Das Strafgesetzbuch für das Deutsche Reich: Nebst dem Einführungs-Gesetze vom 31. Mai 1870. Dem Einführungs-Gesetze und den Einführungs-Verordnungen zum Preußischen Strafgesetzbuche und der Kaiserlichen Einführungs-Verordnung für Elsaß-Lothringen vom 30. August 1871 [7., verb. u. bereicherte Ausg. Reprint 2018 ed.] 9783111512211, 9783111144481

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Das Strafgesetzbuch für das Deutsche Reich: Nebst dem Einführungs-Gesetze vom 31. Mai 1870. Dem Einführungs-Gesetze und den Einführungs-Verordnungen zum Preußischen Strafgesetzbuche und der Kaiserlichen Einführungs-Verordnung für Elsaß-Lothringen vom 30. August 1871 [7., verb. u. bereicherte Ausg. Reprint 2018 ed.]
 9783111512211, 9783111144481

Table of contents :
Vorrede zur Fünften Ausgabe
Vorrede zur Siebenten Ausgabe
Inhaltsverzeichnis
Erklärung der Hauptsächlichsten Abkürzungen
I. Einsührimgs-Gesetz zum Sttafgesetzbuch für den Norddeutschen Bund vom 31. Mai 1870
II. Strafgesetzbuch für das Deutsche Reich
Erster Theil. Von der Bestrafung der Verbrechen, Vergehen und Uebertretungen im Allgemeinen
Erster Abschnitt. Strafen
Zweiter Abschnitt. Versuch
Dritter Abschnitt. Theilnahme
Vierter Abschnitt. Gründe, welche die Strafe ausschließen oder mildern
Fünfter Abschnitt. Zusammentreffen Mehrerer Strafbarer Handlungen
Zweiter Theil. Von den Einzelnen Verbrechen, Vergehen und Uebertretungen und deren Bestrafung
Erster Abschnitt. Hochverrath und Landesverrath
Zweiter Abschnitt. Beleidigung des Landesherrn
Dritter Abschnitt. Beleidigung von Bundesfürsten
Vierter Abschnitt. Feindliche Handlungen Gegen Befreundete Staaten
Fünfter Abschnitt. Berbrechen und Vergehen in Beziehung auf die Ausübung Staatsbürgerlicher Rechte
Sechster Abschnitt. Widerstand gegen die Staatsgewalt
Siebenter Abschnitt. Verbrechen und Vergehen wider die Öffentliche Ordnung
Achter Abschnitt. Münzverbrechen und Münzvergehen
Neunter Abschnitt. Meineid
Zehnter Abschnitt. Falsche Anschuldigung
Elfter Abschnitt. Vergehen, Welche sich auf die Religion beziehen
Zwölfter Abschnitt. Verbrechen und Vergehen in Beziehung auf den Personenstand
Dreizehnter Abschnitt. Berbrechen und Vergehen wider die Sittlichkeit
Vierzehnter Abschnitt. Beleidigung
Funhehnter Abschnitt. Zweikampf
Sechzehnter Abschnitt. Verbrechen und Vergehen wider das Leben
Siebzehnter Abschnitt. Körperverletzung
Neunzehnter Abschnitt. Diebstahl und Unterschlagung
Zwanzigster Abschnitt. Raub und Erpressung
Einundzwanzigster Abschnitt. Begünstigung und Hehlerei
Zweiundzwanzigster Abschnitt. Betrug und Untreue
Dreiundzwanzigster Abschnitt. Urkundenfälschung
Vierundzwanzigster Abschnitt. Bankerutt
Fünknndzwanzigster Abschnitt. Strafbarer Eigennutz und Verletzung fremder Geheimnisse
Sechsundzwanzigster Abschnitt. Sachbeschädigung
Siebenundzwanzigster Abschnitt. Gemeingefährliche Verbrechen und Vergehen
Neunundzwanzigster Abschnitt. Uebertretungen
Gesetz, Betreffend die Abänderung von Bestimmungen des Strafgesetzbuchs für das Deutsche Reich vom 15. Mar 1871 und die Ergänzung Desselben
Gesetz über die Einführung des Strafgesetzbuchs für die Preußischen Staaten
(Frankfurter) Verordnung
Verordnung, Vom 25. Juni 1867 (Gs. S. 921), (für die neuen Preussischen Provinzen)
Gesetz, betr. Die Einführung Des Strafgesetzbuchs für das Deutsche Reich in Elsaß-Lothringen V. 30. August 1871
Register

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Das

Strafgesetzbuch für

das Deutsche Reich nebst dem Einführungs-Gesetze vom 31.Mai 1870, — dem Einführungs-Gesetze und den Einführungs-Verordnungen zum Preußischen Strafgesetzbuche und dem Einführungs-Gesetze für Elsaß-Lothringen vom 30. August 1871, erläutert durch

Dr. F. C. Oppenhoff, Ober-Staatsanwalt beim Königl. Preuß. Ober-Tribunal in Berlin.

Siebente verbesserte und bereicherte Ausgabe, herausgegeben von

Th. F. Oppenhoff, Ober-Prokurator beim Königl. Landgericht zu Aachen.

Berlin, Druck und Verlag von G. Reimer.

1879.

Vorrede zur fünften Ausgabe. ES war dem Verfasser nicht vergönnt, daö Erscheinen dieser Aus­ gabe zu erleben. Nur wenige Tage vor seinem, am 14. Dezember v. I. erfolgten Hinscheiden wandte er sich an mich, seinen Bruder, mit der Bitte, die von ihm bereits begonnene Bearbeitung derselben fortzusetzen und zu vollenden. Indem ich mich der Erfüllung dieser Bitte, unter Benutzung deS von ihm gesammelten reichhaltigen Mate­ rials, bereitwilligst unterzog, war mein Streben stets dahin gerichtet, das Werk ganz in dem Geiste zu fördern, welcher dasselbe von seinem ersten Erscheinen an beseelte. Wenn die gegenwärtige Ausgabe gleichwohl verhältnißmäßig zahl­ reiche Abweichungen und Zusätze aufweist, so ist dies in Erster Linie den mannigfachen, tiefeingreifenden Aenderungen beizumessen, welche der Text des erläuterten Gesetzbuchs durch die Novelle vom 26. Februar d. I. erfahren hat. Außerdem fällt in die seit dem Beginne deS Drucks der vierten Ausgabe verflossene Zeit der Erlaß deS R.-PreßGesetzeS, deS R.-Militär-Gesetzes, des Personenstands- und Ehe­ schließung--Gesetzes, der Preußischen Vormundschafts-Ordnung und mehrerer anderer, wichtiger Gesetze, deren Vorschriften wegen ihrer engen Beziehungen zu gewissen Materien deS Strafgesetzbuchs in den Kreis der Erörterung gezogen werden mußten und in jener früheren Ausgabe theils nur gegen daö Ende, theils gar nicht mehr Berücksich­ tigung finden konnten. Auf der anderen Seite war, wie bisher, die Doktrin und die Rechtsprechung gewissenhaft zu benutzen, insbesondere die namhafte Bereicherung, welche der Strafrechtsliteratur in den letzten beiden Jahren durch das Lehrbuch von H. Meyer und eine Reihe sonstiger verdienstvoller Schriften zu Theil geworden ist, auf geeignete Weise zu verwerthen. Aachen, den 1. Oktober 1876.

A- I. Hppenljoff. Ober-Prokurator.

Vorrede zur siebenten Ausgabe. Die binnen kürzester Frist in Kraft tretenden ReichS-Justizgesetze werden für die deutsche Strafrechtspflege eine neue Epoche eröffnen. Für die Bearbeitung dieser Ausgabe des vorliegenden Kommentars sind sie schon jetzt von tiefgreifendem Einflüsse gewesen. Denn indem der Kommen­ tar sich zur Aufgabe gestellt hatte, außer der Auslegung des Textes d es Strafgesetzbuchs auch die formale Handhabung des letzteren nach ver­ schiedenen Richtungen hin zu erleichtern, und die reiche Jurisprudenz, welche hier zur Verfügung stand, in umfassender Weise zu benutzen, mußte er selbstredend manche Frage erörtern, welche weniger dem materiellen, als dem Prozeßrechte angehörte, nicht zu gedenken, daß ja schon daö Straf­ gesetzbuch selbst keineswegs überall auf dem Boden des materiellen Rechts stehen geblieben ist. Der Herausgeber erachtete eS daher, um den lei­ tenden Grundgedanken des Kommentars, wie bisher, treu zu bleiben, für geboten, bei den einzelnen Materien auch die einschlagenden Be­ stimmungen der Reichsjustizgesetze in Betracht zu ziehen. Andererseits drängte sich die Frage auf, ob mit Rücksicht auf die nur noch ganz kurze Dauer der Geltung der Landesprozeßgesetze Alles, was bezüglich dieser im Kommentar gesagt wurde, etwa gänzlich auszuscheiden sei. Der Her­ ausgeber hat jedoch keinen Augenblick Anstand genommen, sich für die Negative zu entscheiden, einmal, weil in Betreff aller schwebenden Fälle die bisherige Prozeßgesetzgebung ihre Wirksamkeit in mannigfacher Hinsicht bewahren, mithin noch Jahr und Tag vergehen wird, bevor dieselbe gänz­ lich aufhört, unmittelbar zur Richtschnur zu dienen, sodann aber um des­ willen, weil die Kenntniß und Auslegung derselben auch für die Kenntniß und Auslegung der NeichSjustizgesetze von nicht zu unterschätzender Bedeu­ tung sein und bleiben wird. Aehnliche Betrachtungen bestimmten den Herausgeber, die Erläuterungen der §§ 281—283 deS Strafgesetzbuchs nicht fallen zu kaffen, und zwar um so mehr, als die dereinst an ihre Stelle tretenden Vorschriften der deutschen Konkurs-Ordnung den Inhalt jener §§ vollkommen in sich aufnehmen und demselben nur in gewissen Beziehungen eine größere Tragweite geben. Im Uebrigen glaubt der Herausgeber sich das Zeugniß ertheilen zu dürfen, daß er die neueste Rechtsprechung und Doktrin ebenso gewissenhaft, wie in den früheren Ausgaben, berücksichtigt habe, um den stets wach­ senden Anforderungen, welche an einen Kommentar zum Strafgesetzbuche mit Fug gemacht werden können, soweit eö in seinen Kräften stand, gerecht zu werden. Aachen, 20. August 1879.

W. I. Appenhoff.

Inhaltsverzeichnis

I.

Seite

Einführungs-Gesetz vom 31. Mai 1870 ....................................................

l

ii.

Strafgesetzbuch..........................

Ciulritrnde Bestimmungen.................................... §§

1—12.

17

18

Erster Theil. Bon der Bestrafung der Verbrechen, Vergehen und Nebertretungen im Allgemeinen. Erster Abschnitt. Strafen.............................................. §§13-42. Zweiter Abschnitt. Bersu»............................................§§ Dritter Abschnitt.Theilnahme . '.................................... §§

43- 46.

43 86

47- 50.

95

»der mildern.......................................................... §§

51— 72.

119

Handlungen............................................................. §§

73— 79.

188

Vierter Abschnitt. Gründe, welche die Strafe ausschließen

Fünfter Abschnitt. Zusammentreffen mehrerer strafbarer

Zweiter Theil. Don den einzelnen Verbrechen, Vergehen und Uebertretungeu und deren Bestrafung. Erster Abschnitt. Hochverrath und LandeSverrath. . . . §§ 80— 93. Zweiter Abschnitt. Beleidigung des Landesherrn.... §8 94— 97. Dritter Abschnitt. Beleidigung von BundeSsürsten ... §8 98—101. Vierter Abschnitt. Feindliche Handlungen gegen befreundete Staaten.................................................................... §§ 102—104.

Fünfter Abschnitt. Berbrechen und Vergehen in Beziehung

auf die Ausübung staatsbürgerlicher Rechte.................. §8 105—109.

Sechster Abschnitt. Widerstand gegen die Staatsgewalt . Siebenter Abschnitt. Verbrechen und Vergehen wider die

211 228 232 233 236

S§110—122.

240

öffentliche Ordnung.................................................. 88 123—145.

271 315 323

Achter Abschnitt. Münzverbrechen und Münzvergehen. . S§146—152. Neunter Abschnitt. Meineid........................................... 8§ 153-163.

VI

InhaltSverzeichniß.

Seite Zehnter Abschnitt. Falsche Anschuldigung......................... §§ 164—165. 340 Elfter Abschnitt. Vergehen, welche sich auf die Religion beziehen....................................................................... §§ 166-168. 344 Zwölfter Abschnitt. Verbrechen uud Vergehen in Beziehung auf den Personenstand.................................................. §§ 169—170. 349 Dreizehnter Abschnitt. Verbrechen und Vergehen wider die Sittlichkeit.................................................................§§ 171—184. 352 Vierzehnter Abschnitt. Beleidigung................................ 88 185-200. 370 Fünfzehnter Abschnitt. Zweikampf................................... §§ 201-210. 411 Sechszehnter Abschnitt. Verbrechen und Vergehen wider das Leben....................................................................§§ 211-222. 416 Siebenzehnter Abschnitt. Körperverletzung..................... §§ 223—233. 431 Achtzehnter Abschnitt. Verbrechen und Vergehen wider die persönliche Freiheit............................................. §§234—241.452 Neunzehnter Abschnitt. Diebstahl und Unterschlagung. . 88 242—248. 461 Zwanzigster Abschnitt. Raub und Erpressung................ 88 249—256. 510 Einundzwanzigster Abschnitt. Begünstigung und Hehlerei §8 257—262. 518 Zweiundzwanzigster Abschnitt. Betrug und Untreue . . §8 263—266. 531 Dreiundzwanzigster Abschnitt. Urkundenfälschung ... 88 267—280. 553 Vierundzwanzister Abschnitt. Bankerutt......................... §§ 281—283. 596 FUnfuudzwauzigster Abschnitt. Strafbarer Eigennutz uud Verletzung fremder Geheimnisse.................................. 88 284—302. 612 Sechsundzwanzigster Abschnitt. Sachbeschädigung.... §§ 303—305. 638 Siebeuuudzwanzigster Abschnitt. Gemeingefährliche Derbrechen und Vergehen.................................................. §§ 306—330. 645 Achtuudzwanzigster Abschnitt. Verbrechen uud Vergehen im Amte.................................................................... §8 331—359. 670 Neunundzwanzigster Abschnitt. Ueberrretungen .... 88 360-370. 713 III. Gesetz, betr. die Abänderung und Ergänzung des Strafgesetzbuches, vom 26. Februar 1876 ...........................................................................

793

IV. Einführungs-Gesetz zum Preuß. Strafgesetzbuche vom 14. April 1851 . .

795

v.

(Frankfurter) Einführungs-Verordnung zum Preuss. Strafgesetzbuche vom 12. Dezember 1866 ........................................................................

835

VI.

(Nene) Einführungs-Verordnung zum Preuss. Strafgesetzbuche (für die neuen Provinzen) vom 25. Juni 1867 ......................................................

837

VII. Gesetz, betr. die Einführung des Strafgesetzbuchs für das Deutsche Reich in Elsaß-Lothringen vom 30. August 1871 .......................................

851

VIII. Register.................................................................................................

863

Erklärung der hauptsächlichsten Abkürzungen. 3tam. (v. K. Arm.) bezeichnet! : v. Kamptz: Annalen der Pr. innern Staatsverwal­ tung: Berlin. Annalen der Großh. Badischen Gerichte: Manh. BAnu. Sammlung der Entscheidungen des obersten Gerichts­ BlEntsch. hofs für Bayern: Erlangen. Beschluß des Pr. Ober-Tribunals (der ersten, zweiten Bsschl. (L, II., Pl.) oder der vereinigten Abtheilungen des Senats für Strafsachen). Beschluß des Pr. Ober-Appellations-Gerichts. Besch!. Berner: Grundsätze deS Pr. Strafrechts: 1868. Binding: die Normen und ihre Uebertretnng. Biinding Berner: Lehrb. des D. Strafrechts, 10. Sufi. 1879. BL. Zeitschrift für Rechtspflege im Herz. Braunschweig. D-. Z. Deutsches Handelsgesetzbuch, D. Wechselordnung. D, HGB, D. WO. Einführung-gesetz z. D. StGB. v. 31. Mai 1870. EG. EntscheidungendeSKgl.Ober-TribunalS: Berlin, 1837ff. Emtsch. Einführungs-Verordnung z. Pr. Strafgesetzbuch für Frankfurt v. 12. Dez. 1866. Verfügung deö Pr. Ministers der Finanzen. FMDf. Pr. Forstdiebstahlö-Gef. v. 15. April 1878. Forstdiebst.-Ges. Pr. Feldpolizei-Ordnung v. 1. Nov. 1847. FPO. FuchS: Anklage und Antragödelikte: Breslau 1873. Fachs Goltdammer rc.: Archiv f. Pr. Strafrecht: 1853 ff. GA. B.-Gewerbe-Ordn. v. 21. Juni 1869. Gew^O. Goltdammer: Materialien z. Pr. StGB. Gerichtssaal, Zeitschrift rc.: Stuttgart, 1849ff. GSaal Pr. Holzdiebstahlögesetz v. 2. Juni 1852. HDGes. HH. v. Holtzendorfs: Handbuch d. D. Strafrechtö: 187lff. Verfügung deö Pr. Handelsministers. HMBf. Hälschner: System des Pr. Strafrechts I. II. Thl.: Bonn 1858. 1868. Heinze: Das Verhältniß des Reichöstrasrechts zum Heinze Landesstrafrecht: Leipzig 1871. HEntsch. Entscheidungen des Großh. Hessischen KaffationShosS: Darmstadt. IMbl. Pr. Justiz-Ministerial-Blatt. Verfügung des Pr. Justiz-MinisterS. JMVs. v. Kamptz: Jahrbücher f. d. Pr. Gesetzgebung. Iahrb. (v. K.'Jahrb.) Verfügung deS Pr. Ministers des Innern. Jnn.-MDf. Bericht der Kommission der ersten (zweiten) Kammer KBI., KBII. zum Pr. Strafgesetzbuch. Pr. KaffationS-Hof (Urtheil desselben). v.Kirchmann: das Strafgesetzbuch rc.: Elberfeld, 1870. v. Kirchm. Dersügg d. Pr. Kultus-, bzw. Kriegsministers. KMVf., Kr.-MDf. Löwe: D. Strafprozeßordn. mit Kommentar. Löwe MeveS MeveS: d. Strafgesetz-Novelle rc.: Erl. 1876. Meyer F. Meyer: Das Strafgesetzbuch re.: Berl., 1870. H. Meyer: Lehrb. d. D. Strafrechts, 2. Sufi. 1877. ML. Nestel: Die Antragsberechtigung rc.: Berl. 1873. Nessel RED. Einführungs-Verordnung z. Pr. Strafgesetzbuch f. d. neuen Provinzen v. 25. Juni 1867.

VIII

Erklärungen.

bezeichnet: Strasprozeß-Ordn. f. d. neuen Pr. Provinzem v. 25. Zuni 1867. Erkenntniß des ReichS-Ober-HaudelSgerichtS. OHG. Archiv für die Praxis deS im Großherzogth. OlldenOld. Arch. burg geltenden Rechts: Oldenburg, 1843 ff. Th. F. Oppenhoff: das allgemeine Berggesetz rc., Oppenh. Bergges. erläutert rc.: Berlin, 1870. Th. F. Oppenhoff: die Preuß. Gesetze über die 'Ref­ Oppenh. Reffortges. fs «Verhältnisse rc.: Berlin 1863. Oppenhoff: die Preuß. Gesetze ü. d. öffentliche und Oppenh. Strafverf. mündliche Verfahren in Strafsachen: Berlin, 1860. Otto: Aphorismen z. d. Allg. Th. des StGB.'S: 1873. Otto Puchelt: Das Strafgesetzbuch rc.: Carlsruhe, 1672. Puch. Puchelt: D. Civilprozeßordn. rc.: Leipzig. Puch. TPO. Rechtsprechung des Kgl. Ober.Tribunals in Straf­ RdO. sachen, herausg. v. Oppenhoff: Berlin, 1861 ff., fortges. v. d. Mitgl. d. Gen.-StA. 1876 ff. (Rheinisches) Archiv rc.: Köln, 1820ff. RA. Reber: die Antrags-Delikte rc.: Münch. 1873. Redn D. Civilprozeßordn. v. 30. Jan. 1877. RCPO. D. Gerichtsverfaffungsges. v. 27. Jan. 1877. D. KoukurSordn. v. 10. Febr. 1877. RKO. Lottner rc.: Sammlung der f. d. Pr. Rheinprovinz RS. Zergangenen Gesetze re.: Berlin, 1834ff. D. Strafprozeßordn. v. 1. Febr. 1877. RStPO. Rnho: Kommentar Ü. d. Strafgesetzbuch: 1870ff. Rubo Rüdorff: das Strafgesetzbuch rc. mit Commentar; Rüdorff 2. Aufl.: 1877. v. Schwarze: GerichtSzeitg f. d. Kgr. Sachsen. Schütze: Lehrb. de« D. Strafrechts; 2. Aufl.: 1874 Schütze (Anh. z. Sch.) (Anhang v. Wanieck u. Billnow: 1877). v. Schwarze: Commentar z. D. Strafgesetzbuch rc., 3. AuSg.: 1873 (4. Aufl. 1879). v. Schwarze: Commentar z. D. Strafprozeßordn. Schw. StPO. Sontag: die Festungshaft, Leipzig u. Heidelberg, 1872. Sontag Staudinger: d. Strafgesetzbuch re.: Nördl. 1872. Staudinger v. Holtzendorff: Allgem. deutsche Strasrecht-.Zeitung. StRZ. Striethorst: Archiv f. Rechts fälle rc.: Berlin, 1851 ff. StA. M. Stenglein: Zeitschrift für Gerichtspraxis re. in StZ. Deutschland: München, 1872 ff. Temme: Lehrb. des Pr. Strafrechts: Berlin, 1853. TL. Annalen f. Rechtspflege rc. in den Pr. Rheiuprovinzen. Tr. (Trierer) Ann. Vernichtendes Erkenntniß des Pr. Ober-App.-GerichtS. V. Vernichtendes Erkenntniß des Pr. Ober-Tribunals (im V. (I, n, Pl.) Uebrigen wie bei „Befchl."). Pr. Ministerialblatt für die innere Verwaltung. VMbl. VoituS: Commentar z. D. Strafprozeßordn. BoituS Bollert: Blätter f. Rechtspflege in Thüringen re.: Jena, Doll. v. Kübel, Württemb. Gerichtsblatt: Stuttgardt. WGbl. Erkenntniß des Pr. Ober-App.-GerichtS, welches eine Z. Nichtigkeitsbeschwerde zurückgewiesen hat. Zurückweisendes Erkenntniß des Pr. Ober-Tribunals Z. (i, n, Pl ) (im Uebrigen wie bei „Befchl."). NStPO.

Einsührimgs-Gesetz zum

Sttafgesetzbuch für den Norddeutschen Bund vom 31. Mai 1870. (BundeS-Gesetz-Blatt 1870 Nr. 16, S. 195 ff.)

§. L Das Strafgesetzbuch für den Norddeutschen Bund [für das Deutsche Reich] tritt im ganzen Umfange des Bun­ desgebietes mit dem 1. Januar 1871 [1872] in Kraft. [I- Entrv.: Art. I: II. Entw.: § 1; EG. z. Pr. StGB.; Art. I.] — Vgl. BundeSerfass, (vereinbart mit Baden und Hessen) Art. 80 II. (BGbl. 1870 f. 648); BundeS-Dertr. m. Würtemberg v. 25. Nov. 1870 Art. 2 Nr. 6; BundeSvert. m. Baiern v. 23. Nov. 1870 Art. I § 26, III §8; RGes. v. 16. April 1871, die ReichS-Versaffung betr. § 2; RGes. v. 22. April 1871 § 7; RGes. v. 15. Mai 1871; StGB. § 2. § 1. 1. Aus Grund des Art. 80 der mit Baden und Hessen vereinbarten Bundes­ verfassung sowie der mit Würtemberg und Baiern abgeschloffenen DeitrittSvertrLge v. 25. und 23. Nov. 1870 sind u. a. das „Strafgesetzbuch für den Norddeutschen Bund", sowie das CinsührungSgesetz zu demselben v. 31. Mai 1870 durch §2 Abs. 2 des die ReichSversaffung verkündenden Ges.'S v. 16. April 1871 zu Reichsgesetzen erklärt worden. Der cit. § 2 Abs. 2 bestimmt gleichzeitig: „Wo in denselben [b. h. in den betr. Gesetzen) von dem Norddeutschen Bunde, deffen Verfassung, Gebiet, Mitgliedern oder Staaten, Indigenat, versaffungSmäßigen Organen, Angehörigen, Beamten, Flagge u. s. w. die Rede ist, sind das Deutsche Reich und deffen entsprechende Organe zu verstehen." Demzufolge hat das StGB, selbst durch das R..Ges. v. 15. Mai 1871 unter der Bezeichnung „Strasgesetzbnch für das Deutsche Reich" vom 1. Januar 1872 an eine berichtigte Faffung erhalten. Ein Gleiches ist in Betreff des Eins.Gesetzes nicht geschehen. Dieses ist daher oben in seiner ursprünglichen Faffung abgedruckt, eS sind aber gleichzeitig in Klammern mit lateinischer Kursivschrift die­ jenigen Bezeichnungen eingeschaltet worden, welche nunmehr an die Stelle der ($um Theil) nicht mehr paffenden früheren treten. 2. Das StGB, und das EG. hatten durch das letztere im Gebiete des Nord­ deutschen Bunde- vom 1. Januar 1871 an Wirksamkeit erlangt. Sodann wurden die­ selben durch Art. 80II der Bundesverfassung (cit. n. 1) von demselben 1. Jan. 1871 an in Hessen südlich de- Mains, und vom 1. Jan. 1872 an in Baden eingeführt (vgl. StaatSvertr. v. 15. Nov. 1870: BGbl. (. 651). Ebenso erfolgte die Einsüh. Opvenhoss, D. Strafgesetzbuch. 7. Ausg.

1

2

Eivsührung»«Gesetz § 2.

§. 2 Mit diesem Tage tritt das Bundes- und Landes­ strafrecht, insoweit dasselbe Materien betrifft, welche Gegen­ stand deS Strafgesetzbuchs für den Norddeutschen Bund [für das Deutsche Reich] sind, außer Kraft. rung sürWürtemberg vom 1. 3an. 1872 an durch den StaatSvertr. v. 25. Nov. 1870; vgl. RGes. v. 16. April 1871 § 2. — Für Barern wurde durch den Beitriltsvertr. v. 23. Nov. 1870 I § 26, III § 8 die Geltung des dt. Art. 80 der Bundesverfassung (n. 1) vorläufig außer Anwendung gelassen. Dagegen erfolgte dort die Einführung des StGB.'S und des EG.'S vom 1. 3an. 1872 ab durch das RGes. v. 22. April 1871 § 7, mit einer den § 4 des EG.'S betreffenden Abän­ derung; vgl. dort n. 10. — In Elsaß-Lothringen ist daS StGB, (ohne das EG.) durch Gesetz v. 30. Aug. 1871 vom 1. Oft. ej. an eingeführt; in Betreff deS Näheren stehe das cit. Gesetz am Ende dieses Werks. 3. In dem zwischen Preußen und Belgien gemeinschaftlichen s. g. neutralen Gebiete von Moreönet (bei Aachen) hat weder das Pr. noch da- D. StGB. Gesetzeskraft erlangt, vielmehr gilt dort noch der alte franz. Code pdnal: JMDf. v. 31. Dez. 1852 (RS. X, 532). Der Bewohner jenes Gebiets ist als Ausländer im Sinne des § 4 Nr. 1 des StGB.'S zu behandeln: AH. Köln 4. Nov. 58 (Tr. Ann. X, 7); vgl. jedoch ZII. 16. Nov. 75 (RdO. XVI, 728).

§ 2.

1. Das Eins.-Gesetz z. Pr. StGB, hob im Art. II die in den verschiedenen Theilen des Staats geltenden kodifizirten Strasgesetzbücher im Ganzen auf (vgl. die Bemerkungen zum cit. Art. II) Dagegen beschränkt fich der obige § 2 darauf, das Bundes- und Landesstrafrecht insoweit außer Kraft zu setzen, als es „Materien betrifft, welche Gegenstand des neuen GB.'S sind". Wenn daher die früheren LandeSstrafgesetzbücher Borschriften enthielten, welche andere vom StGB, nicht be­ rührte Materien betrafen, so ist ihre fortdauernde Gültigkeit nicht zu bezweifeln, es sei denn, daß die Beseitigung derselben anderweitig zu begründen wäre, z. B. wenn aus der Entstehungsgeschichte deS StGB.'S hervorgeht, daß sie in dieses grade des­ halb nicht ausgenommen worden sind, um sie für die Zukunst unwirksam zu machen. Indessen hat ein großer Theil der DundeS-Staaten die älteren Strafgesetzbücher aus­ drücklich aufgehoben; so Baiern, Hessen, Mecklenburg, Oldenburg, Braunschweig, Bremen rc. In Preußen ist ein Gleiches nicht geschehen; vgl. aber n. 22. 2. Zu den „Materien, welche Gegenstand deS StGB.'S sind", gehören zunächst die in den „Einleitenden Bestimmungen" und in Thl. I ausgestellten „All­ gemeinen Grundsätze über die Bestrafung der Verbrechen, Vergehen und Uebertretungen". Anderweitige allgemeine Vorschriften der älteren LandeS-Strafgesetzgebungen, auch solche, welche Gesichtspunkte auffassen, die Thl. I des StGB.'S nicht berührt, sind für beseitigt zu erachten, weil ihre Beibehaltung dahin führen würde, daß die Einzelbestimmungen des StGB.'S in dem einen Bundesstaate anders auf­ zufassen und anzuwenden wären, als in den anderen: Darmst. 9. Ott. 71 (HEntfch. 71 f. 30); OHG. 20. Sept. 72 (StZ. II, 17); DL. f. 95 (nimmt nur den im StGB, nicht erschöpfend geregelten Strafvollzug aus). — Jene allgemeinen Grund­ sätze beherrschen das ganze Strafrecht; sie kommen sonach auch bei den in besonderen (Reichs- oder Landes-) Gesetzen enthaltenen Strasvorschristen zur Anwendung, selbst bei solchen Strafsällen, sür welche die Vorschriften eines früheren Landesstrafgesetz, bucheö in Kraft verblieben sind (n. 1): ZII. 28. Oft. 74 (RdO. XV, 718); Manh. 7. Febr. 74 (BAnn. 40 s. 225); vgl. § 57 n. 17; — eS sei denn, daß auS der eigen­ thümlichen Natur der behandelten besonderen Materie die Unanwendbarkeit eines im allgemeinen Theile aufgestellten Grundsatzes nachzuweisen wäre. Wenn dagegen ein in Geltung verbliebenes besonderes Gesetz lediglich für die in ihm geregelten (im StGB, nicht berührten) Straffälle spezielle Vorschriften über die in Thl. I des StGB.'S behandelten allgemeinen Grundsätze enthält, so sind sie mit jenem Gesetze in Kraft geblieben, da hierdurch die Anwendung deS StGB.'S selbst nicht berührt wird; vgl. n. 12; Einl. Best. n. 1. 2: contra (theilw.): Reber n. 92. 3. Für den zweiten, „von den einzelnen Verbrechen re." handelnden Theil deS StGB.'S deutet der Ausdruck „Materien" auf die mit Strafe bedrohten

Einsllhnmg-.Gtsetz § 2.

3

In Kraft bleiben die besonderen Vorschriften des BundeSsReichs-J und Landesstrafrechts, namentlich über strafbare Ver­ letzungen der Preßpolizei-, Post-, Steuer-, Zoll-, Fischerei-, Handlungen, somit weder auf die Gegenstände, in Beziehung auf welche eine Mißthat begangen wird, noch auf die Rechte, die durch dieselbe beeinträchtigt, noch awch auf die Zwecke, die durch sie verfolgt werden: VII. 11. April 61 (RA. 56. II. 131); vgl. Abs. 3 a. E.: „Handlungen, über welche das StGB, nichts bestimmt". Ebensowenig hat derselbe auf die Strafgattungen (;. B. die Polizeiaufsicht) Bezug: BII. 10. Nov. 53 (IMbl. 54 s. 136). — Als Materien sind daher hier die (her­ gebrachten) Verbrechens-rc. Begriffe anzusehen, welche in das System des StGB,'S awfgenommen, in demselben besinnt und geregelt sind: Z. 13. Oft. 69, Z. 29. Juni 70 (RdO. X, 636 ; XI, 378). In dieser Beziehung bieten zwar nicht die AbschnittSUteberfchriften (vgl. Thl. II Abschn. 25 n. 1), wohl aber die in den einzelnen §§ ge­ brauchten allgemeinen technischen Bezeichnungen des betr. Strassalls (: wer ----------, wird „wegen Hochverrats rc." — bestraft) einen Anhaltspunkt. Fehlt e« an einer solchen technischen Bezeichnung, so fragt sich, ob die Begriffsbestimmung eimen in der älteren Strafrechislehre hergebrachten, in der früheren Gesetzgebung be­ rücksichtigten Strafsall hat präzisiren wollen. Wo das eine oder das andere zutrifft, simd alle Bestimmungen der früheren Strafgesetzgebung aufgehoben, welche sich auf denselben bezogen, und zwar selbst dann, wenn da« StGB, jenen VerbrechenSbegriff anders definirt hat, als die älteren Gesetze: HS. I, 24. — Dagegen ist einem Erk. Zrna 25. Sept. 71 (StZ. I, 161) nicht zuzustimmen, wenn es die Frage, welche Gesetze aufrecht erhallen und welche außer Wirksamkeit gesetzt sind, danach beurtheilen wull, je nachdem die Materien „ihres allgemeinen kriminalrechtlichen Charakters wegen überhaupt in die Strafgesetzbücher ausgenommen zu werden Pflegen, oder nicht"; für eine solche Unterscheidung fehlt es an jedem Anhalte; auch kommt es nach § 2 nur darauf an, ob die betr. Materie „Gegenstand des StGB.'S" fei. 4. Nach dem unter n. 3 aufgestellten Grundsätze trifft die Regel des § 2 auch da zu, wo eine besondere landesgesetzliche Vorschrift einen speciellen Thatbe­ stand, welcher an sich der allgemeinen Begriffsbestimmung eines im damals gelten­ de» Strafrechte vorgesehenen Strafsalles entsprach, und also (in Ermangelung be­ sonderer Bestimmungen) nach diesem zu bestrafen gewesen wäre, ausgesondert und unter Berücksichtigung der ihm beiwohnenden Eigenthümlichkeiten mit anderen Strafen bedroht hatte. Mochte damals der Gesetzgeber diesen besonderen Thatbestand als eine für sich bestehende, aus dem allgemeinen Begriffe ausgeschiedene „Materie" aufgefaßt und behandelt haben, so kann diese Rücksicht jetzt nicht mehr zutreffen, da das StGB, für die in ihm behandelten Materien ein einheitliches Recht schaffen wollte, welches eben deshalb mit abweichenden Sonderbestimmungen der einzelnen Bundesstaaten nicht mehr verträglich ist; Beisp.: n. 39—41, 44—49, 52. DaS Gesagte erleidet eine Ausnahme bei den in den Absätzen 2. 3 ausdrücklich aufgezählten bundeS- und laudeöstrafrechtlichen Vorschriften; vgl. hierüber unten n. 7. 12. 5. Mit Rücksicht aus daS unter n. 3 i. A. Gesagte ist aus dem Umstande, daß das StGB, (besonders im Abschn. 29) eine Reihe von Polizeivorschriften enthält, welche in das Gebiet irgend eines speziellen Zweiges der Polizeiverwaltung fallen, z. B. der Feuer-, der Straßen-, Eisenbahn-, Maß- und GewichtS-Polizei rc., nicht zu folgern, daß diese Zweige der polizeilichen Thätigkeit als „Materien" anzusehen seien, aus welche sich daS StGB, beziehe, und daß ebendeshalb alle sonstigen älteren im StGB, nicht wiederholten Strafbestimmungen, welche aus jene Zweige der Polizeiverwaltung zurückzuführen sind, als aufgehoben betrachtet werden müßten. Beispiele vgl. bei §§ 364. 365. 368. 369. 6. Im Abs. 2 bezeichnet der Ausdruck: „besondere Vorschriften rc." (nicht, wie im Art. II des EG.'S z. Pr. StGB-, den Gegensatz gegen daS kodifizirte LandeS-Strafgesetzbuch, sondern) den Gegensatz gegen das in Abs. 1 erwähnte „Straf­ recht, insoweit es Materien betrifft, welche Gegenstand des D. StGB.'S sind". ES gehören sonach diejenigen Strasvorschristen hierher, welche nicht nach dem Grund­ sätze des Abs. 1 durch die Bestimmungen des StGB.'S ersetzt sind; vgl. Heinze i. HH.

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EinsührungSGesetz § 2.

Jagd-, Forst- und Feldpolizei-Gesetze, über Mißbrauch des Vereins- und Versammlungsrechts und über den Holz- (Forst-) Diebstahl. n, 11. — Dabei macht es keinen Unterschied, ob sich jene Vorschriften in den früheren kodifizirten Landeöstrafgesetzbüchern oder in Speeialgesetzen fanden. 7 Anders verhält es sich mit den Zuwiderhandlungen gegen die im Abf. 2 unter «namentlich. ..." hervorgehobenen Gesetze. Sie sind dadurch von Gesetzeswegen als „besondere Vorschriften" hingestellt worden, welche unbedingt in Kraft verblieben sind, selbst wenn sie eine Handlung zum Gegenstände haben, welche (in einer konkreteren Gestaltung) unter den allgemeinen Thatbestand eines im StGB, vorgesehenen Straffalles zu bringen wäre, z. B. Forstweidefrevel: DI. 5 Mai 75 (9tbO. XVI, 352), Widersetzlichkeit gegen Steuer- re. Beamte, Bestechung eines solchen k., insoweit diese Handlungen in den betr. Spezialgesetzen mit besonderen Strafen bedroht sind: ZU. 13. Nov. 73 (RdO. XIV, 717), Merkel i. HH. IH, 672. DaS erleidet nur da eine Ausnahme, wo das StGB, genau denselben Thatbestand (in derselben konkreten Gestaltung, wie ihn früher eines der erwähnten Gesetze vor­ gesehen hatte,) nunmehr zum Gegenstände einer neuen Strafandrohung gemacht hat, oder wo eine spezielle Bestimmung des StGB.'S mit einer jener älteren Gesetze unvereinbar sein würde; in diesen Fällen würde selbstverständlich die Vorschrift deS StGB.'S vorgehen. Dgl. § 275 n. 7. Dieser Grundsatz würde z. B. anzuwenden sein, wenn genau der Thatbestand der §§ 117. 292—296 oder einer der im § 368 unter Nr. 1. 2. 9—11 oder im § 370 unter Nr. 2 aufgezahlten Uebertretungen auch in irgend einem der ausrecht erhaltenen Jagd-, Forst- oder Feldpolizeigesetze mit Strafe bedroht wäre. — Von diesen zuletzt erwähnten Fällen abgesehen, kann es bei den im Abs. 2 aufgezählten Materien allerdings geschehen, daß eine nnd dieselbe Handlung in dem einen Bundesstaate nach dem StGB., in dem anderen nach einem dort in Kraft verbliebenen LandeSgesehe zu beurtheilen und zu bestrafen wäre. Beisp.: die Wegnahme und Aneignung eine« aufstehenden, nicht zur Holznutzung gezogenen Baumes wird in Preußen (insofern nicht § 42 Nr. 2 der FPO. zutrifft) als Dieb­ stahl, dagegen im Königreiche Sachsen (bei geringem Werthe) aus Art. 1 des G.'s v. 11. Aug. 1855 als Forstdiebpahl bestraft: Otto f. 4. 8. Demgemäß (n. 7) sind die LandLS-Feldpolizeigesetze selbst, insoweit sie den Diebstahl (die Entwendung) von Bodenerzeugniffen betreffen, in Geltung ver­ blieben ; vgl. Pr. Ges.v. 22. Mai 1852 Art. III; NEL. v. 25. Juni 1867 Art. IN. VI Nr. 1, welche dieses ausdrücklich aussprechen; sie haben unzweifelhaft als Muster für die Abfassung deS Abs. 2 gedient. DaS Gegentheil ist nicht daraus zu folgern, daß die Gesetze „über denHolzdiebstahl" neben den Forstpolizeigesetzen aus­ drücklich aufgezählt sind; eS erklärt sich dieses dadurch, daß in Preußen der Holzdiebstahl zum Gegenstand eines besonderen Gesetzes gemacht ist. Dgl. Münch. 18. Jan. 75 (BEntsch. V, 17); ML. s. 464; Staudinger zu § 242; contra: Schwarze i. GSaal 22 s. 394; Rüd. s. 77; MeveS i. StRZ. XI, 545; Rubo f. 125; Heinze f. 76. 80. 9. Das Nähere über die aufrechterhaltenen Fischerei- und Jagdpolizei­ gesetze findet sich in den Bemerkungen zu den §§ 292, 296, 368 Nr. 10 u. 370 Nr. 4. 10. Die Lande«-Preßpolizeigesetze sind jetzt durch das R -Preßgesetz v. 7. Mai 1874 außer Kraft gesetzt; da« gilt auch von den die polizeiliche Beschlag­ nahme eine- PreßerzeugniffeS (einschl. der vom Staat-anwalt veranlaßten) betreffenden Bestimmungen. Dagegen sind solche Vorschriften eines älteren PreßgesetzeS, welche lediglich das gerichtliche Verfahren (z. B. bei einer vom Richter angeordneten Be­ schlagnahme) regeln, in Kraft verblieben: Schw. i. SGZ. XVIII, 234. 241. 248. Außerdem haben die älteren Landes-Lorschristen über das öffentliche Anschlagen, Anheften, Ausstellen, sowie die öffentliche unentgeltliche Vertheilung von Bekannt­ machungen, Plakaten und Ausrufen ihre Geltung bewahrt: arg. R.Preßges. § 30 Abs. 2. 11. Abs. 3 bezieht sich nicht lediglich auf die den Konkurs der Nichtkaufleute betreffenden LandeSstrafgesetze; er erhält vielmehr, vorbehaltlich deS unter n. 22 Ge-

EinsührungS-Gesetz § 2.

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Bis zum Erlasse eines Bundesgesetzes [Reichsgesetzes] über den Konkurs bleiben ferner diejenigen Strafvorschriften sagten, auch diejenigen Gesetze vorläufig ausrecht, welche den Konkurs der Kaufleute betreffen (z. B. Art. XII § 2 des EG. z. Pr. StGB., wiederholt im Els-Lothr. Gef. v. 30. Aug. 1871 Art. 7, und § 308 der Pr. Konk.-O), obgleich die Pflichtwidrigleiten, deren sich ein Kaufmann in dieser Hinsicht schuldig macht, unzweifelhaft zu den im Abs. 1 erwähnten Materien gehören; so: ZI. ll.Okt. 76 (RdO. XVII, 649); Rüd. s. 79. 474; MB. s. 522; Merk, in HH. III, 816; contra: Jena 75 (Doll. 23 s. 276); Heinze i. HH. II, 12; Schütze s. 492 n. 5; Otto s. 4; und (theilweise) Schw. s. 194; id. i. GSaal 23 s. 293; 24 s. 81. — Die R.-Konkurö-Ordnung ist nun zwar mittlerweile, nemlich am 10. Febr. 1877 erlassen worden. Sie tritt jedoch nach § 1 des EG. v. demf. Tage erst gleichzeitig mit dem GerichtSverfaffungSgefetze vom 27* Jan. 1877 in Kraft; folgen,eise vollzieht sich auch erst dann die im § 4 jenes EG.'S ausgesprochene Aushebung derjenigen Strasvorschriften, welche rücksichtlich des Konkurses [btr Kaufleute und Nichtkaufleute) in den Landesgesetzen enthalten sind. Unberührt bleiben selbst dann noch die landeSgesehlichen Vorschriften, welche die Nicht­ befolgung der Vorschriften über die Anzeige des zwischen dem Gemeinschuldner und seinem Ehegatten bestehenden GüterrechtS unter Strafe pellen: § 5 1. c. 12. Insoweit §2 (Abs. 2. 3) zutrifft, bleiben die betreffenden Vorschriften in ihrem ganzen Umfange einschließlich der Strafandrohung (mit der im § 6 ausgesprochenen Maßgabe) wirksam; die Beschränkung, welche § 5 für die spater zu erlastenden landeSgesehlichen Vorschriften enthält, ist auf unsern Fall nicht auszu­ dehnen: Rüd. f. 84; Schw. f. 197; Schütze i. GA. 20. f. 358; contra: Heinze s. 84; die von diesem hervorgehobenen Inkongruenzen genügen nicht, um den § 5 in der gedachten Weise auszudehnen. Ebendeshalb haben die „besonderen Vorschriften" der Feldpolizeigesetze rc. (Abs. 2), selbst insoweit sie Abweichungen von Theil I des StGB.'S enthalten, ihre Geltung bewahrt: Dil. 29. Juni 76 (RdO. XVII, 477); vgl. n. 2; §5 n. 2; StGB. §68 n. 41. 13. § 2 entzieht die dort aufrecht erhalteneu landesgesetzlichen Bestimmungen nicht der Abänderung durch die LandcSgesetzgebung. Im Gegentheil ist aus dem § 2 zu folgern, daß letztere in den betreffenden Materien (vorbehaltlich der Bestim­ mung des § 5) ihre Zuständigkeit bewahrt habe; vgl. Bll. 5. Juli 77 (RdO. XVIII, 504: §2 beziehe sich nicht lediglich auf das zur Zeit des Inkrafttretens des StGB.'S bestehende Recht, sondern gewähre der Landesgesetzgebung auch die Besugniß, daS von der Reichsgesetzgebung unberührt gebliebene Landesstrafrecht in Zukunft abzuändern). Dies ist bezüglich des Erlasses neuer Bestimmungen über die Feld- und Forstpolizei, sowie den Holz.(Forst-)Diebstahl in einem BundeörathSbeschlnste v. 13. Febr. 1875 (RAuz. Nr. 48) ausdrücklich ausgesprochen und durch den Erlaß des Pr. Forstdiebst.Ges.'S v. 15. April 1878 praktisch gehandhabt worden. Im Uebrigen vgl. § 5 n. 2. 14. Nach den oben entwickelten Grundsätzen sind solche Bestimmungen, welche Borbereitungshandlungen zu einer im StGB, vorgesehenen Mißthat mit Strafe bedrohen, für aufgehoben zu erachten. Dagegen sind Polizeivorschriften, welche bezwecken, einer Mißthat vorzubeugen, (z. B. Strafandrohungen gegen die Derheimlichung der Schwangerschaft oder Niederkunft), in Kraft verblieben; Heinze s. 35; contra: Schwarze i. GSaal 22 s. 400; Puch. s. 217 n. 2. 15. Ebenso haben Vorschriften, welche die Theilnahme an einer straflosen Handlung (z. D. einem Selbstmorde) als selbstständige Handlung mit Strafe be­ drohen, ihre Wirksamkeit bewahrt; contra: Heinze s. 36; Schw- i. GSaal 22 s. 391. 16. Daraus, daß daö StGB, den Rückfall nicht mehr allgemein als Straf­ schärfungsgrund hingestellt hat, folgt nicht, daß die den Rückfall betr. Vorschriften eneö in Geltung verbliebenen besonderen Gesetzes unwirksam geworden seien; vgl. e. 8. Auf derartige Vorschriften finden die Grundsätze der §§ 244. 245 keine Anvendung; DII. 30. Jan. 73 (RdO. XIV, 93). — In anderen Fallen kann der Rückfall als StrafzumeffungSgrund Berücksichtigung finden: Z. 12. Olt. 72 (RdO. rill, 521). 17. Besondere landeSgesetzliche Bestimmungen, welche den Ungehorsam gegen ene amtliche Weisung mit Strafe bedrohen, sind (trotz der §§ 113 fl. des StGB.'S)

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EinsllhrnngS-Gesetz § 2.

in Kraft, welche rückstchtlich deS Konkurses in Landesgesetzen enthalten sind, insoweit dieselben sich auf Handlungen beziehen, nicht außer Kraft gesetzt: Schwarze i. SGZ. XV, 257; Beistz.: die Ostpreuß. Dorfordn. v. 26. Mai 1786 § 23 (den Ungehorsam g. d. Anordnungen deS Schulzen betr.); Dl. 27. Setzt. 61 (RdO. I, 556). 18. Dasselbe gilt von den Vorschriften, welche eine wahrheitswidrige nichteidlich vor einer öffentlichen Behörde abgegebene Aussage für strafbar erklären (das StGB, sieht nur die Materie der falschen Eidesleistung vor): ML. f .587; Schw. i. GSaal 22 f.395; contra: Heinze f. 117; id. i. HH. II, 7; DreSd. 27. Setzt. 72 (StZ. II, 33); Rubo f. 122; vgl. StZ. III, 307. 19................ebenso von den die widerrechtliche Benutzung fremden Eigenthum- betr. Strafvorschriften, z. B. K. Sachs. StGB. Art. 330 Abs. 3; contra: Dreöd. 17. März 71 (SGZ. XV, 86), „weil § 290 eine solche Handlung des Pfandglaubigers bestrafe"; dieser § beruht aber aus der besonderen Stellung des Pfandgläubigerö zum Pfande; deshalb ist nicht jene ganze Materie zum Gegenstand des StGB.'S gemacht. 20................ ebenso von den Vorschriften, welche eine unerlaubte Eigeumacht (z. B. unerlaubte Selbsthülfe) bestrafen; die möglicherweise hier in Be­ tracht kommenden §§ 113. 123. 124. 137. 201. 246. 303 des StGB.'S finden das Strafbare nicht in der Eigenmacht, sondern in der Verletzung des fremden Rechtes; contra: Heinze s. 36; Dreöd. 17. März 71, Jena 25. Okt. 71 (SGZ. XV, 111; StZ. I, 162); ein Antrag: die Selbsthülfe zu bestrafen, ward in der ReichstagsKommission abgelehnt; vgl. Schwarze i. GSaal 22 s. 392. 21. Dagegen sind ältere Vorschriften, welche jedes Glücksspiel verbieten, jetzt durch die §§ 284. 285 außer Kraft gesetzt: Jena (Voll. 21 s. 280). 22. Aus dem Preußischen StGB, sind keine Bestimmungen in Kraft ge­ blieben. Die allgemeinen Grundsätze desselben wurden durch die deS D. StGB.'S ersetzt (vgl. n. 2). Die im zweiten und dritten Theil enthaltenen, aus die einzelnen Straf­ fälle bezüglichen Vorschriften sind dagegen, insoweit nicht Einzelbestimmungen des D. StGB.'S an ihre Stelle traten, anderweitig für beseitigt zu erachten: die §§ 199. 200. 201. 203 und 265 durch die B.-Gew.-O. (vgl. dort §§ 29. 30. 143. 144. 147. 1. 35; Motive z. StGB. f. 113; an letzterer Stelle wird § 201 für unvereinbar erklärt mit der durch die Gew.-O. zur Geltung gebrachten Freigebung der Geburtshülse); — die §§112. 261 Nr. 4. 262. 270 und 297 deshalb, weil die Vorschläge: entsprechende Bestimmungen in das StGB, aufzunehmen, vom Reichstage abgelehnt worden sind (vgl. Stenogr. Ber. s. 470. 721. 724. 742); damit dürfte die Ausrechthaltung jener §§ für das ganze Gebiet des Pr. Staates unvereinbar sein; so (in Betreff deS § 270 cit.): Beschl. II. 25. Juni 74, Beschl. I. 11. Setzt. 74, Beschl. H. 19. Nov. 74, Beschl. I. 9. Setzt. 75 (RdO. XV, 448. 555. 801; XVI, 568); Schütze f. 494 n. 8; Meveö i. GA. 23 f. 25; contra: (in Betr. de« §261 Nr. 4): Rüd. f. 481 u. 8. und im Prinzip: Rubo s. 122. 128. 178. 194. Von den älteren Preußischen Gesetzen sind folgende weder durch das Pr. noch durch das D. StGB, aufgehoben, also noch geltend: 23................AGO. I, 7 §38, (die Verweigerung der Annahme einer gerichtlichen Verfügung betr.): Beschl. I. 13. Nov. 61 (RdO. II, 54, sprach gleichzeitig au«: die betr. Geldstrafe sei eine Ordnungsstrafe, die nur derjenige Richter verhängen könne, von welchem die Anordnung ausgegangen sei). 24. ------- AGO. I, 23 § 52 Nr. 4, 5; 24 § 40 a. E., betr. frevelhaftes Leugnen im Prozesse; die Strafen können aber nur von dem mit der Sache be­ faßten Civilrichter (1. oder 2. Instanz) verhängt werden: ZI. 12. Juli 54 (Entsch. 28 f. 196); VII 18. Okt. 55 (GA. III, 623). Daraus ist nicht zu folgern, daß die Gegen-Partet die Entscheidung durch Rechtsmittel angreifen könne; es bedarf daher der Zustellung eines von dieser Strafe freisprechenden Erkenntnisses an den Gegner nicht: ZI. 5. Dez. 60 c. Teßmar.

Einsührm,g»>Gesetz § 2.

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über welche daS Strafgesetzbuch für den Norddeutschen Bund [für das Deutsche Reich] nichts bestimmt. [I.. Entw.: Art. II; II. Entw.: § 2; EG. j. Pr. StGB.: Art. II]. Dgl. §§ 3.5; Grnoffensch.-Ges. v. 4. Juli 1868 § 27; EG. J. RKO. § 1. 4. 5. 25............. AGO- III, 1 § 30. 31, Belr. da» Querulireu: ZI. 17. Mai 71, ZU. 22. Sept. 74 (RdO. XII, 268; XV, 578). Jene §§ finden auch auf Beschiwerden bei den StaatSanwalten, General-Kommissionen und überhaupt bei solchen Behörden, welchen durch neuere Gesetze gewisse bis dahin den Gerichten obliegende Fwnctionen übertragen wurden, nicht aber auf Beschwerden bei reinen Verwaltung«, delhörden Anwendung: ZI. 2. Juli 73, ZU. 25. Oft. 77 (RdO. XIV, 482; XVin, 672). Die Strafbarkeit ist durch eine vorhergegangene zweckentsprechende, von dem Amgeschuldigten unbeachtet gelassene Vorbescheidung bedingt: ZI. 15. Jan. 75 (RdO XVI, 52), nicht aber durch die Kenntniß von der Unbegründetheit des Verlangten: Cit. ZI. 2. Juli 73 26.............. ALR. I, 9 § 103, die Bestrafung desjenigen betreffend,, welcher von einem auf seinem Grundstücke gefundenen Schatze der Obrigkeit keine Anzeige macht: DI. 30. Juni 66 (RdO. VII, 396); vgl. § 246 n. 5. 27..............ALR. II, 1 § 170. 1008. 1010, die Strafen der vorsätzlichen Uebertretung eines Ehegesetzes betreffend: DI. 11. Mai 59 c. Fischer. Diese Straf, awdrohung trifft Denjenigen nicht, welcher, um die verbotene Ehe abzuschließen, mit Konsens aus Preußen ausgewandert ist: ZI. 29. März 65 (RdO. VI, 25). 28............. Regl. v. 15. Sept. 1798 § 2 Nr. 4, betr. die anschlagswidrige Verwendung des aus Kgl. Forsten an Berechtigte gelieferten Freibanholzeö; die StrafVorschrift ist auch auf die zum Kron-Fideikommiß gehörigen Forsten anwendbar: OTr. III. Civ.-Senat 10. Sept. 57 (StA. 26 s. 170; vgl. ib. 20 s. 179). 29............. Dorsluths-Edikt v. 15. Nov. 1811 §8.9, betr. das Aufstauen des Mühlenwassers über die durch den Merkpfahl festgesetzte Höhe: DII. 19. April 55, DI. 15. Juni 55 (JMbl. s. 243. 355). 30..............das Holsteinische Ges. v. 17. Juni 1859 § 13, nach welchem der Gemeinschulduer sich strafbar macht, wenn er in der Absicht, seine Gläubiger zu übervortheilen, zu deren Benachtheiligung eine Veräußerung vornimmt: Z. 29. Juni 70 (RdO. XI, 378); vgl. n 11. 31.............. alle Diöciplinargesetze; vgl. Thl. II. Abschn. 23 n. 5. 32. Im Uebrigen vgl. § 263 n. 72 (pct. deS zweimaligen DermiethenS des Gesindes), § 286 n. 12 (pct. des SpielenS in auswärtigen Lotterien), § 360 n. 46 (pct. des unbefugten Tragens der Nationalkokarde), § 361 n. 46 (pct. unzüchtigen Umhertreibens). § 367 n. 26 (pct. der Ankündigung von Geheimmitteln), § 368 n. 5 (pct. feuerpolizeilicher Verordnungen), § 369 n. 27 (pct. der Benutzung un­ gestempelter Maße re. durch Nichtgewerbtreibende). Dagegen sind in Preußen (theilweise bereits durch das EG. v. 14.Apr. 1851) aufgehoben: 33............. AGO. I, 7 § 41, die Bestrafung unrichtiger Jnsinuationöberichte betreffend: ZI. 7. Juni 61 (RdO. I, 428: eine solche Handlnng sei nur noch im DiSciplinarwege zu rügen); contra: früher V. 17. Sept. 52 o. Laser. 34............. ALR. Einl. §23, betr. die Entschuldigung mit der Unkenntniß des Strafgesetzes. 35............. ALR. I, 6 § 114, die Bestrafung der Beleidigungen betr. 36............. ALR..I» 9 §73, wonach als Dieb zu betrachten war, wer dem Richter gegenüber einen Fund ableugnete: ZU. 14. Okt. 58 (GA. VII, 108). 37............. ALR. I, 11 § 740: betr. Bestrafung der Cession resp. Einklagung einer Darlehnöforderung, aus welche die Valuta ganz oder zum Theil nicht bezahlt worden, als Betrugs: ZU. 10. Juli 73 (RdO. XIV, 491); es ist in jedem Einzel­ salle zu prüfen, ob die Begriffserfordernisse der §§ 263 ff. vorliegen. 38............. ALR. I, 14 § 463 — 465 betr. unrechtmäßige Pfändungen (vgl. FPO. v. 1; Nov. 1847 § 75 und Anhang): DI. 9. Okt. 57 c. SmolewSki. 39............. ALR. II, 20 § 242 (die Bestrafung der Hinterziehung fiskalischer Abgaben betr.: durch EG. z. Pr. StGB. Art. II): ZU. 1. Febr. u. 21. Nov. 72 (RdO. XIII, 107. 612).

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Einsühningr-Gisktz 88 2. 3.

§ 3. Wenn in Landesgesetzen auf strafrechtliche Vor­ schriften, welche durch das Strafgesetzbuch für den Norddeutschen Bund [für das Deutsche Reich] außer Kraft gesetzt sind, 40............ C. Civ. Art. 298, 308, fcetr. die Ehebruch-strafen; vgl. §472. 41.............. Rh. HGD. Art. 479, demzufolge Jeder, welcher sich in einer Ver­ sammlung der Gläubiger eines Fallirten auf einen fimulirten Titel stützt, als Theilnehmer am betrüglichen Bankerutt zu bestrafen ist: (Abf. 3 h. 1. bleibt außer An­ wendung, weil die Aufhebung schon durch das Pr. StGB, erfolgte). 42..............Crim.-O. v. 11. Dez. 1805 § 10, die Pflicht zu denunziiren betreffend (durch g 39 des Pr. SIGB.'ö): 231. 17. Nov. 54 (GA. III, 130); vgl. § 139 n. 1; § 141 n. 12. 43.............. die Vdn. v. 14. Juli 1797, insofern sie Strafe androht wider Solche, welche sich vereinigen um bei off. Versteigerungen durch einen vorgeschobenen Namensträger anzusteigern und die angesteigerten Objekte zum gemeinsamen Vor­ theile wieder zu verkaufen, nicht aber, insofern sie dergleichen Vereinigungen für wirkungslos erklärt: OHG. 21. Dez. 75 (St.'ö-Anz. 1876 Nr. 16). 44.............. der Bundesversammlung--Beschl. v. 5. Juli 1832 (Pr. GS. s. 216), soweit er sich aus Vereine und Versammlungen bezog, sowie die AKO. v. 27. Jan. 1858 (GS. s. 13), Studentenverbindungen betreffend, durch das Ges. v. 11. März 1850; vgl. Pr. Versass, v. 31. Jan. 1850 Art. 29. 30; StGB. § 129; contra: GM. U, 156; Schw. s. 387 Note. 45.............. AKO. v. 9. Olt. 1833, die Verhängung des Strafminimnm bei freiwilligem Eingeständniß betr.: Zll. 11. Mai 54 (GA. n, 542). 46............. AKO. v. 20. Juni 1835, die Bestrafung eines Verbrechers betr., welcher wegen früherer Verbrechen bereits zu lebenslänglicher Freiheitsstrafe verurtheilt ist: Z. 8. Sept. 52 c. Heuing (beil.). 47.............. Ges. v. 6. Mai 1837 § 17. 28 k(GS. s. 102), insoweit dasselbe die Aufstellung einer übermäßigen Brandentschädigungsforderung bei einer Versicherungsgesellschaft zum Gegenstände hat; siehe das Nähere bei § 263. 48. Das die Stellung unter Polizeiaufsicht betr. Gesetz v. 12. Febr. 1850 war, soweit eö sich aus Kontrebanden u. Zolldefraudationeu bezog, durch das Pr. StGB, nicht außer Kraft gesetzt worden: ZU. 10. Nov. 53 (JMbl. 54 s. 136). Wohl aber ist dies geschehen durch das das Vereinszollwesen und nameut. lich auch die Bestrafung der Hinterziehungen rc. für das ganze VereinSgebiet neu und erschöpfend regelnde VZollges. v. 1. Juli 1809; § 150 1. c. verweist nur in Betreff der zu erkennenden Art der Freiheitsstrafe, und rücksichtlich der Folgen, welche außerdem die Derurtheilung nach sich zieht, auf die Landeögefetze: die Polizei­ aufsicht war aber keine Folge der Verurtheilung, sondern eine im Urtheil auözusprecheude Strafe; contra: Hartm. Strasgeff. s. 825.

§3.

1. Der Grundsatz dieses § gilt auch für ältere BundeS-Gefetze: Rüd. n. 1; contra: Rubo f. 199 n. 4. 2. Der Ausdruck „ Landesgesetze" ist nicht auf Strafgesetze zu beschränken: er umfaßt auch Prozeß« und Eivilgesetze; ebenso (in Betreff des Pr. Gef.'s v. 22. Mai 1852): Beschl. II. 21. Sept. 76 (RdO. XVII, 585). 3. Die „Verweisung" braucht keine ausdrückliche zu fein; der Gebrauch eines technischen Ausdrucks (z. B. „Verbrechen, Vergehen" im EG. z. Pr. StGB. Artt. XIII, XIV,) genügt; contra: Rubo f. 198 n. 3. 4. Unter den „entsprechenden Vorschriften" sind diejenigen zu verstehen, welche nunmehr im StGB, die betreffende Materie regeln; eö wird also keineswegs vorausgesetzt, daß die einen bestimmten Straffall betreffenden, neuen Vorschriften genau denselben Thatbestand wiedergeben; eö genügt, wenn die neue Vorschrift an die Stelle der älteren tritt und diese dadurch ersetzt. 5. Fehlt es au entsprechenden Vorschriften des D. StGB.'s, so ist die betr. Verweisung gegenstandslos geworden; es darf deshalb nicht etwa auf die außer Kraft gesetzten älteren Vorschriften zurückgegangen werden.

Einführung«.Gesetz §§ 3. 4.

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verwiesen wird, so treten die entsprechenden Vorschriften deS letzteren an die Stelle der ersteren. [I. Enlw.: (fehlt); II. Entw.: § 3; EG. z. Pr. StGB.: Art. III): vgl. R.-Mil.StGB. § 2.

§. 4L Bis zum Erlasse der in den Artikeln 61. und 68. der Verfassung des Norddeutschen Bundes [des Deutschen Reichs] vorbehaltenen Bundesgesetze [Reichsgesetze] sind die in den §§. 81. 88. 90. 307. 311. 312. 315. 322. 323. und 324. deS Strafgesetzbuchs für den Norddeutschen Bund [für das Deutsche Reich] mit lebenslänglichem Zuchthaus bedrohten 6. In Betreff der Anwendbarkeit der „allgemeinen Bestimmungen des SlGB.'s auf die durch besondere Reichs- «der LandeSgefetze vorgesehenen Strasfälle «gl. Cinll. «epst. StGB. (f. 18) d. 1; N.-Mil.-SlGB. $ 2. 7. In Betreff de« Rückfalls vgl. § 2 n. 16.

§4.

1. Das im §61 der Verfassung vorbehaltene R.-Mil.-Gesetz ist unter dem 2. Mai 1874 erlassen worden. Da aber dem § 68 ib. noch nicht genügt ist, so ist § 4 zur Zeit noch in Kraft: Rnbo s. 201 n. 2. 2. Der cit. Art. 68 lautet: „Der Kaiser kann, wenn die öffentliche Sicherheit in dem Bundesge­ biete bedroht ist, einen jeden Theil desselben in Kriegszustand erklären. Bis zum Erlasse eines die Voraussetzungen, die Form der Verkündigung und die Wirkungen einer solchen Erklärung regelnden Reichsgesetzes gelten dafür die Vorschriften deö Preuß. Gesetzes v. 4. Juni 1851." Der obige § 4 ist als eine der durch diesen Art. 68 vorbehaltenen bundeSgesetzlichen Bestimmungen aufzufassen; die dadurch herbeigeführte Modifikation deS gedachten Artikels tonnte eben deshalb erfolgen, ohne daß eö dazu der „Veränderung der Ver­ fassung" nach Anleitung deS Art. 78 derselben bedurft hätte. 3. Die Erklärung deS Kriegszustandes in einem Theile des Bundesgebiets kaun nur durch den Kaiser erfolgen. DaS Staaisministerium und die Militarbefehlshaber (vgl. cit. Ges. v. 4. Juni 1851 §§ 1.2) sind dazu nicht befugt. Ebensowenig kann die ..Erklärung in Kriegszustand" durch eine Erklärung in „Belagerungszustand" nach Anleitung des cit. Ges.'s ersetzt werden; contra: eine Aeußerung deS BundeöKommissarS im RT.: Sten. Ber. f. 776 b. 4. Der Kriegszustand kann nur im Falle eines Krieges, oder im Falle eines Aufruhrs bei dringender Gefahr für die öffentliche Sicherheit erklärt werden: Ges. v. 4. Juni 1851 §§ 1. 2, auf welches Art. 63 der Reichöverfaffung in Betreff der Voraussetzungen der Maßregel verweist. Eine anderweitige „Bedrohung der öffentlichen Sicherheit im Bundesgebiet" reicht dazu nicht hin. 5. Ob der „Kriegsschauplatz" im In- oder Auslande liegt, macht keinen Unterschied, sobald nur nach allgemeinen Grundsätzen die citt. §§ des StGB.'S An­ wendung finden; rgl. R-Mil'StGB. § 9 Rr. 2. 160. 161. 6. Hinsichtlich der Verkündung des den Kriegszustand verhängenden Erlasses vgl. Ges. v. 4. Juni 1851 § 3. Diese besondere VerkündungSart (bei Trommel­ schlag rc.) wurde mit Rücksicht aus die eintretende außerordentliche Strafschärfung für nöthig erachtet, um die Maßregel sofort zur allgemeinen Kunde zu bringen; deshalb muß die Verkündung in jeder Einzelgemeinde vorgenommen werden (sonst hätte die Abweichung von der gewöhnlichen Derkündungösorm eines Gesetzes keinen Sinn); contra: Deschl. I. 19. Apr. 71 (RdO. XII. 215); Rubo s. 203 (welcher aber eventuell bei erwiesener Unkenntniß den § 59 anwenden will). 7. Die Todesstrafe greift nur da Platz, wo sonst ans lebenslängliches Zuchthaus zu erkennen wäre. Insoweit daher die citt. §§ de« StGB.'S die Derhänguug einer andern Strafe gebieten oder gestatten, behält cs dabei auch in dem durch § 4 vorgesehenen Falle sein Bewenden; jene anderen Strafen konkurriren dann

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EiaslihrnrigS-Grsetz §§ 4. 5.

Verbrechen mit dem Tode zu bestrafen, wenn sie in einem Theile des Bundesgebietes, welchen der Bundesfeldherr [der Kaiser] in Kriegszustand (Art. 68 der Verfassung) erklärt hat, oder während eines gegen den Norddeutschen Bund [gegen das Deutsche Reich] ausgebrochenen Krieges auf dem Kriegs­ schauplätze begangen werden. [I. Entw.: (fehlte); II. Entw.: § 4; EG. }. Pr. StGB. (fehlte)) Dgl. R.-verfafs. Artt. 61. 68; Pr. (B..) Ges. v. 4. Jnni 1851 (GS.,. 451); RGes. v. 16. April 1871 §2; RGes. v. 22. April 1871 $7 Abs. 2; R.-Mil.» StGB. §| 9 Nr. 2. 57-59. 160. 161; R-Mil.-Ges. v. 2. Mai 1874.

§. 5. In landesgesetzlichen Vorschriften über Materien, welche nicht Gegenstand des Strafgesetzbuchs für den Nord­ deutschen Bund [für das Deutsche Reich] sind, darf nur elektiv neben der Todesstrafe: John f. 58; contra: Otto f. 6; Rubo f. 213 n. 9. Ferner bleibt die Todesstrafe beim Vorhandensein „mildernder Umstände" ausge­ schlossen, wenn einer der im § 4 cit. §§ des StGB.'s für diesen Fall an Stelle der lebenslänglichen Zuchthausstrafe eine mildere Strafe fetzt. Hiernach ist § 8 des Pr. Ges.'S v. 4. Juni 1851 durch den vorliegenden § 4 ersetzt und beseitigt; Meyer u. 1; contra: Befchl. I. 10. Febr. 71 (RdO. XU. 89); Otto s. 7. 8. Dagegen bleibt § 9 deS cit. Ges.'S für die dort vorgesehenen Fälle nach wie vor in Wirksamkeit. 9. In Betreff des „während eines gegen das Deutsche Reich anSgebrochenev Krieges auf dem Kriegsschauplätze begangenen" LaudeSverraths (Kriegsverraths) sind die Vorschriften des §4 des EG.'S sowie die der §§ 88—92 deS StGB.'ö durch die auf Ausländer und auf Deutsche bezüglichen §§ 160. 57—59 des R.-Mil.-StGB.'S ersetzt. 10. Der § 4 hat (gleich den Artt. 61, 68 der Verfassung) für Baiern keine Geltung, vgl. Schlußprotok. zum StaatSvertr. v. 23. Nov. 1870, Hl § 5 VI; der § 7 Abs. 2 deS R.Gef.'S v. 22. Apr. 1871 bestimmt in dieser Beziehung: „Sn Stelle der Vorschriften de- § 4 des Einführungsgesetzes hat es für Baieru bis auf Weiteres bei' den einschlägigen Bestimmungen deS MilitärßrasrechtS, sowie bei den sonstigen gesetzlichen Vorschriften über daS Standrecht fein Bewenden."

§ 5. .

1. Das Verbot dieses § bezieht sich nur auf die demnächst im Wege der Landesgesetzgebung zu erlassenden Strafvorschristen; in Betreff der neben dem StGB, in Kraft verbliebenen älteren Bundes- und Landesgesetze enthält $ 6 die maßgebende Bestimmung: Schütze i. GA. XX, 359; contra: Rubo s. 193. 2. Die Landesgesetzgebung darf in Zukunft neue Strafvorschristen nur noch in Betreff solcher Materien erlaflen, welche nicht Gegenstand des D. StGB.'s sind: sie darf also nicht einen in dem letzteren vorgesehenen Thatbestand in irgend einer besonderen Gestaltung zum Gegenstände abweichender (dem StGB, derogirender) Vorschriften machen; diese würden unverbindlich sein: Dreöd. 4. März und 27. Sept. 72; vgl Münch. 13. Juni 73 (StZ. II, 33. 354). Dagegen dürfte es nicht unstatthast sein, in Betreff der im § 2 Abs. 2 aufgezählten besonderen Materien, neue (dem StGB, derogirende) Vorschriften zu erlassen; ebenso: DU. 5. Juli 77, DI. 6. Juli 77 (RdO. XVIII, 504. 510); vgl. § 2 n. 7. 9.13; Einl. Best. (s. 18) n. 3; Heinze i. HH. II, 15; Schütze i. GA. XX, 358. — Desgleichen können in Betreff des Konkurses der Nichtkaufleute (bis zum Erlasse eines die Materie regeln­ den Reichsgesetzes, vgl. § 2 Abs. 3) neue landesgesetzliche Vorschristen erlassen werden: Münch. 28. Dez. 72 (StRZ. XIII, 72; BEntsch. II, 307); contra: Rubo s. 196 n. 17; das dürfte aber nicht auf den (im StGB, behandelten) Konkurs der Kauf­ leute auszudehnen sein. Vgl. Jena (Voll. XIX, 244).

Einführung«.Gesetz f§ 5. 6.

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Gefängniß bis zu zwei Jahren, Haft, Geldstrafe, Einziehung einzelner Gegenstände und die Entziehung öffentlicher Aemter angedroht werden. [I. Cntw.: Art. IV; II. Entw.: § 5; EG. z. Pr. StGB.: (fehlte)]. Dgl. § 6. 6.

§. 6. Vom 1. Januar 1871 [1872] ab darf nur auf die im Strafgesetzbuche für den Norddeutschen Bund [für das Deutsche Reich] enthaltenen Strafarten erkannt werden. 3. „Hast" und „Geldstrafe" können nach den Maßbestimmungen de« StGB.'S, jene nur im Höchstbetrage von sechs Wochen, diese aber ohne Grenzbestimmung angedroht werden: Rubo s. 220; contra: Staudinger s. 9 n. 3. 4. In Betreff der „Einziehung einzelner Gegenstände" vgl. § 40. 5. Die Androhung der „Entziehung öffentlicher Aemter" darf sich nur aus solche BerufS-Stellungen beziehen, welche ein öffentliches Amt im Sinne des StGB.'S darstellen; vgl. § 6 n. 7, StGB. §31 Abf. 2 und dort n. 6 ff. Diese „Entziehung öffentlicher Aemter" ist gleichbedeutend mit dem in den §§ 81. 83. 87—-90 erwähnten, neben der Festungsstrafe fakultativ angedrohten „Verluste der bekleideten öffentlichen Aemter", welcher dort mit dem Verluste „der aus öffent­ lichen Wahlen hervorgegangenen Rechte" verbunden ist. Auf diesen wird auch die oben erwähnte „Entziehung" auszudehnen fein, weil sonst (dem Grundsätze des § 6 des EG.'S zuwider) das LandeSstrafgesetz eine Strafart (Entziehung des Amtes ohne gleichzeitige Entziehung der aus öffentlichen Wahlen hervorgegangenen Rechte) an­ drohen würde, welche das StGB, in dieser Weise nicht kennt. 6. Den Verlust anderer Ehrenrechte kann ein LandeSstrafgesetz nicht mehr androhen, insbesondere nicht die Unfähigkeit zur Bekleidung öffentlicher Aemter; — wohl aber die Suspension der Ausübung der bürgerlichen Ehrenrechte während der Dauer einer Untersuchung (sie ist keine Strafe) Heinze s. 106. 7. Ebensowenig kaun ein Landesgesetz eine Arbeitsstrafe androhen; dies er­ leidet nach Rüd. s. 88, Heinze s. 106 in Betreff der Forst, und Gemeinde-Arbeit (§ 6 Abs. 2) eine Ausnahme. Vgl. Pr. Forstdiebst.-Ges. v. 15. April 1878 § 14. 34. 8. Die in einem LandeSgefetz enthaltene Anordnung einer nach §5 unstatt­ haften Strafe würde unverbindlich sein: Reichsversass. Art. 2; Motive v. 1870 f. 156. Inwiefern dann auf eine andere nach § 5 statthafte Strafe erkannt werden könne, ist nach dem unten zu § 8 des EG.'S n. 7 entwickelten Grundsätze zu beur­ theilen; vgl. Heinze s. 134 st. 9. Auf Landes.DiSciplinargesetze findet § 5 keine Anwendung; vgl. § 2 n. 35; Rüd. s. 85; Staudinger s. 9 n. 6; Schw. s. 199; contra: Rubo § 5 n. 4.

§ 6.

1. Der § 6 bezweckt eine Gleichförmigkeit in Betrest der zu verhängenden Strasarten auch für solche Straställe herbeizuführen, welche nicht nach dem StGB., sondern nach einem andern Gesetze zu bestimmen find; demgemäß bezieht sich derselbe sowohl auf die schon vor dem I.Ian. 1871 (1872) begangenen und daher nach den damals geltenden Strafgesetzen zu beurtheilenden Fälle (StGB. § 2), als aus diejenigen, für welche ein in Kraft verbliebenes besonderes Gesetz die Bestrafung regelt: Darmft. 3. Apr. 71, 13. Febr. 72 (StZ. I, 252; HEntsch. 71 B. s. 10. 18); John i. StRZ. XI, 342; contra: v. Bnri i. GSaal 23 s. 161. — Der LandeSgesetzgebung ist vorbehalten, die für die Zukunft beseitigten und die neben dem StGB, in Kraft verbleibenden Landesstrafgesetze mit den Vorschriften des letzteren in Uebereinstimmung zu bringen (§ 8). Insoweit eS hierzu der Modifikation eines Reichsgesetzes bedürfen sollte, könnte die Abänderung selbstverständlich nur im Wege der Reichsgesetzgebung erfolgen. — Darüber, wie zu verfahren sei, wenn eS an einer bezüglichen gesetzlichen Vorschrift fehlt, vgl. § 8 n. 7. 2. Die Vorschrift deS § bezieht sich auf alle Strafarten, auch auf f. g. Ord­ nungsstrafen ; contra: Schw. t. SGZ. XV, 165. Eine Ausnahme machen nur die DiScipliuarsirafen; contra: Rubo [. 149 o. 4; s. 227 n. 5.

12

EinführungS-Gesetz § 6.

3. Unter beit im StGB, enthaltenen „Strafarten" sind nicht blos biejenigicn zu verstehen, welche in den §§ 13—42 des StGB.'ö näher behandelt worden (Irab, sondern alle diejenigen, welche daö StGB, überhaupt kennt und in Einzelfällen an» droht; vgl. StGB. Thl. I. Abschn. 1. n. 2. 4. Die „im StGB, enthaltenen Strasarten" dürfen nur in dem Sinne (in derjenigen Dauer, Höhe rc.) verhängt werden, wie sie das StGB, kennt, z. B. Zuchthausstrafe nur als lebenslängliche oder — wenn zeitlich — im Höchstbetrage von fünfzehn Jahren: Rubo s. 146; contra: Schw. s. 198. 5. Ans andere begrenzende Vorschriften, welche nicht die Strafart betreffen, ist § 6 nicht auszudehnen. Demgemäß kann auf Grund eines anzuwendenden besonderen oder filteren Gesetzes die Einziehung einzelner Gegenstände verhängt werden, selbst wenn sie nicht durch ein vorsätzliches Verbrechen oder Vergehen hervorgebracht, ober zur Begehung eines solchen gebraucht oder bestimmt waren und wenn sie weder dem Thäter noch auch einem Teilnehmer gehören (§ 40); auch das StGB, droht bei einzelnen Uebertretungen ohne jene Beschränkungen eine Einziehung an; vgl. auch § 5. — Ueber die Aberkennung einer Berechtigung vgl. § 40 n 6. 6. Nach dem unter d. 2ff. Gesagten kann aus einem zur Anwendung kom­ menden besonderen Gesetze auch gegen Strafmündige aus Verweis erkannt werden: John i. StRZ. XI, 344; contra: Rüd. f. 87; Heinze s. 98; BL. s. 97. 7. Geistliche Aemter sind keine „öffentlichen Stemter"; es darf daher jetzt von keinem Gerichte auf Entsetzung von einem solchen erkannt werden: ZI. 17. Juni 74 (RdO. XV, 422). Ein diese Strafe androhende- Landesgesetz würde unverbindlich sein (§ 5). Dgl. übrigens StGB. § 31 n. 8. 8. Daö StGB, hat die öffentliche Bekanntmachung einer Derurtheilung nicht als selbstständige Strafe oder als Strafschärfung aufgenommen; sie kommt im § 200 nur noch als Privatgenugthuung vor. Demgemäß sind ältere Vorschriften, welche eine derartige Bekanntmachung nicht als Privatgenugthuung (n. 14), sondern als Theil der Bestrafung anordnen (z. B. Pr. Cr.-Ordn. § 549. 574), für besei­ tigt zu erachten; contra: John t. HH. III, 346; Rubo s. 227 n. 4. Dies gilt namentlich von § 146 Nr. 3 der Gew.-O., betreffend die Bekanntmachung jeder Der­ urtheilung wegen einer Zuwiderhandlung im Sinne des Trucksystems (§ 146 in seiner jetzigen, ihm durch daö RGes. v. 17. Juli 1878 gegebenen Fassung, wiederholt da­ her jene Bestimmung nicht), und von der analogen Vorschrift im § 91 deö Pr. Bergges.'ö v. 21. Juni 1865; vgl. n. 9. 9. Bei Abfassung deö 8 6 ist übersehen worden, daß einzelne im StGB, nicht enthaltene Strafarten durch die (ältere) BundeSgesehgebung bereits anerkannt waren. Das gilt namentlich von der in einzelnen Bundes- und LandeSgeseheu (z. B. Brausteuerges. v. 4. Juli 1868 §25, BBranntw..St.-Ges. v. 8. Juli 1868 §53: DGbl. s. 380. 397; — Pr. Steuer-O. v. 8. Febr. 1819 § 62; Pr. Preßges. v. 12. Mai 1851 §54) angedrohten Entziehung des Rechts zum Betriebe eines bestimmten Gewerbes, welche durch § 143 der Gew.-O. ausdrücklich für Steuer- und Preßvergehen beibehalten war. Es lag, (wie sich aus den Mot. f. 22. 111 ergibt) nicht in der Absicht der RedaktionS-Kommifsion, diese Strafe zu beseitigen; auch sind noch im Jahre 1871 im Reichstage Anträge gestellt worden, welche dahin abzielten, jene Strafandrohungen aufzuheben (Stenogr. Bericht f. 530 ff., 629 ff., 702 ff ); man ging also von ihrer zur Zeit fortdauernden Gültigkeit aus. Nichtsdestoweniger ist die Vorschrift des § 6 so klar und positiv, daß jene Annahme nicht für gerechtfertigt erachtet werden kann; auch fehlt es an einer Strafbestimmung gegen Diejenigen, welche trotz des Berluste« des Rechts den betr. Gewerbebetrieb fortsetzen, da § 147 Nr. 1 der Gew.-O. daS Erforderniß einer polizeilichen Genehmigung voraussetzt und § 148 Nr. 4, 5 sich nur auf die in den §§ 35. 43 ib. vorgesehenen Fälle be­ ziehen; vgl. V. 14. Sept. 72, V. 29. März 73 (RdO. XIII, 452; XIV, 238); Schütze i. GA. XX, 360; Heinze s. 98; id. i. HH. II, 14; MeveS i. StRZ. XI. 554; Rubo f. 193. 225 n. 1; contra: Dl. 28. April 71, ZI. 12. Mai 71, 5311. 7. Dez. 71, Bll. 26. Juni 73 (RdO. XII, 242. 266. 632; XIV, 462); Schw. f. 197; vgl. v. Specht i. GA. XX, 164. — Für Preßvergehen besteht die erwähnte Strafe gemäß § 4 des RPreß-Ges.'S v. 7. Mai 1874 jedenfalls nicht mehr. Die durch das Pr. HDGef. § 46 angedrohte „Untersagung deö gewerblichen Fortbetriebs des Holzhandels" war bereits durch cit. § 143 der Gew.-O. beseitigt. (Die Entziehung der Befngniß

ClnsührmigS.Gesetz § 6.

13

Wenn in Landesgesetzen anstatt der Gefängniß- oder Geld­ strafe Forst- oder Gemeinde-Arbeit angedroht oder nachgelassen ist, so behält eS hierbei fein Bewenden. [I. Enlw.: Art. V; II. (Stille.: § 6; EG j. Pr. StGB.: Art. VIII-X]. Vgl. § 8; StGB. § 2. zur Ausübung des Schiffergewerbes rc. nach § 26 des RGes.'S v. 27. Juli 1877 ist keine Strafe. Dagegen begründet § 23 des NGef.'S v. 21. Olt. 1878 (NGbl. f. 351), indem er gewiffen Gewerbetreibenden unle^ den dort vorgesehenen Voraussetzungen die Untersagung deS Gewerbebetriebes androht, eine wirkliche Ausnahme von der Regel des § 6 h. I.. Vgl. überdies StGB. § 38 n. 6.) 10. Dasselbe (n. 9) gilt von dem Verluste des Anspruchs auf freien Salzbezug, sowie von dem Verluste der Befugnist zur eigenen Verwaltung eines eigenthttmlich besessenen Salzwerkö (BGes. v. 12. Olt. 1867 § 11. 14). 11. Aehnlich verhält es sich mit der in einzelnen Landesgesetzen als Strafe an­ gedrohten „Unfähigkeit zur Ableistung eines Partei-Eideö": Puch. f. 191 n. 3. 12. Dasselbe dürste von dem Verluste deö LootsenPatents (Pr. Regul. v. 5. Aug. 1834 § 19: GS. f. 153) gelten. Daß der durch § 150 der Gew.-O. angedrohte Verlust der Defugniß, jugendliche Fabrikarbeiter zu beschäftigen, als Strafe noch fortbestehe, erkannte zwar § 2 deö RGef.'s v. 12. Zuni 1872 auödrücklich an. Dies ist jedoch, gemäß § 150 cit. in seiner jetzigen Fassung (vgl. RGes. v. 17. Juli 1878 Art. 2), gegenwärtig nicht mehr der Fall. Inwiefern der Verlust deS Rechts zur Anleitung jugendlicher Arbeiter als Folge der Aberkennung der bürgerlichen Ehrenrechte eintrete, darüber vgl. StGB. § 34 n. 10. 13. Nach dem Grundsätze des § 6 darf nicht mehr auf „polizeiliche Gefängnißstrafe" (Pr. StGB. § 333), sondern nur auf „Haft", nicht mehr aus „Konfiskation", oder „Vernichtung", sondern nur auf „Einziehung" eines Gegenstands (§ 40), bzw. „Unbrauchbarmachung einer Schrift rc." (§ 41), nicht mehr auf „Untersagung der Ausübung der bürgerlichen Ehrenrechte" (Pr. StGB. § 21), sondern nur aus den „Verlust" (die „Aberkennung") dieser Rechte erkannt werden (StGB. § 32. 33): DI. 10. Mai 71, Münch. 16. Febr. 77 (RdO. XII, 200; BEntsch. VII, 65). 14. Civil-Entschädigungen, auf welche der Strafrichter zu erkennen hat, werden von der Vorschrift des § nicht berührt, z. B. der Werthcrfatz nach dem Pr. HDGef. § 18; vgl. n. 15 — Dasselbe dürfte von Privatgenugthunngen (z. B. Ab­ bitte, Ehrenerklärung, Widerruf, Schmerzensgeld rc.) gelten, welche in einem in Kraft verbliebenen Landesgesetze angedroht sind; Franke i. GA. XX, 68; contra: John t. StRZ. XI, 347; ML. s. 413, vgl. § 188 n. 32. 15. Nach sranzösischrechtlichem Verfahren ist die Niederlegnng eines ver­ botwidrig (;. B. mit Überschreitung der polizeilich gezogenen Bauliuie, oder zu nahe an einem Staatöwalde; vgl. Ord. v. Aug. 1669 Tit. 27 Art. 18; StRG. v. 25. vcnd. — 22. brnm. XIV; Creuzn. Forst.-Ddn. v. 21. Jan. 1815) errichteten Baues oder die Beseitigung eines verbotswidrig aufgelegten Strohdaches (AKO. v. 2. Juli 1836: RS. V, 313) nicht als Strafe, sondern als Civil-Entschädigung (als Her­ stellung des gesetzlichen Zustandes) anzusehen, welche der Strafrichter aus den Antrag des öffentlichen Ministeriums zu verfügen hat; die eine solche Niederlegung anordnen­ den gesetzlichen Vorschriften sind daher durch § 6 nicht außer Wirksamkeit gesetzt, zu­ mal wenn gleichzeitig die Einziehung der Materialien auszusprechen ist, welche nur durch da- Niederlegen des Baues möglich wird: DII. 22. März 55 (RA. 55 II. 92); 3n. 2. April 68, VII. 7. Febr. 73, VII. 4. Febr. 75 (RdO. IX, 253; XIV, 112; XVI, 103); Gilb. C. d’instr. er. art. 161 n. 30 ff., 165.

16. Die gesetzlich begründete Defugniß der Polizeibehörden, polizeiwidrige Anstalten und Zustände zu beseitigen und die Herstellung des gesetzlichen Zustandes herbeizuführen, ist selbstverständlich durch das StGB, nicht aufgehoben; Beisp.: Gew.-O. § 147 Abs. 3, Unter denselben Gesichtspunkt fällt die Defugniß der Polizeibehörde, die Fortsetzung eines ohne die erforderliche Genehmigung begonnenen Gewerbebetriebs zu hindern (ib. § 15), oder einem Unqualistcirten einen Gewerbetrieb zu untersagen (ib. §35), oder endlich eine ertheilte Approbation rc. zum Gewerbebetriebe zurückzu.

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Einführungs-Gesetz § 7.

§. 7. Vom 1. Januar 1871 [1872] ab verjähren Zu­ widerhandlungen gegen die Vorschriften über die Entrichtung nehmen ib. § 53. 54. 151), nicht minder die auf § 8 der Pr. Ddu. v. 11. März 1850 beruhende Befugniß der Polizeibehörde, einen politischen Verein, welcher die ihm gezogenen Beschränkungen überschreitet, vorläufig zu schließen. DaS Gleiche hat das OTr. wiederholt in Betreff der durch Straferkenntniß auszusprechenden definitiven Schließung eines solchen Vereins angenommen (§ 16 1. c.). 17. Abs. 2 behält die in einzelnen LandeSgesetzen statt der Gefängniß- oder Geldstrafe als Strafe angedrohte oder nachgelaffene Forst- oder Gemeinde arbeit bei. Unter „Gefängniß" ist hier die in den Einzelstaaten bisher bestehende einfachere Form der Freiheitsstrafe, im Gegensatz gegen die geschärften, zu verstehen; es gehört daher „Gefängniß" und „Poliieigefängniß" im Sinne des Pr. StGB.'S („Haft": § 18) hierher. — Außerdem dürfte die Forst- und Gemeindearbeit auch da, wo fie als Prinzipal-Strafe angedroht ist, beizubehalten sein. Vgl. übrigens § 18 n. 3. 18. Die s. g. „Handarbeitsstrafe" (Kgl. Sächs. StGB. Art. 23) ist künftig nur noch als Forst- oder Gemeinde-Arbeit statthaft: Otto s. 9. 19. An den vor dem 1. Jan. 1871 [1872] verhängten demnächst rechtskräftig gewordenen Berurtheilungen wird durch § 6 Nichts geändert; fie find so, wie fie ausgesprochen worden, zu vollstrecken: Motive s. 17. ES verbleibt sonach auch bei solchen Strafarten, welche das StGB, nicht mehr kennt, und bei den an solche Straf­ arten nach der früheren Gesetzgebung fich knüpfenden Folgen: (ein im entgegengesetzten Sinne gestellter Antrag ward im RT. abgelehnt: Sten. Ber. s. 152 ff.). DaS gilt ;. B. von der Unfähigkeit eines Verurtheilten zur Verwaltung seines eigenen Vermögens oder zur Ablegung eines eidlichen Zeugnisses oder zur Verstattung zu einem nothwendigen Eide, wenn diese Folgen mit der Derurtheilung (z. B. zum Ver­ luste der Ehre oder mit der Untersagung der Ausübung bürgerlicher Ehrenrechte) verknüpft waren: Beschl. I. 19. Apr. 71. Beschl. H 1. Juni 71, VI. 25. Okt. 71, Beschl. I. 20. Dez. 71, Präj. Pl. 16. Spt. 72, Zl. 9. Juni 75 (RdO. XU, 213. 292. 531. 669. 670; XIII, 457; XVI, 432); OTr. IV. Civ.-Sen. 12.Nov. 72 (StA. 87 s. 14); ähnlich verhält eS fich mit den Wirkungen einer früher verhängten Polizei­ aufsicht; vgl. Jnn.-MJnpr. v. 12. April 1871 § 1 (JMbl. f. 127). Contra: v. Dar i. GA. XX, s. 78 — Vgl. aber für Preußen den Kgl. Gnaden-Erlaß v. 28. Febr. 1872 u. die Jnn.-MVf. v. 9. März 1872 (BMbl. s. 80). 20. Dagegen ist § 6 auch für den Richter zweiter Instanz maßgebend, selbst wenn die Aburtheilung erster Instanz unter dem alten Rechte erfolgt war; jener muß daher die ergangene Derurtheilung (unter Wahrung einer eingetretenen relativen Rechtskraft) mit der jetzt geltenden Gesetzgebung in Einklang bringen, sollte auch eine Abänderung des ersten Urtheils nicht stattfinden.

8 7. 1. Die dreijährige Frist gilt für die Strafverfolgung der betr. Zuwider­ handlungen. Für die Vollstreckung der erkannten Strafen ist nur § 70 maßgebend. 2. Abgesehen von der hier bestimmten Dauer der BerjährungSzeit, kommen die allgemeinen Grundsätze, welche daS StGB, in Betreff der Verjährung der Strafverfolgung (z. B. in Betreff der Unterbrechung derselben) ausstellt, auch bei den im § vorgesehenen Zuwiderhandlungen zur Anwendung; vgl. Einll. Bestst. n. 2. 3. Der § gilt für Zuwiderhandlungen aller Art, einschließlich der nur mit einer s. g. Ordnungsstrafe bedrohten: DU. 1. Juli 75 (RdO. XVI, 504); eine Ausnahme hiervon enthält R.-Brausteuerges. v. 31. Mai 1872 § 40: die Verfolgung der nach diesem Gesetze zu verhängenden Ordnungsstrafen verjährt in Einem Jahre. 4. Die Postgefälle und die der Reichsgesetzgebung unterliegenden Abgaben (zu welchen mit Ausschluß von Bayern, Würtemberg und Baden auch die Branutweivuud die Biersteuer gehören) fließen in die Reichskasse; vgl. ReichSverf. Artt. 35. 38. 49. Das gilt von dem Ertrage der Zölle, der Salz-, Tabaks-und Rüben­ zuckersteuer, des Wechsel- und Spielkarteustempels (ReichSverf. Artt. 35. 38; Ges. v. 10. Juni 1869 u. 3. Juli 1878). Gleichwohl ist tz 7 auf die Zuwider-

EinführungS-Gesetz §§ 7. 8.

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der Branntweinsteuer, der Biersteuer und der Postgefälle in drei Jahren. [I. II. Entw. (fehlte). Dgl. ReichSverf. Art. 35. 38. 49; BTabakSsteuergef. b. 26. Mai 1868 § 12; Wechselstempelges. v. 10.3nnt 1869 § 17; DZollges. v. 1. Juli 1869 § 164; Ges. b. 1. Juli 1869 (die born Zollgebiete ausgeschlossenen Hamb. Gebietstheile betr.) § 12, Braust.-Gef. b. 31. Mai 1872 §40; Spielkartenft.-Ges. b. 3. Juli 1878 § 20. Preußen: Dgl. Ges. b. 22. Mai 1852 Art. V (GS. s. 252); NEB. b. 25. Juni 1867 Art. XI; — Kgl. Erlaß b. 28. Febr. 1872 (GS. s. 259).

§. 8. Der Landesgesetzgebung bleibt vorbehalten, UebergangSbestimmungen zu treffen, um die in Kraft bleibenden Handlungen gegen die diese Abgaben betreffenden Vorschriften nicht auszudehnen. Zollkontrebanden und Hinterziehungen berjähren nach dem DZollges. b. 1. Juli 1869 § 164 und dem (Hamburger) BGes. v. 1. ej. Art. 12 ebenfalls in drei Jahren, bloße Ordnung-widrigkeiten in Zollangelegenheiten dagegen in Einem Jahre, Zuwider­ handlungen gegen die Vorschriften deS TabakSst.-Ges.'S v. 26. Mai 1868 nach § 12 ib. in fünf Jahren; Wechsel - und Spielkartenstempelhiuterziehungen rc. nach § 17 des Gef.'s b. 10. Juni 1869 bzw. nach § 20 des Gef.'s b. 3. Juli 1878 in drei Jahren. Das Salzst.-Ges. b. 12. Ott. 1867 und das Zuckerst.-Gef. b. 26. Juni 1869 enthalten in Betreff der Verjährung keine besonderen Bestimmungen, es kom­ men daher hier die Vorschriften deS StGB?- zur Anwendung. Ein Gleiches ist der Aall in Betreff der Abgaben bon Bier und Branntwein an die Gemeinden; so: Jena 9. Dez. 75 (StZ. VI, 90: weil der Gesetzgeber beim Erlaffe des EG.'S nur solche Verbrauchssteuern dieser Art im Auge gehabt habe, welche nach Art. 38 der BDerfass. in die BnndeSkaffe fließen sollten). 5. In Preußen berjähren nach dem Ges. b. 22. Mai 1852 Art. V und nach der NEV. Art. XI „Vergehungen und Uebertretungen". welche durch Zuwiderhand­ lung gegen die Vorschriften über die Entrichtung der Steuern, Zölle, Postgefälle, Kommunikation-abgaben und aller übrigen öffentlichen Abgaben und Gefälle be­ gangen werden, in fünf Jahren;" diese Vorschriften sind, soweit nicht eine neuere Gesetzesbestimmung (insbesondere also § 7) zutrifft, in Kraft verblieben: Z. 7. Juni 71 (RdO. XU, 313).

§8. 1. Da in Zukunft nach § 6 auf andere als die im StGB, enthaltenen Strafarteu nicht mehr erkannt werden darf, so wird in allen Fällen, wo aus einem älteren Landesgesetze auf eine im StGB, nicht enthaltene Strafart zu erkennen wäre, die gesetzliche Regelung nöthig, welche Strafart jetzt an die Stelle der unzulässtg gewor­ denen treten soll. Diese Regelung ist der Landesgesetzgebung überlasten worden, in­ soweit es sich bon der Abänderung eines Landesgesetzes handelt; dagegen bersteht es sich bon selbst, daß die erforderliche Abänderung eines Bundes-Gesetzes nur im Wege der Reichsgesetzgebung ergehen kann. 2. Die Landesgesetzgebung hat die erwähnte Aufgabe (n. 1) nicht blos in Be­ treff der „in Kraft bleibenden Landesstrafgesetze", sondern auch in Betreff der durch da- StGB, außer Kraft gesetzten, insoweit dieselben noch ans ältere Strafsälle Anwendung finden; es bedurfte indessen keines hierauf bezüglichen Vorbehaltes, da die Reichsgesetzgebung durch eine derartige Aenderung nicht berührt wird. 3. Bei Erörterung der Frage, ob ein älteres Gesetz eine im StGB, nicht enthaltene Strafart androhe, ist die in jenem Gesetze der Strafe beigelegte Bezeich­ nung (der Name) nicht entscheidend; es kommt vielmehr lediglich daraus an, ob sie ihrem Wesen nach (wenn auch bielleicht unter einer anderen Benennung) einer Strafart deS StGD.S entspricht. 4. Bei ber vorzunehmenden Abänderung der in besonderen Gesetzen an­ gedrohten Strafarten ist § 5 als maßgebend anzusehen; es dürfen also für die Zu­ kunft nur die dort aufgezählten Strafen bestimmt werden. Dieses ist aber nicht auf solche Vorschriften auszudehnen, welche die wegen älterer Straffälle nach einem

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Einfiihrullg-.Gesttz § 8.

Landesstrafgesetze mit den Vorschriften deS Strafgesetzbuchs für den Norddeutschen Bund [für das Deutsche Reich] in Ueber­ einstimmung zu bringen. [I. Eatw. (fehlte); n. Entw.: § 7; EG. r Pr. StGB. (sehlte)I. jetzt durch das StGB, außer Kraft gesetzten Gesetze -u verhängenden Strafen regeln, da es sich hierbei von solchen Materien handelt, welche Gegenstand de« StGv.'s geworden sind; vgl. Heinze s. 92. 5. Die Landesgesetzgebung darf ein Reichsgesetz, z. B. daS StGB, selbst, eben­ sowenig erläutern, als sie dasselbe abzuändern befugt ist; (eine solche Erläuterung führte dahin, daß das-Reichsgesetz in verschiedenen Bundesstaaten verschieden anzu­ wenden wäre); derartige Vorschriften würden unverbindlich sein; vgl. § 5 n. 8. — Das gilt auch da, wo das StGB, durch die fakultative Fassung einer Strafvorschrift dem Richter-Amte ein Ermessen übertragen hat; auch dieses kann durch landesgesetzliche Vorschriften nicht beschränkt werden. Das Gegentheil dürfte da an­ zunehmen sein, wo einzelne Maßnahmen in das Ermessen einer verwaltenden Be­ hörde (z. B. der Staatsanwaltschaft) gestellt sind; Deisp.: §§ 15.16. 22; vgl. Heinze s. 49; id. i. HH. H, 9. 6. Eine Uebersicht und Kritik der aus Grund des § in den einzelnen Bundes­ staaten ergangenen AuSsührnngSgesetze (Verordnungen rc) giebt Heinzens Schrift. 7. Fehlt es an einer maßgebenden Uebergangsbestimmung, so sind solche Strafandrohungen, welche eine im StGB, gänzlich beseitigte Strafart betreffen, als aufgehoben anzusehen: ML. s. 81. In Betreff solcher Strasarten aber, welche in veränderter Art in daS StGB, übergegangen sind, ist nach dem unter v. 3 a. E. aufgestellten Grundsätze zu verfahren. Ergiebt es sich bei dieser Prüfung, daß irgend eine Strasart zwar nicht in derselben, wohl aber in einer milderen Form im StGB, vorkommt, so ist anzunehmen, daß diese mildere Form jetzt an die Stelle der früher angedrohten strengeren getreten sei: Darmst. 3. Apr. 71 (HEntsch. 71 B. f. 18). 8. In Betreff der in Preußen anzuwendenden Strasarten vgl. die Bemerkungen z. EG. z. Pr. StGB. (Eingang n. 1 ff.), Artt. VIII. IX.

