Der Aufbau des Pindarischen Epinikion [2., unveränd. Aufl. Reprint 2015] 9783111484471, 9783111117720

163 122 6MB

German Pages 85 [92] Year 1966

Report DMCA / Copyright

DOWNLOAD FILE

Polecaj historie

Der Aufbau des Pindarischen Epinikion [2., unveränd. Aufl. Reprint 2015]
 9783111484471, 9783111117720

Table of contents :
I. Boeckhs ‘Einheitstheorie’
II. Das Programm und seine Abwandlungen
III. Das siebente Nemeische Gedicht
IV. Das Programm in der reifen Kunst Pindars
Register

Citation preview

WOLFGANG SCHADEWALDT D E R AUFBAU D E S P I N D A R I S C H E N E P I N I K I O N

WOLFGANG SCHADEWALDT

DER AUFBAU DES PINDARISCHEN EPINIKION

2., UNVERÄNDERTE AUFLAGE

MAX N I E M E Y E R VERLAG T Ü B I N G E N 1966

i. Auflage Halle an der Saale 1928 ( = Schriften der Königsberger Gelehrten Gesellschaft. Geisteswissenschaftliche Klasse, j. Jahr, Heft 3)

© Max Niemeyer Verlag Tübingen 1966 Alle Rechte vorbehalten • Printed in Germany Druck: Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt Einband von Heinr. Koch, Tübingen

Ulrich von Wilamowitz-Moellendorff in Dankbarkeit und Verehrung dargebracht 22. XU. 1928

I

Boeckhs 'Einheitstheorie* So vielfältig die Aufgaben sind, vor die Pindars Poesie, entsprechend der mannigfachen Gestalt dieses Gegenstandes, den Betrachter stellt, so ordnen sie sich doch einem gemeinsamen Hauptziel unter: der Frage nach der Komposition des pindarischen Gedichtes. Daß dem so ist, liegt an der eigentümlichen Beschaffenheit der pindarischen Dichtung selbst. Als Repräsentantin des überreifen Archaismus ist sie vorzugsweise konventionell; sie bildet in der gegebenen Materie überkommener Vorstellungen und Gedanken, Lexeis, Topoi. Stil, als Summe lexikalischer, syntaktischer, topischer Formationen, ist hier — anders als beispielsweise bei Aischylos oder Thukydides — ein nur wenig bedeutsames Mittel und zur Erkenntnis der Physiognomie des Dichters ebensowenig geeignet wie eine Betrachtung der Kleidung zur Physiognomik des Leibes. Erst die Zusammenordnung der Teile, ihr Bezug aufeinander und auf das Ganze lassen die Hand des Gestalters erkennen. Die Frage nach dem Verhältnis des Einzelnen zum Ganzen, des Mannigfaltigen zur Einheit rückt damit in den Mittelpunkt der Betrachtung. Nach der Einheit pindarischer Gedichte zu fragen galt bis vor kurzem freilich fast als Ketzerei, nachdem A. B. Drachmann 1 ) die Betrachtungsweise August Boeckhs zum Exponenten der 'Einheitstheorien' gemacht hatte und ihr prinzipiell und empirisch zu Leibe gegangen war. Und wirklich, wer den Wert dieser Betrachtungsweise nach ihren Ergebnissen beinaß, durfte auf Boeckhs Fehlinterpretation des Telesikratesgedichtes als eines Brautliedes verweisen 2 ). Allein der Wert einer Theorie ist unabhängig von ihrer zeitgebundenen Erscheinungsform wie von ihrer unmittelbaren Wirkung. Boeckhs Verdienst nicht nur um die sachliche Erklärung Pindars, sondern auch um die Deutung der Prinzipien pindarischen Dichtens wird nicht beeinträchtigt durch die Tatsache, daß der Hauptteil der 'höheren Hermeneutik' in Dissen einem Manne überlassen blieb, dessen Liebe und feiner Sinn nicht den Mangel an Gefühl für geschichtliche Wirklichkeit ersetzen konnte. Doch beruht es nicht auf *) Moderne Pindarfortolkning (De recentiorum interpretationePindarica), Kopenhagen 1891. *) In der Rezension von Dissens Pindar-Ausgabe, Kl. Sehr. V I I 369 ff. Die eingeklammerten Zahlen am Kopf jeder Seite bezeichnen die Seitenzahl des Jahresbandes, die nidit eingeklammerten diejenige des Einzelheftes.

2

[26o]

bloßem Zufall, wenn fernerhin die Pindarforschung nicht wesentlich gefördert wurde durch Männer w i e L* Schmidt und Ed. Lübbert, die als unmittelbare Schüler Boeckhs dessen Betrachtungsweise weiterzuführen glaubten. W e n n Boeckh selbst niemals seine Lehre am Gegenstande voll verwirklicht hat, sondern sich im wesentlichen darauf beschränkte, das historische Erklärungsmaterial zusammengebracht zu haben, wenn er da, wo er zur Deutung des Ganzen eines pindarischen Gedichtes fortschritt, allzu gewaltsam verfuhr, so zeugen diese Tatsachen davon, daß die Materie in der ersten H ä l f t e des vorigen Jahrhunderts noch nicht bereit war, sich der Idee Boeckhs zu fügen; die Idee selbst wird dadurch nicht berührt. Die damalige L a g e der Pindarforschung erforderte es, daß weiterhin, neben der Schaffung einer Recensio durch T . Mommsen und dann einer Edition durch O. Schroeder, das Verständnis Pindars zunächst noch lange Zeit auf den W e g e n des Wortforschers Hermann und des Sachforschers Boeckh fortschritt. Erst Wilamowitz, der durch Jahrzehnte im Sinne beider Männer tätig war, hat zumal in seinem großen Pindarw e r k e 1 ) die Deutung des einzelnen Gedichtes aus dem Ganzen der historischpersönlichen Lebenseinheit des Dichters zur Wissenschaft erhoben und damit in vielen Einzelfällen die, wenn auch nicht strenge, Gedankeneinheit des pindarischen Liedes gesichert 2 ). Die geschichtliche Gesamtansicht rückt somit Boeckhs Theorie auf den bedeutenden Platz, der ihr streitig gemacht werden konnte, nur solange man sie als Gegenstand der Meinungen sah, ihre 'Richtigkeit' vertrat oder leugnete. W e n n wir heute bemerken, wie sich die Problemgeschichte Pindars im Sinne der Spirale fortbewegt hat, indem das W e r k von Wilamowitz sich dem Standpunkte Boeckhs und seiner Freunde nähert, nun aber die gesamte durchmessene Bahn, auch Hermanns extreme Stellung mit umgreift, so weist uns die Tradition selber auf Boeckhs Forschungsprogramm insofern es den in seinem Kreise geltenden Formbegriff®) formuliert, auf das W e r k von Wilamowitz insofern es einen verwandten Formbegriff immanent in sich trägt. Boeckh hat seine Betrachtungsweise, die er in der Praefatio zum Kommentar der großen Ausgabe von 1821 nur kurz bezeichnete ( I I 2, 6 f.), in der Rezension von Dissens Ausgabe 1830 näher dargelegt ( K l . Sehr. V I I 369 ff., bes. 384 ff.). Ihm w a r darum zu tun, seine A u f f a s s u n g energisch von Dissens eng rational-moralisierender abzuheben 4 ). Nicht Begriffe stellt nach Boeckh der Künstler dar, oder Begriffe nur insofern sie in der Anschauung versenkt *) v. Wilamowitz, Pindaros, Berlin 1922; im folgenden nur mit Verfassernamen und Seitenzahl zitiert. ') Wohl am deutlichsten ausgesprochen findet sich diese Betrachtungsweise SBBerl. 1909, 819 f. 3 ) In Welckers erst 1833 in Form einer Rezension erschienenem Versuch einer Rechtfertigung Dissens gegen Boeckh ist besonders der Schlußteil bemerkenswert, K l . Sehr. II 184 ff. Welcker wendet sich teilweise offen gegen Boeckh, doch steht seine Auffassung des Epinikos als eines 'idealischen Bildes' Boeckhs Betrachtung näher als Dissens. *) Trotz der freundschaftlich schonenden Haltung; vgl. hierzu wie überhaupt zu Boeckhs Rezension seinen Brief an K . O. Müller vom 31. 12. 1830 (Briefwechsel beider, Leipzig 1883, 2920.).

