Der Ausdruck der Konzessivität in der deutschen Gegenwartssprache: Theorie und Beschreibung anhand eines Vergleichs mit dem Italienischen 3484303727, 9783484303720

In diesem Buch werden die bisher wenig erforschten Konzessivkonstruktionen der deutschen Gegenwartssprache untersucht un

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Der Ausdruck der Konzessivität in der deutschen Gegenwartssprache: Theorie und Beschreibung anhand eines Vergleichs mit dem Italienischen
 3484303727, 9783484303720

Table of contents :
Inhalt
Vorwort
Einleitung
1. Forschungsstand
2. Definition der Konzessivität
3. Klassifikation der wichtigsten konzessiven Werte
4. Überblick über die konzessiven Konstruktionen im Deutschen
§. Prototypische und periphere Konzessivkonstruktionen
6. Analyse der wichtigsten subordinierten Konstruktionen im Deutschen
7. Überblick über die konzessiven Konstruktionen im Italienischen
8. Analyse der wichtigsten subordinierten Konstruktionen im Italienischen
9. Eine kurze deutsch-italienische Gegenüberstellung: Gemeinsamkeiten und Unterschiede
10. Schlußbemerkung
Anhang
Literatur

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Linguistische Arbeiten

372

Herausgegeben von Hans Altmann, Peter Blumenthal, Herbert E. Brekle, Gerhard Heibig, Hans Jürgen Heringer, Heinz Vater und Richard Wiese

Claudio Di Meóla

Der Ausdruck der Konzessivität in der deutschen Gegenwartssprache Theorie und Beschreibung anhand eines Vergleichs mit dem Italienischen

Max Niemeyer Verlag Tübingen 1997

Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme DiMeola, Claudio: Der Ausdruck der Konzessivität in der deutschen Gegenwartssprache : Theorie und Beschreibung anhand eines Vergleichs mit dem Italienischen / Claudio DiMeola. - Tübingen : Niemeyer, 1997 (Linguistische Arbeiten ; 372) ISBN 3-484-30372-7

ISSN 0344-6727

© Max Niemeyer Verlag GmbH & Co. KG, Tübingen 1997 Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Printed in Germany. Gedruckt auf alterungsbeständigem Papier. Druck: Weihert-Druck GmbH, Darmstadt Buchbinder: Industriebuchbinderei Hugo Nadele, Nehren

Inhalt Vorwort

ix

Einleitung

1

1. 1.1.

3 4 4 5

1.2

1.3. 2. 2.1.

Forschungsstand Untersuchungen zum Deutschen 1.1.1. Gesamtdarstellungen der konzessiven Konstruktionen im Deutschen 1.1.2. Studien zu spezifischen Aspekten der konzessiven Konstruktionen ... 1.1.3. Weitere Werke, die Hinweise auf konzessive Konstruktionen enthalten Untersuchungen zum Italienischen 1.2.1. Gesamtdarstellungen der konzessiven Konstruktionen im Italienischen 1.2.2. Studien zu spezifischen Aspekten der konzessiven Konstruktionen ... Untersuchungen zu anderen Sprachen oder zur Konzessivität allgemein

6 7 7 8 8

2.3. 2.4.

Definition der Konzessivität Die Sonderstellung der Konzessivsätze im Vergleich zu den anderen Adverbialsätzen Potentielle Faktoren fiir eine Definition der Konzessivität 2.2.1. Einräumung 2.2.2. Gegensatz 2.2.3. Hindernis 2.2.4. Enttäuschung einer Erwartung 2.2.5. Abweichung von einer Norm 2.2.6. Negierung eines Kausalverhältnisses Ein Definitionsvorschlag: die Konzessivität als "versteckte Kausalität" Die Rolle der Präsuppositionen

10 13 14 16 24 25 25 27 32 39

3. 3.1. 3.2. 3.3. 3.4. 3.5. 3.6. 3.7. 3.8.

Klassifikation der wichtigsten konzessiven Werte Faktische Konzessivität Kommentarische Konzessivität Evaluative Konzessivität Rekonstruktive Konzessivität Limitative Konzessivität Korrektive Konzessivität Konditionale Konzessivität Skalare Konzessivität

42 45 46 50 54 60 62 65 70

2.2.

10

vi

3.9. Polykonditionale Konzessivität 3.10. Zusammenfassung

72 77

4. 4.1.

81 81 82 85 85 88

4.2.

4.3.

Überblick über die konzessiven Konstruktionen im Deutschen Allgemeine Typologie der konzessiven Konstruktionen 4.1.1. Lexikalische Mittel vs. grammatische Mittel 4.1.2. Grammatische Mittel: komplexe Sätze vs. Präpositionalfugungen 4.1.3. Komplexe Sätze: Subordination vs. Koordination 4.1.4. Subordinierte Sätze: vollständige vs. reduzierte Sätze 4.1.4.1. Subordinierte reduzierte Sätze: konzessive Relation auf Satzebene vs. Konstituentenebene 4.1.5. Koordinierte Sätze: vollständige vs. reduzierte Sätze 4.1.5.1. Koordinierte reduzierte Sätze: konzessive Relation auf Satzebene vs. Konstituentenebene Hypotaktische Konstruktionen 4.2.1. Die wichtigsten konzessiven Konnektive 4.2.1.1. Konditionales Element 4.2.1.2. Hindernd-oppositives Element 4.2.1.3. Quantitatives Element 4.2.1.4. Allgemeines Verstärkungselement 4.2.1.5. Gibt es konzessive Konnektive mit temporalem Element? 4.2.1.6. Die Rolle der Grammatikalisierungsprozesse; Ausblick auf offene Fragen 4.2.2. Konnektive mit spezifischer Funktion: die polykonditionalen Konnektive 4.2.3. Nichtkonzessive Nebensätze, die einen konzessiven Wert annehmen können Parataktische Konstruktionen 4.3.1. Die Konnektive des Gegensatzes: allgemein-adversativ oder konzessiv? 4.3.2. Die wichtigsten konzessiven Konnektive 4.3.2.1. Hindernd-oppositives Element 4.3.2.2. Quantitatives Element 4.3.2.3. Temporales Element 4.3.2.4. Allgemeines Verstärkungselement des Gegensatzes 4.3.3. Frequenz und Gebrauch 4.3.3.1. Verwendung als alleiniges Konnektiv: Verbindung zweier Hauptsätze 4.3.3.2. Verwendung in bereits eingeleiteten Hauptsätzen 4.3.3.3. Verwendung in Nebensätzen

90 91 92 92 92 95 101 102 105 107 111 115 118 124 124 128 128 130 132 132 135 138 141 143

vii

4.4.

4.5.

5. 5.1.

5.2. 5.3. 5.4. 5.5.

6. 6.1. 6.2. 6.3. 6.4. 6.5. 6.6. 6.7. 6.8. 6.9. 7. 7.1.

4.3.3.4. Verstärkung oder Verdeutlichung der konzessiven Bedeutung im hypotaktischen Satzgefüge Präpositionale Konstruktionen 4.4.1. Hindernd-oppositives Element: allgemein-adversativ oder konzessiv? 4.4.2. Quantitatives Element: primär konzessiv oder gelegentlich konzessiv? 4.4.3. Frequenz und Gebrauch der wichtigsten Präpositionalstrukturen Zahlenmäßiger Überblick über hypotaktische, parataktische und präpositionale Konstruktionen Prototypische und periphere Konzessivkonstruktionen Hypotaktische vs. parataktische Konstruktionen 5.1.1. Einige Unterschiede zwischen Hypotaxe und Parataxe 5.1.2. Die Prototypenhaftigkeit der subordinierten Konzessivsätze Explizite vs. implizite Konstruktionen Grammatikalisierte Konnektive vs. Gelegenheitsverbindungen Ausdrucksformen zentraler vs. peripherer Konzessivwerte Lassen sich die Konzessivkonstruktionen auf einer einzigen Skala der Prototypenhaftigkeit anordnen?

144 146 147 151 152 154 156 156 156 160 162 164 164 165

Analyse der wichtigsten subordinierten Konstruktionen im Deutschen Frequenz der einzelnen Konnektive im Gesamtkorpus Vergleich der drei Teilkorpora Fach-, Literatur- und Pressesprache: Gibt es textsortenspezifische konzessive Konstruktionen? Vollständige vs. reduzierte Sätze Stellung des Nebensatzes Verstärkungselemente in Haupt- und Nebensatz Wortstellungsfragen in Haupt- und Nebensatz Konzessive Semantik der einzelnen Konstruktionen Spiegelbildliche Konnektive Varianten desselben Konnektivs oder eigenständige Konnektive?

168 168 177 183 188 200 207 212 222 226

Überblick über die konzessiven Konstruktionen im Italienischen Hypotaktische Konstruktionen 7.1.1. Die wichtigsten konzessiven Konnektive 7.1.1.1. Konditionales Element 7.1.1.2. Hindernd-oppositives Element 7.1.1.3. Quantitatives Element 7.1.1.4. Temporales Element 7.1.1.5. Existentielles Element

233 233 233 235 237 239 241 245

viii

7.2.

7.3. 7.4.

8. 8.1. 8.2.

7.1.1.6. Allgemeines Verstärkungselement 7.1.1.7. Negatives Element 7.1.1.8. Die Rolle der Grammatikalisierungsprozesse; Ausblick auf offene Fragen 7.1.2. Konnektive mit spezifischer Funktion: die polykonditionalen Konnektive 7.1.3. Nichtkonzessive Nebensätze, die einen konzessiven Wert annehmen können Parataktische Konstruktionen 7.2.1. Die wichtigsten Konnektive 7.2.1.1. Hindernd-oppositives Element 7.2.1.2. Quantitatives Element 7.2.1.3. Temporales Element 7.2.1.4. Allgemeines Verstärkungselement des Gegensatzes 7.2.2. Frequenz und Gebrauch Präpositionale Konstruktionen Zahlenmäßiger Überblick über hypotaktische, parataktische und präpositionale Konstruktionen

8.3. 8.4. 8.5. 8.6. 8.7. 8.8. 8.9.

Analyse der wichtigsten subordinierten Konstruktionen im Italienischen .... Frequenz der einzelnen Konnektive im Gesamtkorpus Vergleich der drei Teilkorpora Fach-, Literatur- und Pressesprache: Gibt es textsortenspezifische konzessive Konstruktionen? Vollständige vs. reduzierte Sätze Stellung des Nebensatzes Verstärkungselemente in Haupt- und Nebensatz Modus im Konzessivsatz: Indikativ oder Konjunktiv? Konzessive Semantik der einzelnen Konstruktionen Spiegelbildliche Konnektive Varianten desselben Konnektivs oder eigenständige Konnektive?

9.

Eine kurze deutsch-italienische Gegenüberstellung: Gemeinsamkeiten

10.

246 248 251 254 256 258 258 260 262 263 263 264 268 273 275 275 280 284 287 293 296 301 311 312

und Unterschiede

315

Schlußbemerkung

322

Anhang

327

Literatur

331

Vorwort Das vorliegende Buch ist die leicht überarbeitete Fassung einer von der Universität zu Köln angenommenen Habilitationsschrift. Mein ganz besonderer Dank gilt Heinz Vater, der mich nicht nur ermutigt hat, diese Arbeit in Angriff zu nehmen, sondern mir auch in den einzelnen Phasen der Durchfuhrung mit zahlreichen Anregungen, Vorschlägen und kritischen Hinweisen zur Seite gestanden hat. Bereichernd und klärend waren die Gespräche mit Günter Radden. Für hilfreiche Kommentare zu einigen Kapiteln des Manuskripts möchte ich Maurizio Dardano und Claudio Giovanardi danken. Die Studentinnen und Studenten meiner Seminare an der Universität Rom III haben mir durch interessante Fragen und Diskussionsbeiträge Gelegenheit gegeben, manche Aspekte präziser zu überdenken. Meine Mutter war mir bei der Auswahl und Zusammenstellung des Korpus von großer Hilfe.

Rom, im April 1997

Einleitung In der vorliegenden Arbeit werden die bisher wenig erforschten Konzessivkonstruktionen der deutschen Gegenwartssprache untersucht und anhand einer Gegenüberstellung mit dem Italienischen näher beleuchtet. Als Materialgrundlage dienen umfangreiche schriftsprachliche Korpora. Die logisch-semantische Relation der Konzessivität kann sprachlich auf unterschiedliche Weise ausgedrückt werden. So lassen sich auf formaler Ebene subordinierte, koordinierte und präpositionale Konstruktionen unterscheiden, auf inhaltlicher Ebene eindeutige und nichteindeutige Kodierungsformen. Grundlegend sind subordinierte Sätze, die durch eindeutig konzessive Konjunktionen eingeleitet werden wie z.B. obwohl, obgleich, obschon, obzwar, auch wenn, selbst wenn, sogar wenn, wenn auch, wenngleich, wiewohl. Zu erwähnen sind des weiteren uneingeleitete Nebensätze, die ein Verstärkungselement wie auch oder noch so enthalten. Eine lediglich konzessive Nuance kann Beliebigkeitsindikatoren zugeschrieben werden (wer auch immer, wo auch immer, wie dem auch sei usw.). Relativsätze sowie temporale und konditionale Adverbialsätze können nur in bestimmten Kontexten eine konzessive Bedeutung ausdrücken, besonders wenn im Satzgefüge ein adversativ-konzessives Korrelat vorkommt {doch, jedoch, dennoch usw.). Was die koordinierten Satzkonstruktionen betrifft, so sind zunächst eindeutig konzessive Konnektive zu verzeichnen wie z.B. dennoch, dessenungeachtet, trotzdem, nichtsdestotrotz, gleichwohl, und doch. Das Konnektiv zwar erscheint zumeist im ersten der beiden koordinativ verbundenen Sätze. Adversative Konnektive wie beispielsweise aber, jedoch, allerdings usw. können in bestimmten Kontexten ebenfalls eine konzessive Bedeutung annehmen. Bei einer asyndetischen Satzverbindung schließlich resultiert die Konzessivität allein aus dem propositionalen Gehalt der Teilsätze (Er war krank; er ist zur Arbeit gegangen). Eindeutig konzessive Bedeutung haben femer Präpositionen wie trotz oder ungeachtet. Im Gegensatz dazu können primär adversative Präpositionen wie entgegen oder wider nur gelegentlich einen konzessiven Wert ausdrücken. Mit dieser Arbeit habe ich mir folgende Ziele gesetzt: 1) Der Begriff der Konzessivität soll näher bestimmt und von verwandten semantischen Kategorien wie Adversativität und Kausalität abgegrenzt werden (Kap. 2). Darüber hinaus wird eine Typologie der verschiedenen konzessiven Werte angestrebt (Kap. 3). 2) Es soll ein Überblick über die konzessiven Konstruktionen gegeben werden, die sich in der gegenwärtigen deutschen Schriftsprache finden'(Kap. 4). Dabei wird unterschieden zwischen syntaktisch-semantisch "zentralen" Konstruktionen und "peripheren" Konstruktionen (Kap. 5).

2

3) Es soll die Analyse der subordinierenden Konstruktionen vertieft werden, die als (proto-)typische Kodierungsform der Konzessivität in der Schriftsprache gelten können (Kap. 6). 4) Eine detaillierte Analyse des Italienischen (Kap. 7 und 8) soll dazu dienen, Unterschiede wie Gemeinsamkeiten in den beiden Sprachen herauszustellen (Kap. 9). Durch die kontrastive Perspektive kann ein besseres Verständnis der deutschen Konzessivstrukturen erreicht werden. In den bisherigen Studien zur Konzessivität vermißt man für die Gegenwartssprache eine umfangreiche, differenzierte und ausgewogene Materialgrundlage. Genau hier setzt die vorliegende Untersuchung an. Sie stützt sich auf ein reichhaltiges Korpus von authentischem Sprachmaterial, das insgesamt ca. 10.000 Beispiele konzessiver Strukturen umfaßt: über 5.000 deutsche und annähernd 5.000 italienische. Davon sind jeweils rund 4.000 Belege statistisch ausgewertet worden (es erschien mir sinnvoll, semantisch marginale bzw. nichteindeutige Konstruktionen auszuschließen). Was die Auswahl der Texte betrifft, so ist hervorzuheben, daß einzig und allein Veröffentlichungen der neunziger Jahre berücksichtigt wurden (1990-1995). Das komplette Verzeichnis findet sich im Anhang. Es sei des weiteren präzisiert, daß fast alle angeführten Texte in ihrer Gesamtheit untersucht worden sind. Das deutsche Korpus basiert auf drei Textsorten - Pressetexte, Fachtexte und literarische Prosatexte. Jeder dieser drei Teilbereiche des Korpus weist eine vergleichbare Länge auf (ca. 1.000.000 Wörter): a) Für die Pressesprache sind fünfzehn Ausgaben der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" samt Beilagen miteinbezogen worden (Zeitraum Januar 1994). b) Für die Fachsprache sind Publikationen im Bereich der Rechts- und Wirtschaftswissenschaften berücksichtigt worden (jeweils sieben Bücher). Es handelt sich dabei um Werke, die sich an qualifizierte Leser richten; ausgesprochen populärwissenschaftliche Texte bleiben somit ausgeschlossen. c) Für die Literatursprache sind insgesamt zwanzig Schriftsteller untersucht worden. Es handelt sich um Autoren unterschiedlicher regionaler Provenienz, Altersgruppen und Stilrichtungen. Diese Auswahl erhebt nicht den Anspruch, repräsentativ für die jüngste deutsche Literatur zu sein. Es soll lediglich eine Reihe von Autoren berücksichtigt werden, die in den letzten Jahren das Interesse von Publikum und Kritik geweckt haben. Für das Italienische ist ein Korpus in Betracht gezogen worden, das - Umfang und Ausdifferenzierung betreffend - sich an den für das Deutsche festgesetzten Auswahlkriterien orientiert. Jeder der drei Teilbereiche besteht aus ca. 1.000.000 Wörtern: Für die Pressesprache sind fünfzehn Ausgaben der Tageszeitung "La Stampa" untersucht worden, für die Fachsprache jeweils fünf juristische und wirtschaftswissenschaftliche Bücher, für die Literatursprache zwanzig Prosawerke. Auf diese Weise ist eine Vergleichbarkeit der Daten in den beiden Sprachen gewährleistet.

1. Forschungsstand In der bisherigen Forschung haben die konzessiven Satzstrukturen - sowohl im Deutschen als auch im Italienischen - wenig Beachtung gefunden. Im Zentrum des Interesses standen meist andere Arten von Nebensätzen, im besonderen Kausal- und Konditionalsätze. 1 Zunächst soll ein Überblick über die Untersuchungen zur deutschen Gegenwartssprache gegeben werden (1.1). Anschließend werden die wichtigsten Studien zum Italienischen vorgestellt (1.2). Abgerundet wird das Bild durch Untersuchungen zu anderen Sprachen (Französisch und Englisch) sowie durch Arbeiten, die sich mit der Konzessivität hauptsächlich von einem sprachtypologischen Standpunkt aus beschäftigen (1.3). Aus der Übersicht ausgeschlossen bleiben Werke, die sich mit allgemeinen Problemen der Syntax auseinandersetzen und daher nur vereinzelte Hinweise auf konzessive Satzstrukturen enthalten. Es wird sich zeigen, daß eine breit angelegte und systematische Monographie der deutschen (und italienischen) konzessiven Satzkonstruktionen immer noch aussteht. Man vermißt einen Versuch, relevante semantische, pragmatische und textuelle Aspekte mit syntaktisch-formalen zu verbinden. Dieses Kapitel wird bewußt kurz gehalten. Zum einen kann die kärgliche Forschungslage eine ausfuhrliche Einleitung entbehrlich machen. Zum anderen wird auf eine eingehende Besprechung an dieser Stelle verzichtet, um unnötige Wiederholungen zu vermeiden. Es hier mein Anliegen, die wichtigsten Studien zur Konzessivität, geordnet nach den jeweils behandelten Themenkreisen und den methodischen Ansatzpunkten, sozusagen inventarmäßig vorzustellen. Die ausfuhrliche Diskussion der jeweils relevanten Punkte fmdet nämlich später im Laufe meiner Untersuchung an geeignetem Orte statt (Kap. 2-8).2

Im wesentlichen kann man die von König/Eisenberg (1984:313) geäußerte Beurteilung der Forschungslage auch heute noch bestätigen. Kausal- und Konditionalsätze - so die Vermutung von (König 1988:145) - sind eingehender untersucht worden, da diese Satzstrukturen zentral für die Argumentationsmodelle in wissenschaftlichen Texten sind. Nicht teilen kann ich die Meinung von Pötters (1992:10-12), der einerseits für die letzten dreißig Jahre sprachübergreifend eine "stattliche Anzahl von Untersuchungen" festgestellt haben will, andererseits jedoch für das Deutsche lediglich drei Arbeiten anfuhrt. So erfolgt beispielsweise eine eingehende Auseinandersetzung mit den gängigen Definitionen von "Konzessivität" unter 2.2. Direkt zu Beginn von Kap. 3 werden Studien vorgestellt, die - wenn auch nur ansatzweise - eine Klassifikation der Konzessivwerte enthalten. Eine Erörterung der (allerdings spärlichen) Literatur über parataktische und präpositionale Konzessivstrukturen im Deutschen findet sich zu Beginn von 4.3 bzw. 4.4. In Kap. 6 werden insgesamt neun Aspekte der subordinierenden Konzessivkonstruktionen des Deutschen vertieft; jeder Abschnitt (6.1-6.9) wird eingeleitet durch eine Diskussion des Forschungsstandes auf dem betreffenden Teilgebiet. Für das Italienische vgl. 7.2, 7.3 sowie 8.1-8.9.

4

1.1. Untersuchungen zum Deutschen 1.1.1. Gesamtdarstellungen der konzessiven Konstruktionen im Deutschen Betrachten wir zunächst die Arbeiten, die einen Überblick über die konzessiven Konstruktionen der deutschen Gegenwartssprache bieten. Eine erste Untersuchung ist durch Kaufmann (1974) gegeben. Umfassendere Analysen werden von Schramm (1977), Hermodsson (1978) und Metrich (1978) geliefert. Die diachronischen Untersuchungen von Baschewa (1980) - zusammengefaßt bei Baschewa (1983) - schließen auch eine detaillierte Abhandlung der Gegenwartssprache ein.3 Schließlich seien noch zwei kürzere Beiträge erwähnt: Starke (1982) und Metrich (1983). Von diesen Autoren arbeiten Hermodsson fast ausschließlich und Metrich vorwiegend mit selbstgewählten Beispielsätzen. Kaufmann (1974) gibt zwar ein Verzeichnis seiner Belegquellen an (4 Tageszeitungen und 27 Bücher, vorwiegend aus dem Zeitraum 1950-1970), aus dem allerdings nicht ersichtlich ist, ob diese Werke in ihrer Gesamtheit oder nur auszugsweise erfaßt wurden. Eine systematische Korpusanalyse bieten lediglich drei Studien: Schramm (1977), Baschewa (1980) und Starke (1982). Das Augenmerk ist dabei hauptsächlich auf subordinierende Satzstrukturen gerichtet.4 Als Materialgrundlage für die Untersuchung von Schramm (1977) dienen zwei Bereiche der Schriftsprache: künstlerisch gestaltete Prosa und Sachprosa (Politik, Wissenschaft in verschiedensten Fachgebieten, Presse). Es sind je 30 Werke auszugsweise miteinbezogen worden (pro Werk 500 Sätze bzw. Satzabschnitte). Insgesamt besteht das Korpus aus 30.000 Sätzen. Es ist breit gefächert und zeitlich homogen (19581975), berücksichtigt jedoch ausschließlich den Sprachgebrauch der damaligen DDR. Negativ zu vermerken ist die Tatsache, daß das Ausgangskorpus quantitativ unzureichend ist und lediglich 421 konzessive Belege enthält. Die zahlreich gebotenen Statistiken können also bestenfalls grobe Tendenzen aufzeigen. Die Studie von Baschewa (1980) basiert dagegen auf insgesamt 1500 Belegsätzen: 600 aus dem Bereich der Belletristik, 600 der Wissenschaft (gesellschafts- und sprachwissenschaftliche Texte), 300 aus dem Bereich der Presse. Der methodische Unterschied zu Schramm (1977) liegt darin, daß die zahlenmäßige Vergleichbarkeit nicht auf der Ebene der Ausgangskorpora, sondern auf der der gefundenen Belegstellen liegt. Zur zeitlichen Einordnung des Korpus ist zu sagen, daß unter die Bezeichnung "Gegenwartssprache" Werke ab dem Jahre 1900 fallen. Der Beitrag von Starke (1982) nimmt als Materialgrundlage 580 Konzessivsätze, die aus verschiedenen Bereichen der DDR-Schriftsprache der siebziger Jahre stammen Ausschließlich älteren Sprachstufen gewidmete Studien - wie z.B. Kuhlmann (1891) und Mensing (1891) - sollen hier außer acht bleiben. Kurze Hinweise auf koordinierende Konstruktionen finden sich bei Schramm (1977:45-56) und Starke (1982:132-3).

5

(Journalismus, Wissenschaft und Bildung, künstlerische Literatur). Insgesamt sind 14 Bücher sowie 4 Zeitungen/Zeitschriften erfaßt worden. In dieser Studie finden sich nur sehr selten Angaben zur relativen oder absoluten Frequenz einzelner Konstruktionen. Eine Untersuchung steht also noch aus, die sich auf ein Korpus stützt, das zugleich breit gefächelt ist, zeitlich homogen strukturiert erscheint sowie einen repräsentativen Größenumfang besitzt. Was die Methodik betrifft, so gehen die soeben erwähnten Studien von Schramm (1977), Baschewa (1980) und Starke (1982) - aber auch Kaufmann (1974), Hermodsson (1978) und Metrich (1978, 1983) - in ihren Analysen in ähnlicher Weise vor. Es werden die wichtigsten konzessiven Konstruktionen aufgelistet; für die einzelnen Konnektive werden dann relevante syntaktische und semantische Eigenschaften erwähnt (beispielsweise ob der Nebensatz häufiger voran- bzw. nachgestellt ist oder ob hypothetische Konzessivwerte möglich erscheinen). Drei Problemkreise sind in diesen inventarartigen Darstellungen jedoch nicht vertieft worden: a) Die Frage bleibt offen, welche Konnektive als konzessiv gelten können und welche nicht; die Grenzziehimg der Kategorie "konzessive Konnektive" ist nämlich alles andere als scharf umrissen. b) Der Versuch steht noch aus, eine Hierarchie der einzelnen grammatischen Mittel zu postulieren, die zum Ausdruck der Konzessivität dienen. Man kann davon ausgehen, daß es (proto-)typische und periphere Konstruktionen gibt. c) Über die Einzelbeschreibungen der jeweiligen Konstruktionen hinaus muß die Frage gestellt werden, ob es übergreifende semantische und syntaktische Strukturierungsprinzipien gibt. So kann man z.B. der Frage nachgehen, welche Arten von konzessiven Nebensätzen bevorzugt voran- bzw. nachgestellt werden oder welche Arten von Konnektiven einen hypothetischen Wert annehmen können.

1.1.2. Studien zu spezifischen Aspekten der konzessiven Konstruktionen Die Untersuchungen, die spezifische Aspekte der konzessiven Konstruktionen herausgreifen, lassen sich vier Gruppen zuordnen: a) b) c) d)

allgemeine theoretische Überlegungen zur Konzessivität; Untersuchungen einzelner Konstruktionen; Studien zur Konzessivität im Rahmen adversativer Konstruktionen; kontrastive Untersuchungen.

Allgemeine theoretische Überlegungen zur Konzessivität bieten Studien, die die Konzessivrelation mit anderen semantischen Relationen in Verbindung setzen: in erster Linie mit Konditionalsätzen (Hermodsson 1973, König 1991a) und Kausalsätzen (König 1991a, 1991b; Pasch 1992a). Andere Untersuchungen beschäftigen sich mit der pragmatischen Funktion konzessiver Satzstrukturen (Vogel 1979, Klein 1980) oder

6

bemühen sich um eine genauere terminologische Bestimmung des Begriffs der Konzessivität (Hermodsson 1994, Freund/Sundqvist 1995). Einzelne Konjunktionen oder Gruppen von Konjunktionen werden in einer Reihe von Arbeiten untersucht: obwohl (Metrich 1980a, 1980b), we/wi-Konstruktionen (Wesemann 1979; Metrich 1980b, 1981; Pasch 1994), zwar...aber (Primatarova-Miltscheva 1986), ob...ob (Mackeldey 1988). Die Satzstellung in konzessiven Nebensätzen wird von König/van der Auwera (1988) analysiert. Einige Studien beschäftigen sich mit der Konzessivität in dem allgemeineren Rahmen adversativer Satzkonstruktionen. Dabei wird die Aufmerksamkeit meist (aber nicht ausschließlich) auf koordinierte Satzstrukturen gerichtet. Beispiele für diesen Ansatz liefern die Untersuchungen von Brauße (1982) und Fritsche (1986). Pragmatische Überlegungen stehen im Mittelpunkt der Beiträge von Brauße (1983) und Pasch (1992b). Textgrammatische Aspekte werden im einzelnen von Lötscher (1988, 1989) behandelt. Abschließend seien kontrastiv ausgerichtete Untersuchungen erwähnt. Li&n (1981) und 2uljevic (1986) vergleichen Aspekte der deutschen Konzessivsätze mit analogen Strukturen im Serbokroatischen. Eine Gegenüberstellung mit bulgarischen Entsprechungen wird von Baschewa-Monowa (1991) in Angriff genommen. Das Bulgarische und Rumänische werden von Bronsert (1987) miteinbezogen. Fang (1984) gibt schließlich eine Gegenüberstellung mit dem Chinesischen.

1.1.3. Weitere Werke, die Hinweise auf konzessive Konstruktionen enthalten Vereinzelte Bemerkungen zur Konzessivität und zu konzessiven Satzstrukturen finden sich des weiteren in: a) b) c) d) e)

allgemeinen Darstellungen der deutschen Grammatik und Syntax; Studien zur Satzkonnexion (Subordination bzw. Koordination); statistischen Untersuchungen zur Frequenz bestimmter grammatischer Konstruktionen; Untersuchungen zu einzelnen Partikeln bzw. Adverbien; Analysen zum sprachlichen Ausdruck verwandter semantischer Relationen (in erster Linie Konditional-, Kausal- und Konsekutivsätze); f) sprachwissenschaftlichen Wörterbüchern.

Es würde zu weit führen, auch nur die wichtigsten Werke für jeden dieser Themenkreise hier anzuführen. Die Studien, die relevante Hinweise für den Untersuchungsbereich der vorliegenden Arbeit enthalten, werden an gegebener Stelle in den nächsten Kapiteln diskutiert.

7

1.2. Untersuchungen zum Italienischen 1.2.1. Gesamtdarstellungen der konzessiven Konstruktionen im Italienischen Für das Italienische lassen sich vier Studien anfuhren, die einen Gesamtüberblick über die (in erster Linie subordinierenden) konzessiven Konstruktionen zu bieten versuchen: Herczeg (1976a, 1976b), Moretti (1983), Mazzoleni (1991)5 und Elgenius (1991). Der Beitrag von Herczeg (1976a), leicht überarbeitet auch als (1976b) erschienen, liefert eine kurze Übersicht über die wichtigsten subordinierenden Konjunktionen. Für die einzelnen Konjunktionen finden sich mitunter Angaben zur Frequenz und zu syntaktischen Eigenschaften wie Modus, Tempus oder Stellung des Nebensatzes. Herczeg fuhrt als Belegquellen 51 Werke (literarische Prosatexte und wissenschaftliche Werke aus humanistischen Disziplinen) sowie einige Zeitschriften an. Eine systematische Korpusarbeit ist - soweit man aus Herczegs Ausfuhrungen schließen kann - jedoch nicht geleistet worden. Der Artikel von Mazzoleni (1991), der in der von Renzi u.a. (1988-1995) herausgegebenen "Grande grammatica italiana di consultazione" enthalten ist, betrachtet hingegen ausschließlich vom Linguisten selbst konstruierte Beispielsätze. Die Darstellung schließt eine - wenn auch kurze - Beschreibung der parataktischen Strukturen ein. Die einzigen Untersuchungen, die eine systematische Auswertung einer mehr oder weniger breiten Materialgrundlage enthalten, sind Moretti (1983) und Elgenius (1991). Moretti (1983), wie schon Herczeg, beschränkt sich auf die Bereitstellung eines Inventars von Konnektiven, wobei auch auf parataktische Verknüpfungen hingewiesen wird. Allerdings werden ohne nähere Erklärung gleichfalls konditionale, temporale und kausale Konnektive miteinbezogen. Der einzig interessante Ansatzpunkt einer ansonsten oberflächlichen Auflistung ist m.E. darin zu erkennen, daß die Konnektive nach den in ihnen enthaltenen Elementen geordnet sind (z.B. che, se, per). Das Korpus besteht aus zehn im Laufe dieses Jahrhunderts erschienenen Büchern (Literatur- und Sachprosa) sowie aus neun Exemplaren von Zeitungen/Zeitschriften des Jahres 1982. Einige statistische Hinweise finden sich in Tabellenform im Anhang. Auch Elgenius (1991) geht in seiner Untersuchung von den einzelnen Konjunktionen aus. Es handelt sich dabei ausschließlich um subordinierende Konnektive. Die umfangreiche Materialgrundlage (36 literarische Werke des 20. Jahrhunderts sowie 20 Zeitungen/Zeitschriften aus den achtziger Jahren) findet ihre Auswertung in zahlreichen statistischen Angaben und Tabellen. Die zahlenmäßigen Ergebnisse werden allerdings kaum kommentiert: Übergreifende Aussagen, die die einzelnen Untersuchungspunkte zueinander in Bezug setzen, sucht man vergeblich.6 ^

Eine kürzere Fassung dieses Artikels (Mazzoleni 1996) erscheint zwar klarer strukturiert, bietet inhaltlich jedoch kaum Neues.

6

S. auch die Kritikpunkte in der detaillierten Rezension von Nicklaus (1994:315-6).

8

Es kann zusammenfassend festgestellt werden, daß das Korpus von Moretti sich als zu begrenzt erweist, das von Elgenius zeitlich nicht homogen erscheint (außerdem fehlen bei ihm fachsprachliche Texte). Wie schon für das Deutsche steht demnach ebenfalls im italienischen Bereich eine Untersuchung aus, deren Materialgrundlage chronologisch einheitlich aus Werken der letzten Jahre besteht und zugleich texttypologisch breit gefächert ist. Vom methodischen Ansatz her vermißt man auch bei den italienischen Studien den Versuch, sich von der inventarmäßigen Beschreibung der einzelnen Konstruktionen zu lösen. Die Frage bleibt also noch offen, wie die verschiedenen Konnektive und Konstruktionen im konzessiven Bereich systematisch in Beziehung zu setzen sind.

1.2.2. Studien zu spezifischen Aspekten der konzessiven Konstruktionen Eine Reihe von Studien behandelt spezifische Aspekte der konzessiven Konstruktionen im Italienischen. So untersucht Mazzoleni (1988) das Verhältnis zu adversativen Strukturen, Borghini (1984) die Bezüge zur Kausalität. Die Konstruktion «.per + Adjektiv + che sia» wird von Skerlj (1958, 1959) analysiert. Wertvolle Hinweise zur Etymologie der Konnektive und zur Definition der Konzessivität sind z.T. in Arbeiten enthalten, die älteren Sprachstufen des Italienischen gewidmet sind: Miltschinsky (1917), Ulleland (1967), Agostini (1978), Elgenius (1993) und hauptsächlich Pötters (1992). Zu erwähnen wäre weiterhin die diachronische Untersuchung von Harris (1988) zum Ursprung der Konnektive in den romanischen Sprachen.

1.3. Untersuchungen zu anderen Sprachen oder zur Konzessivität allgemein Untersuchungen, die weitere Sprachen wie z.B. das Französische oder das Englische behandeln, können einen wichtigen theoretischen Beitrag leisten hinsichtlich der Definition der Konzessivität sowie indirekt methodische Anregungen zur Untersuchung des Deutschen und Italienischen liefern. Sprachtypologisch angelegte Studien enthalten des öfteren interessante Beobachtungen zur deutschen oder italienischen Sprache. Das Französische weist eine ansehnliche Bibliographie auf. Zahlreiche Untersuchungen beschäftigen sich mit theoretischen Aspekten der Konzessivität oder bieten einen Überblick über die verschiedenen konzessiven Konstruktionen im Französischen. Die Werke, die für meine Überlegungen die interessantesten Denkanstöße bieten, werden noch im einzelnen behandelt. Hier seien lediglich - in chronologischer Reihenfolge - die Arbeiten erwähnt von Blumenthal (1973), Bonnard (1976), Pott (1976), Eggs (1977), Fradin (1977), Ledere (1979, 1983), Darcueil (1980), Morel (1980, 1983), Nguyen (1981, 1983), Martin (1982, 1983, 1987), Moeschler/de Spengler

9

(1982), Moeschier (1983), Zemb (1983), Bourquin (1984), Anscombre (1985) und Leard (1987). Kürzlich erschienen ist die Studie von Morel (1996). Diachronische Aspekte werden von Klare (1958) und hauptsächlich von Soutet (1983, 1990, 1992) behandelt. Einzelne Konstruktionen oder Konnektive finden Beachtung in den Studien von Moeschler/de Spengler (1981), Jayez (1982), Letoublon (1983), Gettrup/Nolke (1984), Eriksson (1985), Lesage (1985), Bogacki (1986) und Fuchs (1992). Für die englische Sprache ist der Ausdruck der Konzessivität in einer - meines Wissens nach - geringeren Anzahl von Studien untersucht worden. Spezifische Aspekte und Konstruktionen sind z.B. von Fräser (1969), Haiman (1974), Bennett (1982), Delechelle (1983), Rott (1986) und Sidiropoulou (1992) behandelt worden. Analysen des Altenglischen bieten Burnham (1911) und Quirk (1954), diachronische Aspekte werden von König (1985a) untersucht. In einer sprachvergleichenden oder sprachtypologischen Perspektive ist vor allem die Genese von konzessiven Konnektiven untersucht worden (König 1985b, 1988; König/Eisenberg 1984, König/Traugott 1988). Das Verhältnis von Konditional- und Konzessivsätzen wird von König (1986, 1992, 1994) und Zaefferer (1990, 1991) behandelt. Einen Überblick über die wichtigsten konzessiven und adversativen Konnektive in neun europäischen Sprachen - darunter auch Deutsch und Italienisch - bietet Mazzoleni (1990). Die Zusammenfassung der Ergebnisse bei Mazzoleni (1992) enthält allerdings keine deutschen Beispielsätze.

2. Definition der Konzessivität 2.1. Die Sonderstellung der Konzessivsätze im Vergleich zu den anderen Adverbialsätzen Konzessivsätze unterscheiden sich in vielerlei Hinsicht von anderen adverbialen Nebensätzen. Diese Sonderstellung im Bereich der Adverbialsätze hängt mit der besonders komplexen Semantik der Konzessivrelation zusammen, auf die ich im Anschluß eingehen werde (2.2-2.4). Konzessive Konstruktionen erscheinen relativ spät im Laufe des kindlichen Spracherwerbs.1 Sie fehlen meist auch in den frühen Entwicklungsstadien einer bestimmten Sprache.2 Damit hängt wahrscheinlich zusammen, daß die in späteren Phasen belegten konzessiven Konnektive oft eine komplexe, etymologisch transparente Wortstruktur aufweisen3 und/oder sich auf eine semantisch grundlegendere Funktion wie z.B. die temporale oder konditionale - zurückfuhren lassen (König 1985b:263; 1988: 156-7; 1991b: 192). Nach Kaufmann (1974:2) und Hermodsson (1978:65) kommen Konzessivsätze in weiten Bereichen der gesprochenen Sprache kaum vor, und auch in gehobener Schriftsprache handelt es sich um relativ seltene Konstruktionen.4 Ich möchte auch vermuten, daß in Pidginvarietäten spezifisch konzessive Konnektive höchstens sporadisch auftreten und statt dessen allgemein-adversative Konstruktionen verwendet werden. 1

Vgl. die kurzen Hinweise von Handke (1985:23), König (1988:152; 1991b:191) und Morel (1996:133-5). Die einschlägigen Untersuchungen zum Spracherwerb der Konnektive - so z.B. Braunwald (1985) für das Englische und Rothweiler (1993) für das Deutsche - scheinen diese Annahme zu bestätigen. Die breit angelegte Studie von Rothweiler (1993) untersucht den Erwerb von Nebensätzen bei 3.06 bis 5.6 Jahre alten Kindern und kommt zu dem Ergebnis, daß die fünf frühesten Subjunktionen (wenn, weil, bis, damit und als) temporale, konditionale, kausale und finale Relationen ausdrücken (1993:144).

2

So z.B. König (1988:151-2) auf sprachtypologischer Basis und Agostini (1978:386) für die Geschichte der romanischen Sprachen. Vgl. auch Hopper/Traugott (1993:180). Spezifisch konzessive Konnektive finden sich weder im Althochdeutschen (Mensing 1891) noch im Altenglischen (Bumham 1911, Quirk 1954) oder Altfranzösischen (Soutet 1990,1992). Siehe auch den kurzen Hinweis bei Hermodsson (1978:65).

3

Die Etymologie von konzessiven Konnektiven wird eingehend von König (1985a, 1985b, 1988, 1991a), König/Eisenberg (1984) und Harris (1988) untersucht.

4

Vgl. Blumenthal (1973:280). Die statistische Untersuchung von Stojanova-Jovieva (1979:171) scheint diese Vermutung zu bestätigen: Bei den konjunktional eingeleiteten Nebensätzen treten konzessive Konjunktionen quantitativ hinter temporal-konditionalen und kausalen zurück. Für das Französische kommt Bninet (1995:58) sogar zu dem Ergebnis, daß bei einem aus studentischen Aufsätzen bestehenden Korpus konzessive Sätze lediglich 1,5% der Gesamtzahl der Nebensätze ausmachen (Kausalsätze hingegen erreichen eine Frequenz von 10%).

11

Im einzelnen läßt sich eine Reihe von syntaktischen und semantisch-pragmatischen Eigenschaften auffuhren, die die Konzessivsätze von den anderen Adverbialsätzen abheben. So ist mehrfach darauf hingewiesen worden (Andersson 1972:23-4; Fradin 1977:28ff.; Metrich 1983:97; Soutet 1990:13; König 1991a:632), daß konzessive Nebensätze nicht im Skopus einer Negation sein können: 5 (1) a Karin geht nach Hause, obwohl sie krank ist. b Karin geht nicht nach Hause, obwohl sie krank ist.

Die Negation bleibt auf den Inhalt des übergeordneten Satzes beschränkt. Es wird somit nicht die logische Verbindung zwischen den beiden Satzinhalten negiert, 6 wie dies hingegen bei den Kausalsätzen der Fall sein kann: (2)a Karin geht nach Hause, weil sie krank ist. b Karin geht nicht nach Hause, weil sie krank ist - sondern weil sie müde ist.

Wir haben also zwei unterschiedliche Negationsschemata (die beiden Propositionen werden durch p und q angegeben): (i)

Kausalsatz: not (q because p)

(ii)

Konzessivsatz (not q) although p

Des weiteren ist es Konzessivsätzen nicht möglich, sich im Skopus einer Frage zu befinden (Leard 1987:166; König 1991a:632). Vergleicht man wiederum Kausal- und Konzessivsätze, so stellt man fest, daß bei letzteren ausschließlich der Inhalt des übergeordneten Satzes erfragt wird: (3) a Karin geht nach Hause, weil sie krank ist? b Karin geht nach Hause, obwohl sie krank ist?

Im Gegensatz zu anderen Adverbialsätzen sind Konzessivsätze aus dem Skopus von Gradpartikeln oder anderen, meist fokussierenden Operatoren ausgeschlossen (vor allem, nur, einzig, gerade, sogar usw.): 7 (4)a Hans tut das nur / gerade !... weil sie ihm viel Geld dafür geben. b *Hans tut das nur / gerade I... obwohl sie ihm wenig Geld dafür geben.

Werden im folgenden Beispiele aus dem Korpus der vorliegenden Arbeit zitiert, erfolgt stets eine genaue Angabe der Quelle. Die Sätze ohne Angabe sind von mir selbst gebildet worden. Möglich ist lediglich eine metalinguistische Verwendung der Negation (vgl. Horn 1985): Sie geht zur Arbeit nicht obwohl sie krank ist, sondern gerade weil sie krank ist. Auf diesen Aspekt weisen u.a. Metrich (1983:97), König/Eisenberg (1984:328), König (1985a:2; 1988:149; 1991a:632; 1991b: 192) und Soutet (1990:13) hin.

12 (5)a Hans tut das vielleicht / sicherlich I... weil sie ihm viel Geld dafür geben. b *Hans tut das vielleicht / sicherlich I... obwohl sie ihm wenig Geld dafür geben."

Wie diese ersten drei syntaktischen Charakteristiken zeigen, können Konzessivsätze nicht im Skopus von anderen Operatoren sein. 9 Damit hängt auch die Tatsache zusammen, daß konzessive Konstruktionen nicht als Spaltsätze auftreten können (Soutet 1990:12; König 1991b: 192; Mazzoleni 1991:813): (6)a Weil sie ihm viel Geld dafür geben, ist es, daß Hans es tut. b *Obwohl sie ihm wenig Geld dafür geben, ist es, daß Hans es tut.

Nach König (1991b: 192) gibt es außerdem kein Interrogativpronomen für konzessive Relationen: (7)a Warum hat Hans das getan? b * Obwohl / wenngleich / wiewohl /... hat Hans das getan?

Was ihre semantisch-pragmatischen Eigenschaften betrifft, können Adverbialsätze in der Regel eine Erweiterung oder Präzisierung ihrer Interpretation erfahren. So besteht z.B. die Möglichkeit, daß temporale, kausale oder konditionale Sätze in bestimmten Kontexten eine konzessive Bedeutung ausdrücken. Wie König (1985a:2; 1988:150; 1991a:632; 1991b: 192) mehrfach hervorhebt, sind hingegen explizit konzessiv markierte Nebensätze in ihrer Interpretation eindeutig festgelegt und können somit nicht reinterpretiert werden. In folgendem Beispielpaar kann Satz (a) im Sinne von (b) verstanden werden, nicht jedoch umgekehrt: (8)a Während ich arbeite, ruhst du dich aus. b Obwohl ich arbeite, ruhst du dich aus.

Die traditionelle grammatische Terminologie scheint dieser Sonderstellung der Konzessivsätze in gewisser Weise Rechnung zu tragen. Wie Baschewa (1980:18), König/Eisenberg (1984:313) und König (1991a:632) zu bedenken geben, weisen die Bezeichnungen der anderen Adverbialsätze (kausal, final, konditional usw.) auf Relationen zwischen Sachverhalten hin, während sich der Terminus konzessiv auf eine mögliche Verwendung der betreffenden Sätze bezieht. 10 Eine Erklärung für die Sonderstellung der Konzessivsätze ist, wie schon angedeutet, in der Semantik der konzessiven Relation zu suchen. Während die anderen Adver8

Diese Konstruktion ist natürlich akzeptabel, wenn das Adverb sich auf den Inhalt des Hauptsatzes bezieht.

9

Als mögliche Gründe werden u.a. genannt: ein in bezug auf den übergeordneten Satz eigenständiges Sprechaktpotential (König 1991a:632) und eine interne semantische Komplexität (König 1991b:201-2). Zur Geschichte des Terminus konzessiv siehe auch Hermodsson (1994:65-9).

13

bialsätze fundamentale Koordinaten des Hauptsatzes angeben (Zeit, Ort, Bedingung, Grund), sind die Konzessivsätze - logisch gesehen - nur indirekt auf grundlegende Kategorien zurückzufuhren. So setzt die Konzessivität zumindest einen zuvor festgestellten kausal-konditionalen Zusammenhang zwischen zwei Sachverhalten voraus (s. 2.2.6). Nachdem wir einige syntaktische Eigenschaften der Konzessivsätze betrachtet haben, wollen wir jetzt versuchen, zu einer genaueren Definition des Begriffs der Konzessivität zu gelangen.

2.2. Potentielle Faktoren für eine Definition der Konzessivität Die gängigen Definitionen der Konzessivität enthalten meist einen oder mehrere der folgenden definitorischen Faktoren: Einräumung, Gegensatz, Hindernis, Enttäuschimg einer Erwartung, Abweichung von einer Norm, Negierung eines Kausalverhältnisses. Betrachten wir als Beispiele die folgenden Definitionen (die ersten zwei stammen aus Studien zur Konzessivität, die anderen drei aus allgemeinen grammatischen Darstellungen der deutschen Sprache): «Ein gegebener Sachverhalt x [...] läßt eine Erwartung y' [...] berechtigt erscheinen; so begründet diese Erwartung auch sein mag, sie wird enttäuscht durch das tatsächlich eintretende (eingetretene) gegenteilige oder zumindest abweichende y. y steht damit - gemessen an der Erwartung y' - in Widerspruch zu den Voraussetzungen x.» (Kaufmann 1974:3) «Zusammenfassend stellen wir fest, daß die konzessive Beziehung ein Widerspruchsverhältnis und eine Grund-Folge-Relation einschließt, und entscheiden uns für die Dominanz der Widerspruchsrelation. Hypothetisch umschreiben wir die Semantik konzessiver Fügungen als 'Widerspruch zwischen erwarteter Einflußnahme eines (tatsächlichen oder angenommenen) Sachverhalts auf einen anderen und dem Nichtwirksamwerden des ersten Sachverhalts'.» (Starke 1982:132) «Die sog. Konzessivsätze geben ebenso wie die Kausalsätze eine Ursache oder einen Grund an. Allerdings zeigt das Konnektiv des Konnektivsatzes an, daß die 'normalerweise' zu erwartende Folge bzw. Wirkung nicht vorliegt, daß also der im Hauptsatz genannte Sachverhalt in Opposition zu dem zu erwartenden Sachverhalt steht.» (Ohno 1993:143) «Konzessivsätze [...] nennen einen Gegengrund zur Aussage des übergeordneten Satzes, der zwar eingeräumt wird, aber das Hauptsatzgeschehen weder beeinträchtigt noch verhindert.» (Jude/Schönhaar 1977:273). «Zwischen den beiden Teilsätzen besteht ein Verhältnis des unzureichenden Gegengrundes: In einem der beiden Teilsätze wird ein Sachverhalt formuliert, der zwar im Gegensatz zu dem im anderen Teilsatz formulierten Sachverhalt steht, aber nicht ausreicht, um dessen Geltung außer Kraft zu setzen.» (Drosdowski u.a. 1995:764)

Die Definition von Kaufmann (1974) erwähnt als entscheidende Faktoren eine "Erwartung" und einen "Widerspruch". Starke (1982) weist darüber hinaus auf eine "GrundFolge-Relation" hin. Auch Ohno (1993) spricht von einem "zu erwartenden Sachverhalt", von einer "Opposition" und von einer Kausalrelation; außerdem wird die Verletzung einer Norm angeführt. In der Definition von Jude/Schönhaar (1977) werden Ein-

14

räumung und potentielles Hindernis erwähnt; zugleich wird die Relevanz eines "Gegengrundes" hervorgehoben (dieser Ausdruck vereint in sich die Faktoren Kausalrelation und Gegensatz). Die Rolle des "Gegengrundes" findet schließlich auch in der Definition von Drosdowski u.a. (1995) Beachtung; zur näheren Erklärung wird darüber hinaus explizit auf einen "Gegensatz" verwiesen.11 Im folgenden möchte ich die Relevanz der verschiedenen (potentiell) definitorischen Faktoren näher untersuchen. Dabei soll besonders auf die Zusammenhänge zwischen den einzelnen Faktoren eingegangen werden.

2.2.1. Einräumung Einige Autoren - wie z.B. Hermodsson (1973:298-9; 1978:67; 1994:61-2), Starke (1982:131) und Freund/Sundqvist (1995:147-8) - sehen keinerlei Zusammenhang zwischen der Konzessivität als grammatischer Kategorie und der concessio als rhetorischem Terminus. Damit wenden sie sich nicht nur gegen die traditionelle grammatische Terminologie, die die Ausdrücke "Konzessivsätze" und "Einräumungssätze" weitgehend synonym verwendet,12 sondern auch gegen diejenigen Definitionen von "Konzessivität", die - ausgehend von der Etymologie des Wortes - einen Hinweis auf den "einräumenden" Charakter der konzessiven Relation enthalten.13 Auf einen möglichen argumentationstechnischen Gebrauch der Konzessivsätze weisen kurz Métrich (1983:114), Primatarova-Miltscheva (1986:131), Eisenberg (1994:358) und Morel (1996:15ff.) hin. Die pragmatisch-dialogische Funktion konzessiver Satzstrukturen ist in den Studien von Vogel (1979) und Klein (1980) vertieft worden.14 Die Konzessivität als Diskursstrategie besteht darin, die vorausgesetzte Prämisse des Opponenten zu akzeptieren, ohne jedoch die naheliegende Schlußfolgerung daraus 11

Es sei am Rande darauf hingewiesen, daß zahlreiche Definitionen der Konzessivität auf metasprachlicher Ebene nicht ohne konzessive Satzstrukturen auskommen. Wie wir sehen, verwendet Kaufmann (1974) eine «so + Adj. + ««^»-Konstruktion, Jude/Schönhaar (1977) und Drosdowski u.a. (1995) das zweiteilige Konnektiv zwar...aber. Die beiden Termini werden in zahlreichen Darstellungen der deutschen Grammatik und Syntax gleichgesetzt, meist ohne jegliche weiterführende Erklärung. Vgl. z.B. Erben (1968:145), van Dam (1972:180), Eichler/Bünting (1989:198) und Hentschel/Weydt (1990:272). Das Moment der "Einräumung" kommt z.B. vor in den Formulierungen von Jude/Schönhaar (1977:273), Wesemann (1979:151), Lifen (1981:134) und Drosdowski u.a. (1995: 765) Bronsert (1987:523) zieht es vor, von Admissivität zu sprechen. Im Bereich der italienischen Sprachwissenschaft sind u.a. die Definitionen von Battaglia/Pernicone (1968:558) und Moretti (1983:3,6) zu nennen. Für das Französische liegen zahlreiche einschlägige Untersuchungen vor, von denen zumindest Anscombre/Ducrot (1976, 1978-9), Ledere (1979, 1983), Nguyen (1983), Leard (1987) und Soutet (1990) erwähnt seien.

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zu ziehen. Nach Ledere (1979:67; 1983:108) übernimmt der Sprecher provisorisch die vom Gesprächspartner bezogene Position, bevor er den eigenen Standpunkt äußert. Greifen wir auf das bekannte Beispiel von Toulmin (1974) zurück:15 (9)

Obwohl Harry auf den Bermudas geboren ist, ist er kein britischer Staatsbürger.

Mit diesem Satz "räumt" der Sprecher nicht nur die Wahrheit der Proposition p ein (Harrys Geburt auf den Bermudas), sondern auch einen möglichen Zusammenhang zwischen p und q (der Geburt an einem bestimmten Ort und der britischen Staatsbürgerschaft).16 Die Konzession impliziert demnach eine Art virtueller Argumentation: Der Sprecher weist auf ein mögliches, in diesem Fall jedoch nicht entscheidendes Argument hin. 17 Das Argument wird als potentiell relevant anerkannt; es wird "konzediert", daß jemand aufgrund von p zu dem Schluß q kommen könnte. Was "eingeräumt" wird, ist also die Legitimität einer bestimmten Folgerung.18 Mit dem Rückgriff auf eine mögliche Gegenargumentation werden im wesentlichen drei Ziele verfolgt: a) Differenzen werden heruntergespielt. Der Sprecher hebt zunächst das Moment der Übereinstimmung mit dem Gesprächspartner hervor, ehe er dann seine eigene, abweichende Argumentation vorträgt. Auf diese Weise wird das Konfliktpotential mit dem Opponenten reduziert: Die vom Sprecher signalisierte Kooperationsbereitschaft erlaubt dem anderen, sein Gesicht zu wahren.19 b) Objektivität wird vorgespiegelt. Indem der Sprecher einen konträren Standpunkt in die eigene Argumentation einbezieht und so dem Opponenten einen scheinbaren Vorteil "einräumt", will er eine ausgewogene und differenzierte Betrachtungsweise signalisieren. Dies soll als Zeichen von fair play gewertet werden (Klein 1980:167; Ledere 1983:108; Soutet 1990:4). c) Die eigene These wird verstärkt. Ledere (1983:108) weist daraufhin, daß durch die Vorwegnahme eines möglichen Einwandes die Argumentation des Sprechers leichter zu verteidigen ist. Dem Opponenten bleiben keine (oder wenige) Gegenargu-

15

Im folgenden werden fremdsprachliche Beispielsätze stets durch vergleichbare deutsche Strukturen wiedergegeben.

16

Toulmin (1974) bezeichnet diese Relation zwischen zwei Sachverhalten - die als Rechtfertigungsbasis für eine bestimmte Argumentation dienen kann - als Warrant. Vgl. die Ausführungen bei Klein (1980:154-63) und Leard (1987:160).

17

Der Sprecher vollzieht damit - wie Vogel (1979:102) es ausdrückt - "die Handlung des Einwandes".

18

Vgl. Klein (1980:161); s. auch Anscombre/Ducrot (1976:15; 1978-9:354) und Nguyen (1983:90!)

19

Vgl. Klein (1980:160-1), König/Eisenberg (1984:321-2) und König (1988:150-1). Identifikationsprozesse mit dem Hörer entsprechen allgemeinen Höflichkeitsstrategien, wie z.B. Brown/Levinson (1987) ausführen.

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mente; so ist er de facto gezwungen, die Schlußfolgerung des Sprechers zu akzeptieren (Soutet 1990:4). Die Konzession geschieht stets in Hinblick auf einen darauffolgenden, wichtigeren Sprechakt: Es ist nämlich die Behauptung der eigenen These, die die globale, "strategische" Diskursintention darstellt.20 Nach Nguyen (1983:98-9) besteht die Hauptaufgabe der Konzession folglich darin, die Aufmerksamkeit auf den eigenen Argumentationsstandpunkt zu lenken. Wie ersichtlich ist, können grammatische Konzessivkonstruktionen durchaus verwendet werden, um etwas zu konzedieren (die Prämisse einer Argumentation akzeptieren, die Schlußfolgerung hingegen zurückweisen). Es handelt sich jedoch nicht um die einzig möglich Verwendung: Konzessive Satzkonstruktionen können auch dazu dienen, die Gültigkeit einer vorangegangenen Behauptung einzuschränken oder den Gesprächspartner davor zu warnen, falsche Schlußfolgerungen zu ziehen.21 Nach Soutet (1990:19) gibt es einen weiteren Unterschied zwischen rhetorisch-pragmatischer Konzessivität und grammatischer Konzessivität: Im ersten Fall ist die argumentative Abwertung der Prämisse p (relativ) schwach und provisorisch, im zweiten Fall ist sie absolut und unwiderruflich. Zusammenfassend kann festgehalten werden, daß der Faktor "Einräumung" sicherlich relevant erscheint für den Begriff der Konzessivität. Die Definition eines Phänomens kann jedoch nicht primär auf der Erwähnung einer möglichen Verwendung basieren.22

2.2.2. Gegensatz Der Faktor "Gegensatz" ist implizit schon in denjenigen Definitionen der Konzessivität enthalten, die von einer "Einräumung" ausgehen. "Konzedieren" beinhaltet nämlich wie Darcueil (1980:128) hervorhebt - die Anerkennung der Existenz eines gegenteiligen Standpunktes.

20 Nguyen (1983:85-90) erläutert diese funktionale Subordinierung der Konzession anhand mehrerer Dialogsituationen und bringt u.a. folgendes Beispiel. Sprecher A schlägt B vor, eine bestimmte Person in dessen Betrieb einzustellen. Als Argument wird angeführt, daß es sich um einen zuverlässigen Menschen handelt. Will B eine negative Antwort geben, so kann er eine konzessive Argumentationsstruktur verwenden (Sicherlich ist er das, aber er hat gar keine Erfahrung) oder sich auf eine einfache Behauptung beschränken (Er hat gar keine Erfahrung). Der Sprechakt der Konzession kann demnach wegfallen, ohne daß der Argumentationsverlauf dadurch eine Änderung erfahrt. 21

Zu letzerem Punkt siehe auch Darcueil (1980:132), König/Eisenberg (1984:320) und König (1988:148).

22 Das Verhältnis von concessio und Konzessivität wird eingehend im dritten Kapitel der Arbeit von Morel (1980) behandelt. Als interessant erweisen sich auch die Bemerkungen von Martin (1982:31) und Pötters (1992:15-17).

17

Zahlreiche Definitionen weisen darüber hinaus explizit auf einen Gegensatz hin. Manche Autoren benutzen ebendiesen Ausdruck Gegensatz,23 andere sprechen auch von Widerspruch,24 Opposition (Ohno 1993:143), Antithese (Hermodsson 1978:62), Antagonismus (Mikkola 1957:11), Kontrast (Hermodsson 1978:62; Glück 1993:338), Konflikt (König/Eisenberg 1984:324; König 1991a:633), Kollision (Pötters 1992:14), Kontradiktion (Freund/Sundqvist 1995:149), Dissonanz (König 1991a:633), mangelnder Harmonie (König/Eisenberg 1984:324), Unvereinbarkeit (Eggs 1977:116; König 1991a:633), Unverträglichkeit (Brauße 1994:154) und Inkompatibilität (Wesemann 1979:151). 25 Versuchen wir nun näher zu bestimmen, worin der für die Konzessivrelation relevante Gegensatz besteht: (10)

Obwohl Susanne schwer krank war, ist sie zur Arbeit gegangen.

In diesem Beispiel läßt sich ein potentieller Kontrast zwischen zwei Sachverhalten feststellen - Susannes Krankheit und ihre Arbeitstätigkeit: (11) a Susanne war schwer krank. b Susanne ist zur Arbeit gegangen.

Genauer gesagt, besteht hier eine Opposition zwischen zwei "Ereignistypen": 26 Wenn Leute schwer krank sind, arbeiten sie für gewöhnlich nicht. Wie wir gleich noch im einzelnen sehen werden (2.2.5), wird auf einen gewohnheits- oder erfahrungsmäßigen Zusammenhang Bezug genommen. Basiert die Definition der Konzessivität auf einem wie auch immer bestimmten "Gegensatz", stellt sich das Problem, Konzessivsätze von Adversativsätzen zu unterscheiden. Einige Autoren lehnen eine solche Distinktion ab und vereinen beide Konstruktionstypen unter dem Dach einer einzigen logisch-semantischen Kategorie. 27 Als 23

Siehe z.B. Brinkmann (1971:688), Boettcher/Sitta (1972:149), Pott (1976:4), Schramm (1977:378), Hermodsson (1978:62), König (1991a:633), Pötters (1992:13-5) und Drosdowski u.a. (1995:764). Auf die Definitionen, die einen Gegengrund erwähnen, werde ich später eingehen

24

Vgl. Brinkmann (1971:688), Kaufmann (1974:3), Pott (1976:4), Ltfen (1981:134), Starke (1982:132), Fang (1984:199-200), Eisenberg (1994:358), Pasch (1994:24) und Freund/Sundqvist (1995:149).

(2.2.6).

Von den zahlreichen Definitionen, die mit unterschiedlichen Formulierungen auf die Relevanz eines Gegensatzes aufmerksam machen, seien zumindest noch erwähnt: Battaglia/Pernicone (1968:558), Herczeg (1976b: 195) und Mazzoleni (1990:30; 1991:784-5) für das Italienische sowie Bonnard (1976:850), Anscombre/Ducrot (1978-9:355), Martin (1987:83) und Soutet (1990:19) für das Französische. 26

Vgl. Mazzoleni (1990: 22; 1991:784-6). Siehe auch den kurzen Hinweis bei König (1991a:633).

27

So z.B. in den Analysen von Dorfmüller-Karpusa (1982) und Fritsche (1986). Aber auch bei Vogel (1979), Brauße (1982, 1983), Lötscher (1988, 1989) und Pasch (1992b) fehlt eine klare Abgren-

18

Argument für dieses Vorgehen wird im allgemeinen die Substituierbarkeit von konzessiven und adversativen Konstruktionen angeführt: 28 (12) a Er ist sehr intelligent, aber er hat das Theorem nicht beweisen können. b Obwohl er sehr intelligent ist, hat er das Theorem nicht beweisen können.

Das Glücken der Ersatzprobe in zahlreichen Kontexten impliziert jedoch nicht, daß es keine semantischen Unterschiede zwischen Konzessiv- und Adversativsätzen geben kann. In der Tat läßt sich eine Reihe von Argumenten anführen, die gegen eine Gleichsetzung der beiden Kategorien sprechen. 1) Die Konzessivrelation beschreibt einen Kontrast, ist jedoch spezifischer als die allgemein-adversative Beziehung. Wie Eggs (1977:124-5) klar herausstellt, besteht zwischen den zwei kontrastierenden Sachverhalten der Konzessivrelation stets ein "innerer Zusammenhang", der in einer rein adversativen Satzverknüpfung hingegen nicht gegeben ist. In dem folgenden Beispielpaar ist der erste Satz als konzessiv einzustufen, der zweite generell als adversativ: (13)a Susanne ist krank, aber sie geht zur Arbeit, b Susanne ist groß, aber Brigitte ist klein.

Nach den Ausführungen von Pott (1976:4), der Konzessivsätze als "Sonderfall des logischen Verhältnisses vom Widerspruch" bezeichnet, kann die Verbindung der beiden Sachverhalte einer Konzessivrelation genauer bestimmt werden, wenn Bezug auf eine - sozial variable - Norm genommen wird. So können wir den Satz (14)

Er ist arm, während sein Bruder reich ist.

sicherlich als adversativ auffassen. In einer Gemeinschaft jedoch, in der üblicherweise ein Bruder dem anderen finanziell zur Seite steht, nimmt der Satz eine konzessive Bedeutung an (Pott 1976:566). Andere Autoren, wie z.B. Darcueil (1980:131) oder Pötters (1992:18-33), sehen den Unterschied zwischen Konzessivität und Adversativität in dem Vorhandensein bzw. Fehlen eines kausalen Zusammenhangs. Dieser Aspekt wurde schon von Lerch (1929:333) herausgestellt: «Das Konzessiwerhältnis bezeichnet aber nicht, wie das Adversatiwerhältnis, lediglich eine Gegensätzlichkeit zwischen zwei Tatbeständen [...], sondern mehr: eine so starke Gegensätzlichkeit, daß im Gefolge des Tatbestandes A vielmehr das Gegenteil des wirklich eingetretenen Tatbestandes B erwartet wird.»

zung der beiden Konstruktionen. Differenzierter erweist sich die Position von König, der einerseits auf das Fehlen einer klaren Distinktion hinweist (1988:148-9), andererseits jedoch einige Unterschiede herausarbeitet (1985a:5-6; 1991a:632). 28

So u.a. Ledere (1979:65), von dem das folgende Beispielpaar stammt, oder Mazzoleni (1990:15).

19

Die Unterschiede zwischen den beiden logisch-semantischen Kategorien lassen sich gut anhand des folgenden Beispielpaares verdeutlichen: (15) a Karl hat ein Bier getrunken, aber Peter hat einen Whisky bestellt. b Obwohl Karl ein Bier getrunken hat, hat Peter einen Whisky bestellt.

Im ersten Satz wird lediglich ein Kontrast zwischen zwei Tatbeständen festgestellt; es wird nichts darüber ausgesagt, ob eventuell ein Zusammenhang existiert. Im zweiten Beispiel geht man jedoch davon aus, daß das Verhalten von Karl Auswirkungen auf Peters Bestellung haben könnte oder sogar müßte. Betrachten wir auch die beiden folgenden Sätze (s. Leclere 1979:65): (16) a Er möchte gerne einen Ferrari fahren, aber er hat nicht das Geld dafür. b Er möchte gerne einen Ferrari fahren, obwohl er nicht das Geld dafür hat.

Im ersten Fall (aber) wird ein Gegensatz ausgedrückt zwischen einem Konsumwunsch und der finanziellen Lage der betreffenden Person, im zweiten Fall (obwohl) wird hingegen die Existenz eines Wunsches betont, der - in Anbetracht des Geldmangels - gar nicht hätte aufkommen sollen. Sehen wir uns ein weiteres Beispielpaar an (vgl. König 1991a:633): (17) a Monika hat die Pilze gegessen, aber sie waren giftig. b Monika hat die Pilze gegessen, obwohl sie giftig waren.

Nur im zweiten Beispiel kann man davon ausgehen, daß Monika von der Giftigkeit der Pilze gewußt hat. Ahnlich ist auch der Unterschied zwischen den folgenden beiden Sätzen (s. Pott 1976:566): (18) a Die Terroristen haben das Flugzeug entfuhrt, aber es waren wenige Passagiere an Bord, b Die Terroristen haben das Flugzeug entfuhrt, obwohl wenige Passagiere an Bord waren.

Aus der semantischen Spezifität der konzessiven Relation folgt ein zweiter Unterscheidungspunkt zu den Adversativkonstruktionen. 2) Adversative Konnektive können eine konzessive Bedeutung annehmen, aber nicht umgekehrt. Wie wir schon an mehreren Beispielen gesehen haben (12a, 13 a, 14), läßt sich eine adversative Konjunktion in denjenigen Kontexten als konzessiv interpretieren, in denen man eine (unwirksame) Kausalbeziehung zwischen zwei Ereignissen annehmen kann. Ein Satz hingegen, der ein spezifisch konzessives Konnektiv enthält, kann nicht einen allgemein-adversativen, "beziehungslosen" Kontrast ausdrücken (vgl. 15b, 16b, 17b, 18b). 3) Konzessive Konstruktionen sind prototypischerweise hypotaktisch, adversative Konstruktionen hingegen parataktisch. Konzessivsätze enthalten in der Regel - auf syntaktischer Ebene - eine Hierarchisierung der Informationswerte, d.h. eine Auftei-

20

lung in Vorder- und Hintergrund.29 Daraus ergibt sich ein weiterer, ein semantischer Unterschied zwischen den beiden Konstruktionstypen. 4) Die konzessive Relation ist asymmetrisch, die adversative hingegen symmetrisch. Gettrup/Nelke (1984:6) untersuchen folgendes Beispielpaar: (19) a Ich werde Spazierengehen, obwohl das Wetter schlecht ist. b Paul ist abgefahren, während Peter geblieben ist.

Der Konzessivsatz (a) ist asymmetrisch, da man die beiden Ereignisse in eine temporal-kausale Abfolge einordnen kann. Die Adversativsatz (b) ist demgegenüber symmetrisch, weil es keine erkennbare Priorität zwischen den beiden Begebenheiten gibt. 5) Die beiden Teilsätze einer Adversativkonstruktion sind syntaktisch vertauschbar, die einer Konzessivkonstruktion hingegen nicht. Nehmen wir das vorangegangene Beispielpaar als Ausgangspunkt einer jeweiligen Inversionsprobe, zunächst den Adversativsatz (20a), dann den Konzessivsatz (21a):30 (20) a Paul ist abgefahren, während Peter geblieben ist. b Peter ist geblieben, während Paul abgefahren ist. (21) a Ich werde Spazierengehen, obwohl das Wetter schlecht ist. b ?Das Wetter ist schlecht, obwohl ich Spazierengehen werde.

Während der Adversativsatz (20b) ohne weiteres akzeptabel ist, kann dem Konzessivsatz (21b) nur in bestimmten Kontexten ein Sinn zugeschrieben werden.31 6) Adversative Konnektive scheinen in jeder Sprache zu existieren, konzessive hingegen nicht. König (1985a:7; 1991a:632) nimmt an, daß lediglich adversative Konnektive eine universale Verbreitung haben. Sollte diese Hypothese anhand breiterer Korpusanalysen Bestätigung finden, so läge ein weiteres Argument vor für die Spezifität der Konzessivkonstruktionen gegenüber den semantisch basalen Adversativkonstruktionen. 7) Adversative Konnektive können Bedeutungen annehmen, die nicht konzessiv interpretierbar sind. Man kann von zwei grundlegenden Varianten des Gegensatzes ausgehen: Opposition und Substitution. Zahlreiche Sprachen besitzen sogar unterschiedliche Konjunktionen, um diese semantische Differenz auszudrücken. Dazu gehört auch das Deutsche mit den Konnektiven aber und sondern:32 29

Vgl. Mazzoleni (1990:54,81-2) und Gettrup/Nelke (1984:6). Eine ausführliche Diskussion findet sich unter Punkt 5.1.

30

Zu diesem Punkt s. auch Handke (1985:3-5), der die Vertauschbarkeit konzessiver Satzkonstruktionen mit semantischen Parametern in Verbindung setzt, sowie die kurzen Bemerkungen von Martin (1987:83) und König (1991a:635).

31 Es handelt sich um eine Verwendung, die ich als "rekonstruktiv" bezeichnen werde (s. unten 3.4). 32

Vgl. die kontrastive Übersicht bei Mazzoleni (1990:27-34). Für das Deutsche siehe u.a. die Studien von Abraham (1975), Pusch (1975), Asbach-Schnitker (1979) und Adamzik (1985). Einen interes-

21 (22) a Der Manager ist hart, aber (auch) herzlich. b Der Manager ist nicht hart, sondern schlichtweg rücksichtslos.

Nur der erste Satz kann in einem konzessiven Sinne verstanden werden, wie die folgenden Ersatzproben zeigen: (23) a Der Manager ist hart, trotzdem (auch) herzlich. b *Der Manager ist nicht hart, trotzdem schlichtweg rücksichtslos.

Zusammenfassend kann festgehalten werden, daß die enge semantische Verwandtschaft zwischen adversativen und konzessiven Konstruktionen nicht über die Existenz relevanter Unterschiede hinwegtäuschen darf. Mit anderen Worten: Es liegen gute Gründe vor, die traditionellen grammatischen Kategorien der Adversativität und Konzessivität beizubehalten. Es soll nun auf zwei Probleme eingegangen werden, die mit der Rolle des definitorischen Faktors "Gegensatz" zusammenhängen: a) Ist der Kontrast bereits durch den Inhalt der beiden Propositionen gegeben oder wird er erst durch konzessive Konnektive erzeugt? b) Gibt es auch Konzessivsätze ohne einen Kontrast? Was den ersten Problemkreis betrifft, so kann die Meinung vertreten werden, die konzessiven Konnektive hätten lediglich die Funktion, eine bereits existierende konzessive Beziehung zwischen zwei Sachverhalten zu signalisieren (Starke 1982:133); die Konnektive dienten zur bloßen "Verdeutlichung" (Pott 1976:574) und seien demnach nur in inhaltsmäßig bereits "konzessiven" Kontexten akzeptabel. Gettrup/Nelke (1984:9-10) versuchen dies an folgendem Beispiel zu zeigen: (24)

?Paul arbeitet, obwohl er nicht krank ist.

Ihrer Ansicht nach ist dieser Satz als fraglich einzustufen, da er auf der Voraussetzung beruht, Paul arbeite nur im Falle einer Krankheit. In diesen Zusammenhang fügt sich auch Pötters' Meinung (1992:34), die Akzeptabilität des Konzessivgefüges sei abhängig "von vergleichbaren Kriterien der Welterfahrung und Welterfassung, von kulturellen und ideologischen Wertvorstellungen, die Sprecher und Hörer teilen". Demgegenüber finden sich Autoren, die Sätze wie den folgenden problemlos akzeptieren:33 (25)

Obwohl schönes Wetter ist, gehe ich spazieren.

Eggs (1977:126) weist daraufhin, daß konzessive Konnektive auch scheinbar zusammenhanglose Sachverhalte verbinden können: santen Überblick zur Polysemie adversativer Konjunktionen bieten z.B. Eggs (1977:124-5) und Payne (1985:6-17). 33

Dieses Beispiel stammt von Blumenthal (1973:279).

22 (26)

Obwohl Hans klein ist, ist Peter groß.

In diesen Fällen wird ein "Interpretationsprinzip" wirksam, und der Hörer konstruiert spontan einen Kontext, in dem sich die beiden Tatbestände in Opposition befinden (so kann man z.B. annehmen, daß Hans und Peter Zwillingsbrüder sind). Eisenberg (1994:358) ist der Meinung, daß Konnektive wie obwohl eine konzessive Interpretation "erzwingen". Ähnlich argumentiert auch Mazzoleni (1991:786). Für den folgenden Satz nimmt er an, daß die konzessive Konstruktion den Gegensatz erst "schafft" und nicht lediglich "vorfindet": (27)

Obwohl Herr Verdi Ingenieur ist, ist er ein anständiger Mensch.

Dieser Satz ist akzeptabel, obwohl er auf einer Präsupposition basiert, die nicht allgemein geteilt wird ('Ingenieure sind keine anständigen Menschen'). 34 Meines Erachtens sollte hier zwischen semantischer Akzeptabilität (auch Konzessivsätze ohne einen offenkundigen Gegensatz sind semantisch "korrekt") und pragmatischer Angemessenheit unterschieden werden. Wenn der Sprecher sich auf "eigenartige" Präsuppositionen stützt, kann der Erfolg der Kommunikation in Frage gestellt werden. 35 So ist es z.B. wahrscheinlich, daß der Sprecher auf Satz (27) folgende Antwort erhält: (28)

Du scheinst aber eine seltsame Meinung von Ingenieuren zu haben.

Der zweite Problemkreis, der hier angesprochen werden soll, betrifft die Existenz von Konzessivkonstruktionen ohne offenkundigen Gegensatz. Nach König/Eisenberg (1984:320) gibt es derartige "konfliktlose" Fälle, wenn beide Teilsätze ohne Schwierigkeit austauschbar sind, wobei lediglich ein Perspektivenwechsel bewirkt werde: (29) a Wenn auch einige unserer Mitglieder an der Versammlung teilnahmen, alle waren nicht da. b Wenn auch nicht alle unsere Mitglieder an der Versammlung teilnahmen, einige waren da.

In der Tat können hier die jeweiligen Teilsätze (einige waren da vs. nicht alle waren da) als synonym in weiterem Sinne aufgefaßt werden: Die Konzessivrelation erscheint 34

Anscombre/Ducrot (1978-9:355) betonen in ihrer Analyse von Argumentationsmodellen, daß eine vorausgesetzte Meinung nicht zwingend mit der Ideologie der Gemeinschaft übereinstimmen muß. Relevant ist lediglich, daß der Hörer die Prämissen des Sprechers erkennt. Es sei noch am Rande erwähnt, daß in Konzessivkonstruktionen enthaltene Negativurteile (z.B. 'Ingenieure sind keine anständigen Menschen') sich positiv in Koordinationsstrukturen finden, die auch enthalten. Lang (1977:115) fuhrt beispielsweise die Inakzeptabilität von (i) *Peter schläft schon und Anna ist auch noch wach, genau auf die Tatsache zurück, daß dem zweiten Teilsatz das Urteil 'Peter ist wach' zugrundeliegt. Nach Lang (1977:232) ist «auch [...] der Oberflächenreflex dafür, daß eine über die bloße Bedeutung der Konjunkte hinausgehende Konvergenz deduziert werden kann». Im Falle eines willentlichen ManipulationsVersuchs ist dieser Effekt sogar intendiert.

23 auf den ersten Blick gegensatzlos. Meines Erachtens muß man jedoch für Sätze wie (29a,b) einen indirekten Gegensatz annehmen, der sich aus einer abwägenden Bewertimg ergibt. Die Tatsache, daß einige Mitglieder anwesend waren, stellt einen Pluspunkt in der Gesamtbewertung der Versammlung dar; die Tatsache, daß Mitglieder fehlten, hingegen einen Minuspunkt. Der Kontrast ergibt sich folglich aus der Gegenüberstellung von Plus und Minus. Die beiden Beispiele unterscheiden sich nun darin, daß (29a) insgesamt ein negatives Urteil beinhaltet, (29b) jedoch ein positives (genau darin besteht der von König/Eisenberg nicht näher präzisierte "Perspektivenwechsel"). Verwendungen dieser Art werde ich später als "evaluativ" kennzeichnen und eingehender untersuchen (s. 3.3). Ein weiteres Beispiel für scheinbar konfliktlose Konzessivsätze finden wir bei König (1991a:633):36 (30) a Obwohl die Mannschaft nicht gut gespielt hat, hat sie auch nicht ausgesprochen schlecht gespielt.

In diesem Gefüge tritt der "evaluative" Gegensatz sogar noch deutlicher hervor. Beide Teilsätze bringen die Bedeutung 'die Mannschaft hat mittelmäßig gespielt' zum Ausdruck. Diese Synonymie rührt aus dem Negationsverhalten bei Antonymen her: 37 (iii) schlecht I 1

gut 11 x

y

Die Negation von gut schließt den gesamten Sektor rechts von der Jc-Linie ein, die von schlecht den Sektor links von y. Der mittlere Bereich zwischen x und y (weder gut noch schlecht) kann somit von zwei Standpunkten aus betrachtet werden: Im ersten Fall (nicht gut) wird das Augenmerk auf die Fehlleistungen der Mannschaft gelenkt, im zweiten {nicht schlecht) auf die Verdienste. Das Gesamturteil in dem Konzessivgefüge (30a) ist positiv. Die Umkehrung der Satzkonstruktion ergibt hingegen ein Negativurteil (30b): (30) b Obwohl die Mannschaft nicht ausgesprochen schlecht gespielt hat, hat sie auch nicht gut gespielt hat.

36

Ein vergleichbarer Satz wird auch von König/van der Auwera (1988:125) angefühlt.

37

Interessante Beobachtungen zur Pragmatik der Negation von Antonymen finden sich bei Lyons (1977:277f). Zur Polarität von Adjektiven allgemein s. auch Bierwisch (1967:6-12).

24 2.2.3. Hindernis Eine Reihe von Autoren setzt den Gegensatz zwischen zwei Sachverhalten mit dem Vorhandensein eines Hindernisses in Verbindung.38 Genauer gesagt, es wird von einem potentiellen Hindernis gesprochen: Ein Tatbestand, ein Ereignis oder eine Handlung sind nicht stark genug, um das Eintreten oder die Verwirklichung eines bestimmten Sachverhaltes zu verhindern. Der Begriff des Hindernisses scheint m.E. jedoch zu restriktiv zu sein, um die Semantik der konzessiven Relation zu beschreiben.39 So müßte zunächst unterschieden werden, ob der Versuch, das Hindernis zu überwinden, erfolgreich ist (31) oder nicht (32): (31) (32)

Obwohl er müde war, hat er seine Arbeit beendet. Obwohl er sich angestrengt hatte, konnte er seine Arbeit nicht beenden.

Im ersten Fall wird das Ziel erreicht: Ein Tatbestand (die Müdigkeit) wirkt als Hemmnis, kann jedoch die Beendigimg der Arbeit nicht verhindern. Im zweiten Fall hingegen stellt sich das Hindernis als unüberwindbar heraus. Die folgenden Schemata verdeutlichen die beiden Situationen: (iv):

konzessiver Nebensatz Hindernis

übergeordneter Satz Erreichen des Ziels

unausgesprochen Bemühungen

(v):

konzessiver Nebensatz Bemühungen

übergeordneter Satz Verfehlung des Ziels

unausgesprochen Hindernis

Die beiden Verwendungen basieren jeweils auf Wahrscheinlichkeitsgesetzen: a) eine bestimmte Art von Hindernis erweist sich meist als unüberwindbar; b) eine bestimmte Art von Bemühung fuhrt meist zum Erfolg. In beiden Situationen wird eine Erwartung enttäuscht: Im ersten Fall geht man davon aus, da man das Hindernis kennt, daß es nicht überwunden wird; im zweiten Fall nimmt man hingegen an, da man die Bemühungen kennt, daß sie zur Überwindung des betreffenden Hindernisses ausreichen.40 Diese Überlegungen fuhren uns direkt zur Diskussion des nächsten potentiell definitorischen Faktors der Konzessivität: der Enttäuschung einer Erwartung.

38

So z.B. Jude/Schönhaar (1977:273), Metrich (1980a:268) und Engel (1991:276). Siehe auch die Bemerkungen von Battaglia/Pemicone (1968:558), Herczeg (1976b: 196), Eggs (1977:119-20), Martin (1982:27; 1987:82) und Moretti (1983:3).

39

Vgl. die Andeutung bei Starke (1982:132).

40

Nicht ganz folgen kann ich Eggs (1977:119-120), wenn er - bei dieser Art von Beispielen - die Bemühung selbst als Hindernis auffaßt, genauer gesagt als Tatbestand, der den Mißerfolg hätte verhindern sollen.

25

2.2.4. Enttäuschung einer Erwartung Zahlreiche Autoren weisen darauf hin, daß die Konzessivrelation das Moment des Unvorhergesehenen oder Unvermuteten enthält. Manche sprechen von Überraschung (König 1991a:633; Eisenberg 1994:358), andere von Verletzung (Heidolph u.a. 1981:806; Baschewa-Monowa 1991:298), Enttäuschung (Kaufmann 1974:3; Pötters 1992:13) bzw. Nichterfüllung einer Erwartung (Bußmann 1990:424; Pasch 1994:234). Es ergibt sich eine Situation, mit der wir aufgrund unseres allgemeinen Weltwissens oder aufgrund der spezifischen Kontextbedingungen nicht gerechnet haben. 41 Der Ausdruck Enttäuschung einer Erwartung sagt noch nichts Näheres darüber aus, ob das erwartete Ereignis einen positiven oder negativen Charakter hat. Ersterer Fall wird mitunter noch gesondert betrachtet - wenn z.B. von einer "Hoffnung auf einen positiven Ausgang" (Pötters 1992:13) die Rede ist. 42 Es sollte allerdings bedacht werden, daß das "Überraschungsmoment" lediglich einen Nebeneffekt darstellt. Unsere Prognosen müssen stets auf bestimmten Maßstäben basieren. Einige Autoren (Moretti 1983:28; König 1991a:633; Mazzoleni 1991:784-5) versuchen daher, die Enttäuschung einer Erwartung auf einen Gegensatz zwischen Sachverhalten zurückzufuhren, andere setzen sie mit einer Normabweichung oder mit der Negierung eines Kausalverhältnisses in Verbindimg. So kommen wir zu den nächsten beiden potentiell definitorischen Faktoren.

2.2.5. Abweichung von einer Norm Nahezu alle Definitionen der Konzessivität enthalten einen Verweis auf eine bestimmte Norm oder auf einen Zustand der Normalität. Die folgenden drei Definitionen sind jeweils Beispiele dafür, wie die Faktoren "Gegensatz", "Hindernis" und "Erwartung" mit einer Norm in Verbindimg gebracht werden:43 «Gleichzeitig "räumt" der Sprecher "ein", daß es sich aufgrund einer "Normalbedingung" für die Existenzmöglichkeit des einen Konjunkts um zwei normalerweise inkompatible Sachverhalte handelt.» (Wesemann 1979:151-2) 41

Auf die Relevanz einer Erwartungshaltung wird auch in den Definitionen von Härtung (1971:125), Pott (1976:11), Eggs (1977:117-22), Schramm (1977:31), Vogel (1979:97-8), Wesemann (1979:151-2), Lrten (1981:134), Starke (1982:132; 1987:536), Helbig/Buscha (1986:691), Gislimberti (1989:116), Heringer (1989:366), Engel (1991:276), Glück (1993:338) und Ohno (1993:143) hingewiesen. Was die nicht-deutschsprachige Literatur betrifft, so seien Andersson (1972:24), Haiman (1974:357), Herczeg (1976b: 195), Ledere (1979:64-5), Darcueil (1980:136), Martin (1982:31), Moretti (1983:28), Borghini (1984:34-5), Bogacki (1986:61), Leard (1987:166), Harris (1988:76), Serianni (1988:504) und Mazzoleni (1991:784-5) erwähnt.

42

Eine vergleichbare Formulierung findet sich auch bei Herczeg (1976b: 195).

43

Die definitorischen Faktoren sind von mir jeweils durch Unterstreichung hervorgehoben.

26 «Sie [konzessive Angabesätze] nennen, ähnlich den Konditionalsätzen, einen Sachverhalt, der eine Bedingung für das Obersatzgeschehen darstellt, allerdings eine negative Bedingung: sie würde unter "normalen" Umständen dieses Obersatzgeschehen verhindern.» (Engel 1991:276) «Die konzessiven Adverbialsätze formulieren eine Tatsache, die normalerweise dagegenspricht, daß der Hauptsatz wahr ist. [...] Der Hauptsatz ist also gegen die normale Erwartung wahr.» (Heringer 1989:313)

Was ist nun unter dem Begriff der Normalität zu verstehen? Allein die Tatsache, daß mehrere Autoren es vorziehen, den Terminus in Anführungszeichen zu setzen,44 deutet darauf hin, daß ein weiter Interpretationsspielraum besteht. Handelt es sich dabei um zwingende Kausalverhältnisse, d.h. um "notwendige Zusammenhänge" (Hermodsson 1978:61)? Oder geht es vielmehr um losere Beziehungen, d.h. um übliche und gewohnheitsmäßige Korrelationen? Meist wird dieser zweiten Interpretation der Vorzug gegeben: Die Norm resultiert aus unseren Denkgewohnheiten (Pötters 1992:18), unseren Vorstellungen (Freund/Sundqvist 1995:147), unserem Alltagswissen (Eggs 1977:121) und unserer bisherigen Erfahrung (Heidolph u.a. 1981:806; Fang 1984:201; Starke 1987:536). Vogel (1979:97-8) verdeutlicht diesen Aspekt anhand eines von G. Lakoff (1971:66) übernommenen Beispiels: (33)

It is June, but it is snowing.

Vogels Überlegungen lassen sich durch folgendes Schema zusammenfassen: (vi) Prämisse: Erfahrungssatz: Konklusion: Tatsache:

Es ist Juni. Im Juni schneit es nicht. Es schneit (jetzt) nicht. Aber es schneit (doch).

In diesem Fall ist die "Norm" hinsichtlich der Wetterbedingungen in den einzelnen Kalendermonaten selbstverständlich von der geographischen Lage abhängig und gilt nur in der nördlichen Hemisphäre. Es erscheint also durchaus angebracht, von einer Regelmäßigkeit zu sprechen (s. König/Eisenberg 1984:319). Manche Autoren schwächen den systematisch-stereotypen Charakter der Norm noch weiter ab und benutzen Ausdrücke wie Wahrscheinlichkeit oder sogar Möglichkeit.^ 44

Außer den soeben zitierten Definitionen von Wesemann (1979:151) und Engel (1991:276) sind zumindest noch Heidolph u.a. (1981:806), Ohno (1993:143) und Eisenberg (1994:358) zu erwähnen.

45

Siehe z.B. Eggs (1977:122). Vgl. auch die Ausfuhrungen von Borghini (1984:36) und Bogacki (1986:62).

46

So geht z.B. Martin (1982:28ff.) von den Begriffen des univers de croyance und anti-univers aus. Die "Meinungswelt" besteht aus der Gesamtheit der Propositionen, die der Sprecher zum Zeitpunkt

27 Wie eng oder wie weit der Normbegriff im einzelnen auch gefaßt wird,47 es lassen sich zwei unterschiedliche Arten von Normen feststellen. Ein konzessiver Satz wie (34)

Barbara geht spazieren, obwohl es stark regnet.

basiert auf zwei Präsuppositionen, einer spezifischen und einer generellen:48 1. Normalerweise geht Barbara nicht spazieren, wenn es stark regnet. 2. Normalerweise geht man nicht spazieren, wenn es stark regnet.

Meist befinden sich die beiden Arten von Normen im Einklang. Sie können aber auch in Konflikt geraten (wenn z.B. Barbara die Gewohnheit hat, bei Regen spazierenzugehen). Die in (34) geäußerte Konzessivkonstruktion erscheint dann gewissermaßen abgeschwächt. Nehmen wir ein anderes Beispiel: (35)

Obwohl er krank war, ist Günther zur Arbeit gegangen.

Der Gegensatz zwischen den beiden Sachverhalten, der das Überraschungsmoment hervorruft, ist je nach Kontext mehr oder weniger stark ausgeprägt. So kann das generelle Prinzip, nach dem Krankheit ein Hemmnis für Arbeit darstellt, von unserem spezifischen Weltwissen beeinflußt werden: (36) (37)

Günther ist ein notorischer Faulpelz. Wir alle haben uns daher gewundert, daß er trotz seiner Krankheit zur Arbeit geht. Günther ist ein Workaholic Wir alle haben uns schon gedacht, daß er trotz seiner Krankheit zur Arbeit geht.

2.2.6. Negierung eines Kausalverhältnisses In zahlreichen Studien wird die Konzessivrelation als Gegenpart eines Kausalverhältnisses gesehen. So bezeichnet beispielsweise Schramm (1977:28) die konzessive Beziehung als akausal, Hermodsson (1978:61) charakterisiert die obwohl-Gefäge als inkausal, Freund/Sundqvist (1995:148) ziehen den Terminus antikausal in Erwägung. der Kommunikation für wahr hält. Die "Gegenwelt" schließt die Propositionen ein, die vom Sprecher zwar für falsch gehalten werden, jedoch durchaus hätten wahr sein können. Die "Norm" wird demnach in die "Gegenwelt" des Möglichen verbannt Im Anschluß an die Überlegungen von Martin spricht Mazzoleni (1990:35) von einer "potentiellen Disjunktion", die im Gegensatz steht zu einer "aktuellen Konjunktion". 47

Von den zahlreichen Studien, die bei der Definition der Konzessivität direkt oder indirekt Bezug auf eine Norm nehmen, seien Hermodsson (1973:299; 1978:59-60), Pott (1976:11), Klein (1980:162), Metrich (1980a:268), König/van der Auwera (1988:107), Baschewa-Monowa (1991:298) und Glück (1993:338) erwähnt.

48

Siehe König (1991a:633). Vgl. auch die Ausfuhrungen von Mazzoleni (1990:22; 1991:785-6).

28

Ein Kausalzusammenhang wird verletzt (Heidolph u.a. 1981:806; Mackeldey 1988:238), gestört (Mackeldey 1988:238), unterbrochen (Serianni 1988:504), umgekehrt (Lifen 1981:135) oder gar umgestoßen (Borghini 1984:30), da die erwartete Folge einer bestimmten Ursache nicht eintritt. Es wird davon ausgegangen, daß die Konzessivrelation stets einen inneren Zusammenhang zwischen zwei Sachverhalten voraussetzt (s. 2.2.2). Aus diesem Grunde werden Beispiele wie die folgenden meist als inakzeptabel eingestuft (vgl. Bogacki 1986:60-1): (38) (39)

* Peter ist intelligent, trotzdem ist Maria dunkelhaarig. *Es ist schönes Wetter heute morgen, gleichwohl ist Max mittelgroß.

Die in einem Konzessivsatz vorausgesetzte - und dann negierte - Kausalrelation kann durch eine einfache syntaktische Transformation expliziert werden: (40) a Obwohl die Wohnung sehr schön ist, kaufe ich sie nicht, b Weil die Wohnung sehr schön ist, kaufe ich sie.

Was die kausale Semantik der Konzessivität betrifft, so wird im allgemeinen das Vorhandensein einer Ursache festgestellt, die sowohl "unwirksam" als auch "gegensätzlich" ist: unwirksam, da sie die erwartete Folge nicht nach sich zieht; gegensätzlich, da sie unter normalen Umständen sogar eine konträre Folge bewirkt hätte. Es sind also zwei Aspekte zu betrachten: a) Der unwirksame Grund. Es liegt ein Sachverhalt vor, dessen erwartete Konsequenzen ausbleiben. Wir haben es genauer gesagt mit einem unzureichenden Grund 49 zu tun. Ein Tatbestand erweist sich als unwirksam50 bzw. wirkungslos (Regula 1968:165), da er nicht ausreicht (Boettcher/Sitta 1972:149) oder nicht geeignet ist (Erben 1972:205), um handlungsbestimmend einzugreifen (Weinrich 1993:761). Er kann als irrelevant51 betrachtet werden, da die normalerweise zu erwartende Folge nicht eintritt.52 Mit anderen Worten: Die erwartete Wirkung erfüllt sich nicht (Bußmann 1990:424) bzw. liegt nicht vor (Ohno 1993:143). Insgesamt kann also be-

49

So z.B. Boettcher (1972:113), Erben (1972:205), Fraas (1987:100), Heibig (1991:139) und Drosdowski u.a. (1995:764). Schramm (1977:37-8) spricht von einer 'unzureichenden Bedingung".

50

Vgl. Starke (1982:132; 1987:536), Hentschel/Weydt (1990:272) und Engel (1991:276). Nach Schramm (1977:37-8) und Erben (1972:205) ist der Tatbestand "nicht wirksam genug", um ein Geschehen zu ändern bzw. zu beeinflussen.

51

So die Formulierung bei Erben (1972:205), Wesemann (1979:151), Baschewa (1980:64; 1983:83), Baschewa-Monowa (1991:298) und Mackeldey (1988:238).

52

S. Lifen (1981:134), Bußmann (1990:424) und Engel (1991:276). Vgl. auch Pötters (1992:18).

29 hauptet werden, daß eine Grund-Folge-Relation sich nicht verwirklicht (Hermodsson 1978:59-60; König 1991a:633) bzw. ein Kausalzusammenhang unwirksam bleibt.53 b) Der gegensätzliche Grund. Von einem anderen Gesichtspunkt aus betrachtet, befmdet sich der soeben als unwirksam bezeichnete Grund in Opposition zu der sich effektiv ereignenden Folge. Die von dem unwirksamen Grund normalerweise ausgehende Wirkimg wäre nämlich das genaue Gegenteil von der real konstatierbaren Folge. 54 Die Definition der Konzessivität als Negierung oder Beeinträchtigung eines Kausalverhältnisses bedarf näherer Untersuchung. Eggs (1977:123-4) formuliert den Unterschied zwischen kausalen und konzessiven Konstruktionen folgendermaßen: «Die Konzessivkonstruktion ist der Ort, an dem die Erfahrung, daß Meinungen nicht notwendig, sondern nur meistens und normalerweise wahr sind, grammatikalisiert ist; die Kausalkonstruktion hingegen stützt sich auf Wahrscheinlichkeit und relative Gültigkeit von Meinungen. In Konzessivsätzen [...] wird ein ungewöhnlicher Tatbestand festgestellt (ungewöhnlich, weil dem Alltagswissen widersprechend); in Kausalsätzen [. . .] werden Feststellungen und Schlüsse entsprechend dem Alltagswissen vollzogen.»

Die Kausalbeziehung wird als "Regel" dargestellt, die Konzessivbeziehung hingegen als "Ausnahme". Auf den außergewöhnlichen Charakter der Konzessivität weisen ebenfalls Hermodsson (1978:60) und Klein (1980:162) hin. Pötters (1992:27) geht sogar einen Schritt weiter und will eine Verbindung zwischen allgemeinen Erkenntnisprinzipien und grammatischen Strukturen erkannt haben. Er nimmt an, daß «unsere Welt und unser Leben in weiten Bereichen von zwei Prinzipien beherrscht zu sein scheinen, die man je nach Situation und Anlaß verschieden benennt: Norm/Verstoß, Regel/Ausnahme, Notwendigkeit/Freiheit, Ordnung/Chaos, Kausalität/Konzessivität oder Implikation/negierte Implikation. Was nun diese Ausdrücke auch im besonderen meinen, sie alle lassen sich gedanklich auf den fundamentalen Gegensatz von Determination und Zufall zurückfuhren.»

Stimmt es wirklich, daß die Konzessivität das Regelwidrige, Willkürliche und Wahllose zum Ausdruck bringt? Eggs (1977:123) diskutiert in diesem Zusammenhang folgendes Beispiel: (41)

Obwohl ich die Heizung angestellt habe, bleibt das Zimmer kalt.

53

S. Härtung (1971:125) und Helbig/Buscha (1986:691). Von den zahlreichen ausländischen Studien, die sich mit dem Problem des unwirksamen Grundes auseinandersetzen, sei auf Darcueil (1980:132), Morel (1980:33), Martin (1982:27-8), Leard (1987:166) und Soutet (1990:7-8) hingewiesen.

54

Auf diesen Aspekt hat bereits Lerch (1929:333) hingewiesen. Von einem Gegengrund sprechen u.a. Boettcher (1972:113), Jude/Schönhaar (1977:273), Liien (1981:134), Hentschel/Weydt (1990:272), Engel (1991:276) und Drosdowski u.a. (1995:764). Vgl. auch die Bemerkungen von Darcueil (1980:130) und Moretti (1983:4).

30

Das unerwartet eingetretene Ereignis (die Kälte im Zimmer) hat selbstverständlich eine konkrete Ursache: So kann beispielsweise die Außentemperatur besonders niedrig sein oder das Fenster offen stehen. Auf eine mögliche Begründung für das Ausbleiben der erwarteten Folge weisen auch kurz Schramm (1977:27-8), Hermodsson (1978:63-4) und Fang (1984:202-3) hin. Pötters (1992:157) spricht von dem "Wirksamwerden eines isolierten Grund-Folge-Verhältnisses" und von einer "singulären Kausalbeziehung". Trotz einer differenzierten Betrachtungsweise bleibt also auch in diesen Studien die Konzessivität mit dem Makel des "Außergewöhnlichen" behaftet. Meines Erachtens ist es jedoch unangebracht, diese "singuläre" Ursache dem Bereich des Sonderbaren oder der Anomalie zuzuschreiben. Es handelt sich schlicht und einfach um eine Ursache, die bis zu diesem Zeitpunkt noch nicht in Betracht gezogen wurde. Die "Überraschung" resultiert allein aus der Tatsache, daß der Hörer/Leser keinen Gesamtüberblick über alle relevanten Zusammenhänge besitzt. Betrachten wir dazu folgendes Beispiel: (42)

Obwohl Markus krank war, ist er zur Arbeit gegangen.

Die beschriebene Situation erscheint zunächst unerwartet und außergewöhnlich, da eine bekannte Kausalbeziehung (wenn man krank ist, arbeitet man nicht) außer Kraft gesetzt ist. Das Überraschungsmoment bleibt jedoch aus, wenn man weitere GrundFolge-Relationen miteinbezieht, die vielleicht spezifischer, jedoch keineswegs weniger "regelgemäß" sind:55 1. Ist die Krankheit nicht so schlimm, geht man zur Arbeit, auch wenn man krank ist. 2. Ist die Arbeitsverpflichtung besonders wichtig, geht man zur Arbeit, auch wenn man krank ist.

Die Definition der Konzessivität unter Rückgriff auf eine mitgedachte Kausalbeziehung ist verschiedentlich auf Kritik gestoßen. So weisen Pott (1976:11), Baschewa (1983:83) und König (1991a:633) daraufhin, daß es zu eng gefaßt ist, wenn man die Konzessivrelation auf die Negierung eines Kausalverhältnisses beschränkt. Eggs (1977:118-9) betrachtet in diesem Zusammenhang die Beispiele (43) a Er insistierte nicht weiter, obwohl er recht hatte. b Auch wenn ich euch nicht entmutigen will, muß ich sagen, daß das Unterfangen mir sehr schwierig erscheint.

und kommt zu dem Schluß, daß es äußerst problematisch sei, in diesen Fällen von einer Ursache zu sprechen. Einige Autoren (z.B. Baschewa 1983:80) gehen daher von einer Kausalität im weiteren Sinne aus, die neben "reinen" Kausalbeziehungen auch konditionale, konsekutive und finale Relationen umfaßt.

55

Diese Überlegungen werden mich dazu fuhren, im folgenden den Definitionsvorschlag der Konzessivität als "versteckter Kausalität" auszuarbeiten (2.3).

31

Andere Autoren geben dieser Gesamtkategorie Namen wie "Konditionalität" (Hermodsson 1973:302-3)56 oder "Implikation" (Pötters 1992:23-33).57 Pötters versteht unter "Implikation" «eine inhaltliche Beziehung zwischen zwei Sachverhaltenp und q, in der p - im Einklang mit unserer Erfahrung, unseren Nonnvorstellungen und unseren darauf beruhenden Erwartungen - q nach sich zieht [. . .] Mit anderen Worten: p bedingt, verursacht, fuhrt zu q, oder p erlaubt den Schluß auf q.y> (1992:23)

Der Begriff ist so weit gefaßt, daß er alle kausalen, konditionalen, konsekutiven und finalen Relationen einschließt. Die Konzessivität wird folglich als "negierte Implikation" definiert. Betrachten wir nun kurz die Beziehungen zwischen kausalen und konzessiven Konstruktionen (dieser Aspekt wird unter 2.3 weiter vertieft). Zunächst sei auf einige Gemeinsamkeiten eingegangen. So sind Konzessiv- und Kausalsätze durch die Tatsache vereint, daß sie jeweils beide Teilsätze logisch implizieren. Ist der Gesamtsatz wahr, bedeutet dies, daß sowohl die Proposition p (Ausgangszustand) als auch q (Endzustand) wahr sind (s. Handke 1985:2; König 1991a:636-7; König 1991b: 195): (44) a Obwohl er verletzt war, hat er das Rennen beenden können. b Weil er eine große Willenskraft besitzt, hat er das Rennen beenden können.

Im ersten Satz signalisiert der Sprecher, an die Verletzung sowie an das Zuendeführen des Rennens zu glauben; im zweiten Satz wird sowohl die Willenskraft als auch die Beendigung des Rennens als wahr vorausgesetzt. Eine zweite Gemeinsamkeit ist dadurch gegeben, daß ein und dieselbe Konstruktion - je nach Kontext - eine kausale bzw. eine konzessive Interpretation erfahren kann. Folgendes Satzpaar stammt von Dorfmüller-Karpusa (1982:142-3); in Beispiel (a) wird die je... ¿festo-Konstruktion kausal gedeutet, in (b) demgegenüber konzessiv:58 (45) a Je mehr Hunger ich habe, desto mehr esse ich. b Je mehr ich esse, desto mehr Hunger habe ich.

In einigen Fällen erscheinen kausale und konzessive Strukturen austauschbar: (46) a Er sagt was er sagt so normal daß es ein Schmerz für mich ist. Weil und obgleich ich auch weiß daß er nur mit sich selbst spricht. (Kirsch, 79)

56

Die konzessiven Strukturen werden konsequenterweise als "inkonditional" bezeichnet (1973:303-5). Hermodsson (1978:99-100) nimmt jedoch diesen terminologischen Vorschlag teilweise wieder zurück.

57

Dieser Ausdruck wird bereits von Blumenthal (1973:275) und Soutet (1990:11) verwendet.

58

Vgl Potts (1976:568) Analyse französischer Partizipialkonstruktionen. Siehe jedoch auch die Ausfuhrungen weiter unten (5 .2).

32 b Montanelli, wiewohl oder gerade weil er ein eigenwilliger Konservativer ist und von Planwirtschaft und sozialistischen Systemen nichts hält, hält aber auch nichts von Berlusconis Absicht, eine Partei als Gegengewicht gegen die zunehmend koalierende Linke zu gründen. (FAZ 14-1-94, 27) c Audi-Chef Franz-Josef Kortüm liebt deutliche Worte, auch - oder gerade - wenn sie Mängel aufdecken. (FAZ 17-1-94, 14)

Eine Kausalbeziehung wird sozusagen durch eine Konzessivrelation "korrigiert" (oder umgekehrt). Durch die Kombination der beiden Strukturen zeigt der Sprecher an, daß er sich über den realen Zusammenhang zwischen den Sachverhalten p und q nicht im klaren ist. 59 König (1991a:637; 1991b:203-4) weist ferner daraufhin, daß in negativen Kontexten kausale Konjunktionen einen konzessiven Wert annehmen können. Als Beispiele werden das englische for all und das französische pour autant genannt (vgl. unten 4.2.3). Ein wichtiger Unterschied zwischen kausalen und konzessiven Konstruktionen besteht schließlich darin, daß das kausale Verhältnis auf einer temporalen Abfolge beruht (post hoc ergo propter hoc),60 während das konzessive Verhältnis auf Gleichzeitigkeit basiert: Es wird die Koexistenz zweier Ereignisse hervorgehoben, die sich "normalerweise" ausschließen.61

2.3. Ein Definitionsvorschlag: die Konzessivität als "versteckte Kausalität" Die in diesem Kapitel gegebene Übersicht über die wichtigsten Definitionsversuche der Konzessivität hat die potentielle Relevanz von sechs Faktoren gezeigt: Einräumung, Gegensatz, Hindernis, Enttäuschung einer Erwartung, Abweichung von einer Norm und Negierung eines Kausalverhältnisses.

59

Vgl. die von Starke (1982:142), König (1991a:636-7) und Pasch (1992a:9) diskutierten Beispiele. Zu diesen Problemkreis s. auch Martin (1982:31-2; 1987:85) und Bogacki (1986:62-3).

60

Siehe u.a. Levinson (1983:146), König/Traugott (1988:11-3) und Vater (1994:39-40). Ein Grammatikalisierungsprozeß liegt vor, wenn temporale Konjunktionen wie z.B. das englische since oder das italienische dal momento che einen kausalen Wert annehmen.

61

So erklärt sich auch die sprachgeschichtliche Entstehung von konzessiven aus ursprünglich rein temporalen Konnektiven. Die Simultaneität zweier Ereignisse ist nur dann informativ und relevant für den Gesprächspartner, wenn die Ereignisse einen potentiellen Kontrast bilden. Dieser pragmatische Aspekt kann einen Grammatikalisierungsprozeß erfahren. Als Beispiele nennen König (1985a: 11; 1985b:268; 1988:155-6; 1991a:638), König/Eisenberg (1984:324) und Traugott/König (1991:199) für das Deutsche u.a. dennoch, indessen und zugleich, für das Englische u.a. while, still, yet. Ein kurzer Hinweis findet sich gleichfalls bei Harris (1988:75). Siehe auch weiter unten Punkt 4.2.1.5.

33

Wir haben gesehen, daß diese Faktoren in mehr oder weniger enger Verbindung zueinander stehen. Prägnant formuliert könnte es heißen: In der Konzessivrelation steht der Grund in Kontrast zur Folge, die er nach unseren normalen Erwartungen hätte verhindern sollen. Betrachten wir kurz in einer abschließenden Wertung die Rolle der einzelnen Faktoren. Als definitorische Eigenschaft sollte die Einräumung ausgeschlossen werden, da es sich nicht um eine intrinsische, semantische Charakteristik der Konzessivität, sondern um eine mögliche pragmatische Verwendung handelt. Das Hindernis kann als eine spezifische Form des Gegensatzes aufgefaßt werden. Die Enttäuschung einer Erwartung ist lediglich die Konsequenz anderer, wichtigerer Eigenschaften. Die Faktoren einer zugrundeliegenden Norm und einer (negierten) Kausalität könnten in einer einzigen Kategorie zusammengefaßt werden, die außer den kausalen Relationen im engeren Sinne auch konditionale, konsekutive und finale einschließt. Dabei erscheint es zweitrangig, ob man von "Implikation" oder "Kausalität im weiteren Sinne" spricht. Zwei Faktoren bilden somit die Grundpfeiler, auf die sich jede Definition zu stützen hat: der Begriff des Kontrasts (auf verschiedenen semantischen Ebenen) und die Kausalität. Im folgenden werde ich versuchen, die Konzessivität im Sinne einer "versteckten Kausalität" zu definieren. Ausgehen möchte ich dabei von der verschiedentlich geäußerten Meinung, das Scheitern einer "normalen" Kausalrelation sei auf das Eintreten einer "singulären" Kausalrelation zurückzufuhren.62 Stellen wir uns als Beispiel diese Situation vor: eine Person hat des Morgens gesundheitliche Probleme; an dem betreffenden Tag steht eine wichtige Geschäftsbesprechung an; die Person geht ins Büro. Diese Sachlage kann durch ein konzessives Satzgefüge beschrieben werden: (47)

Obwohl Beate krank ist, geht sie heute morgen zur Arbeit.

Die Konzessivrelation basiert auf einer zweifachen Kausalbeziehung, einer hypothetischen (A) und einer sich tatsächlich ereignenden (B): A: Da Beate krank ist, geht sie nicht zur Arbeit. B: Da Beate eine wichtige Geschäftsbesprechung hat, geht sie zur Arbeit.