Strafgesetzbuch für

das Deutsche Reich (in der Fassung de- Reichsgesetzes vom 26. Febr. 1876, RGbl. f. 25).

Strafgesetzbuch.

Vgl. B.-RechtShülse-Ges. v. 21. Juni 1869 (23(561. s. 305, eingeführt in die süddeutschen Staaten durch die vereinbarte Bundesverfassung Art. 80 I Nr. 19, die StaatSvertr. mit Würtemberg u. Bayern v. 25. bezw. 23. Nov. 1870 und die NGes. v. 16. u. 22. Apr. 1871, in ElsaßLothringen durch Ges. v. 11. Dez. 1871); RGVG. §§ 157 ff. — R.-Brausteuerges. v. 31. Mai 1872 § 42 (ib. s. 166). 1. DaS RGes. v. 15. Mai 1871 hatte dem am 31. Mai 1870 verkündeten „Strafgesetzbuch für den Norddeutschen Bund" unter der Bezeichnung „Strafge­ setzbuch für das Deutsche Reich" vom 1. Jan. 1872 ab eine neue, dem Gesetze v. 16. April 1871 § 2 Abs. 2 entsprechende Fassung gegeben. An Stelle der letzteren ist die hier abgedruckte Fassung getreten, und zwar aus Grund des RGes.'S v. 26. Febr. 1876 (der f. g. Novelle zum StGB.), welches nicht allein eine Reihe von §§ ab­ änderte, sondern auch mehrere ganz neue §§ dem StGB, hinzufügte. 2. Das StGB, ist als ein für sich bestehendes Gesetz für das ganze Reich er­ gangen. Es sollte dadurch Einheit des Strafrechts und eine gleichmäßige An­ wendung destelben für alle dem Reiche angehörigen Staaten erzielt werden. Dem­ gemäß dürfen die Bestimmungen desselben nicht mit Rücksicht auf die sonstigen in den einzelnen Staaten geltenden Gesetzgebungen, sondern nur aus der Reichsgesetzgebung erläutert werden; wo diese keine Anhaltspunkte für die Auslegung au die Hand giebt, darf nur auf die allgemeine Rechtslehre zurückgegangen werden. Im Uebrigen muß der Sprachgebrauch entscheiden. 3. Das unter n. 2 Gesagte erleidet da eine Ausnahme, wo der Thatbestand eines Straffalles durch das Bestehen eines bestimmten civilrechtlichen Verhält­ nisses, oder durch daö Vorhandensein einer civilrechtlichen Bestimmung (z. B. über eine Berechtigung) bedingt ist. Es versteht sich von selbst, daß in einem solchen Falle die betr. civilgesetzlichen Vorschriften zu berücksichtigen sind. 4. DaS Reichsgebiet ist, soweit es sich von der Anwendung und Handhabung eines Reichsgesetzes handelt, ein einheitliches Ganzes (§ 8); es ist sonach in der gedachten Beziehung in jedem BundeS-Staate das Gebiet eines jeden andern BundeS-StaateS als Inland, und der Angehörige jedes andern BundeS-StaateS als Inländer anzusehen. Demgemäß kann jeder Deutsche wegen einer durch ein ReichSgesetz vorgesehenen Mißthat in jedem andern Bundesstaate verfolgt und bestraft werden, sobald dort nach den maßgebenden Strafprozeßgesetzen ein Gerichtsstand begründet ist: Münch. 24. Jan. 74, Stuttg. 17. Dez. 75 (StZ. III, 266; WGbl. XI. 387) Rüd. f. 110; Heinze i. HH. II, 18; v. Bar n. Spinola i. GA. XVIII, 89; XX, 322; Schütze (. 55 n. 1; contra: Schwarze u. Franke i. GA. XXI, 64. 72. Dagegen gilt der obige Grundsatz nicht, insoweit es sich von der Anwendung eines Landesgesetzes, insbesondere also auch, insoweit eö sich von der Handhabung der ver-

Oppenhoff, D. Llrafgesetzbuch. 7. Ausg.

2

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Einleitende Bestimmungen.

Einleitende Gestimnmngeu *). schiedenen in den einzelnen Bundesstaaten zur Zeit noch gellenden Strasprozeßgefetze handelt. In dieser Beziehung steht jeder Bundesstaat selbstständig da, und jedem andern als Anöland gegenüber; vgl. § 8 n. 7. 8. Das BGes. v- 21. Juni 1869 (§ 20 ff.) regelt die wechselseitig zu leistende Rechtshülfe, und stellt im § 39 nur den allgemeinen Satz auf, daß „bei Anwendung der Civil- und Strasprozeßgefetze, welche Vorschriften zum Nachtheile der Ausländer enthalten", jeder Deutsche als Inländer anzusehen sei. Erst mit dem Inkrafttreten der R.-Instizgcsetze tritt in dieser Hinsicht eine vollständige Aenderung ein, indem alsdann auch in Bezug auf das durch die RStPO. geregelte Strafverfahren ganz Deutschland als Inland gilt, die Entscheidungen eines deutschen Gerichts mithin durch ganz Deutschland vollstreckbar stnd und die Wirkungen der bei einem Gerichte eingetretenen Rechtshängigkeit oder rechtskräftigen Entscheidung vor jedem anderen Gerichte geltend gemacht werden können rc. Die betreffenden Bestimmungen deS Rechtshülfe-Ges/S kommen daher dann nicht mehr zur Anwendung, ausgenommen bezüglich solcher strafrechtlichen Vorschriften eines Bundesstaates, bei welchen das in der RStPO. geregelte Strafverfahren nicht Platz greift; vgl. Mot. z. RGVG. — Hiernach schließt zur Zeit noch eine in dem einen Bundesstaate eingeleitete Untersuchung die Verfolgung derselben Person in einem andern Bundesstaate nur dann aus (non bis in idem), wenn die That im Gebiete jenes Staates begangen und die Verpflichtung zur Auslieferung durch die §§ 21 bis 26 1. c. nicht ausgeschlossen war: 1. c. § 35; vgl. Stuttg. 15. Nov. 72 (StZ. II, 137). Don diesem Falle abgesehen steht ein in dem einen Staate ergangenes Urtheil nnd seine Vollstreckung einer abermaligen Verfolgung (derselben Person wegen der­ selben That) in einem anderen Staate nur dann entgegen, wenn jenes auch in dem letzteren in Gemäßheit der §§ 21 ff. 33 1. c. wirksam werden könnte; vgl. Endemann: die Rechtshülse re. re. (Berlin 1869) s. 128; contra: Puch. s. 18. Dieser gut Zeit noch bestehende Mangel muß bei der Handhabung der Strafverfolgung möglichst ausgeglichen werden. Im Uebrigen unterliegt es keinem Bedenken, daß die Vor­ schriften, nach welchen eine im Auslande ergangene Aburtheilung (Strafvollstreckung re.) einer abermaligen Verfolgung im Inlande entgegensteht oder wenigstens bei der aber­ maligen Aburtheilung zu berückstchtigen ist (vgl. § 4 Nr. 3, §§ 5. 7), auch im Ver­ hältniß verschiedener Bundesstaaten unter sich Anwendung finden; vgl. § 4 n. 35; § 5 n. 4. 5. Insoweit das StGB, die Verfolgung einer im Auslande begangenen That nach inländischen Gesetzen gestattet (§§ 4. 5), kann diese Verfolgung bei jedem inländischen Gerichte eintreten, wo nach den maßgebenden Prozeßgesetzen ein Gerichtsstand begründet ist. Vgl. § 4 n. 13. In Betreff der KollisionSfälle findet auch hier das unter n. 4 Gesagte Anwendung. 6. Die Landesgesetzgebung kann daS StGB, weder abändern noch erläutern; vgl. EG. § 8 n. 6.

*) Einleitende Bestimmungen. 1. In Ermangelung besonderer Vorschriften haben die in den „Einleitenden Bestimmungen" und im Ersten Theile des StGB.'S gegebenen allgemeinen Grundsätze auch für die durch (ältere oder neuere Reichs- oder Landes-) Gesetze geregelten Materien Geltung; vgl. EG. § 2 n. 2. 2. Dagegen find unzweifelhaft mit einem nicht aufgehobenen besonderen Ge­ setze auch die in demselben enthaltenen oder zu seiner Ergänzung ergangenen auf die allgemeinen RechtSgrundsätze bezüglichen Sonder-Bestimmungen in Kraft verblieben, — vorausgesetzt, daß jene Bestimmungen auch früher schon eine Besonder­ heit für die betr. Materie und nicht etwa nur die Anwendung eines damals allge­ mein geltenden, hier nur wiederholten, im StGB, aber abgeänderten SayeS dar­ stellten: DII. 22. Febr. 55 (RA. 50. H. 79); ZII. 8. März 55 (Entsch. 31 s. 304); V. 7. Juni 71 (RdO. XII, 313); DreSd. 4. Apr. 74 (SGZ. XVÜI, 216). Auch solche in Geltung verbliebene Spezialbestimmungen sind aber, soweit sie die betr. Lehre nicht erschöpfend behandeln, aus den allgemeinen Vorschriften deö StGB.'S zu ergänzen. Enthält daher ein Spezialgesetz für die behandelten Materien Bestim­ mungen über die Verjährung, so ist die Unterbrechung re. derselben nach dem StGB.

Einleitende Bestimmungen. § 1.

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§. 1. Eine mit dem Tode, mit Zuchthaus, oder mit Festungshaft von mehr als fünf Jahren bedrohte Handlung ist ein Verbrechen. Eine mit Festungshaft bis zu fünf Jahren, mit Gefäng­ niß oder mit Geldstrafe von mehr als einhundertfünfzig Mark bedrohte Handlung ist ein Vergehen. zu beurtheilen, insofern nicht auch sie im Spezialgesetz ausdrücklich eine besondere Regelung erfahren hat: eit. DII. 22. Febr. 55. 3. Den einzelnen Bundesstaaten ist eS unbenommen, bei dem Erlasse beffonderer LandeS-Strasgesetze in Betreff solcher Materien, auf welche sich das StGB, nicht bezieht, für diese auch rücksichtlich der allgemeinen RechtSgrundsätze der einlei­ tenden Bestimmungen und des Tbl. I. abweichende Vorschriften zu erlaffen, unbeschadet der beschränkenden Bestimmungen der §§ 5. 6 deö EG.'S. Vgl. EG. § 5 n. 2.

§ i.

1. ES wäre zu wünschen gewesen, daß das StGB, einen technischen Ausdruck für eine „mit Strafe bedrohte Handlung" im Allgemeinen festgestellt hätte. Der Derfaffer bat sich gelegentlich in diesem Sinne der Ausdrücke „Straffall" (vgl. EG. z. Pr. StGB. Art. VI. XXIII; Pr. NStPO. v. 25. Juli 1867 §§ 52. 55. 57. 58. 66. 346. 356), oder (nach dem Vorbilde der Carolina) „Mißthat" bedient. 2. Die Klassifizirung einer Mißthat richtet sich stets nach dem höchsten Maße der in abstracto zulässigen, nicht nach der im Einzelsalle zu verhängenden Hauptstrase: Motive s. 15. Dabei sind auch die im Gesetz speziell hervorgehobenen, zum einfachen Thatbestände hinzutretenden, die Strafe erhöhenden thatsächlichen Mo­ mente („erschwerende Umstände", Rückfall) zu berücksichtigen, — contra (in Betreff des Rückfalls, der Gewerb- oder GewohnheitSmäßigkeit): Schütze f. 209, — nicht aber solche Umstände, welche den Thatbestand selbst bestehen laffen und lediglich aus individuellen, der Person de« Thäters angehörenden Gründen eine Milderung der ordentlichen Strafe zur Folge haben, z. B. Reiz (§ 213), oder die vom Gesetz berücksichtigten „mildernden Umstände": Rüd. n. 2; Otto n. 2; Puch. f. 5 n. 6, Heinze i. HH. II, 516, Schütze s. 85, 209; contra: Schaper t. HH. II, 101; BoituS i. GSaal 26 f. 516; letztere bleiben sonach bei Beantwortung der Frage, welche Verjährungsfrist maßgebend sei (§ 67), außer Betracht: ZII. 10. Jan. 61 (RdO. I, 199); con(r«: Schw. s. 284. Ebenso ist aus sie bei Regelung der Zuständig­ keit keine Rücksicht zu nehmen, da erst der im Allgemeinen zuständige erkennende Richter das Vorhandensein jener Voraussetzungen feststellen kann: VII. 24. Juni 58 c. Kerpen; eine Ausnahme von dieser Regel enthält für das Gebiet des rheinpr. Rechts das Ges. v. 4. Mai 1853, für Elsaß-Lothringen daS Ges. v. 30. Aug. 1871 Art. XU. WaS endlich die Schuldfrage im Sinne der RStPO. betrifft, so gehören die „mil­ dernden Umstände" nicht zu den gemäß § 262 Abs. 2 ib. in jener Frage begriffenen „von dem Strafgesetze besonders vorgesehenen Umständen, welche die Strafbarkeit vermindern." 3. Auch die Jugend (Strafunmündigkeit) behandelt daö StGB, als indivi­ duellen StrafmilderungSgrund; die That behält somit den ihr nach der Höhe der angedrohten ordentlichen Strafe beiwohnenden Charakter: sie bleibt ein Verbrechen (Vergehen), und die für diese vorgeschriebene Verjährungsfrist maßgebend, selbst wenn wegen jenes Milderungsgrundes die Strafe die in den Abff. 1, 2 erwähnte Höhe nicht erreichen kann; vgl. § 57 Nr. 4 (:„ist die Handlung ein Vergehen rc., so kann auf Verweis erkannt werden"); Rüd. n. 2; Münch. 17. Febr. 72 (BEntsch. H, 35); contra: Wolfenb. 14. Juli 74 (Br. Z. 21 s. 116); Schw. s. 242. Doch sind nach den meisten Landeö-Prozeßgesetzen und nach § 73 des RGDG. für die Verbrechen Strafunmündiger die Strafkammern als erkennende Gerichte zuständig; vgl. §56 n.10. 4. Die neben der Hauptstrafe Platz greifenden Nebenstrafen (vgl. Thl. I. Abschn. 1 n. 2), z. B. die Einziehung, oder der an die Stelle derselben tretende Werthersatz, sind für die Charakteristrung der Mißthat ohne Einfluß: VI. 30. Apr. 73, Z. 20. Sept. 73 (RdO. XIV, 315. 565).

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Einleitende Bestimmungen. § 1.

Eine mit Haft oder mit Geldstrafe bis zu einhundertfünfzig Mark bedrohte Handlung ist eine Uebertretung. [I. II. Entw.: | 1; Pr. StGB.: § 1.] Dgl. Elf.-Lothr. Ges. v. 30. Aug. 1871 Art. XI; R-.Mil.-StGB. § 1. Preußen: Dgl. EG. ,. Pr. StGB. Art. VIII—X. XIH-XV. 5. Die mit Geldstrafe von mehr alö 150 Mark bedrohte That ist ein Der. gehen, selbst wenn die ev. zu substituirende Freiheitsstrafe nur in Haft besteht (Beisp.: Gew.-O. § 147): ZI. 6. Mai 74 u. 13. Nov. 78 (RdO. XV, 283; XIX, 529), oder wenn die einheitliche Gesammtstrafe sich aus verschiedenen Faktoren zusammensetzt, deren jeder 150 Mark nicht übersteigt: v. 7. März 74 (ib. XV, 134). 6. Droht das Gesetz verschiedene Strafarien, sei es alternativ, sei e« kumulativ an, so ist die schwerere Strafart für die Klassifizirung maßgebend; eine Mißthat ist sonach auch dann ein Vergehen, wenn wahlweise neben der GefLngnißstrafe Hast angedroht ist (vgl. § 185. 186), dagegen eine Uebertretung, wenn sie außer der Haft noch eine 150 Mark nicht übersteigende Geldstrafe nach sich zieht; vgl. DII. 4. Okt. 66 (RdO. VH, 506). 7. Auch der strafbare versuch einer Mißthat, sowie die Anstiftung und die Beihülfe zu einer solchen sind mit Rücksicht auf die für sie angedrohten Strafen nach Anleitung des § 1 zu klassifiziren. Wäre daher die vollendete That im höchsten Maße nur mit einjähriger Zuchthausstrafe bedroht, so wäre der Versuch der­ selben (nach § 44 Abs. 1 und 4) ein Vergehen; (das StGB, kennt aber solche Fälle nicht). 8. „Handlung" umfaßt hier auch die firasbare Unterlassung einer durch eine Pflicht gebotenen Handlung: Mot. s. 16. 9. Die Eintheilung des § ist eine alle Straffälle umfassende. Sie bezieht sich daher auch auf die durch, besondere Reichs- oder LandeSstrafgesetze vorgesehenen; vgl. Els.-Lothr. Ges. v. 30. Aug. 1871 Art. XI; EG. z. Pr. StGB. Art. VIH, n.l. 10. Enthält ein neben dem StGB, in Kraft verbliebenes besonderes Straf­ gesetz die Androhung einer sechs Wochen nicht übersteigenden Freiheitsstrafe, so ist die That als Vergehen oder als Uebertretung anzusehen, je nachdem die Strafe jetzt als Gefängniß oder als Haft zu vollstrecken sein wird. Zu Preußen sind alle solche Mißthaten Uebertretungen; vgl. EG. z. Pr. StGB. Art. VIH o. 3. 4. 11. Richtet sich die Höhe des Strafmaßes nach dem jedesmaligen Objekte des Einzelfalles (wie bei Zoll- und Steuerhinterziehungen), so ist für die Qualifizirung der That als Uebertretung oder Vergehen nicht die unbestimmte Strafe, mit welcher die Handlung im Allgemeinen belegt werden kann, sondern die im konkreten Falle verwirkte Strafe maßgebend; übersteigt diese nicht das Maß einer Geldstrafe von 150 Mark, so ist die Handlung eine Uebertretung und auch prozessualisch als solche zu behandeln (unbeschadet der Vorschriften des Pr. Ges.'s v.3.Mai 1852 Art. 142 und des Pr. Ges.'s v. 22. ej. Art. V. VI): DI. 12. Febr. u. 30. Apr. 73, 6. Dez. 76 (RdO XIV. 130. 315; XVH, 793); vgl. Pr. NStPO. § 484. 485. — Liegtein Rückfall vor, so ist die Rückfallsstrafe entscheidend: ZDII. 8. Okt. 1857 c. Mayland. Dagegen bleibt der einzuziehende Gegenstand bezw. der an seine Stelle tretende Werthersatz außer Berücksichtigung: cit. DI. 30. Apr. 73. — Vgl. n. 14. 12. Dieselben Grundsätze sind maßgebend, wenn sich die Strafe nach der Höhe des Schadenersatzes richtet; vgl. in Betreff des Näheren EG. z. Pr. StGB. Art. XIV n. 6. 13. Treffen mehrere Straffälle realiter zusammen (88 74. 75.77. 78), so ändert der Umstand, daß in der Regel wegen aller zusammen auf eine Gesammstrafe zu erkennen ist, nichts an dem Charakter der Einzelthat: für diese bleibt die Höhe der für den Einzelfall angedrohten Strafe maßgebend. Nach ihr ist auch die Zuständigkeit des berufenen Gerichts zu bestimmen. 14. Aehnlich verhält es sich, wenn sich die Strafe nach der Zahl der Ob­ jekte der verpönten Handlung richtet: eine Zuwiderhandlung gegen die Vorschriften des Pr. Ges.'s über die Schonzeiten des Wildes v. 26. Febr. 1870 (Strafe z. B. für ein während der Schonzeit erlegtes Stück Rothwild: Geldbuße von 90 Mark) ist eine Uebertretung, sollten auch gleichzeitig zwei oder mehr Stücke Rothwild erlegt worden sein. Dasselbe gilt von dem Feilhalten rc. rc. ungestempelter Kartenspiele (RGes. v. 3. Juli 1878 § 10).

Einleitende Bestimmungen. § 2.

21

§. 2. Eine Handlung kann nur dann mit einer Strafe belegt werden, wenn diese Strafe gesetzlich bestimmt war, be­ vor die Handlung begangen wurde. §

2.

Aburteilung. 10. Analogie: 3. App.-Richter: 10. 11. Ausnahme: 8. Buße: 26. Ttvtlhaftbarkeit: 25. Ehrenstrafe: 15. Erfolg: 22. Erschwerende Umst. 12. Feststellung: 13. 23. 24. Gesetzeswechsel r 5. 12. - Aenderung: 5. - Anwendung: 10. 17.

Inhalt:

Gesetz, milderes: 10—24. - Mischung: 14. - temporäres: 7. 8. Hauptstrafe: 15. Mehrht. v. Handll.: 22. Mild. Umstände: 12. Nebenstrafe: 15. Nichtiak.-Richter: 10. Pol.»Verordnung: 6. 8. Rechtskraft: 10. II. Rückfall: 12. Schadensersatz: 26. Spez.-Gesetz: 6. 8.

Strafandrohung: 15. 16. Strafantrag: 18. Strafe, Ausschließung: 12. Strafe, Bestimmung: 1. 2. Strafe, Milderung: 12. Strafunmündiger: 17. Strafverfolgung: 17. Strafvollstreckung: 21. Thatbestand: 13. Untersuchungshaft: 20. Verjährung: 12. 19. 21. Zeit d. That: 23. Zweifel r 23. 24.

1. Die Strafe ist „gesetzlich" bestimmt, wenn sie durch einen in verfassungs­ mäßiger Weise ergangenen gesetzgeberischen Erlaß, oder auf Grund und in Gemäßheit einer gesetzlichen Vorschrift durch eine dazu berufene Behörde angedroht ist. Vgl. über den Erlaß von Polizei-Derordnungen Thl. II. Abschu. 29; Pr. Pol.-Ges. v. 11. März 1850 § 5 ff. (GS. s. 266); Bdn. v. 20. Sept. 1867 § 5-17 (GS. s. 1529) und für Sachsen die Inn. MVdn. v. 14. Dez. 1870 sowie DreSd. 9. Okt. 76, SGZ. 21 f. 221 (welchen zufolge sogar eine blos an eine einzelne Person gerichtete, polizei­ liche Strafandrohung nach Sächsischer Gesetzgebung und § 2 h. 1. eine genügende Grundlage für eine polizeirichterliche Strafe bilden soll). — Trifft dies zu, so kann einer entgegenstehenden Gewohnheit die Bedeutung eines derogirenden Gewohnheits­ rechts höchstens dann zugestanden werden, wenn dieselbe den ganzen Geltungsbereich der betreffenden „gesetzlichen Bestimmung" ergreift: ZI. 8. Dez. 75 (NdO. XVI, 780). 2. Die Strafe ist (zeitlich) „bestimmt", wenn der Augenblick eingetreten ist, mit welchem das verkündete Gesetz rc. wirksam wird. 3. Analogie darf bei der Strafrechtspflege nur zum Zwecke der GesetzeSauSlegung Berücksichtigung finden; sie darf nie dahin führen, daß ein Gesetz aus eine nicht unter dasselbe fallende That angewendet werde; vgl. HS. I, 78. 88. 4. Redaktionsversehen darf der Richter nicht berücksichtigen; ebenso: v. Wächter t. GSaal 29 f. 321; contra: Sont. Redaktionsversehen, f. 42, 52. Da­ gegen ist die Ausscheidung von Schreib-, bzw. Druckfehlern Sache der (auch dem Richter zustehenden) Texteökritik: v. Wächter 1. c. 5. Die Vorschrift des Abs. 2 beruht aus der grundsätzlichen Auffassung, daß der Gesetzgeber, wenn er ein bestehendes Strafgesetz beseitigt oder mildert, die frühere Strafandrohung für unangemessen, über das Bedürfniß hinausgehend ansehe und daß eö ebendeshalb nicht gerechtfertigt sei, dieselbe künftig noch für solche Fälle wirksam werden zu lassen, welche unter der Herrschaft des jetzt beseitigten Gesetzes begangen waren. Bet einem wiederholten Wechsel soll dagegen der Angeschuldigte nicht darunter leiden, daß die Aburtheilung nicht früher unter der Herrschaft des zwischenzeitlich in Geltung gewesenen milderen Gesetzes erfolgt war. — Demgemäß greift Abf. 2 überall Platz, wo das Strafgesetz als solches eine Abänderung er­ fahren hat. wo also der Gesetzgeber in Beziehung auf die Strafbarkeit einer be­ stimmten Handlungsweise grundsätzlich zu einer anderen Auffassung gelangt ist: ZI. 7. Juli 69, BII. 3. Juni 75 (NdO. X, 487; XVI, 417). Sie bleibt dagegen ausgeschlossen, wo andere im Strafgesetze vorausgesetzte, persönliche oder sachliche Beziehungen eine derartige Aenderung erfahren haben, daß in Zukunft der betr. Thatbestand entweder überhaupt oder unter den besonderen Verhältnissen des Einzelfalles nicht mehr vorkommen kann: z. B. wenn das durch die Mißthat verletzte Recht inzwischen erloschen oder aufgehoben worden ist. Das gilt selbst dann, wenn jene Aenderungen ihren Grund in einem Wechsel der Gesetzgebung aus einem an­ deren als dem strafrechtlichen Gebiete hatten. ES ist selbstverständlich, daß die un­ züchtige Handlung, welche ein Vormund mit seinem minderjährigen Mündel vor-

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Einleitend« Bestimmungen.

8 2.

Bei Verschiedenheit der Gesetze von der Zeit der began­ genen Handlung bis zu deren Aburtheilung ist das mildeste Gesetz anzuwenden. [Gntro. I. u. II; § 2; Pr. StGB.: § 2; EG. z. Pr StGB.: Art. IV.] Preußen: Vgl. Ges. v. 3. April 1846 (GS. f. 151); Bdn. v. 3. Jan. 1849 § 125; Rh- StPO. Art. 364; NStPO. § 262; Vers. v. 31. Jan. 1850 Art. 8. nimmt, auch dann auö § 174 Nr. 1 zu bestrafen ist, wenn ein inzwischen verkünbete« Gesetz den Großjährigkeitöterrnin in der Weise verändert hat, daß danach der Mündel zur Zeit der That nicht mehr minderjährig und somit daö VormundschastSVerhältniß aufgehoben gewesen wäre. Ebenso bleibt auch eine Steuer- oder Zolldesraude oder der Mißbrauch der Firma eines Ausländers bei einer Waarenbezeichnung strafbar, sollte auch inzwischen die Steuer aufgehoben, die Waare für zollfrei erklärt (die betr. Zollschranke gefallen) oder der die Gegenseitigkeit de- Etiketten­ schutzes verbürgende Staatövertrag außer Wirksamkeit getreten sein, (das den Thatbestand mit Strafe bedrohende Gesetz ist dadurch nicht geändert): ZI. 13. Juni 66, ZI. 12. Jan. 72, DI. 19. Febr. 75, ZU. 3. Juni 75 (RdO. VII, 424; XIII, 36; XVI, 141. 417); contra: Schw. s. 205; Rubo n. 11. Ebenso bleibt die Derabsäumung einer für die Kassirung einer Wechselstempelmarke ergangenen Vorschrift strafbar, selbst wenn inzwischen diese Form-Vorschrift aufgehoben wurde: VII. 11. Zan. 74 (RdO. XV, 396). — Nach gleichen Grundsätzen ist überhaupt stets zu verfahren, wenn ein Strafgesetz nicht aus dem Eingangs entwickelten Grunde, sondern lediglich deshalb in Wegfall kommt, weil es durch eine anderweitige gesetzliche Regelung eines rechtlichen Verhältnisses gegenstandlos geworden ist, so daß in Folge der getroffenen neuen Einrichtungen die Voraussetzungen desselben nicht mehr eintreten können; vgl. Münch. 30. Nov. 73 (BEntsch. III, 59); GA. 22. s. 60. Daher zieht eine Verletzung des Salz mono polS deö Staats die früher angedrohten Strafen auch jetzt nach sich, ungeachtet inzwischen das Monopol gänzlich beseitigt und durch eine Besteuerung er­ setzt worden ist: VH. 18. Febr. 69 (RdO. X, 98); contra: Beschl. I. 2. Juli 69 (RdO. X, 478) in Beziehung auf einen vor Einführung des den Handel mit Spielkarten freigebenden Pr. Ges.'S v. 23. Dez. 1867 verübten unkonzefsionirten Handel dieser Art. Dagegen ward angenommen, daß eine unter der Herrschaft deS § 199 des Pr. StGB.'S stattgehabte unbefugte Ausübung der Heilkunde straflos bleibe, nachdem das (im § 199 vorausgesetzte) Erforderuiß einer Approbation in Folge der §§ 29. 30. 147 Nr. 3 der Gew.-O. weggefallen ist: ZI. 9. Febr. 70, ZU. 31. März 70 (RdO. XI, 85. 220). 6. Der Grundsatz des Abs. 2 gilt allgemein, wo seine Voraussetzungen zu­ treffen, er kommt sonach auch bei besonderen Reichs- oder LandeS-Strafgesetzen und nicht minder bei den durch Polizei-Verordnungen ergangenen Strafverboten zur Anwendung: VII. 18. Jan. 55 (JMbl. s. 106); Münch. 22. Apr. 74 (StZ. IV, 5); v. Bar i. GA. XIX, 80; contra: HS. I, 42. Doch ist es gestattet, die Anwendung' deffelben bei landeögesetzlichen Strafvorschriften ausdrücklich auszu­ schließen: VII. 5. Juli 77 (RdO. XVIII, 504); vgl. EG. § 5 n. 2. 7. Eine nur zeitweise Suöpendirung eines BerbotSgesetzeS rechtfertigt nicht die Anwendung des Abf. 2; Münch. 22. Apr. 74 (eit. n. 6). 8. Ebensowenig findet Abs. 2 Anwendung, wenn ein Strasverbot mit Rück­ sicht auf ein temporäres Bedürfniß von Anfang an als ein nur zeitweise geltendes erging, fei es daß der Zeitraum sofort genau angegeben, oder daß für die Dauer der Geltung in anderer Weise ein Endpunkt bestimmt worden ist, z. B. wenn ein Verbot nur bis zum Eintritte eines künftigen Ereignisses oder bis zu der von vorneherein in Aussicht gestellten Wiederaushebung in Kraft treten soll (z. B. ein temporäres Ein- oder Ausfuhrverbot). Hier bleiben die zur Zeit der Geltung der Vorschrift verübten Zuwiderhandlungen strafbar, selbst wenn inzwischen jene Geltung ihr Ende erreicht hat: VII. 18. Jan. 55 (eit. n. 6); ZI. 23. Oft. 67, ZU. 22. Juni 76 (RdO. Vin, 631; XVII, 448); Münch. 30. Dez. 73 (StZ. III, 149). 9. Gleichgültig ist eö, ob die Mißthat nach dem neuen Gesetze unter dieselbe oder unter eine andere Kategorie strafbarer Handlungen gehört, als nach dem altm Gesetze: Wolsenb. 16. Febr. 72 (StZ. I, 216).

Einleitende Bestimmungen. § 2.

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10. Die Worte: „bis zu deren Aburtheilung" beziehen sich auf die Ent. fcheidungen des Richters, insoweit er daS Strafgesetz „anzuwenden" hat; das trifft auch beim Richter zweiter Instanz zu; derselbe muß daher die seit Verkündung des ersten Urtheils eingetretenen Aenderungen in der Gesetzgebung berücksichtigen: ZI. 5. Juli 72 (StA. 86 s. 135). Dagegen hat der Pr. Nichtigkeitörichter die Richtigkeit der Gesetzanwendung nur vom Standpunkte desjenigen Gesetzes ans zu prüfen, welches zur Zeit des Erlasses des angefochtenen instanzlichen Urtheils galt; entsprach sie diesem, so kann nicht deshalb vernichtet werden, weil in der Zwischenzeit ein mil. dereS Gesetz verkündet worden: ZII. 5. Jan. 71, Z. 18. Jan. 71, ZI. 15. Febr. 71 (RdO. XII, 9. 37. 95); vgl. Jena (Voll. VIII, 367. 368. 372. 373); Schw. f. 207; contra: BL. f. 258; Rubo n. 10. Dasselbe dürfte für das Rechtsmittel der Revision unter der Herrschaft der RStPO. Rechtens sein; vgl. dort §. 376. Ist aber daö iustanzliche Urtheil aus irgend einem Grunde vernichtet, so muß bei der nunmehr erfolgenden neuen „Aburtheilung" auch das zwischenzeitlich in Wirksamkeit getretene mildere Gesetz Berücksichtigung finden, ohne Unterschied, ob diese neue (iustanzliche) Aburtheilung durch ein neubesaßteS Instanzgericht oder durch den Nichtigkeitsrichter selbst erfolgt; contra: ZI. 14. Juli 71 (RdO. XII, 415) für den Fall. wo ein unter der Herrschaft deö älteren Gesetzes ergangenes Urtheil vernichtet, der damals ergangene Geschworneufpruch aber aufrecht erhalten worden ist (bedenklich). 11. Die relative Rechtskraft deö den Angeschuldigten ausdrücklich mit dem „geringsten gesetzlichen Strafmaße" belegenden Urtheils erster Instanz hindert den App.-Richter nicht, dieses Urtheil zu bestätigen, sollte auch ein inzwischen in Wirksamkeit getretenes neues Gesetz eine fernere Herabsetzung der Strafe gestatten: ZI. 12. Juli 71 (RdO. XII, 391). 12. Bei einem Gesetzeöwechfel soll „das mildeste Gefetzt angewendet werden; der Richter hat also eine Vergleichung beider Gesetze vorzunehmen, insoweit sie auf den abzuurtheilenden Fall Anwendung finden können. Er muß diese Prüfung nach Maßgabe des vorliegenden Thatbestandes unter Berücksichtigung aller nach dem einen wie nach dem andern Gesetze erheblichen thatsächlichen Momente vornehmen; dabei kommen für jedes der Gesetze auch alle die Strafe ausschlie­ ßenden, mildernden oder schärfenden (thatbestandlichen) Gründe in Betracht, z. B. erschwerende Umstände, Rückfall, Unzurechnungsfähigkeit, Zwang, Nothwehr. Nothstand, Kindesaller, Mangel der Erkenntniß der Strafbarkeit, Verjährung rc. Im Hinblicke auf alle diese Umstände ist zu untersuchen, ob und welche Strafan­ drohung nach dem einen oder anderen Gesetze für den so ermittelten (vollständigen) Thatbestand maßgebend sein würde, — und es ist dann dasjenige Gesetz anzuwen­ den, welches sich bei der Vergleichung als das mildere herausstellt: Stuttg., 17. Apr. 72, Manh. 30. Juli 72, ZI. 29. Sept. 75 (StZ. I, 251; Bilnn. 39 f. 117; RdO. XVI, 617); vgl. § 73 n. 14, Schütze f. 50; DL. f. 258; contra: Schw. f 202. 205. (vgl. jedoch ib. s. 294); Heinze s. 61; Otto f. 12; Rubo f. 257: sie wollen nicht „das mildeste Gesetz" anwenden, sondern die mildeste der nach dem einen vder an­ deren Gesetze zn arbitrirenden Strafen verhängen; ebenso: Kgl. Sächs. Ges. v. 15. April 1873 § 40 sowie früher die Kgl. Sächs. Bdn. v. 10. Dez. 1871 § 44 (mit Recht von Heinze 1. c. gemißbilligt); vgl. EG. § 8 n. 5. 6. — Demgemäß ist bei der Beurtheilung nach dem neueren Gesetze auch die Rückfälligkeit des Angefckuldigten zu berücksichtigen, sollte sie auch für die Bestrafung auS dem älteren Rechte ohne Einfluß fein: BI. 17. März 71 (RdO. XII, 169). Ebenso kommt Demjenigen, welcher unter der Herrschaft des älteren Gesetzes sich eines meineidigen Zeug­ nisses schuldig gemacht hat, die strafmildernde Vorschrift deS § 157 Abs. 1 deS StGB.'S zu statten, wenn er sich zur Zeit der That durch Bekundung der Wahrheit eher Verfolgung wegen eines Vergehens ausgesetzt haben würde, sollte auch diese letztere That nach dem StGB, nur noch eine Uebertretung darstellen: ZU. 15. Apr. 71 (RdO. XII, 210). 13. Hiernach (n. 12) ist eine Bestrafung nur dann gerechtfertigt, wenn die zu bmrtheilende That den Voraussetzungen eines jeden der successive in Geltung ge­ rufenen Strafgesetze entspricht. Es muß daher die (durch die Prozeßgesetze gebotene) thrtsächliche Fest- (Frag-)stellung nothwendig die BegrifiSmerkmale beider Ge­ setze umfassen und erschöpfen: ZI. 18. Ott. 71, V. 7. Sept. 72, BI. 13. Nov. 72,

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Einleitende Bestimmungen.

§ 2.

VII. 12. Dez. 72, LH. 23. Apr. 73 (RdO. XII, 512; XIII, 441. 591. 658; XIV, 293); vgl. Otzpenh. Strasvers. Art. 81 n. 25. — Nach Pr. Verfahren ist eS nicht unstatthaft, je nach den Voraussetzungen des einen oder des andern Gesetzes zwei verschiedene Fragen zu stellen, sobald eS nur klar gemacht ist, daß es sich in beiden um eine und dieselbe That bandelt: ZI. 22. Setzt. 71 (RdO. XII, 462); ebenso nach der RStPO.: Schw. StPO. s. 458. 14. Die Bestrafung darf nur aus einer der betr. Gesetzgebungen erfolgen; das als daö mildere erkannte Strafgesetz ist vollständig anzuwenden; eine Bestrafung, welche theils auf den Bestimmungen des neueren, theils auf denen des älteren Rechts beruhte, und also mit keinem der beiden in Betracht kommenden Gesetze überein­ stimmte, wäre unzulässig: VI. 17. März 71 (RdO. XII, 169); Dreöd. 22. Setzt. 71 (SGZ. XV, 314); Stuttg. 17. Apr. 72 (StZ. I, 251); Schütze s. 50. 15. Bei der Vergleichung der verschiedenen Strafandrohungen sind zunächst die Haupt strafen zu berücksichtigen; die härtere Strafart ist selbst bei kürzerer Dauer strenger, als die gelindere. In dieser Beziehung folgen sich in absteigender Ordnung: Todesstrafe, Zuchthaus, Festungshaft von mehr als fünf Jahren, Ge­ fängniß, Festungshaft bis zu fünf Jahren, Haft; Zuchthaus ist strenger als Gefäng­ niß, sollte dies auch wegen obwaltender Realkonkurrenz in Zuchthaus zu verwan­ deln sein: Münch. 9. Nov. 73 (BEntsch. III, 356). Eine Geldstrafe gilt stets für milder als eine (Principale) Freiheitsstrafe. — Die Nebenstrafen kommen nur in­ sofern in Betracht, als sie eine Schmälerung der bürgerlichen Ehre mit sich bringen. Drohen daher beide Gesetze gleichartige Freiheitsstrafen von verschiedener Dauer an, so gilt dasjenige für das strengere, welches außerdem (wenn auch nur fakultativ) noch Ehrenstrafen bestimmt, sollte auch die in ihm angedrohte Freiheitsstrafe kür­ zer fein, als die in dem andern bestimmte: ZU. 26. Jan. 60 (GA. VIII, 408); ZII. 30. Mai 76 (RdO. XVII, 388). Die „öffentliche Bekanntmachung einer Verurtheilung" (§ 200) ist keine Strafe, sondern Privatgenugthuung, bleibt also hier gänzlich außer Betracht: ZI. 16. Juni 75 (RdO. XVI, 449). 16. Hat bei einer relativ (nach einem Höchst- und Mindestbetrage) bestimm­ ten Strafe das neue Gesetz den Mindestbetrag erhöht und gleichzeitig den Höchpbetrag ermäßigt, so darf dieser so ermäßigte Höchstbetrag nicht überschritten werden, während es statthast ist aus den Mindestbetrag des älteren Gesetzes hinabzugehen; eine Kombinirung beider Gesetze findet hierbei offenbar nicht statt; vgl. HS. I, 44. Ist umgekehrt der Höchstbetrag erhöht, der Mindestbetrag aber herabgesetzt worden, so darf der Höchstbetrag des älteren Rechts nicht überschritten, wohl aber kann aus den Mindestbetrag des neueren Rechts hinabgegangen werden: Z. 6. Dez. 67, Z. 13. Mai 68, V. 16. Setzt. 68 (RdO. VIII, 780; IX, 322. 490); Münch. 9. Febr. u. 4. März 72 (BEntsch. II, 17. 64); vgl. VI. 18. Febr. 72 (RdO. XIII, 183). In solchen Fällen ist kein« von beiden Gesetzen das „mildere". 17. Der Grundsatz deö Abs. 2 ist überall maßgebend, wo eS sich um die „Anwendung" des die Strafe „bestimmenden Gesetzes" handelt. Das trifft auch da zu, wo ein Gesetz die Strafverfolgung (und somit auch die Bestrafung) gänzlich aus­ schließt. Demgemäß kann eine von einem Kinde, welches das zwölfte Jahr noch nicht vollendet har (§55), vor der Wirksamkeit des StGB.'S begangene Mißthat jetzt nicht mehr verfolgt werden. 18. Dagegen bleibt Abs. 2 außer Anwendung, wenn die Strafverfolgung in dem einen oder dem anderen Gesetze (nicht für unstatthaft erklärt, sondern nur) von gewissen Bedingungen, z. B. von einem Antrage des Verletzten abhängig ge­ macht ist. Eine solche Vorschrift ist wesentlich prozessualischer Natur (vgl. § 61 n. 2), ihre Anwendbarkeit richtet sich daher lediglich nach der Zeit, in welcher die Straf­ verfolgung angehoben wird: Dreöd. 27. März 74 (StZ. IV, 106). Demgemäß ist jetzt Strafverfolgung ohne Antrag statthast und die Zurücknahme eine« gestellten Antrags unwirksam, wenn das neue Gesetz von dem (im älteren aufgestellten) Er­ fordernisse de« Strafantrages absieht: Münch. 4. März72 (StRZ. XII, 301); contra: Schw. f. 202; ML. f. 109. Auch in Betreff dieses Punktes hat da« oben n. 12 citirte Kgl. Sächs. Ges. v. 15. April 1873 § 48 der Ansicht Schwarze'« einen gesetzlichen Ausdruck gegeben. Ebenso trifft der (auf den Vorschlag der RT.'S-Kommission eingeschobene) Art. III der Novelle der letzteren Ansicht gemäß Bestimmung rück-

Einleitende Bestimmungen.

§ 2.

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sichtlich der vor dem Inkrafttreten der Novelle begangenen Handlungen. Dagegen bedarf es des Antrags zu einer unter der Herrschaft des StGB.'s anzuhebenden Verfolgung, wenn die That zwar nicht nach dem alten, wohl aber nach dem neuen Gesetze (unter Zugrundelegung des in ihm vorgesehenen Thatbestandes) ein Antragsvergehen darstellt: ZI. 6. März 72 (RdO. XIII, 195); Jena 74 (Voll. 23 s. 71, betraf das Erforderniß der Ermächtigung: § 99); diesem Erfordernisse ist aber ge­ nügt, wenn der Verletzte den Antrag unter der Herrschaft des (einen solchen nicht erheischenden) älteren Gesetzes gestellt hatte: ZI 6. Sept. 71 (RdO. XII, 431). Die für die Stellung deö Antrags bestimmte Frist (§ 61) läuft auch hier von dem Lage an, wo der Verletzte Kenntniß von der That und der Person de« Thäter- erlangt hat, nicht also von der (später beginnenden) Wirksamkeit de- neuen den Strafantrag erheischenden Gesetzes: v. Bar, Küstner, u. Franke i. GA. XIX, 73. 606; XX, 60; Nessel s. 14; contra: Manh. 6. Apr. u. 14. Sept. 72 (StZ. I, 249; II, 257); Darmst. 13. Febr. u. 11. Dez. 71 (HCntsch. 71 s. 5; GSaal 24. f. 296); Fuchs s. 15. 23. 28; id. i. GA. XIX. 82 u. i. StRZ. XI, 413; Kleb« i. GA. XIX, 576; Beringer i. GSaal XXIII, 385; Reber n. 471; ML. f. 305. — Endlich folgt all­ dem obigen Grundsätze, daß eine ohne Strafantrag unter der Herrschaft des älteren (einen solchen nicht erheischenden) Gesetzes angehobene Strasverfolgung nach Einfüh­ rung des die That für ein Antragsvergehen erklärenden neuen Gesetzes fortgesetzt werden kann, ohne daß es der Nachholung des Strafantrags bedürfte; so die tonflaute Praxis de- Pr. OTr.'S und OAG.'S: Z. 15. März 71, BI. 24. März 71, BII. 27. Apr. 71, BI. 25. Oft. 71, BI. 26. Jan. 72, ZU. 19. Sept. 72, ZI. 21. März 77 (RdO. XII, 156. 180. 239. 534; XIII, 88. 464; XVIII, 240); ebenso: Darmst. (StRZ. XII, 137); Heinze s. 67; id. i. HH. II, 8 n. 5; f. 588 n. 4; v. Bar i. GA. XIX, 64. 641 (dieser beschränkt den Satz auf den Fall, wo vor Einführung deö neuen Gesetzes bereits in erster Instanz erkannt ist: arg. § 64); contra: Münch. 12. Febr. 72 (BEntfch. II, 24); Manh. 6. Apr. 72 (eit.); Schw. s. 202; v. Specht i. GA. XIX, 235; Halschn. ib. s. 367; Spinola ib. f. 371; Fuchs (.33; id. i. StRZ. XI, 406; Reber n. 78. 471. — Die Strafverfolgung ist (nach Pr. Prozeß­ rechte) angehoben, sobald der Staatsanwalt die Einleitung der Voruntersuchung be­ antragt hat; vgl. VI. 1. Nov. 71 (RdO. XII, 553: die Einleitung der Vorunter­ suchung genüge); Beschl. 8. März 72, ZU. 19. Ott. 76 (RdO. XIII, 200; XVII, 682: hielten ein Ermittlungsverfahren des StA.'S für genügend); contra: Nestel f. 14; vgl. für die Folge RStPO. §§ 151 ff. 177. — Der gedachten Praxis der Pr. Gerichtshöfe entsprechend, kann auch die unter der Herrschaft des StGB.'s er­ folgende Zurücknahme des früher nicht erforderlichen Antrags die Fortsetzung des unter dem alten Rechte (mit oder ohne Antrag) angehobenen Verfahrens nicht aus­ schließen: ZI. 17. u. 30. Juni 71, ZU. 14. Sept. 71, VI. 15. Dez. 71 (RdO. XII, 332. 350. 451. 666); contra: Münch. 4. März 72 (BEntsch. II. 66). 19. In Betreff der Verjährung der Strafverfolgung ist der unter n. 12 aufgestellte Grundsatz maßgebend. Es ist daher zu untersuchen, wann bei unbedingter Anwendung der Vorschriften des alten Rechts, sowohl der die Strafandrohung als der die Verjährung betreffenden, und wann bei ebenso unbedingter Anwendung deStGB.'s die Verjährung nach der konkreten Lage der Sache abgelaufen sein würde, und es ist dann die dem Angeklagten günstigere Vorschrift zur Anwendung zu brin­ gen: DI. 11. Mai 61, Z. 11. Nov. 68 (RdÖ. I. 389; IX, 226); Münch. 21. März 72 (BEntsch. II, 88). Insoweit die Vorschriften des älteren Gesetzes in Betracht kommen, ist nach denselben auch die Frage der Unterbrechung der Verjährung zu beantworten, es konnte daher nach Maßgabe des Pr. StGB.'S diese Verjährung auch nach dem 1. Jan. 1871 durch Handlungen der StA.-schast unterbrochen werden: BII. 20. März 73 (RdO. XIV, 215). Sind die Vorschriften deö D. StGB.'s dem Angeklagten günstiger, so wird ihre Anwendbarkeit dadurch nicht ausgeschlossen, daß die nach diesen berechnete Verjährung bereit« vor Einführung deö GB.'S ab­ gelaufen sein würde: V. 25. Febr. 52 (GA. I, 67); Darmst. 30. Sept. 72 (StZ. II, 76); vgl. n. 21; KBI. z. EG. z. Pr. StGB. Art. XII § 1. 20. Die Anrechnung der Untersuchnngöhaft auf die erkannte, sowie die einer im Auslande vollzogenen Strafe auf die zu erkennende Strafe (§§ 60. 7) bil­ den einen wesentlichen Theil der Strafverhängung („Belegung mit Strafe"); so­ nach bildet die Statthaftigkeit einer solchen Anrechnung eines derjenigen Momente,

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Einleitende Bestimmungen.

§ 2.

welche zu berücksichtigen sind, wenn es sich fragt, welches Strafgesetz mit Rücksicht auf den vorliegenden Thatbestand das „mildere" fei (u. 12); contra: Münch. 1. Juni 74 (StZ. IV, 99); Franke i. GA. XX, 56. — Dabei ist indessen zu berücksichtigen, daß § 60 die Anrechnung nur bei der Fällung des Urtheils, nicht demnächst bei der Strafvollstreckung gestattet; vgl. § 7 n. 5. 21. Der Wortlaut des § bezieht sich nicht auf die Verjährung der Straf­ vollstreckung (§ 70ff.); gleichwohl ist der Abf. 2 nach seinem inneren Grunde auch hier anzuwenden: BL. f. 321 d. Demgemäß wird das neue mildere Gesetz auch da anwendbar, wo eS sich um eine vor der Wirksamkeit desselben rechtskräftig ausgesprochene Strafe handelt; das gilt selbst in Preußen, obgleich § 49 deö Pr. StGB.'S ausdrücklich die Strafvollstreckung für nnverjährbar erklärte: Beschl. I. 21. Febr. 72 (RdO. Xm, 171); Rubo s. 158; contra: Münch. 17.Aug. 72; 20. Apr. 77 (BEntsch. H, 207; VII, 160); Rüd. s. 229; Heinze i. HH. II, 21; Otto § 70 n. 2. — Auch in diesem Falle beginnt der Lauf der Verjährungsfrist mit der Rechtskraft des Urtheils (§ 70 Abf. 2); es kann somit geschehen, daß die Verjährung bereits in dem Augenblicke, wo das StGB, wirksam wurde, als abgelaufen anzusehen war; vgl. n. 19; contra: eit. Beschl. I. 21. Febr. 72 (unter Bezugnahme auf § 14 der Einl. z. Pr. ALR; vgl. aber s. 18 n. 6); Beschl. I. 3. Jan. 74 (RdO. XV, 5). Tritt man dieser letztereu Ansicht bei, so ist bei der vergleichenden Prüfung, ob nach den Vorschriften des älteren Rechts oder nach denen des D. StGB.'S die Verjährung der Strafvollstreckung abgelaufen sei, für jene der AnsangStermin der Verjährungsfrist nach den dort gegebenen Vorschriften anzunehmen, während für daS StGB, in allen Fällen der Tag entscheidet, mit welchem das letztere in Wirksamkeit trat. — Insoweit die Vorschriften deS StGB.'S auf ältere Verurtheilungen Anwen­ dung finden, ist auch für die Unterbrechung der betr. Verjährung § 72 maßgebend; es find daher in einem solchen Falle selbst in Preußen die vor dem 1. Jan. 1871 vorgenommenen Unterbrechungöhandlungeu zu berücksichtigen. 22. Gehört zum Thatbestände eines StrafialleS eine Mehrheit von Hand­ lungen, so wird daö neue Strafgesetz unbedingt anwendbar, sollte auch nur die die­ selbe vollendende Handlung unter seiner Herrschaft verübt sein; vgl. ZI. 6. Dez. 72 (RdO. XU!, 647); contra: Rubo s. 247 n. 5; 250 n. 9; das ist aber nicht auf den Fall auszudehnen, wo alle Handlungen des Angeklagten in die Zeit vor Ein­ führung des StGB.'S fielen, der zum Thatbestände gehörende Erfolg aber erst später eingetreten ist. Vgl. in dieser Beziehung § 67 Abs. 4; § 3 n. 6—10. 23. Damit ein Zweifel darüber nicht aufkomme, unter der Herrschaft welches Strafgesetzes eine That begangen worden, ist der Zeitpunkt der Verübung in die thatsächliche Feststellung, in die den Geschworenen vorzulegende Frage aufzunehmen. In dieser Beziehung ist eS ausreichend, wenn nur festgestellt wird, ob die That vor oder nach Einführung des neuen Strafgesetzes begangen worden: ZI. 3. Febr. 60 c. Albrecht. In Betreff der Möglichkeit einer eingetretenen Verjährung vgl. § 66 n. 6; — in Betreff der Ortsangabe vgl. § 3 n." 19. 24. Das bisher (n. 5—23) Ausgeführte gilt in gleicher Weise, wenn es zweifelhaft bleibt, ob die Mißthat vor oder nach Einführung des neuen Gesetzes ver­ übt wurde; insbesondere ist auch hier das n. 13. 14 Gesagte zu beachten. 25. Der Grundsatz des Abs. 2 ist auch da anzuwenden, wo eS sich nicht um die Verhängung einer Strafe, sondern um die Civilhaft dark eit eines Dritten (). B. des Vaters, des Dienstherrn) für die von einem Andern verwirkte Geldstrafe handelt: ZI. 7. Apr. 69, V. 14. Apr. 69, VI. 16. Juni 69, ZI. 18. Mai 70 (RdO. X, 200. 221. 418; XI, 314). 26. Dagegen ist die ganze Vorschrift auf „Strafbestimmungen" zu beschränken; in Betreff des durch eine Mißthat einem Anderen zugefügten Schadens und des für diesen daraus entspringenden Ersatzanspruchs find die zur Zeit der Schadenszufügung geltenden civilrechllichen Vorschriften maßgebend: Lübeck 15. Apr. 71 (GA. XIX, 605). — Die Statthaftigkeit einer dem Verletzten aus beflen Verlangen (statt der Entschädigung) zuzusprechenden Buße (§§ 188. 231) gehört dagegen we­ sentlich dem Strafprozeßrechte an (vgl. § 188 n. 1); aus eine solche kann daher auch wegen einer unter dem srühereu Rechte zugefügten Beleidigung rc. erkannt werden,

Einleitende Bestimmungen.

§. 3

Die

Strafgesetze

des

27

§ 3.

Deutschen

Reichs

finden

Anwendung auf alle im Gebiete desselben begangenen strafbaren Handlungen, auch wenn der Thäter ein Ausländer ist. [6ntro. I, II.: § 3; Pr. StGB. § 3].

Vgl. Seemannö-Ordn. v. 27. Dez. 1872.

ohne Unterschied, ob im UeLrigen daö ältere oder das neuere Strafgesetz das mildere ist; contra: BI. 24. Jan. 72 (RdO. XIII, 73).

§3. 1. Das StGB, erklärt sich im § 3 für das Territorialitä tS-Prinzip, demzufolge der Ausländer, so lange er sich im Jnlande befindet, vollständig unter der Herrschaft des inländischen Straf- und Polizeirechts steht. Der § adoptirt dieses Prinzip ausdrücklich zwar nur für „die Strafgesetze des Deutschen Reichs", dasselbe muß aber ebensowohl für die Landes-Strafgesetze und Polizeiverordnuugen gelten, da es dem Willen des Gesetzgebers und der Natur der Verhältnisse offenbar widersprechen würde, wenn in den einzelnen Bundesstaaten bezüglich der Handhabung der neben einander wirksamen Reichs- und Landes-Strafgesetze ein so durchgreifender Unterschied bestände, wie er zwischen dem TerritorialitätS- und dem NationalitätSprinzipe bekanntlich besteht. Die Beschränkung der Bestimmung aus die Strafge­ setze des deutschen Reichs hat vielmehr praktisch nur die Bedeutung, daß der § einzelnen vom ersteren Prinzipe ausnahmsweise abweichenden Landesgesetzen nicht derogirt, noch auch dem ferneren Erlasse solcher landesgesetzlichen Ausnahmebestim­ mungen entgegentritt. 2. Ueber den Begriff „Ausländer" vgl. §8 n. 4ff. 3. Soweit die Reichs strafgesetzgeb ung reicht, ist das ganze Reichsge­ biet als Einheit zu behandeln; es findet daher in dem Verhältniß der einzelnen Bundesstaaten zu einander die Unterscheidung zwischen Inland und Ausland (Inländer und Ausländer) keine Anwendung; § 8; Mot. z. II. Entw. f. 17. Vgl. in Betreff des Näheren f. 17 n. 4. 5. 4. Ein Straferlaß im Gnadenwege steht nur dem Landeöherrn desjenigen Bundesstaats zu, von dessen Gerichten die Nerurtheilung ausgegangen war; also nicht dem Kaiser als solchem: ML. s. 349; vgl § 5 Nr. 2. Daö gilt auch dann, wenn mit Rücksicht auf das Rechtöh.-Ges. bzw. die §§ 157 ff. deS NGBG. die in dem einen Bundesstaate verhängte Strafe in einem andern zu vollziehen ist; contra: Heinze f. 48; id. i. HH. III, 18. Ersteres erleidet nach dem Inkrafttreten der R.-Iustizgesetze insofern eine Ausnahme, als gemäß § 481 der RStPO. in Sachen, in denen das Reichsgericht in erster Instanz erkannt hat, daö Begnadigungs­ recht dem Kaiser zusteht. Da« Recht der Abolition, welches in mehreren deutschen Staaten der Landesherr hat, wird durch jenen § 484 nicht berührt: Schw. StPO. f. 604. 5. „Thäter" im Sinne dieses § ist Jeder, welcher eine strafbare Handlung begangen hat; er umfaßt also auch alle Theilnehmer; vgl. § 47 n. 1. 6. Eine Mißthat wird da „begangen", wo daö strafbare Handeln statt­ findet; sie datiert so lange an, als der Handelnde dabei (körperlich) thätig ist. Alle Veränderungen, welche nach Beendigung jener Thätigkeit sich auö dem durch die­ selbe unmittelbar und sofort hervorgebrachten Zustande einer anderen Person oder einer Sache entwickeln, sind nicht als Theil der Thätigkeit (Handlung), sondern als Erfolg derselben anzusehen, mag der Zeitraum zwischen beiden groß oder klein sein. Der Ort, wo ein solcher Erfolg eintritt, ist für den „Ort der Begehung" nicht entschei­ dend, sollte jener auch als wesentliches BegrissSmerkmal zum Thatbestände der vollen­ deten Mißthat gehören: All. 23. März 65 (GA. XIII, 645); Motive z. RStPO. § 1; vgl. § 2 n. 22; § 67 Abs. 4; § 171 n. 6; Beisp.: Kuppelei durch Anwerbung von Frauenzimmern für ein ausländische« Bordell: ZU. 14. Nov. 73 (RdO. XIV, 722); Münch. 18. Febr. 73 (BEntsch. III, 65); Betrug durch Abschließung eines Versicherungsvertrags mit einer im Auslande domizilirten Gesellschaft: ZI. 21.Juni 55 (GA. IV, 831). Vgl. jedoch Hälschn. i. GSaal 30 f. 50. — Bei UnterlassungSvergehen ist Ort der Begehung derjenige Ort, wo die gebotene Hand­ lung vorzunehmen war; als solcher gilt, wenn kein bestimmter Ort hierfür durch das Gesetz oder die Natur der Sache gegeben ist, der Wohn- bzw. Aufenthaltsort des Thäters.

28

Einleitende Bestimmungen. § 3.

7. Das unter n. 6 Gesagte erfahrt insofern eine Ausdehnung, als der eigenen Thätigkeit des Thäters alles Dasjenige gleich steht, was er durch eine fremde, von ihm als Werkzeug benutzte (menschliche, thierische oder mechanische) bewegende Kraft zu Wege bringt, insoweit er eben wegen dieser Benutzung seinerseits doch als „Thäter" (und nicht als Anstifter) anzusehen ist: vgl. § 47 o. 2—4. Daher dauert auch in diesem Falle die „Handlung" des Thäters so lange, als die von ihm in Bewegung gesetzte Kraft wirksam ist: daö gilt z. B. wenn Jemand eine Schrift (einen Brief oder die Beurkundung eines Vertragsabschlusses rc.) durch einen Boten (durch die Post rc.) überbringen läßt, ein Thier auf einen Andern hetzt oder durch einen Wurf (Schuß re.) einen Andern verletzt; in allen diesen Fällen ist die Sache so anzusehen, als ob er seine Thätigkeit (persönlich) an dem ersten Orte begonnen und an dem zweiten Orte (wohin jene Kraft reichte) fortgesetzt und dort zum Ab­ schlüsse gebracht hätte (n. 10); man darf also diese (an einem andern Ort als dem augenblicklichen Aufenthalt des Thäters) hervorgebrachte Wirkung nicht als einen von der Handlung selbst zu trennenden Erfolg (n. 6) betrachten: ZI. 23. Febr. 70, V. 24. Jan. 71, ZI. 2. Dez. 74, ZU. 1. Juli 75 (RdO. XI, 114; XIII, 76; XV, 825; XVI, 507); Haager i. BAnn. 43 s. 359; contra: v. Bar Jnternat.-Recht s. 555; id. i. GA. XVIII, 449; v. Wächter ib., 524; Schw. s. 51; Otto n. 1; Franke i. GA. XX, 38. Vgl. HS. I, 73; id. i. GSaal 30 s. 50, ML. s. 115. 8. Aehnlich verhält eS sich mit denjenigen Mißthaten, deren Thatbestand darin besteht, daß irgend eine Handlung, z. B. eine Kundgebung Andern wahrnehm­ bar gemacht wird. Als Ort der Handlung sind dann alle Räumlichkeiten anzusehen, wo die Handlung von einem Andern wahrgenommen, z. B. wo eine beleidigende Aeußerung gehört, oder eine schamverletzende Handlung gesehen worden ist; vgl. § 85 n. 3; Münch. 20. Okt. 73 (BEntsch. III, 480), Jena (Voll. 24 s. 176). 9. In allen Fällen, wo das Gesetz die „Verbreitung" oder „Veröffent­ lichung" von Schriften rc. („öffentlicher Anschlag", „öffentliche Ausstellung", vgl. §8 186. 200. 85) für strafbar erklärt, ist die Mißthat vollendet, sobald eine solche „Verbreitung rc." stattgefunden hat, ohne daß es darauf ankommt, ob und wo ein Dritter Kenntniß vom Inhalte des Schriftstücks genommen habe. — Das gilt na­ mentlich von der Veröffentlichung eines PreßerzeuguiffeS strafbaren Inhalts: DPl. 17. Juli 62 (RdO. II, 535), Münch. 9. Aug. 78 (BEntsch. VIII, 425). Die betr. Mißthat ist überall da verübt, wo Jemand eine solche Veröffentlichung bewirkt hat; geschah dies an mehreren Orten, so ist die That (selbst wenn die Veröffentlichung eine einheitliche war und somit die Gesammtthätigkeit nur eineu Straffall darstellte) an jedem jener Orte begangen; vgl. RPreßges. v. 7. Mai 1874 §§ 3. 20. 22. 28; Beschl. I. 9. Sept. 63 (RdO. IV, 28); Darmst. 1. Juli 72, 23. Febr. 73 (StZ. II, 13; GA. 21 s. 202. 300); Mannh. 15. Juni 78 (BAnn. 44 s. 173); cit. Münch. 9. Aug. 78; contra: Beschl. I. 18. Juli 66 (RdO. VII, 331); Münch. 29. Aug. 72 (StZ. II, 12); Otto n. 2; Abh. i. GA. XIV, 347; Schwarze Preßges. s. 96 (hält nur den AuSgabeort für den Ort der Mißthat); vgl. den Antrag der GStA.-schaft z. cit. Beschl. 18. Juli 66 1. c. Die Richtigkeit jenes Satzes wird bestätigt durch § 21 Abs. 2 deS RechtSh.-Ges.'S v. 21. Juni 1869, indem dieser § eine Ausnahme für den dort vorgesehenen Fall macht, wo ein Bundesstaat von dem andern die Auslieferung einer wegen eines PreßvergehenS verfolgten Person verlangt. — Wer eine Druckschrift au einem andern Orte durch erneu Dritten, ohne DoluS Handelnden veröffentlichen läßt, ist so anzusehen, als habe er die Veröffentlichung selbst bewirkt; dagegen kann freilich der Umstand, daß demnächst die Schrift in Folge jener Versendung auch an andern Orten vorgefunden wird, für sich allein keine durch den Herausgeber rc. dort bewirkte Veröffentlichung be­ weisen; DI. 24. Jan. 65 (GA. III, 259), ZU. 6. Spt. 55 (Sntsch. 31 f. 431); ZU. 12. Nov. 57 (RA. 53. II. 55). Dgl. in Betreff der wechselseitigen Rechtshülse der Bundesstaaten cit. Ges. v. 21. Juni 1869 § 21 und für die Folge die §§ 157ff. des RGDG. 10. Wenn sich eine strafbare Handlung auf mehrere Orte erstreckt, oder wenn mehrere getrennte, aber zu einem Thatbestände gehörige Handlungen an verschiedenen Orten verübt werden, so ist der Ort der Begehung der die Mißthat vollendenden Handlung als Ort der Gesammtthat anzusehen: ZI. 18. Apr. 73 (RdO. XIV, 291) Darmst. 21. Apr. 74 (HEntsch. s. 9); Hälschn. i. GSaal 30 s. 70; contra (im

Einleitende Bestimmungen. § 3.

29

Grundsatz): Z. 1. April 68 (RdO. IX, 243); vgl. §2 n. 22. DaS gilt auch in d en unter n. 7 erwähnten Fallen, z. B. wenn eine Mißthat durch einen versendeten (verschlossenen) Brief begangen wird; der Brief muß zunächst geschrieben und dann an den Adressaten befördert werden; die That wird erst da verübt und vollendet, wo der Brief zur Kenntniß deS Lesers gelangt: Veschl. I. 16. Juli 62, Beschl. 6. Jan. 62, ZU. 1. Juli 75 (RdO. II, 534; X, 8; XVI, 507); contra: Wolfenb. 26. Jan. ir. 20. Febr. 77 (Br. Z. 24 s 54. 67); ML. f. 116. Hiernach bestimmt sich denn auch der Gerichtsstand, sofern nicht die maßgebenden Strasprozeßgesetze (z. B. Pr. Ges. v. 3. Mai 1852 Art. 2 Nr. 1; Pr. NStPO- § 39 Nr. 1) in dieser Beziehung abweichende Vorschriften enthalten: Z. 3. Mai 73 (RdO. XIV, 340). Die RStPO. enthält keine Vorschriften der letzteren Art; vgl. Schw. StPO. s. 126. 11. Für Versuch-handlungen ist derjenige Ort maßgebend, wo die letzte dieser Handlungen begangen wurde; so: Schw. StPO. s. 127. — Ist nach dem (unter n. 6—10) Gesagten eine im Inlands begonnene, im Auslande vollendete Mißthat rc. als im letzter» begangen anzusehen, so steht dennoch Nichts im Wege, die im Jnlande verübten Handlungen geeigneten Falles als einen hier begangenen Versuch zu bestrafen, sollte auch die vollendete That im Auslande nicht strafbar sein: Puch s. 11 n. 1; contra: HS. I, 74, id. t. GSaal 30 s. 72: „der Versuch könne nicht straf­ bar sein, wenn die vollendete That eine erlaubte sei"; der im Jnlande strafbar begangene Versuch kaun aber dadurch nicht straflos werden, daß er im Auslande fort, gesetzt und dort (straflos) vollendet wird; es liegt sonach nicht der Versuch einer, wenn (im Jnlande) vollendet, straflosen That vor; vgl. V. 26. Mai 69 (RdO. X, 342). 12. Ist die Strafbarkeit einer Handlung durch ihre Gewohnheit-- oder Gewerbsmäßigkeit bedingt,so muß die im Jnlande verübte That diesen Charakter an sich tragen, um hier strafbar zu sein; der Richter kaun aber, um diesen Charakter festzustellen, wie auf sonstige der Persönlichkeit deö Angeklagten anklebende Umstände, so auch auf die im Auslande von demselben begangenen Handlungen Rücksicht nehmen; vgl. § 150 n.4; §260 n.2ff. 13. In Betreff der Frage, welches Strafgesetz aus den Anstifter oder Gehilfen Anwendung finde, wenn am Orte der Hauptthat ein andere- Gesetz gilt, vgl. § 43 n. 10. — Jeder Mitthäter ist so anzusehen, als sei er an allen Orten thätig gewesen, wo seine Mitthäter gehandelt haben. 14. Der Grundsatz des § 3 erleidet eine Ausnahme bei den Exterritorialen. Zu diesen gehören fremde Regenten und deren Gemahlinnen mit ihrem Gefolge, Gesandte und die bei dem Bunde oder einer Bundesregierung beglaubigten diplomatischen Agenten mit ihren Familien, ihrem GesandtschastS- und Dienstpersonal, die fremden ZollvereinSkommiffarien und die kraft eines Staatsvertrags im Bundes­ gebiet sich aufhaltenden ausländischen Truppenkörper, nicht aber einzelne fremde Militärpersonen; vgl. Pr. Cr.-Ordn. § 251 ff. Nach dem Inkrafttreten der R.-Justizgesetze beurtheilt sich die Eigenschaft der Exterritorialität nach §§ 18. 19 des RGBG. — Die beantragte Vernehmung eines Exterritorialen als Zeugen darf nicht ledig­ lich aus dem Grunde abgelehnt werden, weil er dem diesseitigen Gerichtszwange nicht unterworfen ist (seine Vernehmung kann, wenn er sich nicht freiwillig dazu be­ reit finden läßt, durch Requisition veranlaßt werden): V. 16. Dez. 63 (RdO. IX, 760). 15. Fremde Konsuln stehen dagegen unter den inländischen Strafgesetzen und Gerichten:, VII. 13. März 55 (JMbl. s. 320). Dies gilt auch nach dem Inkrafttre­ ten der R.'-Juftizgefetze, sofern nicht in Staat-verträgen das Gegentheil vereinbart ist: RGBG. §21. 16. Das Gesetz erkennt grundsätzlich ein dem Fremden zustehendes, von ihm persönlich geltend zu machendes Asylrecht nicht an ^Auslieferung-Verträge zwischen verschiedenen Staaten sind daher nicht als Beschränkungen eine- solchen Asylrechts anzusehen, und rechtfertigen an und für sich nicht den Schluß, daß der Ausgelieferte auch nur wegen solcher Mißthaten verfolgt und bestraft werden dürfe, rücksichtlich deren die Auslieferung Seitens des fremden Staats bewilligt, oder spätere Zu­ stimmung erwirkt ist: ZII. 10. Nov. 55 (Eutsch. 31 s. 260); contra: die Praxide- sranz. Kasi.-Hof-: Sir. 40. I. 781; 45. I. 591. Dagegen ist jener Grundsatz

30

Einkeilende Bestimmungen.

§§ 3. 4.

§. 4. Wegen der im Auslande begangenen Verbrechen und Vergehen findet in der Regel keine Verfolgung statt. Jedoch kann nach den Strafgesetzen des Deutschen Reichs verfolgt werden: 1) ein Deutscher oder ein Ausländer, welcher im Auslande eine hochverrätherische Handlung gegen daS Deutsche Reich oder einen Bundesstaat, oder ein Münzverbrechen, oder als Beamter des Deutschen im B.-RechtSh.-Ges. v. 21. Juni 1869 § 34 für die Auslieferung unter den einzelnen Bundesstaaten, desgleichen in den mit Italien, Großbritannien, der Schweiz, Belgien abgeschlossenen StaatSverträgen v. 6. Febr. 1870 (Art. IV), 31. Ott. 1871 (Art. 4), 14. Mai 1872 (Art. VII), 24. Jan. 1874 (Art. 4) und 24. Dez. 1874 (Art. 6) aus­ drücklich anerkannt worden. 17. Ebenso steht der mit einem anderen Staate abgeschlossene Staat Sv er­ trag, nach welchem Angehörige desselben, wenn sie auf diesseitigem Gebiete eine Mißthat begangen haben, hierher nicht ausgeliefert, wohl aber in jenem Staate nach dortigen Gesetzen bestraft werden, einer Verfolgung bei einem diesseitigen Gerichte, und einer Bestrafung nach diesseitigen Gesetzen, selbst einem Kontumazialverfahren, nicht entgegen; ein Beispiel: DII. 4. Nov. 69 (RdO. X, 690). — In Betreff des Einflusses, welchen eine im Auslande stattgehabte Berurtheilung wegen einer im Jnlande begangenen Mißtbat auf die Statthaftigkeit'einer diesseitigen Bestrafung hat, vgl. § 7. 18. Der Grundsatz der Territorialität der Strafgesetze (n. 1. 2) ist auch da maßgebend, wo in den verschiedenen Theilen eines einzelnen Bundesstaates verschie­ dene Sondergesetze gelten; in derartigen Fällen bleiben sonach die Vorschriften de« § 4 außer Anwendung: DII. 12. Sept. 67. ZI. 11. Dez. 67 (RdO- VIII, 511, 785). 19. Mit Rücksicht ans die Vorschrift der §§ 3. 4 ist es erforderlich, die Be­ stimmung des OrtS, wo eine That, oder doch wenigstens, ob sie im Aus - oder Jn­ lande rc. begangen worden, in die Anklage, und in die thatsächliche Fest- (Frag-) stellung aufzunehmen; eö genügt indessen, wenn die Ortsangabe sich aus dem Zu­ sammenhange ergiebt: vgl. Oppenh. Strasvers. § 32 n. 2; § 39 n. 8. 10.18; § 47 n. 14; Art. 31 n. 2; Art. 81 n. 26; § 126 n. 27. Im Falle der Berabsäumung dieser Feststellung würde die Anwendung des inländischen Gesetzes nicht gerechtfertigt, dasielbe also verletzt sein: contra: ZI. 4. Jan. 75 (RdO. XVI, 3: für den Fall, wo in dieser Beziehung in den Instanzen ein Zweifel weder angeregt sei noch obgewaltet habe). — Dgl. in Betreff der Zeitangabe § 2 n. 23.

§ 4. AmtSverbrechen: 1. 20. Antrag: 31. 32. Ausländer: 2. 21. 28. 29. 34. Ausland: 1—4. 11. Beleidigung (Fürst) : 22. vewetslast: 25. Civilllage: 12. Deutscher: 3. 11. 21. 28. 29. 34. 35. Feststellung: 14. 16. 26. 27. Gerichtsstand: 13. ' Geschworner: 16 27.

Inhalt: Hochverrath: 17. 23. Konsular.Gerichtödkt. : 5. LandeSgesetz: 15. 34. 35 Landesverrat: 19. Millt.-Person: 6. Münzverbrechen: 18. Nachdruck: 6. Prtvatklage: 12. Prüfung v. AmtSW.: 25. SeemannS-Ordn.: 7. 9. Staat, befreundeter: 23. Staatsvertrag: 4.

Strafantrag: 31. 32. • Strafbar!. 1. Ausl.. 23-27. Strafmaß: 24. Strafverfolgung: 9—12. 25. Territorialität: 1. Thäter: 30. Thatbestand: 24. 26 27. Theilnehmcr: 29. 30. Vergleichung d. Geff.: 25. 33. Zuständigkeit: 13.

1. Der im § 3 aufgestellte Grundsatz der Territorialität der (inländischen) Strafgesetze erfährt für die in^AuSlande begangenen Mißthaten durch § 4 eine Modifikation. Dieser $ eröffnet die Reibe der durch die Novelle abgeänderten §§. Die Aenderung ist theils blos redaktioneller, theils sachlicher Natur, ersteres insofern, als die für Ausländer und Inländer gemeinsamen Bestimmungen, welche ursprllng* lich unter Nr. 1 und Nr. 2 getrennt gehalten waren, in Nr. 1 zusammengefaßt sind, letzteres insofern, als diese Bestimmungen auf die Beamten deS Deutschen Reichs rc., bezw. die von ihnen verübten AmtSverbrechen rc. ausgedehnt wurden.

Einleitende Bestimmungen. § 4.

31

Reichs oder eines Bundesstaats eine Handlung be­ gangen hat, die nach den Gesehen des Deutschen Reichs als Verbrechen oder Vergehen im Amt anzu­ sehen ist; 2) ein Deutscher, welcher im AuSlande eine landeSverrätherische Handlung gegen das Deutsche Reich oder einen Bundesstaat, oder eine Beleidigung gegen einen Bundesfürsten begangen hat; 3) ein Deutscher, welcher im Auslande eine Handlung begangen hat, die nach den Gesehen des Deutschen • Reichs als Verbrechen oder Vergehen anzusehen und durch die Gesetze deS Orts, an welchem sie begangen wurde, mit Strafe bedroht ist. 2. In Betreff der Begriffs „Ausland" (Ausländer) vgl. § 8. 3. Der Umstand, baß der deutsche Thäter sich in daS Ausland begeben hat, um dort die beabsichtigte Mißthat (z. B. ein Duell) straflos zu begehen, genügt nicht, um die Anwendbarkeit deS inländischen Gesetzes zu begründen. 4. Durch § 4 sind die Bestimmungen älterer StaatSverträge, die Ver­ folgung der im AuSlande begangenen strafbaren Handlungen betreffend, nicht tiefet* tigt: ZU. 22. Nov. 55 c. Fontaine; contra: Rubo s. 269. 5. Der Grundsatz des § erleidet bei den der Konsulargerichtsbarkeit unterworfenen Personen eine Ausnahme: sie können wegen der im Bezirke dieser Gerichtsbarkeit begangenen Mißthaten vor dem (zuständigen) inländischen Gerichte verfolgt werden; vgl. in Betreff deS Näheren Pr. Ges. v. 29. Juni 1865 § 17 (GL. s. 683); B.-Konsnl.-Ges. v. 8.Nov. 1867 (BGbl. f.137); ZI. 29.Mai58 u. 16. März 59, OHG. 29. Juni 77 (GA. VI, 565; VII, 344; XXVI, 145). 6. Sodann erleidet der Grundsatz deS § nach dem R.-Mil.-StGB. v. 20. Juni 1872 folgende Ausnahmen: n. Strafbare Handlungen, welche von Militärpeson en im AuSlande, während sie dort bei den Truppen oder sonst in dienstlicher Stellung sich befinden, begangen werden, sind ebenso zu bestrafen, als wenn diese Hand­ lungen von ihnen im Bundesgebiete begangen wären: 1. c. § 7; b. ein Ausländer oder Deutscher, welcher während eines gegen das Deutsche Reich ausgebrochenen Kriegs auf dem Kriegsschauplätze sich eines KrtegSverraths oder einer Plünderung schuldig macht, ist nach den §§ 57-59. 134 1. c. zu bestrafen: ib. § 160; c. ein Ausländer oder Deutscher, welcher in einem von deutschen Truppen besetzten ausländischen Gebiete gegen deutsche Truppen oder Angehö­ rige derselben oder gegen eine auf Anordnung deS Kaisers eingesetzte Be­ hörde eine nach den Gesetzen deS Deutschen Reichs strafbare Handlung begeht, ist ebenso zu bestrafen, als wenn diese Handlung von ihm im Bundesgebiete begangen wäre: ib. § 161. 7. Ferner sind die Strafbestimmungen der §§ 81—99 der R.-SeemannsOrdn. v. 27. Dez. 1872 durch § 100 ib. auch dann für anwendbar erklärt, wenn die strafbaren Handlungen außerhalb des Bundesgebiets begangen sind. 7». Sodann gehört unter die Ausnahmebestimmungen das Ges., betr. die Schonzeit für den Robbenfang, v. 4. Dez. 1876 (RGbl. f. 233). 8. Fernere Ausnahmen begründen die §§ 22, 25 des B.- (Nachdrucks-) Gef.'s v. 11. Juni 1870, § 16 des Ges.'S v. 9. Jan. 1876 (betr. d. Urheberrecht an Werken der bildenden Künste), § 9 des Ges.'S v. 10. Jan. 1876 (betr. d. Schutz der Photographien rc.), § 14 des Ges.'S v. 11. Jan. 1876 betr. d. Urheberrechte an Mustern und Modellen), RGbl. f. 4ff.

32

Einleitende Bestimmungen. § 4.

Die Verfolgung ist auch zulässig, wenn der Thäter bei Begehung der Handlung noch nicht Deutscher war. In diesem Falle bedarf es jedoch eines Antrages der zuständigen Behörde des Landes, in welchem die strafbare Handlung begangen worden, und daS ausländische Strafgesetz ist anzuwenden, so­ weit dieses milder ist.

ll. u. II. Entw.: Z4 — Novelle v. 26. Febr. 1876 Art. I. — Pr. StGB. §4]. Dgl. $| 3. 5—8. 37. 102. 296a. 298; B.-Rechtsh.-Ges. v. 21. Juni 1869 § 25. 27. 39 (vgl. oben f. 17 n. 4); BG. v. 1. Juni 1870 (BGbl. s. 355) eingeführt in Baden u. Hessen durch die BundeSv ersass., in Würtemb. dnrch den Bertr. v. 25. Nov. 1870, in Baiern [mit Abänderungen) durch Ges. v. 22. April 1871 §9: BGbl. s. 89); B.-(NachdruckS')Ges. v. 11. Juni 1870 §§ 22, 25; R.-Mil.-StGB. v. 20. Juni 1872 §§ 7. 56—61. 160. 161; R-Seem.-Ordn. v. 27. Dez. 1872 §§ 100. 81—99. 9. Diese AuSnahmesälle (n. 6 — 8) unterscheiden sich ebenso wie derjenige des § 298 h. 1. von denen des § 4 Abs. 2 Nr. 1—3 dadurch, daß bei ihnen die Ver­ folgung nicht fakultativ ist. In Betreff der Fälle der §§ 37,102 vgl. n. 10, 23. 10. Der zweite Absatz gestattet die Strafverfolgung (nach dem Ermessen der verfolgenden Behörde), gebietet sie aber nicht. Die Motive (s. 18) wollten es bis zum Erlasse einer R.-Stras-Proz.-Ordnung der Partikulargesetzgebuug anheim­ gestellt lassen, das zu beobachtende Verfahren zu ordnen. Inzwischen enthält die RStPO. keine darauf bezügliche Vorschrift. — Ist die Strafverfolgung von der hierzu berufenen Behörde tc. angehoben worden, so muß das befaßte Gericht in der Sache entscheiden; ihm steht es nicht zu, auf Grund des § 4 von der Bestrafung abzusehen: Mot. 1. c. Zu vergleichen ist § 102, welcher eine unbedingte Fassung hat; vgl. aber dort □. 4 und § 37, welcher daö neue Strafverfahren nur gestattet, eventuell aber Verhängung der betr. Strafe gebietet. 11. Die Statthaftigkeit einer Strafverfolgung im Jnlande wird durch eine vorhergegangene Verfolgung im Aul lande nur insoweit auSgeschloffen, als dieses durch § 5 vorgeschrieben ist, somit in den Fällen der Nr. 1 und 2 gar nicht; dagegen wird in allen solchen Fällen § 7 anwendbar. 12. Wo die Gesetze eine Strasversolgung im Wege der Privat klage (vor dem Civil- oder Strafrichter) zulassen, ist dieselbe auch wegen der hier vorgesehenen Strafsälle statthaft: 531. 31. Mai 67 (GA. XV, 549). Dasselbe muß auch von der Rheinischen Civil klage gelten, zumal hier der Civiltläger nur seinen Civilanspruch vor dem Strafgerichte geltend macht und dadurch indirekt auch die Strasklage in Bewegung setzt. 13. Die örtliche Zuständigkeit (der Gerichtsstand) für die im Auslande be­ gangenen Mißthaten richtet sich nach den geltenden Prozeßvorschriften. In Preußen tritt an die Stelle de« Gerichts des BegehungSortS das dem letzteren zunächst belegene inländische Gericht: Ges. v. 3. Mai 1852 Art. 2 Nr. 1; NStPO. § 39 Nr. 1; für das Gebiet des Rheinischen Rechts ist Art. 24 der Rh. StPO, maßgebend. — Für die Folgezeit regeln die §§ 9 ff. der RStPO. die örtliche Zuständigkeit. 14. Ueber das Erforderniß: bei der thatsächlichen Feststellung den Ort der That anzugeben, vgl. § 3 n. 19. 15. Die Worte „nach den Strafgesetzen des Deutschen Reichs" umfaßen auch (ältere) Landesgesetze: Schw. s. 208, 54; contra: Rubo s. 272; MeveS f. 91. 16. Bei den in Nr. 1 aufgezählten Verbrechen macht es keinen Unterschied, ob der Thäter Ausländer oder Inländer ist. Dagegen bedarf es bei den unter Nr. 2. 3 vorgesehenen Strafsällen der ausdrücklichen Feststellung, daß die That von einem „Deutschen" verübt sei; ob der Thäter diese Eigenschaft noch zur Zeit der Verfolgung besitze, ist gleichgültig; so: 5311. 20. Sept. 77 (RdO. XVHI, 577); Hamm i. GA. 26 s. 422; contra: Hälschner i. GSaal 30 s. 161. In Ermange­ lung besonderer Vorschriften hat der Strafrichter über die Frage der Staatsange­ hörigkeit selbstständig zu entscheiden, ohne dabei an eine Mitwirkung der Verwaltung--

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behörden gebunden zu sein. In Preußen steht die Entscheidung nicht den Geschwor­ nen, sondern dem Schwurgerichtshofe zu, da erstere nur über den Thatbestand der strafbaren Handlung selbst nebst ihren Modalitäten (nach Zeit und Ort) zu ent­ scheiden haben: DI. 5. Juli 65, ZI. 17. Juli 67 (RdO. VI, 236; Vm, 472); Oppenh. Pr. Strasverf. Art. 81 o. 36. Dasselbe wird unter der Herrschaft der RStPO. galten; vgl. dort §§ 292ff.; RGDG. § 81.

Zu Nr. 1. 17. Als „Hochverrätherische Handlungen gegen das Reich oder einen Bundesstaat" sind alle tn den §§ 80—86 vorgesehenen Mißthaten zu betrachten; evenso: MeveS s. 86; contra: Rubo s. 275 (rechnet nur die Fälle der 88 80—82 hierher). — Dgl. John i. HH. IN, 15. 18. Bei den „Münzverbrechen" macht Nr. 1 keinen Unterschied, ob sie gegen daS Reich, gegen einen einzelnen Bundesstaat, oder gegen einen fremden Staat gerichtet waren. — Münzverbrechen sind die in den §§ 146 und 147 vorgesehenen Handlungen (einschließlich des Versuchs einer solchen; vgl. § 1 n. 7). Münzvergehen gehören nicht hierher. 19. Der „Landesverrat-" ist hier nicht mit aufgezählt worden, weil ein solcher von einem Ausländer im Auslande gar nicht, sondern nur dann begangen werden kann, wenn derselbe sich innerhalb des Bundesgebiets unter dem Schutze des Reiches oder eines Bundesstaates aufhält; im Falle eines Krieges wird nach Kriegsgebrauch verfahren (§ 91); vgl. Motive f. 19; R.-Mil.-StGB. § 160. 57—59. 20. Der Schlußsatz der Nr. 1 trifft diejenigen Handlungen, „die nach den Ge­ setzen des Deutschen Reichs als Verbrechen oder Vergehen im Amte anzusehen sind." Hierhin gehören zunächst die in den §§ 331—357 ausgeführten Mißthaten. Werden durch spätere Reichsgesetze Handlungen als Amtsverbrechen rc. qualifizirt, so kommt Nr. 1 gleichfalls zur Anwendung. Doch kann auf Grund der Nr. 1 immer nur der Beamte selbst verfolgt werden, nicht auch der Anstifter oder Gehülfe desselben. Ueber den Begriff „Beamter" im Allgemeinen vgl. § 359, über den Begriff »Reichsbeamter" insbesondere vgl. § 1 deS RGes.'s v. 31. März 1873 (RGbl. f. 61) und andererseits Anh. z. Sch. s. 5. Daß der Beamte im Auslande angestellt sei, wie B. ein diplomatischer Agent oder (Konsul, oder daß er dort einen amtlichen Auftrag auszurichten habe, wird nicht erfordert; Beisp. eine im Auslande verübte Bestechung, betreffend die Verletzung einer im Jnlande zu erfüllenden Amtspflicht.

Zu Nr. 2. 21. Die Nr. 2 ist auf den Ausländer, welcher nach der Begehung der Miß­ that „Deutscher" wird, nicht auSzndehnen; vgl. n. 16. 28. 22. Als „Beleidigung gegen einen BundeSsürsten" ist jede der in den §§ 94—101 vorgesehenen Handlungen zu betrachten; vgl. die Ueberschristen der Abschnitte II (dort n. 2) und m des n. Theils: es gehören daher auch die Beleidi­ gungen der Mitglieder eines bnndessürstlichen Hauses hierher, insofern nicht die 88 94—97 ausdrücklich eine Ausnahme begründen; contra: Schütze s. 248 o. 7; Rubo f. 276; Rüd. s. 255 (rechnet nur die Fälle der §§ 94. 95. 98. 99 hierher); John f. 65 (schließt „Thätlichkeiten", welche keine Beleidigungen sind, aus). 23. Die Nr. 2 hat durch § 102 theilweise eine Ausdehnung auf die vou einem Deutschen int Auslande gegen einen befreundeten Staat, bezw. gegen deffen Fürsten verübten hochverrätherischen Handlungen erfahren. Das Nähere stehe dort.

Zu Nr. 3. 24. Hier wird vorausgesetzt, daß die konkrete „Handlung" am Orte ihrer Begehung strafbar sei, daß sie also alle Begriffsmerkmale eines Straffalles nach den dortigen Gesetzen in sich vereinige. Dagegen ist es nicht erforderlich, daß das ausländische Gesetz denselben Thatbestand vorsehe oder die That rechtlich ebenso qualifizire, wie daS zutreffende inländische: ZU. 8. März 66 (RdO. VH, 160); Münch. 1. Juni 74 (StZ. IV, 99). Ebensowenig kommt es aus die Art oder das Maß der dort angedrohten Strafe an, ob diese der im diesseitigen Gesetze angedrohten gleich oder geringer sei: Z. 15. Dez. 69 (RdO. X, 785). Das gilt selbst dann, wenn die Strafe des ausländischen Gesetzes sechswöchige Haft und Geldstrafe von Opvenhoff, D. Strafgesetzbuch. 7. AuSg.

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Einleitende Bestimmungen. $ 4.

150 Mark nicht übersteigt, so daß ste also nach dem Systeme des StGB.'- nur eine Uebertretung darstellen würde, sobald die That nur nach dem diesseitigen Gesetze ein Verbrechen (vergehen) ist: ZU- 14. Dez. 61 (RdO. II, 71). 24a. Von dieser Bedingung (n. 24) kann selbst dann nicht abgesehen werden, wenn die That in einem uncivilisirten oder in einem staatenlosen bezw. ge­ setzlosen Lande verübt ist; contra in Betreff des letzteren Falle-: MeveS f. 92. 24b. Unter „Handlung" sind Theilnahmehandlungen (§§ 47 ff.) mit­ verstanden; vgl. n. 30. Bei der Theilnahmehandlung zu einer im Inlande verübten (versuchten) Mißthat muß, damit dem § 4 Nr. 3 genügt werde, sowohl die Mißthat selbst, als auch die Theilnahme an einer solchen nach den Gesetzen de- Orts, wo der Theilnehmer handelte, strafbar sein, so: MeveS s. 93; vgl. § 48 n. 10. 25. Da die Strafbarkeit der That nach dem ausländischen Gesetze die Bedin­ gung ihrer Verfolgbarkeit im Inlande ist, so muß der Znstauzrichter diesen Punkt von Amt-wegen erörtern. Dasselbe gilt im Falle des SchlußabfatzeS der Nr. 3 in Betreff der Frage, ob das ausländische Strafgesetz milder sei. CS kann daher hier von einer Beweiölast deS Angeschuldigten keine Rede sein; vgl. Schütze s. 59 d. 16: contrai Schw. f. 66. 26. Demgemäß bedarf die Strafbarkeit der (konkreten: n. 24) Handlung nach dem Gesetze des ausländischen Orts der Begehung einer ausdrücklichen Fest­ stellung: DU. 1. Febr. 66 (RdO. VH, 77); es genügt nicht, au-zusprechen, daß z. B. der „Betrug- nach dem ausländischen Gesetze strafbar sei, vielmehr bedarf es auch der Feststellung, daß die That de- Angeschuldigten nach jenem Gesetze unter den Begriff deS Betrugs falle: BI. 15. Nov. 61, BI. 25. Nov. 63, Bll. 23. März 65 (RdO. II, 75; IV, 214; VI, 16); contra: Dreöd. 18. Sept. u. 4. Dez. 74, 5. Febr. 77 (StZ. V, 3; SGZ. XIX, 209; XXI, 348: weil die Voraussetzung der Nr. 3 kein Thatbestand-merkmal, sondern lediglich Bedingung der Strafverfolgung, die Frage mithin materiell prozessualischer Natur sei, deren selbstständige Prüfung auch dem Nichtigkeit-richter zustehe; vgl. § 61 n. 35). Daraus folgt, daß wenn in dem betr. ausländischen Gesetze ein anderer Thatbestand vorausgesetzt wird, als in dem anzuwenden den inländischen (n. 24), beide der Feststellung bedürfen; im schwurgerichtlichen Verfahren muß daher auch der Thatbestand des ausländischen Gesetzes in die Fragstellung aufgenommen werden: Bll. 12. Sept. 67 (RdO. vm, 505; Rh. Sache); vgl. §2 n. 13; ebenso unter der Herrschaft der RStPO.: Schw. StPO. s. 458. 27. In Betreff der Frage, wie und auf welcher Grundlage (auf Gruud wel­ che- Nachweise-) in den Instanzen der Inhalt des betr. ausländischen Gesetzefestzustellen sei, stnd zur Zeit noch die Landesprozeßgesetze maßgebend: Manh. 28. Dez. 72 (DAnu. 41 s. 4). In Preußen (und dereinst im ganzen Geltungsgebiete der RStPO.) ist diese Frage nicht durch die Geschwornen, sondern durch dm GH. zu lösen. Letzterer kann die betr. Entscheidung unbedenklich auf Grund der Notorietät oder seiner persönlichen Kenntniß (:ZI. 8. Sept. 58 c. Sturm;ZII. 29. Nov. 60c. Stein), oder auf Grund eine- Gutachten- ausländischer Recht-gelehrten (:BI. 29. Juni 55: StA. 30 f. 138) treffen; vgl. DreSd. 18. Sept. 74, Manh. 28. Dez. 72 (StZ. V, 3. 5). Da eine solche Entscheidung die Anwendung de- inländischen Gesetzes nicht berührt, so unterliegt ihre Richtigkeit nicht der Kritik de- Nichtigkeit-richters: DI. 5. Juli 65, ZI. 10. Juli 67, ZII. 27. Jan. 70 (RdO. VI, 326; Vm, 464; XI, 61); Oppenh. Pr. Strafverf. Art. 107 n. 21; Pr. AGO. I, 10 §53; vgl. jedoch n. 26, bezw. die dort cit. Dreöd. 18. Sept., 4. Dez. 74 n. 5. Febr. 77. Da- Gegentheil soll nach Schw. StPO. s. 525 und Löwe StPO. s. 783 von dem Revision-richter der RStPO. gelten. Dgl. RCPO. § 511. 28. Der letzte Absatz bezieht sich nur auf den Fall der Nr. 3, nicht auch aus den der Nr. 2. Hat daher ein Ausländer nach Verübung einer der in Nr. 2 aufgezählten Mißthaten die Eigenschaft eine- Deutschen erlangt, so ist eine Verfolgung desselben im Bundesgebiete nur dann statthaft, wenn die Voraussetzungen der Nr. 3 zutreffen; vgl. n. 21. 29. Der letzte Absatz hat nur den Fall im Auge, wo der Thäter als Einzelner nachträglich in einem Bundesstaate das Jndigenat erlangt hat und dadurch Deutscher geworden ist? Wird dagegen später ein bisher nicht zum Reiche gehörige- Gebiet diesem zugelegt und das StGB, auch dort eingeführt, so ist §2 maßgebend: Puch.

Eiulritmde Bestimmungen.

§§ 4.6.

35

K. 5. Im Falle des § 4 Nr. 3. bleibt die Verfolgung ausgeschlossen, wenn n. 6. Hai der Angehörige eine- solchen Gebiets vor der Vereinigung des letzteren mit dem Reiche eine Mißthat in einem ihm fremden, auch jetzt nicht zum Reiche ge­ hörigen Lande verübt, so i|t die Frage, ob er zu verfolgen und wie er eventuell iu bestrafen fei, nach denjenigen Gesetzen zu lösen, welche zur Zeit der Begehung in seinem Heimathlande galten lunbeschadet der Vorschrift de- § 2 Abs. 8). 30. Als „Thäter" sind auch der Ansiifter und Gehülfe anzusehen; vgl. oben n. 24a, § 47 n. 1; § 3 n. 5. 31. Der Antrag „der zuständigen Behörde" de- Landes der Begehung muß von der Eentralstelle (Ministerium der auswärtigen Angelegenheiten rc.) aus. gehen, welches im völkerrechtlichen Verkehr nach außen hin das Land vertritt. — Sin Antrag der in jenem Lande für die Strafverfolgung „zuständigen" Behörde dürfte nicht genügen; vgl. B.-RechtSh.-Gef. v. 21. Zum 1869 § 27; contra: Reber n. 383 (hält nur diese für berechtigt). 32. Zm Uebrigen sind für den hier erforderten Antrag die Vorschriften der §§ 61 ff. maßgebend; contra: Schütze s. 170 n. 12. 33. Insoweit es in den vorgesehenen Fällen aus eine Prüfung und Anwen­ dung deS ausländischen Strafgesetzes ankommt, gilt das oben n. 25—27 Bemerkte auch hier. Bei der Vergleichung, ob das inländische oder ausländische Gesetz daS mildere sei, ist nach Anleitung des zu § 2 n. 12—21 Gesagten zu verfahren. 34. Der Grundsatz der Nr. 3 findet auch dann Anwendung, wenn ein Deut­ scher im Anslande sich gegen ein besonderes Strafgesetz seines HeimathstaateS vergeht (n. 15). Gelten in verschiedenen Theilen des HeimathpaateS für die betr. That verschiedene Spezialgesetze, so wird das am Wohnorte des Thäters geltende anwendbar; hat derselbe tm Heimathflaate keinen Wohnort, so ist in dem gedachten Falle von den verschiedenen geltenden Landesgesetzen da- mildeste anzuwenden; er bleibt also straflos, wenn es in irgend einem Theile deö Staates, welchem er angehört, au einer paffenden Strafbestimmung fehlt. 35. Das Gesetz läßt den Fall ungeregelt, wo der Angehörige eines Bundes­ staate- in einem anderen Bundesstaate eine That begeht, welche in beiden durch verschiedene besondere Landesgesetze mit Strafe bedroht ist. E- unterliegt indessen keinem Bedenken, auch hier den Grundsatz der Nr. 3 analog anzuwenden; vgl. n. 15. ES kann daher in einem solchen Falle eine Strafverfolgung bei den Gerichten und nach den Gesetzen de- Heimathflaate- de- Thäter- stattfinden, inso­ fern nicht die Voraussetzungen de- § 5 zutreffen, oder aber die Strafverfolgung durch § 35 de- B.-Recht-h.-Ges.'e v. 21. Juni 1869 ausgeschlossen wird; vgl. StGB. (Titel: s. 17) n. 4; contra: Heinze s. 43.

§5. 1. „Ausland" ist hier durchweg derjenige ausländische Staat, in welchem die That begangen worden ist („des Auslandes"); contra: Rubo f. 280. 2. Ob die tm § 5 aufgezählten Gründe der Nichtverfolgung, wenn sie vor den befaßten Jnstanzrichtern nicht zur Sprache gebracht und deshalb von ihnen unbe­ rücksichtigt gelassen sind, in der NichtigkeitS-Znstanz oder gar nach eingetretener Rechtskraft noch Berücksichtigung finden können, ist nach den betr. Vorschriften des Verfahrens zu beantworten. Nach den in Preußen geltenden Gesetzen ist die Frage zu verneinen. DaS Gegentheil dürste nach der RStPO. für die Revision, picht aber für die Wiederaufnahme des rechtskräftig geschlossenen Verfahrens Rechtens sein; vgl. Löwe StPO. s. 784. 3. In den Fällen, in welchen nach § 5 der inländische Richter die Gesetze eine- fremden Staates berücksichtigen muß, ist das zu 8 4 n. 25—27 Gesagte auch hier maßgebend. .4. Insoweit § 5 die Strafverfolgung im Zulande mit Rücksicht aus.gewisse im ausländischen Staate der Begehung obwaltende Voraussetzungen ausschließt, muß dasselbe auch im Verhältnisse einzelner Bundesstaaten untereinander gelten, z. B. wenn es sich von der Verfolgung solcher.Fälle .handelt, welche in den ver­ schiedenen Bundesstaaten durch verschiedene Landesstrafgesehe vorgesehen sind; vgl.