[261]

3

und untergegangen sind, und die Einheit des Kunstwerks ist ihm Einheit der Anschauung. Der Epinikos insbesondere, indem dem inneren Blicke des Dichters sich die Eigentümlichkeit des Siegers vorstellt und indem alle einzelnen angeführten Tatsachen in dieser Anschauung wurzeln, erhält so seine 'objektive Einheit', jedes Gedicht seine bestimmte, von der Besonderheit des Siegers abhängige. Sie beruht auf den konkreten geschichtlichen Verhältnissen und ihre Erkenntnis hängt ab von der Kenntnis dieser. A u f der anderen Seite jedoch unterliegt die Gestaltung des Epinikos, als eines lyrischen Gedichtes, einem 'subjektiven Zweck'. A l s Gelegenheitsgedicht ist der Epinikos nicht so bestimmt, daß der Dichter nur den Sieger zu verherrlichen hätte, er darf das gegebene Ereignis benutzen, um auszusprechen was ihm am Herzen liegt, darf einen von der Feier des Sieges unabhängigen Zweck anstreben. Und indem der subjektive Zweck die Auswahl der Tatsachen und Gedanken bestimmt, die in die objektive Einheit eingehen würden, „indem, wenn es möglich ist, alles objektiv Einige die Richtung auf den Zweck erhält, entsteht die subjektive Einheit des Gedichtes, welche notwendig eine Gedankeneinheit ist. Indem die objektive von letzterer beherrscht wird und nur die Grundlage dieser bildet, einigen sie sich völlig wie Subjektives und Objektives zu einer ungetrennten materialen Einheit, außer welcher noch eine formale zu betrachten w ä r e " — doch auf diese geht Boeckh nur soweit ein, daß er sie als 'lyrische Einheit' gegen eine epische, sinnliche und gegen eine dramatische absetzt und alle diese drei im Wesen der Gattung gegründet sein läßt. Dann erörtert Boeckh das verschiedene Verhältnis von objektiver und subjektiver Einheit in den Gedichten Pindars, findet nach der verschiedenen Bestimmtheit des besonderen Zwecks Gedichte mit bestimmterer und unbestimmterer Einheit, welche in verschiedener Weise zu interpretieren seien. Die Betrachtung der Form eines pindarischen Gedichtes als objektive, subjektive und formale Einheit ist keine willkürliche Abstraktion, keine von außen herangebrachte Theorie, sondern entspricht den tatsächlichen Bedingungen. Als Gelegenheitsgedicht hat das Epinikion teil an einem konkreten historischen Ereignis, dem an einem bestimmten Feste errungenen Siege Eines Mannes, der wiederum Einer Familie, Einer Gemeinde angehört und durch deren Eigenart und Schicksal bestimmt wird. A l s Festrede eines berufenen Sprechers hat es teil an dem persönlichenWesen dieses Sprechers, und zwar sowohl an dessen unwandelbar geprägtem K e r n wie an gewissen von außen mitbedingten Stimmungen, Absichten. Auf der anderen Seite gehört das Epinikion einem bestimmten Genos an, das die äußere formale Einheit und zwar nicht nur Sprache und Stil (im landläufigen Sinne), sondern auch gewisse Vorstellungen und ein gewisses äußeres Gebaren des Dichters bestimmt. Begreift diese formale Einheit den Stoff als die allgemein grundlegende Bedingung, so sind die objektive und die subjektive Einheit den formgebenden Bedingungen zugeordnet, durch welche die Individualität des Gedichtes bestimmt wird, und eben darum weil Boeckhs Blick auf das Individuelle gerichtet ist, erwähnt er die formale Einheit nur beiläufig. Indem hier die F o r m verstanden wird als untrennbare Einheit der zur materialen Einheit verschmolzenen objektiven und subjektiven Einheiten auf der einen Seite, der for-

4

[262]

malen Einheit auf der anderen, ist ein Formbegriff gewonnen, der eine wissenschaftliche Erkenntnis des poetischen Werkes ermöglicht. Boeckh versteht unter Form nicht, ästhetisierend, das was wir 'Stil' nennen, sei es als Gegenstand eines allgemeinen ästhetischen Sinnes, des Geschmacks, sei es als Physiognomie der dichtenden Persönlichkeit, sei es als überkommenen Formenschatz. Auch gründet er die Form nicht auf das Individuell-Persönliche des dichterischen Ingeniums, wie es dem nach-goethischen Deutschen als Wesen des Lyrischen schlechthin erschien. Sie ist ihm auch nicht, klassizistisch betrachtet, ein abstrakt-rationales Maßverhältnis der Teile zueinander und zu dem Ganzen und noch weniger abstrakt rhetorisches System. Vielmehr bedeutet Form hier die im überkommenen Genos objektivierte geschichtlichgeistige Wirklichkeit; sie spiegelt das Objektive im Subjektiven und läßt das Subjektive am Objektiven in die Erscheinung treten, ist aber weder das eine noch das andere, sondern beides zugleich und einfach 1 ). Die wissenschaftliche Bedeutung dieses Formbegriffs läßt sich am besten deutlich machen an der dem Standpunkt Boeckhs entgegengesetzten Betrachtungsweise Gottfried Hermanns, wie er sie in seiner Rezension von Dissens Kommentar vertreten hat. Stoff ist für Hermann allemal bloßer Rohstoff, „aus dem man auch eine Lobrede machen könnte" (Kl. Sehr. V I 19). Erst die Form ist es, wodurch der Inhalt zum Gedichte wird. Und durchaus folgerecht erscheint es ihm schwierig, „über die poetische Form, d. h. über das was man das Ästhetische zu nennen pflegt, zu sprechen, weil man es hier mit Anschauungen, die zwar angeregt, aber nicht demonstriert werden können, zu tun hat". Das Wesen des Dichters besteht ihm demgemäß darin, „daß er [der Dichter], indem er die im Ganzen aufgefaßte Idee in Worten darzulegen anfängt, mehr und mehr begeistert von einem Gedanken auf den andern meist durch ein dunkles Gefühl geleitet wird, . . . bis ein ästhetisch wohlgeordnetes Ganzes, das auch wieder nach bloßem Gefühl beurteilt wird, hervorgegangen ist". Der Rationalist Hermann, noch durchaus Kind des 18. Jahrhunderts, erhebt vage Vorstellungen von der Psychologie des dichtenden Ingeniums zum Prinzip der Form, woraus naturgemäß der Verzicht auf die Erkenntnis der Form in wissenschaftlichem Sinne folgen mußte. Boeckh hatte schon 1808 in der berühmten Rezension von Schleiermachers Piaton geschrieben (Kl. Sehr. V I I 2): „Wenige und mißlungene Versuche ausgenommen, haben sie [die früheren Platonerklärer] nur nicht die Idee gefaßt, den Piaton als Künstler zu betrachten, welche Ansicht die zur Einheit gebrachte philosophische und philologische ist, indem sie, gleich weit entfernt, den bloßen Stoff formlos und die äußere Form gehaltlos zu nehmen, vielmehr die im Kunstwerk erreichte innerliche Durchdringung und göttliche Ineinsbildung beider, des Stoffes und der Form, zu einer lebendigen Gestalt aufweiset, zeigend, wie 'hier nichts als bloße Schale wegzuwerfen ist, sondern das Ganze einer köstlichen Frucht gleicht, von welcher ein rechter Kenner auch die äußere Umgebung gern mit *) Das Verständnis für die Bedeutung dieses FormbegriSs verdanke ich meinem Lehrer Werner Jaeger.

