ganze Welt mit wehe! erfüllt. Seitdem die Speichelzieher (Leute stolzer, hämischer Art) sich mehrten, verminderten sich die Schüler, und die Ehre der Tora schwand dahin. Seitdem die Stolzen sich mehrten, fingen die Töchter Israels an, sich an die Stolzen zu verheiraten, denn unser Geschlecht sieht nur auf den Schein. Seitdem die sich mehrten ‚mit dem emporgestreckten Hals und den lüstern blickenden Augen‘ [Jes 3,16], mehrten sich die bitteren Wasser, aber sie hörten auf. Seitdem die, die stolzen Herzens sind, sich mehrten, mehrten sich die Parteiungen in Israel, und es entstanden zwei Toras (insofern jede Partei der eigenen Auffassung und Auslegung der Gesetze in der Praxis folgte). Seitdem die Schüler Schammais und Hillels sich mehrten, die (ihrem Lehrer) nicht gedient hatten (im persönlichen Umgang mit ihm) in genügender Weise, mehrten sich die Parteiungen in Israel und es entstanden zwei Toras. Seitdem die sich mehrten, die Geschenke annahmen, sind die (Lebens-)Tage vermindert und die Jahre verkürzt worden, und das Gute hörte auf. Seitdem die sich mehrten, die Almosen von den Gojim (Nichtisraeliten) annahmen, fingen die Gojim an, sich zu mehren und Israel sich zu vermindern, und keine Ruhe gibt es für Israel in der Welt“ (Bill. III, 106).

Die Verkündigung des Juden, man solle nicht stehlen (μη` κλε' πτειν) bezieht sich auf das siebte Gebot (Ex 20,15; Deut 5,19). Faktische Realität ist: du stiehlst (κλε' πτεις). Im römischen Recht wurden Eigentumsdelikte als furtum bezeichnet und beinhalteten nicht nur Diebstahl und Veruntreuung, sondern auch die Verwendung von Gegenständen, die einem nicht gehören, Fälschung, die Annahme gestohlener Güter und die Unterstützung von Personen, die sich solcher Delikte schuldig machen. Der Tatbestand des furtum setzte voraus, dass der Betreffende mit Absicht und Arglist gehandelt hat.73 Juden in der Diaspora versuchten, Diebstahlsdelikte innerhalb der Synagoge zu regeln.74 In der rabbinischen Ordnung Nesiqin (Schädigungen) wird Diebstahl in mehreren Traktaten behandelt. Die jüdische Auslegung des Gesetzes im Blick auf die Sexualethik betont, man solle die Ehe nicht brechen (μη` μοιχευ' ειν), behandelt das ————————————————————

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G. Schiemann, Art. Furtum, DNP IV, 722. Jackson, Theft, 251.

Das Gericht nach den Werken 2,12-29 311 ————————————————————————————————————

sechste Gebot (Ex 20,14; Deut 5,18). Faktische Realität ist: du brichst die Ehe (μοιχευ' εις). Ehebruch wurde vom Gesetz durch die Todesstrafe geahndet (Lev 20,10; Deut 22,22). In griech. Mythologie waren Ehebruch (μοιχει'α) und Vergewaltigung ein wichtiger Anlass für Kriege (Homer, Il. 3,39-57; Od. 11,438). Nach Xenophon gestatteten die meisten griech. Städte die Tötung des Ehebrechers (Hier. 3,3). In Athen wurde dem Ehebrecher der Tod angedroht (Aristoteles, Ath.pol. 57,3). Der Ehemann wurde gezwungen, sich von seiner der Untreue überführten Ehefrau scheiden zu lassen, wenn er sein Bürgerrecht nicht verlieren wollte.75 Nach römischem Recht verlor ein des Ehebruchs überführter Mann die Hälfte seines Vermögens, eine Frau ein Drittel ihres Vermögens und die Hälfte ihrer Mitgift; die des Ehebruchs überführte Frau durfte nach der Scheidung nicht mehr heiraten; wahrscheinlich erfolgte schon früh die Verbannung auf eine Insel als weitere Strafe.76 Der rabbinische Traktat Sota (Die des Ehebruchs Verdächtige) behandelt die einschlägigen Fragen. Juden sind Menschen, die die Götterbilder verabscheu(en) (ο� βδελυσσο' μενος τα` ει»δωλα). Das Wort ει»δωλον bedeutet „Bild, Abbild, Schattenbild“, in der griech. Literatur nur selten „Kultbild“.77 In der LXX, das die hebr. Vokabeln für „Götterbild“ nicht mit dem üblichen Wort το` α» γαλμα übersetzt, werden die Götzenbilder und die Götter, die in diesen dargestellt werden, oft so miteinander verbunden, dass die Konnotation „Bild“ weniger wichtig ist als die Konnotation „Phantom“, d.h. die fehlende Realität des Dargestellten.78 Nach atl. und jüdischer Überzeugung haben die heidnischen Götter keine Wirklichkeit.79 Insofern die heidnischen Götter dämonische Wirklichkeit repräsentieren, sind sie als geschaffene Wesen der Wirklichkeit Gottes unterworfen und dürfen nicht angebetet werden.80 Das mit ————————————————————

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B. Wagner-Hasel, Art. Ehebruch I. Griechenland, DNP III, 900-901; vgl. K. Latte, PW XV / 2, 2446-2449; G. Delling, RAC IV, 666-677; zu den Papyri Papathomas, Begriffe, 108-110; R. E. Kritzer in Arzt-Grabner, 1. Korinther, 229. In den Papyri wird der Ausdruck μοι' χος („Ehebrecher“) auch für ein homosexuelles Verhältnis verwendet. G. Schiemann, Art. Adulterium, DNP I, 134-135, mit einer Behandlung der von Augustus im Jahr 18 v.Chr. verabschiedeten Lex Iulia de adulteriis coercendis. Nie in der klassischen Literatur; vgl. Polybius 30,25,13; späte Belege sind Chaeremon (1. Jh.), Frag. 25; Vettius Valens (2. Jh.), 67,5; 113,17. BDAG 281 s.v. ει»δωλον; Muraoka s.v. Vgl. 1Chron 16,26; Ps 113,12 LXX; Jes 41,18; sowie Gen 31,19.34.35; Ex 20,4; Lev 19,4; Josephus, Ant. 9,273; 10,50; TestRub 4,6; TestJos 4,5. Jes 41,29; 44,9-17; Jer 10,3-11; 16,19-20; Ep.Jer. 2-73; Arist. 135-137; Josephus, Ant. 10,50; Philo, Spec.Leg. 1,5,28; Decal. 52-82. Deut 4,19; 32,17; 1Chron 16,26 LXX; Ps 106,36-37; Jes 8,19; Jub 1,11; 11,4-6; äthHen 19,1; 99,6-10; TestNaph 3,3-4.

312 Römerbrief ————————————————————————————————————

„verabscheuen“ (βδελυσσο' μενος)81 übersetzte Verb beschreibt die Verachtung der als völlig anstößig und abscheulich bewerteten Götter(bilder) der Heiden. Der rabbinische Traktat ‘Avoda Zara (Götzendienst) behandelt die für Juden relevanten Fragen. Faktische Realität ist: du begehst Tempelraub (ι�εροσυλειñς). „Tempelraub“ ist der unerlaubte Zugriff auf alles, was sich innerhalb eines heiligen Bezirks befand, d.h. Menschen, Tiere, Pflanzen und Sachen.82 Aelian erzählt, in Athen sei ein gewisser Atarbes hingerichtet worden, weil er den Tod eines dem Asklepios geweihten Sperlings verursacht hatte, ebenso ein Junge, der ein dem Kranz der Artemis entfallenes goldenes Blättchen aufgehoben hatte, und betont, jeder sei dort mit dem Tod bestraft worden, der in einem Heroon auch nur eine junge Eiche fällte (Var.hist. 5,16-17). Pausanias weiß, dass in Kondylea in Arkadien einmal mehrere Kinder gesteinigt wurden, die im Spiel ein Seil um den Hals eines Kultbildes der Artemis gelegt und gesagt hatten, sie hätten diese erdrosselt; der pythische Apollos habe den Bürgern allerdings eine Sühne auferlegt, da die Kinder nicht zu Recht gestorben seien (8,23,5). In Athen gab es eine spezielle Hierosylie-Klage (ι�ερσυλι'ας γραφη' ), die den Tod unter Verweigerung der Bestattung in Attika sowie Konfiskation des Vermögens androhte. Der Hinweis des Stadtsekretärs von Ephesus, dass Gaius und Aristarchus, die man als Mitarbeiter von Paulus in das Theater geschleppt hatte, keine Tempelräuber sind (ου» τε ι�εροσυ' λους; Apg 19,37), belegt, dass das Vergehen des Tempelraubs durchaus nicht selten war. Das atl. Gesetz verbot Israel die Besitznahme von Götterbildern und mit diesen verbundenem Silber und Gold: Diese sind ein Gräuel für Gott (LXX hat βδε' λυγμα κυρι'ω, ) und dem Bann verfallen (Deut 7,25-27). Josephus weitet dieses Verbot auf die Schmähung der Götter anderer Völker aus (Ant. 4,207); er wehrt sich gegen die Verleumdung durch Manetho und Lysimachus, die den Juden vorwerfen, in Ägypten Tempel beraubt zu haben, und witzeln, Jerusalem sei aus � Ιερο' συλα („Stadt von Tempelräubern“) entstanden, verdanke also seinen Namen dem Tempelraub (Ap. 1,249.310.318). Die späteren Rabbinen waren laxer als das biblische Gebot (bAZ 52a-53b); nach mAZ 4,2 kann ein Jude das Gold, die Gewänder und die Geräte, die er auf dem Kopf eines Götterbildes findet, zur Nutznießung verwenden; nach 4,4 kann ein Heide, nicht aber ein Jude den Götzen entheiligen (weil dieser ————————————————————

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BDAG s.v. βδελυ' σσομαι „to detest something because it is utterly offensive or loathsome, abhor, detest“. Das Verb kommt in NT noch in Offb 21,8 vor; in der LXX ist das Wort häufig, s. Muraoka s.v. βδελυ' σσω II mid. 1. to loathe, dislike intensely (Lev 20,23; Deut 23,7; Ps 118,163; Am 5,10; Mich 3,9 u.a.). Vgl. G. Schrenk, ι� εροσυλε' ω, ThWNT III, 254-256; T. Thalheim, PW VIII, 1589-1590; G. Thür, Art. Hierosylia, DNP V, 554; Cohen, Theft, 93-115; Traulsen, Asyl, 172-173.

Das Gericht nach den Werken 2,12-29 313 ————————————————————————————————————

nicht heilig ist); nach 4,5 haben Heiden ihr Götterbild verkauft oder verpfändet. Neben dieser physischen Bedeutung des Verbs (bzw. des Subst.) gibt es die allgemeinere Bedeutung im Sinn jedes Sakraldelikts, einschließlich Missbrauch von Erziehungsgeldern, Falschmünzerei, Beraubung von Gräbern, Vergehen beim Fackellauf der Demeter. Philo, Decal. 133 verwendet den Begriff in diesem erweiterten Sinn, wenn er einem Mörder vorwirft, sich des Tempelraubs schuldig gemacht zu haben, weil er das heiligste Besitztum Gottes plünderte. Manche interpretieren V. 22 in diesem erweiterten Sinn: ι�εροσυλειñν bezeichnet allgemein Sakrileg83 oder „Entweihung der göttlichen Majestät“84 oder mangelnden Respekt für nichtjüdische Religionen und ihre Götter.85 Eine andere Interpretation betont den Kontext in 1,18-19 und 5,12-13 sowie 2,23 und bezieht „Tempelraub“ auf die idolatrische Fixierung der Juden auf die Tora als Gottes endgültige Heilsoffenbarung. Statt sich auf Jesus Christus zu verlassen, halten die Juden an der Tora als Objekt ihres Glaubens fest.86 Der Kontext in V. 22 legt es nahe, das Verb im eigentlichen Sinn zu verstehen und etwa auf den Nutzen hin zu interpretieren, den Juden aus dem Verkauf von Kostbarkeiten ziehen, die von heidnischen Tempeln stammen, deren Götter keine Existenz haben.87 23 Der Jude, der sich Gottes rühmt, indem er sich auf das Gesetz verlässt (V. 17), (rühmt) sich des Gesetzes (ε� ν νο' μω, καυχαñ σαι). Faktische Realität ist jedoch, dass er Gott durch die Übertretung des Gesetzes die Ehre (raubt). Die Beispiele V. 21-22 sind Belege für die Übertretung des Gesetzes durch Juden, die „dasselbe tun“ wie die Heiden (τα` αυ� τα` πρα' σσεις; V. 1). „Übertretung“ (παρα' βασις)88 bezeichnet die Überschreitung in räumlichem und übertragenem Sinn, bei Letzterem im Sinn von „Zuwiderhandlung, Vertragsverletzung“. In der bibl. Literatur beschreibt das Wort die Übertretung eines rechtsgültigen Gebots bzw. des Gesetzes.89 Paulus hatte zuvor das sechste und siebte Gebot des Dekalogs genannt. Wenn Juden ————————————————————

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Cranfield I 169-170. Calvin 139; gefolgt von Haacker 79; vgl. Wolter I 197. Krentz, Name, mit Berufung auf Delling, Religionen, der auf Philo, Spec.Leg. 1,53; Mos. 2,205; Josephus, Ant. 4,207 verweist; gefolgt von Jewett 229. Garlington, Idolatry; Garlington, Faith, 39-40. Chrysostomus 434; Kuss 86; Lietzmann 43; Michel 131; Käsemann 66; Wilckens I 150; Dunn I 114-115; Moo 164; Schreiner 131-132; Lohse 111; Schrenk, ThWNT III, 256. Weniger plausibel im Kontext ist die Interpretation im Sinn eines auf den Jerusalemer Tempel bezogenen Tempelraubs (vgl. TestLev 14,5; PsSal 8,12). J. Schneider, Art. παραβαι' νω κτλ., ThWNT V, 733-741; M. Wolter, EWNT III, 32-35. Bei Paulus noch in 4,15; 5,14; Gal 3,19; 1Tim 2,14; sonst nur noch in Hebr 2,2; 9,15. Die Vokabel ist nach MM nur in späten Papyri belegt. Josephus, Ant. 3,218; 8,129; 18,263; Ant. 18,81: Übertretung menschlicher Gebote.

314 Römerbrief ————————————————————————————————————

gegen Gottes Gesetz verstoßen, rauben sie Gott die Ehre, indem sie seinen geoffenbarten Willen ignorieren und damit verachten.90 Wer Gottes Willen tut und sein Gesetz hält, ehrt Gott. Wer Gott die Ehre raubt, ist seinem Zorn ausgeliefert, der im Endgericht zum Tod führt. 24 Das Zitat aus Jes 52,5 LXX dient der Bestätigung und Absicherung des Angriffs gegen das jüdische Selbstbewusstsein.91 Zugleich formuliert Paulus eine um die universale Dimension des Zitats erweiterte Anklage: Der Lehrer der Heiden veranlasst durch sein Verhalten, dass die Heiden Gott lästern. Der Ausdruck Name Gottes (το` ο» νομα τουñ θεουñ ) steht für Gott selbst. Der Widerspruch zwischen Anspruch und Wirklichkeit im Leben des Juden führt zu dem Widerspruch, dass Gott nicht unter den Heiden verherrlicht wird – das Ziel des jüdischen Lehrers –, sondern dass Gott unter den Heiden gelästert wird. Das Verb βλασφημε' ω [blasphēmeō] bedeutet „in üblen Ruf bringen, verleumden, verunglimpfen“.92 Die Lästerung der Heiden trifft nicht (nur) den Juden, der die Heiden lehren will, aber entgegen seiner eigenen Lehre handelt, sondern, was viel schlimmer ist, Gott selbst. In Jes 52,5 MT sind die Heiden für die Verleumdung des Gottes Israels verantwortlich, in der LXX, der Paulus folgt, sind es die Juden, denen die Ursache der Verleumdung angelastet wird, was sich aus dem Zusammenhang in Jesaja ergibt: Israel befindet sich im Exil infolge seiner Sünden und Übertretungen (Jes 50,1-3; vgl. 53,5; 64,5-6).93 Der Ungehorsam Israels, der in der Vergangenheit zum Exil führte, wiederholt sich in der Gegenwart. Israel braucht nach wie vor Vergebung ihrer Sünden. Jesaja beschrieb den Retter Israels als Gottesknecht (Jes 42,6; 49,5-7; 53,11), den Paulus mit Jesus, dem Messias Israels, identifiziert (Röm 5,19; 10,16; 15,21). 25 Nachdem Paulus seinen jüdischen Dialogpartner mit rhetorischen Fragen bedrängt hatte, auch und gerade im Vergleich mit den Heiden seine Sündhaftigkeit und Heilsbedürftigkeit einzuräumen, formuliert er jetzt ————————————————————

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Bauer / Aland s.v. α� τιμα' ζω: verächtlich behandeln, beschimpfen, verunehren. Vgl. 1,24. Markiert durch die Formel καθω` ς γε' γραπται, die hier nach dem Zitat steht. Das Zitat stammt, mit leichten Veränderungen (Weglassung von δια` πα' ντος, Ersetzung von μου durch τουñ θεουñ zur Verdeutlichung, Umstellung von δι’ υ� μαñ ς direkt vor βλασφημειñται zur Verstärkung der Schuld der Juden), aus der LXX. Koch, Schrift, 105.260; Lohse 112. Bauer / Aland s.v. βλασφημε' ω; BDAG definiert: „to speak in a disrespectful way that demeans, denigrates, maligns“. Das Verb kommt nur in einem späten Papyrus vor (PSI IV 298, 3. Jh.): Der Antragsteller beschwert sich u.a. wegen schlechter Behandlung, die er dadurch erfährt, dass man ihn „schmäht mit Worten, die unter den Menschen zu sagen nicht Gesetz und Sitte entspricht“; Arzt-Grabner, 1. Korinther, 378. Es erübrigt sich, mit Schlatter 106 (vgl. Michel 131; Dunn I 115) eine Veränderung des LXX-Textes aufgrund von Röm 2,24 anzunehmen. Vgl. Seifrid 612-613; ebd. für den folgenden Punkt.

Das Gericht nach den Werken 2,12-29 315 ————————————————————————————————————

thetische Feststellungen, die durch den wieder aufgenommenen Vergleich mit den Heidenchristen (V. 14-16) dasselbe Ziel verfolgen: den Nachweis zu erbringen, dass Juden Sünder sind und gerettet werden müssen. Dem Satz die Beschneidung ist zwar nützlich wird der jüdische Gesprächspartner selbstverständlich zustimmen. Die Beschneidung (περιτομη' ; hebr. ‫)מו ָּלה‬94 war nach Gen 17,11 das Zeichen des Bundes, den Gott mit Abraham und seinen Nachkommen geschlossen hat, in dem einerseits Gottes Verheißungen (Gen 17,6-8), andererseits die mit ihm gegebene Verpflichtung des Volkes Gottes deutlich wird (s. die Sanktion Gen 17,14). In Lev 12,1-8 wurden Einzelheiten der Beschneidung geregelt. Jeder männliche Israelit bzw. Jude musste am achten Tag beschnitten werden. Wer sich nicht beschneiden ließ, war aus dem Volk auszuschließen (Gen 17,14). Wer seine Beschneidung rückgängig macht, gibt den „heiligen Bund“ auf, vermischt sich mit den fremden Völkern und ist bereit, Böses zu tun,weil er das Gesetz vergisst und seine Vorschriften als hinfällig betrachtet (1Makk 1,15.49). In den hellenistischen Wirren der Makkabäerzeit war die Beschneidung deshalb ein Zeichen des Bekenntnisses zu dem einen wahren Gott und seinem Gesetz; auch um den Preis des Martyriums wollten die Frommen nicht auf die Beschneidung verzichten (1Makk 1,60-61). Die Beschneidung ist „nützlich“ (ω� φελειñ), weil sie das Zeichen dafür ist, dass die Worte Gottes, d.h., sein Gesetz und seine Verheißungen, Israel anvertraut wurden (Röm 3,1-2; vgl. Eph 2,11-13 sowie Phil 3,5). Die griech. Formulierung des Konditionalsatzes wenn du das Gesetz hältst (mit ε� α' ν) zeigt, dass die Möglichkeit besteht, dass beschnittene Juden das Gesetz nicht halten. Die Bescheidung signalisiert seit Abraham sowohl Verheißung als auch Verpflichtung. Das „Gesetz halten“ (νο' μον πρα' σσειν) entspricht der hebr. Formulierung ‫ָעָׂשה‬ ‫( ֶאת־ַהת ֹוּ ָרה‬vgl. 1QpHab VIII, 1; XII, 4; CD IV, 8; VI, 14). Ein Jude würde nicht bestreiten, dass er das Gesetz Gottes, die Urkunde des Bundes Gottes mit Israel, halten muss. Er würde aber auf die Beschneidung verweisen als die erste und fundamentale Erfüllung des Gesetzes, die ihn als Mitglied der Bundesgemeinde und damit, im Anschluss an Abraham, als Gerechten ausweise, „so daß sein Beschnittensein für ihn das Fundament der Heilszuversicht sei nach dem Grundsatz, daß dem, der das Gesetz tut, das Heil offenstehe“.95 Problematischer für den jüdischen Dialogpartner ist der zweite Teil ————————————————————

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Vgl. R. Meyer, Art. περιτε' μνω κτλ., ThWNT VI, 72-83; O. Betz, EWNT III, 186-189; H. C. Hahn / F. Avemarie, ThBLNT I, 153-156; F. Stummer, Art. Beschneidung, RAC II, 149-169; H. Wißmann / O. Betz/ F. Dexinger, Art. Beschneidung, TRE V, 714-724. Das Subst. ‫ מו ָּלה‬kommt im AT nur ein Mal vor (Ex 4,26), das Verb häufiger; die LXX verwendet περιτομη' vier Mal, das Verb 26 Mal. Wilckens I 154 Anm. 395. Lohse 112-113 betont mit Verweis auf die Belege in Bill. IV,

316 Römerbrief ————————————————————————————————————

des Satzes: Für den Juden, der ein Übertreter des Gesetzes (παραβα' της νο' μου) ist, gilt, dass seine Beschneidung zur Unbeschnittenheit geworden ist. Wenn ein Jude das Gesetz übertritt, hat die Beschneidung ihren Nutzen verloren: Der sündigende Jude ist dem sündigenden Heiden gleich geworden. „Unbeschnittenheit“ (α� κροβυστι'α) bezeichnet hier die unbeschnittenen Heiden. Das abgeleitet Subst. παραβα' της [parabatēs] mit der Endung -της wirkt wie eine Berufs- oder Standesbezeichnung:96 Paulus spricht allerdings nicht von notorischen Sündern, die er von den jüdischen Frommen unterscheidet, sondern im Zusammenhang von 2,1-24 von allen Juden, die alle immer wieder sündigen. Juden wussten natürlich, dass nicht alle Juden das Gesetz halten: Die Antwort auf Übertretungen des Gesetzes waren vermehrte Anstrengungen, das Gesetz zu halten. Die Aussage, dass die Beschneidung ihren Nutzen völlig verlieren kann, wäre für Juden schockierend gewesen.97 Paulus will nicht sagen, dass die Juden das Heil verloren haben. U. Wilckens will dies an dem Perfekt γε' γονεν ablesen: Paulus betone „in gezielter Provokation die Endgültigkeit des Heilsverlustes, die aus seinem faktisch vorliegenden Gesetzesbruch schon resultiert“. 98 Diese Interpretation missversteht den Aspekt, den das Perfekt signalisiert: Es beschreibt einen erreichten Zustand als Ergebnis eines Geschehens (HvS §315k), nicht jedoch das Definitive bzw. die Unumkehrbarkeit des Zustandes.

26 Die Gegenüberstellung von Juden und Heiden von V. 25 wird jetzt als

Umkehrung formuliert. Wie der Jude zum Heiden werden kann, wenn er das Gesetz nicht hält, so wird dem Unbeschnittenen (η� α� κροβυστι'α), der die Rechtsforderungen des Gesetzes befolgt (τα` δικαιω' ματα τουñ νο' μου φυλα' σση, ), der Gehorsam als Beschneidung (ει� ς περιτομη' ν) angerechnet.99 Der Konditionalsatz (ε� α` ν ουò ν) lässt zunächst die Möglichkeit zu, dass es sich um einen hypothetischen Fall handelt. In V. 27 wird deutlich, dass es sich bei den „Unbeschnittenen“ um Heidenchristen handelt: V. 26a ist eine Neuformulierung von V. 14. Mit „Rechtsforderungen“ ist das Ganze der ————————————————————

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23-40, dass es rabbinischer Überzeugung entsprach, „daß die Beschneidung vor dem ewigen Verderben bewahrt“ und von ihr eine Wirkung „ex opere operato“ ausgehe. Vgl. HvS §361c.a. Dunn I 121. Vgl. Haacker 81 zur Diskussion, ob Paulus in V. 25 auf einen Einwand des Gesprächspartners antwortet, der sich gegen die Gleichstellung von Juden und Heiden im Endgericht wehrt (Zahn, Cranfield, Michel, Käsemann, Schlier, Wilckens), oder sich gegen den Vorwurf wendet, er spreche der Beschneidung jeden Wert ab (Kühl, Haacker). Wilckens I 155. α� κροβυστι' α und περιτομη' sind als abstractum pro concreto gebraucht; HvS §295n. Für die Verwendung von φυλα' σσω für das Halten des mosaischen Gesetzes s. Mt 19,20 / Mk 10,20 / Lk 18,21; Apg 7,53; 21,24; Gal 6,13.

Das Gericht nach den Werken 2,12-29 317 ————————————————————————————————————

Tora gemeint, „das durch Rechtssätze bestimmt ist“.100 Das mit „wird angerechnet“ (λογισθη' σεται) übersetzte Verb bedeutet hier „bewerten, erachten, ansehen als“.101 Das heißt, Gott wird den unbeschnittenen Heiden so ansehen, als wäre er beschnitten. Die Formulierung im Futur verweist auf das zukünftige Endgericht (was durch das Verb κρινειñ in V. 27 bestätigt wird), das Passiv auf Gott als Richter.102 Der beschnittene Jude, der das Gesetz besitzt, aber die Gebote nicht befolgt, steht im Endgericht als Unbeschnittener da, der nicht zum Heilsvolk Gottes gehört. Seine Beschneidung wird annulliert. Der unbeschnittene Heide, der faktisch gesetzestreu ist, wird im Endgericht von Gott als Beschnittener behandelt. Sein Unbeschnittensein schließt ihn nicht vom Bundesvolkes Gottes aus. Diese Sätze sind nur auf dem Hintergrund atl. Aussagen sinnvoll, die von der Beschneidung des Herzens sprechen.103 27 Paulus formuliert die Folge,104 die sich aus V. 26 ergibt und wiederholt dabei V. 14.26a. Es gibt den von Natur aus Unbeschnittenen (η� ε� κ φυ' σεως α� κροβυστι'α), d.h. den Heiden, der das Gesetz erfüllt (το` ν νο' μον τελουñ σα). Das Gesetz erfüllen (τελε' ω)105 ist dasselbe wie die Rechtsforderungen des Gesetzes befolgen (φυλα' σσω, V. 26). Diese Unbeschnittenen werden dich richten (κρινειñ … σε' ), d.h., sie sind im Endgericht an Gottes Urteil beteiligt. Die Erfüllung des Gesetzes durch Unbeschnittene hat Konsequenzen für das Endgericht und sollte deshalb nicht als fiktiv-hypothetische Rhetorik verstanden werden.106 Paulus spricht von Heidenchristen.107 Ihre Erfüllung des Gesetzes ist nicht auf sämtliche Toragebote zu beziehen – als Unbeschnittene hätten sie weder kultischen Gebote (z.B. die Opfer) noch die zivilen Gebote (z.B. die Feste) gehalten. Es geht offensichtlich um eine grundsätzliche Erfüllung der Tora.108 Die Tradition enthält die Erwartung, ————————————————————

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Käsemann 68. In 1,32 war im Sing. von der „Rechtssetzung Gottes“ die Rede. Vom Halten der Gebote Gottes ist im AT oft die Rede: Deut 4,40; 6,2; 7,11; Hes 11,20; 18,9; 20,18 u.a. Bauer / Aland s.v. λογι' ζομαι 1b: „auf Grund einer Berechnung bewerten, taxieren, erachten, ansehen als“ (im Röm in 2,26; 6,11; 8,36; 9,8). Wilckens I 155 kontrastiert das mit λογισθη' σεται angezeigte eschatologische Urteil mit der Unbeschnittenheit des Juden in V. 25, die „schon definitiv feststeht (γε' γονεν)“. S. dazu oben V. 25. Käsemann 68, mit Verweis auf Deut 10,16; 30,6; Jer 4,4; 6,10; 9,25; Hes 44,7. Verknüpfung mit και' -consecutivum; HvS §252,29.a1. So auch Jak 2,8; Lk 2,39. Gegen Lietzmann 44; Käsemann 69; Moo 170-171; Fitzmyer 322; Légasse 210. Luther 127; Zahn 144; Cranfield I 173-174; Dunn I 122-123; Schreiner 144; Wright 448; Kruse 155; Wright, The Law in Romans 2, 137-142; Gathercole, Boasting, 129. Dunn I 122 schlägt eine Erfüllung „in a qualitative sense“ vor (vgl. Jak 2,8), „fullfillment by performance at a deeper level“.

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dass das errettete Israel das eschatologische Urteil über die heidnischen Völker vollziehen wird.109 Die Verschärfung dahingehend, dass es Heiden sind, die über Juden richten, liegt in dem Jesuswort Mt 12,41-42 / Lk 11,3132 vor: „Die Königin des Südens wird beim Gericht gegen die Männer dieser Generation auftreten und sie verurteilen; denn sie kam vom Ende der Erde, um die Weisheit Salomos zu hören. Hier aber ist einer, der mehr ist als Salomo. Die Männer von Ninive werden beim Gericht gegen diese Generation auftreten und sie verurteilen; denn sie haben sich nach der Predigt des Jona bekehrt. Hier aber ist einer, der mehr ist als Jona“ (EÜ). Die Präposition δια' ([dia], mit Gen.) könnte instrumental verstanden werden: „Hätte er (der Jude) nicht das geschriebene Gebot und die ihn dem Gesetz verpflichtende Beschneidung, so wäre er nicht παραβα' της. Die Schwere der Übertretung erhält sein Sündigen durch die Schrift und die Beschneidung … Zur Auflehnung gegen das ihm erteilte Gebot ist nur der fähig, der die Schrift und die Beschneidung besitzt, die ihn zum Gehorsam gegen den guten Willen Gottes verpflichten und ihm die Verwerflichkeit seines Sündigens zeigen. Wenn sie ihn nicht am Sündigen hindern, dann wird durch die Schrift und die Beschneidung sein Fall zur Übertretung gemacht.“110 Diese Interpretation wäre eine polemische Zuspitzung: „Gesetz wie Beschneidung, auf die der Jude sich beruft, verurteilen ihn selbst als Übertreter.“111 Einfacher ist es, δια' im Sinn des begleitenden Umstandes zu interpretieren:112 trotz des schriftlichen Gesetzes und der Beschneidung sind die Juden Übertreter des Gesetzes (παραβα' την νο' μου).113 Mit γρα' μμα [gramma] ist die schriftliche Tora gemeint. Die Juden sind Übertreter des Gesetzes, weil sie es im Unterschied zu den Heiden(christen) nicht halten. Deshalb werden sie im Zorngericht verurteilt werden. Äußerst provokativ ist die Aussage, dass die Juden mit Heiden konfrontiert werden, die, obwohl sie weder das Gesetz noch die Beschneidung haben, den Willen Gottes erfüllen und deshalb im Endgericht auf Gottes Seite stehen. 28-29 Paulus erläutert abschließend die Identität des Unbeschnittenen, der das Gesetz hält und im Endgericht auf der Seite Gottes steht. Seinen jüdischen Dialogpartner bewusst noch einmal provozierend, kommentiert er in ————————————————————

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Dan 7,22 LXX; äthHen 90,19; 91,2; 95,3; 98,12; Weish 3,7-8; 4,16; 5,1; ApkAbr 29. Schlatter 110; Dunn I 123; vgl. G. Schrenk, Art. γρα' μμα, ThWNT I, 765: „Gerade durch das Geschriebene und die Beschneidung wird der Jude Übertreter“; vgl. NSS II, 8. Wilckens I 155 Anm. 404, der sich dieser Interpretation nicht anschließt. Lietzmann 44; Michel 134; Wilckens I 155; Lohse 133; Wolter I 205; Käsemann 246: Die Präposition hat geradezu antithetische Bedeutung. Vgl. Bauer / Aland s.v. δια' A.IIIc; BDR §223.4 Anm. 8; NSS II, 8 als Möglichkeit; vgl. Kühner, Grammatik I, 482-483. Nach σε' … παραβα' την νο' μου ist ο» ντα zu ergänzen; NSS II 8.

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V. 28 das Problem des Juden, der das Gesetz und die Beschneidung hat, auf die Zugehörigkeit zu dem einen wahren Gott stolz ist und glaubt, ein Lehrer der blinden Heiden sein zu können. Ein wahrer Jude (� Ιουδαιñο' ς ε� στιν) ist nicht der, der es öffentlich ist (ου� ο� ε� ν τω ñ, φανερω ñ, ). Was den wahren Juden kennzeichnet, ist nichts von außen her Sichtbares wie die Beschneidung oder der Besitz der schriftlichen Tora oder der Besuch des Jerusalemer Tempels oder der Synagoge. Die wahre Beschneidung114 ist nicht die Beschneidung, die öffentlich am Fleisch vollzogen wird (ου� δε` η� ε� ν τω ñ, φανερω ñ, ε� ν σαρκι` περιτομη' ), obwohl der Jude gerade auf diese stolz ist und als Bundeszeichen bis hinein ins Martyrium hochhält. „Fleisch“ (σα' ρξ) bezeichnet hier das physische Fleisch, konkret die Vorhaut des (jüdischen) Mannes. Die Formulierung beschreibt zunächst den Ritus der Beschneidung, bei der das Fleisch der Vorhaut geschnitten wird. Hier zielt sie darüber hinaus auf die ethnische Zugehörigkeit und die nationale Identität, die durch den Beschneidungsritus hergestellt wird.115 Im Kontext des Stichworts „öffentlich“ und „Herz“ ist der Satz abwertend gemeint (wie in 4,1; 9,3.5; 11,14). Paulus charakterisiert den wahren Juden – eine Gruppe, zu der der Unbeschnittene gehört, der das Gesetz hält (V. 26) und im Endgericht auf der Seite Gottes steht (V. 27) – mit einer vierfachen Beschreibung.116 1. Wahrer Jude ist der, der es im Verborgenen ist (ο� ε� ν τω ñ, κρυπτω ñ, � Ιουδαιñος). Paulus nimmt hier nicht den stoischen Gedanken auf, dass für den Weisen das Äußerliche gleichgültig sei, weil er sich auf die im Denken zu vollziehende Übereinstimmung mit dem Göttlichen und mit dem Kosmos konzentriert.117 Er redet von der unsichtbaren Wirklichkeit Gottes, der die vor den Augen der Menschen verborgene Wahrheit über einen Menschen kennt118 und der das für das Heil Entscheidende im Menschen im Verborgenen tut. Gott bekennt sich zu der Wirklichkeit, die unsichtbar ist, aber Konsequenzen bis ins Endgericht hinein hat. 2. Der wahre Jude besitzt eine Beschneidung, die am Herzen vollzogen wird (περιτομη` καρδι'ας). In atl. und jüdischer Tradition war ebenfalls von einer am Herzen des Menschen vollzogenen geistlichen Beschneidung die Rede, meistens als Wunsch, Notwendigkeit und ————————————————————

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Ergänze περιτομη' ε� στιν am Ende des Satzes; NSS II, 8. Dunn I 124, ebd. der folgende Punkt. Für V. 29 anerkennt auch Käsemann 71, dass Paulus von Heidenchristen spricht: „Nur so erhält der Zusammenhang Logik und eine theologische Krönung“, meint allerdings, „daß erst der letzte Satz die Pointe bringt und die Intention des Ganzen enthüllt“ (im Anschluss an Lyonnet, Circoncision, 96-97). Wilckens I 156, mit Verweis auf Fridrichsen, Jude, 44-45. Vgl. Mt 6,4.6; 1Petr 3,4. Zum Gegensatz φανερο' ς / κρυπτο' ς vgl. Mk 4,22; Lk 8,17; Joh 7,4; 1Kor 14,25.

320 Römerbrief ————————————————————————————————————

Mahnung.119 Paulus spricht von Menschen – im Kontext von V. 26-27 von Heiden, die nach der Geburt nicht beschnitten wurden –, deren Herzen in der Gegenwart der neuen Heilszeit beschnitten wurden. Das „Herz“ ist Mittelpunkt und Quelle des geistigen Lebens mit seinem Denken, Wollen und Fühlen (s. zu 1,21). Paulus spricht von den Heiden(christen), denen Gott sein Gesetz ins Herz geschrieben hat (2,15), dem Brennpunkt des erneuernden Handelns Gottes (vgl. 5,5; 6,17; 10,9-10) in Erfüllung zentraler atl. Verheißungen vom Neuen Bund, den Gott mit seinem Volk schließen würde: Jer 31,31-34: „Seht, es werden Tage kommen – Spruch des Herrn –, in denen ich mit dem Haus Israel und dem Haus Juda einen neuen Bund schließen werde, nicht wie der Bund war, den ich mit ihren Vätern geschlossen habe, als ich sie bei der Hand nahm, um sie aus Ägypten herauszuführen. Diesen meinen Bund haben sie gebrochen, obwohl ich ihr Gebieter war Spruch des Herrn. Denn das wird der Bund sein, den ich nach diesen Tagen mit dem Haus Israel schließe – Spruch des Herrn: Ich lege mein Gesetz in sie hinein und schreibe es auf ihr Herz (ε� πι` καρδι' ας αυ� τω ñ ν). Ich werde ihr Gott sein und sie werden mein Volk sein. Keiner wird mehr den andern belehren, man wird nicht zueinander sagen: Erkennt den Herrn!, sondern sie alle, Klein und Groß, werden mich erkennen – Spruch des Herrn. Denn ich verzeihe ihnen die Schuld, an ihre Sünde denke ich nicht mehr“ (EÜ). Hes 36,26-27: „Ich schenke euch ein neues Herz (καρδι' αν καινη' ν) und lege einen neuen Geist (πνευñ μα καινο' ν) in euch. Ich nehme das Herz von Stein (τη` ν καρδι' αν τη` ν λιθι' νην) aus eurer Brust und gebe euch ein Herz von Fleisch (καρδι' αν σαρκι' νην). Ich lege meinen Geist in euch (το` πνευñ μα' μου δω' σω ε� ν υ� μιñν) und bewirke, dass ihr meinen Gesetzen folgt und auf meine Gebote achtet und sie erfüllt“ (EÜ).

Die Beschneidung des Herzens wird nicht vom Menschen selbst bewerkstelligt, sondern ist Werk Gottes. Die Erfüllung dieser Verheißungen in der Gegenwart der mit Jesus, dem Messias Israels, angebrochenen neuen Heilszeit ist Gegenstand der Verkündigung des Evangeliums, dem Paulus verpflichtet ist (1,1.3-4.16-17) und das er im Brief an die römischen Christen erläutert. 3. Wahrer Jude ist der Mensch, der die Beschneidung des Herzens durch den Geist (ε� ν πνευ' ματι) erfahren hat und in dem der Geist Gottes sein erneuerndes, transformierendes Werk begonnen hat.120 Paulus betont einerseits, dass die Hoffnung auf die Gabe des Geistes Gottes in der kommenden Heilszeit in Erfüllung gegangen ist: Die Heiden(christen) haben den Geist Gottes erhalten (s. ausführlicher 5,5; 7,6; 8,2.4-17), der sie das Gesetz erfüllen lässt (8,4) und sie dem Neuen Bund Gottes zuordnet (2Kor 3,6). Und er betont andererseits, dass diese Hoffnung auf eine Weise Wirklichkeit wurde, dass sie die Verheißung der Schrift erfüllt und gleichzeitig im ————————————————————

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Lev 26,41; Deut 10,16; Jer 4,4; 9,25-26; Hes 44,9; Jub 1,23; 1QpHab XI, 13; 1QS V, 5; 1QH II, 18; XVIII, 20; Philo, Spec.Leg. 1,305. ε� ν kann sowohl instrumental („durch“) als auch lokal („im“) verstanden werden.

Das Gericht nach den Werken 2,12-29 321 ————————————————————————————————————

Kontrast zum Gesetz als Buchstaben steht (ου� γρα' μματι).121 Paulus hebt den Gegensatz von Geist und Buchstabe auch in 7,6 und in 2Kor 3,6-7 hervor. Im Kontext von V. 28 ist „Buchstabe“, analog der Ausdrücke „öffentlich“ und „Fleisch“, die sichtbare, materiale Wirklichkeit der Setzungen, mit der man zwischen Juden und Heiden unterscheidet,122 die infolge der Erfüllung der Geschichte Israels und des Willens Gottes im Messias Jesus keine Rolle mehr spielen. 4. Der wahre Jude, dessen Herzen vom Geist Gottes beschnitten wurde und der die Forderung des Gesetzes erfüllt, erhält sein Lob … nicht von Menschen, sondern von Gott. Das Lob, auf das es ankommt, kommt nicht von Menschen, sondern von Gott, der das Verborgene des Menschen kennt. Das „Lob von Gott“ (ο� ε» παινος … ε� κ τουñ θεουñ ) ist das Urteil Gottes im Endgericht, das den Gerechten lobt, der seinen Willen tut. Es ist Heilswort – Herrlichkeit, Ehre und Friede als Lohn Gottes (Röm 2,10).123 IV Paulus behandelt den Anspruch der Juden, infolge ihrer Kenntnis des einen wahren Gottes, infolge ihrer Beschneidung und infolge des Besitzes der Tora nicht Sünder wie die Heiden zu sein. Paulus weist nach, dass sie sich täuschen. Grundlage seiner Darstellung ist keine anthropologische Analyse jüdischen Verhaltens, sondern der Kontext der im Evangelium verkündigten neuen Heilszeit, in der Heiden(christen), denen Gott sein Gesetz ins Herz geschrieben (2,15) und sie in ihrem Herzen beschnitten hat (2,29), die Forderungen von Gottes Gesetz erfüllen (2,7.10.14.27) und am Gericht Gottes auf Gottes Seite teilnehmen (2,27) – dem Endgericht, in dem Jesus, der Messias Israels, das Urteil Gottes vollstreckt (2,16). Paulus zeigt mit seiner Argumentation, dass das Gericht Gottes „alle Sicherungen Israels“ durchschlägt,124 was gerade deshalb gilt, weil Paulus im Horizont der neuen Heilszeit argumentiert. ————————————————————

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Dunn I 124. Vgl. Wolter, Das Geschriebene tötet, 373-375; Wolter I 207. Anders Käsemann 72, der γρα' μμα zunächst als „das kodifiziert vorliegende Gesetz, als Sammlung aller Einzelvorschriften“ versteht, sodann als das Gesetz, „indem es die buchstäbliche und mit Leistungen abzugeltende Verpflichtung der Tora weltweit vertritt“ und deshalb für Christen zum alten Äon gehört. Michel 135; Schreiner 144; Gathercole, Boasting, 129. Das von Sanday/ Headlam 68; Pallis 57-58; Fitzmyer 323 (als Möglichkeit Michel 135) erwogene Wortspiel – Juda (Jehudi, abgeleitet von Jehudah, was nach Gen 29,35 von hodah (hif. von jadah) herleitet und „Lob / Dank“ bedeutet – wäre für die stadtrömischen Christen kaum verständlich gewesen (Käsemann 73). Michel 128.

322 Römerbrief ————————————————————————————————————

Ist das Bild, das Paulus in 2,21-22 von den Juden zeichnet, realistisch? Paulus kann kaum geglaubt haben, jeder Jude sei ein Dieb, Ehebrecher und Tempelräuber. Können die Vergehen einiger (weniger?) Juden verwendet werden, um alle Juden als Heuchler zu verurteilen? Manche schlagen vor, ein radikalisiertes Verständnis des Gesetzes in Entsprechung zu Mt 5,21-48 anzunehmen: Es geht nicht um konkrete, äußerliche Vergehen, sondern um Vergehen im Herzen.125 Diese Interpretation ist nicht plausibel: Den jüdischen Lehrern, von denen Paulus spricht, ging es sicher um konkrete Vergehen, nicht um geistliches Fehlverhalten. Die Meinung, Paulus sei widersprüchlich und ergehe sich in propagandistischen Pauschalurteilen,126 ergibt sich nur, wenn man nachweisen kann, dass Paulus alle Juden für Diebe, Ehebrecher und Tempelräuber hält. Die richtige Einschätzung der rhetorischen Situation hilft zur Beantwortung der gestellten Frage. Paulus nennt in seiner schroffen Anklage die heidnischen Kardinallaster, um den Ungehorsam der Juden gegenüber dem Gesetz anzuprangern und die Diskrepanz zwischen Lehre und Praxis zu rügen.127 Nicht jeder Jude hat sich dieser Sünden schuldig gemacht, aber diese Sünden kommen unter Juden vor und illustrieren paradigmatisch den Widerspruch zwischen Anspruch und persönlichem Verhalten. Der Dialog mit einem jüdischen Gesprächspartner bedeutet, dass Paulus von der jüdischen Nation spricht, nicht von einzelnen Juden. Der Argumentationszusammenhang ist entscheidend: Das Bild des Juden in 2,21-22 ergibt sich nicht aus der empirischen Beobachtung jüdischen Verhaltens, sondern aus dem Nachweis, dass auch die Juden Sünder sind.128 Die Radikalität der Darstellung ergibt sich daraus, dass Paulus die Unterscheidung zwischen jüdischen und heidnischen Sünden ablehnt, Juden und Heiden als auf derselben Ebene darstellt und betont, dass im Endgericht nur das konkrete Tun des Gesetzes über das Heil entscheidet, nicht die Zugehörigkeit zum erwählten Gottesvolk. Weil jüdische Sünder sogar die ersten sind, die gerichtet werden (2,9), verwendet er die heidnischen Kardinalsünden zur Darstellung der Sünde der Juden. Paulus kommt es auf den Erweis der Tatsache an, dass die Juden genau so wie die Heiden der Schuld verfallen sind, aus der sie sich nicht selbst befreien können. Calvin kommentiert: „Die Heiden mochten sich mit ihrer Unwissenheit verteidigen, die Juden den Anspruch auf das Gesetz zu ihrem Ruhm anführen. Den einen nimmt er ihre Rückendeckung, den anderen ent————————————————————

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Luther 119; Barrett 53-54; Cranfield I 169. Sanders, Law, 125; Räisänen, Torah, 101. Michel 130; Wilckens I 151; Moo 162; Schreiner 133; Lohse 111-112; Haacker 76. Wilckens I 151; ebd. das Folgende.

Das Gericht nach den Werken 2,12-29 323 ————————————————————————————————————

windet er ihr verkehrtes, eitles Rühmen.“129 Bei der jüdischen Berufung auf die Beschneidung kommt Calvin auf die christliche Taufe zu sprechen: „Ebenso kann man auch über unsere Taufe sprechen. Hält sich jemand allein im Vertrauen auf das Taufwasser für gerechtfertigt, als werde ihm schon durch den Vollzug dieser Handlung die Heiligkeit zuteil, so muss man ihm den Zweck der Taufe entgegenhalten, dass uns der Herr durch sie zu einem heiligen Leben beruft. Andernfalls würde man Verheißung und Gnade verschweigen, die sie uns bezeugt und versiegelt; wir hätten es nur mit solchen Leuten zu tun, die sich mit dem leeren Schattenriss der Taufe zufrieden geben, sich mit ihrem Fundament aber nicht abgeben, geschweige denn es prüfen.“130 Luther schreibt im Kommentar zu 2,27: „Darin besteht die ganze Aufgabe des Apostels und seines Herrn: die Stolzen zu demütigen, sie zur Erkenntnis ihrer Lage zu bringen, sie zu lehren, daß sie der Gnade bedürfen, die eigene Gerechtigkeit zu zerstören, damit sie gedemütigt nach Christus verlangen, sich als Sünder bekennen und so die Gnade empfangen und selig werden.“131

Widerlegung jüdischer Einwände 3,1-8 I 1 Was ist nun der Vorzug des Juden, oder was ist der Nutzen der Beschneidung? 2 Viel in jeder Hinsicht. Zuerst, dass ihnen die Worte Gottes anvertraut sind. 3 Was ist denn (dazu zu sagen)? Wenn einige untreu wurden, wird dann etwa ihre Untreue Gottes Treue zunichtemachen? 4 Auf keinen Fall! Möge vielmehr Gott sich als wahr erweisen, jeder Mensch jedoch als Lügner, wie geschrieben steht: Damit du dich als gerecht erweist mit deinen Worten und siegst, wenn man mit dir rechtet. 5 Wenn jedoch unsere Ungerechtigkeit Gottes Gerechtigkeit erweist, was sollen wir sagen? Ist Gott etwa ungerecht, wenn er seinen Zorn verhängt? Ich rede nach Menschenweise. 6 Auf keinen Fall! Wie könnte Gott sonst die Welt richten? 7 Wenn jedoch Gottes Wahrheit durch meine Lüge sich als überreich erweist zu seiner Verherrlichung, warum werde ich dann noch als Sünder gerichtet? 8 Sagen wir etwa sogar, wie wir verleumdet werden und wie einige behaupten, dass wir ———————————————————

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Calvin 121, zu 2,11. Calvin 143-145. Luther 125.

324 Römerbrief ————————————————————————————————————

sagen: Lasst uns das Böse tun, damit das Gute herauskommt? Solche Leute trifft das Verdammungsurteil zu Recht. II Paulus hatte in den beiden vorausgehenden Abschnitten 2,1-11.12-29 betont, dass jüdische Identität, die sich in der Beschneidung und im Besitz der Tora ausdrückt, die Juden nicht vom Gericht Gottes ausnimmt. Dieses Argument muss die Frage provozieren, ob Gottes Erwählung des Volkes Israel aufgehoben ist. Wenn diese Frage mit Ja zu beantworten wäre, ergäbe sich der Schluss, dass Gottes Wort ungültig geworden ist. Paulus schreibt im Stil der Diatribe eine Reihe von Fragen, mit denen ein Gesprächspartner Einwände gegen seine Betonung der Sündhaftigkeit der Juden, die genauso wie die Heiden dem Gericht Gottes ausgesetzt sind, formuliert. Paulus lässt den Gesprächspartner mit vier doppelten Fragen zu Wort kommen:1 3,1

Was ist nun der Vorzug des Juden? Was ist der Nutzen der Beschneidung? 3,3 Was ist denn (dazu zu sagen)? Wenn einige untreu wurden, wird dann etwa ihre Untreue Gottes Treue zunichtemachen? 3,5 Wenn jedoch unsere Ungerechtigkeit Gottes Gerechtigkeit erweist, was sollen wir sagen? Ist Gott etwa ungerecht, wenn er seinen Zorn verhängt? 3,7-8 Wenn jedoch Gottes Wahrheit durch meine Lüge sich als überreich erweist zu seiner Verherrlichung, warum werde ich dann noch als Sünder gerichtet? Sagen wir etwa sogar …: Lasst uns das Böse tun, damit das Gute herauskommt?

Viele Exegeten betonen, dass die Fragen in 3,1-8 von Paulus selbst gestellt werden.2 Die Fragen ergeben sich mit argumentativer Plausibilität aus den vorausgehenden Ausführungen und können deshalb als logische Einwände gegen die Betonung der Sündhaftigkeit der Juden verstanden werden. Unbestreitbar ist, dass der Abschnitt Ausdruck eines tiefen theologischen Interesses des Apostels ist. Zumindest 3,8 belegt, dass Paulus konkrete Einwände wirklicher Gegner widerlegt, zumindest am Ende des Abschnitts. Käsemann hat recht: Es bedarf „keiner dramatischen Szenerie, um paulinische Dialektik zu erklären“.3 Paulus ist jedoch nicht nur als Theologe zu interpretieren, sondern, historisch konsequent, als Missionar, der permanent und intensiv ———————————————————

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Stowers, Rereading, 165-175; Song, Reading Romans, 94-95; Tobin, Rhetoric, 118-121; vgl. Fridrichsen, Exegetisches, 203-205, meint, die Doppelung entspricht der Vorliebe des Apostels für Parallelismen und hat Parallelen in der literarisch-rhetorischen Tradition; er leitet die Verwendung der „lehrhaften Frage“ aus dem mündlichen Vortrag des Apostels ab, und sieht den Ursprung in der Schriftgelehrtenschule. Schlier 91; Dunn I 129-130; Fitzmyer 325; Jewett 252; Wolter I 210; Lee, Paul’s Gospel, 188, im Anschluss an Bultmann, Stil, 188; vgl. Haacker 85. Käsemann 74; vgl. Lambrecht, Sinning, 152-153.

Widerlegung jüdischer Einwände 3,1-8 325 ————————————————————————————————————

theologische Gespräche führt im Kontext der Evangelisierung von Juden und Heiden und im Kontext seiner Lehrtätigkeit in entstehenden und in bereits länger bestehenden Gemeinden, wobei er es in beiden Kontexten mit theologischen Kontroversen zu tun hatte. Die in 3,1.3.5 formulierten Einwände können Paulus ohne Weiteres in seiner missionarischen Praxis vorgehalten worden sein.4 J. Vos meint, der Abschnitt sei ein Beispiel für die sophistische Strategie der Ablenkung vom kritischen Punkt in fiktiven Dialogen.5 Der Fragesteller verliere sich nach der ersten, unbefriedigenden Antwort in 3,2 in sophistischen Fragen, die für Paulus nicht schwer zu widerlegen sind. Der Fragesteller ziehe dann in 3,5a und 3,7a zwei Folgerungen, bei der das sophistische Element in der heimlichen Verschiebung von einem konzessiven Verhältnis zwischen der Ungerechtigkeit des Menschen und der Gerechtigkeit Gottes zu einem kausalen Verhältnis liege: „Aus der These: ‚trotz der Ungerechtigkeit des Menschen bleibt die Gerechtigkeit Gottes bestehen‘ wird jetzt: ‚durch die Ungerechtigkeit des Menschen besteht die Gerechtigkeit Gottes‘.“ Die in Frageform formulierten juristischen (3,5b / 7b) und ethischen Schlussfolgerungen (3,8) seien für Paulus sehr einfach zu widerlegen. Paulus stifte Verwirrung, „eine bekannte Strategie von Rednern, die mehr an dem Sieg in der Debatte als an der Wahrheit interessiert sind“. Diese Erklärung ist weder im Text noch in der paulinischen Biographie begründet. Paulus ist mit Sicherheit kein Sophist, dem es mehr um Siege im rhetorischen Wettstreit als um Wahrheit geht. Mit sophistischen Strategien, die auf Verwirrung angelegt sind, gründet man keine Gemeinden. Die Verankerung von 3,1-8 in 2,1-29 und die ausführliche Beantwortung in Kap. 6–8 und 9– 11 bedeuten, dass es unangebracht ist, 3,1-8 als Ablenkung oder Digression vom Argumentationsgang zu beschreiben.6

Nachdem Paulus in 2,17-29 die jüdische Überzeugung von den heilsgeschichtlichen Privilegien der Juden gegenüber den Heiden mit einem Verweis auf das Endgericht angriff, in dem nicht der Besitz des Gesetzes über Heil und Unheil entscheidet, sondern das Tun des Willens Gottes, so greift der jüdische Gesprächspartner in 3,1-8 das paulinische Argument von der Statusgleichkeit von Juden und Heiden im Endgericht an. Der Gegenangriff operiert mit zwei Hauptargumenten, die jeweils aus zwei Teilen bestehen.7 Erstens: Die heilsgeschichtliche Priorität der Juden gegenüber den Heiden kann nicht annulliert worden sein (3,1-4). Der erste Argumentationsschritt (3,1) betont die Gültigkeit der Prämisse von Israels göttlicher Erwählung, die in der Beschneidung ihren Ausdruck findet. Paulus anerkennt die ———————————————————

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Lohse 116. Vgl. Wilckens I 167 Anm. 447 zur Kritik an Bornkamm, Teufelskunst, 148, der die Einwände als „sophistische Pseudo-Theologie“ versteht. Vos, Argumentation, 84-86; Zitate ebd. 85.86. Jülicher 242; Lietzmann 45; Dodd 48; Kuss I 99; Schlier 176; Räisänen, Torah, 185; vgl. Käsemann 73-74. Godet 145 beschreibt den Gedankengang als „wohl einer der schwierigsten des Briefs“, Dodd 46 als obskur. Wilckens I 161-163, dort zum Folgenden; s. Penna 190-192; Penna, Structural Function.

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Richtigkeit dieses Arguments: Erwählung und Beschneidung sind in der Tat von Gott gesetzt (3,2). Der zweite, intensivierende Argumentationsschritt (3,3) verbindet die von Paulus als gültig anerkannte Prämisse von Israels göttlicher Erwählung mit dem paulinischen Argument in 2,17-29 und stellt die mit Nein zu beantwortende rhetorische Frage, ob die Untreue einiger Juden die Treue Gottes aufhebt. Paulus verneint in 3,4 wie erwartet die Frage, betont aber gleichzeitig mit dem Zitat von Ps 51,4, dass Gottes Wahrheit im Gegensatz steht zur Falschheit und Sündhaftigkeit eines jeden Menschen: Die Sünde, der alle Juden verhaftet sind, hebt die Wahrheit und Treue Gottes nicht auf – Gott erweist seine Gerechtigkeit in dem Rechtsstreit, der im Endgericht mit seinem Sieg entschieden wird. Zweitens: Die paulinische Lehre macht Gott zu einem ungerechten Richter und führt zu Libertinismus (3,5-8). Der erste Argumentationsschritt (3,5) will mit der Frage „Ist Gott etwa ungerecht, wenn er seinen Zorn verhängt?“ die Folgerung erzwingen, dass die Gerechtigkeit Gottes im Widerspruch steht zum Zorngericht Gottes, wenn Paulus mit seiner Gleichstellung von Juden und Heiden recht hat: Wenn die Juden Gott durch ihre Ungerechtigkeit provozieren, seine Gerechtigkeit zu offenbaren, dann kann er sie kaum für ihre Sünde bestrafen. Paulus weist diese Folgerung als absurd zurück: Die Folgerung des Gesprächspartners kann nicht richtig sein, da sie zu der weiteren Folgerung führt, dass Gott nicht der Richter der Welt sein kann (3,6). Der zweite, wieder intensivierende Argumentationsschritt (3,7-8) spitzt den Einwand von 3,5 zu und wirft Paulus vor, eine Theologie ohne Endgericht und ohne Ethik zu vertreten: Wenn sich die Wahrheit Gottes durch die Sünde der Juden als überreich erweist zu Gottes Verherrlichung, d.h., wenn Gott Sünder rechtfertigt, die Heiden genauso wie die Juden, wenn es also keinen Unterschied gibt zwischen Gerechten (Juden) und Sündern (Heiden), dann ist jedes Gericht bedeutungslos. Und wenn Sünder gerechtfertigt werden, gibt es keinen Grund, weshalb man nicht das Böse tun sollte, weil nach Paulus das Tun des Bösen (was die Heiden kennzeichnet) zum Guten führt (Rechtfertigung des Sünders). Paulus, so die Folgerung, hat nicht nur eine problematische Theologie: Er hat keine Ethik. Weil das göttliche Endgericht infolge der paulinischen Lehre von der Rechtfertigung des gottlosen Sünders (vgl. 4,5) hinfällig wird – wenn Sünder von Gott gerechtfertigt werden, wer soll dann im Endgericht noch gerichtet werden? –, fällt auch der ethische Unterschied zwischen Gut und Böse dahin. Für Paulus markiert eine solche Schlussfolgerung das Ende jeder Diskussion (3,8): Diese Folgerung ist theologisch unakzeptabel, weil sie die Treue von Gottes Gerechtigkeit und die Schwere von Gottes Gericht zu einer

Widerlegung jüdischer Einwände 3,1-8 327 ————————————————————————————————————

Farce werden lässt. U. Wilckens kommentiert: „Paulus steht in 3,1-8 also gleichsam mit dem Rücken gegen die Wand. Darin zeigt sich, daß er hier keineswegs in einem ‚dialogischen Spiel‘ mit einem ‚fingierten‘ Gegner seinen eigenen ‚Gedanken lediglich weitertreiben will‘, sondern sich aufgrund seines Angriffs gegen den Juden in 2,17ff einem sehr realen, höchst massiven Gegenangriff ausgesetzt erfährt, dem er sich nur mit größter Not argumentativ erwehren kann. Nirgendwo im Neuen Testament kommt der jüdische Gegner des Paulus so deutlich und auf so hohem Reflexionsniveau theologischer Polemik selbst zu Wort wie hier.“8 Die Fragen des Gesprächspartners werden von Paulus in 3,1-8 nur kurz beantwortet. Der Fortgang zeigt jedoch, dass sie die Grundlage für den zweiten und dritten Hauptteil des Römerbriefs sind. Die Frage nach der Realität der den Sünder rechtfertigenden Gerechtigkeit Gottes im Leben des einzelnen Christen (3,5-8), d.h., die Frage nach der Ethik, wird in Kap. 6–8 aufgegriffen. Die Frage nach der Realität der den Sünder rechtfertigenden Gerechtigkeit Gottes in der Geschichte Israels (3,1-4) wird in Kap. 9–11 beantwortet. Textkritische Anmerkungen. Die Auslassung des Artikels η� (ω� φε' λεια) in ‫ *א‬G 1241 1505 in V. 1 ist schwach bezeugt und entweder durch Haplographie nach dem vorausgehenden η» entstanden oder infolge des Verständnisses von τι'ς als interrogatives Adj. von ω� φε' λεια.9 In V. 2 hat die Wendung πρω ñ τον με` ν γα` ρ ο« τι (‫ א‬A D2 K L 33 69 u.a., Byz syh co) zu mehreren Varianten geführt, z.B. Auslassung von γα' ρ (B D* G Ψ 81 365 u.a.), ist aber als lectio difficilior als ursprünglich anzusehen. In V. 4 ersetzt G γινε' σθω durch ε» στω, offensichtlich um den Gedanken von einem Werden Gottes zu vermeiden. Die komparative Konjunktion καθω' ς (A D G K L 33 1739 1881 u.a., Byz; NA28) wird von ‫ א‬B Ψ durch das bedeutungsgleiche καθα' περ (NA25) ersetzt (vgl. 9,13; 10,15; 11,8), vielleicht um eine weitere Wiederholung von καθω' ς zu vermeiden (vgl. V. 8, 10). Im LXX-Zitat ist das Futur νικη' σεις (‫ א‬A D K 81 2464 u.a.) die schwierigere Lesart gegenüber dem Konjunktiv νικη' ση, ς (B G L Ψ 365 1175 u.a.); die LXX hat νικη' ση, ς; s. den Kommentar. In V. 5 ist die Lesart κατα` τω ñ ν α� νθρω' πων in 1739mg sa; (Or)mss ist nur minimal bezeugt. Die Futurform κρινειñ (Ψ 1739 1881 Byz latt co) in V. 6 wird von manchen Zeugen (B2 D2 K* 365 629 u.a.) zur Präsensform κρι'νει abgewandelt (‫ א‬A B* D* G 33 u.a. haben keine Akzente). Die meisten Kommentatoren bevorzugen die Akzentuierung als Futur.10 In V. 7 wird ———————————————————

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Wilckens 1, 163; so schon Michel 137. Jewett 238. Vgl. Cranfield I 184 Anm. 6; Lohse 118 Anm. 14.

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δε' (‫ א‬A 81 365 1506 u.a. vgmss bo) von manchen Zeugen durch γα' ρ ersetzt (B D G Ψ 33 1739 1881 Byz lat sy sa), was die Parallele zu V. 5.7 zerstört und weniger gut in den Kontext passt.11 III

1 Das Argumentationsziel seit 2,1 bestand in dem Nachweis, dass Juden

sich genauso wie Heiden vor Gott im Endgericht verantworten müssen, wo weder Beschneidung noch der Besitz der Tora dem Sünder helfen, dem göttlichen Schuldspruch zu entgehen. Paulus hatte im unmittelbar vorausgehenden Satz 2,28-29 betont, dass es vor Gott nicht auf die physische Beschneidung ankommt, sondern auf die „Beschneidung“ des Herzens, und dass wahre jüdische Identität nicht in öffentlich sichtbaren Merkmalen besteht, sondern dass der ein Jude ist, der es „im Verborgenen“ ist. Für den jüdischen Gesprächspartner des Apostels ergibt sich zwangsläufig die Frage Was ist nun der Vorzug des Juden? Das mit „Vorzug“ (το` περισσο' ν) übersetzte Wort beschreibt den „Überschuss“ des Juden, d.h., was der Jude allen anderen Menschen voraus hat.12 Diese Frage bezieht sich auf die Argumentation in 2,17-24 (Stichwort � Ιουδαι'ος). Die Frage was ist der Nutzen der Beschneidung? greift 2,25-29 auf (Stichwort περιτομη' ).13 Die beiden Themen hängen sachlich eng miteinander zusammen und sind bereits in 2,28-29 verknüpft: Jüdische Identität ist mit dem Erwählungszeichen der Beschneidung verbunden.14 Wenn die Beschneidung dem das Gesetz übertretenden Juden nichts nützt, dann hat sie vielleicht überhaupt keinen Nutzen. Wenn dies die Meinung des Apostels wäre, stellte er Gottes Offenbarung im Allgemeinen und Gottes Treue im Besonderen infrage. Nach dem Zeugnis der heiligen Schriften erwählte Gott Abraham und seine Nachkommen als sein besonderes Volk inmitten der Heidenvölker und gab ihnen die Beschneidung als Zeichen des Bundes, den er mit ihnen geschlossen hatte. Wenn ein Jude keinen Vorteil und wenn die Beschneidung keinen Nutzen hat, dann sind entweder die heiligen Schriften keine zuverlässige göttliche Offenbarung, oder Gott hat sein Wort nicht gehalten. 2 Die pleophorische Formulierung der Antwort viel in jeder Hinsicht (πολυ` κατα` πα' ντα τρο' πον) zeigt das leidenschaftliche Anliegen des Apos———————————————————

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Zahn 144; Metzger, Textual Commentary, 448. Bauer / Aland s.v. περισσο' ς 1. Die Übersetzung „the advantage of the Judean“ in BDAG s.v. περισσο' ς 1 geht am Sinn vorbei: � Ιουδαι' ος verweist hier nicht auf in Judäa wohnende Menschen, sondern auf Juden allgemein, unabhängig von ihrem Wohnort. Das Wort ω� φε' λεια („Nutzen, Vorteil“) hat hier dieselbe Bedeutung wie das substantivierte Adj. περισσο' ς. Michel 137; Haacker 86.

Widerlegung jüdischer Einwände 3,1-8 329 ————————————————————————————————————

tels, die göttliche Erwählung Israels festzuhalten: Juden haben einen Vorteil gegenüber den Heiden, Israel ist ein besonderes Volk. Wenn Kommentatoren ihr Erstaunen im Blick auf diese Antwort zum Ausdruck bringen,15 verkennen sie die bleibende Autorität der heiligen Schriften Israels, die Christen das „Alte Testament“ nennen. Das Wort zuerst (πρω ñ τον) leitet scheinbar eine Aufzählung ein (man könnte deshalb mit „erstens“ übersetzen), die hier allerdings nicht fortgesetzt wird; in 9,4-5 wird Paulus weitere Vorzüge der Glieder des Volkes Israel aufzählen.16 Der Widerspruch zwischen der Erwählung Israels, die weiterhin Bestand hat, und der Sündhaftigkeit der Juden, die im Endgericht genauso wie die Heiden dem Urteil Gottes ausgeliefert sind, wird von Paulus in Kap. 9–11 mit Hinweis auf die Heilstat der Gerechtigkeit Gottes im Tod Jesu Christi gelöst, von der erst ab 3,21 die Rede ist. Das Wort „zuerst“ markiert zugleich den wichtigsten Vorzug des Juden vor den Nichtjuden: Paulus betont, dass ihnen die Worte Gottes anvertraut sind. Der Ausdruck „die Worte Gottes“ (τα` λο' για τουñ θεουñ ) meint die von Israel empfangenen Worte der Offenbarung Gottes in den heiligen Schriften.17 In Ps 119 bezeichnet der Ausdruck Gottes Offenbarung, Gottes Gesetz, Gottes Wort vermittelt durch die Propheten, und Gottes Verheißung(en) an sein Volk. Das Passiv des mit „sind anvertraut“ (ε� πιστευ' θησαν)18 übersetzten Verbs verweist als Gott als Urheber der Offenbarungsworte an Israel; die Formulierung im Aorist darf nicht dahingehend missverstanden werden, als ob Paulus die göttliche Offenbarung Gottes für Israel als Sache der Vergangenheit erklären will.19 Die Worte der Offenbarung Gottes, die Israel und damit die Juden erhalten haben, sind nicht nur, aber ———————————————————

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Vgl. Lohse 116; Wolter I 212-213; Käsemann 74 dem größeren Kontext gemäßer: „Nach dem radikalen Abbau der jüdischen Privilegien im Vorangegangenen erstaunt der Überschwang, wenn man nicht sieht, daß sich bereits jetzt das Problem von c. 9–11 anmeldet.“ Eine Fortsetzung der Aufzählung in 3,2 unterbleibt wohl wegen „der gedrängten Diskussionssituation“ (Wilckens I 163 Anm. 432); Wilckens ebd. weist zurecht die These von Scroggs, Two Homilies, 277 zurück, Röm 9–11 habe sich ursprünglich in einer vorliterarischen heilgeschichtlichen Homilie an Röm 1–4 angeschlossen. Vgl. Deut 33,9; Ps 17[18],7-14; 107[106],11; 119[118],11.103.158.162 (Singular το` λο' γιον 119,38.41.50.58.67.76.82.116.123.133.140. 148.169.170.172); im Frühjudentum Arist. 177; Philo, Mos. 2,188; Virt. 68; im NT Apg 7,38; Hebr 5,12; 1Petr 4,11. Doeve, Notes, 121: In der jüdischen Welt bedeutet die Wendung „God’s revelation in Holy Scripture“; gegen G. Kittel, λο' γιον, ThWNT IV, 141-142, der die Wendung als „Heilsgeschehen“ deutet; Stuhlmacher, Gerechtigkeit Gottes, 85 (siehe die Kritik von Käsemann 74 an Stuhlmachers Deutung im Sinn der Gesetzesforderungen von Röm 2,26 als Audruck des göttlichen Bundesrechts). Seifrid, Unrighteous by Faith, 136: Die Offenbarung des Gerichts und Zornes Gottes. Bauer / Aland s.v. πιστευ' ω 3: „anvertrauen“; bei Paulus hat das Verb auch an anderen Stellen diese Bedeutung: 1Kor 9,17; Gal 2,7; 1Thess 2,4; 1Tim 1,11; Tit 1,3. Richtig Theobald, Gnade, 135, gegen G. Klein; vgl. Haacker 86.

330 Römerbrief ————————————————————————————————————

doch zentral Worte der Erwählung und Verheißung, was im Reden Gottes zu Abraham (Gen 12,1-3; 17,1-21), Mose (Ex 3,4-12; 6,2-8; 34,6-7) und David (2Sam 7,12-16) deutlich wird. 3 Der zweite Einwand wird mit der elliptischen Wendung Was ist denn (dazu zu sagen)? (τι' γα' ρ) eingeleitet.20 Der jüdische Gesprächspartner räumt die Tatsache ein, dass einige untreu wurden. Das Wort „einige“ (τινες) kann auf erhebliche Teile des Volkes verweisen (1Kor 10,7-10). Paulus ist jedoch nicht an quantitativen Überlegungen interessiert.21 Das mit „untreu wurden“ übersetzte Verb (η� πι'στησαν) kann auf die Untreue gegenüber den Offenbarungsworten Gottes bezogen werden, zu denen das Gesetz gehört, und damit im Kontext von Kap. 2 auf das Verhalten von Juden, die nicht nach dem Willen Gottes leben.22 Das Verb kann auch „haben nicht geglaubt“ bedeuten23 und auf die Verweigerung des Glaubens an Jesus als Messias Israels bezogen werden, was zu dem Hinweis auf Heidenchristen in 2,14-15.26-29 und zu Röm 10,14-21 passt.24 Manche verbinden beide Interpretationen: Paulus meint sowohl den Unglauben im Blick auf Gottes Worte als auch den Unglauben im Blick auf das Evangelium.25 Die dritte Erklärung ist im engeren und größeren Kontext plausibel. Der Einwand ist als Frage formuliert, die mit der Negation μη' eingeleitet wird und deshalb „Nein“ als Antwort erwarten lässt (etwa).26 Der Gesprächspartner kontrastiert die Untreue (α� πιστι'α [apistia]) einiger Juden mit Gottes Treue (τη` ν πι'στιν τουñ θεουñ ): Gott bleibt dem Bund, den er mit Abraham und seinen Nachkommen geschlossen hat, in Übereinstimmung mit seinen Verheißungen für sein Bundesvolk (Ex 34,6-7; Num 23,19; Deut 7,9; Jes 49,7; Hos 2,19-23), auch wenn einige Juden ihm die Bundestreue verweigern. Das Wort πι'στις [pistis] bedeutet hier nicht „Glaube“, sondern bezeichnet „die unbedingte Verläßlichkeit Gottes, der zu seinem Wort ———————————————————

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Bauer / Aland s.v. τι' ς 1bε elliptische Wendungen: τι' γα' ρ „wie stehts denn?“, Röm 3,3 „was liegt denn daran?“ Haacker 86; vgl. Wolter I 214. Michel 138: Die Einschränkung durch τινες „will nicht Menschen entschuldigen oder ihr Vergehen verkleinern, sondern dessen [sic] Begrenztheit und Gottes Überlegenheit zum Ausdruck bringen“. Viele interpretieren τινες als Bestreben, die Härte der Kritik abzuschwächen (Cranfield I 181; Moo 184; Kruse 150). Zahn 136-137; Michel 138; Wilckens I 164; Dunn I 131 Penna 196; Lohse 117; Haacker 86-87; Wolter I 214. Bauer / Aland s.v. α� πιστε' ω, mit Verweis für die religiöse Bedeutung auf 1 Petr 2,7. Sanday/ Headlam 71; Schlatter 114; Légasse 215; Kruse 277; Jewett 244; Cosgrove, Believed; als Möglichkeit bei Fitzmyer 327; kritisch Lohse 117 Anm. 6; Wolter I 214. Kuss I 101; Cranfield I 180; Käsemann 75 (Abtrünnigkeit Israels in seiner Geschichte, „die folgerichtig in der Ablehnung des Evangeliums gipfelt“); Moo 184; Schreiner 150; Bell., No One Seeks for God, 204-205. HvS §246a; BDR §427.2a.

Widerlegung jüdischer Einwände 3,1-8 331 ————————————————————————————————————

steht“.27 Die Treue Gottes wird mit der „Untreue“ einiger Juden kontrastiert. Das Futur des mit zunichtemachen (καταργη' σει) übersetzten Verbs ist als logisches Futur zu verstehen: Es beschreibt Gottes Verhalten in der Geschichte. Die Treue Gottes gegenüber seinem Volk ist souverän, nicht abhängig von der Bundestreue jedes einzelnen Israeliten (was allerdings nicht ausschließt, dass Gott die Israeliten richten wird, die nicht in Treue gegenüber seiner Offenbarung leben; s. das Folgende).28 4 Paulus weist mit der Wendung Auf keinen Fall! (μη` γε' νοιτο) die Möglichkeit entschieden zurück, dass die Bundestreue Gottes gegenüber Israel durch den Bundesbruch von Juden, die sündigen, aufgehoben wird.29 Die scharfe Verneinung bedeutet: Gottes Bund mit Israel ist weiterhin gültig, eine Tatsache, die Paulus in dem von ihm verkündigten Evangelium ernst nimmt. In seiner Begründung ersetzt Paulus den Gegensatz Treue / Untreue durch den Gegensatz Wahrheit / Lüge: Möge vielmehr Gott sich als wahr erweisen, jeder Mensch jedoch als Lügner. Das mit „möge“ übersetzte Verb, im Imperativ formuliert (γινε' σθω, hier als Äquivalent von ε» στω verwendet),30 wird unterschiedlich interpretiert: als Verweis auf die Wahrheit, dass sich die Wahrhaftigkeit Gottes in der Geschichte zunehmend offenbart;31 als Wunsch nach der Anerkennung Gottes als der Wahrhaftige, der er immer war und ist;32 als Bitte, die sich erfüllt;33 als Bekenntnis zur Wahrhaftigkeit Gottes;34 als Verweis auf den Ausgang der Geschichte im End———————————————————

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Lohse, mit Verweis auf 2Tim 2,13. Zahn 137 schreibt: „Damit, dass doch jedenfalls nicht Alle untreu gewesen waren, ist übrigens die Beziehung auf die Gesetzeserfüllung keineswegs ausgeschlossen (gegen Meyer); denn wenn auch jede Gesetzesübertretung die Rechtfertigung aus den Werken aufhebt, so ist sie doch keineswegs an sich schon ein Bundesbruch, der die Erfüllung der Verheissung aufhebt, da ja das AT selbst seine Ordnungen hatte, durch welche Gesetzesübertretungen, die keinen Bundesbruch involvirten, gesühnt werden konnten.“ Die Formel μη` γε' νοιτο wird im Röm häufig gebraucht: 3,4.6.31; 6,2.15; 7,7.13; 9,14; 11,1.11; vgl. 1Kor 6,15; Gal 2,17; 3,21; 6,13; in der LXX in Gen 44,7; Deut 24,16; 1Kön 21,3 [3Bas 20,3]; 1Makk 9,10; 13,5. Häufig in Epiktet: Diss. 1,1,13; 1,2,35; 1,5,10; 1,8,15. Wie in Papyrusbelegen der Formel (BGU IV 1108,11; VII 1651,5; P.Ryl. II 153; SB XVIII 13176,116), so will Paulus mit μη` γε' νοιτο „etwas überaus Negatives oder Unangenehmes soweit nur irgendwie möglich ausschließen“ (Arzt-Grabner, 1. Korinther, 237). Der Optativ der Formel ist kupitativ und kennzeichnet einen als erfüllbar hingestellten Wunsch; HvS §211c. Vgl. BDR §98.2; Cranfield I 181. Die Formulierung knüpft wohl bewusst an das vorausgehende μη` γε' νοιτο an. Godet I 148; Weiß 138-139. Zahn 151. Schlier 93: „Es sollen und werden … sich Gott und der Mensch als die bezeugen, die sie sind“; vgl. Sanday/ Headlam 71. Wilckens I 164-165 spricht von Exhomologese aus dem traditionellen Gebetskontext. Cranfield I 181; Moo 186 Anm. 45; Schreiner 151.

332 Römerbrief ————————————————————————————————————

gericht, in dessen Licht es kommen soll und kommen wird, dass Gott wahr ist und jeder Mensch als der Lüge verfallen erscheint.35 Im Kontext der unmittelbar folgenden Aussage, die vom Triumph Gottes im Rechtsstreit mit den Menschen spricht, ist die zuletzt genannte Deutung am wahrscheinlichsten. Nach atl. Denken, dem Paulus verpflichtet ist, entspricht Gottes Wahrheit (α� λη' θεια) der Zuverlässigkeit seiner Treue (πι'στις) – beides ist in dem hebr. Begriff ‫ ֱאֶמת‬enthalten.36 Von der „Wahrheit Gottes“ als Ausdruck seiner Bundestreue ist in Ps 89,2.6.9.15.25.34 eindrucksvoll die Rede. Der Wahrheit Gottes steht die Tatsache gegenüber, dass „jeder Mensch“ (παñ ς δε` α» νθρωπος) ein Lügner ist.37 Bei der Lüge geht es um die Diskrepanz zwischen dem, was jemand weiß, und dem, was er tut oder sagt, oft auch um Worte, die wertlos oder irreführend sind.38 Ohne dass das Wort „Lüge“ in Gen 3 vorkommt, gehört diese zum Kernprozess der Sünde: Die Frage der Schlange formuliert eine Verzerrung des Wortes Gottes, auf die sich der Mensch einlässt, was das Gebot Gottes verzerrt und zu einem direkten Widerspruch gegen das Wort Gottes führt, der den Menschen in die Infragestellung der Wahrheit Gottes hineinzieht (Gen 3,1-5). Im 9. Gebot des Dekalogs wird die Lüge (im Rechtsverfahren) ausdrücklich verboten (Ex 20,16).39 In Röm 1,18 hatte Paulus „Wahrheit“ und „Ungerechtigkeit“ ———————————————————

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Schlatter 115-116; Stuhlmacher 50; Käsemann 76: Paulus betrachtet „die Geschichte als Prozeß Gottes mit der Welt … (er) kennt die Entscheidung bereits und wünscht sie zugleich fast beschwörend herbei“; vgl. Jewett 245; Wolter I 216; Seifrid, Unrighteous by Faith, 136. Wilckens I 164; Haacker 87. Zu α� λη' θεια s. 1,18, zu πι' στις s. 1,5.8. Paulus verwendet das Wort „Lügner“ (ψευ' στης) sonst nur noch in 1Tim 1,10; Tit 1,12; ansonsten s. Joh 8,44 (der Teufel ist der Vater der Lüge); 8,55; 1Joh 1,10; 2,4.22; 4,20; 5,10. Für das Subst. ψευñ δος s. Röm 1,25; 2Thess 2,9.11; Eph 4,25, für das Verb ψευ' δομαι Röm 9,1; 2Kor 11,31; Gal 1,20; Kol 3,9; 1Tim 2,7. Vgl. R. Mosis, s.v. ‫כזב‬, ThWAT IV, 111-130; H. Seebass / S. Beyerle / K. Grünwaldt, s.v. ‫ׁשקר‬, ThWAT VIII, 467-472; W. Schunk, s.v. ‫כחׁש‬, ThWAT IV, 141-145; B. W. Breed, s.v. ‫כזב‬, ThWQ II, 380-381; D. Hankins, s.v. ‫כחׁש‬, ThWQ II, 385; . Die LXX übersetzt ψευ' στης mit ‫ כזב‬und ψευδη' ς sowie ψευñ δος meistens mit ‫כזב‬, ‫כחׁש‬, ‫ ׁשקר‬und ‫ׁשוא‬. In den Lasterkatalogen der essenischen Gemeinderegel ist ‫„ כחׁש‬Betrug, Täuschung, Lüge“ Synonym von ‫„ רמיה‬Trug, List“ und ist umgeben von den Begriffen ‫„ רשע ושקר‬Frevel und Lüge“, ‫„ גוה ורום‬Stolz und Hochmut“ und ‫„ אכזיר‬Grausamkeit“ (1QS IV,9 par 4QSc V, 7); unter den Lastern, denen die Gemeindeglieder abschwören, steht ‫ כחׁש‬neben ‫עוון‬ „frevlerischer Lüge, bösartige Täuschung“, ‫„ נבלות‬Torheiten“ und den Synonymen ‫מרמות‬ ‫„ וכזבים‬Lügen und Falschheiten“ (Hankins, ebd.). Klopfenstein, Lüge, 353 betont, die Verurteilung der Lüge gehe „in erster Linie davon aus, daß sie die Gemeinschaft zwischen Gott und seinem Volk, zwischen Gott und Mensch, zwischen Volksglied und Volksglied, zwischen Mensch und Mensch zerstört. Lüge ist gemeinschaftswidrig“. Im Anschluss daran Preuß, Theologie II, 210. Zur Kritik an Klopfenstein, der wie H. Conzelmann, Art. ψευñ δος, ThWNT IX, 590-599 die benachbarten Wortfelder nicht untersucht, s. Siegert, Argumentation, 103 Anm. 81.

Widerlegung jüdischer Einwände 3,1-8 333 ————————————————————————————————————

in Beziehung gesetzt: Der Mensch, der in seinem Denken, Reden und Handeln die Wahrheit und Wahrhaftigkeit Gottes leugnet, ist dem Zorn Gottes ausgesetzt und wird von diesem gerichtet. Wenn Paulus betont, dass jeder Mensch ein Lügner ist, d.h., dass jeder Mensch Gott untreu ist (V. 3), dann heißt das, dass nicht nur „einige“ Juden gesündigt haben, sondern alle Juden Sünder sind. Das Stichwort „Lüge“ unterstreicht die Tatsächlichkeit der Sünde, die sich in konkretem Fehlverhalten äußert. Der zweite Teil des Satzes spielt auf Ps 116,11 (LXX 115,2: παñ ς α» νθρωπος ψευ' στης) an, eine Aussage, deren Universalität das seit 1,18 verfolgte argumentative Anliegen bestätigt: Alle Menschen, ohne Ausnahme, sind Sünder, die die Wahrheit verfehlen, was auch für das jüdische Volk gilt. Die Frommen der Qumrangemeinde rechneten sich der „frevelnden Menschheit“ zu, während sie gleichzeitig die Wahrheit Gottes rühmten: „Doch ich gehöre zur ruchlosen Menschheit (‫)לאדם רשעה‬, zur Menge des frevelnden Fleisches (‫)בשר עול‬. Meine Sünden, meine Übertretungen, meine Verfehlungen samt der Verderbtheit meines Herzens gehören zur Menge des Gewürms und derer, die in Finsternis wandeln. Denn (k)ein Mensch (bestimmt) seinen Weg, kein Mensch lenkt seinen Schritt; sondern bei Gott ist die Gerechtigkeit“ (1QS XI, 9-10);40 1QH I, 26-27: „Bei dir, du Gott der Erkenntnisse, sind alle Werke der Gerechtigkeit (‫ )מעשי הצדקה‬und der Rat der Wahrheit (‫)סוד האמת‬, aber bei den Menschenkindern sind Dienst der Sünde (‫ )עבודת העוון‬und Taten des Trugs (‫)מעשי הרמיה‬.“ Vgl. 1QH IX, 14-15; PsSal 2,15; 8,23.

Paulus begründet mit einem Schriftzitat, eingeleitet mit wie geschrieben steht (καθω` ς γε' γραπται). Das Zitat aus Ps 51,6 (LXX 50,6) besteht aus zwei Zeilen, die einander entsprechen: Damit du dich als gerecht erweist mit deinen Worten wird durch die Aussage (damit du) siegst, wenn man mit dir rechtet erläutert (Parallelismus membrorum). Der hebräische Text unterscheidet sich von der Übersetzung der LXX, der Paulus folgt: ‫ְלַמַען ִת ְּצַּדק ְב ָּדְב ֶר ָך‬ ‫כה ְבָׁשְפֶט ָך‬ ּ ֶ ּ‫ִת ְז‬

damit du im Recht bist mit deinem Reden, rein erfunden in deinem Richten (Elb.Ü)

ο« πως α� ν δικαιωθηñ, ς ε� ν τοιñς λο' γοις σου και` νικη' ση, ς ε� ν τω ñ, κρι' νεσθαι' σε

damit du recht behältst41 mit deinen Worten, und den Sieg davon trägst, wenn du gerichtet wirst (LXX.D) damit du dich als gerecht erweist mit deinen Worten und siegst, wenn man mit dir rechtet (Röm 3,4)

ο« πως α� ν δικαιωθηñ, ς ε� ν τοιñς λο' γοις σου και` νικη' σεις ε� ν τω ñ, κρι' νεσθαι' σε ———————————————————

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Übersetzung Lohse, Texte aus Qumran, 41. Charlesworth, Rule of the Community, 49 übersetzt: „And I (belong) to wicked Adam, to the assembly of deceitful flesh … My way (belongs) to Adam, The human cannot establish his righteousness“. LXX.D notiert in einer Anmerkung, dass δικαιωθηñ, ς wörtl. „für gerecht erklärt wirst, gerechtfertigt wirst“ bedeutet; der Inf. κρι' νεσθαι wird passivisch gedeutet.

334 Römerbrief ———————————————————————————————————— Im hebräischen Original bekennt David seine Sünde mit Batseba und bittet Gott um Gnade und die Vergebung seiner Schuld und Sünde (51,1-5). Er bekennt, dass er gegen Gott gesündigt hat, weil er etwas getan hat, was böse ist in den Augen Gottes (51,6a). Gott hat durch sein „Reden“ (‫ ) ְב ָּדְב ֶר ָך‬in seinem „Richten“ (‫ )ְבָׁשְפֶט ָך‬David geschlagen (V. 10: „die Gebeine … die du zerschlagen hast“); die Menschen wissen, dass er, Gott, „im Recht“ ist (‫ ) ִת ְּצַּדק‬und als „rein“ erfunden wird (‫כה‬ ּ ֶ ּ‫) ִת ְז‬. Das heißt, das Gericht über David manifestiert die Gerechtigkeit Gottes. Die LXX übersetzt „Reden“ mit „Worte“ (λο' γοις), und „rein erfunden“ durch „siegst“ (νικη' ση, ς), was der aramäischen Bedeutung des Verbs ‫ זכה‬entspricht.42 Es wird manchmal behauptet, die LXX führe die Rechtsstreitvorstellung in den Text ein.43 Dem steht entgegen, dass das Verb ‫ זכה‬den Gedanken des Freispruchs bzw. eines positiven Urteilsspruchs beinhalten kann.44 Paulus ersetzt den Konj. Aor. νικη' ση, ς durch Futur Ind., wodurch der eschatologische Bezug verdeutlicht bzw. „die Gewißheit göttlichen Obsiegens“ nachdrücklich betont wird.45

Wer mit Gott einen Rechtsstreit wegen seiner Verurteilung des Sünders führen will (κρι'νεσθαι), der wird erfahren, dass Gott „siegt“ (νικη' σεις), d.h., dass er sich mit seinem Richterspruch (λο' γοις) „als gerecht erweist“ (δικαιωθηñ, ς), d.h. recht behält. Paulus verwendet das Zitat aus dem Bußpsalm, um mit der Autorität der Schrift zu bekräftigen, dass Gottes Gerechtigkeit unumstößlich fest steht, auch und gerade wenn er Sünder verurteilt. Gerade das Beispiel Davids zeigt, dass auch der von Gott Erwählte der Realität der Sünde nicht entzogen ist.46 Gottes Treue (V. 3) und Wahrheit (V. 4a) erweisen sich in der Realität seines Gerichtsurteils, das unwandelbar gerecht ist. Wenn Gott sündigende Juden im Endgericht richtet, hebt er seine Verheißungen nicht etwa auf – Gott ist gerecht, er handelt richtig, seine Worte sind wahr und bleiben gültig. Der Einwand des Gesprächspartners nach der Treue Gottes gegenüber seinem Bund mit Israel ist damit abgewendet, allerdings noch nicht mit der notwendigen Ausführlichkeit ausgeräumt; dies geschieht in Kap. 9–11. ———————————————————

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HAL s.v. ‫ זכה‬1a; vgl. Tate, Psalms, 18. Wilckens I 165 Anm. 439. Tate, Psalms, 18, mit Verweis auf Dalglish, Psalm, 112-113; vgl. HAL s.v. ‫ ;זכה‬die PielForm hat in Jer 11,15; Mich 6,11 einen eindeutig forensischen Sinn („gerecht sprechen, freisprechen“), ebd. s.v. pi.2. Lohse 117; vgl. Käsemann 76; Dunn I 134; Jewett 247; kritisch Wolter I 217. Haacker 87; Cranfield I 183 meint, Paulus wolle mit dem Beispiel Davids möglicherweise auch zeigen, dass Gott auch angesichts schwerer Sünde seinen Verheißungen gegenüber treu bleibt (mit Verweis auf Ps 89,35; Jes 55,3; Lk 1,32.69; Röm 1,3). Käsemann 76-77 betont im Rahmen der Anspielung auf das Endgericht den universalen (apokalyptischen) Aspekt: Paulus „hört aus dem Psalmzitat heraus, daß die Weltgeschichte mit dem Siege Gottes über seine Feinde und mit der Manifestation seines Rechtes über den Geschöpfen endet … Rechtfertigung der Gottlosen meint Gottes Sieg über die Welt, die mit ihm streitet.“ Zur Kritik s. Schreiner 151-152. In V. 4 geht es nicht um das Heil des Sünders, sondern um die Gerechtigkeit des Richtens Gottes.

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5 Das Argument in V. 4, mit dem Paulus den Einwand von V. 3 zurückge-

wiesen hatte, führt zu einem weiteren Einwand gegen die Theologie des Apostels. Wenn die Juden von Gott zu Recht (δικαιωθηñ, ς) gerichtet werden und wenn in Gottes Richten die Wahrheit Gottes triumphiert, dann gilt, dass unsere Ungerechtigkeit Gottes Gerechtigkeit erweist. Diese Schlussfolgerung ergibt sich, wenn man V. 4b als Ziel bzw. Ergebnis der Aussage in V. 4a versteht: Jeder Mensch ist ein Lügner, damit (ο« πως) Gott sich als gerecht erweist. Der Satz ist chiastisch formuliert: „Ungerechtigkeit“ (η� α� δικι'α) entspricht „Gerechtigkeit“ (δικαιοσυ' νην), „unsere“ (η� μω ñ ν) entspricht „Gott“ (θεουñ ). Die beiden subjektiven Genitive nennen die jeweils handelnde Größe: „Wir“ handeln ungerecht, Gott handelt gerecht. Subjekt des Satzes ist „unsere Ungerechtigkeit“, d.h., das sündige Verhalten von Juden. Das Verb (συνι'στησιν) knüpft an die forensische Aussage von V. 4 an. Weil das sündige Verhalten von Juden das gerechte Gericht Gottes provoziert, demonstriert47 es die Gerechtigkeit Gottes, der die sündigen Juden zu Recht richtet. Die Frage was sollen wir sagen? (τι' ε� ρουñ μεν;) fordert die Klärung der Argumentation. Im Zusammenhang könnte man auch übersetzen: „was folgt daraus?“ Der im nächsten Satz formulierte Einwand interpretiert die Aussage des Apostels als blasphemische These: Gott ist ungerecht, wenn er seinen Zorn verhängt. Die Formulierung bezeichnet Gott als „Gott, der seinen Zorn verhängt“ (ο� θεο` ς ο� ε� πιφε' ρων τη` ν ο� ργη' ν). Die Verhängung des Zornes Gottes verweist auf das Endgericht, in dem Gott die Sünder verurteilt und bestraft.48 Wenn Gott alle Juden in seinem Zorngericht verurteilt49 (2,17-27), obwohl sie Juden und nicht Heiden sind und obwohl ihre Ungerechtigkeit den Sieg der Gerechtigkeit Gottes im Endgericht erweisen, dann muss Gott ungerecht (α» δικος) sein. Wenn die Sünde der Juden eine positive Wirkung erzielt, indem sie die Gerechtigkeit Gottes im Endgericht demonstriert, dann gibt es keinen vernünftigen Grund, weshalb Gott seinen richterli———————————————————

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Vgl. Bauer / Aland s.v. συνι' στημι I.1c „darstellen, erweisen“; BDAG s.v. συνι' στημι 3 „to provide evidence of a personal characteristic or claim through action, demonstrate, show, bring out“. Vgl. 1,18; 2,5.8; 5,9; 9,22; 1Thess 1,10; 5,9; Eph 5,6; Kol 3,6. Wilckens I 165-166 meint, der Gegner könnte Gottes Gerechtigkeit nur als seine Bundestreue und somit als Heilsmacht für die Gerechten verstehen und argumentiere deshalb, dass eine Gerechtigkeit, die nur Zorn und kein Heil bewirkt, nicht mehr Gerechtigkeit sei, was beweise, dass „ungerecht“ nicht als Verstoß gegen die iustitia distributiva zu verstehen sei (mit Verweis auf Käsemann 77; Schlier 95; Stuhlmacher, Gerechtigkeit Gottes, 86). Zur Kritik s. 1,17 den Exkurs zu δικαιοσυ' νη; IV zu 2,1-11. Das Verb ε� πιφε' ρω hat hier forensische Bedeutung; vgl. Arist. 253; Josephus, Ant. 2.296; P.Tebt. I 331 (Bauer / Aland s.v. ε� πιφε' ρω 3; vgl. die Beispiele in MM).

336 Römerbrief ————————————————————————————————————

chen Zorn walten lassen sollte.50 Paulus, so der Einwand, unterminiert den Zorn Gottes und damit die Gerechtigkeit Gottes. Die Folgerung, dass Gott ungerecht sein muss, ist blasphemisch. Wenn Gott ungerecht ist, dann ist er nicht Gott. Mit dem Satz Ich rede nach Menschenweise (κατα` α» νθρωπον λε' γω) wird der Einwand als rein menschliche Logik (ab)qualifiziert.51 Der als Frage formulierte, mit der Negation μη' (etwa) eingeleitete Einwand (s. V. 3) lässt eine negative Antwort erwarten, die im nächsten Vers auch gegeben wird. 6 Paulus reagiert auf die vorgeschlagene Folgerung aus seiner Theologie, nach der er Gott als ungerecht bezeichnen müsste, mit einem kategorischen Auf keinen Fall! (μη` γε' νοιτο; vgl. V. 4). Er begründet die Zurückweisung der Folgerung mit einer Gegenfrage, die einen von allen Juden anerkannten Grundsatz formuliert: Wie könnte Gott sonst die Welt richten? Wenn Gott ungerecht wäre, könnte er die Welt nicht richten. Weil Gott jedoch der Richter der von ihm geschaffenen Welt ist, der die Welt richtet, folgt, dass er gerecht ist. Das Wort „Welt“ (κο' σμος) meint hier konkret die Menschheit, ohne den negativen Unterton der gegen Gott rebellierenden Menschheit (so 1Kor 1,20-21.27-28; 3,19; 2Kor 7,10; Gal 6,14; Kol 2,20). Das Verb „richten“ (κρινειñ ) verweist auf das Endgericht.52 Die Juden sind vom Endgericht Gottes nicht ausgenommen.53 Paulus argumentiert knapp, dass die aufgestellte Folgerung zu einer reductio ad absurdum führt. ———————————————————

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Lohse 118; Légasse 218. Für Piper, Justification, 107, gibt der so verstandene Einwand keinen Sinn: Dies wäre so, als ob sich der Sünder darüber beklagen würde, dass seine Sünde das Gericht Gottes rechtfertige. Schreiner 155-156 erklärt den Einwand in V. 5 auf der Grundlage der Überzeugung, dass kein Mensch, auch kein Jude, das Gesetz halten kann: Wie kann Gott gerecht sein, wenn der die Juden richtet, die das Gesetz nicht halten können und deren einzige Hoffnung die Gnade Gottes ist? Zur Haltbarkeit des Gesetzes s. zu 7,12. Vgl. Gal 3,16; Röm 6,19; 1Kor 9,8. Michel 139: „Schon die Frage als solche reizt zur Übertretung der dem Menschen gesetzten Norm; daher entschuldigt sich der Sprecher.“ Zu Gott als Richter s. Jes 13,6-16; 34,8; Dan 7,9-11; Joel 2,1-2; Zef 1,14–2,3; 3,8; Mal 4,1; in der jüdischen Tradition Jub 5,10-16; äthHen 90,20-27 u.a. Zum gerechten Urteil Gottes s. Gen 18,25; Deut 32,4; Hi 34,10-12. Gegen Wilckens I 166 Anm. 443, der meint, der Jude wisse sich „durch seine Teilhabe an der Erwählung Israels im Endgericht grundsätzlich anders gestellt als der Nichtjude“. Dagegen Avemarie, Tora und Leben, 582; ebd. 338-351.376-398 mit relevanten Texten. Wilckens kann aufgrund seines Verständnisses der Gerechtigkeit Gottes, die für Israel immer nur Heil gewährende Bundestreue ist und nicht als vergeltende Strafgerechtigkeit verstanden werden darf (ebd. 128-131; s. dazu IV zu 2,1-11), die Aussage in V. 6 nicht als Antwort auf die eigentliche Stoßrichtung des Einwands von V. 5 verstehen – die Bekräftigung des Gerichts Gottes über alle Sünder beweise nicht, „daß Gottes Zorngericht über alle Menschen als Sünder gleichwohl seine heilschaffende Gerechtigkeit nicht hinfällig“ mache, was nur im Blick auf den Tod Jesu Christi als Rechtfertigung der Gottlosen zu erweisen sei (ebd. 166).

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7 Der letzte Einwand steigert den Angriff. Die Intensivierung zeigt sich im

Übergang von der 1. Pers. Plural zur 1. Pers. Singular.54 Der erste Teil des Satzes fasst die Position des Apostels zusammen: Gottes Wahrheit (erweist sich) durch meine Lüge als überreich zu seiner Verherrlichung. Wenn gilt, dass Gott allein wahr, jeder Mensch aber ein Lügner ist (V. 4),55 und wenn gilt, dass die Ungerechtigkeit des Sünders die Gerechtigkeit Gottes erweist (V. 5), dann muss die blasphemische Prämisse gelten, dass die Wahrheit Gottes (η� α� λη' θεια τουñ θεουñ ) die Lüge des Menschen (τω ñ, ε� μω ñ, ψευ' σματι) benutzt (ε� ν), um (ει� ς) seine überwältigende Verherrlichung (δο' ξα) sichtbar werden zu lassen.56 Wenn Gott die Sünde instrumentalisiert, um seine Ehre zu vermehren,57 dann leuchtet es nicht ein, weshalb Sünder zur Verantwortung gezogen werden: warum werde ich dann noch als Sünder gerichtet? (τι' ε» τι κα� γω` ω� ς α� μαρτωλο` ς κρι'νομαι;).58 Wenn „meine Lüge“ die Wahrheit Gottes nur umso herrlicher aufleuchten lässt, dann ist der Unterschied zwischen Gerechten und Sündern aufgehoben, und das bedeutet, dass jedes Gericht über Sünder sinnlos wird.59 Der Gegner will noch einmal die paulinische Position ad absurdum führen und gleichzeitig beweisen, dass die Anklage gegen den Juden 2,17-29 scheitert. 8 Die Folge dieser theologischen Position, so der Einwand, endet im Verlust jeglicher Ethik. Paulus macht deutlich, dass dieser Einwand tatsächlich von Gegnern gegen ihn erhoben wurden: Sagen wir etwa sogar, wie wir verleumdet werden und wie einige behaupten, dass wir sagen. Der in der ———————————————————

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Zahn 157: Paulus schreibt im Ich-Stil, weil er seinen eigenen Standpunkt gegen falsche Konsequenzen verteidigt. Michel 139: Der Ich-Stil „gehört in die Diskussion und wirkt rhetorisch“. Wilckens I 166 Anm. 445: Der Ich-Stil ist in der Diatribe geläufig und kann lax gebraucht sein: „der Gegner spricht als Vertreter des Judentums“. Wolter I 220-221: Das Ich steht für παñ ς α» νθρωπος. Im Kontext von V. 4 ist die These von Jewett 249 nicht überzeugend, der meint, das Stichwort „Lüge“ V. 7 beziehe sich auf die aus paulinischer Sicht falschen Argumente des Gegners in den vorausgehenden Versen. Die Protasis des indefiniten Konditionalsatzes (ει� δε` η� α� λη' θεια … ε� περι' σσευσεν) drückt einen für den Gegner als irreal empfundenen Inhalt aus: Die als logisch notwendig hingestellte Folgerung der als Frage formulierten Apodosis (τι' ε» τι κα� γω` ω� ς α� μαρτωλο` ς κρι' νομαι;) ist für Juden abwegig – natürlich werden Sünder von Gott gerichtet! Zu indefiniten Konditionalsätzen mit irrealer Bedeutung s. HvS §285.2b. Die Zunahme der Ehre Gottes, die durch das Verb ε� περι' σσευσεν angesprochen ist, meint im Kontext „eine Steigerung ihrer Erweisung und Offenbarung …, also um eine Verherrlichung der Wahrhaftigkeit Gottes durch die an das volle Licht gekommene Untreue der Menschen“ (Zahn 157). Die Präp. και' (κα� γω' ) ist verstärkend und zum Verb (κρι' νομαι) zu ziehen; BDR §442.8c. Die Konj. ω� ς bezeichnet hier eine (wirkliche) Eigenschaft; HvS §252,61.aa2. Vgl. Wilckens I 166-167, der in Anknüpfung an Hegel, Phänomenologie des Geistes, 22, von der „Nacht, in der alle Kühe schwarz sind“ spricht.

338 Römerbrief ————————————————————————————————————

folgenden Frage formulierte Vorwurf behauptet nicht, Paulus selbst sündige, um die Ehre Gottes zu mehren. Ihm wird vorgeworfen, dass er „sagt“ (λε' γειν), d.h. lehrt, man könne sündigen, weil Sünde positive Konsequenzen habe. Paulus weist den Vorwurf, den Gegner äußern (φασι'ν), als verleumderische Behauptung (βλασφημου' μεθα) zurück.60 Wer konkret diesen Vorwurf erhebt, bleibt unausgesprochen: Paulus formuliert im Passiv und verweist auf „einige“ (τινες). Der ähnliche Vorwurf in Gal 2,17 („Wenn nun auch wir [d.h. wir Juden], die wir in Christus gerecht zu werden suchen, als Sünder gelten, ist dann Christus etwa Diener der Sünde?“, EÜ) deutet darauf hin, dass es sich bei den Gegnern, die in 3,1-8 zu Wort kommen, um Judenchristen handelt, vielleicht um die gleichen Leute, die die syrischen und galatischen Gemeinden besuchten und von Heidenchristen die Beschneidung und die Einhaltung des gesamten Gesetzes samt Speise- und Reinheitsgeboten verlangten. Die Schärfe der Zurückweisung des Vorwurfs beweist nicht, dass diese Gegner bereits in der römischen Gemeinde gegen ihn vorgehen.61 Der Hauptsatz, der mit και` μη' beginnt, ist unvollständig, das Resultat des eingeschalteten Satzes καθω` ς βλασφημου' μεθα και` καθω' ς φασι' ν τινες η� μαñ ς λε' γειν. Man kann mit einem deliberativen Konj. ergänzen (και` μη` ποιη' σωμεν bzw. και` μη` λε' γωμεν) und den Satz als Beteuerung verstehen: „und sollen wir etwa sogar so handeln, wie …“ bzw. „und sollen wir etwa sogar sagen, wie …“. Oder der Satz kann als mit V. 7 zusammenhängende Frage verstanden werden, die mit Nein zu beantworten ist, durch Ergänzung mit einem Indikativ: και` μη` ποιουñ μεν: „und handeln wir etwa sogar so, wie …“, bzw. και` μη` λε' γομεν: „oder sagen wir etwa sogar …“. Das και' ist steigernd („sogar“).62 Die zweite Möglichkeit ist im Kontext plausibler.

Der Vorwurf wird als Zitat formuliert:63 Lasst uns das Böse tun, damit das Gute herauskommt. Die Wendung „das Böse“ (τα` κακα' ) fasst die Ungerechtigkeit (α� δικι'α), die Lüge (ψευñ σμα) und das Sünder-Sein (α� μαρτωλο' ς) zusammen (V. 5.7). Das „Gute“ (τα` α� γαθα' ), das sich aus dem Tun des Bösen ergeben soll, wäre die Verherrlichung Gottes (δο' ξα, V. 7). Wenn Paulus lehrt, dass die Sünde der Juden der Verherrlichung Gottes dient, wenn also ———————————————————

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βλασφημε' ω „in üblen Ruf bringen, verleumden, verunglimpfen“ (s. zu 2,24). Die Tatsache, dass βλασφημε' ω auch für die Gotteslästerung verwendet wird, die im Deutschen auch als „Blasphemie“ bezeichnet werden kann, sollte nicht dazu verleiten, die in V. 8 zitierte verleumderische These der paulinischen Gegner als an Gotteslästerung grenzend zu beschreiben (Lohse 119). Der Vorwurf, dass Sünde instrumentalisiert und deshalb letztlich als etwas Positives gesehen wird, wird gegen Paulus gerichtet, nicht gegen Gott. So richtig Haacker 88; dort auch Kritik an der These von W. Lütgert, Paulus kämpfe gegen libertinistische Tendenzen in der Gemeinde. BDR §427 Anm. 7; NSS II, 9. ο« τι recitativum.

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Gott ihre Sünde in Dienst nimmt, dann erübrigt sich nicht nur das Endgericht (V. 7), sondern auch jegliche Ethik, die zwischen Gut und Böse unterscheidet. Im Kontext des Arguments von 1,18–2,29 formuliert: Wenn es im Blick auf die Sünde keinen Unterschied zwischen Juden und Heiden gibt, dann gibt es auch keinen Unterschied zwischen Gerechten und Sündern, und dann gibt es keinen Grund, weshalb man sich für das Tun des Guten einsetzen sollte. Wenn die Sünde der Juden die Herrlichkeit Gottes im Endgericht erweist, dann muss Sünde erlaubt sein – je mehr man sündigt, desto heller strahlt die Herrlichkeit Gottes, und umso eindrucksvoller erscheint die Macht seiner Gnade und Barmherzigkeit (so der Vorwurf in 6,1). Paulus verzichtet an dieser Stelle auf eine Antwort, die die Substanz des Vorwurfs behandelt. Er bricht die Diskussion ab und bezeichnet seine Kritiker als Menschen, von Gott gerichtet werden: Solche Leute trifft das Verdammungsurteil zu Recht. Das „Verdammungsurteil“ (το` κρι'μα) ist das Urteil Gottes im Endgericht, das „zu Recht“ (ε» νδικον) ergeht. Wer die Strenge des Zornes Gottes, dem auch die Juden ausgesetzt sind, zur Farce macht, disqualifiziert sich selbst und setzt sich der Verurteilung im Endgericht aus.64 Im Zusammenhang des größeren Kontextes im Römerbrief und in der paulinischen Theologie formuliert: Wer sich der Erkenntnis verweigert, dass alle Menschen ohne Ausnahme, die Juden eingeschlossen, Sünder sind, die nur durch den Glauben an Jesus als Messias Israels und Retter der Menschheit Heil erlangen könnten, d.h., wer die Rechtfertigung des Sünders in eine Rechtfertigung der Sünde verkehrt,65 über den ergeht mit Recht das Gericht Gottes. Die Gerichtsandrohung bedeutet nicht, dass Paulus keine Antwort auf den Vorwurf weiß. Im Gegenteil: Nach der Darstellung des Sühnetodes Jesu Christi, durch den sowohl Juden wie auch Heiden die Gabe der Gerechtigkeit Gottes und die Vergebung der Sünden empfangen und Aufnahme in das messianische Gottesvolk, Frieden mit Gott und Überwindung der Folgen der seit Adam die Menschheit beherrschenden Sünde erfahren (3,21–5,21), behandelt Paulus die Frage nach der Sünde im Leben der Jesusbekenner ausführlich in Kap. 6–8. IV Die Fragen, die in 3,1.3.5.7.8 an die paulinische Theologie gerichtet werden, zeigen, dass Paulus sich kritischen Einwänden stellt, auch wenn sich diese zu persönlichen Attacken steigern. Dabei geht es Paulus, wie 2Kor 2,14–3,3; 11,16–12,13 zeigt, nicht um seine persönliche Reputation, son———————————————————

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Wilckens I 167. Ein „Fluch“ ist diese Ansage nicht (gegen Kuss I 104; Käsemann 79). Lohse 119.

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dern um die Integrität des von ihm verkündigten Evangeliums. Er kämpft nicht für seine eigene Ehre, sondern für die Ehre Gottes. Die kurzen Antworten in 3,2.4.6.8 wollen nicht andeuten, dass Paulus die Einwände gegen seine Theologie abwiegelt. Im Gegenteil, die Thematik, die in den Einwänden angesprochen wird, bestimmt auf weiten Teilen den Inhalt des Römerbriefs – Kap. 6–8 antworten auf den Vorwurf, eine christliche Ethik sei angesichts der paulinischen Lehre von der Rechtfertigung der Gottlosen nicht möglich, und Kap. 9–11 antworten auf den Vorwurf, Paulus verabschiede die göttliche Erwählung Israels. Diese beiden Fragen sind von fundamentaler Bedeutung. Sie ergeben direkt sich aus dem in 1,18–2,29 vorgetragenen Argument, dass alle Menschen, Heiden wie Juden, Sünder sind und weder durch Werke noch infolge ihres heilsgeschichtlichen Status Heil haben und im Zorngericht Gottes gerettet werden. Wenn Gott alle Menschen nach ihren Werken richtet, und auch die Juden als Sünder bezeichnet werden, die von Gott gerichtet werden, dann ist die Bundestreue Gottes zu seinem Volk Israel und zu seinen Verheißungen genauso infrage gestellt wie die Möglichkeit und Notwendigkeit, im konkreten Lebensvollzug das Gute zu tun und das Böse zu meiden. Die Antwort auf diese theologische und ethische Kernfrage, die Paulus in Kap. 6–8 und Kap. 9–11 auf der Grundlage von 3,21–5,21 gibt, ist unauflösbar mit Jesus verbunden, dem Messias Israels und dem Retter der Welt, konkret mit seinem Tod und seiner Auferstehung und mit der Gegenwart des Heiligen Geistes. Gott hat seine Wahrhaftigkeit darin bewiesen, dass er in „Zion“ einen „Stein“ aufgerichtet hat, auf dessen Grundlage Gott einen neuen (geistlichen) Tempel, d.h., sein messianisches Bundesvolk begründet hat – Jesus Christus, der allein für die Angehörigen des alten Bundesvolks die Rettung in Endgericht garantiert (9,33; 10,1). Und Gott beweist seine Gerechtigkeit darin, dass die Jesusbekenner, die durch den Glauben mit der Wirklichkeit des Todes und der Auferstehung Jesu verbunden sind und die seinen Heiligen Geist erhalten haben, befähigt, nicht nach dem Fleisch, sondern nach dem Geist zu leben (8,1-17). Die Zurückweisung der Einwände zeigt im Zusammenhang der Argumentation von 1,18–2,29, dass auch Juden keine Möglichkeit haben, sich dem Gericht Gottes entziehen zu können. Der Zorn Gottes, der vom Himmel her gegen allen Frevel und Ungerechtigkeit der Menschen, die die Wahrheit durch Ungerechtigkeit niederhalten, offenbart wird (1,18), trifft nicht nur die Heiden (1,19-32), sondern auch die Juden (2,1-29). Diese Tatsache lässt sich nicht durch kritische Anfragen an die Theologie des Apostels aus der Welt räumen. Zu beachten ist, dass die Antworten in 3,2.4.6.8 im Zusam-

Widerlegung jüdischer Einwände 3,1-8 341 ————————————————————————————————————

menhang des in 1,3-4.16-18 definierten und in 3,21–5,21 erläuterten Evangeliums zu verstehen ist. Das heißt, dass das Insistieren auf der Tatsächlichkeit der Sünde aller Menschen, auch der Juden (3,4), nicht die These belegt, für Paulus sei das mosaische Gesetz unhaltbar. Nach 3,2 haben die Juden in der Tat eine Sonderstellung, die mit den „Worten Gottes“ zu tun hat, die den Juden anvertraut sind.66 Zu diesen Worten Gottes gehören nicht nur die Heilsverheißungen, sondern zentral auch das Gesetz. In 9,4 wird Paulus dies explizit vermerken, und in 7,12 wird er betonen, dass das Gesetz heilig und das Gebot heilig, gerecht und gut ist. Paulus argumentiert immer, auch im Römerbrief, als Missionar, der das Evangelium von Jesus, dem Messias Israels und Retter der Welt, verkündigt. Juden, die glauben, durch das Halten des Gesetzes die Rechtfertigung im Endgericht zu erlangen, haben nicht das Problem, dass sie zu viel vom Gesetz halten, das auch für Paulus göttliche Offenbarung ist, sondern dass sie zu wenig von Jesus Christus halten. Wenn Gerechtigkeit Gottes und Rechtfertigung im Endgericht und damit Sündenvergebung und Frieden mit Gott durch den Tod und die Auferstehung Jesus Christus erwirkt und durch den Glauben an Jesus erlangt werden, dann hat Israels Erwählung keine automatische Heilswirkung für den einzelnen Israeliten, und dann haben Beschneidung und Werke des Gesetzes ebenfalls keine Heilswirkung mehr. Es ist nicht so, dass Paulus den Nachweis der universalen Sündhaftigkeit der Menschen für seine Theologie braucht, in der Jesus Christus zentral ist. Paulus argumentiert anders herum: Gerade weil alle Menschen Sünder sind, die Juden eingeschlossen, sind Tod und Auferstehung Jesu die von Gott gesetzte Wirklichkeit, durch die das Sündenproblem des Menschen ein für alle Mal gelöst wird. Juden, die das Zeugnis der ihnen geoffenbarten „Worte Gottes“ kennen und glauben, haben dem Attest universaler Sündhaftigkeit immer zugestimmt, verbunden allerdings mit dem Hinweis auf den Vorzug der Juden, dessen Zeichen die Beschneidung ist (3,1). Paulus anerkennt diesen Vorzug (3,2), bestreitet aber dessen Wirksamkeit im Blick auf die Wirklichkeit der Sünde (3,4; vgl. 2,1-29). Die Grundlage dieser Relativierung ist das Evangelium von Jesus Christus (1,3-4.16-18; 3,21–5,21). Die in 3,4 betonte Wahrheit Gottes ist ein grundlegend wichtiges Thema. Calvin kommentiert: „Paulus nennt Gott wahrhaftig nicht bloß, weil er bereit ist, in verlässlicher Treue zu seinen Verheißungen zu stehen, sondern weil er mit der Tat erfüllt, was er spricht, wie es [in Ps 33,9] heißt: ‚Wenn er ———————————————————

66

Haacker 86 verweist auf die systematische Relevanz von 3,2 im Sinne einer richtigen Würdigung des Alten Testaments und zitiert Baur, Sola Scriptura, 42: „Das Universale läuft durch das Nadelöhr des Partikularen … Israels Erwählung steckt als Stachel im Fleisch der Völker, und die Bibel ist ein Judenbuch.“

342 Römerbrief ————————————————————————————————————

gebietet, steht alsbald auch das Werk da!‘ Der Mensch hingegen ist ein Lügner nicht nur, weil er oftmals ein gegebenes Treueversprechen bricht, sondern weil er von Natur die Lüge sucht und die Wahrheit flieht. Der erste Satz ist das vornehmste Axiom aller christlichen Erkenntnis, der zweite stammt aus Ps 116,11, wo David bekennt, nichts Zuverlässiges lasse sich vom Menschen erwarten noch im Menschen finden. Diese Stelle ist überaus bedeutsam und enthält noch dazu einen höchst notwendigen Trost. Denn weil die Menschen in ihrer Falschheit Gottes Wort zurückweisen und verachten, könnte die Verläßlichkeit dieses Wortes oftmals in Zweifel gezogen werden, wenn uns nicht die [Erkenntnis] zu Hilfe käme, dass von menschlicher Wahrhaftigkeit Gottes Wahrheit nicht abhängt.“67 M. Luther akzentuiert anders (und stützt sich dabei auf die griech. Lesart ε» στω; s. oben unter II): „Im Griechischen heißt es: ‚Es soll sein‘ [Grecus habet: ‚Esto‘] oder ‚Es sei Gott wahrhaftig‘. Damit wird nicht so sehr die Wahrhaftigkeit Gottes als vielmehr das Bekenntnis zur Wahrhaftigkeit Gottes zum Ausdruck gebracht, so daß der Sinn ist: Es ist recht, daß alle es bekennen und alle zugestehen, daß Gott wahrhaftig ist. So soll er es sein, man halte ihn für wahrhaftig, er gelte als treu in seinen Worten, so viele ihrer auch nicht glauben mögen … unsere menschliche Weisheit glaubt nicht nur nicht den Worten Gottes noch unterwirft sich ihnen, sondern sie hält sogar dafür, daß sie überhaupt nicht Gottes Worte sind, vielmehr glaubt sie, sie selbst habe Gottes Worte, und maßt sich an, wahrhaftig zu sein, wie Juden und Ketzer und alle halsstarrigen Menschen in ihrem Unverstande tun. Er obsiegt aber auch in seinen Worten, wenn sein Wort sich behauptet wider alle, die das Gegenteil davon wagen, wie’s mit dem Evangelium geschehen ist, das immer triumphiert und triumphiert hat. Die Wahrheit nämlich behält den Sieg über alles. Gerechtfertigt also wird er bei denen, die gedemütigt ihren Eigensinn aufgeben und ihm glauben.“68 Karl Barth schreibt in seinem Römerbriefkommentar mit zu erwartender Eindringlichkeit: „Gott ist wahr; Gott ist die Antwort, die Hilfe, der Richter, der Erlöser, nicht der Mensch, weder der östliche noch der westliche, noch der deutsche Mensch und auch nicht der biblische Mensch, weder der Fromme, noch der Held, noch der Weise, weder der Wartende noch der Wirkende und auch nicht der Übermensch – Gott allein, Gott selbst! Wenn wir es je vergessen sollten, so muß uns die Unzulänglichkeit aller Offenbarungsträger gegenüber der Offenbarung die Distanz wieder in Erinnerung rufen, uns wieder an den Anfang, an den Ursprung stellen. Auch ———————————————————

67 68

Calvin 159. Luther I 139.141. Iwand, Glaubensgerechtigkeit, 11: „Gott recht geben ist die formale Voraussetzung in allem Glauben. Glauben heißt, sich Gottes Urteil zueigen machen“ (zitiert nach Haacker 87).

Widerlegung jüdischer Einwände 3,1-8 343 ————————————————————————————————————

der Offenbarungsträger selber lebt davon, daß es in seiner eigenen Unzulänglichkeit an den Tag tritt: Gott ist Gott!“69 Analog des ethischen Einwands in 3,5-8 werfen Kritiker der paulinischen Theologie vor, das radikal negative Menschenbild und die Verlagerung der Heilserfüllung auf das Jenseits führe zu einer Resignation des Menschen und einer Verabschiedung aus der Verantwortung für die Gesellschaft. Honecker spricht von der Gefahr, „daß man die Macht der Sünde so groß macht und für so total und umfassend hält, daß es zwecklos wird, dagegen anzugehen. Die totale Verderbnis der Menschen und der Welt lassen dann eine Beseitigung von Bösem und Übel nicht zu. Wenn die ganze Welt im Argen liegt und der Teufel der Herr der Welt ist, dann ist jeder christliche Versuch zum Scheitern verurteilt, dem Bösen zu wehren. Ein Sündenpessimismus hindert dann an der Weltverantwortung. Die Sündenlehre führt zur ethischen Resignation. Ethik wird als menschliche Aufgabe unmöglich. In der Nacht der Erbsünde sind alle Katzen grau und werden alle konkreten Bewertungen nach gut und böse gleich-gültig.“70 Wilckens betont: „Wie Paulus den Juden dem Gericht Gottes zuspricht, das er als Sünder zu akzeptieren hat, so erfährt sich auch heute der Mensch in all seinem Impetus zur Weltveränderung vom Evangelium mit dem harten Widerspruch all seines Tuns zum wahren Guten konfrontiert, der nicht als verbleibende Differenz gegenwärtiger Unvollkommenheit angesichts des zu erwartenden Fortschritts hinzunehmen, sondern als Gericht Gottes zu akzeptieren ist, das als Maßstab nur das vollkommene Gute kennt. Daß daraus keine Resignation resultiert, ist allein dem Evangelium der Rechtfertigung des Sünders zu danken.“71

Die Schuldigkeit der Juden vor Gott 3,9-20 I 9 Was folgt daraus? Haben wir einen Vorteil? Nicht in jeder Hinsicht. Denn wir haben vorher die Anklage erhoben, dass Juden wie Griechen alle unter (der Herrschaft) der Sünde sind, 10 wie geschrieben steht: Es gibt keinen Gerechten, auch nicht einen; 11 es gibt keinen Verständigen, es gibt keinen, der Gott sucht. 12 Alle sind abgewichen, miteinander sind sie unbrauchbar geworden. Es gibt keinen, der Güte übt, auch ————————————————————

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Barth 54 (Hervorhebung Barth). Honecker, Theologische Ethik, 55. Wilckens I 170.

344 Römerbrief ————————————————————————————————————

nicht einen Einzigen. 13 Ihre Kehle ist ein offenes Grab, mit ihren Zungen haben sie betrogen, Schlangengift ist unter ihren Lippen; 14 ihr Mund ist voll von Fluch und Bitterkeit, 15 schnell sind ihre Füße, Blut zu vergießen, 16 Verderben und Elend sind auf ihren Wegen, 17 und den Weg des Friedens haben sie nicht erkannt. 18 Es gibt keine Gottesfurcht vor ihren Augen. 19 Wir wissen aber: Was das Gesetz sagt, ist zu denen gesprochen, die im Geltungsbereich des Gesetzes leben, damit jeder Mund zum Schweigen gebracht wird und die ganze Welt vor Gott schuldig ist. 20 Denn durch Werke des Gesetzes wird kein Mensch vor ihm gerechtfertigt, denn durch das Gesetz kommt Erkenntnis der Sünde. II Die in 3,1 gestellte Frage nach dem Vorteil der Juden gegenüber den Heiden, die in 3,9 aufgegriffen und noch einmal kurz mit Nein beantwortet wird,1 leitet einen Abschnitt ein, der die Argumentation von 2,1-29 zusammenfasst und abschließt. Die Anklage, dass Juden und Heiden, ohne Ausnahme, unter der Herrschaft der Sünde stehen, wird in 3,10-18 durch das Zitat mehrerer atl. Stellen (Ps 14,1-3; 5,10; 140,3; 10,7; Jes 59,7-8; Ps 36,1) mit der Autorität der Schrift bestätigt. In 3,19-20 betont Paulus, dass das von der Schrift ausgesprochene Urteil von der Sündhaftigkeit aller Menschen auch auf die Juden zutrifft; mit einer Anspielung auf Ps 143,2 schließt Paulus mit der Feststellung, dass kein Mensch aus Werken des Gesetzes gerechtfertigt wird, weil das Gesetz die Funktion hat, die Sünde als solche erkennen zu lassen. Die Zitatkombination in 3,10-18 ist im Römerbrief die erste von fünf solchen Kombinationen, wobei in 9,25-26; 10,6-8; 11,26-27; 14,11 (vgl. 1Kor 15,54-55; 2Kor 6,14-18) sonst nur zwei Schriftstellen zu einem einzigen Zitat verbunden werden, während hier sechs atl. Stellen als ein Zitat zusammengefasst werden.2 Die Abfolge der Zitate ist stilistisch bewusst und rhetorisch effektiv gewählt.3 Eine inhaltliche Gliederung zeigt sich am Beginn (3,10-12) und am Ende (3,18), wo einander korrespondierende allgemeine Aussagen zur Sündhaftigkeit

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1

2 3

Die Wendung τι' ουò ν; am Anfang von V. 9 signalisiert einen Neueinsatz; Weiß 148; Zahn 154; Schlier 97; Käsemann 81; Wilckens I 171; Dunn I 145; Légasse 237; Penna 207; Jewett 256. Wer V. 9 zu 3,1-8 zieht (Bornkamm, Teufelskunst, 140-141; Stowers, Rereading, 165-166; Fitzmyer 325-326; Kruse 163), interpretiert im Sinn einer inclusio. Zum Folgenden s. Koch, Schrift, 179-184. Zitatzusammenstellungen finden sich in Röm 15,9-12; 1Kor 3,19-20. Hays, Echoes, 50, spricht von einem „jackhammer indictment of human sinfulness“.

Die Schuldigkeit der Juden vor Gott 3,9-20 345 ———————————————————————————————————— der Juden gemacht werden, was im Mittelstück 3,13-16 im Sinn von Wortsünden (3,13-14) und Tatsünden (3,15-16) konkretisiert wird.4 10 11 12

13 14 15 16 17 18

ου� κ ε» στιν δι' καιος ου� δε` ειðς ου� κ ε» στιν ο� συνι' ων ου� κ ε» στιν ο� ε� κζητω ñ ν το` ν θεο' ν πα' ντες ε� ξε' κλιναν, α« μα η� χρεω' θησαν ου� κ ε» στιν ο� ποιω ñ ν χρηστο' τητα ου� κ ε» στιν ε« ως ε� νο' ς

Ps 14,1-3 (LXX 13,1-3)

τα' φος α� νεω, γμε' νος ο� λα' ρυγξ αυ� τω ñν ταιñς γλω' σσαις αυ� τω ñ ν ε� δολιουñ σαν ι� ο` ς α� σπι' δων υ� πο` τα` χει' λη αυ� τω ñν ω ð ν το` στο' μα α� ραñ ς και` πικρι' ας γε' μει ο� ξειñς οι� πο' δες αυ� τω ñ ν ε� κχε' αι αιðμα συ' ντριμμα και` ταλαιπωρι' α ε� ν ταιñς ο� δοιñς αυ� τω ñν και` ο� δο` ν ει� ρη' νης ου� κ ε» γνωσαν

Ps 5,10

ου� κ ε» στιν φο' βος θεουñ α� πε' ναντι τω ñ ν ο� φθαλμω ñ ν αυ� τω ñν

Ps 140,4 (LXX 139,4) Ps 10,7 (LXX 9,28) Jes 59,7-8

Ps 36,1 (LXX 35,2)

Exegeten sind sich größtenteils einig, dass der Umfang und die unterschiedliche Herkunft der einzelnen atl. Texte sowie der Aufbau des Abschnitts darauf hinweisen, dass 3,10-18 nicht ad hoc formuliert wurde.5 Die These, Paulus verwende eine vorgegebene Zusammenstellung atl. Texte, hat zwei Varianten: 1. Paulus verwendet ein in der Katechetik oder in der Apologetik des Urchristentums gebildetes Florilegium bzw. Sammlung von Testimonia;6 2. Paulus verwendet einen urchristlichen liturgischen Text.7 Plausibler ist die Annahme, dass er die Folge von Zitaten selbst hergestellt und in seiner Verkündigung öfter verwendet hat.8 Eine von Paulus zusammengestellte schriftliche Sammlung atl. Texte sollte man nicht a priori ausschließen. Der Skopos der Zitatenreihe zeigt sich in dem sechsmaligen ου� κ ε» στιν ————————————————————

4

5 6

7 8

Zahn 165; Michel 143; Schlier 99; Käsemann 81. Vgl. Koch, Schrift, 180, zur Kritik an Michel 142, der eine Gliederung in drei Strophen (3,10-12, mit 2 mal 3 Zeilen; 3,13-14 mit 2 mal 2 Zeilen, 3,15-18 mit 2 mal 2 Zeilen) vorschlägt, sowie an Minde, Schrift, 5557, die 3,12c als nicht selbstständige Zeile wertet und so zu drei Strophen von je 2 mal 2 Zeilen gelangt; vgl. Cranfield I 185; Légasse 240. Wilckens I 172 gliedert in 3,10-12 (Fehlen von Gerechten), 3,13-17 (Beschreibung der Frevelhaftigkeit), 3,18 (Zusammenfassung). Der Text enthält keine Gliederungsmerkmale. Zu den Zitaten s. die Aufstellung von Hübner, Vetus Testamentum in Novo II, 52-57. So Byrne 116: „In the careful crafting of his letter to Rome, Paul has woven various texts together to make a telling conclusion to his prophetic accusation (1:18–3:20).“ Vollmer, Citate, 40-41; Luz, Geschichtsverständnis, 98; Minde, Schrift, 54-58; Keck, Function, 141-157; Käsemann 81; Schlier 98-99; Légasse 240; Jewett 259; vgl. Dunn I 145. Zu griechisch-römischen und jüdischen Sammlungen von Testimonia s. Albl, Testimonia Collections, 70-96. Michel 140 („Klage-Liturgie“); vgl. Cranfield I 192; Wilckens I 171; Fitzmyer 334. Wenig plausibel ist auch die These von Albl, Testimonia Collections, 171-177, der Text Röm 3,10-18 sei eine jüdische, vorchristliche Psalmenkollektion. Koch, Schrift, 184; Stanley, Paul, 88-89; Lohse 123; Seifrid 616; vgl. Haacker 90.

346 Römerbrief ———————————————————————————————————— (V.10.11a.11b12b.12c.18): Es gibt keinen Menschen, der nicht unter der Herrschaft der Sünde steht (V. 9). Im Blick auf die alttestamentlichen Stellen ist Folgendes wichtig.9 1. Paulus lässt V. 10 die ersten Zeilen von Ps 14,1 (LXX 13,1) aus,10 ebenso den Anfang von Ps 14,2 (LXX 13,2).11 Die Darstellung des Toren in Ps 14,1 eignet sich für eine generelle Aussage zur Sündhaftigkeit der Menschen nicht, ebenso wenig die narrative Einleitung von Ps 14,2. 2. Paulus ersetzt V. 10 in Ps 14,1d (LXX 13,1) die Wendung ποιω ñ ν χρηστο' τητα („der Güte übt“) durch δι' καιος („gerecht“), was dem Kontext in Röm 3,4.5.8 und der Logik des Arguments seit 1,18 entspricht; ob man dies auf den Einfluss von Koh 7,20 zurückführen soll (ο« τι α» νθρωπος ου� κ ε» στιν δι' καιος ε� ν τηñ, γηñ, , „denn es gibt keinen gerechten Menschen auf der Erde“),12 ist im Blick auf die Aussage möglich, aber im Blick auf die Formulierung des Satzes nicht wahrscheinlich.13 Und Paulus ersetzt die Wendung ου� κ ε» στιν ε« ως ε� νο' ς („es gibt nicht einmal einen“) in Ps 14,2 durch ου� δε` ειðς („auch nicht einen“), um eine prägnantere Formulierung zu verwenden und Redundanz mit V. 12c zu vermeiden, wo ου� κ ε» στιν aus strukturellen Gründen beibehalten wird. 3. Paulus ersetzt V. 11 in Ps 14,2 (LXX 13,2) ει� (ει� ε» στιν) durch ου� κ ε» στιν und η� durch ein wiederholtes ου� κ ε» στιν, was in V. 10-12 fünf mit ου� κ ε» στιν beginnende Zeilen ergibt, mit offensichtlichem rhetorischem Effekt. Paulus fügt vor den Partizipien συνι' ων und ε� κζητω ñν den Artikel ο� ein, ebenso vor ποιω ñ ν in V. 12 (LXX Ps 13,3), was den Vorwurf ου� δε` ειðς („auch nicht einen“) verabsolutiert. 4. Die Zitate Ps 5,10 und Ps 140,4 (139,4 LXX) entsprechen exakt dem LXX-Text. 5. Das Zitat von Ps 10,7 (LXX 9,28) in V. 14 schreibt statt des Singulars des Relativpronomens den Plural (ω ð ν statt ουð ), was im ursprünglichen Kontext (3. Pers. Sing.) keinen Sinn ergibt, aber zu dem Argument des Apostels passt, der die Aussagen des Psalms über den generischen Sünder auf „alle Menschen“ (V. 12 πα' ντες) anwendet. Paulus lässt das Possessivpronomen αυ� τουñ des Zitats aus (B 17 33 lesen in V. 13 den Plural αυ� τω ñ ν), was die Diskrepanz mit dem einleitenden Relativpronomen ω ð ν beseitigt. Paulus versetzt α� ραñ ς („Fluch“) hinter το` στο' μα, was die Unbeholfenheit der LXX-Version verbessert (und dabei die Übersetzung noch weiter vom hebr. Text entfernt (‫פיהו ּ ָמֵלא ו ִּמ ְרמ ֹות ָוֹת ְך‬ ִּ ‫)ָאָלה‬. Paulus lässt και` δο' λου („und Betrug“) aus, vielleicht weil er Redundanz (ε� δολιουñ σαν V. 13) vermeiden oder aus Gründen der Kompaktheit eines der drei Glieder der Zeile weglassen wollte. Die Versetzung des Verbs γε' μει an das Ende der Zeile (in LXX steht γε' μει vor πικρι' ας) unterbricht den strukturellen Parallelismus der LXX-Version, verbessert aber die rhetorische Symmetrie der Zitatenkombination. 6. Das Zitat von Jes 59,7-8 lässt in V. 15 die Konjunktion δε' aus, die den Argumentationsfluss stören würde. Paulus ersetzt ταχινοι' („schnell“) durch ο� ξειñς („schnell“), wahrschein————————————————————

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S. neben den Kommentaren Stanley, Paul, 89-99, sowie Koch, Schrift, 112.116.119.132. 143-145. Der griech. Text von Ps 13 LXX wurde in der christlichen Texttradition, aus der die griech. Psalmenhandschriften stammen, durch den Einfluss von Röm 3,10-18 geändert, so z.B. die Einfügung von Röm 3,13-18 am Ende von Ps 13,3 LXX. Ps 13,1 LXX: ειòπεν α» φρων ε� ν καρδι' α, αυ� τουñ / ου� κ ε» στιν θεο' ς / διε' φθειραν και` ε� βδελυ' χθησαν ε� ν ε� πιτηδευ' μασιν. Ps 13,2 LXX: κυ' ριος ε� κ τουñ ου� ρανουñ διε' κυψεν ε� πι` του` ς υι� ου` ς τω ñ ν α� νθρω' πων τουñ ι� δειñν ει� . Fitzmyer 334-335; Dunn I 150 (s. jedoch ebd. 149-150); Lohse 123; Penna 216; Jewett 259 (der fälschlicherweise auf Ecclesiasticus [Sirach] verweist); Hübner, Vetus Testamentum in Novo II, 52; Albl, Testimonia Collections, 171; Gemünden, Todesangst, 246; als Möglichkeit Cranfield I 192; Haacker 92; vgl. NA26-28. Weder Koch, Schrift, noch Stanley, Paul, 89-90 sehen einen Einfluss von Koh 7,20; so auch Zahn, Schlier, Käsemann u.a. Paulus zitiert sonst nie aus Kohelet.

Die Schuldigkeit der Juden vor Gott 3,9-20 347 ———————————————————————————————————— lich weil es das geläufigere Wort war,14 und setzt es an den Anfang des Satzes, wodurch die beiden Aussagen des griech. Textes („Ihre Füße aber laufen zum Bösen, schnell, Blut zu vergießen“) zu einer einzigen Aussage zusammengefasst werden („schnell sind ihre Füße, Blut zu vergießen“), was zu einer kompakteren Beschreibung führt. Die Auslassung von ε� πι` πονηρι' αν τρε' χουσιν („laufen zum Bösen“) hängt mit der Versetzung von ο� ξειñς an den Anfang des Satzes zusammen. Die Auslassung von και` οι� διαλογισμοι` αυ� τω ñ ν διαλογισμοι` α� φρο' νων („und ihre Überlegungen sind Überlegungen von Toren“) entspricht der Auslassung des Verweises auf „Toren“ im Zitat von Ps 14,1 (LXX 13,1), wahrscheinlich weil Paulus die moralische Verantwortlichkeit der Menschen, deren Verhalten beschrieben wird, betonen will. In V. 17 steht ε» γνωσαν anstatt οι»δασιν; in der Texttradition der LXX findet man beide Verben. 7. Im Zitat von Ps 36,1 (LXX 35,2) in V. 18 lässt Paulus die erste Zeile (φησι`ν ο� παρα' νομος τουñ α� μαρτα' νειν ε� ν ε� αυτω ñ, , „der Gesetzesbrecher spricht, um zu sündigen, bei sich selbst“) weg, um den Ton von der Person des Gesetzesbrechers auf die Qualität seiner Handlungen zu verlegen. Und er schreibt αυ� τω ñ ν statt αυ� τουñ , um eine in den Kontext passende generalisierende Aussage zu erhalten.

Textkritische Anmerkungen. In V. 9 ist die Auslassung von ου� πα' ντως (P Orig., Ephraem) aufgrund der geringen Bezeugung sicher nicht ursprünglich.15 Die Lesarten προεχω' μεθα (A L) und προκατε' χομεν περισσο' ν (D* G [προεχο' μεθα Ψ] 104 1735 it syp.h** bo; Ambst) sind als Verbesserungen der Lesart προεχο' μεθα ου� πα' ντως zu verstehen, die am besten bezeugt ist (‫ א‬B [προκατεχο' μεθα D2] 0219vid 33 81 365 u.a., Byz [vg] syhmg co?) und als lectio difficilior den Vorzug verdient.16 Die Lesart η,� τιασα' μεθα (D* G 104 1505 latt) statt προη, τιασα' μεθα ist aufgrund der schlechteren Bezeugung sekundär. Die Auslassung von γα' ρ in D* 1611 ist wahrscheinlich ein Schreibfehler. Die Hinzufügung von πρω ñ τον nach � Ιουδαι'ους τε in A ist sicher Assimilierung an 1,16; 2,9.10.17 In V. 11 ist die Auslassung des Artikels vor συνι'ων (A B G 81 1241 u.a.) wohl eine Assimilierung an die LXX; der Artikel ο� ist gut bezeugt (‫ א‬D Ψ 33 1739 1881 Byz). Dasselbe gilt für die Auslassung des Artikels vor ε� κζητω ñ ν in B G. Die Lesart ζητω ñ ν statt ε� κζητω ñ ν in B geht vielleicht auf den Einfluss des Zitats von Jes 65,1 in Röm 10,20 zurück.18 In V. 12 ist die Auslassung des Artikels vor ποιω ñ ν (A B G Ψ 33 1739 1881 Byz) wieder Assimilierung an die LXX; der Artikel ist früh bezeugt (‫ א‬D 81 326 u.a.). Die Auslassung von ου� κ ε» στιν vor ε« ως ε� νο' ς in B 6 1739 u.a. ist die schwierigere Lesart, weil sie vom LXX-Text abweicht; die längere Lesart ist jedoch besser bezeugt (‫ א‬A D G Ψ 33 1881 Byz latt ————————————————————

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Paulus hätte allerdings auch das häufig vorkommende ταχυ' ς schreiben können. Vgl. Wolter I 224 Anm. 1; Davies, Faith, 97-98. Gegen Dahl, Text, 184-204; Dunn I 145; Haacker 89. Cranfield I 188-189; Jewett 253. Cranfield I 191. Nach dieser Lesart würde Paulus die Juden für sündhafter halten als die Griechen, eine Meinung, für die es keinen Anhalt in den Paulusbriefen gibt. Jewett 253.

348 Römerbrief ————————————————————————————————————

co).19 In V. 14 ist die Lesart αυ� τω ñ ν nach στο' μα in B 33 eine stilistische Angleichung an das zwei Mal wiederholte αυ� τω ñ ν im vorausgehenden Vers. III

9 Der Abschnitt beginnt mit zwei Fragen.20 Mit Was folgt daraus? (τι' ουò ν;)

nimmt Paulus die in V. 1 gestellte Frage noch einmal auf. Die mit Haben wir einen Vorteil? (προεχο' μεθα) übersetzte Frage wird unterschiedlich interpretiert, ebenso die mit Nicht in jeder Hinsicht (ου� πα' ντως) wiedergegebene Antwort. Das Verb προε' χω bedeutet im Aktiv „voraushaben, sich hervortun, hervorragen“. Die Form προεχο' μεθα ist entweder Medium („sich etwas zum Schutz vorhalten, Entschuldigungen vorbringen, Ausflüchte machen, sich herausreden“) oder Passiv („übertroffen werden, schlechter dran sein“). Ein Passiv liegt kaum vor:21 Die Frage „werden wir (Juden) (von den Heiden) übertroffen“, oder „sind wir Juden schlechter dran als die Heiden“, gibt im Anschluss an 2,17-29 einen Sinn, aber nicht im Anschluss an 3,1-8, wo Paulus von einem Vorzug der Heiden gegenüber den Juden gesprochen hatte. Die Interpretation als Medium bedeutet entweder „versuchen wir (Juden) uns herauszureden? Bringen wir Juden Entschuldigungen vor?“ Oder „versuchen wir (d.h. ich, Paulus) uns herauszureden? Mache ich Ausflüchte?“.22 Bei dieser Interpretation ist das vorausgehende τι' das Objekt des Verbs, was angesichts der folgenden Verneinung ου� πα' ντως unwahrscheinlich ist, und es ist zweifelhaft, ob das Verb ohne Objekt diese Bedeutung haben kann.23 Es bleibt die Möglichkeit dass das Medium eine aktive Bedeutung hat,24 was folgenden Sinn ergibt: „haben wir einen Vorteil?“25 Für die aktive Bedeutung des Mediums von προε' χω („voraushaben, sich hervortun, hervorragen, einen Vorteil haben“) gibt es zwar keine Belege, was nicht automatisch gegen diese Lösung spricht. Die aktive Bedeutung des Mediums passt am besten in den Kontext: Paulus greift mit dem vorausgehenden τι' ουò ν V. 1-4 auf, wo er die Frage, ob Juden einen Vorteil gegenüber den Heiden haben, positiv beantwortete. ————————————————————

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Metzger, Textual Commentary, 448-449; Jewett 253-254. Dunn I 145.146; Haacker 90-91 u.a. ziehen τι' ουò ν zu προεχο' μεθα; Haacker 89 übersetzt: „Worauf (können) wir uns nun (noch) zurückziehen?“ Sowohl Dunn als auch Haacker betrachten ου� πα' ντως als sekundär, weil eine verneinende Antwort auf diese Frage keinen Sinn ergäbe. Die Ausscheidung von ου� πα' ντως ist jedoch nicht plausibel (s. oben unter II). Vgl. die Kritik von Jewett 256. Als Passiv interpretieren Sanday/ Headlam 76; Fitzmyer 330-331 („Are we [Jews] at a disadvantage?“); Jewett 257; Wolter I 226; als Möglichkeit BDAG s.v. προε' χω 1; Moo 199-200; vgl. NGÜ Anm. „sind wir ‚als Juden‘ etwa schlechter daran?“; NRSV Anm. „at any disadvantage“; GNB Anm. „any worse condition than the Gentiles“. Zur Kritik s. Cranfield I 189. GN „Drücke ich mich um eine klare Auskunft?“; Bauer / Aland s.v. προε' χω 2; Godet 154-155; Stuhlmacher 52; vgl. Dunn I 146-147 („what then do we plead in our defense“); NSS II 10 als Möglichkeit. Cranfield I 189; Moo 199 mit Verweis auf Feuillet, Situation, 34. Vgl. HvS §190i; BDR §316; Turner, Syntax, 56, der Röm 3,9 προε' χω als Beispiel nennt. Elb.Ü, EÜ, LÜ, NGÜ, ZB; NSS II 10; C. Maurer, s.v. προε' χομαι, ThWNT VI, 693; Zahn 161; Lietzmann 47; Käsemann 81; Cranfield I 189; Schlier 97; Michel 141; Wilckens I 172; Légasse 238; Lohse 121; Bauer / Aland s.v. προε' χω 2 als Möglichkeit.

Die Schuldigkeit der Juden vor Gott 3,9-20 349 ————————————————————————————————————

Paulus hatte in V. 1-4 betont, dass die Sünde der Juden (2,17-29) die Tatsache nicht außer Kraft setzt, dass Juden einen Vorzug gegenüber den Heiden haben: Gott hat ihnen seine Worte anvertraut. Mit der Frage „was folgt daraus“ greift Paulus dieses Thema noch einmal auf, nachdem er in V. 5-8 die Ungerechtigkeit, die Lüge, das Sündersein und das Tun des Bösen seitens der Juden betont hatte. Angesichts der Teilhabe der Juden an der universalen Realität der Sünde relativiert er den „Vorteil“, den die Juden gegenüber den Heiden haben: Es ist ein Vorteil „nicht in jeder Hinsicht“.26 Die Interpretation von ου� πα' ντως im Sinn einer verstärkten Negation27 ist weniger plausibel. Die Stellung von πα' ντως nach ου� spricht wie in 1Kor 5,10 für die einschränkende Bedeutung, ebenso wie die Belege in Sextus Empiricus, Adv.math. 5,43; P.Oxy. XVII 2111,4-5; vgl. P.Brem. 15,3-4; P.Ammon I 3,11-12.28 Bei einer schroffen Verneinung ergibt sich ein direkter Gegensatz zu V. 1, den man nur so abschwächen kann, dass man sie über V. 1 hinweg auf das Argument in 2,17-29 im Kontext von 1,18-32 bezieht.29 Kreativ, aber wenig plausibel ist die Auslegung von Jewett, der meint, der jüdische Gesprächspartner habe in dramatischer Weise seine Meinung geändert: Er akzeptiere jetzt das Argument, dass Juden genauso wie die Heiden Sünder sind.

Die Juden haben den Vorteil, dass Gott sich ihnen geoffenbart hat. Aber dieser Vorteil ist kein absoluter Vorteil, er erstreckt sich nicht auf die Realität der Sünde und deren Folgen – hier gibt es keinen Unterschied zwischen Juden und Heiden. Diese Tatsache wird in dem nächsten Satz formuliert: Denn wir haben vorher die Anklage erhoben, dass Juden wie Griechen alle unter (der Herrschaft) der Sünde sind. Paulus begründet (γα' ρ), weshalb die Juden nicht in jeder Hinsicht (ου� πα' ντως) einen Vorteil haben, mit dem Hinweis auf sein Argument in 1,18–2,29. Dort hat er die Anklage erhoben,30 dass die Juden genauso wie die Griechen „alle“ (πα' ντως), d.h. beide Gruppen, „unter der Sünde sind“ (υ� φ’ α� μαρτι'αν ειòναι) sind. Das Verb bezeichnet die Existenz von Juden und Heiden, die von der Herrschaft der Sünde gekennzeichnet ist.

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ZÜ „nein, nicht unbedingt“; Zahn 162-163; Lietzmann 47; Schlatter 98; Michel 141; Cranfield I 190; Lohse 121; Elb.Ü, NSS II 10 als Möglichkeit, vgl. BDR §433 Anm. 3. Elb.Ü, EÜ, GN, LÜ sowie NASB, NET, NIV, NLT, NRSV, RSV; Bauer/Aland s.v. πα' ντως 5; Wilckens I 172; Moo 200 Anm. 16; Légasse 239; Jewett 257; Wolter I 226. Vgl. Arzt-Grabner/Kritzer, Adverbien, 71. Wilckens I 172; Moo 201. Zum Folgenden s. Jewett 257. Das Verb αι� τια' ομαι bedeutet „beschuldigen, anklagen“; die Angeklagten werden im Akk. genannt (hier � Ιουδαι' ους τε και` « Ελληνας); das Präfix προ' beschreibt die zu einer früheren Zeit (bzw. hier dem zuvor geschriebenen Textabschnitt) erhobene Anklage.

350 Römerbrief ————————————————————————————————————

Die Präposition (υ� πο' ) markiert die Gewalt, die beherrscht und kommandiert.31 Die Sünde, die als quasipersonifizierte Macht erscheint, hat Juden und Heiden in ihrer Gewalt (vgl. Gal 3,22 υ� πο` α� μαρτι'αν).32 Zu α� μαρτι'α s. 2,12. Die Sünde ist Feindschaft gegen Gott, die die Existenz der Menschen immer schon kennzeichnet. Die Wirklichkeit der Sünde erweist sich im Verhalten der Menschen, die sich der Anbetung Gottes verweigern und seine Gebote ignorieren (1,18–2,29). Der Machtcharakter der Sünde ergibt sich aus der Universalität der Sünde – im Anschluss an die Sünde Adams sündigen alle Menschen (5,12). Sünde ist deshalb sowohl universales Verhängnis wie persönliche Schuld. Die Macht der Sünde über die Menschen zeigt sich in dem Tod aller Menschen (5,12.14; s. dort; zur Funktion der Tora s. den Exkurs zu 7,12). 10-12 Die Formel wie geschrieben steht (καθω` ς γε' γραπται; s. 1,17) leitet eine Kombination von sechs Schriftzitaten V. 10-18 ein, die der Bestätigung der Wahrheit dienen, dass sich die Juden genauso wie die Griechen in der Gewalt der Sünde befinden. Die Textfassung der Zitate folgt der griech. Übersetzung des Alten Testaments (LXX), wobei Paulus die Texte teilweise verkürzt bzw. in leicht modifizierter Form zitiert (s. oben unter II). Das erste Schriftzitat ist Ps 14,1-3 (LXX 13,1-3) entnommen. Die Umformulierung erlaubt es Paulus, fünf Sätze zu formulieren, die mit es gibt keinen (ου� κ ε» στιν) beginnen, unterbrochen durch die bedeutungsgleiche Kontrastwendung alle sind (πα' ντες). Durch die Ersetzung von „der Güte übt“ (ποιω ñ ν χρηστο' τητα, Ps 13,1d LXX) durch „gerecht“ (δι'καιος) ergibt sich der Satz es gibt keinen Gerechten (ου� κ ε» στιν δι'καιος), der Koh 7,20 („denn es gibt keinen gerechten Menschen auf der Erde“, ο« τι α» νθρωπος ου� κ ε» στιν δι'καιος ε� ν τηñ, γηñ, ) entspricht. Der aus drei griech. Wörtern bestehende Satz „faßt programmatisch die Gesamtaussage von Röm 3,10-18 zusammen“ und entspricht sowohl der einleitenden Feststellung in V. 9 und der Schlussfolgerung in V. 20.33 Die Wendung auch nicht einen (ου� δε` ειðς) ist eine prägnantere Version des ursprünglichen „es gibt nicht einmal einen“ (ου� κ ε» στιν ε«ως ε� νο' ς). Der Psalm, der mit der Zeile „ein Törichter sagte in seinem Herzen: Es gibt keinen Gott“ (LXX.D) beginnt, beschreibt die ————————————————————

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Bauer / Aland s.v. υ� πο' 2b; BDAG s.v. υ� πο' B2 „marker of that which is in a controlling position, ‚under, under the control of, under obligation‘ in ref. to power, rule, sovereignty, command“. Vgl. OGI I 56,13; P.Hib. 44. Hübner, Vetus Testamentum in Novo II, 52 vergleicht mit Gen 6,5: „Der Herr sah, dass auf der Erde die Schlechtigkeit des Menschen zunahm (ε� πληθυ' νθησαν αι� κακι' αι τω ñν α� νθρω' πων) und dass alles Sinnen und Trachten seines Herzens immer nur (πα' σας τα` ς η� με' ρας) böse war“ (EÜ). Koch, Schrift, 145.

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Rebellion Israels gegen Gott und das Handeln der Israeliten untereinander, die zugrunde richteten und „abscheulich durch ihre Taten“ wurden (ε� βδελυ' χθησαν ε� ν ε� πιτηδευ' μασιν), sodass gilt, dass es keinen gibt, „der Güte übt, es gibt nicht einmal einen“.34 Der wuchtige Satz „es gibt keinen Gerechten, auch nicht einen“ bestätigt das Argument von 1,18–3,8. Weil alle Menschen, die Juden genauso wie die Heiden, von der Sünde beherrscht werden (3,9), gilt der Satz, dass es keinen Gerechten gibt. Wer nicht gerecht ist, der ist Sünder. Der zweite ου� κ-ε» στιν-Satz betont den Mangel an Einsicht: es gibt keinen Verständigen (ου� κ ε» στιν ο� συνι'ων). Im Kontext von Ps 14 geht es um das Verstehen Gottes (V. 1), der Wirklichkeit ist und das Handeln der Menschen vom Himmel her sieht (V. 2) und sie wegen ihrer Übertretung des Gesetzes (V. 3-4) in Angst und Schrecken versetzen (V. 5). Paulus hatte in 1,19-22 von der Erkenntnis Gottes in den Werken der Schöpfung gesprochen, die von den Menschen zurückgewiesen wird, mit der Folge, dass sie in ihrem Denken und Wollen unverständig wurden. Juden erkennen nicht, dass sie zu den Menschen gehören, die vor Gott keine Entschuldigung für ihr Fehlverhalten vorbringen können (2,1), gehören zu den Unverständigen. Während Ps 14,2 davon spricht, dass Gott vom Himmel her auf die Menschen schaut, „um zu sehen, ob es einen gibt, der Einsicht hat“, und 14,5 betont, dass Gott auf der Seite der Gerechten steht (‫בד ֹור ַצִּדיק‬ ּ ְ ‫כי־ֱאל ִֹהים‬ ּ ִ ; ο� θεο` ς ε� ν γενεαñ, δικαι'α, , „Gott ist unter der gerechten Generation“; LXX.D), formuliert Paulus hier schon als Tatsache, dass es keinen Verständigen unter den Menschen gibt, d.h. keinen, bei dem die Wirklichkeit Gottes und die Wirklichkeit des eigenen Handelns vollkommen aufeinander bezogen und abgestimmt sind. Der dritte ου� κ ε» στιν-Satz konstatiert: es gibt keinen, der Gott sucht (ου� κ ε» στιν ο� ε� κζητω ñ ν το` ν θεο' ν). Im Alten Testament bedeutet „Gott suchen“ „die richtige Religionspraxis und Lebensführung mit angemessener innerer Einstellung, ‚mit ungeteiltem Herzen‘ (Dtn 4,29f.). Dies setzt bereits bekannte Normen voraus (Dtn 4,29f.40).“35 „Suchen“ mit Gott als Objekt bedeutet, vorbehaltlos an Gott festzuhalten, nach seinem Willen zu fragen und ihn auszuführen. In Ps 14,2 (13,2 LXX) ist zunächst noch offen, ob es einen Israeliten gibt, der Gott sucht. Im folgenden Vers wird betont, dass ————————————————————

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Die Klassifikation von Ps 14 ist unklar. Manche Kommentatoren beschreiben ihn als individuellen Klagepsalm, andere als Weisheitspsalm, andere als Mischform mit Elementen des Didaktischen, des prophetischen Protests und der Klage. Vgl. Kraus, Psalmen I, 104; Craigie, Psalms, 145-146; Goldingay, Psalms I, 211-212. J. Maier, s.v. ‫דרׁש‬, ThWQ I, 731; der folgende Punkt ebd. 732.735, mit Verweis auf die Qumranbelege CD I, 10; VI, 6; 4QDc I, 17; 1QS I, 1; 4Q219 I, 14.

352 Römerbrief ————————————————————————————————————

dies nicht der Fall ist: Alle Menschen, d.h. alle Israeliten, sind abgewichen. Paulus betont durch seine Umformulierung mit wiederholter Wucht, dass es keinen solchen Menschen gibt. Die ου� κ ε» στιν-Sätze werden durch zwei Aussagen unterbrochen, die aus je zwei Wörtern bestehen. Alle sind abgewichen (πα' ντες ε� ξε' κλιναν) beschreibt in Ps 14,3a (LXX 13,3a) die Tatsache, dass die Israeliten sich von Gott abgewandt haben. Sie sagen, dass es keinen Gott gibt (Ps 14,1), und sie suchen Gott nicht, was heißt, dass sie in ihrem religiösen Verhalten und in ihrer alltäglichen Lebensweise Gott ignorieren. Die Aussage miteinander sind sie unbrauchbar geworden (α« μα η� χρεω' θησαν) beschreibt die Folge der Abwendung von Gott. Weil Israel Gott ignoriert, taugen36 weder ihre Worte noch ihre Taten etwas. Diese Tatsache wird in V. 13-14.15-16 mit konkreten Beispielen erläutert. Der Satz Es gibt keinen, der Güte übt, auch nicht einen Einzigen wiederholt und unterstreicht die vorausgehende Wendung. Die Menschen sind in ihrem Denken und Handeln unbrauchbar geworden, was bedeutet, dass es keinen gibt, der „Güte übt“ (ο� ποιω ñν χρηστο' τητα), d.h., der mit Milde und Freundlichkeit rechtschaffen so handelt, dass es dem Bedürftigen nützt.37 Die Wendungen „es gibt keinen“ (ου� κ ε» στιν) und „auch nicht einen Einzigen“ (ου� κ ε» στιν ε« ως ε� νο' ς) betont die Universalität dieser tragischen Situation.38 13 Paulus verdeutlicht die Universalität der Sünde mit den Aussagen von Ps 5,10; Ps 140,4 (LXX 139,4); Ps 10,7 (LXX 9,28), die Verfehlungen im Reden auflisten. Die erwähnten Sprechorgane – Kehle, Zunge, Lippen, Mund – illustrieren das Reden der Menschen, das zeigt, dass sie sich in der Gewalt der Sünde befinden. Psalm 5 handelt von erbarmungslosen Feinden, angesichts derer der Fromme Gott um Hilfe anruft.39 Der Satz ihre Kehle ist ein offenes Grab beschreibt die tödliche Wirkung ihres Redens: Durch ihre „Kehle“ (λα' ρυγξ) kommen Worte, die sie wie ein „offenes Grab“ (τα' φος α� νεω, γμε' νος) verschlingen wollen. Oder das Bild beschreibt die innere Korruptheit der Men————————————————————

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Das Verb α� χρειο' ω, das im NT nur hier vorkommt (LXX: 4 Bas [2Kön] 3,19; Esdras A 1,53; Ps 13,3 [14,3]; 52,4 [53,3]), bedeutet „unbrauchbar machen; verdorben, untauglich werden“. Die übertragene Bedeutung wird in BDAG s.v. α� χρειο' ω 2 definiert als „of becoming a liability to society because of moral depravity“. Zu χρηστο' της s. 2,4. Kraus, Psalmen I, 108-109: Die Ausschließlichkeit des Urteils sollte man nicht als leidenschaftliche Übertreibung verstehen (H. Gunkel): „Sie entspricht vielmehr der radikalen und totalen Schuldenthüllung des Alten Testaments, die durch keine andersartige Vorstellung zu relativieren ist (Ps 143,2).“ Der Psalm wird meist als individueller Klagepsalm beschrieben, kann aber auch als Unschuldspsalm oder als Vertrauenspsalm analysiert werden; vgl. Craigie, Psalms, 85.