Die beiden Beziehungen können durch folgendes Schema dargestellt werden: (vn)

Grund (Ausgangszustand) AI: Krankheit B1: Geschäftsbesprechung

>

>

Folge (Endzustand) AT. nicht zur Arbeit gehen B2: zur Arbeit gehen

Es liegen somit zwei Ursachen vor, die als koexistent zu betrachten sind: die Krankheit (AI) - die normalerweise zur Folge hat, daß man seiner Arbeit nicht nachgeht - und 62

Unter 2.2.6 sind diesbezügliche Hinweise von Eggs (1977:123), Schramm (1977:27-8), Hermodsson (1978:63-4), Fang (1984:202-3) und Pötters (1992:157) kurz angesprochen worden.

34

eine wichtige Besprechung (Bl), die gewöhnlicherweise bedingt, daß man ins Büro geht. Was bedeutet es nun, die Kookkurrenz der beiden Ursachen zu behaupten? Beide Ausgangssituationen sind gleichermaßen wahr: "Beate ist krank" und "Beate hat eine wichtige Geschäftsbesprechung". Die Tatsache, daß Beate zur Arbeit geht, impliziert keineswegs, daß sie nicht krank ist! Den beiden Ausgangszuständen wird lediglich ein unterschiedlicher kausaler Wert zugeschrieben: Eine reale Ursache (Bl) steht im Gegensatz zu einer potentiellen Ursache (AI). Die beiden Folgen (A2 und B2) schließen sich indessen gegenseitig aus: Es ist unmöglich, gleichzeitig zur Arbeit zu gehen und nicht dorthin zu gehen. Nur einer der beiden Endzustände kann eintreten; es handelt sich dabei um B2 als Folge der realen Ursache Bl. Zusammenfassend kann also festgehalten werden, daß die sich in Opposition befindlichen Ausgangszustände beide real sind, während von den kontrastierenden Endzuständen einer real und der andere hypothetisch-imaginär ist. Es lassen sich zumindest drei Ebenen der Gegensätzlichkeit feststellen: 1) Zwischen zwei Ausgangszuständen. Es handelt sich um einen Kontrast zwischen dem, was wichtig ist (AI), und dem, was sich als noch wichtiger und daher ausschlaggebend erweist (Bl). AI ist ein Anfangszustand, dem große Beachtung zuteil wird (sonst käme er nicht so ausfuhrlich zur Sprache). Nur in Hinblick auf das ausbleibende Ergebnis A2 hat es Sinn, AI als irrelevant zu bezeichnen. Eine derartig "negative" Charakterisierung birgt jedoch das Risiko in sich, das argumentative Gewicht von AI herunterzuspielen. 2) Zwischen zwei Endzuständen. Es geht um den Gegensatz zwischen Wirklichkeit und Möglichkeit. A2 und B2 sind inkompatibel und stellen Alternativen dar, die nicht in ein und derselben Welt koexistieren können. 3) Zwischen einem Ausgangs- und einem Endzustand. Diese dritte Art von Kontrast (AI vs. B2) steht meist im Mittelpunkt der Definitionsversuche der Konzessivität. Es handelt sich dabei um eine besonders komplexe Opposition, bei der zwei unterschiedliche Aspekte zu beachten sind: a) Im Gegensatz zu den anderen beiden Kontrasten (AI vs. B l ; A2 vs. B2) haben wir eine Phasenverschiebung: AI liegt chronologisch vor B2 und befindet sich daher nicht in einem Verhältnis der realen oder gedachten Gleichzeitigkeit. b) Es liegt ein indirekter Kontrast vor, der sich logisch aus den anderen beiden Oppositionen herleitet. AI und B2 sind durch eine Art doppelter Rückkopplung verbunden: AI bewirkt A2, das sich in einem Kontrast der Alternativität zu B2 befindet. B2 wird von Bl bewirkt, das sich in einem Kontrast der Kookkurrenz zu AI befindet.

Worin besteht nun der interessanteste Aspekt der Konzessivrelation? Nach meinen Überlegungen ist es die Tatsache, daß die "erfolgreiche" Ursache (Bl) unbestimmt bleibt. Ausgehend von dieser entscheidenden Unterlassung meine ich, die Konzessivität als "versteckte Kausalität" definieren zu können. Zwar läßt sich B1 durch das Hin-

35

zufügen eines Kausalsatzes explizieren, doch diese Möglichkeit hat lediglich den Stellenwert einer fakultativen Zusatzinformation: (48)

Obwohl Beate krank ist, geht sie heute morgen zur Arbeit; sie hat nämlich eine wichtige Geschäftsbesp rechung

Betrachten wir im einzelnen, worin der Unterlassungscharakter der Konzessivrelation besteht. Wie gesagt, liegen einer konzessiven Beziehung zwei Kausalverbindungen zugrunde (eine davon ist unterbrochen): (viii)

AI B1

> >

(A2) B2

Die folgenden beiden Satzgefüge - das erste kausal, das zweite konzessiv - beziehen sich auf ein und dieselbe außersprachliche Situation: (49)a Da Beate eine wichtige Geschäftsbesprechung hat (Bl), geht sie zur Arbeit (B2). b Obwohl Beate krank ist (AI), geht sie zur Arbeit (B2).

Die kausale und die konzessive Konstruktion können folglich vom referentiellen Standpunkt aus als synonym betrachtet werden: Beide gehen von der Kausalrelation B1>B2 aus. Während in der einschlägigen Literatur bisher die Aufmerksamkeit fast ausschließlich auf die Tatsache gerichtet war, daß die Konzessivkonstruktion eine Kausalbeziehung (A1>A2) negiert, sollte auch gebührend hervorgehoben werden, daß sie auf einer Kausalbeziehung (B1>B2) basiert. Was die beiden Konstruktionen unterscheidet, ist die Art der Datenpräsentierung: Im Kausalsatz wird die Relation B1>B2 als B1>B2 ausgedrückt, im Konzessivsatz hingegen als A1>B2. Es liegen demnach zwei grundverschiedene "Argumentationsstrategien" vor. Die erste, kausale Strategie möchte ich als "direkt", "explizit" und "kooperativ" bezeichnen. Die zugrundeliegende Kausalrelation wird in völlig linearer, transparenter und daher "direkter" Weise wiedergegeben. Durch "explizite" Angabe der Ursache für das Eintreten eines Ereignisses kommt der Sprecher dem natürlichen Informationsbedürfiiis seines Gesprächspartners entgegen. Die kausale Strategie ist "kooperativ" nicht nur in Hinsicht auf das Gesagte, sondern auch in Hinblick auf das Verschwiegene. Es fehlt jeglicher Hinweis auf möglicherweise alternative Kausalbeziehungen (wie z.B. A1>A2). So wird die Relation B1>B2 als sicher und selbstverständlich dargestellt. Dem Gesprächspartner wird eine Gewißheit vermittelt - Zweifel, daß die Dinge sich auch anders hätten entwickeln können, werden von ihm ferngehalten. Die konzessive Strategie kann hingegen als "indirekt", "implizit" und "inkooperativ" angesehen werden. Die Ursache, die die real eingetretene Folge bewirkt hat, bleibt unerwähnt. Dafür wird auf eine virtuelle, unterbrochene Kausalbeziehung hingewiesen. Diese Strategie ist alles andere als kooperativ, da sie einerseits wichtige Informationen zur realen Welt vorenthält, andererseits auf hypothetische Welten anspielt. Der

36

Gesprächspartner ist in erster Linie daran interessiert, was sich in Wirklichkeit ereignet hat, und nicht so sehr daran, was hätte vorfallen können. Im Gegensatz zu ursächlichen Zusammenhängen gehört daher ein potentielles Hindernis nicht zu den primären Informationsbedürfnissen eines Kommunikationsteilnehmers.63 Die Semantik der kausalen und der konzessiven Relation läßt sich zusammenfassend anhand der folgenden beiden Schemata darstellen: (ix) Kausalkonstruktion hypothetische Welt [AI]

B1

>

[A2]

unwirksam

B2

wirksam

reale Welt

(x) Konzessivkonstruktion I

hypothetische Welt

AI

>;

[A2]

unwirksam

[Bl]

>

B2

wirksam

reale Welt

AI, Bl und B2 sind real existierende Sachverhalte, während A2 nur möglich ist und daher einen potentiell-hypothetischen Charakter hat. B1>B2 ist die tatsächlich verwirklichte Grund-Folge-Relation ("wirksames Kausalverhältnis"), A1>A2 hingegen die unterbrochene bzw. verhinderte Relation ("unwirksames Kausalverhältnis"). In beiden Schemata erscheinen die nicht explizierten Faktoren jeweils in eckigen Klammern. Die Kausalkonstruktion erwähnt die beiden Faktoren, die das wirksame Kausalverhältnis konstituieren (Bl, B2), und ignoriert diejenigen, die dem unwirksamen Kausalverhältnis angehören (AI, A2). Die Konzessivkonstruktion hingegen unterschlägt nicht nur A2 - einen unwirksamen und darüber hinaus hypothetischen Faktor - , sondern 63 Dieser Sachverhalt kann bereits aus der Tatsache geschlossen werden, daß eine Frage wie Warum bist du zur Arbeit gegangen? durchaus üblich ist, eine Konstruktion wie Ungeachtet welcher Tatsache bist du zur Arbeit gegangen? jedoch marginal, wenn nicht sogar inakzeptabel erscheint.

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auch Bl, einen wirksamen und realen Faktor. Noch aus einem weiteren Grunde erweist sich die Unterlassung von Bl als besonders schwerwiegend: während der Gesprächspartner indirekt einige Schlüsse hinsichtlich A2 ziehen kann (es handelt sich um eine Alternative zu B2, entgegengesetzt und komplementär), weiß er fast nichts über Bl. Die einzige Information, die ihm zur Verfugung steht, betrifft die relative Dominanz gegenüber AI. Während die Kausalkonstruktion die beiden wichtigsten Faktoren kodiert (Bl und B2), enthält die Konzessivkonstruktion lediglich einen davon (B2). Die Unterlassungen der kausalen Konstruktion (AI und A2) sind für den Gesprächspartner kaum relevant, die der konzessiven Konstruktion hingegen schon (besonders was Bl betrifft). Ausgehend von diesen Überlegungen, kann man - glaube ich - den Kausalsatz als die von einem semantisch-pragmatischen Standpunkt aus unmarkierte Konstruktion ansehen, den Konzessivsatz demgegenüber als die markierte Variante. Was die Semantik betrifft, so haben wir gesehen, daß Kausalstrukturen ausschließlich auf die Wirklichkeit Bezug nehmen, Konzessivstrukturen hingegen auch auf die Potentialität.64 Mit anderen Worten: Kausale Nebensätze kodieren eine positive Kraft (eine wirksame Ursache), konzessive Nebensätze eine negative Kraft (einen unwirksamen Grund, ein Hindernis). Was die Pragmatik angeht, so erweisen sich Kausalstrukturen als kooperativ, Konzessivstrukturen hingegen nicht. Den Parametern explizit-implizit und direktindirekt lassen sich ebenfalls relative Markiertheitswerte zuteilen. Konzessivsätze können aufgrund ihres "verhüllenden" Charakters zum Ausdruck spezifischer kommunikativer Intentionen verwendet werden.65 Welche Vorteile ergeben sich für den Sprecher aus der Unterschlagung der "erfolgreichen" Ursache? Anders ausgedrückt: Welche rhetorisch-pragmatischen Absichten verfolgt er mit der Verwendung einer konzessiven Satzstruktur? Im allgemeinen handelt es sich nicht um das Zugeständnis eines entgegengesetzten argumentativen Standpunktes. Konzessivsätze dienen grundsätzlich anderen Zwecken: a) Es wird die Verpflichtung zurückgewiesen, sich zu der Ursache eines bestimmten Sachverhaltes äußern zu müssen. Diese Vermeidungsstrategie erweist sich als vorteilhaft, wenn die Ursache beispielsweise unbekannt ist oder wenn ein Zusammenspiel von mehreren Ursachen vorliegt. Um auf Beispiel (47) zurückzukommen: Man muß sich fragen, warum Beate doch zur Arbeit geht. Der Grund kann - wie schon gesagt eine wichtige Geschäftsbesprechung sein. Es kann allerdings auch angenommen werden, daß Beate ihren besonders strengen Chef furchtet, daß sie keineswegs alleine zur Hause bleiben will usw.

64

Vgl. die von Mayerthaler (1981:14-5) vorgeschlagenen Markiertheitskriterien. So erklärt sich vielleicht auch die Tatsache, daß sich für Konzessivsätze - einziger Fall unter den Adverbialsätzen - eine terminologische Bezeichnung durchgesetzt hat, die nicht auf eine logischsemantische Korrelation hinweist, sondern auf eine mögliche Verwendung (s. oben 2.1).

38

b) Es wird der Endzustand hervorgehoben. Der Sprecher betont das Eintreten eines Ereignisses (Gang zur Arbeit), das aufgrund des Vorhandenseins einer Verhinderung nicht als selbstverständlich zu werten ist. c) Es wird eine starke Erwartung geweckt.66 Der Gesprächspartner kann neugierig werden und rätseln, welche Ursache so wirkungsvoll ist, eine Ordnung umzustürzen, die er aufgrund der ihm vorliegenden Informationen als "normal" und "regelgemäß" empfindet. Im Falle des Beispiels (47) \yeiß der Gesprächspartner lediglich, daß ein zwingender Grund vorliegen muß, der Beate dazu bringt, trotz ihrer Krankheit zur Arbeit zu gehen. Wir haben bisher gesehen (2.2.4.-2.2.6.), daß in zahlreichen Studien auf den "außergewöhnlichen" und "anomalen" Charakter der Konzessivrelation hingewiesen wird. Die Definition der Konzessivität als "versteckte Kausalität" erlaubt es, diese Einschätzung als weitgehend unzutreffend zurückzuweisen. Betrachten wir nochmals das dem Satz (47) zugrundeliegende Schema: (xi) Grund (Ausgangszustand) M.Krankheit Bl: Geschäftsbesprechung

> >

Folge (Endzustand) A2: nicht zur Arbeit gehen B2: zur Arbeit gehen

Ausgehend von einem Konflikt zwischen zwei Anfangszuständen (AI und Bl) kann man sich zwei unterschiedliche Szenarien vorstellten, je nachdem welcher der beiden Zustände sich als prioritär erweist: Ist die Krankheit der entscheidende Faktor, wird Beate nicht zur Arbeit gehen (trotz der Wichtigkeit der Geschäftsbesprechung); ist es die Geschäftsbesprechung, wird Beate zur Arbeit gehen (trotz ihrer Krankheit). Beide Szenarien besitzen a priori einen vergleichbaren Wahrscheinlichkeitswert und können jeweils sowohl durch eine kausale als auch durch eine konzessive Satzstruktur beschrieben werden: (xii) AI übertrifft Bl: kausal: Da Beate krank ist (AI), geht sie nicht zur Arbeit (A2). konzessiv: Obwohl Beate eine Geschäftsbesprechung hat (B1), geht sie nicht zur Arbeit (A2). Bl übertrifft AI: kausal. Da Beate eine Geschäftsbesprechung hat (Bl), geht sie zur Arbeit (B2). konzessiv: Obwohl Beate krank ist (AI), geht sie zur Arbeit (B2).

Der "Sieg" von AI wie auch der von Bl stellen mögliche Konstellationen dar, die jeweils auf einer regulären Kausalrelation basieren: im ersten Fall A1>A2 (wenn man 66

Die "Enttäuschung einer Erwartung", so oft als definitorischer Faktor der Konzessivität angeführt, ist eigentlich eine angekündigte Enttäuschung. Ein wahres Überraschungsmoment bleibt aus.

39 krank ist, geht man nicht zur Arbeit), im zweiten Fall B1>B2 (wenn man eine wichtige Geschäftsbesprechung hat, geht man zur Arbeit). Der spezifische, kontingente Situationskontext wird dann bestimmen, welche der beiden Kausalrelationen sich verwirklichen kann und welche im Rahmen der potentiellen Möglichkeiten bleibt. Wenn Konzessivkonstruktionen auf den ersten Blick "anomale" Entwicklungen zu kodieren scheinen, so hängt dies nicht mit der Beschaffenheit der außersprachlichen Situation zusammen, sondern resultiert allein aus der Art und Weise der Datenpräsentierung: Die wirksame Ursache wird verschwiegen. Mit der Definition von Konzessivität als "versteckter Kausalität" werden Konzessivsätze als Sonderform der Kausalsätze betrachtet. Man könnte demnach von "konzessiven Kausalsätzen" oder "versteckten Kausalsätzen" sprechen. Gleichwohl erscheint es mir zweckmäßig, den traditionellen Terminus "Konzessivsätze" beizubehalten, da es sich um einen kurzen, prägnanten sowie allgemein bekannten Ausdruck handelt, der mit neuem Inhalt gefüllt - durchaus noch seine Dienste leisten kann. 67 Im allgemeinen laufen nämlich Neuerungsvorschläge - wie z.B. auch "unzureichende Bedingung für die Änderung eines Geschehens" (Schramm 1977) oder "inkausal" bzw. "inkonditional" (Hermodsson 1978) - stets Gefahr, terminologische Eintagsfliegen zu bleiben. Wir haben in diesem Abschnitt gesehen, daß konzessive Satzstrukturen aus semantischen und pragmatischen Gründen gegenüber den Kausalsätzen als markiert gelten können. Diese Tatsache kann vielleicht dazu beitragen, die eingangs (2.1) erwähnte Sonderstellung der Konzessivstrukturen unter den Adverbialsätzen näher zu beleuchten und eine Erklärung für den späten Spracherwerb, die späte Herausbildung in der Entwicklung einer Sprache oder das Fehlen eines spezifischen konzessiven Fragewortes zu finden.

2.4. Die Rolle der Präsuppositionen In einem allgemein-pragmatischen - nicht streng-logischen - Sinne sind Präsuppositionen als Voraussetzung eines Sprechaktes zu verstehen, genauer gesagt als die Gesamtheit dessen, was vom Sprecher zu Beginn seiner Äußerung als bekannt oder selbstverständlich angenommen wird. 68 Es handelt sich um Sachverhalte, die im weitesten Sinne unstreitig sind und daher "nicht zur Diskussion stehen". Dieses Hintergrundwissen ist für die Angemessenheit und das Gelingen des Sprechaktes von funda-

67

Aus diesem Grunde verzichte ich auf den Gebrauch von Anführungsstrichen oder auf Formulierungen wie sogenannte Konzessivsätze (vgl. dagegen Kaufmann 1974 und Wesemann 1979).

68

Eine ausfuhrliche Diskussion der verschiedenen Aspekte der Präsuppositionsproblematik findet sich bei Reis (1977). Zentrale Relevanz nimmt dabei ihr Definitionsvorschlag eines "essentiell-pragmatischen" Präsuppositionsbegriffs ein (1977:87-95).

40 mentaler Relevanz. 69 Greifen wir auf ein bereits eingehend untersuchtes Beispiel zurück: (50)

Obwohl Beate krank ist, geht sie zur Arbeit.

In einer Konzessivrelation AI (Krankheit) > B2 (Arbeit) werden in der Regel folgende vier Aspekte präsupponiert: 70 1) Die Wahrheit des Antezedens AI (Beate ist krank). 2) Eine Kausalbeziehung A1>A2 (wenn Beate krank ist, geht sie nicht zur Arbeit)-, A2 ist ein nicht näher präzisierter Sachverhalt, von dem man lediglich die Inkompatibilität zu B2 kennt (z.B. zum Arzt gehen, ins Krankenhaus kommen, zu Hause bleiben). 3) Ein allgemeines Prinzip: Wenn die Leute krank sind, gehen sie nicht zur Arbeit. 4) Die Existenz von Bl: Es handelt sich um eine beliebige Ursache, die sich gegen AI durchgesetzt und die Wirkung B2 erzeugt hat. Wie man sieht, kann der PräsuppositionsbegrifF von Nutzen sein, um die Semantik der Konzessivkonstruktionen näher zu beschreiben. Zwei Faktoren, die eine Schlüsselrolle bei der Definition der Konzessivität spielen, gehören nämlich zum präsupponierten Hintergrundwissen: zum einen die unterstellte "Norm" bzw. die "unterbrochene Kausalrelation" (A1>A2), zum anderen die unterschlagene Ursache (Bl). Wir haben unter 2.2.2 einige Beispiele betrachtet, in denen konzessive Konnektive einen Kontrast zwischen zwei normalerweise kompatiblen Ereignissen erzeugen. Diese Sätze können nun genauer als Konfliktfalle zwischen Präsuppositionen interpretiert werden: (51)

Obwohl Fritz gesund ist, geht er zur Arbeit.

Wenn nicht ein besonderer Kontext gegeben ist, erscheint dieses Beispiel in pragmatischer Hinsicht anomal, da die Präsupposition einer spezifischen Kausalrelation {wenn Fritz gesund ist, geht er nicht zur Arbeit) zu der Präsupposition einer allgemein anerkannten Kausalbeziehung (wenn jemand gesund ist, geht er zur Arbeit) in Opposition gerät. Mit anderen Worten: Das generelle Prinzip, auf das die spezifische Relation hinzuweisen scheint (wenn jemand gesund ist, geht er nicht zur Arbeit), kann keineswegs als unkontrovers vorausgesetzt werden. Es entsteht somit ein Präsuppositionskonflikt

69

Die Beziehungen zwischen Konzessivität und Präsuppositionen sind u.a. von Nguyen (1983), Mazzoleni (1990:17-27), Pötters (1992:33-6) und Pasch (1994:23-27) untersucht worden. Ein kurzer Hinweis findet sich auch bei Reis (1977:59-60).

70

Die Darstellung basiert auf den unter 2.3 vorgebrachten Überlegungen. Außerdem habe ich einige Ansatzpunkte von Gettrup/Nelke (1984:12), König/Eisenberg (1984:318-321) und Pötters (1992.34-5) berücksichtigt. Es muß allerdings mit der Möglichkeit einer kontextuellen Variation gerechnet werden, da "kaum eine sprachliche Einheit durchgängig konstante präsuppositionale Eigenschaften" aufweist (Reis 1977:158).

41 zwischen Sprecher und Hörer, da letzterer stets davon ausgehen muß, daß ersterer sich an sämtliche Präsuppositionen einer Äußerung hält. Es gibt einen weiteren Aspekt der Konzessivkonstruktion, der dank der Präsuppositionsanalyse näher beleuchtet werden kann: (52)

Er hat die neue Stelle angenommen, obwohl seine Frau dagegen war - oder vielleicht gerade deswegen.

Die unter 2.2.6 angesprochene Austauschbarkeit von kausalen und konzessiven Satzstrukturen läßt sich nun als Substitution von Präsuppositionen erklären: Bei dem konzessiven obwohl-Satz lautet die Präsupposition 'normalerweise tut er nichts gegen den Willen seiner Frau', bei der als Korrektur gedachten Kausalkonstruktion hingegen 'normalerweise tut er das Gegenteil von dem, was seine Frau von ihm verlangt'. Eine wichtige Charakteristik der Konzessivkonstruktion besteht ferner darin, daß ihre beiden Teilsätze syntaktisch nicht vertauschbar sind (s. 2.2.2). Der Inhalt des untergeordneten Satzes kann nicht zum Inhalt des übergeordneten Satzes werden (oder umgekehrt), ohne daß die Semantik der Gesamtkonstruktion grundlegend verändert wird (s. 3.4). Im folgenden Beispielpaar ist Satzgefüge (b) inhaltlich nicht äquivalent zu (a) und bedarf eines besonderen Kontextes, um als akzeptabel angenommen zu werden: (53) a Obwohl Beate krank ist, geht sie zur Arbeit, b Obwohl Beate zur Arbeit geht, ist sie krank.

Der untergeordnete Teilsatz enthält in der Regel die Präsupposition einer ergebnislosen Ursache (z.B. Krankheit), während im übergeordneten Teilsatz die "siegreiche" Folge (z.B. Gang zur Arbeit) assertiert wird. Satz (53b) erscheint anomal, da genau spiegelverkehrt die "siegreiche" Folge präsupponiert und die ergebnislose Ursache assertiert wird. Derartige Beispiele werde ich im weiteren Verlauf der Untersuchung als "rekonstruktiv" bezeichnen (3.4). Der Begriff der Präsupposition kann schließlich zur Interpretation einiger Eigenschaften herangezogen werden, die die Konzessivsätze von den übrigen Adverbialsätzen abheben (vgl. 2.1). Wie Soutet (1990:12-3) vermerkt, ist beispielsweise die Ungrammatikalität eines Spaltsatzes {* obwohl sie ihm wenig Geld dafür geben, ist es, daß Hans es tut), eines adverbialen Zusatzes (*gerade obwohl sie ihm wenig Geld geben...) oder einer Negation (*nicht obwohl sie ihm wenig Geld geben...) auf die Tatsache zurückzufuhren, daß Präsuppositionen nicht assertiert oder negiert werden können.

3. Klassifikation der wichtigsten konzessiven Werte Im vorigen Kapitel sind die gängigen Definitionsversuche des Begriffs der Konzessivität ausfuhrlich diskutiert worden. In diesem Kapitel möchte ich mich nun mit einem wichtigen Aspekt näher befassen, der bereits ansatzweise zur Sprache gekommen ist: Es ist nämlich zu bedenken, daß die Konzessivrelation ein komplexes, polysemes Gebilde darstellt, das je nach Kontext verschiedene semantische Werte annehmen kann. Mein Vorschlag, die Konzessivität als versteckte Kausalität zu betrachten, bezieht sich daher in erster Linie auf den semantisch prototypischen Fall einer faktischkausalen Gegenüberstellung von Sachverhalten. Daß es darüber hinaus noch andere Werte gibt, ist eine allgemein bekannte Tatsache. Den Grammatiken sowie den einschlägigen Studien zur Konzessivität lassen sich zumindest drei große Einteilungen entnehmen: a) faktische vs. indirekte Konzessivität b) faktische vs. ¡imitativ-korrektive Konzessivität c) faktische vs. hypothetische Konzessivität

Betrachten wir nun im einzelnen jede dieser drei Oppositionen. a) Faktische vs. indirekte Konzessivität. Während die faktische Konzessivität - wie wir gesehen haben - auf der Existenz einer (negierten) Kausalbeziehung basiert, sind anderweitige Verwendungen zu verzeichnen, in denen ein direkter kausaler Zusammenhang zwischen den beiden Sachverhalten zu fehlen scheint. Zum einen werden Beispiele wie die folgenden angeführt: (1) (2)

Sie ist schön, wenn auch dumm. Das Haus ist klein, aber es ist hübsch gelegen.

Die Bezeichnung derartiger Konstruktionen variiert stark: Einige Autoren sprechen von einer einschränkenden Variante (Härtung 1971:128; Baschewa 1980:108-11; Metrich 1983:99-100), andere verwenden die Termini adversativ (Schramm 1977:38), diskursiv (König 1991a:634-5) oder evaluativ (Eggs 1977:124-5). Meist wird allgemein von einer indirekten Beziehimg zwischen den Sachverhalten gesprochen (Brauße 1982:12ff.; Fritsche 1986:57ff.; Primatarova-Miltscheva 1986:129-31; Martin 1987:88; Mazzoleni 1991:786-7). Zum anderen werden Sätze wie die folgenden erwähnt: (3) (4)

Obwohl das Gras trocken ist, behaupte ich, daß es geregnet hat. Sie ist zufrieden, obwohl sie weint.

43

Pötters (1992:36-8) geht hier von einer diskursiven oder illokutionären Konzessivität aus.1 Andere Autoren, wie z.B. Elgenius (1991:17-8), greifen auch für diese Variante auf die Bezeichnung indirekt zurück. Wie wir sehen, stellt sich die terminologische Vielfalt als verwirrend dar.2 Im folgenden werde ich von evaluativer (Sätze 1-2) und rekonstruktiver Konzessivität (Sätze 3-4) sprechen (s. 3.3 bzw. 3.4). In den semantischen Bereich der indirekten Konzessivsätze gehört noch eine weitere Variante, die ich als kommentarisch bezeichnen möchte (s. 3.2): (5)

Ich bin Profifußballer geworden, obwohl ich das später bereut habe.

b) Faktische vs. Imitativ-korrektive Konzessivität. Der Konzessivsatz enthält eine nachträgliche Präzisierung, die als eigener Sprechakt gewertet werden kann. Die vorangegangene Aussage wird berichtigt, in Zweifel gezogen oder scheinbar ganz zurückgenommen: (6) Er war glücklich verheiratet, wenn auch nur für kurze Zeit. (7)a Der Tennisplatz ist nach dem Regenschauer noch unbespielbar - auch wenn man eigentlich schon anfangen könnte, vorsichtig von der Grundlinie zu spielen. b Hans ist ein ängstlicher Mensch; obwohl das Wort schüchtern vielleicht eher angebracht wäre.

Auch diese Verwendungen sind unterschiedlich benannt worden. In den meisten Studien wird der Terminus restriktiv bzw. einschränkend verwendet (z.B. Boettcher/Sitta 1972:151; Schramm 1977:38; Pötters 1992:43-6). Für diese Beispiele, so meine ich, ist der Ausdruck tatsächlich geeigneter als für Sätze wie (1) und (2). Mitunter wird auch mit kleineren Bedeutungsunterschieden verbunden - von Rektifikation (Metrich 1980a; 1983:94-6; Morel 1996:10-15), Refutation (Pötters 1992:43-6) oder Revision (Boettcher/Sitta 1972:151) gesprochen.3 Im folgenden möchte ich Verwendungen wie (6) und (7) trotz großer Ähnlichkeiten terminologisch auseinanderhalten und werde sie als /imitativ bzw. korrektiv bezeichnen.4 c) Faktische vs. hypothetische Konzessivität. Fast alle Grammatiken und Studien erwähnen den Unterschied zwischen einer objektiv-realen Konzessivrelation, in der zwei tatsächliche Sachverhalte in Beziehung zueinander gesetzt werden (Satz 8), und 1

Vgl. auch die Ausführungen von Handke (1985:5).

2

Es sei am Rande erwähnt, daß der Kontrast zwischen direkten und indirekten Konzessiv- bzw. Adversativsätzen mitunter auch als intern vs. extern (Halliday/Hasan 1976:25Off ), empirisch vs. rhetorisch (Borkin 1980:50ff), logisch vs. argumentativ (Moeschler/de Spengler 1982:9-10) oder kausal vs. epistemisch (König 1988:148) bezeichnet wird.

3

Zu diesem Problemkreis siehe ferner Herczeg (1976b:201,215), Martin (1982: 35-7; 1987:88-90), Moretti (1983:23), Elgenius (1991:18-20) und Mazzoleni (1991:816-7).

4

Siehe jeweils 3.5 und 3.6. Es scheint mir zudem angebracht, den Oberbegriff indirekt auch auf diese beiden Varianten anzuwenden (vgl. 6.7).

44

einer hypothetisch-konditionalen Relation, bei der einer der Sachverhalte lediglich angenommen, gedacht oder möglich ist. Dieser Sachverhalt besitzt einen virtuell-potentiellen Status mit unterschiedlichem Wahrscheinlichkeitsgrad der Realisierung (Beispiele 9a-c): (8) (9) a b c

Auch wenn er gestern krank war, ist er zur Arbeit gegangen. Auch wenn er krank ist, geht er zur Arbeit. Auch wenn er krank wäre, ginge er zur Arbeit, Auch wenn er krank gewesen wäre, wäre er zur Arbeit gegangen.

Zu den konzessiv-hypothetischen Relationen werden des öfteren zwei weitere Verwendungen gezählt, die eine Gradangabe bzw. eine Verallgemeinerung enthalten: (10) (11)

So sehr sie sich auch anstrengte, sie schaffte es nicht, den Schrank zu verschieben. Was du auch immer sagen magst, ich bleibe bei meiner Meinung.

Die Klassifikationsversuche der hypothetischen Varianten weichen z.T. stark voneinander ab. Manche Autoren (wie z.B. König 1991a:635-6) sprechen unterschiedslos von Irrelevanzkonditionalen, andere fassen Sätze wie (10) und (11) als Subkategorie zusammen,5 wieder andere stellen (9) und (11) als Einheit Verwendungen wie (10) gegenüber (Baschewa 1980:106; Boettcher 1972:114ff.). Meines Erachtens müssen hier - wie schon Fang (1984) erkannt hat - drei unterschiedliche Varianten angenommen werden, die ich als konditional, skalar und polykonditional bezeichnen werde (letztere terminologische Neuprägung wird unter 3.9 näher erklärt). Vergegenwärtigt man sich die drei großen Einteilungen der sekundären Konzessivwerte (indirekte, limitativ-korrektive und hypothetische Verwendungen), so lassen sich Schwachpunkte erkennen. Auf formaler Ebene fallt ein schwankender oder z.T. gar widersprüchlicher terminologischer Gebrauch auf. Auf inhaltlicher Ebene - was schwerwiegender ist - steht eine präzise, erschöpfende und systematische Klassifikation immer noch aus,6 obwohl die Existenz unterschiedlicher konzessiver Werte mittlerweile als bekannt vorausgesetzt werden kann. Mit anderen Worten: Es zeigt sich die Dringlichkeit einer Klassifikation, die feine semantische Unterschiede berücksichtigt, eine große Anzahl von unterschiedlichen Verwendungen ins Auge faßt und die einzelnen Konzessivwerte gezielt miteinander in Verbindung setzt. Ein erster Schritt in diese Richtung könnte durch meinen Vorschlag gegeben sein, außer dem semantisch zentralen faktischen Wert weitere acht konzessive Varianten zu unterscheiden: kommentarisch, evaluativ, rekonstruktiv, limitativ, korrektiv, konditio-

So beispielsweise Hermodsson (1978:80), der Verwendungen wie (9) als inkonditional und (10-11) als generell inkonditional bezeichnet. Vergleichbar ist die von Pötters (1992:29) vorgeschlagene Unterscheidung zwischen einfachen und generalisierenden Verwendungen. Ich schließe mich hier der vor einigen Jahren von König (1988:148) geäußerten Bewertung der Forschungslage an.

45

nal, skalar und polykonditional. Wir werden sehen, wie diese einzelnen Verwendungen sich aus dem allgemeinen, unter 2.3 ausgearbeiteten Konzessivschema ableiten lassen.

3.1. Faktische Konzessivität In Kapitel 2 wurden die wichtigsten semantisch-pragmatischen Eigenschaften der Konzessivrelation generell bestimmt. Wie im folgenden ausgeführt wird, deckt diese Analyse nicht das gesamte Spektrum der möglichen Konzessivwerte ab. Sie bezieht sich im wesentlichen auf den zentralen, (proto-)typischen Fall einer Opposition zweier Tatbestände, die durch ein doppeltes Kausalverhältnis miteinander verbunden sind. Diese grundlegende Form von Konzessivität möchte ich nun genauer als faktisch bezeichnen, um sie von den übrigen, sekundären Werten (s. 3.2-3.9) abzuheben. Faktische Beispiele wie (12) (13)

Wenn er auch müde war, er beendete seine Arbeit. Obwohl er sich sehr bemühte, fiel er durch die Prüfung.

basieren auf dem allgemeinen Grundschema der Konzessivität: (i)

Grund (Ausgangszustand) AI [Bl:???]

> >

Folge (Endzustand) [A2] B2

In eckigen Klammern werden die beiden nicht explizierten Faktoren wiedergegeben (A2 und Bl). Von A2 wissen wir zumindest, daß es sich um einen komplementären Zustand zu B2 handelt. Das Ausbleiben einer näheren Präzisierung fällt kommunikativ kaum ins Gewicht, da es sich um einen unwirksamen und zudem noch hypothetischen Faktor handelt. B1 ist darüber hinaus mit Fragezeichen versehen. Dadurch soll hervorgehoben werden, daß wir keinerlei Informationen über diesen Zustand besitzen und daß diese Wissenslücke zugleich kommunikativ relevant ist, da es sich um einen realen, wirksamen Faktor handelt. Wird die Konzessivrelation - wie in den Beispielen (12) und (13) - durch ein hypotaktisches Satzgefüge ausgedrückt, so ist AI durch den untergeordneten, B2 durch den übergeordneten Teilsatz kodiert (im Schema durch Fettdruck hervorgehoben). Die für die Hypotaxe typische Hierarchisierung der Informationswerte stellt die wirksame Folge in den Vordergrund, die unwirksame Ursache indessen in den Hintergrund. Betrachten wir nun folgenden Beleg aus dem Korpus: (14)

Obwohl der Zugewinn allein im Vermögen des jeweiligen Ehegatten steht, soll der andere nach Auflösung der Gemeinschaft daran teilhaben. (Werner, 20)

Wenn der finanzielle Zugewinn in einer Ehe auf einen der beiden Partner zurückgeht (AI), könnte man meinen, daß der Betreffende nach der Scheidung auch der alleinige

46 Nutznießer ist (A2). Das Gegenteil ist jedoch der Fall (B2). Dieser zunächst überraschend erscheinende Tatbestand hat allerdings einen guten Grund ( B l ) . Wie dem weiteren, von mir unter (14) nicht mehr angeführten Textzusammenhang zu entnehmen ist, geht es um das Prinzip, nach dem die Ehe - auch in materieller Hinsicht - als Schicksals- und Sorgegemeinschaft aufzufassen ist; durch die Auflösung der Ehe soll daher keiner der beiden Partner seiner bisherigen Existenzgrundlage beraubt werden. Es seien ferner die folgenden Beispiele erwähnt, deren Semantik sich durch das gleiche faktische Grundschema beschreiben läßt: (15) (16) (17) (18)

(19) (20) (21) (22) (23)

Obwohl sie sich ohne Vorwurf verabschiedet hatte, blieb eine Verstimmung am Tisch zurück. (Schneider, 57) Die Zahl der Arbeitslosen war Ende 1993 mit 1,175 Mio. nur um 74 000 höher als zur gleichen Voijahreszeit, obwohl rd. 370 000 Personen weniger mit arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen gefördert wurden. (.Jahreswirtschaftsbericht, 15) Obgleich das junge Unternehmen bereits nach vier Auktionen die Verlustzone verlassen hat, ist Parthen mit der Entwicklung in Berlin nicht uneingeschränkt glücklich: "Ich habe das unter anderen Voraussetzungen gegründet." (FAZ 3-1-94, 12) Den zweitgrößten Posten der EU-Ausgaben stellen die Strukturfonds dar. Sie kommen in erster Linie den Mittelmeerländern zugute sowie Frankreich und Irland; Deutschland erhielt aus diesen Mitteln bisher fast nichts, obschon es natürlich auch zu ihnen 30 Prozent beisteuert. (FAZ 12-1-94, 8) Den Welpen vom Kopfkissen brachte ich zu der Hündin in den Stall, die, obzwar mit dem Schwanz wedelnd, plötzlich nach mir biß. (Herburger, 260) Wenn hier auch die Eigeninitiative der Betroffenen gefordert ist, muß der Staat Angebote bereithalten, die der Demotivierung und Dequalifikation der Arbeitslosen entgegenwirken. (Jens, 167-8) In der letzten Reihe der Prioritäten befindet sich der Aktionär, auch wenn er formell als Besitzer des Unternehmens gilt. (Reimann, 27) Seinetwegen präsentierte niemand das Gewehr, wenngleich er in nicht unwichtiger Funktion das Reichsluftfehrtministerium betrat. (Grass, 70) So erfuhren wir, Joyce habe einen auffallig unsicheren Gang gehabt, da er, wiewohl erst in der Mitte seines Lebens, schon fast blind war. (FAZ 7-1-94, 26)

3.2. Kommentarische Konzessivität In einigen konzessiven Beispielen wird ein Kontrast zwischen einem Tatbestand und einer Meinung bzw. Auffassung oder Ansicht ausgedrückt. Für diese semantische Relation möchte ich die Bezeichnimg kommentarisch vorschlagen. Es werden nämlich zwei völlig unterschiedliche Ebenen gegenübergestellt: eine objektiv-reale Begebenheit und eine subjektive Einschätzung. Betrachten wir folgendes Beispielpaar, in dem der erste Satz ein faktisches Verhältnis, der zweite ein kommentarisches kodiert: (24) a Schumacher hat das Rennen gewonnen, obwohl an einem gewissen Punkt die Motorleistung stark nachgelassen hat. b Schumacher hat das Rennen gewonnen, obwohl ich an einem gewissen Punkt befurchtet habe, er könnte seinen Vorsprung nicht mehr halten.

47

Im Fall (a) tritt ein plötzlicher mechanischer Defekt auf, der den Rennausgang beeinträchtigen kann und somit ein tatsächliches Hindernis auf dem Weg zum Sieg darstellt. Im Fall (b) hingegen hat die persönliche Überzeugung des Sprechers nicht den geringsten Einfluß auf das Renngeschehen: Ob Schumacher gewinnt oder verliert, hängt nicht von der Meinungsäußerung eines Zuschauers ab! Meines Erachtens lassen sich drei Varianten der kommentarischen Konzessivrelation aufzeigen. In der ersten Variante unterscheidet sich die kommentarische Verwendimg (25a) nur geringfügig von der jeweiligen faktischen Konstruktion (25b): (25) a Deutschland hat gewonnen, auch wenn die Journalisten die Mannschaft für konditionsschwach gehalten hatten, b Deutschland hat gewonnen, auch wenn die Mannschaft konditionsschwach war.

Diese erste kommentarische Verwendimg basiert auf folgendem Konzessivschema: (ii)

Grund (Ausgangszustand) K: AI >

[Bl: ???]

>

Folge (Endzustand) [A2]

B2

Der einzige Unterschied zur faktischen Relation besteht darin, daß es sich bei dem unwirksamen Anfangszustand nicht mehr um eine Tatsache (AI), sondern um einen Kommentar zu einer - vermeintlichen - Tatsache handelt (K: AI). Jemand ist von der Wahrheit von AI überzeugt; aus AI folgt A2, das sich in Alternative zu B2 befindet. Der wirksame Grund Bl wird verschwiegen. Durch den Gebrauch einer konzessiven Konstruktion wie (25a) scheint der Sprecher demjenigen Glauben zu schenken, der die betreffende Meinung zu AI geäußert hat: Diese wird als fundiert angesehen.7 Wenden wir uns nun der zweiten kommentarischen Verwendung zu: (26)

Deutschland hat gewonnen, auch wenn die Journalisten sicher waren, die Mannschaft würde verlieren.

Das Beispiel läßt sich auf folgendes Schema zurückfuhren: (iii)

Grund (Ausgangszustand) [AI:???] >

[Bl: ???]

>

Folge (Endzustand) K:A2

B2

In diesem Fall werden die beiden Faktoren A2 und B2 expliziert. Sieg und Niederlage in einem sportlichen Wettbewerb schließen sich gegenseitig aus. Es handelt sich um zwei inkompatible Tatbestände, die nur in unterschiedlichen Welten koexistieren können: B2 ist ein Faktum, A2 gehört dagegen in den Bereich der persönlichen Ansichten. Es sei noch darauf hingewiesen, daß dem Hörer/Leser nicht nur Bl (warum hat Der Sprecher geht also davon aus, daß - im Rahmen der konversationellen Implikaturen - die Gricesche "Maxime der Qualität" eingehalten wurde.

48

Deutschland trotz allem gewonnen?), sondern auch AI (welche Tatsache hat die Journalisten dazu gefuhrt, eine Niederlage anzunehmen?) vorenthalten wird. Sätze wie (26) lassen sich im Gegensatz zur ersten kommentarischen Variante nicht in korrespondierende faktische Relationen umwandeln:8 (27)

* Deutschland hat gewonnen, auch wenn die Mannschaft verloren hat.

Am Rande sei noch erwähnt, daß die zweite kommentarische Verwendung in gewisser Weise "direkter" als die erste erscheint: Im ersten Fall wird die Überzeugung AI ausgedrückt, aus der man A2 folgern kann, im zweiten betrifft die Überzeugung unmittelbar A2. Folgendes Beispiel verdeutlicht die dritte kommentarische Variante: (28)

Deutschland hat gewonnen, auch wenn es absurd scheint

Man kann hier folgendes Schema annehmen: (iv)

Grund (Ausgangszustand) [AI:???] > [Bl: ???] >

Folge (Endzustand) [A2] K:B2

Der Kommentar hinsichtlich der "Absurdität" von B2 verweist implizit auf die "Normalität" von A2. Diese Konzessivkonstruktion liefert ebenfalls keine Antwort auf die beiden Fragen: Warum hat Deutschland gewonnen (Bl)? Warum erscheint der Sieg absurd (AI)? Der einzige explizierte Faktor ist demnach B2. Wie schon (26) kann auch dieses Beispiel nicht in eine faktische Relation umgewandelt werden, da das faktische Grundschema die Explizierung von zwei Faktoren erfordert. In sämtlichen kommentarischen Verwendungen wird die Meinungsäußerung durch den untergeordneten Satz, das Faktum hingegen durch den übergeordneten ausgedrückt. Der Kommentar kann je nach Variante AI, A2 oder B2 betreffen, d.h. jeden Faktor außer der "versteckten" wirksamen Ursache Bl. Mitunter wird außer Bl auch die Ursache AI verschwiegen. Die drei verschiedenen kommentarischen Verwendungsweisen können durch die folgenden Beispiele (29-31) nochmals veranschaulicht werden: (29) (30) (31)

Inge hat protestiert, auch wenn ihr Mann wußte, daß es zwecklos war. Inge hat protestiert, auch wenn ihr Mann wußte, daß sie es nicht tun würde. Inge hat protestiert, auch wenn es ihrem Mann seltsam erschien.

Einige Belege aus dem Korpus sollen nun die Semantik der kommentarischen Konzessivität weiter verdeutlichen. Betrachten wir zunächst Beispiele, in denen der Kom-

Nur im Falle einer Interpretation, die den Verben gewinnen und verlieren metaphorische Bedeutung zuschreibt, erscheint das folgende Beispiel akzeptabel.

49 mentar die unwirksame Ursache AI betrifft. Im konzessiven Nebensatz finden sich meist Verben der Meinungsbildung und -äußerung wie finden, glauben, sagen, nennen: (32) (33)

(34) (35)

Rebekka hat eine andere Frisur, sieht nicht schlecht aus, obwohl ich die frühere vielleicht etwas besser fand (Wohmann, 94) Deswegen muß die Auflösung der alten internationalen Ordnung als Fortschritt angesehen werden, obwohl Politiker im Westen, die die alte Rolle einer Supermacht als notwendig für den Weltfrieden ansehen, glauben, daß ohne Erhaltung der internationalen Arbeitsteilung der Weltfrieden gefährdet sein wird. (Reimann, 34-5) Was hier mal war, ist sowieso vorbei und gelaufen, auch wenn ich immer sag, daß in unserer Republik nicht alles nur schlecht gewesen ist. (Grass, 768) Noch bin ich entschlossen, meine Drohung wahrzumachen, auch wenn Amanda sie Kinderei nennt. (Becker, 349)

Mitunter kann ein solches Verb fehlen, wenn es aus dem Kontext erschließbar ist: (36)

Das wegweisende Modell Kleines Walsertal ist komplett fertig und dennoch gestorben, obwohl es - den Menschen und der Natur zuliebe - zumindest eine Chance verdient gehabt hätte. (FAZ 6-1-94, Rl)

Die unwirksame Folge A2 wird kommentiert, wenn das Gegenteil der sich tatsächlich ereignenden Folge B2 zum Gegenstand der Äußerung gemacht wird. Dies kann beispielsweise durch Substantive wie Gegenteil oder Adjektive wie anders geschehen: (37) a Die türkische Grenze ist geschlossen obwohl sie das Gegenteil dort behaupten. (Kirsch, 523

>

b Mit den Namen allein, hätte ich sagen müssen, kann ich nichts anfangen, was sind sie denn, Schall und Rauch, obwohl meine Freundin Norma da anderer Ansicht ist. (Burmeister, 221)

In einem weiteren Beispiel finden wir ein Antonympaar (laut - leise): (38)

Vielleicht habe er sich auch selbst Mut machen müssen, ähnlich wie die Soldaten in einem Film, die laut schreiend über ein Schlachtfeld gestürmt seien, obwohl sie das ja auch leise hätten tun können. (Becker, 213)

Die Ungewöhnlichkeit der sieghaften Folge B2 wird schließlich in folgenden Sätzen kommentiert, die die Ausdrücke unwahrscheinlich, unglaublich, unvorstellbar, wahnsinnig enthalten: (39) (40)

(41)

Obwohl ich es für unwahrscheinlich halte, daß mir ein zweiter Wurf gelingt - vielleicht gelingt er mir doch. (Becker, 119) Während des Zweiten Weltkrieges und bereits in seiner Spätphase hat sich folgendes begeben, das, obgleich es unglaublich klingt, von Augenzeugen bestätigt und von einem Chronisten festgehalten worden ist. (Kunert, 38) Er hatte einen Namen, den Könige getragen hatten, Könige mit Löwenherzen, und man hatte ihn besänftigt, auch wenn es unvorstellbar war, daß er einmal in seiner Jugend unsanft war [...]. (Bichsei, 42-3)

50 (42)

Ich sagte: alle! dachte er. Ausnahmslos alle ... zu Mitarbeitern des Dienstes zu machen, auch wenn dieser Gedanke wahnsinnig klang. (Hilbig, 75)

3.3. Evaluative Konzessivität Betrachten wir einleitend folgendes Beispiel, in dem kein direkter Gegensatz zwischen den beiden Sachverhalten zu bestehen scheint: 9 (43)

Obwohl die Wohnung klein ist, ist sie hübsch gelegen.

In unserer Erfahrungswelt existiert kein innerer Zusammenhang zwischen der Größe eines Appartements und seiner Lage. In den uns bekannten Städten gibt es in nahezu jedem Viertel Wohnungen der verschiedensten Größenordnungen. In Satz (43) ist es der Sprecher, der durch die Konzessivkonstruktion zwei gänzlich voneinander unabhängige Tatbestände in Verbindung setzt. Man kann sich z.B. einen Kontext vorstellen, in dem der Sprecher eine Wohnung kaufen oder mieten möchte. Er bewertet die Vor- und Nachteile des Appartements und wägt sie gegeneinander ab: Der fehlende Wohnraum ist ein Argument gegen den Kauf bzw. die Anmietung, die günstige Lage spricht indessen für eine positive Entscheidung. Der Kontrast zwischen den beiden Sachverhalten besteht demnach lediglich auf einer argumentativen Ebene. Es handelt sich um eine Opposition zwischen zwei Schlußfolgerungen, die ausgehend von der unterschiedlichen Gewichtung der beiden Tatbestände gezogen werden können. Die Semantik dieser konzessiven Konstruktion ist daher m.E. treffend durch den Terminus evaluativ charakterisiert. 10 Die spezifische Semantik der evaluativen Konzessivität kann durch eine Gegenüberstellung mit der korrespondierenden faktischen Konstruktion verdeutlicht werden: (44)

Obwohl die Wohnung klein ist, kaufe / miete ich sie.

Interessanterweise sind die beiden Teilsätze einer evaluativen Konstruktion syntaktisch vertauschbar: 11 (45)

Obwohl die Wohnung hübsch gelegen ist, ist sie klein.

"

Ich gebe hier in leicht abgewandelter Form ein Beispiel wieder, das bereits bei Eggs (1977:124-5), Brauße (1982:13), Primatarova-Miltscheva (1986:129-31) und König (1991a:634-5) erwähnt wurde.

10

Ich übernehme hier Eggs' (1977:124-5) Bezeichnung. Trotz der z.T. berechtigten Kritik von Brauße (1982:13ff.) scheint mir evaluativ die terminologisch angemessenste Lösung zu sein.

'1

Auf den ersten Blick scheinen diese Konstruktionen somit eine Sonderstellung unter den Konzessivsätzen einzunehmen (siehe oben 2.2.2).

51 Die Umkehrung auf syntaktischer Ebene bewirkt jedoch relevante inhaltliche Unterschiede. Während im Falle von (43) der Sprecher dem Kauf der Wohnung positiv gegenübersteht, ist bei (45) genau die gegenteilige Haltung zu verzeichnen (es wird von dem Kauf Abstand genommen). Die evaluative Konstruktion ist also auf semantischer Ebene asymmetrisch, da zwei entgegengesetzte Argumentationsrichtungen vorliegen. 1 2 Betrachten wir nun ein leicht anderes Beispiel: (46)

Auch wenn der Fernseher sehr preisgünstig ist, seine Qualität läßt doch zu wünschen übrig.

Dieser Fall unterscheidet sich von Beispielen wie (43) und (45), da hier ein gewisser Zusammenhang zwischen den beiden Sachverhalten besteht (ein Billiggerät ist oft qualitativ minderwertig). Die beiden Tatbestände befinden sich also nicht in Opposition zueinander; man könnte sogar ein kausales Verhältnis zwischen ihnen postulieren. Der Kontrast wird erst vom Sprecher hergestellt: Der günstige Preis ist ein Argument für den Kauf des Fernsehers, die schlechte Verarbeitung ein Argument dagegen. Ähnlich ist auch folgendes Beispiel (vgl. Martin 1987:88): (47)

Frank macht viele Überstunden, obwohl - er wird gut bezahlt.

Aus dem ersten Tatbestand könnte man auf eine Unzufriedenheit Franks schließen, der zweite Tatbestand gibt Anlaß für die gegenteilige Folgerung. Die Semantik der evaluativen Konzessivität soll nun anhand des eingangs untersuchten Satzes (43) vertieft werden. Zwei Kausalrelationen liegen der evaluativen Konstruktion zugrunde: A: Da die Wohnung klein ist, kaufe ich sie nicht. B: Da die Wohnung hübsch gelegen ist, kaufe ich sie.

Wir können also folgendes Konzessivschema annehmen: (v)

Obwohl die Wohnung klein ist (A1), ist sie hübsch gelegen (B1). Folge (Endzustand) Grund (Ausgangszustand) > [A2] AI > [B2] B1

Während die faktische Konzessivkonstruktion AI und B2 gegenüberstellt, ist bei der evaluativen Konzessivität eine Opposition zwischen AI und B1 gegeben. Beide Ursachen werden expliziert. Die evaluative Verwendung kann somit nicht als "versteckte Kausalität" betrachtet werden. Die Folgen (A2 und B2) bleiben unerwähnt, lassen sich allerdings ohne Schwierigkeit dem Kontext entnehmen. Es sei außerdem darauf hingewiesen, daß bei einer hypotaktischen Konstruktion das "unwirksame" Argument 12

Siehe dazu Brauße (1982:20; 1983:32; 1994:156-7), Primatarova-Miltscheva (1986:130-1) und König (1991a:635). Baschewas (1980:110) These von einer Symmetrie der Konstruktion ist demnach lediglich für eine rein syntaktische Betrachtung zutreffend.

52

stets vom untergeordneten Satz kodiert wird, das "wirksame" hingegen vom übergeordneten. Mazzoleni (1991:786-7) macht darauf aufmerksam, daß ein und derselbe Satz - je nach Kontext - eine faktische oder evaluative Interpretation erhalten kann: (48)

Auch wenn mein Sohn intelligent ist, er tut wenig für die Schule.

Der faktischen Lesart liegt die Norm zugrunde "wer intelligent ist, versteht die Wichtigkeit der Schulbildung und zeigt dementsprechenden Fleiß", während bei der evaluativen Lesart die Intelligenz als Bedingimg für gute schulische Leistungen angesehen wird und der mangelnde Fleiß als Ausgangspunkt für schlechte Leistungen. Die Polysemie von Satz (48) kann durch Rückgriff auf die jeweiligen konzessiven Schemata verdeutlicht werden: (vi)

(vii)

faktischer Wert Grund (Ausgangszustand) AI: Intelligenz > [Bl: ???] >

Folge (Endzustand) [M.Fleiß] B2: fehlender Fleiß

evaluativer Wert Grund (Ausgangszustand) AI: Intelligenz > Bl: fehlender Fleiß >

Folge (Endzustand) [A2: gute Schulnoten} [B2. schlechte Schulnoten]

In der faktischen Lesart ist der fehlende Fleiß eine Folge, in der evaluativen hingegen eine Ursache. Ein weiterer Unterschied besteht darin, daß im Falle der evaluativen Konstruktion die wirksame Ursache B1 expliziert ist (der fehlende Fleiß eben), während in der faktischen Konstruktion Bl unerwähnt bleibt (man kann diesbezüglich höchstens Vermutungen anstellen). Betrachten wir nun ein Beispiel aus unserem Korpus: (49)

Er war braungebrannt, obwohl er nicht mehr jung war, und er trug einen Anzug in mildem Blau. (Schwaiger, 16)

Bräune und Alter sind zwei voneinander unabhängige Sachverhalte. In diesem Kontext werden sie jedoch von einer Sprecherin in Verbindung gebracht, um die Attraktivität eines Mannes zu beurteilen: Die Bräune ist ein Pluspunkt, das Alter ein Minuspunkt. In folgenden beiden Sätzen werden jeweils Vor- und Nachteile von beruflichen Tätigkeiten gegeneinander abgewogen. Im ersten Fall (50) haben wir ein sicheres, jedoch geringes Einkommen; im zweiten (51) kontrastieren Selbständigkeit und geringe Erträge: (50)

Und schließlich berief ihn 1788 der Kurfürst von Mainz als Universitätsbibliothekar. Das sicherte ihm wenigstens ein regelmäßiges, wenn auch nicht bedeutendes Gehalt. (FAZ 101-94, 28)

53 (51)

So entschieden sich immer mehr Juden, Handwerker zu werden, Schuster oder Schneider, mit eigener, wenn auch ertragsarmer Werkstatt, und schlössen sich in zunftähnlichen Vereinen zusammen. (FAZ 11-1-94, 25)

In folgendem Beispiel ist es positiv zu bewerten, daß die Waren in den Geschäften in ausreichender Menge vorhanden sind, negativ hingegen, daß kein abwechslungsreiches Angebot vorliegt: (52)

Die Lebensmittelmengen in der Stadt erschienen immerhin ausreichend, wenn auch jede Abwechslung in den Angeboten fehlte, so daß es zumindest keine Käuferschlangen gab. (Hilbig, 121)

Wird beispielsweise die Leistungsfähigkeit älterer Leute beurteilt, so kann man feststellen, daß Langsamkeit in den Reaktionen einerseits durch Routine und Erfahrung anderseits wieder wettgemacht wird: (53)

Wenn Ältere auch oft langsamer reagieren und Informationen langsamer verarbeiten, so zeichnen sie sich doch durch ihre größere Routine und Lebenserfahrung aus. (FAZ 3-1-94, 27)

Abschließend seien noch einige weitere Korpusbeispiele für evaluative Konzessivrelationen erwähnt: (54)

(55) (56)

(57)

(58) (59)

Ein würdiger Tagungsort für das Parlament wäre der Kreml. Obwohl sich dort der frühere, jetzt ungenutzte Sitzungssaal des Obersten Sowjets der UdSSR und der Sitzungssaal des Kongresses der Volksdeputierten Rußlands befinden, will Jelzin die Deputierten aber offenbar nicht in der Nachbarschaft haben. (FAZ 11-1-94, 3) Hoffentlich eine kirchliche Beerdigung, keine Konzertmusik vom Band, kein Leichenredner, der von Natur und Schicksal sprach und Beweise für ein erfülltes, wenn auch tragisch früh zuendegegangenes Leben zusammenkratzte [...]. (Burmeister, 53) Im Vergleich mit dem aristokratischen, hochkultivierten Kyoto wirkt das ältere Nara plebejisch. Aber gerade das macht seinen Reiz aus und vermutlich auch seine Anziehungskraft auf die Massen japanischer Wallfahrer, obwohl ein Besuch nicht gerade billig ist. (FAZ 131-94, R3) "Die Republik Somaliland", sagte Egal, sei "ein funktionierender Staat mit Regierung, Parlament und Oberstem Gericht", auch wenn das Parlament nicht demokratisch gewählt sei, sondern die einzelnen Sippen und Stämme die Abgeordneten benannt hätten. (FAZ 7-194, 5) Auf den vierhundert Seiten findet sich noch viel Bedenkenswertes. Zum Umgang mit Kranken und Leidenden, wenn auch die Zeitbedingtheit manch anderer Themen nach zweihundert Jahren nicht zu übersehen ist. (FAZ 18-1-94, 28) Die auf Georg Jellinek zurückgehende sog. Drei-Elemente-Lehre bietet eine griffige, wenn auch zu Recht als unzureichend kritisierte Staatsdefinition. (Maier, 26)

54

3.4. Rekonstruktive Konzessivität Während bei der kommentarischen Konzessivität sich ein Sachverhalt und eine Stellungnahme, bei der evaluativen Konzessivität ein Argument und ein Gegenargument in Opposition befinden, betrifft der Gegensatz in einer weiteren "peripheren" Verwendung - die wir nun betrachten werden - zwei unterschiedliche Sachverhalte. In (60) kontrastiert beispielsweise die trockene Straße mit dem Regen, in (61) die volle Mülltonne mit der kurz zuvor erfolgten Leerung: (60) (61)

Obwohl die Straße trocken ist, hat es geregnet. Obwohl die Tonne voll ist, war die Müllabfuhr vor kurzem da.

An folgendem Beispielpaar möchte ich verdeutlichen, wie diese periphere Verwendung (63) sich von der faktischen Konzessivität (62) abhebt:13 (62) (63)

Auch wenn Peter sehr traurig war, er lachte laut. Auch wenn Peter laut lachte, er war sehr traurig.

In dem zweiten dieser Sätze liegt keine direkte kausale Verbindung zwischen Peters Lachen und seinem Gemütszustand vor. Das Lachen ist keineswegs als (potentielles) Hindernis für die Traurigkeit anzusehen. Mit anderen Worten: Es ist nicht so, daß lautes Lachen hier überraschenderweise einen gedrückten Gemütszustand hervorruft. Das Lachen kann dagegen als Indiz für einen - negierten - Rückschluß angesehen werden: Wenn jemand lacht, ist er meist fröhlich gestimmt, im vorliegenden Fall jedoch traurig. Für die Semantik dieser Konzessivkonstruktion möchte ich daher den Ausdruck rekonstruktiv vorschlagen. Die Beziehungen zwischen den beiden Sachverhalten der rekonstruktiven Konzessivität lassen sich durch die Gegenüberstellung der folgenden beiden Schemata veranschaulichen: (viii)

faktisch: Auch wenn Peter sehr traurig war (AI), er lachte laut (B2) Grund (Ausgangszustand) Folge (Endzustand) AI: Traurigkeit > [A2. kein Lachen] [Bl: ???] > VI. Lachen

(ix)

rekonstruktiv: Auch wenn Peter laut lachte (A2), er war sehr traurig (B1). Grund (Ausgangszustand) Folge (Endzustand) [A.V. Fröhlichkeit] < M.Lachen Bl: Traurigkeit < [B2: kein Lachen]

Der faktische und der rekonstruktive Wert unterscheiden sich in folgenden Punkten:

13

Ein ähnliches Beispiel wird kurz von Elgenius (1991:18) kommentiert. Vgl. auch Pötters (1992:368).

55

1) Umkehrung der Argumentationsrichtung. Bei der faktischen Konzessivität geht man von einer Ursache aus (AI) und konstatiert eine unerwartete Folge (B2 anstatt A2). Bei der rekonstruktiven Relation schließt der Sprecher - durch einen induktiven Gedankengang - von einer Wirkung auf eine mögliche Ursache. So läßt sich beispielsweise ein lautes Lachen (A2) in der Regel auf eine heitere Gemütsverfassung zurückfuhren (AI). Diese "normale" Rekonstruktion wird allerdings durch die Konzessivrelation negiert: Ausgangssituation ist überraschenderweise ein Zustand der Traurigkeit (Bl). 2) Vertauschung der wirksamen und unwirksamen Ebene. In der faktischen Rela-

tion konstituiert das Lachen die wirksame Folge (B2) eines unbekannten Grundes. In der rekonstruktiven Beziehung hingegen ist das Lachen dem unwirksamen Kausalzusammenhang zuzuordnen, da es sich um den Ausgangspunkt (A2) einer "blockierten" Induktion handelt. Genau ^umkehrt ist die Rolle der Traurigkeit: unwirksame Ursache (AI) bei der faktischen Relation, wirksame Ursache (Bl) bei der rekonstruktiven Relation (d.h. Endpunkt der "zutreffenden" Rekonstruktion). 3) Versteckte vs. offene Kausalität. In der faktischen Konzessivbeziehung wird die wirksame Ursache (Bl) unterschlagen. Der Hörer kann allenfalls Vermutungen darüber anstellen, was das laute Lachen ausgelöst haben mag (beispielsweise ein besonders lustiger Witz). In der rekonstruktiven Relation dagegen wird der Ausgangszustand Bl expliziert. Zudem können die beiden unerwähnten Faktoren (AI und B2) relativ leicht aus dem Kontext erschlossen werden. 4) Unterschiedliche

Verteilung von realen und hypothetischen

Faktoren.

ten wir die folgenden beiden Schemata: (x) faktischer Wert hypothetische Welt AI

>

[A2]

unwirksame Kausalbeziehung

[Bl]

>

B2

wirksame Kausalbeziehung

reale Welt

Betrach-

56 (XI)

rekonstruktiver Wert

hypothetische Welt

reale Welt

[AI]


A2 ist gänzlich im hypothetischen Bereich anzusiedeln: A I (Stefans Müdigkeit) ist ein angenommener Sachverhalt, A 2 (die Unterbrechung der Arbeit) eine mögliche, erwartbare Folge davon. Die Relation B1>B2 gehört hingegen wie schon bei der faktischen Konzessivität - der realen Welt an. B2 ist eine tatsächliche Begebenheit (Stefan hat zum gegenwärtigen Zeitpunkt seine Arbeit beendet). Auch B1 kann ein realer Stellenwert zugeschrieben werden. Es handelt sich um einen nicht näher präzisierten Umstand, der über A I - wenn A I eingetreten wäre - den Sieg davongetragen hätte. Es muß in diesem Zusammenhang bedacht werden, daß die Kausalbeziehung B 1 > B 2 (wie schon A1>A2) unwirksam ist: B1 wird nämlich die Gelegenheit vorenthalten, seine Dominanz gegenüber A I unter Beweis zu stellen. B1 ist zwar real vorhanden, als Ursache jedoch nur potentiell wirksam: In Abwesenheit eines Hindernisses wie der Müdigkeit ( A I ) hat Stefan es gar nicht nötig, auf besondere Fähigkeiten ( B l ) zurückzugreifen, um den Abschluß seiner Arbeit zu erreichen ( B 2 ) . 2 4 Betrachten wir noch ein weiteres Beispielpaar; der erste Satz kodiert eine faktische Konzessivrelation, der zweite eine konditionale: (113)a Obwohl sich Karl gut vorbereitet, wird er die Prüfung nicht bestehen. b Auch wenn sich Karl gut vorbereiten würde, würde er die Prüfung nicht bestehen. Folgende Beispiele stammen aus dem Korpus: (114) a Ich hätte nicht weiterstudiert, auch wenn die Prüfung gut ausgegangen wäre. (Walser, 159) b Gegen meinen Willen beschäftigt mich die Frage, ob ich mich auch dann in Amanda verliebt hätte, wenn wir uns im jetzigen Zustand begegnet wären. (Becker, 364) (115) a Und selbst wenn er überleben sollte, wird er nie mehr das Geld aufbringen können, um den ehrgeizigen, anspruchsvollen Plan zu verwirklichen. (Wellershoff, 169) b Ich las in den Todesannoncen und hatte mir einzugestehen, daß ich selbst dann, wenn ich noch drei Jahre weitermachen und alles ertragen würde, weit unter dem Durchschnitt des Sterbens lag, und ich fühlte mich wie ein zur Langstrecke verurteilter Läufer, der auch nicht einmal die Hälfte seines Weges erreichen würde und aufgibt. (Drawert, 59) (116) Und wenn in großer Leuchtschrift die Wörter WACHSTUM WOHLSTAND STABILITÄT an der Wand erschienen wären - nichts hätte mehr geholfen, denn nun standen die wirklichen Fragen im Raum, die, von denen wir leben und durch deren Entzug wir sterben können. (Wolf, 95) 24

Eine Reihe von Autoren beschreibt die Semantik von Konzessivkonstruktionen mit Hilfe von Wahrheitsbedingungen - so beispielsweise König/Eisenberg (1984:314f ), König (1986:31-4; 1991a:632-35), Mazzoleni (1991:791), Pötters (1992:28-9) und Pasch (1994:48-51). Ein Konzessivsatz ist dann wahr, wenn die beiden Teilsätze (Antezedens und Konsequens) ebenfalls wahr sind. Mit anderen Worten: Konzessivsätze implizieren logisch beide Teilsätze. Ein konditionaler Konzessivsatz impliziert hingegen lediglich die Wahrheit des Konsequens, das durch den übergeordneten Teilsatz kodiert wird. Dieser Ansatz hat den Nachteil, auf die Rolle der beiden explizierten Faktoren (AI und B2) beschränkt zu sein. Ein wesentlicher Unterschied zwischen faktischer und konditionaler Konzessivität betrifft jedoch auch - wie wir gesehen haben - die Rolle des unerwähnt gebliebenen Faktors Bl (wirksame Ursache im ersten Fall, potentiell wirksame im zweiten).

68 (117)

Darum würde Kohl, mag er angesichts seiner Mannen auch unzufrieden sein, nie den Vorwurf akzeptieren, er habe verheißungsvolle Nachrücker von der Leiter gestoßen. (FAZ 3-1-94, 1)

In diesen Belegen ist der hypothetische Charakter der im Nebensatz ausgedrückten Sachverhalte eindeutig, da er entweder durch einen Konjunktiv (114a-b, 115b, 116) oder durch Modalverben wie sollen (115a) bzw. mögen (117) signalisiert wird. Es handelt sich dabei stets um irreale oder zumindest äußerst unwahrscheinliche Möglichkeiten. Untersuchen wir nun folgende Beispiele, die als Modus den Indikativ vorweisen: (118)

(119)

(120)

(121)

Auch wenn die Weltkrise abstumpft oder überwunden wird, wird japanisches strategisches Interesse in Zukunft von dem Einsatz japanischen Finanzkapitals in Südostasien bestimmt werden. (Reimann, 162) Selbst wenn auf einem Markt von den inländischen Wirtschaftssubjekten insgesamt mehr angeboten als nachgefragt wird, kann auf diesem Markt Gleichgewicht herrschen, wenn das Ausland zu den herrschenden Preisen und Zinssätzen diese Menge gerade nachfragt. (Fuhrmann, 314) Wer lediglich einen oder einzelne Nachlaßgegenstände erwirbt, steht über § 2030 selbst dann nicht einem Erbschaftsbesitzer gleich, wenn es sich dabei im wesentlichen um den gesamten Nachlaß handelt. (Werner, 4-5) Anspruch auf Trennungsunterhalt besteht auch dann, wenn die Parteien nie eine wirtschaftliche Einheit gebildet haben. (Friedend, 111)

Es liegen hier entweder "realistische" Einzelprognosen (118) oder verallgemeinernde, generelle Aussagen (119-121) vor, die zu beliebiger Zeit Gültigkeit haben können ('auch im Falle von AI, B2'). Der durch den konzessiven Nebensatz ausgedrückte Sachverhalt AI ist insofern immer noch der "hypothetischen Welt" - wie ich es im Konzessivschema genannt habe - zuzuordnen, als eine "grundsätzliche Offenheit hinsichtlich der Realität des Sachverhalts" (Engel 1991:277) besteht oder, mit anderen Worten, die "Faktizität nicht beurteilbar" (Adamzik 1988:3) erscheint.25 Gemeinsam ist all diesen konzessiven Konditionalverwendungen - vergleicht man sie mit dem einfachen, "typischen" konditionalen Verhältnis daß eine "Erweiterung der Anzahl von Bedingungen für die Existenz bzw. Nicht-Existenz des Bedingten" vorliegt (Wesemann 1979:149).26 Wenden wir uns nochmals Beispiel (121) zu, das auf zwei konditionalen Relationen beruht: A. Anspruch auf Trennungsunterhalt besteht, wenn die Parteien eine wirtschaftliche Einheit gebildet haben. 25

Auf weitere, feinere Unterschiede im Bereich der konditionalen Konzessivität gehe ich hier nicht näher ein, da sie nicht das konzessive Verhältnis als solches betreffen, sondern die zugrundeliegende konditionale Relation. Es seien in diesem Zusammenhang die von Traugott u.a. (1986) sowie von Athanasiadou/Dirven (1996) herausgegebenen Sammelbände erwähnt, auf die ich auch für weiterführende bibliographische Angaben verweise.

26

Ähnlich die Formulierungen von Baschewa (1980:76) und Metrich (1983:107-8).

69 B. Anspruch auf Trennungsunterhalt besteht, wenn die Parteien nie eine wirtschaftliche Einheit gebildet haben.

Der Umstand A drückt eine "normale" konditionale Beziehung aus: Es ist verständlich, daß ein Unterhaltsanspruch besteht, wenn die Ehepartner eine wirtschaftliche Einheit gebildet haben. Ist letzteres jedoch nicht der Fall (Umstand B), liegt eine "extreme, außerordentliche Bedingung" vor (Hermodsson 1978:74). Es ist diese zweite, überraschende konditionale Beziehung, auf die der konzessive auch... wenn-Sa.tz aufmerksam macht. Nicht immer ist es einfach, bei indikativischen Konzessivsätzen zwischen faktischer und konditionaler Lesart zu unterscheiden. Betrachten wir dazu folgendes Beispiel: (122)

Ein Maurer muß fünf Stunden arbeiten, um eine Anstreicherstunde bezahlen zu können. Folglich erledigt er eine solche Arbeit selbst, auch wenn seine Produktivität wesentlich niedriger liegt als die des Anstreichers. (Siebert, 180)

Es sind prinzipiell zwei Interpretationen möglich. In der ersten Lesart wird durch die Konzessivkonstruktion ausgesagt, daß der Maurer die Arbeit erledigt trotz seiner wesentlich niedrigeren Produktivität (auch wenn im Sinne von 'obwohl'). Man geht hier davon aus, daß der Maurer in jedem Fall langsamer arbeitet als der fachmännische Anstreicher. In der zweiten Lesart wird indessen auf die Möglichkeit hingewiesen, daß der Maurer selbst dann tätig wird, wenn seine niedrige Produktivität ihn eigentlich davon abhalten sollte (auch wenn im Sinne von 'auch falls'). Dieser Aussage liegt die Annahme zugrunde, daß der Maurer im günstigsten Fall (fast) so schnell wie der Fachmann streichen kann - und dann selbstverständlich die Arbeit erledigt; aber selbst wenn er wesentlich langsamer wäre, würde er sie ebenfalls in Angriff nehmen. Nur der weitere Kontext vermag uns nähere Hinweise zu geben, welcher dieser beiden Interpretationen der Vorzug zu geben ist. Wir sehen also, daß bei Indikativkonstruktionen, die durch auch wenn eingeleitet sind, faktische und konditionale Konzessivrelationen nicht immer klar auseinandergehalten werden können. Auch andere Konnektive, wie beispielsweise selbst wenn, lassen sich durchaus rein faktisch interpretieren. Betrachten wir dazu die folgenden beiden Belege (vgl. Punkt 6.7): (123) (124)

Selbst wenn die Helfer an den Tischen keine Wächter waren, die kontrollierten, ob die wenigen Läufer auch die richtige Strecke einhielten, hätte ich nie die Idee gehabt, bei einem Marathon zu betrügen. (Herburger, 289) Hier saß ich, ausgesprochen erwartungslos, schon sehr lange, kaum länger möglich, und sitzen bleib ich hier, selbst wenn mich Erwartung jetzt verzehrt wie das Feuer ein trockenes dürres Reisig. (Strauß, 77)

Die enge Verbindung zwischen konditionaler und faktischer Konzessivität kann eine Erklärung finden, wenn diachronische Fakten in die Betrachtung miteinbezogen wer-

70 den. Einer der wichtigsten etymologischen Urspungsbereiche für konzessive Konnektive - im Deutschen wie auch in zahlreichen anderen Sprachen 27 - ist nämlich durch konditionale Konjunktionen gegeben, die zunächst konzessiv-konditional, dann auch rein konzessiv verwendet werden. Abschließend sei noch der Fall erwähnt, in dem zwei oder mehrere Hypothesen ausgedrückt werden: (125)

Selbst wenn man bezüglich der Zufallsfunde bei Nichtverdächtigen derartige Korrekturen oder Einschränkungen des geltenden Rechts vornimmt und selbst wenn man akzeptieren wollte, daß im Vorfeld kommenden Rechts trotz eines etwaigen Übergangsbonus erhebliche Informationseingriffe gegenüber Nichtverdächtigen von vornherein ausgeschlossen sind, hat sich die Grundkonzeption vor allem des Ermittlungsverfahrens durch das Gesetz gegen die Organisierte Kriminalität (OrgKG) aus dem Jahre 1992 entscheidend verändert. (Wolter, 76)

Derartige Beispiele stellen eine Verbindung her zwischen der konditionalen Konzessivität im engeren Sinne und den skalaren bzw. polykonditionalen Werten.

3.8. Skalare Konzessivität Ein weiterer Typus der Konzessivrelation erscheint in Konstruktionen, die auf einer Gradation basieren. Auf einer gedachten Skala werden Intensitätsgrade zum Ausdruck gebracht. 28 Diese Verwendung kann daher als skalar bezeichnet werden. 2 9 Folgendes Beispielpaar soll den Unterschied zur faktischen Konzessivität verdeutlichen: (126) (127)

Obwohl Frank schnell lief, er konnte den Zug nicht mehr erreichen. So schnell Frank auch lief, er konnte den Zug nicht mehr erreichen.

Der skalaren Verwendung in Satz (127) liegt folgendes Konzessivschema zugrunde: (xxi)

Grund (Ausgangszustand) AI': hohe Geschwindigkeit AI": sehr hohe Geschwindigkeit AI'": äußerst hohe Geschwindigkeit [Bl: ???]

>

Folge (Endzustand) [A2: Erreichen des Zuges]

>

B2: Verpassen des Zuges

27

S. die sprachvergleichenden Beobachtungen von König (1985a: 10-1; 1985b:267-8; 1988:153-4; 1991a:638) und Harris (1988:75).

28

Hinweise zu diesen Konstruktionen finden sich bei zahlreichen Autoren, wenn auch nicht immer die Unterschiede zu der konditionalen und polykonditionalen Konzessivität herausgearbeitet werden. Vgl. beispielsweise Boettcher (1972:124-6), Kaufinann (1974:17-20), Schramm (1977:76,132-3), Baschewa (1980:97-104), Starke (1982:143), Fang (1984:213), Heidolph u.a. (1981:809), Engel (1991:278) und Pötters (1992:29).

29

Ich übernehme hier den in der französischsprachigen Literatur verbreiteten Terminus scalaire. Vgl. beispielsweise Fradin (1977:7), Martin (1982:33) und Soutet (1990:10).

71

Es sei darauf hingewiesen, daß der Grad der betreffenden Erscheinung (hier: der Geschwindigkeit) nur innerhalb bestimmter Grenzen beliebig ist: genauer gesagt, innerhalb eines beschränkten Sektors des Kontinuums, der von einem hohen Wert bis zu einem realistisch annehmbaren Extremwert geht, d.h. bis zu dem im gegebenen Kontext erreichbaren Grenz- oder Höchstwert.30 Die skalare Konzessivrelation unterscheidet sich in zweierlei Hinsicht gegenüber der faktischen: a) AI ist mit einer Vielzahl von Werten vereinbar (AI', A I " , A I ' " usw.); der genaue Wert ist jedoch unbekannt und/oder irrelevant. b) Da der genaue Wert nicht festgelegt ist, liegt die Obergrenze des Möglichen theoretisch offen. Es schwingt folglich stets ein konditionaler Konzessivsatz mit, der sich in unserem Beispiel durch "Auch wenn er noch schneller gelaufen wäre, als er tatsächlich lief, hätte er den Zug nicht erreichen können" umschreiben läßt. Es muß jedoch hervorgehoben werden, daß die skalare Konzessivität keine eigenständige Konzessivrelation ist, sondern eher eine Dimension darstellt, die bereits vorhandenen Relationen "überlagernd" hinzugefügt werden kann. Nachdem wir ein Beispiel dafür gesehen haben, wie eine faktische Konzessivbeziehung (126) eine skalare Färbung erhalten kann (127), betrachten wir nun skalare Sätze, denen jeweils eine kommentarische, evaluative und rekonstruktive Konzessivrelation zugrundeliegt: (128) (129) (130)

Schumacher hat das Rennen gewonnen, so sehr ich auch an einem gewissen Punkt befürchtet habe, er könnte seinen Vorsprung nicht mehr halten. So klein die Wohnung auch ist, sie ist hübsch gelegen. Auch wenn Peter noch so laut lachte, er war sehr traurig.

Die folgenden Beispiele basieren jeweils auf einer limitativen, korrektiven und konditionalen Relation: (131) (132) (133)

Sie haben auf ihn einen - wenn auch noch so sanften - Druck ausgeübt. Ich habe ihm gern zugehört - so langweilig ich ihn auch fand ... Auch wenn Stefan noch so müde gewesen wäre, hätte er seine Arbeit zu Ende geführt.

Betrachten wir nun einige Belege aus dem Korpus: (134)a So unmenschlich sie waren, sollte man sich doch davor hüten, diese Experimente mit denen gleichzusetzen, die in deutschen Konzentrationslagern durchgeführt wurden. (FAZ 61-94, 2) b Zugleich überkam sie ein tiefes Minderwertigkeitsgefühl. Aristokrat kann man nicht werden, sosehr man sich anstrengt. (Schwaiger, 96) (135)a Habe ich Ihnen schon erzählt, daß ich ihn im Verdacht hatte, daß er Handhaimonika spielen konnte, nämlich Schwyzerörgeli, was ein besonders schwer zu spielendes Instrument ist, das, so klein es auch ist, erstaunlich laut Traurigkeit in die Welt hinaus orgelt? (Bichsei, 79) 30 vgl. dazu Baschewa (1980:101), Heidolph u.a. (1981:809), König/Eisenberg (1984:316), Fang (1984:213) und Pötters (1992:29). Nicht folgen kann ich hingegen Mazzoleni (1991:803), der auch niedrige Werte auf der Skala als Antezedens akzeptiert.

72 b Es war nebensächlich, jedenfalls hatte W. einen Vater, der dafür sorgte, daß sein Konto nicht ins Bodenlose abstürzte, soviel er auch davon abhob. (Hilbig, 70) (136)a Wie bedauerlich der Verlust auch sei, sagte sie, ich hätte ihn selbst zu verantworten. (Becker, 112) b Das Alte mit schlüssigen Rändern leuchten zu sehen und das Neue nicht absehen zu können, was - wie tagklar der Blick auch sein mag - immer und unvermeidlich ein Gefühl der Dunkelheit auslöst. (Strauß, 194) (137)a Am Ende setzt sich, seien die bürokratischen Hürden noch so groß, die private Initiative gegen die öffentliche Fehlplanung durch. (FAZ 3-1-94, 10) b Die Entscheide, die er getroffen hat, und die Lösungen, mit denen er vertraut ist, entstammen - auch wenn sie damals noch so richtig gewesen sein mögen - einer Periode, die kaum mit der zu befürchtenden Phase wirtschaftlicher Turbulenzen vergleichbar ist. (Malik/Stelter, 111) A m Rande sei noch erwähnt, daß in einigen Beispielen die quantitative Bedeutung von so sehr weitgehend verblaßt zu sein scheint. In diesen Fällen könnte man fast von einer faktischen Konzessivrelation sprechen: 31 (138)

Ich muß gestehen, daß ich das bezweifle - so sehr zuzugeben ist, daß man ein Rechtsmittel natürlich so ausgestalten kann. (Wolter, 189)

3.9. Polykonditionale Konzessivität Vergleichen wir einen "einfachen" konditionalen Konzessivsatz wie (139) mit einigen semantisch verwandten Konstruktionen (140a-c): (139) (140) a b c

Auch wenn es dir nicht gefallen sollte - ich gehe heute abend ins Kino. Ob es dir gefällt oder nicht - ich gehe heute abend ins Kino. Du kannst dich freuen, ärgern oder gleichgültig bleiben - ich gehe heute abend ins Kino, Was du auch immer denken magst - ich gehe heute abend ins Kino.

Beispiele wie die unter (140) werden meist zu den konditionalen Konzessiwerwendungen gezählt. In der Literatur finden sich dafür verschiedene Bezeichnungen. Manche Autoren sprechen von Irrelevanzkonditionalen,32 andere von akonditionalen Konzessivsätzen (Zaefferer 1991:211; Mazzoleni 1990:48-51; 1991:799-805). In fran31

Wie wir sehen werden, ist im Italienischen die Tendenz zur "Ent-Quantifizierung" skalarer Konnektive viel stärker ausgeprägt. So hat beispielsweise per quanto oft, quantunque fast ausschließlich faktische Bedeutung. Diachronisch gesehen stammen in zahlreichen Sprachen konzessive Konnektive von ursprünglich quantifizierenden Elementen ab. Dazu König (1985a: 10; 1985b:267; 1988:153; 1991a:638) und Harris (1988:75). Siehe auch unter 4.2.1.3.

32

So König (1985b:264-6; 1986:231-4; 1988:146-9; 1991a:635-6), König/Eisenberg (1984:314-7) und Eisenberg (1994:472). Auf die Bedeutung des Faktors "Irrelevanz" wird außerdem von Boettcher (1972:114ff.), Hermodsson (1978:77ff ), Starke (1982:136), Metrich (1983:109ff ), Mackeldey (1988:238) und Engel (1991:722-3) hingewiesen. Siehe jedoch auch die berechtigte Kritik an dieser Bezeichnung durch Pötters (1992:30).

73 zösischsprachigen Studien ist der Terminus extensional verbreitet (Fradin 1977:6ff.; Martin 1982:32; 1987:86; Soutet 1990:10; 1992:59-68). In einigen Arbeiten wird das Moment der Beliebigkeit (Kaufmann 1974:13-4) oder der Verallgemeinerung (Schramm 1977:132-3) ins Spiel gebracht. Es sei außerdem daraufhingewiesen, daß bisweilen zwischen Beispielen wie (140a,b) einerseits und (140c) andererseits unterschieden wird. 33 Zur Bezeichnung sämtlicher Konzessiwarianten vom Typ (140) möchte ich den Terminus polykonditional vorschlagen. Durch diesen Ausdruck wird das Augenmerk auf eine wichtige semantische Charakteristik gelenkt, die den Verwendungen gemeinsam ist: Es liegt eine Pluralität von Bedingungen vor - sei es, daß sie in Form einer Aufzählung erscheint (140a,b), sei es, daß sie durch unbestimmt-verallgemeinernde Pronominalkonstruktionen (140c) beschrieben wird. Die im Antezedens ausgedrückte Bedingungsreihe ist als "Summe aller im gegebenen Fall denkbaren Alternativen" (Pötters 1992:29) zu verstehen. Das gesamte Spektrum der in einem bestimmten Kontext wichtigen Möglichkeiten wird berücksichtigt (Hermodsson 1978:80; König/van der Auwera 1988:107; Zaefferer 1991:332-3). Dies ist besonders deutlich, wenn zwei komplementäre Alternativen wie in (140a) in Betracht gezogen werden. Aus der Tatsache, daß keiner der im Antezedens erwähnten Sachverhalte einen Einfluß auf die Verwirklichimg der im Konsequens beschriebenen Gegebenheit hat, darf man jedoch nicht folgern, daß keinerlei konditional-kausalen Beziehungen im Spiel seien. 34 Die polykonditionalen Konstruktionen erweisen sich nämlich in zweifacher Hinsicht als (konditional-)konzessiv: a) Mindestens eine der im Antezedens genannten Bedingungen befindet sich in einem potentiellen Gegensatz zu dem im Konsequens geäußerten Sachverhalt. Ein derartiges Glied der Bedingungsreihe läßt sich folglich in einen "normalen" konditionalen Konzessivsatz umformen (vgl. Schramm 1977:123-4; Starke 1982:137; Fang 1984:209; König/van der Auwera 1988:107; König 1991a:636). b) Die polykonditionalen Konzessivsätze enthalten ein Überraschungsmoment; denn nach unseren Erfahrungserkenntnissen gehen wir davon aus, daß - angesichts mehrerer, teilweise kontrastierender Ausgangssituationen - ebenfalls unterschiedliche, wenn nicht sogar entgegengesetzte Endzustände zu erwarten sind. Diese Erwartung wird enttäuscht: Wir haben ein einziges Resultat, gleich welche Gegebenheiten sich vorher ereignet haben (s. Starke 1982:138).

33

So unterscheidet Fang (1984:205-12) eine "doppelte" und eine "verallgemeinernde" Prämisse; Pötters (1992:29) stellt der "expliziten Alternative" den Fall der "Generalisierung" gegenüber.

34

Diesen "Trugschluß" zieht beispielsweise Mackeldey (1988:237-8). Von ähnlichen Voraussetzungen gehen auch die Autoren aus, die für die polykonditionalen Verwendungen die Bezeichnung

akonditional verwenden.

74

Folgende schematische Gegenüberstellung von konditionaler (139) und polykonditionaler Konzessivrelation (140a) wird die Semantik der beiden Konstruktionstypen verdeutlichen: (xxii) konditional: Auch wenn es dir nicht gefallen sollte (AI) - ich gehe heute abend ins Kino (B2). hypothetische Welt AI: gefällt nicht

>

[A2: kein Kinobesuch]

unwirksame Kausalbeziehung

[Bl: ???]

>

B2: Kinobesuch

(potentiell) wirksame Kausalbeziehung

reale Welt (xxiii) polykonditional (a):

Ob es dir gefällt (B1) oder nicht (AI) - ich gehe heute abend ins Kino (B2). hypothetische Welt

KV. gefällt nicht Bl: gefällt

>

[A2: kein Kinobesuch]

unwirksame Kausalbeziehung

B2: Kinobesuch

(potentiell) wirksame Kausalbeziehung

reale Welt

Die Unterschiede zwischen konditionaler und polykonditionaler Konzessivrelation hängen von der jeweiligen Rolle des Faktors B1 ab. Bei der konditionalen Beziehung ist Bl eine nicht näher präzisierte Ursache (Rücksichtslosigkeit des Sprechers, besonderes Interesse für den Film usw.), die - sollte AI eintreten - sich letzterem Faktor gegenüber durchsetzen würde. Bei der polykonditionalen Konstruktion ist B1 hingegen durch die positive Meinung des Gesprächspartners gegeben, die als Folge den Kinobesuch nach sich ziehen kann. Es liegen zwei Differenzen zu der "einfachen" konditionalen Beziehung vor: 1) Bl ist explizit erwähnt; 2) Bl gehört dem hypothetischen Bereich an. Wir können also zusammenfassend festhalten, daß bei diesem Typus von Polykonditionalität zwei alternative Sachverhalte als Ausgangssituationen angenommen werden. Einer davon (AI) hat überraschenderweise die Folge B2 und konstituiert somit die Grundlage der konzessiven Relation. Betrachten wir nun einen zweiten Typus von polykonditionalen Konzessivsätzen (s. 140b):

75 (xxiv) polykonditional (b):

Du kannst dich freuen (Bl), argem (AI) oder gleichgültig bleiben (?) - ich gehe heute abend ins Kino (B2). hypothetische Welt

AI: Verärgerung

>

[A2: kein Kinobesuch]

unwirksame Kausalbeziehung

>

B2: Kinobesuch

(potentiell) wirksame Kausalbeziehung

??: Gleichgültigkeit B1: Freude

reale Welt

In diesem Beispiel werden drei Möglichkeiten aufgezählt (es könnten aber durchaus noch mehr sein). Ein angenommener Ausgangszustand ist eindeutig Bl zuzuordnen (Freude), ein anderer AI (Verärgerung). Unklar bleibt hingegen die Rolle des dritten Sachverhalts (Gleichgültigkeit): Hat er einen hindernden oder fördernden Einfluß auf den Kinobesuch? In anderen Beispielsätzen erscheint es ohne nähere Kenntnis des Kontextes unmöglich, den einzelnen hypothetischen Ausgangszuständen einen eindeutigen Status als Ursache (Bl) oder Hindernis (AI) zuzuschreiben: (141)

Herbert kann nach Moskau, New York oder Sydney gehen - er wird immer neue Freunde finden.

Schwierigkeiten bei der Identifizierung des potentiellen Hemmnisses treten - in vielleicht noch größerem Maße - bei der dritten, verallgemeinernden polykonditionalen Variante auf (s. 140c): (xxv) polykonditional (c): Was du auch immer denken magst (?) - ich gehe heute abend ins Kino (B2). hypothetische Welt [AI': ???] [AI": ???] [AI"': ???]

>

[A2: kein Kinobesuch]

unwirksame Kausalbeziehung

[Bl': ???] [ B l ' : ???] [Bl'": ???]

> ; : : ;

B2: Kinobesuch

(potentiell) wirksame Kausalbeziehung

reale Welt

Betrachten wir einige Beispiele aus dem Korpus für diese dritte Variante. Die Tatsache, daß generalisierende Ausdrücke auf eine Aufzählung zurückzufuhren sind, sieht

76 man besonders deutlich in den Fällen, in denen Typ (c) durch Typ (b) paraphrasiert wird: (142)

Denn die Wirtschaft der früheren DDR hatte - bei welchem Wechselkurs auch immer (1:1,8 oder 4 bzw. 5:1) - nur die Wahl, entweder bei zu hohen Verkaufspreisen an der Unverkäuflichkeit ihrer Produkte zu scheitern oder bei monetär herabgesetzten Preisen an den hohen Selbstkosten ihrer Produkte! (Jens, 104)

In diesem Beispiel wird die verallgemeinernde Konstruktion "bei welchem Wechselkurs auch immer" näher erläutert durch Angabe einiger möglicher Kurse. In den meisten Fällen jedoch müssen die einzelnen Alternativen "dazugedacht" werden. So lassen sich beispielsweise aus dem gesamten Bedingungsspektrum von (143) und (144) jeweils die konzessiven Konditionalsätze (145) und (146) ausgrenzen: (143) (144)

Sein ehemaliger Lehrer wäre mit ihm zufrieden gewesen, denn er hatte ihm beigebracht, nicht zu stören, was auch immer geschehen möge, nicht zu stören. (Bichsei, 31) Und wissen, daß ich auf dich zählen könne, wann auch immer. (Burmeister, 203)

(145) (146)

Er soll nicht stören, auch wenn etwas Wichtiges geschieht. Ich kann auf dich zählen, auch wenn schwierige Zeiten kommen.

Nur selten wird - zur besonderen Betonung oder Verdeutlichimg - die zugrundeliegende konditionale Konzessivrelation im Text expliziert (hier durch einen auch wennSatz): (147)

Denn nur auf dem öffentlichen Platz wird Willy Millowitsch sein, was er, wohl als einziger in Deutschland, ist: Volksschauspieler. Egal, was passiert an diesem Nachmittag, auch wenn die Altstadt wieder "Land unter!" meldet oder die Domtürme ins Wanken geraten, die Leute werden es sich nicht nehmen lassen, ihn zu feiern. (FAZ 8-1-94, 27)

Das Überraschungsmoment bei den polykonditionalen Konstruktionen (mehrere Ausgangssituationen, aber nur ein einziger Endzustand) ist in der generalisierenden Variante besonders stark ausgeprägt, da das breitest mögliche Spektrum von Ausgangssituationen in Betracht gezogen wird: (148) (149) (150)

(151)

Wie auch immer es in Bonn ausgehen mag - über Bosnien werden die Serben entscheiden, die Stärksten. (FAZ 7-1-94, 1) Welche Wahl er auch traf, er würde Schuld auf sich laden. (Schneider, 295) Aber wie immer dies in den verschiedenen Theorien auch gesehen werden mag, wesentlich ist letztlich die Frage, welcher finanzielle Spielraum vorhanden ist, um einer Rezession entgegenzusteuern. (Malik/Stelter, 85) Die Not löste sich auf, ein kugelrundes Ich rollte davon, angetrieben durch Lust und von Fliehkräften auf Parallelbahnen gezerrt, die, wohin sie auch führten, wieder in denselben Spuren mündeten. (Herburger, 123)

77

In den letzten beiden Beispielen ist die Einzigkeit des Endzustandes besonders stark hervorgehoben: in (150) durch den Ausdruck wesentlich ist, in (151) durch das Übereinstimmung signalisierende Pronomen denselben. Abschließend sei noch auf den Unterschied zwischen polykonditionalen Konzessivrelationen wie z.B. (140) und "einfachen" konditionalen Relationen mit skalarer Bedeutung (152) hingewiesen: (152)

Wenn du dich auch noch so ärgern solltest - ich gehe heute Abend ins Kino.

Gemeinsam ist beiden Konstruktionstypen, daß mehrere Möglichkeiten in Betracht gezogen werden.35 Der Unterschied liegt darin, daß bei der skalaren Verwendimg alle Hypothesen auf einen bestimmten Sektor der Skala beschränkt sind und daher AI zuzuordnen sind. Bei der polykonditionalen Verwendung hingegen haben wir eine Verteilung auf AI und Bl.

3.10. Zusammenfassung Wir haben gesehen, daß die unterschiedlichen Arten von "peripheren" Konzessivrelationen - kommentarisch, evaluativ, rekonstruktiv, limitativ, korrektiv, skalar, konditional und polykonditional - sich allesamt auf das zentrale Konzessivschema zurückfuhren lassen, das auf zwei Kausalrelationen basiert: A1>A2 und B1>B2. Die einzelnen konzessiven Werte erscheinen so als Varianten des grundlegenden, faktischen Konzessivschemas. Lediglich der skalare Wert ist nicht als eigenständige semantische Konzessivkategorie zu betrachten, sondern als eine Modalität, die den anderen Werten beigefügt wird und ihnen eine gewisse Gradation verleiht. Um unnötige Wiederholungen zu vermeiden, verzichte ich an dieser Stelle auf eine Rekapitulierung der einzelnen Schemata. Die Aufmerksamkeit soll auf drei Aspekte gerichtet werden, die die einzelnen Schemata voneinander unterscheiden und somit eine distinktive Funktion haben. 1) Die explizierten Faktoren. Die folgende Tabelle zeigt für jede Art von Konzessivrelation diejenigen Faktoren auf, die in einer hypotaktischen Satzkonstruktion expliziert werden:

35

Aus diesem Grunde ordnen König/van der Auwera (1988:121) die beiden Varianten derselben semantischen Klasse zu.

78 Tab. 1: Wert

untergeordneter Satz

übergeordneter Satz

faktisch kommentarisch evaluativ rekonstruktiv lirrutativ [korrektiv konditional polykonditional

AI AI / A 2 / AI A2 A2 / -

B2 B2 B1 B1 B1 AI] B2 B2

B1

AI AI +B1

Im übergeordneten Satz wird stets ein Faktor der wirksamen Kausalbeziehung (B) expliziert. Bei der faktischen, kommentarischen, konditionalen und polykonditionalen Relation geht es um die "sieghafte" Folge (B2). Bei dem evaluativen Wert ist es das gewichtigere, die Entscheidung herbeiführende Argument (Bl). Bei dem rekonstruktiven Wert handelt es sich um den realen Ausgangszustand (Bl), den man durch Rückschlüsse zu bestimmen hat. Bei der limitativen Relation ist es die Kategorie (Bl), der eine bestimmte Entität gerade noch zugeordnet werden kann. Die einzige Ausnahme scheint durch die korrektive Relation gegeben zu sein, die den Eindruck erweckt, den sieghaften Faktor im untergeordneten Satz zu kodieren. Die "Richtigstellung" erweist sich jedoch - bei näherem Hinsehen - nie als definitiv oder vollständig. Die korrektive Konzessivität ist somit eine besonders markante Form der limitativen Relation (s. 3.6). Daher wird sie hier wie im folgenden in eckigen Klammern angeführt. Wir können der Tabelle noch eine weitere, interessante Korrelation entnehmen: Wenn die beiden explizierten Faktoren jeweils eine Ursache (AI oder Bl) und eine Folge (A2 oder B2) darstellen, so wird die Ursache im untergeordneten und die Folge im übergeordneten Satz kodiert.36 Nur die rekonstruktiv-limitative Konzessivrelation bildet eine Ausnahme und kann daher als markiert angesehen werden. 2) Die versteckte Ursache. Aus Tab. 1 ist des weiteren ersichtlich, daß je nach Konzessiwariante ein, zwei oder gar drei Faktoren nicht ausdrücklich in der Satzkonstruktion erwähnt werden. Meist können sie relativ leicht aus den bereits explizierten Faktoren geschlossen oder dem sprachlich-situativen Kontext entnommen werden. Im Falle der Unterlassimg von Bl steht uns jedoch keine dieser Hilfen zur Verfugung. Die Vorenthaltung dieses Faktors stellt überdies einen zentralen Aspekt der Semantik der betreffenden Konzessivkonstruktionen dar. So haben wir gesehen, daß die fehlende Präzisierung von B1 fundamental ist für die Definition des faktischen Konzessivwertes im Sinne einer "versteckten Kausalität" (ausgerechnet die wirksame Ursache wird unterschlagen). Von versteckter Kausalität kann man gleichfalls bei der kommentarischen und bei der konditionalen Konzessivrelation sprechen. In den übrigen konzessiven Varianten wird B1 jedoch explizit genannt. 36

Diese Verteilung entspricht einer universalen Strukturierungstendenz. Vgl. Talmy (1978b:639).

79

3) Der reale oder hypothetische Status der einzelnen Faktoren. Bei den verschiedenen Konzessivrelationen gehören die einzelnen Faktoren teils der realen, teils der hypothetischen Welt an. Die jeweilige Verteilung kann in folgender Tabelle zusammenfassend dargestellt werden: Tab. 2: Wert

real

hypothetisch

faktisch kommentarisch evaluativ

AI, Bl, B2 AI, Bl, B2 AI, Bl, B2

A2 A2 A2

rekonstruktiv limitativ [korrektiv konditional

Bl, Bl, Bl, Bl,

AI, AI, AI, AI,

polykonditional

B2

A2 A2 B2 B2

B2 B2 A2] A2

AI, Bl, A2

Es lassen sich somit drei Gruppierungen von Relationen unterscheiden - je nachdem, ob drei, zwei oder lediglich ein Faktor der realen Welt angehören. Abschließend sollen zwei wichtige Punkte festgehalten werden: a) Die einzelnen Konzessivwerte bilden keine zufällige, wahllose Ansammlung, sondern stellen sukzessive Modifikationen des grundlegenden Konzessivschemas dar. Es bestehen folglich systematische Beziehungen zwischen den verschiedenen Varianten der übergeordneten Kategorie "Konzessivität". Dabei muß allerdings bedacht werden, daß nicht immer eine klare Grenzziehung zwischen den Varianten möglich erscheint. So ist beispielsweise die limitative Relation als Sonderform der rekonstruktiven, die korrektive Relation als besonders stark ausgeprägte limitative anzusehen. Die Existenz von Grenzfällen zwischen einzelnen Subkategorien zeigt an, daß man sich die jeweiligen Werte z.T. nicht als streng getrennte Blöcke, sondern eher als besonders markante Punkte auf einem Kontinuum vorstellen sollte. b) Die einzelnen Konzessivwerte sind nicht alle als gleichberechtigt einzustufen. Es gibt eine "zentrale" Variante - die faktische Konzessivität - und "periphere" Varianten, die sich aus diesem semantischen Nukleus herleiten lassen. Ausgehend von der Anzahl und Art der Merkmale, die die einzelnen Varianten mit dem "Prototyp" gemeinsam haben, könnte man sich ein semantisches Netz vorstellen, das die Beziehungen zwischen den einzelnen Varianten wiedergibt.37 Die folgende Tabelle setzt die Varianten miteinander in Verbindung und berücksichtigt dabei die drei Parameter "explizierte Faktoren", "reale Faktoren" und "versteckte Ursache":

37

Im Bereich der lexikalischen Semantik hat es bereits Versuche gegeben, die Polysemie eines Lexems durch das Prototypenmodell zu beschreiben. Diesbezügliche bibliographische Angaben finden sich bei Di Meola (1994).

80 Tab. 3: Wert faktisch

explizierte Faktoren unterg. fiberg. AI B2

konditional kommentarisch evaluativ rekonstruktiv limitativ [korrektiv polykonditional

AI A1/A2/A1 A2 A2 / Bl Al +B1

B2 B2 Bl Bl Bl AI B2

reale Faktoren

versteckte Ursache

AI

ja

AI AI

Bl B2 Bl Bl Bl A2 Bl A2 Bl Bl

B2 B2 B2

B2 B2

ja ja nein nein nein nein] nein

Ausgehend von den Eigenschaften der faktischen Variante können wir ersehen, bezüglich welcher Parameter die "peripheren" Varianten sich von der "zentralen" differenzieren. So stimmt die konditionale Verwendung in fast allen Eigenschaften mit der faktischen überein - der einzige Unterschied besteht darin, daß AI nicht mehr der realen, sondern der hypothetischen Welt angehört. Auch die kommentarische Variante ist eng mit der faktischen verwandt; sie hebt sich einzig durch die Möglichkeit ab, außer AI im untergeordneten Satz auch A2 oder eventuell keinen der beiden Faktoren zu kodieren. Die Abweichungen der evaluativen Verwendung gegenüber der faktischen betreffen sowohl die im über- als auch die im untergeordneten Satz explizierten Faktoren. Die rekonstruktive und limitative Verwendung - die man zusammen betrachten kann - explizieren keinen der beiden "faktischen" Faktoren AI und B2. Es werden sozusagen spiegelverkehrt A2 und B1 kodiert, wobei auch die Verteilung von Grund und Folge auf den unter- bzw. übergeordneten Satz vertauscht wird. Von den drei Faktoren (AI, Bl, B2), die in der faktischen Relation der wirklichen Welt angehören, ist hier nur noch Bl real (dafür zusätzlich A2). Für die korrektive Variante - die einen Sondertypus der lixnitativen darstellt - wird die "scheinbare" Parameterkombination angegeben, wonach der unwirksame Faktor im übergeordneten, der wirksame, "sieghafte" hingegen im untergeordneten Satz auftritt. Die polykonditionale Variante schließlich hat nur noch wenig mit der zentralen Konzessivrelation gemein, denn es überwiegen die Unterschiede: Bl, die versteckte Ursache, wird erwähnt; AI und Bl haben einen hypothetischen Charakter. In diesem Kapitel habe ich versucht, die wichtigsten Unterschiede und Gemeinsamkeiten zwischen den einzelnen Varianten der Konzessivität herauszuarbeiten. Schematransformationen - die sich durch Merkmalsangaben darstellen lassen - verdeutlichen die Beziehungen zwischen den verschiedenen Konzessivrelationen. Es lassen sich somit Urteile bezüglich der (Proto-)Typizität der Varianten formulieren, die nicht mehr allein auf der Intuition des Linguisten basieren. So ist z.B. aus der zusammenfassenden Tab. 3 klar ersichtlich, warum die polykonditionale Variante als marginal gegenüber der rein konditionalen zu betrachten ist.

4. Überblick über die konzessiven Konstruktionen im Deutschen In diesem Kapitel soll - nach der Ausarbeitung einer allgemeinen Typologie der Konzessivkonstruktionen (4.1) - ein Überblick über die bedeutsamsten hypotaktischen (4.2) und parataktischen (4.3) Satzkonnektive sowie über die wichtigsten konzessiven Präpositionalfiigungen (4.4) gegeben werden. Ein kurzer zahlenmäßiger Überblick über diese drei Konstruktionstypen wird das Bild abrunden (4.5).

4.1. Allgemeine Typologie der konzessiven Konstruktionen Die logisch-semantische Relation der Konzessivität kann im Deutschen - wie auch in anderen Sprachen - durch lexikalische oder durch grammatische Mittel ausgedrückt werden. Im grammatischen Bereich läßt sich zwischen komplexen Sätzen und Präpositionalfiigungen unterscheiden. Es gibt hypo- und parataktische komplexe Sätze. Der konzessive Teilsatz kann jeweils mit oder ohne finites Verb auftreten. Bei letzteren Konstruktionen lassen sich zwei Fälle unterscheiden, je nachdem ob die konzessive Relation der Satz- oder Konstituentenebene angehört. Einen Überblick über die einzelnen Ausdrucksmöglichkeiten der Konzessivität gibt das folgende zusammenfassende Schema: (i)

Konzessivität

grammatische Mittel

lexikalische Mittel

Präpositionalfiigungen

komplexe Sätze

subordinierend

mit f. Verb

koordinierend

ohne f. Verb

Satzebene

Konstituentenebene

mit f. Verb

ohne f. Verb

Satzebene

Konstituentenebene

82 Betrachten wir nun im einzelnen die jeweiligen Oppositionen.

4.1.1. Lexikalische Mittel vs. grammatische Mittel In Kapitel 2 sind sechs Faktoren in Betracht gezogen worden, die zu einer Definition der Konzessivität beitragen können: Einräumung, Gegensatz, Hindernis, Enttäuschung einer Erwartung, Abweichung von einer Norm, Negierung eines Kausalverhältnisses. Die Mittel zum lexikalischen Ausdruck der Konzessivität sind nichts anderes als die explizite Thematisierung eines oder mehrerer dieser Faktoren. 1 1) Einräumung. Es wird die Existenz eines entgegengesetzten argumentativen Standpunktes anerkannt. Teilweise wird dem Gesprächspartner recht gegeben. Verben wie zugeben, eingestehen, zugestehen, zubilligen, konzedieren, einräumen, aber auch wie anerkennen, zustimmen, beipflichten oder lassen stellen diesen Aspekt der Konzessivität in den Vordergrund: 2 (1) (2)

Ich habe dich enttäuscht, das gebe ich zu, aber sei mir bitte nicht böse. Du hast die ganze Angelegenheit sehr geschickt eingefädelt, das muß ich dir lassen, aber du wirst letzten Endes nicht damit durchkommen.

Lexikalische Ausdrucksformen können stets durch grammatische Mittel substituiert werden. Betrachten wir die zu (1) und (2) entsprechenden hypotaktischen Satzgefüge: 3 (3) (4)

Auch wenn ich dich enttäuscht habe, sei mir bitte nicht böse. Obwohl du die ganze Angelegenheit sehr geschickt eingefädelt hast, wirst du letzten Endes nicht damit durchkommen.

Zahlreiche weitere Ausdrücke können auf den Faktor "Einräumung" zurückgeführt werden: (5)

da hast du recht, da sind wir einer Meinung, das stimmt, das bezweifle ich nicht, das glaube ich dir, ich weiß

Diese Wendungen spielen auf den Präsuppositionscharakter des Antezedens der Konzessivrelation an (s. 2.4).

Der lexikalische Ausdruck der Konzessivität hat bisher kaum Beachtung gefunden. Die einzige Untersuchung, die über einen kurzen Hinweis hinausgeht, ist meines Wissens durch Pötters' (1992:50-6) Beschreibung altitalienischer Satzmuster gegeben. S. auch die von Hermodsson (1994:62) konstruierten Beispiele. Aus Platzgründen wird im folgenden auf die Erwähnung der jeweiligen Substitutionsproben verzichtet.

83

2) Gegensatz. Es liegt eine Opposition - oder besser gesagt eine Inkompatibilität zwischen zwei Tatbeständen vor. Dieser Konflikt kann beispielsweise durch Antonyme (Satz 6) oder allgemein durch zwei Lexeme aus entgegengesetzten semantischen Bereichen (Beispiel 7) ausgedrückt werden: (6) (7)

Birgit arbeitet viel und verdient wenig. Sie ist eine reiche, unglückliche Frau.

Ein Sonderfall ist durch die rhetorische Figur des Oxymorons gegeben: (8)

ein beredtes Schweigen, eine aufrichtige Lüge, sanfte Gewalt

3) Hindernis. Es liegt ein Tatbestand vor, der das Eintreten eines bestimmten Ereignisses hätte verhindern sollen; das Hemmnis wird jedoch überwunden: (9) a Er hat seine Schüchternheit fiberwunden und ihr einen Heiratsantrag gemacht. b Sie ist über ihren eigenen Schatten gesprungen und hat die verantwortungsvolle Aufgabe übernommen.