5 genießt, weil sie, mit dem Ganzen in eins gewachsen, nicht abgesondert werden könnte, ohne dem reinen und eigentümlichen Geschmack desselben zu schaden* [Zitat aus Schleiermacher, Piaton I I 8 2, 89]. Wie aber jede Einheit höher ist, als die darin aufgehobenen Gegensätze, also muß auch die Kunstansicht eine höhere als die philosophische und philologische sein, jede im gemeinen Sinne genommen, denn im höheren freilich soll jede von beiden selbst die Kunst besitzen, welche ja nicht Eigentum einer einzelnen Zunft, sondern eine allen Wissenschaften gemeinsame Sache ist." E s ist die Methode des Sehens, welche in allen großen wissenschaftlichen Leistungen der deutschen Renaissance wirkte, die Boeckh, wie er in der Praefatio des Pindarkommentars von 1821 selbst bekennt ( I I 2, 7), Schleiermacher verdankt 1 ). Während bei dualistischer Betrachtung des Kunstwerkes nach rohem Stoff und geheimnisvoll wirkender Form der Stoff unbedeutsam, die Form undeutbar ist und die wissenschaftliche Erkenntnis des Kunstwerks somit teils wertlos, teils aussichtslos erscheinen muß, ermöglicht die Auffassung des Kunstwerks als ungeschiedene Einheit von Gehalt und Form die Deutung des einen aus der anderen und umgekehrt. Von diesem allgemeinen Formbegriff aus wird das Schicksal der Pindar-Theorie Boeckhs im tieferen Sinne verständlich: die Aufgaben, die das positivistische Zeitalter der Philologie stellte, verlangten notwendig den Verzicht auf eine höhere Kunstansicht, als die philologische und philosophische ist. Mit dem unanwendbar gewordenen Formbegriff erschien auch Boeckhs Theorie antiquiert und 'unrichtig'. W i r kommen zu unserem Zweck, den praktisch methodischen Folgerungen dieses Formbegriffs. Setzt er 'Einheit' voraus, so bleibt doch noch zu bestimmen, welcher Art diese Einheit bei Pindar ist; daß sie 'Einheitlichkeit' sei, liegt nicht in dem Begriff und ist auch nicht für eine griechische Kunstart zu erwarten, die vor der Tragödie war. W i r haben die Dichtungen Pindars nach drei Gesichtspunkten zu betrachten: erstens dem stilistisch-formalen, um zu ermessen wie Pindar nach den Möglichkeiten des ihm gegebenen Mittels bilden konnte, worunter gemäß dem anfangs Gesagten weniger das äußere Stilund Sprachgewand als die durch die Tradition des Genos dem Geiste des Dichters eingeprägten Denkformen zu begreifen sind; zweitens dem objektivhistorischen Gesichtspunkt, der f ü r jedes Gedicht das Programm von vornherein festlegt, um zu ermessen, welche äußeren realen Gegebenheiten Pindar berücksichtigen mußte; drittens dem subjektiv-persönlichen, um zu ermessen, in welchem Sinne Pindar die gegebene Aufgabe ausgestaltet hat. Während der erste Gesichtspunkt überall herrschen muß, wo ein pindarischer Satz verstanden werden soll, gelten die beiden anderen Gesichtspunkte in den verschiedenen Gedichten in verschiedener Weise. Das Programm zunächst konnte Pindar auf mancherlei Weise erfüllen. Die Adelskultur des Spätarchaismus, auf Erhaltung der ihr Dasein rechtfertigenden Wertordnung bedacht, forderte vom Dichter nicht Begründung neuer, sondern Darstellung ' ) Über Ursprung und Wesen dieses Formbegriffs vgl. Dilthey, Der Plato Schleiermachers, in: Lieben Schleiermachers I 2 1922, 645ff., 673f.

6

[264]

der bestehenden Normen des Lebens. In immer wiederholtem Aufweisen, Deuten, Preisen dieser Normen ist ein großer Teil des pindarischen Dichtertums beschlossen. Pindar konnte das Programm aus dem Schatze überkommener Sophia ausgestalten. Wo die Personen der Auftraggeber nicht genügend Stoff boten, konnte er sich den Göttern zuwenden, sie in einem Hymnos. preisen, oder von der Vergangenheit der Gemeinde, von Wert und Leistung der Heroen berichten. Ein solches Gedicht wurde zwar nicht unpersönliches Festlied, wie das gewiß unpindarische 0 . 5, aber die Absicht des Dichters fügte sich der Erwartung der Auftraggeber, der subjektive Zweck dem objektiven. Hier müssen wir das Persönliche bestimmen als Ausdruck der überindividuellen geistigen Form, die sich an dem Menschen Pindar in seinem Beruf als Verwalter der Werte und Normen seines Standes verwirklicht. Dichten bedeutet in solchem Falle also Erfüllung des Programms im buchstäblichen Wortsinne. Anders liegen die Voraussetzungen, wenn der subjektive Zweck vorherrscht und damit vornehmlich der dritte Gesichtspunkt gültig wird: wenn Pindar eine Absicht an das Programm heranträgt, die nicht dessen Forderungen, sondern einem persönlichen Streben entspricht: mag dieses auf die Erhaltung der eigenen politisch-ethischen Geltung gerichtet sein oder mag der Dichter unvermittelt aussprechen was ihn bewegt. Dem Anspruch des Auftraggebers tritt der Anspruch des berufenen Dichters entgegen und beider Zusammenstoß gefährdet — so mag es zunächst erscheinen — die materiale Einheit, die im anderen Falle herrscht. Das Dichten vollzieht sich hier nicht an dem Programm, sondern im Widerspruch zu ihm. Während sonst die einzelnen Punkte dem Dichter einen Weg vorschrieben, den er, wenn auch nicht geradlinig, verfolgen konnte, hat er jetzt einen eigenen Weg zu bahnen, der doch irgendwie die Punkte des Programms berühren muß. So führen die beiden letzten Gesichtspunkte gerade bei den bedeutendsten Gedichten Pindars, den persönlichen im engeren Sinne, zu einem scheinbaren Widerspruch. Die Schärfe dieses in den Voraussetzungen liegenden Widerspruches mit Hilfe eines von außen herangebrachten Einheitsbegriffes wegzuinterpretieren, hieße sich der besten gegebenen Möglichkeit berauben, die dichterische, ethische, historische Lage Pindars konkret zu erfassen. Je schärfer dieser Gegensatz begriffen ist, um so gewisser vermag die Einzelbetrachtung aufzuzeigen, welche Mittel der Dichter fand, seine Überwindung anzubahnen. Damit ergibt sich uns die Kardinalfrage, in deren Sinn die nachfolgende Untersuchung geführt werden soll: wie gestaltet sich am Gegenstande das Verhältnis von objektivem und subjektivem Zweck, von Programm und persönlicher Absicht? Hat Boeckh den Betrachter an die Aufgabe herangeführt, so versetzt Wilamowitz ihn mitten hinein. Wenn die Betrachtung vornehmlich antiker Kunstwerke, wie Boeckh einmal bemerkt, in einem Kreise befangen ist, „weil die besondere Eigentümlichkeit jedes Künstlers, die sein Gesetz ist, nur in dem Werke, dem Gemachten erscheint, das Gemachte aber nicht verstanden wird, wenn das darin befolgte Gesetz nicht zum Bewußtsein gebracht ist",

7 und muß demgemäß einmal die Kenntnis des Gemachten der Erkenntnis des Gesetzes, das andere Mal die Kenntnis des Gesetzes der Erkenntnis des Gemachten dienen: so setzen die Ergebnisse des Pindarwerkes von Wilamowitz das Wissen um die dichterischen Eigentümlichkeiten Pindars voraus, deren Erkundung eben der vorliegende Versuch dienen soll. Das sichere Verfolgen der Zusammenhänge war nicht möglich ohne die Kenntnis davon wie Pindar gestaltet und denkt, das Aufspüren persönlicher Absichten, ihrer Bezüge auf äußere, zeitgeschichtliche Umstände nicht ohne die Kenntnis davon wie Pindar denken konnte. Auf die Deutung der Gesamtheit des auf uns gekommenen pindarischen Werkes als historischen, künstlerischen, persönlichen Dokuments gerichtet, stellt der 'Pindaros' nicht nur seinerseits die Aufgabe der geistigen Eigenart die sich in jener großen Lebensäußerung entfaltet eine Sonderbetrachtung zu widmen, sondern legt er auch in doppelter Weise den Grund, auf dem eine Stilforschung in dem bezeichneten Sinne möglich wird: einmal stofflich, indem viele seit langem dem ungewissen Meinen überlassene Fälle zu sicherem Wissen geführt wurden; dann methodisch, indem schon in der Art der Hermeneutik das Bild des pindarischen Dichtertums vorgezeichnet ist. Da jede Pindarbetrachtung Interpretation ist, sollen in den nachstehenden Kapiteln einige Seiten des pindarischen Dichtertums vornehmlich an einem Gedichte aus Pindars Frühzeit aufgezeigt werden. Voran geht eine Skizze über die Grundlagen, die Art und Bedeutung des Programms; neben ihrem Hauptziel die Fruchtbarkeit der Annahme eines, wenn auch nicht festen, Schemas zu erweisen, soll sie zugleich die einzelnen hier entspringenden Probleme andeuten.