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schen40 oder betont die Unreinheit, die die Menschen verbreiten – nach atl. Gesetz verunreinigen Leichname alle, die sie berühren oder in näheren Kontakt mit ihnen kommen (Num 19,11.13.14.18). Der Satz mit ihren Zungen haben sie betrogen beschreibt die Zunge (γλω' σσαις) als Organ, das an der Korruptheit teilhat, die sich aus den Lügen der Menschheit ergibt.41 Der hebr. Text spricht von hinterhältigen Verleumdern, die durch ihre Worte andere zu Fall bringen wollen.42 Psalm 140 ist ebenfalls ein individuelles Klagelied, in dem der Fromme angesichts grausamer Feinde Gott um Hilfe anruft.43 Der Satz Schlangengift ist unter ihren Lippen (Ps 140,4 / LXX 139,4) beschreibt die schädliche Wirkung menschlicher Rede. Das Gift (ι� ο' ς) von Schlangen (α� σπι' δων) führt zu Entzündungserscheinungen oder zur Schädigung von Gewebe, Blutgerinnung oder des Nervensystems; manche Schlangenbisse sind tödlich.44 Als Schlangen bekannt waren die Kobra (Ägypten), die Avicennaviper (Afrika und Arabien), die Python (Indien), die Sandviper (Südeuropa, Kleinasien), die Hornviper (Nordafrika, Naher Osten), die (harmlose) Äskulapnatter (Europa, Kleinasien), die Ringelnatter (Europa, Naher Osten), die gestreifte Seeschlange (Indischer Ozean), die Aspisviper (Italien, Frankreich). Während z.B. die Hornviper einen tödlichen Biss hat, ist der Biss der Ringelnatter kräftig, aber nicht giftig. In der biblischen Tradition erweckt die Erwähnung von Schlangen infolge der Sündenfallgeschichte Gen 3,1 meistens negative Konnotationen.

Die Erwähnung der Lippen (τα` χει'λη) ist eine atl. Stellvertretungsformulierung für das Ich, die die Kommunikationsfähigkeit bzw. -praxis des Menschen beschreibt. Die Vorstellung, dass Schlangengift „unter ihren Lippen“ (υ� πο` τα` χει'λη αυ� τω ñ ν) ist, betont die absichtlich nachteilige, destruktive Wirkung menschlicher Kommunikation.45

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Cranfield I 193; zur nächsten Möglichkeit Jewett 262. Die Interpretation im Sinn des semitischen Gottes Mot („Tod“), der alle Lebenden frisst (Jewett, ebd.), ist kulturell von Paulus und seinen Leser zu weit entfernt. δολιο' ω bedeutet „täuschen, betrügen“; die Formulierung im Imperfekt betont, dass es sich um einen andauernden Zustand handelt; ταιñς γλω' σσαις ist instrumentaler Dativ. Kraus, Psalmen I, 44-45. Kraus, Psalmen II, 924; Allen, Psalms, 265; Goldingay, Psalms III, 642-643 spricht von einem „prayer psalm“ mit Material, das man in einem Klagepsalm findet. Harvey, Snake Toxins. Zu den in der Antike bekannten Schlangen vgl. C. Hünemörder. Schlange I., DNP XI, 178-182. Jewett 262 und andere Kommentatoren sprechen vom tödlichen Gift der Schlangen und interpretieren im Sinn von Worten, die eine tödliche Wirkung haben. Der Text spricht nicht explizit von tödlichem Schlangengift.

354 Römerbrief ————————————————————————————————————

14 Das Zitat von Psalm 10,7 (LXX 9,28): ihr Mund ist voll von Fluch

und Bitterkeit schließt die Aufzählung von Wortsünden ab.46 Die im vorherigen Zitat angesprochene Destruktivität des Redens der Sünder wird jetzt auf den Mund bezogen und mit Fluch und Bitterkeit konkretisiert. „Mund“ (το` στο' μα) ist wie „Lippen“ ein Stellvertretungsbegriff für das Ich, das die Kommunikationsfähigkeit betont.47 Der Mund als Sprechorgan offenbart den wahren Charakter des Menschen. Jedem Israeliten war geboten, dass das „Gesetz des Herrn“ in seinem Mund ist (Ex 13,9; vgl. Jos 1,8); der fromme Israelit betet, dass Gott „das Wort der Wahrheit“ nicht seinem Munde entziehen (Ps 119,43) und eine Wache vor seinen Mund stellen möge (Ps 141,3). In den Psalmen ist wiederholt vom Lob Gottes im Munde der Frommen die Rede (Ps 8,3; 34,2; 40,4; 89,2).48 Der Sünder, der sich dem Lob Gottes verweigert, will anderen schaden. Ein „Fluch“ (α� ρα' ) ist der ausgesprochene Wunsch, dass andere Menschen Unheil erleiden.49 Das Wort „Bitterkeit“ (πικρι'α), das in Lasterkatalogen vorkommt,50 ist die „erregt zürnende Gesinnung“, im Zusammenhang des Fluchens die von Hass erfüllte Bitterkeit, Wut und Feindseligkeit dem Nächsten gegenüber.51 Das Verb (γε' μει) betont, dass die Bösen nicht nur Schädliches reden, sondern Gefallen daran haben, Schaden anzurichten. ————————————————————

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Zu den Änderungen gegenüber dem LXX-Text s. oben unter II. Was den hebr. Psalm betrifft, bildete Ps 10 mit Ps 9 offensichtlich eine Einheit, wie in der LXX; der akrostische Psalm 9–10 (LXX 9) beginnt und endet mit Lobpreis (Ps 9,1-12; 10,16-18) und behandelt im Mittelteil die Klage und die Bitten des Frommen (Ps 9,13-21; 10,1-15). Goldingay, Psalms I, 166, der Ps 9–10 als „prayer psalm“ klassifiziert. Craigie, Psalms, 116 bezeichnet Ps 9 als „individual hymn“ und Ps 10 als „individual (or perhaps communal) lament“ und den kombinierten Ps 9–10 als Psalm, der sowohl Lobpreis als auch Klage enthält. Kraus, Psalmen I, 78 führt die verschiedenen Gattungselemente auf. Vgl. Wagner, Reduktion, 198. Wie bei „Fleisch“, „Seele“, „Herz“ oder „Geist“ handelt es sich bei der Erwähnung menschlicher Organe wie „Hand“, „Fuß“, „Mund“, „Ohr“, „Auge“ um „Stellvertreterbegriffe“, die „anstelle eines Personalpronomens und damit ‚stellvertretend‘ für den ganzen Menschen stehen können … Sie stehen für den ganzen Menschen und geben einen bestimmten Aspekt an, unter dem er gesehen werden soll“ (ebd. 197, mit Verweis auf Wolff, Anthropologie, 22). K. Weiß, Art. στο' μα, ThWNT VII, 697. Im AT werden die Verben ‫אלה‬, ‫ארר‬, ‫ נקב‬und ‫ קלל‬verwendet. Zur Verwendung im NT s. F. Büchsel, Art. α� ρα' κτλ., ThWNT I, 449-452. Kraus, Psalmen I, 84 erwägt, ob der Psalmist an ein „magisch wirksames Fluchwort“ denkt, das die Sünder gegen den Frommen ausgehen lassen, um ihn zu verderben. Philo, Ebr 223; Eph 4,31; dazu Vögtle, Tugend- und Lasterkataloge, 218. W. Michaelis, Art. πικρο' ς κτλ., ThWNT VI, 123.125; BDAG s.v. πικρι' α 2 „state of being bitter in an affective sense, bitterness, animosity, anger, harshness“. In Diogenes Laertius 4,46 von der grausamen Härte eines Sklavenhalters. Paulus mahnt in Kol 3,19 die Ehemänner, sich nicht von Bitterkeit gegenüber ihren Frauen beherrschen zu lassen.

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15-17 Das Zitat von Jes 59,7-852 beschreibt Tatsünden. Während die vor-

ausgehenden Psalmenzitate im ursprünglichen Kontext von den Feinden der Frommen innerhalb Israels sprachen, ist Jes 59,1-15 eine prophetische Anklage gegen Israel, die den Gliedern des Volkes Gottes vorwirft, dass ihre Handlungen und sogar ihre Träume und Phantasien böse sind. Der zitierte Text gehört zum zweiten Abschnitt eines dreiteiligen prophetischen Musters.53 Nachdem Paulus vier Körperteile als Organe des Redens erwähnt hat (Kehle, Lippe, Zunge, Mund), erwähnt er jetzt die Füße (οι� πο' δες), die schnell (ο� ξειñς) sind, Blut zu vergießen. In atl. Texten werden Füße oft im Sinn einer Stellvertretungsformulierung für die Handlungsfähigkeit bzw. Handlungsmöglichkeit des Menschen verwendet.54 Das Bild suggeriert das Heranschleichen und rasche Zuschlagen eines (Raub-)Mörders, der es kaum erwarten kann, sein Opfer zu überraschen.55 Paulus verwendet das Bild zur Beschreibung der Gewaltbereitschaft und Gewalttätigkeit in der jüdischen Gesellschaft, in der die Gewaltbereiten, die schneller als andere handeln, die Egoisten, denen es nur um den eigenen Profit geht, ihren Vorteil schamlos ausnutzen. Der Satz in V. 16 Verderben und Elend sind auf ihren Wegen spricht von dem Lebensstil (ο� δο' ς, „Weg“) der Sünder, der andere, aber auch sie selbst, beeinflusst und kennzeichnet. „Verderben“ (συ' ντριμμα)56 bezeichnet die Zerstörung, den Schaden, das Unheil, das den Sünder bei seinem Gang durchs Leben umgibt. Das Wort „Elend“ (ταλαιπωρι'α)57 beschreibt die Not, den Ruin, die Katastrophen, die der Sünder anrichtet und denen er anheimfällt. Verderben und Elend sind beides, Sünde und Strafe: „die Menschen schaffen sich selbst das Unheil, in welchem sie sich aufreiben“.58 Der ————————————————————

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Zu Änderungen gegenüber dem LXX-Text s. oben unter II. Vgl. Oswalt, Isaiah II, 493.512. Der erste Abschnitt behandelt die Vergeblichkeit des Vertrauens in die göttliche Erwählung und in formelle religiöse Handlungen als Grundlage des Verhältnisses zu Gott (56,1-8 und 58,1-14); der zweite Abschnitt behandelt die Unfähigkeit Israels, aus eigener Kraft Gerechtigkeit zu üben (56,9–57,13 und 59,1-15a); der dritte Abschnitt beschreibt das Kommen Gottes in Macht, um die Gerechtigkeit zu ermöglichen, die er verlangt (57,14-21 und 59,15b-21). Für eine andere, chiastische Analyse von Jes 56–66 vgl. Goldingay, Isaiah 56–66, 158. Wagner, Reduktion, 198. Zur Schnelligkeit der Füße s. H. Ringgren, Art. ‫מהר‬, ThWAT IV, 714; Goldingay, Isaiah 56–66, 195, mit Verweis auf Spr 1,16. Der physische Gebrauch des Verbs (συντρι' βω bezeichnet „mahlen, reiben, zerreiben“, sodann „zerbrechen, zerstören, zermalmen“ (z.B. von Speeren, Knochen, Gliedmaßen oder einer Streitmacht). Vgl. G. Bertram, Art. συντρι' βω, συ' ντριμμα, ThWNT VII, 919. Vgl. C. Spicq, Art. ταλαιπωρε' ω κτλ., TLNT III, 366-368. In der LXX kommt das Subst. häufiger vor, zur Bezeichnung von Verwüstung (Hi 30,3; Jes 16,4; Mich 2,4; Hos 9,6), Plünderung (Am 3,10), Verheerung (Joel 1,15; Hab 2,17), Katastrophe (2Makk 6,9). In Arist. 15 bezeichnet ταλαιπωρι' α elende, ärmliche Lebensbedingungen. G. Bertram, Art. συντρι' βω κτλ., ThWNT VII, 923.

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Weg des Friedens (ο� δο` ν ει� ρη' νης) in V. 17 bezeichnet Handlungen, die von Frieden gekennzeichnet sind und zum Frieden führen. Es liegt sowohl ein gen. qualitatis als auch ein Genitiv der Richtung und der Absicht vor. In Jes 59,8 LXX heißt es weiter: „und es gibt kein Recht auf ihren Straßen (ο� δοιñς), denn die Pfade (τρι'βοι), die sie durchgehen, sind verdreht, und Frieden kennen sie nicht“. Im hebr. Text kommen in V. 7-8 vier Vokabeln für „Weg“ vor: ‫ְמ ִסָּלה‬, ‫ ֶדּ ֶר ְך‬, ‫ַמְעָּגל‬, ‫ְנִתיָבה‬, eine Konzentration hier synonym gebrauchter Ausdrücke, die zeigt, dass ohne Gottes Eingreifen alles menschliche Handeln vollkommen aussichtslos ist.59 Wenn die Sünder nicht erkannt (ου� κ ε» γνωσαν) haben, wie man gemäß dem Anspruch Gottes lebt, der seinem Volk umfassendes Heil („Friede“ im Sinn von Schalom) ermöglicht, dann ist dies nicht ein Mangel an Information, sondern bewusste Ablehnung Gottes, der Menschen miteinander versöhnen kann und will.60 Paulus war sich bei der Formulierung des Satzes sicher bewusst, „daß er mit seinem negativen Urteil einer optimistischen Parole römischer Selbstdarstellung widersprach, nach der die Römer, besonders seit Augustus, der von ihnen beherrschten Welt den Frieden gebracht hätten“.61 Paulus geht es allerdings auch, und vielleicht sogar primär, um die Friedensfähigkeit im familiären und persönlichen Bereich. 18 Das letzte Zitat stammt aus Ps 36,1 (LXX 35,2), einem Psalm, der kreativ Elemente der Weisheitstradition, der individuellen und nationalen Klage, des Lobpreises und des Gebets kombiniert. Der Psalm beginnt mit der Feststellung der menschlichen Rebellion gegen Gott: „Der rebellische Aus-

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Oswalt, Isaiah II, 516. Vgl. Goldingay, Isaiah 56–66, 196: „Paradoxically, the route in question generates well-being even as one travels along it, but if one deviates from the moral path that Yhwh has laid out and makes one’s way crooked, one sacrifices that well-being“. Vgl. Jewett 263 zur Ersetzung von οι»δασιν durch ε» γνωσαν; zu beachten ist, dass sich auch ε» γνωσαν in der Texttradition der LXX findet und nicht unbedingt auf eine bewusste Änderung durch Paulus zurückgeht. Vgl. Goldingay, Isaiah 56–66, 196: „People are refusing to acknowledge the way that leads to the šālôm or well-being of those they are scheming against, in order (for instance) to deprive them of their land by making sure that there is no exercise of judgment or authority (mišpāt.) in the community of the kind that would stop them implementing their will. This is the way people are making crooked paths for themselves to tread … yāda‘ [know] signifies not merely that they do not know what well-being is or know the way to it … It refers to an act of the will whereby one recognizes the nature of well-being and the way to it, and takes that road“. Haacker 92. Zur Kritik der Friedensideologie Roms vgl. Wengst, Pax Romana.

Die Schuldigkeit der Juden vor Gott 3,9-20 357 ————————————————————————————————————

spruch, der zu dem Bösen gehört, ist im Innern meines Herzens.“62 Der folgende Satz erklärt die Rede der Bösen, die bereit sind, Unrecht zu tun: es gibt keine Gottesfurcht vor ihren Augen (ου� κ ε» στιν φο' βος θεουñ α� πε' ναντι τω ñ ν ο� φθαλμω ñ ν αυ� τω ñ ν). Mit der Wendung „es gibt keine“ (ου� κ ε» στιν) knüpft Paulus an die fünf identischen Zeilenanfänge in V. 10.11.12 an und bringt die Zitationkombination zu einem wuchtigen Abschluss. Ohne Gottesfurcht (φο' βος θεουñ ), d.h. ohne Ehrfurcht vor Gott, ohne Würdigung seiner Ehre, ohne Anerkennung seines überlegenen Wissens und Wollens, gibt es keine Weisheit (Ps 111,10; Spr 1,7; 9,10) und keine moralischen Maßstäbe, die persönliche und gesellschaftliche Verfehlungen verhindern wollen und können.63 Wer Gott fürchtet, der ist zuverlässig und hasst Ungerechtigkeit (Ex 18,21). Wer Gott fürchtet, der liebt ihn, geht auf allen seinen „Wegen“ und dient ihm mit seinem ganzen Herzen und seinem ganzen Leben (Deut 10,12.20). Wer Gott fürchtet, der hält alle seine Gebote (Deut 6,2; 10,13). Wer Gott fürchtet, dem geht es „alle Tage“ gut (Deut 6,24; 10,13). Wer Gott nicht fürchtet, der ist gottlos und töricht – aus jüdischer Sicht vor allem die Heiden, die den einen wahren Gott weder kennen noch fürchten. Heiden, die sich zur Synagoge hielten, angezogen von der geistlichen und moralischen Tradition des Judentums, wurden „Gottesfürchtige“ genannt.64 Die Erwähnung der „Augen“ (ο� φθαλμω ñ ν) ist im Zusammenhang der atl. Bedeutung als Stellvertretungsformulierung für das Ich zu verstehen, die den Menschen unter dem Aspekt seiner Erkenntnisfähigkeit betrachtet.65 Hier, wie auch an anderen Stellen, wird das Auge für das Verhältnis des Menschen zu Gott gebraucht.66 Paulus zitiert den Satz im Kontext seines Arguments, dass nicht nur die Heiden Rebellen gegen Gott sind (1,18-32), sondern auch die Juden ————————————————————

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So wörtlich nach dem MT (‫בי‬ ּ ִ ‫)ְנ ֻאם־פֶַּׁשע ָל ָרָׁשע ְב ֶּק ֶרב ִל‬. EÜ: „Der Frevler spricht: ‚Ich bin entschlossen zum Bösen.‘“ Mit der 1. Pers. Sing. bringt der Psalmist zum Ausdruck, dass die böse Rede der Gottlosen eine Wirkung auf sein Innerstes hat; Goldingay, Psalms I, 507. Anders Kraus, Psalmen I, 280-281.282, der ‫ נעם‬statt ‫ נאם‬liest („Angenehm ist die Schuld dem Gottlosen“). Kraus, ebd. 281; Elb.Ü, LÜ, ZÜ u.a. korrigieren nach LXX (und einigen hebr. Manuskripten, die ‫ לבו‬lesen) und übersetzen „seines Herzens“ bzw. „ihres Herzens“. Nach der LXX (Φησι`ν ο� παρα' νομος τουñ α� μαρτα' νειν ε� ν ε� αυτω ñ, ) befindet sich die rebellische Rede in den Gottlosen, gehört zu ihrem Wesen. LXX.D: „Der Gesetzesbrecher spricht, um zu sündigen, bei sich selbst.“ Kraus, Psalmen I, 282: „Jahwe ist ihm keine lebendige Wirklichkeit, die sein Leben infrage stellt und die er also zu fürchten hat“; vgl. Ps 10,4.11.13; 14.1; 73,11; 94,7. Apg 10,2; 13,16.26.43.50; 16,10; 17,4.17; 18,7. Zur „Furcht Gottes“ s. neben den genannten Stellen Gen 22,12; 42,18; Deut 4,10; 5,29; 6,2.13; Hi 1,1; Ps 19,9; 22,23; 34,9.11; 90,11; 112,1; Spr 3,8; 8,13; Jes 8,12-13; Jer 32,39; sowie Mt 10,28 / Lk 12,5; Apg 9,31; 10,35; 2Kor 7,1; 1Petr 1,1; 2,17. Vgl. F.-J. Stendebach, Art. ‫עין‬, ThWAT VI, 31-48; W. Michaelis, Art. ο� φθαλμο' ς, ThWNT V, 376. Ps 19,8; 25,15; 119,82.123; 123,2; 141,8; 144,15.

358 Römerbrief ————————————————————————————————————

unter dem Zorn Gottes im Endgericht stehen. Juden, deren Erkenntnisvermögen nicht von der Furcht Gottes gelenkt wird, sind Rebellen gegen Gott wie die Heiden. Wenn es in Ps 119,123 heißt: „Meine Augen sehnen sich nach deinem Heil und nach der Zusage deiner Gerechtigkeit“, so gilt im Argumentationszusammenhang Röm 1,18–5,21, dass das „Heil“ (‫ְיׁשו ָּעה‬, LXX σωτη' ριον), von dem der atl. Fromme spricht, jetzt, und ausschließlich, durch den Glauben an Jesus (‫ )ֵיׁשו ַּע‬den Messias (‫ )ָמִׁשיַח‬von Gott gewährt wird (1,3-4.16-17; 3,21-31; 5,12-21), sind Menschen ohne Gottesfurcht alle, die Gottes Handeln in und durch Jesus Christus nicht als das erkennen, was es ist: die Erfüllung der Verheißungen für Juden wie für Heiden (1,2; 4,16). 19 Paulus fasst den Ertrag der Zitatenkombination V. 10-18 und wiederholt das seit 2,1 und besonders 2,17 vorgetragene Argument, dass die Juden genauso wie die Heiden Sünder sind. Mit der Wendung wir wissen (οι»δαμεν; s. 2,2) leitet Paulus einen Satz ein, dem die Leser des Briefs sowie sein Gesprächspartner zustimmen: was das Gesetz sagt, ist zu denen gesprochen, die im Geltungsbereich des Gesetzes leben. Da die atl. Zitate in V. 10-18 aus den Psalmen und Jesaja stammen, ist mit „Gesetz“ (ο� νο' μος) die ganze Schrift (η� γραφη' ) gemeint, bestehend aus Tora (Pentateuch, darin das mosaische Gesetz), Nebiim (Propheten) und Ketubim (Schriften, darunter die Psalmen).67 Das Relativpronomen (ο« σα) kann mit „alles was“ übersetzt werden.68 Alles, was das Gesetz bzw. die Schrift „sagt“ (λε' γει), ist zu Israel bzw. den Juden „gesprochen“ (λαλειñ).69 Die Schrift „redet“ zu Israel, weil sie Gottes Offenbarung ist – nicht im abstrakt-theoretischen Sinn, sondern als konkrete Anrede an das Volk Gottes. Das mosaische Gesetz beginnt mit dem Satz: „Und Gott redete alle diese Worte und sprach“ (Ex 20,1 Elb.Ü).70 Ganz deutlich ist die Identität von Worten der Schrift mit den Worten bzw. dem Wort Gottes in der Offenbarung, die Gott durch die Propheten an sein Volk richtet. Siehe Jes 2,1: „Das Wort, das Jesaja, der Sohn des Amoz, über ————————————————————

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Vgl. 1Kor 14,21; Joh 10,34; 15,25; Ps. Philo, De Jona 44.176. Der Vorschlag, „Gesetz“ sei weiter zu fassen und die Zitatenkombination V. 10-18 auf die Heiden zu beziehen (Gaston, Paul, 122; Elliott, Rhetoric, 143), ist nicht überzeugend; vgl. Gathercole, Boasting, 213. Bauer / Aland s.v. ο« σος 2; Jewett 264 spricht von „inklusiver“ Bedeutung. In V. 18 bezeichnet λε' γει den Inhalt des Gesprochenen, λαλειñ den Akt des Sprechens. Der Ausdruck „Wort Gottes“ (‫ )ָדָּבר יהוה‬kommt im AT 242 Mal vor; in etwas mehr als der Hälfte der Belege ist „Wort Gottes“ das Subjekt des Satzes, dabei 118 Mal mit „ergeht an“ (‫ )ָהָיה ֶאל‬als Prädikat; vgl. G. Gerlemann, Art. ‫דבר‬, THAT I, 439; zu ‫„ אמר‬reden“ als Offenbarungsbegriff vgl. S. Wagner, Art. ‫אמר‬, ThWAT I, 353-373 Abschnitt III. Ex 20,1: ‫כל־ַה ְדָּב ִרים ָהֵאֶּלה ֵלאֹמר‬ ּ ָ ‫בר ֱאל ִֹהים ֵאת‬ ּ ֵ ‫ ;ַוְיַד‬die LXX verwendet beide in Röm 3,19 vorkommenden Verben: και` ε� λα' λησεν κυ' ριος πα' ντας του` ς λο' γους του' τους λε' γων. Vgl. Lev 17,1; Deut 5,1-5.

Die Schuldigkeit der Juden vor Gott 3,9-20 359 ————————————————————————————————————

Juda und Jerusalem geschaut hat.“71 Jer 1,1-2: „Die Worte Jeremias, des Sohnes Hilkijas, aus der Priesterschaft zu Anatot im Land Benjamin. An ihn erging das Wort des Herrn zur Zeit des Königs Joschija von Juda, des Sohnes Amons, im dreizehnten Jahr seiner Regierung“ (EÜ).72 Jes 5,24: „Sie haben das Gesetz (το` ν νο' μον) des Herrn der Heerscharen verworfen und das Wort (το` λο' γιον) des Heiligen Israels verschmäht.“ Das Wort, das Gott an heidnische Völker richtet, soll auch von Israel gehört werden; Jes 1,10: „Hört das Wort des Herrn (λο' γον κυρι'ου), ihr Herrscher von Sodom! Vernimm die Weisung unseres Gottes (νο' μον θεουñ ), du Volk von Gomorra!“ Die Verwendung des Verbs ‫[ אמר‬āmār] in den Zitationsformeln ‫ ואשר אמר‬/ ‫כ‬ der Regeltexte und Pescharim Qumrans ist für die Formulierung in V. 19 aufschlussreich. Sie zeigt, „dass die zitierte Schriftstelle vornehmlich als Träger des geoffenbarten Wortes Gottes zur Sprache kommt. Es verwundert daher nicht, dass bei dieser Formel nur vereinzelt angegeben wird, aus welchem Buch das Zitat stammt. Es fällt auf, dass erstens mit ‫ ואשר אמר‬aus allein drei Teilen der Hebr. Bibel zitiert wird, und dass zweitens Zitate aus den Propheten oder Schriften für Auslegungen aus der Tora als Schriftbeweise dienen können (und umgekehrt). Diese Beobachtungen lassen darauf schließen, dass die Schrift durchgängig als das eine Wort Gottes angesehen wurde.“73 Diejenigen, die „im Geltungsbereich des Gesetzes leben“ (ε� ν τω ñ, νο' μω, ) sind die Israeliten bzw. zur Zeit des Apostels die Juden. Die Präposition (ε� ν) bezeichnet hier den Bereich, innerhalb dessen sich die Juden befinden und der ihr Leben bestimmt: Sie sind „die dem Gesetz Verpflichteten“ (οι� ε� ν τω ñ, νο' μω, ).74 Paulus formuliert eine jüdische Alltagsweisheit – für Juden hat das in der Schrift geoffenbarte Wort Gottes Gültigkeit. Diese von allen anerkannte Tatsache hat nun jedoch deshalb höchste Brisanz, weil Paulus sie gegen die jüdische Überzeugung wendet, dass Juden gegenüber den Heiden einen Vorteil im Endgericht haben und dem Zorn Gottes entrinnen werden, weil sie das Gesetz haben und weil sie mit der Beschneidung das Zeichen der Erwählung Gottes an sich tragen. Was die in V. 10-18 zitierten Stellen der Schrift sagen, sagen sie den Juden.

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LXX übersetzt ‫„( ַה ָדָּבר‬das Wort“) zur Verdeutlichung des Gemeinten mit ο� λο' γος ο� γενο' μενος παρα` κυρι' ου („Das Wort, das vom Herrn erging“). Die LXX interpretiert die ersten beiden Worte (‫) ִדְּב ֵרי ִי ְרְמָיהּו‬, richtig, mit der Übersetzung το` ρ� ηñ μα τουñ θεουñ , ο� ε� γε' νετο ε� πι` Ιερεμι' αν „der Spruch Gottes, der an Jeremias erging“. C. Metzenthin, Art. ‫אמר‬, ThWQ I, 227 (Hervorhebung C.M.). Bauer / Aland s.v. ε� ν I.5d; NSS II 10.

360 Römerbrief ————————————————————————————————————

Die Folge des Schriftzitats75 und das Resultat der Argumentation von Paulus in 2,1–3,18 ist die Konstatierung der jüdischen und damit der in 1,18-32 argumentierten universalen Sündhaftigkeit. Im Kontext eines Satzes, dem der jüdische Gesprächspartner zustimmt (V. 19a), ist eine Interpretation von V. 19b unwahrscheinlich, die dem von Gott offenbarten Gesetz die negative Absicht zuschreibt, den Menschen im Endgericht zum Verstummen zu bringen und im Leben die Erkenntnis der Sünde zu ermöglichen – angesichts von Lev 18,5 und jüdischen Texten wie CD III, 14-16, in denen ewiges Leben als Belohnung für den Gehorsam gegenüber der Tora in Aussicht gestellt wird. Käsemann 82 räumt ein, dass die in V. 19b formulierte göttliche Absicht des Gesetzes erst „durch die Predigt des Apostels proklamiert und erkannt“ werden kann.

Paulus formuliert in V. 19b chiastisch (a-b-b'-a'): jeder Mund (παñ ν στο' μα) und die ganze Welt (παñ ς ο� κο' σμος) sind die äußeren Glieder, zum Schweigen gebracht (φραγηñ, ) und schuldig (υ� πο' δικος γε' νηται) sind die inneren. Das mit „zum Schweigen bringen“ übersetzte Verb76 beschreibt die Überführung des Schuldigen im Endgericht: Wenn der Angeklagte durch das vorgebrachte Beweismaterial und durch die Argumente der Anklage zum Verstummen und damit zum Verzicht auf weitere Verteidigung gebracht wird, bedeutet dies vor einem römischen Gericht das Eingeständnis der Schuld. Schweigen „führt bei mancipatio und in iure cessio zur Rechtsaufgabe“.77 Wer auf Beschuldigungen mit Schweigen reagiert, verzichtet auf eine Verteidigung (defensionem reliquit) und bekennt sich damit schuldig, was die Durchführung eines Gerichtsverfahrens überflüssig macht: Der Richter kann zum Nachverfahren über die Strafe, z.B. über die Höhe der zu zahlenden Geldbuße, übergehen.

Das Passiv des Verbs verweist auf die Anklage durch das Gesetz und damit auf Gott als den, der im Endgericht den Juden zum Schweigen bringt, der sich auf Gesetz und Beschneidung als Gründe für einen Freispruch beruft. Wenn es im Kontext um die Sünde und Schuld der Juden geht, so ist damit ————————————————————

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Konsekutive Bedeutung von «ινα, vgl. Lagrange 71; Lietzmann 48; Schlatter 128; Schlier 99; Lohse 124. Fitzmyer 337 plädiert für eine resultative Bedeutung. Andere interpretieren als finale Konjunktion, die eine Aussage zur Absicht des Gesetzes einleitet; vgl. Michel 144; Cranfield I 196; Käsemann 82; Wilckens I 173 Anm. 470 (wo fälschlich ο« πως genannt ist); Moo 205; Légasse 245; Jewett 264; Wolter I 231. Dies wäre in der Tat eine „überraschende“ Auskunft (Schreiner 168). Zur Absicht des Gesetzes s. 7,12. Bauer / Aland s.v. φρα' σσω 1b. verschließen, verstopfen, in übertragener Bedeutung: „den Mund stopfen, so daß d. Mensch verstummen muß“. Für das AT vgl. Ps 63,12; 107,42; Hi 5,16; vgl. 1Makk 9,55. Kaser/Hackl, Zivilprozeßrecht, 74 Anm. 30 im Blick auf das Legisaktionenverfahren; im Formularverfahren genügt das Schweigen nicht (ebd. 270 Anm. 3). Zum folgenden Punkt vgl. Kunkel, Prinzipien, 19.

Die Schuldigkeit der Juden vor Gott 3,9-20 361 ————————————————————————————————————

die Sünde und Schuld der Heiden selbstredend mit angesprochen. Wenn die Juden, die das Gesetz und die Beschneidung haben, vor Gott als Schuldige dastehen, so gilt dies für „die ganze Welt“, d.h. auch für die Heiden, die weder das Gesetz haben noch zum erwählten Volk Gottes gehören. Das mit „schuldig“ übersetzte Adj. (υ� πο' δικος) bezeichnet den Menschen, der „straffällig, gerichtlich belangbar, haftbar“ und damit „schuldig“ ist, d.h., den Zustand eines Angeklagten, „der in dem gegen ihn eröffneten Prozess deshalb verstummen muß, weil er alle Möglichkeiten verwirkt hat, die erhobene Anklage zurückzuweisen und die unweigerlich erfolgende Verurteilung und deren Konsequenzen abzuwenden“.78 Die im Dativ angeschlossene Bestimmung vor Gott (τω ñ, θεω ñ, ) bezeichnet Gott als Richter, vor dem „die ganze Welt“, d.h., die gesamte Menschheit einschließlich der Juden, als schuldig dasteht.79 20 Paulus begründet (διο' τι) die Aussage, dass die ganze Welt, einschließlich der Juden, im Endgericht vor Gott schuldig ist, mit dem Satz: durch Werke des Gesetzes wird kein Mensch vor ihm gerechtfertigt. Paulus nimmt mit diesem Satz Ps 143,2 (LXX 142,2) auf, ein Echo, das allerdings nur für in biblischer Exegese geschulte Ohren hörbar war.80 ‫ֹלא־ִי ְצַּדק ְלָפֶני ָך ָכל־ָחי‬ („vor dir ist kein Lebendiger gerecht“, Elb.Ü) Ps 142,2b LXX ου� δικαιωθη' σεται ε� νω' πιο' ν σου παñ ς ζω ñν („vor dir wird kein Lebender gerechtfertigt“, LXX.D) Röm 3,20a ε� ξ ε» ργων νο' μου ου� δικαιωθη' σεται παñ σα σα` ρξ ε� νω' πιον αυ� τουñ („durch Werke des Gesetzes wird kein Mensch vor ihm gerechtfertigt“

Ps 143,2b

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C. Maurer, Art. υ� πο' δικος, ThWNT VIII, 558. Das Wort υ� πο' δικος kommt nur hier im NT vor, in der LXX fehlt das Wort. Vgl. Maurer ebd. 556-557 für griech. Belege, u.a. Aristoteles, Rhet. 1376a22; Demosthenes, Or. 54,25; P.Hal. I 241; Josephus, Vita 74; Philo, Spec.Leg. 2,249; 3,145; 4,25; weitere Belege in LSJ, MM. Maurer ebd. 557 betont gegen Michel 144 Anm. 6, dass υ� πο' δικος in Röm 3,19 „noch nicht die abgeschlossene Verurteilung“ bezeichnet. Nach Maurer, ThWNT VIII, 556-557 drückt der Dativ die Instanz aus, der man verfallen ist, d.h. die juristische Autorität, die über Schuld und Strafe entscheidet, sodann die Person, der das Klagerecht zusteht, d.h. die Person, der Unrecht angetan wurde. Vgl. Cranfield I 197 für die Interpretation im Sinn der juristischen Autorität. Anders Jewett 265. Zur Diskussion Penna 220. Michel 144 spricht von einem „Zitat, das Ps 143,2 targumartig paraphrasiert“; vgl. Käsemann 83; Wilckens I 173. Koch, Schrift, 18 verneint den „Zitatcharakter“ von Röm 3,20 wegen des sehr lockeren Bezugs zu der infrage kommenden Schriftstelle. Stanley, Paul, 99 übergeht Röm 3,20 in seiner Behandlung atl. Zitate bei Paulus, weil der Satz für die Leser nicht als Zitat markiert ist. Die meisten nehmen eine Anspielung auf Ps 143,2 an: Cranfield I 197; Dunn I 152-153; Fitzmyer 337; Moo 206; Légasse 245; Lohse 125; Haacker 94; Kruse 171; Hays, Echoes, 51 (Anspielung); Hays, Conversion, 91-92 (Zitat).

362 Römerbrief ———————————————————————————————————— Die LXX gibt den hebr. Text getreu wieder. Röm 3,20 stimmt mit Ps 142,2 LXX nur in dem negierten Verbalausdruck ου� δικαιωθη' σεται und dem uneigentlichen Präpositionalausdruck ε� νω' πιον αυ� τουñ überein. Die Änderung von der 2. Pers. Sing. zur 3. Pers. Sing. ist Anpassung an den Kontext, in dem Gott nicht im Gebet direkt angesprochen wird: Paulus formuliert eine generalisierende Aussage. Die (negierte) Formulierung παñ σα σα' ρξ („jeder Mensch“ bzw. „alles Fleisch“) statt „jeder Lebendige“ (παñ ς ζω ñ ν) wurde als Anspielung an Gen 6,12 und damit an die Sintflutgeschichte interpretiert,81 was jedoch belegt werden kann: παñ σα σα' ρξ kommt zwar mehrfach in der Sintflutgeschichte vor (Gen 6,12.17.19; 7,15.16.21; 8,17.21; 9,11.15.16.17), ist aber auch sonst häufig belegt (Lev 17,11.14; Num 16,22; 18,15; 27,16; Ps 64,3 [65,3]; 135,25 [LXX 136,25]; 144,21 [LXX 145,21]; Spr 4,22; 26,10; Hi 34,15; Joel 3,1; Jes 40,5.6; 49,26; 66,16.23.24; Jer 12,12; 32,31; 39,27; 51,35; Hes 21,4.9.10; Dan 2,11; Sach 2,17). Ob die Formulierung παñ σα σα' ρξ eine bewusste Änderung ist, wie die Formulierung ε» ργα νο' μου („Werke des Gesetzes“), für die es in der LXX keine Parallelen gibt, hängt von der Annahme ab, dass es sich um ein bewusstes Zitat handelt. Die eher wahrscheinliche Annahme einer indirekten Anspielung bzw. eines Echos von Ps 143,2b macht solche Überlegungen unnötig. R. Hays spricht von einer „allusion“ bzw. einem Echo, das Israels „kanonisches Gedächtnis“ aktiviert: „A reader formed spiritually by the psalter, with or without recognizing the specific allusion, will know already that before God no one can claim to be justified; thus, hearing Paul’s proclamation, the reader will be disposed to assent.“82 Man sollte bei solchen Annahmen nicht vergessen, dass in den Versammlungen der Synagogen vor dem 2. Jh. n.Chr. keine regelmäßigen Lesungen des Psalters stattfanden; die ersten deutlichen Hinweise auf Singen von Hymnen oder Psalmen in den Synagogen stammen aus dem 5. / 6. Jh.83 Ohne expliziten Hinweis auf ein Zitat hätten die Leser in der römischen Gemeinde die Anspielung auf Ps 143,2 sicher nicht erkannt. Der Beter bring mit Ps 143,2 die Erkenntnis zum Ausdruck, dass vor Jahwe kein Mensch gerecht ist (vgl. Ps 14,3; 130,3; Hi 4,17; 9,2; 25,4). H.-J. Kraus kommentiert: „Ist diese Erkenntnis aus Pessimismus entstanden? Oder spricht sich hier ein tiefes Wissen um die völlige Schuldverfallenheit der menschlichen Existenz aus, das die Unschuldbeteuerungen früherer Zeiten nicht mehr nachzusprechen in der Lage ist? Vgl. Ps 51,7. Welche Bedeutung hat aber dann noch das ‚Gottesurteil‘, wenn der Psalmist bittet: ‚Gehe nicht ins Gericht mit deinem Knecht‘? Die alten sakralrechtlichen Institutionen erfahren hier eine unabsehbare Vertiefung und sind ‚dem Ende nahe‘ (Hebr 8,13). Die iustificatio impii kündigt sich hier an. Die sakrale Ermittlung der ‫ צדקה‬wird in sich fragwürdig und strebt einer letzten Überwindung zu.“84

Der Ausdruck Werke des Gesetzes (ε» ργα νο' μου [erga nomou]) kommt im Römerbrief hier zum ersten Mal vor. Die Bedeutung der Formulierung ist umstritten.85 ————————————————————

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Seifrid 618. Hays, Echoes, 51. Vgl. Smith, Ancient Synagogue; McKinnon, Psalmody; Schnabel, Singing, 321. Kraus, Psalmen II, 937. Röm 3,20.28; Gal 2,16; 3,2.5.10; Röm 2,15 hat den Sing. ε» ργον νο' μου. Zur neueren Lit. gehört (in chronologischer Reihenfolge): Wilckens, Was heißt; Dunn, Works; Hübner, Was heißt; Cranfield, Works; Flusser, Gesetzeswerke; Mijoga, Deeds of the Law; Dunn, Noch einmal; Bachmann, Keil; Hofius, Werke; Dunn, 4QMMT; Bachmann, Praktiken; vgl. Lohse 126-127; Haacker 94-95; Kruse 173-176; Wolter I 233-237.

Die Schuldigkeit der Juden vor Gott 3,9-20 363 ———————————————————————————————————— Folgende Interpretationsvorschläge sind zu nennen. 1. In der protestantischen Exegese seit der Reformation wird unter „Werken des Gesetzes“ der Gehorsam gegenüber dem Gesetz verstanden, der im Sinn einer Leistung zu einer Gerechtigkeit führt, die Gott im Gericht anerkennt, eine Leistung, die jedoch kein Mensch erbringen kann, weil es keinen vollkommenen Gesetzesgehorsam gibt.86 Wenn man die Argumente Luthers gegen die vom Frommen selbst zu errichtende Werkgerechtigkeit (im zeitgenössischen Katholizismus) mit „Gesetzlichkeit“ (Legalismus) identifiziert und dann mit „Gesetz“ gleichsetzt, das als Gegenbegriff dem „Evangelium“ entgegensteht, sodass Werke / Glaube und Gesetz/ Evangelium parallel zueinander stehen, dann erscheint das Gesetz als nahezu ausschließlich negative Größe, die es im Alten Testament und im Judentum so nicht war. Die Erklärung gilt als problematisch, weil sie das Gesetz unabhängig vom Bund Gottes mit seinem Volk versteht, in dem die erwählende Gnade Gottes primär ist (vgl. Ex 20,1). Texte wie 1QS XI zeigen, dass man zumindest in der Qumrangemeinde neben der Betonung des Gesetzesgehorsams sehr wohl wusste, dass Gerechtigkeit nur von Gott selbst kommen kann. Nach U. Wilckens besteht der Unterschied zwischen Luther und Paulus darin, dass es Luther um eine innerkirchliche Diskussion um die richtige Korrelation zwischen der Vergebung der Sünden und der Gerechtigkeit vor Gott im Endgericht auf der einen und der christlichen Praxis bzw. Ethik auf der anderen Seite ging, während Paulus sich mit der jüdischen Rechtfertigungslehre auseinandersetzte, in der die eigene Gerechtigkeit „aus den Werken“ in dem heilsgeschichtlichen Privileg der göttlichen Erwählung begründet war. „Demgegenüber macht Paulus die Werke zum ausschließlichen Maßstab der Rechtfertigung des Gerechten (2,13), an dem die Juden insgesamt wie die Heiden scheitern. Und eben dahin will Paulus seinen Partner führen: zur Erkenntnis und Anerkenntnis seiner Sünde als Realgrund seiner einzig zu erwartenden κατα' κρισις. Es liegt an seinen Werken, daß auch der Jude ‚aus Gesetzeswerken nicht als gerecht erkannt werden wird‘.“87 2. Manche Exegeten spitzen Luthers Verständnis des Gesetzes zu und meinen, schon das Bemühen, das Gesetz halten zu wollen, sei Sünde.88 Diese Erklärung widerspricht Stellen wie Lev 18,5; Deut 4,1; 5,32-33; 11,8-9; 30,15-20; Hes 20,11.20, in denen positiv vom Halten des Gesetzes und seiner Gebote gesprochen, und dazu aufgefordert wird. 3. Der Genitiv „des Gesetzes“ ist als subjektiver Genitiv zu verstehen: Es geht um Werke, die das Gesetz produziert – „Werke“, die negativ sind, wie Röm 4,15 („das Gesetz bewirkt Zorn“) belegt.89 Diese Interpretation lässt die Verbindung des Ausdrucks „Werke des Gesetzes“ in 3,27.38; 4,2.6 mit dem Verb ε� ργα' ζομαι („Werke tun“) in 4,4 außer Betracht. ————————————————————

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Luther I 210-221; Calvin I 180-185; Sanday/ Headlam 76.94; Nygren 142-143; Barrett 70-71; Murray 122-123; Cranfield I 197-198; Wilckens I 173-178; Moo 214; Schreiner 172-173; Wilckens, Was heißt, 77-109; Wilckens, Entwicklung; Kim, Paul and the New Perspective, 59-60: „the deeds done in obedience to the law, which are considered as human achievements or as good works done to earn God’s favor“. Wilckens I 176-179, Zitat 177. Bultmann, Theologie, 264-265: „Der Weg der Gesetzeswerke und der Weg der Gnade und des Glaubens sind Gegensätze, die sich ausschließen … Warum aber ist das der Fall? Deshalb, weil das Bemühen des Menschen, durch Erfüllung des Gesetzes sein Heil zu gewinnen, ihn nur in die Sünde hineinführt, ja im Grunde selber schon die Sünde ist.“ Käsemann 84: „Das faktisch vorliegende und tradierte Gesetz wirkt für den Apostel nicht echten Gehorsam, weil die Frommen sich seiner bemächtigt und es zum Grund wie ihrer Leistungen, so ihres Selbstruhms gemacht haben. Das aber ist schlechthin Frevel.“ Vgl. Schlier 100-101; G. Klein, Art. „Gesetz III.“, TRE XIII, 64-75. Zur Kritik Schlatter 130; Wilckens I 145; Schreiner 170-171. Gaston, Works. Zur Kritik s. Bachmann, Sünder, 95-96.

364 Römerbrief ———————————————————————————————————— 4. Die sog. Neuere Paulusperspektive versteht „Werke des Gesetzes“ als die konkreten Gesetzesbestimmungen, die die Grenze zwischen Juden und Heiden markieren bzw. die Zugehörigkeit zum Bundesvolk demonstrieren, d.h. in erster die Beschneidung sowie die Sabbatgebote und die Reinheits- und Speisegebote.90 Paulus meint nicht, dass das Halten des Gesetzes unmöglich ist, wenn man beachtet, dass das Gesetz keinen perfekten Gehorsam verlangt: Die Opfer und rituellen Waschungen, die das Zuwiderhandeln gegen Gesetzesbestimmungen sühnen, sind selbst Regelungen des Gesetzes und gehören zum Gesetz. Noch wendet er sich gegen die Meinung, man müsse das Gesetz halten, um das Heil zu verdienen. Das Problem der „Werke des Gesetzes“ besteht darin, dass sie die Mitgliedschaft im Volk Gottes auf die Juden beschränken, weshalb die „judaisierenden“ Judenchristen von bekehrten Heiden die Beschneidung und das Einhalten des gesamten Gesetzes verlangen. Paulus argumentiert, dass Jesu Sühnetod am Kreuz das Heil allen Menschen zugänglich macht, den Juden genauso wie den Heiden. J. Dunn hat sich gegen das Missverständnis seiner Position gewehrt, als ob er „Werke des Gesetzes“ auf diese sog. „boundary markers“ beschränken wollte: Seine diesbezügliche Diskussion bezieht sich konkret auf den Antiochenischen Zwischenfall (Gal 2,11-16; für Dunn gehört auch Gal 2,1-10 zu dieser Episode), bei dem Jerusalemer Judenchristen von Barnabas und Petrus (zunächst erfolgreich) verlangten, nicht wie die Heiden, sondern wie Juden zu leben (vgl. Gal 2,14); in dieser nach Dunn für das paulinische Verständnis von „Werken des Gesetzes“ grundlegenden Auseinandersetzung ging es um Gesetzesbestimmungen, die die jüdische Identität gegenüber Nichtjuden garantierte, d.h. um die Beschneidung und die Speisegebote. Gleichzeitig, so Dunn, bedeutet der Ausdruck „Werke des Gesetzes“ alles, was das Gesetz von frommen Juden fordert. 91 Die Kritik an dieser Position92 konzentriert sich vor allem auf die soziologische Interpretation des Ausdrucks, die vergisst, dass bei Paulus „Werke des Gesetzes“ und „Gesetz“ nahezu parallel zueinanderstehen (vgl. Röm 3,20a mit 3,20b; Gal 2,16; 3,10a mit 2,21; 3,10b.11) und dass „Werke des Gesetzes“ deshalb alle Regelungen der Tora im Auge haben. 5. In Reaktion auf die Interpretation des Ausdrucks „Werke des Gesetzes“ in der Neuen Paulusperspektive und im Bemühen, nicht in die lutherische Antithese von „Glaube“ und „Werke“ zurückzufallen, wird vorgeschlagen, „Werke des Gesetzes“ im Sinn von den Regelungen (Halakhot) des Gesetzes zu verstehen, nicht zugleich das Tun des Gesetzes und seiner Gebote.93 Es ist zwar richtig, dass Paulus von Werken des Gesetzes spricht, nicht von

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Sanders, Law, 17-64.100-164; Sanders, Paul and Palestinian Judaism, 474-511; Sanders spricht von „entrance requirements“ (Eintrittsforderungen). Vor allem Dunn, New Perspective; Dunn, Works; Dunn, Noch einmal; Dunn I 153-155; Räisänen, Paul, 162177; s. auch Wright 461; Haacker 94-95 (die „vom Gesetz vorgeschriebenen [spezifisch jüdischen kultischen] Handlungen“); vgl. bereits Lohmeyer, Gesetzeswerke. Zu den Unterschieden zwischen Sanders, Räisänen und Dunn und zur Kritik siehe z.B. Schreiner, Works; Westerholm, Perspectives, 159-163.170-177.183-193. Dunn, Works, 130: „The law serves both to identify Israel as the people of the covenant and to mark them off as distinct from the (other) nations. ‚Works of the law‘ denote all that the law requires of the devout Jew, but precisely because it is the law as identity and boundary marker which is in view, the law as Israel’s law focuses on these rites which express Jewish distinctiveness most clearly“. Vgl. Dunn, Theology of Paul, 354-359. Stuhlmacher, Theologie I, 263; Bachmann, Sünder, 92; Rapa, Works of the Law, 55-56; Gathercole, Boasting, 249 und passim; Kim, Paul and the New Perspective, 57-60. Vor allem Bachmann, Rechtfertigung, 14; Bachmann, Neue Paulusperspektive; Bachmann, Keil, 80-131; Bachmann, Praktiken, sowie die ebd. 40 Anm. 28 Genannten, darunter Sonntag, Theologie des Gesetzes, 222; Wilckens, Theologie I.3, 141-142. Zur Kritik s. Gathercole, Boasting, 92-96; Schnelle, Paulus, 306; Frey, Judentum des Paulus, 41; Dunn, Noch einmal, 418-422; Hofius, Werke.

Die Schuldigkeit der Juden vor Gott 3,9-20 365 ———————————————————————————————————— Werken einer Person, dass „Werke des Gesetzes“ und „Gesetz“ manchmal parallel verwendet werden (Röm 3,21.28) und dass die Wendung ‫[ מעשי התורה‬ma’ase hatōrah] in 4QMMT C27 sich auf die Halakhot der Qumrangemeinde bezieht. Es ist jedoch künstlich, „Regelungen des Gesetzes“ und „Tun des Gesetzes“ scharf voneinander zu unterscheiden. Die Autoren von 4QMMT formulieren nicht einfach abstrakte halakhische Vorschriften, sondern Regelungen, die den Mitgliedern der Gemeinde zeigen bzw. vorschreiben, wie sie sich in den angesprochenen (und umstrittenen) Bereichen verhalten sollen. Der entscheidende Passus lautet: „Und auch wir haben an dich geschrieben etliches von den Torah-Praktiken, die wir als gut für dich und dein Volk befunden haben, da wir gesehen haben, daß bei dir Klugheit (vorhanden ist) und Torah-Wissen. Betrachte dies alles vor Ihm, damit er zurechtrichte deinen Ratschluß, und entferne von dir bösen Gedanken und Belialsrat, damit du Freude hast am Ende der Zeit, wenn du findest, daß etwas von unseren Worten so (recht) ist, damit es dir zur Gerechtigkeit angerechnet wird, da du das Rechte vor Ihm tust und das Gute zu deinem Besten und für Israel“ (4QMMT C26-32).94 Es geht in diesem Text um konkrete Handlungsweisen, die am Tag des Gerichts als gerecht anerkannt werden. 95

In Anbetracht des Diskussionsstandes scheint es ratsam, auf eine restriktive Definition des Ausdrucks „Werke des Gesetzes“ zu verzichten. Im Anschluss an 4QMMT C27 und angesichts des Kontextes in Röm 2,1–4,25 ist unter der Wendung „Werke des Gesetzes“ umfassend alles zu verstehen, was das (mosaische) Gesetz von denen fordert, die im Geltungsbereich des Gesetzes (V. 19) leben.96 Das heißt, „Werke des Gesetzes“ sind die im Gesetz festgelegten Regelungen für das Verhalten im Alltag, d.h. die Taten, die das Gesetz von den Israeliten bzw. Juden fordert und die diese im Gehorsam gegenüber Gott, dem Autor des Gesetzes, erfüllen sollen. In konkreten Kontexten geht es durchaus um konkrete Regelungen wie die Beschneidung und die Reinheits- und Speisegebote (Gal 2,11-16; vgl. Apg 15). In Röm 3,20 formuliert Paulus jedoch allgemein: Die im Gesetz festgelegten Verhaltensweisen können den Sünder im Gericht Gottes nicht rechtfertigen, auch wenn diese vom jüdischen Frommen im Gehorsam gegenüber den Geboten befolgt werden. ————————————————————

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Maier, Texte II, 375-376; vgl. Qimron/Strugnell, Miqsat Ma’ase ha-Torah, 62-63 („precepts of the Torah“); im Kontext empfiehlt die Wir-Gruppe ihre Reinheitsbestimmungen einer Ihr-Gruppe, die der Praxis einer Sie-Gruppe folgte (ebd. 114). Zur Diskussion zu 4QMMT C27 s. Bachmann, Keil, 122-131 und die dort genannte Literatur. Vgl. Gathercole, Boasting, 94; s. Dunn, Noch einmal, 420; Nebe, Werke, 166: Die Formulierung ‫ מקצת מעשי התורה‬verweist „auf das (vorgeschriebene und [zu] erfüllende) Tun, auf das Ergebnis dieses Tuns, auf die Tora als Corpus von Einzelgeboten“. GN „Taten, wie sie das Gesetz verlangt“; NGÜ „Gesetzesvorschriften“; auf das Tun konzentriert ZÜ: „das Tun dessen, was im Gesetz geschrieben steht“. Wilckens I 173: Erfüllung der elementaren Gebote der Tora (mit Hinweis auf syrApkBar 57,2). Fitzmyer: „the things prescribed or required by the Mosaic law“ (mit Hinweis auf 4QMMT C27); Lohse 127: Werke, die die Tora fordert und die der Fromme im Gehorsam zu erfüllen hat (mit Hinweis auf 4QMMT C27). Westerholm, Perspectives, 321: „the deeds demanded by the Sinaitic law code, a law that rests on works“.

366 Römerbrief ————————————————————————————————————

Die Präpositionalwendung vor ihm verweist auf Gott als Instanz, vor der sich die sündigenden Juden (neben den Heiden) verantworten müssen. Das Futur des mit wird gerechtfertigt werden übersetzten Verbs (δικαιωθη' σεται) verweist auf das Endgericht, das Passiv auf Gott als Richter, der über das Urteil, ob jemand gerecht oder ungerecht ist, entscheidet. Paulus betont, dass kein Mensch im Gericht vor Gott als gerecht dasteht.97 Das Wort σα' ρξ [sarx], das manchmal mit „Fleisch“ wiedergegeben wird,98 steht für den ganzen Menschen in seiner konkreten Beschaffenheit; verbunden mit dem Adjektiv „jeder“ bzw. „alle“ beschreibt der Ausdruck die gesamte Menschheit. Das Wort σα' ρξ kommt 91 Mal in den Paulusbriefen vor (von 147 ntl. Belegen).99 Im Anschluss an die Bedeutungsbreite von σα' ρξ in der LXX, die hebr. ‫[ בׂשר‬basar] meistens mit σα' ρξ übersetzt (208 Belege), verwendet Paulus das Wort mit unterschiedlichen Bedeutungsnuancen. 1. „Fleisch“ als Körpersubstanz von Menschen und Tieren (1Kor 15,39; 2Kor 12,7: Pfahl im Fleisch; Gal 4,13: Krankheit als Schwachheit des Fleisches); am Fleisch wird die Beschneidung vorgenommen (Röm 2,28; Gal 6,12.13; Phil 3,3.4); vgl. die Formulierung „Fleisch und Blut“ (1Kor 15,50; Gal 1,16). Sodann bezeichnet „Fleisch“ den Leib des Menschen (1Kor 6,16; 2Kor 7,5; Eph 5,31) und den Menschen insgesamt bzw. die ganze Menschheit („alles Fleisch“: Röm 3,20; Gal 2,16). Wenn σα' ρξ für den ganzen Menschen verwendet wird, meint das Wort eine Person in ihrer konkreten Beschaffenheit. „Fleisch“ bezeichnet auch die genealogische Verwandtschaft, z.B. das Volk Israel, zu dem man durch Zeugung und Geburt gehört (Röm 9,3; 11,14; Gal 4,23.29); Abraham ist „dem Fleische nach“ der Urahne Israels (Röm 4,1; vgl. 9,8); das historische Israel ist „Israel dem Fleische nach“ (1Kor 10,18). Jesus ist „dem Fleische nach“ Nachkomme Davids (Röm 1,3; vgl. 9,5), die Juden sind die Verwandten des Apostels nach dem Fleisch (Röm 9,3). 2. An manchen Stellen steht σα' ρξ für die irdisch-natürliche Existenz des Menschen in ihrer Geschöpflichkeit, Begrenzheit, Hinfälligkeit: Das Leben „im Fleisch“ ist irdische Existenz (Gal 2,20; 2Kor 1,17; 5,16; 10,2.3; 11,18; Gal 3,3; Phil 1,22.24; Phlm 16); die „Weisen nach dem Fleisch“ (1Kor 1,26) sind Menschen, die nach rein irdischen Maßstäben urteilen. 3. Paulus verwendet σα' ρξ für den Menschen in seiner Eigenmächtigkeit, der Macht der Sünde ausgeliefert (Röm 7,5.14.18.25). Jesusbekenner, die den Geist Gottes erhalten haben, leben zwar noch „im Fleisch“, aber nicht mehr „nach dem Fleisch“ (Röm 8,4.9.10.12.13); sie tun nicht mehr „Werke des Fleisches“, sondern sie zeigen in ihrem konkreten Lebensvollzug die Frucht des Geistes (Gal 5,13.16.18.19.24; 6,8). ————————————————————

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Im Griech. ist das Verb verneint (ου� δικαιωθη' σεται) – „wird nicht gerechtfertigt“ –, in der dt. Übersetzung das Subjekt παñ σα σα' ρξ („alles Fleisch“): „kein Mensch“. Käsemann 80; Wilckens I 171; Lohse 120; Elb.Ü. Mit „kein Mensch“ übersetzen GN, LÜ, NGÜ, ZÜ; EÜ hat „niemand“. Davon 26 Mal im Röm: 1,3; 2,28; 3,20; 4,1; 6,19; 7,5.18.25; 8,3(3x).4.5(2x).6.7.8.9. 12(2x).13; 9,3.5.8; 11,13; 13,14; im kurzen Galaterbrief 18 Mal: Gal 1,16; 2,16.20; 3,3; 4,13.14.23.29; 5,13.16.17(2x).19.24; 6,8(2x).12.13; s. weiter die Belege in 1–2Kor (22x), Eph (9x), Phil (5x), Kol (9x). Vgl. E. Schweizer/F. Baumgärtel/R. Meyer, Art. σα' ρξ κτλ., ThWNT VII, 98-151; A. Sand, EWNT III, 549-557; K. Grünwaldt, ThBLNT I, 470-477; Brandenburger, Fleisch und Geist; Sand, Fleisch; Jewett, Terms, 49-166; Bauer, Leiblichkeit; Scornaienchi, Sarx und Soma; Lohse 125-126.

Die Schuldigkeit der Juden vor Gott 3,9-20 367 ————————————————————————————————————

Kein Mensch wird aus Werken des Gesetzes gerechtfertigt, weil alle Menschen vor Gott schuldig sind (V. 19), weil es keinen Gerechten gibt (V. 1012), weil alle gesündigt haben und sich in der Gewalt der Sünde befinden (V. 9), die dem Sünder das Todesurteil einbringt. Paulus erklärt in V. 20a nicht in umfassender Weise, weshalb „Werke des Gesetzes“ im Endgericht keinen Menschen rechtfertigen wird. Die kategorische Aussage in 7,12, dass das Gesetz heilig ist und die Gebote des Gesetzes heilig, gerecht und gut sind, schließt jene Interpretation aus, die meint, Paulus halte die mosaische Tora für defektiv, weil unerfüllbar. Alttestamentliche Stellen wie Lev 18,5; Deut 4,1; 5,32-33; 11,8-9; 30,15-20 sowie Phil 3,6, die positiv vom Leben gewährenden Gehorsam gegenüber dem Gesetz sprechen, sowie Stellen wie Lev 4,13-21.27-35; 5,7-10.11-13, nach denen das Sünd- und Schuldopfer Sünden vergibt, machen die Annahme unwahrscheinlich, Paulus bestreite, dass es in Israel je einen Gerechten gegeben habe, weil das Gesetz eine vollkommene Gerechtigkeit fordert, die kein Israelit bzw. Jude leisten kann, d.h., das Gesetz unerfüllt ist. Die Antwort auf die Frage, weshalb nach Paulus „Werke des Gesetzes“ nicht zur Rechtfertigung im Endgericht führen, ist angesichts seiner auf das Evangelium von Jesus, dem Messias Israels und Retter von Juden und Heiden (s. die Definition in 1,3-4.16-17) konzentrierten missionarischen Theologie im allgemeinen100 und seines Arguments in 1,18–5,21 nicht schwer zu finden: Gott gewährt durch seine Offenbarung in Jesus Christus und seinen Sühnetod am Kreuz allen Menschen durch den Glauben an Jesus Christus, Juden wie Heiden, Vergebung der Sünden und Rettung im Endgericht (1,16; 3,21-26); er hat damit das Problem menschlicher Sünde gelöst, wie es das Gesetz weder konnte noch sollte (5,12-21). Wenn Juden glauben, an Jesus Christus und seinem Sühnetod vorbei die Rechtfertigung im Endgericht durch Werke des Gesetzes – ob Beschneidung und Speisegebote im Besonderen oder gute Werke im Allgemeinen – erwirken zu können, so schneidet Paulus diese Möglichkeit radikal und kompromisslos ab: Durch Werke des Gesetzes wird kein Mensch vor Gott gerechtfertigt werden, weil Gott allein durch Jesus Christus Rettung schafft. Der Grund, weshalb Werke des Gesetzes den Sünder nicht rechtfertigen, wird in V. 20b genannt: denn durch das Gesetz kommt Erkenntnis der Sünde. Weil zum einen die Sünder von Gott selbst durch den Sühnetod Jesu Christi gerechtfertigt werden (3,21-26), und zum anderen die Rechtferti————————————————————

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Paulus lehrt und schreibt immer als Missionar, nicht als Professor für Altes Testament, der seinen Zuhörern die Funktion des mosaischen Gesetzes erläutert.

368 Römerbrief ————————————————————————————————————

gung durch Werke des Gesetzes ausgeschlossen ist, bleibt dem Gesetz die wichtige Funktion, den Sünder zur Erkenntnis (ε� πι'γνωσις) seiner Sünde zu bringen. In 7,13 erläutert Paulus auf dem Hintergrund der Geschichte Adams (7,8-11), dass die Sünde, die den Menschen zur Rebellion gegen Gott verführte, sich selbst entlarvte: im Fall Adams wurde offenbar, dass die Sünde ihr Versprechen von einem volleren, erfüllteren, befriedigenderen Leben weder erfüllen konnte noch wollte, sondern dem Menschen den Tod einbrachte und damit ihr wahres Wesen offenbarte. Wer mit dem Gesetz lebt, macht die konkrete Erfahrung der Sünde, die als Zuwiderhandlung gegen den konkreten Willen Gottes wahrgenommen und erkannt wird und anerkannt werden soll.101 Die erkannten Sünden vergeben kann das Gesetz nicht.102 Die Funktion des Gesetzes wird von Paulus in 7,7-25 und 8,3-4 ausführlicher erläutert. In 7,7-25 betont Paulus, dass das Gesetz selbst weder Sünde ist noch Sünde bewirkt: Das Problem ist nicht das Gesetz, sondern die Sünde, die den Menschen zum Sündigen manipuliert hat (s. die Einzelauslegung zu 7,7-25 sowie den Exkurs zu 7,12). In 8,3-4 beschreibt Paulus, wie der Geist Gottes die Jesusbekenner verwandelt, sodass sie das Gesetz erfüllen. IV Paulus schneidet dem jüdischen Gesprächspartner radikal die Berufung auf seine heilgeschichtliche Tradition ab, die ihn veranlasst, sich auf das Gesetz zu beziehen und sich auf die Befolgung des Gesetzes zu verlassen, wenn vom Gericht Gottes die Rede ist. Paulus hatte in 2,1-29 argumentiert, dass Juden genauso wie Heiden Sünder sind, weil sie in ihrem konkreten Verhalten gegen den Willen Gottes handeln. Weder der Besitz des Gesetzes noch die Beschneidung als Zeichen der Zugehörigkeit zum Bundesvolk sind von Nutzen, wenn die Vorschriften des Gesetzes nicht eingehalten werden. Paulus erklärte in 3,1-8, dass er weder den Nutzen der Beschneidung noch die Treue Gottes zu seinen Bundesvolk bestreitet. Er bleibt jedoch bei seiner Aussage, dass kein Mensch aufgrund des Gesetzes von Gott im Endgericht als Gerechter behandelt wird. Die sechs Stellen, die Paulus in 3,10-18 aus ————————————————————

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Zum atl. Hintergrund von ε� πι' γνωσις bzw. ε� πιγινω' σκω W. Hackenberg, Art. ε� πι' γνωσις, EWNT II, 61: ε� πι' γνωσις bedeutet a. genau, vollständig erkennen; b. wiedererkennen, c. anerkennen; ders., Art. ε� πι' γνωσις, EWNT II, 63: „Intellektuelles Verstehen und existentielles Anerkennen gehören zusammen“; vgl. E. D. Schmitz, ThBLNT I, 353-356, der den Unterschied atl. Erkennens und dem Erkennen der Griechen allerdings übertreibt. Lohse 127: „Wohl kann das Gesetz verdeutlichen, daß der Mensch seiner ausweglosen Verlorenheit ansichtig wird; doch zu rettender Befreiung kann es die Tür nicht öffnen.“

Die Schuldigkeit der Juden vor Gott 3,9-20 369 ————————————————————————————————————

der Schrift, als „Gesetz“ bezeichnet (3,19), zitiert, belegen, dass es keinen Menschen gibt, der vor Gott gerecht ist. Das Gesetz selbst kann dem Menschen in dieser Situation nicht helfen (3,20). Das konkrete Handeln im Alltag offenbart, wer der Mensch ist. Dem jüdischen Gesprächspartner des Apostels nützt die Berufung auf heilsgeschichtliche Privilegien nichts: Das Gerichtsurteil Gottes kann weder durch den Hinweis auf die Beschneidung noch durch Werke des Gesetzes abgewendet werden. Moderne Argumente, die das Urteil der universalen Sündhaftigkeit abwehren wollen, laufen genauso und noch direkter und schneller ins Leere.103 Die idealistische Unterscheidung zwischen Idee und Wirklichkeit kann angesichts der Realität menschlichen Handelns nicht verhindern, dass sich das Böse als wahrnehmbare Wirklichkeit manifestiert. Die Wirklichkeit der realen Welt menschlicher Existenz beweist, dass Sünde nicht bloßer Schein ist, sondern ohne Ausnahme das Sein aller Menschen bestimmt. Der Mensch kann das Gute erkennen und wollen, und manchmal auch tun, aber nie so, dass Gott ihn als Gerechten anerkennen und im Endgericht freisprechen müsste. Die Unterscheidung zwischen natürlichen Verhältnissen und der Fähigkeit des Menschen, die Welt zu verändern, erweist sich angesichts der Realität menschlichen Handelns als wirklichkeitsfremd: Gerichte und Verurteilungen, Polizei und Armee sind heute genauso notwendig wie zur Zeit der Sumerer und Babylonier. Die Idee eines unwiderstehlich voranschreitenden Fortschritts erwies sich nicht nur in den Schützengräben des Ersten Weltkriegs als unhaltbar: Behinderte haben es zwar in den westlichen Gesellschaften heute leichter als vor hundert Jahren, ungeborene Kinder haben jedoch weniger gute Aussichten, wenigstens auf die Welt zu kommen. Die Rechtfertigung von Unrecht mit dem Satz „Wo gehobelt wird, fallen Späne“, als Gesetz kommunistischer Geschichtsvorstellung zur sowjetischen Spruchweisheit verdichtet,104 ist das Paradigma aller repressiven Strukturen bis hin zum Terrorismus. Für Paulus gibt es für den Menschen keine Möglichkeit und keine Hoffnung, konsequent, beständig, bleibend und immer vollständig das Gute zu tun. Die Universalität der Sünde wird bei Paulus weder verharmlost noch relativiert. Wenn schon Juden, die das erwählte Gottesvolk darstellen, Sünder sind, denen das Gesetz nicht zur Gerechtigkeit verhilft, dann haben Nichtjuden erst recht keine Chance, gerecht zu sein und gerecht zu handeln. Alle Menschen, ohne Ausnahme, gehen der Verurteilung im bevorstehenden Gericht ————————————————————

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Die folgenden Überlegungen sind Wilckens I 179 angelehnt. Gorelik, Sacharow, 240.

370 Römerbrief ————————————————————————————————————

Gottes entgegen. Keiner kann sich seiner Gerechtigkeit rühmen. Niemand kann etwas zu seiner Entschuldigung vorbringen. Paulus verfällt nihilistischer Resignation deshalb nicht, weil er die Erfahrung und die Wirklichkeit der Rechtfertigung der Gottlosen durch Gott voraussetzt. Diese Wirklichkeit kommt in 1,18–3,20 noch nicht zur Sprache, klang aber in 1,16-17 an und wird in 3,21–5,21 ausgeführt und erläutert. In 3,9-20 und im größeren Kontext 1,18–3,20 geht es Paulus darum, „jeden Mund“ zum Schweigen zu bringen (3,19): Der Einwand, der Zorn Gottes werde durch seine Güte und durch seine Bundestreue aufgewogen, bricht angesichts der Realität menschlicher Existenz und menschlichen Handelns zusammen. Der Radikalität dieser – mit der Schrift begründeten – Überzeugung steht das Wunder des Handelns Gottes in Jesus Christus gegenüber: Gott hat im Kreuzestod Jesu die universale Wirkung seines Zorns selbst aufgehoben für alle, die an Jesus glauben, den Messias Israels und den Retter von Juden und Heiden, sodass sowohl ihre Gegenwart wie ihre Zukunft durch ihre Rechtfertigung als Gottlose (4,5; 5,6) bestimmt ist. Der Schuldspruch Gottes (3,19) ist nicht Gottes letztes Wort:105 Paulus erläutert ab 3,21 die Offenbarung der Gerechtigkeit Gottes, die sich in Jesus Christus zum Heil aller Menschen geoffenbart hat, eine Wirklichkeit, die im Glauben anzunehmen der schuldige Sünder aufgerufen ist, zugleich eine Wirklichkeit, in der Gott die glaubenden Sünder verwandelt, sodass sie als Kinder und Erben Gottes in der Kraft des Geistes das Gesetz erfüllen (8,1-17).

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Wilckens I 180.

Die Heil schaffende Offenbarung Gottes in Jesus Christus 3,21–5,21 371 ————————————————————————————————————

Die Heil schaffende Offenbarung Gottes in Jesus Christus 3,21–5,21 Der erste Abschnitt (1,18–3,20) des ersten Hauptteils eröffnete die Erläuterung des in 1,3-4.16-17 definierten Evangeliums mit einer Darstellung der Konfrontation zwischen Gott und den Menschen, die im Endgericht keine Gerechtigkeit vorzuweisen haben und deshalb dem Zorn Gottes ausgeliefert sind. Die faktische Realität erweist sowohl Heiden (1,18-32) als auch die Juden (2,1–3,20) als Sünder, deren Ungerechtigkeit sie vom Heil Gottes ausschließt. Das Unheil des Zornes Gottes trifft die Heiden, weil sie die Wahrheit Gottes unterdrücken, Gott weder anerkennen noch ehren und ein unreines Leben führen, das permanent die Rechtssetzung Gottes verletzt. Das Unheil des Zornes Gottes trifft die Juden, weil der Besitz des Gesetzes und des Zeichens der Beschneidung nicht rettet und weil Werke des Gesetzes die Gerechtigkeit, die Gott im Endgericht anerkennt, nicht bewerkstelligen können. Der zweite Abschnitt (3,21–5,21)1 behandelt die den Zorn Gottes aufhebende Offenbarung der Gerechtigkeit Gottes als Rechtfertigung der Sünder aufgrund des Glaubens an Jesus Christus, die als Geschenk Gottes das Heil ermöglicht und gewährt. Paulus erläutert die Gabe der Gerechtigkeit Gottes in vier Schritten. 1. Gott hat seine Gerechtigkeit im Sühnetod Jesu Christi geoffenbart, die für alle an Jesus Christus Glaubenden Heil schaffende Wirklichkeit ist (3,21-31). 2. Die Offenbarung der Gerechtigkeit Gottes im Messias Jesus hat das universale, aus glaubenden Juden und Heiden bestehende Gottesvolk geschaffen, das die Erfüllung der Verheißung für Abraham ist, dem normativen Vorbild für alle Glieder des Gottesvolkes (4,1-25). 3. Die Realität der Existenz der gerechtfertigten Sünder ist von Frieden mit Gott und die Hoffnung auf die Teilhabe an der Herrlichkeit Gottes gekennzeichnet (5,1-11). 4. Die Offenbarung der Gerechtigkeit Gottes in Jesus Christus löst ein für alle Mal das mit Adam in die Welt gekommene Problem der Sünde, indem die Herrschaft der Sünde über alle Menschen abgelöst wird durch die Herrschaft der Gnade, die für alle Realität ist, die Jesus als Messias und Kyrios anerkennen (5,12-21). Häufig vorkommende Vokabeln in 3,21–5,21 sind πι'στις (20x) und πιστευ' ω;2 (7x); δικαιοσυ' νη (14x), δικαιο' ω (8x) und δικαιος (3x);3 νο' μος ————————————————————

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Zu 5,12-21 als zusammenfassender Schlussabschnitt des ersten Hauptteils s. die in der Einleitung unter Punkt 6 genannten Argumente. πι' στις: 3,22.25.26.27.28.30(2x).31; 4,5.9.11.12.13.14.16(2x).19.20; 5,1.2; πιστευ' ω: 3,22; 4,3.5.11.17.18.24. δικαιοσυ' νη: 3,21.22.25.26; 4,3.5.6.9.11(2x).13.22; 5,17.21; δικαιο' ω: 3,24.26.28.30;

372 Römerbrief ————————————————————————————————————

(15x);4 περιτομη' (7x) / α� κροβυστι'α (7x);5 χα' ρις (9);6 α� μαρτι'α (8x).7 Paulus erwähnt konkrete Einzelpersonen: Adam (5,14), Abraham (4,1.2.3.9.12. 13.16; vgl. 9,7; 11,1), Sara (4,19; vgl. 9,9); Moses (5,14), David (4,6; vgl. 1,3; 11,9).

Die Offenbarung der Gerechtigkeit Gottes im Sühnetod Jesu Christi 3,21-31 I 21 Jetzt aber ist unabhängig vom Gesetz Gottes Gerechtigkeit offenbar geworden, bezeugt vom Gesetz und den Propheten: 22 Gottes Gerechtigkeit durch den Glauben an Jesus den Messias für alle Glaubenden. Denn es gibt keinen Unterschied. 23 Denn alle haben gesündigt und entbehren der Herrlichkeit Gottes, 24 und sie werden umsonst gerechtfertigt aufgrund seiner Gnade durch die Erlösung, die im Messias Jesus (geschehen ist), 25 den Gott öffentlich hingestellt hat als Sühneort, durch den Glauben, in seinem Blut zum Erweis seiner Gerechtigkeit wegen des Hingehenlassens der zuvor geschehenen Verfehlungen 26 in der Geduld Gottes, zum Erweis seiner Gerechtigkeit in der jetzigen Zeit, damit er gerecht ist und den gerecht macht, der aus dem Glauben an Jesus (lebt). 27 Wo bleibt nun das Rühmen? Es ist ausgeschlossen. Durch welches Gesetz? Der Werke? Nein, sondern durch das Gesetz des Glaubens. 28 Denn wir urteilen, dass der Mensch gerecht wird durch den Glauben, unabhängig von Werken des Gesetzes. 29 Oder ist Gott allein (der Gott) der Juden? Ist er nicht auch (der Gott) der Heiden? Ja, auch der Heiden, 30 wenn (gilt): Gott ist einer. Er wird die Beschnittenen aus Glauben und die Unbeschnittenen durch den Glauben rechtfertigen. 31 Heben wir etwa das Gesetz durch den Glauben auf? Auf keinen Fall! Wir bringen vielmehr das Gesetz zur Geltung. II Paulus beschreibt in diesem Abschnitt, vor allem in 3,21-26, den Kern des Evangeliums: Gott hat durch den Sühnetod Jesu Christi Heil für alle Men————————————————————

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4,2.5; 5,1.9; δικαιος: 3,26; 5,7.19. νο' μος: 3,21(2x).27(2x).28.31(2x); 4,13.14.15(2x).16; 5,13(2x).20. περιτομη' : 3,30; 4,9.10(2x).11.12(2x); α� κροβυστι' α: 3,30; 4,9.10(2x).11(2x).12. χα' ρις: 3,24; 4,4.16; 5,2.15(2x).17.20.21. α� μαρτι' α: 4,7.8; 5,12(2x).13(2x).20.21.

Die Offenbarung der Gerechtigkeit Gottes im Sühnetod Jesu 3,21-31 373 ————————————————————————————————————

schen geschaffen, die durch die Gnade Gottes infolge des Glaubens gerechtfertigt werden. Paulus erläutert auf dem Hintergrund seines Nachweises der Ungerechtigkeit aller Menschen (1,18–3,10; vgl. 1,18.29; 2,8; 3,5) im Anschluss an seine Definition des Evangeliums in 1,16-17 das durch die Offenbarung der Gerechtigkeit Gottes in Jesus Christus erwirkte Heil im Blick auf die folgenden Elemente: 1. Novum: Die Heil schaffende Gerechtigkeit Gottes ereignet sich außerhalb des Geltungsbereichs des Gesetzes (χωρι`ς νο' μου [chōris nomou]; 3,21); 2. Autorität: Bezeugt durch das Gesetz und die Propheten (3,21); 3. Vermittlung: Durch den Glauben an Jesus den Messias (δια` πι'στεως [dia pisteōs]; 3,22a); 4. Geltungsbereich: Universal für alle Menschen, ohne Unterschied zwischen Juden und Heiden (ει� ς πα' ντας [eis pantas]; 3,22b); 5. Wirkungsbereich: Alle Menschen, die alle gesündigt haben (πα' ντες η« μαρτον [pantes hēmarton]; 3,23a); 6. Notwendigkeit: Die fehlende Herrlichkeit Gottes (3,23b); 7. Erwerb: Rechtfertigung, d.h., Freispruch des Sünders, der für gerecht erklärt wird (δικαιου' μενοι [dikaioumenoi]; 3,24a); 8. Modus: Geschenk Gottes (δωρεα' ν [dōrean]; 3,24a); 9. Beweggrund: Gottes unverdiente Gnade (χα' ρις [charis]; 3,24a); 10. Verwirklichung: Befreiung aus der hoffnungslosen Lage als Sünder (α� πολυ' τρωσις [apolytrōsis]; 3,24b); 11. Ermöglichung: durch Jesus, den Messias Israels (ε� ν Χριστω ñ, � Ιησουñ [en Christō Iēsou]; 3,24b); 12. Ort: Das Kreuz Jesu als Ort der sühnenden Gegenwart Gottes (ι�λαστη' ριον [hilastērion]; 3,25a); 13. Ziel: Demonstration des Gerechtseins Gottes (ε» νδειξις [endeixis]; 3,25b); 14. Ursache: Das Hingehenlassen (πα' ρεσις [paresis]) der vorher geschehenen Sünden (3,25b); 15. Ziel: Heil schaffende Gerechtigkeit für Sünder (ε» νδειξις [endeixis]; 3,26) Der Abschnitt kann in zwei Teile geteilt werden. 1. In 3,21-26 erläutert Paulus den Hinweis auf das von den Propheten verheißene Evangelium (1,2) und die Aussage von der Gerechtigkeit Gottes in 1,17 im Sinn der Gerechtigkeit Gottes, die den Sündern Gerechtigkeit zuspricht (3,21.22.24. 25.26) und gleichzeitig das Gerechtsein Gottes wahrt. Der Teilabschnitt besteht aus einem langen griech. Satz1 mit auffällig vielen Präpositionalsätzen, die besonders in V. 25-26 dicht gedrängt aufeinanderfolgen. Die Präpositionalsätze leisten die Charakterisierung der Gerechtigkeit Gottes, die Gott selbst jetzt in Jesus Christus offenbart hat und dem Sünder Heil erwirkt. Die Heil schaffende Gerechtigkeit Gottes ereignet sich unabhängig vom Gesetz (χωρι`ς νο' μου; V. 21), wird jedoch vom Gesetz und den Propheten bezeugt (υ� πο` τουñ νο' μου και` τω ñ ν προφητω ñ ν; V. 21); sie wird dem Sünder ————————————————————

1

NA28 setzt nach πιστευ' οντας in V. 22 einen Punkt; NA25 setzte angesichts des Anschlusses mit γα' ρ ein Semikolon.

374 Römerbrief ————————————————————————————————————

gewährt durch den Glauben an Jesus Christus (δια` πι'στεως � Ιησουñ Χριστουñ ; V. 22), weil sie zugunsten aller Glaubenden offenbart wurde (ει� ς πα' ντας του` ς πιστευ' οντας; V. 22); sie ereignet sich durch die im Geschick Jesu geschehe Erlösung (δια` τηñ ς α� πολυτρω' σεως τηñ ς ε� ν Χριστω ñ, � Ιησουñ ; V. 24); das Sühnehandeln Gottes im Tod Jesu erreicht die Menschen, die an Jesus Christus glauben (δια` τηñ ς πι'στεως; V. 25), angesichts seiner Wirklichkeit im Sühnetod Jesu (ε� ν τω ñ, αυ� τουñ αι«ματι; V. 25), der der Erweis der Gerechtigkeit Gottes ist (ει� ς ε» νδειξιν τηñ ς δικαιοσυ' νης αυ� τουñ ; V. 25) und die effektive Vergebung aller Sünden bewirkt (δια` τη` ν πα' ρεσιν τω ñ ν προγεγονο' των α� μαρτημα' των; V. 25), angesichts der Geduld Gottes gegenüber der vor dem Kommen Jesu begangenen Sünden (ε� ν τηñ, α� νοχηñ, τουñ θεουñ ; V. 26), eine Geduld, die die im Sühnetod Jesu Wirklichkeit gewordene Gerechtigkeit Gottes als wirksam demonstriert (προ` ς τη` ν ε» νδειξιν τηñ ς δικαιοσυ' νης αυ� τουñ ; V. 26), sowohl im Blick auf die Vergangenheit als auch im Blick auf die Gegenwart (ε� ν τω ñ, νυñ ν καιρω ñ, ; V. 26), sodass Gott sich als der Gerechte erweist (ει� ς το` ειòναι αυ� το` ν δι'καιον; V. 26). Infolge der Zuordnung der einzelnen Wendungen ergibt sich folgende Gliederung:2 (i) 3,21-22a: Die Gerechtigkeit Gottes (V. 21a) mit Erläuterung (V. 21b) und Präzisierung (V. 22a). (ii) 3,22b-24: Die Gerechtigkeit Gottes in ihrer universalen Reichweite (V. 24) mit Begründung durch die Situation der Menschen (V. 22b-23). (iii) 3,25-26: Die Heilstat Gottes im Tod Jesu (V. 25a), mit einer ersten (V. 25b ει� ς ε» νδειξιν) und zweiten (V. 25a προ` ς τη` ν ε» νδειξιν) Zielangabe, gefolgt von einem Resümee (V. 26b). 2. In 3,27-31 formuliert Paulus einen Dialog im Stil der Diatribe zum Thema des Rühmens3 mit sechs Fragen. (i) Die Frage nach dem Rühmen (V. 27aα) bestimmt den Gesprächsgang; Paulus gibt eine Antwort mit Präzisierung (V. 27aβ.b) und zweifacher Begründung (V. 28; V. 29-30). (ii) Schlussfrage (V. 31a), die Gültigkeit des Gesetzes betreffend, mit Antwort (V. 31b). Paulus wiederholt in diesem Abschnitt die Grundaussage des Evangeliums: Gott macht den Menschen, sowohl Juden als auch Heiden, durch den Glauben an Jesus Christus gerecht (V. 28-29), eine Tatsache, die das Rühmen vor allem der Juden ausschließt, die sich nicht mehr auf das Gesetz verlassen können. Gleichzeitig wird deutlich, dass die Grundlage und das Zentrum des Evangeliums nicht in Glaubenssätzen besteht, sondern in einer Reihe von Ereignissen, die in der Vergangenheit stattgefunden haben – der Kreuzestod Jesu (3,25), der, wie 1,3; 4,24-25; 6,4-5.9; 7,4; 8,11.17.30 zeigen, unauflöslich mit seiner Auferstehung und Verherrlichung verbunden ist.4 ————————————————————

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Vgl. Theobald, Gottesbild, 33-41. Vgl. auch Wonneberger, Syntax, 202-277. Vos, Argumentation, 69. Cranfield 199-200.

Die Offenbarung der Gerechtigkeit Gottes im Sühnetod Jesu 3,21-31 375 ———————————————————————————————————— Die meisten Kommentatoren nehmen an, dass 3,25-26a ein judenchristliches Traditionsstück ist, das Paulus leicht modifizierend bzw. korrigierend zitiert.5 Folgende Argumente gelten als entscheidend: 1. Der unpaulinische Wortlaut: ι� λαστη' ριον, πα' ρεσις und προγεγονο' τα α� μαρτη' ματα in V. 25 sind hapax legomena. 2. Die Vokabeln προτι' θησθαι („öffentlich auf- bzw. hinstellen“) und αι«μα („Blut“ als Wort für „Kreuz“) in V. 25 haben für Paulus uncharakteristische Bedeutungen. 3. Zwei zusammengehörende Formulierungen werden durch paulinische Phrasen unterbrochen: In V. 25 wird die Formulierung ι� λαστη' ριον ε� ν τω ñ, αυ� τουñ αι«ματι durch δια` τηñ ς πι' στεως unterbrochen, und die Wendung ει� ς ε» νδειξιν τηñ ς δικαιοσυ' νης αυ� τουñ unterbricht den natürlichen Zusammenhang von Sühne (ι�λαστη' ριον ε� ν τω ñ, αυ� τουñ αι«ματι) und Sündenvergebung (δια` τη` ν πα' ρεσιν τω ñ ν προγεγονο' των α� μαρτημα' των). 4. Das Relativpronomen am Anfang von V. 25 taucht auch zu Beginn anderer zitierter Traditionsstücke auf (Phil 2,6; Kol 1,15). P. Stuhlmacher und andere Exegeten sehen 3,25-26a als einen Text, der auf antiochenische Tradition zurückgeht, die dem Stephanuskreis zu verdanken ist (vgl. Apg 6,13-14 und die „Kritik“ am Sühnopferkult im Jerusalemer Tempel).6 Zum Sitz im Leben der rekonstruierten Formel gibt es keinen Konsens: Wegen der Erwähnung des Blutes denken die meisten Exegeten an die Abendmahlsüberlieferung,7 anderen schlagen die Taufüberlieferung8 oder allgemein den Gottesdienst9 oder den christlichen Unterricht10 vor. A. Hultgren vermutet, Paulus zitiere den Schluss einer Homilie, die er am Jom Kippur in einer Synagoge in Ephesus vorgetragen hat.11 Diese Argumente sind nicht zwingend.12 1. Der angeblich unpaulinische Wortlaut wird oft übertrieben. Dunn spricht von einem „surprising cluster of Pauline hapax legomena“ und führt neben ι� λαστη' ριον, πα' ρεσις und προγι' νομαι auch Vokabeln an, die bei Paulus auch an anderen Stellen vorkommen: zu ε» νδειξις s. 2Kor 8,24; zu προτι' θησθαι s. Röm 1,13; Eph 1,9; zu α� μαρτη' μα s. 1Kor 6,18; zu α� νοχη' s. Röm 2,4. Das Argument mit hapax legomena wäre stärker, wenn man auf Texte oder Autoren verweisen könnte, für die z.B. ι� λαστη' ριον charakteristisch wäre, was jedoch nicht der Fall ist. Was ι�λαστη' ριον betrifft, so kommt die Vokabel im NT nur noch in Hebr 9,5 vor, jedoch 14 Mal in der LXX, die Paulus kannte.13 Die Vokabel πα' ρεσις kommt im NT nur hier vor, und ist in der LXX nicht belegt, was eine ————————————————————

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Michel 147; Wilckens I 183; Dunn I 163-164; Lohse 129.133; Jewett 270-271; Wengst, Formeln, 82-86; Lohse, Märtyrer, 149-154; Stuhlmacher, Zur neueren Exegese; Meyer, Formula; Minde, Schrift, 58-60; Kraus, Tod Jesu, 10-20.92-167; Stuhlmacher, Theologie I, 192-194; Karrer, Jesus Christus, 74-75; Gaukesbrink, Sühnetradition, 229-230; Knöppler, Sühne, 113; Tiwald, Hilasterion, 190-192. Mehrere Exegeten ziehen V. 24 zu dem Traditionsstück: Käsemann, Verständnis; Wegenast, Tradition, 76-80; Eichholz, Theologie, 190-191; Martin, Reconciliation, 81-89. Die folgenden vier Punkte sind Jewett entnommen. Stuhlmacher, Theologie I, 192-193; Kraus, Tod Jesu, 231-233: Jerusalem od. Antiochien. Michel 154; Käsemann 94; Bultmann, Theologie, 295-296; Eichholz, Theologie, 190; Käsemann, Verständnis, 99-100. Conzelmann, Rechtfertigungslehre, 198; Hahn, Taufe und Rechtfertigung, 258; Meyer, Formula, 206; Schille, Hymnen, 60; Schnelle, Gerechtigkeit, 67-71. Minde, Schrift, 61. Schmithals 123. Hultgren, Paul’s Gospel, 55-60. Vgl. Kuss I 160-161; Cranfield I 200-201; Schlier 109; Moo 221; Schreiner 188-189; Haacker 103-104; Wolter I 244-246; Cambier, L’Évangile, 73-79; Young, Compose; Campbell, Rhetoric, 45-57; ders., Deliverance, 633-35; Schreiber, Weihegeschenk, 90-91. Ex 25,17.20.21; 31,7; 35,12; 38,5.8; Lev 16,13.14.15; Am 9,1; Hes 43,14(2x).17.

376 Römerbrief ———————————————————————————————————— judenchristliche „Tradition“ in diesem Fall nicht nahelegt. 2. Das Argument, προτι' θησθαι und αι«μα hätten unpaulinische Bedeutungen, verlangt von Paulus eine Festlegung auf bestimmte Bedeutungen bestimmter Vokabeln, ein Postulat, das linguistisch unsinnig ist und die auch sprachliche Kreativität des mehrsprachigen, international reisenden und regelmäßig verkündigenden und lehrenden Apostels unterschätzt. Die Behauptung, Paulus rede sonst nicht vom „Blut“ (αι«μα), sondern vom Kreuz (σταυ' ρος), mutet angesichts der Sachlage seltsam an: αι«μα ist bei Paulus fünf Mal belegt (3,24; 5,9; 1Kor 10,15; 11,25.27), σταυ' ρος sieben Mal (1Kor 1,17.18; Gal 5,11; 6,12.14; Phil 2,8; 3,18) – von einer paulinischen und weniger paulinischen Redeweise kann man hier schwerlich reden. 3. Die notwendige Annahme, man müsse für die Rekonstruktion des ursprünglichen Traditionsstücks paulinische Wendungen eliminieren, ist methodisch problematisch und macht das Ergebnis noch hypothetischer. 4. Das Argument mit anderen zitierten Traditionsstücken wird durch neuere Forschungen geschwächt, die z.B. Phil 2,5-11 und Kol 1,12-20 nicht als Hymnen, sondern als gehobene Prosa verständlich machen. Die Annahme, dass Paulus 3,25-26a selbst formuliert haben kann, bleibt eine plausible Möglichkeit.14 Die dicht gedrängten Präpositionalsätze15 entsprechen der komprimierten Kürze des Abschnitts – Paulus erläutert die Sünde der Heiden (15 Verse: 1,18-32) und der Juden (49 Verse: 2,1–3,20) um ein Vielfaches ausführlicher als die Offenbarung der Gerechtigkeit Gottes in Jesus Christus (11 Verse: 3,21-31). Paulus war es als Missionar und als Verkündiger und Lehrer in christlichen Gemeinden gewohnt, zusammenfassend zu formulieren.16 K. Haacker hat wahrscheinlich recht: Die Vermutung eines zitierten Traditionsstücks in Röm 3,25-26a „verdankt sich forschungsgeschichtlich mehr dem Interesse an solchen Traditionsstücken, die womöglich auf die Urgemeinde zurückgehen, als klar in diese Richtung weisenden Indizien“.17

Textkritische Anmerkungen. Codex Alexandrinus liest in V. 22 πι'στεως ε� ν Χριστω ñ, � Ιησουñ , wahrscheinlich um den Genitiv der Lesart πι'στεως � Ιησουñ Χριστουñ eindeutig als gen. obj. zu kennzeichnen (zur Diskussion s. unten zu V. 22).18 B und Marcion lassen � Ιησουñ aus, was zu schlecht bezeugt ist, um als ursprünglich gelten zu können. Statt ει� ς πα' ντας (d40 ‫ *א‬A B C P Ψ 81 104 630 u.a.) lesen einige Zeugen ε� πι` πα' ντας (vgst.ww Pelagius); viele Manuskripte kombinieren zu ει� ς πα' ντας και` ε� πι` πα' ντας (‫א‬2 D F G K L 33 365 1175 Byz; it vgcl sy), eine tautologische Formulierung.19 In V. 25 lesen einige Manuskripte δια` πι'στεως (‫ א‬C* D* F G 0219vid 104 365 1505 u.a.), während andere δια` τηñ ς πι'στεως lesen (d40vid B C3 D2 K L P Ψ 33 81 630 u.a. Byz). ————————————————————

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Moo 220-221 hält es für möglich, dass Paulus in 3,25-26 von einer judenchristlichen Interpretation des Todes Jesu abhängig ist, ohne ein vorformuliertes Traditionsstück zu zitieren. Diese Annahme ist möglich, aber nicht notwendig. Lohse 129 meint, die „schwer befrachteten“ Sätze, „die unter der dicht gedrängten Fülle ihres Inhalts fast zerbrechen“; vgl. Wilckens I 184, der Luther 238 zu 3,25 zitiert: „Textus obscurus et confusus“. Michel 146 spricht vom „proklamatorischen“ Stil des Abschnitts. Campbell, Deliverance, 636 sieht ein Echo der ritualisierten Sprache frühchristlicher Anbetung. Haacker 103. Vgl. Sanday/ Headlam 84; Jewett 268; Porter, Scribe, 416-417. Nicht notiert in NA. Metzger, Textual Commentary, 449.

Die Offenbarung der Gerechtigkeit Gottes im Sühnetod Jesu 3,21-31 377 ————————————————————————————————————

Die Präsenz des Artikels ist früh bezeugt (3. und 4. Jh.), ebenso die Auslassung (‫)א‬. Die absolute Verwendung von δια` τηñ ς πι'στεως in V. 30.31 legt die Lesung des Artikels in V. 25 nahe; andererseits kann der Artikel in V. 25 hinzugefügt worden sein, um die Verbindung zu δια` πι'στεως � Ιησουñ Χριστουñ in V. 22 zu verdeutlichen. Die Korrekturen in C und D und die Präsenz des Artikels im Mehrheitstext deuten nach Jewett darauf hin, dass der Artikel sekundär ist.20 NA26-28 geben den Artikel in Klammern wieder, während frühere Editionen den Artikel strichen. Die Auslassung der Wendung in A und 2127 ist wahrscheinlich ein Schreibfehler.21 Die gut bezeugte Wendung δια` τη` ν πα' ρεσιν wird in 1908 durch die angefügte Formulierung ε� ν τω ñ, νυñ ν αι� ω ñ νι („im gegenwärtigen Äon“) erläutert, und in 1875 in ε� ν τω ñ, νυñ ν καιρω ñ, δια` τηñ ν πω' ρωσιν („in der gegenwärtigen Zeit wegen der Verhärtung“) abgeändert; beides dient wohl der theologischen Klärung. In V. 26 fehlt και' in F G it; Ambst, was wohl der syntaktischen Klärung dient: δικαιουñ ντα ist nicht mehr Prädikatsnomen des AcI, sondern Umstandspartizip, das erklärt, wie Gott gerecht ist.22 Die Lesart � Ιησουñ (‫ א‬A B C 1739 m vgst syh sa bomss) ist gegenüber � Ιησουñ Χριστουñ (629 pc it vgcl syp bo), � Ιησουñ ν (D L Ψ 33 614 u.a.) oder der Auslassung (F G 336 itg) wegen der besseren Bezeugung ursprünglich. Die Hinzufügung von σουñ nach καυ' χησις in V. 27 (F G pc it vgww) will wohl den persönlichen Aspekt des Rühmens betonen.23 In V. 28 ist die Lesart λογιζω' μεθα (K P 1175 2464) statt λογιζο' μεθα wohl ein Schreibfehler. γα' ρ (‫ א‬A D* F G Ψ 81 630 u.a.) ist besser bezeugt als ουò ν (B C D2 33 m).24 Die gut bezeugte Wendung πι'στει α» νθρωπον wird in F G lat durch α» νθρωπον δια` πι'στεως ersetzt, wahrscheinlich um Übereinstimmung mit V. 21-22 zu erzielen.25 In V. 29 wird das gut bezeugte Adverb μο' νον durch den Nom. Sing. μο' νος (D) bzw. durch den Genitiv μο' νων (B 945 1739c pc; Cl) ersetzt, beides schlechter bezeugte Lesarten. In V. 30 wird die gut bezeugte Konj. ει»περ (‫ *א‬A B C D1 6 365 1506 u.a.) durch ε� πει'περ („da ja doch“) ersetzt (‫א‬2 D* F G u.a.), was als stilistische Verbesserung sekundär ist.

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Jewett 268. Anders Porter, Scribe, 413, der erwägt, dass der Abschreiber die Opferterminologie betonen und den Glauben als Mittler hier weglassen wollte. Jewett 268, mit folgenden Übersetzungsvorschlag: „so that he is righteous in setting right the person from faith in Jesus“. Zahn 198 mit Anm. 94 akzeptiert die Lesart als ursprünglich. Anders Jewett 294. Metzger, Textual Commentary, 450. Jewett 294; die folgenden Bewertungen ebd.

378 Römerbrief ————————————————————————————————————

III

21 In der Geschichte der Menschheit, die eine Geschichte sündigender

Menschen ist, die dem Zorn Gottes unentschuldbar ausgeliefert sind (1,18– 3,20), hat ein epochaler Wendepunkt stattgefunden, den Paulus mit jetzt aber (νυνι` δε' ) einführt. Die adverbielle Formulierung ist sowohl zeitlich als auch logisch zu verstehen.26 Die Zeit, in der Heiden und Juden infolge ihrer Ungerechtigkeit unter dem Urteil des Zornes Gottes standen, wurde „jetzt“ abgelöst von der neuen Zeit, in der Heiden und Juden die Gerechtigkeit Gottes erfahren und erhalten. Das „jetzt“ der neuen Offenbarung Gottes wird in V. 26 zeitlich, d.h. heilsgeschichtlich, definiert: „in der jetzigen Zeit“ (ε� ν τω ñ, νυñ ν καιρω ñ, ) ist die Vergebung der Sünden möglich, weil der Tod Jesu die Rechtfertigung und die Erlösung der Sünder (V. 24.25) möglich gemacht hat. In 2Kor 6,2 formuliert Paulus, mit einem Zitat von Jes 49,8: „Denn es heißt: Zur Zeit der Gnade erhöre ich dich, am Tag der Rettung helfe ich dir. Jetzt ist sie da, die Zeit der Gnade; jetzt ist er da, der Tag der Rettung“ (EÜ). Paulus greift die biblisch-jüdische und urchristliche Vorstellung eines neuen Äons auf, der den alten Äon ablöst, und begreift den Kreuzestod (und die Auferstehung) Jesu als epochale Wende.27 Jesus hat sich für die Sünden der Menschen hingegeben, „dass er uns errette von dieser gegenwärtigen, bösen Welt nach dem Willen Gottes, unseres Vaters“ (Gal 1,4). Das eschatologische „jetzt“ wird nach 3,21 in 3,26; 5,9-11; 6,21; 7,6; 8,1; 11,30-31; 13,11 aufgegriffen. Das „aber“ der messianischen Offenbarung Gottes (1,3-4) unterstreicht den Gegensatz zwischen der Offenbarung des Zornes Gottes (1,18) und der „jetzt“ mit dem Kommen Jesu Christi Wirklichkeit geworde————————————————————

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So die meisten Kommentatoren; vgl. Woyke, Einst und Jetzt, 185-186. Für eine rein zeitliche Interpretation plädierten De Wette 42; Meyer 81; Godet 162; Zahn 172. Zur Verwendung des Ausdrucks in LXX, Philo, Josephus und NT s. Woyke, ebd. 188-196, der folgende Bedeutungsmöglichenkeiten von νυνι` δε' beschreibt: „Im temporalen Schema der Zuordnung von Vergangenheit und Gegenwart … erhält νυνι` δε' / νυñ ν δε' die Bedeutung ‚jetzt aber‘ oder ‚gegenwärtig aber‘, bei der logischen Gegenüberstellung von fiktivem und realem Sachverhalt … hingegen den Sinn ‚tatsächlich aber‘ oder ‚in Wahrheit aber‘. Die sekundären Aspekte betreffen die sachliche Zuordnung des durch νυñ ν δε' / νυνι` δε' eingeleiteten Satzes zum Vorangegangenen; hier kann der νυνι` δε' -Satz der vorangegangenen Aussage widersprechen (adversativ), sie vervollständigen (komplementär) oder steigern (komparativ)“ (188-189). Die zeitliche Abfolge von „einst“ (πο' τε) – „jetzt“ (νυñ ν) spielt in Röm 11,30; Kol 1,2122; 3,7-8; Eph 2,1-10; 5,8 eine zentrale Rolle; vgl. 1Kor 6,11; 2Kor 5,16-17; Gal 4,8-9; 1Petr 2,9-10. Paulus verweist weder in Röm 3,21 noch in 1,18–3,20 explizit auf ein πο' τε, das jedoch angesichts von 3,24-25 und der messianischen Definition des Evangeliums in 1,3-4 vorausgesetzt werden kann: Für Juden markiert das Kommen des Messias die epochale Wende der (Heils-)Geschichte; s. die Argumentation in 5,12-21; 7,9-11 u.a.

Die Offenbarung der Gerechtigkeit Gottes im Sühnetod Jesu 3,21-31 379 ————————————————————————————————————

nen Offenbarung der Gerechtigkeit Gottes (Erläuterung von 1,17).28 Der Gegensatz zwischen der Offenbarung der Gerechtigkeit Gottes (3,21–5,21) zur Offenbarung des Zornes Gottes (1,18–3,20) ist ein Gegensatz, der das, was er negiert, in sich aufhebt. Während sich nach jüdischem Denken der Zorn Gottes und die Gerechtigkeit Gottes an verschiedenen Menschengruppen auswirkt – der Zorn Gottes trifft die Ungerechten, die Gerechtigkeit Gottes wirkt sich an den Gerechten aus –, beschreibt Paulus den Gegensatz so, dass sich die Gerechtigkeit Gottes an genau den Ungerechten auswirkt, die unter dem Zorn Gottes standen.29 Die Rechtfertigung, von der Paulus spricht (3,22.24.25.26), ist die Rechtfertigung der Sünder (3,23), d.h. der Gottlosen (4,5; 5,6). Die Offenbarung von Gottes Gerechtigkeit „jetzt“ geschah unabhängig vom Gesetz (χωρι`ς νο' μου), d.h., außerhalb des Wirkungskreises des Gesetzes, das durch die Sündopfer zwar individuelle und familiäre Sünden vergeben konnte,30 das Sündenproblem aber nur punktuell und nicht prinzipiell beseitigte, und Heiden schon gar nicht helfen konnte.31 Dies ist das erste Element der Erläuterung der Offenbarung der Gerechtigkeit Gottes, die im ————————————————————

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Woyke, Einst und Jetzt, 196-205, will eine ausschließlich rhetorische Funktion von νυνι` δε' nachweisen: Die Wendung markiert „einerseits die erläuternde Affirmation der Hauptthese von Röm 1,17“ und signalisiert „andererseits die Einführung eines die Argumentation von Röm 1,18–3,20 entscheidend durchbrechenden, neuen Aspekt [sic] (Progression)“ (206). Er gesteht mit Hinweis auf Röm 5,12-14; 7,9-11; Gal 3,23-25; 4,1-7; Röm 8,18ff zu, dass Paulus „heilsgeschichtlich-epochale Kategorien bei der Beschreibung des Verhältnisses von Gesetz und Sünde … bzw. von Gesetz und Glaube“ verwendet und dass es sachliche Anklänge an das Zwei-Äonen-Schema“ bei Paulus gibt, will diese Texte aus methodischen Gründen jedoch nicht als Denkvoraussetzungen in die Interpretation von Röm 3,21 eintragen. Diese methodische Rigorosität ignoriert die Grundkonstante der paulinischen Überzeugung, dass Jesus der Messias Israels ist. Wilckens I 185. Das bedeutet auch, dass eine Interpretation im Sinn eines logischen Gegensatzes zwischen der Gerechtigkeit Gottes und dem Zorn Gottes nicht so verstanden werden darf, als ob das Gericht nach Werken lediglich hypotetischen Wert hat oder das Gericht nach den Werken obsolet wurde. Paulus hält an der Erwartung des Endgerichts „auch im Rahmen seines Evangeliums fest (Röm 2,16; vgl. 1Kor 3,12-15; 4,5; 2Kor 5,10)“ (Woyke, Einst und Jetzt, 199). Die Bestimmung νυνι` δε' kann im Zusammenhang der im Hauptsatz genannten Offenbarung der Gerechtigkeit Gottes, die unabhängig vom Gesetz erfolgt (χωρι`ς νο' μου), so verstanden werden, dass es in der Zeit ante Christum crucifixum „im Gesetz“ eine Gerechtigkeit gab, die es „jetzt“ nicht mehr gibt. Zur Diskussion, ob χωρι`ς νο' μου mit dem Verb (πεφανε' ρωται) oder dem Subjekt (δικαιοσυ' νη θεουñ ) zu verbinden ist, s. Zahn 172; Cranfield I 201; Jewett 273-274; Wolter I 246. Wenn man die Wendung syntaktisch mit dem Verb verbindet und z.B. betont, dass es um die Methode geht, die Gott für seine Selbstoffenbarung gewählt hat (Jewett 274), darf man angesichts der Aussage 3,20 nicht ausschließen, dass Paulus gleichzeitig von der „Methode“ der Rechtfertigung spricht: „jetzt aber“ rechtfertigt Gott nicht durch das Gesetz, sondern durch den Sühnetod Jesu (3,25).

380 Römerbrief ————————————————————————————————————

Evangelium verkündigt wird. Paulus wiederholt, was durch seine Aussage in V. 20 als Prämisse impliziert war: Juden können durch Werke des Gesetzes (ε» ργων νο' μου) im zukünftigen Zorngericht nicht gerecht werden. In der Zeit ante Christum crucifixum kommt durch das Gesetz (δια` νο' μου) Erkenntnis der Sünde, nicht die Vergebung der Sünde. Wenn das Tun der vom Gesetz geforderten Werke dem sündigenden Menschen im Endgericht keine Gerechtigkeit verschafft, weil das mosaische Gesetz die Sünde nicht prinzipiell beseitigen kann, müssen Sünder außerhalb des Geltungsbereichs des Gesetzes gerechtfertigt werden, wenn es überhaupt Erlösung und Heil geben kann. Das Gesetz hat nicht die Kraft, die Macht der Sünde, die dem Sünder das Todesurteil zuspricht, aufzuheben (8,3). Gottes Heil schaffende Gerechtigkeit kann die Sünde von Sündern nur dann vergeben, wenn deren Verurteilung durch das Gesetz aufgehoben wird.32 Paulus betont, dass genau dies im Sühnetod Jesu geschehen ist (3,25-26).33 Die Verkündigung der Heil schaffenden Gerechtigkeit Gottes ist „Evangelium“ (ευ� αγγε' λιον; s. zu 1,1), weil sie „Neues“ zu berichten hat: Juden werden unabhängig von Gesetz gerecht, und Heiden, die das Gesetz nie hatten, können jetzt ebenfalls Gerechtigkeit erlangen. Das Verb (πεφανε' ρωται) des Hauptsatzes Gottes Gerechtigkeit ist offenbar geworden verweist auf Gott als Urheber der Offenbarung der Gerechtigkeit (Passiv) und beschreibt einen erreichten Zustand, das Ergebnis eines Geschehens (Perfekt), konkretisiert in V. 25-26 im Sinn des Sühnetodes Jesu, durch den Gottes Gerechtigkeit den Sündern zuteilwird.34 Der Offenbarung des Zornes Gottes (α� ποκαλυ' πτεται ο� ργη` θεουñ ; 1,18) steht die Offenbarung der Gerechtigkeit Gottes (δικαιοσυ' νη θεουñ α� ποκαλυ' πτεται; 1,17) im Evangelium von Jesus, dem Sohn Gottes und Messias Israels (1,34), gegenüber. Die Ersetzung des Präsens (α� ποκαλυ' πτεται; 1,17) durch ein Perfekt (πεφανε' ρωται) betont den Kreuzestod Jesu als das konkrete Ereignis der Vergangenheit, „das die Gegenwart durch seine verwandelnde und erneuernde Kraft qualifiziert“.35 Im Kontext von 1,18–3,20 geht es bei der ————————————————————

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Wilckens I 186: „Die Ausschaltung des Gesetzes bedeutet nicht seine Umgehung … Vielmehr wird die Gottesgerechtigkeit eben dort wirksam, wo das Gesetz den Sünder verflucht. Sie hebt diesen Fluch auf“. Michel 148: „Vielleicht darf man sogar schon an Christus als τε' λος νο' μου (Röm 10,4) erinnern“. Vgl. Lohse 130. Woyke, Einst und Jetzt, 198, verlangt „zusätzliche, eindeutige Indizien eines temporalen Schemas“, um νυνι` δε' „im Sinne einer historischen Fixierung des Geschehens auf einen Zeitpunkt oder -raum hin“ zu verstehen. Der in V. 25 in seiner Wirkung erläuterte Kreuzestod Jesu sollte als Indiz für eine „historische Fixierung“ ausreichen. Lohse 130. Vgl. Käsemann 87: „Paulinische Eschatologie hebt also Geschichtlichkeit und Geschichte nicht auf“.

Die Offenbarung der Gerechtigkeit Gottes im Sühnetod Jesu 3,21-31 381 ————————————————————————————————————

Offenbarung der Gerechtigkeit Gottes um die Aufhebung des Gotteszorns (1,18), der Heiden (1,19-31) und Juden (2,1–3,20) im Endgericht als Ungerechte trifft, und das heißt um die Sünde der Sünder, die allesamt die Herrlichkeit Gottes, in der sie ursprünglich erschaffen wurden, verloren haben (3,23). Die Gerechtigkeit Gottes schafft Gerechtigkeit, wo Ungerechtigkeit herrscht, Heil, wo Unheil regiert. Das mit der Offenbarung der Gerechtigkeit Gottes erwirkte und ermöglichte Heil für Heiden und Juden ist Wirklichkeit in einer Welt, für die der Zorn Gottes weiterhin richtende Gültigkeit besitzt, wenn und wo die Menschen sich dem Glauben an Gottes Heilsoffenbarung in Jesus Christus verweigern und in Ungerechtigkeit verharren. Zum Ausdruck „Gerechtigkeit Gottes“ s. zu 1,17. Das zweite Element der Erläuterung betont die Autorität der Verkündigung von der neuen Offenbarung der Gerechtigkeit Gottes. Der Satz bezeugt vom Gesetz und den Propheten betont, dass das von Paulus verkündigte Evangelium der von Gott geoffenbarten Schrift entspricht und somit autoritative Gültigkeit beanspruchen kann. Paulus setzt das Gesetz nicht außer Kraft (3,31). Die Schrift, auf die mit den Hauptteilen „Gesetz und Propheten“ (νο' μος και` προφη' ται) verwiesen wird,36 bezeugt die Wahrheit des Evangeliums von der Offenbarung der Gerechtigkeit Gottes, die „unabhängig vom Gesetz“ erfolgt ist. Ob Paulus mit dem Verb (μαρτυρουμε' νη) auf die juristische Notwendigkeit von zwei Zeugen (Deut 19,15) verweist,37 ist angesichts der formelhaften Wendung nicht eindeutig. Klar ist: Das Gesetz wird von Paulus nicht auf seine Funktion als Ankläger (2,12; 3,20) reduziert. Es ist und bleibt autoritative (wenn auch transformierte, s. zu 8,2) Stimme der Offenbarung Gottes.38 Die Offenbarung der Gerechtigkeit Gottes im Tod des Messias Jesu ereignet sich zwar in „Israel“ (Röm 9,4-5) und deshalb in dem Raum, in dem das Gesetz gilt, aber sie ist nicht an Werke des Gesetzes gebunden, im Gegenteil: Als Jesus am Kreuz starb, galt er als ein nach der Schrift Verfluchter (Gal 3,13; Deut 21,23). Aber das Gesetz ist nicht gegen die Verheißungen (Gal 3,21). Es ist und bleibt heilig (Röm 7,12). Es zeugt, zusammen mit der Schrift insgesamt, von der Offen————————————————————

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Für die Wendung ο� νο' μος και`/η� οι� προφηñ ται s. Mt 5,17; 7,12; 22,40; Lk 16,16; 24,44; Joh 1,45; Apg 13,15; 24,14; 28,23; für οι� προφηñ ται και` ο� νο' μος s. Mt 11,13. Vgl. Prolog zu Sir; 2Makk 15,9; 4Makk 18,10; 1QS I, 3; VIII, 15-16; CD V, 21–VI,1; 4Q504 1-2 III, 12-13. Bei Paulus kommt der Doppelausdruck als Bezeichnung der heiligen Schriften Israels nur hier vor. Er zitierte in 3,18 Texte aus den Psalmen (die sonst zum dritten Teil der Schrift gerechnet werden) als Stimme des Gesetzes. Wilckens I 186; kritisch Moo 223 Anm. 21. Wenn Lohse 130 schreibt: „Er will betonen, dass die Schriften nur im engen Bezug auf das Christuskerygma … in ihrer rechten Bedeutung begriffen werden“, so ist das hermeneutisch richtig, aber in V. 21 nicht angezeigt.

382 Römerbrief ————————————————————————————————————

barung der Gerechtigkeit Gottes, von der im Evangelium die Rede ist. Paulus betont mit der urchristlichen Tradition, dass Leben, Tod und Auferstehung Jesu Christi die Erfüllung von Prophezeiungen der Schrift ist (Röm 1,2; 4,1-25).39 Im unmittelbaren Kontext liegt der Schwerpunkt auf der Schrift als Zeuge des Evangeliums, konkret der Botschaft von der Rechtfertigung des Gottlosen durch den Sühnetod Jesu.40 In 1,17 zitiert Paulus Hab 2,4; in 4,1-8 zitiert er Gen 15,6 und interpretiert die Stelle im Licht von Gen 12,1-4 und Ps 32,1-2. Paulus könnte an Jesajatexte denken, die von der Gerechtigkeit Gottes handeln (Jes 46,13; 51,5-8). Was den Tod Jesu betrifft, könnte Paulus an Jes 53,3 und Ps 118,22 denken; auch Ps 22,1.7.15.18; 69,9.17.21 konnten in diesem Sinn interpretiert werden. In Apg 2,25.34 zitiert Petrus Ps 16,8-11; 110,1; in Apg 2,13 identifiziert er Jesus als Gottesknecht, den Gott erhöht hat, und der nach Jes 52,13–53,12 leidet und stirbt. Die Prophezeiungen in Sach 12,10; 13,7 wurden auf Jesus bezogen;41 Jer 11,19; Dan 9,26 konnten als Prophezeiungen des Leidens und Sterbens des Messias verstanden werden. 22 Paulus greift mit Gottes Gerechtigkeit (δικαιοσυ' νη θεουñ ) das Subjekt von V. 21 auf, um mit der Wiederholung eines der zentralen Begriffe der Definition des Evangeliums in 1,16-17 dessen fundamentale Bedeutung für die weitere Erläuterung42 des Evangeliums von der neuen Offenbarung Gottes herauszustreichen. Der Genitiv (θεουñ ) ist gen. auctoris:43 Es geht um die von Gott im Sühnetod Jesu (V. 25) erwirkte Gerechtigkeit des Sünders. Paulus verkündigt im Evangelium das rechtfertigende Handeln Gottes, infolge dessen Sünder im Endgericht als Gerechte vor Gott stehen können. Das dritte Element erläutert die Vermittlung der Gerechtigkeit Gottes: durch den Glauben an Jesus den Messias (δια` πι'στεως � Ιησουñ Χριστουñ ). ————————————————————

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Vgl. die Berufungen auf das Gesetz in Röm 7,1; 1Kor 9,8-9; 14,21.34; Gal 4,21-21. Vgl. Lk 18,31; 24,25.44; Apg 3,18; 8,34-35; 10,43; 13,27; 26,27; 1Petr 1,10-12; Hebr 1,1-2; s. die Reflexionszitate Mt 1,23; 2,6.15.18.23; 4,15-16; 8,17; 12,18-21; 13,14-15.35; 21,5; 27,9-10. Vgl. Koch, Schrift, 344; Koch, Bezeugt. Cf. Lk 21,27; Apg 1,7; Mt 24,30; 26,31; Mk 14,27; Joh 16,32; 19,37. δε' ist erklärend („und zwar“); Bauer / Aland s.v. δε' 2; BDR §447.1c; HvS §252,12b (kopulatives, satzverbindendes δε' kann unübersetzt bleiben). Elb.Ü und L übersetzen mit „aber“, was nicht im adversativen Sinn verstanden werden sollte. Der Ton liegt auf dem Heilshandeln Gottes, nicht auf dem Menschen, der von Gott Gerechtigkeit verliehen bekommt (gen. subjectivus). Vgl. Lohse 130: „nur so wird die Verbindung von Gottes rechtfertigendem Handeln zu δια` πι' στεως � Ιησουñ Χριστουñ deutlich“. Anders Cranfield I 202; Wilckens I 187 u.a., die als gen. subj. interpretieren; wenn Wilckens ebd. betont, dass „von einem Handeln Gottes die Rede“ ist, so schließt eine Interpretation als gen. auct. dies ja gerade nicht aus.

Die Offenbarung der Gerechtigkeit Gottes im Sühnetod Jesu 3,21-31 383 ————————————————————————————————————

Der Genitiv (� Ιησουñ Χριστουñ ) ist gen. objectivus: Es geht um den Glauben des Sünders, der bekennt, dass Jesus der Messias ist. Seit der Studie von J. Haußleitner wird, vor allem im angelsächsischen Raum, die Erklärung angeboten, πι' στις � Ιησουñ Χριστουñ [pistis Iēsou Christou] spreche nicht vom Glauben an Jesus Christus (gen. objectivus), sondern vom Glauben Jesu bzw. der Treue Jesu (gen. subjectivus).44 Sprachlich ist dieses Verständnis möglich: In 4,12.16 bezeichnet πι' στις ’Αβραα' μ nicht den Glauben an Abraham, sondern den Glauben, den Abraham hatte. Theologisch ist diese Interpretation attraktiv: Sie betont die Treue Jesu, seinen Gehorsam gegenüber Gott und dem ihm gegebenen Auftrag; sie unterstreicht das Handeln des Gottes Israels als die entscheidende Wirklichkeit für die Ermöglichung des Heils; sie steht der (Fehl-)Interpretation entgegen, als ob eine bestimmte (glaubende) Haltung des Sünders ausschlaggebend für die Rechtfertigung ist.45 Als Interpretation der Formulierung πι' στις � Ιησουñ Χριστουñ (Gal 2,16; 3,22; Röm 3,22.26; Phil 3,9) ist jedoch ein Verständnis im Sinn eines gen. objectivus überzeugender.46 Folgende Argumente sind entscheidend. 1. Paulus spricht an keiner Stelle von Jesus als Subjekt von πιστευ' ειν, noch verwendet er das Adjektiv πιστο' ς („treu“) für Jesus. 2. In Röm 10,11 wird das Heil mit allen verbunden, für die gilt: παñ ς ο� πιστευ' ων ε� π’ αυ� τω ñ, , d.h., auf den Glauben an Jesus Christus. 3. Grundlegend für Paulus ist Hab 2,4 (Röm 1,17; Gal 3,11): Die dort vorkommende Wendung ε� κ πι' στεως wird von Paulus 21 Mal verwendet,47 um bestimmte Menschen (oder Haltung) zu definieren bzw. identifizieren, oft im Gegensatz zu ε� κ νο' μου.48 Nach Gal 3,6-9 und Röm 4,3-24 werden Jesusbekenner im Hinblick auf den Glauben Abrahams definiert: Sie sind Abrahams Söhne, weil sie glauben, wie Abraham geglaubt hat, d.h., ε� κ πι' στεως beschreibt den Glauben der Christen an Jesus. 4. In Gal 2,16 wird δια` πι' στεως � Ιησουñ Χριστουñ durch die Wendung η� μειñς ει� ς Χριστο` ν � Ιησουñ ν ε� πιστευ' σαμεν erklärt; vgl. Gal 3,26: δια` τηñ ς πι' στεως ε� ν Χριστω ñ, � Ιησουñ . 5. Die Wendung η� ε� κ πι' στεως δικαιοσυ' νη in Röm 10,6 wird in 10,8.9.10.11.14.16 erläutert, wobei sich πι' στις ————————————————————

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Haußleitner, Glaube Jesu Christi, 109-145; Haußleitner, Glaube; Kittel, πι' στις � Ιησουñ Χριστουñ ; Howard, Notes; Hays, Faith; Hooker, ΠΙΣΤΙΣ ΧΡΙΣΤΟΥ; Vanhoye, Πι' στις Χριστουñ ; Campbell, Faithfulness; Schumacher, Entstehung, 304-474; Wright, Paul, 839; Kommentare: Keck 104-105.110; Johnson 85-61; Wright 470; Übersetzungen: NGÜ Anm. („die Treue Jesu Christi“); NET („through the faithfulness of Jesus Christ“); NRSV Anm. („through the faith of Jesus Christ“); Bird/Whitenton, Faithfulness (mit Kritik von Lambrecht, Text from Origen). S. die Diskussion in Ulrichs, Christusglaube, 1-70; Bird/Sprinkle, Faith of Jesus Christ, passim. Hultgren 656, der für gen. subj. plädiert; Dunn, in Bird/Sprinkle, Faith of Jesus Christ, xvi, der unterstreicht, dass die narrativen Elemente des paulinischen Denkens wichtig sind, ohne dass sie die Interpretation von πι' στις Χριστουñ bestimmen müssen. Siehe besonders Matlock, Detheologizing; Matlock, Rhetoric; Dunn, ΕΚ ΠΙΣΤΕΩΣ; Watson, By Faith; Matlock, Saving Faith; Ulrichs, Christusglaube; Hultgren 623-661. Vgl. Cranfield I 203; Dunn I 166-167; Fitzmyer 345-356; Moo 224-225; Schreiner 181186; Penna 241-244; Jewett 276-278; Haacker 99-100; vgl. Wolter I 250, der allerdings einen gen. qualitatis für plausibler hält, weil mit „Jesus Christus“ das vom Glauben als Gottes Heilshandeln gedeutete Christusgeschehen gemeint ist. Schließer, Abraham’s Faith, 257-280, will beide Aspekte zusammenhalten, mit Berufung auf Stuhlmacher, Gerechtigkeit Gottes, 81. Röm 1,17(2x); 3,26.30; 4,16(2x); 5,1; 9,30.32; 10,6; 14,23(2x); Gal 2,16; 3,7.8.9.11.12. 22.24; 5,5. Röm 4,14.16; 10,5; Gal 2,16; 3,10.18; Phil 3,9; vgl. Röm 9,32.

384 Römerbrief ———————————————————————————————————— und πιστευ' ω abwechseln, gipfelnd im dem Satz in 10,17: „Der Glaube kommt aus dem Hören“ (η� πι' στις ε� ξ α� κοηñ ς), wobei πι' στις als Vermittlung des Heils eindeutig das Glauben der Jesusbekenner meint. 6. Die Interpretation im Sinne eines gen. subj. verlangt von den Lesern, dass sie als Objekt von πι' στις „Gott“ ergänzen und als sinngebenden Kontext die Beziehung zwischen dem Glauben bzw. der Treue Jesu und seinem Tod am Kreuz eintragen und mit ihrem eigenen Glauben korrelieren. Paulus gibt seinen Lesern weder in Röm 3,22 noch an anderen Stellen den geringsten Hinweis darauf, dass diese Zusammenhänge eine sinnentscheidende Rolle spielen. 7. Das Verständnis von πι' στις � Ιησουñ Χριστουñ im Sinn des Glaubens an Jesus Christus erlaubt es, die paulinischen Stellen, in denen von πι' στις die Rede ist, in konsistenter Weise zu interpretieren. Die Interpretation als gen. objectivus ist theologisch nicht so zu interpretieren, als ob der Sünder durch eine bestimmte kognitive Einstellung bzw. durch konfessionelle Orthodoxie gerettet würde.49 Die Betonung des Handelns Gottes und der sühnenden Wirksamkeit des Kreuzestodes Jesu sollte nicht gegen den Glauben als aktive Akzeptanz des Evangeliums und Gehorsam gegenüber dem in und durch Jesus Christus offenbarten Willen Gottes ausgespielt werden. U. Wilckens wehrt dem Missverständnis, den Glauben, der die Gerechtigkeit Gottes vermittelt, als vom Menschen geforderte Haltung zu verstehen, die Gott mit dem Heil belohnt: „Nicht also ist mit πι' στις hier eine bestimmte Haltung des Menschen gemeint, durch die er Gerechtigkeit erlangt, ‚der dankbare Gehorsam der Beschenkten‘, sondern der Heilsglaube an Gott, der sich jetzt nicht auf seine Gerechtigkeit im Gesetz, sondern im Tode Jesu Christi richtet. Im Glauben an ihn dürfen Sünder an Gott teilhaben, was das Gesetz ihnen Rechtens bestritt.“50 F. Watson schreibt: „Es gibt keinen Grund für die Annahme, dass ein Fokus auf ‚unseren‘ Glauben anstatt auf den Glauben Christi unweigerlich in eine theologische Katastrophe führt. Es geht um den Glauben, der seinen Ursprung und seinen Inhalt in Gottes versöhnendem Handeln im fleischgewordenen, gekreuzigten und auferstandenen Jesus hat – ein Handeln, dessen Geltungsbereich durch die Vermittlung des Heiligen Geistes im verkündigten Wort und in der durch das Wort hervorgerufenen gemeinschaftlichen und individuellen Anerkennung zu uns gelangt. Der Glaube ist keine ‚Bedingung‘ des Heils. Er ist nicht eine rein mentale Haltung. Er ist kein Zufluchtsort für das einsame Individuum. Er hat mit der menschlichen Partizipation zu tun, auf die das göttliche Versöhnungshandeln zielte, das sein Objekt nicht zur Passivität reduziert, sondern sie (die Menschen als Handelnde und als Subjekte innerhalb des übergreifenden, alles umfassenden Raums der Gnade neu konstituiert.“51

Die Offenbarung der Gerechtigkeit Gottes wird vermittelt (δια' ) durch den Glauben an Jesus, den Messias Israels. Der Glaube wird nicht vom Sünder als zu erbringendes „Werk“ gefordert, wie δωρεα' ν V. 24a klärt: Wenn die Rechtfertigung des Sünders das Resultat von Gottes Handeln und damit Gottes Geschenk ist, dann trifft das auch auf den Glauben zu. Der Charakter ————————————————————

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Hays, Πι' στις and Pauline Christology, 293, als zentrales Anliegen seiner Interpretation von πι' στις � Ιησουñ Χριστουñ im Sinn der Treue Jesu als Gehorsam gegenüber Gottes Willen: „we are saved by Jesus’ faithfulness, not by our own cognitive disposition or confessional orthodoxy“. Seifrid, Faith of Christ, 142 der die Interpretation im Sinn eines gen. subjectivus als theologisch problematisch ablehnt, plädiert für einen gen. auctoris: „the faith which comes from Jesus Christ“. Wilckens I 188, mit Zitat von Klein, Gottes Gerechtigkeit, 236. Watson, By Faith, 163, als Argument gegen den Anspruch, die Interpretation von πι' στις � Ιησουñ Χριστουñ als gen. subj. sei theologisch der Interpretation als gen. obj. überlegen.

Die Offenbarung der Gerechtigkeit Gottes im Sühnetod Jesu 3,21-31 385 ————————————————————————————————————

des Glaubens als Geschenk Gottes erhellt aus der Tatsache, dass weder Griechen noch Juden die hermeneutischen Voraussetzungen haben, um an Jesus als den gekreuzigten Messias und Retter glauben zu können (1Kor 1,22-23). Der den Sünder mit der heilschaffenden Gerechtigkeit verbindende Glaube wird Realität als Resultat der Macht Gottes (1Kor 1,18.24; 2,4-5). Jesus Christus ist der Inhalt des Glaubens, zu dem in der Verkündigung des Evangeliums aufgerufen wird, weil er der gekreuzigte, auferstandene und erhöhte Sohn Gottes ist, dem die Glaubenden Gehorsam schulden (1,4.5). Das vierte Deutungselement beschreibt den Geltungsbereich der Heil schaffenden Gerechtigkeit Gottes: für alle Glaubenden (ει� ς πα' ντας του` ς πιστευ' οντας). Die Wendung ist nach dem vorausgehenden Hinweis auf den „Glauben an Jesus Christus“ redundante Formulierung, sondern auf dem Hintergrund des Arguments 1,18–3,20 notwendige Erläuterung der universalen Reichweite der in Jesus offenbarten Gerechtigkeit Gottes. Das nominalisierte Partizip Präsens (οι� πιστευ' ονται) unterstreicht einerseits die Notwendigkeit des aktiven Glaubens an Jesus Christus seitens der Sünder, andererseits die durative Wirklichkeit des fortdauernden Glaubens. Der Satz denn es gibt keinen Unterschied (ου� γα' ρ ε� στιν διαστολη' ) erläutert das Wort „alle“ (πα' ντας): Was die Heil schaffende Offenbarung Gottes in Jesus Christus betrifft, gibt es keinen Unterschied zwischen Juden und Griechen (so explizit 10,12).52 Weil Juden wie Griechen „alle unter der Herrschaft der Sünde“ (πα' ντας υ� φ’ α� μαρτι'αν; 3,9) und somit alle Menschen dem Zorn Gottes ausgeliefert sind (1,18),53 ist die Heil schaffende Gerechtigkeit Gottes für „alle“ (πα' ντας) wirksam, die an Jesus Christus glauben. Die gilt für Griechen, für die der Glaube an einen gekreuzigten Retter eine Absurdität ist, und für Juden, die die Vorstellung von einem gekreuzigten Messias für eine Beleidigung Gottes halten (1Kor 1,23). Aus der universalen Reichweite der jetzt offenbarten Heil schaffenden Gerechtigkeit Gottes ergibt sich die ethnische und kulturelle Vielfalt innerhalb des neuen Gottesvolkes der Jesusbekenner, zu dem alle Sünder gehören, die an Jesus Christus glauben – Juden und Heiden, Griechen und Barbaren, Gebildete und Ungebildete (1,14-16). Die im mosaischen Gesetz verankerten Schran————————————————————

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K. H. Rengstorf, διαστολη' , ThWNT VII, 593: „Der in der Begabung Israels mit Erwählung und Willensoffenbarung Gottes am Sinai gesetzte Unterschied zwischen Israel und den Völkern ist durch das Gottesgeschehen mit Christus aufgehoben und damit der von der alttestamentlichen Gemeinde als unabänderlich angesehene Sonderstatus des Judentums beseitigt.“ Die letzte Aussage ist im Licht von 9,1-5 differenzierter zu formulieren. In Ex 8,23[19] LXX ist von einer διαστολη' zwischen Israel und den Ägyptern die Rede: „Und ich werde einen Unterschied machen zwischen meinem Volk und deinem Volk.“ Von „allen Menschen“ ist in 1,18 nur implizit die Rede; pace Wilckens I 188.

386 Römerbrief ————————————————————————————————————

ken, die Israel von den Völkern und Juden von Heiden trennten, sind aufgehoben, weil angesichts der Heilsoffenbarung Gottes im Messias Jesus nicht nur die Heiden, sondern auch die Juden dem Zorn Gottes im Endgericht hilflos ausgeliefert sind, wenn sie nicht an Jesus glauben. Aus der ethnischen und kulturellen Dualität ist eine im eigentlichen Sinn theologische Dualität geworden: Auf der einen Seite sind die Menschen, die im Ungehorsam gegenüber der Heil schaffenden Offenbarung Gottes in Jesus Christus verharren; auf der anderen Seite sind die Menschen, die von Gottes Heil schaffender Offenbarung ergriffen sind und an Jesus glauben, den gekreuzigten und auferstandenen messianischen Gottessohn. Die Unterschiedslosigkeit der Sünder und die universale Notwendigkeit, die Heil schaffende Offenbarung der Gerechtigkeit Gottes im Glauben an Jesus Christus anzunehmen, wird in den nächsten beiden Versen erläutert (s. den Anschluss in V. 23 mit γα' ρ). 23 Das fünfte Element der Erklärung beschreibt den Wirkungsbereich der Heil schaffenden Offenbarung Gottes in Jesus Christus: denn alle haben gesündigt (πα' ντες γα` ρ η« μαρτον). Der Ort, an dem Gottes Gerechtigkeit Wirklichkeit wird, ist die Sünde aller Menschen. Die Menschen werden nicht als Glaubende gerettet, sondern als Sünder. Der Aorist des Verbs unterstreicht den Tatcharakter der Sünde. Das Wort „alle“ (πα' ντες) greift die in V. 22 erwähnte Unterschiedslosigkeit von Juden und Heiden im Blick auf die Notwendigkeit des Glaubens an Jesus Christus auf, auf dem Hintergrund des Nachweises der Wirklichkeit sündigen Verhaltens von Heiden (1,18-32) und Juden (2,1–3,20).54 In 5,12 wird Paulus betonen, dass sich die Rebellion Adams in jedem einzelnen Menschenleben fortsetzt und verwirklicht, was sich an der durch die Generationen schreitenden Realität des Todes zeigt. Deshalb gilt gleichzeitig, dass auch die Jesusbekenner in der römischen Gemeinde sind, die von Paulus an die Tatsache erinnert werden, dass sie gesündigt haben.55 Die sechste Formulierung betont die Notwendigkeit der Heil schaffenden Offenbarung Gottes: (alle) entbehren der Herrlichkeit Gottes. Die Vorstellung der „Herrlichkeit Gottes“ (δο' ξα τουñ θεουñ ) ist im Alten Testament mit der realen, obschon verhüllten Anwesenheit Gottes auf dem Berg Sinai verbunden, um dem Volk Israel sich selbst und seinen Willen zu offenbaren; ————————————————————

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Vgl. das „alle“ in 3,4.9.12.19.20. Die Unterschiedslosigkeit von Juden und Heiden gilt für die Wirklichkeit der Sünde, nicht für die Wirklichkeit der heilsgeschichtlichen Offenbarung Gottes, wie 3,1-2; 9,1-5 zeigt. Vgl. Jewett 279, der betont, dass der Satz gerade auch für die stadtrömischen Christen, die in einer Kultur leben, in der die Begriffe Scham und Ehre eine zentrale Rolle spielen, „all claims of honorable superiority“ eliminiert.

Die Offenbarung der Gerechtigkeit Gottes im Sühnetod Jesu 3,21-31 387 ————————————————————————————————————

Ex 24,16 LXX: „Und die Herrlichkeit Gottes (η� δο' ξα τουñ θεουñ ) stieg herab auf den Berg, den Sinai, und die Wolke verhüllte ihn sechs Tage lang. Und der Herr rief nach Mose am siebten Tag mitten aus der Wolke“ (LXX.D; vgl. Ex 20,18-20). In den Propheten verweist der Ausdruck „Herrlichkeit Gottes“ ebenso auf die sichtbare Manifestation des sich offenbarenden Gottes, einer Wirklichkeit, angesichts derer die Menschen ihrer Schwachheit, Kreatürlichkeit und Sündhaftigkeit bewusst werden. Siehe Jes 6,1.3 LXX: „Und es geschah in dem Jahr, in dem der König Ozias starb, (da) sah ich den Herrn sitzen auf einem hohen und erhöhten Thron und das Haus war voll seiner Herrlichkeit (τηñ ς δο' ξης αυ� τουñ ) … Und sie riefen, einer zum anderen, und sagten: ‚Heilig, heilig, heilig ist der Herr Sabaoth, die ganze Erde ist voll seiner Herrlichkeit‘ (πλη' ρης παñ σα η� γηñ τηñ ς δο' ξης αυ� τουñ )“; vgl. Hes 2,1 LXX; 3,12.23; 8,4. Das mit „entbehren“ übersetzte Verb (υ� στερουñ νται),56 das den Verlust der Herrlichkeit Gottes beschreibt, spielt mit großer Wahrscheinlichkeit auf den Sündenfall Adams an, der als im Ebenbild Gottes Geschaffener an der Herrlichkeit Gottes Anteil hatte, diese aber infolge seines Ungehorsams verlor, was in der Verbannung aus dem Paradies und damit aus der unmittelbaren Gegenwart Gottes resultierte.57 In der jüdischen Tradition wird ein Zusammenhang hergestellt zwischen der Rebellion Adams und dem Verlust der Herrlichkeit Gottes. Nach ApkMos 21,6 (VitAd 20-21) klagt Eva: „Und zur selbigen Stunde wurden mir die Augen aufgetan, und ich erkannte, dass ich entblößt war von der Gerechtigkeit, mit der ich bekleidet gewesen war. Da weinte ich und sprach (zum Versucher): Warum hast du mir das angetan, dass ich entfremdet ward von meiner Herrlichkeit, mit der ich bekleidet war?“ In diese Klage stimmt Adam ein, der zu Eva sagt: „was hast du unter uns angerichtet? Du hast mich der Herrlichkeit Gottes entfremdet.“ Ähnlich relevante Stellen sind 1QS IV, 23; CD III, 20; 1QH XVII, 13; grApkBar 4,16; GenR 12,5 zu Gen 2,4. Weil man sich die Herrlichkeit Gottes als in der Tora präsent dachte (Sir 17,13; Weish 7,25; Bar 4,2-3), dachte man nicht an einen kompletten Verlust der göttlichen Herrlichkeit. Dies wird auch in Ps 8,4-6 deutlich: „Seh ich den Himmel, das Werk deiner Finger, Mond und Sterne, die du befestigt: Was ist der Mensch, dass du an ihn denkst, des Menschen Kind, dass du dich seiner annimmst? Du hast ihn nur wenig geringer gemacht als Gott,58 hast ihn mit Herrlichkeit und Ehre (δο' ξη, και` τιμηñ, ) gekrönt“ (EÜ). ————————————————————

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Im Aktiv bedeutet υ� στερε' ω „zu spät kommen, d.h. verfehlen, versäumen, Mangel leiden, zurückstehen“ (Hebr 4,1; Lk 22,35; 2Kor 11,5; Mk 10,21 u.a.), im Passiv „Mangel leiden, entbehren“ (mit Gen. der Sache; 1Kor 1,7; 8,8; 12,24; 2Kor 11,9; Phil 4,12); vgl. Bauer / Aland s.v. υ� στερε' ω 1-2. Papyrusbelege für die Bedeutung des Passiv in ArztGrabner, 1. Korinther, 51, z.B. P.Cair.Zen. II 59270: „Ich habe dir geschrieben, damit du weißt, dass sie keinen Mangel an Stachelbaumholz haben.“ U. Wilckens, Art. υ« στερος κτλ., ThWNT VIII, 595; Wilckens I 188; Cranfield I 204; Michel 149; Dunn I 168; Lohse 131; Haacker 101; Wolter I 252. Kritisch Fitzmyer 347. LXX übersetzt den Satz „du hast ihn nur wenig geringer gemacht als Gott“ (MT ּ ‫ַו ְתַּח ְ ּס ֵרהו‬ ‫ )מְַּעט ֵמֱאל ִֹהים‬mit „du hast ihn (nur) um ein weniges niedriger gemacht im Vergleich zu den Engeln (η� λα' ττωσας αυ� το` ν βραχυ' τι παρ’ α� γγε' λους)“ (LXX.D).

388 Römerbrief ————————————————————————————————————

Man kann in V. 23 auch an die Herrlichkeit Gottes denken, der nach apokalyptischer Auffassung die Gerechten teilhaftig werden, von der aber die Sünder ausgeschlossen sind.59 Als Resultat des Ungehorsams gegenüber dem Willen Gottes fehlt allen Menschen die Erleuchtung durch die göttliche Herrlichkeit. Das Leben ohne die Gegenwart der Herrlichkeit Gottes ist ein Leben der Ungerechtigkeit und der Unkenntnis der Wahrheit Gottes (1,18) und damit ein Leben unter der Herrschaft der Sünde (3,9).60 Das Präsens des Verbs verweist auf die Tatsache, dass „alle“, d.h., auch die Jesusbekenner, die Herrlichkeit Gottes entbehren, was nach 2Kor 3,18 jedoch nicht ausschließt, dass es eine „relative“ Herrlichkeit gibt, die den Gläubigen erleuchtet und ihn „von Herrlichkeit zu Herrlichkeit“ (α� πο` δο' ξης ει� ς δο' ξαν) umgestaltet.61 Ohne das in V. 24-25 beschriebene Handeln Gottes im Messias Jesus, durch dessen Sühnetod am Kreuz dem Sünder die Heil schaffende Gerechtigkeit Gottes zuteilwird, bleibt der Menschen außerhalb der Reichweite der Herrlichkeit Gottes. 24 Die siebte Wendung erläutert den Erwerb der heilschaffenden Offenbarung Gottes – sie ereignet sich als Rechtfertigung, d.h. als Freispruch des Sünders: und sie werden gerechtfertigt (δικαιου' μενοι). Der Anschluss des Partizips an V. 22-23 gilt als schwierig. Mehrere Erklärungsmöglichkeiten werden vorgeschlagen.62 1. Die Aussage in V. 24 greift πα' ντες V. 23 auf und markiert ein Detail bzw. benennt einen Beweis für den mit dem Verb υ� στερουñ νται V. 23 beschriebenen Zustand. 2. Die Formulierung υ� στερουñ νται … δικαιου' μενοι ist Äquivalent für υ� στερουñ νται … και` δικαιουñ νται oder für υ� στερου' μενοι … δικαιουñ νται. 3. Das Ptz. δικαιου' μενοι ist der Beginn eines neuen, unabhängigen Satzes; d.h., es liegt ein Anakoluth vor, der mit einer Wendung wie πω ñ ς καυχω' μεθα zu ergänzen wäre. 4. Das Ptz. δικαιου' μενοι greift του` ς πιστευ' οντας auf, d.h. V. 22c-23 (ου� γα' ρ ε� στιν διαστολη' · πα' ντες γα` ρ η« μαρτον και` υ� στερουñ νται τηñ ς δο' ξης τουñ θεουñ ) ist Parenthese. 5. Das Partizip δικαιου' μενοι greift πα' ντες V. 23 auf und erläutert, im Sinn einer Erklärung von V. 22c (ου� γα' ρ ε� στιν διαστολη' ), die andere Seite der in V. 23 skizzierten Situation. Zu der fünften Option passt die Feststellung, dass das Partizip Präsens manchmal eine nachfolgende Handlung bezeichnet.63 U. Wilckens macht aus der exegetischen Not eine theologische Tugend: ————————————————————

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4Esr 7,122-125; 9,31-37; syrApkBar 48,49-50; 51,1-3; 54,15. Vgl. Wilckens, ThWNT VIII, 595 Anm. 21; so Lietzmann 49. Paulus spricht grundsätzlich; der Kontext lässt nicht erkennen, dass Paulus griechischrömischen Wettbewerb um die größere Ehre behandelt, wie Jewett 280 meint. Cranfield I 204-205. Vgl. Sanday/ Headlam 85 mit Verweis auf De Wette, Meyer, Lipsius; Fritzsche; Oltramare; Vaughan, Ewald; Sanday/ Headlam schließen sich der vierten Option an; so auch Jewett 281, mit Verweis auf Campbell, Rhetoric, 86-92.182-183; er hätte auch Michel 149 u.a. nennen können. Cranfield I 205 referiert Sanday/ Headlam und entschließt sich für eine fünfte Variante als Modifikation der ersten Option. Haacker 102 Anm. 39, mit Verweis auf BDR §339.2aβ; vgl. Wolter I 253.

Die Offenbarung der Gerechtigkeit Gottes im Sühnetod Jesu 3,21-31 389 ———————————————————————————————————— Die Unterordnung der Rechtfertigungsaussage unter den Hauptsatz V. 23, der von der Sünde aller Menschen spricht, lässt sich sachlich erklären, „wenn man sieht, daß Paulus im Kontext nicht auf die Rechtfertigung zielt, sondern auf die Tatoffenbarung der Gottesgerechtigkeit, die eben dort geschieht, wo die Sünde aller zu ihrem Ausschluß von Gottes Herrlichkeit geführt hat.“64 Zu beachten ist die Tatsache, dass sich die inhaltliche Nebenordnung (sonst eher durch einen Satz mit finitem Verb ausgedrückt) problemlos in den (regelkonformen) modalen Gebrauch des participium coniunctum einordnen lässt, mit Wiedergabe als „Und“-Anschluss.65 Aus textlinguistischer Sicht ist zu beachten, dass additive („Und-“) und adversative („Doch“-)Konnexionen im Griechischen typischerweise mit „Und-“ bzw. „Doch“-Hauptsätzen (mit finiten Verben) ausgedrückt werden, aber auch als participia coniuncta erscheinen könnten. Möglich, aber wohl weniger wahrscheinlich, ist die Möglichkeit, dass Paulus nach einem verbum finitum (η« μαρτον V. 23) hier, wie öfter, ein participium coniunctum verwendet, wo man eine finite Verbform erwarten würde – in diesem Fall liegt keine syntaktische Unterordnung, sondern Nebenordnung vor.66

Mit dem Verb δικαιο' ω betont Paulus den forensischen Aspekt der Heil schaffenden, Gerechtigkeit gewährenden Offenbarung Gottes (s. zu 1,17). Die Sünder, die die Teilhabe an der Realität der Herrlichkeit Gottes verspielt haben (V. 23), werden von Gott für gerecht erklärt. Im Kontext der Rechtssprache beschreibt die Rechtfertigung des Sünders seinen Freispruch als Angeklagter. Dieser Freispruch ist nur möglich, wenn die Ungerechtigkeit des Sünders (1,18; 3,5.10) gegen die Gerechtigkeit Gottes ausgetauscht wird: Der Sünder steht vor Gott nicht als Sünder, sondern als Gerechter, was nur möglich ist, wenn er ein Gerechtfertigter ist. Der Freispruch ist keine Amnestie, nach der begangenes Unrecht für folgenlos erklärt wird, sondern effektive Vergebung der konkreten Sünden der Ungerechten infolge des Sühnetodes Jesu Christi. Das Rechtsurteil Gottes, das Sünder für gerecht erklärt, hat forensisch effektive Bedeutung: Es hat „schöpferische Kraft“.67 Im Kontext des Hinweises auf den Verlust der Realität der Herrlichkeit Gottes in V. 23 bedeutet dies, dass Gott dem gerechtfertigten Sünder eine ————————————————————

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Wilckens I 188-189, mit Anm. 514: „Dies ist der sachliche Grund, von dem aus sich der Anschluß der partizipialen Rechtfertigungsaussage an die Aussage von der Sünde aller als verbum finitum erklärt.“ HvS §231b, vierte Möglichkeit; bei dieser Interpretation erübrigt sich der Hinweis auf eine besondere (anakoluthische) Gebrauchsweise (BDR §468.2); mündliche Kommunikation H. von Siebenthal. Zum folgenden Punkt HvS §325c; §338a. HvS §231j, mit Verweis auf 2Kor 5,12; 6,3; 7,5; 8,19; 9,11.13; 10,4.15; 11,6; vgl. BDR §468.1; vgl. Schlier 107. Kertelge, Rechtfertigung, 108. Nach Wilckens I 188 (und Légasse 260) zielt Paulus im Kontext nicht auf die Rechtfertigung, sondern „auf die Tatoffenbarung der Gottesgerechtigkeit“, deren „gegenwärtige Wirkung“ die Rechtfertigung der Sünder ist. Diese Unterscheidung trennt, was gerade im Kontext zusammengehört. Dass Paulus auf eine „new social reality“ (Jewett 281) abhebe, ist im Kontext nicht zu erkennen.

390 Römerbrief ————————————————————————————————————

„eschatologisch gewandelte Existenz“68 zuspricht und ermöglicht, die von Friede mit Gott (5,1) und von der Bewahrung vom Zorn Gottes (5,9) gekennzeichnet ist sowie von einem Leben, in dem sich der gerechtfertigte Sünder Gott zur Verfügung stellt und die Glieder seines Leibes als Waffen der Gerechtigkeit für Gott (6,13).69 Die Rechtfertigung des Sünders kann nicht vom Sünder selbst, sondern nur durch Gott bewerkstelligt werden. Dies wird durch die Passivform des Partizips (δικαιου' μενοι) angezeigt. Gott selbst ist derjenige, der den Sünder gerecht spricht (8,33: θεο` ς ο� δικαιω ñ ν; vgl. 3,26; 4,5; Gal 3,11). Das Präsens des Partizips ist im Kontext von V. 19-20 einerseits futurisch auf das Endgericht zu beziehen, in dem Gott sein gerechtes Gerichtsurteil offenbaren wird (vgl. 2,5), andererseits im Kontext von V. 25 auf das Geschehen im Sühnetod Jesu in der Vergangenheit, in dem Gott Heil geschaffen hat. Gleichzeitig macht 5,1-2 deutlich, dass die Rechtfertigung des Sünders die Gegenwart des Lebens der Jesusbekenner kennzeichnet. Das Präsens bezieht sich auf den gesamten Zeitraum zwischen den beiden entscheidenden, epochalen Ereignissen der Heilsgeschichte – der Sühnetod Jesu am Kreuz (V. 25) und das Endgericht (V. 20) –, und schließt diese mit ein. Die achte Beschreibung erläutert den Modus der Heil schaffenden Offenbarung Gottes. Der Sünder wird von Gott umsonst (δωρεα' ν) gerecht gesprochen.70 In der LXX kommt δωρεα' ν 26 Mal vor: „ohne Lohn bzw. Bezahlung zu erhalten oder zu geben“ (Gen 29,15; Hi 1,9; 2Kön 24,24); „ohne etwas bezahlen zu müssen“ (Ex 21,2.11; Num 11,5); „ohne vertretbaren Grund, unverdienterweise“ (Ps 34,7; Ps 118,3; Kgl 3,52). In den Papyri steht δωρεα' ν, anders als das Subst., nicht mit der wohlwollenden Gabe von Herrschern in Verbindung: PSI IV 400,15-16 erwähnt, dass Zenons Vieh vom Gärtner Agathon „Grünfutter als Geschenk haben kann“; PSI V 543,19.24.29.33.38.47.49 erwähnt Zenons Funktionäre, die auf einer Reise nach Kanopos Grünfutter und Gerste für ihre Pferde bekommen, „ohne etwas zu bezahlen“; C.Ord.Ptol. 53,186-187 (118 v.Chr.) berichtet von einer Verordnung des Königs, dass Strategen und andere Beamte die Landbevölkerung nicht „unentgeltlich“ Arbeiten verrichten lassen können.71

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Käsemann 90; eine „wiedergeschenkte Ebenbildlichkeit“ (ebd.) ist wohl nicht gemeint: die δο' ξα τουñ θεουñ V. 23 ist nicht auf die Gottesebenbildlichkeit zu beschränken. Die als forensisches Urteil Gottes verstandene Rechtfertigung des Sünders ist deshalb keine juristische Fiktion: Sie ist reale Vergebung konkreter Sünden (3,25; 4,7) und konkrete neue Wirklichkeit des Lebensvollzugs als Jesusbekenner, deren sterblicher Leib nicht von der Sünde beherrscht wird (6,12). Bauer / Aland s.v. δωρεα' ν 1, „geschenkweise, unentgeltlich“. Das Wort δωρεα' ν (dōrean) ist der zum Adverb erstarrte Akk. von δωρεα' . Zur LXX s. Muraoka s.v. δωρεα' B. Vgl. Arzt-Grabner, 2. Korinther, 473-474. Zum Subst. δωρεα' s. zu 5,15.

Die Offenbarung der Gerechtigkeit Gottes im Sühnetod Jesu 3,21-31 391 ————————————————————————————————————

Die Rechtfertigung ist ein Geschenk, das Gott dem Sünder gewährt.72 Der Freispruch im Endgericht ist gratis, unverdient, keine Gegenleistung für eine belohnungswürdige Vorleistung. Weil alle Menschen Sünder sind und dem Zorn Gottes ausgeliefert sind, ist ein Freispruch zwangsläufig unverdient. Weil niemand Werke vorweisen kann, die im Endgericht zu einer Anerkennung als Gerechter führen würden, ist die Gerechterklärung durch Gott ein Ereignis, das nicht durch eigene Arbeit erworben wurde. Die neunte Wendung betont den Beweggrund Gottes, Sünder gerecht zu erklären: Die Rechtfertigung erfolgt aufgrund seiner Gnade (τηñ, αυ� τουñ χα' ριτι). Der instrumentale Dativ73 beschreibt die Motivation, die Gott veranlasste, Sünder als gerecht zu erklären. Gottes Motivation ergibt sich nicht aus einer Notwendigkeit oder Verpflichtung, die außerhalb seines Wesens liegen und ihn zu diesem Handeln veranlassen, auch nicht seine Bundesverheißungen – dass Gottes Zorn auch Israel trifft, war integraler Teil der Bundesbestimmungen.74 Gottes heilschaffendes Handeln in Jesus Christus entspringt seiner Huld, Barmherzigkeit, Großzügigkeit, die sich in der neuen Heilszeit in der Preisgabe Jesu am Kreuz erweist.75 Manche Exegeten konstruierten einen unnötigen Kontrast zwischen der atl. Tradition von der Barmherzigkeit Gottes (LXX übersetzt ‫ ֶח ֶסד‬mit ε» λεος [„Mitleid, Barmherzigkeit, Erbarmen“] und ‫ ֵחן‬mit χα' ρις [„Gunst“]) und der Gnade, von der Paulus spricht. U. Wilckens meint, dass Paulus in seiner Beschreibung der Wirkung der Gnade Gottes als Gegenmacht gegen die Sünde „dort, wo jüdische Tradition von Gottes Barmherzigkeit, Güte, Langmut und Geduld spricht“, das Wort χα' ρις [charis] bevorzugt. Die Gnade ist in ihrer Wirkung ungleich kräftiger und radikaler als die Barmherzigkeit, die in atl. Tradition Sünder anriefen: Sie ist die eschatologische Heilsmacht, in der Gott die Sünde aller und ihre Verurteilung durch das Gesetz aufgehoben hat.“76 Richtig ist der skizzierte Unterschied zwischen Paulus und dem atl. und jüdischen Verständnis im Blick auf Vergebung von Sünden, Heil und Erlösung. Problematisch ist die Verbindung dieses Unterschieds mit dem griech. Wort χα' ρις. Paulus verwendet χα' ρις, ein Wort, das in der Sprache der Benefaktion bzw. des Patronats eine wichtige Rolle spielte, um den biblischen und jüdischen Glauben an die reiche Barmherzigkeit Gottes auszudrücken.77 Klärungsbedürftig ist die Betonung von Exegeten, die, oft im Anschluss an Bultmann, darauf bestehen, dass χα' ρις nicht die gnädige Gesinnung Gottes als zeitlosen Wesenszug beschreibt, sondern die Tat Gottes.78 Da das Erlösungswerk ————————————————————

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Selbst wenn δωρεα' ν bedeutungsgleich mit τηñ, αυ� τουñ χα' ριτι wäre, sollte man δωρεα' ν nicht für „sachlich überflüssig“ deklarieren: Die Verstärkung einer Aussage durch eine parallele Aussage ist textlinguistisch von Bedeutung, indem sie z.B. das zentrale Anliegen des Autors markiert. Anders Wolter I 254: dativus modi. Lev 26,14-38; Deut 11,26.28; 27,13-26; 28,15-68. Zeller, Charis, 156; der Gedanke der „Spontaneität“ (ebd.) ist eingelesen. Wilckens I 189. Breytenbach, Charis, 207-238. Bultmann, Theologie, 284.287-292; H. Conzelmann, Art. χα' ρις, ThWNT IX, 384.