Einleitende Bestimmungen. § 5.

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1) von den Gerichten des Auslandes über die Handlung rechtskräftig erkannt und entweder eine Freisprechung erfolgt, oder die ausgesprochene Strafe vollzogen, 2) die Strafverfolgung oder die Strafvollstreckung nach den Gesetzen des Auslandes verjährt, oder die Strafe er­ lassen, oder §4 o.35. Außerdem schließt die in dem einen Bundesstaate ausgesprochene rechtskräftige Berurtheiluug eine abermalige Verfolgung des Angeschuldigten in einem anderen Bundesstaate dann aus, weuu jenes Urtheil auch in dem letzteren zur Vollziehung zu bringen wäre oder wenn aus Grund desselben die Auslieferung des Berurtheilten begehrt werden kann (B.-RechtSh.-Ges. v. 21. Juni 1869 § 21 ff. 33); nach dem In­ krafttreten der R.-Zustizgesetze ist die abermalige Verfolgung daher unbedingt auSgeschloffen; vgl. StGB. (Titel, oben s. 17) n. 4. Das gilt selbst dann, wenn die Berurtheilung nicht in demjenigen Bundesstaate erfolgt ist, in welchem die strafbare Handlung verübt war.

Zn Nr. 1. 6. Die Strafverfolgung im Julaude bleibt ausgeschlossen, sobald im auslän­ dischen Staate der Begehung über die Handlung (d. h. über dasselbe konkrete Thun des Angeschuldigten) „rechtskräftig erkannt rc." ist. Ein in jenem Staate noch schwebendes Strafverfahren genügt dazu nicht; dagegen muß da- im An­ lande angehobene Strafverfahren eingestellt werden, sobald im Auslande jene Be­ dingung zutrifft. Wäre inzwischen im Inlande bereits in erster Instanz ein derurtheilendes Erkenntniß ergangen, so müßte der mit der Sache befaßte höhere Jnstauzrichter daffelbe ausheben und die weitere Verfolgung für unstatthaft erklären. 6. Das betr. „Erkenntniß" muß von einem Gerichte ausgegangen sein; es genügt also nicht, wenn von einer Verwaltungsbehörde eine vorläufige Entscheidung ergangen ist, sollte diese demnächst auch vollstreckbar geworden sein. Steht dagegen die Entscheidung über einen Strafsall ausschließlich einer Verwaltungsbehörde zu, so ist diese als das zuständige „Gericht" anzusehen; cofifrn: Rubo f. 280. 7. Im Uebrigen ist es gleichgültig, ob der ausländische Richter nach den dies­ seitigen oder nach den Gesetzen seines Landes zuständig war, wenn er nur ein Strafrichter desjenigen Landes war, in welchem die That begangen worden ist. 8. Ein Erkenntniß ist „rechtskräftig", sobald es nach den maßgebenden Strafprozeßgefetzen nicht mehr durch ein ordentliches Rechtsmittel angefochten werden kann; vgl. § 30 n. 4. 9. Es muß über die Handlung freisprechend oder aus Strafe „erkanntrc." sein. Aus welchem Grunde die Freisprechung erfolgte und ob dieser Grund auch im Zulande zur Freisprechung führen konnte, ist gleichgültig. Dagegen steht es einer Freisprechung nicht gleich, wenn ein eingeleitetes Vorverfahren eingestellt oder die Strafverfolgung für unstatthaft erklärt ist; daffelbe würde von einer die Wiederaufnahme des Verfahrens nicht ausschließenden „vorläufigen Freisprechung" gelten: ZI. 8. März 54 (GA. II, 250); contra: Rubo s. 282. 10. Hat der ausländische Richter in der angegebenen Weise (n. 5—9) über die Handlung erkannt, so ist es gleichgültig, wie er sie qualifizirt, insbesondere ob er sie unter denselben strafrechtlichen Begriff gebracht hat, welcher jetzt im Zulande der Strafverfolgung zum Grunde gelegt werden soll; nicht minder, ob alle für die Beurtheilung (nach inländischem oder ausländischem Rechte) erheblichen thatsächlichen Momente dem ausländischen Richter vorgelegen haben, oder erst später ermittelt worden sind; vgl. Oppenhoff Pr. Strasverf. § 1 n. 47 ff. 11. Eine Derurtherlung im Auslande, welche nicht den Vollzug oder Er­ laß der ganzen Strafe zur Folge gehabt hat, schließt die Verfolgung im Bundes­ gebiete mcht aus. Ein unvollständiger Strafvollzug kaun nur die Anwendung des § 7 rechtfertigen. 12. Von dem unter Nr. 1 (und 2) erwähnten Grundsätze macht § 37 eine Ausnahme; vgl. die Bemerkungen zu diesem.

Ginltitenbe Bestimmungen. §§ 5. 6.

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3) der nach den Gesetzen des Auslandes zur Verfolgbarkeit der Handlung erforderliche Antrag des Verletzten nicht gestellt worden ist.

[L Entw.: § 4 Ms. 3; II. Entw.r § 5; Pr. StGB.: § 4 Abs. 3.J Dgl. §§ 4. 6-8. 37; R..Mil.-StGB. § 161.

§. 6. Im Auslande begangene Uebertretungen sind nur dann zu bestrafen, wenn dies durch besondere Gesetze oder durch Verträge angeordnet ist. [I. Entw.: § 4; II. Entw.: § 6; Pr. StGB.: § 4 (Schlußs.)I vgl. $ 8; R..Mil..

StGB. § 161.

Sn Nr. 2.

13. Die Frage nach der „Verjährung der Strafverfolgung oder Strafvoll, streckung" ist selbstverständlich mit Rücksicht auf denjenigen strafrechtlichen Lharakter -u lösen, den die Handlung nach dem zutreffenden ausländischen Gesetze hat. 14. Die Verjährung der Strafverfolgung ist nnr dann zu berücksichtigen, wenn sie im Auslande abgelaufen war, ehe im Inlande eine Verfolgung stattfand; contra: Rubo f. 284. War eine solche vor dem Ablaufe jener Verjährung ange­ hören worden, so schließt der Umstand, daß später im Auslande die Verjährung ablief, die Fortfetzung des Verfahrens nicht aus. In dieser Beziehung kommt es lediglich auf den Akt der Strafverfolgung, d. h. also aus den Zeitpunkt an, in welchem der Staatsanwalt die Strafklage (Anklage, Anschuldigung) erhoben hat; insbesondere bleibt § 68 (nach welchem die Verjährung nur durch Handlungen des Richters unterbrochen wird) außer Anwendung, da es sich hier nicht darum handelt, den Lauf der (ausländischen) Verjährung zu unterbrechen, sondern eine für die inländische Strafverfolgung vorgeschriebene Frist zu wahren. 15. Ein Straferlaß (eine Amnestie, Abolition) ist der Vollziehung gleich zu achten; vgl. n. 11. Erfolgt eine solche, nachdem im Znlande bereits die Straf­ verfolgung angehoben war, so ist nach n. 5 zu verfahren. 16. Als „Straferlaß" ist nur ein Gnadenakt des betr. Landesherrn (§ 3 n. 4) anzusehen, nicht also ein wirksamer Verzicht des Verletzten auf die Be­ strafung oder auf den Strafvollzug (vgl. § 194 Abf. 2); ein solcher Fall ist lediglich nach Nr. 3 zu beurtheilen, contra: Puch. 5; Schw. s. 209; Rubo f. 284. Zu Nr. 3. 17. Die Nothwendigkeit eines „Antrages des Verletzten" ist selbstverständlich nach der der That nach dem betr. ausländischen Gesetze zu gebenden Qualifizirung zu beurtheilen. 18. Der Nichtstellung des Antrags steht der Fall gleich, wo der Antrag zu spät gestellt oder rechtsgültig zurückgenommen worden ist. §6. 1. Die Worte „sind nicht zu bestrafen" sind nicht korrekt. Auch hier ist nur von der Statthaftigkeit der Strafverfolgung die Rede. 2. Ueber den Begriff des „Auslandes" vgl. §8; § 5 n. 4. 3. Die Frage: ob eine That eine „Uebertretung" darstelle, ist lediglich nach dem inländischen Gesetze zu beurtheilen. 4. Die Verfolgung der im Auslande begangenen „Uebertretungen, selbst der in einem Bundesgesetze (z. B. dem StGB.) vorgesehenen, kann auf Grund eines in dem betr. Bundesstaate ergangenen Gesetzes, oder eines von jenem abgeschloflenen Vertrags erfolgen; es wird also nicht erfordert, daß dieses Gesetz (Vertrag) vom Reiche ausgegangen fei: Rüd. n. 2; contra: Rubo f. 285 (legt. nur Reichsgesetzen jene Bedeutung bei); v. Kirchm. s. 27; Puch. n. 4 (diese wollen den Landesgesetzen und Verträgen nur in Betreff der durch Landesgesetze vorgesehenen Uebertretungen eine Wirksamkeit beilegen, wert die Landesgesetzgebung ein ReichSgesetz nicht modifiziren könne; die allgemeine Faffuvg des § 6 gewährt aber hier die fragliche Befugniß; auch handelt es sich nicht um die Bedeutung des Strafgesetzes, sondern um die Bedingungen der Verfolgbarkeit).

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Einleitende Bestimmung«». §§ 6. 7.

§. 7. Eine im AuSlande vollzogene Strafe ist, wenn wegen derselben Handlung im Gebiete des Deutschen Reichs abermals eine Verurtheilung erfolgt, auf die zu erkennende Strafe in Anrechnung zu bringen. fl. u. H. ent», (fehlte); Pr. StGB. (de»gl.)1 Bgl. §§ 3-8. 37. 73. 5. Die Strafverfolgung wegm einer im Auslande begangenen Uebertretung ist nur dann statthaft, wenn die zulassenden Gesetze oder Vertrüge vor der DerÜbung der That verkündet oder abgeschlossen waren.

§7. 1. In Ermangelung positiver Ausnahmebestimmungen (z. B. § 5 Nr. 1) wird die statthafte Verfolgung im Znlaude durch eine Aburtheilung im Auslande und durch den Vollzug der dort verhängten Strafe nicht ausgefchloffeo; das aus­ ländische Urtheil bildet keine res iudicata. Gleichwohl soll auch hier die früher Im AuSlande verhängte und vollzogene Strafe auf die demnächst im Inlande zu verhängende Strafe in Anrechnung gebracht werden. Cs ist hierbei sowohl an solche Fälle zu denken, wo die That im Inlande begangen ist, als auch an die im § 4 Nr. 1—3 vorgesehenen Fälle (z. B. wenn bei einem Falle des § 4 Nr. 3 die im AuSlande verhängte Strafe nur theilweife vollzogen worden ist, so daß § 5 Nr. 1 nicht zur Anwendung kommt: § 5 n. 11); vgl. DU. 13. Sept. 66 (RdO. Vn, 462). 2. Die Anwendung des hier ausgesprochenen Grundsatzes ist nicht bedingt durch die Zuständigkeit des ausländischen Gericht«; ebenso wenig wird hier erfordert, daß das Urtheil von einem Gerichte desjenigen Staates ausgegangen fei, in dessen Gebiet die That begangen war; vgl. § 5 n. 1. 7. 3. Nicht minder ist eS gleichgültig, in welcher Weise daS ausländische Urtheil die Handlung qualifizirt hatte; eS genügt, daß es sich um dieselbe That (um daSselbe konkrete Thun) handelte. 4. Nur die „vollzogene", nicht die verjährte oder erlassene Strafe ist in dieser Weise anzurechnen, obgleich bei einer (im Jnlande zu bewirkenden) Straf­ vollstreckung der Straferlaß der Vollziehung gleichgeachtet wird. — Ist der Straf­ vollzug im Auslande theilweife erfolgt, so kann, selbst wenn er augenblicklich noch fortdauert, doch nur der bereits verbüßte Theil der Strafe angerechnet werden. 5. Die Anrechnung soll auf die „zu erkennende" Strafe erfolgen; sie ist also im verurtheilenden Erkenntnisse in der Weise auszusprechen, daß zunächst daö volle Maaß der zugemessenen Strafe verhängt und dann bestimmt wird, um welchen Betrag sie mit Rücksicht auf die im AuSlande erlittene herabzusetzen sei. — Ist die Anrechnung im Erkenntnisse unterblieben, weil der erkennende Instanzrichter keine Kunde von jenem Strafvollzüge erlangt hatte, so kann sie in Preußen nicht mehr im Wege der Nichtigkeitsbeschwerde, oder in dem eine« nachträglichen Verfahren­ nachgeholt werden. DaS Gegentheil dürfte von der Revision der RStPO. gelten; vgl. § 5 n. 2. 6. Eine erst nach der inländischen Berurtheilung im Auslande erfolgte Be­ strafung (Straf-Dollstreckuug) kann keine Berücksichtigung mehr finden; eine Nach­ holung der Anrechnung in der Bollstreckungsinstanz ist unstatthaft; vgl. § 2 n. 20. 7. Entspricht die im AuSlande vollzogene Strafe ihrer Art nach nicht den Strafen des StGB.'S, so muß der erkennende Richter nach billigem Ermessen und unter Berücksichtigung de- § 21 eine Strafumwandlungsberechnung zum Grunde legen. Die im Auslande verhängten Chrenstrasen gestatten keine Anwendung, da sie im Jnlande keine Wirksamkeit haben; vgl. § 37. 8. Die „Anrechnung der im Auslande vollzogenen Strafe" kann eine Abän­ derung der im diesseitigen Gesetze angedrohten Strafart nicht herbeiführen; sonach ist e- unstatthaft, eine verhängte Zuchthausstrafe deshalb, weil ihre Dauer durch jene Anrechnung unter das Mindestmaß des § 12 (ein Jahr) hinabsinkt, in Gefängniß oder Festungshaft umzuwandeln. Vgl. § 19 n. 3. 4; contra: Rüd. n. 1. 9. Wird ausTodeS- oder aus lebenslängliche Zuchthausstrafe oder Festungs­ haft erkannt, jo fällt die Anrechnung sott.

(Sinlcittnbc Bestimmungen.

§§ 7. 8.

39

§. 8. Ausland im Sinne dieses Strafgesetzes ist jedes nicht zum Deutschen Reiche gehörige Gebiet. [I. Ent».: § 5 Ms. I. II. ent».: § 8; Pr. StGB. (feilte)]. Vgl. §8 3-7. 37. 296»; ReSl-h.-Ges. v. 21. Juni 1869 $ 39, 8@e[. v. 1. Juni 1870 (BGbl. f. 355t; RGes. v. 9. Juni 1871 § 1 (RGbl. s. 212; Els.-Lothr. Gbl. f. 1); (8unbe6flagflcn.)@ef. v. 25. Okt. 1867 (BGbl. f. 35); R.-SeemannS-Ordn. v. 27. Dez. 1872 § 100.

10. Der § 7 muß unbedenklich a potiori auch im Verhältnisse zwischen verschiedenen Bundesstaaten Anwendung finden. Dgl. StGB- (Titels. 17) n.4. a. C. 11. Die Vorschrift des § 7 ist auf den Fall zu beschränken, wo wegen der­ selben im Auölande bereits bestraften That auch noch eine Verfolgung im Inlande erfolgt (n. 1). Sie bleibt außer Anwendung, wenn im Auslande eine Bestrafung wegen einer anderen von derselben Person in Real-Konkurrenz begangenen Mißthat erfolgt ist. In einem solchen Falle kommen dem Angeschuldigten die milderen Vor­ schriften der §§ 74 ff. nicht zu Gute; vgl. § 79 n. 16.

8 8. 1. Die Worte „dieses Strafgesetzes" find, wie aus den Motiven s. 20 und aus den Erklärungen des Reg.-KommiffarS im Reichstage erhellt, auf das ganze Strafgesetzbuch zu beziehen. In ähnlichem Sinne find jene Worte mehrfach gebraucht, vgl. §§ 31. 52. 359 und oben s. 17 n. 4. 2. Nach der Begriffsbestimmung des § ist auch das zu keinem Staate ge­ hörende Gebiet „Ausland"; vgl. n. 4. 3. Ein Seeschiff auf offenem Meere wird als Theil des HeimathspaateS angesehen: ZI. 12. Sept. 55 (GA. III, 658). Dasselbe gilt von Kriegsschiffen auch dann, wenn sie sich im EigenthumSgewäffer eines fremden Staats (innerhalb des von der Küste aus durch Geschütze zu beherrschenden Gebietes) befinden, während im Betreff anderer Schiffe ein solches Gewässer als Theil des Küstenlandes betrachtet wird: ZI. 16. März 59 (Entsch. 42. 2. 7). Rücksichtlich des Gerichtsstandes vgl. Pr. NStPO. § 39 a. E. und für die Folge RStPO. § 10. 4. Der Begriffsbestimmung des Wortes „Ausland" entsprechend ist als Ausländer im Sinne des StGB.'S Jeder anzusehen, welcher nicht „Deutscher", d. h. Angehöriger eines Bundesstaates oder des Reichslandes Elsaß-Lothringen ist: ReichSverf. v. 16. April 1871 Art. 3; BGes. v. 1. Juni 1870 § 1; RGes. v. 9. Juni 1871. Der Erwerb und Verlust der Reichs- und Staatsangehörigkeit ist nach dem eit. BGes. v. 1. Juni 1870 (eingeführt in Elsaß-Lothringen durch Ges. v. 8. Jan. 1873: Cls.-Lothr. Gbl. s. 1) zu beurtheilen. — Demgemäß sind „Ausländer" auch diejenigen, welche keinem Staate angehören, z. B. solche, welche aus dem Unter» thanenverbande, dem sie früher angehörten, entlassen worden sind, ohne eine andere Staatsangehörigkeit erlangt zu haben; vgl. n. 2. 5. In gleichem Sinne sind die Ausdrücke „Ausland" und „Ausländers aufzufassen, wenn e» sich um die Auslegung oder Anwendung eines besonderen Reichsstrafgesetzeö handelt, eS fei denn, daß aus diesem selbst die Absicht des GesetzgeberS hervorginge, hier denselben eine andere Bedeutung beizulegen. 6. So lange das StGB, nur für den Norddeutschen Bund Geltung hatte, richtete sich auch die Bedeutung der in demselben gebrauchten Ausdrücke „In- und Ausland" nach der Zugehörigkeit des betr. Gebiets zum gedachten Bunde. Mit der Wirksamkeit de- da- StGB, zum „Reich-gesetze" erklärenden Ges.'S v. 16. Apr. 1871, insbesondere de- die Ausdrucksweise deS StGB.'S erläuternden § 2 Abs. 2 das. wurden jene Begriffe dahin abgeändert, daß als „Inland" im Sinne (u.nd im Geltungs­ bereiche) des StGB.'S das ganze Reichsgebiet anzusehen ist, also auch diejenigen Bundesstaaten, in welchen zur Zeit das StGB, noch nicht zur Geltung gelangt war: Z. 14. Febr. 1872 (RdO. XIII, 141); Fuchs i. StRZ. XU, 431; contra: Jena (Voll. XIX, 47: erachtete eine in Baiern erfolgte Borbestrafung nicht für geeignet, um für einen im Juli 1871 in Norddeutschland verübten Diebstahl den Rückfall zu begründen; vgl. § 244 n. 1); ähnlich: VN. 8. Febr. 72, DreSd. 21. Juni 72 (RdO. Xin, 126; SGZ. XVI, 257) u. ZN. 13. Dez. 77 (RdO. XVm, 784: in Betreff

40

Einleitende Bestimmungen. §§ 8. 9.

§. 9. Ein Deutscher darf einer ausländischen Regierung zur Verfolgung oder Bestrafung nicht überliefert werden. [I. Snt®.: §6; II. Enlw.: § 9]. Vgl. Rechieh.-Ecs. v. 21. Juni 1869 §§ 21—32. 34; BBertr. mit Nordamerika v. 22. Febr. 1868 (Pr. vertr. v. 16. Juni 1852; BGbl. 1868 s. 229); RDertr. m. Italien v. 31. Oft. 1871 (RGbl. s. 446. 458); m. Großbrittannien rc. v. 14. Mai 1872 vgl. JMBf. v. 2. April 74, JMbl. s. 111 u. v. 16. Aug. 75, ib. f. 194); m. b. Schweiz v. 24. Jan. 1874; m. Belgien v. 24. Dez. 1874; m. Luxemburg v. 9. März 1876; m. Brasilien v. 17. Sept. 1877; m. Spanien v. 2. Mai 1878. Elsaß.Lothringen'S). — Dagegen versieht es sich von selbst, daß die Anwendbarkeit des StGB.'S auf die Mißthaten, welche der Angehörige eines süddeutschen Staats im Auslande verübt hat, erst mit der Einführung des GB.'S in dem Heimathsstaate desselben beginnen konnte. 7. Handelt es sich um die Anwendung eines Landeö-StrafgesetzeS, so findet die nur zur Erläuterung des StGB.'S gegebene Begriffsbestimmung des § keine Anwendung. Es ist dann als „Ausland" jedes nicht jenem Einzelstaate angehörende Gebiet, und als „Ausländer" auch jeder Deutsche anzusehen, welcher kein Angehöriger jeueS Staates ist: Z. 12. Ott. 72 (RdO. XIII, 521); dag jedem solchen Staatsangehörigen uach Art. 3 der Reichsverfaff. und nach § 39 des Rechtshülfeges.'S v. 21. Juni 1869 das ReichS-„Judigenat" zusteht, bleibt hier außer Betracht, weil dieser Grundsatz nur dann und nur insoweit wirksam wird, als sich der Angehörige eines Bundesstaates in einem andern Bundesstaate befindet und hier die in jenem Artikel erwähnten Rechte in Anspruch nimmt, also nicht da, wo strafbare Hand­ lungen in Frage stehen, welche im Gebiete eines andern Bundesstaates verübt worden sind: ZI. 30. Juni 71, V. 24. Jan. 72 (RdO. XII, 355; XIII, 75); contra: Heinze f. 42. Vgl. für Baiern Staudinger f. 52. 75. 8. Das unter n. 7 Gesagte gilt in entsprechender Weise auch da, wo es sich um ein anderes Landesgesetz, z. D. ein Landeö.Prozeßgesetz, insbesondere um die die gerichtliche Zuständigkeit betreffenden Vorschriften handelt: DreSd. 10. Juli 72, ZII. 15. Juni 76; (SGZ. XVI, 350; RdO. XVII, 425); vgl. f. 17 n.4; §4 n. 5; GSaal 24 (. 566; WGbl. VI, 202. 214; Schütze f. 55 n. 1.

8 9. 1. Der hier ausgesprochene Grundsatz deö Staats- und Völkerrechts gilt all­ gemein; die Auslieferung ist daher auch dann nicht statthaft, wenn der betreffende Deutsche sich im Auslande einer gegen ihn bereits ins Werk gesetzten Haft entzogen haben sollte, nicht minder auch dann, wenn er selbst die Auslieferung wünscht. 2. DaS Verhältniß zwischen den Bundesstaaten ist zur Zeit noch durch das RechtSh.-Ges. v. 21. Juni 1869 §§ 21—32. 34. 46 geregelt. Die Vorschrift deS 8 25 1. c., welche die Auslieferung für gewisse Fälle „bis zum Erlaffe eines gemeinsamen StGB.'S" beschränkt, ist weggefallen, und zwar selbst in Beziehung auf die in den verschiedenen Bundesstaaten durch besondere Gesetze verschieden be­ straften Mißthaten: Rüd. n. 2; contra: v. Bar i. GA. XVIII, 90. Die weiteren Bestimmungen über die Auslieferung zwischen verschiedenen Bundesstaaten wurden der zu erlaffenden gemeinsamen StPO, vorbehalten: Mot. f. 21. Mit dem Inkraft­ treten der letzteren bilden hier deren Vorschriften über den Gerichtsstand rc. und die §§ 157 ff. des RGDG.'S, bzw. das denselben zu Grunde liegende Prinzip, daß, waS das Verfahren vor den ordentlichen Gerichten betrifft, das gesammte Reichsgebiet auch in prozeffualischer Hinsicht als Inland anzusehen ist, die maßgebende Norm. Doch sind gemäß § 163 des letzterwähnten Gef.'S Freiheitsstrafen bis zu 6 Wochen in demjenigen. Bundesstaate zu vollstrecken, in welchem der Verurtheilte sich befindet. 3. AuSlieferungSverträge sind vom Reiche (dem Nordd. Bunde) mit Nord­ amerika, Italien, Großbritannien, Belgien, der Schweiz re. abgeschloffen; vgl. die obigen Titate. Sie gestatten nicht die Auslieferung eines Deutschen. 4. Die von den einzelnen Bundesstaaten mit ausländischen Regierungen abgeschlossenen Verträge sind in ihrer Wirksamkeit durch § 9 nicht berührt.

Einleitende Bestimmungen.

§§ 10.11.

41

§. IO. Auf Deutsche Militairpersonen finden die all­ gemeinen Strafgesetze des Reichs insoweit Anwendung, als nicht die Militairgesetze ein Anderes bestimmen. [I. Entw.: 8 7; II. Entw.: § 10; Pr. StGB.: § 5]. Dgl. BGes. v. 9. Nov. 1867; Mil.-StGB. §§ 1-3. 6. 42; EG. j. dems. v. 20. Juni 1872 §2.

§. 11. Kein Mitglied eines Landtags oder einer Kammer eines zum Reiche gehörigen Staats darf außerhalb der Ber§ 10. 1. Da» R.-Mil.-StGB. hat eine Reihe ton Handlungen al» „militärische Berbrechen und Vergehen" mit besonderen Strafen bedroht (vgl. §11. c.) und sodann im § 3 bestimmt, daß „strafbare Handlungen der Militärpersonen, welche nicht militLrische Verbrechen und Vergehen sind, nach den allgemeinen Strafgesetzen beurtheilt werden". Daraus sowie aus der Fassung des obigen § 10 folgt, daß die Anwendung der Bestimmungen des D. StGB.'S nur da ausgeschlossen bleiben kaun, wo das R.-Mil.-StGB. (oder ein demnächst erlassenes Reichsgesetz) ein Anderes bestimmt, und daß ein Landes-Gesetz nicht geeignet ist, jene Wirkung herbeizuführen. — Die Schlußbepimmung zu IX. Abschnitt (Artt. 59—68) der ReichSverfaffung (BGbl. 1871 f. 82) und der dort in Bezug genommenen Bündnißverträge re. mit Baiern und Würtemberg, nach welcher die dort bestehende Militärstrafgefetzgebung zur Zeit aufrecht erhalten wurde, hat — soweit es sich um die Auslegung und Anwendung des obigm § 10 handelt, — durch die Einführung des R.-Mil.-StGB.'S § 2 ihre Bedeutung verloren. 2. Unter „Militärpersonen" sind nach § 4 des R..Mil..StGB.'S die „Personen deö Soldatenstandeö und die Militärbeamten zu verstehen, welche zum Deutschen Heere oder zur Kaiserlichen Marine gehören"; eine Aufzählung derselben enthält daS im RGbl. v. 1872 (f. 204) abgedruckte „Derzeichniß"; vgl. Mil.«StGB. § 5. — Demnach gehören die (nur im Civildienste beschäftigten) Gendarmen, ihrer militärischen Organisation ungeachtet, nicht mehr (wie nach dem Pr. Mil.-StGB.) zu den „Militärpersonen"; vgl. § 113 n. 49; EG. z. Mil.-StGB. § 2. 3. Personen des Beurlaubtenstandes (der Reserve, der Land- oder der Seewehr) unterliegen den Strasvorschristen des Mil.-StGB.'S in der Zeit, in welcher sie sich im Dienst befinden; außerhalb dieser Zeit finden aus sie nur diejenigen Vorschriften des eit. GB.'S Anwendung, welche dasselbe oder das R.-Mil.-Ges. v. 2. Mai 1874 (vgl. dort § 60 Nr. 3) ausdrücklich auf sie für anwendbar erklärt hat: B.-Gef. v. 9. Nov. 1867 § 15; Mil.-StGB. § 6; vgl. das. §§ 113. 126. — Die einzelnen Kategorien der Personen des BeurlaubtenftandeS finden sich im § 56 des eit. RMil-Ges.'S aufgeführt. — In Betreff der eine Person deö Beurlaubtenstandes in Folge einer civilgerichtlichen Verurtheilung treffenden militärischen Chrenstrafen, sowie in Betr. des in einem solchen Falle eventuell eintretenden militärgerichtlichen NachtragsVerfahrens vgl. Mil.-StGB. § 42. 37 Abs. 2 Nr. 2. — Die Civilgerichte haben nicht auf Militärstrafen zu erkennen: Pr. Ges. v. 15. Apr. 1852 (GS. s. 117); vgl. BLdn. v. 29. Dez. 1867 (BGbl. s. 185). 4. Hinsichtlich der Ersatzreservisten erster Klasse vgl. § 69 Nr. 5 deö R.Mil.-Ges.'S v. 2. Mai 1874. 5. In Betreff der von Militärpersonen im Auslande, während sie dort in dienstlicher Stellung sich befinden, verübten strafbaren Handlungen vgl. § 4 n. 6.

§ li. 1. Dieser (im Reichstage zugesetzte) § stimmt in seiner Fassung wesentlich mit Art. 30 der Reichöverfassung überein, welcher dieselbe Vorschrift in Betreff der Reichstagsmitglieder enthält. 2. Die Vorschrift ist auf Minister (Mitglieder des BundeSrathS) und RegieruvgS-Kommiffarien, welche in den Landtagen re. in dieser ihrer Eigenschaft daö Wort nehmen, nicht auszudehnen, da sie nicht der DiSciplinargewalt des Bor. Ptzenden der Versammlung rc. unterliegen, also nicht „innerhalb der Versammlung"

Einleitende Bestimmungen. §§ 11.12.

42

sammlung, zu welcher das Mitglied gehört, wegen seiner Ab­ stimmung oder wegen der in Ausübung seines Berufes ge­ thanen Aeußerungen zur Verantwortung gezogen werden. [I. u. II. Eatw. (Mut); Pr. StGB, (dtsgl.)). vgl. $ 193; Rtichs-Vtrsass. Ar». 30.

§. 12

Wahrheitsgetreue Berichte über Verhandlungen

zur Verantwortung gezogen werden können; diese Personen finden ihren Schutz im § 193 des StGB.'S: Puch. n. 3; Schw. s. 212. 3. Auf Provinzial-Landtage findet der § 11 keine Anwendung, dr die Worte „Landtag oder Kammer" aus die allgemeine LandeSvertretuug zu befchränkert sind; der Umstand, daß in einzelnen Bundesstaaten z. B. in Preußen die Provinzialvertretungen „Landtag" genannt werden, kommt hier nicht in Betracht. Auch hier kann nur § 193 Schutz gewähren. 4. Straflos sind die Abstimmungen und Aeußerungen, welche in Ausübung de- Beruf- des Abgeordneten, sei es im Plenum des Landtages rc., sei es in den Abtheilung«- oder Kommissionsversammlungen desselben, oder in einem Kommission«, berichte zu den Zwecken der gemeinsamen Berathung oder Beschlußfassung, zur Er­ füllung der verfassungsmäßigen Aufgabe gemacht werden. Dabei ist es gleichgültig, ob die Landesverfassungen oder die Geschäftsordnungen darüber Vorschriften enthalten, wie etwaige Ausschreitungen „innerhalb der Versammlung" (z. B. in den AbtheilungS- oder KommisstonSsitznngen) zu rügen seien. 5. Dagegen ist der § nicht auszudehnen auf den gelegentlichen individuellen Gedankenaustausch, welcher während einer Versammlung zwischen einzelnen Mitglie­ dern stattfindet. Noch weniger bezieht fich derselbe auf solche Aeußerungen, welche in willkürlich zusammentretenden Versammlungen eines Theiles der Mitglieder (Rumpfparlament) oder in vorbereitenden Fraktion-Versammlungen einzelner Ge­ sinnungsgenossen, oder in Wahlversammlungen, sog. Rechenschaftsberichten und dgl. Vorkommen: Puch. n. 5. In Betreff der letzteren kann eventuell § 12 oder § 193 wirksam werden: Manh. 31. Dez. 72 (StZ. in, 154). 6. Als Theil der Strafgesetzgebung bezieht sich § 11 zunächst nur aus die Ausschließung der Strafverfolgung (aus einem etwa zutreffenden Straf­ gesetze). Sie ist aber ihrem Geiste nach auf die disciplinarische und aus andere Aufsichts-Maßnahmen („Stellen zur Disposition" u. dgl.) auszudehnen; vgl. cit. Reichsverf. Art. 30. Dagegen werden Eivilklagen auf Ersatz eines verursachten Schadens durch dieselbe eben so wenig wie durch den cit. Art. 30 ausgeschlossen; eine solche Klage ist weder als eine „gerichtliche Verfolgung" (cit. Art. 30) noch als ein „Ziehen zur Verantwortung" anzusehen; contra: Puch. n. 6. § 12.

1. Der Art. 22 der Reichsverfassung, welcher die entsprechende Vorschrift in Betreff der ReichStagösitzungen enthält, beschränkt dieselbe auf öffentliche Sitzungen; das ist im § 12 nicht wiederholt; die Oeffentlichkeit der Sitzung ist daher hier keine wesentliche Bedingung der Straflosigkeit: Otto f. 24; Schw. s. 212; Puch, n. 7; contra: Meyer n. 1. 2. ES dürste unbedenklich sein, die ausgedehntere Vorschrift des § (n. 1) auch auf die Berichte über die ReichStagösitzungen anzuwenden. 3. Dagegen ist auch § 12 auf die Verhandlungen der Landesvertretungen beschränkt, also auf die eines Provinz!allandtageS nicht auszudehnen; vgl. § 11 n. 3. 4. Auf die Berichte über Verhandlungen des Landtags rc. eines auswärtigen Staates findet der § keine Anwendung. 5. Nur die „Verhandlungen" des Landtags rc. als solchen, d. h. also die in dessen Plenarsitzungen stattgehabten Erörterungen können straffrei mitgetheilt werden, nicht aber die in den einzelnen Abtheilung-- oder Kommission-sitzungen gemachten Aeußerungen, welche nur für die Mitglieder dieser Abtheilung rc. berechnet find: Schw. s. 212; contra: Puch. n. 7, noch auch die unter die Mitglieder deLandtags vertheilten Kommission-berichte; vgl. ZI. 13. März 68 (RdO. IX, 203:

Einleitende Bestimmungen. § 12.

43

eines Landtages oder einer Kammer eines zum Reiche gehö­ rigen Staats bleiben von jeder Verantwortlichkeit frei. [I. II. Entw. (fehlte); Pr. StGB, (fehlte)]. Vgl. Reichs-Verfassung Art. 22. Preußen: Vgl. Preßges. v. 12. Mai 1851 § 38. arg. $ 38 des Pr. Preßges.'S, welcher aber ausdrücklich die Befreiung nur „den Be­ richten von den öffentlichen Sitzungen der Kammern" gewährte). 6. Ein „Bericht" ist eine (mündliche, schriftliche oder gedruckte) Mittheilung des Verhandelten; derselbe muß „wahrheitsgetreu", braucht aber nicht wortgetreu zu sein; es genügt, wenn der wesentliche Inhalt richtig und vollständig wieder­ gegeben wird. Dazu gehört, daß er ein Gesammtbild des Verhandelten gewähre; daher trifft der § nicht zu, wenn nur einzelne Reden, ohne die Antworten anderer denselben Gegenstand behandelnder Redner, oder wenn gar nur einzelne herauSgeriffene Sätze aus Einzelreden wiederholt werden: Beschl. I. 9. Juni 65, Beschl. I. 20. Apr. 66, ZI. 28. Juni 76 (RdO. VI, 177; VH, 236; XVII, 469); contra: Rubo s. 311. Dagegen ist es nicht geboten, immer eine zusammenhängende Dar­ stellung aller in einer Sitzung vorgekommenen verschiedenen Verhandlungen zu geben, sofern nur das über einen speziellen Gegenstand der Tagesordnung rc. Verhandelte erschöpfend mitgetheilt wird: Beschl. I. 3. Apr. 67 (RdO. VIII, 232). Auch wird die Anwendbarkeit deS § dadurch nicht ausgeschlossen, daß in einer Zeitung die be­ gonnene Mittheilung abgebrochen und die Fortsetzung erst in einer folgenden Num­ mer geliefert wird, sobald dieses lediglich aus Rücksichten aus die Zeit deS Erschei­ nens der Nummer oder deshalb geschah, weil in derselben für die vollständige Mittheilung kein genügender Raum sich fand: Beschl. I. 20. Juli 65 (RdO. VI, 273). — Aus dem Gesagten folgt, daß selbstständige, reflektirende Artikel einer Zei­ tung nicht deshalb als „Berichte über eine Landtagsverhandlung" anzusehen und straflos sind, weil sie einzelne darin vorkommende Stellen oder Aeußerungen einer LaudtagSverhandlung entlehnt, und diese als solche unter Namhaftmachung deS betref­ fenden Abgeordneten rc. referirend mitgetheilt haben: VH. 31. März 64, DI. 14. März 66, ZII. 23. Febr. 75 (RdO. IV, 429; VU, 171; XVI, 147); Manh. 31. März 72 (GSaal 25 f. 268); Münch. 26. Apr. 74 (StZ. III, 186). Noch weniger ist der § auf Kritiken einer Landtagsverhandlung auszudehnen. Ueberhaupt ist einer Veröffentlichung rc. rc. der Charakter eines „Berichts" unbedenklich zu versagen, so­ bald jene nicht gemacht ist, um dem Leser rc. ein Bild von der LandtagSverhavdlung als solcher zu geben, eS vielmehr dem Urheber derselben lediglich darum zu thun war, die int Landtage vorgekommenen Gedankenausdrücke seinerseits zu ver­ breiten; dann bringt er diesen GedankeoauSdruck als seinen eigenen weiter; — er muß also auch für denselben verantwortlich sein. 7. Die Vorschrift deS § bezieht sich auf alle „Berichte", ist also nicht aus die durch die Presse veröffentlichten zu beschränken. 8. Ist die Strafverfolgung des Urhebers eines „wahrheitsgetreuen Berichts" ausgeschlossen, so findet in Betreff der Exemplare der betr. Schrift ein Verfahren auf Unbrauchbarmachung (§§ 41. 42) nicht patt: Beschl. I. 16. Apr. 75 (RdO. XVI, 297).

44

Thl. I. Abfchn. I. Strafen. — (§ 13 ff.)

Erster Theil»).

Von der Bestrafung der Verbrechen, Vergehen und Uebertretungen im Allgemeinen. Erster Abschnitt**).

Strafen. *) Erster Theil.

1. Ueber die Allgemeingültigkeit der in diesem Theile enthaltenen Bestimmun­ gen für alle durch besondere Reichs- oder LandeSgesetze mit Strafe bedrohten Hand­ lungen vgl. Einl. Bestst. (s. 18) n. 1 ff. 2. Die in Beziehung auf Verbrechen und Vergehen allgemein geltenden Be­ stimmungen des StGB.'S finden auf militärische Verbrechen und Vergehen ent­ sprechende Anwendung: R.-Mil.-StGD. § 2. **) Erster Abschnitt.

1. Das StGB, unterscheidet Haupt- und Nebenstrafen. Nebenstrafen find solche, welche nicht selbstständig für sich allein, sondern nur in Verbindung mit einer Hauptstrafe verhängt werden können: Mot. s. 22. 2. Als Hauptstrafen für Derbrechen und Vergehen hat das StGB, die Todesstrafe, Zuchthaus, Festungshaft, Gefängniß, Haft und Geldstrafe, für Ueber­ tretungen: Haft und Geldstrafe, sowie für Vergehungen und Uebertretungen prafunmündiger Personen den Verweis aufgenommen. Als Neben strafen kommen vor: Cinfperrung in ein Arbeitshaus (als Befferungs-Nachhaft), Einziehung einzelner Gegenstände, Unbrauchbarmachung von Schriften rc., Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte, Unfähigkeit zur Bekleidung öffentlicher Aemter bezw. zur Beschäftigung im Eisenbahn- oder Telegraphendienst (§ 319), Verlust der bekleideten öffentlichen Aemter sowie der aus öffentlichen Wahlen hervorgegangenen Rechte (§§ 81. 83. 87—90. 94. 95), Stellung unter Polizei-Aussicht, Verweisung aus dem Bundesgebiete und die dauernde Unfähigkeit, als Zeuge oder Sachverständiger eidlich vernommen zu werden (§ 161). Nicht alle diese Nebenstrafen stnd in dem von „btn Strafen" handelnden Ersten Abschnitte des Ersten Theils ausgezählt und speziell geregelt worden. 3. Dagegen ist die Unterbringung eines Strafunmündigen in eine Erzie­ hung-- oder Besserungsanstalt (§ 56), welche die Mot. f. 22 ebenfalls als Nebenstrafe aufzählen, als eine „Strafe" nicht anzusehen, weil sie auch neben einer „Freisprechung" angeordnet werden kann und lediglich den Zweck hat, den Straf­ unmündigen vor den schädlichen Einflüssen zu bewahren, welchen er in der eignen Familie ausgesetzt ist; vgl. John i. StRZ. XI, 344. Ebenso ist die Buße (§§ 188, 231) keine (öffentliche) Strafe; vgl. § 188 n. 1, 4. In Betreff der Strafarten, welche aus einem neben dem StGB, in Kraft verbliebenen älteren (Bundes- oder Landes-) Gesetze verhängt, sowie in Be­ treff derjenigen, welche künftig durch ein Landeöstrasgesetz angedroht werden können, vgl. CG. §§ 5. 6 und die Bemerkungen zu denselben.

Thl. I. Abschn. I. Strafen. — §§ 13.14.

45

§. 13. Die Todesstrafe ist durch Enthauptung zu voll­ strecken.

[i. Entw.: § 9; II. Entw.: § 11; Pr. StGB.: § 7). Vgl. §§ 32. 44. 49. 57. 67: R..Mil..StGB. § 14; RStPO- § 485. 486. Preußen: Vgl. Lrim.-Ordn. §§ 538—549; AKO. v. 19. Juni 1811 (GS. s. 119); (Rh.) 3t.R0. v. 17. Aug. 1818 (RS. I. 520); RStPO. 8 432. 437.

§. 14. Die Zuchthausstrafe ist eine lebenslängliche oder eine zeitige. Der Höchstbetrag der zeitigen Zuchthausstrafe ist fünfzehn Jahre, ihr Mindestbetrag Ein Jahr. Wo das Gesetz die Zuchthausstrafe nicht ausdrücklich als eine lebenslängliche androht, ist dieselbe eine zeitige. [I. Entw.: § 11; II. Entw.: § 12; Pr. StGB.: § 10]. Vgl. § 15.19-26. 31. 32. 70. 74.

§ 13.

1. Weitere Vorschriften öfter die „Enthauptung" sind (weil in die StPO, gehörend) nicht gegeben. Gleichwohl fehlen solche öfter die Art derselben in der RStPO. Sie erfolgt in den alten Provinzen Preußens nach der AKO. v. 19. Juni 1811 durch das Beil, im Sprengel de« AH.'S Köln nach der AKO. v. 17. Aug. 1818 durch das Fallbeil. Dgl. R.-Mil.-StGD. § 14. 2. Die Aussetzung der Strafvollstreckung gegen Schwangere ward als sich von selbst verstehend, aber in die Strafprozeßordnung gehörig, betrachtet; vgl. Pr. Cr.-O. §§ 546. 537; Rh. StPO. Art. 27; Pr. RStPO. § 437. Gleiche Gesichtspunkte treffen bei der Frage zu, oft gegen einen zur Zeit Geisteskranken die Vollstreckung stattfinden dürfe. § 485 der RStPO. verbietet die Vollstreckung an schwangeren und geisteskranken Personen ausdrücklich. 3. Todesurtheile bedürfen in Preußen vor der Vollstreckung der Königlichen Bestätigung: ALR. n, 13 § 8; Erim.-O. § 530; AKO. v. 15. Juli 1809 (GS. f. 577); in Betreff des Sprengels des AH.'S Köln: AKO. v. 20. Juni und 9. Aug. 1816; Erlaß der Jmm.-Just..Kommi,siou v. 12. Sept. 1816 (RS. I, 415; Lohn Samml. rc. f. 199); in Betreff der neuen Landestheile: RStPO. §§ 432. 437; Min.-Bf. v. 22. August 1867 § 8 (3Mbl. 266); vgl. Abh. im JMbl. 1854 s. 296. Gemäß § 485 der RStPO. bedarf es dereinst keiner Bestätigung mehr, doch ist die Vollstreckung erff zulässig, wenn die Entschließung des Staatsoberhauptes, und in Sachen, in denen das Reichsgericht in erster Instanz erkannt hat, diejenige des Kaisers ergangen ist, von dem Begnadigungsrechte keinen Gebrauch machen zu wollen. 4. Ob die Hinrichtung öffentlich oder in einem umschlossenen Raume zu bewirken, inwieweit im letzteren Falle unbetheiligten Personen die Anwesenheit zu gestatten und in welcher Weise mit dem Leichnam des Hingerichteten zu verfahren fei, war früher der Regelung der Cinzelstaaten überlassen; vgl. Pr. RStPO. § 437. Die desfallfigen Vorschriften des Pr. StGv.'S (§§ 8. 9) sind als Gesetz nicht mehr (EG. § 2 n. 22); contra: fEfleqn s. 10; vgl. Heinze s. 49; Schütze s. 68. , stimmt mit denselben der in Zukunft allgemein maßgebende § 486 der RStPO. durchweg wörtlich überein, namentlich auch darin, daß die Enthauptung in einem umschlossenen Raume erfolgen soll. 5. Durch die Verurteilung zur Todesstrafe wird die Rechts, und Hand­ lungsfähigkeit des davon Betroffenen, mit Ausnahme des Falles, wo zugleich auf den Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte (§ 32) erkannt worden ist, sowie des im § 93 vorgesehenen Falls, nicht verändert; vgl. § 15 n. 6.

e

§ 14.

1. Die Vorschrift deS Abs. 2 über den Höchstbetrag der zeitigen Zuchthaus, strafe bezieht sich nur auf die wegen eines einzelnen Straffalles zu treffende Strafabmeffung; im § 74 ist aber auch für die im Falle einer Real-Konkurrenz ein­ tretende Gesammtstrafe 15jähriges Zuchthaus als der Höchstbetrag des Strafmaßes

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Thl. I. Abschn. l. Strafen. - $$ 14.15.

§. 15. Die zur Zuchthausstrafe Verurteilten find t« der Strafanstalt zu den eingeführten Arbeiten anzuhalten. Sie können auch zu Arbeiten außerhalb der Anstalt, ins­ besondere zu öffentlichen oder von einer Staatsbehörde beauffichtigten Arbeiten verwendet werden. Diese Art der Beschäf­ tigung ist nur dann zuläsfig, wenn die Gefangenen dabei von anderen freien Arbeitern getrennt gehalten werden. [I. Entw.t § 12; II. Elltw.: § 13; Pr. StGB.: § 111. Vgl. § 22: A.'Mil.StGv. $ 15; RStPO. §§ 481. 482. Preußen: Dgl. Ges. v. 11. April 1854 (GS. s. 143). bestimmt worden. — Die Dauer einer prinzipaliter verhängten Zuchthausstrafe kann durch Hinzurechnung derjenigen, welche einer zusätzlichen Geldstrafe substituirt wird, über das Maß von fünfzehn Jahren steigen; vgl. § 78 n. 5. 2. Der Mindestbetrag von Einem Jahre kann durch Anrechnung der Unter­ suchungshaft oder einer im Auslande erlittenen Strafe (§ 7) eine Minderung er­ fahren; vgl. in Betreff des Näheren § 7 n. 8; § 19 n. 3. 4; § 60 n. 13. 3. In den älteren Provinzen Preußens bedürfen Urtheile, welche eine lebens­ längliche Zuchthausstrafe verhängen, der Königlichen Bestätigung: ALR. n, 13 S8; Cr.-O. § 530; MO. v. 15. Juli 1809 (GS. f. 577), und für den Sprengel des AH.'S Köln: AKO. v. 20. Juni n. 9. Aug. 1818 (eit. § 13 n. 3); die NStPO. (§ 432) hat diese Vorschrift nicht wiederholt. Sie dürfte nach dem Inkrafttreten der R.-Justizgesetze arg. § 485. 487 ff. der RStPO. allgemein nicht mehr gelten. 4. Vollstreckung und Berechnung der Zuchthausstrafe vgl. § 15 n. 2.

§15.

1. Der Zwang zu einer in der Strafanstalt eingeführten (durch die Derhältniffe des Derurtheilten weiter nicht bedingten) Arbeit ist das charakteristische Merk­ mal der Zuchthausstrafe. 2. Da das StGB, über die Berechnung der Dauer der Freiheitsstrafen bei der Vollstreckung keine Bestimmungen trifft, so sind zur Zeit die betreffenden (strafprozeßrechtlichen) Vorschriften der Landesgesetze als noch geltend anzusehen: Rüd. s. 130. In Ermangelung solcher Vorschriften ist aus der in § 24 Abf. 2 für den Fall des Widerrufs einer vorläufigen Entlassung getroffenen Vorschrift („Wiederein­ lieferung") zu folgern, daß in der Regel jene Berechnung erst mit der Eiulieferung in die betr. Strafanstalt beginne. Demgemäß ist die Zeit des Transporteines zum Zwecke der Strafvollstreckung Festgenommenen zu seinem Bestimmungs­ orte auf die Strafzeit nicht anzurechnen, sollte jener Transport auch ohne sein Ver­ schulden (z. B. durch Erkrankung) verzögert sein; vgl. Z. 10. Juni 70 (RdO. XI, 355). Das muß vorzugsweise von der Zuchthausstrafe gelten; vgl. JMvf. v. 27. Mai 1842 II, 2 (JMbl. f. 190); Beschl. Pl. 27. Juni 59 (JMbl. s. 303); Beschl. II. 13. Sept. 60 (RdO. I, 79); contra: v. Kräwel i. GA. IX, 95. Die eit. JMDf. nimmt von dieser Regel die Fälle auö, wo die Ablieferung ins Zucht­ haus wegen Ueberfüllung ausgesetzt, oder wo der Verurtheilte im Gefängniß wahn­ sinnig geworden und in eine Irrenanstalt gebracht ist; eine analoge Ausdehnung des dort Bestimmten auf andere vom Sträflinge nicht verschuldete Verzögerungen der Strafvollstreckung ist unstatthaft; vgl. Oppenh. Pr. Strafverf. § 158 n. 5; Beschl. I. 3. Nov. 76 (RdO. XVII, 715). Dagegen soll im Gebiete der Pr. Ddu. v. 3. Jan. 1849 (arg. § 158 1. c.) und der Pr. NStPO. (§ 429) den zu Gefängnißstrafe re. Derurtheilten, welche sich in Untersuchungshaft befinden, die zuerkannte Strafe vom Tage der Urtheilsverküuduug au gerechnet werden, sofern sie nicht selbst ein Rechtsmittel einlegen oder dasselbe nicht innerhalb der Frist zurücknehmen: JMDf. v. 26. Juli 1853, Beschl. 1.14. Juni 54 u. 1. Febr. 78 (GA. II, 820; RdO. XIX, 52); vgl. JMVf. v. 27. Mai 1840 (JMbl. s. 190), Oppenh. Pr. Strafverf. § 158 n. 3. Wird demnächst in Folge der Berufung der Staatsanwaltschaft, an Stelle der Gefängniß-, eine Zuchthausstrafe verhängt, so ist jene, soweit sie bis dahin verbüßt war, nach dem ReductionSmaßstabe des § 21 auf diese anzurechnen; so: Beschl. I.

Thl. I. Nschn. I. Strafen. - §§ 15.16.

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§. 16. Der Höchstbetrag der Gefängnißstrafe ist fünf Jahre, ihr Mindestbetrag Ein Tag. Die zur Gefängnißstrafe Verurtheilten können in einer Gefangenanstalt auf eine ihren Fähigkeiten und Verhältnissen angemessene Weise beschäftigt werden; auf ihr Verlangen sind sie in dieser Weise zu beschäftigen. 16. Sept. 74 (RdO. XV, 563). Hat der Verurteilte selbst ein Rechtsmittel ein­ gelegt, so ist die Vollstreckung der erkannten Gefängnißstrafe jedenfalls von der Rechts­ kraft des verurtheilenden Erkenntnisses an zu berechnen: Befchl. II. 6. Okt. 74 (RdO. XV, 619). Im Gebiete des Rh. Rechts kann der Vollzng von Strafurtheilen Über­ haupt nur nach eingetretener Rechtskraft stattfinden, sollte auch nur die Staatsan­ waltschaft ein Rechtsmittel ergriffen haben: Rh. StPO. Art. 203. 373 ff.; doch be­ stimmt eine JMDf v. 4. März 1839 (Rh. S. VII. 24) und zwar allgemein, daß dort dem verhafteten Beschuldigten die zuerkannte Freiheitsstrafe vom Tage des letzten Urtheils berechnet werden solle. Für Württemberg vgl. Gutachten des OTr.'S zu Stuttgardt i. WGbl. VI, 357. — Mit dem Inkrafttreten der R.-Iustizgesetze regeln die ganze Materie die §§ 481. 482 der RStPO., von welchen der erstere den Grundsatz des Rh. Rechts wiederholt, daß Strafuriheile nicht vollstreckbar stnd, be­ vor sic rechtskräftig geworden sind, wogegen § 482 bestimmt, daß auf die zu voll­ streckende fZuchthauS- oder sonstige) Freiheitsstrafe unverkürzt smithin auch ohne Reduction nach dem Maßstabe des § 21] diejenige Untersuchungshaft anzurechnen fei, welche der Angeklagte erlitt, feit er auf Einlegung eines Rechtsmittels verzichtete oder das eingelegte Rechtsmittel zurücknahm, oder seitdem die Einlegungsfrist ablief, ohne daß er eine Erklärung abgegeben hatte. Dies wird gelten, gleichviel, ob sich die Vollstreckung wegen Einlegung eines Rechtsmittels seitens der Staatsanwaltschaft oder aus anderen sachlichen oder in der Person des Verurtheilten liegenden Gründen verzögert: DoituS StPO. s. 468. 3. Ueber die Berechnnng der Strafdauer im Falle einer Unterbrechung des Vollzugs vgl. § 19 n. 7—9; §§ 22 ff. 4. Die Wahl der sogen. Außenarbeit (Abs. 2) ist nicht bedingt durch eine Zustimmung des Sträflings; vgl. § 16. 5. Die Behandlung der Sträflinge bei der Außenarbeit kann durch Landesgesetze geregelt werden. In Preußen gilt in Betreff dieses Gegenstandes das Ges. v. 11. Apr. 1854, welches durch die Einf.-Ddn. v. 25. Juni 1867 Art. II. K. auch in den neuen Landestheilen eingeführt worden ist. 6. Die Zuchthausstrafe hat nicht die rechtliche Unfähigkeit des Sträflings, das eigene Vermögen zu verwalten und darüber unter Lebenden zu verfügen, zur Folge. Daraus folgt indessen keineswegs, daß jener beanspruchen könnte, Zeit und Kraft dieser Verwaltung zuzuwenden und daS Vermögen thatsächlich zu genießen; derselbe bleibt vielmehr der Hauszucht und Disciplin unterworfen, und muß, inso­ weit diese hindernd entgegenstehen, feine DermögenSgeschäfte durch einen Vertreter wahrnehmen lasten: Mot. s. 42. 7. Dagegen find die Bestimmungen des ALR. II. 2 § 255 und der Pr. Cr.-O. § 568, nach welchen „die Berurtheilung zu harter und schmählicher Zuchthausstrafe den Verlust der väterlichen Gewalt nach sich zieht, auch jetzt in Kraft ge­ blieben, da dieselben nicht eine „Strafe", sondern eine Sicherungsmaßregel im Interesse der Kinder darstellen; contra: (nach d. Pr. StGB.) Triest i. StRZ. I, 182; Puch. f. 28 n. 3; Rubo f. 309. — Jede Zuchthausstrafe ist jetzt als „harte" anzu­ sehen, als „schmähliche" aber nur dann, wenn damit der Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte verbunden ist. §16. 1. Die Vorschrift des Abs. 1 über den Höchstbetrag der Gefängnißstrafe er­ leidet eine Au S nah me Lei einem Strafunmüudigen, indem § 57 Nr. 1 und 3 unter Umständen die Verhängung einer höheren als fünfjährigen Gefängnißstrafe ge­ statten, welche dann aber in besonderen Räumen vollstreckt werden muß.

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Thl. I. Abschn. I. Strafe». - §§ 16.17.

Eine Beschäftigung außerhalb der Anstalt (§ 15) ist nur mit ihrer Zustimmung zulässtg. [I. Entw.: § 14; N. Entw.: §14; Pr. StGB.: § 14). Vgl. § 1.19. 21—26. 32. 35. 60. 74. 75; R.-Mil..StGB. § 15-17. Preußen: Vgl. Ges. v. 11. April 1854 § 34; Ges. v. 21. Mai 1855 Ar«. 11 ff.

§. 17. Die Festungshaft ist eine lebenslängliche oder eine zeitige. Der Höchstbetrag der zeitigen Festungshaft ist fünfzehn Jahre, ihr Mindestbetrag Ein Tag. Wo das Gesetz die Festungshaft nicht ausdrücklich als eine lebenslängliche androht, ist dieselbe eine zeitige. Die Strafe der Festungshaft besteht in Freiheitsentziehung mit Beaufsichtigung der Beschäftigung und Lebensweise der 2. Im Falle der Real-Konkurrenz kann Gefängnißstrafe bis tu zehn Jahren verhängt werden: § 74. In Betreff der Verlängerung durch die emer zu­ sätzlichen Geldstrafe fubstitnirte Freiheitsstrafe vgl. § 14 n. 1. 3. In Betreff der Anrechnung der Untersuchungshaft vgl. § 60. 4. Ueber die Vollstreckung der Gefängnißstrafe und die Berechnung ihrer Dauer vgl. § 15 n. 2 und für Preußen JMDf v. 24. Juni sowie Jnn.MJnflr. v. 1. Rov. 1851 (JMbl. 237. 367), und MDf. v. 19. Febr. 1876 (ib. s. 38). 5. Ueber die Berechnung der Strafdauer im Falle einer Unterbrechung des Vollzugs vgl. § 19 n. 7-9.; 88 22 ff. 6. In Betreff der Außenarbeit vgl. § 15 n. 4. 5. 7. Auch die Gefängnißstrafe bringt einen ArbeitSzwaug nach dem Ermessen der Behörde („sönnen*) mit sich; der Unterschied von der Zuchthausstrafe (§15) besteht darin, daß bei jener die Beschäftigung in einer „den Fähigkeiten und Verhältnissen des Sträflings angemessenen Weise* geschehen soll, und daß der letztere berechtigt ist, eine solche zu fordern; vgl. v. Buri i. GSaal XIII, 98; Sont. s. 147. — Unter der „den Fähigkeiten des Sträflings angemessenen Be­ schäftigung" sind nicht blos solche Arbeiten zu verstehen, welche derselbe früher er­ lernt hatte oder zu verrichten gewohnt war; die Wahl der paffenden Arbeit steht der Behörde zu, welche die Anstalt leitet; der Derurtheilte kann nicht beanspruchen, daß ihm nach seiner Wahl eine den Voraussetzungen des § entsprechende Beschäfti­ gung zugetheilt werde; vgl. JMBf. v. 10. April 1854 (JMbl. f. 158); Bf. v. 19. Febr. 1876 (eit. n. 4). Dagegen kann er eine Entscheidung im Rechtswege ver­ langen, wenn er geltend machen will, daß die ihm zugetheilte Arbeit seinen Verhält­ nissen ic. nicht entspreche; diese Entscheidung erfolgt dann in demjenigen Verfahren, welches bei Streitigkeiten über die Strafvollstreckung maßgebend ist. Vgl. für die Folge RStPO. §§ 490. 494.

§17. 1. Der „Festungshaft" soll nach den Motiven (f. 44) der Charakter einer Hieraus ist nicht zu folgern, daß sie im Vergleiche mit der „Haft" die mildere Strafart sei, da ihre Dauer bis zu fünfzehn Jahren steigen und dadurch die That zum Verbrechen werden kann; vgl. § 18 n. 1. 2. Die vom Reichstage bei der dritten Lesung beschloffene Erhöhung des Höchstbetrages der zeitigen Festungshaft von zehn auf fünfzehn Jahre (Stenogr. Der. f. 1142) hat zur Folge gehabt, daß für alle Fälle, bei welchen zeitige FestunßShaft ohne Bestimmung eines Höchstbetrags angedroht war, eine Strafschärfung ein­ getreten ist, z. B. für die §§ 81 Abs. 2, 83 Abs. 2, 84, 87 Abs. 2, 90 Abs. 2, 91 Abs. 2, 206; vgl. § 67 n. 3; § 208 n. 3; contra: Sont. s. 173; id. RedaktiouSverf. f. 54; Schütze i. GA. 21 s. 344. custodia honesta beiwohnen.

Thl. I. Abschn. I.

Strafen. — §§ 17.18.

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Gefangenen; sie wird in Festungen oder in anderen dazu be­ stimmten Räumen vollzogen. fl. Eatw.: § 13; II. Entw.: § 15; Pr. StGB.: § 13J. Bgl. § 1.19.20. 60.74.75.

§. IS. Der Höchstbetrag der Haft ist sechs Wochen, ihr Mindestbetrag Ein Tag. Die Strafe der Haft besteht in einfacher Freiheitsent­ ziehung. [L Entw.: § 339; II. Enlw.: z 16; Pr. StGB.: § 3341. Bgl. § 1. 19. 28 29.77. 76» 362. Preußen: Bgl. Ges. v. 11. April 1854 $3.7 (GS. f. 143). 3. Die Dauer der zeitigen Festungshaft darf auch im Falle der Real-Kon« kurrenz fünfzehn Jahre nicht übersteigen: § 74. 4. Die „Beaufsichtigung der Beschäftigung" schließt keiaen Arbeil-zw-ng in stch; dagegm kaun eine vom Berurtheilten gewählte Beschäftigung al» ungeeignet au,geschloffen werden. 5. In Betreff der zur Abbüßung einer Festung,hast bestimmten Festungen vgl. Kr.-MDf. v. 31. Mai 1852; JMBs. v. 2. Juni 1852. 6. In Betreff der Berechnung der Strafdauer ist da» zu § 15 n. 2. 3 Ge« sagte auch hier anwendbar; vgl. Beschl. Pl. 28. Mai 64 (RdO. IV, 550). 7. Berechnung der Strafzeit im Falle einer Unterbrechung de, Straf« Vollzug, vgl. § 19 d. 9.

§18. 1. ..Hast" ist im StGB, nur für Uebertretungen und für „Beleidigungen" ($ 185. 186) angedroht; sie soll eine „leichtere Art" der Freiheitsentziehung al, die Gefängnißstrafe fein, und namentlich de» Leumund de, Berurtheilten in Inner Weise berühren: Mot. v. 1870 s. 157. Demgemäß darf sie nicht in denjenigen Räumen vollstreckt werden, welche zur Aufnahm« der Gefängnißpräslinge bestimmt sind. Ebenso oostallhast ist «», sie in der eigenen Wohnung oe, Berurtheilten (al, „Stubenarrest") zu vollflrecken; schon die UumSglichkeit einer genügenden Beauf. stchtigung schließt diese Doll,iehung«-rt au». Die Vollstreckung der Haft ist in Preußen näher geregelt durch die §§ 8 ff. der MLf. v. 19. Febr. 1876 (IMbl. s. 38). 2. Jeder Zwang zur Arbeit fällt hier fort, insoweit nicht § 362 in dieser Beziehung eine Ausnahme mach« (vgl. Pr. Ges. v. 11. Apr. 1854 §3). Dagegen kann dem Berurtheilten eine von ihm selbst gewählte Beschäftigung gestattet werden, wenn die räumliche Einrichtung und die Hausordnung eine solche zulaffeu. 3. Bon der Statthaftigkeit einer Beschältigung der Haftsträfliuge außer­ halb der Anstalt enthält da, Gesetz (vom Falle de, § 362 abgesehen) nicht,. Gleichwohl dürste arg. $ 15 Nicht, entgegenstehen, «ine solche durch besondere Lan« deSgesetze nachznlasteu, vorausgesetzt, daß sie an die freie Zustimmung de» Ber« urtheilte» geknüpft ist. Demgemäß sind auch bestehende Lande,gesetze, welche eine solche Art der Vollstreckung (durch Gemeinde, »der Forstarbeit je.) gestatten, mit der gedachtm Maßgabe in Wirksamkeit verblieben; vgl. Pr. Ges. v. 11. Apr. 1854 § 7, welcher «, gestattet, die „polizeiliche Gesäugnißstrase" de, Pr. StGB.', gegen solche Gefangene, welche stch aus eigene Koste» zu beköstigen außer Stande find, in der Weise zu vollstrecken, daß dieselben, ohne in einer Gefangenschaft eiugeschloffen zu sein, zu Arbeiten, welche ihren BerhLltuiffeu und Fähigkeiten angemeffen find, angehalten werden; auch war e, für statthaft erklärt, ihnen dabei ein Tagewerk zu bestimmen. Die Ausführung dieser Maßregel war de» Bezirks-Regierungen überlaffe»; Vgl. Inn.-Mvf. v. 21. Apr. 1855 Nr. 14 (LMbl. f. 75). Contra: Rüd. d. 2 (hält den eit. § 7 für beseitigt). 4. gedenfall, behält e, bei den besondere» Lande»ges«tzeu sein Bewenden, welche in Betreff der im StGB, nicht geregelte» Materie» statt der Gefängniß« toast«] oder Geldstrafe Forst« oder Gemeinde-Arbeit androhen bzw. nachlaffen: EG. § 6. Bgl. auch SG. $ 5 n. 7.

Oppenhoff, D. Strafgesetzbuch.

Auig.

4

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Lhl. I. Abschn. I. Straf«,. — SS 18.19.

§. 19. Bei Freiheitsstrafen wird der Tag zu vienrndzwanzig Stunden, die Woche zu sieben Tagen, der Monat und das Jahr nach der Kalenderzeit gerechnet. 5. Im Falle bet Real-Konkurrenz kann die Sesammtdaner mehrerer »«wirktet Haftftrafeu bis zu 3 Monaten steigen: § 77. 6. 3n Betreff der Berechnung der Strafdauer vgl. § 15 n. 2. 3.

§19.

1. Ist die Dauer der Freiheitsstrafe nach der Kaleuderzeit zu berechnen, so kommt der Umstand, daß'einzelne Jahre oder Monate mehr Tage zählen als andere, bei der Strafvollstreckung nicht in Betracht; vgl. Jnn.-MDf. v. 1. April 1871 (DMbl. f. 119) und unten n. 7. 2. Nach Abf. 2 ist die zeitige Zuchthansftrafe, insoweit sie nicht auf volle Jahre verhängt wird, stets auf ernt bestimmte Anzahl von Monaten (vicht auf Bruchtheile eines Jahrs) auSzusprechen: DI. 2. Okt. 72. SL 1. Juni 75, DU. 20. Jan. 76 (RdO. Xin, 190; XVI, 405; XVII, 40). In ähnlicher Weife ist auch bei den übrigen Freiheitsstrafen zu verfahren; hier darf also nicht auf Bruchtheile eines Monats, sondern nur auf eine Anzahl von Wochen oder Tagen erkannt wer­ den: DI. 2. Juli 75 (RdO. XVI, 615). 3. Der im Abs. 2 in Betreff der Dauer der Zuchthausstrafe ausgestellte Grundsatz ist auf den Fall zu beschränken, wo der Richter die Dauer der zu ver­ hängenden Strafe zu „bemessen", d. h. wo er nach freiem Ermeffen da- Strafmaß innerhalb der durch das Gesetz vorgeschriebenen Grenzen zu bestimmen hat. Da­ gegen bleibt er anSgeschloffen, wenn eine verwirkte Zuchthausstrafe eine Erhöhung oder Minderung erfährt, deren Maß anderweitig gesetzlich in bindender Weise ge­ regelt ist.— Da- gilt zunächst von dem Falle, wo wegen der Real-Konkurrenz eines Verbrechens mit einem Vergehen die durch das erstere verwirkte Zuchthaus­ strafe „erhöht" werden muß (8 74): fände der Richter, daß da- Bergehen für sich allein betrachtet mit einer 6 Wochen nicht erreichenden Gefangnißstrafe zu be­ strafen wäre, so dürste (nach dem Grundsätze de- § 21) die vom Gesetze gebotene Erhöhung der durch das Verbrechen verwirkten Zuchthausstrafe nicht einen vollen Monat betragen; es muß daher statthaft fein, dieselbe nach Tagen zu bemeffen. Beschl. Pl. 22. Jan. 1872, Beschl. II. 20. Febr. 1872; «I. 28. gebt. 72; DI. I. Dez. 75 (RdO. XIII. 61. 157. 183; XVI, 767), Münch. 24. Aug. 74, Wolfenb. II. Juni 75 (StZ. IV, 130; V, 249); Ruhstrat i. GSaal XXIII, 81; Otto n. 5; Wolf i. SGZ XVI, 322; WGbl. VI, 254; contra: DreSd. 19. April 72 und 18. Apr. 73 (StZ. I, 370; IU, 51); Manh. 19. Dez. 74 (BAnn. 41 f. 129); diese sehen im gedachten Falle von der „Straferhöhung" ab); vgl. BL. s. 294. — Das­ selbe gilt da, wo nachträglich eine Strafumwandlung der gegen eine Person durch verschiedene Strafurtheile verhängten Freiheitsstrafen verschiedener Art erfolgen muß, sobald der umzuwandelnden Strafe nicht eine nach Monaten bemessene Zucht­ hausstrafe genau entspricht (vgl. Pr. Gef. v. 3. Mai 1852 Art. 131): dt. Beschl. Pl. 22. Jan. 1872; dt München; endlich unter derselben Voraussetzung auch da, wo eine neben einer Zuchthausstrafe verhängte, nicht beizutrdbeude Geldstrafe (z. B. im Falle des § 268) in Zuchthaus umzuwandeln ist (§ 28), oder wo der Derurtheilte auf die (neben einer Zuchthausstrafe verhängte) Geldstrafe einen Theil bezahlt, und es sich nun von der Vollstreckung der substitmrten Zuchthausstrafe für den Rest handelt; es würde nicht statthaft fein, von dieser Umwandlung rc. deshalb abzusebea, weil der Betrag jener Geldstrafe nicht so hoch ist, daß eine Umwandlung in einen vollen Monat erfolgen könnte: dt. München; vgl. §29 n. 5. Für diese Auffassung spricht, daß § 16 Abs. 2 de- I. Entwurf- die in den II. Entw. nicht übernommene Vorschrift enthielt, daß die bei der Umwandlung sich ergebenden Bruchtheile eineTages (nicht auch die eine- Monats) unberücksichtigt bleiben sollten. Die im entgegengesetzten Sinne sich aussprechende Bemerkung der Motive (s. 45. 48) kann, so­ weit sie sich auf die Bruchtheile eine- Monat- (Zuchthausstrafe) bezieht, nicht für gerechtfertigt erachtet werden; contra: Meyer f. 33; Schw. f. 215. 218. 267. 302 (schwankend); id. i. GSaal 23 s. 81; 25 f. 50; Rüd. s. 141; Puch. n. 4. — Muß hiernach ein Monat-.Bruchtheil in Tage umgewandelt werden, so ist als Dauer

Thl. I. Abschn. I. Strafen. - § 19.

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Die Dauer einer Zuchthausstrafe darf nur nach vollen Monaten, die Dauer einer anderen Freiheitsstrafe nur nach vollen Tagen bemessen werden. [I. Entw.: § 15; II. Cutw.: § 17; Pr. StGB.: § 15]. Vgl § 60; D.-Gew.'Ordn. v. 21. Juni 1869 § 145. des Monats der Durchschnittssatz von 30 Tagen zu Grunde zu legen: Beschl. I. 24. Jan. 1872 (RdO. XIU, 72). 4. Ebenso tft von dem erwähuten Grundsätze (n. 2) da abzusehen, wo eine im Auslande erlittene Bestrafung (§7) oder eine erlittene Untersuchungshaft (8 60) ganz oder theilweise auf die erkannte Strafe angerechnet wird: Schütze s. 189; Puch. n. 4. In Folge einer solchen Anrechnung kann der noch zu voll­ streckende Rest der Zuchthausstrafe nach überschießenden Tagen bestimmt werden. 5. Dasselbe gilt, wenn die einem Zuchthaus- oder Gefängnißsträsting bewilligte vorläufige Entlassung später widerrufen (§§20.21), oder wenn ein Sträf­ ling aus einem anderen Grunde z. B. wegen Erkrankung, Schwangerschaft re. zeitweise entlasten wird; vgl. aber n. 8. 9. 6. Dagegen ist in allen diesen Fällen (n. 3—5) an der Einheit des vollen Tages festzuhalten; überschießende Bruchtheile eines Tages kommen nicht in An­ rechnung; vgl. Motive f. 48; Beschl. II. 20. Febr. 72, Beschl. I. 6. März 72 (RdO. XIII, 157. 192). 7. Bei der Vollstreckung der Freiheitsstrafen ist der angefangene Tag nicht als vollendet in Anrechnung zu bringen, da jeder Einzeltag 24 Stunden betragen muß. Demgemäß endet eine am 3. eines Monats begonnene einwöchige Freiheit-strafe am 10. dess. Monats zu derselben Stunde. — Die nach Monaten berechneten Strafen erreichen ihr Ende an dem dem Antrittstage entsprechenden Datum, also die am 3. begonnene einmonatige Strafe am 3. des folgenden Monats; hat der letzte Monat der Strafverbüßung nicht soviel Tage, als der erste, so entspricht der letzte Tag jenes Monats den letzten Tagen dieses d. h. des ersten Monats der Strafver­ büßung, also der 28. (29.) Febr. dem 28. 29. 30. (31.) der übrigen Monate. Diese Berechnung-weise, zufolge welcher der Tag de- (ersten) Strafantritt- immer den Ausgangspunkt bildet, ist selbst dann festzuhalten, und demgemäß die Dauer der Strafe nach Tagen zu bemesten, wenn die Strafvollstreckung Unterbrechuugm er­ leidet; vgl. Keyßner i. GSaal 27 s. 558. 8. Die Vollstreckung bezw. Berechnung einer angetretenen Freiheitsstrafe erleidet keine Unterbrechung, wenn die Freiheitsentziehung fortdauert, der Sträf­ ling aber aus zufälligen, von ihm nicht verschuldeten Uwstäudeu zeitweise in eine andere Anstalt gebracht oder in einer der verhängten Strafart nicht entsprechenden Weise behandelt, z. D. wenn er, um als Zeuge vernommen zu werden» au einen anderen Ort tran-portirt, oder wegen Erkrankung in eine Krankenanstalt gebracht wird, wo ihm die Selbstbestimmung über seinen Aufenthalt nicht zusteht: Beschl. II. 17. Febr. 69 (GA. VII, 231). — Die RStPO. steht unter den eben erwähnten Fällen nur den vor, wo der Verurtheilte nach Beginn der Strafvollstreckung wegen Krankheit in eine von der Strafanstalt getrennte Krankenanstalt gebracht wird; hier soll gemäß § 493 1. c. die Dauer des dortigm Aufenthalts in die Strafzeit ein­ gerechnet werden, wenn nicht der Verurtheilte mit der Absicht, die Strafvollstreckung zu unterbrechen, die Krankheit herbeigeführt hat. Diese Bestimmung trifft auch daun zu, wenn die Krankheit, z. B. eine Geisteskrankheit (unentdeckt) schon früher (vor dem Beginn der Vollstreckung) bestand; ebenso: VoituS RStPO. f. 475; contra: Schw. RStPO. f. 609, weil die Vollstreckung einer Freiheitsstrafe an einem Geistes­ kranken unzulässig sei; darum ist jedoch, wenn dieselbe trotzdem thatsächlich begonnen hat, die Folge des § nicht ausgeschlossen. Der Umstand, daß die Krankheit eine selbstverschuldete war, genügt utcht, um den verurtheilte« der Wohlthat des Gefetzes zu berauben; Schw. 1. c. Dgl. § 51 n. 12. 9. Wird dagegen der Sträfling wegen einer anderen ihm zur Last gelegten Mißthat zur Untersuchung gezogen und demzufolge aus der Strafanstalt in das Untersuch ungSgefängniß gebracht, so ist ihm die außerhalb jener Anstalt zu­ gebrachte Zeit auf die Strafe nicht anzurechnen, es sei denn, daß ihm auch im Unter4*

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Thl. I. Abschn. I.

Strafen. - §§ 19—21.

§. 20. Wo das Gesetz die Wahl zwischen Zuchthaus und Festungshaft gestattet, darf auf Zuchthaus nur dann er­ kannt werden, wenn festgestellt wird,, daß die strafbar befundene Handlung aus einer ehrlosen Gesinnung entsprungen ist. [I. II. Entw.. Pr. StGB, (fehlte)!-

Vgl. §§ 81. 83-86. 88. 89. 94. 96. 98.100.

105. 106.

§. 21. Achtmonatliche Zuchthausstrafe ist einer einjäh­ rigen Gefängnißstrafe, achtmonatliche Gefängnißstrafe einer ein­ jährigen Festungshaft gleich zu achten. II. Entw.: § 16; H. Entw.: § 18; Pr. StGB.: § 16]. Vgl. §§ 28. 74. 75. 77. 79; Gew.-O. v. 21. Juni 1869 5 145; RStPO. §8 492. 494. Preußen: vgl. Gef. v. 3. Mai 1852 Art. 131. 133; RStPO. §§ 434. 436.

suchungSgefänguisse diejenige Behandlung (z. v. Arbeitszwang) zu Thetl geworden wäre, welche der gegen ihn verhängten Strafart entspricht, vgl. für dm Sprengel des AH?« Köln: ZMVf. v. 7. Rov. 1839 (RS. VH, 101) und L,rk. d. Gen.» Prol. zu Köln v. 22. Aug. 1845. — Hiernach wird in einem solchen Falle die Zucht­ hausstrafe regelmäßig eine Unterbrechung erleiden: Defchl. II. 19. März 72 (RdO. Xin, 210). vgl. Münch. 23. Sept. 73 (StZ. HI, 84). 10. Der Reichstag hat bei diesem § die Resolution beschlossen: „den Bundeskanzler aufzufordern, eine Vorlage des BuudeSraths herberzuführeu, durch welche die Vollstreckung der Freiheitsstrafen gesetzlich geregelt und die Einsetzung einer BuudeSbeh'örde angeordnet wird, welcher die oberste Aufsicht über die sämmtlichen Angelegenheiten der Straf- und Besserungsanstalten obliegt."

§ 20. 1. Die Frage, ob die Handlung „aus einer ehrlosen Gesinnung entsprang", ist eine wesentlich thatsächliche und daher im Pr. schwurgerichtlichen Ver­ fahren durch die Geschwornen zu lösen. Die Stellung einer hierauf bezüglichen Frage ist unerläßlich und nicht durch einen Antrag des StA.'S bedingt, da die vom Richter zu treffende Wahl der Strafe von ihrer Entscheidung abhängt. Der gedachte Charakter der That ist als ein „besonderer, ftraferschwerender Umstand" anzusehen, die Beantwortung der Frage muß daher in der für solche Umstände vorgeschriebenen Weise erfolgen; vgl. Pr. Ges. v. 3. Mai 1852 Art. 91 Abs. 4; Rh. StPO. Art. 351 in Verbindung mit der Bdn. v. 31. Dez. 1833; RStPO. § 317. 321. — Hiermit stimmt die RStPO. überein; vgl. dort § 295 und Komm.-Prot. s. 459, Löwe StPO, s. 691. 2. Die Fassung („ darf nur dann erkannt werden re.") schließt e- mcht an-, daß der Jnstanzrichter trotz der festgestellten, „ehrlosen Gesinnung re." auf Festungs­ haft erkenne, wenn er annimmt, daß die That dennoch eine mildere Beurtheilung zulasse: Steuogr. Ber. f. 290. 1144. 1145. 3. Das StGB, enthält keine Vorschriften darüber, nach welchen Grundsätzen zu verfahren sei, wenn das anzuwendende Gesetz zwischen Zuchthaus und Ge­ fängniß (Berfp.: §§ 224. 226), oder zwischen Gefängniß und Festungshaft (Beisp.: §95), oder zwischen Gefängniß und Haft (Veisp.: §§185. 186) die Wahl läßt. CS ist daher in solchen Fällen Alles dem Ermessen des JnstauzrichterS überlassen, welcher dabei nicht blos die „Gesinnung", aus welcher die Handlung entsprang, sondern alle konkurrirenden Umstände und die persönlichen Eigenschaften des Thäters zu berücksichtigen hat.

§21. 1. Dieser § bestimmt den Maßstab, nach welchem eine an sich nach dem zutreffmden Gesetze verwirkte Strafe in eine andere umzuwandeln ist; vgl. § 28; § 19 n. 3—6. Dagegen ist er nicht maßgebend, wenn es sich darum handelt, welche Strafart an die Stelle einer anderen, in einem Landesgesetz angedrohten, jetzt nicht mehr statthaften tritt; vgl. EG. §§ 7. 8; EG. z. Pr. StGB. Art. Vm n. Iss.

Thl. I. Abschn. I. Strafen. — §§ 21. 22.

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8 22 Die Zuchthaus- und Gefängnißsirafe können sowohl für die ganze Dauer, wie für einen Theil der erkann­ ten Strafzeit in der Weise in Einzelhaft vollzogen werden, daß der Gefangene unausgesetzt von anderen Gefangenen ge­ sondert gehalten wird. Die Einzelhaft darf ohne Zustimmung des Gefangenen die Dauer von drei Jahren nicht übersteigen. [I. Entw..- § 17; n. Entw.: § 19; Pr. StGB, (fehltr.)f. Bgl. §§ 15. 16. 2. Das Verhältniß der Festungshaft zur Zuchthausstrafe ist hiernach wie neun zu vier. Ju Gefängniß wird Festungshaft nie verwandelt: § 75. 3. Haft wird nie in eine strengere Strafart verwandelt: § 77. 4. Auch im Falle einer Strafumwandlung ist an der Einheit des vollen Tages festzuhalten; vgl. § 19 n. 6. 5. Der Maßstab des § 21 wird auch da maßgebend, wo nach gesetzlicher Vor­ schrift eine strengere Strafe z. B. Zuchthaus in eine mildere (Gefängniß) umzu­ wandeln ist; vgl. z. B. § 44 Abs. 4 a. E. 6. Nach dem § 21 beurtheilt sich ferner die Frage, inwieweit der zweite Richter, aus die alleinige Berufung des Beschuldigten, ohne den Grundsatz der relativen Rechtskraft zu verletzen, die in erster Instanz verhängte Freiheitsstrafe in eine ihrer Art nach mildere von längerer Dauer abändern könne. Demgemäß ist es in einem solchen Falle, beim Mangel eines Maßstabs für das Verhältniß zwischen Gefängnißstrafe und Haft, nicht statthast, an Stelle einer (Prinzipalen oder subsidiären) Gefängnißftrafe Haft von längerer Dauer festzusetzen: Münch. 9. Dez. 76 (BEntsch. VI, 587). 7. 3m Gnadenwege kann eine erkannte Strafe in eine gelindere Strasart (unter Beobachtung der für das statthafte Maß der letzteren im Allgemeinen bestehenden gesetzlichen Vorschriften) umgewandelt werden; dagegen ist in einem solchen Falle der für die Umwandlung einer Geldstrafe in Freiheitsstrafe im § 29 aufgestellte Maßstab nicht für das umgekehrte Verfahren bindend: ZII. 13. Nov. 73 (RdO. XIV, 718). — Die Vorschrift deS § 590 der Pr. Kr.-Ordn., nach welcher der Justiz-Minister (vorbehaltlich des Rechtswegs) eine nicht zu vollstreckende Frei­ heitsstrafe in eine gelindere Strafart umwandeln kann, ist weder durch die Pr. Verfass, v. 31. Jan. 1850 Art. 49 noch durch das Pr. oder D. StGB, aufgehoben: BZI. 29. Mai 72 (RdO. XIII, 319); contra: Schw. f. 80; da- hierbei zu beobachtende Verfahren richtet sich nach der Instr. (AKO.) v. 26 —30. Juni 1834 (Jahrb. 43 f. 642); ergreift der Derurtheilte gegen die Min.-Verfügung die ihm zustehende Appellation, so muß das AG. den Grund der Strafumwandlung selbständig prüfen: ZI. 18. Jan. 65 (RdO. V, 421); vgl. Oppenh. Pr. Strasverf. Art. 137 n. 12. §22. 1. Das StGB, betrachtet die Vollstreckung „in Einzelhaft" nicht als eine Verschärfung der Strafe: Mot. s. 45. Cs bedarf daher zur Regelung derselben keiner ergänzenden gesetzlichen Vorschriften, vielmehr können die erforderlichen Anordnungen im Verwaltungswege ergehen, so lange in dieser Beziehung nicht durch die Reichs­ gesetzgebung bindende Bestimmungen getroffen stnd. 2. Die Entscheidung, ob und wie lange im Einzelsalle eine Zuchthausoder Gefängnißstrafe in Einzelhaft zu vollziehen fei, steht der die Strafanstalt leitenden Behörde zu; im verurtheilenden Erkeuntuiffe ist darüber Nichts zu bestimmen: Rüd. f. 133; Darmst. 6. März 71 (HEntfch. 71B. f. 13). Dagegen ist dem Verurtheilten der Rechtsweg nicht verfchloffen, wenn er behauptet, jene Vollstreckung finde in un­ gesetzlicher Weise Statt; die Entscheidung erfolgt dann in demjenigen Verfahren, welches bei Streitigkeiten über die Strafvollstreckung Platz greift. Vgl. RStPO. § 490. 3. Der Derurtheilte hat nie das Recht, die Vollziehung der Strafe in Einzel­ haft zu fordern. 4. Die betr. Maßnahme ändert im Uebrigen Nichts an der Natur der Strafe;

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Lhl. I. Abscha. I. Strafen. - §§ 22.23.

§. 23. Die zu einer längeren Zuchthaus- oder Ge­ fängnißstrafe Verurtheilten können, wenn sie drei Viertheile, mindestens aber Ein Jahr der ihnen auferlegten Strafen ver­ büßt, sich auch während dieser Zeit gut geführt haben, mit ihrer Zustimmung vorläufig entlassen werden. [I. Entw.: $ 19; IL Entw.r § 20; Pr. StGB, (fehlte.)). Vgl. §§ 24—26. es verbleibt daher auch in Betreff der Beschäftigung der Sträflinge bei den Be­ stimmungen der §§ 15. 16. 5. Abs. 2 erheischt die „Zustimmung des Gefangenen"; sonach genügt der Mangel eines Widerspruchs nicht. 6. Dieser Abs. 2 unterscheidet nicht, ob die Strafe wegen eines oder wegen mehrerer konkurrirender Straffälle verhängt ist, noch: ob die Vollstreckung der Emzelhaft in ununterbrochener Folge oder mit Unterbrechungen stattfinde; ein Antrag, das Gegentheil auszusprechen, ward im RT. abgelehnt: Stenogr. Der. s. 189. 7. Die Festungshaft und die Hast können nicht als Einzelhaft (durch un­ ausgesetzte Trennung von anderen Gefangenen) vollstreckt werden.

§23. 1. Da- hier gestattete „Beurlaubungs-System" (Mot. f. 46) ist dem Königl. Sächsischen Rechte entlehnt, wo es als eine aus dem landesherrlichen Be­ gnadigungsrechte beruhende Verwaltungs-Maßregel gehandhabt wurde. 2. Die Beurlaubung ist nur bei Zuchthaus- oder Gesänguißstrase statthast, also nicht in Betreff der zu Festungshaft oder zu Haft Verurtheilten. 3. Als „längere" Zuchthaus-rc. Strafe ist hier jede die Dauer eines Jahres übersteigende anzusehen; ebenso: Rubo f. 326; contra: Ortloff t. GSaal 26 s. 58, Schw. i. SGZ. 21 s. 202 (halten 16 Monate für das geringste Maß). 4. Das Gesetz gestattet die Beurlaubung nur bei „einer längeren Strafe"; es dürfen daher mehrere Freiheitsstrafen von kürzerer Dauer nicht zusammengerechnet und als eine einzige behandelt werden; vielmehr ist in Beziehung auf jede einzelne zu untersuchen, ob sie die vorläufige Entlassung zulasse; ist diese nur bei einer der­ selben statthast, so empfiehlt es sich, mit der Verbüßung der anderen kürzeren zu be­ ginnen; ist sie bei beiden statthast, so läßt man, nachdem drei Viertel der ersten voll­ streckt sind, sofort die Vollstreckung der zweiten folgen, um demnächst die Entlastung für beide eintreten zu lasten. — Dagegen ist eS gleichgültig, ob die eine Strafe wegen einer oder als Gesammtstrafe wegen mehrerer in Realtonkurrenz begangener Mißthaten verhängt worden ist. 5. Die Maßnahme ist nicht eher statthast, bis drei Viertheile, mindestens aber ein Jahr der auferlegten Strafe verbüßt ist. Hat die Anrechnung einer er­ littenen Untersuchungshaft stattgefunden (§ 60), so ist nur noch der zu verbüßende Rest als die „auferlegte" Strafe anzusehen, welche bei der obigen Berechnung zum Grunde zu legen ist; ebenso: eine aus Anlaß eines Spezialfallö ergangene JMDf. v. 31. Juli 1877, Schw. (cit. n. 3); contra: StZ. III, 97; Rubo s. 327. 6. Den „Beweis der Besserung", welchen der H. Entwurf neben der guten Führung erheischte, hat der RT. beseitigt; ein solcher ist also nicht unerläßlich. 7. Ueber die Formen und Bedingungen der Entlastung, Über die Beaufsich­ tigung der Entlaffenen, den Widerruf des Urlaubs und den vollen Gnadenerlaß im Falle guter Führung sind — von den §§ 24 bis 26 abgesehen — nähere bindende Vorschriften absichtlich nicht ertheilt, die weiteren Anordnungen vielmehr den Einzel­ staaten vorbehalten. Die Motive (f. 46. 47) verweisen auf die in dieser Beziehung im Kgr. Sachsen ergangenen (2) Min.-Vdn. v. 5. Aug. und 5. Nov. 1862 (abgebe, in den Mot. z. I. Entw. s. 37; Mot. z. II. Entw. s. 165), als zur Nachahmung ge­ eignet. Für Preußen ist die Sache durch Min.-Jnstr. v. 21. Jan. 1871 (JMbl. f. 35; BMbl. f. 47) geregelt; vgl. Juu..MVf. v. 11. Sept. u. 28. Olt. 1871 (VMbl. f- 311); JMvf. v. 23. Dez. 1871 (JMbl. f. 294; DMbl. 1872 f. 7). 8. Den Beurlaubten können bei der Entlastung Verpflichtungen auferlegt werden; vgl. § 24 n. 1. Sie sollen nicht ins Ausland beurlaubt werden: Jnu.MBf. v. 17. Jan. 1872 (VMbl. s. 58).

Thl. I. Abscha. I. Strafto. — |§ 23-26.

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§. 2tl. Die vorläufige Entlassung kann bei schlechter Führung des Entlassenen oder, wenn derselbe den ihm bei der Entlassung auferlegten Verpflichtungen zuwiderhandelt, jederzeit widerrufen werden. Der Widerruf hat die Wirkung, daß die seit der vor­ läufigen Entlassung bis zur Wiedereinlieferung verflossene Zeit auf die festgesetzte Strafdauer nicht angerechnet wird. [I. Enlw.: § 20; II. Entw.: § 21; Pr. StGB, (fehlte)], vgl. §§ 23.25.26.

§♦ 23 Der Beschluß über die vorläufige Entlassung, sowie über einen Widerruf ergeht von der obersten Justiz-AufsschtSbehörde. Vor dem Beschluß über die Entlassung ist die Gefängnißverwaltung zu hören. Die einstweilige Festnahme vorläufig Entlassener kann auS dringenden Gründen des öffentlichen Wohls von der Polizei­ behörde deS OrtS, an welchem der Entlassene fich aufhält, ver­ fügt werden. Der Beschluß über den endgültigen Widerruf ist sofort nachzusuchen. 9. Die Beurlaubten unterliegen während der EntlaffungSzeit der Polizeilichen Ueberwachuug nach dem Ermeffeu der betr. Behörden, ohne daß sie sich auf die „zum Schutze der persönlichen Freiheit" erlassenen Gesetze, B. auf da» Pr. Ges. v. 12. Febr. 1850 berufen dürfen (sie befinden fich nicht im Bollgenuß der persönlichen Freiheit): Mot. s. 46. Dagegen sind die für die „Polizeiaufsicht" gelten­ den Grundsätze (vgl. $ 38 n. 14) hier nicht maßgebend. 10. Die Beurlaubung ist auch bei verurtheilten Ausländern statthaft. 11. Ebenso ist sie bei den vor dem Inkrafttreten des StGB.'s rechtskräftig erkannten Strafen zulässig; vgl. Pr. Min.-Instr. v. 21. Jan. 1871 (cit. n. 7).

§24. 1. Die „vorläufige Entlassung" gewährt dem Verurtheilten nicht die völlige Freiheit seines Thuns und LasienS, vielmehr können ihm dabei „Verpflichtun­ gen" auferlegt werden; ein Zuwiderhandeln gegen diese, oder eine sonstige schlechte Führung hat den Widerruf der Entlassung zur Folge. Insbesondere kann der Ent­ lassene gewiffea Freiheitsbeschränkungen in Betreff der Wahl seines Aufenthaltsortes unterworfen werden; vgl. § 23 n. 8. Die näheren Maßnahmen sind dem Ermessen der Behörden überlassen. 2. Im Falle eines „Widerrufs" der Entlassung beginnt die Anrechnung auf die festgesetzte Strafdauer erst mit der „Wiedereinlieferuug" in die Straf­ anstalt; da- gilt auch von einstweilen Festgenommenen (8 25); vgl. § 25 n. 4; contra: Pr. Jnstr. v. 21. Jan. 1871 § 16 (cit. § 23 n. 7; sie will in allen Fällen die Trausporttage auf die Strafzeit anrechnen; schwerlich mit Recht).

§25.

1. Anträge aus „vorläufige Entlassung" eines Strafgefangenen sind bei der Verwaltungsbehörde anzubringen, und zwar zunächst dem Vorstände der Strafanstalt einzureichen: Min.-Instr. v. 21. Jan. 1871 (cit. § 23 n. 7), Deschl. I. 22. Sept. 75 (RdO. XVI, 601). — Die Justiz.Aussichtsbehörde hat die ihr hier übertragene Ent­ scheidung gleichfalls in der Form eines „Beschlusses" zu erlassen. 2. Die „einstweilige Festnahme" (Abs. 2) kann auS dringenden Gründen des öffentlichen Wohles nach dem Ermessen der Polizeibehörde erfolgen. Diese ist dabei nicht aus solche Fälle beschränkt, in welchen ein sich im Dollgenusse der Freiheit Befindender ohne richterlichen Befehl „vorläufig ergriffen und festgenommen" werden könnte; vgl. Pr. Ges. z. Schutz d. perf. Freih. v. 12. Febr. 1850 §§ 2. 3.

Thl. I. Abschn. I. Strafen. - §§ 25. 26.

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Führt die einstweilige Festnahme zu einem Widerrufe, so gilt dieser als am Tage der Festnahme erfolgt. [I. Enlw.r § 21; H. Entw.: § 22; Pr. StGB, (fehlte)). Dgl. |§ 23. 24. 26.

§. 26. Ist die festgesetzte Strafzeit abgelaufen, ohne daß ein Widerruf der vorläufigen Entlassung erfolgt ist, so gilt die Freiheitsstrafe als verbüßt. (L Entw.: § 22; IL Entw.: § 24; Pr. StGB- (fehlte)). Bgl. §§ 23-25. 3. Zuständig zur einstweiligen Festnahme ist zunächst die Polizeibehörde des Orts, wo der Betreffende seinen regelmäßigen Aufenthalt hat, z. v. des Orts, wo. hin er bei seiner Beurlaubung entlaffeu war. Diese Behörde kann zu jenem Zwecke auch an andere Behörden Requifitionen richten, z. B. Steckbriefe erlaffen, welchen dann in allen Bundesstaaten entsprochen werden muß. — Läßt sich der Entlassene an einem andern als seinem gewöhnlichen Aufenthaltsorte betreffen, so ist auch die dort sungirende Polizeibehörde zur einstweiligen Festnahme befugt, sie muß aber der Ort-behörde de- gewöhnlichen Aufenthaltsorts davon sofort Kunde geben und ihr die weiteren Maßnahmen überlaffen. 4. Der einstweilig Festgenommene kann bis zur Erwirkung des Beschlusseüber den endgültigen Widerruf auf Grund der Anordnung der Ortspolizeibehörde im Zustande der Untersuchungshaft festgehalten werden, ohne daß es dazu der Zustimmung einer anderen Behörde bedürfte. Ist die Festnahme an einem andern als dem gewöhnlichen Aufenthaltsorte des Beurlaubten erfolgt, so muß jene An. orduung dennoch von der Polizeibehörde deS letzteren OrtS ausgehen (n. 3). — Diese Freiheitsentziehung wird auf die noch -n verbüßende Strafzeit nicht eingerechnet, so lange nicht der den Widerruf der Entlassung aussprechende Beschluß ergangen und auf Grund desselben die Wiedereinlieferung in die Strafanstalt erfolgt ist; vgl. § 24 n. 2. 5. Der „Widerruf- der vorläufigen Entlassung ist nur bis zum Ablaufe der festgesetzten Strafzeit statthast (§ 26); ein später beschlossener Widerruf würde unwirksam sein. DaS erleidet dann eine Ausnahme, wenn eine vor dem Ablause der Strafzeit bewirkte einstweilige Festnahme „zum Widerrufe führt" (Abs. 3), in. sofern die Wirksamkeit jener Festnahme im Augenblicke des Widerruf- noch sott, dauert; diese- ist auch dann anzunehmen, wenn der Festgenommene in der Zwischen, zeit entsprungen, nicht aber, wenn er inzwischen wieder entlassen ist. 6. Gegen die die vorläufige Entlassung und ihren Widerruf betreffenden Be. schlüffe steht weder dem Sträflinge selbst, noch der zur Vollstreckung der Strafe be. rufenen Behörde ein Rechtsmittel zu. — Beschwerden über eine versügte einst, weilige Festnahme find an die vorgesetzte Dienstbehörde der verfügenden Behörde, in letzter Stelle aber nicht au die dieser letzteren vorgesetzte administrative Ministerial.. sondern an die Iustiz-Ausficht-behörde zu richten, weil die ganze Angelegenheit ihrem Reffort zugewiesen ist. Bgl. aber § 26 n. 1.

§26. 1. Der Widerruf ist „erfolgt", sobald der betr. Beschluß von der Behörde gefaßt und in schriftlicher Form vollzogen ist, sollte e- auch -noch nicht zu einer Bekaummachung desselben gekommen (ein; contra: Rubo f. 333 n. 2. 2. Behauptet der Sträfling, daß seine Strafzeit vor dem Erlasse de- Wider, ruf-beschluffe- abgelaufen sei (§ 25 n. 5), so kann er hierüber auf Entscheidung des. jenigen Gerichts antragen, welches über die bei der Strasvollstreckung sich erhebenden Streitpunkte zu befinden hat. Bgl. RStPO. §§ 490. 494. 3. Der Grundsatz de- § erleidet auch dann keine Ausnahme, wenn der vor­ läufig Entlassene vor dem Ablaufe der festgesetzten Strafzeit eine That begangen hat, welche den Widerruf der Entlassung oder seine einstweilige Festnahme hätte herbeiführen können oder müssen, sobald die Maßnahmen nicht rechtzeitig ins Werk gesetzt worden find: Stenogr. Ber. s. 193 ff.

Thl. I. Abschn. I. ©trafen. - § 27.

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§. 27. Der Mindestbetrag der Geldstrafe ist bei Ver­ brechen und Vergehen Drei Mark, bei Uebertretungen Eine Mark. [I. Entw.: § 23; II. Enlw.: § 24; Nov. v. 26. Febr. 1876 Art. IV; Pr. StGB.: 8 17]. vgl. §§ 28-30. 78; RMUnzgej. v. 9. Juli 1873 Art. 1.14. §4; Kais. Bdti. v. 22. Sept. 1875; R.-Mil.-StEB. § 29.