II

Das Programm und seine Abwandlungen Die Frage, ob in der Behandlung der einzelnen obligaten Programmpunkte überhaupt ein einigermaßen greifbarer Gebrauch bestanden hat und, wenn ja, welchen Bedingungen die häufigen Abweichungen vom Schema unterworfen sind, gilt wohl unter der Wirkung einer vorwiegend ästhetisierenden Betrachtungsweise teils als unwesentlich teils als unlösbar 1 ). Freilich hätte es f ü r Pindar selbst geringen W e r t , etwa auf statistischem W e g e ein Ur-Epinikion zu konstruieren, zumal die Beweiskraft der Statistik naturgemäß schwach ist in einer Kunst, wo die Mannigfaltigkeit Stilprinzip ist und also die Ausnahme die Regel zu bilden scheint. Sieht man jedoch in den historischen Voraussetzungen des pindarischen Epinikion nicht nur einen äußeren Anlaß sondern eine die Form mitbedingende Wirklichkeit, so bietet sich uns gerade das Gebrauchsschema als Mittel dar, den individuellen Gehalt des einzelnen Gedichtes zu begreifen. Dies Schema m a g zunächst hypothetisch erscheinen, doch können w i r die F r a g e nach seiner Berechtigung dem E r f o l g e anheimstellen. W i r suchen einen indirekten Beweis zu führen und betrachten einige Gruppen von Gedichten, in denen das natürlich gegebene P r o g r a m m 2 ) irgendwie gestört erscheint. A u f Bedingungen welcher A r t lassen sich diese Veränderungen zurückführen ? *) Eine erschöpfende Behandlung der Komposition des Epinikion ist mir nicht bekannt geworden. Welckers grundlegender Aufsatz 'Über den Plan einzelner Gesänge des Pindar', RhM. 1834, 2, 364 ff. (Kl. Sehr. II 191) handelt mehr von den festen Typen im einzelnen als von ihrer Anordnung. Die summarische Behandlung von Croiset, La poésie de Pindare 125 ff. widerlegt besonnen veraltete Anschauungen der Er. Schmid, Westphal, Moritz Schmidt, Thiersch. Was die treffliche, einen weiten Stoffkreis umfassende Leipziger Dissertation von Fraustadt, Encomiorum in litteris Graecis usque ad Rom. aet. historia 1909, 32 bringt, ist gut zur Orientierung, wird aber naturgemäß der mannigfachen individuellen Ausgestaltung nicht gerecht. Bemerkenswert sind die gelegentlichen Interpretationen Drachmanns a. O. 205 ff., 255 ff., haben jedoch, seinem Beweisziel entsprechend, nur exemplifikatorische Bedeutung. Dornseiffs einschlägige Bemerkungen, Pindars Stil 1921, 113 ff., sind oft ansprechend, setzen aber eine von der meinen grundsätzlich verschiedene Betrachtungsweise voraus. Das Richtige deutet Wilamowitz an (105) : „offenbar bestand auch so etwas wie ein Schema für den Bau der Lieder, nicht starr, aber mindestens eine Topik war für diese poetische Beredtsamkeit vorhanden." Jurenkas Abhandlung 'Entwicklung des griechischen Epinikion bis auf Pindar', Gymn.-Programm Wien 1898 war mir nicht zugänglich. ') Vgl. den häufigsten, von Fraustadt a. O. 32 ff. bezeichneten Typus.

9

I D e r sogenannte Mythos, der festeste T e i l des P r o g r a m m s , nimmt meist die Mitte des Gedichtes ein. F ü r die wenigen Ausnahmen ( O . 4, N . 1 . 1 0 , P . 9 ) hat D r a c h m a n n die besonderen B e d i n g u n g e n zutreffend e r l ä u t e r t 1 ) . N . 10 tritt weiter J. 7.

Neben

Z w a r ist die A u f z ä h l u n g der Ruhmestaten Thebens,

unmittelbar am B e g i n n dieses Liedes, mit dem A n f a n g des ersten thebanischen Hymnos

(Fr. 29ff., Wilamowitz 189ff.)

nahe verbunden:

beide

Prooimien

zeigen die F o r m der gereihten Fragen. D o c h handelt es sich in J. 7 zweifellos um eine bei P i n d a r bedeutsame Spielart der F o r m des ' M y t h o s ' , um die Liste der A r e t a i einer Gemeinde oder eines Geschlechtes (s. unten S . 309 ff.), die auch in N . 10 das Prooimion vertritt. D i e F r a g e am A n f a n g : welche deiner T a t e n sagt dir, Theba, am meisten zu? ist g e p r ä g t worden unter E i n w i r k u n g der neuen Funktion des K a t a l o g s als P r o o i m i o n 2 ) .

D a s jiaAiora enthält schon an sich ein Vergleichsmoment,

und ähnliche katalogartige Gebilde mit komparativischer Tendenz waren dem Dichter als feste Formen gegeben a ) .

N a c h der T a t , die T h e b a die genehmste

ist, f r a g t P i n d a r also in dem Sinne, daß er gerade diese in der E r z ä h l u n g verherrliche, 'besinge', und diesen im Prooimion naheliegenden B e g r i f f finden w i r in dem H y m n e n f r a g m e n t ( 2 9 , 6 ) ausgesprochen.

Allein der Dichter führt in

J. 7 keine der Ruhmestaten aus, sondern bricht, bei der A i g i d e n Eroberung von A m y k l a i angelangt, die Liste ab ( 1 6 ) : 08 ßpoToi,

8 TI

¡J-TJ

AKKI

iraAaia -¡-ap euSst / a p i s , ä[Avafi.ove;

0071'A? aa)Tov axpov xAuratc INSWV

fjoaloiv l£ixr)tat Ct>Y^V,

und geht darauf zum gegenwärtigen S i e g über. Dies A u f g e b e n der am A n f a n g angedeuteten A b s i c h t gerade an diesem P u n k t e scheint zunächst Aristarchs A n sicht zu bestätigen, P i n d a r beschuldige hier, nach Oinophyta, die Spartaner des Undanks ( W i l a m o w i t z 412). Allein, so bestechend diese Annahme ist, dagegen spricht einmal, daß P i n d a r seine A u s s a g e über die V e r g e ß l i c h k e i t der Menschen durch den 8 TI ¡«¡-Satz beschränkt. D i e s e r behält volle K r a f t , selbst wenn man darin das Streben fühlt, die Nennung des S i e g e r s vorzubereiten. aber —

und das gibt den A u s s c h l a g



verwendet

Pindar

als

Zweitens Abbruchs-

formel dieselbe V o r s t e l l u n g w i e P . 6 , 4 3 TA (ilv irapixer TWV VÖV 8S xat 8paoußouXo? . . N . xat aut&?

EYUIV

6, 53 xai r a u t a (xsv icaXatiiTspoi 68ov dt[Aa£iTÖv eupov" eiroftai 8e fieXitav

TO

8e imp 7:081 voo? 4A.iaarfp.evov aiei xu(xartov

KSYARAI

iravrt fiaXiara oovelv ftofidv, und darauf Ü b e r g a n g zu neuem P r o g r a m m ; endlich N . 4 , 9 1 nach Nennung eines älteren V e r w a n d t e n und dessen P r e i s durch

' ) Fortolkning 205 ff. *) Die zugrunde liegende Frage: wen soll ich besingen, ist in der Form selbst zum Ausdruck gebracht am Beginn von O. 2, s. unten S. 271 und 334. *) 'Homer' S 313 ff. R. Oehler, Mythologische Exempla, Diss. Basel 1925, 20 f., 36 ff. A u s Pindar selbst vergleicht Wilamowitz (192) den Beginn von N. 10 und O. 13, 15; auch J. s, 28 ff., das priamelartige Stück P. 1, 75 ist heranzuziehen, wo die komparativische Tendenz deutlich ist, desgl. N. 4, 46 ff. (s. unten S. 309). Pindar J. 7 sehr ähnlich Horn. Hymn. 2, 29; näii T' dp 0' Ü(J.VT)O«) Titxvraic CÜD(J.Vava?ji ( = 8 ilpf^o?) nachahmte (c), und es gelang: die Göttin erfand's (b), und gab ihn den Menschen . . . (a). Pindar geht zunächst zum Wichtigsten, demjenigen was seinem Zwecke am nächsten liegt, gelangt von da aus Schritt für Schritt in den Bereich des Mythos hinein, und auf gleichem Wege wieder zu seinem Zweck zurück. — V . 11 hat Wilamowitz (146) dem überlieferten «rjae zu seinem Recht verholfen, aber auch á-¡mv dürfte zu halten sein. W a s Athene mit dem Zischen zur Vielhäupterweise verbindet, kann nicht artikulierte Rede sein, sondern ist besser der Triumphschrei (áúetv 'tönen' Horn. N 409, 'schreien' B 334. O 321. Y 48, 51, sicher unartikuliert £ 117) den Perseus erhebt, indem er mit dem Kopf auffliegt, Seriphos den Tod zu bringen: das imperfektive Partizipium ist unanstößig und sehr prägnant: Theseus wird verfolgt; den Streich führen und auffliegen war eins. 2 ) Vgl. zu der ganzen Erscheinung manche Eigentümlichkeiten der homerischen Gleichnistechnik, Fränkel, Gleichn. 6 ff.