392 Römerbrief ———————————————————————————————————— in V. 24 mit α� πολυ' τρωσις und in V. 25 noch einmal eigens beschrieben wird, ist χα' ρις nicht einfach identisch mit demselben: „So wird vielmehr sein Woraus angegeben.“79

Die zehnte Wendung beschreibt die Verwirklichung der heilschaffenden Offenbarung Gottes: durch die Erlösung (δια` τηñ ς α� πολυτρω' σεως). Die Gerechtsprechung des Sünders ereignet sich in der Befreiung von der Sünde, die den Sünder dem Zorn Gottes ausliefert. Die Bedeutung des Wortes α� πολυ' τρωσις [apolytrōsis] in V. 24 ist im Blick auf die Frage umstritten, ob es den Gedanken der Befreiung von Sklaven bzw. Kriegsgefangenen impliziert. Manche betonen, dass der Gedanke eines λυ' τρον [lytron], eines bezahlten Lösegelds, angesprochen ist.80 Andere meinen, das Wort bezeichne, im Anschluss an die Verwendung des Begriffs für die Befreiung aus Ägypten und aus dem Exil, allgemeiner die „Errettung, Befreiung“, ohne dass der Gedanke eines bezahlten Lösegelds eine Rolle spiele. 81 Manche plädieren dafür, die Frage offen zu lassen und sich mit der Mehrdeutigkeit des Wortes bzw. der allgemeinen Bedeutung „Heil als Befreiung von Unheil“ zufriedenzugeben. 82 Im klassischen Griech. kommt α� πολυ' τρωσις selten vor,83 in dokumentarischen Papyri überhaupt nicht.84 In jüdischen Texten kann es die Freilassung (Manumission) von Sklaven sowie die Freilassung von Kriegsgefangenen und Kriminellen bezeichnen.85 Das Substantiv α� πολυ' τρωσις kommt in der LXX nur ein Mal vor (Dan 4,34), eine Stelle, die für den neutestamentlichen Gebrauch nicht aufschlussreich ist. Das Wort λυ' τρον wird in der griech. Literatur, auch in Papyri, häufiger verwendet, oft im Plural, zur Bezeichnung eines Lösegelds, das für die Befreiung von Sklaven oder Gefangenen gezahlt wird.86 Der Lösegeldgedanke findet sich in einer beträchtlichen Anzahl von Stellen, in denen die Wortgruppe in der LXX vorkommt.87 Die hebräischen Ausdrücke ‫[ ָג ַּאל‬gā’al] und ‫[ פַָּדה‬pādah]88 tragen nicht viel bei zur Entscheidung der Frage, ob der Gedanke eines Lösegeldes gegenwärtig ist oder nicht. Beide hebr. Wörter haben an manchen Stellen eine spezifische Bedeutung im Kontext der „Erlösung“ durch die Bezahlung einer Geldsumme, um einen Sklaven, ein Grundstück oder andere Per————————————————————

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Zeller, Charis, 156. Sanday/ Headlam 86; Lagrange 74; Murray I 115-116; Barrett 76; Légasse 261; Haacker 104; Spicq, TLNT II, 429; Deissmann, Licht vom Osten, 277-280; Haubeck, Loskauf, 179. Vgl. BDAG s.v. α� πολυ' τρωσις 2: „release from a captive condition, release, redemption, deliverance; fig[urative] ext[ension] of the orig. use in connection with manumission of captives or slaves: the release fr. sin and finiteness that comes through Christ“. Dunn I 169; Wilckens I 189; Lohse 132; F. Büchsel, α� πολυ' τρωσις, ThWNT IV, 357-358; K. Kertelge, Art. α� πολυ' τρωσις, EWNT I, 332-333. Wolter I 254; vgl. Cranfield I 204-205; Jewett 283. LSJ verweisen neben Josephus und Philo nur auf Plutarch, Pomp. 24. R. E. Kritzer, in Arzt-Grabner, 1. Korinther, 111. Arist 12,35; Josephus, Ant. 12.27; Philo, Prob. 114. Vgl. Homer, Il. 24; Herodotus 5,77; Thukydides 6,5; Plato, Res. 393d; Demosthenes 53,11,13; Xenophon 7,2,16; Diodorus Siculus 20,84; Plutarch, Mor. 2,295c; P.Oxy. I 48,6; 49,8; IV 722,24; SEG XXIII, 460; NewDocs II, 90; III, 72-75. Ex 21,30; 30,12; Lev 19,20; 25,24; Num 18,15; 35,31; Jes 45,13. Vgl. J. J. Stamm, Art. ‫ ָג ַּאל‬, THAT I, 383-394; H. Ringgren, Art. ‫ ָג ַּאל‬, ThWAT I, 884-890; H. Cazelles, Art. ‫פַָּדה‬, ThWAT VI, 514-522.

Die Offenbarung der Gerechtigkeit Gottes im Sühnetod Jesu 3,21-31 393 ———————————————————————————————————— sonen zu „befreien“.89 Die konkrete Bedeutung liegt z.B. in Lev 25,25-34 vor: Wenn jemand ein Haus oder ein Grundstück verkauft, um Schulden zu begleichen, gibt es das Recht der Einlösung (‫ – ) ְג ּ ֻאָּלה‬der nächste Verwandte muss das Verkaufte zurückkaufen, damit der Besitz wieder der Familie gehört. Beide Vokabeln kommen auch mit einer allgemeineren Bedeutung im Zusammenhang der Befreiung aus der Sklaverei in Ägypten,90 aus dem babylonischen Exil91 oder aus einer Not (z.B. der Not eines Prozesses)92 vor. Der übertragene Gebrauch des Wortes spricht z.B. von Jahwe als ‫[ ג ּ ֵֹאל‬gō‘el] der Vaterlosen und Witwen (Spr 23,11; Jer 50,34). Der Beter bitte Jahwe, für ihn einzutreten, ihn zu retten und ihm das Leben zu geben/erhalten (Ps 119,154). Der Gebrauch der Ausdrücke ‫ ָג ַּאל‬und ‫ פַָּדה‬im Zusammenhang mit Israels Errettung aus der Sklaverei in Ägypten ist figurativ, obwohl der Zusammenhang mit der „säkularen“ Loslösung von der Pflicht der Sklaverei offenkundig ist: Das Volk wird von Sklaverei errettet und dadurch zum Eigentumsvolk Gottes. Es wäre allerdings schwierig, das „Lösegeld“ zu benennen, das Gott den Ägyptern bezahlt hat. Wenn es in Jes 52,3 heißt, dass Israel „ohne Geld“ (LXX: ου� μετα` α� ργυρι' ου) errettet bzw. erlöst wird, kommt damit zum Ausdruck, dass Erlösung normalerweise mit Geld (d.h. Silber oder Gold) erwirkt wurde; die Stelle zeigt aber auch, dass die göttliche Erlösung nicht durch Lösegeld bedingt ist. Jesaja verwendet das Partizip ‫[ ג ּ ֵֹאל‬gō‘el] neun Mal als Kennzeichnung Gottes: Jahwe der Erlöser hilft seinem Volk (Jes 41,14; 49,7-8); er bringt Babylon eine Niederlage bei (43,14; 47,4); er ist König und ewiger Gott (44,6); er lehrt und führt sein Volk (48,17). Der Titel ‫ ג ּ ֵֹאל‬kann also ohne direkten Zusammenhang mit einer konkreten Erlösungstat gebraucht werden. Die LXX übersetzt ‫ ָג ַּאל‬häufig mit λυτρο' ω („durch Lösegeld freikaufen, loskaufen; allg. befreien, erlösen, erretten“), λυ' τρον („Lösegeld, Erlösung“) und verwandten Vokabeln;93 dasselbe trifft auf ‫ פַָּדה‬zu.94 Beide hebr. Vokabeln werden manchmal mit ρ� υ' ομαι („retten, erretten, bewahren“)95 und σω', ζω („erretten, bewahren“) übersetzt.96 Im NT kommt das Wort α� πολυ' τρωσις 10 Mal vor.97 In Hebr 11,35 verweist das Wort auf Märtyrer, die die gegen eine Verleugnung des Glaubens angebotene Freilassung ausschlagen; gedacht ist wohl an die makkabäischen Märtyrer (2Makk 6,23.30; 7,24; 4Makk 8,4-14). An den anderen Stellen wird das Wort in übertragener, theologischer Bedeutung verwendet und ist mit „Erlösung“ zu übersetzen. K. Kertelge kommentiert: „Das damit gemeinte Geschehen gründet entscheidend in der errettenden Tat Gottes zugunsten der Erlösungsbedürftigen. Mehr noch als das erlösende Geschehen bezeichnet das Wort im NT die Wirkung dieses Geschehens, das (erhoffte) Erlöstsein des Menschen.“98 Die Frage, ob die von der ————————————————————

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‫ ָג ַּאל‬: Lev 25,25-34.47-54; Num 5,8; Jer 32,6-7; Rut 2,20; 3,12; 4,4. ‫פַָּדה‬: Lev 19,20; 27,2729; Num 3,36-51; 18,15-17. ‫ ָג ַּאל‬: Ex 6,6; 15,13; Ps 106,10; ‫פַָּדה‬: Ex 8,19; Deut 7,8; 9,26; 13,6; 15,15; 24,18; Mich 6,4. ‫ ָג ַּאל‬: Jes 44,20.23; 48,20; 52,9; ‫פַָּדה‬: Jes 50,2; 51,11. ‫ ָג ַּאל‬: Ps 19,15; 78,35; Hi 19,25; ‫פַָּדה‬: Jes 29,22. Ex 6,6; 15,13; Lev 25,24.25.26.29.51.52; Ps 18[19],14; 77[78],35; Jes 63,4. Ex 13,13.15; 21,30; 34,20; 27,29; Num 3,46.48.49.51; 18,15; Deut 7,8. ‫ ָג ַּאל‬: Gen 48,16; Jes 44,6; 47,4; 48,17.20; 49,7; 51,10; 52,9; 54,5.8; 59,20; 63,16; ‫פַָּדה‬: Hi 5,20; 6,23; Ps 68[69],18; Hos 13,14; Jes 50,2. ‫ ָג ַּאל‬: Sir 51,12; ‫פַָּדה‬: Hi 33,28; Jes 1,27; Sir 33[36],11. α� πολυ' τρωσις: Lk 21,28; Röm 3,24; 8,23; 1Kor 1,30; Eph 1,7.14; 4,30; Kol 1,14; Hebr 9,15; 11,35. Das Wort λυ' τρον („Lösegeld, Erlösung“) kommt im NT nur in Mt 20,28 / Mk 10,45 vor. Vgl. F. Büchsel, α� πολυ' τρωσις, ThWNT IV, 354-359; K. Kertelge, Art. α� πολυ' τρωσις, EWNT I, 331-336; W. Haubeck, Art. λυ' τρον, ThBLNT I, 361-363; Haubeck, Loskauf, 167-205; Finlan, Cultic Atonement Metaphors, 164-169. Kertelge, EWNT I, 332. Von einer „Hoffnung“ auf das Erlöstsein ist in den Belegen allerdings nicht die Rede.

394 Römerbrief ———————————————————————————————————— Grundbedeutung (jedoch nicht von der Traditionsgeschichte) nahegelegte Implikation einer Lösegeldzahlung erhalten bleibt, ist umstritten. Man kann einerseits argumentieren, dass Paulus α� πολυ' τρωσις mit allgemeiner Bedeutung verwendet, ohne auf den Gedanken des Lösegeldes anzuspielen.99 Wenn Paulus von der Befreiung (christlicher) Sklaven spricht, verwendet er nicht α� πολυτρο' ω, sondern ε� λευ' θερος γι' νεσθαι (1Kor 7,21-23); und wenn er unter Benutzung von Bildern der Sklavenbefreiung von der Erlösung von der Sünde spricht, gebraucht er ebenfalls ε� λευθερο' ω (Röm 6,18.20; 8,2; Gal 4,21–5,1). Bei diesem Verständnis von α� πολυ' τρωσις in Röm 3,24 spielt Paulus auf Israels Befreiung aus der Sklaverei in Ägypten100 und / oder auf Israels Errettung aus der Gefangenschaft im babylonischen Exil101 an. Analog der Verbindung von α� πολυ' τρωσις und Sündenvergebung bei Jesaia102 bedeutet α� πολυ' τρωσις in der frühchristlichen Verkündigung die Errettung von den Sünden bei der Bekehrung.103 Im Kontext der göttlichen Errettung Israels im Exodus und im Exil wie auch im Kontext der göttlichen Rettungstaten, um die die Gerechten in den Psalmen bitten oder für die sie Jahwe danken, ist der Gedanke eines Lösegeldes durchweg nicht herausragend, oft sogar abwesend. Im Mittelpunkt steht nicht ein Lösegeld, sondern die souveräne Tat Gottes, der zur Rettung und Befreiung seines Volkes eingreift. Der theologische und heilsgeschichtliche Aspekt des Erlösungsprozesses steht im Vordergrund.104 Im Exodusgeschehen geht es um die „Erlösung“, die Israels Bundesbeziehung zu Jahwe etabliert. Weitere Erlösungstaten in der kollektiven Geschichte Israels und in den individuellen Geschichten der Gerechten (Psalmen) sind das Resultat dieser auf „Erlösung“ gründenden Bundesbeziehung. Aus der Spannung zwischen „erster“ und „zweiter“ Erlösung entstand die eschatologische Perspektive, die im Neuen Testament zur Beschreibung der heilschaffenden Erlösungstat Gottes in Jesus Christus verwandt wurde. Andere Überlegungen schlagen vor, dass Paulus bei der Verwendung von α� πολυ' τρωσις an ein Lösegeld denkt, das die Befreiung bzw. Errettung ermöglicht.105 Erstens ist zu beachten, dass die Aussage im unmittelbaren Kontext in Röm 3,24, dass die Gerechtsprechung des Sünders „umsonst“ (δωρεα' ν) geschieht, im Gegensatz steht zu der Wendung „durch die Erlösung“ (δια` τηñ ς α� πολυτρω' σεως). Das heißt, während die Rechtfertigung den Sünder nichts gekostet hat, hat Gott einen Preis bezahlt.106 Zweitens weist der kultische Hintergrund des Wortes „Sühneort“ (ι� λαστη' ριον) in 3,25 auf den „Preis“ des Opfertiers hin, das geopfert wird; der Hinweis auf „Blut“ (αι«μα) in 3,25 weist in dieselbe Richtung, zumal Paulus an anderen Stellen vom Blut Jesu spricht als Preis, der für das Heil bezahlt wurde (Apg 20,28; in Eph 1,7 wird αι«μα ebenfalls mit α� πολυ' τρωσις verbunden). Drittens betont Paulus in 1Kor 6,20 / 7,23 explizit, dass Jesusbekenner „mit einem Preis gekauft“ sind (η� γορα' σθητε γα` ρ τιμηñ ς / τιμηñ ς α� γορα' σθητε). Dieselbe Metapher verwendend, erklärt er in Gal 3,13, dass der Messias uns „vom Fluch des Gesetzes freigekauft“ hat (Χριστο` ς η� μαñ ς ε� ξηγο' ρασεν ε� κ τηñ ς ————————————————————

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Büchsel, ThWNT IV, 357; Kertelge, EWNT I, 332-333; Käsemann 90; Schlier 108-109; Wilckens I 189-190; Lohse 132; Wolter I 254. Vgl. Ex 6,6; 15,13; Deut 7,8; 9,26; 13,6; 15,5; Ps 74,2; 77,16. Vgl. Jes 41,14; 43,1.14; 44,22-24; 52,3; 54,5. Jes 43,22-28; 44,21-22; 48,9-10; 50,1-3; 54,6-8; 55,7. Vgl. 1Kor 1,30; Kol 1,14; Eph 1,7; Hebr 9,15. Zum Folgenden Kertelge, Rechtfertigung, 53-55; Wilckens I 189-190. Haubeck, ThBLNT I, 363; Michel 150; Dunn I 169; Fitzmyer 122-123.348; Schreiner 190-191; Légasse 261; Haacker 104; Marshall, Redemption, 158-159; Haubeck, Loskauf, 178-179; Finlan, Cultic Atonement Metaphors, 166-167. Cranfield I 206-207; Jewett 283 lassen die Frage offen, ob α� πολυ' τρωσις den Gedanken eines Lösegeldes impliziert. Marshall, Redemption, 153 verweist auf die nötige Unterscheidung zwischen „Preis“ und „Kosten“; aufgenommen von Dunn I 168; Jewett 283.

Die Offenbarung der Gerechtigkeit Gottes im Sühnetod Jesu 3,21-31 395 ———————————————————————————————————— κατα' ρας τουñ νο' μου; Gal 4,5: „damit er die freikaufe, die unter dem Gesetz stehen“ [ι«να του` ς υ� πο` νο' μον ε� ξαγορα' ση, ]). Es ist deshalb mehr als wahrscheinlich, dass Paulus beim Gebrauch des Wortes α� πολυ' τρωσις den Gedanken eines Lösegeldes voraussetzt, wohl auf dem Hintergrund von Mk 10,45, wo Jesus betont, dass er Menschensohn gekommen ist, „um zu dienen und sein Leben hinzugeben als Lösegeld für viele“ (δουñ ναι τη` ν ψυχη` ν αυ� τουñ λυ' τρον α� ντι` πολλω ñ ν; die Hingabe des Lebens Jesu ist das Lösegeld, das bezahlt wurde).

Das heißt für das Verständnis von α� πολυ' τρωσις in V. 24: Für Judenchristen, die die LXX kannten, lag die allgemeinere Bedeutung nahe. Jesusbekenner in Rom, die den biblischen Hintergrund des Wortes nicht kannten, konnten die Aussage durchaus im Sinn einer Befreiung verstehen, die infolge eines Lösegeldes möglich wurde. An eine (sakrale) Sklavenbefreiung im engeren Sinn hätten sie wohl nicht gedacht;107 allerdings sollte man nicht vergessen, dass ein wohl nicht unbeträchtlicher Teil der stadtrömischen Jesusbekenner Sklaven oder ehemalige Sklaven waren, die mindestens bei dem Wort λυ' τρον an die Befreiung aus der Sklavenexistenz erinnert worden wären. Judenchristen, die in der Terminologie der hebräischen Bibel versiert waren, hätten ebenfalls leicht an ein Lösegeld denken können. Das Lösegeld, das die Erlösung des Menschen gekostet hat, ist das Leben Jesu Christi (s. den folgenden attributiven Präpositionalsatz τηñ ς ε� ν Χριστω ñ, � Ιησουñ sowie V. 25). Die Sklaverei bzw. Gefangenschaft, aus der die Menschen gerettet werden, ist die Herrschaft der Sünde, die den Sünder unausweichlich unter den Zorn Gottes stellte. Jesus bezahlte mit seinem Leben für die Sünder, die unter der Herrschaft der Sünde standen und vom Todesurteil des Gesetzes beherrscht waren. In 8,23 ist von der Erlösung (α� πολυ' τρωσις) die Rede als Befreiung aus der Sklaverei der irdischen Vergänglichkeit der gegenwärtigen, gefallenen Schöpfung. Die heilschaffende Offenbarung Gottes verwirklicht sich als Befreiung der Menschen aus ihrer hoffnungslosen Lage im Endgericht. Die elfte Wendung beschreibt die Ermöglichung der heilschaffenden Offenbarung Gottes: die im Messias Jesus (geschehen ist) (ε� ν Χριστω ñ, � Ιησουñ ). Die Erlösungstat, die den Sünder vor dem Zorn Gottes rettet, wurde durch Jesus vollbracht, der als Messias das Volk Gottes repräsentiert. Die Formulierung ε� ν Χριστω ñ, � Ιησουñ [en Christō Iēsou] taucht im Neuen Testament zuerst bei Paulus auf,108 formuliert als konzentrierte Zusammenfassung der heilschaffenden Offenba-

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Deissmann, Licht, 271-281 sieht den antiken Rechtsbrauch der sakralen Sklavenbefreiung angesprochen: Durch den fiktiven Ankauf des Sklaven durch eine Gottheit (der Sklave zahlt das Lösegeld selbst) wurde dieser Eigentum des Gottes und dadurch frei. Die Wendung ε� ν Χριστω ñ, � Ιησουñ kommt 47 Mal vor: Röm 3,24; 6,11.23; 8,1.2.39; 15,17; 16,3; 1Kor 1,2.4.30; 4,17; 15,31; 16,24; Gal 2,4; 3,14.26.28; 5,6; Eph 2,6.7.10.13; 3,6.11.21; Phil 1,1.26; 2,5; 3,3.14; 4,7.19.21; Kol 1,4; 1Thess 2,14; 5,18; 1Tim 1,14; 3,13; 2Tim 1,1.9.13; 2,1.10; 3,12.15; Phlm 23; ε� ν Χριστω ñ, kommt 31 Mal vor: Röm 9,1; 12,5; 16,7.9.10; 1Kor 3,1; 4,10.15.17; 15,18.19; 2Kor 2,17; 3,14; 5,17.19; 12,2.19; Gal

396 Römerbrief ———————————————————————————————————— rung Gottes in Jesus, dem Messias Israels. Die Präposition ε� ν hat, je nach Kontext, instrumentale, kausale, lokale, assoziative oder heilsgeschichtliche Bedeutung: Das Heil für Sünder wurde durch Jesus Christus bewirkt; der am Kreuz gestorbene und von den Toten auferstandene Messias Jesus ist der Wirklichkeitsbereich, zu dem die Jesusbekenner gehören; Jesus ist der verheißene Messias, der das neue Gottesvolk repräsentiert und in dem die Jesusbekenner ihre neue Identität finden.109 E. Lohse definiert als Grundbedeutung, „daß ε� ν Χριστω ñ, das Bestimmtsein durch das Christusgeschehen, das Leben im Herrschaftsbereich Christi bezeichnet“.110 In V. 24 gibt eine lokale, instrumentale, assoziative und kausale Bedeutung einen Sinn.111

Im Kontext ist der Kontrast zur jüdischen Wendung ε� ν νο' μω, ([en nomō]; 3,19; vgl. 2,12.23) wichtig. Für Juden ist das Sein und Bleiben „im Gesetz“ als Bundesurkunde Gottes von zentraler Heilsbedeutung. Paulus bekräftigt, dass das Erlösungshandeln Gottes durch Jesus stattgefunden hat, den Messias, der Gott vor seinem Volk und dieses vor Gott vertritt, und dessen Tod und Auferstehung die in der Schrift verheißene (1,3-4) Erlösung bewirkt hat. Damit erklärt 3,24 die Aussage in 3,21-22: Die messianische Heilsoffenbarung geschieht unabhängig vom Gesetz, weil die Gerechtsprechung von Juden und Heiden vom Gesetz nicht geleistet werden kann, da Juden und Heiden keine Leistungen aufzuweisen haben, die Gott anerkennen müsste (3,23). Die Erlösung ε� ν Χριστω ñ, � Ιησουñ , die dem Sünder Gottes Gerechtigkeit gewährt, ersetzt die Verdammung des Sünders ε� ν νο' μω, . 3,25 erklärt, inwiefern dies möglich ist. Paulus betont mit der Wendung ε� ν Χριστω ñ, � Ιησουñ nicht die Verfügbarkeit von Erlösung und Sündenvergebung in der Gegenwart, sondern die Wirklichkeit von Gottes Heilshandeln im Messias Jesus in der Vergangenheit.112 25 Die zwölfte Wendung benennt das Kreuz, an dem Jesus starb, als Ort der sühnenden Gegenwart Gottes: den Gott öffentlich hingestellt hat als Sühneort. Paulus spricht von einem Ereignis, das mit dem Messias Jesus ————————————————————

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1,22; 2,17; Eph 1,1.3.10.12; 4,32; Phil 1,13; 2,1; Kol 1,2.28; 1Thess 4,16; Phlm 8.20; ε� ν τω ñ, : 1Thess 1,1; ñ, : 1Kor 15,22; 2Kor 2,14; Eph 1,20; ε� ν κυρι' ω, � Ιησουñ Χριστω ñ, Χριστω 2Thess 1,1; 3,12; ε� ν τω ñ, κυρι' ω, kommt 47 Mal vor; vgl. sonst 1Petr 3,16; 5,10.13; 1Joh 5,20; Jud 1. Vgl. Kuss I/II 319-381; Deissmann, In Christo Jesu; Neugebauer, In Christo; Bouttier, En Christ; Wedderburn, Observations; Wright, Climax, 41-55; Klehn, Verwendung; Perriman, Corporate Christ; Campbell, Union, 67-199; Rehfeld, Ontologie, 222315.356-363; Macaskill, Union, 219-250. Campbell, Union, 199: „These idioms can express instrumentality, close association, agency, recognition, cause, kind and manner, locality, specification or substance, circumstance or condition, the object of faith, incorporation, union, reference or respect, and participation.“ Lohse 133. Kuss II 378-379 warnt vor nivellierenden Definitionen. Campbell, Union, 74; vgl. ebd. 114. Cranfield I 208.

Die Offenbarung der Gerechtigkeit Gottes im Sühnetod Jesu 3,21-31 397 ————————————————————————————————————

zusammenhängt113 – ein Ereignis, das Gott veranlasst hat (ο� θεο' ς), das sich in der Öffentlichkeit ereignet hat (προε' θετο) und das in der Vergangenheit stattfand (Aorist).114 Das mit Sühneort115 (ι�λαστη' ριον) übersetzte Wort wird auch mit „Sühne“116 oder „Sühnopfer“117 wiedergegeben. Auf dem Hintergrund des atl.-jüdischen Kontextes, in dem das Wort den Deckel der Bundeslade im Allerheiligsten des Tempels bezeichnet, beschreibt Paulus Jesus als Ort der sühnenden Gegenwart Gottes. In einem griechischen Kontext ist das Wort als Sühnegabe zu verstehen, das den Zorn Gottes aufhebt. Die Bedeutung des Wortes ι� λαστη' ριον [hilastērion]118 in V. 25 ist umstritten. Das Verb ι� λα' σκομαι [hilaskomai] ist in der griech. Literatur häufig belegt, mit der kausativen Bedeutung „freundlich stimmen, gnädig machen“. Bei Homer ist das Verb immer auf die Götter bezogen (z.B. Il. 1,100.147.386). In der Kaiserzeit beschreibt das Verb oft Handlungen, durch die ein Gott, die Götter oder der Zorn eines Gottes gnädig gestimmt wird (Appian, Rom.Hist. 12,6; 115,6; Lucianus, Alex. 35,14; Pausanias 2,35,11; 3,13,5; Plutarch, Mor. Frag. 47,29; Strabo 4,4,6). Das Gnädigstimmen erfolgt meistens durch eine kultische Handlung (Herodot 5,47; 6,105,3; SEG XXXVIII 1233; TAM V.1 251). Manchmal sind Menschen Objekt des Verbs, z.B. der Kaiser, der „beschwichtigt“ oder „bestochen“ werden soll (Plutarch, Cato Minor 61; Anton. 67,3; JosAs 28,7). Für das Intensivum ε� ξιλα' σκομαι gilt Entsprechendes.119 Das Adjektiv ι� λαστη' ριος [hilastērios] („zur Begütigung bzw.Sühne gehörig“) ist selten belegt.120 Das Substantiv ι� λαστη' ριον bezeichnet immer einen Gegen————————————————————

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Das Relativpronomen ο� ν greift ε� ν Χριστω ñ, � Ιησουñ auf. Bauer / Aland s.v. προτι' θημι 2a (Medium), „öffentlich aufstellen“; BDAG s.v. προτι' θημι 2, „to set forth publicly, display publicly, make available publicly“. Das Verb kommt im NT nur in Röm 1,13; 3,25; Eph 1,9 vor. Im außerbiblischen Griech. kommt das Wort häufig vor (vgl. LSJ), in den Papyri oft mit der Bedeutung „proklamieren, (ein Edikt öffentlich) bekanntmachen“ (P.Oxy. I 34; VIII 1100; XIV 1633; P.Amh. II 85; BGU II 372. Elb.Ü, Wilckens; Wolter I 242: „Gnadenort“; vgl. Jewett, NET: „mercy seat“ (Anm. „place of satisfaction“). EÜ, LÜ, ZÜ, Käsemann, Lohse, Haacker; vgl. RSV, Dunn, Légasse: „expiation“; Byrne „means of expiation“, Fitzmyer: „a means of expiating sin“; Penna: „strumento di espiazione“; NASB: „propitiation“; Schreiner „means of propitiation“; GN „Sühnezeichen“. MNT, SB, Michel; NGÜ „Sühneopfer“ (Anm.: Sühneort, Sühnemittel); Hfa „um unsere Schuld zu sühnen“; Menge „Sühnemittel“; NIV, NRSV „sacrifice of atonement“; NLT „sacrifice for sin“; Cranfield „propitiatory sacrifice“. F. Büchsel / J. Herrmann, Art. «ιλεως κτλ., ThWNT III, 300-324, bes. 320-324; J. Roloff, Art. ι� λαστη' ριον, EWNT II, 455-457; C. Breytenbach, Art. ι�λα' σκομαι, ThBLNT II, 16851691; Cranfield 204-218; Wilckens I 190-192; Theobald I, 100-101; Lohse 134-135; Jewett 283-286; Haacker 104-107; Lohse, Märtyrer, 149-154; Stuhlmacher, Zur neueren Exegese; Merklein, Bedeutung, 33-34; Kraus, Tod Jesu, 150-157; Kraus, Jom Kippur; Breytenbach, Gnädigstimmen; Gaukesbrink, Sühnetradition, 229-233; Knöppler, Sühne, 113-117; Janowski, Leben; Söding, Sühne, 379-383; Kraus, Erweis; Lyu, Sünde, 75-78. Für Belege vgl. Breytenbach, ThBLNT II 1685. LSJ verweist auf P.Fay 337 („propitiatory, offered in propitiation“); Josephus, Ant. 16,182; 4Makk 17,22.

398 Römerbrief ———————————————————————————————————— stand, konkret ein Weihgeschenk, das die zornige Gottheit besänftigen soll (und somit Sühnemittel ist), z.B. eine der Gottheit geweihte Stele.121 In der LXX wird ι� λα' σκομαι nur 12 Mal verwendet (z.B. Ex 32,14; Ps 24[25],11; 2Kön 24,4), ε� ξιλα' σκομαι fast 100 Mal, meistens als Übersetzung von hebr. ‫פר‬ ֶּּ‫[( ִכ‬kippär], zu Bezeichnung einer kultischen Handlung des Priesters, durch welche eine Sünde vor Gott unwirksam gemacht, d.h. getilgt, gesühnt wird. Dabei ist Gott nie das direkte Objekt des Verbs: „Der Priester sühnt für die Sünde, die die Person begangen hat“.122 Vgl. Lev 4,26.35; 6,23; 14,19; 19,22; Num 17,11-12. Manche Ausleger haben argumentiert, dass die Wortgruppe ι� λα' σκεσθαι in der LXX nicht mit der Bedeutung „Sühne“ oder „Besänftigung“ zu verbinden ist, der im klassisch-heidnischen Gebrauch vorliegt.123 Diese These scheitert an der Tatsache, dass atl. Stellen im Kontext explizit vom Zorn Gottes reden, der gesühnt, d.h. abgewendet wird (Ex 32,12-14; vgl. Num 17,6-15; Jer 18,23; Hi 42,7-8).124 Der Gedanke der Ablenkung von Zorn ist auch im AT grundlegend. Vom Ablassen des göttlichen Zorns ist in folgenden Stellen die Rede: Ex 32,12; Num 25,4; 2Chron 12,19; 29,10; 30,8; Jes 12,1; Jer 2,35; Hos 14,5; Jona 3,9; Jer 3,12; Dan 9,16; negiert: Jes 5,25; 9,11.16.20; 10,4; Jer 4,8; 23,20; 30,24); vom Abwenden des göttlichen Zorns ist die Rede im Blick auf Gott, der seinen Zorn selbst abwendet (Ps 78,39; Spr 24,18; Esr 10,14; negiert Hi 9,13), und im Blick auf einen Fürsprecher, der den göttlichen Zorn abwendet: Mose (Ps 106,23; vgl. AssMos 11,17; sowie Sir 46,7: Josua und Kaleb); Pinchas (Num 25,11), Jeremia (Jer 18,20).125 Die Verwendung des Verbs ‫[ כפר‬kpr] oder des Verbalnomens ‫[ ֹכ ֶּפר‬kophär] im AT – für zwischenmenschliche Versöhnung, für das Sühnehandeln Jahwes oder eines fürbittenden Mittlers, oder für die Auslösung des verwirkten Lebens durch die Gabe eines Lebensäquivalents – ist mit dem Kontext menschlicher Schulderfahrung verknüpft, in dem die Errettung aus der Todesverfallenheit und neuen Lebens durch ein Sühnehandeln bewirkt, das der Mensch erbittet (Deut 21,8; Ps 79,9; 2Chron 30,18) und Gott gewährt (Deut 32,43; Ps 65,4; 78,38; Jes 6,7; 27,9; 43,3; Hes 16,63; Dan 9,24). Dabei gilt: „Nirgends meint ‫ ִכ ֶּּפר‬ein Versöhnen, Gnädigstimmen oder Beschwichtigen Gottes. Auch dort wo … ein Mensch (Mose, Aaron, Pinchas) oder der angelus intercessor (Hi 33,24; 36,18) Subjekt des Sühnehandelns ist, meint ‫( ִכ ֶּּפר‬oder die Gabes eines ‫ ֹכ ֶּפר‬: Hi 33,24; 36,18) nicht das ————————————————————

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Paton/Hicks, Inscriptions of Cos, 126.225, No. 81, 347; Dio Chrystostomos, Or. 11.121 bezeichnet das Trojanische Pferd als ι�λαστη' ριον, als „besänftigendes Geschenk“; so ebenfalls Josephus, Ant. 16.182; die Lindische Tempelchronik (Blinkenberg, Tempelchronik, 12, B49 Z. 48-50). Vgl. Lyonnet, Expiation, 155; Bailey, Christ as the Mercy Seat, 31-33, 53. Die Bedeutung in P.Oxy. XVI 1985,11 ist unsicher (später Beleg: 543 n.Chr.). Die Suda erklärt ι�λαστη' ριον mit θυσιαστη' ριον (Altar), ebenso Hesychius, sowie mit καθα' ρσιον (Reinigungsopfer); Breytenbach, ThBLNT II 1686. Bailey, ebd. 235-246 argumentiert, dass θυσιαστη' ριον nicht als substantiviertes Neutrum des Adjektivs zu verstehen ist, sondern als Substantiv, das in der LXX zum ersten Mal als Neologismus erscheint, als Bezeichnung des Ortes, an dem die Aktion von ι�λα' σκομαι stattfindet. Die Übersetzung in Bauer / Aland s.v. ι� λαστη' ριον, „das Versöhnende, das Sühnende“, ist zu allgemein und deshalb missverständlich; Bailey ebd. 8 betont, dass ι� λαστη' ριον genauso wenig „das Sühnende“ bedeutet (το` ι�λασκο' μενον hätte diese Bedeutung), wie το` θυσιαστη' ριον („Altar“) mit „das Opfernde“ zu übersetzen ist. Breytenbach, ThBLNT II 1686; vgl. Büchsel, 315; Breytenbach, Versöhnung, 86-91. Dodd, ι� λα' σκεσθαι, 352-360; gegen ein kultisches Verständnis des Todes Jesu bei Paulus argumentieren u.a. Breytenbach, Versöhnung; Breytenbach, Versöhnung, Stellvertretung und Sühne; Eschner, Gestorben I, 31-64. Vgl. Janowski, Sühne, 133,147-148,152-153; Morris, Use, 227-233; Cranfield I 215-216. Janowski, Sühne, 152; für das Folgende ebd. 175-176.

Die Offenbarung der Gerechtigkeit Gottes im Sühnetod Jesu 3,21-31 399 ———————————————————————————————————— Gnädigstimmen der erzürnten Gottheit, sondern das dem schuldig gewordenen Volk (bzw. dem Kranken: Hi 33,24; 36,18) zukommende Handeln des stellvertretenden Mittlers: Wie Gott seinen eigenen Zorn abwenden und Israels Schuld vergeben kann (Ps 78,38, vgl. Ps 79,5-7.8f.; Dan 9,16.24), so kann in singulären Situationen auch ein (prophetischer oder priesterlicher) Mittler stellvertretend in den durch religiöse Verschuldung zwischen Gott und Mensch/Israel entstandene ‚Riß‘ eintreten und durch dieses – die eigene Existenz gefährende – interzessorische Sühnehandeln Vergebung der Sünde (Ex 32,30bβ.32a), Rücknahme des vernichtenden Grimms (Num 25,11) und Beendigung der ‚Plage‘ (Num 17,13.15; vgl. Num 25,8) erwirken.“126 Obwohl in Lev immer der Priester grammatisches Subjekt des Sühnevollzuges ist, „ist es letztlich Jahwe, der handelnd im Sinne eines logischen Subjekts die Sühne wirkt, während der Priester als der von ihm bevollmächtigte Mittler den Sühnevorgang kultisch vollzieht … Das priesterliche Sühnehandeln führt zur göttlichen Vergebung der Sünde, die ihrerseits Anlaß für die Darbringung des Sünd- oder Schuldopfers war. Sühne ist deshalb kein vom Menschen ausgehender Akt der ‚Selbsterlösung‘ (oder gar der Versöhnung, Beschwichtigung Gottes), sondern die von Gott her ermöglichte, im kultischen Geschehen Wirklichkeit werdende und hier dem Menschen zugute kommende Aufhebung des Sünde-Unheil-Zusammenhangs.“ Zu beachten ist dabei, dass sich der Zorn Jahwes deutlich und in charakteristischer Weise vom Zorn der Götter in der griechischen Welt unterscheidet: Gottes Zorn ist gerecht und deshalb frei von jeder Spur von Irrationalität, Launenhaftigkeit oder Rachelust; Gott selbst ergreift im Prozess der Abwendung seines Zorns die Initiative. Das Substantiv ι� λαστη' ριον kommt 28 Mal im AT vor, davon 21 Mal im Pentateuch, wo es hebr. ‫[ ַכּפֶֹּרת‬kapporät] übersetzt, den Ausdruck für die Goldplatte, die die Bundeslade im Allerheiligsten bedeckte und auf der links und rechts die Keruben standen, die mit ihren Flügeln die Gegenwart Jahwes bedeckten (Ex 25,17-22; LÜ übersetzt mit „Gnadenthron“, Elb.Ü, EÜ, ZB mit „Deckplatte“).127 Die kapporät spielte am Großen Versöhnungstag eine entscheidende Rolle (Lev 16), der deshalb auch jom ha-kippurīm (Jom Kippur) hieß.128 Der Große Versöhnungtag war ein dramatisches Ereignis. Aaron bringt für sich und seine Familie einen Sündopferstier dar, sodann für Israel einen Sündopferbock, wobei er das Blut der beiden Tiere ins Allerheiligste bringt und dort an die kapporät sprengt, mit sühnender Wirkung für Aaron und Israel (Lev 16,16); mit dem Blut beider Tiere wird auch der Brandopferaltar im Vorhof besprengt und auf diese Weise von den Unreinheiten Israels gereingt und geheiligt (Lev 16,18-19).129 Der zweite Sündenbock, auf den Aaron seine Hände aufgelegt und die Übertretungen Israels bekannt hatte, wird mithilfe eines Begleiters in die Wüste geschickt (Lev 16,20-22). So werden an diesem Tag das Heiligtum und der Altar sowie Aaron und Israel gereinigt, indem ihnen Sühne geschaffen wird. Gott offenbarte sich am Sinai am siebten Tag auf dem Berg (Ex 24,15-18) und nach dem Bau der Stiftshütte im Allerheiligsten (Ex 25,8; 29,43-46; 40,34-35). Israel wird damit das „schöpfungstheologische ————————————————————

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Janowski, Sühne, 176, vgl. ebd. 358 mit dem Fazit, dass dieser für die vorpriesterliche und außerkultische Sühnetradition geltende Sachverhalt „in der kultischen Sühnetheologie der Priesterschrift … nicht nur nicht aufgegeben, sondern in einzigartiger Weise vertieft“ wird (358). Die folgenden Zitate ebd. 358.359 (Hervorhebung Janowski). Ex 25,17.20.21; 31,7; 35,12; 38,5.8; Lev 16,13.14.15. Janowski, Versöhnung, 14: ‫ַכּפֶֹּרת‬ bedeutet „Sühnmal, Sühneort“; das Wort hat mit einem „Deckel“ nichts zu tun. Vgl. Körting, Israels Feste, 119-130.162-190; Jürgens, Heiligkeit; Stökl Ben Ezra, Yom Kippur, 18-33; Janowski, Versöhnung. Der Hohepriester betritt nach Lev 16 das Allerheiligste drei Mal: mit Räucherwerk (Lev 16,12-13; mYom 5,1); mit dem Blut des Sündopferstiers (Lev 16,14; mYom 5,3); mit dem Blut des Sündopferbocks (Lev 16,15; mYom 5,4).

400 Römerbrief ———————————————————————————————————— Geheimnis des 7. Tages“ aufgedeckt, der die Vollendung der Schöpfung ist (Gen 2,2-3). Wie Gott der Schöpfer nach sechs Tagen am siebten Tag ruhte, wohnt Gott in der Mitte Israels im Allerheiligsten der Stiftshütte bzw. des Tempels: „in der kultischen Präsenz des im Begegnungszelt einwohnenden Sinaigottes (Ex 24,15-18; Ex 40,34-35) (wird) die Schöpfungsabsicht Gottes, Gemeinschaft mit den Menschen zu haben, für Israel konkret erfahrֵּּ‫ ִכ‬hält Janowski bare Wirklichkeit“.130 Im Blick auf den kultischen Gebrauch des Verbs ‫פר‬ fest: „Mit der Gabe des für die Entsühnung Israels, seiner / s kultischen Repräsentanten und des einzelnen bestimmten Blutes wird das im Blut enthaltene Leben die Basis des kultischen Sühnegeschehens. Weil der Opferherr durch das Aufstemmen seiner Hand auf das Opfertier in dessen Tod hineingenommen wird, an diesem Tod teilhat, indem er sich durch die Handaufstemmung mit dem Tier identifiziert, geht es in der Lebenshingabe des Sündopfertieres nicht um fremdes Todesgeschick, sondern um den eigenen, vom Opfertier stellvertretend übernommenen Tod des Opferherrn … doch gründet diese Leistung des Menschen in einer Gabe Gottes: in der allem kultischen Handeln des Menschen vorausliegenden, es begründenden und die übliche Opferlogik des do ut des außer Kraft setzenden göttlichen Gabe des Sühnemittels Blut (Lev 17,11). Erst diese Gabe des im Blut enthaltenen Lebens ermöglicht die im stellvertretenden Tod des Opfertieres zeichenhaft-real sich vollziehende Auslösung des verwirkten menschlichen Lebens, und d.h.: die Sühne.“131 Im zweiten Tempel, der nach der Rückkehr aus der babylonischen Gefangenschaft errichtet wurde und in dem (die verschollene) Lade keine Rolle spielte, war nach Auskunft der Mischna der Ritus am „Grundstein“ (‫[ ֶאֶבן ְׁשִתָּיה‬äbän schetijjāh]), der den Platz der Bundeslade einnahm und auf den der Hohepriester die Schaufel mit dem Räucherwerk stellte, von herausragender Rolle: „Nach der Entfernung der Lade war dort ein Stein aus der Zeit der frühen Propheten, der Schetijah (Grundstein) genannt wurde. Er war drei fingerbreit höher als der Fußboden, und auf ihn stellte er sie (die Schaufel)“ (mYom 5,2-3).132 Im Blick auf der Sühnegedanken ist Folgendes wichtig: 1. Die entscheidende Tat wird von Gott selbst vollbracht: Gott, nicht der Priester, gewährt Sühne und Vergebung, als Resultat des Sühnopfers. 2. Grundlegende Motivation für den Versöhnungsprozess ist der Wunsch, die unterbrochene Beziehung zwischen Gott und Sünder wiederherzustellen. 3. Ein weiteres Motiv ist das Bewusstsein der eigenen Unwürdigkeit, Gott gegenüberzutreten, in Gottes Gegenwart einzutreten. 4. Damit Sühne gewährt und die Beziehung zu Gott wiederhergestellt wird, ist ein Opfer notwendig – ein Opfertier, das in einem wirklichen Sinn die Sünden des Gesetzesübertreters „trägt“. Das Opfertier stirbt anstelle des Sünders, d.h., es stirbt als sein Ersatz, als sein Stellvertreter. Das Opfertier ist das „Lösegeld“ des Sünders. 5. Die Wirkung und das Resultat des Blutvergießens, das den Tod des Opfertiers zur Folge hat, ist die „Entfernung“ der Sünde und die „Reinigung“ des Sünders, da seine Sünde „erlöst“, d.h. weggenommen ist (‫פר‬ ֵּּ‫ ) ִכ‬und damit seine Sünden vergeben sind (‫)ִנְפַלח‬. 6. Der Tempel als der „Sühneort“ Israels ist auf das Ritual des Versöhnungstags (Jom Kippur) angewiesen: Gott erscheint in der Wolke über der Deckplatte der Bundeslade, der Hohepriester sprengt das Blut des Opfertiers zur Sühnung des Tempels vor sie hin, wodurch Sühne geschaffen wird für den Hohepriester und seine Familie sowie für die ganze Gemeinde Israels (Lev 16,2.14.17). Die ‫ ַכּפֶֹּרת‬ist deshalb nicht bloß ein Teil des Kultmobiliars, sondern „der Ort der Gegenwart Gottes in Israel“.133 In Hesekiel übersetzt ι� λαστη' ριον hebr. ‫„( ֲע ָז ָרה‬Einfassung“ ————————————————————

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Janowski, Sühne,22. Janowski, Sühne, 247. Janowski, Versöhnung, 5. Vgl. Schäfer, Tempel und Schöpfung, 122-128 zur Interpretation dieses Steins als „Gründungsstein“ der Welt. Janowski, Sühne, 353. In 1Chron 28,11 heißt das Allerheiligste ‫בית ַה ַכּפֶֹּרת‬ ּ ֵ (bejt hakapporet, „Raum der Deckplatte“; LXX: οι»κος τουñ ε� ξιλασμουñ ).

Die Offenbarung der Gerechtigkeit Gottes im Sühnetod Jesu 3,21-31 401 ———————————————————————————————————— um den Altar; „Vorhof“ des Tempels).134 In einer Zeit entstanden, in der es die Bundeslade im Allerheiligsten (nach 586 v.Chr.) nicht mehr gab, beschreibt der LXX-Text Hesekiels den im Zentrum des Tempelareals stehenden Altar als das neue ι� λαστη' -ριον, d.h. den Ort, an dem die Sühnung für Sünde vollzogen wird.135 Das Wort ι�λαστη' ριον wird in Röm 3,25 unterschiedlich interpretiert. 1. Seit Origenes136 verstehen viele Ausleger ι�λαστη' ριον auf dem Hintergrund der atl. ‫ַכּפֶֹּרת‬ als typologische Interpretation des Todes Jesu.137 Die folgenden Argumente stützen diese Interpretation. (i) Das Wort wird ohne nähere Erläuterung gebraucht, was für den schriftgelehrten Paulus eine Anspielung auf die relevanten atl. Stellen nahelegt. (ii) Die nachgestellte Wendung ε� ν τω ñ, αυ� τουñ αι«ματι entstammt kultischer Sprache und bestätigt ein Verständnis des Todes Jesu als Opfer. (iii) Das Verb φανερο' ω V. 21 könnte auf das Erscheinen Gottes über der kapporät hindeuten. (iv) Der Hinweis auf das Hingehenlassen der zuvor begangenen Sünden V. 25 entspricht der rabbinischen Vorstellung, dass manche Sünden erst am Jom Kippur vergeben werden (mYom 8,8; tYom 5,5; bYom 86a) – unter der Bedingung der Buße sind im Anschluss an Lev 16,21 auch beabsichtigte Sünden am Versöhnungstag sühnbar (mShevu 1,6). Die Einwände, die eine Interpretation im Sinn der atl. kapporät vertreten werden, sind wie folgt zu beantworten:138 (i) Die stadtrömischen Christen konnten diese Anspielung auf eine atl. „Institution“ durchaus verstehen; Lev 16 gehörte zu den zentralen Stellen der jüdischen Tradition auch in der Diaspora, und war den Judenchristen sowie den gottesfürchtigen Heiden, die Kontakte zur Synagoge hatten, bekannt.139 Josephus beschreibt, in der Zeit nach Paulus, für seine heidnischen Leser den Jom Kippur ausführlich (Ant. 3,240-243), mit einer Betonung der (blutigen) Opferriten, ohne allerdings das Allerheiligste oder die kapporät konkret zu erwähnen.140 (ii) Die Tatsache, dass ι�λαστη' ριον V. 25 ohne Artikel steht, während der technische Ausdruck in der LXX den Artikel hat, ist als Gegenargument untauglich: Das syntaktische Komplement eines direkten Objekts, hier das Relativpronomen ο« ν, d.h. ein Prädikatsakkusativ, braucht selbst bei Bezug auf etwas Bestimmtes keinen Artikel.141 (iii) Der Einwand, wenn Jesus als ‫ ַכּפֶֹּרת‬vorgestellt werde, hätte man einen verzerrten Vergleich, da das Blut Jesu an die ‫ ַכּפֶֹּרת‬gesprengt werden müsste, die er selbst sei, ist nicht stichhaltig. Einmal ist die frühchristliche typologische Interpretation atl. Stellen ist nicht im buchstäblichen Sinn „logisch“.142 Gleichzeitig gilt, ————————————————————

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HAL s.v. ‫ ֲע ָז ָרה‬1–2. Vgl. Kraus, Translations, 78 zu den Belegen in Am 9,1; Hes 43,14(3x).17.20. Origenes II 112-123, mit einer allegorischen Deutung der Länge und Breite der Sühneplatte sowie der beiden Keruben. Schlatter 145-146; Nygren 118-119; Wilckens 1, 191; Dunn I 170-172; Stuhlmacher 57; Fitzmyer 149-150; Moo 231-136; Hultgren 662-675; Wolter I 256-259; Roloff, EWNT II, 455-457; Breytenbach, ThBLNT II, 1687 (eventuell); Stuhlmacher, Zur neueren Exegese; Theobald, Gottesbild, 45-46; Haubeck, Loskauf, 171-178; Merklein, Sühnetod; Stuhlmacher, Theologie I, 193-194; Kraus, Tod Jesu, 150-157; Gaukesbrink, Sühnetradition, 231; Knöppler, Sühne, 117; Schluep, Ort, 114-121; Söding, Sühne, 377385; Kraus, Erweis; Tiwald, Hilasterion; Eschner, Gestorben, 33-34; Wolter, Paulus, 107-108; Eberhart, Kultmetaphorik, 160-169; Park, Stellvertretung, 218-220. S. die in der vorausgehenden Anm. angegebene Literatur. Wenig überzeugend ist die These, Paulus habe zusätzlich zu den Christen in Rom an Judenchristen in Jerusalem als Leser des Römerbriefs gedacht (Tiwald, Hilasterion, 194). Zur Interpretation vgl. Begg, Yom Kippur in Josephus, bes. 103-104.107. HvS §133g.2a. Vgl. Kraus, Erweis, 201. Vgl. Hebr 9,11-12: Christus betritt als Hohepriester das himmlische Allerheiligste mit seinem eigenen Blut, d.h., er ist Opfertier und Hohepriester zugleich.

402 Römerbrief ———————————————————————————————————— dass schon die frühjüdischen Vorstellungen hinsichtlich der ‫ ַכּפֶֹּרת‬abstrakt waren, zumal es im Zweiten Tempel weder Bundeslade noch die Deckplatte gab. Außerdem ist zu beachten, dass Jesus nicht mit einer neuen Kulthandlung verbunden wird, d.h., eine Sprengung des Blutes Jesu an die ‫ ַכּפֶֹּרת‬, die er selbst wäre, ist nicht im Blick.143 2. In einem profangriechischen Kontext bezeichnet ι�λαστη' ριον die „Sühnegabe“, das sühnende Opfer. Diese Interpretation, die manchmal mit der dritten Herleitungsvariante verbunden wird,144 verweist auf die Schwierigkeiten, die die Herleitung von der atl. Vorstellung der ‫ ַכּפֶֹּרת‬beinhaltet. Diese Vorbehalte wurden im vorausgehenden Abschnitt behandelt. Das Problem dieser Interpretation besteht einmal darin, dass es nur einen einzigen Beleg für die Bedeutung „Sühnopfer“ von ι� λαστη' ριον gibt – den in das 2. Jh. n.Chr. datierenden Papyrus von Fayum, in dem das Adj. zusammen mit dem Wort für „Opfer“ vorkommt (ει�λαστη[ρι' ο] υς θυσι' ας).145 Die These, ι� λαστη' ριον in Röm 3,25 sei als Adjektiv zu interpretieren, zu dem das Wort für das Opfer(tier), d.h. το` θυñ μα, hinzuzudenken ist,146 lässt sich nicht halten: Die Formulierung ι�λαστη' ριον θυñ μα kommt in der griech. Literatur nirgends vor, und das Wort θυñ μα wird an keiner Stelle im NT verwendet; im NT finden wir 25 Mal das Wort θυσι' α, das fem. ist und deshalb als Ergänzung von ι�λαστη' ριον nicht infrage kommt. Ob die Verbindung mit 4Makk 17,21-22 plausibel ist, wird im folgenden Abschnitt besprochen. Weiter ist zu beachten, dass die LXX an keiner Stelle ι�λαστη' ριον als Übersetzung für ein Opfer bzw. eine Opferart verwendet; der Begriff „Sühnopfer“ findet sich im AT nicht; das häufigste Äquivalent für „Sündopfer“ (‫טאת‬ ּ ָ ‫ )ַח‬ist die Wendung περι` τηñ ς α� μαρτι' ας, für „Schuldopfer“ (‫ )ָאָׁשם‬die Bezeichnung περι` τηñ ς πλημμελει' ας. Festzuhalten ist jedenfalls, dass ι�λαστη' ριον nicht allgemein „Sühne“ bedeutet (EÜ, LÜ, ZB): Die vorhandenen Belege für die Vokabel beziehen sich immer auf einen konkreten Gegenstand, es ist nie ein abstraktes Substantiv.147 3. Auf dem Hintergrund von 4Makk 17,21-22 ist ι�λαστη' ριον148 im Sinne des sühnenden Todes eines Märtyrers zu verstehen.149 Der Tod der makkabäischen Märtyrer hatte sühnende Kraft, weil sie als Gerechte ihr Leben hingegeben haben, das Ersatz (α� ντι' ψυχον) für die Sünde des Volkes wurde, so ist Jesus als der Gerechte für die Sünder gestorben. Der Tod eines Helden, so das Argument, liegt für Leser in Rom näher als atl. Vorstellungen.150 Diese Erklärung kann die personale Dimension des Märtyrertodes und des Todes Jesu betonen. Probleme sind (i) die nicht gesicherte Datierung von 4Makk,151 (ii) die Tatsache, dass es in

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Janowski, Sühne, 352; Haubeck, Loskauf, 175. Lohse 134-135; Hahn, Theologie I, 251. Grenfell/Hunt/Hogarth, Fayûm, 313 No. 337. Lohse, Märtyrer, 152. Zum folgenden Punkt s. Bailey, Christ as the Mercy Seat, 22,30. Bailey, Christ as the Mercy Seat, 55; Finlan, Cultic Atonement Metaphors, 129. 4Makk 17,22 Codex A verwendet das Adjektiv, Codex S das neutrische Substantiv: Hier wird der Tod der Märtyrer als ι�λαστη' ριον bezeichnet, während in Röm 3,25 Jesus selbst ι� λαστη' ριον genannt wird. Vgl. Bailey, Christ as the Mercy Seat, 99, 106. Lohse 135; Haacker 106-107; Lohse, Märtyrer, 151-152; Seeley, Death, 24-25; Henten, Background; Williams, Martyr Traditions; Williams, Martyr Theology; vgl. den Forschungsüberblick bei Kraus, Tod Jesu, 4-8. Seneca, Ep. 76,27: „Verlangt es die Sachlage, dass du für das Vaterland stirbst und die Rettung aller Bürger um den Preis deiner eigenen erkaufst“; vgl. Cicero, Fin. 2,61; Tusc. 1,89; Josephus, Bell. 5,419. Bickerman, Studies I, 275-281 und DeSilva, 4 Maccabees, xiv, datieren in die erste Hälfte des 1. Jh.; Klauck, 4. Makkabäerbuch, 668-669 und Henten, Jewish Martyrdom, 143145, um 100 n.Chr.; Campbell, Rhetoric, 221-228 nach 135 n.Chr. Henten, ebd., 144 glaubt, 4Makk sei als Antwort auf christliche Märtyrertraditionen in Kleinasien und Syrien entstanden. Das zeitliche Argument im Blick auf 4Makk lässt sich nicht durch einen Hinweis auf 2Makk 7,37-38 entkräften; vgl. Henten ebd. 153-160.

Die Offenbarung der Gerechtigkeit Gottes im Sühnetod Jesu 3,21-31 403 ———————————————————————————————————— Röm 3,25 Gott ist, der Jesus als ι� λαστη' ριον hinstellt, während es in 4Makk 17 die Märtyrer selbst sind, die ihr Leben als ι� λαστη' ριον opfern, was dann von Gott akzeptiert wird,152 (iii) der fehlende Bezug auf Stellvertretung (auch in 2Makk 7,37-38: Die Märtyrer sterben als Zeugen für die väterlichen Gesetze, nicht als Schuldlose, deren Leben ein Opfer für Sünden ist, und (iv) das Fehlen des Wortes θυñ μα, das Lohse für Röm 3,25 annimmt. 4. Mit dem Wort ι� λαστη' ριον wird Jesus als „Weihegeschenk“ beschrieben: Analog zum zeitgenössischen Brauch von Weihegeschenken (griech. α� να' θημα), mit denen Menschen die Wirksamkeit der göttlichen Zuwendung erinnern, stellt Gott mit dem Tod Jesu ein Weihegeschenk für die Menschen auf.153 Diese Interpretation ist nicht plausibel. (i) Weihegeschenke werden zwar manchmal als ι� λαστη' ριον bezeichnet, viel häufiger jedoch als α� να' θημα, χαριστη' ριον, ευ� χαριστη' ριον, δω ñ ρον. (ii) Bei den griech.-röm. Weihegeschenken spielen Blut bzw. Opfer keine Rolle. (iii) In der einzigen jüdischen Stelle – Josephus, Ant. 16,182 – ist ι� λαστη' ριον wahrscheinlich nicht Substantiv, sondern Adjektiv, woraus sich ergibt, dass das Weihegeschenk als μνηñ μα bezeichnet wird; anders interpretiert wäre diese Stelle die einzige, in der ι�λαστη' ριον „Sühnemittel“ bedeutet. (iv) Diese Interpretation spielt die Bedeutung des Kontextes in Röm 3,25-26 herunter, in der von der Gerechtigkeit Gottes und vom Erlass früherer Verfehlungen die Rede ist. 5. Manche Ausleger lassen die Bestimmung des traditionsgeschichtlichen Hintergrunds von ι� λαστη' ριον offen und plädieren für eine allgemeine Bedeutung154 oder lassen mehrere Bedeutungen gelten.155 Man kann dies für ein Ausweichen vor einer Entscheidung156 oder für ein Merkmal exegetischer Weisheit halten. Der Hinweis auf das Blut Jesu in V. 25 ist jedenfalls nur auf dem Hintergrund einer kultischen Interpretation verständlich. Ohne diesen kultischen Bezug auf ein Opfer ergibt die Wendung keinen Sinn. Gott sühnt die Sünde von Heiden und Juden (1,18–3,20), als Rettung vor seinem Zorn, durch den öffentlichen Tod Jesu am Kreuz.

Das Verständnis von ι�λαστη' ριον im Zusammenhang der ‫ ַכּפֶֹּרת‬im Allerheiligsten des Tempels als Interpretation des Kreuzestodes Jesu ist am plausibelsten. Das tertium comparationis ist dabei die jeweilige Wirklichkeit und Wirkung: Sowohl die ‫ ַכּפֶֹּרת‬als auch der Kreuzestod Jesu sind Orte der Gegenwart Gottes, der Sünden entfernt – im Allerheiligsten am Jom Kippur, am Kreuz am Freitag vor dem Passafest, als Jesus vor den Toren Jerusalems starb. Diese Interpretation hat auf dem skizzierten atl. Hintergrund folgende ————————————————————

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Knöppler, Sühne, 113-114; Söding, Sühne, 381. Schreiber, Weihegeschenk; zur folgenden Kritik siehe Kraus, Erweis, 201-203; Weiß, Weihegeschenk. Weiß 165-166; Sanday/ Headlam 88; Zahn 187-192; Lagrange 75-76; Lietzmann 49-50; Kuss I 157; Käsemann 91 („eine mit Sühne zusammenhängende Sache, konkret die Sühnegabe oder das Sühnemal, allgemein das Sühnemittel“): Schlier 111; Zeller 87; Légasse 264-265; Deissmann, ΙΛΑΣΤΗΡΙΟΣ; Morris, Meaning; Schnelle, Paulus, 509: „Gott selbst schuf die Möglichkeit zur Sühne, indem er Jesus Christus als Sühnemittel herausstellte“; Flebbe, Solus Deus, 98-104. Kuss 155-157; Michel 151-152; Schreiner 192-194; Penna 256-261; Kruse 186-191; Weder, Normativität, 313-314; M. Silva, Art. ι�λα' σκομαι, NIDNTTE II, 541; vgl. NA28 mit einem Hinweis sowohl auf Lev 16,13-16 als auch 4Makk 17,21-22. Kraus, Erweis, 201: „Die Übersetzung durch ‚Sühne‘ weicht dem eigentlichen Interpretationsproblem aus“.

404 Römerbrief ————————————————————————————————————

(antitypischen) Bedeutungsmomente: (i) Der Ton liegt auf der Initiative und auf dem Handeln Gottes: Gott hat Christus öffentlich hingestellt (προε' θετο) als Ort seiner sühnenden Gegenwart (ι�λαστη' ριον). Damit betätigt sich das Verständnis der Wendung δικαιοσυ' νη θεουñ als Heil schaffende Macht Gottes: In V.25b wird die Sühneaussage mit der Wendung „zum Erweis seiner Gerechtigkeit“ (ει� ς ε» νδειξιν τηñ ς δικαιοσυ' νης αυ� τουñ ) erläutert. (ii) Der Ort, an dem Sühne erwirkt wird, ist nicht mehr der Tempel in Jerusalem, sondern Jesus, der in Jerusalem gekreuzigt wurde. Das Sühnemittel ist der Tod Jesu (vgl. den Hinweis auf das Blut Jesu V. 25), nicht der Tod von Opfertieren. Der Karfreitag ist der eschatologische Versöhnungstag.157 (iii) Nichtchristliche jüdische Leser müssen diese Interpretation als provokativ empfunden haben.158 Gottes sühnende Gegenwart wird nicht mehr im Jerusalemer Tempel Wirklichkeit, sondern im Kreuzestod Jesu, mit der Konsequenz, dass die an Jom Kippur gebundene Wirksamkeit der levitischen Opfer, die die Heiligkeit des Volkes Israel garantieren, aufgehoben ist. Gott vergibt Sünden nicht mehr im Tempel für alle, die im Rahmen des Tempelkults opfern, sondern durch Jesus für alle, die an Jesus glauben, den gekreuzigten und auferstandenen Messias. Der Ursprung dieser Interpretation des Todes Jesu ist einerseits Mk 10,45, andererseits im Stephanus-Kreis (Apg 6,13-14) zu sehen.159 (iv) Als ι�λαστη' ριον / ‫ ַכּפֶֹּרת‬ist Jesus, der Messias Israels, der Ort der „konzentriertesten“ Gegenwart Gottes. Indem Jesus den Tod erleidet als Konsequenz der Sünde aller Menschen, anstelle aller Menschen, ist es Gott selbst, der durch diesen Tod Sühne erwirkt. Gott identifiziert sich mit Jesus dem Gekreuzigten. Die Identifizierung Jesu mit der sühnenden Gegenwart Gottes ist christologisches Bekenntnis. Jesus ist „der den Glaubenden vom Kreuz herab begegnende Gott und der sich im Namen Gottes gehorsam aufopfernde Sohn Gottes, wahrer Gott und wahrer Mensch zugleich“.160 (v) Die Sühne des Kreuzes hat universale Konsequenzen. Dies ————————————————————

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Michel, 153; Roloff, EWNT II, 456-457; Haubeck, Loskauf, 178. Stuhlmacher, Theologie I, 193; Kleinknecht, Der leidende Gerechtfertigte, 187-188; Schnelle, Paulus, 508 („polemischer Akzent“). Vgl. Stökl Ben Ezra, Yom Kippur, 197205, der festhält, Paulus hätte eine etwaige Opposition zum Tempel bzw. eine Substitution des Tempels durch den Sühnetod Jesu deutlicher zum Ausdruck bringen können. Wilckens I 239; Kleinknecht, Der leidende Gerechtfertigte, 187-188, mit Verweis auf Hengel, Hellenisten, 11; Hengel, Geschichtsschreibung, 55-57. Ob die Interpretation des Todes Jesu als hilastērion bedeutete, dass Judenchristen aufhörten, den Jom Kippur zu feiern, ist umstritten; bejahend Wilckens I 240; Theobald 101; Roloff, EWNT II, 456; Stuhlmacher, Theologie I, 194; Breytenbach, Versöhnung, 166-167; Gaukesbrink, Sühnetradition, 232-233; verneinend Stökl Ben Ezra, Yom Kippur, 145 und passim; Tiwald, Hilasterion, 195-198. Stuhlmacher 58.

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wird aus προε' θετο sowie aus dem Kontext V. 23-24 deutlich. Wichtig ist außerdem die jüdische Vorstellung, dass die (verschwundene) Bundeslade (mit der ‫ ) ַכּפֶֹּרת‬in der Endzeit wieder gefunden und ihren endgültigen Platz im Tempel erhalten werde (2Makk 2,4-8), sowie die Prophetie Jeremias, dass man in der messianischen Zeit nicht mehr nach der Bundeslade gefragt wird; Jer 3,16-17: „In jenen Tagen, wenn ihr euch im Land vermehrt und fruchtbar seid – Spruch des Herrn –, wird man nicht mehr rufen: Die Bundeslade des Herrn! Sie wird niemand in den Sinn kommen; man denkt nicht mehr an sie, vermisst sie nicht und stellt auch keine neue her. In jener Zeit wird man Jerusalem ‚Thron des Herrn‘ nennen; dort, beim Namen des Herrn in Jerusalem, werden sich alle Völker versammeln und sie werden nicht mehr dem Trieb ihres bösen Herzens folgen“ (EÜ). Das heißt für Röm 3,25: „Durch Jesus hat die Sammlung Israels stattgefunden und ist die Zeit der Erbarmung angebrochen; in ihm ist der Ort der Sühne, der Epiphanie und der Präsenz Gottes endgültig sichtbar.“161 Das mit Gott (hat) öffentlich hingestellt (προε' θετο) übersetzte Verb entspricht (antitypisch) der kultischen Interpretation von ι�λαστη' ριον: Im Gegensatz zur sühnenden Gegenwart Gottes über der Bundeslade am Jom Kippur ist die sühnende Gegenwart Gottes im Tod Jesu öffentlich. In der LXX wird das Verb für das öffentliche Auslegen des Schaubrots verwendet.162 Hier verweist es auf die öffentliche Hinrichtung Jesu am Kreuz.163 Im Zusammenhang mit dem folgenden Verweis auf das Blut Jesu wird wahrscheinlich auch an die Inauguration des Alten Bundes mit öffentlich auf das Volk gesprengten Blut erinnert (Ex 24,3-8): Mit dem Tod Jesu setzt Gott den verheißenen Neuen Bund in Kraft.164 Die Tatsache, dass Gott Subjekt des Satzes ist (ο� θεο' ς), betont, dass Gott selbst Sühne geschaffen hat. Gott selbst hat die Initiative ergriffen, seinen Zorn (1,18–3,20) vom Sünder abzuwenden. Gleichzeitig ist angedeutet, dass Jesus stellvertretend für die Sünder am Kreuz stirbt: Es sind nicht (mehr) Tiere, die stellvertre————————————————————

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Kraus, Tod Jesu, 156. Ex 29,23; 40,23; Lev 24,8; vgl. 2Makk 1,8.15. So die meisten Kommentare. Wilckens I 192, im Anschluss an Stuhlmacher, Zur neueren Exegese, 130, spricht von einem terminus technicus. Andere verstehen das Verb 1. im Sinn von „vorausbestimmen“, mit Verweis auf Röm 8,28; 9,11; Eph 1,9-11; 3,11 (Origenes 122-125; Ambrosiaster 80; Chrysostomus 444; Cambier 90-91; Cranfield I 208-210; Zeller 87; Pluta, Bundestreue, 59-62); 2. als Hinweis auf Ex 25,17 (Smits, Citaten, 469; Wilckens I 192 Anm. 537 als Möglichkeit; vgl. Haacker 107); 3. im Anschluss an 2Kor 5,19 als „Setzung“ der Verkündigung (G. Schrenk, ThWNT III, 322; Eichholz, Theologie, 192). Vgl. Söding, Sühne, 380. Dunn I 170. Vgl. den Hinweis auf Ex 24,3-8 in Hebr 9,18-22 zur Erklärung des durch Jesus inaugurierten Neuen Bundes (Hebr 9,15); dazu Knöppler, Sühne, 206-207.

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tend für den bußfertigen Sünder sterben – Jesus, der Sohn Gottes und Messias Israels (1,3) sühnt durch seinen Tod die Sünde der Sünder, die so vom Tod im Zorngericht Gottes errettet werden. Die Formulierung durch den Glauben (δια` πι'στεως)165 nimmt das dritte Element der Beschreibung der Heil schaffenden Offenbarung Gottes im Tod Jesu von V. 22 auf. Paulus unterstreicht, dass die sühnende Gegenwart Gottes im Tod Jesu für Heiden und Juden Wirklichkeit ist, die glauben, d.h. bejahen, dass Gott im Tod Jesu Sünden vergibt.166 Dies gilt nach 1,16 sowohl für Juden wie für Griechen. Paulus betont positiv, dass die Sünden der heidnischen und jüdischen Sünder vergeben werden, wenn sie an Gottes Heil schaffende Offenbarung im Sühnetod Jesu glauben; er betont negativ, dass es keine andere Möglichkeit zur Sündenvergebung gibt als den Sühnetod Jesu und den Glauben an Gott, der sich in Jesus Christus offenbart hat.167 Festzuhalten ist, dass sich die Sühne der Sünden nicht erst im Glauben ereignet, sondern im Tod Jesu.168 Die Formulierung in seinem Blut (ε� ν τω ñ, αυ� τουñ αι«ματι) wird meistens mit dem Hauptsatz verbunden: Gott hat Jesus öffentlich als Sühneort hingestellt, konkret „in seinem Blut“, d.h. in seinem Tod.169 In Röm 5,9-10 steht „durch sein Blut“ (ε� ν τω ñ, αι«ματι αυ� τουñ ) parallel zu „durch den Tod seines ————————————————————

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Exegeten, die 3,25-26 als Traditionsstück verstehen, interpretieren δια` πι' στεως als redaktionellen Einschub bzw. Parenthese (z.B. Käsemann 92; Dunn I 172). Die Wendung verweist weder auf die Bundestreue Gottes (Pluta, Bundestreue, 45-56.105-111; zur Kritik Wilckens I 194; Dobbeler, Glaube, 81) noch auf die Treue Jesu (Williams, Jesus’ Death, 47, der die Dativwendung ε� ν τω ñ, αυ� τουñ αι«ματι als Dativ des Preises interpretiert). Wilckens I 194 interpretiert: Paulus will betonen, „daß das Sühnehandeln Gottes im Tode Christi allen Menschen den Glauben eröffnet und alle Menschen als Glaubende erreicht“. Die Aussage, dass Gottes Handeln „Glauben eröffnet“ bzw. die Möglichkeit des Glaubens eröffnet (Dobbeler, Glaube, 81), ist theologisch richtig, aber nicht aus der modalen Präpositionalwendung δια` πι' στεως abzulesen. Cranfield I 210. Vgl. Weder, Normativität, 315: „Der Glaube ist das Vertrauen auf die Wirklichkeit dieses göttlichen Aktes der Sühne. Der Glaube lässt die göttliche Sühnetat sein, er ist eigentlich das Phänomen, in welchem der Mensch die göttliche Aktivität in Empfang nimmt, an sich selbst geschehen lässt. Und dass es hier um Versöhnung geht, kann diese – auch wenn Gott ihr Urheber ist – den unversöhnten Menschen gerade nicht übergehen … Eine Zwangsversöhnung gibt es nicht“. Diese wäre Allversöhnung. Knöppler, Sühne, 119; wenn er betont, dass der Glaube keine „Bedingung der Heilsteilhabe“ (ebd.) ist, trifft dies dann zu, wenn man Glaube als vom Sünder zu erbringende Leistung versteht und vergisst, dass die Sünder „umsonst“ gerechtfertigt werden. Wenn δια` πι' στεως „die Art und Weise der Heilszueignung“ beschreibt (ebd.), dann ist das Vorhandensein von Glauben durchaus „Bedingung“. EÜ „Sühne zu leisten mit seinem Blut“; ZÜ „Sühne zu schaffen … durch die Hingabe seines Lebens“; GN „Ihn hat Gott als Sühnezeichen aufgerichtet vor aller Welt. Sein Blut, das am Kreuz vergossen wurde, hat die Schuld getilgt“; NGÜ „durch sein Blut, das er vergossen hat, ist die Sühne geschehen“.

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Sohnes“ (δια` τουñ θανα' του τουñ υι�ουñ αυ� τουñ ). In Lev 16,14-15 wird ι�λαστη' ριον ebenfalls mit αι«μα [haima] verbunden.170 Die Wendung „durch sein Blut“ kommt auch in Röm 5,9; Eph 2,13; Hebr 10,19; 13,20; 1Joh 5,6; Offb 1,5; 5,9; 7,14 vor. „Blut“ steht für den gewaltsamen Tod, hier für den Kreuzestod Jesu, der mit diesem Wort als Opfer beschrieben wird. Die Kreuzigung war eine durchaus „blutige“ Todesart,171 auch wenn die Enthauptung durch das Schwert oder die Steinigung blutiger sind.172 Weil die „Seele“, d.h. das Leben, im Blut ist (‫ ;ֶנֶפׁש ַהָּבָׂשר ַב ָּּדם‬LXX: η� γα` ρ ψυχη` πα' σης σαρκο` ς αιðμα αυ� τουñ ε� στιν), geschieht im atl. Kult die Sühnung von Sünden auf dem Altar durch die Schlachtung eines Opfertiers (Lev 17,11).173 Paulus hebt hier die Sühne wirkende Kraft des Kreuzestodes Jesu hervor.174 Gleichzeitig verweist das Stichwort „Blut“ auf ein Verständnis des Todes Jesu als Strafe für die Sünde (bes. im Kontext von 1,32; 2,6). Die Sünde der in 1,18–3,20 beschriebenen Sünder werden vom Urteil Gottes, das den Tod als Folge von Sünde dekretiert, gerettet, indem Jesus die gerechte Strafe für die Sünde aller Menschen auf sich nimmt.175 Das Blut Jesu spielt in der Abendmahlstradition (Mt 26,28 / Mk 14,24 / Lk 22,20; 1Kor 10,16; 11,25) eine entscheidende Rolle: Es spricht von der Selbsthingabe Jesu in den Tod, von der Vergebung der Sünden und vom Neuen Bund. Weniger plausibel,176 aber nicht unmöglich ist es, die Wendung „in seinem Blut“ mit dem vorausgehenden „durch den Glauben“ zu verbinden, was dann mit „durch den Glauben an sein Blut“ zu übersetzen wäre.177 ————————————————————

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Zur Entsühnung des Heiligtums s. auch Hes 43,20-27; 45,18-20. Vgl. F. Büchsel, Art. «ιλεως κτλ., ThWNT III, 322; Kraus, Tod Jesu, 45-59; Knöppler, Sühne, 117; u.a. Knöppler, Sühne, 118 Anm. 37, meint, bei einer Kreuzigung fließe relativ wenig Blut. Wie viel Blut bei einer Kreuzigung floss, inwieweit der Hinzurichtende gefoltert (z.B. gegeißelt) und auf welche Art und Weise er an dem Holz befestigt wurde: Cook, Crucifixion, 238-239.274-275.331-335.428. Lev 17,11 LXX betont die Stellvertretung des Blutes vom Opfertier: το` γα` ρ αιðμα αυ� τουñ α� ντι` τηñ ς ψυχηñ ς ε� ξιλα' σεται („Sein Blut wird ja anstelle des Lebens Sühne bewirken“). Vgl. Breytenbach, Versöhnung, 168; Kraus, Tod Jesu, 162; Knöppler, Sühne, 118. Stuhlmacher 58: „Indem Jesus stellvertretend für alle, die an ihn glauben, sein Leben in den Tod gibt, erleidet er stellvertretend für die Sünder das Vernichtungsgericht.“ Vgl. Gathercole, Justified, 179. Barth, KD IV/1, 254-300: Jesus Christus der Gekreuzigte ist der an unserer Stelle richtende Richter, der an unserer Stelle gerichtete Richter, der an unserer Stelle getötete Richter und der an unserer Stelle rechttuende Richter. Anders Wilckens I 221: „Strafgerechtigkeit aber ist die δικαιοσυ' νη ihrer Intention nach nirgendwo“. Im Kontext der Rede vom Zorn Gottes (1,18) und vom von Gott dekretierten Tod des Sünders (1,32; 2,6) ist der Protest von Wilckens u.a. nicht plausibel. Paulus verbindet an keiner anderen Stelle den Glauben mit dem Blut Jesu. Elb.Ü „durch den Glauben an sein Blut“. Haacker 108: Es ist sprachlich möglich und paulinisch, ε� ν τω ñ, αυ� τουñ αι«ματι an δια` πι' στεως anzuschließen: Für die Konstruktion von πι' στις mit ε� ν s. 1Kor 2,5; Gal 3,26; Eph 1,15; Kol 1,4; 1Tim 3,13; 2Tim 3,15; gegen Käsemann 91-92.

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Die dreizehnte Wendung, die Gottes Heil schaffende Offenbarung in Jesus beschreibt, lautet: zum Erweis seiner Gerechtigkeit (ει� ς ε» νδειξιν τηñ ς δικαιοσυ' νης αυ� τουñ ). Paulus erläutert in einer ersten Zielangabe die „Theologie“ der Heilstat Gottes im Tod Jesu: Gott zeigt, dass er gerecht ist, weil er die vorher geschehenen Sünden hingehen ließ. Der Finalsatz wird unterschiedlich interpretiert. 1. Das Wort ε» νδειξις [endeixis] bedeutet „Beweis“, und δικαιοσυ' νη verweist auf das Gerechtsein Gottes.178 Der Sühnetod Jesu, durch den alle, auch die früher geschehenen Sünden vergeben werden, stellt unter Beweis, dass Gott gerecht ist – Sünder gehen als Gerechte aus dem Endgericht hervor, weil Jesus an ihrer Stelle die Strafe Gottes getragen hat. Weil ε» νδειξις in V. 26 eine soteriologische Bedeutung hat, ist in V. 25 ein Bezug auf Gott selbst plausibel, was das Resümee in V. 26 bestätigt (ει� ς το` ειòναι αυ� το` ν δι'καιον, „damit er gerecht ist“). 2. Das Wort ε» νδειξις bedeutet „Taterweis“, und δικαιοσυ' νη verweist wie in V. 21.22 auf das Heil schaffende, Gerechtigkeit wirkende Handeln Gottes im Tod Jesu. Der Sühnetod Jesu ist der „Erweis seines gnädigen Tuns“, durch das er den Sündern Gerechtigkeit zueignet.179 Der erste Auslegungsvorschlag ist am plausibelsten: Gott demonstriert, dass er gerecht ist. Wichtig ist 3,5-6, wo es um die Gerechtigkeit des Zornes Gottes geht: Es gibt keinen Zweifel daran, „dass Gott, wenn er die Vergehen der Menschen nicht beiseite lässt, sondern Ungerechte bestraft, gerecht handelt. Als Zorn gegen Ungerechte stellt der Zorn Gottes nämlich einen gerechten Zorn dar, die Bestrafung der Sünder eine gerechte Handlung, wohingegen die bloße Verschonung von Ungerechten gerade ungerecht wäre.“180 Die durch den Tod Jesu erwirkte Sündenvergebung ist keine Amnestie in dem Sinn, dass Gott die Realität des Sündigens der Sünder jetzt einfach ignoriert, nachdem er zuvor ihre Bestrafung im Endgericht angedroht hat. Der Tod Jesu zeigt, dass Gott sich treu bleibt und Sünde bestraft: Jesus ist anstelle der Sünder gestorben, denen ————————————————————

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Bauer / Aland s.v. ε» νδειξις 2; BDAG s.v. ε» νδειξις 2; Cranfield I 211; Moo 240; Schreiner 195-198; Jewett 288-289; Theobald, Gottesbild, 46; Piper, Justification, 115-130; Gathercole, Justified, 180-181; Lambrecht, Two Brief Notes, 131-133. Lohse 136. Vgl. Käsemann 92; Wilckens I 193; Fitzmyer 351; Légasse 265; Kümmel, πα' ρεσις, 263; H. Paulsen, Art. ε» νδειξις, EWNT I, 1099: In V. 25-26 unterstreicht Paulus „den Machtcharakter der offenbarten Gottesgerechtigkeit“. Eschner, Gestorben I, 53-54. Gott vollzieht die Bestrafung der Sünden an Jesus Christus und beweist so, in Entsprechung zur Gerechtigkeit seines Zorns, dass er gerecht ist. „Der Tod Christi ist somit der Grund dafür, dass Gott gleichzeitig sowohl gerecht ist als auch Sünder gerecht machen kann (ει� ς το` ειòναι αυ� το` ν δι' καιον και` δικαιουñ ντα), da die Rechtfertigung von Sündern auf diejenigen beschränkt ist, die zu Christus gehören (vgl. το` ν ε� κ πι' στεως � Ιησουñ )“ (ebd. 54).

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deshalb Gerechtigkeit zugesprochen werden kann.181 Da beide Interpretationen einen Sinn ergeben, sollten sie allerdings nicht streng auseinandergehalten werden,182 zumal ε» νδειξις in 2Kor 8,24 (wo es zusammen mit dem Verb ε� νδει'κνυμι steht) sowohl das Erbringen eines Beweises bezeichnet als auch die Verbindung dieses Beweises mit Zuneigung und eigenem Engagement beschreibt, das auf das Wohlergehen anderer ausgerichtet ist.183 Die vierzehnte Wendung, die Gottes Heil schaffende Offenbarung beschreibt, benennt ihre Ursache: wegen des Hingehenlassens der zuvor geschehenen Verfehlungen. Der instrumentale184 Präpositionalsatz erläutert die vorhergehende Aussage: Gott zeigt, dass er gerecht ist, angesichts der vorher geschehen Sünden, die er „hingehen“, d.h., ungestraft ließ. Das Wort πα' ρεσις [paresis], das im NT nur hier vorkommt, in der LXX überhaupt nicht, aber häufig in der griech. Literatur belegt ist, bedeutet 1. „Erlassen, Vergebung“. 185 Phalaris, Ep. 81.1: Erlass von Schulden; SEG XXXIV 1243, 153-154: Erlass finanzieller Schulden. Mit „Vergebung“ o.Ä. übersetzen EÜ („durch die Vergebung der Sünden, die früher … begangen wurden“), LÜ („indem er die Sünden vergibt, die früher begangen wurden“), ZÜ („dass er auf diese Weise die früheren Verfehlungen vergibt“). 2. Das Wort bedeutet „Übergehen, Ungestraftlassen, Hingehenlassen“.186 Plutarch, Comparatio Dionis et Bruti 2.3: Dion ließ Dionysius aus Syrakus entkommen (η� Διονυσι' ου πα' ρεσις ε� κ Συρακουσω ñ ν); Dionysius Halicarnassus, Ant.Rom. 7.37: Vertagung eines Prozesses. So übersetzen Elb.Ü („wegen des Hingehenlassens der vorher geschehenen Sünden“), GN („nachdem er früher die Verfehlun————————————————————

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S.R. Llewelyn, in Horsley/ Llewelyn, New Documents VI, 115 versteht ε» νδειξις, im Kontext des Verbs προε' θετο, als wahrscheinliche Anspielung auf die Praxis, offizielle Verlautbarungen öffentlich bekannt zu geben; vgl. P.Berol. 16036 = SB XIV 11374. Vgl. Dunn I 173; Gathercole, Justified, 181. R.E. Kritzer, in Arzt-Grabner, 2. Korinther, 426. Das Substantiv ist in den Papyri nur in SB XII 10989 belegt, wo es „Anzeige, Denunziation“ bedeutet; das Verb wird in ptolemäischer Zeit in Petitionen und Prozessprotokollen verwendet, wo es darum geht, „einen Sachverhalt als dem Gesagten gemäß richtig ‚nachzuweisen‘“ (ebd. 425; z.B. P. Enteux. 74,16), in römischer Zeit beschreibt es eine in positiver Absicht erfolgte Handlung, d.h. das „Entgegenbringen“ oder „Deutlichmachen“ von Wertschätzung, Verständnis, oder Zuneigung (P.Oxy. III 494,9; IV 705,32). Instrumentales δια' ; vgl. Käsemann 92; Kümmel, πα' ρεσις, 268; Theobald, Gottesbild, 38. Final deuten Schlier 113; Wilckens 196; Zeller, Sühne, 60-61. LSJ s.v. πα' ρεσις III „remission (of debts), remission (of sins)“, Röm 3,25; Bauer / Aland s.v. πα' ρεσις; H. Balz, Art. πα' ρεσις, EWNT III, 92; vgl. R. Bultmann, Art. α� φι' ημι κτλ., ThWNT I, 508 (juridische Bedeutung); Lietzmann 51; Wilckens I 196; Stuhlmacher 58; Fitzmyer 341-342.351-152 (unsicher); Penna 262-264; Lohse 135-136; Kümmel, πα' ρεσις, 262-263; Theobald, Gottesbild, 46; Penna, Meaning (253-256 zu SEG XXXIV 1243); Flebbe, Solus Deus, 114. LSJ s.v. πα' ρεσις I „letting go, dismissal“. Eine weitere Bedeutung vor allem in der medizinischen Lit. ist „Nachlassen [von Kraft], Lähmung“, z.B. Hippocrates, Epid. 4.45); C. Breytenbach, ThBLNT II, 1739; Sanday/ Headlam 90; Zahn 196; Michel 153; Kuss I 158; Cranfield I 211; Moo 238; Dunn I 173; Légasse 266; Wolter I 260-261; Kraus, Tod Jesu, 95-104; Gathercole, Justified, 180-181.

410 Römerbrief ———————————————————————————————————— gen der Menschen ungestraft hingehen ließ“), NGÜ („als er die bis dahin begangenen Verfehlungen der Menschen ungestraft ließ“).187 Die Interpretation im Sinn von „Vergebung“ betont: Gott demonstriert seine Gerechtigkeit darin, dass er im Tod Jesu die zuvor begangenen Sünden vergibt. E. Lohse formuliert: „Gott hat sich dem Bunde treu erzeigt, indem er um Christi willen die Sünden vergab, die in der Vergangenheit begangen worden waren … durch den Erweis der göttlichen Gerechtigkeit ist umfassende Vergebung der Sünden gewährt worden.“188 Mehrere Argumente sprechen dafür, für πα' ρεσις die Bedeutung „Hingehenlassen“ anzunehmen. 1. Das in der jüdischen und urchristlichen Tradition übliche Wort für die Vergebung von Sünden ist α» φεσις [aphesis] bzw. das Verb α� φι' ημι, das bei Paulus zwar nicht häufig, aber immerhin häufiger als das singuläre πα' ρεσις vorkommt.189 Das Verb παρι' ημι hat in der LXX verschiedene Bedeutungen, oft jedoch die Bedeutung „in Ruhe lassen“.190 2. Die Präposition δι' α + Akk. hat neben einer lokalen fast durchweg eine kausale Bedeutung („wegen, um … willen“); 191 die Interpretation von πα' ρεσις im Sinn der Bedeutung „Vergebung“ erfordert eine instrumentale oder finale Bedeutung („durch“ bzw. „um willen“), die üblicherweise mit δι' α + Gen. wiedergegeben wird; eine finale Bedeutung von δι' α + Akk. ist nur für Plato, Pol. 524C und Polybius 2.56.11-12 gesichert, die oft genannten ntl. Stellen – Röm 4,25; 8,20; 13,5; 1Kor 11,9; Phil 3,8; Mk 2,27; Joh 6,57; 11,42; 12,30; Offb 12,11; 13,14192 – sind im Blick auf diese Bedeutung nicht sicher.193 Die mit δι' α eingeleitete Wendung begründet die Einsetzung Jesu als Ort der sühnenden Gegenwart Gottes. 3. Der Hinweis auf die α� νοχη' Gottes in V. 26 („Ansichhalten, Aufschub“, sodann „Geduld“) bestätigt diese Interpretation: Das ————————————————————

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Vgl. NASB, NET, NIV, NLT, NRSV. Lohse 136. Schnelle, Paulus, 352 interpretiert im Blick auf den individuellen Sünder: Die Gott eignende Gerechtigkeit manifestiert sich im Kreuzesgeschehen und realisiert sich „im Erlass der früheren Sünden in der Taufe“. Die Annahme, dass V. 25-26a eine Tauftradition aufnehme (ebd. 351), sollte nicht in die Interpretation der einzelnen Aussagen eingetragen werden. Kol 1,13; Eph 1,7; Apg 13,38; 26,18; vgl. Mt 26,28; Mk 1,4; 3,29; Lk 1,77; 3,3; 24,47; Apg 2,38; 5,31; 10,43; 13,38; Hebr 9,22; 10,18. Das Verb α� φι' ημι wird in Röm 4,7 im Zitat Ps 32,1 [LXX 31,1] verwendet; vgl. Mt 6,12.14-15; 9,2.6; 18,21.35; Mk 2,5.7.9.10; 3,28; 11,25; Lk 5,20.21.23.24; 7,47.48; 11,4; 12,10; 17,3-4; 23,34; Joh 20,23; Jak 5,15; 1Joh 1,9; 2,12. Die LXX verwendet α» φεσις für die Vergebung von Sünden in Lev 16,26, für das „Erlassjahr“ in Lev 25,10-12.15.30-31; 17,18; Ex 23,11; Deut 15,1-2; 31,13, für die eschatologische „Befreiung“ in Jes 58,6; 61,1; das Verb α� φι' ημι übersetzt häufig Verben des Vergebens (Gen 4,13; 18,26; 50,17; Ex 32,32; Lev 4,20; 5,10.13; Num 14,19; 15,25; Ps 25[24],18; Jes 22,14. Vgl. H. Leroy, Art. α� φι' ημι, EWNT I, 437-438; Muraoka s.v. α» φεσις, α� φι' ημι. Muraoka s.v. παρι' ημι 2 „to take no note of, disregard“ (Num 13,21; 1Sam 2,5; Ps 138 [137],8; Mal 2,9; Sir 23,2; 4Makk 5,29); 3 „to give complete freedom of action and not interfere or bother“ (Ex 14,12; Judit 12,12). Die Erklärung z.B. von Zeller, Sühne, 72, Paulus habe α» φεσις wohl deshalb vermieden, weil dieses Wort „zu sehr an eine individuelle Entsündigung – etwa im Taufakt – erinnert hätte“, scheitert an der Tatsache, dass das mit einem gen. obj. angeschlossene α� μαρτημα' των das konkrete Vergehen, d.h. die individuellen Verfehlungen beschreibt. HvS §184f.b; BDR §222.2; Bauer / Aland s.v. δια' B.II.1. Lietzmann 51; Schlier 113; Bauer / Aland s.v. δια' B.II.4 („statt δια` c. gen. zur Angabe d. wirksamen Ursache“). Kraus, Tod Jesu, 93-95, der nach der Behandlung von πα' ρεσις als Fazit formuliert: „δι' α ist nicht prospektiv, sondern retrospektiv zu verstehen“ (ebd. 103).

Die Offenbarung der Gerechtigkeit Gottes im Sühnetod Jesu 3,21-31 411 ———————————————————————————————————— „Hingehenlassen“ der zuvor geschehenen Verfehlungen geschah im Zusammenhang des Aufschubs des göttlichen Zorns und des Endgerichts (vgl. 2,14, wo ebenfalls α� νοχη' steht). Fazit: Das Wort πα' ρεσις beschreibt „einen zeitlich limitierten Umgang mit Sünden … ein vorläufiges Hingehenlassen“.194

Die zuvor geschehenen Verfehlungen (τω ñ ν προγεγονο' των α� μαρτημα' των) sind Sünden, die vor dem Sühnetod Jesu begangen wurden. Das Wort α� μα' ρτημα [hamartēma] bezeichnet die Einzeltat, die gegen Gottes Willen verstößt, auch unabhängig vom mosaischen Gesetz.195 Wie in Hebr 10,1-18 die atl. Opfer vom Opfer Jesu aus gesehen den Charakter der Vorläufigkeit annehmen, „so bekommt nur durch die Vergebung in Christus der Umgang mit den Sünden davor den Charakter der πα' ρεσις“.196 Paulus formuliert wohl in Analogie zum Modell des Versöhnungstags (Jom Kippur): Das Judentum nimmt an, „daß Sünden im Lauf eines Jahres aufgespeichert werden, bis daß der große Versöhnungstag kommt und sühnt (Joma 8,8). Der Karfreitag tritt dann als eschatologisches Ereignis an das Ende der alten Weltzeit und beendet die Periode der Geduld (α� νοχη' ).“197 Im Kontext von 1,18–3,20 spricht Paulus nicht nur von den Sünden der Israeliten bzw. Juden, für welche die endgültige und vollkommene Sühnung im Tod Jesu geschah, sondern auch von den Sünden der Heiden, die Gott in dem Sinn „hingehen“ ließ, als dass er sie nicht mit dem Endgericht bestrafte. Das Perfekt des Partizips zeigt an, dass den vor dem Tod Jesu geschehenen Sünden insofern noch eine gegenwärtige Wirksamkeit zukommt, als dass Gott sie bislang, vorläufig, hingehen ließ. Von einem gnädigen Aufschub des Gerichts Gottes, der die Umkehr des Sünders ermöglicht, ist in Röm 2,4; 1Tim 1,16; 1Petr 3,20; 2Petr 3,9.15 die Rede. Das Hingehenlassen der zuvor geschehenen Sünden ist die Ursache für die Heil schaffende Offenbarung Gottes im Tod Jesu: Gott hat in der Gegenwart der mit „jetzt“ (3,21) angezeigten neuen Heilszeit diese Sünden bestraft. Damit bestätigt sich das Verständnis der Offenbarung Gottes in V. 25 im Sinne des Strafgerichts über die Sünder, das Jesus stellvertretend auf sich genommen hat. Gott hat im Tod Jesu die Sünde aller Sünder bestraft; der Sühnetod Jesu entspricht dem gerechten Gerichtsurteil (2,5) des Zornes Gottes (1,18), das Gott in seiner Geduld (2,4) in der Zeit seiner Zurückhaltung (3,25) nicht vollstreckte. Die Sünden von Heiden und Juden wurden ————————————————————

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Kraus, Tod Jesu, 102 spricht vom „Charakter des Unvollkommenen und Vorläufigen“. Papathomas, Begriffe, 193-194; in den Papyri begegnet das Wort in einem juristischen Kontext in der Bedeutung „Verfehlung, Vergehen gegen das Gesetz“; vgl. C. Ord. Ptol. 53,1-5; P.Oxy. I 34 Verso III,11-14; XLII 3014,5-7. Vgl. Kraus, Tod Jesu, 110-111. Kraus, Tod Jesu, 103. Michel 153; vgl. Kraus, Tod Jesu, 103-104.149.

412 Römerbrief ————————————————————————————————————

während dieser Zeit nicht völlig beseitigt. Das hat sich jetzt geändert: Jesus ist anstelle der Sünder gestorben und hat für sie das gerechte Strafgericht Gottes auf sich genommen, sodass Sündern Gerechtigkeit zugesprochen werden kann. Der universale Horizont schließt eine individuelle Anwendung nicht aus: „Der relative temporale Bezugspunkt von προγεγονο' των α� μαρτημα' των changiert vom Kontext her zwischen der weltgeschichtlichen Zeit ante Christum crucifixum und der lebensgeschichtlichen Zeit ante fidem in Christo.“198 Von der Gültigkeit für den Einzelnen ist in V. 26b die Rede. 26 Die Wendung in der Geduld Gottes (ε� ν τηñ, α� νοχηñ, τουñ θεουñ ) ist zeitlich zu verstehen und im Sinn einer Periode des Zuwartens bzw. An-sichHaltens Gottes zu interpretieren. Eine Behandlung der relevanten atl. und jüdischen Belege für α� νοχη' [anochē] und μακροθυμι'α [makrothymia], „Geduld“, ergibt: „α� νοχη' meint die Zeit des göttlichen An-sich-Haltens, was sich sowohl auf die Zeit vor dem Kommen des Gerichtes als auch vor dem Kommen des Heils beziehen kann. μακροθυμι'α meint das durch Gottes Barmherzigkeit hervorgerufene Zuwarten, das eine Chance zur Umkehr darstellt. α� νοχη' hat (wie auch μακροθυμι'α) selbst nie den Sinn ‚Vergebung‘.“199 In Apg 17,30 erklärt Paulus den Mitgliedern des Areopags, dass Gott über die Zeiten der „Unwissenheit“, d.h., das existentielle Fehlverhalten der Menschen, „hinweggesehen“ hat (υ� περιδω' ν), dass aber seit der Auferstehung des kommenden Richters (d.h. Jesus) die Zeit der Umkehr vor dem Datum des letzten Gerichts angebrochen ist. Nach Hebr 9,15 hat der Tod Jesu, der Mittler des Neuen Bundes ist, „die Erlösung von den im ersten Bund begangenen Übertretungen bewirkt“ – der Neue Bund ist dem Alten Bund überlegen, weil er eine ewige Erlösung (9,12), die Reinigung des Gewissens (9,14), die Tilgung der Sünden (9,26), die Entfernung der Sünden (10,4) und die Vergebung der Sünden (10,18) bringt. Paulus will in Röm 3,25b.26a mindestens sagen, dass die atl. Opfer eine legitime Weise ————————————————————

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Woyke, Einst und Jetzt, 202, mit Verweis auf Luz, Geschichtsverständnis, 169; Woyke will allerdings ε� ν τηñ, α� νοχηñ, τουñ θεουñ nicht in einem temporalen Sinn verstehen. Kraus, Tod Jesu, 146; Diskussion von α� νοχη' (jüdische Belege: 1Makk 12,25; Arist. 194,5; äthHen 13,2; Philo, Leg.Gai. 100; Josephus, Bell. 1.173; Ant. 6.72.73; 7.281) und μακροθυμι' α (Ex 34,6-7; Num 14,18; Neh 9,17; Ps 86,15 [LXX 85,15]; 103[102],8; 145[144],8; Spr 14,29; 15,18; 16,32; Joel 2,13; Jona 4,2; Nah 1,3; Sir 5,4 u.a.) ebd. 113146. Das heißt, α� νοχη' ist kein Heilsbegriff (Kraus ebd. 148). Anders U. Wilckens I 197, mit Berufung u.a. auf Ex 34,6-7; Ps 78[77],38; Esr 9,13.15; Dan 9,9: ε� ν τηñ, α� νοχηñ, τουñ θεουñ ist nicht auf τω ñ ν προγεγονο' των α� μαρτημα' των, sondern auf δια` τη` ν πα' ρεσιν zu beziehen: Gott hat „durch seine Geduld die zuvor begangenen Sünden vergeben“. Kraus ebd. 123 betont für Ex 34,6-7, dass die Langmut Gottes kein Anzeichen dafür ist, dass das Gericht unterbleibt – der Satz, dass Gott die Sünde „nicht völlig ungestraft lässt, indem er Väterschuld heimsucht an Kindern und Enkeln, an der dritten und vierten Generation“ zeigt, dass Gott das Gericht nicht aussetzt, sondern begrenzt.

Die Offenbarung der Gerechtigkeit Gottes im Sühnetod Jesu 3,21-31 413 ————————————————————————————————————

waren, mit Sünden umzugehen, diese aber nicht vollständig oder endgültig beseitigen konnten. Nur der Tod Jesu kann Sünden so vollständig entfernen, dass sie im Endgericht keine Rolle mehr spielen. Und nur der Tod Jesu versetzt den Sünder, der „in Christus Jesus“ ist – im Anschluss an die Auferstehung Jesu und in der Kraft des Heiligen Geistes – in die Lage, der Macht der Sünde zu widerstehen (6,1–8,30). Gott hat in seiner Geduld die begangenen Sünden „hin-gehen“ lassen, d.h., das Gericht aufgeschoben. Diese Zeit ist mit der Offenbarung Gottes im Tod Jesu zu Ende gegangen: Der Tod Jesu markiert Gottes Vollstreckung seines Gerichts über die Sünde – Jesus hat am Kreuz die Verurteilung auf sich genommen (vgl. 8,3). Die fünfzehnte Wendung, mit der Paulus die Heil schaffende Offenbarung Gottes beschreibt, formuliert wieder eine Zielangabe: zum Erweis seiner Gerechtigkeit in der jetzigen Zeit (προ` ς τη` ν ε» νδειξιν τηñ ς δικαιοσυ' νης αυ� τουñ ε� ν τω ñ, νυñ ν καιρω ñ, ). Paulus spricht mit den beiden Zielangaben200 zwei Aspekte der einen Offenbarung von Gottes Gerechtigkeit an: V. 25b spricht von Gottes Gerecht-Sein, V. 26a im Anschluss an V. 21-22a von Gottes Heil schaffendem, rechtfertigendem Handeln.201 Die Wendung „in der jetzigen Zeit“ nimmt das „jetzt“ von V. 21 auf und beschreibt die Gegenwart als die durch Gottes Offenbarung in Jesus, dem messianischen Sohn Gottes, inaugurierte neue Heilszeit, die die Zeit der „Geduld Gottes“ ablöst. Zugleich weist sie auf die Universalität der Heil schaffenden Gerechtigkeit Gottes hin: Gottes Heil schaffendes Handeln im Sühnetod Jesu gilt „unabhängig vom Gesetz“ (V. 21) für alle Sünder, ohne Unterschied, sowohl für Heiden als auch für Juden (V. 22b-23). Gott lässt jetzt, in der Gegenwart seiner Offenbarung im Messias Israels und dessen Sühnetod am Kreuz, seine Heil schaffende Macht an den Sündern wirksam werden. Paulus schließt seine Beschreibung der Offenbarung der Gerechtigkeit Gottes im Sühnetod Jesu V. 21-26 mit einem aus zwei Gliedern bestehenden finalen Infinitivsatz202 ab, in der er das Ziel seiner Argumentation in diesem ————————————————————

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V. 25b / 26a ει� ς ε» νδειξιν τηñ ς δικαιοσυ' νης αυ� τουñ / προ` ς τη` ν ε» νδειξιν τηñ ς δικαιοσυ' νης αυ� τουñ . Cranfield I 213; Piper, Demonstration, 14-15.30-31; Theobald, Gottesbild, 42.49-50; Kraus, Tod Jesu, 185. Paulus spricht nicht von einem doppelten Erweis der Gerechtigkeit Gottes in aufeinanderfolgenden heilgeschichtlichen Epochen (Cambier 122-124; Minde, Schrift, 58-59). ει� ς το` ειòναι mit den Prädikatsnomen αυ� το' ν und dem substantivierten δικαιουñ ντα. Zum finalen Verständnis s. NSS II, 11; Käsemann 94; Cranfield I 213; Dunn I 175; Fitzmyer 353; Lohse 136; Jewett 292; Kraus, Tod Jesu, 185. Wilckens I 198 versteht ει� ς konsekutiv: V. 26b bezeichnet das Resultat der Aussage von V. 25-26; vgl. Theobald, Gottesbild, 39; Schlier 114 als Präferenz gegenüber einem möglichen finalen Verständnis.

414 Römerbrief ————————————————————————————————————

Abschnitt zusammenfasst.203 Die im Sühnetod des Messias Jesus offenbarte Gerechtigkeit Gottes hat zwei Aspekte: Es geht um Gottes Sein und um Gottes Handeln. Gott sühnte die Sünde der Menschen im Tod Jesu, damit er gerecht ist (ει� ς το` ειòναι αυ� το' ν δι'καιον). Gott hat im Sühnetod des Messias Jesus seinen Zorn über den Frevel und die Ungerechtigkeit der Menschen (1,18) vollstreckt und damit gezeigt, dass er wesenhaft gerecht ist. Er lässt die Rebellion gegen die Wahrheit seines Gottseins und seines Willens nicht ungestraft – er hat das angedrohte Todesurteil vollstreckt. Die Vergebung der Sünde erfolgte nicht als Amnestie der Sünder, in der die Gerechtigkeit kompromittiert würde, weil Gott auf die erwartete und dem göttlichen Recht gemäße Bestrafung verzichtet. Sie erfolgte in der Vollstreckung des Todesurteils gegen Jesus, der anstelle der Sünder starb.204 Am Kreuz Jesu zeigt sich, dass Gott gerecht richtet. Gottes Gerechtigkeit ist seine eigene Gerechtigkeit. Und Gott sühnte die Sünde der Menschen im Tod Jesu, (damit er) den gerecht macht, der aus dem Glauben an Jesus (lebt) (και` δικαιουñ ντα το` ν ε� κ πι'στεως � Ιησουñ ). Gottes Gerechtigkeit ist Heil schaffende Gerechtigkeit: Der gerechte Gott erklärt Sünder im Anschluss an den Sühnetod Jesu als gerecht.205 Die Rechtfertigung im Gericht Gottes gilt für Heiden wie Juden (V. 22-24), die an Jesus glauben.206 „Glaube“ (πι'στις) ist hier konkret die Anerkennung Jesu, des messianischen Gottessohns (1,3-4), als Ort der Heil schaffenden Gegenwart Gottes (3,25), der im Sühnetod Jesu sowohl Juden wie auch Griechen rettet (1,16) und ihnen als Sünder Gerechtigkeit zuspricht (3,21-26a). Rechtfertigender Glaube ist das Vertrauen, dass ————————————————————

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Zahn 197-198; Schlier 109; Zeller 88; Wilckens I 198; Theobald, Gottesbild, 39-40.4950; Wolter, Rechtfertigung, 31; Kraus, Tod Jesu, 185-186. Unsere Auslegung von V. 25. 26a macht die These unnötig, in V. 26 korrigiere Paulus eine rezipierte judenchristliche Tradition (Käsemann 93; Bultmann, ΔΙΚΑΙΟΣΥΝΗ ΘΕΟΥ; Stuhlmacher, Gerechtigkeit Gottes, 90; Müller, Gottes Gerechtigkeit, 100-113 u.a.; kritisch Kuss I 161; Jewett 292). Flebbe, Solus Deus, 119 betont im Anschluss an Haacker 92 u.a., dass Paulus nicht von einer iustitia distributiva rede, nicht vom Zumessen von Strafe und Ahndung von Sünden, sondern von der Manifestation seines Heils. Damit ist die Verbindung des Satzes mit V. 25 und die Verbindung des dort angesprochenen Todes Jesu mit der Stellvertretungsvorstellung der atl. Sündopfer verkannt. Richtig ist Flebbes Protest gegen Klumbies, Rede, 194-196.251-252, der in Röm 3,21-31 eine Modifizierung des Gottesverständnisses im Sinn einer Universalisierung und Entnationalisierung findet: „Vielmehr wird gerade auf die Kontinuität, Konsistenz und Kohärenz Gottes in seinem Handeln an Christus verwiesen … Gott hat an Christus gehandelt, um sich selbst und seine angreifbare und angegriffene Identität im Hinblick auf Israel zu bestätigen“ (Flebbe, ebd. 119). Theobald, Gottesbild, 49-50 schließt aus der Reihenfolge der beiden finalen Wendungen, dass die soteriologische Dimension in der theologischen gründet: Das Heil schaffende Handeln Gottes folgt aus dem Gerechtsein Gottes. � Ιησουñ ist gen. obj.

Die Offenbarung der Gerechtigkeit Gottes im Sühnetod Jesu 3,21-31 415 ————————————————————————————————————

Gott im Tod Jesu Sünden sühnt und aus dem Zorngericht rettet. Am Kreuz Jesu zeigt sich, dass Gott den Ungerechten rechtfertigt, der an Jesus glaubt. Die substantivierte Partizipialwendung ο� ε� κ πι'στεως (vgl. 4,16; Plural in Gal 3,7.9) stellt klar, dass der Sünder durch den Glauben an Jesus Gerechtigkeit erlangt (1,17). Paulus beschreibt den Glauben des gerechtfertigten Sünders als Ursprung und Inhalt der neuen Existenz.207 Jesusbekenner sind Menschen, die an Jesus glauben: Ihr ganzes Denken und Wollen ist vom Glauben an Jesus bestimmt.208 Der Singular unterstreicht die persönliche Dimension: Wie im Gericht der Einzelne zur Verantwortung gezogen wird, so ist es der Einzelne, der im glaubenden Vertrauen auf Jesus und seinen Sühnetod von Gott gerechtfertigt wird. Diese den individuellen Glauben unterstreichende Aussage entspricht derselben Betonung in der Definition des Evangeliums in 1,16.209 Gleichzeitig verweist die Aussage auf die Tatsache, dass der Glaube an Jesus die einzige Bedingung für das Geschenk der Gerechtigkeit Gottes ist: Die Rechtfertigung ist nicht an das Gesetz gebunden und nicht auf das jüdische Volk beschränkt – sie steht jedem Menschen offen, ob Jude oder Grieche, der an Jesus glaubt. Die Verwendung des einfachen Jesusnamens (� Ιησουñ ς, ohne Χριστο' ς oder κυ' ριος) ist nicht außergewöhnlich,210 aber doch auffällig. Die Offenbarung Gottes, die dem Sünder nicht Gericht, sondern Gerechtigkeit bringt, ereignete sich in der geschichtlichen Einmaligkeit des in der Davidstadt Bethlehem geborenen Menschen (vgl. 1,3), der als Messias Israels in seinem Tod am Kreuz die Sünde von Juden und Heiden sühnte (3,25) und im Anschluss an seine Auferweckung Anteil hat an der Macht des souveränen Gottes. 27 Paulus wechselt von der konzentrierten Erläuterung des Evangeliums von Gottes Heil schaffender Offenbarung im Sühnetod Jesu zu einer rhetorisch aufgelockerten Abfolge von Fragen und Antworten, die die Folgerungen für die kritischen Anfragen des jüdischen Dialogpartners in 3,1-8 zie————————————————————

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Kontrastformulierung ist οι� ε� κ νο' μου (4,14), οι� περιτομηñ ς (4,12; Gal 2,12; vgl. Apg 11,2). Paulus beschreibt die Jesusbekenner häufig mit dem Partizip οι� πιστευ' οντες: Röm 1,16; 3,22; 4,5.11.24; 9,33; 10,4.11; 1Kor 1,21; 14,22(2x); Gal 3,22; 1Thess 1,7; 2,10.13; 2Thess 1,10; 2,12. Zur Bezeichung „Glaubende“ vgl. Trebilco, Self-Designations, 68-121. Michel 154; ebd. der folgende Punkt. Vgl. Trebilco, Self-Designations, 75. Die „Kategorie des Einzelnen“ ist kein Gegensatz zur Perspektive von V. 25b, wie Käsemann 95 meint; der Sing. sollte nicht vorschnell generalisierend aufgelöst und im Sinn von „jeder“ interpretiert werden (gegen Wilckens I 199, der „von einer gezielten Konzentration der Rechtfertigung auf den einzelnen“ nichts wissen will. Die Bemerkung von Conzelmann, Grundriß, 243, der Glaube führe „in die Vereinzelung“, ist zwar nicht sehr glücklich, unterstreicht aber zutreffend, dass es ohne den Glauben einzelner Menschen keine „Universalität des Heils“ gibt. Vgl. 8,11; 2Kor 4,5.10.11.14; Gal 6,17; Eph 4,21; Phil 2,10; 1Thess 1,10; 4,14 (vgl. 1Kor 12,3; 2Kor 11,4), meistens im Zusammenhang von Tod und Auferstehung Jesu.

416 Römerbrief ————————————————————————————————————

hen.211 Die erste Frage: Wo bleibt nun das Rühmen? greift das Rühmen des Juden im Blick auf seine Gotteserkenntnis (2,17) und im Blick auf den Besitz des mosaischen Gesetzes (2,23) auf, das in 3,1 zur Behauptung der jüdischen Sonderstellung verdichtet wurde und in Kap. 4 im Hinblick auf Abraham weiterentwickelt wird.212 Im Kontext von 2,17-23, und das heißt im Kontext des Endgerichts (1,18; vgl. 1,32; 2,2.5.11.16; 3,6), geht es beim Rühmen (καυ' χησις; s. zu 2,17) der Juden um zwei zentrale Werte: 1. um die Erwählung Israels, erkennbar in der Beschneidung, und die Gabe der mosaischen Tora; 2. um die Überzeugung, dass Gott sein Volk verteidigen bzw. rechtfertigen wird, insofern Israel das Gesetz hält (innerhalb dessen Opfer und Waschungen Sünden vergeben). Es handelt sich dabei nicht um die Selbstgerechtigkeit irregeleiteter Menschen, die sich weigern, ihre Sünden zu erkennen und sich in ihrer Selbstsicherheit und ihrem Selbstruhm für sicher halten. Das Rühmen, von dem Paulus spricht, ist das Vertrauen auf die Zugehörigkeit zum Bund, den Gott mit Israel geschlossen hat, und um das parallele Vertrauen in den Gesetzesgehorsam, den Gott im Endgericht anerkennen wird. Der Zusammenhang zwischen Israel, Gehorsam und Rechtfertigung, der hinter der Aussage in V. 27 steht, entspricht dem Zusammenhang zwischen Abraham, Rechtfertigung und Rühmen in 4,2 („Wenn Abraham aus Werken gerechtfertigt wurde, dann hat er Ruhm, aber nicht vor Gott“). Die Sequenz „Werke → Rechtfertigung → Rühmen“ wird von Paulus zurückgewiesen zugunsten der von Gott erwarteten und anerkannten, an Abraham zu verifizierenden Sequenz „Glaube → Rechtfertigung → Gehorsam“.213 Das Rühmen des Juden in V. 27 ist die Zuversicht, dass Gott Israel rechtfertigen wird aufgrund von Israels Erwählung und aufgrund von Israels Gehorsam, sowie die Zuversicht, gegenüber den Heiden einen Vorteil im Endgericht zu haben. Paulus erklärt kurz und bündig: Dieses Rühmen ist ausgeschlossen (ε� ξεκλει'σθη).214 Das logische Subjekt des Passivs ist Gott. Gott selbst, auf den sich die Juden berufen, hat es für unmöglich erklärt, dass Juden allein aufgrund ihrer Erwählung und ihres Gesetzesgehorsams das Heil erlangen können. Paulus wiederholt den Punkt von V. 20: Niemand wird durch Gesetzesgehorsam von Gott im Endgericht ————————————————————

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Anders Zahn 199, der V. 21-26 auf die (römischen) Christen bezieht. Die Behandlung des Themas „Rühmen“ ist deshalb kein „Antiklimax“ im Anschluss an 3,21-26 (Cranfield, Works, 96; kritisch Gathercole, Boasting, 225). R. Bultmann, Art. καυχα' ομαι κτλ., ThWNT III, 649; Käsemann 96 u.a. interpretieren im Sinn des Selbstruhms aller Menschen, Jewett 295-296 im Sinn der römischen Betonung persönlicher und imperialer Ehre. Der Kontext von 2,17.23 und 4,2 ist entscheidend. Gathercole, Boasting, 226.233-248; vgl. Lambrecht, Boasting. Der Satz ist eine Ellipse; das mitgedachte Subjekt des Verbs ist η� καυ' χησις.

Die Offenbarung der Gerechtigkeit Gottes im Sühnetod Jesu 3,21-31 417 ————————————————————————————————————

gerechtfertigt. Der Aorist verweist auf das in V. 25 beschriebene Ereignis der Heil schaffenden Offenbarung Gottes im Tod Jesu.215 Gott hat infolge des Sühnetodes Jesu die Verknüpfung von Erwählung Israels und Gesetzesgehorsam mit der Rechtfertigung im Endgericht aufgehoben. Die zweite Frage betrifft den Grund für die Unmöglichkeit des Rühmens: Durch welches Gesetz? (δια` ποι'ου νο' μου).216 Weil das mosaische Gesetz für die Juden die Offenbarung Gottes schlechthin ist, geht Paulus offenbar von der Annahme aus, sein Gesprächspartner setze voraus, alles müsse vom Gesetz sanktioniert werden, auch der Ausschluss des Rühmens. Zwei Antworten sind möglich, nur eine ist richtig. Das Rühmen könnte (durch das Gesetz) der Werke (τω ñ ν ε» ργων) ausgeschlossen sein.217 Der Genitiv ist als gen. obj. aufzulösen: Es handelt sich um das Gesetz, das Werke fordert. Die Formulierung beschreibt das Gesetz im Hinblick auf seine Inhalte, die die Juden zu einer Lebensführung verpflichten, zu der neben den ethischen Geboten die Zeremonial- bzw. Ritualgesetzgebung gehört, die ihre Erwählung unterstreicht und sie von den Völkern trennt. Sie ist „nicht als die Tora anzusehen, die legalistisch pervertiert ist oder von Paulus pejorativ im Sinne von ‚Werkreligion‘, ‚Werkgerechtigkeit‘ interpretiert wird“.218 Wenn Juden allein auf die Tora und auf den Gehorsam gegenüber den Geboten der Tora fixiert sind und die Rechtfertigung in Gottes Gericht infolge ihres Gehorsams garantiert sehen, dann hätten sie, wenn dies möglich wäre, einen Grund zum Rühmen. Stolz auf das Erreichte ist naheliegend, auch wenn man dabei, wie in Qumran, auf die Gnade Gottes verweisen würde. Paulus lehnt diese Antwort mit einem klaren Nein (ου� χι') ab. Da die Tora bei der Heil schaffenden Offenbarung der Gerechtigkeit Gottes in und durch Jesus, den Messias, keinerlei Rolle spielt (V. 21) und weil Gott die Sünden von Heiden und Juden durch den Sühnetod Jesu vergibt (V. 25), gibt es keinen Grund, weshalb Juden sich rühmen könnten. ————————————————————

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Michel 155; Dunn I 185; vgl. Zahn 199: „Der Aor. weist auf ein geschichtliches Ereignis zurück … Dadurch, daß Gott den sterbenden Christus als Sühnemittel für die Menschheit aufstellt, welches die einzelnen der Sühnung ihrer Sünden bedürftigen Menschen nur durch Glauben für sich wirksam machen können, hat er denen, welche sich unter die Wirkung dieser Veranstaltung stellen und dadurch an der in Christus dargebotenen Amnestie Gottes Anteil empfangen, alles Selbstrühmen unmöglich gemacht“ (wobei das Wort „Amnestie“ unglücklich ist, vgl. oben). Die griech. Formulierung ist eine Ellipse, bei der Subjekt (η� καυ' χησις) und Verb (ε� ξεκλει' σθη) aus dem vorherigen Satz mitgedacht werden. Der Satz ist wieder eine Ellipse; der vollständige griech. Satz für die erste Antwort wäre η� καυ' χησις ε� ξεκλει' σθη δια` νο' μου τω ñ ν ε» ργων. Neubrand, Abraham, 134, gegen Hübner, Gesetz, 97.118-119.123-124.

418 Römerbrief ————————————————————————————————————

Paulus stellt der ersten (falschen) Antwort die richtige Antwort entgegen (α� λλα' ): Gott hat das Rühmen durch das Gesetz des Glaubens (δια` νο' μου πι'στεως) ausgeschlossen.219 Diese Formulierung gilt als schwierig, was viele veranlasst, νο' μος [nomos] nicht mit „Gesetz“ zu übersetzen, sondern als „Norm, Maßstab, Prinzip, Ordnung“ zu interpretieren.220 Es ist zwar nicht unmöglich, dass Paulus im Sinn eines Wortspiels mit zwei Bedeutungen von νο' μος operiert. Diese Annahme ist jedoch weder notwendig noch im Kontext plausibel. Die Aussage ergibt Sinn, wenn man νο' μος auch in der zweiten Antwort im Sinn des mosaischen Gesetzes versteht.221 Folgende Gründe sprechen für das Verständnis von νο' μος im Sinn des mosaischen Gesetzes: 1. Das „Gesetz der Werke“ beschreibt im Kontext von 2,1215.17-18.20.23.25-27; 3,19-20.21 ganz sicher kein „Prinzip“, sondern die mosaische Tora. 2. Die kontrastierende Formulierung in 3,27 ist am einfachsten so zu verstehen, dass Paulus ein unterschiedliches Verhalten zur Tora zum Vergleich heranzieht. 3. Was Gott „ausschließt“ ist nicht das mosaische Gesetz, sondern das Rühmen. Das heißt: νο' μος πι'στεως beschreibt das mosaische Gesetz, das von Juden wie Heiden den Glauben als Grundlage des Heils sowohl bezeugt als auch fordert und das jetzt, angesichts der Heilsoffenbarung Gottes in Jesus Christus, aus der Perspektive des Glaubens an Jesus bestimmt ist. Dies bedeutet dreierlei:222 1. Das Gesetz bezeugt als heilige Schrift des Gottesvolkes die Rechtfertigung aus Glauben als Verheißung und Werk Gottes (vgl. 3,21; 4,1-25). Die Bezeugung der Glaubensgerechtigkeit durch das Gesetz liegt nach Schlatter selbst in den atl. Kultbestimmungen vor: „Im at.lichen Opfer und Sakrament sah er nicht ein Werk des Menschen, sondern die Erweisung der göttlichen Gnade. Aus ————————————————————

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Die Ellipse ist wie folgt zu ergänzen: η� καυ' χησις ε� ξεκλει' σθη δια` νο' μου πι' στεως. Lietzmann 52; Kuss I 176; Michel 155; Käsemann 96; Zeller 92-93; Fitzmyer 363; Moo 247-250; Légasse 268-269; Haacker 110; Wolter I 270; W. Gutbrod, Art. νο' μος κτλ., ThWNT IV, 1063; K. Haacker, Art. νο' μος, ThBLNT I, 634; ZÜ: „Wo bleibt da noch das Rühmen? Es ist ausgeschlossen. Durch was für ein Prinzip? Das der Leistung? Nein, durch das Prinzip des Glaubens!“; NET: „Where, then, is boasting? It is excluded! By what principle? Of works? No, but by the principle of faith!“; Bultmann, Theologie, 260; Sanders, Law, 33; Hofius, Gesetz, 68; Westerholm, Israel’s Law, 123-126; Theobald, Der Römerbrief, 137; Rosner, Paul and the Law, 119-120. Penna 271-272 interpretiert im Sinn eines durch einen epexegetischen Genitiv ausgedrückten Oxymorons, Zahn 200 im Sinn des Evangeliums, das „nicht minder wie das mos. Gesetz den für den Menschen giltigen [sic] Willen Gottes“ verkündigt, und zwar „den auf die Erlösung der Menschheit gerichteten und in Christus verwirklichten Willen Gottes“. Dunn I 185-186; Wilckens I 245-247; Stuhlmacher 63; Lohse 137; sowie H. Hübner, Art. νο' μος, EWNT II, 1170; Friedrich, Gesetz des Glaubens, 115-122; Dülmen, Theologie, 87; Hübner, Gesetz, 118-121; Schnabel, Law and Wisdom, 286; Neubrand, Abraham, 130-137; Flebbe, Solus Deus, 129-131; Toit, Glaube, 348. Stuhlmacher 63; für den ersten Punkt s. bes. Friedrich, Gesetz des Glaubens, 107-122.

Die Offenbarung der Gerechtigkeit Gottes im Sühnetod Jesu 3,21-31 419 ————————————————————————————————————

diesem Teil des Gesetzes entsteht nicht die Gerechtigkeit des Menschen, sondern dadurch verkündigt es Gottes Gerechtigkeit. Wer nach dem Willen des Gesetzes zum Altar tritt, erwirbt sich kein Verdienst und beruft sich nicht auf sein eigenes Werk, sondern sucht Gottes Erbarmen.“223 2. Jesus hat das Gesetz stellvertretend erfüllt, indem er am Kreuz die vom Gesetz stipulierte Strafe für Sünde anstelle der Sünder trug und so Erlösung erwirkte (3,24-25). 3. Das Gesetz enthält den gültigen Willen Gottes auch für Jesusbekenner (3,31; 7,12; 8,3-4), auch wenn das Heil nicht mehr an Beschneidung, Sabbat und Speise- und Reinheitsgebote gebunden ist (2,25-26; 4,112; 14,14.17.20; 1Kor 7,19; Gal 5,6; 6,15; Kol 2,16). Die Aussage in 3,27 ist mit 9,31-32 zu vergleichen, wo Paulus das Problem Israels etwas ausführlicher beschreibt.224 Israel hat sich zwar mit aller Kraft um das „Gesetz der Gerechtigkeit“ (νο' μος δικαιοσυ' νης) bemüht, das Gesetz aber verfehlt; der Grund für diese „Fehlleistung“ ist die Tatsache, dass Israel sich nicht „aufgrund des Glaubens“ (ε� κ πι'στεως) um Gerechtigkeit bemühte, was sich darin äußerte, dass sie Jesus, den Messias, ablehnten, anstatt an ihn zu glauben. Das heißt, Gerechtigkeit ist für Juden nur dann möglich, wenn sie an den Messias Jesus glauben und das mosaische Gesetz (νο' μος) im Licht dieses des Glaubens (ε� κ πι'στεως) verstehen und halten, d.h., sich um das Gesetz als „Gesetz des Glaubens“ (νο' μος πι'στεως; 3,27) bemühen. Wenn Juden das Gesetz in erster Linie als Sammlung von Geboten verstehen, die sie halten müssen, um Gerechtigkeit von Gott (im Endgericht) zu erlangen, dann wird die Sequenz „Werke → Rechtfertigung → Rühmen“ bestätigt. Wenn Juden das Gesetz als Offenbarung ansehen, deren Mittelpunkt der Glaube an den einen wahren Gott ist, und wenn sie von da aus zum Glauben an Jesus als den von Gott gesandten Messias Israels kommen, der infolge seines Sühnetodes am Kreuz Ort der Heil schaffenden Gegenwart Gottes ist, dann ist diese Sequenz aufgehoben zugunsten der Sequenz „Glaube → Rechtfertigung“, unabhängig davon, welche Werke Judenchristen oder Heidenchristen tun. 28 Eingeleitet mit denn wir urteilen (λογιζο' μεθα γα' ρ)225 formuliert Paulus ————————————————————

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Schlatter, Theologie der Apostel, 284. Vgl. Gathercole, Boasting, 226-230, mit einer kritischen Diskussion von Auslegungen, die mit den Kategorien einer legalistischen Selbstgerechtigkeit oder eines exklusiven, die Bundesbestimmungen der Tora in den Mittelpunkt stellenden Gesetzesverständnisses. Zu λογι' ζομαι s. 2,3. Das Wort bedeutet hier nicht „wir nehmen an“ (Bauer / Aland s.v. λογι' ζομαι 3) oder „wir sind der Meinung“ (Bartsch, EWNT II, 876), was zu subjektiv ist. Eher kann man im Sinn des „Glaubensurteils“ interpretieren (Heidland, ThWNT IV, 290). Paulus teilt in V. 28 nicht seine persönliche Meinung mit, sondern formuliert eine „feste Gewißheit, die Verfasser und Leser zu bekennender Gemeinschaft zusammen schließt“ (Lohse 137).

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im Sinne eines Lehrsatzes die Wahrheit, die infolge der Offenbarung der Gerechtigkeit Gottes im Sühnetod Jesu eine Realität ist und die im Evangelium verkündigt wird: der Mensch wird gerecht durch den Glauben, unabhängig von Werken des Gesetzes (δικαιουñ σθαι πι'στει α» νθρωπον χωρι`ς ε» ργων νο' μου). Der betont vorangestellte passive Infinitiv Präsens (δικαιουñ σθαι) verweist auf Gott als den, der gerecht macht.226 Das zweite Wort unterstreicht, dass Gottes Gerechtigkeit jenen zuteilwird, die glauben (πι'στει ist instrumentaler Dativ).227 Der Kontext V. 21-26, in dem der Glaube durch seinen Bezug auf Jesus und seinen Sühnetod am Kreuz definiert worden war, erhellt, dass es um den Glauben an Jesus geht. Gott erklärt die Menschen für gerecht, die sein Heilshandeln im Messias Jesus annehmen. Weil Paulus konkret vom Glauben an Jesus bzw. an Gottes Heilshandeln im Sühnetod Jesu spricht, ist „Glaube“ in der deutschen Übersetzung mit dem bestimmten Artikel zu verbinden.228 Der „Mensch“ (α» νθρωπον), der Gottes Gerechtigkeit durch den Glauben an Jesus erhält, ist (im Kontext von 1,18–3,20 und 3,22) der Sünder, ob Grieche oder Jude.229 Die Wendung „unabhängig von Werken des Gesetzes“ (χωρι`ς ε» ργων νο' μου) greift χωρι`ς νο' μου von V. 21 auf und betont, die negative Aussage in V. 20 positiv formulierend, dass die mosaische Tora bei der Rechtfertigung des Sünders infolge des Sühnetodes Jesu keine Rolle spielt. Die Verurteilung der Menschen als Sünder durch das Gesetz (2,12) wird durch Gott selbst aufgehoben, der den Menschen durch den Glauben rechtfertigt. Der damit angesprochene Gegensatz von Glaube und Werke veranlasste manche ————————————————————

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Zu δικαιο' ω s. zu 1,17. Flebbe, Solus Deus, 132 liest an der Tatsache, dass das Verb betont an der ersten Stelle steht, ab, dass die Bestimmung Gottes in V. 21-26 als „Gott der umfassenden Gerechtigkeit“ aufgenommen wird. Die Formulierung δικαιουñ σθαι πι' στει, mit dem artikellosen Dativ πι' στει ist singulär; in Verbindung mit δικαιο' ω, δικαιοσυ' νη und δι' καιος finden wir die Präpositionalwendungen ε� κ πι' στεως (Röm 1,17; 3,26.30; 5,1; 9,30; 10,6; Gal 2,16; 3,8.11) und δια` πι' στεως (Röm 3,22.25.30; Gal 2,16; Phil 3,9). Nach HvS §133b kann der Artikel fehlen, „wenn eine Größe genannt wird, die in ihrer Art einzig und unverwechselbar ist“, z.B. bei Eigennamen oder Vokabeln wie „Sonne“, „Mond“ oder „Gott“. In diese Kategorie ist auch πι' στει in V. 28 einzuordnen: Angesichts der Verweise auf den rettenden Glauben, der Gottes Offenbarung seiner Gerechtigkeit annimmt (1,5.16-17; 3,22.25.26), ist der Glaube, von dem Paulus spricht, „unverwechselbar“. Ansonsten kann der Artikel auch bei abstrakten Substantiven fehlen; HvS §133c. Flebbe, Solus Deus, 132-133 argumentiert, α» νθρωπος verweise „in keiner Weise auf den einzelnen Menschen vor Gott“ und sei kein Indiz „für eine individualistisch, anthropologisch verstandene Rechtfertigungslehre“, was in V. 29 bestätigt werde, wo Paulus nicht von Einzelnen, sondern von Gruppen spricht. Der Protest gegen ein auf die Anthropologie fokussiertes Verständnis von 3,21-31 ist wichtig. Gleichzeitig gilt, dass Gott „Juden und Heiden“ nur dann rechtfertigt, wenn er einzelne Juden und Heiden rechtfertigt. Falsche Alternativen im Konkreten sind wenig hilfreich.

Die Offenbarung der Gerechtigkeit Gottes im Sühnetod Jesu 3,21-31 421 ————————————————————————————————————

altkirchlichen und mittelalterlichen Exegeten, und dann vor allem Martin Luther, vor „durch den Glauben“ (πι'στει, lat. fide) das Wort „allein“ einzufügen (lat. sola fide) und mit „allein durch den Glauben“ zu übersetzen, was nach Meinung der Mehrheit der Exegeten heute sachlich richtig ist (s. weiter unter IV). Paulus kontrastiert zwei Wege zur Rechtfertigung: den Weg des mosaischen Gesetzes durch das Tun der vom Gesetz geforderten Werke (vgl. V. 27), verstanden als „ganzheitliche(r) Toragehorsam, die Gesetzesobservanz im ganz umfassenden Sinn“,230 und den Weg des Glaubens. Die Rechtfertigung des Sünders geschieht nicht infolge des Gehorsams gegenüber dem mosaischen Gesetz, sondern aufgrund des Glaubens an Jesus. Weil Gott seine Gerechtigkeit dem Sünder als Geschenk vermacht (δωρεα' ν, V. 24), ist der Glaube, der den Sünder rechtfertigt, Geschenk Gottes. Paulus macht in Gal 2,16 dieselbe Aussage: „Doch weil wir wissen, dass der Mensch durch Werke des Gesetzes nicht gerecht wird, sondern durch den Glauben an Jesus Christus, sind auch wir zum Glauben an Christus Jesus gekommen, damit wir gerecht werden durch den Glauben an Christus und nicht durch Werke des Gesetzes; denn durch Werke des Gesetzes wird kein Mensch gerecht“ (LÜ). In Eph 2,8-10 finden wir dieselbe Verknüpfung von Rechtfertigung aufgrund des Glaubens, ohne Gesetzeswerke, mit dem Ausschluss des Rühmens: „Denn aus Gnade seid ihr durch den Glauben gerettet, nicht aus eigener Kraft – Gott hat es geschenkt –, nicht aufgrund eurer Werke, damit keiner sich rühmen kann. Seine Geschöpfe sind wir, in Christus Jesus dazu geschaffen, in unserem Leben die guten Werke zu tun, die Gott für uns im Voraus bereitet hat“ (EÜ). Vgl. 2Tim 1,9; Tit 3,5; Apg 13,38-39. Die Einleitung (mit λογιζο' μεθα) betont, dass dieser Satz das von den Jesusbekennern akzeptierte Verständnis der Offenbarung Gottes in Jesus Christus darstellt: Gott spricht Sünder gerecht, ohne dass diese sich durch das Halten des Gesetzes vor Gott als würdig erweisen. 29-30 Paulus bestätigt den Lehrsatz von V. 28 mit einer Frage, die deutlich macht, dass das letzte Wort Gottes unmöglich die Rechtfertigung aufgrund vom Tun des Gesetzes sein kann. Wenn das so wäre, dann hätten nur Juden, die das mosaische Gesetz haben, die Möglichkeit, von Gott für gerecht erklärt zu werden. Dies ist eine lächerliche Vorstellung, weil sie bedeutet, dass Gott nur der Gott der Juden wäre: Oder ist Gott allein (der Gott) der Juden? (η� � Ιουδαι'ων ο� θεο` ς μο' νον;) Das Wort „allein“ beinhaltet die Aussage, dass Gott in der Tat der „Gott der Juden“ ist, d.h. der Gott Abrahams, Isaaks und Jakobs. Paulus argumentiert mit der Figur der reductio ad absurdum (auch deductio ad impossibile), ein indirekter Beweis, der den Schluss ————————————————————

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Hofius, Rechtfertigung, 85 Anm. 35.

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auf die Negation der widerlegten Aussage erlaubt.231 Juden wissen natürlich, dass der Wirkungsbereich Jahwes nicht auf Israel beschränkt ist, sondern dass Gott als der Schöpfer und Erhalter der Welt der Gott aller Menschen ist, auch der Heiden.232 Diese Überzeugung kommt in der Rede von dem „wahren Gott“ grundsätzlich zum Ausdruck.233 So zwingt Paulus den jüdischen Gesprächspartner, die Frage Ist er nicht auch (der Gott) der Heiden? (ου� χι` και` ε� θνω ñ ν;) mit Ja zu beantworten: Ja, auch der Heiden (ναι` και` ε� θνω ν). ñ R. Schimeon b. Jochai (ca. 150–150 n.Chr.) betont im Zusammenhang der Herrschaft Gottes über alle Geborenen den Unterschied zwischen Juden und Heiden: „Gott bin ich über alle, die in die Welt kommen, aber meinen Namen habe ich nur mit euch vereint; ich heiße nicht der Gott der Völker der Welt, sondern der Gott Israels“ (Exodus Rabba 29,4 zu Ex 20,2; Bill. III, 185). Käsemann und Wilckens halten diese Meinung als charakteristisch für die Juden und interpretieren die Anspielung auf Deut 6,4 als Polemik des Apostels im Sinn einer Auslegung des jüdischen Glaubensbekenntnisses Deut 6,4, die „in unerhörter Kühnheit“ die jüdische Gotteslehre angreift.234 Wenn dies richtig wäre, argumentierte Paulus in V. 29-30 nicht mit reductio ad absurdum. Nicht auszuschließen ist, dass Schimeon gegen einen Basissatz christlicher Theologie polemisiert.235 Weil Paulus eine rhetorische Frage formuliert – ου� χι' lässt ein „Ja“ als Antwort erwarten (BDR §272a; HvS §245b / c) –, ist nicht davon auszugehen, dass Paulus eine Modifizierung der jüdischen Gotteslehre unternimmt.

Paulus begründet236 mit einer Anspielung auf das Grundbekenntnis Israels in Deut 6,4,237 das jeder Jude täglich zwei Mal betet: Gott ist einer (ειðς ο� ————————————————————

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Aristoteles, An.pri. I 23,41a22-26: „Denn alle Folgerungen aufgrund von Unmöglichem schließen zwar auf Falsches, beweisen aber die hypothetische Anfangsannahme, wenn nämlich aus der Annahme des (kontradiktorischen) Gegenteils etwas Unmögliches folgt“; Übersetzung von Mayordomo, Paulus, 110, der mit Thiel betont, man sollte im strengen Sinn von einer reductio ad absurdum nur dann sprechen, „wenn der erreichte Widerspruch ein logischer (ein ‚absurdum‘) ist, d.h. nicht bloß einer empirischen Tatsache widerspricht (‚impossibile‘) oder gar nur ein ‚lästiges Faktum‘ (‚incommodum‘) ist“ (C. Thiel, Art. reductio ad absurdum, Enzyklopädie Philosophie und Wissenschaftstheorie III, 516). Im Griechischen ist von α� παγωγη` ει� ς το` α� δυ' νατον die Rede. Ps 47,7-9: „Singt unserm Gott, ja singt ihm! Spielt unserm König, spielt ihm! Denn Gott ist König der ganzen Erde. Spielt ihm ein Psalmenlied! Gott wurde König über alle Völker, Gott sitzt auf seinem heiligen Thron“; vgl. Ps 66,8; 117,1; Mal 1,11. Vgl. Kaiser, Gott III, 343-392. JosAs 11,10; Philo, Spec.Leg. 1.65.332; Leg.Gai. 45.366; Flebbe, Solus Deus, 137. Käsemann 97; vgl. Wilckens I 248. Vgl. Haacker 112; Flebbe, Solus Deus, 144 Anm. 323. Vgl. Haacker ebd. für Folgende. ει»περ macht die Annahme des Konditionalsatzes bestimmter und kann fast kausale Bedeutung haben (HvS §262,19a; 280b), d.h., man könnte übersetzen: „da Gott einer ist“. Deut 6,4: ‫ ;ְׁשַמע ִיְׂש ָרֵאל ְיהָוה ֱאל ֵֹהינו ּ ְיהָוה ֶאָחד‬LXX: »Ακουε, � Ισραη' λ· κυ' ριος ο� θεο` ς η� μω ñν κυ' ριος ειðς ε� στιν. Elb.Ü, LÜ übersetzen mit „Höre, Israel, der HERR ist unser Gott, der HERR allein“; EÜ „Höre, Israel! Jahwe, unser Gott, Jahwe ist einzig.“ Zitiert in Mk 12,29; vgl. 1Kor 8,6; Jak 2,19.

Die Offenbarung der Gerechtigkeit Gottes im Sühnetod Jesu 3,21-31 423 ————————————————————————————————————

θεο' ς).238 Paulus geht es nicht um die in Deut 6,4 vorausgesetzte Erwählung Israels durch den einen wahren Gott, sondern um die Betonung der Einzigkeit Gottes des Schöpfers und Erhalters der Welt. Wenn Gott der Eine ist, neben dem es keine anderen Götter gibt,239 dann ist er der Gott der Juden wie auch der Heiden. Das Grundbekenntnis zur Einzigkeit und Einheit Gottes wurde in der atl. Eschatologie in ihrer universalen Geltung betont: „Dann wird der Herr König sein über die ganze Erde“, was im nächsten Satz ausdrücklich mit Deut 6,4 verbunden wird: „An jenem Tag wird der Herr der Einzige (κυ' ριος ειðς) sein und sein Name der Einzige (το` ο» νομα αυ� τουñ ε« ν)“ (Sach 14,9).240 Das Argument von Paulus, der von dem jüdischen Bekenntnis zu Jahwe als dem Gott Israels (V. 29) ausgehend das jüdische Bekenntnis zu dem einen Gott der Erde (V. 30) zum Zielpunkt hat, setzt die Überzeugung voraus, dass mit dem Kommen des Messias Jesus (1,3-4) und mit seinem Sühnetod (3,25) die letzten Tage angebrochen sind, für die die Bekehrung der Völker erwartet wurde. Angesichts der Offenbarung Gottes im Sühnetod des Messias Jesus, dem neuen Ort der Heil schaffenden Gegenwart Gottes, ergibt sich für Juden und Heiden, dass Gott durch den Glauben an Jesus rechtfertigt. Gott wird die Beschnittenen aus Glauben rechtfertigen (δικαιω' σει περιτομη` ν ε� κ πι'στεως) und die Unbeschnittenen durch den Glauben (α� κροβυστι'αν δια` τηñ ς πι'στεως). Dem Einssein Gottes entspricht in der messianischen Heilszeit das Einssein aller Glaubenden aus Juden und Heiden. Paulus schließt mit der Betonung des monotheistischen Bekenntnisses ειðς ο� θεο' ς V. 30 die mögliche partikularistische Implikation des Bekenntnisses � Ιουδαι'ων ο� θεο' ς V. 29 aus, wobei gilt: „Das � Ιουδαι'ων πρω ñ τον bleibt, es wird durch das και` « Ελληνι nicht in Frage gestellt … Insofern die Völker zum Heil Gottes, das er zuerst Israel anbietet, hinzukommen und die vereiigte Menschheit aus Gottes Handeln an Juden und Heiden entsteht, bleibt Gott auch verlässlich Gott der Juden“.241 Wenn das Tun des mosaischen Gesetzes nicht zur Rechtfertigung im Endgericht führt, wenn alle Menschen Sünder sind und Sündenvergebung und Heil nur infolge der gnädigen Barmherzigkeit Gottes empfangen, dessen Heil schaffende Offenbarung jetzt an den Sühnetod Jesu gebunden ist, dann gilt: Sowohl die Glieder ————————————————————

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Vgl. Josephus, Ant. 4.212; zur Bedeutung mBer 2,2; yBer 1.3c. Jer 16,19-20; 43,10-13; 45,5; Ps 96,5. Vgl. Jes 45,6; Zef 2,11; 3,9. Flebbe, Solus Deus, 142: „Das ειðς ο� θεο' ς markiert also schon im zeitgenössischen antiken Judentum einen Universalismus, von dem eine endzeitliche Realisierung erwartet wird“; vgl. Ps 22,28; Jes 2,2-5; 11,1-10; 45,5-6.14-15.2324; 55,5; 56,7; Jer 31,34; Mich 4,1-5; Hab 2,14. Merklein, Einzigkeit, 14-19. Flebbe, Solus Deus, 143. Vgl. Lohse 138-139; Gräßer, Gott, 256-257. Gegen Wilckens I 248: Paulus will die „Unterscheidungsmöglichkeit“ zwischen Gottes Beziehung zu Israel und der Beziehung zu den Völkern zerbrechen.

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des Bundesvolks, die das Zeichen der Beschneidung242 haben, als auch die Heiden, die unbeschnitten sind und nicht zum Gottesvolk gehörten, erhalten den Freispruch als Sünder allein und gemeinsam, durch den Glauben an Jesus. Einen Unterschied zwischen Juden und Heiden gibt es, was die Notwendigkeit und die effektive Wirklichkeit des Glaubens betrifft, nicht. Das Futur des Verbs (δικαιω' σει) verweist im Kontext von 1,18.32; 2,2.5.11.16; 3,6 auf das Endgericht,243 im Kontext von 3,21-26; 5,1 zugleich auf den Heilsempfang von Juden und Heiden in der Gegenwart (logisches Futur).244 Der Wechsel der Präpositionen ε� κ und δια' ist stilistische Variation, mit der Paulus wohl keinen Bedeutungsunterschied markieren will.245 Anders Zahn, der ε� κ πι' στεως mit ε� ξ ε» ργων νο' μου (3,20; 9,32; 10,3; Gal 2,16) kontrastiert und im Sinn der Frage interpretiert, „welcher Art der Ausgangspunkt des Trachtens nach der Gerechtigkeit sein mußte, nachdem die Gesetzeswerke sich als hiezu untauglich erwiesen haben“; die gesetzlosen Heiden haben keinen Anlauf genommen, Gerechtigkeit zu erwerben, sodass sich die Frage stellt, „durch welches Mittel ihnen geholfen oder … zu der ihnen fehlenden Gerechtigkeit verholfen werden könne“.246 Käsemann hält den Wechsel der Präposition für rhetorisch, „ohne deshalb … sachlich belanglos zu sein“.247 Ebenso Wilckens, der erwägt, „ob Paulus mit ε� κ an den Juden denkt, der aus seiner heilsgeschichtlichen Situation heraus zur Glaubensgerechtigkeit gerufen wird, und mit δια' an den Heiden, der im Glauben an die bislang unerreichbare Möglichkeit der Rechtfertigung als Verbindung mit dem einen Gott Israels erlangt“.248 Flebbe schreibt, Paulus spiele mit ε� κ πι' στεως auf einen „vorhandenen Fundus an, aus dem geschöpft werden kann“, was zur Geschichte Gottes mit Israel passt, während das Hinzukommen der Heiden „weniger mit dem Rückgriff auf etwas Vorhandenes beschrieben werden“ kann, „weshalb hier πι' στις mit δια' für die Nennung des Mittels, das das Unmögliche möglich macht,“ genannt wird.249 J. Dunn hat für diese Auslegung grundsätzlich Sympathie, ————————————————————

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Beschneidung (περιτομη' ) und Unbeschnittenheit (α� κροβυστι' α) sind Abstrakta, die für das Konkrete stehen (Metonymie), d.h. für beschnittene Juden und unbeschnittene Heiden. Wilckens I 248 Anm. 277; Dunn I 189. Michel 156; Cranfield I 222; Käsemann 98; Zeller 93. Flebbe, Solus Deus, 148 meint, das Problem ließe sich lösen, wenn man den aspektischen Charakter des Futurs in Rechnung stellt, nach dem das Futur „die Gewissheit einer Handlung“ unterstreicht und „insbesondere auch die theologische Unverrückbarkeit einer Aussage“ transportiert (mit Verweis auf BDR §362 [„Der Indikativ des Futurums für energische Aussagen in Hauptsätzen“]; Porter, Verbal Aspect, 414 Anm. 16; s. auch Campbell, Verbal Aspect, the Indicative Mood, and Narrative, 127-160). Die meisten Gräzisten sind der Ansicht, dass der Indikativ Futur als einzige altgriechische Indikativform ausschließlich Zeitbedeutung hat, ohne Aspektualität auszudrücken; HvS §202; Duhoux, Le verbe grec ancien §399. Lietzmann 52; Kuss I 178; Cranfield I 222; Michel 156; Schlier 118; Fitzmyer 365-366; Penna 278; Lohse 139; Wolter I 273; so bereits Augustin, De spiritu et littera 50; vgl. Wilckens I 248; Dunn I 189, die dann doch mögliche Bedeutungsunterschiede referieren. Zahn 203-204. Ähnlich Schlatter 155-156. S. bereits Theodor von Mopsuestia, PG 66, 769 (Staab, Pauluskommentare, 118). Käsemann 98. Michel 156 meint, die rhetorische Gegenüberstellung der beiden Formulierungen bedeute „selbstverständlich eine Verstärkung“. Wilckens I 248. Flebbe, Solus Deus, 151. Vgl. Stowers, � Εκ πι' στεως, 665-674.

Die Offenbarung der Gerechtigkeit Gottes im Sühnetod Jesu 3,21-31 425 ———————————————————————————————————— weist aber darauf hin, dass Paulus an dieser Stelle kaum eine weiter bestehende Differenz zum Ausdruck bringen will – der Apostel betont Grund und Mittel des Glaubens, die sowohl für Juden als auch für Heiden gültig sind, ein gemeinsamer Glaube, der den Unterschied zwischen Beschneidung und Unbeschnittenheit, d.h., zwischen Juden und Heiden im Blick auf das Heil bedeutungslos macht.250 Im hellenistischen Griech. steht ε� κ nicht mehr, wie im klass. Griech., für die „Entfernung von der Innenseite“ (HvS §184h). Es kann wie δια' (HvS §184f.cc1-2: Vermittlung, Mittel, Ursache sowie Art und Weise; BDR §223.3-4) im übertragenen Sinn „Ursprung, Ursache, Veranlassung, Beweggrund“ (HvS §184h.cc1; BDR §212.2: kausale Bedeutung) und „Art und Weise“ (HvS §184h.cc2) ausdrücken.

Der eine wahre Gott offenbart seine Heil schaffende Gerechtigkeit für Juden und Heiden, die an Jesus glauben. Es sind nicht Werke des Gesetzes, die zum Freispruch des Sünders führen, sondern ausschließlich der Glaube an Jesus, der jetzt, in der messianischen Zeit der Erfüllung der Verheißungen Gottes, das alles bestimmende neue Zentrum der Beziehung zu Gott ist. 31 Die Betonung des Glaubens im Basissatz V. 28, der zusammen mit V. 25-26 die Argumentation seit 1,18 zusammenfasst und das von Paulus verkündigte Evangelium (1,3-4.16-17) auf den Punkt bringt, kann im Zusammenhang des Ausschlusses des Gesetzes von der Rechtfertigung des Sünders (V.21.27-28) im Sinn einer Abschaffung des Gesetzes verstanden werden. Genau dieser Vorwurf wurde Paulus nach Apg 21,28 durch Jerusalemer Juden gemacht („Das ist der Mensch, der in aller Welt Lehren verbreitet, die sich gegen das Volk und das Gesetz und gegen diesen Ort richten“, EÜ).251 Wenn man mAbot 3,11 („Rabbi Elazar aus Modiim sprach: Wer die heiligen Dinge entweiht, wer die Festtage verachtet, wer seinen Genossen öffentlich beschämt, wer den Bund unsres Vaters Abraham bricht und wer in der Tora seine Person hervorkehrt, der hat, auch wenn er gute Werke aufzuweisen hat, keinen Anteil an der zukünftigen Welt)252 auf Paulus bezieht, dann wurde er „sicher von den frühen Rabbinen als Apostat stricto sensu ————————————————————

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Dunn I 189. Flebbe, Solus Deus, 152 spricht von einer „Differenz in der Gleichheit“, die „aufgrund des dominierenden Themas der Differenz in der Einheit von Juden und Heiden nicht beiseite zu schieben“ sei. Manche beziehen Ruth Rabba 3 auf Paulus: Dort ist von einem Mann die Rede, „dessen Weg vermessen und fremdartig ist“ (Spr 21,8) und der „sich der Beschneidung und den Geboten entfremdete“ (Baeck, Paulus, 30; Baeck, Glaube des Paulus, 589; Gräßer, Gott, 241). Klausner, Von Jesus zu Paulus, 295-296.552-553 meint, in bShab 30b, wo von einem „gewissen Schüler“ Gamaliels die Rede ist, der „Frechheit in Dingen der Tora“ verkündete, sei Paulus gemeint. Andere Stellen in der rabbinischen Literatur, die man auf Paulus bezogen hat, sind mAb 3,5; mBer 9,5; tHul 2,22; ExR 13,1-5; bSan 107b; bSot 47a. Diese Passagen sind durchweg vage formuliert und können auf innerjüdische Häresien anspielen (Meißner, Heimholung, 9). Marti / Beer, �Abôt, 77 (in anderer Zählung mAb 3,15). Die Wendung ‫ַהְמַגֶּלה ָפִנים ַּבת ֹוּ ָרה‬ („wer in der Tora sein Gesicht, d.h. seine Person hervorkehrt“) bedeutet, „bei der Behandlung (der Tora) es an jeder Ehrfurcht fehlen lassen … die Tora frech, unverschämt

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betrachtet“.253 Die Frage heben wir etwa das Gesetz durch den Glauben auf? spricht dieses mögliche Missverständnis aus. Die Betonung des Glaubens (πι'στις) als die einzige Wirklichkeit, die zum Freispruch Gottes von Sünden führt, könnte den Gedanken wecken, dass der Glaube an Jesus das Instrument (δια' ) ist, durch das Paulus die Gültigkeit des mosaischen Gesetzes aushebelt. Der absolute Gebrauch von „Gesetz“ (νο' μος) bezeichnet im Kontext der vorausgehenden Argumentation nicht nur allgemein den „offenbarten Gotteswillen“, sondern konkret das mosaische Gesetz, die Tora. Das Verb (καταργουñ μεν) bedeutet „ungültig machen, außer Wirksamkeit setzen“.254 Wenn Gottes Heil schaffende Offenbarung für Heiden und Juden den Freispruch der Sünder im Endgericht im Anschluss an den Glauben an Jesus bewirkt, dann kommt dies für Juden, die an der Zentralität Israels im Heilshandeln Gottes und an der für alle Menschen maßgeblichen Offenbarung Gottes in der Tora festhalten, einer blasphemischen Abschaffung des Gesetzes gleich. Paulus weist den Vorwurf, seine Betonung des Glaubens an Jesus raube dem Gesetz jede Wirksamkeit, mit einem vehementen auf keinen Fall! (μη` γε' νοιτο; vgl. 3,4) ab. Wer sagt, dass in der Theologie des Apostels Paulus das mosaische Gesetz als abgeschafft gilt, der hat Paulus nicht verstanden. Werke des Gesetzes führen nicht zur Vergebung der Sünden, nur der Glaube an Jesus kann das leisten. Insofern besteht Diskontinuität. Das Gesetz wird durch den Glauben an Jesus nicht außer Kraft gesetzt. Insofern besteht Kontinuität. Im Schlusssatz formuliert Paulus, was mit dem mosaischen Gesetz im jetzt maßgeblichen Kontext des Glaubens an Jesus geschieht: wir bringen vielmehr das Gesetz zur Geltung. Im Kontext der vorausgehenden Aussagen ist mit „Gesetz“ (νο' μος) wieder das mosaische Gesetz gemeint. Viele Ausleger finden die Gegenthese des Apostels überraschend oder als paradox und unbegreiflich;255 manche interpretieren „Gesetz“ deshalb als „der im AT fixierte Gotteswille“,256 andere als literarische Kategorie.257 ————————————————————

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behandeln, sie subjektiv nach persönlichem Gutdünken erklären“ (ebd. 78). R. Elazar lebte im 1. Jh. und erlebte noch den Aufstand des Bar Kochba (ebd. 76). Werblowsky, Paulus, 135; vgl. Gräßer, Abraham, 9. Zur Geschichte der Paulusrezeption im Judentum vgl. Meißner, Heimholung. Arzt-Grabner, 1. Korinther, 108-109 nennt P.Oxy I 38; PSI Congr. XX 11 als Belege in den Papyri: „Die Folgen davon, dass jemandem sämtliche Wirkmöglichkeit genommen wird, werden als sehr drückend empfunden.“ Zeller 93; Käsemann 98. Käsemann 98; vgl. Lietzmann, Bardenhewer, Huby, Dodd; Schrenk, ThWNT I 761; Bläser, Gesetz, 37. Käsemann ebd. meint, V. 31 sei nur als Überleitung zu Kap. 4 sinnvoll. Wolter I 274: Die „Tora“ als der erste Teil des atl. Kanons, „der die Geschichte von der Schöpfung bis zum Tod des Mose erzählt“. Im Kontext der vorausgehenden Belege von νο' μος wäre eine solche spezielle Bedeutung für die ersten Leser nicht einsichtig.

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U. Wilckens schreibt zu Recht: „Seine Gegenthese überrascht nur den, der seine These V 28 im Sinne einer Bestreitung der Gesetzesgerechtigkeit überhaupt und VV 29f im Sinne einer abrogatio der Erwählungsgeschichte als solcher mißversteht.“258 Was in der Rechtfertigungslehre des Apostels aufgehoben wurde, ist nicht das Gesetz, nicht die Erwählung Israels, sondern die Auffassung, dass der Sünder seine Gesetzesübertretung durch Gesetzeserfüllung kompensieren und so gerecht werden kann. Dies ist jedoch nicht möglich: Sünder können durch den Gehorsam gegenüber einem Gesetz, das sie bereits gebrochen haben, nicht gerecht gesprochen werden. Sünder können sich nicht selbst von ihren Sünden befreien. Nur Gottes Heilsinitiative kann den Menschen retten. Und das ist das Neue in der Botschaft des Evangeliums: Gott hat im Kommen des Messias Jesus (1,3-4) die Initiative ergriffen, dem Sünder Gerechtigkeit zu schaffen (1,16-17), indem er im Sühnetod Jesu seine Heil schaffende Gerechtigkeit offenbarte (3,25-26), die für alle, die an Jesus glauben, wirksam wird, unabhängig von Werken des Gesetzes (V. 27-28), sowohl Juden als auch Heiden (V. 29-30). Paulus sagt, dass er – im Kontext ist „durch den Glauben“ (δια` τηñ ς πι'στεως) zu ergänzen – das Gesetz „aufrichtet“. Das Verb (ι�στα' νομεν) wird auf atl. Hintergrund oder auf rabbinischen Hintergrund interpretiert.259 In der LXX findet sich das Verb in Opposition zu Verben mit der Bedeutung von „aufheben, unwirksam machen“ und oft in Verbindung mit νο' μος oder dem bekannten Willen Gottes260 und bedeutet „nicht außer Kraft setzen, zur Geltung bringen“, „erfüllen“ im Sinn von „dem Gesagten Relevanz und Realität in der Gegenwart zukommen lassen“, „dem Gesagten und Geforderten entsprechen“.261 Diese Bedeutung entspricht Belegen in der rabbinischen Lit., wo ‫ קום‬in Opposition zu „aufheben“ im Sinn von „zur Geltung bringen“ hat, oft mit Bezug auf die Tora in der Bedeutung „die Tora halten, erfüllen, verwirklichen“.262 Paulus betont mit dem Verb sein Festhalten an der Tora. ————————————————————

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Wilckens I 249. Vgl. W. Grundmann, Art. «ιστημι, στη' κω, ThWNT VII, 635-652; M. Wolter, EWNT II, 504-509; zuletzt Flebbe, Solus Deus, 156-158. In Opposition zu Verben, die „aufheben, außer Kraft setzen“ bedeuten, bezeichnet «ιστημι die gültige Festsetzung (Mt 18,16; Mk 7,9; Röm 10,3; 2Kor 13,1 (Zitat Deut 19,16); 2Tim 2,19. Mehrere LXX-Stellen verwenden «ιστημι mit Bezug auf das Gesetz: Num 30,14; Deut 28,69; 1Kön 15,11; 2Kön 23,14; 2Chron 35,19 LXX; Jer 42,14.16; 2Esr 15,13; 20,33; vgl. Hebr 10,9. Flebbe, Solus Deus, 157. Hofius, Gesetz, 67: mAb 4,9; bGitt 36b; bSanh 90a; bShab 55b; bYom 28b; Targ. Jes. 37,32. Vgl. Dalman, Jesus-Jeschua, 53-62. Flebbe, Solus Deus, 156 Anm. 365 betont gegen Hofius und Haacker 97, dass es nicht erforderlich ist, zwischen dem Einzelgebot und der Gesamttora zu unterscheiden: „Es geht beide Male um die Frage der Geltung, die immer Auswirkungen auf die Gestaltung der Gegenwart impliziert oder fordert.“

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Was dies konkret bedeutet, ist vielschichtig. 1. Paulus stimmt der Anklage und Verurteilung des Sünders durch das Gesetz zu und gibt diesem recht, wenn es auf die Realität der Sünde hinweist,263 entsprechend V. 20, wo Paulus von der Wirkung des Gesetzes spricht. Dieser dialektische Sinn des Gesetzes – „daß nämlich das Gesetz aufgrund dessen aufgerichtet wird, daß durch es selbst mittelbar die Befreiung von ihm geschieht (Gal 2,19), sofern es ‚die Übertretungen mehrt‘ (Röm 5,20), deren ganze Wirklichkeit Christus in seinem Tod auf sich genommen hat (Gal 3,13)“ – wird in V. 31 nicht explizit.264 2. Paulus spricht von der Funktion des Gesetzes als Zeuge des Evangeliums,265 entsprechend V. 21, wo er sich auf das Gesetz und die Propheten als Zeugen für die Offenbarung der Gerechtigkeit Gottes beruft, und entsprechend 4,1-25, wo Gottes Heilshandeln am Beispiel von Abraham und im Vollzug von atl. Schriftauslegung verdeutlicht wird. 3. Paulus betont den Glauben als rückhaltloses und uneingeschränktes Vertrauen, dass Gott seine Heilszusage verwirklichen wird, eine vom Gesetz bezeugte, geforderte und bestätigte Wirklichkeit und Notwendigkeit, die schon immer dem Gesetz eingeschrieben war,266 entsprechend V. 27, wo er vom „Gesetz des Glaubens“ spricht. 4. Paulus betont in 13,8-10 die Liebe (α� γα' πη) als die Erfüllung des Gesetzes, eine Aussage, die Paulus erlaubt, „die Behauptung, das Gesetz / die Tora in seinem innersten Wesen voll zur Geltung zu bringen und zu erfüllen, ohne ihm eine wie auch immer geartete soteriologische Funktion zuzubilligen“.267 Paulus betont, dass „unabhängig vom Gesetz“ (V. 21) nicht „gesetzlos“ heißt, und erläutert im Folgenden, was das bedeutet: „Das Gesetz, ‚heilig, gerecht und gut‘ (Röm 7,12) kommt, durch Christus aus der tödlichen Umklammerung durch die Sünde gelöst, in seiner Funktion als Zeuge der Messiashoffnung (Röm 3,22) und Richtschnur gerechten Lebens (Röm 13,8ff.) zur Geltung.“268 Durch den Glauben an ————————————————————

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Nygren 126; Haacker 113-114; W. Grundmann, ThWNT VII, 648; Bornkamm, Wandlungen, 111; Flebbe, Solus Deus, 158. Wilckens I 249-250. Lietzmann 52; Michel 157; Cranfield I 224; Wilckens 248-249; Fitzmyer 367; Lohse 139; Wolter, EWNT II, 508; Flebbe, Solus Deus, 158; Gathercole, Justified, 168; Rosner, Paul and the Law, 154. Toit, Glaube, 348: Die Verbindung des Glaubens bereits mit dem mosaischen Gesetz erlaubt Paulus die Aussage, „das Gesetz durch die Behauptung des πι' στις-Prinzips als Fundament des geschichtlichen Handelns Gottes mit der Menschheit und insbesondere mit Israel nicht aufzuheben, sondern im Gegenteil zur Geltung zu bringen (Röm 3,31)“. Schnelle, Rechtfertigungslehre, 305, der die Konzentration auf die α� γα' πη als sich gegenüber dem Gal „verdichtende(n) Lösung“ sieht. Söding, Sühne, 377. Vgl. Saß, Leben, 374: Die Tora „aufrichten“ heißt so viel wie „die Tora ‚richtig‘, nämlich vor dem Hintergrund der Heilstat Gottes in Christus, zu verstehen und so zur Geltung zu bringen“.