§27. 1. Die Vorschrift diese- § ist auch bei allen neben dem StGB, wirksamen Strafbestimmungen anzuwenden, insoweit dieselben nicht einen andern (geringeren oder größeren) Mindestbetrag ausdrücklich vorschreiben; vgl. EG. §2 n. 2; Pr. Min.-Bf. v. 23. Mai 1854 (JMbl. s. 286; BMbl. s. 118); $11.13. Mai 61 (RdO. I, 401); contra: Meyer s. 37; 9?üb. n. 2, Rubo s. 219 n. 5 (sie halten den Min­ destbetrag de- § 27 unbedingt auch bei allen besonderen Gesetzen für maßgebend). — Demgemäß kann eine nach dem BZollgesetze bemessene Geldstrafe unter das Maß von 1 Mark hinabgehen: ZI. 11. Juni 74 (RdO. XV, 382). 2. Einen Höchstbetrag der statthaften Geldstrafe hat das StGB, im All­ gemeinen nicht bestimmt; in seinen Einzelbestimmungen geht eö bis zu einer Summe von 6000 Mark, die aber im Falle einer Real-Konkurrenz in Folge der durch § 78 vorgeschriebenen Summirung leicht Überschritten werden kann. Sonach hat die Höhe der in besonderen Strafgesetzen (z. B.^in den Zoll- und Steuergesetzen) angedrohten Geldstrafen durch das GB. eine Aenderung nicht erfahren; vgl. § 70 Nr. 4, welcher den Fall berücksichtigt, wo eine verhängte Geldstrafe die Summe von 6000 Mark übersteigt. Ebenso ist die LandeSgesetzgebuug nicht beschränkt, künftig in solchen Materien, welche nicht Gegenstand des StGB.'ö sind, Geldstrafen in einer über jenes Maß hinausgehenden Höhe anzudrohen; vgl. Einf.-Ges. § 5. 3. Geldstrafen können nur nach bestimmten Summen verhängt werden, nicht nach einer Quote des Vermögens, da die Vermögens-Konfiskation unstatthaft ist: Motive s. 47. — Diese gegenwärtig (vgl. n. 4) in Mark auszudrückenden Summen brauchen, wenn es sich um Verbrechen oder Vergehe» handelt, nicht noth­ wendig durch die Zahl: drei theilbar zu sein: Stuttg. 3. Nov. 75 (WGbl. X, 395); vgl. §§ 113, 223. Ebenso kann bei Uebertretungen aus Geldstrafen erkannt werden, bei denen Bruchtheile einer Mark vorkommen. 4. Da gemäß Art. 14 § 4 des RMüoz.Ges.'S v. 9. Juli 1873 von dem Zeit­ punkte an, mit welchem die Reichswährung in Kraft tritt, alle zu einem Geldbe­ träge verurtheilenden Erkenntnisse diesen Betrag, wenn für denselben ein bestimmtes Verhältniß zur Reichswährung gesetzlich feststeht, in Reichswährung ausdrücken müssen, jener Zeitpunkt aber gemäß Kais. Vdn. v. 22. Sept. 1875 am 1. Jan. 1876 eingetreten ist, so sind hinsüro auch die durch Slraserkenntnisse zu verhängenden Geldstrafm stets aus solche Weise auszudrücken, und zwar um so gewisser, als die No­ velle mit Rücksicht auf die bezogenen Gesetze sowohl in § 27 als an allen übrigen Stellen des StGB.'S, wo feste Geldbeträge in Thalern angegeben werden, diese Be­ träge in Mark umgesetzt, mitunter auch (vgl. §§ 113, 223) zur Abrundung der Summe Maximalbeträge von 300 Thlr. auf 1000 Mark erhöht hat. 5. In den Fällen, wo das Gesetz alternativ Freiheit«- oder Geldstrafe an­ droht, muß der Richter die Wahl zwischen beiden treffen; er darf diese nicht dem Angeschuldigten überlassen: VH. 8. Okt. 57 Lohmann c. Berger. — Bei jener Wahl steht dem Richter ein freies Ermessen zu; es ist ihm unverwehrt, dabei auf die Vermögen-Verhältnisse des Angeschuldigten zu rückfichtigen und deshalb sofort auf Freiheitsstrafe zu erkennen, weil er voraussieht, daß eine Geldstrafe nicht beizutreiben sein werde; Merkel i. HH. II, 554; vgl. § 28 n. 1. — Doch ist nach dem R.-Mil.-StGB. §29 die Wahl ausgeschlossen und nur auf Freiheitsstrafe zu erkennen, wenn durch die nach den allgemeinen Strafgesetzen strafbare Handlung zugleich eine militärische Dienstpflicht verletzt wurde. 6. Ueber die Einziehung der Geldstrafen vgl. § 28 n. 12ff. — Verzugs­ zinsen sind von denselben nicht zu zahlen: ML. s. 281. 7. Ueber die Verwendung der Geldstrafen enthält das StGB, keine Dor­ schristen; diese ist daher der landesgesetzlichen Regelung überlassen.

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Thl. I. Abschn. I. ©trafen. — §28.

§. 28 Eine nicht beizutreibende Geldstrafe ist in Ge­ fängniß und, wenn fie wegen einer Uebertretung erkannt wor­ den ist, in Haft umzuwandeln. Ist bei einem Vergehen Geldstrafe allein oder an erster Stelle, oder wahlweise neben Haft angedroht, so kann die Geldstrafe in Haft umgewandelt werden, wenn die erkannte Strafe nicht den Betrag von sechshundert Mark und die an § 28. Inhalt:

Abgabe. Hinterziehg : 22. 20. Gefängniß: 4. 5. 9. 21. x Nachzahlg.: 14. Geldstrafe, Beitreibg. 3.12 18. Anrechnung: »3. 14. ,,in 1. Stelle"! 6I. 7. Beitreibung: 3. 12—18. Mehrht: 14. Llvilhaftbarkt. : 16. Gesetz, bes.: 20. 21. Di-cipl.-Strafe« 21. Gev.-Pol.-Derg.: 20. Dritter: 15. 16. Haft: 10. 22. Einziehung, nachtr.: 3. Konkurs, 13. 12. Entlassung, zeltw.: 18. Kosten: 13. 14. Exekutivstrafe: 21. Ordnungsstrafe: 21. Festungshaft: 4. Real-Konkurreoz« 6. 10,

Strafe, alternat.; 6. 7. Theilzahlung: 13. 44. Uebertretnng: 22. Umvandlg. Maßstab: 9. 10. Verfahren: 2. 3. 9. . wie? 4. Wahl, Ermesse«: 1. Zahlung, Dritter» 15. 16 . Nachtrag!.: 17. 18. . Unfähigkeit: 1. 12. 16. Zuchthaus: 9-11.

1. Wo das Gesetz lediglich eine Geldstrafe androht, darf der Richter auch nur diese verhängen und nicht wegen vorausgesetzter Zahlungsunfähigkeit bet An­ geschuldigten unmittelbar auf die eventuell zu substituireude Freiheitsstrafe erkennen; vgl. §27 n. 6; BII. 24. Jan. 61 (RdO. I, 219). 2. Die Umwandlung der nicht beizutreibenden Geldstrafe in Freiheitsstrafe ist nach Anleitung der geltenden Strafprozeßgesetze vorzunehmen. Insoweit diese nicht entgegenstehen, kann die Umwandlung sofort im verurtheilenden Erkenntnisse für den eventuellen Fall der Uueinziehbarkeit ausgesprochen werden; contra: Dresd. 15. Nov. 72 u. 8. Jan. 75 (StZ. II, 146; V, 252: mit Rücksicht auf die Fassung des § sowie darauf, daß die für den Maßstab der Umwandlung in Betracht zu ziehenden Erwerbs- und Dermögensverhältniffe des Derurtheilten sich seit der Verurtheilung erheblich geändert haben könnten). In Preußen ist diese BerfahruugSweise gesetzlich vorgeschrieben: (Rh.) AKO. v. 18. Sept. 1824; Ges. v. 3. Mai 1852 Art. 132 ff.; NStPO. §§ 435. 436. Für Bayern vgl. Einf.-Vollz.-Ges. v. 26. Dez. 1871 Art. 44. 45. Die Berabsäumung einer solchen Vorschrift und die eingetretene (relative) Rechtskraft des die Umwandlung nicht aussprechenden Erkenntnisses stehen der Nachholung dieser Maßnahme nicht entgegen; vgl. citt. Artt. 132 ff.; contra: Münch. 8. Jan. 73 (StRZ. XIII, 191). In Ermangelung besonderer diesen Fall regelnder Prozeßvorschristen richtet sich das deSfallsige Verfahren nach deojeuigeu Grundsätzen, welche für die Entscheidung eines die Strafvollstreckung betreffenden Streitpunktes maßgebend sind. — Mit dem Inkrafttreten der R.-Justizgesetze bilden in dieser Materie die §§ 491. 494 der RStPO. die Norm. (Diese §§ schreiben die sofortige Umwandlung zwar nicht vor, setzen sie aber als Regel voraus.) 3. Eine nachträglich vorgenommene Umwandlung (n. 2) schließt eine später ausführbar werdende Einziehung der Geldstrafe nicht aus. Das Gleiche gilt von der bereits begonnenen Vollstreckung der fubstituirten Freiheitsstrafe, insoweit nicht durch die letztere die Tilgung der Strafe herbeigeführt ist; vgl. Abs. 4, aus welchem nicht gefolgert werden darf, daß nach dem Antritte der fubstituirten Freiheitsstrafe nur noch eine freiwillige Zahlung der Geldstrafe statthaft fei; contra: Rüd. n. 8; Schw. f. 219; Otto n. 12; Rubo f. 340. 4. Eine Geldstrafe kann nur in Gefängniß oder Haft und im Falle bet Abs. 3 in Zuchthaus, nie in Festungshaft umgewandelt werden. 5. Werden wegen eines Vergehens und einer realiter damit koukurrtr enden Uebertretung in demselben Verfahren zwei Geldstrafen verhängt, so ist — da das Gesetz für diesen Fall keine Ausnahme zuläßt, — die erstere in Gefängniß, die letztere in Haft zu verwandeln. Ueber die dann statthafte Gesammtdauer vgl. § 78 n. 2.

Thl. I. Abschn. I. ©trafen. — $ 28.

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ihre Stelle tretende Freiheitsstrafe nicht die Dauer von sechs Wochen übersteigt. War neben der Geldstrafe auf Zuchthaus erkannt, so ist die an deren Stelle tretende Gefängnißstrafe nach Maßgabe des § 21 in Zuchthausstrafe umzuwandeln. 6. Zm Abs. 2 sind die Worte: „Ist die Geldstrafe an erster Stelle ange­ droht" ans den Fall zu beziehen, wo die betr. Gesetzesstelle die Geldstrafe vor der alternativ angedrohten GefLngnißstrafe androht; es trifft dieses zu bei den §§ 110. 111. 130. 131. 257, nicht aber bei den §§ 113, 121 Abs. 2. 132. 240. 241. 286. — Wahlweise neben Haft ist die Geldstrafe wegen eines Vergehens nur in den §§ 135 und 186 angedroht. 7. Ob in einem der gedachten Fälle (n. 6) die Umwandlung in Haft oder in Gefängniß zu bewirten sei, unterliegt (insoweit das erstere mit Rücksicht auf die Höhe der Strafe statthaft ist) dem richterlichen Ermesien, es fei denn daß wegen einer und derselben Mißthat auf Gefängniß und gleichzeitig aus Geldstrafe zu er­ kennen wäre; in diesem Falle muß die Umwandlung nothwendig in Gefängniß erfolgen, sollte auch die Verbüßung der Prinzipalen Gefänguißstrafe bereits beendigt und der Berurtheilte wieder in Freiheit gesetzt sein; contra: Rubo n. 7; vgl. n. 11. 7a. Hat der Richter erster Instanz, der Vorschrift des Abs. 2 zuwider, eine Geldstrafe in Hast von mehr als 6 Wochen statt in Gefängniß umgewandelt, ohne daß von der Staatsanwaltschaft gegen das Urtheil die Berufung eingelegt ist, so verletzt es nicht den § noch den Grundsatz der relativen Rechtskraft, wenn der zweite Richter die Dauer der Haft aufrecht erhält, mithin nicht auf die Zeit von sechs Wochen ermäßigt: ZI. 21. März 77 (RdO. XVIII, 238). 8. In Betreff des bei der Strafumwandlung zu beobachtenden Maßstabs vgl. § 29, § 19 n. 3 und für den Fall einer Realkonkurrenz § 78 Abs. 2. 9. Muß nachträglich die einer Geldstrafe substitnirte Gefängnißstrase in Zuchthaus verwandelt werden (vgl. Pr. Ges. v. 3. Mai 1852 Art. 131), so ist dabei die rechtskräftig feststehende GefLngnißstrafe zum Grunde zu legen, nicht die Geldstrafe selbständig in Zuchthaus umzuwandeln: Beschl. I. 12. Febr. 73 (RdO. XIV, 131). 10. Abs. 3 bezieht sich nicht nur auf den Fall, wo wegen derselben Mißthat (Beisp.: § 264), sondern auch aus den Fall, wo wegen zwei realiter konkurrirender Mißtharen Zuchthaus und neben demselben Geldstrafe verhängt wird (§ 78). Dann ist das der Geldstrafe fubftituirte Gefängniß (§ 28 Nr. 1), nicht aber die fubstituine Haft in Zuchthau« umzuwandeln, zumal es an jedem gesetzlichen Maßstabe für eine solche Umwandlung fehlen würde; vgl. §§ 77. 78. Dieses würde auch dann gelten, wenn der Instauzrichter im Falle des Zusammentreffens einer Zuchthausstrafe mit einer wegen eines konkarrirendeu Vergehens verhängten Geldstrafe die letztere (nach Abs. 2) zunächst in Haft umgewandelt hätte (contra: Rubo s. 340); er wird daher in einem solchen Falle vorziehen, von der ihm durch Abs. 2 ertheilten Besugniß keinen Gebrauch zu machen. 11. Abs. 3 bleibt auch da maßgebend, wo die Prinzipale Zuchthausstrafe bereits verbüßt war, ehe es zur Umwandlung kam; contra: Schw. f. 209; vgl. n. 7. 12. Die Beitreibung der Geldstrafen ist unerläßlich; die substitnirte FreiheitSstrafe darf nicht vollstreckt werden, bevor die Uneinziehbarkeit der Geldstrafe fest­ steht. In Betreff des bei jener Beitreibung zu beobachtenden Verfahrens sind die für die Vollstreckung ergangenen LandeS-Prozeßvorschriften und dereinst gemäß § 495 der RStPO. die Dorschrijten (der RCPO.) über die Vollstreckung der Urtheile der Civilgerichte maßgebend. — An jenen LandeS-Prozeßvorschristen wurde, insoweit sie zur Deckung deS Geldbetrags die Abpfändung und Zwangsversteigerung anderer Dermögenöstücke zulaffen, weder durch § 28 noch durch sonstige Bestimmungen deS StGB.'S etwas geändert. Rubo s. 336 hält dagegen nur die unmittelbare Beitreidüng in Geld für statthast. — Im Geltungsbereiche der Pr. AGO. (vgl. dort §§ 29 31.34.1, 22; Gxek.-Ordn. v. 5. März 1854 § 11) sowie deS für den Sprengel

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Thl. I. Abfchn. I. Strafen. — § SS.

Der Verurteilte kann fich durch Erlegung des Strafbe­ trages, soweit dieser durch die erstandene Freiheitsstrafe noch nicht getilgt ist, von der letzteren freimachen. [I. Ent».: § 23; II. ent».: § 25; Pr. StGB.: § 17]. «gl. §§ 21. 29. 78; B.. Salzfteuer-Gef. v. 12. Oft. 1867 § 17; B.-Braumalzfteuerges. v. 4. Juli 1868 § 37, B.-Bravutw.-St.-Ges. v. 8. Juli 1868 § 68; B-WechselStemp-Ges. v. 10. Juni 1869 § 15; Gew.-O. (RGes. v. 17. Juli 1878) §§ 145.147—150; D.-Zoll-Ges. v. 1. Juli 1869 §§ 153.162; B.-Nachdr.Ges. v. 11. Juui 1870 §§ 18. 24; R.-Popges. v. 28. Oft. 1871 § 31; R.-Brausteuerges. v. 31. Mai 1872 § 39; — RStPO. §463. 491.494. Preußen: Dgl. Ges. v. 3. Mai 1852 Art. 132.133; NStPO. §§ 435. 436; MO. v. 23. Jan. 1838; MO. v. 24. Mai 1844; HDGes. § 12; Forstdiebft.Ges. § 13; Ges. v. 23. Dez. 1867 § 21. M Justiz-Senats zu Ehreubreitsteiu erlassenen Ges.'S v. 23. Mai 1859 § 5 (GS. s. 318) samt der Schuldner zur eidlichen Manifestirung seines Vermögens angehaltm werden; vgl. § 40 n. 18; contra: Geck i. HinschiuS Zeitschrift I, 190. Dgl. Haun. B.-Pr.-Ordn. § 547. — Nach der Pr. Konf.-Ordu. v. 8. Mai 1855 § 84 und nach der RKO. § 56 sann die vom Kridar verschuldete Geldstrafe im Äonfurfc nicht geltend gemacht werden. 13. Schuldet der Derurtheilte neben der Geldstrafe auch noch Unter» suchungsfosten oder eine (umgangene und deshalb nachzuzahlende) Abgabe, so ist eine geleistete oder beigetriebene Theilzahlung, in Ermangelung einer aus­ drücklichen Vereinbarung oder einer (maßgebenden) Bestimmung des Zahlenden im Geltungsbereiche des gemeinen und des französischen rc. Rechts zunächst auf die Geldstrafe als die (ev. in Freiheitsstrafe umzuwandelnde und deshalb) lästigere Schuld anzurechnen: Beschl. I. 1. Febr. 61 (RdO. I, 239); Otto n. 2; vgl. EG. z. Pr. StGB. Art. XXVII Nr. 3; EL. Ges. v. 30. Aug. 1871 Art. XV. — Auch im Geltungsbereiche des Pr. ALR.'s steht es dem freiwillig Zahlenden zu, darüber Bestimmung zu treffen, auf welche Schuld die Anrechnung erfolgen soll; das Gegen­ theil ist nicht aus § 151 I, 16 l. c. zu folgern; der in diesem § dem Gläubiger gestattete Widerspruch setzt ein Recht desselben voraus, die Anrechnung auf eine be­ stimmte Forderung zu verlangen; ein solches Recht folgt aber noch nicht daraus, daß für die eine Forderung andere Zwangsmittel gegeben sind, als für die andere. Die Behörde sann dann weder auf eine andere Schuld anrechnen, noch die Annahme der Theilzahlung verweigern; vgl. JMDf. v. 23. Nov. 1839 (ZMbl. 40 f. 84): contra: FMDf. v. 31. Oft. 1844. — Jedenfalls aber wird die vom zahlenden Schuldner in Betreff der Anrechnung gegebene Bestimmung wirfsam, sobald der zur Empfangnahme berufene Beamte die Zahlung angenommen hat, ohne jener Bestim­ mung sofort (ALR. I, 5 § 91. 94) zu widersprechen; insbesondere sann ein nachträg­ licher Widerspruch der jenen Beamten vorgesetzten Behörde daran Nichts mehr äuderu, weil Derjenige, welcher eine Zahlung annehmen und darüber wirfsam quittiren fan», auch das im § 151 eit. gewährte Widerspruchsrecht auszuüben hat; dem steht der einen ganz andern Fall behandelnde § 101 I, 5 ib. nicht entgegen; vgl. Beschl. I. 7. Apr. 69 (RdO. X, 198); Koch zu ALR. § 156 1,16 n. 10; Förster Pr. Privatrecht I, 574 (der letztere will grundsätzlich bei der Anrechnung der Strafforderung vor der Koftenforderung den Vorzug geben). Hiernach stnd die im Konfurse über die Lozirung der Gläubiger geltenden Grundsätze im Falle einer freiwilligen Zahlung in seiner Weise maßgebend.- eit. Beschl. 7. Apr. 69. — Erfolgt dagegen die Bei­ treibung im Zwang-wege, so ist die Anrechnung nach den civilrechmchen Grund­ sätzen (ALR. I, 16 §§ 150 bis 159; Pr.«Kons.-Ordn. v. 8. Mai 1855 § 84 Nr. 1; RKO. § 56) vorzunehmen; vgl. cit. ZMBf. v. 23. Nov. 1839. 14. Dieselben Grundsätze (n. 13) sind maßgebend, wenn es sich darum Handel:, auf welche von mehreren (theils in Zuchthaus oder Gefängniß und theils in Haft umgewandelten) Geldstrafen eine Theilzahlung anzurechnen sei. 15. Da auch die Geldstrafe eine den Berurtheilten treffende Strafe sein sov, so ist es nicht für statthaft zu erachten, wenn ein Dritter (nicht Betheiligter) zur Entlastung jenes den Betrag entrichten will: Beschl. II» 25. Juli 74 (RdO. XV,

Thl. I. Abschn. I. Strafen. — § 23.

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614), ML. f. 282; Lehmann i. GA. XIX, 784; Dinding s. 167; contra: Schw. f. 219. Dagegen saun c6 einem Dritten nicht verwehrt werden, dem Verurtheilten die Mittel zur Entrichtung der Strafe zu schenken, ober ihm für die gezahlte Strafe Ersatz zu geben; vgl. § 257 n. 15. 16. Gegen einen für eine Geldstrafe haftbar erklärten Dritten findet eine Um­ wandlung derselben in Freiheitsstrafe nicht statt; vgl. Pr. HDGef. § 12; Pr. Forstdiebst.-Gef. $ 13. In einem solchen Falle hat, wenn die Zahlung nicht freiwillig erfolgt noch vom Verurtheilten beigetrieben werden kann, die vollstreckende Behörde die Wahl, ob sie die substituirte Freiheitsstrafe vollstrecken, oder die Geldstrafe vom haftbaren Dritten einziehen will; der Verurtheilte kann nicht verlangen, daß das letztere geschehe; so ausdrücklich für Steuervergehen: Pr. Gef. v. 21. Sept. 1860 9 3; vgl. DZollgef. v. 1. Juli 1869 § 153. Eine Ausnahme begründet der cit. § 13 de- Pr. Forstdiebst.-Gef.'-. 17. Will der Verurtheilte von dem ihm durch Abs. 4 gewährten Rechte Ge­ brauch machen, oder soll nach theilweiser Verbüßung der subftituirten Freiheitsstrafe in Betreff des Restes eine Einziehung der Geldstrafe stattfinden (v. 3), so ist die Berechnung des noch einzuziehenden Geldbetrags genau nach dem Verhältniß vorzunehmen, in welchem die ganze verhängte Geldstrafe zu der ihr subftituirten Frei­ heitsstrafe stand. Da« gilt namentlich auch da, wo bei der Umwandlung der Maß­ stab des § 29 Abf. 1 nicht festgehalten werden konnte, weil sonst der in diesem § Abs. 2 bezw. im § 78 vorgeschriebene Höchstbetrag der Freiheitsstrafe überschritten toorbcn wäre. Hätte daher der Verurtheilte die Halste der subftituirten Freiheits­ strafe abgebüßt, so könnte er stch von der Verbüßung der andern Hälfte nur durch Zahlung der Hälfte der verhängten ganzen Geldstrafe befreien, und ebenso dürste auch nur diese Hälfte von ihm eingezogen werden; vgl. Pr. HDGef. §-12; Pr. Forftdiebst..Ges. § 13; contra: Otto n. 13; Bll. 29. Ott. 74 (RdO. XV, 723: der abgebüßte Theil der Freiheitsstrafe sei nach dem im § 29 bestimmten Maßstabe rückwärts in Geldstrafe umzuwandeln und der so gefundene Betrag als berichtigt anzurechnen; gewähre das verurtheilende Erkenntniß keinen Anhalt dafür, welcher im 5 29 für statthaft erklärte Maßstab angewendet fei, so müsse das betr. Gericht nach­ träglich hierüber Entscheidung treffen; ^bedenklich; eine Umwandlung von Freiheit«» strafe in Geldstrafe ist ebenso unbekannt, als eine nachträgliche Umwandlung einer bereits abgebüßten ©träfe]). — Wie in dem namentlich bei gewiffen Steuervergehen (n. 20) vorkommenden Falle der solidarischen Derurtheilung zu Geldstrafe die ohne vorherige Feststellung der Insolvenz sämmtlicher verurtheilten, mithin irrig gegen einen derselben bewirkte Vollstreckung eine- Theil- der substituirten Freiheitsstrafe den übrigen gegenüber wirke, darüber vgl. Beschl. I. 3. Mai 76 (RdO. XVII, 298; G«. 24 f. 337). 18. Nur die wirkliche Erlegung des Restes der Geldstrafe befreit von der ferneren Vollstreckung der Freiheitsstrafe. Inwiefern die vollstreckende Behörde zwischenzeitlich eine Entlassung aus der Strafanstalt bewilligen könne, vorbehaltlich einer erst später zu bewirkenden Einzahlung der Geldstrafe, ist nach den den Straf­ vollzug betreffenden Instruktionen zu beurtheilen. 19. Durch Abs. 4 ist § 435 Abs. 2 der NStPO. abgeändert worden. 20. Die Vorschriften de- 8 28 kommen auch bei den durch besondere (Reichs­ oder Laude--) Strafgesetze geregelten Materien zur Anwendung, insoweit nicht für diese ausdrücklich abweichende Bestimmungen getroffen find: Darmst. 9. Okt. 71 (HTutsch. 71 B s. 35); ZU. 17. Juni 73, ZU. 16. Mai 74 (RdO. XIV, 438; XV, 313); vgl. EG. § 2 n. 2; DZollges. v. 1. Juli 1869 § 162 (verweist in Betreff der Umwandlung der Geld- in Freiheitsstrafen auf die allgemeinen LaudeSgefetze, an deren Stelle jetzt das StGB, getreten ist); ähnlich B.-Salzst.-Ges. v. 12. Okt. 1867 § 17; v. - Braumalzsteuer - Ges. v. 4. Juli 1868 § 37 ; B.-Branntw.-St.-Ges. v. 8. Juli 1868 § 68; R.-Vraufteuer-Ges. v. 31. Mai 1872 § 39 (da- letztere beschränkt den Höchstbetrag auf 6 Mon., 1 oder 2 Jahre). Bei Post, und Porto-Defraudationen ist der Geldstrafe Haft zu subftituiren, welche sechs Wochen nicht übersteigen darf; RPostgef. v. 28. Ott. 1871 §31. Das B.-Wechfelstempel-Gef. v. 10. Juni 1869 § 15 und da- B.-Nachdruck's-Ges. v. 11. Juli 1870 § 24 (aber nur für einen ein­ zelnen Fall) schließen die Umwandlung der Geld- in Freiheitsstrafen aus. — Im Uebrigen ist in Preußen für die Umwandlung der Steuer strafen die AKO. v

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Lhl. I. «bschn. l

Straft». — §§ 28. 29.

§. 29. Bei Umwandlung einer wegen eines Verbrechen­ oder Vergehens erkannten Geldstrafe ist der Betrag von Drei bis zu fünfzehn Mark, bei Umwandlung einer wegen einer Uebertretung erkannten Geldstrafe der Betrag von Einer bis zu fünfzehn Mark einer eintägigen Freiheitsstrafe gleich zu achten. 13. Jan. 1838 (GS. f. 92) maßgebend; jedoch sollen dort Stempelstrafeu (mit Aus­ nahme der wegen Hinterziehung des Zeitung-- Kalender- oder Spielkarten-StempelS verwirkten) überhaupt nicht in Freiheitsstrafen umgewandelt werden: AKO. v. 24. Mai 1844; Ges. v. 23. Dez. 1867 § 21. — Nach dem Pr. HDGes. § 12 und dem Pr. Forstdiebst.-Ges. § 13 sind Holz- bzw. ForftdiebstahlSstrafen stets in Gefängniß (nicht in Haft) umzuwandeln: ZII. 3. Dez. 72, ZI 3. Jan. 73 (RdO. Xin, 639; XIV, 15). — Dagegen tritt bei dm im § 147 der Gew.-O. vorgefehenen Gewerbe-Polizei-Bergehen an die Stelle der Geldstrafe im Unvermögensfalle nur Haft: RGef. v. 17. Juli 1878 Art. 2. 21. Die die Umwandlung einer Geld- in Freiheitsstrafe betreffenden gesetz­ lichen Dorschristen finden auf alle Arten wirklicher Geldstrafen Anwendung, mithin auch auf die durch die Abgabengesetzgebung angedrohten sog. Ordnungs­ strafen: AH. Cöln 16. März u. 23. Juni 52 (RA. 47.1. 62.161); desgleichen auf die gegen ausbleibende Geschworenen oder Zeugen zu verhängenden Geldstrafen: Deschl. I. 17. Febr. 60 (GA VH, 280); Münch. 17. Jan. u. 2. Apr. 70 (StZ.9 s. 151. 290). Letzteres wird, was die Zeugen betrifft, durch die RStPO. und RCPO. ausdrücklich bestätigt und näher geregelt; dagegen findet eine Umwandlung der gegen renitente Geschworne, Schöffen und Sachverständige zu verhängenden Geldstrafen unter der Herrschaft der R.-Justizgesetze nicht ferner statt: RStPO. §§55. 77; RCPO. §§ 345. 355. 374; RGDG. §§56. 96. Dasselbe gilt schon jetzt von den Geldstrafen gegen renitmte Beisitzer der Seeämter: RGes. v. 27. Juli 1877 § 12. Die in einem Disciplin arge setze angedrohten Geldstrafen scheiden (in Ermangelung besonderer diesen Gegenstand betreffender Vorschriften) hier gleich­ falls aus; ste sind keine „Strafen- im Sinne des StGB.'S: Münch. 14. Juli 75 (BEntfch. V, 461); ebenso die Exekutivstrafen, durch welche Jemand znr Erfüllung einer gesetzlichen Pflicht angehalten werden soll, z. B. die Exekutiv-OrdnungSstrasen des Pr. Einf.-Gef.'S zum HGD. v. 24. Juni 1861 (vgl. dort ^rt. 5 Nr. 7), die dereinst nach § 58 der R.-RechtSanwaltSordn. v. 1. Juli 1878 zur Erzwingung der dort erwähnten Anordnungen fepzusetzmden Geldstrafen und die aus Grund de- RGes.'S v. 6. Febr. 1875 § 68 Abs. 3 s wie früher aus Grund deS Pr. Ges.'S v. 9. März 1874 § 49 Abs. 3] verhängten Exekutivstrasen der Personenstandsbeamten, — jedoch vorbehaltlich der durch besondere Gesetze (z. B. durch § 82 der Pr. KreiSordn. v. 13. Dez. 1872, bezw. § 33 des Pr. Ges.'S v. 26. Juli 1876 in Betreff polizeilicher Exekutivstrafen, einschließlich derjenigm eben jener Standesbeamten) ausdrücklich statuirten Ausnahmen; vgl. Jnn.-MDf. v. 24. Okt. 1875 u. 31. Okt. 1877 (DMbl. 75 f. 268; 78 f. 2). Ein Gleiches nahm OHG. 17. Apr. 74 (Puch. Ztschr. s. EL. IV, Heft 4) in Betreff der Geldstrafe an, welche der Civilrichter nach dem sranz. rc. C. de proc. civ. Art. 56 gegen den beim Sühneversuche ausbleibenden Verklagten zu verhängen hat. 22. Stellt die in einem besonderen älteren Strafgesetze vorgesehme Mißthat eine Uebertretung dar, so ist die der Geldstrafe substituirte „Gesängnißstrase" in Zukunst als Haft zu verhängen; das gilt auch bei Abgabenhinterziehungeu, z. B. nach der Pr.-Steuer.Ordn. v. 8. Febr. 1819 §64: DII. 24. Spt. 74 (RdO. XV, 589); vgl. § 1 d. 11; § 29 n. 4 .unb in Betreff der Ausnahmen oben n. 20.

§ 29. 1. Der Sinn des § geht dahin, daß der Richter bei der vorzunehmenden Um­ wandlung nach seinem Ermessen zu bestimmen hat, ob der Sah von drei bezw. einer Mark oder der von fünfzehn Mark oder ein zwischen beiden Grenzen liegender Satz einer eintägigen Freiheitsstrafe gleich zu achten fei; er kaun sonach eine Geldstrafe

Thl. I. Mschn. l. ©trafen. — $ 29.

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Der Mindestbetrag der an Stelle einer Geldstrafe treten* den Freiheitsstrafe ist Ein Tag, ihr Höchstbetrag bei Haft sechs Wochen, bei Gefängniß Ein Jahr. Wenn jedoch eine neben der Geldstrafe wahlweise angedrohte Freiheitsstrafe ihrer Dauer nach den vorgedachten Höchstbetrag nicht erreicht, so darf die an Stelle der Geldstrafe tretende Freiheitsstrafe den ange­ drohten Höchstbetrag jener Freiheitsstrafe nicht übersteigen. [I. Emu,.: § 23; n. Entw.: § 26; Pr. StGB.: § 17]. und die Citate zu § 28.

Vgl. §§ 19. 21. 28. 78;

von fünfzehn Mark, wenn es sich um ein Vergehen handelt, sowohl in ein- als in zwei-, drei-, vier- oder fünftägiges Gefängniß, und wenn die Derurtheilung wegen einer Uebertretung erfolgt ist, in eine Haft verwandeln, bei welcher er zwischen den Sätzen von einem bis zu fünfzehn Tagen die Wahl hat. Die durch den Reichstag vorgenommene Abänderung des § sollte nur verhindern, daß der Richter nicht einen geringeren Satz als drei (eine) Marl einer eintägigen Freiheitsstrafe gleichstelle. 2. Es ist nicht unerläßlich, daß der Jnftanzrichter den der Umwandlung zum Grunde gelegten Maßstab im Erkenntniß genau angebe, insofern er nur ein statthaftes Maß erkennt: Münch, 5. April 73 (BEntfch. III, 146); contra: id. 26. Nov. 75 (ib. V, 526); vgl. n. 5. 3. Der für Vergehen rc. aufgestellte Maßstab ist auch da zum Grunde zu legen, wo eine Bergehens-Geldstrafe nach §28 Abs. 2 in Haft verwandelt wird (Abs. 1 des § 29 unterscheidet nicht). 4. Die Verschiedenheit der im Abs. 1 aufgestellten Maßstäbe beruht lediglich aus der Bestimmung, daß bei verbrechen und Vergehen der Miudestbetrag der Geldstrafe drei, bei Uebertretungen aber eine Mark beträgt (§ 27). Gleichwohl ist die Folge davon, daß bei gleicher Höhe der Geldstrafen die substrtuirte Freiheits­ strafe für eine Uebertretung erheblich länger sein kann, als die für ein Vergehen (vgl. n. 1): ein Mißverhältnis welches dnrch die Verschiedenheit der beiden Freiheits­ strafen keineswegs ausgeglichen wird; das tritt namentlich da grell hervor, wo bei sonst gleichartigen Straffällen sich die Höhe der zu verhängenden Geldstrafe nach dem Objekte der That im Ginzelsalle richtet (wie bei vielen Steuer- und Zolldelikten), wo also derselbe Thatbestand bald die Natur eines Vergehens, bald die einer Ueberlretung annimmt: eine Zollhinterziehung, durch welche eine Geldstrafe von 42 Mark verwirkt ist, stellt eine Uebertretung dar, die an die Stelle jener Geldstrafe tretende Haft kann somit im höchsten Maß 6 Wochen betragen; erreicht dagegen die ver­ wirkte Geldstrafe die vierfache Höhe (168 Mark), so kann die zu substituirende Gesäugnißftrase 66 Tage uicht übersteigen. Ebenso kann es (nach dem unter n. 3 Ge­ sagten) geschehen, daß eine wegen Vergehens verhängte Geldstrafe von 30 Mark in Haft von höchstens zehn Tagen verwandelt würde, während eine wegen einer Uebertretung verhängte Geldstrafe von gleichem Betrage in Haft bis zu dreißig Tagen umgewandelt werdeu könnte: Puch n. 2. Die Rechtsprechung muß bemüht sein, durch das gewährte Ermessen (n. 1) diese Verschiedenheit möglichst auszugleichen. 5. Bei der Strafumwandlung ist als Einheit der Dauer einer Freiheits­ strafe der volle Tag (auch für die Zuchthausstrafe) festzuhalten; vgl. § 19 n. 3—7. Demgemäß ist die Gesammtdauer einer substitnirten Freiheitsstrafe stets nach Tagen (nicht nach Monaten rc.) zu bestimmen, weil es sonst bet stattfindender Theilzahlung der Geldstrafe für die Berechnung der zu vollstreckenden Freiheitsstrafe an einem entsprechenden Maßstabe fehlen würde: Münch. 24. Jan. u. 9. Aug. 73, 26. Nov. 75, VI. 14. Febr. 73 (StZ. II, 214; III, 2; BEntsch. V, 526; RdO. XIV, 140); contra: BI. 2. Juli 1875 (RdO. XVI, 511: insofern, als es die Umwandlung in einmonatliche Freiheitsstrafe für statthaft erklärte); Stuttg. 20. März 78 (WGbl. XIV, 305). 6. Tritt nach § 28 Abs. 3 Zuchthaus- an die Stelle der zu substituirenden Gesängnißstrafe, so darf dieselbe nach § 21 die Dauer von acht Monaten nicht übersteigen.

64

Thl. I. Abfchn. I.

©trafen. — §§ 29.30.

§. 30. In den Nachlaß kann eine Geldstrafe nur dann vollstreckt werden, wenn das Urtheil bei Lebzeiten des Verurtheilten rechtskräftig geworden war. n ©nt».: § 32: n. ent».: § 27: Pr. StGB.: § 20]. vgl. RSlPO. §497. Preußen: Vgl. Vdn. v. 3. Jan. 1849 §§ 158. 159; Rh. StPO. Art. 203. 7. Die Bestimmung des Abs. 2 über dm zulässigen HLchstbetrag der zu subpituirenden Freiheitsstrafe bezieht stch nur auf den Fall, w» eine einzelne Geldstrafe umgewandelt wird; im Falle einer Real-Konkurrenz wird §78 maßgebend; vgl. bett n. 2ff.; Motive f. 26. 8. eine verhängte Freiheitsstrafe kann in Folge des Hinzutritt- der für eine zusätzliche Geldstrafe fubstitnirten Freiheitsstrafe das an stch für diese bestimmte höchste Maß übersteigen; vgl. $ 14 n. 1. 9. Auch dieser § flnbet bei den durch besondere (Reichs- oder Lande--) Strafgesetze geregelten Materien Anwendung, insofern für dieselben nicht be­ sondere (von den zur Zeit in Geltung gewesenen abweichende) Vorschriften ergangen sind: BI. 8. Febr. 65, Z. 26. Mai 69 (RdO. V, 466; X, 338); vgl. § 28 n. 20. CS darf daher auch hier die substituirte Freiheitsstrafe nicht unter Emem Tage Be» messen werden, sollte gleich die Geldstrafe weniger als eine Mark betragen; contra: cit. Z. 26. Mai 69; Rubo f. 344 n. 5. 9. Dagegen bleiben auch in dieser Beziehung abweichende Vorschriften eines besonderen Gesetzes in Kraft: DU. 14. Nov. 67, V. 11. Mai 72 (RdO. VDI, 712; Xm, 300); Beisp.: Pr. HDGes. § 12; Pr. Forfldiebst.-Ges. § 13; Pr. AKO. (Rh ) v. 20. Juni 1835 (SchulversSumniffe betr.). In Bayern kann gemäß Art. 5 des Einf.-Ges.'S v. 26. Dez. 1871, wenn ein fortbestehendes Landesgesetz eine das für Uebertretungen bestimmte Maß überschreitende Geldstrafe androht, die subsidiarische Hast bis zur Dauer von drei Monaten ausgesprochen werden; vgl. Münch. 30. Juli 77 (BEntsch. VH, 350).

§ 30.

1. Die Vorschrift des § 30 beruht auf der Auffassung, daß die — ledtglich Vermögensrechte betreffende — Derurtheiluug zu einer Geldstrafe, sobald sie rechts­ kräftig geworden, ein Forderungsrecht Desjenigen begründe, welchem nach den maßgebenden gesetzlichen Vorschriften der betr. Betrag zufallen soll. Sie läßt straf« prozeßrechtliche Vorschriften über die Art und Weise, wie eine verhängte Geldstrafe einzuziehen sei, unberührt. 2. Demgemäß darf aus der Fassung de- $: „kaun nur .. ." nicht gefolgert werden: als fei die Vollstreckung in den Nachlaß fakultativ; sie ist, wenn statt­ haft, auch geboten: Schw. f. 220; Schütze f. 75; Rüd. f. 142; contra: HS. I, 531. 3. Wegen Gleichheit des Grundes (n.l) findet der § auch auf die Kosten des Strafverfahrens und auf die „Buße" Anwendung; contra: Rubo f. 346; hinsichtlich der Kosten trifft eine ausdrückliche Bestimmung desselben SiuueS § 497 der RStPO.; — desgleichen auf alle Nebenftrafen und sonstigen Straffolgen, welche wie dir Geld­ strafe in den Nachlaß eines Derurtheilten vollstreckt werden können: Münch. 10. März 76 (BEntsch. VI, 101); vgl. §367 n. 88, EG. § 6 n. 15, uud in Betreff der Einziehung einzelner Gegenstände rc., § 40 n. 16. 4. Sin Urtheil ist „rechtskräftig", sobald eS nicht mehr durch ein ordentliches Rechtsmittel angefochten werden kann. Ordentliche Rechtsmittel sind nach Pr. Verfahren die Appellation (Berufung), der Rekurs, die Nichtigkeitsbeschwerde und nach Rh. Verfahren die Berufung, der Einspruch (gegen Contumacialurtheile) sowie der KaffationSrekurS, nach der RStPO. §§357. 383 die Berufung und Revision. Gemäß § 450 ib. erlangt ein amtsrichterlicher Strafbefehl die Wirkung eines rechts­ kräftigen Urtheils, wenn wider denselben nicht rechtzeitig Einspruch erhoben worden ist. So lange eins jener Rechtsmittel überhaupt noch statthaft, oder (wenn rechtzeitig ergriffen) noch nicht endgültig erledigt ist, bleibt die Rechtskraft des Urtheils ausgesetzt; e- macht dann keinen Unterschied, ob im Uebrigen diejenigen thatsächlichen Voraussetzungen obwalten, unter welchen allein das Rechtsmittel von Erfolg fein könnte. Ein nach dem HDGes. (§§ 7. 8. 38) ergangenes Urtheil ist nicht rechtskräftig, so lange die Frist zur Einlegung des Rekurses (der Appellation) nicht verstrichen ist. sollten auch die Voraussetzungen des § 38 cit. nicht obwalten: ZI. 11. Juni 69

Thl. I. Abschn. I.

Strafen. — §§ 30.31.

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§. 31. Die Verurtheilung zur Zuchthausstrafe hat die dauernde Unfähigkeit zum Dienste in dem Deutschen Heere und der Kaiserlichen Marine, sowie die dauernde Unfähigkeit zur Bekleidung öffentlicher Aemter von Rechtswegen zur Folge. (RdO. X, 416). — Nach Rheinischem (französischem) Verfahren tritt die Rechtskraft eines zuchtpolizeilichen Urtheils nicht ein, bevor die dem öffentlichen Ministerium des Berufungsgericht- (durch Art. 205 der StPO.) gewährte zweimonatige Berufung-fr ist abgelaufen ist: Gilb. C. d’inst. er. art, 203 n. 41. — Ein verspätetes Rechts­ mittel hemmt den Eintritt der Rechtskraft nicht: ZU. 11. Nov. 58 c. Heilmann. — Findet eine Sache durch Entscheidung de- Nichtigkeitsrichters ihre endgültige Erle­ digung, so tritt (in Ermangelung besonderer hierauf bezüglicher sirafprozeßrechtlicher Vorschriften) die Rechtskraft sofort mit der Verkündung (nicht erst mit der Zustellung) diese- Urtheil- ein. So namentlich auch nach der RStPO. 5. Außerordentliche Rechtsmittel, z. B. ein Restitution-gesuch nach der Pr. Vdn. v. 3. Jan. 1849 § 151, oder da- Gesuch um Wiederaufnahme der Untersuchung nach der Pr. NStPO. § 420 ff. und nach der RStPO. § 399 ff., sowie ihre Statthaftigkeit stehen dem Eintritte der Rechtskraft nicht entgegen. 6. Durch § 30 sind die Vorschriften eine« besonderen Gesetze-, welche- die Fest­ setzung und Vollstreckung einer Geldstrafe gegen den Nachlaß, bzw. die Erben deThäter- gestattet, nicht außer Kraft gesetzt: ZU. 20. Nov. 73 (RdO. XIV, 735); vgl. die Reich-tagS-Vhdll. (Steuogr. Ger. f. 201).

§ 31. 1. Die hier erwähnte „Unfähigkeit" ist die selbstverständliche, von Rechts­ wegen eintretende Folge der Verurtheilung zu Zuchthausstrafe; eö bedarf daher eines richterlichen Ausspruches in dieser Beziehung nicht. 2. Weil Folge der Verurtheilung, tritt die Unfähigkeit auch da ein, wo es zur Vollziehung der verhängten Strafen nicht kommt, mag der Grund in einer An­ rechnung der Untersuchungshaft, in der Verjährung des Strafvollzugs oder in einem Gnadenerlaß re. liegen, es sei denn, daß auch jene Unfähigkeit int Gnaden­ wege beseitigt worden wäre; vgl. Motive s. 53; Pr. JMvf. v. 11. Sept. 1856 (RS. XI, 282). — Wird eine verhängte Todesstrafe im Gnadenwege in Zuchthaus umgewandelt, so ist im Zweifel anzunehmen, daß die Zuchthausstrafe mit allen ge­ setzlichen Folgen derselben, also mit der Unfähigkeit deö § 31 eintrete: HS. I, 453; contra: Puch. n. 7. 3. Im Fall einer Real-Konkurrenz schließt die zu verhängende Todes­ strafe eine neben derselben verwirkte Zuchthausstrafe und die Folgen derselben nicht auS; vgl. § 74 n. 20. 4. Die in diesem § erwähnte Unfähigkeit ist eine wirkliche Strafe, ihre Wirk­ samkeit beginnt mit der Rechtskraft der Verurtheilung (arg. § 36). 5. Mit der Wirksamkeit de- verurtheilenden ErkenntniffeS (n. 4) geht der Derurtheilte aller bis dahin bekleideten öffentlichen Aemter verlustig (arg. §§33. 35). Auch dieser Verlust ist dauernd; eine im Gnadenwege erfolgende Wiedergewährung der Fähigkeit zur Bekleidung eines Amtes schließt die Wiederverleihung deS früher bekleideten Amtes nicht in sich. 6. Der Begriff des „öffentlichen Amtes" ist aus § 359 zu erläutern. Er bezeichnet somit eine (dauernde) Stellung, vermöge welcher Jemand dazu berufen ist, im Dienste des Reichs oder im (unmittel- oder mittelbaren) Dienste eines Bundes staateS als Organ der Staatsgewalt für die Herbeiführung der Zwecke des Staats thätig zu sein. — Dieser Begriff ist sodann im Abs. 2 de- § 31 aus die Advokatur, die Anwaltschaft und da- Notariat, sowie auf den Geschwornen- und Schöffendienst, ausgedehnt worden; vgl. RGVG. §§ 31 ff. 84 ff. und in Betreff des Amts der Beifitzer eines SeeamtS §§ 9 ff. des RGes.'s v. 27. Juli 1877; insoweit ist also der Begriff des „öffentlichen Amtes" umsaffender als der eines „Beamten". — Jene Begriffsbestimmung gilt für das ganze Reich gleichmäßig und kaun durch ein Landes­ gesetz keine Aenderung erfahren; vgl. EG. § 8 n. 5. Dagegen kamt S geschehen, Oppenhoff, D. Strafgesetzbuch. 7. Ausg. 5

66

Thl. I. Abfcho. I.

Strafen. — §§ 31. 32.

Unter öffentlichen Aemtern im Sinne dieses Strafgesetzes sind die Advokatur, die Anwaltschaft und daS Notariat, sowie der Geschwornen- und Schöffendienst mitbegriffen. [I. Entw.: §25; IL Entw.: § 28; Pr. StGB. § 11]. Dgl. §§ 32-87.359; BDdn. v. 29. Dei. 1867, (Pr.) Ges. v. 15. April 1852 §§ 4. 6 (BGbl. s. 185. 393); Mil.-StGB. § 30 ff.; Recht»anwalt«ordn. v. 1. Juli 1878 §§ 7. 43. Prenßen: Dgl. Ges. v. 11. Mai 1873 § 21 (GS. f. 195).

§. 32. Neben der Todesstrafe und der Zuchthausstrafe kann auf den Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte erkannt werdaß mit Rücksicht aus die verschiedenen Organisationsgesetze eine Stellung (z. B. im EiseuLahndienste) in dem einen Bundes-Staate sich als öffentliches Amt darstellt, welche es in einem andern nicht ist. „ , Ä 7. HofLmter sind keine „öffentlichen Aemter": Otto n. 3; vgl. § 33 n. 7. 8. Dasselbe gilt von geistlichen Stellungen und vom Kirchenpatronate Otto n. 3, Schw. s. 131; § 359 n. 28; contra (in Betreff des (evangelischen) PsarramtS): Wolfenb. 14. Sept. 75 (Br. Z. 23 s. 65). Doch bestimmt das Pr. Ges. v. 11. Mai 1873 § 21, daß die Beurtheilung eine« Geistlichen zur Zuchthausstrafe, die Aberkennung der bürgerlichen Ehrenrechte und der Fähigkeit zur Bekleidung öffentlicher Aemter die Erledigung der Stelle, die Unfähigkeit zur Ausübung des geistlichen Amtes und den Verlust des Amtseinkommens zur Folge habe. 9. Die Begriffsbestimmung des „öffentlichen Amtes" (n. 6—8) gilt für das ganze StGB. (vgl. § 8 n. 1), also namentlich auch für die Vorschristen der §§ 33 34 Nr. 3. 35-37; ebenso sür die de« § 5 des EG.'S. 10. Die „Unfähigkeit zur Bekleidung öffentlicher Aemter" ist auf Würden und Titel nicht auszudehnen, diese gehen nur durch die Aberkennung der bürger­ lichen Ehrenrechte verloren; vgl. §§ 33. 34. ' 11. Die „Unfähigkeit" ist eine „dauernde" d. h. auf Lebenszeit emtretende. ^ , 12. Mit dem Amte geht der Anspruch auf daS damit verbundene Gehalt, sowie der auf die spätere Beziehung eines Ruhe- oder Gnadengehalts (Pension) verloren; contra: Rubo n. 5 (arg. R.-Mil.-StGB. § 32). Dagegen hat die Verurtheilung eines ausgeschiedenen Beamten zu Zuchthausstrafe nicht ohne Weiteres den Verlust des bis dahin bezogenen Ruhe- oder Gnadengehalts zur Folge: (der n. Entw. § 30 wollte diesen Verlust an die Aberkennung der Ehrenrechte knüpfen; daS wurde im Reichstage beseitigt); vgl. R.-Mil.-Pens.-Ges. v. 27. Juni 1871 §§ 32. 100 (RGbl. s. 275); und in Betreff der CivilversorgungSberechtigung der Militärpersonen re.: Pr. St.'S Min.-Regl. v. 16. Juni 1867 § 35 (JMbl. s. 236); Miu.-Bs. v. 29. De,. 1851; id. v. 31. Jan. 1868 Nr. 16; id. v. 19. Jan. 1871; id. v. 22. Jan. 1872 (JMbl. 1852 s. 2; 1868 s. 46; 1872 s. 23). 13. Bon dem eintretenden Verluste eines Gehalts (n. 12) ist der betr. Kaffenbehörde Kenntniß zu geben: Pr. JMBf. v. 29. Juni 1851 Nr. 14 (JMBl. f. 232). 14. Wird gegen einen zur Rechtsanwaltschaft Befähigten wegen einer strafbaren Handlung, welche die fdauernde oder zeitweise (§35)1 Unfähigkeit zur Bekleidung öffentlicher Aemter zur Folge haben kann, die öffentliche Klage erhoben, so ist dereinst, nach § 7 der R.-Recht«anwaltSordn. v. 1. Juli 1878, die Entscheidung über die von ihm beantragte Zulassung zur Anwaltschaft bei einem bestimmten Gerichte bis zur Beendigung der Untersuchung auszusetzen. Rechtsanwälte, gegen welche wegen einer solchen Handlung die öffentliche Klage erhoben ist, können gemäß § 43 ib. nicht in den Vorstand der AvwaltSkammer gewählt werden. In Betreff der Schöffen und Geschwornen vgl. RGBG. §§ 32. 85. 15. Abgesehen von den auf Grund des § 31 eintretenden Bestimmungen, be­ trachtet das StGB, die Zuchthausstrafe an sich nicht als entehrend. Dgl. § 35 n. 10, 11; §33n. 1 und Rubo f. 348.

§ 32.

1. Der „Verlust der rc. Ehrenrechte rc." tritt nicht von Rechtswegen, sondern nur dann ein, wenn ausdrücklich daraus „erkannt", oder wenn dieselben

Thl. I. Abschn. I. Strafe». - § 32.

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den, neben der Gefängnißstrafe nur, wenn die Dauer der er­ kannten Strafe drei Monate erreicht und entweder daS Gesetz den Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte ausdrücklich zuläßt oder die Gefängnißstrafe wegen Annahme mildernder Umstände an Stelle von Zuchthausstrafe ausgesprochen wird. „aberkannt" (§§ 33—35) find. Die Verhängung dieser Strafe ist für den Richter fakultativ (: „kann"); sie muß daher in jedem Einzelfalle durch Angabe von Gründen gerechtfertigt werden. Ausnahmsweise ist dieselbe geboten im Falle des Meineids (§§ 153—155. 161) und im Falle der qualifizirten Kuppelei, wenu wegen dieser aus Zuchthaus erkannt wird; auch in solchen Fällen muß der Richter sie ausdrücklich verhängen. — Auf die praktischen Folgen dieser Nebenstrase hat der Richter keine Rücksicht zu nehmen: ZU. 2. Mai 76 (RdO. XVII, 297); vgl. unten n. 8 und § 28 d. 2, 3. 2. Neben der Todeö- oder Zuchthausstrafe kann jener Verlust in allen Fällen ausgesprochen werden, ohne daß eö einer besondereu gesetzlichen Androhung bedürfte. DaS gilt auch dann, wenn aus einem neben dem StGB, in Kraft ver­ bliebenen besonderen Reichs- oder Landesgesetze aus Zuchthausstrafe erkannt wird. 3. Auch da, wo das Gesetz die Wahl zwischen Zuchthaus und Festungs­ haft läßt, die erstere Strafe aber verhängt wird, weil die That „aus einer ehr­ losen Gesinnung entsprungen ist" (§ 20), bleibt es dem Jnstanzrichter gesetzlich unbenommen, von der Aberkennung der rc. Ehrenrechte abzusehen: Rüd. n. 2; contra: Sont. s. 181. 4. Neben einer Gesängnißstrafe kann auf den Verlust der rc. Ehrenrechte nur dann erkannt werden, wenn jene als Prinzipalftrafe in einer Dauer von we­ nigstens drei Monaten verhängt wird; es genügt nicht, daß das Gesetz ein solches Strafmaß für zulässig erklärt, der Richter muß dasselbe im konkreten Fall auch fest­ setzen. Wird im Falle einer Real-Konkurrenz eine Gesammtstrafe verhängt, so kann auf jenen Verlust nur dann erkannt werden, wenn die wegen des betr. EinzelfalleS arbitrirte Einzelstrafe drei Monate erreicht: Dreöd. 13. Ott. 71, Stuttg. 6. Nov. 72, ÖL 25. Juni 73. ZU. 30. Mai 76. Münch. 15. April 78 (StRZ. XUI. 359; StZ. U, 140; RdO. XIV, 458; XVII, 388; BEntsch. Vm, 177); derselbe ist sonach stets ausgeschlossen, wenn die Gesammtstrafe drei Monate nicht übersteigt: DII. 30. Apr. 74, DII. 14. Jan. 75 (RdO. XV, 265; XVI, 51). Vgl. n. 12. 5. Der Jnstanzrichter kann sich daraus beschränken, neben der Gesängnißstrafe (n. 4) statt des Verlustes der rc. Ehrenrechte die Unfähigkeit zur Bekleidung öffent­ licher Aemter auf Zeit zu verhängen: § 35. 6. Gegen Strafunmündige ist nie auf den Verlust der re. Ehrenrechte oder einzelner Ehrenrechte zu erkennen: § 57 Nr. 5. 7. Dagegen trifft diese Strafe den Au Ständer ebensowohl wie den Deutschen: DI. 22. Jan. 64 (RdO. IV, 317). 8. Der Umstand, daß dem Angeschuldigten bereits früher rechtskräftig die Ehrenrechte aberkannt sind', steht nicht entgegen, dieselbe Strafe , gegen ihn zum zweiten Male auSzusprechen, sollte auch die im ersten Urtheile bestimmte Frist noch nicht abgelaufen sein: Bll. 12. Juni 56 (GA. IV, 690); vgl. § 36 n. 5. 9. Wird die Aberkennung der rc. Ehrenrechte neben der Todes- oder neben lebenslänglicher Zuchthausstrafe ausgesprochen, so wird sie für die ganze Lebens­ dauer wirksam; der Jnstanzrichter braucht sich daher über ihre Dauer nicht auSzusprechen. 10. Dagegen ist in dem die Aberkennung neben zeitiger Zuchthaus- oder neben Gesängnißstrafe aussprechenden Urtheile die Dauer derselben genau zu be­ stimmen. Das gilt auch in dem Falle, wo die Aberkennung der rc. Ehrenrechte obligatorisch ist (n. 1). — Wäre die Bestimmung der Dauer verabsäumt und das Urtheil rechtskräftig geworden, so müßte jene auch in dem hier vorgesehenen Fälle für die ganze Lebensdauer wirksam werden; contra: ZI. 12. Jan. 70 (RdO. XI, 15; „in einem solchen Falle werde die Strafe gar uicht wirksam"), welches aber nach der

68

Thl. I. Abschn. I.

Straf«. - 88 32. 33.

Die Dauer dieses Verluste- beträgt bei zeitiger Zuchthaus­ strafe mindestens zwei und höchstens zehn Jahre, bei Gefängniß­ strafe mindestens Ein Jahr und höchstens fünf Jahre. [I. Entw.: § 25; II. EiUw-: § 29; Pr. StGB.; §§ 11. 21]. 57. 76. 181; Mil .StGB. §§ 30-40. 42. 52.

Bgl. SS 33-37. 45.

§. 33. Die Aberkennung der bürgerlichen Ehrenrechte bewirkt den dauernden Verlust der aus öffentlichen Wahlen jetzigen Fassung des Gesetzes nicht mehr maßgebend sein kann. Rubo s. 355 will hier die Aberkennung nur für die gesetzlich kürzeste Dauer, mithin nur für 2 bezw. 1 Jahr gelten lassen. 11. Ueber die Berechnung der Dauer einer aus Zeit ausgesprochenen Ab­ erkennung vgl. § 36. 12. Im Falle einer Real-Konkurrenz (vgl. n. 4) ist die Aberkennung der rc. Ehrenrechte nur einmal auSznsprechen. Die Dauer darf auch in diesem Falle daS im Abs. 2 bestimmte höchste Maß nicht übersteigen. Daö Nähere siehe § 76 n.8. 4; §79 n. 11. 13. Aberkennung der rc. Ehrenrechte int Falle eines Versuchs vgl. §45. 14. Die Wirkungen der Aberkennung zerfallen in solche, welche dauernd (§ 33), und in solche, welche auf die im Urtheile bestimmte Zeit beschränkt sind (§ 34). 15. Die Vorschriften des § 32 finden auf den in verschiedenen Einzelbestim­ mungen des StGB.'S angedrohten Verlust der „bekleideten öffentlichen Aemter" und „der aus öffentlichen Wahlen hervorgegangenen Rechte", sowie aus die durch einige Einzelbestimmungen (§§ 128.129. 358) angedrohte „Unfähigkeit zur Bekleidung öffentlicher Aemter" keine Anwendung; diese können auch neben einer drei Monate nicht erreichenden Gesängnißstrase und neben Festungshaft erkannt werden. 16. In Betreff der gegen einen zu Zuchthausstrafe oder zum Verluste der bür­ gerlichen Ehrenrechte rc. verurtheilten Beurlaubten Platz greifenden militäri­ schen Ehrenstrafen vgl. R.-Mil.-StGB. §§ 42. 30—40. 17. Die Vorschrift des § 487 der Pr. NStPO., daß diejenigen (Antrags-) Vergehen, welche mit „Untersagung der Ausübung der bürgerlichen Ehrenrechte" be­ droht sind, von der Privatklage ausgeschlossen bleiben, dürste jetzt für alle mit Ehrenprasen bedrohten Vergehen maßgebend sein. Die RStPO. (§ 414) kennt jene Klage überhaupt nur bei Beleidigungen und Körperverletzungen, und auch bei diesen nur dann, wenn ihre Verfolgung blos auf Antrag eintritt.

§ 33. 1. Nicht die bürgerliche Ehre überhaupt, sondern nur die in den §§ 33. 34 ausgezählten einzelnen bürgerlichen Ehrenrechte sind Gegenstand der Aberken­ nung; ein den „Verlust der bürgerlichen Ehre" aussprechendes Urtheil wäre nichtig. Bgl. VI. 21. Apr. 71 u. 21. Juni 76 (RdO. XU. 221; XVH, 445). 2. Die Auszählung in den §§ 33.34 ist limitativ: der Vorschlag des II. Entwurfs (§34): besondere zur Zeit bestehende Vorschriften, die den Verlust noch anderer Ehrenrechte an eine Berurtheilung knüpfen, bestehen zu lassen, ward im RT. gestrichen: Stenogr. Ber. s. 216; vgl. n. 15; § 34 n. 11 ff. Zu den dauernden Wirkungen der Aberkennung rc, (§ 33) tritt durch § 858 der REPO, noch das Recht der Parteien hinzu, den Verurtheilten als Schiedsrichter abzulehnen. 3. Die „Aberkennung der re. Ehrenrechte" umfaßt nicht die „Unfähigkeit zur Bekleidung öffentlicher Aemter"; diese kann auch nicht mit jener Aberkennung verbunden werden; für sie sind nur die §§ 31.35 maßgebend. 4. Durch die Aberkennung gehen die im §33 erwähnten Rechte „dauernd" verloren; sie leben also mit dem Ablause der bestimmten Frist nicht wieder aus; wohl aber können sie nach dieser Zeit wieder erworben werden: BI. 18. Febr. 74 (RdO. XV, 66).

Thl. I. Abschu. I.

Strafen. — $ 33.

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für den Verurteilten hervorgegangenen Rechte, ingleichen den dauernden Verlust der öffentlichen Aemter, Würden, Titel, Orden und Ehrenzeichen. (I. Entw.: § 26; n. Entw.: g 30; Pr. StGB.: gg 12. 21.22]. Vgl. gg32. 34—37; Mil.-StGB. gg30ff.; B.-Gmosfensch.-Ges. v. 4. Juli 1868 § 38; Allerh. Erl. 6. 20. Mat 1871 Nr. 5 (RGbl. f. 112); REPO. § 858. Preuße«: vgl. Gef. v. 11. Mai 1873 (GS. f. 195). 5. Unter den „ans öffentlichen Wahlen hervorgegangenen Rechten" sind (vgl. § 34 Nr. 4) diejenigen zu verstehen, welche hervorgegangen sind aus einer eine „öffentliche Angelegenheit" betreffenden Wahl; vgl. in Betreff dieser § 34 d. 5. 6. Ueber den Begriff der „öffentlichen Aemter" vgl. § 31 und dort n. 6ff. In Betreff der Wirkungen des Derlusts eines Amtes auf das damit verbundene Ge­ halt vgl. ib. n. 12. 7. Die Hof-, Ehren- und Crbämter sowie die ständischen Ehrenrechte stnd „Würden": Otto n. 4. 8. Dasselbe gilt vom akademischen Doktorat; vgl. § 361 n. 53; contra: Rubo f. 359; derselbe versteht hier unter „Würden" überhaupt nur die von Staatswegen ohne Gewährung von Gehalt verliehenen Dienststellungen. 9. Das Kirchenpatronat gehört nicht hierher: Schw. f. 131. 223. 10. „Titel" bezeichnet eine durch höhere Verleihung (von StaatSwegen) zu erwerbende, mit Rangstelluug verbundene Benennung (vgl. Pr. Ddn. v. 27. Okt. 1810 Nr. 6: GS. f. 9): er umfaßt die Bezeichnung aller amtlichen Stellungen, nicht aber auch die einer wiffenfchaftlichen oder gewerblichen Thätigkeit, sollte auch dazu eine amtliche Konzession. Approbation, ein Prüfungszeugniß oder bergt erforderlich fein: ZN. 21. Juni 55 o. Fuchs; Jena Mai 74 (StZ. IV, 213); vgl. je­ doch Rubo f. 359; er versteht hier unter „Titel" die von Staatswegen ohne Bei­ legung einer Dienststellung geschehene Verleihung einer solchen Bezeichnung, wie sie dem Inhaber einer Amts- oder amtsähnlichen Stellung zukommt. 11. In Betreff der „Würden, Titel, Orden und Ehrenzeichen" macht es keinen Unterschied, ob dieselben von dem eigenen Landesherrn oder von einem andern (in- oder ausländischen) Fürsten verliehen stnd: HS. I, 460; vgl. Pr. AKO. v. 23. Apr. 1817 u. 10. März 1845 (GS. 17 s. 35: RS. IX, 23). 12. Was von „Ehrenzeichen", gilt auch von der durch den Allerh. Erlaß v. 20. Mai 1871 gestifteten Kriegsdenkmünze; vgl. I. c. DGr. 5. 13. Aus stelln« gSmedaillen stnd keine „Ehrenzeichen"; die Vorschrift deS 8 bezieht sich auf ste nicht mit; contra: Rubo f. 359. 14. Ueber die Mittheilung des Tenors aller Urtheile, welche den Ver­ lust von Orden zur Folge haben, an die General-OrdenS-Kommisston, vgl. Pr. JMVf. v. 29. Jnni 1851 Nr. 15 (JMbl. s. 232). Die Akten sollen dem Justiz. Minister eingereicht (JMVf. v. 12. Dez. 1856: JMbl. s. 374) und ein Nationale beigefügt werden (JMVf. v. 6. August 1855: JMbl. s. 246; RS. XI. 138). Für die neuen Landestheile vgl. Min.-Vf. v. 31. Jan. 1868 Nr. 15—19 (JMbl. 49). — In Betreff der im Wege der Strafvollstreckung zu bewirkenden Abnahme der Orden, Ehrenzeichen und Denkmünzen nebst den darüber sprechenden Patenten und Besttzzeugniffen, und Einsendung derselben an die General-OrdenS-Kommission vgl. JMVf. v. 20. Nov. 1851 (JMbl. s. 373) und 23. April 1875 (ib. s. 105). 15. Die Motive (f. 57) sprechen aus, daß da, wo ein neben dem StGB, in Kraft verbleibendes Landes-Strafgesetz mit einer strafrechtlichen Derurtheilung allgemeine nachtheilige Folgen in Betreff der Ausübung bürgerlicher Ehrenrechte verbinde, nunmehr die in den §§ 33. 34 aufgezählten Folgen an die Stelle träten. Dem ist indessen nicht in dieser Allgemeinheit zuzustimmen; insbesondere läßt sich nicht behaupten, daß da, wo ein solches Landesgesetz derartige Folgen in einem ge­ ringeren Umfange eintreten läßt, nunmehr die strengeren Vorschriften des StGB.'S ohne Weiteres maßgebend würden. Die Regelung dieser Frage ist durch § 8 des EG.'S der Landesgesetzgebung überlaffen. Wo solche „UebergangSbestimmungeu" nicht getroffen worden find, ist anzunehmen, daß die in besonderm Gesetzen angedrohten strengeren Folgen herabgesetzt seien. Bgl. Puch s. 52 n. 3.

Thl. I. Abschn. I. ©trafen. — § 34.

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§♦ 34L Die Aberkennung der bürgerlichen Ehrenrechte bewirkt ferner die Unfähigkeit, während der im Urtheile be­ stimmten Zeit 1) die LandeSkokarde zu tragen; 2) in das Deutsche Heer oder in die Kaiserliche Marine einzutreten; 3) öffentliche Aemter, Würden, Titel, Orden und Ehren­ zeichen zu erlangen; 4) in öffentlichen Angelegenheiten zu stimmen, zu wählen oder gewählt zu werden oder andere politische Rechte auszuüben; 5) Zeuge bei Aufnahme von Urkunden zu sein; §34.

Zu Nr. 1.

1. Zur Zeit ist eine ReichS-Kokarde noch nicht eingeführt; vgl. ReichsVerfassung Art. 63. — Würde eine solche später eingeführt, so wäre auch sie als (Gelammt-) Lander-Kokarde anzusehen, und die Vorschrift der Nr. 1 aus sie auszu­ dehnen ; contra: Otto n. 3, Rüd. n. 4; Rubo f. 362. 2. DaS Verbot bezieht sich auf diejenige Landes-Kokarde, welche der Derurtheilte sonst zu tragen berechtigt gewesen wäre; dasselbe erstreckt sich sonach auch auf die Kokarde eines andern Bundesstaats, dessen Angehöriger der Derurtheilte erst nach seiner Verurrheilung wird.

Zn Nr. 2 und 3.

3. In Betreff der Nr. 2 sowie der Erlangung öffentlicher Aemter ist diese Bestimmung gegenstandslos, sobald auf Zu chthauSstrafe erkannt wird: vgl. § 31.

Zn Nr. 3.

4. Begriff des öffentlichen Amtes vgl. § 31 n. 6ff.; in Betreff der Würden, Titel, Orden und Ehrenzeichen vgl. § 33 n. 7—11. Zu Nr. 4. Dgl. BGes. v, 31. Mai 1869 §3.4 (BGbl. s. 145). 5. Oeffentliche Angelegenheit ist gleichbedeutend mit Staatsangelegen­ heit (vgl. „andere politische Rechte"); hierher gehören auch die Angelegenheiten der Gemeinden oder anderer in den StaatSorgauiSmuS eingreifender Gemeinheiten (Han­ dels-, Gewerbekammern rc.), kirchliche Angelegenheiten aber nur insofern, als der Staat sie in den Bereich seiner Gesetzgebung gezogen hat: Schützes. 76, 257 n. 11; Schw. s. 223, 224; Puch n. 4; Otto n. 6; John i. HH. in, 85; vgl. HS. I, 460; ML. f. 662 n. 2.3. Die Angelegenheiten kaufmännischer Korporationen, Aktien­ gesellschaften lc. gehören nicht hierher: Schw. 1. c.; vgl. n. 13—15.

Zu Nr. 5.

6. Diese Vorschrift bezieht sich auf alle Urkunden, bei deren amtlicher Aus­ nahme es der Zuziehung von Instrumentszeugen bedarf, ohne Unterschied welche Stellung der aufnehmende Beamte bekleidet. Es gehören daher alle Nota­ riats-, Gerichtsvollzieher-, Personenstands-Urkunden hierher, zu deren Aufnahme Zeugen zuzuziehen sind (ebenso in Betreff der Heirathsurkunden: HiuschiuS f. 174; contra: Völk, d. Perfonenst.-Gef., 3. AuSg. f. 172, weil hier die Zeugen bloße Solennitäts- und keine Beweiszeugen feien; vgl. auch Stiegele, d. Perfonenst.-Gef. f. 156, 157); nicht aber kirchliche Akte z. B. Taufen und Trauungen, sollten auch die bei Vornahme dieser Handlungen bewirkten Register-Eintragungen öffeutliche Beweiskraft haben (der Zeuge wirkt nur zum kirchlichen Akte, nicht zur Ein­ tragung mit). 7. Die dauernde „Unfähigkeit, als Zeuge oder Sachverständiger eid­ lich vernommen zu werden", ist eine, jetzt nur wegen Meineids (nothwendig und ausdrücklich) zu verhängende Ehrenstrafe: § 161; vgl. n. 11.

Lhl. I. Abschn. I. Strafen. — § 34.

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6) Vormund, Nebenvormund, Kurator, gerichtlicher Bei­ stand oder Mitglied eines Familienraths zu sein, es fei denn, daß es sich um Verwandte absteigender Linie handele und die obervormundschaftliche Behörde oder der Familienrath die Genehmigung ertheile.

[I.tSntto.: i 27; II. Entw.: §31; Pr.©t@©.:§f 12.21.22]. Sgl.31.33.35-37; Mil..StGB. i 30ff. 134. 138. Gencsierisch.-Ges. v. 4. Juli 1868 ? 38; RGBG. ü 32. 85. 176; Grs. v. 17. Juli 1878, bett. die Abänderung der Gew.-O.

Zu Nr. 6.

8. Auch der amtlich bestellte Verwalter einer Vermögensmasse ist ein „Ku­ rator"; contra: Schw. s. 224. 9. „Gerichtlicher Beistand" ist derjenige, welcher auf Grund gesetzlicher Vorschrift einer in der Ausübung ihrer Rechte beschränkten Person zugeordnet ist, um jenen Mangel zu ersetzen; vgl. z. B. C. civ. artt. 499. 513. — Es gehören daher solche Personen nicht hierher, welche ein DiSpositionSsähiger freiwillig zu seiner Unterstützung zuzieht. — 10. Zu den in Nr. 1—6 aufgezählten Folgen der Aberkennung der rc. Ehren­ rechte ist durch das RGes. v. 17. Juli 1878 Art. 1, bzw. durch den jetzigen aus diesem Gesetze beruhenden § 106 der Gew.-O. noch die hinzugetreten, daß Gewerbtreibende, welchen jene Rechte aberkannt find, sich, so lange ihnen dieselben entzogen bleiben, mit der Anleitung von Arbeitern unter 18 Jahren nicht besassen dürfen. — Außerdem kann dereinst allen Personen, welche sich nicht im Besitze der bürgerlichen Ehrenrechte befinden, der Zutritt zu öffentlichen Gerichtsverhandlungen versagt werden: RGVG. z 176. 11. Da die Aufzählung der Folgen der Aberkennung der re. Ehrenrechte limitativ ist (g 33 n. 2), so sind landesrechtliche Bestimmungen, nach welchen ein straf­ rechtlich Verurteilter dieserhalb eine Beschränkung seiner Rechts- oder Handlungs­ fähigkeit erleidet, für beseitigt zu erachten, insoweit sie in einer durch die Verurtheilung bewirkten Schmälerung seiner Ehre ihren Grund haben. Das gilt auch von allen Vorschriften der Prozeßgesetze, welche in Folge einer erlittenen Derurtheilung die Fähigkeit zur Ablegung eines eidlichen Zeugnisses beschränken, z. B. Pr. AGO. I, 10 g 227; Pr. Cr.-Ordn g 356 Nr. 7 (eine „EhrloSerklärung" kanu jetzt nicht mehr vorkommen; vgl. EG. g 6): ZII. 8. Sept. 74 (RdO. XV, 539). Dgl. aber n. 7; § 161 n. 9. 12. Dagegen sind solche nachlheilige Folgen einer Verurtheilung, welche nicht den unter n. 11 hervorgehobenen Charakter an sich tragen, in Kraft geblieben; z. B. die Statthaftigkeit einer Ehescheidung auf Grund einer gegen einen der Ehe­ gatten ergangenen Verurtheilung oder der Verlust des Rechts zur Führung einer Jagdkarte; zu bemerken ist aber, daß eine mit dem zeitigen Verluste der rc. Ehren rechte verbundene Zuchthausstrafe keine „entehrende" im Sinne des art. 232 des C. civ. ist und also eine Ehescheidung nicht rechtfertigt: AH. Köln 29. Juli 73 (RA. 65. I. 118). Ein anderes Beisp. vgl. g 15 n. 7. 13. Ebenso haben landesgesetzliche Bestimmungen, nach welchen ein in Kon­ kurs (Fallitzustand) gerathener Kaufmann nicht als Handelsmäkler oder Ge­ schworener berufen werden kann, so lange er keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand erlangt hat (C. d’instr. er. art. 381; C. de comm. art. 614; Pr. NStPO. 2 275; Pr. Städte-Ordn. v. 30. Mai 1853 § 7; Pr. Konk.-Ordn. v. 8. Mai 1855 2 310; Rh. Gem.-Berf.-Ges. v. 15. Mai 1856 g 12; Rh. Städte-Ordn. v. 15. Mat 1856 g7), nicht den Charakter einer Strafe; sie find gar nicht durch eine prafgerichtliche Verurtheilung bedingt, somit nicht aufgehoben; vgl. 811. 10. Juni 69, 81. 22. Apr. 70 (RdO. X, 412; XI, 260); das Gegentheil folgt nicht daraus, daß nach § 41 die Verurtheilung zu Zuchthausstrafe auch die Unfähigkeit zum Geschwornendienft bewirkt. Vgl. für die Folge RGVG. §§ 85. 32 Nr. 3. 14. Aehnlich verhält es sich mit der Entfernung eines Mitgliedes aus der Handelskammer, welche (nach Pr. Ges. v. 11. Febr. 1848 § 11: GS. s. 65) erfolgt,

72

Thl. I. Abschn. I.

Strafen. - §§34. 35.

§. 35. Neben einer Gefängnißstrafe, mit welcher die Aberkennung der bürgerlichen Ehrenrechte überhaupt hätte ver­ bunden werden können, kann auf die Unfähigkeit zur Beklei­ dung öffentlicher Aemter auf die Dauer von Einem bis zu fünf Jahren erkannt werden. Die Aberkennung der Fähigkeit zur Bekleidung öffentlicher Aemter hat den dauernden Verlust der bekleideten Aemter von Rechtswegen zur Folge. [I. ©nt».: § 30; II. Elltw.: z 32; Pr. StGB. §§21. 31-33]. Vgl. §§ 36. 358; Mil..StGD. § 42; Recht-anwalt,-Ordn. v. 1. Juli 1878 §§ 6. 7. 43. Preußen: Ges. v. 11. Mai 1873 § 21 (GS. s. 195). wenn dasselbe durch gerichtliche- Erkenntniß die Ehrenrechte oder die kaufmännischen Rechte verloren hat, oder wenn über sein Vermögen der Konkurs auSgebrocheu ist. 15. In die Autonomie der Korporationen, insbesondere in die Befugniß derselben, die Bedingungen der Mitgliedschalt statutarisch zu bestimmen, sollte durch das StGB, nicht eingegriffen werden: Motive s. 58. Wenn daher bestehende Statuten an irgend eine Verurtheilung den Verlust jener Mitgliedschast knüpfen, so sind diese durch die Einführung des StGD.'ö nicht außer Krast gesetzt worden; vgl. Stenogr. Ber. s. 215, aus welchen erhellt, daß die (§ 33 n. 2 erwähnte) Streichung des § 34 des II. Entw.'s nicht den Sinn hat, daß solche statutarische Bestimmungen aufgehoben werden sollten. Vgl. B.-Genoffensch.-Ges. v. 4. Juli 1868 § 33 (betr. die Befugniß der Genoffenschaft, einen Genoffenschafter, welchem die re. Ehrenrechte aberkannt sind, auszuschließen).

§35. 1. Zn Betreff der „Unfähigkeit („Aberkennung der Fähigkeit", „Verlust der Fähigkeit") zur Bekleidung öffentlicher Aemter" und de« damit verknüpften Verlustes der „bekleideten Aemter" vgl. die Bemerkungen zu § 31 und § 33 n. 3; in Betreff der Berechnung der Zeitdauer vgl. § 36; in Betreff eines geistlichen Amtes vgl. CG. g 6 n. 7; § 31 n. 8. 2. Die Vorschrift des g ist nicht auf Solche zu beschränken, welche zur Zeit ein Amt bekleiden: Mot. s. 56. Ihre Anwendung wird auch dadurch nicht aus­ geschlossen, daß der Angeschuldigte vorher in Folge einer Verurtheilung zu Zucht­ hausstrafe die betr. Fähigkeit dauernd verloren hatte: BI. 1. Okt. 62 (RdO. III, 39). 3. Was g 35 von der „Aberkennung der Fähigkeit zur Bekleidung öffentlicher Aemter" bestimmt, ist auf eine Unfähigkeit zum Dienste im Deutschen Heere und in der Kaiserlichen Marine (§ 31) nicht auszudehnen; vgl. aber -R.-Mil.-StGB. g 42. 4. Gegen Strafunmündige ist nie auf die Unfähigkeit zur BeNeidung öffentlicher Aemter zu erkennen: § 57 Nr. 5. 5. Außer der generellen Vorschrift des g 35 enthält das StGB, noch einzelne spezielle Bestimmungen, nach welchen auch neben einer Gefängnißstrafe von kürzerer als dreimonatiger Dauer oder neben der Festungshaft auf „Unfähig­ keit zur Bekleidung öffentlicher Aemter" erkannt werden sann; vgl. gg 128. 129. 358. Auch in diesen Fällen tritt mit der Aberkennung der dauernde Verlust der bekleideten Aemter von Rechtswegen ein; vgl. Motive s. 57. 6. Gemäß 8 6 der R.-RechtSanwaltSordn. v. 1. Juli 1878 kann die Zulassung zur Anwaltschaft bei einem bestimmten Gerichte versagt werden, wenn der Antrag­ steller in Folge strafgerichtlichen Urtheils die Fähigkeit zur Bekleidung öffentlicher Aemter auf (bereits verstrichenes Zeit verloren hatte. Im Uebr. vgl. g 31 n. 14. 7. Außer der „Unfähigkeit zur Bekleidung öffentlicher Aemter" hat das StGB, in einzelnen Fällen auch noch den (dauernden) „Verlust der bekleideten öffent­ lichen Aemter, sowie der aus öffentlichen Wahlen hervorgegangenen Rechte" als Strafe angedroht, welche fakultativ neben der Festungshaft, und im Falle des § 95 neben der Gefängnißstrafe verhängt werden kann; vgl. gg 81. 83. 84. 87-91. 94. 95; EG. g 5.

Thl. I. Abschn. I.

©trafen. — § 36.

73

§. 36. Die Wirkung der Aberkennung der bürgerlichen Ehrenrechte überhaupt, sowie der Fähigkeit zur Bekleidung öffentlicher Aemter insbesondere, tritt mit der Rechtskraft des Urtheils ein; die Zeitdauer wird von dem Tage berechnet, an dem die Freiheitsstrafe, neben welcher jene Aberkennung aus­ gesprochen wurde, verbüßt, verjährt oder erlassen ist. [I. Entw.: § 25; II. Enlw.: § 33; Pr. StGB.: § 21].

Vgl. §§ 31—35. 38. 76.

§36. 1. Ueber den Eintritt der Rechtskraft vgl. § 30 n. 4. 5. 2. Die „Freiheitsstrafe", von deren Derbüßungre. der z die Berechnung der Zeitdauer beginnen läßt, ist stets nur die Prinzipale, nicht die an die Stelle einer nicht beizutreibenden Geldstrafe tretende subsidiäre Freiheitsstrafe (§ 28). 3. Die Berechnung der „Zeitdauer" beginnt „von dem Tage, an mU chem die Freiheitsstrafe verbüßt rc. ist"; es wird sonach der Tag, an welchem die Abbüßung rc. ihr Ende erreicht, in jene Frist nicht eingerechnet; vgl. § 67 n. 9. 3 a. Eine bereits angetretene Freiheitsstrafe ist „erlassen" nicht an dem Tage, von welchem der Gnadenakt bathet, sondern an dem Tage, wo der nicht er­ lassene Theil der Strafe verbüßt, bzw. wenn der ganze Straftest erlassen wurde, an dem Tage, wo jener Akt vollstreckt, der Verurtheilte mithin in Freiheit gesetzt worden ist; so (in speziellem Bezug auf § 79): Darmst. 27. Aug. 77 (GA. 25 s. 464). 4. In Betreff der Art und Weise, wie im Falle einer Real-Konkurrenz die Aberkennung der rc. Ehrenrechte auszusprechen, und — wenn ausgesprochen — -u berechnen sei, vgl. § 76 n. 3. 4 und § 79 n. 11. 5. Wird gegen eine und dieselbe Person wegen verschiedener StrafsLlle der Ver­ lust der rc. Ehrenrechte wiederholt ausgesprochen, so beginnt die Berechnung der Dauer für jeden Fall nach Anleitung des § 36, d. h. also von dem Tage, an welchem die wegen derselben That verhängte Freiheitsstrafe abgebüßt rc. ist. Demgemäß findet eine Summirung der Zeitdauer der wiederholten Aberkennung nicht statt, vielmehr beginnt die Berechnung in Betreff der zweiten Bernrtheilung mit jenem Zeit­ punkte sofort, sollte auch die Frist für die erste Verurtheilung noch nicht abgelaufen sein; die Vollstreckung läuft dann für beide gleichzeitig; ähnlich verhielt eö sich nach Pr. StGB.: ZI. 17. Sept. 73 (RdO. XIV, 535). 6. Die Berechnung der Zeitdauer einer verhängten Aberkennung der rc. Ehren­ rechte wird auch durch eine anderweitige Unters uchungshast oder durch den Voll­ zug einer wegen einer anderen Mlßthat verhängten Freiheitsstrafe nicht unter­ brochen; das erleidet eine Ausnahme, wenn bei der zweiten Aburtheilung dem An­ geschuldigten die in Betreff der Real-Konkurrenz geltenden Vorschriften zu statten kommen; vgl. § 79 n. 10. 7. Erfolgt in Gemäßheit bet §§ 23—26 die vorläufige Entlassung eines Verurthetlten aus der wider ihn verhängten Freiheitsstrafe, so dauert die begonnene Wirkung deS Verlustes der Ehrenrechte fort. Dagegen kann die Berechnung ihrer Zeitdauer erst mit dem Augenblicke beginnen, wo nach § 26 cit die ganze Freiheits­ strafe als verbüßt gilt. Eine solche Maßnahme hat sonach eine Verlängerung des Verlustes der Ehrenrechte rc. mit Nothwendigkeit zur Folge, wenn die Entlassung später widerrufen wird. Dasselbe tritt ein, wenn die Vollstreckung der Freiheits­ strafe verzögert, oder durch Verjährung ausgeschlossen wird. 8. Ist die Aberkennung der rc. Ehrenrechte gar nicht mit einer Freiheits­ strafe verbunden (möglich in den Fällen der §§ 7 oder 37), so beginnt die Berech­ nung der Zeitdauer sofort mit der Rechtskraft des Urtheils. 9. Die Strafe des Verlnsts der rc. Ehrenrechte rc. (ihre Vollstreckung) ver­ jährt nicht mit der der übrigen Strafen; vielmehr nimmt mit der Verjährung der Freiheitsstrafe die Berechnung der Dauer jener Nebenstrafe ihren Anfang. Man wollte in dieser Beziehung Denjenigen, welcher seine Strafe verbüßt hat, nicht un­ günstiger stellen als Denjenigen, welcher sich der Vollstreckung so lange entzogen hat, daß diese verjährte: Motive s. 57; § 71 n. 3—5.

74

Thl. I. Abschn. I.

©trafen. — §§ 36.37.

§. 37. Ist ein Deutscher im Auslande wegen, eines Verbrechens oder Vergehens bestraft worden, welches nach den Gesetzen deS Deutschen Reichs den Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte überhaupt oder einzelner bürgerlichen Ehrenrechte zur Folge hat oder zur Folge haben kann, so ist ein neues Strafverfahren zulässtg, um gegen den in diesem Verfahren für schuldig Erklärten auf jene Folge zu erkennen. [I. Gntro.: § 29; II. Entw. § 35; Pr. StGB.: § 24]. Dgl. §§ 4. 5 Nr. 1. 32-36; R-Mil.-StEB. § 42 Abs. 2. 10. Mit dem Ablaufe der im Urtheile bestimmten Frist lebt die durch die zei­ tige Unfähigkeit verlorene Vormundschaft nicht wieder auf, insofern das Gesetz nicht eine Berufung zur Vormundschaft von Rechtswegen enthält (z. B. C. Civ. artt. 390. 402, 403); vgl. Pr. ALR. II. 2 § 259. 11. Alles, was dieser § in Betreff der „Wirkung der Aberkennung der Ehren­ rechte rc. sowie der Fähigkeit zur Bekleidung öffentlicher Aemter rc." vorschreibt, ist auch auf den Fall anzuwenden, wo auf den „Verlust der bekleideten öffentlichen Aemter, sowie der auö öffentlichen Wahlen hervorgegangeneu Rechte" er­ kannt wird.

§37. 1. Insoweit eine im Auslande ergangene Aburtheilung und Strafvollstreckung die abermalige Strafverfolgung im Inlande nicht ausschließen (vgl. § 7 n. 1), bleibt §37 selbstverständlich außer Anwendung, und nur § 7 greift Platz; jener bezieht sich sonach lediglich auf den Fall, wo die Verfolgung einer von einem Deutschen im Auslande begangenen Mißthat nach § 5 Nr. 1 deshalb im Inlande ausgeschlossen bleibt, weil von den Gerichten des betr. Auslandes über die Handlung bereits rechts­ kräftig auf Strafe erkannt und die letztere (vollständig) vollzogen, verjährt oder erlasten ist; contra: Rubo f. 370. 2. Nur wenn im Auslande auf Bestrafung erkannt ist, greift § 37 Platz; lautete das ausländische Urtheil auf Freisprechung, so hat es bei der Vorschrift des § 5 Abs. 1 sein Bewenden. 3. Der§ setzt voraus, daß der im Auslande Bestrafte damals ein Deutscher war; er findet daher auf einen im Auölande bestraften, später nach Deutschland übergesiedelten Ausländer selbst daun keine Anwendung, wenn dieser nachträglich ein „Deutscher" geworden ist. 4. Obgleich der § nur von dem Falle spricht, wo ein „Gesetz des deutschen Reiches" den Chrenrechtöverlust androht, so ist er doch unbedenklich auch da an­ zuwenden, wo ein besonderes Landesgesetz jene Strafe androht; contra: Rubo s. 372. 5. Gleichgültig ist es, ob auch das im Auslande angewendete ausländische Gesetz die That mit Ehrenstrafen bedrohte, oder denselben für die Nichtangehörigen des betr. Staates eine andere Strafe fubstituirte, sowie endlich, ob eine derartige Strafe gegen den Angeschuldigten dort zur Anwendung gebracht worden ist. 6. Die neue Strafverfolgung hängt vom Ermessen der mit derselben be­ trauten Behörde ab; hat diese Anklage erhoben, so muß der Richter über letztere erkennen. 7. In Betreff der erneuerten Verfolgung im Wege einer Privat- oder Rh. Eivil-Klage gilt das oben (§ 4 n. 12) Bemerkte auch hier. Dgl. jedoch § 32 n. 17. 8. Zuständigkeit und Verfahren richten fich nach denjenigen Vorschriften, welche maßgebend wären, wenn im Auslande noch gar keine Verfolgung stattgefunden hätte; es tritt daher geeigneten Falles das schwurgerichtliche Verfahren ein. 9. Ebenso ist die Frage, ob die Strafverfolgung durch Verjährung auSgeschloffen sei, nach Anleitung derjenigen Grundsätze zu lösen, welche anzuwenden wären, wenn im AuSlande gar keine Aburtheilung stattgefunden hätte; durch das auslän­ dische Verfahren wird die Verjährung im Inlande nicht unterbrochen. 10. DaS befaßte inländische Gericht ist zu einer neuen Prüfung der Beweissrage und zu einer neuen selbstständigen Feststellung des Thatbestandes

Thl. I. Abschn. I. Strafen. - §§ 37. 38.

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§, 38 Neben einer Freiheitsstrafe kann in den durch das Gesetz vorgesehenen Fällen auf die Zulässigkeit von PolizeiAufsicht erkannt werden. «ach den bieffeitigen Gesetzen berufen, ohne dabei irgendwie an die Feststellung und Oualifizirung des ausländischen Richters (z. B. an die von diesem angenommenen „mildernden Umstände") gebunden zu sein: ZU. 23. Jan. 62, VII. 10. Nov. 64 tRdO. n, 218; V, 260); vgl. Mot. s. 58. 11. Ist die Aberkennung der rc. Ehrenrechte durch die Verhängung der ZuchtHaus- oder einer drei Monate erreichenden Gefängnißstrafe bedingt, so muß der Jnstanzrichter, um jene zu rechtfertigen, aussprechen, daß er ans eine jener Strafen erkannt haben würde, wenn nicht bereits im Auslande eine Bestrafung erfolgt ge­ wesen wäre. 12. Die Berurtheilung ist aus den „Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte" oder „einzelner rc. Ehrenrechte" (z. B. der im § 35 erwähnten) nach Maßgabe der hierüber Bestimmung treffenden Gesetze zu beschränken, obgleich diese Ehrenstrafeu sonst nur als Nebenstrafen vorkommen. Als Verlust einzelner Ehrenrechte ist auch die nach § 31 als Folge der Zuchthausstrafe eintretende Unfähigkeit rc. an­ zusehen; auf sie ist sonach ausdrücklich zu erkennen, wenn der Richter findet, daß die That mit Zuchthaus zu bestrafen gewesen wäre. — Dagegen darf nicht auf andere Nebenftrafen, insbesondere nicht auf „Zuläsfigkeit der Polizeiaufsicht", erkannt werden. 13. Die Wirkung der Aberkennung tritt „mit der Rechtskraft des Urtheils" ein (§ 36). Bon dem betr. Tage an ist auch die Zeitdauer zu berechnen, da außer den Ehrenstrafen eine andere zu verbüßende Strafe nicht verhängt werden kann, die im Auslande zuerkannten Strafen aber bereits vor der neuen Verbüßung vollständig verbüßt, verjährt oder erlassen sein mußten (n. 1); ebenso: Rubo s. 375; contra: Schw. s. 108. 14. Auch ein in Gemäßheit dieses § ergangenes Erkenntniß enthält eine „Be­ strafung"; ein solches genügt daher zur späteren Begründung der RücksallSstrafe: Puch. § 244 n. 2; contra: Rüd. n. 4; Otto n. 4.

§38. Aufhebung: 20. Ausländer, 3. 12. Begnadigung: 9. Berechtigung: 6. Beurlaubung: 14. Dauer: 6—8. 15—17. Ermessen: 2. 13. Fakultät: 2. Geldstrafe: 5. 7.

Inhalt: Landetzpvl.-Behörde: 10—17« Nebenstrafe: 1. 5. Real-Aonkurrenz: 8. Rechtsweg: 19. Strafe: 1 5. Straferlaß: 9. Strafunmündiger: 4. Uebertretung: 5.

Unterbrechung: 14. 17. Verfahren: 12-17. 20. Verjährung - 18. Vollstreckung: 19. fronn? 14. 15. Wiederholg.: 17. 20. Zeitbestimmung: 6—6. 15—17« Zuständigkeit: 11. 12.

1. Die „Stellung unter Polizeiaufsicht" nach verbüßter Strafe soll als eine (fakultativ zu handhabende) Präventiv-Maßregel dienen: Motive s. 193. Nichtsdestoweniger ist die vom Richter auszusprechende „Zulässigkeit" der Polizeiaussicht eine wirkliche (Neben.) Strafe und als solche hier mit aufgeführt. 2. Die Verhängung dieser Strafe ist nur in den durch das Gesetz ausdrück­ lich bestimmten Fällen statthaft'unb für den Jnstanzrichter stets fakultativ; er spricht fie nach seinem thatsächlichen (durch Angabe der Gründe zu rechtfertigenden) ermessen aus und ist befugt, unter einer Mehrheit wegen derselben That gleichzeitig Verfolgter Einzelne zu derselben zu verurtheilen, während er bei Anderen davon ab­ steht. — Auf die praktischen Folgen derselben hat jener keine Rückficht zu nehmen: ZU. 2. Mai 76 (RdO. XVII, 297); vgl. n. 3, § 32 n. 1. 3. Die Strafe kann auch gegen Ausländer ausgesprochen werden; vgl. $ 39 Nr. 2 und unten n. 12. 4. Dagegen ist fie bei Strasunmündigen unstatthaft: § 57 Nr. 5. 5. Auf Zulässigkeit der Polizeiaufsicht kann nur „neben einer Freiheits­ strafe" erkannt werden; fie bleibt also auSgeschloffen, wenn (wegen obwaltender mildernder Umstände) nur eine Geldstrafe verhängt wird. Dagegen ist fie statthaft, wenn die verhängte Freiheitsstrafe in Folge der Anrechnung einer Untersuchungshaft

76

Thl. I. Abschn. I.

Strasm. - § 38.

Die höhere Landespolizeibehörde erhält durch ein solches Erkenntniß die Befugniß, nach Anhörung der Gefängnißver­ waltung den Verurtheilten auf die Zeit von Höchstens fünf Jahren unter Polizei-Aufsicht zu stellen. Diese Zeit wird von dem Tage berechnet, an welchem die Freiheitsstrafe verbüßt, verjährt oder erlassen ist. [I. Ent».: § 33; II. Ent».; $ 36; Pr. StGB.: § 26]. Vgl. §§ 39. 57 Nr. 5. 76; 284 Abs. 2; 361 Nr. 1; 362 Abs. 2; RG-s. v. 21. Ott. 1878. ober einer im Auslande vollzogenen Strafe (§§ 60. 7) nicht mehr zur Vollstreckung gelangt; vgl. § 37 n. 12. — Das StGB, droht die Zulässigkeit der Polizeiaufsicht nur neben einer Zuchthaus- oder Gefängnißftrafe, nie neben Festungshaft oder Haft, also nie wegen einer Uebertretung an. 6. Die Gerichte sprechen die Zulässigkeit der Polizeiaufsicht ohne Hinzusügung einer Zeitbestimmung aus; die Frist, für welche die dadurch für statthaft erachtete Maßnahme erfolgen kann, ist dann stets eine fünfjährige. Eine vom erkennenden Richter beigefügte Zeitbefchränkung würde bedeutungslos und der Rechts­ kraft nicht empfänglich sein: VII. 25. Jan. 76 (RdO. XVII, 41). AehnlicheS gilt bezüglich der Wirkungen der Polizeiaufsicht (§39). Daraus, daß es dem richterlieben Ermessen überlassen ist, auf Zulässigkeit der Polizeiaufsicht zu erkennen oder nicht (n. 2), ist keineswegs, arg. a maiori ad minus, zu folgern, daß der Richter auch eine in ihren Wirkungen beschränkte Polizeiaufsicht für zulässig erflfiren, oder z. B. geradezu auf bloße Zulässigkeit der Einschränkung des Aufenthalts (vgl. § 39 Nr. 1. 2) erkennen könne. Wohl aber ist letztere Strafverhängung (und nicht diejenige der Zulässigkeit der Polizeiausstcht) dem Richter auf Grund und in den Fällen de- § 22 des Ges.'s v. 21. Ott. 1878 (RGbl. f. 351) gestattet. 7. Ju Betreff der Berechnung der Zeitdauer gilt das zu § 36 n. 3—8 Be­ merkte. — Der Lauf dieser Frist wird nicht unterbrochen, wenn der Beurtheilte sich zwischenzeitlich irgendwie der polizeilichen Beaufsichtigung entzogen hat: ZI. 29. Sept. 58 (GA. VI, 837). 8. Rückstchtlich der Art und Weise, wie im Falle einer Real-Konkurreuz die Zulässigkeit der Polizeiaufsicht auszusprechen, und wie die Zeitdauer derselben zu berechnen sei, vgl. § 76 n. 3. 4; § 79 n. 11. 9. Wird im Wege der landesherrlichen Gnade eine schwerere Strafart in eine mildere verwandelt, so kann neben der substituirten Freiheit-- (Zuchthaus- oder Gefängniß.) Strafe die Zulässigkeit der Polizeiaufsicht nur daun verhängt werden, wenn die betreffende Mißthat gesetzlich mit dieser Strafe bedroht ist; ebenso: Puch, n. 3; contra: Rubo s. 379 (hält Solches in keinem Falle für statthaft). Eine Zuwiderhandlung gegen die auferlegten Beschränkungen ist dann ebenfalls au- § 361 Nr. 1 zu bestrafen; vgl. ÖL 21. gebr. 62 (RdO. II, 272). 10. Auf Grund der gerichtlich ausgesprochenen „Zulässigkeit" erfolgt die „Stellung unter Polizeiausstcht" durch die höhere Landespolizei- d. h. durch die der Orispolizei vorgesetzte höhere (Provinzial») Behörde (in Preußen die BezirksRegierung oder Drostei); vgl. Motive s. 196. Diese kann die ihr beigelegte Befugniß weder generell noch für einen einzelnen Fall auf eine untergeordnete Behörde (z. B. auf den Kreislandrath) übertragen; vgl. BII. 28. Mai 53 (Entfch. 26 f. 136); Stilb, n. 5; contra: Schw. f. 93. 11. Zuständig ist die Landespolizeibehörde des Wohn- (Aufenthalts-) Ort« des Verurtheilten, nicht die des ThatortS noch diejenige, in deren Bezirk die Straf, anstalt liegt, in welcher jener seine Freiheitsstrafe verbüßt hat. Hat ein Beurtheilter nach feiner Entlassung im Jnlande weder einen Wohn- noch einen festen Aufenthalte, ort, so ist die Regierung jedes Orts, an welchem er betroffen wird, befugt, die Stel­ lung unter Polizeiaufsicht au-zusprechen; vgl. n. 12. Verlegt ein Beurtheilter seinen Wohnsitz, so geht die Leitung feiner Beaufsichtigung aus die Landespolizeibehörde des neuen Wohnorts über; vgl. Pr. Jnstr. (cit. n. 12) § 3. — Die von dem Gerichte eines andern Bundesstaates für zulässig erklärte Polizeiausstcht kann nur inso-

Thl. I. Abschn. I.

Strafen. — § 38.