[309]

5'

3 Die persönliche Absicht der Rechtfertigung, der der Mythos in N. 7 dient, hat der Dichter nicht bloß durch die Art der Einführung zum Ausdruck gebracht, sondern auch durch die besondere Gestaltung der Erzählung selbst. Man hat Pindars Mythen nützlicherweise drei Klassen zugeordnet, deren erste beiden zusammengehören (Fraustadt 3 0 f f . ) : erstens solche die sich auf Art und Ort des Sieges beziehen — dies sind bedeutsamerweise meist die Lieder auf Westgriechen; zweitens solche die auf Heimatsort und Geschlecht des Siegers gehen — die häufigsten Lieder, vor allem die auf Aigineten; drittens solche die eine innere Beziehung auf den Sieger, seine Familie usw. enthalten — man mag sie Exempla, Paradeigmata nennen. Zwar läßt sich diese strenge Scheidung zwischen Heroengeschichte und Exemplum nicht aufrecht halten: der Dichter greift mit der Heroengeschichte keineswegs nur ein beliebiges Ereignis der Vorzeit der Gemeinde heraus, um diese nur zu ehren und zu ergötzen, indem er es erzählt. Auch die bloße Geschichte der Ortsheroen soll, als Vorbild, wirken. Doch können wir mit gewissem Recht die reinen Exempla hier zunächst beiseite lassen, wo als Hintergrund f ü r N. 7 eine bestimmte Form der Heroengeschichte aufgezeigt werden soll. Das ist die Form des Katalogs der Ruhmestitel einer Stadt, deren einer, in 'Erzählung' ausgeführt, den eigentlichen Mythos bildet. Am deutlichsten ausgeprägt begegnet diese Form in N. 3 und 4. N. 3 ruft sich der Dichter von dem Herakleslob ab und zu dem 'Geschlecht des Aiakos' zurück, erwähnt dann kurz die Taten des Peleus (32), Telamons Zug gegen Laomedon, die Amazonen und erzählt (von 43 ab) ausführlich, im eigentlichen Mythos, von Lehre und Werken des Achilleus. N. 4 streift Pindar anschließend an Aiginas Nennung (22) Telamons Züge mit Herakles gegen die Meroper, Alkyoneus, faßt dann — nach Abbrechen und kurzem persönlichen Teil — Teukros, Aias, Achilleus, Thetis, Neoptolemos, Peleus unter dem Gesichtspunkt ihrer Herrschaftsbereiche zusammen und erzählt ( 5 4 f f . ) , bei dem letzten verweilend, darauf die Geschichte der Liebe Hippolytes, der Gewinnung der Thetis — auch dies gemäß der lyrischen 'Erzählungs'-Technik nur andeutend, aber durch die Person des Peleus doch zu zusammenhängendem Bericht geeint. Unverkennbar ist diese Katalogform auch in den Liedern auf Lampons Söhne: J . 6, 19 ich will der Aiakiden gedenken, 22 der Ruhm ihrer 'schönen Werke', 25 Peleus, dann Aias, Telamon, dessen Züge gegen Troia, Meroper, Alkyoneus, 35 Geschichte von Herakles' Prophezeiung. J . 5, 20/35 Aiakiden, Telamon gegen Troia, Achill gegen Troia: Kyknos, Hektor, Memnon, Telephos — jüngste Vergangenheit: Salamis; vor Aiakidenliste (30) noch: Oineus-Söhne, Iolaos, Perseus, Dioskuren. Hier ist es nicht einmal zu einer 'Erzählung' gekommen. N. 5, 13 ff. ist in der Komposition N. 4, 25 ff. vergleichbar, insofern eine in dem ersten Teil der Heroenliste wirkende persönliche Absicht (nachträgliche Rechtfertigung wegen des Neoptolemos, Paian 6, Wilamowitz 1 7 1 ) die einstweilige Abbrechung veranlaßt. Zuvor: kurz Aiakiden (8), Telamon,

[310] Peleus, Phokos; dann (22) mit neuem Anheben Peleus-Thetis, ausführlich. J. 8,16: kurz, Aigina von Zeus erwählt, Aiakos, seine Söhne, 26 Peleus wie er zu Thetis kam, Götterrat, hineinverflochten Ausblick auf das Schicksal Achills (36), Liste der Taten Achills (49 fr.) 1 ). — W i r dürfen nicht erwarten, diese Form der Heroengeschichte auch in Liedern wiederzufinden, wo die realen Voraussetzungen andere sind oder der Dichter neue und größere Absichten verfolgt, wie in den Gedichten auf Sikelioten und Kyrenaeer. Auch in frühen Liedern wie P . 10 (Thessalien), P . 6. 12 (Akragas) fehlt, vielleicht wegen der besonderen historischen Voraussetzungen, die Heroengeschichte. In einem vornehmlich dem Schicksal des Geschlechtes gewidmeten Lied wie J. 3/4 ist kein Raum f ü r lange Heroengeschichte, obgleich Theben eine solche hat; in N. 6, ebenfalls vornehmlich Lob des Geschlechtes, wird (wie J. 6, 22) eine Heroengeschichte begonnen (45), doch bricht der Dichter nach wenigen Worten ab (53): er hat noch eine zwiefache Bürde zu bestellen (für den Sieger, den Trainer). Aber wenn von den noch bleibenden Aiginetenliedern N. 8 zwar von Aias erzählt (22), aber als Exempel (vgl. J. 4,34 ff.), und somit der ganze 'Mythos' dem Persönlichen dienstbar wird, ebenso wie in dem thebanischen Gedicht P. I i , 17 (Wilamowitz 259ff.), wenn ferner O. 8 nur eine unbedeutende Geschichte, P . 8 zwar ein Anheben und Abbrechen aber überhaupt keine Aufführung der xaXa sp-f1* im einzelnen hat (oben S. 286), so sehen wir darin die Kennzeichen einer späteren Praxis des Dichters, der im Lauf der Jahre, vor allem geschult durch die großen neuartigen Aufgaben der mittleren Zeit, seines Stils gewisser und damit freier geworden ist 2 ). Das gilt auch für J. 7 (Theben) und N. 10 (Argos), wo die durch die Voraussetzungen ermöglichte reiche Aufzählung der xaXa in Katalogform an den Anfang trat. Daß insbesondere für J. 7 zwar die Absicht bestand, einen einzelnen Punkt näher auszuführen, ohne doch verwirklicht zu werden, sahen wir schon (S. 267 ff.); auch jene Interpretation dieses späten Prooimion zeigt nunmehr indirekt, wie die Katalogform mit einzelnem zur Erzählung geweitetem Teil gerade den gegebenen sozialen Voraussetzungen des frühen Pindar am meisten entspricht 8 ). Ohne weitere Rückschlüsse auf den uns unbekannten vorpindarischen Mythengebrauch im Epinikion zu wagen — das Epinikion stand stets in der epischen Tradition lind ist in ihr erstanden —, fassen wir doch für die früheren Lieder auf Orte mit reicher mythischer Tradition, besonders Aigina, einen sicher kenntlichen Mythentypus. Der Neoptolemosmythos in N. 7, der der persönlichen Absicht dient, bedeutet also eine bemerkenswerte Ausnahme. Als Rest der Listenform können wir jetzt, analog dem Aias-Abschnitt in N. 8 Über den Schluß des Mythos oben S. 285 f. Eingehender darüber in anderem Zusammenhang (unten S. 339). ) Einen Hinweis wenigstens verdient die Komposition der Heroengeschichte in O. 13. Stoff bot Korinth genug, und Pindar hat sich in dem Liede, das er zum ersten Male auf diese Stadt schrieb, seiner bedient: 52 Sisyphos, Medeia, Kämpfe vor Troja, Glaukos, als Hauptstück Bellerophontes. Nicht genug damit, hat er aber zuvor die Heuremata aufgezählt 17 ff., worauf er sich unmittelbar 50 (¡ifjTiv) und im Mythos zurückbezieht. Wir sehen, wie Pindar im Jahre 464 die gegebene und geübte Form kunstreich ausgestaltet. 2 ) 3