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Jesus erfüllt das Gesetz seine ursprünglich intendierte Absicht. Der im Anschluss an den Glauben an Jesus gerechtfertigte Sünder erfährt die Heil schaffende Offenbarung der Gerechtigkeit Gottes in der ihm geschenkten Wirklichkeit des Heiligen Geistes, der ihn im Leben befähigt, die „Rechtsforderung des Gesetzes“ zu erfüllen (Röm 8,4). IV Die Analyse der conditio humana in 1,18–3,20 beschrieb die ausweglose Situation des Menschen, der angesichts seines Verhaltens dem Zorn Gottes ausgeliefert ist, welcher sich im Endgericht als Todesurteil auswirken wird, eine Ausweglosigkeit, die sowohl für gesetzlose Heiden als auch für das Gesetz nicht einhaltende Juden Wirklichkeit ist. In 3,21-31 erläutert Paulus in gedrängter, nahezu formelhafter Prägnanz, wie Gott selbst es möglich macht, dass Heiden und Juden von Gott freigesprochen werden, d.h., wie die im vorausgehenden Abschnitt beschriebene Hoffnungslosigkeit aufgehoben wird. Paulus entfaltet in diesem grundlegenden Abschnitt die Definition von „Evangelium“ in 1,3-4.16-17, dort beschrieben als die Macht Gottes, die als Gerechtigkeit gewährendes Heilshandeln wirksam ist und alle an Jesus als Messias und Kyrios glaubende Menschen rettet. Im Kontext der realistischen Beschreibung der von Gottesferne und Ungerechtigkeit bestimmten Lebenswirklichkeit von Juden und Heiden, die sich nicht selbst retten können, ist es das Heilshandeln Gottes im Sühnetod Jesu, das Juden und Heiden Sünden vergibt, Gerechtigkeit gewährt und Freispruch im Gericht Gottes garantiert. Die universale Dimension der gefallenen Schöpfung, in die hinein Gott jetzt (νυνι') statt seines Zorns seine Gerechtigkeit offenbart (1,18; 3,21-23), darf nicht gegen die partikularistische Dimension des Einzelnen ausgespielt werden.269 So wie Adam gesündigt und die Herrlichkeit Gottes verloren hat, mit der Folge dass alle (πα' ντες) Menschen gesündigt und die Herrlichkeit Gottes verloren haben (3,23; vgl. 5,12), so ist es immer der Einzelne, der erfinderisch im Bösen, den Eltern ungehorsam, unverständig, unbeständig, lieblos und erbarmungslos ist und andere ermutigt, sich ihm anzuschließen (1,30-31.32). Das Evangelium mag vor größeren Gruppen von Menschen verkündigt werden – es ist der Einzelne, der ————————————————————

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Käsemann 87 betont das erste, will aber das zweite festhalten: „So gewiß Rechtfertigung ihre Realität verlöre, wenn sie nicht am Einzelnen geschähe, so gewiß bleibt sie nicht eschatologisches Ereignis, wenn sie nicht gerade über den Einzelnen hin Griff des Schöpfers nach seiner Welt ist.“ Einseitig Jewett 273: „It is not so much the individual soul that is at stake in the revelation of divine righteousness that occurred in Christ … but rather the restoration of the entire cosmic order, including each group and species distorted by sin.“

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zum Glauben an die Heil schaffende Offenbarung Gottes in Jesus Christus aufgerufen wird. Paulus stellt in 3,21-31 das Handeln Gottes dem Handeln des Menschen in 1,18–3,20 gegenüber: Gott offenbart seine Gerechtigkeit (3,21), Gott rechtfertigt den Sünder (V. 24), Gott erweist seine Gnade (V. 24), Gott hat Jesus öffentlich als Sühneort hingestellt (V. 25), Gott erweist seine Gerechtigkeit im Hinblick auf die früher geschehenen Sünden (V. 25.26), Gott zeigt seine Geduld (V. 26), Gott ist der Gott der Juden und auch der Heiden (V. 29), Gott rechtfertigt Juden und Heiden durch den Glauben an Jesus (V. 20). Das wirkmächtige Zentrum des Handelns Gottes ist der Sühnetod Jesu: Gottes Gerechtigkeit kommt durch den Glauben an Jesus den Messias (V. 22), Erlösung geschah im Messias Jesus (V. 24), Jesus ist am Kreuz der Ort der sühnenden Gegenwart Gottes (V. 25). Die Diskussion, ob der Abschnitt 3,21-31 „eine dezidiert theologische, an Gott orientierte, mit Gott argumentierende Darstellung“ enthält,270 oder ob Rechtfertigungslehre „eine Konsequenz der Christologie (ist), in der der Kreuzestod Jesu als Sühne aufgefaßt wird“,271 will auseinanderhalten, was zusammengehört. Im Evangelium geht es nach der Definition in 1,3-4.16-17 um Gottes Heil schaffende Gerechtigkeit, die sich im Kommen, im Tod und in der Auferstehung Jesu verwirklicht. Das Handeln Gottes lässt sich nicht vom Handeln Jesu trennen. Die Betonung der Rechtfertigung des Sünders als Gottes Tat ist von grundlegender Bedeutung, notwendig vor allem im Kontext der Auslegungsund Theologiegeschichte, in deren Verlauf immer wieder anthropologische Engführungen zu beklagen waren. Der Protest von U. Wilckens gegen die anthropologische Engführung durch R. Bultmann ist gerechtfertigt: „Wird der Horizont anthropologisch gesetzt, so ist von Gott strukturell nur als dem Woher meiner Glaubensgerechtigkeit die Rede … Das zentrale, entscheidende Heilsereignis ist dann die Entstehung von Glauben durch das ihn hervorrufende Kerygma. Aber der Glaube ist bei Paulus durch das Handeln Gottes in Kreuz und Auferstehung Christi bestimmt: als das Heilsvertrauen zu Gott, der im Sühnetod Christi die Sünde aller aufgehoben hat. Nicht weil der Mensch glaubt, sondern weil Gottes Gerechtigkeit die das Geschick aller Sünder bestimmende Wirklichkeitsmacht der Sünde aufgehoben hat, ist der Mensch, der auf dieses Heilshandeln Gottes sein letztes Vertrauen setzt, gerecht. Und die Rechtfertigung besteht nicht darin, daß der Mensch im Glauben vor Gott darauf verzichtet, sich durch Gesetzeswerke selbst zu ver————————————————————

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Flebbe, Solus Deus, 161. Kraus, Tod Jesu, 185, mit Verweis auf Wilckens, Christologie, 72.78-79; Iwand, Rechtfertigungslehre, 1-9.

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wirklichen, sondern darin, daß Gott seinen Zorn durch die Liebestat seiner Gerechtigkeit aufgehoben hat.“272 Kommentatoren polemisieren regelmäßig gegen die Satisfaktionslehre des Anselm von Canterbury (1033–1109), oft geradezu reflexhaft.273 Ausgehend von germanischen Rechtsvorstellungen betont Anselm in Cur deus homo? die Verletzung der Ehre Gottes, die durch Jesus wiederhergestellt wurde.274 Gottes Ehre, die in seiner Schöpfergüte gründet und durch die Sünde der Menschen verletzt wurde, kann nur durch die Wahrung der von Gott gesetzten Ordnung wiederhergestellt werden, einer Ordnung, die Gott um seiner Gottheit willen nicht aufheben kann. Es gibt nur zwei Möglichkeiten: Entweder wird der Mensch bestraft, d.h. das Menschengeschlecht vernichtet, oder es wird eine die Sünde aufwiegende Ersatzleistung (aut poena aut satisfactio; 1,13) erbracht. Die Vernichtung des Menschengeschlechts würde der Ehre Gottes, dessen Schöpfungswillen auf das Heil gerichtet ist, widersprechen. Deshalb sandte Gott seinen Sohn in dieWelt, wahrer Gott und wahrer Mensch, um die durch die Sünde gestörte Ordnung der Gerechtigkeit wiederherzustellen. Weil nun aber nicht nur die Ehre Gottes verletzt wurde, sondern der Mensch durch seine Sünde Gott zudem auch beleidigt hat, muss der Mensch nicht nur die Strafe für seine Sünde erleiden, sondern seine Sünde muss auch durch ein der erfolgten Beleidigung Gottes gemäßes Verdienst kompensiert werden. Der Mensch selbst ist dazu nicht in der Lage, weil er wegen der Schwere der Sünde etwas Größeres wiedererstatten muss als das, um dessentwillen er die Sünde nicht hätte begehen dürfen. Das heißt, er müsste etwas Göttliches erbringen, um sich vor Gott zu entsündigen. Dies konnte nur von einem Gottmenschen geleistet werden. Deshalb wurde der sündlose Sohn Gottes Mensch. Jesus nahm freiwillig die Sünden der Menschen auf sich, erlitt am Kreuz die gerechte Strafe des Zornes Gottes und begründete so ein unendlich großes Verdienst zur Wiederherstellung der göttlichen Ehre. Weil Gott dieses Verdienst zur Wiederherstellung der Schöpfungsordnung, nicht aber zu seiner eigenen Vollkommenheit als Gott benötigte, kann er es auf Bitte des Sohnes hin den Menschen zurechnen. Zu den Problemen der anselmschen Interpretation gehört, dass ————————————————————

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Wilckens I 232. Vgl. Wilckens, Christologie, 64-82. Vgl. Wilckens I 195; Lohse 135 Anm. 25; Knöppler, Sühne, 165, ohne Anselm beim Namen zu nennen; er wirft G. Röhser, Art. Stellvertretung IV: Neues Testament, TRE XXXII, 140-145, hier 144, Anklänge an „das satisfaktorische Mißverständnis des Sühnopfers Christi“ vor. Schmitt, Anselm von Canterbury. Cur Deus homo – Warum Gott Mensch geworden. Vgl. Joest/Lüpke, Dogmatik I, 230-232; Wenz, Versöhnungslehre I, 42-47; Nüssel, Sühnevorstellung, 75-76; zur Diskussion s. Bieler, Befreiung, 208-228; Greshake, Erlösung; Plasger, Interpretation; Schöndorf, Konzeption.

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es primär um die Wiederherstellung der von Gott geschaffenen Weltordnung geht, dass sich die Versöhnung wie ein objektiver Verrechnungsvorgang zwischen Gottes Gerechtigkeit und Gottes Barmherzigkeit abspielt, dass die Versöhnung als rein juristischer, fast völlig verdinglichter Vorgang ereignet, dass die Erlösung des Sünders als Tat des Gottmenschen im Gegenüber zu Gott gedacht ist und dass der Tod Jesu am Kreuz zur bloßen Voraussetzung der Rechtfertigung durch Gott wird. So problematisch diese Vorstellung ganz sicher ist, so wenig ist es geraten, auf die Rede vom Zorn Gottes und vom Opfer zu verzichten, nur weil sie missbraucht werden können.275 Der Zorn Gottes ist der unmittelbare Kontext (1,18–3,20) der Beschreibung des Heilshandelns Gottes in Jesus Christus, in dem, was wichtig ist, vom Hingehenlassen vorher geschehener Sünden und vom Erweis der Gerechtigkeit Gottes (3,25-26) die Rede ist. Wilckens schreibt im Gefolge seiner Betonung des „theo-logischen“ Horizonts der Rechtfertigungslehre: „Wer den Sühnetod Christi als Opfer Christi vor und für Gott versteht, nimmt dem paulinischen Gedanken sein Herz: die Einheit Gottes mit dem für uns (nicht: für Gott!) Gekreuzigten.“276 Diese Kritik, die die Satisfaktionslehre treffen soll, verkennt, dass die Einheit Gottes mit dem Gekreuzigten nicht ausgespielt werden darf gegen die Einheit Gottes mit Jesus, dem Messias Israels: Der Gekreuzigte ist der Messias Jesus, der in der Tat freiwillig (s. die fehlende Verteidigung im Prozess vor dem Jerusalemer Sanhedrin) den Tod auf sich nahm und den Gerichtszorn Gottes erduldete.277 Das Argument, dass die Interpretation des Sühnetodes Jesu am Kreuz auch (nicht nur!)278 als Tod, der dem Zorn Gottes Genüge getan hat, der paulinischen Rechtfertigungslehre das „Herz“ nimmt, leuchtet nicht ein. Im Kontext 1,18 ist – als Überschrift von 1,18–3,20 – vom Zorn Gottes die Rede, von dem Sünder durch den Tod Jesu gerettet werden, wie Paulus in 5,9 betont.279 Wenn Gott seinen Zorn aufhebt und Sündern Gerechtigkeit ————————————————————

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Korthaus, Kreuzestheologie, 394, im Blick auf die Rede vom Opfer: „Die Rede vom Opfertod Jesu bringt besser als andere Deutekategorien zum Ausdruck, daß Gottes Liebe zu uns keine ihm äußerliche, akzidentielle Eigenschaft, sondern wirkliche Selbsthingabe ist. Sinnenfälliger Ausdruck dafür ist das Blutvergießen des gekreuzigten Christus.“ Wilckens I 201. Die Einheit Gottes mit dem Messias Jesus ist es auch, die dem Tod Jesu theologische Bedeutung verleiht; verkannt von Schluep, Ort, 138, der meint, der Tod Jesu als historisches Ereignis gewinne erst „im Vorgang der Interpretation“ eine theologische Bedeutung. Dass der Tod Jesu auch ein Erweis der Liebe Gottes ist, stellt Paulus in 5,8 eindeutig fest. Man darf diese Stelle aber nicht gegen die Hinweise auf den Zorn Gottes in 5,9 und, grundlegend für 3,21-31, in 1,18 nicht ausspielen, wie es z.B. Breytenbach, Christus starb für uns, 467 wieder tut (ebd. 474 ist plötzlich, und ohne Erklärung, von der „Rettung aus dem tödlichen endzeitlichen Zorngericht“ die Rede). Söding, Sühne, 386, übersetzt α� πο` τηñ ς ο� ργηñ ς in 5,9 mit „vor dem Zorngericht“.

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schenkt, und wenn diese Wirklichkeit mit dem Tod Jesu verknüpft ist, durch den Gott Sünde sühnt, dann kann man von einer Interpretation des Sühnetodes Jesu als Tod, in dem Gottes Zorn seinen Lauf genommen und die Sünder und ihre Sünder gestraft hat, nur dann absehen, wenn man den Zorn Gottes ausblendet (was der Kontext verbietet) oder wenn man die Vergebung von Sünden durch Gott als Amnestie interpretiert, durch welche die Strafe einfach aufgehoben wird (was die Betonung des Gerechtseins Gottes verbietet, der Sünde mit dem Tod bestraft und nicht einfach ungestraft sein lassen, d.h. ignorieren kann). Auf dem Hintergrund atl. und frühjüdischer (Opfer-)Theologie ist die Betonung der Vergebung von Sünden und der Rechtfertigung des Sünders als Gottes Tat nicht auffällig. Das argumentative Gefälle im Kontext der Definition des Evangeliums in 1,3-4.16-17 und im Kontext von 1,18–3,20 unterstreicht drei Aspekte der Heil schaffenden Offenbarung Gottes: 1. Gott hat sich in dem Messias Jesus offenbart, heilswirksam in seinem Sühnetod am Kreuz. Jesus ist der Davids- und Gottessohn, der im Anschluss an seine Auferstehung von den Toten an der machtvollen Souveränität Gottes Anteil hat und in dessen Tod am Kreuz die sühnende Gegenwart Gottes offenbart wurde. Sünden werden nicht mehr durch die im Gesetz vorgeschriebenen und im jüdischen Tempel dargebrachten Sündopfer vergeben, sondern im Kreuzestod Jesu, der anstelle der Sünder und zugunsten von Sündern den Gerichtszorn Gottes auf sich genommen, Sünde gesühnt und Vergebung, Freispruch und Gerechtigkeit erwirkt hat. 2. Die durch den Sühnetod Jesu erwirkte Vergebung von Sünden ermöglicht die Rechtfertigung des Sünders, d.h., den Freispruch des Sünders im Endgericht und Zuspruch der Gerechtigkeit Gottes in der Gegenwart. Wichtig für jüdische Hörer des Apostels ist die Betonung, dass die Rechtfertigung des Sünders im „Jetzt“ der neuen, messianischen Heilszeit für Juden und Heiden gleichermaßen gilt, weil die Offenbarung der Heil schaffenden Gerechtigkeit Gottes außerhalb des vom mosaischen Gesetz (und vom Bund mit Israel) markierten Heilsbereichs stattgefunden hat. 3. Juden können genauso wie Heiden nur durch den Glauben an Jesus, den gekreuzigten und auferstandenen Messias, Gerechtigkeit erlangen. Der Glaube ist kein Werk des Menschen, die die vom mosaischen Gesetz geforderten Werke ersetzt. Die Argumentation in 1,18–3,20 zeigte, dass neben den Heiden, die nichts vorweisen können, was sie vor Gott als Gerechte qualifizieren würde, auch die Juden auf kein Handeln verweisen können, das Gott zwingen würde, sie als Gerechte im Endgericht freizusprechen. Der Glaube als Handeln des Sünders ist kein Verdienst, sondern das Eingeständ-

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nis persönlicher Sünde und das Zugeständnis eigener Hilflosigkeit, analog der Umkehr des Verlorenen Sohns in Lk 15, dessen Glaube an die Güte des Vaters keine „Leistung“ war, auf die er pochen konnte oder wollte, sondern das aus absoluter Verzweiflung und existentieller Bedrohung heraus geborene Zutrauen auf den Vater, der ihm dann weitaus mehr schenkte, als er zu hoffen wagte. Gleichzeitig gilt, dass für Heiden der Glaube an Jesus zugleich der Glaube an den einen, wahren Gott Israels ist, und für Juden der Glaube an den Gott Abrahams, der sich im Messias Jesus zum Heil aller Menschen geoffenbart hat. Die einzelnen Elemente der Heil schaffenden Offenbarung der Gerechtigkeit Gottes in und durch Jesus Christus sollen zusammenfassend noch einmal genannt werden. Das im Evangelium verkündigte Neue ist die Nachricht, dass die Sühnung der Sünden von Heiden und von Juden durch den Tod des Messias ohne Beteiligung des mosaischen Gesetzes, der Offenbarung Gottes, die in Israel Gültigkeit besaß, stattfindet (3,21). Dieses Novum ist jedoch keine Erfindung des Apostels: Sie ist in der Autorität des Gesetzes und der Propheten verankert (3,21). Die Vergebung der Sünden und der Freispruch vom Zorngericht Gottes wird durch den Glauben an Jesus vermittelt (3,22). Die Heil schaffende Offenbarung Gottes, die Sünden vergibt, hat einen universalen Geltungsbereich, sie gilt für alle Menschen, für Heiden wie für Juden (3,22). Der Wirkungsbereich der Heilsoffenbarung Gottes ist die Welt der Menschen, die alle gesündigt haben (3,23). Die die Sünde aller Menschen sühnende Offenbarung Gottes in Jesus ist notwendig, weil den Menschen die Wirklichkeit der herrlichen Gegenwart Gottes abhandengekommen ist (3,23). Gottes Heilsoffenbarung ereignet sich als Rechtfertigung im Gericht Gottes zum Freispruch des Sünders (3,24). Was den Modus des Freispruchs des Sünders betrifft, so gilt, dass Gott dem Sünder Gerechtigkeit schenkt (3,24). Der Beweggrund ist einzig und allein die unverdiente Gnade und Barmherzigkeit Gottes (3,24). Die Heilsoffenbarung Gottes verwirklicht sich als Befreiung aus der hoffnungslosen Lage, in der sich die Menschen als Sünder befinden (3,24). Sie wird ermöglicht durch Jesus, den Messias Israels (3,24). Sie ereignet sich am Kreuz, an dem Jesus, der messianische Gottessohn, stirbt, dem neuen Ort der sühnenden Gegenwart Gottes (3,25). Die Ursache der neuen Heilsoffenbarung hängt mit dem Hingehenlassen der Sünden in der Vergangenheit zusammen (V. 25). Das Ziel ist einerseits die Demonstration des Gerechtseins Gottes (3,25), andererseits die Verwirklichung Heil schaffender Gerechtigkeit für Sünder (3,26). Die Verbindung der Heilsoffenbarung Gottes im Sühnetod Jesu mit dem „Hingehenlassen der zuvor geschehenen Verfehlungen“ (V. 25) bein-

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haltet keine vollkommene Neubewertung der atl. Opfer in dem Sinn, dass Paulus diesen jede Wirksamkeit im Blick auf die Sühnung von Sünden abgesprochen hätte. Er hätte sich damit nicht nur in Widerspruch zum AT gestellt (vgl. die Konstatierung von Vergebung infolge des Sündopfers in Lev 4,20.26.31.35 u.a.). Er hätte den Tod Jesu kaum mithilfe der Metapher des ι�λαστη' ριον beschrieben. Zahn interpretiert in heilsgeschichtlicher Perspektive: „Gott hat das Gericht hinausgeschoben im Hinblick auf (d.h. προ' ς) die vorhin erwähnte, in der Jetztzeit erfolgte Erweisung seiner Gerechtigkeit. Hätte Gott in irgend einem früheren Zeitpunkt an der längst unter seinem Strafurteil stehenden Welt (cf 3,9-18) dieses Urteil vollstreckt, die sündige Menschheit als Richter dem Verderben überantwortet, so wäre kein Raum geblieben für die Erlösung der sündigen Menschen dienende Heilsveranstaltung in Christus. Um seinen hierauf abzielenden Gnadenwillen zu verwirklichen, mußte er mit dem Gericht warten, und dadurch, daß er seinen Gnadenwillen in Christus verwirklicht hat, hat er sich wegen der seine Gerechtigkeit verdunkelnden πα' ρεσις und α� νοχη' gerechtfertigt.“280 Schlatter kommentiert: „Aber aus der Duldung entsteht nicht Gerechtigkeit. Sie erspart dem Menschen die Verurteilung; aber er bleibt mit der Schuld seiner Übeltaten belastet. Das ist noch nicht jene Gemeinschaft Gottes mit uns, durch die sein Wille geschieht.“281 Der Ausschluss des Rühmens (3,27), das weder als charakteristisch für Juden apostrophiert282 noch vorschnell als Grundkonstante menschlicher Sünde beschrieben werden sollte (diese liegt in der Rebellion gegen Gott und seinen Willen), bedeutet im Anschluss an das „unabhängig vom Gesetz“ von 3,21, dass der Wirkungsbereich der Heil schaffenden Offenbarung Gottes, der auf Israel und den Tempel mit seinen Sühnopfern beschränkt war, infolge der „Engführung“ auf den Tod Jesu am Kreuz ausgeweitet ist und alle Menschen erfasst, Juden und Heiden, die sich als Sünder bekennen und an Jesus glauben. Im Blick auf das Selbstverständnis der Christen und der Kirche bedeutet dies, dass sie sich nicht als Ort der Erlösten verstehen, die privilegiert sind und sich gegenüber den Andersgläubigen oder den Ungläubigen abgrenzen sollen und können, sondern als Ort, an dem Gott „aus allen Völkern eine Gemeinschaft von Menschen sich sammelt, die als gerechtfertigte Sünder gleichberechtigt und solidarisch sind, ohne sich in (pseudo-)christlichem ‚Rühmen‘ von ‚denen draußen‘ abgrenzen zu dürfen; der Glaube an Gott, der den Gottlosen rechtfertigt, ist jeder————————————————————

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Zahn 196. Schlatter 148. Bultmann, Theologie, 242; Schlier, Grundzüge, 77; s. Michel 155. Richtig Haacker 109.

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mann möglich, weil er nicht in irgend etwas Menschlichem, sondern in Gottes Tat begründet ist.“283 Paulus würde in diesem Zusammenhang allerdings sicher nicht vom „interreligiösen Dialog“ sprechen, sondern von der von Jesus seiner Gemeinde und ihren Boten aufgetragenen Aufgabe von Mission und Evangelisation. Die Aussage in 3,28 ist ein Basissatz der paulinischen Rechtfertigungslehre.284 Martin Luther übersetzt Röm 3,28 in der Septemberbibel von 1522 folgendermaßen: „So halten wyrs nu / das der mensch gerechtfertiget werde / on zu thun der werck des gesetzs / alleyn durch dē glawben.“285 Luther hat diese Übersetzung in späteren Ausgaben leicht verändert: „So halten wir es nu, das der Mensch gerecht werde on des Gesetzes werck alleine durch den Glauben.“ Luther berief sich für die Hinzufügung des exklusiven „allein“ auf den Kontext sowie auf die theologische Tradition, die ihm vorausging. In der Zeit um 1522 war Luthers „allein durch den Glauben“ eine Kampfparole „gegen alles, was man auf der Gegenseite an römisch-papistischer Werkgerechtigkeit wahrnahm – so wie auch umgekehrt die altgläubige Seite in der Wortverbindung ‚allen aus dem Glauben‘ und in der exklusiven Bindung des Glaubens an das Heilswort des Evangeliums am deutlichsten das Fremde, Neue und Häretische der sog. ‚Evangelischen‘ zu erkennen meinte“.286 Gleichzeitig ist richtig, dass die Interpretation von Röm 3,28 im Sinn des sola fide bei den Kirchenvätern und auch in der mittelalterlichen Kirche zu finden ist. Origenes schreibt: sed solius fidei contemplatione iustificat („sondern nur im Hinblick auf ihren Glauben“); Ambrosiaster: sola fide iustificati sunt dono Dei („allein durch den Glauben wurden sie gerechtfertigt durch ein Geschenk Gottes“).287 Die Argumentation des Pelagius sowie ————————————————————

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Wilckens I 251; für das Folgende ebd. Theobald, Kanon von der Rechtfertigung, 164. Martin Luther, Das Newe Testament Deutsch. Wittenberg. September 1522, zitiert nach Scherer, Deutsche Drucke I. Luther: Septemberbibel; vgl. WA VII, 38. Das folgende Zitat bei D. Martin Luther, Die gantze Heilige Schrifft Deutsch. Wittenberg 1545, hg. v. H. Volz/ H. Blanke, München 1972. Hamm, Gerechtfertigt, 251. Origenes 142-143; Ambrosiaster 3.24 (CSEL 81.1.119). Vgl. Hilarius von Poitiers, Commentarius in Matthaeum 8:6 (PL 9.961); Basilius, Homilia de humiliate 20.3 (PG 31.529C); Johannes Chrystostomos, Homiliae in Epistolam ad Titum 3.3 (PG 62.679); Cyril von Alexandrien, In Ioannis Evangelium 10.15.7 (PG 74.368) Theophylact, Expositio in epistulam ad Galatas 3.12-13 (PG 124.988); Theodoret, PG 82.85 (πι' στιν μο' νον); ders., Affectionum curatio 7 (PG 93.100); Theodor von Mopsuestia, In epistolam ad Galatas 1.31.15; Marius Victorinus, In epistolam ad Galatas (zu 2,15-16); ders., In epistolam Pauli ad Ephesios (zu 2,15); Augustin, De fide et operibus 22.40 41.84-85); Thomas v. Aquin, Expositio in Epistolam I ad Timotheum cap. 1, lect. 3.

Die Offenbarung der Gerechtigkeit Gottes im Sühnetod Jesu 3,21-31 437 ————————————————————————————————————

des Nominalisten Gabriel Biel (1420 / 25–1495) gegen sola fides288 zeigt, dass die Formulierung um 500 und im 14. Jahrhundert geläufig war.289 Unbesehen solcher Formulierungen waren Glaube und gute Werke in der zeitgenössischen Theologie, geschweige denn Volksfrömmigkeit, eng miteinander verknüpft. Calvin schreibt in seinem Kommentar zu Röm 3,18: „Auf die Glaubensgerechtigkeit fällt ein ganz neues Licht, wenn man die Werke ausdrücklich beiseite stellt. Deshalb machen sich unsere Widersacher heute mit keinem zweiten Stück so viel Mühe wie [dem vermeintlichen Nachweis], dass sich der Glaube mit den Verdiensten aus Werken verknüpfen lasse. Zwar geben sie zu, dass der Mensch aus Glauben gerechtfertigt wird, nicht aber aus Glauben allein. Sie stellen die Kraft wirksamer Rechtfertigung vielmehr auf die Seite der Liebe, die sie – wenn auch bloß verbal – dem Glauben zusprechen. Paulus hingegen besteht an dieser Stelle in einer Weise auf die Rechtfertigung rein aus Gnade, dass er öffentlich erklärt sie lasse sich auf keine Weise mit irgendeiner Würde von Werken zusammenbringen.“290 Exegeten aller Traditionen halten heute fest, dass das Verständnis von πι'στει [pistei] im Sinn von „durch den Glauben allein“ dem Kontext entspricht. E. Käsemann schreibt: „Sola fide ist die allein adäquate Wiedergabe dieses Sachverhaltes“; E. Lohse: „Der scharfe Gegensatz, der damit aufgezeigt wird, verlangt die Wiedergabe durch ein den Glauben hervorhebendes ‚allein‘.“291 Römisch-katholische Kommentatoren stimmen diesem Urteil zu. O. Kuss: „Wie an allen ähnlichen Stellen, so ist auch für den bedeutungsvollen Text Röm 3,28 die Übersetzung ‚allein durch den Glauben‘ im Sinne der paulinischen Theologie die einzig mögliche … die Hervorhebung durch die deutsche Übersetzung ‚allein durch den Glauben‘ ist ganz exakt im Sinne des Paulus“ (verbunden mit dem Hinweis, dass man „nicht heimlich ausklammert, was etwa Röm 6–8.12–15 noch gesagt werden wird“); ————————————————————

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Pelagius, Expositio in epistolam ad Romanos 3,28 (Souter 34); Gabriel Biel, Sermones dominicales de tempore 1.19C. Vgl. Fitzmyer 360-361; Penna 274. Zu solus-Formulierungen in den Jahrzehnten vor der Reformation, die oft im Sinne einer „komplementären Alleinigkeit“ verstanden wurden, s. Hamm, Reformatio, 37-41. Calvin 209; die Herausgeber verweisen auf das Tridentinische Konzil, Sessio VI, Cap. 7 (Denzinger, Enchiridion, 1531): „Denn wenn zum Glauben nicht Hoffnung und Liebe hinzukommen, bewirkt er keine vollkommene Einigung mit Christus und schafft kein lebendiges Glied seines Leibes.“ Zur Diskussion s. Wilckens I 252-253: protestantische wie katholische Sachkenner stimmen überein, dass keine der drei Abgrenzungen in Canon 9.11.12 (gegen das sola fide, gegen den Ausschluss von „Gnade und Liebe“ aus dem allgemein rechtfertigenden Glauben, gegen die Strukturbestimmung des Glaubens als fiducia) die ursprüngliche reformatorische Rechtfertigungslehre trifft. Käsemann 97; Lohse 138. Vgl. Cranfield I 221; Wilckens I 247; Dunn I 187.

438 Römerbrief ————————————————————————————————————

H. Schlier: „Der Glaube allein führt die wirksame Gerechtsprechung durch Gott herbei“ (mit Kritik an der Einschränkung durch Kuss); D. Zeller: „Bei ‚durch den Glauben‘ kann man sinngemäß mit Luthers Übersetzung ‚allein‘ ergänzen“; J. Fitzmyer: „in this context Paul means ‚by faith alone‘“; R. Penna: „Dunque, benché nel v. 28 Paolo abbia specificato la fede come ‚sola‘, il senso della sua dichiarazione è proprio questo.“292 Die von Luther vertretene Rechtfertigungslehre gilt für viele heute nicht mehr kirchentrennend. Als Beleg wird auf die „Gemeinsame Erklärung zur Rechtfertigungslehre“ von 1997 verwiesen.293 Fast zwölf Dutzend deutschsprachige evangelische Hochschullehrer protestierten in einem Votum, dass die Erklärung keinen Konsens biete, unter anderen aus den folgenden Gründen: „Kein Konsens wurde erreicht über die für die lutherischen Kirchen entscheidende Einsicht, dass die Rechtfertigung allein aus Gnaden nur dann recht verkündigt wird, wenn dabei zur Geltung kommt, dass der allein aus Gnade am Sünder handelnde Gott 1. allein durch sein Wort und durch die diesem Wort gemäß gereichten Sakramente (CA 7) den Sünder rechtfertigt und 2. der Sünder allein durch den Glauben gerecht wird. Kein Konsens wurde erreicht über die für die reformatorischen Kirchen entscheidende Einsicht, dass Glaube Heilsgewissheit ist. Kein Konsens wurde erreicht über das Sündersein des Gerechtfertigten. Kein Konsens wurde erreicht über die Bedeutung der guten Werke für das Heil.“294 Der katholische Neutestamentler M. Theobald äußert ebenfalls Kritik:295 Die Erklärung verdeckt den besonderen theologischen Status der Darstellung im Galater- und Römerbrief, die das Evangelium vom Gnadenhandeln Gottes in Christus gegen drohende Missverständnisse sichern will; der Basissatz Röm 3,28 fehlt in der Zitatensammlung der Erklärung; die Antithese „durch den Glauben an Jesus Christus / nicht durch Werke des Gesetzes“ (Gal 2,16; Röm 9,32) fehlt, was zur Ausblendung der ekklesiologischen Relevanz der paulinischen Rechtfertigungslehre führt; das sola fide begegnet nicht in einem der mit „wir bekennen gemeinsam“ beginnenden Sätze, sondern wird als konfessionell-lutherische Besonderheit behandelt (§26), obwohl es als Erläuterung des solus Christus im paulinischen Verständnis der Rechtferti————————————————————

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Kuss I 134.177 (Hervorhebung Kuss); Schlier 117; Zeller 93; Fitzmyer 363; Penna 275. Vgl. Lyonnet, Questiones I, 142-150; Kertelge, Rechtfertigung, 225. Ausnahme ist Peterson 95. Lutherische Monatshefte 36 (1997) 49-60; Gemeinsame Erklärung zur Rechtfertigungslehre. Gemeinsame offizielle Feststellung. Anhang (Annex) zur Gemeinsamen offiziellen Feststellung. Paderborn 1999. Zur Entstehungsgeschichte und Rezeption s. Hauschildt, Gemeinsame Erklärung. Abgedruckt in Hauschildt, Gemeinsame Erklärung, 493-494. Theobald, Rechtfertigung, bes. 227-229.

Die Offenbarung der Gerechtigkeit Gottes im Sühnetod Jesu 3,21-31 439 ————————————————————————————————————

gungslehre kritische Funktion besitzt. Theobald betont: „Exegetisch besteht überdies Einhelligkeit darin, daß, auch wenn in Röm 3,28; Gal 2,16 ein μο' νον vor dem ε� κ πι'στεως fehlt, eine Auslegung dieser Sätze in seinem Sinne aufgrund ihrer antithetischen Struktur unbedingt sachgemäß ist; Jak 2,24 (ου� κ ε� κ πι'στεως μο' νον) bringt das nicht zu Fall, hilft vielmehr bibeltheologisch, den genuinen Sinn der paulinischen Rechtfertigungslehre gegen nachträgliche Verfälschungen zu sichern.“296 Die paulinische Rechtfertigungslehre hat „Modellcharakter mit normativer Geltung für analoge Konstellationen“, die sich immer da ergeben, „wo die soteriologische Einzigartigkeit Jesu Christi, des Sohnes Gottes, durch alle möglichen, von Menschen für Menschen ersonnenen, angeblich notwendigen Konditionierungen des ‚Weges‘ zu Gott (Joh 14,6) verstellt wird“. Die Frage, wie die Wirklichkeit der Rechtfertigung in der Existenz des gerechtfertigten, an Jesus Christus Glaubenden zu verstehen ist, wird nach wie vor kontrovers diskutiert. Bedeutet das simul iustus et peccator, dass sich das Gerechtsein des Gerechtfertigten nicht im konkreten Verhalten im Alltagsleben auswirkt und auswirken muss? Protestantische Ausleger würden dies so nicht sagen, aber U. Wilckens hat recht, wenn er bemerkt, dass oft negative Aussagen dominieren, wenn von der Bedeutung der Rechtfertigung für die Existenz des Christenmenschen die Rede ist: Rechtfertigung bedeute Ruhmverzicht, Ende des Selbstseinwollens, Verzicht auf Leistung und „eigene“ Gerechtigkeit, und die Identität des Gerechtfertigten mit dem empirischen Menschen müsse geglaubt werden.297 Für Paulus steht fest, dass sich die Wende vom „früher“ zum „jetzt“, die sich in der Bekehrung vollzieht, nicht nur die Abkehr von Götzen und die Hinkehr zum Glauben an den Gott Israels und an Jesus Christus bedeutet, sondern zugleich, in moralischer Hinsicht, die Abkehr von den Sünden und ihren Verhaltensmustern beinhaltet, den das ganze Leben umfassenden „Dienstantritt“ unter dem Herrn Jesus Christus, der zum Tun der Gerechtigkeit verpflichtet (Röm 6,1————————————————————

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Theobald, Rechtfertigung, 228; ebd. spricht er vom „domestizierte(n) ‚Paulus‘“ von §10, der dadurch entstand, dass die richtige Einsicht in die Pluralität von theologischen Betonungen und Sprachtraditionen in der Heiligen Schrift dazu eingesetzt wird, dass sie „die spezifische Kontur der paulinischen Rechtfertigungslehre relativiert“, anstatt zu zeigen, „warum unter bestimmten geschichtlichen Konditionen, die bei Paulus gegeben waren, die sich aber auf anderem Niveau stets wiederholen können und wiederholt haben (Reformation des 16. Jahrhunderts), das Christusbekenntnis die kritische rechtfertigungstheologische Auslegung erfahren hat und erfahren mußte und worin deren bleibendes Sinnpotential besteht“ (229). Die folgenden Zitate ebd. 235.236. Wilckens I 255; vgl. Bultmann, Theologie, 268.316-317.332; Bultmann, Christus des Gesetzes Ende; Bultmann, Ethik, 50.52. Für die folgende Bemerkung s. Wilckens, ebd. 255-257.

440 Römerbrief ————————————————————————————————————

23). Paulus spricht „dem Christen nicht nur eine Gerechtigkeit zu, sondern er spricht ihn als Gerechten an … Als Gerechtem aber ist ihm das Gesetz nicht mehr das Wort zum Tode und also auch keinerlei Bedrohung seiner Gerechtigkeit von daher, daß es als Stimme des Willens Gotts auch den Christen zum Tun aufruft … Der Glaube an Christus drängt aus sich selbst zum Tun der geschenkten Gerechtigkeit.“298 Calvin formuliert dies in seinem Kommentar zu 3,31 so: „Das moralische Gesetz wird durch den Glauben an Christus in Wahrheit bestätigt und aufgerichtet, ist es doch dazu in aller Munde gekommen, um den Menschen zur Erkenntnis seiner Unrechts zu bringen und ihn so zu Christus hinzuführen. Ohne ihn bleibt es selbst kraftlos und verkündet umsonst, was zu tun recht sei. Es vermag [von sich aus] ja nur die Begehrlichkeit immer mehr anzustacheln, um am Ende eine desto schlimmere Verdammnis über die Menschen heraufzubeschwören. Sobald man aber zu Christus kommt, findet sich in ihm als erstes das vollkommene Maß der vom Gesetz geforderten Gerechtigkeit, die uns zugerechnet und so zu unserer eigenen Gerechtigkeit wird. Sodann die Heiligung, durch die unsere Herzen zum Gehorsam dem Gesetz gegenüber bereit gemacht werden, einem Gehorsam, der zwar unvollkommen bleibt, uns aber auf das Ziel [der Vollkommenheit] ausrichtet.“299

Der Glaube Abrahams und das messianische Gottesvolk 4,1-25 Die Behandlung von Abraham und seinem Glauben ist das Mittelstück der Erläuterung der Rechtfertigung der Sünder aufgrund des Glaubens an den Messias Jesus in 3,21–5,21. In einem ersten Schritt erläuterte Paulus in kurzen, konzentrierten Aussagen die Offenbarung der Gerechtigkeit Gottes im Sühnetod Jesu Christi (3,21-31). In einem zweiten Schritt erläutert Paulus die alles entscheidende Wirklichkeit des Glaubens, die Gott Abraham zur Gerechtigkeit anrechnet, was sowohl für Heiden als auch für Juden Konsequenzen hat. In einem dritten Argumentationsgang behandelt Paulus die Hoffnung und den Frieden der gerechtfertigten Sünder (5,1-11), ehe er anhand einer Gegenüberstellung der Herrschaft der Gnade (Jesus Christus) und der Herrschaft der Sünde (Adam) die großen Abschnitte 1,18–3,20 und 3,21–5,11 zusammenfasst (5,12-21). Es liegen mehrere Stichwortverbindungen vor, die Kap. 4 eng auf den vorangehenden Gedankengang in 3,27———————————————————

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Wilckens 256-267. Calvin 215.

Der Glaube Abrahams und das messianische Gottesvolk 4,1-25 441 ————————————————————————————————————

31 beziehen.1 Der Kern von Kap. 4 ist ein Schriftbeweis: Paulus belegt mit einer Interpretation von Gen 15,6 den Basissatz 3,28, dass Gott aufgrund des Glaubens rechtfertigt, nicht aufgrund von Werken. Paulus zeigt, dass die rechtfertigende Wirklichkeit des Glaubens sowohl für Heiden gilt – Abraham war unbeschnitten, als er glaubte und Gott ihm den Glauben zur Gerechtigkeit anrechnete – als auch für Juden, deren Vater Abraham ist und die seinem Vorbild folgen sollen. Paulus bedient sich mit dem Zitat von Ps 31,1-2 in V. 7-8 zur Interpretation von Gen 15,6 in V. 3 eines Beweisverfahrens, das als gesērāh schāwāh (‫גזרה ׁשוה‬, wörtlich „gleiche Verordnung“), d.h. als Analogieschluss, bezeichnet wird, die zweite der sieben Middot, die Hillel zusammengestellt hat.2 Dieses Verfahren kann angewendet werden, wenn dieselben Ausdrücke in zwei zu vergleichenden Sätzen der Tora vorkommen, bestenfalls nur in diesen Sätzen. Nach bShab 64a sollten die Ausdrücke, auf denen der Analogieschluss aufbaut, für das Verständnis des Satzes nicht notwendig sein. Außerdem soll die gesērāh schāwāh auf Tradition gestützt sein (bKer 5a; yPes 6,1,33a). Die Argumentation gründet auf folgende Stichwortverbindung: Paulus zitiert in V. 3 Gen 15,6, was über das Stichwort ε� λογι' σθη in V. 7-8 mithilfe von Ps 31,1-2 interpretiert wird. Das Argument mit einer Stelle aus der Tora, gefolgt von einer die Interpretation stützenden Stelle aus einem anderen Teil der Schrift, entspricht rabbinischer Praxis. Das Argument in V. 4-5 mit dem Hinweis aus Schlussfolgerungen aus dem Kontext von Gen 15,6 entspricht der siebten Regel Hillels (‫דבר הלמד מענינו‬, dābār halāmed meÜinjānō, „der Schluss aus dem Kontext“). In V. 9-11a argumentiert Paulus mit dem zeitlichen Nacheinander von Gen 15,6 und Gen 17,10-11, wobei mehrere Stichwörter von Gen 17,11 in V. 11a aufgenommen und zur Aussage V. 11b-12 verdichtet werden. Die Aussage in V. 16b wird in V. 17 über das Stichwort πατη' ρ mit Gen 17,5 und in V. 18 über das Stichwort σπε' ρμα mit Gen 15,5 erläutert: V. 3a τι' γα` ρ η� γραφη` λε' γει; V. 3b: Gen 15,6 ε� πι' στευσεν δε` �Αβραα` μ τω ñ, ει� ς δικαιοσυ' νην ñ, θεω ñ, , και` ε� λογι' σθη αυ� τω V. 7-8: Ps 31,1-2 μακα' ριοι ω ð ν α� φε' θησαν αι� α� νομι' αι, και` ω ð ν ε� πεκαλυ' φθησαν αι� α� μαρτι' αι· μακα' ριος α� νη` ρ, ουð ου� μη` λογι' σηται κυ' ριος α� μαρτι' αν V. 9a ο� μακαρισμο` ς ουò ν ουð τος ε� πι` τη` ν περιτομη` ν η� και` ε� πι` τη` ν α� κροβυστι' αν; V. 9b: Gen 15,6 ε� λογι' σθη τω ñ, �Αβραα` μ η� πι' στις ει� ς δικαιοσυ' νην V. 11a και` σημειñον ε» λαβεν περιτομηñ ς, σφραγιñδα τηñ ς δικαιοσυ' νης τηñ ς πι' στεως τηñ ς ε� ν τηñ, α� κροβυστι' α, Gen 17,11 και` περιτμηθη' σεσθε τη` ν σα' ρκα τηñ ς α� κροβυστι' ας υ� μω ñ ν, και` ε» σται ε� ν σημει' ω, διαθη' κης α� να` με' σον ε� μουñ και` υ� μω ñν V. 16b ει� ς το` ειòναι βεβαι' αν τη` ν ε� παγγελι' αν παντι` τω ñ, σπε' ρματι τω ñν ñ, ε� κ πι' στεως �Αβραα' μ, ο« ς ε� στιν πατη` ρ πα' ντων η� μω V. 17: Gen 17,5 πατε' ρα πολλω ñ ν ε� θνω ñ ν τε' θεικα' σε V. 18: Gen 15,5 ου« τως ε» σται το` σπε' ρμα σου ———————————————————

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καυ' χησις (4,2 / 3,27), ε» ργα / ε� ργα' ζομαι (4,2.5.6 / 3,27.28), νο' μος (4,13-16 / 3,27. 28.30), δικαιο' ω / δικαιοσυ' νη (4,2.3.5.6.9.11.13.22 / 3.28.30), λογι' ζομαι (4,3-6.8-10. 11.22-24 / 3,28), πι' στις / πιστευ' ω 4,3.5.9.11-14.16-20.24 / 3,27.28.30.31). Vgl. Stemberger, Einleitung, 28-32. Zu Röm 4,3.7-8 vgl. Jeremias, Paulus als Hillelit; Koch, Schrift, 221-224.

442 Römerbrief ———————————————————————————————————— Manche Exegeten argumentieren, die Verwendung von Gen 15,6 in Röm 4 und Gal 3 verweise auf einen traditionellen frühchristlichen Abraham-Midrasch, der in der Diskussion der Urkirche mit der Synagoge ausgearbeitet worden sei und als polemisch-apologetisches Stück Paulus zur Verfügung stand, von diesem also übernommen wurde.3 Dieser Vorschlag ist nicht plausibel:4 1. Der Skopos von Gal 3 und Röm 4 ist je ein anderer. In Gal 3 will Paulus zeigen, dass die Heidenchristen der galatischen Gemeinden Erben der Verheißung des Samens sind, während Paulus in Röm 4 mit seiner Argumentation auf Juden und Judenchristen abzielt. 2. Der Glaube Abrahams in Gen 15,6 wurde in der Urkirche nicht durchgehend im Einklang mit Röm 4 interpretiert: Hebr 11,17-19 und Jak 2,20-24 zeigen, dass man Gen 15,6 durchaus auch im Sinne der traditionellen jüdischen Interpretation des Glaubens Abrahams als Vertrauen auf Gott und Bewährung seiner Glaubenstreue (Gen 22!) verstehen konnte. Es gibt keinen Grund, anzunehmen, Paulus habe 4,1-25 nicht selbst geschrieben. Die Interpretation des Glaubens und der Beschneidung Abrahams in Röm 4 und Gal 3 ermöglicht einen Einblick in die Arbeitsweise des Apostels: Er will in beiden Texten anhand von Gen 15,6 den Zusammenhang von πι' στις und δικαιοσυ' νη zeigen, und er erläutert in beiden Texten Gen 15,6 anhand atl. Zitate, die jedoch wechseln: In Gal 3 zitiert Paulus Gen 12,2 (+ 18,18; Gal 3,8), Gen 13,15 (Gal 3,16), Gen 21,23 (+ 27,26; Gal 3,13), Hab 2,4 und Lev 18,5 (Gal 3,10-12); in Röm 4 zitiert er Gen 17,5; 15,5 (Röm 4,17-18), Ps 32,1-2 (Röm 4,7-8).5

Das Zitat Gen 15,6 und seine Interpretation stellt den Glauben Abrahams in den Mittelpunkt.6 Die Betonung des Glaubens Abrahams in der Auslegung von Kap. 4 entspricht der Häufigkeit von δικαιο' ω (4,2.5) und δικαιοσυ' νη (4,3.5.6.9.11[2x].13.22) sowie πι'στις (4,5.9.11.12.13.14.16[2x].19.20) und πιστευ' ω (4,3.5.11.17.18.24). Eine andere Interpretation betont den Zusammenhang von 4,1-25 mit 3,29.30, wo von den „Heiden“ (ε» θνη) die Rede ist, was in 4,17.18 aufgenommen wird. Dazu passen die Verbindungen zwischen 4,1-25 und 1,18-32 über die Stichwörter α� σε' βεια / α� σεβη' (1,18 / 4,5), κτι'σις in 1,20.25 und die Schöpfungsaussagen in 4,17; δυ' ναμις (θεουñ / δυνατο' ς ε� στιν (ο� θεο' ς) (1,20 / 4,21), und δοξα' ζω / δο' ξα in 1,21 / 4,20.7 Paulus stellt Abraham als Beispiel ———————————————————

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Minde, Schrift, 78-83. Wilckens I 259-260; Moxnes, Theology, 195-205. Koch, Schrift, 97-98. Vgl. die Überschrift in LÜ „Abraham der Vater des Glaubens“, ZÜ „Der Glaube Abrahams“; vgl. die lange Überschrift in NGÜ „Das Beispiel Abrahams: Gerechtigkeit aufgrund des Glaubens und nicht aufgrund der Beschneidung“; Michel 160: „Die Bestätigung der Gerechtigkeit durch die Schrift“; Käsemann 99: „Der Schriftbeweis aus der Geschichte Abrahams“; Wilckens I 257: Begründung der Glaubensgerechtigkeit aus der Schrift“; Lohse 145: „Die Schriftbegründung für die Gerechtigkeit aus Glauben“; Hacker 114: „Abraham als Zeuge für die Rechtfertigung aus Gnaden auf den Glauben hin 4,112“, 124: „Wesen und Bedeutung des Glaubens am Beispiel Abrahams 4,13-25“. Zur Forschungsgeschichte vgl. Schließer, Abraham’s Faith, 222-229. Vgl. Adams, Abraham’s Faith, 48-55; Flebbe, Solus Deus, 169-170; Röm 4 deshalb als „Gotteskapitel“ zu bezeichnen, in dem „das Thema des Wesens und Handelns Gottes und seiner mangelnden Erkenntnis und Anerkenntnis durch die Heiden aus 1,18-32 durch

Der Glaube Abrahams und das messianische Gottesvolk 4,1-25 443 ————————————————————————————————————

eines Unbeschnittenen (d.h. Heiden) vor, der, im Kontrast zu den Heiden in 1,18-32, Gott als Schöpfer anerkennt. Die Beschreibung Abrahams als „Vater“ aller Glaubenden aus Juden und Heiden (4,16.17) beinhaltet die Erfüllung der Verheißung von Nachkommenschaft im messianischen Gottesvolk der Jesusbekenner.8 Die beiden Ansätze sind keine sich ausschließenden Alternativen. Die Person Abrahams wird auf unterschiedliche Weise verwendet:9 Die Biographie des Patriarchen Israels beweist, dass nicht Beschneidung und Werke des Gesetzes rechtfertigen, sondern der Glaube an Gott und seine Verheißung; die Rechtfertigung Abrahams ist Paradigma für die Rechtfertigung von Juden und Heiden; die Erfüllung der Verheißung, dass Abraham eine universale Nachkommenschaft haben wird, in der Offenbarung Gottes im Messias Jesus legitimiert sowohl Judenchristen als auch Heidenchristen als Kinder Abrahams, als Erben der Verheißung und somit als Glieder des einen Gottesvolkes. Der Glaube Abrahams ist Paradigma für die Jesusbekenner. Die unterschiedlichen strukturellen Analysen des Kapitels zeigen, dass die Übergänge fließend sind.10 Eine Gliederung in fünf Teilabschnitte ist am plausibelsten. Der erste Abschnitt (4,1-8) kontrastiert den rechtfertigenden Glauben Abrahams mit rechtfertigenden Werken und begründet das mit einem Zitat von Gen 15,6. Paulus beschreibt Gottes Anrechnung des Glaubens Abrahams zur Gerechtigkeit als Rechtfertigung des Gottlosen. Das heißt, Abraham wurde infolge seines Glaubens von Gott für gerecht erklärt, als er Heide war. Paulus bestätigt mit einem Zitat aus Ps 32,1-2, dass Gott ————————————————————

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seine kontrastierende Aufnahme in 4,1-25 auch diesen Abschnitt thematisch mitbestimmt“ (170) stellt die Betonung des Glaubens Abrahams ins Abseits, was angesichts der Prominenz dieses Themas in Kap. 4 nicht angemessen ist. Wright 487; vgl. Hays, Abraham; Wright, Romans and the Theology of Paul, 101-103; Wright, Paul and the Patriarch, 579-588; Cranford, Abraham; Kraus, Volk Gottes, 276286; Neubrand, Abraham, 177; Wright, Paul, 848-851; Forschungsüberblicke in Schließer, Abraham’s Faith, 229-236; Visscher, Romans 4, 7-70. Zu Recht betont von Kraus, Volk Gottes, 276; vgl. Jipp, Abraham. Für die folgende Gliederung vgl. Kraus, Volk Gottes, 276 Anm. 33; Theobald, Abraham, 403-404, die folgende Beschreibung ebd. In sechs Teilen analysiert Dunn I 197-198 (4,12 / 3 / 4-8 / 9-21 / 22 / 23-25: Midrasch, mit Zitat des erläuterten Textes in 4,3.22); in vier Teilen analysieren Michel 160-161, Kuss I 178-188 und Lohse 145-159 (4,1-8 / 9-12 / 13-17 / 18-25); Wilckens I 260 (4,1-8 / 9-12 / 13-16 / 17-25); Neubrand, Abraham, 149177 (4,1-2 / 3-8 / 9-22 / 23-25); López Sojo, Abraham, 28-37 (4,1-15 confirmatio rationis / 16-17 conclusio / 18-22 amplificatio / 23-25 peroratio); Visscher, Romans 4, 135-219 (4,1-2.3-8 / 9-12 / 13-22 / 23-25); Koch, Schrift, 225 (4,1-5 / 6-8 / 9-21 / 21-25); in drei Teilen analysieren Penna 282 (4,1-12 / 13-22 / 23-25); Matera 108 (4,1-12 / 13-22 / 2325); Käsemann 99-111 und Fitzmyer 369-383 (4,1-8 / 9-12 / 13-25); Schlier 121-122 (4,1-8 / 9-17 / 18-25); Schließer, Abraham’s Faith, 313 (4,1-8 / 9-21 / 22-25); in zwei Teilen analysieren Haacker 114-125 und Jewett 306-323 (4,1-12 / 13-25).

444 Römerbrief ————————————————————————————————————

auch zur Zeit Davids den Sünder rechtfertigt, woraus sich ergibt, dass die Anrechnung des Glaubens zur Gerechtigkeit auch für Juden gilt. Der zweite Abschnitt (4,9-12) kontrastiert Beschnittene und Unbeschnittene, d.h. Juden und Heiden. Paulus zeigt aus dem Kontext von Gen 15,6 in Gen 12,1-4 (nicht Gen 17,10-11!), dass Abraham von Gott als gerecht erklärt wurde, als er unbeschnitten war. Die Beschneidung hat für das Rechtfertigungsurteil Gottes keine Relevanz. Der dritte Abschnitt (4,13-17) kontrastiert die Verheißung, die Abraham von Gott erhielt, mit dem Gesetz. Paulus betont einerseits die Priorität der Verheißung vor dem Gesetz, andererseits die Erfüllung der Verheißung von Gen 12,3 im messianischen Gottesvolk, das sowohl aus Juden als auch aus Heiden besteht. Die Stelle Gen 17,5 wird als Beleg zitiert. Der vierte Abschnitt (4,18-22) beschreibt den Glauben Abrahams als Profil des Glaubens aller Glaubenden, gerade auch der Glaubenden aus den Völkern, die mit einem Zitat von Gen 15,5 in den Vordergrund gerückt werden. Der fünfte Abschnitt (4,23-25) formuliert die Anwendung für die Glaubenden, d.h., für die Jesusbekenner. Paulus betont, dass jetzt, nach dem Kommen des Messias Jesus, der rechtfertigende Glaube an Gott immer Glaube an Jesus den Auferstandenen ist. Wir werden dieser Gliederung entsprechend Röm 4 in fünf Segmenten behandeln. Zusammenfassung und Hinweise zur Bedeutung für die Gegenwart im Abschnitt IV erfolgen am Ende. I 1 Was, wollen wir nun fragen, hat Abraham, im Hinblick auf die menschliche Abstammung unser Vorvater, gefunden? 2 Wenn Abraham aufgrund von Werken gerechtfertigt wurde, dann hat er (Grund zum) Ruhm, aber nicht im Hinblick auf Gott. 3 Denn was sagt die Schrift? Abraham aber glaubte Gott, und das wurde ihm als Gerechtigkeit angerechnet. 4 Dem, der Leistungen erbringt, wird der Lohn nicht aus Wohlwollen angerechnet, sondern als Schuldigkeit. 5 Dem aber, der keine Leistungen erbringt, sondern an den glaubt, der den Gottlosen rechtfertigt, wird sein Glaube zur Gerechtigkeit angerechnet. 6 Wie auch David die Seligpreisung über den Menschen ausspricht, dem Gott Gerechtigkeit anrechnet unabhängig von Werken: 7 Selig sind die, deren gesetzlose Taten vergeben und deren Sünden bedeckt sind. 8 Selig ist der Mann, dem der Herr Sünde nicht anrechnet. II Paulus erläutert in Kap. 4 das Evangelium von der Offenbarung der Gerechtigkeit Gottes (1,16-17), deren effektive Wirklichkeit er in 3,21-31 in Ver-

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bindung mit dem Sühnetod Jesu am Kreuz als Gerechtigkeit außerhalb des Geltungsbereichs des mosaischen Gesetzes beschrieben hatte, anhand der Biographie Abrahams. Die Geschichte des Patriarchen zeigt einerseits, dass Menschen, die von Gott als gerecht erklärt werden, keinen Grund zum Rühmen haben (4,2, in Aufnahme von 3,27), andererseits, dass es der Glaube an Gott ist, der rechtfertigt, nicht Werke. Paulus belegt dieses Argument mit einem Zitat von Gen 15,6 in V. 3, das durch ein Zitat von Ps 32,1-2 in V. 68 bestätigt wird. Textkritische Anmerkungen. In V. 1 lassen B 6 1739 das Verb ευ� ρηκε' ναι aus; es ist jedoch gut bezeugt, obschon die Stellung unterschiedlich ist: nach ‫*א‬.1.2 A C* 81 365 1506 u.a. steht es vor �Αβραα' μ, nach K L P 33 69 1881 Byz nach „Vater“; die unterschiedliche Stellung wird von manchen als Argument für spätere Hinzufügung betrachtet; es ist jedoch nicht klar, weshalb spätere Abschreiber ευ� ρηκε' ναι an verschiedenen Stellen hinzufügen würden; das Verb kann nach ε� ρουñ μεν infolge der Ähnlichkeit des Wortanfangs unbeabsichtigt ausgelassen worden sein.11 Viele Zeugen ersetzen das gut bezeugte προπα' τορα (‫*א‬.2 A B C* 81 256 263 u.a.), das im NT nur hier vorkommt, durch πατε' ρα (‫א‬1 C3 D F G K u.a. Byz), im NT die übliche Bezeichnung für Abraham (Lk 16,24.30; Joh 8,53; Apg 7,2; Röm 4,12). In V. 6 ersetzen D F G das gut bezeugte καθα' περ durch καθω' ς. Im Psalmzitat V. 8 ersetzt die Mehrheit der Zeugen die Genitivform ουð (gut bezeugt durch ‫ *א‬B D* G 1506 1739 u.a.) durch den Dativ ω ð, (‫א‬2 A C D2 F Ψ 33 1881 Byz); ουð ist als die schwierigere Lesart vorzuziehen. III

1 Paulus beginnt seine biblische Begründung der Rechtfertigung des Sünders allein aufgrund des Glaubens, ohne Gesetzeswerke, mit einer kurzen Charakterisierung Abrahams. Der Name Abraham (�Αβραα' μ; hebr. ‫ַאְב ָרָהם‬ [’Abrāhām]), der Abram (‫’[ ַאְב ָרם‬Abrām]; „[Mein] Vater [Gott?] ist erhaben“) von Gott verliehen wird, bedeutet nach Gen 17,5 „Vater vieler Völker“ (zitiert in V. 17).12 ———————————————————

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Metzger, Textual Commentary, 450; s. die Diskussion in den Kommentaren; Jülicher, Kühl, Schlatter, Sanday-Headlam, Dodd und Schlier lassen ευ� ρηκε' ναι aus. Lohse 146147 mit Anm. 3 erklärt die Unsicherheit des Textes mit der etwas überladenen Formulierung, was nicht heißt, dass der Text „heillos verdorben“ ist (gegen R. Bultmann, ThWNT III, 649 Anm. 36). Ohne ευ� ρηκε' ναι ist der Satz ein Torso; Wilckens I 261. O. Betz, Art. �Αβραα' μ, EWNT I, 4; vgl. J. Jeremias, Art. �Αβραα' μ, ThWNT I, 7-9; H. Seebass, ThBLNT I, 1-4; R. E. Clements, ThWAT I, 53-62; H.-J. Fabry, ThWQ I, 2636; T. Klauser, Art. Abraham, RAC I, 18-27; R. Martin-Achard / K. Berger, Art. Abraham, TRE I, 364-387; A. R. Millard, ABD I, 35-41; C. A. Evans, EDSS I, 2-4. Zu Abraham im Frühjudentum s. auch Hansen, Abraham, 175-199; Oeming, Glaube Abrahams;

446 Römerbrief ———————————————————————————————————— Die Juden Palästinas haben den Namen Abraham nicht als Eigenname verwendet, offensichtlich infolge der Verehrung des Ahnvaters Israels: Die vier Belege für die Zeit von 330 v.Chr. bis 200 n.Chr. sind fiktive Namen.13 Die Juden Ägyptens haben Abraham als Eigenname verwendet, ebenso die Juden der östlichen Diaspora; in rabbinischer Zeit (200–650 n.Chr.) war Abraham der Standardname für männliche Proselyten.

In Gen 11,26–25,9 wird Abram als Chaldäer (Babylonier) beschrieben, der, zusammen mit seiner unfruchtbaren Frau Sarai, mit seinem Vater Terach, seinem Bruder Nahor mit seiner Frau und seinem Neffen (Lot) von Ur nach Haran zieht (Gen 11,26-31), wo er von Jahwe aufgefordert wird, sein Land, seine Verwandtschaft und sein Vaterhaus zu verlassen; er verheißt ihm Land und Nachkommenschaft und die Aussicht, dass durch ihn alle Völker der Erde gesegnet werden sollen (Gen 12,1-3). Die Verheißung von Land wird in Gen 12,7; 13,14-15; 17,8 (vgl. 24,7) wiederholt, die Verheißung von Nachkommenschaft in Gen 13,16; 15,5; 17,4-6 (vgl. 22,17-18). Abram vertraut der Verheißung Jahwes (Gen 12,4), der mit ihm einen Bund schließt (Gen 15,18-21; 17,7-14). Abram verlässt Haran, zieht nach Kanaan, glaubt der erneuerten Verheißung von Nachkommenschaft, was Jahwe ihm als Gerechtigkeit anrechnet (Gen 15,6), und bewahrt den Bund, den Jahwe mit ihm schließt (Gen 17,7-14), durch glaubenden Gehorsam in der Bereitschaft, seinen Sohn Isaak zu opfern (Gen 22,3–19). Josua betont in seiner Abschiedsrede, dass Abraham sich von den vielen Göttern Kanaans distanzierte und den einen Gott anbetete (Jos 24,2). Abraham gilt als „Freund“ bzw. „Geliebter“ Gottes (Jes 41,8; 2Chron 20,7). In Jes 51,1-2 wird er als „Vater“ Israels bezeichnet: Das Volk Israel ist der „Same Abrahams“ (Jes 41,8; Ps 105,6). In frühjüdischen Texten wird der Glaube Abrahams betont (1Makk 2,52; Philo, Abr. 268-276; Her. 90-95), seine Treue zum Gesetz (Sir 44,19-21), seine Vollkommenheit in Gerechtigkeit (Jub 23,10), sein Gesetzesgehorsam (mQid 4,14, Sir 44,20-22). Abraham ist Freund Gottes (Jub 19,8-9; CD III, 2-4), Mensch ohne Sünde (Gebet Manasses 8), unvergleichlich an Herrlichkeit (Sir 44,20). Abraham ist der erste Heide, der sich zu Jahwe bekehrt: Er erkannte, dass die Gestirne keine Götter sind, sondern auf den Schöpfer verweisen (Jub 12,16; ApkAbr 8-9); er war in seiner Gotteserkenntnis der Erste (Philo, Virt. 216; Josephus, Ant. 1,155) und damit Vorbild aller Proselyten (Philo, Mut. 16). Von Abraham geht eine Segenswirkung aus: Nach einem späten Text ist er aufgrund der Bindung ————————————————————

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Ego, Urbild; Ego, Abraham im Judentum; Ego, Abraham’s Faith; Mühling, Abraham; zu Abraham im NT s. Wieser, Abrahamvorstellungen, zu Paulus 36-93. Ilan, Lexicon of Jewish Names, I, 5.59; für die folgenden Angaben s. ebd. III, 71-74 (24 Belege); IV, 53-55.429 (13 Belege) sowie II, 58 (8 Belege).

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Isaaks Fürsprecher für Israel (pTaan 2,65d). Gott wird in Gebeten aufgerufen, des Bundes mit Abraham, Isaak und Jakob zu gedenken und seinen Nachfahren Heil zu schenken (1Makk 4,10; 2Makk 2,2-5; Weish 18,22; AssMos 3,0). Die Gerechtigkeit der Väter galt als Heilserbe (Josephus, Ant. 11,169; TestLev 15,4); man hoffte auf die Fürbitte der Väter (slavHen 53,1; Philo, Praem. 166). Abraham war die jüdische Identifikationsfigur schlechthin.14 In den über das AT hinausgehenden Aussagen ist Abraham „Musterbeispiel für ein an Tradition und Tora orientiertes jüdisches Leben in heidnischer Umwelt und Vorbild aller, die gegenüber den Versuchungen der griech. Lebensweise standhaft bleiben wollen, Anfang und Garant der heilsgeschichtlichen Sukzession (Jub 19,l24), idealer Lehrer, mustergültiger Monotheist und Gegner jeder Mischehen-Politik (Jub 20)“.15 Wie Philo (Virt. 197-198.207-209), so heben Johannes der Täufer (Mt 3,9; Lk 3,8) und Jesus (Joh 8,30-40) hervor, dass die Abstammung von Abraham das Heil nicht garantieren kann. Paulus betont zunächst: Abraham ist im Hinblick auf die menschliche Abstammung unser Vorvater. Der Ausdruck κατα` σα' ρκα ([kata sarka]; s. zu 1,3) verweist auf die leibliche Existenz Abrahams16 und somit, was das jüdische Volk betrifft, auf die historische Abstammung der Juden (und Judenchristen) von Abraham, aufgrund derer Israel Abraham seinen Vater nennt (vgl. 9,3.5).17 Das Wort „Vorvater“ (προπα' τωρ), das im NT nur hier vorkommt,18 wird auch von Josephus auf Abraham bezogen (Bell. 5,380).19 Das Personalpronomen (η� μω ñ ν) zeigt, dass Paulus sich auch nach seiner Bekehrung zu Jesus Christus als Jude versteht.20 ———————————————————

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Mühling, Abraham, 343-365 (Zusammenfassung). Fabry, ThWQ I, 27, ebd. 28-34 zu Qumran; in dem Testament des Qahat, des zweiten Sohnes des Levi, gründet „die gesetzgeberische Kompetenz des Abraham … in seinem vorbildlichen Toragehorsam“ – „Haltet fest am Wort Jakobs, eures Vaters, und festigt euch in den Gesetzen des Abraham und in der Gerechtigkeit des Levi und der meinen. Seit Heilige und rein von jeder Vermischung, haltet fest an der Wahrheit und wandelt in der Rechtschaffenheit!“ (4Q542 1 i 6-9). κατα` σα' ρκα ist mit το` ν προπα' τορα η� μω ñ ν zu verbinden, nicht mit dem Verb ευ� ρηκε' ναι: Paulus unterscheidet nicht zwischen einem Finden „nach dem Fleisch“ und einem Finden „nach dem Geist“; Lohse 147 mit Hinweis auf Hays, Abraham. Anders Jewett 304. Wenn man mit Elb.Ü mit „unser Vater nach dem Fleisch“ übersetzt, ist zu beachten, dass das Wort σα' ρξ hier keine negative Bedeutung hat. In der LXX nur in 3Makk 2,21, auf Gott bezogen. Die Kyniker bezeichneten Diogenes als προπα' τωρ; BADG s.v. προπα' τωρ 1. LSJ nennt zahlreiche literarische und dokumentarische Belege, u.a. Pindar, Nem. 4.89; Herodotus 2,161; 9,122; Euripides, Or. 1441; Sophokles, Ai. 387; Plato, Leg. 717e; 931d; OGI 446. Wright 489-490; Kraus, Volk Gottes, 277 Anm. 35 verstehen das Personalpronomen als Hinweis auf alle Leser des Römerbriefs, die Heidenchristen eingeschlossen. Im Zusammenhang der Wendung κατα` σα' ρκα ist diese Interpretation wenig wahrscheinlich.

448 Römerbrief ————————————————————————————————————

Der griech. Satz ist nicht als Doppelfrage,21 sondern als einfache Frage mit anschließender Infinitivkonstruktion zu verstehen:22 „Wir wollen nun fragen: Was hat Abraham … gefunden?“ Im Anschluss an 3,21-31 kann man die Frage so formulieren: Wie wurde Abraham gerechtfertigt?23 Viele interpretieren im Sinn einer rhetorischen Frage, deren Antwort „Gnade“ (χα' ριν) ist;24 andere ergänzen als Objekt des Inf. „die Gerechtigkeit aus Werken“ (δικαιοσυ' νη ε� ξ ε» ργων), was von Paulus im Folgenden widerlegt wird.25 Die Annahme einer rhetorischen Frage ist nicht notwendig: Paulus erläutert im Folgenden, was Abraham „gefunden“ hat. Das Fut. ε� ρουñ μεν ist als modales (voluntatives) Futur zu verstehen („wir wollen fragen“).26 Das Verb ευ� ρι'σκω [heuriskō] bedeutet im hier vorliegenden übertragenen Sinn „erkennen, verstehen, einsehen, wahrnehmen, entdecken“.27 Paulus behandelt in den folgenden Sätzen, was Abraham entdeckt und verstanden hat, und was die Juden- und Heidenchristen in den stadtrömischen Gemeinden ebenfalls erkennen und verstehen sollen. Abrahams wird als Modell beschrieben, dem seine Nachkommen entsprechen müssen, wie Kinder das Vorbild des Vaters nachahmen.28 2 Die Aufnahme mehrerer Ausdrücke von 3,21-31 in V. 229 verbindet das Abraham-Argument in Kap. 4 mit der Erläuterung der Heil schaffenden Offenbarung Gottes, die von Juden und Heiden außerhalb des vom mosaischen Gesetz markierten Bereichs im Glauben an Jesus Christus anzunehmen ist. Der Konditionalsatz wenn Abraham aufgrund von Werken gerechtfertigt wurde, dann hat er (Grund zum) Ruhm beschreibt einen indefiniten Fall, in dem die Schlussfolgerung als logisch notwendig hinge———————————————————

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Lohse 146; Hays, Abraham: τι' ουò ν ε� ρουñ μεν („was sollen wir nun sagen?“) / τι' ευ� ρηκε' ναι �Αβραα' μ („was hat Abraham gefunden?“). Kritisch Visscher, Romans 4, 137-140. �Αβραα' μ, hier Akk., ist Subjekt des AcI, der Perf. Inf. ευ� ρηκε' ναι ist Prädikat; NSS II 12. Anders Zahn 212-219, der übersetzt: „Was werden wir nun sagen? (werden wir etwa durch die vorgetragene Lehre von unserer Rechtfertigung aus und durch Glauben, genötigt, zu sagen,) daß wir Abr. als unseren Ahnherrn nach dem Fleisch gefunden haben“ (215); vgl. Hays, Abraham, 79-82; Neubrand, Abraham, 181-184. Richtig Kraus, Volk Gottes, 277. Wolter I 280: Die Überschrift V. 1 fragt, „wie es Abraham ergangen ist“; dies ist im Kontext von Röm 1–3 zu allgemein. Kuss I 180; Michel 161; Käsemann 100; H. Preisker, Art. ευ� ρι' σκω, ThWNT II, 768; Berger, Abraham, 66. Zeller, Juden und Heiden, 99; Kraus, Volk Gottes, 276: Es könnte ein Einwand des judenchristlichen Gegners im Hintergrund stehen. Zum folgenden Punkt s. Dunn I 198. NSS I 12; vgl. HvS §202b-c. BDAG s.v. ευ� ρι' σκω 2. Anders S. Pedersen, Art. ευ� ρι' σκω, EWNT II, 212, der für Röm 4,1 die Bedeutung „empfangen, erreichen, Anteil erhalten / sich verschaffen“ annimmt. Gathercole, Boasting, 233, mit Verweis auf Mt 5,48; Joh 8,42-44; Gal 3,6-7; vgl. Castelli, Imitating Paul, 98-102. Für ε� ξ ε» ργων s. 3,20.28; δικαιο' ω – 3,20.24.26.28.30; καυ' χημα – 3,28.

Der Glaube Abrahams und das messianische Gottesvolk 4,1-25 449 ————————————————————————————————————

stellt wird.30 Das jüdische Verständnis Abrahams als Freund Gottes, der die Gebote gehalten hat, legt es nahe, V. 4a als tatsächlich erfüllt zu verstehen. Folgende frühjüdischen Texte machen diese Interpretation wahrscheinlich: Jesus ben Sira beschreibt in seinem „Lob der Väter“ (Sir 44-50) die Vorbilder Israels, für die unter anderem gilt: „Sie alle waren geehrt zu ihrer Zeit und ihr Ruhm (καυ' χημα) blühte in ihren Tagen. Manche hinterließen einen Namen, sodass man ihr Lob weitererzählte … Ihre Nachkommen haben für immer Bestand, ihr Ruhm (δο' ξα) wird niemals ausgelöscht … Von ihrer Weisheit erzählt die Gemeinde, ihr Lob (ε» παινον) verkündet das versammelte Volk“ (Sir 44,7-8.13.15). In Sir 44,19-21 wird Abraham gepriesen: „Abraham wurde der Vater vieler Völker, seine Ehre blieb makellos (ου� χ ευ� ρε' θη ο« μοιος31 ε� ν τηñ, δο' ξη, ). Er hielt das Gebot des Höchsten und trat in einen Bund mit ihm. Wie ihm befohlen wurde, hat er sich beschnitten; in der Prüfung wurde er treu befunden. Darum hat ihm Gott mit einem Eid zugesichert, durch seine Nachkommen die Völker zu segnen, sie zahlreich zu machen wie den Staub auf der Erde und seine Nachkommen zu erhöhen wie die Sterne, ihnen Besitz zu geben von Meer zu Meer, vom Eufrat bis an die Grenzen der Erde“ (EÜ). Jub 19,8-9: „Und diese [der Kauf der Grabstätte] ist die zehnte Versuchung, mit der Abraham versucht wurde. Und er wurde gefunden als glaubend, geduldigen Geistes. Und er sagte kein Wort über die Rede von dem Land, von dem der Herr gesagt hatte, er werde es ihm geben und seinem Samen nach ihm. Sondern er erflehte eine Stätte dort, dass er seinen Leichnam begrabe. Denn er wurde als glaubend gefunden (Gen 15,6). Und er wurde aufgeschrieben als Freund des Herrn (Jes 41,8) auf den Tafeln des Himmels.“32 Jub 21,1-3: „Siehe, ich bin 175 Jahre alt. In allen Tagen meines Lebens war ich eingedenk des Herrn und dabei habe ich gesucht mit meinem ganzen Herzen, dass ich seinen Willen tat und dass ich recht tat, zu wandeln auf allen seinen Wegen. Götzen hat meine Seele gehasst, dass ich darauf achtete, den Willen meines Schöpfers zu tun. Denn er ist ein lebendiger Gott, und er ist heilig und treu, und er ist gerecht bei allen; denn bei ihm gibt es kein Ansehen der Person, noch ein Annehmen von Geschenken. Er ist ja ein gerechter Gott, und hält Gericht über alle, die seine Gebote übertreten und seinen Bund verachten“. CD III, 2-4: „Abraham wandelte nicht darin [d.h., in der Verstocktheit des Herzens] und galt als Freund, da er Gottes Gebot(e) gehalten und nicht vorzog den Willen seines Geistes. Er überlieferte es Isaak und Jakob und sie bewahrten es, wurden eingeschrieben als Freunde für Gott und als Bundespartner auf ewig.“33

Paulus räumt ein, dass Abraham aufgrund seiner „Werke“ als Gerechter angesehen werden konnte (ε� δικαιω' θη) und Grund hatte, gerühmt zu werden ———————————————————

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HvS §281a; die Bezeichnung der mit ει� + Indikativ formulierten Konditionalsätze als „realis“ ist irreführend, „da durch die Verwendung dieses Falles der Sachverhalt der Protasis nicht wirklich (d.h. als Tatsache) hingestellt wird; ob die Bedingung tatsächlich erfüllt ist, wird erst im Einzelkontext klar“ (ebd.). Wolter I 281 will die Formulierung als irrealen Bedingungssatz verstehen. So die Lesart in Rahlfs, Septuaginta; Ziegler, Sapientia Jesu filii Sirach, 334 bevorzugt die Lesart μω ñ μος. Berger, Jubiläen, 422. Maier, Texte I, 11. Charlesworth, Damascus Document, 17 übersetzt: „Abraham did not walk in it and he was accepted as a lover, for he kept God’s ordinances and did not choose (that which) his (own) spirit desired.“

450 Römerbrief ————————————————————————————————————

(ε» χει καυ' χημα).34 In V. 4b betont er mit einem adversativen α� λλα' , dass dies allerdings nicht im Hinblick auf Gott (ου� προ` ς θεο' ν) gilt. Nach Maßgabe Gottes35 wurde Abraham nicht aus Werken gerechtfertigt, sondern aufgrund seines Glaubens, wie der folgende Beweisgang zeigt. 3 Paulus begründet (γα' ρ) seine Abweichung von der jüdischen Auslegungstradition der Abrahamgeschichte mit einem Zitat aus Gen 15,6, das er im Folgenden interpretiert. Das Zitat wird mit der rhetorischen Frage was sagt die Schrift? eingeleitet. Paulus zitiert nach der LXX: Abraham aber36 glaubte Gott, und das wurde ihm als Gerechtigkeit angerechnet. In dem folgenden Beweisgang spielen vor allem die Vokabeln πιστευ' ω, δικαιοσυ' νη und λογι'ζομαι eine Rolle; aus dem Kontext von Gen 15,6, der für Paulus eine entscheidende Rolle spielt, stammen die Vokabeln μισθο' ς (Gen 15,1; s. V. 4), σπε' ρμα (Gen 15,3.5.13.18; s. V. 13.16) und κληρονομε' ω / κληρονο' μος (Gen 15,3.4.7.8; s. V. 13.14). Paulus wählt Gen 15,6 als Ausgangspunkt seiner alternativen Lesung der Abrahamsgeschichte, „weil an Abraham abzulesen ist, was neben Juden auch Nichtjuden gilt: Der Glaube wird zur Gerechtigkeit angerechnet“.37 In Gen 15,1-5 erscheint Jahwe in einer Vision dem aus Haran nach Kanaan ausgewanderten Abram und verheißt ihm Lohn (V. 1), einen leiblichen Erben (V. 4) und zahlreiche Nachkommenschaft (V. 5). In der zweiten Verheißungsrede Gen 15,7-21 wird die Verheißung, Land zu erben bzw. zu besitzen, wiederholt (V.7.13-16.18-21). Die beiden Visionsreden werden in V. 6 durch eine allgemeine Aussage über Abraham unterbrochen, die seinen Glauben als Grundhaltung betont und als bleibende Einstellung herausstellt.38 Die Vokabel ‫( אמן‬griech. πιστευ' ω), generell mit „glauben“ übersetzt, kommt hier zum ersten Mal in der ———————————————————

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Schlier 123; Wilckens I 261; Gathercole, Boasting, 241-242, mit Verweis auf Lk 16,15: „Und er sagte zu ihnen: Ihr pflegt euch selbst vor den Menschen als gerecht darzustellen, Gott aber kennt eure Herzen. Denn was bei den Menschen hoch angesehen ist, ist ein Greuel vor Gott“ (ZÜ). Neubrand, Abraham, 189-192, die es unterlässt, die jüdische Vorbildfunktion Abrahams als Frommer, der die Gebote Gottes hielt, in Anschlag zu bringen, sieht V. 4a nur als theoretische Möglichkeit. Die Präposition προ' ς (mit Akk.) wird in übertragenem Sinn u.a. zur Angabe der Gemäßheit, Beziehung verwendet; HvS §184p(c)bb2. Die deutschen Übersetzungen („nicht vor Gott“) interpretieren durchweg als Zielangabe (HvS §184p(c)bb1). Vgl. Neubrand, Abraham, 191 mit Anm. 52. Das zwischen ε� πι' στευσεν und �Αβραα' μ eingefügte δε' unterstreicht den antithetischen Rückbezug des Zitats auf V. 2; vgl. Koch, Schrift, 132-133. Stanley, Paul, 100 und Neubrand, Abraham, 197 Anm. 1 meinen, für eine antithetische Bedeutung müsste δε' in der das Zitat einführenden Frage stehen. Die meisten dt. Übersetzungen lassen δε' unübersetzt; mit „aber“ übersetzen Elb.Ü, Michel, Schlier, Wilckens, Lohse. Paulus ändert LXX �Αβρα' μ zu �Αβραα' μ. Neubrand, Abraham, 198. K. Haacker, Art. Glaube II, TRE XIII, 283; von Rad, Genesis, 155-156; Lohfink, Landverheißung, 36; Neubrand, Abraham, 201.

Der Glaube Abrahams und das messianische Gottesvolk 4,1-25 451 ———————————————————————————————————— hebr. Bibel vor. K. Haacker kommentiert: „War schon der erste Empfänger der Verheißungen, von denen Israel lebt, ein Glaubender und hat er gerade damit Anerkennung bei Gott gefunden, so ist damit für alle Zukunft ein Vorzeichen gesetzt und ein Weg gewiesen.“ 39 Die jüdische Auslegungstradition von Neh 9,7-8 („Du, Herr, bist der Gott, der Abraham auserwählt hat. Du hast ihn aus Ur in Chaldäa herausgeführt und ihm den Namen Abraham verliehen. Du hast sein Herz getreu befunden; deshalb hast du mit ihm den Bund geschlossen“); 1Makk 2,52 („Wurde Abraham nicht für treu befunden in der Erprobung und wurde ihm das nicht als Gerechtigkeit angerechnet?“), aufgenommen in Jak 2,14-26, betont Abraham als Glaubenden, dessen Verhalten, z.B. in der Anfechtung der Bindung Isaaks (Gen 22), in dieser Grundhaltung verwurzelt ist. Die Übersetzung des Hifils ‫ ֶהֱאִמן‬in der LXX durch den Aorist ε� πι' στευσεν hebt den einmaligen Vertrauensakt im Sinn der Reaktion Abrahams auf die Verheißung hervor. In diesem Sinn interpretiert die jüdische Auslegungstradition Jub 19,8-9; 21,1-4; CD III, 2-4; vgl. mNed 3,11: „Rabbi sagte: Groß ist die Beschneidung; denn obwohl unser Vater Abraham alle Gebote erfüllt hat, ist er doch vollkommen (‫ )ׁשלם‬erst genannt worden, als er sich beschnitt, wie es heißt: Wandle vor mir, so wird du vollkommen sein (Gen 17,1).“ In der Mekhilta Exodus 14,31 (40b) heißt es: „So findest du, dass unser Vater Abraham diese und die zukünftige Welt nur durch das Verdienst des Glaubens ( ‫בזכות‬ ‫ )אמנה‬in Besitz genommen hat, mit welchem er an den Herrn geglaubt hat, wie es heißt: Er glaubte an den Herrn, und er rechnete es ihm zur Gerechtigkeit an.“40 Mekhilta Exodus 15,1 (40b) zitiert Ex 14,3 und 15,1, sodann Gen 15,6: „Groß ist das Vertrauen auf ihn, der sprach, und die Welt ward, denn als eine Belohnung (‫ )שכר‬für das Vertrauen, mit dem Israel auf Gott vertraute, ruhte der heilige Geist auf ihnen, wie es in Ex 14,3 und 15,1 heißt.“41 Abraham erbte durch sein Vertrauen auf Gott sowohl diese Welt als auch die kommende Welt. Die Verwendung des Verbs λογι' ζομαι in Gen 15,6 wird oft so interpretiert, dass mit der Verwendung eines Ausdrucks der „Kaufmannssprache“ schon hier der Glaube als Verdienst gewertet wird, der „gebucht“ wird.42 Die griech. Vokabel ist jedoch weder ein terminus technicus ausschließlich der Kaufmannssprache, noch enthält sie den Verdienstgedanken.43 Entgegen der jüdischen Auslegungsgeschichte von Gen 15,6 dreht Paulus die Sequenz „Gehorsam → Gerechtigkeit → Rühmen“ um und betont die mit Abraham zu belegende Reihenfolge „Glaube → Gerechtigkeit → Gehorsam“.

Paulus sagt mit dem Zitat Gen 15,6: Die Gerechtigkeit (δικαιοσυ' νη), die Israels heilige Schrift und die jüdische Tradition für Abraham konstatiert, ist das Resultat seines Glaubens. Die mit „angerechnet“ übersetzte Passivform des Verbs (ε� λογι'σθη; hebr. ‫ )חׁשב‬bezeichnet das Urteil Gottes über den Glauben Abrahams.44 Weil Abraham der Verheißung glaubte, beurteilte Gott ihn ———————————————————

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Haacker, TRE XIII, 283. Neubrand, Abraham, 202 Anm. 22 betont zu Recht, dass die für den Pentateuch grundlegende Stelle Gen 15,6 die „geringe“ statistische Erwähnung Abrahams außerhalb von Gen 12–25 und die seltene Erwähnung des Glaubens relativiert. Zitiert nach Bill. IV, 38, sowie III, 200. Oegema, Israel, 86, der betont, dass diese und ähnliche Stellen hervorheben, „daß das Vertrauen auf Gott die Grundlage sowohl für das Tun der Gebote als auch für das Empfangen des heiligen Geistes darstellt“, ohne den Lohngedanken zu thematisieren. Wilckens I 262, mit Verweis auf 1Makk 2,52: Αβρααμ ου� χι` ε� ν πειρασμω ñ, ευ� ρε' θη πιστο' ς, και` ε� λογι' σθη αυ� τω ñ, ει� ς δικαιοσυ' νην; so H.-W. Heidland, Art. λογι' ζομαι, ThWNT IV, 287-295; Heidland, Anrechnung, 93-95, gefolgt u.a. von Schließer, Abraham’s Faith, 335. Neubrand, Abraham, 158-161; Flebbe, Solus Deus, 178 Anm. 56, mit Kritik an Heidland. Vgl. K. Seybold, Art. ‫חׁשב‬, ThWAT III, 260: Das Verb dient Gen 15,6 dazu, „die einma-

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als gerecht. Abraham hat sich mit ungeteiltem Vertrauen auf Gott und sein Wort verlassen und befand sich so in dem einzig rechten Verhältnis zu Gott. Paulus betont in V. 5, dass Abraham der Verheißung Gottes glaubte, als er ein „Gottloser“, d.h. ein babylonischer Götzenanbeter, war. Das heißt: Das Urteil Gottes, dass Abraham ein Gerechter ist, ist kein deskriptives Urteil (wie in 1Makk 2,52), sondern das performative, Neues schaffende Wort Gottes, „der die Toten lebendig macht und dem Nichtseienden ruft, damit es sei“ (V. 17). Paulus entwickelt aus Gen 15,6 den Grundsatz, dass das Urteil Gottes, dass ein Sünder gerecht ist, allein den Glauben an ihn und sein offenbarendes Wort voraussetzt. Dies gilt für die natürlichen Nachkommen Abrahams genauso wie für die Heiden, zu denen Abraham als Chaldäer gehörte. 4-5 Die Erläuterung von Gen 15,6 beginnt mit zwei von λογι'ζομαι abhängigen parallelen Sätzen, die die Funktion der Werke und des Glaubens näher bestimmen. In der Geschäfts- und Arbeitswelt gilt: Dem, der Leistungen erbringt, wird der Lohn nicht aus Wohlwollen angerechnet, sondern als Schuldigkeit. Das grammatikalische Subjekt des Satzes ist der „Lohn“ (ο� μισθο' ς), d.h., die Vergütung für erbrachte Leistungen, die in einem Arbeitsverhältnis versprochen bzw. erwartet werden. Das logische Subjekt des im Passiv formulierten Verbs (λογι'ζεται) ist der Arbeitgeber, der den Lohn „berechnet“ bzw. „anrechnet“. Es gilt der Grundsatz, dass ein Mensch, der „Leistungen erbringt“ (τω ñ, ε� ργαζομε' νω, ),45 den versprochenen Lohn als „Schuldigkeit“ (ο� φει'λημα), d.h. als geschuldete Gegenleistung, erhält. Der Lohn für getane Arbeit ist dem Arbeiter geschuldet, entspringt nicht gnädigem „Wohlwollen“ (χα' ρις; s. 1,5; 3,24), seine Auszahlung ist kein „Gefallen“. Von „Lohn“ ist auch in Gen 15,1 die Rede (ο� μισθο' ς σου πολυ` ς ε» σται σφο' δρα; „Dein Lohn wird überaus groß sein“). Der mit ου� … α� λλα' („nicht … sondern“) formulierte Gegensatz zwischen Wohlwollen (Gnade) und Schuldigkeit unterstreicht das Handeln Gottes in seiner Bedingungslosigkeit.46 Die Formulierung dem aber, der nicht Werke tut (τω ñ, δε` μη` ε� ργαζομε' νω, ) zeigt, dass es in V. 4 nicht ausschließlich um eine Analogie geht, die für die Thematik der Rechtfertigung des Sünders durch den Glauben unabhängig von Werken des Gesetzes keine Bedeutung hat.47 Die ————————————————————

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lige Reaktion JHWHs als einen Urteilsakt theologisch zu fassen“. Vgl. Kraus, Volk Gottes, 277-278. Zu λογι' ζομαι s. 2,3.26; zu δικαιοσυ' νη s. 1,17. Bauer / Aland s.v. ε� ργα' ζομμαι 1; s.v. μισθο' ς 2b schlägt für Röm 4,4 die Übersetzung „Werkleistung“ (erbringen) vor; mit „Werke tun“ übersetzen Elb.Ü, EÜ, LÜ („mit Werken umgehen“); GN, NGÜ, ZÜ: „Leistungen erbringen“. Vgl. Neubrand, Abraham, 207-208; s. Flebbe, Solus Deus, 179-180. Im rabb. Judentum ist „Arbeit“ eine „stehende Metapher für die Beschäftigung mit der Thora, d.h. Thorastudium und Beobachtung der Gebote“ (Hezser, Lohnmetaphorik, 240; aufgenommen von Theobald, Der Römerbrief, 205).

Der Glaube Abrahams und das messianische Gottesvolk 4,1-25 453 ————————————————————————————————————

Aussage V. 4 kann und muss in der Tat „spiegelbildlich“ gelesen werden: Der Mensch, der Leistungen erbringt und für seine „Werke“ Lohn erhält, ist der Gesprächspartner von 2,1–3,20, der sich als Vertreter des jüdischen Volkes seiner Erwählung durch Gott sicher ist und der trotz eines unbußfertigen Herzens (2,5) auf seinen umfassenden Gesetzesgehorsam als Grundlage seiner Rechtfertigung im Endgericht verweist.48 Die mit ε� ργα' ζομαι angesprochenen ε» ργα sind im Kontext von 3,20.28 als Werke des Gesetzes bestimmt, und κατα` χα' ριν entspricht dem δωρεα' ν von 3,24. Paulus stellt dem Menschen, der Leistungen erbringt und den seiner Leistung entsprechenden Lohn verdient, Abraham gegenüber, der keine Leistungen erbringt, sondern an den glaubt, der den Gottlosen rechtfertigt. Dass Paulus in V. 5 konkret von Abraham spricht, ergibt sich aus den Stichwortverbindungen mit dem Zitat aus Gen 15,6 in V. 3.49 Abraham ist der „der keine Leistungen erbringt“ (μη` ε� ργαζομε' νω, ), als Gott einen Bund mit ihm schloss: Er war ein „Gottloser“ (α� σεβη' ς). Die Aussage, dass Gott den Gottlosen (ο� α� σεβη' ς) rechtfertigt, wird häufig als problematisch angesehen, was den Bezug auf Abraham betrifft. Manche Exegeten schließen, dass sich die Formulierung nicht auf Abraham bezieht: Sie ist aus der „Sachhälfte“ heraus entstanden und als genuin christliche Aussage aus der Wirklichkeit der an Jesus Christus Glaubenden heraus entworfen – „Paulus wählt diese Formulierung, um den Gegensatz des christlichen Glaubens gegenüber jeder Vermengung von Glauben und Werk unmissverständlich herauszustellen“.50 N. T. Wright sieht in V. 5 nicht die Rechtfertigung Abrahams angesprochen, sondern die Rechtfertigung der heidnischen Völker, die später zur Familie Abrahams hinzustoßen sollten.51 Manche sehen die Verbindung zur Abrahamtradition im bewusst schroff formulierten Kontrast; der Satz ist dann eine „antithetische Kampfformel des Paulus …, die sich gegen den Satz richtet, daß Gott nur den Frommen (ευ� σεβη' ς, δι' καιος) rechtfertigt“.52 U. Wilckens spricht vom „Zerbrechen des jüdisch-geläufigen Verständnisses der Rechtfertigung Abrahams“, die von einer neuen, spezifisch christlichen Deutung abgelöst wird.53 Diese Interpretationen sind im Argumentationszusammenhang problematisch: Paulus will in ———————————————————

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Gathercole, Boasting, 244-245, gegen Dunn I 204; Dunn, Theology of Paul, 367, dem sich Neubrand, Abraham, 207 anschließt. 4,3 (Gen 15,6) / 4,5: ε� πι' στευσεν �Αβραα` μ / πιστευ' οντι; ε� λογι' σθη / λογι' ζεται; ει� ς δικαιοσυ' νην / ει� ς δικαιοσυ' νην. Lohse 149; vgl. Zeller 100; Fitzmyer 375 („The phrase is instead a generic Pauline description of God himself“); Wolter I 284: α� σεβη' ς weist hier „keine bestimmte Referenz auf“; Hofius, Rechtfertigung, 122-125; Neubrand, Abraham, 210. Wright, Paul, 1004. Die Argumentation V. 6-9, wo von David und damit vom Bundesvolk die Rede ist, und die Argumentation V. 9-10, wo von Abraham, der von Gott gerecht gesprochen wurde, die Rede ist, spricht gegen diese Auslegung; die Verheißung von Nachkommenschaft, zu der auch heidnische Völker gehören, wird erst in V. 16-17 thematisiert und ist nicht das einzige Thema des Kapitels (ebd. 1006). Michel 163; Moo 264: Die Aussage bekommt ihre Kühnheit durch den Kontrast mit Ex 23,7; Jes 52,3; Spr 17,15; vgl. Jeremias, Glaubensverständnis, 53. Wilckens I 263; Theobald I 125 bezeichnet Paulus als „Bilderstürmer“.

454 Römerbrief ———————————————————————————————————— Kap. 4 seine Aussagen zum rechtfertigenden Handeln Gottes, insbesondere die Gottesaussagen von 3,29.30, aus der Schrift begründen, was bedeutet, „dass die Gottesaussage von 4,5 in diesem Zusammenhang einer von Gemeinsamkeiten ausgehenden paulinischen Argumentation verstanden werden muss“.54 Wenig plausibel ist der Vorschlag von K. Haacker, Prädikat „gottlos“ beziehe sich auf die Tatsache, dass Abraham, als er seine Heimat, seine Familie und seinen Vater verließ, gegen die Normen antiker Frömmigkeit verstieß, mit Verweis auf Philo, Her. 25-26, wo Abraham zu Gott sagt: „Wer bin ich …, daß du mir Lohn versprichst …? Bin ich nicht ein aus dem Vaterland Ausgewanderter? Nicht von der Verwandtschaft entfernt, dem Vaterhaus entfremdet? Nennen nicht alle den Ausgestoßenen und Verbannten hilflos und ehrlos?“55 Da Abraham Gottes Ruf folgte, als er seinen Klan verließ, lässt sich dieses Verlassen kaum als „gottlos“ bezeichnen. Der plausibelste Anknüpfungspunkt für die Bezeichnung Abrahams als „Gottloser“ ist das traditionelle jüdische Verständnis von Abraham als Polytheist, der sich von den Götzen zu Gott bekehrt und als Erster den Gott Israels erkannt und anerkannt hat, d.h. als erster Proselyt.56 Folgende frühjüdischen Texte sind wichtig: Jub 11,15-17: „Und im siebenten Jahr dieser Jahrwoche gebar sie (Edna, die Frau Terachs) ihm (Terach) einen Sohn. Und er nannte seinen Namen Abram nach dem Namen des Vaters seiner Mutter. Denn er starb, bevor ein Sohn seiner Tochter empfangen wurde. Und der Knabe begann, den Irrtum der Erde zu erkennen, wie jeder hinter dem Götzen seiner Statue herirrte und hinter Gußwerken. Und sein Vater lehrte ihn schreiben. Und er war ein Kind von zwei Jahrwochen an Jahren. Und er trennte sich von seinem Vater, damit der nicht mit ihm den Götzen anbetete. Und er fing an, anzubeten zum Schöpfer aller Dinge, dass er ihn errette aus dem Irrtum der Menschenkinder und dass sein Anteil nicht falle in den Irrtum hinter Unreinheit und Schlechtigkeit“ (K. Berger). ApkAbr 8,1-4: „Und es geschah, als ich so im Hofe seines Hauses zu meinem Vater Thare redete, daß die Stimme des Starken in einer Feuerflut vom Himmel fiel und sprach: ‚Abraham! Abraham!‘ Und ich sprach: ‚Hier bin ich.‘ Und er sprach: ‚Du suchst den Gott der Götter und den Schöpfer im Geiste deines Herzen. Ich bin es. Verlasse deinen Vater Thare, und verlasse (sein) Haus, damit nicht auch du in den Sünden deines Vaterhauses umkommst.‘ Und ich ging hinaus, und es geschah, als ich hinausging und noch nicht zum Hoftore hinausgelangt war, da kam eine Donnerstimme, und sie verrannte (meinen Vater) und sein Haus und alles, was im Hause war bis zu einer Tiefe von vierzig Ellen“ (B. Philonenko-Sayar). Philo, Abr. 69-72: „Bei ihrer Durchforschung der in jenen Himmelskörpern) herrschenden Ordnung, die in den Kreisbewegungen der Sonne, des Mondes und der übrigen Planeten und der Fixsterne, sowie in dem Wechsel der Jahreszeiten und in den engen Beziehungen zwischen den himmlischen und irdischen Dingen zu Tage tritt, nahmen sie (die Chaldäer) an, dass die Welt selbst Gott sei, indem sie sündenhafterweise das Geschaffene dem Schöpfer gleichstellten. Nachdem Abraham in diesem Glauben herangewachsen und lange Zeit Chaldäer (Sternverehrer) gewesen war, öffnete er wie aus tiefem Schlafe das Auge der Seele und begann statt tiefer Finsternis reinen Lichtglanz zu schauen; er folgte diesem Licht und nahm wahr, was er vorher nicht gesehen hatte, einen Lenker und Leiter der Welt, der über sie waltet und in heilsamer Weise sein eigen Werk regiert und allen seinen Teilen, die seiner göttlichen Fürsorge würdig sind, seinen Schutz und Beistand angedeihen lässt. Und um nun die ihm offenbarte Wahrnehmung fester seinem Geist einzuprägen, spricht alsbald die göttliche Stimme zu ihm: ‚Grosses, mein Lieber, wird oft erkannt durch einen Umriss von kleinerem Massstabe … Lass darum die Himmelscharen und die ———————————————————

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Flebbe, Solus Deus, 192; zum Folgenden s. ebd. 190-217. Haacker 120; zum Folgenden ebd. 120-121. Dunn I 205; Byrne 149; Calvert-Koyzis, Paul, 125-126.134-135; Flebbe, Solus Deus, 194-200; von Wolter I 285-285 nicht in Erwägung gezogen.

Der Glaube Abrahams und das messianische Gottesvolk 4,1-25 455 ———————————————————————————————————— chaldäische Wissenschaft beiseite und versetze dich für kurze Zeit aus dem größten Staate, aus dieser Welt, in einen kleineren, durch den du den Leiter des Alls besser wirst begreifen können.‘ Deshalb heisst es (in der hl. Schrift), dass er die erste Wanderung aus dem Land der Chaldäer in das der Charäer (d.h. Haran) gemacht habe“ (L. Cohn). Philo, Virt. 212.214216: „Der Urahn des Volkes der Juden war von Geburt ein Chaldäer, Sohn eines sternkundigen Vaters, der zu denen gehörte, die sich mit den mathematischen Wissenschaften befassen, die die Gestirne und den ganzen Himmel und die Welt für Götter halten, durch die, wie sie sagen, alles Gute und Schlechte geschieht, was einen jeden trifft, da es nach ihrer Meinung keinen Urgrund ausserhalb der mit den Sinnen wahrnehmbaren Dinge gibt … Nachdem er (Abraham) eine Vorstellung davon gewonnen und die göttliche Berufung erhalten hatte, verlässt er Vaterland, Verwandtschaft und väterliches Haus; denn er wusste, wenn er bliebe, würde ihm auch der Irrglaube an die vielen Götter bleiben, der die Entdeckung des Einen unmöglich mache, der allein der Ewige und der Vater des gedachten wie des sinnlich wahrnehmbaren Alls ist, wenn er aber auswanderte, würde auch der Irrglaube aus seiner Seele schwinden, die statt der falschen Vorstellung die Wahrheit empfangen würde. Verlangen aber nach Erkenntnis des Seienden, das ihn erfüllte, wurde noch gesteigert durch göttliche Offenbarungen, die ihm zuteil wurden: von ihnen geleitet ging er mit unverdrossenem Eifer an die Erforschung des Einen und liess nicht eher ab, als bis er klarere Anschauungen gewonnen hatte, nicht von seinem Wesen – denn das ist unmöglich –, sondern von seinem Dasein und seinem fürsorglichen Walten. Daher heisst es auch von ihm zuerst (in der h. Schrift), dass er an Gott glaubte (Gen 15,6), weil er ja zuerst den festen und unerschütterlichen Glauben hatte, dass es eine oberste Ursache gibt und dass sie über die Welt und alles in ihr fürsorglich waltet. Nachdem er aber den Glauben, die sicherste der Tugenden, gewonnen hatte, erwarb er auch alle anderen mit“ (L. Cohn). Josephus, Ant. 1,154-157: „Abraham aber adoptierte Lot, den Sohn seines Bruders Haran und Bruder seiner Frau Sarra, da ihm ein rechtmäßiges Kind versagt war, und verließ Chaldäa mit fünfundsiebzig Jahren auf den Befehl Gottes hin, umzuziehen nach Kanaan; dort siedelte er sich auch an und hinterließ es seinen Nachkommen; er gewann ungeheuer leicht Einsicht in alle Dinge und wirkte überzeugend auf alle, die ihm zuhörten und ging in seinen Einschätzungen nie fehl. Daher begann er mehr als die anderen über Tugend nachzudenken und beschloss daraufhin, das allgemein übliche Gottesverständnis neu und anders zu fassen. So wagte er als erster, zu lehren, dass Gott Schöpfer des Alls sei, einer; und wenn von den übrigen (Mächten) eine etwas zum Lebensglück beitrage, tue dies jede nach seiner Anordnung und nicht aus eigener Kraft. Er schloss das aus den wechselnden Vorgängen auf Erde und Meer und all dem, was sich mit Sonne, Mond und allen Himmelskörpern abspielt: Hätten sie (eigene) Kraft, würden sie ihre eigene Ordnung selbst regeln (so lehrte er); doch dass sie über keine solche verfügten, sei offensichtlich, und gar nichts zu unserem Nutzen beitragen könnten aus eigener Vollmacht, sondern dass sie entsprechend der Stärke des (ihnen) Befehlenden Dienst leisten müssten, dem gebührenderweise allein die Ehre und der Dank zu erweisen seien. Als deswegen die Chaldäer und die übrigen Mesopotamier sich gegen ihn erhoben, hielt er es für gut umzusiedeln und bekam nach dem Willen und mit der Hilfe Gottes das kanaanäische Land; dort ansässig geworden, errichtete er einen Altar und brachte Gott ein Opfer dar“ (Institutum Judaicum Delitzschianum). Diese Texte zeigen, dass nach jüdischem Verständnis Abraham in heidnischer Umwelt als Heide zur Erkenntnis des einen wahren Gottes kommt, „von einem gottlosen Leben mit Götzen zu einem Leben mit Gott“.57 Siehe auch BerR 39,4: „Unser Vater Abraham fürchtete sich nämlich und sprach: es kann irgend eine Schuld an mir haften, weil ich so viele Jahre Götzen angebetet habe. Da sprach Gott zu ihm: Dir ist der Tau deiner Jugend geworden, sowie der Tau verfliegt, so verfliegen auch deine Sünden und ———————————————————

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Flebbe, Solus Deus, 197; vgl. Calvert-Koyzis, Paul, 85.

456 Römerbrief ———————————————————————————————————— sowie der Tau ein Zeichen von Segen für die Welt ist, so sollst auch du ein solches sein“ (A. Wünsche). Diese Interpretation wird von der historischen Erklärung unterstützt, nach der die Szene von Gen 15 noch in Mesopotamien und damit noch vor Gen 12 stattfand.58 Ein Ausgleich der divergierenden Zeitangaben im Blick auf die Zeit des Aufenthalts in Ägypten (Gen 15,13: 400 Jahre; Ex 12,40: 430 Jahre) kann erreicht werden, wenn man die Zahl von Gen 15,13 erst ab Isaaks Geburt zählt und sich deshalb weniger als 430 Jahre, eben nur 400 Jahre ergeben, was bedeutet, dass Gen 15,6 30 Jahre vor Isaaks Geburt liegt; bei Isaaks Geburt war Abraham 100 Jahre alt (Gen 21,5), d.h., zum Zeitpunkt von Gen 15,6 und dem Bund zwischen den Stücken war Abraham 70 Jahre alt; bei Gen 12,1ff und dem Auszug aus Haran war Abraham jedoch 75 Jahre alt (Gen 12,4). Das bedeutet, dass Gen 15,1-21 und damit auch Gen 15,6 mit dem Erstkontakt zwischen Gott und Abraham zu verbinden ist „und als Erstberufung vor aller anderen Geschichte Gottes mit Abraham und Abrahams mit Gott stattfindet“.59 Diese Sicht liegt in ApkAbr 8–10 vor, wo der Beginn der Abrahamgeschichte „als Gottes rettendes Handeln, als Erstkontakt von Gott mit dem keine Vorgeschichte mit Gott vorweisen könnenden, heidnischen Abraham“ beschrieben wird.60 Die LXX spricht von der Rechtfertigung des Gottlosen in der prophetischen Tradition. Siehe Mich 7,18: „Welcher Gott ist wie du, (ein Gott, der) Vergehen wegnimmt und Gottlosigkeit übergeht (υ� περβαι' νων α� σεβει' ας, als Übersetzung von ‫ ) ְוֹעֵבר ַעל־פֶַּׁשע‬bei den Übriggebliebenen seines Erbbesitzes“ (LXX.D). Jes 59,20: „Und um Sions willen wird der Retter kommen, und er wird Gottlosigkeiten von Jakob abwenden“ (α� ποστρε' ψει α� σεβει' ας α� πο` Ιακωβ; MT hat ‫( )ו ְּלָׁשֵבי ֶפַׁשע ְבַיֲּעֹקב‬LXX.D). Hes 18,23: „Werde ich etwa mit Willen den Tod des Gesetzlosen (το` ν θα' νατον τουñ α� νο' μου, MT ‫( )מ ֹות ָרָׁשע‬ebenso sehr) wollen, sagt der Herr, wie dass er sich von seinem schlechten Weg abkehre und lebe?“ (LXX.D).61

Die Aussage, dass Gott den Gottlosen rechtfertigt, ist eine zuspitzende Interpretation der Abrahamsgeschichte, die jedoch, was besonders der Text BerR 39,8 verdeutlicht, nicht „in Diskontinuität ikonoklastisch-antithetisch gegenüber der Tradition verstanden werden muss, sondern die sich selber durchaus als eine synthetisch-zuspitzende Aktualisierung der Tradition versteht“.62 Paulus setzt offensichtlich bereits in V. 5 den in V. 10 genannten historischen Zusammenhang voraus: Abraham war nicht beschnitten, d.h. ———————————————————

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Haacker 120-121; Kreuzer, Einordnung, 214-217; Flebbe, Solus Deus, 201-202. Flebbe, Solus Deus, 202; zum Folgenden ebd. Flebbe, Solus Deus, 204. Vgl. ApkAbr 10,5-7.13: „Und der Engel kam, den er (Gott) mir (Abraham) in der Gestalt eines Mannes gesandt hatte, und er nahm mich bei der Rechten und stellte mich auf meine Füße. Und er sprach zu mir: Stehe auf (Abraham) Freund des Gottes, der dich liebgewonnen hat, menschliches Zittern soll dich nicht umfangen. Denn, siehe, ich bin dir zugesandt, dich zu stärken und zu segnen im Namen des Gottes, der dich liebgewonnen hat, des Schöpfers Himmels und der Erde. Fürchte dich nicht und eile zu ihm … Mir wurde befohlen, das Haus deines Vaters in Brand zu stecken, und ihn selbst, weil er Götzen verehrte.“ Saß, Leben, 382; Stuhlmacher 68. Flebbe, Solus Deus, 200; zum späten Datum von BerR (5. Jh.) merkt Flebbe an, dass es nicht um den Nachweis einer Abhängigkeit der Paulusaussage geht, sondern darum, dass die Aussage von Paulus „im Rahmen der jüdischen Tradition zu verstehen ist und verstanden werden kann“ (ebd. Anm. 128).

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nach jüdischem Verständnis ein Heide, als er Gott glaubte und von Gott als gerecht erklärt wurde. Abraham wird mit dem Ausdruck α� σεβη' ς [asebēs] nicht als „Atheist“ beschrieben, sondern als Heide, der Götzen anbetet, Sünder ist und den einen wahren Gott nicht kennt (V. 10; vgl. Ps 9,6). Paulus argumentiert für die Kontinuität des Glaubens in der Geschichte: Was für Abraham gilt, das galt schon immer und gilt auch jetzt für die Juden wie auch für die Heiden (s. unten IV). Als allgemeine Aussage beschreibt α� σεβη' ς den Sünder, der gesetzlos und ungerecht handelt (V. 7; vgl. 5,6 / 8) und den es nach Jer 5,26 auch in Israel gibt.63 Der „Gottlose“ ist der Mensch, der mit dem einen wahren Gott und Schöpfer verfeindet ist, der vor Gott keine Leistungen vorzuweisen hat, die ihn als Gerechten ausweisen, der zu den Menschen gehört, die infolge ihrer α� σε' βεια und α� δικι'α dem Gericht Gottes ausgeliefert sind (1,18).64 Die Aussage, die Gottes Handeln charakterisiert, ist grundsätzlich und eindeutig, was die Formulierung im Präsens unterstreicht. Die Aussage gilt nicht nur für Heiden, sondern auch für Juden, wie der Kontext in 2,1–3,20, die Beschreibung Abrahams als „unser Vorvater“ (4,1) und die Erläuterung in V. 6-8 anhand Davids verdeutlicht.65 Was Abraham kennzeichnet sind nicht Werke, sondern der Glaube (πιστευ' οντι). Ziel und Inhalt seines Glaubens66 ist Gott, „der den Gottlosen rechtfertigt“, d.h., der nicht Gleiches mit Gleichem vergilt, sondern den gerecht spricht, der weiß, dass er nichts aufzuweisen hat, das er zu seiner Rechtfertigung geltend machen könnte. Der Gottlose, der an Gott glaubt, ———————————————————

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Vgl. W. Forster, Art. α� σεβη' ς κτλ., ThWNT VII, 184-190; P. Fiedler, EWNT I, 405-407; W. Günther / K. Haacker, ThBLNT I, 553-556. Käsemann 106: „gottlos“ ist „das Prädikat dessen, der es radikal mit seinem Schöpfer zu tun bekommt und erfährt, daß er in der Gnade neu geschaffen werden muß. Er hat nichts, vorauf er sich berufen könnte, und will nichts vorweisen, was Gottes Schöpfertat beeinträchtigen würde. Er ist der Mensch ohne Ruhm bei Gott.“ Vgl. Flebbe, Solus Deus, 181: „Indem nun die Identität des Judentums und seine jüdische Lebensweise dem menschlichen Bereich zugewiesen werden als dem menschlichen Prinzip entsprechend und folgend, sind sie für den Bereich der göttlichen Wirklichkeit bedeutungslos. Dieser Bereich ist aber der, um den es geht und der zur Diskussion steht, wie 3,27-31 deutlich gemacht hat.“ Vgl. Ego, Urbild, 35-36 zu Abraham als Repräsentant seines Volkes: „Was von Abraham erzählt wird, wird somit eigentlich von ganz Israel erzählt“ (35). Die Formulierung πιστευ' ειν ε� πι' mit Akk. findet sich bei Paulus nur Röm 4,5.24; sonst Apg 9,42; 11,17; 16,31; 22,19; Mt 27,42; Hebr 6,1; πιστευ' ειν ε� πι' mit Dat. in Röm 9,33; 10,11; 1Tim 1,16; Mt 27,42 v.l.; Lk 24,25; Joh 3,15 v.l.; 1Petr 2,6. Die Konstruktion mit ε� πι' (u. Akk.) wird oft so präzisiert, dass sie „eine Entscheidung treffen, etwas als wahr anerkennen“ bedeutet und somit Paulus hier vom Glaubensentschluss bzw. von der Bekehrung redet; Wilckens I 263; Jeremias, Glaubensverständnis, 53; Brandenburger, Pistis, 178-179; Flebbe, Solus Deus, 223; vgl. Zahn 221 Anm. 49; Michel 164.

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d.h. auf seine gnädige Zusage vertraut, erfährt, dass sein Glaube zur Gerechtigkeit angerechnet wird. Das Verb (λογι'ζεται) hat eine andere Bedeutung als in V. 4: Dort bezeichnet es das Anrechnen von Lohn, den man sich erarbeitet und verdient hat; hier bezeichnet es die Deklaration Gottes, dass der Sünder, der nicht gearbeitet und nichts verdient hat, aber auf Gottes Wort vertraut, gerecht ist. Im Argumentationszusammenhang von 1,18–3,20 sowie 3,21-31 ergibt sich aus dem Beispiel Abrahams, dem exemplarischen Gerechten: Rechtfertigung des Sünders gibt es nur aufgrund des Glaubens (sola fide) an Gott, der den Gottlosen gerecht spricht (sola gratia). Authentischer Glaube richtet sich nicht auf erbrachte Leistungen, deren Entlohnung durch Gott man sich verspricht, sondern konsequent und ausschließlich auf Gott, der den Sünder rechtfertigt: „Da er nichts von seinem Tun erhoffen kann, hofft er, wo nichts zu hoffen ist, auf Gottes Tat und nur auf sie.“67 Wenn dies für Abraham gilt, dann gilt dies nicht nur für die Heiden, die wie Abraham, als er an Gott glaubte, unbeschnitten sind, sondern auch für die Nachkommen Abrahams, d.h. für Israel bzw. die Juden. 6 Paulus erläutert Gen 15,6 und die dort formulierte Rechtfertigung Abrahams in V. 6-8 anhand eines Vergleichs68 mit David, dessen Seligpreisung in Ps 32,1-2 Beleg ist für die Aussage, dass die Rechtfertigung des Sünders nicht als Lohn für Werke erfolgt, sondern aufgrund des Glaubens.69 Paulus nennt David als Autor von Ps 32 (Δαυι`δ λε' γει) und verweist damit auf eine (neben Abraham) weitere grundlegende Person der biblisch-jüdischen Tradition. Die Formulierung die Seligpreisung über den Menschen (το` ν μακαρισμο` ν τουñ α� νθρω' που) leitet die Deutung des Zitats ein, das mit dem Wort „Seligpreisung“ zusammengefasst wird, das aus dem Zitat stammt und das Heilshandeln Gottes unterstreicht.70 Der „Mensch“ kann im Kontext V. 1-5 als Verweis auf Abraham verstanden werden, auf den sich inhaltlich der Makarismus bezieht.71 Der Relativsatz dem Gott Gerechtigkeit ———————————————————

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Wilckens I 263. καθα' περ („ebenso wie“) leitet einen Komparativsatz ein (HvS §187a); hier weist es dem Psalmzitat eine „nachträglich-bestätigende Funktion“ für die Interpretation von Gen 15,6 in V. 4-5 zu; Koch, Schrift, 222. Flebbe, Solus Deus, 218, spricht von „Autoritäts- und Evidenzvermehrung“. Das Subst. μακαρισμο' ς kommt im NT nur in Röm 4,6.9 und Gal 4,15 vor. Zum häufigeren Adj. μακα' ριος s. F. Hauck/ G. Bertram, ThWNT IV, 365-373; G. Strecker, EWNT II, 925-932; zum hebr. ‫ אׁשרי‬s. H. Cazelles, ThWAT I, 481-485; H. Lichtenberger, ThWQ I, 325-328. Die Herleitung des hebr. Wortes von ‫„( ֶאֶׁשר‬Glück, Heil“) legt die Übersetzung „glücklich (zu preisen), glücklich, glückselig, wohl dem …“ nahe. Lichtenberger ebd. 328 hält im Blick auf 4Q185; 4Q521; 4Q525 fest, dass die Makarismen der Qumrantexte die alttestamentlichen weisheitlichen Makarismen weiterführen und eschatologische Aspekte aufscheinen lassen, Letzteres vor allem in 4Q525. Calvert-Koyzis, Paul, 136; Flebbe, Solus Deus, 219.

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anrechnet unabhängig von Werken wiederholt V. 5, wobei explizit hervorgehoben wird, dass es Gott ist, der Gerechtigkeit anrechnet (ο� θεο` ς λογι'ζεται δικαιοσυ' νην); die Wendung μη` ε� ργαζομε' νω, wird ersetzt durch die Formulierung „unabhängig von Werken“ (χωρι`ς ε» ργων). Die Betonung des Glaubens in V. 5 fehlt in V. 6, wo der Schwerpunkt auf dem souveränen, den Menschen rechtfertigenden Handeln Gottes liegt.72 Paulus zitiert Ps 32,1-2 in V. 7-8, um zu verdeutlichen, dass Gott dem Menschen – sowohl Heiden (Abraham) als auch Juden (David) – unabhängig von Werken, die das Gesetz festlegt und vorschreibt, Gerechtigkeit anrechnet, d.h. sie als gerecht deklariert. 7-8 Der erste Makarismus betont die Vergebung der Sünden durch Gott: Selig sind die, deren gesetzlose Taten vergeben und deren Sünden bedeckt sind. David ruft den Menschen Heil zu, die Gottes Gesetz übertreten haben und denen Gott ihre Sünde vergeben hat. Das mit „gesetzlose Taten“ (αι� α� νομι'αι) übersetzte Wort bezeichnet die Gesinnung von Leuten, die das Gesetz ignorieren oder mutwilling brechen (6,19a; 2Kor 6,14; 2Thess 2,3.7),73 sodann gesetzwidrige Taten (V. 7 im Plural; 6,19b; Tit 2,14).74 Der Plural „Sünden“ (αι� α� μαρτι'αι) beschreibt Verfehlungen, d.h. Handlungen, die vom göttlichen Standard der Rechtschaffenheit abweichen (s. 2,12; 3,9). Im hebr. Text Ps 32,1 stehen die Vokabeln (Sing.) ‫„( פֶַּׁשע‬Verbrechen, Verfehlung“) und ‫„( ֲחָטָאה‬Sünde, Verfehlung“), die häufig parallel, d.h. weitgehend synonym verwendet werden.75 Das Verb „fortlassen, erlassen, vergeben“ (α� φι'ημι) ist Synonym von „bedecken, verhüllen, unsichtbar machen“ (ε� πικαλυ' πτω), im hebr. Text das Verb ‫„( נׂשא‬tragen, wegtragen, vergeben“) das Synonym von ‫„( כסה‬bedecken, vergeben“). Die hebr. Wörter beinhalten einerseits das Bild vom „Tragen“ der Sünde / Schuld, die als zu tragende Last vorgestellt ist, andererseits das Bild vom „Zudecken“ der Sünde, die unsichtbar und damit ihre Folge für den Menschen unwirksam gemacht wird. ———————————————————

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Flebbe, Solus Deus, 218-219; Wilckens I 263 meint, der in V. 5 hervorgehobene Glaube schwinge im μακαρισμο' ς Davids mit. Vgl. Mt 23,28; 24,12; 1Joh 3,4; Hebr 1,9. Vgl. Mt 7,23; 13,41; 1Joh 3,4; Hebr 10,17. LXX.D übersetzt in Ps 32,1 (LXX 31,1) mit „Gesetzlosigkeiten“. In den Papyri begegnet α� νομι' α in Eingaben oder Petitionen, in denen von einem gewaltsamen, gesetzeswidrigen Handeln die Rede ist; vgl. Arzt-Grabner, 2. Korinther, 357-358. Gen 31,36; 50,17; Jos 24,19; Jes 58,1; 59,12; Hes 33,10.12; Am 5,12; Mich 1,5.13; 3,8; 6,7; Ps 25,7; 59,4; Hi 13,23; 14,17; 34,37. In 1QH V, 32; IX, 24.27; XIX, 23; XII, 33 bezeichnet ‫„ ֲחָטָאה‬die Sünde im Sinne einer Grundbedingung der menschlichen Existenz“ unter der der Mensch leidet“ (B. Schlenke, Art. ‫חטא‬, ThWQ I, 947).

460 Römerbrief ————————————————————————————————————

Der zweite Makarismus betont das Nichtanrechnen der Sünde: Selig ist der Mann, dem der Herr Sünde nicht anrechnet. Die LXX wiederholt aus V. 1 das zweite Wort für „Sünde“ (α� μαρτι'α, Sing.); im hebr. Text ist mit ‫„( ָע ֹון‬Vergehen, Sünde, durch Sünde bewirkte Schuld“) ein drittes Synonym für „Sünde“ bzw. Gesetzlosigkeit benannt. Die Formulierung „nicht anrechnet“ (μη` λογι'σηται) verbindet Ps 32,1-2 und Gen 15,6 (gezērāh šāwāh; s. Einleitung zu Kap. 4). David ruft den Menschen Heil zu, deren Sünde nicht aufgerechnet wird, weil Gott sie vergeben hat. Das Nicht-Anrechnen der Sünde entspricht dem Anrechnen des Glaubens zur Gerechtigkeit (V. 5.6). In Ps 51,1-4, wo direkt auf den Ehebruch mit Batseba verwiesen wird, verlässt sich David bei seiner Bitte um Vergebung und Reinigung auf Gottes Huld und Erbarmen (‫ֶח ֶסד‬, ε» λεος; ‫ ַרֲחִמים‬, οι� κτιρμο' ς; V. 4). Die rabb. Tradition verweist wiederholt auf Davids Sünden, besonders seinen Ehebruch mit Batseba (2Sam 11), als Beispiele von Schuld, Reue und Vergebung.76 Es ist wohl kein Zufall, dass Ps 32 im rabb. Judentum auf den großen Versöhnungstag bezogen ist (bYom 86b; Pesiq 45). Was Paulus im Blick auf Abraham sagte – Gott rechtfertigt den gottlosen Sünder aufgrund von Glauben, nicht infolge verdienstvoller Werke –, wird an David festgemacht: Auch der große König Israels, der Ahnherr des Messias, hat erfahren, dass Gott Vergebung und Heil im Sinn unverdienter Gnade verleiht. Jeder Übertreter des Gesetzes sollte wissen, dass er wie jeder Heide ein echter Sünder ist und – wie Abraham und David – für seine Gerechtigkeit auf Gottes Gnade angewiesen ist, der unabhängig von jeder menschlichen Leistung Sünden vergibt und Heil schenkt.77 I 9 Gilt diese Seligpreisung nun den Beschnittenen oder auch den Unbeschnittenen? Denn wir sagen: Angerechnet wurde Abraham der Glaube zur Gerechtigkeit. 10 Unter welchen Umständen wurde er ihm nun angerechnet? Als er im Zustand der Beschneidung oder im Zustand der Unbeschnittenheit war? Nicht als er im Zustand der Beschneidung war, sondern im Zustand der Unbeschnittenheit. 11 Er erhielt das in der Beschneidung bestehende Zeichen als Siegel der Gerechtigkeit aufgrund des Glaubens, den er im Zustand der Unbeschnittenheit hatte, damit er Vater aller Menschen sei, die im Zustand der Unbeschnittenheit glauben, sodass ihnen Gerechtigkeit angerechnet wird, 12 sowie Vater der ———————————————————

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C. Thoma, Art. David II. Judentum, TRE VIII, 384-387, hier 386, mit Verweis auf mTeh 3,4; 40,2; 51,1;l 51,3; bSanh 107; SifDev 26; Haacker 121; Flebbe, Solus Deus, 221. Man sollte nicht, wie Käsemann 107 und andere, die „Beseitigung vergangener Schuld“ gegen die „Freiheit von der Macht der Sünde“ ausspielen.

Der Glaube Abrahams und das messianische Gottesvolk 4,1-25 461 ————————————————————————————————————

Beschneidung für die Menschen, die nicht nur zur Beschneidung gehören, sondern auch den Spuren des Glaubens folgen, den unser Vater Abraham im Zustand der Unbeschnittenheit hatte. II Die Beschreibung der Gerechtigkeit Abrahams aufgrund seines Glaubens wirft die Frage auf, ob diese nur für die Juden gilt, deren Vorvater Abraham ist (4,1), oder ob auch die Heiden aufgrund des Glaubens Gerechtigkeit erlangen können. Mit dieser Fragestellung greift Paulus 3,29-30 auf, wo er die Frage positiv beantwortet hatte, ob das, was für Juden im Blick auf die Erlangung der Gerechtigkeit Gottes gilt, auch für die Heiden gilt. Statt von � Ιουδαι' οι und ε» θνη (3,29) spricht Paulus wie in 3,30 von περιτομη' (4,9.10[2x].11.12[2x]) und α� κροβυστι'α (4,9.10[2x].11[2x].12). Paulus legt Ps 32,1-2 durch Gen 15,6 aus und folgert aus der chronologischen Abfolge von Rechtfertigung Abrahams (Gen 15,6) und Beschneidung (V. 10-11a), dass Abraham in der Tat der Vater aller Glaubenden ist, sowohl der beschnittenen Juden wie auch der unbeschnittenen Heiden (V. 11b-12). Textkritische Anmerkungen. Die Hinzufügung von μο' νον in V. 9 (D; it vgcl) ist der Versuch, die Bedeutung der Aussage explizit zu formulieren.78 Die Einfügung von ο« τι nach λε' γομεν γα' ρ (A C Dc F G Ψ 33 Byz) ist logisch notwendig, aber weniger gut bezeugt (‫ א‬B D* 630 1739 1881 u.a.) und als Glättung zu bewerten. In V. 11 gibt es mehrere textkritische Fragen. Der Akk. περιτομη' ν (A C* 6 1506 1739 1881 u.a.) ist eine Verdeutlichung der Genitiv-Verbindung.79 Die Hinzufügung von δια' (F G) hinter σφραγιñδα ist der sekundäre Versuch einer grammatikalischen Verbesserung. Die Lesart και' vor αυ� τοιñς („auch ihnen“, d.h. den Heiden) in ‫א‬2 C D F G Byz alt sy sa verdeutlicht die bereits implizite Aussage, und ist auch angesichts der späteren Bezeugung (ohne και': ‫ *א‬A B Ψ 6 81 630 1506 u.a. vgmss bo) als sekundär zu betrachten.80 Die Lesart ει� ς δικαιοσυ' νην (A 424* 1881 lat) ist passt den Text an 4,5 an und ist wohl sekundär; der Artikel vor δικαιοσυ' -νην (B C* D2 F G Ψ 33 81 104 630 1175 1241 1505 2464 Byz) ist so gut bezeugt wie die Auslassung (‫ א‬C2 D* 6 365 424c 1506 1739), die schwerer zu erklären ist. Die von früheren Textausgaben in V. 12 vermerkte Konjektur von Hort und Beza, statt des Artikels τοιñς das Pronomen αυ� τοιñς zu lesen, wird in NA28 nicht mehr angeboten; s. den Kommentar zu V. 12. ———————————————————

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Schlier 126 Anm. 20 bezeichnet die Hinzufügung als „gewiß sachgemäß“, aber sekundär (missverstanden von Jewett 304); EÜ, GN, NGÜ, ZÜ übersetzen mit „nur“. Zahn 223 Anm. 51; Michel 166 Anm. 3. NA26-28 nehmen και' , in eckigen Klammern, in den Text auf; frühere Ausgaben folgten der Lesart von ‫ *א‬A B. Lohse 152 Anm. 9; Jewett 305.

462 Römerbrief ————————————————————————————————————

III

9 Die Frage in V. 9a konzentriert die Aufmerksamkeit auf den Geltungsbereich der Seligpreisung von Ps 32,1-2, die in V. 7-8 zitiert wurde.81 In dem zitierten Psalm ist von Menschen die Rede, denen Gott die Sünden vergibt, anstatt sie ihnen anzurechnen, d.h. von Sündern, die von Gott als Gerechte behandelt werden. Die Frage ist: gilt diese Seligpreisung nun den Beschnittenen oder auch den Unbeschnittenen?82 Paulus erläutert den Geltungsbereich von Davids Seligpreisung: Die Präposition ε� πι' beschreibt die Menschengruppe(n), über die die Seligpreisung ausgesprochen wurde.83 Dass Davids Seligpreisung für die Beschnittenen gilt (ε� πι` τη` ν περιτομη' ν, wörtl. „die Beschneidung“), ergibt sich aus dem historischen Ort Davids: Er schreibt für beschnittene Israeliten. Weil es in der Seligpreisung um Sünder geht, denen Heil zugesprochen wird, und weil Heiden Sünder sind, stellt sich die Frage, ob die Seligpreisung nicht auch „den Unbeschnittenen“ gilt (ε� πι` τη` ν α� κροβυστι'αν, wörtl. „die Vorhaut“, d.h. das Unbeschnittensein).84 Mit και' („auch“) signalisiert Paulus die Antwort, die er in den folgenden Aussagen geben wird: Die Seligpreisung Davids gilt auch den Nichtjuden. Paulus wiederholt das Zitat von Gen 15,6 im Sinn einer verschärfenden Paraphrase:85 Wir sagen ja: Angerechnet wurde Abraham der Glaube zur Gerechtigkeit. In V. 10 macht Paulus deutlich, was in V. 9 im Kontext von V. 5 impliziert ist: Gott hat dem unbeschnittenen Abraham, der ein heidnischer Sünder war, den Glauben zur Gerechtigkeit angerechnet. Indem Paulus die Seligpreisung des Sünders bei David auf die Geschichte Abrahams bezieht, erläutert er die Anrechnung des Glaubens zur Gerechtigkeit: Die Vergebung der Sünden eines Sünders entspricht sachlich der Rechtfertigung aus Glauben. Paulus erklärt im Folgenden, dass Abraham noch nicht ———————————————————

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Flebbe, Solus Deus, 226, stellt fest, dass damit eine Interpretation von Gen 15,6 im Sinn des Glaubens als „ein primäres, den Impuls setzendes menschliches Element“ durch die Verbindung mit Ps 32,1-2 ausgeschlossen wird: Das Zitat Gen 15,6 ist als „theologisches Statement“ zu verstehen. Nach dem Subjekt ο� μακαρισμο' ς ist λε' γεται elidiert; BDR §4811; NSS II 13. Bauer / Aland, s.v. ε� πι' III.1bγ („an, zu auf, über von Kräften, Zuständen u. ähnl., die jmdn. erreichen od. in deren Bann sich jmd. befindet“), d.h. nicht ebd. III.1bζ („an, über zur Einführung v. Person od. Sache, aufgrund deren etw. geschieht“), wo Röm 4,9 aufgeführt ist; Neubrand, Abraham, 216 mit Anm. 3. περιτομη' und α� κροβυστι' α sind als Metonyme verwandt, d.h., sie verweisen aus jüdischer Perspektive auf die beiden Gruppen von Menschen, die sich aufgrund der Beschneidung und damit κατα` σα' ρκα (4,1) religionssoziologisch voneinander unterscheiden: Es geht um Juden bzw. Nichtjuden, um Israel bzw. die Völker. Koch, Schrift, 15, 307 Anm. 1; s. ebd. 16 Anm. 21 zur Kritik an Michel 166, der meint, mit λε' γομεν γα' ρ läge eine rabbinische Wendung vor; s. jedoch Siegert, Argumentation, 261-262; Neubrand, Abraham, 218 Anm. 7.

Der Glaube Abrahams und das messianische Gottesvolk 4,1-25 463 ————————————————————————————————————

beschnitten war, als er dem Verheißungswort Gottes glaubte, was Gott ihm zur Gerechtigkeit anrechnete – was im Sinne der Seligpreisung Davids bedeutet, dass Gott ihm seine Sünden vergab. 10 Paulus erläutert die Paraphrase von Gen 15,6, indem er nach dem Zustand fragt, in dem Abraham beschnitten wurde. Die Frage unter welchen Umständen wurde er ihm nun angerechnet? (πω ñ ς ουò ν ε� λογι'σθη;) ermittelt, „wie“ bzw. „unter welchen Umständen“86 es dazu kam, dass Gott den Glauben Abrahams diesem zur Gerechtigkeit anrechnete (V. 9b). Es gibt zwei Möglichkeiten (η» ). Entweder war Abraham im Zustand der Beschneidung (ε� ν περιτομη ñ, ο» ντι [en peritomē onti]), oder er war im Zustand der Unbeschnittenheit (ε� ν α� κροβυστι'α, ] [en akrobystia]). Paulus fragt nach dem Kontext von Gen 15,6,87 konkret nach dem „Zustand“, in dem Abraham sich zum Zeitpunkt seiner Rechtfertigung befand. Die Antwort ergibt sich aus der chronologischen Reihenfolge von Gen 15,6 und Gen 17,23-27: Abraham glaubte Gottes Verheißung und erhielt den Zuspruch der Gerechtigkeit nicht als er im Zustand der Beschneidung war (ου� κ ε� ν περιτομηñ, [ο» ντι]), sondern als er im Zustand der Unbeschnittenheit (ε� ν α� κροβυστι'α, ) war. Als Abraham Haran verließ, war er 75 Jahre alt (Gen 12,4), bei der Geburt Ismaels 86 Jahre (Gen 16,16), bei seiner Beschneidung 99 Jahre (Gen 17,1.24). Nach einer rabbinisch-synagogalen Tradition lagen 29 Jahre zwischen dem Bundesschluss in Gen 15,10 und Gen 17,10 (Seder Olam).88 Mit seiner Antwort verdeutlicht Paulus nachträglich, was er in V. 9b sagte: Es war der unbeschnittene Abraham, dem Gott seinen Glauben zur Gerechtigkeit anrechnete. 11-12 In diesem Satz sichert Paulus die grundlegende Bedeutung des Glaubens für die Rechtfertigung durch Gott für Heiden und Juden gleichermaßen. Nach Gen 17,11 erhielt Abraham die Beschneidung als „Zeichen des Bundes“ (‫ ְוָהָיה ְלא ֹות ְבִּרית‬, LXX ε» σται ε� ν σημει'ω, διαθη' κης) zwischen Gott und Abraham und seinen Nachkommen. Paulus formuliert als Paraphrase dieser Stelle: Abraham erhielt das in der Beschneidung bestehende Zeichen. Das Akk.-Objekt σημειñον περιτομη ñ ς [sēmeion peritomēs] ist als epexegetischer Genetiv zu interpretieren: Das Zeichen, das Abraham erhielt, bestand in der Beschneidung.89 Das Wort σημειñον bedeutet hier „Kennzeichen, ———————————————————

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Bauer / Aland, s.v. πω ñ ς 1a: „zur Ermittlung dessen, wie etw. geworden ist, geschieht od. geschehen soll; mit Ind. wie? auf welche Art und Weise?“. Das heißt, Paulus folgt der siebten Middot Hillels (‫דבר הלמד מענינו‬, dābār halāmed meÜinjānō): „Schluss aus dem Kontext“ der biblischen Aussage. Bill. III, 203; Michel 166; Wilckens I 264; Lohse 151; Neubrand, Abraham, 220. Zahn 223; Michel 166; Cranfield I 236; Käsemann 108; Wilckens I 265; Dunn I 209.

464 Römerbrief ————————————————————————————————————

Merkmal, Beweis“.90 Die Bedeutung der Beschneidung liegt darin begründet, dass sie auf eine bereits bestehende Realität verweist – auf den Bund, den Gott mit Abraham geschlossen hat (Gen 17,11).91 Im Zusammenhang des Bundesschlusses von Gen 15,18 und des Basissatzes Gen 15,6 verweist die Beschneidung als Zeichen des Bundes Gottes mit Abraham und seinen Nachkommen auf die Gerechtigkeit Abrahams, die Gott ihm aufgrund seines Glaubens zusprach. Die Beschneidung, die das Zeichen des Heilshandelns Gottes an Abraham ist, wird von Paulus weiter gedeutet als Siegel der Gerechtigkeit aufgrund des Glaubens (σφραγιñδα τηñ ς δικαιοσυ' νης τηñ ς πι'στεως).92 Weil σημειñον auch „Siegel“ bedeuten kann,93 lag es nahe, die Bedeutung der Beschneidung mit dem juristischen Fachausdruck für „Siegel“ zu erläutern.94 Das Wort σφρα' γις [sphragis] bezeichnet „Siegel, Siegelverschluss, Stempel, Siegelring, Brandzeichen (für Tiere)“, im übertragenen Sinn die „rechtsgültige Beglaubigung“.95 Die Genitivwendung „Siegel der Gerechtigkeit“ beschreibt den Gegenstand bzw. die Größe, die durch die Beschneidung besiegelt, d.h. dokumentiert und beglaubigt wird (gen. objectivus). Die Gerechtigkeit ist primär, die Beglaubigung durch die Beschneidung kommt anschließend hinzu.96 Die Wendung „Gerechtigkeit aufgrund des Glaubens“ (gen. pertinentiae) betont den Glauben Abrahams als die Wirklichkeit, die ———————————————————

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Bauer / Aland s.v. σημειñον 1 (die zweite Bed. „Wunder“ liegt hier nicht vor). Für die Verwendung in den Papyri s. Arzt-Grabner, 1. Korinther, 95-97: „Beweis, woran man etwas erkennt“ (für 1Kor 1,22). F. J. Helfmeyer, Art. ‫א ֹות‬, ThWAT I,182-205 behandelt die Beschneidung (Gen 17,11) neben dem Regenbogen (Gen 9,12-13.17) und dem Sabbat (Ex 31,13.17; Hes 20,12.20) unter den Bundeszeichen, die in ihrer Funktion, an den Bund zwischen Jahwe und Israel zu erinnern, mit den Erinnerungszeichen verwandt sind (ebd. 197-198). σφραγιñδα ist Apposition zu σημειñον, d.h. σφραγιñδα τηñ ς δικαιοσυ' νης // σημειñον περιτομηñ ς. Bauer / Aland s.v. σημειñον 1, mit Verweis auf P.Rev. 26,5; P.Rein. I 9; 35,3; BGU IV 1064,18; C. Spicq, TLNT III, 249; Arzt-Grabner, 1. Korinther, 95 Anm. 171. Die Deutung der Beschneidung als Siegel findet sich im aramäischen Text von TestLev: „Schneidet die Vorhaut eures Fleisches ab, damit ihr ausseht wie wir und gesiegelt seid wie wir mit der Beschneidung“ (1Q21 III, 21-22; Kontext: Rache für die Entehrung der Dina); Zitat nach Beyer, Texte II, 195; vgl. García Martínez/Tigchelaar, Dead Sea Scrolls Study Edition I, 51. Wilckens I 267 verweist auf TestIob 5,2 und Barn 9,6: „Aber du wirst sagen: Und doch ist das Volk beschnitten worden zur Versiegelung.“ Papathomas, Begriffe, 142-143; vgl. Bauer / Aland s.v. σφρα' γις; G. Fitzer, Art. σφρα' γις κτλ., ThWNT VII, 939-954; T. Schramm, Art. σφρα' γις, EWNT III, 758-761; R. Schippers / R. Heiligenthal, ThBLNT II, 1116-1119; Heitmüller, ΣΦΡΑΓΙΣ. Das Wort σφρα' γις kommt in NT neben Röm 4,11 noch in 1Kor 9,2; 2Tim 2,19 sowie in Offb 5,1.2.5.9; 6,1.3.5.7.9.12; 7,2; 8,1; 9,4 vor; das Verb σφραγι' ζω kommt bei Paulus in Röm 15,28; 2Kor 1,22; Eph 1,13; 4,30 vor. Wolter I 290 bezeichnet als tertium comparationis „die physische Materialität und die damit gegebene Sichtbarkeit und Vorweisbarkeit“.

Der Glaube Abrahams und das messianische Gottesvolk 4,1-25 465 ————————————————————————————————————

Gott ihm zur Gerechtigkeit anrechnete. Die Beschneidung ist „eine nachträgliche Bestätigung für die Rechtsgültigkeit der Glaubensgerechtigkeit“.97 Die Apposition den er im Zustand der Unbeschnittenheit hatte (τηñ ς ε� ν τηñ, α� κροβυστι' α, ) ist auf den unmittelbar zuvor erwähnten Glauben zu beziehen:98 Abraham glaubte, als er unbeschnittener Sünder war (V. 5.10). Die Beschneidung ist Zeichen und Siegel der Gerechtigkeit, die Abraham aufgrund seines Glaubens von Gott zuteilwurde. Die mit der Präpositionalwendung angesprochene zeitliche Sequenz sieht demnach so aus: Glaube → Gerechtigkeit → Beschneidung. Paulus beschreibt das Ziel bzw. die Konsequenz des Glaubens Abrahams, der zu seiner Gerechtsprechung und schließlich zu seiner Beschneidung führte, mit zwei durch ει� ς το' [eis to] eingeleiteten Formulierungen.99 Der Satz damit er Vater aller Menschen sei, die im Zustand der Unbeschnittenheit glauben beschreibt das Ziel, das Gott mit der Gerechtsprechung Abrahams aufgrund seines Glaubens verfolgte, der in dessen späterer Beschneidung dokumentiert wurde. Die Beschneidung Abrahams, die Zeichen bzw. Siegel ist, hat nichts mit dem Glauben bzw. der Glaubensgerechtigkeit als Inhalt des Siegels zu tun. In der Geschichte Abrahams geht es um die grundlegende Absicht Gottes, der allen Menschen, auch den Heiden, Heil zusprechen will. Der Glaube Abrahams, den Gott ihm zur Gerechtigkeit anrechnete, als er ein unbeschnittener Heide war (V. 10), macht ihn zum „Vater aller Menschen“ (πα' τερ πα' ντων), auch der Menschen, „die im Zustand der Unbeschnittenheit glauben“ (τω ñ ν πιστευο' ντων δι´ α� κροβυ100 στι'ας). Der Satz sodass ihnen Gerechtigkeit angerechnet wird (ει� ς το` λογισθηñ ναι αυ� τοιñς τη` ν δικαιοσυ' νην) beschreibt die Folge des Glaubens der unbeschnittenen Heiden: Wer als Heide dem Heilswort Gottes glaubt, wie Abraham geglaubt hat, bekommt von Gott – wie Abraham – die Gerechtigkeit angerechnet. Abraham ist der Vater der Heiden, die Gott und seinem Heilswort glauben und von Gott Gerechtigkeit zugesprochen bekommen. Nach mBik 1,4 können Proselyten, d.h., zum jüdischen Glauben übergetretene Heiden, die Patriarchen (einschließlich Abrahams) nicht „meine Väter“ nennen: „Folgende bringen die Erstlinge dar ohne Rezitierung (von Deut 26,3-11): Der Proselyt bringt dar und rezitiert nicht, weil er nicht sagen kann: Das du unseren Vätern geschworen hast, uns zu geben (Deut 26,3). Wenn aber seine Mutter aus Israel stammte, bringt er dar und rezitiert. Wenn er (ein Proselyt) für sich allein betet, spricht er: ‚Der Gott der Väter Israels‘; wenn er sich in einer ———————————————————

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Lohse 152. Käsemann 109: Abrahams Beschneidung ist für Paulus „die Dokumentation und Legitimation der Glaubensgerechtigkeit“. Cranfield I 264 bezieht τηñ ς ε� ν τηñ, α� κροβυστι' α, auf δικαιοσυ' νης Zum finalen ει� ς το' s. HvS §259j, zum konsekutiven ει� ς το' ebd. §259i. δια' bezeichnet hier den begleitenden Umstand; Bauer / Aland s.v. δια' A.III.1c.

466 Römerbrief ———————————————————————————————————— Synagoge befindet, spricht er: ‚Der Gott eurer Väter‘; wenn aber seine Mutter aus Israel stammte, spricht er: ‚Der Gott unserer Väter‘.“101 Diese Position wird in yBik 1,4,64a,10-19 ausdrücklich abgelehnt: „Haben wir nicht dieses gelernt: Wenn seine Mutter aus Israel war, (dann) sagt er: Gott unserer Väter? (mBik 1,4). Proselyten, Kinder von Proselyten also (sagen dieses) nicht. Rabbi Yosa sagte: Binyamin bar ‘Ashtor stellt es vor H.iyya bar Ba fest. Rabbi H.izqiyya (sagte) im Namen von Rabbi H.iyya bar Ba: Bar ‘Ashtor stellt es vor uns fest: Von (dem Sohn) eines Heiden, der gesetzeswidrig eine Israelitin schwängerte, handelt die Mischna. Rabbi Zeriqan sagte: Rabbi Ze‘ira wandte ein: Sagt man das nicht nur hinsichtlich Abrahams und Isaaks und Jakobs? Ja, waren denn Abraham, Isaak und Jakob etwa ihre Väter? Hat der Heilige, gepriesen sei er, nicht (nur) den Männlichen, (sondern) vielleicht (auch) den Weiblichen geschworen?102 Es wurde im Namen von Rabbi Yehuda gelehrt:103 Der Proselyt bringt selbst dar und liest. Was ist die Begründung (dafür)? (Es steht geschrieben:) „Denn zum Vater vieler Völkern habe ich dich gemacht“ (Gen 17,5). Vormals warst du der Vater Arams.104 Und nun, von jetzt an und weiterhin bist du der Vater aller Völker. Rabbi Yehoschua‘ ben Levi sagte: Die Halakha ist wie Rabbi Yehuda. Die Angelegenheit kam vor Rabbi Abbahu und er lehrte wie Rabbi Yehuda.“105 Das heißt, nach Rabbi Yehuda können Proselyten Gebete, in denen von den Patriarchen mit der Wendung „unsere Väter“ die Rede ist, mitsprechen, weil Abraham ihr jüdischer Vater ist. Dies gilt deshalb, weil Abraham nach Gen 17,5 ein Vater vieler Völker ist.106 Im Kontext von mBik 1,4 sagt Paulus mit der Bezeichnung Abrahams als Vater von Heiden radikal Neues, nicht jedoch nach Meinung von R. Jehuda (abgesehen von der Betonung des Glaubens). Paulus wertet in V. 11 die Beschneidung nicht, wie oft gesagt wird,107 pauschal ab, wie V. 12 belegt, noch ersetzt er den Bund Gottes mit Abraham/ Israel einfach durch die Glaubensgerechtigkeit, wie 3,1 und 9,4 zeigen.108 Paulus verwendet in V. 11 das Siegel der ———————————————————

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Bill. III, 211; vgl. Cohen, Jewishness, 308-309. Cohen, Jewishness, 328 kommentiert: „Natürlich nicht. Wie ist es dann möglich, dass ein Proselyt, der eine israelitische Mutter hat, das Bekenntnis rezitieren kann? Die Frage bleibt unbeantwortet.“ Hecker, Bikkurim, 17 Anm. 142: „Der Streitpunkt ist, ob die Abstammung der Mutter in diesem Fall relevant ist, denn das Land wurde den Erzvätern zu geben versprochen. Nach Binyamin bar ‘Ashtor ist daher der Vater das entscheidende Kriterium, und dieser kann als Nichtjude nicht sagen, daß das Land seinen Vätern versprochen wurde“. Hecker, Bikkurim, 17 Anm. 143: In tBik 1,2 lehrt R. Yehuda mBik 1,4 Entgegengesetztes. D.h., ‫( אברם‬Abram) wird als ‫( אב ארם‬Vater Arams) gedeutet. Übers. von Hecker, Bikkurim, 16-17. Cohen, Jewishness, 328-329, mit Verweis auf 1Makk 12,21 u. Josephus, Ant. 12,266, wo Spartaner und Juden als Verwandte bezeichnet werden: Beide stammen von Abraham ab. Wilckens I 265: „Die Glaubensgerechtigkeit … nimmt die Stelle ein, die in Gen 17,11 der Bund hat, der dort erst mit der Beschneidung geschlossen wird. So ist der Charakter der Beschneidung als Bundeszeichen, durch das Israel vor den Völkern ausgezeichnet ist, eliminiert.“ Wilckens ebd. 166 argumentiert gegen Klein, Idee, 154-156, der von der Destruktion der jüdischen Heilsgeschichte durch Paulus spricht: Israel sei mitsamt seiner Geschichte „radikal entheiligt und paganisiert … mit aller Schärfe aus der Nachkommenschaft Abrahams eliminiert“ (159). Zur Kritik an Klein: Sänger, Verkündigung, 106-118. Neubrand, Abraham, 222-223; allerdings geht es Paulus nicht darum, „neben dem Judentum die neue und gleichwertige Erwählung der Jesusanhängerschaft aus den Völkern zu legitimieren“ (Hervorhebung Schnabel). Paulus geht es in V. 11-12 gerade darum, zu zeigen, dass der Glaube als alleiniger Grund der Gerechtigkeit auch für die Juden gilt und seit Abraham schon immer gegolten hat.

Der Glaube Abrahams und das messianische Gottesvolk 4,1-25 467 ———————————————————————————————————— Beschneidung nicht negativ als Spitze gegen die Juden: Er leitet V. 11 nicht mit einem kontrastierenden α� λλα' ein, sondern mit einem koordinierenden και' .109 Paulus betont die Priorität des Glaubens und die von diesem abhängige Bedeutung der Beschneidung. Eine Abwertung liegt nur dann vor, wenn sich Juden auf die Beschneidung als Garantie von Erwählung und Heil verlassen, am Glauben vorbei, der nach Gen 16,5 effektive Grundlage für die Gerechtigkeit ist, die Gott den Sündern zurechnet. Zur Kontinuität des Glaubens in der Heilsgeschichte s. unten IV. Bei V. 11 wird oft angenommen, dass Paulus mit dem Wort σφρα' γις auf die christliche Wassertaufe anspielt und die Beschneidung als proleptisches Siegel der Glaubensgerechtigkeit deutet.110 Im Blick auf das Argument, „urchristliche Bildersprache“ bezeichne die Taufe als „Siegel“,111 ist zu beachten, dass die frühesten Belege in die Mitte des 2. Jh. n.Chr. datieren.112 Paulus bezeichnet die von ihm gegründete Gemeinde als „Siegel“ seines Apostelamts (1Kor 9,2), ohne an die Taufe zu denken. Wenn Paulus in 2Kor 1,22 davon spricht, dass Gott uns „sein Siegel aufgedrückt“ und uns seinen Geist gegeben hat, ohne explizit von der Taufe zu sprechen.113 Ein Bezug auf die Taufe ist unwahrscheinlich.114 Paulus sah den Empfang des Heiligen Geistes bei der Bekehrung als endzeitliches Äquivalent bzw. Erfüllung der atl. Beschneidung. In Röm 2,29 bezeichnet Paulus jene Beschneidung als die rechte Beschneidung, „die am Herzen vollzogen wird, im Geist, nicht im Buchstaben“. In Phil 3,3 schreibt er, dass wir „die Beschnittenen“ sind, „die wir im Geist Gottes dienen“. Das „Siegel des Geistes“ (2Kor 1,22) ist im Zusammenhang mit der Gabe des Heiligen Geistes zu sehen (2Kor 3,3.6). Diese Aussagen sind im Rahmen einer Kombination von Vorstellungen zu verstehen, die mit dem Stichwort „Beschneidung“ zusammenhängen: Die Beschneidung des Herzens (Deut 30,6), das ins Herz geschriebene Gesetz (Jer 31,33), das neue Herz und der neue Geist (Hes 36,26; vgl. Jub 1,23).

In V. 12 sichert der Satz sowie Vater der Beschneidung (και` πατε' ρα περιτομηñ ς) die primäre und grundlegende Geltung des vertrauenden Glaubens an Gott auch für die „Beschneidung“ (περιτομη' ), d.h. für die Juden.115 Das Heil, das seinem Wesen und seinem Inhalt nach nichts mit der Beschneidung zu tun hat, sondern allein an dem Glauben an Gott hängt, der den Glauben dem Sünder zur Gerechtigkeit anrechnet, gilt auch für die

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Flebbe, Solus Deus, 230 meint, Paulus stelle in V. 11 die περιτομη' als Mittel Gottes dar, „die Universalität von Abrahams Vaterschaft und Gottes Heil auch für die Juden zu garantieren“. Es ist nicht die Beschneidung, sondern der Glaube, der sowohl Abrahams Vaterschaft wie auch Gottes Heil garantiert. Käsemann 109; Wilckens I 267 als begründete Möglichkeit. Michel 166. Herm s 8,2.3-4; 6,3; 9,16,4; 16,3-7; 17,4; 2Klem 7,6; 8,6; ActPaul 25. Fitzer, ThWNT III, 953-954; Wilckens I 267; vgl. Thrall, Second Corinthians I, 157-158. Ein Bezug auf die Taufe wird von den meisten Exegeten für 2Kor 1,22 angenommen; vgl. Schmeller, Korinther I, 114 mit Anm . 147. Lohse 152; Jewett 319; Schippers / Heiligenthal, ThBLNT II, 1118; für das Folgende s. Dunn I 209-210. V. 12 και` πατε' ρα περιτομηñ ς ist abhängig von ει� ς το` ειòναι αυ� το' ν V. 11 und damit parallel zu πατε' ρα πα' ντων τω ñ ν πιστευο' ντων δι’ α� κροβυστι' ας.

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Juden.116 Abraham ist aber nur dann Vater der Juden, wenn sie Menschen sind, die nicht nur zur Beschneidung gehören, sondern auch den Spuren des Glaubens folgen, den unser Vater Abraham im Zustand der Unbeschnittenheit hatte. Beschnittener Jude sein genügt nicht, weil die Beschneidung nur das Zeichen und Siegel der zeitlich und sachlich primären Wirklichkeit des Glaubens an Gott ist, der den Sünder rechtfertigt (V. 5). Abraham ist nur für die Menschen Vater, die glauben, wie er geglaubt hat. Das Wort »ιχνος bezeichnet oft die „Fußsohle“ als Körperteil, sodann die „Fußspur“, die man verfolgen kann.117 Den Fußspuren Abrahams „folgen“ (στοιχε' ω) bedeutet, im Bild gesprochen, genau dort entlangzugehen, wo Abraham gegangen ist. Paulus spricht metaphorisch. Die Fußspuren „unseres Vaters Abraham“ (τουñ πατρο` ς η� μω ñ ν �Αβραα' μ) sind die „Spuren des Glaubens“ (τοιñς »ιχνεσιν τηñ ς … πι'στεως). Jesaja formuliert das Vorbild Abrahams für das jüdische Volk für die Verwirklichung von Gerechtigkeit und für die Erneuerung des Volkes Gottes: „Hört auf mich, die ihr der Gerechtigkeit nachjagt und die ihr den Herrn sucht. Blickt auf den Felsen, aus dem ihr gehauen seid, auf den Schacht, aus dem ihr herausgebohrt wurdet. Blickt auf Abraham, euren Vater, und auf Sara, die euch gebar. Er war allein, als ich ihn rief; doch ich habe ihn gesegnet und ihm viele Nachkommen geschenkt. Denn der Herr hat Erbarmen mit Zion, er hat Erbarmen mit all seinen Ruinen. Seine Wüste macht er wie Eden, seine Öde wie den Garten des Herrn. Freude und Fröhlichkeit findet man dort, Lobpreis und den Klang von Liedern“ (Jes 51,1-3; EÜ).