4) Enttäuschung einer Erwartung. Es tritt eine Situation ein, die nicht unseren Erwartungen entspricht. Das Überraschungsmoment kann auf unterschiedlichste Weise lexikalisiert werden: (10) (11)

Keiner hatte erwartet / geglaubt / damit gerechnet, daß er die Prüfung bestehen würde. Es ist wirklich überraschend / seltsam / erstaunlich / merkwürdig, daß er die Prüfung bestanden hat.

5) Abweichung von einer Norm. Die Konzessivrelation negiert einen gewohnheitsmäßigen Zusammenhang zwischen zwei Sachverhalten. Auch dieser Aspekt der Konzessivität kann auf vielfältige Weise ausgedrückt werden: (12) Inge ist krank. Normalerweise wäre sie nicht zur Arbeit gegangen. (13) a Ausnahmsweise ist sie zur Arbeit gegangen. b Es ist schon außergewöhnlich / ungewöhnlich, daß sie zur Arbeit gegangen ist.

Derartige Lexikalisierungen heben hervor, daß das Geschehen einen Sonder-, Spezialbzw. Einzelfall darstellt, d.h. eine einmalige Erscheinung, die als unüblich oder ungebräuchlich angesehen werden kann. 6) Negierung eines Kausalverhältnisses. Die Folge, die von einer bestimmten Ursache hätte ausgehen sollen, tritt nicht ein. Betrachten wir einige Beispiele, bei denen entweder die ausgebliebene Folge (14) oder die unwirksame Ursache (15) lexikalisiert wird: (14)a Stefan hat einen äußerst gutmütigen Charakter. Aber daraus darf man nicht schließen / folgern, daß er zu jedem Kompromiß bereit ist. b Der Boxer liegt weit nach Punkten zurück. Das heißt aber nicht, daß er aufgeben will.

84 (15)a Ihre hohe fachliche Qualifikation war nicht entscheidend / ausschlaggebend. Die Firma hat ihr eine andere Bewerberin vorgezogen. b Es ist irrelevant, wie gut er sich vorbereitet hat. Er wird die Prüfung nicht bestehen. Es sei ferner darauf hingewiesen, daß in einem bestimmten Satz auch mehrere Faktoren gleichzeitig Ausdruck finden können: (16)

Er hat ihr einen langen Brief geschrieben. Zu seiner großen Enttäuschung hat er sie jedoch nicht dazu bewegen können, zu ihm zurückzukehren.

Wie aus den Beispielen (1)-(16) deutlich wird, ist die explizite Lexikalisierung eines Aspekts der Konzessivität oft mit einem adversativen Konnektiv wie aber oder jedoch verbunden. Betrachten wir nun einige Belege aus dem Korpus, bei denen die Lexikalisierung lediglich die Funktion einer zusätzlichen Hervorhebung hat. Das Konzessivverhältnis ist nämlich bereits durch ein spezifisches Konnektiv ausgedrückt. In (17a,b) wird das Moment der Einräumung betont, in (18a-c) das der Überraschung, in (19a-c) der Ausnahmecharakter: (17)a Besonders für die weiblichen Besucher sind diese Menschen eine rechte Plage, auch wenn man zugeben muß, daß sie auf ihre Art wieder "ehrliche" Erscheinungen sind, denn die Raffgier steht ihnen im Gesicht geschrieben. (FAZ 13-1-94, Rl) b [...] vielleicht, vielleicht aber auch ein Hase, eine Katze oder ein Hase, schwer voneinander zu unterscheiden in diesem breitzerquetschten Zustand, obwohl, ich muß gestehen, so sicher wie die Worte "Hase" und "Katze" kann ich die Tiere bei auch nur geringer Entfernung nicht unterscheiden, und erst recht nicht so schnell [...]. (Drawert, 74) (18)a Es ist bemerkenswert, daß eine Organisation aus den Zeiten des kaum erloschenen "heißen" Krieges wie die vom CIA initiierte Stay-behind-Gruppierung "Gladio" unter den Augen der Sicherheitskräfte und deren Minister in den meisten Ländern Europas die Politik beeinflussen konnte, bis hin zu einem von der Publizistik kaum vermerkten StaatsstreichVersuch in Italien, ohne daß Strafverfolgungsorgane an sie herangekommen wären - und dies, obwohl die Gruppenmitglieder nahezu alle Straftaten (bis zum Mord) begingen, die das Strafrecht so kennt. (Wolter, 33) b Einen Tag später würden wir Zeuge werden, wie in der Straßenbahn ein betrunkener, alter Mann auf einen jungen Mann einschlug, der merkwürdig nachsichtig blieb, obwohl er von Faustschlägen ins Gesicht getroffen wurde. (Herburger, 158) c Sie vermutete, daß sie es war, die mehr litt, nicht er. Komisch, dachte sie, ich bin es, die einen Fehler macht, und doch fühle ich mich unschuldig, zu Unrecht gekränkt. (Wohmann, 65) (19)a Auch das BVerfG verknüpft diese Gesichtspunkte und bejaht in Ausnahmefällen die Möglichkeit, daß Grundrechtseingriffe verhältnismäßig sein können und damit den Kernbereich eines Grundrechts unangetastet lassen, selbst wenn von dem Grundrecht im Einzelfäll nicht mehr viel übrig bleibt. (Maier, 110) b Auf einem Stuhl lag der Mantel von Lucies Tochter, sie war also da, dennoch hörte man kein Geschrei in der Wohnung, auch das ungewöhnlich. (Becker, 36) c [...] in den spitzen Fingern der anderen Hand hielt er in Kinnhöhe eine Zigarette ... obwohl er normalerweise Nichtraucher war ... (Hilbig, 51) Die lexikalischen Mittel zur Kodierung der Konzessivität werden im Laufe dieser Arbeit keine weitere Beachtung finden. Sie können als marginale Ausdrucksmöglichkeit

85 angesehen werden, da sie relativ selten ohne die Unterstützung eines adversativ-konzessiven Konnektivs auftreten. Zudem muß bedacht werden, daß sie eine offene Klasse von Ausdrücken bilden. Bei den grammatischen Mitteln, die im folgenden untersucht werden sollen, handelt es sich hingegen um - im Prinzip - geschlossene Klassen: komplexe Sätze und Präpositionalfugungen.

4.1.2. Grammatische Mittel: komplexe Sätze vs. Präpositionalfugungen Die grammatischen Mittel zum Ausdruck der Konzessivität lassen sich in zwei große Gruppen unterteilen: komplexe Sätze und Präpositionalfugungen. Betrachten wir die folgenden beiden Beispiele, die eine vergleichbare konzessive Beziehung zwischen zwei Sachverhalten beschreiben: (20) (21)

Obwohl es regnet, gehe ich spazieren. Trotz des Regens gehe ich spazieren.

Während eine Präpositionalfügung generell durch einen komplexen Satz umschrieben werden kann (trotz des Regens > obwohl es regnet), ist die umgekehrte Transformationsrichtung nicht immer gegeben (s. Schramm 1977:153-62). So ist beispielsweise Satz (22) nicht inhaltsgleich zu (23), da das Präpositionalgefuge den hypothetischen Charakter des Antezedens nicht zum Ausdruck bringen kann: (22) (23)

Auch wenn es geregnet hätte, wäre ich spazierengegangen. Trotz des Regens wäre ich spazierengegangen.

Die syntaktischen und semantischen Eigenschaften der Präpositionalkonstruktionen werden unter Punkt 4.4 eingehender behandelt.

4.1.3. Komplexe Sätze: Subordination vs. Koordination Im Bereich der komplexen Sätze lassen sich zwei Konstruktionstypen unterscheiden: subordinierende (hypotaktische) und koordinierende (parataktische) Konstruktionen. Ein Überblick über die beiden Arten der konzessiven Satzkonnexion im Deutschen wird jeweils unter 4.2 und 4.3 gegeben. In Kapitel 5 werden beide Konstruktionen unter dem Gesichtspunkt der Prototypenhafitigkeit (in Hinblick auf den Ausdruck der Konzessivität) gegenübergestellt. Betrachten wir zunächst folgendes Beispielpaar: (24) (25)

Obwohl er krank ist, geht er zur Arbeit. Er ist krank; trotzdem geht er zur Arbeit.

86 Nicht immer ist der Unterschied zwischen Hypotaxe und Parataxe so klar w i e bei (24) vs. (25). Es handelt sich um z w e i Sektoren auf einem Kontinuum der Satzkonstruktion, das vielfaltige Zwischenformen erlaubt. 4 Grenzfalle sind beispielsweise durch Konstruktionen gegeben, in denen ein subordinierendes Konnektiv w i e obwohl

oder auch

wenn in (annähernd) koordinierender Funktion verwendet wird. Es geht dabei um "Nebensätze", die relativ unabhängig sind und durch eine markante Pause v o m vorangegangenen Hauptsatz getrennt sind: 5 (26) a Wovon reden Sie? fragte Amanda, zum erstenmal ernst. Obwohl das ja nun wirklich klar war. (Becker, 87) b Gut, das können Sie haben. Obwohl ich keineswegs der Meinung bin, daß ich mich in Ihre Schuld begeben habe. (Strauß, 74) (27) a Was zum Beispiel irische Schriftsteller aus den Konflikten ihres Landes machen, bleibt an der Oberfläche meistens sehr viel leichter und lesbarer als Vergleichbares bei uns. | Wenn es auch nicht immer so schnoddrig daherkommt wie in Sean McGuffins Erzählungen. (FAZ 13-1-94, 22) 6 b Versprechen, beieinander zu bleiben, auf jeweils zwei Jahre. Später konnte man diesen Pakt erneuem, und soviel sie wußte, war dieser Pakt stets erneuert worden. Auch wenn andere Menschen auftraten und manchmal dazwischen. (Schwaiger, 50) Besonders augenfällig ist die Trennung der beiden Teilsätze, wenn sich der erste im Text, der zweite in einer Fußnote befindet: (28)

Das sog. Zitiergebot [...] soll verhindern, daß der Gesetzgeber unbewußt Grundrechte einschränkt. Es zwingt den Gesetzgeber, bei allen nachkonstitutionellen Gesetzen die Klausel aufzunehmen: "Durch dieses Gesetz wird Art. ... GG eingeschränkt." [Fußnote:] Auch wenn ein nachkonstitutionelles Gesetz einen vorkonstitutionellen Freiheitseingriff verschärft (BVerfGE 35, 185, 188). (Maier, 109)

Die Wortstellung ist im Deutschen ein wichtiges Kriterium, um subordinierende und koordinierende Strukturen auseinanderzuhalten. Dabei müssen z w e i Aspekte beachtet werden: Wortstellung im Hauptsatz und Wortstellung im Nebensatz. 7 a) Hauptsatz.

Wenn der Hauptsatz einem vorangestellten Nebensatz folgt, so

zeichnet er sich meist durch Verb-Erststellung ( V I ) aus. Da der Nebensatz als Konstituente interpretiert werden kann, hat der Gesamtsatz die für selbständige Sätze typische Verb-Zweitstellung (V2): 4

S. beispielsweise die Bemerkungen von LakofF (1984:386-9) und Mithun (1984:497ff). Raible (1992:14-23) spricht von einem Kontinuum zwischen Formen der "Aggregation" und der "Integration".

5

Vgl. Schramm (1977:128-9). Auf die semantische Relevanz dieser Pause weist Metrich (1980a:255ff; 1983:94ff.) hin. Zu der Problematik von selbständig geäußerten Nebensätzen allgemein s. Weuster (1983).

6

Hier und im folgenden zeigt der senkrechte Strich die Grenze zwischen zwei Absätzen an.

7

Eine Diskussion der einschlägigen Literatur sowie eine detaillierte Analyse deutscher Konzessivkonstruktionen folgen unter 6.6.

87 (29)

Obwohl er krank war, ging er unbeirrt zur Arbeit.

Jedoch ist im Hauptsatz auch Verb-Zweitstellung möglich. Zumeist trennt eine markante Pause die beiden Teilsätze: (30)

Obwohl er krank war - er ging unbeirrt zur Arbeit.

Aufgrund der größeren Eigenständigkeit der beiden Teilsätze handelt es sich um eine atypische Form von Hypotaxe. b) Nebensatz. Der Nebensatz ist im Deutschen meist durch Verb-Endstellung gekennzeichnet: (31)

Er ging zur Arbeit, obwohl er krank war.

Verb-Zweitstellung ist allerdings nicht ausgeschlossen. Diese Fälle sind als atypisch anzusehen, da ein charakteristisches Signal für syntaktische Unterordnung fehlt: (32)

Er ging zur Arbeit, obwohl er war krank.

Eine weitere marginale hypotaktische Konstruktion liegt vor, wenn ein VI-Satz wie (33) eine V2-Stellung aufweist (34): (33) (34)

Mag er auch krank sein, er geht zur Arbeit. Er mag auch krank sein, er geht zur Arbeit.

Außer Wortstellungsaspekten lassen sich noch weitere Verbindungspunkte zwischen unterordnenden und beiordnenden Strukturen anfuhren. So gibt es Konnektive, die sowohl koordinierend als subordinierend verwendet werden können. Ein Beispiel ist trotzdem (mit unterschiedlicher Betonung):8 (35) (36)

Er ist krank. Trotzdem geht er zur Arbeit. Trotzdem er krank ist, geht er zur Arbeit.

Andere koordinierende Konnektive weisen in ihren morphologischen Strukturelementen Gemeinsamkeiten mit subordinierenden Konjunktionen auf: beispielsweise gleichwohl und zwar. Das Element gleich findet sich u.a. in wenngleich und obgleich wieder, wohl in obwohl und wiewohl, zwar in obzwar. Schließlich sei noch erwähnt, daß zahlreiche parataktische Konnektive als Verstärkungselemente in hypotaktischen Konstruktionen auftreten können.

8

Dazu auch Schramm (1977:64-5) und Baschewa (1980:40-1). Thompson/Longacre (1985:176-7) weisen allgemein auf die Tatsache hin, daß in zahlreichen Sprachen Konnektive existieren, die sowohl bei- als auch unterordnende Funktion haben können.

88 4.1.4. Subordinierte Sätze: vollständige vs. reduzierte Sätze Es können zwei Arten von subordinierten Sätzen - vollständige und reduzierte - unterschieden werden, j e nachdem ob sie ein finites Verb enthalten oder nicht. Sätze ohne finite Verbform können ihrerseits entweder eine infinite Verbform (d.h. Partizip bzw. Infinitiv) oder überhaupt keine Verbform aufweisen. Insgesamt haben wir also drei Konstruktionstypen: 9 1) Sätze mit finiter Verbform. Betrachten wir dazu folgendes Beispiel: (37)

Obwohl sich Art. 19 Abs. 4 GG nicht auf den Schutz der Grundrechte beschränkt, dient er doch zu einem wesentlichen Teil deren Sicherung. (Hesse, 142)

2) Sätze mit infiniter Verbform. Sie können ein Partizip enthalten - meist Partizip II, seltener auch Partizip I: (38)a Die indianische Präsenz ist sehr lebendig; sie ist es, die dem Staat Gesicht und Persönlichkeit verleiht. Die traditionelle Kultur, obwohl jahrhundertelang beherrscht und in die Knie gezwungen, ist keine Reliquie, sondern Wirklichkeit. (FAZ 10-1-94, 25) b Zunächst erinnerte ich mich an die Balladendichterin [...], die, obzwar rückwärts gehend, außerordentlich geschwind vor mir herzuschweben schien. (Herburger, 238) In einigen Konstruktionen - deren Zugehörigkeit zur Kategorie "Konzessivität" allerdings marginal oder gar fraglich erscheint - ist auch eine Infinitivform möglich: (39) a [...] da sind plötzlich die Menschen zu Tausenden und zu Zehntausenden und zu Hunderttausenden auf die Straße gegangen, selbst auf die Gefahr hin zu sterben [. . .]. (Drawert, 21) b Leider berichteten uns die Offiziellen nie Aber gegenteilige Erfahrungen. Obwohl sie ständig über Gewalt gegen Ausländer sprachen, spielten sie sie mit Allgemeinheiten herunter. Binnen einiger Tage fand ich, ohne danach zu suchen, solche gegenteiligen Vorkommen. (FAZ 12-1-94, 6) 1 0 3) Sätze ohne Verbform. Sie können eine Adjektiv-/Adverbphrase, Präpositionalphrase oder Nominalphrase enthalten: (40) (41)

Und ich habe gelauscht, wenn auch nicht lange, denn schnell wurde das Zuhören langweilig. (Becker, 76) Diese "wahrt" seine Rechte vielmehr, wenn auch nicht für unbegrenzte Dauer, in der Regel bis zum Erlaß der Überleitungsanzeige und der sodann mit dieser verbundenen Mahnung des Unterhaltspflichtigen. (Friederici, 226)

9

Weitere Einzelheiten unter 6.3.

10

Das Konnektiv ohne zu drückt das Fehlen eines Begleitumstandes aus. Eine Interpretation in konzessivem Sinne ist lediglich in manchen Kontexten gegeben (Beispiel i), nicht jedoch in anderen (Beispiel ii): (i) Ohne zu beschleunigen erreichte er als erster das Ziel. (ii) Ohne zu verlangsamen erreichte er als erster das Ziel.

89 (42)

Obschon noch ein halbes Kind, spürte ich alles, was ein erwachsener Mann bei seiner Geliebten spürt, und konnte mich doch nicht zuwenden, dem Vogel, dessen Tanz mich so sehr erregte, konnte ihn nicht umarmen, nicht berühren, Knabe, der ich war, von einem Sturm männlicher Habgier und Wollust ergriffen. (Strauß, 185-6)

Es sei noch am Rande erwähnt, daß nicht immer klar geschieden werden kann zwischen Sätzen mit infiniter Verbform, die ein Partizip enthalten, und Sätzen ohne Verb, die auf einem Adjektiv basieren. Es ist nämlich eine bekannte Tatsache, daß Partizipien wie Adjektive gebraucht werden können. Interessant sind die Fälle, in denen der Nebensatz einzig und allein aus dem Konnektiv besteht. Diese extreme Form der Ellipse ist beispielsweise in der stehenden Wendung und wenn schon! gegeben: (43)

Da ist also doch jemand ! | Und wenn schon! (Schneider, 208)

Ein solcher Nebensatz kann durch den vollständigen konditional-konzessiven Satz "und selbst wenn das so wäre ..." paraphrasiert werden. Man beachte, daß der übergeordnete Satz hier ebenfalls ausgelassen ist ("es würde sich nichts ändern"). Auch in folgendem Beispiel kann der elliptische, konditional-konzessive Nebensatz relativ leicht aus dem Kontext ergänzt werden: (44)

Sie ahnte sicher nichts von der Belauerung, der Werbung in meiner Fragerei und selbst wenn - das unbeschreiblich Schöne blieb verkapselt in Allerweltsauskünften über Himmel, Sand und Wasser, Tante Ruths Sommerparadies eine lichte Leere um Körbe voller Himbeeren und eine tote Möwe. (Burmeister, 100)

Anders ist hingegen folgender Fall. Der nichtkonditionale obwohl-Satz wird vom Sprecher unterbrochen; der Hörer sieht sich so gezwungen, ausdrücklich nach einer Fortsetzung zu verlangen: (45)

Was noch, Frau K. - Also Auslandskorrespondenten. - Welche Auslandskorrespondenten. Die sich eingeschlichen haben könnten, obwohl... - Obwohl was? Ist dies eine öffentliche Veranstaltung oder nicht? (Wolf, 88)

Verblose Sätze können in vollständige Sätze umgewandelt werden. 11 Bei Nominalphrasen genügt es meist, neben der Ergänzung des Subjekts eine Form des Verbs sein einzufügen. So kann beispielsweise (42) durch (46) wiedergegeben werden: 12 (46)

11

Obschon ich noch ein halbes Kind war, spürte ich alles, was ein erwachsener Mann bei seiner Geliebten spürt [...].

Stilistische Aspekte solcher Transformationen werden kurz von Schramm (1977:193-4) angesprochen. Die Ergänzungen sind von mir jeweils durch Unterstreichung hervorgehoben.

90

Im Falle einer Adjektiv- oder Präpositionalphrase muß bei der Transformation das Verb des übergeordneten Satzes integriert werden; alternativ kann ein allgemeines Geschehens- oder Handlungsverb verwendet werden. Die Sätze (40) und (41) können jeweils folgendermaßen umgewandelt werden: (47) (48)

Und ich habe gelauscht, wenn ich auch nicht lange gelauscht habe, denn schnell wurde das Zuhören langweilig. Diese "wahrt" seine Rechte vielmehr, wenn sie es auch nicht für unbegrenzte Dauer tut, in der Regel bis zum Erlaß der Überleitungsanzeige [...].

4.1.4.1. Subordinierte reduzierte Sätze: konzessive Relation auf Satzebene vs. Konstituentenebene Sätze, die keine finite Verbform enthalten, können zwei Untergruppen zugeordnet werden: a) die konzessive Relation betrifft die Satzebene (wie in den Beispielen 4042); b) die konzessive Relation äußert sich auf Konstituentenebene.13 In letzterem Fall - den wir nun näher betrachten werden - setzt das Konnektiv mehrere Adjektive (oder adjektivisch gebrauchte Partizipien) in Verbindung, die ein und derselben Konstituente angehören. Die Konzessivbeziehung betrifft also lediglich die subphrastische Ebene: (49) (50)

(51)

Sie darf nicht darüber hinwegtäuschen, daß es sich nur um Aspekte eines einheitlichen, wenn auch komplexen Zusammenhanges handelt. (Hesse, 8) Unverzüglich diktiert er ein Antwortschreiben an seinen Untergebenen. Form, Führungsstil und schließlich das Verantwortungsbewußtsein, so heißt es darin, welches er für das ganze Haus und viele Einzelschicksale trage, erlaubten es ihm nicht, in eine uferlose Diskussion über Einzelheiten und "z.T. stark psychologisch gefärbte" Hintergründe eines letztlich bedeutungslosen, wenn auch bedauernswerten Vorfalls einzutreten. (Strauß, 75) Jetzt waren wir zehn Minuten vom Schild entfernt oder nur fünf und so weiter, womit immer dieses Hinweisschild, rot auf hellblauem Grund, "Zum Haus der Kunst" gemeint war, dem wir schließlich, in einem Gefühl der Erwartung und Verzweiflung zugleich, folgten, um, nach nochmaligen, wenngleich kürzeren Fahrten im Kreis, vor einem ebenso makellosen Perfektionshaus zu stehen [...]. (Drawert, 43-4)

Auch diese reduzierten Sätze können in vollständige umgewandelt werden. Dazu muß allerdings die Adjektivphrase in einen Relativsatz transformiert werden, womit die Konzessivrelation von der Konstituenten- auf die Satzebene gehoben wird. Die Konstruktion (49) kann beispielsweise folgendermaßen paraphrasiert werden:

13

Auf die Relevanz der syntaktischen Ebene bei Subordinierungsprozessen allgemein weist beispielsweise die typologisch angelegte Untersuchung Lehmanns (1988:189-92) hin. Was die deutschen Konzessivsätze betrifft, so gehen die Studien, die verkürzte Nebensätze erwähnen (s. Punkt 6.3), nicht auf die Unterscheidung zwischen Satz- und Konstituentenebene ein. Lediglich in Pötters' (1992:64-5) Beschreibung altitalienischer Konzessivstrukturen findet sich ein kurzer Hinweis.

91 (52)

Sie darf nicht darüber hinwegtäuschen, daß es sich nur um Aspekte eines Zusammenhanges handelt, der einheitlich ist, wenn er auch komplex erscheint.

Die Möglichkeit der Transformation in einen vollständigen Satz ist hingegen nicht mehr gegeben, wenn die konzessive Relation auf die Konstituentenebene beschränkt bleiben soll: (53)

??Sie darf nicht darüber hinwegtauschen, daß es sich nur um Aspekte eines einheitlichen wenn er auch komplex erscheint - Zusammenhanges handelt.

In einigen Fällen enthält die konzessive Struktur auf Konstituentenebene nur ein einziges Adjektiv. Betrachten wir folgendes Beispiel, das wir bereits bei der Diskussion der limitativen Konzessivität (3.5) untersucht haben: (54)

Deutlich wird dies auch, wenn Belegschaften auf ältere Arbeitnehmer einen, wenn auch oft nur sanften, Druck ausüben, bestehende Regelungen des Vorruhestandes zu nutzen, um Jüngeren Platz zu machen. (Siebert, 148)

Die konzessive Opposition besteht nicht mehr zwischen zwei explizierten Eigenschaften einer Entität (beispielsweise einheitlich vs. komplex in Satz 49), sondern zwischen einem explizierten Sonderfall {sanfter Druck) und einem implizierten Regelfall (normal starker Druck). Ähnlich ist auch die Gegensatzrelation, die folgenden beiden Beispielen zugrundeliegt (sozial korrigierter Kapitalismus vs. lupenreiner Kapitalismus / kleiner Ertrag vs. normal großer Ertrag): (55) (56)

Dieser Auffassung zufolge steht der Sozialstaat der Restauration des - wenn auch sozial korrigierten - Kapitalismus nicht im Wege. (Maier, 214) Doch sei es durch innerbetriebliche Umstrukturierungsmaßnahmen gelungen, einen wenn auch kleinen Ertrag zu erwirtschaften. (FAZ 3-1-94, 14)

4.1.5. Koordinierte Sätze: vollständige vs. reduzierte Sätze Auch koordinierte Konzessivsätze können - wie schon subordinierte - eine finite Verbform enthalten oder entbehren: (57) (58)

Er ist (zwar) über die Mauer geklettert, gleichwohl hat er sich sehr anstrengen müssen. Er ist (zwar) über die Mauer geklettert, gleichwohl unter großen Anstrengungen.

Es seien noch zwei weitere Beispiele für koordinierte Strukturen erwähnt, in denen der zweite Teilsatz verblos bleibt: (59) (60)

Diese Wohnung ist klein, dennoch schön gelegen. Der Scharfschütze hat das Ziel verfehlt, jedoch um sehr wenig.

92

4.1.5.1. Koordinierte reduzierte Sätze: konzessive Relation auf Satzebene vs. Konstituentenebene Wie wir soeben gesehen haben (58-60), kann ein koordinierter Satz ohne finites Verb ein Konzessiwerhältnis auf Satzebene beschreiben. In anderen Fällen bleibt die Konzessivrelation jedoch auf die Konstituentenebene beschränkt: (61)a Er erinnerte sich an ihre schönen und trotzdem seltsamen Augen, b Er hat mich mit wenigen und doch freundlichen Worten empfangen, c Sie ist mit einem müden und dennoch schnellen Schritt auf ihn zugegangen.

4.2. Hypotaktische Konstruktionen In diesem Abschnitt möchte ich zunächst einen Überblick über die wichtigsten subordinierenden Konnektive der deutschen Gegenwartssprache geben (4.2.1). Einzelne Aspekte der hypotaktischen Konzessivkonstruktionen werden später in Kapitel 6 vertieft. Es sollen hier des weiteren Konstruktionsmöglichkeiten behandelt werden, die entweder eine spezifische Funktion wahrnehmen (4.2.2) oder als marginal einzustufen sind (4.2.3); auf diese beiden letzten Punkte komme ich nicht mehr zurück.

4.2.1. Die wichtigsten konzessiven Konnektive Es werden im folgenden diejenigen Konnektive in Betracht gezogen, die ausschließlich oder zumindest vorzugsweise eine konzessive Bedeutung kodieren. Je nach ihrer morphologischen Zusammensetzung lassen sich - wie wir sehen werden - mehrere Untergruppen aufstellen. Wie schon unter 2.1 angedeutet, weisen konzessive Konnektive in zahlreichen Sprachen eine etymologisch transparente Wortstruktur auf und/oder lassen sich auf andere, semantisch grundlegendere Kategorien zurückfuhren. Betrachten wir nun - alphabetisch geordnet - eine provisorische Liste von konzessiven Subjunktionen, die man für das Deutsche annehmen kann: A. auch wenn gleichwohl obgleich obschon obwohl

obzwar schon wenn selbst wenn sogar wenn trotzdem

und wenn wenn auch / wenn...auch wenngleich wennschon / wenn schon / wenn.. .schon wiewohl

Eine konzessive Bedeutung haben oftmals auch folgende Nebensatzkonstruktionen: B. so + graduierbares Adj./Adv. [+auch] (so + graduierbares Adj./Adv. [+ auch]) + (so + graduierbares wie + graduierbares Adj./Adv. + auch

Adj./Adv.)

93

Uneingeleitete Nebensätze können durch die Konnektive und, auch und noch so verstärkt werden: 14 C. auch und noch so

Es gibt des weiteren einige Wortgruppen, die einen konzessiven Nebensatz einleiten können: D. trotz / entgegen / ungeachtet / unbeschadet (der Tatsache, des Umstandes usw.), daß ohne Rücksicht darauf, daß/ob um den Preis auf die Gefahr (hin)

Auffallend ist, daß alle unter (A) aufgelisteten Subjunktionen morphologisch komplex sind. Sie bestehen meist aus einer Konjunktion und einem Verstärkungselement. Als Konjunktion kommen in Frage: das konditional-temporale wenn, das ursprünglich konditionale und heute nahezu bedeutungsleere ob sowie das graduierende wie. Die Verstärkungselemente können orthographisch von der Konjunktion getrennt erscheinen (auch, selbst, sogar, und) oder zusammen geschrieben werden (gleich, wohl, zwar). Bei der Partikel schon sind beide Möglichkeiten gegeben. Im Falle der Getrenntschreibung bleibt den Verstärkungselementen noch eine gewisse semantische und syntaktische Eigenständigkeit, die sich in zweifacher Hinsicht äußert: a) Die getrennt geschriebenen Verstärkungselemente können im Hauptsatz vorkommen, während die Konjunktion weiterhin den Nebensatz einleitet. Es lassen sich daher u.a. folgende Varianten auflisten: 15 E. auch / selbst /sogar / schon (dann), wenn

b) Die getrennt geschriebenen Verstärkungselemente sind - mit einigen Ausnahmen bei schon und und - Teil eines produktiven Kombinationsmusters. Sie lassen sich mit allen typischen konditionalen Konjunktionen und konjunktionalen Wortgruppen zu konzessivischen Konnektiven verbinden: F. auch / selbst /sogar falls; im Falle, daß; angenommen, daß; unter der Annahme, daß; unter der Voraussetzung, daß; (voraus)gesetzt, daß; unter der Bedingung, daß; (in)soweit; (in)sofern usw.

Eine Kombination mit temporalen Konjunktionen erscheint ebenfalls möglich. Die so entstandenen Konnektive können in bestimmten Kontexten eine konzessive Bedeutung annehmen: 14

Wobei noch so auch in bereits durch ein konzessives Konnektiv eingeleiteten Nebensätzen auftreten kann.

15

Lediglich bei und ist die Transformation nicht möglich.

94 G. auch / selbst /sogar /schon als; während; nachdem; bevor usw.

Gegenüber diesen beiden produktiven Formationsmustern (F) und (G) bilden die mit den Elementen gleich, wohl und zwar gebildeten Konnektive eine geschlossene Klasse. Noch kurz einige Bemerkungen zur Semantik der Verstärkungselemente. Und und auch haben eine additive Bedeutung, sogar dient der steigernden Hervorhebung, durch gleich und selbst wird Ähnlichkeit bzw. Identität ausgedrückt, wohl signalisiert Zustimmung, zwar betont die Wahrhaftigkeit des Gesagten, noch zeigt temporale Übereinstimmung an. 16 In vielen konzessiven Kombinationen - auch bei Getrenntschreibung - ist der ursprüngliche Bedeutungsgehalt dieser Verstärkungselemente jedoch weitgehend verlorengegangen. Die unter (A)-(G) aufgelisteten Konnektive lassen sich aufgrund ihrer morphologischen Struktur folgendermaßen einteilen: a) Kombination «semantisch-syntaktisch gewichtiges Element + Verstärkungselement». Zumeist ist das gewichtige Element eine Konjunktion (wenn, ob, wie), mitunter auch eine Präposition (trotz). Dieses erste Bildungsmuster hat die weitaus größte Verbreitung. b) «Semantisch-syntaktisch gewichtiges Element». Es handelt sich um die Konnektive um den Preis, auf die Gefahr (hin), trotz / entgegen / ungeachtet / unbeschadet..., daß sowie um die Konstruktion «so + graduierbares Adj./Adv.» (hier kann allerdings auch fakultativ hinzutreten). Das gewichtige Element ist jeweils durch eine Konjunktion (so), ein Substantiv (Preis, Gefahr) oder eine Präposition (trotz, entgegen, ungeachtet, unbeschadet) gegeben. c) «Verstärkungselement(e)». Anzuführen sind gleichwohl - das aus der Verbindung zweier Verstärkungspartikeln besteht - sowie und und auch im uneingeleiteten Nebensatz. Für eine morphologisch-etymologische Klassifikation der deutschen Konzessivkonnektive ergeben sich also prinzipiell zwei Möglichkeiten: - Klassifikation nach dem Verstärkungselement - Klassifikation nach dem semantisch-syntaktisch gewichtigen Element

Letzterem Kriterium sollte m.E. der Vorzug gegeben werden. Fast alle Konnektive enthalten nämlich ein gewichtiges Element (Gruppen a,b). Nur in relativ seltenen Fällen wird demgegenüber die Konzessivrelation einzig und allein durch Verstärkungselemente signalisiert (Gruppe c).

16

Vgl. die jeweiligen Einträge bei Heibig (1988). S. auch die eingehende Behandlung der Partikeln wohl, schon und auch bei Brauße (1994).

95 Nach dem Kriterium des semantisch-syntaktisch gewichtigen Elements lassen sich für die deutschen Konnektive inhaltlich die folgenden drei Untergruppen bestimmen: 17 1) konditionales Element 2) hindernd-oppositives Element 3) quantitatives Element

{wenn, ob) (trotz, entgegen, ungeachtet, unbeschadet, Preis, Gefahr)™ (wie, so)

Für die Fälle, in denen das Konnektiv lediglich aus einem Verstärkungselement besteht, muß noch eine vierte Gruppe angenommen werden: 4) allgemeines Verstärkungselement

(und, auch)

Die vier Untergruppen werden im folgenden jeweils unter 4.2.1.1-4.2.1.4 behandelt. Die Frage, ob eventuell noch eine fünfte Gruppe anzunehmen sei (wie die Liste (G) nahezulegen scheint), wird im Anschluß unter 4.2.1.5 diskutiert. Diese Klassifikation, die auf etymologisch-formalen Kriterien beruht, hat durchaus semantische Relevanz. Wie wir im einzelnen in Kap. 6 sehen werden, bedingt die morphologische Struktur des Konnektivs beispielsweise den kodierten Konzessivwert. Auch hängen wesentliche syntaktische Eigenschaften einer Konstruktion von dem Bildungsprinzip des jeweiligen Konnektivs ab.

4.2.1.1. Konditionales Element Die erste Untergruppe von Konnektiven basiert auf einem konditionalen Element. Aufgrund der Anzahl der möglichen Verbindungen und der Häufigkeit der jeweiligen Belege ist offenkundig, daß es sich um die für das Deutsche mit Abstand wichtigste Gruppe handelt. Betrachten wir dazu folgende Übersicht: auch wenn; auch (dann), wenn wenn auch; wenn. . .auch 17

Diese Aufteilung geht von der etymologisch orientierten Klassiiikation aus, die König für die Konzessivkonnektive einer typologisch breitgefächerten Auswahl von Sprachen aufgestellt hat. König (1985a:9-l 1; 1991a:638; König/Eisenberg 1984:322-5) nimmt vier Untergruppen an, mitunter eine fünfte (1985b:266-9; 1988:151-6). Interessant erscheint in diesem Zusammenhang auch die Klassifikation von Harris (1988:75), der für die romanischen Sprachen sechs Gruppierungen feststellt. Die einschlägigen Untersuchungen des Deutschen gehen meist über die - offensichtliche - Unterscheidung zwischen «oA-Gruppe» und «we««-Gruppe» nicht hinaus (s. beispielsweise Kaufmann 1974). Lediglich Hermodsson (1978:65; 1994:59-60) liefert einige interessante Hinweise zur Etymologie der deutschen Konnektive.

18

Diese Untergruppe ist, wie wir den Listen (A)-(F) entnehmen können, die einzige, bei der die Verbindung mit einem Verstärkungselement untersagt ist.

96 selbst wenn; selbst (dann), wenn sogar wenn; sogar (dann), wenn wenngleich schon wenn; schon (dann), wenn wenn schon; wennschon; wenn...schon ebenfalls / bereits (dann), wenn und wenn und wenn + Partikel (auch, selbst usw.) obwohl, obgleich, obschon, obzwar auch / selbst / sogar + konditionales Konnektiv (für den Fall, daß; vorausgesetzt, daß usw.)

Relevant sind in erster Linie die Bildungen mit den Konjunktionen wenn und ob, die stets von einem Verstärkungselement begleitet werden. So kann wenn eine Verbindung mit auch, selbst, sogar, gleich, schon und und eingehen. Betrachten wir zunächst die Kombinationsmöglichkeiten zwischen wenn und auch. Es ergeben sich insgesamt vier verschiedene Formationen, je nachdem ob die Partikel voran- oder nachgestellt ist und ob Kontakt- bzw. Distanzstellung vorliegt. So finden wir Beispiele mit auch wenn / auch (dann), wenn / wenn auch / wenn...auch:19 (62)

"Ich bin froh über dieses Resultat, auch wenn der zweite Versuch nicht so gut war", sagte er strahlend. (FAZ 10-1-94, 24) (63) a Schlägt der Uberlebende Ehegatte die Erbschaft aus, so kann er neben dem Ausgleich des Zugewinnes (nach §§1373ff. BGB) den Pflichtteil auch dann verlangen, wenn dieser ihm nach den erbrechtlichen Bestimmungen nicht zustünde. (Köbler, 164) b Das Bilanzierungsverbot des § 248 Abs. 2 des Handelsgesetzbuchs für selbst geschaffene immaterielle Vermögensgegenstände des Anlagevermögens gilt auch, wenn die Vermögensgegenstände im Wege der Umwandlung vor dem 1. Juli 1990 erworben worden sind. {Vermögensrechtliche Ansprüche ..., 82) (64) Ein Urologe hatte bei einer Routineuntersuchung einen schlafenden Nierenstein entdeckt, und zwar links, obwohl ich vor zehn Jahren nach Beendigung der ersten zwei Bände eines Endlosromans, rechts eine Kolik bekommen hatte, wenn auch kein Stein gefunden worden war. (Herburger, 67) (65) Nein, eine wirkliche Gefahr habe es nicht gegeben, das wußte ich ja, wenn ich auch gestern den ganzen Vormittag über unruhig gewesen war. (Wolf, 81)

Es sei darauf hingewiesen, daß in den Beispielen (62), (64) und (65) das auf einem konditionalen Element basierende Konnektiv nicht eine konditionale, sondern eine faktische Konzessivrelation zum Ausdruck bringt. Dies ist ein klares Zeichen für die semantische Verblassung von wenn in den Kombinationen auch wenn und wenn auch/wenn...auch, d.h. für die fortgeschrittene Integration der beiden Bestandteile des zusammengesetzten Konnektivs. Ob es sich bei den einzelnen Kombinationsmöglichkeiten um Varianten ein und desselben Konnektivs handelt oder aber um unterschiedliche Konnektive, die sich durch semantische und syntaktische Differenzen auszeichnen - auf diese Frage wird in 19

Im folgenden werden - soweit vorhanden - stets Belege aus dem Korpus gewählt.

97

Kapitel 6 näher eingegangen (6.8/6.9). 20 Es sei hier lediglich vorausgeschickt, daß ich stets von der Arbeitshypothese ausgehen werde, daß formale Konstruktionsunterschiede auch mit semantischen Differenzen korrelieren. Im Gegensatz zu auch kann die Partikel selbst nur vorangestellt werden. Es ergeben sich so die Bildungen selbst wenn und selbst (dann), wenn:21 (66)

Selbst wenn die Vordersitze ganz nach hinten geschoben werden, sind dort die Beine nicht völlig eingequetscht. (FAZ 11-1-94, T3) (67) a Nach diesem Prinzip sind die Tarifhormen unabdingbar, selbst dann, wenn die Existenz eines Betriebes auf dem Spiel steht. (Siebert, 175) b Aber selbst, wenn sich diese Schwierigkeiten alle lösen ließen, was beim Terrorismus wie bei der organisierten Kriminalität im perhorreszierten Sinne äußerst selten der Fall sein dürfte, es bleibt das kardinale Problem der Kontrollierbarkeit. (Wolter, 32)

Strukturell vergleichbar sind die beiden Kombinationen sogar wenn und sogar (dann), wenn:22 (68)

Sogar wenn die Devisen als Maßstab für die internationale Liquidität angesehen werden, ergibt sich eine kritische niedrige internationale Liquidität. (Reimann, 265) (69) a Habe der Staatsanwalt dem von dem Beschuldigten beantragten abgekürzten Verfahren unbegründet nicht zugestimmt, so vernichte dies nicht das Recht des Beschuldigten auf Strafmilderung. [...] Es sei sogar dann zu gewähren, wenn der Richter der Vorverhandlung unberechtigt das abgekürzte Verfahren nicht zugelassen habe. (Wolter, 221-2) b Und dann denke ich an den Hund, der sogar an Wolfs Bett sitzt, wenn ein Mädchen bei ihm ist, und an seinen SS-Ring an seine Messer und an die ganze verdammte Schwäche, die man nicht zeigen darf, wenn man siebzehn ist. (Struck, 200)

Wenn und gleich verbinden sich zu wenngleich, das heutzutage nur noch in zusammengeschriebener Form auftritt:23 (70)

Wenngleich es bei der Studie nicht darum ging, exakte Angaben über die Häufigkeit von Fehlverhalten zu erheben, so läßt sie doch erkennen, daß Wissenschaftler häufig eher lasch mit der Ethik umgehen. (FAZ 19-1-94, N l )

Die Partikel schon kann der Konjunktion wenn voran- oder nachgestellt werden. Bei Voranstellung ist die Bedeutung stets konzessiv; es wird eine (Minimal-)Bedingung ausgedrückt, die unerwarteterweise ausreicht, um einen bestimmten Tatbestand herbeizufuhren. Wir haben die Kombinationen schon wenn und schon (dann), wenn:

20

Eine vertiefende Darstellung der wennlauch-BMvmgea findet sich bei Di Meola (in Druck).

21

Selbst wenn ist meist konditional; selbst (dann), wenn ausschließlich konditional.

22

Die Konzessivrelation ist stets konditional.

23

Die semantische Verblassung des wenn ist hier so weit fortgeschritten, daß die zusammengesetzte Konjunktion wenngleich nicht mehr zum Ausdruck einer konditionalen Konzessivität geeignet erscheint.

98 (71)

Schon wenn das Wort Haß ausgesprochen wurde, schrak man zusammen ... es war eine Gefühlsäußerung, welche bedingungslos nur den Feinden des Landes zugerechnet wurde. (Hilbig, 371) (72) a Ein solcher räumlicher Zusammenhang soll immer schon dann gegeben sein, wenn sich der Zusatz und die Unterschrift auf einem Blatt befinden, also auch bei einem postscriptum. (Werner, 40-1) b Der allgemeine Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG ist zunächst schon verletzt, wenn für die Gleich- oder Ungleichbehandlung jeder sachliche Grund fehlt (Willkürformel). (Maier, 164)

Durch Nachstellung von schon entstehen die Konnektive wenn schon (auch wennschon geschrieben)24 und wenn...schon. In manchen Kontexten läßt sich relativ deutlich eine konzessive Färbung erkennen: (73) a Will ich denn nicht nur haben, mache ich dich etwa nur zum Objekt für meine Wünsche, ein Kind zu adoptieren, weil ich mir vorstellen kann, daß das mit dir möglich ist? Na und wenn schon? denke ich auch, jedenfalls geht mein Gefühl für dich in solchen Wünschen nicht auf. (Struck, 18) b "Aber ja, Hansegon", sagte sie. "Wenn schon nicht vor den Menschen, so doch wenigstens vor Gott." | Sie erhob sich, steckte Küstermanns Ring ein, er winkte der Bedienung und nahm den ihren. (Hahn, 149) (74)a "Wenn Sie uns schon als Gegner ansehen: mehr Ehrlichkeit." (Struck, 254) b Hier ist, wie Sie bemerkt haben sollten, nur für Nichtraucher Platz. Und wenn Sie schon auf die Damen keine Rücksicht nehmen wollen, dann, bitte, auf das arme Huhn da. (Grass, 171-2)

Eine Substitutionsprobe mit wenn auch bzw. auch wenn liefert in diesen Fällen stets ein positives Ergebnis. Nicht so in folgenden Beispielen, die höchstens indirekt mit dem Ausdruck eines Konzessiwerhältnisses in Verbindung gebracht werden können:25 (75)

(76)

Ihnen lag in der Zeit des Übergangs eher daran, für die Belegschaft günstige Tarifbedingungen zu erzielen, wenn schon ein Personalabbau notwendig und dabei auch ihre eigene Position in Frage gestellt war. (Siebert, 115) Wenn die Beiträge für den Kindergarten schon nach dem Einkommen gestaffelt seien, sollte den Eltern unnötige Bürokratie erspart bleiben, hieß es. (FAZ 10-1-94, 3)

Eindeutig (konditional-)konzessive Bedeutung haben hingegen die Konstruktionen ebenfalls (dann), wenn und bereits (dann), wenn. Die Semantik ist durchaus vergleichbar mit auch (dann), wenn und schon (dann), wenn: (77)

Ein Rechtsgeschäft mit Beziehung auf den Nachlaß i.S. des § 2041 ist demnach ebenfalls dann gegeben, wenn lediglich etwas mit Mitteln der Erbschaft erlangt ist, ohne daß die Beteiligten den Willen hatten, für den Nachlaß zu handeln. (Werner, 113)

24

Diese orthographische Variante ist jedoch im Korpus nicht belegt.

25

Zu den wenn ¿efew-Konstruktionen s. Pasch (1994:120-9).

99 (78) a Eine Mindermeinung sieht einen Pflichtteilsberechtigten bereits dann als übergangen an, wenn er in dieser Eigenschaft nicht bedacht worden ist, d.h. § 2079 soll nicht erfüllt sein, wenn ihm der Erblasser ohne Kenntnis des Pflichtteilsrechts etwas zugewandt hat. (Werner, 58) b Dieses mehr ist bereits anzunehmen, wenn sich der Rechtserwerb des Bedachten ohne weiteres Zutun des Erblassers oder der Erben von selbst vollendet [...]. (Köbler, 177)

Eine weitere auf wenn basierende Kombination ist schließlich durch und wenn gegeben: 26 (79)

Und wenn Sie der Kaiser von China sind! Sie haben hier randaliert, Sie haben bei mir Lokalverbot, ab sofort... (Hilbig, 307)

In vielen Fällen ist die Wortfolge und wenn jedoch nicht konzessiv, da und lediglich einen durch wenn eingeleiteten Nebensatz mit dem vorangegangenen Text verbindet. Es liegt somit kein zusammengesetztes Konnektiv vor: (80)

Morgens 9 Uhr ausgangs des wüsten Orts Marathon, ein von Hitze und Wassermangel verödetes Dorf, sank aus Wolken Schwüle, die nicht mehr weichen würde, und wenn es in den nächsten Stunden irgendwo vor uns geregnet hatte, war die Feuchtigkeit bereits wieder verdunstet gewesen. (Herburger, 200)

In einigen Beispielen kommt und in Zusammenhang mit einem bereits durch eine andere Partikel {auch, selbst usw.) verstärkten wenn vor. In diesen Fällen erscheint es äußerst schwierig zu entscheiden, ob und lediglich eine koordinative Funktion hat oder schon einen Beitrag zur Explizierung der konzessiven Bedeutung leistet: (81)a Und Dave würde dann auf den Tisch hauen: Es gibt einen Gott! Und auch wenn es ihn nicht gibt, man muß an ihn glauben! (Schwaiger, 49) b Ich erzähle so freimütig, als hättest du nie vorher von Amanda gehört. Und selbst wenn du nicht den Auftrag hast, mich auszuspionieren - wärst du nicht verpflichtet, ihr jedes Detail weiterzugeben, das für sie von Vorteil sein könnte? (Becker, 74) (82) a Und wenn ich ihm auch nicht alles glaubte, das habe ich ihm geglaubt. (Wohmann, 279) b Er galt als Frauenheld, und wenn sich die Frauen auch über Frauenhelden lustig machen sie werden doch sehr neugierig. (Federspiel, 89)

Betrachten wir nun die Kombinationsmöglichkeiten von ob mit den Verstärkungselementen wohl, gleich, schon und zwar. Die Konnektive sind hochgradig integriert (die Möglichkeit der Distanzstellung ist in der Gegenwartssprache nicht mehr gegeben) und bilden eine geschlossene Klasse. Die semantische Verblassimg des ursprünglich konditionalen ob zeigt sich u.a. in der Tatsache, daß obwohl, obgleich, obschon und obzwar keine konditionale Konzessivität kodieren können:

26 Und wenn hat ausschließlich konditionale Bedeutung.

100 (83) (84)

(85) (86)

So geht es auch bei diesem Gipfel noch einmal um Atomwaffen, obwohl die Zeiten vorbei sind, da die Welt bei einer Begegnung der in Washington und Moskau Herrschenden den Atem anhielt. (FAZ 14-1-94, 1) Obgleich dieses "neue" Bewußtsein bei den Führungskräften aller Ämter vorhanden ist, spiegelt sich diese Einsicht kaum im Handeln wider, denn wirtschaftliche Kriterien konnten kaum als Bezugspunkte iiir die Leistungseinschätzung identifiziert werden. (Becker u.a., 207) Aber auch dieses Wort, erzeugt von einer Unzahl vermiedener, trifft es nicht, obschon es ein wenig funkelt wie das Positionslicht der Fähre auf dem nächtlichen Fluß. (Strauß, 33) Dennoch, gerade weil er nahe den Kriegsschauplätzen, obzwar nie in Kämpfe verwickelt, in Gefangenschaft geraten war, sprach alles für Frankreich. (Grass, 130)

Des weiteren möchte ich auf Gelegenheitsverbindungen verweisen, die eine konzessive Bedeutung annehmen können. Bei diesen Ausdrücken - die in der einschlägigen Literatur in der Regel keine Erwähnung finden27 - handelt es sich um mögliche Kombinationen zwischen Verstärkungselementen wie auch, selbst oder sogar und ausdrücklich konditionalen Konnektiven.28 Betrachten wir dazu die folgenden beiden Beispiele: (87) (88)

Die Vorschrift des § 1585b Abs. 3 BGB gilt auch für den Fall, daß der Unterhaltsanspruch auf einen Träger der Sozialhilfe übergegangen ist. (Friederici, 233) Zur Erbschaft gehören alle geldwerten Güter des Erblassers, bewegliche Sachen, Liegenschaften, Forderungen - auch soweit sich diese noch im Entstehungsstadium befinden und deren Surrogate. (Werner, 91)

Es liegt ein produktives Bildungsmuster vor, das die semantische Eigenständigkeit der beiden Teilelemente (Partikel + konditionales Konnektiv) bewahrt. Dies äußert sich u.a. darin, daß die Konstruktion einzig dem Ausdruck einer konditionalen Konzessivrelation dienen kann. In den konzessiven Konnektiwerbindungen büßt - wie wir gesehen haben - die polyseme Konjunktion wenn ihre konditionale Bedeutung teilweise, weitgehend oder sogar gänzlich ein (ob ist ohnehin semantisch verblaßt). Ein Bedeutungsverlust von explizit konditionalen Elementen - die zudem oft als lange Wortgruppen vorkommen (wie unter der Bedingung, daß) - ist hingegen nicht belegt. Abschließend sei noch darauf hingewiesen, daß ein konditionales Element zum Ausdruck einer konzessivischen Bedeutung fast immer eines Verstärkungselements bedarf. Die Sonderfalle, in denen ein einfacher wenn-S&tz. eine konzessive Interpretation erhalten kann, werden unter 4.2.3 behandelt.

27

Ein kurzer Hinweis findet sich lediglich bei Pasch (1994:101f.).

28

Siehe oben bei 4.2.1 die unter (F) aufgelisteten Verbindungen.

101 4.2.1.2. Hindernd-oppositives Element Weit weniger wichtig für das Deutsche sind die Konnektive, die auf einem hinderndoppositiven Element basieren. Außer dem subordinierenden trotzdem finden wir lediglich einige Wortgruppen: trotzdem trotz / entgegen / ungeachtet / unbeschadet (der Tatsache, des Umstandes usw.), daß ohne Rücksicht darauf, daß/ob um den Preis auf die Gefähr (hin) Das Moment der Widersetzlichkeit ist in den Konnektiven trotzdem29 NPgen, daß» deutlich zu erkennen: (89) (90)

und «trotz

+

Trotzdem er krank war, ist er zur Arbeit gegangen. Trotz der Tatsache, daß sie vor der Blutabnahme schon darüber aufgeklärt worden sind, warum man ihnen das Blut abnehmen möchte, begreifen sie nicht oder nur schwer, was das eigentlich bedeutet. (FAZ 13-1-94, 7)

Starke Gegensätzlichkeit - oft schon an der Grenze zur reinen Adversativität - wird durch «entgegen + NPdat, daß» ausgedrückt. Die N P ist meist durch Ausdrücke wie Annahme, Vermutung usw. gegeben: (91)

Einen Aufsatz über Gegenstände der Kunst aus intim persönlicher Perspektive zu schreiben ist, entgegen der Annahme, daß das Persönliche und Subjektive das Leichte sei, ein schwieriges Unterfangen. (Wellershoff, 178)

Auf ein potentielles (im gegebenen Fall jedoch irrelevantes) Hindernis weisen die Konnektive ungeachtet/unbeschadet..., daß hin: (92) (93)

Der Bundeskanzler hat ungeachtet der Tatsache, daß ihm im Kabinett bei Abstimmungen nur eine Stimme zusteht, eine herausragende Stellung. (Maier, 259) In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, daß auch die Einführung von Beweismatenal in die Hauptverhandlung eine Verwertungshandlung darstellen kann, unbeschadet der Tatsache, daß die Aufnahme des Beweises in die Hauptverhandlung eine (neue) Beweiserhebung ist. (Wolter, 145)

Vergleichbar ist die Semantik der Konstruktion ohne Rücksicht darauf, daß/ob; Wendung wird in den Studien zur Konzessivität allerdings nicht erwähnt: (94)

29

diese

Die Erfassung aller Einkünfte gilt als Grundsatz für die Einkommensermittlung und zwar ohne Rücksicht darauf, ob die Einzelleistung gegebenenfalls andere sozialpolitische Zielsetzung hat; dies wird erst bei den Abzügen berücksichtigt. (Friedend, 18)

Trotzdem ist im Korpus nicht belegt; es kann als stark umgangssprachlich eingestuft werden.

102

Sätze mit um den Preis und auf die Gefahr (hin) werden gewöhnlich nicht als konzessive Strukturen betrachtet. Ihre Semantik kann jedoch insofern mit der Konzessivität in Verbindung gebracht werden, als sie auf negative Phänomene anspielen, die einen potentiellen Handlungsträger von seinem intendierten Vorgehen abbringen könnten. Meist sind diese Wendungen - wie auch in den folgenden beiden Beispielen - in den Zusammenhang einer weiteren, einen höheren Grad an Explizitheit aufweisenden konzessiven Konstruktion eingebettet: (95) (96)

Er müsse den Chef aus seinem Kopf werfen: dann werde er klarer sehen, und sei es um den Preis, daß er ganz und gar an Feuerbach hängenblieb. (Hilbig, 160) Aber auch wenn ich's könnte, würde ich es trotzdem nicht tun, solange ich hier mit jemandem im Haus bin, schon auf die Gefahr, daß ich den nicht gut genug kenne und erst mal herausfinden muß, wer ist das eigentlich, schon deshalb würde ich mich erst mal wachsam verhalten und mich mit ihm beschäftigen [. . .]. (Strauß, 89)

Es sei noch vermerkt, daß - abgesehen von diesen letzteren beiden, vielleicht nicht mehr zur Konzessivität zu rechnenden Ausdrücken - die Konnektive dieser Untergruppe kein Verstärkungselement enthalten und auch nicht mit einem solchen kombiniert werden können.

4.2.1.3. Quantitatives Element Eine weitere Gruppe von konzessiven Konnektiven basiert auf den quantitativen Elementen so und wie: so + graduierbares Adj./Adv. [+ auch] (so + graduierbares Adj./Adv. [+ auch]) + (so + graduierbares Adj./Adv.) noch so wiewohl wie + graduierbares Adj./Adv. + auch

Bei der Konjunktion wiewohl hat sich das quantitative Bedeutungsmoment gänzlich verloren, so daß ihre Semantik durchaus mit der von obwohl vergleichbar erscheint: (97) (98)

Sie alle bilden eine brüderliche Gemeinschaft, wiewohl sie sich persönlich nicht kennen und nicht kennen wollen. (Reimann, 130) Ich möchte behaupten, Oshima hat einen sexualpolitischen Film gemacht, der ein großes Kunstwerk ist, wiewohl er in einem Interview provozierend sagt: "Ist es nicht von großer Bedeutung, seine Gleichgültigkeit gegenüber der Politik zu zeigen?" (Struck, 187)

Sowohl so als auch wie können in einer Konstruktion auftreten, die ein graduierbares Adjektiv oder Adverb enthält. Betrachten wir zunächst die möglichen Kombinationen mit so, in denen die konzessive Bedeutung durch den Zusatz der Partikel auch verstärkt wird:

103

(99)

Auf eine Fortsetzung für eine solche Harmonie, so schön sie auch ist, besteht natürlich keine Garantie. (FAZ 10-1-94, 18) (100) Es war nebensächlich, jedenfalls hatte W. einen Vater, der dafür sorgte, daß sein Konto nicht ins Bodenlose abstürzte, soviel er auch davon abhob. (Hilbig, 70) Die Verbindung von so und sehr kann sowohl zusammen als auch getrennt geschrieben werden (im Korpus finden sich jeweils 7 und 16 Belege): 3 0 (101)a Daß es sich um eine Prothese handelt, kann heute kein Mensch mehr erkennen, sosehr er sich auch die eigene Nase am Sicherheitsglas platt drückt. (FAZ 6-1-94, R4) b So sehr diese Sichtweise auch vom Hylemorphismus abweicht, findet sich doch eine wichtige Gemeinsamkeit. (Wolter, 207) In einigen Fällen kann so durch zwei Partikeln zugleich verstärkt werden: auch und immer. Durch das zweite Element wird die Beliebigkeit innerhalb des relevanten Sektors der Skala besonders hervorgehoben. Auch wird immer dabei meist voran-, selten nachgestellt: (102) (103)

Bald schon sagte es gar nichts mehr, wenn man ihm einen vollständigen Satz, so kurz und einfach auch immer er war, vorsprach. (Drawert, 29) [...] und am allerunnötigsten ist es, dachte ich in dieser Zeit einer tiefen, unsichtbaren Krankheit, am Abend auf einen gültigen, brauchbaren Satz verweisen zu wollen [...] und selbst wenn er geschrieben und gedruckt und gelesen und auch nur annähernd verstanden würde, würde er nichts, aber auch gar nichts verändern, so daß in ihm, so gültig und brauchbar er immer auch sei, keine sinnvolle Situation erhalten geblieben sein kann, denn es gibt so viele gültige, brauchbare Sätze auf der Welt [...]. (Drawert, 128)

Die «»-Konstruktionen können ferner ohne verstärkende Zusätze auftreten: 31 (104)

Aber dieses deutschjüdische Prag, so verkästet und stockkonservativ es im Innersten war, wies ausgesprochen künstlerisch-revolutionäre Züge auf. (FAZ 6-1-94, R5) (105) a So sehr sich über einzelne Bestandteile dieser Definition streiten läßt, scheint die Weite der Fassung des Begriffs als solche doch gerechtfertigt. (Hesse, 55) b Zugleich überkam sie ein tiefes Minderwertigkeitsgefühl. Aristokrat kann man nicht werden, sosehr man sich anstrengt. (Schwaiger, 96) Es sei des weiteren eine Konstruktion erwähnt, in der die Verbindung «so + Adj./Adv. (+ auch)» sowohl im Neben- als auch im Hauptsatz vorkommt:

30

Der Dudenband "Richtiges und gutes Deutsch. Wörterbuch der sprachlichen Zweifelsfalle" (Berger/Drosdowski 1985:623) läßt jedoch für das konjunktioneile sosehr ausschließlich Zusammenschreibung gelten. Getrenntschreibung sei nur im Falle einer adverbialen Fügung möglich (Er lachte so sehr, daß ihm die Tränen kamen).

31 Lediglich durch solange, sooft und soviel eingeleitete Sätze - die allerdings im Korpus nicht belegt sind - erfordern ein Verstärkungselement, um sie von den homonymen temporalen (solange, sooft) bzw. restriktiven Konstruktionen (soviel) zu unterscheiden. Vgl. dazu Buscha (1989:100-1).

104 (106) a So kräftig der in seinen Proportionen dem VW Golf ähnelnde Vorderwagen auch auftritt, so seltsam wirkt die Idee, die senkrechten Leuchteinheiten in der Dachsäule zu verbauen. (FAZ 11-1-94, Tl) b So eindeutig der Sinn dieser Vorschrift ist, so schwer ist sie zu realisieren. (Hesse, 75) (107) Und so sehr wir auch bemüht sind, alle Zeichen unserer Existenz in das System unseres Denkens zu bringen, um sie für eine Erfindung von Wahrheit der Wahrheit zu entreißen, so sehr auch bleiben wir verfolgt von einem Schatten, der größer ist als das System unseres Denkens und der das Negativ unserer Existenz ist und in dessen Winkeln, Tiefen und Verborgenheiten die verlorenen, ins Vergessen gesunkenen Zeichen die Zeit ihres Wiederauftauchens beschwören. (Drawert, 62) Das quantitative Element so kann außerdem mit der eine temporale Übereinstimmung ausdrückenden Partikel noch kombiniert werden. Oft kommt noch so in Verbindung mit anderen Konzessivkonnektiven vor und verleiht auf diese Weise der bereits explizierten Konzessivrelation eine skalare Nuance. Betrachten wir Beispiele, in denen noch so jeweils zu auch wenn, selbst wenn und und wenn tritt: (108)

(109) (110)

Komplexe Systeme verhalten sich kontra-intuitiv, wie J. Forrester dies einmal genannt hat, und es ist mit völlig unerwarteten und leider sehr ungünstigen Nebenwirkungen zu rechnen, wenn sie massive Inputs erhalten, auch wenn diese noch so gut gemeint sind. (Malik/Stelter, 10) Eine Tatsache, die zwischen den Parteien unstreitig ist, steht ohne Beweisaufnahme fest (§§ 138 Abs. 3, 288 ZPO), selbst wenn das entscheidende Gericht noch so große Zweifel an der Wahrheit dieser Umstände hat. (Werner, 189) Die Liesl küsse nur ich, und wenn sie noch so kühl ist. (Schwaiger, 30)

In folgenden Beispielen findet sich noch so in uneingeleiteten Nebensätzen, die bereits durch auch und und verstärkt sind: (111) (112)

Wie beispielsweise der Kauf zeigt, sind viele Schuldverhältnisse auf die einmalige kurzzeitige Erbringung einer eindeutig festgelegten Leistung ausgerichtet, mögen sie auch noch so oft abgeschlossen werden. (Köbler, 42) Einen Franzosen, und wäre er noch so nett gewesen, hätte sie sich gar nicht leisten können. (Becker, 217)

Noch so kann schließlich auch als einziges Konzessivkonnektiv in einem uneingeleiteten Nebensatz auftreten. Betrachten wir jeweils ein Beispiel für einen Stirn- und einen Kernsatz: (113)

(114)

Ebensowenig wie die Unterscheidung der Funktionen eine beliebige ist, kommt es der Verfassung dabei nur darauf an, daß überhaupt mehrere Organe bestehen, auf die diese Funktionen verteilt werden - mögen die Organe und die ihnen zugewiesenen Funktionen noch so sauber voneinander getrennt werden. (Hesse, 199) Er mochte sich noch so oft auf das Fehlen jedes Vorsatzes berufen, auf die Launen der Natur, die Irrtümer der Wissenschaft, auf die Qualen seines Gewissens - vor dem internationalen Gerichtshof der Liebe war er schuldig. (Schneider, 293-4)

105 Das quantitative Element wie kann - außer in dem bereits erwähnten Konnektiv wiewohl - in der Konstruktion «wie + graduierbares Adj./Adv. + auch.» verwendet werden. Im Gegensatz zu der Parallelkonstruktion mit so ist das Verstärkungselement auch obligatorisch: (115)

Wie bedauerlich der Verlust auch sei, sagte sie, ich hätte ihn selbst zu verantworten [...]. (Becker, 112)

Insgesamt läßt sich feststellen, daß so das "stärkere" quantitative Element im Vergleich zu wie darstellt: Zum einen enthält das einzige Konnektiv (wiewohl), bei dem die skalar-quantitative Bedeutung verlorengegangen ist, das Element wie; zum anderen kann so auch ohne die konzessive Verstärkungspartikel auch auftreten - nicht aber wie.

4.2.1.4. Allgemeines Verstärkungselement Es gibt des weiteren eine Reihe von Konnektiven, die kein semantisch-syntaktisch gewichtiges Element enthalten: gleichwohl und auch und...auch

So ist zunächst gleichwohl zu nennen, das aus der Verbindung zweier Verstärkungselemente entstanden ist (gleich + wohl). Es handelt sich um ein parataktisches Konnektiv, das gelegentlich auch in subordinierender Funktion vorkommen kann (s. Drosdowski u.a. 1995:764). Im Korpus ist letztere Verwendung allerdings nicht belegt. Die additiven Verstärkungsmittel und und auch können in einem uneingeleiteten Nebensatz auftreten. Betrachten wir zunächst zwei Beispiele mit dem Konnektiv und. (116) a Europa kommt - und sei es als Mißgeburt! (Grass, 668) b Du erschrickst, weil sich dort, statt Ernests Stimme, und sei's auf dem Anrufbeantworter, eine Frauenstimme meldet. (Walser, 35)

Fast alle Belege des Korpus weisen eine Konjunktivform des Verbs sein auf, genauer gesagt den Konj. I in der 3. Pers. Sing, in Verbindung mit dem Pronomen es. Vielleicht ist dies ein Anzeichen dafür, daß die syntagmatische Kombination und sei es auf dem Wege ist, eine feste Konnektiwerbindung zu werden. Nur selten ist die Pluralform seien, der Konj. II wäre oder der Konjunktiv eines anderen Verbs belegt: (117)

Wie schön wäre es, wenn unsere "Großkopfeten" dasselbe Engagement, das sie offensichtlich für die Aufbesserung ihrer persönlichen Finanzen aufbringen, den Problemen ihrer Wählerschaft widmeten, und seien es auch nur die relativ wenigen Bürger in den neuen

106

(118) (119)

Bundesländern, denen offenbar bei ihren Renten bitteres Unrecht widerfährt, obwohl sie meist "Multiplikatoren" sind. (FAZ 6-1-94, 6) Einen Franzosen, und wäre er noch so nett gewesen, hätte sie sich gar nicht leisten können. (Becker, 217) Jeder zusätzliche Besucher, und käme er auch nur zufällig wegen Micky in die Nähe, wäre ihm zu wünschen. (FAZ 6-1-94, Rl)

Bezeichnenderweise finden wir in diesen Korpusbeispielen fast immer ein zweites Verstärkungselement (auch, noch so), das hingegen bei und sei es - obwohl es durchaus akzeptabel wäre - nicht belegt ist. Wenden wir uns nun den Konstruktionen mit der Verstärkungspartikel auch zu. Auch kommt im Korpus in uneingeleiteten Nebensätzen vor, die fast ausschließlich Stirnsatzform haben.32 Meist findet sich das Verb mögen: (120)a Es geht also gerade nicht um eine Beschwer durch einzelne Schritte hin zum Urteil, mögen diese auch fehlerhaft gegangen worden sein, sondern um das Urteil selbst. (Wolter, 228) b Mit der Zeit immer mehr galt sein erster Blick auf das Auswahlfeld einer Jukebox statt "seinen" den mit solchen Handschriften bezeichneten Platten, und wenn es nur eine einzige war. Und es kam vor, daß er, mochte sie ihm auch vorher fremd oder ganz unbekannt gewesen sein, gerade diese dann anhörte. (Handke, 109)

In einigen Fällen liegt das Verb sein vor (stets die 3. Pers. Sing, des Konjunktivs): (121)

Was der Vorerbe durch Rechtsgeschäft erwirbt - sei es auch aus dem Nachlaß des Erblassers - wird wie sein sonstiges nicht ererbtes Eigenvermögen den Nacherben im Nacherbenfall nicht zukommen. (Werner, 151)

Denkbar sind jedoch auch Beispiele, die ein beliebiges anderes Verb im Indikativ oder Konjunktiv enthalten (122a,b): (122) a War der Rasen auch naß, er mußte gemäht werden. b Verlaufe der Prozeß auch schlecht, sein Anwalt wird nicht aufgeben.

Ein Beispiel, bei dem sowohl und als auch auch in einem uneingeleiteten Nebensatz vorkommen, haben wir schon unter (119) gesehen. Es handelt sich um einen Stirnsatz, der weder sei noch eine Form des Verbs mögen enthält und somit von den beiden grundlegenden Konstruktionsmustern abweicht. Diese Tatsache könnte eine Erklärung für die doppelte Markierung der Konzessivrelation liefern.

Ein einziger Beleg (von insgesamt 31) weist einen Kernsatz auf.

107 4.2.1.5. Gibt es konzessive Konnektive mit temporalem Element? Wie bereits angedeutet (4.2.1), können sich die Verstärkungselemente auch, selbst, sogar und schon mit einer beliebigen temporalen Konjunktion verbinden. Von den zahlreichen möglichen Kombinationen sind die folgenden im Korpus belegt:33 auch als auch dann/jetzt, als auch, als selbst als selbst dann, als sogar dann, als auch da auch nachdem selbst jetzt, nachdem

Betrachten wir dazu einige Beispiele, in denen auch mit als kombiniert ist: (123)

Auch als die Entscheidung gefallen war, steckte Oliver Kahn noch in einem Zwiespalt. "Ich verlasse den Verein schweren Herzens", sagte der Torhüter des Karlsruher SC am Donnerstag unmittelbar vor dem ersten Training der Badener nach der Winterpause. (FAZ 7-1-94, 24) (124)a Weil es keine Steuern auf Ginkommen geben durfte, verlangte man Produktionsabgaben von Betrieben - auch dann noch, als diese Betriebe gar nichts mehr abzugeben hatten. (Jens, 105) b Kurz vor Mittag war er schon wieder hellwach gewesen, er hatte daran gedacht, daß kein Kaffee mehr da war, und die Einladung seiner Vermieterin war ihm eingefallen. | Dies war am Vormittag gewesen, und auch jetzt, als er spät in dem Sessel erwachte, war natürlich noch kein Kaffee da ... nur Tee, den er häufiger trank, aber niemals sofort nach dem Aufwachen. (Hilbig, 220) c Ein Doktor, dessen Namen Ernest ihr nicht nannte, auch nicht, als sie dringend darum bat. (Walser, 46)

Die Konjunktion als kann sich ebenfalls mit den Elementen selbst und sogar verbinden: (125)a Selbst als es um seine Frau immer schlechter gestanden hatte, machte er auf Ärzte und Pflegefall einen unerschütterlichen, leicht belustigten und neugierigen Eindruck, auch am Tag der Beerdigung. (Wohmann, 219) b Amanda gab sich schuldbewußt und hörte selbst dann nicht mit Versöhnungsversuchen auf, als ich tagelang abweisend blieb. (Becker, 191-2) (126) Er nimmt sie sogar dann nicht weg, als er mir die andere zur Begrüßung reicht, sie haben sich lange nicht gesehen. (Becker, 351)

Betrachten wir weiterhin folgende Belege, die die Konjunktionen da und nachdem aufweisen: 33

Von der primär konditionalen Konjunktion wenn soll hier abgesehen werden.

108 (127)

Nicht ganz zu Unrecht vielleicht, denn manche finstere Gestalt spielt auch heute noch, da der frühere KP-Chef Schewardnadse wieder das Land regiert, eine einflußreiche Rolle in der georgischen Politik. (FAZ 6-1-94, 3) (128) a Später ärgerte er sich über seine Nachgiebigkeit, auch nachdem das Buch ein Erfolg geworden war, er wurde das Gefühl nicht los, daß darin blinde Stellen waren. (Becker, 168) b Ohne Hemmungen nahm sie den Faden wieder auf und setzte die alten Angriffe fort, selbst jetzt noch, nachdem sie den Gegenstand ihres Unbehagens aus der Welt geschafft hatte. (Becker, 180)

Bei einem relativ seltenen Konstruktionsmuster34 kann selbst ein ausgedehntes Korpus lediglich einen begrenzten Ausschnitt der Kombinationsmöglichkeiten liefern. Es muß daher der Frage nachgegangen werden, welche der denkbaren Verbindungen tatsächlich akzeptabel sind und welche nicht. Betrachten wir im folgenden ausschließlich die Kombinationen mit auch (vergleichbare Überlegungen ließen sich für selbst und sogar anstellen); nur bei den Konjunktionen während, seit(dem) und bevor ist die Verbindimg als akzeptabel einzustufen: (129) (130) (131)

Auch während der Zug fahrt, schreibt er. Auch seitdem er verheiratet ist, kocht er jeden Tag sein Mittagessen. Auch bevor er den Unfall hatte, humpelte er bereits.

In anderen Fällen erscheinen die awc/j-Kombinationen (mit solange, sobald, sowie, sooft, kaum daß, bis) äußerst fraglich: (132)a b c d (133) a b

??Auch solange der Zug fahrt, schreibt er. ??Auch sobald der Zug fahrt, schreibt er. ??Auch sowie der Zug fahrt, schreibt er. ??Auch sooft der Zug fahrt, schreibt er. 3 ^ ??Auch kaum daß der Zug angefahren ist, schreibt er. ??Auch bis der Zug angekommen ist, schreibt er.

Die additive Partikel auch läßt sich folglich in erster Linie mit Konjunktionen verbinden, die ein einfaches Verhältnis der Gleich-, Vor- oder Nachzeitigkeit kodieren. Enthält die Konjunktion jedoch Zusatzinformationen, wird die Verbindung mit auch erschwert {solange und bis betonen die Dauer; sobald, sowie und kaum daß beinhalten ein unmittelbares Aufeinanderfolgen; sooft hat iterativen Charakter). Es stellt sich mm die Frage, ob die vorliegenden Verbindungen «Verstärkungspartikel + temporale Konjunktion» als konzessive Konnektive eingestuft werden können. Die gängigen Grammatiken des Deutschen und die einschlägigen Studien zu den Konzessivkonstruktionen haben anscheinend dieses Problem nicht zur Kenntnis genom-

34

Insgesamt haben sich 26 Belege gefunden - als (22), nachdem (3), da (1) - bei einer Gesamtzahl von 2234 subordinierten Konstruktionen. Vgl. unter 6.1. Diese Verwendung darf nicht mit der Konstruktion verwechselt werden, in der sooft eine quantitative Bedeutung hat (s. 4.2.1.3).

109

men, da sie ohne jedwede Erklärung derartige Verbindungen aus ihrer Betrachtung ausschließen. Halten wir zunächst fest, daß Sätze wie (129-131) sich durch entsprechende oiwoW-Konstruktionen paraphrasieren lassen: (134) (135) (136)

Obwohl der Zug fährt, schreibt er. Obwohl er verheiratet ist, kocht er jeden Tag sein Mittagessen. Obwohl er den Unfall noch nicht hatte, humpelte er bereits.

Substituierbarkeit in bestimmten Kontexten impliziert allerdings nicht zwangsläufig eine allgemeine Bedeutungsgleichheit. Betrachten wir dazu folgendes Minimalpaar: (137) a Auch wenn sie gestern müde war, hat sie bei ihrer Arbeit keinen Fehler begangen, b Auch als sie gestern müde war, hat sie bei ihrer Arbeit keinen Fehler begangen.

Das Konnektiv auch wenn bezeichnet hier den Gegensatz zwischen zwei Sachverhalten: Die Müdigkeit stellt ein Hindernis zur fehlerfreien Abwicklung der Arbeit dar. Im Vordergrund steht also das Konzessiwerhältnis, d.h. der Kontrast zwischen zwei potentiell inkompatiblen Tatbeständen: (••)

|

1

Müdigkeit

|

1

fehlerfreies Arbeiten

In den Hintergrund rückt hingegen die temporale Relation zwischen den ausgedrückten Ereignissen. Man weiß beispielsweise nicht, ob die Müdigkeit von vornherein Bestand hatte, ob sie erst während der Arbeit auftrat, ob sie auch nach Beendigung der Arbeit andauerte usw. Mit der Verwendung von auch als wird demgegenüber der temporale Ablauf der beiden Ereignisse in den Vordergrund gestellt. Man weiß, daß die betreffende Person eine bestimmte Zeit lang fehlerfrei gearbeitet hat und daß ein Teil dieser Zeitspanne sich mit dem Zustand der Müdigkeit gedeckt hat. Vor und/oder nach der Dauer der Müdigkeit hat also ein fehlerfreies Arbeiten stattgefunden. Dieser Zusammenhang läßt sich beispielsweise durch folgendes Schema verdeutlichen: du) |

|

1

Müdigkeit 1

fehlerfreies Arbeiten

Man könnte hier von einer pragmatischen Kodierung der Konzessivität sprechen. Explizit wird nämlich lediglich eine (partielle) temporale Deckungsgleichheit zweier Tatbestände zum Ausdruck gebracht. Unzählige Dinge geschehen in unserer Erfahrungswelt zur gleichen Zeit. Simultaneität wird vom Leser/Hörer aber nur dann als beson-

110

ders informativ gewertet, wenn die beiden gleichzeitig auftretenden Sachverhalte kontrastierenden Charakter haben oder sich gar potentiell ausschließen. Die Signalisierung einer beachtenswerten Zeitgleichheit wird daher oft als konzessive Gegensatzrelation interpretiert.36 Verbindungen wie auch als schwanken zwischen einem primär temporal-additiven (138) und einem eher konzessiven Gebrauch (139): (138) (139)

Ihre Stimme war klein, leise und bebte vor Gefühl, auch als sie den Leuten dankte, die auf sie zutraten und murmelnd ihr Beileid ausdrückten. (Wellershoff, 34) Der britische Premierminister Major hat am Montag vor einem Untersuchungsausschuß ausgesagt, er habe von der Verwicklung der Regierung in illegale Waffenverkäufe an den Irak nichts gewußt. Major sagte, auch als er im Juli 1990, einen Monat vor der irakischen Besetzung Kuweits, zum Außenminister ernannt worden sei, habe er keine Kenntnis darüber erhalten. (FAZ 18-1-94, 2)

Ein auch als-Satz läßt sich konzessiv deuten, wenn ein kausaler Zusammenhang zwischen den beiden Sachverhalten "normalerweise" besteht und im Einzelfall negiert wird. In Satz (139) kann man beispielsweise von der Annahme ausgehen, daß ein Außenminister von den Geheimdiensten über Waffenexporte jeglicher Art informiert wird. Wo eine derartige kausale Beziehung hingegen zu fehlen scheint, tritt das temporale Moment des Andauerns in den Vordergrund (Satz 138): Der Gemütszustand der trauernden Person ist weitgehend unabhängig von dem Ablauf der einzelnen Phasen der Beerdigung. Die Substitution mit einem Konzessivkonnektiv (obwohl usw.) erscheint in letzterem Fall fragwürdig, da sie eine grundlegende Bedeutungsänderung des Satzes herbeifuhren würde. Zusammenfassend kann festgehalten werden, daß es sich bei den Kombinationen von Verstärkungspartikeln wie auch, selbst und sogar mit temporalen Konjunktionen um Gelegenheitsverbindungen handelt, die in zahlreichen Kontexten eine konzessivische Interpretation erfahren können. Die temporale Bedeutung geht jedoch nie verloren. Es liegen somit keine konzessivischen Konnektive im engeren Sinn vor (wie beispielsweise bei auch wenn, das die konditionale Bedeutung von wenn durchaus einbüßen kann). Diese marginale, semantisch abgeschwächte, (noch?) nicht grammatikalisierte Form des Ausdrucks der Konzessivität sollte gleichwohl Beachtung finden.

36

Vgl. dazu auch König (1985a: 15-6) und König/Traugott (1988:113-4). Mit diesem Interpretationsprinzip hängt auch die Tatsache zusammen, daß in zahlreichen Sprachen konzessive Konnektive auf temporale Konjunktionen der Gleichzeitigkeit zurückgehen (s. oben 2.2.6, Fußnote 61).

111 4.2.1.6. Die Rolle der Grammatikalisierungsprozesse; Ausblick auf offene Fragen Die Einteilung der wichtigsten deutschen Konzessivkonnektive nach morphologischetymologischen Kriterien hat folgendes Bild ergeben. Die meisten Konnektive basieren auf einem konditionalen - oder ehemals konditionalen - Element (4.2.1.1). Relativ wenige Beispiele finden sich hingegen für Bildungen mit einem hindernd-oppositiven (4.2.1.2) und mit einem quantitativen Element (4.2.1.3). In einigen Fällen schließlich besteht das Konnektiv lediglich aus einem Verstärkungselement (4.2.1.4). Die Frage, ob neben diesen vier Gruppen noch eine fünfte (Verbindungen mit einem temporalen Element) anzunehmen sei, konnte nicht endgültig beantwortet werden (4.2.1.5). Wie unter 4.2.1 dargelegt, kann eine morphologisch-etymologische Klassifikation der konzessiven Konnektive auf zwei unterschiedlichen Kriterien basieren: dem semantisch-syntaktisch gewichtigen Element und dem Verstärkungselement. Die Bevorzugung des ersteren Kriteriums schließt jedoch nicht aus, daß eine Einteilung der Konnektive nach dem Verstärkungselement durchaus nützliche Hinweise bezüglich der Rolle von Grammatikalisierungsprozessen liefern kann. Betrachten wir die unter 4.2.1.1-4.2.1.5 behandelten Konnektive kurz unter diesem zweiten Gesichtspunkt:37 1.

gleich gleichwohl obgleich wenngleich wohl gleichwohl obwohl wiewohl zwar obzwar

2.

und und wenn noch noch so

3.

schon obschon wennschon wenn schon wenn... schon schon wenn schon (dann), wenn

Es werden hier nur morphologisch komplexe Konnektive angeführt. Die Beispiele, in denen die Verstärkungselemente und und auch als einzige Konnektive im uneingeleiteten Nebensatz auftreten, bleiben daher unberücksichtigt.

112 schon + temporales Konnektiv 4.

auch auch wenn wenn auch wenn...auch so + graduierbares Adj./Adv. + auch (so + graduierbares Adj./Adv. + auch) + (so + graduierbares Adj./Adv.) wie + graduierbares Adj./Adv. + auch auch (dann), wenn auch + konditionales Konnektiv auch + temporales Konnektiv

5.

selbst selbst wenn selbst (dann), wenn selbst + konditionales Konnektiv selbst + temporales Konnektiv

6.

sogar sogar wenn sogar (dann), wenn sogar + konditionales Konnektiv sogar + temporales Konnektiv

Ich habe hier den Versuch unternommen, die Konnektive nach Gruppen geordnet (g/e/c/j-Gruppe, woW-Gruppe, auch-Gruppe usw.) auf einer Skala der abnehmenden Grammatikalisierung darzustellen. Dabei sind drei Parameter berücksichtigt worden, die eng miteinander verbunden sind: 38 - der Grad der syntaktisch-morphologischen Integration der beiden Elemente; es kann folgende Skala der progressiven Integration aufgestellt werden: Distanzstellung (z.B. wenn...auch) / Kontaktstellung (wenn auch) / Kontaktstellung mit Zusammenschreibung (wennschon) / Kontaktstellung mit Zusammenschreibung und Wortakzent auf dem zweiten Morphem (wenngleich); - das Ausmaß der semantischen Verblassung des gewichtigen Elements (d.h. Beibehaltung oder Einbuße der ursprünglichen konditionalen bzw. skalaren Bedeutimg); 39 - die Produktivität des Bildungsmusters (die sich verkehrt proportional zur Stärke der Grammatikalisierung verhält). Betrachten wir nun im einzelnen die verschiedenen Konnektivgruppen: 1) Die Verbindungen mit gleich, wohl und zwar weisen einen hohen Grad der Integration auf. Die Distanzstellung der beiden Elemente (wenn...gleich, ob...zwar usw.) 38 Vgl d ^ v o n Lehmann (1995:121-78) ausgearbeitete, sechs Parameter einbeziehende Modell. Insgesamt ist zu vermerken, daß die Studien, die sich mit Grammatikalisierungsprozessen allgemein befassen, nur selten auf die Genese von Konnektiven in Adverbialsätzen eingehen. Zu einigen konzessiven Subjunktionen im Englischen finden sich kurze Hinweise bei Heine/Claudi/Hünnemeyer (1991:74-6) und Hopper/Traugott (1993:85-6). Siehe auch die statistischen Angaben unter 6.7.

113

findet sich in früheren Phasen der Sprache, ist heute aber nicht mehr üblich.40 Die Integration wird außerdem durch Zusammenschreibung signalisiert; der Wortakzent liegt dabei auf dem zweiten Element (d.h. auf der Partikel). Das semantisch-syntaktisch gewichtige Element ist fast immer verblaßt: So hat wenn in wenngleich seine konditionale Bedeutung verloren, wie in wiewohl seine quantitative.41 Die Kombinationen mit gleich, wohl und zwar stellen eine geschlossene Klasse dar: Die Bildung neuer Formationen ist nicht möglich. 2) Die Kombinationen mit der Konjunktion und und der Partikel noch weisen einen wesentlich niedrigeren Grad der Integration auf. Es ist zwar stets Kontaktstellung belegt, jedoch bewahren die gewichtigen Elemente z.T. ihre Funktion. Dies ist besonders deutlich bei noch so, das seine skalare Bedeutung stets beibehält. Es sei ferner darauf hingewiesen, daß das konzessive und wenn nicht immer klar von der rein additiven Verbindung «.und + wenn» (Angabe einer zusätzlich geltenden Bedingung) zu unterscheiden ist. Die Kombinationen mit und und noch bilden eine geschlossene Klasse. 3) Die Bildungen mit schon zeigen das gesamte Spektrum des fortschreitenden Grammatikalisierungsprozesses. Neben einem fest integrierten Konnektiv wie obschon finden sich die Verbindungen mit wenn, die unterschiedliche Grade der Integration aufweisen: wennschon*2 - wenn schon - wenn...schon - schon wenn - schon (dann), wenn. Die Kombinationen mit schon bilden eine (partiell) offene Klasse, da Verbindungen mit temporalen Konjunktionen denkbar sind (auch wenn sie im Korpus nicht vorkommen). 4) Die Kombinationen mit auch sind selten stark integriert. Nie ist Zusammenschreibung belegt. Oft behält wenn seine konditionale Bedeutung. Ausnahmen bilden wenn auch, wenn...auch und auch wenn, die im vorliegenden Korpus jeweils immer, fast immer oder häufig nichtkonditionale Bedeutungen kodieren. Die Bildungen mit auch sind voll produktiv, da die Kombination mit zahlreichen konditionalen und temporalen Konjunktionen möglich erscheint. 5) Die Bildungen mit selbst sind in ihrer Gesamtheit noch weniger integriert als die mit auch. Das Konnektiv wenn bewahrt nahezu immer seine konditionale Bedeutung (selbst wenn kann nur in seltenen Fällen eine faktische Konzessivrelation ausdrücken). 6) Der Unterschied zwischen der ie/6.v/-Gruppe und der sogarr-Gruppe liegt darin, daß selbst wenn bisweilen auch nichtkonditional sein kann, sogar wenn jedoch nie.

40

Einzelheiten zu diachronischen Entwicklungsprozessen finden sich in den Studien von Baschewa (1980, 1983).

41

Die Konjunktion ob hat in der deutschen Gegenwartssprache - auch außerhalb der konzessiven Verbindungen - ihre ursprüngliche konditionale Bedeutung fast gänzlich eingebüßt. Dieses Konnektiv weist wie obschon Zusammenschreibung auf. Es hat jedoch einen niedrigeren Grad der Integration, da der Wortakzent immer noch auf dem ersten Morphem liegt (d.h. auf dem gewichtigen Element).

114 Führt man sich die Übersicht über die einzelnen Konnektivgruppen nochmals vor Augen, so fallt auf, daß der Grad der Grammatikalisierung einer bestimmten Kombination auch von der Position des Verstärkungselements abhängt. Wie wir sehen, erscheinen ausschließlich in Nachstellung wohl und zwar, meist in Nachstellung gleich; schon und auch weisen beide Stellungen auf; und, noch, selbst, sogar treten lediglich in Voranstellung auf. Drei Aspekte sind zu beachten: a) Die einen hohen Grad der Integration signalisierende Zusammenschreibung ist nur möglich, wenn das Verstärkungselement nachgestellt ist (obgleich, wenngleich, obwohl, wiewohl, obzwar, obschon, wennschon).43 b) Gleichfalls ist bei Nachstellung der semantische Verblassungsprozeß am weitesten fortgeschritten. So weisen z.B. fast alle zusammengeschriebenen Konnektive (die ja eine nachgestellte Partikel haben) ein bedeutungsarmes Hauptelement auf. Wenn bei einer bestimmten Verbindung beide Positionsmöglichkeiten gegeben sind, so ist die semantische Eigenständigkeit des Hauptelements eher bei der Voran- als bei der Nachstellung der Partikel gewahrt. Man vergleiche dazu die Paare schon wenn vs. wenn schon und auch wenn vs. wenn auch: Die konditionale Bedeutung von wenn wird stärker bei schon wenn betont als bei wenn schon', bei auch wenn besteht grundsätzlich noch die Möglichkeit, daß konditionale Konzessivrelationen kodiert werden, bei wenn auch hingegen nicht mehr (vgl. 6.8). c) Umgekehrt sind produktive Bildungsmuster lediglich dann möglich, wenn das Verstärkungselement dem Hauptelement vorangestellt ist {schon + temporales Konnektiv, auch + konditionales/temporales Konnektiv, selbst + konditionales/temporales Konnektiv, sogar + konditionales/temporales Konnektiv). Halten wir also fest, daß der Grammatikalisierungsprozeß - d.h. die semantische und syntaktisch-morphologische Integration der beiden Elemente - bei den einzelnen Konnektiven unterschiedlich weit fortgeschritten ist. So haben wir fest integrierte konzessive Konjunktionen, bei denen das Hauptelement semantisch verblaßt ist, und demgegenüber Gelegenheitsverbindungen, bei denen es seine Bedeutung gänzlich beibehält. Es gibt zahlreiche Zwischenformen, so daß Grenzziehungen nicht immer leicht sind. Die Produktivität mancher Kombinationsmuster ist ein weiterer Grund dafür, daß es äußerst schwer erscheint, eine definitive Liste von Konzessivkonnektiven aufzustellen.^ Darüber hinaus stehen insbesondere noch zwei Fragen offen, die in Kapitel 6 (6.8 bzw. 6.9) vertieft werden sollen:

Von dem aus zwei Verstärkungselementen bestehenden gleichwohl wird hier abgesehen. 44

Vor diesem Problem stehen auch Lexikographen, wenn sie darüber zu entscheiden haben, welchen Bildungen ein eigener Lexikoneintrag zugestanden werden soll und welchen nicht. Meines Erachtens müßte von Fall zu Fall - je nach Grad der Grammatikalisierung - eine Entscheidung getroffen werden. Unangebracht erscheint mir jedenfalls der Vorschlag von Pasch (1994:136), pauschal allen konzessiven tvercn-Bildungen (außer wenngleich) einen eigenen Eintrag zu verwehren.

115

1) Worin bestehen die Unterschiede zwischen den "spiegelbildlichen" Konnektiven wenn schon und schon wenn sowie wenn auch und auch wenn? 2) Handelt es sich bei den folgenden Formen um Varianten ein und desselben Konnektivs oder hingegen um unterschiedliche Konnektive? wenn schon / wenn...schon wenn auch / wenn.. .auch schon wenn / schon (dann), wenn auch wenn / auch (dann), wenn selbst wenn / selbst (dann), wenn sogar wenn / sogar (dann), wenn so-Konstruktionen / so-Konstruktionen + auch und + Konjunktiv / und + Konjunktiv + auch

4.2.2. Konnektive mit spezifischer Funktion: die polykonditionalen Konnektive Wie aus den in Kapitel 3 angeführten Belegen ersichtlich ist, kann ein und dasselbe Konnektiv in der Regel - je nach Kontext - unterschiedliche Konzessivrelationen ausdrücken (faktisch, konditional, evaluativ, rekonstruktiv usw.). 45 Eine Ausnahme bilden jedoch diejenigen Strukturen, die auf die Kodierung der polykonditionalen Konzessivrelation spezialisiert sind. 46 Morphologisch sind diese Konnektive weitgehend unabhängig von den bisher betrachteten Konjunktionen und konjunktionalen Wortgruppen. Es lassen sich zwei Gruppen von Konstruktionen unterscheiden, je nachdem ob sie auf einem verallgemeinernden Fragewort basieren oder eine Disjunktion darstellen. Diese beiden Arten von Nebensätzen sind jeweils auf Ergänzungs- bzw. auf Alternativfragen zurückführbar (Mackeldey 1988:239). 1) Konstruktionen mit einem w-Wort. Als Konnektive kommen sowohl Interrogativpronomina (was, wer, welch) als auch Interrogativadverbien vor (wie, wo, woher, wohin, womit, worauf, worüber, wozu, wovon, wann, warum usw.). Zwei Konstruktionsvarianten können hier aufgezeigt werden: (140) a b (141) a b

Wohin er auch geht, er wird Freunde finden. Ganz gleich, wohin er (auch) geht, er wird Freunde finden. Er kann gehen, wohin er will, er wird Freunde finden, Sag, was du willst, ich bleibe heute zu Hause.

45

Die Polysemie der konzessiven Konnektive wird unter 6.7 vertieft.

46

Für die Semantik der polykonditionalen Konzessivrelation siehe oben 3.9. Eine Beschreibung der wichtigsten polykonditionalen Konnektive im Deutschen findet sich bei Kaufmann (1974:11-17), Schramm (1977:74-6,132-4), Hermodsson (1978:77-80), Baschewa (1980:44-7,211-4), Starke (1982:136-8) und Metrich (1983:109-12). Einige Hinweise auch bei Metrich (1981). Der kurze Beitrag von Mackeldey (1988) ist gänzlich diesen Konstruktionen gewidmet.

116

Im ersten Fall (140a,b) wird das Fragewort von einem Verstärkungselement begleitet, das die Beliebigkeit des Antezedens hervorhebt; im zweiten Fall fungiert ein Modalverb als Beliebigkeitsindikator (141a,b). Wenden wir uns zunächst Korpusbeispielen vom Typ (140a) zu. Betrachten wir jeweils einen Satz mit auch und mit immer: (142) (143)

Der Wind, woher er auch zupackte, konnte dem vollkommenen Bau nichts anhaben. (Herburger, 353) Eine Frau, der ich unterstellen konnte, was immer mir einfiel, wenn es sie nur traf und durcheinanderbrachte [...]. (Burmeister, 60)

Im Korpus belegt sind ferner die Kombinationen auch immer und immer auch (letztere gleichfalls in der Variante immer...auch).^1 (144)

Welche Form auch immer die Europäische Gemeinschaft künftig erhalten wird: ihr Bestand wird stets den Bestand der Mitgliedstaaten und mit diesen den Bestand ihrer Verfassungen voraussetzen. (Hesse, 47) (145) a Sie stand auf, als er bei ihr eintrat; als ließe sich, was immer auch zu besprechen war, nicht im Sitzen erörtern. (Schneider, 248) b Wie immer man das Kaleidoskop möglicher "Koalitionen" im neuen Parlament auch dreht (bereits der Begriff fuhrt in die Irre) - Radikalkuren sind weder in der Richtung monetärer Stabilisierung noch der einer konsequenten Privatisierung und Sanierung durchzusetzen. (FAZ 10-1-94, 6)

Die meisten Studien erwähnen ausschließlich die Kombination auch immer. Dies ist nicht weiter verwunderlich, da auch immer die weitaus häufigere Variante darstellt (70:5 Belege im Korpus). Die wenigen Autoren, die darüber hinaus immer auch berücksichtigen (Kaufmann 1974:15; Metrich 1983:109-10), gehen nicht auf eventuelle Unterschiede zwischen den beiden Kombinationen ein. Es liegt jedoch eine augenfällige semantische Differenz vor: Die Verbindung immer auch ist stets konzessiv, während auch immer durchaus in rein generalisierender Bedeutung verwendet werden kann. Folgendes Beispiel verdeutlicht diese nichtkonzessive Verwendung von auch immer (eine Substitution mit immer auch ist nicht möglich): (146)

[...] ich will die schmerzlichen Einzelheiten nur streifen aus welchen Gründen auch immer jemand außer Landes zu gehen gezwungen war aber was soll ich es so oder so sachte umschreiben: der eine oder die andere können gestorben sein, die Lücke wieder geschlossen. (Kirsch, 25)

Es besteht zudem ein wichtiger syntaktischer Unterschied. Während auch immer sowohl in vollständigen wie auch in reduzierten Nebensätzen vorkommen kann, ist immer auch auf vollständige Sätze beschränkt. Die Möglichkeit der Substitution von

Die Möglichkeit der Distanzstellimg der beiden Verstärkungselemente wird in den einschlägigen Studien zur Konzessivität nicht angeführt. In unserem Korpus finden sich jedoch mehr Belege für Distanzstellung als für Kontaktstellung (4:1).

117

auch immer mit immer auch ist beispielsweise in folgenden - eindeutig konzessiven verblosen Sätzen nicht gegeben: (147) (148)

Fahren Sie, wohin auch immer. Sie werden überall gebraucht. (Grass, 776) Er nahm schließlich das Zimmer, das sich ergab, und es war gut; welche Herausforderung auch immer - er würde sie annehmen. (Handke, 65)

Wir sehen also, daß die Position von auch in bezug zu immer semantische und syntaktische Unterschiede determinieren kann. Man kann immer als das gewichtigere der beiden Elemente ansehen (es verdeutlicht die Beliebigkeit); auch hat dann die Funktion eines Verstärkungselements. Wenn auch nachgestellt ist, ergibt sich eine engere konzessive Verbindung. Diese Beobachtung deckt sich mit einer allgemeinen Tendenz, die wir schon unter 4.2.1.6 feststellen konnten: Der Grammatikalisierungsprozeß in Richtung Konzessivkonnektiv ist weiter fortgeschritten, wenn das Verstärkungselement nachgestellt ist. Bisher haben wir Konstruktionen wie (140a) behandelt, in denen das w-Wort mit einem darauffolgenden Verstärkungselement verbunden ist. Dem w-Wort kann auch eine Angabe vorausgeschickt werden (140b), die explizit auf die Gleichgültigkeit des im Nebensatz ausgedrückten Sachverhalts hinweist: einerlei, gleichgültig, ganz egal, ganz gleich, unabhängig davon, ohne Unterschied, ohne Rücksicht usw. Betrachten wir dazu die folgenden Beispiele. Man beachte, daß zusätzliche Elemente wie auch oder immer meist weggelassen werden: (149) (150)

Gleichgültig, wer das Gespräch eröffnete, sie sprachen eine gute Stunde lang miteinander. (Grass, 683) Ganz gleich, welchen Hauseingang man benutzte, wenn man in den Keller kommen konnte, gelangte man immer, unter der Erde, bis in das Haus, in dem man etwas zu suchen hatte oder in dem man Einwohner war, vorausgesetzt, man vermochte anhand der Kellertreppen die Häuser zu zählen, die man unterquerte. (Hilbig, 8)

Im zweiten Fall (Sätze 141a,b) dient nicht mehr ein Verstärkungsmittel, sondern ein Modalverb als Beliebigkeitsindikator (meist wollen, mitunter auch mögen): (151)

Bist du ein bißchen pervers? Oder was? Mehna, bist dus? | Nenn es, wie du willst. (Wohmann, 241)

Es sei noch darauf hingewiesen, daß manche Nebensätze zu formelhaften Wendungen geworden sind. So finden wir für die beiden Konstruktionsmuster (Verstärkungsmittel vs. Modalverb) beispielsweise die Ausdrücke wie dem auch sei und koste es, was es wolle: (152) (153)

Wie dem auch sei, das spekulative Fieber, das weite Teile der Bevölkerung erfasst hat, spricht dafür, dass wir es hier mit einer Manie zu tun haben. (Malik/Stelter, 92) Augenblicklich mußte jeder Betrachter seiner Gier erliegen, in dieser Tüte zu wühlen, der Maske den Schatz stracks zu entreißen, koste es, was es wolle. (Hahn, 177)

118

2) Disjunktionen. Eine polykonditionale Konzessivrelation kann auch durch Aufzählung von zwei (oder mehr) Alternativen ausgedrückt werden. Als Konstruktion kommt hauptsächlich ob...oder in Frage: (154)

Ob die Sonne scheint oder nicht, ich werde ans Meer fahren

Manchmal wird die Konjunktion ob weggelassen. Meist handelt es sich dabei um reduzierte Nebensätze: (155)

Schwer oder leicht, ich werde diese Aufgabe lösen.

Erwähnt seien des weiteren die auf einer Wiederholung basierenden Konstruktionen ob...ob und sei es...sei es: (156) (157)

Ob er müde ist, ob er krank ist, ich werde ihn zur Rede stellen. Sei es, daß er müde ist, sei es, daß er krank ist, ich werde ihn zur Rede stellen.

Auch disjunktiven Konstruktionen kann eine Beliebigkeitsangabe vorausgeschickt werden: (158)

Ganz gleich, ob die Sonne scheint oder nicht, ich werde ans Meer fahren

Abschließend sei auf einen Wortstellungsaspekt hingewiesen (vgl. auch 6.6). Wenn der polykonditionale Nebensatz vorangestellt ist, weist der zugehörige Hauptsatz meist V2-Stellung auf (statt der "normalen" Vl-Stellung). Diese "atypische" Verbstellung signalisiert einen Bruch zwischen Neben- und Hauptsatz und dient zur Verdeutlichung des konzessiven Sinns. Auf die für den Ausdruck der Konzessivität semantisch marginalen polykonditionalen Verwendungen werde ich im folgenden nicht weiter eingehen.

4.2.3. Nichtkonzessive Nebensätze, die einen konzessiven Wert annehmen können Auch Nebensätze, die von nichtkonzessiven Konnektiven eingeleitet sind - wie z.B. Konditional-, Temporal-, Modal-, Konsekutiv-, Kausal- und Relativsätze - , können in bestimmten Kontexten eine Konzessivrelation kodieren. Die Substitutionsprobe mit einem spezifisch konzessiven Konnektiv gibt Aufschluß darüber, ob im gegebenen Fall eine konzessive Lesart der betreffenden Sätze vorliegt. Betrachten wir zunächst Konditionalsätze, die ein einfaches wenn im Sinne von 'auch wenn' oder 'selbst wenn' aufweisen: 48

48

Kurze Hinweise dazu finden sich bei Kaufmann (1974:5), Schramm (1977:124), Baschewa (1980:34,150-2) und Pasch (1994:110).

119 (159)

Dies ist nicht der Ort für eine detaillierte Analyse der Ostblockproblematik. Hierfür müssten zahlreiche Problemkreise behandelt werden, die nicht Gegenstand dieses Buches sind: zum Beispiel die Frage, wie [...] man praktisch von Staatseigentum zu Privateigentum kommt, wenn nicht einmal Katasterregister bestehen, keine entsprechende Rechtsordnung vorhanden ist und, wenn sie bestünde, praktisch nicht vollzogen werden kann, weil jegliche Administration bis hin zu den Notaren fehlt. (Malik/Stelter, 11)

Der (konditional-)konzessive Sinn kann durch ein adversatives Element im Hauptsatz verdeutlicht werden: (160)

Wenn die politischen Verhältnisse derzeit anscheinend kaum noch eine Rückbesinnung auf die Struktur und den Zweck des Strafverfahrens mehr zulassen, bliebe doch noch ein gewisses Maß an Konservativismus sachgerecht. (Wolter, 45)

Wie wir sehen, ist der konzessive wenn-Satz dem jeweiligen übergeordneten Satz vorangestellt. 4 9 Einen weitgehend formelhaften Charakter hat die Konstruktion «wenn + Negation ... so doch (.zumindest/wenigstens)» angenommen: (161) a So tritt mit der Dinglichkeit von Zeit zugleich das in die Zeittheorien ein, was man bei Augustin das Subjektivistische an seinem Zeitverständnis genannt hat: Gegenwart ist immer wenn nicht meine Gegenwart, so doch Gegenwart eines Subjektes. (FAZ 5-1-94, 25) b Die heute eventuell vorhandenen stillen Reserven würden innerhalb kurzer Zeit wenn nicht ganz verschwinden, so doch zumindest deutlich zurückgehen. (Malik/Stelter, 124) Des weiteren ist die Möglichkeit gegeben, daß uneingeleitete Konditionalsätze ohne den Zusatz eines verdeutlichenden Verstärkungselements eine konzessive Bedeutung kodieren: 50 (162)

Mögen viele Hamburger und auch die in der Hafenstraße längst nicht mehr angesiedelten "Autonomen" inzwischen die Schultern zucken - "draußen im Land" wird das Bild von den Chaoten und Sympathisanten, die von dieser Straße aus den Rechtsstaat an der Nase herumfuhren, weiterhin in Ehren gehalten. (FAZ 19-1-94, 10)

Konditionale Satzstrukturen können eine konzessive Funktion nur dann ausüben, wenn sich die in den beiden Teilsätzen kodierten Sachverhalte in offenkundigem Kontrast befinden. Genau hierin besteht der Unterschied zwischen einem gelegentlich konzessiven und einem typischerweise konzessiven Konnektiv: Nur letzteres erzwingt eine konzessive Interpretation des Satzes auch in Abwesenheit einer augenfälligen semantischen Opposition. Es sei schließlich darauf hingewiesen, daß spezifisch konditionale Konnektive, die auf noch eindeutigere Weise als wenn den Bedingungscharakter zum Ausdruck bringen 49

Diese Tendenz ist nicht nur für das Deutsche (vgl. Baschewa 1980:148), sondern auch für andere Sprachen wie das Italienische (Moretti 1983:31) oder Französische (Eriksson 1985:75) zu beobachten.

50

Vgl. dazu auch die kurzen Vermerke bei Kaufinann (1974:17-8), Baschewa (1980:232-3,2434,248-9) und Starke (1982:139-40).

120 {falls-, im Falle, daß-, unter der Bedingung/Voraussetzung, daß usw.), offenbar keine konzessive Interpretation erfahren können. Zumindest sind derartige Beispiele im Korpus nicht belegt. 51 Auch für temporale Nebensätze besteht die Möglichkeit, in bestimmten Kontexten eine konzessive Bedeutung anzunehmen. In diesen Fällen wird Konzessivität durch Implikatur nahegelegt (s. oben 4.2.1.5). Als Konjunktion kommt dabei einzig während in Frage - ein Konnektiv, das ausschließlich Gleichzeitigkeit auszudrucken vermag. Andere Konjunktionen, wie beispielsweise das auch Vor- oder Nachzeitigkeit kodierende als, bleiben auf eine rein temporale Funktion beschränkt. 52 Betrachten wir dazu die folgenden Beispiele: (163) (164) (165)

Als das Gewitter tobte, saß Herbert vor dem Computer. Während das Gewitter tobte, saß Herbert vor dem Computer. Obwohl das Gewitter tobte, saß Herbert vor dem Computer.

Durch als (163) wird lediglich eine temporale Übereinstimmung zweier Ereignisse zum Ausdruck gebracht. Der während-S&tz (164) kann demgegenüber in konzessivem Sinne interpretiert werden, wenn man von einem potentiellen Kontrast zwischen den beiden Tatbeständen ausgeht (bei Gewitter sollte man nicht am Computer sitzen, da der Blitz in die Leitung einschlagen könnte). Diese Opposition wird aber erst durch ein spezifisch konzessives Konnektiv wie obwohl (165) explizit anerkannt. Wie schon im Falle der gelegentlich konzessiven wewi-Konditionalsätze muß auch bei einem temporalen während-S&tz der Kontrast bereits durch den Inhalt der beiden Teilsätze oder durch den Kontext gegeben sein. Liegt hingegen kein evidenter Gegensatz vor - wie in folgendem Beispiel (166) - ist die temporale Deutung stets die näherliegende. So kann der Satz (166)

Während die Sonne scheint, liegt sie am Strand.

nur dann konzessiv gedeutet werden, wenn man annimmt, daß die betreffende Person sich keineswegs der Sonne aussetzen darf (z.B. wegen eines starken Sonnenbrandes).

51

Es scheint einen Zusammenhang zu geben zwischen der soeben festgestellten Tendenz eines Konnektivs zur semantischen Umdeutbarkeit und der Tendenz zur semantischen Verblassung. Die besonders markanten konditionalen Konnektive, die eine Komponente der Bedingungsrelation explizit thematisieren ('Fall', 'Voraussetzung', 'Bedingung' usw.) und im Gegensatz zum einfachen wenn keine Umdeutung in konzessivischem Sinne erfahren können, sind zugleich resistent gegen semantische Verblassungsprozesse. Verbinden sie sich mit einem Verstärkungselement wie z.B. auch (s. 4.2.1.1), sind sie auf die Kodierung der konditionalen Konzessivrelation beschränkt. Sie können im Gegensatz zu Formationen wie auch wenn, selbst auch oder wenn auch nie faktische Konzessivität ausdrücken. Wenn eine konzessive Bedeutung mit einem a/i-Satz verbunden werden soll, muß in dem übergeordneten Satz stets ein explizit konzessives Konnektiv stehen (vgl. 4.3.3.4, Sätze 280 u. 281).