53 und besonders dem T e i l über Phokos in N. 5, vielleicht das Aias-Paradeigma in N. 7 verstehen. Doch ist bezeichnenderweise auch dieser Teil, wie die entsprechende Partie in N. 5 und 8, von der persönlichen Absicht erfaßt und ihr unterworfen worden. Also auch die Formvergleichung spricht für das früher durch Interpretation des Sieg-Lied-Motivs erzielte Ergebnis: Pindar verwirklicht in N. 7 seine persönliche Absicht, indem er die vorgeschriebenen P r o grammpunkte im groben unverändert läßt, j a auf sie gestützt fortschreitet, zugleich aber ihnen durch leichte Modellierung neuen Sinn verleiht. D e r Neoptolemosmythos selbst, einmal geforderter Programmpunkt, dann Argument dafür, daß Pindar auch früher im 6. Paian nur 'dem toten Helfer' E h r e gebracht hat und von einem urteilslosen Publikum verkannt wurde, der Neoptolemosmythos gibt die Geschichte des Helden zunächst in bewußter Übereinstimmung mit dem P a i a n : N. 7, 35 f. ~ Paian 6, 104 ff.; N. 7, 37 ~ Paian 6, 109 fr. Die Herrschaft über die Molosser ist hinzugefügt als eine Würde, die das Geschlecht des Neoptolemos bis zur Gegenwart inne h a t 1 ) . Die heikle Schilderung des Todes ( 4 0 f f . ) ist gegen Paian n o f f . verkürzt; der Rest des Mythos in N. 7 : T r a u e r der Delpher, die Exegese des Todes als ¡j.ripoi|j.ov und ehrenvolle Notwendigkeit ist neuer Zusatz. W i r wissen, z. B. aus den verschiedenen Versionen der Peleus-Thetis-Geschichte (Wilamowitz 174 ff.), wie wohlbedacht Pindar sonst Wiederholungen meidet: hier ist er sichtlich darauf aus die Geschichte, soweit mit dem neuen Zwecke vereinbar, so zu erzählen, wie er sie im Paian erzählt hatte, und das heißt wie sie für ihn 'wirklich' war. Gewiß ist das eine für uns heute leicht zu durchschauende Fiktion. Doch tut Pindar eben dasjenige, was eine politische Rechtfertigung verlangt: veränderte Sinngebung der gewahrten Tatsachen. Hinzukommt, daß für Pindar j a kein rational bestimmter Wirklichkeitsbegriff gilt; 'wirklich' und 'wahr' sind für Pindar ausschließlich ethische Begriffe. E r kann sich bewußt sein beide Male, im Paian und jetzt in N. 7 rov iovra Xöyov, wie man griechisch sagen könnte, aufgezeigt zu haben, ohne die 'faktische' V e r schiedenheit der beiden 'Versionen' überhaupt zu gewahren. Jedenfalls ist soviel sicher, daß Pindar meint in N. 7 nichts zurückzunehmen 2 ). Diese Feststellung ist für eine spätere Stelle des Gedichtes (75 ff.) wichtig; zu ihr stimmen auch die auf den Mythos folgenden Verse 4 8 — 5 2 , in denen Pindar zum ersten Male aus der bisher gewahrten Objektivität der Verteidigung heraustritt. Dies gerade im Anschluß an die Mythenerzählung zu tun, dazu gab ihm die allgemeine Form des Epinikos das Recht. W i r beobachten, wie gerade die Stelle nach dem Mythos, nach der Abbrechungsformel aber auch vor ihr, in mannigfacher W e i s e der persönlichen Äußerung dient. Die Stellen sind so reich, daß nur einige wenige, besonders beachtenswerte, angeführt zu werden brauchen. ' ) 39 D (Boeckh, Wilamowitz 1908, 336 Anm. 2) gibt allein den geforderten Sinn. Schroeders Verweis auf O. 9, 54 (App. 522) zieht nicht wegen des dpyäftev. ' ) So versteht den Mythos auch Wilamowitz 1908, 351, und gewiß haben wir, wenn wir die in dem Liede wirksamen Tendenzen verstehen wollen, uns daran zu halten, wie Pindar selbst in dem Gedicht verstanden sein wollte.

[312]

54

D a s in der A b b r u c h s f o r m e l herkömmliche ' I c h ' oder die Selbstanrede ( P . 10, 51. J . 6, 5 6 . J . 5, 5 1 . N . 4 , 6 9 und sonst) k a n n als K e i m solcher persönlichen Ä u ß e rungen gelten.

A l s Abbruchsformel ist noch das v i e l b e r u f e n e : uoXXa jioi ö r '

oyxä>vo? ( b x i a ßeXn) evSov evrl (papetpa? (pcovasvra aovetolaiv ( 0 . 2 , 8 3 ) schon wegen des t y p i s c h e n 1 ) iroXXa zu verstehen ( v g l . 0 . 1 3 , 9 3 ) . D a s B i l d wirkt im Übergang zu dem folgenden L o b des Theron w e i t e r : ttvot ßaXXo|xev . . . (vgl. 0 . 1 3 , 9 5 ) I m R a h m e n der A b b r u c h s f o r m e l nach dem M y t h o s also hat in O. 2 , 8 3 ff. die individuell a u s g e s t a l t e t e Abwehr g e g e n die N e i d e r P l a t z gefunden.

O. 9 , 8 0

steht k u r z v o r dem typischen auf das zweite S i e g e r l o b überleitenden 'ich k a m ' ( J . 6 , 5 7 ) das W o r t , durch das der D i c h t e r den g a n z e n vorhergehenden M y t h o s als

eigene

Erfindung

bezeichnet:

eir ( v eüpYjoieirijs i v a ^ e l o d a i upooST5;, bringt 4 ) V. 84 f. hat man es bislang hingenommen, daß Pindar von sich sagt, er sei gegen den Feind draufgängerisch wie ein Wolf und schreite auf k r u m m e n Wegen. Wilamowitz, der als einziger Anstoß genommen zu haben scheint, nimmt einen, an sich bei Pindar gut möglichen, Bilderwechsel an (292 Anm. 1). Kein Zweifel daß der Gedanke: gegen den Widersacher ist mir jedes Mittel recht, durchaus griechischer Ethik gemäß ist — wäre er P. 2,85 nur so wiedergegeben wie etwa J. 4,48. Die Vorstellung des 'Krummen' dagegen ist in der hellenischen Ethik dieser Zeit ein schlechthin negativ zu Wertendes. Gesetzt auch, Pindar hätte N. 8, 36 nicht in bezug auf sich von -/.s/.s'jitoi; an'/.iat; geredet und N. 1,25 nicht gnomisch gefordert, man müsse i-i eiiUiai; 4oofi orelyovra -¿•j'j. (freilich ist sein Moralkodex sehr konstant): so ist das Begriffpaar e-jftu-5xo/.i6v für den Dichter doch festgelegt durch Hesiod Erg. 7. 219/226. 263 f.), den er noch kurz zuvor zitierte (P. 2, 49 ff.). Die leichte Änderung £),).' oX/.o-E t.i-I r,>v -ÓTUCJ ootfia; = zapaSwro; THJ -ÓTU-CJ TT¡-; 50(flow vermag ich nach O. 13, I I S T'Í/CN TEPRVÖRV und T'iyo SAIULOMO; O . 8,67, N . 6,24, Xapíxuw N . 4, 7 nicht für sprachwidrig zu halten wie Scnroeder (Kommentar z. St.), zumal Nomen + gen. subj. + gen. obj. P . 9, 39 steht: xp'jjrrol xXaföe; ¿vrí aupa; lltiftoy; lepäv tptXoTárojv (sonstige Stellen Wilamowitz, H e rakles 2 256). 'Sophia' als Gabe der Gottheit bei Pindar z . B . P . 1 , 4 2 ; der Potmos pflegt über den Menschen bei der Geburt zu entscheiden ( N . 5,40). — Eine sichere Stellungnahme scheinen mir jedoch auch diese Erwägungen noch nicht zu ermöglichen. — E d . Fraenkel versteht, „von der ungekünstelten Wortstellung geleitet: 'reich sein, wenn die Tiya róxiAou es gibt ( = áWXt»? Skol. 7, zu dem Gedanken ferner Solon F r . 1 Anfang), ist der Gipfel der oodaai ('iv)aff|aa!jft' dpetac. Es handelt sich in dem frühen und dem späten Gedicht um die gleiche Abbrecnungsformel. Dadurch wird der Katalog der Ruhmestaten am Anfang von N. 10 als eine feste Form der Heroengeschichte gesichert. Vgl. oben S. 267 ff.