Paulus betont noch einmal: Die entscheidende Wirklichkeit ist der Glaube Abrahams, den er „im Zustand der Unbeschnittenheit“ hatte (τηñ ς ε� ν α� κροβυστι'α, πι'στεως). Er ging den Weg des Glaubens als unbeschnittener Sünder (V. 5). Abraham ist dann der Vater der Juden, wenn sie an das Heilswort ———————————————————

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Flebbe, Solus Deus, 230: Aufgrund der Aussage von V. 10, dass die Anrechnung des Glaubens zur Gerechtigkeit erfolgte, als Abraham unbeschnitten war, könnte das Missverständnis entstehen, dass die Juden aufgrund ihrer Beschneidung von dem Anrechnen Gottes und damit von dem an Abraham sichtbar gewordenen Heil Gottes ausgeschlossen sind. „Der Sinn von V.11.12 liegt also in dem ersten και' von V.12, das die Juden mit ins Boot holt.“ Vgl. A. Stumpff, ThWNT III, 405-406; in P.Cair.Zen. III, 59475 berichtet ein gewisser Nikias, dass ein Fohlen entlaufen sei; ein Suchtrupp sei seinen Spuren gefolgt (Z. 11-12) und habe es schließlich gefunden; Arzt-Grabner, 2. Korinther, 526 (zu 2Kor 12,18). Petrus spricht vom Folgen in den Fußspuren Christi (1Petr 2,21). Die „Fußspuren“ (τα` »ιχνη) des Gottes Men Axiottenos (CMRDM III, 25; vgl. Horsley/Llewelyn, New Documents III, 68) sind hier nicht relevant (gegen Jewett 320 Anm. 170). Relevanter sind die in Fels eingemeißelten Fußspuren in Isistempeln in Delos und Beneventum, die wahrscheinlich die Tatsache symbolisieren sollen, „that the pilgrim has trodden in the path of the goddess. He could think of himself as ‚in step‘ and ‚foot to foot‘ with Sarapis“ (Witt, Isis, 196; vgl. Horsley/ Llewelyn V, 144).

Der Glaube Abrahams und das messianische Gottesvolk 4,1-25 469 ————————————————————————————————————

Gottes glauben, wie Abraham an das Verheißungswort Gottes geglaubt hat.118 Abraham ist Vorbild und Standard des Glaubens, den Gott Sündern zur Gerechtigkeit anrechnet, für Heiden wie für Juden. Sünder, die unter dem Zorn Gottes stehen (1,18–3,20), können Gottes Gerechtigkeit und damit die Vergebung der Sünden und den Freispruch im Endgericht nur durch den Glauben an Gott erlangen, jenseits von menschlichen Leistungen und jenseits der Beschneidung.119 I 13 Denn die Verheißung, dass er der Erbe der Welt sein sollte, erging an Abraham oder seine Nachkommenschaft nicht durch das Gesetz, sondern durch die Gerechtigkeit aufgrund des Glaubens. 14 Denn wenn die Menschen, die nach dem Gesetz leben, Erben wären, würde der Glaube um seine Wirkung gebracht und die Verheißung aufgehoben. 15 Denn das Gesetz zieht Zorn nach sich. Wo aber kein Gesetz ist, da gibt es auch keine Übertretung. 16 Deshalb gilt: aus Glauben, damit auch gilt: aus Gnade. Damit bleibt die Verheißung für die gesamte Nachkommenschaft gültig, nicht nur für den, der aus dem Gesetz lebt, sondern auch für den, der aus dem Glauben Abrahams lebt, der unser aller Vater ist 17 – wie geschrieben steht: Ich habe dich zum Vater vieler Völker bestimmt – vor dem Gott, an den er glaubte als den, der die Toten lebendig macht und dem Nichtseienden ruft, damit es sei. II Nachdem Paulus gezeigt hat, dass die Gerechtigkeit Abrahams nichts mit der Beschneidung zu tun hatte, argumentiert er in diesem Abschnitt, dass ———————————————————

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A. Stumpff, ThWNT III, 406 missversteht den Duktus der Argumentation in V. 12, in dem es nicht um den Glauben der Heiden geht, sondern um den Glauben der Juden: „Nun dienen die nachhaltigen Spuren des Abrahamglaubens dazu, den ου� κ ε� κ τηñ ς περιτομηñ ς kommenden Gläubigen ihren Standort in derselben Linie zu geben: durch die »ιχνη wird die πι' στις Abrahams in ihrem Wesen den Heiden zugänglich.“ Mit α� λλα` και` τοιñς στοιχουñ σιν wird keine zweite Menschengruppe eingeführt (gegen u.a. Zahn 225227; Sänger, Verkündigung, 110): τοιñς bezieht sich auf οι� ε� κ περιτομηñ ς; es ist kein Eingriff in den Text notwendig; Lohse 152 Anm. 12 gegen Michel 167 Anm. 6 (und ähnlich Weiß 197; Lietzmann 54; Cranfield I 237); s. auch Kraus, Volk Gottes, 278-279. Wenn der Glaube an Gott für Abraham entscheidend ist, gilt dies im Sinn der Metapher „Vater“ für alle seine Nachkommen – Abrahams Glaube ist nicht nur ein Analogiefall (Koch, Schrift, 308; Sänger, Verkündigung, 280), sondern die Wirklichkeit, die das Verhältnis zu Gott und den Status als Gerechter bestimmt. Haacker 123: Aus V. 12 ergibt sich die bleibende Gültigkeit der Beschneidung für Judenchristen. Paulus setzt die Beschneidung für Juden voraus; ob Judenchristen sich beschneiden lassen sollen, sagt er nicht.

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diese auch vom Gesetz unabhängig ist. Paulus betont die Priorität der Verheißung (ε� παγγελι'α, V. 13.14.16), die mit Gerechtigkeit (δικαιοσυ' νης; V. 13), Glaube (πι'στις; V. 13.14.16[2x]) und Gnade (χα' ρις, V. 16) verbunden ist, und spricht kontrastierend vom Gesetz (νο' μος; V. 13.14.15[2x].16), das mit Zorn (ο� ργη' ) und Übertretung (παρα' βασις; V. 15) verbunden ist. Paulus erläutert den Kontrast zwischen Werken und Glauben jetzt als Kontrast zwischen dem Gesetz und dem Glauben, mit demselben Argumentationsziel: Abraham ist der Vater von Juden und Heiden aufgrund seines Glaubens, der ihm zur Gerechtigkeit angerechnet wurde. Paulus betont, dass die Verheißung, die Abraham von Gott erhielt und die Grundlage und Inhalt seines Glaubens war, mit dem Gesetz nichts zu tun hat, das für seinen jüdischen Gesprächspartner zum unabdingbaren Kernprozess der Geschichte Gottes mit Israels gehörte. Textkritische Anmerkungen. In V. 15 ersetzen ‫א‬2 D F G Ψ 1739 1881 Byz sy die Partikel δε' (‫ *א‬A B C 81 104 945 1506 u.a. syhmg) durch γα' ρ, das schlechter bezeugt und vielleicht Assimilierung an V.13.14.15 ist.120 In V. 16 fügen A 1505 u.a. ηò, vor κατα` χα' ριν ein, was als sekundäre Verbesserung des Textes zu werten ist. III

13 Paulus begründet die Priorität des Glaubens Abrahams gegenüber seiner

Beschneidung (V. 9-12) mit der Priorität der Verheißung gegenüber dem Gesetz. Es geht konkret um die Verheißung, dass er der Erbe der Welt sein sollte. Das Wort „Verheißung“ (ε� παγγελι'α [epangelia])121 bezeichnet die „Zusage“, das „Versprechen“.122 Gott bleibt als Urheber der Verheißung ungenannt (zu η� ε� παγγελι'α ist ε� γε' νετο zu ergänzen). Im Alten Testament gibt es kein direktes hebr. Äquivalent zu griech. ε� παγγελι' α. In der LXX kommt das Subst. ε� παγγελι' α nur in Ps 55,9 LXX; Est 4,7; Am 9,6; Esdras I 1,7; 1Makk 10,15; 4Makk 12,9 vor, das Verb ε� παγγε' λλω in Spr 13,12; Est 4,7; 1Makk 11,28; 2Makk 2,18; 4,8.27.45; 3Makk 1,4; 2,10; Sir 20,23; Weish 2,13. Im Alten Testament werden Gottes Zusagen und Zusicherungen mithilfe allgemeiner Ausdrücke des Redens formuliert. Philo ———————————————————

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Zahn 228 Anm. 64; Lagrange 93; Michel 169 Anm. 6 bevorzugen γα' ρ. Anders Wilckens I 271; Cranfield I 241; Dunn I 196; Penna 316; Jewett 322. J. Schniewind / G. Friedrich, Art. ε� παγγε' λλω κτλ., ThWNT II, 573-583; A. Sand, Art. ε� παγγελι' α κτλ., EWNT II, 34-40; G. M. Saß, ThBLNT II, 1743-1749; Saß, Leben, 50-70. Das häufigste griech. Wort für das Versprechen ist υ� πισχνε' ομαι, das Saß, Leben, 51 im Anschluss an Schmidt, Handbuch, 229 mit „ein Anerbieten aus freien Stücken … das immer eine Pflicht in sich schließt“ definiert, davon abgesetzt ε� παγγε' λλομαι als „Begriff des freien Anerbietens, zu dem man durch nichts gezwungen war“. Allerdings werden die beiden Vokabeln in der Lit. als Synonyme verwendet; Schniewind / Friedrich, ThWNT II, 574 Anm. 5; Saß, ebd. 51.

Der Glaube Abrahams und das messianische Gottesvolk 4,1-25 471 ———————————————————————————————————— verwendet meistens υ� πισχνε' ομαι (ε� παγγελι' α nur in Philo, Mut. 201), Josephus häufiger ε� παγγε' λλω (13 Mal, neben 19 Vorkommen von υ� πισχνε' ομαι), ebenso ε� παγγελι' α (Josephus, Ant. 1,236; 2,115.219.230; 3,24.77; 5,307; 7,378; 14,31). Im Neuen Testament ist das Verb ε� παγγε' λλω 15 Mal belegt, in theologischer Bedeutung 5 Mal bei Paulus (Röm 4,21; Gal 3,19; 1Tim 2,10; 6,21; Tit 1,2), das Subst. ε� παγγελι' α 52 Mal, in profanem Sinn nur in Apg 23,21, sonst als theologischer Fachbegriff, vor allem bei Paulus (26 Mal: Röm 4,13.14.16.20; 9,4.8.9; 15,8; 2Kor 1,20; 7,1; Gal 3,14.16.17.18[2x].21.22.29; 4,23.28; Eph 1,13; 2,12; 3,6; 6,2; 1Tim 4,8; 2Tim 1,1. P. Arzt-Grabner meint, der Ausdruck ε� παγγελι' α ist Paulus wahrscheinlich im Handwerksbereich begegnet, „im Sinne einer fixen Zusage oder einer fachlich kompetenten und verlässlichen Zusicherung“.123 Die Verwendung von ε� παγγελι' α im amtlichen Brief eines römischen Präfekten in Ägypten, wahrscheinlich Q. Aemilius Saturninus, im Sinne einer Weisung (P.Coll.Youtie I 30, Z. 10) unterstreicht „die dahinter stehende (höchstmögliche) Autorität, der die Durchsetzung und somit Gültigkeit der ε� παγγελι' α zugetraut werden kann“.124

Die Verheißung,125 von der Paulus spricht, ist die Zusicherung zahlreicher Nachkommen (Gen 15,5), denen das Land gehören soll, das Gott Abraham geben wird (Gen 15,7). In Gen 15,6 ist vom Glauben Abrahams die Rede, den Gott ihm zur Gerechtigkeit anrechnete.126 Die Wendung „Erbe der Welt“ (κληρονο' μος κο' σμου) verweist auf die grundlegende Rolle, die der Gedanke des „Erbes“, fast ausschließlich auf das Land Kanaan bezogen, in der Bundesbeziehung zwischen Gott und Israel spielte (vgl. Ex 15,17; Num 34,2.29; Deut 19,10; 25,19; 26,1; Jos 11,23; u.a.).127 Weil das hebr. Wort für „Land“ (‫’[ ֶא ֶרץ‬äräz], Gen 15,7) sowohl das Land Kanaan als auch die ganze Erde bezeichnen kann (Gen 1,1), kam es in der jüdischen Tradition zu einer universalistischen Deutung der Abrahamsverheißung (so in Jub 17,3; 22,14-15; 32,19, von Gen 13,1415 ausgehend; vgl. äthHen 5,7; Philo, Som. 1,175; Mos. 1,155). In Sir 44,21 heißt es im Blick auf Abraham: „Darum hat ihm Gott mit einem Eid zugesichert, durch seine Nachkommen die Völker zu segnen, sie zahlreich zu machen wie den Staub auf der Erde und seine Nachkommen zu erhöhen wie die Sterne, ihnen Besitz zu geben von Meer zu Meer, vom Eufrat bis an die Grenzen der Erde (ε«ως α» κρου τηñ ς γηñ ς).“ Gegen diese Tradition betont Paulus, dass die Verheißung nicht der Lohn für den Gesetzesgehorsam Abra———————————————————

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Arzt-Grabner, 2. Korinther, 223, mit Verweis auf P.Ryl. IV 593, wo ε� παγγελι' α geschäftliche Angebote bezeichnet; P.Herm. 12 (Zusicherung eines Handwerkers). Arzt-Grabner, 2. Korinther, 223 (Verweis auf die Edition in SB XIV 12144); der Text ist mit Übersetzung (und Kommentar) abgedruckt in Horsley/Llewelyn, New Documents I, 47-51. In P.Oxy.Hels. I 23, 36.42 bezeichnet ε� παγγελι' α eine Drohung (ebd. IV, 95-99). Der Inhalt der Verheißung ist mit einem AcI formuliert (Apposition zu ε� παγγελι' α). Die Verheißung von Nachkommen und von Land kommt in der Abrahamgeschichte mehrfach vor – die Verheißung von Nachkommen / Samen in Gen 12,2; 13,16; 18,18; die Verheißung von Land in Gen 12,1.7; 13,14.15.17; 15,18-21; 17,8. Vgl. Lohfink, Landverheißung; Davies, Gospel.

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hams ist. In der jüdischen Eschatologie werden im Anschluss an die universalistisch gedeutete Abrahamverheißung die Gerechten zu Herrschern über die Welt eingesetzt.128 Manche sehen deshalb in dem Ausdruck „Erbe der Welt“ eine Anspielung auf den Messias als Erneuerer der Welt, der sie in Besitz nehmen und die Abrahamverheißung erfüllen wird.129 Andere sehen allgemeiner eine Anspielung auf die Wiederherstellung der Schöpfungsordnung Gottes, die für das Eschaton erwartet wurde.130 Paulus verwendet das Motiv des Erbens in Gal 5,21; 1Kor 6,9; 15,50 eschatologisch im Sinn des Erbens des Reiches Gottes, das allerdings nicht als geographischer Ort verstanden wird. Der Ausdruck „Welt“ (κο' σμος [kosmos]) ist bei Paulus nirgends für die zukünftige Welt gebraucht; er ist nicht als Hinweis auf die Landverheißung zu sehen, sondern auf die Verheißung einer universalen Nachkommenschaft,131 komplementär zur biologischen Nachkommenschaft, die in der Angabe der Empfänger der Verheißung zur Sprache kommt: Abraham und seine Nachkommenschaft. Das mit „Nachkommenschaft“ übersetzte Wort σπε' ρμα [sperma] verweist zunächst auf Isaak und Jakob, die unmittelbaren biologischen Nachkommen Abrahams, für die Gott den Bund mit Abraham samt den Verheißungen erneuerte (Isaak: Gen 17,19.21; 24,7; 26,2-5.24; Jakob: 28,3-4.13-15; 32,13; 35,10-12; 48,4; vgl. 27,29). Weil Gottes Verheißung an Abraham, Isaak und Jakob von „Völkern (der Erde)“ spricht (Abraham: Gen 17,4.5.6.16; 18,18; 22,18; 26,4; Isaak: 27,29; 28,3; Jakob: 35,11; 48,4); von „Völkern der Erde“ (‫ ;ג ּ ֹוֵיי ָהָא ֶרץ‬τα` ε» θνη τηñ ς γηñ ς) ist in Gen 18,18; 22,18; 26,4 die Rede. Damit wird σπε' ρμα universalistisch auf den κο' σμος [kosmos], die Welt der Völker, ausgedehnt.132 Die im griech. Text an den Beginn des Satzes gestellte Wendung nicht durch das Gesetz (ου� γα` ρ δια` νο' μου [ou gar dia nomou]) unterstreicht die Aussageabsicht des Apostels, die 3,21 (χωρι`ς νο' μου [chōris]) bestätigt: Die für Israel grundlegende Abrahamverheißung wurde nicht durch die Tora ———————————————————

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Wilckens I 269 mit Verweis auf syrApkBar 14,13; 51,3; 4Esr 7,119; Philo, Mos. 1,55. Michel 168 Anm. 2; vgl. Kühl 143; Kuss I 187-188; Schlier 129; Käsemann 113; Stuhlmacher 69. Vgl. Hebr 1,2: „In dieser Endzeit aber hat er zu uns gesprochen durch den Sohn, den er zum Erben des Alls eingesetzt und durch den er auch die Welt erschaffen hat“ (EÜ), wohl im Anschluss an Ps 2,7-8. Dunn I 213; vgl. Wright, Paul, 730.815. Vgl. M. Wolter, Art. κο' μος, ThBLNT II, 1890: Im NT spielt das Land als Bestandteil von Israels Erwählung keine Rolle, was sich darin zeigt, dass es unter den in Röm 9,4-5 genannten Erwählungsmerkmalen Israels fehlt und dass in 4,13 die an Abraham ergangene Landverheißung zur Verheißung einer Inbesitznahme des Kosmos wird. Zur Traditionsgeschichte Käsemann 113-114; Theobald I 127-128. Zu Philo s. Moxnes, Theology, 130-164. In Gal 3,16 wird σπε' ρμα messianisch gedeutet, was sich bei Paulus höchstens im Rückblick von Röm 8,14-17 her sagen lässt; vgl. Saß, Leben, 391.

Der Glaube Abrahams und das messianische Gottesvolk 4,1-25 473 ————————————————————————————————————

vermittelt, sondern durch die Gerechtigkeit aufgrund des Glaubens (α� λλα` δια` δικαιοσυ' νης πι'στεως). In der jüdischen Tradition wurde die Abrahamverheißung mit Abrahams Halten der Gebote bzw. der Gesetzestreue der Gerechten verbunden: Sir 44,20-21: „Er hielt das Gebot des Höchsten und trat in einen Bund mit ihm. Wie ihm befohlen wurde, hat er sich beschnitten; in der Prüfung wurde er treu befunden. Darum hat ihm Gott mit einem Eid zugesichert, durch seine Nachkommen die Völker zu segnen“ (EÜ). syrApkBar 14,12-13; 46,5-6: „Denn die Gerechten haben gute Hoffnung auf das Ende und gehen ohne Furcht aus diesem Wohnsitz, dieweil sie bei dir einen Schatz von guten Werken haben, der in der Vorratskammer aufbewahrt wird. Darum verlassen sie auch furchtlos diese Welt, und voller freudigen Vertrauens erwarten sie, die Welt zu empfangen, die du ihnen verheißen hast … Bereitet einzig allein euer Herz, daß ihr dem Gesetze gehorsam seid und untertänig denen, die in (Gottes-)Furcht weise und verständig sind. Bereitet eure Seele, daß ihr nicht von ihnen weicht! Tut ihr das, so werden die verheißenen guten Botschaften zu euch kommen, von denen ich vorher zu euch sprach; nicht aber werdet ihr der Pein verfallen, von der ich euch zuvor gesagt habe“ (A. F. J. Klijn).133

Paulus argumentiert gegen dieses Verständnis der Abrahamverheißung: Für Abraham und für alle späteren Generationen von Juden sowie für die Völker der Erde gilt, dass die Verheißung ohne Beteiligung des Gesetzes zugesagt wurde und dass das Heil Gottes nur durch den Glauben erlangt werden kann, den Gott Sündern zur Gerechtigkeit anrechnet. Abraham ist der Vater der Juden sowie der Heiden nicht aufgrund des Gesetzes, sondern infolge der Verheißung Gottes, die im Glauben angenommen wird, den Gott zur Gerechtigkeit anrechnet. Die Aussage beinhaltet folgende Logik: Ohne Gerechtigkeit gibt es keine Beziehung zu Gott; ohne die Annahme der Verheißung Gottes gibt es keine Beziehung zu Gott; die Verheißung kann nur im vertrauenden Glauben angenommen werden; damit ist der Glaube die Grundlage der Beziehung zu Gott.134 14 Paulus klärt in den folgenden Aussagen, wer die Erben der Verheißung Gottes an Abraham sind. Das Argument, dass die Grundverheißung Israels nichts mit dem Gesetz zu tun hat (V. 13), wird so begründet: Denn wenn ———————————————————

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Zum Land in syrApkBar s. Lied, Lands of Israel; ebd. 273-279 zur Abrahamverheißung. Kraus, Volk Gottes, 282 hat recht, wenn er schreibt: „Die Glaubenden sind nach Aussage von Röm 4,11.13 von vornherein σπε' ρμα �Αβραα' μ“; die Fortsetzung – „auch wenn nach Röm 1,16f; 3,1-8; 11,16-24 der erwählungsgeschichtliche Vorzug der Juden durch das Evangelium nicht angetastet wird … die Juden sind σπε' ρμα �Αβραα' μ im Sinne der ε� παγγελι' α“ – hat dann recht, wenn sie sagen will: Juden gehören zur heilsrelevanten Erwählungsgeschichte nach Paulus nur dann, wenn sie mit Glauben auf Gottes Verheißung und (die jetzt neue) Heilsoffenbarung antworten. Die Betonung des Glaubens in 4,5.11.12.13 gilt nicht nur für die Heiden als Erben der Abrahamverheißung, sondern gerade auch für die Juden (4,14). Das hat Neubrand, Abraham, 259-260 nicht beachtet.

474 Römerbrief ————————————————————————————————————

die Menschen, die nach dem Gesetz leben, Erben wären, würde der Glaube um seine Wirkung gebracht und die Verheißung aufgehoben. Der Ausdruck „die Menschen, die nach dem Gesetz leben“ (οι� ε� κ νο' μου) sind faktisch die Juden, deren Leben und Identität vom Gesetz bestimmt ist. Die Frage ist: Wer sind die legitimen „Erben“ (κληρονο' μοι) der Verheißung an Abraham? Paulus antwortet: Nicht die Beschnittenen (V. 9-12) als solche; hier: nicht Juden aufgrund ihres Gesetzesgehorsams. Wenn Beschneidung und Gesetzesgehorsam garantieren, dass man Erbe der Verheißung an Abraham ist, dann hätte das Konsequenzen – „der Glaube“ (η� πι'στις), d.h. der Glaube Abrahams,135 würde „um seine Wirkung gebracht“ (κεκε' νωται)136 und die Verheißung Gottes würde „aufgehoben“ (κατη' ργηται),137 und das heißt, es gäbe auch Israel nicht. Die Passiva der beiden Verben verweisen auf die Menschen, die behaupten, Gottes Verheißung und damit die Existenz Israels sei ausschließlich an das Gesetz gebunden. Wenn im Verb καταργε' ω der Gedanke mitschwingt, „dass jemand von einer vorgeordneten Machtposition aus etwas ‚ungültig, wirkungslos macht‘“,138 impliziert die Aussage von Paulus, dass solche Menschen sich eine Gott überlegene Macht anmaßen. Weil die in V. 3 zitierte Stelle Gen 15,6 jedoch unzweideutig vom Glauben Abrahams als dem einzigen Kriterium der Gerechtigkeit spricht, kann die Verheißung nicht an das Gesetz gebunden sein. ———————————————————

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Der Artikel verweist anaphorisch auf den in 4,2 eingeführten und in 4,5.9.11.12.13 betonten Glauben Abrahams. In V.4a ist für das Prädikatsnomen κληρονο' μοι ein ει� σι' ν zu ergänzen; NSS II 14. Anders Neubrand, Abraham, 257, die (aus theologischen Gründen) ein Prädikat ergänzen will, „das eine hypothetische Annahme mit Blick auf Abraham zum Ausdruck bringt“ („Wenn die aus einem Gesetz Erben geworden wären …“); zur Bezeichnung eines irrealen Falls würde man in der Apodosis ein α» ν erwarten. Bauer / Aland s.v. κενο' ω 2: „zunichte machen; um seinen Inhalt, Erfolg bringen“, mit Verweis auf Röm 4,14 sowie 1Kor 1,17; 9,15. In den Papyri ist nur die eigentliche Bedeutung belegt: Ausleeren von Gefäßen oder Behältern (P.Münch III 57,14-16; P.Ryl. II 125,24-26), Ausladen von Gütern aus Transportmitteln (P.Ryl. IV 576,3-4); die von Paulus verwendete übertragene Bedeutung „wertlos, nichtig machen“ ist dort nicht belegt; Arzt-Grabner, 1. Korinther, 79. Bauer / Aland s.v. καταργε' ω 1: „außer Wirksamkeit, Geltung setzen, entkräften“, hier in übertragenem Sinn „wirkungslos machen“ (auch Röm 3,3; Gal 3,17); vgl. Röm 3,31; Eph 2,15 („außer Geltung setzen“), 1Kor 1,28 („das zunichte machen, was vorhanden war“). Arzt-Grabner, 1. Korinther, 108 verweist für die aktive Bedeutung „ungültig machen, außer Wirksamkeit setzen“ auf P.Oxy. I 38,17 (der Weber Tryphon beschwert sich, dass Pesuris alias Syrus ihm seine Tätigkeit als Handwerker „unmöglich macht“); PSI Congr. XX 11,5 (ein gewisser Eudaimon „blockiert“ die Dörfer). Arzt-Grabner, 2. Korinther, 283. Wilckens I 270 meint, dass sich die Passiva auf die Geltung der Schrift beziehen, benennt aber nicht die handelnde Person. Michel 168-169 liest aus Passiva ab, dass in dem angesprochenen Fall Glaube und Verheißung „gewaltsam zerstört“ würden; die Passivformen sprechen nicht von einer gewaltsamen Handlung. Kommentatoren versuchen generell nicht, die beiden Passiva zu erklären.

Der Glaube Abrahams und das messianische Gottesvolk 4,1-25 475 ————————————————————————————————————

15 Das Gesetz kann nicht die grundlegende Größe sein, die die Beziehung

Abrahams zu Gott bestimmt: Denn das Gesetz zieht Zorn nach sich. Wenn das Gesetz (ο� νο' μος) auf gottlose Sünder trifft, zu denen Abraham gehörte, ehe Gott ihm seinen Glauben zur Gerechtigkeit anrechnete (V. 5), dann kann es nur den Zorn (ο� ργη' ; s. 1,18) Gottes konstatieren und das Gericht Gottes dekretieren. Das Verb κατεργα' ζομαι betont primär das Resultat einer Aktion: Bauer / Aland s.v. κατεργα' ζομαι 1: „vollenden, ausführen“ (BDAG: „to bring about a result by doing something“; vgl. MM). Röm 4,15 sollte hier aufgeführt werden, nicht unter Bedeutung 2 („hervorbringen, erzeugen, schaffen“); dt. Übersetzungen folgen meistens der zweiten Bedeutung und übersetzen mit „bewirken“ (Elb.Ü, EÜ; Michel, Wilckens, Haacker; vgl. Käsemann, Lohse) oder „schaffen“ (ZÜ); Penna: „la legge infatti produce ira“. LÜ („anrichten“) lässt die Kausalität offen. Als Übersetzung empfiehlt sich „das Gesetz zieht Zorn nach sich“ (NGÜ). GN übersetzt sachlich zutreffend: Das Gesetz „führt in Wirklichkeit zu Gottes Strafgericht“. Die meisten englischen Übersetzungen haben „the law brings wrath“, den Gedanken der Kausalität vermeidend (anders NASB: „the Law brings about wrath“). In den Papyri kommt das Verb fast ausschließlich im Bereich der Landwirtschaft vor, um auszudrücken, dass ein Stück Land „bearbeitet“ oder ein Ernteertrag zu einem Produkt „verarbeitet wird“. Vgl. P.Rev. Kol. XLV 3: Oliven werden zu Öl verarbeitet; P.Mich. I 45,14-15: ein Obstgarten wird „bebaut“; P.Mil.Vogl. II 101,26: ein Weinberg wird „bearbeitet“; SB X 10257: Kupfer wird „verarbeitet“.139

Das Gesetz ist nicht kausal für den Zorn Gottes verantwortlich: Der Grund für den Zorn Gottes ist die Gottlosigkeit des Sünders (1,18). Den Zorn Gottes über die Gottlosigkeit der Sünder aus Heiden und Juden, der sich im Endgericht als Todesurteil auswirkt (1,32), hat Paulus in 1,18–3,20 beschrieben.140 Die folgende Aussage beschreibt die gegenteilige (δε' ) Situation: Wo aber kein Gesetz ist, da gibt es auch keine Übertretung (ουð δε` ου� κ ε» στιν νο' μος, ου� δε` παρα' βασις). Zu der Aussage „Sünde wird nicht verbucht, wenn kein Gesetz da ist“ s. 5,13. Paulus formuliert keinen allgemeinen juristischen Grundsatz (nulla poena sine lege),141 der im Kontext fast entbehrlich wäre. Er behandelt auch hier konkret die an Abraham ergangene Verheißung Gottes: Zur Zeit Abrahams hat es das mosaische Gesetz noch nicht gegeben – Abraham erfuhr die Vergebung seiner Gottlosigkeit (V. 5) nicht durch das Gesetz, sondern durch den Glauben, den Gott ihm zur Ge———————————————————

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Vgl. MM s.v.; Arzt-Grabner, 1. Korinther, 205. Käsemann 114 u.a. verweisen auf 7,8: Das Gesetz provoziert die Übertretung „und treibt damit notwendig … in den Zorn des Richters“. Diese Stelle sollte hier nicht eingetragen werden; s. den Kommentar zu 7,8. Haacker 127: „Paulus argumentiert hier mit dem profanen griechisch-römischen Gesetzesbegriff, der einseitig auf Verbote mit Strafandrohungen fixiert war.“ Zur neuzeitlichen Herkunft des Rechtsgrundsatzes vgl. Brandenburger, Adam, 195.

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rechtigkeit angerechnet hat.142 Für Abraham gab es insofern „keine Übertretung“, als diese von Gott vergeben wurde – aufgrund seines Glaubens, den Gott ihm zur Gerechtigkeit anrechnete (V. 4-6). Dieses Verständnis wird von V. 16 bestätigt. 16 Mit einem begründenden deshalb gilt (δια` τουñ το [ε� στι'ν / γι'νεται]) betont Paulus mit knappen Formulierungen, die größere Sachverhalte zusammenfassen, dass die Verheißung Gottes an Abraham und damit die Vaterschaft Abrahams und die mit dieser verbundenen Gerechtigkeit allein durch den Glauben erlangt wird, nicht durch das Gesetz. Die Wendung aus Glauben (ε� κ πι'στεως [ek pisteōs]) erinnert 1. an den in V. 3 zitierten und in V. 9 wiederholten Basissatz Gen 15,6: Abraham glaubte Gott, was Gott ihm zur Gerechtigkeit anrechnete; 2. an die grundsätzliche Aussage in V. 5, dass Gott den Gottlosen rechtfertigt, dem sein Glaube zur Gerechtigkeit angerechnet wird; 3. an die in V. 11 betonte Priorität des Glaubens und der aufgrund des Glaubens zugesprochenen Gerechtigkeit vor der Beschneidung; 4. an die in V. 12 erwähnten Spuren des Glaubens Abrahams, der der Vater aller Menschen ist, die wie er glauben; 5. an die in V. 13 betonte Zusammengehörigkeit der Verheißung Gottes, die die Existenz des seit Abraham bestehenden Gottesvolkes garantiert, mit der Gerechtigkeit Gottes, die aufgrund des Glaubens von Gott zugesprochen wird. Die Wendung aus Gnade (κατα` χα' ριν [kata charin]) unterstreicht die Tatsache, dass Gottes Verheißung und das Gesetz nichts miteinander zu tun haben und dass deshalb sowohl der Glaube als auch die Zueignung der Gerechtigkeit und der Zuspruch und Empfang der Verheißung nach dem Maßstab der Gnade Gottes erfolgen, d.h. seines gnädigen, Heil schaffenden Wohlwollens. Die Gnade Gottes wendet sich dem Sünder (V. 5) nicht ε� κ νο' μου [ek nomou] zu (V. 14), sondern ε� κ πι'στεως. Gottes Gerechtigkeit wird κατα` χα' ριν zugesprochen, nicht κατα` ο� φει'λημα [kata opheilēma] (V. 4). Das mit „damit auch gilt“ übersetzte «ινα hat finale Bedeutung: Gott rechnete Abraham den Glauben zur Gerechtigkeit an, sodass die Verheißung als Geschenk seiner Gnade zugeeignet werden konnte. Gottes Gnade beinhaltet, dass er Abraham, den er als Gottloser ansprach, die Sünden vergeben hat – die Sünden, die nach dem Gesetz mit dem Zorngericht Gottes bestraft werden müssten und die die Erfüllung der Verheißung verhindern würden.

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Kuss I 188: „Der Gegensatz, der Paulus beschäftigt, ist der von Gesetz und Glaube“; aufgenommen von Wilckens I 271.

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Die Konsequenz143 der Priorität der Gnade Gottes und des Glaubens Abrahams besteht darin, dass die Verheißung für die gesamte Nachkommenschaft gültig bleibt. Die Gültigkeit und Zuverlässigkeit der Verheißung Gottes an Abraham und seine Nachkommen wird mit dem Ausdruck βε' βαιος [bebaios] beschrieben, der (zusammen mit dem Verb und dem Subst.) häufig in juristischen Zusammenhängen begegnet,144 hier aber allgemein die Gültigkeit der göttlichen Verheißung beschreibt.145 Paulus unterstreicht noch einmal, dass die Verheißung Gottes an Abraham sowohl für Juden wie für Heiden gültig ist. Die Verheißung Gottes ist nicht nur für den, der aus dem Gesetz lebt (ου� τω ñ, ε� κ τουñ νο' μου μο' νον) gültig, d.h., nicht nur für Juden, die das Gesetz haben und mit dem Gesetz leben. Die Verheißung Gottes an Abraham ist auch für den, der aus dem Glauben Abrahams lebt (τω ñ, ε� κ πι'στεως �Αβραα' μ) gültig, d.h. für die Heiden, die den Glauben haben, den Abraham gehabt hat – den Glauben an Gott, der Gottlose rechtfertigt und ihnen aufgrund des Glaubens Gerechtigkeit anrechnet (V. 5). Und so gilt: Abraham ist unser aller Vater (ο« ς ε� στιν πατη` ρ πα' ντων η� μω ñ ν) – der Vater der glaubenden Juden und der Vater der glaubenden Heiden. Die Universalität der Verheißung Abrahams, die schon immer sowohl die biologischen Nachkommen als auch die Völker der Erde im Visier hatte, ist nur dann für alle Nachkommen gültig, wenn die Gerechtigkeit, die für den Empfang des verheißenen Erbes unabdingbar und grundlegend ist, aus Glauben erlangt wird.146 Im Zusammenhang der Argumentation in 1,18-32 (die Heiden als Gottlose) und 2,1–3,20 (die Juden als Sünder) sowie 3,21-31 (Gottes neue, Heil schaffende Offenbarung in Jesus) bedeutet dies: Wer wie Abraham an Gott glaubt als den, der dem Gottlosen in seiner Gnade Gerechtigkeit zuspricht, der glaubt an das Evangelium von Jesus, dem gekreuzigten und auferstandenen Messias Israels und Sohn Gottes, der Juden und Heiden rettet (1,3-4.16-17). Abraham ist „unser aller Vater“, d.h., der Vater aller ———————————————————

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S. den Anschluss mit ει� ς το' mit folgendem AcI. Papathomas, Begriffe, 14-17; Arzt-Grabner, 2. Korinther, 195-196. Vgl. H. Schlier, ThWNT I, 600-603; A. Fuchs, EDNT I, 504-506; M. Bachmann, ThBLNT I, 443-446; Spicq, TLNT I, 280-283. D.h., ε� κ τουñ νο' μου darf nicht auf die Juden im Gegensatz zu den Christen bezogen werden, wie bei Michel 170; Klein, Idee, 160-161; vgl. Dunn I 216 u.a. Das Zitat Gen 17,5 in V. 17 belegt, dass Paulus am Ende von V. 16 von den Jesusbekennern aus Juden und Heiden spricht; Käsemann 114-115; Wilckens I 272; Lohse 155; Wolter I 302 (Heidenchristen); Sänger, Verkündigung, 110 (der allerdings von 11,26 her betont, Paulus bekräftige in V. 13-16 „die Gültigkeit der Verheißung auch für das zur Zeit noch heilsferne Israel“ (113), wobei gilt: „Nur weil die Verheißung in der Gnade ihren festen Bestand (βε' βαιος) hat, fällt das περισσο` ν τουñ � Ιουδαι' ου nicht der Nichtigkeit anheim. Eschatologisch wirklich wird es jedoch erst im Glauben an Jesus Christus“ (ebd.).

478 Römerbrief ————————————————————————————————————

Jesusbekenner. Damit liegt eine neue Begründung der Identität Israels vor: Entscheidend sind nicht Beschneidung und Bundesschluss am Sinai samt mosaischer Tora, sondern die Verheißung an Abraham und der von Gott zur Gerechtigkeit angerechnete Glaube. Damit hat Paulus „das Fundament einer Neudefinition des Gottesvolkes gelegt. Diese Definition schließt Israel nicht aus, aber ebenso die glaubenden Heiden mit ein.“147 17 Paulus bekräftigt die universale, Juden und Heiden einschließende Vaterschaft Abrahams mit einem Zitat (καθω` ς γε' γραπται) aus Gen 17,5: Ich habe dich zum Vater vieler Völker bestimmt (πατε' ρα πολλω ñ ν ε� θνω ñν τε' θεικα' σε). Die Deutung des neuen Namens für Abram, der von Gott ab jetzt Abraham genannt wird (s. zu V. 1), liefert den Schriftbeweis für die Antwort auf die Frage, wer sich legitimerweise auf Abraham als Vater berufen und sich zu seinem „Samen“ zählen kann. Der Satz „Abraham ist unser aller Vater“ (V. 16) schließt „viele Völker“ (πολλα` ε» θνη) mit ein, d.h. die Jesusbekenner aus den Heiden. Das Adj. „viele“ meint inkludierend „alle“. Hier ist an den Missionsbefehl Jesu zu erinnern, der die Apostel zu „allen Völkern“ (πα' ντα τα` ε» θνη) und „bis an das Ende der Erde“ (ε« ως ε� σχα' του τηñ ς γηñ ς) sendet (Mt 28,19; Apg 1,8; Gen 18,18; 22,18: πα' ντα τα` ε» θνη τηñ ς γηñ ς). Das Zitat ist Parenthese; der mit κατε' ναντι eingeleitete Relativsatz schließt an V. 16 an.148 Abraham ist „unser aller Vater“ vor dem Gott, an den er glaubte als den, der die Toten lebendig macht und dem Nichtseienden ruft, damit es sei. Paulus unterstreicht wieder den Glauben Abrahams, den Gott ihm zur Gerechtigkeit anrechnete und den Weg zur Erfüllung der Verheißung freimachte. Die folgende Näherbestimmung des Glaubens Abrahams, aufgrund dessen er der Vater vieler Völker ist, betont die stets gegenwärtige149 Schöpferkraft Gottes. Gott ist der Allmächtige, der die Toten lebendig macht (ζω, οποιουñ ντος του` ς νεκρου' ς). Im atl. und jüdischen Kontext wird damit auf die endzeitliche Totenauferstehung verwiesen. Deut 32,39: „Jetzt seht: Ich bin es, nur ich, und kein Gott tritt mir entgegen. Ich bin es, der tötet und der lebendig macht (ε� γω` α� ποκτενω ñ και` ζηñ ν ποιη' σω). Ich habe verwundet; nur ich werde heilen. Niemand kann retten, wonach meine Hand gegriffen hat.“ 1Sam 2,6: „Der Herr macht tot und lebendig (κυ' ριος θανατοιñ και` ζωογονειñ), er führt zum Totenreich hinab und führt auch herauf.“ In Neh 9,6-7 wird das „Lebendigmachen“ aller Dinge durch Gott ———————————————————

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Kraus, Volk Gottes, 282-283, Zitat 283. Lietzmann 55; Schlatter 169; Kuss I 190; Michel 171; Cranfield I 243; Légasse 320; anders Wilckens I 274; Penna 321 Anm. 300. Die Formulierung κατε' ναντι ουð ε� πι' στευσεν θεουñ ist aufzulösen als κατε' ναντι τουñ θεουñ ω ð, ε� πι' στευσεν (BDR §2945; NSS II 14); so generell die Exegeten; anders und kompliziert Zahn 234 (κατε' ναντι τουñ θεουñ , κατε' ναντι ουð ε� πι' στευσεν). Die beiden Partizipien sind im Präsens formuliert: ζω, οποιουñ ντος / καλουñ ντος.

Der Glaube Abrahams und das messianische Gottesvolk 4,1-25 479 ———————————————————————————————————— mit der Erwählung Abrahams verbunden: „Du, Herr, bist der Einzige. Du hast den Himmel geschaffen und den Himmel der Himmel und sein ganzes Heer, die Erde und alles, was auf ihr ist, die Meere und alles, was darin lebt. Ihnen allen gibst du das Leben (συ` ζωοποιειñς τα` πα' ντα). Das Heer des Himmels betet dich an. Du, Herr, bist der Gott, der Abraham auserwählt hat. Du hast ihn aus Ur in Chaldäa herausgeführt und ihm den Namen Abraham verliehen.“ In der zweiten Benediktion des Achtzehn-Bitten-Gebets (Tefilla) heißt es: „Du bist mächtig in Ewigkeit, Herr, belebst die Toten (‫)מחיה המתים‬, du bist stark zum Helfen. (Du lässt den Wind wehen und den Regen fallen.) Du ernährst die Lebenden mit Gnade, belebst die Toten in großem Erbarmen, stützest die Fallenden, heilst die Kranken, befreist die Gefesselten und hältst die Treue denen, die im Staube schlafen. Wer ist wie du, Herr der Allmacht, und wer gleicht dir, König, der du tötest und belebst und Heil aufsprießen lässt. Und treu bist du, die Toten wieder zu beleben. Gelobt seist du, Ewiger, der du die Toten wieder belebst (‫“!)מחיה המתים‬150 Im Zusammenhang der Bekehrung der Ägypterin Aseneth zum Glauben an den einen wahren Gott heißt es in JosAs 8,10: „Herr, der Gott meines Vaters Israel, der Höchste, der Starke des Jakob, der da lebendigmachte (ζω, οποιη' σας) die Dinge alle und rief von der Finsternis in das Licht und vom Irrtum in die Wahrheit und von dem Tode in das Leben (και` α� πο` θανα' του ει� ς τη` ν ζωη' ν).“ (C. Burchard). Die Bekehrung der Aseneth wird in JosAs 20,6 zurückgeführt auf Gott, „der da lebendigmacht die Toten“ (τω ñ, ζω, οποιουñ ντι του` ς νεκρου' ς). Bekehrung von Heiden und Aufnahme in die Heilsgemeinschaft ist das Handeln des die Toten lebendig machenden Gottes.151

Paulus betont mit dieser Formulierung einerseits Gottes singuläres GottSein, andererseits sein Heilshandeln zugunsten der Gottlosen und sein Hereinholen von Heiden in die Heilsgemeinschaft des Gottesvolkes.152 Gott, der die Toten ins Leben ruft, ist der Gott, der die Welt aus dem Nichts erschaffen hat: Gott ist der Schöpfer, der dem Nichtseienden ruft, damit es sei (καλουñ ντος τα` μη` ο» ντα ω� ς ο» ντα). Die Partikel ω� ς ist nicht im Sinn von „als ob“ zu verstehen, sondern konsekutiv: „Mit Gottes Wort geht durch sein schöpferisches Walten aus dem Nichts Seiendes hervor – bei der Schöpfung wie gleicherweise bei der Totenauferweckung.“153 Der letztlich auf Gen 1,1-2 zurückgehenden Gedanken der creatio ex nihilo, der Schöpfung aus dem Nichts, ist in mehreren jüdischen Texten zu finden: ———————————————————

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Bamberger, ‫ סדור ׂשפת אמת‬Sidur Sefat Emet, 40-41; vgl. Kellermann, Achtzehn-BittenGebet, 58-59 (bab. Version), der auf Dan 12,2 und 1Sam 2,1-10 (sowie Pseudo-Philo 51,5) verweist und kommentiert: „Die Grenzenlosigkeit der revolutionären Macht Gottes vollendet sich nach der pal. Version in der Auferweckung der Toten, während die variierende Erweiterung der bab. Rezension durch den Zusatz Du bist reich zum Helfen von vornherein auch auf das im Alltag sich durch Gott stets neu ereignende Wunder des Lebens aus ist“ (ebd. 64). Vgl. Flebbe, Solus Deus, 233-237, der unnötigerweise Stuhlmacher 70; Käsemann 117 u.a. kritisiert, die die Rechtfertigung in Zusammenhang mit der Schöpfung bringen. Zu Jos 8,10-11; 20,6 s. Flebbe, ebd. 238-240. Flebbe, Solus Deus, 222-240. Hofius, Gottesprädikationen, 60-61 will den Ausdruck ζω, οποιουñ ντος του` ς νεκρου' ς auf die eschatologische Totenauferweckung beziehen; zur Kritik s. Flebbe, ebd. 240. Lohse 156. Wolter I 305: Paulus verankert die Auferweckung Jesu im Wesen Gottes.

480 Römerbrief ———————————————————————————————————— „Ich bitte dich, mein Kind, schau dir den Himmel und die Erde an; sieh alles, was es da gibt, und erkenne: Gott hat das aus dem Nichts erschaffen und so entstehen auch die Menschen“ (2Makk 7,28); „O du, der du die Erde geschaffen hast, höre mich! Der du das Firmament durch dein Wort befestigt hast und die Himmelshöhe durch den Geist; der du zu Anbeginn der Welt gerufen hast, was noch nicht war, und sie gehorchten dir“ (syrApkBar 21,4; Klijn); 48,8: „Und mit dem Worte rufst du ins Leben, was nicht war, und mit großer Macht hältst du fest, was noch nicht eingetreten ist.“ Philo, Spec.Leg. 4.187: „das Nichtseiende hat er ins Sein gerufen, indem er Ordnung an Stelle der Verwirrung, an Stelle des Unbestimmten bestimmte Eigenschaften … und an Stelle der Finsternis Licht schuf“ (L. Cohn).154

Paulus unterstreicht mit der Formulierung die Schöpfermacht Gottes, dem nichts unmöglich ist. Im Zusammenhang von Jes 40,17, wo die Nationen mit dem Wort „nichts“ beschrieben werden („Und alle Völkerschaften sind wie nichts und werden als Nichts eingeschätzt“; και` πα' ντα τα` ε» θνη ω� ς ου� δε' ν ει� σι και` ει� ς ου� θε` ν ε� λογι'σθησαν; LXX.D), betont Paulus, dass Gott in seiner Souveränität, im Einklang mit seiner Verheißung an Abraham, die Heiden in das Gottesvolk hereinnehmen kann.155 In Zusammenhang der Behandlung Abrahams, der „an den glaubt, der den Gottlosen rechtfertigt“ (V. 5), ist die Aussage von Gott, der die Toten lebendig macht und aus dem Nichtseienden Seiendes schafft, im Sinn der Rechtfertigung des Gottlosen als göttliche Schöpfung zu verstehen. Gleichzeitig verweist sie auf die den Abschnitt abschließende Aussage, dass Gott Jesus „von den Toten auferweckt hat“, der um unserer Übertretungen willen gestorben ist und auferweckt wurde „um unserer Rechtfertigung willen“ (V. 24-25). Wie die Erwählung und Bekehrung Abrahams ein Akt göttlicher Neuschöpfung war, in der Gott dem Gottlosen den Glauben zur Gerechtigkeit anrechnet, so manifestiert sich in Tod und Auferweckung Jesu das Heil schaffende Schöpferhandeln Gottes für alle Menschen, der auch den Heiden, die zum Glauben an Jesus kommen, Gerechtigkeit schafft.156 Und das bedeutet gleichzeitig: Der Glaube an Gott, den er dem Gottlosen zur Gerechtigkeit anrechnet, ermöglicht ein neues Leben, das der Neuheit der Schöpfung Gottes und der Auferweckung Jesu Christi entspricht. ———————————————————

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Vgl. Philo, Op. 81; Migr. 183; All. 3,10; Mut. 46; Her. 36; Mos. 2,267. Vgl. Flebbe, Solus Deus, 243-244, der auch das Wort Johannes des Täufers Mt 3,9 verweist: „Und meint nicht, ihr könntet sagen: Wir haben ja Abraham zum Vater. Denn ich sage euch: Gott kann aus diesen Steinen Kinder Abrahams machen“ (EÜ). Vgl. Sänger, Verkündigung, 147-148; Zimmermann, Namen, 440-445. Lohse 156: Die „Aussage über das Gott-Sein Gottes aber ist für den Apostel gebunden an das Bekenntnis, daß der Gott Israels durch die Auferweckung Jesu Christi von den Toten offenbar gemacht hat, wer er ist – derselbe, der am Anfang zu dem Nichtseienden sprach, daß es sei. Aus dieser Zuversicht gewinnt der Glaube die Kraft, gegen allen Augenschein auch da zu hoffen, wo anscheinend nichts zu hoffen ist.“

Der Glaube Abrahams und das messianische Gottesvolk 4,1-25 481 ————————————————————————————————————

I 18 Gegen Hoffnung glaubte er voller Hoffnung, sodass er Vater vieler Völker wurde, nach dem Schriftwort: So (zahlreich) soll deine Nachkommenschaft sein. 19 Ohne im Glauben schwach zu werden, nahm er seinen zu diesem Zeitpunkt erstorbenen Leib – er war ungefähr hundert Jahre alt – sowie den erstorbenen Mutterschoß Saras wahr. 20 Im Blick auf die Verheißung Gottes zweifelte er nicht infolge von Unglauben, sondern wurde stark im Glauben, sodass er Gott die Ehre gab 21 und vollauf überzeugt war: Gott hat die Macht zu tun, was er verheißen hat. 22 Darum wurde (der Glaube) ihm zur Gerechtigkeit angerechnet. II Nachdem Paulus die Priorität der Verheißung gegenüber dem Gesetz betont und die Erfüllung der Verheißung von Gen 12,3 im sowohl aus Juden als auch aus Heiden bestehenden Gottesvolk unterstrichen hatte (V. 13-17), schreibt er in V. 18-22 eine inhaltliche Erläuterung des Glaubens Abrahams, der auch und gerade für die Glaubenden aus den Völkern normativ ist, was mit dem einleitenden Zitat Gen 15,5 verdeutlicht wird. Im letzten Abschnitt folgt die Anwendung von Abrahams Glauben für die glaubenden Jesusbekenner. Ausgehend von der Beschreibung Gottes als Schöpfer, der aus dem Nichtseienden Seiendes schafft (V. 17, an den V. 18 mit dem Relativpronomen ο� ς angeknüpft wird), führt Paulus die Geschichte Abrahams von seiner Erwählung und Bekehrung fort zum Wunder der Geburt Isaaks.157 Textkritische Anmerkungen. In V. 18 vervollständigen F G ar das Zitat aus Gen 15,5 mit der Wendung ω� ς οι� α� στε' ρες τουñ ου� ρανουñ και` το` α» μμον τηñ ς θαλα' σσης, die deutlich sekundär ist. In V. 19 ist ε� ν (D* F G) sekundäre Erklärung des Dativs τηñ, πι'στει.158 Die Hinzufügung der Negation ου� vor κατενο' ησεν in D F G Ψ 33 1881 Byz it vgcl syh („nahm er seinen verstorbenen Leib nicht wahr“) ist einerseits die schwierigere Lesart, weil sie die Stärke des Glaubens Abrahams mindert (er verschloss seine Augen vor der Realität der fehlenden Zeugungsfähigkeit von sich und von Sara), andererseits ist sie später bezeugt als die Lesart ohne Negation (‫ א‬A B C 6 81 365 1506 1739 u.a. m vgst syp co) und deshalb als sekundär zu bewerten.159 Lohse kommentiert: „Spätere Abschreiber haben die Härte der Aussage ———————————————————

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Moxnes, Theology, 201-202 spricht von „miracle story“; vgl. Flebbe, Solus Deus, 249. Anders Zahn 236 Anm. 79 („vielleicht“). Metzger, Textual Commentary, 451; Cranfield I 247; Wilckens I 276 Anm. 895 (der Zahn missversteht); Fitzmyer 387; Jewett 322; Zahn 236 Anm. 79 nennt inhaltliche Gründe für die Auslassung. Michel 173 Anm. 4 hält die Negation für gut bezeugt.

482 Römerbrief ————————————————————————————————————

nicht mehr verstanden und sie abschwächen wollen, indem ein ου� vor κατενο' ησεν eingefügt wurde: als wäre ein Blick auf die gegebenen Realitäten, die der Verheißung entgegenstehen, zu vermeiden, um nicht im Glauben schwach zu werden.“160 Manche Manuskripte lesen vor νενεκρωμε' νον ein η» δη (‫ א‬A C D Ψ 33 Byz m syh** bo), was die Dramatik steigert und deshalb als sekundär gelten könnte; weniger stark bezeugt ist die Auslassung (B F G 630 1739 1881 u.a. lat syp sa), die weniger plausibel erklärt werden kann als die Einfügung von η» δη. Das Adv. ist als sehr wahrscheinlich ursprünglich zu bewerten.161 In V. 21 lassen F G latt das einleitende και' aus, was als Versuch der Glättung des Textes zu bewerten ist. In V. 22 lassen B D* F G u.a. b m syp co das και' vor ε� λογι'σθη aus, das genauso gut bezeugt ist (‫ א‬A C D1 Ψ 33 1739 1881 Byz lat syh); das Wort könnte durch Assimilierung an das Zitat von Gen 15,6 in 4,3 assimiliert worden sein, weshalb es von vielen als sekundär bewertet wird;162 NA28 lässt και' in eckigen Klammern im Text. III

18 Authentischer Glaube, den Gott zur Gerechtigkeit anrechnet, ist im Fall

Abrahams der Glaube, der (er glaubte) gegen Hoffnung (παρ’ ε� λπι'δα [par’ elpida]) glaubte. Gemeint ist, dass Abraham die souveräne Schöpferkraft und die absolute Zuverlässigkeit Gottes, der ihm Nachkommen verheißen hatte, als wichtiger einschätzte als menschliche Kalkulationen, nach denen keine Hoffnung mehr bestand, dass er mit Sara Nachkommen zeugen könnte. Man kann deshalb auch mit „gegen (alle menschliche) Erwartung“ übersetzen.163 Gottes Verheißung, die auf die fehlende Zeugungsfähigkeit Abrahams und Saras trifft (V. 19), entspricht der Unmöglichkeit, dass aus dem Nichtseienden Seiendes geschaffen werden kann oder dass Tote auferstehen (V. 17). Abraham glaubt entgegen menschlicher Erwartungen, weil ———————————————————

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Lohse 160. Anders Wolter I 303 Anm. 100: Die Plus-Lesart setzt ein inhaltlich qualifiziertes In-Rechnung-Stellen voraus, „die Minus-Lesart ein äußerlich bleibendes ZurKenntnis-Nehmen“. Für η» δη entscheiden sich Zahn 236 Anm. 79; Jewett 322; gegen η» δη votieren Cranfield I 248; Lohse 160 Anm. 4. NA28 nimmt η» δη auf, jedoch mit eckiger Klammer. Cranfield I 250; Lohse 161 Anm. 9; Jewett 323. Zahn 238 Anm. 84 hätte και' gerne im Text; vgl. Fitzmyer 388. Bauer / Aland s.v. ε� λπι' ς 1: „allg. die Hoffnung: die Aussicht, die Erwartung“; παρ’ ε� λπι' δα Röm 4,18 „entgegen (aller menschlichen) Erwartung“, mit Verweis auf Aeneas, Tact. 1020; Lycophron 535; Dionyius Halicarnensis 6,25; Appian, Bell.civ. 3,22,85; Philo, Mos. 1,250; Josephus, Bell. 3,183; Vit. 380; Justinus, Dial. 2,5 (BDAG erwähnt noch Aeschylos, Ag. 899).

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er weiß, dass unrealistische Erwartungen angesichts der konkreten Verheißung des souveränen Schöpfers der Welt Realität werden können. Die Wendung (er glaubte) voller Hoffnung (ε� π’ ε� λπι'δι [ep’ elpidi]) spricht nicht von menschlichen Erwartungen, sondern von dem festen Vertrauen auf Gott. Abraham verließ sich auf seine zuversichtliche Hoffnung, dass Gott Verheißung erfüllen kann und wird.164 Weil von der Verheißung nichts sichtbar war, als sie ausgesprochen wurde, musste der Glaube ganz zur Hoffnung werden.165 Der Konsekutivsatz (ει� ς το' ) formuliert die Folge des zuversichtlich hoffenden Glaubens Abrahams: Er wurde Vater vieler Völker (πατε' ρα πολλω ñν ε� θνω ñ ν [patera pollōn ethnōn]). Diese Formulierung entspricht der Erklärung des neuen Namens, den Abram von Gott erhielt: Abraham bedeutet „Vater vieler Völker“ (Gen 17,5 LXX: α� λλ’ ε» σται το` ο» νομα' σου Αβρααμ, ο« τι πατε' ρα πολλω ñ ν ε� θνω ñ ν τε' θεικα' σε). Paulus erläutert mit einem Zitat166 aus Gen 15,5: So (zahlreich) soll deine Nachkommenschaft sein (ου« τως ε» σται το` σπε' ρμα σου). Die Ergänzung „zahlreich“ ergibt sich aus dem Bezug des korrelativen Adverbs ου« τως auf den Kontext Gen 15,5a („Er führte ihn hinaus und sprach: Sieh doch zum Himmel hinauf und zähl die Sterne, wenn du sie zählen kannst“, EÜ).167 Das Zitat wiederholt den Grund der vertrauenden Hoffnung Abrahams: Gott versprach ihm, dass er Nachkommenschaft haben wird. 19 Die Partizipialwendung ohne im Glauben schwach zu werden (μη` α� σθενη' σας τηñ, πι'στει [mē asthenēsas tē pistei]) nennt ein weiteres Kennzeichen des Glaubens Abrahams: Er wurde nicht schwach, was seinen Glauben betrifft.168 Nicht schwach werden heißt stark bleiben. Die Stärke des Glaubens Abrahams ergab sich einerseits aus seiner Bereitschaft, sich entgegen menschlicher Erwartungen ganz auf die Verheißung Gottes zu verlassen (V. 18). Sie ergibt sich andererseits aus dem Mut, an Gott zu Glauben, der die Toten auferwecken kann. In der folgenden Formulierung wird ein weiterer Grund genannt: Er hat den Widerspruch zu der Wirklichkeit der fehlen———————————————————

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Bauer / Aland s.v. ε� λπι' ς 2 übersetzt ε� π’ ε� λπι' δι ε� πι' στευσεν mit „er hat aufgrund von Hoffnung (auf Gott) geglaubt“. ε� πι' + Dativ bezeichnet in übertragenem Sinn „am häufigsten den Grund, die Grundlage, vor allem bei Verben des Affekts“ (HvS §184j.cc2). Wilckens I 275. Wolter I 306: Paulus stellt die Hoffnung „als einen Modus des Glaubens dar: Glaube ist der Gewinn von Hoffnung und nicht etwas, das sie begründet“. Die Zitationsformel κατα` το` ει� ρημε' νον ist bei Paulus singulär; häufiger ist λε' γει (19 Mal) sowie γε' γραπται (29 Mal), καθω` ς γε' γραπται (18 Mal) oder γε' γραπται γα' ρ (ο« τι) (6 Mal). Vgl. Koch, Schrift, 25 mit Anm. 5. Zum erläuternden Zusatz in einigen Handschriften s. oben II. τηñ, πι' στει ist dat. respectus; HvS §178a; NSS II 14. Sanday/ Headlam 115 interpretieren instrumental: Abraham überwand durch seinen Glauben die Schwäche.

484 Römerbrief ————————————————————————————————————

den Zeugungsfähigheit im hohen Alter ausgehalten. Die Schwäche des Glaubens ist keine „véritable maladie de l’âme“,169 sondern „die Unfähigkeit des Menschen, trotz der ihm gegebenen Wirklichkeit an der Verheißung festzuhalten. Die Kraft des Glaubens liegt also in der Verheißung, die den Menschen überwindet, nicht im Menschen selbst.“170 Der Satz er nahm seinen zu diesem Zeitpunkt erstorbenen Leib wahr (κατενο' ησεν το` ε� αυτουñ σω ñ μα η» δη νενεκρωμε' νον) beschreibt den Glauben Abrahams als radikal realistisch: Er war sich sehr wohl bewusst, dass sein Leib zeugungsunfähig war.171 Ohne medizinische Kenntnisse über Fertilitätsraten172 zu haben, wusste er, dass man mit fast hundert Jahren keine Kinder mehr zeugen kann. Es sei an Ps 90,10 erinnert: „Unser Leben währet siebzig Jahre, und wenn’s hoch kommt, so sind’s achtzig Jahre, und was daran köstlich scheint, ist doch nur vergebliche Mühe; denn es fähret schnell dahin, als flögen wir davon“ (LÜ). Das Ptz. Perf. Pass. νενεκρωμε' νον [nenekrōmenon] beschreibt den menschlichen Leib, dessen „Organe in bestimmter Hinsicht funktionsunfähig geworden sind“.173 Die Altersangabe er war ungefähr hundert Jahre alt (ε� κατονταετη' ς που υ� πα' ρχων) kommt von Gen 17,17, wo Abraham bei der Wiederholung von Gottes Verheißung von Nachkommen denkt: „Können einem Hundertjährigen noch Kinder geboren werden und kann Sara als Neunzigjährige noch gebären?“ Gott verspricht Abraham, dass Sara „im nächsten Jahr um diese Zeit“ einen Sohn gebären wird (Gen 17,21). Das „ungefähr“ (που' [pou]) rundet die neunundneunzig Jahre, die Abraham zu diesem Zeitpunkt alt war (Gen 17,1), auf einhundert Jahre auf. Die Fruchtbarkeit Abrahams im Zusammenhang mit seiner späteren Heirat von Ketura, mit der er sechs Söhne zeugte (Gen 25,1-2), wird von Calvin so erklärt: „Gerade dadurch nämlich hat Gott seine Macht sichtbar gemacht, dass der, der zuvor wie ein schlaffer und dürrer Baumstumpf gewesen war, sobald er durch himmlische Segnung wieder ergrünt war, nicht nur zur Zeugung des Isaak genug vermochte, sondern, nachdem er gewissermaßen in ein blühendes Alter zurückversetzt war, spä———————————————————

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Lagrange 96. Michel 173. η» δη ist am besten nicht mit „schon“ (Elb.Ü, LÜ, ZÜ), sondern mit „zu diesem Zeitpunkt“ zu übersetzen (BDAG s.v. η» δη 1: „now, already, by this time“; LSJ s.v. η» δη 1: „already, by this time“; Bauer / Aland s.v. η» δη bieten nur „schon, bereits“ an, was im Blick auf das angegebene Alter unnötig wäre; zur η» δη auslassenden Textvariante s. oben II. Nach Nieschlag/ Behre / Nieschlag, Andrologie, 252 haben einige wenige Männer im Alter von 70 Jahren noch Kinder gezeugt, allerdings mit jüngeren Partnerinnen. Nach Siegenthaler / Blum, Klinische Pathophysiologie, 401 liegt die Zeugungsfähigkeit ab dem 45. Lebensjahr unter 5%. Bauer / Aland s.v. νεκρο' ω; das Verb kommt im NT hier und in Kol 3,5; Hebr 11,12 vor.

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ter die Kräfte hatte, andere hervorzubringen.“174 Abraham war sich auch der Zeugungsunfähigkeit Saras bewusst: (er nahm auch) den erstorbenen Mutterschoß Saras wahr (και` τη` ν νε' κρωσιν τηñ ς μη' τρας Σα' ρρας).175 Das mit er nahm wahr übersetzte Verb bedeutet hier „mit Überlegung beschauen, betrachten, beobachten, prüfen“.176 Die Aussage „Von ihrem Wesen her verbindet sich mit Hoffnung das Nichtsehen“,177 trifft auf das Verhalten Abrahams hier nicht zu: Er sah genau hin und wusste, dass er und Sara zeugungsunfähig waren. Trotzdem wurde sein Glaube nicht schwach, weil er Gott glaubte, der Tote lebendig machen und aus Nichtseiendem Seiendes schaffen kann. 20 Die Wendung im Blick auf die Verheißung Gottes (ει� ς τη` ν ε� παγγελι'αν τουñ θεουñ [eis tēn epangelian tou theou]) unterstreicht, worum es beim Glauben Abrahams ging: um Gottes Verheißung, konkret die Verheißung eines Nachkommens durch die Zeugung eines Sohnes mit Sara. Der Glaube, von dem Paulus spricht, ist nicht der Glaube an das Unmögliche einfach deshalb, weil es unmöglich ist. Der Glaube Abrahams, d.h. der Glaube, den Gott zur Gerechtigkeit anrechnet – für Paulus der Glaube an Jesus als Messias Israels und Retter von Juden und Heiden (1,3-4.16-17) –, gründet in der göttlichen Verheißung, die den Inhalt und die Funktion des Glaubens bestimmt. Die Macht des Glaubens gründet nicht im Akt des Glaubens (und damit im Menschen), sondern in der souveränen Macht Gottes des Schöpfers (V. 17), an dessen Verheißung der Gottlose (V. 5) glaubt.178 Mit dem Satz er zweifelte nicht infolge von Unglauben nennt Paulus ein weiteres Merkmal des Glaubens Abrahams. Das Verb „zweifeln“ (διακρι'νομαι [diakrinomai], Med.) bedeutet „mit sich im Streit sein, Bedenken tragen, zweifeln“.179 „Unglaube“ (α� πιστι'α) ist die fehlende Bereitschaft, ———————————————————

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Calvin 249, mit Ablehnung der Interpretation Augustins in Quest.hept. 1,35; 1,70 (PL 34, 557-558.566) sowie Civ.dei 16,28, der nur Sara für unfruchtbar hielt. Vgl. Cranfield I 247; Légasse 327 Anm. 22; Penna 327 Anm. 17. Wörtl. „das Erstorbensein des Mutterschoßes Saras“; νε' κρωσις („Getötetsein, Abgestorbensein“) kommt im NT nur hier und in einer Textvariante zu Mk 3,5 vor, das Wort μη' τρα („Mutterschoß“; Bauer / Aland) hier und Lk 2,23; eine modernere Übersetzung wäre „Gebärmutter“ oder „Mutterleib“. Vgl. LSJ s.v. μη' τρα; MM s.v. verweist auf einen magischen Zauberspruch, in dem das Wort vorkommt. Bauer / Aland s.v. κατανοε' ω 2; vgl. Lk 12,24.27; Apg 7,31-32; 11,6; Jak 1,23.24. B. Mayer, Art. ε� λπι' ς, EWNT II, 1069, im Blick auf Röm 8,24. Cranfield I 248 gegen die Vorstellung, Glaube und Paradox seien austauschbare Begriffe. So auch Käsemann 118: „Glaube erweist sich als solcher nicht schon darin, daß er mit dem Unmöglichen rechnet.“ Bauer / Aland s.v. διακρι' νω 2b, mit dem Kommentar: „in dieser Bedeutung erst seit dem NT nachweisbar“; vgl. LSJ s.v. διακρι' νω VII. Die aktive Form kommt in den Papyri durchweg als juristischer Ausdruck mit der Bedeutung „entscheiden, ein Urteil fällen,

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sich jmd. anzuvertrauen oder die Weigerung, auf die Worte oder die Handlungen einer anderen Person positiv zu reagieren.180 Unglaube ist Ursache181 des Zweifels an der Zuverlässigkeit Gottes und seiner Verheißung. Angesichts der souveränen Macht Gottes, der Seiendes aus Nichtseiendem schafft, ist Unglaube nicht einfach die Abwesenheit von Glaube, sondern bewusste Absage an Gottes Wort, absichtliche Ablehnung Gottes, vorsätzliche Rebellion gegen Gott. Abraham hat offensichtlich die Zuverlässigkeit der Zusage Gottes nie infrage gestellt: Die Frage Abrahams, ob nicht etwa sein Sklave Elieser aus Damaskus sein Erbe sein wird (Gen 15,2), die Zeugung Ismaels durch Hagar, die Sklavin Saras (Gen 16,1-16) und das Lachen Abrahams (Gen 17,17; vgl. Gen 18,12 das Lachen Saras) waren kein Zeichen von Unglauben, sondern Unsicherheit über die Art und Weise der Erfüllung von Gottes Verheißung.182 Das nächste Kennzeichen des Glaubens Abrahams wird mit dem Satz er wurde stark im Glauben (ε� νεδυναμω' θη τηñ, πι'στει [enedynamōthē tē pistei]) angezeigt. Wenn man das Passiv als pass. divinum interpretiert,183 versteht man τηñ, πι'στει am besten als dat. respectus: Gott hat Abraham im Hinblick auf dessen Glauben stark gemacht.184 Die Stärkung des Glaubens ergibt sich nicht aus Autosuggestion, sondern ist Folge des Vertrauens auf Gott, der Zweifel ausräumt und den Glauben ermöglicht und festigt. Gerade weil es Gott selbst ist, der den Glauben stärkt, folgt die Doxologie: sodass er Gott die Ehre gab (δου` ς δο' ξαν τω ñ, θεω ñ, [dous doxan tō theō]). Das Ptz. δου' ς ist ————————————————————

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aburteilen“, im Passiv „sich mit jmd. auseinandersetzen, prozessieren“ vor; Papathomas, Begriffe, 92-95; Arzt-Grabner, 1. Korinther, 226. BDAG s.v. α� πιστι' α 1. Das Subst. α� πιστι' α kommt bei Paulus in Röm 3,3; 4,20; 11,20.23; 1Tim 1,13 vor; s. sonst Mt 13,58; Mk 6,6; 9,24; 16,14; Hebr 3,12.19. R. Bultmann, ThWNT VI, 207 spricht von Vertrauenslosigkeit. Der Dativ τηñ, α� πιστι' α, ist dat. causae; HvS §177b. Calvin 251: „Zwar fragte er, wie das wohl geschehen könne; aber das war eine Frage der Verwunderung, so wie bei der Jungfrau Maria, als sie vom Engel zu erfahren suchte, wie das geschehen könne, was er angekündigt hatte, und dergleichen. Wenn die Heiligen eine Botschaft von den Werken Gottes erreicht, die sie nicht zu erfassen vermögen, geraten sie gewiss in Verwunderung, aber von der Verwunderung kommen sie bald zur Bewunderung der Kraft Gottes (sed ex admiratione mox transeunt ad virtutem Dei suspiciendam) … Deshalb wurde Abraham nicht dafür gerügt, dass er gelacht und gefragt hatte, wie einem hundertjährigen Mann und einer neunzigjährigen Frau ein Sohn geboren werden könnte. Denn er gab in seinem Staunen der Macht des göttlichen Wortes nichtsdestoweniger seinen Platz (in suo stupore locum nihilominus dabat Divini verbi potentiae).“ Michel 173; Käsemann 118; Cranfield I 248-249; Wilckens I 276. Wird τηñ, πι' στει als dat. causae verstanden, könnte Paulus auch sagen: Der Glaube machte Abraham stark. Zahn 237 interpretiert im Sinne eines dat. instrumenti: Durch den Glauben gewann „sein altersschwach gewordenes leibliches Leben“ an Kraft; Michel 174.

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final: Die Ehrung Gottes ist die Folge des von Gott gestärkten Glaubens.185 Gott die Ehre geben bedeutet, ihn als den anzuerkennen, der das Nichtseiende ins Sein ruft und die Toten auferweckt, auf seine Schöpferkraft zu vertrauen, die Wahrheit seines Wortes anzuerkennen, sich seiner Autorität zu unterstellen. Abraham ist der erste Mensch, „der die in Röm 1,21 beschriebene Grundsünde der Heiden hinter sich gelassen und ‚Gott als Gott verherrlicht‘ hatte“.186 21 Der Glaube Abrahams gründet in der Überzeugung: Gott hat die Macht zu tun, was er verheißen hat. Das Ptz. πληροφορηθει'ς [plērophorētheis] kann analog zu δου' ς final verstanden werden: Die Überzeugung, dass Gott die Macht hat, seine Verheißung zu erfüllen, ist nach der Ehrung Gottes die zweite Folge der Stärkung des Glaubens durch Gott.187 Gott „hat Macht“ (δυνατο' ς ε� στιν [dynatos estin]), weil er der souveräne und allmächtige Schöpfer ist, „der die Toten lebendig macht und dem Nichtseienden ruft, damit es sei“ (V. 17). Das Adjektiv δυνατο' ς kommt in der LXX häufig als Gottesprädikat vor.188 Ein eindrückliches Beispiel ist Dan 3,17: „Denn der Gott im Himmel ist unser einziger Herr, den wir fürchten, der mächtig ist (ο« ς ε� στι δυνατο' ς), uns aus dem Feuerofen zu befreien; und aus deinen Händen, König, wird er uns befreien“ (LXX.D). Die Wahrheit des Heil verheißenden Wortes Gottes ist nicht nur Zusage: Sie wird Wirklichkeit im Tun (ποιηñ σαι) dessen, was er verheißen hat.189 Der Glaube Abrahams war nicht in erster Linie Glaube an die Verheißung, sondern Glaube an den souveränen Gott, der Unmögliches möglich werden lassen kann und dies auch tut, wenn er es verspricht. 22 Paulus wiederholt Gen 15,6 (vgl. V. 3), um auf seine Erklärung in V. 321 rückblickend190 das Wesen des Glaubens zu unterstreichen, den Gott Abraham zur Gerechtigkeit angerechnet hat (ε� λογι'σθη αυ� τω ñ, ει� ς δικαιοσυ' νην). Abraham glaubte an Gott, der die Macht hat, seine Verheißung von leiblichen Nachkommen wahr werden zu lassen (V. 21), auch wenn dies ———————————————————

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Möglich ist auch ein modales Verständnis: Indem Abraham Gott die Ehre gab, wurde sein Glaube gestärkt. Zur Wendung διδο' ναι δο' ξαν τω ñ, θεω ñ, s. Jos 7,19; 1Sam 6,5; 1Chron 16,28.29; Jes 42,12; Jer 13,16; im NT Joh 9,24; Apg 12,23; Offb 11,13; 16,9; 19,7. Wolter I 308. Bauer / Aland s.v. πληροφορε' ω 2 Pass. „voll überzeugt sein, ganz und gar durchdrungen sein“, auch „mit Gewissheit erfüllt sein“. Ein modales Verständnis ist möglich: Indem Abraham von der Souveränität Gottes überzeugt war, hat er Gott die Ehre gegeben. LXX Gen 13,16; 1Sam 2,9; Ps 23,8; 88,9; Hi 36,5; Jer 39,19; Dan 3,17; Zef 3,17; in jüdischen Texten s. JosAs 8,10; 2Makk 8,18; 4Makk 14,17; Philo, Abr. 112.175; Jos. 244; Spec.Leg. 1,282; Somn. 2,136. Vgl. Flebbe, Solus Deus, 250. Der Inf. ποιηñ σαι ergänzt das Adj. δυνατο' ς, ο« ist Akkusativobjekt. Flebbe, Solus Deus, 252: διο` και' folgert „abschließend rückbezüglich“.

488 Römerbrief ————————————————————————————————————

jeder menschlichen Erwartung widersprach (V. 18), d.h., er glaubte an Gott als den, „der die Toten lebendig macht und dem Nichtseienden ruft, damit es sei“ (V. 17). Der Glaube, der dem Gottlosen zur Gerechtigkeit angerechnet wird (V. 5), sieht so aus, wie er in V. 18-21 beschrieben wurde. Als solcher ist er für die Jesusbekenner Standard ihres Glaubens an Gott, der den Glauben an Jesus, den Messias Israels und Retter von Juden und Heiden, zur Gerechtigkeit anrechnet. I 23 Es wurde aber nicht allein um seinetwillen geschrieben: Es wurde ihm angerechnet, 24 sondern auch um unseretwillen, denen es angerechnet werden soll, die wir an den glauben, der Jesus, unseren Herrn, von den Toten auferweckt hat, 25 der dahingegeben wurde um unserer Übertretungen willen und auferweckt um unserer Rechtfertigung willen. II Im letzten Abschnitt betont Paulus, dass der Glaube Abrahams, den Gott ihm zur Gerechtigkeit anrechnet, alle Menschen angeht, Juden und Heiden. Dieser Abschnitt, im griech. Text ein einziger Satz, ist nicht ein Nachtrag, sondern er zeigt grundsätzlich, dass jetzt, nach dem Kommen des Messias Jesus, der rechtfertigende Glaube an Gott immer Glaube an Jesus, den von Gott Auferweckten, ist. Deshalb hat das Profil des Glaubens Abrahams Gültigkeit für die Christen: Abraham glaubte an Gott (V. 3), der die Toten lebendig macht (V. 17). Da Gott Jesus von den Toten auferweckt hat (V. 25), rechnet er dem Gottlosen, der keine Leistungen erbracht hat (V. 5), aus Gnade (V. 16) Gerechtigkeit an und vergibt Übertretungen im Anschluss an den Tod und die Auferweckung Jesu. Textkritische Anmerkungen. In V. 23 vervollständigen D2 1241 u.a. vgcl p sy das abgekürzte Zitat aus Gen 15,6 durch die Hinzufügung von ει� ς δικαιοσυ' νην, was als sekundärer Verbesserungsversuch zu bewerten ist. III

23 Der einleitende Satz Es wurde aber nicht allein um seinetwillen geschrieben: Es wurde ihm angerechnet unterstreicht, was sich aus der langen Behandlung der Erwählung und Bekehrung Abrahams V. 1-22 im Kontext des Briefes an die stadtrömischen Christen (sowie aus V. 16-17) fast von selbst ergibt: Der Glaube Abrahams ist für die Jesusbekenner von unmittelbarer Relevanz. Was die Schrift zum Glauben Abrahams berichtet,

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wurde nicht nur um Abrahams willen (ου� κ δι’ αυ� το` ν μο' νον) geschrieben. Der Inhalt der heiligen Schrift Israels dient immer zu „unserer Belehrung“ (15,4; vgl. 1Kor 10,6.11). Angesichts des Kommens des Messias, in dem sich Gottes Verheißung erfüllt, erhält das in der Schrift Geschriebene Bedeutung für die als Endzeit qualifizierte Gegenwart (s. unten IV). „Die Abrahamsgeschichte hat ihr eigenes Recht und Gewicht, und die Aufnahme in die Schrift gibt auch der Historie Bedeutung.“191 Die Relevanz der Schrift betrifft hier konkret den Glauben Abrahams, den Gott ihm zur Gerechtigkeit anrechnete. Das abgekürzte Zitat aus Gen 15,6: „es wurde ihm angerechnet“ (ε� λογι'σθη αυ� τω ñ, ) verweist zurück auf V. 3 und die Erläuterung der Erwählung, Bekehrung und Gerecht-Erklärung Abrahams in V. 4-22. 24 Die Aussage in Gen 15,6, dass Gott den Glauben Abrahams diesem zur Gerechtigkeit anrechnete, wurde auch um unseretwillen (και` δι’ η� μαñ ς [kai di’ hēmas]) geschrieben. Die 1. Pers. Plural des Personalpronomens (η� μαñ ς) bezieht sich einmal auf Juden, die biologische Nachkommen (κατα` σα' ρκα) Abrahams sind (V. 1): Für sie gilt, dass sie die Gerechtigkeit, die sie angesichts des Zornes Gottes (V. 15; vgl. 1,18) benötigen, nur dann erhalten, wenn Gott sie ihnen infolge ihres Glaubens anrechnet – aus Gnade (V. 4.16), ohne Vorleistungen (V. 4-5) wie die Beschneidung (V. 9-10) zu verlangen, allein aufgrund des Glaubens an den Gott, der Gottlosen Gerechtigkeit zuspricht (V. 5) und die Toten lebendig macht und dem Nichtseienden ruft, damit es sei (V. 17). Dann bezieht sich η� μαñ ς aber auch auf Heidenchristen,192 die in der stadtrömischen Gemeinde offenbar die Mehrheit bilden. Wie Abraham als Gottloser (V. 5), Unbeschnittener (V. 910) und Gesetzloser (V. 13-15) an Gott glaubte, der die Toten lebendig macht und dem Nichtseienden ruft, damit es sei (V. 17), die Gnade Gottes erfuhr (V. 4.16), der ihm seinen Glauben zur Gerechtigkeit anrechnete, so haben auch die Heiden erfahren, dass Gott ihnen den Glauben zur Gerechtigkeit anrechnete. Abraham, dessen Glauben Gott ihm zur Gerechtigkeit anrechnete, ist „unser aller Vater“ (V. 16), auch der Heiden (V. 11). Die Wendung denen es angerechnet werden soll spricht von dem Glauben, den Gott zur Gerechtigkeit anrechnet. Das Passiv λογι'ζεσθαι [logizesthai] ist passivum divinum; πι'στις ist impliziertes Subjekt der Formulierung (von Gen 15,6 V. 23, mit Rückbezug auf das Zitat in V. 3). Das mit „soll“ übersetzte finite Verb (με' λλει) ist in seinem Bezug wahrscheinlich absichtlich unbestimmt. Es verweist auf das endzeitliche Gericht, bei ———————————————————

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Käsemann 119. Mit strukturellen Argumenten Flebbe, Solus Deus, 254.

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dem die Anrechnung des Glaubens durch den gnädigen Gott, der die Toten auferweckt, als Freispruch des Sünders wirksam wird,193 wobei diese Zukunft „bereits die Gegenwart qualifiziert“. Es beschreibt von der Vergangenheit der Schriftaussage her logisch als Futur formuliert die Gegenwart: Gott rechnet den Glauben jetzt, in der Gegenwart, Juden und Heiden zur Gerechtigkeit an, die legitime Kinder Abrahams sind, wenn sie wie Abraham an Gott als den glauben, der den Gottlosen rechtfertigt (V. 5).194 Im Kontext der Behandlung Abrahams als normatives Modell des Glaubens von Juden und Heiden in der Gegenwart hat die zweite Interpretation das größere Recht, wobei die erste mit im Blickfeld zu behalten ist.195 Der Glaube Abrahams, den Gott ihm zur Gerechtigkeit anrechnete, war der Glaube an Gott, der die Toten lebendig macht (V. 17). In der mit dem „jetzt aber“ in 3,21 markierten neuen Heilszeit, die im Evangelium von der Offenbarung der Gerechtigkeit Gottes durch Jesus Christus verkündigt wird (1,3-4.16-17), ist der Glaube Abrahams Maßstab für uns, die wir an den glauben, der Jesus, unseren Herrn, von den Toten auferweckt hat. Der Dativ τοιñς πιστευ' ουσιν („die wir glauben“) bezieht sich auf die Jesusbekenner, ob Juden oder Heiden, denen Gott den Glauben zur Gerechtigkeit anrechnet, wie er Abraham zur Gerechtigkeit angerechnet wurde. Der Glaube an Gott, der zur Gerechtigkeit angerechnet wird, ist jetzt der Glaube an Gott (ε� πι` το` ν [θεο' ν]), der Jesus von den Toten auferweckt hat (το` ν ε� γει'ραντα � Ιησουñ ν … ε� κ νεκρω ñ ν). Jesus ist der Herr (κυ' ριος) als der messianische Gottessohn, der von den Toten auferstanden ist und in der machtvollen Gegenwart Gottes „unser Herr“ ist (1,3-4). Von Jesus dem Kyrios ist im ———————————————————

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Schlatter 172; Barrett 99; Michel 174 Anm. 11; Schlier 135; Käsemann 121; Fitzmyer 388; Lohse 161, ebd. das folgende Zitat, mit Verweis auf Jeremias, Glaubensverständnis, 57; Luz, Geschichtsverständnis, 113 Anm. 367. Kritisch Wolter I 309 Anm. 127. Bauer / Aland s.v. με' λλω 1cδ „die infolge göttl. Ratschlusses notwendig eintretende Handlung bezeichnend muß, soll, wird gewiß“, mit Verweis, neben Röm 4,24; 8,13; 1Thess 3,4; auf Mt 10,32; 16,27; 17,12.22; 20,22; Lk 9,31.44; Joh 7,39; 11,51; 12,33; 18,32; Apg 20,38; 26,22; Hebr 1,14; 11,18; Offb 1,19. BDAG s.v. με' λλω 2 (ebenfalls mit Verweis auf Röm 4,24). Grammatikalisch wäre bei dieser Interpretation ε» μελλεν zu erwarten, aber 5,14 hat einen entsprechenden Gebrauch des Präsens; Wilckens I 277 Anm. 902, der weiter auf 1Petr 5,1; Hebr 1,10; 10,1; Kol 2,17 verweist. Im Sinn der Gegenwart interpretieren u.a. Lagrange 97; Kühl 135; Kuss I 193; Cranfield I 250; Wilckens I 277; Moo 287 Anm. 3; Schreiner 242; Légasse 329; Penna 330; Jewett 341. Zahn 239 mit Anm. 88 interpretiert με' λλει als zeitloses Präsens, bei dem Paulus „an die Zahllosen dachte, welchen durch ihn und andere das Ev[angelium] und die Aufforderung, dem Glauben Abr[aham]s nachzufolgen, erst noch zu bringen war.“ Dunn I 223: „At the very least Paul’s language probably reflects the fact that he saw God’s reckoning righteous as not merely an initial acceptance but as an acceptance which looked to the final judgment and the need for a continued sustaining in the time between.“

Der Glaube Abrahams und das messianische Gottesvolk 4,1-25 491 ————————————————————————————————————

Evangelium die Rede, das „die Macht Gottes zur Rettung für jeden“ ist, „der glaubt, für den Juden zuerst und auch für den Griechen“ (1,16) – eine Rettung, die darin besteht, dass Gott den Glauben zur Gerechtigkeit anrechnet (1,17) und die Sünder umsonst rechtfertigt aufgrund seiner Gnade durch die Erlösung, die im Messias Jesus geschehen ist (3,24). Wie Abrahams Glaube auf Gott vertraute, der die Toten lebendig macht (4,17), so vertraut authentischer, als Gerechtigkeit angerechneter Glaube auf Gott, der Jesus von den Toten auferweckt hat. Der Satz „Gott hat Jesus von den Toten auferweckt“ war einer der frühesten Glaubenssätze (Apg 3,15; 4,10; 13,30; Röm 7,4; 8,11; 10,9; 1Kor 15,12.20; Gal 1,1; Eph 1,20; Kol 2,12; 1Thess 1,10; 1Petr 1,21).196 Wenn man (wie viele) eine vorpaulinische Formulierung annimmt, die Paulus hier aufgreift,197 muss festgehalten werden, dass er diese dem Kontext anpasst, vor allem an der Betonung der Glaubens als auf Gott gerichtet (sonst steht Jesus Christus im Mittelpunkt).198 Gottes Handeln in der Auferweckung Jesu zeigt, deutlicher und dramatischer als alles vorhergehende Handeln Gottes, dass Gott Leben aus dem Tod und Seiendes aus dem Nichtseienden schaffen kann. Gottes Auferweckung Jesu von den Toten ist die endzeitliche Verwirklichung der Schaffung von Leben im Mutterschoß Saras. Beide Ereignisse sind epochemachend, indem sie den Anfang des Volkes Gottes in seiner israelitischen und in seiner messianischen Gestalt markieren.199 Die theologische Bedeutung von V. 24 ist erheblich.200 1. Der christliche Glaube ist Glaube an Gott und er ist Glaube an Jesus Christus, wobei gilt, dass der Glaube an Gott den Glauben an Jesus Christus beinhaltet im Hinblick auf das, was Gott in und durch Jesus zum Heil der Sünder aus Juden und Heiden gewirkt hat. 2. Die frühchristliche Formulierung „Gott hat Jesus auferweckt“ (und nicht „Jesus ist auferstanden“; vgl. jedoch 1Thess 4,14) versteht die Auferstehung Jesu im Zusammenhang des Heilshandelns Gottes. Jesus ist nicht Gegenstand des Glaubens und theologischer Reflexion ———————————————————

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Vgl. Kramer, Christos, 16-22; Wengst, Formeln, 21-23; Paulsen, Überlieferung, 51-55. So die meisten; jüngst Hurtado, Lord Jesus Christ, 96.133.171.187. Wilckens I 278: Röm 10,9-10 zeigt, „daß die Auferweckung Jesu der zentrale Inhalt des Glauben ist, auf dessen Rezitation der Täufling mit dem akklamatorischen Bekenntnis κυ' ριος � Ιησουñ ς antwortet“. Dieser konkrete Kontext ist möglich, aber traditionsgeschichtlich rekonstruiert; er lässt sich weder aus den Taufstellen der Apg noch aus den Briefen explizit erheben. Vgl. Dunn I 223; Jewett 342; Hays, Echoes, 84-87; Neubrand, Abraham, 287. Flebbe, Solus Deus, 257: „Was er jetzt an seinem Sohn erwiesen hat als Konkretion seines ihn grundsätzlich charakterisierenden Handelns, hat er zuvor an dem so paradigmatischen Abraham gezeigt – beidesmal im Hinblick auf ein und dasselbe Ziel: das Erbe des Kosmos, also die universale Menschheit des Heils aus Juden und Heiden.“ Die folgenden Bemerkungen sind angelehnt an Dunn I 224.

492 Römerbrief ————————————————————————————————————

unabhängig von Gott, der sich Abraham und anderen in der Geschichte Israels offenbart hat. Der Glaube an Jesus löst den Glauben an den Gott Abrahams und Israels nicht ab. 3. Jesus ist Kyrios nicht infolge seiner Auferweckung von den Toten: Gott hat Jesus von den Toten auferweckt, der der Kyrios ist – Jesus ist als der Gekreuzigte der Kyrios. Der irdische Jesus, der für die Übertretungen der Vielen gestorben ist, ist genauso Kyrios wie der auferstandene und zur Rechten Hand Gottes erhöhte Jesus Kyrios ist. 25 Der Satz der dahingegeben wurde um unserer Übertretungen willen (ο� ς παρεδο' θη δια` τα` παραπτω' ματα η� μω ñ ν), der wohl ebenfalls aus frühchristlicher Tradition stammt,201 spricht vom Handeln Gottes: Das Passiv der Verben „er wurde dahingegeben“ (παρεδο' θη [paredothē]) und „er wurde auferweckt“ (η� γε' ρθη [ēgerthē]) ist pass. divinum: Gott hat Jesus „dahingegeben“, d.h., dem Tod am Kreuz ausgeliefert, und Gott hat Jesus „auferweckt“, d.h., von den Toten zum Leben erweckt. Die meisten ntl. Stellen, die das Verb παραδι' δωμι [paradidōmi] verwenden, stehen im Zusammenhang des Leidens und Sterbens Jesu. Folgende Elemente gelten als wichtig.202 1. Der entscheidende Hintergrund ist Jes 53,12 LXX: „Deshalb wird er viele beerben und der Mächtigen Beute als Teil erhalten, dafür, dass seine Seele in den Tod dahingegeben (παρεδο' θη ει� ς θα' νατον η� ψυχη` αυ� τουñ ) und er unter die Gesetzlosen gerechnet wurde; und er selbst nahm die Sünden von vielen auf sich, und um ihrer Sünden willen wurde er dahingegeben (δια` τα` ς α� μαρτι' ας αυ� τω ñ ν παρεδο' θη)“ (LXX.D). Die früheste Formulierung ist vielleicht Mk 9,31: „Der Menschensohn wird den Menschen ausgeliefert (παραδι' δοται ει� ς χειñρας α� νθρω' πων) und sie werden ihn töten; doch drei Tage nach seinem Tod wird er auferstehen.“ 2. Die Dahingabeformel in der vorpaulinischen Tradition beschreibt umfassend das Kommen des Sohnes Gottes (rekonstruiert aufgrund von Röm 8,32; Joh 3,16). 3. Im Zusammenhang des Leidens Jesu kommt es zu profanen Aussagen von der „Auslieferung“ (oft wird παραδι' δωμι mit „verraten“ übersetzt) durch Judas (Mt 10,4; 26,15-16.21-25.46.48; 27,3-4; Mk 3,19; 14,10-11.18.21.42; Lk 6,16; 22,4.6.21-22.48; Joh 6,71; 12,4; 13,2; 18,2.5; 19,16) und die „Übergabe“ an Pilatus bzw. die Heiden (Mt 27,2.18.26; Mk 10,33; 15,1.10; Lk 20,20; 23,25; 24,20; Apg 3,13; Joh 18,30.35; 19,11) und durch diese in den Tod (Mk 15,15). Davon unabhängig sind die theologischen Aussagen zur Dahingabe Jesu durch Gott ———————————————————

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Zuletzt Lohse 162: Einsatz mit ο« ς (vgl. Phil 2,6; 1Tim 3,16), parallelismus membrorum der Struktur der Bekenntnisaussage, Voranstellung der beiden Verba passiva, die den Gottesnamen umschreiben, Verwendung der Vokabeln παραπτω' ματα (Plural) und δικαι' ωσις (nur noch Röm 5,18). Sonst nicht üblich ist die Formulierung im Passiv und das zweifache δια' (für υ� πε' ρ); Dunn I 224. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass Paulus selbst knapp und prägnant in parallelen Wendungen formuliert. W. Popkes, Art. παραδι' δωμι, EWNT III, 42-48, bes. 43-45 (betont, dass der Traditionsvorgang nicht geklärt und Skepsis angebracht ist gegenüber monokausalen Ableitungen, ebd. 45); Popkes, Christus traditus; s. jetzt auch Weihs, Deutung, 290-331; Eschner, Gestorben I, 478-490. Wilckens I 280: Das Urteil über V. 25 als vorpaulinische Formel ist „keineswegs gesichert. Die Aussage steht eben traditionsgeschichtlich sehr isoliert, vor allem was die soteriologische Deutung der Auferstehung betrifft“; er will aber gegen Kuss I 195 nicht „jegliche Traditionalität des ganzes Satzes“ ausschließen.

Der Glaube Abrahams und das messianische Gottesvolk 4,1-25 493 ———————————————————————————————————— (Röm 4,25; vgl. den Hinweis auf Gottes Plan in Lk 24,7; Apg 2,23). 4. In der Abendmahlstradition ist prominent vom Ausgeliefertwerden Jesu die Rede: „Denn ich habe vom Herrn empfangen, was ich euch dann überliefert habe: Der Herr Jesus nahm in der Nacht, in der er verraten („ausgeliefert“) wurde, Brot und sprach das Dankgebet und brach das Brot und sprach: Dies ist mein Leib, der für euch gegeben wird. Tut dies zu meinem Gedächtnis“ (1Kor 11,23-24). Neben dem Verweis auf die „Dahingabe“ bzw. den Verrat durch Judas ist hier, traditionsgeschichtlich wichtig, von der Selbsthingabe Jesu die Rede, die auch in Mk 10,45 betont wird: „Denn auch der Menschensohn ist nicht gekommen, um sich dienen zu lassen, sondern um zu dienen und sein Leben hinzugeben als Lösegeld für viele.“ Paulus verwendet παραδι' δωμι in unterschiedlichen Zusammenhängen und Bedeutungen. Gott hat die Sünder in die Folgen ihrer Sünde „übergeben“ (Röm 1,24.26.28); Christen wurden der Gestalt der Lehre (6,17) bzw. Lehren und Verhaltensweisen (1Kor 2,23; 15,3) „übergeben“; er „übergibt“ einem unbußfertigen Sünder dem Satan (1Kor 5,5); er spricht vom sich der Ausschweifung „hingeben“ (Eph 4,19); Jesus wird am Ende seine Herrschaft Gott „übergeben“ (1Kor 15,24). Theologisch und christologisch wichtig sind folgende Aussagen: Paulus lebt im Glauben an den Sohn Gottes, „der mich geliebt und sich für mich hingegeben hat (παραδο' ντος ε� αυτο` ν υ� πε` ρ ε� μουñ )“ (Gal 2,20; vgl. Eph 5,2.25). Die von Paulus empfangene und weitergegebene Abendmahlstradition beginnt mit dem Satz: „Der Herr Jesus nahm in der Nacht, in der er ausgeliefert wurde (ε� ν τηñ, νυκτι` ηð, παρεδι' δετο), Brot und sprach das Dankgebet und brach das Brot und sprach: Dies ist mein Leib, der für euch (υ� πε` ρ υ� μω ñ ν) gegeben wird“ (1Kor 11,23-24). Paulus schreibt im Blick auf Gott: „Er hat seinen eigenen Sohn nicht verschont, sondern ihn für uns alle hingegeben (υ� πε` ρ η� μω ñ ν πα' ντων παρε' δωκεν αυ� το' ν) – wie sollte er uns mit ihm nicht alles schenken?“ (Röm 8,32). Das Simplex δι' δωμι wird in ähnlichen Zusammenhängen verwendet: Paulus beschreibt Jesus Christus als den, „der sich für unsere Sünden hingegeben hat (δο' ντος ε� αυτο` ν υ� πε` ρ τω ñν α� μαρτιω ñ ν η� μω ñ ν), um uns aus der gegenwärtigen bösen Welt zu befreien, nach dem Willen unseres Gottes und Vaters“. Jesus hat „sich als Lösegeld hingegeben hat für alle“ (ο� δου` ς ε� αυτο` ν α� ντι' λυτρον υ� πε` ρ πα' ντων; 1Tim 2,6). Jesus hat „sich für uns hingegeben (ε» δωκεν ε� αυτο` ν υ� πε` ρ η� μω ñ ν), um uns von aller Schuld zu erlösen und sich ein reines Volk zu schaffen, das ihm als sein besonderes Eigentum gehört“ (Tit 2,14).

Paulus betont in V. 25 mit παρεδο' θη, dass Gott den Sühnetod Jesu (3,25) am Kreuz (6,16) initiiert hat. Die Ursache des Todes Jesu wird mit „um unserer Übertretungen willen“ (δια` τα` παραπτω' ματα η� μω ñ ν) angegeben. Die kausal203 zu deutende Präposition betont, dass „wir“ (η� μαñ ς, V. 24), d.h. die Sünder aus Juden und Heiden (1,18–3,20), am Tod Jesu schuld sind, weil „Übertretungen“ bzw. „Sündentaten“ (παραπτω' ματα, s. 2,12)204 gegen Gottes Willen mit dem Tod ———————————————————

203 204

Zahn 240 Anm. 90; Michel 175; Cranfield I 252; Käsemann 122; Schlier 136; Wilckens I 278; Wolter I 312; Eschner, Gestorben I, 490-491. Bauer / Aland s.v. παραπτω' μα „Fehltritt, Vergehen, Sünde“, meistens „Verfehlungen“ gegen Gott. Bei Paulus kommt das Wort sonst noch vor in Röm 5,15[2x].16.18.18.20; 11,11.12; 2Kor 5,19; Gal 6,1; Eph 1,7; 2,1.5; Kol 2,13. Vgl. W. Michaelis, Art. παραπι' πτω κτλ., ThWNT VI, 170-173; M. Wolter, EWNT III, 77-79; W. Bauder / W. Günther, ThBLNT I, 1607-1608. Das Wort ist bislang nur in einem einzigen nichtchristlichen Papyrus bezeugt: C.Ord.Ptol. 53,91 (118 v.Chr.) spricht von der Festlegung eines einheitlichen Maßes zur Einhebung der Naturalsteuer, wobei „Abweichungen“ (παραπτω' ματα) von bis zu zwei Einheiten zugelassen sind; Arzt-Grabner, 2. Korinther, 338.

494 Römerbrief ————————————————————————————————————

bestraft werden205 und nur durch einen Ersatz gesühnt werden können. Die Formulierung mit δια' (statt wie sonst in der Tradition vom Tod Jesu üblichen υ� πε' ρ) belegt die Verbindung mit Jes 53,12 LXX (s. oben).206 Jesus ist der von Jesaja beschriebene, von Gott verheißene leidende Gottesknecht,207 der die Sünden von vielen auf sich nahm (α� μαρτι'ας πολλω ñ ν α� νη' νεγκε) und der wegen ihrer Sünde dahingegeben wurde (δια` τα` ς α� μαρτι'ας αυ� τω ñ ν παρεδο' θη), und dessen stellvertretender, die Sünde sühnender Straftod deshalb Heilsbedeutung hat (vgl. dazu 3,25). Im Schlusssatz stellt Paulus neben den Sühnetod Jesu dessen Auferweckung: (er wurde) auferweckt um unserer Rechtfertigung willen (η� γε' ρθη δια` τη` ν δικαι'ωσιν η� μω ñ ν). Das pass. divinum verweist auf Gott als den, der Jesus von den Toten auferweckt hat. Der Gott, von dem Abraham glaubte, dass er Tote auferweckt (V. 17), hat Jesus als den für unsere Sünden gestorbenen Messias auferweckt.208 Die Auferweckung Jesu ist eine Machttat Gottes. Die Präposition δια' ist final zu interpretieren: Ziel der Auferweckung Jesu ist die „Rechtfertigung“ (δικαι'ωσις).209 Die Auferweckung Jesu hat Heilsbedeutung, was für Paulus eine singuläre Aussage ist. Paulus verteilt die beiden Aspekte des Sühnegeschehens – die stellvertretende Übernahme der Sünden und die daraus resultierende Rechtfertigung der Sünder – auf den Tod bzw. die Auferstehung Jesu. Es wäre jedoch falsch, die sachliche Einheit von Tod und Auferweckung Jesu aufzulösen, als ob der Tod Jesu bloße Voraussetzung der Rechtfertigung wäre, die sich erst infolge der Auferweckung Jesu ereignet hat und ein rein zukünftiges, forensisches Geschehen ist, oder als ob Paulus zwischen subjektiver und ob———————————————————

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Die Vokabel wird in 5,15[2x].17.18.20 für den „Fall“ Adams verwendet, der die Herrlichkeit des Paradieses verlor, mit der Folge des Todes der Menschen (5,15.17). Repräsentativ Wilckens I 279; Käsemann 122; Haacker 131; Wright 503; Lohse 162; Patsch, Hintergrund, 273-279 (zeigt die Nähe von 1QIsaa.b zu Jes 53,12 LXX); Hofius, Gottesknechtslied, 356-357; Gaukesbrink, Sühnetradition, 61-62; Hahn, Hoheitstitel, 6263; Hooker, Use, 101; Theobald, Der Römerbrief, 174; Wagner, Heralds, 334; Jipp, Abraham, 229-230; Eschner, Gestorben I, 64-66.478-483 (die Verbindung mit Jes 53 wird für Röm 8,2 abgelehnt, ebd. 67-72.490-495). Käsemann 122 will Jesus nicht als leidenden Gottesknecht verstanden wissen: Im NT erfolge öfter „atomisierende“ Zitation. Die Bedeutung, die das Jesajabuch für Paulus insgesamt hat, spricht gegen eine „atomisierende“ Verwendung von Jes 53,12 in Röm 4,25. 1Kor 15,3-4: Χριστο` ς α� πε' θανεν υ� πε` ρ τω ñ ν α� μαρτιω ñ ν η� μω ñ ν … ε� γη' γερται τηñ, η� με' ρα, τηñ, τρι' τη, . Das Wort δικαι' ωσις kommt im NT nur hier und in 5,18 vor. Vgl. Jes 53,11: der Herr wird dem Gottesknecht Licht zeigen „und (ihn) für die Einsicht gestalten, gerecht zu machen den Gerechten (δικαιω ñ σαι δι' καιον), der vielen gut dient, und er selbst wird ihre Sünden auf sich nehmen (τα` ς α� μαρτι' ας αυ� τω ñ ν αυ� το` ς α� νοι' σει)“ (LXX.D); das Subst. δικαι' ωσις liegt nicht vor (wie Lohse 162 meint), dafür der Infinitiv des Verbs δικαιο' ω.

Der Glaube Abrahams und das messianische Gottesvolk 4,1-25 495 ————————————————————————————————————

jektiver Rechtfertigung unterscheiden wolle, sodass der Sühnetod Jesu die Sünden vergibt und sich der Glaube aus der Auferweckung Jesu ergibt.210 Folgende Erklärungen wurden angeboten, die alle problematisch sind.211 1. Die Tilgung der Sündenschuld, die negative Seite der Rechtfertigung, ist Folge des Kreuzestodes Jesu Christi; ihre positive Seite, die innere Lebenserneuerung und Wiedergeburt, ist die Folge der Auferstehung Jesu.212 2. Der Tod Jesu genügte zur Sühnung unserer Sünden; für unseren Glauben, „aus dem allen Gerechtigkeit hervorgehen kann“, bedurfte es der Auferstehung Jesu.213 3. Der Tod Jesu sühnt unseren Fall, der dem Tod Jesu vorausgeht; ebenso geht unsere Rechtfertigung der Auferweckung Jesu voraus: „da sie durch seinen Tod geschehen ist, wurde er auferweckt“.214 4. Die Auferweckung Jesu ist „göttliche Tat der formellen und feierlichen Ratifizierung des vollbrachten Erlösungswerkes, die den Glauben, der zur Rechtfertigung führt, grundlegt und wirkt“; vielleicht versteht Paulus auch „die Verherrlichung Jesu als Heilstatsache“, die „nach dem ewigen Ratschluß Gottes der Sendung des Heiligen Geistes und der Ausrichtung des apostolischen Dienstes der subjektiven Weltversöhnung und Menschheitserneuerung vorangehen mußte“.215

Die parallele Formulierung zeigt, dass Paulus den Sühnetod Jesu und die Auferweckung Jesu als ein zusammengehörendes Heilsereignis versteht, durch das es möglich ist, dass Juden und Heiden gerechtfertigt werden. Die Nennung des Todes Jesu an erster Stelle benennt nicht nur dessen chronologische Priorität vor seiner Auferweckung, sondern unterstreicht, dass die Heilsbedeutung der Auferweckung Jesu in seinem Sühnetod begründet ist.216 Die Parallelität der Formulierungen weist auf eine rhetorische Erklärung: „Im Blick auf die rhetorisch wirkungsvolle Form und die Schwierigkeiten einer einleuchtenden Erklärung in dem oben erwähnten Sinne wird man also eher geneigt sein, einen ‚synthetischen Parallelismus‘ anzunehmen, der einen einzigen Gedanken in paralleler Gliederung in zwei Teile zerlegt.“217 Eine strukturelle Erklärung der beiden Sätze ergibt ebenfalls einen Sinn: Der Sühnetod Jesu zur Vergebung der Sünden (V. 25a) löst das in 1,18–3,20 beschriebene Problem der Sünden von Heiden und Juden; der

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Richtig Wilckens I 278-279; Dunn I 225. Haacker 131: Die Verbindung der Rechtfertigung mit der Auferweckung Jesu lässt eine Grenze des mit der Deutung des Todes Jesu als stellvertretende Sühne gegebenen „soteriologischen Denkmodells“ erkennen. Für das folgende Referat s. Kuss I 194. Bisping 166; ähnlich Bardenhewer. Jülicher 248; ähnlich Lietzmann 56; Weiß, Brief 54; Zahn 240. Schlatter 172. Gutjahr 159; vgl. Kuss I 194. Wilckens I 279. Kuss I 194-195, mit Verweis auf Dodd und Nygren. Lohse 162 Anm. 19 will deshalb die Präposition δια' einheitlich (final) verstehen; so auch Zeller 104.

496 Römerbrief ————————————————————————————————————

Hinweis auf die Auferweckung Jesu mit dem Resultat der Rechtfertigung fasst das in 3,21–4,24 beschriebene Heilshandeln Gottes zusammen.218 Gott bewirkt durch Kreuz und Auferweckung Jesu die Vergebung der Sünden, die es möglich macht, dass Sündern der Glaube an Gott und an seinen Messias Jesus zur Gerechtigkeit angerechnet wird. Das heißt: Die Offenbarung der Gerechtigkeit Gottes, die im Evangelium verkündigt wird (1,17), ereignete sich als Heil schaffende Gerechtigkeit in Tod und Auferstehung Jesu. Sie ist deshalb „die Macht Gottes zur Rettung für jeden, der glaubt, für den Juden zuerst und auch für den Griechen“ (1,16). IV Die Grundwahrheit des von Paulus verkündigten Evangeliums von Jesus, dem gekreuzigten und auferstandenen messianischen Davidssohn (1,3-4) und von Gott, dessen heilschaffende Offenbarung den Sündern ihren Glauben zur Gerechtigkeit anrechnet und sie so rettet (1,16-17), ist keine neu entworfene Theologie, sondern entspricht dem Vorbild der Erwählung und Bekehrung Abrahams, dem Gott seinen Glauben zur Gerechtigkeit anrechnete (Gen 15,6). Paulus argumentiert in Kap. 4 für die Kontinuität des Glaubens in der Geschichte Israels und der Jesusbekenner.219 Paulus zeigt, dass die rechtfertigende Wirklichkeit des Glaubens sowohl für Heiden wie auch für Juden gilt – abseits von menschlichen Leistungen wie Beschneidung oder Gesetzesgehorsam. Abrahams Glaube wurde ihm zur Gerechtigkeit angerechnet, als er gottloser Sünder war: Wenn Heiden an Gottes Heil schaffende Offenbarung glauben, werden sie von Gott als Gerechte erwiesen. Abraham ist auch der Vater der Heiden. Abrahams Glaube war sein Vertrauen in die Verheißung Gottes, dass er mit Sara Nachkommen zeugen würde: Er ist der Vater Israels und der Juden, wenn sie sich für ihre Gerechtigkeit allein auf den Glauben an Gottes Heil schaffende Offenbarung verlassen, nicht auf die Beschneidung oder das Gesetz. Die Abraham gegebene Bundesverheißung einer sowohl biologischen als auch internationalen Nachkommenschaft erfüllt sich in dem messianischen Gottesvolk, das aus Juden und Heiden besteht, die – wie V. 24-25 zeigen – an Jesus, den gekreuzigten ———————————————————

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Légasse 328-329; Flebbe, Solus Deus, 258-259. Diese strukturelle Analyse reicht nicht aus, den zusammenfassenden und abschließenden Charakter von 5,12-21 (Adam als Repräsentant der in 1,18–3,20 beschriebenen Sünden von Juden und Heiden; Jesus Christus als die von Gott initiierte endgültige Lösung des Sündenproblems) als Strukturmerkmal des Übergangs von den ersten beiden Hauptteilen (1,18–3,20 / 3,21–5,11) zu den beiden folgenden Hauptteilen (6–8 / 9–11) auszuhebeln. Vgl. Moxnes, Theology, 288; Flebbe, Solus Deus, 261-262.265-266; Gathercole, Boasting, 216-251; Toit, Glaube, 341-348. Vgl. Neubrand, Abraham, 32-79 für eine Übersicht der Forschungsgeschichte, in der meistens die Diskontinuität betont wurde.

Der Glaube Abrahams und das messianische Gottesvolk 4,1-25 497 ————————————————————————————————————

und auferstandenen Kyrios, glauben, durch dessen Tod und Auferweckung Sünden vergeben und der Glaube als Gerechtigkeit angerechnet wird. Die Kontinuität der Priorität des Glaubens an den Heil zusagenden und seine Verheißung verwirklichenden Gott bedeutet, dass Paulus in Kap. 4 sehr wohl einen Schriftbeweis für 3,21-31 liefert und Abraham als Modell christlichen Glaubens beschreibt.220 Das Argument von Paulus in Kap. 4 macht die These einer doppelten Soteriologie unmöglich, nach der Juden nach den Bedingungen des Sinaibundes, Heiden „eschatologisch“ durch den Glauben an Jesus Christus gerettet würden.221 Die Betonung der Relevanz der Abrahamgeschichte für die Jesusbekenner der Gegenwart (V. 23-25) ist von grundsätzlicher Bedeutung. Die Ereignisse und Personen der Heiligen Schrift „werden zwar nicht der Geschichte entnommen, bleiben darauf aber auch nicht beschränkt. Sie markieren Grundsituationen der Heilsgeschichte und können darum nicht überholt werden. Sie werden immer neu Ansage des Künftigen und Kriterien für das Verständnis der Gegenwart. Die Generation der mit dem Evangelium hereingebrochenen Endzeit findet hier ihr eigenes Geschick in seinen Möglichkeiten, Gefahren und Realitäten vorweggenommen und vorausgesagt.“222 Paulus verbindet in Röm 4 „‚theologische‘ Aussagen über die Gerechtigkeit Gottes, der die Gottlosen rechtfertigt, die Toten lebendig macht und tun kann und will, was er verheißen hat (4,5.17.21), ‚soteriologische‘ Aussagen über die (geschehene) Rechtfertigung der Glaubenden und den Erhalt der Verheißung des (endzeitlichen) Erbes aus Gnade, ohne Werke des Gesetzes (4,3f.13), und ‚ekklesiologische‘ Aussagen über die Geltung der Verheißung für Juden und Heiden, die als Glaubende beide Abraham zum Vater haben (4,11f.16.18).“223 Die Formulierung in 4,13 („die Verheißung, dass er der Erbe der Welt sein sollte“) klingt im Brief an die in der Hauptstadt des Römischen Reiches lebenden Christen erstaunlich, potentiell missverständlich. Die Seligpreisung Mt 5,5 („Selig, die keine Gewalt anwenden; denn sie werden das Land erben“, EÜ) zeigt, dass die Verheißung in ganz unpolitischem und unmilitärischem Sinn verstanden werden konnte.224 ———————————————————

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Toit, Glaube, 342, als Argument u.a. gegen die Neue Paulusperspektive, nach der es in Kap. 4 lediglich um den Nachweis gehe, dass Heidenchristen genauso wie Judenchristen zum Gottesvolk zählen (z.B. Cranford, Abraham, 71-88; Neubrand, Abraham, 292). So Gaston, Abraham; Gager, Reinventing Paul; vgl. Neubrand, Abraham, 291-294; kritisch Toit, Glaube, 342. Käsemann 119: „Die Generation der mit dem Evangelium hereingebrochenen Endzeit findet hier ihr eigenes Geschick in seinen Möglichkeiten, Gefahren und Realitäten vorweggenommen und vorausgesagt.“ Vgl. ebd. 119-120 zur Typologie. G. M. Saß, ThBLNT II 1747.

498 Römerbrief ————————————————————————————————————

Der Glaube, den Gott zur Gerechtigkeit anrechnet, hat nichts, worauf er sich berufen könnte – weder Beschneidung noch das Gesetz noch jegliche andere menschliche Werke und Leistungen jenseits der jüdischen „identity markers“ können Gott je veranlassen, Sünder als Gerechte anzusprechen. Der Glaube ist keine menschliche Fähigkeit.225 Er benennt die Wirklichkeit Gottes, angesichts derer der Mensch erkennt, dass er nichts hat, auf das er sich berufen kann, und dass er sich ganz auf Gottes Heil schaffende, souveräne Gnade verlassen muss.226 Deshalb ist authentischer Glaube immer auf das Wort Gottes angewiesen. Glaube im Gefolge Abrahams ist Annahme und Festhalten am Heil und Leben schaffenden Wort Gottes. Der Glaube ist deshalb „weder Tugend noch religiöse Haltung noch ein Erlebnis, sondern fides ex auditu. Er läßt sich auf die Heilszusage ein, wird ihr gehorsam.“227 Authentischer Glaube entsteht in der Begegnung mit Gott, der dem Sünder Heil und neues Leben verheißt. Im Zusammenhang von V. 24-25 und dem in 1,3-4.16-17 definierten Evangelium heißt dies: Glaube, den Gott zur Gerechtigkeit anrechnet, entsteht im Hören des verkündigten Evangeliums, das Verheißung ist, in dem Gott den Sünder zum Glauben an Jesus aufruft, den Messias Israels und Retter von Juden und Heiden, und in dem Gottes Macht für den Sünder Gerechtigkeit schafft. Der Glaube ist die Antwort auf das Wort Gottes, das die Herrschaft über uns Sünder ergreift. Deshalb ist der Glaube die Bedingung des Heils schlechthin. Der Gottlose, der Sünder, ob Jude oder Heide, muss sich von Gott sagen lassen, wer er ist, in beiderlei Sinn: wer Gott ist und wer er als Mensch ist. Glaube als Bedingung des Heils bedeutet deshalb nicht menschliche Vorleistung, sondern Annahme des Wortes Gottes, „das uns von allen Herren und jedem Heil außer Christus trennt und darin leben läßt“.228 Die Beschreibung des Profils von Abrahams prototypischem Glauben (V. 16-17) in V. 17 / 18-22 umfasst mehrere Elemente. 1. Authentischer ————————————————————

224 225 226

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Haacker 126; s. ebd. für das Folgende. Käsemann 106; die folgende Bemerkung ebd. Flebbe, Solus Deus, 222: Das λογι' ζεσθαι Gottes enthält kein menschliches Entsprechungselement, „weil es Gottes aus eigener Motivation, unabhängig von jeder menschlichen Aktivität geschenktes Heil für den Sünder, d.h. für den Menschen in voraussetzungsloser Situation, ist“. Käsemann 101. Problematisch ist die Auskunft, dass der Glaube „auch nicht das dogmatische Fürwahrhalten bestimmter Heilsereignisse“ sei: Das Evangelium „spricht“ nicht nur von Heilsereignissen, sondern ist von diesen abhängig – wer nicht glaubt, dass Jesus von den Toten auferweckt wurde, kann auch die Vergebung der Sünden und die Rechtfertigung nicht erleben, die nach 4,25 an Tod und Auferweckung Jesu gebunden sind. Die fides quae creditur ist nicht nur auf die Homologie gerichtet (pace ebd. 103), sondern auch auf die Ereignisse der Heilsgeschichte. Käsemann 102.

Der Glaube Abrahams und das messianische Gottesvolk 4,1-25 499 ————————————————————————————————————

Glaube, den Gott zur Gerechtigkeit anrechnet, vertraut auf eine konkrete Verheißung Gottes. Glauben heißt nicht Wünschen, besteht nicht in der Hoffnung auf die Erfüllung persönlicher Lebensplanung oder auf die Heilung von einer Krankheit. Glaube in den Fußspuren Abrahams heißt, auf eine konkrete Zusage Gottes vertrauen. Im Fall Abrahams war dies die Zusage Gottes, dass Abraham mit Sara einen Nachkommen zeugen würde (V. 17). Im Fall der an Jesus Glaubenden ist dies die Vergebung der Sünden (3,25-26; 4,5) und Leben, wo vorher kein Leben war, im Anschluss an Tod und Auferweckung Jesu Christi (V. 24-25), Verwirklichung der Frucht des Geistes – Liebe, Freude, Friede, Langmut, Freundlichkeit, Güte, Treue, Sanftmut und Selbstbeherrschung (Gal 5,22-23) – im konkreten Lebensvollzug des Jesusbekenners. Dass Abraham mit Sara ein Kind zeugen konnte, war ein Wunder. Wenn Gott die Sünde des Gottlosen sühnt, seine Verfehlungen vergibt und ihm den Glauben zur Gerechtigkeit anrechnet, ist das ebenfalls ein Wunder – genauso wie die Verwandlung, durch den Heiligen Geist, eines Lieblosen in einen Liebenden, eines Freudlosen in einen Fröhlichen, eines Unfreundlichen in einen Freundlichen, eines Unbeherrschten in einen Jesusbekenner, der der Versuchung zur Sünde nicht immer einfach nachgibt, sondern Selbstbeherrschung übt. 2. Authentischer Glaube vertraut auf die souveräne Schöpfermacht Gottes, der Tote auferweckt und aus Nichtseiendem neues Leben hervorbringt (V. 17). 3. Authentischer Glaube vertraut auf Gottes Zusage mehr als auf menschliche Kalkulationen, nach denen keine Wunder geschehen können (V. 18a).229 4. Authentischer Glaube wird dort zur Hoffnung, wo von der Erfüllung der Verheißung noch nichts sichtbar ist (V. 18b). Glaube als reine Hoffnung ist dann keine Selbsttäuschung, wenn er vertrauende Antwort auf Gottes Zusage einer konkreten zukünftigen Wirklichkeit ist. 5. Authentischer Glaube wird nicht schwach (V. 19a), weil er sich entgegen menschlicher Erwartungen auf Gottes Verheißung und weil er den Mut habe, zu glauben, dass Gott Tote auferwecken kann. Jeder Menschen wird schwach, spätestens wenn man 99 Jahre alt ist – das stolze Alter eines schwachen, zeugungsunfähigen Leibes. Die Schwäche der menschlichen Existenz wird durch ein Wunder dann aufgehoben, wenn Gott eingreift und eine konkrete Zusage macht, durch die seine Pläne verwirklicht werden. 6. Authentischer Glaube ist realistisch und weigert sich, menschliche Unfähigkeit zu überspielen (V. 19b). 7. Authentischer Glaube lässt sich nicht zu Zweifeln an Gottes Zusage und an der Zuverlässigkeit ———————————————————

229

Luther I 309 formuliert: „Christenhoffnung aber ist in lauter Nein gewiß (econtra spes Christianorum de negativis est certa). Denn sie weiß, daß kommen muß und nicht verhindert werden kann, was man hofft. Denn Gott kann niemand hindern (quia Deum nemo potest impedire).“

500 Römerbrief ————————————————————————————————————

seiner Macht provozieren und überwindet den Unglauben (V. 20a). 8. Authentischer Glaube wird von Gott gestärkt (V. 20b). 9. Authentischer Glaube gibt Gott die Ehre (V. 20c), indem der Glaubende Gott als den anerkennt, der das Nichtseiende ins Sein ruft, die Toten auferweckt und sein Wort wahr werden lässt. 10. Authentischer Glaube anerkennt die Macht Gottes als souveräner, allmächtiger, Heil schaffender Schöpfer (V. 21). Entscheidend ist als grundlegender Gesamtkontext der Aussagen in Kap. 4 die Betonung des Glaubens an Gott als Glauben an Jesus, der wegen unserer Verfehlungen den Sühnetod am Kreuz erleiden musste, und infolge dessen Auferweckung Gott uns den Glauben zur Gerechtigkeit anrechnet (V. 24-25). Die Botschaft vom gekreuzigten Messias Jesus ist Fundament und Zentrum des von Paulus verkündigten Evangeliums (1Kor 1,18.23; 2,2). „Die Gnade wird an das Christusereignis gebunden, wird umgekehrt jedoch nicht auf einen bestimmten Zeitraum in der Vergangenheit beschränkt. Sie ist mit dem Regnum Christi eschatologisch gegenwärtige Wirklichkeit. Christlicher Glaube bezieht sich auf ein nicht austauschbares Geschehen. Er gewinnt jedoch den Zugang zum Kreuz nicht anders als von der Auferweckung Jesu her, während andererseits Glaube an Jesu Auferweckung nicht Ewigkeitshoffnung, sondern Sieg und Herrschaft des Gekreuzigten meint.“230 Und noch einmal Martin Luther: „Der Tod Christi ist der Tod der Sünde und seine Auferstehung ist das Leben der Gerechtigkeit (mors Christi est mors peccati et resurrectio eius vita iustitie). Denn durch seinen Tod hat er für unsere Sünde genug getan und durch seine Auferstehung hat er uns seine Gerechtigkeit zugewandt. So bedeutet sein Tod nicht nur, sondern wirkt auch die Vergebung der Sünden als die allergenugsamste Genugtuung. Und seine Auferstehung ist nicht bloß ein Unterpfand unserer Gerechtigkeit, sondern bewirkt sie auch in uns, wenn wir an sie glauben, und ist ihre Ursache.“231

Der Frieden mit Gott und die Hoffnung der gerechtfertigten Sünder 5,1-11 Die Erläuterung der Rechtfertigung aus Glauben und ihren Folgen konzentriert sich jetzt auf das Thema des Friedens und der Versöhnung mit Gott und auf die Hoffnung auf Anteilhabe an der Herrlichkeit Gottes. Die Aussagen setzen die in 3,21 begonnene Darstellung der Lösung des Sündenproblems ———————————————————

230 231

Käsemann 122. Luther I 313.

Der Frieden mit Gott und die Hoffnung der gerechtfertigten Sünder 5,1-11 501 ————————————————————————————————————

von Heiden (1,18-32) und Juden (2,1–3,20) fort, die in der Definition des Evangeliums als Heil schaffende Offenbarung der Gerechtigkeit Gottes (1,16-17) durch den Messias Jesus (1,3-4) angezeigt und in 3,21–4,25 beschrieben wurde als Anrechnung des Glaubens zur Gerechtigkeit im Anschluss an den Sühnetod und die Auferweckung Jesu. Die Stellung von Kap. 5 in der Struktur des Römerbriefs ist umstritten. Nach 1,18–3,20 als erstem Hauptteil verbinden Exegeten das Ende des zweiten Hauptteils mit 4,25,1 andere mit 5,11,2 andere mit 5,21;3 manche interpretieren 5,1-11 und / oder 5,12-21 als Übergangstext vom zweiten zum dritten Hauptteil.4 Die Argumente für einen Neueinsatz bei 6,15 sind die überzeugenderen: 1. Paulus behandelt in 5,1-11 in der Tat die Konsequenzen des Evangeliums (Frieden mit Gott V. 1; Hoffnung auf die Herrlichkeit Gottes V. 2; Versöhnung mit Gott V. 10), er hat dies aber bereits ab 3,11 getan: in 3,24-26 und 4,1-17.24-25 im Hinblick auf die Vergebung der Sünden, die Anrechnung des Glaubens zur Gerechtigkeit (Rechtfertigung) und die Erlösung, in 4,11-12.16-17 im Hinblick auf die Aufnahme der glaubenden Heiden in die Familie Abrahams. 2. Mit V. 1 (δικαιωθε' ντες ουò ν ε� κ πι' στεως) knüpft Paulus an 4,25 (δια` τη` ν δικαι' ωσιν η� μω ñ ν) an und fasst 3,21–4,25 zusammen als Erläuterung von 1,17 (δικαιοσυ' νη γα` ρ θεουñ ε� ν αυ� τω ñ, α� ποκαλυ' πτεται ε� κ πι' στεως ει� ς πι' στιν). 3. Die Wendung „Zugang … zu dieser Gnade“ (προσαγωγη' ν … ει� ς τη` ν χα' ριν ταυ' την, V. 2) knüpft an 4,4.16 (κατα` χα' ριν / κατα` χα' ριν) sowie 3,24 (δικαιου' μενοι δωρεα` ν τηñ, αυ� τουñ χα' ριτι) an und erläutert damit auch weiter die Rechtfertigung des Sünders. 4. Der Hinweis auf das Rühmen (καυχαñ σθαι) in V. 2.3.11 knüpft an das Rühmen des Juden in 2,17; 3,27 an und beschreibt das rechte Rühmen angesichts von Gottes Heilshandeln in und durch Jesus. 5. Paulus spricht in V. 2-5 von der Hoffnung (ε� λπι' ς), die in 8,18-30 thematisiert wird. Wichtiger für die strukturelle Zugehörigkeit des Abschnitts ist jedoch die Tatsache, dass die Hoffnung zukünftigen Heils in V. 9-10 im Kontext christologischer und rechtfertigungstheologischer Aussagen erläutert werden und auf 3,24-26 zurückgreifen. 6. Die Beschreibung des Sterbens des Messias Jesus anstelle der Sünder in V. 6-8 wiederholt den grundlegenden Abschnitt 3,23-26 und vertieft ihn im Hinblick auf die Liebe Gottes (α� γα' πη). 7. Das Stichwort „Rettung“ (σωθησο' μεθα / σωθησο' μεθα) in V. 9.10 greift die Wendung ει� ς σωτηρι' αν aus der Definition des Evangeliums in 1,16-17 auf, indem die „Gerechtigkeit aus Glauben“ (δικαιοσυ' νη … ε� κ πι' στεως ει� ς πι' στιν, 1,17) im Anschluss an die Erläuterung der Gerechtigkeit Gottes (3,2131) und der Anrechnung des Glaubens zur Gerechtigkeit (4,1-25) als Rettung im zukünftigen Gericht Gottes erläutert wird, von dem in 1,18.32; 2,2-3.5-8 die Rede war. 8. Die Gegenüberstellung von Adam und Jesus Christus in 5,12-21 fasst die beiden großen vorhergehenden Abschnitte zusammen: Die Gestalt Adams repräsentiert die in 1,18–3,20 beschriebene Universalität der Sünde im Verhalten von Heiden und Juden, und in der Gestalt Jesu Christi komprimiert Paulus die Beschreibung der universalen Wirkung des Sühnetodes Jesu als Rechtfertigung der Gottlosen in 3,21–5,11. Der achte Punkt ist ausschlaggebend. ———————————————————

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Lietzmann, Michel, Kuss, Schlier, Käsemann, Cranfield, Byrne, Moo, Schreiner, Légasse, Lohse, Jewett, Matera, Hultgren, Kruse; Dahl, Notes, 37-42. Zahn, Leenhardt, Fitzmyer, Keener. Weiß, Kühl, Sanday/ Headlam, Lagrange, Wilckens, Dunn, Stuhlmacher, Haacker, Wright, Penna. Black, Edwards; McDonald, Rhetorical Bridge. Lee, Paul’s Gospel, 307 spricht im Blick auf Kap. 5 von einer „special position in Paul’s argument“. Vgl. Wilckens I 17-18.286-288; s. Luz, Aufbau, 163-175; Paulsen, Überlieferung, 5-21; Gathercole, Boasting, 252-255.

502 Römerbrief ————————————————————————————————————

I 1 Da wir also aufgrund von Glauben gerechtfertigt wurden, haben wir Frieden mit Gott durch unseren Herrn, den Messias Jesus, 2 durch den wir auch Zugang bekommen haben aufgrund des Glaubens zu dieser Gnade, in der wir stehen, und wir rühmen uns der Hoffnung auf die Herrlichkeit Gottes. 3 Nicht aber nur das, sondern wir rühmen uns auch der Bedrängnisse. Denn wir wissen, dass die Bedrängnis Geduld bewirkt, 4 die Geduld aber Bewährung, die Bewährung aber Hoffnung. 5 Die Hoffnung aber lässt nicht zuschanden werden, weil die Liebe Gottes ausgegossen ist in unsere Herzen durch den Heiligen Geist, der uns gegeben worden ist. 6 Denn der Messias ist schon damals, als wir noch schwach waren, für Gottlose gestorben. 7 Für einen Gerechten wird nämlich kaum jemand sterben; vielleicht bringt jemand den Mut auf, für das Gute zu sterben. 8 Gott erweist aber seine Liebe zu uns darin, dass der Messias für uns gestorben ist, als wir noch Sünder waren. 9 Um wie viel gewisser werden also wir, die wir jetzt durch sein Blut gerechtfertigt sind, durch ihn gerettet werden vor seinem Zorn. 10 Da wir mit Gott versöhnt wurden durch den Tod seines Sohnes, als wir Feinde waren, um wie viel gewisser werden wir als Versöhnte durch sein Leben gerettet werden. 11 Mehr noch, wir rühmen uns auch Gottes durch unseren Herrn, den Messias Jesus, durch den wir jetzt schon die Versöhnung empfangen haben. II Ausgehend von der Gerechtigkeit aus Glauben (V. 1a) beschreibt Paulus in V. 1b-2a die Gegenwart des von Gott dem Sünder durch Jesus Christus gewährten Heils. Diese Gegenwart wird mit zwei Wendungen beschrieben: „Frieden mit Gott“ (ει� ρη' νη … προ` ς το` ν θεο' ν, V. 1b) und „Zugang zu dieser Gnade“ (προσαγωγη' … ει� ς τη` ν χα' ριν ταυ' την, V. 2a). Dann spricht Paulus in V. 2b-5a von der Gerechtigkeit aus Glauben im Hinblick auf die Konsequenzen für die Zukunft, markiert mit der Wendung „Hoffnung auf die Herrlichkeit Gottes“ (ε� λπι`ς τηñ ς δο' ξης τουñ θεουñ , V. 2b; das Wort ε� λπι'ς wird in V. 4.5a wiederholt).6 In V. 5b lenkt Paulus zur Gegenwart zurück, verbunden mit dem Stichwort der „Liebe Gottes“ (η� α� γα' πη τουñ θεουñ ), die durch den Heiligen Geist in unsere Herzen ausgegossen wurde. In V. 6-11 lenkt Paulus auf zentrale christologische Aussagen zurück, die an 3,21-26; 4,25———————————————————

6

Dass ε� λπι' ς hier noch keine eigenständige Funktion habe, diese erst in 8,17ff gewinne, wie Wilckens I 287 meint, wird 5,4-5 nicht ganz gerecht.

Der Frieden mit Gott und die Hoffnung der gerechtfertigten Sünder 5,1-11 503 ————————————————————————————————————

26 anknüpfen und in V. 9b-10 die Zukunftsaussagen von V. 2b-51 integrieren: Der Messias Jesus ist „für uns“ gestorben, als wir gottlose Sünder waren (V. 6-8); er hat uns durch seinen Tod am Kreuz gerecht gemacht (V. 9a); er wird uns im Gericht Gottes retten (V. 9b); Gott hat uns mit sich durch den Tod seines Sohnes versöhnt (V. 10a); Gott wird uns durch das Leben des Auferstandenen retten (V. 10b). Die Struktur des Abschnitts lässt sich folgendermaßen beschreiben: V. 1-2 formulieren eine theologische Grundaussage über den Frieden mit Gott, der für den Sünder durch Tod und Auferweckung Jesu und die Anrechnung des Glaubens zur Gerechtigkeit möglich wurde und aus dem die Hoffnung, ja Gewissheit der Glaubenden, einmal an der Herrlichkeit Gottes Anteil zu haben, erwächst.7 In V. 3-5 wird die Gültigkeit dieser Hoffnung durch einen Kettenschluss begründet, in dem die Liebe Gottes eine zentrale Stellung einnimmt. In V. 6-8 erläutert Paulus das Stichwort von der Liebe Gottes im Hinblick auf die rettende Kraft des Kreuzestodes des Messias Jesus, in dem Gott seine Liebe offenbart hat. In V. 9-11 betont Paulus die Bedeutung des Sühnetodes Jesu für die Rettung der Sünder im Gericht Gottes, der die Gewissheit der Versöhnung mit Gott sowohl in der Gegenwart als auch in der Zukunft garantiert.8 Textkritische Anmerkungen. In V. 1 bieten die frühesten Handschriften den Konjunktiv ε» χωμεν (‫ *א‬A B* C D K L 33 81 630 1175 1739* u.a. lat bo) statt des Indikativs ε» χομεν (‫א‬1 B2 F G P Ψ 0220vid 104 365 1241 1505 1506 1739c 1881 02209 2464 vgmss). Die Bezeugung des Konj. ist weitaus besser bezeugt als der Indikativ; das Hauptargument, das für die Bevorzugung des Indikativs angeführt wird – der Konj. passt inhaltlich nicht in den Kontext, in dem indikativische Aussagen gemacht werden (V. 2) –, kann im Sinne der lectio difficilior potior als Argument für den Konj. betont werden. Fast alle Kirchenväter haben den Konj. als im Kontext sinnvoll übernommen.10 Exegeten, die die textgeschichtlich bessere Bezeugung des Konj. akzeptieren und für ursprünglich erachten, den Indikativ jedoch für sinnvol-

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Wilckens I 288 spricht von einer in V. 1-2a formulierten These, aus der in V. 2b eine weitere These gefolgert wird; mit Lohse 166 kann in V. 1-2 von einer einzigen Grundaussage gesprochen werden. Ähnlich Lohse 166; Wilckens I 288 versteht V. 6-8 als Erläuterung des Liebe Gottes und interpretiert V. 9 als erneute Betonung der eschatologischen Rettung durch einen Schluss de minore ad maius, V. 10 als Wiederholung des gleichen Schlusses, V. 11 als Abschluss. Zu den rhetorischen Figuren vgl. Hellholm, Bemerkungen, 177-194. Manuskript 0220 datiert aus dem späten 3. Jh.; vgl. Parker, Majuscule Manuscripts, 49. Vgl. Schelkle, Paulus, Lehrer der Väter, 150-151.

504 Römerbrief ————————————————————————————————————

ler halten, erklären manchmal im Sinn eines Hörfehlers beim Diktat.11 Diese Verwechslung konnte jedoch auch in die andere Richtung gehen.12 Sicherheit über die ursprüngliche Lesart kann aus dieser Verwechslung nicht gewonnen werden. Die Diskussion ist nicht abgeschlossen.13 Einige Exegeten argumentieren für den Konjunktiv,14 die meisten für den Indikativ.15 Die stärksten Argumente für den Indikativ als ursprüngliche, von Paulus intendierte Lesart sind 1. die Wendung δια` τουñ κυρι'ου η� μω ñν � Ιησουñ Χριστουñ , die die Ursache des Friedens mit Gott angibt: Dieser Frieden liegt nicht im Glaubenden, sondern in Tod und Auferweckung Jesu; Paulus verbindet nirgends δια` -Χριστουñ -Formulierungen mit einem Kohortativ; 2. die Indikative, mit denen Paulus in V. 10-11 die zu ει� ρη' νη parallele καταλλαγη' beschreibt; 3. die Tatsache, dass es für den adhortativen Konjunktiv in Röm 1–9 kein weiteres Beispiel gibt (von 3,8 abgesehen, wo Paulus ein hypothetisches Argument eines gegnerischen Gesprächspartners zitiert); Imperative kommen abgesehen von 3,4, wo von Gott die Rede ist, in Röm 1–5 nicht vor (in Röm 6 gibt es dann fünf Imperative [6.11.12.13(2x).19], sieben in Röm 11, elf in Röm 12, sieben in Röm 13, neun in Röm 14, fünf in Röm 15, siebzehn in Röm 16); 4. die zu der Wendung ει� ρη' νην ε» χομεν V. 1a parallele Wendung τη` ν προσαγωγη` ν ε� σχη' καμεν τηñ, πι'στει ει� ς τη` ν χα' ριν ταυ' την V. 2, ebenfalls mit einem auf Jesus bezogenen δια' eingeleitet, formuliert im Indikativ die Betonung einer Tatsache, die als gegenwärtig vorhanden zu konstatieren ist. In V. 2 ist es unsicher, ob τηñ, πι'στει (‫*א‬.2 C Ψ 33 1739 1881 Byz lat; τηñ, πι'στει in ‫א‬1 A u.a. vgmss ist wohl Dittographie nach ε� σχη' καμεν) zu lesen ist oder nicht (fehlt in B D F G 0220 sa); NA27-28 halten die Evidenz zugunsten ———————————————————

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Sanday/ Headlam 120; Lietzmann 58; Wilckens I 289; Foerster, Art. ει� ρη' νη, ThWNT II, 414; Metzger, Textual Commentary, 452. Im hellenistischen Griechisch wurden Ω [omega] und Ο [omikron] gleich ausgesprochen; vgl. Caragounis, Greek, 541-542. Vgl. Moir, Orthography, der Beispiele für Verwechslungen in beide Richtungen aufführt; für folgende Bemerkung vgl. Royse, Scribal Tendencies, 462. Einen guten Überblick gibt Holmes, Eclecticism, 188-190; Hultgren 676-680. Frühere Ausgaben des griech. Textes lesen ε» χωμεν: Tischendorf, Westcott-Hort, von Soden, Vogels, Merk, Bover (s. bei Aland/Aland, Text, 288); vgl. Sanday/ Headlam 120; Weiß 217; Zahn 241; Lagrange 101; Dodd 72; Kuss I 201-202; Murray I 158-159; Schmithals 149.154; Jewett 344; Hultgren 678-679; Lightfoot, Notes, 120; Fee, Holy Spirit, 495-496 Anm. 66; Porter, Argument, 662-665. NA28; Lietzmann 58; Barrett 95-96; Käsemann 125; Wilckens I 288-289; Schlier 140; Cranfield I 257 Anm. 1; Fitzmyer 394; Dunn I 245; Moo 295-296; Byrne 169-170; Schreiner 158; Légasse 352 Anm. 7; Lohse 166; Witherington 133; Penna 339-340; Haacker 134 Anm. 1; Kruse 226; Wolter I 316-317; Metzger, Textual Commentary, 452; Aland/Aland, Text, 288; Wolter, Rechtfertigung, 89-94; Verbrugge, Evidence; Holmes, Eclecticism, 190; Gathercole, Boasting, 255-256.

Der Frieden mit Gott und die Hoffnung der gerechtfertigten Sünder 5,1-11 505 ————————————————————————————————————

der Dativwendung für etwas stärker, schreiben sie aber in eckige Klammern, um Zweifel an der Ursprünglichkeit anzuzeigen.16 Die Auslassung kann als sekundäre stilistische Glättung angesehen werden.17 In V. 3 ist die Hinzufügung von τουñ το (D* ar) als Erläuterung der elliptischen Wendung ου� μο' νον δε' sekundär; die Ersetzung von καυχω' μεθα durch das Partizip καυχω' μενοι (B 0220 365 u.a.) ist aus Gründen der externen Bezeugung ebenfalls sekundär, vielleicht als Angleichung an V. 11. In V. 6 ist die Lesart ε» τι γαρ … ε» τι (‫ א‬A C D* 81 104 256 263 365 424 459 1241 1319 1505 1506 u.a. syh) ursprünglich; die als sperrig geltende Wiederholung von ε» τι hat zu verschiedenen Lesarten geführt, die als sekundäre Verbesserungsversuche zu gelten haben: 1. ε» τι γαρ, ohne zweites ε» τι: D2 K P Ψ 6 33 69 88 323 326 330 Byz (syp) arm eth geo slav; 2. ει» γε … ε» τι: B 945 vgmss sa (bo syp.pal); 3. ει� γα' ρ γε: 201 1852 vgmss bo; 4. ει� δε' : syp; 5. ει� ς τι' γα' ρ … ε» τι: F G lat (D1, ohne das zweite ε» τι).18 In V. 7 lesen ‫ *א‬1739 u.a. μο' γις („kaum“) statt μο' λις („mit Mühe“), was besser bezeugt (und bedeutungsgleich) ist. In V. 8 ist die Wendung ει� ς η� μαñ ς ο� θεο' ς ursprünglich; B liest ο� θεο' ς, vielleicht eine „sekundäre Korrektur zu einer einheitlich christologischen Aussage“,19 und D F G L 629 1241 u.a. lat lesen ο� θεο' ς ει� ς η� μαñ ς, was gegenüber ‫ א‬A C Ψ 33 1739 1881 Byz weniger gut bezeugt ist. Die Hinzufügung von ει� vor ε» τι (D1 F G it sy) ist eine sekundäre Minimierung der Universalität der Sünde.20 In V. 9 ist die Auslassung von ουò ν (D* F G it) offenkundig eine stilistische Glättung. In V. 11 fügen D* F G it τουñ το hinter ου� μο' νον δε' ein, was wie in V. 3 mit stilistischen Gründen zu erklären ist. Mehrere Textzeugen lesen καυχω' μεθα (L 104 365 630 1241 2464 latt) statt καυχω' μενοι (F G lesen καυχω' μεν), was als Verbesserungsversuch im Sinn einer Ersetzung von Partizipien durch eine finite Verbalform zu erklären ist.21 Einige Manuskripte lassen Χριστουñ aus (B 1739 1881c u.a.), wahrscheinlich eine zufällige Auslassung aufgrund von Haplographie vor δι’ ουð .22 ———————————————————

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17 18 19 20 21 22

Vgl. Metzger, Textual Commentary, 452-453; vgl. Wilckens I 290 Anm. 953: Das Fehlen der Wendung „beruht wohl auf früher versehentlicher Auslassung“, wenn aber die Lesart von B D G ursprünglich sein sollte, ist die Aufnahme der Wendung „eine sekundäre Verdeutlichung des von Paulus Gemeinten“. Jewett 344-345; Lohse 167 Anm. 14; Wolter, Rechtfertigung, 105; vgl. Käsemann 124: die Wendung nimmt das Stichwort der beiden letzten Kapitel betont auf; Lietzmann 58: die Auslassung ist willkürlich. Zahn 248-250; Michel 181; Wilckens I 294; Lohse 169; Penna 340; Jewett 345; Wolter, Rechtfertigung, 168-169; Metzger, Textual Commentary, 453. Wilckens I 296-297 Anm. 981, gefolgt von Jewett 345; vgl. Zahn 253-254 Anm. 16. Jewett 345. Zahn 256 Anm. 20 hält die Lesart mit ει� für möglicherweise ursprünglich. Cranfield I 268, mit Verweis auf 2Kor 5,12; 7,5; 8,4; Phil 3,4 als weitere Beispiele; vgl. Jewett 345. Cranfield I 268; Jewett 345.

506 Römerbrief ————————————————————————————————————

III

1 Nachdem Paulus im vorausgehenden Abschnitt gezeigt hat, wie die

Rechtfertigung der Sünder aus Glauben im Anschluss an Tod und Auferweckung Jesu zu verstehen ist, behandelt er jetzt die Bedeutung der Rechtfertigung aus Glauben im Blick auf das Leben der Glaubenden. Mit einem kausalen Partizipialsatz fasst Paulus 4,1-25 zusammen (ουò ν): Da wir also aufgrund von Glauben gerechtfertigt wurden. Die Rechtfertigung des Sünders (1,18–3,20) wurde in 3,21–31 behandelt, die Rolle des Glaubens wurde durch die Auslegung von Gen 15,6 in 4,1-25 erläutert. Das mit „wir wurden gerechtfertigt“ (δικαιωθε' ντες) übersetzte Verb ist pass. divinum: Gott ergriff die Initiative und bewirkte die Rechtfertigung des Sünders (zu δικαιο' ω bzw. δικαιοσυ' νη s. zu 1,17). Der Aorist verweist auf das Heil schaffende Handeln Gottes im Kreuzestod Jesu. Die Wendung „aufgrund von Glauben“ (ε� κ πι'στεως) steht betont am Ende der Formulierung: Anknüpfend an 1,16-17; 3,22.25-26 markiert ε� κ πι'στεως das Vertrauen des Sünders auf Gott und auf sein Heilshandeln im Messias Jesus als Ursprung seiner neuen Existenzweise. Vor der Bekehrung zum Glauben an Jesus Christus standen die Sünder unter dem Zorn Gottes (1,18–3,20): Sie waren schwach und gottlos (5,6), Sünder (5,8), Feinde Gottes (5,10). Die Bekehrung zum Glauben an Jesus Christus markiert die alles entscheidende Wende in ihrem Leben. Das heilsgeschichtliche „jetzt aber“ (νυνι` δε' ) ist der zeitliche Einschnitt, der ihre Vergangenheit als dem Zorn Gottes ausgelieferte Sünder von ihrer Gegenwart als an Gott und seinen Sohn Jesus Christus Glaubende trennt – eine Gegenwart, für die das in V. 1-11 Gesagte gilt. In 3,24 wurde die Rechtfertigung ursächlich mit „der Erlösung, die im Messias Jesus geschehen ist“ verbunden, in 5,9 mit dem Blut Jesu, d.h. seinem Sühnetod am Kreuz. Das heißt: Die Formulierung „wir wurden aufgrund von Glauben gerechtfertigt“ verknüpft den rechtfertigenden Glauben mit Gottes Erlösungshandeln in der Geburt, dem Tod und der Auferweckung Jesu (vgl. die Definition des Evangeliums in 1,3-4) sowie mit dem Sterben Jesu am Kreuz (vgl. 3,25).23 Die Folge der Rechtfertigung der Sünder durch Gott ist ein neues Gottesverhältnis: wir haben Frieden mit Gott (ει� ρη' νην ε» χομεν προ` ς το` ν θεο' ν). Die in 1,18–3,20 unter der Überschrift „Zorn Gottes“ beschriebene Situation des Sünders wurde abgelöst durch eine qualitativ vollkommen ———————————————————

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Vgl. Wolter I 320, wobei festzuhalten ist, dass es Paulus nicht um den Glauben geht, „der Jesu Tod als Heilsgeschehen deutet“, sondern um den Glauben, der die Verkündigung der Heilsbedeutung des Kreuzestodes Jesu als Evangelium akzeptiert.

Der Frieden mit Gott und die Hoffnung der gerechtfertigten Sünder 5,1-11 507 ————————————————————————————————————

neue Situation, für die eine neue Beziehung zu Gott charakteristisch ist und die Paulus mit dem Wort „Frieden“ beschreibt. Die LXX verwendet ει� ρη' νη [eirēnē] fast durchweg als Übersetzung von hebr. ‫ָׁשל ֹום‬ [schālōm], ein Wort, das je nach Verwendung im Kontext eine siebenfache Bedeutung hat: 24 1. Gedeihen (Lev 26,6; Num 6,26; Deut 23,7; Jes 48,18; 60,17); 2. Unversehrtheit (Ex 4,18; Ri 18,6; 1Sam 1,17; 2Kön 5,19); 3. Grußformeln (Ri 19,20; 1Sam 25,6; 2Sam 18,28; Dan 10,19); 4. Wohlergehen, Befinden, d.h. persönliche Unversehrtheit (Gen 29,6; 37,14; 2Sam 20,9; 2Kön 9,22); 5. Frieden: im öffentlichen Bereich, auch im Gegensatz zum Krieg (Deut 20,10.11; Jos 9,15; Ri 4,17; 1Sam 7,14; Jes 27,5), im umfassenden Sinn als die gute, heilvolle Ordnung (Ps 85,11; Jes 9,5; 26,12; 32,17; Jer 12,5; 14,13); im persönlichen Bereich, z.B. friedfertig reden (Jer 9,7), im Frieden auseinandergehen (Gen 26,31), in Frieden leben (Mal 2,6), von Menschen, mit denen man in Frieden bzw. Freundschaft vertraut ist (Jer 20,10;l 38,22; Obd 7); 6. in abgeschwächten Sinn für die Freundlichkeit (Ri 11,13; Jer 16,5; Ps 35,20); 7. Heil (Ps 72,3; 85,9; 122,6; Jes 26,3; Jer 8,15; 14,19; 33,9; Hes 7,25), Friede den Fernen und den Nahen (Jes 59,19), Heil vonseiten Jahwes (1Kön 2,33), als Gegensatz zu Unheil (Ps 29,11; Jes 45,7), Friedensbund als Bund, der Heil bringt (Num 25,12), die Strafe des Gottesknechts zu unserem Heil (Jes 53,5), Gedanken zum Heil (Jer 29,11), Leben und Heil (Mal 2,5), Fülle des Heils (Ps 37,11; 72,7), Falschpropheten, die „Heil“ verkündigen (Jer 6,14; 14,13; Mich 3,5), Name Jahwes (Jahwe Schalom, Ri 6,24). Das Verständnis von ‫ ָׁשל ֹום‬im Sinn von „Heil“ liegt nicht überall vor,25 ist aber überall dort anzusetzen, wo es um das Erleben der Gottesgemeinschaft geht und religiöse, geschichtliche und materielle Güter wie Kinderreichtum und langes Leben umfasst.26 In der endzeitlichen Erwartung der Propheten spielt ‫ ָׁשל ֹום‬eine wichtige Rolle, besonders bei Jesaja. Der Messias ist als Beauftragter Gottes „Fürst des Friedens“ (‫ ;ַׂשר־ָׁשל ֹום‬Jes 9,5), d.h., „Bürge und Hüter des Friedens in dem kommenden messianischen Reich“.27 Dieser Frieden, der ewig ist, gründet sich auf Recht und Gerechtigkeit „jetzt und für alle Zeiten“ (9,6). Jesaja spricht von einer kommenden, von Gott herbeigeführten Weltordnung, die von Gottes Gerechtigkeit regiert wird und in der Wohlstand, Segen, Freude und Wohlergehen herrschen. Der Bote, der frohe Botschaft bringt (‫ְמַבֵּׂשר‬, LXX ευ� αγγελιζομε' νου), verkündet Frieden / Heil (‫ַמְׁשִמיַע ָׁשל ֹום‬, LXX α� κοη` ν ει� ρη' νης; 52,7). Der Gottesknecht, der stellvertretend für die Sünder leidet, nimmt „die Strafe zu unserem Frieden / Heil“ (‫ )מו ַּסר ְׁשל ֹוֵמנּו‬auf sich und macht so die Vergebung der Sünden und Aufhebung ihrer Folgen möglich (53,5). Der von Gott gestiftete Frieden ist ein Kennzeichen des Bundes (Jes 48,17-22; Jer 14,19-21; vgl. Ps ———————————————————

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HAL s.v. ‫ ;ָׁשל ֹום‬vgl. G. von Rad, Art. ει� ρη' νη, ThWNT II, 400-405; G. Gerlemann, Art. shlm, THAT II, 919-935; F. J. Stendebach, Art. ‫ָׁשל ֹום‬, ThWAT VIII, 14-46; H.H. Schmid, Art. Frieden II, TRE XI, 605-610; Eisenbeis, Wurzel; Schmid, Shalom. Lohse 166 interpretiert 5,1 als „Frieden im Sinn des atl. ‫ “ָׁשל ֹום‬und reduziert damit, wie viele Exegeten, die atl. Verwendung auf eine einzige Bedeutung, was semantisch nicht legitim ist: Die Verwendung von ‫ ָׁשל ֹום‬in eschatologischen Kontexten ist weder die dominierende Bedeutung noch die Grundbedeutung der Vokabel. Richtig Wolter I 320: Paulus „verwendet den Friedensbegriff metaphorisch, denn er beschreibt das Gottesverhältnis in Analogie zu zwischenmenschlichen Friedenszuständen“ (mit Verweis auf 2Makk 12,12; Xenophon, Hell. 4,7,1; Polybius 1,6,2; 2,21,1; 4,16,3). Vgl. Preuß, Theologie II, 208. G. von Rad, ThWNT II, 404. Anders Wildberger, Jesaja I, 383-384.387, der keinen messianischen Bezug sieht: Die Namen in Jes 9,5 wollen „die Präsenz des transzendenten Gottes mitten in der Geschichtlichkeit des bedrohten Israels bezeugen“.

508 Römerbrief ———————————————————————————————————— 55,18-19; Num 6,22-27). Wenn Israels König nach Jerusalem zurückkehrt, der gerecht und demütig ist, werden Streitwagen und Kriegsbogen beseitigt, und Gott „verkündet für die Völker den Frieden; seine Herrschaft reicht von Meer zu Meer und vom Eufrat bis an die Enden der Erde“ (Sach 9,10; LXX: και` πληñ θος και` ει� ρη' νη ε� ξ ε� θνω ñ ν, „und [es wird sein] Fülle und Frieden fern von [den] Nationen“). Diese Erwartung liegt auch in frühjüdischen Texten vor (PsSal 8,16; syrApkBar 73,4; Sib 3,753-755). In der Septuaginta bezeichnet ει� ρη' νη 1. einen Zustand der Ordnung und des Rechts im Sinn des Gegensatzes zum Krieg (LXX Lev 26,6; Jes 27,5; Hes 38,11; Mich 2,8; 3,5), von Sicherheit (Ps 119[118],165), von einem friedlichen, d.h. natürlichen Tod (Gen 15,15); 2. den friedlichen Gemütszustand (Jer 6,14; Hag 2,9; Sach 8,10; Mal 2,6); 3. das materielle und physische Wohlergehen (Ps 121[122],6; 2Sam 8,10), im Sinn von Gesundheit (Jes 9,6; Sir 38,8), als Geschenk Gottes (Jes 26,12; 45,7; Jer 36[29],11; 45[38],4; Hag 2,9; Sach 8,12); 4. brieflicher Friedensgruß (Esdras II 4,17 [Esr 4,17]).28 Philo spricht von „Frieden“ (ει� ρη' νη) auch im Sinn von „Seelenfrieden“ (Det. 174; All. 3,166-117; Ebr. 97), wobei er betont, dass nur Gott, der den Frieden hat, Frieden schenken kann (Vit.Mos. 1,304; Cher. 86). Die Qumrangemeinde erwartet Frieden (‫ )ָׁשל ֹום‬im Zusammenhang mit dem endzeitlichen Sieg über Belial, der aus Gottes Heilstaten, Gottes Sieg, Gottes Hilfe und Gottes Unterstützung resultiert und identisch ist mit Freude, Dank und Jauchzen (1QM IV,13-14). Man spricht nicht nur vom Übermaß des Friedens eines langen und kinderreichen Lebens (1QS IV,7), sondern auch vom ewigen Frieden (1QS II,4), vom Frieden ohne Ende (1QH VII,15 [XV,15), vom ewigen Heil und dauerndem Frieden ohne Mangel (1QH XV,19 [VII,19]; vgl. 4Q215a Frag. 1 II,4-6; 4Q246 II,5-9; 4Q427 Frag. 7 II,4-7). Homer beschriebt den Frieden als Zeit von Wohlstand und Reichtum; Herodotus und Thukydides bezeichnen den Frieden als Zustand, der aus humanitären und politischen Gründen vorzuziehen ist.29 Im Jahr 371 v.Chr. wurde auf der Athener Agora eine Statue der Göttin Eirene (Frieden) aufgestellt, die auch auf Vasen und Münzen erscheint.30 Eirene, die Personifikation des Friedens, ist eine der Horen, eine Tochter des Zeus und der Themis. Der am 4. Juli des Jahres 13 v.Chr. begründete Altar des Friedens, der auf dem Marsfeld aufgestellt wurde, diente der Feier der Beendigung des Bürgerkriegs durch Augustus (ara Pacis Augustae);31 auf dem Altar wurde dieser Friede angebetet, der als Göttin personifiziert dargestellt wurde. Die von Augustus und seinen Nachfolgern propagierte pax Romana feierte den Frieden des römischen Volkes zu Lande und auf dem Meer (pax populi Romani terra marique), den Frieden der Welt (pax orbis terrarum), den Frieden der Völker (pax gentium) und den Frieden der Provinzen (pax provinciae). Die ersten Spuren der religiösen Verehrung des Friedens finden sich auf Münzen, die Julius Caesar im Jahr 44 v.Chr. geprägt hat; Augustus ließ zu Ehren von Pax Statuen und Altäre errichten. Die Priene-Inschrift, die Augustus als Retter und Benefaktor ehrt, rühmt ihn als den, der Frieden (ει� ρη' νη), Hoffnung (ε� λπι' ς) und den Beginn von neuem Leben (α� ρχη` τουñ βι' ου και` τηñ ς ζωηñ ς) gebracht hat.32 Es ———————————————————

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Muraoka s.v. ει� ρη' νη; vgl. W. Foerster, ει� ρη' νη, ThWNT II, 405-407; H. Beck/B. Wander, ThBLNT I, 544. Homer, Od. 485-486; Herodotus 1,87; Thukydides 2,61,1. Zur griechisch-römischen Antike vgl. R. Bloch, Art. Eirene [1], DNP III, 921-922; P. Kehne/J. Scherf, Art. Pax, DNP IX, 454-455; Nestle, Friedensgedanke; Zampaglione, Peace; Zampaglione, Peace Wengst, Pax Romana, 19-71; Spiegel, War and Peace. Pausanias 1,8,2; 9,16,2; Nepos, Tim. 2,2. Res Gestae divi Augusti 12. I.Priene 105; OGIS 458; SEG IV, 490; XV, 815; vgl. Deissmann, Licht vom Osten, 370384; Ehrenberg/ Jones, Documents Nr. 98. Sherk, Rome and the Greek East, Nr. 101.