121

Es muß hervorgehoben werden, daß bei konzessivisch auffaßbaren während-Sützen ein doppelter Interpretationsprozeß vorliegt. Aus der Tatsache einer informationsmäßig relevanten Gleichzeitigkeit wird zunächst auf die Existenz eines Kontrasts geschlossen. Die angenommene Adversativrelation hat allerdings noch nicht zwingenderweise konzessiven Charakter. Diese weitere Umdeutung ist nur dann gegeben, wenn der Leser/Hörer einen Kausalzusammenhang zwischen den beiden Sachverhalten postuliert. Betrachten wir dazu die folgenden während-Sätze, deren zugrundeliegende Opposition eventuell konzessiv gedeutet werden kann (die Substitution mit obwohl erscheint möglich): (167) (168) (169)

Während Israel und Jordanien bereits - mit Zustimmung lokaler Palästinenser - den jordanischen Dinar zur Leitwährung in den autonomen Gebieten erklärt haben, fordert Arafat noch immer eine eigene Währung. (FAZ 3-1-94, 4) Tatsächlich war ich nicht erst gegangen, als ich die ersten Gäste aufbrechen sah, sondern hatte mich verdrückt, während noch gelesen wurde. (Becker, 123) Der Schuldner bleibt Partei des Schuldverhältnisses im weiteren Sinn, erhält aber einen neuen Gläubiger der abgetretenen Forderung. An ihn muß er leisten, während er seine Gestaltungsrechte dem alten Gläubiger gegenüber geltend machen muß. (Köbler, 67)

Erscheint während in Verbindimg mit einer Verstärkungspartikel wie auch, selbst oder sogar, kommt der konzessive Sinn noch deutlicher zum Ausdruck (s. 4.2.1.5). In einigen Kontexten kann auch ein Modalsatz konzessive Bedeutung annehmen. Sehen wir uns einige Beispiele an, die mit den komitativen Konnektiven ohne daß und ohne zu konstruiert sind (s. 4.1.4, Fußnote 10):53 (170)a Die Frage des Spaltpilzes, wie man es in der Liebe mit der Wahrheit halten solle, schien für Jenny beantwortet, ohne daß sie jemals gestellt worden war. (Schneider, 199) b Aus dem Physikunterricht kennen wir den uralten Wunschtraum des Perpetuum mobile: Eine Maschine wird in Gang gesetzt, und ohne daß weitere Energie hinzugefugt wird, läuft sie, treten nicht gravierende Hemmnisse auf, immer weiter. (FAZ 19-1-94, 27) (171) a Übrigens bin ich ohne zu bezahlen fortgegangen, sagte ich. (Hilbig, 58) b Im Westen ist ebenfalls der Staat ein parasitärer bürokratischer Koloß, der ohne zu produzieren ständig frißt. (Reimann, 256)

Es handelt sich um negative Modalsätze, in denen das Ausbleiben eines erwarteten Begleitumstandes beschrieben wird. Der konzessive Sinn dieser Konstruktionen kann verdeutlicht werden, wenn man den Modalsatz in einen durch obwohl eingeleiteten Konzessivsatz umformt: (172)a b (173)a b 53

[...] obwohl sie niemals gestellt worden war. [... ] obwohl keine weitere Energie hinzugefugt wird [... ] [...] obwohl ich nicht bezahlt hatte [...] [...] obwohl er nichts produziert [... ]

Vgl. dazu die kurzen Hinweise bei Schramm (1977:73) und Baschewa (1980:43). Einen Überblick über die verschiedenen Verwendungen von ohne daß bieten Bobillon (1988) und Basrentzen (1995), wobei auch konzessive Beispiele erwähnt werden.

122 Auch Konsekutiv- und Kausalsätze können in einigen Fällen eine konzessivische Bedeutung annehmen. Dies mag zunächst verwunderlich erscheinen, da die Konzessivität als Negierung der Kausalität (im weitesten Sinne) verstanden werden kann. Betrachten wir folgende konsekutive Satzstrukturen mit konzessiver Schattierung: (174) (175)

Der Boxer ist noch nicht so gut trainiert, daß er einen Kampf über zwölf Runden überstehen könnte. Er ist nicht so dumm, als daß er seine Lage nicht richtig einschätzen könnte.

Diese negativen, auf einer Gradation beruhenden Konsekutivsätze lassen sich durch o6wo/?/-Konstruktionen paraphrasieren: (176) (177)

Obwohl der Boxer ziemlich gut trainiert ist, wird er einen Kampf über zwölf Runden noch nicht überstehen können. Obwohl er ziemlich dumm ist, kann er seine Lage richtig einschätzen.

Wenden wir uns den Beispielen (175) und (177) zu. Beiden Sätzen - dem konsekutiven und dem explizit konzessiven - liegt folgende Skala zugrunde (Dummheit und Intelligenz haben als Konsequenz eine falsche bzw. korrekte Einschätzung der eigenen Lage): (IV)

Dummheit

A

falsche Einschätzung

Intelligenz

1 richtige Einschätzung

Eine vergleichbare außersprachliche Situation - in diesem Fall ein Wert zwischen "absoluter" Dummheit und "absoluter" Intelligenz - wird von den beiden Satztypen aus einer jeweils unterschiedlichen Perspektive dargestellt. Mit der konsekutiven Konstruktion wird das Ausmaß der Dummheit relativiert: Sie ist nicht ausgeprägt genug, mn die erwartete Folge einer "extremen" Dummheit nach sich zu ziehen. Der Konzessivsatz hingegen räumt einen gewissen Grad an Dummheit ein und verschweigt die wirksame Ursache (einen wenn auch minimalen Grad an Intelligenz). Betrachten wir nun einige Beispiele mit dem kausalen Konnektiv wo, die ich von Pasch (1994:96) übernehme: 54 (178) Wo du so geschickt bist, kannst du mal mein Radio reparieren. (179) a Wo das Haus brennt, sitzt du vor dem Fernseher, also weißt du! b Warum schreibt sie ihm, wo sie ihn nicht leiden kann?

54

Ein kurzer Vermerk zum konzessiven Gebrauch von wo und da findet sich des weiteren bei Baschewa (1980:42-3).

123

Die Konjunktion wo ist im Normalfall kausal (178). Eine konzessive Interpretation erscheint nur dann möglich, wenn der Kontrast zwischen den beiden Sachverhalten offenkundig aus der Semantik der beiden Teilsätze hervorgeht (179). So erklärt sich auch die Tatsache, daß die kausalen Konnektive wo, da und zumal eine konzessive Bedeutung annehmen können, nicht aber weil. Während erstere nämlich die Ursache als bekannt oder selbstverständlich darstellen, ist weil in dieser Hinsicht unbestimmt. Eine Konzessivrelation kann schließlich auch durch einen Relativsatz zum Ausdruck kommen (s. Schramm 1977:76-7,134-5; Baschewa 1980:43; Starke 1982:138-9): (180)

Klinsmann, der einer der besten Stürmer ist, war im Endspiel nie torgefahrlich.

Das Relativpronomen ist bekanntlich ein polyfunktionales Konnektiv und kann je nach Kontext die unterschiedlichsten semantischen Relationen kodieren (temporal, final, konsekutiv, konditional, kausal usw.). Eine konzessive Interpretation ist nur möglich, wenn die miteinander in Verbindimg gesetzten Tatbestände eine augenscheinliche Opposition aufweisen: (181)

Sonja, die kein abgeschlossenes Hochschulstudium vorzuweisen hatte, bekam die Stelle.

Dieser Satz wird gewöhnlich im Sinne von (182) verstanden: (182)

Obwohl Sonja kein abgeschlossenes Hochschulstudium vorzuweisen hatte, bekam sie die Stelle.

Einem kontrastlosen Relativsatz wird hingegen als Defaultwert eine kausale Bedeutung zugewiesen. Das Beispiel (183)

Sonja, die ein abgeschlossenes Hochschulstudium vorzuweisen hatte, bekam die Stelle,

wird im Standardfall im Sinne von (184a) und nicht von (184b) interpretiert: (184) a Da Sonja ein abgeschlossenes Hochschulstudium vorzuweisen hatte, bekam sie die Stelle, b ??Obwohl Sonja ein abgeschlossenes Hochschulstudium vorzuweisen hatte, bekam sie die Stelle.

Zumeist wird die konzessive Bedeutung eines Relativsatzes durch ein zusätzliches Konnektiv wie trotzdem oder gleichwohl verdeutlicht: (185) (186)

Ich bin schon lange allein in dem großen Haus, das trotzdem zu klein ist. (Struck, 50) Das waren zwar eher langweilige Antworten, die sie gleichwohl stolz machten. (Wohmann, 188)

Mitunter ist auch eine Kombination von mehreren Konnektiven belegt: (187)

Es ist der klimatologische Mittelwert, der uns einstweilen am Klima nicht verzweifeln läßt. Dennoch machen uns die Extreme nach wie vor zu schaffen. Sie erzeugen sogar etwas, das

124 fast unerklärlich bleibt, das trotzdem aber in unserer pausenlosen Nachrichtenflut versank, das uns augenblicklich aus dem Sinn gekommen ist, als sei gar nichts geschehen. (FAZ 7-1-94, 9)

Wir können zusammenfassend festhalten, daß Konditional-, Temporal-, Modal-, Konsekutiv-, Kausal- und Relativsätze durchaus eine Konzessivrelation ausdrücken können. Voraussetzung dafür ist jedoch, daß der Gegensatz zwischen den betreffenden Sachverhalten offenkundig sein muß. Zur Verdeutlichung der zugrundeliegenden Konzessivität dienen in der Regel zusätzlich verwendete adversative oder konzessive Mittel.

4.3. Parataktische Konstruktionen Parataktische Konzessivkonstruktionen haben in der Literatur bisher relativ wenig Beachtung gefunden. Schramm (1977:45-56,107-121) ist meines Wissens nach der einzige Autor, der koordinierten Satzstrukturen eine relativ umfangreiche Beschreibung widmet. Vereinzelte Hinweise, meist in Form kurzer Aufzählungen von Konnektiven, finden sich des weiteren bei Hermodsson (1978:66), Starke (1982:132-3) und Metrich (1983:90). Primatarova-Miltscheva (1986) zeigt einige syntaktische und semantische Eigenschaften der Konstruktion zwar...aber auf. Schließlich sind Arbeiten zu erwähnen, die allgemein Konnektive des Gegensatzes untersuchen und somit auch Bemerkungen zu konzessiv interpretierbaren Konstruktionen enthalten: beispielsweise Brauße (1982, 1983), Fritsche (1986) und Lötscher (1988, 1989). Im folgenden gehe ich zunächst der Frage nach, wie adversative und konzessive parataktische Konnektive auseinanderzuhalten sind (4.3.1). Es folgt ein Überblick über die wichtigsten Konzessivkonnektive, wobei vier morphologisch-etymologische Gruppen unterschieden werden (4.3.2). Im Anschluß daran werden Frequenz und Gebrauch der einzelnen Konnektive näher untersucht (4.3.3).

4.3.1. Die Konnektive des Gegensatzes: allgemein-adversativ oder konzessiv? Es ist kein Zufall, daß einerseits die Studien zur Konzessivität sich nur marginal mit parataktischen Konstruktionen beschäftigt haben und daß andererseits die Untersuchungen zur Adversativität wichtige Hinweise zu konzessiver Parataxe enthalten. In zahlreichen Fällen ist es in der Tat sehr schwierig, bei nebenordnenden Konnektiven zwischen konzessiver und adversativer Semantik zu unterscheiden. Man kann Schramm (1977:112) nur zustimmen, wenn er vermerkt: «Oft ist es im Nachhinein kaum noch möglich festzustellen, ob ein einfacher Gegensatz vorliegt oder eine Relation der unzureichenden Bedingung, d. h., ob ein Sachverhalt geeignet ist, den anderen zu verhindern. Es hängt in gewissem Grade immer davon ab, ob der Leser eine unzureichende

125 Bedingung als solche akzeptiert oder nicht, falls sie nicht vom Autor unmißverständlich signalisiert wurde.»

Das entscheidende Kriterium scheint das Vorhandensein (bei der Konzessivität) bzw. das Fehlen (bei der Adversativität) eines Kausalzusammenhangs zwischen den betreffenden Sachverhalten zu sein (s. 2.2.2).55 Meines Erachtens lassen sich die parataktischen Konnektive auf einem Kontinuum einordnen, das von dem spezifisch-konzessiven Bereich zu dem allgemein-adversativen reicht. Drei große Gruppierungen von Konnektiven können unterschieden werden: 1) Konnektive, die eine konzessive Interpretation erzwingen 2) Konnektive, die eine konzessive Interpretation nahelegen 3) Konnektive, die eine konzessive Interpretation nicht ausschließen

Betrachten wir dazu drei Beispiele, bei denen aus dem Inhalt der beiden parataktisch verbundenen Sätze keine zwingende Opposition hervorgeht. Diese wird gegebenenfalls erst durch das Konnektiv gesetzt: (188) (189) (190)

Du spielst morgen Tennis. Ich spiele trotzdem Fußball. Du spielst morgen Tennis. Ich spiele jedoch Fußball. Du spielst morgen Tennis. Ich spiele allerdings Fußball.

Wie wir sehen, erweisen sich die Übergänge zwischen den Gruppierungen (2) und (3) -jeweils Satz (189) und (190) - als fließend. Um die Subjektivität der Einteilung auf ein Minimum zu reduzieren, werde ich im folgenden die Untersuchung auf die Konnektive der ersten Gruppierung beschränken. Auch bei den parataktischen Konnektiven kann eine Klassifizierung nach morphologisch-etymologischen Kriterien vorgenommen werden. In der folgenden Übersicht sind vier Gruppen unterschieden, je nachdem ob die Konnektive auf einem hinderndoppositiven, quantitativen, temporalen oder allgemeinen Verstärkungsmittel des Gegensatzes beruhen. Unter (a) werden jeweils die ausschließlich konzessiven Konnektive aufgeführt, unter (b) die überwiegend oder gelegentlich konzessiven Konnektive (letztere sind durch eine zusätzliche Einrückung gekennzeichnet): 1. Hindernd-oppositives Element a. trotzdem trotz allem, trotz alledem nichtsdestotrotz dessenungeachtet, dessen ungeachtet, ungeachtet dessen 2. Quantitatives Element a. mchtsdestominder nichtsdestoweniger bei alledem 55

Allerdings haben wir in Kap. 3 gesehen, daß in nichtzentralen Formen der Konzessivrelation ein direkter Zusammenhang ausbleiben kann.

126 b.

allerdings allein nur 5 6

3. Temporales Element a. dennoch b. indessen, indes, unterdessen inzwischen (und) dabei^ 7 4. Allgemeines Verstärkungselement des Gegensatzes a. gleichwohl und doch zwar + Korrelat der (a)-Gruppen im zweiten HS gewiß / wohl / freilich / natürlich / ... + Korrelat der (a)-Gruppen im zweiten HS b. aber doch, jedoch dagegen, hingegen, dahingegen, wohingegen demgegenüber dafür hinwiederum, wiederum jedenfalls, auf jeden Fall freilich zwar + Korrelat der (b)-Gruppen im zweiten HS gewiß / wohl / freilich / natürlich / . . . + Korrelat der (b)-Gruppen im zweiten HS

Wie ersichtlich, sind die Konnektive der ersten Gruppe - die auf einem hinderndoppositiven Element basieren - allesamt eindeutig konzessiv. In der zweiten Gruppe sind nichtsdestominder, nichtsdestoweniger und bei alledem dem konzessiven Bereich zuzuordnen. Die anderen Konnektive lassen sich hingegen als allgemein-adversativ einstufen (allerdings, allein, nur). Zwei Arten von Ersatzproben können nützliche Hinweise für eine derartige Einteilung liefern. Betrachten wir zunächst folgenden Satz: (191)

Karin ist fleißig; nichtsdestominder / nichtsdestoweniger / bei alledem ist Brigitte faul.

Diese drei Konnektive erzwingen eine konzessive Interpretation. Es wird ein potentieller kausaler Zusammenhang zwischen Karins Fleiß und Brigittes Faulheit angenommen (da Karin fleißig ist, hätte man davon ausgehen können, daß auch Brigitte es ist). Bei den entsprechenden Sätzen mit allerdings, allein und nur wird lediglich ein Kontrast der beiden Tatbestände zum Ausdruck gebracht. Die Frage bleibt offen, ob ein kausaler Zusammenhang besteht oder nicht.

56

Des weiteren gibt es semantisch spezifischere Konnektive des Gegensatzes, wie z.B. das korrektive vielmehr oder die kompensatorischen mindestens, zumindest, zum mindesten, wenigstens.

57

Es wäre noch das kompensatorische Konnektiv immerhin zu erwähnen, bei dem die temporale Bedeutung gänzlich verlorengegangen ist.

127

Betrachten wir demgegenüber ein Beispiel, das einen Gegensatz ohne Kausalzusammenhang beschreibt: (192)

Ich wollte dem Bettler etwas geben, nur / allein / allerdings ich hatte nichts bei mir.

Die allgemein-adversativen Konnektive sind geeignet, diese Opposition auszudrücken. Die Substitutionsprobe mit konzessiven Konnektiven wie nichtsdestoweniger ergibt zwar akzeptable Sätze, die jedoch eine andere Bedeutung haben ('obwohl ich vorher die Absicht hatte, dem Bettler etwas zu geben, hatte ich nichts mitgenommen'). In der dritten Gruppe (temporales Element) ist das entscheidende Kriterium, ob die Konnektive lediglich Gleichzeitigkeit ausdrücken - die in bestimmten Kontexten dann als Adversativität interpretiert werden kann - oder ob ein konzessiver Kausalzusammenhang zwingend vorausgesetzt ist. Auch hier gibt es zwei Arten von Ersatzproben. Betrachten wir ein erstes Beispiel: (193)

Sie lag krank im Bett. Dennoch hat ihr Mann Urlaub gemacht.

Dieser Satz ist eindeutig konzessiv: Der Ehemann hat sich von der Krankheit seiner Frau nicht abhalten lassen, in Urlaub zu fahren. Führt man die Substitutionsprobe mit indessen, indes, unterdessen, inzwischen und dabei durch, so wird lediglich die zeitliche Übereinstimmung der beiden Ereignisse behauptet. Ob der Ehemann von der Krankheit seiner Frau gewußt hat, bleibt offen. Mit und dabei wird die Existenz einer konzessiven Beziehung zwischen den Sachverhalten zwar als wahrscheinlich dargestellt, kann jedoch nicht als sicher gelten. Wenden wir uns nun der zweiten Art von Ersatzprobe zu. Als Kontext kann man eine Gleichzeitigkeit ohne evidenten Kontrast annehmen: (194)

Ich werde staubsaugen. Inzwischen / indessen / unterdessen / dabei kannst du die Betten machen.

Die temporal-adversativen Konnektive ergeben akzeptable Sätze im Sinne der temporalen Übereinstimmung. Bei der Substitution mit dem eindeutig konzessiven Konnektiv dennoch ist wiederum eine Bedeutungsänderung zu verzeichnen (von 'während ich staubsauge, kannst du die Betten machen' zu 'obwohl ich staubsauge, kannst du die Betten machen'). Was die vierte Gruppe betrifft (allgemeines Verstärkungselement des Gegensatzes), können wir die beiden Ersatzproben der zweiten Gruppe verwenden (191-192). Resultat: Zwei Konnektive erweisen sich als konzessiv (gleichwohl, und doch), die anderen können allesamt als allgemein-adversativ gelten. Wie schon im Falle von (und) dabei - aber in weitaus stärkerem Maße - legt und in Verbindung mit doch eine konzessive Interpretation nahe. Eine Sonderstellung nehmen die Doppelkonnektive ein, die zwar, gewiß, wohl usw. im ersten der beiden Hauptsätze aufweisen. Sie können nur dann als konzessiv gelten, wenn das Korrelat im zweiten Hauptsatz primär konzessiv

128 ist. So wird man beispielsweise zwar...aber als adversativ einstufen, zwar...trotzdem als konzessiv.

4.3.2. Die wichtigsten konzessiven Konnektive Betrachten wir nun im einzelnen die parataktischen Konnektive, geordnet nach den vier morphologisch-etymologischen Gruppen.

4.3.2.1. Hindernd-oppositives Element Im Korpus belegt sind folgende Konnektive, die auf einem hindernd-oppositiven Element basieren: trotzdem, trotz allem, trotz alledem, nichtsdestotrotz, dessenungeachtet (auch getrennt geschrieben: dessen ungeachtet), ungeachtet dessen.58 Betrachten wir zunächst ein Beispiel mit trotzdem: (195)

In einem interdependenten System von Märkten werden alle Preise simultan bestimmt. Trotzdem werden häufig bestimmte Preise einzelnen Märkten "zugeordnet", es wird also im Sinne des Anpassungsprozesses unterstellt, daß sich ein bestimmter Preis als Folge der Überschußnachfrage auf einem bestimmten Markt ändert. (Fuhrmann, 315)

Die Struktur von trotzdem ist morphologisch transparent: Das Konnektiv ist aus der Präposition trotz und dem singularischen anaphorischen Pronomen dem gebildet. Die beiden Elemente sind allerdings längst zu einer Einheit verschmolzen. Die semantische Verblassung des Pronomens erkennt man zum einen daran, daß trotzdem sich öfters nicht auf ein einziges Antezedens bezieht, sondern auf eine Mehrzahl von Ausgangszuständen: (196)

Gegen die ausländische Billigkonkurrenz versuchen sich die deutschen Unternehmen mit Produktneuheiten und zusätzlichen Dienstleistungen zu behaupten. Der Gardinenhersteller Ado hat jetzt eine "Kreativ Box" vorgestellt, die dem Fachhandel Vorschläge und Schnittanleitungen für die Dekoration verschiedener Fenstertypen liefern soll. Andere Hersteller suchen mit neuen Angeboten Nischen im oberen Marktsegment. Die Bettwäschehersteller Dierig und Ibena stellen in Frankfurt "Designer"-Kollektionen vor. Trotzdem kann sich offenbar kaum ein Anbieter dem Preisdruck entziehen. (FAZ 14-1-94, 19)

Bisweilen liegt sogar eine explizite Aufzählung vor: (197)

Ich bat Amanda, den Polizisten zu erzählen, sie habe am Steuer gesessen, ich flehte sie an, es zu tun. Erstens war sie nüchtern, zweitens brauchte ich den Führerschein dringender als sie. Drittens das Gerede der Kollegen. Amanda hätte nichts auszuhalten gehabt, sie ist in keinem Kollektiv, trotzdem hat sie abgelehnt. (Becker, 48)

Nicht belegt sind die veralteten Varianten desungeachtet und demungeachtet.

129 Z u m anderen kann trotzdem (198)

in kataphorischer Funktion auftreten (s. unten 4.3.3.4):

Sie sind wie ein Alkoholiker, der eine Kneipe hat, weil die anderen für ihn trinken | Ich weiß, was Sie wollen. Es geht wohl vielen Croupiers so, mir nicht. Ich bin in vielem etwas anders. Es gibt viele Croupiers, die trotzdem spielen, obwohl es nicht erlaubt ist. (Struck, 131)

Vergleichbar ist die semantische Verblassung des quantitativen Elements in trotz

al-

lem. In einigen Kontexten liegt noch eine Pluralität v o n Hindernissen vor. D i e s e können explizit erwähnt (199) oder als selbstverständlich vorausgesetzt werden (200): (199)

(200)

Der Eßsaal, in dem 80 Kinder Platz finden, ist so schmucklos wie einst. Die Tische stehen auf grauen Steinplatten, an einigen Stühlen fehlt die Lehne. Auch wenn die Kinder in kleinen Gruppen mit ihren Betreuem zu Mittag essen - anheimelnd ist es hier nicht. "Wir bemühen uns trotz allem, eine familiäre Atmosphäre zu schaffen", sagt die Direktorin, '"im Altbau haben wir Klubs eingerichtet, Wohnzimmer, in denen die Jugendlichen in der Freizeit lesen oder fernsehen können. (FAZ 5-1-94, 7) Aber es hatte sich nun einmal so eingestellt, daß dieser kleine Seufzer an jede angenehme Regung gekoppelt wurde, die ihr jetzt drei Wochen nach dem plötzlichen Tod des Mannes unterlief, vielleicht auch ein bißchen zur Entschuldigung dafür, daß es ihr trotz allem manchmal, unversehens, so gutging. (Strauß, 83-4)

Trotz allem kann sich j e d o c h in bestimmten Situationen auch auf einen einzigen Ausgangszustand beziehen: (201)

Hallenfußball, das hatte Franz Beckenbauer schon vorher gesagt, sei ihm "wurscht" Trotz allem hätte der neue Trainer des deutschen Rekordmeisters FC Bayern München ganz gerne das erste große Turnier dieser Hallensaison gewonnen, zumal die Bayern als Ausrichter von vornherein als Favoriten galten. (FAZ 10-1-94, 22)

N e b e n trotz allem

ist trotz alledem

belegt, das die Eigenständigkeit des quantitativen

Elements eher z u bewahren scheint: (202)

Riesige Flächen, auf denen die Maschinen gut vorankamen, Kartoffeln ausgruben, die wir in kleine Körbe sammelten und in große Körbe ausleerten, die die Träger auf einen Hänger kippten, der sich unendlich langsam füllte und vom Traktor, wenn er zu den Pausenzeiten kam und Verpflegung brachte, ein Stück vorangezogen wurde, sich so langsam wie wir dem Feldende näherte, an dem wir umkehrten und in der Gegenrichtung die nächsten Furchen absammelten, gebückt die Körbe neben uns herzogen, acht Stunden am Tag, abends kreuzlahm und morgens noch hundemüde: Bataillone in der Emteschlacht oder lustige Studenten trotz alledem, die nach drei Wochen die endlosen Äcker verließen und zurückkehrten in die nach ihren Messen stets erschlaffte, abgetakelte Stadt. (Burmeister, 235)

Während trotz alledem

einen Übergang z w i s c h e n präpositionaler Fügung und Kon-

junktion darstellt, hat die Verbindung trotz allem bereits einen wesentlich ausgeprägteren konjunktionalen Charakter. Ein weiteres, auf einem hindernd-oppositiven Element beruhendes Konnektiv ist das eher umgangssprachliche

nichtsdestotrotz:

130 (203)

Dabei handelt es sich natürlich nur um eine Tendenzaussage. Im konkreten Fall kann es nichtsdestotrotz sinnvoll sein, Teilaufgaben an Dritte zu vergeben. (Malik/Stelter, 147)

Die Verbindung von ungeachtet und dessen erscheint in zwei Varianten: Das Pronomen kann voran- bzw. nachgestellt werden. Bei Voranstellung {dessen ungeachtet) ist die Verbindung enger, was auch durch Zusammenschreibung hervortritt (dessenungeachtet):59 (204) a Die Bundesregierung verweist aber darauf, daß sich aus der Sicht besonders umweltintensiver Unternehmen die Wettbewerbssituation unter Umständen anders darstellt. Dessen ungeachtet muß die Umweltpolitik zugleich ökologisch wirksam und ökonomisch effizient gestaltet werden, damit es nicht zu einer Überforderung der Wirtschaft kommt. (Jahreswirtschaftsbericht, 37) b Die Nord/LB hatte im Rahmen des 3,4 Milliarden DM teuren Rettungspakets einen größeren Beitrag beider Kreditinstitute gefordert, die beide nicht nur Gläubiger, sondern darüber hinaus Großaktionäre der Metallgesellschaft sind. | Dessenungeachtet wird das Zustandekommen des Sanierungsplans inzwischen erst für Samstag erwartet. (FAZ 14-1-94, 13)

Betrachten wir schließlich ein Beispiel für Nachstellung des Pronomens: (205)

Die Tatsache, daß es in den Vereinigten Staaten viele regionale Bahnunternehmen gibt und der Hochgeschwindigkeitsverkehr riesige Investitionen in neue Trassen und Zugsysteme erfordert, läßt selbst dort den Ruf nach staatlicher Unterstützung laut werden. Mit ihr wird indes kaum zu rechnen sein, solange die Flugzeugindustrie, die Luftverkehrsgesellschaften und die Automobilhersteller Arbeitskräfte entlassen. | Die Amtrak, als staatliche Eisenbahngesellschaft mit der Deutschen Bahn vergleichbar, ist ungeachtet dessen entschlossen, nicht nur New York und Washington auf schnelle und dabei energiesparende Weise miteinander zu verbinden. (FAZ 18-1-94. T l )

4.3.2.2. Quantitatives Element Außer den bereits erwähnten Konnektiven trotz allem und trotz alledem gibt es zumindest zwei weitere, die ein quantitatives Element enthalten: nichtsdestoweniger und nichtsdestominder. Im Korpus ist lediglich nichtsdestoweniger belegt: (206)

59

Walsh sagte, es gebe keinen Beweis dafür, daß Reagan gegen das Strafrecht verstoßen habe. "Nichtsdestoweniger hat er die illegale Tätigkeit anderer initiiert und in allgemeiner Form Unterstützung der Contras angeordnet", obwohl der Kongreß dies untersagt habe. (FAZ 19-1-94, 1)

Im heutigen Sprachgebrauch wird ungeachtet fast ausschließlich als Präposition verwendet (s. 4.4.1). Bei den Konnektiven dessen ungeachtet und dessenungeachtet erscheint ungeachtet hingegen in der Stellung einer Postposition. Die Widerspiegelung eines nicht mehr produktiven Kombinationsmusters ist ebenfalls ein Zeichen für die fortgeschrittene Grammatikalisierung.

131 Das Konnektiv bei alledem wird in den einschlägigen Studien und gängigen Grammatiken nicht zu den konzessiven Konjunktionen gezählt. In der Tat finden wir Belege, in denen es lediglich einen Begleitumstand beschreibt: (207)

Doch werden Theo Wuttkes zusätzliche Berichte, die nie veröffentlicht worden sind, wenig verwendbares Material für Tallhover oder das Reichssicherheitshauptamt hergegeben haben, denn Fonty verlor sich gerne im Anekdotischen und hatte kein Ohr für konspirative Nebentöne. Bei alledem blieb seine soldatische Existenz außer Schußweite. (Grass, 71)

Doch dieser Fall ist selten. Meist wird eindeutig ein konzessives Verhältnis kodiert. Bei alledem ist daher m.E. durchaus zu den Konzessivkonnektiven im engeren Sinne zu rechnen: (208)

(209)

(210)

Dabei sagte er sich, es bedürfe keines großen Aufliebens davon, daß die Reihe niemals an ihm war, obwohl Cindy den Kreis mehrmals durchlaufen hatte ... immer dann, wenn er dachte, seine Stunde sei herangerückt, kam ihm ein gewisser Harry dazwischen ... es war auch kein Wunder, denn dieser Harry war so dünn und glatt wie ein Fisch ... zudem war es ein Punkt, der seine Außenseiterrolle immer wieder herstellte, und diese wollte er eigentlich verankert wissen. Sein Verhältnis zu Cindy war bei alledem keineswegs schlecht, im Gegenteil, gerade dadurch bahnte sich eine Art Vertrauen zwischen ihnen an, jedenfalls war dies auf Cindys Seite so: er beschränkte sich mehr auf die Rolle ihres geduldigen Zuhörers. (Hilbig, 83) Und was im Westen als blöder "Fischgeruch durchfickter Nächte" gilt [...], ist für Sada ein geliebter Geruch. Der Schuß von Intimspray ist nicht gefragt im Reich der Sinne. | Bei alledem bleibt zu beachten: Das Schwelgen in Säften, Sinnen, Haut und Berührung wird hier nicht wie in jenen armseligen "Pomo"-Filmen inszeniert, als hätten wir das alle schon akzeptiert. (Struck, 189-90) Auch hier besteht nach wie vor ein (im Grunde genommen verschärfter) Konflikt, der im Wege einer Analyse und Bewertung der auf dem Spiele stehenden Interessen gelöst werden muß. Bei alledem ist das Vorliegen einer Femwirkung naturgemäß erst zu prüfen, wenn feststeht, daß ein unmittelbares, primäres Verwertungsverbot eingreift [...]. (Wolter, 158)

Eine Substitutionsprobe mit trotz allem/trotz alledem kann von Nutzen sein, um diese primär konzessiven Verwendungen von eventuell rein modalen zu unterscheiden. Im Gegensatz zu bei alledem - das eine konzessive Interpretation kontextunabhängig nahezulegen scheint - sind die Verbindungen mit anderen Präpositionen wie in oder nach semantisch völlig offen. 6 0 So kann beispielsweise nach alledem sowohl eine kausale als auch eine konzessive Beziehung ausdrücken. Ich bin sogar der Auffassung, daß die Grundbedeutung kausaler Natur ist: (211) (212)

60

Als folgerichtig erweist sich nach alledem die Erörterung der Beweis verböte auf dem 46. Deutschen Juristentag im Jahre 1966. (Wolter, 114) Die Lehre von den selbständigen Verwertungsverboten bedarf nach alledem einer wesentlichen Präzisierung. (Wolter, 152)

Wir werden im folgenden sehen (4.4.2), daß die Präpositionalfügung «bei + all + Subst.» als durchweg konzessiv gewertet werden kann, nicht so hingegen «in/mit/... + all + Subst.».

132

Das Konnektiv nach alledem kann hier mit "aufgrund der vorangegangenen Überlegungen/Ausfuhrungen" umschrieben werden. Nur in bestimmten Kontexten ist demgegenüber eine konzessive Interpretation möglich: (213)

Soll man da noch an jene Besetzung Frankreichs durch die Alliierten erinnern, als nicht nur Kosaken und Deutsche, sondern auch Engländer sich in Paris ganz unfein benahmen? Das war 1815 und ist doch, als ob es gestern wäre. [. ..] Nach alldem sollen sich die Franzosen nun mit den Engländern gemein machen, fragt Ladurie, anstatt selbst das pochende Herz Europas zu sein? Die Geschichte beweist, daß das viel verlangt wäre, zuviel. (FAZ 7-1-94, 25)

4.3.2.3. Temporales Element Das einzige konzessive Konnektiv, das auf einem (ursprünglich) temporalen Element beruht, ist dennoch: (214)a Die Exporte der Sowjetunion scheinen 1990 mengenmäßig stagniert zu haben, während die Importmengen abnahmen. Dennoch verbesserte sich die wertmäßige Handelsbilanz, da die Exportpreise für Öl stiegen und die Importpreise für Getreide sanken. (Jens, 145) b Zu Rudolf sagte sie, sie könne sich denken, wie rührend ihm ein solches Verhalten vorkommen müsse, sofort schüttelte er den Kopf und sagte, nein, nein, sie brauche sich nicht zu rechtfertigen. Sie tat es dennoch. (Becker, 228)

4.3.2.4. Allgemeines Verstärkungselement des Gegensatzes Schließlich sind einige parataktische Konnektive zu nennen, die auf einem allgemeinen Verstärkungselement basieren, das den Kontrast zwischen den zueinander in Beziehung gesetzten Sachverhalten betont. In dieser Gruppe finden wir gleichwohl, und doch sowie einige "Doppelkonnektive", die sich auf beide Sätze verteilen. Gleichwohl ist aus zwei Verstärkungselementen gebildet: (215)

Viele deutsche Exporteure dürften sich über eine etwas schwächere D-Mark sogar freuen, da sie die Ausfuhren verbilligt. Gleichwohl wendet sich die Bundesbank zu Recht gegen Forderungen nach einer kräftigen Abwertung der D-Mark. (FAZ 5-1-94, 9)

Die Verbindung und doch kann - im Gegensatz zum einfachen doch - als konzessives Konnektiv gelten. Wie schon bei dem subordinierenden Konnektiv und wenn liegt die primäre Funktion von und nicht in der syntaktischen Signalisierung einer Beiordnung, sondern in der semantischen Akzentuierung einer konzessiven Bedeutung: (216)

Er lauschte, doch es war still, es war nur, ohne Anfang und Ende, überall das kaum hörbare Summen der Gesteine. Und doch schien da ein Schritt gewesen zu sein, mehrere schnelle Schritte ... (Hilbig, 165)

133

Dieses Beispiel verdeutlicht sehr schön den Unterschied zwischen einfachem (doch) und konzessivem Gegensatz (und doch). Betrachten wir außerdem die folgenden beiden Belege: (217)a Es geschah in aller Öffentlichkeit. Und doch merkte die Öffentlichkeit nichts. 7500 Zuschauer in der ausverkauften Hans-Martin-Schleyer-Halle wurden am Mittwoch abend gegen halb neun Zeugen des Attentats auf den Hamburger Fußballspieler Oliver Möller, ohne etwas zu sehen. (FAZ 14-1-94, 25) b Mit seinen Plastiken vereinnahmt Didier Vermeiren Dinge, die bereits existieren; und doch zeigt der zweiundvierzigjährige Bildhauer aus Brüssel weder Ready-mades noch assemblierte Alltagswirklichkeiten. (FAZ 8-1-94, 28)

Ein Indiz für die Zusammengehörigkeit von und und doch kann in der Tatsache gesehen werden, daß und doch mitunter dem gesamten Satz vorangestellt wird: (218)a Wo seine Rechte den geflochtenen Griff schließen mußte, faßte er eine spindeldürre Knochenschiene und eine kleine spitze Gelenkwulst. Welche Gliedmaße, wie beinern! Und doch: wie eisem schlössen ihre Hände!... (Strauß, 134) b [...] so atemberaubend, daß sie auf einmal dachte, sie könne die anteilnehmende schöne Frau in ein schreckliches Geheimnis einweihen. Aber das gäbe allem zuvor Gesagten eine sehr unerwartete Wendung. Und doch, ihr war bei dieser wundervollen Person nach Beichte zumute. (Wohmann, 190)

Wenn durch «und + doch» keine vollständigen Sätze verbunden werden, läßt sich allerdings nur äußerst schwer bestimmen, ob und eine syntaktische oder eine semantische Funktion hat - mit anderen Worten, ob das Konnektiv des Gegensatzes doch bzw. und doch lautet. In einigen Beispielen kann die Zeichensetzung einen ersten, wenn auch nicht entscheidenden Hinweis liefern: (219)a So überfüllt mit Erinnerung, bedrängt im Kopf und im Herzen, so böse hin- und hergerissen und doch mit sich einig, so nah der Nervenpleite und zugleich fernsüchtig heiter, so von uns offengelegt, stand Fonty auf dem Bahnsteig. (Grass, 167) b Und dann ist sie schlagartig da, die Nacht in Galtür. Seit Urzeiten derselbe Rhythmus und doch ein ewiges Rätsel. (FAZ 6-1-94, R7) (220) a Ein "Dennoch" aus heiterem Himmel, aus untätigem Hirn, und doch den Gedanken nahelegend, daß so leer oder so beschäftigungslos es niemals sei, obgleich es den Anschein erweckt. (Kunert, 136) b Sie sind, sage ich, einen Zentimeter größer als Ellen, und doch zarter. (Walser, 131)

Bei Belegen wie (220), in denen ein - nach den Regeln der Zeichensetzung nicht unbedingt erforderliches - Komma gesetzt wird, kann man mit einiger Wahrscheinlichkeit von und doch als Konnektiv ausgehen. Ein Doppelkonnektiv ist in den Fällen gegeben, in denen zwar im ersten Hauptsatz (oder Konjunkt) antizipatorisch ein konzessives Konnektiv im zweiten Satz (oder Konjunkt) verstärkt. Im Korpus finden wir die Kombinationen zwar...trotzdem, zwar...dennoch, zwar...gleichwohl und zwar... und doch vor:

134 (221)

(222)

(223)

(224)

Sie bringt es fertig, daß ich mir in ihrer Gegenwart besser gefalle als sonst. Das ist zwar nicht schwer, trotzdem ist es niemandem vor ihr gelungen, außer einer Lehrerin, die mich manchmal vor der ganzen Klasse verspottet hat, weil ich ihr Lieblingsschüler war. (Becker, 296-7) Zwar wurde ebenso wie 1987 von einer unbegründeten Panik und einem Denkzettel für die bösen Spekulanten gesprochen, dennoch wurden umfangreiche Massnahmen ergriffen. (Malik/Stelter, 96) Die Steilmann-Gruppe hat im abgelaufenen Geschäftsjahr 1993 zwar eine Umsatzeinbuße von 7,6 Prozent auf 1,6 Milliarden DM hinnehmen müssen. Ihre Marktfuhrerschaft im Bereich der Damenoberbekleidung konnte sie gleichwohl behaupten. (FAZ 14-1-94, 17) Das Erstaunliche ist, daß wir am Ende von "Short Cuts" zwar eine Bedeutung hinter all den aufgerissenen Bildern, die über deren temporäres Arrangement hinausginge, nicht finden können; denn einige der Sequenzen - der Bäcker, der Hund, der Mord - passen in keine der Geschichten, die wir kennen. Und doch haben wir mehr gesehen als nur Schnipsel aus dem Schneideraum. (FAZ 6-1-94, 21)

Nicht belegt sind Verbindungen von zwar mit trotz allem/trotz alledem und dessenungeachtet/ungeachtet dessen. Die Akzeptabilität derartiger Sätze erscheint in der Tat fraglich. Bei diesen Konnektiven ist die anaphorische Komponente noch ziemlich stark ausgeprägt (so z.B. bei trotz allem gegenüber von trotzdem)', man könnte vermuten, daß sie sich aus diesem Grunde schlecht mit der kataphorischen Funktion des ersten Elements (zwar) vereinbaren lassen.61 Wenn hingegen zwar von einem rein adversativen Konnektiv gefolgt ist, kann wie unter 4.3.1 bereits angedeutet - die Bedeutung auch nichtkonzessiv sein. Dazu die folgenden Beispiele mit zwar...doch und zwar...aber. (225)

(226)

Zwar versteht er nicht, warum in Deutschland kaum ein Finanzier am Film als Geschäft Interesse zeigt; doch verantwortlich für den desolaten Zustand der hiesigen Filmkultur seien die Filmemacher selbst (FAZ 3-1-94, 23) Vorsichtig trank er von seinem Mineralwasser. Dann bat er mich, etwas von seiner Ente mit Orangen auf meinen Teller zu nehmen. Es widerstand mir zwar, aber ich wußte, worum es ihm ging: Er wollte nicht vom Oberkellner oder Geschäftsführer gefragt werden, ob sein Essen nicht in Ordnimg gewesen sei. (Wellershoff, 187-8)

Allgemein ist hervorzuheben, daß zwar gewöhnlich mit einem zweiten Konnektiv (konzessiver oder adversativer Art) korrespondiert. So hat Primatarova-Miltscheva (1986:128) auf der Materialgrundlage des schriftsprachlichen "Mannheimer Korpus" festgestellt, daß lediglich 5% der Belege ohne nachfolgendes Konnektiv erscheinen. Diese Fälle werden als elliptische Strukturen gedeutet. Mitunter werden außer zwar auch andere Elemente wie wohl oder gewiß als erste Komponente eines Doppelkonnektivs interpretiert (Schramm 1977:119). Zutreffend ist, daß sie mit einem Konzessivkonnektiv kombiniert werden können. Es handelt sich je-

61

Auch nichtsdestoweniger und nichtsdestotrotz sind in Zusammenhang mit zwar nicht belegt. Dies kann jedoch rein zufallig sein, da die beiden Konnektive insgesamt im Korpus äußerst selten vorkommen (zwei- bzw. einmal).

135 doch um Gelegenheitsverbindungen, zumal wohl und gewiß durchaus auch ohne die Unterstützung dieses zweiten Konnektivs auftreten können: (227)

(228)

Rudolf sagte, die Texte seien wohl sehr verschieden gewesen, dennoch sei ihm immer wieder der eine Gedanke gekommen: daß junge Autoren am besten sichtbare Vorgänge beschreiben und nicht so häufig philosophieren und ihre Ansichten über das Leben darlegen sollten. (Becker, 122) Die Absichten der interfraktionellen Damen und Herren sind gewiß vortrefflich, denn das aktive und passive Rauchen ist wirklich gefahrlich. Und doch empfinde ich - Nichtraucher seit meiner Abiturfeier und nicht im Solde der Tabakindustrie stehend - denjenigen Schauder, der sich einstellt, wenn man gut gemeinten Fundamentalismus am Werk sieht. (FAZ 15-1-94, 10)

Es sollte des weiteren beachtet werden, daß Adverbien unterschiedlichster Art im ersten Satz erscheinen können und so den zweiten, ein konzessives Konnektiv enthaltenden Satz antizipatorisch verstärken. Betrachten wir dazu jeweils ein Beispiel mit sicherlich, freilich, selbstverständlich, natürlich, bestimmt, zweifellos: (229) (230)

(231) (232) (233) (234)

Sicherlich gibt es Firmen, die in relativ konjunkturresistenten Bereichen operieren, wie die bereits erwähnte Nahrungsmittelindustrie. Dennoch würden auch deren Papiere einen merklichen Kursverlust erleiden. (Malik/Stelter, 119) Freilich gebrauchte ich einen schlechten Vergleich, das Ganze war kein Lauffeuer, sondern eine wohlorganisierte Geschichte, dennoch unterlag ich manchmal dem beängstigenden Eindruck, es habe sich in der Zwischenzeit, in den Wochen, in denen es unsichtbar war, im Unterirdischen fortgearbeitet, in den Kellern der Häuser [...]. (Hilbig, 14) Sie winkte ab; selbstverständlich würde sie gern mitfahren, sagte sie, für ihr Leben gern, dennoch lohne es nicht, sich in aussichtslose Kämpfe zu stürzen. (Becker, 185) Natürlich muß man keinesfalls probehalber gestorben sein, um zu wissen, was Tod ist. Und doch macht gerade dieses banale Beispiel klar, wie absolut konsequenzlos solch Wissen bleibt. (Kunert, 105) Bestimmt wäre es kein Unglück gewesen, wenn wir uns mehr hätten leisten können, trotzdem habe ich Amandas Zurückhaltung in bezug auf Arbeit ohne Klagen hingenommen. (Becker, 29) Mitarbeiter stellen zweifellos eine der wertvollsten Ressourcen einer Unternehmung dar. Dennoch ist im Zuge einer Rezession eine drastische Reduzierung des Personalbestandes unter Umständen nicht zu vermeiden. (Malik/Stelter, 148)

Auch in diesen Fällen handelt es sich um Gelegenheitsverbindungen; man sollte hier also nicht von einem "Doppelkonnektiv" oder "zweiteiligen Konnektiv" sprechen.

4.3.3. Frequenz und Gebrauch Untersuchen wir nun die Frequenz der parataktischen Konzessivkonnektive. Im Korpus finden sich insgesamt 975 Belege:

136 Tab. 1: dennoch trotzdem und doch gleichwohl zwar + konzessives Korrelat trotz allem bei alledem dessenungeachtet ungeachtet dessen nichtsdestoweniger dessen ungeachtet nichtsdestotrotz trotz alledem

Belege 453 247 115 97 39 7 6 4 2 2 1 1 1 975

Wie die Tabelle zeigt, ist dennoch das Konnektiv mit der weitaus höchsten Frequenz: Es stellt nahezu die Hälfte aller Belege. Die fünf häufigsten Konnektive machen insgesamt sogar über 97% der Belege aus. Die verschiedenen Verbindungen mit allem/alledem, ungeachtet und der Negation nichts sind andererseits nur sehr selten im Gebrauch zu verzeichnen. Es ist somit eine hohe Konzentration der Ausdrucksmittel festzustellen. Diese globale Übersicht kann nun nach Textsorten aufgeschlüsselt werden. Es soll dabei der Frage nachgegangen werden, ob es in den drei Bereichen (Fach-, Literaturund Pressesprache) signifikante Unterschiede in der Frequenz gibt: Tab. 2:

Fachsprache:

dennoch gleichwohl trotzdem zwar + konzessives Korrelat bei alledem und doch dessen ungeachtet ungeachtet dessen nichtsdestotrotz nichtsdestoweniger

Tab. 3: trotzdem dennoch und doch

Belege 106 34 27 14 3 3 1 1 1 1 191

Literatursprache: Belege 169 166 86

137 Belege gleichwohl zwar + konzessives Korrelat bei alledem trotz allem trotz alledem

9 8 3 3 1 445

Tab. 4: Pressesprache: dennoch gleichwohl trotzdem und doch zwar + konzessives Korrelat trotz allem dessenungeachtet ungeachtet dessen nichtsdestoweniger

Belege 181 54 51 26 17 4 4 1 1 339

Zunächst ist zu vermerken, daß sich die 975 Belege auf die drei untersuchten Bereiche wie folgt verteilen: Literatursprache 445, Pressesprache 339, Fachsprache 191. Wenn es zutrifft, daß parataktische Strukturen für die gesprochene Sprache typisch sind, so könnte eine erste Erklärung für diese Daten vorliegen. In literarischen Prosatexten erscheint sehr häufig wörtliche Rede, in Pressetexten wird des öfteren (in Form von direkter oder indirekter Rede) auf die Worte einzelner Personen Bezug genommen - in der Fachsprache hingegen viel seltener. Prüfen wir nun, ob sich für die fünf häufigsten Konnektive zahlenmäßige Unterschiede in den drei Verwendungsbereichen ergeben. Dennoch nimmt in allen drei Bereichen eine Spitzenposition ein: 106 Belege in der Fachsprache, 181 in Pressetexten, 166 im literarischen Bereich (hier allerdings ganz knapp von trotzdem geschlagen). Die Belege von trotzdem weisen eine ungleichmäßigere Verteilung auf: 27 in der Fach- und 51 in der Pressesprache, sogar 169 im literarischen Bereich. Kann man aus diesen Zahlen schließen, daß trotzdem ein typisch "literatursprachliches" Konnektiv ist? Es wäre m.E. eine vorschnelle Folgerung, da bei genauem Hinsehen deutlich wird, daß die große Mehrzahl der Belege im Kontext der wörtlichen Rede erscheint. Es liegt also meist eine Nachahmung der gesprochenen Sprache vor. Das Konnektiv und doch ist in fachsprachlichen Texten durch 3 Belege, in der Presse durch 26 und in der Belletristik durch gar 86 vertreten. Auch hier finden wir eine deutliche Verteilung zugunsten der literarischen Texte. Bei gleichwohl ist das Verhältnis genau umgekehrt: in Fach- und Pressesprache relativ häufig vertreten (34 bzw. 54 Belege), selten in der Literatursprache (9). Auch

138

«zwar + Korrelat» hat weniger Belege in der Belletristik (8) als in der Fach- und Pressesprache (14 bzw. 17). Man kann also zusammenfassend festhalten, daß Fach- und Pressetexte vergleichbare Tendenzen aufzeigen und sich somit deutlich von dem literarischen Bereich abheben: Trotzdem und und doch sind in Fach- und Pressesprache - relativ gesehen - seltener belegt, gleichwohl und «zwar + Korrelat» häufiger. Parataktische Konnektive haben in erster Linie die Funktion, zwei Hauptsätze miteinander zu verbinden. Dabei können die konzessiven Konnektive als alleinige Konnektive fungieren (4.3.3.1) oder in einem bereits eingeleiteten Hauptsatz auftreten (4.3.3.2). Mitunter werden sie auch in einem Nebensatz verwendet (4.3.3.3). Überdies können sie der Verstärkung oder Verdeutlichimg der konzessiven Bedeutung im hypotaktischen Satzgefüge dienen (4.3.3.4).

4.3.3.1. Verwendung als alleiniges Konnektiv: Verbindung zweier Hauptsätze Ein konzessives Konnektiv kann als alleiniges Konnektiv zwei Hauptsätze miteinander verbinden. Dabei unterscheide ich nicht zwischen Satzfolge (Trennimg der Sätze durch einen Punkt) und Satzverbindung (Trennung durch Strichpunkt oder Komma),62 da der einzige Unterschied zwischen den beiden Konstruktionen meiner Meinung nach in der Länge der Pause liegt. Betrachten wir dazu einige Beispiele mit dennoch: (235) (236) (237)

Die Zahlen aus Nürnberg sind Schreckenszahlen. Dennoch wäre es falsch, nun mit Panik zu reagieren. (FAZ 6-1-94, 2) Andererseits arbeitet der Sachverständige auch bei seiner Tätigkeit für das Gericht stets selbständig und aufgrund von Einzelaufträgen; dennoch wird er allgemein als "Gehilfe des Gerichts" bezeichnet. (Wolter, 86) Theo hatte Wunderdinge über die Findigkeit amerikanischer Studenten gehört, dennoch blieb es rätselhaft, wie die ferne Briefschreiberin in den Besitz so vieler Texte und Daten über ihn gelangt war. (Schneider, 107)

Das parataktische Konnektiv kann - wie in diesen Belegen - am Satzanfang stehen. Aber auch Satzmitte und Satzende sind als Positionen möglich: (238)

(239)

62

Der stärkeren staadichen Defizitausweitung stand aber ein konjunkturell bedingt erheblich niedrigerer Fremdfinanzierungsbedarf des Unternehmenssektors gegenüber. Die stark geänderten Aufkommens- und Nachfragestrukturen haben dennoch auf den Geld- und Kapitalmärkten zu einem friktionslosen Ablauf bei sinkenden Zinsen geführt. (Jahreswirtschaftsbericht, 56) Heute abend predigt Fredy Kolleritsch in Wesselburer in der Zwiebelturmkirche, fahren wir hin. Es ist ne Veranstaltungsreihe "Dichter predigen" die man sich nur in Storms heidnischem Norden vorstellen kann. Ein bißchen Zoff gibts mit einigen Pfarrern dennoch. (Kirsch, 53)

Diese Einteilung findet sich hingegen bei Schramm (1977:107ff.) und Starke (1982:132-3).

139

In einigen Fällen ist das Konnektiv dem ganzen Satz vorangestellt. Es liegt eine Pause vor, die durch ein Komma oder einen Doppelpunkt angezeigt werden kann: (240)

(241)

Vergiß nicht das Versagen des westlichen Kapitalismus im Kampf gegen die asiatische Despotie. Dennoch, ohne westliche Demokratie kann die Gesellschaft nicht vorwärts schreiten und den Kapitalismus überwinden. (Reimann, 186) Rund 25 000 externe Bewerbungen jährlich erhält IBM in Stuttgart. Die Zahl der Blindbewerbungen belief sich im vergangenen Jahr auf 23.000. Dennoch: Nach spätestens sechs Arbeitstagen, so die IBM-Maxime, erhalte der Bewerber eine Antwort, also eine Sofortabsage oder Empfangsbestätigung (FAZ 15-1-94, 39)

An der Wortstellung im zweiten Hauptsatz ist ersichtlich, daß dennoch als satzexterner Zusatz empfunden wird. Vergleichbare Beispiele, die die einzelnen Stellungsvarianten dokumentieren, lassen sich auch für die anderen konzessiven Konnektive finden.63 Lediglich und doch bildet eine Ausnahme, da es strukturbedingt immer am Satzanfang steht. Schramm (1977:115) ist der Ansicht, "daß die Ausdruckskraft des Signalwortes von seiner Position abhängt. Sie nimmt zu, je weiter es ans Ende des Satzes rückt." Dem kann man m.E. nur bedingt zustimmen. Es ist zwar zutreffend, daß die Endstellung relativ selten belegt ist und somit als markiert betrachtet werden könnte. Grundsätzlich sollte man jedoch von zwei Positionen ausgehen, in denen dem Konnektiv potentiell eine besonders markante Rolle zukommt: Anfangs- und Endstellung. Auch die weit verbreitete Anfangsstellung kann das Konnektiv hervorheben, besonders wenn es - durch eine Pause getrennt - dem gesamten Satz vorangeht. Eine parataktische Verbindung von zwei Sätzen unterscheidet sich in mancherlei Hinsicht von einem hypotaktischen Konzessivgefüge. Während bei Satzgefügen meist eine einzige hindernde Ausgangsbedingung genannt ist (im konzessiven Nebensatz), werden bei einer parataktischen Konstruktion des öfteren mehrere Ausgangssituationen erwähnt (s. 4.3.2.1). Die Aufzählung kann explizit als solche gekennzeichnet sein (242) oder nicht (243): (242)

(243)

Er konstatiert drei bedenkliche Hypotheken, die auf der deutschen Politik lasten: die Erbschaft des Holocaust, die einem unbefangenen Nationalgefiihl entgegensteht, die Spannungen zwischen West- und Ostdeutschen, die die Wiedervereinigung erschweren, und die Krise der etablierten Parteien. | Dennoch ist seine Prognose optimistisch. (FAZ 8-1-94, 27) So viel Mühe landauf landab. Lauter Querelen und engstirnige Funktionäre, die nichts, aber alles besser wußten. Verbotsschilder vor jeder Ortschaft. | Und doch überwogen freundliche Erinnerungen. (Grass, 159)

Mitunter erreicht die Auflistung eine beträchtliche Länge: 63

Einen Überblick über die Stellungsvarianten von parataktischen Konnektiven allgemein bietet Thim-Mabrey (1985:30-64). Insbesondere wird auf die kommunikative Relevanz der satzexternen "Nullstelle" eingegangen (1985:239-45).

140 (244)

Lange schlief ich nicht in dieser Nacht und suchte nach Anzeichen dafür, daß meine Ahnungen (die mich nicht zum ersten Mal erreichten) begründet waren: die Botschaftsbesetzungen ... die Basisgruppen, davon immer neue entstanden ... die zunehmende Flucht der jungen Leute in die Kirchen ... die sogenannten Punks und Skins, die lautstärker werdenden Ausschreitungen auf den Sportplätzen ... die verheerend gewordene und kaum verdeckte Gier nach harten Währungen, der alles beherrschende Handel damit... die Ausreiseanträge, die geradezu Mode geworden waren. - Dennoch benahmen wir uns, als hätten wir uns unter diesen Bedingungen eingerichtet, ja, als hätten wir sie direkt vorausgesehen und bezögen sie in unser Tun und Lassen ein ... (Hilbig, 330-1)

In anderen Beispielen findet man eine einzige Ausgangsbedingung, die jedoch im Textfluß weiter zurückliegt. Auch in diesem Fall bezieht sich der ein konzessives Konnektiv enthaltende Satz auf einen gesamten Textabschnitt. In folgendem Beleg erscheint beispielsweise zwischen den beiden in einer Konzessivbeziehung stehenden Sätzen noch ein erklärender Einschub: (245)

Die Zeiten, in denen Regierungspolitiker einen stabilitätsbewußten Notenbankgouverneur mit großer Selbstverständlichkeit in die Wüste schicken konnten, sind vorbei. Der Gouverneur ist auf sechs Jahre bestellt, die sechs unabhängigen Persönlichkeiten des Conseil de la Politique Monétaire auf neun Jahre. Dennoch werden - vor allem außerhalb Frankreichs Zweifel geäußert, ob die Regierung, bei aller formalen Autonomie der Banque de France, nicht Mittel und Wege finden werde, der Bank ihre geldpolitischen Vorstellungen zu übermitteln. (FAZ 3-1-94, 9)

In weiteren Beispielen schließlich ist das Antezedens nicht genau präzisiert, sondern ergibt sich erst aus dem Text- oder Situationszusammenhang. In folgendem Passus nimmt das Konnektiv dennoch ganz allgemein Bezug auf den vorher geschilderten (mißglückten) Annäherungsversuch: (246)

Weil wieder nicht viele Gäste Hannelore und ihre Kollegin in Trab hielten und geschützt gegen jegliches Mißtrauen in seine Absichten durch Tochter Renates Gesellschaft, wagte Gumbert beim Bezahlen einen Vorstoß: | Wie wärs mit einem gemeinsamen Rundgang um den Teich? Meine Tochter und ich, wir nähmen Sie sehr gern auf unseren Verdauungsspaziergang mit. Es dauert nicht lang. | Hannelore lachte ihr fruchtiges Sommerlachen Die Kirschenlippen sprangen auf. Vor Reife platzendes Obst. Oh danke! Ich kenne den Weg um den Teich. Es ist wunderschön im Wald am Ufer. | Ab wann haben Sie frei? Renate übernahm sachlich den Annäherungsvorgang ihres Vaters. | Oh, das dauert noch. Hannelores lachendes Gesicht: ein Obstgarten. Emailliertes Pfirsichrosa auf runden Wangen. Bis zum Abend. Sie bedankte sich fur Gumberts großzügiges Trinkgeld, auf das er stets mit den Worten Der Rest ist für Sie aufmerksam machte. Und dann wünschte sie Vater und Tochter noch einen schönen Abend und lief schnell, trotz der langen Schürze geschickt, über die Terrasse zu einem anderen Tisch. | Den Rundgang genoß Gumbert dennoch. (Wohmann, 220)

Die Unterschiede zwischen hypotaktischen und parataktischen Strukturen lassen sich u.a. auf die Tatsache zurückfuhren, daß der Zeitpunkt der Signalisierung des Konzessiwerhältnisses verschieden ist. Betrachten wir dazu die folgenden vereinfachten Beispiele:

141 (247) a b (248) a b

Er ist krank. Trotzdem geht er zur Arbeit. Er ist zwar krank. Trotzdem geht er zur Arbeit. Obwohl er krank ist, geht er zur Arbeit, Er geht zur Arbeit, obwohl er krank ist.

In einer parataktischen Satzverbindung wie (247a) wird dem eingangs geäußerten Tatbestand erst nachträglich die Rolle des Antezedens einer Konzessivbeziehung zugewiesen. Daß es sich um ein potentielles Hindernis oder um einen unwirksamen Grund handelt, wird lediglich a posteriori signalisiert. Somit können wir zur Kodierung der Ausgangssituation sowohl längere Ausfuhrungen als auch nur andeutende Umschreibungen finden. Es besteht allerdings die Möglichkeit, durch ein Doppelkonnektiv auch den ersten Tatbestand ohne Verzögerung als konzessiv zu kennzeichnen (247b). Bei einem hypotaktischen Satzgefüge hingegen kann je nach Stellung des Nebensatzes die Konzessivität früh oder spät signalisiert werden. Im ersten Fall (248a) wird die jeweilige Rolle der in Beziehung gesetzten Sachverhalte (unwirksamer Grund vs. überraschende Folge) im voraus geklärt, im zweiten Fall (248b) kommt sie erst nachträglich zum Ausdruck.64

4.3.3.2. Verwendung in bereits eingeleiteten Hauptsätzen Ein spezifisch konzessives Konnektiv wie trotzdem, dennoch oder gleichwohl kann in einem Satz auftreten, der bereits durch ein allgemein-adversatives Konnektiv wie aber, doch oder jedoch eingeleitet ist. Wenden wir uns zunächst einigen Sätzen zu, die aber als parataktisches Konnektiv enthalten: (249)

(250)

Wieder andere bekennen freimütig, schon im Untergrund die Zwangsaussiedlung der deutschen Bevölkerung geplant zu haben. Aber das Gespür dafür, daß viele unschuldige Deutsche Unrecht erfahren haben, nimmt dennoch zu. (FAZ 6-1-94, 8) Kerrigan hatte daraufhin den Start bei den nationalen Titelkämpfen in Detroit absagen müssen, war aber vom Verband trotzdem für die Olympischen Spiele in Lillehammer nominiert worden. (FAZ 14-1-94, 25)

Das konzessive Konnektiv kann dem adversativen auch unmittelbar folgen: (251)

(252)

64

Als Ergebnis würde sich die internationale Liquidität, insoweit sie aus Gold besteht, verdoppeln und verdreifachen, allerdings in den Papierwährungen. Aber dennoch würde mit einem Schlag der Mangel an internationaler Liquidität behoben werden können. (Reimann, 276) Am nächsten Morgen war er im Treppenhaus fast ohnmächtig zusammengebrochen, war aber trotzdem zu einer Sitzung in die Bank gefahren und hatte sie mit Aufbietung seiner ganzen Willenskraft hinter sich gebracht. (Wellershoff, 95)

Auf weitere Unterschiede zwischen konzessiver Hypotaxe und Parataxe gehe ich bei Punkt 5 .1 ein. Die Stellung des Nebensatzes in konzessiven Satzgefügen wird näher in Kap. 6 untersucht (6.4).

142

Die Zusammengehörigkeit wird besonders betont, wenn die beiden Konnektive vom Rest des Satzes durch eine Pause abgehoben werden. Hier scheint fast eine Verschmelzung vorzuliegen: (253)

(254)

Das ist ein Fingerzeig, meine Herren! Sehe zwar das zur Zeit verrückt spielende Klima für bloßen Zufall an - aber dennoch: Unser alter Erdball beginnt zu rumoren, als möchte er uns abschütteln, als seien wir Menschen ihm lästig geworden. (Grass, 669) Weder du wolltest mich fangen mit deiner klugen, einfühlsamen Einführung in B., noch ich will dich fangen, indem ich dir sage, daß ich deine Skulpturen über alles liebe. Aber trotzdem: Bin ich realistisch? (Struck, 17)

Betrachten wir nun zwei Beispiele, in denen jeweils doch und jedoch eine konzessive Explizierung erhalten: (255)

(256)

Die Einigung ist ein grundsätzlich formlos möglicher, bedingungsfreundlicher [...] Verfügungsvertrag. Sie muß dem Bestimmtheitsgrundsatz entsprechen, doch können eine noch nicht konkretisierte unbestimmte Sache und eine erst noch herzustellende Sache, sofern ausreichende Bestimmbarkeit gewährleistet ist, gleichwohl übereignet werden (sog. antezipierte Einigung). (Köbler, 116-7) Manchmal reisen wir auch ab und kommen sogar an, sind dann jedoch, selbst bei umgekehrter Reihenfolge, trotzdem nicht zu Hause. (Kunert, 10)

Die Tatsache, daß aber und (je)doch durch eindeutig konzessive Konnektive verstärkt werden können, ist ein klares Indiz für ihren allgemein-adversativen Charakter. Die Verbindung von zwei explizit konzessiven Konnektiven in einem einzigen Teilsatz ist hingegen im Korpus nicht belegt. Eine Kombination wie trotzdem ist er dennoch nach Hause gegangen ist allenfalls als rhetorische Figur der Tautologie denkbar. Konzessive Konnektive können des weiteren in Sätzen auftreten, die durch und eingeleitet sind: (257) (258)

Dedual nickte mir zu, fast fröhlich: "Ich konnte doch noch einmal die ganze Wahrheit sagen. Und ende dennoch als Mörder." (Federspiel, 92) Der erste Vorteil dieses Modells, so sagt Brüderle, kommt dem Staat zugute. Denn dieser kann sich für die Mietzahlungen zwanzig Jahre Zeit lassen; die Tilgung wäre gestreckt, und in Zeiten der Finanznot wären gleichwohl Investitionen möglich. (FAZ 19-1-94, 5)

Meist finden wir die beiden Konnektive in Kontaktstellung: (259) (260)

Heute wissen wir besser, dass es anders gekommen ist - und dennoch wird in der Öffentlichkeit schon vom nächsten Boom der 90er Jahre gesprochen. (Malik/Stelter, 49) Dann läuft das Badezimmer langsam voll. Die Handwerker lassen sich nicht blicken; wahrscheinlich erleiden sie unterdessen das gleiche Schicksal wie die Naßzelle. | Und trotzdem hat man noch einmal Glück gehabt. Warum? (FAZ 19-1-94, 9)

Ihre Verbundenheit wird verstärkt, wenn sie durch eine Pause vom Satzganzen getrennt sind:

143 (261)

(262)

Die Frankfurter Allee war nicht die Szene, und sie war auch nicht der Alexanderplatz, der vom Volk und den Touristen beherrscht war; ehe man auf dem östlichen Abschnitt der Frankfurter etwas erfuhr, brannte es sicher schon lichterloh, und womöglich an allen Ecken und Enden. Und dennoch, es war ihm so vorgekommen, als seien die Menschenströme aus den Unterführungen plötzlich gelichtet... (Hilbig, 244) "Irrtum! Ich bin nicht so aufgewachsen, so gehätschelt worden wie du, Daniel. Ich war kein Einzelkind. Nicht ersehnt von den Eltern, ich bin ihnen einfach passiert." | "Und trotzdem, du wolltest dich hervortun, und es ist dir gelungen." (Schwaiger, 217)

Schließlich sei noch erwähnt, daß eindeutig konzessive Konnektive auch in Ergänzungsfragen vorkommen können. Interessanterweise sind im Korpus ausschließlich kausale Fragesätze belegt. Sehen wir uns zunächst folgendes Beispiel an: (263)

Ein Lebensbuch ist diese Geschichte, aber eines, das nur von Sterbensläufen erzählt, von Krieg, Raub, Vertreibung und Verbannung, von enttäuschter Liebe, Entwurzelung und Einsamkeit. Warum beglückt seine Lektüre trotzdem? (FAZ 4-1-94, 26)

Der Fragesatz könnte folgendermaßen aufgeschlüsselt werden: (264)

Seine Lektüre beglückt trotzdem. Warum?

Es wird hier die Frage nach der versteckten Kausalität gestellt. Der Sprecher/Schreiber kennt die wirksame Ursache nicht, mißt ihr aber in seinen Überlegungen große Wichtigkeit bei. Dazu noch die folgenden beiden Belege: (265)

(266)

Polygame Frauen wie du und ich (ich bin Achims zweite Frau und er ist mein zweiter Mann) sollten überhaupt nicht heiraten, sagte ich, und wieder fragte ich bei mir die Antwort ab: Warum tun wirs trotzdem. (Wohmann, 152) [...] und ich versuche, ihre Züge zu enträtseln, diese durch die Bromsilberplatte und die Entfernung vom Objektiv wenig begünstigten Mienen, unter denen ich manchmal mir bekannte zu erkennen meine - eine Unmöglichkeit, da diese Schatten wahrscheinlich schon vor meiner Geburt ihre flüchtige Existenz in solch zweidimensionales Jenseits verlegten. | Warum mustere ich dennoch so hingegeben, fast süchtig die undeutlichen Figuren in ihrem unerlösbaren Zustand? (Kunert, 66)

4.3.3.3. Verwendung in Nebensätzen Parataktische Konnektive werden häufig auch in Nebensätzen verwendet: (267)

Sie dürfen den monetären Kontrollbereich der Zentralbank nicht betreten. Wenn sie es dennoch tun, verlieren sie den Status von "Euro-Geldern". (Reimann, 119)

Der anaphorische Charakter dieser Konnektive ermöglicht es, sich einen zusätzlichen Nebensatz (obwohl es verboten ist) oder eine Präpositionalfugung (trotz des Verbots) zu ersparen. So werden inhaltliche Wiederholungen vermieden und die syntaktische Komplexität der Gesamtgefüges bleibt überschaubarer.

144 Es seien noch einige weitere Beispiele angeführt, in denen das konzessive Konnektiv in einem Nebensatz auftritt. Betrachten wir jeweils einen Adverbial-, Objektund Relativsatz: (268)

(269)

(270)

Aber Michel schützte vor, die alte Dame wolle weder an das Licht der Öffentlichkeit treten noch das Original der Abschrift herausrücken, und er habe versprechen müssen, ihren Namen nicht preiszugeben. Um die Wiener dennoch bei der Stange zu halten, pauste Michel kurz darauf in mühevoller Arbeit zwei Wasserzeichen von den Originalen ab und schickte sie nach Österreich. (FAZ 19-1-94, 29) Habe ich Ihnen schon erzählt, wie still und leise man mit ihm trinken konnte? Habe ich Ihnen schon erzählt, daß er trotzdem morgens um zwei seinen Kopf, seinen runden Sonnenkopf, hob und nein sagte? (Bichsei, 79) Der kranke Mann aber ruht unbewegt in seinem Sessel, er ruht halb schon im Frieden, halb lauert er, späht, was sich neben ihm noch regt und lebt, seine Frau, die um sein Ableben herum sich allmählich einrichtet, die gleichwohl nicht mehr die Rüstigste ist, sondern zunehmend von Nierenleiden, Gelenkentzündungen etc. geplagt wird. (Strauß, 83)

4.3.3.4. Verstärkung oder Verdeutlichung der konzessiven Bedeutung im hypotaktischen Satzgefüge Parataktische Konnektive wie trotzdem, dennoch und gleichwohl können in Satzgefügen vorkommen, in denen das Konzessiwerhältnis bereits durch eine spezifisch konzessive Subjunktion signalisiert ist. Die Konnektive dienen in diesem Fall dazu, den konzessiven Gegensatz zwischen den beiden Teilsätzen zu verstärken (vgl. 6.5). Ist die Konzessivrelation dagegen durch einen nichtkonzessiven Adverbialsatz ausgedrückt, hat das parataktische Konnektiv eine verdeutlichende, explizierende Funktion. Nehmen wir nun diese beiden unterschiedlichen Verwendungen in Augenschein. 1) Verstärkung der Konzessivbedeutung. Sehen wir uns zunächst jeweils ein Beispiel mit dennoch, trotzdem und gleichwohl in verstärkender Funktion an: (271)

(272) (273)

Auch wenn die Stimmung in der japanischen Wirtschaft zum Jahresbeginn nach vier Jahren dramatischer Ertragseinbußen und wenig Hoffnung auf eine schnelle Erholung weiterhin gedrückt ist, gibt es dennoch auch optimistische Stimmen, die der angeschlagenen Wirtschaft durchaus eine Chance geben, langfristig wieder neue und attraktive Industrien aufzubauen. (FAZ 17-1-94, 12) Aber auch wenn ich's könnte, würde ich es trotzdem nicht tun, solange ich hier mit jemandem im Haus bin [...]. (Strauß, 89) Obwohl diese Partnerschaften sich wegen der familienrechtlichen Bindungslosigkeit von der Ehe unterscheiden [...], werden die Lebenspartner, ohne den Sprachgebrauch übermäßig zu strapazieren, gleichwohl als Angehörige ähnlich wie Eheleute oder Verlobte angesehen. (Wolter, 105)

Wie aus diesen Belegen ersichtlich ist, verteilen sich die beiden konzessiven Konnektive jeweils auf Neben- und Hauptsatz (auch wenn ... dennoch, auch wenn ... trotzdem usw.) Der Hauptsatz, der schon aufgrund seines syntaktischen Status den Vordergrund

145

(foreground) des Satzgefüges darstellt, erfahrt durch das parataktische Konnektiv eine zusätzliche Hervorhebung (upgrading). Es finden sich im Korpus demgegenüber keine Belege für ein parataktisches Konzessivkonnektiv im Nebensatz. Die beiden Konnektive würden hier in Konflikt geraten, da die Subjunktion die Funktion der Herunterstufung (downgrading) erfüllt und somit zu dem upgrading des parataktischen Konnektivs inkompatibel erscheint.65 Es sei noch daraufhingewiesen, daß der konzessive Nebensatz vorangestellt ist (das im nachfolgenden Hauptsatz auftretende Konnektiv nimmt anaphorisch auf ihn Bezug). In einem einzigen Beispiel finden wir die umgekehrte Reihenfolge der Teilsätze (s. 4.3.2.1, Satz 198). Im Korpus kommen in Verstärkungsfunktion lediglich die drei Konnektive dennoch, trotzdem und gleichwohl vor. 66 Sie gehören zu den parataktischen Konnektiven mit der höchsten Gesamtfrequenz überhaupt (s. oben Tab. 1). Wenden wir uns nun den anderen Konnektiven zu, die in dieser Funktion nicht belegt sind. Zwar und und doch scheiden aus strukturellen Gründen als Verstärkungsmittel aus: (274) a Obwohl er krank ist, geht er trotzdem zur Arbeit, b 'Obwohl er krank ist, geht er zwar zur Arbeit. c "Obwohl er krank ist, und doch geht er zur Arbeit.

Zwar ist in parataktischen Satzverbindungen stets das erste Element eines Doppelkonnektivs (zwar...aber, zwar...dennoch usw.) und kann daher nicht als zweites Element in einer Korrelation wie obwohl...zwar auftreten. Und doch ist vom semantischen Standpunkt ein einheitliches Konzessivkonnektiv; allerdings erscheint der Grad der formalen Verschmelzung noch nicht so weit fortgeschritten, als daß und seine koordinierende syntaktische Bedeutung gänzlich verloren hätte. Ein Vorkommen im Satzgefüge ist daher ausgeschlossen. Bei nichtsdestotrotz/nichtsdestoweniger, dessenungeachtet!ungeachtet dessen, trotz allem/trotz alledem und bei alledem ergeben die Substitutionsproben folgendes Bild: (275) (276) (277)

?Obwohl er krank ist, geht er nichtsdestotrotz / nichtsdestoweniger zur Arbeit. ??Obwohl er krank ist, geht er dessenungeachtet zur Arbeit. "Obwohl er krank ist, geht er ungeachtet dessen zur Arbeit. "Obwohl er krank ist, geht er trotz allem / trotz alledem zur Arbeit. "Obwohl er krank ist, geht er bei alledem zur Arbeit.

Es hat den Anschein, daß die Akzeptabilität der Konstruktion abnimmt, je stärker das anaphorische Element des parataktischen Konnektivs ausgeprägt ist.

65

Diese Beobachtung deckt sich mit den Akzeptabilitätsurteilen, die von Primatarova-Miltscheva (1986:127) bezüglich der Rolle von zwar in konzessiven Nebensätzen geäußert werden.

66

Es ist auf die relative Seltenheit dieser Belege hinzuweisen (dennoch 6, trotzdem 5, gleichwohl 1). Wie wir unter 6.5 sehen werden, wird in dieser Funktion meist allgemein-adversativen Korrelaten der Vorzug gegeben.

146

2) Verdeutlichung der Konzessivbedeutung. Betrachten wir nun einige Beispiele, in denen das Konzessiwerhältnis durch einen Konditional- oder Temporalsatz ausgedrückt wird. Es handelt sich um Adverbialsätze, die - wie wir unter 4.2.3 gesehen haben - nur in bestimmten Kontexten eine konzessive Bedeutung annehmen können. Zumeist tritt im Hauptsatz des Gefuges zur Verdeutlichung ein spezifisch konzessives Konnektiv auf. In folgenden beiden Belegen haben wir eine konditionale wenn-Konstruktion sowie einen uneingeleiteten Nebensatz: (278)

(279)

Wenn Fonty nach solchen Erklärungen schwieg oder so tat, als sei er nur noch an Entenfamilien und einem besonders fleißigen Haubentaucher interessiert, gelang es ihm dennoch nicht, außer stumm taub zu sein. (Grass, 124) Ist ein Prozeßvergleich als solcher wegen mangelhafter Vertretung als Vollstreckungstitel unwirksam, so kann die getroffene Vereinbarung gleichwohl als außergerichtlicher materiell-rechtlicher Vergleich Bestand haben, wenn dies dem mutmaßlichem Parteiwillen entspricht. (Friederici, 188)

In diesen Beispielen kann der konditionale Teilsatz durch eine explizit konzessive auch weMH-Struktur umschrieben werden. In vergleichbarer Weise lassen sich die folgenden beiden temporalen a/s-Sätze durch das eindeutigere auch als wiedergeben: (280)

(281)

[...] er verfehlte das Fenster, denn das Licht war gelöscht, die Jalousie heruntergelassen. Als er es bemerkte, ging er dennoch fast bis zum Ende der Straße weiter, denn er hatte plötzlich ein ähnliches Empfinden wie an jenem Vorfrühlingstag vor zwei Jahren, als er zum ersten Mal in diese Straße gekommen war ... vielleicht lag es an der milden Luft die den Abend durchwehte? (Hilbig, 208) Als der Patient [die römische Statue des Aurel] mitsamt seinem Pferd entlassen wird, gilt er gleichwohl nicht als geheilt, dem Verfallsprozeß wurde nur Einhalt geboten. (FAZ 6-194, R4)

4.4. Präpositionale Konstruktionen Präpositionale Konzessivkonstruktionen haben in der einschlägigen Literatur bisher kaum Beachtung gefunden. Sie werden lediglich in zwei Studien - und dort auch nur ansatzweise - behandelt. Schramm (1977:40-5;102-7) listet die wichtigsten Konnektive auf, wobei allerdings nicht zwischen primär adversativen und primär konzessiven Präpositionen unterschieden wird (Schramm geht es nämlich um die onomasiologische Frage, welche Strukturen sich zum Ausdruck einer konzessivischen Bedeutung eignen). Es werden die gängigen Grammatiken zu Rate gezogen und verschiedene eigene Korpusbeispiele erwähnt. Etwas ausführlicher geht Schramm einzig auf das Problem der schwankenden Rektion von trotz ein. Dieser Aspekt steht auch im Mittelpunkt der Betrachtungen von Starke (1982:141-2). Im vorliegenden Korpus finden sich folgende Präpositionen und Präpositionalfiigungen, die eine Konzessivbeziehung kodieren können:

147 trotz zum Trotz ungeachtet unbeschadet auf die Gefahr um den Preis ohne Rücksicht auf entgegen gegen wider bei + all in/mit /... + all Wir werden nun die einzelnen Konstruktionen näher untersuchen und dabei zwischen typisch konzessiven und marginal konzessiven Strukturen unterscheiden.

4.4.1. Hindernd-oppositives Element: allgemein-adversativ oder konzessiv? Wie aus der obigen Liste ersichtlich ist, können nahezu alle Präpositionalfiigungen auf ein hindernd-oppositives Element zurückgeführt werden. Betrachten wir zunächst die eindeutig konzessiven Strukturen. Es liegen zahlreiche Beispiele mit trotz vor: (282) (283)

Dieser in seinen Folgen verheerende Beschluß wurde ebenfalls ohne mein Wissen vorbereitet und trotz meiner entschiedensten Einwände angenommen. (FAZ 18-1-94, 2) Trotz seines geschwächten Zustandes habe er sich mit letzter Kraft zur Wehr gesetzt, als man das Pflaster von seinem Mund entfernen wollte. (Hahn, 187)

Die Präposition trotz kann durch das quantitative Element all verstärkt werden. Meist ist das nachfolgende Substantiv zählbar und erscheint im Plural (284); aber auch Singularformen sind möglich (285): (284) Trotz aller Erfolge bleibt bis 1997 noch viel zu tun. (Becker u.a., 76) (285) a Er dagegen mußte wahrscheinlich bald sterben, unvertretbar allein, trotz aller Einfühlung, die ihn dabei begleiten mochte. (Wellershoff, 77) b Trotz allen Erschreckens über den Befund bleibt nichts anderes übrig, als mit Beharrlichkeit die Wettbewerbsbedingungen zu verbessern, die Arbeitskosten zu verringern, neue Investitionen rentabel zu machen und darauf zu warten, daß der sich mühsam anbahnende Aufschwung auch am Arbeitsmarkt spürbar wird. (FAZ 6-1-94, 1) Der Gegensatz zwischen den beiden Sachverhalten wird hervorgehoben, indem auf die Vielzahl der Ausgangszustände (284) bzw. das Ausmaß des einzigen Ausgangszustandes (285) hingewiesen wird. Trotz regiert in der weitaus größten Anzahl der Fälle den Genitiv. Nur vereinzelt tritt der Dativ auf: Im Korpus haben sich - auf eine Gesamtzahl von 668 trotz-Beispielen - 19 eindeutige Dativbelege gefunden, die insgesamt 22 Dativ-NPs enthalten. In 20

148 Fällen liegt eine artikellose NP vor (12 bestehen aus einem einfachen Substantiv, 8 aus einer Kombination «Adjektiv + Substantiv»): (286) a Aber ach - leider sagte er sich, trotz Ego-Training und wider Willen, immer wieder: Der Abend ist hin, er ist verdorben. (Wohmann, 56) b Jene Unternehmen, die trotz schlechtem wirtschaftlichem Umfeld die Qualität heben, müssen nur geringfügig schlechtere Erträge in Kauf nehmen, erwirtschaften dafiir aber im Aufschwung überdurchschnittlich mehr. (Malik/Stelter, 143) NPs mit unbestimmtem bzw. bestimmtem Artikel sind jeweils durch einen einzigen Beleg vertreten: (287) a Diese Umsatzsteigerung gelang trotz einem Umsatzausfall von 200 Millionen DM, der durch den Wegkauf von sechs Anschlußhäusern durch den Mannesmann-Konzern verursacht wurde. (FAZ 3-1-94, 15) b Industrielle und westliche Diplomaten glauben nicht, daß es bei der Liberalisierung einen "Rückfall" geben könnte, zumal Finanzminister Manmohan Singh [...] im Amt bleiben kann - trotz Börsenskandal und dem Bericht einer parlamentarischen Untersuchungskommission, die seinem Ministerium mangelnde Aufsicht vorwirft. (FAZ 16-1-94, 10) Ein Beispiel für die schwankende Rektion von trotz ist durch folgende koordinierende Konstruktion gegeben, bei der die erste NP im Dativ, die zweite im Genitiv erscheint: (288)

Wir wissen es alle: Der große Aufbruch ist gescheitert; der Berg hat eine Maus geboren trotz unbestreitbarem Engagement und trotz reichlicher finanzieller Mittel. (FAZ 12-194, 26)

Außer trotz ist die Fügung zum Trotz in Postposition belegt: 6 7 (289)

Wer diesen düsteren Horizont nach einem Hoffnungsschimmer absucht, wird ihn allen Gewalttaten zum Trotz am ehesten noch in Nordirland und im Nahen Osten ausmachen. (FAZ 3-1-94, 1)

Das Konnektiv ungeachtet stellung ist möglich: 6 8 (290) (291)

erscheint fast immer als Präposition. Aber auch die Post-

Ungeachtet vollständig unterschiedlicher Rahmenbedingungen lassen sich deshalb zunächst auch für die neuen Bundesländer Entwicklungen vermuten, wie sie sich Ende der 70er, Anfang der 80er Jahre in der Bundesrepublik einstellten. (Jens, 189-90) Wir zogen ja bald in den obersten Stock, wo man über Dächer und Höfe hinweg sogar Bäume sieht, eine Gruppe Pappeln, die du, der Wirklichkeit ungeachtet, die Drei Gleichen getauft hast, weil dich der Name an etwas erinnerte, Felsen oder Schloßtürme hoch überm Fluß. (Burmeister, 11)

67

Nach Lehmann (1995:80) ist - historisch gesehen - aus der Fügung zum Trotz durch Verkürzung das einfache trotz entstanden. Die Belege von zum Trotz könnten demnach als Archaismen eingestuft werden.

68

Von 41 Belegen im Korpus weist ein einziger Poststellung auf.

149

Betrachten wir nun zwei Beispiele mit (292) (293)

unbeschadet

Zur Entgegennahme der Auflassung ist, unbeschadet der Zuständigkeit weiterer Stellen, jeder Notar zuständig. (Köbler, 114) Trotz Nachtwandlerei in den Anfangsszenen und unbeschadet aller "romantischen Caprice" feierte er den Prinzen, aber ärgerlich ist ihm "dies Greuel von Dorfrichter" gewesen, allenfalls "ein Lesestück". (Grass, 726-7)

Mit einer konzessiven Bedeutung können des weiteren Fügungen wie auf die Gefahr, um den Preis und ohne Rücksicht aufm Verbindung gebracht werden (s. oben 4.2.1.2). Im Korpus sind lediglich die letzteren beiden belegt: (294) (295)

Sie bewirken lediglich, daß bestimmte Kräfte um den Preis einer Einschränkung der politischen Freiheit aus dem politischen Prozeß ausgeschaltet und in die Illegalität gedrängt werden. (Hesse, 273) Der einzelne Betrieb hatte zu exekutieren, was oben ausgehandelt wurde - ohne Rücksicht auf die konkrete Ertragssituation. (FAZ 6-1-94, 9)

Wenden wir uns nun den Präpositionen gegen, entgegen und wider zu. Gegen hat eine allgemein-adversative Bedeutung (296); lediglich in spezifischen Kontexten kann die Opposition in konzessivem Sinne interpretiert werden (297): (296)

(297)

Angesichts der jüngsten Vorfalle verurteilten mexikanische Intellektuelle und Geistliche zwar die Anwendung von Gewalt. Sie äußerten aber ihr Verständnis dafür, daß sich die Indigenas gegen Unterdrückung, Ausbeutung und Vernachlässigung auflehnten. (FAZ 41-94, 1) Das Glück, daß sie etwas gegen ihre Überzeugung machte, nur mir zuliebe, habe ich also nie kennengelernt. (Becker, 48)

Anders als das einfache gegen ist entgegen des öfteren mit einer konzessiven Deutung vereinbar. In einigen Fällen ist der Kontrast zwischen den beiden Sachverhalten sogar ausschließlich konzessiv interpretierbar; es besteht ein offenkundiger ursächlicher Zusammenhang, der negiert wird: (298) (299)

Entgegen der Auflage des Bundeskartellamts zur Fusion der Konzerne Krupp und Hoesch ist die Krupp Brünninghaus GmbH, Werdohl, zum Jahresende 1993 nicht verkauft worden. (FAZ 5-1-94, 12) Entgegen dem Wunsch des Staatspräsidenten François Mitterrand ist kein Gewerkschafter bestellt worden. (FAZ 6-1-94, 9)

In anderen Belegen kann ohne Zuhilfenahme des weiteren Kontextes nicht beurteilt werden, ob eine rein konzessive oder allgemein-adversative Bedeutung vorliegt: (300) (301)

Kosten der Konfirmation werden entgegen früher Rechtsprechung inzwischen wohl überwiegend als Sonderbedarf anerkannt. (Friederici, 77) Eine Ehe ist nichtig, wenn [...] die Ehe zwischen Verwandten und Verschwägerten entgegen dem erwähnten Eheverbot geschlossen worden ist (§21 EheG). (Köbler, 139)

150 Im ersten der beiden Beispiele wird eine konzessive Interpretation allenfalls nahegelegt (man kann von einem kausalartigen Einfluß der bisherigen Rechtsprechung ausgehen), im zweiten Beispiel bleibt die Frage bewußt offen: Für die Nichtigkeit der Ehe ist es nicht relevant, ob die Partner von dem Verbot gewußt haben (konzessiv!) oder nicht (adversativ!). In manchen Fällen schließlich hat entgegen eine rein adversative Bedeutung: (302)

Einen Aufsatz über Gegenstände der Kunst aus intim persönlicher Perspektive zu schreiben ist, entgegen der Annahme, daß das Persönliche und Subjektive das Leichte sei, ein schwieriges Unterfangen. (Wellershoff, 178)

Halten wir also fest, daß entgegen des öfteren eine konzessive Interpretation erfahren kann, sie jedoch keineswegs erzwingt. Ich rechne entgegen daher nicht zu den primär konzessiven Präpositionen. Ahnlich wie entgegen ist m.E. auch die Präposition wider einzustufen. In einer Reihe von Ausdrücken, die meist formelhaften Charakter haben, ist wider konzessiv interpretierbar: (303) a Ihren Ausbruch hatte sie damals auf die Scheidung geschoben; die Teeladenfrau, schon lange verwitwet und einsam wider Willen, hatte an schwesterlichem Mitleid nicht gespart. (Hahn, 79) b Deshalb können die hauptamtlichen und planmäßig endgültig angestellten Richter wider ihren Willen vor Ablauf ihrer Amtszeit nur kraft richterlicher Entscheidimg [...] dauernd oder zeitweise ihres Amtes enthoben oder an eine andere Stelle oder in den Ruhestand versetzt werden. (Hesse, 224) (304) Wird der Eintritt der Bedingung von der Partei, zu deren Nachteil er gereichen würde, wider Treu und Glauben verhindert, so gilt er als nicht erfolgt (§162 BGB). (Köbler, 31) (305) a Oder sie sagte mit der emstesten Miene, daß Behauptungen, die ich wider besseres Wissen aufstelle, mir Mundgeruch verursachen. (Becker, 68) b Er trinkt das Glas, das offensichtlich nicht sein erstes ist, mit einem Zuge aus, verharrt aber in einem erbitterten Schweigen. Immer noch in Hochzeitslaune, frage ich wider mein besseres Gefühl, wie es ihm gehe, und rechne selbstverständlich auf seinen Anstand, das heißt die übliche harmlose Antwort. (Schneider, 48-9) c Er blieb, abgesehen von ein paar Sündenfallen (Pomodebatte), in denen er wider besseres Fühlen in frauenfreundlichen Kitsch abrutschte, permanent unemst. (FAZ 4-1-94, 27) In anderen Beispielen ist wider primär (306) oder gar ausschließlich (307) adversativ: (306) (307)

Doch wider alle Erwartungen hat sich die Schere zwischen Aktienhausse und Wirtschaftsbaisse in den letzten Monaten nur noch weiter geöffnet. (FAZ 5-1-94, 15) Doch darf dies nicht durch Ausreizen von Einzelbestimmungen wider den Sinn des Ganzen geschehen. (Wolter, 231)

Zusammenfassend läßt sich feststellen, daß die Konnektive entgegen und wider eher einer konzessive Interpretation offenstehen als beispielsweise das rein adversative gegen, jedoch nicht zu den konzessiven Präpositionen im engeren Sinne gerechnet werden können.

151

4.4.2. Quantitatives Element: primär konzessiv oder gelegentlich konzessiv? Die Präpositionalfiigung «bei + all + Subst.» bezeichnet einen Begleitumstand, der prinzipiell eine Interpretation sowohl in kausalem als auch in konzessivem Sinne erfahren kann. Von 52 Korpusbeispielen finden wir lediglich zwei Belege, in denen eine Kausalrelation vorliegt: (308) a Vermutlich hätte er es bei all seinen Belastungen auch ohne die Krankheit nicht schaffen können. (Wellershoff, 169) b Alle redeten Text, und bei all dem Gerede kam der General von Bamme nicht dazu, das Signal zum Sturm auf die Oderbrücke blasen zu lassen. (Grass, 753)

In allen anderen Fällen steht dieser Begleitumstand jedoch in einem Verhältnis des konzessiven Gegensatzes zum Hauptgeschehen. Betrachten wir dazu die folgenden Beispiele: (309) (310) (311) (312) (313)

(314)

Aber bei aller Gemeinsamkeit der grundsätzlichen Struktur ist doch jeder Bundesstaat eine konkret-geschichtliche Individualität. (Hesse, 89) Telekom befand sich mit der Fusion und dem Aufbauprogramm für die neuen Bundesländer in einer außerordentlichen Bewährungsprobe, die, bei aller Improvisation, hervorragend gemeistert wurde [...]. (Becker u.a., 2) Margaretes Verhalten hatte, bei aller Herzlichkeit, etwas vom erhabenen Gutdünken absoluter Herrscher. (Burmeister, 39) Bei aller Dankbarkeit, er wäre Melanie allmählich ganz gern losgeworden. (Wohmann, 176) Vor allem bedarf das mancherorts gezeichnete Bild über die Polizei der Korrektur. Ihr wird offenbar jede Schandtat zugetraut. Bei aller Kritik an einzelnen Mißgriffen: Jene, die für die innere Sicherheit ihr Leben riskieren, hätten mehr Rückhalt aus der Bevölkerung verdient. (FAZ 15-1-94, 2) Selbst in der Erläuterung technischer Einzelheiten wie Tempo und Rhythmus, Akkordfärbungen und Pedalisieren ist er bei aller Professionalität kurzweilig genug, um auch den Laien für das Metier zu interessieren. (FAZ 12-1-94, 24)

Wie wir sehen, kann der konzessive Sinn entweder direkt durch ein adversatives Korrelat betont (309) oder indirekt durch die Zeichensetzung (310-313) hervorgehoben werden. Die Konstruktion «bei + all + Subst.» kann m.E. zu den primär konzessiven Präpositionalfugungen gezählt werden. Nicht so jedoch die Verbindungen anderer Präpositionen mit dem quantitativen Element all. Letztere Konstruktionen lassen nämlich die zugrundeliegende semantische Relation völlig offen: Der Kontext allein entscheidet über die Lesart.69 Betrachten wir die folgenden beiden Beispiele mit «in + all + Subst.»:

69

S. oben die unter 4.3.2.2 vorgeschlagene Gegenüberstellung von dem primär konzessiven parataktischen Konnektiv bei alledem und anderen Verbindungen wie nach alledem.

152 (315)

(316)

Und woher nahmen Sie Ihre Zuversicht, Ihren Mann nach seinem schweren Sturz vom Scheunendach und in all den sechs Jahren seines Komas doch eines Tages zurückzugewinnen? (Wohmann, 190) Sicher habe ich diesem Staat gedient, in dem ich Gelegenheit hatte, mich vom Sohn eines ungelernten Arbeiters und einer Landarbeiterin nach einem Hochschulstudium zu einem verantwortlichen Wirtschaftsfunktionär zu entwickeln. Ich mußte aber auch in all den Jahren für meinen Verdienst angestrengt und mit hoher Einsatzbereitschaft arbeiten. (FAZ 171-94, 9)

Im ersten Beispiel legt der Kontext - auch dank der adversativen Partikel doch - eine konzessive Interpretation nahe. Im zweiten Satz wird hingegen ganz allgemein von einer Zeitdauer gesprochen. In vergleichbarer Weise ist «mit + all + Subst.» lediglich dann konzessiv zu deuten, wenn der Kontext einen klaren Gegensatz zwischen den beiden Sachverhalten erkennen läßt. Dies ist beispielsweise der Fall bei (317), nicht jedoch bei (318): (317)

(318)

Eigentlich hatte er sie alle auf unerfindliche Weise geliebt, mit all ihrer Sturheit und Schafsdummheit, ihrer Demut und Arroganz, mit all ihren verbissenen, verfolgungswahnsinnigen Gedanken. (Hilbig, 116) Er schrie lautlos, mit aller Kraft, aber er schrie aus einer Entfernung, in der seine Stimme für niemanden mehr zu hören war. (Strauß, 40)

4.4.3. Frequenz und Gebrauch der wichtigsten Präpositionalstrukturen Im Korpus registrieren wir insgesamt 832 Belege für primär konzessive Präpositionen und Präpositionalfugungen: Tab. 5: trotz bei + all ungeachtet ohne Rücksicht auf zum Trotz unbeschadet um den Preis

Belege 668 52 41 33 14 13 11 832

Die bei weitem häufigste Präposition ist trotz: Sie stellt über 80% aller Belege. Mit großem Abstand folgen «bei + all», ungeachtet und ohne Rücksicht auf (die jeweilige Frequenz liegt bei ca. 6%, 5% und 4%). Selten begegnen wir schließlich zum Trotz dem postpositionalen Pendant zu trotz unbeschadet und um den Preis (der jeweilige Anteil erreicht nicht einmal 2%). Betrachten wir nun die Verteilung auf die drei Verwendungsbereiche Fach-, Literatur- und Pressesprache:

153 Tab. 6: Fachsprache: trotz ohne Rücksicht auf bei + all ungeachtet unbeschadet um den Preis

Belege 259 19 14 13 12 8 325

Tab. 7: Literatursprache: trotz bei + all ungeachtet ohne Rücksicht auf zum Trotz unbeschadet

Belege 120 19 6 6 5 1 157

Tab. 8: Pressesprache: trotz ungeachtet bei + all zum Trotz ohne Rücksicht auf um den Preis

Belege 289 22 19 9 8 3 350

Die zahlreichsten Belege finden wir in den Pressetexten (350), dicht gefolgt von der Fachsprache (325); die Belletristik liegt mit lediglich 157 Belegen deutlich zurück. Es ist demnach ersichtlich, daß - im semantischen Mikrobereich der Konzessivstrukturen - literarische Texte von den Nominalisierungstendenzen weiter Bereiche der Gegenwartssprache zumindest teilweise frei geblieben sind. Die (hohe) Frequenz von trotz ist für diese Gesamtverteilung verantwortlich: Die Präposition ist in Presse-, Fach-, und Literaturtexten jeweils 289-, 259- und 120-mal belegt. Vergleichbar ist die Distribution von ungeachtet (jeweils 22, 13 und 6 Belege). Die Fügung «bei + all» scheint dagegen textsortenunabhängig verbreitet zu sein (19, 14 und 19 Belege). Die fachsprachlichen Texte zeichnen sich durch zwei Besonderheiten aus. Zum einen ist die postpositionale Fügung zum Trotz nicht belegt (9 Beispiele hingegen in Presse-, 5 in Literaturtexten). Zum anderen fällt die relativ hohe Frequenz von unbeschadet auf (12 von 13 Belegen insgesamt). Im Bereich der Fachsprache findet sich diese Präposition ausschließlich in juristischen Texten, so daß man durchaus von ei-

154

nem textsortenspezifischen Gebrauch sprechen kann. Weniger signifikant erscheint mir - aufgrund der niedrigen Gesamtfrequenz - die relative zahlenmäßige Prävalenz in Fachtexten von ohne Rücksicht auf (19 von 33 Belegen) sowie von um den Preis (8 von 11 Belegen).

4.5. Zahlenmäßiger Überblick über hypotaktische, parataktische und präpos itionale Konstruktionen Bei der Untersuchung der parataktischen und präpositionalen Konstruktionen sind unter 4.3.3 und 4.4.3 jeweils statistische Angaben zur Verwendung in den drei Teilkorpora (Fach-, Literatur- und Pressesprache) gemacht worden. Ich möchte die betreffenden Angaben hier zusammenfassen und mit den Daten der hypotaktischen Konstruktionen vergleichen (s. 6.2). Dazu folgende tabellarische Übersicht:70 Tab. 9: parataktische Konstruktionen präpositionale Konstruktionen hypotaktische Konstruktionen

Fach. Lit. Presse insgesamt 191 445 339 975 325 157 350 832 673 1002 559 2234 1189 1604 1248 4041

Parataktische Konzessivstrukturen treten in literarischen Texten am häufigsten auf (445 Belege), am seltensten in fachsprachlichen (191). Eine zahlenmäßige Mittelstellung nehmen Pressetexte ein (339). Diese Verteilung ist m.E. darauf zurückzufuhren, daß zahlreiche Passagen in literarischen Prosatexten - man denke beispielsweise an die Dialogsituationen - der gesprochenen Sprache nahestehen. Eine unmittelbare Redewiedergabe findet sich des öfteren auch in Pressetexten, selten jedoch im fachsprachlichen Bereich. Was die präpositionalen Konstruktionen betrifft, so kann die relativ hohe Anzahl von Belegen in Fach- und Pressesprache (325 bzw. 350) auf fortschreitende Nominalisierungstendenzen hinweisen, die sich hingegen in der Literatursprache nur teilweise durchgesetzt zu haben scheinen (157). Eine schlüssige Erklärung für die Dominanz der hypotaktischen Konstruktionen in der Literatursprache (1002) gegenüber den anderen beiden Teilkorpora (jeweils 673 und 559 Belege im fach- bzw. pressesprachlichen Bereich) steht noch aus.

70

Es sei nochmals darauf hingewiesen, daß Konstruktionen, die für den Ausdruck der Konzessivität eine semantisch marginale Rolle spielen, statistisch nicht ausgewertet wurden. Es handelt sich dabei im wesentlichen um polykonditionale Konnektive (s. 4.2.2), nur kontextbedingt eine konzessive Bedeutung kodierende Nebensätze (4.2.3) sowie primär adversative Konjunktionen und Präpositionen (4.3.1 bzw. 4.4.1).

155

Insgesamt finden wir in literarischen Texten die meisten Belege für konzessive Satzstrukturen vor (1604); Fach- und Pressetexte liegen deutlich zurück (1189 bzw. 1248 Belege). Ein in etwa überraschendes Ergebnis, denn man hätte erwarten können, daß fachsprachliche Texte - aufgrund ihres primär argumentativen Charakters - die höchste Anzahl von expliziten Konzessivkonstruktionen aufweisen würden.

§. Prototypische und periphere Konzessivkonstruktionen In diesem Kapitel werden vier Parameter untersucht, die eine Einteilung in prototypische und periphere Konzessivkonstruktionen ermöglichen:1 1) Die Art der Satzkonnexion: Hypotaktische Konstruktionen können als prototypisch gelten, parataktische hingegen als peripher (5.1). 2) Der Grad der Explizitheit des Konnektivs: Monoseme Konnektive, die die Konzessivrelation in eindeutiger Weise kodieren und daher eine konzessive Interpretation des Satzes erzwingen, sind hochgradig explizit und können als prototypisch angesehen werden; polyseme Konnektive, die lediglich in bestimmten Kontexten eine konzessive Bedeutung annehmen, sind demgegenüber als peripher einzustufen (5.2). 3) Der Grad der Grammatikalisierung des Konnektivs: Prototypisch sind syntaktisch fest integrierte Verbindungen, in denen die einzelnen Elemente semantisch verblaßt sind; peripher dagegen sind produktive Gelegenheitsverbindungen, in denen jedes der Teilelemente seine ursprüngliche Bedeutung bewahrt (5.3). 4) Der ausgedrückte Konzessivwert: Konnektive, die ausschließlich oder bevorzugt zentrale (beispielsweise faktische) Konzessivwerte kodieren, können als prototypisch gelten - im Gegensatz zu Konnektiven, die auf periphere (beispielsweise polykonditionale) Konzessivwerte spezialisiert sind (5.4). Betrachten wir nun im einzelnen jeden dieser vier Aspekte. Eine kurze Zusammenfassung folgt unter 5.5.

5.1. Hypotaktische vs. parataktische Konstruktionen Zunächst sollen die wichtigsten Unterschiede zwischen hypotaktischen und parataktischen Satzkonstruktionen herausgestellt werden (5.1.1). Anschließend führe ich Gründe an, warum die subordinierten Konzessivsätze als prototypisch angesehen werden können (5.1.2).

5.1.1. Einige Unterschiede zwischen Hypotaxe und Parataxe Die Unterschiede zwischen hypotaktischen und parataktischen Satzkonstruktionen betreffen im wesentlichen drei Bereiche: 1) den situativen Verwendungskontext; 2) die Das Modell einer auf Prototypen basierenden Kategorisierung ist Anfang der siebziger Jahre von der Psychologin Eleanor Rosch ausgearbeitet worden. Eine ausführliche Beschreibung der methodischen und theoretischen Grundlagen des Prototypenansatzes, seiner verschiedenen Versionen und seiner Anwendungsmöglichkeiten im Bereich der Linguistik findet sich bei Kleiber (1993), auf den ich auch für weiterfuhrende bibliographische Angaben verweise.

157

semantisch-pragmatische Struktur; 3) die syntaktisch-formale Struktur. Ich werde nun kurz einige Punkte behandeln, die in der Diskussion über die Natur von Hypotaxe und Parataxe wiederholt zur Sprache gekommen sind. Es muß vorausgeschickt werden, daß zwischen Hypotaxe und Parataxe keine Dichotomie besteht, sondern eher ein Kontinuum mit verschiedenen Zwischenformen (s. oben 4.1.3). 2 Die beiden Kategorien sind außerdem in sich nicht einheitlich, sondern weisen eine mehr oder weniger große interne Komplexität auf.3 Die im folgenden erwähnten Unterschiede zwischen Hypotaxe und Parataxe sollten daher lediglich als (mehr oder weniger stark ausgeprägte) Tendenzen gewertet werden. Betrachten wir nun drei Arten von Differenzen. 1) Der situative Verwendungskontext. Subordinierte Satzstrukturen werden gemeinhin als typisch für gehobene und formelle Verwendungskontexte sowie für schriftsprachliche oder schriftnahe Varietäten betrachtet, koordinierte Strukturen hingegen als kennzeichnend für informelle und mündliche Varietäten. Dabei wird meist jedoch - wie Thompson (1984:90-1) und Beaman (1984:45-6) richtigerweise bemerken - nicht konsequent zwischen Parametern unterschieden, die einerseits die Kommunikationssituation und andererseits das Kommunikationsmedium betreffen. Für die vorliegende Untersuchung, die ausschließlich schriftliche Korpora in Betracht zieht, spielt der situative Aspekt eine eher untergeordnete Rolle. 2) Die semantisch-pragmatische Struktur. Hypotaxe und Parataxe unterscheiden sich diesbezüglich in mehrfacher Hinsicht: a) Bei hypotaktischen Satzstrukturen wird der Inhalt des untergeordneten Satzes präsupponiert, der des übergeordneten assertiert; bei parataktischen Satzstrukturen werden demgegenüber beide Teilsätze assertiert.4 Hiermit hängen die folgenden Aspekte (b), (c) und (d) eng zusammen. b) In einem hypotaktischen Satzgefüge hat der subordinierte Satz seine illokutive Kraft verloren und kann daher keinen eigenständigen Sprechakt mehr konstituieren. In einer beiordnenden Satzverbindung liegen hingegen zwei eigenständige Sprechakte vor Typologische und sprachvergleichende Untersuchungen können diesen Aspekt besonders gut verdeutlichen. Vgl. beispielsweise Bossong (1979), Haiman/Thompson (1984), Thompson/Longacre (1985), van Valin (1984) und Lehmann (1988). So muß im Bereich der Koordination zumindest zwischen syndetischen und asyndetischen Satzverbindungen unterschieden werden, im Bereich der Subordination zwischen Adverbial-, Attribut-, Subjekt-, Objekt- und Prädikatsätzen sowie weiterfuhrenden Nebensätzen. Als sehr interessant erweist sich in diesem Zusammenhang der Versuch von Fabricius-Hansen (1992), Subordination im Rahmen der Prototypentheorie zu beschreiben. Haiman/Thompson (1984:510) gehen gar so weit, die Existenz der Kategorie '"Subordination" in Frage zu stellen. Ahnlich die Überlegungen von Valentin (1995:36), der auf den Terminus "Subordination" am liebsten verzichten möchte. Dieses allgemeine Strukturierungsprinzip wird beispielsweise von Townsend/Bever (1977:4), Talmy (1978a:499), Bossong (1979:35), Handke (1985:2), Beaman (1984:56), Matthiessen/Thompson (1988:314-5) und Andersen (1995:47-8) erwähnt. Ein spezifischer Hinweis auf konzessive Satzkonstruktionen findet sich bei Eggs (1977:130ff ). Auf das Deutsche nimmt Hartmann (1984:312) Bezug.

158

(s. Haiman/Thompson 1984:513,519-20; Lehmann 1988:193; Fabricius-Hansen 1992:468). c) Das hypotaktische Satzgefüge hat eine einzige Thema-Rhema-Progression; so übt beispielsweise ein vorangestellter Nebensatz in seiner Gesamtheit eine thematische Funktion aus. Zwei parataktisch verbundene Sätze sind dagegen durch zwei unterschiedliche Progressionen gekennzeichnet (s. Mazzoleni 1990:108 in bezug auf konzessive Satzstrukturen). d) Eine hypotaktische Satzkonstruktion stellt eine Hierarchisierung der Informationswerte dar: Dem untergeordneten Satz kommt die Rolle des Hintergrundes zu, dem übergeordneten die des Vordergrundes.5 Die beiden Sätze einer parataktischen Verbindung befinden sich indessen auf derselben Informationsebene. Eine Reihe von textlinguistischen Studien hat gezeigt, daß in Erzähltexten die grundlegenden Informationen - d. h. die das "Gerüst" der Erzählung bildenden Ereignisse - mehrheitlich von Hauptsätzen kodiert werden, während Nebensätze Zusatzinformationen liefern, die eine ausschmückende oder erklärende Funktion haben. Die wichtigsten kommunikativen Ziele des Sprechers finden somit in Hauptsätzen ihre bevorzugte Ausdrucksform.6 3) Die syntaktisch-formale Struktur. Die semantisch-pragmatischen Unterschiede zwischen hypotaktischen und parataktischen Satzstrukturen finden ihren Niederschlag in einer Reihe von syntaktisch-formalen Charakteristiken: a) Ein Nebensatz kann in der Regel nicht als selbständige Konstruktion auftreten, da er gewöhnlich als Konstituente des Hauptsatzes fungiert.7 Ein koordinierter Teilsatz kann hingegen aus der parataktischen Verbindung gelöst werden und erscheint dann als grammatisch - wenn auch nicht immer pragmatisch (Thompson 1984:88) korrekter eigenständiger Satz. b) Die "Abhängigkeit" des Nebensatzes zeigt sich in der Reduktion seiner satzmäßigen Eigenschaften. Bei der Verwendung einer nichtfiniten Verbform gehen beispielsweise alle Tempus- und Aspektoppositionen verloren. Des weiteren übt der Modus häufig nicht mehr seine ursprüngliche semantische Funktion aus, sondern wird von dem übergeordneten Satz "regiert". Die formale Reduktion im Nebensatz spiegelt die

Statt foreground und background werden gelegentlich auch die Termini ftgure und ground verwendet. Vgl. beispielsweise Townsend/Bever (1977) und Talmy (1978b). Klein/von Stutterheim (1987) sprechen von Haupt- und Nebenstruktur des Textes, wobei die Hauptstruktur durch die Äußerungen gegeben ist, die die Quaestio - die Grundfrage, auf die der Text in seiner Gesamtheit Antwort geben soll - betreffen. Die Untersuchungen von Tomlin (1985), Thompson (1987) und Matthiessen/Thompson (1988) kommen zu dem übereinstimmenden Ergebnis, daß ca. 80-90% aller Nebensätze Hintergrundinformationen kodieren. Verschiedene Aspekte, die die Informationsstrukturierung durch Subordination und Koordination im Deutschen betreffen, kommen in den Studien von Hartmann (1984), Reis (1993) und Brandt (1994) zur Sprache. Brandt geht dabei auch kurz auf konzessive Satzstrukturen ein (1994:19). Vgl. Haiman/Thompson (1984:513-5), van Valin (1984:542) und Lehmann (1988:183). Ausnahmsweise selbständig erscheinende Nebensätze werden eingehend von Weuster (1983) behandelt.