[339]

8i

Schon auf dies Beispiel hin können wir allgemein sagen: der xataXofoi apsvtöv entspricht der eigentlichen Bestimmung der Epinikien (wie wohl auch anderer Formen der Chorlyrik), er erfüllt die schlichten Forderungen des Adels, der sich, sein Geschlecht, seine Gemeinde in den Großtaten der Heroen gerühmt hören will. Gehört der Aretai-Katalog also zur Konvention, so kommt doch auch ihm eine nicht geringe innere Bedeutung zu. Der Ruhm als Organ des Fortlebens der Arete bedeutet viel für den griechischen Menschen jener Zeit; auch denrim Katalog kurz aufgeführten xaXa spya der Ortsheroen kommt eine ethische, paradeigmatische Bedeutung zu. Pindar wird diese Form als Träger ethischer Gehalte gegolten haben 1 ). Dennoch bleibt sie Ausdruck seines allgemeinen Berufsethos, wie das Programm, dem sie eigentlich angehört. Pindars ethisch gestimmte Sophia drängte zu einer mächtigeren Entfaltung, bedurfte des konkreten Bildes vergangenen menschlichen Handelns und Leidens, um der ethischen Norm inne zu werden und sie in neuer Gestalt darzustellen. So ist das Paradeigma diejenige Form der Heroengeschichte die von vornherein der Sophia Pindars Raum gewährte und die seine reifende Sophia mit dem Fortschritt seines Wirkens gewaltig ausgestalten sollte 2 ). An dem Paradeigma können wir Pindars Wachstum über das Programm und die ihm gegebene Welt hinaus am deutlichsten begreifen. Die Katalogform erscheint selten so rein wie in N. 10. Wir sahen schon, daß der Dichter seit der frühesten Zeit im reinen Epinikion die geforderte Katalogform zugrunde legt und einen ihrer Punkte zur Erzählung ausgestaltet (oben S. 309). Diese Erzählung braucht nicht eine klar beziehbare Anspielung zu bergen wie J . 6, wo der Dichter in Herakles dem Telamon einen Helden als Sohn verheißen läßt — ein Kompliment für den Vater des Siegers. Aber die Erzählung hat stets einen ethischen 'Sinn', dient nie bloßem Schmuck, entstammt nie bloßer 'Erzählerfreude'. Das beweisen schon die Motive, die Pindar auszugestalten pflegt. Allem Kriegerischen — und die xaXa spya sind doch zumeist Kriegstaten — geht er mehr aus dem Wege, als daß er es suchte. E r bevorzugt das 'Intime', ethisch Bedeutsame. J . 6 gewährt ein erhebendes Bild des betenden und weissagenden Herakles, P. 10 schildert in stillen Farben die heiter-selige Festlichkeit der gottgeliebten Hyperboreer. Die Treue und ihr Lohn wird an Peleus dargestellt (N. 5 ) ; an dem jungen Achill gezeigt, wie rechte cpuai; und rechte 8i8a;i; die große Leistung verbürgen (N. 3). Aber wie vertieft stellt sich dieser ethische Gehalt in der Zeit dar in der Pindars Dichterund Menschentum sich zu der Größe aufschwang, die an P. 2 und P. 1 in die Erscheinung tritt. Was der Dichter damals verhieß, scheint nun erfüllt zu sein. Zwar, die geistigen Elemente seines Dichtens sind die gleichen wie in der *) Bei Simonides besteht nicht eine solche innere Bindung an die Form. Seine Epinikien sind deswegen von vornherein stärker 'literarisch' zu werten. Das simonideische Epinikion hat im tieferen formalen Sinne kaum etwas mit dem pindarischen zu tun, dessen 'Literarisierung' Vergeistigung, Resultat eines Lebens ist. ' ) Es konnte schon früher (S. 286) als Symptom der spätesten Kunst Pindars gewertet werden, daß P. 8, 29 f. Pindar mit einer Formel abbricht, die dem Typus N. 10,19 und J . 6, 56 entspricht (räaav ¡¿axpaYopiav), ohne eigentlich eine apctol-Liste zuvor gegeben zu haben.

82

[340]

früheren Epoche, aber angesichts der großen Ziele, die Pindar sich in dieser Zeit steckt, baut sich aus ihnen nun ein imposanter geistiger Kosmos auf. Denn das bedeutet es, wenn der Mythos nun das Hauptorgan geworden ist, durch das Pindars Sophia spricht; wenn eine ethische Gesamtvorstellung aus ihm herauswächst, die als Einheit des Gedankens, weit über das Programm ausgreifend, das Gedicht umspannt. Pindars Dichten hat sich über die Welt, der es entstammt, erhoben zu einem Panhellenentum des Geistes. Auf diesem Hintergrund läßt sich vielleicht historisch wertend die Größe der Leistung bestimmen, die das Lebenswerk Pindars bedeutet. W i r beobachten wie der Geist des älteren Hellenentums nacheinander primitive literarische Formen volkstümlicher oder rituell-sakraler Art aufgreift und in eigentlichem Sinne vergeistigt. Das geschieht dadurch, daß der Mythos sich ihrer bemächtigt, oder — es läßt sich auch so sagen — daß sie zu Organen einer neuen Deutung des Mythos werden. Der Gegenstand der griechischen Literaturgeschichte ist bis zum Aufkommen eines vornehmlich wissenschaftlich-rationalen Zeitalters eben der Mythos und die historisch verschiedenen Formen seiner Gestaltwerdung. Wie die Tragödie erst mit dem Augenblick an hellenischem Geiste teilhat, wo die Sage sich ihrer bemächtigt und in ihr die für die Polis gültige Gestalt gewinnt, so wird auch das Epinikion erst eigentlich 'hellenisch', seitdem Pindar, dem als Dorer und Standesherrn diese Form und ihr Gehalt geheiligt war, sie zum Organ einer neuen Deutung des Mythos machte. Als Träger ethischen Gehaltes tritt das Epinikion uns bei Pindar von Anfang an entgegen, doch 'gewinnt es seine Natur' erst, als es in den Liedern der mittleren Zeit, von seinem Ursprung gelöst, zum Mittel des ethischpolitischen Kampfes geworden ist. Das Wesen der eigentümlich pindarischen Neudeutung des Mythos läßt sich mit einem Wort als Ethisierung der Vorbildgestalten der Sage bezeichnen. Dadurch hat Pindar zu seinem Teil nicht weniger als die Tragödie mitgewirkt zur Erschließung der inneren Welt der Psyche, welche eine eigentümliche Aufgabe des fünften Jahrhunderts war. Es ist irrig den abseits vom Fortschritt schaffenden Böoter als rückständig zu bezeichnen. Pindars Leistung ist zwar bestimmt mehr durch die Vergangenheit als die Gegenwart seiner dorischen Kultur, führt im Wesen aber über diese hinaus und hält Schritt mit dem Fortgang seiner Zeit. Über dem Leben Pindars liegt eine geheime Tragik: fruchtloses Ringen um den geistigen Bestand einer Kultur, die der reinen Begeisterung des Dichters nicht mehr würdig war und sich schneller als der Dichter selber zu Ende lebte. W i r haben demgegenüber nicht zu vergessen, daß der Dichter selbst mehr und mehr seiner versinkenden Zeit entwachsen ist: die dorische Art, die er nie aufgab, führte er in reinem Bilde damit als dauernden Teil und Besitz dem griechischen Geiste zu, der sie bis auf uns erhalten hat.

Register 1. Namen und Sachen A b b r e c h e n 312 A . 2 A b b r u c h s f o r m e l 268, 286, 312 A b r e d e des Dichters m i t Auftraggeber 2 8 4 A . s, 2 9 2 A n t i t h e s e 307 A . 3 A p p o s i t i o n 326 A. 1 A r c h i l o c h o s 280 A . 1 A r e t e 283, 327 A. 2 A s y n d e t o n 300, 318 A . 2 A t t r a k t i o n 313 A. 4 B a k c h y l i d e s 276, 2 8 0 f . B e g r i f f 2 9 9 f f . , 302, 3 0 7 f . B i l d 268 A . 3, 271 A . 1, 272, 274 A . 4, 2 7 7 A . 1, 2 9 4 A. 2 , 2 9 9 t., 3 1 2 A. 3, 3 1 4 , 316 B i 1 d e r - K e 11 e 3 0 7 A . 4, 3 2 6 B i l d e r v e r m i s c h u n g 299 A . 2 B l o i , Vergleich d. 3. 278 A . 1 B o e c k h s F o r m b e g r i f f 262 f. C h a r i s 268, /pioe

2 7 7 f.,

2 8 7 A . 5,

294 A. 2

278f.

D e n k e n , archaisches 306 ff.; s. auch Gedankenfortschritt 5 £ ? a t - M o t i v 269, 274 D i c h t e r t u m P i n d a r s 275, 277, 279, 300, 315, 319

' D i r e k t i v e ' a. d. Chor 283, 296 A . 1 D o p p e l b e z i e h u n g d. Mythen 290

E x e g e s e d. M y t h o s 287 A . 2, 303, 329, 333 Exemplum Feststätten 288 A . i

286, 329ff., 3 3 8 f f . statt Festgötter genannt

F r e i w i l l i g k e i t 27g A . 1, 294 A . 2 F r e u n d s c h a f t 279 A . 2 F ü r b i t t e 295 A . 2, 322 G e d a n k e n f o r t s c h r i t t 297f., 3 0 i f . , 3 0 5 ff., 3 1 8 , 3 2 6 A . 1 G l ü c k w u n s c h 272, 295 A . 2 G n o m i k 275, 280 u. A . 1, 282 A . 3, 283, 2 8 6 ff., 2 9 7 , 3 0 3 , 3 2 9 , 3 3 3 ff. H e r m a n n , G. 262 H e r o l d , Dichter als 274 H o m e r

304

H y b r i s s. unter Neid Hymnos

270, 276, 288, 297, 337

I n f i n i t i v , epexegetischer 320 I r o n i e 284 A . 5, 322 Katalog

der A r e t a i 267, 286,

309f.,

339 Komposition

283 f.,

285 f.,

307 f.,

3 3 2 ff. K o r o s - M o t i v 286, 288 A . 2, 312

A . i , 3 2 9 f., 3 3 3 — d. B e g r i f f s 299, 302

L i e d , W e r t u n g des 274 f., 279, 281 A . 1,

Einheit

Liedanpreisungsmotiv

Ethos,

2 8 2 A . s, 2 8 4 , 2 9 4 A . 2 , 2 9 6 A . 1, 2 9 9 f.,

3 0 4 ; s. auch S i e g

307f., 332ff. dichterisches

b. Pindar

277» 279, 300. 315. 319» 324

273,

Literarisierung 337

d.