Der Frieden mit Gott und die Hoffnung der gerechtfertigten Sünder 5,1-11 509 ———————————————————————————————————— wäre jedoch übertrieben, eirene oder pax als politisches Modewort zu sehen, das ein Aufhorchen der Hörer veranlasste.33 Im Neuen Testament spielt der Gedanke des Friedens, beeinflusst weniger von griechischrömischen, sondern von alttestamentlich-jüdischen Vorstellungen und Erwartungen, schon in den Evangelien eine wichtige Rolle.34 Die Engel verkündigen in der Nacht der Geburt Jesu „Frieden auf Erden“ (ε� πι` γηñ ς ει� ρη' νη; Lk 2,14). Im Zusammenhang der Wunder, die Jesus vollbringt und die die Gegenwart der Herrschaft Gottes demonstrieren, bedeutet der Segenswunsch „Gehe hin in Frieden!“ (πορευ' ου ει� ς ει� ρη' νην; Lk 8,48) „den vollmächtigen Zuspruch des eschatologischen Heils“.35 „Frieden“ ist Inhalt der Botschaft Jesu (Apg 10,36; Eph 2,17) und Inhalt des Evangeliums (Eph 6,15). Nach Eph 2,14 gilt: „Er (Jesus Christus) ist unser Frieden.“ In der Bergpredigt preist Jesus die Menschen, die „Frieden stiften“ (Mt 5,9; Mk 9,49; vgl. Röm 12,18; 2Kor 13,11; 1Thess 5,13), was im Zusammenhang der Erwähnung der Söhne Gottes und der Belohnung im kommenden Reich Gottes auf das von Gott gewährte endzeitliche Heil verweist. Der Frieden, den Jesus seinen Nachfolgern gewährt, schließt Verfolgung im sozialen Umfeld nicht aus (Mt 10,34-37). Nach Johannes gründet der Frieden der Jünger Jesu in der Welt (Joh 14,27; 16,33) in dem Glauben an Jesus, der in seinem Tod die Welt und ihren Beherrscher überwunden hat (Joh 12,31; 14,30; 16,11.33).36

Im Kontext der theologischen und christologischen Aussagen von 4,25, die das von Paulus seit 1,18 Gesagte zusammenfassen, bezeichnet ει� ρη' νη in V. 1 die Vergebung „unserer Verfehlungen“ (vgl. 1,18–3,20) und „unsere Rechtfertigung“ (vgl. 3,21–4,24). Die Präpositionalwendung aufgrund von Glauben (ε� κ πι'στεως), die kausal zu verstehen ist, beschreibt den Grund der Rechtfertigung der Jesusbekenner: Heiden und Juden, die allesamt gottlose Sünder sind, werden infolge ihres Glaubens (1,16.17; 3,25.28.30) an Jesus Christus (3,22.26) und an Gott den allmächtigen Schöpfer (4,3.5.11.12.16) von Gott gerechtfertigt. Paulus spricht von der Bekehrung zum Glauben an Jesus Christus, die er selbst auf der Straße nach Damaskus erfahren hat und die zur Biographie eines jeden Jesusbekenners gehört.37 Die Präpositionalwendung durch unseren Herrn, den Messias Jesus (δια` τουñ κυρι'ου η� μω ñ ν � Ιησουñ Χριστουñ ) nennt den christologischen Grund des neuen Gottesverhältnisses. Frieden mit Gott ist für Sünder deshalb möglich, weil Jesus, der gekreuzigte Messias Israels und von den Toten auferweckte Kyrios, an ihrer Stelle gestorben ist (V. 6-8), weil sein Tod am ———————————————————

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Dinkler, Eirene, 278. Zum ntl. Befund s. V. Hasler, Art. ει� ρη' νη, EWNT I, 957-964; W. Foerster, Art. ει� ρη' νη, ThWNT II, 405-418; H. Beck/ B. Wander, ThBLNT I, 543-547; vgl. E. Dinkler, RAC VIII, 434-505; G. Delling, Art. Frieden IV. Neues Testament, TRE XI, 613-618; Dinkler, Eirene; Brandenburger, Frieden; Swartley, War and Peace; Swartley, Covenant of Peace. Hasler, Art. ει� ρη' νη, EWNT I, 958. Vgl. Frey, Eschatologie III, 133. Dunn I 246, der zu Recht Interpretationen abweist, die vom Datum der Taufe sprechen (z.B. Schlier 140).

510 Römerbrief ————————————————————————————————————

Kreuz ihre Sünde sühnt, sie mit Gott versöhnt und ihnen Gerechtigkeit zuteilwerden lässt, und weil seine Auferweckung ihnen Rettung vor dem Gericht Gottes garantiert (V. 9-10). Jesus, der Messias Israels, ist der Mittler des Friedens mit Gott. „Frieden mit Gott“ bedeutet die Wiederherstellung des durch die Sünde gestörten Verhältnisses zu Gott, der selbst im sühnenden Kreuzestod des Messias Jesus seinen Zorn über die Gottlosigkeit und Ungerechtigkeit von Heiden und Juden aufhebt, Sünde vergibt, Gerechtigkeit schenkt, und das verheißene messianische Gottesvolk schafft, dessen Glieder im Glauben an Gott und seinen Sohn Jesus Christus leben. Da das Evangelium Gottes als Botschaft von seinem messianischen Sohn, der Juden und Heiden rettet, die Erfüllung der Verheißungen in den heiligen Schriften ist (1,2, im Kontext von 1,1.3-4.16-17), gehört der „Frieden mit Gott“, den Gott den Sündern durch Jesus, den Messias und Kyrios, ermöglicht und schenkt, zur Erfüllung der Hoffnung Israels auf endgültigen schalōm im Verhältnis Gottes zu seinem Bundesvolk.38 Der durch Jesus Christus ermöglichte, von Gott dem Sünder geschenkte Frieden markiert die Wirklichkeit39 der Überwindung der Trennung zwischen Gott und Mensch. Es ist ein Frieden, der alles Verstehen übersteigt, dessen Wirklichkeit jedoch die Herzen und die Gedanken der Gläubigen in der Gemeinschaft mit dem Messias Jesus bewahrt (Phil 4,7). Deshalb ist der Frieden mit Gott für Sünder, die in der Bekehrung zum Glauben an Jesus Christus die Vergebung ihrer Sünden und den Freispruch im Gericht Gottes zugesprochen bekommen haben, zugleich eine persönliche Erfahrung, die durchaus auch als Frieden im Sinn einer „Stimmung der Seele“ und „inneren Verfassung“ verbunden ist, auch wenn die Formulierung προ` ς το` ν θεο' ν darauf nicht den Schwerpunkt legt.40 ———————————————————

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Vgl. Schlier 141; Dunn I 247; Lohse 166; ablehnend Wolter I 320, dessen Kritik an Haacker 135-136; NW II/ 1, 111-115, die den „Frieden mit Gott“ mit der römischen Vorstellung von der pax deorum / deum verbinden, berechtigt ist. Wer in 5,1 ε» χωμεν liest, interpretiert als adhortativen Konjunktiv. Origenes II 251.253: „Offensichtlich ist das für den, der begriffen hat, was es heißt, aus Glauben und nicht aus Werken gerechtfertigt zu werden, eine Einladung … Wenn also jemand Frieden mit Gott hat und durch das Blut Christi versöhnt ist, darf er keinen Umgang mehr mit dem haben, was Gott feindlich gegenüber steht“; Kuss I 203: „Der Gerechtgesprochene muß in seinem Leben von dem Zeugnis geben, was ihm geschenkt wurde, er muß unablässig der zu werden suchen, der er ist“; vgl. Porter, Argument, 664; Hultgren 679. Calvin I 261: „Friede bezeichnet die Heiterkeit des Gewissens, die aus dem Bewusstsein der Versöhnung mit Gott entsteht“; später und romantischer Kühl 160; Jülicher 250, die Frieden im Sinn von „seliges fröhliches Gefühl“ (Kühl), Herzensfrieden oder Ausgeglichenheit des Gemüts interpretieren. Dagegen Käsemann 124; Wilckens I 288; Lohse 166; Wolter I 320. Barth 127 vermittelnd: „Solche Gefühle können diesen Friedensschluß begleiten oder auch nicht begleiten, sie konstituieren ihn aber auf alle Fälle nicht.“

Der Frieden mit Gott und die Hoffnung der gerechtfertigten Sünder 5,1-11 511 ————————————————————————————————————

2 Der sich anschließende Relativsatz V. 2a erklärt41 den Frieden mit Gott,

dessen Mittler Jesus Christus ist: durch den wir auch Zugang bekommen haben … zu dieser Gnade. Das Wort „Zugang“ (προσαγωγη' ) hat weder einen kultischen Sinn,42 noch ist es eine nautische43 oder politische44 Metapher. Der allgemeine Sinn von „Zugang“ oder „Zutritt“ reicht zur Erklärung des von Paulus Gemeinten aus: Der Friede mit Gott ist der Zugang zu der Gnade Gottes, die als Heilsraum gedacht ist, in dem sich der Glaubende befindet.45 Der Zustand des Friedens zwischen Gott und den Sündern verdankt sich ausschließlich der Heil schaffenden Initiative Gottes im Messias Jesus; der Artikel (τη` ν χα' ριν) ταυ' την verweist auf die in 3,24-25 beschriebene Erlösung des Sünders vom Zorn Gottes infolge der Vergebung der Sünden im Sühnetod Jesu. Paulus formuliert deshalb mit einem Perfekt (ε� σχη' καμεν): Der für die Gegenwart zu konstatierende Zugang zu der Gnade Gottes resultiert aus der Heilsinitiative Gottes im Tod Jesu und der Rechtfertigung des Sünders (Aor. δικαιωθε' ντες, V. 1).46 Die modale Dativwendung aufgrund des Glaubens (τηñ, πι'στει) wiederholt, dass die Wirkung von Tod und Auferweckung Jesu für die Menschen gilt, die an den Gott glauben, der sich in Jesus Christus offenbart hat. Der erneute Hinweis auf die πι'στις zeigt die zentrale Bedeutung des Glaubens. Paulus wird das seit 1,5 häufig verwendete Stichwort „Glaube“47 erst wieder in 9,30 gebrauchen: Seine Leser wissen, dass der Glaube an Gott als der eine wahre Gott, ———————————————————

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και' epexegeticum (explicativum); vgl. HvS §262,29.a5. Käsemann 124: προσαγωγη' „meint den ungehinderten Zugang zum Heiligtum als der Stätte der praesentia Dei“ (mit Verweis auf Ridderbos, Paulus, 333); Wilckens I 289: ein kultisches Bild, das vom Zutritt in den Himmel zu Gottes Thron spricht – Paulus interpretiert die Gnade als „das Sanctissimum Gottes“. Haacker 136 verweist auf die atl. Heiligtumstraditionen: Israel verband mit dem Gottesdienst im Heiligtum die Erfahrung einer besonderen Gottesgegenwart, die häufig als Gottes „Herrlichkeit“ (‫ )כבוד‬bezeichnet wird. Vgl. U. Borse, Art. προσαγωγη' , EWNT III, 389. Das Substantiv προσαγωγη' kommt in der LXX nicht vor; LSJ zeigt die Bedeutungsbreite des Wortes, ohne eine kultische Verwendung zu vermerken. Das Verb προσα' γω wird in der LXX in kultischen Kontexten verwendet (Lev 1,2; 19,21; Mal 1,7), aber nicht ausschließlich: Man findet auch φε' ρω (Lev 5,15) und προσφε' ρω (Num 28,3). Pallis: „Gnade“ ist der Hafen, in den der Glaube den Sünder einlaufen lässt; Dunn I 248 als Möglichkeit. Vgl. LSJ s.v. προσαγωγη' II.3b (Polybius 10,1,6; Periplus Maris Rubri 46; MM verweist auf P.Petr. III 107, S. 262). Dunn I 248: Zugang zum König; LSJ s.v. προσαγωγη' II.2, mit Verweis auf Xenophon, Cyr. 7,5,45 und Röm 5,2; Eph 2,18; vgl. BDAG. Wolter I 321; vgl. Lohse 167, der den Gedanken des Zugangs zum Heiligtum ausschließt, dann jedoch auf Gesandte verweist, „die nach vollzogenem Friedensschluß in den Palast des einstigen Gegners hereingebeten werden“. Zum Indikativ des Perfekt mit resultativem Aspekt s. HvS §200a. 1,5.8.12.17(3x); 3,3.22.25.26.27.28.30(2x).31; 4,5.9.11.12.13.14.16(2x).19.20; 5,1.2.

512 Römerbrief ————————————————————————————————————

der sich in Jesus, dem Messias und Kyrios Israels, geoffenbart hat, zum Kern des Evangeliums gehört (1,17) und existentielles Vertrauen auf Gott und seine Verheißung bedeutet (4,17-21). Der Relativsatz in der wir stehen (ε� ν ηð, ε� στη' καμεν; V. 2b) nimmt die Metapher vom Heilsraum auf und betont die Gnade Gottes als gegenwärtige Realität, die das Leben der Gläubigen bestimmt.48 Das „Stehen in der Gnade“ ist die Grundlage christlichen Lebens: Gottes Heilshandeln durch die Versöhnung im Tod Christi und die Rechtfertigung des Sünders ist der Raum, in dem Jesusbekenner leben. U. Wilckens interpretiert die Vorstellung vom „Stehen“ vom hellenistisch-jüdischen Sprachgebrauch her, wo „Stehen ein Bild für den Weisen ist, der sich nicht an der Bewegung und Veränderung der Schöpfung, sondern an der himmlischen Wirklichkeit Gottes orientiert, des allein „Stehenden“, und dadurch Halt und Kraft gewonnen hat. Vgl. Philo, Som. 1,250: ε� στα' ναι το` ν θεο` ν; Post. 30: ου� γα` ρ στη' σεται ο� θεο' ς, α� λλ’ α� ει` ε« στηκεν. Wie bei Philo, so geht es auch bei Paulus um die „Erlangung letzter Identität des Menschen“ angesichts der Gefährdung durch das Auf und Ab des Lebens (Philo) bzw. durch das Endgericht (Paulus, vgl. Röm 14,4; 1Kor 10,12). „Für Paulus aber bedeutet Rechtfertigung des Gottlosen, daß des Menschen Identität gewahrt ist allein durch Gottes Gnade, das heißt, daß sie nicht in irgendeiner Weise erreicht werden kann, sondern schlechthin Widerfahrnis ist: Gott, der in seiner himmlischen Höhe von Sündern nicht erreichbar ist, hat sich ihnen selbst zugänglich gemacht, indem er durch die schöpferische Kraft seiner Zuwendung die faktische unendliche Gottesferne, die die Sünde angerichtet hat, aufhob … Die Identität des Sünders ist so ganz und gar das bleibende Geschenk der Gnade.“49

Die Vergangenheit der Frieden stiftenden Heilsinitiative Gottes und die Gegenwart der Gnade Gottes garantieren die Zukunft der Teilhabe an der Herrlichkeit Gottes. Paulus formuliert in V.2c: und wir rühmen uns der Hoffnung auf die Herrlichkeit Gottes.50 Der Plural des Verbs bezieht sich auf die Menschen, die aus Glauben an Jesus Christus gerechtfertigt wurden und Frieden mit Gott (V. 1) und Zugang zu seiner Gnade haben (V. 2a). „Hoffnung“ (ε� λπι'ς) ist das Vertrauen in die Zukunft, die positive Erwartung, die man in eine Person oder in eine Sache setzt. Das Wort ε� λπι' ς [elpis]51 bezieht sich auf ein Wollen und Wünschen eines Menschen, das sich in der griech. Literatur meist auf profane Güter bezieht, wie die Rückkehr in die Heimat ———————————————————

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ε� στη' καμεν ist als präsentisches Perfekt zu verstehen; vgl. HvS §200b. Paulus spricht, dasselbe Verb verwendend, vom „Stehen im Glauben“ (11,20; 1Kor 16,13; 2Kor 1,24); vom „Stehen im Evangelium“ (1Kor 15,1), vom „Stehen im Herrn“ (Phil 4,1; 1Thess 3,8); vom „Stehen in dem einen Geist“ (Phil 1,27). Wilckens I 290. V. 2c και` καυχω' μεθα schließt an ει� ρη' νην ε» χομεν προ` ς το` ν θεο' ν V. 1a an. Vgl. R. Bultmann, Art. ε� λπι' ς κτλ., ThWNT II, 515-520.525-531; B. Mayer, Art. ε� λπι' ς, EWNT I, 1066-1075; C. Spicq, ThLNT I, 480-492; G. Nebe, ThBLNT I, 997-1004; H. Weder, Hoffnung II., TRE XV, 484-491; A. Dihle / B. Studer, Art. Hoffnung, RAC

Der Frieden mit Gott und die Hoffnung der gerechtfertigten Sünder 5,1-11 513 ———————————————————————————————————— (Polybius 3,63,7; Jer 44,14 LXX; Philo, Spec.Leg. 4,17), Geld oder eine gute Ernte (Philo, Virt. 159; 1Kor 9,10), Genesung von einer Krankheit (2Makk 3,29; Philo, Sacr. 123; Josephus, Bell. 1,657), Überleben eines Schiffsunglücks (Apg 27,20). Die Definition von ε� λπι' ς als προσδοκι' α α� γαθουñ („Erwartung von etwas Gutem“; Pseudo-Olato, Def. 416a) sieht von Belegen ab, an denen etwas Negatives erwartet wird. In den Papyri hat ε� λπι' ς mit Begebenheiten zu tun, „für die aus einer persönlichen Betroffenheit oder existentiellen Not heraus ein positiver Ausgang erhofft wird“.52 Die Verwendung von ε� λπι' ς in Grabinschriften und die Verehrung einer Göttin Elpis (röm. Spe) belegt die Verwendung des Wortes im religiösen Bereich. Nach Cicero erhielten die in die Eleusischen Mysterien Eingeweihten einen Grund, mit Freude zu Leben und „mit guter Hoffnung“ zu sterben (Leg. 2.14.36). Nach Plutarch erleben die Initianden einen plötzlichen Wonneschauer „vermischt mit Hoffnung“ (Fac.Lund. 28 [Mor. 943C]). Porphyrius nennt ε� λπι' ς neben πι' στις, α� λη' θεια und ε» ρως als die vier Grundwerte (στοιχειñα), die ein authentisches Leben konstituieren (Marc. 24). Im griech. AT übersetzen ε� λπι' ς bzw. das Verb ε� λπι' ζω mehrere hebr. Vokabeln, vor allem ‫( בטח‬sowie ‫קוה‬, ‫חסה‬, ‫יחל‬, ‫ ׂשבר‬und ‫)כסל‬.53 Die Grundbedeutung von ‫ בטח‬ist „sich sicher fühlen, sorglos sein“ und „sich auf jmd. verlassen, jmd. vertrauen“. Das Vertrauen auf Menschen (Jer 17,5; Ps 118,8-9), auf sich selbst (Ps 62,11; Spr 21,22; Jes 30,12), auf Götzen (Ps 115,8; 135,18; Jes 42,17; Hab 2,18), auf Reichtum (Spr 11,28; Ps 49,7; 52,9), auf fremde Mächte (Am 6,1; Jer 48,7), auf Waffen (Ps 44,7; Jes 31,1) kann sich als trügerisch herausstellen. Positiv ist vom Vertrauen eines Mannes auf seine Ehefrau (Spr 31,11) oder die Hoffnung eines Gerechten (Spr 28,1) die Rede. Den trügerischen Hoffnungen der Menschen gegenüber ist die Hoffnung auf Gott immer und vollkommen sicher (1Sam 12,11; 1Kön 5,5; Ps 78,53). Die Formulierung „in Sicherheit wohnen“ (Deut 12,10; 33,12.28; Jes 14,30; Jer 23,6; Hes 28,16 u.a.), die in der LXX zumeist mit anderen Vokabeln übersetzt wird, betont die Führung und Fürsorge Gottes. Die Überzeugung von der Sicherheit der Fürsorge Gottes wird in Ps 4,9 formuliert: „Du allein, Herr, lässt mich sorglos (‫ ;ָלֶבַטח‬LXX ε� π’ ε� λπι' δι) ruhen.“ In den Qumrantexten ist das Vertrauen auf Gott die wichtigste Konnotation von ‫בטח‬. In der Situation der Bedrängnis bietet das Vertrauen auf Jahwe alleinige Hoffnung (4Q381 Frag. 45,3).54 In den Evangelien kommt das Subst. ε� λπι' ς nicht vor, das Verb ε� λπι' ζω selten,55 wobei man nicht vergessen darf, dass Jesus sachlich von der Hoffnung Israels gesprochen hat, wenn er die Nähe und Gegenwart der Königsherrschaft Gottes proklamierte.56 Nach Joh 5,45 stellt Jesus der Hoffnung auf Mose, die seine jüdischen Zeitgenossen kennzeichnet, mit dem ————————————————————

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XV, 1159-1244; Woschitz, Elpis; Menxel, Elpis; Nebe, Hoffnung; Söding, Trias; Bons, ΕΛΠΙΣ; Schmocker, Elpis. Arzt-Grabner, 2. Korinther, 195; vgl. Kreinecker, 2. Thessaloniker, 186-188. Vgl. P.Petr. II 9: Hoffnung, dass bestimmte Arbeiten termingerecht fertiggestellt sind; SB XXII 15708: der Absender des Briefs setzt seine Hoffnung auf Didymos und Aristokleos im Zusammenhang seiner Suche nach einem geeigneten Lehrer; P.Mich. VIII 466: Hoffnung auf Beförderung innerhalb des Heeres; SB XIV 11562: Hoffnung auf Getreide. Zu ‫בטח‬: A. Jepsen, ThWAT I, 608-615; E. Gerstenberger, THAT I, 300-305; U. Dahmen, ThWQ I, 425-427. Die These von R. Bultmann, ThWNT II, 515-520.525-531, man müsse zwischen einem profanen Verständnis von ε� λπι' ς, bei dem der erhoffte Gegenstand im Mittelpunkt steht, und einem theologisch-eschatologischen Verständnis, das im AT und bei Paulus vorliege und das den Akt des Hoffens betone, unterscheiden, lässt sich nicht halten; zur Kritik Wolter, Rechtfertigung, 131-133; Bieringer, Hoffnung; Theobald, Der Römerbrief, 252. Mt 12,21; Lk 6,34; 23,8; 24,21; Joh 5,45. G. Nebe, ThBLNT I, 1000.

514 Römerbrief ———————————————————————————————————— Glauben an ihn selbst gegenüber. Paulus verwendet ε� λπι' ς 36 Mal57 und ε� λπι' ζω 19 Mal58 für persönliche Hoffnungen (Phil 2,19.23; Phlm 22), z.B. im Zusammenhang der Kollekte für die Gemeinde in Jerusalem (1Kor 9,10; 16,7; 2Kor 8,5; 13,6). In Gal 5,5 spricht Paulus von der „Hoffnung der Gerechtigkeit“, d.h. vom Hoffnungsgut der Gerechtigkeit. Er verbindet die Hoffnung mit dem Glauben und der Liebe (1Thess 1,3; 5,8; 1Kor 13,7.13). Zum Profil der Hoffnung bei Paulus s. unter IV.

Jesusbekenner, die wie Abraham glauben, hoffen wie Abraham, der nach 4,18 ein Beispiel richtiger Hoffnung ist, die in der Verheißung Gottes gründet und Ungewissheit und Zweifel überwindet.59 Der Gegenstand der Hoffnung ist die Herrlicheit Gottes (δο' ξα τουñ θεουñ ; zu δο' ξα s. zu 2,7). Der Mensch verlor infolge seiner Sünde die Herrlichkeit Gottes, die Adam als im Ebenbild Gottes Geschaffener einbüßte (3,23).60 Weil Jesusbekenner Frieden mit Gott haben, sind sie erfüllt von der Hoffnung auf den Wiedergewinn der Herrlichkeit Gottes (8,17.18.21; 1Kor 15,43; 2Kor 4,17; Phil 3,20-21; 1Thess 2,12). „Herrlichkeit“ ist hier die Umschreibung für das Heil der neuen Welt, die Gott im Eschaton heraufführen wird (vgl. Jes 40,5: „Dann offenbart sich die Herrlichkeit des Herrn, alle Sterblichen werden sie sehen“; 60,1-2: „Auf, werde licht, denn es kommt dein Licht, und die Herrlichkeit des Herrn geht leuchtend auf über dir. Denn siehe, Finsternis bedeckt die Erde und Dunkel die Völker, doch über dir geht leuchtend der Herr auf, seine Herrlichkeit erscheint über dir“ [EÜ]; vgl. äthHen 62,13-15: „Und die Gerechten und Auserwählten werden an jenem Tage (nach dem Gericht) gerettet werden, und sie … sind bekleidet mit dem Gewand der Herrlichkeit“). Christen haben eine Hoffnung, die Nichtchristen nicht haben (1Thess 4,13), auch ungläubige Juden nicht, die sich Gottes und des Gesetzes rühmen (2,17; 3,17). Der Wiedergewinn der Herrlichkeit Gottes ist Hoffnung, weil sie sich in der Zukunft ereignet (8,1718): An Jesus Glaubende haben Frieden mit Gott infolge der durch Jesus Christus erwirkten Sündenvergebung, aber sie leben bis zum Ende in der ———————————————————

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Röm 4,18(2x); 5,2.4.5; 8,20.24(3x); 12,12; 15,4.13; 1Kor 9,10(2x); 13,13; 2Kor 1,7; 3,12; 10,15; Gal 5,5; Eph 1,18; 2,12; 4,4; Phil 1,20; Kol 1,5.23.27; 1Thess 1,3; 2,19; 4,13; 5,8; 2Thess 2,16; 1Tim 1,1; Tit 1,2; 2,13; 3,7; vgl. Apg 24,15; 26,6.7; 28,20. Röm 8,24.25; 15,12.24; 1Kor 13,7; 15,19; 16,7; 2Kor 1,10.13; 5,11; 8,5; 13,6; Phil 2,19.23; 1Tim 3,14; 4,10; 5,5; 6,17; Phlm 22. Wolter I 322: Der Unterschied zwischen dem Glauben Abrahams und dem Glauben der Christen besteht darin, dass Abrahams Glaube Hoffnung war und ihm seine durch den Glauben gewonnene Hoffnung als Gerechtigkeit angerechnet wurde, während Christen Hoffnung haben, „weil sie glauben und gerechtfertigt wurden“. ApkMos 21,6 (VitAd 20-21): „Da weinte ich [Eva] und sprach (zum Versucher): Warum hast du mir das angetan, dass ich entfremdet ward von meiner Herrlichkeit, mit der ich bekleidet war? … Was hast du unter uns angerichtet? Du hast mich [Adam] der Herrlichkeit Gottes entfremdet.“

Der Frieden mit Gott und die Hoffnung der gerechtfertigten Sünder 5,1-11 515 ————————————————————————————————————

Welt, die von der Finsternis der Sünde bestimmt wird, eine Tatsache, die Paulus in V. 3 thematisiert. Mit dem Verb wir rühmen uns (καυχω' μεθα) betont Paulus, dass die Hoffnung auf die Herrlichkeit Gottes sicher ist. Die Erfüllung dieser Hoffnung ist so gewiss, dass sie ein Kennzeichen christlicher Existenz ist.61 Die Hoffnung auf die Teilhabe an der Herrlichkeit Gottes wird mit Sicherheit in Erfüllung gehen, weil sie sich auf die in Jesus Christus offenbarte Gnade Gottes gründet. In V. 5-10 wird Paulus die Gewissheit dieser Hoffnung begründen. 3-4 Die Wendung nicht aber nur das, sondern auch (ου� μο' νον δε' , α� λλα` καí) leitet eine Ergänzung der Aussage in V. 2c ein.62 Der Friede mit Gott und das Leben im Raum der Gnade Gottes infolge der Rechtfertigung aus Glauben macht es möglich, dass Jesusbekenner sagen können: wir rühmen uns auch der Bedrängnisse (καυχω' μεθα ε� ν ταιñς θλι'ψεσιν). Die Präposition ε� ν beschreibt nicht die Situation, in der sich die Christen befinden, wenn sie sich der Hoffnung auf die Teilhabe an der Herrlichkeit Gottes rühmen, sondern den Gegenstand des Rühmens.63 „Bedrängnisse“ sind von äußeren Verhältnissen oder Ereignissen herbeigeführte notvolle Situationen, von der Diskriminierung bis hin zur Verfolgung, denen Christen aufgrund ihres Bekenntnisses zu Jesus als Messias Israels und Retter der Welt ausgesetzt sind. Das Wort θλι' ψις [thlipsis] bezeichnet eine Notsituation, wobei es sich um eine wirtschaftliche, soziale, politische oder persönliche Notlage handeln kann.64 Das Verb θλι' βω hat die physische Bedeutung „drücken, quetschen, reiben“ (Aristophanes, Ran. 5; vgl. Mk 3,9), wird aber von Anfang auch und sehr oft in übertragenem Sinn für „bedrängen“ gebraucht (Aristoteles, Eth.nic. 1100b28). Entsprechend bedeutet das Subst. θλι' ψις „Druck, Quetschen, Zerdrücken“ (Aristoteles, Meteor. 382a13; Hippiatrica 20 von der Kastrierung), und in übertragenem Sinn „Bedrängnis, Unterdrückung, Trübsal“ (zuerst in der LXX belegt: Gen 35,3 u.a.). In den Papyri bezeichnet θλι' ψις meist eine wirtschaftliche Notlage, die unverzüg———————————————————

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Käsemann 125: „Die δο' ξα τουñ θεουñ ist die Vollendung der bereits geschenkten Gerechtigkeit und wird in dieser derart antizipiert, daß ‚Hoffnung‘ zugleich auf ausstehende Vollendung noch wartet und ihrer doch über der empfangenen Gabe gewiß ist.“ Zu ου� μο' νον δε' ist καυχω' μεθα ε� π’ ε� λπι' δι τηñ ς δο' ξης τουñ θεουñ zu ergänzen. Vgl. die parallelen Formulierungen in 5,11; 8,23; 9,10; 2Kor 8,19; vgl. 2Kor 7,7; 1Tim 5,13; 2Tim 4,8. Käsemann 126; Cranfield I 260; Schlier 146; Wilckens I 291 Anm. 960; Dunn I 250; Lohse 167; Jewett 352; Wolter I 323 Anm. 22. Lokativ im Sinn der Lebenslage interpretieren Weiß 220; Zahn 244 Anm. 98; Fitzmyer 397; Bieringer, Hoffnung, 321; unentschieden Michel 178. καυχαñ σθαι ε� πι' (+ Dativ; V. 2c) ist für Paulus ungewöhnlich, sonst aber oft bezeugt (Diodorus 15.6.1; 16.70.2; Ps 48[49],7 LXX; Spr 25,14); die Formulierung ist identisch mit καυχαñ σθαι ε� ν (+ Dativ), das Grund und Gegenstand des Rühmens angibt (Röm 2,17.23; 5,3.11; 2Kor 10,15.16.17; 11,12; 12,5; Gal 6,13.14; Phil 3,3). H. Schlier, Art. θλι' βω κτλ., ThWNT III, 139-148; J. Kremer, Art. θλι' ψις κτλ., EWNT II, 375-379; R. Schippers / V. Gäckle, ThBLNT I, 121-124; zum atl. ‫צר‬: Fabry, ThWAT VI, 1113-1122; zu Paulus Hafemann, Suffering; Pate, Glory; zur Apg Schnabel, Persecution.

516 Römerbrief ———————————————————————————————————— liche Maßnahmen erfordert.65 In der LXX kommt θλι' ψις häufig als Übersetzung von ‫ צר‬I vor, oft in den Psalmen, wo sich die Bedeutung „Bedrängnis, Not, Enge“ durch Parallelbegriffe wie Not (Deut 31,17.21), Schande (2Kön 19,3; Jes 37,3) und Elend (Ps 31,8) sowie durch Gegenbegriffe wie Zuflucht (Ps 46,2) und Hilfe und Heil (Ps 91,16; Jes 33,2) ergibt. Die Frommen erbitten sich von Jahwe die Errettung aus Trübsal (Ps 34,7.18; 50,15; 107,5.13.1.9.28). Jahwe kann der Urheber von Bedrängnis sein (Ps 78,49; 2Chron 15,6). In der Endzeiterwartung Israels spielt die Trübsalszeit eine wichtige Rolle (Jer 4,31; 30,7; Dan 12,1; Zef 1,15). Gott wird durch die Schaffung eines neuen Himmels und einer neuen Erde aller Trübsal ein Ende bereiten (Jes 65,16). Die Qumrangemeinde beschreibt ihre Situation als „Zeit der Drangsal“ (1QS III, 23; X, 15). Im NT kommt θλι' ψις in der Verkündigung Jesu in einem endzeitlichen Zusammenhang vor (Mt 24,31 / Mk 13,19, mit Aufnahme von Dan 12,1): Die Zeit zwischen dem ersten und zweiten Kommen Jesu, des messianischen Menschensohns, ist gekennzeichnet von Verführung, Hass, Krieg, Hunger, Verfolgung. Für diese Notlagen gilt: „Das muss geschehen“ (Mt 24,6; vgl. Dan 2,28-29.45; vgl. Offb 1,1 [„was bald geschehen muss“]; 2,22; 7,14: θλι' ψις μεγα' λη, „große Trübsal“). In Kol 1,24 spricht Paulus von den „Bedrängnissen des Messias“ (θλι' ψεις τουñ Χριστουñ ). Weil mit dem Kommen Jesu die letzten Tage angebrochen sind, sind auch die Jesusbekenner „Bedrängnissen“ preisgegeben (Mt 24,9).

Die Bedrängnis, die Jesusbekenner erleiden, verbindet sie mit der Bedrängnis des Messias Jesus (Kol 1,24). Paulus spricht wiederholt von den Bedrängnissen, die er erleidet (2Kor 1,4-6; 4,10-11; 4,8; vgl. Phil 3,10). Menschen, die das Wort des Evangeliums annehmen und sich zum Glauben an Jesus Christus bekehren, erfahren Bedrängnis, aber gleichzeitig die Freude des Heiligen Geistes (1Thess 1,6). Als Paulus und Barnabas die jungen Christen in Lystra, Ikonium und Antiochien ermutigen, erklären sie ihnen: „Durch viele Drangsale (δια` πολλω ñ ν θλι'ψεων) müssen wir in das Reich Gottes gelangen“ (Apg 14,22). Sowohl die Gemeinde in Jerusalem (Apg 11,19) als auch die Christen in Thessalonich (1Thess 1,6; 3,3), die Gemeinden in Makedonien (2Kor 8,2) und die Christen in Korinth (2Kor 1,4) erfahren Bedrängnis. Weil Bedrängnis den Gläubigen mit dem Messias Jesus verbindet, kann sie, wie jede andere Notlage, diesen nicht vom Messias Jesus scheiden (Röm 8,35). Christen wissen, dass sie Miterben des Messias sind, die wie dieser leiden und mit ihm auch verherrlicht werden (Röm 8,17). Gläubige „rühmen“ sich der Bedrängnisse, weil diese belegen, dass sie mit dem Messias Jesus verbunden sind und mit ihm in der Gegenwart leben und in der Zukunft in der Auferstehung verherrlicht werden. Die Identität der Jesusbekenner ist von der Rechtfertigung durch den Glauben, vom Frieden mit Gott, vom Leben im Raum der Gnade in der Gegenwart und von der Hoffnung auf das Leben in der Gegenwart Gottes in der Zukunft gekennzeichnet – und von Bedrängnissen, die sie infolge ihres Glaubens an Jesus erleiden. Die Heilsgewissheit der Christen, die auf die Wiedererlangung der ———————————————————

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Arzt-Grabner, 2. Korinther, 167-168, mit Verweis auf BGU IV 1139; P.Erasm. I 6 u.a.

Der Frieden mit Gott und die Hoffnung der gerechtfertigten Sünder 5,1-11 517 ————————————————————————————————————

Herrlichkeit Gottes hofft, überspringt nicht „den Widerspruch der gegenwärtigen Anfechtung (vgl. Hebr 6,19f), sondern sie spricht diesen Widerspruch selbst im ‚Rühmen‘ an, weil sie sich – das heißt: der Gnade Gottes – zutraut, sich an den Leiden selbst gleichsam abzuarbeiten, wie das Gold allererst im Schmelzprozeß reines Gold wird (vgl. 1Petr 1,7).“66 Dies wird in V. 3b-4 ausgeführt. Mit der Formulierung denn wir wissen (ει� δο' τες ο« τι) leitet Paulus Aussagen zum Verständnis des Leidens ein, die den Christen in Rom vertraut sind oder vertraut sein sollten.67 Mithilfe der literarischen Figur der anadiplosis iterata68 verbindet Paulus vier Ausdrücke: die Bedrängnis bewirkt Geduld, die Geduld aber Bewährung, die Bewährung aber Hoffnung. Die Bedrängnis (η� θλιñψις), die Jesusbekenner von Gegnern des Evangeliums erleiden, bewirkt69 Geduld (υ� πομονη' ; s. zu 2,7). Weil die im Evangelium verkündigte Macht Gottes (1,16) die Macht der Gnade Gottes ist, die infolge von Tod und Auferweckung Jesu Christi Sünde vergibt, dem Sünder Gerechtigkeit zuspricht, im Gericht Gottes rechtfertigt (3,23-24; 4,23-25) und Frieden mit Gott gewährt (5,1), wissen Jesusbekenner, dass es keine Macht dieser Welt gibt, die die von Gott in Jesus Christus bewirkte Wirklichkeit der Gnade ernsthaft gefährden und zunichtemachen kann (8,38-39; vgl. 1Kor 10,13). Indem sie Bedrängnis und Anfechtung aushalten, erfahren sie die Standhaftigkeit ihres Glaubens. Die Geduld bewirkt Bewährung (δοκιμη' ) des Glaubens und des Glaubenden. Weil Jesusbekenner Leiden um Jesu willen in der Kraft der Gnade Gottes geduldig aushalten, ohne den Glauben aufzugeben, erweist sich ihr Glaube in der Prüfung, die die Bedrängnis darstellt, als echt.70 Nach 2Kor 8,2 kommt aus der Bewährung in der Bedrängnis „übergroße Freude“. ———————————————————

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Wilckens I 292. Vgl. 6,9; 1Kor 15,58; 2Kor 1,7; 4,14; 5,6; Eph 6,8.9; Phil 1,16; Kol 3,24; 4,1. Außerbiblisch Isokrates, Paneg. 166; Demosthenes, Or. 24,123; 4Makk 16,25; Weish 15,2; Philo, Vit.Mos. 1,248; Leg.Gai. 219. HvS §294n: bei der Anadiplose (reduplicatio) wird das letzte Glied einer syntaktischen Gruppe zu Beginn der nächstfolgenden syntaktischen Gruppe wiederholt; Lausberg, Handbuch, §619). BDR §493.3 spricht von Klimax, lat. gradatio (Lausberg, ebd. §623: Die gradatio ist eine fortschreitende Anadiplose); vgl. Wolter I 324. Ähnliche Reihen kommen im NT in Röm 8,29-30; 10,14-15; Jak 1,15; 2Petr 1,5-7 vor; vgl. Hos 2,23-24; Weis 6,17-19. Bauer / Aland s.v. κατεργα' ζομαι 2: „hervorbringen, erzeugen, schaffen“. Vgl. W. Grundmann, Art. δο' κιμος κτλ., ThWNT II, 258-264; G. Schunack, EWNT I, 825-829; C. Spicq, TLNT I, 353-361; M. Bachmann, ThBLNT II, 1785-1789. Das Subst. δοκιμη' , das Paulus noch in 2Kor 2,9; 8,2; 9,13; 13,3; Phil 2,22 verwendet, ist vor Paulus nur in einem Fragment aus dem Jubiläenbuch belegt, das für Röm 5,2 relevant ist: „Und ihm (d.h. dem Teufel) wurde ihr (d.h. der Menschen) zehnter Teil gegeben …, um die Menschen zu prüfen zur Bewährung des Strebens eines jeden zu Gott, die übrigen neun

518 Römerbrief ———————————————————————————————————— Das unschuldige Leiden der Gerechten, als Prüfung durch Gott verstanden, der ihre Treue und Standhaftigkeit auf die Probe stellt, ist ein bekanntes atl. und frühjüdisches Thema. Die Bewährung der Gerechten wird oft mit der Läuterung von Edelmetallen im Feuer verglichen. Psalm 66,10-12: „Du hast, o Gott, uns geprüft (ε� δοκι' μασας η� μαñ ς) und uns geläutert, wie man Silber läutert. Du brachtest uns in schwere Bedrängnis und legtest uns eine drückende Last (θλι' ψεις, „Bedrängnisse“) auf die Schulter. Du ließest Menschen über unsere Köpfe schreiten. Wir gingen durch Feuer und Wasser. Doch du hast uns in die Freiheit hinausgeführt.“ Weish 3,4-6: „In den Augen der Menschen wurden sie gestraft; doch ihre Hoffnung ist voll Unsterblichkeit. Ein wenig nur werden sie gezüchtigt; doch sie empfangen große Wohltat. Denn Gott hat sie geprüft und fand sie seiner würdig. Wie Gold im Schmelzofen hat er sie erprobt (ε� δοκι' μασεν) und sie angenommen als ein vollgültiges Opfer“ (EÜ). Sir 2,1-6: „Mein Sohn, wenn du dem Herrn dienen willst, dann mach dich auf Prüfung gefasst! Sei tapfer und stark, zur Zeit der Heimsuchung überstürze nichts! Hänge am Herrn und weiche nicht ab, damit du am Ende erhöht wirst. Nimm alles an, was über dich kommen mag, halt aus in vielfacher Bedrängnis! Denn im Feuer wird das Gold geprüft und jeder, der Gott gefällt, im Schmelzofen der Bedrängnis. Vertrau auf Gott, er wird dir helfen, hoffe auf ihn, er wird deine Wege ebnen.“ PsSal 16,14-15: „Wenn eine Seele mittels ihrer eigenen Schlechtigkeit überführt wird, (geschieht) deine Prüfung (η� δοκιμασι' α) am eigenen Fleisch und in der Bedrängnis der Armut (ε� ν θλι' ψει πενι' ας). Wenn der Gerechte darin aushält (ε� ν τω ñ, υ� πομειñναι), wird er Barmherzigkeit vom Herrn empfangen“ (LXX.D). 4Makk 9,7-8: „Also dann, versuche es, Tyrann! Auch wenn du unser Leben um der Frömmigkeit willen tötest, meine nicht, du würdest uns mit der Folterung schaden. Denn wir werden wegen dieses schlimmen Leidens und der Geduld (υ� πομονηñ ς) den Siegespreis der Tugend erhalten und werden bei Gott sein, um dessentwillen wir ja auch leiden.“ Beim Vergleich dieser Tradition von der Bewährung im Leiden mit Paulus fällt auf, dass bei diesem das Element der menschlichen Willenskraft fehlt.71 Der Wortlaut von Röm 5,1-2 berührt sich mit dem Kettenschluss in Jak 1,2-4 (πειρασμοιñς ποικι' λοις – το` δοκι' μιον υ� μω ñ ν τηñ ς πι' στεως – υ� πομονη' – ε» ργον τε' λειον) und mit 1Petr 1,6-7 (ποικι' λοις πειρασμοιñς – υ� πομονη' – δοκι' μιον υ� μω ñ ν τηñ ς πι' στεως), was manche veranlasst, eine verfestigte Überlieferung anzunehmen, die die drei Autoren selbstständig verarbeitet haben.72 Die Übereinstimmung besteht vor allem auf der gedanklichen Ebene, die verbalen Parallelen beschränken sich auf υ� πομονη` ν κατεργα' ζεται in Röm 5,3 und κατεργα' ζεται υ� πομονη' ν in Jak 1,3; die Vokabeln θλι' ψσις, δοκιμη' und ε� λπι' ς kommen nur bei Paulus vor.

Die Aussage, dass die Bewährung Hoffnung (ε� λπι'ς) bewirkt, heißt im Zusammenhang des Kettenschlusses: Die Hoffnung auf die Teilhabe an der Herrlichkeit Gottes als sichtbare Erfüllung des Glaubens wird durch die Be————————————————————

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Teile wurden aber in die Unterwelt geworfen“; Wolter I 325 Anm. 27. Bachmann, ebd. 1789 meint, Paulus wolle in Röm 5,4 jeder falschen Sicherheit wehren, was angesichts 5,5 am Text vorbeigeht. Jewett 354, der im Blick auf den Stolz auf menschliche Leistung auch auf Maximus Tyrus, Phil. 16,3 verweist: „Eintracht und wohlgeordnete Verfassung … entstehen durch Rechtlichkeit, die Rechtlichkeit aber bewahrt die Tugend derer, die sie anwenden, die Tugend aber geben die vernünftigen Lehren, die Lehren aber (gibt) die Übung, die Übung aber die Wahrheit, die Wahrheit aber die Beschäftigung mit ihr.“ Wolter I 325-326. Von den bei Lohse 168 Anm. 21 für 1Petr 1,6-7 angegebenen Stichwörtern (θλι' ψσις, υ� πομονη' , δοκιμη' , ε� λπι' ς) kommt nur υ� πομονη' im Text vor; die anderen sind von Röm 5,3-4 eingetragen.

Der Frieden mit Gott und die Hoffnung der gerechtfertigten Sünder 5,1-11 519 ————————————————————————————————————

währung in der Bedrängnis immer gewisser. Der Kettenschluss betont die als letztes Element genannte Hoffnung nicht als Fortschritt in der Haltung des Gläubigen, sondern als die Kraft, die ihn Bedrängnisse aushalten lässt. 5 Paulus nimmt noch einmal das in dem Kettenschluss V. 3-4 im Hinblick auf das Leiden der Gläubigen erläuterte Stichwort „Hoffnung“ von V. 2c auf: Die Hoffnung aber lässt nicht zuschanden werden (η� δε` ε� λπι`ς ου� καταισχυ' νει). Das Verb (καταισχυ' νει [kataischynei]) bedeutet „entehren, blamieren“ (1Kor 11,4-5), „beschämen, zuschanden machen, demütigen“ (1Kor 1,27; 11,22; 2Kor 7,14; 9,4), hier „von der Schande, die den trifft, dessen Glaube oder Hoffnung sich als eitel erweist“.73 Das Verb καταισχυ' νει nimmt das „Rühmen“ (καυχω' μεθα) von V. 2c auf:74 Das Rühmen der Jesusbekenner im Blick auf die zukünftige Teilhabe an der Herrlichkeit Gottes wird sich nicht als Blamage herausstellen, weil es von dieser Hoffnung nicht widerlegt wird. Die Hoffnung auf das Leben in der Gegenwart Gottes kann sich ihrer Erfüllung gewiss sein. Im Kontext von 1,18-32 sagt Paulus: Im Gegensatz zu den Menschen, die sich für weise halten, sich aber weigern, die Wahrheit Gottes anzuerkennen, sodass ihr Menschsein irreparablen Schaden erleidet und sie im Endgericht von Gottes Zorn getroffen werden, gilt für Jesusbekenner, dass sie im Raum der Gnade Gottes leben und im Endgericht gerettet werden – diese Hoffnung wird sich nicht als Täuschung erweisen. In diesem Kontext ist das Präsens des Verbs als futurisches Präsens zu deuten.75 Gleichzeitig ist der unmittelbare Kontext nicht zu ignorieren, in dem von Bedrängnissen, Geduld und Bewährung die Rede ist (5,3-4): Die Hoffnung, Gottes Herrlichkeit teilhaftig zu werden, erweist sich inmitten von Leiden als Vertrauen auf Gott, das nicht enttäuscht, da die Bedrängnis die Hoffnung nur gewisser macht. In diesem Kontext kommt ———————————————————

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Bauer / Aland s.v. καταισχυ' νω 3; das Verb wird hier mit kausativem Sinn verwendet („zuschanden werden lassen“). Vgl. R. Bultmann, Art. αι� σχυ' νω κτλ., ThWNT I, 189190; A. Horstmann, EWNT II, 636-637; Wolter, Rechtfertigung, 151-152. Vgl. ArztGrabner, 2. Korinther, 388, mit Verweis auf P.Mich. IX 532, 5-6 („denn der Mangel an Bildung wird die Reichen wohl beschämen“): „Die Beschämung gründet sich … darauf, dass ein erwarteter Zusammenhang nicht zutrifft“, in diesem Fall die Erwartung, dass ein Reicher einen Teil seiner Mittel für Erziehung und Bildung ausgibt; wenn diese Erwartung nicht erfüllt wird, „ist die Folge einerseits Enttäuschung, andererseits Beschämung oder Schande“. Paulus verwendet καταισχυ' νω in Röm 5,5; 9,33; 10,11; 1Kor 1,27(2x); 11,4.5.22; 2Kor 7,14; 9,4. Wolter, Rechtfertigung, 152-153 will von einem Bezug auf das Leiden oder das Gericht Gottes absehen, was angesichts des engeren und weiteren Kontextes nicht plausibel ist. Hofmann 167; Moo 304; Schreiner 256; Wolter I 326; man kann statt καταισχυ' νει (Präsens) auch καταισχυνειñ (Futur) akzentuieren; als Möglichkeit Michel 180; Lohse 168.

520 Römerbrief ————————————————————————————————————

das Präsens des Verbs zum Tragen. Die beiden Interpretationen schließen sich nicht gegenseitig aus.76 Paulus bezieht καυχα' ομαι und καταισχυ' νω auch in 2Kor 7,14; 10,8 aufeinander. Aussagen über die Gewissheit, dass Hoffnung (ε� λπι' ς) sich erfüllt und nicht enttäuscht (καταισχυ' νω), findet man in LXX Ps 21[22]6: „Zu dir haben sie geschrien, und sie wurden gerettet; auf dich haben sie gehofft (η» λπισαν) und sind nicht völlig zuschanden geworden (ου� κατη, σχυ' νθησαν; LXX.D)“; 24[25],20: „Ich soll nicht zuschanden werden (μη` καταισχυνθει' ην), denn ich habe meine Hoffnung auf dich gesetzt (η» λπισα ε� πι` σε' )“; vgl. 30[31],2; 70[71],1; Jer 31[48],13; Spr 11,7. Paulus denkt vielleicht schon hier an Jes 28,16 LXX, zitiert in Röm 9,33; 10,1: „Darum sagt der Herr so: Siehe, ich werde in die Fundamente Sions einen kostbaren, ausgewählten Stein einsetzen, einen wertvollen Eckstein in ihre Fundamente, und wer auf ihn vertraut, wird nicht zuschanden werden“ (ο� πιστευ' ων ε� π’ αυ� τω ñ, ου� μη` καταισχυνθηñ, ; LXX.D).

Gewissheit der Hoffnung bedeutet, dass Gott seine Verheißungen erfüllen wird. Deshalb spricht Paulus im Segen von 15,13 vom „Gott der Hoffnung“ (ο� θεο` ς τηñ ς ε� λπι'δος), der die Jesusbekenner mit Freude und Frieden im Glauben erfüllt und sie reich werden lässt in der Hoffnung durch die Kraft des Heiligen Geistes. Der Gott Israels, der sich im Messias Jesus nicht nur für Israel, sondern auch für die Heiden geoffenbart hat (15,9-12), hat durch den Sühnetod Jesu (3,21-31) den Sündern aus Heiden (1,18-32) und Juden (2,1–3,20) die Vergebung der Sünden, die Gewährung von Gerechtigkeit und die Rettung im Endgericht erwirkt, sodass die Hoffnung auf die Teilhabe an der noch ausstehenden Offenbarung der Herrlichkeit Gottes in Freude und Friede gelebt wird, weil sie Gewissheit ist. Die Unerschütterlichkeit der Hoffnung auf die Teilhabe an der Herrlichkeit Gottes wird in V. 5b begründet (ο« τι): weil die Liebe Gottes ausgegossen ist in unsere Herzen durch den Heiligen Geist, der uns gegeben worden ist. Die „Liebe Gottes“ (η� α� γα' πη τουñ θεουñ ) ist die von Gott geschenkte Liebe (gen. subjectivus), die in V. 6-8 näher beschrieben wird. Die Formulierung συνι' στησιν δε` τη` ν ε� αυτουñ α� γα' πην ει� ς η� μαñ ς ο� θεο' ς V. 8a belegt, dass die frühere, aber parallele Formulierung in V. 5b als gen. subjectivus zu interpretieren ist. So die Mehrzahl der griechischen Väter und übereinstimmend die neueren Ausleger. 77 Anders Augustin, De Spiritu et littera 32,56 und die scholastische Exegese, in der η� α� γα' πη τουñ θεουñ in V. 5 als gen. objectivus interpretiert wird.78 Siehe unten IV. ———————————————————

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Käsemann 126-127; Dunn I 253; Wilckens I 292 interpretiert im Hinblick auf das Endgericht, Haacker 136 im Sinn der „Belastungen des Christseins“. Vgl. Zahn 248-249; Kuss I 206; Cranfield I 262; Schlier 150; Zeller 110; Wilckens I 293; Byrne 171; Lohse 169; Penna 350-351; Wolter I 327. Vgl. Hofmann 177; Wright 517; Wright, Paul, 722 (mit Protest gegen das theologische Anliegen Augustins). Schmithals 158 interpretiert im Sinn der Bruderliebe. Unbestritten ist, dass 2Thess 3,5 von der Liebe zu Gott spricht: ο� δε` κυ' ριος κατευθυ' ναι υ� μω ñ ν τα` ς

Der Frieden mit Gott und die Hoffnung der gerechtfertigten Sünder 5,1-11 521 ————————————————————————————————————

Die Erfüllung der Hoffnung ist gewiss, weil Christen im Raum der Gnade Gottes leben (5,2), der die an Jesus glaubenden Sünder liebt. Die Gewissheit der Liebe Gottes zum glaubenden Sünder garantiert die Gewissheit der Hoffnung auf die Teilhabe an Gottes Herrlichkeit. Mit α� γα' πη [agapē] wird die Wertschätzung für jemanden bezeichnet, die Zuneigung, die Zuwendung.79 Mit 320 Belegen der Wortgruppe α� γαπα' ω, α� γα' πη, α� γαπητο' ς gehört „lieben, Liebe, geliebt“ zu den Vorzugswörtern der neutestamentlichen Autoren. Paulus verwendet das Verb 34 Mal,80 das Substantiv 75 Mal,81 das Adjektiv 27 Mal.82 Das Wort ist eines von mehreren griech. Vokabeln, die je nach Kontext mit „Liebe“ übersetzt werden, z.B. (in alphabetischer Reihenfolge) ε� πιθυμι' α (Verlangen, Begierde), ε� πιπο' θησις (Sehnsucht), ε» ρως (Liebe, oft von leidenschaftlicher, sexueller Liebe), «ιμερος (Verlangen, Sehnsucht), πο' θος (Wunsch, Verlangen, Sehnsucht), σπλα' γχνον (Zuneigung, Liebe), στοργη' (Liebe, Zuneigung), φιλι' α (Freundschaft, Liebe). Die Bedeutungen überschneiden sich häufig.83 In der ntl. Exegese ist oft Bedeutung und Referenz verwechselt worden, d.h., oft wird nicht die Bedeutung z.B. von α� γα' πη beschrieben, sondern die Verwendung in einem bestimmten textlichen Zusammenhang; häufig wurde die Referenz von α� γα' πη, z.B. in Joh 3,16 (Gottes freie, schenkende Liebe zum Menschen) als Grundbedeutung der Vokabel (miss)verstanden. So definiert E. Stauffer α� γα' πη als „Liebe, die Unterschiede macht, die ihren Gegenstand wählt und festhält“, als vom Subjekt her bestimmte „freie, entschiedene Tat“, als „Liebe des Höheren, die den Geringeren emporhebt, über andere hinaushebt“, als „schenkendes, tätiges Lieben, das dem andern zugute kommt“, als Einbruch der „Macht der künftigen Weltzeit“.84 Diese und ähnliche Definitionen lassen die Tatsache außer acht, dass für α� γαπα' ω / α� γα' πη nicht nur positive, sondern auch negative Verwendungen belegt sind.85 In der LXX kann ————————————————————

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καρδι' ας ει� ς τη` ν α� γα' πην τουñ θεουñ („der Herr richte euer Herz darauf, dass ihr Gott liebt“); vgl. Lk 11,42. BDAG s.v. α� γα' πη 1 „the quality of warm regard for and interest in another, esteem, affection, regard, love (without limitation to very intimate relationships, and very seldom in general Greek of sexual attraction)“. Bauer / Aland s.v. α� γα' πη I bietet nur die Glosse „Liebe“. Zum NT vgl. G. Quell / E. Stauffer, Art. α� γαπα' ω κτλ., ThWNT I, 20-55; G. Schneider, EWNT I, 19-29; C. Spicq, TLNT I, 8-22; M. Tilly/ T. Söding, ThBLNT II, 1319-1329; M. Silva, NIDNTTE I, 103-115; O. Wischmeyer, Art. Liebe IV. Neues Testament, TRE XXI, 138-146. Im Röm in 8,28.37; 9,13.25; 13,8(2x).9. Röm 5,5.8; 8,35.39; 12,2; 13,10(2x); 14,15; 15,30; der Abschnitt mit der höchsten Konzentration des Subst. ist 1Kor 13,1.2.3.4(3x).8.13(2x). Röm 1,7; 11,28; 12,19; 16.5.8.9.12. Der Satz, „das Deutsche kennt nur ein Wort für die unterschiedlichen Arten des Liebens“ (T. Söding, ThBLNT II, 1319) ist falsch: Je nach Kontext kann man die verschiedenen griech. Vokabeln mit Anhänglichkeit, Begierde, Freundschaft, Gefälligkeit, Gewogenheit, Herzenswärme, Herzlichkeit, Hingebung, Hingezogenheit, Huld, Innigkeit, Küssen, Lust, Sehnsucht, Verhältnis, Verlangen, Verliebtheit, Wertschätzung, Zärtlichkeit, Zuneigung, Zuwendung u.a. übersetzen. E. Stauffer, ThWNT I, 37.52. Im NT: Lk 11,43: Liebe der Pharisäer für Ehrenplätze, die Parallele Mt 23,6 verwendet φιλε' ω; Joh 3,19: die Welt liebt die Finsternis; 2Tim 4,10: die Liebe des Demas für diese Welt; 1Joh 2,15: die Liebe für die Welt, die die Liebe zum Vater ausschließt.

522 Römerbrief ———————————————————————————————————— α� γα' πη / α� γαπα' ω die sexuelle Liebe beschreiben (Hld 8,6), Zuneigung von Freunden (1Sam 1,26; 18,1), Wertschätzung des Nachbarn (Lev 19,18), Amnons Lust für seine Halbschwester Tamar (2Sam 13,1.4.15), die Anziehungskraft ausländischer Frauen auf Salomo (1Kön 11,2); die Liebe der Bösen für Ungerechtigkeit und das Böse (Ps 11[10],5; 52[51],5-6; 109[108],17), die Liebe für den Tod der Menschen, die die göttliche Weisheit hassen (Spr 8,36), die Gier nach Geld und Reichtum (Koh 5,10[9]), die Begierde nach Dirnenlohn (Hos 9,1), die Begierde, andere zu unterdrücken (Hos 12,7), die Gier nach Bestechungsgeldern (Jes 1,23), die Liebe, von Gott abzutriften (Jer 14,10) – und dann auch die Liebe Gottes für sein Volk Israel (Hos 11,1-4; 11,8-9; Jes 43,4; Jer 31,3) und Israels Liebe zu Jahwe (Deut 6,5), die sich im Halten seiner Gebote äußert (Ex 20,6; Deut 10,12-13). Die Tatsache, dass im vorchristlichen Griechisch φιλε' ω / φιλι' α das gewöhnliche Wort für „Liebe“ ist, das allmählich von der Vokabel α� γαπα' ω / α� γαπη' verdrängt wurde, hat wohl damit zu tun, dass φιλε' ω in sexuellen Kontexten die Bedeutung „illegitimer Sexualverkehr“ hatte.86 Im Koine-Griechischen werden φιλε' ω und α� γαπα' ω oft als Synonyme verwendet. Nicht nur α� γαπα' ω, sondern auch φιλε' ω wird für die Liebe Gottes verwendet – Joh 5,20 (Gottes Liebe für den Sohn); 11,3.36 (Jesu Liebe für Lazarus); 16,27 (Liebe des Vaters für die Jünger als Reaktion auf die Liebe der Jünger für Jesus). Es gibt keinen Grund für die Annahme, dass die Übersetzer der LXX oder die Autoren des NT aus theologischen Gründen α� γαπα' ω / α� γαπη' bevorzugten.87 Es ist nicht erwiesen, dass das Wort α� γα' πη von den Übersetzern der LXX bewusst als fast ausschließliche Übersetzung von ‫ אהב‬gewählt wurde, weil es das blasseste griechische Verb für den Bedeutungsbereich „lieben“ gewesen sei. Es ist deshalb methodisch problematisch, die Bedeutung von α� γα' πη semantisch allein von der LXX her zu beschreiben, mit der Annahme, dort sei es in die literarische Sprache eingeführt worden.88 Die Häufigkeit der α� γαπ-Wortgruppe in der LXX (338 Belege) kann auf eine einzige Ursache zurückgeführt werden: α� γαπα' ω / α� γα' πη waren zur Zeit der Entstehung der LXX die üblichen griech. Vokabeln für „Liebe“ und wurden deshalb fast überall, wo die hebr. Vorlage ‫ אהב‬schrieb, mit diesen Vokabeln übersetzt.89 Der Grund, weshalb α� γαπα' ω bzw. α� γα' πη theologische Inhalte transportieren konnte, ist in der Tatsache zu sehen, dass es sich um ein in der Umgangssprache lebendiges Wort handelte, das vom jeweiligen Kontext her die gewünschte Bedeutungsnuance erhalten konnte. Die Verwendung von α� γαπα' ω in P.Oxy. XLVI 3313,19-20 (2. Jh. n.Chr.) zeigt, dass α� γα' πη im Griechischen der neutestamentlichen Zeit keine Sonderbedeutung hat, sondern eines von mehreren Wörtern für „Liebe“ ist. In einem Privatbrief bedauern die Absender Apollonios ———————————————————

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Shipp, Vocabulary, 126-127. Zu α� γα' πη in der profanen Gräzität s. Ceresa-Gastaldo, ΑΓΑΠΗ, 287-299. Vgl. Silva, NIDNTTE I, 107.112-113. Horsley, NewDocs III, 15; vgl. Joly, Vocabulaire; Arzt-Grabner, Philemon, 156-158 im Blick auf das Adj. α� γαπητο' ς und φι' λτατος. Die ältesten sicheren Belege für das Subst. α� γα' πη in dokumentarischen Papyri stammen aus dem 3. und 4. Jahrhundert, vgl. P.Palau Rib. 37,11-13; P.Giss.Univ. III 25,12-15. Das Verb α� γαπα' ω ist in den Papyri seit dem 1. / 2. Jh. n.Chr. erwähnt und bedeutet „wertschätzen“ (P.Oxy. L 3555; XLVI 3313; P.Mert. I 22,11-12; P.Iand. II 15); vgl. F. Winter, in Arzt-Grabner, 1. Korinther, 127-128. Vgl. Wischmeyer, Weg, 24-26, deren Definition sich an J. Bergman u.a., Art. ‫אהב‬, ThWAT I, 109-110, anlehnt und Liebe definiert als „das leidenschaftliche Verlangen, dem Menschen, dem man sich aus Zuneigung verbunden fühlt, nicht allein innerlich, sondern auch äußerlich nahe, fest in allen Lebensbeziehungen mit ihm verbunden zu sein“; genauso problematisch ist die Auskunft, α� γα' πη sei „aufgrund der jüdischhellenistischen Literatur“ im NT „von vornherein ein theologischer Begriff“. Siehe auch Oda Wischmeyer, Vorkommen, 212-238. Swinn, ΑΓΑΠΑΝ, 49-81; Lexikoneintrag ebd. 77-81; ebd. für die folgende Bemerkung.

Der Frieden mit Gott und die Hoffnung der gerechtfertigten Sünder 5,1-11 523 ———————————————————————————————————— und Sarapis, dass sie nicht zur Hochzeit des Sohnes (oder Stiefsohnes) der Adressatin Dionysia kommen können; sie schicken jedoch eine stattliche Anzahl von Blumen, weil sie das Brautpaar wie ihre eigenen Kinder schätzen „und mehr als die unseren ehren und lieben wir sie“ (και` πλε' ον τω ñ ν η� μω ñ ν τιμω ñ μεν και` α� γαπω ñ μεν αυ� τα' ).90 Was mit „Liebe“ konkret gemeint ist, muss sich im jeweiligen Kontext zeigen. Die Grundbedeutung „wertschätzen“ mag theologisch wenig anspruchsvoll klingen, hat aber den Vorteil, dass sie in sämtlichen Belegstellen Sinn ergibt, und ist, wenn von Gottes Liebe für die Menschen die Rede ist, angesichts der conditio humana in der Tat tiefgründig.

Die Liebe Gottes in V. 5 ist Gottes Zuwendung zum Sünder im Sühnetod Jesu (V. 8-9). Die Macht der Liebe Gottes ist die Gnade, zu der die Jesusbekenner Zugang bekommen haben (V. 2) und die ihnen die gewisse Hoffnung auf die Teilhabe an die Herrlichkeit Gottes gewährt. Sünder, die dem Zorn Gottes hilflos ausgesetzt waren, weil sie sich weigerten, Gott die Ehre zu geben, sind jetzt, da sie sich zum Glauben an den gekreuzigten und auferstandenen Messias Jesus bekehrt haben, von Gott Geliebte, die, wie Paulus in 8,14-17.29 ausführen wird, als seine Kinder adoptiert wurden. Das Passiv des Verbs ausgegossen (ε� κκε' χυται) verweist auf Gott, der sich dem Sünder rückhaltlos zu dessen Gunsten zugewandt hat. Die Formulierung im Perfekt markiert den gegenwärtigen Zustand, der durch ein vorausgegangenes Geschehen erreicht wurde (resultatives Perfekt), hier den Sühnetod Jesu am Kreuz, durch den Gott zugunsten der Sünder gehandelt hat (V. 6.8). Der Tod Jesu ist das Ereignis, in dem Gott seine Liebe zu Sündern erwiesen hat. Gottes Liebe ist nicht eine allgemeine Haltung, schon gar nicht ein Gefühl, sondern seine Gewährung von Heil durch den konkreten, historischen Sühnetod Jesu Christi am 14. Nisan im Jahr 30. Statt „ausgegossen“ kann man auch mit „ausgeschüttet“ übersetzen. In der LXX wird das Verb ε� κχε' ω [ekcheō]91 oft für ein Ergehen verwendet, das Gott über die Menschen bringt: Gott gießt seinen Zorn über Menschen aus, d.h., er richtet sie (LXX Ps 68[69],25; 78[79],6; Jes 42,25; Jer 7,20; 10,25; Klgl 2,4; Hes 9,8; 14,19; 21,36; 30,15; Hos 5,10; Zef 3,8). Sodann ist im AT und der jüdischen Tradition davon die Rede, dass Gott seinen Geist (LXX Jes 44,3; Joel 3,1.2; Sach 12,10; vgl. äthHen 62,2; 91,1; 4Q504 Frag. 1-2 V,15), seinen Segen (Mal 3,10), seine Erkenntnis (TestLev 18,5) und seine Weisheit (äthHen 4,91) ausgießt. Im Neuen Testament wird ε� κχε' ω für das Ausgießen von Wein (Mt 9,17 / Lk 5,37), vom Blut der Gerechten bzw. der Propheten (Mt 23,35; Lk 11,50; Offb 16,6), vom Ausschütten von Geld (Joh 2,15), vom Herausquellen von Eingeweiden (Apg 1,18), von der Hingabe an eine Sache (Jud 11), von der Ausgießung des Zornes Gottes (Offb 16,1.2.3.4.8.10.12.17) verwen———————————————————

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Vgl. F. Winter, in Arzt-Grabner, 1. Korinther, 128, der hinzufügt, dass es nicht zulässig ist, die Verwendung der Vokabel α� γαπα' ω „als Kriterium für die Klassifizierung eines Textes als christlichen anzusehen“. Bauer / Aland s.v. ε� κχε' ω; LSJ s.v. I; J. Behm, Art. ε� κχε' ω κτλ., ThWNT II, 465-466; F. G. Untergaßmair, EWNT I, 1032-1034.

524 Römerbrief ———————————————————————————————————— det. Im Zusammenhang des Hinweises auf das Blut Jesu Christi, durch das Gott uns Sünder gerechtfertigt hat (Röm 5,9), sind die Worte Jesu beim letzten Mahl mit seinen Jüngern kurz vor seinem Tod wichtig: „Dann nahm er den Kelch, sprach das Dankgebet und reichte ihn den Jüngern mit den Worten: Trinkt alle daraus; das ist mein Blut, das Blut des Bundes, das für viele vergossen (ε� κχυννο' μενον) wird zur Vergebung der Sünden“ (Mt 26,28; vgl. Mk 14,24 / Lk 22,20). In Apg 2,17-18 (Zitat Joel 2,28-29).33; 10,45 wird ε� κχε' ω von der „Ausgießung“ des Heiligen Geistes am Pfingstfest verwendet. Bei Paulus kommt das Verb nur in Röm 3,15 (Vergießen von Blut; Zitat Jes 59,7-8); 5,5 und Tit 3,6 (Gott hat den Heiligen Geist „in reichem Maß über uns ausgegossen durch Jesus Christus, unseren Retter“).

Das Verb betont in V. 5 die umfassende Vollständigkeit des Geschenks der göttlichen Liebe, die der Sünder in seiner Hinwendung zu Jesus erfahren hat und die sein Leben bestimmt. Das Letztere geht auch aus der „Ortsangabe“ in unsere Herzen (ε� ν ταιñς καρδι'αις η� μω ñ ν) hervor: Gottes Liebe erfasst das Zentrum des inneren, geistigen Wesens des Menschen, den Mittelpunkt und die Quelle seines Denkens, Wollens und Fühlens (s. zu 1,21). Im Raum der Gnade Gottes, in dem die Jesusbekenner leben, ist die Finsternis des menschlichen Herzens (1,21), d.h., die frühere Orientierungslosigkeit und Lebensunfähigkeit aufgehoben. Die Liebe, die Gott dem glaubenden Sünder erweist, hat damit Konsequenzen für das Leben der Glaubenden, was sich auch darin zeigt, dass α� γα' πη das Leitwort von 12,9–13,14 ist. Die Liebe ist, genauso wie der Glaube (V. 1) und die Hoffnung (V. 2.4-5), eine zentrale Wirklichkeit, die alle Jesusbekenner kennzeichnet (zur Trias Glaube, Hoffnung und Liebe s. 1Kor 13,13; 1Thess 1,3; 5,8; Kol 1,4-5; vgl. Hebr 10,2224; 1Petr 1,21-22). Die Angabe durch den Heiligen Geist (δια` πνευ' ματος α� γι'ου) ist modal zu verstehen: Gott gewährte dem Sünder seine Liebe, indem er ihm den Heiligen Geist schenkte (zum Heiligen Geist s. zu 1,4).92 In 15,30 spricht Paulus von der „Liebe des Geistes“; nach Gal 5,22 gehört die Liebe zur Frucht des Geistes (vgl. Phil 2,1; Kol 1,8; 2Tim 1,7). Der Geist ist heilig, weil er der Geist der heiligen Gottes ist (πνευ' μα θεουñ ).93 Die Erläuterung der uns gegeben worden ist (τουñ δοθε' ντος η� μιñν) beschreibt die Erfahrung, die Jesusbekenner gemacht haben: Sie haben den Heiligen Geist erhalten, als sie zum Glauben an Jesus Christus kamen. Die erfahrene und erfahrbare Gegenwart ———————————————————

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Wilckens I 293: „Der Inhalt der Gabe des Geistes ist die Liebe Gottes“; vgl. Wolter I 327: Der Geist ist nicht lediglich das Mittel, das Gott benutzt hat, um seine Liebe in die Herzen der Christen zu befördern, sondern: „Mit dem heiligen Geist ist die Liebe Gottes in die Herzen der Glaubenden gegeben“; vgl. Wolter, Rechtfertigung, 161-166. Michel 181 interpretiert instrumental. Röm 8,9.14; 15,19; 1Kor 2,11.13.14; 6,11; 7,40; 12,3; 2Kor 3,3; Phil 3,3. Vgl. Ps 51,13; Jes 63,10-11. Der Geist Gottes ist zugleich der Geist Jesu Christi (πνευ' μα Χριστουñ ): Röm 8,9; Phil 1,19.

Der Frieden mit Gott und die Hoffnung der gerechtfertigten Sünder 5,1-11 525 ————————————————————————————————————

des Heiligen Geistes im Herzen und das heißt im Leben des Gläubigen, die sich in verschiedenen „Gaben des Geistes“ (χαρι'σματα; 1Kor 12,4) manifestiert, markiert die Gegenwart der verheißenen neuen Welt Gottes (Jes 32,15; 34,16; 44,3; Hes 11,19; 36,26-27; 37,4-14; Joel 2,28-32; vgl. Jer 31,31-34). Der von Gott gegebene Geist94 ist das „Angeld“ (8,23) bzw. das „Unterpfand“ (2Kor 1,22) aus der Vollendung, in der sie die Herrlichkeit Gottes teilhaben werden (5,2). Da alle Jesusbekenner zum Glauben an Jesus Christus gekommen sind, haben auch alle den Heiligen Geist erhalten (8,15.23).95 Indem Gott den Glaubenden seinen Heiligen Geist schenkt, erhalten diese Anteil an seiner Heiligkeit: Sie können deshalb als „Heilige“ (α« γιοι) angeredet werden (1,7). Das bedeutet: Die Gegenwart des Geistes Gottes im Herzen der Glaubenden garantiert nicht nur die Gewissheit ihrer Hoffnung, sondern sie verändert auch ihr Leben.96 Gottes heiliger Geist, der das Denken, Wollen und Handeln der Jesusbekenner bestimmt, ist der Repräsentant der Liebe Gottes, die die Menschen verändert.97 Wer Gottes Geist erhalten hat und von Gott geliebt wird, ist ein anderer Mensch. 6 Paulus erläutert in V. 6-8 seine Auslegung der Gnade als Liebe Gottes im Rahmen seiner Begründung der Erfüllungswissheit der Hoffnung auf die Teilhabe an der Herrlichkeit Gottes. Gott erwies seine Liebe im Tod Jesu: der Messias ist … gestorben (Χριστο` ς … α� πε' θανεν). Explizit vom Sterben Jesu spricht Paulus hier zum ersten Mal im Röm (s. dann 5,8.15; 6,10; 8,34; 14,9.15; vgl. 6,8). Paulus bezieht sich auf das Ereignis des Sterbens Jesu, dessen Umstände ausführlich in allen vier Evangelien geschildert wird (Mt 25–27; Mk 14–15; Lk 22–23; Joh 18–19). Der Augenblick des Todes Jesu am Kreuz wird mit verschiedenen griech. Vokabeln beschrieben: Mt 27,50: α� φηñ κεν το` πνευñ μα („er gab seinen Geist auf“); Mk 15,36 / Lk 23,46: ε� ξε' πνευσεν („er hauchte den Geist aus“); Joh 19,30: παρε' δωκεν το` πνευñ μα („er gab seinen Geist auf“). Das Verb α� ποθνη, σκω ñ wird in den Evangelien vom Tod Jesu verwendet, jedoch selten (Mk 15,44; Joh 12,33; 18,14.32; 19,7). Χριστο' ς verweist auf Jesus als Messias (s. zu 1,1). Paulus kommt es ———————————————————

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Das Passiv des Partizips (δοθε' ντος) ist als pass. divinum zu interpretieren. Eine Anspielung auf die Taufe (Zeller 110; Wilckens I 293) liegt nicht vor; vgl. Dunn I 254, der diese Interpretation auf eine kirchliche Tradition zurückführt, in der nicht davon ausgegangen wird, dass die (als Säuglinge) Getauften eine Erfahrung gemacht haben, an die sie sich erinnern und auf die man sich berufen kann (vgl. 1Kor 12,13; 2Kor 1,22; Gal 3,2-5); richtig auch Schreiner 257; Wolter I 326. Vgl. 1Kor 2,12; 2Kor 1,22; 5,5; 11,4; Gal 3,2.5.14; 1Thess 4,8. Vgl. 1Sam 10,6: „Dann wird der Geist des Herrn über dich kommen und du wirst wie sie in Verzückung geraten und in einen anderen Menschen verwandelt werden (στραφη' ση, ει� ς α» νδρα α» λλον)“ (Samuel zu Saul vor seiner Salbung zum König). Die Formulierung stammt von Wolter I 327.

526 Römerbrief ————————————————————————————————————

im Zusammenhang seiner Argumentation auf den Zeitpunkt des Todes Jesu an: Er ist schon damals, als wir noch schwach waren, für Gottlose gestorben. Die Syntax des Satzes ist nicht ganz klar. Das erste ε» τι ([eti]; „noch“) ist entweder pleonastisch, oder es markiert eine Steigerung („schon damals“); die Präpositionalwendung κατα` καιρο' ν kann mit α� πε' θανεν („Christus ist … zur rechten Zeit / damals für uns gestorben“) oder mit ο» ντων η� μω ñ ν α� σθενω ñ ν („damals, als wir noch schwach waren“) verbunden werden.98 Im Blick auf den Bezug von κατα` καιρο' ν ist die zweite Möglichkeit vorzuziehen: Paulus will wohl verstärkend betonen, dass Jesus damals zu einem Zeitpunkt gestorben ist, als die Menschen dies nicht verdient haben.99 Die mit absolutem Genitiv formulierte Wendung (ο» ντων η� μω ñν α� σθενω ñ ν ε» τι κατα` καιρο' ν) betont:100 Zum Zeitpunkt des Todes Jesu waren wir, die Sünder, „schwach“. Die Adjektive „schwach“ (α� σθενη' ς) und „gottlos“ (α� σεβη' ς) sind zwar nicht identisch, aber doch miteinander verbunden: Die „Schwachheit“ der Sünder ist die in 1,18-32 beschriebene Ohnmacht ihrer Gottlosigkeit, in der sie die Wahrheit Gottes leugneten und sich weigerten, Gott die Ehre zu geben, mit der Konsequenz existentieller und ethischer Orientierungslosigkeit, die die Schwäche des menschlichen Lebens ausmacht.101 Weil für Jesusbekenner diese Zeit in der Vergangenheit liegt, formuliert Paulus mit „schon damals“ und „noch“. Für Jesusbekenner teilt sich die Zeit in ein „Einst“ und ein „Jetzt“. Mit υ� πε' ρ [hyper] ist das Sterben Jesu, von dem betont am Ende des Satzes die Rede ist,102 als stellvertretendes Sterben charakterisiert. Jesus ist „für uns“ (υ� πε' ρ η� μω ñ ν; 8,32; 103 2Kor 5,21; Gal 3,13; 1Thess 1,10) gestorben, obwohl wir als Schwache und Gottlose den Tod verdient haben; er ist „für unsere Sünden“ (υ� πε` ρ τω ñν ———————————————————

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NSS II 16; vgl. Zahn 249-251; Wilckens I 295; Lohse 169. Käsemann 128: Die Doppelung von ε» τι entspricht der Aufnahme von α� σθενη' ς durch α� σεβη' ς; es ist allerdings nicht einsichtig, weshalb α� σεβη' ς das vorhergehende α� σθενη' ς korrigieren soll. Zum folgenden Argument Wolter I 328. Zu κατα` καιρο' ν mit der Bedeutung „damals“ s. Bauer / Aland, s.v. καιρο' ς 1; BDAG s.v. 1b, mit Hinweis auf Röm 5,6. Michel 181 zieht κατα` καιρο' ν zu α� πε' θανεν und interpretiert im Sinn von „zur rechten Zeit“ (mit Verweis auf Gal 4,4 und G. Delling, ThWNT III, 462). Vgl. die Paraphrase von Wilckens I 295: „Christus nämlich, noch als wir schwach waren, ist – noch zu der Zeit (nämlich: als wir schwach waren) – für (uns) Gottlose gestorben.“ Vgl. Wilckens I 295. Zahn 251 und Wolter I 329 interpretieren im Kontext von V. 5 als Existenz ohne den Heiligen Geist, mit Verweis auf Ri 6,34; Mich 3,8 LXX, Lk 1,35; Apg 1,8; Röm 15,19 wo der Heilige Geist mit Kraft verbunden ist. Das Adj. α� σθενη' ς kommt nur hier im Röm vor; sonst 1Kor 1,25.27; 4,10; 8,7.9.10; 9,22(3x); 11,30; 12,22; 2Kor 10,10; Gal 4,9; 1Thess 5,14. Seitz, Korrigiert, 287: Paulus macht die Bedeutung des stellvertretenden Sterbens Jesu für die Sünder stilistisch dadurch sichtbar, dass er in V. 6.7.8 α� πε' θανεν, α� ποθανειñται, α� ποθανειñν und α� πε' θανεν jeweils ans Ende des Satzes stellt. Vgl. Röm 14,15; 1Kor 8,11; Eph 5,2; Tit 2,14; sowie 1Joh 3,16.

Der Frieden mit Gott und die Hoffnung der gerechtfertigten Sünder 5,1-11 527 ————————————————————————————————————

α� μαρτιω ñ ν η� μω ñ ν; 1Kor 15,3; Gal 1,4)104 gestorben, sodass die Strafe des Zornes Gottes im Endgericht uns nicht trifft, weil Jesus sie auf sich genommen hat. Die Vergebung der Sünden und die Rettung von dem Zorn Gottes durch den Sühnetod Jesu am Kreuz geschah und geschieht sola gratia, allein aufgrund der Gnade Gottes. Die schroffe Aussage, dass der Messias Jesus „für Gottlose“ gestorben ist, unterstreicht die Unbegreiflichkeit des stellvertretenden Sühnetodes Jesu und die Unerforschlichkeit der Liebe Gottes. 7 Paulus erläutert mit einem Hinweis auf die allgemeine Erfahrung, wie außergewöhnlich Jesu Tod „für Gottlose“ (V. 6) ist: Für einen Gerechten wird nämlich kaum jemand sterben; vielleicht bringt jemand den Mut auf, für das Gute zu sterben. Die Logik berührt sich mit der von Spr 11,31 LXX („Wenn der Gerechte nur mit Mühe gerettet wird, wo wird der Gottlose und Sünder erscheinen?“):105 Wenn kaum jemand bereit ist, für einen Gerechten zu sterben, dann wird sicher niemand für einen Gottlosen sterben wollen. In der zeitgenössischen Freundschaftsethik wurde darüber nachgedacht, dass man für einen Freund, für seine Familie, für seine Stadt oder für sein Volk bereitwillig stirbt.106 Sterben für das Vaterland: Euripides, Hec. 310; Plutarch, Mor. 225a; Sterben für den Ehepartner: Euripides, Suppl. 849-851; Dio Cassius 17; Sterben für die eigenen Kinder: Euripides, Herc. 577-578; Philostratos, Vit.Ap. 5,26; Sterben eines treuen Sklaven für seinen Herrn: Euripides, Iph.Aul. 312; Sterben für die Stadt: Aelius Aristides, Or. 1,87; Josephus, Ant. 10,230. Manche Ausleger vergleichen Röm 5,7 mit Dio Chrystostomus, Or. 32,50: „Für Gerechtigkeit (υ� πε' ρ … δικαιοσυ' νης) und Tugend, für ererbte Rechte und Gesetze und, wenn es sein muss (ει� δε' οι), auch für einen vortrefflichen König zu leiden und zu sterben (α� ποθνηñ, σκειν), das beweist die gute (α� γαθηñ ς) Seele, die nicht am Leben hängt. Sich aber um einer Saitenspielerin willen aufzuhängen, das macht nur der gemeine Auswurf, der nicht zu leben verdient. Welche Schande!“ (NW II/1, 118; Übers. W. Elliger, modifiziert). Im Blick auf V. 7b ist umstritten, was mit τουñ α� γαθουñ [tou agathou] gemeint ist.107 Folgende Vorschläge sind zu erörtern: 1. Die Vokabeln δι' καιος und α� γαθο' ς sind synonym, Paulus formuliert in V. 7 eine Aussage, die aus rhetorischen Gründen verdoppelt wird.108 Diese Interpretation ist meistens mit dem Gedanken verbunden, dass Paulus in V. 7b die Aussage in V. 7a korrigiert.109 Die Fortführung von μο' λις durch τα' χα und von α� ποθανειñται durch τολμαñ, α� ποθανειñν sowie das artikellose δι' καιος und der Artikel bei α� γαθο' ς sprechen eher für eine ———————————————————

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Vgl. Röm 4,25; 8,3; sowie 1Petr 3,18; 1Joh 2,2; 4,10. Sprachliche Übereinstimmungen zwischen Spr 11,31 LXX und Röm 5,6b-7: V.6a/7a ε» τι κατα` καιρο` ν υ� πε` ρ α� σεβω ñ ν α� πε' θανεν. μο' λις γα` ρ υ� πε` ρ δικαι' ου τις α� ποθανειñται. Spr 11,31 LXX: ει� ο� με` ν δι' καιος μο' λις σω', ζεται, ο� α� σεβη` ς και` α� μαρτωλο` ς πουñ φανειñται. Ausführlich Eschner, Gestorben II, 9-342, mit einer ausführlichen Behandlung der Tragödien des Euripides (ebd. 11-81) und der griech. Literatur der hellenistischen und römischen Zeit (ebd. 163-317). Vgl. Clarke, Good, 128-133; Wolter I 330-331; die folgende Darstellung folgt Wolter. Schlier 153; Lohse 170; Seitz, Korrigiert, 279-281. Vgl. Kuss I 209; Wilckens I 296; Jewett 360; Lohse 170.

528 Römerbrief ———————————————————————————————————— Zuspitzung als für eine rhetorische Verdoppelung. 2. Paulus setzt voraus, dass „der Gute“ besser oder wertvoller ist als „ein Gerechter“.110 Die zeitgenössische Literatur unterscheidet δι' καιος und α� γαθο' ς nicht auf eine Weise, die einen Fortschritt der Argumentation innerhalb von V. 7 erklären könnte.111 3. Das Wort α� γαθο' ς (mit Artikel) verweist auf den Patron oder Wohltäter als ο� α� γαθο' ς, dem z.B. ein Freigelassener stärker verpflichtet ist als einem unbestimmten Gerechten.112 Diese Interpretation ist attraktiv, weil Patrone und ihre Wohltätigkeit in der römischen Gesellschaft eine wichtige Rolle spielten. Andererseits ist α� γαθο' ς trotz des Artikels zu unspezifisch, als dass man davon ausgehen kann, dass die Leser an einen Patron denken mussten.113 4. Die Formulierung verweist auf Gott als ο� α� γαθο' ς.114 Dieses Verständnis ist traditionsgeschichtlich gut belegt115 und ergibt für V. 7 einen theologisch begründeten Sinn. Weil α� γαθο' ς eine häufige Vokabel ist und ο� α� γαθο' ς kein Epitheton Jahwes ist, kann man nicht davon ausgehen, dass die Leser automatisch an Gott gedacht hätten. 5. Der Ausdruck ο� α� γαθο' ς ist nicht maskulinisch, sondern als Neutrum zu verstehen: Paulus spricht vom Sterben „für das Gute“ (το` α� γαθο' ν).116 Weil Paulus nirgends das maskuline Adj. α� γαθο' ς substantiviert, dies aber mehrfach für das neutrische α� γαθο' ν tut,117 ist diese Interpretation am wahrscheinlichsten.

In V. 7b spitzt Paulus die Aussage von V. 7a zu: Die Außergewöhnlichkeit des Todes Jesu für Gottlose kann man nicht nur daran erkennen, dass nur selten ein Mensch für einen Gerechten stirbt, sondern auch daran, dass vielleicht (τα' χα) jemand den Mut aufbringt (τολμαñ), , 118 für das Gute zu sterben – Werte wie das Vaterland, die Freiheit, oder das Gesetz.119 Wenn Menschen ———————————————————

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Dunn I 255: „the more positive the force of δι' καιος, the stronger Paul’s point: if one who is faithful to the law inspires such little readiness to die on his behalf, how much greater the love which dies for the mass of the ungodly“; vgl. Hultgren 210-211 Vgl. Lk 23,50: Joseph von Arimathäa war ein α� νη` ρ α� γαθο` ς και` δι' καιος; vgl. Wolter, Rechtfertigung, 175, mit Verweis auf Cicero, Fin. 2,71; Rep. 3,18; Leg. 1,41; Off. 2,12,42; 3,19,75 (iustis autem … hominibus, id est bonis viris). Cranfield I 264-265; Fitzmyer 399; Jewett 360; Clarke, Good, 137-140. Der Einwand gegen die Interpretation von Martin, Good, 56, dass auch „Gute“ schlecht sein können, ist nicht stichhaltig: Ein Freigelassener ist in jedem Fall seinem Patron zu Loyalität verpflichtet. Martin, Good, 55-70. Ps 135,3 LXX: „Lobe den Herrn, denn gut ist der Herr (α� γαθο` ς κυ' ριος)!“ (LXX.D); Mk 10,18: „Niemand ist gut außer Gott, dem Einen“ (ου� δει`ς α� γαθο` ς ει� μη` ειðς ο� θεο' ς); vgl. Philo, Decal. 176; Spec.Leg. 1,209; Mut. 7; Somn. 1,149. Vgl. Weiß 227; Wilckens I 296; Haacker 138; Jewett 360; Wolter I 331; Wolter, Rechtfertigung, 174-175; Eschner, Gestorben I, 282. Röm 2,10; 7,13.18.19; 12,2.9.21; 13,3.4; 14,16; 15,2; 16,19; Gal 6,10; Eph 4,28; 1Thess 5,15; Phlm 6.14. Vgl. Bauer / Aland s.v. τολμα' ω 1: „wagen, das Wagnis unternehmen“; BDAG s.v., „to show boldness or resolution in the face of danger, opposition, or a problem“, a.α mit Verweis auf Röm 5,7: „dare, have the courage, be brave enough“. Vgl. G. Fitzer, ThWNT VIII, 182-187; M. Wolter, EWNT III, 873-875: In Röm 5,7b kommt das Verb „der Bedeutung von υ� πομε' νω nahe“ (875). Die Formulierung τολμα' ω α� ποθανειñν υ� πε' ρ ist seit Euripides belegt (Alc. 644-645; Iph. Aul. 1398) und beschreibt den Mut, für die Gesetze (Demosthenes, Or. 26,23) oder das Vaterland, Tempel, Gräber, den Staat (Aelius Aristides, Or. 46,19-21) zu sterben.

Der Frieden mit Gott und die Hoffnung der gerechtfertigten Sünder 5,1-11 529 ————————————————————————————————————

bereit sind, für andere Menschen zu sterben, dann gibt es immer einen einsehbaren Grund, weshalb sie zu solch außerordentlicher Hingabe bereit sind. Für den Tod Jesu gibt es aufseiten der Menschen, für die er gestorben ist, keinen Grund, der seinen Tod plausibel erklären könnte: Jesus ist für Gottlose gestorben. 8 Der Tod Jesu hat kein menschliches Äquivalent, kann mit keiner Situation verglichen werden, in der ein Mensch für einen anderen Menschen stirbt: Gott erweist aber seine Liebe zu uns darin, dass der Messias für uns gestorben ist, als wir noch Sünder waren. V. 8a ist parallel zu V. 5b: Der Tod des Messias Jesus ist ein Ereignis, durch Gottes Liebe ausgegossen ist in unsere Herzen (η� α� γα' πη τουñ θεουñ ε� κκε' χυται ε� ν ταιñς καρδι'αις η� μω ñ ν; V. 5b, mit einem Perfekt formuliert) – ein Ereignis, das eine bleibende, dauerhafte Tatsache ist: „Gott erweist seine Liebe zu uns“ (συνι'στησιν τη` ν ε� αυτουñ α� γα' πην ει� ς η� μαñ ς ο� θεο' ς, mit einem Präsens formuliert).120 Das Subjekt ο� θεο' ς steht betont am Schluss; das reflexive Personalpronomen ε� αυτουñ macht klar, dass es sich um die Liebe handelt, die Gott selbst erweist; ει� ς η� μαñ ς markiert entweder das Ziel der Handlung Gottes oder beschreibt die Liebe Gottes als „Liebe zu uns“.121 V. 8b nimmt V. 6 auf: Der Messias ist für uns gestorben (Χριστο` ς α� πε' θανεν), als wir schwach und gottlos waren (η� μω ñν α� σθενω ñ ν … υ� πε` ρ α� σεβω ñ ν; V. 6), d.h., als wir Sünder waren (α� μαρτωλω ñν ο» ντων η� μω ñ ν).122 Mit dem Wort „noch“ (ε» τι [eti]) hebt Paulus noch einmal hervor, wie erstaunlich das Handeln Gottes im Tod Jesu war. „Sünder“ (α� μαρτωλω ñ ν) entspricht „Gottlose“ (α� σεβω ñ ν). Die Bekenntnisaussage, dass der Messias Jesus „für unsere Sünden“ gestorben ist (1Kor 15,3), entspricht der Aussage, dass er „für uns gestorben ist, als wir noch Sünder waren“. Das Singuläre der Bedeutung des Todes Jesu erschließt sich dem Sünder, der an Jesus als Messias und Kyrios glaubt (V. 1.6.8), und das heißt – der an Gott als den glaubt, der Jesus als Kyrios von den Toten auferweckt hat (4,24), und der den Tod Jesu als Heilsgeschehen mit der Bedeutung von 3,24-25 akzeptiert. Sünder, die den Tod Jesu als von Gott initiiertes Ereignis verste———————————————————

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Vgl. Bauer / Aland, s.v. συνι' στημι I.1c „darstellen, erweisen“; BDAG s.v. A3 „to provide evidence of a personal characteristic or claim through action, demonstrate, show, bring out“; συνι' στησιν entspricht προ` ς τη` ν ε» νδειξιν in 3,25; dieselbe Bedeutung von συνι' στημι („das erkennbar Machen oder die Manifestation einer Eigenschaft durch eine Handlung“; Wolter I 332 Anm. 64) in 3,5; 2Kor 6,4; 7,11; Gal 2,18. Schlier 154 kommentiert das Präsens: Paulus will „offenbar das einmalige Geschehen des Sterbens Christi für uns als einen immer gegenwärtigen Erweis seiner allzeitigen Liebe zu uns darstellen“. Vgl. 2Kor 2,8; Kol 1,4; 1Thess 3,12: η� α� γα' πη ει� ς. Der Nebensatz mit ο« τι wird hier adverbial gebraucht (ο« τι = ε� ν του' τω, ο« τι); HvS §271c Anm. 21; BDR §394.4 Anm. 4.

530 Römerbrief ————————————————————————————————————

hen, in dem er die Strafe seines Zorns auf den Messias legt und ihre Sünden sühnt, begreifen den Tod Jesu als Manifestation der Liebe Gottes. 9 In V. 9.10 begründet Paulus die Gewissheit der Hoffnung auf die Teilhabe an der Herrlichkeit Gottes mit zwei parallelen Sätzen, die das Verhältnis der Rechtfertigung durch den Sühnetod Jesu zur künftigen Rettung genauer bestimmen. Die mit um wieviel gewisser (πολλω ñ, ουò ν μαñ λλον; „um wieviel mehr“) übersetzte Formulierung argumentiert vom vom Geringeren zum Größeren, vom minder Bedeutenden auf das Bedeutendere. Paulus verwendet dieses Argumentationsmuster auch in Röm 5,15.17; 11,15.24; 11,12.24; 2Kor 3,9.11; Phil 2,12; Phlm 16 anwendet. Vgl. Mt 7,11/Lk 11,13; Mt 6,30/Lk 12,28; Mt 10,25; Hebr 9,13-14; 12,9.25. Das Argument πολλω ñ, μαñ λλον wird im Kontext rabbinischer Exegese und Logik meistens als Schluss qal wa-h.omer (‫„ ;ַקל ָוח ֹוֶמר‬Leichtes und Schweres“) bezeichnet, die erste der sieben hermeneutischen Regeln Hillels (tSanh 7,11; Sifra F. 9-10; ARN A 37,18).123 Die Argumentationsfigur ist auch in der griechischen (το' πος α� πο` του ε� λα' ττονος) und römischen (a minori ad maius) Rhetorik belegt. Weil dieser Schluss auch umgekehrt werden kann, spricht H. Lausberg von der Argumentationsfigur des locus a comparatione, die Ungleichrangiges zueinander in Beziehung bringt (Cicero, Top. 4,23; Quintilian 5,10,87) und aus zwei Teilen besteht: argumentum a maiori ad minus (Argument vom Größeren zum Geringeren), argumentum a minore ad maius (Argument vom Geringeren zum Größeren).124 Weil es nicht möglich ist, eine eindeutige Abgrenzung zwischen maius und minus zu fixieren, ziehen manche Exegeten es vor, den übergeordneten Begriff argumentum a fortiori zu verwenden.125 M.-J. Lagrange spricht von „arguments de bon sens“, d.h. von einem „common-sense-Argument“:126 „Eine isolierte Verknüpfung mit dem rabbinischen Qal-Wachomer wäre viel zu eng.“

Der Partizipialsatz ist temporal zu verstehen: wir, die wir jetzt durch sein Blut gerechtfertigt sind. Die Wirklichkeit der Vergangenheit, in der die Jesusbekenner gottlose Sünder waren (V. 6.8), wurde infolge des Sühnetodes Jesu abgelöst von der Wirklichkeit der Gegenwart (νυñ ν),127 in der aus Glauben Gerechtfertigte (δικαιωθε' ντες) sind (5,1; vgl. 3,21-22). Die Aussage „der Messias ist für uns gestorben“ (Χριστο` ς υ� πε` ρ η� μω ñ ν α� πε' θανεν; V. 8b) wird durch die Wendung „durch sein Blut“ (ε� ν τω ñ, αι«ματι αυ� τουñ ) auf———————————————————

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Stemberger, Einleitung, 29; Instone-Brewer, Techniques, 17; vgl. Bacher, Terminologie II, 189-190; Bonsirven, Exégèse rabbinique, 83-88; David Daube, Rabbinic Methods, 251-252; Abraham/ Gabbay/ Schild, Analysis. Zu Paulus s. Maurer, Schluß; Müller, QalWachomer-Schluß. Lausberg, Handbuch, 218-219. Wolter I 335; Bonsirven, Exégèse rabbinique, 85; Siegert, Argumentation, 190-191; Mayordomo, Paulus, 237. Lagrange, Langue, 235, aufgenommen von Siegert, Argumentation, 190-191; Wolter I 335; dort das folgende Zitat. νυñ ν signalisiert für das Partizip Aorist δικαιωθε' ντες die Vorzeitigkeit der Rechtfertigung, die Gott durch den Sühnetod Jesu gewährt hat, wobei der Aor. die Abgeschlossenheit der Rechtfertigung zusammenfassend (komplexiv) konstatiert. Vgl. HvS §228.

Der Frieden mit Gott und die Hoffnung der gerechtfertigten Sünder 5,1-11 531 ————————————————————————————————————

genommen: Der Tod Jesu war eine die Sünde sühnender Tod (vgl. 3,25;1Kor 11,25). Die Rechtfertigung „aus Glauben“ (V. 1) ist die Rechtfertigung „durch sein Blut“, weil es der Glaube an den Messias Jesus ist, der den Tod Jesu als stellvertretenden Tod für Sünder versteht und dessen Sühnung der Sünden zur Wirklichkeit werden lässt. Die Aussage wir werden durch ihn gerettet werden vor seinem Zorn bewegt sich von der Vergangenheit des Todes Jesu und der Gegenwart der Rechtfertigung zur Zukunft des Endgerichts. Mit „Zorn“ (ο� ργη' [orgē]) ist der Zorn Gottes von 1,18 gemeint, der im Endgericht der Gottlosigkeit und Ungerechtigkeit von Heiden (1,19-32) und Juden (2,1–3,20) ein Ende macht. Der Artikel vor ο� ργη' hat den Sinn eines Possessivpronomens:128 Paulus spricht vom Zorn Gottes. Die Rettung vor dem Zorn Gottes schließt nicht aus, dass auch die Gerechtfertigten vor dem Richterstuhl des Messias Jesus zur Verantwortung gezogen werden (vgl. 2Kor 5,10). A. Schlatter betont: „Der Gedanke, der Zorn sei durch die Offenbarung der Gnade vergangen, hatte in Paulus keinen Platz. Was in Gott ist, vergeht nicht. Im Gegenteil, da die Ankunft des Christus bezeugt, daß die Herrschaft Gottes komme und seine Herrlichkeit offenbar werde, ist damit auch bezeugt, daß sein Zorn mit gottheitlicher Majestät in einer alle erfassenden Wirksamkeit sein reinigendes Werk vollbringen werde. Darum ist die Rettung das noch Gehoffte, was erst künftig empfangen werden kann. Aber die Verkündigung des Gerichts trägt in die Hoffnung derer, für die der Tod Jesu wirksam geworden ist, keine Angst hinein.“129 Mit „durch ihn“ (δι’ αυ� τουñ ) ist Jesus gemeint, die Formulierung entspricht „durch sein Blut“ (ε� ν τω ñ, αι«ματι αυ� τουñ ); das Passiv des Verbs (σωθησο' μεθα; s. 1,16 zu σωτηρι'α) verweist auf Gott als Urheber der zukünftigen Rettung, parallel zur Rechtfertigung (δικαιωθε' ντες; s. 1,17), die Folge des Sühnetodes Jesu ist. In 1Thess 1,10 spricht Paulus vom auferstandenen Jesus, „der uns errettet von dem kommenden Zorn“ (ρ� υο' μενον η� μαñ ς ε� κ τηñ ς ο� ργηñ ς τηñ ς ε� ρχομε' νης), in 1Thess 5,910 davon, dass Gott „uns nicht zum Zorn (ει� ς ο� ργη' ν) bestimmt“ hat, „sondern zum Erlangen des Heils (ει� ς περιποι'ησιν σωτηρι'ας) durch unseren Herrn Jesus Christus, der für uns gestorben ist“.130 Paulus begründet die ———————————————————

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Vgl. HvS §131a(c). Wolter I 333 erwägt die Möglichkeit, dass die Präposition α� πο' in der Wendung σωθησο' μεθα α� πο` τηñ ς ο� ργηñ ς einen „räumlichen Nebenton“ haben könnte und das „Wie“ der Rettung mit der in 1Thess 4,17 erwähnten Entrückung anspricht; andererseits bezeichnet σω', ζειν α� πο' τινος häufig die Bewahrung vor dem Unheil ohne räumliche Konnotation: Num 10,9; 2Chron 30,6; 2Esr 8,22; Ps 29,4 LXX; Jer 51,28; PsSal 13,2. Schlatter 182; vgl. Michel 183; auch Hofius, Erwägungen, 4, mit Kritik an Käsemann, Erwägungen, 49, der die Versöhnung als „Gabe des bis dahin zürnenden Gottes“ versteht. Vgl. Synofzik, Gerichts- und Vergeltungsaussagen, 98; Park, Stellvertretung, 361-364.

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Gewissheit der Hoffnung auf die Teilhabe an der Herrlichkeit Gottes mit der Rettung vor dem zukünftigen Gericht Gottes, die infolge des Sühnetodes Jesu Wirklichkeit ist. Die Logik des Satzes wird meistens als Schluss vom Geringeren zum Größeren interpretiert – Sünder sind das minus, die Gerechtfertigten das maius, was heißt: Weil glaubende Sünder die Rechtfertigung durch den Sühnetod Jesu bereits erfahren haben (was sehr schwierg ist), ist die zukünftige Rettung im Endgericht gewiss. Man kann aber auch die Rechtfertigung der Sünder als maius und die Rettung in Endgericht als minus verstehen – weil es unwahrscheinlicher ist, dass jemand für Sünder stirbt, als dass er Gerechtfertigte rettet, gilt: Gott, der sogar Sünder und Gottlose rechtfertigt, wird erst recht die Gerechtfertigten aus dem zukünftigen Gericht erretten.131 10 Paulus fasst V. 8b-9 zusammen und formuliert, das a fortiori Argument wiederholend, mit bekenntnishafter Prägnanz: Da wir mit Gott versöhnt wurden durch den Tod seines Sohnes, als wir Feinde waren, um wieviel gewisser werden wir als Versöhnte durch sein Leben gerettet werden. Die beiden Satzhälften bestehen aus je drei Wendungen, die sich einander entsprechen. Die parallelen Wendungen in V.8b-9 und V. 10 lassen sich wie folgt darstellen: V. 8b α� μαρτωλω Χριστο` ς υ� πε` ρ η� μω ñ ν ο» ντων ñ ν α� πε' θανεν V. 9a δικαιωθε' ντες νυñ ν ε� ν τω ñ, αι«ματι αυ� τουñ V. 9b σωθησο' μεθα … α� πο` τηñ ς ο� ργηñ ς δι’ αυ� τουñ V. 10a ε� χθροι` ο» ντες κατηλλα' γημεν τω δια` τουñ θανα' του τουñ υι�ουñ αυ� τουñ ñ, θεω ñ, V. 10b καταλλαγε' ντες σωθησο' μεθα ε� ν τηñ, ζωηñ, αυ� τουñ

Die im Griechischen am Anfang stehende, betonte Wendung als wir Feinde waren (ει� γα` ρ ε� χθροι` ο» ντες) steigert die vorausgehenden Beschreibungen für die Menschen, für die Gott Jesus in den Tod gegeben hat – Schwache (α� σθενειñς; V. 6a), Gottlose (α� σεβειñς; V. 6b), Sünder (α� μαρτωλοι'; V. 8b). Die „Feinde“ sind Feinde Gottes. Der Ausdruck verweist auf die Beschreibung der universalen Sünde aller Menschen in 1,18–3,20. Die Frage, ob „Feinde“ aktivisch oder passivisch zu verstehen sei,132 ist eine falsche Alternative: Als gottlose Sünder haben sich die jetzt Glaubenden feindlich gegenüber Gott verhalten, und sind von Gott deshalb als „Feinde“ angesehen worden, die sein Zorn trifft.133 ———————————————————

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Wolter I 335; Wolter, Rechtfertigung, 191-192.220; vgl. Park, Stellvertretung, 364. Aktiver Sinn: Zahn 258; Käsemann 130; Wilckens I 298 Anm. 986; Lohse 171; passiver Sinn: Lietzmann 60. F. Büchsel, ThWNT I, 257-258; Michel 183; Dunn I 258; Wolter I 336 Anm. 80.

Der Frieden mit Gott und die Hoffnung der gerechtfertigten Sünder 5,1-11 533 ————————————————————————————————————

Die Wendungen wir wurden mit Gott versöhnt (κατηλλα' γημεν τω ñ, θεω ñ, ; V. 10a), Versöhnte (καταλλαγε' ντες, V. 10b) und wir werden gerettet (σωθησο' μεθα; V. 10b) entsprechen der Wendung „wir werden gerettet vor seinem Zorn“ (V. 9b). Paulus beschreibt das Ergebnis134 des Heilshandelns Gottes135 in Jesus Christus, das er seit 3,21 erläutert. Die Passivformen sind passiva divina: Die Versöhnung mit Gott geht von Gott selbst aus, nicht vom Sünder, wie 2Kor 5,18-19 bestätigt: „Aber das alles von Gott, der uns mit sich selbst versöhnt hat durch Christus (τα` δε` πα' ντα ε� κ τουñ θεουñ τουñ καταλλα' ξαντος η� μαñ ς ε� αυτω ñ, δια` Χριστουñ ) … Denn Gott war in Christus und versöhnte die Welt mit sich selbst (θεο` ς ηò ν ε� ν Χριστω ñ, κο' σμον καταλλα' σσων ε� αυτω ñ, ) und rechnete ihnen ihre Sünden nicht zu.“ Die „Logik“ wird im Rückgriff auf 1,3-4 deutlich: Der gekreuzigte Messias Jesus ist der Sohn Gottes, der infolge seiner Auferstehung von den Toten Anteil an der Souveränität Gottes hat und in die Identität des einen wahren Gottes einbezogen ist (10,13; 1Kor 8,6-7; Phil 2,9). Gott selbst macht aus Feinden Versöhnte, ein radikaler Satz, der im zeitgenössischen Judentum nicht vorkommt: Dort ist es immer Gott, der sich versöhnen lässt oder der von Menschen versöhnt wird. Paulus verwendet καταλλα' σσω [katallasso] in 5,10(2x); 1Kor 7,11; 2Kor 5,18.19.20, das Substantiv καταλλαγη' [katallagē] in Röm 5,11; 11,15; 2Kor 5,18.19.136 Die beiden Vokabeln kommen sonst im NT nicht vor; διαλλα' σσω ist in Mt 5,24 belegt. In der paganen Literatur beschreiben διαλλα' σσω, καταλλα' σσω und καταλλαγη' die Aussöhnung zweier feindlich gegenüberstehender Parteien im politischen, gesellschaftlichen und familiären Bereich, die oft durch einen Vermittler herbeigeführt wird.137 In den Papyri wird καταλλα' σσω an Stellen, wo die Bedeutung „versöhnen“ vorliegt, fast durchweg mit Bezug auf die Versöhnung zwischen Mann und Frau verwendet:138 Versöhnung wird in erster Linie unter Menschen thematisiert, „die in einer ganz engen persönlichen, ja intimen Beziehung miteinander verbun———————————————————

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Der reale Bedingungssatz ει� γα` ρ … κατηλλα' γημεν τω ñ, („da wir mit Gott versöhnt ñ, θεω wurden“) formuliert einen als Wirklichkeit gegebenen Sachverhalt. So die meisten Übersetzungen. Anders Elb.Ü. und LÜ („wenn wir mit Gott versöhnt worden sind“). Die Passivformen κατηλλα' γημεν und σωθησο' μεθα sind in beiden Fällen pass. divinum. Vgl. F. Büchsel, Art. α� λλα' σσω κτλ., ThWNT I, 252-260; H. Merkel, Art. καταλλα' σσω κτλ., EWNT II, 644-650; C. Spicq, Art. καταλλαγη' κτλ., TLNT II, 262-266; Wolter, Rechtfertigung, 39-45; Breytenbach, Versöhnung, 45-83; Porter, Καταλλα' σσω; Vorholt, Versöhnung, 372-379. Vgl. Aristoteles, Oec. 1348b9; Plato, Phaed. 60c; Symp. 213d; Herodotus 5,29,95; 6,108; Aristophanes, Aves 1588; Dio Cassius, Fr. 72,1; Isokrates, Phil. 30; s. NW II/ 1, 450-455. Papathomas, Begriffe, 121-123; Porter, Καταλλαα' σσω, 65-74. Vgl. P.Oxy. I 104; XII 1477; P.Mur. II 115. Das Verb καταλλα' σσω bedeutet auch „tauschen“ (SB XIV 11666) und καταλλαγη' „Wechselgebühr“ (P.Hib. I 100; P.Cair.Zen. III 59320) und „sich erbarmen“ (P.Köln II 111). Aus diesen beiden Bedeutungen darf man jedoch nicht schließen, dass das Wort „auf den Markt“ gehört (Bader, Symbolik, 75).

534 Römerbrief ———————————————————————————————————— den sind“.139 Die Verwendung dieser Wortgruppe im Griechisch sprechenden Judentum entspricht generell der in der griech. Literatur belegten politischen und sozialen Bedeutung. In 1Sam 29,4 LXX beschreibt διαλλα' σσω die potentielle Aussöhnung Davids mit Saul; vgl. Ri 19,3 LXX; Sir 22,22; 27,21. Belege bei Philo und Josephus: Versöhnung von Mann und Frau (Philo, Spec.Leg. 3,31; Det. 149; Josephus, Ant. 5,137; 11,195; 15,211; Versöhnung durch einen Mittler: Philo, All. 3,134; Praem. 166; Josephus, Ant. 1,326; 7,192; 16,267.269270.335; Bell. 1,224.254.454-455.465.510.540. Als Gegenbegriff zum Zorn Gottes: 2Makk 5,20; 7,53; Philo, Praem. 166; Frag. 2,670; Josephus, Ant. 3,315; 6,143; 7,153.7.295; Bell. 5,415. Die Verwendung von καταλλα' σσω / καταλλαγη' mit Gott als Subjekt und Menschen (Sünder) als Objekt ist vor Paulus nicht belegt.140 Umstritten ist die traditionsgeschichtliche Herkunft der paulinischen Rede von der Versöhnung. 1. Manche Exegeten interpretieren Paulus auf griechisch-hellenistischem Hintergrund, jüngst vor allem C. Breytenbach, der ausschließlich von der hellenistischen Vorstellung des Friedensschlusses zwischen kriegerisch verfeindeten Parteien her deuten will.141 In älterer Literatur findet man hier manchmal den Hinweis auf hellenistisch-römische Traditionen, die einen irdischen Herrscher als Bringer des Weltfriedens und der Versöhnung der Welt feierten (Sib. 3,367ff.741ff.785ff; Horaz, Carmen saeculare; Plutarch, Alex.Fort. 1,6; Vergil, Ecl. 4,17),142 manchmal mit dem Hinweis auf die Liturgie der hellenistischen Gemeinde, die von der Beendigung der innerkosmischen Feindschaft durch Jesus Christus, den Kosmokrator, handelte.143 2. Andere leiten den paulinischen Versöhnungsbegriff aus atl. und jüdischen Vorstellungen ab: Die Sünde zieht den Zorn Gottes auf sich mit der Folge, dass Gott zum Feind des Menschen wird; Gott kann durch Sühneleistungen – Umkehr, Sündenbekenntnis, Gebet, Opfer, Fürsprache besonderer Gottesmänner – zur Versöhnung bewogen werden, sodass Gott seinen Zorn aufgibt und statt Freundschaft wieder Friede zwischen ihm und den Menschen herrscht.144 3. O. Hofius betont, dass die paulinische Vorstellung von der Versöhnung nicht von zeitgenössischen Vorstellungen abzuleiten ist: Sie ist eine eigenständige Konzeption auf der Grundlage des Gottesknechtslieds Jes 52,13–53,12, wo die Vokabel „Versöhnung“ zwar nicht vorkommt, wo aber mehrere Motive von 2Kor 5,18-21 belegt sind, wo Paulus zentral von der Versöhnung spricht: die Gleichzeitigkeit von partikularer und universaler Sicht; die Gleichzeitigkeit vom freiwilligen Tod des Gottesknechts und von seiner Dahingabe durch Gott; die Auslieferung dessen, der keine Übertretung beging, für unsere Sünden; das Motiv des rettenden Tausches; der stellvertretende Tod des Gottesknechts für die Sünder, der diesen Frieden bringt; der Gedanke einer weltweiten Verkündigung des Friedens.145 Versöhnung und kultische Sühne dürfen nicht gegeneinander ausgespielt werden. ———————————————————

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Arzt-Grabner, 2. Korinther, 338, der aus diesem Befund schließt, dass die Leser des Paulus „diesen intensiven Beziehungsaspekt von καταλλα' σσω herauslesen und auf das Verhältnis Gottes zu ihnen hin deuten konnten“. Mindestens für Röm 5,10 gilt das gerade nicht: Es sind Feinde, die Gott mit sich versöhnt. Demonstriert von Porter, Καταλλαα' σσω; vgl. Dunn, Theology of Paul, 228. Breytenbach, Versöhnung, 65.179-180; vgl. Vorholt, Versöhnung, 379; Constantineanu, Reconciliation, 39. Kritik: Stuhlmacher, Cilliers Breytenbachs Sicht; Stuhlmacher, Theologie I, 317-318. Hengel, Kreuzestod, 74-75; Hahn, Neuschöpfung, 316; Merkel, EWNT II, 646. Käsemann, Erwägungen, 47-59; kritisch Lohse 171. Wolter, Rechtfertigung, 35-104. Zur Kritik an Hengel, Hahn, Käsemann und Wolter sowie an Merkel und Breytenbach (Nachtrag) s. Hofius, Erwägungen, 10-11.14. Hofius, Erwägungen, 9-14; vgl. Stuhlmacher, Theologie I, 336-337. Kritisch Vorholt, Versöhnung, 366-368 im Anschluss an Breytenbach.

Der Frieden mit Gott und die Hoffnung der gerechtfertigten Sünder 5,1-11 535 ———————————————————————————————————— Die Annahme, dass die römischen Leser die politischen Konnotationen von καταλλα' σσω / καταλλαγη' gehört haben, ist plausibel, zumal Paulus in Röm 5,10 von den Menschen als Feinden Gottes redete. Dass καταλλα' σσω / καταλλαγη' und ι�λα' σκομαι, Versöhnung und Sühne, häufig in verschiedenen Vorstellungsbereichen – hier zwischenmenschliche Versöhnung, vor allem in der Diplomatie; dort sakrale Versöhnung im Kult – beheimatet sind, ist offensichtlich.146 So wenig man die beiden Wortgruppen identifizieren kann, so wenig bezeichnen Versöhnung und Sühne jedenfalls in manchen Texten Vorgänge, die überhaupt nichts miteinander zu tun haben.147 Die Verwendung von καταλλα' σσω / καταλλαγη' für die Versöhnung zwischen Gott und den Menschen bei jüdischen Autoren darf jedoch nicht ignoriert werden: Man beachte 2Makk 1,5; 5,20; 7,33; 8,29;148 Philo beschreibt Mose als Mittler (μεσι' της) und Versöhner (καταλλα' κτης) zwischen Gott und Israel: Vit.Mos. 2,166; Quaest.Ex. 2,49; Praem. 166.167; vgl. Josephus, Ant. 3,315: καταλλα' κτην αυ� τω ñ ν γενε' σθαι προ` ς το` ν θεο' ν. Ein wichtiger Unterschied zu griechischen (und jüdisch-hellenistischen) Vorstellungen ist die Betonung von Paulus, dass Gott selbst das Subjekt der Versöhnungstat ist: „Die καταλλαγη' ist nach Paulus weit mehr als nur ein Versöhnungsangebot Gottes, das erst mit seiner Annahme durch die Menschen rechtskräftig wirksam wird. Nach Röm 5,6-11 hat Gott die Versöhnung bereits zu einer Zeit heraufgeführt, als ihre Empfänger noch gottlose Sünder waren.“149 Die Rede von der Versöhnung ist für Paulus sicher mehr als Nebenthema; ob es der zentrale Oberbegriff der paulinischen Theologie ist,150 kann im Zusammenhang von 2Kor 5,18-19 erwogen werden, wo Paulus seine Missionsarbeit als „Dienst der Versöhnung“ (διακονι' α τηñ ς καταλλαγηñ ς) und seine Beschreibung des Evangeliums als „Wort von der Versöhnung“ (λο' γος τηñ ς καταλλαγηñ ς) bezeichnet.151

Mit καταλλαγη' beschreibt Paulus einerseits die geschichtliche Gottestat der Sendung Jesu, dessen stellvertretender Sühnetod am Kreuz den Sündern Gerechtigkeit erwirkt hat, andererseits das Resultat des Heilshandelns Gottes in Jesus Christus, das den mit Gott verfeindeten Sündern ein neues Gottesverhältnis schafft, indem Gott für die Glaubenden Frieden stiftet.152 Das Bild von der Versöhnung entspricht der Aussage vom Frieden mit Gott ———————————————————

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Die Forschung zusammenfassend Schnelle, Paulus, 513; vgl. Frey, Probleme, 14-21. Einen Zusammenhang sehen Marshall, Reconciliation, 117-132; Wolter, Rechtfertigung, 35-44; Hofius, Erwägungen, 1-14; Stuhlmacher, Sühne, 295-300. Vgl. Bader, Symbolik, 75-76, der die Gefahr einer bloßen Diastase der beiden Wortgruppen genauso vermeiden will wie ihre wesenhafte Identifizierung. Marshall, Reconciliation, 258-274 leitet die Verwendung der Kategorie „Versöhnung“ bei Paulus von der jüdischen Märtyrertradition her; Dunn I 259 als Möglichkeit. Stuhlmacher, Theologie I, 318. Vgl. Porter, Καταλλα' σσω. Martin, Reconciliation, 1-9 und passim; vgl. Porter, Content, 147-148. Gegen Käsemann, Erwägungen, 48-49. Vgl. Stuhlmacher, Theologie I, 319: „Der Apostel faßt Sühne und Rechtfertigung unter dem Vorzeichen der Versöhnung zusammen und prägt damit einen theologischen Begriff von hoher biblisch-theologischer Integrationskraft.“ Eberhart, Kultmetaphorik, 202-203: Der Sühnebegriff ist Zentrum paulinischer Theologie, wenn er „als weiter gefasste soteriologische Interpretationskategorie gebraucht“ und nicht auf konkrete Lexeme wie ι� λα' σκομαι konzentriert wird. Stuhlmacher, Theologie I, 319.

536 Römerbrief ————————————————————————————————————

(V. 1) und von der Beschreibung der Versöhnten als „Feinde“ (V. 10a). Gottes Heilshandeln in und durch Jesus Christus hat die tiefe Trennung überwunden, die Gott und Menschen trennte und diese infolge ihrer Sünde vom Paradies ausschloss (vgl. Gen 3,24). Die Parallelität der Aussage zur Tatsache der geschehenen Rechtfertigung in V. 9a verbindet, bei aller Unterschiedenheit der traditionsgeschichtlichen Verortung der Vokabeln δικαιοσυ' νη und καταλλαγη' , die Versöhnung der Menschen als Feinde Gottes mit der Rechtfertigung der Menschen als Sünder. In V. 21 verbindet Paulus die Ablösung der Herrschaft der Sünde durch die Herrschaft der Gnade mit der Gerechtigkeit und dem ewigen Leben, die das Heilshandeln Jesu, der Messias und Kyrios ist, dem Sünder garantiert. Die Versöhnung der Feinde Gottes erfolgte durch den Tod seines Sohnes (δια` τουñ θανα' του τουñ υι�ουñ αυ� τουñ ; V. 10a). Die Wendung entspricht den Aussagen „der Messias ist für uns gestorben“ (V. 8b), „durch sein Blut“ (V. 9a) und „durch ihn“ (v. 9b). Der Gedanke eines Mittlers für den Vorgang der Versöhnung ist sowohl aus der griechischen als auch aus der jüdischen Welt bekannt. Israel wurde durch die Pentateuch-Lesungen in den Synagogen (Ex 32,11-14) und durch Ps 106,23 an Mose erinnert, der für das Volk „in die Bresche sprang“ und Gottes Zorn abwendete (vgl. Josephus, Ant. 3,315); auch Aaron und Pinhas galten im Judentum als Mittler, die sich für das Volk einsetzten, den Zorn Gottes abwendeten und Sühne erwirkten (Weish 18,20-25; Sir 45,23); dasselbe gilt für die Märtyrer der makkabäischen Zeit, die durch ihren Tod die Versöhnung des Volks mit Gott bewirkten. In Jes 53,4-6.12 geht der Knecht Gottes freiwillig für die Vielen in den Tod bzw. wird von Gott in den Tod dahingegeben, sodass die Strafe Gottes ihn und nicht die Menschen trifft, die Frieden und Heil erhalten. Das Genetivobjekt „seines Sohnes“ betont im Zusammenhang von 1,3-4 und 3,25, dass die Versöhnung der Feinde Gottes nicht nur Gottes Initiative war, sondern Gott in Jesus Christus gegenwärtig war und in seinem Tod am Kreuz selbst handelte (zu υι�ο` ς τουñ θεουñ s. zu 1,3). Die Rechtfertigung des Sünders durch den Glauben und der Frieden mit Gott (V. 1), die Gewährung der Gnade Gottes und die Hoffnung auf die Teilhabe an der Herrlichkeit Gottes (V. 2), die Gabe der Liebe Gottes und des Heiligen Geistes (V. 5), die Rettung im Endgericht (V. 9) und die Versöhnung mit Gott (V. 10) hängen alle an der unsere Sünde sühnenden Kraft des Todes Jesu Christi. Der zweite Satz des a fortiori Arguments (πολλω ñ, μαñ λλον) formuliert: um wie viel gewisser werden wir als Versöhnte durch sein Leben gerettet werden. Das substantivisch übersetzte passive Partizip Aorist (καταλλαγε' ντες), das wieder als passivum divinum zu interpretieren ist, kann sowohl

Der Frieden mit Gott und die Hoffnung der gerechtfertigten Sünder 5,1-11 537 ————————————————————————————————————

kausal („weil Gott uns versöhnt hat“) als auch temporal („nachdem Gott uns versöhnt hat“) gedeutet werden.153 Die kausal zu interpretierende Wendung „durch sein Leben“ (ε� ν τηñ, ζωηñ, αυ� τουñ ) formuliert, parallel zu „durch den Tod seines Sohnes“ (V. 10a), kausal die Wirkung der Auferstehung Jesu. Wenn Paulus sowohl vom Kreuzestod Jesu als auch von der Auferstehung Jesu sagen kann, dass sie retten (V. 9.10a / V. 10b), dann zeigt dies den unlösbaren Zusammenhang von Kreuz und Auferstehung als Grund des Heils (vgl. 4,25).154 Alle, die zu Jesus Christus gehören, haben Anteil an der Wirklichkeit seiner Auferstehung (6,5.8; 8,11; 1Kor 15,20-22; 2Kor 4,1011.14; Phil 3,10-11.20-21; 1Thess 4,14). Das doppelte Argument a fortiori unterstreicht in V. 9 die Gewissheit der Rettung im zukünftigen Gericht Gottes mit der Rechtfertigung der Ungerechten durch Gott, die der Sünder infolge des Sühnetodes Jesu erfahren hat, in V. 10 die Gewissheit der Rettung im zukünftigen Gericht Gottes mit der Versöhnung der Feinde Gottes mit Gott, die Gott selbst durch den Tod und die Auferstehung Jesu bewirkt hat. Die mit Gott Versöhnten, die Frieden mit Gott haben und im Raum der Gnade Gottes leben, haben im Gericht Gottes nichts zu fürchten. 11 Mit mehr noch (ου� μο' νον δε' , α� λλα` και'; „nicht nur [das], sondern auch“)155 ergänzt Paulus das Argument, mit dem er in V. 9-10 die Gewissheit der Rettung des Sünders im Gericht Gottes begründete, durch eine Aussage zur Gegenwart der Jesusbekenner, die auf das Stichwort „Rühmen“ zurückgreift. In V. 2-4 hatte Paulus erläutert, dass Jesusbekenner sich der Hoffnung auf die Teilhabe an der Herrlichkeit Gottes rühmen, die durch die Bedrängnisse der Gegenwart, die mit Geduld ertragen werden und Bewährung bewirken, die Hoffnung umso gewisser wird. Die aus Glauben Gerechtfertigten (V. 9a) und von Gott mit Gott Versöhnten (V. 10b) sind Menschen, für die gilt: wir rühmen uns auch Gottes (καυχω' μενοι ε� ν τω ñ, θεω ñ, ). Rühmen zeigt, welche Werte die eigene Identität bestimmen (zu καυχα' ομαι s. 2,17). Die Jesusbekenner aus Heiden und Juden rühmen sich ———————————————————

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Temporal: EÜ, LÜ, NGÜ; NIV, NRSV; Haacker; kausal: Elb.Ü, Hfa, ZÜ; substantivisch: GN, Menge, Schlachter; so auch die Kommentare von Lohse und Wolter. Wilckens I 299-300 formuliert bewusst paradox: „Unsere Teilhabe am Endheil ist deswegen allein ε� ν τηñ, ζωηñ, αυ� τουñ begründet, weil wir nur durch Christi Tod gerecht sind, die Voraussetzung alles heilvollen Geschicks also die iustificatio impiorum ist. Unser endzeitliches Leben ist darum Geschenk der Gnade Gottes, weil unsere Gerechtigkeit ihr Geschenk ist. Weil aber christliche Gerechtigkeit an der Sühnekraft des Todes Christi hängt, so hängt die Heilsfolge dieser Gerechtigkeit, das Leben, an der Wirklichkeit der Auferstehung des für uns Gekreuzigten.“ Die Formulierung ist elliptisch: Zu ου� μο' νον δε' ist καταλλαγε' ντες σωθησο' μεθα aus V. 10b zu ergänzen: „Nicht nur (als Versöhnte werden wir gerettet), sondern auch als solche, die sich Gottes rühmen.“ Wolter I 337.

538 Römerbrief ————————————————————————————————————

Gottes, wie nach 2,17 Juden sich Gottes rühmen: Sie anerkennen und proklamieren dankbar und vertrauensvoll die Verbundenheit mit dem einen wahren Gott Israels, der sie durch den Messias Jesus mit Gott versöhnt hat und dessen Heilshandeln in Jesus Christus ihre Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft bestimmt. Das „Rühmen Gottes“ verbindet Jesusbekenner und torafromme Juden. Der Unterschied des auf Gott gründenden Rühmens besteht darin, dass sich Jesusbekenner Gottes rühmen, weil sie jetzt schon die Versöhnung empfangen haben: Sie wissen, dass sie sich vor dem Gericht Gottes nicht mehr als Feinde Gottes verantworten müssen und weder Gott noch sein Gericht zu fürchten haben, weil sie infolge des Sühnetodes Jesu mit Gott Versöhnte sind und sich der Teilhabe an der Herrlichkeit Gottes gewiss sein dürfen.156 Die Wendung durch unseren Herrn, den Messias Jesus (δια` τουñ κυρι'ου η� μω ñ ν � Ιησουñ Χριστουñ ) nennt den Grund, weshalb sich Sünder Gottes rühmen können und weshalb Sünder die Versöhnung mit Gott empfangen haben (δι’ ουð νυñ ν τη` ν καταλλαγη` ν ε� λα' βομεν). Mit dem Hinweis auf den Messias Jesus, der Kyrios ist (s. zu 1,4) als Grund der Versöhnung und als Grund des Rühmens Gottes fasst Paulus seine Aussagen zum Blut Jesu (V. 9a), zu seinem stellvertretenden Handeln (V. 9b), zu seinem Tod (V. 10a) und zu seiner Auferstehung (V. 10b) zusammen. Jesus Christus ist der Grund der Rechtfertigung des Sünders und der Versöhnung mit Gott – eine Wirklichkeit, die auf die Vergangenheit der Bekehrung zum Glauben an Jesus Christus zurückblickt (Aorist ε� λα' βομεν), die in der Gegenwart die Identität der Jesusbekenner bestimmt (νυñ ν) und in der Zukunft die Teilhabe an der Herrlichkeit Gottes (V. 2) und die Rettung im Endgericht (Futur σωθησο' μεθα, V. 9b) garantiert. Deshalb haben wir Frieden mit Gott durch unseren Herrn Jesus Christus (V. 1). IV Mit dem Wort „Frieden“ in V. 1 nimmt Paulus einen Begriff auf, der in der römischen Welt in Verbindung mit Kaiser Augustus eine wichtige Rolle spielte. Octavian rühmte sich, den Erdkreis (orbis terra) der Herrschaft des römischen Volkes unterworfen (Res Gestae divi Augusti, Praef.), den Bürgerkrieg beendet und Frieden geschaffen zu haben, den er, ganz unbescheiden, pax Augustae (ει� ρη' νη Σεβαστη ñ ς) nannte (Res Gestae 12). Augustus berichtet voller Stolz, dass auf seinen Befehl unter den Äthiopiern und Arabern „gewaltige Scharen von Feinden in der Schlacht niedergestreckt“ wurden (Res Gestae 26); in sechsundzwanzig Tierhetzen auf dem Forum oder ———————————————————

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Vgl. Gathercole, Boasting, 261-262 zum Unterschied zwischen dem christlichen und dem jüdischen „Rühmen“.

Der Frieden mit Gott und die Hoffnung der gerechtfertigten Sünder 5,1-11 539 ————————————————————————————————————

im Amphitheater, die er ausrichten ließ, wurden 3500 Tiere erlegt (Res Gestae 22). Bereits die Machtübernahme Octavians war das Resultat gewaltsamer, blutiger Aktionen. J. Bleicken charakterisiert Octavian in der Zeit nach der Ermordung Cäsars als „ein aus kalter Berechnung mordendes Wesen ohne eine Spur von Menschlichkeit … ein ganz gewöhnlicher Terrorist“.157 Der Friede von dem Paulus spricht, ist nicht das Resultat eines gewaltsamen Sieges über Feinde, wie man sich das in der atl. und jüdischen Endzeiterwartung manchmal vorstellte (Jes 66,12-16; Sach 9,10; in Qumran s. 1QM). Es ist auch nicht primär der Friede unter Menschen im Sinn der alttestamentlichen schālōm-Vorstellung, zu der neben Harmonie und Wohlergehen auch Wohlstand gehört.158 Der in Röm 5,1 erwähnte Frieden berührt sich mit den prophetischen Vorstellungen von einem Frieden, der mit Gerechtigkeit und mit dem Verhältnis zu dem einen, wahren Gott Israels zu tun hat (Jes 32,17; 54,10; Hes 34,25-31; 37,26). Neu und grundlegend ist bei Paulus Folgendes:159 1. Der Frieden der Heilszeit ist der Frieden mit Gott, den Gott selbst hergestellt hat. Der Frieden mit Gott ist grundsätzlich ein geistlicher Frieden, der ohne den Frieden zwischen Menschen, Familien und Völkern nicht möglich ist.160 Die Beschreibung des Friedens mit Gott als geistlicher Frieden bedeutet nicht, dass Paulus lediglich von einer abstrakten Idee spricht, was die nächste Überlegung zeigt. 2. Der Frieden mit Gott entsteht aus dem Heil schaffenden Sühnetod Jesu, der Messias Israels und Retter der Welt ist und für das Leben der Jesusbekenner und die Zukunft der Welt in Heil und Gericht grundlegend und zentral ist und bleibt. 3. Der Frieden der Heilszeit ist in der Gegenwart Wirklichkeit geworden. Die Feindschaft zwischen den Menschen, die die Wahrheit Gottes in Gottlosigkeit und Ungerechtigkeit unterdrücken, wurde von Gott real und mit sowohl gegenwärtiger als auch zukünftiger Wirkung beseitigt. Menschen, die an Jesus Christus als Ort des Heil und Frieden schaffenden Handelns Gottes glauben, erfahren in der Gegenwart die Vergebung der Sünden und damit die Liebe der Gnade Gottes, und sie werden in der Zukunft die Rettung im Gericht Gottes erleben. 4. Weil Gott seinen Frieden allen Menschen gewährt, die sich zu Jesus ———————————————————

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Bleicken, Augustus, 149; 180: „blutiger Henker“, 482: „Schlächter der Vornehmsten“. Die Friedenspropaganda des Augustus und seiner Nachfolger ist der Kontext, in dem Paulus den Römerbrief schreibt, erklärt jedoch weder die „Dichte“ noch die Vielfalt des Themas „Frieden“ im Römerbrief, der auch kaum als „Friedensmemorandum“ gedeutet werden kann; anders Haacker, Friedensmemorandum; Haacker 135. Vgl. Dunn I 263. Zum Friedensgedanken im Neuen Testament s. allg. U. Schnelle, Art. Frieden IV. Neues Testament, TRE XI, 613-618; Brandenburger, Frieden; Sorg, Frieden; Vögtle, Frieden; Frankemölle, Friede; Bachmann, Botschaft; Wengst, Frieden. Vgl. den Titel von Graham, Friede mit Gott.

540 Römerbrief ————————————————————————————————————

Christus bekennen – Juden und Heiden, Sklaven und Freie, Männer und Frauen (Gal 3,28) – ist dieser Friede weder nationalistisch noch gesellschaftlich diskriminierend noch patriarchalisch. Der Frieden Gottes wird weder militärisch durchgesetzt noch durch gesellschaftliche Reformen herbeigeführt, sondern er ereignet sich als geschenkte Wirklichkeit im Herzen (5,1; 15,13) der Jesusbekenner, mit der Folge, dass er sich in vom Geist Gottes bestimmten neuen Werten (8,6; 14,17) und neuen Beziehungen (12,18; 14,19) breit macht. Das Leben mit dem Frieden Gottes im Raum der Gnade Gottes (V. 2), in dem Gottes Liebe Anlass zur Anbetung (8,31-39) und Grund der Transformation des persönlichen Verhaltens (6,1-23) ist, löscht allerdings die Erinnerung an die Zeit vor der Bekehrung zu Jesus Christus nicht aus. Im Gegenteil: Jesusbekenner erkennen ihre Sünde gerade im Licht der Liebe Gottes, auch und häufig im Zusammenhang der Bedrängnisse, denen sie bis zur Wiederkunft Jesu ausgesetzt sind. Hoffnung (V. 2-5) ist für Christen nicht bloß „die menschlichste aller Gemütsbewegungen“,161 auch nicht eine vage Hoffnung, auch nicht das letzte Kapitel der Dogmatik, das von der Eschatologie handelt und in der akademischen Theologie nicht selten wenig beachtet wurde. Dagegen protestierte J. Moltmann, der die Eschatologie in das Zentrum der Theologie rücken will, da sie als Hoffnungslehre die Theologie insgesamt in ihrer Größe und Wirksamkeit verkörpert. Der Grund der Hoffnung ist für Moltmann der Glaube an den auferstandenen Jesus Christus, ein Glaube, der auf die Erfüllung aller Verheißungen Gottes hofft: „Die Hoffnungssätze der Verheißung aber müssen in einen Widerspruch zur gegenwärtig erfahrbaren Wirklichkeit treten … Sie wollen der Wirklichkeit nicht die Schleppe nachtragen, sondern die Fackel voran … Wer auf Christus hofft, kann sich nicht mehr abfinden mit der gegebenen Wirklichkeit, sondern beginnt an ihr zu leiden, ihr zu widersprechen … Daß wir uns aber nicht abfinden, daß es zwischen uns und der Wirklichkeit zu keiner freundlichen Harmonie kommt, das macht die unauslöschliche Hoffnung. Sie hält den Menschen unabgefunden bis zur großen Erfüllung aller Verheißungen Gottes.“162 ———————————————————

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Bloch, Das Prinzip Hoffnung, 83. Diese oft zitierte Wendung steht in dem Satz: „Hoffnung, dieser Erwartungs-Gegenaffekt gegen Angst und Furcht, ist … die menschlichste aller Gemütsbewegungen und nur Menschen zugänglich, sie ist zugleich auf den weitesten und den hellsten Horizont bezogen“ (ebd. 83-84). Die Hoffnung ist die begriffene Tätigkeit des Erwartungsaffekts, sie hält Verbindung zu neuen Ideen, sie erkennt und versteht deren Sprengkraft und ist von der Dynamik und Ratio eines militanten Optimismus getragen (ebd. 161-166). Für Bloch war der Marxismus der Schlüssel für eine bewusste Gestaltung von Geschichte. Moltmann, Theologie der Hoffnung, 13-14.17.

Der Frieden mit Gott und die Hoffnung der gerechtfertigten Sünder 5,1-11 541 ————————————————————————————————————

Aus Röm 5,1-11 und 8,18-30 ergibt sich folgendes Profil der Hoffnung, die Jesusbekenner kennzeichnet: 1. Gegenstand der Hoffnung ist die noch ausstehende Offenbarung der Herrlichkeit Gottes (5,2; 8,18.25), die der Mensch infolge der Sünde verloren hat (3,23; vgl. 1,23). 2. Grund der Hoffnung ist die Wirklichkeit der Liebe Gottes, die infolge des Sühnetodes Jesu Christi, der „für uns“ gestorben ist, Sünden vergibt, Gerechtigkeit gewährt und im Endgericht rettet (5,5-6.8-9; 8,31-39).163 Die Hoffnung der Christen ist theozentrisch: „Gott traut sie alles zu, weil sie glaubt, dass er in Christus auch schon alles getan hat (8,32).“164 3. Die Hoffnung bewährt sich im Leiden, das von den Glaubenden (nach dem Vorbild Abrahams, vgl. 4,16.19) nicht ignoriert wird, sondern dem diese standhalten, da sie im Raum der Gnade Gottes leben, in dem die Hoffnung durch die Erfahrung von Leiden gestärkt und gewisser wird (5,3-4; 8,25). Der Kettenschluss in V. 3-4 ist nicht im Sinne von verschiedenen Stufen des Glaubens zu verstehen, wie M. Luther dies im Anschluss an Baptista Spagnuoli von Mantua165 tut: „Die unterste Stufe ist, daß man zwar die Trübsale auf sich nimmt, aber nur mit Sträuben und in dem Sinn, daß man lieber von Anfechtung frei sein möchte. Die folgende und mittlere Stufe ist die, daß man zwar fröhlich und willig Trübsale auf sich nimmt, sie aber nicht sucht.“166 In 8,19-22 deutet Paulus an, dass die Bewährung der Hoffnung der Jesusbekenner auch Konsequenzen für die Schöpfung hat, die Gottes Herrlichkeit erneuern wird. Hier ist auch an den langen, schönen Satz von T. Zahn zu erinnern, mit dem er die Auswirkung der durch den Heiligen Geist in unsere Herzen ausgegossenen Liebe Gottes beschreibt: „Ein Herz, das die überschwängliche Liebe Gottes nicht nur das eine oder andere Mal erfahren und empfunden hat, sondern durch Wirkung des hl. Geistes als seinen kostbarsten Besitz beständig in sich trägt, kann nicht anders, als ebenso beständig in gehobener Stimmung sein, auch in bedrängter Lebenslage seines Gottes sich freuen, der argen Welt (Gl 1,4) mit ihrem Haß und ihrer Not sich überlegen fühlen und, statt sich schüchtern und ängstlich durchs Leben zu drücken, in Hoffnung auf zukünftige Erfahrung der Liebe Gottes in allen Lebenslagen danken, loben und rühmen.“167 ———————————————————

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Bieringer, Hoffnung, 322: „Da Gottes Liebe also unbedingt und unverdient und somit vollkommen unabhängig von menschlichem Tun ist, bildet sie ein verlässliches Fundament für die Zuversicht und das Vertrauen, das die Gläubigen der Hoffnung und ihrem Gegenstand gegenüber hegen. Die Liebe Gottes ist damit zugleich der tiefste Grund der Hoffnung.“ Theobald, Der Römerbrief, 254. Vgl. Spagnuoli, De patientia libri tres. Luther I 327. Kritisch Michel 180. Zahn 248.

542 Römerbrief ————————————————————————————————————

Die Aussage V. 5 „die Liebe Gottes ist ausgegossen in unsere Herzen“ war Zusammenhang von V. 2, wo vom Zugang zur Gnade Gottes die Rede ist, die Grundlage die Lehre von der gratia infusa, die im Anschluss an Augustin die scholastische Theologie bestimmte: η� α� γα' πη τουñ θεουñ ist nicht Gottes Liebe zu uns, sondern unsere Liebe zu Gott, die die von Gott geschenkte Gnade möglich macht.168 Die entscheidende Stelle bei Augustin lautet: „Und zu guter Letzt ist das der Glaube, der durch die Liebe sich wirksam erweist, nicht durch die Furcht, nicht in der Angst vor der Strafe, sondern in der Liebe der Gerechtigkeit. Wo ist also der Ursprung dieser Liebe (dilectio), der Caritas, zu suchen, durch die sich der Glaube wirksam erweist? Doch dort, wo eben der Glaube sie erfleht hat. Denn mag die Liebe in uns noch so groß sein, sie fände sich überhaupt nicht, würde sie nicht in unseren Herzen ausgegossen durch den Geist, der uns gegeben wurde. Sie wird ausgegossen in unseren Herzen. Damit ist nicht jene Liebe gemeint, mit der Gott uns liebt, sondern die, durch welche er uns zu Menschen macht, die ihn lieben; hier verhält es sich genauso wie mit der ‚Gerechtigkeit Gottes‘: durch sie werden wir kraft seines Geschenkes Gerechte; ebenso auch ‚das Heil des Herrn‘: er macht uns dadurch heil; und schließlich ‚der Glaube Jesu Christi‘: durch ihn macht er uns zu Gläubigen.“169 Augustin versteht die eingegossene Gnade als Geschenk Gottes, spricht dann aber von der Liebe Gottes, durch deren Kraft der freie Wille zum Tun des Willens Gottes befähigt wird. In diesen Sinn wurde Röm 5,5 in der Scholastik so interpretiert, dass man zwischen der in der Taufe voraussetzungslos geschenkten Gnade (gratia gratis data) und der im Leben des Christen wirksamen und ihn gerecht machenden Gnade (gratia gratum faciens) unterschied, d.h. zwischen dem Handeln Gottes am Menschen (gratia operans) und dem das Handeln des Christen unterstützenden Handeln Gottes (gratia cooperans). Die Gnade Gottes aktiviert den freien Willen des Menschen, sodass er die theologischen Tugenden praktizieren kann. Die Franziskaner identifizierten gratia und caritas, die Dominikaner unterschieden die Gnade von der Liebe, als Tugend verstanden. Im Gefolge der Theologie des Johannes Duns Scotus und des Wilhelm von Ockham (Nominalismus) wurde dem freien Willen (liberum arbitrium) mehr Kompetenz zugesprochen und die Wirkung der gratia infusa stärker auf ihre Verwirklichung im christlichen Leben verlagert, „wodurch die Heilsgewißheit des einzelnen Christen aufgrund seiner Taufe im Blick auf seine Selbstverantwortung für sein Heil erheblich relativiert wird“.170 Martin Luther interpretiert in seinem ———————————————————

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Für die folgende Skizze der Diskussion s. Wilckens I 300-305. Augustin, De spiritu et littera 32,56 (Forster, Augustinus. Geist und Buchstabe, 113). Wilckens I 302. Zur Heilsgewissheit bei Thomas v. Aquin s. Basse, Certitudo spei.

Der Frieden mit Gott und die Hoffnung der gerechtfertigten Sünder 5,1-11 543 ————————————————————————————————————

Römerbriefkommentar von 1915 / 16 die η� α� γα' πη τουñ θεουñ als „die reinste Hingabe an Gott“ (purissima affectio in Deum), betont aber, dass sie in der „Liebe Gottes“ (Charitas Dei) gründet, sodass gilt: „Hier ist nichts Sichtbares, nichts Erfahrbares, weder innerlich noch äußerlich, auf das man sein Vertrauen setzen könnte oder das man lieben oder fürchten könnte; sondern hoch hinweg über alle Dinge wird sie in den unsichtbaren, unerfahrbaren, unbegreifbaren Gott hineingerissen, mitten hinein in die inwendige Finsternis … ‚Ausgegossen‘, also keinesfalls in uns geboren oder entstanden. Und ‚durch den heiligen Geist‘, nicht erworben durch Tugend und Gewohnheit, so wie man moralische Tugenden erwerben kann.“171 In dieser Zielrichtung der Ablehnung der scholastischen Lehre von der eingegossenen Liebe als Tugend interpretiert die spätere reformatische Auslegung η� α� γα' πη τουñ θεουñ als Liebe Gottes zum Sünder.172 Die lutherischen Bekenntnisschriften lehnen die Lehre von der fides caritate formata explizit ab.173 Käsemann schreibt im Blick auf die „alte, aber in anderer Gestalt immer neu auftauchende Anschauung von der fides caritate formata“, dass man sie „wenigstens in ihrem konfessionstrennenden Gewicht erkennen sollte“.174 Die Fronten zwischen den Konfessionen sind heute nicht mehr so starr. Dies liegt einerseits daran, dass katholische Exegeten die Wendung η� α� γα' πη τουñ θεουñ heute fast durchweg im Sinne eines gen. subjectivus (auctoris) interpretieren,175 andererseits an Interpretationen der Aussagen des Tridentinum, die dem reformatischen Verständnis der Sache nach nicht widersprechen.176 Der Kritik katholischer Theologen, die Gnade dürfe genauso wenig wie Rechtfertigung und Heiligung abstrakt bleiben, begegnen evangelische Exegeten mit dem Hinweis, dass es nie die Absicht der evangelischen Theologie war, „sei es die reale Wirklichkeit der Gnade in unserer Existenz, sei es den wesentlichen Zusammenhang von Rechtfertigung und Heiligung zu bestreiten“.177 Die „Gemeinsame Erklärung zur Rechtfertigungslehre“, ———————————————————

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Luther I 332-333. Melanchthon 166-167; Calvin I 268-269. Apologia Confessionis IV 56.77.109.114; Formula Concordiae III 23. Käsemann 127; vgl. Wilckens I 303 Anm. 1006. Kuss I 206: „Unser Erfülltsein von der Gewißheit, daß Gott uns liebt, ist keine Tat menschlicher Einsicht, die etwa durch Lehre oder Erkenntnis im Rahmen menschlichen Könnens und Leistens zustande käme, sondern es kommt aus Gottes Initiative und Kraft“; vgl. Zeller 110; Schlier 150; Fitzmyer 398; Byrne 171; Penna 350-351 („un’iniziativa unilaterale di Dio stesso in totale favore dell’uomo“). Wilckens I 304 verweist auf Küng, Rechtfertigung, 274-276; Rahner, Fragen, 237-247; Pesch, Gottes Gnadenhandeln, 831-920; Schillebeeckx, Rechtfertigungsdekret, 425.454. Vgl. jetzt Pesch, Gnade; Theobald, Rechtfertigung. Wilckens 305.

544 Römerbrief ————————————————————————————————————

unterzeichnet am Reformationstag des Jahres 1999, beansprucht, die konfessionstrennenden Verurteilungen aufzuheben und zu einem gemeinsamen Verständnis zu kommen.178 Nicht alle sind überzeugt: J. Baur spricht von einem „Unterschied an der Wurzel“, den man nicht wegreden und überspielen kann.179 Die am Anfang und Ende des Textes wiederholte Wendung „durch unseren Herrn, den Messias Jesus“ (V. 1.11) ist die gemeinsame Sprache der Christen in Korinth (wo Paulus schreibt) und in Rom (wo seine Leser leben) und sicherlich in allen Gemeinden. Die Formulierung spiegelt die selbstverständliche Gewissheit wider, mit der Christen von Jesus als ihrem Herrn und Messias reden, durch dessen sühnenden Tod am Kreuz Gott ihnen Gerechtigkeit, Frieden, Liebe, den Heiligen Geist, Gnade und die gewisse Hoffnung auf die Rettung im Endgericht und auf die Teilhabe an der Herrlichkeit Gottes geschenkt hat.180

Der Messias Jesus und Adam 5,12-21 I 12 Darum: Wie durch einen Menschen die Sünde in die Welt kam und durch die Sünde der Tod und so der Tod zu allen Menschen gelangte, weil alle gesündigt haben – 13 Denn Sünde gab es in der Welt vor der Zeit des Gesetzes; die Sünde wird aber nicht verbucht, wenn kein Gesetz da ist; 14 trotzdem regierte der Tod von Adam bis Mose auch über die Menschen, die nicht entsprechend der Übertretung Adams gesündigt hatten, der das Muster des Zukünftigen ist. 15 Jedoch so wie es sich mit der Verfehlung verhält, verhält es sich nicht mit der Gnadengabe; denn wenn aufgrund der Verfehlung des Einen die Vielen gestorben sind, um wieviel mehr ist die Gnade Gottes und das Geschenk aufgrund der Gnade, die durch einen Menschen, den Messias Jesus, den Vielen in überreichem Maße zuteilwurde. 16 Und mit dem Geschenk verhält es sich nicht wie mit dem Einen, der sündigte: Das Gerichtsurteil (führte) von dem Einen zur Verurteilung, das Gnadengeschenk ————————————————————

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Vgl. die Dokumenation von Hauschildt, Gemeinsame Erklärung. Baur, Einig in Sachen Rechtfertigung?, 109-110 (Fazit) und passim. Dunn I 247 spricht von „easy confidence“. Wolter I 337 betont richtig, dass die Formulierung mit καυχω' μενοι in V. 11 nicht auf gottesdienstliche Vorgänge anspielt, sondern „die Eigenart der Christen“ charakterisiert; von einer „liturgischen Stilisierung“ (so Käsemann 131; vgl. Michel 184; Wilckens I 300 Anm. 992; Schlier 157) kann er im Text nichts erkennen (ebd. Anm. 86).

Der Messias Jesus und Adam 5,12-21 545 ————————————————————————————————————

aber von vielen Verfehlungen zur Gerechtsprechung. 17 Denn wenn durch die Verfehlung des Einen der Tod die Herrschaft ergriffen hat durch den Einen, um wieviel mehr werden die Menschen, die die Fülle der Gnade und des Geschenks der Gerechtigkeit empfangen, im Leben herrschen durch den Einen, Jesus, der Messias. 18 Folglich gilt: Wie es durch die Verfehlung des einen Menschen für alle Menschen zur Verurteilung kam, so kam es durch die Rechtstat eines Menschen für alle Menschen zur Gerechtsprechung, die zum Leben führt. 19 Geradeso wie durch den Ungehorsam des einen Menschen die Vielen zu Sündern gemacht wurden, so werden durch den Gehorsam des Einen die Vielen zu Gerechten gemacht werden. 20 Das Gesetz ist jedoch hinzugekommen, sodass die Verfehlung sich vermehrt. Wo aber die Sünde sich vermehrt hat, ist die Gnade im Überfluss vorhanden, 21 damit, wie die Sünde durch den Tod regierte, so auch die Gnade regiert durch die Gerechtigkeit zum ewigen Leben, durch Jesus, den Messias, unseren Herrn. II Paulus fasst in diesem Abschnitt die beiden Hauptteile 1,18–3,20 (Universalität der Sünde) und 3,21–5,11 (die Heilsoffenbarung Gottes im Messias Jesus) zusammen, indem er Adam, der für die Sünde der Menschheit steht, und Jesus, der das Heil Gottes ermöglicht, einander gegenüberstellt.1 Der kontrastierende Vergleich, der in V. 12 beginnt, wird in V. 13-17 durch eine zweifache Klärung unterbrochen: Eine geschichtliche Reflexion behandelt das Verhältnis von Sünde und Tod in der Zeit zwischen Adam und Mose (V. 13-14), eine theologische Reflexion klärt die Verhältnismäßigkeit des Vergleichs von Adam und dem Messias Jesus, deren jeweilige Wirkung unvergleichlich ist. In V. 18.19 wird der Vergleich durchgeführt: Adams Übertretung bzw. Verfehlung und Ungehorsam resultierten in universaler Verurteilung und Sündenverfallenheit, Jesu Gerechtigkeit schaffende Tat und Gehorsam ermöglichen universales Leben und Gerechtigkeit. Die Zwischenüberlegung in V. 20 behandelt die Funktion des Gesetzes in dem Gegenüber von Sünde und Gnade. In V. 21 wird der Vergleich zwischen Adam und Jesus abschließend noch einmal formuliert, mit dem Schwerpunkt auf der ————————————————————

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Weniger plausibel ist die Spekulation, 5,12-21 sei „ursprünglich nur als eine kurze Ergänzung zu 5,1-11 geplant“ gewesen, die Paulus „jedoch aus dem Ruder gelaufen“ sei (Wolter I 362). Wenn der Abschnitt eine ausführliche und theologisch gewichtige „Abhandlung über das Verhältnis von Sünde und Gnade“ (ebd.) ist, dann hat Paulus diese ganz sicher geplant und mit literarischer und theologischer Absicht geschrieben.

546 Römerbrief ————————————————————————————————————

Herrschaft der Gnade, auf der durch Jesus, den Messias und Kyrios erwirkten Gerechtigkeit, die das ewige Leben garantiert. Der Text beschreibt mehrfach die Tat eines „Einen“ bzw. „eines Menschen“ mit dem Ergehen von „allen“ bzw. „den Vielen“; der Eine wird in V. 14b mit Adam und in V. 15d.17c mit Jesus dem Messias identifiziert. Adam V. 12a δι’ ε� νο` ς α� νθρω' που η� α� μαρτι' α ει� ς το` ν κο' σμον ει� σηñ λθεν – durch einen Menschen … V. 12c ει� ς πα' ντας α� νθρω' πους ο� θα' νατος διηñ λθεν – der Tod gelangte zu allen Menschen V. 15b τω ñ, τουñ ε� νο` ς παραπτω' ματι – aufgrund der Verfehlung des Einen οι� πολλοι` α� πε' θανον – sind die Vielen gestorben V. 16a δι’ ε� νο` ς α� μαρτη' σαντος – der Eine sündigte V. 16b ε� ξ ε� νο` ς ει� ς κατα' κριμα – von dem Einen zur Verurteilung V. 17a τω ñ, τουñ ε� νο` ς παραπτω' ματι – durch die Verfehlung des Einen (regiert der Tod) δια` τουñ ε� νο' ς – durch den Einen V. 18a δι’ ε� νο` ς παραπτω' ματος – durch die Verfehlung des einen Menschen ει� ς πα' ντας α� νθρω' πους ει� ς κατα' κριμα – kam es für alle Menschen zur Verurteilung V. 19a δια` τηñ ς παρακοηñ ς τουñ ε� νο` ς α� νθρω' που – durch den Ungehorsam des einen Menschen α� μαρτωλοι` κατεστα' θησαν οι� πολλοι' – wurden die Vielen zu Sündern Jesus, der Messias V. 15c τηñ, τουñ ε� νο` ς α� νθρω' που � Ιησουñ Χριστουñ – (die Gnade), die durch einen Menschen, den Messias Jesus (den Vielen zuteilwurde) V. 15c ει� ς του` ς πολλου` ς ε� περι' σσευσεν – (die Gnade Gottes) wurde den Vielen zuteil V. 17b δια` τουñ ε� νο` ς � Ιησουñ Χριστουñ – durch den Einen, Jesus, den Messias οι� τη` ν περισσει' αν τηñ ς χα' ριτος … λαμβα' νοντες ε� ν ζωηñ, βασιλευ' σουσιν – werden die Menschen, die die Fülle der Gnade … empfangen haben, im Leben herrschen V. 18b δι’ ε� νο` ς δικαιω' ματος – durch die Gerechtigkeit schaffende Tat eines Menschen ει� ς πα' ντας α� νθρω' πους ει� ς δικαι' ωσιν ζωηñ ς – kam es für alle Menschen zur Gerechtsprechung, die zum Leben führt V. 19b δια` τηñ ς υ� πακοηñ ς τουñ ε� νο` ς – durch den Gehorsam des Einen δι' καιοι κατασταθη' σονται οι� πολλοι' – werden die Vielen zu Gerechten Mit Adam und mit Jesus sind jeweils unterschiedliche Vokabeln verbunden, die ihr Verhalten und die Folgen ihres Verhaltens beschreiben. Gemeinsamkeiten von Adam und Jesus werden in V. 12.14c.18-19 beschrieben, Unterschiede in V. 15.16.17. Die Tat Adams wird mit vier Substantiven beschrieben: α� μαρτι' α, παρα' βασις, παρα' πτωμα, παρακοη' , die Folge mit drei Substantiven: α� μαρτι' α, θα' νατος, κατα' κριμα. Die Tat Jesu wird mit zwei Substantiven beschrieben: δικαιω' μα, υ� πακοη' ; die Folgen mit neun Substantiven, oft mit derselben Wurzel verbunden: χα' ρις / χα' ρισμα / χα' ρισμα, δωρεα' / δω' ρημα, δικαι' ωμα / δικαι' ωσις / δικαιοσυ' νη, ζωη' , was das „überreiche Maß“ bzw. den „Überfluss der Gnade“ (V. 15.20) unterstreicht.

Der Messias Jesus und Adam 5,12-21 547 ———————————————————————————————————— Adam ( �Αδα' μ) V. 14 (3x) Tat: Sünde (α� μαρτι' α) V. 12(2x).13(2x).20.21 Übertretung (παρα' βασις) V. 14 Verfehlung (παρα' πτωμα) V. 15(2x).16.17.18.20 Ungehorsam (παρακοη' ) V. 19 Folge: Sünde (α� μαρτι' α) V. 12 Tod (θα' νατος) V. 12(2x).14.17.21 Verurteilung (κατα' κριμα) V. 16.18 sündigen (α� μαρτα' νω) V. 12 sterben (α� ποθνη,' σκω) V. 15 Jesus ( � Ιησουñ ς Χριστο' ς) V. 15.17.21 / Gott (θεο' ς) V. 15 Tat: Rechtstat (δικαι' ωμα) V. 18 Gehorsam (υ� πακοη' ) V. 19 Folge: Gnade (χα' ρις) V. 15(2x).17.20.21 Gnadengabe (χα' ρισμα) V. 15 Geschenk (δωρεα' ) V. 15.17 Geschenk (δω' ρημα) V. 16 Gnadengeschenk (χα' ρισμα) V. 16 Gerechtsprechung (δικαι' ωμα) V. 16 Gerechtsprechung (δικαι' ωσις) V. 18 Gerechtigkeit (δικαιοσυ' νη) V. 17.21 Leben (ζωη' ) V. 17.18.21 ewiges Leben (ζωη` αι� ω' νιος) V. 21

Als Paulus Röm 5,12-21 schreibt, hat er bereits 1Kor 15,21.45-46 geschrieben, wo er ebenfalls Adam und Jesus Christus vergleicht. Während es dort um den Gegensatz von Tod und Auferstehung und um den Leib der Auferstandenen geht, beschreibt Paulus in V. 12-21 die Heilstat Jesu als Ereignis, das die seit Adam bestehende Geschichte der Sünde und des Todes ablöst und die Zeit der Gnade Gottes in Gang setzt, die die von ihr Erfassten zum ewigen Leben führt. Der traditionsgeschichtliche Hintergrund des Vergleichs von Adam und Jesus ist nicht die jüdisch-hellenistische Urmensch-Spekulation, bei der es unter Aufnahme von Gen 1,26; 2,7 um die Partizipation der Adamiten in Adams geschaffenem Wesen ging,2 und auch kaum Philos Interpretation von Gen 1–2 in All. 1,31-32; Op. 134-135.3 Die Argumentation von Paulus ————————————————————

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Vgl. Reitzenstein, Mysterienreligionen, 345-348; Bultmann, Adam, 431-444; vorsichtiger Brandenburger, Adam, 68-157; Strecker, Theologie, 63-69. Zur Kritik s. Colpe, Die religionsgeschichtliche Schule, passim; Lohse 178. Vgl. Pearson, Philo; Sellin, Auferstehung, 92-175; Wilckens I 308-309; Lohse 178-179. Zur Kritik s. Schrage, 1. Korinther IV, 275-276; Schnabel, 1. Korinther, 992; sowie Schaller, Adam, 143-151, der eher an den Vergleich von Adam und Noah als Anfang der zweiten Schöpfung der Menschen in Quest.Gen. 2,56.66 denkt (ebd. 152); vgl. Virt. 199205; s. dazu Levison, Adam, 77-78.83-86.