159

Schwächung der illokutiven Kraft wider (Haiman/Thompson 1984:512-3; Thompson 1984:88; Matthiessen/Thompson 1988:304; Lehmann 1988:193-200). c) Ein weiterer Aspekt, der mit der illokutiven Schwächung und dem präsupponierten Charakter des Nebensatzes zusammenhängt, ist das weitgehende Fehlen von emphatischen Konstruktionen und markierten Wortstellungen. 8 Es gibt fernerhin Sprachen - wie das Deutsche - , die sich durch eine grammatikalisierte Wortstellung im Nebensatz gegenüber dem Hauptsatz auszeichnen. d) Die höhere Integration der beiden Teilsätze eines hypotaktischen Gefüges zeigt sich außerdem in der Tatsache, daß ein Operator wie beispielsweise die Negation sich auf beide Sätze beziehen kann und somit die logische Verbindung zwischen den Satzinhalten betrifft. 9 Bei einer nebenordnenden Satzverbindung ist dies nicht möglich. e) Im Vergleich zur parataktischen Verbindung ist das hypotaktische Satzgefüge meist expliziter in der Ausdrucksform der zugrundeliegenden logisch-semantischen Relation. Für den Sprecher ergibt sich somit eine höhere Komplexität bei den Kodierungsprozessen, für den Hörer jedoch eine Entlastung bei den Dekodierungsprozessen. Koordinierende Strukturen hingegen erweisen sich als "leichter" für den Sprecher und "schwieriger" für den Hörer (R. Lakoff 1984:486). f) Ein weiterer syntaktisch-formaler Unterschied zwischen Hypotaxe und Parataxe ist schließlich durch die Tatsache gegeben, daß in einem hypotaktischen Satzgefüge die jeweilige Position der beiden Teilsätze frei bestimmbar ist («NS + HS» oder «HS + NS»). In einer parataktischen Verbindung ist demgegenüber die Reihenfolge der beiden Teilsätze festgelegt und kann nicht verändert werden, da sie die temporale Sequenz der Ereignisse ikonisch widerspiegelt (Haiman/Thompson 1984:519; Matthiessen/Thompson 1988:305). Außerdem ist im Satzgefüge die Möglichkeit der Interposition des Nebensatzes gegeben, während bei koordinierenden Strukturen sich ein Teilsatz nicht in den anderen einfügen läßt (Haiman/Thompson 1984:513-5). Es kann abschließend festgehalten werden, daß das Vorhandensein von "subordinierenden" Konnektiven - oft als wesentliches Merkmal der Hypotaxe betrachtet nicht das zentrale Kriterium für die Unterscheidung von subordinierenden und koordinierenden Strukturen ist (Townsend/Bever 1977:6; Handke 1983:4,14-5; Matthiessen/Thompson 1988:304). Außer Frage steht jedoch, daß ihr Auftreten die Identifizierung eines Nebensatzes im Textverlauf erleichtern kann.

Die sog. "Hauptsatzphänomene" werden beispielsweise von Green (1976), Bolinger (1977) und spezifisch für das Deutsche - von Szigeti (1995) untersucht. Restriktionen bei den Möglichkeiten der Wortstellung in Nebensätzen werden des weiteren von Townsend/Bever (1977:18-20) und Lehmann (1988:195) behandelt. Vgl. in diesem Zusammenhang das schon unter 2.1 diskutierte Beispiel: (i) Karin geht nicht nach Hause, weil sie krank ist - sondern weil sie müde ist.

160

5.1.2. Die Prototypenhafiügkeit der subordinierten Konzessivsätze Wie wir in Kap. 4 gesehen haben, wird die logisch-semantische Relation der Konzessivität sowohl durch hypotaktische als auch durch parataktische Strukturen ausgedrückt. Als nächstliegende, unmarkierte und daher (proto-)typische Kodierungsform kann das hypotaktische Satzgefüge angesehen werden. Eine Reihe von Tatsachen spricht für diese Annahme. 1) Vorder- und Hintergrund. Hypotaktische Konstruktionen zeichnen sich durch eine Gewichtung der vermittelten Informationen aus. Diese Hierarchisierung kommt der Semantik der Konzessivrelation entgegen, die auf zwei Kausalrelationen basiert: einer wirksamen und einer unwirksamen. Der untergeordnete Satz drückt einen Faktor der unwirksamen Relation aus (meist den unzureichenden Grund AI), der übergeordnete Satz einen Faktor der wirksamen Relation (meist die "sieghafte" Folge B2, die sich trotz des Vorhandenseins von AI ereignet hat): 10 (1)

Obwohl Frank hohes Fieber hat, geht er ins Büro.

In der parataktischen Satzverbindung hingegen wird sowohl dem wirksamen als auch dem unwirksamen Faktor der gleiche Informationswert zugeschrieben: (2)

Frank hat hohes Fieber; er geht ins Büro.

Zusätzliche Konnektive können jedoch auch in parataktischen Konstruktionen für die nötige Reliefgebung sorgen: (3)

Frank hat hohes Fieber; er geht trotzdem / dennoch / gleichwohl /... ins Büro.

Es gibt allerdings einige Unterschiede zur Informationshierarchisierung im hypotaktischen Satzgefüge: a) Die Verwendung eines parataktischen Konnektivs ist stets eine fakultative, nicht konstruktionsbedingte Kodierungsmöglichkeit. In den hypotaktischen Gefügen ist die Gewichtung der Informationswerte indessen unumgänglich. b) Parataktische Konnektive haben anaphorischen Charakter und weisen die Konzessivität sozusagen retroaktiv zu (ihre Funktion kann folgendermaßen umschrieben werden: 'das bisher Gesagte stellt einen unwirksamen Grund dar'). Hypotaktische Konnektive hingegen haben kataphorischen Charakter; sie zeigen den Informationswert der Struktur im voraus an ('das nun Folgende ist ein unwirksamer Grund'). c) Parataktische Konnektive haben eine Funktion der Hervorhebung (upgrading): Sie verstärken den Teilsatz, der den wirksamen Faktor enthält. Hypotaktische Konnektive dienen demgegenüber der Herunterstufung (downgrading): Sie verringern die informationsmäßige Relevanz des unwirksamen Faktors. Aufgrund dieser spiegelbild10

S. oben die zusammenfassende Darstellung unter 3.10.

161

liehen Funktionsverteilung können hypotaktische und parataktische Konnektive in ein und derselben Konstruktion miteinander kombiniert werden (s. oben 4.3.3.4; s. unten 6.5): (4)

Obwohl Frank hohes Fieber hat, geht er trotzdem / dennoch / gleichwohl /... ins Büro.

2) Abstujbare Intensität im Ausdruck der Konzessivrelation. Wie wir soeben festgestellt haben, ermöglicht die hypotaktische Satzkonstruktion zwei unterschiedliche Intensitätsgrade bei der Kodierung der Konzessivität: einen einfachen (ein subordinierendes Konnektiv dient zur Reliefgebung) und einen verstärkten (zusätzlich wird ein koordinierendes Konnektiv verwendet). Die parataktische Satzverbindung kann dagegen lediglich einen einzigen Intensitätsgrad zum Ausdruck bringen, den einfachen. Es muß nämlich bedacht werden, daß das fakultativ verwendbare koordinierende Konnektiv die Funktion der Explizierung eines anderenfalls nicht klar erkennbaren Konzessivwertes ausübt und somit nicht der Verstärkung eines bereits signalisierten Gegensatzes dient. 3) Explizierung des Konzessiwerhältnisses. Bei hypotaktischen Konstruktionen wird die Konzessivrelation durch spezifische, meist monoseme Konnektive ausgedrückt, die eine Interpretation in konzessivischem Sinne erzwingen. Bei parataktischen Konstruktionen hingegen liegen oftmals polyseme Konnektive mit allgemein-adversativer Bedeutung vor; die konzessive Interpretation ergibt sich dann einzig aus dem Kontext (beispielsweise durch Implikatur). 4) Anzahl der Konnektive. Die Konzessivrelation findet im hypotaktischen Satzgefüge vielfaltige Ausdracksmöglichkeiten. Es existieren nämlich zahlreiche subordinierende Konnektive (s. 4.2.1), die eine Kodierung von feinen semantischen und stilistischen Unterschieden im Bereich der Konzessivität erlauben. Demgegenüber finden sich relativ wenige koordinierende Konnektive, die als primär konzessiv gelten können (s. 4.3.1). Eine mit der Hypotaxe vergleichbare Ausdifferenzierung ist hier nicht gegeben. 5) Kodierte Konzessivwerte. Die hypotaktische Satzkonstruktion ermöglicht die sprachliche Kodierung sämtlicher in Kap. 3 beschriebenen Konzessivwerte. Bei parataktischen Verbindungen scheint es diesbezüglich Restriktionen zu geben. Es lassen sich hauptsächlich faktische Konzessivwerte feststellen; koordinierte Strukturen mit beispielsweise skalarem, konditionalem 11 oder polykonditionalem Wert sind als gänzlich marginal zu betrachten (wenn nicht sogar inakzeptabel).

11

Interessant ist in diesem Zusammenhang die Beobachtung von Zaefferer (1991:233-4), daß parataktische Konditionalsätze zwar existieren, jedoch als markiert einzustufen sind.

162

5.2. Explizite vs. implizite Konstruktionen Es ist in der vorliegenden Arbeit bisher an verschiedenen Beispielen gezeigt worden, daß die Konzessivrelation durch Konstruktionen kodiert werden kann, die unterschiedliche Grade der Explizitheit vorweisen.12 So haben wir Konstruktionen gesehen, die eine konzessive Interpretation auch dann erzwingen, wenn im Kontext kein offenkundiger Gegensatz zwischen den betreffenden Sachverhalten zu finden ist. Es geht hier um hochgradig explizite Konnektive, die auf den Ausdruck der Konzessivität spezialisiert sind: Ihr monosemer, spezifischer Charakter läßt keinen Interpretationsspielraum. Betrachten wir dazu folgendes Beispielpaar: (5) a Obwohl es stark schneit, geht Fritz im Wald spazieren. b Obwohl schönes Wetter ist, geht Fritz im Wald spazieren.

Implizite Konstruktionen sind hingegen mehrdeutig. Sie basieren typischerweise auf polysemen, polyfunktionalen Konnektiven, die eines bestimmten Kontextes bedürfen, um eine konzessive Bedeutung annehmen zu können. Diese Interpretationsmechanismen basieren zumeist auf Implikaturen: (6)

Es schneit stark, und Fritz geht im Wald spazieren.

Wenn im Kontext jedoch keine eindeutige Opposition zwischen Sachverhalten festzustellen ist, verliert sich der "konzessive" Charakter der Konstruktion wieder. So wird beispielsweise und in folgendem Satz in der Regel kausal (und nicht konzessiv) interpretiert: (7)

Es ist schönes Wetter, und Fritz geht im Wald spazieren.

Unter den verschiedenen Ausdrucksmöglichkeiten der Konzessivität sind folglich explizite Strukturen als prototypisch einzustufen, implizite dagegen als peripher. Es wäre jedoch grob vereinfachend, eine simple Dichotomie zwischen expliziten Strukturen auf der einen Seite und impliziten auf der anderen anzunehmen. Es liegt vielmehr ein Kontinuum von Zwischenformen vor, die sich nicht immer klar auseinanderhalten lassen (vgl. Lehmann 1988:210-3). Für die konzessiven Satzstrukturen möchte ich im einzelnen folgende Grade der Explizitheit annehmen: 1) Höchste Explizitheit. Es handelt sich um Konnektive, die ausschließlich konzessiv sind - wie z.B. die subordinierenden Konnektive obwohl und wenngleich, die koordinierenden dennoch und trotzdem, die präpositionalen trotz und ungeachtet.

H

Der Problemkreis der Explizitheit von Konzessivkonstruktionen wird kurz von König/Eisenberg (1984:323), Pötters (1992:8) und König (1994:97-9) angesprochen; eine eingehende Analyse steht noch aus.

163 2) Hohe Explizitheit. Dazu zählen Konnektive, die primär konzessiv sind: Sie haben fast immer oder zumindest sehr oft eine konzessive Bedeutung. So ist beispielsweise das koordinierende Konnektiv bei alledem in der Regel konzessiv, nur sporadisch nimmt es eine allgemein-modale Bedeutung an (4.3.2.2); in vergleichbarer Weise ist die präpositionale Fügung «bei + all + Subst.» nur in seltenen Fällen nichtkonzessiv und kann dann kausal gedeutet werden (4.4.2). Femer ist das subordinierende Konnektiv und wenn zu nennen, das eine strukturelle Ambiguität aufweist: In manchen Kontexten liegt nämlich kein einheitliches Konnektiv mehr vor, sondern die Struktur «koordinierendes und + konditionales wenn» (4.2.1.1). Ähnlich der Fall bei uyd doch, das bisweilen auch als Struktur «koordinierendes und + adversatives doch» interpretiert werden kann (4.3.2.4). 3) Mittlere Explizitheit. Es handelt sich um Konnektive, die neben der konzessiven noch weitere, annähernd gleichberechtigte Bedeutungen besitzen. So haben beispielsweise die als polykonditionale Konnektive fungierenden w-Wörter des öfteren eine rein verallgemeinernde Bedeutung (4.2.2); die Konstruktionen mit «wenn (...) schon» sind mitunter höchstens indirekt mit einer Konzessivrelation in Verbindimg zu setzen (4.2.1.1); die Konnektive mit temporalem Element {auch als, auch nachdem usw.) weisen häufig eine rein temporale Semantik auf (4.2.1.5). 4) Niedrige Explizitheit. Hierzu zählen die allgemein-adversativen Konnektive, die in einer Reihe von Kontexten eine konzessive Interpretation nahelegen oder zumindest nicht ausschließen. Beispiele dafür sind die koordinierten Satzkonstruktionen mit jedoch, doch, allerdings, aber usw. (4.3.1) sowie die präpositionalen Konstruktionen mit entgegen, wider und gegen (4.4.1). 5) Äußerst niedrige Explizitheit. Die Konnektive haben fast immer nichtkonzessive Bedeutung und können lediglich in bestimmten Kontexten mit einer konzessiven Lesart in Verbindung gebracht werden - wie z.B. das konditionale wenn, das temporale während, das modale ohne daß/zu, das kausale wo (4.2.3); des weiteren wären das koordinierende Konnektiv nach alledem (4.3.2.2) und die Präpositionalfügung «in/mit + all + Subst.» zu nennen (4.4.2). 6) Vollständige Implizitheit. Die Konzessivität ergibt sich ausschließlich aus dem (gegensätzlichen) Inhalt der zueinander in Verbindimg gesetzten Strukturen. Es kann sich beispielsweise um semantisch nicht näher präzisierte Mittel der Subordination (Relativsatz) oder der Koordination («mi-Satz) handeln, deren einzige Funktion es ist, syntaktisch eine Unter- bzw. Beiordnung zu signalisieren. Zu den gänzlich impliziten Strukturen zählen auch Konstruktionen ohne Konnektiv wie die asyndetische Satzreihung. Es muß noch darauf hingewiesen werden, daß eine Struktur mit einem relativ niedrigen Grad der Explizitheit einen höheren Wert auf der Skala erreichen kann, wenn sie durch zusätzliche, hochgradig explizite Konzessivkonnektive verstärkt wird. Beispiele dafür sind ein aber-Satz, in dem dennoch oder trotzdem vorkommt, oder ein

164

wewj-Nebensatz, der im entsprechenden übergeordneten Satz mit gleichwohl korrespondiert.

5.3. Grammatikalisierte Konnektive vs. Gelegenheitsverbindungen Ein weiterer Faktor zur Bestimmung der Prototypenhafitigkeit einer Konzessivkonstruktion ist durch den Grad der Grammatikalisierung des jeweiligen Konnektivs gegeben (s. 4.2.1.6). Wie schon bei der Explizitheit ist auch bei der Grammatikalisierung keine Dichotomie (grammatikalisiert vs. nichtgrammatikalisiert), sondern ein Kontinuum von Werten anzunehmen. Konzessive Konnektive sind - wie wir gesehen haben - fast immer morphologisch komplex. Als zentral können die Konnektive gelten, deren Teilelemente zu einer grammatikalisierten Verbindung fest verschmolzen sind. Die Grammatikalisierung wird an drei eng miteinander verbundenen Aspekten deutlich: a) Die Elemente sind syntaktisch integriert: Sie befinden sich in Kontaktstellung und zeichnen sich meist auch orthographisch durch Zusammenschreibung aus. Der Wortakzent liegt dann fast immer auf dem zweiten Element (obwohl, obzwar, wiewohl usw.). b) Die Elemente sind semantisch verblaßt (beispielsweise hat wenn in wenngleich seine konditionale Bedeutung verloren). c) Das Bildungsmuster ist nicht mehr produktiv. So kann sich z.B. zwar nur mit ob zu obzwar verbinden, nicht jedoch mit wenn zu *wennzwar oder mit wie zu *wiezwar usw. Grammatikalisierte Konnektive bilden eine nicht mehr erweiterbare Gruppe von festen Verbindungen. Als peripher sind demgegenüber Konnektive einzustufen, die einen geringen Grad der Grammatikalisierung aufweisen. Sie sind häufig auch in Distanzstellung anzutreffen (beispielsweise wenn...schon), die Teilelemente bewahren ihre semantische Eigenständigkeit (auch falls ist stets konditional wie bereits das einfache falls) und das Bildungsmuster ist produktiv (wie z.B. bei der Reihe: auch falls / auch im Falle, daß / auch vorausgesetzt, daß / auch angenommen, daß usw.) - wodurch eine fast beliebig große Anzahl von Gelegenheitsbildungen entstehen kann.

5.4. Ausdrucksformen zentraler vs. peripherer Konzessivwerte Wir haben in der zusammenfassenden Übersicht unter 3.10 gesehen, daß sich unterschiedliche Grade der Prototypenhafitigkeit bei den einzelnen Konzessivwerten feststellen lassen. Semantisch zentral ist die faktische Konzessivrelation, als peripher erweisen sich dagegen "indirekte" Relationen (d.h. kommentarische, evaluative, rekon-

165

struktive, limitative und korrektive) sowie konditionale, skalare und polykonditionale Beziehungen. Es können folglich als prototypisch diejenigen Konnektive eingestuft werden, die auf den Ausdruck faktischer Konzessivrelationen spezialisiert sind. Als peripher anzusehen sind demgegenüber Konnektive, die mehrheitlich oder gar ausschließlich nichtzentrale Konzessivwerte kodieren. Betrachten wir hier - unter Vorgriff auf 6.7 - einige Beispiele für subordinierende Konnektive. Auf den prototypischen, faktischen Konzessivwert ausgerichtet erscheinen die Konnektive der 06-Gruppe. Sie kodieren nie eine konditionale Konzessivrelation, und das Verhältnis zwischen faktischen und indirekten Belegen fallt deutlich zugunsten ersterer aus: obwohl (574:120), obgleich (75:22), obschon (22:12), obzwar (2:1). Vergleichbar ist das zahlenmäßige Verhältnis bei wiewohl (8:4) Nicht mehr prototypisch sind Konnektive, bei denen faktische Belege seltener sind als indirekte: wenngleich (23:36), wenn auch (37:173). Vom Prototyp differenzieren sich weiterhin Konnektive, die außer faktischen und indirekten Werten auch konditionale Relationen kodieren können: auch wenn (184:96:129), selbst wenn (22:10:139), wenn...auch (30:23:5), wenn schon (2:19:3), wenn...schon (8:19:2). Überwiegend (aber nicht ausschließlich) konditional sind die Konstruktionen mit auch im uneingeleiteten Nebensatz sowie durch und eingeleitete Konjunktivsätze. Auf periphere Konzessivwerte spezialisiert sind folgende Gruppen von rein konditionalen Konnektiven: a) die Konstruktionen «(Partikel + dann im HS) + wenn» und «Partikel im HS + wenn»-, b) die Gelegenheitsbildungen mit einem konditionalen Element (auch im Falle, daß usw.); c) die Konnektive schon wenn und sogar wenn-, d) das Konnektiv und wenn. Ausschließlich skalare Werte können die Konstruktionen «so + Adj./Adv. (+ auch)» und «wie + Adj./Adv. + auch» sowie die Sätze mit noch so annehmen. Schließlich sind noch die polykonditionalen Konnektive zu nennen, die ebenfalls auf den Ausdruck eines bestimmten Konzessivwertes beschränkt erscheinen (4.2.2).

5.5. Lassen sich die Konzessivkonstruktionen auf einer einzigen Skala der Prototypenhaftigkeit anordnen? Wir haben bisher (5.1-5.4) vier Aspekte betrachtet, nach denen Konzessivkonstruktionen in prototypische und periphere Vertreter eingeteilt werden können. Es handelte sich um folgende Kontinua:

166 (i)

prototypisch hypotaktisch explizit grammatikalisiert zentraler Konzessivwert

peripher parataktisch implizit nichtgrammatikalisiert nichtzentraler Konzessivwert

In manchen Fällen decken sich die vier Parameter. So sind beispielsweise obwohl, obgleich, obschon und obzwar allesamt hypotaktische Konnektive, in höchstem Grade explizit, vollends grammatikalisiert und auf den Ausdruck zentraler Konzessivwerte spezialisiert. Es handelt sich also um prototypische Vertreter der Kategorie "Konzessivität". Im übrigen fallt auf, daß Prototypenhafitigkeit und Frequenz einer bestimmten Konstruktion zwei voneinander unabhängige Parameter darstellen: Das äußerst häufige obwohl und das äußerst seltene obzwar sind von einem syntaktisch-semantischen Standpunkt aus in gleichem Maße prototypisch. 13 Meist nehmen die Konnektive jedoch unterschiedliche Werte auf den einzelnen Skalen an. Betrachten wir kurz jedes der vier Kontinua: a) Hypotaktisch - parataktisch. Es gibt durchaus hypotaktische Konnektive mit niedrigem Grad der Explizitheit (z.B. das einfache wenn), der Grammatikalisierung (wenn...schon) und/oder der Spezialisierung auf periphere Konzessivwerte (und wenn). Umgekehrt können parataktische Konnektive vollkommen explizit, grammatikalisiert und auf die Kodierung zentraler Konzessivwerte beschränkt sein (trotzdem, gleichwohl). b) Explizit - implizit. Hochgradig explizite Konnektive weisen mitunter nichtprototypische Eigenschaften für die anderen Parameter auf. So kodiert beispielsweise wenn auch sehr oft den nichtzentralen limitativen Konzessivwert; und wenn ist sogar auf einen nichtzentralen (konditionalen) Wert spezialisiert. Umgekehrt können niedriggradig explizite Konnektive wie z.B. das generell-adversative jedoch oder allerdings vollständig grammatikalisiert sein und bevorzugt zentrale Konzessivwerte ausdrücken. c) Grammatikalisiert - nichtgrammatikalisiert. Gleichermaßen garantiert ein hoher Grad der Grammatikalisierung noch keineswegs prototypische Verhaltensweisen bezüglich der anderen Parameter (beispielsweise kodiert das vollends grammatikalisierte wenngleich verhältnismäßig selten den zentralen, faktischen Konzessivwert). d) Zentraler Konzessivwert - nichtzentraler Konzessivwert. Konnektive, die bevorzugt zentrale Konzessivwerte ausdrücken, sind zwar stets in hohen Maße explizit und grammatikalisiert - jedoch nicht immer hypotaktisch (wie z.B. trotzdem und dennoch). 13

Eine ähnliche Beobachtung habe ich bei der Untersuchung von polysemen Lexemen machen können: Prototypische Lesarten sind nicht unbedingt die zahlenmäßig häufigsten, periphere nicht unbedingt die zahlenmäßig seltensten (Di Meola 1994:231). Wenn nun die meisten Grammatiken bei der Auflistung konzessiver Konnektive obwohl an erster Stelle nennen oder in Zusammenfassungen als einziges Beispiel einen obwohl-Satz nennen, so ist dies nicht zwangsläufig ein Indiz für Prototypenhaftigkeit. Diese Hervorhebung kann ganz einfach auf der hohen Gebrauchsfrequenz von obwohl beruhen.

167

Abschließend kann festgehalten werden, daß bei den meisten Konnektiven zwei oder gar drei der vier Parameter hinsichtlich des Grades der Prototypenhafitigkeit übereinstimmen. Somit lassen sich grobe Einteilungen in prototypische und weniger prototypische Konnektive vornehmen. Die Korrelationen zwischen den Parametern sind allerdings - wie wir gesehen haben - nicht zwingend. Eine Klassifizierung der Konnektive auf einer allumfassenden und nicht weiter differenzierten Skala der Prototypenhafitigkeit erweist sich folglich als äußerst schwieriges Unterfangen, zumal das Problem der relativen Gewichtung der vier relevanten Faktoren noch ungelöst bleibt.

6. Analyse der wichtigsten subordinierten Konstruktionen im Deutschen In diesem Kapitel werden einige wichtige Aspekte der hypotaktischen Konzessivgefiige vertieft. Zunächst soll ein Überblick über die Frequenz der einzelnen Konnektive und Konstruktionen gegeben werden (6.1). Daraufhin gehe ich der Frage nach, ob es textsortenspezifische Unterschiede in der Verwendung konzessiver Strukturen gibt (6.2). Anschließend werden die Konzessivkonstruktionen auf folgende Gesichtspunkte hin untersucht: die Vollständigkeit des Nebensatzes (6.3), die Stellung des Nebensatzes bezüglich des übergeordneten Satzes (6.4), das Vorhandensein von Verstärkungselementen (6.5), die Wortstellung (6.6) und die konzessive Semantik (6.7). Zum Abschluß werden zwei Problemkreise angesprochen: die Unterschiede zwischen "spiegelbildlichen" Konnektiven (6.8) sowie die Frage, ob in einigen Fällen Varianten desselben Konnektivs oder eigenständige Konnektive vorliegen (6.9).

6.1. Frequenz der einzelnen Konnektive im Gesamtkorpus Es liegen meines Wissen nach lediglich drei Studien vor, die statistische Angaben zur Frequenz der Konzessivkonnektive enthalten. Erste Daten stellt Gelhaus (1969) vor; seine Untersuchung ist auf nur vier subordinierende Konnektive beschränkt (obwohl, obgleich, obschon, trotzdem). Die statistischen Analysen von Stojanova-Jovfeva (1979), die sich mit der Stilistik der deutschen Nebensätze allgemein befassen, schließen neun Konzessivkonnektive ein (zu den vier obengenannten kommen obzwar, wenn auch, auch wenn, wenngleich und wennschon hinzu). Umfassendere Statistiken werden in der diachronischen Untersuchung von Baschewa (1980) - zusammengefaßt bei Baschewa (1983) - geliefert: Insgesamt sind immerhin 26 "Grundformen von Nebensätzen" in Betracht gezogen worden. Diese Daten eignen sich allerdings nur beschränkt für eine Untersuchung der Gegenwartssprache - und dies nicht nur wegen der (mehr oder weniger) geringen Anzahl der jeweils analysierten Konzessivkonstruktionen. Das Korpus von Gelhaus (1969) basiert auf dem Zeitraum 1945-1968; somit sind die jüngsten Belege heute schon nahezu dreißig Jahre alt. Die Materialgrundlage von Stojanova-Jovfeva (1979) besteht schwerpunktmäßig aus Texten der frühen siebziger Jahre, reicht jedoch vereinzelt sogar bis zu Autoren wie E.T.A. Hofimann zurück. Ebenfalls als inhomogen anzusehen ist das Korpus von Baschewa (1980), das die Jahre von 1900 bis 1980 umfaßt. Die Statistiken aus diesen Studien können jedoch eine nützliche diachronische Vergleichsbasis bilden. Stellt man die z.T. mehrere Jahrzehnte zurückliegenden Daten einem Korpus aus jüngster Zeit gegenüber, so können sich durchaus interessante Hinweise zu neueren Entwicklungstendenzen in der deutschen Sprache ergeben.

169

Wenden wir uns nun dem Korpus der vorliegenden Untersuchung zu, das ausschließlich aus Texten der neunziger Jahre besteht (1990-1995). Betrachten wir zunächst die Frequenz der wichtigsten Konnektive bzw. Konstruktionen, die ausschließlich oder primär eine konzessive Bedeutung kodieren. Es wurden in die Übersicht auch Konnektive miteinbezogen, die einen mittleren Explizitheitsgrad vorweisen (wie beispielsweise wenn schon/wenn...schon) und/oder Gelegenheitsbildungen darstellen (wie die Formationen mit einem temporalen Element vom Typ auch als). Ausgeschlossen wurden hingegen die polykonditionalen Konnektive, weil sie - auch morphologisch gesehen - eine Klasse für sich bilden und auf die Kodierung eines semantisch peripheren Konzessivwertes beschränkt sind. Des weiteren habe ich von sämtlichen Strukturen mit einem niedrigen, äußerst niedrigen oder nullwertigen Grad der Explizitheit abgesehen (vgl. 5.2). Insgesamt finden sich 2234 Belege, verteilt auf 64 Konnektive bzw. Konstruktionen:1 Tab. 1: obwohl auch wenn wenn auch selbst wenn obgleich auch dann, wenn wenngleich wenn...auch so + Adj./Adv. obschon so + Adj./Adv. + auch wenn...schon auch, wenn auch (im uneingeleiteten Satz mit mögen) und + Konjunktiv wenn schon und wenn noch so (auf Konstituentenebene) selbst dann, wenn wiewohl so + Adj./Adv., so + Adj./Adv. noch so (im uneing. Satz mit mögen) auch als auch soweit auch dort, wo

Belege 694 409 210 171 97 89 59 58 57 34 31 29 28 27 26 24 23 19 18 12 11 10 7 7 5

Weiter unten (6.9) wird der Frage nachgegangen, ob es sich in einigen Fällen (beispielsweise wenn auch vs. wenn...auch) tatsächlich um unterschiedliche, eigenständige Konnektive handelt oder vielmehr um Varianten ein und desselben Konnektivs.

170 Belege auf die Gefahr schon dann, wenn wie + Adj./Adv. + auch auch (im uneing. Satz mit sein) auch dann, als auch, als obzwar schon wenn selbst als selbst dort, wo so + Adj./Adv. + auch, so + Adj./Adv. und + Konjunktiv + auch auch insoweit, als auch nachdem bereits dann, wenn bereits, wenn selbst dann, als selbst, wenn ungeachtet, daß auch da, wo auch für den Fall, daß auch in Fällen, in auch jetzt, als auch wo auch, da auch, wo ebenfalls dann, wenn noch so (im uneing. Satz mit sein) schon, wenn selbst in dem Fall, in selbst in den Fällen, da selbst jetzt, nachdem sogar dann, als sogar dann, wenn sogar wenn sogar, wenn trotz der Tatsache, daß um den Preis, daß unbeschadet, daß

5 5 5 4 4 4 3 3 3 3 3 3 2 2 2 2 2 2 2 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 2234

Es ist eine sehr hohe Konzentration der grammatischen Mittel zum Ausdruck der Konzessivität festzustellen. 2 Wie man sieht, sind knapp über 31% aller Belege durch ein einziges Konnektiv gegeben: obwohl. Die ersten fünf Konnektive (obwohl, auch wenn, 2

Die Entwicklung, die Baschewa (1980:290ff.; 1983:102-3) für die Periode des Neuhochdeutschen insgesamt beobachtet hat, scheint sich also in jüngster Zeit weiter fortgesetzt zu haben.

171 wenn auch, selbst wenn, obgleich) machen über 70% aller Belege aus, die ersten zehn über 84%. Insgesamt weisen nur 21 von 64 Konnektiven mehr als 10 Belege auf. Demgegenüber ist ersichtlich, daß eine beträchtliche Anzahl von Konstruktionen (20) lediglich ein einziges Mal belegt ist. Untersuchen wir nun die relative Häufigkeit einzelner Gruppen von Konnektiven bzw. Konstruktionen. Betrachten wir zunächst die Formationen mit ob: obwohl (694) obgleich (97) obschon (34) obzwar (3)

Obwohl liegt zahlenmäßig klar an der Spitze, obgleich und obschon folgen mit weitem Abstand, obzwar ist äußerst selten.3 Wenden wir uns den zusammengesetzten Konnektiven der w/iw-Gruppe zu. Es finden sich, nach abnehmender Häufigkeit geordnet, folgende Verbindungen: auch wenn (409), selbst wenn (171), schon wenn (3) und sogar wenn (1). Wie man sieht, sind die beiden letzteren Kombinationen äußerst selten.4 Bezieht man darüber hinaus die Konstruktionen ein, bei denen die Partikel im übergeordneten Satz steht, ergibt sich folgendes Bild:

3

Baschewa (1980:273; 1983:88) gibt für die vier Konnektive folgende Zahlen an: obwohl (451), obgleich (101), obschon (35), obzwar (3). Gelhaus (1969:321-3) nennt für obwohl, obgleich und obschon jeweils 669, 201 und 128 Belege (obzwar wurde nicht berücksichtigt). Ein Vergleich mit den vorliegenden Daten zeigt, daß sich das zahlenmäßige Verhältnis in jüngster Zeit noch weiter zugunsten von obwohl verschoben hat. Leicht abweichende Ergebnisse finden sich hingegen bei Stojanova-Jovfeva (1979:51-8): obwohl (816), obgleich (78), obschon (46), obzwar (3). Wenngleich die Daten im Schnitt um mehr als zwanzig Jahre älter sind als die im vorliegenden Korpus, ist die Vorherrschaft von obwohl sogar noch deutlicher. Dieses Ergebnis erklärt sich m.E. nicht aus der temporalen Situierung des Korpus von Stojanova-Jovfeva, sondern vielmehr aus dessen Zusammensetzung: Es wurden nämlich schwerpunktmäßig Pressetexte betrachtet, während andere Funktionsbereiche der Sprache (Belletristik, Wissenschaft) eine zweitrangige Rolle spielten. Gelhaus (1969:322) weist ferner daraufhin, daß obschon in der Schweiz häufiger als obwohl verwendet werde. Diese Beobachtung findet im vorliegenden Korpus nur teilweise eine Bestätigung. Für die drei schweizerischen Texte ergibt sich folgendes Bild: Bichsei verwendet weder obschon noch obwohl, bei Federspiel ist das Verhältnis in der Tat 5:0 zugunsten von obschon, bei dem wirtschaftswissenschaftlichen Text von Malik/Stelter jedoch 4:0 zugunsten von obwohl. Eine breitgefacherte Korpusanalyse schweizerischer Texte scheint geboten, um diesbezüglich zuverlässige statistische Angaben aufstellen zu können.

4

Baschewa (1980:273; 1983:88) nennt für auch wenn und selbst wenn jeweils 118 und 41 Belege. Das Verhältnis (ca. 3:1) weicht von den Daten des vorliegenden Korpus (ca. 2,5:1) nicht wesentlich ab. Schon wenn und sogar wenn werden von Baschewa als Konzessivkonnektive nicht in Betracht gezogen. Stojanova-Jovfeva (1979) hat sämtliche Kombinationen, bei denen die Partikel wenn vorangestellt ist, aus der Untersuchung ausgeschlossen.

172

auch wenn (409) selbst wenn (171) schon wenn (3) sogar wenn (1)

auch dann, wenn (89) selbst dann, wenn (18) schon dann, wenn (5) sogar dann, wenn (1) bereits dann, wenn (2) ebenfalls dann, wenn (1)

auch, wenn (28) selbst, wenn (2) schon, wenn (1) sogar, wenn (1) bereits, wenn (2)

Es fallt auf, daß die Verbindungen ^bereits wenn und *ebenfalls wenn nicht belegt sind: Das Vorkommen des ersten Elements (bereits, ebenfalls) ist also auf den Hauptsatz beschränkt. Was die übrigen Kombinationen betrifft, so sind zwei Korrelationen zu beobachten: 1) Die Frequenzordnung auch wenn > selbst wenn > schon wenn > sogar wenn gilt auch für die Formationen auch!selbst!schon!sogar dann, wenn (siehe zweite Spalte) sowie für auch!selbst!schon!sogar, wenn (siehe dritte Spalte), wobei sich die Polarisierung zugunsten von «auch + wenn» verstärkt. 2) Die Frequenzordnung auch wenn > auch dann, wenn > auch, wenn gilt ebenfalls für die Kombinationen mit selbst, selbst wenn > selbst dann, wenn > selbst, wenn. Für «schon + wenn» und «sogar + wenn» ergibt sich - auch aufgrund der geringen Belegzahl - kein eindeutiges Bild.5 Kommen wir nun zu den Kombinationen, bei denen die Partikel der Konjunktion wenn nachgestellt ist: wenn auch (210) wenn schon (24) wenngleich (59)

wenn...auch (58) wenn.. schon (29)

Wie man sieht, ist wenn auch (210) häufiger als wenn schon (24).6 Dieses zahlenmäßige Verhältnis gilt auch für die Konstruktionen, in denen wenn und Partikel in Distanzstellung auftreten: Wenn...auch (58) ist zahlreicher belegt als wenn...schon (29), wobei sich jedoch der Abstand zwischen den beiden Frequenzen verringert hat. Bei «wenn + gleich» ist lediglich Kontaktstellung belegt (wenngleich, 59). Es gibt einen augenfälligen Unterschied zwischen den a«c/z-Konstruktionen und den jf/joH-Konstruktionen: Während bei ersteren die Kontakt- weitaus häufiger als die Distanzstellung ist, zeigt sich bei letzteren das Verhältnis fast ausgeglichen (sogar mit leichter Prävalenz der Distanzstellung). Die Distanzstellung, die insgesamt im Rückgang begriffen ist, scheint sich für die semantisch marginalen ic/ion-Bildungen noch zu halten.

5

Ein Vergleich mit den Daten aus Baschewas (1980) Korpus ist nicht möglich, da von den hier untersuchten 12 Kombinationen lediglich 4 in Betracht gezogen wurden.

6

Die Daten von Baschewa (1980, 1983) und Stojanova-Jovfeva (1979) sind hier nicht direkt vergleichbar, da in diesen Studien zwischen Kontaktstellung (z.B wenn auch) und Distanzstellung (wenn...auch) nicht unterschieden wird.

173 Betrachten wir nun die Konstruktionen, in denen ein steigerungsfahiges Adjektiv oder Adverb vorkommt. So ist zunächst festzuhalten, daß so (102) ungleich häufiger als wie (5) vorkommt. 7 Während wie lediglich in der Konstruktion «wie + Adj./Adv. + auch» zu finden ist, tritt so in unterschiedlichen Konstruktionen auf. Dazu folgende Übersicht: so + Adj./Adv. (57) so + Adj./Adv., so + Adj./Adv. (11)

wie + Adj./Adv. + auch (5) so + Adj./Adv. + auch (31) so + Adj./Adv. + auch, so + Adj./Adv. (3)

Wie wir sehen, sind die so-Konstruktionen ohne die Verstärkungspartikel auch häufiger vertreten (insgesamt 68 Belege: 57+11) als diejenigen mit auch (34: 31+3). 8 Für jeden der beiden Konstruktionstypen ist überdies zu unterscheiden, ob im zweiten Teilsatz in komparativer Funktion eine zweite so-Struktur vorhanden ist oder nicht. Letzterer ist der häufigere Fall (88 Belege zu 14). Die Konjunktion wiewohl weist ebenfalls das quantitative Element wie auf. Mit insgesamt 12 Belegen ist sie keineswegs so selten, wie bisweilen behauptet wird (s. weiter unten in diesem Abschnitt). Wenden wir uns jetzt den uneingeleiteten Nebensätzen zu, in denen ein Element wie auch oder noch so die konzessive Bedeutung ausdrückt: 9 auch (im uneing. Satz mit mögen) (27) auch (im uneing. Satz mit sein) (4)

noch so (im uneing. Satz mit mögen) (10) noch so (im uneing. Satz mit sein) (1)

Zwei Daten lassen sich festhalten: a) die Sätze mit dem verstärkenden auch sind häufiger als die mit dem skalaren noch so (31 zu 11); b) die Sätze mit mögen sind deutlich zahlreicher als die mit sein (37 zu 5). 10 Bei den Konstruktionen, in denen und in Verbindung mit einem Konjunktiv konzessive Bedeutung annimmt, ist eine klare Vorherrschaft der Sätze ohne Verstärkungspartikel festzustellen: 11 7

Bei dem von Baschewa (1980) untersuchten Korpus ist das Verhältnis von wie- und so-Strukturen immerhin 24:99 (1980:280; 1983:96). Wir können aus dem Vergleich beider Daten folgern, daß w/e-Strukturen zunehmend im Rückgang sind. Vgl. auch die kurzen Hinweise bei Starke (1982:135) und Weinnch (1993:763).

8

Aus den Daten von Baschewa (1980:280) ist hingegen ersichtlich, daß Strukturen mit bzw. ohne auch eine vergleichbare Frequenz aufweisen. Man könnte daraus schließen, daß die durch auch verstärkten Konstruktionen in jüngster Zeit zahlenmäßig rückläufig sind.

9

Die Fälle, in denen noch so eine Konstruktion auf Konstituentenebene einleitet (19), sind gesondert gezählt worden.

10

Die Daten von Baschewa (1980:284; 1983:99-100) sind nicht direkt vergleichbar, da außerdem noch uneingeleitete Nebensätze ohne explizierendes Verstärkungsmittel in Betracht gezogen worden sind. Femer werden Konstruktionen mit vorangestelltem und nicht gesondert behandelt. Gleichwohl läßt sich folgende Tendenz herauslesen: Uneingeleitete Nebensätze, die ein anderes Verb als mögen enthalten, sind in jüngerer Zeit deutlich seltener geworden.

174 und + Konj. (26) und + Konj. + auch (3)

In diesem Zusammenhang ist auch die Verbindung «und + wenn» (mit 23 Belegen) zu erwähnen). Betrachten wir abschließend drei Gruppen von Konnektiven, die relativ selten belegt sind. Es handelt sich um ad hoc zusammengesetzte Bildungen mit konditionalem und temporalem Element sowie um hindernd-oppositive Konnektive. Wenden wir uns zunächst der Gruppe der Gelegenheitsbildungen mit einem konditionalen Element zu (die festen Verbindungen mit ob und die mehr oder weniger usualisierten Kombinationen mit wenn haben wir bereits erwähnt). Es finden sich insgesamt 24 Belege: auch dort, wo (5) selbst dort, wo (3) auch da, wo (1) auch wo (1) auch, wo (1)

auch soweit (7) auch insoweit, als (2)

auch für den Fall, daß (1) auch in Fällen, in (1) selbst in dem Fall, in (1) selbst in den Fällen, da (1)

Am zahlreichsten sind die Bildungen mit der Konjunktion wo, die neben der primären, lokativen Bedeutung auch konditional verwendet werden kann (insgesamt 11 Belege). Es folgen die Kombinationen mit der restriktiv-konditionalen Konjunktion soweit (9) sowie die Ausdrücke mit Fall/Fälle (4). All diese Konnektive haben ausschließlich konditionale Konzessivbedeutung. Als Verstärkungspartikel ist auch mit insgesamt 19 Belegen zahlreicher als selbst (5). Interessanterweise sind gerade die Verbindungen mit dem explizit konditionalen Element Fall/Fälle äußerst selten anzutreffen. Dies kann verwundern, da derartige Bildungen die "offensichtlichste" Kodierungsform einer konditionalen Konzessivbedeutung darstellen.12 Sehen wir uns nun die zweite Gruppe an (Kombinationen mit einem temporalen Element), die insgesamt 26 Belege aufweist: auch als (7) auch dann, als (4) auch jetzt, als (1) auch, als (4) selbst als (3) selbst dann, als (2) sogar dann, als (1)

auch nachdem (2) selbst jetzt, nachdem (1)

auch, da (1)

11

Es besteht also in gewisser Weise eine Parallele zu den so-Konstruktionen, die in den meisten Fällen ebenfalls ohne auch auftreten.

12

In Ersatzproben eignen sich diese Ausdrücke trefflich, um die konditionale Bedeutung von polysemen Konnektiven anzuzeigen, die - wie beispielsweise auch wenn oder selbst wenn - je nach Kontext sowohl faktische als auch konditionale Konzessivrelationen kodieren können.

175 Im Korpus sind lediglich Verbindungen mit den temporalen Konjunktionen als, nachdem und da vorzufinden (jeweils 22, 3 und 1 Beleg). Als Verstärkungspartikel ist wiederum auch am häufigsten (19) - vor selbst (6) und sogar (1). Für Bildungen der dritten Gruppe (hindernd-oppositives Element) finden sich schließlich 10 Belege: auf die Gefahr (5) um den Preis, daß (1)

ungeachtet, daß (2) unbeschadet, daß (1)

trotz der Tatsache, daß (1)

Die nur indirekt auf ein Hindernis verweisenden Formationen mit Gefahr und Preis haben insgesamt 6 Belege. Relativ selten sind Bildungen mit den ansonsten präpositional verwendeten ungeachtet und unbeschadet (3). Eine Kombination mit trotz ist ein einziges Mal belegt. Alle Verbindungen haben faktische Konzessivbedeutung. Die den faktischen Konzessivwert am "deutlichsten" kodierende Konstruktion (trotz der Tatsache, daß) erweist sich als die seltenste. Wie wir gesehen haben, verhält es sich ähnlich mit der Belegzahl der Fall/Fälle-Ausdrücke in bezug auf den konditionalen Konzessivwert. Bei dem bisherigen Überblick über die subordinierten Konzessivkonstruktionen habe ich statistische Angaben zur Frequenz der einzelnen Konnektive gemacht. Probleme einer diachronischen Dynamik sind dabei nur am Rande behandelt worden und sollen nun kurz angesprochen werden. Wenden wir uns Konnektiven und Konstruktionen zu, die in der Gegenwartssprache eine niedrige Frequenz aufweisen. Das Vorhandensein einer geringen Anzahl von Belegen kann auf zwei gegensätzliche Umstände zurückgeführt werden: a) es handelt sich um eine veraltende Konstruktion, die nur noch sporadisch auftritt; b) es liegt eine im Kommen begriffene Konstruktion vor, die sich schrittweise durchsetzt. Betrachten wir zunächst drei Konnektive, die im allgemeinen als veraltet angesehen werden: wiewohl, obzwar und ungeachtet.13 Der Gebrauch von wiewohl wird zumeist als "selten" eingestuft (s. Schramm 1977:66; Engel 1991:732). Eine diachronische Einschätzung enthalten folgende Wertungen: "veraltet" (Starke 1982:133-4; Engel 1991:732; Weinrich 1993:761), "veraltend" (Baschewa 1980:274), "archaisierend" (Kauftnann 1974:5; Schramm 1977:66,88; Baschewa 1980:274). In unserem Korpus weist wiewohl 12 Belege auf (immerhin Rang 20 unter den konzessiven Konnektiven). Wie wir gleich sehen werden (6.2), ist es in allen drei Bereichen des Korpus vertreten: Fach- (2), Literatur- (2) und Pressesprache (8). Als besonders interessant ist die Tatsache zu werten, daß gerade in der Pressesprache, die im allgemeinen den jüngsten Tendenzen der Sprachentwicklung Rechnung trägt, wiewohl relativ häufig vorkommt (sogar Rang 9 in diesem Verwendungsbereich). 13

Als Beispiel für ungeachtet - nicht zu verwechseln mit der Fügung ungeachtet, daß - wird in mehreren Grammatiken folgender Beleg aus Musils Mann ohne Eigenschaften angeführt: (i) Er war geschoren worden, ungeachtet seine Verurteilung noch nicht rechtskräftig war.

176

Das Konnektiv obzwar wird gemeinhin als "selten" (van Dam 1972:180; Hermodsson 1978:65; Weinrich 1993:761) oder gar "äußerst selten" (Metrich 1983:90; Stojanova-Jovfeva 1979:166-7) betrachtet. Auch hier reichen die Beurteilungen von "veraltet" (Starke 1982:133-4; Stojanova-Jovfeva 1979:166-7) über "weitgehend veraltet" (Engel 1991:723) zu "veraltend" (Baschewa 1980:274) und "archaisierend" (Kaufmann 1974:5; Baschewa 1980:274). Im Korpus weist obzwar 3 Belege auf, sämtliche im literarischen Bereich. Die beiden Autoren, die obzwar verwenden (Grass und Herburger), gehören - nebenbei bemerkt - der Generation der über Sechzigjährigen an. Ungeachtet als alleiniges Konnektiv wird ziemlich übereinstimmend als "selten" (van Dam 1972:180; Drosdowski u.a. 1995:764) oder "veraltet" (Engel 1991:730) empfunden. In unserem Korpus ist es nicht belegt. Zunächst ist anzumerken, daß die auf Intuition fußenden Urteile bezüglich der einzelnen Konnektive zwar geringfügig voneinander abweichen, insgesamt jedoch in die gleiche Richtung zeigen. Wichtiger ist mir allerdings ein zweiter Aspekt: Alle drei Konnektive werden als stark rückgängig im Gebrauch empfunden - und dies in Studien, die z.T. schon über zwanzig Jahre zurückliegen. Während nun ungeachtet tatsächlich keine Verwendimg mehr zu finden scheint, überleben die "totgesagten" Konnektive wiewohl und obzwar mehr bzw. weniger gut. Es handelt sich um zahlenmäßig seltene Konnektive, die jedoch in bestimmten Konstruktionen - beispielsweise in reduzierten Nebensätzen (6.3) - immer noch auftreten. Die Frage bleibt also offen, aus welchem Grunde manche veraltende Konnektive in beschränkten Verwendungsbereichen noch eine Daseinsberechtigimg finden und somit ihren Veralterungsprozeß hinauszögern, während andere Konnektive dagegen gänzlich aus dem Gebrauch verschwunden sind. Oder anders formuliert: Wieso dauert der Veralterungsprozeß bei den einzelnen Konnektiven unterschiedlich lange? Betrachten wir nun den Fall von trotzdem, das als subordinierendes Konnektiv im Kommen sein soll: Es sei "im Vordringen" (Brinkmann 1971:688), "auf dem Vormarsch" (Hermodsson 1978:65) und setze sich in jüngster Zeit als Subjunktion durch (Erben 1972:205; van Dam 1972:180). Nach Schramm (1977:64) hat der Gebrauch sogar überhand genommen, für Engel (1991:729) ist er immerhin "ziemlich häufig". Nach Stojanova-Jovfeva (1979:166-7) hat sich trotzdem zwar noch nicht behauptet, sei aber "im Durchbruch".14 Trotzdem als unterordnendes Konnektiv ist jedoch immer noch rein umgangssprachlich. In unserem schriftlichen Korpus findet sich kein einziger Beleg. Nehmen wir an, daß trotzdem in der gesprochenen Sprache weit verbreitet ist (was allerdings durch eine dementsprechende Korpusuntersuchung gezeigt werden müßte). Es drängt sich die Frage auf, aus welchem Grunde - trotz der vielfaltigen und oft engen Verbindungen zwischen mündlicher und schriftlicher Sprache - der vorhergesagte Durchbruch in Schrifttexten noch nicht stattgefunden hat. Auch in diesem Fall zeigt sich 14

Bedenken gegenüber einer wachsenden Verbreitung von trotzdem werden jedoch von Gelhaus (1969:323) und Baschewa (1980:274) geäußert.

177

also, wie schwierig es ist, Prognosen für sich noch im Verlauf befindende diachronische Prozesse zu wagen.

6.2. Vergleich der drei Teilkorpora Fach-, Literatur- und Pressesprache: Gibt es textsortenspezifische konzessive Konstruktionen? Wie wir unter 6.1 gesehen haben, liegen drei Untersuchungen vor, die statistische Angaben zu Konzessivkonnektiven liefern: Gelhaus (1969), Stojanova-Jovfeva (1979) und Baschewa (1980). Diese Studien enthalten allerdings keine verwertbaren Daten, wenn man nach Hinweisen zur Frequenz von Konzessivkonnektiven in verschiedenen Verwendungsbereichen sucht. Das Korpus von Gelhaus (1969) bleibt ausschließlich auf literarische Texte beschränkt (wobei zwischen gehobener Literatur und Trivialliteratur unterschieden wird). Die Materialgrundlage von Stojanova-Jovfeva (1979) umfaßt zwar Texte aus den Gebieten Fach-, Literatur- und Pressesprache, die zahlenmäßige Gewichtung der einzelnen Teilbereiche des Korpus ist jedoch nicht paritätisch (es werden Pressetexte bevorzugt). Ähnliches gilt auch fiir die Untersuchung von Baschewa (1980) - hier allerdings liegt das Hauptgewicht auf Wissenschaft und Belletristik. Immerhin enthalten diese drei Studien interessante stilistische Beobachtungen, auch wenn sie nicht direkt quantifizierbar sind. Wenden wir uns dem Korpus der vorliegenden Arbeit zu. Es ist vorauszuschicken, daß der literarische Teilbereich mit 1002 Belegen die größte Anzahl an subordinierten Strukturen aufweist. Die Fach- und Pressetexte folgen mit weitem Abstand (jeweils 673 und 559 Belege). Das Verhältnis der Belege in den drei Teilkorpora ist ca. 1,8 : 1,2 : 1; in Prozentsätzen ausgedrückt, liegt der Anteil der drei Verwendungsbereiche jeweils bei ca. 45%, 30% und 25%. Untersuchen wir nun für die einzelnen Konnektive, ob die jeweilige Verteilung auf die drei Bereiche von dieser allgemeinen Tendenz signifikant abweicht. Betrachten wir zunächst die o6-Gruppe: Tab. 2: obwohl obgleich obschon obzwar

Fach. Lit. Presse 207 162 325 6 70 21 1 25 8 3

Wie aufgrund der Gesamtdaten zu erwarten ist, weisen die vier Konnektive jeweils die meisten Belege im literarischen Korpus auf. Obwohl scheint überdies im fachsprachlichen Bereich leicht unterrepräsentiert zu sein (ca. 23% gegenüber einem Durchschnitt

178 von ca. 30%). Diese Tendenz ist bei obgleich (ca. 6%) und obschon (ca. 3%) sogar noch ausgeprägter. 15 Obzwar kommt ausschließlich in literarischen Texten vor. Die Konnektive mit der Struktur «Partikel + wenn» weisen in der Verteilung keine erwähnenswerten Besonderheiten auf: Tab. 3: auch wenn selbst wenn schon wenn sogar wenn

Fach. Lit. Presse 137 168 104 61 82 28 3 1

Signifikante Unterschiede zwischen den drei Verwendungsbereichen ergeben sich je> doch bei der Struktur «(Partikel + dann im HS) + wenn»: Tab 4: auch dann, wenn selbst dann, wenn schon dann, wenn sogar dann, wenn bereits dann, wenn ebenfalls dann, wenn

Fach. Lit. Presse 63 6 20 12 4 2 5 1 2 1

Die weitaus größte Anzahl von Belegen findet sich in der Fachsprache (84 von insgesamt 116), genauer gesagt in rechtswissenschaftlichen Texten. Betrachten wir dazu folgende Übersicht, in der die 84 Belege weiter aufgeschlüsselt werden: Tab. 5: auch dann, wenn selbst dann, wenn schon dann, wenn sogar dann, wenn bereits dann, wenn ebenfalls dann, wenn

Recht Wirtschaft 53 10 6 6 5 1 2 1

Lediglich selbst dann, wenn ist in beiden Sektoren gleichermaßen vertreten. Alle anderen Konnektive kommen ausschließlich oder überwiegend in den juristischen Texten vor. 15

Diese Daten bestätigen die Beobachtung von Stojanova-Jovfeva (1979:166-7), daß obgleich und obschon in Gesetzestexten nicht vertreten seien. Zutreffend erscheint mir Metrichs (1983:90) Einstufung von obgleich als "literarisch". Nur teilweise folgen kann ich hingegen der Behauptung von Starke (1982:133), obgleich sei stilistisch neutral wie obwohl und finde in allen Kommunikationssphären Verwendung.

179

Betrachten wir nun die Konstruktionen «Partikel im HS + wenn». Auch hier ist eine klare Prävalenz in den fachsprachlichen Texten festzustellen: Tab. 6: auch, wenn selbst, wenn schon, wenn sogar, wenn bereits, wenn

Fach. Lit. Presse 22 5 1 1 1 1 1 2

Sämtliche fachsprachlichen Belege stammen - bis auf drei Beispiele von auch, wenn aus rechtswissenschafitlichen Texten. Es liegt somit auch für diese Konstruktionen eine textsortenspezifische Verwendung vor. Wenden wir uns jetzt den Formationen mit nachgestellter Partikel zu (wenngleich, wenn auch, wenn...auch, wenn schon, wenn...schon):16 Tab. 7: wenngleich wenn auch wenn...auch wenn schon wenn...schon

Fach. Lit. Presse 18 20 21 86 72 52 39 7 12 1 15 8 1 20 8

Der fachsprachliche Bereich zeichnet sich durch zwei Charakteristiken aus: die relativ häufige Verwendung von wenn auch sowie die relativ seltene Verwendimg von wenn schon/wenn...schon. Es sei noch darauf verwiesen, daß die Konnektive wenn auch (Kontaktstellung) und wenn...auch (Distanzstellung) durch gegensätzliche Tendenzen gekennzeichnet sind: Ersteres ist in Fach-, letzteres in Literaturtexten überdurchschnittlich vertreten. Keine relevanten Unterschiede lassen sich demgegenüber für die Bildungen wenn schon und wenn...schon feststellen. Sehen wir uns die Konstruktionen an, die wie und so in Verbindung mit einem steigerungsfahigen Adjektiv bzw. Adverb enthalten:

16

Keine Bestätigung hat die Beobachtung von Stojanova-Jovfeva (1979:166-7) gefunden, nach der in Gesetzestexten und schöngeistiger Literatur wenngleich nicht vertreten sei. Zutreffend hingegen die Bemerkung (1979:166-7), daß wennschon nicht (oder besser gesagt: kaum) in Fachtexten vorkommt.

180 Tab. 8: wie + Adj./Adv. + auch so + Adj./Adv.

so + Adj./Adv. + auch so + Adj./Adv., so + Adj./Adv. so + Adj./Adv. + auch, so + Adj./Adv.

Fach. Lit. Presse 1 4 9 37 11 10 13 8 6 4 1 1 2

Wie tritt hauptsächlich in der Literatursprache auf (4 von 5 Belegen). Was die Konstruktion «so + Adj./Adv. (+ auch)» betrifft, so läßt sich feststellen, daß in Literaturund Pressetexten die Variante ohne Verstärkungspartikel die häufigere ist. Im fachsprachlichen Verwendungsbereich hingegen ist das Verhältnis genau umgekehrt (9 Belege ohne auch, 10 jedoch mit). Die Strukturen mit einem zweiten so-Korrelat (mit oder ohne verstärkendes auch) sind - zusammen betrachtet - durch folgende Verteilung gekennzeichnet: in Fach- und Pressetexten jeweils 6 Belege, in der Literatursprache lediglich 2. Dieses Faktum fällt besonders in Auge, da im literarischen Verwendungsbereich die Struktur ohne Korrelat äußerst häufig belegt ist (50: 37+13). Das Konnektiv wiewohl ist insgesamt 12-mal belegt: 2 Beispiele jeweils in Fachund Literatursprache, 8 in der Pressesprache.17 Folgende Tabelle gibt einen Überblick über die uneingeleiteten Nebensätze: Tab. 9: auch (im uneing. Satz mit mögen) auch (im uneing. Satz mit sein) noch so (im uneing. Satz mit mögen) noch so (im uneing. Satz mit sein)

Fach. Lit. Presse 7 16 4 4 2 1 7 1

Die Sätze mit der Partikel auch sind am zahlreichsten im fachsprachlichen Verwendungsbereich (insgesamt 20), am seltensten im literatursprachlichen (4); die Pressetexte nehmen eine Mittelstellung ein (7). Die Strukturen mit noch so finden sich am häufigsten in literarischen Texten (8 von 11 Belegen).18 Betrachten wir nun die Konstruktionen, die und enthalten:

17

Diese Daten stehen in Gegensatz zu Starkes (1982:133-4) Beobachtung, wiewohl trete vor allem in wissenschaftlichen und künstlerischen Texten auf.

18

Am Rande sei hier erwähnt, daß noch so auf Konstituentenebene 6 Belege in Fach-, 9 in Literaturund 4 in Pressetexten aufweist.

181 Tab. 10: Fach. Lit. Presse 1 17 8 und + Konj. + auch 1 2 und wenn 23

und + Konj.

Diese Konstruktionen sind selten in fachsprachlichen Texten zu finden (insgesamt 2 Belege), verschiedentlich in Pressetexten (10). Die weitaus größte Anzahl von Beispielen findet sich in der Literatursprache (40). Wenden wir uns den Gelegenheitsverbindungen mit konditionalem Element zu. Die 24 Belege verteilen sich auf folgende Konstruktionen: Tab. 11: auch dort, wo selbst dort, wo auch da, wo auch wo auch, wo auch soweit auch insoweit, als auch für den Fall, daß auch in Fällen, in selbst in dem Fall, in selbst in den Fällen, da

Fach. Lit. Presse 3 2 1 2 1 1 1 7 2 1 1 1 1

Wie wir sehen können, treten die Konnektive dieser Gruppe meist in fachsprachlichen Texten auf (17 Belege, davon allein 13 in rechtswissenschaftlichen Werken); einige Beispiele finden sich des weiteren in Pressetexten (6); im literarischen Bereich kommt lediglich ein einziger Beleg vor. Untersuchen wir nun die Konnektive, die eine Verbindung aus einer Partikel (auch, selbst usw.) und einer temporalen Konjunktion aufweisen (insgesamt 26 Belege): Tab. 12: auch als auch dann, als auch jetzt, als auch, als auch, da selbst als selbst dann, als sogar dann, als auch nachdem schon jetzt, nachdem

Fach. Lit. Presse 4 3 2 1 1 1 3 1 1 3 2 1 2 1

182

Am häufigsten sind diese Konnektive in literarischen Texten zu finden (19 Belege), am seltensten in fachsprachlichen (1). Die 10 Belege für Konnektive mit einem hindernd-oppositiven Element verteilen sich auf alle drei Teilkorpora, mit leichter Prävalenz im literatursprachlichen Bereich: Tab. 13: auf die Gefahr um den Preis, daß ungeachtet, daß unbeschadet, daß trotz der Tatsache, daß

Fach. Lit. Presse 5 1 1 1 1 1

Fassen wir nunmehr zusammen, welche Konnektive bzw. Konstruktionen bevorzugt in den einzelnen Korpusbereichen verwendet werden. 1) Fachsprachliche Texte. Kennzeichnend - besonders in rechtswissenschaftlichen Texten - ist der häufige Gebrauch der beiden Konstruktionen «(Partikel + dann im HS) + wenn» und «Partikel im HS + wenn»-, auch die Gelegenheitsbildungen mit einem konditionalen Element (wie z.B. auch in Fällen, in) kommen meist im juristischen Bereich vor. Allen drei Konstruktionstypen ist gemeinsam, daß sie ausschließlich und eindeutig einen konditionalen Konzessivwert kodieren (während Konnektive wie beispielsweise auch wenn und selbst wenn in dieser Hinsicht polysem sind). Aus diesem Grunde eignen sie sich besonders gut für Texte, bei denen das Abwägen von Hypothesen eine wichtige Rolle spielt. Des weiteren finden sich im fachsprachlichen Bereich die meisten der uneingeleiteten Nebensätze mit der Partikel auch - vielleicht etwas überraschend, denn sie weisen einen niedrigen Grad der semantischen Explizitheit auf. Relativ häufig - immer im Vergleich zu den anderen beiden Teilkorpora - ist in Fachtexten das Konnektiv wenn auch belegt. Da es in den meisten Fällen Sätze ohne finites Verb einleitet, eignet es sich vorzüglich für kurze Einschübe und kommt somit einem in fachsprachlichen Texten oft verspürten Bedürfnis nach Ausdrucksverkürzung entgegen. Während in den beiden anderen Korpora die Konstruktion «so + Adj./Adv.» zumeist ohne das verstärkende auch auftritt, ist in Fachtexten die Variante mit auch die häufigere. Diese Tendenz läßt sich wahrscheinlich zurückfuhren auf das allgemeine Bemühen nach Eindeutigkeit im Ausdruck in fachlichen und wissenschaftlichen Texten. Dies könnte auch der Grund sein, warum in Fachtexten Konzessivkonstruktionen wie und wenn oder «und + Konj.» - die keinen sehr hohen Grad an Explizitheit aufweisen - gar nicht oder nur selten belegt sind. Semantisch marginale Konnektive wie wenn schon oder die temporalen Gelegenheitsbildungen finden ebenfalls nur begrenzt Verbreitung.

183 Abschließend ist zu erwähnen, daß obwohl im Vergleich zu den anderen beiden Verwendungsbereichen in Fachtexten leicht, obgleich sogar stark unterdurchschnittlich repräsentiert ist; obzwar ist überhaupt nicht belegt. 2) Literatursprachliche Texte. In diesem Bereich finden sich häufiger stark implizite Strukturen und seltener stark explizite Strukturen. Es liegen somit zur Fachsprache gegenläufige Tendenzen vor. Konnektive wie und wenn, «.und + Konj.» und temporale Gelegenheitsbildungen sind relativ zahlreich, eindeutig konditionale Konzessivkonstruktionen - wie «(Partikel + dann im HS) + wenn» oder Gelegenheitsbildungen mit einem konditionalen Element - relativ selten. Auf einige weitere Daten sei noch hingewiesen: Die Konstruktionen mit noch so (uneingeleitete Nebensätze sowie Strukturen auf Konstituentenebene) sind im literarischen Bereich am häufigsten. Auch die Konstruktion «wie + Adj./Adv. + auch» findet sich fast ausschließlich im literarischen Teilkorpus. Die (wenigen) Belege von obzwar stammen allesamt aus literarischen Texten. Selten finden sich schließlich Strukturen mit einem zweiten so-Korrelat sowie uneingeleitete Sätze mit der Verstärkungspartikel auch. 3) Pressesprachliche Texte. Dieser dritte Verwendungsbereich zeichnet sich nur sporadisch durch markante zahlenmäßige Tendenzen gegenüber den anderen beiden Teilkorpora aus. Dieser Tatbestand ist m.E. als Zeichen für die Vielschichtigkeit und "Ausgewogenheit" pressesprachlicher Textzusammenstellungen zu werten. Die einzige erwähnenswerte Beobachtung betrifft die verstärkte Verwendung von wiewohl (was jedoch bei der - absolut gesehen - geringen Belegzahl nicht unbedingt relevant sein muß).

6.3. Vollständige vs. reduzierte Sätze Der Problemkreis der reduzierten Konzessivsätze hat in der bisherigen Forschung kaum Beachtung gefunden. Ein kurzer Hinweis auf die Existenz derartiger Konstruktionen findet sich bei Kaufinann (1974:11) und Starke (1982:134-5). Schramm (1977:84-8) fuhrt immerhin mehrere Beispiele an. Pasch (1994:78-84) geht auf einige reduzierte Satzkonstruktionen mit wenn auch ein. Einzig bei Baschewa (1980) wird zu jedem der untersuchten Konnektive das Verhältnis von vollständigen gegenüber reduzierten Nebensätzen registriert. Über die fast kommentarlose Angabe einer zusammenfassenden Tabelle (1980:275-6) geht diese Studie allerdings nicht hinaus. 19 Im vorliegenden Korpus finden sich insgesamt 2234 hypotaktische Konzessivkonstruktionen: Davon enthalten 1945 einen vollständigen Nebensatz mit finitem Verb, 289 einen reduzierten Nebensatz ohne finite Verbform. Letzere Strukturen können eine 19

Eine bloße Erwähnung finden reduzierte Nebensätze auch in einigen Grammatiken, beispielsweise bei Heidolph u.a. (1981:810) und Weinrich (1993:764).

184 Adjektiv-, Adverb-, Nominal- oder Präpositionalphrase enthalten. Betrachten wir dazu einige Beispiele (vgl. 4.1.4): (1)a Sie erhielten keine Fixgehälter, sondern nur Provisionen - wenn auch exorbitant hohe. (FAZ 5-1-94, 14) b Sein Abituraufsatz wurde, wenngleich gekürzt, im Lokalblatt abgedruckt. (Grass, 72) (2) Übergangsprobleme sind im Bereich der Wohnungsversorgung dadurch zu befurchten, daß die administrierten Preise, wenn auch stufenweise, freigegeben werden. (Jens, 203) (3) Insofern ist das Fahrrad, obschon eine recht späte Erfindung, im Sinne der hypertrophen Technisierung unseres Alltags nahezu archaisch [...]. (Kuriert, 88) (4) Das Jahr ist herum, das BGA besteht noch, wenn auch ohne richtigen Präsidenten, und niemand fragt mehr danach, wie es nun mit Seehofers Ankündigung stehe. (FAZ 10-1-94, 10) Manche Konstruktionen weisen einen Infinitiv auf: (5)

Magnus würde es vielleicht erwarten, wenn auch nicht wünschen, er hätte vielleicht ein bißchen Angst davor. (Wohmann, 25)

Gelegentlich besteht der gesamte Nebensatz allein aus einem Konzessivkonnektiv: (6)

Wetten, daß du keine fünf Zeilen mehr zusammenbringst? | Und wenn! Die Erinnerung reicht mir. (Burmeister, 279)

Für die einzelnen Konstruktionstypen ergibt sich folgende zahlenmäßige Verteilung: Tab. 14: Adjektivphrase Präpositionalphrase Adverbphrase Nommalphrase alleinstehendes Konnektiv Infinitiv

Belege 148 78 33 14 9 7 289

Wenden wir uns den Konnektiven zu, die als Einleitung reduzierter Nebensätze dienen können. Von 64 Konnektiven insgesamt sind lediglich 14 in reduzierten Nebensätzen belegt: Tab. 15: wenn auch obwohl wenngleich noch so (auf Konstituentenebene) obschon wenn schon

Belege 170 26 25 19 10 10

185 Belege obgleich wiewohl selbst wenn auf die Gefahr und wenn obzwar auch wenn wenn...auch

7 5 4 4 3 3 2 1 289

Wie wir sehen, entfallen annähernd 59% aller Belege auf ein einziges Konnektiv: wenn auch. Die ersten fünf Konnektive haben zusammen einen Anteil von über 86%. In reduzierten Nebensätzen ist somit eine Konzentration der Ausdrucksmittel festzustellen, die weit höher liegt als bei den Konstruktionen mit finitem Verb. Betrachten wir für die einzelnen Konnektive das zahlenmäßige Verhältnis zwischen vollständigen und reduzierten Nebensätzen. Wenden wir uns zunächst der obGruppe zu. Tab. 16: obwohl obgleich obschon obzwar

vollständig reduziert gesamt 668 26 694 90 7 97 24 10 34 3 3

Es ist zu beobachten, daß mit abnehmender Gesamtfrequenz des Konnektivs der Anteil der reduzierten Sätze ansteigt: obwohl ca. 4%, obgleich ca. 7%, obschon ca. 29%, obzwar 100%. Es hat den Anschein, daß sich die Konnektive mit fortschreitendem Grad der Veralterung verstärkt auf Nebensätze ohne finites Verb spezialisieren.20 Untersuchen wir nun die zusammengesetzten Konnektive der we/wj-Gruppe. Folgende Tabelle verdeutlicht, daß bei den Kombinationen «Partikel + wenn» reduzierte Nebensätze äußerst selten sind:

20

Hier kann ein Vergleich mit den Daten von Baschewa (1980) hilfreich sein. Aus Baschewas zusammenfassender Tabelle (1980:276) lassen sich folgende zahlenmäßige Verhältnisse für vollständige vs. reduzierte Sätze entnehmen: obgleich 97:4, obschon 33:3, obzwar 3:0. Reduzierte Nebensätze sind dort insgesamt seltener als im vorliegenden Korpus. Berücksichtigt man, daß Baschewas Korpus den Zeitraum 1900-1980 umfaßt (während ich die neunziger Jahre untersuche), so kann man feststellen, daß für obgleich die reduzierten Sätze leicht zugenommen haben, für obschon wesentlich stärker, für obzwar am stärksten.

186 Tab. 17: auch wenn selbst wenn schon wenn sogar wenn .

vollständig reduziert gesamt 407 2 409 167 4 171 3 3 1 1

Einige Beispiele zu dieser nur sporadisch vorkommenden Verwendung: 2 1 (7)a Maßnahmen, die Bildung von Sparkapital anzuregen, werden, auch wenn nützlich, auf längere Sicht die Absatzkrise verschärfen. (Reimann, 40) (8)a Das Überraschende, selbst wenn es zwanzig Jahre eher geschehen, wäre für sie zu spät gekommen. (Burmeister, 33) b Ob die Anstellung von zwei Schwerathleten für das Gesetz 4809 dem Einbau einer technischen Vorrichtung gleichzusetzen wäre, konnte uns kein Sachverständiger sagen. Selbst wenn: Wir wetten, die Kunstverwaltung hätte kein Geld dafür. (FAZ 17-1-94, 25) Demgegenüber enthalten die durch «(Partikel + dann im HS) + wenn»

eingeleiteten

Sätze stets ein finites Verb. Auch bei den Konstruktionen «Partikel im HS +

wenn»

sind keine reduzierten Nebensätze anzutreffen. Bei den Bildungen «wenn + Partikel» sind reduzierte Nebensätze häufig oder sogar sehr häufig, wenn Kontaktstellung vorliegt (wenn auch, wenn schon, wenngleich). Distanzstellung (wenn...auch,

wenn...schon)

Bei

hingegen finden wir fast immer vollstän-

dige Sätze vor: 2 2 Tab. 18: wenn auch wenn schon wenngleich wenn...auch wenn... schon

vollständig reduziert insgesamt 210 40 170 10 14 24 34 25 59 58 57 1 29 29

Das einzige Beispiel, in dem wenn...auch

ohne finites Verb vorkommt, sei hier ange-

führt: (9)

Dies würde es dem Arbeitslosen erleichtem, einen Arbeitsplatz, wenn zunächst auch nur temporär, zu finden. (Siebert, 172)

21

Kaufinann (1974:11), Baschewa (1980:162) und Pasch (1994:129f.) äußern dagegen die Ansicht, daß auch wenn keine reduzierten Nebensätze einleiten könne.

22

Dieser wichtige Unterschied geht aus Baschewas Daten (1980:276) nicht hervor, da wenn auch und wenn...auch bzw. wenn schon und wenn...schon jeweils als Varianten eines einzigen Konnektivs zusammengefaßt betrachtet werden.

187

Für die verbleibenden Konnektive, die als Konstruktionsmöglichkeit ohne finites Verb auftreten können, ergibt sich folgendes Bild: 23 Tab. 19: wiewohl und wenn auf die Gefahr noch so

vollständig reduziert gesamt 7 5 12 20 3 23 1 4 5 19 30 11

Gehen wir nun der Frage nach, ob sich ein Zusammenhang feststellen läßt zwischen dem Verwendungsbereich der Konstruktion (Fach-, Literatur- bzw. Pressesprache) und der Vollständigkeit des Nebensatzes. So ist beispielsweise zu prüfen, ob reduzierte Nebensätze - wie Starke (1982:135) behauptet - tatsächlich auf die Sachprosa beschränkt bleiben. Betrachten wir dazu folgende Daten aus dem Korpus: Tab. 20: vollständig reduziert gesamt

Fach. Lit. Presse 584 875 486 89 127 73 673 1002 559

Die zahlenmäßige Verteilung von vollständigen und reduzierten Nebensätzen auf die drei Teilkorpora weicht nur unerheblich voneinander ab. Einen von reduzierten Sätzen bevorzugten Textsortenbereich scheint es nicht zu geben. Was die Korrelationen zu den anderen Parametern betrifft, so sei kurz vorausgeschickt, daß reduzierte Nebensätze besonders häufig in Zwischenposition erscheinen (6.4), äußerst selten durch Verstärkungselemente gekennzeichnet sind (6.5) und sehr oft einen limitativen Wert kodieren (6.7). Fassen wir die wichtigsten Ergebnisse kurz zusammen. Folgender Überblick gibt Aufschluß darüber, welche Konstruktionen nicht oder nur äußerst selten reduzierte Sätze enthalten können:24 A: 1) in Verbindung mit einem konditionalen Element gebildete Konnektive 2) in Verbindung mit einem temporalen Element gebildete Konnektive 23

Zu dem Ausdruck auf die Gefahr ist zu sagen, daß alle vier Beispiele ohne finites Verb bei demselben Autor (Drawert) belegt sind und Wiederholungen der gleichen Satzkonstruktion darstellen. Was noch so betrifft: Die vollständigen Nebensätze sind uneingeleitete Nebensätze mit mögen (10) oder sein (1); die verblosen Konstruktionen sind hingegen Strukturen auf Konstituentenebene (19), wie folgender Beleg verdeutlicht: (i) Keine noch so ergreifende Grabrede könnte sie davon abbringen. (Burmeister, 56)

24

Von Konstruktionen, die aus strukturellen Gründen ein finites Verb benötigen, wird hier abgesehen: «so/wie + steigerungsfahiges Adjektiv/Adverb»; uneingeleitete Nebensätze (mit auch oder noch so); «und + Konjunktiv».

188 3) 4) 5) 6)

«(Partikel + dann im HS) + wenn» «Partikel im HS + wenn» «Partikel + wenn» «wenn + Partikel» [in Distanzstellung]

Sehr häufig bzw. übeiproportional vertreten sind hingegen die reduzierten Nebensätze bei folgenden Konnektiven:25 B: 1) «wenn + Partikel» [in Kontaktstellung]: wenn auch, wenn schon, wenngleich 2) obzwar, obschon, obgleich; wiewohl

Wir können letztendlich festhalten, daß für die Fähigkeit zur Einleitung von reduzierten Nebensätzen drei Faktoren entscheidend sind: 1) Grad der Grammatikalisierung des Konnektivs. Wie aus den obigen Listen A) und B) ersichtlich ist, erweist sich bei sämtlichen produktiven Bildungsmustern und Gelegenheitsformationen (A1-A5) die Auslassung eines finiten Verbs als nicht oder nur in Ausnahmefallen akzeptabel. Ein geringer Grad der Grammatikalisierung scheint somit das Auftreten von reduzierten Nebensätzen zu verhindern oder zumindest stark zu hemmen.27 2) Grad der "Veralterung" des Konnektivs. Als zunehmend "veraltet" oder "gehoben" empfundene Konnektive kommen verstärkt in reduzierten Nebensätzen vor. Eine Verbindung zum ersten Faktor ist darin gegeben, daß Bildungen vorliegen, die alle in höchstem Grade grammatikalisiert sind. 3) Kontaktstellung vs. Distanzstellung. Die Konnektive «wenn + Partikel» in Kontaktstellung (wenn auch, wenn schon) dienen häufig zur Einleitung von reduzierten Nebensätzen, in Distanzstellung hingegen (wenn...auch, wenn...schon) äußerst selten. Die Verbindung zum ersten Faktor besteht darin, daß Kontaktstellung als Indiz für fortgeschrittene Grammatikalisierung gelten kann.

6.4. Stellung des Nebensatzes Das Problem der Stellung des Nebensatzes in einem Konzessivgefüge ist bisher kaum untersucht worden. In den einschlägigen Studien sind meist nur vereinzelte Hinweise zu bestimmten Konstruktionen anzutreffen, so z.B. bei Kaufmann (1974:6), Schramm

25

Die Konnektive auf die Gefahr und noch so seien hier außer acht gelassen (s. Fußnote 23).

26

Diese drei Konnektive stellen zusammen ca. 71% aller Belege von reduzierten Nebensätzen.

27

Hieraus ergibt sich ein wichtiger Unterschied zwischen den "spiegelbildlichen" Konnektiven auch wenn vs. wenn auch und schon wenn vs. wenn schon. Die produktiven Formationen «Partikel + wenn» leiten fast nie reduzierte Nebensätze ein, die unproduktiven Bildungen «wenn + Partikel» hingegen sehr häufig.

189

(1977:56ff.), Hermodsson (1978:70), Metrich (1980a:257), Starke (1982:134,139) und Pasch (1994:47ff.,65ff.) 28 Näheres zu diesem Problemkreis findet sich einzig bei Baschewa (1980). Für jede untersuchte Konstruktion - soweit es sich um vollständige Sätze handelt - werden die jeweiligen Zahlen für Voran-, Zwischen und Nachstellung des Nebensatzes angegeben. Es fehlen jedoch die Daten für reduzierte Sätze. Die verstreuten statistischen Angaben werden kommentarlos präsentiert, keinerlei Schlußfolgerungen werden aus den Daten gezogen. Des weiteren vermißt man eine Tabelle, die einen abschließenden Überblick liefern könnte. Insgesamt kann man also König (1991a:638) nur zustimmen, wenn er die Stellung des Nebensatzes unter den "noch offenen" Fragen anfuhrt. Weiterhelfen können uns in gewisser Hinsicht Studien, die sich mit Nebensätzen allgemein oder mit bestimmten Arten von nichtkonzessiven Nebensätzen beschäftigen. So arbeitet beispielsweise Chafe (1984) textuelle und pragmatische Unterschiede zwischen Voran- und Nachstellung heraus. Für die Untergruppe der Adverbialsätze kommt er zu dem Schluß, daß die Anfangsstellung als prototypisch anzusehen sei, da ihre Hauptfunktion darin bestehe, als "guideposts" den Rahmen für das Folgende zu setzen. Die Untersuchungen, die sich mit spezifischen Adverbialsätzen im Englischen befassen, kommen allerdings zu differenzierteren Ergebnissen. Nach Linde (1976) sind beispielsweise 80% aller Konditionalsätze mit//"tatsächlich vorangestellt und spiegeln so den Ablauf der Ereignisse ikonisch wider. Demgegenüber ist aus den Daten von Thompson (1985) ersichtlich, daß ca. 82% aller Finalsätze nachgestellt sind: Diese Reihimg entspricht ikonisch der Abfolge «Handlung + Ziel». Ramsey (1987) kommt bei ihrer Untersuchung zu dem Schluß, daß nachgestellte Temporalsätze mit when als die unmarkierte Konstruktionsmöglichkeit zu gelten haben. Allgemein stellen Thompson (1985) und Ramsey (1987) fest, daß Nebensätze in Anfangsposition einen viel weiteren "Einzugsbereich" haben, da sie den Inhalt des Hauptsatzes mit dem gesamten vorangegangenen Text in Verbindung setzen. Nachgestellte Nebensätze sind in dieser Hinsicht viel beschränkter, da sie lediglich auf den vorangegangenen Hauptsatz Bezug nehmen. Die Studie von Harweg (1991) erwähnt bei ihrem Vergleich von deutschen und japanischen Nebensätzen einige Beispiele mit konzessiven Satzstrukturen. Nach Harweg (1991:106-7) entscheidet der vorangegangene Kontext darüber, ob die Wahl der Satzstellung semantisch distinktiv ist oder nicht. Kein Unterschied zwischen Voran- und Nachstellung liege vor, wenn beide Teilsätze des Konzessivgefüges informationell neu sind: (10) a Nun zu Karl. Er kommt nicht, obwohl er Zeit hat. b Nun zu Karl. Obwohl er Zeit hat, kommt er nicht.

28

Auch einige Grammatiken äußern sich kurz zur Stellung des konzessiven Nebensatzes (Heidolph u.a. 1981:808; Weinrich 1993:761).

190

Wenn jedoch der erste Teilsatz des Gefüges eine bekannte Information aufgreift und der zweite eine neue einfuhrt, dann sei die Reihenfolge der beiden Teilsätze durch den Kontext bestimmt. Nur in diesem Fall bestehe eine Opposition zwischen den beiden Stellungen: (11) a Er kommt nicht. Er kommt nicht, obwohl er Zeit hat. b Er hat Zeit. Aber obwohl er Zeit hat, kommt er nicht.

Diesen Ausfuhrungen von Harweg (1991) kann ich allerdings nur teilweise folgen. Ich bin nämlich der Auffassung, daß Voran- und Nachstellung schon an sich - also kontextunabhängig - unterschiedliche Perspektiven bei der Informationsvermittlung enthalten und daher stets distinktiv sind. Außerdem wird bei ihm das Problem offengelassen, welche der beiden Stellungen des konzessiven Nebensatzes die häufigste ist bzw. als unmarkiert zu gelten hat. Die Frage nach der Rolle der Zwischenstellung eines Nebensatzes schließlich ist in keiner der obengenannten Studien gestellt worden. Diese Problemkreise sollen nun näher erörtert werden. Voran- und Nachstellung des Nebensatzes in einem Konzessivgefiige können mit zwei unterschiedlichen Perspektiven in Verbindung gebracht werden. Betrachten wir dazu folgendes Beispielpaar: (12)a Obwohl sie verletzt ist, spielt sie weiter Tennis, b Sie spielt weiter Tennis, obwohl sie verletzt ist.

In dem Gefuge mit vorangestelltem Nebensatz (12a) zeigt das einleitende Konzessivkonnektiv zweierlei an. Es enthält: 1) einen Hinweis, daß nun ein Sachverhalt genannt wird, der in der Regel einen anderen, zweiten Sachverhalt verhindert; 2) eine Warnung, daß im gegebenen Fall dieser Zusammenhang nicht gilt. Der Hörer/Leser verfugt somit im voraus über ein Interpretationsschema zur Einordnimg der im Anschluß beschriebenen beiden Sachverhalte. In dem Gefuge mit nachgestelltem Nebensatz (12b) läuft die Informationsvermittlung grundsätzlich anders ab. Zunächst wird ein Sachverhalt (im Hauptsatz) genannt. Erst nachträglich signalisiert das Konzessivkonnektiv im Nebensatz, daß das Stattfinden des soeben geschilderten Ereignisses keineswegs als Selbstverständlichkeit einzustufen ist (es liegt nämlich ein potentielles Hindernis vor, das nun im Nebensatz spezifiziert wird). Während bei der Anfangsstellung des Nebensatzes dem Hörer/Leser nahegelegt wird, keine vorzeitigen Schlüsse zu ziehen, enthält der nachgestellte Nebensatz einen Kommentar a posteriori.29 Welche der beiden Stellungen kann als textuell-pragma29

Vgl. auch die Ausführungen von Eggs (1977:133-5) anhand französischer Beispielsätze. Nach Gettrup/Nelke (1984:11) ist ein Konzessivgefiige mit vorangestelltem Nebensatz stets als ein einziger Sprechakt zu werten; bei nachgestelltem Nebensatz können dagegen auch zwei unterschiedliche Sprechakte vorliegen. Pötters (1992:42) weist darauf hin, daß ein nachgestellter Nebensatz die pragmatische Funktion erfüllen kann, einen Turnuswechsel zu vermeiden. Dem Gesprächspartner

191

tisch unmarkiert gelten? Mit anderen Worten: Ist die "natürliche" Stellung des Konzessivsatzes die kataphorische Anfangsstellung oder die anaphorische Endstellung? Für die Unmarkiertheit der Voranstellung scheinen folgende Aspekte zu sprechen: a) Ereignisfolge. Der konzessive Nebensatz kodiert eine (unwirksame) Ursache, der Hauptsatz hingegen eine (überraschende) Folge. Nach dem Prinzip der Ikonizität müßte eine Voraussetzimg zuerst genannt werden.30 b) Reliefgebung. Im allgemeinen wird zuerst die Hintergrundinformation geliefert, dann folgt die kommunikativ relevantere Vordergrundinformation. c) Übereinstimmung von Thema-Rhema-Gliederung und Reliefgebung. Wenn man davon ausgeht, daß neue Informationen tendenziell in den Vordergrund rücken und gegebene Informationen im Hintergrund bleiben, so kann das Gefuge «NS + HS» als unmarkierte Reihenfolge gelten: Bei dem vorangestellten Nebensatz fallen nämlich Thema und Hintergrund zusammen, in dem darauffolgenden Hauptsatz stimmen Rhema und Vordergrund überein (s. Pötters 1992:42). Demgegenüber sprechen andere Tatbestände für die Unmarkiertheit der Nachstellung: 1) Phorik. Der nachgestellte Nebensatz hat anaphorischen Charakter und kann daher als unmarkiert gegenüber der kataphorischen Anfangsposition eingestuft werden. 2) Überraschungsmoment. Während der vorangestellte Nebensatz die zwischen den beiden Sachverhalten herrschende Beziehung vorwegnimmt, gibt es im nachgestellten Nebensatz keine derartige Vorankündigung: Die konzessive Präzisierung kommt unerwartet. 3) Textstruktur. Beginnt ein Satzgefüge mit dem im Hauptsatz kodierten Vordergrund, so ist es leichter, eine klare thematische Progression durchzuhalten. Auch Pronominalisierungen erscheinen einfacher (vgl. Pötters 1992:42-3). Diese theoretischen Vorüberlegungen verdeutlichen, daß bei konzessiven Satzgefügen a priori nicht von einer unmarkierten Stellung ausgegangen werden kann. Wenden wir uns nun dem Korpus zu und untersuchen, ob sich Korrelationen zwischen der Stellung des Nebensatzes und anderen Faktoren (Wahl des Konnektivs, Verwendungsbereich, Vollständigkeit des Nebensatzes usw.) feststellen lassen. Zunächst muß vorausgeschickt werden, daß es vereinfachend ist, lediglich zwei (oder drei) Stellungen des Nebensatzes anzunehmen. So kann man beispielsweise unterscheiden, ob ein vorangestellter Nebensatz die absolute Anfangsposition einnimmt (13), am Anfang eines seinerseits untergeordneten Gefüges steht (14), der koordinierenden Konjunktion und (15a,b) bzw. einem adversativen aber oder doch (16a,b) folgt:

wird gerade noch etwas konzediert, damit dieser dem Sprecher nicht durch einen eventuellen Einwand das Wort abnehmen kann. 3()

Aus diesem Grunde müßten außer den Konzessivsätzen auch Kausal- und Konditionalsätze in der Regel vorangestellt, Final- und Konsekutivsätze hingegen nachgestellt werden.

192 (13) (14)

(15) a

b

(16) a

b

Wenngleich er Menzel höher schätzte, war Liebermann ganz nach seinem Geschmack. (Grass, 51) Dazu ist im Bundestag eine Zweidrittelmehrheit nötig, so daß auch dann, wenn sich die Koalitionsparteien einigen sollten, eine Einigung mit der SPD zusätzlich erforderlich wäre. (FAZ 4-1-94, 1) Und selbst wenn es auf europäischer Ebene gelänge, protektionistischen Bestrebungen zu trotzen, so liesse sich die Bildung internationaler Handelsblöcke nicht verhindern. (Malik/Stelter, 99) Und obschon ihn die Fee warnte, daß der Wünschende leicht sich selber betrüge und schließlich ärmer als vorher dastehe, glaubte der Geschäftsmann einen genialen Einfall zu haben. (Kunert, 19) Aber auch wenn in diesem Ausgangspunkt das Einkommen an den langfristigen Erwartungen gemessen zu stark oder plötzlich bzw. unerwartet steigt, werden die Haushalte ihren Konsum nicht gemäß der langfristigen Hypothese ausdehnen, sondern zunächst mit der Sparquote reagieren. (Fuhrmann, 35) Doch selbst wenn Kenia die tansanischen Preise übernähme, reichten sie noch nicht. (FAZ 18-1-94, 7)

B e i Strukturen mit und ist es bisweilen schwer zu entscheiden, ob und zur konzessiven Satzbedeutung beiträgt oder lediglich koordinierend das gesamte Satzgefüge mit d e m vorangegangenen Kotext verbindet. Mit anderen Worten: B e i einem Satz w i e (15a) lautet das Konnektiv und selbst

wenn oder einfach selbst

Problem ergibt sich bei den Konstruktionen mit aber!doch

wenn?

Ein vergleichbares

(16a,b). A u c h hier kann

nicht immer mit Bestimmtheit gesagt werden, ob sich das koordinierende Konnektiv auf den vorangegangenen Kotext bezieht oder eine kataphorische Antizipation des konzessiven Gegensatzes darstellt. Betrachten wir nun einige Beispiele mit Zwischenstellung. Manchmal wird der Nebensatz direkt nach einem Adjunkt eingeschoben (17a,b); in den meisten Fällen steht er j e d o c h nach einer notwendigen Konstituente w i e Subjekt (18), Akkusativbzw. Dativobjekt (19a,b) oder Verb (20): (17) a Zum Glück fragte er nicht nach: Beruflich? Andererseits, obwohl es ein Glück war, es war auch ein Zeichen von Desinteresse. (Wohmann, 123) b Wieder, obwohl ich es nicht mehr hatte betreten wollen, war ich in Griechenland. (Herburger, 200) (18) Die russischen Unternehmen, auch wenn sie nicht direktes staatliches Eigentum waren, waren außerordentlich abhängig, z.B. vom staatlichen Sektor, von Schutzzöllen, Subsidien, staatlichen Zuschüssen und Anleihen. (Reimann, 207) (19) a Einen Franzosen, und wäre er noch so nett gewesen, hätte sie sich gar nicht leisten können. (Becker, 217) b Derartige Behauptungen, die dem norddeutschen Rezensenten, selbst wenn er rheinische Unbefangenheit in Rechnung stellt, reichlich unwahrscheinlich vorkommen, werden detailverliebt ausgemalt. (FAZ 19-1-94, 31) (20) Darin liegt, auch wenn man ein solches Konzept nicht als zwingend erachtet, sicherlich ein konsistentes und gut fundierbares Konzept der Revision. (Wolter, 190) Häufig wird der Nebensatz auch relativ spät - d.h. nach mehreren Konstituenten - eingeschoben. Sehen wir uns die folgenden beiden Beispiele an, in denen j e w e i l s Subjekt

193

und Akkusativobjekt (21) bzw. Subjekt und Verb (22) dem Einschub vorangestellt sind: (21)

Eine deutsche Firma (Braun) brach das nie als solches deklarierte Tabu, indem sie das Industriedesign für Geräte, wenngleich in abgemilderter Form, auf den Markt brachte. (Kunert, 93) Der Übergang von einem alten langfristigen Gleichgewicht zu einem neuen erfordert aber, auch wenn den Wirtschaftssubjekten alle Informationen über die exogene Veränderung und das neue langfristige Gleichgewicht bekannt sind, Zeit. (Fuhrmann, 288)

(22)

Der nachgestellte konzessive Nebensatz ist in den meisten Fällen von dem vorangegangenen Hauptsatz lediglich durch ein Komma getrennt (23). Mitunter liegt jedoch eine mehr oder weniger lange (Reflexions-)Pause zwischen den beiden Teilsätzen vor. Diese Unterbrechung kann beispielsweise durch einen Strichpunkt (24a), einen Gedankenstrich (24b), Auslassungspunkte (24c) oder einen Punkt (24d) signalisiert werden: (23)

(24) a b

c

d

Sie halten der spanischen Regierung vor, interveniert zu haben, obwohl ihr ein Brief bekannt war, wonach die amerikanische Bank "den Vorstand bei seinem Sanierungsplan voll unterstützt". (FAZ 5-1-94, 12) Ja, sie war ganz Ohr; auch wenn sie sich erkundigte und durch alle freundlichen Fragen nur die eine große Frage nach meinem Verderben stellte. (Strauß, 170) Gerade erlebte man es wieder: Ein Gang in ein hohes Alpental, der Schnee fällt dichter und dichter, der Wind nimmt zu, die Einsamkeit auch - mögen auch die Wege noch fest sein, andere Leute unterwegs sein. (FAZ 5-1-94, 25) Hin und wieder unterlief es ihm noch ... obwohl er es inzwischen zu beherrschen glaubte; er hatte Hunderte von Berichten geschrieben (bis zum April vergangenen Jahres), er wußte, wie sie auszusehen hatten: trocken und sachlich! (Hilbig, 262) Dann wurde er unversehens feierlich. In einem Ton, in dem man historische Tatbestände verkündet, sagte er: Schon einmal bin ich an dieser Stelle gestanden. Wenn auch nur für wenige Minuten. (Walser, 123)

In folgendem Beispiel ist der Hauptsatz im Text, der nachfolgende Nebensatz sogar in der Fußnote zu finden: (25)

Verfassungskonforme Auslegung von Gesetzen ist daher in ihrer Rückwirkung auf die Verfassungsinterpretation gesetzeskonforme Auslegung der Verfassung. [Fußnote ] Auch wenn das interpretierende Gericht dies nicht ausspricht. (Hesse, 32)

Insgesamt haben wir in unserem Korpus 2175 Konstruktionen, bei denen sich die Konzessivrelation auf Satzebene äußert (die 59 Beispiele, in denen die Konstituentenebene eine Rolle spielt, sind für die Satzstellung irrelevant).31 Dazu folgende Übersicht:

31 Lediglich 7 Konnektive sind in Konstruktionen auf Konstituentenebene anzutreffen: wenn auch (29), noch so (19), wenngleich (7); obwohl, obschon, wiewohl, und + Konj. (je 1).

194 Tab. 21: Voranstellung Zwischenstellung Nachstellung

Belege 671 293 1211 2175

Das zahlenmäßige Verhältnis der drei Stellungsvarianten ist ca. 2:1:4. Wir sehen also, daß die Nachstellung gegenüber der Voranstellung fast doppelt so viele Belege aufweist. Sie stellt damit die am weitesten verbreitete Konstruktionsmöglichkeit im Satzgefüge dar. Die Zwischenstellung spielt eine eher untergeordnete Rolle. Insgesamt haben Anfangs-, Zwischen und Endstellung jeweils einen Anteil von ca. 31%, 13% und 56%. Betrachten wir gruppenweise die einzelnen Konnektive und prüfen, ob es signifikante Abweichungen von dieser Grundtendenz gibt. Wenden wir uns zunächst der obGruppe zu: Tab. 22: obwohl obgleich obschon obzwar

vor zwischen nach 208 61 424 32 16 49 4 6 23 1 2

Aus dieser Tabelle ist ersichtlich, daß obwohl unterproportional in Zwischenstellung, obschon überproportional in Nachstellung vertreten ist. Bei den Konstruktionen «Partikel + wenn» läßt sich insgesamt eine Tendenz zur Voranstellung verzeichnen: Tab. 23: auch wenn selbst wenn schon wenn sogar wenn

vor zwischen nach 119 40 250 18 99 54 2 1 1

Bei auch wenn liegt die Frequenz der Anfangsstellung noch im Durchschnitt, um bei selbst wenn kräftig anzusteigen. Die wenigen Belege von schon wenn und sogar wenn sind bis auf eine einzige Ausnahme in Anfangsstellung. Mit dem zunehmend konditionalen Charakter dieser Konnektivreihe scheint auch die Frequenz der Voranstellung anzusteigen.32 Es sei hier noch auf das Konnektiv und wenn hingewiesen, das in folgenden Positionen belegt ist: 16 Beispiele in Voranstellung, 7 in Nachstellung.

195

Die Konstruktion «(Partikel + dann im HS) + wenn» zeigt dagegen eine deutliche Tendenz zur Nachstellung; nur in Ausnahmefällen finden wir Voran- bzw. Zwischenstellung: Tab. 24: vor auch dann, wenn selbst dann, wenn schon dann, wenn sogar dann, wenn bereits dann, wenn ebenfalls dann, wenn

zwischen 1 2

2 2

nach 86 14 5 1 2 1

Eine vergleichbare Verteilung tritt bei der verwandten Konstruktion «Partikel im HS + wenn» auf: Tab. 25: vor auch, wenn selbst, wenn schon, wenn sogar, wenn bereits, wenn

zwischen 1 2

nach 27 1 1 2

Für die Konnektive nach dem Muster «wenn + Partikel» ergibt sich folgendes Bild: Tab. 26: vor wenngleich wenn auch wenn schon wenn...auch wenn...schon

9 15 19 26 18

zwischen nach 10 33 68 98 1 4 4 28 8 3

Die Konnektive wenngleich und wenn auch weisen eine unterproportionale Frequenz der Voranstellung auf Bei den anderen drei Konstruktionen (wenn schon, wenn...auch, wenn..schon) hingegen ist gerade die Anfangsstellung besonders häufig zu finden. Durch so und wie eingeleitete Nebensätze werden bevorzugt dem Hauptsatz vorangestellt (bei den komparativen so...so-Konstruktionen ist dies - strukturbedingt - sogar die einzige Möglichkeit). Betrachten wir dazu die folgende Tabelle:33

33

Am Rande sei hier erwähnt, daß das mit wie gebildete Konnektiv wiewohl folgende Verteilung bezüglich Voran-, Zwischen- und Nachstellung aufweist: 1:5:5.

196 Tab. 27: vor wie + Adj./Adv. + auch so + Adj./Adv. so + Adj./Adv. + auch so + Adj./Adv., so + Adj./Adv. so + Adj./Adv. + auch, so + Adj./Adv.

zwischen

4 26 17 11 3

nach

16 4

1 15 10

Bei den uneingeleiteten Nebensätzen mit auch und noch so sind sowohl Voran- als auch Zwischenstellung überdurchschnittlich vertreten: Tab. 28: vor auch (im Urning. Satz mit mögen) auch (im uneing. Satz mit sein) noch so (im uneing. Satz mit mögen) noch so (im uneing. Satz mit sein)

zwischen 9

7 1 1 1

7

nach 11 3 2

Nebensätze, die und in Verbindung mit einer Konjunktivform enthalten, sind überproportional in Zwischenstellung anzutreffen; Voranstellung ist nicht belegt: Tab. 29: vor und + Konj. und + Konj. + auch

zwischen nach 13 12 1 2

Die Gelegenheitsverbindungen mit einem konditionalen Konnektiv weisen keine strukturmäßigen Besonderheiten auf: Tab. 30: vor auch dort, wo selbst dort, wo auch da, wo auch wo auch, wo auch soweit auch insoweit, als auch für den Fall, daß auch in Fällen, in selbst in dem Fall, in selbst in den Fällen, da

zwischen

nach

2 1

1

1 1

4

3 1 1 1 2 2 1

1 1 1

Betrachten wir nun die Formationen, die auf einer temporalen Konjunktion beruhen:

197 Tab. 31: auch als auch dann, als auch jetzt, als auch, als selbst als selbst dann, als sogar dann, als auch nachdem selbst jetzt, nachdem auch, da

vor zwischen nach 4 1 2 4 1 4 3 2 1 2 1 1

Interessanterweise folgen die temporalen Kombinationen in ihrer Verteilung den entsprechenden konditionalen Bildungsmustern: a) auch als und selbst als bevorzugen die Voranstellung (ähnlich wie selbst wenn)-, b) auch!selbst!sogar dann, als sind im allgemeinen nachgestellt (wie bereits auch!selbst!sogar dann, wenn); c) auch, als ist nachgestellt (wie schon auch, wenn). Bei folgenden Konnektiven lassen sich - auch aufgrund der geringen Belegzahl keine klaren Tendenzen ablesen:34 Tab. 32: auf die Gefahr um den Preis, daß ungeachtet, daß unbeschadet, daß trotz der Tatsache, daß

vor

zwischen

1

1

nach 5 1 1

1

Ich möchte an dieser Stelle noch auf einige Unterschiede zwischen Konnektivpaaren bzw. -reihen hinweisen.35 So weichen die "spiegelbildlichen" Konnektive auch wenn und wenn auch in mehrfacher Hinsicht voneinander ab: Während auch wenn eine im Durchschnitt liegende Verteilung zeigt (119:40:250), ist bei wenn auch (15:68:98) die Anfangsstellung unterproportional und die Zwischenstellung überproportional vertreten; überdies kann nur wenn auch Konstruktionen auf Konstituentenebene einleiten. Bei den beiden Konnektiven schon wenn (2:0:1) und wenn schon (19:1:4) läßt sich demgegenüber eine jeweils ähnliche Distribution auf die Stellungsvarianten konstatieren.

34

4 der 5 Belege von auf die Gefahr stammen - wie gesagt - vom selben Autor (Drawert) und stellen sogar Wiederholungen des gleichen Satzgefüges dar.

35

Diese Aspekte werden weiter unten (6.8, 6.9) aufgegriffen und mit anderen Parametern der Konzessivkonstruktion in Verbindung gesetzt.

198

Die verwandten Konnektive wenn auch (15:68:98) und wenn...auch (26:4:28) zeigen signifikante Unterschiede. Wenn auch kommt bevorzugt in Zwischenstellung vor, während diese bei wenn...auch sehr selten ist (die Anfangsstellung tritt überproportional auf). Des weiteren kann nur wenn auch auf Konstituentenebene verwendet werden. Bei dem Paar wenn schon (19:1:4) und wenn...schon (18:8:3) finden sich keine vergleichbaren gegensätzlichen Eigenschaften. Es gibt außerdem einige interessante Unterschiede zwischen den Konstruktionen «Partikel + wenn» auf der einen und «(Partikel + dann im HS) + wenn» und «Partikel im HS + wenn» auf der anderen Seite. Es scheint eine tendenziell komplementäre Verteilung zu geben bei diesen oft (oder gar ausschließlich) einen konditionalen Konzessivwert kodierenden Konnektiven. Befindet sich die Partikel im Nebensatz (z.B. auch wenn), wird dieser häufig vorangestellt; tritt sie hingegen im Hauptsatz auf (z.B. auch dann, wenn / auch, wenn), finden wir den Nebensatz fast ausschließlich in Nachstellung (vgl. Tab. 23-25). Gehen wir nun der Frage nach, ob es relevante Korrelationen zu den bereits untersuchten Faktoren gibt. Was die Verteilung auf die einzelnen Verwendungsbereiche betrifft (s. 6.2), so finden sich in den Teilkorpora vergleichbare Distributionen für die drei Stellungsvarianten: Fachtexte 182:91:378, Literaturtexte 294:135:555, Pressetexte 195:67:278. Lediglich im Bereich der Pressesprache ist ein leicht überdurchschnittliches Vorkommen der Voran- auf Kosten der Nachstellung zu verzeichnen. Prüfen wir jetzt, ob die Vollständigkeit des Nebensatzes mit seiner Position im Gefuge zusammenhängt. Folgende Tabelle stellt die 1945 vollständigen und 289 reduzierten Nebensätze gegenüber (vgl. 6.3): Tab. 33: reduziert vollständig

vor zwischen nach Konst. 37 83 58 111 1 634 182 1128

Wie wir sehen, erscheinen reduzierte Sätze bevorzugt in Zwischenstellung, vollständige hingegen in Nachstellung (Zwischenstellung ist hier relativ selten). Diese Verteilung ist auf die offensichtliche Tatsache zurückzufuhren, daß Einschübe tendenziell kurz gehalten werden müssen, damit der Satzbau nicht zu schwerfällig gerät. Dies ist wahrscheinlich auch der Grund, warum vollständige Sätze auf Konstituentenebene fast nie vorkommen. Betrachten wir nun die Verteilungsschemata bei denjenigen Konnektiven, die im Korpus sowohl vollständige als auch reduzierte Nebensätze einleiten:36

36

Die Konnektive sind nach der abnehmenden Frequenz der reduzierten Strukturen geordnet (s. oben 6.3, Tab. 15). Von den Konstruktionen auf Konstituentenebene wird hier abgesehen.

199 Tab. 34: wenn auch obwohl wenngleich obschon wenn schon obgleich wiewohl selbst wenn auf die Gefahr und wenn auch wenn wenn...auch

vollst. red. vollst. red. vollst. red. vollst. red. vollst. red. vollst. red. vollst. red. vollst. red. vollst. red. vollst. red. vollst. red. vollst. red.

vor zwischen nach 11 1 28 4 67 70 197 48 423 11 13 1 7 27 2 10 6 2 1 21 2 5 2 9 4 1 10 31 10 49 1 6 1 5 1 4 97 16 54 2 2 1 4 13 7 3 250 119 38 2 26 3 28 1

Mit Ausnahme von wenn schon, und wenn und auf die Gefahr kann - je nach Vollständigkeit des Nebensatzes - für die einzelnen Konnektive eine unterschiedliche Verteilung auf die drei Stellungsvarianten vermerkt werden: Bei den reduzierten Sätzen verschiebt sich das Verhältnis stark zugunsten der Zwischenstellung. Was mögliche Korrelationen zwischen der Stellung des Nebensatzes und Faktoren wie Verstärkungselement, Wortstellung und Konzessivwert betrifft, so sei auf die kommenden Abschnitte 6.5-6.7 verwiesen. Die bisherigen Beobachtungen können nun zusammengefaßt werden: 1) Voranstellung. Diese Stellungsvariante des Nebensatzes ist überproportional bei denjenigen Konnektiven der Reihe «Partikel + wenn» vertreten, die primär einen konditionalen Konzessivwert kodieren (selbst!sogar!schon wenn). Bei wenn schon, wenn...schon und wenn...auch überwiegt ebenfalls die Anfangsposition. Eine ausgeprägte Tendenz zur Voranstellung zeigt sich des weiteren bei den verschiedenen Konstruktionen nach dem Muster «so/wie + Adj./Adv.», bei den uneingeleiteten Nebensätzen und bei dem Konnektiv und wenn. 2) Zwischenstellung. In eingeschobenen Nebensätzen erscheinen überproportional die Konnektive wenn auch und wiewohl. Auch bei uneingeleiteten Nebensätzen sowie der Konstruktion «und + Konj. (+ auch)» tritt Zwischenstellung überdurchschnittlich

200

auf. Wir haben ferner die generelle Tendenz beobachtet, daß reduzierte Nebensätze bevorzugt in Zwischenstellung vorkommen. 3) Nachstellung. Fast ausschließlich in Endposition finden sich die Konstruktionen «(Partikel + dann im HS) + wenn» und «Partikel im HS + wenn».

6.5. Verstärkungselemente in Haupt- und Nebensatz Die Existenz von adversativen Korrelaten und Verstärkungselementen im Hauptsatz eines Konzessivgefüges wird des öfteren in den einschlägigen Studien erwähnt, so z.B. bei Kaufinann (1974:6f.), Hermodsson (1978:62,70) und Starke (1982:135,139f.). Schramm (1977:121ff.) fuhrt eine Anzahl von authentischen Beispielsätzen an, die ein solches Korrelat enthalten. Vereinzelte Bemerkungen zu Verstärkungselementen bei wewj-Konstruktionen finden sich bei Pasch (1994). Kurze Hinweise sind des weiteren in zahlreichen Grammatiken enthalten - beispielsweise bei Brinkmann (1971:689), Jude/Schönhaar (1977:273), Engel (1991:722,731) und Weinrich (1993:763). Baschewa (1980) - zusammengefaßt bei Baschewa (1983) - stellt die einzige Untersuchung dar, die über eine bloße Erwähnung des Phänomens hinausgeht. Zu jedem untersuchten Konnektiv wird das zahlenmäßige Verhältnis von Satzstrukturen mit bzw. ohne Korrelat angegeben (1980:276-8,281f.,284f.; 1983:93ff.). Baschewa ist meines Wissens auch die einzige Autorin, die Konstruktionen mit Verstärkungsmittel im Nebensatz behandelt und Statistiken für dieses seltene Phänomen liefert (1980:272,279,283). 1) Verstärkungselemente im Hauptsatz. Wenden wir uns dem vorliegenden Korpus zu. Es finden sich insgesamt 145 Konstruktionen, die ein Verstärkungselement im Hauptsatz enthalten (ca. 6,5% der Belege). Betrachten wir dazu die folgende Tabelle. Insgesamt sind mehr als 145 Beispiele für ein Verstärkungselement zu verzeichnen (181), da eine beträchtliche Anzahl von Konstruktionen (36) eine Kombination von zwei Elementen enthält: Tab. 35:

doch

so

aber

alleiniges als erstes von als zweites von Konnektiv zwei Konnektiven zwei Konnektiven (92) 58 so + doch 32 aber + doch 1 immerhin + doch 1 (60) 26 so + doch 32 so + dennoch 1 so + jedoch 1 (6) 5 aber + doch 1

201 alleiniges Konnektiv

als erstes von als zweites von zwei Konnektiven zwei Konnektiven

dennoch

(6)

5

trotzdem immerhin

(5) (3)

5 2

jedoch

(3)

2

auch gleichwohl jedenfalls sogar sowieso zwar

(1) (1) (1) (1) (1) (1)

1 1 1 1 1 1

so + dennoch

1

so + jedoch

1

immerhin + doch 1

Es ist ersichtlich, daß das adversative doch das Korrelat mit der weitaus größten Verbreitung ist (92 Belege): 58 als alleiniges Verstärkungselement, 32 in Verbindung mit so, je 1 in Kombination mit aber und immerhin,37 Die anderen adversativen Konnektive aber (6), immerhin (3), jedoch (3), jedenfalls (1), zwar (1) und sowieso (1) treten relativ selten in Verstärkungsfunktion auf. Dabei ist zu vermerken, daß sich die Verbindung von zwei adversativen Konnektiven nur vereinzelt findet: «aber + doch» und «immerhin + doch» (je 1 Beleg). Die explizit konzessiven Konnektive weisen ebenfalls eine geringe Anzahl von Belegen auf: dennoch 6, trotzdem 5, gleichwohl 1. Des gleichen treten die in Konzessivkonnektiven als Bausteine anzutreffenden Elemente auch und sogar in Verstärkungsfunktion nur sporadisch auf (je 1 Beleg). Es stellt sich die Frage, aus welchem Grunde generell-adversative Konnektive (107 Belege) gegenüber eindeutig konzessiven (12) als Verstärkungsmittel bevorzugt werden. Eine mögliche Erklärung hängt mit dem Grad der erstrebten Verstärkung zusammen: Eine adversative Verstärkung kann als "normale" Intensivierung betrachtet werden, eine konzessive Verstärkung hingegen als Extremform der Intensivierung, womit sie auf besondere stilistische Intentionen beschränkt bleibt. Zuletzt soll auf das mit insgesamt 60 Belegen zahlenmäßig an zweiter Stelle liegende Konnektiv so hingewiesen werden: 26 Belege als alleiniges Korrelat, 34 in Kombination mit einem zweiten Element (davon allein 32-mal mit doch). Es erscheint fraglich, ob so in diesen Satzgefügen tatsächlich der Verstärkung des konzessiven Gegensatzes dient. Zum einen wird so seinerseits des öfteren durch ein zweites Konnektiv verstärkt, zum anderen ist es polysem (also weder adversativ noch konzessiv). Des weiteren ist zu bedenken, daß so gleichfalls in nichtkonzessiven Satzgefügen vor37

Auch die Statistiken von Baschewa (1980:277ff.; 1983:93ff.) weisen doch als das häufigste Korrelat aus, gefolgt von so und "adversativen" Korrelaten wie dennoch, jedoch, trotz alledem usw. Baschewa unterscheidet also nicht zwischen allgemein-adversativen und spezifisch-konzessiven Verstärkungsmitteln.