77

weit zur Ausführung gebracht werden, als die Vollstreckung einer verhängten Strafe im betr. Bundesstaate statthaft ist; vgl. Bunde-rathsbefchl. v. 16. Juni 1872, Jnn.MDf. 31. Aug. 1872 (BMbl. f. 193). Vgl. oben f. 17. 18 n. 4. 12. Das von den Landeöpolizeibehörden zu beobachtende Verfahren ist für Preußen durch eine Min-.Jnstr. v. 21. April 1871 (JMbl. f. 127; BMbl. f.112) geregelt worden. Nach dieser (§ 3) ist für verurtheilte Ausländer die Behörde deS Orte-, wo die Freiheitsstrafe verbüßt worden, zuständig. 13. Ob die Laudespolizeibehörde zur Stellung unter Polizeiaufsicht übergehen soll, hat fle namentlich nach dem Verhalten und der Führung des Verurtheilten während der Verbüßung der Freiheitsstrafe zu ermessen. Sie soll zu diesem Ende vorher eine Aeußerung der „Gefängnißverwaltung", d. h. des Vorstandes derjenigen Strafanstalt, in welcher jene Verbüßung stattgefunden hat, einholen. Gleich­ wohl ist diese Förmlichkeit nicht für eine wesentliche, die Legalität der ganzen Maß­ nahme bedingende zu erachten; contra: Rubo s. 381. 14. Die Stellung unter Polizeiaufsicht kann erst nach der Verbüßung der Freiheitsstrafe erfolgen: Motive f. 193. Unterbleibt die Vollstreckung der Frei­ heitsstrafe zeitweise oder wird sie unterbrochen, so unterliegt der Verurtheilte in der Zwischenzeit der Polizeiaufsicht nicht; das gilt auch für den in Gemäßheit der §8 23—26 vorläufig au- der Zuchthaus-re. Strafe Entlassenen; sonach beginnt für ihn die fünfjährige Frist des Abs. 2 nicht mit jener Entlassung; die in einem solchen Falle selbstverständliche (und somit durch eine vorgängige Verfügung der Landespolizeibehörde nicht bedingte) „Ueberwachung" (vgl. § 23 n. 7. 8) ist nicht als „Polizeiaufsicht" zu qualifiziren. — Dagegen steht grundsätzlich Nichts im Wege, die Stellung unter Polizeiaufsicht eintreten zu lassen, nachdem in Folge des Ab­ laufs der Strafzeit die Freiheitsstrafe des Entlassenen als vollständig verbüßt ange­ sehen wird (§ 26). Dgl. Pr. Jnstr. (eit. n. 12) § 3. 15. Die Landespolizeibehörde braucht die Stellung unter Polizeiausstcht nicht sofort nach der Verbüßung der Freiheitsstrafe eintreten zu lassen. Sie kann später dazu übergehen, wenn sie findet, daß da- Verhalten de- Verurtheilten nach Wieder­ erlangung der Freiheit dazu eine Veranlassung bietet. DaS Recht erlischt, sobald seit der Verbüßung der Freiheitsstrafe fünf Jahre verstrichen find. Eine nach­ träglich ausgesprochene Stellung unter 'Polizeiausstcht kann ihre Wirksamkeit nickt über den zuletzt erwähnten Zeitpunkt erstrecken. Dgl. Pr. Jnstr. (eit. n. 12) § 5. 16. Die die Stellung unter Polizeiaufsicht aussprechende Verfügung der Lan­ despolizeibehörde braucht fich über die Dauer der Maßnahme nicht auSzusprecheu; Abs. 2 trifft nur darüber Bestimmung, auf welche Dauer sich die der LandeSpolize;behörde beigelegte Befugniß im Allgemeinen erstreckt). Die Pr. Inst. (eit. n. 12) § 7 schreibt eine Zeitbestimmung vor. 17. Hätte die Landespolizeibehörde die Stellung unter Polizeiausstcht für eine kürzere als fünfjährige Frist ausgesprochen, oder hätte fle (wozu fie ebenfalls unbedenklich befugt ist, vgl. n. 14. 20; Pr. Jnstr. § 6) die angeordnete Polizeiaufsicht vor dem Ablaufe der fünf Jahre wieder aufgehoben, so bliebe eS ihr unbenommen, später eine Verlängerung der Maßnahme eintreten zu lassen, bzw. fie nach ihrem Ablaufe zu erneuern, insofern fie dabei nur nicht über den unter n. 15 er wähnten Zeitpunkt hinausgeht. 18. Die „Zulässigkeit der Polizeiaufsicht" ist unverjährbar; vgl. $ 36 n. 9. 19. Die von der Landespolizeibehörde ausgesprochene Stellung unter Polizei­ aufsicht ist als die Vollstreckung der im gerichtlichen Urtheil verhängten Strafe (n. 1) anzusehen. Wenn daher der Verurtheilte glaubt, daß jene Maßnahme in einer mit dem Urtheile oder den Gesetzen nicht im Einklänge stehenden Weise z. D. für eine zu lange Frist ausgesprochen worden sei, so kann er den Rechtsweg da­ gegen beschreiten. Das Verfahren richtet fich dann nach denjenigen ftrafprozeßrechtlichen Vorschriften, welche Überhaupt für die Lösung von Streitigkeiten über die Strafvollstreckung maßgebend find. — Behauptet dagegen der Verurtheilte, daß bei der Handhabung der gegen ihn von der LandeSpolizeibehörde (befugter Weise) ver­ hängten Polizeiausstcht in anderer Beziehung gesetzwidrig verfahren sei, so ist die Beschwerde bei der höheren Verwaltungsbehörde anzubringen und von dieser zu erledigen, insofern nicht die getroffene Maßnahme selbst den Charakter einer straf­ baren Handlung angenommen hätte. Dgl. § 39 n. 2.

Thl. I.

78

I.

Strafen. — §§ 38.39.

§. 39. Die Polizei-Aufsicht hat folgende Wirkungen: 1) dem Verurtheilten kann der Aufenthalt an einzelnen bestimmten Orten von der höheren Landespolizeibehörde untersagt werden; 2) die höhere Landespolizeibehörde ist befugt, den Aus­ länder aus dem Bundesgebiete zu verweisen; 20. Ueber das bei Aushebung einer verhängten Polizeiaufsicht zu beobach­ tende Verfahren vgl. Pr. Instr. v. 21. Apr. 1871 (eit. n. 12) § 6.

§ 39. 1. Bei der Abfassung des (vom Reichstage unverändert angenommenen) 9 39 ist im Wesentlichen der Standpunkt festgehalten worden, aus welchem die generelle Anweisung deö Pr. Min. d. Inn. v. 22. Mai 1866 (BMbl. f. 140 beruht; diese (abgedruckt in den Mot. s. 197) kann daher zur Auslegung benutzt werden. 2. Andere Folgen, als die im § 39 aufgezählten, können an die verhängte Polizeiaufsicht nicht geknüpft werden. Eine über das Maß der letzteren Folgen hin­ ausgehende Beschränkung ist unverbindlich, eine Ueberschreitung derselben nicht aüS § 361 Nr. 1 zu bestrafen: ZI. 8. Febr. 54 (GA. II, 545); vgl. Pr. Instr. v. 21. Apr. 1871 (IMbl. f. 127) § 9; Oppenhofs Reffortgef. f. 364 n. 10. Doch tritt dereinst (abgesehen von dem unter n. 14 Gesagten) als besondere Folge noch die hinzu, daß Untersuchungshaft gegen einen unter Polizeiaufsicht stehenden Angeschuldigten, welcher der Flucht verdächtig ist, selbst dann verhängt werden kann, wenn die ihm zur Last gelegte That nur mit Hast oder mit Geldstrafe bedroht ist: RStPO. § 113.

Zu Nr. 1 3. Die im ersten Entwürfe vorgeschlagene Fassung: „Aufenthalt an be­ stimmten Ortschaften" ist in „Aufenthalt an re. bestimmten Orten" verändert worden, um anzudeuten, daß (namentlich in größeren Städten) auch der Besuch einzelner Stadttheile, Straßen, Plätze, Dergnügungölokale, Cisenbahnhöfe re. unter­ sagt werden könne: Schw. s. 227; Rüd. n. 1; Otto n. 1; contra: Meyer n. 3; vgl. B..Freizügigk.-Gef. v. 1. Nov. 1867 § 3. — Dagegen kann dem verurtheilten der Aufenthalt an seinem HeimathSorte nicht gänzlich verboten werden. 4. Ebenso ist es unstatthaft, dem Obfervaten einen bestimmten Bezirk zu bezeichnen, aus welchem er sich nicht entfernen dürfe. 5. Als Mittel zur Koutroliruug des Aufenthaltes können betn unter Polizei­ aufsicht Gestellten periodische Meldungen zur Pflicht gemacht treiben. 6. Die Untersagung kann mündlich erfolgen. 7. Die Untersagung kann auf bestimmte Zeiten (auch generell für die Nacht­ zeit) oder für einzelne Vorgänge ausgesprochen werden. 8. Sie kann (innerhalb der Frist des § 38) mehrmals wiederholt werden.

Zu Nr. 2. 9. Auf Grund des § 39 kann die Landespolizeibehörde den Ausländer all­ dem Reichsgebiete, nicht aber aus dem Einzelstaate ausweisen: Inn.-MVf. v. 19. Febr. 1874 (BMbl. s. 69); vgl. aber n. 12. 13. Ist jenes geschehen, so sind die Polizeibehörden aller Bundesstaaten verpflichtet, auf Requisition der ausweisen­ den zur Ausführung jener Maßnahme hülfreiche Hand zu bieten: Motive f. 58. 10. Die Verweisung aus dem Reichsgebiete darf nur unbedingt erfolgen; die Beschränkung auf eine bestimmte Frist wäre als nichtgefchrieben zu behandeln. Dagegen ist eS der LandeSpolizeibehörde nicht verwehrt, die getroffene Maßnahme später zurückzunehmen, zumal wenn es sich herausstellen sollte, daß der davon Betroffene gar kein Ausländer, sondern Deutscher war ; vgl. ZU. 14. Dez. 65 (RdO. VI, 543): § 361 Nr. 2 („ohne Erlaubniß"). 11. Eine auf Grund der Nr. 2 ausgesprochene Verweisung aus dem Reichs­ gebiete verliert mit dem Ablaufe der im § 38 bestimmten fünfjährigen Frist ihre Wirksamkeit: Schw. s. 227; contra: Erl. d. R.-Kanzl.-AmtS v. 8. Okt. 1873 (IMbl. f. 282); Schütze f. 79; vgl. d. 12; § 284.

Thl. I. Akschn. I.

Strafm. — §§ 39.40.

79

3) Haussuchungen unterliegen keiner Beschränkung hinsicht­ lich der Zeit, zu welcher sie stattfinden dürfen. [I. Eniw.: § 34; u. Entw.: § 37; Pr. StGB.: § 27). Bal. §§ 38. 37. 76. 361. Nr. 1; B.-Freizügig!.-Grs. v. I. Nov. 1867 § 1. 3. 12 (BGbl. s. 55); B.-Gew..Ordn. §57 Nr. 3; RStPO. §§ 102—107. 113. Preußen: Dgl. Ges. v. 12. Febr. 1850 z. Sch. d. pers. Freih. § 12 Nr. 1; Jagd.. Pol.-Ges. v. 7. März 1850; NStPO. § 96.

§. Lv Gegenstände, welche durch ein vorsätzliches Ver­ brechen oder Vergehen hervorgebracht, oder welche zur Begehung eines vorsätzlichen Verbrechens oder Vergehens gebraucht oder bestimmt sind, können, sofern sie dem Thäter oder einem Theilnehmer gehören, eingezogen werden. 12. Die Nr. 2 steht nicht entgegen, einen (nicht verurtheilten) Ausländer aus polizeilichen Gründen aus dem Einzelstaate (nicht „aus dem Reiche": Jnn.-MDf, v. 31. Oft. 1873, DMbl. f. 335) auszuweisen: Mot. s. 59. 13. Berweisungen aus dem Bundesgebiete müssen durch förmlichen, dem AuSländer unter Hinweis aus § 361 Nr. 2 bekannt zu machenden Beschluß ausgesprochen werden; Abschrift dieses Beschlusses ist dem ReichSkanzler-Amte zur Veröffentlichung durch das R.-Centralblatt einzureichen: BundeSrathSbeschl. v. 27. Apr. 1873, Inn.MDf. v. 28. Mai u. 31. Ost. 1873, 8. Apr. 1874; Inn. Min.-Cirk. v. 4. u. 28. Mai 1874 (DMbl. 73 s. 221. 335; 74 s. 71. 128). In Betreff der BesörderungSkosten Ausgewiesener vgl. BRathSbeschl. v. 28. Febr. 1873 § 78, Jnn.-MDf. 2. Juli 1873 (DMbl. s. 221). Im Uebrigen sind, waS die Vollstreckung der Landesverweisung betrifft, zu vergleichen: JMDs. 1. Ost. 1814; Jnn.-MDf. 10. Oft. 1814 (Jahrb. VIII, 106. 109; Ann. XI, 717).

Zu Nr. 3. 14. Dgl. für die Folge RStPO. § 104. Andere (nicht die Zeit betreffende) Beschränkungen der Haussuchungen werden durch die Polizeiaufsicht nicht be­ rührt. Anders dereinst nach Maßgabe der §§ 103. 105 und 106 der RStPO.

§40. Inhalt: Anstiftung, Lohn: 8. Berechtigung: 6. Begünstiger: 13. Beschlagnahme: 14. 23. Bestimmung: 10. Dritter, Rechtsweg: 17. Erben r 16. Eigenthümer: 12. 13. Etgenth. Uebergang r 16. Einziehung, Charakter: 1. • versaumniß: 24. Ermessen: 4. Falsifikat: 7. Forderung: 16.

Gebrauch: 8. 11. Gegenstand: 5—16. • -.Verderben auSgef. Geltung, aüg.. 2. Hervorbringung: 7. Jagd10. 12. Manifestation-eid: 18. Nachdruck: 2l. Nachlaß: 16. Perttnenz: 15. Sache, körperl.: 6. angeschaffte: 7. Schiff: 9. Strafe, Charakter: 1.

20.

That, Begehg.: 3. 10. 11. Tbetlnehmer: 12. 13. Tod: 16. Transportmittel: 9. Uebertretung: 3. Unbrauchbarmachen: 1. 19. Unfchadlichmachen: 1. 19. 22. Verbrechen ic. re.: 3. Verfallen.Erklärung r 1. Versuch: 3. 10. Vollstreckung: 16. 18. Waare: 8. Werkzeug: 8. Werthersatz: 1. 14. 16.

1. DaS Gesetzbuch faßt die „Einziehung einzelner Gegenstände" und die Unbrauchbarmachung einer Schrift (2 41) nicht als Vermögens- sondern als zur Sicherung des Strafzwecks, insbesondere zur Verhütung fernerer strafbarer Hand­ lungen dienende Nebenstrafe auf: Motive s. 59. — Anders verhält es sich mit der im § 335 angeordneten „Derfallen-Erklärung" der einem Beamten uugefetzsicher Weise zugewendeten Geschenke rc., welche ebendeshalb eventuell auf den Werth des Empfangenen auszudehnen ist. Vgl. n. 14. 2. Die Vorschrift deS § 40 gilt allgemein für alle vorsätzlichen Verbrechen rc., eS bedarf nicht außerdem noch einer besonderen Androhung der Einziehung in den die einzelnen Straffälle behandelnden Gesetzesstellen. Demgemäß findet dieselbe auch bei den durch besondere Reichs- oder Landesgesetze vorgesehenen Mißthaten der frag-

80

Thl. I. Abschn. I. Strafen. — $ 40.

Die Einziehung ist im Urtheile auszusprechen. [I. ent».: § 31; II. Ent».: § 38; Pr. StGB.: §§ 19. 20]. Vgl. AuSschlieb»ng u. Milderung. — §§ 52. 63.

AlS Angehörige im Sinne dieses Strafgesetzes sind an­ zusehen Verwandte und Verschwägerte auf- und absteigender Linie, Adoptiv- und Pflege-Eltern und Kinder, Ehegatten, Geschwister und deren Ehegatten, und Verlobte. [I. Entw.: § 46; II. Entw.: § 50; Pr. StGB.: § 40.] Dgl. §§ 54. 257. Preußen: Dgl. Forstdiebst.-Ges. v. 15. April 1878 § 12.

§. 53. Eine strafbare Handlung ist nicht vorhanden, wenn die Handlung durch Nothwehr geboten war. 11. Auch die irrthümliche Meinung in Betreff des Vorhandenseins einer zwingenden Gewalt (Drohung) schließt den DoluS und somit die Slrasbarkeit auS; contra: Rubo s. 476. 11a. Ueber die ev. Haftbarkeit Dritter für die Geldstrafe rc. re. nach dem Pr. Forpdiebst.-Ges. vgl. dort § 12. 12. Im Abs. 2 sind die Worte „dieses Strafgesetzes" auf das ganze StGB, zu beziehen; die hier gegebene Begriffsbestimmung des Wortes „Ange­ hörige" ist daher auch für die §§ 54. 213. 247. 257. 258. 263 maßgebend. 13. Bei der „Verwandtschaft" ist lediglich die Thatsache der (ehelichen oder unehelichen) Abstammung, ohne Rücksicht auf die geltenden Civilgesetze ent. scheidend. Eine Hausgenossenschaft wird nicht erfordert. — Die „auf- und absteigende Linie" wird nur von den durch unmittelbare Abstammung mit einander Verbundenen, also von den Ascendenten und Descendenten gebildet: Bll. 14. Jan. 75 (RdO. XVI, 51). — „Geschwister" umfaßt auch Halb- (ZI. 29. Mai 61: RdO. I, 411), nicht aber Stiefgeschwister. 14. „Pflegeeltern" sind alle, welche die Pflege und Erziehung eines fremden Kindes übernommen haben und dadurch zu diesem in ein persönliches, demjenigen zwischen Eltern und Kindern entsprechende« Verhältniß getreten sind, gleichviel, wie letzteres entstanden ist, ob durch Vertrag, durch freiwillige Annahme eines hülflosen Kinde« rc. Ja eö bedarf zur Begründung desselben eines bestimmten Rechtsakts überhaupt nicht, es genügt vielmehr das thatsächliche Verhältniß: Münch. 30. März 78 (BEnlsch. VIII, 130); vgl. DreSd. 3. Dez. 77 (SGZ. 22 f. 213). Die beson­ deren Vorschriften der LandeScivilgesetze (z. B. Pr. ALR. II, 2 § 753 ff. ; C. civ. artt. 361 ff.) sind hier nicht maßgebend; vgl. jedoch Münch. 31. Marz 76 (BEntsch. VI, 144), und im Uebrigen § 174 n. 5. 15. Bei „Verlobten" kommt aus die civilrechtliche Verbindlichkeit des Der. hältniffeS Nichts an; contra: Otto n. 4, Rubo f. 477. 16. Insoweit die im Abs. 2 aufgezählten Derhältuiffe durch den Abschluß einer Ehe begründet sind, dauern sie fort, auch nachdem diese Ehe durch Tod, nicht aber wenn sie durch Scheidung aufgelöst worden ist; contra: Rubo s. 477 (nimmt letzteres auch im Falle der Auflösung durch Tod an); vgl. außerdem Münch. 7. Juli 77 (BEntsch. VII, 299). Desgleichen ist das Verhältniß der Pflege-Elternschaft alö fortdauernd anzusehen, wenn eS so lange bestanden hat, bis das Kind das Alter der Selbständigkeit erreichte; ebenso: Münch. 31. März 76 (cit. n. 14).

§53. Amt-gewalt: 9. Angriff: 4-11. • Ausweichen: 2. eine- Menschen: 6. • gegenwärtiger» 5. • recht-widriger: 6—9. strafbarer? 6. • verschuldeter: 7. Anzeige? 19. Besitz: 8. 12. Bewet-last: 21. 22. Dauer: 12. Drohung: 5. Einwand, Prüfung: 21. 22.

Ende» 12. Exceß: 3. 9. 16-18. Fahrlässigkeit: 10. 18. Flucht: 2. Fragstellung» 23. geboten: 3. Hau-recht: 9. Irrthum: 10. Maaß: 3. 16-18. Nothwehr: 2. 3 . Dauer: 12. • erforderlich: 2. geboten: 3. gegen Nothstand: 9.

Nothwehr gegen Nothwehr: 9 Nothwehr, gegen wen? ll. putative: 10. Wie: 3. Rechte, welche: 10. Thäter: 15. Theilnehmer» I. Ueberschreituna: 3. 16—18. verfahren: 22. 23. Vertheidigung, erforderl.: 2. geboten: 3. welche- Recht-: 8. Vorsatz: 3. Züchtigung : 9.

Thl. I Abschn. IV. Stras-AuSschließung n. Milderung. — § 53.

129

Nothwehr ist diejenige Vertheidigung, welche erforderlich ist, um einen gegenwärtigen, rechtswidrigen Angriff von sich oder einem Anderen abzuwenden. 1. In Betreff der Bedeutung der Worte de- Abs. 1: „eine strafbare Hand­ lung ist nicht vorhanden" und in Betreff der Strafbarkeit eines „Theilnehm er-" vgl. Thl. I. Abschn. IV (s. 122) n. 2. 2. Das Recht braucht nicht dem Unrechte zu weichen; einem rechtswidrigen Angriffe darf eine gewaltsame Vertheidigung entgegengesetzt werden, insoweit eine solche zum Schutze.jeneS Rechts „erforderlich" ist; letzteres ist nur dann anzunehmen, wenn die durch den Angriff drohenden Nachtheile nicht vorauSflchtlich auf anderem Wege, z. B. durch parate obrigkeitliche Hülfe, Flucht rc. abgewendet werden können; vgl. DreSd. 7. Juli 73 (StZ. in, 82); Geyer Nothwehr (1857) § 6; contra (in Betreff der Flucht): DI. 20.Nov. 78 (RdO. XIX, 540); Schütze s. 110; ML. s. 252 (Dieser auch in Betreff der Nachsuchung obrigkeitlicher Hülfe). 3. Die (an sich zur Abwehr „erforderliche") Nothwehr darf nur soweit geübt werden, als ste im Einzelfalle „geboten" ist, d.h. als eö ihrer (in quanto) zu jener Abwehr bedurfte: eine Ueberjchreitung dieser Grenze (Exceß) ist strafbar, in­ soweit dem Thäter nicht Abs. 3 entschuldigend zur Seite steht. — Hieraus erhellt, daß die Ausdrücke: „durch die Nothwehr geboten" (Abs. 1) und „Vertheidigung, welche erforderlich ist, um rc." (Abs. 2) nicht gleichbedeutend sind, und daß eS zur Anwendung des § nicht genügt festzustellen: der Angeklagte habe sich in derjenigen Vertheidigung befunden, welche ersorderlich war, um einen rc. Angriff abzuwenden; contra: Schw. s. 244. 4. Die Nothwehr setzt einen Angriff voraus, d. h. einen von einem Andern ausgegangenen (o. G) Eingriff in die eigenen Rechte oder in die eines Dritten; daß dieser Dritte ein Angehöriger (§ 52) gewesen sei, oder daß er die Hülfe des DerIheidigerS nachgesucht habe, wird nicht erfordert. 5. Der Angriff muß ein „gegenwärtiger" sein. Er hat diese Eigenschaft, wenn eine Verletzung des Angegriffenen unmittelbar bevorsteht; daß eine solche schon stattgefunden oder daß der Angreifer den Angegriffenen auch nur bereit- erreicht habe, wird nicht erfordert; so: DI. 20. Nov. 78 (cit. n. 2). Dagegen genügt eine sich auf die Zukunft beziehende Drohung nicht; wohl aber kann eine, eine äugenblickliche Gefahr begründende Drohung als der Beginn eines gegenwärtigen An­ griffs angesehen werden: ZI. 15. Juli 59 c. Richter; Schütze s. 110; der Angriff braucht sonach nicht nothwendig ein gewaltthätiger oder auch nur ein körperlicher zu sein. 6. Der Angriff muß „rechtswidrig" sein; er muß also von einem andern Menschen ausgehen, welcher sich dadurch der Verletzung eines fremden Rechts schuldig macht; contra: Rubo s. 479 (hält denjenigen Angriff für rechtswidrig, durch welchen der Angreifer seinen [eigenen] Befugnissen entgegenhandle). Demgemäß scheidet der von einem Unzurechnungsfähigen oder einem Thiere ausgehende Angriff hier au(er begründet einen Nothstand: § 54); Schw. f. 243; ML. f. 249; contra: Puch, n. 12; Rubo f. 480. Dagegen braucht der Angriff nicht ein strafbarer zu sein. 7. Der Umstand, daß der Angriff ein vom Angegriffenen verschuldeter war, schließt die Rechtswidrigkeit deffelben und somit die Statthaftigkeit der Nothwehr nicht nothwendig aus: ZI. 8. April 1859 c. Luxa; contra: Motive s. 72; e- sei denn, daß jener den Angriff absichtlich provozirt hätte, um durch denselben Gelegen­ heit zur Verletzung de- Gegners zu erhalten (volenti non fit ininria); vgl. v. Buri i. GSaal 29 Beil. f. 106; contra (wegen des Gegensatzes in der Faffung der §§ 53. 54): Binding H. f. 204. 8. Die Natur des durch den Angriff gefährdeten Rechts ist für den Begriff unwesentlich; Nothwehr darf nicht nur zum Schutze de- Lebens oder Leibe- (der Keuschheit), sondern auch )um Schutze der Ehre, eine- Familien- oder Vermögens­ recht- rc. geübt werden, insbesondere auch zum Schutze eine- geschützten Besitzes (z. B. des unrechtfertigcn Besitzers des Pr. ALR.'S gegen den wirklichen Eigen­ thümer: DI. 17. Febr. 60 e. Richter); das Gegentheil ist nicht aus den Worten: Oppenhoff, D. Strafgesetzbuch. 7. AuSg.

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Thl. I. Akschn. IV. Stras-AuSschließnng n. Milderung. — § 53.

Die Ueberschreitung der Nothwehr ist nicht strafbar, wenn der Thäter in Bestürzung, Furcht oder Schrecken über die Grenzen der Vertheidigung hinausgegangen ist. (I.Emw.: § 48; n. Gntro.: §51: Pr- StGB.: §41.] Dgl. § 213; R.-Mil.. StGB. § 124. Preußrn: Dgl. ALR. Einl. §§ 77. 78; I, 7 §§ 141—143; Ges. v. 12. Febr. 1850 § 2 (GS. s. 45); Ges. v, 3. Mai 1852 Art. 81; NSlPO. §§ 321. 322. «von sich ic." jn folgern. Vgl. Mot. s. 72, OTr. 19. Nov. 7H (GA. 23 s. 490). — Er läßt sich auch nicht grundsStzlich ausstellen, daß da« gefShrdete Recht ein unersetzliches oder daß es bedeutender sein müsst, als dasjenige, welches der Ange­ griffene durch seine Nothwehrhandlung verletzt; vgl. n. 13. — Retorsion einer Be­ leidigung oder die Herausforderung zum Zweikampf find nicht als „Nothwehr", sondern als Selbflhülfe (Herstellung der verletzten Ehre rc.) anzusehen; vgl. Schütze s. 109. 9. Einer berechtigten Gewaltübung gegenüber kann von einer Nothwehr keine Rede sein; der Handhabung der befugten Amtsgewalt (: ZU. 27. Mai 75: RdO. XVI, 391), des Haus- oder Züchtigungsrechts, sowie einer wirklichen Noth­ wehr darf eine Vertheidigung nicht entgegengesetzt werden, wohl aber einem (wenn auch straflosen) Excesse eines jener Rechte: BI. 2. Nov. 66 (RdO. VII, 599). In einem Falle der letzteren Art ist aber vorzugsweise daS oben n. 1 Gesagte zu berücksichtigen, z. B. wenn eS sich darum handelt, ob es „erforderlich" war, einer an fich berechtigten, aber im Maße zu weit gehenden Amtsgewalthandlung einen Widerstand entgegenzusetzen; vgl. § 113 n. 16. — Gegen einen Nothstand ist Noth­ wehr nur insofern statthast, als jener nicht so bedeutend war, um ein wirkliches Nothrecht zu begründen; das Nähere siehe in BL. f. 147; contra: ML. s. 254. 10. Auch die irrige Meinung deS Angeschuldigten, daß ein gegenwärtiger rechtswidriger Angriff vorliege, bezw. daß der wirkliche Angriff ein rechtswidriger sei, schließt, wenn die demzufolge vorgenommene Handlung zur Abwendung jenes vermeintlichen rc. Angriffs „erforderlich und gebotengewesen wäre, den zum Thatbestände erforderlichen Dolus und somit die Strafbarkeit auS: ZPl. 29. Jan. 72 (RdO. Xin, 95); Münch. 30. Ott. 74,10. Mai 78 (StZ. IV, 258; BEntsch. VIII, 238); HS. I. 266; U, 277; Schütze s. 109; ML. s. 160. 242; v. Luri i. GSaal 29 Beil. s. 192; contra: Rubo s. 482; es kommt dann auch weiter nicht darauf an, ob jener Irrthum ein entschuldbarer war oder nicht; contra: Schw. f. 246. Dagegen kann in einem solchen Falle ein Fahrlässigkeitövergehen vorliegen, wenn es an einem genügenden Grunde zu jener irrigen Meinung fehlte; ebenso: Wolfenb. 29. Okt. 78 (Dr.Z. 26 s. 36); vgl. n. 18. — In dem umgekehrten Falle, wo also objektiv Nothwehr wirklich vorlag, der Thäter sich aber deffen nicht bewußt war, mithin auch nicht in der Absicht handelte, sich oder Andere zu vertheidigen, hält Din­ ding n s. 194 jenen für die vollendete That verantwortlich, während v. Buri 1. c. s. 107 ihn nur mit der VersuchSstrase belegt wiffen will. 11. Nothwehr (weil „Vertheidigung") muß gegen den Angreifenden und die ihn Unterstützenden geübt werden; doch kann mit Rücksicht auf daS unter n. 10 Gesagte Straffreiheit dann eintreten, wenn der Angegriffene beim Zutreffen der Vor­ aussetzungen der Nothwehr diese aus Irrthum gegen die unrichtige Person übte: VH. 26. Jan. 75 (RdO. XVI, 60). Die gleichzeitige Verletzung der Rechte eines Dritten sz. B. die Beschädigung einer Sache) kann sonst nur vom Standpunkte des Nothstandes aus straflos sein; eontrn. Puch. n, 4; Schw. s. 245. 12. Mit der Besiegung des Angreifers oder mit dem vollständigen Verluste des angegriffenen Rechts hört der Zustand der Nothwehr auf, da sie nur als „Vertheidigung" statthaft ist: ZU. 1. Juni 75 (RdO. XVI, 409). Gleichwohl endigt die Nothwehr gegen eine Besitzentziehung nicht nothwendig in dem Augen, blicke, wo die Sache in den Besitz des Angreifenden übergegangen ist; sie bleibt statthaft, so lange nicht bei dem letzteren die besitzentziehende Handlung gänzlich auf­ gehört hat und ein Moment des ruhigen eignen Besitzes eingetreten ist: HS. I, 262 z Schütze f. 110.

Thl. I. Abschn. IV. Stras-AuSschließung u. Milderung— § 53.

131

13. Die Frage, ob bei Ausübung der Nothwehr das Maß der erlaubten Ver­ theidigung innegehalten sei (n. 3), ist nicht nach dem Werthe deS bedrohten Objekts, sondern nach der Art und Stärke deS Angriffs sowie nach den Mitteln der Abwehr zu lösen; sind geringere Mittel zur Hand, so müssen diese zur Anwendung gebracht werden, sofern dem Angegriffenen nach den Umständen eine Ueberlegung der Mittel überhaupt zuzumuthen ist: ML. s. 251. — Wann eine Überschreitung jenes Maßes gleichwohl straflos sei, bestimmt Abs. 3, 14. Abs. 3 hat eine von der des Abs. 1 und der der §§ 51. 52. 54 wesentlich abweichende Fassung, welche eS zum Ausdrucke bringen will, daß die entschuldbare Ueberschreitung der Nothwehr zwar die Straflosigkeit de« Thäters zur Folge haben soll, ohne aber der Handlung selbst den Charakter einer strafbaren zu nehmen; vgl. Abschn. IV s. 122 n. 2. Jene Fassung ist indessen inkorrekt; es hieße richtiger: „Der Thäter bleibt straflos, wenn er bei Ausübung einer Nothwehr in Bestürzung re. über die Grenzen der gebotenen Vertheidigung hinausgegangen ist". Der Zusatz des Wortes: „gebotenen" ist deshalb unerläßlich, weil von einer „Ueberschreitung der Nothwehr „nur da die Rede sein kann, wo die Voraussetzungen der letzteren nach Maßgabe deS Abs. 2 vorliegen, d. h. wo der Angeschuldigte „eine Vertheidigung ausübte, welche erforderlich war, um einen gegenwärtigen rechtswidrigen Angriff von sich oder einem Anderen abzuwenden"; nur wenn dieses der Fall, bleibt das entschuldbare Hinausgehen über das durch die Vertheidigung gebotene Maß straf­ los: BI. 26. März 73 (RdO. XIV, 232); Manh. 21. Sept. 72 (StZ. H, 75); vgl. jedoch DU. 3. Jan. 78 (RdO. XIX, 3). 15. „Thäter" ist hier im weiteren Sinne gebraucht; vgl. § 47 n. 1. 16. Die Fassung: „in Bestürzung re." ist gleichbedeutend mit der des § 41 des Pr. StGB.'S: „aus Bestürzung rc.": die Ueberschreitung muß ihren Grund eben in der Bestürzung rc. haben; vgl. Motive s. 77. 17. Die Aufzählung der Geisteszustände: „Bestürzung, Furcht oder Schrecken" ist limitativ; man hat von einer weiteren Ausdehnung durch Hinzufügung „ähn­ licher Geisteszustände" im Hinblicke auf die „umfassende Bedeutung der aufgezählten Arten" abgesehen: Mot. s. 72. Nichts steht aber im Wege, die Verwirrung als im Worte „Bestürzung" mitbegriffen anzusehen; da- Gegentheil gilt von dem Zorne und der Kampfeshitze; contra: BL. s. 156 (will die Worte: Bestürzung rc. wo mög­ lich auf alle durch den rechtswidrigen Angriff hervorgerufenen Affekte ausdehnen). 18. Der Zustand der Nothwehr schließt eS nicht aus, daß Jemand die Grenzen derselben auS Fahrlässigkeit überschreite; ein in dieser Weise begangenes Fahr, lässtgkeitsvergehen bleibt ebenfalls straflos, wenn jene Ueberschreitung nur die Folge der Bestürzung rc. war: Z. 16. Febr. 70 (RdO. XI, 96). 19. Daß von der ausgeübten Nothwehr der Behörde Anzeige gemacht werden müßte, schreibt das Gesetz nicht vor. 20. Ergiebt die Voruntersuchung, daß die That im Zustande der Noth­ wehr verübt sei, so kaun von der Eröffnung deS HauptverfahrenS abgesehen und das Verfahren eingestellt werden; vgl. Oppenh. Strafverf. § 40 n. 3; Pr. NStPO. § 80; Wilde i. GA. II, 40; contra: Schwark ib. I, 654; Steman f. 121. Ebenso unter der Herrschaft der RStPO.; vgl. Mot. s. 175. 21. Gemäß Stuttg. 31. Dez. 75 u. 29. März 76 (StZ. VI, 151) soll zur Beseitigung der Behauptung der Nothwehr der mangelnde Beweis derselben nicht genügen, vielmehr der Beweis des Gegentheils erforderlich fein; ähnlich: DU. 25 Ott. 66, DI. 28. Nov. 66 (RdO. VII, 579. 674), Westrum i. StRZ. XU, 367; vgl. jedoch § 51 n. 9. 22. In Betreff der prozessualischen Behandlung der Frage nach der Noth­ wehr vgl. Abschn. IV (s. 124) n. 8. Nach Pr. Verfahren muß der Instanzrichter, wenn ein Beschuldigter Nothwehr vorschützt, sich über das Vorhandensein der that­ sächlichen Voraussetzungen dieses Einwands ausdrücklich aussprechen; ebenso muß in schwurgerichtlichen Sachen dem Antrage auf Stellung einer die Voraussetzungen deS § betreffenden Frage bei Nichtigkeitsstrafe Statt gegeben werden: Pr. Ges. v. 3. Mai 1852 Art. 81 (vgl. dort n. 48); Pr. NStPO. §§ 321. 322; vgl. § 51 n. 11. Dagilt auch nach dem französisch-rechtlichen Verfahren: VII. 10. Febr. 59 (RA. 54.

132 Thl. I. Abschv. IV. Str-f.AiiSschließung n. Milderung. — §§ 53.54.

§. 5ti. Eine strafbare Handlung ist nicht vorhanden, wenn die Handlung außer dem Falle der Nothwehr in einem unverschuldeten, auf andere Weise nicht zu beseitigenden Noth­ stände zur Rettung auS einer gegenwärtigen Gefahr für Leib II. 75); Cass. SS. avr. 19, Cass. 13.janv. 27 (Sir. CN. 6.1. 69; 8.1. 503. 504); Gilb. C. pdn. art. 329 n. 4. 5. Dagegen nahm ZPl. 29. Jan. 72 (RdO. Xin, 95) an, daß (nach der NStPO.) die Stellung einer die putative Nothwehr (vgl. n. 10) betreffenden Frage nicht unerläßlich sei (bedenklich). — Die schwurgerichtliche Frage ist nach Pr. Verfahren in Gemäßheit der in den Abff. 1. 2 gegebenen Degriffabestimmung zu fassen; es genügt nicht zu fragen: „ob der Angeklagte sich im Zustande der Nothwehr befunden habe * oder „ ob feine That durch die Nothwehr geboten gewesen sei-; vgl. DI. 30. Apr. 62, 531. 10. Febr. 65 (RdO. II, 362; V, 492). Ebenso verhält eS sich mit der Ueberschreitung der Nothwehr. Wird Noth. wehr und eventuell eine entschuldbare Ueberschreitung derselben behauptet, so sind dieserhalb getrennte Fragen zu pellen: ZI. 3. März 69 (RdO. X, 119); eS ist uvstatthaft, beide Fragen in eine zusammenzufassen, da beide Zustände sich wechselseitig ausschließen: cit. BI. 10. Febr. 65; 2311. 2. Mai 76 (RdO. XVII, 293). Umgekehrt ist eS nicht gestattet, die blos wegen Ueberschreitung der Nothwehr zu stellende Frage in zwei zu zerlegen: ZI. l.Nov. 71 (RdO. XII, 550). — Unter der Herrtoast der RStPO. gilt für schwurgerichtliche Sachen das oben s. 124 n. 8 a. E. Ge­ sagte sowohl, wenn Nothwehr, als wenn entschuldbare Ueberschreitung derselben behauptet wird. §54. 1. Ein „Nothstand" liegt vor, wenn zwei verschiedene, selbstständig neben einander bestehende Berechtigungen thatsächlich in ein solches Verhältniß zu einander treten, daß die eine nur durch die Verletzung der anderen zu bestehen vermag. Er unterscheidet sich demzufolge sehr wesentlich von der „Nothwehr-, welche einen frem­ den rechtswidrigen Angriff voraussetzt; diese ist die Abwehr eines Unrechts, wah­ rend beim Nothstände dem eigenen Recht ein fremdes Recht gegenübersteht; vgl. § 53 n. 2.6.10.11. Ebendeshalb sind die Worte: „außer dem Falle der Noth­ wehr" überflüssig und bedeutungslos; es liegt für den Instanzrichter keine Beranlaffung vor, in Betreff ihrer eine Feststellung zu treffen. 2. Der zum Bestehen einer Gefahr Verpflichtete (z. B. der Soldat im Kriege, ein Beamter bei manchen Amtshandlungen) darf nicht, um sich jener Ge­ fahr zu entziehen, die Rechte eines Andern verletzen; ebenso: Puch n. 5; contra: Schw. s. 236; Rubo s. 484; desgleichen kann ein geheuerter Schisfsmann nicht wegen eines ausgebrochenen Krieges den Dienst aufjagen: R--Seemanns-Ordn. v. 27. Sept. 1872 §§ 57. 61; vgl. Beschl. I. 5. Mai 71 (RdO. XU, 253). 3. Der § erkennt nur die „gegenwärtige Gefahr für Leib oder Leben" (vgl. §52 n. 9) als einen die Strafe ausschließenden Nothstand an; ein Nothstand des Vermögens oder der Ehre genügt nicht. Für den speziellen Fall der Herbei­ führung einer Ueberschwemmung hat § 313 die Gefährdung des eigenen Vermö­ gens für einen strafmildernden Umstand erklärt. 4. Der Nothstand muß „unverschuldet", es darf also die Gefahr nicht die unmittelbare Folge des eignen Verschuldens sein. Dagegen kann ein als mit­ telbare Folge des eignen Verschuldens eingetretener Nothstand, z. B. eine durch eigne BermögenSverschweudung herbeigeführte HuugerSnoth Straflosigkeit begründen; ebenso: Schw. s. 249, Puch. n. 3; contra: Rubo s. 484. 6. Außerdem wird vorausgesetzt, daß der Nothstand „aus andere Weise nicht zu beseitigen sei"; ob diese- anzunehmen, ist nach den Umständen des Einzelsalles und nach der Individualität des Thäters zu beurtheilen. Auch der irrige Glaube: man befinde sich in einem Nothstände, kann Straflosigkeit be­ gründen; vgl. § 53 n. 10; Schütze f. 114; nicht aber ein bloßer Wahn (StandeSBorurtheil re.). 6. Die Motive (f. 72) sprechen auS, daß im Falle einer einen Nothstand be­ gründenden Kollision zweier Rechte das geringere dem größeren weichen

Thl. I. Abschn. IV. Straf-Auöschließung u. Milderung. — §§ 54.55.

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oder Leben des Thäters oder eines Angehörigen begangen worden ist. [I. Entw. (feilte); II. Entw.: § 52; Pr. StGB, (fehlte)). Dgl. § 52 Ms. 2. 313;

R..Mil..StGB. § 124.

§. 55. Wer bei Begehung der Handlung das zwölfte Lebensjahr nicht vollendet hat, kann wegen derselben nicht strafrechtlich verfolgt werden. müsse. Obgleich der § selbst hiervon Nichts enthält, darf diese Begrenzung, welcher von keiner Seite widersprochen worden ist, als maßgebend angesehen werden, zumal in der Theorie die Frage, wie weit das durch den Nothstand begründete Recht gehe, noch nicht endgültig gelöst ist; contra: Schütze s. 103; ML. s. 254. 7. In Betreff des Begriffs des „Thäters" vgl. § 53 n. 15; in Betreff deS „Angehörigen" § 52 Abs. 2. 8. Der Exceß deS Nothstandes begründet keine Straflosigkeit. 9. In Betreff der Theilnahme an einer wegen Nothstandes straflosen That vgl. Abschn. IV (s. 122) n. 2; in Betreff deö Berfahrenö (insbesondere der Fragpellung) vgl. § 53 n. 20—22.

§55,

1. Ueber das Verhältniß der §§ 55—58 zu den §§ 51—54 vgl. Abschn. IV (s. 122) n. 2. 3. — Im Falle deS § 55 soll die Verfolgung unterbleiben, während in den Fällen der §§ 56. 58 daS Hauptverfahren einzuleiten, aber auf Freisprechung zu erkennen ist. 2. In Betreff der Strafbarkeit der Teilnehmer vgl. Abschn. IV (s. 122) n. 3. 3. Der §55 erklärt die Vollendung deö zwölften Jahres für die Bedin­ gung der Verfolgbarkeit; es muß sonach der zum zwölften Male wiederkehrende Ge­ burtstag vollständig abgelaufen sein: Stuttg. 12. Mai 75 (StZ. V, 18). Ist die AlterSsrage zweifelhaft und ihre Lösung nicht möglich, so muß daö dem Angeschul­ digten günstigere jugendliche Alter angenommen werden. — War daS Hauptverfahren eröffnet (n. 4), so gebührt (nach Pr. Gesetze) in schwurgerichtlichen Sachen den Ge­ schworenen die Entscheidung; die Frage ist dann dahin zu richten: „Hatte der An­ geklagte bei Begehung der Handlung daö zwölfte Lebensjahr vollendet?" Vgl. Pr. Ges. v. 3. Mai 1852 Art. 83; NStPO. § 320; RStPO. § 298. 4. Ermittelt sich erst nach Anhebung der Strafverfolgung, daß der Angeschuldigte zur Zeit der That daö zwölfte Lebensjahr noch nicht vollendet hatte, so darf der Richter nicht „freisprechen", muß vielmehr die strafrechtliche Verfolgung für unstatthaft erklären. — In einem solchen Falle kann von einer Derurtheilung in die Kosten keine Rede fein; vgl. § 56 n. 17. 5. Für die Anwendbarkeit des § ist es gleichgültig, ob zum Thatbestände der betr. Mißthat ein besonderer DoluS gehört: derselbe greift daher auch bei Abgaben­ hinterziehungen Platz: ZI. 23. Febr. 53 (Entsch. 25 s. 217); desgleichen bei allen Uebertretungen; vgl. n. 7. 6. Blutschande wird an Kindern unter 18 Jahren nicht bestraft: § 173. 7. Der § findet auch bei den durch besondere Gesetze vorgesehenen Miß­ thaten Anwendung, insofern für diese nicht abweichende Vorschriften ausdrücklich ge­ troffen sind: Münch. 15. Juni u. 7. Sept. 72 (BEntsch. II, 179. 224). In Betreff der Holz-(Forst-)Diebstähle nach der Pr. Gesetzgebung vgl. § 57 n. 8. 8. Abs. 2 ist dem § durch die Novelle neu hinzugefügt worden. Schon die ■ Motive zum StGB. (s. 73) erachteten es für gerechtfertigt, daß daS wegen einer Mißthat nicht zu bestrafende Kind unter 12 Jahren nach Befinden der Umstände in eine Erziehungs- oder Besserungs-Anstalt unterzubringen fei; man nahm jedoch über daö hierbei zu beobachtende Verfahren nicht (wie für die Fälle des § 56) besondere Vorschriften in daS Gesetz auf, weil die Verschiedenheit der Organisation und Zu­ ständigkeit der Behörden in den einzelnen Bundesstaaten eine gleichmäßige Regelung nicht zuzulassen schien. — Dies wies bereits auf die Regelung der Materie durch

134

Thl. I. Adschn. IV. Stras-AuHchließung u. Milderung. — § 55.

Gegen denselben können jedoch nach Maßgabe der landes­ gesetzlichen Vorschriften die zur Besserung und Beaufsichtigung geeigneten Maßregeln getroffen werden. Insbesondere kann die Unterbringung in eine ErziehungS» oder Besserungsanstalt erfolgen, nachdem durch Beschluß der Vormundschaftbehörde die Begehung der Handlung festgestellt und die Unterbringung für zulässig erklärt ist. [I.entm.: §49; II. Elltw.: §53; — No», v. 26. Febr. 1876 Art.I; — Pr. StGB. § 42). Dgl. §§ 56. 57. 173. Preußen: Bgl. Ges., betr. die Unterbringung verwahrloster Kinder v. 13. März 1878 u. AuSsührungS-Instr. v. 14. Juni ej. (BMbl. f. 120).

die LaudeSgesetzgebung hin. Inzwischen wurden nur in Württemberg und Anhalt (unterm 27. Dez. 1871 bezw. 29. Dez. 1873) Gesetze erlassen, welche die Einstellung verwahrloster und verbrecherischer Kinder in dergleichen Anstalten ermöglichen. Ein­ zelne ältere Landesgesetze enthielten schon früher Bestimmungen nach derselben Rich­ tung hin, so Nr. 14 deö sächs. Einf.-Ges.'S v. 1. Ott. 1868, sowie die Strafgesetzdücher für Oldenburg (Art. 105), Württemberg (Art. 95), Braunschweig (§30), Baden (§ 78), Thüringen (Art. 61) und Hessen (Art. 37). Doch war die fortdauernde Geltung derselben nicht unbestritten; auch machen einzelne derselben die Anordnung jener Maßregeln von einem förmlichen Strafverfahren abhängig. Es erschien daher angezeigt, im StGB, selbst auszusprechen, daß die Regelung des hier fraglichen Gegenstandes in den Kreis der der Landesgesetzgebung vorbehalteuen Ausgaben falle. So: die Mot. zur Novelle (s. 26). Vgl. übrigens n. 10, 11. 9. Unter den im Abs. 2 erwähnten „Maßregeln" sind die Schulstrafen einbegriffen, ferner die Ueberweisung der Kinder an eine besondere diöciplinarische Be­ handlung durch die Lehrer, desgleichen die Unterbringung derselben in Privatanstalteu und bei einzelnen das Vertrauen der Behörden besitzenden Familien, so: Schwarze, Stenogr. Ber. s. 633; vgl. auch in Betreff der Unterbringung in geeigneten PrivatHäusern die Mot. f. 27 und unten n. 12. 10. Während der erste Satz des Abs. 2 in der Regierungsvorlage vollkommen gleichlautend war, lautete der Schlußsatz: „insbesondere kann von den Polizei- oder Bormuvdschastöbehörden die Unterbringung in einer Erziehung-- oder Besserungs­ anstalt verfügt werden." Demgemäß enthielt derselbe, wie auch daö Anschlußwort „insbesondere" andeuten sollte, keine Beschränkung, sondern eher eine Erweiterung des von ihm nur durch ein Komma getrennten ersten Satzes, indem er der augen­ scheinlich am weitesten gehenden Maßregel besonders gedachte und deren selbststän­ dige Anordnung als eine ebensowohl in der Zuständigkert der Polizeibehörden wie in derjenigen der Bormundschaftöbehörden begründete hinstellte. Im Reichstage wurde es jedoch als unzulässig erachtet, der Polizei allein die Verfügung in Bezug aus jene Unterbringung zu überlaffen; vgl. Stenogr. Bericht f. 631. Um dies zum Ausdrucke zu bringen, hätte man, statt das Wort „insbesondere" beizubehalten, richtiger gesagt: „Jedoch" kann die Unterbringung.........nur dann erfolgen, wenn zuvor re. — Trotzdem muß, jener im Reichstage unzweideutig ausgesprochenen Absicht ge­ mäß, angenommen werden, daß nicht etwa blos in späteren Landeögesetzen der Polizei keine an jene Bedingung nicht gebundene Befugniß der hier fraglichen Art beigelegt werden könne, sondern daß auch die bereits bestehenden Landesgesetze, insoweit sie dies thun, außer Kraft gesetzt seien. 11. Gemäß den Motiven und der Fassung der Regierungsvorlage (n. 8. 10) waren die Worte des 1. Satzes des Abs. 2 „nach Maßgabe der landesge­ setzlichen Vorschriften" auf den Schlußsatz mit zu beziehen, so daß die An­ wendbarkeit der Bestimmung des letzteren gleichfalls durch das Bestehen oder den demnächstigen Erlaß entsprechender landesgesetzlicher Vorschriften bedingt gewesen wäre. Die veränderte Fassung des Abs. 2 läßt die entgegengesetzte Deutung zu, und da diese ihr im Reichstage der Abg. Frankenburger (Stenogr. Ber. f. 633) gab. ohne irgend welchen Widerspruch zu finden, so verdient sie den Vorzug; contra: Schw. Erg. f. 14; MeveS f. 97; Auh. z. Sch. f. 6. Für Preußen sind jene laudeö-

} Thl. I. Abschn. IV.

Straf-AuSfchließuug u. Milderung. — § 55.

135

gesetzlichen Vorschriften erst durch das Gef. v. 13. März 1878 (GS. f. 132) getroffen worden. 12. Die Worte „Unterbringung in eine Erziehung-- oder Besser un g San st alt" sind wohl auf alle Fälle zu erstrecken, in denen ein Kind der elter­ lichen Erziehungsgewalt l zeitweise) ganz entzogen wird. Demnach kann auch die Unterbringung in einem geeigneten Privathause (n. 9) nur mit Zustimmung der DormundschastSbehörde erfolgen. 13. Wer die „Vormundschaftsbehörde" fei, beurtheilt fich nach der Landeögefetzgebung. Sie ist daher meist eine gerichtliche, in einzelnen Bundesstaaten jedoch, wie z. B. in Württemberg und Baden, eine Gemeinde- oder sonstige Be­ hörde. Für Preußen trifft § 1 der Borm.-Ordn. v. 5. Zuli 1875 die maßgebende Bestimmung; hiernach stellt im Bezirk des AH.'S Cöln der Friedensrichter die Dormundschaftsbehörde dar. Für das übrige Gebiet des franz. Rechts bedarf eö noch des Erlasses landesgesetzlicher Bestimmungen zum Zwecke der Feststellung, daß jene Behörde der Friedensrichter und nicht der ganze Familienrath sei. Steht daö betreffende Kind nicht unter Vormundschaft, so tritt die DormundschastSbehörde ad hoc ein. Vgl. Rede des Antragstellers Struckmann, Stenogr. Ber. f. 631. 14. Der Beschluß, welcher „die Begehung der Handlung feststellt rc.", setzt nicht ein förmliches Strafgerichtsverfahren voraus; die erforderliche Untersuchung hat vielmehr nach dem bei den VormundschaftSbehörden üblichen Verfahren stattzufinden, dessen nähere Regelung der Landesgesetzgebung überlassen bleibt; vgl. Struckm. 1. c.; letztere ist für Preußen erfolgt durch die §§ 2. 3 des Ges.'S vom 13. März 1878 (eit. n. 11). 15. Derselbe kann mit Erfolg selbst dann erwirkt werden, wenn die That, von einem Strafmündigen verübt, wegen Eintritts der Verjährung oder wegen Mangels des Antrags des Verletzten nicht verfolgbar sein würde. 16. Ob der „Beschluß der DormundschastSbehörde" ein endgültiger oder durch Rechtsmittel anfechtbarer, ob derselbe sofort (vorläufig) ober erst nach eingetretener Rechtskraft wirksam sei, beurtheilt sich nach der Landesgesetz, gebung; auch steht Abs. 2 dem Erlasse neuer Landesgesetze über diesen Gegenstand nicht im Wege; ebenso: Z. V. Civ -Sen. 30. Jan. 77 (9ibD. XVIII, 82: erkannte demgemäß, daß zufolge § 10 der Pr. Dormuudsch.'ö-Ordn. v. 5. Juli 1875 gegen den Beschluß Beschwerde an das Appellationsgericht, im Bezirke des AH.'S Cöln an daö Landgericht stattfinde, und daß die ergehende Entscheidung nach eben diesem § 10 durch die Nichtigkeitsbeschwerde, bezw. den Kaffationörekurö nicht angefochten werden könne. — Gegenwärtig ist die Anfechtbarkeit und Vollstreckbarkeit des Beschlusses für Preußen durch die §§ 4. 5 des Ges.'S v. 13. März 1878 ausdrücklich anerkannt und näher geregelt. 17. Der Beschluß der DormundschastSbehörde erklärt die Unterbringung nur für „zulässig". Er ist daher für die Verwaltungsbehörde, welche die Unterbringung anzuordnen, bezw. auszuführen hat, nicht, wie in den Fällen des § 56, obligatorisch. Doch kann daö Gegentheil durch die Landesgesetzgebung angeordnet werden, wie eS z. B. für Preußen im § 7 des Ges.'S v. 13. März 1878 geschehen ist. Jener Be­ hörde dürste auch die Wahl der Anstalt zustehen (vgl. § 56 n. 13); desgleichen die Bestimmung über die Dauer deö Aufenthalts in derselben; die der Anstalt vorgesetzte Verwaltungsbehörde (§ 56) hat in letzterer Hinsicht wohl nur ein konsultatives Votum. Doch sind auch hier landeögesetzliche, die Zuständigkeit in anderer Weise regelnde Vorschriften nicht ausgeschlossen; vgl. für Preußen die §8 7 ff. deS mehrbezogenen Ges.'S v. 13. März 1878. — Die Ausdehnung der Dauer des Aufenthalts über das vollendete 20. Lebensjahr hinaus kann gemäß § 56 (argumento a majori ad minus) selbst durch landeögesetzliche Borschristen nicht gestaltet werden. In Preußen hört das Recht der Zwangserziehung mit dem vollendeten 16. Lebensjahre (oder mit dem Beschlusse der Entlassung auS der Zwangserziehung) auf und kann nur in außergewöhnlichen Fällen (durch Beschluß deö BormundschastSgerichtS) bis zum voll­ endeten 18. Lebensjahre ausgedehnt werden: Ges. v. 13. März 1878 § 10. 18. Da die Unterbringung in eine Erziehungsanstalt eine sicherheitspoli­ zeiliche Maßregel ist, so hat für deren Kosten die veranlassende Polizeibehörde, nicht der betr. Armenverband aufzukommen: BAmt f. Heimathwesen v. 7. Dez. 78 (SGZ. 22. s. 350).

136

Thl. I. Abschn. IV. Straf-AuSschließung u. Milderung. — § 56.

§. 56. Ein Angeschuldigter, welcher zu einer Zeit, als er das zwölfte, aber nicht das achtzehnte Lebensjahr vollendet hatte, eine strafbare Handlung begangen hat, ist freizusprechen, wenn er bei Begehung derselben die zur Erkenntniß ihrer Strafbarkeit erforderliche Einsicht nicht besaß. 19. § 55 Abs. 2 läßt diejenigen lände-gesetzlichen Bestimmungen unberührt, welche Schul-, Polizei- oder DormundschaftSbehördeu zu Korrektivmaßregeln gegen Kinder im Alter von über 12 Jahren ermächtigen: Mot. f. 27.

§56.

Inhalt.

Alter: 2. Holzdiebstahl: 12. Ausländer r 16. Konkurrenz: 4. 14. 17. Dolus: 12. Kosten: 13. Einsicht: 3—7. Prüfg. v. AmtSW.: 6. • Feststellung: 7. Rückfall: 1L. Prüfg. v. AmtSW.: 6. Schv.-GHof: 10. Fahrlässigkeit: 5. Strafverfahren, adm.: 9. Freisprechung: 8.

Theilnehmer: 11. Unterbrinag. t. A.: 14—21. Urtheil: 6. «4. Derurtheilung - 17. Vollziehung: 18—21. Zeit: l. Zuständigkeit: 8—10.

1. Entscheidend ist hier die Zeit der „Begehung der That", nicht die, wo der verursachte Erfolg eintrat. 2. Vollendung des zwölften (achtzehnten) Jahres, vgl. 55 n. 3. 3. Unter der „zur Erkenntniß der Strafbarkeit der Handlung erforderlichen Einsicht" ist das Vermögen zu verstehen, jene Strafbarkeit zu erkennen. Der Mangel dieser Einsicht ist wesentlich verschieden von den die freie Willensbestimmung aus­ schließenden Zuständen der Bewußtlosigkeit oder der krankhaften Störung der Geisteöthäligkeit (§ 51: Unzurechnungsfähigkeit); vgl. Pr. Gesetz v. 3. Mai 1852 Art. 61. 83, Pr. NStPO. § 320. 321, welche in Betreff der die Zurechnungsfähigkeit oder das UnterfcheidungSvermögeu betreffenden Fragen eine verschiedene Fassung vor­ schreiben: „har der Angeklagte ohne Zurechnung-fähigkeit," — „hat er mit Unter» scheidungsvermögen gehandelt"? Bon jener Einsicht kann überhaupt nur bei einem Nicht-Unzurechnungsfähigen die Rede sein. Um sie anzunehmen, genügt eS nicht, wenn der Strafuumündige im Allgemeinen Gutes von Bösem, Recht von Unrecht, Erlaubtes von Unerlaubtem zu unterscheiden vermag; ebensowenig handelt es sich dabei von der Bekanntschaft mit der positiven die Strafandrohung enthaltenden Gesetzesvorschrist; vielmehr ist darunter derjenige Grad der DerstandeS-Entwickelung zu verstehen, welcher nöthig ist, um die Strafbarkeit der konkret begangenen Hand­ lung und der sie als eine strafbare charakterisirenden Merkmale fz. B. ihre ©erneut* gefährlichkeitj zu erkennen: der Thäter muß im Stande fein zu begreifen, daß feine Pflicht die Unterlassung jener speziellen Handlung fordere und daß er durch Begehung der letzteren sich einer Kriminalstrafe aussetze: Motive s. 73; dazu gehört, daß ihm das Verständniß für das Wesen der Staatsgewalt, und für die von ihr ausgegan­ genen Verbots-Gesetze nicht abgehe. Vgl. jedoch Biuding II. s. 81. 466 (verlangt nur Zurechnung--, bzw. Handlungsfähigkeit ad hoc) u. BL. f. 127. 4. Da jene Einsicht in Beziehung anf die konkret begangene That zu prüfen ist, so kann eS sehr wohl geschehen, daß dem Strafunmündizen die Einsicht in Be­ ziehung auf eine Art der Mißthaten beiwohne, während sie ihm in Betreff einer andern abgeht: Motive s. 73; das gilt selbst im Falle einer Ideal-Konkurrenz; ein Beisp.: Münch. 27. Sept. 73 (StZ. in, 82). 5. Der gedachten Einsicht bedarf eS auch bei FahrläfsigkeitSvergehen, um ein fahrlässiges Verschulden annehmen zu können. 6. Die Frage, ob ein zwischen zwölf und achtzehn Jahren stehender Angeschuldigter mit der seine Bestrafung bedingenden Einsicht gehandelt habe, ist vom Richter von Am IS wegen zu erörtern; dem Angeschuldigten liegt in dieser Beziehung keine BeweiSlast ob; vgl. Thl. I. Abschn. IV (s. 124) n. 8. 7. Da § 56 die Freisprechung und § 57 die Verurtheilung deö Strafunmünhißen von dem Nichtbesitze bezw. dem Besitze der fraglichen Einsicht abhängig macht, so muß der Jnstanzrichter in Betreff des Vorhandenseins nothwendig positiv oder

Thl. I. Abschn. IV. Stras-AuSschließung u. Milderung. — § 56.

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In dem Urtheile ist zu bestimmen, ob der Angeschuldigte seiner Familie überwiesen oder in eine Erziehungs- oder Besse­ rungsanstalt gebracht werden soll. In der Anstalt ist er so negativ eine ausdrückliche Feststellung treffen, welche weder durch die Feststellung des zum betr. Straffalle erforderlichen Dolus noch durch die der Zurechnungsfähigteil des Angeschuldigten zu ersetzen ist: Stuttg. 13. März 72 (StZ. I, 259); Otto n. 4. Ebensowenig genügt eine Feststellung in Betreff des Unterscheidungsvermögens: CH. 19. Marz 74 (RdO. XV, 160). 8. Der über zwölf Jahre alte Strafunmündige soll, wenn er bei Begehung der That nicht die re. erforderliche Einstcht besaß, „freigesprochen" werden; diese Entscheidung kann sonach nur von dem erkennenden Richter ausgehen, welcher allein dazu berufen ist „freizusprechen", zumal da nach Abs. 2 „im Urtheil" darüber Bestimmung zu treffen ist, ob der Angeschuldigte in eine Erziehungs- rc. Anstalt zu bringen sei. Sonach darf deshalb, weil angenommen wird, der Strafunmündige habe ohne die rc. Einstcht gehandelt, weder von der Strafverfolgung noch von der Eröffnung des HauptverfahreuS abgesehen werden: Münch. 3. Dez. 72 (StZ. II, 148); Rüd. n. 2; Puch. n. 6; Otto n. 2; Dochow i. GSaal XXIII, 466; WGbl. VI, 399; contra: Schw. s. 254; id. i. SGZ. XVI, 298. Dasselbe dürfte, unter der Herrschaft der RStPO. gelten, wenngleich die Mot. (zu § 202 ib., bzw. zu § 171 de- Entw.'S) f. 175 der entgegengesetzten Anficht das Wort zu reden scheinen. 9. Demgemäß fällt hier daS durch die Preußischen Gesetze im Falle einer Zu­ widerhandlung gegen die Vorschriften über die Erhebung öffentlicher Abgaben re. vor­ geschriebene administrative Strafverfahren weg; die betr. Behörden müssen die Entscheidung über einen Strafunmündigen in allen Fällen dem zuständigen Ge­ richte überlassen; vgl. Oppenhoff Ressort-Gess. s. 150 u. 410; Verf. d. Pr. Gen.Dir. d. Steuern v. 21. Juni 1853 (VMbl. s. 224). 10. Strafunmüudige können in Preußen nur dann vor den Schwurgerichts­ hof gestellt werden, wenn dieses wegen der Konnexität der Sache mit einer gegen einen Strafmündigen erhobenen Anklage erforderlich ist: Ges. v. 22. Mai 1852 Art. IV; RStPO. § 13. In diesem Falle steht die Entscheidung über die zur Er­ kenntniß der Strafbarkeit erforderliche Einstcht den Geschwornen zu; die betr. Frage ist (arg. n. 7) dabin zu fassen: „Hat der Angeklagte bei Begehung der That die zur Erkenntniß ihrer Strafbarkeit erforderliche Einsicht besessen?" vgl. Rh. StPO. Art. 340; Ges. v. 3. Mai 1852 Art. 83; RStPO. § 320. — Dasselbe gilt dereinst für daS ganze Gebiet der RStPO., vgl. RGBG. § 73, RStPO. § 298; doch be­ gründet Konnexität rc. alsdann nie die Nothwendigkeit, sondern stets nur die Statt­ haftigkeit der Stellung Strafunmündiger vor das Schwurgericht. 11. In Betreff der Theilnehmer an der Mißthat eines Strafuumündigen dgl. Thl. I. Abschn. IV (s. 122) n. 3. 12. Die Vorschrift des § 56 ist generell; daS zu § 55 unter n. 5. 7 Gesagte gilt auch hier. Vgl. Münch. 21. Dez 77 (BEntsch. VII, 533). 13. Rach § 178 der Pr. Vdn. v. 3. Jan. 1849 und nach § 438 der Pr. RStPO. kaun der wegen mangelnder Einsicht rc. Freigesprochene nicht in die Kosten des Ver­ fahrens verurtheilt werden: ZI. 6. April 53 (GA. I, 373); ebenso in Baiern: Münch. 18. Rov. 74 (BEntsch. III, 522). Anders nach Rh. (franz.) Verfahren arg. artt. 162. 194. 368 des C. d’instr. er.: VII. 10. Dez. 74 (RdO. XV, 854); Münch. 17. Juli 39 (Schmidt s. 52); Gilb. C. pdn. art. 66 n. 12; contra: ThdCp. 1 p. 128; vgl. aber EG. z. Pr. StGB. Art. XXVH § 1, welcher (abweichend von C. pdn. art. 55) die solidarische Berurtheilung Mehrerer zu den Kosten davon ab­ hängig macht, daß sie wegen desselben Verbrechens zur Strafe verurtheilt werden. — Die RStPO. hat sich, indem sie für den hier vorgesehenen Fall keine Ausnahme von der allgemeinen Regel des § 499 ib. statuirt, für die erstere Alternative ent. schieden. 14. Der erkennende Jnstanzrichter, welcher den einer Mißthat schuldig befun­ denen Strasunmündigen wegen des Mangels der erforderlichen Einsicht freispricht, muß in seinem Urtheil nothwendig darüber Bestimmung treffen, ob derselbe seiner

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Thl. I. Abschu. IV. Stras-AuSschließung u. Milderung. — § 56.

lange zu behalten, als die der Anstalt vorgesetzte Verwaltungs­ behörde solches für erforderlich erachtet, jedoch nicht über das vollendete zwanzigste Lebensjahr. [I. Enlw.: § 51; II. Entw.: § 54; Pr. StGB.: § 42]; vgl. §§ 55. 57; Mil..StGB. § 50; RGBG. § 73 Nr. 3; «StPO. § 298. 268. 499. Preußen: Vgl. Ges. v. 3. M-i 1852 Art. 75. 83; Ges. v. 22. M-i 1852 Art.IV; NStPO. §§ 130.320.321 j HDGes. $ 11; Forstdiebst.-Ges. § 12; AKO. v. 4. De;. 1852. Familie überwiesen oder in eine Erziehung-- oder Besserungöau stall ge­ bracht werden soll. Diese- gilt selbst für den Fall, wo der Angeschuldigte inzwischen da- achtzehnte Jahr zurückgelegt hat, sollte er auch gleichzeitig wegen einer realiter konkurrirenden, nach vollendetem 18. Jahre begangenen Mißthat zu Freiheitöstraseu verurtheilt werden: VH. 21. Jan. 75 (RdO. XVI, 69). Für da- anzuwendende Ermessen ist der Gesichtspunkt maßgebend, daß jene Unterbringung dazu dienen soll, den Strasunmündigen den nachthetligen Einflüssen zu entziehen, welchen er häufig in der eignen Familie ausgesetzt sein wird: Motive s. 74. — Die Anordnung der Unterbringung ist in gebietender Form auszusprechen (nicht in der einer Gestattung): Münch. 27. Jan. 73 (BEntsch. HI, 45). Die Wahl der betr. Anstalt steht der Ver­ waltungsbehörde zu, im Urtheile ist also keine Bestimmung darüber zu treffen: Baier. Min.-Berf. v. 31. Juli 1874 (B. IMbl. X, 16); Münch. 15. Nov. 73 (BEntsch. III, 522); Goth. Min. Bekanntm. v. 12. Dez. 1870 (G. GS. s. 108); vgl. jedoch Rubo s. 488 (nimmt an, da- Urtheil müsse entweder auf Unterbringung in eine Crziehungö-, oder auf Unterbringung in eine BefferungS-Anstalt lauten). 15. Diese Unterbringung in eine Anstalt ist keine Strafe; vgl. Thl. I Abschn. I n. 3; sie begründet für eine spätere Wiederholung derselben Mißthat nie den Rück­ fall. Richt- destoweuiger ist sie, als Theil der Entscheidung, der Rechtskraft fähig und kann im Wege de- zulässigen Rechtsmittel- angefochten werden; vgl. Bayer. EG. v. 26. Dez. 1871 Art. 76; contra: Sck>w. f. 254. Dreöd. 3. Dez. 75 (SGZ. XX, 252) hielt eine eingelegte Berufung zwar nicht als solche, wohl aber als Beschwerde im Sinne der Art. 97. 98 der Sächs. revid. StPO, aufrecht, indem irgend ein Rechtsmittel jedensalls bestehen müffe, die Frage aber, welche- da- statthafte sei, sich nach der LandeSgesetzgebung beantworte. — Vgl. RStPO. § 268. ' 16. Die Unterbringung in eine Anstalt kann auch gegen einen Ausländer angeordnet werden. 17........... nicht aber gegen einen (nach § 57) verurtheilteu Strafuumündigeu; das gilt auch dann, wenn er gleichzeitig von der Anklage eine- Jdeal-Konkurrenzsalleö wegen mangelnder Einsicht freigesprochen wird (n. 4): Münch. 27. Zan. 73, 27. Sept. 73 (BEntsch. III, 45; StZ. III, 82). 18. Die im Urtheile angeordnete Unterbringung ist durch die Polizeibehörde zu vollziehen; berufen dazu ist die Polizeibehörde de- Wohnort- de- Angeschul­ digten, und wenn eS im betr. Bundesstaate an einem solchen Wohnorte fehlt, die Polizeibehörde de- Orts der That; die einem anderen Bundesstaate angehörende HeimathSbehörde de- Verurtheilteu kann um Vollziehuug der Anordnung nicht an­ gegangen werden; vgl. B.-RechtSh.-Gef. v. 21. Juni 1869 § 33; contra: Schw. i. SGZ. XVI, 302. Anders für die Folge; vgl. oben f. 17 n. 4. 19. Die gedachte Vollziehung ist eine obligatorische, vgl. n. 13; eö steht der der Anstalt vorgesetzten Verwaltungsbehörde nicht zu, davon gänzlich zu entbinden. Dagegen hat sie darüber zu bestimmen, wie lange der Strafunmündige in der An­ stalt behalten werden soll; diese Bestimmung braucht nicht sofort bei der Ausnahme zu erfolgen; eö empfiehlt sich, erst dann in dieser Beziehung etwa- zu verfügen, wenn rö sich darum handelt, den Aufgenommenen au- der Anstalt zu entlassen. Ist die Entlassung erfolgt, so kann die. Verwaltungsbehörde nicht später die abermalige Unterbringung in die Anstalt anordnen, sollte der Strafunmündige auch da- Alter von zwanzig Jahren noch nicht erreicht haben, und später eine Veranlassung eintreten, welche die Wiederholung jener Maßnahme wünschenöwerth erscheinen ließe. Dagegen dürfte eö der Behörde gestattet sein, zeitweilige (widerrufliche) Beurlaubungen ein­ treten zu laffen; contra: Rubo s. 489.

Lhl. I. Abschn. IV. Stras-Auöschließung u. Milderung. — § 57.

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§. 57. Wenn ein Angeschuldigter, welcher zu einer Zeit, alö er das zwölfte, aber nicht das achtzehnte Lebensjahr voll­ endet hatte, eine strafbare Handlung begangen hat, bei Be­ gehung derselben die zur Erkenntniß ihrer Strafbarkeit erfor­ derliche Einsicht besaß, so kommen gegen ihn folgende Bestim­ mungen zur Anwendung: 20. Für Preußen halte eine AKO. v. 4. Dez. 1852 den Minister des Innern ermächtigt, statt der angeordneten Unterbringung in eine Besserungsanstalt die Ueberweisung an Privatvereine, oder an geeignete und zuverlässige Privatpersonen mit der für Besserungsanstalten angeordneten Beschränkung zu genehmigen. Diese Vorschrift, sowie sonstige landesgesetzliche Bestimmungen ähnlicher Art sind als noch geltend zu erachten, da sie eine wesentliche Aenderung der im StGB, angeordneten Maßnahme nicht in sich schließen; contm: Otto n. 6. 21. Da die Unterbringung in eine Anstalt in Vollziehung deö richterlichen Urtheils erfolgt, so kann dem von dieser Maßnahme Betroffenen der Rechtsweg nicht versagt werden, wenn er geltend machen will, daß die Vollstreckung in gesetz­ widriger, oder in einer dem Urtheile nicht entsprechenden Weise bewirkt, z. B. daß sie über daö vollendete zwanzigste Lebensjahr ausgedehnt, oder nach erfolgter Entlaffung wiederholt werde; die gerichtliche Entscheidung ist daun in dem Berfahreu herbeizuführen, welches für Streitigkeiten über den Strafvollzug maßgebend ist.

§57. 1. Die Bestrafung eines Strafunmündigen ist nur dann gerechtfertigt, wenn positiv festgestellt wird, daß er bei Begehung der Mißthat die im § erheischte Ein­ sicht besessen hat; vgl. § 56 n. 7.10. 2. Gegen einen Strasunmündigen kann nie auf Todeö- oder Zuchthausstrafe, auf lebenslängliche Festungshaft, auf den Verlust bürgerlicher Ehrenrechte und auf die Zulässigkeit der Polizeiaufsicht erkannt werden. Ebenso ist es unstatthaft, neben einer Verurtheilung die Unterbringung in eine Befferungöanstalt anzuordnen; vgl § 56 n. 17. 3. Die Maßbestimmungen der Nr. 1—4 beziehen sich nur auf den Fall, wo es sich von der Bestrafung einer Mißthat handelt. Zm Falle einer Real konkurreuz sind die Einzelstrafen nach Maßgabe des § 57 zu bestimmen, und eS ist dann nach Anleitung der §§74—78 die Gefammtstrafe abzumessen: Münch. 17.Febr. 72, 6. April 72 (BCntsch. II, 35. 99; StZ. I, 260); vgl. n. 16. 4. Gehört zum Thatbestände einer Mißthat eine Mehrheit von Handlungen (Beisp.: Gewohnheit«-, Gewerbövergehen) und fallen einzelne dieser Handlungen in die Zeit vor dem vollendeten achtzehnten Jahre, die anderen in spätere Zeit, oder handelt es sich von einem in letztere Zeit hineinreichenden s. g. Dauerdelikte (§74 n. 9a), so bleiben die Maßbestimmungen der Nr. 1—4 ganz außer Anwen­ dung und ist event, stets auf die volle Strafe des Strafgesetzes zu erkennen: dasselbe gilt unter gleichen Voraussetzungen von den s. g. fortgesetzten Vergehen, wenn man solche überhaupt anerkennt: DreSd. 17. Nov. 73 (StZ. III, 274); vgl. § 74 n. 3. 5. Die Mißthaten der Strasunmündigen behalten trotz der vorgeschriebenen Strafermäßigung denjenigen Charakter, welchen sie mit Rücksicht aus die den Er­ wachsenen treffende ordentliche Strafe haben; vgl. § 1 n. 3. 6. Die Verurtheilung eines Strasunmündigen begründet für spätere Wieder­ holungsfälle den Rückfall: Z. 3. Dez. 51 (9Mbl. 52 f. 27); Vl. 19. Okt. 55 (GA. III, 832); Otto n. 10; contra: Wahlberg i. HH. II, 536. 7. In Betreff des TheilnehmerS vgl. Thl. I. Abschn. 4 (f. 122) n. 3. 8. Die Vorschrift des § 57 gilt auch für die durch besondere Gesetze vor­ gesehenen Mißthaten, insoweit für diese nicht ausdrückliche abweichende Bestimmungen getroffen sind: ZI. 23. Febr. 53 (Entfch. 25 s. 217, betr. eine Steuerhinterziehung); contra: MeveS i. StRZ XI, 573. — Zu den in Kraft gebliebenen landeSgefetzlichen Sonderbestimmungen gehört § 11 des Pr. HDGes.'ö (vgl. EG. § 2 n. 7),

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Thl. I. Abschn. IV.

Straj.AuSschließung u. Milderung. — § 57.

1) ist die Handlung mit dem Tode oder mit lebensläng­ lichem Zuchthaus bedroht, so ist auf Gefängniß von drei bis zu fünfzehn Jahren zu erkennen; 2) ist die Handlung mit lebenslänglicher Festungshaft be­ droht, so ist auf Festungshaft von drei bis zu fünfzehn Jahren zu erkennen; 3) ist die Handlung mit Zuchthaus oder mit einer anderen Strafart bedroht, so ist die Strafe zwischen dem gesetz­ lichen Mindestbetrage der angedrohten Strafart und der Hälfte deö Höchstbetrages der angedrohten Strafe zu bestimmen. Ist die so bestimmte Strafe Zuchthaus, so tritt Ge­ fängnißstrafe von gleicher Dauer an ihre Stelle; nach welchem der strafunmündige Holzsrevler, wenn er mit „UuterscheidungSvermögen gehandelt hat", zur vollen gesetzlichen Strafe verurtheilt, im entgegengesetzten Falle aber freigesprochen werden soll. Diese Vorschrift hat indessen durch die geänderte Regel (§§ 56. 57) die Modifikation erlitten, daß nicht mehr das fechszebn- sondern das achtzehnjährige Alter das entscheidende geworden ist und daß die Strasbarkeit nicht mehr durch daö UuterscheidungSvermögen, sondern durch die „zur Erkenntniß der Strafbarkeit erforderliche Einsicht" bedingt wird. Auch steht sie der unbedingten Anwendung des § 55 in keiner Weise entgegen; ein noch nicht zwölf Jahre Alter kaun daher auch wegen Holzdiebstahls nicht verfolgt werden: Beschl. I. 6. Okt. 71, Befchl. II. 30. Okt. 71 (RdO. XII, 499. 545). Demzufolge findet jetzt der Schluß, satz des eit. 8 11, nach welchem der nach 8 10 ib. civililer Verhaftete unmittelbar als haftbar zu verurtheilen ist, in allen Fällen Anwendung, wo gegen den strafunmündigen Thäter eine Bestrafung nicht erfolgen kann, fei es, daß dieser nach § 55 nicht zu verfolgen oder nach § 56 (HDGes. § 11) freizusprechen ist: cit. Beschl. II. 30. Okt. 71; V. 13. Nov. 72 (RdO. XIII, 629); Meveö i. StRZ. XI. 571; cotifr* (z. Theil): Rüd. s. 197. 200. Dem entsprechende Vorschriften trifft für die Folge das Pr. Forstdiebst.-Ges. 88 10—12, indem dasselbe gleichzeitig die Civilhaftbarkeit Dritter unter dem im 8 H Abs. 2 ib. gemachten Vorbehalte auf die Fälle ausdehnt, wo der Thäter wegen eines feine freie Willensbestimmiing ausschließenden Zustandes (StGB. §§ 51. 52) straffrei bleibt.

Zu Nr. 1—3. 9. Die unter Nr. 1—3 vorgeschriebenen Ermäßigungen find unter Zugrunde­ legung der für Strasmündige gegebenen allgemeinen Strafandrohung vorzunehmen. Läßt das Bett. Gesetz die Wahl zwischen verschiedenen Strafen, so ist jede dieser An­ drohungen nach den Nr. 1—3 zu ermäßigen und dann zwischen den so ermäßigten Strafen die Wahl zu treffen. Ist wahlweise Zuchthaus oder Festungshaft angedroht, so ist zunächst nach § 20 zu prüfen, ob die Handlung aus einer ehrlosen Gesinnung entsprungen ist und im DerneinungSsalle die FestungS-, sonst aber die FestungS- oder, die Zuchthausstrafe nach Nr. 1—3 zu ermäßigen bezw. umzuwandeln. Vgl. § 44 n. 6. 10. Läßt das Strafgesetz beim Vorhandensein gewifler Voraussetzungen (z. B. deö Reizes oder allgemeiner „mildernder Umstände") eine Strafminderuug eintreten, so ist für den Strafunmündigen die so geminderte Strafe nach Nr. 3 zu ermäßigen, wenn der Instanzrichter findet, daß jene Voraussetzungen bei ihm zutreffen; nur darf die Jugend hierbei nicht zweimal: einmal aus Grund des % 57 und außer­ dem auch noch als „mildernder Umstand" in Betracht gezogen werden; findet daher der Instanzrichter, daß daö jugendliche Alter des Angeschuldigten — abgesehen von der Vorschrift des g 57 — als ein (im betr. Gesetz bei der Strafandrohung berück­ sichtigter) mildernder Umstand in Betracht komme, so hat er nur eine der strafmil­ dernden Vorschriften und zwar die dem Angeschuldigten günstigere anzuwenden. Auf diesem Wege wird die sonst nicht zu hebende Schwierigkeit überwunden, welche

Thl. I. Abschn. IV. Straf-AuSschließnng n. Milderung. — § 57.

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4) ist die Handlung ein Vergehen oder eine Uebertretung, so kann in besonders leichten Fällen auf Verweis er­ kannt werden; entsteht, wenn das betr. Strafgesetz für den Fall mildernder Umstände eine stärkere Strafermäßigung zulaßt, als § 57; vgl. über diese Frage: DreSd. 27. Okt. 71, 18. Aug. 73, AG. Eisenack, Darmst. 8. Juli 72, Münch. 5. Juni 75 (StZ. I, 166. 167; II, 76; V, 19; SGZ. XVII. 276); Mecklenb. OG. (GSaal 26 s. 541); MeveS t. SlRZ. XII, 596; Ortlvfs i. GA. 21 s. 174; Schw. i. SGZ. XVI, 304, welche alle daran festhalten, daß die Strafe des Strafunmündigen stets nur nach Maßgabe des § 57 zu bestimmen sei, und daß die Jugend für sich allein nicht gleich, zeitig als »mildernder Umstand" in Betracht komme; contra: John i. StRZ. II, 208; Fuchs ib. XI, 252; Ruhstrat i. GSaal 24 f. 131; Zimmern ib. 23. f. 360; DL. s. 280; Rubo s. 490; vgl. GA. XX, 220. 11. Im Falle der Nr. 3 kann die Strafe bis zum gesetzlichen Mindestmaße der angedrohten Strasart (nicht bloß bis zum Mindeftbetrage der für den betr. Straf­ sall angedrohten Strafe) hinabgehen: DreSd. 27. Okt. 71, Darmst. 8. Spt. 72 (StZ. I, 166; II, 23); ZI. 19. Juni 72 (RdO. XIII, 364); jener Mindestbetrag ist bei der Zuchthausstrafe (§ 14) ein Jahr, bei der Gefängnißstrafe (§ 16) ein Tag, bei der Festungshaft (§ 17) ein Tag, bei der Hast (§ 18) ein Tag, bei der Geldstrafe (§ 27) drei und. wenn es sich um eine Uebertretung handelt, eine Mark. 12. Ist Geldstrafe neben einer Freiheitsstrafe angedroht, so tritt für jede derselben die Ermäßigung nach Anleitung der Nr. 3 ein. 13. An die Stelle des im Gesetz angedrohten Zuchthauses tritt Gefängniß von gleicher Dauer, also im Mindestbetrage von einem Jahr: DI. 11. Juni 74: RdO. XV, 375); eine Strafumwandlung nach dem Maßstabe de- § 21 findet nicht Statt. Ist neben der Zuchthausstrafe elektiv (z. B. beim Vorhandensein mildernder Umstände) Gefängniß angedroht, so kann der Richter geeigneten Falles bis auf ein­ tägige Gefängnißstrafe hinabgehen; contra: Pape i. StRZ. XU, 11. 14. Die Nr.3 findet auch da Anwendung, wo das Gesetz nur eine feste Strafe (ohne Höchst, und Mindestbetrag) androht: ZU. 7. Mai 68 (RdO. IX, 311). 15. Hat sich der Slrasunmündige des Versuchs eines Verbrechens rc., oder der Beihülfe zu einem solchen schuldig gemacht, so ist die auf diese That angedrohte gemilderte (§ 44. 49) Strafe nach Anleitung der Nr. 3 zu ermäßigen: Münch. 25. Apr. 74 (StZ. IV, 9); Schw. s. 257. Ergiebt sich hiernach als Mindestbetrag der für einen Strafunmündigen angedrohten Strafe Zuchthaus von geringerer als einjähriger Dauer, so daß sie nach Maßgabe de- § 21 in Gefängniß umzuwandeln wäre (§ 44 Abs. 4), so ist Gefängniß von einem Tage da- statthafte Mindestmaß der zu verhängenden Strafe: Otto n. 7; contra: DI. 4. Apr. 73 (RdO. XIV, 251) und GA. XX, 222, welche in einem solchen Falle zunächst die Strafe der vollendeten Hauptlhat nach Anleitung des § 57 reduziren und die so gefundene Strafe erst aus 88 44 (49) ermäßigen wollten; anders: DreSd. 24. Juli 71 (SGZ. XV, 244: erachtete im gedachten Falle einmonatliches Gefängniß für das geringste zulässige Strafmaß); vgl. Schütze s. 180 n. 21. 16. Im Falle einer Realkonkurrenz (n. 3) kann das an die Stelle der ordent­ lichen Zuchthausstrafe tretende Gefängniß bis zu fünfzehn Jahren steigen; so: Münch. 17. Febr. 72 (dt. n. 3); vgl. Nr. 1. Zu Nr. 4. 17. Die Strafe des Verweises ist regelmäßig auch bei Uebertretung in Kraft verbliebener Landesgesetze, z. B. der Steuergesetze znläjsig: ZI. 26. Sept. 77 (RdO. XVIII. 591); vgl. EG. § 2 n. 2. 18. Behauptet der Angeschuldigte, daß ein „besonders leichter Fall" vor­ liege, so ist es für den Pr. Jnstanzrichter unerläßlich, sich über die Begründetheit dieses Einwände- positiv oder negativ ausznsprecken; ebenso muß in schwurgericht­ lichen Sachen einem Antrage, jenes Moment zum Gegenstände einer ausdrücklichen Fragestellung zu machen, mit Nothwendigkeit Statt gegeben werden. — Die Straf­ kammern dürften dereinst schon arg. 8 266 Abs. 3 der RStPO. ebenso zu verfahren haben; dagegen gebührt in dereinstigen schwurgerichtlichen Sachen nach Löwe s. 693

142

Thl. I. Abschn. IV. Straf-AuSschließung u. Milderung. — §§ 57.58.

5) auf Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte überhaupt oder einzelner bürgerlichen Ehrenrechte, sowie auf Zulässig­ keit von Polizei-Aufsicht ist nicht zu erkennen. Die Freiheitsstrafe ist in besonderen, zur Verbüßung von Strafen jugendlicher Personen bestimmten Anstalten oder Räu­ men zu vollziehen. [I. Entw.: § 50; II. Entw.: § 55; Pr. StGB.: § 43.] Preußen: Dgl. HDGes. § 11; Forstdiebst.-Ges. § 10.

§. 38.

Vgl. § 56.

Ein Taubstummer, welcher die zur Erkenntniß

die Entscheidung über obigen Punkt (als zur Straf-, nicht zur Schuldsrage gehörig), mit Ausschluß der Geschwornen, dem Schwurgerichte; solgeweise würde daher auch die Entscheidung in allen Fallen mit einfacher Stimmenmehrheit zu treffen sein; vgl. RStPO. §§ 262. 266. 295. 297; vgl. % 94 n. 8. — Es erscheint nicht als statthaft, jene Annahme lediglich auf die Jugend des Angeschuldigten zu stützen; vgl. n. 10. 18a. In Betreff der Realkonkurrenz mehrerer besonders leichter Falle vgl. § 76 n. 2. 19. Der Umstand, daß der Angeschuldigte inzwischen 18 Jahr alt geworden ist, steht der Statthaftigkeit eines zu erkennenden Verweises nicht entgegen; contra: Schw. i. SGZ. XVI, 301. 20. Da der Verweis eine Strafe ist, auf welche „erkannt" wird, so darf die Verkündung des auf „Verweis" lautenden Urtheils nicht als die Erlheilung desselben angesehen werden (die Vollstreckung kann erst nach eingetretener Rechtskraft erfolgen): Beschl. 9. Juni 71 (RdO. XU, 320); Dochow i. GSaal XIII, 467; Schw. RStPO. s. 611; contra: Kaiser t. StRZ. XI, 177; Hartmann i. SGZ. XVI, 159. Ent­ halten die Strafprozeßgesetze in Betreff der Art der Vollstreckung keine besonderen Vorschriften, so ist der Verurtheilte vor das erkennende Gericht oder vor einen durch dieses beauftragten Richter vorzuladen, durch welche dann der Verweis zu Protokoll ertheilt wird; die Beauftragung eines andern Richters kann eventuell im verurtheilenden Erkenntniffe selbst geschehen; (der dt. Beschl. 9. Juni 71 wollte die Form der Vollstreckung dem richterlichen Ermessen überlassen). Da» Elsaß-Lothr. Ges. v. 30. Aug. 1870 Art. XII. überläßt es dem richterlichen Ermessen, ob ein Verweis mündlich oder schriftlich zu ertheilen sei. — Die RStPO. enthält keine hierauf bezügliche Vorschrift; doch folgert Dochow (HandauSg. der StPO. s. 194) au» 5 483 ib., daß die Staatsanwaltschaft den Verweis zu ertheilen habe, wogegen Schw. 1. c. diese Funktion dem Richter zuweist, und, im Widerspruch mit voitus StPO. f. 478, nicht blos die mündliche, sondern auch die schriftliche Ertheilung des Verweise- für statt­ hast hält. 21. Auch dem zu einem Verweise Verurtheilten find die Kosten zur Last zu legen. Zu Nr. 5. 22. Die Nr. 1—4 haben nur die zu verhängenden Hauptprafen zum Gegen­ stände. Daraus ist zu folgern, daß die Neben strafen (z. B. die Einziehung ein­ zelner Gegenstände) auch hier Platz greifen, soweit ste nicht durch die Nr. 5 für aus­ geschlossen erklärt werden. 23. Der Schlußsatz betrisst die Art der Vollstreckung der erkannten Frei­ heitsstrafe; im Urtheil selbst ist hierüber keine Bestimmung zu treffen. — Die betr. Vorschrift ist nur so lange maßgebend, als der Verurtheilte eine „jugendliche Person" (unter 18 Jahren) ist; kommt es erst später zur Vollstreckung, so hat diese in den gewöhnlichen Strafanstalten stattzufinden; greift die schon früher begonnene Voll­ streckung über jene- Alter hinaus, so muß Translokation erfolgen, sobald die längere Detention in der Anstalt für Strafunmündige mit den Zwecken der letzteren nicht mehr vereinbar ist; so: Ortloff i. GSaal 26 s. 63. §58. 1. Dieser § macht (abweichend von den §§ 56. 57) die Freisprechung des Taub­ stummen von der ausdrücklichen Feststellung abhängig, daß er die betr. Cinficht

Thl. I. Abschn IV. Stras Ausschließung 11. Milderung. — §§ 58. 59.

143

der Strafbarkeit einer von ihm begangenen Handlung erfor­ derliche Einsicht nicht besaß, ist freizusprechen. [I. Enlw.: lskhtte); n. Entw.: § 56; Pr. StG«.: (fehlte).) Vgl. § 56; RStPO. § 298 Ms. 2.

§ 59. Wenn Jemand bei Begehung einer strafbaren Handlung das Vorhandensein von Thatumständen nicht kannte, welche zum gesetzlichen Thatbestände gehören oder die Straf­ barkeit erhöhen, so sind ihm diese Umstände nicht zuznrechnen. nicht besessen habe; ebenso: Schw. s. 259; Schützes. 97: contra: Rubo s. 494; demgemäß ist der Jnstanzrichter nicht unbedingt verpflichtet, sich über das Vorhanden­ sein jener Einsicht auszusprechen, sofern in dieser Beziehung kein Einwand erhoben und von ihm selbst kein Zweifel gehegt wird; vgl. § 56 n. 7. — DaS Gegentheil gilt für das schwurgerichtliche Verfahren unter der Herrschaft der RS1PO.; vgl. dort § 298. 2. Zm Uebrigen kommt da- zu §§ 56. 57 Bemerkte hier analog zur Anwen­ dung; insbesondere muß auch hier die die Strafbarkeit bedingende „Einsicht re." „bei Begehung" der That obwalten. 3. Die Thatsache, daß der Angeschuldigte taubstumm sei, muß vom Richter der That frage festgestellt werden, wenn der § Anwendung finden soll. 4. In Betreff der Theilnahme vgl. Thl. I. Abschn. IV (f. 122) n. 3. 5. Hat der Taubstumme bei Begehung einer Mißthat die zur Erkenntniß ihrer Strafbarkeit erforderliche Einsicht besessen, so unterliegt er den ordentlichen Strafen; eine Milderung derselben findet bei ihm nicht Statt. 6. DaS Gesetz gestattet dem Richter nicht, die Unterbringung des nach § 58 freigesprochenen Taubstummen in einer Anstalt anzuordnen; dagegen bezog sich die zn § 51 n. 13 erwähnte RT.'S-Resolution aus den Fall des § 58 mit.

§59. Aberration: 3. Abgabenhinterzichung: 1. Absicht: I. Abwehr: I. Allgemetngeltung: 9. 10. Alter: II. Anordnung, pol.: 9. Anstifter: 10. 22. Bauunternehmer: 30. Beamter: il. Begünstiger: 10. Dewel-lasi: 14. Bewußtsein: 2. 9. Beziehung, persönl.: 11. DoluS: 1 ff. 9. 16. - Feststellung: 4. 5. . Objett: 2. 3. . Zweck: I. 2. Eigenschaft, pers.: II. Erfolg: 12. 19. 20. Fahrlässigkeit: 2. 19. 28. Fahrlässigkeit, Anstifter: 30.

Inhalt: Fahrlässigkeit, Bauunternehm.: 30. Poltzet-Uebertretung: 9. . Folge: 19.20. 22. 26. Recht-wahn, 15. • - Abwendung: 24. Recht-Widrigkeit: II. Sache, Beziehung: II. - mittelb.: 22» Schlüssel: 11. Gehülfe: 22. Selbsthülfe: 1. Gemeinschaft: 21. Strafantrag: 16. . Mitthäter: 11. • Pflichtversäumniß r 27. Strafau-schließung: 16. Strafgesetz» Unkenntn.: 15. Feststellung: 4—6. Strafmilderung: 17. Förmlichkeit: 9. Strafverfolgung: 18. Frevelhaftigkeit: 2. Thatumstand: 11. Gehülfe: 10. 22. Theilnahme: 2. 10. 22. Gestattung, bedingte: 9. Uebertretungen: 9. 18a. Handlung, strafbare? 8. Unkenntniß. 5. 13. 15 25. Irrthum: 16—18. Verwandtschaft: 11. Kenntniß r 5. 12. 13. Verwechslung: 2. . wann? 12. Vorsatz: 1. 2. 4. Mild. Umstand: 17. Vorschrift, polizeiliche: 9.16.25. Nichtkenntniß, Grund : 13. Wille: 1. 2. Objekt, Treffen: 2. 3. Zurechnung-fähigkeit: 8. Omissivdelikt: 9. Zweck: 1. Person, Beziehung: it.

1. Abgesehen von den FahrlässigkeitSvergehen und denjenigen Mißthalen, welche lediglich in der Nichtbefolgung eines zu einem Thun verpflichtenden Gebots bestehen, fetzt jeder Straffall die Vorsätzlichkeit der Handlung d. h. den Willen voraus, sie zu begehen; sie muß aus diesem Willen hervorgegangen sein. DaS gilt nicht blos da, wo das Gesetz diese „Vorsätzlichkeit" als Begriffsmerkmal ausdrücklich her­ vorhebt, sondern allgemein; es tritt daher Straflosigkeit ein, wenn der Thäter handelt, ohne daß sein Wille auf dieses Handeln gerichtet war: Beifp. eine Abgabenhinterziehuug: ZI. 15. Febr. 56 c. Retzlaff (dem Angeschuldigten war das Pferd durchgegangen und er so ohne seinen Willen mit steuerpflichtigen Waaren

144

Thl. I. Abschn.

IV.

Straf-AuSschließung u. Milderung. — § 59.

Bei der Bestrafung fahrlässig begangener Handlungen gilt diese Bestimmung nur insoweit, als die Unkenntniß selbst nicht durch Fahrlässigkeit verschuldet ist. [I. Enlw.:

§ 52; H.

Entw.:

§ 57;

Pr. StGB.:

§ 44.]

Dgl.

§ 50.

am Ansagebüreau vorbeigefahren). — Waltet dagegen beim Thäter im Augenblicke der Handlung der Wille ob, sie zu begehen, so kommt es (in Ermangelung aus­ drücklicher das Gegentheil auösprechender GesetzeSvorschriften) weiter nicht daraus an, welche Absicht ihn leitete, und welchen Zweck er durch seine That verfolgte. Eine Handlung hört deshalb nicht auf, eine vorsätzlich verübte zu sein, weil Absicht oder Zweck erlaubt oder gar berechtigt waren, -- B. wenn sie zur Abwehr eines Angriffs oder zur Ausübung einer (an sich statthaften) Selbsthülse geschah; sie bleibt sonach strafbar, insofern nicht die Voraussetzungen der Nothwehr oder eineNothstandes vorlagen: DU. 8. Nov. 66, ZU. 22. Juli 68 (RdO. VH, 608; IX, 426). 2. In denjenigen Fällen, in welchen es zum Begriffe eines StraffalleS gehört, daß ein bestimmtes Objekt (Person oder Sache) durch die vorsätzliche Handlung des Thäters betroffen worden sei, ist dem Erfordernisse der „Vorsätzlichkeit" nicht genügt, wenn der Thäter nur die äußere Handlung (z. B. einen Schlag, das Ab­ feuern eines Schusses ic.) gewollt hat; vielmehr bedarf es auch noch des Bewußt­ seins des Thäters im Augenblicke der That, daß dieselbe daS (demnächst getroffene konkrete) Objekt treffen werde: ©II. 6. Okt. 61, Dil. 9. Nov. 65 (RdO. I» 532; VI, 449). Waltete dieses Bewußtsein ob, so ist eS gleichgültig, ob auch die Absicht dahin ging, gerade jenes Objekt zu treffen: ZPl. 3. Apr. 71, ZI. 22. Jan. 75 (RdO. XII, 194; XVI, 73); eine Verwechslung, welche es herbeiführt, daß der zur Ausführung gebrachte Wille sich gegen ein anderes Objekt richtete, als beabsich­ tigt war, schließt die Vorsätzlichkeit der Handlung in Beziehung aus daS wirklich ge­ troffene Objekt nicht aus; vgl. § 211 n. 9. Ebenso handelt Derjenige, welcher in der Absicht, ein bestimmtes Individuum zu tödten, einen explodirenden Gegenstand unter eine größere Menge wirft und eine Mehrheit derselben tobtet oder verletzt, in Betreff Aller vorsätzlich, wenn er, die allgemein zerstörende Wirkung deS Mittels kennend, dasselbe gegen die anwesende Menge (also auch gegen jeden Einzelnen der­ selben) zur Anwendung bringt und grade durch die sich weithin erstreckende Wirkung auch den Einzelnen, gegen welchen sich seine Absicht richtete, zu treffen bemüht ist; vgl. BGr. § 98. Dasselbe gilt da, wo sich eine Handlung (z. B. ein Schuß) ge­ wollter Weise gegen eine Mehrheit von Personen richtete mit der Absicht, eine der­ selben zu treffen: ZI. 22. Jan. 75. (RdO. XVI, 73). DaS Gesagte findet auf alle Theilnehmer Anwendung: ZU. 2. Febr. 65 (RdO. V, 444). — Begeht dagegen Jemand eine bestimmte Handlung nur mit dem Bewußtsein der Möglichkeit, daß durch dieselbe eine bestimmte Wirkung auf ein konkrete- Objekt hervorgebracht wer­ den könne, so liegt nur eine Frevelhaftigkeit (Fahrlässigkeit) vor. 3. Umgekehrt ist eine That, bei welcher dasjenige Objekt, gegen welche- sich die WillenSthLtigkeit des Handelnden richtete, verfehlt und dafür ein anderes außerhalb der Willen-richtung liegendes getroffen wird (Aberration), in dieser Beziehung nicht vorsätzlich verübt; vgl. § 211 n. 10. 4. Da, wo das Gesetz ausdrücklich die „Vorsätzlichkeit" der Handlung als wesentliches Begriffsmerkmal hervorhebt, muß der Jnstanzrichter nach Maßgabe der geltenden Ptozeßgesetze sich über da- Vorhandensein oder Nichtvorhandensein jeneDolus ebenso ausdrücklich aussprechen; eine Derurtheilung ist nur dann gerecht­ fertigt, wenn die thatsächliche Feststellung jene „Vorsätzlichkeit" mit umfaßt. — Hat dagegen das Gesetz dieser Vorsätzlichkeit in der Begriffsbestimmung keine Er­ wähnung gethan, sie vielmehr als selbstverständlich vorausgesetzt, so bedarf eS nach Pr. Verfahren jener Feststellung nur, wenn das Vorhandensein derselben bestritten worden ist, oder wenn in schwurgerichtlichen Sachen die Aufnahme derselben in die Fragstellung ausdrücklich beantragt war. Aehnlich in Bayern: Münch. 27. Jan. 74 (StZ. m, 316). Anders unter der Herrschaft der'RStPO. insofern, als gemäß § 293 ib. jene Aufnahme in die schwurgerichtliche Fragestellung, selbst wenn sie -eantragt worden, unterbleiben muß.