548 Römerbrief ————————————————————————————————————

ist im Zusammenhang verschiedener atl. Traditionen in sich verständlich.4 Der Hinweis auf Adam als Urheber des Todesverhängnisses der Menschen ergibt sich aus der Auslegung von Gen 2,17; 3,1-24. Die Gegenüberstellung von Adam und Jesus hat Berührungspunkte mit dem Urzeit-Endzeit-Schema (Jes 41,4; 44,6; 48,12).5 Die jüdischen Interpretationen solcher Traditionen dürften in unterschiedlicher Weise ebenfalls eine Rolle gespielt haben: Die Reflexion über die Partizipation der Menschheit in Adams Sünde und ihrer Konsequenzen findet man unter Aufnahme von Gen 3 in der frühjüdischen Weisheitstradition6 und der Apokalyptik, vor allem in 4Esra. Nach 4Esr 3,26 markiert die Sünde Adams den Beginn und die Quelle aller Sünde überhaupt: „[Die Bewohner der Stadt haben gesündigt], in allem taten sie, was Adam und alle seine Nachkommen getan haben, denn sie hatten auch das böse Herz.“ 7,118 klagt Esra: „Ach Adam, was hast du getan! Als du sündigtest, kam dein Fall nicht nur auf dich, sondern auch auf uns, deine Nachkommen.“ Diese Klage ist in 7,116 beinahe eine Anklage gegen den Schöpfer: „Besser wäre es, die Erde hätte Adam nie hervorgebracht oder sie hätte ihn wenigstens von der Sünde ferngehalten.“ Weil Adam gesündigt hat, und weil seit Adam alle Menschen gesündigt haben, ist die Verheißung der Teilhabe am Heil des zukünftigen Äons nichtig (8,119-121). Solchen schicksalhaften Überlegungen Esras wird vom Engel widersprochen: „Nicht der Höchste hat gewollt, dass Menschen verloren gehen, vielmehr die Geschöpfe selber haben den Namen dessen, der sie geschaffen hat, verunehrt und Undankbarkeit bewiesen gegen den, der ihnen das Leben bereitet hat. Deshalb naht sich mein Gericht“ (8,60). Der Grund für diese Korrektur ist der Besitz des Gesetzes, das der Mensch von Anfang an besessen hat und in dem Gott dem Menschen durch Gebote und Verbote das Verhalten aufzeigt, das zum Leben führt und vor Verdammnis schützt (7,21). Auch die Lehre der „bösen Wurzel“ (‫ )יצר הרע‬taugt nicht als Ausflucht des Menschen vor eigener Verantwortung: Der Mensch besitzt zwar diese böse Wurzel seit Adam (4,28.30), aber er besitzt auch das Gesetz (3,22; 9,31), und das heißt: Der Mensch wird nicht gezwungen, zu sündigen. Im Gesetz hat er das Instrument zur Überwindung der bösen Wurzel und zur Führung eines gottgefälligen Lebens (7,92.127-131; 14,34-35). Daraus ergibt sich, dass nur Gerechte in das ewige Leben eingehen; die große Zahl der Sünder ist kein Gegenargument (7,70). Außerhalb der im Gesetz definierten und im Gesetzesgehorsam erwirkten Gerechtig————————————————————

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Im Blick auf 1Kor 15,21 Lindemann, Korintherbrief, 361; C. Colpe, ThWNT VIII, 475: „Solange wir nun von einem vorgegebenen Schema vom ersten u(nd) zweiten Adam kein sicheres Zeugnis haben, ist es leichter anzunehmen, daß die Antitypik in V 21 … hier erst entsteht, als daß sie ein etwa vorgegebenes Schema füllt.“ Schrage, 1. Korinther IV, 276-277 hält es für möglich, dass Paulus „als erster das UrzeitEndzeit-Schema auf die eschatologische Adamgestalt angewendet“ hat; vgl. Usami, How, 383-385. In 1Kor 15,21.45-46 weist die Beschreibung des zweiten „Menschen“ Berührungspunkte mit der Gestalt des Menschensohnes in Dan 7,13-14 auf. Die Verknüpfung der Auferstehung Jesu mit der Verleihung des Geistes (1Kor 15,45) ist als Interpretation von Hes 37,1-14 verständlich; die atl. Aussagen über die Ausgießung des Geistes in der Heilszeit (Jes 42,1; 48,16; Hes 39,29; Joel 3) spielen ebenfalls eine Rolle. Sir 25,24: „Von einer Frau nahm die Sünde ihren Anfang, ihretwegen müssen wir alle sterben“; Weish 2,24: „Doch durch den Neid des Teufels kam der Tod in die Welt und ihn erfahren alle, die ihm angehören.“ Zum Folgenden vgl. Wilckens I 310-313.

Der Messias Jesus und Adam 5,12-21 549 ———————————————————————————————————— keit gibt es kein Heil. Wer sündigt, wer das Gesetz übertreten hat und übertritt, hat keine Möglichkeit, das Heil doch noch zu erlangen.

Diese in 4Esra verhandelten Fragen erhellen nicht nur die Aussagen in Röm 5,12-21 über Adam, sondern erklären auch die Unterbrechung des Vergleichs zwischen Adam und Jesus am Ende zwischen V. 12 und V. 18, in der u.a. die Rolle und Funktion des mosaischen Gesetzes behandelt wird. Im Vergleich mit 4Esra ist festzuhalten, dass Paulus in seinen Aussagen über Adam nicht einfach die apokalyptische Tradition übernimmt: Mit seiner Betonung der absoluten Universalität der Sünde geht er über sie hinaus. Die Wendung ει� ς πα' ντας α� νθρω' πους („für alle Menschen; V. 18) meint jeden einzelnen Menschen, ohne Ausnahme. Die entsprechende Aussage in 4Esr 8,35 („Niemand ist der vom Weib Geborenen, der nicht gesündigt, niemand der Lebenden, der nicht gefehlt hat“) ist in ihrem homologischen Kontext nicht numerisch gemeint. Auch wenn die Gerechten nicht zahlreich sind, so gibt es sie in der apokalyptischen Tradition doch, weil es das Gesetz gibt: „Ich werde mich über die Erschaffung der Gerechten freuen, auch über ihre Wanderschaft, und ihr Heil, und ihren Empfang der Belohnung“ (4Esr 8,39; vgl. 7,20). Gott hat sein Gefallen an den wenigen Gerechten: „Der Höchste hat diese Welt für die Vielen geschaffen, aber die zukünftige Welt für die Wenigen … Viele wurden geschaffen, aber wenige werden gerettet“ (4Esr 8,1-3; vgl. 7,49-61). Wer die Existenz von faktisch Gerechten unter den Nachkommen Adams leugnet, leugnet die Heilsmacht der Tora. Und gerade dies tut Paulus. Er leugnet die Heilsmacht des Gesetzes, indem er bestreitet, dass es auch nur einen Menschen gibt, der als Mensch, als Kreatur, gerecht ist und von Gott als gerecht anerkannt werden würde (Röm 1,18–3,20; 5,18). In 5,12-21 entspricht der Radikalität der Sünde Adams in ihrer Universalität die Radikalität der Gnade Gottes in Jesus Christus, die Gottlose rechtfertigt. Die paulinischen Aussagen über die Gnade Gottes bzw. Jesu Christi stehen im Widerspruch zum Grundaxiom der jüdischen AdamTradition, nach der das Gesetz die Gegenmacht zur Sünde ist. Für Paulus hat das Gesetz die Sünde vermehrt: Gottes Gnade schafft Heil, indem die Wirkung des Gesetzes aufgehoben wird (Röm 5,20-21). So wird deutlich, weshalb Paulus seinen Vergleich von Adam und Jesus durch Aussagen über das Gesetz unterbricht (5,13-14.20). Es handelt sich hier nicht um Nebengedanken oder eine Parenthese,7 sondern um einen wesentlichen Bestandteil der Argumentation. Am Thema des Gesetzes zeigt sich der Unterschied zwischen der jüdisch-apokalyptischen Tradition und der paulinischen Theologie. Paulus stimmt zu, dass das Gesetz die Buchungsinstanz der Sünde des ————————————————————

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So Schlier 164.177.

550 Römerbrief ————————————————————————————————————

Menschen ist, lehnt jedoch ein Verständnis des Gesetzes als Gegenmacht gegen die Sünde ab. Die Sünde des Menschen kann durch Gesetzesgehorsam nicht kompensiert werden; sie muss in der Vollstreckung des Todesurteils aufgehoben werden, was durch Gottes Gnade im Sühnetod Jesu am Kreuz geschehen ist. Textkritische Anmerkungen. In V. 12c ist die Auslassung von ο� θα' νατος in D F G 1505 it vor allem im westlichen Text belegt; sie will offensichtlich die Wiederholung des Subjekts von V. 12b vermeiden. In V. 13 lesen statt des gut bezeugten ε� λλογειñται manche Zeugen ε� λλογαñ ται (‫א‬1 1881),8 ε� λλογαñ το („wurde nicht verbucht“; A 1505 u.a.),9 ε� νελογειñτο (‫ *א‬it vgcl) bzw. ε� νελογειñται (‫א‬2), die alle sekundär sind. In V. 14 fehlt μη' in 614 1739* 2495* u.a., was eine theologische Verbesserung ist.10 Die Ersetzung von ε� πι' durch ε� ν (B 1505 u.a.) soll wohl eine stilistische Verbesserung sein. In V. 15 ist die Auslassung von και' (B syp) wahrscheinlich Beseitigung einer Redundanz,11 die Auslassung von ε� ν vor χα' ριτι (F G) ist vielleicht Resultat von Haplographie (mit ε� νο' ς). Die Lesart α� μαρτη' ματος („durch Sünde“; D F G m vgcl syp) statt α� μαρτη' σαντος („[durch den Einen] der sündigte“) in V. 16 ist wohl ein stilistischer Verbesserungsversuch des westlichen Textes.12 Die Hinzufügung von ζωηñ ς hinter δικαι'ωμα (D* vgmss) ist eine sekundäre Anpassung an die Wendung δικαι'ωσιν ζωηñ ς in V. 18. In V. 17 wird die gut bezeugte Wendung τω ñ, τουñ ε� νο' ς ersetzt durch ε� ν ε� νο' ς (1739 1881 u.a. vgst), ε� ν τω ñ, ε� νι' (D) bzw. ε� ν ε� νι' (A D F G), Lesarten, die offensichtlich die Korrespondenz mit der Formulierung ε� ν ζωηñ, im Vers verbessern wollen.13 Die Auslassung des gut bezeugten τηñ ς δωρεαñ ς in B sa Irlat Ambst dient wohl der stilistischen Verbesserung; manche Zeugen schreiben den Akkusativ τη` ν δωρεα' ν (6 104 u.a.) und koordinieren die Formulierung dadurch mit dem vorausgehenden τη` ν περισσει'αν; die Hinzufügung von και' nach τηñ ς δωρεαñ ς (Ψ 0221 365 1505 u.a. lat sy) verfolgt wohl dieselbe Absicht.14 Die Auslassung von τηñ ς δικαιοσυ' νης (C) ist wohl zufällig. Die Lesart Χριστουñ � Ιησουñ (B) statt � Ιησουñ Χριστουñ will vielleicht die Wiederholung der Wendung (V. 15) vermeiden. In V. 18 ist die Hinzufügung von α� νθρω' που nach δι’ ε� νο' ς in ————————————————————

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Bauer / Aland s.v. ε� λλογε' ω: Vermischung der Flexionstypen -ειñν und -αñ ν; vgl. BDR §90. Vielleicht Anpassung an den Kontext; Sanday/ Headlam 135; Jewett 369; die Vergangenheitsform macht aus dem allg. Rechtssatz eine historische Aussage: Zahn 270. Schelkle, Paulus, Lehrer der Väter, 185-186: Durch die Weglassung des μη' erscheint das Sündigen als Nachfolge der Sünde Adams, d.h. als Erbsünde; vgl. Lohse 177 Anm. 14. Jewett 369. Die Lesart wird von Cranfield I 284 für wohl ursprünglich gehalten. Cranfield I 286; Jewett 369; beide ebd. für die folgende Bemerkung; Zahn 276 Anm. 50. Zahn 279; Cranfield I 287; Wilckens I 325 Anm. 1087: Die Lesarten von A G sowie D nivellieren den Unterschied zwischen ειðς und παρα' πτωμα, was 1739 vg korrigieren will. Wilckens I 325 Anm. 1087; Jewett 370.

Der Messias Jesus und Adam 5,12-21 551 ————————————————————————————————————

‫ *א‬u.a. eine sekundäre stilistische Verbesserung. Die Lesart το` παραπτω' μα (F G co?) statt παραπτω' ματος formuliert ein Subj. und will grammatikalisch verbessern. Die Hinzufügung von α� νθρω' που (D* F G) nach τουñ ε� νο' ς ist ebenfalls der Versuch einer stilistischen Verbesserung. III

12 Mit darum (δια` τουñ το) nimmt Paulus im engeren Kontext die Aussage

von V. 9-11 auf, dass Gott durch den Sühnetod Jesu Christi Versöhnung für die Sünder bewirkte; im größeren Kontext von 1,18–5,11 fasst Paulus ab V. 12 seine Aussagen über die Sündenwirklichkeit von Heiden und Juden (1,18–3,20) und über das Heilshandeln Gottes in Tod und Auferstehung Jesu (3,21–5,11) zusammen und formuliert Schlussfolgerungen. Paulus erläutert, dass die von Jesus Christus erwirkte Versöhnung universale Bedeutung hat: Es geht um die Versöhnung des einzelnen Sünders mit Gott, und es geht gleichzeitig um die Lösung des Sündenproblems, dem kein Mensch entkommt, seit Adam Gottes Gebot übertrat und aus Gottes Gegenwart verbannt wurde.15 Der mit der verstärkten Vergleichspartikel ω « σπερ eingeleitete Komparativsatz beantwortet die Frage, wie, d.h. auf welche Art und Weise der Verbinhalt der übergeordneten Konstruktion – erst in V. 18 formuliert16 – verwirklicht wird,17 d.h., auf welche Art und Weise die Gerechtigkeit schaffende Tat Jesu Christi für alle Menschen die Gerechtsprechung bewirkt, die zum Leben führt. Die Antwort auf diese Frage lautet: Die Rechtstat des Sünde sühnenden Todes des Messias Jesus führt zur Gerechtsprechung der Sünder analog der Gesetzesübertretung Adams – als Tat eines Menschen, die für die gesamte Menschheit Konsequenzen hat. Der eine Mensch (ειðς α» νθρωπος) ist Adam, von dem Paulus in V. 12a spricht, wird in V. 14 mit Namen (�Αδα' μ) identifiziert. Judenchristliche Leser des Römerbriefs kennen die Adam-Geschichte aus den synagogalen ————————————————————

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Anders Wolter I 341, der 5,11ff nicht als Schlussfolgerung aus dem Vorangegangenen verstehen will, sondern als Erläuterung des viermaligen „durch Christus“ in V.1.2.11a.b. V. 12-14 ist ein Anakoluth, so die Mehrheit der Exegeten; viele setzen hinter V. 12 Auslassungszeichen (ZÜ, Penna, Wolter) oder einen Bindestrich (Elb.Ü; NASB, NIV, NRSV; Käsemann, Michel, Wilckens, Fitzmyer, Lohse, Jewett); EÜ; NGÜ, NLT lassen δια` τουñ το unübersetzt. Anders LÜ, wo V. 12c και` ου« τως ει� ς πα' ντας α� νθρω' πους ο� θα' νατος διηñ λθεν als Fortsetzung des Vergleichs verstanden wird („so ist der Tod zu allen Menschen durchgedrungen“), dabei και' ignorierend; anders auch Haacker 143, der V. 12b και` δια` τηñ ς α� μαρτι' ας ο� θα' νατος als Fortsetzung des Vergleichs verstehen will („[so] auch durch die Sünde der Tod“; so auch GN; vgl. Biju-Duval, Traduzione, 361-362); diese Interpretationen ignorieren die Tatsache, dass es Paulus nach V. 14c und V. 18-19 eindeutig auf den Vergleich zwischen Adam und Jesus ankommt; Wolter I 342 Anm. 3. HvS §287. Im durchgeführten Vergleich V. 18 steht ω� ς, mit ου« τως als korrelativem Adverb in der übergeordneten Konstruktion.

552 Römerbrief ————————————————————————————————————

Pentateuchlesungen Gen 1,26–5,5, Heidenchristen offensichtlich aus den Unterweisungen durch die Missionare der Gemeinden: Paulus kann ohne weitere Erläuterungen davon ausgehen, dass die Christen in Rom die Schöpfungsgeschichte kannten. Der Vergleich mit Jesus setzt voraus, dass Adam für Paulus eine geschichtliche Person war. In dem Satz wie durch einen Menschen die Sünde in die Welt kam ist die Präpositionalwendung „durch einen Menschen“ betont an den Anfang gestellt: Paulus spricht von Adam und will, wie das einleitende ω « σπερ anzeigt, den einen Menschen Adam mit einem anderen Einen vergleichen. Mit dem Satz „die Sünde kam in die Welt“ (η� α� μαρτι'α ει� ς το` ν κο' σμον ει� σηñ λθεν) spielt auf die Geschichte vom Sündenfall in Gen 2,16–17; 3,1-24 an. Die Verantwortlichkeit von Adam als dem „einen Menschen“ für den Sündenfall ist in der biblischen Erzählung implizit: Adam wurde als erster Mensch von Gott geschaffen, noch vor Eva (Gen 2,7.18-22), und er erhielt das Gebot, von allen Bäumen im Garten zu essen außer vom Baum der Erkenntnis von Gut und Böse (Gen 2,16-17), als Eva noch nicht erschaffen war (Gen 2,18-22). Das heißt, Adam war für das Halten dieses Gebots verantwortlich, auch wenn es Eva war, die als Erste auf die Versuchung der Schlange einging und von der von Gott verbotenen Frucht aß (Gen 3,1-6; am Ende von V. 6 heißt es: „Sie nahm von seinen Früchten und aß; sie gab auch ihrem Mann, der bei ihr war [‫ ;ִעָּמּה‬μετ’ αυ� τηñ ς], und auch er aß“).18 Adam wird im Alten Testament außerhalb der Genesiserzählungen so gut wie nicht erwähnt (in der Genealogie von 1Chron 1,1; eher nicht in Deut 4,32; Hi 31,33; Hos 6,7). In mehreren frühjüdischen Texten wird Adam für den Sündenfall verantwortlich gemacht.19 In 1Kor 15,45.47 wird Adam explizit als „der erste Mensch“ (ο� πρω ñ τος α» νθρωπος) bezeichnet, was in Röm 5,12 implizit vorausgesetzt wird: Die Sünde kam nicht „durch Adam“ in die Welt, weil Adam irgend „ein Mensch“ war, der gesündigt hat, sondern weil er der erste Mensch ist, von dem alle anderen Menschen abstammen, d.h. der Prototyp, dessen Tat dazu geführt ————————————————————

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Es besteht damit weder ein Widerspruch zum Plot der biblischen Sündenfallgeschichte noch die Notwendigkeit, aus der Bezeichnung von Adam als „der Eine“ zu schließen, dass Paulus die Charakterisierung Adams von der Christus-Seite des Vergleichs her vorgenommen hat, wie Wolter I 342 annimmt. Käsemann 134: „Christus ist nicht der ursprüngliche, der gefallene Adam nicht der abgeleitete Mensch.“ Vgl. äthHen 81,3; 4Esr 3,21; 7,11; syrApkBar 48,42; 54,15; 56,5; vgl. 17,2; 23,4; 4Esr 3,7.26; 4,30; 7,11.116. In Sir 25,24 wird Eva für den Ursprung der Sünde verantwortlich gemacht; vgl. ApkMos 32,2; 1Tim 2,14. Vgl. Levison, Adam, 113-143; Tobin, Context, 159-163; J. R. Levison, Art. Adam and Eve, EDEJ 301-302. Von Hinweisen auf die „Herrlichkeit Adams“ (CD III, 20; 1QS IV, 22-23; 1QH IV, 15) abgesehen spielt Adam für die Qumrangemeinde keine Rolle; G. J. Brooke, Art. ‫אדם‬, ThWQ I, 58-61. Kister, Background, vergleicht mit dem späten rabbinischen Text Sifra Hova par. 12,12.

Der Messias Jesus und Adam 5,12-21 553 ————————————————————————————————————

hat, dass alle Menschen Sünder sind.20 Mit Welt (κο' σμος) ist nicht die gesamte Schöpfung, sondern wie in 3,6.19 die Menschheit gemeint, was die Wiederaufnahme von ει� ς το` ν κο' σμον in der Wendung ει� ς πα' ντας α� νθρω' πους („zu allen Menschen“) in V. 12c belegt.21 Mit die Sünde (η� α� μαρτι'α [hē hamartia]; s. zu 2,12; 3,9) bezeichnet Paulus im Zusammenhang der Sündenfallgeschichte das Schuldigwerden und das Schuldigsein vor Gott, die Übertretung des Gebotes Gottes, das unter Absehung von Gottes Willen geführte Leben, und die Macht, die den Menschen so leben lässt. Wenn Paulus formuliert, dass die Sünde „durch“ (δια' ) den einen Menschen in die Welt kam, geht es ihm nicht darum, Adam als Einfallstor der Sünde, die als von Adam verschiedene Person erscheint, zu beschreiben.22 Die Sünde entstand durch das Sündigen eines Menschen in der Welt, sein Sündigen etablierte die Wirklichkeit des Sündigens in und für die Menschheit. Die mit „durch“ übersetzte Präposition δια' ist hier weder örtlich noch im Sinn des Werkzeugs, sondern als Anzeige von Ursache bzw. Urheber zu verstehen.23 Das Verb „hineinkommen“ (ει� σε' ρχομαι) beschreibt keine von außen in die Welt eingedrungene Macht, sondern die Entstehung der Sünde unter den Menschen.24 Paulus spekuliert nicht über die Art und Weise, wie die Sünde in die Welt kam, im Unterschied zu frühjüdischen Texten, wo von Satan (Weish 2,24), Eva (Sir 25,24; VitAd 44; ApkMos 14,32) und dem „bösen ————————————————————

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Wolter I 342 mit Verweis auf Brandenburger, Adam, 162. Bauer / Aland s.v. κο' σμος 6: „d. Welt als Menschenwelt“; LSJ s.v. III.4 (nur mit ntl. Hinweisen). Kuss I 227.228; Hellholm, Universalität, 228 wollen κο' σμος in V. 12a nicht auf die Menschheit beschränken. Die Beteiligung der Schöpfung an der Erlösung der Christen, von der Paulus in Röm 8,19-22 spricht, ist ein anderes Thema, zumal κο' σμος in Röm 8 nicht vorkommt. In den Papyri ist die Bedeutung von κο' σμος als „Welt“, bezogen auf die Menschen, bis jetzt nur in späterer Zeit belegt, interessanterweise im Rahmen von Datierungen von Dokumenten, in denen Kaiser Commodus das Epitheton „der der Welt den Frieden bringt“ (ει� ρηνοποιο` ς τουñ κο' σμου) hat: PSI IX 1036,28; SB XVI 12239,12 (192 n.Chr.); P.Oxy. XXXI 2611,29; SB XX 14390,7 (192–193 n.Chr.); F. Winter, in Arzt-Grabner, 1. Korinther, 91. So Michel 186 mit Verweis auf Heim, Weltschöpfung, 142; vgl. Kuss I 227-228: „Diese Sündenmacht ist wie eine Herrscherin ‚in den Kosmos eingezogen‘, nachdem Adam ihr … den Weg freigemacht hat“; ähnlich Wilckens I 315: Die Formulierung „legt fast die Vermutung nahe, als habe Adam der Sünde gleichsam nur die Gelegenheit gegeben, in die Welt hineinzugelangen“. Brandenburger, Adam, 159; Wolter I 343. Wolter I 342: „unter den Menschen entstehen / ins Dasein treten“, mit Verweis u.a. auf Weish 2,24: „durch den Neid des Teufels kam der Tod in die Welt (ει� σηñ λθεν ει� ς το` ν κο' σμον)“; 14,14: die Gedanken an Götzenbilder waren nicht von Anfang an da, sondern „durch die eitle Ruhmsucht der Menschen sind sie in die Welt gekommen (ει� σηñ λθεν ει� ς το` ν κο' σμον)“. Vgl. BDAG s.v. ει� σε' ρχομαι 3 „to happen, with focus on initial aspect, happen, develop“.

554 Römerbrief ————————————————————————————————————

Herz“ (4Esr 4,30) die Rede ist.25 Dass Paulus hier weder von der Versuchung durch die Schlange noch vom Satan spricht (s. 2Kor 11,3; 1Tim 2,14), zeigt, „daß er nicht vom Ursprung des Bösen, sondern von der Herrschaft der Sünde und vor allem von der dadurch bedingten Herrschaft des Todes über das ganze Menschengeschlecht handelt“.26 Paulus spricht von der Sünde als personifizierte Realität, jedoch nicht im Sinn einer überindividuellen kosmischen Größe, sondern im Sinn einer die menschliche Existenz bestimmende Macht, der keiner der Nachkommen Adams entkommt. Die Aussage V. 12b und durch die Sünde der Tod (και` δια` τηñ ς α� μαρτι'ας ο� θα' νατος) ist elliptisch formuliert:27 „und durch die Sünde kam der Tod in die Welt“. Nach Gen 2,17; 3,3 führt die Übertretung des Gebotes Gottes zum Tod, wobei zunächst der Ausschluss aus der Gegenwart Gottes gemeint ist (Gen 3,22-24), dann auch der physische Tod (Gen 3,19).28 Vor der Sünde Adams gab es keinen Tod. Der Tod ist die Folge der Sünde: Wer sündigt, stirbt. In V. 13 wird Paulus den Zusammenhang von Sünde und Tod im Hinblick auf das mosaische Gesetz erläutern: Das Gesetz verurteilt den sündigenden Menschen aufgrund seiner Übertretung zum Tod. In V. 14 betont er, was er in V. 12b sagt: Der Nexus von Sünde und Tod existierte für den Menschen bereits, als es das Gesetz noch nicht gab. V. 12c formuliert die Konsequenzen29 der Sünde Adams, die nach dem Urteil Gottes den Tod zur Folge hatte: der Tod ist zu allen Menschen gelangt. Subjekt des Satzes ist „der Tod“ (ο� θα' νατος), parallel zum Subjekt „die Sünde“ (η� α� μαρτι'α) in V. 12a. Die Aussage „die Sünde kam in die Welt“ (ει� ς το` ν κο' σμον ει� σηñ λθεν) entspricht der Aussage „der Tod ist zu allen Menschen gelangt“ (ει� ς πα' ντας α� νθρω' πους … διηñ λθεν). Die betont vorangestellte Wendung „zu allen Menschen“ konkretisiert „in die Welt“. Die Sünde Adams hatte Folgen für seine gesamte Nachkommenschaft. Das Verb διηñ λθεν steigert ει� σηñ λθεν: Durch Adam ist die Sünde in die Welt ————————————————————

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Käsemann 138, gegen Feuillet, Règne, 482-483, der auf Satan verweist, sowie gegen Zahn, Schlatter, R. Bultmann, Art. θα' νατος, ThWNT III, 15 und Brandenburger, Adam, 159, die vom bösen Trieb reden; vgl. Dunn I 272. Zahn 262 Anm. 28. Aus V. 12a ist ει� ς το` ν κο' σμον ει� σηñ λθεν zu ergänzen. Gen 3,19: „Im Schweiße deines Angesichts sollst du dein Brot essen, bis du wieder zu Erde werdest, davon du genommen bist. Denn du bist Erde und sollst zu Erde werden (γηñ ειò και` ει� ς γηñ ν α� πελευ' ση, )“ (LÜ). Die jüdische Tradition betont ebenfalls den Zusammenhang vom Sündenfall und dem Tod: Sir 25,24; ApkMos 14,2; 4Esr 3,7.10; syrApkBar 17,2-3; 23,4; 54,15-19; 56,6 (dazu Sailors, Gemeinsamkeiten, 570-575). Zum Tod in V. 12-19 s. Quesnel, Mort, 58-61. Das V. 12c einleitende και` ου« τως hat konsekutive Bedeutung: Paulus formuliert die Folgerung aus V. 12a-b.

Der Messias Jesus und Adam 5,12-21 555 ————————————————————————————————————

gekommen, mit dem Resultat, dass der Tod zu allen Menschen „hinkommt“.30 Weil seit Adam die Sünde die Existenz aller Menschen kennzeichnet, gilt mit tragischer Konsequenz, dass kein Mensch geboren wird, der nicht vom Tod eingeholt wird. Der vierte Satz in V. 12d: weil alle gesündigt haben (ε� φ’ ω ð, πα' ντες η« μαρτον) verbindet den Tod aller Menschen (V. 12c) mit der Wirklichkeit der Sünde (V. 12b); beide sind mit der Sünde Adams verbunden (V. 12a-b). Die Bedeutung des Satzes ist umstritten, weil die Bedeutung von ε� φ’ ω ð, [eph’ hō] verschieð, ist maskulin und bezieht sich als Relativden bewertet werden kann.31 1. Das Pronomen ω pronomen auf ειðς α» νθρωπος V. 12a, d.h. auf Adam, und ε� πι' ist das Äquivalent für ε� ν: „in ihm haben alle gesündigt“, d.h., alle Menschen haben „in Adam“ gesündigt. Diese Interpretation nimmt die Übersetzung in quo der Vetus Latina und der Vulgata auf.32 Diese Interpretation findet man in der westlichen Kirche seit Ambrosiaster.33 Augustin interpretierte als Bezugselement zunächst entweder die Sünde (peccatum) oder Adam (ille unus homo),34 optierte 420 n.Chr. dann aber entschieden für Adam: in illo homine peccaverunt omnes („in diesem Mann haben alle gesündigt“).35 Die lateinischen Exegeten folgten zum großen Teil dieser Interpretation,36 die klassisch die Erbsündenlehre begründete. Vor Johannes Damascenus war diese Interpretation den griechischen Exegeten unbekannt. Diese Interpretation ist aus grammatikalischen Gründen problematisch: ειðς α» νθρωπος V. 12a ist als Bezugselement zu weit von ω ð, V. 12d entfernt,37 und bei dieser Interpretation würde man ε� ν, nicht ε� πι' , erwarten. Manche Exegeten, die die Interpretation für grammatikalisch unbegründet halten, akzeptieren sie aus theologischen Gründen38 mit dem Hinweis auf das Konzept der „corporate personality“, d.h. der Verschränkung von Individual- und Gruppenbezug, wobei das Individuum als ein Repräsentant der Gruppe und die Gruppe korporativ als ein Individuum angesprochen wird.39 Eine Variante dieser Interpretation verseht ω ð, als Neutrum ————————————————————

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Bauer / Aland s.v. διε' ρχομαι 2. mit ει� ς: hinkommen, hingelangen. Für die folgende Zusammenfassung vgl. Kuss I 228-232; Cranfield I 274-275; Fitzmyer 413-417; Brandenburger, Adam, 169-172; Fitzmyer, Consecutive Meaning, 321-339. Zahn 264-265 Anm. 33: „Wie das in quo der lat. Übersetzer urspr. gemeint war, dürfte schwer zu ermitteln sein … Wahrscheinlich verstanden die Lat[einer] ε� φ’ ω ð, = quo tempore“ (vgl. Joh 4,27; 5,7; Mk 2,19). Ambrosiaster 5,12 (CSEL 81, 165): „In quo, id est in Adam, omnes peccaverunt … Manitum itaque est in adam omnes peccasse, quasi in massa; ipse enim per peccatum corruptus, quos genuit, omnes nati sunt sub peccato. Ex eo igitur cuncti peccatores, quia ex ipso sumus omnes.“ Augustin, De peccatorum meritis et remissione 1,10,11 (CSEL 60, 12). Augustin, Contra duas epistolae Pelagianorum 4,4,7 (CSEL 60, 527). Fitzmyer 414 erwähnt für die Interpretation „sive in Adamo, sive in peccato“ Petrus Chrysologus, Ps.-Primasius, Ps.-Bede, Thomas v. Aquin, Denis von Chartres), und für die Interpretation „in Adamo“ Sedulius, Fulgentius, Walafrid Strabo, Alexander von Hales, Hugo von Saint-Cher, Bonaventura. Dies trifft auch auf die Interpretation von Jewett 376 zu, der ε� φ’ ω ð, auf κο' σμος bezieht. Bruce 129-130; Ellis, Use, 58-60; Manson, Notes, 159; Turner, Insights, 116-118. Krieg, Leiblichkeit, 18; den Begriff „corporate personality“ hat Robinson, Corporate Personality, eingeführt; kritisch Porter, Legal Aspects; Rogerson, Corporate Personality.

556 Römerbrief ———————————————————————————————————— und ε� φ’ ω ð, im Sinn von κατ’ ω ð, : „in dem Ausmaß, wie alle gesündigt haben“.40 Cyrill versteht den Satz so, dass alle Menschen in Imitation Adams gesündigt haben. 2. Das Pronomen ω ð, ist maskulin und bezieht sich als Relativpronomen auf ειðς α» νθρωπος V. 12a, d.h. auf Adam, und ε� πι' ist kausal: „weil wegen ihm alle gesündigt haben“, d.h., alle Menschen haben „wegen Adam“ gesündigt.41 Das Verständnis von ε� πι' ist besser als bei der vorausgehenden Interpretation, aber α» νθρωπος als Bezugswort ist auch hier zu weit entfernt. 3. Das Pronomen ω ð, ist maskulin und bezieht sich als Relativpronomen auf ο� θα' νατος in V. 12c: Alle Menschen haben „wegen des Todes“ bzw. „in Richtung auf den Tod hin“ gesündigt. 42 Diese Interpretation ist kaum plausibel: Nach 5,21 und 6,23 ist der Tod die Konsequenz der Sünde, nicht ihr Grund, zumal bei dieser Interpretation θα' νατος nur das irdische Sterben meinen kann, was im Zusammenhang der Geschichte Adams mehr als unwahrscheinlich ist. 4. Das Pronomen ω ð, ist maskulin und bezieht sich als Relativpronomen auf den gesamten vorhergehenden Satz V. 12c: „der Tod ist zu allen Menschen gelangt, und auf Grund hiervon, unter diesen Umständen, sündigten alle Menschen“.43 Diese Interpretation ist die beste Alternative der Erklärungen, die im Sinne eines Relativsatzes interpretieren. 5. Das Pronomen ω ð, bezieht sich im Kontext und von V. 13 her auf νο' μω, : „auf der rechtlichen Grundlage auf der alle gesündigt haben“.44 Diese Interpretation führt einen Gedanken in V. 12d ein, der nicht unmittelbar einsichtig ist. 6. Die Wendung ε� φ’ ω ð, ist als neutrische Konjunktion im Sinn der öfter belegten Verwendung als Vorbehaltsklausel45 zu interpretieren: „und so gelangte der Tod zu allen Menschen unter der Bedingung, dass alle gesündigt haben“.46 Wenn ε� φ´ ω ð, eine Bedingung ausdrückt, folgt meistens ein futurischer Indikativ oder ein Infinitiv; für einen Aorist Indikativ kann man auf Phil 3,12 und einen Brief von Bischof Synesius aus dem vierten Jh. verweisen, wo die Wendung eine erfüllte Bedingung ausdrückt.47 Diese Interpretation sieht in V. 12d eine Bedingung (bzw. Vorbehalt) im Blick auf die Ratifizierung der Sünde Adams durch das Sündigen der einzelnen Menschen. Diese Sicht scheint der Aussage in V. 12a-c zu widersprechen.48 7. Die Wendung ε� φ’ ω ð, ist als Konjunktion mit konsekutiver Bedeutung im Sinn von ω « στε zu verstehen:49 „so gelangte der ————————————————————

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Cyrill von Alexandrien 5.12 (PG 74, 784); Meyendorff, ε� φ' ω ð, ; ähnlich Nygren 158-159. Johannes Chrystostomus 10,1 (PG 60, 474); Theodoret von Cyrrhus 5,12 (PG 82, 100); Johannes Damascenus 5, 12 (PG 95, 477); Theophylakt 5,12 (PG 124, 404); Cerfaux, Le Christ, 178; Cambier, Péchés, 217-255. Als Möglichkeit bei Augustin, Contra duas epistolae Pelagianorum 4,4,7 (CSEL 50, 527); Héring, Royaume, 157; Stauffer, Theologie, 248-249 („der Tod, dem sie Mann für Mann durch ihr Sündigen verfielen“). Zahn 266-267 mit Anm. 37; Zahn, Theologie, 103. Mit Verweis auf Demosthenes, Dion. 42,4-5; Diodorus Siculus, Bib.hist. 2,48,7; Dionysius Halicarnassus, Ant.rom. 11,6,1. So jetzt auch Schreiner 274. Danker, Sin, 431: „On the legal basis in terms of which all (including the Gentiles) sinned.“ Vgl. Schwyzer, Grammatik II, 681; Kühner, Grammatik II/ 2, 505, die diese Verwendung von ε� φ’ ω ð, mit der konsekutiven Konj. ω « στε verbinden. Rothe, Versuch, 17-19; Moulton, Grammar I, 107 („in view of the fact that“); Lyonnet, Sense, 201; Black 81-82. Synesius, Ep. 73 (PG 66, 1440b). Lietzmann 45; Fitzmyer 416. Fitzmyer 416-417; Fitzmyer, Consecutive Meaning, 328-339, mit Verweis auf Plutarch, Cim. 8,6,4; Aratus 44,4,1; Athenaeus, Deipn. 2,49d; Dio Cassius, Hist.rom. 59,19,1-2; 59,20,3; 61,33,8; 63,28,5; 67,4,6; 73,18,2; Diogenes Laertius, Vit.Phil. 7173,1-5; vgl. jetzt auch Matera 127.136; Hellholm, Universalität, 230.

Der Messias Jesus und Adam 5,12-21 557 ———————————————————————————————————— Tod zu allen Menschen, mit dem Resultat dass alle gesündigt haben“. Die Formulierung besagt, dass die Sünden der einzelnen Menschen die Sünde Adams ratifiziert haben. Das heißt: Paulus benennt für den Tod zwei Ursachen, die zusammenhängen: Die primäre Ursache für den sündigen und sterblichen Zustand der Menschen ist die Sünde Adams (unabhängig vom Verständnis von ε� φ’ ω ð, ), die sekundäre Ursache sind die Sünden der einzelnen Menschen.50 Ein Problem dieser Interpretation ist der Bezug zu dem unmittelbar vorausgehenden Satz V. 12c.51 8. Die Wendung ε� φ’ ω ð, ist als kausale Konjunktion im Sinn von ε� πι` του' τω, ο« τι (vgl. Phil 3,12; 2Kor 5,4) zu interpretieren: „der Tod ist zu allen Menschen gelangt, weil alle gesündigt haben“.52 Manche wenden gegen diese Interpretation ein, dass die angeführten Parallelen nicht eindeutig sind.53 Die Interpretationen 4, 7 und 8 sind die plausibelsten. Die Mehrzahl der Exegeten votieren für die letztgenannte Erklärung.54 Die kausale Interpretation erlaubt es, V. 12 als Chiasmus auszulegen, in dem 12a / 12d und 12b / 12c entspricht: V. 12a V. 12d durch einen Menschen alle kam die Sünde in die Welt haben gesündigt V. 12b V. 12c der Tod kam in die Welt der Tod gelangte zu allen Menschen

Abgesehen von der grammatikalischen Erklärung betonten viele Ausleger, dass Paulus in V. 12a-d zwei Ursachen für das Todesverhängnis der Menschen nennt. „Niemand beginnt seine eigene Geschichte, und niemand kann entlastet werden. Jeder bestätigt mit seinem eigenen Verhalten, daß er sich stets in einer von Sünde und Tod gezeichneten Welt vorfindet und ihrem lastenden Fluch unterliegt.“55 Die primäre Ursache ist der Ungehorsam Adams, durch den der Tod in die Welt kam, der seit Adam alle Menschen erfasst. Eine sekundäre Ursache für den Tod des einzelnen Menschen ist die individuelle Sünde jedes Menschen, von der Paulus in 1,18–3,20 unter der Überschrift „die Offenbarung des Zornes Gottes gegen alle Gottlosigkeit ————————————————————

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Fitzmyer 416; Fitzmyer, Consecutive Meaning, 339. Penna 377; vgl. Wolter I 344 Anm. 18. Bauer / Aland s.v. ε� πι' II.1bγ (Ende); BDAG s.v. ε� πι' 6c; BDR §235.2 Anm. 3; HvS §277c; Robertson, Grammar, 963; Bengel 564; Kuss I 230-231; Käsemann 139-140; Cranfield I 277-279; Schlier 162; Michel 187; Dunn I 273; Byrne 183; Moo 321-322; Haacker 143; Hultgren 221-222; Lohse 175; Penna 377; Wolter I 344; Kruse 241; Brandenburger, Adam, 171-172; Hofius, Adam-Christus-Antithese, 172. Lyonnet, Sense, 455; Fitzmyer, Consecutive Meaning, 325-326; Fitzmyer 415-416. Vgl. Elb.Ü, EÜ, GN, LÜ, NGÜ, ZÜ. Wolter I 344, der sich dieser Mehrheit anschließt, übertreibt, wenn er meint, dass „alles andere“ die Argumentation „gänzlich unverständlich machen“ würde. Käsemann 141. Vgl. Cranfield I 274-279; Dunn I 274; Fitzmyer 416; Byrne 177; Wright 527; Lohse 175-176; Kruse 242; Wolter I 345: „Beides – die über die Menschen verhängte Sünde und ihr eigenes Sündigen mit ihren jeweiligen Unheilsfolgen – darf man nicht gegeneinander ausspielen“; allerdings schreibt er zwei Sätze weiter: „Kein Mensch wird als Sünder geboren, und ohne gesündigt zu haben, ist auch kein Mensch ein Sünder“ – was dann doch die „über die Menschen verhängte Sünde“ herunterspielt.

558 Römerbrief ————————————————————————————————————

und Ungerechtigkeit der Menschen“. Das Sündigen der Menschen ist sowohl ein seit Adam bestehendes Verhängnis als auch bewusste Tat und persönliche Schuld jedes einzelnen Menschen; der Tod ist sowohl Resultat von Adams Ungehorsam wie auch Konsequenz der persönlichen Gottlosigkeit und Ungerechtigkeit.56 Die Formulierung „alle haben gesündigt“ (πα' ντες η« μαρτον) in V. 12d entspricht exakt der Formulierung in 3,23, die im Hinblick auf die Gleichstellung von Heiden und Juden, was das Sündersein betrifft, formuliert wurde und den ersten Abschnitt 1,18–3,20 zusammenfasste.57 Diese Perspektive wird in V. 13-14 aufgenommen, wo es ebenfalls um die Unterscheidung der Menschen in Heiden und Juden geht, die jedoch, wie Paulus betont, für die Wirklichkeit der Sünde keine Rolle spielt. 13-14 Paulus klärt den Vergleich von Adam und Jesus mit einem durch denn (γα' ρ) eingeleiteten Abschnitt zu der Frage nach dem Zusammenhang zwischen der Sünde und dem Gesetz. Die Frage entsteht, weil die jüdische Tradition das Gesetz und das Tun des Gesetzes als Gegenmacht gegen die mit Adam in die Welt gekommene Sünde betrachtete. Paulus betont, dass die Wirklichkeit der Sünde unabhängig ist vom mosaischen Gesetz. Die Realität des Todes beweist, dass die seit Adam in der Welt vorhandene Sünde von der Definition von „Sünde“ im mosaischen Gesetz unabhängig ist: Sünde ist eine universale Wirklichkeit der conditio humana, für die das Heilshandeln Gottes in Jesus Christus die Antwort ist. Die Interpretation von V. 13-14 hat vielen Exegeten Schwierigkeiten bereitet. R. Bultmann spricht im Blick von einer „Verwirrung“, die sich vernünftigem Denken entziehe; Räisänen meint, V. 13 störe das Argument; H. Hübner sieht eine Unausgeglichenheit zwischen 5,13 und 2,12.14, E. P. Sanders attestiert einen Widerspruch.58 U. Wilckens argumentiert gegen ein Verständnis von V. 13-14, das zwischen Sünde als nicht selbst verantwortete Tat (d.h. Erbsünde) in der Zeit zwischen Adam und Mose und Sünde als bewusstes Sündigen unterscheidet; Paulus zielt nicht auf eine Unterscheidung zwischen Adams Sünde und der Sünde der Menschen zwischen Adam und Mose (wie kein Gebot übertreten, wie Adam es tat, und wie es nach der Offenbarung des mosaischen Gesetzes möglich war), sondern auf eine Unterscheidung der Situation aller Sünder von Adam bis Mose von der Situation aller Sünde nach Mose; vor Mose wurden die Sünden nicht mit eschatologisch-forensischer Kraft fest————————————————————

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Die Gleichzeitigkeit vom Sündigen als Verhängnis und persönlicher Verantwortung für das eigene Sündigen entspricht frühjüdischem Verständnis: „Mit Recht gehen die zugrunde, die dein Gesetz nicht geliebt; und des Gerichtes Pein erwartet die, die deiner Hoheit nicht geglaubt haben. Denn wenn auch Adam zuerst gesündigt und über alle den vorzeitigen Tod gebracht hat, so hat doch auch von denen, die von ihm abstammen, jeder einzelne sich selbst die zukünftige Pein zugezogen“ (syrApkBar 54,14-15). Vgl. Myers, Chiastic Inversion, 38-39. Bultmann, Adam, 433; Räisänen, Paul, 147; Hübner, Gesetz, 74; Sanders, Law, 35-36; ähnlich Boer, Death, 165-166.

Der Messias Jesus und Adam 5,12-21 559 ———————————————————————————————————— geschrieben – dies bewirkt (erst) das mosaische Gesetz.59 Es mutet widersprüchlich an, wenn Wilckens einerseits schreibt: „Der Tod kann also nicht wirklich herrschen (V 14) ohne das Gesetz (vgl. V 21!)“, und andererseits betont, der Betonung der zeitlichen Priorität von Sünde und Tod vor dem Gesetz solle dieses „nicht etwa in seiner Bedeutung für die Herrschaft von Sünde und Tod abgewertet, sondern gerade herausgestellt werden“, und es gehe darum, „daß eine universale ‚Solidarität‘ alles Sündigens besteht, durch die faktisch vom Anfang der Geschichte an alle Menschen immer schon betroffen sind, so daß Sünde und Tod über sie herrschen“. J. Poirier betont die Logik der Argumentation in V. 13-14 in Kontext von V. 12 und 1,18– 3,20, besonders 2,14; 3,9. Er identifiziert eine primäre Prämisse: Tod setzt Sünde voraus (5,12; vgl. 6,23), und Sünde setzt das Gesetz voraus (5,13; vgl. 4,15; 7,8; 1Kor 15,56), eine sekundäre Prämisse: Der Tod herrschte von der Zeit Adams bis zur Zeit Moses (5,13), und die Schlussfolgerung: Die Menschen, die zwischen Adam und Mose lebten, waren genauso unter Gesetz, wie es die Juden jetzt sind.60 Das heißt, wo Tod ist, muss es ein Gesetz geben. Das Gesetz vor Mose ist das universale Gesetz, von dem Paulus in 2,14 im Blick auf Heiden spricht. Paulus will in 5,13-14 den Nexus zwischen Sünde, Tod und Gesetz nicht qualifizieren, sondern neu aktivieren. Diese Interpretation hat den Vorteil, dass sie den Vorwurf, V. 13-14 böten im Kontext eine verwirrte Logik, widerlegt, und sie nimmt die Tatsache ernst, dass Paulus in 1,18-32 von einem für alle Menschen, auch für die Heiden, universalen Willen Gottes ausgeht, dessen Nichtbeachtung die Menschen zu Sündern macht. Was diese Interpretation letztlich nicht plausibel sein lässt, sind zwei Faktoren: 1. Der Zielpunkt der Argumentation in V. 13-14 ist nicht die Universalität des Gesetzes, sondern die Universalität der Sünde. 2. Die Aussage in V. 13b wird unverständlich, weil Poirier behaupten muss, dass die Sünde auch in der Zeit zwischen Adam und Mose „gezählt“ wurde.

Die Aussage V. 13a Sünde gab es in der Welt (α� μαρτι'α ηò ν ε� ν κο' σμω, ) formuliert die Folge von V. 12a (η� α� μαρτι'α ει� ς το` ν κο' σμον ει� σηñ λθεν; „die Sünde kam in die Welt“) und verallgemeinert V. 12d (πα' ντες η« μαρτον; „alle haben gesündigt“). Weil alle Menschen gesündigt haben, gibt es die Sünde, d.h. das Sündigen in der Welt. κο' σμος [kosmos] bezeichnet hier die Welt der Menschen, d.h. die Menschheit. Weil die Sünde infolge der Sünde Adams in der Welt war, gab es sie seit Adam schon immer, auch vor der Zeit des Gesetzes (α» χρι νο' μου; wörtl. „bis zum Gesetz“). Gemeint ist die Zeit von Adam bis Mose (α� πο` �Αδα` μ με' χρι Μωυ¨ σε' ως; V. 14a). Weil Tod die Folge der Sünde ist, und weil die Menschen, die zwischen Adam und Mose geboren wurden, gestorben sind, besteht kein Zweifel, dass die Menschen auch in dieser Zeit sündigten. Die Sünde Kains (Gen 4,8-12) und der Zeitgenossen Noahs (Gen 6,1-6) sind die prominentesten Beispiele. Der Satz V. 13b die Sünde wird aber nicht verbucht, wenn kein Gesetz da ist unterscheidet die Sünde Adams und die Sünden seit Mose von den Sünden zwischen Adam und Mose. Die in dieser Zeit begangene Sünde (α� μαρτι'α) wurde „nicht verbucht“ (ου� κ ε� λλογειñται), d.h. nicht als detaillierte ————————————————————

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Wilckens I 318-320. Die folgenden Zitate ebd. 319.321. Poirier, Universality, 344-357, Syllogismus ebd. 352; zum zweiten Punkt ebd. 353.

560 Römerbrief ————————————————————————————————————

Tatsünde in die himmlische Buchführung eingetragen und so „angerechnet“.61 Das Bild vom Verbuchen der Sünde stellt die einzelnen Sünden in Analogie zu finanziellen Schulden dar, die bezahlt werden müssen bzw. getilgt werden. Im Hintergrund des Bildes steht die Vorstellung einer Buchführung Gottes, die auf Dan 7,9-10 zurückgeht: „Ich sah immer noch hin; da wurden Throne aufgestellt und ein Hochbetagter nahm Platz … Das Gericht nahm Platz und es wurden Bücher aufgeschlagen (‫ ; ִסְפ ִרין פְִּתיחּו‬LXX βι'βλοι η� νοι'χθησαν)“ (EÜ).62 Paulus betont: Wenn „kein Gesetz da ist“ (μη` ο» ντος νο' μου), d.h. in der Zeit, als es das mosaische Gesetz noch nicht gab, war Sünde nicht Übertretung der konkreten, offenbarten Gebote Gottes. Die empirische Unterschiedenheit der Sünde Adams, Israels und der Juden von den zwischen Adam und Mose begangenen Sünden bedeutet nicht, dass Menschen in dieser Zeit nicht von Gott für ihre Sünde bestraft wurden: trotzdem regierte der Tod von Adam bis Mose auch über die Menschen, die nicht entsprechend der Übertretung Adams gesündigt hatten (V. 14a). Wie die Sünde eine vom mosaischen Gesetz unabhängige Wirklichkeit ist, so ist auch der Tod eine Realität, die im Kontext von 1,32 als Strafe Gottes für die Sünde der Heiden zu verstehen ist.63 Heiden, und damit auch die Menschen zwischen Adam und Mose, besitzen zwar das mosaische Gesetz nicht, dessen konkreten Geboten sie gehorchen sollen. Sie kennen jedoch nach 1,32 die Rechtssetzung Gottes, d.h. den Willen Gottes, ————————————————————

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Mit „anrechnen“ übersetzen EÜ, GN, LÜ, NGÜ; Elb.Ü: „zurechnen“, ZÜ „registrieren“. Bauer / Aland s.v. ε� λλογε' ω: Das Verb ist kaufmännischer terminus technicus mit der Bedeutung „auf die Rechnung setzen, anrechnen“, so in Phlm 18. Vgl. Arzt-Grabner, Philemon, 239-240 für Papyrusbelege des Verbs, mit dem das In-Rechnung-Stellen einer finanziellen Forderung bzw. Schuld bezeichnet wird: P.Aust.Herr. 12; O.Mich I, 1; P.Fam.Tebt. 24,4 Z. 100-102; P.Oxy. XLIV 3491 Frag. 1, 18-19; P.Stras. I, 32; P.Ryl. II, 243. Für die metaphorische Bedeutung des Verbs s. BGU I, 140 Z. 32: Kaiser Hadrian autorisiert die Ankündigung bestimmter Privilegien für seine Soldaten und will nicht den Anschein erwecken, dass er mit ihnen abrechnen will. Kol 2,14: „Er hat den Schuldschein, der gegen uns sprach (ο` καθ’ η� μω ñ ν χειρο' γραφον), durchgestrichen.“ In der frühjüdischen Literatur vgl. äthHen 81,4; 89,61-64.70-71; 98,78; 108,7-8; Jub 30,17-18.23; 39,6; TestBenj 11,4; syrApkBar 24,1. Gegen H. Preisker, Art. ε� λλογε' ω, ThWNT II, 514-515, der meint, die Menschen zwischen Adam und Mose hätten „aus dem mit Adams Fall gegebenen sündlichen [sic] Gesamtzustand heraus“ gesündigt, „nicht in bewußter Feindschaft gegen Gott … Der Tod, den sie starben, war darum umfassendes, in Adam gesetztes Schicksal, nicht Strafe. Gewiß hat Gott auch in dieser Zeit Sünde gestraft (R 2,12ff), aber nicht mit dem Tode.“ Dies widerspricht den Aussagen in Röm 1,18-21.32. Richtig Friedrich, �Αμαρτι' α ου� κ ε� λλογειñται, 131: Der Tod erfolgte „als sofortige Strafe in der Zeit von Adam bis Mose über die, die nicht ein konkretes Gottesgebot übertreten hatten, wie es bei Adam der Fall war“; vgl. Lohse 177. Wilckens I 317-321 kritisch gegen Exegeten, die Erbsünde von Tatsünde unterscheiden wollen.

Der Messias Jesus und Adam 5,12-21 561 ————————————————————————————————————

wie er in den Werken der Schöpfung erkannt werden kann und unter dessen Rechtsforderung die Heiden stehen (s. zu 1,32).64 Die Wendung „der Tod regierte“ (ε� βασι'λευσεν ο� θα' νατος) betont die Herrschaft des Todes über die Menschen: Kein Mensch kann dem Tod entkommen. Paulus wiederholt die Wendung in V. 17; in V. 21 verbindet er Sünde und Tod in der Aussage, dass die Sünde durch den Tod regiert (s. zu V. 21). Die Herrschaft des Todes war auch für die Menschen eine Wirklichkeit, die in der Zeit „von Adam bis Mose“ (α� πο` �Αδα` μ με' χρι Μωυ¨ σε' ως) lebten und „nicht entsprechend der Übertretung Adams gesündigt hatten“. Die Sünde Adams wird als „Übertretung“ (παρα' βασις; s. zu 2,12.23) bezeichnet, d.h. als Bruch eines konkreten Gebotes: Adam sündigte gegen das Gebot, nicht vom Baum der Erkenntnis von Gut und Böse zu essen (Gen 2,16-17). Die seit Mose lebenden Israeliten und Juden sündigen gegen die Gebote des Gesetzes und damit „in Entsprechung“ zu Adam. Das mit „entsprechend“ übersetzte Substantiv (ο� μοι'ωμα [homoiōma])65 bezeichnet gleichzeitig Differenz und Identität: Die Menschen vor Mose sündigten nicht genauso, wie Adam und wie Israel sündigen, aber ihre Sünde war genauso wie die Sünde der nach Mose lebenden Menschen die Nichtbeachtung des Willens Gottes. Die Erklärung, dass der Tod „auch“ (και') über die Menschen von Adam bis Mose herrschte, zeigt im Horizont der Aussagen von 1,18-32, dass der Tod der Menschen, die das Gesetz nicht hatten, ebenso die Konsequenz von Sünde ist wie der Tod der Menschen, die durch Gebotsübertretung sündigen. Der Tod der Menschen zwischen Adam und Mose ist das Resultat ihrer Sünde, die als Gottlosigkeit und Ungerechtigkeit (1,18) den Zorn Gottes zur Folge hat und mit dem Tod bestraft wird (1,32). In V. 14b kehrt Paulus zum Vergleich zwischen Adam und Jesus zurück. Das Relativpronomen des Satzes der das Muster des Zukünftigen ist (ο« ς ε� στιν τυ' πος τουñ με' λλοντος) bezieht sich auf Adam, der Ausdruck „der Zukünftige“ (ο� με' λλων) meint Jesus Christus.66 „Muster“ (τυ' πος) ist ————————————————————

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Die Meinung, Paulus wolle die Bedeutung der Tora relativieren, ist im Text nicht angezeigt: Paulus erklärt, dass es den Nexus zwischen Sünde und Tod auch in der Zeit gab, in der die mosaische Tora noch nicht vorhanden war. Gegen Brandenburger, Adam, 201203 meint, Paulus wolle die universale, entscheidende Stellung des Gesetzes bestreiten; ähnlich Wolter I 348. Bauer / Aland s.v. ο� μοιω' μα 1. Gleichheit; 2. Bild, Abbild; 3. Gestalt, Figur; J. Schneider, Art. ο� μοι' ωσις κτλ., ThWNT V, 190-197; Holtz, EWNT II, 1253-1255; Vanni, � Ομοι' ωμα. Paulus verwendet das Subst. in Röm 1,23; 5,14; 6,5; 8,3; Phil 2,7; vgl. Offb 9,7. Für die folgende Aussage s. Holtz, ebd. 1255. Anders Haacker 145, der das Neutrum το` με' λλον liest und im Sinn des kommenden Geschehens interpretiert; ebenfalls wenig plausibel ist Schellenberg, Type, der ο« ς auf παρα' βασις und τουñ με' λλοντος auf die Realität der Gesetzesübertretung seit Mose bezieht. Zu Recht kritisch Wolter I 348 Anm. 34.

562 Römerbrief ————————————————————————————————————

hier nicht das „Vorbild“ (vgl. 1Thess 1,7; Phil 3,17), sondern, im Rahmen der sowohl vergleichenden als auch kontrastierenden Gegenüberstellung von Jesus und Adam in V. 15-17.18-19, das „Urbild“, mit dessen Hilfe Paulus die Bedeutung des Gehorsams Jesu veranschaulicht. Die Grundbedeutung von τυ' πος [typos]67 ist das Schlagen (τυ' πτω) im Sinne von Prägen, wobei das Wort sowohl das Prägende als auch das Geprägte bezeichnen kann. So kann einerseits die Form, in die der Ton gegossen wird und die dann z.B. der Tonfigur ihre Gestalt gibt, mit τυ' πος bezeichnet werden (Dio Chrysostomus, Or. 60,9), als auch der Abdruck, den ein Topf in der Asche zurücklässt (Plutarch, Mor. 727c; vgl. Joh 20,25, wo τυ' πος für die Wundmale verwendet wird, die die bei der Kreuzigung Jesu verwendeten Nägel hinterlassen haben). In den dokumentarischen Papyri bezeichnet τυ' πος häufig eine bestimmte „Abfassungsform“ eines Schriftstücks (P.Mich. I, 9 verso Z. 3; II, 123 recto, Kol. II Z. 38; P.Amst. I, 33). Wird das Wort in metaphorischem Sinn verwendet, bedeutet es einerseits „Muster“, „Vorbild“ oder „Urbild“: Ex 25,40 bezeichnet τυ' πος das himmlische Modell der Stiftshütte, die Mose bauen soll; 1Tim 4,12 fordert Paulus den Timotheus auf, den Gläubigen ein Vorbild zu sein (vgl. Phil 3,17; 1Thess 1,7; 1Petr 5,3). Oder τυ' πος bedeutet „Abbild“: Josephus, Ant. 1,310-311 bezeichnet die heidnischen Götterbilder als τυ' ποι der Götter; Artemidorus, Oneir. 2,45 sind Kinder die τυ' ποι ihrer Eltern. Mit τυ' πος ist immer eine Nachbildung der einen oder anderen Art gemeint.68 In Röm 5,14 (und 1Kor 10,6) ist historisch Früheres τυ' πος von historisch Späterem.69 Diese Interpretation folgt keiner bestimmten hermeneutischen Methode der Interpretation von Geschichte oder der Auslegung der heiligen Schrift, wie oft angenommen wird:70 „Die Typologie ist bei Paulus noch nicht zu einer technisch anwendbaren Methode erstarrt“.71 D.-A. Koch kommt zu dem Schluss: Typologie ist bei Paulus „kein Verfahren der Textauslegung und darüber hinaus auch kein die Schrift und deren Überlieferungen insgesamt umgreifendes hermeneutisches Konzept. Für Paulus charakteristisch ist, daß die beiden einzigen ausgeführten typologischen Gegenüberstellungen ausschließlich und einseitig antithetisch strukturiert sind, während typologische Gegenüberstellungen, in denen der vergangene und der gegenwärtige Sachverhalt in positiver Weise einander zugeordnet sind (z.B. in der Typologie vom alten und neuen Bund), bei Paulus nur als Tradition erscheinen und von ihm in jeweils charakteristischer Weise abgeändert werden.“72 ————————————————————

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Bauer / Aland s.v. τυ' πος 1. d. sichtbare Eindruck; 2. Abbild; 3. d. Geformte; 4. Form, Gestalt; 5. Typus, Vorbild, Muster; 6. „v. den durch Gott als Hinweis auf die Zukunft gegebenen Pers. od. Sachen“ (Röm 5,14; 1Kor 10,6); BDAG s.v. τυ' πος 6 definiert allg.: „an archetype serving as a model“; vgl. MM s.v. τυ' πος. Vgl. L. Goppelt, ThWNT VIII, 246-260; G. Schunack, EWNT III, 892-901; Spicq, TLNT III, 384-388; H. Müller / W. Pratscher, ThBLNT I, 179-181; Arzt-Grabner, 1. Korinther, 366; Horsley/Llewelyn, New Documents I, 77-78; II, 41-42; Ostmeyer, Taufe, 13-36; Wolter I 348-349. E. A. Judge, in Horsley/Llewelyn, New Documents I, 77-78: „replication in some form or other (e.g. a seal impression, an image, an archetype, an outline, a set form …)“. So die Formulierung von Wolter I 349. Goppelt, Typos; Goppelt, ThWNT VIII, 251-257; Luz, Geschichtsverständnis, 52-60; Koch, Schrift, 216-220; Baker, Typology; Julius, Schrifttypologien. Müller / Pratscher, ThBLNT I, 181; vgl. Wolter I 348; zur Kritik an Goppelt s. Ostmeyer, Taufe, 43-52; Ostmeyer, Typologie. Koch, Schrift, 219. „Einseitig antithetisch“ ist die Gegenüberstellung allerdings nicht: V. 18-19 zeigen das beiden Gemeinsame. Wolter I 349.

Der Messias Jesus und Adam 5,12-21 563 ———————————————————————————————————— Die deutschen Übersetzungen von τυ' πος in Röm 5,14 bieten „Bild“ (Elb.Ü, LÜ), „Gegenbild“ (NGÜ, ZÜ, EÜ Anm., Wilckens), „genaues Gegenbild“ (GN), „Gestalt“ (EÜ); „antithetische Entsprechung“ (Schunack, EWNT III, 899), „Muster“ (Wolter), „Vorbild“ (Haacker), „Urbild“ (Käsemann; Lohse). E. Brandenburger spricht von „geschichtliche Vorabbildung und Vorausdarstellung“.73

Sowohl Adam als auch Jesus Christus sind „prägende Erstlinge“ einer Vielzahl von Menschen.74 Paulus wird in V. 18-19 erläutern, wie das Tun eines Einzelnen das Geschick Vieler bestimmt. 15 Vor der Durchführung des Vergleichs von Adam und Jesus klärt Paulus in V. 15-17 zunächst, inwiefern Adam und Jesus verschieden sind. Er erläutert den Unterschied zwischen dem mit Adam verbundenen Geschehen und dem mit dem Messias Jesus verbundenen Geschehen in drei Schritten:75 1. Die Heilsfolge des Jesus-Messias-Geschehens überbietet bei Weitem die Unheilsfolge Adams, weil Gott in Jesus, dem Messias, selbst zum Heil der Vielen gehandelt hat (V. 15). 2. Die Heilsfolge unterscheidet sich grundsätzlich von der Unheilsfolge, weil sie den Vielen das Geschenk der Gnade Gottes erwirkt und den Sündern Gerechtigkeit verleiht. 3. Die Heilsfolge ist von der Unheilsfolge verschieden, weil sie von ewiger Dauer ist. V. 16-17 gehören strukturell zusammen: V. 16 beginnt mit ου� χ ω� ς, wie V. 15a; in V. 17 entsprechen drei Elemente V. 15: der mit ει� γα' ρ formulierte Konditionalsatz, der Beginn ει� γα` ρ τω ñ, τουñ ε� νο` ς παραπτω' ματι entspricht wörtlich V. 15b, das πολλω ñ, μαñ λλον Argument entspricht V. 15c. Deshalb gehen manche von einem Argument in zwei Schritten aus. 76 Inhaltlich sind V. 15 / 16-17 jedoch nicht parallel, eine Analyse in drei Schritten ist plausibler. Paulus verwendet V. 15-17 sechs nomina rei actae mit der Endung -μα, die das Ergebnis einer Handlung bezeichnen (BDR §109.1; HvS §363c): παρα' πτωμα (V. 15[2x].16.17), χα' ρισμα (V. 15.16), δω' ρημα (V. 16), κρι' μα (V. 16), κατα' κριμα, (V. 16), δικαι' ωμα (V. 16).77

Die Wendung jedoch nicht (α� λλ’ ου� χ; V. 15a) markiert den ersten Unterschied zwischen dem Adam-Geschehen und dem Jesus-Messias-Geschehen. Paulus vergleicht die Verfehlung (το` παρα' πτωμα; s. zu 2,12; 4,25), d.h. die Sünde Adams, mit der Gnadengabe (το` χα' ρισμα; s. zu 1,11), d.h. mit dem Handeln Gottes im Messias Jesus.78 Die Tat Adams ist Verfehlung, d.h. ————————————————————

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Brandenburger, Adam, 241. Wolter I 347, im Anschluss an Ostmeyer, Taufe, 47. Vgl. Ostmeyer, Typologie, 128: „Zwischen Adam und Christus existieren nur zwei Gemeinsamkeiten: zum einen das Menschsein und zum anderen die Rolle des Prägenden bzw. die Stammvaterfunktion.“ Wolter I 351-355; vgl. Kuss I 237; Käsemann 145; Schlier 171. Wilckens I 322-326; Bornkamm, Anakoluthe, 82; Brandenburger, Adam, 227-229. Wolter I 349-350: „Paulus bringt damit zum Ausdruck, dass es diese Aspekte des Adamgeschehens und des Christusgeschehens sind, über die er jetzt nachdenkt.“ In der Formulierung α� λλ’ ου� χ ω� ς … ου« τως και' ist jeweils ein ε� στι' ν zu ergänzen; wörtlich: „jedoch nicht so wie die Verfehlung (ist), (ist) die Gnadengabe“.

564 Römerbrief ————————————————————————————————————

Übertretung des Gebotes, das Gott ihm gegeben hatte (Gen 2,16-17). Wenn Paulus semantisch konsequent das Verhalten Adams mit dem Verhalten Jesu vergleichen würde, wäre der Gegenbegriff zu παρα' πτωμα [paraptōma] mit υ� πακοη' wiederzugeben (so V. 19). Stattdessen schreibt Paulus χα' ρισμα ([charisma]; s. zu 1,11), d.h., er verweist auf die Heilsfolge der Tat Jesu, die er in V. 15c als Gnade Gottes beschreibt.79 Wenn Paulus in V. 15a die Tat Adams mit dem Handeln Gottes vergleicht, und wenn es in 5,12-21 grundlegend um eine Gegenüberstellung von Adam und Jesus Christus geht (V. 14b.18-19), ist die Gegenüberstellung in V. 15a von der Verfehlung Adams und der Gnadengabe Gottes ein Hinweis auf die Einbeziehung des Messias Jesus in die Identität des Gottes Israels (s. zu 1,3-4). In V. 15b-c beschreibt Paulus mit einem indefiniten Konditionalsatz die Tat Adams und ihre Unheilsfolge für die Vielen.80 Der Anschluss mit denn (γα' ρ) V. 15b belegt die Aussage V. 15a: Adams Tat kann mit dem Handeln Gottes im Messias Jesus eigentlich nicht verglichen werden. Die Bedingung wenn aufgrund der Verfehlung des Einen die Vielen gestorben sind (ει� τω ñ, τουñ ε� νο` ς παραπτω' ματι οι� πολλοι` α� πε' θανον) ist tatsächlich erfüllt. Der „Eine“ ist Adam, wie in V. 12.14, wo vom Tod aller Menschen die Rede war (vgl. V. 17).81 Die Tat Adams wird wie in V. 15a als „Verfehlung“ bezeichnet. Die Sünde des Einen war der Grund, weshalb die Vielen dem Tod anheimgefallen sind. Die Verfehlung Adams resultierte in universalem Tod. In V. 15c beschreibt Paulus das Handeln Gottes durch den Messias Jesus. Diese Beschreibung ist ausführlicher als der kurze Hinweis auf die Tat Adams, was die Unvergleichlichkeit von Adam und Jesus Christus unterstreicht, rhetorisch angezeigt mit um wieviel mehr (πολλω ñ, μαñ λλον). Paulus nennt ein doppeltes Handeln Gottes: die Gnade Gottes und das Geschenk aufgrund der Gnade. Die „Gnade Gottes“ (η� χα' ρις τουñ θεουñ ) ist hier die von Gott gewährte Gunst, die konkrete Betätigung seines Wohlwollens, das von Gott geschenkte Heil (für χα' ρις s. zu 1,5; 3,24). Paulus betont mit der Formulierung „Geschenk aufgrund der Gnade“ (η� δωρεα` ε� ν χα' ριτι), ————————————————————

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Käsemann 131.145 übersetzt χα' ρισμα in V. 15a als „Gnadenwerk“, wofür es keinen lexikographischen Anhalt gibt (Wilckens I 322). Wolter I 351 folgert aus der Bedeutung von χα' ρισμα, dass παρα' πτωμα nicht nur die Tat Adams bezeichnet, sondern auch ihre Unheilsfolge beinhaltet; Wolter betont, dass Paulus in V. 15a die Tat Adams mit dem Handeln Gottes vergleicht. Vgl. Wilckens I 322, im Anschluss an Jüngel, Gesetz, 62: „‚Verfehlung‘ ist Tat, χα' ρισμα dagegen Widerfahrnis.“ Die Bedingung ει� τω ñ, τουñ ε� νο` ς παραπτω' ματι οι� πολλοι` α� πε' θανον des Konditionalsatzes ist tatsächlich erfüllt, d.h., „wenn“ entspricht dem kausalen „weil/da“; vgl. HvS §281a. V. 15b οι� πολλοι' entspricht κο' σμος und πα' ντες α� νθρω' ποι V. 12 (vgl. V. 18). Der Dativ τω ñ, παραπτω' ματι ist dat. causae. Die Formulierung ει� τω ñ, τουñ ε� νο` ς παραπτω' ματι wird in V. 17a wiederholt.

Der Messias Jesus und Adam 5,12-21 565 ————————————————————————————————————

dass die Heilsfolge des Handelns Gottes in Jesus Christus kein Verdienst der Menschen ist, die das Heil Gottes erhalten, sondern ein „Geschenk“,82 das aufgrund von Gnade möglich und wirklich wurde.83 Mit den Vokabeln χα' ρις und δωρεα' knüpft Paulus in 3,24 an. Im engeren Kontext besteht Gottes Geschenk in der Gerechtsprechung des Sünders (5,16.18), in der Gerechtigkeit (V. 17.21), im ewigen Leben (V. 17.18.21), im weiteren Kontext: das Geschenk des Friedens mit Gott (V. 1), der Hoffnung auf die Teilhabe an der Herrlichkeit Gottes (V. 2), der Wirklichkeit der Liebe Gottes (V. 5), der Gabe des Heiligen Geistes (V. 5), der Rettung im Zorngericht Gottes (V. 9), der Versöhnung mit Gott (V. 10). Die Verfehlung Adams war eine Tat, die zum Tod führte; das Handeln Gottes ist Gnade, die dem Sünder das Geschenk des Heils zuteilwerden lässt. Das Handeln Gottes mit seiner Heilsfolge ist auf Jesus von Nazareth bezogen, den Messias Israels: Gottes Gnade ereignete sich durch einen Menschen, den Messias Jesus (τηñ, τουñ ε� νο` ς α� νθρω' που � Ιησουñ Χριστουñ ). Wie Adam ein Mensch war, dessen Handeln für viele, d.h. alle Menschen den Tod brachte, so ist Jesus ein Mensch, dessen Handeln die Gnade Gottes und das Geschenk der Gerechtigkeit ermöglichte.84 Das Wort „Mensch“ (α» νθρωπος) beinhaltet, dass Paulus von Gestalten der Geschichte spricht, nicht von Prinzipien oder von als Mythen verkleideten Mächten.85 Es geht um Adam, der nach Gen 3 gesprochen, gehandelt und gesündigt hat. Und es geht um Jesus von Nazareth, der als Messias Israels gelebt hat, gestorben und von den Toten auferstanden ist.86 ————————————————————

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Vgl. F. Büchsel, Art. δω ñ ρον κτλ., ThWNT II, 169-170; G. Schneider, Art. δωρεα' , EWNT I, 880-882; H. Vorländer / O. Becker, ThBLNT I, 595-600, ebd. 597 zu V. 15: „die Gnade als Geschenk“. Vgl. Arzt-Grabner, 2. Korinther, 442-444 für Papyrusbelege für sog. δωρεα' -Besitzungen, d.h. vom (ptolemäischen) König an Günstlinge des Hofes vergebenen Domänen (P.Rev. Kol. XXXVI, Z. 14-15; Kol. XLIII, Z. 11-12; P.Cair.Zen. II 59173,3.22, dazu Wipszycka, Δωρεα' ). Ab dem 1. Jh. n.Chr. steht δωρεα' meistens für einen kaiserlichen „Gnadenerweis“ bzw. ein vom Kaiser erlassenes Privileg (BGU I 140,28-31; II 655,6-8). D.h., η� χα' ρις τουñ θεουñ entspricht η� δωρεα` ε� ν χα' ριτι; die Präpositionalwendung ε� ν χα' ριτι ist Attribut zu η� δωρεα' (Zahn 275 Anm. 48; Cranfield I 285; Michel 189; Wilckens I 322 Anm. 1077; Jewett 381; Wolter I 351) und kann modal (Wolter I 351 Anm. 45) oder kausal interpretiert werden. Ausleger, die η� δωρεα` ε� ν χα' ριτι im Sinn von η� δωρεα` τηñ ς χα' ριτος verstehen (Wilckens, im Anschluss an Brandenburger, Adam, 220), interpretieren epexegetisch als „gnädiges Geschenk“ (Lohse) oder „Gnadengeschenk“ (Wilckens; Käsemann: „Gnadenmacht“), oft verbunden mit dem Bezug der Apposition τηñ, τουñ ε� νο` ς α� νθρω' που � Ιησουñ Χριστουñ auf δωρεα' anstatt auf χα' ρις. Eine Anspielung auf die Selbstbezeichnung auf Jesus als „Menschensohn“ (J. Jeremias, ThWNT I, 143) liegt nicht vor; richtig Kuss I 235. Wenn nach S. Wibbing, ThBLNT I, 162 Adam „nicht als historische Person zu verstehen“ ist, sondern als „‚Mensch‘ beispielhaft zur Veranschaulichung des anthropologischen Faktums ‚Sünder‘“, müsste Ähnliches für Jesus als „Mensch“ (V. 15) gelten. Zum Namen Jesus und zum Messias-Titel s. zu 1,1.

566 Römerbrief ————————————————————————————————————

Paulus betont, dass durch Jesus Christus das Geschenk der Gnade Gottes den Vielen in überreichem Maße zuteilwurde (ει� ς του` ς πολλου` ς ε� περι'σσευσεν). Das Heilshandeln Gottes in Jesus Christus hebt das durch Adam entstandene Unheil auf und übertrifft dieses bei Weitem: Gottes Gnade ist „im Überschuss“ vorhanden.87 Paulus wiederholt die Aussage vom Überfluss der Gnade in V. 17.20. Der Überschuss hat seinen Grund darin, dass es Gott selbst ist, der die Unheilsfolge der Tat Adams aufhebt und die Herrschaft der Sünde und des Todes durch die Herrschaft der Gnade ersetzt (vgl. V. 21). Die „Vielen“, für die der Überschuss der Gnade Gottes Wirklichkeit ist, sind die „Gerechtfertigten“ (V. 1.9), die „Versöhnten“ (V. 9) – die Menschen, die an den Gott glauben, „der Jesus, unseren Herrn, von den Toten auferweckt hat, der dahingegeben wurde um unserer Verfehlungen willen und auferweckt um unserer Rechtfertigung willen“ (4,24; vgl. die Wendung die „Glaubenden“ in 1,16; 3,22; 4,11; vgl. 10,4). 16 Mit und nicht wie (και` ου� χ ω� ς) leitet Paulus einen zweiten Vergleich ein, der den Unterschied zwischen Adam und dem Messias Jesus Aussagen erläutert.88 Das Subjekt des Satzes V. 16a ist das Geschenk (το` δω' ρημα).89 Paulus vergleicht das Geschenk, d.h. das Geschenk (η� δωρεα' ) der Gnade Gottes (V. 15), mit dem, was durch den Einen, der sündigte (δι’ ε� νο` ς α� μαρτη' σαντος),90 bewirkt wurde. Der Aorist des Partizips verweist auf die Tatsünde Adams. Paulus erklärt: Adams Sündenfall kann mit dem Geschenk Gottes nicht wirklich verglichen werden. Paulus erläutert in V. 16b-c. Die Unheilsfolge, die sich aus der Sünde Adams ergab, wird in V. 16b so beschrieben: das Gerichtsurteil (führte) von dem Einen zur Verurteilung. Das Wort „Gerichtsurteil“ (το` κρι'μα) in V. 16b bezieht sich auf die Verurteilung Adams, der für seine Tat persönlich verantwortlich gemacht und von Gott bestraft wird.91 Das Urteil Gottes, verstanden als richterliche Entscheidung, die Strafe verhängt, beinhaltete für Eva das Kindergebären ————————————————————

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Bauer / Aland s.v. περισσευ' ω 1aβ; vgl. G. Hauck, ThWNT VI, 58-63; G. Schneider, EWNT III, 180-183; W. Reinhardt, ThBLNT I, 565-570. In den dokumentarischen Papyri wird das Verb für Saatgut verwendet, das aus einem bestimmten Jahr noch „überschüssig vorhanden“ ist (P.Tebt. III.2 852), für Geld, das jemand erübrigen kann (O.Claud. II 289), für die Menge geernteter Datteln, die über den Ertrag hinaus geht, der an die bisherige Besitzerin der Dattelhaine als Teil des Kaufpreises abzuliefern ist (P.Babatha 21,18-19; 22,25-26); Arzt-Grabner, 1. Korinther, 335. Für ου� χ ω� ς ist ε� στι' ν zu ergänzen; im Unterschied zum ersten Vergleich fehlt ου« τως και' . Bauer / Aland s.v. δω' ρημα Geschenk, Gabe; vgl. G. Schneider, EWNT I, 882-884. Die Vokabel kommt im NT nur hier und in Jak 1,17 vor; in der LXX in Sir 34,18. Die Wendung ist zu ergänzen als (το' ) δι’ ε� νο` ς α� μαρτη' σαντος (γενο' μενον): „(auch verhält es sich mit dem Geschenk nicht) wie mit dem, was durch einen einzigen Sünder bewirkt wurde“; NSS II, 17. Bauer / Aland s.v. κρι' μα 4a: allg. das richterliche Urteil; s. zu 2,2.

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unter Schmerzen und ihre Unterdrückung durch den dominierenden Mann, für Adam die Mühsal des Broterwerbs unter schwierigen Bedingungen des nie aufhörenden Überlebenskampfes sowie seine unausweichliche Sterblichkeit, die ihn als Staub zur Erde zurückkehren lässt, und für beide die Vertreibung aus der unmittelbaren Gegenwart Gottes im Paradies (Gen 3,16-19.22-24). Im Kontext von 5,12-21 ist hier vor allem der Tod und der mit diesem gegebene Ausschluss aus der Gegenwart Gottes gemeint. Die Wendung „von dem Einen“ (ε� ξ ε� νο' ς) ist auf Adam als den „einen Menschen“ zu beziehen (im Anschluss an V. 16a; vgl. V. 12.15.17.19).92 Das Gerichtsurteil, das Gott gegen Adam vollstreckte, ist die Ursache des Unheils, das Adams Nachkommen ereilte und das hier mit „Verurteilung“ (κατα' κριμα) beschrieben wird. Paulus betont das Ergebnis des richterlichen Gerichtsurteils, d.h. die Verdammnis.93 Das Gerichtsurteil, das Gott an Adam vollstreckte, ist die Ursache der Tatsache, dass alle Menschen von der unmittelbaren Gegenwart verbannt und zum Tod verurteilt sind. Auf der anderen Seite des Vergleichs (δε' ) steht V. 16c die Heilsfolge des Handelns Gottes im Messias Jesus: das Gnadengeschenk aber (führte) von vielen Verfehlungen zur Gerechtsprechung. Im Anschluss an „das Geschenk aufgrund der Gnade“ (η� δωρεα` ε� ν χα' ριτι) V. 15c und an das „Geschenk“ (δω' ρημα) V. 16a ist χα' ρισμα [charisma] hier das „Gnadengeschenk“, das in der „Gerechtsprechung“ (δικαι'ωμα [dikaiōma]) besteht, d.h. der Rechtfertigung (δικαιοσυ' νη [dikaiosynē]; V. 21), dem Freispruch der Sünder, die Gott als Gerechte erklärt.94 Mit „Gerechtsprechung“ spricht ————————————————————

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D.h. nicht auf παραπτωμα' των V. 16b (V. 18); gegen Bauer / Aland s.v. κρι' μα 4a („d[as] richterl[iche] Urteil kam aufgrund einer Übertretung“); so schon Augustin: „ex uno ergo quod dictum est, subauditur, delicto“; vgl. Elb.Ü („von einem“, Anm. „d.h. von einer Handlung“), NGÜ; NASB, NET, NIV, NRSV, RSV; Lietzmann 62; Barrett 107; Cranfield I 286; Michel 190; Moo 351; Fitzmyer 219. Richtig EÜ, GN, LÜ, ZÜ; Zahn 277; Schlier 170; Wilckens I 324 (anders 306); Légasse 369; Lohse 181; Jewett 382; Kruse 248; Wolter I 353 Anm. 50; Hofius, Adam-Christus-Antithese, 174. Bauer / Aland s.v. κατα' κριμα „wohl nicht d. Verurteilung, sond[ern] das Ergebnis der verurteilenden Handelns, d. Verwerfung, d. Verdammnis“; vgl. F. Büchsel, ThWNT III, 954; MM s.v. κατα' κριμα „the punishment following sentence“. Das Subst. kommt im NT nur in Röm 5,16.18; 8,1 vor; es ist in der LXX nicht belegt, das Verb κατακρι' νω („verurteilen“) ist häufiger belegt; zu den Papyri vgl. Papathomas, Begriffe, 171-172: Die Vokabel wird für die Verurteilung und Bestrafung eines Deliktes verwendet. Bauer / Aland s.v. δικαι' ωμα 3; G. Schrenk, δικαι' ωμα, ThWNT II, 226 („das Rechtfertigungsurteil“); Kertelge, EWNT I, 808 („Rechtfertigung als Aktivum“). In 5,18 bedeutet δικαι' ωμα „Rechtstat“, in 1,32 „Rechtssetzung“, 2,26 „Rechtsforderung“. Kirk, Dikaiōma, 787-792 interpretiert δικαι' ωμα als „das, was zur Rechtfertigung führt“. Kritisch zu Recht Wolter I 353 Anm. 54: δικαι' ωμα ist die Rechtfertigung selbst, das Resultat des Heilshandelns Gottes; Wolters Kritik (ebd.) an Dunn I 281, der darauf hinweist, dass für Paulus die Rechtfertigung immer implizit oder explizit den Freispruch im Endgericht im

568 Römerbrief ————————————————————————————————————

Paulus vom Kern des Evangeliums (s. die Definition in 1,16-17), den er in 3,21–4,25 erläutert hat. Analog der tragischen Bewegung vom Gerichtsurteil (κρι'μα) zur Verurteilung (κατα' κριμα) als Resultat der Sünde Adams bewirkte das Heilshandeln Gottes im Messias Jesus die Bewegung vom Gnadengeschenk (χα' ρισμα) zur Gerechtsprechung (δικαι'ωμα), die als frohe Botschaft (Evangelium) verkündigt wird. Die Wendung „von vielen Verfehlungen“ (ε� κ πολλω ñ ν παραπτωμα' των), die den Ausgangspunkt des Heilshandelns Gottes beschreibt, zeigt die Unvergleichlichkeit von Adam und Jesus: Die eine Verfehlung Adams zeitigte das Sündigen und die Verurteilung aller Menschen; die Vermehrung der Verfehlungen führt jetzt aber nicht zu noch größerem Unheil – das Heilshandeln Gottes gewährt das Geschenk seiner Gnade, das für die zum Tod verurteilten Sünder die Gerechtsprechung bedeutet. 17 Die dritte Klärung des Vergleichs von Adam und Jesus betont die ewige Dauer der Heilsfolge des Handelns Jesu. Paulus beginnt mit einem indefiniten Konditionalsatz, der eine tatsächliche Wirklichkeit formuliert: denn wenn durch die Verfehlung des Einen der Tod die Herrschaft ergriffen hat durch den Einen. Die Formulierung „denn wenn durch die Verfehlung des Einen“ ist wörtliche Wiederholung von V. 15b. Der „Eine“ (ο� ειðς) ist Adam, die „Verfehlung“ (παρα' πτωμα) die bewusste Übertretung von Gottes Gebot, nicht vom Baum der Erkenntnis von Gut und Böse zu essen (Gen 2,16-17). Die Aussage „der Tod hat die Herrschaft ergriffen“ (ο� θα' νατος ε� βασι'λευσεν) entspricht V. 15b „die Vielen sind gestorben“ (οι� πολλοι` α� πε' θανον) und V. 14a „der Tod regierte“ (ε� βασι'λευσεν ο� θα' νατος) von Adam bis Mose. In V. 14a beschrieb ε� βασι'λευσεν die Wiederholung des Todes im Einzelschicksal aller Menschen als eine andauernde Wirklichkeit (komplexiver Aor., deshalb die Übersetzung „der Tod regierte“). In V. 17a betont der Aorist ε� βασι'λευσεν [ebasileusen] den Anfangspunkt der Herrschaft des Todes über die Menschen in der Gebotsübertretung Adams (ingressiver Aor., deshalb die Übersetzung „der Tod hat die Herrschaft ergriffen“), was durch die Präpositionalwendung „durch den Einen“ (δια` τουñ ε� νο' ς) verdeutlicht wird, die die Genitivwendung „des Einen“ (τουñ ε� νο' ς) unterstreicht. Seit Adam sind alle Menschen der tyrannischen Herrschaft des Todes unterworfen, der niemand entrinnen kann. Die Beschreibung der Heilsfolge des Handelns Jesu in V. 17b betont, über V. 15.16 hinausgehend, die Folgen für die Gegenwart und für die Zukunft im Sinne des ewigen Lebens und damit, formuliert mit um wieviel ————————————————————

Auge hat, ist angesichts des Verweises auf das ewige Leben in V. 21 (Dunn verweist auf 2,13) unberechtigt.

Der Messias Jesus und Adam 5,12-21 569 ————————————————————————————————————

mehr (πολλω ñ, μαñ λλον), die Unvergleichlichkeit von Adam und Jesus. Die Menschen … die empfangen (οι� … λαμβα' νοντες), sind die Menschen, die an Jesus als Israels Messias und von Gott gesandtem Sohn glauben, der für Juden und Heiden Rettung bringt (1,3-4.16-17; vgl. οι� πιστευ' οντες in 1,16; 3,22; 4,11; vgl. 4,24-25; 10,4). Die mit dem Messias Jesus verbundenen Menschen empfangen95 die Fülle der Gnade und des Geschenks der Gerechtigkeit. Das Substantiv „Fülle“ (η� περισσει'α) greift das Verb „in überreichem Maß zuteilwerden“ (περισσει'αν) V. 15c auf und betont das Übermaß, den Überschwang, den Überfluss der Heilsfolge des Handelns Gottes in und durch den Messias Jesus. Die Genitivobjekte „die Gnade“ (τηñ ς χα' ριτος) und „das Geschenk der Gerechtigkeit“ (τηñ ς δωρεαñ ς τηñ ς δικαιοσυ' νης) bilden einen Hendiadyoin, d.h., die gleiche Größe wird durch zwei gleichgeordnete Begriffe ausgedrückt.96 Die Fülle der Gnade Gottes erweist sich in der den Sündern geschenkten Gerechtigkeit.97 Weil alle Menschen in der Folge der Sünde Adams und aufgrund ihrer eigenen Verfehlungen Sünder sind, ist Gerechtigkeit mit Notwendigkeit – dem Tod überantwortete Gottlose (1,18; 4,5; 5,6) haben keine Verdienste, die sie je als Gerechte ausweisen können – ein Geschenk der gnädigen Barmherzigkeit Gottes.98 Die δικαιοσυ' νη (Gerechtigkeit) von V. 17b.21b entspricht der δικαι'ωμα (Gerechtsprechung) in V. 16, der δικαι'ωσις (Gerechtsprechung) in V. 18 und dem δικαιουñ σθαι von 3,24.28; 4,2; 5,1.9.99 Das Geschenk der Gerechtigkeit bezeichnet „die in Gottes rettender Heilsmacht und in seinem erlösenden Heilshandeln gründende Heilsteilhabe, die wesentlich Vergebung der Sünden und so Freispruch zum Leben ist“.100 Dieses Übermaß der Gnade Gottes bedeutet für die Gerechten, dass sie im Leben herrschen (ε� ν ζωηñ, βασιλευ' σουσιν). Das Futur des Verbs verweist nicht (als logisches Futur) auf die Gegenwart der Gerechtfertigten, sondern auf die Zukunft des „Lebens“ im Sinn des ewigen Lebens, von dem in V. 21 (ει� ς ζωη` ν αι� ω' νιον) explizit die Rede ist. Die Präpositionalwendung „im Leben“ kann lokal im Sinn des zukünftigen Bereichs des ewigen Lebens in Gottes neuer Welt verstanden werden oder als kausales Adverbial: Die Gerechten werden „in der Kraft des [ewigen] Lebens“ an der Herrschaft ————————————————————

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Das Partizip Präsens λαμβα' νοντες drückt hier Nachzeitigkeit aus: Die mit dem Messias Jesus verbundenen Menschen erhalten Gottes Gnade nach dem Heilshandeln Jesu, in dem „Jetzt“ der neuen Heilszeit. BDR §442.9b; HvS §294v. Vgl. Schlier 172; Wilckens I 323; Dunn I 281-282; Légasse 385 Anm. 94; Wolter 355 Anm. 60 zu Recht gegen Jewett 383-384. Der Genitiv δωρεαñ ς τηñ ς δικαιοσυ' νης ist epexegetischer Genitiv. Penna 393: „imprevisto e spiazzante di una giustizia salutifera, ossia della pura grazia“. Vgl. Gal 2,16-17; 3,24; 1Kor 6,11. Hofius, Adam-Christus-Antithese, 175 Anm. 60; vgl. Röm 4,1-8; 2Kor 5,29.21.

570 Römerbrief ————————————————————————————————————

Gottes und des Messias teilhaben. Die Herrschaft wird nicht näher beschrieben.101 Paulus greift eine atl. und frühjüdische Erwartung auf, die im Hinblick auf die messianische Zukunft von der Teilhabe der Gerechten an der Herrschaft Gottes spricht. Dan 7,18.27: „Das Königtum aber werden die Heiligen des Höchsten erhalten und sie werden es behalten für immer und ewig … Die Herrschaft und Macht und die Herrlichkeit aller Reiche unter dem ganzen Himmel werden dem Volk der Heiligen des Höchsten gegeben. Sein Reich ist ein ewiges Reich und alle Mächte werden ihm dienen und gehorchen“ (EÜ). Jub 32,19: „Ich gebe deinen Nachkommen die ganze Erde unter dem Himmel, und sie werden nach ihren Wünschen alle Völker beherrschen und hernach die ganze Erde besitzen und sie sich in Ewigkeit zu eigen machen.“ TestDan 5,13: „Und Jerusalem wird nicht länger Verwüstung erdulden, noch Israel in Gefangenschaft bleiben, denn der Herr wird in ihrer Mitte sein [und mit den Menschen wandeln], und der Heilige Israels wird über ihnen König sein [in Erniedrigung und Armut; und wer auf ihn vertraut, wird in Wahrheit im Himmel herrschen]“ (J. Becker; christliche Zusätze in Klammern); Weish 3,8: „Sie werden Völker richten und über Nationen herrschen und der Herr wird ihr König sein in Ewigkeit“; 5,15-16: „Die Gerechten aber leben in Ewigkeit, der Herr belohnt sie, der Höchste sorgt für sie. Darum werden sie aus der Hand des Herrn das Reich der Herrlichkeit empfangen und die Krone der Schönheit. Denn er wird sie mit seiner Rechten behüten und mit seinem Arm beschützen“; 1QM XII, 14-15: „Und ihre Könige sollen dir dienen und dir huldigen alle deine Bedrücker, und den Staub [deiner Füße werden sie lecken. Töchter] meines Volkes, brecht in lauten Jubel aus, legt herrlichen Schmuck an und herrscht in [der Herrschaft]“ (E. Lohse).102 Paulus spielt auf diese Tradition in 1Kor 6,2 an: „Wisst ihr denn nicht, dass die Heiligen die Welt richten werden?“ Nach Röm 5,17 haben die Menschen an dieser Herrschaft Anteil, die durch den Glauben das Geschenk der Gnade Gottes und der Gerechtigkeit erhalten haben. Es geht bei dieser Herrschaft nicht um die nationale Idee einer Herrschaft über andere, im Anschluss an Israel, sondern um die Herrschaft im Anschluss an den Messias Jesus. In der Johannesoffenbarung, in der die Erwartung einer zukünftigen Herrschaft der Heiligen mehrfach vorkommt, ist die Verbindung mit dem Heilshandeln Jesu ebenfalls zentral. Offb 5,9-10: „Und sie sangen ein neues Lied: Würdig bist du, das Buch zu nehmen und seine Siegel zu öffnen; denn du wurdest geschlachtet und hast mit deinem Blut Menschen für Gott erworben aus allen Stämmen und Sprachen, aus allen Nationen und Völkern. Und du hast sie für unsern Gott zu Königen und Priestern gemacht; und sie werden auf der Erde herrschen“; 20,4.6: „Dann sah ich Throne; und denen, die darauf Platz nahmen, wurde das Gericht übertragen. Ich sah die Seelen aller, die enthauptet worden waren, weil sie an dem Zeugnis Jesu und am Wort Gottes festgehalten hatten. Sie hatten das Tier und sein Standbild nicht angebetet und sie hatten das Kennzeichen nicht auf ihrer Stirn und auf ihrer Hand anbringen lassen. Sie gelangten zum Leben und zur Herrschaft mit Christus für tausend Jahre … Selig und heilig, wer an der ersten Auferstehung teilhat. Über solche hat der zweite Tod keine Gewalt. Sie werden Priester Gottes und Christi sein und tausend Jahre mit ihm herrschen“; 22,5: „Es wird keine Nacht mehr geben und sie brauchen weder das Licht einer Lampe noch das Licht der Sonne. Denn der Herr, ihr Gott, wird über ihnen leuchten und sie werden herrschen in alle Ewigkeit.“ ————————————————————

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Die Herrschaft ist nicht auf die Herrschaft über den Tod zu beschränken; gegen Jüngel, Gesetz, 65, gefolgt von Wilckens I 325. Zu βασιλευ' ω s. 6,12. Lohse, Texte aus Qumran, 209. Vgl. Charlesworth, Damascus Document, 121, ergänzt am Ende: „Have dominion over [the ki]n[gdoms …]“.

Der Messias Jesus und Adam 5,12-21 571 ————————————————————————————————————

Die Wendung durch den Einen, Jesus, den Messias (δια` τουñ ε� νο` ς � Ιησουñ Χριστουñ ) bindet die Erfahrung der Gnade und der Gerechtigkeit Gottes und die Zukunft der Herrschaft im ewigen Leben an Jesus, den Messias Israels, den Einen, durch dessen Tod und Auferstehung die Todesfolge ihrer Sünde aufgehoben wurde (vgl. 3,21-26). Sie erfahren nicht nur die Aufhebung der Herrschaft des Todes, sondern die Teilhabe am ewigen Leben Gottes, das keine Macht ist, der sie ausgeliefert sind, sondern eine Wirklichkeit, an der sie teilhaben. Zum Glauben an den Messias Jesus bekehrte Menschen erleben den Triumph der Gnade Gottes im ewigen Leben der zukünftigen Herrschaft Gottes. Die Unvergleichlichkeit der Tat Adams und der Tat des Messias Jesus zeigt sich in V. 17 in mehrfacher Hinsicht:103 1. Die Tat Jesu hat keine zwangsläufigen Folgen wie die Tat Adams, deren Folgen sich niemand entziehen konnte: Die Heilsfolge der Tat Jesu im Geschenk der Gnade und Gerechtigkeit Gottes ergibt sich für die Menschen, die sie im Glauben annehmen (λαμβα' νοντες). 2. Adams Nachkommen sind der Gewaltherrschaft des Todes ausgeliefert; die zu Jesus gehörenden Gerechten haben Teil an der Herrschaft Gottes, die ewiges Leben bedeutet. 3. Im Kontext von 5,2 ist die zukünftige Teilhabe am ewigen Leben die Hoffnung auf die Teilhabe an der Herrlichkeit Gottes, eine Hoffnung, die auch und gerade angesichts der gegenwärtigen Bedrängnisse gewiss ist. Der zukünftigen Vollendung im ewigen Leben in der realen Gegenwart der Herrlichkeit Gottes sind sich die Menschen gewiss, „die sich zum gekreuzigten und auferstandenen Christus bekennen und darum schon hier und jetzt aus dem Regiment des Todes befreit und zum wahren Leben geführt worden sind“. 18 Der Einsatz mit folglich gilt (α» ρα ουò ν)104 markiert den nun vollständig durchgeführen Vergleich zwischen Adam und dem Messias Jesus, zu dem Paulus in V. 12 ansetzte. Nach der Klärung der Unterschiede zwischen dem Adam-Geschehen und dem Jesus-Messias-Geschehen in V. 13-17 betont Paulus in V. 18-19 das beiden Gemeinsame: In beiden Fällen hat das Verhalten eines einzigen Menschen Folgen für alle Menschen – im Fall Adams das Unheil der Verurteilung aller Menschen als Sünder, infolge des Handelns Jesu das Heil die Gerechtsprechung, die zum ewigen Leben führt. Das Adam-Geschehen wird in V. 18a mit dem Satz beschrieben: durch die Verfehlung des einen Menschen kam es für alle Menschen zur Verurtei————————————————————

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Im Anschluss an Lohse 181, Zitat ebd. Paulus leitet mit α» ρα ουò ν meistens eine Schlussfolgerung ein: Röm 5,18; 7,3.25; 8,12; 9,16.18; 14,12.19; Gal 6,10; Eph 2,19; 1Thess 5,6; 2Thess 2,15. Die Wendung kommt weder in der LXX noch in der griech.-jüdischen Literatur vor, ist aber sonst häufig belegt, auch am Satzanfang: Plutarch, Num. 4,7; Dio Chrysostomos, Or. 10,6.

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lung.105 Die Verfehlung (παρα' πτωμα; s. V. 15) des einen Menschen (ειðς [α» νθρωπος]) verweist auf den Sündenfall Adams, der Gottes Gebot Gen 2,16-17 übertrat (Gen 3,1-6). Die Verurteilung (κατα' κριμα; s. V. 16) ist die Verurteilung zum Tod (s. V. 12.14.17.21), was sich aus der Antithese ζωη' V. 18b ergibt. Die Verurteilung erreichte (ει� ς) alle Menschen, weil nach Adam alle Menschen gesündigt haben (V. 12). Der Vergleich mit Jesus wird mit wie … so (ω� ς … ου« τως και') hergestellt.106 Das Handeln des Messias Jesus und dessen Heilsfolge wird in V. 18b beschrieben: durch die Rechtstat eines Menschen kam es für alle Menschen zur Gerechtsprechung, die zum Leben führt. Der „eine Mensch“ (ειðς [α» νθρωπος]) ist Jesus. Das Wort δικαι'ωμα [dikaiōma] bedeutet hier nicht „Gerechtsprechung“ wie in V. 16c,107 sondern als Bezeichnung für das Verhalten Jesu die „Rechtstat“,108 d.h. seine Erfüllung der Rechtsforderungen Gottes; V. 19 spricht vom Gehorsam Jesu als Kontrast zum Ungehorsam Adams. Theodor Zahn versteht δικαι' ωμα als Hinweis auf den Gehorsam Jesu und damit als „eine Zusammenfassung seines gesamten Wohlverhaltens als einer Verwirklichung des Rechts und Erfüllung der göttlichen Rechtsforderung“.109 Otto Michel formuliert: „Das Rechtsdenken des Paulus hängt mit der Betonung der besonderen theologischen Bedeutung der geschichtlichen Ereignisse zusammen, die ihm als Fakta der Vergangenheit feststehen.“ 110 Andere interpretieren im Sinn einer einzigen Tat, d.h. als „Heilstat“, konkret als Hinweis auf den Kreuzestod Jesu.111 Dies ist einerseits plausibel, weil damit die eine Tat Adams mit einer einzigen Tat Jesu verglichen wird; angesichts der urchristlichen Tradition von der ————————————————————

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Zu δι’ ε� νο' ς ist aus V. 12.19 sowie aus der Gegenüberstellung „durch einen … für alle Menschen“ in V. 18 das Substantiv α� νθρω' που zu ergänzen; das fehlende Verb kann mit ε� γενο' μην ergänzt werden. In V. 19.21 mit ω « σπερ … ου« τως και' . Wilckens I 326 spricht von „drei parallelen ω� ςου« τως-Sätzen“, was streng genommen nicht richtig ist: ω « σπερ hat dieselbe syntaktische Funktion in Komparativsätzen, ist jedoch im Vergleich mit ω� ς verstärkend; HvS §287a. Auch nicht „Rechtssetzung“ wie in 1,32 oder „Rechtsforderung“ wie in 2,26. Vgl. Offb 15,4; 19,8. Bauer / Aland s.v. δικαι' ωμα 2, mit Verweis auf Aristoteles, Eth.nic. 1135a9-10; Rhet. 1359a.25, 1373b1.21; 1Kön 3,28 LXX; Bar 2,19. Vgl. G. Schrenk, Art. δικαι' ωμα, ThWNT II, 225; K. Kertelge, EWNT I, 810. Es geht bei dieser Auslegung nicht um „Verdienste“, die Jesus durch sein sündloses Leben erworben hat und die er Sündern weitergeben kann, wie Wright 529 meint. Zahn 281; vgl. Gal 4,4; 2Kor 5,21; Phil 2,8; sowie Mt 3,15. Vgl. Cranfield I 289; Schlier 173; Michel 191; Dunn I 283; Jewett 385; Wolter I 356; Theobald, Der Römerbrief, 171. Michel 191. Hofius, Adam-Christus-Antithese, 175.188; vgl. Schlatter 192; Käsemann 148. Dunn I 283 sieht in δικαι' ωμα V. 18 ein Echo von 3,24-26, wo von der Offenbarung der Gerechtigkeit Gottes im Tod Jesu als Sühnopfer die Rede ist. Ähnlich die Interpretation von δικαι' ωμα als „Gerechtigkeit schaffende Tat (Wilckens I 326); Haacker 147: „Wiedergutmachung“. Thüsing, Per Christum in Deum, 215 legt strikt eschatologisch aus.

Der Messias Jesus und Adam 5,12-21 573 ———————————————————————————————————— Sündlosigkeit Jesu (Röm 8,3-4; 2Kor 5,21; Joh 8,46; 1Joh 3,5; 1Petr 3,18; Hebr 4,15)112 und des Hinweises auf den Gehorsam Jesu in V. 18 ist die Einschränkung auf den Tod Jesu künstlich.113

Im Unterschied zu Adam hat Jesus die Rechtsforderungen Gottes erfüllt. Die Folge des gerechten Lebens des Messias Jesus ist Gerechtsprechung (δικαι'ωσις [dikaiōsis]), d.h. die Rechtfertigung der Sünder. Die δικαι'ωσις ist das δικαι'ωμα [dikaiōma] von V. 16, durch das nach V. 19b die Vielen zu Gerechten (δι'καιοι [dikaioi]) gemacht werden. Die Wendung für alle Menschen (ει� ς πα' ντας α� νθρω' πους) ist auf den ersten Blick eindeutig: Adams Handeln bewirkte für alle Menschen das Todesurteil, das Handeln Jesu bewirkte für alle Menschen die Gerechtsprechung. Wenn jedoch alle Menschen des alten und des neuen Äon einander gegenübergestellt werden, ohne Einschränkung, ergibt sich die Auslegung, dass so wie die Unheilsfolge alle Menschen nach Adam traf, die Heilsfolge der Gerechtsprechung infolge des Handelns Jesu ebenfalls alle Menschen ohne Ausnahme betrifft.114 Viele Ausleger sehen in der Beschreibung der von dem Handeln des Messias Jesus erfassten Menschen als οι� πιστευ' οντες („die Glaubenden“; 1,16; 3,22; 4,24) und als οι� λαμβα' νοντες („die Empfangenden“; 5,17) die Erklärung der universalistischen Aussage. Eine andere Lösung interpretiert πα' ντες im Sinn von „die ganze Menschheit“115 oder im Sinn von „alle, d.h. Juden und Heiden“, sodass Paulus betont, dass alle Menschen von Gott Heil erlangen können, nicht nur die Juden.116 Das „alle“ bezieht sich dann auf die Gesamtheit der Menschheit, ohne ethnische Unterscheidungen. Der Glaube wird nirgends erwähnt, ist aber im Hintergrund präsent, „denn auf der Christusseite werden die Vielen natürlich nicht automatisch zu Gerechten, sondern sie werden aufgrund ihres Glaubens … von Gott zu Gerechten gemacht. Man darf den Text darum nicht so interpretieren, als würde Paulus hier etwas anderes sagen als in Röm 3,26c.28.30.“117 Und was man schließlich nicht vergessen darf: Paulus hat als Missionar das Evangelium verkündigt, vor jüdischem und heidnischem Publikum, um sie zum ————————————————————

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Vgl. Weiß, Hebräer, 297-298; Hengel/Schwemer, Jesus und das Judentum, 320 Anm. 1: „Die Sündlosigkeit Jesu war von Anfang an ein Grunddatum der Christologie.“ Garlington, Faith, 104, mit Verweis auf Phil 2,8 sowie Röm 1,5. Zur Diskussion der sog. Allversöhnung s. unter IV. Michel 191; Holtz, Universalismus, 33-35. Stuhlmacher 82; Dunn I 285; Wright 529; Marshall, Universal Salvation, 317; Rapinchuk, Universal Sin, 428.433.440. Wolter I 358. Das solus Christus und das sola gratia sind dem sola fide gerade nicht übergeordnet (gegen Haacker 147).

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„Gehorsam des Glaubens“ (1,5) zu führen, was er sich hätte sparen können, wenn er geglaubt hätte, dass die Tat Jesu alle Menschen automatisch zu Gerechten gemacht hatte. Die Betonung des Glaubens schränkt die universale Reichweite von „alle“ (bzw. „viele“, V. 19) nicht ein: Die Heilsfolge der Tat Jesu steht allen Menschen offen (vgl. 1,16; 3,28-30). Die Gerechtsprechung bewirkt Leben (ζωη' ), das als Aufhebung der Verurteilung der Nachkommen Adams (V. 18a), als Rettung im Endgericht (V. 9-10) und damit im Sinn von ewigem Leben zu verstehen ist.118 Allerdings schreibt Paulus in 6,4.11.13 vom Leben der Jesusbekenner so, dass offensichtlich ist, dass dieses durch das Handeln Jesu erwirkte und gewährte „Leben“ eine gegenwärtige Wirklichkeit ist, in der sie sich bewähren sollen und können, auch wenn sie sich noch nicht in vollendeter Weise manifestiert (6,5.22-23; 8,11.13). 19 Der zweite Vergleich, mit geradeso wie … so (ω« σπερ … ου« τως) formuliert, begründet (γα' ρ) die Gegenüberstellung von Adam und Jesus in V. 18. Auf der Adamseite wird die Wendung „der Eine“ (ειðς) durch das explizitere der eine Mensch (ο� ειðς α» νθρωπος) ersetzt. Statt „Verfehlung“ (V. 18) bzw. „Sünde“ (V. 12) und „Übertretung“ (V. 14) ist von Adams Ungehorsam (παρακοη' ) die Rede:119 Adam ignorierte bewusst den von Gott gegebenen Befehl (Gen 2,16-17), als er vom Baum der Erkenntnis von Gut und Böse aß: Die Schlange wies selbst auf das Gebot Gottes hin, zunächst im Ton skeptischer Überraschung (Gen 3,1-3), dann mit suggestiven Halbwahrheiten und direktem Widerspruch gegen Gottes Warnung vor den Todesfolgen im Fall der Zuwiderhandlung. Adam hat Gott weder schlecht gehört noch missverstanden: Er hat sehr wohl und richtig gehört, aber nicht hören wollen, d.h., er war nicht bereit, aus dem Gehörten die Konsequenzen zu ziehen und die Versuchung zurückzuweisen. Er entschied sich für den Ungehorsam. Der Ungehorsam ist der Kernprozess der Sünde. Der Satz die ————————————————————

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Hofius, Adam-Christus-Antithese, 189 spricht von der Rechtfertigung „als dem rettenden Freispruch, der die Freigesprochenen unter die Verheißung des ewigen Lebens stellt“. D.h., der Genitiv ζωηñ ς ist als Genitiv der Richtung und der Absicht zu interpretieren, der die Wirkung bzw. den Zweck der von Jesus erwirkten Gerechtsprechung nennt; HvS §164; BDR §166.1; vgl. Michel 191; Wilckens I 326; Lohse 182; Wolter I 356; Brandenburger, Adam, 233. Käsemann 148 interpretiert ihn als qualitativer Genitiv. Bauer / Aland s.v. παρακοη' : das (bewusste) Überhören eines gegebenen Befehls, der Ungehorsam; LSJ s.v. unterscheidet drei Bedeutungen des (seltenen) Substantivs: I. „that which has been heard imperfectly, hearsay; misunderstanding“; II. „defect of hearing“; III. „unwillingness to hear, disobedience, contumacy“. Vgl. G. Kittel, ThWNT I, 224; C. Spicq, TLNT III, 28-29; H. Balz, EWNT III, 67; W. Mundle, ThBLNT I, 989. In den dokumentarischen Papyri ist das Substantiv vor dem 8. Jh. n.Chr. nicht belegt: ArztGrabner, 2. Korinther, 455. Das Wort kommt noch in 2Kor 10,6 (Gegensatz υ� πακοη' ) und Hebr 2,2 (parallel zu παρα' βις) vor.

Der Messias Jesus und Adam 5,12-21 575 ————————————————————————————————————

Vielen wurden zu Sündern gemacht formuliert noch einmal die Folgen der Sünde Adams. Die „Vielen“ (οι� πολλοι') sind nach V. 18 alle (πα' ντες), d.h. alle Menschen, die nach Adam geboren wurden. Die Unheilsfolge der Tat Adams wurde schon zu Beginn der Gegenüberstellung V. 12 als Sünde (α� μαρτι'α) und sündigen (α� μαρτα' νω) beschrieben. Das mit „wurden gemacht“ übersetzte Verb (καθι'στημι / καθιστα' νω) ist nicht ein Hilfverb, das man mit „werden“ übersetzen kann,120 sondern ein Verb, das die Einsetzung in einen Status, in eine Funktion oder in ein Amt beschreibt.121 Die Passivform beschreibt das Urteil Gottes über die Menschen, die nach Adam geboren wurden: Indem Gott sie zur Existenz außerhalb des Paradieses und damit außerhalb seiner Gegenwart verurteilt, sind sie „in die Übertretung Adams in eine gemeinsame Schuld hineinverflochten“ und damit in den Status als Sünder (α� μαρτωλοι') eingesetzt.122 Die Lebenswirklichkeit der Menschen als Sünder ist ursächlich (instrumentales bzw. kausales δια' ) mit dem Ungehorsam Adams im Garten Eden verbunden. Die Jesus-Seite der Gegenüberstellung kontrastiert den Ungehorsam Adams mit dem Gehorsam des Einen (υ� πακοη` τουñ ε� νο' ς), d.h. des Messias Jesus. Wenn man „Gehorsam“ als Kontrast zum Ungehorsam Adams interpretiert, ist auf Phil 2,8 und Hebr 5,8 zu verweisen, wo Jesu Leiden und Tod am Kreuz als Gehorsam Gott gegenüber bezeichnet werden.123 Der Gehorsam Jesu wird in Phil 2,8 nun allerdings nicht auf den Gang ans Kreuz beschränkt, sondern umfasst auch seine Erniedrigung in der Inkarnation und den Gehorsam seines Leben „bis zum Tod“, so wichtig und zentral der Zusatz „ja zum Tod am Kreuz“ auch ist. Auch wenn Paulus vor allem an das Kreuz denkt, so ist die Aussage darauf nicht beschränkt.124 Die Heilsfolge des Gehorsams Jesu wird in dem Satz formuliert: die Vielen werden zu ————————————————————

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Wie EÜ, GN, NGÜ, LÜ; Wilckens I 306.328. Bauer / Aland s.v. καθι' στημι / καθιστα' νω „3. machen, bewirken (daß jemand als etwas dasteht)“; LSJ s.v. καθι' στημι A.II.3 „to bring into a certain state“. A. Oepke, ThWNT III, 447-449; J.-A. Bühner, EWNT II, 553-555; S. Wibbing, ThBLNT I, 161-162. Michel 191; vgl. Wolter I 357 Anm. 71. Vgl. Wilckens I 326-327, der betont, dass Paulus „durchweg das Kreuz als Handeln Gottes in Christus“ versteht (2Kor 5,19; vgl. Röm 3,25), „so daß Christus und Gott im Kreuz eines sind: Es handelt Gottes Liebe (5,8) und zugleich auch Christi Liebe (Gal 2,20; 2Kor 5,14) … Durchweg ist dasselbe Geschehen gemeint, in dem Gott und Christus so völlig zusammenwirken, daß die Wirkung sowohl als die Gottes wie ebenso auch als die Christi ausgesagt werden kann. In diesem Sinn hat Paulus das Motiv vom Gehorsam Christi aufgenommen und verstanden: In der υ� πακοη` τουñ ε� νο' ς wird die Einheit Christi mit Gott konkret, die zugleich die Einheit Gottes mit Christus ist.“ Dies ist theologisch richtig und wichtig, ergibt sich aber nicht aus V. 19: Jesu Gehorsam ist ein Gehorsam gegenüber (!) dem Willen Gottes. Käsemann 149. Schlatter 192: Jesus hat den Gehorsam „vollendet, als er den Tod erlitt“.

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Gerechten gemacht. Die „Vielen“ (οι� πολλοι') sind alle Menschen (V. 18), die zu Jesus gehören, d.h. an ihn glauben (s. die Diskussion zu V. 18b). Die Passivformulierung „werden gemacht“ (κατασταθη' σονται) verweist auf das Urteil Gottes, der Sünder zu „Gerechten“ (δι'καιοι) erklärt und dadurch gerecht macht.125 Paulus formuliert im Futur, weil sich die Heilsfolge der Tat Jesu in die Zukunft der apostolischen Missionsarbeit hineinerstreckt, in der weiterhin Menschen zum Glauben an den Messias Jesus kommen werden (logisches Futur), und weil die vollendete Gerechtigkeit eine für die mit der Wiederkunft Jesu verbundenen Zukunft ist.126 In V. 16.18 wurde die Heilsfolge der Tat Jesu als Gerechtsprechung (δικαι'ωμα, δικαι'ωσις), in V. 17 als Gerechtigkeit (δικαιοσυ' νη) bezeichnet, mit der Betonung, dass es sich um eine Gnadengabe (χα' ρισμα, V. 15), ein Gnadengeschenk (χα' ρισμα, V. 16), ein Geschenk (δωρεα' , V. 15.17; δω' ρημα, V. 16) handelt, das Ausfluss der Gnade (η� χα' ρις, V. 15.17.20.21) Gottes ist. Es war der Gehorsam Jesu gegenüber dem Willen Gottes, der den Sündern das Geschenk der rechtfertigenden Gnade Gottes zuteilwerden lässt. 20 Ehe Paulus die antithetische Entsprechung von Adam und Christus abschließend formuliert, kommt er noch einmal auf das Gesetz zu sprechen. Nach der Beschreibung der Funktion des Gesetzes als Buchungsinstanz (V.13-14), die die Verurteilung (κατα' κριμα; V. 16.18) des Sünders als Konsequenz der Sünde definiert und das Todesurteil ausspricht, behandelt Paulus diese Verurteilungsfunktion des Gesetzes im Blick auf ihre Bedeutung für das Heilshandeln des Messias Jesus. Seit Adam herrschte der Tod als Folge der Sünder der Menschen, verhängt vom Gesetz als Verurteilung der Sünder. Paulus erklärt in V. 20, inwiefern er angesichts dieser Herrschaft des Todes, vermittelt durch das Gesetz, von der Herrschaft der Gnade sprechen kann (V. 21). Die Formulierung das Gesetz ist jedoch hinzugekommen (νο' μος δε` παρεισηñ λθεν) wird häufig als negative Beurteilung des Gesetzes verstanden: Paulus bezeichne relativierend das Gesetz als ein Zwischenspiel.127 ————————————————————

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Man vergleiche die passiva divina in 3,24 (δικαιου' μενοι), 3,28 (δικαιουñ σθαι) und 5,1.9 (δικαιωθε' ντες). Als logisches Futur interpretieren Sanday/ Headlam 142; Zahn 284-285; Cranfield I 291; Fitzmyer 421; Lohse 182; Wolter I 357-358; als eschatologisches Futur interpretieren Schlier 175; Michel 191; Käsemann 149; Wilckens I 328; Dunn I 285; G. Schrenk, ThWNT II, 193.222. Brandenburger, Adam, 234 lässt beide Möglichkeiten offen. Käsemann 150; vgl. Althaus 46; Dülmen, Theologie, 170; Bornkamm, Anakoluthe, 8889; Brandenburger, Adam, 249; G. Schneider, παρεισε' ρχομαι, ThWNT II, 680 („keine Hauptstelle im Weltplan Gottes“); H. Balz, EWNT III, 87 („Charakter des Gesetzes als einer zeitlich und sachlich notwendigen ‚Zwischengröße‘“); ähnlich Schlier 177; Dunn I 286 („more negative overtone“); Haacker 147 („nicht gerade schmeichelhaft“).

Der Messias Jesus und Adam 5,12-21 577 ———————————————————————————————————— Das Verb παρεισε' ρχομαι [pareiserchomai]128 hat häufig eine negative Bedeutung im Sinn von „sich einschleichen, unvermerkt eindringen“: Gal 2,4 von Judenchristen, die in den von Paulus gegründeten Gemeinden von Heidenchristen die Beschneidung fordern. Vgl. Polybius 1,7,3; 1,8,4; Diodorus Siculus 12,27,3; Plutarch, Pupl. 17,2; Lucian, Dial. 12,3; Philo, Op. 150; Abr. 96; TestJud 16,2. Diese negative Konnotation ist jedoch nicht automatisch vorhanden. Das Verb verwendet von der Unwissenheit, die in die Seele weder Licht noch Wort hineinkommen lässt (Philo, Ebr. 157), von Gedanken, die einem einfallen (Vettius Valens 357,9), von Hineingehen in ein Haus (Polybius 18,53,9) oder in eine Stadt (Diodorus Siculus 12,27,2. 16,8,2), vom Eindringen in eine Region (Diodorus Siculus 17,105,1), vom Einführen von Fingern oder Instrumenten zu medizinischen Zwecken (Galen 18,323.332).

Paulus will das Gesetz weder als Zwischengröße oder Nebenfaktor relativieren,129 noch ihm eine Zwischenstellung zwischen Adam und Jesus oder zwischen Sünde und Gerechtigkeit oder zwischen Tod und Leben zuweisen.130 Im Zusammenhang von V. 13-15 betont Paulus, dass das Gesetz zum bereits bestehenden Nexus von Sünde und Tod hinzukam, der sich infolge der Sünde Adams und damit unabhängig vom Gesetz ist.131 Die Folge132 des Hinzukommens des Gesetzes wird in dem Satz formuliert: sodass die Verfehlung sich vermehrt (ι«να πλεονα' ση, το` παρα' πτωμα).133 Paulus kann nicht meinen, dass das Gesetz die Sünde provoziert und auf diese Weise Sünde vermehrt; seine Argumentation in 7,7-13 macht diese ————————————————————

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LSJ s.v. παρεισε' ρχομαι I. „come or go in beside; generally, come in, to be introduced“; II. „occur, suggest itself“. Bauer / Aland s.v. παρεισε' ρχομαι gibt nur negative Bedeutungen: 1. „daneben hineinkommen“; 2. „sich einschleichen, auf unehrliche Weise eindringen“. Das Verb ist in der LXX nicht belegt. MM s.v. verweist auf Röm 5,20 und Vettius Valens 357,9 für die Festellung, „that the idea of stealth is not necessarily present“. So Lietzmann 65 und ähnlich die oben zitierten Exegeten. Zahn 287: „Im Gegensatz zu den die ganze Menschheit beherrschenden Mächten: Sünde und Tod einerseits, Gerechtigkeit, Gnade und Leben andererseits, oder persönlich ausgedrückt: Adam und Christus soll das Eintreten des Gesetzes in die Geschichte durch παρεισηñ λθεν als ein Ereignis von untergeordneter, die mit Adam beginnende Entwicklung nicht wesentlich unterbrechender Bedeutung charakterisirt [sic] werden.“ Vgl. Michel 192; Brandenburger, Adam, 249; Jüngel, Gesetz, 71-74; kritisch Wolter I 358. Wilckens I 328-329; Wolter I 358-359 (der ebd. 359 von der „durch das Gesetz geschaffene[n] Unheilssituation des Menschen“ spricht, was angesichts seiner vorausgehenden Aussagen zum Gesetz widersprüchlich scheint). Vgl. Sanday/ Headlam 143: „come in to the side of a state of things already existing“ (zitiert von MM); auf diese eher neutrale Worterläuterung folgt dann die eher negative Interpretation des Gesetzes als „parenthesis“ und „after-thought“. Cranfield I 292: Paulus will sagen, dass das Gesetz zu einem späteren Zeitpunkt als Adams Sündenfall gegeben wurde, und zwar in der Zeit Moses. Ich verstehe «ινα nicht final („damit“), sondern konsekutiv („sodass“). Zur konsekutiven Verwendung «ινα vgl. HvS §252.28b; 279a; BDR §391.5; Bauer / Aland s.v. «ινα II.2. Im Zusammenhang der folgenden Erklärung ergibt auch die finale Bedeutung einen Sinn. Zu παρα' πτωμα s. 2,12; 4,25; 5,15.

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Annahme unmöglich.134 Das „Mehr“ an Sünde, das durch das Hinzukommen des Gesetzes entstand, ist im Kontext von V. 14.16 zunächst die Multiplikation der einen Verfehlung Adams in den vielen Verfehlungen seiner Nachkommen. Adam hat nur ein einziges Gebot übertreten; seit Mose wurden die Israeliten bzw. die Juden in der Tora mit zahlreichen Geboten und Verboten konfrontiert, gegen die sie verstoßen haben.135 Verstanden im Kontext von 7,13 kann das Mehr der Sünde auch darin gesehen werden, dass das Gesetz den Menschen zeigt, was Sünde ist, nämlich Übertretung von Gottes offenbartem Willen, und so die Sünde als bewussten Ungehorsam entlarvt.136 Für jüdische Leser ist diese Wirkung des Gesetzes paradox: Statt als Gegenmacht gegen die Sünde zu dienen, bewirkt das Gesetz eine noch tiefere Verstrickung in das Verhängnis der zum Tod führenden Sünde.137 Paulus wiederholt in V. 20b seine Beschreibung der Situation des Menschen von V. 20a: die Sünde hat sich vermehrt (ε� πλεο' νασεν η� α� μαρτι'α). „Sünde“ und „Verfehlung“ sind hier identisch: Gemeint ist die Sündentat. Als Kontrast (δε' ) formuliert Paulus die Heilsfolge des Handelns Gottes im Messias Jesus: Gerade dort (ουð ), wo sich die Sünde seit Adam vermehrt, ist die Gnade im Überfluss vorhanden. Das „Mehr“ der Gnade ist die Aufhebung der durch die Existenz des Gesetzes vermehrten Sünde durch die Tat des Messias Jesus. Die Gegenüberstellung der Vermehrung (ε� πλεο' νασεν) der Sünde und des „Überangebots“ (υ� περεπερι'σσευσεν)138 der Gnade betont die überwältigende Größe des Heilshandelns Gottes im Messias Jesus, dessen Folgen die Unheilsfolge der Sünde nicht nur kompensiert, sondern weit übertrifft. In V. 17 sprach Paulus von der „Fülle (περισσει'α) der Gnade und des Geschenks der Gerechtigkeit“. Von Gnade (χα' ρις) war in V. 15(2x).17 ————————————————————

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Gemeint ist auch nicht, dass das Gesetz zum Streben nach der eigenen Gerechtigkeit provoziert und damit zum Rühmen; gegen Bultmann, Adam, 439; Brandenburger, Adam, 252; Jüngel, Gesetz, 68; auch Lohse 183. Zu Recht kritisch Wilckens I 329 Anm. 1104. Schlier 177; Dunn I 286; Wolter I 359. Cranfield I 293-294; vgl. Dunn I 286, auch im Blick auf die Heiden. Wilckens I 329 sieht das Mehr an Verfehlungen in der Tatsache, dass die Sünde erst durch das Gesetz ihre „volle, nämlich endzeitliche Vernichtungskraft erhält“. Wolter I 359, der mit diesem Gedanken die Tatsache erklärt, dass Paulus hier den Singular παρα' πτωμα und nicht wie in V. 16 den Plural verwendet: παρα' πτωμα beschreibt „in komprehensiver Weise die Gesamtsituation der Menschheit als ein durch das Gesetz immer weiter zunehmendes Verstricktsein in ‚Verfehlung‘ und Sünde“. Wilckens I 329 argumentiert, das Gesetz habe nach V. 20 eine mittelbare soteriologische Funktion: „Das ‚Mehr‘ der Gnade besteht darin, daß sie das ‚Mehr‘ der Sünde aufhebt. Da es aber das Gesetz ist, durch das die Sünde zu ihrem ‚Mehr‘ gekommen ist, hat es dadurch die Voraussetzung für den Herrschaftsantritt der Gnade in Kraft gesetzt“. Dass Paulus das Gesetz als „Voraussetzung“ des Heilshandelns Gottes versteht, ist im Text nicht angezeigt. Bauer / Aland und LSJ geben für υ� περπερισσευ' ω nur die beiden Belege Röm 5,20 und 2Kor 7,4 an. Das Verb ist in den Papyri nicht belegt; Arzt-Grabner, 2. Korinther, 369.

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bereits mehrfach die Rede gewesen (s. zu 1,5; 3,24). In 3,23-25 hat Paulus beschrieben, wie es zu dem Überfluss der Gnade Gottes kam, die den Sündern, die an den Messias Jesus glauben, dessen Tod ihre Sünde sühnt, Gottes Gerechtigkeit gewährt. 21 Paulus formuliert zum Abschluss seiner Gegenüberstellung von Adam und Jesus (wie … so auch, ω « σπερ … ου« τως και') noch einmal zusammenfassend den Gegensatz von Sünde, die er in 1,18–3,20 beschrieben hatte, und der Gnade Gottes im Messias Jesus, die das Thema von 3,21–5,11 war. Die einleitende Konjunktion damit (ι«να) verweist auf die Absicht, die Gott in dem Beziehungsgeflecht von Sünde, Tod, Gesetz und Gnade verfolgte. Die Adam-Seite beschreibt Paulus mit dem Satz: die Sünde regierte durch den Tod (ε� βασι'λευσεν η� α� μαρτι'α ε� ν τω ñ, θανα' τω, ). Die tyrannische Macht des Todes, die den Menschen beherrscht, weil kein Mensch dem Tod entrinnt, wird mit der Sünde als Subjekt verbunden, die damit die eigentliche „Herrscherin“ ist. Die Sünde benutzt den Tod (instrumentales ε� ν), um den Menschen zu kontrollieren. Von Sünde (α� μαρτι'α) war bereits in V. 12(2x). 13(2x).20.21 die Rede, ebenso von den Konkretisierungen der Sünde: Übertretung (παρα' βασις, V. 14), Verfehlung (παρα' πτωμα, V. 15[2x].16.17.18.20) und Ungehorsam (παρακοη' , V. 19). Vom Tod (θα' νατος) als Folge der Sünde sprach Paulus in V. 12(2x).14.17.21, vom Herrschen (βασιλευ' ω) des Todes in V. 14 und vom Herrschen der Verfehlung in V. 17. Indem Paulus die Sünde (Singular) als Herrscherin beschreibt, die mithilfe des Todes regiert, stellt er sie als Macht vor, die das Leben in der Gegenwart und der Zukunft des Menschen kontrolliert.139 In V. 21b betont Paulus, dass Gott inmitten des Herrschaftssystems der Sünde seine Herrschaft durchsetzt, die anstatt von Sünde und Tod durch Gnade und Leben bestimmt ist: die Gnade regiert durch die Gerechtigkeit zum ewigen Leben (η� χα' ρις βασιλευ' ση, δια` δικαιοσυ' νης ει� ς ζωη` ν αι� ω' νιον). Die Heilsseite ist von der Herrschaft der Gnade bestimmt, d.h. von Gott als Geber der Gnade (η� χα' ρις τουñ θεουñ ; V. 15). Der Herrschaft der Sünde, die den Menschen den Tod einbringt, steht die Herrschaft der Gnade gegenüber, die dem Menschen Gerechtigkeit und ewiges Leben bringt. Von der Gnade (χα' ρις) war in V. 15(2x).17.20.21 die Rede gewesen, von der Gerechtigkeit (δικαιοσυ' νη) in V. 17 und von der Gerechtsprechung (δικαι'ωμα, δικαι'ωσις), dem Grund der Gerechtigkeit, in V. 16.18, und vom Leben (ζωη' ) in V. 17.18, hier als „ewiges Leben“ (ζωη` αι� ω' νιος; s. dazu 2,7) konkretisiert. Paulus hatte zuvor betont, dass die Gerechtigkeit Gottes Gnadengabe (χα' ρισμα, ————————————————————

139

Die Aoristform ε� βασι' λευσεν V. 21a ist konstatierend-komplexiv zu verstehen: Paulus beschreibt die Verwirklichung der Herrschaft der Sünde als Tatsache. So auch in V. 21b.

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V. 15) und Geschenk (δωρεα' , V. 15.17; δω' ρημα, V. 16; χα' ρισμα, V. 16) ist. Die Sünder haben den Tod infolge ihrer Sünde verdient. Die Gerechten (V. 19) verdanken ihre Gerechtigkeit allein Gott, wie Paulus schon in 3,24 betont hatte („sie werden umsonst gerechtfertigt aufgrund seiner Gnade“, δικαιου' μενοι δωρεα` ν τηñ, αυ� τουñ χα' ριτι). Der Fülle (V. 17) und dem Überschuss (V. 15.20) der Gnade Gottes entspricht es, dass die Wendung „zum ewigen Leben“ syntaktisch in V. 21a kein entsprechendes Element hat.140 In V. 21a beschreibt Paulus die Vergangenheit der Gerechtfertigten, in V. 21b ihre Gegenwart und ihre Zukunft: Die Herrschaft der Gnade Gottes, die für sie in der Erfahrung der Versöhnung mit Gott (5,1-11) gegenwärtige Wirklichkeit ist, gewährt und garantiert ihnen das ewige Leben. Die abschließende Wendung durch Jesus, den Messias, unseren Herrn (δια` � Ιησουñ Χριστουñ τουñ κυρι'ου η� μω ñ ν) markiert Paulus noch einmal die zentrale Wirklichkeit der Herrschaft der Gnade Gottes. Man kann die Wendung syntaktisch mit dem Subjekt „Gnade“ verbinden, mit dem Verb „regiert“, mit „Gerechtigkeit“ in der ersten Präpositionalwendung oder mit „ewiges Leben“ in der zweiten Präpositionalwendung – Gott erweist dem Sünder seine Gnade und schenkt ihm Gerechtigkeit und ewiges Leben infolge des Sühnetodes des Messias Jesus am Kreuz, und die Herrschaft seiner Gnade ist Wirklichkeit in denen, die sich Jesus als ihrem Herrn (κυ' ριος; s. zu 1,4) anvertraut haben. Durch den Messias Jesus, den Kyrios, ist für die Menschen, die als Sünder von der Sünde beherrscht wurden und dem Tod im Endgericht Gottes ausgeliefert waren, eine neue Situation entstanden. Gott hat durch die Tat Jesu am Kreuz dem Sünder seine Gnade geschenkt, die Sünde vergeben und den Tod überwältigt. So herrscht in der Heilszeit des Messias Jesus die Gnade Gottes und damit Gott selbst – eine Wirklichkeit für die Sünder, die im Glauben an Jesus Christus Gottes Gnade erfahren haben und von ihr in der Gegenwart beherrscht werden, eine Wirklichkeit, die ihnen zugleich die Hoffnung auf die Teilhabe an der Herrlichkeit Gottes im ewigen Leben garantiert. IV Paulus schließt in 5,12-21 den ersten Hauptteil des Römerbriefs mit einer Zusammenfassung seiner Behandlung der Sünde von Heiden und Juden (1,18–3,20) und der Heilsoffenbarung Gottes im Messias Jesus, durch dessen Sühnetod am Kreuz Sünder gerechtfertigt werden (3,20– 5,11). Paulus macht die Sünde, die die Menschen beherrscht, an Adam fest, dem von Gott ————————————————————

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V. 21a ε� βασι' λευσεν / η� α� μαρτι' α / ε� ν τω ñ, θανα' τω, . V. 21b η� χα' ρις / βασιλευ' ση, / δια` δικαιοσυ' νης / ει� ς ζωη` ν αι� ω' νιον / δια` � Ιησουñ Χριστουñ .

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geschaffenen ersten Menschen, der Gottes Gebot übertreten hatte. Und er macht die Heilsoffenbarung Gottes an Jesus fest, durch den Gott das Grundproblem der Menschheit – die zum Tod führende Sünde – löste. Wie Adam für das Vorhandensein der Sünde und des Todes in der Welt verantwortlich ist, Realitäten und Mächte, die über den Menschen herrschen, so ist Jesus für die Realität der Gnade Gottes verantwortlich, die nicht nur Sünde und Tod kompensiert, sondern dem Sünder Gerechtigkeit und ewiges Leben schenkt. Sünde ist einerseits ein seit Adam bestehendes Verhängnis, dem sich kein Mensch entziehen kann. Gleichzeitig ist Sünde die einzelne Tat der Übertretung des Gebotes Gottes, sodass alle Menschen für ihr je eigenes Sündigen verantwortlich sind. Wenn man Adam als Metapher oder Mythos versteht, und nicht als historische Person, wird das Verständnis der Sünde als Ungehorsam gegen Gottes Gebot schwierig. Wer Sünde im Rahmen der Evolutionstheorie versteht, kann sie mit Gerd Theißen beschreiben als „das mangelnde Vermögen, adäquate Anpassungsstrukturen an die letztgültige Realität zu verwirklichen“, oder mit Hans-Rudolf Stadelmann als „Missachtung des sich in der Evolution manifestierenden göttlichen ‚Willens‘ zu geistbegabtem Leben“, das heißt als Unfähigkeit, „die biologisch vorgegebenen Verhaltensmuster (Konkurrenz) durch die die kulturelle Evolution begünstigenden Selektionskriterien (Kooperation) in Schach [zu] halten“.141 Wenn Sünde nicht mehr im Kontext von Gottes offenbartem Willen verstanden und definiert wird, ist sie am Ende nicht viel mehr als unangepasstes Verhalten, wobei die Norm „richtigen“ Verhaltens von Menschen – von säkularen Mehrheiten in einer Demokratie, vom Politbüro einer Partei – je und je neu und anders bestimmt wird. Wozu das führt und führen kann, hat Paulus in 1,18-32 erklärt. Ohne die Anerkennung der Wirklichkeit Gottes sind Normen menschlichen Verhaltens Verhandlungsmasse von gesellschaftlichem Konsens oder Diktat einer Partei oder eines Alleinherrschers. Deshalb betonte Emil Brunner, dass der größte Dissens zwischen der sündigen Verblendung der Vernunft und der Offenbarung in der Anthropologie besteht.142 Das Problem zeigt sich z.B. in der Bemerkung F. Mildenbergers, dass man heute nicht mehr wie Paulus „von der Einheit der Gattung Mensch in ihrer Geschichte mit Gott, wie sie Adam repräsentiert, und von der Allgemeinheit des Todesgeschicks als Erweis dieser Einheit“ ausgehen könne; der Tod gilt nicht mehr als von Gott verordnete Folge der Sünde, sondern „gehört zum Leben als etwas Normales und Natürliches“; das, „was gesagt ————————————————————

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Theißen, Glaube, 214; Stadelmann, Glaube, 131; vgl. Hellholm, Universalität, 231. M. Roth/B. Harbeck-Pingel, Vernunft III, TRE XXXV, 11; Brunner, Dogmatik II, 45.

582 Römerbrief ————————————————————————————————————

werden muß“, lässt sich in diesem Zusammenhang nicht vom Ursprung her, sondern nur vom Ziel der paulinischen Aussagen her sagen: „Widerspruch ist einzulegen gegen den Tod im Namen des Lebens, und Widerspruch ist einzulegen gegen die Sünde im Namen der Gnade.“143 Wenn nun der Tod normal und natürlich ist, hängt dieser Widerspruch in der Luft, in die auch die Realität der Sünde sozusagen „entrückt“ wird. Wenn der Tod nicht mehr mit der Sünde zusammenhängt, sondern normal ist, scheint die Schlussfolgerung unumgänglich, dass die Sünde anthropologisch akzeptabel wird und eschatologisch folgenlos ist. Weshalb die universale Sünde nur durch den Tod Jesu am Kreuz gesühnt werden konnte, muss dann hinterfragt werden. Die Argumentation von Paulus in 5,12-21 hat dann jedenfalls nicht mehr viel Sinn, abgesehen vielleicht von dem Hinweis auf den rhetorischen Überschwang des Apostels, der die Gnade Gottes herausstellen will. Søren Kirkegaard hat recht: „Kein Mensch vermag aus eigenem Vermögen und von sich selbst her auszusagen, was Sünde ist, eben deshalb, weil er in der Sünde ist.“144 Der von Paulus in 5,12-21 dargestellte Zusammenhang ist komplex: Die Sünde Adams hatte Konsequenzen für seine Nachkommen, die jedoch auch in ihrem eigenen Verhalten Sünder sind. Durch Adam kamen Sünde und Tod in die Welt. Gleichzeitig sind Sünde und Tod die Konsequenzen persönlichen Verhaltens. Die klassische Lehre der Erbsünde lässt sich mit 5,12 nicht belegen, wie die Exegese gezeigt hat; der Konsens in der exegetischen Forschung geht durch alle Konfessionen. Die Rede von der Erbsünde findet sich, zurückhaltend formuliert, zum ersten Mal bei den griechischen Exegeten seit Irenäus und wird zum festen Bestandteil der Exegese von 5,12 bei den lateinischen Kirchenvätern, vor allem seit der Auseinandersetzung von Augustin mit Pelagius. Der Erkenntnisgrund für die allgemeine Sündhaftigkeit war generell die Allgemeinheit des Todesgeschicks. Dass sich die Interpretation von ε� φ’ ω ð, im Sinn eines auf Adam bezogenen Relativsatzes (in quo) nicht halten ließ, entdeckten humanistische Interpreten, die auf den griechischen Urtext des Römerbriefs zurückgreifen konnten. Die Lehre von der Erbsünde war allerdings so fest in der Tradition etabliert, dass sie in der Confessio Augustana (Art. 2 „Von der Erbsünde“)145 und im Heidelberger Katechismus referiert wurde (Fragen 7–10).146 Ernst Cassirer meinte, die ————————————————————

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Mildenberger, Biblische Dogmatik II, 334. Kirkegaard, Krankheit zum Tode, 94. Dies ist der Ausgangspunkt der Diskussion von Jüngel, Lehre vom Bösen und von der Sünde, 177-188. Vgl. Hahn, Vergebung, 101-105 für einen Überblick über die gegenwärtige Kritik an der Lehre von der Sünde. Vgl. den Satz: „dass nach Adams Fall alle Menschen, so naturlich geborn werden, in Sunden empfangen und geborn werden“.

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Kritik der Erbsündenlehre sei das Zentrum der Aufklärung, weil sich in ihr „die verschiedenen Grundrichtungen der Aufklärungsphilosophie vereinen“.147 Dieses Urteil vereinfacht: Schon die lutherische Orthodoxie des 17. Jh.s begann, an der Erbsündenlehre Kritik zu üben.148 Immerhin hatte Luther die entscheidende Stelle Röm 5,12 mit „die weil sie alle gesündiget haben“ übersetzt, also kausal und nicht relativ auf Adam bezogen.149 Paulus jedenfalls schweigt zu der Frage, wie die Sünde Adams zu seinen Nachkommen kam. Er spricht weder von (biologischer) Vererbung noch von Imputation (Anrechnung durch Gott). In 5,12-20 wird deutlich, dass Sünde nicht nur persönliche (Fehl-)Entscheidung ist, sondern unentrinnbares Verhängnis. Es lohnt, die Sätze Ernst Käsemanns zu wiederholen: Paulus sieht „den Menschen nicht tragisch, sondern als Verbrecher … Nicht ahnungslose oder unter Umständen sogar wie in der antiken Tragödie sittlich motivierte Eingriffe in eherne Gesetze wirken unlösliche Verstrickungen. Die Rebellion gegen das l. Gebot läßt sich nicht individuell eingrenzen. Sie hat fortzeugende Kraft und schafft ein wie durch Krankheit verseuchtes Feld. Umgekehrt kann sich der Mensch nicht entschuldigen, er habe nicht anders gekonnt. Auch die heroische Pose wird ihm versagt. Denn wir bestätigen mit unserm Leben, daß uns eine Welt des Aufruhrs umgibt. Der Kreislauf von Sünde und Verhängnis ist nicht von der individuellen Existenz her rationalisierbar. Alles ist Frucht, und alles ist Samen … (Paulus) geht es um die Wirklichkeit der vorhandenen Welt, in welcher persönliche Verantwortung nicht eliminiert, aber auch nicht isoliert werden kann. Wir sind nicht Träger der Geschichte wie Figuren einer Tragödie. Gerade auch in unserm Tun sind wir Exponenten einer Macht, welche den Kosmos in ein Chaos wandelt.“150 Nachdem Paulus in 1,18–3,20 Sünde grundsätzlich als „Gottlosigkeit und Ungerechtigkeit“ beschreibt, nach 1,21 verstanden als Weigerung, Gott anzuerkennen und zu ehren, und als Anmaßung, aus sich selbst heraus leben zu können, was in der Zerstörung des menschlichen Miteinanders resultiert. Nach 5,12-21 ist Sünde wesenhaft Verhängnis, dem niemand entkommen kann, und als Ungehorsam, d.h. die Weigerung, Gottes Willen zu tun und das aktive Übertreten der Gebote Gottes. In 7,7-8 erläutert Paulus das Wesen ————————————————————

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Vgl. Katechismus der katholischen Kirche, 132-134 (Nr. 402-406). Cassirer, Philosophie der Aufklärung, 188. Schubert, Sünde, 172-223. Luther hat die Wirklichkeit der Erbsünde natürlich nicht geleugnet; vgl. seine Aussage „Solche Erbsunde ist so gar ein tief bose Verderbung der Natur, daß sie kein Vernunft nicht kennet, sondern muß aus der Schrift Offenbarung gegläubt werden“ (BSLK 434, 8). Käsemann 146.

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der Sünde als Begierde nach dem von Gott Verbotenen, das sich, nachdem man es sich „geholt“ hat, als destruktiv erweist, sodass sich zeigt, dass der Mensch unter die Sünde „verkauft“ ist und seine Identität als Geschöpf Gottes verliert (7,13-24).151 Im Blick auf die universalistische Aussage V. 18 wurde die Sicht, dass am Ende alle Menschen das Heil haben, in der Theologiegeschichte mit einem Begriff aus Apg 3,21 α� ποκατα' στασις πα' ντων [apokatastasis pantōn], die „Wiederbringung aller Dinge“ genannt.152 Diese Interpretation hat seit Origenes viele Vertreter gefunden, auch im Protestantismus, sowohl unter Exegeten wie unter Theologen, unter Konservativen wie unter Liberalen. Karl Barth schreibt: „Es gibt keinen Menschen, der nicht im Lichte dieser Gehorsamstat ‚in Christus‘ wäre: das neue, das mit Gerechtigkeit bekleidete Subjekt und darum und als solches unter die Freisprechung und göttliche Bejahung gestellt.“153 Ulrich Wilckens betont, die Universalität der Aussage dürfe nicht eingeschränkt werden, als ob unter den πα' ντες nur die gemeint seien, die das Geschenk der Gnade „ergreifen“ (V. 17), die anderen nicht.154 Gleichzeitig betont er, die Fragestellung verwischend, dass folgender Unterschied zwischen Adam und Jesus Christus bestehe: „Christus als Ursprung der Gerechtigkeit aller Menschen ist also gerade nicht Repräsentant der Menschen vor Gott, wie Adam es ist – in dem Sinne, daß er repräsentiert, was sie tun und sind –, sondern Repräsentant Gottes vor den Menschen.“ Arland Hultgren wehrt sich gegen jede Einschränkung der universalen Aussage mit folgenden Argumenten:155 1. Nach 5,21 wurde die vergangene Herrschaft des Todes durch die Herrschaft der Gnade, die mit Jesus Christus gekommen ist, beendet. 2. Das πολλω ñ, -μαñ λλον-Argument in 5,15.17 ist ernst zu nehmen: Es betont die Überlegenheit der Herrschaft der Gnade über die Herrschaft des Todes. 3. Die universale Aussage von 5,18 findet sich auch in 5,15.17, wo die „Vielen“ nicht auf bestimmte Menschen beschränkt werden. 4. Wenn Paulus gleichzeitig vom Endgericht spricht, ist festzuhalten, ————————————————————

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Zu den exegetisch-theologischen Kontroversen vgl. Theobald, Der Römerbrief, 147-161. A. Oepke, Art. α� ποκατα' στασις, ThWNT I, 386-392; C. Lenz, Art. Apokatastasis, RAC I, 510-516; H. Rosenau, Art. „Wiederbringung aller“, TRE XXXV, 773-780; Staehelin, Wiederbringung; Laak, Allversöhnung; Rosenau, Allversöhnung; MacDonald, Explorations; Janowski, Allerlösung; Ramelli, Apokatastasis. Barth 161. Wilckens I 325 (gegen Kuss 237); das folgende Zitat ebd. 327 (Hervorhebung Wilckens). Hultgren 229-234; vgl. Hultgren, Christ, 54-55; Hultgren, Paul’s Gospel, 82-124; vgl. Bell., Universal Salvation, 425-432. Zur Inkonsistenz der paulinischen Aussagen s. Hultgren 234; ähnlich Boring, Language, 269-292, der mit Stichwort „Sprachspiele“ operiert. Es geht in dieser Frage nicht um Terminologie, sondern um reale Sachverhalte; vgl. Moo 343 mit Anm. 132.

Der Messias Jesus und Adam 5,12-21 585 ————————————————————————————————————

dass dieses auch für an Jesus Glaubende eine Gefahr darstellen kann (Röm 14,10; 1Kor 3,16-17; 2Kor 5,10). Man darf von Paulus nicht verlangen, dass er in allen seinen Briefen eine konsistente Sicht dieser Dinge hat. K. Haacker kommentiert V. 18: „Daß die Tat Christi die gleiche Reichweite haben soll wie die Untat Adams, läßt Raum für die Hoffnung auf eine universale Erlösung aller Menschen.“156 Weil der Interpretation von 5,18 im Sinn der Allversöhnung die Gerichtsaussagen des Apostels entgegenstehen, wurde sie früh als Problem empfunden, das durch die Einschränkung der Aussage gelöst wurde. Thomas von Aquin schreibt: Die Aussage, dass durch die Gerechtigkeit Christi über alle Menschen die Rechtfertigung des Lebens kommt, „scheint jedoch falsch zu sein, denn nicht werden alle Menschen durch Christus gerechtfertigt, wie alle Menschen durch Adam sterben … die Rechtfertigung Christi (erstreckt) sich auf die Rechtfertigung aller Menschen, was die Hinlänglichkeit anbetrifft, obwohl sie in Bezug auf die Wirksamkeit nur auf die Gläubigen übergeht“.157 Thomas belegt die Einschränkung nicht mit Aussagen aus dem Kontext von 5,12-21, sondern mit dem Hinweis auf andere Stellen (Joh 3,5; 1Tim 4,10; Röm 3,22). Theodor Zahn argumentiert, die Wendung ει� ς πα' ντας α� νθρω' πους, ohne Prädikat formuliert, gebe „nur die Abzielung der von Christus ausgehenden Wirkung, die beabsichtigte Richtung, in welcher sie vor sich geht“ an, wobei gilt, „daß diese Heilsabsicht an den Einzelnen ihr Ziel nur unter der Bedingung erreicht, daß ihnen das Ev[angelium] gepredigt und von ihnen im Glauben aufgenommen wird, und daß diese Bedingtheit der Rechtfertigung und des Lebens in der universalen Heilsabsicht Gottes gelegen ist“ (1,16-17; 3,22ff).158 Den Einwand, dass der Tod nach Adam alle Menschen ohne Ausnahme erreicht, kontert Zahn mit dem Hinweis auf Henoch (Gen 5,24; Sir 44,16; 49,16; Hebr 11,5) und auf Christen, die die Wiederkunft Jesu erleben, nach Paulus den Tod nicht sehen werden (1Kor 15,51; 1Thess 4,15). Diese Erläuterung ist allerdings kaum plausibel, da Paulus die Todesfolge der Tat Adams mit der universalen Sünde verbindet (5,12), von der weder Henoch noch die am Ende der Tage lebenden Christen ausgenommen sind. Plausibler ist die Interpretation der universalistischen Aussage V. 18 im Kontext der Betonung des Glaubens im näheren und weiteren Kontext. Otto Kuss vermutet, dass durch das „empfangen“ in V. 17 „eine Einschränkung ————————————————————

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Haacker 147. Wenn die universale Lösung eine „Hoffnung“ ist, wäre die mit Adam in Gang gesetzte Unheilsfolge auch nur eine Möglichkeit. Paulus spricht in V. 15 nicht (wie in V. 2.4.5) von Hoffnung, sondern von Wirklichkeiten. Aquin 183. Zahn 283.

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des Kreises derer angedeutet sein“ kann, denen das Heil zuteilwird, „denn in der Tat gehören gewiß alle Menschen ohne Ausnahme zu der durch Adams Tat betroffenen Gesamtmenschheit, aber die Zugehörigkeit zu der Gemeinde der durch Christus Geretteten ist von Erwählung und Glauben abhängig“.159 Otfried Hofius lehnt einerseits eine Einschränkung der universalistischen Aussage in V. 18 ab: Der für die paulinische Argumentation in 5,12-21 fundamentale Begriff und Gedanke der Übermacht der Gnade darf nicht aufgelöst werden, vor allem nicht so, dass die von Jesus bewirkte Wirklichkeit zu einem bloßen „Angebot“ wird, das der Mensch ergreifen muss.160 Andererseits verweist er auf πα' ντες οι� πιστευ' οντες in 3,22, das dem πα' ντες der Christus-Seite in 5,18 entspricht, und betont, dass „Paulus den Glauben streng als Werk und Gabe Gottes begreift und demzufolge die Worte οι� πιστευ' οντες keineswegs den Hinweis auf eine vom Menschen zu erfüllende Bedingung implizieren“. Als Schlussfolgerung, die die Erwählung stärker als den Glauben betont, formuliert er: „Die πα' ντες der ChristusSeite sind in jedem Fall als solche zu bestimmen, die in der Kraft der in Christi Tod und Auferstehung über sie gefallenen Entscheidung zum Glauben an ihrem Erlöser kommen werden.“ Dieter Zeller argumentiert, dass die Formulierung, durch Adams Sünde seien alle zu Sündern geworden, „ebenso wenig wie auf der Seite der Rechtfertigung eine persönliche Entscheidung der Betroffenen (ausschließt). Paulus hebt nur darauf ab, daß die Tat des einen alle erfaßt.“161 Die Besinnung auf den Anfang der Sündengeschichte erinnert Jesusbekenner an die Größe der Gnade Gottes. Calvin beginnt seine Kommentierung von 5,12-21 mit dem Satz: „Wenn nun Christus deshalb gekommen ist, um uns aus dem Elend zu erlösen, in das Adam gefallen war und alle seine Nachkommen mit sich hineingestürzt hatte, so können wir das, was wir an Christus haben, nicht deutlicher erkennen, als wenn uns vor Augen geführt wird, was wir in Adam verloren haben.“162 Wenn wir erkennen, wie die Sünde die Menschen arretiert und kontrolliert, „strahlt die Größe der Gnade umso leuchtender hervor, weil sie sich im Gefolge der überströmenden Sünde so reichlich ergießt, dass sie nicht nur diese Sintflut überwindet, sondern sogar in sich aufsaugt … Sobald also die Gnade Christi in den einzel————————————————————

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Kuss I 237; Schlatter 192: „Aus dem eschatologischen Universalismus ergibt sich die Berufung aller zum Glauben“; vgl. Schlier 174; Moo 342-344; Kruse 245; Talbert 152. Hofius, Adam-Christus-Antithese, 190, gegen Bornkamm, Anakoluthe, 87. Ähnlich wie Bornkamm Wolter I 356: Die „Rechtstat“ Jesu „enthält das Potential zur Rechtfertigung aller Menschen“. Die folgenden Zitate Hofius, ebd. 191. Zeller 119, vgl. ebd. 121, den Hultgren 232 missversteht. Calvin 277; die folgenden Zitate ebd. 297.299.

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nen Menschen sich durchzusetzen beginnt, hat die Herrschaft der Sünde und des Todes ein Ende.“ In den letzten beiden Versen des Abschnitts ist von Adam nicht mehr die Rede, am Ende des Abschnitts steht der Name und das Bekenntnis „Jesus, der Messias und Kyrios“. Bengel hat recht: „Iam ne memoratur quidem Adamus: solius Christi mentio viget.“163

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Bengel 569: „Adam wird nicht mehr auch nur erwähnt: die Erwähnung Christi allein steht in voller Kraft.“

Literaturverzeichnis 589 ————————————————————————————————————

1. Literaturverzeichnis Kommentare werden mit Nennung von Autor und Seitenangabe zitiert, die übrige Sekundärliteratur mit dem Namen des Autors und abgekürztem Titel. Artikel aus Wörterbüchern und Enzyklopädien werden im Literaturverzeichnis nicht eigens aufgeführt. Für Abkürzungen, die im Abkürzungsverzeichnis nicht erscheinen, konsultiere man S. Schwertner, Internationales Abkürzungsverzeichnis für Theologie und Grenzgebiete (Berlin 21992, 32014), sowie L. Coenen/K. Haacker, Theologisches Begriffslexikon zum Neuen Testament (Wuppertal 1997–2000) und H. Cancik/H. Schneider/M. Landfester, Der Neue Pauly (Stuttgart/Weimar 1996–2010).