202

kommt (beispielsweise in konditionalen). Meines Erachtens kann so als ein Element betrachtet werden, das ganz allgemein die Funktion ausübt, die Verbindung der beiden Teilsätze im hypotaktischen Gefuge hervorzuheben. Untersuchen wir jetzt, in welchen Konzessivkonstruktionen die einzelnen Verstärkungselemente bevorzugt auftreten. Dazu sind zunächst die Fälle zu betrachten, in denen das jeweilige Element allein vorkommt. Für die 58 Belege von doch ergibt sich folgendes Bild: Tab. 36: obwohl auch wenn so-Konstruktionen wenn...auch selbst wenn obschon obgleich wenngleich auch (im uneing NS) wenn schon und wenn wiewohl wenn auch

Belege mit doch 19 14 7 4 4 2 2 1 1 1 1 1 1 58

Es fällt auf, daß doch relativ selten mit wenn auch erscheint (von 210 Belegen weist ein einziger die Verstärkung mit doch auf). 38 Nie findet sich doch in Zusammenhang mit den Konstruktionen «(Partikel + dann im HS) + wenn» sowie «Partikel im HS + wenn». Ansonsten lassen sich keinerlei Korrelationen zwischen der Wahl des Konnektivs und dem Auftreten eines Verstärkungselements feststellen. Bei den übrigen adversativen und konzessiven Verstärkungsmitteln scheint es ebenfalls keine Verbindung zu bestimmten Konzessivkonnektiven zu geben. Auf einen tabellarischen Überblick kann daher verzichtet werden. Betrachten wir nun die Fälle, in denen so als alleiniges Element auftritt. Es ist ersichtlich, daß von 26 Belegen 23 ein Konnektiv aufweisen, das den Baustein wenn enthält:

38

Diese Daten widerlegen die von Pasch (1994:113f.) geäußerte Meinung, daß die wenn auch-Konstruktionen bevorzugt einen Widerspruchsausdruck im Bezugssatz aufwiesen, während bei "echten" Konzessivkonjunktionen wie obwohl derartige Verstärkungselemente kaum vorkämen. Genau das Gegenteil ist der Fall.

203 Tab. 37: auch wenn selbst wenn wenn auch wenn...schon wenn...auch so-Konstruktionen obgleich und wenn auch (im Urning NS)

Belege mit so 1 1 3 3 2 1 1 1 1 26

Wenden wir uns den Beispielen zu, in denen so in Verbindung mit einem zweiten Korrelat vorkommt. Von 34 Belegen besteht die Mehrzahl (28) ebenfalls aus einer Konstruktion, die wenn enthält:39 Tab. 38:

wenn...auch wenn auch auch wenn auch (im uneing. NS) selbst wenn wenn schon und wenn obgleich so-Konstruktionen obwohl wenngleich wenn...schon

Belege mit «so + Korrelat» 9 6 5 3 3 2 1 1 1 1 1 1 34

Von den insgesamt 60 so-Belegen zeichnen sich 51 durch einen wenn-Satz aus; 4 Beispiele sind in Zusammenhang mit uneingeleiteten Nebensätzen zu finden. Es handelt sich in beiden Fällen um Konstruktionen, die ursprünglich konditional waren. Es könnte demnach angenommen werden, daß der so-Anschluß eine "Erbschaft" der konditionalen Satzstrukturen darstellt. Betrachten wir nun die Korrelationen zu den bereits untersuchten Faktoren. Was die Verteilung auf die drei Verwendungsbereiche betrifft (6.2), so weisen die Verstärkungselemente folgende Belegzahlen in Fach-, Literatur- und Pressetexten auf: 39

Bereits Baschewa (1980:277f.) hat auf die Tendenz hingewiesen, daß der strukturelle Anschluß mit so im Bereich der wenn-Sätze überwiegt, dagegen relativ selten bei den Konnektiven der oA-Gruppe anzutreffen ist.

204

56:51:38. Gemessen am Verhältnis der Gesamtbelege (673:1002:559) sind sie in Fachtexten überproportional vertreten. Zwischen dem Auftreten eines Verstärkungselements im Hauptsatz und der Vollständigkeit des Nebensatzes (6.3) scheint es eine - wenn auch schwache - Korrelation zu geben. Auf 2234 Konstruktionen des Korpus kommen 289 reduzierte Nebensätze (ca. 13%). Bei Gefiigen mit Verstärkungsmittel beträgt der Anteil hingegen ca. 8% (12 von 145); die Frequenz der reduzierten Sätze ist hier also leicht unterdurchschnittlich. Einen augenscheinlichen Zusammenhang gibt es zwischen dem Vorhandensein eines Verstärkungsmitteis und der Stellung des Nebensatzes (6.4): Tab. 39: Sätze mit V-Element Sätze ohne V-El.

vor zwischen nach 130 7 7 541 286 1204

Wie man sieht, erscheinen Nebensätze, deren entsprechende Hauptsätze ein Verstärkungselement enthalten, sehr selten in Nachstellung und dagegen sehr häufig in Voranstellung. Anders formuliert: Der das Verstärkungselement aufweisende Hauptsatz befindet sich zumeist in Endposition. Dies ist bei näherem Hinsehen auch nicht weiter verwunderlich. Das Verstärkungselement hat in diesen Gefügen anaphorische Funktion, indem es einen bereits ausgedrückten konzessiven Kontrast intensiviert. Bemerkenswert ist, daß es überhaupt Fälle gibt, in denen der Hauptsatz mit Verstärkungselement eine Anfangsposition innehat und der konzessive Nebensatz nachgestellt ist (7 Belege im Korpus). Diese Konstruktionsmöglichkeit wird in der einschlägigen Literatur nicht erwähnt. Das Verstärkungsmittel hat hier atypischerweise eine kataphorische Funktion. Betrachten wir dazu einige Beispiele: (26) a Es gibt viele Croupiers, die trotzdem spielen, obwohl es nicht erlaubt ist. (Struck, 131) b Wir haben trotzdem den längeren Atem, sage ich Ihnen, auch wenn schon eine ganze Reihe die Hosen voll haben. (Hilbig, 303) (27) Ausdruckskraft und Wortmächtigkeit vermitteln uns immerhin eine Ahnung vom Dasein der Nachkriegsära, auch wenn wir den sinnlichen Gindruck, die überwältigende Atmosphäre anarchischer Zustände entbehren müssen. (Kunert, 105) (28) Daß man die Tatwilligen, so dieser Wille ruchbar wird, an der Straftatbegehung hindert, ist eine bare Selbstverständlichkeit, daß man ihnen aber mit gleichen polizeilichen Techniken begegnet, wie sie im Strafprozeß z.T. zwar zugelassen, wenngleich an sehr viel strengere Voraussetzungen geknüpft, oder gar z.T. dort überhaupt nicht gestattet sind, stimmt nachdenklich (Wolter, 39)

2) Verstärkungselemente im Nebensatz. Wenden wir uns nun den Konstruktionen zu, bei denen im Nebensatz - und nicht mehr im Hauptsatz! - ein Verstärkungselement auftritt (s. oben 5.1.2):

205 Tab. 40: auch doch noch so auch immer

Belege 36 19 15 1 71

Auch als Verstärkungselement findet sich lediglich in zwei Konstruktionstypen: a) nach «so + Adj./Adv»; b) nach «und + Konj.». Die folgende Übersicht verdeutlicht nochmals das zahlenmäßige Verhältnis zwischen Konstruktionen mit bzw. ohne auch (vgl. 6.1). Wie wir sehen, stellen Konstruktionen ohne Verstärkungsmittel die jeweils häufigere Variante dar: Tab . 41: so + Adj./Adv. so + Adj./Adv. + auch so + Adj./Adv. + auch immer

Belege 57 30 1

so + Adj./Advso + Adj./Adv. so + Adj./Adv. + auch, so + Adj./Adv.

11 3

und + Konj. und + Konj. + auch

26 3

Es muß präzisiert werden, daß auch an der Grenze zwischen Verstärkungsmittel und Explizierungsmittel liegt. Die so-Konstruktionen sind zwar eindeutig konzessiv und bedürfen daher - im Grunde genommen - keiner Verdeutlichung. Andererseits weisen sie große strukturelle Ähnlichkeiten mit nichtkonzessiven Strukturen auf. Der Zusatz von auch kann somit disambiguierend wirken. Dazu folgendes Beispielpaar; das Satzgefüge (29) ist konzessiv, (30) hingegen konsekutiv:40 (29) (30)

So gutmütig er ist, er verschenkt wenig. So gutmütig ist er, daß er zuviel verschenkt.

Das Konnektiv noch so betrachte ich aus einem anderen Grunde als eher atypisches Verstärkungsmittel. Es fugt nämlich dem Konzessivkonnektiv eine skalare Bedeutungsnuance hinzu, die über eine bloße Intensivierung hinausgeht:41 40

In anderen Fällen hingegen ist auch zweifelsohne eine Partikel, die zur Explizierung eines sonst nicht klar ausgedrückten konzessiven Sinnes dient. So beispielsweise in der Konstruktion «wie + Adj./Adv. + auch» und in uneingeleiteten Nebensätzen mit mögen oder sein. Die Verwendung eines verdeutlichenden auch ist in diesen Strukturen fast unumgänglich.

41

In den uneingeleiteten Nebensätzen dient noch so - ähnlich wie schon auch - der Explizierung und nicht der Verstärkung.

206 (31) a Selbst wenn er sich bemüht, wird er die Prüfung nicht bestehen. b Selbst wenn er sich noch so bemüht, wird er die Prüfung nicht bestehen.

Das Konnektiv doch kann folglich als einziges Verstärkungsmittel im engeren Sinne angesehen werden: Es trägt nicht weiter zur Semantik der Konstruktion bei (wie es bei noch so der Fall ist) und ist nicht an bestimmte - für den Ausdruck der Konzessivität marginale - Konstruktionen gebunden (wie auch). Die 19 Belege von doch erscheinen in Nebensätzen, die durch typische Konzessivkonnektive eingeleitet werden: obwohl (16), obschon, wenngleich, auch wenn (je l). 42 Betrachten wir dazu die beiden folgenden Beispiele: (32) (33)

Allerdings fand dieses Instrument keine Resonanz, obwohl doch ein beachtlicher Lohnzuschuß gezahlt wird. (Siebert, 225) Denn finanziell hat der Karlsruher SC nach den Einnahmen aus den Europapokalspielen fast mithalten können, wenngleich die Bayern in der Summe aller Bezüge doch mehr bieten konnten. (FAZ 8-1-94, 22)

Was die Verteilung des verstärkenden doch auf die drei Verwendungsbereiche des Korpus (Fach-, Literatur- und Pressetexte) betrifft, so fällt eine unterproportionale Frequenz in der Fachsprache gegenüber den anderen beiden Sektoren auf (jeweils 1:10:8 Belege). Im Gegensatz dazu ist das in den so-Konstruktionen eher verdeutlichende auch gerade in Fachtexten relativ häufig vertreten (s. 6.2, Tab. 8). Das skalare noch so weist in den drei Bereichen jeweils 8:6:1 Belege auf. Zwischen dem Vorhandensein eines Verstärkungsmitteis und der Vollständigkeit des Nebensatzes (6.3) läßt sich eine Korrelation feststellen: Die Elemente auch (immer), doch und noch so treten fast ausschließlich in vollständigen Nebensätzen auf (nur ein einziges Gegenbeispiel mit noch so). Vielleicht ist dies auf die Tatsache zurückzufuhren, daß reduzierte Nebensätze meist als Einschübe in Zwischenstellung vorkommen und daher eher parenthetischen Charakter haben. Gehen wir nun der Frage nach, ob Korrelate des öfteren dann auftreten, wenn der betreffende Nebensatz eine bestimmte Stellung einnimmt (vgl. 6.4). Vergleicht man zunächst die so-Konstruktionen mit/ohne auch, so sieht man, daß das eventuelle Vorhandensein der Partikel keinen nennenswerten Einfluß auf die Stellung des Satzes zu haben scheint. Es kann höchstens ein leichter Rückgang der Zwischenstellung beobachtet werden (s. Tab. 27). Was die anderen beiden Partikeln betrifft: Noch so kommt in Nebensätzen mit Voran-, Zwischen- und Nachstellung jeweils 2-, 3- und 9-mal vor; doch ist lediglich in Zwischen- (2) und Nachstellung (17) belegt. Das zahlenmäßige Übergewicht der Nachstellung ist somit bei doch besonders deutlich ausgeprägt. Fassen wir abschließend die wichtigsten Punkte zusammen: 1) Als Verstärkungselemente im Hauptsatz werden überwiegend allgemein-adversative und nicht spezifisch-konzessive Konnektive verwendet. 42

Eine vergleichbare Verteilung kann aus Baschewas (1980:272) Daten herausgelesen werden.

207 2) Die beiden häufigsten Korrelate im Hauptsatz - doch und so - weisen eine tendenziell komplementäre Verteilung auf. Doch ist selten anzutreffen in Konstruktionen, die überwiegend konzessiv-konditional sind (wie z.B. selbst wenn), nie in Konstruktionen, die ausschließlich konzessiv-konditional sind - beispielsweise «(Partikel + dann im HS) + wenn» und «Partikel im HS + wenn». So wird hingegen bevorzugt in Konstruktionen verwendet, die ursprünglich konditional waren (we«w-Sätze, uneingeleitete Nebensätze). 3) In der Regel ist der ein Verstärkungsmittel aufweisende Hauptsatz nachgestellt. Es gibt jedoch auch einige Fälle, in denen er vorangestellt ist und das Verstärkungsmittel eine kataphorische Funktion übernimmt. 4) Verstärkende Korrelate treten überdurchschnittlich in Fachtexten auf. 5) Verstärkungselemente können nicht nur im Hauptsatz des Gefiiges, sondern wenngleich seltener - auch im konzessiven Nebensatz vorkommen.

6.6. Wortstellungsfragen in Haupt- und Nebensatz Im folgenden möchte ich drei Konstruktionen behandeln, deren Wortstellung jeweils als Sonderfall gelten kann (vgl. 4.1.3): 1) nachgestellte Hauptsätze mit V2-Stellung 2) eingeleitete Nebensätze mit V2-Stellung 3) uneingcleitete Nebensätze mit V2-Stellung

(üblich: VI) (üblich: V-End) (üblich: VI)

Diese Konstruktionen sollen jeweils durch ein Beispiel verdeutlicht werden: (34) (35) (36)

Obwohl er krank war - er ging zur Arbeit. Er ging zur Arbeit, obwohl - er war krank. Er mochte auch krank sein - er ging zur Arbeit.

Betrachten wir nun der Reihe nach die drei Strukturen. 1) Nachgestellte Hauptsätze mit V2-Stellung. Dieser Konstruktionstypus ist von König/van der Auwera (1988) näher untersucht worden. Vereinzelte Beispiele und Hinweise finden sich - allerdings verstreut - bei Kaufmann (1974), Schramm (1977), Metrich (1978, 1983), Starke (1982) und Pasch (1994); kurz erwähnt wird das Phänomen in der allgemein die Subordination betreffenden Untersuchung von FabriciusHansen (1992:474). König/van der Auwera (1988:124ff.) sind der Ansicht, daß bei Konzessivsätzen die eine Integration signalisierende VI-Stellung als unmarkiert zu gelten hat. Lediglich unter besonderen Bedingungen ist die Möglichkeit der V2-Stellung gegeben: wenn der betreffende Satz eine kontrastive Betonung enthält oder als semantisch-syntaktisch marginal einzustufen ist. Semantisch marginal sind nach König/van der Auwera (1988)

208

Konstruktionen, in denen die Konzessivrelation einen Kontrast vermissen läßt; syntaktisch marginal sind beispielsweise uneingeleitete Nebensätze. Die Überlegungen von Pasch (1994:135) gehen in eine ähnliche Richtung. Es wird die Meinung vertreten, daß die desintegrierende V2-Stellung primär dazu dient, wennKonstruktionen eine "konzessive Legitimität" zu verschaffen. Dahinter steht die Idee, daß die formale Unabhängigkeit der beiden Teilsätze inhaltlich die Irrelevanz des ersten Sachverhalts in bezug auf den zweiten verdeutlicht. Die V2-Stellung dient also der Verstärkung des konzessiven Gegensatzes, wenn er anderweitig nicht deutlich genug zum Ausdruck kommt. Die Grundthese eines inneren Zusammenhangs von V2-Stellung und Marginalität der Konzessivkonstruktion möchte ich als Ausgangspunkt für die Analyse der vorliegenden Korpusdaten nehmen. Von insgesamt 671 Gefugen, in denen der Nebensatz vorangestellt ist, haben 553 einen nachfolgenden Hauptsatz mit "normaler" Vl-Stellung, 118 dagegen mit "atypischer" V2-Stellung. Unter diese 118 Belege fallen 14 komparative so... so-Konstruktionen. Da die V2-Stellung hier obligatorisch ist, schließe ich sie aus der folgenden Betrachtung aus. Mich interessieren hier allein die Konstruktionen, in denen beide Wortstellungen (VI und V2) im Prinzip möglich sind. Es werden ebenfalls solche Konnektive außer acht gelassen, bei denen ausschließlich VI vorkommt (insgesamt 26 Belege). Betrachten wir folgende Tabelle: Tab. 42:

so-Konstruktionen auch wenn selbst wenn

noch so (im uneing. NS) und wenn wenn...auch obwohl

auch (im uneing. NS) selbst, wenn wenn schon obgleich

wie-Konstruktionen wenn... schon wenn auch

V2 VI gesamt 30 27 57 24 95 119 18 81 99 6 1 7 6 10 16 5 26 21 4 204 208 3 6 9 2 2 2 17 19 1 31 32 1 3 4 17 18 1 1 14 15 104 527 631

Die einzelnen Konnektive bzw. Konstruktionen sind nach der Frequenz der V2-Stellung im korrespondierenden Hauptsatz geordnet. Aus der Tabelle ist des weiteren das jeweilige Verhältnis zwischen VI - und V2-Stellung ersichtlich. Wie man erkennen kann, stellen die so-Konstruktionen einen beträchtlichen Anteil der Belege mit V2-Stellung (30 von 104). Wahrscheinlich wirkt sich hier die Verwandtschaft zu den komparativen so... so-Konstruktionen aus, bei denen nur V2-Stel-

209 lung möglich ist. Außerdem ist zu bedenken, daß die so-Konstruktionen stets eine skalare Konzessivrelation kodieren, die als semantisch marginal einzustufen ist. Bei den so-Konstruktionen überwiegt zahlenmäßig sogar der Anteil der V2-Sätze (30:27), ähnlich bei den uneingeleiteten Nebensätzen mit noch so (6:1). Ansonsten ist V2-Stellung fast ausschließlich bei Konnektiven zu finden, die als Baustein wenn enthalten, sowie bei uneingeleiteten Nebensätzen mit auch. Hochgradig integrierte und grammatikalisierte Konnektive wie obwohl, obgleich oder wiewohl weisen hingegen wenn überhaupt - nur äußerst selten V2-Stellung auf. Prüfen wir nun, ob es Korrelationen gibt zwischen der Verbstellung im Hauptsatz und den anderen bereits untersuchten Faktoren. Bezüglich der Verteilung auf die drei Verwendungsbereiche (6.2) ist zu vermerken, daß von den 104 Konzessivgefugen mit V2-Stellung lediglich 11 in Fachtexten vorzufinden sind, 68 hingegen in Literatur- und 25 in Pressetexten. Insgesamt finden sich im Korpus 671 Gefüge mit nachgestelltem Hauptsatz (in den drei Bereichen jeweils 182, 294 und 195). Wir sehen also, daß V2Konstruktionen in der Fachsprache unterrepräsentiert, in der Literatursprache hingegen überrepräsentiert sind. Vielleicht liegt die Erklärung darin, daß die V2-Stellung eher für die gesprochene Sprache typisch ist - und eben dieser wird in den monologischen und dialogischen Teilen der literarischen Werke viel Raum gewährt. Was die Vollständigkeit des Nebensatzes betrifft (6.3), so treten V2-Hauptsätze fast ausschließlich in Gefugen auf, die einen vollständigen Nebensatz enthalten (100 von 104 Belegen). In bezug auf das Vorhandensein eines Verstärkungselements im korrespondierenden Hauptsatz (6.5) läßt sich eine interessante Korrelation beobachten. Wir haben soeben gesehen, daß V2-Konstruktionen sehr häufig in Zusammenhang mit Konnektiven der weww-Gruppe und mit uneingeleiteten Nebensätzen vorkommen - mit Strukturen also, die allesamt ursprünglich konditional waren. Und genau bei diesen Gruppen von Konstruktionen findet der so-Anschluß seine primäre Verbreitung. Es scheint also, daß bei ursprünglich konditionalen Strukturen die Verbindung zwischen den Teilsätzen als ziemlich lose empfunden wird. Dies äußert sich einerseits in der überdurchschnittlichen Verwendung der desintegrierenden V2-Stellung, andererseits in dem verstärkten Bedürfnis, die lockere Verbindung durch ein jo-Korrelat wieder zu festigen. Betrachten wir nun - unter Vorgriff auf 6.7 - die Beziehung zu den kodierten Konzessivwerten. Von den 104 Beispielen mit V2-Stellung haben lediglich 16 eine faktische Bedeutung; 43 sind konditional, 37 skalar und 8 indirekt. Es scheint sich somit die Beobachtung von König/van der Auwera (1988) zu bestätigen, daß die V2Stellung bevorzugt bei semantisch marginalen Konzessivwerten auftritt. 2) Eingeleitete Nebensätze mit V2-Stellung. Ein kurzer Hinweis zu diesem Phänomen findet sich bei König/van der Auwera (1988:105). Meirich (1983) und Szigeti (1995) erwähnen einige Beispiele. Engel (1991:724), Weinrich (1993:762) und Weisgerber (1993:3) ordnen diesen Konstruktionstypus der mündlichen Umgangssprache zu. Im Gegensatz zu den konzessiven Satzstrukturen sind Kausalsätze mit V2-Stellung

210 eingehender untersucht worden, wie beispielsweise die Studien von Günthner (1993) und Wegener (1993) zeigen. Im Korpus haben von 1211 nachgestellten Nebensätzen lediglich 3 V2-Stellung: (37)

(38) (39)

Und scherte sich nicht darum, wessen Konterfei in den öffentlichen Gebäuden hing, obwohl, für einen Augenblick hatten alle hingesehen und sich gefreut, ein erfrischendes Bild, die beiden Frauen mit der neuen Dauerwelle [...]. (Burmeister, 139-40) Kann man jetzt erst so recht ermessen, kommt einem schon unwirklich vor, obwohl, die Erinnerung sitzt tief. (Burmeister, 181) [. . .] vielleicht aber auch ein Hase, eine Katze oder ein Hase, schwer voneinander zu unterscheiden in diesem breitzerquetschten Zustand, obwohl, ich muß gestehen, so sicher wie die Worte "Hase" und "Katze" kann ich die Tiere bei auch nur geringer Entfernung nicht unterscheiden, und erst recht nicht so schnell, es gibt so viele des Merkens werte Namen [...]. (Drawert, 74)

Alle drei Beispiele stammen aus literarischen Texten, weisen als Konnektiv obwohl auf, sind mit einem finiten Verb konstruiert und kodieren einen korrektiven Konzessivwert. Die V2-Stellung im eingeleiteten Nebensatz ist also eng mit der Semantik der kodierten Konzessivrelation verbunden. Die unübliche Wortstellung soll anzeigen, daß mit dem "berichtigenden" Nebensatz sozusagen ein Neuanfang der Konstruktion vorliegt. Die Reflexionspause - die durch ein zweites Komma nach dem Konnektiv signalisiert wird - soll diesen Aspekt noch unterstreichen. In dieser Hinsicht sind konzessive Nebensätze mit V2-Stellung nicht vergleichbar mit konstruktionsähnlichen kausalen we/7-Sätzen: Letztere scheinen nämlich nicht an bestimmte semantische Restriktionen gebunden zu sein. 3) Uneingeleitete Nebensätze mit V2-Stellung. Neben den uneingeleiteten Nebensätzen mit VI-Stellung (Satz 40) gibt es bisweilen auch Konstruktionen mit V2-Stellung (Satz 41): (40) (41)

Mag er auch krank sein - er geht zur Arbeit. Er mag auch krank sein - er geht zur Arbeit.

Konstruktionen wie (41) werden in der Literatur nur flüchtig behandelt. Kurze Hinweise unter Angabe einiger Beispiele finden sich bei Kaufmann (1974:17-8), Schramm (1977:82-4), Baschewa (1980:232f.; 1983:98f.) und Starke (1982:140). Einige Autoren, wie beispielsweise Engel (1991:279f.), betrachten den ersten der beiden Teilsätze als völlig eigenständigen Hauptsatz. Statistisch erfaßt werden uneingeleitete Nebensätze einzig von Baschewa (1980, 1983). Aus ihren Daten ist ersichtlich, daß diese Konstruktion stark rückläufig ist und lediglich 6% gegenüber den zahlenmäßig dominierenden Sätzen mit VI-Stellung (94%) ausmacht. Überprüfen wir nun die tatsächliche Frequenz dieser Konstruktion anhand des vorliegenden Korpus. Zunächst seien folgende Beispielsätze angeführt: (42)

Louise mochte noch so skeptisch sein, er, Rudolf, wußte, daß das der Sieg war: Das Zusenden der Anträge bedeutete erfahrungsgemäß schon deren Genehmigung. (Becker, 189)

211 (43)

Man mag Schmidts überlegene Poesie noch so sehr lieben, irgendwann fallt der hämmernde Ton der Belehrung noch dem Langmütigsten auf die Nerven. (FAZ 18-1-94, 27)

Von insgesamt 42 uneingeleiteten Nebensätzen weisen 5 eine V2-Stellung auf (ca. 12%). Es muß allerdings bedacht werden, daß die V2-Nebensätze ausschließlich in Voranstellung vorkommen43 (während VI-Sätze 11 Belege in Voran-, 10 in Zwischen- und 16 in Nachstellung haben). Ein Vergleich von VI- und V2-Strukturen sollte daher auf Gefüge mit Voranstellung beschränkt bleiben. Folgende Tabelle verdeutlicht diese Gegenüberstellung: Tab. 43: VI V2

Belege Konnektiv 11 auch (8), noch so (3) 5 auch (1), noch so (4)

Stellung im HS VI (7), V2 (4) VI (0), V2 (5)

Korrelat im HS 7 1

Von insgesamt 16 uneingeleiteten Nebensätzen in Voranstellung weist knapp ein Drittel V2-Stellung auf. Letztere Konstruktion kann somit durchaus als noch vital eingestuft werden. Während bei ai/c/i-Konstruktionen häufiger VI- als V2-Stellung anzutreffen ist (8:1), verhält es sich bei noch so genau umgekehrt (3:4). Interessant ist auch das Verhalten der Wortstellung im nachgestellten Hauptsatz. Bei einem Nebensatz mit VI-Stellung finden wir zwar häufiger die "normale" VI-Stellung (7 Belege), aber auch die "atypische" V2-Stellung ist ziemlich gut vertreten (4). Bei einem Nebensatz mit V2-Stellung ist ausschließlich V2-Stellung im Hauptsatz belegt: Diese Satzgefüge haben also rein äußerlich den Charakter einer koordinativen Satzreihung. Ein weiterer Unterschied zwischen Nebensätzen mit VI- und V2-Stellung liegt darin, daß erstere oft ein Korrelat im Hauptsatz aufweisen (7 von 11), letztere hingegen selten (1 von 5). Auch dies ist ein Indiz für die geringe Integration der beiden Teilsätze in den V2-Gefiigen. Wir können nunmehr die wichtigsten Aspekte der Wortstellung im Konzessivgefuge zusammenfassen: 1) Nachgestellte Hauptsätze weisen im unmarkierten Fall die zahlenmäßig häufigere VI-Stellung auf, im markierten Fall die seltenere V2-Stellung. Letzere findet sich überproportional bei Konstruktionen mit so und noch so sowie bei Sätzen mit wennKonnektiven. V2-Hauptsätze treten oft in Gefügen auf, die eine periphere - überwiegend skalare und konditionale - Konzessivbedeutung kodieren. Sie werden bevorzugt in literarischen Texten verwendet. 2) Eingeleitete Nebensätze mit V2-Stellung sind in unserem schriftsprachlichen Korpus äußerst selten. Die wenigen Beispiele kodieren allesamt einen korrektiven Konzessivwert. 43

Baschewa (1980) und Schramm (1977) erwähnen chronologisch weiter zurückliegende Beispiele von uneingeleiteten V2-Nebensätzen in Nachstellung. Die Festlegung auf die Anfangsposition scheint also erst in jüngerer Zeit erfolgt zu sein.

212

3) Uneingeleitete Nebensätze mit V2-Stellung kommen ausschließlich in Voranstellung vor und weisen meist das Konnektiv noch so auf; der darauffolgende Hauptsatz hat stets die "atypische" V2-Stellung.

6.7. Konzessive Semantik der einzelnen Konstruktionen Der Problemkreis der Semantik der konzessiven Konstruktionen ist in der bisherigen Literatur lediglich ansatzweise untersucht worden. Zwar gibt es Hinweise auf die Existenz unterschiedlicher Konzessivwerte z.B. bei Härtung (1971), Boettcher/Sitta (1972), Schramm (1977), Hermodsson (1978), Baschewa (1980), Metrich (1983), Fang (1984), Primatarova-Miltscheva (1986), König (1991a) und Pötters (1992).44 Zwar ist auf die Polysemie einzelner Konnektive aufmerksam gemacht worden. So spricht Metrich (1980a) von einem "anderen" obwohl, das indirekte Konzessivbedeutungen ausdrückt. Zumeist beziehen sich die Beobachtungen auf Konnektive der wennGruppe, wobei auf die Kodierungsmöglichkeit von sowohl faktischen als auch konditionalen Konzessivwerten hingewiesen wird. Das Konnektiv wenn auch wird von Kaufinann (1974:8-11), Schramm (1977:68f.) und 2uljevic (1986:246) angeführt; auf auch wenn gehen kurz ein Kaufinann (1974:11), Schramm (1977:71), Hermodsson (1978:71-3), Starke (1982:134), Metrich (1983:103ff.), Zuljevic (1986:248) und Pasch (1994:47ff.); selbst wenn wird von Starke (1982:134) und Zuljevic (1986:247) angesprochen. Erwähnt wird der Aspekt der Doppeldeutigkeit schließlich auch in einigen Grammatiken wie beispielsweise Brinkmann (1971:691) und Engel (1991:277f.). Etwas ausfuhrlicher ist die Darstellung von Baschewa (1980:71-88), die mehrere Konnektive der wewi-Gruppe gegenüberstellend untersucht. Jedoch vermißt man bei diesen einzelnen Beobachtungen den Versuch, konzessive Konnektive bzw. Gruppen von Konnektiven systematisch mit den verschiedenen Konzessivwerten in Verbindung zu bringen. Es sollen nun erste Überlegungen in dieser Richtung angestellt werden. Ein kurzer Rückblick auf Kap. 3 und 4 zeigt, daß skalare und polykonditionale Konzessivrelationen durch jeweils geschlossene Gruppen von Konnektiven ausgedrückt werden. Skalare Werte finden sich ausschließlich bei Konstruktionen mit «so/wie + Adj./Adv.» und bei Sätzen mit noch so als alleinigem Konnektiv oder als Verstärkungselement (s. 3.8, 4.2.1.3): Tab. 44:

so-Konstruktionen v/ie-Konstruktionen 44

Belege 102 5

Ausfuhrlichere bibliographische Angaben finden sich oben bei den einleitenden Bemerkungen zu Kap. 3.

213

noch so (im uneing. NS) noch so (auf Konstituentenebene) noch so (als Verstärkungselement)

Belege 11 19 15 152

Betrachten wir kurz die Liste der Konnektive, denen noch so als skalares Verstärkungsmittel zur Seite steht (vgl. 6.5): Tab. 45: auch (im uneing. NS) auch wenn und + Konf selbst wenn und wenn wenn...auch wenn auch

Belege 5 4 2 1 1 1 1

Es handelt sich um primär konditionale Konstruktionen (die Nebensätze mit auch oder und) sowie um Konnektive, bei denen der konditionale Baustein (wenn) noch klar zu erkennen ist. Demgegenüber sind Beispiele mit den stärker grammatikalisierten, ehemals konditionalen Konnektiven der 06-Gruppe und mit nichtkonditionalen Konnektiven wie z.B. wiewohl im Korpus nicht belegt. Ihre Akzeptabilität kann in der Tat als fraglich eingestuft werden: (44)

?Obwohl/obgleich/obschon/wiewohl er sich noch so anstrengte, hat er die Prüfung nicht bestanden.

Diese Daten deuten somit auf eine enge Verwandtschaft zwischen konditionalem und skalarem Konzessivwert hin. Polykonditionale Werte werden durch Sätze mit einem w-Wort sowie durch disjunktive Strukturen ausgedrückt. Diese beiden Konstruktionstypen sind im konzessiven Bereich monosem, da sie ausschließlich polykonditionale Werte kodieren (s. 3.9, 4.2.2). Halten wir also fest, daß bei skalaren und polykonditionalen Konstruktionen ein 1:1 Verhältnis zwischen Form und Funktion vorliegt. Wir werden uns im folgenden denjenigen Konzessivwerten zuwenden, bei denen es keine derartige eineindeutige Entsprechung gibt. Dabei möchte ich die in Kap. 3 untersuchten Werte in drei große Gruppen einteilen: 1) faktisch 2) indirekt (kommentarisch, evaluativ, rekonstruktiv, limitativ, korrektiv) 3) konditional

214 Sollte es innerhalb der zweiten Gruppe relevante Unterschiede geben, so wird darauf gesondert hingewiesen. Im Korpus finden sich insgesamt 2234 Konzessivgefuge. Polykonditionale Konstruktionen hatte ich von vornherein von der Untersuchimg ausgeschlossen. Wenn nun skalare Konstruktionen gleichfalls außer acht gelassen werden (152 Belege, ca. 7%), so kommen wir für die drei obengenannten Gruppen auf 2082 Belege. Sie sind wie folgt verteilt: 1027 faktische Sätze, 539 indirekte, 516 konditionale. Das Verhältnis ist - grob gesagt - 2 : 1 : 1 . Bezogen auf das Gesamtkorpus stellen faktische, indirekte und konditionale Konzessivrelationen jeweils ca. 46%, 24% und 23% aller Belege. Es fällt auf, daß indirekte Werte keineswegs eine Randerscheinung darstellen (auf zwei faktische Belege kommt ein indirekter!). Untersuchen wir nun die einzelnen Gruppen von Konnektiven. Wir werden sehen, daß das Formationsprinzip der Konnektive eng mit der jeweils kodierten Semantik zusammenhängt. Betrachten wir zunächst die Bildungen, die auf einem konditionalen Element beruhen. Folgende Tabelle zeigt die Konnektive mit ob: Tab. 46: obwohl obgleich obschon obzwar

faktisch indirekt konditional 574 120 75 12 13 21 2 1

gesamt 694 97 34 3

Ein konditionaler Wert kann - wie allgemein bekannt ist - durch die Konnektive der ofe-Gruppe nicht zum Ausdruck gebracht werden. Interessanter ist eine andere Beobachtung: Obwohl und obgleich haben einen unterdurchschnittlichen Anteil von indirekten Weiten (ca. 17 bzw. 12%), obschon und obzwar einen weit überdurchschnittlichen (ca. 38 bzw. 33%). Mit sinkender Frequenz des Konnektivs scheint tendenziell der Anteil von indirekten Konzessivkonstruktionen anzusteigen. Sehen wir uns jetzt die Formationen mit wenn an. Die folgende Tabelle gibt einen Überblick über die Konnektive mit vorangestellter Partikel: Tab. 47: auch wenn selbst wenn schon wenn sogar wenn

faktisch indirekt konditional gesamt 405 184 98 123 139 170 22 9 3 3 1 1

Während sogar wenn und schon wenn ausschließlich konditional verwendet werden, besteht bei selbst wenn die Möglichkeit eines faktischen oder indirekten Gebrauchs. 45 45

Die mehrfach geäußerte Ansicht (s. Starke 1982:134; Zuljevic 1986:247; König 1994:95), daß selbst wenn ausschließlich konditional sei, ist unzutreffend. Für Baschewa (1980:79) ist der nicht-

215

Bei auch wenn sind sogar nichtkonditionale Werte in der Überzahl.46 Man kann somit eine Skala der Grammatikalisierung annehmen, bei der wenn progressiv seinen konditionalen Charakter verliert (s. oben 4.2.1.6). Betrachten wir dazu die folgenden Beispiele für nichtkonditionale Verwendungen von auch wenn (45) bzw. selbst wenn (46): (45) a Auch wenn es im Jahresverlauf hier anschließend zu den erwarteten konjunkturellen Erholungstendenzen kam, wurde dadurch das Jahresdurchschnittsergebnis für die gesamtwirtschaftliche Produktion und für die Beschäftigung verfehlt. (.Jahreswirtschaftsbericht, 52) b "Ich bin froh über dieses Resultat, auch wenn der zweite Versuch nicht so gut war", sagte er strahlend. (FAZ 10-1-94, 24) (46) a Selbst wenn es Ihnen neuerdings gefallt, großartig Freiheit auszuposaunen, muß ich daran erinnern, daß Ihnen unter diesem und jenem Namen Freiheit schnurzpiepegal gewesen ist. (Grass, 139) b Tatsächlich ist die Unterstützung von Linux weit besser als das, was man von vielen großen Anbietern erwarten kann, selbst wenn es für Linux keine offizielle Hotline gibt. (FAZ 11-194, T2)

Wenden wir uns nun den Formationen zu, bei denen die Partikel nachgestellt ist: Tab. 48: wenngleich wenn auch wenn...auch wenn schon wenn...schon

faktisch indirekt konditional gesamt 23 36 59 37 172 209 31 22 4 57 2 19 3 24 8 19 29 2

Zunächst ist zu vermerken, daß wenn in Verbindung mit gleich nie einen konditionalen Wert annehmen kann. Das Konnektiv wenngleich ist somit durch einen höheren Grad der Grammatikalisierung gekennzeichnet als die Kombinationen von wenn mit auch und schon, die noch in einigen Fällen den Ausdruck einer konditionalen Konzessivrelation ermöglichen. Zwischen Kontaktstellung (wenn auch) und Distanzstellung {wenn...auch) bestehen relevante Unterschiede: a) wenn...auch kann im Gegensatz zu wenn auch eine konditionale Bedeutung kodieren (die Kontaktstellung ist somit erwartungsgemäß in stärkerem Maße grammatikalisiert); b) wenn auch hat gegenüber wenn...auch einen auffallend hohen Anteil an indirekten Werten.47 Die Konnektive konditionale Gebrauch von selbst wenn zwar möglich, wird jedoch als "sehr selten" eingestuft. Im vorliegenden Korpus beträgt der Anteil dieser Verwendungen immerhin ca. 18%. 46

Nicht folgen kann ich daher Kaufmann (1974:11), der auch wenn "vorwiegend" auf konditionale Bedeutungen beschränkt wissen will, sowie 2uljevic (1986:248), die den faktischen Gebrauch von auch wenn als "Ausnahme" bezeichnet. Unzutreffend ist auch Engels (1991:278) Bemerkung, daß auch wenn nie gegen obwohl austauschbar sei.

47

Dabei handelt es sich meist um einen limitativen Konzessivwert (134 von 172 Belegen). Umkehrt kann man feststellen, daß die limitative Bedeutung (188 Belege im Korpus) sehr oft durch wenn auch kodiert wird (134).

216

wenn schon und wenn...schon unterscheiden sich nur in einem einzigen Aspekt (wenn schon hat prozentual mehr indirekte Belege als wenn...schon). Gehen wir näher auf die relativ seltene konditionale Verwendung von wenn...auch ein. Bezeichnenderweise wird in allen 4 Belegen diesem Konnektiv und vorangestellt, das fast ausschließlich in konditionalen Kontexten vorkommt. Vielleicht wäre es angebracht, in diesen Fällen ein Konnektiv und wenn anzunehmen, das durch auch verstärkt wird. Betrachten wir dazu die folgenden beiden Beispiele: (47) a Ja, es galt alles ihm, was sie schön fand und um sich herum ansammelte, und indem sie es sah, sah er es, oder er würde es sehen. Und wenn er es auch niemals sähe. (Wohmann, 246) b Es gab viele Wege und vielerlei Wahrheiten, und wenn man auch der Auffassung sein konnte, daß es sich oft nur um verschiedene Illusionen und abwegige Ideen handelte - auch sie waren Farben in dem großen zitternden Pfauenrad, das das Leben schlug. (Wellershoff, 102)

Ahnlich verhalten sich die (wenigen) konditionalen Verwendungen von «wenn + schon». In 3 von insgesamt 5 Belegen ist und vorangestellt. Vielleicht sollte man hier ebenfalls von und wenn als Konnektiv ausgehen: (48) a Da ist also doch jemand ! | Und wenn schon! (Schneider, 208) b Hier ist, wie Sie bemerkt haben sollten, nur für Nichtraucher Platz. Und wenn Sie schon auf die Damen keine Rücksicht nehmen wollen, dann, bitte, auf das arme Huhn da. (Grass, 171-2)

Die Konstruktionen «(Partikel + dann im HS) + wenn» und «Partikel im HS + wenn» sind ausschließlich konditional.48 Wir sehen insgesamt, daß der Grad der Grammatikalisierung einer wewi-Formation von zwei Faktoren abhängt: a) Wahl der Partikel (Bildungen mit auch können beispielsweise eine stärkere Tendenz zur semantischen Verblassung aufweisen als vergleichbare Formationen mit schon); b) Stellung der Partikel (Hauptsatz oder Nebensatz, Voran- oder Nachstellung, Kontakt- oder Distanzstellung). Die Kombination und wenn sowie die Gelegenheitsverbindungen mit einem konditionalen Konnektiv {auch in dem Fall, in\ selbst dort, wo; auch soweit usw.) sind ausschließlich in konditionaler Bedeutung belegt. Die Formationen, die auf einem allgemeinen Verstärkungselement {auch, und) beruhen, sind dagegen überwiegend - aber nicht durchweg - konditional:

48 Die vollständigen Listen mit den Konnektiven, die zu den hier und im folgenden angeführten Konstruktionen bzw. Gruppen gehören, finden sich unter 6.1.

217 Tab. 49: auch (im uneing. Satz mit mögen) auch (im uneing. Satz mit sein) und + Konj. und + Konj. + auch

faktisch indirekt konditional gesamt 4 2 16 22 4 4 1 2 21 24 1 2 3

Die Konnektive, die auf einem hindernd-oppositiven Element basieren (trotz der Tatsache, daß; ungeachtet, daß usw.) können einzig einen faktischen Wert annehmen. Nicht nur konditionale, sondern auch indirekte Konzessivwerte bleiben somit ausgeschlossen. Die Gelegenheitsverbindungen mit einer temporalen Konjunktion (auch als, selbst als, auch nachdem usw.) - die man zu den konzessiven Konnektiven rechnen könnte - kodieren ebenfalls allesamt einen faktischen Wert. Die einzige Bildung mit einem (verblaßten) quantitativen Element, wiewohl, weist 8 faktische und 4 indirekte Belege auf. Gehen wir nun der Frage nach, ob die konzessive Semantik einer Konstruktion in Korrelation steht zu den anderen bereits untersuchten Faktoren (6.2.-6.6). Betrachten wir zunächst die Verteilung der Konzessivwerte je nach Verwendungsbereich: Tab. 50: Fachtexte Literatur Presse

faktisch indirekt konditional skalar gesamt 249 145 238 41 673 489 256 179 78 1002 289 138 99 33 559 1027 2234 539 516 152

Es fallt auf, daß konditionale Konstruktionen weit überdurchschnittlich in der Fachsprache vertreten sind. Fachtexte stellen ca. 30% der Gesamtbelege (673 von 2234), jedoch über 46% der konditionalen Konzessivrelationen (238 von 516). Genauer gesagt, stammen 65 Belege aus wirtschafts- und 173 aus rechtswissenschaftlichen Texten. Diese Dominanz ist wahrscheinlich auf die Tatsache zurückzufuhren, daß das Durchspielen von hypothetischen Szenarien typisch für juristische Texte ist. Untersuchen wir jetzt, ob es einen Zusammenhang gibt zwischen der Vollständigkeit des Nebensatzes und dem Auftreten bestimmter Konzessivwerte: Tab. 51: vollständig reduziert

faktisch indirekt konditional skalar gesamt 506 132 1945 959 348 289 10 20 68 191

Es ist ersichtlich, daß bei den reduzierten Nebensätzen sehr häufig indirekte Konzessivwerte vorkommen (ca. 66% gegenüber einem Anteil von knapp 18% bei vollständigen Sätzen). Wenn man bedenkt, daß von 191 Belegen 152 auf limitative Konstruktio-

218

nen entfallen (und andererseits bei den vollständigen Sätzen von 348 indirekten Werten lediglich 35 limitativ sind), so kann man eine bevorzugte Korrelation zwischen limitativem Konzessivwert und reduziertem Nebensatz feststellen. Zu vermerken ist außerdem, daß konditionale Bedeutungen bei reduzierten Nebensätzen seltener sind (ca. 3%) als bei vollständigen Sätzen (ca. 26%). Folgende Tabelle gibt die Beziehung zwischen den Stellungsmöglichkeiten des Nebensatzes und den verschiedenen Konzessivwerten wieder: Tab. 52: vorangestellt zwischengestellt nachgestellt Konstituentenebene

faktisch indirekt konditional skalar gesamt 345 78 178 70 671 105 293 97 65 26 580 321 273 37 1211 5 35 19 59

Das Gesamtverhältnis zwischen faktischen, indirekten und konditionalen Konzessivwerten ist - wie gesagt - ca. 2:1:1. Im Vergleich dazu wird deutlich, daß bei Voranstellung des Nebensatzes indirekte Konzessivwerte unterdurchschnittlich vertreten sind, bei Zwischenstellung hingegen überdurchschnittlich. Es sei noch vermerkt, daß auf Konstituentenebene faktische und konditionale Bedeutungen selten bzw. nie vorkommen, indirekte und skalare dagegen relativ häufig. Das zahlenmäßige Verhältnis zwischen den drei grundlegenden Stellungsvarianten (Voran-, Zwischen- und Nachstellung) ist ca. 2:1:4. Es kann somit festgestellt werden, daß faktische Konzessivwerte unterdurchschnittlich in Zwischenstellung auftreten, indirekte weit unterdurchschnittlich in Anfangsposition, konditionale unterdurchschnittlich in Zwischenstellung, skalare weit überdurchschnittlich in Anfangsposition. Prüfen wir nun, ob es eine Korrelation gibt zwischen dem Vorhandensein eines Verstärkungselements im Hauptsatz und dem vom Gesamtgefüge kodierten Konzessivwert. Die folgende Tabelle gibt das Verhältnis der Konstruktionen mit bzw. ohne Verstärkungselement wieder: Tab. 53: mit V-Element ohne V-Element gesamt

faktisch indirekt konditional skalar gesamt 145 26 13 84 22 2089 517 490 139 943 2234 1027 539 516 152

Die Sätze mit Korrelat stellen ca. 6,5% der Gesamtbelege (145 von 2234). Aufgeschlüsselt nach Konzessivwerten ergeben sich für die faktischen, indirekten, konditionalen und skalaren Konstruktionen jeweils Anteile von ca. 8, 4, 5 und 9%. Aus diesen Daten ist ersichtlich, daß Verstärkungsmittel relativ häufig bei faktischen und skalaren Konzessivwerten auftreten, relativ selten bei indirekten und konditionalen.

219

Von den Verstärkungselementen im Nebensatz ziehe ich hier lediglich doch in Betracht, welches als das einzige typische Korrelat gelten kann. Von insgesamt 19 Belegen haben 14 eine faktische, 5 eine indirekte und 1 eine konditionale Konzessivbedeutung. Vor dem Hintergrund eines Gesamtverhältnisses der drei Werte von ca. 2:1:1 ist ersichtlich, daß hier der faktische Wert überdurchschnittlich und die anderen beiden unterdurchschnittlich vertreten sind. Es ergibt sich somit eine ähnliche Verteilung wie für die Gefuge mit Verstärkungsmittel im Hauptsatz. Untersuchen wir mm den Zusammenhang zwischen der Wortstellung im Satzgefüge und den verschiedenen Konzessivwerten. Folgende Tabelle gibt einen Überblick über die Verteilung von VI- und V2-Stellung bei nachgestellten Hauptsätzen:49 Tab. 54: VI-Stellung V2-Stellung gesamt

faktisch indirekt konditional skalar gesamt 329 70 135 19 553 16 8 43 37 104 345 78 657 178 56

Gefuge mit V2-Stellung weisen insgesamt 104 Belege auf, was einem Anteil von ca. 16% entspricht. Für die einzelnen Konzessivwerte finden sich folgende Prozentsätze von V2-Strukturen: faktisch ca. 5%, indirekt ca. 10%, konditional ca. 24%, skalar ca. 66%. Wir sehen also, daß faktische Bedeutungen unterdurchschnittlich, indirekte leicht unterdurchschnittlich, konditionale überdurchschnittlich und skalare sogar stark überdurchschnittlich vertreten sind. Tendenziell ist die V2-Stellung im Hauptsatz mit nichtzentralen Konzessivwerten in Verbindung zu setzen. Wenden wir uns der V2-Stellung im Nebensatz zu. Sie ist sehr selten belegt (lediglich 3 Korpusbeispiele). Sämtliche Gefüge kodieren einen korrektiven Konzessivwert, so daß hier eine enge Relation zwischen Wortstellung und konzessiver Semantik zu bestehen scheint.50 Die zahlreichen Beobachtungen zur Semantik der Konzessivkonnektive sollen nunmehr zusammengefaßt werden. Besonders wichtig erscheinen mir die systematischen Korrelationen zwischen Konnektivgruppen und Konzessivwerten (wobei von den skalaren Konstruktionen abgesehen wird). Als grundlegend betrachte ich die faktische Bedeutung; von dieser aus besteht die Extensionsmöglichkeit auf indirekte Konzessivwerte. Konnektive, die konditionalen Ursprungs sind, können neben ihrer konzessiv-konditionalen Bedeutung faktische - und damit z.T. auch indirekte - Werte an-

49

Ausgeschlossen werden hier die komparativen i o . io-Strukturen (14 Belege), bei denen die V2Stellung die einzige Konstruktionsmöglichkeit darstellt.

50

Bei der dritten unter 6.6 betrachteten Konstruktion - dem uneingeleiteten Nebensatz mit V2-Stellung - läßt sich keine Korrelation zwischen Wortstellung und Konzessivwert erkennen.

220 nehmen. Es ergeben sich synchronische Prozesse der Bedeutungserweiterung,51 die sich wie folgt schematisch darstellen lassen:52 Tab. 55: konzessiv-konditional

faktisch

indirekt

hindernd-oppositives El.

trotz der Tatsache, daß ungeachtet, daß unbeschadet, daß um den Preis auf die Gefahr

quantitatives El.

wiewohl

wiewohl

allgemeines Ver- auch im uneing. NS stärkungsei. und + Konj

[auch im uneing. NS] [und + Konj]

[auch im uneing. NS] [und + Konj.]

[selbst wenn] auch wenn wenn...auch [wenn schon] [wenn...schon]

[selbst wenn] auch wenn wenn...auch wenn schon wenn...schon

wenngleich [wenn auch] obwohl obgleich obschon obzwar

wenngleich wenn auch [obwohl] [obgleich] obschon obzwar

konditionales El.

auch in dem Fall, daß usw. auch /selbst 1... dann, wenn auch/ selbst 1..., wenn schon wenn sogar wenn und wenn selbst wenn auch wenn [wenn.. .auch] [wenn schon] [wenn...schon]

Die vier morphologisch-etymologischen Gruppen von Konnektiven weisen unterschiedliche Eigenschaften auf:

5

1

Dieses synchronische Modell kann eine Bestätigung durch diachronische Untersuchungen erfahren. Erste Hinweise in dieser Richtung liefert beispielsweise König (1994:89-92), der in der Geschichte zahlreicher Sprachen den semantischen Wandel von konditionaler zu faktischer Konzessivität feststellt

52

Die eckigen Klammem zeigen Verwendungen an, die - relativ gesehen - eine deutlich geringere Frequenz aufweisen.

221

1) Hindernd-oppositives Element. Es wird ausschließlich der zentrale, faktische Konzessivwert kodiert. 2) Quantitatives Element. Außer der faktischen kann durch wiewohl eine indirekte Bedeutung zum Ausdruck gebracht werden. 3) Allgemeines Verstärkungselement. Die Elemente auch und und kommen in Satzstrukturen vor, die ohne diesen Zusatz eine rein konditionale Bedeutung hätten. So ist es nicht verwunderlich, daß die entsprechenden Sätze mit Verstärkungselement dann primär einen konzessiv-konditionalen Wert kodieren. Faktische und indirekte Werte sind jedoch auch möglich. 4) Konditionales Element. In dieser Gruppe müssen drei Fälle unterschieden werden. Eine erste Untergruppe besteht aus Strukturen, die ausschließlich eine konzessivkonditionale Semantik haben. Das konditionale Element ist somit in seiner Bedeutung voll erhalten: Gelegenheitsbildungen mit einem konditionalen Konnektiv (auch in dem Fall, daß usw.) «(Partikel + dann im ÄS) + wenn» (auch dann, wenn usw.) «Partikel im HS + wenn» (auch, wenn usw.) schon wenn sogar wenn und wenn

Eine zweite Untergruppe ist durch Konnektive gegeben, die außer der konditionalen Bedeutung auch eine faktische und indirekte annehmen können: selbst wenn auch wenn wenn...auch wenn schon wenn...schon

Das Konnektiv selbst wenn ist primär konditional (139 Belege), kann aber auch faktisch (22) oder indirekt sein (9). Bei auch wenn sind alle drei Werte gut vertreten (123 konditionale, 184 faktische und 98 indirekte Belege). Wenn...auch ist nur noch selten konditional (5), des öfteren dagegen faktisch (30) und indirekt (22). Bei wenn schon (je 3, 2, 19 Belege) und wenn...schon (je 2, 8, 19) überwiegen stark die indirekten Konzessivwerte. Man kann hier einen zunehmenden Grad der semantischen Verblassung von wenn (und damit der Grammatikalisierung) feststellen. Die dritte Untergruppe besteht schließlich aus Konnektiven, die nicht mehr konditional sein können: wenngleich wenn auch obwohl, obgleich, obschon, obzwar

222

Es handelt sich um w««-Formationen, die mit der nachgestellten Partikel in besonders enger Verbindung erscheinen, sowie um sämtliche oA-Formationen, bei denen das konditionale Element auch außerhalb des Bereichs der Konzessivkonnektive semantisch verblaßt ist. Diese dritte und letzte Untergruppe ist durch die höchste Stufe der Grammatikalisierung gekennzeichnet.53 Es kann also festgehalten werden, daß es Konnektive gibt, die jeweils folgende Bedeutungen kodieren: a) ausschließlich faktische (hindernd-oppositive Konnektive); b) faktische und indirekte (quantitative Konnektive; hochgradig grammatikalisierte konditionale Konnektive); c) konditionale, faktische und indirekte (teilweise grammatikalisierte konditionale Konnektive; Konstruktionen mit allgemeinem Verstärkungselement); d) ausschließlich konditionale (geringfügig grammatikalisierte konditionale Konnektive). Am Rande sei noch vermerkt, daß Tab. 55 Hinweise bezüglich der Substituierbarkeit der einzelnen Konnektive liefert. Die Konstruktionen aus einer der drei Spalten können - was die Semantik der kodierten Konzessivrelation betrifft - jeweils problemlos ausgetauscht werden. Nehmen wir auch wenn als Beispiel, das konditional, faktisch oder indirekt verwendet wird. In der konditionalen Bedeutung kann es durch Konnektive wie sogar wenn oder auch dann, wenn substituiert werden, in der faktischen und indirekten hingegen durch obschon, wiewohl, wenngleich usw. Wir haben des weiteren hier unter 6.7 zahlreiche Korrelationen zu den anderen untersuchten Faktoren feststellen können: Konditionale Werte sind überdurchschnittlich in rechtswissenschaftlichen Texten vertreten; indirekte Bedeutungen kommen überproportional in reduzierten Nebensätzen zum Ausdruck; indirekte Werte sind überdurchschnittlich in Zwischenstellung, skalare in Anfangsstellung belegt; Verstärkungselemente im Hauptsatz finden sich - relativ gesehen - häufiger bei faktischen und skalaren Bedeutungen; V2-Stellung im nachfolgenden Hauptsatz tritt vorwiegend bei skalaren und konditionalen Werten auf.

6.8. Spiegelbildliche Konnektive Als "spiegelbildliche" Konnektive möchte ich die Paare auch wenn/wenn auch sowie schon wenn/wenn schon bezeichnen. Während die Bildungen mit schon meines WisAn den Konzessivkonnektiven konditionalen Ursprungs ist die Gradualität von Grammatikalisierungsprozessen sehr schön zu erkennen: Die "alte", konditionale Bedeutung wird nicht einfach durch die "neue", nichtkonditionale ersetzt (A>B), sondern es ergeben sich - auch für ein und dasselbe Konnektiv - Phasen des Übergangs, bei denen die beiden Varianten koexistieren (A>A/B>B). Vgl. dazu die allgemeinen Betrachtungen von Heine/Claudi/Hünnemeyer (1991:74), Hopper/Traugott (1993:36,124-6) und Lehmann (1995:21).

223

sens in der Literatur bisher nicht gegenübergestellt worden sind, gibt es einige Studien, die auf Unterschiede zwischen auch wenn und wenn auch hinweisen. Zumeist wird dabei die Semantik der beiden Konnektive berücksichtigt. Auch wenn wird mit einem konditionalen Konzessivwert in Verbindung gebracht, wenn auch mit einem faktischen - so beispielsweise bei Kaufmann (1974:11), Schramm (1977:712,124-5), Hermodsson (1978:64-5,70-2), Stojanova-Jovfeva (1979:167), Wesemann (1979:147-53), Starke (1982:134), Metrich (1983:99-109), Zuljevic (1986:246-9), Brauße (1994:143ff.) und Pasch (1994:76). Alle Studien erwähnen, daß auch wenn ebenfalls eine faktische Bedeutung annehmen kann (die Beurteilungen bezüglich der Frequenz dieses Phänomens gehen allerdings stark auseinander). Des weiteren kommt zur Sprache, daß wenn auch eine konditionale (2uljevic 1986) sowie eine "einschränkende" Konzessivrelation kodieren kann (Starke 1982, Metrich 1983).54 Baschewa (1980:162-3,169-73) ist die einzige Studie, die statistische Angaben zu den beiden Konnektiven enthält und dabei Aspekte behandelt wie Stellung und Vollständigkeit des Nebensatzes, mögliche Korrelate im Hauptsatz und textuelle Verwendungsbereiche. Allerdings werden die Daten von auch wenn und wenn auch nicht zueinander in Bezug gesetzt, sondern lediglich in separaten Abschnitten aufgelistet. Gemeinsam ist allen hier erwähnten Arbeiten, daß sie dem Konnektiv auch wenn unterschiedslos die beiden Bildungen wenn auch und wenn...auch gegenüberstellen. Wie wir weiter unten genauer sehen werden (6.9), gibt es jedoch zwischen Kontaktund Distanzstellung relevante Differenzen. Daher muß das Konnektiv wenn...auch bei einem Vergleich mit auch wenn unberücksichtigt bleiben. Betrachten wir zunächst - anhand der vorliegenden Korpusdaten - die Unterschiede zwischen auch wenn und wenn auch. Was den Verwendungsbereich betrifft (6.2), so läßt sich eine überdurchschnittliche Frequenz von wenn auch in den Fachtexten feststellen (während auch wenn für jeden der drei Teilbereiche im Durchschnitt liegt): Tab. 56: auch wenn wenn auch alle Konnektive

Fach. Lit. Presse gesamt 137 409 168 104 86 72 210 52 673 1002 559 2234

In bezug auf die Vollständigkeit des Nebensatzes (6.3) verhalten sich die beiden Konnektive in genau entgegengesetzter Weise:

54

In einigen Grammatiken finden sich gleichfalls vereinzelte Hinweise zu Unterschieden zwischen auch wenn und wenn auch, so z.B. bei Brinkmann (1971:691) und Engel (191:731).

224 Tab. 57: auch wenn wenn auch alle Konnektive

vollständig reduziert gesamt 407 2 409 40 170 210 1945 289 2234

Bei auch wenn finden wir fast immer einen vollständigen Satz vor, bei wenn auch ist der reduzierte Satz vorherrschend. Kommen wir nun zur Stellung des Nebensatzes (6.4): Tab. 58: auch wenn wenn auch alle Konnektive

vor zwischen nach Konst. gesamt 119 40 250 409 15 68 98 210 29 293 1211 2234 671 59

Aus der Tabelle ist ersichtlich, daß die Zwischenstellung bei auch wenn unterdurchschnittlich vertreten ist, bei wenn auch dagegen überdurchschnittlich. Ein weiterer Unterschied besteht darin, daß wenn auch - im Gegensatz zu auch wenn - Strukturen auf Konstituentenebene einleiten kann. Was den Anteil der Konstruktionen betrifft, die ein verstärkendes Korrelat im Hauptsatz aufweisen (6.5), so gibt es keine signifikanten Unterschiede: Für auch wenn liegt er bei ca. 8% (31 von 409 Belegen), für wenn auch bei ca. 5% (10 von 210). Die beiden Konnektive unterscheiden sich jedoch in bezug auf die Wortstellung in einem nachgestellten Hauptsatz (6.6). Bei auch wenn ist die relative Frequenz von Konstruktionen mit "atypischer" V2-Stellung wesentlich höher als bei wenn auch: Tab. 59: auch wenn wenn auch alle Konnektive

V2 VI gesamt 95 24 119 1 14 15 118 553 671

Betrachten wir nun die Semantik der kodierten Konzessivrelation (6.7): Tab. 60: auch wenn wenn auch alle Konnektive

faktisch indirekt konditional skalar gesamt 409 184 98 123 4 210 37 172 1 1027 539 152 2234 516

In dieser Tabelle findet sich die bekannte Tatsache bestätigt, daß auch wenn häufig konditional ist, wenn auch hingegen nie. Ein weiterer Unterschied besteht darin, daß

225 bei auch wenn faktische Werte zahlreicher sind als indirekte, bei wenn auch indirekte zahlreicher als faktische. Zu der gelegentlich gestellten Frage der Substituierbarkeit der beiden Konnektive kann nun folgendes gesagt werden. In den meisten Fällen sind auch wenn und wenn auch nicht austauschbar. Eine Substitution ist jedoch prinzipiell möglich - vorausgesetzt, daß alle strukturell-semantischen Eigenschaften der beiden Konnektive übereinstimmen. Betrachten wir beispielsweise den Fall eines nachgestellten, vollständigen Nebensatzes mit faktischem Konzessivwert. Diese Kombination ist relativ selten bei wenn auch vorzufinden (in 7 von 210 Belegen). Dazu die beiden Sätze (49) und (50): (49)

(50)

Es handelte sich nicht um betrügerische Finanzmanipulationen, Unterschlagungen, Diebstahl oder Korruption, sondern um Vorgänge, die die fuhrenden Exekutiven der großen Finanz- und Börsenfirmen seit Jahrzehnten mit Kenntnis der Behörden als ihr gutes Recht und normale Geschäftspraxis ansahen, wenn auch die Ausnutzung von "insider"-Kenntnissen und die bevorzugte Behandlung von Großaktionären gegen die offiziellen Gesetze verstießen. (Reimann, 149) Eine schönere Welt hätte Gott, wenn es ihn gäbe, nicht erschaffen können. Wenn auch das Mittagessen lau war, die Speisen fast kalt serviert wurden und viele Touristen in die Küche gingen, um ihre vollen Teller zurückzutragen und auf den Ofen zu zeigen. (Schwaiger, 50)

Die Substitutionsprobe mit auch wenn fuhrt hier zu einem positiven Ergebnis, der auch wenn-Satz. scheint sogar "besser" zu klingen. In der Tat ist diese Parameterkombination für auch wenn sehr häufig belegt (95 von 409 Beispielen). Sehen wir uns jetzt zwei für auch wenn atypische Fälle an: reduzierte Nebensätze (2 von 409 Belegen) und limitative Konzessivwerte (6 von 409). Dazu jeweils die Beispiele (51) und (52): (51)

(52)

Die aktuellen kriminellen Vorgänge - auch wenn gering an der Zahl, verglichen mit der hohen Zahl von rund 40.000 abgeschlossenen Verträgen - werden jedoch in der Öffentlichkeit aufmerksam beobachtet (FAZ 3-1-94, 10) Es ist innerstaatlich nicht schlechthin automatisch und unmittelbar verbindlich, sondern wird als eine gegenüber dem innerstaatlichen Recht selbständige Rechtsordnung angesehen, so daß beide Ordnungen prinzipiell voneinander unabhängig sind und Konflikte zwischen ihnen entstehen können - auch wenn dieses dualistische Verständnis vielfach Abschwächungen erfahrt. (Hesse, 41-2)

Die Substitution mit wenn auch ist möglich, da es sich um typische wenn auch-Parameter handelt (170 von 210 Nebensätzen sind reduziert; 134 von 210 Gefügen haben eine limitative Bedeutung). So erklärt sich die Tatsache, daß die wenn awc/j-Konstruktionen in diesen Kontexten genauso "gut" - wenn nicht sogar "besser" - klingen. Wenden wir uns mm dem Konnektivpaar schon wenn/wenn schon zu. Wegen der geringen Belegzahl (3 bzw. 24 Beispiele) ist es schwieriger, klare Tendenzen im Gebrauch dieser beiden Konnektive auszumachen. Was den Verwendungsbereich betrifft, so stammen alle 3 Belege von schon wenn aus literarischen Texten; wenn schon findet sich 1-mal in Fach-, 15-mal in Literatur- und 8-mal in Pressetexten. Für die Stellung

226

des Nebensatzes ergibt sich folgendes Bild: Schon wenn hat 2 Belege in Voranstellung und 1 in Nachstellung, wenn schon 19 in Voran-, 1 in Zwischen- und 4 in Nachstellung. Keiner der schon wew7-Sätze weist ein verstärkendes Korrelat im Hauptsatz auf, bei wenn schon sind es 3 von 24. Bei den 2 vorangestellten schon wewj-Sätzen hat der folgende Hauptsatz "normale" VI-Stellung, von den 19 wenn sc/ion-Konstruktionen haben 17 VI- und 2 V2-Stellung. Wie man sehen kann, lassen sich aus den Daten für diese vier Faktoren kaum relevante Differenzen herleiten. Auffällige Unterscheidungsmerkmale ergeben sich jedoch bei den beiden anderen Faktoren. Untersuchen wir zunächst die Vollständigkeit des Nebensatzes (6.3). Alle drei durch schon wenn eingeleiteten Nebensätze sind vollständig, während von den 24 wenn sc/jow-Belegen 10 in einem reduzierten Nebensatz vorkommen. Diese Verteilung ist nicht zufällig. Betrachtet man nämlich sämtliche Konnektive, die nach dem Muster «Partikel + wenn» gebildet sind (auch wenn, selbst wenn, schon wenn, sogar wenn), so findet man in 578 von 584 Fällen einen vollständigen Nebensatz vor. Bei den Formationen «wenn + Partikel» (wenn auch, wenn schon, wenngleich) ist das Verhältnis umgekehrt: 205 Belege von 293 sind reduzierte Nebensätze. Ein weiterer Unterschied betrifft die Semantik der kodierten Konzessivrelation (6.7). Das Konnektiv schon wenn hat stets eine konditionale Bedeutung, während wenn schon 2 faktische, 19 indirekte und lediglich 3 konditionale Beispiele aufweist. Bei Nachstellung der Partikel zeigt wenn - wie schon in der Kombination wenn auch - einen höheren Grad der semantischen Verblassung. Wir können zusammenfassend festhalten, daß auch wenn und wenn auch sich in bezug auf fünf der sechs untersuchten Eigenschaften (Verwendungsbereich, Vollständigkeit des Nebensatzes, Stellung des Nebensatzes, Wortstellung im nachgestellten Hauptsatz, konzessive Semantik) unterschiedlich - wenn nicht sogar entgegengesetzt verhalten. Dem spiegelbildlichen Formationsprinzip dieser beiden Konnektive kann somit ein ikonischer Charakter zugeschrieben werden. Schon wenn und wenn schon zeigen Unterschiede in bezug auf zwei Faktoren (Vollständigkeit des Nebensatzes, konzessive Semantik). Weitere Tendenzen lassen sich aufgrund der geringen Belegzahl von schon wenn nur schwerlich erkennen.

6.9. Varianten desselben Konnektivs oder eigenständige Konnektive? Im folgenden soll untersucht werden, ob einige Bildungen Varianten desselben Konnektivs oder eigenständige Konnektive darstellen. Daß bei den spiegelbildlichen Formationen auch wenn/wenn auch und schon wenn/wenn schon unterschiedliche Konnektive vorliegen, hat bereits die unter 6.8 vorgenommene Gegenüberstellung gezeigt. Folgende drei Gruppen sollen nun in Betracht gezogen werden:

227 wenn auch / wenn.. .auch wenn schon / wenn ..schon auch wenn / auch dann, wenn / auch, wenn selbst wenn / selbst dann, wenn / selbst, wenn schon wenn / schon dann, wenn / schon, wenn sogar wenn / sogar dann, wenn / sogar, wenn so-Konstruktionen / so-Konstruktionen + auch und + Konj. / und + Konj. + auch

In der einschlägigen Literatur sind diese Konstruktionspaare bzw. -reihen stets als gleichwertige Varianten behandelt worden. Einzig bei Baschewa (1980:169) findet sich ein kurzer Hinweis auf einen Unterschied zwischen Formationen mit Kontaktbzw. Distanzstellung: Wenn auch komme sowohl in vollständigen als auch in reduzierten Sätzen vor, wenn...auch dagegen ausschließlich in vollständigen Sätzen. Aber auch Baschewa faßt die beiden Formen letztendlich zu einem einzigen Konnektiv zusammen. Prüfen wir nun anhand der vorliegenden Korpusdaten, ob es relevante Unterschiede innerhalb dieser drei Gruppen von jeweils "verwandten" Konstruktionen gibt. 1) «Wenn + Partikel»: Kontakt- vs. Distanzstellung. Als erste Gruppierung sollen die Formationen wenn (...) auch und wenn (...) schon behandelt werden. Folgende Tabelle gibt die Frequenz von wenn auch und wenn...auch in den drei Verwendungsbereichen des Korpus wieder (6.2): Tab . 61: wenn auch wenn...auch alle Konnektive

Fach. Lit. Presse gesamt 86 72 52 210 12 39 7 58 673 1002 559 2234

Es fallt auf, daß in Fachtexten wenn auch überdurchschnittlich vertreten ist, wenn...auch dagegen unterdurchschnittlich. Was die Vollständigkeit des Nebensatzes betrifft (6.3), so liegen folgende Daten vor: Tab. 62: wenn auch wenn...auch alle Konnektive

vollständig reduziert gesamt 40 170 210 57 1 58 1945 289 2234

Die Verteilung ist tendenziell komplementär : Bei wenn auch sind die reduzierten Sätze weit überdurchschnittlich vertreten, bei wenn...auch weit unterdurchschnittlich. Auch hinsichtlich der Stellung des Nebensatzes (6.4) zeigen die beiden Konnektive gegensätzliche Eigenschaften:

228 Tab. 63: vor wenn auch wenn...auch alle Konnektive

zwischen

15 26 671

nach

68 4 293

98 28 1211

Konst.

29 59

Das Konnektiv wenn auch ist durch eine überdurchschnittliche Frequenz in Zwischenstellung und durch eine unterdurchschnittliche in Anfangsposition gekennzeichnet. Bei wenn...auch ist die Tendenz umgekehrt: unterdurchschnittlich in Zwischenposition und überdurchschnittlich in Anfangsposition. Es ist außerdem zu vermerken, daß Strukturen auf Konstituentenebene lediglich durch wenn auch eingeleitet werden können. Folgende Tabelle gibt an, wie sich die beiden Konnektive in bezug auf das Vorhandensein eines verstärkenden Korrelats im Hauptsatz verhalten (6.5): Tab. 64: wenn auch wenn...auch alle Konnektive

,ia

nein

10 200 16 42 145 2089

gesamt

210 58 2234

In Gefugen mit wenn auch ist ein Verstärkungselement relativ selten zu finden, in denen mit wenn...auch hingegen sehr häufig. Unterschiede zeichnen sich ebenfalls bei der Wortstellung im nachfolgenden Hauptsatz ab (6.6): Tab. 65: VI wenn auch wenn...auch alle Konnektive

V2

1 14 5 21 118 553

gesamt

15 26 671

Bei wenn auch ist der Anteil der Hauptsätze mit VI-Stellung weit unterdurchschnittlich, bei wenn...auch dagegen leicht überdurchschnittlich. Betrachten wir abschließend die Korrelationen zu den drei wichtigsten Konzessivwerten: Tab. 66: faktisch indirekt konditional wenn auch wenn...auch alle Konnektive

37 31 1027

172 22 539

4 516

Wenn auch ist durch eine auffallend hohe Belegzahl von indirekten Konzessivwerten gekennzeichnet, während bei wenn...auch die Frequenz nur leicht überdurchschnittlich

229

ist. Außerdem kann wenn...auch - im Gegensatz zu wenn auch - einen konditionalen Konzessivwert annehmen. Halten wir also fest, daß wenn auch und wenn...auch für alle sechs untersuchten Faktoren unterschiedliche - wenn nicht sogar gegensätzliche - Eigenschaften zeigen. Es wäre deshalb grob vereinfachend, diese beiden Bildungen als Varianten ein und desselben Konnektivs gleichberechtigt nebeneinanderzustellen: Es handelt sich unverkennbar um zwei völlig eigenständige Konnektive. Zwischen den beiden Bildungen wenn schon in Kontaktstellung (24 Belege) und wenn...schon in Distanzstellung (29) lassen sich dagegen kaum Unterschiede feststellen. Wenn schon hat in den Bereichen Fach-, Literatur- und Pressesprache jeweils 1, 15 und 8 Belege, wenn...schon 1, 20 und 8. Was die Stellung des Nebensatzes angeht, so finden sich für wenn schon in Voran-, Zwischen und Nachstellung jeweils 19, 1 und 4 Beispiele, für wenn...schon 18, 8 und 3. Ein Verstärkungselement weisen 3 von 24 wenn schon-Sätzen und 4 von 29 wenn... schon-Gefügen auf. Bei 2 von 19 vorangestellten wenn schon-Sätzen erscheint im folgenden Hauptsatz V2-Stellung, bei wenn...schon beträgt der Anteil 1 von 18. Die Verteilung der kodierten Konzessivwerte ist vergleichbar: Wenn schon ist in faktischer, indirekter und konditionaler Bedeutung je 2-, 19- und 3-mal belegt, wenn...schon je 8-, 19- und 2-mal. Der einzige relevante Unterschied betrifft die Vollständigkeit des Nebensatzes: 10 der 24 wenn schon-Konstruktionen sind reduzierte Nebensätze, während wir bei wenn...schon ausschließlich vollständige Sätze mit finitem Verb vorfinden. Die beiden Bildungen können somit aufgrund eines insgesamt sehr ähnlichen Verhaltens durchaus als Varianten ein und desselben Konnektivs wenn (...) schon angesehen werden. 2) «Partikel (...) + wenn»; Haupt- vs. Nebensatz. Untersuchen wir nun eine zweite Gruppierung von verwandten wen/j-Konstruktionen. Es handelt sich um die Konnektive «Partikel + wenn» sowie um die beiden Konstruktionen «(Partikel + dann im HS) + wenn» und «Partikel im HS + wenn», bei denen die Partikel nicht mehr im Nebensatz, sondern im Hauptsatz auftritt. Es werden im folgenden nur die auch- und selbstFormationen in Betracht gezogen, da die schon- und sogar-Bildungen keine ausreichende Belegzahl (insgesamt jeweils 9 und 3) aufweisen, um signifikante Hinweise zu liefern. Was den Verwendungsbereich der einzelnen Konnektive betrifft, so ist festzustellen, daß auch (dann), wenn und selbst (dann), wenn - im Gegensatz zu auch wenn und selbst wenn - in Fachtexten überdurchschnittlich vertreten sind: 55

55

Wie wir unter 6.2 gesehen haben, handelt es sich dabei in erster Linie um rechtswissenschaftliche Texte.

230 Tab. 67: auch wenn auch dann, wenn auch, wenn selbst wenn selbst dann, wenn selbst, wenn alle Konnektive

Fach. Lit. Presse 137 168 104 63 6 20 5 22 1 61 12 1

82 4

28 2 1

673

1002

559

Die Konnektive auch wenn und selbst wenn können - wenn auch sehr selten - reduzierte Nebensätze einleiten (jeweils 2 von 409 und 4 von 171). Diese Konstruktionsmöglichkeit ist dagegen bei auch (dann), wenn und selbst (dann), wenn nicht gegeben (vgl. 6.3). Für die Stellung des Nebensatzes liegen folgende Daten vor (6.4): Tab. 68: auch wenn auch dann, wenn auch, wenn selbst wenn selbst dann, wenn selbst, wenn alle Konnektive

vor zwischen nach 119 250 40 1 2 86 1 27 99 2 2

18 2

54 14

671

293

1211

Während auch wenn bezüglich der Verteilung der Stellungsvarianten im Durchschnitt liegt und selbst wenn eine starke Bevorzugung der Anfangsposition zeigt, weisen auch (dann), wenn und selbst (dann), wenn eine überproportionale Dominanz der Nachstellung auf. Die einzigen Konnektive dieser Gruppierung, die ein Verstärkungselement im korrespondierenden Hauptsatz aufweisen, sind auch wenn (31 von 409) und selbst wenn (17 von 171). Alle anderen Formationen erscheinen im Korpus stets ohne Korrelat (vgl. 6.5). Auch wenn und selbst wenn sind ebenfalls die einzigen Formationen (vgl. 6.6), bei denen nach vorangestelltem Nebensatz im folgenden Hauptsatz eine V2-Stellung auftreten kann (jeweils 24 von 119 und 18 von 99). 56 Während auch (dann), wenn und selbst (dann), wenn ausschließlich konditionale Bedeutungen kodieren, können auch wenn und selbst wenn darüber hinaus andere Konzessivwerte annehmen (s. 6.7): 56

Von zwei isolierten V2-Belegen mit selbst, wenn kann abgesehen werden.

231 Tab. 69: auch wenn selbst wenn alle Konnektive

faktisch indirekt konditional skalar 184 98 123 4 22 9 139 1 1027 539 516 152

Es ist somit deutlich geworden, daß die Konnektive «Partikel + wenn» auf der einen Seite sich von «(Partikel + dann im HS) + wenn» und «Partikel im HS + wenn» auf der anderen Seite grundlegend unterscheiden. Ersteres Bildungsmuster ergibt eigenständige Konnektive, während letztere beiden Muster als Varianten ein und derselben Konstruktion aufgefaßt werden können (wobei «Partikel im HS + wenn» die zahlenmäßig seltenere Variante darstellt). 3) So-Amd-Konstruktionen: Vorhanden- bzw. Nichtvorhandensein von auch. Wenden wir uns zunächst den so-Konstruktionen zu, die ohne verstärkendes auch (68 Belege) bzw. mit auch auftreten können (34). 57 Es soll der Frage nachgegangen werden, ob der Zusatz von auch semantisch-syntaktische Unterschiede mit sich bringt. Einfache io-Konstruktionen ohne auch weisen in den drei Verwendungsbereichen Fach-, Literatur- und Pressesprache jeweils 15, 38 und 15 Belege auf; bei den Konstruktionen mit auch sind es 10, 14 und 10. Beide Strukturen erscheinen nur als vollständige Nebensätze. Sätze ohne auch sind in Voran-, Zwischen- und Nachstellung jeweils 37-, 16- und 15-mal belegt, Sätze mit auch jeweils 20-, 4- und 10-mal. Ein Verstärkungselement im Hauptsatz weisen 8 von 68 einfachen und 3 von 34 verstärkten Konstruktionen auf. Im nachfolgenden Hauptsatz haben 18 von 37 einfachen und 12 von 20 verstärkten Konstruktionen eine V2-Stellung. Beide Strukturen kodieren ausschließlich skalare Konzessivwerte. Bei den sechs untersuchten Eigenschaften gibt es - wenn überhaupt - lediglich minimale quantitative Abweichungen in der jeweiligen Distribution der Belege. Demnach kann man die Konstruktionen mit bzw. ohne auch als Varianten ein und desselben Strukturtypus ansehen. Bei den ««(¿-Konstruktionen scheint es ebenfalls keine wesentlichen Unterschiede zwischen einfachen (26 Belege) und verstärkten Strukturen (3) zu geben. Beide Konstruktionen erscheinen nur als vollständige Sätze, sind allein in Zwischen- und Nachstellung belegt. Die jeweiligen Hauptsätze weisen nie ein Verstärkungsmittel oder eine V2-Stellung auf. Beide Strukturen kodieren fast ausschließlich konditionale Konzessivwerte. Die einzige Differenz liegt in der Verteilung auf die verschiedenen Verwendungsbereiche: Einfache Konstruktionen sind in Fach-, Literatur- und Pressetexten jeweils 1-, 17- und 8-mal belegt, verstärkte Konstruktionen 1-mal in der Fach- und 2-mal in der Pressesprache. Meines Erachtens ist diese Abweichung jedoch nicht ausreichend, um zwei eigenständige Konnektive zu postulieren. Zusammenfassend können wir folgende Konnektive bzw. Varianten annehmen: 57

Hier unterscheide ich nicht weiter zwischen den "einteiligen" Strukturen «so + Adj./Adv. (+ auch)» und den "komparativen" Strukturen «so + Adj./Adv. (+ auch), so + Adj./Adv ».

232 1. unterschiedliche Konnektive: Vi. wenn auch Vi. auch wenn Vi. selbst wenn

wenn...auch auch (dann), wenn selbst (dann), wenn

2. Konnektive mit geringfügig voneinander abweichenden Varianten: wenn (...) schon auch (dann), wenn selbst (dann), wenn so-Konstruktionen (+ auch) und + Konj. (+ auch)

7. Überblick über die konzessiven Konstruktionen im Italienischen Dieses Kapitel soll einen Überblick über die wichtigsten konzessiven Strukturen der italienischen Gegenwartssprache verschaffen. Dabei werden - wie schon für das Deutsche - hypotaktische (7.1), parataktische (7.2) und präpositionale Konstruktionen (7.3) berücksichtigt. Es folgt ein zahlenmäßiger Vergleich der drei Konstruktionstypen (7.4).

7.1. Hypotaktische Konstruktionen Grundlegende Aspekte der hypotaktischen Konstruktionen des Italienischen werden im anschließenden Kapitel 8 vertieft. An dieser Stelle soll zunächst eine Übersicht über die wichtigsten primär konzessiven Konnektive gegeben werden (7.1.1). Das Bild wird abgerundet durch eine kurze Behandlung deijenigen Strukturen, die auf einen peripheren Konzessivwert beschränkt sind (7.1.2) oder die lediglich in bestimmten Kontexten eine konzessive Interpretation erfahren können (7.1.3).

7.1.1. Die wichtigsten konzessiven Konnektive Betrachten wir einleitend eine provisorische, alphabetisch geordnete Liste von Konnektiven, die als konzessive Konjunktionen fungieren können: A. anche anche quando anche se ancorché benché con tanto che con tutto che malgrado (che) manco neanche

nemmeno neppure nonostante (che) per quanto per...che perfino/persino quando pur pur senza pure pure se / pur se

pure quando quand'anche / quando anche quando pure quantunque se anche se pure / se pur sebbene seppure / seppur sia pure / sia pur

Zu den konzessiven Konnektiven kann man auch folgende konjunktionale Wortgruppen zählen: B. a dispetto del fatto che ad onta del fatto che a costo di a rischio di

234 Des weiteren sind Gelegenheitsbildungen auf konditionaler (C) und temporaler Basis (D) zu verzeichnen: C. anche / pure qualora, nel caso che, nell'ipotesi che, a patto che, a condizione che, posto che, supposto che usw. addirittura / perfino / persino se, qualora, nel caso che usw. D. anche / pure mentre, prima che, dopo che usw. addirittura / perfino / persino mentre usw.

Es lassen sich aufgrund der morphologisch-etymologischen Zusammensetzung der unter (A) und (B) aufgelisteten Konnektive sieben Gruppen unterscheiden. 1 Die Mehrzahl der Konnektive enthält ein semantisch gewichtiges Element: 1) konditionales Element (se) 2) hindemd-oppositives Element (ostante, malgrado, dispetto, onta, costo, rischio) 3) quantitatives Element (quanto, tanto, tutto, per) 4) temporales Element (quando, ancora) 5) existentielles Element (sia)

Als semantisch gewichtiges Element können Konjunktionen (se, quando), Adverbien (ancora), Adjektive (quanto, tanto, tutto), Substantive (malgrado, dispetto, onta, costo, rischiò), Präpositionen (per) oder Verbformen (der Konjunktiv sia, das Partizip ostante) fungieren. Auf die (ursprüngliche) Bedeutung dieser Elemente wird weiter unten eingegangen (7.1.1.1-7.1.1.5). Andere Konnektive bestehen ausschließlich aus einem Verstärkungselement oder aus der Verbindung von einem Verstärkungselement mit einer bedeutungsleeren Konjunktion wie che ('daß'): 6) allgemeines Verstärkungselement (bene, pure/pur, anche)

Was die Semantik der Verstärkungselemente betrifft, so haben anche und pure additive Bedeutung ('auch'), bene drückt Zustimmung aus ('wohl'), perfino/persino steigernde Hervorhebung ('sogar'). Eingebunden in konzessive Konnektive sind diese Elemente jedoch weitgehend inhaltsleer. Wie aus der Liste (A) ersichtlich ist, enthalten die Konnektive der Gruppen (1), (4) und (5) außer dem semantisch gewichtigen Element meist noch ein Verstärkungselement. Die Konnektive mit einem hindernd-oppositiven (2) oder einem quantitativen Element (3) lassen hingegen in der Regel keinen verstärkenden Zusatz zu. Eine letzte Gruppe bilden die Konnektive, die ein negatives Element einschließen: 7) negatives Element (né, manco, senza)

Ein Klassifikationsversuch nach morphologischen Kriterien findet sich bei Moretti (1983). Die Einteilung ist jedoch gänzlich unsystematisch. Außerdem erweist es sich als verwirrend, daß zahlreiche nichtkonzessive Konnektive miteinbezogen werden.

235

Betrachten wir nun im einzelnen jede dieser sieben Untergruppen.

7.1.1.1. Konditionales Element Eine erste Gruppe von Konnektiven basiert auf einem konditionalen Element (meist se 'wenn, falls'): anche se se anche pure se / pur se se pure / se pur seppure / seppur sebbene anche / pure + konditionales Konnektiv (qualora, nel caso che usw.) perfino / persino / addirittura + konditionales Konnektiv

Das konditionale Element erscheint stets in Kombination mit einer verstärkenden Partikel. Es ist dieser Zusatz, der das konzessive Konnektiv von dem jeweiligen konditionalen unterscheidet. Als Verstärkungselemente kommen in erster Linie anche und pure in Frage. Die Partikel anche kann se voran- oder nachgestellt sein (anche se, se anche):1 (1) (2)

Sama volle pagare anche se le elezioni erano lontane. (La Stampa 2-12-93, 3) [Sama wollte zahlen, obwohl die Wahlen noch in weiter Feme lagen. ] Le avevo detto: se anche i lupi escono dappertutto lì non potranno uscire, c'è un esercito grandissimo pronto a combattere solo per questo. (Tamaro, 163) [Ich hatte ihr gesagt: Auch wenn die Wölfe allerorts hervorkommen, dort werden sie nicht hervorkommen können, ein riesengroßes Heer steht eigens dazu bereit, sie zu bekämpfen.]

Während se anche in den meisten Fällen eine konditionale Bedeutung hat, kann anche se - wie aus Beispiel (1) ersichtlich ist - des öfteren auch einen faktischen KonzessivDie italienischen Beispiele werden von mir jeweils mit einer deutschen Übersetzung versehen. Die Transposition der Konzessivkonnektive erweist sich dabei als besonders komplexes Unterfangen. Da der Problemkreis der Übersetzbarkeit konzessiver Satzstrukturen bewußt aus dieser Arbeit ausgeklammert wurde, wäre es zwar naheliegend, in den deutschen Sätzen einen allgemeinen metalinguistischen Platzhalter wie z.B. KON ('Konnektiv') zu verwenden. Die Verständlichkeit der Beispiele würde jedoch stark darunter leiden. So will ich im folgenden versuchen, von Fall zu Fall diejenigen deutschen Konnektive zu wählen, die im gegebenen Kontext der Syntax, Semantik und Stilistik der italienischen Formen am ehesten entsprechen dürften. Demnach kann es durchaus vorkommen, daß für ein einziges Ausgangskonnektiv unterschiedliche "Übersetzungen" gegeben werden oder daß ein und dieselbe "Übersetzung" in Zusammenhang mit mehreren Ausgangskonnektiven auftritt. Es sei ferner darauf hingewiesen, daß die Struktur der jeweiligen italienischen Satzgefüge (im besonderen die Reihenfolge bzw. Verschachtelung der Teilsätze) aus Gründen der Vergleichbarkeit weitgehend im Deutschen beibehalten wird - auch dann, wenn sie ein wenig schwerfallig wirken könnte.

236 wert kodieren. Es zeigt sich hier die semantische Verblassung des konditionalen Elements. Für die Kombinationen mit pure gibt es ebenfalls zwei Stellungsvarianten {seppure I se pure, pure se) } (3)

(4) a b

(5) a

b

In questo contesto, anche l'occupazione tornerebbe a crescere, seppure a tassi molto contenuti. (Fazio, 74) [In diesem Zusammenhang würde auch die Beschäftigung wieder ansteigen, wenn auch mit sehr bescheidenen Zuwachsraten. ] "Se pure fosse così, cosa vuole che mi interessi?" (Siciliano, 21 ) [ "Selbst wenn es so wäre, was - glauben Sie - interessiert mich das? "] È bastata una vittoria, se pure di stretta misura, del cosiddetto polo progressista, per scatenare la reazione della destra, com'era prevedibile. (La Stampa 11-12-93, 1) [Es hat ein - wenn auch knapper - Sieg des sogenannten progressiven Pols genügt, um die Reaktion der Rechten auszulösen, wie zu erwarten war.] "Mi raccomando, Paolo, pure se dicono qualche frase che non ti piace, se stasera fanno qualcosa che non va, lascia perdere, passaci sopra...", mi aveva avvertito papà durante il tragitto. (Onofri, 101) ["Bitte, Paolo, selbst wenn sie etwas sagen, was dir nicht gefällt, wenn sie heute abend etwas falsch machen, laß es bloß gut sein, sieh darüber hinweg... ", hatte mich Vater während der Fahrt ermahnt. ] E la perfezione che mi entusiasma; ma patisco l'angoscia del vuoto, pure se ne amo, ne ricerco gli effetti. (Siciliano, 256) [Es ist die Perfektion, die mich in Begeisterung versetzt; aber ich leide unter der Angst vor der Leere, auch wenn ich ihre Auswirkungen liebe, sie suche. ]

Die Beispiele (3), (4b) und (5b) zeigen, daß seppure, se pure und pure se durchaus nichtkonditionale Konzessivweite kodieren können. Bei seppure wird der höhere Grad der Grammatikalisierung orthographisch durch Zusammenschreibimg signalisiert. Neben anche und pure gibt es ein weiteres Verstärkungselement: bene. Die einzig mögliche Kombination ist durch das nur in Zusammenschreibung belegte Konnektiv sebbene gegeben: (6)

Va infine osservato che, sebbene l'art. 42 contempli azioni di carattere essenzialmente militare, ad esse si possono ricollegare anche misure di altro genere. (Capotarti, 269) [Es sei schließlich vermerkt, daß - obwohl Art. 42 Aktionen vorsieht, die im wesentlichen militärischen Charakter haben - diese auch mit andersartigen Maßnahmen verbunden werden können. ]

Sebbene kann nie eine konditionale Bedeutung annehmen. Die semantische Verblassung des konditionalen Elements se hat somit ihren Endpunkt erreicht.

Belegt sind außerdem die Schreibweisen seppur, se pur, pur se. Unter 8.9 werde ich der Frage nachgehen, ob semantisch-syntaktische Unterschiede zwischen den jeweiligen Formationen mit pure und pur vorliegen.

237 Es sei noch darauf hingewiesen, daß anche und pure mit beliebigen konditionalen Konnektiven wie nel caso che 'im Falle, daß', qualora 'falls' oder ove 'falls' Gelegenheitsbildungen eingehen können: (7)

(8)

(9)

Il terzo delegato non è logicamente obbligato ad accettare l'incarico di pagare al creditore delegatario, e questo anche nel caso che il terzo delegato fosse a sua volta debitore del delegante, art. 1269, comma 2. (Bessone, 478) [Der dritte Bevollmächtigte ist folgerichtig nicht dazu verpflichtet, den Zahlungsauftrag an den ermächtigenden Gläubiger zu übernehmen, und dies auch in dem Falle, daß der dritte Bevollmächtigte seinerseits Schuldner des Ermächtigenden ist (Art. 1269, Abs. 2).\ "Se il suo grafico gli impone di bloccare la crescita della moneta, egli lo fa anche qualora ciò provochi un milione di disoccupati". (La Stampa 9-12-93, 27) ["Wenn sein Diagramm ihm auferlegt, den Geldmengenzuwachs zu blockieren, so tut er das auch dann, wenn dies eine Million Arbeitslose verursacht. "] La seconda quasi certezza è che i 100 miliardi che il presidente Demattè chiede al governo per risanare i conti e rassicurare le banche, ove pure fossero concessi - e non tira buona aria - , non servirebbero assolutamente a nulla. (La Stampa 3-12-93, 1) \Es ist zweitens auch fast sicher, daß die 100 Milliarden, die Präsident Demattè von der Regierung fordert, um die Bilanzen zu sanieren und die Banken zu beruhigen - selbst wenn sie bewilligt würden (und die Chancen stehen schlecht) -, absolut nichts nützen würden.]

Die durch dieses produktive Bildungsmuster entstandenen Konzessivkonnektive haben ausschließlich konditionale Bedeutung. Die semantische Eigenständigkeit der beiden Elemente bleibt bewahrt. Adverbien wie perfino, persino oder addirittura ('sogar') können sich im Prinzip mit se oder anderen konditionalen Konnektiven verbinden. Derartige Bildungen sind jedoch im Korpus nicht belegt. Die kodierte Konzessivrelation ist stets konditional: (10) (11)

Si mette a ridere addirittura se è triste. [Er/sie fängt an zu lachen, sogar wenn er/sie traurig ist. ] Perfino nel caso che vada di fretta mangia un pasto completo. [Sogar im Falle, daß er/sie es eilig hat, nimmt er/sie eine vollständige Mahlzeit zu sich. ]

Es sei abschließend erwähnt, daß ein einfaches se ohne Verstärkungselement nur in Ausnahmefällen eine Konzessivbeziehung ausdrücken kann (7.1.3).

7.1.1.2. Hindernd-oppositives Element Folgende Konnektive basieren im Italienischen auf einem hindernd-oppositiven Element: nonostante (che) malgrado (che) a dispetto del fatto che ad onta del fatto che

238 a costo di a rischio di

Das Konnektìv nonostante ist in der Gegenwartssprache ausschließlich in Zusammenschreibung belegt. Es ist zusammengesetzt aus der Negation non und dem Partizip Präsens des Verbs ostare 'hinderlich sein'. 4 Das Konnektiv tritt in zwei Varianten auf (nonostante und nonostante che): (12)

(13)

Ma ora friggeva le melanzane, se ne diffondeva l'odore nonostante le finestre rimanessero aperte. (Mannuzzu, 213) [Aber nun briet sie die Auberginen, der Geruch davon verbreitete sich, obgleich die Fenster offen blieben.] L'atto di nascita può attribuire definitivamente lo stato di filiazione legittima, nonostante che il padre sia persona diversa dal marito della madre, quando il figlio sia nato dopo il matrimonio della madre e non venga tempestivamente esercitata l'azione di disconoscimento. (Bessone, 200) [Die Geburtsurkunde kann endgültig den Status der Ehelichkeit zuweisen - obwohl der Vater nicht der Ehemann der Mutter ist -, wenn der Sohn nach der Eheschließung der Mutter geboren ist und nicht rechtzeitig Klage zur Aberkennung der Vaterschaft eingereicht wird. ]

Das Konzessivkonnektiv malgrado ist etymologisch auf das Substantiv malgrado 'Abneigung, Widerwillen' zurückzufuhren. Auch hier ist der Zusatz des subordinierenden che möglich (im Korpus finden sich dafür allerdings keine Belege): (14)

Per riprendersi, ebbe bisogno di alcuni minuti: e poi la sera, malgrado fosse stanchissima, faticò ad addormentarsi. (Sereni, 282) [Um sich zu erholen brauchte sie einige Minuten: Und dann am Abend, obwohl sie sehr müde war, fiel ihr das Einschlafen schwer.]

Selten treten die konjunktionalen Wortgruppen a dispetto del fatto che und ad onta del fatto che auf.5 Im Korpus sind sie nicht belegt: (15)

Ha pagato il conto a dispetto del fatto / ad onta del fatto che non gli toccasse [Er hat die Rechnung bezahlt trotz der Tatsache / ungeachtet der Tatsache, daß es nicht seine Angelegenheit war. ]

Sätze mit a costo di 'um den Preis' und a rischio di 'auf die Gefahr' weisen - wie schon die deutschen Entsprechungen - indirekt auf ein Hemmnis hin: (16)

Tra una settimana c'è la maratona e io arriverò fino in fondo a costo di trascinarmi con le unghie. (Lodoli, 66)

Lehmann (1995:104) geht kurz auf die Etymologie von nonostante ein und weist darauf hin, daß die Entwicklung von einer partizipialen Verbalform zu einem Konnektiv einem allgemein verbreiteten Grammatikalisierungsmuster entspricht. Dispetto hatte ursprünglich die Bedeutung 'Verachtung', onta wurde im Sinne von 'Beleidigung' verwendet.

239

(17)

[In einer Woche findet der Marathonlauf statt, und ich -werde bis zu Ende durchhalten, auch um den Preis, auf allen vieren kriechen zu müssen.] Pubblico volentieri questa lettera, perché è vero che l'argomento non è nuovo, ma vale la pena di ricordarlo anche a rischio di risultar monotoni e scoccianti. (La Stampa 12-12-93, 18)

[Diesen Brief veröffentliche ich gerne, weil es zwar wahr ist, daß das Argument nicht neu ist, doch lohnt es sich, daran zu erinnern, auch auf die Gefahr hin, eintönig und lästig zu wirken. ]

Bis auf diese letzten beiden Konnektive können die Konjunktionen der hinderndoppositiven Gruppe keine Verbindung mit einem Verstärkungsmittel (wie z.B. anche oder pure) eingehen. Darin gleichen sie den deutschen Entsprechungen.

7.1.1.3. Quantitatives Element Eine dritte Gruppe von konzessiven Konnektiven basiert auf quantitativen Elementen wie quanto ('wieviel, soviel'), tanto ('viel') und tutto ('all'): quantunque per quanto per. ..che con tanto che con tutto che

Der Baustein quanto ist in der Konjunktion quantunque enthalten, die mit Hilfe des verallgemeinernden Suffixes -unque ('auch immer') gebildet ist. Die semantische Verblassung von quanto ist so weit fortgeschritten, daß quantunque keinen skalaren Wert mehr kodieren kann. Eine Substitution mit faktischen Konnektiven wie sebbene oder benché ist jederzeit möglich: (18)

Dal soddisfacimento congiunto delle quattro condizioni precedenti discende che, quantunque si parli di concorrenza perfetta, in effetti non vi è rivalità fra gli offerenti. (Cozzi/Zamagni, 90) |Aus der gleichzeitigen Erfüllung der vier vorangegangenen Bedingungen folgt, daß wiewohl man von echtem Wettbewerb spricht - in Wirklichkeit keine Rivalität zwischen den Anbietern herrscht.]

Bei dem Konnektiv per quanto (per im Sinne von 'für') ist die Verblassung von quanto erst teilweise erfolgt. In manchen Kontexten ist eine quantitative Gradation noch klar erkennbar: (19)

Ma per quanto strano potesse apparire tra di loro continuava a esistere un accordo, un accordo costruito in anni di vita intorno a quel posto mai occupato. (Petri, 27) [Aber so seltsam es erscheinen mochte, zwischen ihnen gab es weiterhin ein Übereinkommen, ein Übereinkommen, das in Jahren des Lebens rings um jenen nie eingenommenen Platz geschaffen worden war. ]

240 Sie ist besonders auffällig, wenn per quanto mit einem Substantiv in Kombination tritt und flektiert wird. So finden wir die Formen per quanta, per quanti, per quante: (20)

(21)

(22)

E vuole sempre coinvolgerti, e lo sai quanto riesce a essere contagioso. Riesce a togliere significato a qualsiasi cosa stai facendo, te la & vedere da un milione di chilometri di distanza, per quanta energia o speranza puoi averci investito. (De Carlo, 336) [Und er will dich immer mit hineinziehen, und du weißt, wie ansteckend er wirken kann. Er schafft es, all deinem Handeln den Sinn zu nehmen, er zeigt es dir aus einer Million Kilometer Entfernung, wieviel Energie oder Hoffnung du auch dabei investiert haben magst. ] Ebbene, siffatta ricerca, per quanti pregi possa avere, non varrà ad esaurire l'oggetto dello studio essendo essenzialmente diretta ad esaminarne i profili teorico-sistematici. (Martines, 80-1) [Nun gut, eine derartige Studie, so viele Vorzüge sie auch haben mag, wird den Untersuchungsgegenstand nicht erschöpfend behandeln können, da sie im wesentlichen darauf abzielt, dessen theoretisch-systematische Profile zu erforschen. ] La causa dell'indemoniamento non fu mai accertata, per quante supposizioni si facessero [...]. (Vassalli, 64) [Die Ursache der Besessenheit wurde nie ermittelt, so viele Vermutungen auch angestellt wurden. ]

In anderen Kontexten hingegen ist eine skalare Bedeutung ausgeschlossen. Dies ist beispielsweise der Fall, wenn der Nebensatz eine Negation enthält (23), einen quantitativen Ausdruck (24) oder ein nichtgraduierbares Element (25): (23)

(24)

(25)

E desidero allontanarmi; per quanto in sere come queste non sia facile trovare un locale aperto. (Mannuzzu, 165) [Und ich möchte fortgehen; auch wenn es an Abenden wie diesem nicht leicht ist, ein geöffnetes Lokal zu finden. ] Per quanto il giornalismo in Italia abbia fatto passi giganteschi in questi ultimi anni, non esiste ancora un giornale che faccia viaggiare senza l'obbligo di scrivere. (La Stampa 7-1293, 1) [Obwohl der Journalismus in Italien riesige Fortschritte in diesen letzten Jahren gemacht hat, gibt es noch keine Zeitung, die reisen läßt, ohne daß eine Verpflichtung zum Schreiben besteht.] Per quanto l'art. 536 menzioni soltanto gli ascendenti legittimi si ritiene che la riserva sia a favore anche degli ascendenti naturali. (Bessone, 263) [Obwohl Art. 536 einzig die ehelichen Verwandten in aufsteigender Linie erwähnt, ist man der Auffassung, daß das Sonderrecht gleichfalls die unehelichen Verwandten betrifft]

Die polyfunktionale Präposition per, die u.a. eine quantitative Ausdehnung bezeichnet, kann zusammen mit einem graduierbaren Adjektiv oder Adverb das konzessive Konnektivper...che bilden:6

Die Konstruktion per. ..che ist im vorliegenden Korpus lediglich in den Ausdrücken per bene/male che vada, per. . . che sia und per poco che belegt und hat somit weitgehend formelhaften Charakter. Das Element per kann in den Wendungen per bene/male che vada ausgelassen werden.

241 (26)

Qualsiasi corpo, per piccolo che sia, si può sempre dividere in nuove parti, senza mai arrivare alla fine della sua divisione. (Eco, 157) [Jedweder Körper, wie klein er auch sei, kann stets in neue Teile aufgeteilt werden, ohne jemals bis ans Ende seiner Aufteilung zu kommen. ]

Die Elemente tanto und quanto treten in den Konnektiven con tanto che und con tutto che auf (con 'mit, bei'). Ihre quantitative Bedeutung ist jedoch fast gänzlich verblaßt. Die beiden Verbindungen finden sich hauptsächlich in der gesprochenen Sprache (im Korpus ist lediglich con tutto che belegt): (27)

Scendiamo con leggerezza, con tutto che la costa non è di facile appiglio, sparsa d'erbe selvagge, traditora. (Bufalino, 128) [Wir steigen mit Leichtigkeit hinunter, obwohl die Küste keinen einfachen Griff bietet, von wildem Kraut überwachsen, trügerisch. ]

Es sei noch darauf hingewiesen, daß die Konnektive dieser Gruppe nicht mit einem Verstärkungselement kombiniert werden können. Die quantitativen Konnektive lassen sich auf einem Kontinuum der semantischen Verblassung und Grammatikalisierung einordnen. Die beiden Pole sind durch quantunque (nie skalar; das quantitative Element ist im Konnektiv verschmolzen) und per quanto/a/i/e (stets skalar; das quantitative Element beweist seine Eigenständigkeit durch Flexion) gegeben. Dazu folgendes Schema: (i)

nicht-skalar

skalar

|

quantunque

1

con tanto/tutto che

per quanto

per. .. che

per quanto/a/e/i

7.1.1.4. Temporales Element Eine weitere Gruppe von Konnektiven beruht auf einem temporalen Element. Bei den grammatikalisierten, festen Verbindungen handelt es sich dabei um die Konjunktion quando und das Adverb ancora: quand'anche / quando anche quando pure anche quando pure quando perfino/persino quando ancorché anche / pure + temporales Konnektiv (mentre, prima che, dopo che usw.) perfino / persino / addirittura + temporales Konnektiv

Die Konjunktion quando hat zwei Bedeutungsvarianten, eine primäre temporale (im Sinne von 'als') und eine sekundäre konditionale (im Sinne von 'falls'). Durch die

242

Kombination mit anche entsteht das konzessive Konnektiv quand'anche, das auch in Getrenntschreibung belegt ist (quando anche). Die Bedeutung ist stets konzessivkonditional: (28)

(29)

Mai l'Ottoboni sarebbe riuscito a visitare tutte le prelature che gli erano state assegnate quand'anche avesse deciso di passare gli anni della sua vita in mare o sulle strade polverose d'Europa. (Malerba, 32) [Nie hätte Ottoboni es geschafft, alle ihm zugeteilten Prälaturen zu besuchen, selbst wenn er sich entschieden hätte, die Jahre seines Lebens auf See oder auf den staubigen Straßen Europas zu verbringen. ] Ho creduto, per quel che riguardava il sionismo, di considerare la materia come decisa, non più disputabile, sulla quale, naturalmente, ciascuno di noi aveva la sua opinione e quando anche queste opinioni sono venute a contatto è stato sempre nel campo delle idee e non in quello delle rispettive posizioni personali... (Sereni, 164) [Ich habe geglaubt, was den Zionismus betraf, die Frage als bereits entschieden betrachten zu können, als unstrittig, bezüglich derer jeder von uns natürlich seine eigene Meinung hatte, und selbst wenn diese Meinungen aneinandergerieten, es war immer im Bereich der Ideen und nicht in dem der jeweiligen persönlichen Standpunkte... ]

Vergleichbar ist die Semantik der Verbindung quando pure. Dieses äußerst seltene Konnektiv kommt im Korpus nicht vor: (30)

Quando pure lo volesse, non ce la farebbe mai. [Und wenn er es wollte, er würde es nie schaffen. ]

Anders ist der Fall von anche quando und pure quando. In einigen Beispielen finden wir eine konzessiv-konditionale Bedeutung ('auch im Falle, daß'): (31) a Questa analisi permette anche di spiegare le preoccupazioni degli imprenditori, che sanno quanto sia difficile far togliere un'imposta, anche quando la ragione per cui era stata introdotta è passata da tempo. (Bresso, 225) [Diese Analyse ermöglicht ferner, die Befürchtungen der Unternehmer zu erklären, die wissen, wie schwierig es ist, eine Steuer abzuschaffen, auch wenn der für ihre Einfuhrung maßgebliche Grund schon lange nicht mehr existiert. ] b E dunque tutti i cittadini, nessuno escluso, non possono rifiutarsi di osservare le leggi, anche quando queste siano, in ipotesi, costituzionalmente illegittime (il giudizio sulla incostituzionalità delle leggi spettando soltanto alla Corte costituzionale) o siano ritenute ingiuste o inique. (Martines, 91) [Und daher können sich die Bürger, keiner ausgenommen, nicht weigern, die Gesetze zu befolgen, auch wenn diese - nehmen wir es einmal an - verfassungsmäßig unzulässig sein sollten (die Beurteilung der Verfassungswidrigkeit der Gesetze steht allein dem Verfassungsgericht zu) oder als ungerecht bzw. unbillig betrachtet werden sollten. ] (32) "E la bambina non voluta se ne va all'altro mondo... ma questi sono signori e le femmine se le tengono pure quando sono troppe. . ." (Maraini, 38) [ "Und das nichtgewollte kleine Mädchen geht ins Jenseits ein... aber das sind feine Herrschaften, und Mädels behalten sie auch, wenn es zu viele sind... "]

In Satz (31b) wird der konditionale Sinn sowohl durch den lexikalischen Zusatz in ipotesi als auch durch den Konjunktiv im Nebensatz verdeutlicht (vgl. unten 8.6).