Thl. I. Abschn. IV.

Stras-AuSschließung u. Milderung. — § 59.

145

5. Lus alle bisher erwähnten Fälle bezieht sich § 59 nicht; er hat eS nicht mit der Vorsätzlichkeit und überhaupt nicht mit der Willensrichtung zu thun, aus welcher die Handlung hervorging, sondern lediglich mit der Kenntniß des Thäters von anderen (außerhalb der Handlung selbst liegenden) zum gesetzlichen Thatbestände gehörenden oder seine Strafbarkeit erhöhenden Tbatumständen. Insoweit das Gesetz eine solche Kenntniß (da- Wissen) gewisser Thatumstände ausdrücklich als BegriffSmcrkmal hervorhebt, versteht es sich wiederum von selbst, daß der Instanzrichtn über diese nach Maßgabe der Prozeßgesetze eine ausdrückliche Feststellung treffen muß, daß also das im Eingänge der n. 4 Gesagte hier ebenfalls zutrifft. 6. Anders gestaltet sich dagegen die Sache, wenn die gesetzliche Begriffsbe­ stimmung der Kenntniß des Angeschuldigten von jenen Thatumständen (n. 5) keine ausdrückliche Erwähnung thut. Auch in diesen Fällen ist sie, nach der positiven Vorschrift des § als ein (unterstelltes und somit selbstverständliches) BegriffsMerkmal anzusehen, dessen Abwesenheit Straflosigkeit zur Folge hat; es würde daher nach allgemeinen prozeßrechtlichen Grundsätzen das unter n. 4 a. E. und n. 5 Ge­ sagte auch hier zutreffen, und die Feststellung jener Kenntniß in positiver Form („daß der Angeschuldigte bei seiner Handlung jene Thatumstände gekannt oder gewußt habe") wenigstens dann unerläßlich sein, wenn dieselbe bestritten oder eine sie betreffende schwurgerichtliche Fragstellung beantragt worden ist. Aus praktischen Gründen hatte aber bei der Abfassung des Pr. StGB.'S (§ 44) die Kommission der n. K. (auf deren Vorschlag der cit. § aus § 60 des Entwurfs von 1847 in das Pr. StGB, übernommen war: KBII. s. 39) vorgezogen, die „Unbekanntschaft" unter den „die Strafbarkeit ausschließenden Gründen" (Tit. IV, I. c.) aufzuführen, um die Beweiserhebung in Beziehung auf dieses, lediglich im Innern des Ange­ schuldigten zu suchende, BegriffSmerkmal nicht zu sehr zu erschweren. Man ging davon auS, daß der vernünftige Mensch bei einer freiwilligen Handlung in der Regel ihre Bedeutung vollständig zu übersehen vermag, daß in den meisten Fällen der Mangel einer genauen Kenntniß der begleitenden äußeren Umstände lediglich auf einer Frevel­ haftigkeit zu beruhen pflegt, und daß daS Erforderniß eines positiven Nachweises für die vorhanden gewesene Kenntniß säst regelmäßig Straflosigkeit nach sich ziehen würde. — Dieser Auffassung hat sich auch § 59 angeschlossen, indem er die Nicht Zurechnung der (äußeren) die Strafbarkeit bedingenden oder erhöhenden Umstände davon abhängig macht, daß der Thäter sie „nicht kannte" (Abs. 2: ..Unkenntniß"; vgl. die Motive s. 74). ES muß daher, damit der § Anwendung finde, ausdrücklich festgestellt sein, daß der Angeschuldigte „bei Begehung der That den fahr. Thatumstand nicht ge­ kannt habe", oder daß er ihm „unbekannt gewesen sei". Ebenso muß im schwur­ gerichtlichen Verfahren die Frage dahin gerichtet werden: „Ist dem Angeklagten der fahr. Thatumstand (z. B. das noch nicht vierzehnjährige Alter eines unzüchtig be­ handelten Kindes) unbekannt gewesen?": ZPl. 12. Juni 54 (Entsch. 28 s. 184); ZU. 27. März 73 (RdO. XIV, 220); Münch. 8. März 72 (BEntsch. II, 48: ee genüge daö Bewußtsein des Angeschuldigten, daß er es möglicher Weise mit einer Person unter vierzehn Jahren zu thun habe); ebenso: Dreöd. 5. Nov. 75 (SGZ. XX, 204; die Strafbarkeit werde daher nicht beseitigt, wenn der Thäter e- darauf ankommen lasse, in welchem Alter das Kind sich befinde); demgemäß bleibt § 59 ausgeschlossen, wenn die Geschwornen die Frage nach der „Unbekanntschaft" mit dem Alter des mißbrauchten Kindes (§ 176 Nr. 3 cit.) dahin beantworten: „Nein, es konnte dem Angeklagten bekannt sein": Zll. 27. Febr. 62 c. Thielemann; Darmst. 9. Nov. 74 (HEntsch. 74 II. B. s. 8). Contra: ZI. 10. Dez. 75 (RdO. XVI, 792; die Unkenntniß könne ebensowohl durch die positive Frage nach der Bekanntschaft, als durch die negative nach der Unbekanntschaft festgestellt werden); GA. IX, 748; Münch. 4. Dez. 76 (BEntsch. VI, 579); Rüd. s. 205. 206; ML. s. 169; Schw. s. 261. 472; Binding II s. 608, v. Duri i. GSaal 29 Beil. s. 191. Vgl. n. 14. — Unter der Herrschaft der RStPO. kommt, was die Fragestellung in Schwur­ gerichtssachen betrifft, das oben f. 124 n. 8 a. E. Gesagte zur Anwendung; vgl. Schw. StPO. f. 461; Löwe StPO. s. 687. 7. Die (festgestellte) Zurechnungsfähigkeit des Angeschuldigten schließt es nicht aus, daß er die That ohne Kenntniß von den ihre Strafbarkeit bedingenden Umständen verübt haben könne: BI. 13. Mai 68 (RdO. IX, 313).

Oppenhoff, D. Strafgesetzbuch. 7. Au-g.

10

146

Thl. I Abschn. IV. Straf-AuSschließung

il

Milderung. - § 59.

8. Die Ausdrucksweise „bei Begehung einer strafbaren Handlung" ist nicht korrekt, weil, wenn'dem Thäler ein zum gesetzlichen Thatbestände gehörender That. umstand (Merkmal) nicht zugerechnet wird, ferne Handlung nicht „strafbar" ist; jene Worte stnd daher auf den objektiven Thatbestand zu beschränken. 9. Der Grundsatz des § gilt allgemein, also auch bei Abgaben- (z. B. Wechselstempel.) Hinterziehungen: ZU. 26. Okt. 75 (RdO. XVI, 690); desgleichen bei Uebertretungen; vgl. OHG. 20. Sept. 72, ZU. 15. Jan. 74 (StZ. II, 17; RdO. XV, 30) und unten n. 18a. Inwiefern dies bei gewissen Uebertretungen eine Ausnahme bzw. Einschränkung erleide, darüber vgl. Thl. II. Abschn. 29 n. 9. 10. Aus der ALgemeingeltnng deö § (n. 9) folgt ferner, daß er nicht uur beim Thäter i. e. S., sondern bei Jedem Anwendung findet, welcher für eine Miß­ that verantwortlich ist, also auch beim Anstifter, Gehülfen und Begünstiger: (Deisp.: wenn der Gehülfe die RückfLlligkeit des HauptthäterS nicht kannte; vgl. Schütze f. 129 n. 10). In Betreff der Strafbarkeit dieser Personen in solchen Fällen, wo der Hauptthäter straflos bleibt, weil ihm § 59 zur Seite fleht, vgl. tz 48 n. 7. 10a. Ebenso kommt § 59 dem verantwortlichen Redakteur einer periodischen Druckschrift zu Gute, falls dessen Thäterschaft an fich, bezw. im Uebrigen nach § 20 des RPreßgesetzeS feststeht; die Schlußworte dieses § „wenn nicht durch besondere Umstände die Annahme seiner Thäterschaft ausgeschlossen ist", find namentlich nicht etwa an Stelle des § 59 getxeten, da fie fich nur auf die äußere That beziehen, mithin blos den Fall vor Augen haben, wo die (äußere) Thäterschaft des Redakteurs überhaupt nicht anzunehmen ist: ZPl. 9. Okt. 76 (RdO. XVII, 645). 11. Vorausgesetzt wird die Unkenntniß eines „zum gesetzlichen Thatbestände (d. h. also zu den wesentlichen Begriffsmerkmalen) gehörenden oder die Strafbarkeit erhöhenden ThatumstandeS", also irgend eines thatsächlichen Bestandtheiles des betr. Straffalles. Als derartige Thatumstände stnd anzusehen die in der Begriffs­ bestimmung eines Straffalls vorausgesetzte RechtSwidrigleit der Handlung oder die die Strafbarkeit bedingenden oder erhöhenden Eigenschaften und Verhält­ nisse einer Person (sei es des Angeschuldigten oder eines Dritten) oder Sache, mag die letztere durch die Handlung betroffen oder zu ihrer Verübung angewendet fein; Deispp.: Alter, Beamtenqualität, verwandtschaftliche Beziehung, die Eigenschaft eines Schlüssels als eines für ein Schloß bestimmten (§ 243 Nr. 3) rc. In allen diesen Fällen kommt es aber nur auf die Kenntniß von wirklichen äußerlich erkenn­ bar werdenden „Thatumständen", nicht auf die der rechtlichen Folgen an, welche fich an jene knüpfen; sonach genügt es, wenn der Thäter weiß, daß bei Jemanden die Voraussetzungen deS Art. 4 des HGB.'S zutreffen, sollte eS ihm auch unbekannt fein, daß derselbe deshalb gesetzlich ein „Kaufmann" sei: ZU. 4. März 75 (RdO. XVI, 196). 12. Entscheidend ist nur die Kenntniß, welche „bei Begehung der Hand­ lung" obwaltete; eS kommen daher nur solche Thatumstände in Betracht, welche zur Zeit jener Begehung bereits „vorhanden" waren, und somit dem Handelnden be­ kannt sein konnten. Demgemäß findet der § in solchen Fällen, in welchen die Straf­ barkeit einer Handlung durch den demnächstigen Eintritt eines nicht gewollten Er­ folgs bedingt oder erhöht wird, auf die Kenntniß von diesem Erfolge oder der Möglichkeit (Wahrscheinlichkeit) eines solchen keine Anwendung; Beispp.: §§ 224. 226. 227. 307. 312. 314-316 321-324. 326—328. Vgl. n. 19 a. C.; § 224 n. 12. 13. War dem Thäter einer der im § erwähnten Thatumstände unbekannt, so ist es gleichgültig, wodurch diese Nichtkenntniß veranlaßt worden, ob fie ent­ schuldbar war oder nicht; der § bleibt nicht deshalb außer Anwendung, weil „bem Angeschuldigten der betr. Umstand nur in Folge seiner eigenen Unachtsamkeit ent­ gangen sein könne": BII. 7. Spt. 65 u. 4. Jan. 79 (RdO. VI, 290; XX, 8). Da­ gegen kann in einem solchen Falle ein FahrläsfigkeitSvergehen vorliegen. 14. Aus dem unter n. 6 Gesagten ist nicht zu folgern, daß dem Angeschnlhißten die Beweislast in Betreff seiner Unbekanntschast obliege, daß also in Er­ mangelung eines solchen von ihm geführten Beweises die betr. Frage mit rechtlicher Nothwendigkeit zu verneinen sei: Motive s. 76; ZI. 10. Dez. 75 (RdO. XVI, 792: erklärte geradezu, daß im Falle der behaupteten Unbekanntschast gegen den Ange­ schuldigten der Beweis der Bekanntschast zu liefern sei); der Richter hat daher auch

Thl. I. Abschn. IV.

Straf-AuSschließung u. Milderung. — § 59.

147

in Betreff dieses Punktes von Amtswegen die nöthigen Ermittelungen anzustellen: ZI. 13. Nov. 63, ZI. 21.Febr. 66 (RdO. IV, 200; VII, 114). Nach Pr. Ver­ fahren ist eine ausdrückliche Frag- und Feststellung über diesen Punkt da (aber auch nur da) unerläßlich, wo der Angeschuldigte seine Unbekanntschast behauptet und die Stellung einer sie belr. Frage beantragt hat; vgl. CG. z. Pr. StGB. Art. XXIV; NStPO. § 319. — Dereinst kommt das oben f. 124 v. 8 a. E. Gesagte zur Anwendung; vgl. n. 6 a. E. 15. Auf die Unkenntniß des Strafgesetzes und auf den s. g. RechtSwahn findet § 59 keine Anwendung; das Gegentheil ist der Fall, wenn die Unbekauntschaft mit dem Vorhandensein von ThatbestandSmomeuteu auf einem RechtSirrthum beruht: ZI. 15. März 76 (RdO. XVII, 199); insbesondere also, wenn ein Rechtsirrthum bezüglich der bei Beurtheilung eines StrafialleS in Betracht kommen­ den civilrechtlichen Berhältniffe vorliegt: AehnlicheS gilt aber auch von einem Irr­ thume rückfichtlich der Grundsätze des Kirchenrechts: ZU. 4. Mai 76 (RdO. XVII, 320); vgl. in Betreff des Näheren Thl. I. Abschn. 4 (f. 123) n. 7. 16. Ebenso bleibt der § außer Anwendung, wenn der Angeschuldigte irriger Weise daS Vorhandensein eines StrafanSschließungSgrundeö annahm; das­ selbe gilt, wenn Jemand eine Handlung, welche nach polizeilichen Vorschriften nur beim Vorhandensein gewiffer Bedingungen gestattet ist, in der irrigen Meinung vornimmt, jene Bedingungen seien erfüllt: BII. 4. Dez. 62 (RdO. HI» 152); vgl. n. 9, 17. Dagegen tritt auch in solchen Fällen Straflosigkeit ein, wenn es dem Thäter in Folge jenes Irrthums an dem zum Thatbestände erforderlichen Dolus fehlte; ein Beisp.: § 53 n. 10. 17. Die gleichen Grundsätze (n. 16) find maßgebend, wenn der Angeschuldigte bei der That irriger Weise daS Vorhandensein eines strafmildernden Umstandes annahm, z. B. wenn der Todtfchläger deshalb in Zorn versetzt war, weil er die irrige Meinung hegte, daß der Getödtete ihn schwer beleidigt habe (§ 213), oder wenn ein prasmüudiger Thäter sich irrigerweise für strafunmündig hielt; vgl. n. 16. 18. Ebenso verhält eS sich, wenn der Irrthum des Thäters nicht ein Thatbe­ standsmerkmal, sondern ein lediglich die Statthaftigkeit der Strafverfolgung be­ dingendes Moment zum Gegenstände hatte, z. B. wenn er irriger Weise annahm, es liege ein Grund vor, welcher die Verfolgung von einem Strafantrage abhängig mache; Reber n. 118; contra: Schw. f. 260. 627; vgl. § 247 n. 12. 18a. Die Bestimmung des Abs. 2 soll gegen die Anschauung sichern, als ob dadurch, daß die Zurechnung der im § erwähnten Umstände zum dolus ausge­ schlossen ist, auch eine Zurechnung zur culpa nicht stattfinde, vorausgesetzt, daß die Handlung selbst zu denjenigen gehört, welche im Gesetze auch dann, wenn sie nur aus Fahrlässigkeit begangen werden, mit Strafe bedroht find: Mot. s. 75. Die Worte „fahrlässig begangene Handlungen" find daher nicht ausschließlich auf die eigentlichen FahrlässtgkeitSvergehen (n. 19ff.), d. h. diejenigen Mißthaten zu be­ ziehen, welche begriffsgemäß eine Fahrlässigkeit zur nothwendigen Voraussetzung haben und insofern den Gegensatz bilden nicht blos zu den vorsätzlichen, sondern auch zu solchen Mißthaten, bei denen die Vorsätzlichkeit zwar kein Thatbestandsmoment ist, der Thatbestand aber durch die Vorsätzlichkeit des strafbaren Handelns nicht ausge­ schlossen wird (vgl. z. B. § 145 n. 5; § 330 n. 8), sie umfassen vielmehr auch die Mißthaten der letzterwähnten Art, insoweit fie „fahrlässig begangen" find. Münch. 4. Dez. 76 (BEntsch. VI, 579) wandte den Abs. 2 demzufolge auch aus alle „Uebertretungen" an, bei welchen die Vorsätzlichkeit nicht zum Thatbestände gehört; ähnlich: Münch. 3. Nov. 73, 24. Dez. 74 (BEntsch. III, 497; IV, 601); vgl. jedoch Thl. II Abschn. 29 n. 8—10. — Damit die Straflosigkeit gemäß Abs. 2 ausgeschloffen sei, wird der Beweis erfordert, daß die Unkenntniß durch Fahrlässigkeit verschuldet war; der mangelnde Beweis des Gegentheils genügt dazu nicht; so: eit. Münch. 4. Dez. 76; vgl. übrigens oben n. 6. 14. 19. Bei den eigentlichen FahrlässigkeitSvergehen des StGB.'S (mit Ausnahme des fahrlässigen Falscheides und der im RGes. v. 21. Mai 1878 § 3 vor­ gesehenen Zuwiderhandlung) besteht daS Wesen der Strafbarkeit darin, daß durch einen vermeidlichen Irrthum oder den Mangel an der nöthigen Voraussicht (Vor­ ficht) ein unbeabsichtigter verletzender Erfolg eingetreten ist; vgl. BL. s. 169. — Eine an sich befugte Handlung kann mit Rücksicht ans eine nicht gewollte Folge der-

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Thl. I. Abschn. IV. Straf-Audschließung u. Milderung. — § 59.

selben eine fahrlässige und deshalb strafbar fein, z. B. wenn Jemand bei Ausübung eines Rechts (des HauörechtS, des ZüchtigungSrechtö, der Nothwehr re.) über die statt­ haften Grenzen fahrlässigerweise hinausgeht (unbeschadet des im § 53 Abs. 3 vorge­ sehenen Strafausschließungsgrundes): ZU. 19. März 73 (RdO. XIV, 212). — Auf der anderen Seite läßt das Gesetz bei einzelnen strafbaren Handlungen den Thäter unbedingt für die verursachte, aber nicht gewollte Folge haften (§§ 220. 221. 224. 226. 227. 307. 309. 312. 314. 316. 321-324. 327. 328); bei diesen kommt eS auf eine Fahrlässtgkeit in Betreff der letzteren nicht an; vgl. § 222 n. 13. 14. 20. Nach dem unter n. 19 aufgestellten Satze ist die Frage, ob das Verhalten des eines Fahrlässigkeitövergehens Beschuldigten ein „fahrlässiges" gewesen sei, nicht in abstracto, sondern mit Rücksicht aus die verursachte Folge zu prüfen: eS ist daher nicht entscheidend, ob die Handlung an sich eine unvorsichtige oder gar verbotene, z. B. gegen ein Gesetz oder eine Polizeiverordnung verstoßende war: ebenso bleiben civilrechtliche Landesvorschriften (z. B. ALR. I, 6 8 10 ff.) hier außer Betracht; vielmehr kommt eö wesentlich daraus au, ob die Möglichkeit der durch die Handlung verursachten Folge eine so naheliegende war, daß der Angeschuldigte sie bei gewöhnlicher Sorgfalt und Umsicht erkennen konnte und demgemäß sein Thun und Lasten einrichten mußte: ZU. 1. Febr. 72, ZN. 14. März 72, ZI. 20. Nov. 74, ÖL 5. Ott. 77 (RdO. XIII, 110. 209; XV, 808; XVNI, 623); Manh. 14. Dez. 72 (VAnn. 39 s. 17). Dabei ist selbstverständlich das Maß der eigenen UrtheilSfähigkeit und Einsicht des Angeschuldigten in Betracht zu ziehen; im Uebrigen aber kommt eS, wenn die obigen Voraussetzungen zutreffen, auf den Grad (das Maß) der Verschuldung nicht au: ZU. 18. Jan. 66, ZN. 20. Oft. 70 (RdO. VN, 35; XI, 525); HS. II, 74. — Sonach ist eS keineswegs erforderlich, daß der Angeschuldigte sich jener Möglichkeit wirklich bewußt gewesen fei: cit. Manheim, — und noch we­ niger, daß er die Gefahr gewollt habe; contra: John: sortges. Bbr. s. 71. — All­ dem Gesagten folgt, daß ein Verhalten, welches mehrere Folgen nach sich zog, sehr wohl in Beziehung auf eine derselben ein fahrlässiges sein kann, während ihm diese Eigenschaft in Betreff anderer nicht beiwohnte, sollten letzere auch auö jener hervor­ gegangen fein, z. B. wenn eine fahrlässig verursachte Körperverletzung in einer nicht vorherzusehenden Weise den Tod deS Verletzten nach sich zog. 21. Die eingetretene Folge (n. 19) muß durch das fahrlässige Verhalten des Angeschuldigten „verursacht" („herbeigeführt") sein (vgl. § 222. 230. 309. 314. 329 — und außerdem §§ 121. 163. 318. 319. 326. 345. 347). ES genügt daher nicht, daß nur überhaupt eine gleiche Folge wie die eingetretene, durch die Fahrlässigkeit hätte bewirkt werden können, vielmehr muß der wirklich eingetretene Erfolg in seiner individuell-konkreten Gestaltung durch das fahrlässige Verhalten ver­ ursacht sein: VII. 7. Juni 77 (RdO. XVIII, 370); vgl. § 222 n. 3. — Ob eine fahrlässige Handlung und ein eingetretener Erfolg miteinander in ursächlichem Zu­ sammenhange stehen, ist Sache der thatsächlichen Feststellung: DreSd. 15. Juni 77 (SGZ. 22 s. 81). 21a. ES genügt, wenn jene Folge auch nur mittelbar durch die fahrlässige Handlung veranlaßt worden ist: ZU. 1. Febr. 72, ZU. 9. Jan. 73, ZU. 3. Dez. 74 (RdO. XIII, 110; XIV, 35; XV, 843); Manh. 25. Mai 72, 15. Juni 72, 20. Dez. 73 (BAnn. 38 s. 201. 203; StZ. III, 328); dabei ist eS gleichgültig, ob ihr Eintritt ein nothwendiger war, oder ob dieser möglicher Weise noch abzuwenden gewesen wäre: ZI. 14. Sept. 66 (RdO. VII, 477). Endlich kann auch nicht gefordert werden, daß die Handlung des Angeschuldigten die alleinige Ursache der eingetretenen Folge gewesen sei; selbst wenn zu dieser andere, vom Angeschuldigten nicht ausge­ gangene Thatumstände mitwirkten, genügt es für seine Haftbarkeit, wenn sein Thun wesentlich zur Herbeiführung der Folge mitgewirkt hat, und mit Rücksicht auf die vorauszusehende Möglichkeit eines solchen Kausalzusammenhanges in seiner Person ein fahrlässiges war (n. 20); vgl. die oben eilt. Entscheidungen, ZI. 23. Juni 71, Wolfenb. 19. Nov. 72 (RdO. XII, 346; StRZ. XIII, 94). Daö gilt namentlich, wenn der Angeschuldigte bei seinem Thun jene außerdem mitwirkenden Umstände kannte, oder doch die naheliegende Möglichkeit ihres spätern Eintritt- zu übersehen vermochte, und dennoch die nöthige Vorsicht verabsäumte. 22. Nach diesen Gesichtspunkten (n. 20 ff.) ist auch der Fall zu beurtheilen, wo das zusammentreffende fahrlässige Verhalten Mehrerer irgend ein unglückliche-

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Ereigniß zur Folge gehabt, oder wo zu demselben ein eigenes (fahrlässiges oder vorsätzliche-) Handeln des vom Unglücksfalle Betroffenen mitgewirkt hat. Auch hier kommt es daraus an, inwiefern das Thun des einzelnen Angeschuldigten im Hinblicke aus jenen Gesammterfolg ein „fahrlässiges" und für den Eintritt desselben so bedeutsam war, daß eS als durch ihn (mit») verursacht (herbeigeführt) angesehen werden kann. Kannte der Angeschuldigte daS vorhergegangene (vorsätzliche oder fahr­ lässige) Verhalten der Andern, oder konnte er die Möglichkeit eines künftigen der­ artigen Verhaltens voraussehen, so ist ihm auch dieses als eigene Fahrlässigkeit zu­ zurechnen: ZU. 30. Juni 74, ZI. 23. Okt. 74 (RdO. XV, 458. 712). — Hiernach kann eö sehr wol geschehen, daß mehrere Personen als fahrlässige Urheber eines Vergehens anzusehen, oder daß neben einem vorsätzlich handelnden Thäter noch ein zweiter vorhanden ist, welcher auS Fahrlässigkeit zur Herbeiführung des durch jene Tbat bewirkten Erfolges mitgewirkt und sich dadurch der fahrlässigen Verursachung desselben schuldig gemacht hat. Dagegen darf man in einem solchen Falle nickt von einer „Mitthäterschaft" oder von einem „gemeinschaftlichen fahrlässigen Handeln" sprechen, da diese Begriffe durch die Gemeinschaft des Dolus bedingt sind; vgl. § 47 n. 10; es ist daher auch gleichgültig, ob zwischen den Thätigkeiten der ein­ zelnen Mitwirkenden eine Verbindung oder Beziehung stattfand, oder nicht; vgl. ZU. 18. Febr. 69, ZU. 26. Jan. 75 (RdO. X, 102; XVI, 76). 23. AuS dem Gesagten (n. 22) folgt ferner, daß eine Handlung, welche, wenn vorsätzlich begangen, nur unter den Begriff der Anstiftung oder Beihülse zu der Mißthat eines Andern fallen würde, als fahrlässige Thäterschaft angesehen werden kaun, z. B. wenn Jemand fahrlässiger Weise etwas sagt oder thut, wodurch er (ohne eS zu wollen) bei einem Andern den Entschluß zur Begehung einer Mißthat hervorruft, oder dem Urheber einer (vorsätzlichen oder fahrlässigen) Mißthat Hilfe leistet, bezw. die Mittel zur Verübung gewährt (unvorsichtiges Stehenlassen eines geladenen Gewehrs, mit welchem ein anderer eine Tödtung bewirkt rc.). Dasselbe gilt von Demjenigen, welcher vorsätzlich einen Andern zu einem fahrlässigen Verhalten mit dem Bewußtsein veranlaßt, daß durch dasselbe ein Unglück herbeigeführt werden könne. Es konkurriren dann ein fahrlässiger Urheber neben einem vorsätzlichen, oder zwei (selbstständige) fahrlässige Urheber; contra: ML. s. 172, welcher die fahrlässige Veranlassung der fahrlässigen That eines Andern nicht für strafbar erachtet. — Dagegen ist eine „Theilnahme" an einem Fahrlässigkeitsvergehen ebensowenig denkbar, wie eine „Theilnahme aus Fahrlässigkeit": ZII. 26. Jan. 75 (eit. n. 22); vgl. Thl. I. Abschn. UI, n. 7. 8 und § 48 n. 22. 24. Nach den entwickelten Grundsätzen (n. 20 ff.) versteht eS sich von selbst, daß die Verantwortlichkeit des Urhebers eines Fahrlässigkeits-Vergehens dadurch nicht ausgeschlossen wird, daß die mögliche Abwendung der Gefahr durch daS Versehen eines Dritten unterblieben ist; vgl. ZI. 8. Mai 72 (RdO. XIII, 297); Manh. 14. Dez. 72 (BAnn. 39 f. 17). 25. Die Unkenntniß eines Gesetzes (eines civilrechtlichen Grundsatzes) oder einer Polizeivorschrift ist für sich allein noch nicht als „Fahrlässigkeit" anzusehen: DII. 15. Dez. 74. ZI. 9. Apr. 75 (RdO. XV, 871; XVI, 279); vgl. n. 20. Wohl aber kaun sie in einer solchen ihren Grund haben: ZI. 18. Sept. 78 (RdO. XIX, 422: betraf einen fahrlässigen Falscheid). 26. Der Eintritt in eine Thätigkeit ohne den Besitz der hierbei als nothwendig vorausgesetzten Befähigung und Kenntnisse kann im Falle eines demnächst einge­ tretenen unglücklichen Erfolgs dieser Thätigkeit als „Fahrlässigkeit" angesehen werden, wenn der Handelnde sich seiner Unkenntniß bewußt sein mußte und sonach den ein­ getretenen Erfolg vorhersehen konnte (n. 20): ZI. 2. Nov. 75 (RdO. XVI, 705). Namentlich entbindet der Umstand, daß die Gewerbe-Ordnung den Betrieb gewisser Gewerbe, z. B. des Bauhandwerks, nicht mehr von dem Nachweise einer besonderen Befähigung abhängig macht, keineswegs von der Pflicht, den Mangel der eigenen Kenntniß nöthigenfalls durch Heranziehen Sachverständiger zu ersetzen: ZII. 30. Mai 76 (RdO. XVII, 394). 27. Ein Fahrlässigkeitövergehen kann durch kulpose Berabsäumung einer Pflicht (z. B. einer Berufspflicht) verübt werden: ZPl. 24. Sept. 60 (JMbl. f. 421); ZI. 7. Apr. 69, ZI. 4. Febr. 70 (RdO. X, 203; XI, 78); Beisp.: wenn ein Gastwirtb

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Thl. I. Abschn. IV. Straf-AuSschließung u. Milderung. — §§ 59. 60.

§. 60. Eine erlittene Untersuchungshaft kann bei Fäl­ lung des Urtheils auf die erkannte Strafe ganz oder theilweise angerechnet werden. (I. Ente.: § 53; II. (Sitte.: § 53; Pr. StGB, (statte)]. einem kranken Reisenden die Aufnahme versagt (vgl. § 221 n. 5): ZI. 8. Juni 59 (GA. VII, 551), oder im Falle des § 367 Nr. 12: ZI. 29. Sept. 71 (RdO. XH, 480). 28. Insoweit es sich von demselben Thun derselben Person und von derselben Wirkung diese- Thuns handelt, schließen sich Vorsah und Fahrlässigkeit wechselseitig aus; es darf daher der Richter, welcher die vorsätzliche Herbeiführung eines Erfolges für erwiesen erachtet, nicht wegen fahrlässiger Verursachung desselben strafen. Doch kann Fahrlässigkeit nicht lediglich aus dem Umstande gefolgert werden, daß die Vor­ sätzlichkeit nicht erwiesen sei; vgl. VII. 21. Sept. 75 (RdO. XVI, 590). 29. War die Handlung, durch welche fahrlässiger Weise eine Folge verursacht worden ist, auch an sich strafbar, so liegt Ideal-Konkurrenz vor. 30. Ein Bau-Unternehmer wird nicht dadurch von der Verantwortlichkeit für sein eigenes fahrlässiges Verhalten befreit, daß er einen anderen Baumeister mit der Leitung eines ihm aufgetragenen Baues betraute: ZI. 27. Juni 67 (RdO. VIII, 552).

§ 60.

1. „Untersuchungshaft" ist die Entziehung der Freiheit, welche aus Veranlassung einer präsumtiv verübten strafbaren Handlung gegen den Urheber derselben zum Zwecke und während der Untersuchung von der dazu berufenen Behörde ins Werk gesetzt ist; somit gehört auch die erste polizeiliche Festnahme hierher: 2. 4. Jan. 73 (RdO. XIV, 21: schloß aber eine einstweilige Detention in der eignen Wohnung oder in einem Wachtlokale rc. auS). 2. Die re. Untersuchungshaft kaun nur „bei Fällung des Urtheils" auf die „erkannte" Strafe angerechnet werden; aus dieser Fassung folgt, daß die Vorschrift nur auf diejenige Untersuchungshaft zu beziehen ist, welche der Verurtheilte im Laufe des wegen des betr. Straff alles eingeleiteten, dem Urtheile vorhergegangenen Verfahrens erlitten hat. Sind daher gegen denselben Angeschuldigten zwei getrennte Untersuchungen geführt worden, so kann in jedem der demnächst ergehenden Urtheile nur diejenige Untersuchungshaft angerechnet werden, welche wegen dieses Strassalles ins Werk gesetzt war: Münch. 8. Febr. 73 (BEntsch. III, 58). Wird dagegen wegen mehrerer realiter konkurrirender Strassälle in einem Urtheile erkannt, so kann, selbst wenn die Voruntersuchungen getrennt geführt waren, die im Laufe einer derselben verhängte Untersuchungshaft unbeschränkt auf die erkannte Strafe angerechnet werden, sollte auch die Veranlassung zu jener Maßnahme in einem Straffalle ge­ legen haben, wegen dessen im Urtheile Freisprechung erfolgte: ZI. 16. Juli 75 (RdO. XVI, 550). 3. Nur die „bei Fällung des Urtheils" bereits „erlittene Untersuchungshaft" ist der Anrechnung fähig; es ist daher nicht statthaft, im Urtheil Bestimmung über die Anrechnung einer noch nicht erlittenen, demnächst aber bis zum Eintritte der Rechtskraft zu erleidenden Untersuchungshaft zu treffen. Dagegen ist es dem Be­ rufungsrichter unbenommen, bei der ihm zustehenden Strafabmessung auch die zwischen dem ersten und zweiten Urtheil erlittene Untersuchungshaft zu berücksichtigen. 4. Daß die Untersuchungshaft eine unverschuldet erduldete gewesen, ist nicht erforderlich, zumal die ergehende Berurtheilung nothwendig ein Verschulden voraus­ setzt; ebensowenig wird erheischt, daß jene Untersuchungshaft durch das unberechtigte Thun oder durch das Versehen eines Dritten (eines Richters, Zeugen, Mitangeschuldigten) veranlaßt worden sei. — Der Jnstanzrichter wird derartige Umstände bei dem ihm zustehenden Ermessen (n. 5) berücksichtigen. 5. Die Anrechnung kann nur „bei Fällung deS Urtheils", d. h. im Urtheile selbst „aus die erkannte Strafe" erfolgen. Eine Nachholung durch ein NachtragS-Urtheil (derselben Instanz) ist unstatthaft. 6. Die facultative Fassung des § („kann") legt dem erkennenden, die Strafe abmessenden Richter eine nach seinem Ermessen zu handhabende Befugniß bei. Findet

Thl. I. Abschn. IV. Stras-AuSschließung u. Milderung. - § 60.

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derselbe keine Veranlassung von dieser Befugniß Gebrauch zu machen, so braucht er die Nichtanrechnung nicht durch Angabe der sie veranlaffenden Gründe zu recht­ fertigen, sollte auch der Angeschuldigte die Anrechnung beantragt haben: ZI. 10. Febr. 75 (RdO. XVI, 115); nur die rechtSirrthümliche Annahme: die Anrechnung sei gesetzlich unstatthaft. könnte eine Nichtigkeit begründen. 7. Die Anrechnung soll aus „die erkannte Strafe" erfolgen (vgl. § 7: „die zu erkennende Strafe"). Es muß daher zunächst die verwirkte Strafe im Ur­ theil bestimmt, und dann nähere Verfügung darüber getroffen werden, bis zu welchem Maße die erlittene Untersuchungshaft auf diese Strafe anzurechnen sei. Nichtbeobachtung dieser Regel könnte als Gesetzeöverletzung Nichtigkeit begründen, wenn nicht zu ersehen wäre, ob bei der ersten Strafzumessung das im zutreffenden Gesetze an­ gedrohte Strafmaß inne gehalten sei. 8. In Betreff der Strasart, auf welche die Anrechnung erfolgen kann, ent­ hält das Gesetz keine Beschränkung; jene ist daher grundsätzlich nur bei denjenigen Strafen ausgeschlossen, mit deren Begriff sie unvereinbar sein würde, d. h. bei den TodeS- und bei den lebenslänglichen Freiheitsstrafen, dagegen selbst bei solchen Stra­ fen, welche nicht in einer Freiheitsentziehung bestehen (Geldstrafe, Verweis) statthaft; contra (in Betreff des Verweises und aller Ehrenstrafen): Rubo s. 502. Unzulässig würde eS dagegen sein, die Anrechnung nicht für die zunächst „erkannte" Geldstrafe sondern nur für die dieser eventuell substituirte Freiheitsstrafe vorzunehmen: VII. 11. Juli 72 (RdO. XIII, 417); vgl. n. 12. 9. Hiernach (n. 8) würde die Anrechnung aus eine Nebenstrafe grundsätzlich nicht unzulässig sein; eS springt indessen in die Augen, daß eS thatsächlich schwer zu rechtfertigen sem würde, eine verwirkte Ehrenstrafe oder die Zulässigkeit der Po­ lizeiaufsicht, die Einziehung eines einzelnen Gegenstandes oder die Vernichtung einer Schrift rc. strafbaren Inhalts durch eine erlittene Untersuchungshaft für ver­ büßt zu erachten. Insoweit die zuletzt erwähnten Maßnahmen aus sicherheitspolizei­ lichen Gründen geboten erscheinen, ist die Anrechnung gänzlich unstatthaft. — Nichts steht im Wege, die neben einer Freiheitsstrafe angedrohte Ehrenstrafe (§§ 32.35) zu erkennen, sollte auch jene Freiheitsstrafe selbst durch Anrechnung in Wegfall ge­ rathen; vgl. n. 11. 10. Auf eine zuerkannte Buße, und auf die zur Last gelegten Kosten kann eine Anrechnung nie erfolgen (sie sind nicht „Strafe"). 11. Nur „auf die erkannte Strafe" kann die Anrechnung erfolgen; die letztere ist dann als eine antezipirte Vollstreckung jener Strafe anzusehen. Daraus folgt, daß die Folgen, welche von Gesetzeswegen an eine Verurthei­ ln ng geknüpft sind (vgl. § 31), durch Anrechnung der Untersuchungshaft nicht be­ seitigt werden können. 12. In Betreff des Maßes der Anrechnung enthält der tz keine Vorschriften; eS läßt sich daher nicht ausstellen, daß die Anrechnung nur nach dem gesetzlichen Umwandlung-maßstabe der Freiheitsstrafe (§ 21) erfolgen könne, zumal da die „Unter­ suchungshaft" keiner Art der Freiheitsstrafen genau entspricht, es auch an einem Um­ wandlungsmaßstabe für die „Haft" gänzlich fehlt. Demzufolge ist der Jnstanzrichter befugt, die ganze Dauer der Untersuchungshaft auf die gleiche Dauer der verhängten Freiheitsstrafe (sollte diese auch in Zuchthaus bestehen) in Anrechnung zu bringen: ZPl. 8. April 72 (RdO. XIII, 244). Dagegen darf er die Anrechnung nicht über das gedachte Maß ausdehnen, eine längere Freiheitsstrafe nicht durch eine kürzere Untersuchungshaft für verbüßt erachten (das wäre nicht mehr eine „Anrechnung"); sonach muß der die Dauer der Untersuchungshaft übersteigende Theil der Freiheits­ strafe nothwendig aufrecht erhalten bleiben; ebenso: DI. 3. März 76, 5311.16. April 78 (RdO. XVII, 165; XIX, 227); contra: Rubo s. 502. — Bei Geldstrafen empfiehlt eS sich, sie zunächst in die entsprechende Freiheitsstrafe umzuwandeln und dann nach dem Maße dieser die Untersuchungshaft auf die ganze Strafe anzurechnen (vgl. n. 8); wird Geldstrafe neben einer Freiheitsstrafe erkannt, so entspricht es dem Gedanken des Gesetzgebers am besten, die Anrechnung zunächst bei letzterer eintreten zu lassen. Gleichwohl läßt sich in beiden Beziehungen nicht aufstellen, daß eine un­ mittelbare Anrechnung auf die Geldstrafe (nach einem vom Richter zu ermessenden Maßstabe) unstatthaft sei: Rüd. n. 5; contra: Puch. n. 5; Otto n. 3.

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Thl. I. Abschn. IV. Stras-AuSschließung u. Milderung. — §§ 60. 61.

§. 61. Eine Handlung, deren Verfolgung nur auf An­ trag eintritt, ist nicht zu verfolgen, wenn der zum Antrage 13. Alö antezipirte Vollstreckung der erkannten Strafe (n. 11) kann die An­ rechnung für den übrig bleibenden Rest keine Abänderung der St rasa rl zur Folge haben; der Rest einer erkannten Zuchthausstrafe ist sonach nicht in Gefängniß umzuwandeln, sollte er auch für sich allein die Dauer eine- Jahres nicht erreichen: Schw. f. 267; Schütze f. 189; Otto n. 6; tönern: Rüd. n. 7; vgl. § 19 n. 3. 14. Ueber die Art und Weife, wie die Anrechnung im Falle eines Wechsels in der Gesetzgebung zu bewirken fei, vgl. § 2 n. 20. §61. Anstiftung: 6. Antrag, an wen? 19. * bei wem? 19. 20. • fl. Nichtbetheiligt.: 18. Quaktfizlrung? 17. AlUragSdettkt: 1. Antragsteller, Recht: 39. Rechtsmittel? 39. Anzeige: 16. Bedingung: 23. Befassung: 17. 18. 38. Befragung: 14. Begünstigung: 6. Beleidigung: 4l. Beihülfe: 6. Berechtigter: 10. Beschränkung: 23. Beweis: 15. 35. Buße: 16. Civilklage: 12. 21. 22. 40. Einziehung: 16. Entgelt: 13. Entfch..Anfpr. 12.16.21.22.40. Ermächtigung: 5. Feststellung: 35. Form: 15. Freisprechung: 36.

Inhalt: Preßvorschr.: 2. Frist: 24-33. Prüfung v. AmtSw.: 35. . Beginn 26. Regierung, fremde: 5. 1. ► Kenntniß: 27—30. Restitution: 24. • Kenntniß, Beweis: 35. . - mehr. Betheil.: 29. Richter, Befassung: 17. 16. 39. Prüfung: 35. . „mit dem Tage": 26. SchiedSmann: 19. Monat: 25. Schrift. 17. . Nachholung: 34. . Unbrauchbarmach.: 4. Perfonen-GanzeS: 31. Strafverfolgung: 2. 18. . präklusiv: 32. . aller Beth.: 18. Unterbrechung: 32. Thäter, Bezeichnung: 18. . Dersäumniß: 32. 37. Thatbestand, welcher? 8. . Vertreter: 30. Theilnehmer: 6. Gesetzeswechsel: 44. Verfahren: 6. 36. 39. Hehlerei: 7. Vergleich: 11. 12. Inhalt: 16. Derh. pers.: 4a. 18. 23. Körperverletznng: 41. Verhaftung: 3 Konkurrenz, id.: 9. Verjährung: 26. 32. 38. Mangel, Folge - 34. 36. Versöhnung: 11. 12. Maßnahme, polizeil.: 3. Versuch: 6. Motiv: 13. Vertrag: 11. 12. Nachdruck. 42. Verzicht: 11. 12. 37. Nachholung: 34. Vorbehalt: 23. Nicht-Nichter: 35. Wiederholung: 38. Offizialdelikt: 1. Preßerzeugniß: 43. Wirkung: 38. Privatklage: 12. 21. 22.

1. Die Motive (f. 75) nennen die Strafsälle, deren „Verfolgung nur auf Antrag eintritt'': „Antragsverbrechen (-Vergehen)"; alle übrigen werden paffend als Offizialdelikte bezeichnet. Die §8 61 ff. gelten auch für diejenigen der ersteren Fälle, welche durch in Kraft erhaltene Special-Gefetze vorgesehen sind, insofern diese keine abweichenden Bestimmungen treffen: DI. 1. Nov. 78 (RdO. XIX, 510); vgl. EG. § 2 n. % Das Gegentheil gilt von den Fällen, in denen § 17 des ZollkartelS v. 9. März 1868 die staatSvertragSmäßige Verpflichtung begründet, auf Antrag einer österreichischen Behörde einzuschreiten; so: DreSd. 3. Juni 73 (SGZ. 22 f. 343). 2. Nach der ausdrücklichen Fassung des § 61 ist die Statthaftigkeit der Straf„Verfolgung" der Handlung durch den Antrag bedingt; dem entsprechend thut 8 64 Abs. 2 der in Folge der Zurücknahme des Antrags gebotenen „Einstellung des Verfahrens" Erwähnung. ES ist daher nicht korrekt, wenn die betr. Vorschriften im Abschn. IV. unter den „Gründen, welche die Strafe ausschließen rc." ihre Stelle gesunden haben, und wenn der Antrag gelegentlich (z. B. in den §§ 63. 65. 195. 198) als „Antrag auf Bestrafung" bezeichnet wird; vgl. auch B.-Nachdr.-Gef. v. 11. Juni 1870 § 27. 35; vielmehr erhellt aus der erwähnten Faffung des die ganze Materie wesentlich regelnden § 61, daß die sämmtlichen Vorschriften der §§ 61—65 nicht als materielle, den Thatbestand und die Strafandrohung betreffende, sondern recht eigentlich als solche zu betrachten sind, welche das Strafverfahren regeln, d. h. als Prozeßvorschriftert; ihre richtige Stelle würde die Strafprozeßordnung sein. Daö Gegentheil ist nicht daraus zu folgern, daß sich an die Beobachtung oder Nicht­ beobachtung derselben insofern materielle Folgen knüpfen, als die Bestrafung durch die Lerfolgnng und ihre Statthaftigkeit bedingt ist; das Gleiche tritt bei allen wesentlichen Prozeßvorschriften (z. B. bei den Nechtsmittelfristeu) ein. So: die feste Praxis des Pr. OTr.'S; vgl. n. 35 und die zu § 2 v. 18 eit. Entscheidungen; con­ tra: Schw. f. 268; Fuchs f. 33; Reber ». 55ff.; Biuding II. f. 464.

Thl. I. Abschn. IV.

Straf-AuSschließung u. Milderung. — § 61.

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Berechtigte es unterläßt, den Antrag binnen drei Monaten zu stellen. Diese Frist beginnt mit dem Tage, seit welchem der 2a. Die rechtliche Bedeutung deS f. g. Antragsrechts ist eine rein negative, sie besteht eben nur darin, daß der Berechtigte durch Nichtstellung des Antrags die ge. rechtliche Verfolgung verhindern kann; einen Anspruch daraus, daß die Staatsan­ waltschaft dem gestellten Antrage gemäß auch wirklich einschreite, hat jener nicht; vgl. ZI. 23. Nov. 77 (RdO. XVIII, 740). — In Betreff der Befugnisie, welche unter der Herrschaft der NStPO. nach letzterer Richtung hin dem durch ein Antrag«, oder sonstige« Vergehen Verletzten zustehen, vgl. dort §§ 170 ff. 3. So lange es am erforderlichen Strafantrage fehlt, ist die Strafverfolgung unstatthaft; dadurch werden aber vorbereitende polizeiliche Maßnahmen, welche keinen Aufschub gestalten, nicht ausgeschlossen: ZII. 27. März 73 (RdO. XIV, 220); vgl. (in Betreff der Beschlagnahme von Druckschriften) Schwarze RPreßges. f. 142. DaS dürfte auch von den gegen die Person des Thäters zu richtenden Maßnahmen, V B. von seiner vorläufigen Ergreifung und Verhaftung gelten; contra: dt. Z. 27. März 73 (teil.); Schw. s. 269; Reber n. 188; ein so Festgenommener muß dann aber entlassen werden, sobald der Augenblick gekommen ist, wo er dem zuständigen Richter vorzuführen ist, es sei denn, daß inzwischen der Antrag gestellt worden wäre; vgl. Tessendorf i. GA. XXI, 332; Nessel s. 34. Aehnlich für die Folge; vgl. NStPO. §§ 127.130 und (in Betreff der Frist der Fortdauer der vorläufigen Hast) ib. § 126. 4. Nur die Strafverfolgung wird durch das Erforderniß eines Strafantrag- bedingt; somit bedarf eS des letzteren nicht, wenn (aus polizeilichen Gründen) selbstständig die Einziehung eines Gegenstandes oder die Unbrauchbarmachung einer Schrift strafbaren Inhalts erkannt werden soll (§8 40. 41. 42); vgl. §42 n. 1. 4. 6. 4a. Die in den §§ 61—65 entwickelten Grundsätze erleiden theilweise eine Abänderung in denjenigen Fällen, wo nicht die Verfolgung einer strafbaren Hand­ lung überhaupt, sondern nur die Verfolgung gewisser Personen wegen einer solchen Handlung mit Rücksicht aus das Verhältniß, in welchem sie zum Verletzten stehen, vom Antrage des letzteren abhängig gemacht ist (§§ 247. 263. 289). DaS Nähere ist an den betr. Stellen angegeben. 5. Was. die §§ 61—65 in Betreff des Erfordernisses eines „Antrags" bestimmen, ist auf die Fälle nicht auszudehnen, in welchen das Gesetz die Verfolgung von einer Ermächtigung abhängig macht; z. B. §§ 99. 101. 197. — Dagegen ist es gleichgültig, ob der „Antrag" von der durch die Mißthat verletzten Privatperfon, von einer Behörde oder von einer fremden „Regierung" ausgehen muß; vgl. §§ 102. 103; § 4 Schlußs. 6. Eine GejetzeSvorschrift, welche die Verfolgung eines Straffalles von dem Antrage des Verletzten abhängig macht, ist auch da maßgebend, wo es sich von der Verfolgung des Versuchs jener Mißthat, der Theilnahme an derselben (in allen Formen) oder der einfachen Begünstigung eines bei derselben Betheiligten handelt. Zwar betrachtet daS StGB, die Begünstigung als ein selbstständiges Vergehen; eS hat aber in den §§ 63. 247 Bestimmungen getroffen, welche unverkennbar auf der Voraussetzung beruhen, daß die den Strafantrag betreffenden Vorschriften auch auf die Begünstigung eines Antragövergchens anzuwenden seien (sie hätten sonst gar keinen Sinn); dazu kommt, daß die „vor der That zugesagte" Begünstigung „als Beihülfe zu bestrafen ist"; es fehlt an jedem inneren Grunde, weshalb in diesem Falle die Begünstigung ohne den bei der Beihülfe unerläßlichen Strafantrag ver­ folgbar sein sollte; selbstredend darf die einfache Begünstigung nicht strenger behandelt werden: Puch. n. 3; Otto n. 17; Reber n. 16. 136; Meves i. StRZ. XIII, 511; Villn. f. 70; contra: Schw. f. 277; id. i. GSaal XXIV, 376. - Zn solchen Fällen, in welchen daS Erforderniß des Antrags auf einer persönlichen Beziehung zwischen dem Verletzten und dem zu Verfolgenden beruht (;. B. §§ 247. 289), wird selbstverständlich die betr. Vorschrift nur rücksichtlich desjenigen Betheiligten wirksam, welcher in jener Beziehung steht. 7. Die Verfolgung der Hehlerei (in beiden Formen) ist ohne Antrag statt­ haft, soüte eö auch zur Verfolgung der Hauptthat eines solchen bedürfen: ZII.

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Thl. I. Abschn. IV. Straf-AuSschließung u. Milderung. — § 61.

zum Antrage Berechtigte von der Handlung und von der Person des Thäters Kenntniß gehabt hat. [I. Entw.: § 54; II. Entw.: § 59; Pr. StGB.: § 50). Vgl. §§ 62-65.182.195. 198. 232; Avllkartel m. Oestr. v. 9. Mär, 1868 § 17; N-chdr.-Ges. v. 11. Juni 1870 §§ 27. 35-38. 43. 45; Mil.-StGB. §51; Serm.-Ordo. v. 27. Dez. 1872 §§81. 84; Preßges. v. 7. Mai 1874 § 19; MarkenschutzGes. v. 30. Nov. 1874 §§ 14. 17; Ges., betr. d. Urheberrecht an Werken der bild. Künste, v. 9. Jan. 1876 § 16; Ges., betr. b. Schutz der Photo­ graphien rc. v. 10. Jan. 1876 § 9; Ges., betr. d. Urheberrecht an Mustern und Modellen, v. 11. Jan. 1876 § 14; Patentges. v. 25. Mai 1877 § 34; - RStPO. §§ 127. 130. 156. 259. 414. 502. Preußen: Vgl. Vdn. v. 3. Jan. 1849 § 9; NStPO. §§ 2. 487. 489. 506. 15. Febr. 72, ZI. 13. März 74, ZU. 9. Jan. 79 (RdO. XIII, 154; XV, 151; XX, 25); DreSd. 20. März 71 (Dr. Annal. VIII, 330). 8. Für das Ersorderniß des Antrags ist stets derjenige Thatbestand ent­ scheidend, welchen der Richter als vorliegend betrachtet, in Schwurgerichtssachen der­ jenige, welcher durch den Spruch der Geschwornen festgestellt wurde: ZI. 9. Okt. 74, BI. 19. Sept. 77 (RdO. XV, 648; XVm, 571); die davon abweichenden Annahmen in der erhobenen Anklage oder in einem vorhergegangenen Eröffuuogöbeschlusse sind nicht maßgebend. Ist daher in der ohne Antrag erhobenen Anklage des StA.'S die That als ein Offizialdelikt bezeichnet worden, so ist daS Verfahren (zur Zeit) einzu­ stellen (n. 36), wenn der Richter findet, daß ein Antragsdelikt vorliege: BI. 31. Mai 72, Bll. 20. Febr. 73, Dil. 14. Juni 73 (RdO. XIII, 324; XIV, 151. 436). Ebenso ist umgekehrt die Verfolgung statthast, wenn die Anklage ohne Antrag wegen eines AntragövergehenS erhoben war, der erkennende Richter aber demnächst findet, daß ein Offizial-Vergehen vorliegt; das gilt selbst für den Richter der höheren Instanz, wenn der erste Richter trotz jenes Mangels wegen des AntragövergehenS gestraft und nur der Angeschuldigte daS Rechtsmittel ergriffen hatte: ZN. 1. Apr. 73 (RdO. XIV, 244). — In Betreff des in solchen Fällen zu beobachtenden Verfahrens vgl. n. 36. 9. Enthält eine Handlung den Thatbestand eines Antragsvergehens in Ideal Konkurrenz mit dem eines Offizial-Vergehens, so ist in Ermangelung des Antrags die Verfolgung des letzteren statthast, während sie in Betreff des ersteren auSgeschloffen bleiben muß: ZPl. 22. Jan. 72, Z. 29. März 73 (RdO. XIII, 55; XIV, 238); Manh. (BAnn. 39 s. 252); Münch. 19. Juli 72, 19. Juni 74 (BEntsch. II, 200; StZ. IV, 135); OHG. 14. Jan. 73 (Puch. Zeitschr. III, 549); Geyer i. GSaal 26 s. 279; contra: Schlieder i. BAnn. 40 s. 148 in Betreff der Fälle, wo das Erforderniß des Antrages auf einem Jntereffe des Verletzten beruht; vgl. n. 17. — Das gilt auch dann, wenn das Antragövergehen das strenger bestrafte ist, so daß das für dieses maßgebende Strafgesetz Anwendung finden müßte, wenn beide Ver­ gehen verfolgbar wären (§ 73): DreSd. 3. Apr. 71, Münch. 19. Juni 74, Stuttg. 3. Febr. 76 \ Dagegen ist in einer Verspottung nicht nothwendig eine Beschimpfung zu finken; so: ZI. 27. Sept. 76 (RdO. XVII, 603: betraf eine Verspottung kirchlicher Eimrichtungen). Das Travestiren einer Glaubensformel, welches seinen Angriff gar nicht gegen die betreffende Kirche rc., sondern gegen ganz andere Personen und Verhältnisse richtet, fällt schon um deswillen nicht unter den §; so: Wolfenb. 31. März 74 (StZ. III, 311). — Die Beschimpfung kann auch durch bildliche Darstellungen unid symbolische Handlungen verübt werden: Darmst. 4. Mai 74 (HEntsch. 74. II. A. 17));. vgl. n. 3. 9. Die Beschimpfung einer „Einrichtung (einesGebrauchs)" eimerKircherc. ist unbedingt strafbar, selbst wenn dieselben nicht zum Wesen der Kirche rc. gehören: Z. 15. April 68 (RdO. IX, 271). 10. Der Reichstag hat die im Entwürfe neben den Einrichtungen und'Ge­ bräuchen aufgezählten Lehren einer Kirche und die Gegenstände Ihrer Ver­ ehrung gestrichen: Sten. Ber. f. 640ff. Dagegen wird die Beschimpfung einer wesentlichen Lehre einer Kirche oder der Gegenstände ihrer Verehrung sehr leicht eine

Thl. n.

Abschn.

XI.

Vergeh.,

welche sich a. b. Religion bezieh. — §

166.

361

zu religiösen Versammlungen bestimmten Orte beschimpfenden Unfug verübt, wird mit Gefängniß bis zu drei Jahren bestraft. [I. «nt».: § 144; II. Entw-: § 163; Pr. StGB.: § 135.]

Dgl. § 304.

Beschimpfung der Kirche selbst bezw. einer Einrichtung (eines Gebrauchs) derselben in sich schließen. Letzteres gilt namentlich vou Beschimpfung der Bibel und der zehn Gebote, sie involviren Beschimpfungen der christlichen Kirche: Dreöd. 21. Aug. 74, 4. Sept. 74, 4. Dez. 74 (StZ. V, 44. 45), ZU. 25. Sept. 77 (RdO. XVIII, 584); nicht aber von Beschimpfungen des Lehramts der Apostel: DreSd. 19. Mai 76 (SGZ. 21 f. 881). 11. Die Messe, der Cölibat, die Heiligsprechung, die Heiligenver­ ehrung, die Ertheilung des Ablasses gehören zu den Einrichtungen der katholischen Kirche: DU. 24. Mai 73, ZI. 23. Olt. 72, 29. Mai 68, ZII. 30. Juni 74 (RdO. XIV, 399; XIII, 548; IX, 352; XV, 463). Doch fällt ein Angriff, welcher nicht gegen die Mesie an sich, sondern gegen die altkatholischen Priester ge. richtet ist, nnd dahin lautet, daß diese durch Celebrirung der Messe ein Sakrileg verübten, nicht unter die Strafvorschrift des §: ZI. 3. Jan. 77 (RdO, XVIII, 7). 12. Das christliche GlaubenSbelenntniß ist gleichfalls eine Einrichtung der christ­ lichen Kirche; so: Wolsenb. 31. März 74 (cit. n. 8); vgl. n. 10. 13. Aehnlich verhält eS sich mit der Union der evangelischen Kirche: Z. 15 April 68 (cit. n. 9). Selbst die den evangelischen Geistlichen gestattete Ehe kann, im Gegensatze zum Cölibate der katholischen Geistlichen, als eine Einrichtung der evangelischen Kirche angesehen werden: ZII. 27. April 76 (RdO. XVII, 286). 14. Der Ausdruck: „Gebräuche" ist aus kirchliche, nicht aber auf Ritual­ handlungen zu beschränken; daß dieselben wesentlich seien, ist nicht erforderlich (n.9); eS kann daher auch das Einsammeln freiwilliger Opfergaben in der Kirche hierher gezählt werden; vgl. ZI. 14. Juli 69 (RdO. X, 507: fand hierin eine „Einrichtung" der Kirche); contra: MeveS 1. c. f. 348. Die vorgeschriebene oder herkömmliche Amtstracht der Geistlichen stellt einen Gebrauch dar: DreSd. 21. Aug. 74 (cit. n. 10); desgleichen die Tonsur der katholischen Geistlichen; vgl. Darmst. 4. Mai 74 (cit. n. 8). Dagegen gehört daS Verpachten der Kirchenstühle nicht hierher. 15- Die Einrichtung (der Gebrauch) muß als solche beschimpft sein; daher genügt eS nicht, wenn eine Kundgebung sich lediglich auf eine Besonderheit des Einzel­ aktes und der Art seiner Vornahme bezieht, z. B. auf den Inhalt einer Predigt: 3311. 13. Jan. 70 (RdO XI, 31). Dagegen kann auch in einer sich zunächst auf einen einzelnen gottesdienstlichen Akt beziehenden Kundgebung sehr wohl ein Beschimpfen der ganzen Einrichtung, nach welcher jener Akt vorgenommen worden, liegen. 16. Daß durch die „Beschimpfung der Kirche" ein Aergerniß gegeben sei (n. 4) oder daß ein zu der betr. Religionsgesellschaft Gehörender dieselbe wahrgenommen habe, wird nicht erfordert: ZI. 23. Okt. 72 (cit. n. 11). 17. Dasselbe gilt in Betreff deS „beschimpfenden Unfugs", von welchem der Schlußsatz redet Es genügt daher, wenn der Unfug objektiv ein beschimpfender ist; daß das religiöse Gefühl irgend Jemandes auch wirklich verletzt worden sei, wird nicht erfordert. Ja eS ist hier, wo nicht, wie in den beiden anderen Fällen des § 166, die Oeffentlichkeit der Handlung zum Thatbestände gehört, vielmehr nur die Verübung derselben in einer Kirche rc. verlangt wird, keineswegs nöthig, daß sie gegenüber der Allgemeinheit oder einem größeren Kreise von Personen stattfinde, sie kann auch einzelnen Freunden de« Thäters gegenüber, nach Umständen sogar ohne Anwesenheit lrgend einer anderen Person als des Thäters selbst erfolgen; ein Herüberziehen der Voraussetzungen deS § 360 Nr. 11 ist unzulässig, da ein innerer Zusammenhang zwischen beiden §§ nicht besteht; so: Manh. 10. Juli 75 (StZ. V, 307). Immerhin muß aber das Beleidigende gerade die kirchliche, resp. religiöse Seite betreffen. Mithin gehören z. B. Thätlichkeiten oder Injurien, welche unter den in einer Kirche Anwesenden vorfallen und an sich nicht geeignet sind, das religiöse Gefübl der Mitglieder der betr. Religionsgesellschaft zu verletzen, nicht hier­ her. Vgl. Münch. 2. Okt. 74 (StZ. IV, 309)i MeveS 1. c. s. 351 u. § 168 n. 5. Ob der Unfug an Gegenständen, die dem Gottesdienste gewidmet sind (vgl. Pr. StGB. § 135), oder in anderer Weise verübt wird, ist gleichgültig; er kann auch in bloßen

362 Thl. II. Abschn. XI. Vergeh , welche sich a. b. Religion bezieh. - §§ 166. 167.

§. 167. Wer durch eine Thätlichkeit oder Drohung Je­ mand hindert, den Gottesdienst einer im Staate bestehenden NeligionSgefellschast auszuüben, ingleichen wer in einer Kirche oder in einem anderen zu religiösen Versammlungen bestimmten Aeußerungen, z. B. in beschimpfenden, an den dienstthuenden Geistlichen gerichteten Zurufen bestehen: Manh. 10. Juli 75 (StZ. V, s. 309). 18. Im Schlußsätze stnd den Kirchen „andere zu religiösen Versammlungen (Mehrzahl) bestimmte Orte" gleich gestellt, d. h. solche, an welchen be­ stimmungsmäßig wiederholt religiöse Handlungen stattzufinden pflegen; dagegen brauchen die Orte jenem Zwecke nicht ausschließlich zu dienen; ebensowenig wird erheischt, daß die betr. ReligionSgesellschast Korporationsrechte habe, oder daß ihre Versammlungen öffentlich seien; eS gehören sonach auch Privatkapellen, und ebenso Leichenhäuser und Kirchhöfe hierher, auf welchen ortSgebräuchlich durch Versamm­ lungen religiöse Handlungen vorgenommen werden: Puch. n. 4.; vgl. § 167 n. 6. 19. Auf das religiöse Bekenntniß und aus die religiösen Ueberzeugungen des Thäters kommt eS hier nie an: Dl. 13. Mai 68, ZI. 17. Mai 78 (RdO. IX, 323; XIX, 269). 20. Als DoluS geniigt der Wille der Kundgebung verbunden mit dem Be­ wußtsein von der betr. Eigenschaft der Aeußerung (Handlung): BI. 13. Mai 68, ZII. 21. Okt. 69 (RdO. IX, 323; X, 651). DaS gilt namentlich auch von der „Beschimpfung"; eS bedarf dazu in keiner Weise der Absicht, eine Kirche rc. zu beschimpfen oder herabzuwürdigen, oder daS religiöse Gefühl Anderer zu verletzen: ZU. 31. Mai 60 c. Müller. ZI. 13. Juni 60c. Kluth, ZI. 27. Sept. 76 (RdO. XVII, 604), Manh. 10. Juli 75 (n. 17). § 193 kommt daher hier nicht zur An­ wendung: ZII. 28. Sept. 76 (RdO. XVII, 617). Dagegen schließt der Mangel des Bewußtseins, daß der Gegenstand der Beschimpfung eine Einrichtung der christlichen Kirche rc. sei, die Strafbarkeit auö (§ 59): ZPl. 9. Okt. 76 (RdO. XVII, 645). 21. Die vorsätzliche öffentliche Wiederholung einer strafbaren Aeußerung rc. stellt ein neues (in Real-Konkurrenz) begangenes Vergehen dar: ZI. 4. Okt. 65 (RdO. VI, 349). 22. Wird durch die Handlung eine gottesdienstliche Verrichtung gestört, so kann auch der Thatbestand des im § 167 vorgesehenen Vergehens, und wenn eine dem Gottesdienste gewidmete Sache zerstört oder beschädigt wird, der des § 304 in Jdealkonkurrenz (§ 73) vorliegen.

§167. 1. Ueber den Begriff der „Thätlichkeit" vgl. § 94 n. 1; über den der Drohung: § 48 n. 30. Namentlich wird hier keine Bedrohung mit einer verbotenen, bezw. strafbaren Handlung erfordert; contra: Binding II, 527. 2. Es reicht hin, wenn irgend „Jemand" (Geistlicher oder Laie) an der Ausübung des Gottesdienstes rc. gehindert wird. Als „Ausübung des Gottes­ dienstes" ist nicht nur eine der GotteSverehrnng gewidmete Ritualhandlung einer kirchlichen Allgemeinheit (z. D. der Gesang der versammelten Gemeinde: ZI. 11. Sept. 67, ZI. 28. Apr. 69, RdO. VIII, 498; X, 273), sondern auch eine (nach der Lehre der betr. Religionsgesellschaft sacramentale Handlung Einzelner anzusehen; nicht aber die Andacht eines Einzelnen (in einer Kirche), noch anch die Hausandacht, so lange sie, wie zur Zeit sowohl bei der katholischen wie evangelischen Kirche der Fall, nicht zu den allgemein gültigen Einrichtungen der betr. Religion-gesellschaft gehört; so (in Betreff der HauSandacht): MeveS i. GSaal 27 f. 358; Schütze f. 347 n. 8. 3. Ob die „im Staate bestehende Religionsgesellschaft" Korporations­ rechte habe, ist hier gleichgültig: Z. 3. Sept. 52 c. Wolf. 4. Der Andere muß „gehindert" sein, den Gottesdienst auszuüben (nicht „verhindert", vgl. unten „verhindert oder stört"); ob diese „Hinderung" den Er­ folg gehabt habe, den Anderen von der Ausübung rc. abzuhalten, ist unwesentlich; eine wesentliche Erschwerung genügt; eine erfolglose Hinderung ist nicht als ein (strafloser) Versuch anzusehen; Puch. |. 195; contra: Schw. f 449.

Thl. II. Abschli. XL Vergeh., welche sich a. d. Religion bezieh. — § 167.

363

Orte durch Erregung von Lärm oder Unordnung den Gottes­ dienst oder einzelne gottesdienstliche Verrichtungen einer im Staate bestehenden Religionsgesellschaft vorsätzlich verhindert oder stört, wird mit Gefängniß bis zu drei Jahren bestraft. [I. Entw : § 145; II. Entw.: § 164; Pr. StGB.: § 136], Vgl. §§ 166. 339. 5. Der „Verhinderung rc. des Gottesdienstes in einer Kirche k." ist die einer „einzelnen gottesdienstlichen Verrichtung" gleichgestellt; als solche ist jede Ritualhandlung Einzelner anzusehen, selbst wenn ihr ein sakramentaler Charakter nicht beiwohnt; die Mitwirkung eines ReligionSdienerö ist nicht unerläßlich. Somit gehört auch eine unter Zuziehung eines Geistlichen vorgenommene EideSabnahme hierher, nicht aber die nur durch einen Richter bewirkte: Beschl. I. 2. März 60 (GA. VIII, 412). Ein kirchliches Begräbniß ist eine gottesdienstliche Verrichtung: ZI. 5. Juli 76 (RdO. XVII, 489); ebenso die kirchliche Einsegnung einer Ehe, sollte der betr. Geistliche hierbei auch wider gesetzliche Vorschriften verstoßen haben: ZI. 18. Febr. 76 (GA. 24 s. 226). — Eine Ritualwidrigkeit nimmt dem Gottes­ dienste oder einer gottesdienstlichen Verrichtung noch nicht diesen ihren Charakter: ZI. 18. April 55 c. Lax (eine jüdische Todtenseier hatte am Nachmittag patt am Vormittag stattgesunden). — Ob die gottesdienstliche Verrichtung rc. eine regel­ mäßige oder eine nur gelegentliche, durch eine ungewöhnliche Veranlassung herbei­ geführte gewesen, ist gleichgültig, sobald nur in Betreff des Ortes die Voraussetzungen deS § zutreffen; vgl. n. 6. 6. In Betreff der „Kirche" oder des „anderen zu religiösen Versamm­ lungen bestimmten OrteS" vgl. § 166 n. 18. Auch hier wird nicht erfordert, daß der Ort einen rein kirchlichen Charakter an sich trage, ausschließlich zu kirch­ lichen Feierlichkeiten benutzt werde, z. B. daß ein Friedhof nicht gleichzeitig zu welt­ lichen Geschäften bestimmt sei: ZI. 5. Juli 76 (cit. n. 5). Mit Riicksicht auf den Umstand, daß hier (abweichend von § 166) die gottesdienstliche Handlung (n. 5) ge­ schützt werden soll, sind selbst die s. g. Stationen der katholischen Kirche, der Weg. welchen öffentliche Prozessionen regelmäßig zu nehmen pflegen, insbesondere die bei dieser Gelegenheit errichteten Altäre rc. hierher zu zählen, nicht aber solche Orte, an welchen nur zufällig eine einzige gottesdienstliche Handlung vorgenommen wird, z. B. bei einer vorzunehmenden Beerdigung das Sterbehaus oder der Weg, den der Leichen­ zug nimmt; vgl. Schütze f. 347; contra: Meyer n. 4. 7. Der Gottesdienst rc. „in einer Kirche rc." kann auch durch einen außer­ halb derselben Befindlichen (durch lauten Lärm rc.) gestört werden: ZI. 5. Juli 76 (cit. n. 5); Darmst. 7. Olt. 72 (StZ. II, 92); m. a. W. für die Anwendbarkeit des § ist nicht der Ort. wo die störende Handlung stattfindet, sondern derjenige Ort entscheidend, wo sie ihre Wirkung äußert: ZII. 8. Jan. 78 (RdO. XIX, 8). — Die „Unordnung" braucht keine geräuschvolle zu sein: Manh. 10. Juli 75 (StZ. V, 309). Es genügt, wenn der Angeklagte „Lärm oder Unordnung erregt" hat, sollte er selbst auch nur in seinem gewöhnlichen Redeton gesprochen haben: ZI. 18. Febr. 76 (cit. n. 5). 8- Die „Störung" braucht sich nicht nothwendig auf alle bei der gotteödienstlichen Verrichtung Betheiligten oder auf den fungirenden Geistlichen zu erstrecken; es genügt die Störung einzelner am Gottesdienste rc. Theil nehmender Personen: ZI. 9. Dez. 64, ZI. 25. März 68 (RdO. V, 348; IX, 217); Meyer n. 6; contra: Beschl. 14. Jan. 52 c. Dorn; Schütze s. 347 n. 8. Auch genügt schon eine Störung von kürzerer Dauer: Manh. 10. Juli 75 (cit. n. 7). 9. Als Dolus genügt die Vorsätzlichkeit der äußern Handlung, verbunden mit dem Bewußtsein ihres störenden Charakters: ZI. 1. Mai 72, ZI. 17. März. 75 (RdO. XIII, 286, XVI, 230). 10. Ein Beamter kann sich dieses Vergehens auch (ohne Thätigkeit) durch Mißbrauch seiner Amtsgewalt oder durch Androhung eines bestimmten Mißbrauchs derselben schuldig machen: § 339 Abs. 3. 11. Der Zwang zur Ausübung eines Gottesdienstes gehört nicht (wie nach. § 136 des Pr. StGB.'s) hierher, kann vielmehr nur unter §§ 240. 241 fallen.

364

Thl. n. Abschn. XL

Vergeh., welche sich a. d. Religion bezieh. — $ 168.

§. 168. Wer unbefugt eine Leiche auS dem Gewahr­ sam der dazu berechtigten Person wegnimmt, ingleichen wirr unbefugt ein Grab zerstört oder beschädigt, oder wer an einem Grabe beschimpfenden Unfug verübt, wird mit Gefängniß bis zu zwei Jahren bestraft; auch kann auf Verlust der bürger­ lichen Ehrenrechte erkannt werden. fl.

Entw-: § 146; H. ent».: §166; Pr. StGB.: Nr. 1. 32. 35.

§ 137.]

Sgl. §§ 304. 367

§168. 1. Nur die Wegnahme einer ganzen Leiche fällt unter § 168; die Weg­ nahme einzelner Theile einer Leiche aus dem Gewahrsam der dazu berechtigten Person ist im § 367 Nr. 1 mit einer UebertretungSstrafe bedroht (man wollte Aerzte und Studirende, welche leichtsinniger Weise zu wissenschaftlichen Zwecken derartige Hand­ lungen vornehmen, nicht mit Gefängniß strafen: Motive Anl. 3 s. 47). 2. Die Leiche muß auS dem Gewahrsam eines „dazu Berechtigten" wegge­ nommen sein; der Gewahrsam der Polizeibehörde (z. B. bei einer gefundenen fremden Leiche) genügt; contra: Puch n. 1. Ebenso gehört die Wegnahme vom Kirchhofe hierher: der Gewahrsam befindet sich dann bei der betr. Gemeinde; dort kann sich auch der Todtengräber deS Vergehens schuldig machen: ZU. 10. Dez. 63 (RdO. IV, 249); Schütze s. 348. — Werden die mit der Leiche beerdigten sonstigen Sachen in der Absicht der rc. Zueignung weggenommen, so liegt ein (ideell konkurrirender) Diebstahl vor; eit. ZU. 10. Dez. 63. 3 Dagegen folgt auS der Stellung des § im Abschn. XI, daß er keine An­ wendung mehr finden kann, wenn die weggenommene Leiche von einem Arzte rc. -u wissenschaftlichen rc. Zwecken erworben und dadurch Gegenstand des Privateigen. thumS geworden war; eS werden dann ev. die Vorschriften über Diebstahl rc. maß­ gebend. 4. „Grab" ist die Stelle, an welcher die Leiche eine« Menschen zur dauernden Ruhe niedergelegt worden ist: ZU. 15. Nov. 77 (RdO. XVIII» 717). Zu einem „Grabe" wird daher ein Ort erst durch die darin niedergelegte Leiche: DL. s. 402; bloße Monumente, sowie noch nicht in Benutzung genommene Erbbegräbniffe ge­ hören nicht hierher. Dasselbe gilt von Hüneugräbern u. dgl., bei welchen eine Ver­ letzung des religiösen Gefühls Anderer nicht denkbar ist. 5. Die „Zerstörung (Beschädigung)" eine« Grabes ist nicht nothwendig durch die Berührung der darin befindlichen Leiche oder Gebeine bedingt; noch weniger bedarf es einer solchen beim ,,beschimpfenden Unfuge"; entscheidend ist, ob durch die Handlung die Ruhestätte deS Todten in einer die Pietät oder das religiöse Gefühl Anderer verletzenden Weise eine Aenderung erfahren habe. Inzwischen erkannte ZU. 15. Nov. 77 (cit. n. 4), daß daS Wiedereröffnen eines Grabes, die Herausnahme und Wegschaffung der Leiche, indem hierdurch da« Grab als solches beseitigt werde (n. 4), stets eine Zerstörung desselben in sich schließe. DaS bloße AuSreißen der auf dem Grabhügel stehenden Blumen und Sträucher stellt keine Beschädigung des Grabes dar. da jene keinen Theil desselben bilden; so: MeveS i. GSaal 27 f. 370; vgl. ZI. 20. März 67 (RdO. VIII, 189: sprach die« jedoch nicht so allgemein aus, und hielt die Frage für eine wesentlich thatsächliche). Ob darin ein „beschimpfender Unfug" zu erblicken sei, hängt von den oben angedeuteten Gesichtspunkten ab; ent­ rüstete Aeußerungen, welche die Handlung begleiten und nicht da- Andenken des Todten beschimpfen, sondern blos gegen die Personen gerichtet sind, die die Blumen rc. gesetzt haben, kommen hierbei nicht in Betracht: Dresden 11. Sepr. 74 (StZ. V, 49). Dgl. § 166 n. 17. — Wird durch dieselbe Handlung mit dem Grabe daGrabmal vorsätzlich und rechtswidrig zerstört rc., so liegt Idealkonkurrenz mit dem im § 304 vorgesehenen Vergehen vor. 6. Als Dolus genügt das Bewußtsein, daß die (vorsätzlich vorgenommene) Handlung eine unbefugte sei, und daß durch sie Gräber zerstört rc. werden, bezw. daß dieselbe einen „beschimpfenden Unfug" darstelle: VI. 8. Febr. 71, ZI. 15. Mai 72 (RdO. XII, 78; XIII, 310). Auf eine Absicht des Thäters (z. B. der Zueig.

Thl. II. ALschn. XII. Verbr. rc. in Bezieh, a. d. Personenstand. — § 169.

365

Zwölfter Abschnitt. Verbrechen und Vergehen in Beziehung auf den Personenstand. §. 169. Wer ein Kind unterschiebt oder vorsätzlich ver­ wechselt, oder wer aus andere Weise den Personenstand eines Anderen vorsätzlich verändert oder unterdrückt, wird mit Ge­ fängniß bis zu drei Jahren und, wenn die Handlung in genung) kommt Nichts an. Namentlich wird der Dolus nicht dadurch ausgeschlossen, daß keine Verletzung deS religiösen Gefühls Anderer rc. beabsichtigt war, noch da­ durch, daß die Handlung lediglich zum Zwecke anderweitiger Beerdigung geschah; so: ZU. 15. Nov. 77 (eit n. 4). 7. Der Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte rc. kann nur verhängt werden, wenn die Gesängnißstrafe drei Monate erreicht: § 32. 35.

§ 169.

1. Die „Unterschiebung" oder „Verwechslung" muß ein Ätttb (infans) zum Gegenstände haben, welches wegen seines zarten Alters selbst über seine Ab­ stammung keine Auskunft geben kann; vgl. BL. f. 403; Schütze f. 321 n. 4; contra: Schw. i. HH. III, 282. Auf ältere Personen kann sich nur die anderweitige „Ver­ änderung rc. de« Personenstandes" beziehen. 2. Ein todtes Kind kann nicht untergeschoben noch mit einem anderen todten Kinde verwechselt, werden. Wohl aber ist die'Verwechselung eines solchen mit einem lebenden Kinde möglich: VI. 8. März 76 (RdO. XVII, 181: beit.); Schwarze i. HH. NI, 281. 3. ..Personenstand" ist hier der auf Abstammung beruhende Familien­ stand. ML. s. 540 rechnet auch die Familienzugehörigkeit durch Adoption bezw. Arrogation hierher. 4. Nur die Veränderung deö Personenstandes eines „Anderen", zur Zeit Lebenden, nicht die des eigenen Standes fällt unter das Strasverbot; contra: VI. 8. März 76 (eit. n. 2, insofern dasselbe auch die „Veränderung" des Personen» pandeö eines Todten, z. B. eines Kindes durch besten erst nach seinem Tode auf­ genommene Geburtsurkunde für möglich hält; eS genüge, daß daS Kind überhaupt gelebt, mithin einen Personenstand einmal gehabt habe). 5. Der Personenstand eines Menschen ist „verändert", sobald ein Zustand herbeigeführt ist, in welchem er einen andern Personenstand ausübt oder genießt, als bis dahin gesetzlich der Fall war. Somit genügt ein gelegentliches Ausgeben für einen Dritten nicht. Trifft jenes zn, so macht es keinen Unterschied, ob die Handlung mit der Kenntniß oder Zustimmung Desjenigen geschah, besten Personenstand geändert ist; contra: Schw. i. HH- III» 280. 5a. Demgemäß (n. 5) ist der Thatbestand z. B. erfüllt, wenn Jemand ein Kind einer fremden Person in der Absicht und mit dem Erfolge übergiebt, daß daffelbe nunmehr als deren Kind gilt und daß selbst der staatlichen Behörde die Erforschung seines jetzigen Verbleibs unmöglich gemacht ist: Dresden 9. Juli 77 (SGZ. 22 s. 166). Nicht minder liegt der Thatbestand da vor, wo die Urkunde, auf welcher der Beweis des Abstammung-verhältnisses eines Menschen wesentltch be­ ruht, wahrheitSwidrig hergestellt oder abgeändert ist; z. B. wenn ein CivilstandSbeamter (Geistlicher) durch Täuschung veranlaßt wird, ein Kind als von einer anderen Mutter geboren rc. in die GeburtS- (Tauf.) Register einzutragen, vorausgesetzt, daß die so aufgenommene Urkunde in Betreff der Mutterschaft beweisende Kraft habe (eine nach franz. rc. Rechte bestrittene Frage; vgl. Gilb. C. civ. a. 341 n. 8ff.): dabei macht eS keinen Unterschied, ob vorher schon eine andere richtige Eintragung deffelben KindeS bewirkt worden war oder nicht: Beschl. I. 8. Juli 57, ZI. 2. Nov. 60 (GA. V, 695; VIII, 830). 6. Dagegen bleibt der § ausgeschlossen, wenn die Eintragung eines neugebornen Kindes in die GeburtS- (Tauf.) Register unter richtiger Angabe der

3G6 Thl. fl. Abschn. XIL Derbr. rc. in Bezieh, a. b. Personenstand. — §§ 169.170).

wmnsüchtiger Absicht begangen wurde, mit Zuchthaus bis zu zehn Jahren bestraft. Der Versuch ist strafbar. [I. Enlw.: 8 147; II. Entw.: § 167; Pr. SlGB.: § 138 ] Preußin: Sgl. Rh. BGB. Art. 327.

§. 170. Wer bei Eingehung einer Ehe dem anderen Theile ein gesetzliches Ehehinderniß arglistig verschweigt, oderEltern, aber mit der unrichtigen Bezeichnung derselben als Eheleute veranlaßt wird, weil bann in Betreff der Abstammungsfrage (o. 3) nur Richtiges beurkundet, das Bestehen der Ehe aber durch den GedurtSakt nicht bewiesen wird: *. . Mittel. 13. . stattheft: 11. vollstand.: 14. Beweislast: 9. Beziehung a. e. And.: 4-6. Dervechslung: 6.

Inhalt:

DoluS: 20. 21. 24. Dritter. Kenntniß: 4. Erfolg: 18. stahrlässigkeit: 2. 21. Gegenwart d. Beleidigten: 5. . Dritter: 4. 20. Glaube, guter: 2>. Herabwürdigen: 17. 18. Irrthum, entschuld-.: 21. Kredit: 19. Meinung, offentl.: 17. 18. Oeffentlichkeit: 23-26. Qualifikation, unricht.: 16. Quelle, Nachweis: 21.

Schrift: 25. 26. Thatsache: 7. 6. möglich? 8. . strafb.i 17. Uebertretung: 17. Urtheil: 7. Verächtlich-machen: 17. 18. Verbreiten: 3. 20. 25. 26. Verletzter, Kenntniß: 4. Verleumdung ? 2. Verwechslung: 6. Wahrheit: 9-12. 14. 15. Beweis: 9—16. . Kenntniß: 21.

1. Zu den §§ 186.187 hat der Gesetzgeber aus dem allgemeinen Thatbestände der „Beleidigung" zwei konkreter gestaltete Spezialsälle hervorgehoben. CS finden daher hier die allgemeinen Bemerkungen zu § 185 Anwendung, insofern nicht die Besonderheüen deS hier vorausgesetzten Thatbestandes eine Abweichung rechtfertigen. 2. DrS in § 186 vorgesehene Bergehen (die s. g. ehrenrührige Nachrede) ist nur durch die allgemeine Bezeichnung „Beleidigung" charakteristrt; man darf daher hier richt etwa von einer „fahrlässigen Verleumdung" sprechen, zumal eS einer Fahrlässigkeit zum Thatbestände gar nicht bedarf; vgl. n. 21; Mot. s. 103. 104. — Auch daS Strafmaß ist beibehalten, eine Schärfung tritt nur im Falle der Lffentlichen re. Bigehung ein, außerdem gestattet § 188 in diesem sowie im Falle deS § 187, dem Verletzten eine Buße zuzuerkennen. Die zunächst auf die Fälle der §§ 186. 187 bezüglihe Vorschrift des § 192 kann auch im Falle des § 185 eine entsprechende Anwendung finden; vgl. dort n. 3. 3. Ir Betreff der Begriffe deS „Behaupten-" oder „Verbreiten-" vgl. § 131 Q. 5—9. In anderem Sinne als dort ausgeführt worden, faßten den Be­ griff de- „Behaupten-" auf: Stuttg. 5. März 73 (WGbl. VII, 54: vgl. § 185 n. 14), und Münch. 19. Juli 73 (StZ. II, 374: die Aeußerung eine- ehrenrührigen Verdacht- falle nicht unter § 186, sondern nur unter § 185). Dagegen erkannte Jena 76 (Voll. 23 s. 367), entsprechend dem dort (§ 131 n. 6) Gesagten, als gesetz­ lich möglich: Form des „Verbreiten-" diejenige an, bei welcher der Vorwurf der ehrenrührigen Handlung als der Anödruck der Ansicht eine- Anderen mitgetheilt wird. 4. De Behauptung rc. muß „in Beziehung auf einen Andern" gemacht und geeignet sein, die im § erwähnte Wirkung (bei dritten Personen) hervorzu­ bringen; wesentliche Voraussetzung ist eS daher, daß sie zur Kenntniß eineDritten gebracht sei; eine nur dem Verletzten selbst gegenüber (z. B. brieflich) ge­ machte Aeuferung kann nur unter § 185 fallen, sollte auch (gegen den Willen deSprechenden» ein Dritter sie vernommen haben: ZI. 16. Dez. 64; DI. 7. Febr. 77, Jena 76 (SÄ. 58 s. 41, RdO. XVIII, 106, Doll. 24 s. 178); HS. II; 271; contra: ML. s. 432. Hierdurch wird aber Dasjenige nicht berührt, was zu § 185 n. 13 in Betreff sckcher Beleidigungen gesagt ist, welche durch verbreitete Schriften rc. ver­ übt werden. 5. Unvesentlich ist es, ob außer dem Dritten auch der Verletzte die Aeuße­ rung anhörie; dieselbe braucht nicht hinter seinem Rücken gemacht zu sein: VI. 31. Okt. 62 SchülSki c. Lange; HS. II, 271. Ebenso ist es gleichgültig, ob die Aeußerung m den sie vernehmenden Dritten oder an den mitanwesenden Ver­ letzten selbst gerichtet war: DI. 27. Juni 60 (GA. VIII, 696); vgl. § 185 n. 25. 6. Ist die Behauptung rc. in Beziehung auf einen Andern gemacht worden, so ist e- glechgültig. ob in Folge einer Verwechslung eine dritte Person davon be-

396

Tbl- II. Abschn. XIV.

Beleidigung. — § 186.

wahr ist, wegen Beleidigung mit Geldstrafe bis zu sechshun­ dert Mark oder mit Haft oder mit Gefängniß bis zu Einem Jahre und, wenn die Beleidigung öffentlich oder durch Vertroffen wird, welche zu treffen der Sprechende nicht bezweckt hatte: ZI. 4. Dez. 72 (RdO. XIII, 645); vgl. n. 20; § 59 n. 2. 7. „Thatsache" ist hier gleichbedeutend mit einer dem Andern beigemeffenen konkreten Handlung, einschließlich der dabei obwaltenden sie charakterisirenden Willen-richtung; einer speziellen Bezeichnung z. B. nach Zeit und Ort bedarf es nicht. Demgemäß gehören Handlungen, hinsichtlich welcher den Anderen keine sitt­ liche Verantwortung trifft, nicht hierher: ZU. 8. April 75 (GA. 23 f. 329). ES kann genügen, wenn einer wirklich vorgenommenen Handlung wahrheit-widrig niedrige Beweggründe untergelegt werden: BI. 31. Mai 67 (GA. XV, 554); Stuttg. 17. Okt. 77 (WGbl. XIV, 56: Fall de- § 187); HS. II, 272. Die An­ wendbarkeit des § wird dadurch nicht ausgeschlossen, daß die Behauptung der Thatfache das Ergebniß eines Urtheils des Behauptenden ist: ZI. 6. Dez. 76 (RdO. XVII, 797. Dagegen können allgemeine ehrenrührige Urtheile, Ansichten und Meinungen nur aus § 185 strafbar sein; ob dahin auch der Vorwurf schlechter Charaktereigenschaften gehöre, ist eine nach den Umständen des konkreten Falles zu beurtheilende (der Nachprüfung des Nichtigkeitörichterö entzogene) Frage, welche namentlich dann regelmäßig zu verneinen ist, wenn jener Vorwurf sich auf frühere äußere Vorgänge stützt, welche dadurch selbst als mit behauptet angesehen werden: ZI. 8. Jan. 79 (RdO. XX, 11). Vgl. § 131 n. 2. 8. Ob die behauptete Handlung möglich war (z. B. Hexerei), ist für den Thatbestand nicht wesentlich, sobald derselben nur der im § vorausgesetzte Charakter beiwohnt; contra: ZI. 3. März 54. Bll. 18. Febr. 75 (StA. XII, 205; GA. 23 s. 201: weil sie nicht den Wahrheitsbeweis zulaffe); Dochow i. HH. III, 343 (ver­ neint sogar die Strafbarkeit aus § 185). 9. Vorausgesetzt ist, daß die behauptete Thatsache „nicht erweislich wahr" sei, d. h. daß die Wahrheit nicht nachgewiesen werde: Motive s. 103; vgl. § 192. Sonach bildet der erbrachte Wahrheitsbeweis einen Strafausschließungsgrund: HS. II, 275. Der Umstand, daß die vom Beschuldigten sistinen Zeugen ihr Zeugniß aus Grund einer gesetzlichen Berechtigung verweigern, macht jenen nicht straflos: 3II. 1. Juni 76 (RdO. XVII, 402). — Aus der (nicht ganz korrekten) 'Fassung der obigen Bestimmung sowie der Motive (1. c.) ist aber nicht zu folgern, es liege jener Nachweis dem Angeschuldigten ob; vielmehr gehört es unzweifelhaft zu den Pflichten des Strafrichter-, die Frage der Wahrheit oder Unwahrheit, ebenso wie alle andern Thatbestandsmerkmale von AmtSwegen zum Gegenstände seiner Prüfung zu machen: Darmst. 22. Apr. 73, ZU. 14. Juli 74. Bll. 1. Febr. 77 (StZ. II, 315; RdO. XV, 500; XVIII, 90) ; contra: Ortmann i. SGZ. 21 s. 103. Ebenso darf er einen erbotenen Wahrheitsbeweis nicht lediglich aus dem Grunde ablehnen, weil der Antrag auf Jnnehaltung mit dem Verfahren bi- zum Beschluffe darüber, ob wegen der behaupteten Thatsache gegen den Beleidigten eine Untersuchung einzuleiten sei (§ 191), zurückgewiesen ist: V. 12. Sept. 73 (RdO. XIV, 539). — Dagegen ist (in Ermangelung eines hierauf bezügliche» Antrages des Angeschuldigten) eine förmliche Beweiserhebung in Betreff der Wahrheit nicht unerläßlich; findet der Richter für eine solche keinen genügenden Anhalt, so thut er genug, wenn er dies in seinem Erkenntnisse auöspricht: ZU. 3. Dez. 68 (RdO. IX, 695); das gilt selbst dann, wenn der Angeschuldigte geltend macht, er sei selbst Zeuge der betr. Hand­ lung gewesen: ZU. 12. Jan. 65 (RdO. V, 414). Bgl. Theil I Abschn.'IV n. 8 (s. 124). Wird eine Beleidigung im Wege des CivilprozeffeS verfolgt, so werden die für diesen geltenden Grundsätze anwendbar. 9a. Der Nachweis der Wahrheit ist dem Strafrichter gegenüber zu liefern; ob die Person, gegen welche die Aeußerung gemacht wurde, wußte, daß die behauptete Thatsache wahr oder daß sie unwahr sei, ist daher gleichgültig: Dresd. 22. Jan. 75 (StZ. V, 325); contra: Schw. i. SGZ. 21 f. 306. 10. Der Wahrheitsbeweis muß die behauptete (verbreitete) Thatsache zum Gegenstände haben; es genügt nicht, wenn Derjenige, welcher ein herabwürdigendes

Thl. II. Abschn. XIV. Btleidigiing. — § 186.

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Breitung von Schriften, Abbildungen ober Darstellungen be­ gangen ist, mit Geldstrafe bis zu eintausendfünfhundert Mark oder mit Gefängniß bis zu zwei Jahren bestraft. fl-Eniw.: § 166; II. Entw.: § 184; Pr. StGB.: § 156.] Vgl. §§ 187-200; Mil..StKB. §§ 89. 121; RPreßgcs. v. 7. Mai 1874 §j3. 20. 21. Preußen: Vgl. EG. ,. Pr. StGB. Art. XVI-XVIII. Gerücht als solches weiter verbreitet hat, nachweisen will, daß ein solches Gerücht umgegangen sei: BI. 20. Febr. 63 (GA. XI, 362). Beim Vorwurfe strafbarer Handlungen (n. 11) begreift derselbe auch die innere Thatsache der für die Straf­ barkeit erforderlichen Absicht: ZI. 31. Jan. 79 (RdO. XX, 59). Demgemäß ist sein Gegenstand bei einer Berichtigung des Meineids die wissentlicher oder fahr­ lässiger Weise erfolgte Beschwörung einer objektiven Unwahrheit: ZI. 2. Dez. 63 (RdO. IV, 227). — Besteht die behauptete Thatsache in einer angeblichen Aeußerung des Andern, so genügt zur StrasauSschließung der Nachweis, daß das Gesagte seinem Sinne nach richtig wiedergegeben ist, Worttreue ist nicht erforderlich: ZU. 19. Sept. 72 (RdO. XIII, 464). 11. Der Wahrheitsbeweis ist (unbeschadet der Bestimmungen der §§ 190.191) auch dann, wenn eine strafbare Handlung in Frage steht, statthaft; ein darauf be­ züglicher Beweisantrag kann daher nicht aus dem Grunde abgelehnt werden, weil eine derartige Beweiserhebung nur in einem gegen den angeblichen Urheber jener Mißthat eingeleiteten Strasverfahren erfolgen könne: DI. 16. Nov. 66 (RdO. VII, 642). Ebensowenig wird ein solcher Beweis durch die Unstatthastigkeit einer Straf­ verfolgung (z. B. durch Verjährung: § 190 n. 6) ausgeschlossen. 12. Der Beweis der objektiven Wahrheit genügt, sollte auch der Ange­ schuldigte selbst die Thatsache für unwahr gehalten haben: ZI. 6. Dez. 72 (RdO. XIII, 649); ein Beweisantrag kann daher nicht deshalb abgelehnt werden, weil der Angeschuldigte von der unter Beweis gestellten Thatsache zur Zeit der That keine Kenntniß gehabt habe: DI. 5. Mai 70 (GA. XVIII, 572). 13. Ueber die Form der Beweiserhebung und die Beweismittel vgl. § 190. 14. Nur der vollständige Beweis der Wahrheit schließt die Strafbarkeit auS; daher genügt es nicht, festzustellen: die Thatsache sei im Wesentlichen erwiesen: VI. 15. Oft. 65 (RdO. VI, 549), oder: sie sei wahrscheinlich: ZI. 9. Juli 69 (RdO. X, 494). 15. Als „nicht wahr" kann die Erzählung von Thatsachen auch dann betrachtet werden, wenn sie dadurch, daß sie Wesentliches verschweigt, eine unwahre geworden ist: ZU. 8. März 55 c. Jäger. 16. Ist die Wahrheit der behaupteten rc. Thatsache bewiesen, so bleibt der § außer Anwendung, sollte auch der Angeschuldigte der Handlung eine falsche recht­ liche Qualifikation beigefügt haben, sobald nur jene durch die Qualifikation nicht als eine anders gestaltete dargestellt wurde; vgl. ZII. 7. Juli 70 (RdO. XI, 401); § 164 n. 11. Dagegen schließt der Wahrheitsbeweis eine Bestrafung aus § 185 nicht aus, wenn die Voraussetzung deS § 192 zutrifft. 17. Ob eine behauptete rc. Thatsache (Handlung) geeignet sei, einen Andern „verächtlich zu machen", ist nach der allgemeinen bei unbefangenen UrtheilSfähigen obwaltenden Auffassung zu prüfen: DU. 3. Nov. 70 (RdO. XI, 573). Dagegen kommt es bei der Frage, ob die Thatsache geeignet sei, „in der öffentlichen Meinung herabzuwürdigen", auf diejenige Auffassung an, welche in den Kreisen, in denen der Betreffende lebt und welchen er angehört, sowie in denjenigen, in welchen seine Person und sein Thun beachtet und beurtheilt wird, die überwiegend vertretene ist; in dieser Beziehung würde eine Beschränkung auf die Anschauung unbefangener UrtheilSfähiger nicht gerechtfertigt fein; vgl. n. 8. — Im Uebrigen ist die ganze Frage eine wesentlich thatsächliche. Eine Strafbarkeit der Handlung wird nicht erheischt: ZI. 26. Jan. 76 (RdO. XVII, 61); umgekehrt kann eine Handlung strafbar sein, ohne deshalb schon den obigen Voraussetzungen zu entsprechen; der Vorwurf einer Uebertretuug kann genügen: ZU. 19. Oft. 68 (RdO. IX, 599); Manh. 2. Juni 77 (DAnn. 43 s. 209: betr. den Borwurf des Eingriffs in durch Patent geschützte Erfinderrechte). Grundsätzlich auszuscheiden sind nur solche That-

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Thl. II. Abschn. XIV.