314f.

Epinikienform

84

[342]

Lob 294

des Siegers, des Vaters A. 2

281 ff.,

M u s i k 2 7 3 f . , 288, 336f.

M y t h o s 267, 286, 3098-. 328ff-, 333» 338 ff.

S c h l e i e r m a c h e r 263 S i e g u n d L i e d , Verhältnis zueinander 277 A. 1, 278 A. 1, 294 A. 2, 298 ff.; Wertung d. Sieges 278 f., 289, 297

S i m o n i d e s 268, 307, 3 3 9 A . 1

S t i l , archaischer 284 A. 5, 285 A. 2, 269 A. 1, 275 f., 306, 323, 325; s. auch Denken S u b j e k t i v i t ä t , dichterische 276f.

' N a c h t r a g ' 295f., 327

N e i d 278 A. 1, 288 Paradeigma

286, 3 2 9 f f . , 338ff.

P a r a e n e s e 280, 334f.

P e r s ö n l i c h k e i t , historische 291 P e r s o n a l i e n 269, 294 A. 1 P e r s o n a l p r o n o m e n an neuem Absatz 286 A. 1, 294 A. 2, 300 A. 6 P h a n t a s i e 270ff., 276f. tp 1X i o 2 7 9 A. 2 , 3 1 4 P1 a t o n 3 2 3 P r o g r a m m , Vertiefung und Umwertung des 286 ff., 325 ff. P r o o i m i o n 2 6 9 ff. R e l i g i o s i t ä t 276, 332, 337; s. auch Hymnos R h a p s o d i k 276, 327 A.2 R i t u s

T e t h m o s 271, 284 T r a i n e r 287 T y r t a i o s 301 A. 1 V a t e r - M u t t e r - M o t i v 273 A. 1, 274 A. 4 V e r g e i s t i g u n g literar. Formen bei Pindar 337, 340 Verpflichtungsgedanke 278 f., 2 9 4 A. 2 , 3 2 1 Wirklichkeitsbegriff

311

X e i n o s - Motiv 314 ff. Ztviapii

295 A . I

Z e u g e , Dichter als 312 A. 3, 314

276

2. Stellen O . 1, 1

O.

2

ff. 334

27s

O . 2, 8 1

ff.

O. O.

294

2.

95

O. O. O. O.

O . 1 3 , 28 ff. 2 6 9

A. 2 A. 2

0 . 1 3 , 3 2 ff./98 s .

P. 9, 1 0 3 2 7 8 A. 1 P. 1 0 , 1 ff. 2 7 3 P. 1 0 , 30 ff. 3 3 9 P. 1 0 , 60 ff. 3 0 1 P . I i , 3 8 ff. 2 8 4 f., 3 2 1 P. 11, 4 2 2 8 4 A. 5 P. 1 2 , 1—22; 11 308 A . i

272

6, 8 2

279

A. 1 A. 2

296 A . i

6, 1 0 1

295

6,105

276

O . 8, i

ff.

A. A.

A.

3

O. 8, 54—Schluß O . 9, 8 0 O. 10,1

2 4

27s

269

286 f.

312 ff.

8, 4 3 ff- 2 9 0

312

264

O . 7, 1

P.

272

P . 8, 61—Schluß

6, 2 2

O. 6,88ff.

270,

0 . 1 3 , 1 7 ff./so ff. 310 A . 3

288

4, 3

O. 5

0.13,1—28

f.

273

O. 10, 7 2 7 3 A. 2 O. 1 0 , 8 f. 2 7 8 A. 1 O. 1 0 , 1 4 2 9 8 A. 5 O. 11,1 ff. 2 9 4 A. 2

286

P- 1 335 P. 1, 1 ff. 2 7 3 f. P. 1 , 7 9 b 2 7 8 A . i P. 2 3 2 5 ff. P. 2 , 1 7 3 0 5 P- 2 , 56 3 3 0 A. 2 P. 2 , 84 3 2 6 A. 1 P- 3 332 iP. 4, 1 ff. 2 7 1 P. 5, 1 ff. 2 7 5 P. 6, 1 ff. 2 7 2 P . 7 282 P. 7, 1 2 7 1 A. 2 P. 8, 1 ff. 2 7 4 P. 8, 2 5 ff. 286, 3 3 9 A.

2

2870.

N. 2 2 8 2 N. 3, 1 ff. 2 7 3 N. 3 , 15 2 7 7 A. 1 N. 3, 2 6 ff. 309 N. 3 , 4 1 ff. 3 3 9 N. 3 , 43 ff. 2 8 7 A. 2 N. 3, 7 0 ff. 3 2 7 A. 2 N. 4 , 1 ff. 11 2 7 5 N. 4 , 2 2 ff. 306 A. 3, N. 4 , 9 1 2 6 8 A. 1

309

[343] s, i ff. 274 s, 6 274 A. 4 s, 7 ff. 309 5, 19 ff. 281 A.i 5, 25 ff. 339 5,40 ff. 283 5, 46. 49 283 A. 7 5, 50 283 A. 2 5, 53 296 A . 1 5, 54 283 A. 3 6, 1 ff. 275 6, 45 ff. 310 7 292 ff. 7, 1 ff. 270 A. 1, 337 7, 12 299 A. 4 7, 17 300 A. 1 7. 33 303 N. 7, 39 3 " A.i N. 7. 49 314 A. 1 N. 7. 5i 313 N. 7, 54 298 A. 2 N. N. N. N. N. N. N. N. N. N. N. N. N. N. N. N. N.

8$

N. N. N. N. N. N. N. N. N. N. N.

7, 61 316 A. 4 7, 68 315 A. 1 7, 85 321 A. 3 7, 98 322 A. 1 8, 1 ff. 270, 337 8, 22 ff. 310 8, 46 296 A. 1 9, 53 296 A. 1 10 267 s., 338 f. 10, 49 295 A. 1 11 289

J. 1,1 ff. 272 f. J. 1,15 f. 272 J. 1, 32 276 A. 4 J. 1, 45 ff. 278 A. 1 J - 2 275 J. 3, 4 282 A. 5 J. 4, 1 281 J. 4, 16 ff. 307 A. 4

J J J J J J J J J J J J J J J J J J J

4, 72 296 A. 1 5, 1 ff. 270 A. 1, 337 5, 5 ff- 271 A. 1 5. 11—34 305 f-

5, 20 ff. 309 5, 51 ff- 283 5, 62 296 A. 1 6, 1 ff. 272 6,3 283 A. 6 6, 19 ff. 309 6,52

339

6, 56 ff. 283 6, 74 296 A. 1 7, 1 ff. 267 ff. 7, 37 ff- 288 f. 8, 1 ff. 277 ff., 305 8, 12 279 A. 3 8, 13 ff. 280 A. 1 8, 61 ff. 285 f.

Paian 6, 104 ff. 311

Der Druck der nun fertig vorliegenden Arbeit hat, wie ich hier mit herzlichem Dank bekenne, von Kollegen und Freunden vielseitige Unterstützung erfahren. Hans Heinrich Schaeder bestärkte durch seine warme Anteilnahme in mir den Entschluß zur Veröffentlichung. Bernhard Schweitzer hat die mühevolle Durchsicht der Schrift bereitwillig übernommen und sie in freundschaftlicher Weise vertreten. Friedrich Ranke verdanke ich wohlwollende Hilfe und guten Rat bei der Redaktion. Paul Maas und Eduard Fraenkel haben die Korrekturen mit mir gelesen und mich durch ihre Kritik wie ihre Gelehrsamkeit gefördert. Mein geziemender Dank gilt der Königsberger Gelehrten Gesellschaft, die diesem Pindar den Zutritt in den Kreis ihrer Schriften gewährte und so den Druck ermöglicht hat. W . S.