243

Anche quando kann des weiteren eine faktische Konzessivrelation ausdrücken.7 Das Konnektiv ist hier primär temporal ('auch als') und kann lediglich durch Implikatur eine konzessive Interpretation erfahren. Voraussetzung dafür ist, daß ein offenkundiger Kontrast bereits durch den Kontext gegeben ist: (33)

Ma tra i mille problemi, il fratellastro l'ha aiutato. Ancora. Anche quando il bambino, a fine novembre, pochi giorni prima dell'ultima visita dei carabinieri, si era allontanato di casa. (La Stampa 9-12-93, 13) [Aber bei all den Problemen hat sein Stießruder ihm geholfen. Nochmals. Auch als das Kind Ende November, wenige Tage vor der letzten Visite der Carabinieri, von zu Hause fortgegangen war. ]

Wo solch ein Gegensatz fehlt, hat anche einen rein additiven Charakter. Anche quando drückt dann nichts anderes als die Gleichzeitigkeit zweier Zustände aus: (34) a Gli ho detto "La cena è andata bene, e anche quando siamo usciti eravamo di ottimo umore, anche quando siamo arrivati a casa sua. Ma poi di colpo senza nessuna ragione apparente lei si è messa a piangere". (De Carlo, 207) [Ich habe ihm gesagt: "Das Abendessen ist gut verlaufen, und auch als wir gegangen sind, waren wir bester Laune, auch als wir bei ihr zu Hause angekommen sind. Aber dann ist sie schlagartig ohne ersichtlichen Grund angefangen zu weinen. "] b Questi erano i miei pensieri anche quando venni restituito alla camera che avevo presso il maresciallo Prunas. (Mannuzzu, 62) [Das waren meine Gedanken, auch als ich in das Zimmer zurückkehrte, das ich beim Polizeimeister Prunas hatte. ]

Es ist somit schwierig zu bestimmen, ob anche quando zu den Konzessivkonnektiven in engerem Sinne zählen kann oder nicht. Manche Studien fuhren anche quando auf (Herczeg 1976b, Moretti 1983, Elgenius 1991), andere schließen es hingegen aus der Untersuchung aus (Mazzoleni 1991). Keiner dieser Autoren liefert jedoch eine Begründung für die jeweilige Entscheidung. Auf jeden Fall kann festgehalten werden, daß die mitunter auch rein temporalen Konnektive anche quando und pure quando sich deutlich unterscheiden von den spiegelbildlichen Formationen quando anche und quando pure, die stets eindeutig konzessiv sind (in konditionalem Sinne). Vergleichbar mit anche!pure quando ist die Semantik von perfinotpersino quando: (35) a Non so se la natura sia stata particolarmente benevola in questi anni nei suoi riguardi, ma certamente allora aveva il volto pallido, il corpo magro, i gesti lenti, e sembrava serioso perfino quando rìdeva, cosa che peraltro succedeva assai raramente. (Malerba, 96-7) [Ich weiß nicht, ob die Natur ihm gegenüber in diesen Jahren besonders wohlwollend war, aber sicherlich hatte er damals ein blasses Gesicht, einen mageren Körper, langsame Gesten, und er erschien ernsthaft, sogar wenn er lachte, was im übrigen äußerst selten vorkam. ] b Per me [la preghiera] è una necessità persino quando ballo. (La Stampa 14-12-93, 17) [Für mich ist es [das Gebet] eine Notwendigkeit, sogar wenn ich tanze.] Der einzige Beleg von pure quando ist konzessiv-konditional.

244 Die Partikeln anche und pure können beide im Prinzip mit einer beliebigen temporalen Konjunktion Gelegenheitsverbindungen eingehen. Im Korpus belegt sind jedoch ausschließlich Kombinationen mit anche : (36)

(37)

Anche dopo che si sia verificata una causa di scioglimento, ciascuno dei coniugi non potrà legittimamente disporre della propria quota di comunione in riferimento ad un singolo bene se questo non gli venga prima assegnato per effetto della divisione. (Bessone, 183) [Auch nachdem ein Ehescheidungsprozeß stattgefunden hat, kann einer der Ehepartner rechtmäßig über seinen Besitzanteil an einem bestimmten Gut nur dann verfügen, wenn dieses ihm zuvor infolge der Trennung zugesprochen worden ist.] Parte di questi discorsi li avevo già trovati nei suoi romanzi; anche mentre leggevo non ero riuscito a capire quanto fossero paradossali o allegorici e quanto ci credesse davvero. (De Carlo, 175) [Teile dieser Gedankengänge hatte ich bereits in seinen Romanen gefunden; auch während ich las, hatte ich nicht erkennen können, wie paradox oder allegorisch sie waren und in welchem Maße er wirklich daran glaubte. ]

Es handelt sich hier stets um primär temporale Konstruktionen, die nur angesichts eines augenscheinlichen Gegensatzes konzessiv interpretiert werden können. 8 Es sei noch darauf hingewiesen, daß ebenfalls Adverbien wie perfino, persino oder addirittura Gelegenheitsverbindungen mit einem temporalen Konnektiv bilden können. Dazu folgendes Beispiel: (38)

E ha tirato a catturare la benevolenza della corte, lamentandosi perché i suoi figli, a suo dire, sono pedinati giorno e notte e "controllati perfino mentre fanno l'amore". (La Stampa 3-12-93, 13) [Und er war darauf bedacht, das Wohlwollen des Gerichts zu erlangen, indem er sich beklagte, daß - so seine Behauptung - seine Söhne Tag und Nacht beschattet würden und "kontrolliert werden, sogar während sie Liebe machen. "]

Abschließend sei das Konnektiv ancorché erwähnt, das aus dem temporalen Adverb ancora ('noch') und aus che gebildet ist. In der Gegenwartssprache tritt die Verbindung ausschließlich in Zusammenschreibung auf. Die Bedeutung ist stets konzessiv: (39)

Ma mutando i casi, cioè la categorizzazione di senso e valore, si manifesterà la tendenza a ricercare regole nuove, ancorché le formulazioni esteriori del diritto positivo restino identiche. (Zagrebelsky, 190) [Ändern sich aber die Gegebenheiten, d.h. die Kategorisierung von Sinn und Wert, wird sich die Bestrebung zeigen, nach neuen Regeln zu suchen, wenn der Wortlaut des positiven Rechts auch identisch bleibt.]

Vergleichbare deutsche Bildungen sind eingehend unter 4.2.1.5 behandelt worden.

245 7.1.1.5. Existentielles Element Es gibt im Italienischen ein einziges Konnektiv, das aus einer Verbindung von einer verstärkenden Partikel (pure / pur) und einer Form des Verbs essere 'sein' (Konj., 3. Pers. Sing, sia) besteht: sia pure / sia pur Betrachten wir dazu folgendes Beispiel: (40)

Cosi, sia pure ritardando dopo cena, poteva sempre calcolar l'ora con qualche certezza. (Eco, 197) [Aufdiese Weise, wenn er sich auch nach dem Essen verspätete, konnte er immer noch die Uhrzeit mit einiger Sicherheit bestimmen. ]

Die Kombination sia pure kann bereits als festes Konnektiv gelten, da ein gewisser Grad der Grammatikalisierung erreicht ist. Dies äußert sich in dreierlei Hinsicht. Erstens ist festzustellen, daß sia ausschließlich mit pure (aber beispielsweise nicht mit anche) eine Verbindung eingehen kann: (41)

*Cosi, sia anche ritardando dopo cena, poteva sempre calcolar l'ora con qualche certezza.

Zweitens sind außer sia keine weiteren Flexionsformen des Konjunktivs Präsens von essere belegt. Selbst wenn das Bezugswort pluralisch ist, erscheint die Singularform sia. So heißt es beispielsweise in folgendem Beleg sia pur validi und nicht siano pur validi: (42)

Né la casistica disponibile può ancora dare orìgine a trend visibili: poche decine di progetti di impresa, sia pur validi, restano sempre progetti, finché dell'impresa stessa non si osserva il decollo. (Botta, 52) [Auch die verfügbaren Fallstudien lassen noch keine sichtbaren Tendenzen erkennen: Wenige Dutzend Unternehmensprojekte, auch wenn sie vortrefflich sind, bleiben stets Projekte, solange man nicht beim Unternehmen selbst den Aufschwung feststellt.]

Drittens ist eine konditionale Bedeutung wie in (40) eher die Ausnahme. 9 Sehr viel häufiger findet sich ein faktischer (43) oder limitativer Wert (44): (43)

(44)

E alla fine, sia pure tra polemiche crescenti, il cavalier Berlusconi riuscì ad arrivare sugli schermi Rai. (La Stampa 1-12-93, 5) [Und schließlich, wenn auch unter wachsenden Polemiken, gelang es Cavalier Berlusconi, auf die Bildschirme von RAI zu kommen. ] Come è stato acutamente osservato, il sistema che ne emerge tende a riprodurre, sia pure in maniera embrionale, un tipo di organizzazione analoga a quella statale. (Capotorti, 253)

Dagegen sind die Gelegenheits Verbindungen fasse anche und fasse pure stets konditional. In diesen Fällen handelt es sich nämlich um uneingeleitete Nebensätze, die erst durch anche oder pure einen konzessiven Sinn erhalten (s. 7.1.1.6).

246 [Wie scharfsinnigerweise beobachtet wurde, tendiert das daraus resultierende System dazu, in einer wenn auch embryonalen Weise einen Organisationstypus nachzubilden, der dem staatlichen ähnlich ist- ]

Es muß allerdings hinzugefügt werden, daß der Grammatikalisierungsprozeß von sia pure nicht gänzlich abgeschlossen ist. Das Konnektiv kann lediglich in Zusammenhang mit einer nichtfiniten Verbform wie z.B. dem Gerundium auftreten. Die Konstruktion mit einem finiten Verb ist nicht akzeptabel: (45)

*Cosi, sia pure ritardava dopo cena, poteva sempre calcolar Tora con qualche certezza.

7.1.1.6. Allgemeines Verstärkungselement Auch im Italienischen gibt es eine Gruppe von Konnektiven, die kein semantisch gewichtiges Element enthalten. Es handelt sich um anche, pure/pur und bene, die sich in einigen Fällen mit den bedeutungsleeren Konjunktionen che und a verbinden: anche (che/a) pur pure (che/a) benché

Die Partikel bene ist mit che die feste Verbindung benché eingegangen. Im heutigen Italienisch ist nur Zusammenschreibung möglich: (46)

Laura e Manuel erano sempre gli ultimi ad arrivare, benché fossero tra i pochi a venire in macchina. (Onofri, 112) [Laura und Manuel trafen stets als letzte ein, obwohl sie zu den wenigen gehörten, die mit dem Auto kamen. ]

Als typisch konzessives Konnektiv kann des weiteren pur gelten, das allerdings ausschließlich reduzierte Nebensätze einleitet (beispielsweise mit Gerundium): (47)

"Nell'Ajax ero un leader, pur avendo appena ventitré anni, perché c'erano sette elementi, cresciuti con me, più giovani di me". (La Stampa 12-12-93, 34) [ "Bei Ajax hatte ich eine Führungsrolle, obwohl ich erst 23 war, da es sieben Spieler gab, die mit mir aufgewachsen waren, die jünger waren als ich. "]

Die ungekürzte Form pure nimmt eine Mittelstellung zwischen additiver und konzessiver Bedeutung ein: (48)

Era volato un coltello che, pure spuntandosi contro una parete, aveva rischiato di colpire qualcuno. (Siciliano, 209) [Ein Messer war durch die Luft geflogen, das beim Aufprall gegen eine Wand abgebrochen war und (doch) beinahe jemanden getroffen hätte. ]

247 Bei anche ist die additive Komponente sogar dominant. Höchstens durch Implikatur kann dem Konnektiv ein konzessiver Sinn zugewiesen werden: (49)

Certe volte con gli amici anche discorrendo della minaccia tragica che ci sovrasta, se inciampo in un seducente suono o parola, m'interrompo, m'incanto, divento una statua di sale. (Bufaiino, 64) [Manchmal im Kreise meiner Freunde - auch bei einer Unterhaltung über die tragische Bedrohung, die über uns schwebt -, wenn ich auf einen verführerischen Laut oder ein verführerisches Wort stoße, unterbreche ich mich, bin verzaubert, erstarre zur Salzsäule.]

Das Kontinuum von rein konzessiver zu überwiegend additiver Bedeutung kann anhand der folgenden drei konstruierten Beispielsätze veranschaulicht werden: (50) a Pur andando piano mi venne il fiatone. [Trotz des langsamen Gehens kam ich außer Atem ] b Pure andando piano mi venne il fiatone. [Selbst beim langsamen Gehen kam ich außer Atem ] c Anche andando piano mi venne il fiatone. [Auch beim langsamen Gehen kam ich außer Atem.] Die Konnektive pure che und anche che haben demgegenüber stets eindeutig konzessive Bedeutung. Im Korpus sind sie allerdings nicht belegt: (51)

Pure /anche che lo voglia, non ce la farà mai. [Selbst/auch wenn er es wollte, er wird es nie schaffen.]

Die Bildungen anche a und pure a können ebenfalls eine (konditionale) Konzessivrelation kodieren. Im Korpus finden wir lediglich anche a: (52)

Ma anche a sottrarsi a quella magia, e a considerare soltanto gli orologi, per così dire, in carne e ossa, c'era di che stordirsi. (Eco, 141) [Aber auch wenn man sich dieser Magie entzog und allein die Uhren - sozusagen - in Fleisch und Blut betrachtete, gab es genug, was einen betäuben konnte.]

Durch den Zusatz von anche und pure kann des weiteren ein uneingeleiteter Konditionalsatz zu einem Konzessivsatz umgewandelt werden: (53) a Qualunque sia la struttura del mercato che prevarrà in ogni paese membro, si sottolinea l'esigenza di regolare la condotta del gestore della rete di trasporto ad alta tensione affinché questi, fosse pure all'interno di un'azienda verticalmente integrata, svolga la propria attività in modo separato e indipendente da quelle di produzione e distribuzione. (Fazio, 81) [Welche Marktstruktur auch immer sich in den einzelnen Mitgliedsstaaten durchsetzen wird - es sei die Notwendigkeit hervorgehoben, die Tätigkeit des Verantwortlichen des Hochspannungstransportnetzes zu regeln, so daß dieser, und sei es innerhalb eines vertikal integrierten Unternehmens, seinen Aufgaben getrennt und unabhängig von Produktion und Verteilung nachgehen kann.] b Questo è ciò che sostiene Berlusconi per dire che ormai il dado è tratto, indietro non si torna, la domanda supera l'offerta e insomma non c'è niente da fare, il partito nasce e nascerebbe comunque, foss'anche per partenogenesi. (La Stampa 7-12-93, 5)

248 [Dies eben behauptet Berlusconi und will damit sagen, daß nunmehr die Würfel gefallen sind, zurück geht es nicht, die Nachfrage übertrifft das Angebot - kurz und gut, es hilft alles nichts, die Partei entsteht und würde ohnehin entstehen, und sei es durch Parthenogenese.]

Anstelle von essere sind im uneingeleiteten Nebensatz durchaus auch andere Verben möglich, im Korpus jedoch nicht belegt: (54)

Andasse anche / pure tutto in rovina, io resto qui. [Mag auch alles zusammenstürzen, ich bleibe hier ]

In den Konstruktionen (53-54) haben anche und pure - in explizierender Funktion eine rein konzessive Bedeutung. Es sei noch darauf hingewiesen, daß fosse pure primär als syntagmatische Wortkombination einzustufen ist und sich somit von dem weitgehend grammatikalisierten Konnektiv sia pure unterscheidet: Pure läßt sich durch anche ersetzen, es können im Satz auch weitere Flexionsformen von essere auftreten (fossero pure, fossimo pure usw.) und die Bedeutung ist stets konditional (der Konjunktiv des Verbs bewahrt seine semantische Funktion).

7.1.1.7. Negatives Element Im Italienischen gibt es folgende Konnektive, die ein negatives Element enthalten: neanche neppure nemmeno manco pur senza

Betrachten wir zunächst die ersten vier Konjunktionen. Der Baustein ne ('und nicht') kann eine Verbindimg eingehen mit den Verstärkungselementen anche und pure sowie mit dem quantitativen Element meno 'weniger'. Bei manco (ursprüngliche Bedeutung 'unzulänglich') haben wir eine einzige Komponente, in diesem Fall ein negatives quantitatives Element. Diese vier Konnektive könnten auch jeweils anderen Gruppen zugeordnet werden: neanche und neppure der Gruppe "allgemeines Verstärkungselement" (da sie kein semantisch gewichtiges Element enthalten), nemmeno und manco den quantitativen Konnektiven. Aufgrund vergleichbarer semantischer und struktureller Eigenschaften ist es jedoch zweckmäßiger, sie gemeinsam zu betrachten. In wenigen Fällen erscheinen neanche, neppure, nemmeno oder manco als jeweils alleiniges Konnektiv, das einen reduzierten Gerundiumsatz einleitet:

249 (55)

È ben chiaro che tale disposizione rappresenta un limite espresso alla revisione; un siffatto limite è anche assoluto (nel senso che neanche ricorrendo al procedimento di cui al precedente art. 138 esso potrebbe essere valicato) ovvero relativo? (Martines, 33) [£y ist unverkennbar, daß diese Bestimmung eine ausdrückliche Einschränkung der Revisionsmöglichkeit darstellt; ist eine derartige Einschränkung auch absolut (in dem Sinne, daß sie selbst unter Rückgriff auf das im vorangegangenen Art. 138 beschriebene Verfahren nicht überwunden werden kann) oder aber relativ?]

Meist treten sie jedoch in Kombination mit weiteren Elementen (wie se oder quando) auf. Betrachten wir dazu einige Beispiele mit se: (56) a A quell'ora non apre neanche se vi attaccate al campanello. (Ballestra, 62) [Zu dieser Uhrzeit macht sie nicht auf, auch wenn ihr euch an die Klingel hängt.] b L'emancipato non ha la capacità di donare (art. 774, cpv.), neppure se sia stato autorizzato all'esercizio di un'impresa commerciale [...]. (Bessone, 281) [Der Mündiggesprochene ist nicht zu einer Schenkung befähigt (Art. 774 cpv.), selbst wenn er berechtigt sein sollte, ein gewerbliches Unternehmen zu führen.] c Se vorrete tenere la mia bisaccia dovrete ammazzarmi, perché io da qui non mi muoverò nemmeno se mi bastonerete! (Vassalli, 264) [Wenn ihr meinen Beutel behalten wollt, müßt ihr mich umbringen, weil ich von hier nicht weggehe, selbst wenn ihr mich verprügelt!] Es sei hier auf einen wichtigen Unterschied zwischen anche/pure se auf der einen und neanche/neppure se auf der anderen Seite hingewiesen. Erstere beiden Konnektive können in zahlreichen Kontexten nichtkonditionale Bedeutungen kodieren. Die negativen Formationen hingegen sind auf den Ausdruck konditionaler Konzessivrelationen beschränkt. Im Falle einer faktischen Konzessivrelation (57) mißglückt somit die Ersatzprobe (58): (57) (58)

Anche / pure se il calciatore ebbe molta sete non bevve in fretta. [Auch/selbst wenn der Fußballer viel Durst hatte, er trank nicht hastig\ 'Neanche / neppure se il calciatore ebbe molta sete bevve in fretta.

Folgende Beispiele verdeutlichen die Kombinationsmöglichkeiten mit quando: (59)a Gezim si è rivelato un vero amico, [...] non mi ha fatto mai pesare l'ulteriore difficoltà che la mia presenza gli comporta, neanche quando gli ho raccontato il motivo delle mie disgrazie. (Onofri, 134) [Gezim hat sich als wahrer Freund erwiesen, er hat mich nie die zusätzlichen Schwierigkeiten spüren lassen, die meine Gegenwart ihm bereitet, auch nicht als ich ihm den Grund für meine unglückselige Lage erzählt habe.] b Assai più raffinata la strategia seguita da Enrico Mentana, che ha invitato Ayala, Orlando e Occhetto e li ha lasciati parlare a lungo, senza mai interromperli, neppure quando premevano i collegamenti esterni. (La Stampa 6-12-93, 2) [Sehr viel geschickter [war] die Strategie von Enrico Mentana, der Ayala, Orlando und Occhetto eingeladen hat und sie lange hat sprechen lassen, ohne sie jemals zu unterbrechen, selbst dann nicht als dringend umgeschaltet werden mußte.]

250 c Tutto è statico attorno all'aeronauta, il suo mantello non è scosso, egli non sente l'azione del vento, nemmeno quando la corrente aerea in cui si bagna lo trascina a gran velocità. (Del Giudice, 28) [Alles ist statisch um den Luftfahrer herum, sein Umhang flattert nicht, er ßhlt nicht die Bewegung des Windes, selbst dann nicht wenn der Luftstrom, in den er eintaucht, ihn mit großer Geschwindigkeit mitreißt.] Auch Formationen mit einem beliebigen konditionalen oder temporalen Konnektiv sind denkbar: (60)

Si ricordi che la colpa grave esclude la buona fede; ulteriore causa di esclusione della buona fede è la conoscenza dell'illegittima provenienza della cosa da parte dell'acquirente; egli non potrebbe essere comunque ritenuto in buona fede, neppure nel caso che avesse creduto erroneamente che il [...] precedente possessore fosse diventato proprietario del bene (art. 1154). (Bessone, 410) [£s sei daran erinnert, daß grobes Verschulden den guten Glauben ausschließt; ein weiterer Grundftir das Ausschließen des guten Glaubens ist die Kenntnis des Käufers von der unrechtmäßigen Herkunft des Gegenstandes; er kann keinesfalls für gutgläubig gehalten werden, selbst nicht in dem Fall, daß er fälschlicherweise angenommen hat, der Vorbesitzer sei Eigentümer des Gutes geworden (Art. 1154).]

In einigen Redewendungen (mit dire 'sagen' oder fare apposta 'absichtlich tun') findet sich schließlich die Konstruktion «neanche/neppure! ... + a», die noch eine leichte konzessive Nuance enthält: (61)a Neanche a dirlo si tratta di uno scherzo. (La Stampa 5-12-93, 27) [Auch wenn es nicht gesagt werden braucht [d.h. 'offensichtlicherweise '], es handelt sich um einen Scherz.] b Nell'elenco ci sono socialisti che già se ne sono andati, che stanno con un piede dentro e uno fuori, insieme, manco a dirlo, a quelli che adesso guidano il PSI e che non vanno a genio a Craxi. (La Stampa 3-12-93, 7) [Auf der Liste stehen Sozialisten, die schon gegangen sind, die mit einem Fuße bereits im Gefängnis stehen, zusammen mit denen - selbst wenn es nicht gesagt werden braucht [d.h. 'es liegt auf der Hand '] -, die jetzt die PSIfuhren und die Craxi nicht genehm sind.] c Guarda guarda, nemmeno a farlo apposta, dove lo scova... (Mazzantini, 59) [Sieh mal einer an, sogar wenn es nicht Absicht ist [d.h. 'als ob es so sein sollte '], wo sie ihn aufstöbert...] Kommen wir abschließend zu dem Konnektiv pur senza (senza 'ohne'). Im Gegensatz zu anche senza und pure senza,10 die eine mehr oder weniger starke additive Bedeutungskomponente haben, ist pur senza eindeutig konzessiv: (62)

Rispetto ai primi anni '80 il quadro attuale della finanza locale, anche senza far riferimento alla particolare congiuntura della Regione Puglia, non sembra far intravedere margini per un ampio sostegno finanziario dell'ente regionale dell'attività della propria società finanziaria. (Botta, 137)

1° Die Verbindung pure senza ist im Korpus nicht belegt.

251

(63)

[Im Vergleich zu den frühen achtziger Jahren scheint das gegenwärtige Bild der lokalen Finanzen, auch ohne auf die besondere Konjunktur der Region Apulien Bezug zu nehmen, keine Spielräume erkennen zu lassen für eine breite finanzielle Unterstützung der Tätigkeit der eigenen Finanzgesellschaft seitens der Regionalbehörde.] L'aveva tanto avversato questo sogno al marito, e adesso se ne sentiva ancora più in colpa, perché - pur senza mai ammetterlo - ci si trovava bene a Lavinio. (Mazzantini, 105) [Sie hatte diesen Wunschtraum ihres Mannes so heftig bekämpft, und nun hatte sie noch mehr Schuldgefühle, -weil sie sich - obwohl sie es nie zugab - in Lavinio wohl fühlte.]

7.1.1.8. Die Rolle der Grammatikalisierungsprozesse; Ausblick auf offene Fragen Die morphologisch-etymologische Klassifikation der italienischen Konnektive nach dem semantisch-syntaktisch gewichtigen Element hat die Existenz von fünf Gruppen aufgezeigt: Bildungen auf konditionaler, hindernd-oppositiver, quantitativer, temporaler und existentieller Basis (7.1.1.1-7.1.1.5). Dazu kommen Konnektive, die ein allgemeines Verstärkungselement (7.1.1.6) oder ein negatives Element enthalten (7.1.1.7). Fast alle Gruppen bestehen aus mehreren gebräuchlichen und/oder semantisch zentralen Konzessivkonnektiven. Ein Ungleichgewicht wie im Deutschen - wo die große Mehrheit der Konnektive konditionalen Ursprungs ist - liegt nicht vor. Ein zweites mögliches Einteilungskriterium ist durch das Verstärkungselement gegeben. Eine so durchgeführte Klassifikation kann nützliche Hinweise bezüglich der Grammatikalisierung der einzelnen Formationen liefern. Im Italienischen finden sich im wesentlichen drei Verstärkungselemente {bene, anche, pure/pur): 1. bene sebbene benché 2. anche anche se se anche anche + konditionales Konnektiv quand'anche / quando anche anche quando anche + temporales Konnektiv anche (che) neanche pur pur se se pur seppur sia pur pur pur senza

252 pure pure se se pure seppure pure + konditionales Konnektiv quando pure pure quando pure + temporales Konnektiv sia pure pure (che) neppure

Dazu kommen persino/perfino und addirittura, die fast ausschließlich in Gelegenheitsbildungen anzutreffen sind: 3. perfino/persino perfino/persino quando perfino/persino + konditionale Konjunktion perfino/persino + temporale Konjunktion addirittura addirittura + konditionale Konjunktion addirittura + temporale Konjunktion

Die Konnektive sind hier - nach Gruppen geordnet (òene-Gruppe, anche-Gruppe usw.) - auf einer abnehmenden Skala der Grammatikalisierung angeführt. Wie schon für die deutschen Konnektive sollen ebenfalls im Italienischen folgende drei Parameter in Betracht gezogen werden: a) der Grad der syntaktisch-morphologischen Integration der beiden Elemente; es ergeben sich drei Abstufungen: Getrenntschreibung {se pure) / einfache Zusammenschreibung (benché) / Zusammenschreibung mit Konsonantenverdopplung {seppure) oder Vokaltilgung {quand'anche)}1 b) das Ausmaß der semantischen Verblassung des gewichtigen Elements; die ursprüngliche konditionale oder skalare Bedeutung kann verloren gehen, so z.B. für se bei sebbene oder quanto bei quantunque-, c) die Produktivität des Bildungsmusters. Dazu kommt für das Italienische noch ein vierter Parameter: d) der Modus im Nebensatz; in mchtkonditionalen Konzessivsätzen 12 weisen hochgradig grammatikalisierte Konnektive wie benché oder seppure nahezu immer eine Konjunktivform auf, kaum grammatikalisierte Verbindungen wie anche quando oder pure se hingegen nie. Ausgehend von dem Verstärkungselement können drei Fälle unterschieden werden: 11

Zur formalen Verschmelzung der italienischen Konnektive s. Schwarze (1995:439).

12

Bei konditionalen Konzessivsätzen hingegen folgt der Modus dem Verteilungsmuster für Konditionalgefuge - ganz gleich, welches Konnektiv den konzessiven Nebensatz einleitet.

253

1) Die Verbindungen mit bene sind hochgradig integriert (stets zusammengeschrieben, bei sebbene zusätzlich Konsonantenverdopplung), das semantisch gewichtige Element ist verblaßt {sebbene kann keine konditionale Konzessivbedeutung kodieren) und die Bildung neuer Konnektive ist nicht möglich. Es liegt somit eine geschlossene Klasse vor. Der durch benché oder sebbene eingeleitete Nebensatz erfordert in der Regel den Konjunktiv. 2) Die Verbindungen mit anche und purelpur weisen das gesamte Spektrum des progressiven Grammatikalisierungsprozesses auf. Es gibt fest integrierte Konnektive wie quand'anche oder seppure!seppur und Gelegenheitsverbindungen wie «anche/pure + temporales Konnektiv». Was die semantische Verblassung betrifft, so kann beispielsweise das konditionale Element se seine Bedeutung teilweise (anche se, pure se) oder fast gänzlich (pur se, seppure) einbüßen, gegebenenfalls aber auch weitgehend beibehalten (se anche). Sowohl anche als auch pure lassen sich in produktive Bildungsmuster einbauen. Hochgradig grammatikalisierte Bildungen wie z.B. quand'anche und seppure erfordern in der Regel den Konjunktiv, niedriggradig grammatikalisierte Gelegenheitsverbindungen wie anche/pure quando hingegen nicht. 3) Die Verstärkungselemente perfino!persino und addirittura sind größtenteils auf produktive Gelegenheitsbildungen beschränkt, in denen das gewichtige Element stets seine Semantik bewahrt. Führt man sich die einzelnen Konnektivgruppen nochmals vor Augen, so fallt auf, daß die Position des Verstärkungselements relevant ist für den Grad der Grammatikalisierung des Gesamtkonnektivs. Zwei Grundtendenzen lassen sich - ähnlich wie im Deutschen - beobachten: - Die Nachstellung des Verstärkungselements ist bevorzugt mit einem hohen Grad der Grammatikalisierung verbunden. So ist die "integrierende" Zusammenschreibung fast immer bei Nachstellung belegt (sebbene, quand'anche, neanche, seppure, neppure). Darüber hinaus läßt sich bei Nachstellung meist eine fortgeschrittene semantische Verblassung des gewichtigen Elements feststellen (sebbene, seppure, se pure usw.). In der Regel steht der Konjunktiv. - Die Voranstellung des Verstärkungselements ist bevorzugt mit einem niedrigen Grad der Grammatikalisierung verbunden. Die Konnektive werden meist getrennt geschrieben, die Bausteine bewahren ihre ursprüngliche Semantik. Wichtig ist außerdem, daß bei nahezu allen produktiven Bildungsmustern - d.h. Verbindungen mit beliebigen konditionalen und temporalen Konnektiven - die verstärkende Partikel vorangestellt ist. Fast immer findet sich der Indikativ.13

I-5

Es gibt einige wenige Ausnahmen zu diesen allgemeinen Tendenzen. Drei Konnektive mit nachgestellter Partikel zeichnen sich jeweils durch eine "atypische" Eigenschaft aus: Bei se anche ist die semantische Verblassung wesentlich geringer als beim spiegelbildlichen anche se; se pure ist nur mit Indikativ belegt; ove pure ist eine Gelegenheitsverbindung mit einer konditionalen Konjunktion. Demgegenüber liegt ein einziges Konnektiv vor, das bei Voranstellung der Partikel hochgradig grammatikalisiert ist: Benché wird zusammengeschrieben und erfordert den Konjunktiv.

254

Aufgrund eines unterschiedlich stark fortgeschrittenen Grammatikalisierungsprozesses gibt es - wie schon im Deutschen - eine Grauzone zwischen fest etablierten Konjunktionen und Gelegenheitsverbindungen. Somit erscheint es nicht möglich, eine "definitive" Liste von Konzessivkonnektiven aufzustellen. Die folgenden zwei Problemkreise, die hier angesprochen wurden, möchte ich im nächsten Kapitel unter 8.8 und 8.9 eingehender behandeln: - Es soll der Frage nachgegangen werden, ob zwischen spiegelbildlichen Konnektiven systematische Unterschiede bestehen (anche se / se anche-, pure se / se pure; pur se / se pur, quando anche / anche quando). - Es soll untersucht werden, ob bestimmte Formen Varianten ein und desselben Konnektivs darstellen oder eigenständige Konnektive sind. Im einzelnen muß man sich fragen: a) Ist die Zusammenschreibung bei quand'anche / quando anche und se pure / seppure distinktiv? b) Liegen Unterschiede vor zwischen den Konnektiven se pure, seppure, sia pure, pure se und den bisweilen anzutreffenden Formen mit Vokaltilgung (se pur, seppur, sia pur, pur se)l c) Ist der Zusatz von che bei nonostante (che) mit syntaktisch-semantischen Differenzen verbunden? d) Bestehen Unterschiede zwischen per quanto und den flektierten Bildungen per quanto/a/i/el

7.1.2. Konnektive mit spezifischer Funktion: die polykonditionalen Konnektive Auch im Italienischen gibt es eine Reihe von Konnektiven, die auf den Ausdruck einer polykonditionalen Konzessivrelation spezialisiert sind.14 In ihrer morphologischen Struktur unterscheiden sie sich grundlegend von den bisher betrachteten Formationen. Ahnlich wie im Deutschen finden wir zwei Untergruppen vor: verallgemeinernde und disjunktive Konstruktionen. 1) Verallgemeinernde Konstruktionen. Vier Arten von Konnektiven lassen sich unterscheiden. Ein erster Kombinationstypus besteht aus der Verbindung von einem Interrogativpronomen wie chi, come, dove (ove), quale und dem Suffix -unque. Es handelt sich um die Konnektive chiunque, comunque, dovunque (ovunque) und qualunque.^ (64) a Chiunque suoni alla mia porta, non aprirò. [Wer auch immer an meiner Tür klingelt, ich werde nicht aufmachen.] b Comunque vadano le cose, io sono sereno. [Wie die Dinge auch laufen werden, ich bin gelassen ]

14

Die Semantik dieser Konstruktionen ist ausführlich unter 3.9 behandelt worden. Einige Hinweise zu den italienischen Konnektiven finden sich bei Herczeg (1976b:207-l 1,228-9), Moretti (1983:6874,85-90) und Mazzoleni (1991:799-805).

15

Die Bildung «quanto + unque», d.h. die Konjunktion quantunque, ist zu einem Konzessivkonnektiv im engeren Sinne geworden (s. oben 7.1.1.3).

255 c Dovunque / ovunque fuggirà, non troverà pace. [Wohin er auch immer flüchten wird, er wird keine Ruhe finden.] d Qualunque sia il movente, questo crimine è orrìbile. [Was auch immer das Tatmotiv sein mag, dieses Verbrechen ist abscheulich]

In einem zweiten Kombinationstypus wird quale mit dem Pronomen si 'man' und einer konjunktivischen Verbform von essere 'sein' oder volere 'wollen' verknüpft. Die Reihenfolge «quale + Verb + si» ergibt das gebräuchliche Konnektiv qualsiasi, die Abfolge «quale + si + Verb» hingegen die seltenen Bildungen qualsisia und qualsivoglia: (65) a Qualsiasi cosa egli tenti di fare, non riuscirà a togliersi da quella situazione. [Was er auch immer versuchen mag, er wird aus dieser Situation keinen Ausweg finden.] b Qualsisia / qualsivoglia la ragione del tuo scarso impegno, vedi di cambiare al più presto. [Welcher immer auch der Grund für dein geringes Engagement sein mag, sieh zu, daß du dich schnellstens änderst.]

Ein dritter Typus besteht aus der Verbindung von einem Interrogativpronomen (che, chi, come, dove, quale/i, quando, quanto) mit dem subordinierenden che. Es ergeben sich somit Konnektive wie che che (checché), come che (comecché), quale che usw. Aus dieser Reihe scheint lediglich checché noch eine gewisse Verbreitung zu finden, besonders in der Redewendung checché ne dica: (66)

Checché tu ne dica, quel tuo amico è uno stupido. [Was du auch sagen magst, dieser Freund von dir ist ein Dummkopf ]

Ein vierter und letzter Kombinationstypus liegt vor, wenn Konnektiven der vorangegangenen Untergruppe eine Konjunktivform des Verbs essere hinzugefügt wird (sia oder fosse). Auf diese Weise entstehen Konnektive wie che che sia (checchessia), chi che sia (chicchessia), chi che fosse (chicchefosse), come che sia (comecchessia), dove che sia, quale che sia (qualechessia, qualchessia), quale che fosse, quali che siano, quando che sia, quanto che sia,16 Von diesen Bildungen besitzt allein quale che sia noch eine weite Verbreitung; alle anderen Konnektive sind stark archaisierend: (67) (68) a b c d

16

Quale che sia il suo scopo, dovremo stare in guardia. [Welche auch immer seine Absicht sein mag, wir müssen wachsam sein ] Checchessia gli facciate, lui non reagirà. [Was immer auch ihr ihm antut, er wird nicht reagieren.] Venga chicchessia, non ho certo paura. [Wer immer auch kommen mag, ich habe gewiß keine Angst.] Comecchessia la rivolta si svolgerà, non sarà mai coronata dal successo. [Wie immer auch die Revolte sich abspielen wird, sie wird nie vom Erfolg gekrönt sein ] Quando che sia la situazione diventerà critica, mi farò trovare pronto. [Wann immer auch die Situation kritisch wird, ich werde bereit sein ]

Die Zusammenschreibung zeigt die fortschreitende Grammatikalisierung des Gesamtkonnektivs sowie die semantische Verblassung von essere an.

256 2) Disjunktive Konstruktionen. Dazu seien kurz folgende Beispiele erwähnt: (69) a Sia che resti in patria sia che fugga all'estero, il criminale non riuscirà a scamparla. [Sei es, daß er in der Heimat bleibt, sei es, daß er ins Ausland flüchtet, der Verbrecher wird nicht entkommen können.] b Che egli testimoni o meno, il processo avrà sempre lo stesso esito. [Ob er aussagt oder nicht, der Prozeß wird doch den gleichen Ausgang nehmen. ] c Grande o piccolo, questo problema lo risolverò. [Ob groß oder klein - dieses Problem werde ich lösen]

7.1.3. Nichtkonzessive Nebensätze, die einen konzessiven Wert annehmen können Wie im Deutschen können auch im Italienischen Nebensätze, die von nichtkonzessiven Konnektiven eingeleitet sind (Konditional-, Temporal-, Modal-, Konsekutiv-, Kausalund Relativsätze), in bestimmten Kontexten eine konzessive Bedeutung annehmen. Betrachten wir zunächst folgende Konditionalsätze, die die Konjunktion se enthalten (70a,b) bzw. uneingeleitet sind (71): 17 (70) a La situazione politica non migliorerà. Se la gente protesta, non cambia niente. [Die politische Lage wird sich nicht bessern. Wenn die Leute protestieren, ändert sich nichts] b Gianni ha uno spiccato senso del dovere: se è malato, va al lavoro lo stesso. [Gianni hat ein ausgesprochenes Pflichtbewußtsein: Wenn er krank ist, geht er dennoch zur Arbeit ] (71) Vivesse cent'anni, non se lo scorderebbe mai. [Lebte er hundert Jahre, das würde er nie vergessen ]

Häufig findet sich im Hauptsatz ein Verstärkungsmittel in explizierender Funktion. Voraussetzung für eine konzessive Interpretation jedoch ist, daß ein offenkundiger Gegensatz zwischen den betreffenden Sachverhalten vorliegt. Dies ist beispielsweise der Fall, wenn ein zusammengesetztes konzessives Konnektiv wie anche se oder pure se durch ein einfaches se wieder aufgegriffen wird: (72)

17

Se gli orologi erano in funzione, qualcuno doveva averli attivati: anche se la loro carica fosse stata concepita per durare a lungo, se fossero stati caricati prima del suo arrivo, li avrebbe già uditi quando era passato accanto a quella porta. (Eco, 141) [Da die Uhren liefen, mußte sie jemand in Gang gesetzt haben: Auch wenn ihr Gehwerk auf eine lange Dauer angelegt worden wäre, wenn sie vor seiner Ankunft aufgezogen worden wären, hätte er sie bereits gehört, als er an jener Tür vorbeigegangen war.]

Auf konzessiv deutbare .ve-Sätze weisen u.a. Moretti (1983:31-40), Elgenius (1991:142-3,148-51) und Mazzoleni (1991:791) hin. Uneingeleitete Konditionalsätze mit konzessiver Bedeutung werden kurz von Herczeg (1976b:227-8), Moretti (1983:83-4), Elgenius (1991:127-9) und Mazzoleni (1991:797) behandelt.

257 (73)

"Mi raccomando, Paolo, pure se dicono qualche frase che non ti piace, se stasera fanno qualcosa che non va, lascia perdere, passaci sopra..." mi aveva avvertito papà durante il tragitto. (Onofri, 101) [ "Bitte, Paolo, selbst wenn sie etwas sagen, was dir nicht gefällt, wenn sie heute abend etwas falsch machen, laß es bloß gut sein, sieh darüber hinweg... ", hatte mich Vater während der Fahrt ermahnt.}

Ebenso kann ein temporaler Nebensatz durch Implikatur eine konzessive Interpretation erfahren. Die Koexistenz von zwei gegensätzlichen Sachverhalten wird als (negierter) ursächlicher Zusammenhang gesehen: 1 8 (74) (75)

La situazione precipitò quando tutto sembrava mettersi per il meglio. [Die Ereignisse überstürzten sich, als alles sich zum Besseren zu wenden schien.] Mentre tutto qui va a rotoli, tu tranquillamente vai in vacanza. [Während hier alles den Bach runtergeht, fährst du seelenruhig in Urlaub.]

Auch Modalsätze, die das Konnektiv senza (che) oder ein Gerundium enthalten, sind bisweilen konzessiv gefärbt: 19 (76) (77)

Ho lasciato il ristorante senza che avessi pagato. [Ich habe das Restaurant verlassen, ohne daß ich bezahlt hatte ] Camminando velocemente sono arrivato in ritardo. [Ich bin schnell gegangen und dabei zu spät gekommen ]

Betrachten wir nun jeweils ein Beispiel für einen Konsekutiv- und einen Kausalsatz mit "konzessiver" Bedeutung: 2 0 (78) (79)

Il pugile non è ancora preparato al punto che possa affrontare un incontro a dodici riprese [Der Boxer ist noch nicht so gut vorbereitet, daß er einen Kampf über zwölf Runden bestreiten könnte.] Per aver vinto una medaglia d'oro alle Olimpiadi, è una persona modesta. [Dafür, daß er eine Goldmedaille bei den Olympischen Spielen gewonnen hat, ist er ein bescheidener Mensch.]

Es sei hier am Rande erwähnt, daß spezifisch kausale Konnektive wie z.B. poiché oder perché ('da, weil') nie eine konzessive Interpretation erfahren können - höchstens polyfunktionale Konnektive wie per, die nur gelegentlich kausal sind. Des weiteren sei noch auf "konzessive" Relativsätze hingewiesen (vgl. Moretti 1983:66-8). Meist findet sich im Nebensatz ein explizierendes Element:

18

Die Möglichkeit einer konzessiven Lesart von quando wird von Moretti (1983:61-2) und Elgenius (1991:211) erwähnt.

19

"Konzessive" Gerundiumkonstruktionen werden kurz von Moretti (1983:99-100) und Mazzoleni (1991:805-6) angesprochen.

20

Auf eine "konzessive" Interpretationsmöglichkeit konsekutiver Satzstrukturen weist Moretti (1983:101f.) hin.

258 (80)

(81)

C'è perfino più sensualità in Felice chiusa dentro le sue tonachelle candide che in Manina che pure porta le braccia nude e i vestiti scollati fino al seno. (Maraini, 178) [Felice, eingehüllt in ihre schneeweiße Nonnenkleidung, strahlt sogar größere Sinnlichkeit aus als Manina, die doch ihre nackten Arme zeigt und bis zum Busen ausgeschnittene Kleider trägt] Ipotesi magari inquietanti: nelle quali tuttavia non mi trattenni. (Mannuzzu, 83) [[Es waren] wohl beängstigende Vermutungen: mit denen ich mich allerdings nicht aufhielt.)

Man kann also zusammenfassend festhalten, daß nichtkonzessive Nebensätze auch im Italienischen einen konzessiven Nebensinn erhalten können. Voraussetzung dafür ist, daß ein offensichtlicher Kontrast zwischen den zueinander in Relation gesetzten Sachverhalten besteht. Aber selbst dann ist die implikative Interpretation die Ausnahme: Sie scheint an bestimmte Konnektive gebunden zu sein und bedarf fast immer eines explizierenden konzessiv-adversativen Elements.

7.2. Parataktische Konstruktionen Die parataktischen Konzessivkonstruktionen des Italienischen sind bisher kaum untersucht worden. Herczeg (1976b) und Elgenius (1991) schließen sie gänzlich aus ihrer Betrachtung aus, vereinzelte Hinweise finden sich lediglich bei Moretti (1983:6-17) und Mazzoleni (1990:77-82,89-103; 1991:809f.). Im folgenden möchte ich einen Überblick über die wichtigsten parataktischen Konnektive geben, geordnet nach morphologisch-etymologischen Gruppen (7.2.1). Anschließend sollen Frequenz und Gebrauch dieser Konnektive behandelt werden (7.2.2).

7.2.1. Die wichtigsten Konnektive In der folgenden Übersicht sind parataktische Konnektive angeführt, die einen konzessiven Wert annehmen können. Wie schon im Deutschen finden wir vier morphologisch-etymologische Gruppen vor: Konnektive, die jeweils auf einem hindernd-oppositiven, quantitativen, temporalen oder allgemeinen Element des Gegensatzes beruhen. Es werden unter (a) eindeutig konzessive Konnektive angegeben: Sie erzwingen eine konzessive Interpretation auch in Kontexten, in denen ein offenkundiger Gegensatz zwischen den beiden Sachverhalten fehlt. Unter (b) werden Konnektive aufgelistet, die eine konzessive Interpretation lediglich nahelegen oder zumindest nicht ausschließen: 1. Hindernd-oppositives Element a. ciononostante / ciò nonostante / ciò non ostante nonostante ciò / non ostante ciò nonostante tutto

259 purnonostante / pur nonostante ciò malgrado malgrado ciò malgrado tutto 2. Quantitatives Element a. contuttociò / con tutto ciò con tutto questo purtuttavia / pur tuttavia cionondimeno / ciò nondimeno nondimeno nonpertanto / non pertanto ciò non toglie^ 1 b. dopo tutto ciò tuttavia perlomeno 3. Temporales Element a. pur sempre b. al tempo stesso intanto, frattanto, nel frattempo 4. Allgemeines Verstärkungsmittel des Gegensatzes a. eppure pure lo stesso ugualmente / egualmente b. comunque ad ogni modo, in ogni modo; in qualsiasi / qualunque modo in ogni / in qualsiasi caso ad ogni buon conto sì che ma, però, invece all'opposto, al contrario per contro, di contro

Die Grenzen zwischen parataktischen Konnektiven mit adversativer und denen mit konzessiver Semantik erscheinen fließend. Einige Unterscheidungskriterien sind zuvor (4.3.1) für das Deutsche ausgearbeitet worden. Da die betreffenden Ersatzproben sich leicht auf das Italienische übertragen lassen, verzichte ich hier auf eine eingehendere Darstellung. Betrachten wir nun im einzelnen jede dieser vier morphologisch-etymologischen Gruppen. Dabei werde ich mich - wie schon für das Deutsche - auf die eindeutig konzessiven Konnektive beschränken.

21

Auf einem quantitativen Element beruhen ebenfalls die völlig veralteten Konnektive nulladimeno, nulladimanco und nondimanco, die in der Gegenwartssprache kaum mehr anzutreffen sind.

260 7.2.1.1. Hindernd-oppositives Element Im Korpus belegt sind folgende Konnektive, die auf einem hindernd-oppositiven Element beruhen: ciò nonostante (auch zusammengeschrieben: ciononostante), nonostante tutto22 ciò, nonostante tutto sowie ciò malgrado und malgrado Sehen wir uns zunächst die Formationen mit nonostante an. Das anaphorische Pronomen ciò ('das, dies') kann voran- oder nachgestellt werden. Im ersten Fall ist auch Zusammenschreibung möglich: (82) a L'embrione non ha una vita indipendente a quella della madre, ciò nonostante si tratta di un'entità vivente. (Bessone, 65) [Der Embryo hat kein von der Mutter unabhängiges Leben, trotzdem handelt es sich um ein lebendes Wesen.] b Le loro parole mi giungevano intermittenti. Ciononostante, percepivo le loro immagini con maggior nitore. (Siciliano, 256) [Ihre Worte kamen intermittierend zu mir herüber. Trotzdem. Ich nahm ihre Gestalten mit größerer Klarheit wahr] (83) Il telescopio spaziale "Hubble" è costato quasi duemila miliardi di lire e ha dato parecchi fastidi a Riccardo Giacconi, lo scienziato italiano che fino a un anno fa ne ha diretto l'utilizzazione per poi passare alla guida dell'Osservatorio australe europeo. Nonostante ciò, i risultati scientifici sono di eccezionale interesse. (La Stampa 1-12-93, 1) [Das Weltraumteleskop "Hubble " hat fast zweitausend Milliarden Lire gekostet und hat Riccardo Giacconi viel Ärger bereitet, dem italienischen Wissenschaftler, der bis vor einem Jahr für dessen Nutzung verantwortlich war, um dann die Leitung des Europäischen Austral-Observatoriums zu übernehmen. Trotzdem: Die wissenschaftlichen Ergebnisse sind von außergewöhnlichem Interesse.] Nonostante (84)

kann sich auch mit tutto ('all') verbinden: Il defunto conte Giacomo Doglioni [...] era stato l'uomo più irragionevole, e più illuso, che mai fosse vissuto, e aveva trascinato sua moglie con sé nella sua rovina; ma lei gli aveva voluto bene nonostante tutto, come si può voler bene a un figlio scapestrato. (Vassalli, 222) [Der verstorbene Graf Giacomo Doglioni war der unvernünftigste und verträumteste Mann gewesen, der je gelebt hatte, und er hatte seine Frau mit in sein Verderben gezogen; aber sie hatte ihn gern gehabt trotz alledem, wie man einen ungebärdigen Sohn gern haben kann.]

Die semantische Verblassung von ciò und tutto zeigt sich besonders deutlich in den Fällen, in denen «nonostante + ciò» auf eine Pluralität von Hindernissen hinweist bzw. «nonostante + tutto» sich auf ein einziges Hemmnis bezieht: 2 3

Stark archaisierend ist die selten vorkommende Schreibweise non ostante (ciò non ostante, non ostante ciò). Im Korpus nicht belegt sind pumonostante/pur nonostante sowie malgrado ciò. Eine vergleichbare semantische Verblassung war bereits für die deutschen Entsprechungen trotzdem und trotz allem festzustellen (4.3.2.1).

261 (85)

(86)

Non dimentichiamo che la stragrande maggioranza degli edifìci teatrali rìsale alla metà del Settecento e nessuno si è mai posto il problema di aggiornarne la tecnologia. Ciononostante ritengo che la qualità degli spettacoli italiani è in media superiore a quella dei teatri europei. (La Stampa 2-12-93, 19) [Vergessen wir nicht, daß die große Mehrheit der Theaterbauten auf die Mitte des 18. Jahrhunderts zurückgeht und daß sich bisher keiner das Problem gestellt hat, deren Technologie auf den letzten Stand zu bringen. Trotzdem bin ich der Auffassung, daß die Qualität der italienischen Aufführungen im Durchschnitt höher liegt als die der europäischen Theater.] Bisogna sempre seguire le ragioni del cuore, questo i dieci comandamenti non lo dicono, ma glielo dico io, comunque bisogna stare con gli occhi aperti, nonostante tutto, cuore, si, sono d'accordo, ma anche occhi bene aperti, caro Monteiro Rossi [...]. (Tabucchi, 45) [Man soll stets der Stimme des Herzens folgen, dies sagen die zehn Gebote nicht, aber ich sage es Ihnen, auf jeden Fall muß man die Augen offen halten, trotz allem, Herz, ja schon, da stimme ich mit Ihnen überein, aber auch die Augen gut offen, lieber Monteiro Rossi ]

Das hindernd-oppositive Element malgrado finden wir in den Kombinationen ciò malgrado (die Nachstellung von ciò ist im Korpus nicht belegt) und malgrado tutto: (87)

(88)

La teorìa che più chiaramente aderiva alla prima alternativa attribuiva alla consuetudine i caratteri di un accordo tacito, negando cosi ogni differenza di natura fra la consuetudine e l'accordo, e svalutando l'importanza della prassi costante degli Stati, per questi motivi principalmente, la teorìa in questione è stata abbandonata dalla maggior parte degli autori. Ciò malgrado, sarebbe uno sbaglio ritenere questa teorìa assolutamente e generalmente superata, vista l'accoglienza favorevole che essa ha continuato a ricevere, ancora in tempi recenti, da parte di autori della scuola sovietica. (Capotorti, 98) [Die Theorie, die sich am deutlichsten der ersten Alternative anschloß, schrieb der Gewohnheit die Eigenschaften einer stillschweigenden Übereinkunft zu und leugnete somit jeglichen von Natur aus bestehenden Unterschied zwischen Gewohnheit und Übereinkunft und schmälert somit die Wichtigkeit der gewohnheitsmäßigen Verfahrensweisen der Staaten; aus diesen Gründen vor allem ist die besagte Theorie von der Mehrheit der Autoren aufgegeben worden. Dessenungeachtet wäre es ein Irrtum, diese Theorie absolut und generell als überholt anzusehen - in Anbetracht der Zustimmung, die sie selbst noch in jüngerer Zeit bei Autoren der sowjetischen Schule gefunden hat.] Passavo attraverso questa procedura come se stessi osservando qualcun altro, mi sembrava che le voci e i gesti mi arrivassero da lontano. E malgrado tutto continuavo a misurare le mie reazioni su Polidorì: mi sforzavo di stare al suo gioco, non deluderlo. (De Carlo, 164) [Ich ging durch diese Prozedur, als ob ich jemand anderen beobachten würde, es schien mir, daß die Stimmen und die Gesten von weither kamen. Und trotz alledem fuhr ich fort, meine Reaktionen an Polidori zu messen: Ich bemühte mich, sein Spiel mitzumachen, ihn nicht zu enttäuschen.]

262 7.2.1.2. Quantitatives Element Außer den soeben erwähnten Konnektiven nonostante tutto und malgrado tutto gibt es eine Reihe von Bildungen, die auf ein quantitatives Element Bezug nehmen: con tutto ciò, con tutto questo, purtuttavia, nondimeno, cionondimeno und ciò non toglie,24 Betrachten wir zunächst die Formationen, die auf dem Element tutto beruhen. So finden wir die Konnektive con tutto ciò und con tutto questo vor, die strukturell mit dem subordinierenden con tutto che verwandt sind: (89)

(90)

Dal podio Muti & miracoli, ma neanche lui può trasformare in oro quello che oro non è; oltre al secondo atto, la cui bellezza era risaputa, gli siamo riconoscenti per la riscoperta di molte pagine [...]. Con tutto ciò, nel suo insieme, l'opera continua a sembrarmi più importante che bella. (La Stampa 9-12-93, 21) [Vom Dirigentenpult aus wirkt Muti Wunder, aber auch er kann nicht zu Gold verwandeln, was kein Gold ist; neben dem zweiten Akt, dessen Schönheit allgemein bekannt war, sind wir ihm dankbar für die Wiederentdeckung zahlreicher Passagen. Bei alledem erscheint mir das Werk in seiner Gesamtheit weiterhin eher bedeutsam als schön.] Oggi è il primo giorno che sono completamente senza febbre, ed è anche il primo giorno che riuscirò a bere e mangiare in complesso 1 litro, in modo da evitare l'ipodermoclisi, che mi rovina le gambe e mi impedisce di camminare come dovrei. Però, con tutto questo, oggi mi hanno fatto fare un giro per i corridoi e sulla terrazza, con grande meraviglia di medici e infermieri, che tutti si interessano molto alla mia sorte. (Sereni, 396) [Heute ist der erste Tag, an dem ich gänzlich fieberfrei bin, und es ist auch der erste Tag, an dem ich es schaffen werde, insgesamt 1 Liter zu trinken und zu essen, um so die Hypodermoklyse zu vermeiden, die mir die Beine ruiniert und mich daran hindert zu gehen, wie ich eigentlich sollte. Aber bei alledem haben sie mich heute einen Rundgang machen lassen über die Gänge und auf der Terrasse, zum großen Erstaunen der Ärzte und Pfleger, die sich alle sehr meines Falles annehmen.]

Purtuttavia - im Gegensatz zum generell-adversativen tuttavia - hat eine spezifisch konzessive Bedeutung: (91)

Come osservò il capostipite dei fisiocratici, François Quesnay, le società umane distruggono ogni anno la maggior parte del proprio prodotto: mangiano i cibi, consumano gli oggetti, deteriorano i capitali. Purtuttavia, alla fine di ogni nuovo ciclo produttivo, si ritroverà all'incirca la stessa quantità di beni, leggermente aumentata o diminuita. (Bresso, 62) [Wie der Stammvater der Physiokraten, François Quesnay, vermerkte, zerstört die menschliche Gesellschaft jedes Jahr den größten Teil ihres eigenen Produktes: Sie verzehrt die Lebensmittel, sie verschleißt die Gegenstände, sie schmälert die Vermögenswerte. Nichtsdestotrotz wird man am Ende jedes neuen Produktionszyklus nahezu die gleiche Menge an Gutem - leicht vermehrt oder leicht verringert - wieder vorfinden.]

Die orthographischen Varianten contuttociò, pur tuttavia und ciò nondimeno sind im Korpus nicht belegt. Für das Konnektiv nonpertanto!non pertanto haben sich gleichfalls keine Beispiele gefunden.

263 Des weiteren gibt es einige Bildungen mit einem negativen quantitativen Element. Nondimeno und cionondimeno basieren auf meno 'weniger', ciò non toglie auf togliere 'wegnehmen' : (92) a Difficile che Rutelli o Fini possano perdere le elezioni per una camicia sbagliata o una goccia di sudore sul volto, come capitò a Nixon durante il celebre duello televisivo contro John Kennedy. Nondimeno, le accuse alla telepolitica già si sprecano: superficiale, frivola, priva di contenuti. (La Stampa 5-12-93, 3) [Schwerlich werden Rutelli oder Fini die Wahlen verlieren können wegen eines falschen Oberhemdes oder eines Schweißtropfens im Gesicht, wie es Nixon geschah während des bekannten Femsehduells mit John Kennedy. Gleichwohl wird bereits gehäufte Kritik laut an der Politik im Fernsehen: oberflächlich, frivol, inhaltsleer. ] b Anche relativamente al secondo ordine di difficoltà si sono escogitati numerosi accorgimenti, quali la partecipazione agli utili, forme varie di incentivazione e così via. Cionondimeno, l'esistenza stessa di conflitti pone, a prescindere dalla loro componibilità o meno, un delicato problema quando si passi a identificare l'obiettivo dell'impresa. (Cozzi/Zamagni, 246) [Auch bezüglich der zweiten Kategorie von Schwierigkeiten sind zahlreiche Behelfslösungen ersonnen worden, wie Gewinnbeteiligung, verschiedene Formen der Förderung usw. Nichtsdestoweniger stellt das Vorhandensein von Konflikten, abgesehen von deren Beilegungsmöglichkeit, ein heikles Problem dar, wenn man dazu übergeht, die Zielsetzung des Unternehmens zu bestimmen.] (93) Anche le spiegazioni che mi dà paiono filtrate nello stesso modo. | Ciò non toglie che lei me ne dia, e anzi ne prenda l'iniziativa. (Mannuzzu, 153) [Auch die Erklärungen, die sie mir gibt, erscheinen mir gleichermaßen filtriert. Und doch gibt sie mir wenigstens welche, übernimmt dabei sogar die Initiative.]

7.2.1.3. Temporales Element Das einzige Konnektiv, das im Italienischen ein temporales Element enthält, ist pur sempre (sempre 'immer'): (94)

Il cardinale Pappalardo aveva replicato che nessuno è perfetto, nessuno può essere assolto completamente e così la Chiesa nell'isola - ha ammesso - in certi casi non è stata all'altezza del compito, ma è pur sempre rimasta nel suo complesso contro i boss. (La Stampa 5-12-93, 15) [Kardinal Pappalardo hatte entgegnet, daß niemand vollkommen sei, niemandem die vollständige Absolution erteilt werden könne; und so sei die Kirche auf Sizilien - das gab er zu - in einigen Fällen ihrer Aufgabe nicht gewachsen gewesen, sei dennoch in ihrer Gesamtheit gegen die ßiafla-]Bosse eingestellt geblieben.]

7.2.1.4. Allgemeines Verstärkungselement des Gegensatzes Auf einem allgemeinen Verstärkungselement basieren die Konnektive eppure, pure, lo stesso, ugualmente (auch in der Variante egualmente). Sehen wir uns zunächst die

264

Konnektive an, die ein additives pure enthalten (eppure sowie die - meist literarische Variante pure) : (95)

(96)

La rinascita dei diritti dell'uomo non rappresentò peraltro, in generale, la rivincita del diritto naturale sul suo storico avversario: il diritto positivo. Eppure, proprio questo avrebbe potuto accadere [...]. (Zagrebelsky, 85) [Das Wiederaufleben der Menschenrechte bedeutete allerdings nicht - ganz allgemein einen erneuten Sieg des Naturrechts über seinen historischen Antagonisten, das positive Recht. Dennoch: Genau dies hätte geschehen können.] Qui, le serrande sono già abbassate, i vetri sono chiusi, un lume soltanto è acceso sul comodino dalla parte del muro. Pure, non si respira aria di chiuso. (Montefoschi, 134) [Hier sind die Rolläden bereits heruntergelassen, die Fenster sind geschlossen, nur eine Lampe brennt auf dem Nachttisch an der Wandseite. Und doch: Es ist keine stickige Luft im Raum ]

Auf eine Übereinstimmung von Sachverhalten weisen die Konnektive lo stesso und ugualmente!egualmente hin (stesso, uguale, eguale 'gleich'):25 (97)

"Adesso devo andare, è tardi". Ha insistito per accompagnarmi. Io ho detto: "Grazie no, non importa posso andare da sola". | Mi ha accompagnata lo stesso. (Tamaro, 103) [ "Jetzt muß ich gehen, es ist spät. " Er hat darauf bestanden, mich zu begleiten. Ich habe gesagt: "Nein danke, es ist nicht nötig, ich kann alleine gehen. " \ Er hat mich trotzdem begleitet. ] (98) a Al di là delle polemiche e delle rimostranze ufficiali, si deve però segnalare che la "Scroll Operation", vale a dire l'operazione rotoli, non ha ancora portato alla scoperta di altri papiri o documenti. Qualche frutto importante però l'ha prodotto ugualmente, a cominciare dal rinvenimento di uno scheletro di cinquemila anni di età ottimamente conservato. (La Stampa 8-12-93, 20) [Über die Polemiken und die offiziellen Vorhaltungen hinaus muß jedoch darauf hingewiesen werden, daß die "Scroll Operation", d.h. das Unternehmen "Schriftrollen", noch nicht zur Entdeckung von weiteren Papyrusrollen oder Dokumenten geführt hat. Einige wichtige Erfolge hat sie gleichwohl zu verzeichnen, angefangen von der Auffindung eines fünftausend Jahre alten, bestens erhaltenen Skeletts.] b II presidente Tarantola è apparso veramente umiliato. Quel timido gentiluomo, appena un po' avvampato di rossore, ha mormorato: "Beh, io e la difesa, anche se non cerchiamo il consenso popolare, tuttavia vogliamo egualmente capire... ". (La Stampa 5-12-93, 7) [Präsident Tarantola erschien wirklich zerknirscht. Dieser schüchterne Ehrenmann, mit leichter Röte im Gesicht, murmelte: "Nun, die Verteidigung und ich, auch wenn wir nicht den Konsens der Öffentlichkeit suchen, wir wollen aber gleichwohl verstehen... "]

7.2.2. Frequenz und Gebrauch Folgende Tabelle gibt einen Überblick über die Frequenz der einzelnen Konnektive im Korpus. Insgesamt haben sich 641 Belege gefunden: 25

Ugualmente!egualmente im konzessiven Sinne von 'gleichwohl' ist von ugualmente/egualmente in der modalen Bedeutung 'gleichfalls, in gleichem Maße' zu unterscheiden.

265 Tab. 1: eppure lo stesso pur sempre ugualmente nondimeno pure ciò nonostante nonostante tutto malgrado tutto ciò non toglie ciononostante nonostante ciò egualmente purtuttavia con tutto ciò cionondimeno ciò malgrado con tutto questo ciò non ostante non ostante ciò

Belege 367 71 52 29 21 16 15 12 12 10 9 6 5 4 3 3 2 2 1 1 641

Wie bereits im Deutschen ist auch für die italienischen parataktischen Konnektive eine hohe Konzentration der Ausdrucksmittel festzustellen. Ein einziges Konnektiv, eppure, stellt ca. 57% aller Belege, die fünf häufigsten Konnektive erreichen zusammen ca. 84%. Die auf einem hindernd-oppositiven Element (nonostante, malgradö) basierenden Konnektive gehören hingegen - vielleicht etwas überraschend - zu den weniger häufig belegten Formationen. Es sei außerdem vermerkt, daß "verwandte" Konnektive durchaus unterschiedliche Frequenzen aufweisen können: So ist beispielsweise eppure (367) weitaus zahlreicher belegt als pure (16); das einfache nondimeno (21) ist häufiger als cionondimeno (3); bei den Formationen mit nonostante erscheint das Pronomen cid häufiger in Voranstellung (insgesamt 25) als in Nachstellung (insgesamt 7); bei malgrado ist sogar ausschließlich Voranstellung belegt (2). Nach Verwendungsbereichen aufgeschlüsselt (Fach-, Literatur- und Pressesprache) ergibt sich folgendes Bild: Tab. 2:

Fachsprache:

pur sempre eppure nondimeno ciò nonostante ugualmente ciò non toglie

Belege 31 31 16 14 8 6

266

nonostante ciò purtuttavia cionondimeno pure egualmente ciononostante ciò malgrado lo stesso nonostante tutto non ostante ciò ciò non ostante malgrado tutto

Belege 3 3 3 3 3 2 2 2 1 1 1 1 131

Tab. 3: Literatursprache: eppure lo stesso pure ugualmente malgrado tutto nonostante tutto pur sempre ciononostante ciò non toglie con tutto ciò con tutto questo nondimeno nonostante ciò purtuttavia

Belege 236 57 13 13 9 8 8 3 3 2 2 2 1 1 358

Tab. 4: Pressesprache: eppure pur sempre lo stesso ugualmente ciononostante nonostante tutto nondimeno egualmente nonostante ciò malgrado tutto ciò nonostante

Belege 100 13 12 8 4 3 3 2 2 2 1

267 Belege con tutto ciò ciò non toglie

1 1 152

Die 641 Belege verteilen sich folgendermaßen auf die drei Teilbereiche: Literatursprache 358, Pressesprache 152, Fachsprache 131. Wie schon im Deutschen sind die meisten Belege in belletristischen Texten, die wenigsten in fachsprachlichen zu finden. Diese Verteilung ist wahrscheinlich auf die Tatsache zurückzuführen, daß sprachübergreifend die dialogischen und monologischen Passagen in literarischen Werken der gesprochenen Sprache nahestehen. Aus den verschiedenen Tabellen ist ersichtlich, daß einige Konnektive deutliche Präferenzen für einen bestimmten Verwendungsbereich zeigen. In der Fachsprache sind überdurchschnittlich vertreten: pur sempre (31 Belege, gegenüber 8 literatur- und 13 pressesprachlichen), nondimeno (16, gegenüber 2 bzw. 3 Belegen), ciò nonostante (14 Belege, gegenüber 1 pressesprachlichen) und ciò non toglie (6 Belege, gegenüber 3 in der Literatur und 1 in der Presse). Bevorzugt in belletristischen Texten werden verwendet: eppure (236 Belege; 31 und 100 in Fach- bzw. Pressesprache), lo stesso (57, gegenüber 2 und 12), pure (13, gegenüber 3 in Fachtexten), malgrado tutto (9, gegenüber 1 und 2) und nonostante tutto (8, gegenüber 1 und 3). Für die parataktischen Konnektive gibt es auch im Italienischen unterschiedliche Verwendungen. Sie seien hier kurz zusammengefaßt. 26 Die Hauptfunktion der beiordnenden Konnektive besteht darin, zwei Hauptsätze miteinander zu verbinden. Dabei können sie als alleiniges Konnektiv auftreten (99) oder sich in einem bereits durch eine allgemein-adversative Konjunktion eingeleiteten Hauptsatz befinden (100). 27 Betrachten wir dazu zwei Beispiele mit ciononostante: (99)

Giocano, inoltre, molti altri elementi, quali la disinformazione sui possibili danni degli inquinamenti, l'assuefazione alla cattiva qualità ambientale da parte degli abitanti delle città, la prevalenza di altri criteri di scelta, come la prossimità ai servizi o ai luoghi di lavoro ecc. Ciononostante, mediamente, le analisi basate sul metodo del prezzo edonistico permettono di rilevare almeno un ordine di grandezza degli effetti dei danni o benefici ambientali sui valori immobiliari. (Bresso, 309) [Viele weitere Elemente spielen eine Rolle, wie die Desinformation hinsichtlich möglicher Schäden durch Umweltverschmutzung, die Gewöhnung an eine schlechte Umweltqualität seitens der Stadtbewohner, die Vorrangstellung anderer Entscheidungskriterien wie Nähe zu Dienstleistungsbetrieben oder zum Arbeitsplatz usw. Trotzdem ermöglichen - im

Eine ausfuhrliche Darstellung der entsprechenden Strukturen im Deutschen findet sich unter 4.3.3 1-4.3.3 4. 27

Eine Ausnahme ist durch das Konnektiv eppure (mitsamt seiner verkürzten Variante pure) gegeben. Es ist stets das einzige parataktische Konnektiv im Satz und erscheint dabei ausschließlich am Satzanfang. Die anderen parataktischen Konzessivkonnektive (wie beispielsweise nondimeno) können hingegen auch eine Mittel- oder Endstellung aufweisen.

268 Schnitt - die auf der Methode des hedonistischen Preises beruhenden Untersuchungen, zumindest die Größenordnung der Auswirkungen von Umweltschäden bzw. -Vorzügen auf die Immobilienwerte festzustellen.] (100) Adesso è al ballottaggio contro Gaetano Minervini (sinistre), usa toni più pacati, ma viola ciononostante la legge sulla propaganda elettorale che non consente ai candidati di apparire in tv nei trenta giorni che precedono il voto. (La Stampa 3-12-93, 27) [Nun steht er in der Stichwahl Gaetano Minervini (Liriksbündnis) gegenüber, schlägt gemäßigtere Töne an, verletzt aber dennoch das Wahlkampfgesetz, das den Kandidaten nicht gestattet, in den letzten dreißig Tagen vor der Wahl im Fernsehen aufzutreten.] Parataktische Konnektive werden auch in Nebensätzen verwendet: 28 (101)

Perso per la centesima volta uno dei lavoretti con cui tiravo avanti, e appena uscito da un processo penale per aggressione, ritirai dalla banca il piccolo gruzzolo che nonostante tutto ero riuscito ad accumulare e partii per gli Stati Uniti. (Onofri, 24) [.Nachdem ich zum x-ten Male einen dieser Jobs verloren hatte, mit denen ich mich über Wasser hielt, und gerade ein Strafverfahren wegen Tätlichkeit hinter mir hatte, hob ich von der Bank das Sümmchen ab, das ich trotz allem zusammengespart hatte und reiste in die Vereinigten Staaten ]

Letztendlich können diese Konnektive die konzessive Bedeutung in einem hypotaktischen Satzgefüge verstärken oder verdeutlichen. Im ersten Fall liegt eine eindeutig konzessive Subjunktion vor (102), im zweiten eine primär nichtkonzessive (103): (102)

(103)

Eppure, anche se sono convinto che la collocazione del partito nel polo progressista dovrebbe essere ovvia, io avevo intenzione di discuterne lo stesso, ma per gli inquisiti non è stato possibile. (La Stampa 3-12-93, 7) [Und dennoch, auch wenn ich überzeugt bin, daß der Standort der Partei innerhalb des progressiven Pols offensichtlich sein dürfte, hatte ich trotzdem die Absicht, darüber zu diskutieren, aber den Leuten, gegen die ein Ermittlungsverfahren lief, war dies nicht möglich.] Se quindi il conflitto era lo scenario entro il quale avevano luogo i rapporti tra le classi sociali, se i prodromi più lontani della cultura di sinistra vedevano nel conflitto la componente prima delle relazioni sociali, ciò nonostante l'esplosione delle grandi crisi degli anni Settanta indusse forti rivisitazioni critiche dell'ideologia. (Gobbi, 102) [Wenn nun der Konflikt das Szenario war, innerhalb dessen sich die Beziehungen zwischen den sozialen Schichten abspielten, wenn die entferntesten Vorläufer der Linkskultur im Konflikt die Hauptkomponente der sozialen Beziehungen sahen, trotzdem führte der Ausbruch der großen Krisen der siebziger Jahre zu einer intensiven kritischen Neuauseinandersetzung mit dieser Ideologie.]

7.3. Präpositionale Konstruktionen Präpositionale Konzessivkonstruktionen sind im Italienischen - ähnlich wie ihre deutschen Entsprechungen - in der einschlägigen Literatur kaum behandelt worden. Bei Ausgenommen ist wiederum das Konnektiv eppure/pure.

269

Herczeg (1976b) und Moretti (1983) werden sie nicht einmal erwähnt. Einen kurzen Hinweis findet man bei Mazzoleni (1991:808). Auch die an sich breiter angelegte Untersuchung von Elgenius (1991:58-60,74-6) geht über die Angabe einiger Korpusbeispiele für nonostante und malgrado nicht hinaus. Im vorliegenden Korpus sind folgende eindeutig konzessive Präpositionen und Präpositionalfugungen belegt, die allesamt auf einem hindernd-oppositiven Element beruhen: nonostante malgrado a dispetto di ad onta di a costo di a(l) prezzo di a rischio di

Betrachten wir zunächst zwei Beispiele mit den Präpositionen nonostante und malgrado, die in der Form mit den jeweiligen subordinierenden Konnektiven übereinstimmen: (104)

(105)

I prezzi delle imprese manifatturiere tendono ad essere rigidi, nonostante le variazioni nella domanda e nei costi. (Cozzi/Zamagni, 399) [Die Preise der Manufakturbetriebe sind trotz der Schwankungen bei Nachfrage und Kosten tendenziell stabil.] Ma, malgrado le dimensioni, è un'auto agile, maneggevole, sospinta da un 6 cilindri di 3.5 litri pieno di brio. (La Stampa 9-12-93, 37) [Aber trotz der Außenmaße ist es ein wendiges, handliches Auto, angetrieben von einem schwungvollen 6-Zylinder-Motor mit 3,5 Liter Hubraum.]

Mitunter tritt das quantitative Element tutto in verstärkender Funktion hinzu: (106)

(107)

Lo guardavo parlare con Oscar Sasso, e nonostante tutta la sua brillantezza e la sua cultura e la sua esperienza del mondo era chiaro che si muoveva su un terreno non suo. (De Carlo, 212-3) [Ich sah ihn mit Oscar Sasso sprechen, und trotz all seiner Brillanz und seiner Bildung und seiner Welterfahrung war es offensichtlich, daß er sich auf ungewohntem Terrain bewegte] Spesso, inoltre, malgrado tutte le precauzioni prese, il risultato è deludente. (Bresso, 309) [Des öfteren ist darüber hinaus - trotz aller Vorsichtsmaßnahmen - das Ergebnis enttäuschend.]

Es sei außerdem auf die Konstruktion «Possessivpronomen + malgrado» verwiesen, in der malgrado als Postposition auftritt. In diesen Fällen liegt das Hindernis stets beim Handlungsträger selbst. In den folgenden beiden Belegen kann die Konstruktion beispielsweise mit obwohl er es nicht wollte oder obwohl sie es nicht wollen umschrieben werden:

270 (108) a E poi pensò a altre cose della sua vita, ma queste Pereira non vuole riferirle, perché sostiene che sono sue e solo sue e che non aggiungono niente a quella sera e a quella festa in cui era capitato suo malgrado. (Tabucchi, 20-1) [Und dann dachte er an andere Dinge seines Lebens, aber von diesen will Pereira nicht erzählen, weil er behauptet, daß sie seine und nur seine Angelegenheit seien und daß sie jenem Abend nichts hinzufügten und auch jenem Fest nicht, auf das er zu seinem Leidwesen geraten war] b Quando nell'85 il nuovo aeroporto venne "pensato", le previsioni erano rosee, ma oggi gli amministratori della Sagat si trovano a fare i conti, loro malgrado, con problemi economici e organizzativi che mettono in secondo piano la soddisfazione per la nascita della nuova aerostazione. (La Stampa 7-12-93, 39) [Als 1985 der neue Flughafen "erdacht" wurde, waren die Aussichten rosig, aber derzeit stehen die Verwalter der SAGAT - zu ihrem Leidwesen - vor unvermuteten wirtschaftlichen und organisatorischen Problemen, die die Genugtuung über die Entstehung des neuen Flughafens in den Hintergrund treten lassen.]

Für die präpositionalen Fügungen a dispetto di und ad onta di betrachten wir folgende Sätze: (109)

(110)

Ricordo il momento preciso in cui capitò. Io, a quell'epoca, ero timido con mio padre, a dispetto dei molteplici tentativi d'ingannarlo. (Montefoschi, 173) [Ich erinnere mich an den genauen Moment, in dem es geschah. Zu der Zeit war ich schüchtern meinem Vater gegenüber, meiner zahlreichen Täuschungsversuche zum Trotz] Basti rilevare come la nuova legge non si sia distaccata da quella concezione della pubblica amministrazione quale indistinta organizzazione burocratica dello Stato nella quale, ad onta del principio di divisione dei poteri, sono accomunati sotto una unica disciplina pubblici amministratori, giudici e parlamentari [...]. (Padovani/Stortoni, 36) [£Ì genügt hervorzuheben, daß das neue Gesetz sich nicht gelöst hat von jener Vorstellung der öffentlichen Verwaltung als einer unterschiedslosen bürokratischen Organisation des Staates, innerhalb derer - ungeachtet des Prinzips der Gewaltenteilung - unter einer einzigen Disziplin Verwaltungsbeamte, Richter und Parlamentarier vereint sind]

Schließlich seien die Fügungen a costo di, a(l) prezzo di und a rischio di erwähnt, die nicht nur einen reduzierten Nebensatz einleiten,29 sondern auch als Präposition fungieren können: (111)

(112)

29

Il passaggio dalla Farina all'Oro sembrò di buon auspicio a Cosimo Rolando che, a costo di nuovi debiti presso i banchieri fiorentini, si impegnò nell'acquisto prima ancora di avere trovato un compratore per la residenza precedente. (Malerba, 78) [Der Umzug von der Farina zum Oro schien Cosimo Rolando von guter Vorbedeutung zu sein; um den Preis neuer Schulden bei den florentinischen Bankiers verpflichtete er sich zum Kauf, noch bevor er einen Käufer für die vorherige Residenz gefunden hatte] Il governo si sta muovendo, asserisce il sottosegretario di Palazzo Chigi, per riordinare le proprie strutture, ma un risultato sarà possibile solo a prezzo di "seri sforzi". (La Stampa 14-12-93, 27)

Bei a(l) prezzo di finden sich im vorliegenden Korpus dafür jedoch keine Belege.

271

(113)

[Die Regierung sei dabei, Schritte zu unternehmen, versichert der Staatssekretär von Palazzo Chigi, um die eigenen Strukturen neu zu ordnen, aber ein Ergebnis werde nur um den Preis "emsthafter Bemühungen " möglich sein.] In primo luogo perché, se definire un campo d'indagine significa fissare dei confini, non è mai opportuno partire dall'operazione di recinzione, conviene piuttosto addentrarsi e girare per il campo anche a rischio di qualche sconfinamento. (Cozzi/Zamagni, 32) [Zum ersten, weil - wenn die Bestimmung eines Forschungsgebiets die Festlegung von Grenzen bedeutet - es nie zweckmäßig ist, mit der Eingrenzung zu beginnen, sondern weil es sinnvoller ist, das Feld erst einmal zu betreten und sich dort umzusehen, auch auf die Gefahr einiger Grenzüberschreitungen.]

Nicht in Betracht gezogen habe ich allgemein-adversative Präpositionen und Fügungen wie beispielsweise contro 'gegen' oder contrariamente a 'entgegen'. Des weiteren möchte ich die Konstruktion mit con tutto/a/i/e aus dem Kreis der Konzessivkonnektive ausschließen. Sie unterscheidet sich nämlich grundlegend von der deutschen Entsprechung «bei + all». Während der durch «bei + all» bezeichnete Begleitumstand durchgehend konzessiv interpretiert werden muß, ist con tutto/a/i/e im Normalfall kausal und kann lediglich in bestimmten Kontexten - wenn ein offenkundiger Kontrast vorliegt - eine konzessive Interpretation erfahren. Sehen wir uns zunächst ein Beispiel für die übliche, kausale Bedeutung an: (114)

Ha proseguito: "Con tutti i libri che leggi, sei molto sicuro di te. Pensi di fare e dire cose molto difficili e profonde. La gente è sempre incline a pensare che quanto non capisce sia molto difficile e profondo. Ma non è così." (Siciliano, 206) [Erfiihrfort: "Durch all die Bücher, die du liest, bist du sehr selbstsicher. Du glaubst, sehr schwierige und tiefgründige Dinge zu tun und zu sagen. Die Leute sind immer geneigt zu denken, daß das ihnen Unverständliche sehr schwierig und tiefgründig sei. Aber dem ist nicht so. "]

Folgender Beleg kann dagegen konzessiv gedeutet werden, da zwischen den in Relation gesetzten Sachverhalten eine deutliche Opposition besteht: (115)

Restava come un fesso, con tutti i discorsi che si era preparato e che non servivano più. (Mazzantini, 92) [Er stand wie ein Trottel da, bei all den Argumenten, die er vorbereitet hatte und die zu nichts mehr nutzten ]

In einigen Fällen wird der konzessive Sinn durch den Zusatz von pur expliziert: (116)

La scelta che la comunità internazionale ha fatto in favore di una strategia di sviluppo sostenibile, pur con tutte le difficoltà e ambiguità che ancora permangono, obbliga ad affrontare la questione ambientale non solo secondo un approccio microeconomico - come si è essenzialmente fatto finora - ma anche da un punto di vista macroeconomico. (Bresso, 89) [Die Wahl, die die internationale Gemeinschaft zugunsten einer Strategie des vertretbaren Wachstums getroffen hat, zwingt - trotz aller verbleibenden Schwierigkeiten und Unklarheiten -, die Umweltfrage anzugehen nicht nur gemäß einem mikroökonomischen

272 Ansatz (wie man es im wesentlichen bisher gemacht hat), sondern auch von einem makroökonomischen Gesichtspunkt ans.]

Eine eindeutig konzessive Bedeutung liegt lediglich in einzelnen Redewendungen vor wie beispielsweise con tutto il rispetto 'bei aller Achtung' oder con tutta la buona volontà 'bei allem guten Willen' (letzterer Ausdruck ist im Korpus nicht belegt): (117)

"Che vuol dire?" "Che con tutto il rispetto per il mercato, i cittadini non si possono lasciare da soli sul mercato." (La Stampa 7-12-93, 3) [ "Was bedeutet das? " "Daß - bei aller Achtung vor dem Markt - die Bürger nicht auf dem Markt alleingelassen werden können. "]

Betrachten wir nun die Frequenz der primär konzessiven Präpositionen und Präpositionalfiigungen. Insgesamt finden sich 420 Belege: Tab. 5: nonostante malgrado a dispetto di a(l) prezzo di ad onta di a rischio di a costo di

Belege 282 101 19 7 5 4 2 420

Die weitaus häufigste Präposition ist nonostante (ca. 67%), gefolgt von malgrado (ca. 24%). Zusammen stellen die beiden Präpositionen über 91% aller Belege. Präpositionalfugungen sind hingegen relativ selten (die 5 Konnektive kommen insgesamt auf nicht einmal 9%). Nach Verwendungsbereichen geordnet ergibt sich folgendes Bild: Tab. 6:

Fachsprache:

nonostante malgrado ad onta di a(l) prezzo di a costo di a rischio di

Tab. 7:

Belege 101 23 5 4 1 1 135

Literatursprache:

nonostante malgrado a dispetto di

Belege 102 46 11

273

a rìschio di a costo di

Tab. 8:

Belege 2 1 162

Pressesprache:

nonostante malgrado a dispetto di a(l) prezzo di a rìschio di

Belege 79 32 8 3 1 123

Wie aus den drei Tabellen ersichtlich ist, weisen Fach-, Literatur- und Pressetexte jeweils 135, 162 und 123 Konnektive auf. Im Bereich der Fach- und Pressesprache findet sich eine vergleichbare Anzahl von Belegen. Darin ähnelt das Italienische dem Deutschen. Ein Unterschied zwischen den beiden Sprachen betrifft indessen den literarischen Bereich: Im Deutschen ist er durch eine unterdurchschnittliche Belegzahl charakterisiert, im Italienischen hingegen durch eine leicht überdurchschnittliche. Bei den fachsprachlichen Texten läßt sich beobachten, daß zum einen die Fügung a dispetto di nicht belegt ist, zum anderen sich die einzigen Beispiele von ad onta di in diesem Bereich finden. Es fällt außerdem auf, daß in der Belletristik malgrado überproportional vertreten ist, während a(l) prezzo di nicht vorkommt. In der Pressesprache weist nonostante eine leicht unterdurchschnittlich Frequenz auf.

7.4. Zahlenmäßiger Überblick über hypotaktische, parataktische und präpositionale Konstruktionen Bei der Behandlung der parataktischen und präpositionalen Konstruktionen im Italienischen sind u.a. Angaben zur jeweiligen Distribution auf die drei Teilkorpora (Fach-, Literatur- und Pressesprache) gemacht worden (s. 7.2.2; 7.3). Diese Daten sollen hier kurz zusammengefaßt und - unter Vorgriff auf 8.2 - mit denen der hypotaktischen Konstruktionen verglichen werden: Tab. 9: hypotaktische Konstruktionen parataktische Konstruktionen präpositionale Konstruktionen

Fach. Lit. Presse gesamt 1076 1021 671 2768 131 358 152 641 123 420 135 162 946 1342 1541 3829

274

Hypotaktische Konzessivstrukturen weisen eine annähernd gleiche Frequenz im fachsprachlichen (1076) und literarischen (1021) Bereich auf, wohingegen Pressetexte deutlich zurückbleiben (671). Parataktische Konstruktionen treten bevorzugt in der Literatursprache auf (358 Belege, gegenüber 131 und 152 in Fach- bzw. Pressesprache). Auch bei den präpositionalen Strukturen läßt sich eine - wenngleich weniger deutliche - Dominanz der belletristischen Belege ausmachen (162, gegenüber 135 bzw. 123). Insgesamt liefert das literatursprachliche Korpus die meisten Belege (1541), das fachsprachliche folgt mit einigem Abstand (1342), das pressesprachliche liegt weit zurück (946). Vergleicht man diese Daten mit den Statistiken für das Deutsche (s. oben 4.5), so fallen Gemeinsamkeiten und Unterschiede ins Auge. Die Zahl der Gesamtbelege ist annähernd gleich (3829 im Italienischen, 4041 im Deutschen), allerdings liegt eine unterschiedliche Verteilung auf die drei Konstruktionstypen vor: Im Italienischen finden wir deutlich mehr hypotaktische Konstruktionen (2768 zu 2234), dafür merklich weniger parataktische (641 zu 975) und präpositionale (420 zu 832). Wenn man die Distribution auf die drei Teilkorpora in die Gegenüberstellung einbezieht, so ergibt sich folgendes Bild: - Gemeinsam ist beiden Sprachen, daß hypotaktische Konstruktionen am seltensten in Pressetexten vorkommen, parataktische am häufigsten in literarischen Texten; berücksichtigt man alle drei Konstruktionstypen, lassen sich die meisten Belege in der Belletristik feststellen (jeweils gefolgt von Fach- und Pressetexten). - Unterschiede gibt es bei der Verteilung der hypotaktischen Konstruktionen, die im Italienischen am häufigsten in der Fach-, im Deutschen dagegen in der Literatursprache vorkommen. Ferner weisen die präpositionalen Strukturen im Italienischen die höchste Frequenz in der Literatursprache auf - in einem Bereich, wo sie im Deutschen am seltensten auftreten. Wie man erkennen kann, interagieren hier "textsortenspezifische" Tendenzen (z.B. die Vorliebe für Parataxe in dialogischen Passagen von literarischen Prosatexten) mit eher "kulturspezifischen" Entwicklungen. So könnte das massive Auftreten konzessiver präpositionaler Strukturen in der italienischen Literatursprache als Zeichen einer fortschreitenden Nominalisierungstendenz gewertet werden, die in der deutschen Literatursprache - zumindest was den Ausdruck der Konzessivität betrifft - dieses Ausmaß nicht erreicht hat.

8. Analyse der wichtigsten subordinierten Konstruktionen im Italienischen Im folgenden sollen einige zentrale Aspekte der hypotaktischen Konzessivkonstruktionen im Italienischen vertieft werden. Parallel zu der Analyse des Deutschen (Kap. 6) gehe ich zunächst auf die Frequenz der einzelnen Konnektive und Konstruktionen ein (8.1), wobei wiederum nach Verwendungsbereichen unterschieden wird (8.2). Im Anschluß werden folgende Themenbereiche untersucht: Vollständigkeit (8.3) und Stellung (8.4) des Nebensatzes, Auftreten von Verstärkungselementen (8.5), Modus im Nebensatz (8.6) und konzessive Semantik der Konstruktion (8.7). Ferner werden spiegelbildliche Formationen behandelt (8.8) sowie Konnektive, die in unterschiedlichen Varianten auftreten können (8.9).

8.1. Frequenz der einzelnen Konnektive im Gesamtkorpus Die Studien von Moretti (1983) und Elgenius (1991) sind meines Wissens die einzigen, die statistische Angaben zur Frequenz der verschiedenen Konzessivkonnektive enthalten. Die Daten von Moretti (1983:104f.) betreffen insgesamt 34 Konstruktionen. Die abschließende Statistik ist jedoch nur beschränkt verwertbar - und dies nicht nur aufgrund ihrer Unübersichtlichkeit. Schwerer wiegt die Tatsache, daß nicht unterschieden wird zwischen Konnektiven, die nur gelegentlich einen konzessiven Wert annehmen können, und solchen, die auf den Ausdruck der konzessiven Bedeutung eindeutig festgelegt sind. Die Untersuchung von Elgenius (1991) zieht dagegen ausschließlich primär konzessive Konnektive (20 an der Zahl) in Betracht. Allerdings umfaßt das zugrundeliegende Korpus die Jahre 1910-1989 und ist somit zeitlich nicht homogen. Bei einer Analyse der italienischen Gegenwartssprache eignen sich die Daten - zusammengefaßt in zwei Frequenztabellen (1991:260,262) - höchstens als diachronische Vergleichsbasis. In der vorliegenden Arbeit besteht die Materialgrundlage - wie eingangs dargelegt - einzig aus Texten der neunziger Jahre (1990-1995). In die Untersuchung einbezogen sind Konnektive, die einen hohen oder mittleren Grad der Explizitheit aufweisen, d.h. ausschließlich (wie z.B. nonostante oder benché) bzw. vorwiegend (wie seppure oder per quanto) eine konzessive Bedeutung ausdrücken. Nicht berücksichtigt wurden dagegen Konstruktionen mit einem geringen Grad der Explizitheit (wie z.B. die unter 7.1.3 behandelten konditionalen oder temporalen Sätze). Die semantisch marginalen polykonditionalen Konstruktionen wurden gleichfalls ausgeschlossen. Insgesamt liegen 2768 Belege vor, verteilt auf 53 Konnektive bzw. Konstruktionen:

276 Tab. 1: anche se pur sebbene benché per quanto sia pure anche quando nonostante seppure pur se ancorché se pure nonostante che malgrado sia pur anche nel caso a costo di se anche seppur pure se pur senza quantunque per quanto/a/i/e per...che quand'anche neanche quando anche a se pur anche dopo anche qualora neanche se neppure quando anche mentre uneingeleiteter NS + pure manco a nemmeno se con tutto che perfino quando neanche a nemmeno quando a rìschio di anche prima uneingeleiteter NS + anche persino quando pure quando neppure se

Belege 1108 479 159 151 145 132 123 63 45 37 33 32 19 18 18 16 15 14 14 13 12 9 9 9 8 7 6 6 5 5 5 5 4 4 4 4 3 3 3 3 2 2 2 2 2 2

ove pure anche nell'ipotesi perfino mentre quando anche neanche nemmeno a neppure nel caso

Belege 2 1 1 1 1 1 1 2768

Wie aus dieser Tabelle ersichtlich ist, liegt die Konzentration der subordinierenden Mittel zum Ausdruck der Konzessivität noch höher als im Deutschen. Ca. 40% aller Belege werden durch ein einziges Konnektiv gestellt (anche se). Die ersten fünf Konnektive (anche se, pur, sebbene, benché, per quanto) ergeben zusammen ca. 74% der Gesamtbelege, die ersten zehn über 88%. Demgegenüber sind 13 Konnektive lediglich ein- oder zweimal belegt. Betrachten wir nun die Frequenz einzelner Gruppen von Konnektiven. Bei den Bildungen mit se kann die Partikel vorangestellt sein. Die Kombination mit anche ist in diesem Fall weitaus häufiger als die mit pure/pur: anche se (1108) pure se (13) pur se (37)

Bei nachgestellter Partikel ist die Verbindung mit bene am zahlreichsten (159) - vor pure/pur (insgesamt 97) und anche (14). Im einzelnen ergibt sich folgendes Bild: se anche (14) se pure (32) se pur (6)

seppure (45) seppur (14) sebbene (159)

Bezüglich der Frequenzunterschiede von pur und pure fallt auf, daß bei Voranstellung pur häufiger ist (37:13), bei Nachstellung hingegen pure (77:20). Nur bei letzterer ist Zusammenschreibung möglich und stellt in diesem Fall die zahlenmäßig häufigere Variante dar (59:38). Zieht man sämtliche Verstärkungselemente in Betracht {anche, pure!pur und bene), so sieht man, daß Voranstellung der Partikel (1158) insgesamt weitaus öfter belegt ist als Nachstellung (270). Wenden wir uns nun den Konnektiven zu, die auf einem hindernd-oppositiven Element beruhen. Nonostante hat deutlich mehr Belege als malgrado aufzuweisen: nonostante (63) nonostante che (19) malgrado (18)

278

Bei nonostante ist die Variante mit che relativ selten, bei malgrado kommt sie überhaupt nicht vor. Zu dieser morphologischen Gruppe gehören des weiteren die auch präpositional verwendeten Konnektive a costo und a rischio-, a costo di (15) a rìschio di (2)

Auf einem quantitativen Element basieren folgende Konnektive: quantunque (9) per quanto (145) per quanto/a/i/e (9) per...che (9) con tutto che (3)

Bei per quanto ist die unflektierte Konstruktion (145) weitaus häufiger als die flektierte (9). Quantunque, per...che und con tutto che weisen aus unterschiedlichen Gründen eine geringe Anzahl von Belegen auf: Con tutto che ist in der Umgangssprache durchaus geläufig, scheint sich aber in der Schriftsprache noch nicht etabliert zu haben; per...che ist - im Gegensatz zu älteren Texten1 - heute fast nur in idiomatischen Wendungen belegt; quantunque kann als veraltet eingestuft werden.2 Sehen wir uns jetzt konzessive Konnektive mit einem temporalen Element an: anche quando (123) pure quando (2) perfino quando (3) persino quando (2)

quand'anche (8), quando anche (1)

Die große Mehrheit der Verbindungen aus quando und einem Verstärkungselement enthält anche (insgesamt 132 Belege). Relativ selten sind dagegen pure (2), perfino (3) und persino (2). Wie schon bei den Formationen mit se ist das Verstärkungselement dem allgemeinen produktiven Bildungsmuster entsprechend - meist vorangestellt (130:9). Am Rande sei noch die Verbindung von ancora und che (ancorché) erwähnt, die mit 33 Belegen keineswegs so selten ist, wie zuweilen behauptet wird. Das "existentielle" Konnektiv sia pur(e) erscheint überwiegend in der ungekürzten Form (pure) : sia pure (132) sia pur (18)

Ausschließlich auf einem Verstärkungselement basieren uneingeleitete Nebensätze mit anche und pure (in Verbindung mit einem Konjunktiv Imperfekt), Infinitivkonstruktio1

Vgl. die Beispiele bei Elgenius (1991:115-121).

2

Das Konnektiv ist lediglich bei zwei Schriftstellern der älteren Generation, Bufalino und Consolo, sowie im fachsprachlichen Handbuch von Cozzi/Zamagni belegt.

279

nen mit anche a sowie die Konnektive benché und pur. Nur letztere weisen eine hohe Frequenz auf: uneingeleiteter NS + anche (2) uneingeleiteter NS + pure (4) anche a (6) benché(151) pur (479)

Im Korpus sind zahlreiche Kombinationen mit einem negativen Element belegt. Neanche kommt insgesamt häufiger vor (16) als neppure (8), nemmeno (8) und manco (4):3 neanche se (5) neanche quando (7) neanche a (3) neanche (1)

neppure se (2) neppure quando (5)

nemmeno se (4) nemmeno quando (3) nemmeno a (1)

manco a (4)

neppure nel caso (1)

Wenden wir uns abschließend einigen produktiven Gelegenheitsverbindungen zu, die auf einem konditionalen bzw. temporalen Element beruhen. Betrachten wir zunächst Bildungen, die ein explizit konditionales Konnektiv enthalten: anche nel caso (16) anche nell'ipotesi (1) anche qualora (5)

ovepure(2)

Verstärkungselement ist meist anche (22), seltener pure (2). Wie schon im Deutschen sind die "eindeutigen" Kodierungsformen der konditionalen Konzessivbedeutung relativ selten (lediglich 24 von 380 Sätzen mit konditionaler Semantik weisen derartige Konnektive auf). Die Verstärkungselemente anche, pure usw. können mit einer beliebigen temporalen Konjunktion Gelegenheitsverbindungen eingehen. Im Korpus belegt sind jedoch nur folgende Kombinationen: anche mentre (4) anche prima (2) anche dopo (S)

perfino mentre (1)

Wie wir sehen, findet sich in 11 von 12 Belegen die Partikel anche. Als temporale Konnektive kommen prima, mentre und dopo in Frage, die jeweils Vor-, Gleich- oder Nachzeitigkeit ausdrücken. Konjunktionen, die temporale Zusatzinformationen liefern

Es sei außerdem auf das nur mit einem Infinitiv konstruierte Konnektiv pur senza verwiesen (12 Belege).

280

(appena che, finché usw.), sind in Verbindung mit einem konzessiven Verstärkungselement nicht belegt.4

8.2. Vergleich der drei Teilkorpora Fach-, Literatur- und Pressesprache: Gibt es textsortenspezifische konzessive Konstruktionen? Den beiden Studien, die statistische Angaben zum Italienischen enthalten (Moretti 1983, Elgenius 1991), lassen sich kaum verwertbare Hinweise bezüglich einer textsortenspezifischen Verwendung der einzelnen Konstruktionen entnehmen. Zwar untersucht Moretti Texte aus drei (Belletristik, Sachprosa und Presse), Elgenius immerhin aus zwei Bereichen (Literatur und Presse), jedoch ist in beiden Arbeiten die zahlenmäßige Gewichtung der einzelnen Teilkorpora nicht zu erkennen. Überdies sind die Teilbereiche unterschiedlichen Zeiträumen zuzuordnen: Bei beiden Autoren stammen die Pressetexte aus den achtziger Jahren, während die Datierung der übrigen Werke z.T. mehrere Jahrzehnte zurückgeht (bei Elgenius sogar bis an den Anfang des Jahrhunderts). Wenden wir uns nun dem Korpus der vorliegenden Arbeit zu. Die meisten Belege finden sich in Fach- und Literatursprache (jeweils 1076 und 1021), die Pressesprache folgt mit großem Abstand (671): Der prozentuale Anteil der drei Teilbereiche liegt somit bei ca. 39, 37 und 24%. Untersuchen wir jetzt, ob einzelne Konnektive oder Konstruktionen signifikant von dieser allgemeinen Tendenz abweichen. Betrachten wir zunächst die Bildungen, die auf dem Kombinationsmuster «Partikel + se» beruhen. Es fallt eine komplementäre Verteilung von pure se und pur se auf: Tab. 2: anche se pure se pur se

Fach. Lit. Presse 370 407 331 13 5 32

Bei Nachstellung der Partikel ergibt sich folgendes Bild: Tab. 3: se anche se pure seppure se pur

Fach. Lit. Presse 12 2 18 13 1 19 13 13 5 1

Vgl. die Ausfuhrungen zu den temporalen Gelegenheitsbildungen im Deutschen (4.2.1.5).

281

seppur sebbene

Fach. Lit. Presse 6 8 61 81 17

Seppure und sebbene sind die einzigen Konnektìve, die in allen drei Bereichen gut vertreten sind. Dagegen ist se anche hauptsächlich literatursprachlich, se pure kommt in Pressetexten sehr selten vor, se pur findet sich fast ausschließlich in der Fachsprache, seppur schließlich fehlt in literarischen Texten. Folgende Tabelle gibt einen Überblick über die Konnektive mit einem hinderndoppositiven Element: Tab. 4: malgrado nonostante nonostante che a costo di a rischio di

Fach. Lit. Presse 5 4 9 5 34 24 12 6 1 1 7 7 1 1

Es ist ersichtlich, daß malgrado relativ häufig in der Pressesprache vorkommt. Was die Fachtexte betrifft, so ist das einfache nonostante unterdurchschnittlich vertreten, nonostante che dagegen überdurchschnittlich; es finden sich kaum Belege für die Fügungen a costo/rischio di. Sehen wir uns nun die Konnektive auf quantitativer Basis an: Tab. 5: quantunque per quanto per quanto/a/i/e per...che con tutto che

Fach. Lit. Presse 6 3 43 82 20 3 6 1 4 4 3

Es fallt auf, daß quantunque in Pressetexten nicht vertreten ist. Das einfache per quanto und die flektierte Form per quanto/a/i/e weisen die zahlreichsten Belege im belletristischen Bereich auf; con tutto che ist sogar ausschließlich in Literaturtexten belegt. Das Konnektivper...che ist relativ selten in fachsprachlichen Texten zu finden. Folgende Tabelle zeigt die Bildungen, die auf einem temporalen Element beruhen: Tab. 6: anche quando quand'anche quando anche pure quando

Fach. Lit. Presse 56 50 17 3 5 1 1 1

282

perfino quando persino quando ancorché

Fach. Lit. Presse 1 2 1 1 27 1 5

Das Konnektìv quand'anche (einschließlich der Variante quando anche) kommt im pressesprachlichen Bereich nicht vor; pure/perfmo/persino quando sind fast nie in Fachtexten zu finden; ancorché tritt hingegen vorzugsweise im Bereich der Fachsprache auf. Betrachten wir nun in einer zusammenfassenden Übersicht die Konnektive mit einem existentiellen Element (sia pure/sia pur) sowie die Konstruktionen und Konnektive, die ausschließlich auf einem Verstärkungselement basieren: Tab. 7: sia pure sia pur uneingeleiteter NS + anche uneìngeleiteter NS + pure anche a benché pur

Fach. Lit. Presse 59 32 41 10 2 6 1 1 2 1 1 2 4 15 120 16 282 80 117

Das Konnektìv sia pure kommt am häufigsten in der Fachsprache vor (noch deutlicher ist diese Tendenz bei der verkürzten Form sia pur). Pur ist ebenfalls in Fachtexten überdurchschnittlich vertreten, weist dagegen im literarischen Bereich eine weit unterdurchschnittliche Frequenz auf. Benché schließlich kommt gerade in der Belletristik überproportional vor. Was die Konnektive mit einem negativen Element betrifft, so fallt auf, daß die Kombinationen mit neanche vorwiegend in literarischen Texten belegt sind, die mit nemmeno gar ausschließlich. Die Bildungen mit neppure sind hingegen überdurchschnittlich in Fachtexten vertreten: Tab. 8: neanche neanche a neanche quando neanche se neppure nel caso neppure quando neppure se

Fach. Lit. Presse 1 1 2 6 1 5 1 3 1

2 1

283

nemmeno a nemmeno quando nemmeno se manco a

Fach. Lit. Presse 1 3 4 2

2

Am Rande sei noch erwähnt, daß pur senza keine distributionalen Besonderheiten aufweist (jeweils 5, 3 und 4 Belege in Fach-, Literatur- und Pressetexten). Die auf einer explizit konditionalen Konjunktion basierenden Formationen sind vorwiegend im fachsprachlichen Bereich anzutreffen. In belletristischen Texten finden sich keine Belege: Tab. 9: anche nel caso anche nell'ipotesi anche qualora ove pure

Fach. Lit. Presse 12 4 1 4 1 1 1

Die Gelegenheitsbildungen mit einer temporalen Konjunktion treten dagegen relativ selten in Fach-, relativ häufig in Literaturtexten auf: Tab. 10: anche prima anche dopo anche mentre perfino mentre

Fach. Lit. Presse 2 1 2 2 3 1 1

Zusammenfassend kann man folgende Korrelationen zwischen den einzelnen Konnektiven und ihrem Auftreten in bestimmten Verwendungsbereichen festhalten: 1) Fachsprachliche Texte. Kennzeichnend für diesen Bereich ist der überdurchschnittliche - in einigen Fällen sogar fast ausschließliche - Gebrauch von Konnektiven, die auf der verkürzten Form pur beruhen (pur se, se pur, seppur, sia pur). Bei den entsprechenden ungekürzten Formen (pure se, se pure, seppure, sia pure) läßt sich hingegen eine gleichmäßigere Verteilung 'auf die drei Verwendungsbereiche feststellen. Auch das einfache pur (dessen vollständige Form pure jedoch nicht mehr rein konzessiv, sondern primär additiv ist) findet in fachsprachlichen Texten eine überproportionale Verbreitung. Das gleiche gilt für das Konnektiv ancorché. Interessant ist außerdem, daß nonostante eine unterdurchschnittliche Frequenz aufweist, nonostante che eine überdurchschnittliche. Der Zusatz von che erleichtert die Lektüre, da Verwechslungen mit der Präposition nonostante ausgeschlossen werden. Als "negatives" Konnektiv findet sich zumeist neppure, seltener dagegen die stärker umgangssprachlich gefärbten neanche, nemmeno und manco. Abschließend sei darauf hingewiesen,

284

daß die Gelegenheitsbildungen mit einem konditionalen Element relativ häufig, die mit einem temporalen relativ selten vorkommen. Semantisch eindeutige Konnektive werden somit bevorzugt verwendet; Konstruktionen, die lediglich durch Implikatur einen konzessiven Wert annehmen können, meist gemieden. 2) Literatursprachliche Texte. Ausschließlich in der Belletristik finden sich die Konnektive pure se und con tutto che. Weit überdurchschnittlich ist die Frequenz von se anche und von benché. Überproportional vertreten sind ferner per quanto (auch in der flektierten Variante per quanto/a/i/e), die negativen Konnektive neanche und nemmeno sowie die temporalen Gelegenheitsbildungen. Dem einfachen nonostante wird der Vorzug gegeben gegenüber nonostante che. Sämtliche auf pur basierende Bildungen haben eine relativ geringe Anzahl von Belegen; Kombinationen mit einer explizit konditionalen Konjunktion kommen nicht vor. Insgesamt läßt sich feststellen, daß in literarischen Texten sowohl Konnektive dominieren können, die als entschieden gehoben empfunden werden (wie z.B. se anche), als auch solche, die der Umgangssprache zuzuordnen sind (con tutto che, nemmeno). 3) Pressesprachliche Texte. In diesem Verwendungsbereich finden sich - ähnlich wie im Deutschen - nur selten markante Tendenzen hinsichtlich der zahlenmäßigen Verteilung der einzelnen Konnektive und Konstruktionen. So läßt sich lediglich eine überdurchschnittliche Verbreitung von malgrado feststellen. Wie in den literarischen Texten wird dem einfachen nonostante der Vorzug gegeben. Die "Ausgewogenheit" der pressesprachlichen Texte zeigt sich u.a. darin, daß weder stark veraltende {quantunque, per quanto/a/i/e, quand'anche) noch ausgesprochen umgangssprachliche Konnektive (con tutto che, nemmeno) belegt sind.