Beleidigung. — § 186.

fachen, welche vom Gesetz geboten sind, sollten sie auch nach der verbreiteten Meinung Vieler Mißbilligung finden: z. B. Ausschlagen eines Zweikampfes, Anzeige eines Verbrechens (§ 139): HS. II, 272. 18. War die Thatsache zur Herbeiführung des gedachten (n. 17) ErfolgrS „ge­ eignet^, so ist es unerheblich, ob der letztere eingetreten ist, oder nicht; ebenso: DreSd. 11. Aug. 76 (SGZ. 21 f. 216); vgl. unten n. 21a. 19. Nachtheilige Aeußerungen über die Vermögenslage eines Anderen und eine bloße „Gefährdung des Kredits" (§ 187) genügen hier nicht: Dreöd. 19. Apr. 72 u. 3. Nov. 76, Stuttg. 25. Oft. 76 (StZ. I, 373; SGZ. 21 s. 272; WGbl. XII, 407); ZU. 8. Apr. 75, eit. d. 7. Dem steht Darmst. 19. Jan. 74 (HEntsch. 74, n. B. 3) nicht entgegen. (Dasselbe erblickte in der Nachrede ,„Kaufmann N. sei bankerott" einen Fall des § 186, erwog aber hierbei, daß schon die bloße Zahlungs­ unfähigkeit den Verlust gewisser Ehrenrechte zur Folge habe rc.). Contra jedoch: Stuttg. 14. Olt. 74 (StZ. IV, 145). 20. Abgesehen von dem zu jeder Beleidigung erforderlichen DoluS (vgl. § 185 n. 24—27), wird zum Thatbestände des § 186 noch das Bewußtsein vor­ ausgesetzt, daß die Thatsache (zur Zeit) unbewiesen (: Münch. 15. Juni 72: StZ. I» 346; vgl. n. 21) und geeignet sei, (bei Dritten) die im § hervorgehobene Wirkung in Betreff eines Andern (selbst eines zur Zeit dem Thäter Unbekannten: ZI. 15. Jan. 73: RdO. XIV, 49) hervorzubringen: VH. 17. Juni 65, ZU. 23. Ott. 73 (RdO. VI, 196; XIV, 660); BL. f. 446. Der Feststellung dieses Erfordernisses bedarf es nur dann, wenn dasselbe bestritten worden ist: cit. ZII. 23. Oft. 73, VI. 26. Juni 78 (NdO. XIX, 340); vgl. §59. Eine weitergehende Absicht wird nicht erfordert, also weder die Absicht zu beleidigen (: Z. 21. Dez. 70, RdO. XI, 609; Jena, Voll. 25 s. 156) noch die Absicht zu verbreiten: ZI. 12. Nov. 56 c. ForSberg; selbst ein Irrthum in der Person des Beleidigten schließt den Thatbestand nicht ohne Weiteres aus: DreSd. 7. Juni 75 (SGZ. XX, 24); vgl. n. 6. 21. Der § erheischt nicht, daß die behauptete Thatsache „unwahr" sei; es genügt, wenn sie nicht erwiesen wird (n. 9). Demgemäß bedarf eS auch nicht der Kenntniß von einer solchen Unwahrheit; selbst der Nachweis der Unkenntniß (§59) kann die Bestrafung nicht abwenden: ZI. 27. Nov. 72 (NdO. XIII, 631). Dasselbe gilt von dem guten Glauben an die Wahrheit, ein in dieser Beziehung oder in Betreff der Entschuldbarkeit deS Irrthums erbotener oder geführter Beweis ist uner­ heblich, da der Thatbestand in dieser Beziehung auch nicht durch eine Fahrlässig­ keit bedingt ist: v. 28. Mai 51 (Entsch. 22 s. 72); HS. II, 279; ebenso verhält es sich mit dem Nachweise der Quelle, aus welcher man seine Kenntniß geschöpft hat (: ZI. 4. Mai 53 c. Holdheim, ZU. 9. Apr. 63 c. Münchner), — sowie mit dem guten Glauben, daß man im Stande sei, den Beweis der Wahrheit zu führen: ZI. 9. Juli 69 u. 3. April 78 (RdO. X, 494; XIX, 187); v. Buri i. GSaal 29 Beil. f. 191; contra: Ginding II, 611; Ortmann i. SGZ. 21 f. 106. Nllk die (irrige) Ueberzeugung, die Wahrheit der Thatsache sei bereits durch ein rechtskräftiges Urtheil festgestellt (§ 190), könnte vor der Bestrafung schützen; vgl. Münch. 15. Juni 72 (cit. n. 20); contra: Hoffmann i. SGZ. 21 s. 296. 21«. Dessenunerachtet (n. 21) ist die Mißthat kein bloßes Fahrläjstgkeitsvergehen (§ 59 n. 19), und daher auch die Möglichkeit einer Mitthäterschaft bei derselben nicht ausgeschlossen: DreSd. 11. Aug. 76 (SGZ. 21 s. 216); vgl. n. 18. 20. 22. In dem mit: „und, wenn . .beginnenden Schlußsätze bezeichnet „Deleidignng" denjenigen Thatbestand, welcher im ersten Satze des § näher hervor­ gehoben iü; die hier angedrohte Strafschärfung tritt nur im Falle des § 186, nicht in dem des § 185 ein: Stuttg. 26. Febr. 73 (StZ. in, 8). 23. Ueber den Begriff der „Oeffentlichkeit" vgl. § 85 n. 1 ff.; § 200 n. 4. Auch hier ist der Gegensatz in dem engen vertrauten Kreise (und nicht etwa in einer häuslichen Gemeinschaft: Münch. 4. März 72, BEntsch. II, 62) zu suchen. 24. Die Absicht braucht auch in diesem Falle nicht dahin gerichtet zu sein, daß die Kundgebung in die Oeffentlichkeit dringe; es genügt das Bewußtsein, daß dieselbe öffentlich wahrgenommen werden könne: ZI. 20. Jan. 70, ZI. 3. Febr. 71; 3IL 15. Febr. 77 (RdO. XI, 20; XH, 77; XVIII, 136). 25. In Betreff der „Verbreitung von Schriften rc." vgl. § 85 n. 14—19; § 185 d. 13; §200 n. 4.

Thl. II. Absch». XIV. Beleidigung. - $ 187.

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§. 187. Wer wider besseres Wissen in Beziehung auf einen Anderen eine unwahre Thatsache behauptet oder ver­ breitet, welche denselben verächtlich zu machen oder in der öffentlichen Meinung herabzuwürdigen oder dessen Kredit zu ge­ fährden geeignet ist, wird wegen verleumderischer Beleivigung mit Gefängniß bis zu zwei Jahren und, wenn die Verleum­ dung öffentlich oder durch Verbreitung von Schriften, Abbil­ dungen oder Darstellungen begangen ist, mit Gefängniß nicht unter Einem Monat bestraft. Sind mildernde Umstände vorhanden, so kann die Strafe bis auf Einen Tag Gefängniß ermäßigt, oder auf Geldstrafe bis zu neunhundert Mark erkannt werden. [I. ent».; II. Enlw.; Pr. StGB.: (fehlte).] Vgl. §§ 186. 188-200; Mil.-SlGB. §§89. 121; RStPO. §433. 26. Der § 186 (187. 200) zählt nicht, wie § 85 neben der „Verbreitung von Schriften" auch den „öffentlichen Anschlag und die öffentliche Ausstel­ lung" solcher Schriften rc. als Mittel der Begehung auf. Eine derartige Handlung ist daher der Verbreitung rc. nur dann gleichzustellen, wenn durch dieselbe eine Ver­ öffentlichung des Inhalts stattgefunden hat, d. h. wenn der letztere durch sie zur Kenntniß Anderer gelangt ist.

§ 187. 1. In Betreff des Verhältniffes der hier behandelten „verleumderischen Beleidigung" („Verleumdung") zum allgemeinen Begriffe der Beleidigung (§ 185) vgl. § 186 d. 1. Von dem Thatbestände des letzteren § unterscheidet sich der hier aufgestellte zunächst durch den Doluö („wider besseres Wissen"), ferner durch den Umstand, daß die behauptete rc. Thatsache „unwahr" sein muß, endlich dadurch, daß eS auch genügt, wenn jene Thatsache „geeignet ist, den Kredit eines Andern zu gefährden". Die Strafandrohung ist geschärft; beim Vorhandensein mildernder Um­ stände ist eine Ermäßigung statthaft. — Insoweit die ThatbestandSmerkmale denen de- § 186 entsprechen, treffen die dort gemachten Bemerkungen auch hier zu. 2. Das „wider besseres Wissen" ist selbstverständlich aus die Kenntniß von der Unwahrheit der Thatsache zu beziehen; der Mangel der Ueberzeugung von der Wahrheit genügt nicht: Z. 17. Jan. 73 (RdO. XIV, 60); vgl. § 164 n. 14; § 190 n. 7. Im Uebrigen wird derselbe DolnS vorausgesetzt, wie im § 186; vgl. dort n. 20; auch hier bedarf e« keiner böswilligen Absicht. — Selbst ein Zeuge kann sich aus § 187 strafbar machen, wenn er bei seiner Vernehmung wissentlich Falsches bekundet: DU. 10. Jan. 78 (RdO. XIX, 20). 3. Die behauptete rc. Thatsache muß „unwahr" sein; dieses Begriffsmerkmal ist als erwiesen ausdrücklich festzustellen; es wird durch den Mangel des Beweises der Wahrheit nicht ersetzt; selbst die Wahrscheinlichkeit der Unwahrheit genügt nicht. Dagegen wird hier nicht (wie im § 131) eine (absichtliche) Erdichtung oder Entstel­ lung erheischt. Im Uebrigen trifft das zu § 186 n. 9 Gesagte auch hier zu. — Rückflchtlich deS Beweises der Unwahrheit vgl. § 190 n. 1. 4. Den im § 186 hervorgehobenen Thatsachen sind hier diejenigen gleichgestellt, welche „geeignet sind, den Kredit eines Andern zu gefährden". Unter „Kredit" ist hier der Glaube an die Zahlungsfähigkeit des Andern zu verstehen. Angriffe, welche die GeschäftSehrlichkeit (ReellitLt) betreffen, fallen ev. unter die §8 185.186: ZI. 29. Rov. 72 (Entsch. 69, H, 93); § 185 n. 1; contra: VH. 5. Aprkl 77 (GA. 25 s. 218), Schütze s. 360 n. 7 (begreifen die GeschäftSehrlichkeit unter dem Aus­ drucke „Kredit" mit). Keinesfalls gehören solche Thatsachen hierher, welche nur die Geschicklichkeit eines Arbeiters in seinem Fache. daS Talent oder die Leistungen eines Künstlers rc. in Frage stellen (vgl. §§ 185 n. 1; § 193), wenn sie auch indirekt aus

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Tdl. II. Abschn. XIV. Beleidigung. — §§ 187 188.

§. 188. In den Fällen der §§ 186 und 187 kann auf Verlangen deS Beleidigten, wenn die Beleidigung nachden Erwerb des Betreffenden von Einfluß sein können. — Da die KreditgesLhrdung in keiner Weise durch eine die Person deS Andern treffende Geringschätzung bedingt ist und die Ehrenhaftigkeit desselben nicht nothwendig berührt, so scheidet hierbei der Begriff der „Beleidigung"' und somit alles zu § 185 unter n. 1. 2 Gesagte aus. Demzufolge findet dieser Theil deS § 187 auch auf solche kollektive Rechtssubjekte Anwendung, welche Vermögensrechte auszuüben befugt find, und deshalb „Kredit" haben und gebrauchen, selbst wenn sie nicht „beleidigt" werden können (§185 n.7), z. B. ans Handels- (Aktien-) Gesellschaften, Bergwerksgewerkschaften, Mitrheder rc. ebenso: 9)11. 5. April 77 (GA. 25 s. 218). Darmst. 29. Dez. 75 (HEntsch. s. 75) sprach dasselbe in Betreff aller juristischen Personen aus, welche Subjekt von Ver, mögensrechten sein können, wie z. B. Sparkassen. Dgl. RStPO. § 414 Abs. 3. Aus dem Worte „Kredit" darf eine Beschränkung auf Kaufleute (kaufmännischen Kredit) nicht gefolgert werden. 5. Auch in Fällen deS § 187 findet § 193 geeigneten Falles Anwendung; vgl. in Betreff deS Näheren dort n. 1. 13. 6. Der hier aufgestellte Begriff der „verleumderischen Beleidigung" ist kein dem gemeinen Leben geläufiger; eS bedarf daher bei der instanzrichterlichen Aburtheilung der genauen Feststellung aller im § erheischten Begriffsmerkmale, sollte dieses auch (wie z. B. nach der Rh. StPO.) nicht allgemein vorgeschrieben sein: 9)11. 7. Juni 66 (RdO. VH, 334). Vgl. RStPO. § 266. 7. Abs. 2 gilt, insoweit er von Geldstrafe spricht, für beide Fälle deS §, in Betreff der Ermäßigung der Gefängnißstrafe aber nur für den zweiten Fall, da in dem ersten schon nach Abs. 1 aus Einen Tag erkannt werden kann: Schütze s. 363. § 188. Ablehnung r 23. Angeschuldigte, Mehrheit: 29. Antrag-berechtigter: 4. Begnadigung: 27. Beleidigter r 4—6. • Anträge: 10. 16 • Mehrheit: 4. . Partei: 10. 16. . Recht-mittel: 16. • Zeuge: 16. Beleidigung, eins.: 2. Bevollmächtigter: 10. Buße. Betrag: II. 18. . Charakter: 1. Civllklage 26. 27. Elvtlverf.» Suspension« 13. . Verweisung: 23. Entschädtgunq-anspr., 5. 13. 16. 23.26.31.32. . Ausschließung: 31. . Vorbehalt: 23. Ermessen« 3. • Theilung: 3.

Form 10. Freisprechung: 9. 16. 19. 25. Körperverletzung - 28. Konkurrenz: 20. Nachtheil. Folgen: 17. 18. Ncbenllage: 16. Partei: 10. 16. Privatllage: 14 16. Rechtsmittel: 16. Rechtskraft: 26. Recht z. verlangen: 4—6. - Disposition-fähigkeit: 5. . Erbe. 6. . persönlich: 6. • Uebertragbarkett: 6. • Verzicht: 8. 15. - wer: 4—8. Schmerzensgeld: 32. Staatsanw., Rechtsmittel: 16. Strafantrag: 4. Theilnehmer: 20. "Theilung: 3. 8. Tod: 6. 26.

Hergang: 6. Übertragung: 6. nwanblung? 22. theil: 12. 14 • Beweiskraft: 31. krfügung: 12. ertährung: 30. erlangen: 9-16. . Ablehnung r 23. • Betrag: U. Frist» 12. • Partei» 16. . Suspension: 13. Theilung: 3. . Vorbehalt: 23. . Wie? 10. 16. tve ? 9. Zurücknahme: 14.15. :rurtheilung: 19. erzicht: 8. 15. ollstrcckung 30. tahlrecht: 13. 16.

1. Die nach diesem § dem Beleidigten auf Verlangen zuzusprechende „Buße" charakteristrt sich als eine (Civil-) Strafe, ist aber gleichzeitig und hauptsächlich alErsatz für den zugefügten DermögenSschaden anzusehen; vgl. Abs. 2; RStPO. §§ 444 Abs. 4. 445; Münch. 15. Dez. 76 (BEntsch. VI, 600); v. Wächter, die Buße, Lpz. 1874, § 5; Herzog i. GSaal 29 f. 419; contra: ZU. 5. März 78 (RdO. XIX, 108: blos Schadensersatz); ebenso: Dochow, die Buße, Jena 1875 u. Löwe RStPO. s. 468; Münch. 5. Juli 78 (BEntsch. VIII, 375: blos Privat- bzw. Nebenstrafe); ebenso: Flesch i. GSaal 28 s. 278. Danach hätte die ganze Bestimmung nicht im StGB, ihre Stelle finden sollen, da sie in materieller Beziehung dem Eivilrechte angehört, die Ueberweisung der Entscheidung an den Strafrichter aber eine prozessua­ lische Regelung der Sache nothwendig machte, für welche eS bisher in dem größten Theile des Bundesgebiets an allen Anhaltspunkten fehlte. Deshalb hat die Hand-

Thl. II. Abschn. XIV.

Beleidigung. — § 188.

401

Heilige Folgen für die Vermögensverhältnisse, den Erwerb oder daS Fortkommen des Beleidigten mit sich bringt, neben habnng dieser und der entsprechenden Vorschrift de- § 231 (sowie des B.-Nachdr.Ges.'s v. 11. Juni 1870 §§18. 19) in der Praxis vielfach Schwierigkeiten hervor, gerufen, welche in der Folgezeit ihre Lösung durch die RStPO. §§ 443—446. 495 finde». Vgl. Stengl. i. GSaal 24 s. 325; Banr i. WGbl. VI, 339; Dochow i. HH. III, 375. 2. Die Vorschrift de- § ist auf die Fälle der §§ 186. 187 beschränkt, somit auf solche nicht auszudehnen, wo wegen einfacher Beleidigung aus § 185 (192) ge­ straft wird: Mot. f. 204; $11. 20. März 73 (RdO. XIV, 214); Münch. 7. März 73 (StZ. II, 274). 3. Durch die fakultative Fassung de- § („kann re.", vgl. Mot. f. 104) ist dem Richter eine nach seinem Ermessen zu handhabende Besugniß beigelegt; er kann daS „Verlangen" ablehnen, wenn er keine Veranlassung findet, von jener Befugniß Gebrauch zu machen; ebenso steht Nichts entgegen, das Verlangen eines von mehreren zugleich Beleidigten zu berücksichtigen, und das eines andern zurückzuweisen. Dies ist durch die RStPO. nicht geändert worden; vgl. Löwe s. 868. 4. DaS Recht, eine Buße zu „verlangen", ist dem „Beleidigten" bei­ gelegt; dieselbe soll an ihn „erlegt" werden. Andern Personen steht ein gleicheRecht nicht zu, sollte ihnen auch eine selbstständige Besugniß, aus Strafverfolgung anzutragen (§§ 65 Abs. 2, 195. 232), beigelegt sein; ebenso: ZII. 5. März 78 (RdO. XIX, 108). Der Beleidigte kann jenes Verlangen auch dann stellen, wenn die Strafverfolgung der ihm zugefügten Beleidigung nicht auf seinen, sondern auf den Antrag einer jener andern Personen angehoben worden ist. — Sind mehrere Personen durch eine und dieselbe Kundgebung beleidigt, so kann jede die Zuerken­ nung der Buße (zum vollen Betrag) für sich und unabhängig von den Andern ver­ langen; ebenso: Dochow s. 33; contra: Klostermann, daöUrheberrecht an Schristw. rc., Anhang s. 41; vgl. übrigens RStPO. § 415. 5. Der Beleidigte kann jenes Recht (n. 4) nur insoweit ausüben, als er nach den Civilgesetzen dispositionSsähig ist, zumal da durch die Zuerkennung der Buße die Geltendmachung eines weiteren (höheren) Entschädigungsanspruchs anSgeschloffen wird (Abs. 2); § 65 findet hier keine analoge Anwendung. Im entgegen­ gesetzten Falle übt sein nach Maßgabe deS CivilrechtS berufener Vertreter das Recht anS: v. W. f.55; Dochow {.34; Herzog i. GSaal 27 f. 194; contra: Schütze f. 364 n. 5; Münch. 5. Juli 78 (eit. n. 1: hielt den gesetzlichen Vertreter in Straf­ sachen für legitimirt). Demgemäß kann im Gebiete des Pr. ALR. (vgl. dort § 188. T, 1) der Ehemann in Vertretung seiner Frau die Buße verlangen: ZII. 5. März 78 (eit. n. 4). Vgl. RStPO. §§ 435. 414. 6. Wegen seiner eigenthümlichen Natur und Wirkung ist daS Recht des Be­ leidigten (n. 4) als ein höchst persönliches anzusehen, welches eben deshalb auf die Erben nicht übergeht noch auf Andere übertragen werden kann: Banr 1. c. f. 342; Dochow i. HH. III, 376; contra: Fuchs s. 61. Hat dagegen der Beleidigte daS Verlangen gestellt, so kann letzterem nach seinem Tode zu Gunsten seiner Erben entsprochen werden; auch dürste eine Uebertragung des dadurch erworbenen AnspruchS statthaft sein; contra: Stengl. 1. c. s. 332. Nach § 444. 446 der RStPO. kann der Anspruch von den Erben weder erhoben noch fortgesetzt werden. 7. Auf das Recht, die Buße zu verlangen, kann gültig und wirksam Ver­ zicht geleistet werden, selbst wenn der Entschädigungsanspruch nicht ausgegeben wird. DaS Stellen des Strafantrags ohne sofortiges Verlangen einer Buße ist jedoch noch nicht als stillschweigender Verzicht zu deuten. 8. Es ist statthaft, das Verlangen der Buße auf einzelne von mehreren bei der That Betheiligten zu beschränken; ebenso: v. W. s. 55, Dochow. f. 34; contra: Herzog t. GSaal 27 s. 194; 29 s. 421 (nimmt an, daß, wenn jenes Ver­ langen überhaupt gestellt werde, lediglich der Strafrichter über die zur Buße zu verurtheilenden Personen zu befinden habe; dies bestätige mittelbar §445 der RStPO.). 9. Das „Verlangen der Buße" muß bei dem mit der Sache befaßten Richter angebracht werden; ist dies geschehen, so verliert dasselbe durch eine Einstellung des Verfahrens oder durch eine Jnkompetenzerklärung des Richters nicht seine WirksamOp Pen ho ff, D. Strafgesetzbuch.

7. AuSg.

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Thl.

n.

Abschn. XIV. Btltidigimg. - § 188.

der Strafe auf eine an den Beleidigten zu erlegende Buße bis zum Betrage von sechstausend Mark erkannt werden. feit. Im Falle der Wiederaufnahme des Verfahrens hat der neuerdings befaßte Richter dasselbe zu berücksichtigen. — Dagegen bestimmt für die Folge § 444 Abs. 3 der RStPO., daß. wenn der Angeklagte freigesprochen oder das Verfahren eingestellt oder die Sache ohne Urtheil erledigt werde, der Antrag auf Anerkennung einer Buße ohne weitere Entscheidung für erledigt gelte. 10. In Betreff der Form der Anbringung fehlt es (bis zum Inkrafttreten der RStPO.) an bindenden Vorschriften; sie kann durch einen General. (contra: Stengl. 1. c. f. 333; Baur 1. c. f. 342) oder Spezialbevollmächtigten (nicht aber einen negotiorum gestor) erfolgen. — ES bedarf dazu nicht deS Eintritts deS Berlehten in das Verfahren als Partei; eine derartige Beschränkung kann auch nicht durch Landesgesetz vorgeschrieben werden; vgl. Heinze s. 54; Stengl. 1. c. f. 334. 351; contra: Puch. d. 2. — Ander« unter der Herrschaft der RStPO.; vgl. unten n. 16. 11. An und für sich ist es zur Wirksamkeit deS Verlangens einer Buße nicht erforderlich, daß in demselben eine bestimmte Summe gefordert werde; das Gegentheil tritt aber nach Maßgabe der Landesgesetze ein, wenn das Verlangen im Wege einer förmlichen Klage (Adhäsion, Civilklage re.) erfolgt. Ist eine bestimmte Summe verlangt worden, so steht es dem Richter nicht zu, über diese hinauszugehen: Darmst. 1. Sept. 73 (StZ. III, 186). Die RStPO. §§ 445. 446 verordnet aus­ drücklich, daß der Betrag angegeben und auf einen höheren nicht erkannt werde, ohne daß jedoch eine Verletzung der letzteren Vorschrift die Revision begründet; vgl. ib. § 380; Löwe f. 871. 12. An eine Frist ist das verlangen der Buße nicht gebunden; § 61 findet hier keine Anwendung. Insofern daher der Entschädigungsanspruch nicht verjährt ist, kann daS Verlangen so lange wirksam ausgesprochen werden, als nicht das Ur. theil erster Instanz ergangen ist (eine spätere Anbringung würde dem Ange­ schuldigten eine Instanz entziehen). Ebenso unter der Herrschaft der RStPO-, vgl. dort § 444 Abs. 1. Ja selbst nach Erlaß des Urtheils kann die Anbringung jenes Verlangens noch stattfinden, wenn das Urtheil vom höheren Richter vernichtet und die Sache in die erste Instanz zurückgewiesen wird; erfolgt dies auf die Berufung des Angeschuldigten, so bildet die zu deffen Gunsten eingetretene relative Rechtskraft des ersten Urtheils in dieser Hinsicht kein Hinderniß, da die Buße eben keine eigent­ liche Strafe ist: VH. 8. April 75 (RdO. XVI, 276). 13. So lange eine wegen derselben That angehobene Entschädigung-klage beim Civil-Richter anhängig ist, kann das Verlangen einer Buße nicht beim Straf­ richter angebracht werden; er müßte es als unannehmbar zurückweisen; vgl. aber C. d’instr. er. art. 3; contra (namentlich auch im Hinblicke aus die Vorschriften der RStPO.): Herzog i. GSaal 29 s. 425. In Ermangelung entgegenstehender Prozeß­ vorschriften kann die EntschädignngSklage zurückgenommen werden, um im Straf­ verfahren die Buße zu verlangen; vgl. n. 14. Eine im Civilverfahren über den Entschädigungsanspruch (wenn auch nicht rechtskräftig) ergangene Entscheidung schließt das Verlangen einer Buße im Strafverfahren endgültig aus, und zwar selbst dann, wenn dieselbe die Klage abgewiesen hat; ebenso (in Betreff einer rechtskräftigen Entscheidung): Herzog 1. c. s. 424; contra: v. W. f. 71; vgl. auch GSaal 26 s. 631. 14. DaS Verlangen der Buße kann, so lange darüber noch nicht erkannt wor­ den, jederzeit zurückgenommen werden, um demnächst den Entschädigungsanspruch im Wege der Civilklage zu verfolgen. Dagegen fällt dieses Zurücknahme-Recht mit der Verkündung des ersten, die „Buße" zusprechenden CrkenntniffeS weg, weil die „erkannte Buße" einen weitern (im Civilwege zu verfolgenden) Entschädigungsan­ spruch ausschließt (Abs. 2) und diese Wirkung nicht durch die Zurücknahme deS früher ausgesprochenen Verlangens aufgehoben werden kann; vgl. die analoge Vorschrift deS §64. — Hiermit stimmt ß 444 der RStPO. insofern überein, als er die Zurücknahme „bis znr Verkündung des Urtheils" (nicht des ersten Urtheils! gestattet; doch ist dieselbe nach Löwe s. 870 in der BernfnngS- bzw. Revisionsinstanz selbst dann zulässig, wenn dem Verletzten in der Vorinstanz eine Buße zugesprochen war.

Thl. II. -löschn. XIV. Beleidigung. — § 188.

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Eine erkannte Buße schließt die Geltendmachung eines weiteren Entschädigungsanspruches aus. [I. ent».: (fehlte); II. ent».: tz 184; Pr.StGB, (fehlte)). Bgl. §§ 186.187. 231. Nachdr.-Ges. v. 11. Juni 1870 §§ 18. 19; Markenschutz-Ges. v. 30. Nov. 1874 §§ 15. 16; ©eff. v. 9., 10., 11. Jan. 1876 (eit. zu § 61); Patentgef. v. 25. Mai 1877 § 36; RStPO. §§ 443-446. 495; RGVG. § 75. 15. Nicht- steht entgegen, ein zurückgenommene- Verlangen demnächst recht, zeitig zu wiederholen; es fei denn, daß die Zurücknahme einen Verzicht (n. 7) aus da- Recht in sich schlösse: Baur 1. c. f. 343; contra: Stengl 1. c. s. 340; v. Bnri i. GSaal 28 f. 312. — § 444 der RStPO. schließt für die Folge die Erneuerung des zurückgenommenen Antrags unbedingt aus. 16. Durch da- „Verlangen einer Buße" erlangt der Beleidigte ebensowenig wie durch den Strafantrag die Stellung einer Partei im Verfahren; er kann so. nach in demselben weder Anträge stellen noch Rechtsmittel ergreifen (vgl. Befchl. I. 2. Mai 77, RdO. XVIII, 311), wahrend feiner (eidlichen) Vernehmung als Zeuge (in Ermanglung besonderer strasprozeßrcchtlicher Vorschriften) kein gesetz­ liches Hinderniß entgegensteht. Dagegen haben Staatsanwalt und Richter auch rücksichtlich der zuzusprechenden Buße (der sie betreffenden Beweiserhebungen und Fest­ stellungen) ganz dieselbe Aufgabe, wie rücksichtlich des Thatbestandes der zu verhän­ genden Strafe. Insbesondere ist der Staatsanwalt auch in Beziehung auf die Buße als Partei anzusehen, kann in Betreff ihrer Beweisanträge stellen und Rechts­ mittel ergreifen: DII. 8. April 75 (cit. n. 12), nach Pr. Verfahren würde eS ihm nicht zustehen, die Buße von einem ergriffenen Rechtsmittel auszuschließen; vgl. Oppenh. Pr. Strafverf. Abfchn. IV (f. 450) n. 3; Bll. 13. Juni 68 (RdO. IX, 377). — Das eben Gesagte schließt jedoch nicht au«, daß der Verletzte da, wo ihm die Landetprozeßgefetze das Recht der Strafverfolgung im Wege einer (beim Civiloder Strafrichter anzuhebenden) Privatklage ertheilen, die ihm in dieser Hinsicht ein­ geräumten Parteibefugnisie auch zur Begründung deö Verlangens einer Buße ausüben und dann Beweisanträge pellen, Rechtsmittel ergreifen rc. könne, und daß im Gebiet bet Rheinischen Recht- der Verletzte, wenn er sich vor dem Strafrichter als Eivilpartei konstituirt, sogar die Wahl habe, entweder den Eivilentschädigung-anspruch (ohne Beschränkung auf den Höchstbetrag von 6000 Mark) zu erheben oder seinen Antrag aus Zusprechung einer Buße nach Anleitung des § 188 (oder 231) zu richten. — Dieser Recht-zustand erleidet mit dem Inkrafttreten der RStPO. hauptsächlich darin eine Aenderung, daß der LivilentfchädigungSanfpruch nirgends mehr vor dem Strafrichter, der Anspruch auf Buße nirgends mehr vor dem Civilrichter geltend gemacht werden kann, dag es ferner dem Verletzten nicht mehr überlasten ist, ob er einfach nach Maßgabe des § 188 (oder 231) eine Buße verlangen oder aber als Partei auftreten will, daß vielmehr stets der letztere Weg einge­ schlagen werden muß. Dies kann in allen Fällen (der Beleidigung und Körperver­ letzung) durch eine Nebenklage, und bei bloßen Antrag-vergehen auch durch eine Privatklage geschehen. Der Verletzte ist al-dann nicht zur eidlichen Zeugenaussage zuzulassen, dagegen befugt, Rechtsmittel zu ergreifen, selbst im Falle der Frei­ sprechung oder der Einstellung de- Verfahren- (contra: Keller RStPO. f. 480 mit Rücksicht auf den unter n. 9 referirten § 444 Abf. 3), während die Staat-anwaltfchaft den Anspruch auf Buße nicht zu vertreten hat, noch anch legitimirt ist, den diesen Anspruch betreffenden Theil bet Urtheilt anzufechten. Vgl. RStPO. §§ 443. 446, Löwe f. 869. 870, und, was die fachliche Zuständigkeit der Gerichte betrifft, RGVG. §§ 27. 75 Nr. 15. In fchwurgerichtlichen Sachen wirken die Ge­ schworenen bei der Entscheidung über die Buße nicht mit: Schw. RStPO. f. 579. 17. Die Zusprechung der Buße ist durch den Nachweis bedingt, daß die „Be­ leidigung nachtheilige Folgen für die DermögenSverhältniste, für den Erwerb oder für das Fortkommen des Beleidigten mit sich bringe". Es genügt daher nicht der Nachweis, daß jene geeignet fei, solche Folgen mit sich zu bringen; vgl. n. 1; contra: Jena 76 (Voll. 24 f. 180). — Als eine „nachtheilige Folge für die VermögenSverhältniffe rc." kann unter Umständen schon eine bloße Gefährdung der­ selben, insbesondere eine Gefährdung bezw. Erschwerung des künftigen Fortkommens

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Thl. II. Abschn. XIV. Beleidigiliig. — § 188.

oder Erwerb« (1. B. im Falle einer KreditgesShrduna) angesehen werden; vgl. Z,I. 28. Ott. 73 (GA. 21 s. 532); Schütze f. 364; v. W. s. 19, 20, 47; Hetjog I. c. s. 193. 197. Immer ist aber, selbst insoweit der § von nachthetligen Folgen für da» „Fortkommen- redet, nach den »ur Zeit in Deutschland herrschenden An. sichten über die Entschädigungsansprüche bei Beleidigungen (s. n. 32), nur an (berert, eingetretene oder noch bevorstehende) vermögensrechtliche Nachtheile zu denken; so: Dochow f. 25. Keinesfalls genügt das Gefühl der erlittenen Kränkung; em f. g. Schmerzensgeld kann in diesem Verfahren nicht zugesprochen werden (anders in dem Falle des § 231; vgl. dort n. 3). — Der Instanzrichter muß jene Frage von AmitSwegen zum Gegenstände feiner Prüfung machen und darüber eine auSdrüaltche (po fltive oder negative) Feststellung treffen. , , n . , 18. Wird der Betrag des Schadens vom Strafnchter als festgestellt erachtet, so muß die Buße (innerhalb der im § gezogenen Grenze) arg. Abf. 2 auf mmdestniS ebensoviel lauten, v. W. s. 33 nimmt sogar an, sie müsse, um dem Charakter der Buße als Privatstrase gerecht zu sein, den vollen Schadenersatz überschreiten. klebrigen ist der Strafrichter an den Betrag des Schadens nicht gebunden. Doch nahm Mannh. (BAnn. 44 s. 171) an, daß, weil die Buße nach §§ *88.231 toor* zugsweise den Charakter einer Entschädigung an sich trage, m Baden die Grundsätze de- Ges.'s n. 6. März 1845 (über die privatrechtlichen Folgen der Verbrechen) m,t in Betracht zu ziehen seien. Die Frage, ob jener das Strafverfahren aufhalten könne, um die Höhe des Schadens richtiger zu ermessen, wird von v. W. s. 45 verneint; ebenso unter Bezugnahme auf § 438 Abs. 1 der RStPO. von Lowe s. 8.0. 18a. Die nach § 188 (oder §231) anszusprechende Buße kann nur m emer bestimmten, ein- für allemal zu leistenden Geldsumme, nicht m Form emer jährlich wiederkehrenden Geldleistung aus Lebensdauer des Verletzten zuerkannt werden; so: Münch. 15. Dez. 76. (B.Entsch. VI, 600). c ^ e . 19. Der Strafrichter kann auf die Buße nur „neben der Strafe erken­ nen", also nur im Falle einer Verurtheilung und nur in dem diese aussprechenden Erkenntnisse, nicht durch bloße „Verfügung", sollte es auch nach dem maßgebenden Strafprozeßgesetze statthast sein, die Strafe in der gedachten Werse ($. B. vorbehaltlich der Provokation auf den kontradiktorischen Rechtsweg) festzusetzen. Vgl. RntPO. § 447. Ebensowenig würde c8 gestattet sein, die Buße nach der Verurteilung rn einem NachtragSerkenntniffe, etwa auf Grund einer zwischenzeitlich veranlaßten Be­ weiserhebung zu- oder abzusprechen. r A Z.L w . 20. Trifft eine Beleidigung mit einer andern Mrßthat (ideell oder realiter) zusammen, so ist die Zuerkennung einer Buße wegen jener selbst dann statthaft, wenn die Strafverhängung unter Zugrundelegung des den andern FaUbetreffenden Strafgesetzes erfolgt; contra (mindestens bei der ideellen Konkurrenz): Merkel t. HH. IV 229 * 21. Bei „wechselseitigen Beleidigungen" (§198) ist eine Aufrechnung der Bußen statthaft; vgl. Schütze s. 370 n. 18 (will sie nicht bloß bei wechselseitigen Beleidigungen zulassen). Wird so erkannt, so kann gemäß Abs. 2 auch Nicht mehr beim Civilrichter auf Entschädigung geklagt werden. , ^ . . .< 22. Eine Umwandlung der Buße in Freiheitsstrafe findet Nicht Statt. 23. Findet der Instanzrichter keine Veranlassung, die Buße zuzusprechen, sei es, weil er einen erlittenen BermögenSnachtheil nicht für erwiesen erachtet, sei t9, weil er nicht genügende Anhaltspunkte für die Abmessung der Buße findet, so muß er sich daraus beschränken: «das Verlangen des Beleidigten abzulehnen"; ins­ besondere darf er den erhobenen Anspruch nicht „zum Civilverfahren verweisen , weil die eventuelle Klage vor dem Civilrichter aus etwas Anderes (: Entschädigung und nicht „Buße") zu richten wäre. — Daraus (sowie auS Abs. 2) folgt ferner, daß er die Buße stets nur im Ganzen zu- oder absprechen kann; eS steht ihm Nicht zu, dieselbe für eine Seite des erlittenen Nachtheils zu gewähren und einen weitergehenden Entschädigungsanspruch dem Civilverfahren vorzubehalten; ein solcher Zusatz würde (arg. Abs. 2) unwirksam sein. . , (Äjl 24. Ergreift der Berurtheilte ein Rechtsmittel, so richtet sich dreseS selbst­ verständlich auch gegen die auferlegte Buße. 25. Wird ein verurtheilendeS Erkenntniß in emer höheren Instanz reformiri und au Freisprechung erkannt, so fällt damit auch die in erster Instanz zuge-

Thl. II. Abschn. XIV. Beleidigung. — § 188.

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sprochene Buße fort (n. 19); der höhere Richter kann sie nicht aufrechterhalten, sollte ec auch annehmen, baß durch die (nicht strafbare) Handlung deS Angeschuldigten dem Andern ein Vermögensschaden zugefügt sei. 26. Stirbt der verurteilte Angeschuldigte vor dem Eintritte der Rechtskraft de- CrkenntnisieS, so verliert dadurch auch der die Buße zusprechende Theil desselben seine Wirksamkeit; den Erben bleibt dann nur übrig den Entschädigungsanspruch im Civilverfahren geltend zu machen; contra: Fuchs f. 61. Ob dasselbe auch da gelte, wo der Beleidigte als Partei in das Verfahren eingetreten war und die Büße beantragt hatte, richtet sich nach den maßgebenden Prozeßgesetzen; Löwe s. 870 bejaht dieselbe nach den Grundsätzen der RStPO. 27. Begnadigung beseitigt die Buße nicht. 28. Eine dem § 188 entsprechende Vorschrift ist im § 231 auch für alle Fälle der Körperverletzung gegeben; dagegen ist dieselbe aus andere Mißthaten, z. B. auf falsche Anschuldigung (§ 164) nicht auszudehnen. 29. Der (n. 28) eit. § 231 enthält im Abs. 3 noch die Bestimmung, daß „für die Buße die zu derselben Bernrtheilten als Gemeiuschuldner haften". Bon einer ähnlichen Vorschrift hat man im § 188 abgesehen, weil, „wenn Mehrere an einer Beleidigung sich betheiligen, Jeder derselben eine Beleidigung begehe". Dieser Auffasiung huldigte mindestens die Bundeskommission: Schw. s. 507. Ihr zufolge kann daher jeder Mitthäter einer Beleidigung selbstständig in die „Buße" verurtheilt werden (ohne, daß darum dem Richter verwehrt wäre, die Buße in Betreff der verschiedenen Mitthäter verschieden abzumessen, oder auch die Znerkennung aus einzelne derselben zu beschränken: n. 8. 18); vgl. Schütze s. 364 n. 5; contra: v. W. s. 66, Dochow s. 33, Herzog i. GSaal 27 s. 195. 204 (nehmen an, daß nur auf eine einzige, einheitliche Buße, aber mit solidarischer Wirkung zu erkennen sei). — Dagegen läßt sich von den Anstiftern und Gehülfen nicht sagen, daß Jeder von ihnen eine Beleidigung begehe; diese wird nur vom Thäter verübt; es kaun daher gegen den Thäter einer Beleidigung, den Anstifter und gegen die Gehülfen zu­ sammen die Verurtheilnng zur Buße nur im einmaligen Betrage ausgesprochen werden; doch dürsten in einem solchen Falle arg. § 231 alle solidarisch hasten : contra: Schütze 1. c. (unterscheidet nicht zwischen Mitthätern und bloßen Theilnehmern) und v. W. s. 48 (hält die Verurtheilnng des Gehülfen für bedenklich). 30. Für die Vollstreckung der rechtskräftig zuerkannten an den Beleidigten „zu erlegenden" Buße (ihre Verjährung re.) sind lediglich die eivilrechtlichen Grund­ sätze maßgebend. Sie findet mir auf den Antrag (im Gebiete des Rh. Rechts nur aus das Betreiben) des Verletzten statt; bedarf dieser dazu einer UrtheilSauösertigung, so kann er verlangen, daß ihm solche aus Kosten deS Verurtheilten ertheilt werde (die Verurtheilnng zu den Kosten umfaßt daun auch diese Kosten mit); vgl. § 200 Abs. 3. — § 495 der RStPO. bestimmt ausdrücklich, daß die Vollstreckung nach den Vorschriften über die Vollstreckung der Urtheile der Civilgerichte erfolge. 31. Durch Znerkennung einer (auch noch so kleinen) Buße wird die Geltendmachung „weiterer EntschädigungSausprüche" ausgeschlossen (Abs. 2), nicht aber durch die Ablehnung deS ausgesprochenen „Verlangens", sollte diese auch erfolgt sein, weil der Strafrichter den Eintritt einer nachtheiligen Folge für nnerwiesen oder gar widerlegt erachtete. Das gilt selbst dann, wenn der Beleidigte im Strafverfahren als Partei aufgetreten war und die Zusprechung der Buße beantragt hatte (n. 16); die Rechtskraft der diesen Antrag ablehnenden Entscheidung würde der späteren Civilklage aus Zuerkenuung einer (von der Buße verschiedenen) Ent. schädigung an sich nicht entgegenstehen. Ebenso unter der Herrschaft der RStPO-: Löwe s. 868. — Ob dasselbe auch dann gelte, wenn der Strafrichter von der StrafVerfolgung freigesprochen hat, weil die Beleidigung nicht erwiesen worden, hängt von der prozeßrechtlichen Frage ab, ob eine solche freisprechende Entscheidung des Strafrichters demnächst den Civilrichter binde; sie ist in Ermangelung positiver, sie lösender Vorschriften zu verneinen; vgl. OTr. v. 15. Dez. 56 (IMbl. 57 s. 59); VI. 14. April 69 (RdO. X,507). Für die Folge gilt dies unbedingt, da § 14 des EG. z. RCPO. die Vorschriften über die bindende Kraft des strafgerichtlichen Urtheils für den Civilrichter ausdrücklich aufhebt. — Dagegen dürfte dem im Strafverfahren ergangenen Schuldspruche im späteren Civilverfahren eine beweisende bezw. über.

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Thl. II. Abschn. XIV.

Stltibigung. — §§ 188. 189.

§. 1S9. Wer das Andenken eines Verstorbenen dadurch beschimpft, daß er wider befferes Wissen eine unwahre That­ sache behauptet oder verbreitet, welche denselben bei seinen Leb­ zeiten verächtlich zu machen oder in der öffentlichen Meinung zeugende Kraft (bis zum Gegenbeweise) regelmäßig beiwohnen; vgl. in dieser Beziehnng § 190, welcher aber keine unbedingte analoge Anwendung auf unsern Fall gestattet, NStPO. § 10, sowie für die Folge RCPO. §§259. 264. 543 Nr. 6, Mot. f. 212 ff. 475. 530. — Im Uebrigen vgl. § 231 n. 9. 32. Durch §§ 188. 231 wird in keiner Weise der Frage präjudizirt, in welchem Umfange der Beleidigte rc., welcher nicht „die Buße verlangt", im Wege der Civilklage eine „Entschädigung" beanspruchen könne. Insbesondere ist aus jenen §§ nicht zu folgern, daß dieser Anspruch nothwendig auf den Betrag deS nach­ weislich erlittenen DermögenSschadenS beschränkt bleiben müsse, und daß namentlich nicht auch ein Schmerzensgeld (n. 17) gefordert werden könne. Jene Frage beant­ wortet sich vielmehr lediglich nach der Civilgesetzgebung; vgl. für Preußen ALR. I, 6 §§ 131. 112ff.; Förster I, 550; für da- Gebiet deS gemeinen Rechts v. W. s. 72, 85; West bei Poll. 22 s. 22; § 231 n. 3. Nach französischem rc. Rechte C. civ. artt. 1142. 1382. 1383) ist ein Anspruch ans Geldentschädigung wegen Ehrverletzung, selbst wenn diese keinen nachweisbaren BermögeuSschaden zur Folge hatte, unbedenklich statthaft; vgl. ThdCp. ch. 7 § 3 (I. p. 122) und die franz. Jurisprudenz; ebenso: PKH. 27. März 22 (RA. 4. II. 1); contra: Perrot: Ver­ fahren rc. I, 543, und die überwiegende Praxis der Rh. Inpanzgerichte. Nach dieser letzteren Auffassung würde eS aber in der Regel an jedem durch die Civil­ klage zu verfolgenden Privatinteresse fehlen, letztere Klage also unstatthast sein und daher auch nicht bei dem Strafrichter (n. 16) angebracht werden können; vgl. ZU. 23. Nov. 76 (RdO. XVII, 761: sprach geradezu aus, daß die Civilklage, wenn sie auch allen Schaden umfasse, welcher dem Verletzten an seiner Person, seinem Ver­ mögen und seiner Ehre entstanden sei, doch nur aus eine Geldentschädigung gerichtet sein könne, da das Rh. Recht keine Berurtheilung zu einer Ehren-Genugthuung kenne): contra: PII. 2. Febr. 60 Detochet c. KringS (erachtete die Bekanntmachung des StrafurtheilS, deren Gestattung gewöhnlich allein begehrt wird, für ein solches Privatintereffe und einen Antrag dieser Art sogar zur Snbstantiirung der Berufung des CivilklägerS gegen ein von der Staatsanwaltschaft nicht angefochtenes frei­ sprechendes Urtheil für genügend. Die R-Iustiz-Gefetze enthalten über den Umfang des Entschädigungsanspruchs gleichfalls keine ausdrückliche Bestimmung; doch ist nach den Komm.-Protok. f. 767 ff. durch die Vorschrift be8 § 11 Abs. 1 deS EG. z. RStPO., daß die Verfolgung von Beleidigungen und Körperverletzungen nur nach den Vor­ schriften der RStPO. statthaft sei, gleichzeitig die Unzulässigkeit jeder auf Privatstrase, Abbitte, Widerruf und dergl. gerichteten Klage ausgesprochen. §189.

1. Der zweite Entwurf hatte diese Vorschrift im elften Abschnitte unter den Vergehen, welche sich auf die Religion beziehen, gebracht; der Reichstag wies ihr ihre jetzige Stelle an. — Als Grund derselben führen die Motive (s. 97) an, daß die verleumderische Beschimpfung des Andenkens eines Todten den Nachgebliebenen viel­ leicht tiefer verletze, als eine persönliche Beleidigung. 2. Die Begriffsbestimmung umfaßt zunächst den vollen Thatbestand der „ver­ leumderischen Beleidigung" (§ 187) unter Ausscheidung der „Gefährdung deS Kredits"; es sind daher die Bemerkungen zu dem cit. § zu vergleichen. Sodann hob der Referent im Reichstage ausdrücklich hervor, daß im Interesse der freien Geschichts­ forschung auch § 193 hier Anwendung finde: Sten. Der. s. 653. 3. Außerdem erheischt der §, daß „durch" die Behauptung rc. das „An­ denken deS Verstorbenen beschimpft" werde; sonach stellt dieses ein neues zum Thatbestände der Verleumdung hinzutretendes Begriffsmerkmal dar, welches nicht mit dem „Berächtlichmachen rc." zusammenfällt; contra: Schütze s. 362 n. 8. Mau darf annehmen, daß demgemäß nur schwere, das Gefühl der nachgebliebenen An-

Thl.

II. Abfchn. XIV. Beleidigung. — §§ 189.190.

407

herabzuwürdigen geeignet gewesen wäre, wird mit Gefängniß bis zu sechs Monaten bestraft. Sind mildernde Umstände vorhanden, so kann auf Geld­ strafe bis zu neunhundert Mark erkannt werden. Die Verfolgung tritt nur auf Antrag der Eltern, der Kinder oder des Ehegatten des Verstorbenen ein. (I. . $iuie8 1. c. f. 38. Die Worte „insbesondere eines Messers rc." sind nur zur besseren Verdeutlichung des Begriffs hinzugefügt worden. Ob der Thäter den Gegenstand von Haus aus in der Absicht, ihn auf solche Weise zu gebrauchen, zu sich gesteckt, bezw. mitgenommen hat, ist für die Begriffsbestimmung gleichgültig. Vgl. Stenogr. Ber. f. 802, 812, 813. 4. Der Ausdruck „hinterlistiger Ueberfall" erfordert nicht die Auf­ wendung einer besonderen List ober eine Täuschung Anderer: Mannh. 10. März 77 (BAnn. 43 s. 102). Er wurde dem in der Regierung« Vorlage gewählten: „heim­ tückischer Ueberfall" substituirt, weil der Ausdruck „List" bereits in mehreren anderen §§ (§§ 170. 181. 234) vorkommt; es ist unter demselben namentlich das Auf­ lauern verstanden: Schwarze i. Stenogr. Ber. s. 802; desgleichen das Nach- oder Voranschleichen und daS Locken in einen Hinterhalt: eit. Mannh. 10. März 77, ZI. 24. Okt. 77 (RdO. XVIII, 663). Immer wird aber. wie diese Beispiele zeigen, eine äußere Thätigkeit erfordert, welche darauf berechnet ist, betn Angegriffenen die Möglichkeit zu benehmen, sich von dem bevorstehenden Angriffe Kenntniß zu ver­ schaffen und sich darauf vorzubereiten; daß ein Angriff unmittelbar und von hinten erfolgt, genügt daher nicht: cit. ZI. 24. Okt. 77; vgl. Wolsenb. 5. Juli 78 (Br. Z. 26 s. 45). 5. „Von Mehreren gemeinschaftlich" begangen ist im Sinne diese« § eine Mißhandlung, wenn sie durch das (bewußte und gewollte: ZI. 27. März u. 27. Nov. 78, RdO. XIX, 174. 550) Zusammenwirken zweier (: ZI. 27. Nov. 78, ib. 551) oder mehrerer Personen verübt wird; die successive Mißhandlung derselben Person durch Mehrere fällt mithin nicht unter den §; vgl. Stenogr. Ber. s. 803 ff. Wohl aber kann eine von einem Einzelnen begonnene Mißhandlung durch den Hin-

460

Thl. II. Abschn. XVII. Körperverletzung. — §§223. 224.

§. 22 4. Hat die Körperverletzung zur Folge, daß der Verletzte ein wichtiges Glied deS Körpers, daS Sehvermögen auf einem oder beiden Augen, das Gehör, die Sprache oder zutritt Anderer zu einer „gemeinschaftlich begangenen" werden. Ja selbst eine von Mehreren nach und nach verübte Mißhandlung gehört hierhin, wenn die einzelnen Akte derselben unmittelbar aus einander folgen und jeder Thäter wissentlich die That des anderen fortsetzt und in ihren seitherigen Wirkungen in seine That gleichsam aufnimmt; so: Schw. Erg. I. s. 30; vgl. § 227 n. 5a. Der vorherigen Verab­ redung der Mehreren bedarf es nicht (ein dahin zielender Antrag wurde im RT. verworfen); ebenso: cit. ZI. 27. März u. 27. Nov. 78, DreSd. 20. Okt. 77 (SGZ. 22 s. 209). — Wechselseitige Mißhandlungen zweier Personen sind selbstredend keine gemeinschaftlich begangenen. Im Uebr. vgl. § 47 n. 10 ff. und die Bemerkk. zu §§ 119. 123, wo die Worte „von Mehreren gemeinschaftlich" gleichfalls vorkommen. 6. Die Worte „mittele einer das Leben gefährdenden Behandlung" treffen solche Fälle, in denen der Thäter bei der Verletzung in einer Weise verfahren ist, daß nach dem AuSspruche des Arztes das Leben des Verletzten (nach dessen indi­ vidueller Körperbeschaffenheit) gefährdet war; eine an sich erhebliche Verletzung wird dagegen auch hier nicht gefordert: Schwarze i. Stenogr. Ber. s. 803. Ob die Ge­ fahr eine nahe oder entfernte war, und ob sie durch eine äußere oder innere Ver­ letzung (z. B. Gehirnerschütterung) bedingt wurde, ist gleichgültig: MeveS f. 346; desgleichen, ob der Thäter die Zufügung einer gefährlichen Verletzung beabsichtigte oder auch nur die Möglichkeit einer schweren Körperverletzung voraussehen konnte; so: Stuttg. 24. Jan. 77 (WGbl. XII, 414); vgl. n. 8 ; MeveS 1. c. Immerhin muß aber eine Gefahr (objektiv) vorgelegen haben; eS genügt nicht, daß die Be­ handlung an sich geeignet war, das Leben zu gefährden; ebenso: Anh. z. Sch. s. 19; contra : Schw. Erg. s. 30; Manh. 22. u. 29. Dez. 77 (BAnn. 43 s. 369, 44 s. 7). 7. Der letzterwähnte (n. 6) Erschwerungsgrund und einer der anderen im § aufgeführten, namentlich auch derjenige der Begehung mittels einer Waffe rc. können sehr wohl neben einander bestehen; ihr beiderseitiges Vorhandensein motivirt eine Straferhöhung innerhalb deS Strafrahmens des §: Manh. 22. Dez. 77 (cit. n. 6). 8. In subjektiver Hinsicht erfordert der § außer dem Vorsatze, wie er zum Thatbestand der leichten Mißhandlung (§ 223) gehört, nur daS Bewußtsein des Thäters von der objektiven Beschaffenheit seiner Handlung; eS ist nicht erforderlich, daß er sich auch bewußt war, das angewendete Werkzeug fei ein gefährliches oder die Behandlung eine das Leben gefährdende; so: Manh. 29. Sept. 77 (BAnn. 43 s. 299); vgl. jedoch §59. 9. Im Falle mildernder Umstände wird § 228 anwendbar. Hiernach be­ steht die praktische Bedeutung deS § 223a weniger in der Strafschärfung, als darin, daß die f. g. gefährlichen Mißhandlungen durch ihre Ausscheidung aus der Reihe der leichten Körperverletzungen (n. 1) aufgehört haben, AntragSvergehen zu fein, ^mithin auch arg. § 414 der RStPO. durch Privatklage nicht verfolgt werden können), und daß bei ihnen keine Strafaufrechnung mehr stattfindet; vgl. §§ 232, 233. — In Betreff der bedingten Zuständigkeit der dereinstigeu Schöffengerichte vgl. RGDG. § 75. §

224. Inhalt:

Anstifter: 15. Beamter: 21. Buße: 20. Dolut : 11-13. 15. Entstellung« 5. Fahrlässigkeit: 13. Folge, alleinige? 11. Nichteintritt: 15. nothw. ? 10. 15. objektiv: 9.

Folge, psychische: 9. Fest-, Fragstellung : 22. 23.11 Gehör: 4. Gebülfe r 15. Geisteskrankheit: 8. Glied, Verlust. 2. 3. wichtig: 2. Körperverletzung, schwere: 1. Lähmung: 7. 8a. Mild. Umstände: 19.

Mitthäter: M. 14. Schädlichkeit, andre: 11. Siechthum: 6. 8a. Sprache: 4a. Thäter, Mehrht.: >1. 14. Theilnehmer: 15. Verfahren: 22. 23. Verfallen in ic.: 9 «. Versuch: 17. 18.

1. Die hier vorgesehenen Fälle sind in den §§ 227. 229 als „schwere Körper­ verletzungen" bezeichnet. Vgl. auch §§ 239. 251. 340. 2. Als ein „wichtiges Glied" des Körpers ist jedes anzusehen, ohne welches eine wesentliche Körperfunktion nicht in vollem Maße ausgeübt werden kann. Der

THI. n. «bschn

xvu. KSrpkrverlehimg. — §224.

461

die Zeugungsfähigkeit verliert, oder in erheblicher Weife dauernd entstellt wird, oder in Siechthum, Lähmung oder Geisteskrank­ heit verfällt, so ist auf Zuchthaus bis zu fünf Jahren oder Gefängniß nicht unter Einem Jahre zu erkennen. [I. ent».: § 198: II. ent».: § 219; Pr. StGB.: §§ 192a. 193.] 227-229. 231. 239. 251. 340; RGLG. § 73 Nr. 2.

Bat. §5 225.

Richter muß sich bei der Prüfung dieser Frage stet- auf den allgemeinen StandPunkt pellen; er darf daher nicht aus die persönlichen Verhältnisse (den Beruf rc.)

de- Verletzten ein entscheidendes Gewicht legen. 3. Ein Glied ist „verloren", sobald es zu der Körperfunktion, für welche eS bestimmt ist, nicht mehr dienen kann; dazu ist nicht erforderlich, daß es vom Körper getrennt worden sei; eine Unbrauchbarmachung rc. für immer, genügt; vgl. ZPl. 24. Sept. 60 (JMbl. s. 421); Schw. s. 562(550); contra: DreSd. 2. Ott. 74 (StZ. V, 69; die völlige Steifheit eines Fingers sei daher kein „Verlust" desselben); Geyer i. HH. III, 541. 4. Das „Sehvermögen" als die Fähigkeit, äußere Gegenstände durch das Organ der Augen wahrzunehmen, ist schon verloren, wenn nur eine Empfindung für Licht und Dunkelheit zurückgeblieben ist: ZII. 7. Mai 74 (RdO. XV, 288). — Aus dem Gegensatze „Sehvermögen aus einem oder beiden Augen" folgt, daß unter „Gehör" das Hörvermögen im Ganzen zu verstehen ist; der § bleibt somit auSgeschloffen, so lange dem Verletzten das Gehör auf einem Ohr verblieben ist. 4a. „Sprache" ist die Fähigkeit, sich durch artikulirte Laute Anderen verstündlich zu machen; dazu genügt noch nicht der Verlust der Stimme. 5. Als „Entstellung" sind nur bedeutende Verunstaltungen anzusehen; es gehören daher minder erhebliche Gestaltveränderungen solcher Körpertheile, welche wenig in die Augen fallen, nicht hierher. 6. „Siechthum" ist ein chronischer Krankheitszustand allgemeiner Natur, welcher ein Schwinden der Körperkräfte zur Folge hat; sonach genügt ein aus einen (wichtigen) Körpertheil beschranktes anhaltendes Leiden für sich allein nicht; dagegen braucht jener Zustand kein unheilbarer zu fein: Dresd. 25. März und 28. Mai 72 (SGZ. XV, 206. 251; StZ. I, 375); WGbl. VI, 699; vgl. v. Hölder ib. XI, 236. 7. „Lähmung" ist jede dauernde Unfähigkeit, einen bestimmten Bewegung«apparat des Körpers zu denjenigen Bewegungen zu gebrauchen, zu welchen er von der Natur bestimmt ist: Gutacht. d. Pr. Deput. f. d. Med.-Wesen (Bierteljahrsschr. f. gerichtl. Med. XVI. Heft 1); vgl. Geyer i. HH. öl, 542; contra: Dreöd. 25. März 72 (SGZ. XV, 206: rechnete ans Grund eine« Gutachtens des Sächs. Med.-Kollegiumö nur die Bewegungsunvollkommenheiten hierher, welche in einer Funktions­ störung der Nerven oder Muskeln, nicht solche, welche in einer Erkrankung der Knochen, Bänder und Gelenke ihren Grund haben) und Liman (in Caöper'S Hdb. 5. Aufl. f. 477: definirt die „Lähmung" als die aufgehobene Funktion der Bewegung«, und Empfindungsnerven). Der Begriff der Lähmung ist nicht (wie der des Siechthumö) dadurch bedingt, daß die Bewegungsunfähigkeit den ganzen Körper betroffen habe; eö genügt ein derartiger Zustand, welcher auf einen einzelnen, für die GefammtIhätigkeit deS Körpers wesentlichen Theil desselben beschränkt ist. Auch braucht die Unfähigkeit, diesen Körpertheil zu den bestimmungsmäßigen Bewegungen zu ge­ brauchen, weder unheilbar noch vollständig zu sein; in letzterer Hinsicht genügt vielmehr eine wesentliche Beeinträchtigung der BewegungSsähigkeit: Beschl. I. 15. Mai 74, Mecklenb. OG. (RdO. XV, 311; GSaal 28 J. 511); contra (in beiderlei Hinsicht): Geyer i. GSaal 26 s. 290; vgl. auch John i. GA. 25 s. 411. — Im Uebrigen vgl. n. 8a. 8. „Geisteskrankheit" ist eine (von dem leidenden Zustande des Körpers unabhängige) Störung der Geisteörhätigkeit; eine als Theilerscheinung eines vor­ übergehenden Körperleidens (z. B. einer Gehirnerschütterung) zeitweise vorwaltende Betäubung genügt nicht; Dauer und Heilbarkeit deS Zustandes sind für den Begriff nicht wesentlich.

462

Thl. II. Abschn. XVII. Körperverletzung. — § 224.

8a. „In Siechthum rc. verfallen" kennzeichnet diejenigen Verletzungen, deren Folgen so schwer aus den Körper oder Geist einwirken, daß dadurch gewissermaßen die Integrität deö ganzen Menschen aufgehoben wird, so: DreSd. 2. Okt. 74 (eit. n. 3; dasselbe erblickte daher in der völligen Steifheit eines Fingers zwar eine Läh­ mung, in dem Erleiden derselben aber kein „Verfallen in Lähmung''); vgl. n. 7. 9. Die schwerere Strafe des § tritt ein, wenn eine der aufgezählten Erschei­ nungen die mittel- oder unmittelbare „Folge" der „Körperverletzung" war, wenn also in dieser der Grund des Eintritts jener Folge lag. Sonach trifft der § auch dann zu, wenn die Einwirkung auf den Körper zunächst eine andere Folge, und durch diese mittelbar jene Nachtheile herbeigeführt hat, z. B. wenn der Mißhandelte in Folge des erhaltenen Stoßes fiel und durch den Fall einen Knochenbruch erlitt: ZI. 23. Okt. 68 (RdO. IX, 583); oder wenn der durch die Einwirkung auf den Körper hervorgebrachte psychische Eindruck eine Geisteskrankheit herbeiführte. Anders gestattet sich die Sache, wenn durch die Handlung in einer vom Thäter nicht gewollten Weise noch eine andere sremde Kraft in Bewegung gesetzt wird, durch welche der Mißhandelte eine Verletzung erleidet, wenn sich z. B. das geladene Gewehr, womit Jemand einen Andern flößt, entladet und den letzteren beschädigt; die bei dieser Handlung obwaltende Fahrlässigkeit (Frevelhaftigkeit) genügt nicht, um den Thäler wegen der Folgen der nicht gewollten Entladung aus § 224 verantwortlich zu machen; contra: ZI. 8. Jan. 69 (RdO. X, 18). 10. Gleichgiltig ist es, ob der eingetretene Erfolg nothwendig eintreten mußte, oder irgendwie abzuwenden gewesen wäre: Bll. 9. Juli 63, ZI. 6. Dez. 66 (NdO. III, 559; VII, 693); Münch. 4. Febr. 73 (DEntsch. III, 107). 11. Dagegen hat der Angeschuldigte die eingetretene Folge nicht zu vertreten, wenn zu ihrer Herbeisührnng andere, ihm in keiner Weise zur Last fallende Schädlichkeiten mit gewirkt haben, ohne deren Hinzutritt dieselbe nicht eingetreten sein würde: DII. 22. Okt. 74 u. 9. Febr. 75 (RdO. XV, 703; XVI, 110; demnach sei eine aus § 224 bezw. § 226 gestellte Frage nicht erschöpft, wenn der Spruch der Geschworenen nur feststelle, die Mißhandlung habe den Erfolg in Verbindung mit anderen Umständen herbeigesührt, jener Spruch müsst auch feststellen, ob der Angeklagte die letzteren nicht zu vertreten habe, und ob der Erfolg ohne sie nicht eingetreten wäre). Dies gilt vor Allem da, wo eine solche Schädlichkeit erst später hinzutrat; z. D. wenn der Verletzte seinen Zustand durch ein späteres ungeeignetes Verhalten selbst so verschlimmert hat, daß erst dadurch jene Folge veranlaßt wurde. Waren dagegen jene Schädlichkeiten schon früher vorhanden, so wird zu unterscheiden fein. Zunächst bleiben solche körperliche Zustände, welche au und für sich nicht nachtheilig sind und daher auch zur Herbeiführung der Folge selbst nicht mitgewirkt haben, durch die aber ihr Eintritt erleichtert worden ist, z. B. Alter, zarte Konstitu­ tion, dünne Beschaffenheit der Knochen, des Schädels rc. ganz außer Betracht; sie können den Angeschuldigten von der Verantwortlichkeit nie entbinden: ZII. 6. Dez. 66 (RdO. VII, 693). Handelt eS sich aber von einer anderweitigen speziellen Schäd­ lichkeit , z. B. von einem früher vorhandenen leidenden oder krankhaften Zustande, welcher zu der eingetretenen Folge so wesentlich mitgewirkt hat, daß diese ohne ihn durch die Körperverletzung nicht herbeigesührt werden konnte, so haftet der Urheber der letzteren für diese Folge nur dann, wenn er bei seiner That von jenem lei­ denden rc. Zustande Kenntniß hatte: die Annahme des Gegentheils würde dazu führen, daß selbst die geringfügigste Körperverletzung, welche einem Schwerverwunderen ohne Kenntniß von diesem Zustande zugefügt wird, auö § 224 oder 226 zu bestrafen wäre, sobald sie nur irgendwie zur eingetretenen Folge (z. B. zum Tode) mitgewirkt hat; vgl. § 227 Abs. 2; contra: ZI. 3. Juli 67, 21. Febr. 68 (RdO. VIII, 437; IX, 149). Auf der andern Seite gehen DI. 22. Mai 57, 27. Jan. 58 (GA. V, 390; VI, 242), ZU. 5. Febr. 63 (RdO. III, 253), Abh. i. GA. V, 385 zu weit, wenn sie jene Kenntniß vom Vorhandensein der anderen mitwirkenden Schäd­ lichkeit zur Begründung der Verantwortlichkeit für den Erfolg nicht für genügend erachten, sondern auch noch den Nachweis erheischen, daß der Angeschuldigte gewußt habe oder habe wissen müssen, wie seine That in Verbindung mit jener Schädlichkeit die nachtheilige Folge herbeiführen werde oder könne. Die diesen Fall vorsehenden, auf die Lex Aquilia bezüglichen, in der Auslegung sehr bestrittenen Stellen des

Thl. II. ?ibfd)it. XVII

Körperverletzung. — § 224.

463

Römischen Rechts bleiben hier selbstverständlich außer Anwendung. — Dgl. n. 13; § 47 n. 25. 26; Berner i. ©Saal XIX, 5. 12. Abgesehen von dem unter n. 11 in Betreff deS Bewußtseins von dem Vorhandensein einer andern Schädlichkeit Gesagten, gehört zu dem Thatbestände der „schweren Körperverletzung" kein anderer DoluS als zu dem der leichten; es ge­ nügt also die Vorsätzlichkeit der Handlung (§ 223 n. 21). Insbesondere braucht der DoluS in keiner Weise mit auf die demnächst eingetretene Folge gerichtet zu sein; der Thäter soll alle (objektiven) Wirkungen seiner widerrechtlichen Handlung ver­ treten; vgl. § 225, welcher eine Strafschärfung eintreten läßt, sobald die eingetretene Folge beabsichtigt war; vgl. ZU. l.Iuni 61, VI. 30. Apr. 62, 8. Sept. 71 (RdO. I, 414; II, 362; XII, 436); ML. f.389. Dieserhalb bleibt der Grundsatz des §59 in Betreff der (später eingetretenen) Folge der Handlung außer Anwendung; derselbe bezieht sich nur auf solche Thatumstände, welche „bet Begehung der strafbaren Handlung" bereits „vorhanden" sind, von bereit Vorhandensein also der Thäter bei der That Kenntniß haben kann, also nicht auf solche Vorkommnisse, welche erst später zur Existenz gelangen; vgl. § 59 n. 12. 13. Ebensowenig bedarf es einer Fahrlässigkeit in Betreff der eingetretenen Folge; selbst der Nachweis, daß eine solche nicht obwaltete, schließt die Anwendung deS § nicht aus: eS kommt sonach in keiner Weise darauf an, ob der Thäter jene Folge vorhergesehen habe oder hätte vorhersehen können; vgl. Stenogr. Ber. s. 666; VI. 8. Sept. 71, ZI 1. Oft. 73 (RdO. XII, 436; XIV, 593). Schw. s. 556 (543); contra: BL. s. 506; id. i. GSaal XIX, 5; Schütze s. 396 n. 9; vgl. ober n. 11. 14. Bei einer von Mehreren gemeinschaftlich verübten Körperverletzung ist jeder Mitthäter für die verursachte Folge verantwortlich, selbst wenn die von ihm persönlich zugefügte Verletzung weder für sich allein, noch in Verbindung mit andern zu jener Folge irgendwie mitgewirkt hat: Beschl. I. 5. Sept. 73, ZU. 5. Febr. 74, Beschl. I. 22. Dez. 75 (RdO. XIV, 511; XV, 54; XVI, 812); vgl. § 47 n. 10. 15. Auch für die Bestrafung deS Anstifters oder Gehülfen zu einer den Voraussetzungen deS § entsprechenden Körperverletzung kommt eS auf DoluS oder Fahrlässigkeit in Betreff der eingetretenen Folge nicht au: sie sind als Betheiligte bei einer schweren Körperverletzung zu bestrafen, selbst wenn ihre Anstiftung nur aus eine leichte Körperverletzung gerichtet war, oder wenn sie bei ihrer Hülfeleistung nur von einer zu begehenden leichten Körperverletzung Kunde hatten (eS bleiben sonach die Grundsätze in Betreff deS Excesses deS Angestifteten außer Anwendung): VII. 17. Apr. 56 (IMbl. f. 159); HS. II, 155; Berner i. GSaal XVIII, 303; Rüd. n. 9; Schw. f. 557. 562. — Ander« im Falle des §225; vgl. dort n. 3. 16. Da zum Thatbestände objektiv der Eintritt der im § gedachten Folge gehört, so liegt daS Verbrechen da nicht vor, wo zwar nach der Natur der Verletzung jene Folge hätte eintreten müssen, wo dieselbe aber dennoch nicht eintrat, weil der Verletzte vorher aus einem andern Grunde starb: Beschl. II. 30. Juli 53 (GA. I, 572); vgl. VII. 20. Febr. 73 (RdO. XIV, 151). 17. AuS der Natur deS erforderten DoluS (n. 12—14) folgt, daß ein Ver­ such diese« Verbrechens nicht denkbar ist; zum Thatbestände desselben würde noth­ wendig ein auf Herbeiführung der im § gedachten Folge gerichteter Wille gehören; da aber dieser zum vollendeten Verbrechen nicht erforderlich ist, so kann er nicht Begriffsmerkmal de« Versuch« sein: Beschl. II. 30. Juli 53 (cit. n. 16); BL. s. 506; id. i. GSaal XVIII, 301; Schw. s. 561 (547); Rüd. n. 8; contra: TL. s. 853; HS. II, 153. — Handelte der Angeschuldigte mit dem oben erwähnten Vorsätze, so liegt ein Versuch de« im § 225 vorgesehenen Verbrechen« vor; vgl. dort n. 2. 18. Trotz der Verschiedenheit de« DoluS (n. 12) kann daS Verbrechen deS § mit einem TödtungSversuche sehr wohl ideell konkurriren r vgl. § 223 n. 21. 19. Mildernde Umstände können nach § 228 Berücksichtigung finden. 20. Ueber die Statthaftigkeit einer dem Verletzten zuzusprechenden Buße vgl. § 231, welcher auch hier Anwendung findet. 21. In Betreff der von einem Beamten in Ausübung feine« Amtes be­ gangenen schweren Körperverletzungen vgl. § 340.

464

Thl. II. Mchu. XVII. K!?rp.'rve>letz»ng. — 88 224—226.

§. 223. War eine der vorbezeichneten Folgen beab­ sichtigt und eingetreten, so ist auf Zuchthaus von zwei bis zu zehn Jahren zu erkennen. [I. entro. (sehltt); II. Entw.: §§ 220; Pr. StGB.: (stellt).] Vgl. §§ 223. 224. 231. 239.

§. 226. Ist durch die Körperverletzung der Tod des Verletzten verursacht worden, so ist auf Zuchthaus nicht unter drei Jahren oder Gefängniß nicht unter drei Jahren zu er­ kennen. sl. Entw.: § 199; II. Entw.: § 221; Pr. StGB.: § 194.] 227. 228. 231. 239. 340.

Dgl. §§ 223. 224.

22. Die Umstände, welche eine Körperverletzung zu einer „schweren" machen, sind prozessualisch als besonderere, im Sinne des Art. 91 Abs. 4 des Pr. Ges.'s v. 3. Mai 1852 und der Pr. NStPO. § 321 zu behandeln. Die schwurgerichtliche Fragstellung muß so gefaßt werden, daß die Vorsätzlichkeit nur aus die Handlung und nicht auf den eingetretenen Erfolg zu beziehen ist. DaS geschieht am besten durch Stellung einer getrennten, den erschwerenden Umstand betreffenden Frage (vgl. NStPO. 321) oder durch Hervorhebung des letztem am Schluffe der Hauptfrage vermittelst eines „und zwar so, daß rc."; vgl. JMVf. v. 29. März 1853 (IMbl. s. 134) und die in GA. II, 534. 668 erwähnten IMDff. Für die Folge vgl. NStPO. §§ 292 ff. 23. Inwiefern es statthaft sei, die im § durch „oder" alternativ neben ein­ andergestellten Folgen auch in der richterlichen Feststellung oder in den den Geschworenen vorgelegten Fragen alternativ zusammenzusaffen, darüber vgl. Oppenb. Pr. Strasverf. Art. 31 n. 6; Art. 80 n. 12 u. Mot. z. NStPO. s. 199, Löwe s. 679. Für den vorliegenden Fall erachteten 3311. 13. Ott. u. 17. Nov. 53 (GA. II, 120. 94) eine Frage- oder Feststellung, die es zweifelhaft ließ, welche Alternative als erwiesen angenommen sei, für nicht genügend [?]. 24. Zuständigkeit der dereinstigen Strafkammern: RGBG. § 73 Nr. 2.

§225. 1. Hier wird der vollständige Thatbestand des § 224 mit dem (ferneren) er­ schwerenden Umstande erheischt, daß die Folge von dem Thäter beabsichtigt war. 2. Der Versuch dieses Verbrechens ist möglich; das Gegentheil ist nicht ans den Worten: „war die Folge — eingetreten" zu folgern; vgl. 224 n. 17. 3. Den Anstifter oder Gehülfen trifft die Strafe dieses § nur, insofern er Kenntniß von dem auf Herbeiführung jener Folge gerichteten DoluS des Thäters hatte: § 59; sonst wird § 224 anwendbar; vgl. § 224 n. 15; § 212 n. 6. 4. „Mildernde Umstände" können hier eine Ermäßigung der angedrohten Strafe nicht herbeiführen; § 228 bezieht sich ans diesen § nicht mit.

§226. 1. Die Worte: „Ist durch die Körperverletzung der Tod deö Verletzten ver­ ursacht worden ..." (vgl. § 220) sind gleichbedeutend mit der Faffung deö § 224: „Hat die Verletzung zur Folge, daß ..vgl. § 227 Abs. 3. Es treffen daher hier die zu jenem § unter n. 9—11. 16 gemachten Bemerkungen zu. 2. Ebenso gilt in Betreff des Dolus das zu § 224 n. 12. 13 Bemerkte; so­ nach wird vorausgesetzt, daß der Wille nicht auf Verursachung des Todes gerichtet war, weil sonst § 212, und wenn der Vorsatz ein Überlegter war, § 211 zutreffen würde; deshalb bedurfte es hier einer dem § 225 entsprechenden Vorschrift nicht. — In Betreff der schwurgerichtlichen Fragstellung vgl. § 224 n. 21. 22. Demgemäß müssen die Geschwornen nach Pr. Verfahren über den tödtlichen Erfolg alö einen die Körperverletzung qualifizirenden Umstand besonders abstimmen und sich besonders anssprechen: 931. 23. Febr. 76 (RdO. XVII, 133).

Tbl. II. Al-schn. XVII. Körperverletzung. — §§ 226. 227.

465

§. 227. Ist durch eine Schlägerei oder durch einen von Mehreren gemachten Angriff der Tod eines Menschen oder eine schwere Körperverletzung (§ 224) verursacht worden, so ist jeder, welcher sich an der Schlägerei oder dem Angriffe 3. Auch hier ist der Versuch deö Verbrechens undenkbar; vgl. § 224 n. 17. Handelte der Thäter mit dem Willen, durch die Körperverletzung den Tod herbei­ zuführen, so liegt Mord- oder TodtschlagSversuch vor; vgl. n. 2. 4. Ebenso gilt hier, waS zu § 224 n. 14. 15 in Betreff mehrerer Mitthäter, des Anstifters oder Gehülfen gesagt ist. Demgemäß und dem unter n. 2 Gesagten zufolge liegt ein unlösbarer Widerspruch vor, wenn die Geschwornen zwei Ange­ klagte einer gemeinschaftlich verübten vorsätzlichen Körperverletzung für schuldig er­ klären, die Frage aber, ob durch diese Körperverletzung der Tod des Verletzten ver­ ursacht sei, in Bezug auf einen der Angeklagten bejahen und in Bezug auf den andern verneinen: LI. 28. Jan. 76 (GA. 24 s. 30). — Vgl. auch § 212 n. 6. 5. Mildernde Umstände finden nach Maßgabe deS § 228 Berücksichtigung. DaS erleidet nur dann eine Modifikation, wenn der Tod die Folge einer beabsich­ tigten schweren Körperverletzung (§ 225) war; vgl. § 73 n. 15. 6 a. E.; contra: John i. GA. 25 s. 404.

§227. Absicht: 6. 13. 14. Angriff: 5. 6. 9. Anstifter: 2. Betheiligung: 9-12. Beweis: 14. 16. DvluS: 1. 6. 13. 14. 19. 20 Einheit, Ort, Zeit: 6;i. Fahrlässigfett: 14. Fragstelluna: 16. (Segner: 11.

Gemeinschaftlichkeit: I. 19. hineinziehen: 15-18. 22. Mild. Umstände: 23. Mitthäter: 1 6. Nothwehr: 9. 18. Schlägerei: 4. 6. 9. Strafantrag: 3. Theilnehmer: 2. >9. Ted, verursacht: 7.

Urheber: 14. 17. I9ff. Ermittelung: 14.22. . Mehrheit: 19. Verabredung: 6 Verletzter: 12. Verletzung: 20. Versuch: 21. Verursachung: 7. Vorsatz vgl. DvluS. Waffe: 6.

1. Die Vorschrift dieses § ist wesentlich polizeilicher Natur und bestraft die Betheiligung an einem Raushandel rc., wenn durch dieselbe der Tod oder die schwere Körperverletzung eines Menschen verursacht worden ist, ohne Rücksicht darauf, ob und waS dem Betreffenden außer jener Betheiligung noch zur Last fällt. Es bedarf hier nicht einer „Mitthäterschaft" (vgl. § 47 n. 10), also nicht einer Gemein­ schaft deS Dolus, vgl. n. 14. 15. — Mit dem hier vorgesehenen Vergehen kann eine vorsätzliche Tödtung (Körperverletzungre.) ideell konkurriren, wenn ein Ein­ zelner der Betheiligten oder mehrere gemeinschaftlich sich in der Schlägerei rc. der betreffenden Mißthal schuldig machen; der dieses ausdrücklich vorschreibende Abs. 3 de« § 195 des Pr. StGD.'S ist als selbstverständlich gestrichen worden; vgl. n. 19; Münch. 12. Jan. 74 (StZ. III, 330). 2. Dritte, bei der Schlägerei selbst nicht Betheiligte, können sehr wohl zu einer solchen anstiften oder Hülse leisten; ebenso kann auch ein Selbstbetheiligter den übrigen (insbesondere den im Abs. 2 erwähnten) Hülse rc. leisten: ZN. 18. März 69 (RdO. X, 162). 3. Die Verfolgung ist hier nicht durch einen Antrag des Verletzten bedingt.

Zum Absatz 1. 4. „Schlägerei" (Raushandel) im Gegensatze gegen eine wechselseitige Miß­ handlung zweier Personen, ist ein in Thätlichkeiten ausgebrochener Streit unter mehreren (mindestens drei) Personen; daß aus jeder Seite mehrere Personen, und daß auch der Verletzte dabei „betheiligt" (n. 9) gewesen seien, wird nicht erfordert: ZU. 14. Apr. 64 (RdO. IV, 456); Manh. 21. Nov. 74, 23. Ott. 75 (BAnn. 41 47; 42 s. 13). 5. Der „Angriff" muß von mindestens zwei Personen ausgegangen fein: DII. 31. Jan. 67 (RdO. VIII, 82). — Eine berechtigte Thätigkeit kann nie ein Angriff genannt werden; dagegen kann eine berechtigte (erlaubte) Thätigkeit rc. durch Oppen ho ff, D. Strafgesetzbuch. 7. AuSg.

30

466

Thl. II. Msckm. XVn. Körperverletzung. — 6 227.

becheiligt hat, schon wegen dieser Betheiligung mit Gefängniß bis zu drei Jahren zu bestrafen, falls er nicht ohne fein Ver­ schulden hineingezogen worden ist. Ist eine der vorbezeichneten Folgen mehreren Verletzungen zuzuschreiben, welche dieselbe nicht einzeln, sondern nur durch ihr Zusammentreffen verursacht haben, so ist jeder, welchem eine dieser Verletzungen zur Last fällt, mit Zuchthaus bis zu fünf Jahren zu bestrafen. II. Entw.: § 200; II. Enlw.: § 222; Pr. SiGB.: § 195.] Dgl. §§ 224.226. 228. 231. 367 Nr. 10; RGDG. § 73 Nr. 2. Preußen: Dgl- NStPO. §§ 110. 321. 322. Ueberschreitung der Grenzen des Erlaubten zur unberechtigten werden: ZU. 16. Dez. 69 (RdO. X, 795); ging dann der Exceß nur von Einem aus, so bleibt der § außer Anwendung. 5a. Einheit des Orts und der Zeit gehört nicht zum Begriffe einer Schlä­ gerei oder eines Angriffs. Vielmehr kann eine ununterbrochene Reihe fortgesetzter, an verschiedenen Orten verübter Mißhandlungen eine und dieselbe Schlagerei re. darstellen: Münch. 16. Jan. 75 (BEntsch. V, 710). Ja Dl. 3. Nov. 75 (RdO. XVI, 710) nahm sogar an, der Umstand, daß Jemand von verschiedenen Personen an verschiedenen Orten und zu verschiedenen Zeiten angegriffen wurde, hindere nicht, das Ganze als einen einheitlichen Angriff aufzufassen, wenn die Kenntniß von der Absicht und dem Zwecke des Einen den Anderen zur selbständigen Mitwirkung be­ stimmt habe. (In casu lag zwischen den einzelnen Vorfällen ein einstündiger Zeit­ raum.) Dgl. § 223a. n. 5. 6. Ob die Schlägerei (der Angriff) als solche verabredet war, ist für den Thatbestand des Abs. 1 gleichgültig. Haben sich Mehrere verabredet, einer bestimm­ ten Person eine Körperverletzung zuzufügen, so werden sie in der Regel Mitthäter der letzteren sein. 7. Der Tod (die schwere Körperverletzung) muß „durch die Schlägerei (den Angriff) verursacht", es muß also diese Folge durch bei der Schlägerei re. ver­ übte Thätlichkeiten herbeigeführt sein; vgl. in Betreff des Näheren § 226 n. 1; § 224 n. 9—15; demgemäß bleibt der § außer Anwendung, wenn jene Folge ledig, lich einem andern, den bei der Schlägerei re. Betheiligten vollständig fremden Ereigniffe zuzuschreiben ist. — Daß jenes der Fall fei, muß den Angeschuldigten nach­ gewiesen werden; es liegt ihnen in dieser Beziehung kein Gegenbeweis ob: VU. 1. Juli 69 (RdO. X, 471). — Ob der eingetretene Erfolg vorauszusehen war, ist gleichgültig: DreSd. 25. Okt. 75 (SGZ. XX, 179); vgl. n. 14. 8. Ist durch die Schlägerei rc. keine der unter n. 7 erwähnten Folgen ver­ ursacht worden, so bleibt der § außer Anwendung; dagegen werden Diejenigen, welche sich bei einem solchen Vorfalle einer Waffe rc. bedient haben, von der Strafe des § 367 Nr. 10 betroffen. 9. Die Ausdrücke „sich betheiligen" und „Betheiligung" sind hier nicht auf den technischen Begriff der Theilnahme (§§ 47 ff.) zurückzuführen: DreSd. 2. Okt. 74 (StZ. V, 70). Als „betheiligt" an der Schlägerei ist vielmehr Jeder anzu­ sehen, welcher sich unter den Streitenden befunden hat und irgendwie dabei thätig war: ZU. 8. Mai 62 (RdO. II, 384); Geher i. HH. UI, 553; contra; ZI. 31. Okt. 62 u. 13. Sept. 67 (RdO. UI, 98; VUI, 515: erachteten die bloße Anwesenheit unter den Streitenden für genügend). Jedenfalls ist die Art und Weise, wie sich die streitende Thätigkeit kund gab, gleichgültig; anreizende Worte rc. können aus­ reichen; es bedarf daher nicht des Nachweises, daß der Angeschuldigte selbst ge­ schlagen habe: Z. 22. Febr. 71 (RdO. XU, 105). Ebendeshalb kann aus § 227 bestraft werden, wer einen Andern im Zustande der Nothwehr tödtet, wenn die Töbtnng bei einer Schlägerei vorfiel, welche er selbst durch herausfordernde Worte veranlaßt batte: Manh. 23. Okt. 75 (cit. n. 4); vgl. n. 18. Dagegen ist Derjenige, welcher aus der Entfernung Hülfe leistete (z. B. die Thüre verschloß, die Lichter

Thl. II. Abscbn. XVII.

Körperverletzung. — § 227.

467

auslöschte, durch Ruf anreizte rc. rc.) nicht „Detheiligter". — Dieselben Grundsätze sind auch in Betreff der Betheil.igung an einem Angriffe maßgebend. 10. Die Betheiligung muß zu der Zeit stattgefunden haben, wo die Ver­ letzung zugefügt wurde; wer sich vorher entfernte oder erst später hinzukam, ist nicht strafbar: VII. 12. Dez. 63, 7. Juli 70 (RdO. IV, 228; XI, 401); vgl. übrigens n. 5a. 11. Die Strafvorschrift ist bei dem Falle einer „Schlägerei" (und keines „Angriffs") nicht auf diejenigen Betheiligten zu beschränken, welche Gegner des Getödteten rc. gewesen sind, oder mit ihm gerauft haben; auch die Streitgenoffen des letzteren werden mit betroffen: ZII. 6. Okt. 74 (RdO. XV, 616); selbst wenn sie bei derselben Gelegenheit gleichfalls verwundet worden sind: Manh. 23. Okt. 75 (BAno. 42 f. 13); Vgl. n. 12. 12. Derjenige, welcher selbst die Körperverletzung erlitten hat, wird, auch wenn er bei der Schlägerei rc. mit „betheiligt" war (d. 9. 10), dies erhalb nicht von der durch Abs. 1 angedrohten Strafe betroffen: VI. 13. Mai 59 (JMbl. s. 187); ML- s. 409; contra: Schw. s. 567 (556); daö Gegentheil tritt ein, wenn außer ihm noch ein Anderer eine schwere Körperverletzung rc. erlitten hat: ZII. 27. Okt. 70 (RdO. XI, 535); auch bleibt jener selbstverständlich für alle vou ihm selbst verübten Hand­ lungen (Körperverletzung rc.) verantwortlich: ZI. 28. Apr. 69 (ib. X, 274). 13. Der DoluS besteht hier in der Vorsätzlichkeit der konkreten, von dem Einzelnen vorgenommenen Handlung, verbunden mit dem Bewußtsein einer Be­ theiligung an der Schlägerei rc.: ZI. 10. Febr. 54 (GA. II, 670); Manh. 21. Nov. 74, eit. n. 4; daß der Vorsatz (Wille) auf die Betheiligung gerichtet gewesen sei, ist nicht erforderlich: ZII. 24. Mär; 66 (RdO. VII, 99). 14. Ebensowenig wird erfordert, daß in Beziehung auf die durch die Schlägerei rc. verursachte Folge (Tod rc.) dem Angeschuldigten oder überhaupt einem der bei jener Betheiligten nachweislich irgend eine Vorsätzlichkeit oder auch nur eine Fahrlässigkeit zur Last falle: ZI. 27. Nov. 63 (RdO. IV, 221); vielmehr genügt es, wenn objektiv die Tödtung rc. durch die Schlägerei rc. verursacht ist, damit Jeder, welcher sich an derselben mit dem unter n. 13 erwähnten DoluS betheiligt hat, der Bestrafung anheimfalle. Man darf somit hier nicht von einer vermutheten Verschuldung bei der Tödtung rc. sprechen; selbst der Nachweis des Gegentheils würde den Einzelnen nicht von der Strafe befreien. — Ebenso ist eS für die Bestrafung aus Abs. 1 gleichgültig, ob ein Anderer als Urheber der Tödtung rc. ermittelt ist: Dl. 31. Okt. 62, 3. Juli 63, ZI. 4. März 68 (RdO. III, 98. 543; IX, 174), und ob der Angeschuldigte von deffen Betheiligung an der Schlägerei rc. Kenntniß besaß; daö Gegentheil folgt nicht aus § 59: Manh. 21. Nov. 74 eit. n. 4. 15. Ein Hineinziehen ohne eigenes Verschulden ist bei einer Schlä­ gerei, nicht aber bei einem Angriffe denkbar; vgl. § 367 Nr. 10; contra: Schütze s. 398 n. 13. Ein solches unverschuldetes Hineinziehen ist vorzugsweise bei denjenigen Personen anzunehmen, welche entweder selbst angegriffen worden sind, oder sich lediglich zu einem berechtigten Zwecke, z. B. um Frieden zu stiften, um Beschädigungen abzuwenden oder um Verletzte wegzuschaffen, unter die Streitenden begeben und sich dabei lediglich vertheidtgungSweise verhalten. DaS Gegentheil gilt von Denen, welche anfänglich ohne Verschulden hineingezogen, sich demnächst frei­ willig, also ohne Noth, an der Schlägerei betheiligten, m. a. W. unverschuldet in eine Schlägerei hineingezogen ist nur Derjenige, welchen rücksichtlich seiner gesammten Betheiligung, mithin nicht blos rücksichtlich des Beginns, sondern auch rücksichtlich deS Verlaufs derselben keine Schuld trifft; so: ZI. 28. April 75 (RdO. XVI, 312). 16. DaS unverschuldete Hineinziehen bildet einen Strafausschließungs­ grund; so lange ein solches nicht erwiesen wird, ist Strafbarkeit anzunehmen; eS bedarf daher auch nicht der Feststellung, daß ein solches nicht stattgefunden habe: ZII. 12. Nov. 73 (RdO. XIV, 711). — Ob ein solches Hineinziehen rc. anzunehmen fei, hat der Jnstanzrichter von AmtSwegen zu prüfen; von einer Beweislast des Angeschuldigten kann keine Rede sein. Die Stellung einer hierauf bezüglichen schwur­ gerichtlichen Frage ist, wenn beantragt, unerläßlich; wo nicht, so unterliegt sie dem richterlichen (Srmessen: eit. ZII. 12. Nov. 73; ZI. 23. Apr. 75 (eit. n. 15). Unter

468

Thl. II. Abscbn. XVII. Körperverletzung. — §§ 227. 228.

§. 228 in den Fällen Gefängniß bis taufend Mark, auf Gefängniß

Sind mildernde Umstände vorhanden, so ist des § 223 Absaß 2 und des § 223 a auf zu drei Jahren oder Geldstrafe bis zu einin den Fällen der §§ 224 und 227 Absatz 2 nicht unter Einem Monat, und im Falle

der Herrschaft der RStPO. kommt dagegen das oben s. 124 n. 8 a. E. Gesagte zur Anwendung. 17. Auch wenn ein unverschuldetes Hineinziehen festgestellt, und daher eine Bestrafung aus Abs. 1 ausgeschlossen ist, trifft Jeden die durch seine persönliche Handhing verwirkte Strafe (§ 223 ff.), insofern ein solcher Fall nach dem untern. 15 Ge­ sagten überhaupt vorkommen kann. 18. Denjenigen, welcher schuldbarer Weise in eine Schlägerei verwickelt worden ist, trifft die Strafe des Abs. 1 selbst dann, wenn er demnächst in derselben nur Nothwehr ausgeübt hat: ZU. 17. Okt. 67 (RdO. VIII, 607); vgl. n. 9. Zum Absatz 2.

19. Wird Derjenige unter den Betheiligten ermittelt, welcher die schwere rc. Körperverletzung zugefügt hat, so trifft ihn (in Ideal-Konkurrenz) die hierdurch ver­ wirkte Strafe; dasselbe gilt von mehreren „Mitthätern"; vgl. n. 1. Ist dagegen die im Abs. i bezeichnete Folge nicht durch eine einzelne, sondern durch das Zu­ sammenwirken mehrerer, von verschiedenen Betheiligten (ohne GemeinschastSDoluS) zugefügter Verletzungen verursacht worden, so wird Jeder der Urheber jener Verletzungen von der schwereren Strafe des Abs. 2 betroffen. DaS gilt selbst dann, wenn nicht alle, sondern nur einer oder nur einzelne dieser Urheber ermittelt werden.— Die Urheber solcher Verletzungen, welche zur Herbeiführung jener Folge nicht (er­ weislich) mitgewirkt haben, sind nur aus Abs. 1 bezw. wegen der ihnen persönlich zur Last fallenden Mißthat (leichter Körperverletzung rc.) zu bestrafen. Dasselbe tritt ein, wenn von verschiedenen Personen verschiedene Verletzungen zugefügt sind, und sich nicht feststellen läßt, durch welche derselben (im Einzelnen oder im Zusammen­ wirken) die eingetretene Folge verursacht worden ist. 20. „Verletzungen" bezeichnet hier nicht blos äußere Wunden oder Be­ schädigungen im Innern des Körpers, sondern umsaßt alle thätlichen Einwirkungen auf den Körper, welche nachweislich eine mitwirkende Ursache der eingetretenen Folge gewesen sind: Beschl. I. 2. Apr. 62 (RdO. II, 331). Dieselben müssen vorsätzlich zugefügt sein; ein lediglich fahrlässiges Handeln genügt nicht. 21. Der Versuch des im Abs. 2 vorgesehenen Verbrechens ist aus den zu § 224 n. 17 entwickelten Gründen nicht denkbar; dagegen kann mit dem Vergehen des Abs. 1 der Versuch des im § 225 vorgesehenen Verbrechens sowie der Versuch eines Mordes oder Todtschlage ideell konkurriren. 22. DaS „Hineinziehen ohne eigenes Verschulden" (Abs. 1) schließt die Strafe aus Abs. 2 nicht auS; in Betreff der hier genannten Personen kann eö nur bei der Strafzumessung in Betracht kommen: ZI. 28. April 75 eit. n. 15. 23. Im Falle des Abs. 2 finden mildernde Umstände nach Maßgabe des § 228 Berücksichtigung. 24. Zuständigkeit der dereinstigen Strafkammern: RGVG. § 73 Nr. 2. §228.

1. § 228 sprach in seiner ursprünglichen Fassung ausdrücklich nur von den Fällen der §§ 224. 227 Abs. 2. 226 und schloß die Ermäßigung der Strafe allgemein aus, wenn die Handlung gegen Verwandte aufsteigender Linie begangen war. Da letztere Bestimmung bei erweislicher Provokation zü Härten führte, so hat die Novelle dieselbe gestrichen, — vgl. Mot. zu Nov. s. 53, — und demgemäß airch eine ge­ milderte Strafe für die Fälle des § 223 Abs. 2 notmitt. Außerdem sind durch die Novelle die Fälle des neu eingeschalteten § 223a berücksichtigt. Dagegen ist der § auch jetzt noch unanwendbar auf die Fälle deS § 225.

Thl. II. Abi»». XVII.

des § 226 erkennen.

auf

Körperverletzung. — $$ 228. 229.

Gefängniß

nicht unter drei

Monaten

469

zu

[I. Enlw.: § 201; II. Entw.: § 223; — N-v. v. 26. Febr. 1876 Art. I. — Pr. StGB.: § 196.1 Vgl. §§ 223—227. 212. 367 Nr. 10. 370 Nr. 5.

§. 229. Wer vorsätzlich einem Anderen, um dessen Gesundheit zu beschädigen, Gift oder andere Stoffe beibringt, welche die Gesundheit zu zerstören geeignet sind, wird mit Zuchthaus bis zu zehn Jahren bestraft. 2. Ob mildernde Umstande anzunehmen seien, unterliegt dem thatsächlichen Ermessen des Jnstanzrichters, welcher dabei die im § 213 speziell hervorgehobenen Thatsachen berücksichtigen tarnt.

§ 229. 1. Der Ausdruck „Gift" ist beibehalten, weil er der Auffassung des ge­ meinen Lebens entspricht und weil durch den Zusatz „oder andere Stoffe, welche die Gesundheit zu beschädigen [jcrflören] geeignet sind", genugsam angedeutet wird, daß auch Gift objektiv dieselbe Eigenschaft haben müsse. Mag sich auch die Natur eines Stoffes als „Gift" nach den Grundsätzen chemischer und medizinischer Wissenschaft nicht allgemein bestimmen lassen, so handelt eS sich doch hier nicht um eine solche abstrakte Feststellung deS Begriffs. Der § hat nicht durchweg Stoffe im Auge, welche unbe­ dingt und unter allen Umständen gesundheitsschädlich sind; vielmehr ist im Eintelfalle mit Rücksicht auf die Qualität und Quantität des Stoffes, auf die körperliche Beschaffenheit desjenigen, welchem derselbe beigebracht worden, überhaupt auf die besonderen Umstände zu entscheiden, ob der Stoff jene Eigenschaft besitze. So: die Mot. s. 114. Dgl. HS. II, 168 und unten n. 3. 2. Im Allgemeinen bezeichnet „Gift" einen Stoff, welcher geeignet ist, auch in kleiner Dosis durch seine chemische Beschaffenheit die Gesundheit zu zerstören; vgl. Skrzeczka i. StRZ. VI, 258. 266; Lion i. GA. XIV, 797; Gutachten d. Pr. wiss. Dep. f. d. Med.-Wesen (Beil. z. I. Entw. d. StGB.'S s. 28). Ist die Qualität eines Stoffes als Gift festgestellt, so bedarf es daneben nicht noch der ferneren Fest, stellung. daß derselbe jene Eigenschaft habe: ZI. 11. April 56 (Entsch. 33 f. 218); vergl. aber n. 3. 3. Eine wegen ihrer Kleinheit durchaus unschädliche Quantität eines im Allgemeinen zu den giftigen gerechneten Stoffes ist nicht als „Gift" im Sinne de§ anzusehen; mit einem solchen kann weder eine Vergiftung noch ein VergistungSverfuch begangen werden: ZU. 16. März 63 (RdO. III, 396). Ist dagegen die beigebrachte Quantität so groß, daß sie auf irgend einen Menschen gesundheitbeschädigend wirken kann, so ist sie ein „Gift" und geeignet als Mittel zur Begehung des Verbrechens zu dienen, sollte es auch an anderen Bedingungen der Wirksam­ keit im konkreten Falle fehlen: ZI. 11. Apr. 56 (eit. n. 2); BI. 17. Jan. u. 21. Mai 62 (RdO. II, 207. 411); HS. II, 168. Daher reicht eS zur Annahme der Gifteigenschaft hin, wenn die einem Erwachsenen beigebrachte Menge auch nur bei einem Kinde hätte schaden können; so: ZI. 3. Nov. 75 (RdO. XVI, 706); vgl. je­ doch d. 1. 4. Mit Rücksicht auf den schwer zu bestimmenden Begriff deö GistS führt der § neben demselben auch noch andere Stoffe auf, „welche geeignet sind, die Gesund­ heit zu zerstören"; vgl. n. 1. Daraus folgt, daß auch zu diesen Stoffen nur solche zu zählen sind, welche, wie das Gift, eine chemisch dynamische Wirkung ausüben, nicht also diejenigen, welche nur durch ihre Form oder Schwere aus mechanischem Wege den Körper beschädigen: HS. II, 167; contra: Puch n. 1 (er zählt auch zer­ stoßenes Glas hierher). — Vorausgesetzt wird auch hier, daß der Stoff geeignet sei, die Gesundheit zu „zerstören"; eine bloße Schädlichkeit genügt nicht. 5. Die „Vorsätzlichkeit" bezieht sich zunächst auf die Handlung der Bei­ bringung, setzt aber sodann auch t>ie Kenntniß (das Bewußtsein) voraus, daß der beigebrachte Stoff ein Gift oder sonst zur Zerstörung der Gesundheit geeignet sei.

470

Thl. II. Äblch». XVII. Körperverletzung. — §§ 229. 230.

Ist durch die Handlung eine schwere Körperverletzung ver­ ursacht worden, so ist auf Zuchthaus nicht unter fünf Jahren und, wenn durch die Handlung der Tod verursacht worden, auf Zuchthaus nicht unter zehn Jahren oder auf lebensläng­ liches ^ucktbaus tu erkennen. [I. Emw.: § 202; II. Eatw.: § 224; Pr. StGB.; § 197] vgl. §§ 224. 225. 231. 211 ff.

§. 230. Wer durch Fahrlässigkeit die Körperverletzung eines Anderen verursacht, wird mit Geldstrafe biö zu neun­ hundert Mark oder mit Gefängniß bis zu zwei Jahren bestraft. 6. Außer der Vorsätzlichkeit (n. 5) erheischt der § die Absicht, „die Gesund­ heit zu beschädigen" (Gist wird häufig als Arznei benutzt). Es genügt jede auf Störung des Gesundheitszustandes gerichtete Absicht, sollte jene auch nur in der Er­ regung vorübergehender Schmerzen bestehen: ZI. 21. Mai 62 (NdO. II, 411); HS. 1. c. War der Vorsatz aus Tödtung gerichtet, so liegt Mord (Todtschlag) oder der Versuch dieser Verbrechen vor; das gilt selbst dann, wenn die Absicht dahin ging, den Andern nach und nach zu tödten. Jener Vorsatz schließt übrigens die Absicht, die Gesundheit zu beschädigen, nicht auS, so daß Mord und die Mißthat deS § 229 ideell konkurriren können: Bll. 22. Juni 75 (NdO. XVI, 481). 7. Das Gift jc. muß „beigebracht", d. h. in irgend einer Weise in den Organismus eingeführt fein. Dahin gehört auch das Einathmenlaffen narkotisch wirkenden Gisteö: ML. s. 401 n. 10. ES genügt, wenn der Andere veranlaßt wird, selbst den Stoff (ohne Kenntniß von seiner gesundheitzerstörenden Eigenschaft) zu sich zu nehmen: Geyer i. HH. III, 563; vgl. § 47 n. 3; § 220 n. 3; § 223 n. 25; in dieser Beziehung ist sonach der Begriff des Beibringens hier ein anderer, als im § 218, welcher die Kenntniß der Schwangeren voraussetzt (vgl. § 218 n. 8). Um­ gekehrt setzt der § nicht nothwendig eine heimliche Beibringung voraus; sie könnte z. B. auch gewaltsam erfolgen. 8. Das Verbrechen ist mit der Beibringung des Stoffs vollendet, sollte auch eine GesundheitSbeschädigung nicht herbeigeführt sein: ZI. 11. Apr. 56, VI. 21. Mai 62 (eit. n. 2. 3); Schütze s. 404. Es kann dann von Anwendung der für den Versuch geltenden Grundsätze, z. B. von Straflosigkeit wegen thätiger Reue (§ 46 n. 2) keine Rede sein: Geyer t. HH. III, 563; ML. s. 401; contrn: Schw. s. 122 (560). 9. Beim Abs. 2 ist in Betreff der Verursachung des Todes oder einer schweren Körperverletzung das zu § 224 n. 9—16, und zu § 226 n. 1. 2 Bemerkte anwendbar. 10. Ein Versuch deS im Abs. 1 vorgesehenen Verbrechens ist möglich, und nach Maßgabe der §§ 44. 46 strafbar: ZU. 16. Nov. 54 (JMbl. 55 f. 34); Bl. 21. Mai 62 (dt. n. 3). Dagegen ist ein Versuch deS in Abs. 2 erwähnten DerbrechenS aus den zu § 224 n. 17 entwickelten Gründen undenkbar; contra: HS. II, 171; Schütze f. 404 n. 10.