Kommentare zum Römerbrief Alte Kirche und Mittelalter, 16. Jahrhundert, 17.–18. Jahrhundert, 19. Jahrhundert, 20. und 21. Jahrhundert Alte Kirche und Mittelalter Abaelardus, Petrus (Pierre Abélard, 1079–1142). Commentarii super s. Pauli epistolam ad Romanos libri quinque. PL 178, 783-978; Commentarius cantabrigiensis in epistolas Pauli e schola Petri Abaelardi: I. In epistolam ad Romanos. Publications in Mediaeval Studies 2. Notre Dame 1937–1945; Commentaria in epistolam Pauli ad Romanos. Petri Abaelardi opera theologica. Corpus christianorum: Continuatio mediaevalis 11. Turnhout 1969, 3-340; Expositio in Epistolam ad Romanos. Römerbriefkommentar. 3 Bände. Hg. v. R. Peppermüller, Fontes Christiani 26,1-3. Freiburg 2000 Acacius von Caesarea († 366). Fragmente. Karl Staab, Pauluskommentare aus der Griechischen Kirche aus Katenenhandschriften gesammelt und herausgegeben. Münster 1984 [1933], 5356 Apollinaris von Laodicea (ca. 315–390). Fragmente. Staab, Pauluskommentare, 57-82 Ambrosiaster (ca. 366–384). In epistulam ad Romanos. Ambrosiastri qui dicitur commentarius in epistulas paulinas. CSEL 81/1. Hg. v. H.J. Vogels. Wien 1966-1969; vgl. PL 17, 47-196; Ambrosiaster. Commentaries on Romans and 1, 2 Corinthians. Hg. v. G.L. Bray. Ancient Christian Texts. Downers Grove 2009 Arethas von Caesarea (ca. 860 –944). Fragmente. Staab, Pauluskommentare, 653-659 Augustin (354–430). Expositio quarundam propositionum ex epistola ad Romanos. CSEL 84, 352; PL 35, 2063-2088; Epistolae ad Romanos inchoata expositio. CSEL 84, 145-181; PL 35, 2088-2106; P.A. Landes. Augustine on Romans. Propositions from the Epistle to the Romans: Unfinished Commentary on the Epistle to the Romans. SBLTT 23/6. Chico 1982 Bruno der Kartäuser (1032–1101). In epistolam ad Romanos. PL 153, 13-124 Cassiodorus, Flavius (487–580). Expositio s. Pauli epistulae ad Romanos. PL 68, 415-506; Complexiones in epistolis apostolorum: Epistola sancti Pauli ad Romanos. PL 70, 13211332 Chrysostomus, Johannes (347–407). � Ερμηνει' α ει� ς τη` ν προ` ς � Ρωμαι' ους ε� πιστολη' ν (Hermēneia eis tēn pros Rhōmaious epistolēn). PG 60, 391-682; Homilien: Homiliae in epistulam ad

590 Römerbrief ———————————————————————————————————— Romanos. Hg. v. F. Field. Oxford 1849; PG 51, 155-208; 64, 1037-38 (Homilien); NPNF 11, 329-564 Colet, John (1467–1519). Enarratio in epistolam s. Pauli ad Romanos: An Exposition of St. Paul’s Epistle to the Romans. Übersetzt v. J.H. Lupton. London 1873 [Ridgewood 1965]; Ioannis Coleti enarratio in primam epistolam S. Pauli ad Corinthios. English and Latin. Bibliographical footnotes. Whitefish, Montana 2007 Cyrill von Alexandrien (ca. 375–444). Hermēneia eis tēn pros Rhōmaious epistolēn. PG 74, 773856 Denis der Kartäuser (Denys Ryckel; 1402–1471). In omnes beati Pauli epistolas commentaria. Köln 1553; Paris 1542–1548 Didymus von Alexandrien (ca. 313–398). Fragmente. Staab, Pauluskommentare, 1-6 Diodorus von Tarsus († 390). Fragmente. Staab, Pauluskommentare, 83-112 Ephraem Syrus (306–373). Commentarii in epistolas d. Pauli. Venedig 1893 (translated from the Armenian) Eusebius von Emesa (ca. 300–360). Fragmente. Staab, Pauluskommentare, 46 Euthymius Zigabenus († nach 1118). Commentarius in xiv epistolas S. Pauli et vii catholicas. Hg. v. N. Calogeras. Band 1. Athen 1887, 3-185 Ficino, Marsilio (1433–1499). In epistolas d. Pauli. Opera omnia. Band 1. Basel 1561 [Turin 1959], 425-472 Gennadius von Konstantinopel (458–471). Fragmente. Staab, Pauluskommentare, 352-418 Guillaume (Wilhelm) von St. Thierry (1085–1148). Expositio in epistolam ad Romanos. PL 180, 547-694; Expositio super epistolam ad Romanos. Hg. v. P. Verdeyen. Corpus christianorum: Continuatio mediaevalis 86. Turnhout 1989; Exposition on the Epistle to the Romans. Hg. v. J.D. Anderson. Kalamazoo 1980 Hervaeus von Châteauroux (1080–1150). Expositio in epistolam ad Romanos. PL 181, 595-814 Johannes von Damaskus (675–749). � Εκ τηñ ς καθο' λου ε� ρμηνει' ας � Ιωα' ννου τουñ Χρυσοστο' μου ε� κλογαι` ε� κλεγει' σαι, ει' ς προ` ς � Ρωμαι' ους ε� πιστολη' ν (Ek tēs katholou hermēneias Iōannou tou Chrysostomou eklogai eklegeisai, eis pros Rhōmaious epistolēn). PG 95, 441-570 Lanfranc of Bec (1003–1089). Epistola b. Pauli apostoli ad Romanos. PL 150, 105-156; J.A. Giles, Beati Lanfranci Archiepiscopi Cantuariensis Opera quae supersunt omnia, Patres ecclesiae anglicanae 29-30. Band 2: Commentaria. Oxford 1844 Laurentius Valla (1406–1457). In epistolam ad Romanos. Opera Omnia. Basel 1543; Turin 1962, 855-861 Lombardus, Petrus (Pietro Lombardo, 1100–1160). Collectanea in omnes d. Pauli apostoli epistolas: In epistolam ad Romanos. PL 191, 1301-1534 (Magna glossatura) Nikolaus von Lyra (ca. 1270/75–1349). Postilla super totam Bibliam. 5 Bände. Rom 1471–1472; 3 Bände. Nürnberg 1481; Frankfurt 1971 Oecumenius von Trikka (ca. 990). Paulou epistolē pros Rhōmaious. PG 118, 323-636; Hypomnēmata eis tas Neas Diathēkēs: Commentaria in Novum Testamentum. Band 2. Paris 1631, 195-413; Staab, Pauluskommentare, 423-432 Origenes (185–254). Explanatio Origenis Adamantii presbyteri in epistolam Pauli ad Romanos divo Hieronymo interprete. Band 3. Venedig 1512; Commentaria in epistolam S. Pauli ad Romanos. Origenis opera omnia 6-7. Hg. v. C.H.E. Lommatzsch. Berlin 1836–1837; Commentaria in epistolam b. Pauli ad Romanos. PG 14, 831-1292 (Lateinische Paraphrase des Rufinus); Der Römerbriefkommentar des Origenes. Kritische Ausgabe der Übersetzung Rufins. Hg. v. C.P. Hammond Bammel. AGLB 33-34. Freiburg 1990–1998; Commentary on the Epistle to the Romans. Hg. v. Thomas P. Scheck. The Fathers of the Church 103-104. Washington 2001–2002; Commentarii in Epistulam ad Romanos. Römerbriefkommentar. Lateinisch / Deutsch. Fontes Christiani 2 / 1-6. Hg. v. Theresia Heither. Freiburg 1990–1999 [Zitate und Verweise nach dieser Ausgabe; zitiert als Origenes]

Literaturverzeichnis 591 ———————————————————————————————————— Pelagius (ca. 354–420). Commentarii in epistolam ad Romanos. Patrologia Latina Band 30, 669746; A. Souter. Pelagius’s Expositions of Thirteen Epistles of St Paul. Texts and Studies 9.1-3. Cambridge 1922–1931, Band 2, 6-126; Theodore de Bruyn. Pelagius’s Commentary on St. Paul’s Epistle to the Romans. OECS. Oxford 1998 [1993] Photius von Konstantinopel (ca. 810–893). Fragmente. Staab, Pauluskommentare, 470-544 Pseudo-Primasius. Commentaria in Epistolas Pauli. PL 68, 415-506 Rabanus Maurus (784–856). Expositio in epistolam ad Romanos. PL 111, 1277-1616; Enarrationum in epistolas b. Pauli libri triginta. Opera a Pamelio collecta. Hg. v. G. Clovener. Köln 1626 Sedulius Scotus († 858). Collectanea in omnes b. Pauli epistolas: In epistolam ad Romanos. PL 103, 9-128; J. Sichardus. Collectanea in omnes b. Pauli epistolas. Basel 1528 Severianus von Gabala († 408). Fragmente. Staab, Pauluskommentare, 213-225 Theodor von Mopsuestia (350–428). In epistolam Pauli ad Romanos commentarii fragmenta. PG 66, 787-876; Theodori episcopi mopsuesteni in epistolas b. Pauli commentarii: The Latin Version with the Greek Fragments. Hg. v. H.B. Swete. Cambridge 1880–1882; Staab, Pauluskommentare, 113-172 Theodoret von Cyrrhus (393–466). � Ερμηνει' α τηñ ς προ` ς � Ρωμαι' ους ε� πιστοληñ ς (Hermēneia eis tēn pros Rhōmaious epistolēs). PG 82, 43-226; Jacques Sirmond. Opera omnia. Band 3. Paris 1642, 1-119; L. Scarampi / F. Cocchini, Rome 1998 Theophylakt von Okhrid († 1070). Τηñ ς τουñ α� γι' ου Παυ' λου προ` ς � Ρωμαι' ους ε� πιστοληñ ς ε� ξη' γησις (Tēs tou hagiou Paulou pros Rhōmaious epistolēs exēgēsis). PG 124, 335-560. In omnes D. Pauli epistolas enarrationes, diligenter recognitae. Christophoro Porsena Romano interprete. Köln 1528 Thomas von Aquin (1225–1274). Expositio in omnes sancti Pauli epistolas: Epistola ad Romanos. Opera omnia Band 13. New York 1948-1950 [1852-1873], 3-156; In omnes d. Pauli apostoli epistolas commentaria. Neue Ausgabe. Band 1. Liège 1857-1858, 5-290; Super epistolas S. Pauli lectura. Hg. v. R. Cai. Band 1. Turin 81953, 5-230 [Aquin, Lectura]; Des heiligen Thomas von Aquin Kommentar zum Römerbrief. Aus dem Lateinischen zum ersten Mal ins Deutsche übersetzt und herausgegeben von H. Fahsel. Freiburg 1927 [Aquin] Walahfrid Strabo (808–849). PL 113-114

16. Jahrhundert Araneus, Clemens. Aranei Ragusini cum resolutionibus occurrentium dubiorum, etiam Lutheranorum errores confutatium secundum subiectam materiam, super epistolam Pauli Ad romanos: per modum lecturae. Venedig 1547 Aretius, Benedict. Commentarii in epistolam d. Pauli ad Romanos. Morges 1583; Commentarii doctissimi in omnes epistolas d. Pauli et canonicas. Bern 1607 Barlecta, Paduarus. Epistola ad Romanos. Concilium Pauli. Venedig 1545 Beza, Théodore de. Annotationes maiores in Novum Dn. Nostri Iesu Christi Testamentum. Band 2. Paris 1556 [Genf 1594], 3-152 Bonade, François. Divi Pauli apostoli gentium, ac Christi Jesu ecclesiae doctoris evangelici, epistolae divinae ad Orphicam lyram. Basel 1537, 15-59 Brenz, Johann. Erklerung der Epistel S. Pauls an die Römer. Frankfurt 1564; In epistolam, quam Apostolus Paulus ad Romanos scripsit. Basel 1565; Explicatio epistolae Pauli ad Romanos. Hg. v. S. Strohm. Werke: Eine Studienausgabe. Hg. v. M. Brecht/G. Schäfer. Tübingen 1986 Broickwy a Konincksteyn, Anton. Enarrationes in epistolam Pauli ad Romanos. Köln 1556 Bucer, Martin, In epistolam ad Romanos. Metaphrases et enarrationes in epistulam d. Pauli apostoli. Straßburg 1536 [Basel 1562], 1-507

592 Römerbrief ———————————————————————————————————— Bugenhagen, Johann (Pomeranus). In epistolam Pauli ad Romanos interpretatio, ipso in schola interpretante, a Doctore Ambrosio Maiobano, ut licuit, excerpta. Hagenau 1527 Bullinger, Heinrich. In sanctissimam Pauli ad Romanos epistolam commentarius. Zürich 1533; In omnes apostolicas epistolas, divi videlicet Pauli XIIII et VII canonicas, commentarii. Zürich 1537, 3-121 Cajetan (Tommaso da Vio). Epistolae Pauli et aliorum Apostolorum ad Graecam veritatem castigatae et iuxta sensum literalem enarratae. Band 5. Paris 1532, 1-84 [Lyon 1639] Calvin, Jean. Commentarii in omnes epistolas Pauli apostoli. Straßburg 1539; Commentarii in epistolam Pauli ad Romanos. Opera omnia. Band 7. Amsterdam 1667–1671, 1-107 (CR 77); Commentarius in epistolam Pauli ad Romanos. Hg. v. T.H.L. Parker. SHCT 22. Leiden 1981; Commentarius in Epistolam Pauli ad Romanos. Opera Exegetica Veteris et Novi Testamenti XIII: Hg. v. T.H.L. Parker / D.C. Parker, Genf 1999. Auslegung des Briefes an die Römer. Hg. v. E.W. Krummacher/L. Bender, Frankfurt 1836; Commentaries on the Epistle of Paul the Apostle to the Romans. Hg. v. J. Owen. Edinburgh 1844, reprint Grand Rapids 1948; Auslegung des Römerbriefes und der beiden Korintherbriefe. Auslegung der Heiligen Schrift. Übersetzt v. O. Weber. Band 16. Neukirchen-Vluyn 1960, 7-297; The Epistles of Paul the Apostle to the Romans and to the Thessalonians. Hg. v. R. Mackenzie. Calvin’s Commentaries 8. Edinburgh 1960, 5-328. Der Brief an die Römer. Ein Kommentar. Calvin-Studienausgabe 5/1-2. Hg. v. E. Busch u.a., Neukirchen-Vluyn 2005–2007 [zitiert als Calvin] Cerda, Juan Luis de la. In epistolam d. Pauli ad Romanos commentaria. Lissabon 1583 Contarini, Gasparo. Scholia in epistolas divi Pauli. Gasparis Contareni cardinalis opera. Paris 1571 [Farnborough 1968], 433-447 Corner, Christophorus. In epistolam d. Pauli ad Romanos scriptam commentarius. Heidelberg 1583 Corro, Antonio del. Dialogus theologicus: Quo epistola divi Pauli ad Romanos explanatur. London 1574; A Theological Dialogue: Wherein the Epistle of S. Paul the Apostle to the Romans Is Expounded. London 1575; Epistola beati Pauli apostoli ad Romanos e Graeco in Latinam metaphrastikōs versa. London 1581 Creuzinger (Cruciger), Kaspar. In epistolam Pauli ad Romanos scriptam commentarius. Wittenberg 1567 Erasmus, Desiderius. Novum instrumentum … una cum annotationibus. Basel 1516, 21527, 1-30 (Übersetzung), 411-455 (Annotationes in ep. ad Romanos); In epistolam Pauli apostoli ad Romanos paraphrasis, quae commentarii vice possit esse. Basel 1518; Paraphrases on Romans and Galatians. Collected Works of Erasmus 42. Hg. v. R.D. Sider. Toronto 1984, 190; Erasmus’ Annotations on the New Testament. Acts–Romans–I and II Corinthians. Facsimile of the Latin Text with all Earlier Variants. Hg. v. A. Reeve. SHCT 42. Leiden 1990 Gagny, Jean de. Epitome paraphrastica enarrationum … in epistolam divi Pauli apostoli ad Romanos. Paris 1533; Divi Pauli apostoli epistolae brevissimis & facillimis scholiis illustratae. Paris 1539; Biblia sacra Vulgatae editionis … cum selectissimis litteralibus commentariis. Band 25. Venedig 1756, 326-543 Grimani, Marino. Commentarii in epistolas Pauli, ad Romanos et ad Galatas. Venedig 1542, 1-73 Grynaeus, Johann Jacob. Exegesis epistolae Pauli apostoli ad Romanos. Basel 1591 Guilliaud, Claude. Collatio in omnes divi Pauli apostoli epistolas. Lyons 1542 [Paris 1550], 1107 Haller, Wolfgang. Christliche deutliche und verständliche Erklärung oder Auslegung der Epistel des H. Apostels Pauli an die Römer. Amberg 1593 Haresche, Philibert. Expositio tum dilucida, tum brevis epistolae divi Pauli ad Romanos. Paris 1536

Literaturverzeichnis 593 ———————————————————————————————————— Hemmingsen, Niels. Commentarius in epistolam Pauli ad Romanos. Leipzig 1562 [London 1577]; Commentarius in omnes epistolas apostolorum. Frankfurt 1571–1579 Huber, Samuel. Explicatio capitum 9, 10 & 11 epistolae ad Romanos d. Pauli. Oberursel 1597 Hunnius, Aegidius. Epistolae divi Pauli apostoli ad Romanos expositio plana et perspicua. Frankfurt 1587 [1592, 1596] Hyperius, Andreas Gerhard. In D. Pauli ad Romanos epistola Exegema, in qua partium dispositio clarissimo ostenditur. Marburg 1549; Commentarii … in epistolas d. Pauli ad Romanos et utramquae ad Corinthios. Hg. v. J. Mylij. Zürich 1583 Knöpken, Andreas. In epistolam ad Romanos interpretatio. Nürnberg 1524 Lefèvre d’Étaples, Jacques (Jacob Faber Stapulensis). S. Pauli epistolae XIV ex vulgata editione. Paris 1512, 21515 Léon, Fray Luis de. In Epistolam ad Romanos Expositio. 1584–1585; Opera Band 10. Hg. v. G. Díaz García. Biblioteca La Ciudad de Dios I/ 54. Madrid 1993 Lonicer, Johann. Veteris cuiuspiam theologi graeci succincta in D. Pauli ad Romanos epistolam exegesis. Basel 1537 Lorus, Damianus. Epistolae divi Pauli apostoli cum triplici editione ad veritatem graecam. Venedig 1533 Luther, Martin, Vorlesung über den Römerbrief 1515/1516. Anfänge reformatorischer Bibelauslegung. Hg. v. J. Ficker. Leipzig 1908, 41930; Weimarer Ausgabe Band 56. Weimar 1938; Nachschriften der Vorlesungen über Römerbrief, Galaterbrief und Hebräerbrief. Hg. v. J. Ficker, Weimarer Ausgabe Band 57. Weimar 1939, xi-lxxiv, 1-232; Vorlesung über den Römerbrief 1515/1516. Lateinisch-deutsche Ausgabe. Übersetzung E. Ellwein (1957). Hg. v. M. Hofmann. 2 Bände. Darmstadt 1960 (zitiert als Luther); Commentary on the Epistle to the Romans: A New Translation. Hg. v. J.T. Mueller. Grand Rapids 1954; Luther: Lectures on Romans Newly Translated and Edited. Hg. v. W. Pauck. Library of Christian Classics 15. London 1961; Lectures on Romans: Glosses and Scholia. Luther’s Works. Übersetzt v. W. G. Tillmanns/J.A.O. Preus. St. Louis 1972 Major, George. Series et dispositio orationis in epistola Pauli ad Romanos. Wittenberg 1558 Melanchthon, Philip. Annotationes in epistolam Pauli ad Romanos unam. Nürnberg 1522; Straßburg 1523; Dispositio orationis in epistulam ad Romanos. Hagenau 1529 (CR 15, 441-492); Commentarii in epistolam Pauli ad Romanos. Wittenberg 1532 (CR 15, 493-796); Epistolae Pauli scriptae ad Romanos enarratio. Wittenberg 1556 (CR 15, 797-1052); Anmerkungen zum Brief an die Römer, nebst einer Vorrede Dr. Martin Luthers. Hg. v. F.W. Meinel. Erlangen 1828; Römerbrief-Kommentar 1532. Hg. v. G. Ebeling / R. Schäfer. Melanchthons Werke in Auswahl. Hg. v. R. Stupperich. Band 5. Gütersloh 1965 Musculus (Meusslin), Wolfgang. In epistolam d. apostoli Pauli ad Romanos commentarii. Basel 1555, 4. Auflage 1611 Mylius, Georg. In epistolam d. Pauli ad Romanos. Jena 1595 Ochino, Bernardino. Expositio epistolae divi Pauli ad Romanos. Augsburg 1545 Oecolampadius (Hussgen), Johannes, In epistolam b. Pauli apostoli ad Rhomanos adnotationes, Basel / Nürnberg 1525 Olevian, Caspar. In epistolam Pauli ad Romanos notae. Hg. v. T. de Bèze. Genf 1578 Osorio da Fonseca, Jeronymo. In epistolam Pauli ad Romanos. Opera omnia. Rom 1592 Pasqual, Raimundo. Praeclarissima commentaria in epistolam b. Pauli apostoli ad Romanos. Barcelona 1597 Pellikan (Kürstner), Conrad. In omnes apostolicas epistolas, Pauli, Petri, Iacobi, Ioannis et Iudae commentarii. Zürich 1539, 1-176 Piscator, Johannes. Analysis logica epistolae Pauli ad Romanos. Herborn 1595 [1608] Politus, Ambrosius Catharinus. In omnes divi Pauli apostoli et alias septem canonicas epistolas … commentaria, Rom 1546; Venedig 1551; Paris 1566, 1-131

594 Römerbrief ———————————————————————————————————— Rollock, Robert. Analysis dialectica … in Pauli apostoli epistolam ad Romanos. Edinburgh 1593; In epistolam s. Pauli apostoli ad Romanos … commentarius. Genf 1608 Sadoleto, Jacopo. In Pauli epistolam ad Romanos commentariorum libri tres. Lyon 1535 [Venedig 1536], 1-231; Opera quae exstant omnia. Band 4. Verona 1738, 1-370 Sarcerius, Erasmus. In epistolam ad Romanos pia et erudita scholia. Frankfurt 1541 Scaino, Antonio. Paraphrasis in omnes s. Pauli epistolas cum adnotationibus. Venedig 1589 Selneccer, Nicolaus. In omnes epistolas d. Paul apostoli commentarius plenissimus. Leipzig 1595 Soto, Domingo de. In epistolam d. Pauli ad Romanos commentarii. Antwerpen 1550 Spangenberg, Cyriacus. Auslegung der letzten acht Capiteln der Epistel s. Pauli an die Römer. Straßburg 1566 Stapleton, Thomas. Antidota apostolica contra nostri temporis haereses in quibus loca illa explicantur, quae haeretici hodie … depravarunt. Antwerpen 1595 Titelmann, Franciscus. Elucidatio in omnes epistolas apostolicas, quatuordecum paulinas, & canonicas septem. Antwerpen 1528; Collationes quinque super epistolam ad Romanos beati Pauli apostoli. Antwerpen 1529 Valdés, Juan de. La epistola de san Pablo a los Romanos i la 1. a 2. de los Corintios. Genf 1556 [Madrid 1856]; Commentary upon St. Paul’s Epistle to the Romans: Now for the First Time Translated from the Spanish. Übersetzt v. J.T. Betts, London 1883 Vermigli, Pietro Martire. In epistolam S. Pauli ad Romanos commentarii. Basel 1558 [Heidelberg 1612]; Most Learned and Fruitfull Commentaries … upon the Epistle of S. Paul to the Romanes. London 1568 Viguier, Jean. Ad naturalem et christianam philosophiam … his annecti curavimus eiusdem Viguerii commentaria … in d. Pauli epistolam ad Romanos. Paris 1558 [Antwerpen 1572] Walther, Rudolph. In d. Pauli epistolam ad Romanos homiliae XCVI. Zürich 1572 Wigand, Johann. In epistolam s. Pauli ad Romanos annotationes. Wittenberg 1580 Wild (Ferus), Johann. Exegesis in epistolam b. Pauli ad Romanos. Paris 1559 Zwingli, Ulrich. In epistulam ad Romanos. Opera Completa Editio. Zürich 1545; Zürich 1829– 1842, Band 6 / 2, 76-133

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666 Römerbrief ———————————————————————————————————— Ziesler, John A. The Meaning of Righteousness in Paul: A Linguistic and Theological Enquiry. SNTSMS 20. Cambridge 1972 Zimmermann, Christiane. Die Namen des Vaters. Studien zu ausgewählten neutestamentlichen Gottesbezeichnungen vor ihrem frühjüdischen und paganen Sprachhorizont. AGAJU 69. Leiden 2007 Zimmermann, Johannes. Messianische Texte aus Qumran. Königliche, priesterliche und prophetische Messiasvorstellungen in den Schriftenfunden von Qumran. WUNT 2/104. Tübingen 1998 Zugmann, Michael. ‚Hellenisten‘ in der Apostelgeschichte. Historische und exegetische Untersuchungen zu Apg 6,1; 9,29; 11,20. WUNT 2/264. Tübingen 2009 Zuntz, Günther. The Text of the Epistles: A Disquisition Upon the Corpus Paulinum. The Schweich Lectures of the British Academy 1946. London 1953

Autorenverzeichnis 667 ————————————————————————————————————

2. Autorenverzeichnis Aasgaard, Reidar 156, 157 Abraham, Michael 530 Achilles, A. 246 Adams, Edward 442 Adams, James N. 236 Adams, Sean A. 75 Aland, Kurt 7, 9, 44, 45, 46, 73, 74, 100, 141, 154, 157, 161, 162, 163, 281, 398, 504 Albl, Martin C. 345, 346 Aletti, Jean-Noël 50 Alexandridis, Annetta 167 Allen, Leslie C. 353 Allison, Dale C. 151 Alon, Gedalyahu 131 Althaus, Paul 149, 184, 576 Andresen, C. 169 Arzt-Grabner, Peter 75, 80, 91, 105, 109, 113, 118, 120, 122, 138, 146, 156, 169, 214-216, 225, 245-247, 272-274, 277279, 283, 298, 304, 308, 311, 314, 331, 349, 387, 390, 392, 409, 426, 459, 464, 468, 471, 474, 475, 477, 486, 493, 513, 516, 519, 522, 523, 534, 553, 560, 562, 565, 566, 574, 578 Assmann, Jan 259 Aune, David E. 48, 49 Avemarie, Friedrich 183, 308, 315, 336 Bacher, Wilhelm 530 Bachmann, Michael 67, 259, 298, 362, 363, 364, 365, 477, 517, 518, 539 Bader, Günter 533, 535 Baeck, Leo 425 Bailey, Daniel P. 398, 402 Baker, David L. 562 Ballhorn, E. 171 Balmer, Hans Peter 255 Balz, H. 44, 149, 150, 161, 162, 235, 273, 409, 574, 576 Bamberger, Seligmann 479 Banks, Robert 127 Barclay, John M. G. 25, 35, 42 Barentsen, Jack 127 Barrett, Anthony A. 100

Barrett, C.K. 19, 20, 78, 89, 111, 124, 142, 156, 166, 184, 214, 265, 270, 279, 281, 322, 363, 392, 490, 504, 567 Barth, Gerhard 118, 119 Barth, Karl 39, 183, 210, 257, 295, 342, 343, 407, 584 Barth, Markus 147 Bartsch, Hans-Werner 40, 272, 419 Basse, Michael 542 Bassler, Jouette M. 269, 284, 296 Bates, Matthew W. 14 Bauckham, Richard J. 33, 105, 110, 131 Bauder, W. 493 Bauer, Bruno 18 Bauer, Karl-Adolf 366 Bauer, Thomas Johann 47, 48, 51, 141, 154, 157, 161, 162, 163, 281, 398 Baum, Armin D. 202, 220, 552, 561, 568, 574 Baumgärtel, F. 224, 366 Baur, Ferdinand Christian 39, 40, 153 Baur, Jörg 257, 341, 544 Beck, H. 508, 509 Becker, A. 167 Becker, Jürgen 42, 53, 59, 64, 77, 177, 254, 260, 570 Becker, O. 565 Becker, U. 276 Beckwith, Roger T. 148 Beer, Georg 183 Begg, Christopher T. 401 Behm, Johannes 44, 224, 276, 308, 523 Beker, J. Christiaan 39 Bell, Richard H. 61, 295, 584 Bendik, Ivana 67 Bengel, J. A. 49, 141, 215, 290, 557, 587 Berger, Klaus 47, 80, 113, 115, 231, 245, 252, 283, 445, 448, 449, 454 Bergmann, J. 208, 522 Bergmeier, Roland 295, 296 Bertram, G. 225, 248, 249, 283, 291, 307, 308, 355, 458 Betz, Hans Dieter 90, 156, 169, 219, 315, 445 Betz, Otto 90, 177, 315, 445

668 Römerbrief ———————————————————————————————————— Beutler, J. 156 Beyer, Klaus 464 Beyerle, S. 332 Beyreuther, E. 273 Bickerman, Elias J. 402 Bieler, Martin 431 Bieringer, Reimund 513, 515, 541 Bietenhard, H. 123 Biju-Duval, Denis 551 Binder, Hermann 119 Bini, Marinella 209 Bird, Michael F. 177, 178, 180, 181, 383 Black, Matthew 20 112, 501, 556 Bläser, Peter 426 Blank, Josef 61 Blinkenberg, Christian Sørensen 398 Bloch, Ernst 540 Bloch, R. 508 Blue, Bradley B. 30 Blumell, Lincoln H. 47 Bockmuehl, Markus 177, 183, 216, 252 Boehringer, Sandra 236 Böhme, Robert 137 Boer, Martinus C. de 558 Boismard, Marie-Émile 106 Bons, Eberhard 513 Bonsirven, Joseph 530 Boring, M. Eugene 584 Bornkamm, Günther 41, 42, 44, 209, 252, 296, 298, 300, 325, 344, 428, 563, 576, 586 Borse, Udo 46, 511 Boswell, John 237, 238 Botermann, Helga 23, 24 Bousset, Wilhelm 135 Bouttier, Michel 396 Bowers, W. Paul 164 Brändle, Rudolf 21, 26, 31 Brandenburger, Egon 366, 457, 475, 509, 539, 547, 553-555, 557, 561, 563, 565, 574, 576-578 Branick, Vincent P. 30 Braumann, G. 308 Braun, Herbert 286, 595 Breed, B. W. 332 Breytenbach, Cilliers 81, 82, 115, 217, 391, 397, 398, 401, 404, 407, 409, 432, 533, 534 Brinkschröder, Michael 235

Brodie, Thomas 270 Brödner, Erika 126 Broer, H. 146 Broer, I. 146 Brooke, G. J. 552 Brooten, Bernadette J. 235-23, 240-242, 260 Brown, Michael Joseph 83 Brown, Raymond E. 10, 20, 35, 598, 599 Brunner, Emil 257, 581 Büchli, Jörg 114 Büchsel, F. 231, 278, 281, 282, 354, 392394, 397, 407, 532, 533, 565, 567 Bühner, J.-A. 86, 87, 575 Buddensiek, Friedemann 234 Bultmann, Rudolf 44, 64, 66, 71, 77, 78, 118, 166, 178, 191, 214, 218, 251, 269, 300303, 324, 363, 375, 391, 409, 414, 416, 418, 430, 435, 439, 445, 486, 512, 513, 519, 547, 554, 558, 578 Burchard, Christoph 47, 479 Burger, Christoph 135 Burkert, Walter 229 Burkitt, F.C. 599 Bussmann, Claus 201, 245 Byrne, Brendan 46, 141, 142, 160, 165, 166, 345, 397, 455, 501, 504, 520, 543, 557 Byrskog, Samuel 111 Calhoun, Robert M. 78, 79, 93, 94, 101, 105, 142, 168, 171, 181, 183 Calvert-Koyzis, Nancy 454, 455, 458 Calvin 72, 82, 136, 155, 180, 184, 190, 215, 257, 303, 313, 322, 323, 341, 342, 363, 437, 440, 484, 485, 486, 510, 543, 586 Cambier, Jules 375, 405, 413, 556 Campbell, Constantine R. 396, 424 Campbell, Douglas A. 68, 184, 187, 195, 201, 375, 376, 383, 388, 402 Cancik-Lindemaier, Hildegard 258, 589 Capes, David B. 109, 110 Cappelletti, Sylvia 21 Carson, D.A. 46, 67 Cassirer, Ernst 582, 583 Castelli, Elizabeth A. 448 Cathcart, Kevin J. 186 Cazelles, H. 392, 458 Ceresa-Gastaldo, Aldo 128, 522 Cerfaux, Lucien 556 Chapman, David W. 167

Autorenverzeichnis 669 ———————————————————————————————————— Charlesworth, James H. 10, 85, 177, 203, 333, 449, 570 Chester, Andrew 102 Chester, Stephen J. 125 Chilton, Bruce D. 647 Cineira, David Alvarez 23, 24 Claridge, Amanda 126 Clarke, Andrew D. 21, 156, 527, 528, 599 Classen, Carl Joachim 48, 50 Clauss, Manfred 229 Claussen, Johann Hinrich 255 Clements, R. E. 445 Coarelli, Filippo 126 Cohen, David 312 Cohen, Shaye J.D. 466 Collins, John J. 45 Collins, Raymond F. 46, 85 Colpe, Carsten 99, 547, 548 Constantineanu, Corneliu 534 Conzelmann, Hans 27, 113, 114, 251, 332, 375, 391, 415 Cook, John Granger 220, 256, 407 Cosgrove, Charles H. 330 Craigie, Peter C. 351, 352, 354 Cranfield, C.E.B. 18-20, 44, 46, 78, 84, 89, 91, 95, 106, 107, 111, 112, 120, 122125, 131, 142, 143, 145, 149-151, 153, 155, 162-164, 167, 171, 177, 178, 184, 188, 190, 207, 210, 213-215, 218, 233, 235, 239, 242, 254, 268, 269, 279, 286, 287, 295-300, 303, 305, 313, 316, 317, 322, 327, 330, 331, 345-349, 353, 360363, 374, 375, 379, 382, 383, 387, 388, 392, 394, 396, 397, 398, 405, 406, 408, 409, 413, 416, 424, 428, 437, 463, 465, 469, 470, 478, 481, 482, 485, 486, 490, 493, 501, 504, 505, 515, 520, 528, 550, 555, 557, 565, 567, 572, 576, 577, 578 Cranford, Michael 443, 497 Cremer, August Hermann 175, 178 Dabelstein, Rolf 161, 162, 173, 201 Dahmen, U. 513 Dalglish, Edward 334 Dalman, Gustaf 427 Danker, Frederick W. 215, 556 Das, A. Andrew 40, 124, 163 Daube, David 530 Dauge, Yves Albert 161, 162

Davies, Glenn N. 183, 188, 297, 347 Davies, W.D. 252, 471 Daxer, Heinrich 201 Debel, Hans 237 Deines, Roland 13 Deissmann, Adolf 151, 392, 395, 396, 403, 508 Delling, Gerhard 245, 246, 249, 311, 313, 509, 526 Denzinger, Heinrich 257, 437 Dexinger, F. 315 DeSilva, David A. 304, 402 Dickey, Eleanor 156 Dickie, Matthew W. 626 Dickson, John P. 90, 91, 92, 141, 160, 164 Dietzfelbinger, Christian 15, 27, 28 Dihle, A. 174, 512 Dinkler, Erich 509 Dobbeler, Axel von 119, 145, 406 Dodd, Brian J. 184 Dodd, C.H. 18, 20, 42, 210, 271, 325, 398, 426, 445, 495, 504 Dörrie, H. 115 Doering, Lutz 47, 48, 75, 76, 80-82, 84, 111, 137-139 Doeve, Jan Willem 329 Dohmen, C. 99 Donfried, Karl P. 40, 44, 195, 286 Dormeyer, Detlev 49, 90 Douglas, Mary 129 Dover, Kenneth J. 236, 237 Duhoux, Yves 424 Dunbar, Katherine M. D. 626 Dülmen, Andrea van 418, 576 Dunn, James D.G. 18, 20, 40, 42, 44, 46, 5961, 64, 66-68, 77, 78, 84, 89, 100, 101, 106, 111, 112, 121, 124-127, 140, 142, 147, 149, 150, 154, 155, 160, 164, 166, 178, 180, 182, 183, 187, 188, 198, 201, 203, 211, 212, 215, 220, 221, 228, 230, 235, 239, 252, 253, 258, 265, 270, 271, 277, 283, 295, 296, 298, 301, 305, 308, 313, 314, 316-319, 321, 324, 330, 334, 344, 345-348, 361, 362, 364, 365, 375, 383, 387, 392, 394, 397, 401, 405, 406, 409, 413, 417, 418, 424, 425, 437, 443, 448, 453, 454, 463, 467, 470, 472, 477, 490, 491, 492, 495, 501, 504, 509-511, 515, 520, 525, 528, 532, 534, 535, 539,

670 Römerbrief ———————————————————————————————————— 544, 554, 557, 567-569, 572, 573, 576, 578 Dunson, Ben C. 265 Eberhart, Christian A. 401, 535 Eckert, J. 125 Eckstein, Hans-Joachim 209-211, 230, 296, 300, 520 Ego, Beate 446, 457 Ehrenberg, Victor 627 Ehrman, Bart D. 74 Eibach, Ulrich 261 Eichholz, Georg 256, 375, 405 Eichrodt, Walther 129 Eisenbeis, Walter 507 Elliott, James K. 46 Elliott, Neil 50, 108, 205, 265, 286, 358 Ellis, E. Earle 555 Engberg-Pedersen, Troels 113 Eschner, Christina 398, 401, 408, 492, 493, 494, 527, 528 Eskola, Timo 77, 108 Esler, Philip F. 124, 127 Evans, C. A. 445 Evanson, Edward 18 Fabry, H.-J. 114, 128, 170, 224, 274, 445, 447, 515 Fahlgren, Karl Hjalmar 284 Falk, Daniel K. 148, 177 Falkenroth, U. 273, 274, 279 Fee, Gordon D. 153, 504 Feine, Paul 44, 111 Fejfer, Jane 167 Feld, Karl 129, 161, 583 Feuillet, André 223, 348, 554 Fichtner, J. 208 Fiedler, P. 213, 276, 291, 457 Finkenrath, G. 246 Finlan, Stephen 393, 394, 402 Fitzer, G. 464, 467, 528 Fitzmyer, Joseph A. 18-20, 22, 43, 44, 46, 48, 53, 76, 78, 84, 89, 107, 111, 112, 120, 124, 125, 142, 150, 153, 155, 159, 163, 164, 167, 184, 187, 188, 203, 210, 212, 218, 223, 228, 265, 266, 270, 296, 300, 301, 317, 321, 324, 330, 344-346, 348, 360, 361, 365, 383, 387, 394, 397, 401, 408, 413, 418, 424, 428, 437, 438,

443, 453, 481, 482, 490, 501, 504, 515, 528, 543, 551, 555-557, 567, 576 Flebbe, Jochen 304, 403, 409, 414, 418, 420, 422-425, 427, 428, 430, 442, 451, 452, 454-460, 462, 467, 468, 479-481, 487, 489, 491, 496, 498 Flückiger, Felix 252, 295 Flusser, David 362 Foerster, W. 85, 169, 171, 233, 504, 508, 509 Fohrer, G. 169, 212, 213 Forster, Anselm 169, 274 Forster, W. 183, 457, 542 Frank, Günter 257 Frankemölle, Hubert 90, 539 Fredrickson, David E. 231, 237 Freedman, D. N. 114 Frey, Jörg 7, 364, 509, 535 Fridrichsen, Anton 184, 251, 265, 269, 319, 324 Friedrich, Gerhard 44, 80, 90, 121, 164, 418, 470, 560 Friesen, Steven J. 629 Furnish, Victor P. 241 Gabbay, Dov M. 530 Gaca, Kathy L. 201 Gäckle, Volker 33, 34, 35, 515 Gärtner, J. A. 137 Gager, John G. 497 Gagnon, Robert A.J. 40, 236, 237, 261 Gamble, Harry 44, 45, 46, 81 García Martínez, Florentino 82, 92, 464, 593 García Ramón, J.L. 82 Garlington, Don B. 121, 313, 573 Gaston, Lloyd 358, 363, 497 Gathercole, Simon J. 265, 266, 270, 271, 273, 275-278, 285-288, 295-300, 317, 321, 358, 364, 365, 407-409, 416, 419, 428, 448, 450, 453, 496, 501, 504, 538 Gaukesbrink, Martin 60, 375, 397, 401, 404, 494 Gaventa, Beverley Roberts 163, 164 Gehring, Roger W. 30 Gemünden, Petra von 247, 264, 346 Gerlemann, G. 358, 507 Gerstenberger, E. 513 Gese, Hartmut 102, 285 Gestrich, Christof 257 Gibson, Richard J. 256

Autorenverzeichnis 671 ———————————————————————————————————— Gielen, Marlis 260 Giesen, H. 281 Gilbert, Maurice 202 Gizewski, C. 248 Gladigow, Burkhard 229 Godet, Frédéric 124, 145, 155, 163, 164, 325, 331, 348, 378 Görgemanns, H. 194 Goetzmann, J. 274 Goldingay, John 351, 353, 354, 355, 356, 357 Goppelt, Leonhard 562 Gordon, Robert P. 186 Gorelik, Gennady 369 Gräbe, Peter J. 105, 168 Grafe, Eduard 201 Gräßer, Erich 63, 64, 423, 425, 426 Graham, Billy 539 Graupner, M. 274 Grether, O. 209 Grieb, A. Katherine 46 Griffin, Miriam T. 100, 248 Grobel, Kendrick 279 Grünwaldt, K. 174, 323, 366 Grundmann, Stephan 126 Grundmann, Walter 84, 91, 246, 247, 291, 427, 428, 517 Günther, W. 149, 150, 246, 291, 457, 493 Güting, Eberhard 73, 74, 248, 249 Gutbrod, Walter 61, 211, 214, 230, 293, 418 Gutjahr, Franz S. 495 Haacker, Klaus 11, 13, 18, 20, 31, 40, 44, 46, 48, 53, 72, 78, 83-85, 87, 89, 92, 97, 104-107, 111, 112, 119-121, 123-127, 132, 141, 142, 145, 147, 151, 154, 158, 160, 164, 167, 172, 174, 178, 180, 184, 188, 209, 211, 213, 221, 223, 228, 230, 232, 237, 248, 250, 252, 254, 261, 265, 271, 276, 280, 295-298, 301, 303, 305, 308, 313, 316, 322, 324, 328-330, 332, 334, 338, 341, 342, 345-348, 356, 361, 362, 364, 376, 383, 387, 388, 392, 394, 397, 402, 405, 407, 414, 418, 422, 427, 428, 435, 443, 450, 451, 454, 456, 457, 460, 469, 475, 494, 495, 498, 501, 504, 510, 511, 520, 528, 537, 539, 551, 557, 561, 563, 572, 573, 576, 585, 589 Haak, Robert D. 187

Hackenberg, W. 368 Härle, Wilfried 68 Häusser, Detlef 59, 61, 77-79, 100 Hafemann, Scott J. 68, 515 Hagner, Donald A. 67 Hahn, Eberhard 582 Hahn, Ferdinand 59, 61, 64, 77, 84, 101, 107, 135, 178, 216, 300, 375, 402, 494, 534 Hahn, H. C. 209, 300, 315 Halperin, David J. 260 Hamilton, James M. 99 Hamm, Berndt 436, 437 Hankins, D. 332 Hansen, G. Walter 445 Harbeck-Pingel, B. 581 Harder, G. 153, 228, 246 Harnack, Adolf von 81, 143 Harris, Murray J. 25, 83 Harrison, James R. 113, 115, 280 Hartman, Dale 151 Hartmann, E. 236 Harvey, Alan L. 353 Hasler, V. 509 Haubeck, Wilfrid 169, 392, 393, 394, 401, 402, 404 Hauck, F. 159, 277, 279, 458 Hauck, G. 566 Hauschildt, Friedrich 438, 544 Hausmann, J. 182 Haußleitner, Johannes 383 Hawkins, Robert M. 44 Hays, Richard B. 14, 184, 187, 238, 261, 262, 295, 344, 361, 362, 383, 384, 443, 447, 448, 491 Headlam, Arthur C. 18, 19, 20, 42, 43, 105, 106, 111, 124, 163, 184, 215, 269, 321, 330, 331, 348, 363, 376, 388, 392, 403, 409, 445, 483, 501, 504, 550, 576, 577 Heckel, Ulrich 20, 161, 173, 233 Hecker, Friedricke 466 Hegel, Georg Wilhelm Friedrich 337 Heidland, Hans-Wolfgang 272, 419, 451 Heiligenthal, Roman 246, 273, 278, 279, 285, 286, 464 Heim, Karl 553 Heinrichs, J. 23 Heitmüller, Wilhelm 464 Helfmeyer, F. J. 464 Heliso, Desta 184, 187

672 Römerbrief ———————————————————————————————————— Hellenkemper, Hansgerd 13 Hellholm, David 50, 503, 553, 556, 581 Helminiak, Daniel A. 240 Hempelmann, Heinzpeter 107, 260, 261 Hengel, Martin 13-15, 23, 27, 60, 61, 79, 85, 90, 91, 100, 114, 134, 135, 162, 167, 191, 404, 534, 573 Hensel, R. 159 Henten, Jan Willem van 402 Héring, Jean 556 Herrmann, J. 397 Herter, H. 236 Hezser, Catherine 452 Hill, Craig C. 27 Hirsch, Emanuel 66 Hofius, Otfried 60, 132, 178, 362, 364, 418, 421, 427, 453, 479, 494, 531, 534, 535, 557, 567, 569, 572, 574, 586 Hofmann, J.C.K. von 125, 519, 520 Hogarth, David G. 402 Hoheisel, K. 230, 236 Hollander, Harm W. 254, 274, 282 Hollinger, Dennis P. 263 Holmes, Michael W. 74, 504 Holtz, Gudrun 227, 278, 561, 573 Holtzmann, Heinrich J. 39, 308 Holz, T. 226, 227, 278, 561 Holzhausen, Jens 114 Honecker, Martin 136, 343 Hooker, Morna D. 203, 228, 383, 494 Horbury, William 85 Horn, Friedrich Wilhelm 41, 71, 77 Horsley, Greg H. R. 92, 468, 471, 522, 562 Horst, J. 273 Horst, Pieter W van der 7, 240 Horstmann, A. 167, 519 Howard, George 383 Hubbard, Thomas K. 236 Hübner, Hans 67, 71, 77, 135, 214, 231, 234, 271, 345, 346, 350, 362, 417, 418, 558 Hülser, Karlhein 196, 197 Hünemörder, C. 353 Hultgren, Arland J. 84, 107, 120, 124, 125, 142, 163, 171, 260, 375, 383, 401, 501, 504, 510, 528, 557, 584, 586 Hunt, Arthur S. 402 Hurtado, Larry W. 47, 59, 61, 84, 98, 99, 187, 491

Ilan, Tal 82, 86, 446 Instone-Brewer, David 530 Irons, Charles L. 174-178 Ito, Akio 298 Iwand, Hans Joachim 342, 430 Jackson, Bernard S. 310 Jacobelli, Luciana 236 Janowski, Bernd 397-400, 402 Janowski, J. Christine 584 Jenni, E. 156 Jepsen, A. 116, 117, 513 Jeremias, Joachim 359, 405, 441, 445, 453, 457, 490, 565 Jervell, Jacob 41, 203, 252 Jervis, L. Ann 38, 40 Jewett, Robert 18, 20-22, 30, 31, 35, 42, 44, 46, 49, 61, 77-79, 83, 84, 89, 111, 124, 127, 141, 143, 145, 150, 153, 158-163, 167, 205, 207, 208, 220, 224, 228, 230, 231, 233, 242, 247-250, 265, 268, 269, 290, 295, 298, 301, 308, 313, 324, 327, 330-334, 337, 344-349, 353, 356, 358, 360, 361, 366, 375-379, 383, 386, 388, 389, 392, 394, 397, 408, 413-416, 429, 443, 447, 461, 467, 468, 470, 481, 482, 490, 491, 501, 504, 505, 515, 518, 527, 528, 550, 551, 555, 565, 567, 569, 572 Jipp, Joshua W. 443, 494 Jobes, Karen H. 149, 233 Joest, Wilfried 431 Johnson, B. 175 Johnson, E. 208 Jokirata, J. 156 Joly, Robert 128, 522 Jones, Arnold H. M. 504 Jones, Brian W. 24 Jonge, Marinus de 254 Judge, Edwin A. 24, 25, 127, 280, 562 Jülicher, Adolf 325, 445, 495, 510 Jüngel, Eberhard 10, 564, 570, 577, 578, 582 Jürgens, Benedikt 399 Jüthner, J. 161 Julius, Christiane-Barbara 562 Junack, Klaus 73, 74 Jungbauer, Harry 250 Juster, Jean 21

Autorenverzeichnis 673 ———————————————————————————————————— Kähler, Else 238 Käsemann, Ernst 44, 60, 61, 66, 77, 78, 84, 96, 106, 111, 120, 124, 140, 141, 145, 152, 155, 165, 166, 174, 178-180, 184, 187, 188, 190, 211, 214-216, 218, 222, 225, 229, 235, 252, 265, 269, 277, 278, 290, 295, 297-303, 307-309, 313, 316319, 321, 324, 325, 329, 330, 332, 334, 335, 339, 344-346, 348, 360, 363, 366, 375, 380, 390, 394, 397, 403, 406, 407, 409, 413-416, 418, 422, 424, 426, 429, 437, 442, 443, 448, 457, 460, 463, 465, 467, 472, 475, 477, 479, 485, 486, 489, 490, 493, 494, 497, 498, 500, 501, 504, 505, 510, 511, 515, 520, 526, 531, 532, 534, 535, 543, 544, 551, 552, 554, 557, 563, 564, 565, 572, 574, 575, 576, 583 Kaiser, Otto 234, 422 Kallas, James 44 Kamlah, Ehrhard 45, 46, 245 Karrer, Martin 9, 80, 81, 84, 85, 135, 169, 178, 291, 375 Kaser, Max 83, 360 Keener, Craig S. 46, 84, 141, 142, 210, 501 Kehne, P. 508 Kellermann, Ulrich 182, 479 Kennedy, George A. 94 Kern, Philip H. 50 Kertelge, Karl 174, 177, 178, 180, 389, 392, 393, 394, 438, 567, 572 Kettunen, Markku 38, 41, 141 Kienast, Dietmar 99 Kierkegaard, Søren 582 Kim-Rauchholz, Mihamm 274 Kim, Seyoon 15, 67, 363, 364 Kinneavy, James L. 119 Kinoshita, Junji 43 Kirk, J.R. Daniel 107, 567 Kister, Menachem 552 Kittel, Gerhard 214, 329, 383, 574 Klauck, Hans-Josef 30, 48, 75, 80, 402 Klauser, T. 445 Klausner, Joseph 425 Klawans, Jonathan 131 Klehn, Lars 396 Klein, Günter 40, 64, 320, 329, 363, 384, 466, 477 Klein, Richard 125 Kleinknecht, Karl Theodor 219, 220, 404

Klinghardt, Matthias 291 Klopfenstein, Martin A. 332 Klumbies, Paul-Gerhard 414 Knape, J. 141 Knöppler, Thomas 375, 397, 401, 403, 405, 406, 407, 431 Koch, Dietrich-Alex 14, 175, 186-188, 292, 314, 344-346, 350, 361, 382, 441-443, 450, 458, 462, 469, 483, 562 Koch, Klaus 175, 182, 284, 285, 292 Koester, Helmut 44 Körting, Corinna 399 Köstenberger, Andreas J. 33 Kolb, Frank 126 Konikoff, Adia 22 Konradt, Matthias 211, 253, 265, 271, 286, 287, 296 Kooten, George H. van 62 Korthaus, Michael 432 Krapinger, G. 141 Kraus, Hans-Joachim 351, 352, 353, 354, 357, 362 Kraus, Wolfgang 15, 292, 375, 397, 401-403, 405, 407, 409-414, 430, 443, 447, 448, 452, 469, 473, 478 Kreinecker, Christina M. 120, 513 Kremendahl, Dieter 51, 138 Kremer, J. 149, 217, 515 Krenkel, Werner A. 236 Krentz, Edgar 313 Kretzer, A. 246, 293 Kreuzer, Siegfried 456 Krieg, Matthias 555 Kritzer, Ruth E. 225, 311, 349, 392, 409 Krohn, Wiebke 261 Kruger, Michael A. 160 Krüger, Thomas 224 Kruse, Colin G. 22, 4667, 79, 84, 89, 107, 112, 121, 123-125, 142, 153, 164, 180, 185, 188, 190, 211, 215, 230, 253, 256, 265, 280, 295, 317, 330, 344, 361, 362, 403, 501, 504, 557, 567, 586 Kühner, Raphael 318, 556 Kümmel, Werner Georg 408, 409 Küng, Hans 543 Kuhr, Friedrich 298, 299 Kullmann, Wolfgang 226 Kunkel, Wolfgang 360 Kuschel, Karl-Josef 101

674 Römerbrief ———————————————————————————————————— Kuss, Otto 38, 107, 112, 120, 135, 142, 155, 184, 211, 212, 248, 297, 313, 325, 330, 339, 375, 396, 403, 409, 414, 418, 424, 437, 438, 443, 448, 472, 476, 478, 490, 492, 495, 501, 504, 510, 520, 527, 543, 553, 555, 557, 563, 565, 584, 585, 586 Laak, Werner van 584 Laato, Timo 85 Lagrange, Marie-Joseph 20, 106, 111, 125, 142, 151, 184, 248, 360, 392, 403, 470, 484, 490, 501, 504, 530 Lambrecht, Jan 182, 324, 383, 408, 416 Lampe, Peter 21, 23, 24, 29, 30, 31, 32, 33, 34, 44, 45, 46, 51, 127, 570 Latte, Kurt 229, 311 Lattke, M. 246 Lausberg, Heinrich 49, 517, 530 Lear, Andrew 236 Lee, Jae Hyun 94, 141, 184, 205, 206, 324, 501 Leenhardt, Franz Jehan 265, 501 Legrand, Lucien 141 Leipoldt, Johannes 91 Lenz, C. 584 Leroy, H. 410 Leschhorn, Wolfgang 642 Levick, Barbara 100 Levine, Lee I. 21 Levinskaya, Irina A. 21 Levison, John R. 203, 547, 552 Lichtenberger, Hermann 21, 61, 458 Licona, Michael R. 107 Lied, Liv Ingeborg 473 Lietzmann, Hans 80, 107, 143, 154, 171, 184, 212, 248, 269, 281, 290, 313, 317, 318, 325, 348, 349, 360, 388, 403, 409, 410, 418, 424, 426, 428, 469, 478, 495, 501, 504, 505, 532, 556, 567, 577 Lieu, Judith M. 81 Lightfoot, Joseph Barber 504 Limbeck, Meinrad 17, 213, 246, 264 Lindemann, Andreas 18, 548 Lindsay, Dennis R. 118 Linebaugh, Jonathan A. 115-116, 201-204 Link, H. 214 Linnemann, Eta 78 Lips, Hermann von 112 Litfin, Duane 164

Llewelyn, Stephen R. 9, 92, 409, 468, 471, 562 Loader, William 237, 260 Löning, Karl 27 Lohfink, Norbert 450, 471 Lohmeyer, Ernst 80, 364 Lohmeyer, Monika 87 Lohse, Bernhard 179, 257 Lohse, Eduard 18, 42, 44, 46, 53, 66, 67, 69, 77, 78, 80, 83, 89, 90-92, 104, 107, 111, 112, 120, 121, 125-127, 138, 142, 145147, 149, 150, 151, 155, 163, 164, 166, 167, 171, 172, 174, 177, 178, 180, 184, 188, 190, 201, 210, 213, 215, 216, 218, 223, 225, 230, 235, 240, 242, 243, 248, 252, 254, 265, 274, 279, 283, 286, 296, 297, 300-303, 308, 313-315, 318, 322, 325, 327, 329-331, 333, 334, 336, 338, 339, 345, 346, 348, 349, 360-362, 365, 366, 368, 375, 376, 380-382, 387, 392, 394, 396, 397, 402, 403, 408, 410, 413, 418, 419, 423, 424, 428, 431, 437, 442, 443, 445, 447, 448, 450, 453, 461, 463, 465, 467, 469, 475, 477, 479, 480-482, 490, 492, 494, 495, 501, 503-505, 507, 510, 511, 515, 518, 520, 526, 527, 532, 534, 537, 547, 550, 551, 557, 560, 563, 565, 567, 570, 571, 574, 576, 578 Longenecker, Bruce W. 271, 273 Longenecker, Richard N. 18, 20, 21, 35, 38, 42, 46, 53, 643 Lorenzen, Stefanie 226, 227, 230 Lorenzen, Thorwald 30 Losemann, V. 161 Louw, Theo A.W. van der 122 Lüdemann, Gerd 20, 300 Lührmann, Dieter 216 Lüpke, Johannes von 431 Lundbom, J.R. 114 Luther 13, 39, 65, 67-68, 71, 178-80, 184, 215, 248, 256-57, 279, 295, 300, 317, 322-323, 342, 363, 376, 421, 436, 438, 499-500, 541-543, 583 Luz, Ulrich 42, 345, 412, 490, 501, 562 Lyonnet, Stanislas 319, 398, 438, 556, 557 Lyu, Eun-Geol 291, 397 Macaskill, Grant 396 MacDonald, Gregory 584

Autorenverzeichnis 675 ———————————————————————————————————— Macholz, Christian 88 MacMullen, Ramsay 237 Männlein-Robert, I. 137 Maertens, Philip 296 Magda, Ksenija 265 Mahieu, Bieke 20 Mahlmann, Th. 65 Maier, Johann 6, 203, 351, 365, 449 Malherbe, Abraham J. 48, 51, 145 Malina, Bruce J. 304 Manen, Willem C. van 18, 43 Manson, Thomas Walter 41, 44, 644 Manson, William 555 Marshall, I. Howard 46, 394, 535, 573 Martens, John W. 296 Marti, Karl 183 Martin, Dale B. 83, Martin, Ralph P. 375, 535, Martin, Troy W. 528 Martin-Achard, R. 445 Maschmeier, Jens-Christian 66, 67 Mason, Steve 39, 139 Matera, Frank J. 142, 152, 443, 501, 556 Matlock, R. Barry 185, 383 Mattern, Liselotte 286 Maurer, Christian 300, 348, 361, 530 Mauthner, Fritz 258 Mayer, B. 485, 512 Mayordomo, Moisés 196, 197, 198, 422, 530 McDonald, Patricia M. 501 McFadden, Kevin W. 286, 295 McGlynn, Moyna 202 McGrath, Alister E. 257 McKinnon, James W. 362 McKnight, Scot 26, 87 Meier, John P. 35, 87 Meißner, Stefan 425, 426 Menci, G. 18 Menxel, François van 513 Merk, Otto 71, 504 Merkel, F. 227 Merkel, H. 533, 534 Merklein, Helmut 31, 90, 261, 274, 300, 397, 401, 423 Metzenthin, C. 359 Metzger, Bruce M. 34, 47, 81, 143, 207, 291, 328, 348, 376, 377, 445, 481, 504, 505 Meyendorff, John 556 Meyer, Ben F. 375

Meyer, H. A. W. 125, 269, 331, 388 Meyer, R. 315, 366, 378 Michaelis, Wilhelm 19, 44, 217, 234, 306, 354, 357, 493 Michel, Otto 20, 42, 89, 90, 93, 106, 111, 120, 122-125, 127, 141-143, 145, 147, 149, 150, 152-155, 163, 166, 174, 179, 210, 211, 213, 215, 218, 220, 221, 230, 235, 248, 250, 252, 265, 269, 270, 271, 273, 277, 290, 298, 301, 303, 308, 313, 314, 316, 318, 321, 322, 327, 328, 330, 336, 337, 345, 348, 349, 360, 361, 375, 376, 380, 387, 388, 394, 397, 403, 404, 409, 411, 415, 417, 418, 424, 428, 435, 442, 443, 448, 450, 453, 457, 461, 462, 463, 467, 469, 470, 472, 474, 475, 477, 478, 481, 484, 486, 490, 493, 501, 505, 515, 524, 526, 531, 532, 541, 544, 551, 553, 557, 565, 567, 572, 573-577 Michelsen 43 Michelsen, Jan H. A. 264 Mijoga, Hilary B.P. 298, 362 Mildenberger, Friedrich 582 Milgrom, Jacob 129, 130 Milik, J. T. 661 Millard, Alan R. 445 Miller, James E. 237 Mills, Watson E. 71 Minde, H.-J. van der 345, 375, 413, 442 Mink, Gerd 74 Mitchell, Margaret M. 87 Mitchell, Stephen 219, 220 Moffatt, James 114 Moir, Ian A. 504 Molland, Einar 269 Moltmann, Jürgen 540 Moo, Douglas J. 20, 39, 46, 112, 121-125, 142, 145, 152, 154, 155, 160, 163, 164, 184, 195, 210, 211, 265, 313, 317, 322, 330, 331, 348, 349, 360, 361, 363, 375, 376, 381, 383, 401, 408, 409, 418, 453, 490, 501, 504, 519, 557, 567, 584, 586 Moody, R. M. 188 Morris, Leon 398, 403 Mosis, R. 332 Moule, C.F.D. 163 Moulton, James H. 556 Moxnes, Halvor 167, 442, 472, 481, 496 Moyise, Steve 14

676 Römerbrief ———————————————————————————————————— Mühling, Anke 446, 447 Müller, Christian 414 Müller, H. 530, 562 Müller, H.-P. 129 Müller, Markus 44, 111 Müller, P.-G. 216 Müller, W. G. 48 Mulder, M. J. 128 Mundle, Wilhelm 295, 574 Murphy-O’Connor, Jerome 13, 20, 80 Murray, John 155, 183, 363, 392, 504 Naber, Samuel A. 43 Nägele, S. 156 Nanos, Mark D. 28, 40 Nebe, Gottfried 365, 512, 513 Neher, Martin 285 Nestle, Wilhelm 9, 508 Neubert, Luke 660 Neubrand, Maria 272, 417, 418, 443, 450-453, 462, 463, 466, 473, 474, 496, 497 Neudorfer, Heinz-Werner 6, 27 Neugebauer, Fritz 119, 396 Neumeister, Christoff 126 Neusner, Jacob 68 Niebuhr, Karl-Wilhelm 13, 15, 27, 28, 228, 246, 265 Niesel, Wilhelm 257 Nimtz, Ursula 73, 74 Nobbs, Alanna 24 Nodet, Étienne 13 Nolland, John 114 Novakovic, Lidija 102, 107 Novenson, Matthew V. 84 Nüssel, Friederike 431 Nygren, Anders 39, 89, 303, 363, 401, 495, 556

Oswalt, John N. 355, 356

448, 491,

205,

428,

O’Brien, P.T. 15, 67, 121, 137, 142, 145, 146 Oberlinner, L. 247 Oberthür, Rainer 264 Oegema, Gerbern S. 451 Oeming, Manfred 445 Oepke, A. 221, 279, 293, 575, 584 Ollrog, Wolf-Henning 44 Olshausen, Eckart 49 Omerzu, Heike 14 Ostmeyer, Karl-Heinrich 150, 562, 563

Pak, James Yeong-Sik 210, 235 Pannenberg, Wolfhart 261, 262 Papathomas, Amphilochios 213, 214, 216, 227, 230, 234, 243, 246, 247, 254, 271, 292, 311, 411, 464, 477, 486, 533, 567 Park, Sung-Ho 401, 531, 532 Parker, David C. 503, 592 Parkin, Harry 163 Parsons, Peter J. 186 Pate, C. Marvin 296, 515 Paton, William Roger 398 Patsch, Hermann 494 Patzer, Harald 236 Paulsen, Henning 408, 491, 501 Pearson, Birger A. 547 Pedersen, Johannes 113, 284, 448 Penna, Romano 18, 20, 21, 42, 44, 46, 50, 89, 107, 111, 112, 120, 121, 124, 142, 145, 150, 265, 325, 330, 344, 346, 361, 383, 397, 403, 409, 418, 424, 437, 438, 443, 470, 475, 478, 485, 490, 501, 504, 505, 520, 543, 551, 557, 569 Perriman, Andrew C. 396 Pesch, Otto Hermann 543 Pesch, Rudolf 77 Pesch, W. 209, 210 Pierce, Claude Anthony 300 Pierson, Allard 43 Pietersma, Albert 109 Piper, John 336, 408, 413 Plasger, Georg 431 Plassart, André 19 Pluta, Alfons 405, 406 Poggemeyer, Joseph 222 Pohlenz, Max 209, 290 Poirier, John C. 559 Pokorný, Petr 20 Pöhlmann, W. 308 Popkes, Wiard 151, 230, 252, 492 Porsch, Hedwig 261 Porter, Joshua R. 555, Porter, Stanley E. 8, 50, 142, 376, 377, 424, 504, 510, 533, 534, 535 Poythress, Vern S. 78 Pratscher, W. 562 Preisker, Herbert 141, 448, 560 Preuß, Horst Dietrich 182, 292, 332, 507

Autorenverzeichnis 677 ———————————————————————————————————— Pucci Ben Zeev, Miriam 34 Qimron, Elisha 365 Quarles, Charles L. 183, 185 Quell, G. 174, 214, 291, 521 Quesnel, Michel 253, 554 Rad, Gerhard von 175, 210, 450, 507 Radl, W. 279 Radke, G. 167 Räisänen, Heikki 196, 295, 322, 325, 364, 558 Rahlfs, Alfred 219, 449 Rahner, Karl 543 Rainer, J. Michael 234 Ramelli, Ilaria L. E. 584 Rapa, Robert K. 364 Rapinchuk, Mark 573 Rapp, Christof 234 Reed, Jeffrey T. 51, 138 Rehfeld, Emmanuel L. 396 Reichert, Angelika 38, 39, 41, 44, 111, 140, 141 Reinhardt, W. 566 Reinsberg, Carola 236 Reiser, Marius 80 Reitzenstein, Richard 547 Rengstorf, K. H. 87, 385 Richards, E. Randolph 19 Richardson, Lawrence 8, 126 Richardson, Peter 21 Ridderbos, Herman N. 297, 511 Ridderbos, Simon Jan 241 Rieger, Hans-Martin 179 Riesner, Rainer 6, 14, 19, 20, 24, 82 Ringgren, H. 168, 123, 156, 175, 292, 355, 392 Risch, Ernst 620 Rissi, M. 270, 271 Ritter, Andre 259 Rix, H. 82 Robertson, A.T. 254, 557 Robinson, H. Wheeler 555 Robinson, Olivia F. 126 Röhser, Günter 291, 293, 431 Rösel, Martin 99 Rogerson, John W. 555 Roller, Otto 19, 111 Roloff, J. 87, 397, 401, 404

Romaniuk, Casimir 201 Rosenau, Hartmut 584 Rosner, Brian S. 418, 428 Roth, M. 581 Rothe, Richard 556 Rowe, C. Kavin 110 Royse, James R. 109, 504 Saake, Helmut 301 Sänger, Dieter 466, 469, 477, 480 Sailors, Timothy B. 554 Sand, Alexander 224, 278, 366, 470 Sanday, William 18, 19, 20, 42, 43, 105, 106, 111, 124, 163, 184, 215, 269, 321, 330, 331, 348, 363, 376, 388, 392, 403, 409, 445, 483, 501, 504, 550, 576, 577 Sanders, E.P. 66, 67, 68, 131, 177, 295, 322, 364, 418, 558 Saß, Gerhard 428, 456, 470, 472, 497 Sasse, H. 219 Sauer, G. 208 Sauter, G. 65 Sawyer, J. F. 170 Schäfer, Peter 400, 591, 593 Schaller, Bernd 547 Scharbert, J. 175 Schellenberg, Ryan S. 561 Schelkle, K. H. 156, 169, 170 Schenk, G. 174 Schenke, Hans-Martin 43, 44 Scherer, Wilhelm 436 Scherf, J. 508 Schiemann, G. 248, 310, 311 Schiffman, L. H. 148 Schild, Uri J. 229 Schille, Gottfried 375 Schillebeeckx, Edward 543 Schilling, O. 92 Schippers, R. 464, 467 Schlaeger, Gustav 18 Schlatter, Adolf 89, 106, 111, 119, 124, 149, 179, 184, 188, 210, 213, 215, 221, 248, 276, 298, 300, 314, 318, 330, 332, 349, 360, 363, 401, 418, 419, 424, 435, 445, 478, 490, 495, 531, 554, 572, 575, 586 Schlenke, B. 459 Schlier, Heinrich 20, 42, 44, 46, 48, 53, 61, 78, 89, 95, 106, 111, 120, 124, 125, 140, 142, 150, 155, 158, 167, 188, 210, 233,

678 Römerbrief ———————————————————————————————————— 235, 243, 244, 273, 298, 308, 316, 324, 325, 331, 335, 344, 345, 346, 348, 360, 363, 375, 389, 394, 403, 409, 410, 413, 414, 424, 435, 438, 443, 445, 450, 461, 472, 477, 490, 493, 501, 504, 509, 510, 515, 520, 527, 529, 543, 544, 549, 557, 563, 567, 569, 572, 576, 578, 586 Schließer, Benjamin 119, 383, 442, 443, 451 Schluep, Christoph 401, 432 Schmeller, Thomas 14, 195, 467 Schmid, H.H. 507 Schmidt, Hans Heinrich 175 Schmidt, Johann H. 470 Schmidt, K.L. 125, 276 Schmidt, M.A. 276 Schmithals, Walter 34, 43, 44, 46, 269, 375, 504, 520 Schmitt, Franciscus Salesius 431 Schmitz, E.D. 368 Schmocker, Katharina 513 Schnabel, Eckhard J. 13, 16, 19, 21, 24, 26, 27, 29, 30, 31, 33, 36, 37, 46, 47, 82, 88, 96, 109, 119, 122, 128, 132, 147, 158, 167, 274, 307, 362, 418, 466, 515, 547 Schneider, C. 274 Schneider, G. 85, 104, 153, 249, 521, 565, 566, 576 Schneider, J. 169, 226, 313, 561 Schnelle, Udo 10, 44, 53, 59, 61, 64, 85, 118, 224, 265, 364, 375, 403, 404, 410, 428, 535, 539 Schniewind, J. 146, 470 Schnider, Franz 42, 75, 80, 137, 138 Schöllgen, Georg 30 Schöndorf, Harald 431 Schoonheim, Pieter L. 249 Schrage, Wolfgang 23 Schramm, T. 464 Schreckenberg, Heinz 33 Schreiber, Stefan 18, 44, 375, 403 Schreiner, Susan E. 257 Schreiner, Thomas R. 19, 46, 107, 121-124, 142, 153, 184, 205, 210, 265, 269, 271, 295, 313, 317, 321, 322, 330, 331, 334, 336, 360, 363, 364, 375, 383, 394, 397, 403, 408, 490, 501, 504, 519, 525, 556 Schrenk, Gottlob 42, 213, 246, 277, 312, 313, 318, 405, 426, 567, 572, 576 Schrijvers, Piet H. 237

Schröder, Winfried 258 Schubart, Wilhelm 49 Schubert, Anselm 583 Schubert, Paul 137 Schulz, David 44 Schumacher, Thomas 116,118,119,120,121, 154, 383 Schunack, Gerd 118, 517, 562, 563 Schunk, W. 332 Schweitzer, Albert 66 Schweizer, Eduard 77, 78, 100, 135, 149, 254 Schwemer, Anna Maria 13, 15, 23, 85, 103, 573 Schwiderski, Dirk 82 Schwyzer, Edouard 556 Scornaienchi, Lorenzo 104, 366 Scott, James M. 78, 79, 161 Scroggs, Robin 43, 241, 329 Seebass, H. 292, 332, 445 Seeley, David 402 Seifrid, Mark A. 66, 67, 71, 174, 175, 177, 178, 184, 186, 188, 204, 314, 329, 332, 345, 362, 384 Seitz, Erich 526, 527 Sellin, Gerhard 547 Seybold, K. 451 Sevenster, Jan N. 19 Sherk, Robert K. 508 Shipp, George P. 128, 522 Siegenthaler, Walter 656 Siegert, Folker 33, 139, 194, 195, 332, 462, 530 Slingerland, H. Dixon 25 Smallwood, E. Mary 24 Smith, John A. 362 Smits, Crispinus 405 Snodgrass, Klyne R. 287 Söding, Thomas 20, 60, 77, 96, 98, 99, 103, 104, 105, 106, 133, 134, 135, 136, 178, 227, 397, 401, 403, 405, 428, 432, 513, 521 Soden, H. von 1561 Solin, Heikki 21, 25, 32 Song, Changwon 14, 195, 324 Sonntag, Holger 364 Sordi, Marta 24 Sorg, Theo 539 Southall, David J. 178 Spallek, Andrew J. 90

Autorenverzeichnis 679 ———————————————————————————————————— Sperber, Alexander 186 Spiegel, Nathan 508 Spijker, Antonius M. J. M. 238 Spitaler, Peter 193 Sprinkle, Preston M. 383 Staab, Karl 424, 589, 590, 591 Stadelmann, Hans-Rudolf 581 Stadler, Martin Andreas 229 Staehelin, Ernst 584 Stählin, G. 209, 210, 291 Stamm, J.J. 392 Standhartinger, Angela 80 Stanley, C.D. 14, 345, 346, 361, 450 Stark, Rodney 30 Stauffer, Ethelbert 128, 521, 556 Steck, Rudolf 18 Stegemann, Ekkehard W. 21, 26, 31, 111 Stegemann, Wolfgang 237 Stemberger, Günther 13, 441, 530 Stendahl, Krister 66, 67 Stendebach, F.-J. 357, 507 Stenger, Werner 42, 75, 80, 137, 138 Stenschke, Christoph 33 Stern, Menachem 25 Stiegler, Stefan 658 Stirewalt, M. Luther 48 Stökl Ben Ezra, Daniel 399, 404 Stolle, Volker 66, 224 Stolz, F. 170 Stowasser, Martin 237 Stowers, Stanley K. 14, 39, 195, 265, 324, 344, 424 Strathmann, H. 147, 149, 150 Strecker, Georg 90, 91, 164, 238, 458, 547 Strobach, Anika 161 Strobel, August 186 Strugnell, John 365 Studer, B. 512 Stuhlmacher, Peter 41, 42, 44, 46, 59, 62, 64, 66, 67, 79, 84, 90, 91, 100, 101, 107, 111, 119, 120, 124, 135, 141, 142, 160, 165, 166, 178, 179, 180, 184, 213, 270, 275, 293, 329, 332, 335, 348, 364, 375, 383, 397, 401, 404, 405, 407, 409, 414, 418, 456, 479, 501, 534, 535, 573 Stummer, F. 315 Stumpff, A. 468, 469 Suhl, Alfred 20, 158 Swarat, Uwe 259

Swartley, Willard M. 509 Swinn, S.P. 128, 522 Synofzik, Ernst 286, 531 Taatz, Irene 47 Talbert, Charles H. 44, 586 Tan, Randall K.J. 71 Tasker, Randolph V.G. 209 Tate, Marvin E. 334 Taylor, John W. 184, 185, 187, 597 Thalheim, T. 312 Theißen, Gerd 31, 43, 44, 581 Thoma, C. 450 Theobald, Michael 18, 20, 26, 28, 33, 38, 43, 44, 46, 48, 49, 50, 60, 61, 63, 64, 71, 72, 77, 78, 98, 104, 105, 126, 127, 192, 195, 209, 210, 211, 212, 264, 329, 374, 397, 401, 404, 408, 409, 413, 414, 418, 436, 438, 439, 443, 452, 453, 472, 494, 513, 541, 543, 572, 584 Thiele, F. 221 Thielman, Frank 252 Thomas, Johannes 240 Thornton, C.-J. 19 Thorsteinsson, Runar M. 163, 164, 265 Thrall, Margaret E. 467 Thür, G. 312 Thüsing, Wilhelm 572 Tigchelaar, Eibert J.C. 92, 208, 464 Tilly, Michael 660 Tite, Philip L. 75 Tiwald, Markus 14, 375, 401, 404 Tobin, Thomas H. 324, 552 Toit, Andrie B. du 124, 135, 140, 141, 142, 237, 261 Toit, David S. du 418, 428, 496, 497 Tomson, Peter J. 33, 237, 265, 295 Tov, Emanuel 186 Traub, H. 210 Traulsen, Christian 312 Trebilco, Paul 156, 157, 415 Trobisch, David 44 Troeltsch, Ernst 31 Troxel, Ronald L. 99 Turner, Nigel 111, 217, 247, 348, 555 Ulrich, Eugene 72, 584, 594 Ulrichs, Karl Friedrich 383 Umoren, Anthony Iffen 106

680 Römerbrief ———————————————————————————————————— Untergaßmair, F.G. 523 Usami, Koshi 548 Utemann, K. H. 195 Vanhoye, Albert 383 Vanni, Ugo 226, 561 Vaux, Roland de 605 Verbrugge, Verlyn D. 504 Veyne, Paul 236 Visscher, Gerhard H. 443, 448 Vögtle, Anton 245, 354, 539 Völter, Daniel J. E. 43 Vogel, Manuel 33 Vogler, Werner 30 Vogt, Joseph 161 Vollmer, Hans A. 345 Vorholt, Robert 83, 87, 112, 116, 533, 534 Vorländer, H. 565 Vorster, Johannes N. 141 Vos, Johan S. 196, 325, 374 Vouga, François 49 Wachtel, Klaus 74 Wagner, Andreas 354, 355 Wagner, Günter 71 Wagner, J. Ross 494 Wagner, S. 358 Wagner-Hasel, B. 311 Walter, Nikolaus 104 Wanamaker, Charles A. 157 Wander, Bernd 26, 508, 509 Wanke, J. 161 Ward, Roy B. 239 Wardle, D. 166 Wasserman, Tommy 74 Waters, Guy Prentiss 67 Watson, Francis 14, 39, 40, 195, 265, 295, 298, 299, 383, 384 Watts, Rikki E. 99, 167, 187, 188 Weber, Ekkehard 119, 474, 592 Wedderburn, A.J.M. 38, 203, 228, 396 Weder, Hans 5, 28, 83, 193, 346, 368, 403, 406, 512 Wegenast, Klaus 78, 375 Weihs, Alexander 492 Weima, Jeffrey A.D. 46, 81 Weiser, A. 116 Weiss, K. 273, 354 Weisse, Christian Hermann 43

Weiß, Alexander 403 Weiß, Hans-Friedrich 13, 573 Weiß, Joh. 13, 77, 145, 155, 163, 301, 331, 344, 354, 469, 495, 501, 504, 515, 528 Welles, C. Bradford 49 Wengst, Klaus 77, 78, 238, 356, 375, 491, 508, 539 Wenham, Gordon J. 129, 130 Wenz, Gunther 431 Werblowsky, R.J. Zwi 426 Wernle, Paul 67 Westenholz, Joan G. 21 Westerholm, Stephen 58, 66, 67, 178, 364, 365, 418 Wetter, Gillis P. 114, 115 White, John L. 75, 137 Whitenton, Michael R. 383 Whitsett, Christopher G. 78, 79 Wibbing, Siegfried 245, 565, 575 Wiefel, Wolfgang 21, 40 Wieser, Friedrich E. 446 Wilckens, Ulrich 23, 34, 41-44, 46, 53, 80, 83-85, 89, 90, 91, 96, 101, 104, 105, 107, 111, 112, 120-124, 126, 127, 134, 135, 140, 142, 143, 145-147, 150, 153, 155, 160, 163, 164, 166, 167, 169, 173, 174, 178, 180, 182-184, 186, 188, 190192, 201, 210, 213-215, 218, 221, 225, 231, 235, 242, 243, 245, 247, 248, 250253, 257, 260, 265, 269, 270, 271, 277280, 283-287, 293, 295, 297-301, 306, 313, 315-319, 322, 325, 327, 329, 330332, 334-337, 339, 343-345, 348, 349, 360-366, 369, 370, 375, 376, 379-382, 384, 385, 387-389, 391, 392, 394, 397, 401, 404-407, 409, 412-415, 418, 422424, 427, 428, 430-432, 436, 437, 439, 440, 442, 443, 445, 450, 451, 453, 457459, 463, 464, 466, 467, 470, 472, 474478, 481, 483, 486, 490-495, 501-505, 510-512, 515, 517, 520, 525-528, 532, 537, 542-544, 547, 548, 550, 551, 553, 558-560, 563-565, 567, 569, 570, 572, 574-578, 584 Wildberger, Hans 507 Wiles, Gordon P. 81 Willi, H.-P. 273, 274, 279 Williams, Craig A. 236 Williams, Jarvis J. 406

Autorenverzeichnis 681 ———————————————————————————————————— Williams, Sam K. 402 Windisch, H. 161 Winston, David 202, 271 Winter, Franz 216, 522, 523, 553 Wipszycka, Eva 565 Wischmeyer, Oda 200, 265-267, 275, 521, 522 Wißmann, H. 315 Witherington, Ben 46, 50, 91, 112, 124, 125, 141, 155, 504 Witt, Reginald E. 468 Witte, Klaus 73, 74 Witulski, Thomas 91 Wolff, Hans Walter 274, 354 Wolff, Hartmut 21 Wolter, Michael 18, 20, 43-45, 48, 50, 60, 62, 64, 67, 68, 72, 78, 79, 81, 83, 84, 87, 90, 91, 103-107, 111, 112, 114, 120, 125, 141, 143, 145, 146, 150, 151, 154, 160, 164, 166, 169, 171-175, 184, 205, 211-213, 215, 218, 232, 233, 239, 243, 248, 260, 265, 270, 271, 274, 277, 279, 286, 293, 295, 298, 300, 303, 305, 313, 318, 321, 324, 329, 330, 332, 334, 337, 347-349, 360, 362, 375, 379, 383, 387, 388, 391, 392, 394, 397, 401, 409, 414, 418, 424, 426, 427, 428, 448, 449, 453, 454, 464, 472, 477, 479, 482, 483, 487, 490, 493, 504-507, 510, 511, 513-517, 518-520, 524-535, 537, 544, 545, 551553, 557, 561-565, 567, 569, 572-578, 586 Wonneberger, Reinhard 374 Woschitz, Karl Matthäus 513 Woyke, Johannes 227, 232, 259, 378, 379, 380, 412 Wrede, William 66 Wrege, H.-T. 159

Wright, N.T. 46, 53, 58, 61, 66, 67, 68, 79, 84, 85, 91, 102, 107, 142, 203, 211, 212, 265, 280, 295, 298, 317, 364, 383, 396, 443, 447, 453, 472, 494, 501, 520, 557, 572, 573 Wroth, Warwick 99 Wuellner, Wilhelm 49 Würthwein, J. 274 Yeung, Maureen W. 119 Yinger, Kent L. 66, 67, 273, 278, 286 Young, Norman H. 375 Zahl, Paul Francis M. 180 Zahn, Theodor 81, 89, 111, 120, 122, 124, 142, 149, 153-155, 163, 207, 210, 213, 217, 218, 233, 248, 265, 281, 295, 298, 301, 316, 317, 328, 330, 331, 337, 344346, 348, 349, 377-379, 403, 409, 414, 416-418, 424, 435, 448, 457, 461, 463, 469, 470, 478, 481, 482, 486, 490, 493, 495, 501, 504, 505, 515, 520, 526, 532, 541, 550, 554, 555, 556, 565, 567, 572, 576, 577, 585 Zampaglione, Gerardo 508 Zanker, Paul 167 Zeller, Dieter 105, 109, 112, 113, 115, 116, 124, 141, 142, 165, 167, 184, 270, 277, 298, 307, 391, 392, 403, 405, 409, 410, 414, 418, 424, 426, 438, 448, 453, 495, 520, 525, 543, 586 Ziegler, Joseph 219, 449 Ziesler, John A. 85, 93, 480 Zimmermann, Christiane 480 Zimmermann, Johannes 85, 93 Zmijewski, J. 273 Zanella, F. 92 Zobel, H.-J. 114 Zugmann, Michael 27 Zuntz, Günther 81, 208

682 Römerbrief ——————————————————————————————————

3. Verzeichnis griechischer Wörter α� γαπα' ω, α� γα' πη 521 α« γιος 129 α� δελφοι' 156 α� δικι' α 213, 292 α� καθαρσι' α 1,24 α� λη' θεια 213, 332 α� μαρτα' νω 291, 292 α� μα' ρτημα 292, 411 α� μαρτι' α 62, 291, 460, 553 α� να' στασις 107 α� νομι' α 292, 459 α� ποκαλυ' πτω 182, 210, 277 α� ποκα' λυψις 267 α� πο' λλυμι 293 α� πολυ' τρωσις 392, 393 α� πο' στολος 86-88 α� σε' βεια 212, 292 α� σεβη' ς 453-454 βλασφημε' ω 314 δικαιοσυ' νη 64, 174-180 δικαιο' ω 174 δικαι' ωμα 567, 572, 573 δικαι' ωσις 573 δοκιμη' 517 δο' ξα 226, 486 δουñ λος 82 δυ' ναμις 105 δωρεα' 564, 565 δωρεα' ν 373, 390 ε» θνη 121, 122 ει� ρη' νη 69, 507-509 ε� κχε' ω 523 ε� λπι' ς 512, 513, 518 ε� ν Χριστω ñ, � Ιησουñ 395, 396 ε» νδειξις 373, 408 ε� παγγελι' α 470, 471, 485 ε� παισχυ' νομαι 165, 166 ε� πιθυμι' α 230 ευ� αγγε' λιον 90-93 ευ� ρι' σκω 448 θησαυρι' ζω 276 θλι' ψις 515, 516, 517 ι� εροσυλε' ω 312 ι� λαστη' ριον 373, 397-403 καθηñ κον 243, 244

κακι' α 292 καρδι' α 63, 224 καταγγε' λλω 146 καταισχυ' νω 519 καταλλαγη' 69, 533, 534 καυχα' ομαι 304 κλητο' ς, κλητοι' 86, 125 κρι' νω 270 κυ' ριος 109 λατρευ' ω 149 λογι' ζομαι 272, 317, 489 μακα' ριος 458, 459 μετα' νοια 274 μη` γε' νοιτο 331 ο� μοι' ωμα 226, 561 ο� ργη` θεουñ 208, 209 παρα' βασις 292 παραδι' δωμι 492 παρακοη' 292, 574 παρα' πτωμα 292, 493, 564 παρεισε' ρχομαι 577 πα' ρεσις 373, 409 περιτομη' 315, 463 πι' στις 70, 116-120, 330, 331 πνευñ μα 63 πνευ' μα α« γιον 106 πονηρι' α 292 προσευχη' 150 σα' ρξ 63, 104, 366 σημειñον 463, 464 σπε' ρμα 102, 472 στηρι' ζω 153 συνει' δησις 300 σφρα' γις 464 σωτηρι' α 69, 169-171 τιμη' 280 τυ' πος 562 υι� ο` ς θεουñ 98-100, 105 υ� πακοη' 116, 120 υ� πομονη' 279, 517 χα' ρις 113-116, 373, 391, 564, 565 χα' ρισμα 152, 564, 567 χρηστο' της 273 Χριστο' ς 61, 84, 85 ψευñ δος 232

Stichwortverzeichnis 683 ——————————————————————————————————

4. Stichwortverzeichnis Aaron 22, 81, 89, 224, 398, 399, 536 Abba 58, 128, 144, 152 Abbild 203, 226, 227, 228, 239, 311, 561, 562 Abendmahl 58, 407, 493 Abendmahlstradition 375, 493 Abfall 176, 201, 202, 229 Abgötterei 246 Abraham 13, 51, 54, 56. 59, 63, 64, 79, 84, 119, 123, 128, 139, 176, 177, 193, 272, 315, 328, 330, 366, 371, 372, 383, 416418, 425-428, 440-499, 514; -verheißung 79, 471; -tradition 453; -vorstellungen 446, 662 Abschiedsrede 446 Abstammung 103, 108, 444, 447 Absurdität 385 Abtrünnigkeit 330 accusatio 248 Achaia 15, 19, 20, 38, 140, 148, 158, 160 Ächtung 262 Ackerbau 126 Adam 3, 13, 52, 54, 62, 63, 65, 70, 90, 194, 198, 200, 203, 212, 228, 245, 253, 280, 333, 339, 371, 372, 387, 429, 440, 475, 496, 501, 514, 544-586 Adoption 78, 79, 654 Adoptionschristologie 100, 135 Adoptivsohn 99 adscriptio 75 adulatio 155 Adulterium 311 Affekte 231, 234, 621 Affektenlehre 209 Agrippa 21, 23 Ägypten 99, 139, 168, 263, 298, 303, 305, 312, 320, 353, 392, 393, 394, 456, 471 Ahnentafel 86 Ahnherr 460 Alexandrien 51, 114, 260, 436, 556, 589, 636 Allaussagen 198 Allerheiligste 397, 399, 400-403 Allerlösung 584, 635 Allmacht 56, 105, 479 Allversöhnung 406, 573, 584, 585, 640, 650

Almosen 277, 310 Altar 129, 130, 223, 398, 399, 401, 407, 419, 455, 508 Ältestenrat 139 Amidah 148 Ammenverträge 216 Ammon 72, 349, 597 Amnestie 389, 408, 414, 417, 433 amplificatio 50, 443 Amt 113, 117, 575; Ämter 22, 162, 641; Amtshandlung 209, 261, 639; Amtsträger 22 Anadiplose 517 Anakoluth 303, 388, 551, 563, 576 Analogie 49, 107, 114, 280, 411, 452, 507, 560 Analogiefall 469; Analogieschluss 441 Anamnese 620 Ananias 15 Anapher 195 Anbetung 103, 149, 150, 194, 202, 206, 218, 221, 222, 223, 225, 227, 230, 232, 233, 256, 259, 274, 350, 376, 540 Angst 259, 264, 267, 282, 283, 351, 531, 540, 542 Anklage 49, 194, 196, 200, 215, 254, 256, 259, 276, 286, 290, 292, 301, 314, 322, 337, 343, 344, 349, 355, 360, 361, 548 Anmaßung 249, 583 Anrechnung 443, 451, 462, 468, 490, 501, 503 Anspielung 62, 80, 84, 92, 109, 204, 228, 298, 299, 334, 344, 361, 362, 401, 409, 422, 472, 565 Anthropologie 59, 61, 191, 205, 211, 214, 224, 230, 293, 302, 354, 420 Antiklimax 416 Antinomie 200 Antiochien 17, 20, 26, 30, 37, 38, 89, 122, 148, 158, 159, 160, 375, 516 Antithese 194, 197, 364, 438, 557, 567, 569, 572, 574 Antitypik 548 Anubis 229 Anwendung 27, 47, 50, 51, 78, 204, 219, 238, 309, 412, 444, 481

684 Römerbrief —————————————————————————————————— Apelles 29, 32, 33 Apodosis 337, 474 Apokalyptik 221, 275, 548, 629 Apokatastasis 584, 640, 649 Apollo 229 Apollos 159, 312 Apologetik 49, 67, 77, 201, 220, 299, 345 Apologie 41 Aposiopese 303 Apostasie 224 Apostelamt 75, 110, 111, 112, 116; -begriff 87, 641 Aposteldekret 34; -konvent 38; -konzil 38, 88 Apostelrede 49 Apostolatsmetaphern 87 Apostolizität 155 Appell 254 Araber 122, 538 Arabien 15, 37, 158, 160, 353 Aramäisch 13, 21, 75, 77, 82, 86, 89, 109, 334, 464 Aratus 556 Arbeit 67, 112, 121, 123, 124, 133, 159, 162, 164, 168, 170, 281, 391, 452 Arbeitgeber 83, 452 archisynagōgos 22 Architekt 87 Areopagrede 217, 220, 223 Arglist 310 argumentatio 50 Argumentationsziel 283, 328, 470 Aristarchus 312 Aristides 113, 126, 527, 528, 638 Aristobulus 27, 29 Aristophanes 90, 515, 533, 624 Aristoteles 169, 196, 197, 214, 220, 226, 234, 249, 255, 281, 296, 297, 298, 311, 361, 422, 515, 533, 572 Artemidoros 237, 562 Artemis 229, 312 Ärzte 249 Asclepius 114, 229, 312 Aseneth 307, 479 Äskulapnatter 353 Aspisviper 353 Assimilierung 31, 347, 470 assumptio 196 Asyncritus 29, 32 Asyndeton 163

Atheismus 222, 257, 258, 457 Athen 15, 38, 148, 157, 158, 160, 217, 223, 249, 311, 312 Athletik 14 Atimie 234, 649 Attaleia 148 Attika 312 Attis 170 Auferstehung, s. Auferweckung Auferweckung 13, 15, 28, 52-55, 59-61, 6770, 75-79, 93-96, 100-110, 115, 119, 121, 132-135, 144, 168, 169, 170, 194, 210, 258, 275, 302, 340, 341, 374, 378, 382, 396, 412, 413, 415, 430, 433, 479, 480, 488, 491-506, 510, 511, 516, 533, 537, 538, 547, 548, 551, 570, 571 Augustin 178, 179, 183, 190, 295, 424, 436, 520, 542, 555, 556, 567, 582 Augustus 21, 22, 91, 92, 99, 108, 109, 118, 119, 120, 126, 166, 219, 233, 311, 356, 508, 538, 539 Ausdauer 279 Aussatz 89 Aussöhnung 533, 534 Aussonderung 89 Ausweisungsedikt 24 Autorität 31, 35, 43, 88-90, 97, 105, 112, 120, 133, 134, 140, 147, 155, 181, 189, 261, 263, 306, 329, 334, 344, 361, 373, 381, 434, 471, 487 Autosuggestion 486 Babylon 393 Babylonien 145; Babylonier 186, 369, 446 Barabbas 86 Barbaren 42, 137, 159, 160, 161, 162, 163, 164, 165, 166, 167, 172, 173, 295, 385 Barmherzigkeit 54, 66, 81, 92, 114, 115, 176, 177, 180, 251, 270, 271, 275, 286, 339, 391, 412, 423, 432, 434, 518, 569 Barnabas 17, 24, 37, 86, 88, 89, 159, 364, 516 Bedrängnis 171, 267, 282, 283, 502, 513, 515-519, 537, 540, 571 Bedrohung 434, 440 Befleckung 202, 309 Befreiung 170, 258, 259, 368, 373, 392, 393, 394, 395, 410, 428, 431, 434 Befriedigung 234

Stichwortverzeichnis 685 —————————————————————————————————— Begabung 251, 385 Begehren 231, 440 Begierde 63, 121, 199, 204, 211, 230, 231, 234, 242, 246, 521, 522, 584 Beifall 199, 208, 253, 254, 269 Bekehrung 15-17, 22, 28, 37, 55, 89, 111, 112, 119, 121, 123, 124, 144, 156, 185, 235, 245, 267, 274, 278, 297, 394, 423, 439, 447, 457, 467, 479, 480, 481, 488, 489, 496, 506, 509, 510, 538, 540; Bekehrungsbericht 15 Bekenntnis 14, 28, 56, 70, 77, 92, 102, 109, 110, 116, 134, 136, 138, 142, 165, 176, 259, 304, 331, 342, 404, 423, 466, 480, 491, 587; -aussage 492, 529; -bildung 630; -formel 77, 78; Bekenntnisschriften 7, 543 Bekräftigungsformel 166 Beleidigung 249, 385, 431 Belial 92, 171, 209, 365, 508 Belohnung 116, 279, 281, 360, 451, 509, 549 Beltschazar 228 Benediktion 479 Benefaktion 113, 115, 391; -ideologie 115 Benefaktor 508 Bergpredigt 263, 509 Berufung 15, 27, 28, 37, 88, 89, 90, 112, 113, 116, 125, 131, 133, 138, 141, 153, 266, 278, 295, 313, 323, 368, 369, 383, 412, 455, 586, 624, 641 Bescheidenheit 111, 155, 160 Beschneidung 16, 17, 26, 27, 67-69, 103, 131, 183, 193, 198, 224, 242, 266, 267, 288, 289, 315-328, 338, 341, 359, 360, 361, 364-371, 416, 419, 424, 425, 442444, 451, 460-470, 474, 476, 478, 489, 496, 498, 577; Beschneidungsritus 319 Beschwerde 113 Bestialität 237, 238 Bestrafung 15, 279, 408, 414, 567; s. auch Strafe Besuchspläne 137, 140, 141, 142, 147, 152, 155, 164, 189 Beten 137, 148, 149, 150, 148, 151, 173, 227 Betlehem 103 Bildersprache 467 Bilderstürmer 453 Bitte 51, 137, 150, 151, 152, 170, 275, 331, 431, 460

Bitterkeit 344, 354 Blasphemie 209, 253, 336-338 Blinde 288, 306 Blut 33, 65, 131, 202, 235, 240, 253, 310, 344, 347, 355, 366, 372, 375, 376, 394, 399, 400, 401, 403, 404, 405, 406, 407, 502, 506, 510, 523, 524, 530, 531, 536, 538, 570 Blutritus 182 Böse 87, 187, 190, 199, 202, 232, 234,248, 250, 270, 282, 283, 326, 338, 343, 347, 349, 354, 357, 429, 522, 554, 582 Bosheit 177, 199, 246, 247, 274, 292 Botendienst 86 Botenformel 200 Brief, Brieferöffnung 76; -formular 82; -gruß 81; -gattung 48; Apostel- 47, 80, 618; Dank- 48; Empfehlungs- 48; Essay- 48; Evangeliums- 42, 48; Freundschafts- 48; Geleit- 118; Privat- 47-48, 151, 522; Schelt- 48; Trost- 48; Bund 67, 79, 108, 130, 171, 173, 176, 177, 208, 275, 298, 299, 306, 315, 320, 330, 331, 334, 363, 405, 407, 412, 416, 425, 433, 446, 449, 451, 453, 456, 464, 466, 472, 473, 507, 562 Bundesbruch 331 Bundeslade 397, 399, 400, 401, 402, 405 Bundesnomismus 68 Bundestheologie 67 Bundestreue 64, 180, 330-332, 335, 336, 340, 370, 405, 406, 648; -verheißung 123, 496; -zeichen 319, 464, 466 Bürgerrecht 14, 23, 31, 82, 311 Buße 119, 265, 274, 275, 276, 281, 293, 301, 401; s. auch Umkehr Caligula 99, 100, 205, 617 Cäsarea 37, 38, 140, 148, 159 Christianoi 123 Christologie 40, 59, 62, 97, 134, 135, 150, 191, 430, 431, 573 Christusbekenntnis 59, 61, 78, 79, 100, 439 Cicero 19, 50, 113, 145, 162, 220, 231, 244, 255, 258, 280, 296, 402, 513, 528, 530 Claudius 23, 24, 25, 34, 45, 100, 108, 109, 126, 145, 248 Claudiusedikt 145, 189 crimen 236, 248

686 Römerbrief —————————————————————————————————— Damaskus 15, 27, 37, 89, 111, 122, 148, 158, 486, 509 Dämonen 87 Dank 3, 29, 51, 113, 115, 137, 138, 144, 147, 148, 199, 201, 218, 222, 223, 275, 455, 508 Davidssohn 77, 96, 98-107, 110, 128, 133136, 168, 171, 172, 191, 193, 194, 496 Deckplatte 399, 400, 402 Dekalog 148, 179, 213, 231, 240, 245, 246, 247, 248, 313, 332 deus absconditus 228 Diatribe 14, 39, 49, 193, 195, 265, 268, 324, 337, 374, 621, 652, 655, 656, 657 Diebstahl 130, 202, 253, 261, 309, 310 Dienst 6, 42, 57, 79, 83, 84, 89, 90, 111, 129, 135, 149, 202, 298, 333, 339, 455, 535 Doketismus 135 Domitian 24, 145, 636 Doxologie 45, 46, 47, 52, 116, 486 Drangsal 171, 282, 516 Drohreden 246 Ebenbild 225, 387, 514 Ebenbildlichkeit 390 Ehe 236, 255, 261, 262, 263, 289, 310, 311, 576; -brecher 309, 311, 322; -bruch 130, 202, 240, 254, 261, 263, 309, 311, 460; -frau 237, 311, 513; -mann 311, 354 Ehre 31, 35, 42, 79, 91, 115, 123, 166, 176, 199, 200, 213, 222, 223, 229, 230, 232, 243, 250, 254, 256, 267, 275, 279, 280283, 286, 289, 305, 310, 313, 314, 321, 357, 386-388, 416, 449, 455, 481, 486, 487, 500, 523, 526; Ehre Gottes 58, 124, 233, 253, 337, 338, 340, 431 Ehreninschriften 115 Ehrenplätze 521 Ehrentitel 303 Ehrenwort 118 Ehrfurcht 250, 252, 357, 425 Ehrfurchtslosigkeit 212 Ehrgefühl 167 Ehrgeiz 73, 91 Ehrlichkeit 130 Eid 190, 214, 449, 471, 473 Eidesformel 190 Eifer 13, 91, 164, 178, 234, 309, 455 Eifersucht 37, 57

Eigenmächtigkeit 57, 366 Eigennutz 267, 281, 283 Eigensinn 276, 342 Eigentum 79, 89, 184, 227, 395, 493; Eigentumsdelikte 247, 310 Ekklesiologie 40, 58 Eltern 82, 199, 229, 249, 250, 253, 429, 562 Empfehlungsschreiben 43, 44, 45, 298 Endgericht 56, 61, 66, 69, 98, 121, 171, 173, 178, 193, 206, 211, 212, 230, 253, 264, 266, 268, 272-283, 286-294, 296-303, 314-322, 325, 326, 328, 329, 334-336, 339-341, 358-363, 366-371, 380-382, 386, 390, 391, 395, 408, 411-419, 423, 424, 426, 429, 433, 453, 469, 475, 512, 519, 520, 527, 531, 532, 536, 538, 541, 544, 567, 574, 580, 584 Endzeit 96, 107, 282, 405, 472, 489, 497, 548; -erwartung 516, 539 Engel 99, 166, 387, 456, 486, 509, 548 Ephesus 15, 16, 20, 30, 36, 38, 41, 43, 44, 122, 148, 158, 159, 160, 237, 312, 375 Epiktet 100, 151, 156, 244, 276, 308, 331 Epikur 48, 219, 234, 258 Epistolographie 48, 51 Erbarmen 52, 56, 58, 103, 114, 180, 251, 270, 391, 419, 460, 468, 479 Erbe 79, 102, 203, 469, 470, 471, 472, 474, 486, 491, 497 Erbschaftsangelegenheiten 247 Erbschaftsrecht 14 Erbsünde 343, 550, 555, 558, 560, 582-584 Erinnerung 147, 342, 540; Erinnerungszeichen 464 Erkenntnisfähigkeit 258, 357 Erlösung 54, 57, 58, 65, 69, 70, 112, 116, 121, 169, 173, 372, 378, 380, 391-396, 412, 418, 419, 430-432, 435, 491, 501, 506, 511, 553, 585 Ermutigung 97, 154, 155 Ernte 217, 513 Ernteertrag 475 Eros 627 Erprobung 451 Erregung 234, 303 Errettung 52, 57, 169, 171, 173, 392, 393, 394, 398, 516 Ersatz 224, 400, 402, 494 Ersatzleistung 431

Stichwortverzeichnis 687 —————————————————————————————————— Erstgeburt 89; Erstgeborener 98, 99 Erstlinge 465, 563 Erstlingsgabe 69, 89 Erwählung 52, 53, 56, 66, 78, 89, 90, 128, 130, 170, 173, 177, 194, 198, 273, 287, 289, 303, 324, 325, 326, 329, 330, 336, 340, 341, 355, 359, 363, 416, 417, 423, 427, 453, 466, 467, 472, 479, 480, 481, 488, 489, 496, 586 Erwartung 108, 140, 154, 193, 234, 287, 317, 379, 482, 488, 507, 508, 512, 513, 519, 570 Erzieher 288, 307, 308, 309; Erziehung 519, 647 Eschatologie 58, 235, 380, 472, 509, 540, 627, 635, 645, 646 Ethik 11, 54, 59, 71, 121, 136, 255, 260, 261, 262, 286, 326, 327, 337, 339, 340, 343, 363, 439, 621, 634, 638, 639, 641, 642, 646 Eva 247, 253, 387, 514, 552, 553, 566, 610, 663, 680 Evangelien 33, 90, 91, 101, 107, 260, 509, 513, 525, 632 Evangelium 13, 16, 17, 22-24, 29, 35, 39, 4143, 52, 53, 56-61, 64, 70, 75-77, 80, 86, 88, 90, 91, 94-98, 101, 104, 106, 110, 119, 120, 122-128, 133, 134, 137-143, 148-150, 159-174, 178-185, 188, 189, 191, 195, 200, 208, 210, 212, 214, 220, 255, 258, 261, 264, 268, 272, 276, 278, 281, 287, 288, 302, 321, 330, 331, 341343, 363, 367, 373, 380-382, 420, 425, 429, 430, 434, 436, 438, 444, 473, 477, 490, 491, 496-498, 506, 510, 512, 517, 568, 573, 618, 621, 625, 630, 632, 642, 644, 648, 657 Ewigkeit 79, 102, 177, 199, 219, 233, 274, 479, 570 Exhomologese 331 exhortatio 50 Exil 48, 208, 314, 392, 393, 394 exordium 49, 50, 137, 141 expositio 72, 588, 592, 594, 595 Ezra 399, 404, 642, 657, 678 Familie 14, 82, 100, 128, 156, 193, 194, 229, 250, 251, 271, 393, 399, 400, 453, 454, 501, 527

Festtage 34, 130, 425 Fleisch 33, 34, 36, 52, 55, 57, 60, 63, 65, 69, 75, 94, 100, 104, 107, 133, 135, 253, 289, 298, 299, 310, 319-321, 340, 341, 354, 362, 366, 447, 448, 518 Fluch 14, 136, 339, 344, 346, 354, 380, 394, 557 Forderung 31, 68, 93, 149, 196, 214, 218, 244, 253, 292, 302, 321, 560 Formel 65, 77, 78, 123, 131, 133, 135, 138, 155, 185, 189, 233, 287, 314, 331, 350, 359, 375, 492, 631, 641, 662 Formen 16, 48, 80, 150, 159, 208, 261, 650 Formular 19, 75, 82, 111, 618, 650 Formularverfahren 360 Fortpflanzung 239 Freigeborene 32 Freigelassene 21, 22, 23, 30, 32, 22, 83, 236 Freiheit 5, 14, 52, 55, 70, 83, 242, 460, 518, 528 Freikauf 98 Freilassung 23, 32, 83, 392, 393 Freisprechung 584 Freispruch 66, 171, 178, 294, 303, 360, 373, 388, 389, 391, 425, 426, 429, 433, 434, 469, 490, 510, 567, 569, 574 Freude 17, 59, 69, 90, 92, 113, 170, 217, 224, 306, 365, 468, 499, 507, 508, 513, 516, 517, 520 Freudenboten 92 Freund, Freunde 33, 48, 156, 183, 244, 251, 446, 449, 456, 527, 596 Freundschaftsethik 527 Freundschaftsverhältnis 118 Frevel 203, 204, 213, 250, 292, 332, 340, 363, 414; Frevler 253, 292, 357 Friede 3, 52, 54, 59, 69, 75, 76, 80, 131, 132, 136, 194, 267, 283, 321, 356, 390, 499517, 534-540, 627, 629, 655, 660, 662 Friedensbund 507 Friedensfürst 99 Friedensgruß 508 Friedensherrschaft 99 Friedensideologie 356 Friedenspropaganda 539 Friedensmemorandum 40, 48, 539, 63 Frömmigkeit 151, 172, 454, 518 Frucht 55, 124, 136, 137, 140, 155, 159, 160, 165, 189, 203, 305, 366, 499, 524, 552

688 Römerbrief —————————————————————————————————— Fülle 57, 115, 376, 507, 508, 545, 546, 569, 578, 580 Fürbitte 3, 51, 52, 137, 140, 147, 148, 150, 189, 447 Furcht 58, 117, 183, 224, 234, 245, 357, 358, 473, 540, 542 Fürsorge 31, 113, 114, 202, 223, 454, 513 Fürsprache 534 Fürsprecher 398, 447 Gabe 36, 58, 64, 66, 112, 120, 137, 140, 150154, 160, 174, 177, 178, 180, 198, 275, 277, 281, 299, 303, 320, 339, 371, 390, 398, 400, 416, 467, 515, 524, 531, 536, 565, 566, 586 Gabriel 437 Galaterbrief 18, 38, 88, 127, 366, 592, 616, 639, 656, 663 Galatien 15, 17, 36, 88, 148, 219 Galiläa 139, 148 Gallio 19, 20 Gamaliel 13, 27, 425, 646 Gattung 3, 6, 47, 49, 226, 581, 625 Gebet, Gebete 17, 139, 144, 147-150, 189, 275, 304, 305, 362, 446, 479, 534, 628, 637; Dankgebet 144, 493, 524; Segensgebet 22 Gebot, Gebote 26, 52, 57, 63, 64, 68, 69, 97, 118, 130, 139, 149, 156, 176, 190, 213, 231, 245-247, 250-253, 262, 271, 283, 285, 292, 294, 305, 310-313, 317, 318, 332, 341, 350, 357, 363, 364, 365, 367, 449-452, 473, 522, 548, 551, 552, 558, 561, 568, 572, 574, 578, 581, 583 Geburt 36, 88, 89, 90, 91, 94, 99, 100, 101, 102, 103, 133, 134, 272, 274, 296, 297, 320, 366, 455, 456, 463, 481, 506, 509 Gedächtnis 179, 362, 493 Geduld 37, 59, 265, 267, 273, 274, 275, 279, 372, 374, 391, 410, 411, 412, 413, 430, 502, 517, 518, 519, 537 Gefangenschaft 38, 394, 395, 400, 570 Gefühl 149, 166, 209, 224, 231, 234, 263, 264, 510, 523 Geheimkulte 202 Geheimnis 57, 400; Geheimnisse 87, 177, 183, 277 Gehorsam 40, 52, 55, 57, 60, 70, 75, 79, 8486, 98, 103, 108, 116, 120, 121, 128,

136, 144, 153, 166, 184, 221, 250, 252, 258, 275, 281, 287, 299, 316, 318, 360, 363-367, 383-385, 416, 417, 427, 440, 446, 451, 545, 546, 547, 572-576 Geist 31, 52, 55-58, 61, 63-66, 69, 70, 75, 85, 92-95, 103, 106, 107, 119, 135-137, 144, 148-150, 153, 181, 201, 284, 288, 289, 298, 299, 305, 320, 321, 340, 354, 366, 368, 447, 451, 454, 467, 480, 499, 502, 512, 520, 523-526, 540-544; Geistesgaben 152 Geiz 246 Geld 272, 393, 513, 522, 523, 566 Gemeinde 3, 6, 17, 19-21, 24-26, 28-37, 3943, 48, 58, 77, 88-89, 92, 100, 112, 123128, 138, 140-141, 143-145, 147, 151, 153-157, 159-160, 164, 171, 176-177, 183, 187, 189, 191, 195, 237, 251, 253, 268, 305, 338, 362, 365, 385-386, 400, 436, 449, 467, 489, 514, 516, 534 Gemeinderegel 176, 333 Gemeindeunterweisung 90 Gemeinschaft 69, 98, 132, 175, 183, 211, 261, 263, 332, 400, 419, 435, 510 Gemütsbewegungen 541 Gerechtigkeit 3, 37, 39, 42, 49, 51-59, 64-70, 96, 116, 118, 121, 137-139, 165, 17071, 174-189, 191-195, 210-214, 277278, 284-286, 302, 304-36, 323-327, 329, 333-337, 339-341, 355, 358, 367, 369-374, 378-382, 384-390, 396, 403, 404, 408-410, 412-415, , 419-421, 424425, 427-435, 439, 440, 442-448, 450. 451, 458-471, 473-478, 480-482, 487491, 495-503, 507, 535-537, 541-542, 544-547, 569-572, 576-581 Gerechtsprechung 178, 392, 394, 396, 438, 465, 545-547, 551, 565, 567-569, 571574, 576, 579 Gericht 3, 17, 58-59, 110, 173-177, 197-198, 202-203, 209-210, 261-262, 265-269, 271-272, 277-279, 282-286, 288-289, 291-294, 334-337, 339-340, 362-363, 365-366, 368-369, 412-415, 434-435, 475, 489, 510, 514, 519, 532, 537-539, 570 Gericht 340; -rede 200, 266, 270; -saal 49, 237; -sprache 230; -urteil 277-279, 285, 369, 390, 411, 566-567

Stichwortverzeichnis 689 —————————————————————————————————— Geschenk 54, 65, 70, 91, 113, 115-116, 119120, 132, 175, 177-179, 223, 371, 373, 384-385, 390-391, 398, 415, 421, 436, 476, 508, 512, 537, 542, 544, 547, 563657, 569-571, 576, 580, 584 Geschichtlichkeit 104, 134, 380, 507 Geschichtsvorstellung 370 Geschöpflichkeit 218, 252, 366 Gesetz 13, 27-29, 33, 35, 52-58, 60, 63-64, 66-69, 78, 83, 95, 118, 130-31, 139, 173-174, 176-177, 179, 183, 186, 190191, 193-194, 196-198, 205, 208, 212, 219, 224, 244, 249, 252, 266, 268, 287289, 291-299, 301, 303-322, 328-330, 336, 353-354, 358-361, 363-365, 367370, 372-374, 379-382, 384-385, 391, 395-396, 411, 413, 415-421, 425-429, 433, 435, 440, 444, 446, 448, 459, 467, 469-470, 472-477, 481, 496, 498, 528, 544-545, 548-549, 554, 558-561, 576579; -bestimmungen 365; -brecher 307, 347, 357; -bruch 292, 317; -erfüllung 332, 428; -forderungen 330; -gehorsam 118, 307, 363, 416, 446, 453, 471, 474, 496, 548; -gerechtigkeit 428; -kritik 68; -religion 66; -übertretung 331, 427, 551, 561; -vorschriften 366; -werke 247, 363364, 421, 424, 430, 445; s. auch Mose, Tora, Übertretung, Werke Gesundheit 138-139, 169, 508 Gethsemane 152 Getreide 272, 514 Gewalt 28, 219, 249, 259, 350, 352, 367, 497, 570 Gewalttätige 199, 201, 248, 261, 356 Gewinn 246, 281, 310, 483; -sucht 246 Gewissen 66, 179, 224, 257, 288, 297, 300302 Gewissenhaftigkeit 117, 119 Gewissheit 334, 419, 543 Glaube 25-28, 34-35, 51, 56-60, 65, 67-71, 86, 116-121, 139, 141, 144-146, 152156, 171-72, 175, 179-181, 184, 187188, 192, 257, 330, 364, 379, 384-385, 406, 414-416, 419-421, 425-426, 430, 433-435, 436-446, 450-451, 457-460, 462, 465-470, 473-474, 476, 478, 480483, 485-488, 490-492, 495-500, 50910, 512, 514-17, 520, 523-525, 530-531, 536-538, 570-571, 580, 585-586

Glaubensbekenntnis 294, 423; -entschluss 458; -formel 78, 79; -gehorsam 40 Glaubensgerechtigkeit 55, 418, 424, 430, 437, 442, 465-466 Glaubwürdigkeit 117-119, 271 Gleichnis 148 Glosse 44, 109, 212, 269, 301, 521 Gnade 15, 52, 54, 56-58, 65-68, 70, 75-76, 79-81, 88-89, 110-113, 115-116, 119120, 130-132, 152-153, 178-179, 249, 258, 274-275, 281, 304, 323, 339, 363, 371-373, 384, 391, 417-418, 437-438, 440, 460, 469-470, 476-477, 479, 488489, 491, 497-498, 500-502, 511-512, 515-517, 523-525, 527, 531, 536-537, 539-547, 549-550, 563-571, 576-582 Gnadengabe 547, 563-564, 576, 579 Gnadengeschenk 115, 544, 547, 565, 567568, 576 Gold 202, 312, 393, 517-518 Götter 33, 99-100, 113, 115, 118, 149, 201-2, 205-6, 217, 220-21, 223, 227-29, 232, 248, 265, 271, 311-13, 397, 399, 423, 446, 454-55, 562; -bild 226-227, 289, 311, 312, 314; 562 Gottesanbetung 233 Gottesbeweis 201, 220-221 Gottesdienst 26, 28, 30, 57, 80, 92, 150, 304, 375, 511 Gottesebenbildlichkeit 228, 390 Gotteserkenntnis 201, 202, 206, 221-222, 225, 242-243, 256-258, 266, 297, 446 Gottesferne 90, 209, 232, 258, 291, 293, 429, 512 Gottesfurcht 251, 357-358 Gottesfürchtige 25-28, 34-35, 131, 253, 357 Gottesgegenwart 228, 512 Gotteshass 253 Gottesherrschaft 119, 168 Gottesknecht 84, 176, 306, 314, 382, 494, 507, 534 Gotteslästerung 339 Gotteslob 259 Gottessohn 69, 77, 98-100, 102-107, 132134, 168, 171-172, 182-183, 191, 193194, 386, 433-434, 490; -sohnschaft 107, 133, 135 Gottesverachtung 230 Gottesvolk 3, 16, 51-52, 54, 56, 66-67, 97, 103, 128, 171, 322, 339, 369, 371, 396,

690 Römerbrief —————————————————————————————————— 424, 440, 443-444, 480-481, 496-497, 510 Gottheit 16, 33, 58, 62, 106-107, 168, 192, 201, 219-220, 228, 395, 398-399, 431 Gottlose 60, 65, 69, 116, 120, 171, 178, 192, 202, 251, 274, 334, 336, 340, 357, 370, 382, 435, 443-444, 452-458, 477, 485, 488-490, 498, 502, 526-29, 532, 569 Gottlosigkeit 103, 193-194, 199-200, 202, 204-206, 212-213, 222, 242, 256, 292, 456, 475, 510, 526, 531, 539, 557-458, 561, 583 Götzen 202, 205, 223, 231, 240, 312, 439, 449, 454-457, 513; -bild 204, 227, 311, 553; -dienst 130-31, 193, 201-202, 204, 212, 223-225, 227, 229, 231, 246, 253, 261, 271, 312 Grab 344, 352; -inschriften 303, 308, 513 gradatio 518 gratia 45, 458, 527, 542, 573 Grausamkeit 333 Gruppenmentalität 68 Gruppenzugehörigkeit 69 Gruß 3, 51, 75-76, 80, 133; -formeln 508 Grußliste 26, 29, 31, 37, 45, 124 Gunst 67, 112-115, 238, 281, 391, 564 Güte 15, 58, 92, 114-115, 177, 217, 259, 265, 267, 270, 273-275, 279, 281, 343, 346, 350-352, 370, 391, 434, 499 Habakuk 186, 188 Habgier 246 Habsucht 199, 246 Hades 293 Hadrian 561 Hafen 22, 158, 511 Hafenstadt 20, 22 Halacha 306, 365-366, 467 Handaufstemmung 182, 401 Handwerker 472, 475 Hass 279, 542 Hausgemeinde 24, 29-31, 35, 40, 48, 127, 140, 144 Haussklaven 22 Heiden 15-17, 26-29, 34-35, 53-54, 56-57, 62-70, 96-98, 103-106, 129-132, 136137, 140-141, 159-160, 184-185, 193194, 199, 203-205, 212-216, 240, 264270, 281-284, 287-289, 291-304, 312-

322, 324-329, 344, 348-351, 357-359, 363-374, 376-381, 385-86, 413-418, 422-427, 429-430, 433-435, 440-444, 457-459, 461-466, 477-481, 487-493, 495-498, 509-510, 558-461, 580 Heidenchristen 16-17, 25-28, 34-35, 39-41, 43, 66-68, 84, 97, 124, 126, 153, 160, 253, 287-288, 295-298, 315-317, 319, 330, 338, 419, 442-443, 447-448, 489, 497, 552, 577 Heidenmission 26, 40, 43, 67, 307 Heidentum 174, 180 Heidenvölker 78, 103, 328 Heil 13, 27, 51, 53-56, 59, 66-69, 84-86, 9093, 98, 111, 114-15, 125, 169-176, 179182, 186-187, 211-212, 224, 304, 315316, 319, 334-336, 339-340, 363-364, 370-373, 380-386, 389-392, 413-416, 431, 433-34, 438, 458-460, 462, 467468, 473, 479-480, 487, 496-498, 500, 506-109, 514, 548-549, 563-565, 573, 584, 586 Heilige 5, 9, 55, 69, 106, 127, 129-131, 233, 257, 436, 447, 466, 525-526, 570 Heiligkeit 61, 69, 75, 94-95, 106-7, 129-31, 203, 230, 323, 404, 525 Heiligtum 129-30, 228, 399, 408, 511 Heiligtumsschändung 72 Heiligtumstraditionen 512 Heiligung 121, 130, 440, 543 Heilsgeschichte 52, 54, 57, 95, 97, 108, 221, 379-380, 390, 466, 497-498 Heilsgewissheit 438, 516, 542 Heilsoffenbarung 70, 131, 144, 173, 177, 257, 276, 281, 288, 302, 386, 418, 434, 473, 545, 580-581 Heilung 307, 500 Heilungswunder 172 Heimsuchung 202, 519 Heimtücke 247 Heirat 262, 485 Heraclitus 219 Herrschaft 52-55, 70, 79, 98-99, 104, 119120, 180, 198, 293, 343-344, 371, 385, 395, 422, 440, 500, 508-509, 531, 536, 545-546, 561, 568-571, 576, 579-580 Herrscherkult 90, 92, 233 Herz 59, 63, 139, 199, 209, 212, 223-224, 231, 268, 295, 297-300, 305-306, 309-

Stichwortverzeichnis 691 —————————————————————————————————— 310, 319-321, 432, 451, 467, 473, 521, 541, 548, 554 Hesekiel 86, 288, 299, 400 Heterosexualität 238, 260 Heuchelei 266, 323 Hierosylie 313 Hillel 310, 441, 442, 463, 530 Hippokrates 113, 308 Hippolyt 206 Hoffnung 52, 54-55, 59, 69-70, 97, 118, 151, 153, 157, 259, 274, 320, 336, 371, 437, 440, 473, 481-483, 485, 499-4503, 508, 510, 512-521, 523-525, 530-532, 536537, 540-541, 544, 580, 585 Hohepriester 399-401 Hölle 211 Homer 100, 113, 122, 147, 167, 311, 392, 397, 508 Homoerotik 237, 240, 260 Homologie 499 Homosexualität 235-241, 259-262 Horaz 34, 535 Horeb 227 Hymnen 362, 376 Identitätsverlust 63 Illyrien 19, 37-38, 53, 123, 158, 169 Immanuel 99 inscriptio 47, 74 insinuatio 50 intentio 39 Interpolationshypothesen 43, 44 Inthronisation 60, 102, 105, 108 intitulatio 75 Intoleranz 259 Inzest 130, 253, 263 Irenäus 24, 135, 582 Ironie 277, 295, 306 Irrtum 202, 210, 213, 241, 454, 479 Isaak 56, 86, 139, 421, 446-447, 449, 456, 466, 472, 481, 484 Ismael 56, 464, 487 Isokrates 151, 162, 167, 517, 151, 534 Israel 43, 52, 56-60, 66-68, 84-85, 96-99, 116-117, 122-123, 128-132, 152, 167, 170-174, 182-183, 204, 212, 228, 251, 265-266, 289, 294-299, 303-307, 314315, 324, 331, 334, 352, 358-359, 364367, 385-386, 399-400, 422-424, 433-

435, 446-447, 457-458, 464-466, 471472, 477-479, 535-536, 561, 570, 578 Italien 148, 158, 353 Jakob 56, 84, 86, 128, 139, 168, 421, 447, 449, 456, 466, 472, 479 Jakobus 35, 88, 190, 294-295 Jerusalem 13-15, 18-20, 22-23, 27, 35-39, 41-43, 53, 58, 101, 114, 123, 131, 140, 148, 152, 158-160, 165, 169, 175, 190, 195, 247, 264, 305, 312, 359, 375, 401, 404-405, 508, 514, 516, 570 Jerusalemreise 41 Jesaja 14, 86, 93, 99, 170, 176, 182, 314, 358, 393, 395, 468, 494, 507 Jesusanhänger 14, 27-28 Jesustradition 93 Jesuswort 319 Johannesevangelium 114 Johannesoffenbarung 570 Josephus 21-23, 33-34, 86, 90-91, 104, 113, 118, 131, 139, 147-148, 151, 156-157, 159, 213, 219-220, 240, 247, 280, 305306, 308, 311-313, 335, 361, 378, 392, 397-398, 401-403, 412, 423, 446-447, 455, 466, 471, 482, 513, 527, 534-536, 562 Jubiläenbuch 518 Judäer 139-140, 186-187 Judas 493-494 Juden 3, 13-15, 20-29, 33-35, 38-39, 51-54, 59-60, 62-65, 67-70, 85-86, 96-98, 111, 124-127, 137-139, 141-146, 148, 159, 170-174, 184-89, 193-194, 203-205, 212-213, 215, 247-250, 264-276, 278, 283-85, 293-297, 301-319, 321-251, 357-361, 363-374, 380-381, 385-386, 413-327, 429-430, 433-435, 440-444, 446-448, 457-459, 461-463, 466-470, 473-475, 477-478, 488-491, 495-498, 509-510, 537-538, 558-561, 580 Judenchristen 14, 16-17, 23, 25-29, 34-35, 39-41, 66, 68-69, 85, 145, 156, 161, 248, 268, 295, 338, 364, 395, 401, 404, 419, 443, 469, 497, 577 Judentum 66-67, 145, 179-180, 220-221, 240, 245, 284, 294, 299, 309, 363, 411, 423, 426, 452, 460, 466, 533-534, 536 Jugend 16, 456

692 Römerbrief —————————————————————————————————— Jünger 87, 121, 123, 157, 509, 522 Junia 26, 29, 32, 86, 88, 124 Jupiter 229 Justin 18 Justitia 180 Kaiser 23-25, 30, 34, 37, 91, 92, 99, 103, 108-109, 113-115, 118, 120, 126, 145, 205, 219, 229, 233, 397, 538, 553, 560, 565; -kult 90-91, 205, 220, 229, 233 Kanaan 130, 446, 450, 455, 471 Kardinallaster 323 Kardinaltugenden 175 Katechetik 346 Katechismus 583 Kaufmannssprache 452 Kaufpreis 567 Kenchreä 20, 127, 148 Kilikien 15, 36, 148, 158, 160-161 Kinder 69, 229, 238, 239, 241, 252, 308, 412 Kindergebären 566 Kirche 11, 31, 66, 71, 81, 127, 134, 155, 180, 261-262, 284, 435-436, 555 Kirchenväter 207, 437, 504, 583 Klage 117, 151, 186, 312, 345, 351, 354, 356, 387, 548; Klagelied 354 Klagerecht 362 Kleinasien 33, 37, 44-445, 303, 353, 402 Knabenliebe 237-238, 241 Knabenschänder 236 Kollekte 36-38, 41, 114, 158, 160, 514 Kommunikationsfähigkeit 354-355 König 13, 82, 92, 99, 101-103, 132, 175-177, 181, 226, 304, 387, 393, 422-423, 460, 479, 487, 508, 511, 525, 527, 565, 570 Königsherrschaft 91, 93, 100-102, 513 Konkubine 236 Kontroversen 25, 29, 34, 42, 165, 237, 263, 325, 584 Korinth 15, 17-20, 24-26, 30, 38, 43-44, 58, 88, 145, 148, 158, 160, 189, 516, 544 Körperstrafen 14 Körperteil 356, 469 Korruptheit 353-354 Kosmokrator 535 Kosmos 59, 67, 217, 221, 319, 472, 491, 553, 583 Krankheit 234, 237, 245, 260, 272, 366, 499, 513, 583; -heilungen 93

Kreativität 250, 376 Kreatürlichkeit 222, 300, 387 Kreuz 27, 53, 120, 134, 167-168, 210, 302, 375-376, 390-391, 403-406, 413-415, 419-420, 430-35, 492-493, 503, 506, 510, 535-537, 544, 550, 575, 582; -tod 59, 90, 98, 134, 173, 370, 374, 378, 380, 403-404, 430, 433, 506, 510, 537, 572 Kreuzigung 15, 129, 133, 407, 562 Kriechtiere 199, 226-228, 231 Krieg 170, 202, 312, 507-508, 516 Kriminalität 256, 393 Krokodil 229 Kult 99-100, 120, 166, 233, 407, 535; -bild 217, 229, 312, 313; -bestimmungen 419; -prostitution 241 Kultur 13-14, 35, 161, 256, 386 Kyniker 48, 448 Kyrios 15, 41, 56, 70-71, 101, 104-105, 108109, 134, 168, 171-174, 191, 198, 371, 429, 490, 492, 497, 509-510, 529, 536, 538, 546, 580 Landverheißung 472 Landwirtschaft 476 Laster 202, 206, 209-210, 224, 239, 244-247 Lasterkatalog 62, 202, 207, 232, 240, 242, 244, 245, 250, 254, 281, 332, 354 Lazarus 523 Lebensführung 202, 221, 261, 266, 351, 417 Lebensunfähigkeit 525 Lebensvollzug 71, 121, 130, 136, 145, 150, 193, 243, 281-282, 302, 340, 366, 390 Legalismus 68, 363 Lehre 26, 58, 66-69, 77, 135, 139, 234, 266, 294, 296, 305, 314, 322, 326, 340, 448, 493, 542-543, 548, 582; Lehrer 182, 187, 239, 262, 288, 306-310, 314, 319, 376, 447, 513 Lehrgedicht 240 Lehrsatz 420, 422 Leib 28, 63, 109, 129, 232, 239, 242, 305, 366, 390, 481, 484, 493, 547 Leiblichkeit 230 Leichnam 354, 450 Leid, Leiden 52, 55, 170, 179, 282, 382, 492, 517-19, 541, 575 Leidenschaften 197, 199-200, 230, 234-235, 241-242

Stichwortverzeichnis 693 —————————————————————————————————— Leidenskataloge 283 Leistung 64-67, 114, 135, 161, 162, 281, 321, 363, 400, 406, 418, 434, 439, 444, 452-453, 457-458, 460, 518 lesbisch 235-237, 240, 242, Leviten 89, 130 Libertinismus 54, 70, 326 Liebe 58-59, 65, 69-70, 127-128, 156-157, 178-179, 236-238, 262, 275, 305, 428, 437, 501-503, 520-525, 527-530, 539544, 565, 575 Liebesgebot 262-63 Liebespatriarchalismus 31 List 108, 155, 247, 332 Liste 14, 29, 86, 148, 226, 245 Lobpreis 52, 57, 224, 233, 354, 468 Logik 197-198, 319, 336, 346, 473, 527, 530, 532-533, 559 Lohn 199, 241, 278, 280, 282, 284, 302, 321, 390, 444, 450, 452-454, 458, 471 Lösegeld 392-395, 400, 493 Lüge 130, 196, 199, 201, 203, 214, 225, 23233, 323-24, 331-33, 337-38, 342, 349 Lukas 15, 19-20, 22, 25-26, 28, 96 Lykaonier 122, 161 Lystra 15, 30, 38, 148, 160, 217, 516 Machtcharakter 351, 409 Mächte 59, 105, 230, 259, 513, 570, 581 Machterweis 168 Machthaber 113, 265, 297 Machtposition 135, 475 magisch 114, 183, 355, 486 Mahnung 255, 262, 264, 320 maiestas 219 Majestät 69, 199, 204, 216, 218-223, 226, 230, 243, 253-254, 256, 258-259, 307, 313, 531 Makarismus 458-460 Makedonien 15, 19-20, 36, 38, 140, 148, 158, 160, 516 Manumission 393 Marcion 18, 45, 47, 143, 206, 376 Märtyrer 37, 38, 161, 393, 402-403, 536 Martyrium 316, 320 Marxismus 541 Masada 75 Maßstäbe 245, 307, 357, 367 Menschenwürde 232

Menschheitserneuerung 496 Menschheitsgeschichte 63, 229 Messias 14-16, 59-61, 65, 69-71, 75-80, 8285, 97-99, 103-10, 131-35, 172-174, 189-192, 287-288, 339-341, 370-373, 378-386, 394-396, 413-415, 419-420, 429-430, 432-434, 506-512, 529-531, 538-539, 544-546, 563-580 Messiashoffnung 429 Metapher 14, 83, 108, 131, 151, 156, 159, 224, 241, 394, 435, 452, 468-469, 507, 511-512, 560, 581 Middot 442, 464 Midrasch 7, 75, 442-443 Mission 15, 18-20, 27, 30, 33, 35-36, 42, 69, 85, 93, 105, 108, 122, 133, 146, 157158, 307, 436 Missionar 13, 15, 37, 53, 55-56, 76, 82, 8586, 159-160, 165, 189, 220, 268, 302, 324, 341, 367, 376, 573 Missionsarbeit 36, 42, 88-89, 111, 150, 158160, 195, 535, 576; -befehl 121, 479; predigt 79, 90, 93 Missonssprache 121, 146 Missionspläne 41, 154 Mitleid 114, 176, 391 modus ponens 196, 198 Monotheismus 109, 259, 424, 448 moralisch 68, 131, 176, 201, 204, 214, 232, 242, 244, 251, 271, 300, 347, 440, 543 Mord 199, 202, 206, 247, 234, 253, 309 Mose 84, 86, 95, 217, 232, 296, 330, 387, 398, 426, 513, 535-536, 544-545, 558562, 568, 578 Mysterien 115, 170, 513 Mystik 66 Mythen 566 Mythos 236, 582; Mythologie 79, 132, 229, 312 Nabatäa 15, 37, 160 Nachfolge 111, 119, 550 Nachkommenschaft 203, 443, 446, 450, 453, 469, 472, 477, 481, 483, 554 Nächstenliebe 52, 57, 156, 244 Nacht 179, 197, 203, 337, 343, 493, 509, 570 narratio 49-50, 141 Nathanparabel 270

694 Römerbrief —————————————————————————————————— Nathanverheißung 77, 102-103 Naturgesetz 115, 295-297 Naturrecht 295-297 Nero 30-31, 37, 100, 108-109, 126, 248 Neuschöpfung 180, 259, 480 Nichtseiendes 259, 378-482, 485-487, 499, 500 Noah 252, 548 Offenbarung 16, 35, 53-54, 58-59, 64-65, 6869, 115-116, 181-188, 191-197, 210216, 257-258, 266-267, 277-278, 328229, 341-342, 370-372, 378-382, 384390, 408-409, 419-421, 428-330, 433435, 443-444, 557-558 Opfer 91, 129-130, 170, 234, 275, 317, 355, 364, 400-404, 407, 411-412, 416, 418, 432-433, 435, 455, 518, 534 Opferlogik 401; -terminologie 378; -tier 400401, 407 Orientierungslosigkeit 225, 242, 244, 524, 526 Origenes 45, 71, 81-82, 105, 135, 163, 17879, 183, 209, 265, 401, 405, 436, 510, 584 Orthodoxie 257, 384, 583 Päderastie 239, 241-242 Palästina 41, 82, 86, 247, 447 Pamphylien 15, 88, 148, 158, 160 Papyrusbriefe 75, 105, 138, 156, 169 Paradies 179, 229, 387, 494, 536, 567, 575 Parallelismus 77-78, 279, 333, 346, 495 Paränese 49, 51, 240 Parenthese 158, 388, 406, 478, 549 Passafest 404 Passalamm 183 Patriarchen 443, 445, 465-466 Patronat, Patronage 31, 113, 115, 391, 529 Paulusbriefe 43, 47, 73, 76, 78, 80, 81, 127, 131, 134, 291, 347, 366 Pausanias 91, 312, 397, 508 Pentateuch 358, 399, 451, 536 Pentateuchlesungen 553 peroratio 49-50, 443 Petrus 17, 22-24, 26, 35, 37-38, 88, 284, 364, 382, 468, 555 Pfingsten 26; Pfingstfest 20, 22, 524 Pflicht 33, 130, 147, 162, 175, 244, 250, 259, 300, 393, 470

Pharisäer 13, 15, 27, 89, 209, 260, 305, 521 Philo 33, 85, 91, 95, 109, 115-16, 118, 148, 151, 156, 159, 213, 219-20, 232, 234, 237-240, 242, 245, 249-250, 254, 256, 265, 296, 306, 308-309, 311, 313, 320, 329, 354, 358, 361, 378, 392, 412, 422, 446-447, 454-455, 470-472, 479-480, 482, 487, 508, 512-513, 517, 528, 534535, 577 Philosophie 113, 118, 135, 156, 231, 238, 249, 255, 265, 308, 422 Phöbe 20, 43-45, 52 Phrygien 37, 122 Phylakterien 148 Plato 94, 113, 147, 151, 154, 156-157, 162, 167, 220-221, 235-238, 255, 392, 410, 447, 533 Plutarch 91, 113, 149, 154, 156, 161, 185, 213, 219, 235, 237-238, 246-247, 280, 296, 392, 397, 409, 513, 527, 534, 556, 562, 571, 577 Polemik 72, 226-227, 255, 309, 327, 422 Polybius 147, 154, 157, 311, 410, 507, 511, 513, 577 Polygamie 235 Polytheismus 13, 25, 53, 161, 194, 201, 205, 258, 455 Popularphilosophie 195, 234, 268 Präexistenz 60, 77, 79, 101, 134 Präfekt 105, 113, 471 Prahlen 249, 304 Präskript 31, 47, 51, 60, 75, 80, 88, 126-127, 137, 141 Praxis 5, 34, 68, 74, 76, 80, 96, 172, 239, 248, 260, 262-264, 310, 322, 325, 363, 365, 409, 441 Priester 16, 22, 129-130, 307, 398-400, 570 Priscilla 25-27, 29, 32, 35, 44, 48, 124, 145, 159 Privilegien 14, 266-67, 309, 325, 369, 560 profan 116, 128-129, 131, 171, 272, 277, 294, 472, 513, 522 Progymnasmata 50-51, 94 Proklamation 92, 96, 102, 105, 107, 146, 168 Prokonsul 19-20, 91 Prokurator 30 Proömium 51, 137-42 Propädeutikum 133 Prophet, Propheten 14, 75, 84, 86, 89, 92-96, 115, 120, 169-170, 183, 186-187, 208,

Stichwortverzeichnis 695 —————————————————————————————————— 219, 266, 274-275, 277, 329, 358-359, 372-373, 381, 387, 400, 428, 507, 523 Prophezeiungen 182, 186, 288, 382 propositio 49-50, 141, 196 Proselyten 22, 25-28, 116, 118, 265, 446, 454, 465-466 Prostituierte, 16-17, 261 Psalmen 92, 103, 170, 177, 219, 265, 354, 358, 362, 381, 394, 516; Dank- 170; Klage- 170, 351-353; Vertrauens- 353; Weisheits- 352 Pythagoräer 33 Pythagoras 255 Quartus 47 Quintilian 51, 141, 530 Qumran 10, 92, 93, 148, 156, 171, 176, 208, 293, 359, 417, 447, 458, 539 Qumrangemeinde 156, 176, 333, 363, 365, 508, 516, 552 Rache 465; -lust 400 ratio 204, 216, 221, 257, 541 ratiocinatio 50 Rationalität 115 Raub 230, 311, 356 Räucherwerk 400-401 Realitätsverlust 223, 225 Rebellion 108, 204, 253, 351, 356, 368, 38687, 414, 435, 486, 583 recapitulatio 50 Recht, Rechtsforderung 252, 289, 316-317, 561, 567, 572-573; -ordnung 58; -satz 299, 318, 551; -setzung 197, 199, 25253, 317, 371, 560, 567, 572; -sicherheit 118; -sprache 390; -spruch 271; -streit 178, 326, 332, 334 Rechtfertigung 49-56, 63-71, 120-21, 192193, 295-297, 339-341, 369-371, 378379, 382-384, 388-391, 414-425, 429434, 437-445, 452-453, 456-458, 461463, 479-480, 494-497, 500-501, 511512, 515-516, 530-532, 535-538, 566567, 573-574, 585-586 Rechtschaffenheit 130, 170, 214, 273, 447, 459 reductio ad absurdum 295, 336, 421-422 Reformation 65, 363, 437, 439 Reformatoren 67, 257

refutatio 50 Reichtum 56, 58, 177, 249, 267, 273-274, 279, 281, 309, 508, 513, 522 Religion 8, 10, 17, 113, 132, 176, 201, 226, 229, 258-259, 284, 308, 313; -kritik 258 Religiosität, religiös 68, 87, 91, 114, 117118, 147-149, 156, 161, 169-170, 221224, 228, 233, 258-259, 272, 352, 399, 498, 508, 513 Retter 27, 35, 53, 61, 65, 69, 86, 95, 170, 191, 200, 214, 276, 281, 287, 290, 302303, 314, 339-341, 367, 370, 385, 456, 485, 488, 498, 508, 515, 524, 539 Rettung 52-53, 56-57, 61, 64, 66, 69, 92, 9495, 103, 137-139, 142, 165, 169-172, 174-175, 178-179, 181-182, 187-188, 191, 193, 197-198, 200, 203, 212, 234, 255, 264, 340, 367, 378, 394, 402-403, 432, 491, 496, 501, 503, 510, 520, 527, 530-532, 536-539, 544, 565, 569, 574 Rhetorik 8, 49, 51, 119, 141, 164, 234, 242, 317, 530 Richter 54, 66, 110, 170, 175-178, 180-181, 197, 204, 212, 214, 230, 265, 276-278, 283, 286, 293-294, 301-302, 310, 317, 326, 336, 342, 360-361, 366, 407, 435; -spruch 335; -stuhl 58-59, 302, 531 Ritual 275, 401; Ritus 129, 319, 400 Ritualgesetzgebung 418 Rivalität 247 Rom 126 Rombesuch 140, 151, 157, 159, 160, 165 Romulus 250 Ruhm 37, 280, 304, 322, 416, 444, 448-449, 457 Rühmen 64, 70, 176, 304, 323, 372, 374, 416-419, 435, 445, 451, 501, 517, 519, 537-538, 578 Saatgut 567 Sabbat 26, 33, 36, 67-68, 130, 183, 419, 464; Sabbatgebote 365 Sadduzäer 209 Saitenspielerin 528 Sakraldelikt 314 Sakrament 419, 439 Sakrileg 314 Salomo 101, 103, 116, 177, 318, 522 salutatio 75-76

696 Römerbrief —————————————————————————————————— Samarien 23, 148 Same 60, 75, 79, 94, 100-103, 129, 239, 446, 449, 478, 583 Sanftmut 234, 500 Sanhedrin 28, 433 Sara 128, 372, 468, 481-482, 484-86, 491, 496, 499 Satisfaktionslehre 432-33 Säugling 309, 526 Saul 13, 82, 525, 534 schālōm 75, 175, 357, 507, 508, 539 Scham 166, 191, 234, 241, 252, 386 Schamlosigkeit 199, 234, 241, 356 Schande 166-167, 234-236, 239, 241, 280, 516, 519, 527 Schema 6, 51, 148, 189, 378-379, 548 Schlange 229, 247, 332, 353, 552, 554, 574; Schlangenbisse 354 Schöpfer 56, 62, 117, 168, 179, 181, 199, 201, 206, 214, 218-222, 225, 227, 229, 232-233, 242, 250, 256, 258-259, 400, 422, 443, 446, 454-455, 457, 479, 481, 487, 500, 509, 548; -gott 67, 232 Schöpfung 55, 59, 62, 106, 123, 130, 133, 171, 197, 199, 201-207, 209, 214-223, 230-233, 240-243, 252, 256-260, 262, 278, 295, 351, 395, 400, 426, 429, 479280, 512, 541, 547, 553, 561 Schöpfungsordnung 240, 262, 431 Schriftauslegung 73, 429 Schriftautorität 262 Schriftbeweis 143, 360, 441-442, 478, 497 Schuld 54, 176, 180, 197, 201, 215, 222, 231, 256, 259, 264, 292-293, 314, 320, 322, 334, 350, 357, 360-361, 397, 399, 406, 435, 455, 460, 493, 558, 560, 575; -opfer 182, 367, 400, 402; -schein 561; -spruch 329, 371 Schwur 119, 190 Seele 63, 149, 221, 224, 234, 239, 242, 250, 252, 255, 258, 282, 294, 304, 354, 407, 449, 454-455, 473, 492, 510, 518, 527, 577 Seelenfrieden 509 Segen 45, 47, 81, 90, 103, 123, 136, 152-153, 170-171, 175, 307, 456, 507, 520, 523 Segensformel 80; -gruß 75, 80, 131; -wunsch 115, 132, 136, 509 Sekretär 18-19

Selbstbeherrschung 500 Selbstbestimmung 224, 242, 263 Selbsterlösung 68, 400 Selbstgerechtigkeit 276, 416, 419 Selbsthingabe 407, 432, 493 Seligpreisung 444, 458, 460, 462-463, 497 Sendung 60, 86-87, 98, 110-112, 116, 122123, 180, 495, 535 Seneca 50, 108, 115, 145, 231, 236-237, 250, 252, 254, 308-9, 402 Sexualethik 239, 311 Sexualität 235, 237, 242 Sexualverkehr 128-129, 235-238, 240-242, 522 Sicherheit 118-119, 140, 169, 260, 325, 504, 508, 513, 515, 518 Sinai 291, 296, 385-87, 399, 478 Sintflut 587 Sintflutgeschichte 363 Sitte 161, 244, 315 Sittenlosigkeit 202-204, 212, 232 Sklave, Sklaven 21-23, 32, 47, 53, 75-76, 8285, 87, 110, 121, 124-25, 133, 135, 152, 156, 162, 166, 236, 248-49, 392, 39495, 395, 486, 540 Sklavenbefreiung 395-396 Sodom 235, 239, 359 Sodomie 237-238 Sohnschaft 98-99 Sophokles 149, 167, 447 Soteriologie 59, 64, 66, 132, 134, 170, 178, 191, 192, 408, 414, 428, 439, 492, 497, 535, 578 Sozialethik 136 Sozialpsychologie 255 Sozialstatus 32 Spanien 18-19, 36-39, 41, 43, 53, 58, 123, 160, 164-165 Spanienmission 41-42, 141, 152, 155, 165 Speisegebote 35, 67-68, 198, 364-365, 367 Spruchweisheit 285, 370 Staat 52, 57, 213, 262-263, 528 Staatsgötter 99 Starrsinn 267, 276-278 Status 14, 62, 98, 102, 104, 108, 113, 173, 194, 203, 222, 248, 340, 438, 469, 575 Statusgleichkeit 326 Statusverlust 166 Statuswechsel 70

Stichwortverzeichnis 697 —————————————————————————————————— Stellvertretung 85, 87, 123, 403, 407, 431 Stellvertreter 85, 88, 355l 400 Sterben 63, 209, 382, 492, 501, 525-526, 529 Sterblichkeit 104, 568 Stiftshütte 130, 226, 399-400, 562 Stoa, stoische Philosophie 116, 135, 156, 196-97, 209, 220, 221, 231, 234, 265, 276, 296, 319 Stolz 170, 270, 303, 332, 417, 518, 538 Strabo 161-62, 397, 555 Strafe 175, 196, 202-205, 209-210, 230-231, 239, 241-243, 245, 271, 273, 278, 282, 284-285, 292-293, 311, 355, 360-361, 407-408, 414, 419, 431, 433, 507, 527, 530, 536, 542, 560, 566 Strafgerechtigkeit 284, 336, 407 Strafgericht 179, 412, 413, 476 Strafgesetz 31, 156 Sueton 21, 24-25, 30, 145, 248 Sühne 65, 312, 375, 380, 397-400, 402-407, 419, 430, 495, 534-536 Sühnemal 404; -ort 372, 394, 396-397, 399400, 406, 430 Sühnemittel 397-398, 401, 403-404, 417 Sühnetradition 399 Sühnezeichen 398, 407 Sühnetod 3, 27, 51, 53-54, 193-194, 367, 371-372, 374, 379-380, 382, 388, 390, 404, 406, 408, 411, 413-415, 417, 420, 423, 427, 429-430, 432-34, 440, 445, 493-495, 500-501, 506, 511, 520, 523, 527, 530-532, 535, 539, 550-551, 580 Sühnopfer 397, 402, 436, 572 Sühnung 60, 66, 400-401, 407, 411, 417, 434-35, 495, 531 Sünde 51-52, 54-55, 60-65, 67-71, 120-21, 176-177, 193-194, 198-200, 203-210, 213-214, 230-31, 263-264, 282-285, 291-94, 332-339, 343-344, 349-352, 360-369, 379-395, 398-404, 406-415, 430-435, 459-460, 493-494, 499-501, 514-517, 531-536, 540-541, 544-545, 547-561, 563-564, 568-569, 574-587; s. auch Verfehlung Sündenbekenntnis 535 Sündenbock 30, 400 Sündenpessimismus 34 Sündenfall 62-63, 256, 280, 387, 552-554, 566, 572, 577

Sündenvergebung 16, 27, 64, 108, 133, 178, 271, 275-276, 341, 375, 394, 396, 406, 423, 514 Sündlosigkeit 296, 432, 573, 574 Sündopfer 182, 379, 400, 402, 414, 433 superscriptio 75 Syllogismus 124, 195-196, 559 Synagoge 14, 16, 20-30, 34, 43, 69, 77, 122, 131, 145, 174, 253, 279, 294, 305, 310, 319, 357, 362, 375, 401, 442, 466, 536 Syrien 15, 20, 22-23, 26, 36-38, 41, 88, 99, 123, 148, 158, 402 Tacitus 21, 30-31, 104, 250 Targum 11, 79, 187 Taufe 17, 323, 410, 467, 509, 525, 542 Tauftradition 411 Täuschung 241, 332, 519 Teilungshypothesen 43 Tempel 16, 27-28, 126, 129, 131, 170, 226, 228, 275, 312-313, 340, 375, 400, 402, 404-405, 433, 435, 528 Tempelraub 289, 309, 312-313 Theater 126, 254, 313 theozentrisch 59, 98, 134, 192, 541 Thessalonich 15, 30, 38, 43, 147-48, 157-58, 160, 516 Thron 99, 102, 190, 387, 405, 422, 511 Thukydides 392, 508 Tiberius 91, 99, 105, 108, 126 Timotheus 18, 38, 82, 562 Titel 60-61, 85, 87, 95, 97-101, 109, 187, 233, 393, 539, 565 Tod 13, 15, 25, 28, 34, 52-55, 59-63, 65-68, 70, 77, 83, 96, 98-100, 117, 127, 131134, 144-145, 170-171, 184, 192-194, 199-200, 210-211, 240, 250-253, 258259, 278, 285, 311-312, 340-441, 350, 381-382, 396, 400-415, 428, 432-35, 491-512, 522-527, 529-532, 536-538, 544-548, 553-561, 564-565, 567-573, 575-582, 585-586 Todesstrafe 239, 247, 253, 311 Todesurteil 200, 206, 253, 264, 282, 284, 301, 367, 380, 395, 414, 429, 475, 573, 576 Tora 13-14, 26-27, 67-69, 145, 182-183, 212, 252, 288, 291, 293-296, 298-299, 303306, 310, 317-319, 321, 350, 358-360,

698 Römerbrief —————————————————————————————————— 364-367, 387, 416-420, 425-428, 441, 549, 561, 578; s. auch Gesetz, Mose, Übertretung Torheit 39, 224-225, 227 Totenauferweckung 93, 107, 479 Totenreich 479 Tradition 6, 13, 77-79, 87, 99-100, 103, 141, 182, 190-191, 219, 227, 231, 238-240, 255, 264-265, 279-280, 284-285, 375376, 391, 414, 436, 447, 456, 460, 471, 492, 518, 525, 554, 570, 582 Trajan 99 Treue, Treue Gottes 58, 114, 117-119, 176, 181, 183-188, 214, 261, 285, 323-324, 326, 328, 330-332, 334, 341, 368, 383384, 406, 446, 479, 499, 518 Treueversprechen 343 Treulosigkeit 166, 202, 251 Troas 37-38, 157 Trost 59, 92, 154, 262, 264, 343 Trübsal, Trübsale 282, 515-517, 542 Tryphäna 29, 32 Tryphosa 29, 32 Tugend 175, 246, 388, 455, 498, 518, 527, 542-43 Tugendlehre 116 Typologie, typologisch 65, 501, 497, 562, 563 Typus 38, 138, 167, 266, 562 Tyrann 219, 519, 580 Überheblichkeit 249 Überredungskunst 181 Überschätzung 248 Überschrift 53, 64, 74, 203, 231, 256, 266, 271, 432, 442, 448, 506, 557 Übertretung (des Gesetzes) 62, 203, 289, 292, 313, 318, 336, 351, 469-470, 475476, 534, 544, 547, 553-554, 560-561, 564, 567-568, 574-575, 578, 581 Überzeugungskraft 118, 169 Umkehr 262, 264-265, 267, 274-276, 282, 411-412, 434, 534; s. auch Buße Unbeherrschtheit 231, 238, 500 Unbeschnittenheit 242, 289, 316-317, 424425, 460-461, 463, 465, 468 Unbußfertigkeit 276-77 Undankbarkeit 222, 549 Unentschuldbarkeit 204, 206, 215-216 Ungehorsam 57, 63, 117, 206, 208, 250, 252253, 292, 299, 309, 314, 322, 386-389,

545-547, 557-558, 572, 574-575, 578579, 581, 583 Ungerechtigkeit 57, 103, 170, 193-194, 199200, 204-209, 212-215, 222, 245-246, 275, 281, 292, 323-226, 332, 335, 337338, 340, 371, 373, 378, 381, 388-389, 429, 510, 522, 539, 561, 583 Unglaube 52, 56, 117, 485-486 Unheil 179, 194, 212, 275, 278, 286, 325, 354-355, 371, 381, 392, 399, 507, 531, 566, 568, 571 Unheilsfolge 563-564, 566, 573, 575, 578, 585 Unrecht 178, 197, 203, 213, 231, 246, 267, 277, 281, 283, 292, 357, 361, 369, 389 Unreinheit 89, 129, 177, 196, 199-200, 231232, 242, 252, 353, 454 Unsterblichkeit 270, 280, 518 Untreue 130, 178, 251, 311, 323-24, 326, 330-31, 337 Unvergänglichkeit 267, 279-280, 283, 286 unverständig 199, 225, 231, 250-251, 288289, 299, 307, 351-352, 429 Unzucht 202, 207, 236, 252, 309 Urbanus 29, 32-33 Urbild 562-563 Ursünde 179 Väter 173, 223, 275, 299, 447-449, 465-466 Verbot 21, 190, 238, 240-241, 253, 262, 312 Verbrechen 236, 250, 282, 292, 459, 584 Verdammungsurteil 206, 271, 324, 339 Verderben 246, 277, 293, 316, 344, 355, 435 Verdienst 419, 431, 433, 451, 565 Verehrung 17, 99, 149-50, 202, 219-220, 228, 231, 233, 281, 446, 508, 513 Verfasserschaft 18, 46-47 Verfehlung 62, 291-292, 411, 459, 544-547, 563-569, 568, 572, 574, 577-579; s. auch Sünde Verfolgung 23, 25, 30-31, 56, 250, 509, 515 Vergebung 54, 68, 90, 130, 156, 177, 180, 182, 193, 264, 275, 314, 334, 339, 367, 374, 380, 389-391, 399-400, 409-412, 414, 433-35, 459-462, 469, 475, 495496, 498-501, 507, 509-511, 520, 527, 539, 569 Vergil 250, 535 Vergleich 32, 46-47, 51, 76, 139, 204, 247, 254, 264, 270, 299, 314-315, 387, 401,

Stichwortverzeichnis 699 —————————————————————————————————— 418, 518, 545, 547, 549, 551-552, 558, 561, 566, 571-572, 574 Verheißung 52, 56, 66, 79, 94-97, 99, 101104, 117, 169, 172-173, 186-187, 193, 285, 298-299, 315, 320, 323, 329-330, 340-341, 371, 418, 442-44, 446, 450-53, 463, 469-78, 480-87, 489, 496-399, 512, 540, 574 Verheißungsrede 451 Verheißungswort 464, 470 Verherrlichung 221, 323-324, 326, 337-338, 374, 495 Verkündigung 11, 26-28, 70, 76-77, 87-88, 90, 92-93, 96, 105, 108, 113, 119-120, 123, 133, 135, 141, 145, 149-150, 152, 160, 165-166, 169, 172-174, 180-181, 184-185, 191, 200, 209-210, 215-216, 260-261, 274, 302, 310, 320, 345, 380381, 385, 394, 405, 506, 516, 531, 534 Verkündigungsauftrag 87 Verlangen 152, 180, 199, 230-232, 241, 263, 270, 455, 521-522 Verleugnung 35, 166, 232, 394 Verlorenheit 216, 293, 368, 435 Verlust 118, 228, 234, 258, 293, 337, 387, 389 Vernunft 63, 218, 221, 223, 244, 251, 255, 257, 307, 581, 583 Verpflichtung 52, 55, 57, 70, 139, 142, 160, 236, 275, 309, 315, 321, 391 Versammlungen 21, 23, 28, 31, 34, 362 Versöhnung 57, 69-70, 88, 90, 93, 108, 139, 212, 398-399, 406, 432, 500-503, 510, 512, 533-538, 551, 565, 580 Versöhnungtag 400 Verstocktheit 56, 208, 276, 449 Versuchung 109, 263, 447, 449, 499, 552, 554, 574 Verteidigung 40-41, 46, 49, 221, 269, 301, 360, 432 Vertrauen 116-19, 144, 154, 170, 178, 193, 224, 270-271, 323, 406, 415-416, 428, 430, 442, 451-452, 483, 496, 506, 512513, 519, 541, 543 Verurteilung 63, 127, 171, 175, 178, 240, 256, 260, 293-294, 302, 332, 334, 339, 361, 369, 380, 391, 413, 420, 428, 435, 544-547, 566-568, 571-572, 574, 576 Verwirrung 129, 196, 202, 207, 224, 242, 325, 480, 558

Vision 93, 108, 187, 450 Visionsreden 451 Visitationsreisen 87 Völker 17, 31, 53, 79-80, 84, 88-89, 93, 102103, 118, 121-124, 161-162, 169, 176, 182, 202, 227, 304, 306, 312, 318, 341, 359, 405, 422-423, 445-446, 449, 453, 462, 466, 469, 471-473, 477-478, 481, 483, 508, 514, 570 Vorbild 37, 57, 87, 195, 371, 441, 446-448, 468-469, 496, 541, 562-563 Vortragsstil 195, 268 Vorwurf 273-274, 276, 309, 316, 338-440, 346, 425-426, 559 Wachstum 26, 46, 160 Waffen 57, 390, 513 Wahrheit 58, 62, 96, 103, 108, 110, 117-119, 176-177, 180-181, 186, 196-199, 212216, 218, 221, 232-233, 241-242, 256, 262, 267, 272, 281-282, 287-288, 292, 297, 308-309, 323-326, 331-337, 340, 350, 371, 381, 414, 440, 455, 479, 518519, 526, 539, 570 Waschungen 275, 364, 416 Wassertaufe 468 Weihegeschenk 399, 403, 404 Wein 33-34, 36, 523 Weinberg 476 Weisheitstradition 307, 356, 548 Weisung 6, 16, 158, 182, 303, 359, 471 Weltverachtung 191 Weltverantwortung 344 Weltversöhnung 496 Werke 11, 54, 67, 68, 121, 177, 179, 184, 192, 194-197, 197, 202, 203, 204, 214223, 230-233, 251, 256-258, 277-79, 281-284, 286, 297, 288, 298, 300, 333, 340-341, 344, 361-369, 371-372, 380381, 391, 416-421, 425-426, 433, 437438, 443-449, 452-53, 457-458, 460, 497-498 Werkgerechtigkeit 67-68, 150, 287, 363, 417, 436 Wille 58, 140, 151-152, 189, 224, 246, 252, 257, 435, 542 Wissen 160, 183, 202, 204, 216, 229, 253, 362, 365 Wunder 93, 101, 117, 168, 370, 464, 479, 481, 499, 509

700 Römerbrief —————————————————————————————————— Wunsch, Wünsche 137, 139, 151, 163-164, 189, 230, 232, 319, 331, 354, 400, 456,521 Xenophon 113, 147, 149, 154, 156, 167, 171, 213, 220, 308, 311, 392, 507, 511 Zeuge 96, 111, 137, 147-148, 189-190, 298, 300, 327-328, 376, 382, 428, 442, 550 Zeugnis 37, 63, 95, 100, 130, 159, 300, 328, 510, 548, 570 Zeugung 102, 238, 366, 484-86 Zeus 217, 229, 508 Zion 92, 102, 170, 176, 340, 468 Zitat, Zitate 14, 15, 28, 58-59, 66, 77, 93, 105, 109, 115, 119-120, 143, 149, 178179, 184, 187-188, 197-198, 215, 220, 249, 257, 276, 278, 286, 308, 314, 325327, 333-334, 338, 344, 346-347, 354356, 359, 361-363, 378, 384, 410, 427, 436, 441-445, 450-451, 453, 458, 462, 464, 477-478, 481-483, 488-490, 524, 530, 571, 584

Zitatenkombination 346, 358 Zorn 3, 51, 53, 58-59, 64, 102, 127, 171, 179, 181, 193-194, 196-200, 206, 208-212, 214, 222, 234, 251-255, 264, 266-268, 273-274, 276-279, 282, 287, 314, 323324, 326, 333, 335-336, 340, 358-359, 363, 370-371, 378-379, 381, 385-386, 390-392, 395, 397-399, 403, 405-408, 414, 429, 431-433, 469-470, 475, 502, 506, 510-511, 519, 523, 527, 531-534, 536, 561 Zorngericht 53, 193, 204, 209, 225, 245, 264, 267, 271-272, 276, 281-282, 284, 293, 318, 326, 335-336, 340, 380, 406, 415, 432, 434, 476, 565 Zuneigung 127-128, 152, 224, 238, 409, 521522 Zunge 309, 352-353, 355 Zweifel 27, 88, 133, 190, 297, 342, 408, 486, 505, 514, 559 Zypern 15, 23, 30, 37, 86, 88-89, 148, 158