8.3. Vollständige vs. reduzierte Sätze Der Aspekt der Vollständigkeit des konzessiven Nebensatzes ist in der Literatur zwar des öfteren angesprochen worden, eine eingehende Untersuchung steht allerdings immer noch aus. Herczeg (1976b:233-7), Moretti (1983:91-100), Mazzoleni (1991:8059) und Elgenius (1991:216-38) erwähnen zahlreiche Beispiele von Konstruktionen, die keine finite Verbform enthalten. Die Darstellung ist jeweils geordnet nach dem Typus des reduzierten Satzes (beispielsweise nach dem Vorhandensein eines Gerundiums, eines Infinitivs, einer Präpositionalphrase usw.). Mitunter werden auch stark implizite Konstruktionen einbezogen, die nur in besonderen Kontexten einen konzessiven Wert annehmen können (Mazzoleni 1991, Moretti 1983). Am Rande sei noch erwähnt, daß Moretti (1983) den präpositionalen Gebrauch von nonostante und malgrado ebenfalls zu den verkürzten Nebensätzen rechnet. Über eine bloße Aufzählung von Verwendungsweisen gehen diese vier Studien allerdings nur selten hinaus. Herczeg (1976b) und Elgenius (1991) verweisen immerhin auf die Tatsache, daß die durch einen reduzierten Nebensatz kodierte Konzessivrela-

285

tion auf Satz- oder Konstituentenebene situiert sein kann. Die Existenz verschiedener Konzessivwerte bei den reduzierten Konstruktionen wird von Mazzoleni (1991) und Elgenius (1991) angesprochen. Letzterer liefert außerdem einen zahlenmäßigen Überblick über die häufigsten Konnektive. Insgesamt handelt es sich jedoch um verstreute Hinweise und Beobachtungen, die sich nicht zu einer systematischen Analyse verdichten. Im besonderen bleiben zwei Problemkreise offen: a) Welche Konnektive können bzw. müssen reduzierte Nebensätze einleiten? b) Wie ist das Verhältnis zwischen reduzierten und vollständigen Sätzen bei den Konnektiven, die prinzipiell in beiden Strukturen vorkommen können? Auf diese beiden Punkte möchte ich im folgenden eingehen. Zunächst sei vermerkt, daß im vorliegenden Korpus von insgesamt 2768 hypotaktischen Konstruktionen 1669 auf einem vollständigen Nebensatz mit finitem Verb basieren, 1099 auf einem reduzierten Nebensatz ohne fmite Verbform. Im einzelnen können folgende Konstruktionstypen unterschieden werden: Tab 11: Adjektivphrase Präpositionalphrase Adverbialphrase Nominalphrase alleinstehendes Konnektiv Infinitiv Gerundium

Belege 395 281 37 24 8 47 307 1099

Im Vergleich zum Deutschen sind reduzierte Nebensätze weitaus häufiger belegt (1099 zu 289). Wenn man die Gerundiumkonstruktionen unberücksichtigt läßt (für die es im Deutschen keine Entsprechung gibt), stehen immer noch 792 italienische Sätze 289 deutschen gegenüber. Von 53 hypotaktischen Konstruktionen können 26 einen reduzierten Nebensatz einleiten (im Deutschen von 64 lediglich 14). Reduzierte Nebensätze sind überproportional im fachsprachlichen Bereich vertreten, vollständige hingegen im literatursprachlichen: Tab. 12: reduzierte Sätze vollständige Sätze gesamt

Fach. Lit. Presse 577 236 286 499 785 385 1076 1021 671

Strukturbedingt erfordern 11 Konnektive einen reduzierten Nebensatz (sie lassen eine finite Verbform nicht zu): Einige sind stets mit dem Infinitiv konstruiert (a costo di, a rischio di, anche a, manco a, manche a, nemmeno a, pur senza), andere mit einer be-

286

liebigen Struktur außer dem Infinitiv (pur, sia pure, sia pur), wieder andere erfordern ein Gerundium (manche). Betrachten wir diejenigen Konnektive, die prinzipiell beide Konstruktionsmöglichkeiten zulassen. Der Übersichtlichkeit halber unterscheiden wir wiederum nach morphologisch-etymologischen Gruppierungen: Tab. 13: anche se pure se pur se se pure seppure se pur seppur sebbene quantunque per quanto quand'anche ancorché benché anche dopo anche prima

vollständig reduziert gesamt reduziert in % 919 189 1108 17% 8 5 38% 13 18 19 37 51% 14 18 56% 32 8 37 45 82% 2 4 6 67% 1 13 93% 14 133 26 159 16% 4 104

5 41

9 145

56% 28%

4 9

4 24

8 33

50% 73%

113

38

151

25%

3 1 1341

2 1 426

5 2 1767

40% 50% 24%

Gehen wir anhand dieser Tabelle der Frage nach, welche Arten von Konnektiven bevorzugt in reduzierten Nebensätzen auftreten. Ähnlich wie im Deutschen sind zwei Faktoren entscheidend: 1) Grad der Grammatikalisierung des Konnektivs. Bei fortschreitender Grammatikalisierung weisen einige Konnektive eine verstärkte Tendenz zur Reduzierung des Nebensatzes auf. Drei Aspekte sollen hier berücksichtigt werden. Erstens kann man feststellen, daß die Kombinationen mit der verkürzten Form pur häufiger einen reduzierten Nebensatz einleiten als die entsprechenden Bildungen mit pure : pur se (51%) / pure se (38%), se pur (67%) / se pure (56%), seppur (93%) / seppure (82%). Zweitens weisen die Konnektive in Zusammenschreibung einen höheren Anteil an reduzierten Sätzen auf als die entsprechenden Formen in Getrenntschreibimg: seppure (82%) / se pure (56%), seppur (93%) / se pur (67%), quand'anche (50%) / quando anche (0%). Drittens tritt bei Nachstellung der Partikel - ebenfalls ein Indiz für höhere Grammatikalisierung - der reduzierte Satz häufiger auf als bei den vergleichbaren Konnektiven

287

mit Voranstellung der Partikel: se pure (56%) / pure se (38%), se pur (67%) / pur se (51%), quand'anche (50%) / anche quando (0%).5 2) GraJ der "Veralterung" des Konnektìvs. Aus Tabelle 13 ist ersichtlich, daß bei Konnektiven mit doppelter Konstruktionsmöglichkeit der Anteil an reduzierten Sätzen durchschnittlich bei ca. 24% liegt. Betrachtet man die Konnektive, die einen wesentlich höheren Prozentsatz aufweisen - wie quand'anche (50%), quantunque (56%), se pure (56%), ancorché (73%) und seppure (82%) -, so kann man feststellen, daß es sich um Formationen handelt, die entschieden veraltet (quand'anche, quantunque und ancorché) oder im Veralten begriffen sind {seppure, se pure). Die Bildungen mit pur die sehr oft in reduzierten Nebensätzen zu finden sind - werden ebenfalls als leicht archaisierend empfunden. Es kann also festgehalten werden, daß - wie bereits im Deutschen - einige veraltende Konnektive einen speziellen Anwendungsbereich gefunden und somit ihr Überleben (vorerst) gesichert haben.6

8.4. Stellung des Nebensatzes Die Stellung des Nebensatzes im hypotaktischen Konzessivgefuge ist bisher kaum behandelt worden. Verstreute Bemerkungen zu einzelnen Konnektiven finden sich bei Herczeg (1976b) und Moretti (1983). Mazzoleni (1991:812-6) kommt kurz auf das allgemeine Problem der Markiertheit der beiden wichtigsten Stellungsvarianten (Anfangsund Endposition) zu sprechen. Die Studie von Elgenius (1991) ist die einzige, die statistische Angaben enthält. Jedoch bleiben mehrere der von ihm erwähnten Konnektive sowie sämtliche reduzierten Nebensätze aus der Betrachtung ausgeschlossen. Man vermißt des weiteren eine abschließende Tabelle. Schwerer wiegt die Tatsache, daß die Daten weitgehend kommentarlos präsentiert werden. Interessant sind lediglich die Andeutungen, daß es eine Korrelation geben könnte zwischen Position und Konzessivwert bei per quanto sowie zwischen Position und Modus bei anche se (1991:112,171-3). Wir haben gesehen (6.4), daß man zumindest drei grundlegende Stellungsvarianten unterscheiden sollte (Voran, Zwischen- und Nachstellung) und a priori nicht von einer unmarkierten Stellung ausgehen kann. Im vorliegenden Korpus finden sich 2705 Konstruktionen, bei denen sich die Konzessivrelation auf Satzebene äußert (dazu kommen 63 Beispiele auf Konstituentenebene):7 5

Einzige Ausnahme ist se anche, das trotz Nachstellung der Partikel ausschließlich vollständige Sätze einleitet.

6

Unter Vorgriff auf 8.4 und 8.7 sei vermerkt, daß reduzierte Nebensätze häufig in Zwischenstellung auftreten und einen indirekten Konzessivwert kodieren. Es zeigt sich somit eine weitere Ähnlichkeit zwischen dem Deutschen und dem Italienischen.

7

Insgesamt sind 11 Konnektive in Konstruktionen auf Konstituentenebene belegt: pur (32), benché (5), sia pure (5), sia pur (5), se pure (4), pur se (3), anche se (3), seppure (2), ancorché (2), per quanto (1), quand'anche (1).

2S8 Tab. 14: Voranstellung Zwischenstellung Nachstellung

Belege 584 537 1584 2705

Ahnlich wie im Deutschen finden sich die meisten Sätze in Endposition (ca. 59%), dann folgen Anfangs- (ca. 21%) und Zwischenstellung (ca. 20%). Während der Anteil der Sätze in Endposition in beiden Sprachen annähernd gleich ist (Italienisch 59%, Deutsch 56%), ist die Voranstellung im Italienischen relativ gesehen seltener (21% gegenüber 31%), die Zwischenstellung häufiger (20% gegenüber 13%). Diese Verteilung ist - wie wir im folgenden sehen werden - auf den hohen Anteil von reduzierten Nebensätzen im Italienischen zurückzuführen. Untersuchen wir nun, ob es signifikante Abweichungen von dieser Grundtendenz gibt. Die Bildungen mit se, bei denen die Partikel vorangestellt ist, zeigen keine distributionalen Besonderheiten. Die Endposition des Nebensatzes überwiegt, es folgen Voran- und Zwischenstellung: Tab. 15: anche se pure se pur se

vor zwischen nach 169 126 810 4 9 9 8 17

Bei nachgestellter Partikel ergibt sich folgendes Bild: Tab. 16: se anche se pure seppure se pur seppur sebbene

vor zwischen nach 12 1 1 10 13 5 7 15 21 1 3 2 7 5 2 40 18 101

Wir sehen, daß Voranstellung des Nebensatzes überdurchschnittlich bei se anche und se pure vertreten ist. Zwischenstellung findet sich überproportional bei allen Konnektiven, die auf der Verbindimg «se + pur(e)» basieren: se pure, seppure, se pur und seppur. Von den se-Bildungen mit nachgestellter Partikel weist somit allein sebbene eine Verteilung auf, die der allgemeinen Tendenz entspricht. Interessanterweise gibt es einen Unterschied zwischen den Konnektiven se pure und seppure: Bei Getrennt-

289

Schreibung ist die Endstellung relativ selten, bei Zusammenschreibung hingegen die Anfangsstellung.8 Keine Besonderheiten lassen sich bei den Konnektiven mit einem hindernd-oppositiven Element erkennen: Tab. 17: malgrado nonostante nonostante che a costo di a rìschio di

vor zwischen nach 5 2 11 17 5 41 3 1 15 1 10 4 1 1

Die auf einem quantitativen Element basierenden Konnektive weisen fast alle eine weit überdurchschnittliche Frequenz der Voranstellung auf: Tab. 18: quantunque per quanto per quanto/a/i/e per...che con tutto che

vor zwischen nach 5 1 3 56 37 51 4 1 4 2 3 4 1 2

Was die Konnektive auf temporaler Basis betrifft, so findet sich eine Abweichimg von der allgemeinen distributionellen Tendenz lediglich bei ancorché (das überproportional Nebensätze in Zwischenstellung einleitet): Tab. 19: anche quando quand'anche quando anche pure quando perfino quando persino quando ancorché

vor zwischen nach 26 6 91 2 3 2 1 2 2 1 1 1 13 15 3

Betrachten wir nun die Bildungen mit einem existentiellen Element sowie die Formationen, die kein semantisch gewichtiges Element enthalten. Die Konnektive sia pure,

Den Tabellen 15 und 16 ist außerdem zu entnehmen, daß die spiegelbildlichen Konnektive anche se/se anche, pure se/se pure, pur se/se pur z.T. deutliche Unterschiede aufweisen. Dieser Aspekt wird unter Punkt 8.8 aufgegriffen und vertieft.

290 sia pur und pur zeigen eine überdurchschnittliche Frequenz der Zwischenstellung (pur hat darüber hinaus einen erhöhten Anteil der Voranstellung): Tab. 20: vor sia pure sia pur pur benché uneingeleiteter NS + anche uneingeleiteter NS + pure

8 2 143 25

zwischen nach 54 65 6 5 181 123 18 103 2 2 2

Die wenigen Belege der Konstruktion «Konnektiv + a» scheinen auf eine Bevorzugung der Anfangsstellung hinzuweisen:9 Tab. 21: anche a neanche a nemmeno a manco a

vor zwischen nach 4 1 1 2 1 1 4

Bei den restlichen Kombinationen mit einem negativen Element gibt es hingegen eine deutliche Dominanz der Nachstellung des Nebensatzes:10 Tab. 22: vor neanche neanche quando neanche se neppure nel caso neppure quando neppure se nemmeno quando nemmeno se

zwischen 1 1

nach 6 5 1 5 2 3 4

Keine Besonderheiten gibt es schließlich zu vermerken bei den Gelegenheitsbildungen auf konditionaler (Tab. 23) und temporaler Basis (Tab. 24):

9

Der Ausdruck manco a, der ausschließlich in der Redewendung manco a dirlo belegt ist, tritt dagegen typischerweise als Einschub auf.

1° Die einzige Ausnahme ist durch das mit dem Infinitiv konstruierte pur senza gegeben, das jeweils 3, 4 und 5 Belege in Voran-, Zwischen und Nachstellung aufweist.

291 Tab. 23: anche nel caso anche nell'ipotesi anche qualora ove pure

vor zwischen nach 3 1 12 1 2 3 1 1

Tab. 24: vor anche prima anche dopo anche mentre perfino mentre

1 2

zwischen

nach 2 4 2 1

Untersuchen wir nun, ob es Korrelationen zu den bereits unter 8.2 und 8.3 betrachteten Faktoren gibt. Hinsichtlich der Verteilung der Stellungsvarianten auf die drei Verwendungsbereiche Fach-, Literatur- und Pressesprache fällt auf, daß Sätze in Zwischenposition relativ häufig in fachsprachlichen Texten, relativ selten jedoch in literatursprachlichen vorkommen: Tab. 25: Fachtexte Literaturtexte Pressetexte

vor zwischen nach gesamt 527 223 285 1035 227 1017 128 662 134 124 395 653

Gehen wir der Frage nach, ob sich die Position des Nebensatzes mit dem Parameter der Vollständigkeit in Verbindung setzen läßt: Tab. 26: reduziert vollständig

vor zwischen nach 226 394 416 358 143 1168

Wie man sieht, weisen reduzierte Nebensätze eine vergleichbare Frequenz in Zwischen- und Nachstellung auf, während vollständige Sätze entschieden die Endposition bevorzugen und nur relativ selten in Zwischenstellung vorkommen. Eine ähnliche Distribution haben wir bereits für das Deutsche feststellen können (s. 6.4). Betrachten wir nun die Verteilungsschemata bei den Konnektiven, die im Italienischen sowohl in vollständigen als auch in reduzierten Nebensätzen auftreten:

292 Tab. 27: anche se pure se pur se se pure seppure se pur seppur sebbene quantunque per quanto quand'anche ancorché benché anche dopo anche prima

vollst. red. vollst. red. vollst. red. vollst. red. vollst. red. vollst. red. vollst. red. vollst. red. vollst. red. vollst. red. vollst. red. vollst. red. vollst. red. vollst. red. vollst. red.

vor zwischen nach 149 69 701 20 57 109 2 6 2 3 5 1 12 4 7 5 4 2 8 9 3 2 4 2 2 5 13 17 1 1 2 2 1 7 5 1 85 37 11 16 3 7 3 1 1 2 2 48 18 38 8 19 13 1 2 1 1 1 1 5 1 3 10 10 2 8 87 18 10 16 7 2 1 2 1 1

Einige Konnektive sind nie in Zwischenposition belegt (pure se, anche dopo und anche prima). Bei den übrigen Konnektiven hat - mit Ausnahme von se pur - die Zwischenposition stets einen höheren prozentualen Anteil, wenn reduzierte Satzstrukturen vorliegen (für das Deutsche vgl. 6.4, Tab. 34). Zusammenfassend kann bezüglich der Position des Nebensatzes festgehalten werden: 1) Voranstellung. Diese Stellungsvariante ist überproportional belegt bei se anche und se pure, bei den "quantitativen" Konnektiven quantunque, per quanto, per quanto/a/i/e, per... che, bei pur sowie bei den Konstruktionen «(negatives) Konnektiv + a». 2) Zwischenstellung. Eingeschobene Nebensätze werden überdurchschnittlich häufig eingeleitet durch Bildungen nach dem Muster «se + pur (e)» (se pure, seppure, se pur, seppur) sowie durch die Konnektive ancorché, sia pure!sia pur und das einfache

293 pur. Die Redewendung manco a dirlo erscheint ausschließlich als Einschub. Insgesamt ist zu beobachten, daß reduzierte Nebensätze bevorzugt in Zwischenposition auftreten. 3) Nachstellung. Konstruktionen mit einem negativen Element (bis auf «Konnektiv + a») finden sich fast ausschließlich in Endposition.

8.5. Verstärkungselemente in Haupt- und Nebensatz Das mögliche Vorhandensein von adversativ-konzessiven Korrelaten im Hauptsatz eines Gefuges wird in mehreren Studien angesprochen. Verstreute Hinweise und Beobachtungen finden sich bei Moretti (1983). Elgenius (1991) liefert zu einigen der untersuchten Konnektive statistische Angaben bezüglich der Frequenz der Belege mit Verstärkungselement. Allerdings vermißt man eine zusammenhängende Darstellung des Problems (beispielsweise in Form einer abschließenden Tabelle). Interessant ist Mazzolenis (1991:815-6) Unterscheidung zwischen anaphorischen Korrelaten, die ausschließlich in nachgestellten Hauptsätzen auftreten können, und "diaphorischen" Elementen, die darüber hinaus in vorangestellten Hauptsätzen vorkommen können (s. auch Mazzoleni 1988:130; 1990:94ff.). Auf die Existenz von Verstärkungselementen im Nebensatz ist in der Literatur meines Wissens bisher nicht hingewiesen worden. 1) Verstärkungselemente im Hauptsatz. Im vorliegenden Korpus weisen 95 von 2768 italienischen Konzessivgefiigen ein verstärkendes Korrelat auf (was einem Anteil von gut 3% entspricht). Wie im Deutschen handelt es sich um eine relativ seltene Konstruktion.11 In einem der Gefuge treten zwei Korrelate auf, so daß man von insgesamt 96 Belegen sprechen kann: Tab. 28: comunque tuttavia sempre pur sempre però lo stesso certo in ogni caso egualmente nondimeno pur certamente 11

Belege 22 16 11 8 8 6 3 2 2 2 2 2

Im deutschen Korpus enthalten 145 von insgesamt 2234 Belegen ein Verstärkungselement. Zieht man die 26 Beispiele ab, in denen so - für das es im Italienischen keine direkte Entsprechung gibt als alleiniges Korrelat vorkommt, verbleiben 119 Konstruktionen. Der Anteil liegt somit bei gut 5%.

294

in effetti piuttosto invece peraltro ciò nonostante ciò non ostante ugualmente al tempo stesso cionondimeno davvero tuttora suo malgrado

Belege 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 96

Die Tabelle zeigt auf, daß die große Mehrheit der Beispiele - wie bereits im Deutschen - durch allgemein-adversative Verstärkungselemente gegeben ist. Eindeutig konzessiv sind lediglich: pur, pur sempre, egualmente/ugualmente, (cio)nondimeno, ciò nonostante/ciò non ostante, suo malgrado, lo stesso. Zusammen stellen diese Konnektive 25 von 96 Belegen.12 Untersuchen wir nun, ob es bestimmte subordinierende Konnektive gibt, die vorzugsweise in Verbindung mit einem Verstärkungselement auftreten. Dazu folgende Tabelle, aus der für jedes Konnektiv der jeweilige Anteil der Korrelatkonstruktionen ersichtlich ist: Tab. 29: anche se pur sebbene pur se per quanto ancorché anche quando se pure se anche uneingeleiteter NS + anche se pur seppur seppure benché per quanto/a/i/e

12

mit V-Element gesamt 1108 36 479 26 159 7 5 37 145 5 33 2 2 123 2 32 14 2 2 2 6 1 14 1 45 1 151 1 1 9

Im Deutschen ist der Anteil noch geringer: 12 von 181 Belegen (vgl. 6.5).

295 mit V-Element quando anche nonostante

1 1 96

gesamt 1 63 2421

Die uneingeleiteten Nebensätze mit anche (2) und die Konstruktionen mit quando anche (1) weisen stets ein verstärkendes Korrelat auf. Die Konnektive pur se (5 von 37), se anche (2 von 14), se pur (1 von 6) und per quanto (1 von 9) sind durch eine überdurchschnittliche Frequenz gekennzeichnet (allesamt über 10% gegenüber einem Durchschnitt von ca. 4%). Angesichts der geringen Gesamtbelegzahl der meisten dieser Konnektive sind die Prozentsätze jedoch nicht unbedingt signifikant. Festgehalten werden kann lediglich, daß die am weitesten verbreiteten Konnektive {anche se, pur, sebbene, benché usw.) höchstens durchschnittliche Frequenzen aufweisen. Gehen wir der Frage nach, ob Verstärkungselemente bevorzugt in einem der drei Verwendungsbereiche auftreten. Das Verhältnis der Gesamtbelege in Fach-, Literaturund Pressesprache ist 1076:1021:671 (s. 8.2), das der Gefiige mit Korrelat 54:25:16. Diese Daten zeigen, daß - wie schon im Deutschen - Verstärkungselemente überdurchschnittlich in Fachtexten vertreten sind. Keine Korrelation kann hingegen festgestellt werden zwischen dem Vorhandensein eines Verstärkungselementes und der Vollständigkeit des Nebensatzes (8.3). Insgesamt stellen reduzierte Sätze einen Anteil von ca. 40% aller Konstruktionen (1099 von 2768). Faßt man ausschließlich Gefüge mit verstärkendem Korrelat ins Auge, so beträgt der Anteil der reduzierten Sätze ca. 43% (41 von 95). Betrachten wir nun die Stellung des Nebensatzes bei Konstruktionen mit bzw. ohne Verstärkungselement (8.4): Tab. 30: Sätze mit V-Element Sätze ohne V-El.

vor zwischen nach 45 37 13 500 1571 539

Wie aus dieser Tabelle ersichtlich ist, treten Nebensätze, deren Hauptsatz ein verstärkendes Korrelat enthält, relativ selten in Nachstellung auf. Am häufigsten ist Voranstellung belegt. 13 Es ist hervorzuheben, daß in immerhin ca. 14% der Fälle (13 von 95) der Hauptsatz vorangestellt ist und das Verstärkungsmittel somit kataphorische Funktion übernimmt. Belegt sind in dieser Verwendung die folgenden Konnektive: comunque (7), sempre (2), certo (1), certamente (1), pur sempre (1), pur (1). Wie zu erwarten war, fehlen explizit anaphorische Bildungen (so z.B. alle Kombinationen mit ciò). 2) Verstärkungselemente im Nebensatz. Nur äußerst selten tritt ein Verstärkungselement im Nebensatz auf. Insgesamt finden sich lediglich 5 Belege (3 für comunque 13

Diese beiden Tendenzen sind im Deutschen sogar noch stärker ausgeprägt (6.5).

296

und 2 für pur sempre). Diese beiden Korrelate sind also universell einsetzbar: nicht nur im nachgestellten, sondern auch im vorangestellten Hauptsatz und sogar - wie wir soeben gesehen haben - im Nebensatz. Der Nebensatz wird in 4 Fällen durch anche se, in 1 durch pur eingeleitet. Alle Gefiige mit anche se enthalten einen vollständigen Nebensatz. Es überwiegen außerdem nachgestellte Nebensätze (4 von 5) und Belege im Bereich der Fachsprache (4 von 5). Zusammenfassend kann festgehalten werden: 1) Als Verstärkungselemente im Hauptsatz werden generell-adversative Korrelate gegenüber spezifisch-konzessiven bevorzugt. 2) Eine überdurchschnittliche Frequenz von Verstärkungselementen tritt zumeist bei Konnektiven auf, die relativ selten belegt sind. 3) Verstärkende Korrelate sind überproportional in Fachtexten vertreten. 4) Sie beziehen sich nur selten (in kataphorischer Funktion) auf einen nachgestellten Nebensatz. 5) Sie kommen - wenn auch nur in Ausnahmefallen - ebenfalls in Nebensätzen vor.

8.6. Modus im Konzessivsatz: Indikativ oder Konjunktiv? Der Konjunktiv im konzessiven Nebensatz erfüllt zwei unterschiedliche Funktionen, die in der Literatur jedoch nicht immer klar auseinandergehalten werden: eine syntaktische und eine semantische. Als rein syntaktisches Mittel dient der Konjunktiv dazu, das Vorhandensein einer subordinierenden Satzstruktur zu signalisieren. Die Moduswahl wird durch das Konnektiv bedingt. Die verschiedenen Tempora des Konjunktivs hängen im wesentlichen von dem Tempus im übergeordneten Satzes ab (darüber hinaus spielt selbstverständlich das zeitliche Verhältnis zwischen den Tatbeständen eine Rolle). Bei den Beispielen unter (1) gehört das Tempus des übergeordneten Satzes der Gegenwart an, bei denen unter (2) der Vergangenheit; die (a)-Sätze kodieren jeweils ein Verhältnis der Gleichzeitigkeit, die (b)-Sätze der Vorzeitigkeit: (1)a Gianni va al lavoro benché si senta male. (Konj. Präsens) [Gianni geht zur Arbeit, obwohl er sich schlecht fühlt.] (Konj passato) b Gianni va al lavoro benché si sia sentito male. [Gianni geht zur Arbeit, obwohl er sich schlecht gefühlt hat.] (2)a Gianni andò al lavoro benché si sentisse male. (Konj. Imperfekt) [Gianni ging zur Arbeit, obwohl er sich schlecht fühlte.] b Gianni andò al lavoro benché si fosse sentito male. (Konj. trapassato) [Gianni ging zur Arbeit, obwohl er sich schlecht gefühlt hatte.]

Als semantisches Mittel hingegen zeigt der Konjunktiv das Vorhandensein einer konditionalen Konzessivrelation an. Die Moduswahl ist unabhängig vom Konnektiv: Alle Konnektive, die eine hypothetische Konzessivrelation ausdrücken können, sind prinzipiell zur Einleitung eines Konjunktivsatzes geeignet. Die verschiedenen Tempora

297

drücken unterschiedliche Arten der (konzessiven) Konditionalität aus. Konjunktiv Präsens (3a) und Konjunktiv passato (3b) kodieren eine potentielle Konditionalrelation, Konjunktiv Imperfekt (4a) und Konjunktiv trapassato (4b) eine irreale Konditionalrelation: (3) a II suo contratto è valido anche se lui non firmi di suo pugno. [Sein Vertrag ist gültig, auch wenn er nicht eigenhändig unterschreibt ] b II suo contratto è valido anche se lui non abbia firmato di suo pugno. [Sein Vertrag ist gültig, auch wenn er nicht eigenhändig unterschrieben hat ] (4) a II suo contratto sarebbe valido anche se lui non firmasse di suo pugno. [Sein Vertrag wäre gültig, auch wenn er nicht eigenhändig unterschreiben würde.] b II suo contratto sarebbe stato valido anche se lui non avesse firmato di suo pugno. [Sein Vertrag wäre gültig gewesen, auch wenn er nicht eigenhändig unterschrieben hätte.]

1) Der Konjunktiv in syntaktischer Funktion. Die wichtigsten Studien zur Konzessivität im Italienischen - Herczeg (1976b), Moretti (1983), Mazzoleni (1991) und Elgenius (1991) - geben bezüglich der untersuchten Konnektive jeweils an, ob sie primär mit dem Indikativ oder mit dem Konjunktiv konstruiert werden. Ein guter Überblick findet sich des weiteren bei Schwarze (1995:443). Mitunter werden Abweichungen von den generellen Tendenzen erwähnt. So fuhrt beispielsweise Herczeg (1976b:23740) seltene Indikativbelege bei den Konnektiven benché, quantunque und seppure auf nicht näher präzisierte "dialektale Einflüsse" zurück. Moretti (1983:52,76) ist der Ansicht, daß die indikativischen Ausnahmen bei per quanto und seppure durch die Stellung des Nebensatzes bedingt seien. Mazzoleni (1991:788) und Elgenius (1991:139f.) beobachten des weiteren, daß bei anche se - statt des üblichen Indikativs - in einigen Beispielen der Konjunktiv auftritt. Eine schlüssige Erklärung für diese verschiedenen "Sonderfälle" steht noch aus. Schwerer wiegt jedoch die Tatsache, daß trotz einer Vielzahl von interessanten Einzelbemerkungen eine grundsätzliche Frage bisher nicht gestellt worden ist: Gibt es bestimmte Arten von Konnektiven, die vorzugsweise den Konjunktiv bzw. den Indikativ "regieren"? Dieser Frage wollen wir nun nachgehen und betrachten dazu die Sätze im vorliegenden Korpus, die eine eindeutige Verbform im Indikativ oder Konjunktiv enthalten 1 4 und dabei keine konditionale Konzessivrelation kodieren (1291 an der Zahl). Folgende Tabelle gibt die Konnektive an, die auf dem konditionalen Element se basieren: 14

Es sei hier die Existenz von nichteindeutigen Formen erwähnt, die auf die Übereinstimmung von Indikativ-Präsens- und Konjunktiv-Präsens-Formen zurückzufuhren sind (1. Pers. Plur. bei sämtlichen Verben, 2. Pers. Sing./Plur. bei bestimmten Verbgruppen). Im vorliegenden Korpus finden sich dafür 28 Belege (anche se 17, per quanto 2, per quanto/a/i/e 2, anche quando 2, sebbene 2, seppure 1, nonostante 1, benché 1). Derartige Formen werden im folgenden aus der zahlenmäßigen Betrachtung ausgeschlossen. Nebensätze mit einer Verbform im Konditionalis (39 Belege) werden gleichfalls nicht berücksichtigt. Der Konditionalis übt in diesen Konstruktionen lediglich eine "abmildernde" (z.B.: potrei ucciderti) oder "epistemische" (z.B.: dovrebbe essere arrivato) Funktion aus, die keinerlei Verbindung aufweist zu den syntaktischen und semantischen Aspekten der Konzessivrelation.

298 Tab. 31: anche se pure se pur se se anche se pure seppure se pur seppur sebbene

Indikativ Konjunktiv gesamt 727 2 729 5 5 16 16 5 5 7 7 3 7 4 1 1 1 1 5 123 128

Wie wir sehen können, weisen die Bildungen dieser morphologisch-etymologischen Gruppe mehrheitlich den Indikativ als dominanten Modus auf. Ausnahmen bilden die zusammengeschriebenen Konnektive, bei denen der Konjunktiv - mehr oder weniger stark - überwiegt: seppure (4 von 7), sebbene (123 von 128) und seppur (1 von 1). Die Modusverteilung zeigt somit eine Korrelation an zwischen verstärktem Auftreten des Konjunktivs und erhöhtem Grad der Grammatikalisierung des betreffenden Konnektivs. Bei den hochgradig grammatikalisierten Konjunktionen der hindernd-oppositiven Gruppe dominiert ebenfalls der Konjunktiv: Tab. 32: malgrado nonostante nonostante che

Indikativ Konjunktiv gesamt 18 18 61 62 1 18 19 1

Das auf einem temporalen Element basierende ancorché sowie die Kombination zweier Verstärkungselemente benché treten fast ausschließlich mit Konjunktiv auf: Tab. 33: ancorché benché

Indikativ Konjunktiv 9 5 103

gesamt 9 108

Vergleichbar ist die Tendenz bei den "quantitativen" Konnektiven (mit Ausnahme von con tutto che)\

299 Tab. 34: Indikativ Konjunktiv gesamt 4 4 1 100 101 2 5 7 9 9 3 3

quantunque per quanto per quanto/a/i/e per...che con tutto che

Ein Vergleich zwischen per quanto und per quanto/a/i/e zeigt, daß bei ersterem Konnektiv weniger "Ausnahmen" (1 von 101) als bei letzterem (2 von 7) vorliegen. Diese Verteilung hängt wahrscheinlich mit der Tatsache zusammen, daß die Grammatikalisierung von per quanto weiter fortgeschritten ist (was u.a. durch die semantische Verblassung angezeigt wird: relativ häufig sind nicht-skalare Konzessivwerte belegt). Der Konjunktivgebrauch bei per...che kann dadurch erklärt werden, daß das Konnektiv heutzutage ausschließlich in einigen Redewendungen vorkommt und somit weitgehend formelhaften Charakter angenommen hat (s. 7.1.1.3). Die Kombinationen mit quando sind ausschließlich mit Indikativ belegt (Tab. 35), die mit einem anderen temporalen Element mehrheitlich mit Indikativ (Tab. 36): Tab. 35: anche quando perfino quando persino quando neanche quando neppure quando nemmeno quando

Indikativ Konjunktiv 36 1 1 5 1 1

gesamt 36 1 1 5 1 1

Tab 36: Indikativ Konjunktiv anche prima anche dopo anche mentre

2 3

1 1

gesamt 1 3 3

Werfen wir einen Blick auf die "Ausnahmen" zu diesen allgemeinen Verteilungstendenzen. Zum einen haben wir den äußerst seltenen Fall, daß ein primär indikativisches Konnektiv mit dem Konjunktiv konstruiert wird. So weist dafür einzig anche se Belege auf, und zwar im literarischen Bereich (2 bei der Autorin Sereni). Zum anderen können primär konjunktivische Konnektive mit dem Indikativ erscheinen. Insgesamt finden sich 18 Belege: seppure (3), sebbene (5), nonostante (1), nonostante che (1), benché (5), per quanto (1), per quanto/a/i/e (2). Sämtliche Beispiele stammen aus dem literarischen Korpus, allein 10 sind bei einem einzigen Autor (Bufalino) belegt. Bei diesen indikativischen Verwendungen lassen sich keine besonderen positionalen Eigenschaften des Nebensatzes erkennen. Mit jeweils 3, 1 und 13

300

Belegen in Voran-, Zwischen- und Nachstellung liegt diese Untergruppe ganz im Durchschnitt der nichtkonditionalen, vollständigen Sätze (Gesamtbelege in den drei Stellungsvarianten: 285:114:959). Was die kodierten Konzessivwerte betrifft, so läßt sich eine weit überdurchschnittliche Frequenz der indirekten Relationen feststellen: 6 faktischen stehen 10 indirekte Belege gegenüber (dazu kommen 2 skalare).15 2) Der Konjunktiv in semantischer Funktion. Es ist eine allgemein bekannte Tatsache, daß im Italienischen eine irreal-konditionale Konzessivrelation durch den Konjunktiv Imperfekt (bei Gleich- bzw. Nachzeitigkeit) oder durch den Konjunktiv trapassato (bei Vorzeitigkeit) signalisiert wird. Die Verwendimg der jeweiligen Konjunktivformen zum Ausdruck der Irrealität ist als obligatorisch anzusehen. Weitaus interessanter ist der Fall, wo eine potentiell-konditionale Konzessivrelation - statt wie gewöhnlich durch den Indikativ - nun durch den Konjunktiv Präsens (Gleich- bzw. Nachzeitigkeit) oder Konjunktiv passato (Vorzeitigkeit) angezeigt wird. Betrachten wir dazu die folgenden Korpusbeispiele: (5)

(6)

(7)

(8)

A differenza di quanto è disposto per l'adozione di persone maggiori d'età dall'art. 291, ai coniugi è consentito l'adozione di minori in stato di adottabilità anche se abbiano discendenti legittimi o legittimati. (Bessone, 216) [Im Unterschied zu den Bestimmungen des Art. 291 bezüglich der Adoption von Volljährigen ist einem Ehepaar die Adoption von adoptionsfähigen Minderjährigen auch dann erlaubt, wenn sie eheliche oder für ehelich erklärte Nachkommen haben. ] Tali atti regolamentari hanno valore obbligatorio anche quando gli Stati membri abbiano espressamente riservato il loro diritto di rifiutarne l'applicazione in determinate circostanze. (Capotarti, 165) [Derartige Vertragsbestimmungen sind auch dann bindend, wenn die Mitgliedsstaaten sich ausdrücklich das Recht vorbehalten haben, deren Anwendung unter bestimmten Umständen zu verweigern.] Questo fatto complica notevolmente l'analisi. Infatti, anche nel caso in cui la distribuzione di probabilità (soggettive) dei valori attesi della variabile considerata sia simmetrica rispetto al suo valor medio, non è sempre possibile supporre che l'operatore consideri questo valore come quello "atteso" e gli altri come "irrilevanti". (Cozzi/Zamagni, 563) [Diese Tatsache erschwert die Analyse erheblich. Denn auch in dem Fall, daß die (subjektive) Wahrscheinlichkeitsverteilung der für die betrachtete Variable erwarteten Werte symmetrisch ist in bezug auf ihren Mittelwert, ist es nicht immer möglich anzunehmen, daß der Wirtschaftsexperte diesen Wert als "erwartet" und die anderen als "irrelevant" betrachtet.] "Se il suo grafico gli impone di bloccare la crescita della moneta, egli lo fa anche qualora ciò provochi un milione di disoccupati". (La Stampa 9-12-93, 27) ["Wenn sein Diagramm ihm auferlegt, den Geldmengenzuwachs zu blockieren, so tut er das auch dann, wenn dies eine Million Arbeitslose verursacht. "]

In den einschlägigen Studien finden sich vereinzelte Hinweise zu diesem Phänomen, das übereinstimmend als "selten" eingestuft wird (Herczeg 1976b:214f.; Moretti 15

Betrachtet man sämtliche vollständige, nichtkonditionale Nebensätze (1358), so weisen faktische Werte annähernd doppelt so viele Belege auf (827) als indirekte Werte (449); dazu kommen 82 skalare Beispiele.

301

1983:47; Elgenius 1991:1391,190,205,212f.). Mazzoleni betrachtet den Konjunktivgebrauch zudem als "literarisch" (1991:794f.). Diese auf subjektiven Eindrücken fußenden Weitungen lassen jedoch zwei Fragen offen: Wie hoch ist die tatsächliche Frequenz des Phänomens? Gibt es einen besonderen Verwendungsbereich? Zur Frequenz dieser Konstruktion ist zu sagen, daß sie häufiger vorkommt, als allgemein angenommen wird. Insgesamt ist in 224 Korpusbeispielen eine potentiellkonditionale Konzessivrelation belegt: In 179 Fällen (ca. 80%) treffen wir den Indikativ an, in 45 Fällen (ca. 20%) den Konjunktiv. Ihren bevorzugten Verwendungsbereich finden diese konjunktivischen Konzessivsätze in der Fachsprache: 40 von 45 Belegen (33 davon allein in rechtswissenschaftlichen Texten). Die massive Verwendung im juristischen Sektor tritt noch deutlicher hervor, wenn man bedenkt, daß hier von insgesamt 83 Belegen für potentiell-konditionale Konzessivrelationen 50 auf den Indikativ und 33 auf den Konjunktiv entfallen (was einem Anteil von ca. 40% entspricht). Das häufige Auftreten des Konjunktivs in Fachtexten ist wahrscheinlich auf die allgemeine Tendenz in der Fachsprache zurückzuführen, sämtliche Formen von Polysemie zu meiden: Der Indikativ bleibt also primär auf faktische Konzessivrelationen beschränkt und wird mit einer konditionalen Bedeutung nur in solchen Kontexten in Verbindung gebracht, in denen der Konzessivwert ohnehin schon deutlich aus dem Zusammenhang zu erkennen ist. Wir können zusammenfassend festhalten: 1) In syntaktischer Funktion ist der Konjunktiv bevorzugt bei Konnektiven belegt, die einen hohen Grad der Grammatikalisierung aufweisen. Dieser wird zumeist durch Zusammenschreibung signalisiert {seppure!seppur, sebbene, malgrado, nonostante (che), ancorché, benché, quantunque) oder ist zumindest mit einer fortgeschrittenen semantischen Verblassimg (per quanto) bzw. mit einer weitgehenden Idiomatisierung des Ausdrucks verbunden {per...che). Die wenigen indikativischen Belege bei diesen Konnektiven finden sich allesamt im literarischen Bereich, wobei indirekte Konzessivwerte weit überdurchschnittlich vertreten sind. 2) In semantischer Funktion erscheinen zum Ausdruck einer irreal-konditionalen Konzessivrelation obligatorischerweise Konjunktiv Imperfekt und trapassato. Die Kodierung einer potentiell-konditionalen Konzessivrelation kann sowohl durch den Indikativ als auch durch den Konjunktiv Präsens bzw. passato geschehen. Die konjunktivischen Verwendungen sind weitaus häufiger als vermutet, wobei die große Mehrzahl der Belege sich auf den fachsprachlichen - insbesondere rechtswissenschaftlichen - Bereich konzentriert.

8.7. Konzessive Semantik der einzelnen Konstruktionen Die Frage nach den unterschiedlichen Konzessivwerten ist auch im Italienischen höchstens ansatzweise untersucht worden (s. oben die einleitenden Ausführungen zu

302

Kap. 3). Abgesehen von vereinzelten Bemerkungen zur Polysemie bestimmter Konnektive (Herczeg 1976b:201,215; Moretti 1983:23) finden sich weitergehende Beobachtungen lediglich bei Mazzoleni (1991) und Elgenius (1991). So erwähnt Mazzoleni (1991:786f.,816f.) einige Beispiele, die der hier als evaluativ bzw. korrektiv bezeichneten Verwendung entsprechen. Elgenius (1991:16-21) nennt Konstruktionen, die ich als skalar, rekonstruktiv und korrektiv eingestuft habe. Aber auch diese beiden Studien gehen über eine bloße Aufzählung von semantischen Varianten nicht hinaus und sind somit von einer systematischen Klassifikation der Konzessivwerte noch weit entfernt. Insbesondere vermißt man den Versuch, die einzelnen Konnektive konsequent mit den verschiedenen Werten in Verbindung zu setzen. Dieser Aspekt soll nun im folgenden näher beleuchtet werden. Zunächst ist hervorzuheben, daß sämtliche Konzessivwerte - die in Kap. 3 anhand deutscher Beispiele veranschaulicht wurden - ebenfalls im Italienischen zu finden sind. Sehen wir uns zunächst zwei Beispiele für eine faktische Konzessivrelation an: (9) a Buonasera, disse Cesare, anche se erano le dieci di mattina. (Lodoli, 65) [Guten Abend, sagte Cesare, obwohl es 10 Uhr morgens war ] b Le sue norme sono infatti frequentemente invocate nei giudizi davanti alla Corte, malgrado la Comunità non sia parte di tale Convenzione. (Capotorti, 284) [Auf ihre Normen beruft man sich in der Tat des öfteren bei den Verfahren vor diesem Gerichtshof, obwohl die [Europäische] Gemeinschaft nicht Teil dieser Konvention ist.]

Indirekte Konzessivwerte können durch eine kommentarische (10), evaluative (11), rekonstruktive (12), limitative (13) oder korrektive (14) Relation gegeben sein: (10)a Caterina ha detto "Certo", anche se sapevo che non la pensava affatto così su queste cose. (De Carlo, 180) [Caterina hat "Sicherlich " gesagt, auch wenn ich wußte, daß sie über diese Dinge völlig anders dachte.] b Cosi, anche se può apparire paradossale, la cura di un malato non viene contabilizzata se effettuata a casa, mentre aumenta la produzione di reddito se viene effettuata in ospedale. (Bresso, 138) [Auf diese Weise, auch wenn dies paradox erscheinen mag, wird die Pflege eines Kranken nicht verbucht, wenn sie zu Hause erfolgt, während sie die Einkommensbildung erhöht, wenn sie im Krankenhaus erfolgt.] (1 l)a È difficile infatti dar credito a un pugile che, pur ricco di qualità, si presenta ogni volta a oltre 120 kg, con un sovraccarico di ciccia che ne ostacola il rendimento. (La Stampa 1-1293, 29) [Es ist in der Tat schwer, an einen Boxer zu glauben, der - wenn auch reich an Qualitäten - jedes Mal mit einem Gewicht von über 120 kg antritt, mit einer Überlast an Fett, die seine Leistungsfähigkeit beeinträchtigt.] b Si è subito rivelata una ragazza intelligente e volitiva anche se selvatica come una capra (Maraini, 214) [Sie hat sich sogleich als intelligentes und willensstarkes Mädchen erwiesen, auch wenn sie widerspenstig wie eine Ziege ist ] (12) a II problema è stato ripreso ed ampiamente dibattuto, anche se non risolto in sede di elaborazione della costituzione. (Bessone, 249)

303

b

(13) a

b

(14) a

b

[Das Problem ist wieder aufgegriffen und ausgiebig diskutiert worden, auch wenn es im Rahmen der Ausarbeitung der Verfassung nicht gelöst worden ist. ] Oggi ho chiuso un altro contratto. Sto diventando bravo, anche se Italo continua a non essere contento di me. (Onofrì, 11) [Heute habe ich einen weiteren Vertrag abgeschlossen. Ich werde immer besser, auch wenn Italo weiterhin mit mir unzufrieden ist. ] Ne ha tratto vantaggio il candidato della sinistra che al primo turno era in testa, seppur di un'incollatura. (La Stampa 7-12-93, 39) [Daraus hat der Kandidat der Linken, der beim ersten Wahlgang - wenn auch nur um eine Nasenlänge - in Führung lag, einen Vorteil gezogen.] E continuato, sia pure con minore intensità, il processo di concentrazione dell'offerta. (Fazio, 83) [Der Prozeß der Angebotskonzentration hat sich, wenn auch mit geringerer Intensität, weiter fortgesetzt.] Perché son finito qui? Quando è che le cose han cominciato ad andare storte? Lei era alta e bionda, anche se portava i tacchi ed era tinta. (Benni, 50-1) [Warum bin ich hier gelandet? Wann fing es an, daß die Dinge schief liefen? Sie war groß und blond, auch wenn sie hohe Absätze trug und die Haare gefärbt waren ] Per la Polygram, Mia Martini questa volta canterebbe da sola, anche se la sorella Loredana Berté pare si sia iscrìtta: il condizionale è d'obbligo, perché la sua casa discografica, la Sony, è l'unica muta sui propri aspiranti sanremesi. (La Stampa 10-12-93, 28) [Nach Ansicht der Polygram dürfte Mia Martini dieses Mal allein singen, auch wenn ihre Schwester Loredana Berte sich anscheinend eingeschrieben hat: Man muß hier schon "dürfte " sagen, weil ihre Schallplattenfirma, die SONY, als einzige sich nicht zu den eigenen Kandidaten für Sanremo äußert ]

Betrachten wir schließlich jeweils zwei Belege für einen konditionalen (15) und skalaren (16) Konzessivwert: (15)a Anche se avesse voluto andare via non poteva. I piedi erano diventati di legno. (Tamaro, 47) [Selbst wenn sie hätte fortgehen wollen, sie konnte es nicht. Ihre Füße waren wie zu Holz geworden.] b "Ce lo siamo detti subito negli spogliatoi: sarà un lungo braccio di ferro e il Milan avrà un bel da fare anche se vincerà a Udine". (La Stampa 13-12-93, 3) [ "Das haben wir uns gleich im Umkleideraum gesagt: Es wird eine lange Kraftprobe und der AC Mailand wird seine Schwierigkeiten haben, auch wenn er in Udine gewinnt. "] (16) a In altri termini, per quanto l'impresa cerchi di accrescere il suo profitto agendo sulla quantità venduta, non è attraverso il controllo di quest'ultima nell'ambito di una tecnologia data che l'impresa potrà conseguire grandi risultati. (Cozzi/Zamagni, 417-8) [Mit anderen Worten: Wie sehr das Unternehmen auch bemüht ist, seinen Profit zu steigern, indem es die Verkaufsmenge reguliert - nicht durch die Kontrolle letzterer im Rahmen einer gegebenen Technologie wird das Unternehmen wichtige Ergebnisse erzielen können] b Nessun premio extra, ma la soddisfazione vera, per povera che sia, di vedere i frutti del lavoro. (La Stampa 7-12-93, 37) [Keine Extraprämie, aber die wahre Genugtuung - so armselig sie auch sein mag -, die Früchte der [eigenen] Arbeit zu sehen ]

304 Im vorliegenden Korpus haben von insgesamt 2768 Konzessivkonstruktionen 1308 eine faktische (ca. 47%), 967 eine indirekte (ca. 35%), 380 eine konditionale (ca. 14%) und 113 eine skalare Bedeutung (ca. 4%). 16 Gehen wir von letzterem Konzessivwert aus, der durch folgende Konnektive kodiert werden kann: Tab. 37: per quanto per quanto/a/i/e per...che

Belege 95 9 9 113

Es sei vermerkt, daß per quanto/a/i/e und per...che ausschließlich skalar sind, während per quanto des öfteren nicht-skalare Konzessivrelationen kodieren kann (insgesamt 50 Belege). Hier wird die fortschreitende semantische Verblassung von per quanto deutlich. Untersuchen wir nun die übrigen Gruppen von Konnektiven hinsichtlich ihrer Verteilung auf die drei grundlegenden Konzessivwerte (faktisch, indirekt und konditional). Folgende Tabelle gibt einen Überblick über die Bildungen mit dem konditionalen Element se, geordnet nach dem (gerundeten) prozentmäßigen Anteil der konditionalen Bedeutungen: Tab. 38: se anche se pur pure se se pure anche se pur se seppure sebbene seppur

faktisch indirekt konditional gesamt Anteil in % 64% 4 1 9 14 6 2 2 2 33% 7 2 4 13 31% 6 19 7 32 22% 1108 16% 475 452 181 22 14 1 37 3% 10 34 45 2% 1 95 159 0% 64 14 0% 3 11

Der Grad der semantischen Verblassung der einzelnen Konnektive ist umgekehrt proportional zum Anteil der konditionalen Belege. Das Element se bewahrt seine konditionale Bedeutung relativ häufig in Bildungen wie se anche, selten oder nie hingegen bei seppure, seppur und sebbene. Auf der Skala der progressiven Grammatikalisierung lassen sich zwei Tendenzen erkennen:

16

Die Verteilung der Belege ist mit dem Deutschen vergleichbar (die zahlreichsten Werte sind die faktischen, gefolgt von indirekten, konditionalen und skalaren) - mit dem Unterschied jedoch, daß im Italienischen indirekte Belege verhältnismäßig häufiger und konditionale verhältnismäßig seltener vorkommen (s. 6.7).

305 a) Spiegelbildliche Konnektive sind jeweils durch entgegengesetzte Verteilungen gekennzeichnet. Se anche (64%) ist öfter konditional als anche se (16%), se pur (33%) als pur se (3%). Umgekehrt ist se pure (22%) seltener konditional als pure se (31%). b) Konnektive, die sich durch Zusammen- bzw. Getrenntschreibung unterscheiden, weisen antithetische Eigenschaften auf. Bei Getrenntschreibung ist der Anteil der konditionalen Bedeutungen merklich höher: so bei se pur (33%) gegenüber seppur (0%) und bei se pure (22%) gegenüber seppure (2%). Ansonsten sei noch vermerkt, daß sämtliche Konnektive mit nachgestelltem pur(e) eine z.T. weit überdurchschnittliche Frequenz an indirekten Konzessivwerten aufweisen (se pur, se pure, seppure, seppur). Wenden wir uns nun weiteren Gruppen von Konnektiven zu. Die Bildungen, die auf einem hindernd-oppositiven Element beruhen, kodieren ausschließlich faktische Konzessivrelationen (malgrado, nonostante, nonostante che, a costo di, a rischio di). Die Konnektive auf quantitativer Basis können faktische und indirekte, nicht jedoch konditionale Werte ausdrücken: Tab. 39: quantunque per quanto con tutto che

faktisch indirekt gesamt 6 3 9 38 12 50 2 1 3

Ähnlich ist die Verteilung bei folgenden Konnektiven: Tab. 40: ancorché benché pur pur senza

faktisch indirekt gesamt 20 13 33 105 46 151 308 479 171 5 7 12

Die Bildungen mit einem existentiellen Element bringen primär indirekte Konzessivwerte zum Ausdruck. Faktische und konditionale Konzessivrelationen sind jedoch auch belegt: Tab 41: sia pure sia pur

faktisch indirekt konditional gesamt 101 23 8 132 13 2 3 18

Betrachten wir nun die Formationen mit dem temporal-konditionalen Element quando. Es sind faktische und konditionale Werte möglich. Geordnet nach dem Anteil der konditionalen Bedeutungen ergibt sich folgendes Bild:

306 Tab. 42: faktisch quand'anche quando anche pure quando neppure quando anche quando perfino quando nemmeno quando persino quando neanche quando

1 39 1 1 1 5

konditional 8 1 2 4 84 2 2 1 2

gesamt Anteil in % 8 100% 100% 1 100% 2 80% 5 123 68% 67% 3 3 67% 50% 2 7 29%

Die beiden Konnektive mit nachgestellter Partikel (quand'anche, quando anche) sind ausschließlich konditional, die Formationen mit vorangestellter Partikel weisen unterschiedliche Prozentsätze auf (von 100 bis 29%). Die relativ seltenen temporalen Gelegenheitsbildungen mit prima, dopo und mentre haben überwiegend faktische, in einigen Fällen jedoch auch konditionale Bedeutung: Tab. 43: anche prima anche dopo anche mentre perfino mentre

faktisch konditional gesamt 2 2 5 5 3 1 4 1 1

Schließlich seien folgenden Konstruktionen erwähnt, die stets konditionalen Charakter haben: a) uneingeleitete Nebensätze mit anche/pure-, b) Bildungen nach dem Muster «Konnektiv + a» (anche a, neanche a, nemmeno a, manco a); c) Bildungen nach dem Muster «negatives Element + se» (neanche se, neppure se, nemmeno se); c) Kombinationen mit einem explizit konditionalen Konnektiv (anche nel caso, anche nell 'ipotesi, anche qualora, ove pure, neppure nel caso). Untersuchen wir nun, ob sich die konzessive Semantik einer Konstruktion mit anderen, bereits betrachteten Faktoren (8.2-8.6) in Verbindung bringen läßt. Gehen wir zunächst der Frage nach, ob die einzelnen Konzessivwerte vorzugsweise in einem bestimmten Verwendungsbereich (Fach-, Literatur- oder Pressesprache) auftreten: Tab. 44: Fachtexte Literatur Presse

faktisch indirekt konditional skalar gesamt 376 205 1076 463 32 531 309 116 65 1021 314 59 16 671 282 967 2768 1308 380 113

307

Es fällt auf, daß - wie bereits im Deutschen - konditionale Konzessivrelationen überdurchschnittlich in Fachtexten vertreten sind. In diesem Bereich sind von insgesamt 1076 Konstruktionen 205 konditional (ca. 19%), während in literarischen und pressesprachlichen Texten die Belegzahl jeweils bei ca. 11% und 9% liegt. Außerdem sei darauf hingewiesen, daß indirekte Werte den höchsten Anteil in der Pressesprache haben (ca. 42%), den niedrigsten in der Literatursprache (ca. 30%). Betrachten wir die Verteilung der einzelnen Konzessivwerte auf vollständige und reduzierte Nebensätze: Tab. 45: vollständig reduziert

faktisch indirekt konditional skalar gesamt 827 449 310 83 1669 481 517 71 30 1099

Ahnlich wie im Deutschen treten indirekte Konzessivrelationen überdurchschnittlich in reduzierten Nebensätzen auf, konditionale hingegen in vollständigen Sätzen. Im einzelnen kodieren 517 von 1099 reduzierten Satzkonstruktionen eine indirekte Bedeutung (ca. 47%) - gegenüber einem Anteil von ca. 27% bei den vollständigen Sätzen (449 von 1669). Andererseits weisen lediglich 71 reduzierte Sätze eine konditionale Bedeutung auf (6%). Der Anteil ist weit geringer als bei den vollständigen Sätzen (310 von 1669, ca. 19%). Folgende Tabelle verdeutlicht die Korrelationen zwischen Konzessivwert und Position des Nebensatzes: Tab. 46: vorangestellt zwischengestellt nachgestellt Konstituentenebene

faktisch indirekt konditional skalar gesamt 333 123 83 45 584 56 27 537 261 193 693 238 40 1584 613 63 21 38 3 1

Im Gesamtkorpus weisen - wie eingangs gesagt - ca. 47% aller Belege eine faktische, 35% eine indirekte, 14% eine konditionale und 4% skalare Bedeutung auf. Im Vergleich zu diesen Mittelwerten fallt ins Auge, daß bei Voranstellung faktische Relationen überdurchschnittlich (ca. 57%), indirekte unterdurchschnittlich (ca. 21%) und skalare wiederum überdurchschnittlich (ca. 8%) vertreten sind. Bei Zwischenstellung sind konditionale Werte relativ selten (ca. 10%). Anders formuliert: Faktische Bedeutungen kommen leicht überproportional in Anfangsstellung vor, indirekte stark unterproportional in Anfangsstellung, konditionale unterproportional in Zwischenstellung und skalare auffallend überproportional in Anfangsstellung. Diese Daten decken sich weitgehend mit den Verteilungstendenzen, die wir für das Deutsche beobachten konnten (6.7).

308

Das Vorhandensein eines Verstärkungselements kann mit der Kodierung bestimmter Konzessivwerte in Verbindung gebracht werden. Aus der folgenden Tabelle ist ersichtlich, daß Verstärkungselemente relativ häufig bei faktischen, relativ selten hingegen bei indirekten Werten auftreten (diese beiden Tendenzen finden sich ebenfalls im Deutschen): Tab. 47: mit V-Element ohne V-El.

faktisch indirekt konditional skalar gesamt 56 16 19 4 95 109 2673 1252 951 361

Auf die Beziehungen zwischen Modus und Konzessivwert habe ich bereits unter 8.6 hingewiesen. Als Zusammenfassung dieses Abschnitts 8.7 soll nun folgende Tabelle dienen, die die Korrelationen zwischen Konnektivgruppen und Konzessivwerten verdeutlicht (vgl. 6.7, Tab. 55): 17

17

Der skalare Konzessivwert ist hier nicht berücksichtigt worden. Es sei außerdem vermerkt, daß temporale Gelegenheitsbildungen (anche dopo, perfino mentre usw.) aus der Betrachtung ausgeschlossen sind. Ferner ist das ein negatives Element enthaltende Konnektiv pur senza der Gruppierung "Allgemeines Verstärkungselement" zugeordnet worden, da seine semantischen Eigenschaften durchaus mit pur vergleichbar sind.

309 Tab 48: konzessiv-konditional

faktisch

indirekt

hindernd-oppositives El.

malgrado nonostante (che) a costo di a rischio di

quantitatives El.

quantunque per quanto con tutto che

quantunque per quanto con tutto che

Allgemeines Verstärkungsei.

benché pur pur senza

benché pur pur senza

[sia pure / sia pur]

sia pure / sia pur

[se anche] pure se se pur se pure anche se pur se [seppure]

[se anche] [pure se] se pur se pure anche se pur se seppure

sebbene [seppur]

sebbene seppur

anche a anche /pure im urteing. NS existentielles El.

[sia pure / sia pur]

konditionales EI.

anche nel caso usw. se anche pure se se pur se pure anche se [pur se] [seppure]

temporales El.

quand'anche quando anche pure quando anche / perfino / persino anche / perfino / persino quando quando ancorché

negatives El.

neanche / nemmeno / manco a neanche / neppure / nemmeno se neanche / neppure / nem- neanche / neppure / nemmeno quando meno quando

ancorché

310

Die sieben morphologisch-etymologischen Gruppen von Konnektiven sind durch unterschiedliche Eigenschaften gekennzeichnet: 1) Hindemd-oppositives Element. Die Konnektive dieser Gruppe bleiben - wie im Deutschen - auf den Ausdruck eines faktischen Konzessivwertes beschränkt. 2) Quantitatives Element. Es können - wie im Deutschen - faktische und indirekte Werte kodiert werden. 3) Allgemeines Verstärkungselement. Die Konnektive benché, pur und pur senza bringen faktische und indirekte Konzessivrelationen zum Ausdruck. Anche und pure haben einen konzessiv-konditionalen Wert, wenn sie in typischen Konditionalstrukturen auftreten (wie «a + Infinitiv» oder dem uneingeleiteten Nebensatz). 4) Existentielles Element. Das Konnektiv sia pur(e) kann nur noch selten einen konditionalen Wert ausdrücken; darin zeigt sich die semantische Verblassung der Konjunktivform sia. Faktische Relationen erscheinen möglich, häufiger sind jedoch indirekte. 5) Konditionales Element. Es lassen sich drei Grade der semantischen Verblassung des konditionalen Elements se erkennen: a) gering: das Konnektiv kodiert ausschließlich einen konzessiv-konditionalen Wert (so die Gelegenheitsbildungen mit einer spezifisch konditionalen Konjunktion); b) mittel: das Konnektiv kann darüber hinaus - mit unterschiedlicher Häufigkeit - faktische und indirekte Relationen ausdrücken (se anche, pure se, se pur, se pure, anche se, pur se, seppure)-, c) stark: das Konnektiv hat seine konditionale Bedeutung gänzlich eingebüßt (seppur, sebbene). Diese Grammatikalisierungsprozesse sind durchaus mit denen zu vergleichen, die die deutschen Konzessivkonnektive auf konditionaler Basis kennzeichnen. 6) Temporales Element. Ähnlich wie bei den "konditionalen" Konnektiven gibt es auch hier Bildungen, die: a) ausschließlich konzessiv-konditional sind (quand'anche, quando anche, pure quando); b) zusätzlich nichtkonditionale Werte annehmen können (anche!perfino!persino quando); c) keine konditionalen Werte mehr kodieren (ancorché). 7) Negatives Element. Negative Konnektive gefolgt von «a + Infinitiv» oder von se sind stets konditional, Kombinationen mit quando mitunter auch faktisch. Ausgehend von den einzelnen Konzessivwerten lassen sich jeweils Gruppen von Konnektiven angeben, die zu ihrer Kodierung befähigt sind: a) ausschließlich faktische Bedeutung (hindernd-oppositive Konnektive); b) faktische und indirekte (quantitative Konnektive; die wichtigsten Konnektive mit allgemeinem Verstärkungselement; hochgradig grammatikalisierte konditionale und temporale Konnektive); c) konditionale, faktische und indirekte (teilweise grammatikalisierte existentielle und konditionale Konnektive); d) konditionale und faktische (einige temporale Konnektive mit quando)-,

311

e) ausschließlich konditionale (allgemeines Verstärkungselement oder negatives Konnektiv in konditionalen Strukturen; geringfügig grammatikalisierte konditionale Konnektive; einige temporale Konnektive mit quando). In diesem Abschnitt 8.7 haben wir außerdem folgende Korrelationen beobachtet: 1) Konzessiv-konditionale Werte kommen überdurchschnittlich in (juristischen) Fachtexten vor. 2) In Anfangsstellung sind indirekte Werte stark unterproportional und skalare stark überproportional vertreten. 3) Indirekte Werte finden sich bevorzugt in reduzierten Nebensätzen. 4) Verstärkungselemente treten relativ häufig bei faktischen, relativ selten hingegen bei indirekten Werten auf. Diese Tendenzen sind durchaus vergleichbar mit den Daten aus dem deutschen Korpus.

8.8. Spiegelbildliche Konnektive Als spiegelbildliche Konnektive können die Paare anche se/se anche, pure se/se pure, pur se/se pur und quando anche/anche quando bezeichnet werden. In der Literatur werden diese Paare meist getrennt behandelt und nur selten vergleichend gegenübergestellt. Einige kurze Hinweise zu anche se/se anche finden sich bei Herczeg (1976b:217), Moretti (1983:47) und Elgenius (1991:192-3); zu pure se/se pure bei Herczeg (1976b:218) und Elgenius (1991:204-6); zu anche quando und quand'anche bei Herczeg (1976b:220-l), Moretti (1983:64) und Elgenius (1991:211-5). Die Beobachtungen betreffen u.a. Frequenz, Semantik und Modusgebrauch der jeweiligen Konnektive. Allerdings sind diese vereinzelten Hinweise nur beschränkt verwertbar, da Bildungen, die durchaus eigenständige Konnektive darstellen (wie z.B. se pure und seppure), unzulässigerweise zusammengefaßt und ohne weitere Unterscheidung in die Analyse einbezogen werden. Im folgenden werde ich die Paare anche se/se anche, pure se/se pure, pur se/se pur18 hinsichtlich der Faktoren Verwendungsbereich (s. 8.2), Vollständigkeit des Nebensatzes (8.3), Stellung des Nebensatzes (8.4), Modusgebrauch (8.6) und Konzessivwert (8.7) untersuchen.19 Die Konnektive anche se (1108 Belege) und se anche (14 Belege) unterscheiden sich in sämtlichen fünf Faktoren. Während anche se in allen drei Verwendungsbereichen vertreten ist (jeweils 370, 407 und 331 Beispiele in Fach-, Literatur- und Pressesprache), kommt se anche fast ausschließlich in literarischen Texten vor (12 von 14 Belegen). Anche se kann sowohl vollständige (919) als auch reduzierte (189) Sätze einleiten, se anche hingegen ausschließlich vollständige. Anche se ist unterdurchschnittlich in Anfangsposition (169 von 1108) und überdurchschnittlich in Endposition Die Konnektive anche quando und quando anche können hier nicht gegenübergestellt werden, da quando anche im vorliegenden Korpus lediglich einen einzigen Beleg aufweist. 19

Der Parameter "Verstarkungselement" wird nicht in Betracht gezogen, da die Anzahl der Belege zu gering ist, um deutliche Tendenzen hervortreten zu lassen.

312

(810 von 1108) belegt; bei se anche ist die Verteilung entgegengesetzt (12 von 14 Belegen in Voranstellung, lediglich 1 in Endstellung). Ferner sind Strukturen auf Konstituentenebene nur im Falle von anche se möglich. Bei der Kodierung potentiell-konditionaler Konzessivrelationen kann der "semantische" Konjunktiv in Zusammenhang mit anche se, nicht jedoch mit se anche stehen. Dies ist wahrscheinlich auf die Tatsache zurückzufuhren, daß se anche primär einen konditionalen Konzessivwert kodiert (ca. 67% gegenüber ca. 16% für anche se) und daher einer zusätzlichen Verdeutlichung der konditionalen Bedeutung durch den Modus nicht bedarf. Betrachten wir nun das Konnektivpaar pure se (13 Belege) und se pure (32 Belege). Die beiden Bildungen unterscheiden sich in vier von fünf untersuchten Faktoren. Pure se kommt ausschließlich in literarischen Texten vor, se pure primär in Fach- und Literatursprache (jeweils 18 und 13 Belege). Bei pure se überwiegen vollständige Sätze (8 von 13), bei se pure hingegen reduzierte (18 von 32). Pure se tritt ausschließlich in Voran- (4) und Nachstellung (9) auf, während bei se pure alle drei Stellungsvarianten zu finden sind (10, 13 und 5 Belege) und gerade die Zwischenstellung überdurchschnittlich vertreten ist. Nur se pure kann Strukturen auf Konstituentenebene einleiten (4). Pure se weist 7 faktische, 2 indirekte und 4 konditionale Konzessivwerte auf, se pure dagegen 6 faktische, 19 indirekte und 7 konditionale (der Anteil der indirekten Werte ist auffallend hoch).Was schließlich den Modusgebrauch im konditionalen Konzessivsatz betrifft, so sind beide Konnektive nur in Zusammenhang mit Indikativformen belegt. Die Bildungen pur se (37) und se pur (6) weisen hingegen kaum relevante Unterschiede auf. Beide Konnektive werden primär im fachsprachlichen Bereich verwendet (pur se 32 von 37, se pur 5 von 6), leiten mit überdurchschnittlicher Frequenz reduzierte Nebensätze ein (pur se 19 von 37, se pur 4 von 6), sind in sämtlichen Stellungsvarianten vertreten und werden ausschließlich mit dem Indikativ konstruiert. Der einzige Unterschied besteht in dem Anteil der konditionalen Konzessivbedeutungen: lediglich 3% bei pur se, jedoch 33% bei se pur. Zusammenfassend kann festgehalten werden, daß die Konnektivpaare anche se/se anche und pure se/se pure hinsichtlich der wichtigsten untersuchten Eigenschaften entgegengesetzte Tendenzen aufweisen: Das spiegelbildliche Formationsprinzip hat somit ikonischen Charakter. Dies gilt jedoch nur beschränkt für die Konnektive pur se/se pur, die sich lediglich in bezug auf den kodierten Konzessivwert unterscheiden.

8.9. Varianten desselben Konnektivs oder eigenständige Konnektive? In diesem Abschnitt soll untersucht werden, ob bei den folgenden Bildungen Varianten desselben Konnektivs oder eigenständige Konnektive vorliegen:

313 quand'anche / quando anche se pure / seppure se pure / se pur seppure / seppur sia pure / sia pur pure se / pur se nonostante / nonostante che per quanto / per quanto/a/i/e

Die grundsätzliche Frage nach der Unterscheidbarkeit von Konnektiven ist in der Literatur bisher nicht gestellt worden. Es finden sich lediglich verstreute Bemerkungen zu einzelnen Konstruktionen. So weist Mazzoleni (1991:789) daraufhin, daß se pure und seppure aufgrund der jeweiligen Semantik auseinanderzuhalten seien. Elgenius (1991:64,212) erwähnt Unterschiede in der Frequenz bei nonostante und nonostante che sowie im Modusgebrauch bei quand'anche und quando anche. Untersuchen wir zunächst, ob der Zusammenschreibung bei se pure (32 Belege) vs. seppure (45 Belege) eine distinktive Funktion zukommt. 20 Se pure ist fast ausschließlich in Fach- (18) und Literaturtexten (13) belegt (lediglich 1 Beispiel in der Pressesprache), während seppure in allen drei Verwendungsbereichen erscheint (jeweils 19, 13 und 13 Belege). Bei se pure ist der Anteil von reduzierten Nebensätzen (18 von 32) geringer als bei seppure (37 von 45). Se pure ist in Voran-, Zwischen- und Nachstellung jeweils 10-, 13- und 5-mal belegt, seppure jeweils 7-, 15- und 21-mal; se pure kommt somit relativ häufig in Anfangsposition vor, seppure dagegen in Endposition. Der vielleicht wichtigste Unterschied besteht darin, daß se pure in 22% der Fälle die konditionale Bedeutung bewahrt, seppure lediglich in 2%. Hier läßt sich deutlich die fortgeschrittene Grammatikalisierung des zusammengeschriebenen seppure erkennen. Diese Daten lassen insgesamt den Schluß zu, daß bei se pure und seppure jeweils eigenständige Konnektive vorliegen. Betrachten wir nun die Paare se pure/se pur, seppure!seppur, pure se/pur se und sia pure/sia pur, Interessanterweise besitzen die Formen mit Vokaltilgung (pur) einige gemeinsame Eigenschaften, die sie von den Formen ohne Tilgung (pure) abheben. Den Tabellen unter 8.2-8.7 sind folgende generelle Tendenzen zu entnehmen, denen nur wenige Ausnahmen entgegenstehen: - Die Bildungen mit pur kommen relativ häufig im fachsprachlichen und äußerst selten im literatursprachlichen Bereich vor. - Sie weisen einen höherer Anteil an reduzierten Sätzen auf (nicht so jedoch pur se). 21 Quand'anche und quando anche können hier wegen der geringen Belegzahl nicht berücksichtigt werden. 21 Es sei daran erinnert, daß sowohl sia pure als auch sia pur ausschließlich in reduzierten Nebensätzen auftreten.

314 - Sie befinden sich besonders häufig in Zwischenposition (nicht so sia pur). - Sie kodieren seltener konditionale Werte (nicht so se pur). Die Formen mit Vokaltilgung weisen insgesamt einen höheren Grad der Grammatikalisierung auf als die entsprechenden Formen mit pure. Diese Tatsache genügt m.E. jedoch nicht, um bereits eigenständige Konnektive anzunehmen. Ich würde in diesen Fällen eher von Varianten sprechen. Die beiden Bildungen nonostante und nonostante che unterscheiden sich einzig in der Verteilung auf die drei Verwendungsbereiche. Nonostante weist in Fach-, Literatur- und Pressetexten jeweils 5, 34 und 24 Belege auf, nonostante che 12, 6 und 1. Die Form mit che wird also bevorzugt im fachsprachlichen Bereich verwendet. Gemeinsam ist beiden Bildungen, daß sie überdurchschnittlich in Nachstellung vorkommen, stets vollständige Nebensätze einleiten, fast immer mit "syntaktischem" Konjunktiv auftreten und ausschließlich faktische Konzessivrelationen kodieren. Es handelt sich somit offensichtlich um Varianten ein und desselben Konnektivs. Untersuchen wir nun, ob relevante Unterschiede bestehen zwischen per quanto und den flektierten Formen per quanto/a/i/e. Keine nennenswerten Abweichungen lassen sich bei der Verteilung auf die einzelnen Verwendungsbereiche und auf die verschiedenen Stellungsvarianten des Nebensatzes erkennen. Der höhere Grad der Grammatikalisierung von per quanto äußert sich allerdings darin, daß das Konnektiv - im Gegensatz zu den flektierten Bildungen - reduzierte Nebensätze einleiten kann, häufiger mit dem "syntaktischen" Konjunktiv erscheint und nicht-skalare Bedeutungen kodieren kann. Meiner Meinung nach kann man insgesamt jedoch nicht von zwei klar differenzierten Konnektiven ausgehen. Zusammenfassend läßt sich feststellen, daß bei se pure und seppure eindeutig autonome Konnektive vorliegen, bei nonostante und nonostante che hingegen Varianten desselben Konnektivs. Schwieriger ist es, in den anderen beiden betrachteten Fällen eine Entscheidung zu treffen. Bei den Formen mit bzw. ohne Vokalerhaltung (pure vs. pur) und bei den flektierten bzw. unflektierten Formen von per quanto handelt es sich jeweils um Bildungen mit unterschiedlichem Grad der Grammatikalisierung. Da diese Formen nicht diametral entgegengesetzte Eigenschaften aufweisen, sondern nur unterschiedlich starke Ausprägungen vergleichbarer Tendenzen, können sie m.E. eher als Varianten eingestuft werden.

9. Eine kurze deutsch-italienische Gegenüberstellung: Gemeinsamkeiten und Unterschiede Im folgenden möchte ich anhand von neun Punkten die wichtigsten Gemeinsamkeiten und Unterschiede herausstellen, die zwischen Deutsch und Italienisch beim sprachlichen Ausdruck der Konzessivität bestehen. 1) Hypotaktische, parataktische undpräpositionale Strukturen. In beiden Sprachen sind die grammatischen Mittel zur Kodierung von Konzessivrelationen durch komplexe Sätze (hypotaktischer und parataktischer Art) sowie durch präpositionale Fügungen gegeben. Bei einer annähernd gleichen Zahl an Gesamtbelegen (4041 im Deutschen, 3829 im Italienischen) läßt sich jedoch eine unterschiedliche Verteilung auf die drei Konstruktionstypen erkennen. Im Deutschen ist der Anteil der hypotaktischen Konstruktionen (2234, ca. 55%) geringer als im Italienischen (2768, ca. 72%), derjenige der parataktischen und präpositionalen Konstruktionen (jeweils 975 und 832 Belege, ca. 24% bzw. 21%) dagegen höher als im Italienischen (jeweils 641 und 420 Belege, ca. 17% bzw. 11%). Beiden Sprachen ist gemeinsam, daß subordinierende Satzgefüge die häufigste Konstruktionsmöglichkeit darstellen. Bei den parataktischen Strukturen sind Deutsch und Italienisch durch eine vergleichbare Verteilung auf die drei Verwendungsbereiche gekennzeichnet. Die meisten Belege finden sich in literarischen Texten, die wenigsten in fachsprachlichen; Pressetexte liegen zahlenmäßig in der Mitte. Die Distribution der präpositionalen Konstruktionen hingegen ist in den beiden Sprachen grundlegend verschieden. Während im Deutschen Fach- und Pressesprache einen vergleichsweise hohen Anteil gegenüber der Literatursprache aufweisen, sind im Italienischen die Belege relativ gleichmäßig auf die drei Verwendungsbereiche verteilt (mit leichter Prävalenz der belletristischen Texte). Auf die hypotaktischen Konstruktionen in den beiden Sprachen werde ich weiter unten noch zu sprechen kommen (Punkte 3-9). 2) Morphologisch-etymologische Einteilung der Konnektive. Die folgende Tabelle gibt die morphologische Zusammensetzung der hypotaktischen Konnektive im Deutschen und Italienischen wieder. Für jede Gruppe wird die jeweilige Belegzahl angegeben: 1 Tab. 1: hindernd-oppositives Element quantitatives Element konditionales Element

Deutsch Italienisch 10 117 175 149 1452 1989

Die auf einem temporalen Element basierenden Gelegenheitsbildungen (26 im Deutschen, 12 im Italienischen) sind hier nicht berücksichtigt worden, da ihnen lediglich durch Implikatur eine konzessive Bedeutung zukommen kann.

316

allgemeines Verstärkungselement temporales Element existentielles Element negatives Element

Deutsch Italienisch 654 60 172 150 36 2756 2208

Im Deutschen gibt es insgesamt vier Gruppen: Drei davon basieren auf einem semantisch-syntaktisch "gewichtigen" Element (hindernd-oppositiver, quantitativer und konditionaler Art), eine beruht auf einem allgemeinen Verstärkungselement. Im Italienischen finden sich insgesamt sieben Gruppen von Konnektiven. Zu den soeben genannten kommen Bildungen auf temporaler, existentieller und negativer Basis hinzu. Was die Verteilung der Belege auf die einzelnen morphologisch-etymologischen Gruppen betrifft, so fallt im Deutschen eine extrem hohe Konzentration auf. Über 90% der Konzessivgefiige weisen ein Konnektiv mit einem konditionalen Element auf. Im Italienischen stellen diese Bildungen zwar immer noch die zahlenmäßig stärkste Gruppe, jedoch ist ihr Anteil weitaus geringer (ca. 53%). Neben den konditionalen Konnektiven spielen die auf einem allgemeinen Verstärkungselement basierenden Formationen noch eine gewisse Rolle (ca. 24%). Demgegenüber kommen die Konnektive der restlichen fünf Gruppen zusammen auf noch nicht einmal 24%. Diese Beobachtungen dürfen jedoch nicht zu der Annahme verleiten, daß das Deutsche insgesamt "ärmer" an Konzessivkonnektiven sei als das Italienische. Wenn man die temporalen Gelegenheitsbildungen ausschließt, weist das Deutsche insgesamt 54 Konstruktionen auf, das Italienische 49.2 Wir haben gesehen, daß einerseits im Deutschen weniger Typen von semantisch gewichtigen Elementen auftreten als im Italienischen (3 gegenüber 6 Klassen). Andererseits ist das Deutsche jedoch reicher an Verstärkungselementen. In den grammatikalisierten Konnektiven kommen gleich, wohl, zwar, schon, auch und selbst vor (und und noch könnten eventuell dazu gezählt werden), während für das Italienische lediglich anche, pure und bene anzuführen sind. Wenden wir uns nun den parataktischen Konnektiven zu: Tab. 2: hindernd-oppositives Element quantitatives Element temporales Element allgemeines Verstärkungsmittel des Gegensatzes

Deutsch Italienisch 58 263 43 8 52 453 488 251 641 975

Es wird hier von der Frage abgesehen, ob einzelne Formen als Varianten ein und desselben Konnektivs oder als eigenständige Konnektive zu betrachten sind. Ich verweise diesbezüglich auf die Abschnitte 6.9 und 8.9.

317

In beiden Sprachen finden wir die gleichen morphologisch-etymologischen Gruppierungen vor. Es ändert sich einzig die zahlenmäßige Verteilung auf die verschiedenen Gruppen. Im Deutschen sind die Konnektive auf temporaler Basis am häufigsten (ca. 46%), aber auch Bildungen mit einem hindernd-oppositiven oder allgemeinen Verstärkungsmittel sind relativ gut vertreten (jeweils ca. 27% und 26%); quantitative Bildungen kommen äußerst selten vor (weniger als 1%). Im Italienischen beruhen ca. 76% der Belege auf einem allgemeinen Verstärkungsmittel, die übrigen drei Gruppen weisen jeweils Anteile zwischen 7% und 9% auf. Bei den präpositionalen Konstruktionen ergibt sich folgendes Bild: Tab. 3: hindemd-oppositiv quantitativ

Deutsch Italienisch 780 420 52 420 832

Präpositionale Konnektive basieren im Deutschen größtenteils (ca. 94%) auf einem hindernd-oppositiven Element, im Italienischen gar ausschließlich. Die folgenden Punkte (3-9) betreffen Aspekte der subordinierenden Satzgefüge, die in den Kapiteln 6 und 8 eingehend untersucht worden sind. 3) Grammatikalisierungsprozesse. In beiden Sprachen sind die Konnektive einem vergleichbaren Grammatikalisierungsprozeß ausgesetzt, der primär durch die syntaktisch-morphologische Integration der Einzelelemente angezeigt wird. Der materiellen "Entfernimg" zwischen den Bausteinen kommt somit ein ikonischer Charakter zu. Im Deutschen gibt es drei Grade: Distanzstellung (z.B. wenn...auch), Kontaktstellung (wenn auch) und Zusammenschreibung (wenngleich) - im Italienischen zwei Grade: Kontaktstellung (se pure, quando anche) und Zusammenschreibung (seppure, quand'anche). Mit zunehmender Integration verstärkt sich die Verblassimg des semantisch gewichtigen Teils des Konnektivs. Dies wird besonders deutlich bei den Bildungen auf konditionaler Basis, die mit steigender Grammatikalisienmg immer seltener konditionale Bedeutungen kodieren (s. unten Punkt 8). Außerdem haben in höherem Maße grammatikalisierte Formationen in beiden Sprachen die Tendenz, verstärkt in reduzierten und/oder eingeschobenen Nebensätzen aufzutreten (s. unten Punkt 5 und 6), d.h. in hypotaktischen Gefügen, die durch einen hohen Grad der Integration und somit der Grammatikalisienmg gekennzeichnet sind. Es sei des weiteren daran erinnert, daß stark grammatikalisierte Bildungen - sowohl im Deutschen als auch im Italienischen - fast immer die Reihenfolge «gewichtiges Element + Partikel» aufweisen (z.B. wenngleich-, quand'anche). Demgegenüber sind sämtliche produktiven Bildungsmuster einzig bei der umgekehrten Abfolge «Partikel + gewichtiges Element» belegt (auch wenn, selbst wenn, sogar wenn usw.; anche quando, pure quando, perfmo quando, persino quando usw.).

318

4) Verteilung auf die Verwendungsbereiche Fachtexte, Belletristik und Presse. Eine Reihe von Gemeinsamkeiten zwischen Deutsch und Italienisch ist auf die Tatsache zurückzuführen, daß einzelne Textsorten sprachübergreifend bestimmte Anforderungen stellen. Im fachsprachlichen Bereich steht das Streben nach Eindeutigkeit im Vordergrund. So erklärt sich beispielsweise, daß in den Fachtext-Korpora beider Sprachen ein verstärktes Bemühen um die Auseinanderhaltung faktischer und konditionaler Konzessivwerte zu erkennen ist. Gelegenheitsbildungen auf konditionaler Basis - die im Gegensatz zu "polysemen" Konnektiven wie auch wenn oder anche se keine faktische Bedeutung annehmen können - treten dort stark überdurchschnittlich auf. Darüber hinaus finden sich im Deutschen die stets konditionalen Konstruktionen «(Partikel + dann im HS) + wenn» sowie «Partikel im HS + wenn» überwiegend in Fachtexten; im Italienischen kommt die semantische Markierung des potentiell-konditionalen Konzessivwertes durch den Konjunktiv (Präsens oder passato) gehäuft im fachsprachlichen Bereich vor. Außerdem werden in Fachtexten Strukturen vermieden, die zu Verwechslungen fuhren und so das Verständnis erschweren könnten. Im Deutschen haben die konzessiven so-Konstruktionen im Nebensatz meist ein verstärkendes auch (so müde er auch war, er ging zur Arbeit), um sie von den konsekutiven so-Konstruktionen besser zu unterscheiden (so müde war er, daß er nicht zur Arbeit ging). Im Italienischen wird die Konjunktion nonostante che gegenüber dem einfachen nonostante bevorzugt, das formal mit der Präposition nonostante zusammenfällt. Allgemein ist festzustellen, daß in Fachtexten beider Sprachen - auch bei eindeutigen Konzessivkonstruktionen - verstärkende Korrelate im Hauptsatz überdurchschnittlich auftreten, um den konzessiven Sinn des gesamten Satzgefüges zu verdeutlichen. Im fachsprachlichen Bereich werden monoseme, explizite Strukturen bevorzugt, während implizite Strukturen, die lediglich durch Implikatur eine konzessive Interpretation erhalten können, sehr selten sind (wie z.B. die Gelegenheitsbildungen auf temporaler Basis). Es muß jedoch erwähnt werden, daß bei all den Gemeinsamkeiten zwischen deutschen und italienischen Fachtexten auch einige Unterschiede bestehen. So kommen im Italienischen reduzierte Sätze sowie Sätze in Zwischenstellung vorrangig in der Fachsprache vor, während die entsprechenden deutschen Konstruktionstypen dort eine nur durchschnittliche Belegzahl aufweisen. Literarische Texte sind sprachübergreifend durch die Tendenz gekennzeichnet, daß typisch umgangssprachliche Konstruktionen überproportional vertreten sind (besonders in dialogischen und monologischen Passagen); so beispielsweise die Konnektive und wenn im Deutschen sowie con tutto che und nemmeno im Italienischen. Des weiteren sind in diesem Zusammenhang folgende Phänomene zu nennen: im Deutschen die für die gesprochene Sprache typische V2-Stellung in Haupt- und Nebensatz, im Italienischen der Indikativgebrauch bei Konnektiven, die für gewöhnlich den "syntaktischen" Konjunktiv erfordern. Im literarischen Bereich ist interessanter-

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weise auch eine entgegengesetzte Tendenz zu verzeichnen: eine gewisse Vorliebe für Konnektive, die als "gehoben" oder "archaisierend" empfunden werden (beispielsweise obschon und obzwar im Deutschen, se anche im Italienischen). Die pressesprachlichen Texte sind sowohl im Deutschen als auch im Italienischen durch eine gewisse Ausgewogenheit gekennzeichnet. Nur selten finden sich Belege für veraltete bzw. stark umgangssprachliche Konnektive. 5) Reduzierte vs. vollständige Sätze. Zunächst fallt auf, daß im Italienischen reduzierte Nebensätze weitaus häufiger belegt sind als im Deutschen. Diese Tatsache ist u.a. darauf zurückzufuhren, daß es im Deutschen keine Entsprechung gibt zu den im Italienischen gebräuchlichen Gerundiumkonstruktionen. Abgesehen von diesem zahlenmäßigen Unterschied bestehen jedoch wesentliche Gemeinsamkeiten zwischen den beiden Sprachen. Sowohl im Deutschen als auch im Italienischen korreliert bei einigen Konnektivgruppen ein fortgeschrittener Grad der Grammatikalisierung mit einer verstärkten Tendenz zur Einleitung reduzierter Nebensätze. So treten im Deutschen reduzierte Sätze seltener auf bei niedriggradig grammatikalisierten Bildungen wie beispielsweise auch wenn und wenn...auch, häufiger bei hochgradig grammatikalisierten wie wenn auch. Ähnlich ist es im Italienischen, wo z.B. das kaum grammatikalisierte pure se seltener in reduzierten Sätzen vorkommt als die stärker grammatikalisierten Formen se pure und seppure. In beiden Sprachen zeigen des weiteren einige veraltende Konnektive die Tendenz, sich auf reduzierte Nebensätze zu spezialisieren. Deutsche Beispiele dafür sind obschon, obzwar und wiewohl, italienische quand'anche, quantunque und ancorché. Es sind zwei weitere Gemeinsamkeiten im Bereich der reduzierten Nebensätze zu verzeichnen: a) Sowohl im Deutschen als auch im Italienischen erscheinen reduzierte Konzessivsätze bevorzugt in Zwischenstellung (Einschübe müssen kurz gehalten werden!). b) In reduzierten Satzstrukturen werden überdurchschnittlich indirekte, unterdurchschnittlich konditionale Konzessivwerte kodiert. 6) Voran-, Zwischen- und Nachstellung. Die Verteilung der konzessiven Nebensätze auf die drei Stellungsvarianten weist in den beiden Sprachen beachtenswerte Parallelen auf. Bei reduzierten Sätzen ist - wie soeben gesagt - die Zwischenstellung dominant. Bei vollständigen Sätzen hingegen finden sich die weitaus meisten Belege in Endstellung: Die Reihenfolge «Hauptsatz + Nebensatz» ist somit sprachübergreifend die häufigste strukturelle Option. Ob sie allein schon deswegen als unmarkiert gegenüber der Abfolge «Nebensatz + Hauptsatz» gelten kann, soll hier offen bleiben. Eine Ausnahme zu dieser allgemeinen Tendenz stellen - sowohl im Deutschen als auch im Italienischen - die Konnektive auf quantitativer Basis dar, die mehrheitlich in Voranstellung erscheinen. Ein verstärkendes Korrelat im Hauptsatz des Gefüges tritt in beiden Sprachen zumeist dann auf, wenn der Hauptsatz nachgestellt ist. Die Verstärkungselemente sind somit gemeinhin anaphorisch, nicht kataphorisch.

320 Sowohl im Deutschen als auch im Italienischen zeigen die verschiedenen Konzessivwerte eine vergleichbare Verteilung auf die einzelnen Stellungsvarianten. In Anfangsposition kommen faktische Werte überdurchschnittlich vor, skalare stark überdurchschnittlich, indirekte dagegen weit unterdurchschnittlich. Ferner sind in Zwischenposition konditionale Konzessivrelationen relativ selten belegt. Auf einen kleineren Unterschied zwischen den beiden Sprachen habe ich bereits hingewiesen (Punkt 4): Während eingeschobene Nebensätze im Deutschen eine gleichmäßige Verteilung auf alle drei Verwendungsbereiche aufweisen, treten sie im Italienischen relativ häufig in der Fachsprache auf. 7) Verstärkungselemente in Haupt- und Nebensatz. In beiden Sprachen sind Korrelate im Hauptsatz ein relativ seltenes, Korrelate im Nebensatz ein äußerst seltenes Phänomen. Erstere weisen sprachübergreifend eine Reihe von Gemeinsamkeiten auf. Die große Mehrheit der Belege ist durch allgemein-adversative Verstärkungselemente gegeben. Spezifisch-konzessive Formationen bilden demgegenüber eher die Ausnahme und scheinen auf Fälle der besonderen Intensivierung des konzessiven Kontrastes beschränkt zu sein. Wie schon gesagt, treten Korrelate verstärkt in Fachtexten auf und üben meist eine anaphorische Funktion aus. Sowohl im Deutschen als auch im Italienischen sind Verstärkungselemente relativ häufig bei faktischen, relativ selten bei indirekten Konzessivwerten belegt. Ein marginaler Unterschied besteht darin, daß im Deutschen Korrelate leicht unterdurchschnittlich in Zusammenhang mit konditionalen Werten auftreten, im Italienischen hingegen leicht überdurchschnittlich. 8) Konzessive Semantik. Die grundlegenden Konzessivwerte, die in Kap. 3 anhand deutscher Beispiele beschrieben wurden, finden sich ebenfalls im Italienischen wieder. Gemeinsamkeiten gibt es auch hinsichtlich der Frequenz einzelner Werte: Faktische Konzessivrelationen stellen in beiden Sprachen die häufigste semantische Variante dar, skalare die seltenste. Es sei des weiteren vermerkt, daß indirekte Werte keineswegs eine Seltenheit sind (im Italienischen weisen sie sogar mehr Belege auf als die konditionalen Werte). Von den vier morphologisch-etymologischen Gruppen, die beiden Sprachen gemeinsam sind, weisen drei sehr ähnliche Tendenzen bei der Kodierung der einzelnen Konzessivwerte auf: 3 a) Die Konnektive mit einem hindernd-oppositiven Element bringen ausschließlich faktische Konzessivrelationen zum Ausdruck. b) Die auf einem quantitativen Element beruhenden Konnektive kodieren faktische und indirekte, nicht jedoch konditionale Werte. c) Die Konnektive auf konditionaler Basis unterliegen vergleichbaren Prozessen der semantischen Verblassung. So besteht eine erste Untergruppe aus Bildungen, die Unterschiede bestehen lediglich bei der Gruppe "Allgemeines Verstärkungselement". Im Deutschen kommen die Konnektive vorwiegend in konditionalen Strukturen vor. Im Italienischen gibt es darüber hinaus einige Bildungen (wie benché oder pur), die auf nichtkonditionale Werte beschränkt bleiben.

321

ausschließlich konzessiv-konditional sind (beispielsweise die Gelegenheitsverbindungen mit einer explizit konditionalen Konjunktion: auch in dem Fall, daß oder anche nel caso). Eine zweite Untergruppe kann zusätzlich nichtkonditionale Bedeutungen kodieren. Hier lassen sich folgende Fälle unterscheiden: primär konditionale Konnektive (z.B. selbst wenn oder se anche), Konnektive mit gleichmäßiger Verteilung (z.B. auch wenn oder anche se), primär nichtkonditionale Konnektive (z.B. wenn...auch oder seppure). Eine dritte Untergruppe schließlich dient einzig dem Ausdruck nichtkonditionaler Konzessivrelationen (z.B. wenngleich oder sebbene). Man kann somit in beiden Sprachen ein analoges Kontinuum der Grammatikalisierung annehmen. Es sei noch auf weitere Gemeinsamkeiten hingewiesen. Sowohl im Deutschen als auch im Italienischen sind diejenigen Konnektive relativ selten, die jeweils einen einzigen Konzessivwert kodieren (d.h. ausschließlich faktisch oder ausschließlich konditional sind). Betrachten wir demgegenüber die "beliebtesten" Konnektive: Die fünf häufigsten sind im Deutschen obwohl, auch wenn, wenn auch, selbst wenn, obgleich, im Italienischen anche se, pur, sebbene, benché, per quanto. Es handelt sich also entweder um Konnektive, die sowohl faktische als auch indirekte Werte kodieren können (obwohl, wenn auch, obgleich; pur, sebbene, benché, per quanto), oder um semantisch nicht weiter festgelegte Bildungen, die alle drei grundlegenden Werte - faktische, indirekte und konditionale - zum Ausdruck bringen können (auch wenn, selbst wenn-, anche se). In beiden Sprachen überwiegen somit "generische" Konnektive gegenüber "spezifischen". 9) Spiegelbildliche Konnektive. Sowohl im Italienischen als auch im Deutschen kann das spiegelbildliche Formationsprinzip der Konnektive ikonischen Charakter besitzen. So weisen die deutschen Bildungen auch wenn/wenn auch sowie die italienischen Kombinationen anche selse anche bzw. pure selse pure hinsichtlich fast aller untersuchten Faktoren entgegengesetzte Eigenschaften auf. Einige der hier betrachteten Parallelen zwischen den beiden Sprachen lassen sich auf vergleichbare textsortenspezifische Bedürfnisse zurückfuhren. Dies ist nicht weiter überraschend. Bemerkenswert ist hingegen die Tatsache, daß bei zwei Sprachen aus verschiedenen Familien - wie der germanischen und der romanischen - große strukturelle Ähnlichkeiten auftreten, besonders was die morphologische Zusammensetzung der Konnektive und die Grammatikalisierungsprozesse betrifft.

10.

Schlußbemerkung

Mit dieser Arbeit habe ich im wesentlichen drei Ziele verfolgt: a) eine nähere Bestimmung der logisch-semantischen Relation der Konzessivität einschließlich einer Klassifikation der verschiedenen Konzessivwerte; b) eine eingehende Untersuchung der grammatischen Strukturen, die in der deutschen Gegenwartssprache dem Ausdruck der Konzessivität dienen; c) eine Gegenüberstellung mit dem Italienischen, um Semantik und Syntax der deutschen Konstruktionen aus einer breiter angelegten Perspektive betrachten zu können. Als Voraussetzung für die Erforschimg dieser drei Themengebiete war eine umfangreiche Materialgrundlage unerläßlich. So sind allein für das Deutsche 34 Bücher aus den Verwendungsbereichen Literatur- und Fachsprache sowie 15 Ausgaben der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" untersucht worden. Die drei Teilkorpora haben eine vergleichbare Länge (ca. 1.000.000 Wörter) und stammen aus dem Zeitraum 1990-1995. Zusammen enthalten sie über 5.000 konzessive Konstruktionen; ca. 4.000 davon sind statistisch erfaßt worden. Das italienische Korpus weist eine entsprechende Größe und Ausdifferenzierung auf. Die wichtigsten Ergebnisse möchte ich nun in acht Punkten zusammenfassen. 1) Nähere Bestimmung des Begriffs der Konzessivität. Zunächst sind diejenigen Faktoren diskutiert worden, die in den gängigen Definitionen der Konzessivität angeführt werden: Einräumung, Gegensatz, Hindernis, Enttäuschung einer Erwartung, Abweichung von einer Norm und Negierung eines Kausalverhältnisses (2.2.1-2.2.6). Diese Aspekte spielen für die Definition der Konzessivität zwar in mancher Hinsicht eine Rolle, sind jedoch für eine erschöpfende Begriffsbestimmung nicht ausreichend. Bislang ist nämlich nicht beachtet worden, daß die Konzessivität auf zwei Kausalrelationen beruht (s. 2.3) - einer unwirksamen, hypothetischen (A) und einer wirksamen, sich real ereignenden (B). In dem Beispiel (1)

Obwohl er krank ist, geht er zur Arbeit,

können die beiden Relationen folgendermaßen beschrieben werden: A. Da er krank ist (AI), geht er nicht zur Arbeit (A2). B. Da er Wichtiges im Büro zu erledigen hat (Bl), geht er zur Arbeit (B2).

Die Konzessivität ist also sowohl Negierung eines Kausalverhältnisses (A1>A2) als auch Affirmation eines Kausalverhältnisses (B1>B2). Es ist somit gänzlich irreführend, Konzessivität global als "Ausnahme" oder "Abweichung" und demgegenüber Kausalität als "Regel" oder "Norm" zu bezeichnen. Die "Enttäuschung der Erwartung" bei einem Konzessiwerhältnis resultiert allein aus der fragmentarischen Art, in der die Daten präsentiert werden: Eine unwirksame Ursache (AI) wird einer wirksamen Folge

323

(B2) gegenübergestellt. Es handelt sich um eine indirekte, inkooperative Kommunikationsstrategie, die einerseits auf hypothetische Welten anspielt (die unterbrochene Kausalbeziehung A1>A2) und andererseits wichtige Informationen zur realen Welt dem Hörer/Leser vorenthält. Die "wahre" Ursache (Bl) wird nämlich verschwiegen: Genau darin liegt m.E. die zentrale Eigenschaft der Konzessivrelation. Es erscheint mir folglich angebracht, Konzessivität als "versteckte Kausalität" zu definieren. 2) Klassifikation der verschiedenen Konzessivwerte. Ausgehend von einer faktischen Grundrelation - die die soeben beschriebenen Charakteristiken besitzt - habe ich mehrere "indirekte" Werte unterschieden (kommentarisch, evaluativ, rekonstruktiv, limitativ, korrektiv) sowie konditionale, skalare und polykonditionale Bedeutungsvarianten (3.1.-3.9). Wichtig ist dabei, daß sich die einzelnen Werte systematisch zueinander in Beziehung setzen lassen (3.10). Ausgangspunkt ist das grundlegende (faktische) Konzessivschema, bei dem die Faktoren AI und B2 expliziert sind und lediglich A2 einer hypothetischen, potentiellen Welt angehört: (0 hypothetische

AI [Bl]

>

Welt

[A2]

unwirksame Kausalrelation

B2

wirksame Kausalrelation

reale Welt

Die verschiedenen Konzessivwerte lassen sich nun als sukzessive Modifikationen dieses allgemeinen Schemas darstellen. Bei dem Übergang von einer Variante zur anderen können sich ändern: die Auswahl und Anzahl der explizierten Faktoren (besonders relevant ist die eventuelle Erwähnung der "versteckten Ursache" Bl) sowie der Realitätsstatus der einzelnen Faktoren (hypothetisch vs. real). 3) Überblick über die konzessiven Strukturen im Deutschen. Bei der Beschreibung der grammatischen Mittel zum Ausdruck der Konzessivität sind außer den subordinierenden Konstruktionen (4.2) auch die in der bisherigen Forschung oft vernachlässigten parataktischen (4.3) und präpositionalen Konstruktionen (4.4) berücksichtigt worden. Zwei Kriterien haben meine Darstellung bestimmt: Ordnung nach morphologischetymologischen Gruppen; Ordnung nach der "Typizität" des Konnektivs. Ich habe also stets unterschieden zwischen expliziten, eindeutig konzessiven Konnektiven, die kontextunabhängig eine konzessive Interpretation erzwingen und impliziten, gelegentlich konzessiven Konnektiven, die nur unter bestimmten Bedingungen eine konzessive Bedeutung annehmen können. Beispiele für letztere Gruppe sind primär temporale Konnektive (wie auch als, auch nachdem usw.) oder allgemein-adversative Konnektive (aber, doch usw.), die lediglich durch Implikatur in konzessivem Sinne interpretiert werden können. Wir haben somit gesehen, daß die Kategorie "Grammatische Aus-

324

drucksmittel der Konzessivität" nach außen hin offen ist und z.T. fließende Grenzen hat. 4) Eingehende Untersuchung der hypotaktischen Strukturen. Nach einem Überblick über die Gesamtfrequenz der einzelnen Konnektive und Konstruktionen (6.1) ist ihre Verteilung auf die drei Verwendungsbereiche Fach-, Literatur- und Pressetexte analysiert worden (6.2). So hat sich u.a. die Tendenz gezeigt, daß eindeutige Strukturen - wie beispielsweise die ausschließlich konditionalen Konnektive - bevorzugt in der Fachsprache auftreten. Mehrdeutige Strukturen, denen nur durch Implikatur ein konzessiver Wert zugeschrieben werden kann, kommen dagegen meist in der Literatursprache vor (so die temporalen Gelegenheitsbildungen). Im literarischen Bereich finden sich außerdem einige für die gesprochene Sprache typischen Phänomene wie z.B. die V2-Stellung im Haupt- oder Nebensatz eines Gefüges. Was die Vollständigkeit des Nebensatzes betrifft (6.3), so leiten produktive (z.B. auch wenn) und/oder geringfügig grammatikalisierte Konnektive (wenn...auch usw.) fast immer vollständige Sätze ein, höhergradig grammatikalisierte wie wenn auch dagegen sehr häufig reduzierte Sätze. Außerdem haben sich einige ansonsten veraltete Konnektive (z.B. wiewohl, obschon) auf reduzierte Sätze spezialisiert. Die Stellung des Nebensatzes (6.4) steht zum einen in Bezug zu dem Vorhandensein einer finiten Verbform (vollständige Sätze treten häufig in Endposition auf, reduzierte hingegen in Zwischenposition), zum anderen läßt sich ein Zusammenhang zum kodierten Konzessivwert erkennen: So ist Voranstellung überproportional vertreten bei sämtlichen skalaren Konstruktionen sowie bei einigen primär konditionalen Konstruktionen (z.B. den Konnektiven selbst wenn und und wenn sowie uneingeleiteten Nebensätzen). Als Verstärkungselemente (6.5) sind allgemein-adversative Konnektive weitaus zahlreicher als spezifisch-konzessive. Die beiden häufigsten Korrelate im Hauptsatz doch und so - weisen dabei eine tendenziell komplementäre Verteilung auf: Doch kommt primär in nichtkonditionalen, so in konditionalen (oder ursprünglich konditionalen) Strukturen vor. Das verstärkende Korrelat bezieht sich in der Regel anaphorisch auf den vorangegangenen konzessiven Nebensatz. In seltenen Fällen können Verstärkungsmittel auch im Nebensatz selbst vorkommen. Bezüglich der Wortstellung im Gefüge (6.6) ist zu vermerken, daß "atypische" Konstruktionen meist in Verbindung mit "peripheren" Konzessivwerten erscheinen. Die V2-Stellung in nachgestellten Hauptsätzen (So krank er auch war, er ging zur Arbeit) und in uneingeleiteten Nebensätzen (Er mag auch krank sein, er geht zur Arbeit) tritt überwiegend bei konditionalen oder skalaren Konzessivrelationen auf. Eingeleitete Nebensätze mit V2-Stellung (Er ging zur Arbeit, obwohl er war krank) haben stets eine korrektive Bedeutung. Der semantische Konzessivwert einer Konstruktion (6.7) hängt stark von der morphologisch-etymologischen Zusammensetzung des jeweiligen Konnektivs ab. Bildungen mit einem hindernd-oppositiven Element kodieren ausschließlich faktische, For-

325 mationen mit einem quantitativen Element zusätzlich indirekte Werte. Die Konnektive auf konditionaler Basis können - je nach Grad der semantischen Verblassung - ausschließlich konditionale Bedeutung haben (auch dann, wenn), primär konditionale (selbst wenn), gleichermaßen konditionale und nichtkonditionale (auch wenn), primär nichtkonditionale (wenn...auch) oder ausschließlich nichtkonditionale (wenngleich). Aus den Frequenztabellen unter 6.1 ist ferner ersichtlich, daß die Konnektive mit den höchsten Belegzahlen (obwohl, auch wenn, wenn auch, selbst wenn) stets "generisch" sind, also nicht auf einen einzigen Konzessivwert (sei er faktisch, konditional oder skalar) beschränkt bleiben. 5) Deutsch-italienische Gegenüberstellung. Die Konzessivstrukturen des Italienischen sind in den Kapiteln 7 und 8 detailliert beschrieben worden, wobei stets auf einen Vergleich mit den entsprechenden Aspekten im Deutschen geachtet wurde. Die verschiedenen Einzelerkenntnisse habe ich in Kap. 9 zusammenfassend geordnet: In den beiden Sprachen lassen sich wesentliche Gemeinsamkeiten feststellen bezüglich Semantik, morphologischer Zusammensetzung und Grammatikalisierung der jeweiligen Konnektive. 6) Offene Probleme. Die Behandlung der konzessiven Strukturen im Deutschen hat einige Probleme aufgezeigt, deren weitere Vertiefung vielversprechend erscheint. Zwar sind zahlreiche Korrelationen zwischen den in Kap. 6 betrachteten Faktoren aufgedeckt worden, doch nicht immer liegen schlüssige Erklärungen für die einzelnen Phänomene auf der Hand. So bleibt beispielsweise die Frage offen, wieso eine Verbindung besteht zwischen der Vollständigkeit des Nebensatzes und seiner Endposition im Gefuge. Des weiteren müßte geklärt werden, aus welchem Grunde sich konditionale und skalare Konzessivwerte entgegen dieser allgemeinen Tendenz vorwiegend in vorangestellten Nebensätzen befinden oder weshalb sie des öfteren in Zusammenhang mit seltenen Wortstellungsvarianten auftreten. Man kann sich außerdem fragen, warum die einzelnen morphologisch-etymologischen Gruppierungen mit bestimmten - und nicht mit anderen - Konzessivwerten verbunden sind: Wieso können beispielsweise hindernd-oppositive Konnektive keine indirekten Werte ausdrücken? Aus welchem Grunde gibt es keine Bildungen auf konditionaler Basis, die ausschließlich faktische Werte kodieren? Die vorliegende Arbeit hat überdies zwei allgemeine Problemkreise erörtert, die über den Untersuchungsgegenstand "Konzessivität" hinausgehen: 7) Innere und äußere Strukturierung einer grammatischen Kategorie. Wir haben gesehen, daß die logisch-semantische Relation der Konzessivität durch "prototypische" und "periphere" grammatische Mittel ausgedrückt werden kann (Kap. 5). So sind monoseme, explizite Strukturen zentral gegenüber polysemen, impliziten Strukturen; grammatikalisierte Konnektive prototypisch gegenüber Gelegenheitsbildungen. Für eine grammatische Kategorie gibt es somit "gute" und "schlechte" Vertreter, nicht alle Konstruktionen lassen sich auf eine Stufe stellen. Damit hängt zusammen, daß die Grenzen der Kategorie einen unscharfen Charakter haben: Es ist beispielsweise nicht

326

immer leicht zu entscheiden, ob ein bestimmtes Konnektiv bereits als "konzessiv" gelten kann oder noch als "allgemein-adversativ". Diese Strukturierung nach dem Prototypenmodell läßt sich wahrscheinlich auch auf andere Kategorien wie Kausalität, Konditionalität, Konsekutivität usw. übertragen. 8) Morphologisch-etymologische Struktur eines Konnektivs und Grammatikalisierungsprozesse. Aus der Analyse ist deutlich geworden, daß die "äußere Form" eines Konnektivs entscheidenden Einfluß haben kann auf die semantischen und syntaktischen Eigenschaften der Gesamtkonstruktion. Mit einer progressiven formalen Integration des Konnektivs (4.2.1.6 bzw. 7.1.1.8) nimmt gleichfalls seine Entsemantisierung zu (6.7 bzw. 8.7). Zudem läßt sich beobachten, daß höhergradig grammatikalisierte Konnektive bevorzugt in Satzgefügen auftreten, die syntaktisch eng verbunden und daher stärker grammatikalisiert sind (so beispielsweise in reduzierten und eingeschobenen Nebensätzen; s. 6.3/6.4 bzw. 8.3/8.4). Es wäre interessant zu untersuchen, ob sich bei den anderen adverbialen Nebensatzarten vergleichbare Zusammenhänge aufzeigen lassen. Die vorliegende Arbeit hat somit nicht nur einen spezifischen, bisher unzureichend erforschten Themenbereich wie die konzessiven Satzstrukturen näher beleuchtet, sondern - so hoffe ich - auch einen Beitrag zu grundsätzlichen Fragen der Syntax geleistet.

Anhang 1.

Deutsches Korpus

1.1. Literatursprache Becker, Jurek, 1992. Amanda herzlos. Roman. Frankfurt a.M.: Suhrkamp. 384 S. Bichsei, Peter, 1993. Zur Stadt Paris. Geschichten. Frankfurt a.M.: Suhrkamp. 115 S. Burmeister, Brigitte, 1994. Unter dem Namen Norma. Roman. Stuttgart: Klett-Cotta. 286 S. Drawert, Kurt, 1992. Spiegelland. Ein deutscher Monolog. Frankfurt a.M.: Suhrkamp. 157 S. Federspiel, Jürg, 1993. Eine Halbtagsstelle in Pompeji. Erzählungen. Frankfurt a.M.: Suhrkamp. 157 S. Grass, Günter, 1995. Ein weites Feld. Göttingen. Steidl. 783 S. [Erstes Buch: 1-173; Fünftes Buch: 665-781] Hahn, Ulla, 1991. Ein Mann im Haus. Stuttgart: Deutsche Verlags-Anstalt. 187 S. Handke, Peter, 1990. Versuch über die Jukebox. Erzählung. Frankfurt a.M.: Suhrkamp. 139 S. Herburger, Günter, 1994. Traum und Bahn. München: Luchterhand. 359 S. Hilbig, Wolfgang, 1993. "Ich". Roman. Frankfurt a.M.: Fischer. 379 S. Kirsch, Sarah, 1994. Das simple Leben. Stuttgart: Deutsche Verlags-Anstalt. 99 S. Kunert, Günter, 1992. Im toten Winkel. Ein Hausbuch. München/Wien: Hanser. 224 S. Schneider, Peter, 1992. Paarungen. Roman. Berlin: Rowohlt. 345 S. Schwaiger, Brigitte, 1990. Schönes Licht. Roman. München: Langen Müller. 228 S. Strauß, Botho, 1994. Wohnen Dämmern Lügen. München/Wien: Hanser. 203 S. Struck, Karin, 1992. Männertreu. München: Langen Müller. 261 S. Walser, Martin, 1993. Ohne einander. Roman. Frankfurt a.M.: Suhrkamp. 226 S. Wellershoff, Dieter, 1991. Blick auf einen fernen Berg. Köln: Kiepenheuer & Witsch. 208 S. Wohmann, Gabriele, 1994. Wäre wunderbar. Am liebsten sofort. Liebesgeschichten. München/Zürich: Piper. 282 S. Wolf, Christa, 1990. Was bleibt. Erzählung. Frankfurt a.M.: Luchterhand. 108 S.

1.2.

Fachsprache

1.2.1. Wirtschaft Becker, H J. u.a. (eds ), 1994. Fusionsreport '93. Heidelberg: Decker's. 230 S. Fuhrmann, W., 19913. MakroÖkonomik. Zur Theorie interdependenter Märkte. München/Wien: Oldenbourg. 415 S. Jahreswirtschaftsbericht 1994 der Bundesregierung. Stuttgart: Metzler-Poeschel. 72 S. Jens, U. (ed.), 1991. Der Umbau. Von der Kommandowirtschaft zur Öko-sozialen Marktwirtschaft. Baden-Baden: Nomos. 259 S. Malik, F. / Stelter, D., 1990. Krisengefahren in der Weltwirtschaft. Überlebensstrategie ßr das Unternehmen. Stuttgart: Schäffer. 156 S. Reimann, G., 1993. Die Ohnmacht der Mächtigen. Das Kapital und die Weltkrise. Leipzig: Kiepenheuer. 320 S.

328 Sieben, H., 1994. Geht den Deutschen die Arbeit aus? Neue Wege zu mehr Beschäftigung. München. Bertelsmann. 286 S. 1.2.2. Recht Friedend, P., 19912. Aktuelles Unterhaltsrecht. München: Beck. 291 S. Hesse, K., 199319 Grundzüge des Verfassungsrechts der Bundesrepublik Deutschland. Heidelberg: Müller. 319 S. Köbler, G., 1991. Deutsches Privatrecht der Gegenwart. München: Beck. 262 S. Maier, W., 19902. Staats- und Verfassungsrecht. Achim: Fleischer. 382 S. Vermögensrechtliche Ansprüche der DDR-Enteignungsgeschädigten: Texte und Materialien mit Erläuterungen. Herne/Berlin: Verl. für Rechts- und Anwaltspraxis. 269 S. Werner, O., 19952. Fälle zum Erbrecht. München: Beck. 208 S. Wolter, J. (ed.), 1995. Zur Theorie und Systematik des Strafprozeßrechts. Neuwied/Kriftel/Berlin: Luchterhand. 283 S.

1.3.

Pressesprache

Frankfurter Allgemeine Zeitung: 15 Ausgaben samt Beilagen (Zeitraum vom 3 .1.1994 bis 19.1.1994)

2.

Italienisches Korpus

2.1.

Literatursprache

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2.3.

Pressesprache

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