§ 230. 1. Ueber den Begriff der „Fahrlässigkeit" und die „Verursachung" einer Körperverletzung durch dieselbe vgl. § 59 n. 19—27; § 222 n. 3. 2. „Körperverletzung" umfaßt auch hier jede GesundheitSbeschädigung; vgl. § 223 n. 19. 20. ES gehören daher hierhin alle nachtheiligen Einwirkungen auf den Körper, selbst die durch geistige Affektionen z. B. durch ein Erschrecken hervorgebrachten. 3. Der Strafe des § unterliegt auch Derjenige, welcher wiffend, daß er an der Syphilis leidet, mit einer andern Person den Beischlaf vollzieht, und diese an­ steckt: ZI. 6. Sepl. 61 c. Hossmann. Vgl. tz 223 n 21.

Thl. II. Abschn. XVII.

Körpervtklehiinq. — §§ 230. 231.

471

War der Thäter zu der Aufmerksamkeit, welche er auS den Augen setzte, vermöge seines Amtes, Berufes oder Ge­ werbes besonders verpflichtet, so kann die Strafe auf drei Jahre Gefängniß erhöht werden. [I. Entw.: $ 203; II. Enlw.: § 288 ; Pr. StGB. : § 198.] Dgl. §§231. 232.195. 196. 198. 326. 327. 330; Gew.-O. §§ 18. 107. 143ff.; RJmpsg-s. v. 8. April 1874; RStPO. §§ 414. 416. Preußen: Vgl. RStPO. §§ 448—450. 487 Nr. 3.

§. 231. In allen Fällen der Körperverletzung kann auf Verlangen des Verletzten neben der Strafe auf eine an den­ selben zu erlegende Buße bis zum Betrage von sechstausend Mark erkannt werden. 4. In Betreff der Voraussetzungen des Abs. 2 vgl. § 222 n. 5ff.; in Betreff der Kunftsehler der Aerzte vgl. ib. n. 12. — Wer bei der Ausführung einer Im­ pfung fahrlässig handelt, wird mit Geldstrafe bis zu 500 Mark oder mit Gefängnißstrafe bis zu drei Monaten bestraft, sofern nicht nach dem StGB, eine härtere Strafe eintritt: RImpfges. v. 8. Apr. 1874 § 17. — Als Fahrlässigkeit im Sinne des Abs. 2 kann es unter Umständen angesehen werden, wenn ein Schlächter unterlägt, die von ihm geschlachteten Schweine vor dem Verkaufe auf Trichinose untersuchen zu lasten, selbst wenn letzteres nicht polizeilich vorgeschrieben ist: ZI. 3. Nov. 75 (RdO. XVI, 708). 5. Nach der Pr. NStPO. § 487 Nr. 3 und nach der RStPO. § 414 kann eine nur auf Antrag (§ 232) versolgbare fahrlässige Körperverletzung im Wege der Privatklage verfolgt werden. Die öffentliche Klage ist nach § 416 der RStPO. nur dann zu erheben, wenn dies im öffentlichen Interesse liegt. Im Uebrigen vgl. § 185 n. 30; § 188 n. 16. 6. Im § 326 ist die Verübung einer gemeingefährlichen Handlung der in den §§ 321 — 324 bezeichneten Art aus Fahrlässigkeit, wenn durch dieselbe ein Schaden verursacht worden ist, mit einer (geringeren) Strafe bedroht; dagegen droht § 327 eine (schwerere) Strafe an, wenn die Verletzung der zur Abwehr einer ansteckenden Krankheit angeordneten AbsperrungS. Maßregeln die Erkrankung eines Menschen zur Folge gehabt hat. Beide Thatbestände können leicht mit dem deS § 230 ideell konkurriren; über die Verschiedenheit der im § 326 und der hier vor­ ausgesetzten Fahrlässigkeit vgl. § 222 n. 13. 7. Die Verletzung der allgemein anerkannten Regeln der Baukunst durch den Leiter eines Baues zieht nach § 330 Bestrafung nach sich, sobald dadurch eine Ge­ fahr für Andere entstanden ist; wird dadurch eine Körperverletzung herbeigeführt, so wird unbedenklich § 230 Abs. 2 anwendbar. Vgl. § 59 n. 30.

§231. 1. Dieser § findet „in allen Fällen" der Körperverletzung (§§ 223 — 230; vgl. § 207) Anwendung: Stenogr. Ber. s. 668; also auch beim Raushandel (§ 227); ebenso im Falle der Beibringung von Gift (K 229): Herzog i. GSaal 27 s. 198ff-, und bei der fahrlässigen Körperverletzung: Jena (Doll. XX, 271). Die Anwendbarkeit des § wird auch dadurch nicht ausgeschlossen, daß mit der Körper­ verletzung eine andere Mißthat ideell konkurrirte, sollte auch die Strafver­ hängung aus dem die letztere betreffenden Gesetze erfolgen; vgl. § 188 n. 20; Stengl. i. GSaal 24 f. 343; contra: Merkel i. HH. IV, 229. Dagegen scheidet der § aus, wenn die Bestrafung lediglich wegen einer andern Mißthat erfolgt, deren That­ bestand die Begriffsmerkmale einer Körperverletzung mit umfaßt; Beisp.: §§ 118. 221. 239. 251. 315. 321. 340; vgl. § 340 n. 10; Stengl. 1. c.; Herzog 1. c. — Entgegen dem Eingangs Gesagten, erläutert eine andere Ansicht, welcher namentlich v. Wächter stie Buße, Leip;. 1874] f. 49ff. huldigt, die Ausdrücke „Körperverletzung" und „Verletzter" nicht aus den §§ 223ff., sondern saßt sie ganz abstrakt auf, indem

472

Thl. II. Abschn. XVII. Körperverletzung. — § 231.

Eine erkannte Buße schließt die Geltendmachung eines weiteren Entschädigungsanspruches aus. Für diese Buße haften die zu derselben Verurtheilten als Gesammtschuldner. [I. Entw.: (fehlte); II. (Sntto.: §225; Pr. StGB.: (fehlte).) Dgl. § 188; RStPO.

§§ 414 ff. 443ff. 495. sie stet- eine wirkliche, dem Angeschuldigten (als Urheber oder Theilnehmer) zur Last fallende Körperverletzung fordert; sie hält den § daher für unanwendbar auf die blos Betheiligten an einem Raushandel und bei einer Vergiftung ohne Gesundheit-beschLdigung, wohl aber für anwendbar, wenn Jemand einen Anderen im Zwei­ kampfe verwundet (§ 205), obgleich hier der Grundsatz der Idealkonkurrenz (§ 73) ausgeschlossen ist, und ebenso bei denjenigen Mißthaten, deren Thatbestand die Be­ griffsmerkmale einer Körperverletzung mit umfaßt. Eine dritte Meinung, deren Hauptvertreter Schw. f. 575(563) ist, erläutert jene Ausdrücke zwar aus den §§ 223ff., verlangt aber gleichfalls eine wirkliche Verletzung der Körpers; vgl. n. 3. 2. Nicht minder wird der § anwendbar, wenn wegen Versuchs einer Körper­ verletzung (z. B. im Falle de« § 225) gestraft wird; vgl. Stengl. 1. c. f. 345 ; Dochow (die Buße, Jena 1875] f. 38; Rüd. n. 1; contra: Herzog 1. c., welcher hierbei je­ doch von der irrigen Voraussetzung ausgeht, daß bei einem solchen Versuche eine wirkliche Verletzung niemals vorliege. 3. Die Abss. 1. 2 dieses § stimmen im Wesentlichen mit § 188 überein; die dort gemachten Bemerkungen sind daher auch hier zu berücksichtigen; vgl. aber u. 5. — Abs. 1 weicht von dem Abs. 1 des § 188 nur insofern ab, als er von der Be­ dingung: „wenn die Beleidigung nachtheilige Folgen für die VermögensVerhältnisse, den Erwerb oder das Fortkommen des Beleidigten mit sich bringt" — gänzlich absieht, weil man von der Annahme ausging, daß „der Nachtheil schon in der (Körper.) Verletzung nachgewiesen sei": Stenogr. Ber. s. 669; vgl. Zl. 27. Nov. 78 (RdO. XIX, 546). Dieser Grund trifft freilich thatsächlich bei den nur einen vorübergehenden Schmerz (Mißbehagen) veranlassenden Körperverletzungen nicht zu; gleichwohl muß der § nach seiner unbedingten Fassung auch bei solchen Anwendung finden, sollte auch der Nachweis geführt werden, daß eine nachteilige Folge für die Dermögensverhältnisse rc. nicht eingetreten sei; die Buße nimmt sonach hier den Charakter eines Schmerzensgeldes an; vgl. § 188 n. 17. 32 u. West bei Voll. 22 f. 22 (folgert sogar aus § 231, daß nunmehr auch beim Civilrichter auf Schmerzens­ geld selbst da geklagt werden könne, wo dasselbe durch die Landesgesetzgebung beseitigt sei, ohne daß eine frühere Unterscheidung zwischen Realinjurie und Körperverletzung weiter Berücksichtigung finde). Contra: Dochow s. 36. 4. Der Umstand, daß der Verletzte selbst der Urheber deö Streits war, schließt die Anwendbarkeit des § nicht aus. 5. Die im Abs. 3 enthaltene Vorschrift fehlt im entsprechenden § 188; in Be­ treff des Grundes vgl. dort n. 29. Danach beruht die hier angeordnete „Haftung aller zur Buße Verurtheilten als Gesammtschuldner" wesentlich aus der Ein­ heit der dem Verletzten zugefügten Unbilde. Daraus folgt, daß die Buße hier nur im einmaligen Betrage zugesprochen und daß sie gegen die verschiedenen Be­ theiligten nicht verschieden bemessen werden darf; contra: Puch. n. 4. Dagegen ist eö dem Verletzten auch hier nicht verwehrt, sein „Verlangen" einer Buße aus einzelne der Betheiligten zu beschränken (§ 188 d. 8); contra: Stengl. 1. c. s. 354. Nicht minder steht es dem Instanzrichter zu, die Vernrtheilung zur Buße gegen einzelne der bestraften Betheiligten auözusprechen, wahrend er bei andern davon absieht; ebenso: ZU. 28. Sept. 76 (RdO. XVII, 620). 6. Abs. 3 gilt für alle Fälle, wo wegen einer und derselben Körperverletzung gegen Mehrere aus Strafe erkannt wird, sollten diese Mehreren auch nicht „Theil­ nehmer" an einer und derselben Mißthat sein. Er wird sonach auch da anwend­ bar, wo mehrere Personen als (selbstständige) Urheber einer durch Fahrlässigkeit verursachteu Körperverletzung (§ 230), oder wegen ihrer Betheiligung bei einer Schlägerei rc. (§ 227) bestraft werden. Demgemäß kaun, trenn Jemand bei demselben

Thl. II. Al'lch». XVII.

Körpttvtrletznlig. — §§ 231. 232.

473

§. 232. Die Verfolgung leichter vorsätzlicher, sowie aller durch Fahrlässigkeit verursachter Körperverletzungen (§§223, 230) tritt nur auf Antrag ein, insofern nicht die Körperver­ letzung mit Uebertretung einer AmtS-, Berufs- oder GewerbSpflicht begangen worden ist. Vorfalle durch mehrere Personen mißhandelt worden ist und von einer unter ihnen einen Schlag erhalten hat, an dessen Folgen er längere Zeit krank gewesen ist, gegen alle solidarisch aus eine nach jenen Folgen bemessene Buße erkannt werden: ZU. 28. Sept. 76 (cit. n. 5). 7. Die Gesammt Haftung aller zur Buße Verurtheilten tritt, auch wenn sie im Urtheile nicht ausgesprochen ist, von Gesetzes wegen ein. Demgemäß ist sie nicht dadurch bedingt, daß die Berurtheiluug Aller in demselben Verfahren und in demselben Erkenntnisse ausgesprochen werde, vielmehr greift sie auch dann Platz, wenn gegen die verschiedenen Betheiligten in verschiedenen Verfahren Derurtheilungen ergehen, sobald nur feststeht, daß es sich bei beiden um dieselbe Körperverletzung handle. ES empfiehlt sich, in einem solchen Falle im ergehenden zweiten Urtheil Ln dieser Beziehung eine ausdrückliche Entscheidung zu treffen, um spätern Zweifeln vorzubeugen. 8. DaS Gesammt-Schuld-Verhältuiß ist eine Solidar- (nicht eine Korreal-) Schuld; der zahlende Solidarschuldner hat (in Ermangelung positiver das Ge­ gentheil vorschreibender Landesgesetze: vgl. Pr. ALR. I, 6 § 34; C. civ. art. 1213ff.; Sächs. BGB. § 1036) gegen die Übrigen keinen Rückgriff; vgl. Puch. n. 6. 9. Die Verurtheilung eines bei der Körperverletzung Betheiligten zur Buße schließt die Geltendmachung eines weiteren Entschädigungsanspruchs auch gegen alle übrigen Betheiligten aus und zwar selbst dann, wenn der Verurtheilte zahlungsunfähig ist; vgl. v. W. s. 71. — Unter einem „weiteren Entschädigung-anspruche" ist Schmerzensgeld einbegriffen: Meckl. OG. i. GSaal 26 s. 544; vgl. n. 3.

§ 232. 1. Leichte vorsätzliche Körperverletzungen sind diejenigen, welche der Begriffsbestimmung des § 223 entsprechen und weder den Charakter einer gefährlichen (§ 223a: VII 29. Mai 77. RdO. XVIII, 351; Dresd. 14. Aug. 76, SGZ. 21 s. 212; Jena, Doll. 25 s. 361) noch den einer schweren Verletzung (§ 224) an sich tragen, insbesondere gehören auch solche hierher, welche einem Verwandten der auf­ steigenden Linie zugefügt sind: Mot. s. 115; Stenogr. Ber. s. 807ff.; Schw. s. 559; Geyer i. HH. III, 555; contra: Schimmelpfenuig i GA. XIX, 732 (will alle Ver­ letzungen hierher rechnen, welche keine erheblichen Nachtheile zur Folge haben). — Aus die in den §§ 94. 96. 98. 100. 118. 122 und 340 vorgesehenen Fälle ist § 232 nicht anzuwenden. 2. Ebenso gehören Fälle der „Vergiftung" (§ 229) nicht hierher, da eine solche keine Verletzung des Körpers voraussetzt; contra: Reber n. 21. 3. In Betreff der Stellung des Antrags vgl. §§ 61 ff. und die Bemerkungen zu denselben; und in Betreff der Bedeutung der Worte: „Amt, Berus und Ge­ werbe" vgl. § 222 n. 5—12. — Wenn auch die Fassung de« § 232 von der der §§ 222. 230 in soweit abweicht, als hier nicht von einer „vermöge des Amts :c. begründeten besonderen Verpflichtung" die Rede ist, so ist doch der Sinn der hier gemachten Voraussetzung derselbe, wie in jenen §§, da abgesehen von der im Abs. 1 überhaupt erheischten Fahrlässigkeit noch die Uebertretung einer weiter gehenden (also „besondern") AmtS- rc. Pflicht erheischt wird: ZU. 8. Sept. 73 (RdO. XIV, 518). 4. Der durch die Nov. eingeschaltete Abs. 2 (in Verbindung mit dem jetzigen § 64) beschränkt daS Recht der Zurücknahme des Antrags auf die Fälle, wo das Vergehen (vorsätzliche oder fahrlässige Körperverletzung) gegen eine Person begangen ist, welche zur Zeit der That ein „Angehöriger" (§ 52 Abs. 2) deS Thäters war; daß daS AngehörizkeitS'Verhältniß zur Zeit der Zurücknahme deS Antrags noch

474

Thl. II. Abschn. XVII. Körperverletzung. — §§ 232. 233.

Ist das Vergehen gegen einen Angehörigen verübt, so ist die Zurücknahme des Antrages zulässig. Die in den §§ 195, 196 und 198 enthaltenen Vor­ schriften finden auch hier Anwendung. [I. ent®.: § 203; II. ent®.: § 226; — Nov. v. 26. Febr. 1876 Art. I. — Pr. StGB.: 88 189. 198 Abs. 2; 203.] Dgl. 88 61—65.195. 196.199. 340; Mil..StGB. §§51. 127; RSlPO. §§414ff. 428. 431. 435. Preußen: Vgl. NStPO. §§ 448—450. 487ff. 497. 508.

§. 233 Wenn leichte Körperverletzungen mit solchen, Beleidigungen mit leichten Körperverletzungen oder letztere mit ersteren auf der Stelle erwidert werden, so kann der Richter für beide Angeschuldigte, oder für einen derselben eine der Art oder dem Maße nach mildere oder überhaupt keine Strafe ein­ treten lassen. [I. ent®.: lfthlle); H. ent®.: § 227; Pr. StGB.: § 188.] RStPO. § 500.

Vgl. §§ 199. 198;

fortdauere, wird nicht erfordert: ZI. 21. Nov. 77 (RdO. XVIII, 728); vgl. §52 n. 16. Die Frist für die Ausübung dieses Rechtes normirt § 64. 5. In Betreff der in Abf. 3 in Bezug genommenen 88 195. 196 und 198 vgl. die Bemerkungen zu diesen. Der Begriff der „Wechselseitigkeit" ist hier nicht ganz derselbe, wie im § 198 („wechselseitige Beleidigungen" vgl. dort n. 1), weil Körperverletzungen die Nähe de« Thäters und des Verletzten voraussetzen, wahrend Beleidigungen auch aus größerer Entfernung zugefügt werden können; eine Körperverletzung und die Erwiderung derselben durch den Verletzten sind daher nur dann als „wechselseitige" anzusehen, wenn beide sich als ein zusammenhängender ungetrennter Vorfall darstellen (vgl. Pr. NStPO. § 508: „wechselseitige Mißhand­ lungen rc., welche Lei demselben Vorfall stattgefunden haben"). Don einer Wechsel­ seitigkeit der Körperverletzungen kann nur bei vorsätzlichen Handlungen die Rede sein; die Erwiderung einer fahrlässigen durch eine vorsätzliche Verletzung gehört nicht hierher; contra: Schw. f. 577 (565); Reber n. 247 i; Schütze f. 400 n. 21; vgl. § 233 n. 2. 6. Die Vorschrift der §§ 198.232 ist nicht arg. § 233 auf den Fall auszudehnen, wo von der einen Seite eine Beleidigung, von der andern eine Körperver­ letzung zugefügt wurde: Rüd. n. 4; Reber n. 247i; contra: Schw. f. 577(565); Puch n. 4. § 233.

1. Unter „leichten Körperverletzungen" sind selbstredend nur strafbare, d. h. also vorsätzliche oder fahrlässige leichte Körperverletzungen zu verstehen. Der Begriff einer leichten vorsätzlichen Körperverletzung ist hier derselbe, wie im § 232; vgl. dort d. 1. 2 und (speciell in Betreff der Frage, ob § 233 nicht wenigstens bei den in Ausübung des Amtes verübten Mißhandlungen Anwendung finde): § 340 n. 9. Demgemäß besitzt auch dieser § in Folge der Novelle eine beschränktere Tragweite, als früher, insofern gegenwärtig auch von seiner Anwendbarkeit alle s. g. gefähr­ lichen Mißhandlungen (§ 223a) ausgeschloffen sind; ebenso: ZI. (2) 2. Nov. 77 u. 27. Nov. 78, Wolfenb. 22. Nov. 78 (RdO. XVIII, 687; XIX, 546; Br. Z. 26 s. 46). Der Begriff der leichten fahrlässigen Körperverletzungen hat dagegen keine Aenderung erfahren, es gehören dahin vielmehr alle fahrlässigen Verletzungen, welche keine schweren (vgl. § 224) sind, namentlich auch die mittels einer „Waffe" (vgl. § 223a) zugefügten. 2. Eine fahrlässige Körperverletzung kann mit einer vorsätzlichen oder auch mit einer Beleidigung „erwidert" werden, nicht aber umgekehrt.

Thl. II. Abschn. XVIII. Brrbrech. u. «ergeh, w. d. pcrs. Freih. - § 234.

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Achtzehnter Abschnitt. Verbrechen nitb Vergehen wider die persönliche Freiheit. oder oder oder mit

§. 234. Wer sich eines Menschen durch List, Drohung Gewalt bemächtigt, um ihn in hülfloser Lage auszusetzen in Sklaverei, Leibeigenschaft oder in auswärtige Kriegs­ Schiffsdienste zu bringen, wird wegen Menschenraubes ^ucktbaus bestrast.

[I. entro.: § 204; II. Entw..- § 229; Pr. StGB.: § 204.] 90 Nr. 1.3; 141. 221. 239.

Dgl. §§ 81 Nr. 1;

3. Ist eine leichte Körperverletzung mit einer schweren erwidert worden oder umgekehrt, so bleibt § 233 auch in Betreff der ersteren außer Anwendung: ZI. 11. Olt. 70 (GA. XIX, 59). 4. Bei einer continuirlichen Reihenfolge gegenseitiger Angriffe lassen sich die einzelnen Thätlichkeiten nicht dergestalt trennen und gegen einander abwägen, daß jede derselben nur mit der erfolgten Erwiderung aufzurechnen, und daß demgemäß bei der letzten, unerwidert gebliebenen die Straflosigkeit nothwendig ausgeschlossen wäre: Dreöd. 14. Mai 75 (SGZ. XX, 17). 5. Die hier dem Richter beigelegte Befuguiß: „eine der Art oder dem Maße nach mildere Strafe eintreten zu lassen", ist nicht auf die dem Richter überall zu­ stehende Abmessung innerhalb der vom Gesetze bestimmten Grenzen zu beziehen, spricht vielmehr die Gestattung aus, an Stelle der im zutreffenden § angedrohten Strafe eine dem Maße oder der Art nach mildere zu verhängen. Sonach kann sowohl wegen der Körperverletzung, als wegen der Beleidigung (Berläumdung) bis auf Haft oder Geldstrafe im geringsten statthaften Maße hinabgegangen werden: Münch. 9. Sept. 74 (StZ. IV, 152). Das gilt selbst bei der Mißhandlung eines Asceudenten: ZU. 5. Oft. 71 (RdO. XU, 495). 6. Zm Uebrigen sind hier die Bemerkungen zu § 199 zu berücksichtigen. Gemäß dem dort n. 8 Gesagten ist die gänzliche oder theilweise Ausrechnung der Strafen bei gegenseitigen Thätlichkeiten rc. in das freie Ermessen des InstanzrichterS gestellt, welches durch die Nichtigkeitsbeschwerde nicht angegriffen werden kann: ZII. 9. Jan. 77, ZI. 12. Jan. 77 (RdO. XVIII, 19. 36).

*) Achtzehnter Abschnitt. 1. Indem das StGB, die in diesem Abschnitte zusammengefaßten Mißthaten „als Verbrechen rc. wider die persönliche Freiheit" qnalificirt, versteht dasselbe unter persönlicher Freiheit nicht etwa die Willens-Freiheit. Es ist vielmehr als Regel anzuerkennen, dag die hier fraglichen Mißthaten ebensowohl gegen willenSunfähige, wie gegen willenöfähige Personen verübt werden können, da jene mindestens insofern frei sind, als nicht willkürlich über sie verfügt werden darf, und ihnen ohne­ hin eine gewisse WillenSfähigkeit, wenn auch nicht in juristischem Sinn, beiwohnt; vgl. § 234 n. 5; § 236 n. 4; Villn. i. GA. 24 s. 105; v. Buri i. GSaal 27 s. 517ff.; contra: Bruck v. d. Verbr. g. d. Willensfreiheit.

§ 234. 1. Dieses Verbrechen kann gegen einen Menschen jeden Alters verübt werden. 2. „Bemächtigung" ist die Unterwerfung deö Andern unter die eigene Macht (thatsächliche Herrschaft), so daß jenem die freie Selbstbestimmung entzogen wird. Einer Ortöveränderung (Entführung) bedarf es nicht. 3. Die „List" kann in falschen Vorspiegelungen bestehen, vermöge deren der Andre formell einwilligte, sich zu unterwerfen. In Betreff der „Drohung" vgl. § 48 n. 30. Daß der Gegenstand derselben eine verbotene Handlung sei, wird hier ebensowenig, wie in den Fällen der §§ 235. 236 erfordert; contra: Dinding II. 526. 4. Es ist nicht unerläßlich, daß die „List" oder die „Drohung" gegen die Person des Geraubten angewendet sei; eö genügt, wenn dieselben überhaupt nur daS

476

THI. II. Abschn. XVIII.

Verbrech. u. Vergeh, w. d. pers. Freih. — §§234. 235.

§. 233 Wer eine minderjährige Person durch List, Drohung oder Gewalt ihren Eltern oder ihrem Vormunde ent­ zieht, wird mit Gefängniß und, wenn die Handlung in der Absicht geschieht, die Person zum Betteln oder zu gewinnsüch­ tigen oder unsittlichen Zwecken oder Beschäftigungen zu ge­ brauchen, mit Zuchthaus bis zu zehn Jahren bestraft. [I. @ntro.:

§§ 206. 207; II. Sntw.: §230; Pr. StGB.: §§ 206. 205.] §§ 169. 180. 234. 237. 238. 361 Nr. 4.

Vgl.

Mittel darstellen, durch welches die Bemächtigung ermöglicht wurde, sollten ste 'auch gegen dritte Personen ausgeübt sein: Schw. s. 578 (566); contra: Geyer i. HH. III, 602; Villn. 1. c. s. 114; vgl. § 235 n. 3. 5. Dasselbe gilt von der „Gewalt": v. Buri 1. o. {.523; contra: Bruck 1. c., Villn. 1. c. Sie ist auch ohne die Ueberwindung eines geleisteten Widerstandes, und ohne daß ein entgegengesetzter Wille des Entführten obgewaltet habe, möglich (). B. bei Personen, welche leinen Willen haben); contra: Geyer 1. c. 6. Die Herbeiführung eines bewußtlosen Zustandes (Berauschtseins rc.) kann nach den Umständen als List oder Gewalt angesehen werden. 7. Begriff de- „Aussehens" und der „hülflofen Lage" vgl. § 221 n. 3—7. Ein Berlocken zur Auswanderung in ferne Gegenden, in denen man dem Elende preisgegeben ist, gehört nicht hierher; contra: HS. II, 187 n. 1. Daß die Absicht auf eine längere Dauer der hülflofen Lage gerichtet sei, wird nicht erfordert. Vgl. Billn. I. c. s. 117. 8. Ob „Sklaverei" und „Leibeigenschaft" im Au-lande gesetzlich anersannt sind, ist gleichgültig: v. Buri 1. c. s. 523; Bruck 1. c. — „Auswärtige Kriegs- oder Schiffsdienste" ist nicht gleichbedeutend mit: Kriegs-oder Schiffs­ dienste eines auswärtigen Staats; vielmehr kommt der § auch dann zur Anwendung, wenn die Absicht dahin ging, den Geraubten einer Rebellenarmee einzureihen oder auf ein auswärtiges Handelsschiff als Dienstthuenden zu bringen; immer aber müssen wirtlich Kriegs- oder Schiffsdienste gemeint fein, es genügt daher nicht, wenn Jemand sich eines Andern bemächtigt, damit er im Kriege oder auf einem Schiffe als Diener irgend einer Person thätig sei; der Ausdruck „auswärtig" ist nicht im Gegensatz zu Deutschland, sondern im Gegensatz zum Vaterland des Geraubten zu nehmen: Villn. 1. c. 9. Das Verbrechen ist mit der „Bemächtigung" vollendet; die Wiederfreigebung vor Erreichung der Absicht ist nicht ein freiwillig aufgegebener Versuch. 10. DaS Verbrechen dauert so lange, als der Andere der Herrschaft deS Thäters unterworfen ist; erst mit der Beendigung der letzteren beginnt der Lauf der Verjährung; vgl. § 67 n. 7. 8. Die Herrschaft wird durch die Aussetzung re. beendet, sollte auch die hülflose Lage oder die Freiheitsberaubung fortdauern; contra (in Betreff der Freiheitsberaubung): v. Buri 1. c., Bruck 1. c.

8 235. 1. DaS Wesen dieses Verbrechens liegt in der Vereitlung des ErziehungSund Aussichtsrechts der Eltern rc. Deshalb schließt die Einwilligung deS Minderjährigen die Strafbarkeit nicht aus: DreSd. 24. Jan. 73 (StZ. II, 279). Dagegen genügt die einem minderjährigen Selbstentzieher geleistete Beihülfe nicht, es wird Thäterschaft erfordert: Schütze s. 413 n. 6. 2. Die Frage der Minderjährigkeit ist nach den für die StatuSverhältnisse deS Kindes maßgebenden Civilgesetzen zu beurtheilen. Nach französischem rc. Rechte gilt der Emanzipirte nicht mehr für minderjährig. — Dieselbe Wirkung hat jede GroßjährigkeitSerklärung; so: Billn. 1. c. s. 117. — Den Minderjährigen ist hier eine geisteskranke oder eine andere unter Vormundschaft oder Kuratel stehende Person nicht gleich zu achten. 3. In Betreff der „List, Drohung oder Gewalt" vgl. § 234 n. 3—6; bei Prüfung der Frage, ob dieses Begriffsmerkmal zutreffe, ist der Zweck des Gesetzes

Thl. II. Abschn. XVIII. Perbrech, tt. Vergeh, w. b. pers. Freih. - 6§235:236. 477

§. 236 Wer eine Frauensperson wider ihren Willen durch List, Drohung oder Gewalt entführt, um sie zur Unzucht zu bringen, wird mit Zuchthaus bis zu zehn Jahren und, wenn die Entführung begangen wurde, um die Entführte zur Ehe zu bringen, mit Gefängniß bestraft. Die Verfolgung tritt nur auf Antrag ein. II. Entw.: $ 208; II. Elitw.: §231; Pr. StGB.: §§ 207. 209.] Vgl. 8S 237. 238. (n. 1) zu berücksichtigen. Die List kann ebensowohl gegen da« Kind selbst, wie gegen die Eltern rc., ja unter Umständen sogar gegen Dritte, z. B. eine Behörde, ange­ wendet werden; vgl. ZI. 10 März 76 (RdO. XVII, 194), DreSd. 24. Jan. 73 (eit. n. 1); § 234 n. 4. 4. Die Einwilligung der Eltern rc. schließt die Anwendbarkeit des § ans, sollte auch gegen daS Kind Gewalt rc. angewendet fein: ZI. 4. Juli 66 (RdO. VII, 412). 5. Unter den „Eltern" sind nicht Vater und Mutter als ein Ganzes, sondern der Vater oder die Mutter zu verstehen, je nachdem dem einen oder dem anderen das elterliche Erziehung-- und Aufsichtsrecht (n. 1) zusteht, bezw. übertragen worden ist; deshalb kann sich sogar der Vater selbst deö Vergehens schuldig machen: Dreöd. 9. Apr. 77 (SGZ. 22 s. 40); Stuttg. 22. Jan. 79 (WGbl. XV, 339: betraf den Vater eines unehelichen Kindes). 6. Ein Kind ist „seinen Eltern entzogen", sobald es in eine Lage gebracht ist, wo es nicht mehr ihrer Willensbestimmung, sondern derjenigen eines Andern, Unberechtigten unterworfen ist; zeitweiliges Entziehen genügt: DreSd. (eit- n. 1); doch fordert v. Buri i. GSaal 29 Beil. f. 82 einen auf eine gewisse Stabilität be­ rechneten Zustand. Ebenso genügt es zur Anwendbarkeit des Schlußsatzes, wenn die Absicht nur auf einen vorübergehenden „Gebrauch" gerichtet war, die Entziehung nur zu vorübergehenden, nicht dauernden „gewinnsüchtigen rc. Zwecken rc." stattfand; contra: Villn. 1. c. s. 118. 7. Als Dolus werden, außer der Vorsätzlichkeit der Handlung an sich, die Kenntniß von der Minderjährigkeit des Entführten und das Bewußtsein vorausgesetzt, daß derselbe der Gewalt der Eltern rc. entzogen werde: ZI. 4. Juli 66 (eit n. 4); DreSd. (eit. n. 1). Daß letzteres bezweckt sei, wird nicht erfordert. Ueberhaupt kommt eS für den einfachen Thatbestand auf den Zweck der Handlung nicht an; dieser hat nur für die Anwendung de« Schlußsatzes Bedeutung. 8. Das Vergehen dauert so lange an, als der Minderjährige sich in der Macht des Thäters befindet; während dieser Zeit läuft die Verjährung nicht;, vgl. § 67 n. 7* 8.

§ 236. 1. Subjekt des Verbrechens kann nicht allein ein Mann, sondern auch eine Frauensperson z. B. eine Kupplerin sein; contra: Puch n. 1. Vgl. n. 7. 8. 2. Daß die Entführte unbescholten sei, wird nicht erfordert. 3. Ebensowenig ist der § auf die Entführung selbstständiger Frauenspersonen beschränkt; auch die Ehefrau eines Andern kann entführt werden, ebenso die eigene Braut, nicht aber die eigene Ehefrau: HS. II, 329. 331; Puch. u. 1; contra (in Betreff der Braut): v. Wächter Abh. I, 75. 4. Die Entführung muß „wider den Willen" (richtiger: ohne den Willen, vgl. § 237) der Frauensperson stattgefunden haben; das schließt nicht aus, daß die Mißthat auch an einer willenSunfähigen Person begangen werden könne; vgl. Villn. 1. c. s. 105. Dagegen genügt eS nicht, wenn die Entführte durch List veranlaßt worden ist, in die Entführung zu willigen. Demgemäß muß die als Mittel der Begehung erwähnte „List" den Erfolg gehabt haben, daß fie etwas that, wodurch sie sich in die Gewalt des Andern gab, ohne dieses zu wollen. 5. In Betreff der „List, Drohung oder Gewalt" vgl. § 234 n. 3—6. 6. Zum Begriffe des „Entführend" gehört hier ein Hinbringen an einen

478 Thlll. Abschn.

XVIII.

Derbrech u. Vergeh, w. d. pers. Freih. —

§§236.237.

§. 237. Wer eine minderjährige, unverehelichte Frauens­ person mit ihrem Willen, jedoch ohne Einwilligung ihrer Eltern oder ihres Vormundes, entführt, um sie zur Unzucht oder zur Ehe zu bringen, wird mit Gefängniß bestraft. Die Verfolgung tritt nur auf Antrag ein. [I. @ntto.: § 209; II. Enlw.: § 232: Pr. SiGB.: §8 208. 209.] 236. 238.

Dgl. §§ 235.

andern Ort, an welchem die Frauensperson der willkürlichen Behandlung eines Andern (Unberechtigten) preisgegeben ist: HS. II, 330. Dieser Andere braucht nicht noth­ wendig der Entführer selbst zu sein. Mit dem Hinbringen ist da- Verbrechen vollendet, sollte auch der geschlechtliche Zweck noch nicht erreicht sein. 7. „Unzucht" bedeutet hier: Beischlaf; ein „Bringen zur Unzucht" bleibt auch da möglich, wo derselbe Zweck früher bereits ohne Entführung erreicht war. Daß der Zweck des Entführers dahin gehe, für sich selbst die Entführte zur Unzucht oder Ehe zu bringen, wird nicht erfordert, vgl. n. 1. 6. Ebensowenig braucht die Absicht auf einen dereinst anzuwendenden Zwang gerichtet zu sein: Billn. I. c. s. 119. 8. DaS Derbrechen setzt sich fort (und die VerjL hrung bleibt ausgeschlossen), so lange die Vergewaltigung andauert: § 67 n. 7. 8. 9. Zur Antragstellung ist daS entführte Frauenzimmer berechtigt. Der Lauf der AntragSsrist kann nicht eher beginnen, bis die Vergewaltigung ansgehört hat. 10. Die Vorschrift deS § 238 bezieht sich auf den Fall des § 236 mit.

§ 237, 1. Zn Betreff der Minderjährigkeit vgl. § 235 n. 2. 2. Zu den „unverehelichten" Frauenspersonen gehört auch die eigene Braut, ebenso eine Wittwe. Die Entführung einer minderjährigen Ehefrau mit ihrem Willen ist nur als Ehebruch strafbar. 3. Die einwilligende Entsührte ist nicht Theilnehmerin am Vergehen und überhaupt nicht strafbar. 4. Unter „Eltern" sind alle Diejenigen zu verstehen, welchen elterliche Rechte in Beziehung auf die Eheschließung zustehen; mithin alle Diejenigen, deren Ein­ willigung erforderlich ist, wenn der Minderjährige eine gültige Ehe abschließen will; eS gehört daher nach französischem rc. Rechte auch der Familienrath hierher. Bedarf eS der Einwilligung mehrerer Personen, so genügt der Mangel der Zustimmung einer derselben, um die Strafbarkeit zu begründen: Schütze s. 420. 5. Die Einwilligung der Eltern re. schließt die Bestrafung auch dann aus, wenn sie durch listige Täuschung herbeigeführt war. 6. Ueber den Begriff der „Entführung"-vgl. § 236 n. 6. Eine solche liegt nicht vor, wenn Jemand die Frauensperson nicht selbst weggebracht, sondern sie nur beredet hat, allein ihren Eltern rc. zu entfliehen. Dagegen kann eine Entfüh­ rung ohne Rechtsirrthum dann angenommen werden, wenn die Frauensperson freiwillig da« elterliche Haus verlassen hat und mit dem Angeklagten zusammengetroffen ist, sofern festgestellt wird, daß durch die demnächstige Thätigkeit deS letzteren eine Entziehung aus der elterlichen Gewalt bewirkt worden ist: OTr. 22. Juni 77 (GA. 25 f. 456). 7. Zn Betreff der Vollendung des Vergehens und der Verjährung gilt das zn § 234 n. 9. 10 Gesagte. 8. Zur Stellung des Strafantrags ist jeder der beiden Eltern sowie der Vormund selbst dann berechtigt, wenn der Betreffende seine Einwilligung zur Heirath gegeben hatte. Nach den Grundsätzen de« französischen rc. CivilrechtS kann der Antrag auch von dem zur Ertheilung des Ehekonsenses berufenen Familienrath aus­ gehen; vgl. n. 4. 9. Hat der Entführer die Entführte geheirathet, so wird § 238 anwend­ bar. Auch in diesem Falle kann der Strafantrag von jedem Berechtigten (n. 8), nicht blos vom Kläger gestellt werden; vgl. § 238 n. 3. Die dreimonatige An-

Thl. II. Abschn. XVIII. Derbrech. >i. Vergeb, w. b. pers. Freih. — §§238.239. 479

§. 238 Hat der Entführer die Entführte geheirathet, so findet die Verfolgung nur statt, nachdem die Ehe für un­ gültig erklärt worden ist. II. Entw.: § 210; II. Entw.: § 233; Pr. StGB..- § 209.]

Dgl. §§ 226. 237. 69.

§. 239. Wer vorsätzlich und widerrechtlich einen Men­ schen einsperrt oder auf andere Weise des Gebrauches der per­ sönlichen Freiheit beraubt, wird mit Gefängniß bestraft. Wenn die Freiheitsentziehung über eine Woche gedauert hat, oder wenn eine schwere Körperverletzung deö der Freiheit tragSfrist (§ 61) beginnt mit dem Tage, wo der Berechtigte von der Entführung und der Person des Thäter« Kenntniß hatte, sollte auch die Klage aus Ungültig, erklärung der Ehe erst später angestellt werden: Puch. n. 4; contra: Rüd. n. 6; Meyer f. 180 n. 2; Schw. i. GSaal 24 s. 73.

§ 238. 1. Dieser § bezieht sich auf die beiden Fälle der Entführung: §§236. 237 und auf alle Theilnehmer an der Mißthat. Dagegen findet er keine Anwendung, wenn nicht der Entführer selbst, sondern ein Dritter, in dessen Interesse jener handelte, die Entführte geheirathet hat; contra: Schütze s. 418 n. 11; Geyer i. HH. III, 618. 2. Nur die UngÜltigerklärung (nicht Scheidung) der Ehe macht die Ver­ folgung statthast; au« welchem Grunde jene erfolgt, ist gleichgültig, e« wird nicht erfordert, daß sie wegen der „Entführung" ausgesprochen sei; contra: Villn. I. c. s. 120. Da« betr. Urtheil muß rechtskräftig (§ 30 n. 4ff.) geworden (ein, ehe die Verfolgung eintreten kann. 3. Auch die auf den Antrag des Staatsanwalts (tgl. Code civil art. 184) erfolgte UngÜltigerklärung der Ehe macht die Strafverfolgung (beim Vorhandensein des erforderlichen Antrags) statthaft; vgl. § 237 n. 9. 4. So lange die Verfolgung ausgeschloffen ist, darf nicht zur Verhaftung des Entführer« wegen der Entführung geschritten werden. 5. Die Verjährung ruht, so lange die Ehe nicht für ungültig erklärt ist; vgl. § 69 n. 8.

§ 239. 1. Ein „Einsperren" liegt da vor, wo dem in einem umschloffenen Raume Befindlichen das Verlaffen desselben durch Versperren der AuSgänge verwehrt ist. Zn welcher Weise dieses Verwehren bewirkt wird, ist gleichgültig (Beisp.: bestellte Wächter). Jener Zustand muß objektiv vorhanden sein; eS genügt nicht, wenn der Andere sich irriger Weise eingesperrt glaubt, und nur deshalb in dem umschlossenen Raume bleibt, weil er gar nicht den Versuch gemacht hat, ob ihm nicht der Aus­ gang frei stehe: VI. 20. Mai 59 (GA. VII, 714, dessen Gründe nur etwas zu weit gehen). Dagegen bedarf es nicht einer absoluten Unmöglichkeit, sich einen AuSgang zu verschaffen: eS reicht hin, wenn dem freien Ausgange sachliche Hindernisse ent­ gegengesetzt sind, deren Ueberwindung für den Betreffenden mit erheblichen Schwie­ rigkeiten verknüpft ist: ZU. 20. März 73 (RdO. XIV, 214); vgl. ZI. 10. März 65, ZU. 9. Juli 68 (RdO. V, 551; IX, 444). Unbedenklich kann eine Einsperrung da angenommen werden, wo die Freiheit nur durch besondere Geschicklichkeit oder durch gefährliches Klettern zu erlangen war: ZI. 27. Mai 64 (RdO. IV, 545); ähnlich verhält eö sich, wenn der dem Betreffenden allein bekannte AuSgang versperrt, außerdem aber ein anderer ihm unbekannter unverwehrter AuSgang vorhanden war; eS fragt sich, ob für denselben eine Deranlaffung vorlag, noch nach einem andern, nnversperrten AuSgänge zn suchen: Geyer i. HH. III, 591; contra: BI. 26. Jan. 59 (GL. VII, 393).

480 Thl. II. Abschri. XVIII. Verbiet, u. Vergeh, w. b. Pers. Freih. — § 239.

Beraubten durch die Freiheitsentziehung oder die ihm während derselben widerfahrene Behandlung verursacht worden ist, so ist auf Zuchthaus bis zu zehn Jahren zu erkennen. Sind mil­ dernde Umstände vorhanden, so tritt Gefängnißstrafe nicht unter Einem Monat ein. Ist der Tod des der Freiheit Beraubten durch die Frei­ heitsentziehung oder die ihm während derselben widerfahrene Behandlung verursacht worden, so ist auf Zuchthaus nicht unter drei Jahren zu erkennen. Sind mildernde Umstände vorhan­ den, so tritt Gefängnißstrafe nicht unter drei Monaten ein. [I. @ntm.: §211; H. Eatw.: § 234; Pr. StGB.: §210.211.] Dgl. §§341. 224. 226. Preußen: Dgl. Ges. v. 12. gebt. 1854 §§ 2. 3. NStPO. §§11. 122-127. 2. Aus der Gleichstellung der „auf andere Weise" erfolgenden „Beraubung des Gebrauchs der persönlichen Freiheit" mit der Einsperrung folgt, daß eö sich auch bei jener um die Freiheit in der Wahl des Aufenthaltsorts handelt; es gehört daher nicht blos daö Festhalten an einem Orte, sondern auch daS erzwungene Fort­ bewegen nach einem andern Orte hierher: HS. II, 182 Note 2; contra: Billn. i. GA. 24 f. 110 (die Worte „auf andere Weise" seien hier gleichbedeutend mit: „aus ähnliche Weise"). Hiernach wird keineswegs ein engerer Gewahrsam erheischt; eben­ sowenig braucht sich die Handlung dem Thatbestände der Einsperrung zu nähern: HS. 1. c.; ZI. 19. Febr. 68 (GA. XVI, 291: ein in einem Kahne Befindlicher war verhindert worden, zu landen); contra: ZI. 11. März 68 (RdO. IX, 188); Schw. s. 582 (570. 571). 3. Erheischt wird eine „Beraubung des Gebrauchs der Freiheit"; eine momentane Behinderung oder Beschränkung genügt nicht: ZU. 19. Jan. 65 (RdO. V, 426); ebensowenig eine bloße „Nöthignng" zu einem anderweitigen Thun oder Unterlassen im Sinne deö § 240: ZI. 11. März 68 (eit. n. 2). Ob das eine oder andere anzunehmen sei, unterliegt der thatsächlichen Beurtheilung deS Einzelfalls; die Dauer der Freiheitsbeschränkung entscheidet dabei nicht allein, vielmehr kann der Jnstanzrichter nach den Umständen eine vorübergehende Hastnahme für eine „Frei­ heitsberaubung" erachten: BI. 17. Juni 59 c. Werner. Auch können beide That­ bestände ideell konkurriren: vgl aber § 240 n. 1, Geyer i. GSaal 27 f. 382. 4. In welcher Weise die Freiheitsberaubung ausgeübt wird, ist gleich­ gültig; Beisp.: List, psychischer Zwang: ZI. 16. Dez. 59 o. Berniö. 5. Die Handlung muß „widerrechtlich" sein; daher scheiden die in Aus­ übung eines Erziehung--, ZüchtigungS-, HauS- und DienstherrschaftSrechtS oder einer Pflicht, z. B. einer Amts-, Berufs- und Ausfichtspflicht oder zur „gebotenen Nothwehr" bewirkten Freiheitsberaubungen, sowie die bona mente bewirkte Einsperruug eines hülfsbedürftigen re. Menschen hier auS; vgl. n. 7; Münch. 31. Dez. 74 (StZ. IV, 360), Schütze f. 409 n. 4. — Dagegen beseitigt ein erlaubter Zweck die Widerrechtlichkeit einer Freiheitsberaubung nicht: ZI. 18. Sept. 72 (RdO. XIII, 459); eine zum Schutze des eignen Rechts durch Einsperrung eines Andern (z. B. eines fluchtverdächtigen Schuldners) geübte eigenmächtige Selbsthülse fällt daher unter das Strafverbot: ZU. 2. Juli 68 (RdO. IX, 426). — — Ob der Begriff der „Widerrechtlichkeit" in der schwurgerichtlichen Frage nach den Umständen des konkreten Falles aufzulösen sei, unterliegt in Preußen dem richterlichen Ermessen: ZI. 17. Nov. 65 (RdO. VI, 474). Unter der Herrschaft der RStPO. muß diese Auflösung unterbleiben; vgl. Mot. z. RStPO. s. 199. 6. Die Freiheitsbeschränkung, welche nach Art und Dauer auf der eigenen fortwährenden Willensbestimmung des Beschränkten selbst beruht, kann, auch wenn zu ihrer Herbeiführung eine andere Person mit thätig ist, in Betreff der letztern nicht „widerrechtlich" (ein.

Thl. II. Abschn. XVIII. Drrbrech. u. Vergeh, w. d. Pers.Freih. - §§ 239.240. 481

§. 2UO« Wer einen Anderen widerrechtlich durch Ge­ walt oder durch Bedrohung mit einem Verbrechen oder Ver­ gehen zu einer Handlung, Duldung oder Unterlassung nöthigt, 7. „Widerrechtlich" ist eine Freiheitsberaubung auch dann, wenn sie in Ueberschreitung einer vorhandenen Befugniß (;. B. des väterlichen ZüchtigungSrechtS: ZU. 25. Okt. 77, RdO. XVIII, 669) vorgenommen oder über die Grenzen der letzteren ausgedehnt oder verlängert wird. Dagegen macht die Verabsäumung einer unwesentlichen Formvorschrist die an sich berechtigte Freiheitsberaubung noch nicht zu einer widerrechtlichen. 8. Der Ehemann hat in Preußen nicht das Recht, seine Frau der Freiheit zu berauben: ZI. 7. Febr. 66 (RdO. VII, 88). 9. Als Doluö werden außer der „Vorsätzlichkeit" der äußern Handlung der Wille, den Andern der Freiheit zu berauben, und das Bewußtsein der Widerrechtlichkeit erfordert: VI. 25. Febr. 70 (RdO. XI, 129); Manh. (BAnn. 38 f. 237). Der rechtSirrthümliche Glaube an eine nicht vorhandene Berechtigung schließt die Bestrafung auS: ZI. 6. Jan. 58 c. Hillen. — Der ausdrücklichen Feststellung jenes Bewußtseins bedarf eS, wenn dasselbe bestritten ist: VI. 7. Nov. 60 (GA. VIII, 839); cit. Manh.; ähnlich: DreSd. 3. Dez. 77 (SGZ. 22 s. 215: Fall des § 240). 10. Ein weitergehender DoluS (n. 9) wird nicht erheischt; insbesondere ist eS nicht ersorderlich, daß der Wille dahin gehe, dem Damnisikaten außer der Freiheits­ beraubung noch einen andern Nachtheil zuzufügen: ZI. 26. Avril 61, 10. März 65 (RdO. I, 362; V, 551). 11. Ist die Freiheitsberaubung rc. das Mittel zur Begehung einer anderen Mißthat, so liegt Ideal-Konkurrenz vor; Beijp.: Einsperrung eines Beamten, um ihn an einer Amtshandlung zu hindern; dann konkurrirt der Thatbestand des § 113 oder 114: ZII. 4. April 67 (RdO. VIII, 237); contra: Schütze f.415; Geyer i. HH. III, 591; vgl. § 113 n. 33. 12. Demgemäß macht sich auch Derjenige des Vergehens schuldig, welcher durch Täuschung eines Beamten rc. die ungerechtfertigte Arretirung, oder die ungerecht­ fertigte Aufnahme eines Andern in ein Irrenhaus bewirkt: ZI. 27. Jan. 71 (RdO. XII, 54); es kann dann ideell auch der Thatbestand des § 164 konkurriren. 13. Ein Beamter wird wegen vorsätzlicher widerrechtlicher Freiheitsberaubung auS den §§ 341. 345. 353 bestraft. 14. DaS Vergehen der Freiheitsberaubung setzt sich so lange fort, als der Zustand der herbeigeführten Unfreiheit des Andern andauert; erst mit dem Aufhören desselben beginnt die Verjährung; vgl. § 67 n. 7. 15. Im Abs. 2 bezeichnet „Woche" die Zeit von sieben (vollen) Tagen; vgl. § 19. 16. Zu der „widerfahrenen Behandlung" (Abs. 3) gehören auch die Ent­ ziehung der Luft, ungesundes Lokal, schlechte Ernährung rc. rc. 17. Ueber die „Verursachung einer schweren Körperverletzung" (deS Todes) durch die Freiheitsberaubung vgl. § 224 n. 9ff. 18. Ein Versuch der in den Abss. 2. 3. vorgesehenen Verbrechen ist auS den zu § 224 n. 17 entwickelten Gründen nicht denkbar. Handelte der Thäter mit dem Vorsatze, eine jener Folgen herbeizuführen, so liegt ein Versuch deS im § 225 vorge­ sehenen Verbrechens oder ein Mord- (TodtschlagS.) Versuch vor.

§ 240.

1. Erheischt wird ein „Nöthigen" zu einem bestimmten (konkreten) künftigen Thun, Dulden oder Unterlassen: ZI. 30. Apr. 62 (RdO. II, 366); eS muß sonach auf den Willen des Andern eingewirkt, dieser Wille muß erzwungen sein. Gewalt­ handlungen, welche ohne Weiteres in Beziehung auf die Person deS Andern einen von ihm nicht gewollten Zustand herbeiführen, ohne daß er selbst dazu mitwirkt (z. D. eine gewaltsame Exmission), oder welche dem Andern unmittelbar die Vor­ nahme einer gewollten, oder die Hinderung einer fremden Handlung unmöglich machen (;. B. eine Einsperrung, welche ihn am Weggehen hindert), fallen nicht unter den Begriff der „Nöthigung", da sie sein Wollen unberührt lassen: VII. 11. Dez. Oppenhofs, D. Strafgesetzbuch. 7. AuSg.

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482 Thl. n. Abschn. XVIII. Verbrech. u. Vergeh, w. d. pers. Freih. — § 240. wird mit Gefängniß bis zu Einem Jahre oder mit Geld­ strafe bis zu sechshundert Mark bestraft. Der Versuch ist strafbar. [I. Gntro.: §212; II. Enttv.: § 235; - Nov. v. 26. Febr. 1876 Art. I. — Pr. StGB.: § 212.] Dgl. §§ 106 107. 114. 126. 167. 239. 241. 253— 256. 339; B.-Gew.-Ordn. v. 21. Juni 1869 §§ 152. 153; R.-Seem.Orbit. v. 27. Dez. 1872 §§ 89-91 (RGbl. s. 427). 73; contra: ZI. 18. Sept. 72. ZU. 22. Juni 78 (RdO. XIV, 797; XHI, 459; XIX, 328); allerlei t. HH. HI, 727. 2. Die Nöthigung zu einer „Unterlassung^ ist nicht allein in Beziehung auf einen bereits gefaßten Entschluß möglich; der § wird anwendbar, auch wenn der Zwang sich auf einen demnächst erst zu fassenden Entschluß bezog: ZI. 30. Apr. 62 (cit. n. 1); Wolfenb (GSaal 26 s. 413; letztere« Erk. fordert jedoch, im Wider­ sprüche mit ersterem, daß der Bedrohte irgend Gelegenheit oder Veranlassung zu dem Entschlüsse gehabt habe, an besten Fassung er durch die Bedrohung gehindert werden soll). 3. In Betrest der „Widerrechtlichkeit" vgl. § 239 n. 5ff. Auch hier kommt es nur auf die Widerrechtlichkeit des ausgeübten Zwanges, nicht darauf an, ob die zu erzwingende Handlung rc. erlaubt, oder gar durch eine Pflicht geboten, bezw. ob der Nöthigende dieselbe zu fordern berechtigt war: ZI. 14. Jan. u. 18. Nov. 74, Manh. 5. Juni 75 (RdO. XV. 27. 792; BAnn. 41 s. 193); HS. U, 180; contra: Jena 74 (Voll. 22 (.88); ebenso verhält eS sich mit der Nöthigung zur Unterlassung einer strafbaren Handlung; sie ist strafbar, wenn nicht die Voraus­ setzungen der Nothwehr vorliegen; contra: Beschl. I. 5. Juni 61 (GA. IX, 567), Schütze fr 410; Bruck (v. d. Berbr. g. d. Willensfreiheit, 1875) f. 57. 4. Ueber den Begriff der „Gewalt" vgl. § 52 n. 4; § 106 n. 1; § 114 n. 3. 4. Unter diesem Ausdrucke ist hier nur überwältigende Körperkraft, Gewalt an der Person zu verstehen: so: Schütze s. 409; contra: Manh. 5. Juni 75 (BAnn. 41 s. 193; erachtete eine an Sachen verübte Gewalt wenigstens dann für aus­ reichend, wenn dieselbe gleichzeitig und unmittelbar eine Gewalt gegen die persönliche Freiheit darstelle, wie eS z. B. bei dem Unbrwohnbarmachen einer Mietwohnung zum Zwecke der Austreibung des Miethers der Fall sei [?]; vgl. § 123 n. 8). — Die Gewalt (Bedrohung) kann auch gegen andere Personen, selbst Nichtangehörige verübt werden; so: Geyer i. HH. UI, 576; vorausgesetzt, daß sie mittelbar auch den zu Nöthigenden trifft: MeveS f. 207. — Es ist nicht erforderlich, daß die er­ zwungene Handlung unmittelbar aus die Gewaltanwendung folge. 5. Ueber den Begriff der „Bedrohung" vgl. §48 n. 30. 31; § 106n. 2. 3; § 126 n. 5; § 141 n. 2 und Schw. i. GSaal XIX, 132. Dieselbe muß hier ein Verbrechen oder Vergehen zum Gegenstände haben; diesen steht ein militärisches Ver­ brechen (Vergehen) gleich: Mil.-StGB. §§1.2; demgemäß genügt die Bedrohung mit einer falschen Anschuldigung; war eine solche geeignet, als Zwangsmittel zu dienen, so schließt der Umstand, daß sich die Anschuldigung als falsch widerlegen ließ, die Bestrafung nicht aus: ZI. 14. Apr. 55 c. Troost; desgleichen die Be­ drohung eines Kaufmann- mit dem öffentlichen Ausgebote einer von demselben ver­ schuldeten Forderung, insoweit ein solche- AuSgebot die öffentliche Kennzeichnung des Bedrohten als eines Schuldners, welcher sich der Erfüllung seiner Verbindlichkeiten entziehe, mithin eine Beleidigung enthalten würde: ZI. 3. Dez. 75 (RdO. XVI, 772); vgl. § 185 n. 2 und andererseits Schütze s. 410 n. 6. — Die Bedrohung braucht kein vom Drohenden selbst zu verübendes Verbrechen rc. zum Gegenstände zu haben: Schütze f. 410, Bruck (.51; noch auch mit der unmittelbaren Aussicht sofortiger Verwirklichung verknüpft zu sein: Darmst. 8. Febr. 75 (HEntsch. s. 5). 6. Zum Thatbestände der „Nöthigung" gehört es nicht, daß die Drohung ernstlich gemeint (b. h. mit dem Willen der eventuellen Ausführung gepaart), oder daß ihre Ausführung objektiv möglich sei; eS genügt, wenn der Bedrohte beide- an­ nehmen konnte: ZI. 11. Nov. 63 (RdO. IV, 164). Der DoluS besteht demnach in dem Bewußtsein, daß Letztere- der Fall sei, verbunden mit der auf Erreichung des Zwecke- mittels der Drohung gerichteten Absicht.

Thl. H. Abschn. XVIII. Verbrich. u. Vergeh, w. d. Pers. Freih. — §§ 240.241. 483

§. 24l1. Wer einen Anderen mit der Begehung eines Verbrechens bedroht, wird mit Gefängniß bis zu sechs Mo­ naten oder mit Geldstrafe bis zu dreihundert Mark bestraft. fl. Entw. § 213; II. Enlw.: § 236; — N-v. v. 26. Febr. 1876 Art. I. — Pr. StGB.: § 213] Dgl. §§ 126. 240. 253. 254; RGBG. § 75 Nr. 14. 7. ES ließt nur Ein Straffall vor, wenn durch einen einmaligen Gewaltakt (Drohung) der Andere zu einer Mehrheit von Handlungen genöthigt wird, sollten diese auch zu verschiedenen Zeiten vorgenommen werden. 8. Da« Vergehen ist vollendet, sobald der Genöthigte mit dem ihm zugemutheten Verhalten den Anfang gemacht hat: Geyer i. HH. III, 578. Dies gilt selbst dann, wenn jenes Verhalten in einer bloßen „Duldung" bestand (sollte sie auch nur kurze Zeit gedauert haben und erfolgreicher Widerstand ihr gefolgt sein), gleichviel ob der Zwang durch Gewalt oder Drohung geübt wurde: Schwarze i. SGZ. XIX, 134; contra (in Betreff der Gewalt): Bruck s. 61. 9. In Betreff des Nöthigungöver fuchs vgl. § 114 n. 5. Macht sich Jemand nach einem erfolglosen Nothigungöversuche durch eine neue selbstständige Handlung eines erneuerten Versuchs oder des vollendeten Vergehens schuldig, so liegt Realkonkurrenz vor; contra: John b. fortges. Verbr. s. 93. 10. Die Novelle hat durch Streichung des früheren Abs. 3 des § das Ver­ gehen ans der Neihe der Antragsvergehen ausgeschieden, sonst Nichts geändert. 11. Ein Beamter, welcher eine Nöthignng durch Mißbrauch der Amtsge­ walt verübt, wird aus den §§ 339. 358 bestraft. 12. Tritt zu dem im § 240 ausgestellten Thatbestand der „Nöthiguug" die Absicht der Verschaffung eines rechtswidrigen Vortheils hinzu, so liegt Erpressung (§ 253) vor. 13. Hat die Nöthiguug die Theilnahme an einer Vereinigung von Gewerbtreibenden oder Arbeitern zur Erlangung günstigerer Lohn- oder Arbeits­ bedingungen, oder die Hinderung des Rücktritts von einer solchen Vereinigung zum Gegenstände, so liegt in Idealkonkurrenz auch der (milder bestrafte) Thatbestand deS im § 153 der Gew.-O. vorgesehenen Vergehen« vor; dieses letztere Vergehen kann aber auch durch Ehrverletzungen oder VerrufSerklärungen verübt werden; auch be­ darf es keines Zwang« rc.; es genügt ein „Bestimmen" sowie der Versuch eines solchen; vgl. § 210. 14. In Betreff deS Unternehmens der Nöthignng eines Schissers durch einen Schiffsmann vgl. R.-Seem.Ordn. v. 27. Dez. 1872 §§ 89—91. §241.

1.

Ueber den Begriff der Drohung und der „Bedrohung" vgl. §48

n. 30. 31; § 106 n. 2. 3. Die Drohung kann daher auch durch konkludente Hand­

lungen geschehen: ZI. 5. Febr. 79 (RdO. XX, 73), muß aber stets geeignet sein, bei dem Bedrohten die Furcht vor der Verwirklichung hervorzurufen: Geyer i. HH. III, 583; trifft die« zu, so kommt e« auf die Tauglichkeit des Mittels nicht an: OTr. 5. Okt. 76 (GA. 24 f. 581: Drohung mit einer ungeladenen Pistole), noch darauf, ob die Drohung ernstlich gemeint war; vgl. § 240 n. 6, Jena (Voll. 26 f. 168). — Im Uebrigen genügt es, wenn Derjenige, an welchen sich die Drohung richtete, von derselben mit dem Willen deS Drohenden Kenntniß erlangt hat; es ist dann gleichgültig, ob diese« unmittelbar durch die Kundgebung deS Drohenden selbst, oder demnächst durch die Mittheilung Anderer bewirkt ist. Dagegen ist der Thatbestand nicht erfüllt, wenn nur dritte Personen, an welche die Kundgebung nicht gerichtet war, von derselben Kenntniß erlangt haben, sollte auch dadurch für sie eine Störung ihres Rechtösriedenö herbeigeführt sein; in einem solchen Falle kann eine Bestrafung nnr aus § 126 hergeleitet werden. 2. Das in Aussicht gestellte Uebel muß (objektiv) ein „Verbrechen" dar­ stellen, und als solches dem Bedrohten erkennbar gemacht sein; hiernach würde die Bedrohung mit einem einfachen Diebstahl nicht genügen, selbst wenn er für den eventuellen Thäter (wegen seiner Rückfälligkeit) den Charakter eines Verbrechens an»

484

Thl. n. Abschn. XIX. Diebstahl und Unterschlagung. - §§ 241.242.

Neunzehnter Abschnitt. Diebstahl und Unterschlagung. §. 2412. Wer eine fremde bewegliche Sache einem An­ deren in der Absicht wegnimmt, dieselbe sich rechtswidrig zu­ zueignen, wird wegen Diebstahls mit Gefängniß bestraft. Der Versuch ist strafbar. sl. Eatw.: §§215.216; H.Enlw.: 8 237; Pr. StGB.: §§ 215-217.] Dgl. §§ 243 bis 245. 247. 248. 32. 370 Nr. 2. 5. 6; Mil..StGB. §§127-136. 138. 160. 161; Cls.-Lothr. EG. Art. 12; RGBG. §§ 27. 28. 75. Preußen: Dgl. Ges. v. 22. Mai 1852 Art. III; Ges. v. 14. April 1856 Art. I $3; FPO. v. 1 Nov. 1847 §§41-45; NEV. Art. III. nehmen würde; contra: Dilln. i. GA. 24 s. 123 (falls der Drohende den Bedrohten von seiner zweimaligen Bestrafung benachrichtigt habe); vgl. Geyer i. HH. in, 585. 3. Durch die Hinzusügung einer Bedingung zur Drohung wird der That­ bestand de- § nicht ausgeschlossen. Durch eine solche kann die That den Charakter der Nöthigung (§ 240.114) annehmen. Vgl. übrigens n. 6. 4. Die Androhung eines sofort zu vollziehenden Verbrechens ist, wenn der Vollzug sofort stattfindet, straflos, weil ihr dann jede selbstständige Bedeutung man­ gelt: v. Jagemann i. BAnn. 44 s. 110; es sei denn, daß die Verübung des Ver­ brechens nur als Verstärkung der Drohung wirken soll und daher zugleich als An­ kündigung weiterer Verbrechen auftritt; so: Geyer 1. c. 5. Der Thatbestand ist nicht durch eine der ausdrücklichen Feststellung bedür­ fende Gefährlichkeit der Drohung bedingt: Zn. 15. Dez. 74 (RdO. XV, 869). 6. Der Doluö besteht hier in dem Willen zu drohen, verbunden mit dem Bewußtsein, daß die Drohung von dem Bedrohten für ernstlich gemeint gehalten werden könne; einer weiter gehenden Absicht bedarf eS nicht; contra: v. Buri i. GSaal 29 Beil. f. 84 (fordert den auf Herbeiführung einer Beunruhigung gerich­ teten Willen oder doch das Bewußtsein der Erregung einer solchen); vgl. Stuttg. 10. Okt. 77 (WGbl. XIV, 109); ebensowenig wird erheischt, daß der Drohende das in Aussicht gestellte Uebel selbst als ein Verbrechen erkannt habe. Was den Willen zu drohen betrifft, so reicht schon eine blos unbestimmte Absicht hin, bei welcher der Thäter es darauf ankommen läßt, ob die Drohung zur Kenntniß des Bedrohten gelange oder nicht; so: Dreöd. 3. Dez. 77 (CGZ. 22 (.214: der An­ geschuldigte hatte, auö dem WirthShause geworfen, die Drohworte zum Fenster hineingerufen). — Nur die Absicht, ein Unrecht abzuwenden, hebt den Dolus auf; so: v. Iagemann i. BAnn. 44 s. 109; vgl. GA. IX, 567. 7. DaS Vergehen wird durch die Bedrohung, bezw. durch die Keuotnißnahme derselben seitens des Bedrohten vollendet; daß dadurch der Rechtsfrieden des Letzteren gestört worden fei (§126), wird hier nicht erheischt: Zn. 7. Juli 70, Stuttg. 17. März 75 (RdO- XI, 397; WGbl. IX, 374). 8. Die Aenderung des § durch die Novelle entspricht derjenigen deS § 240; vgl. dort v. 10. 9. Bedingte Zuständigkeit der dereinstigen Schöffengerichte; vgl. RGVG. § 75 Nr. 14. § 242. Zuhält: Absicht: 40—46. 60. 64. Auftrag. 21. 36. Dodenerzeugn., vgl. Felbfrüchte. . d. Benutzung : 6. 41. Baum: 21.36.55. 60. 62—64. Brtef, Postbeamter: 22. . d. Bereicherung: 45. Baumpfahl, Baumpflanz.: 65. 64. Diebstahl, Begr.: 1. 44. 45. . gewtnnf.: 44.45.60.64. Bernstein: 6. • einfacher: 49. • Pfandnahme: 41. 45. Besitz vgl Gewahrsam. Dienstbote: 21. 27—29. 34. Verpfandung: 41. 42. Besitzer, redl.: 7. Dolus: 40—46. 60. 64. verschenken: 42. Betrug: 42. Dünger: 11. 12. 53. Zerstörung r 4. 41. Bewußtsein, 40. Ehrenrechte: 49. Zueignung: 2.4.41.42. Bienen: 10. 20. Eier: iO. 43. 45. Blutegel r 10. Eigenthum: 6. 7.

Thl. II. Abschn. XIX. Diebstahl und Unterschlagung. — § 242. Einbruch: 48. Einschletchen r 48. Einsteigen: 46. Etnwtlligg. d. ElgthrS.: 35.36. d. Inhabers: 34. erzwungen: 34. Entgelt: 45. Entwenden: I. 44. 54. Erbschaft: 16. 31. Erlaubniß: 34-36. Eßwaare: 44. 61. Feldfrüchte: 14. 50ff. - aufgeladen: 57. - geerntet: 57. - Hofraum: 58. - Oertlichkeit: 58. - Schoberte.- 57. - Werth, Quantit.: 59.61. Feld-Pol.-Ordn.: 44. 50-61. Fest-(Frag)stellg.: I. 5. 6. 16. 61. 62. Gewinnsucht: 61. 62. Fischereirecht 9. Futterdtebstahl: 45. Gas, 3. 18. Gebrauch, rechtswtdr. r 6. 41. Gebrauchsdiebstahl r 6. 4i. Gefangener: 23. 4l. Gehege: 9. 12. Gehülfe: 46. 49. Geldwerth: 2. Gemetnschastlichkeit: 6. 39. 46. Gewahrsam: 16. - Anvertrauen an Andere: 21-29. . Arbeiter,c.r 21. 27-29. - Brief: 22. - Behältniß, verschloss. : 31. . Bienen: 10. 20. . Dieb: 30. . Dienstbote: 21.27-29.34. - Entfernung: 18. 27ff. - Forstausseher : 21. - Fuhrmann r 18. 28. . Ga- : 3. 18. . Gast: 24. 25. . Gafthof: 25. * Gefangener: 23. - Gehege: 9. 12. • Grad: 8. 32. - Handlgsdlener: 21.27—29.

485

Gewahrsam, Heerde: 28. * Hund: 16. - Irrthum: 19.34.40.43. - Lind: 16. - Ladengehülfe: 21. 27—29. . Nachlaß: 16. 31. - Nähe: 18. - Niemande-: 16. . Räumlichkeit^! 7. 21. 28.

Quittung: 4. 7. 34. Nechtswtdrtgkeit: 30. 34-36. 41-43. Rural-Gefetz (Rh.): 51. Sache - 2ff. - bewealtche. 13—15. - Bezeichnung: 5 - fremde: 6. 7. 40. - herrenlose - 8ff. - für sich bestehende: 14. - Nechtmäßigkeit: 30. - unbewegliche: 14. 15. . Stellvertreter: 21—29. - Theile: 14. * Schäfer: 26. - ««körperliche: 2. • Schwachsinniger: 16. • vergessene: 19. . Thiere: 9. 10. 12. 16. 17. * verlorene: 18—20. 20. 21. - Werthlose: 3. - Uebergabe: 16. Schabernack: 44. - Dergeffen: 19. Schriftstück: 4. - Verlust: 18-29. Stellvertreter: 21—29. • wessen? 16. Straßenkoth: 11. 14. - Wissen: 17. Stroh: 57. - Zurücklassen: 16. 19. Tauben: 20. Gewinnsucht: 44. 45. 61. 62. Teich: 9. 10. Grab: 8. 32. Theilnahme: 46. 48a. Gras: 52. Thterfan^. 9-12. 20. Grundstück: 14. 15. Haare: 14. 16. Uebergabe. 16. 33. Handelsgesellschafter 6. Unmündiger: 33. Hehlerei: 48a. Unterschlagung: 21. 31. Heimlichkeit: 33. Urkunde: 4. 7. Hirt: 28. Verfügungsgewalt: 16—31. Holz. 55; vgl. Baum. vergessen: 19. Holzdlebstahl: 62-64. Verhältniß au § 370 Nr. 5: Honig: 10. 44. 47. Zagdrecht: 9. 12. verkauf e. fremd. Sache: 42. Jnnehabung vgl. Gewahrsam. verschenken: 42. Irrthum: 19. 34. 40. 43. verstecken: 39. Kehricht: 11.14. 53. versuch: 39. 46. Leiche: 6. 32. verzehren: 33. Leuchtgas: 3 18. Vollendung: 39. Luft: 3. Wach»: 10. Mineral: 8. Wasser: 3. Wegnahme: 16ff. 33—39. Mitbesitz: 6. 37. Miteigenthümer: 6. • berechtigte: 34—36. Mitthäter: 39. 46. Werthersatz: 48b. Nachlaß: 7. 21. 31. Wiese: 52. Nest: 10. Wild: 9. Nutzungsberechtigter: 7. Zerstörung: 4. 41. Zueignung 2.4.41-43.45. Okkupation: 3. 8-11. unentgeltliche? 45. Pächter: 7. 3iitn»nh»n /in Dritte: 42. Pfand: 41. 45.

1. Der Begriff „Diebstahl" (Stehlen) ist an stch ein allgemein bekannter; die ihm im gemeinen Leben beigelegte Bedeutung stimmt mit der Gesetzesdefinition überein. Daher rechtfertigt (z. B. nach franz'ösischrechtlichem Verfahren) die Fest, stellung eines verübten „Diebstahls" die Bestrafung aus §§ 242ff., insofern nicht das maßgebende Strafprozeßgesetz B. Pr. Ges. v. 3. Mai 1852 Artt. 31. 81; Pr. NStPO. § 317. 350; NStPO. § 266) die ausdrückliche Feststellung aller Begriffömerkmale vorschreibt. — Dagegen nahm DreSd. 21. Juli 71 (SGZ. XV, 238) an: dasselbe gelte nicht vom Ausdrucke „Entwenden"; dieser schließe die Absicht der rechtswidrigen Zueignung nicht in sich; vgl. indessen § 370 n. 17. 2. „Sache" ist hier jeder körperliche Gegenstand; daß er einen nach Geld schätzbaren Werth habe, ist nicht erforderlich: ZI. 23. Juni 69, Dreöd. 6. Juli 74 (RdO. X, 443; StZ. IV, 364). Die Wegnahme eines für werthloS erachteten Gegenstandes ist nur insoweit straflos, als es dabei an der Absicht einer rechts­ widrigen Zueignung fehlte. — An unkörperlichen Sachen (Rechten, Gedanken, z. B. literarischem Eigenthum, technischen Geheimnissen) kann ein Diebstahl nicht verübt werden, wohl aber an einem (die Gedanken rc. enthaltenden) Manuscripte; vgl. n. 4; § 246 n. 3; BL. s. 528. 3. Demgemäß können auch Wasser, Lust (z. B. erwärmte Lust, Leuchtgas) sobald sie sich in fremdem Eigenthnme und Gewahrsam befinden, gestohlen werden: BI. 9. Jan. 63, ZU. 8. Sept. 65, ZI. 11. Apr. 66 (RdO. in, 201; V, 339; VII, 213); DU. 7. Febr. 78 (ib. XIX, 61: gleichviel, ob der Thäter gleiche- Wasser

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Thl. II. Abschn. XIX. Diebstahl und Unterschlagung. — § 242.

aus anderen Theilen derselben Wafferleitung unentgeltlich hätte entnehmen dürfen). Dazu genügt aber die einmalige Benutzung der Triebkraft deS Wassers nicht (eS fehlt die Zueignung): ZII. 29. Seht. 70 (RdO. XI, 492). Ebensowenig gehört hierher der Eingriff in ein fremdes ausschließliches Master-Okkupationsrecht; vgl. u. 8 ff. 4. Dasselbe gilt von einer Urkunde oder einem sonstigen Schriftstück rc., selbst wenn sie nicht als geldwertheö Papier oder als merkwürdige Handschrift einen Werth haben: ZI. 24. Juni 53 c. Lantzke (D. eines Telegramms); ZI. 13. Febr. 54 c. Benze (D. einer Paßkarte); ZI. 24. Febr. 58 c. Lehmann (D. eines Wechsels); ZI. 29. Oft. 62, ZI. 6. März 63, ZU. 5. Oft. 65, Z. 14. Oft. 68 (Unterschlagung eine« Pfandscheins) (NdO. III, 91. 322; VI, 360; IX, 553): ZI. 29. Oft. 73 (GA. XXI, 549: Unterschlagung eines JnhaberpapiereS); ZII. 19. Nov. 74, 25. Juni 74 u. 27. Juni 76 (RdO. XV, 803. 442; XVII, 459: D. eines unterzeichneten, aber noch unauSgefüllten Wechselformulares, D. einer Quittung, selbst einer solchen, welche erst nach 30 Tagen Beweis liefert und bis dahin durch Zurückforderung, bzw. Protest unwirksam gemacht werden kann); vgl. n. 2.41; § 246 n. 3, REPO. §§ 722 bis 724. — Geschieht die Wegnahme einer Urkunde nicht in der Absicht der Zueig. nung. sondern in der, sie einem Andern zu entziehen, so kann nur § 274 Nr. 1 Anwendung finden. 5. Nach Pr. Verfahren und nach der RStPO. bedarf eS in her thatsächlichen Feststellung nicht der konkreten Bezeichnung der gestohlenen Sache. 6. Die Sache muß eine „fremde" sein, sie muß also im Eigenthume eines Andern stehen: ZI. 23. DU. 67 (NdO. VIII, 629); eine Feststellung: „die Sache habe dem Angeschuldigten nicht gehört" würde zur Anwendung deS § nicht genügen. Die Wegnahme der eigenen Sache zum Nachtheile eines andern Berechtigten kann nur unter § 289 fallen (einen Gebrauchsdiebstahl kennt das StGB, nicht; vgl. aber n. 41). Die Wegnahme der eignen Sache in der irrigen Meinung: sie sei eine fremde, wäre nur ein Putativvergehen: Schütze s. 426; contra: HS. II, 424 (hält einen Versuch für möglich). — Der Mit-Eigenthümer (Miterbe) kann an einer Gemeinschastssache einen Diebstahl begehen, vorausgesetzt, daß er nicht den auSschließlichen Gewahrsam derselben hatte (im entgegengesetzten Falle kann er sie nicht „weg­ nehmen'^, sondern nur unterschlagen: n. 37): ZI. 25. Apr. 73 (NdO. XIV, 311), VII. 8. Nov. 77 (ib. XVIII, 696: im Gebiete deS Rh. RechlS ständen die Artt.883. 792 des C. civil biefem Satze nicht entgegen). Ebenso ein Handelsgesellschafter, selbst, wenn er zu allen Rechtshandlungen für die Gesellschaft befugt ist: ZI. 2. Mai 73 (NdO. XIV, 332). — Die Feststellung, daß die Sache eine „fremde" war, ge­ nügt; der namentlichen Bezeichnung des EigenthümerS bedarf es nicht. 7. Die Frage des Eigenthums und des Eigenthumsübergangs ist nach den maßgebenden Civilgesetzen zu lösen, die deSfallsige Feststellung daher, unter der Be­ hauptung der Verletzung eines CivilgefetzeS, mittels der Nichtigkeitsbeschwerde, bzw. der Revision anfechtbar; vgl. Oppenh. Pr. Strafverf. s. 516 n. 16, und für die Folge RStPO. § 376; anders nach dem bisherigen Bayer. Rechte: Münch. 8. März 78 (BEntsch. VIII, 102). — Der C. civ. art. 1138 läßt bei Tranölativgeschäften daö Eigenthum durch den Vertragsabschluß ohne Uebergabe übergehen. Nach § 221 I, 9, Pr. ALR. erwirbt der Nutzungsberechtigte das Eigenthum an den hängenden Früchten mit ihrer Entstehung; dasselbe gilt vom redlichen Besitzer (vgl. § 189 I, 7 ib.): ZI. 20. Juli 73 (RdO. XIV, 449); in beiden Fällen kann der Eigen­ thümer der fruchttragenden Sache einen Diebstahl an den Früchten begehen. — Der Gläubiger, welcher eine ihm vom Schuldner zur Unterschrift vorgelegte Quittung unterzeichnet, erlangt dadurch das Eigenthum an derselben; jener kann sie stehlen, so lange sie ihm nicht übergeben ist: VI. 31. Okt. 73 (RdO. XIV, 679). Ein Wechsel, den ein Kontrahent zur Sicherung einer für den Fall des Rücktritts verabredeten Konventionalstrafe dem anderen ausstellt, bleibt für letzteren bis zum wirklich er­ folgten Rücktritt eine fremde Sache, selbst, wenn er ihm alsbald übergeben ist: ZI. 22. Dez. 76 (RdO. XVII, 844: demgemäß könne sich jener durch frühere Weiter­ begebung des Wechsels einer Unterschlagung schuldig machen); vgl. § 246 n. 8. — Nach dem Pr. ALR. (I, 11, 579) läßt sich nicht ausstellen, daß das Eigenthum an dem vorher deponirten Betrage einer gewonnenen Wette erst durch Richterspruch über-

Thl. H. Abschn. XIX. Diebstahl und Unterschlagung. — § 242.

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gehe: ZII. 23. März 75 (RdO. XVI, 252). — Nachlatzsachen sind für jeden Nichterben fremde Sachen, sollte die Erbschaft auch noch nicht angetreten sein. 8. An herrenlosen Sachen ist kein Diebstahl möglich. Das trifft zunächst zu bei den von ihrem bisherigen Eigenthümer preisgegebenen (derelinquirten) Sachen, zu denen jedoch nicht ohne Weiteres die von den Angehörigen eines Verstorbenen der Leiche mit in's Grab gegebenen Gegenstände gehören: ZII. 9. Dez. 63, DreSd. 24. Aug. 77 (NdO. IV, 249; SGZ. 22 f. 168); vgl. n. 32. Dasselbe gilt nicht minder von den bisher in Niemandes Eigenthum gewesenen Sachen. sollte auch dem Staate oder einem Privaten das auSschlietzliche Recht zu ihrer Besitznahme (Okku­ pation) zustehen; der Eingriff in dieses Recht kann nur aus einem dies besonders vorsehenden Strafgesetze geahndet werden: Motive s. 139; Münch. 23 Mai 73, 19. Inni 76 (BEntsch. III, 254; VI, 295); Pr. Gest. v. 26. März 1856 u. 22. Febr. 1867 (die unbefugte Gewinnung von Mineralien und Bernstein betr.). Vgl. n. 12. 9. Demgemäß ist die unbefugte Besitznahme der dem Jagd- und FischereiRechte unterworfenen Thiere kein Diebstahl, sondern zum Gegenstände besonderer Strasvorschrif'ten in den §§ 292—296. 368 Nr. 10. 11; 370 Nr. 4 gemacht worden. Diese Vorschriften scheiden aus und die Diebstahlsfrage greift Platz, wenn sich das Wild in einem umzäunten Gehege oder die Fische in einem Behältnisse oder Teiche befanden. Die größere oder geringere Ausdehnung des Geheges rc. je. ist dabei un­ wesentlich : ZII. 17. März 73, DII. 6. Nov. 73 (RdO. XIV, 377. 692: das letztere nahm dasselbe in einem Falle an, wo zwei, verschiedenen Eigenthümern gehörende unter sich durch keine Abschließung getrennte, Waldreviere zusammen eingehegt waren); contra: Justiz-Kanzlei Schwerin (GSaal 25 s. 57). Auch ist es keineswegs er­ forderlich. daß das Gehege den Voraussetzungen eines umschlossenen Raumes (§ 243 Nr. 3. 7) entspreche: eS können in dasselbe (für Menschen) unverschlossene Thüren führen, sobald sie nur den Thieren nicht den freien Ein- und Austritt gestatten: ZII. 17. Dez. 57 (GA. VI, 117); ebenso wird der Begriss des Geheges nicht noth­ wendig durch einzelne Lücken in der Umschließung oder durch ein gelegentliches Offen­ bleiben der Thüren aufgehoben; es kommt in jedem Einzelfalle darauf an, wie nahe die dadurch gebotene Möglichkeit der Entfernung des Wildes liegt: ZII. 18. Jan. 66. ZI. 21. Okt. 68 u. 13. Nov. 69 (RdO. VH, 30; IX, 573; X, 765). Daß fremde Menschen innerhalb deö Geheges wohnen, ist gleichgültig: VII. 9. Febr. 75 (ib. XVI, 108). Die Umschließung des Raumes kann auch in ausreichender Weise durch einen Fluß bewirkt sein: VI. 31. Mai 67, VI. 4. März 68 (ib. IX, 167. 168), VII. 9. Febr. 75 cit. Ueberhaupt genügt jede Umzäunung, welche, ohne den Austritt des Wildes gerade absolut unmöglich zu machen, denselben dennoch regelmäßig und von außergewöhnlichen Veranlassungen abgesehen, zu verhindern pflegt: VII. 9. Febr. 75. ZII. 10. Mai 75 (NdO. XVI, 108. 861). — Ein Teich ist ein umschlossener Wasserraum, welcher bestimmungsmäßig zur Aufbewahrung lebender Fische dient: VI. 17. Marz 65, VII. 30. März 65 (ib. VI, 9. 41); er muß so umschlossen sein, daß die freie Fortbewegung der Fische in das zu- und ab­ fließende Wasser gehindert ist: DI. 7. Okt. 63. ZI. 28. Apr. 69 (ib. IX, 542; X, 270). Das von einem Teiche Gesagte ist auf einen (nicht zur Aufbewahrung von Fischen bestimmten) Wasserpfuhl nicht auszudehnen. Dasselbe nahm ein ZPl. 11. Jan. 58 (JMbl. f. 98) von einem Privat-Landsee an. — Vgl. n. 12. 10. Noch weniger kann ein Diebstahl an solchen Sachen verübt werden, welche der freien Okkupation unterliegen, z. B. an abgeworfenen Hirschgeweihen (DII. 19. Okt. 75, NdO. XVI, 664; vgl. jedoch MeveS f. 250). an den dem freien Thier fange nicht entzogenen Thieren, sowie an den Nestern und Ekern nicht jagd. barer Vögel. DaS gilt auch von den in einem fremden See befindlichen Blut­ egeln: vgl. Hann. Pol.-StGB. v. 29. Mai 1867 § 262; dagegen ist es Diebstahl, wenn Blutegel aus einem zur Zucht bestimmten Teiche (n. 9) weggenommen wer­ den: Beschl. I. 29. Nov. 54, ZI. 21. Mär; 55 (GA. III, 133. 718). Aehnlich ver­ hält eö sich mit dem Honig und dem Wachs wilder Bienen, sollten sie sich auch in einer mehr oder weniger festen Verbindung mit einem fremden Baume befinden; sie werden dadurch nicht ein Zuwachs deö Baumes und gelangen nicht in den Ge­ wahrsam deö Besitzers des letzteren: ZI. 2. Okt. 57 (GA. V, 836). Vgl. n. 12. 11. Anders verhält eS sich mit dem Straßentoth; er bildet einen Theil der Straße; vgl. n. 14; contra: BI. 13. Mai 68 (RdO. IX, 328).

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Diebstahl und Unterschlagung. — § 242.

12. An ursprünglich herrenlosen Sachen (o. 8—10) ist ein Diebstahl von dem Augenblick an möglich, wo ein Anderer ste (berechtigter oder unberechtigter Weise) durch Okkupation in seine Verfügungsgewalt gebracht und dadurch das Eigenthum (sei eö für sich, sei eS für den Berechtigten, vgl. § 246 n. 4) erworben hat : ZI. 31. Mai 67 (RdO. VHI, 357). Das ist anzunehmen, sobald ein bis dahin herren­ loses Thier stch in einer von einem Andern (wenn auch Unberechtigten) gelegten Schlinge (Reuse rc.) gefangen hat, sollte jener auch noch keine Kenntniß davon erlangt haben: ZU. 30. Sept. 69, ZI. 18. März 74 (RdO. X, 604; XV, 154). 12a. Der Soldat, welcher in Feindesland eine sremde, den gesetzlichen Vor­ aussetzungen einer „Beute" nicht entsprechende Sache wegnimmt und sich zueignet, begeht einen Diebstahl und kein unbefugtes Beutemachen: ZII. 7. Mai 74 (RdO. XV, 292). 13. „Beweglich" ist jede Sache, welche fortbewegt und sonach weggenommen werden kann; die civilrechtlicheu Vorschriften sind hier nicht maßgebend: auch alle nach dem Civil-Gesetz für unbeweglich erachteten bewegbaren Pertinenzstücke eines Immobiles gehören hierher. 14. Es ist nicht erforderlich, daß die Sache vorher schon als für sich be­ stehender bewegbarer Gegenstand existirt habe: Diebstahl liegtauch dann vor, wenn dieselbe bis dahin mit einer andern (unbeweglichen oder beweglichen) Sache oder mit der Person des Inhabers (z. D. die Haare; contra: WGbl. V, 244) verbunden war und erst durch den Wegnehmenden selbst getrennt und dadurch zu einer für sich bestehenden beweglichen Sache gemacht wird z. B. die Dielen in einem Hause rc. re.: ZII. 22. Febr. 66 (RdO. VII, 123). Dasselbe gilt von der unbefugten Wegnahme eines Theiles der Substanz eines Grundstücks (z. B. der Erde, Steine rc.) oder der aufstehenden Früchte (z. B. der Trauben am Stock: Stuttg. 10. Jan. 77, WGbl. XII, 409; unter Umständen selbst der Blumen: DreSd. 3. Aug. 74, SGZ. XIX, 49), insofern nicht ein anderes Gesetz, z. B. ein in Geltung verbliebenes Forst- oder Feldpolizeigesetz, eine andere Bestrafung androht; vgl. n. 50ff., § 370 Nr. 2; contra: Wolfenb. 27. Okt. 71 (StZ. I, 134: hielt geringfügige Feldentwendungen, welche nicht durch ein Feldpolizeigesetz vorgesehen sind, für straflos). — Auch hier ist selbst, verständlich, daß Derjenige, welcher ein fremdes Grundstück (Gebäude) besitzt, einen Bestandtheil desselben nicht wegnehmen, also nicht stehlen, sondern nur unterschlagen kann: am. 20. Mai 73 (RdO. XIV, 384). 15. Dagegen gehören ähnliche Handlungen, durch welche von einem Grund­ stücke Theile desselben getrennt werden, ohne ihnen die Eigenschaft der Unbeweg­ lichkeit zu nehmen, nicht hierher; z. B. da- Verrücken von Grenzsteinen (§ 274 Nr. 2), Abgraben und Abpflügen (§ 370 Nr. 1). 16. Wesentlich ist, daß der Dieb die sremde Sache „einem Andern wegnehme"; dieser muß sich also im betr. Augenblicke in ihrer Innehabung be­ finden, die volle Verfügungsgewalt über sie haben; vgl. § 246 (: „Besitz oder Gewahrsam"). Für die Bestimmung dieser Begriffe darf nicht aus die civilrecht, lichen Grundsätze über „Besitz" oder „Gewahrsam" zurückgegangen werden; insbe­ sondere ist die bei jener Innehabung obwaltende Willenörichtung nicht entscheidend, vielmehr kommt es lediglich auf das thatsächliche (äußere) exklusive Verhältniß zur Sache an. Vgl. Schütze s. 428 n. 5; contra: Merkel i. HH. III, 641. Nach diesem thatsächlichen Machtverhältniß ist auch die Frage zu beurtheilen, ob die Innehabung auf einen Andern übergegangen sei: sonach genügt dazu nicht die in einem Vertrage zur Bewirkung des Eigenthumsübergangs abgegebene Erklärung: „die Uebergabe werde beiderseits als erfolgt angenommen" (Pr. ALR. I, 7 § 70ff.): VI. 26. Febr. u. 4. Dez. 68 (RdO. IX, 155. 697). — Jene Innehabung kann bei einem Kinde oder Geistesschwachen sein, nicht aber bei einem bewachenden Hunde; dagegen kann ein Mensch durch den bewachenden Hund seine Innehabung ausüben. — Waltet jenes thatsächliche Machtverhältniß ob, so ist eS gleichgültig, in welcher Lage sich die Sache befindet, ob ste z. B. zur Zeit mit einer unbeweglichen Sache, oder selbst mit der Person de« Inhabers fest verbunden ist (die Haare rc. vgl. n. 14). — In der Fest­ stellung der Thatbestandsmerkmale bedarf eS nicht nothwendig der namentlichen Bezeichnung desjenigen „Andern", welchem die Sache weggenommen ist: ZI.

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Diebstahl und Unterschlagung. - § 242.

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4. Oft. 61 (RdO. I» 575). — An Sachen, welche zur Zeit in Niemandes Gewahr­ sam stehen', z. B. an verlorenen Gegenständen, verlaufenen Thieren rc. ist ein Diebstahl nicht möglich; vgl. n. 18—20. DreSd. 21. Dez. 74 (SlZ. V, 82: betras Holz, welches bei der Abfuhr, aber noch im Walde selbst, unbemerkt vom Wagen gefallen war); Dreöd. 12. März 75 (SGZ. XIX, 302: betraf vom Master fortgeführte Sachen; diese seien, gleichviel, ob sie noch auf dem Master schwämmen aber schon irgendwo angeschwemmt seien, als verlorene Sachen zu betrachteu, sollte auch der bisherige Inhaber zu deren Wiedererlangung sofort Anstalten getroffen haben). 17. Der Gewahrsam (in dem unter n. 16 entwickelten Sinne) ist nicht nothwendig durch die Wistenichaft bedingt, daß die Sache überhaupt und wo sie existire, sobald sie sich nur objektiv in einer Lage befindet, in welcher sie unserer ausschließlichen Willensbestimmung unterliegt. Daher hat der Inhaber einer ge­ schloffenen Räumlichkeit gleichzeitig den Gewahrsam aller dort befindlichen Sachen, sogar der verlegten (BL. s. 531), insoweit sie daselbst nicht thatsächlich der Willens­ bestimmung eines Andern unterworfen sind (n. 18); vgl. ZI. 16. März 66 (RdO. VII, 181); contra: Dreöd. 4. März 72 (StZ. I, 353: wer eine von einem Andern gestohlene und versteckte Sache auf seinem Grundstücke finde, habe nicht den Ge­ wahrsam derselben). — Durch das Gesagte wird nicht auSgeschlosten, daß eine Sache, welche sich in einer von zwei Personen gemeinschaftlich benutzten Wohnung befindet, nach den obwaltenden Umständen doch nur der Verfügungsgewalt eines derselben unterworfen sei: ZI. 24. Jan. 68 (RdO. IX, 59). 18. Der Gewahrsam (n. 16. 17) geht verloren durch den Eintritt eines thatsächlichen Verhältnisses, nach welchem die Sache der Willenöbestimmung des Be­ treffenden nicht mehr unterworfen ist, sei eö, daß er nicht mehr zu ihr gelangen kann, oder daß diese (in erkennbarer Weise) in eine Lage gekommen ist, in welcher sie der Willensbestimmung eines Andern unterliegt. Hieraus folgt, daß der Inhaber die Verfügungsgewalt durch eine Entfernung vom Orte, wo sich die Sache befindet, noch nicht verliert, so lange er in der Lage ist, durch Rückkehr oder au« der Entfernung über sie wirksame Bestimmung zu treffen: Münch. 6. Sept. 72 (StZ. II, 103). Der Gaöfabrikant behält die Verfügungsgewalt über das in den Haupt­ röhren befindliche Leuchtgas, so lange eS nicht die Gasuhr eines Abonnenten passirt hat: ZII. 28. Sept. 65 (RdO- VI, 339); der Fuhrmann die über ein angebundenes Pferd, auch wenn er sich momentan entfernt: ZI. 17. Apr. 57 c. Hähnchen. 19. Aehnlich verhält eö sich mit solchen Sachen, welche anöIrrthum, Ver­ geßlichkeit rc. an einem nahen Orte zurückgelaffen oder absichtlich irgendwo ver­ steckt sind. Der Gewahrsam dauert fort, insofern nur der Verbleib der Sache dem Gedächtnisse nicht entschwunden ist, und keine äußeren Hindernisse obwalten, dieselbe zurückzuholen: ZII. 12. März 68, 4. März 69, 5. Febr. 74 u. 30. Nov. 75 (RdO. IX, 196; X, 126; XV, 56; XVI, 764); Manh. 26. Oft. 72 (BAnn. 39 s. 246); Münch. 12. Sept. 73, 1. Juni 74 (StZ. III, 61; IV, 99). Selbst Derjenige, welcher die Sache in einem fremden Hause verloren hat, und bort in dem Bewußt­ sein, daß dies der Fall sei, nachsucht, bewahrt den Gewahrsam bis dahin, daß er das Suchen als erfolglos aufgiebt oder ein Anderer Besitz von der Sache ergreift; so: ZII. 27. Sept. 77 (RoO. XVIII, 597). 20. Dasselbe gilt von Thieren, welche die Räumlichkeiten ihres Herrn zeit­ weise verlaffen, so lange sie die Gewohnheit und die Möglichkeit der Wiederkehr haben (Pr. ALR. I, 9 § 109): ZI. 28. Mai 73 (RdO. XIV, 408); Dreöd. 22. Dez. 71 (StZ. I, 281). Beisp.: ausfliegende Bienen (vgl. Rh. Rnr.-Ges. v. 28. Sept. — 6. Oft. 1791 Tit. 1 Abschn. 3 Art. 5). — Dagegen geht der Gewahrsam eines Thieres verloren, sobald eö sich verlaufen hat und den Rückweg nicht mehr finden kann: VI. 28. Okt. 64, ZI. 25. Juni 69 (RdO. V, 221; X, 450). Das Gesagte erleidet eine Ausnahme, insoweit nach besonderen LandeSgesetzen (n. 7) andere Grund­ sätze in Betreff des Eigenthums und des Eigenthumöerwerbeö an Thieren maß. gebend sind. Das gilt z. V. nach Pr. ALR. I, 9 § 111—113; FPO. v. 1. Nov. 1847 §40 (vgl. Kreis.Ordn. v. 13. Dez. 1872 § 135 IV, 3; Gef. v. 26. Juli 1876 § 84; VII. 7. März 78, RdO. XIX. 118) von ausfliegenden Tauben: hatte der Eigenthümer derselben daS Recht, Tauben zu halten, so begründet daS Weg­ sangen derselben nur einen Civilanspruch; im entgegengesetzten Falle unterliegen die „im Freien" (d. h. außerhalb deS Aufbewahrungsortes) angetroffenen Tauben dem

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freien Thierfange: ZI. 23. Jan. 57 (GA. V, 565); vgl. C. civ. artt. 524. 564 und für das linke Rheinufer: Dekr. v. 4. Aug. 1789 Art. 1 (v. Dan. I. 1*14); Dekr. v. 4.-11. Aug. 1789 Kap. 3 Art. 2 (ib. 1, 114); Jnstr. v. 20. Aug. 1790 Kap. 3 Art. 7 (ib. I, 114 Note 3); cit. Rh. Rur.-Gef. Tit. 2 Art. 12; Sir. 29. I. 369; 45. II. 236. 21. Der Gewahrsam einer Sache (n. 16) geht dadurch allein noch nicht ver­ loren (n. 18), daß man sie einer zu uns in einem persönlichen AbhängkeitSoder Vertretungsverhältnisse stehenden Person zur Ausführung einer auf­ getragenen Arbeit, zur Beaufsichtigung, Verwahrung oder zeitweifen Benutzung in unsern eigenen Räumen überläßt. DaS gilt vor Allem von der Ueberlaffung an Dienstboten und zwar selbst dann, wenn sich der Dienstherr zeitweise aus seinen Räumen entfernt: VI. 3. Mai 67, 30.Apr. 69 (RdO. VIII, 286; X, 282); DreSd. 2. Juni 71 (StZ. I, 88); oder wenn der (anwesend bleibende) Dienstherr dem Dienstboten die Schlüssel zu den die Sachen enthaltenden Gelassen anvertraut hat: VI. 21. Jan. 61, ZU. 1. Ott. 63 (RdO. I. 286; IV, 87); contra: HS. II, 436; oder wenn die Sachen mit Erlaubniß des Dienstherrn in einem dem Dienst­ boten gehörigen Behältnisse aufbewahrt werden; so: Mannh. 9. Febr. 77 (BAnn. 44 s. 28). Selbst die gegen den Willen des Dienstherrn bewirkte Jnnehabung eines Dienstboten entzieht jenem die Verfügungsgewalt Uber die (in seinen Räumen ver­ bliebene) Sache nicht, wenn der Dienstbote dieselbe für den Herrn ausüben wollte; vgl. ZI. 23. Nov. 59 (GA. VII, 837) und rnitervn. 27. Auch geht der Gewahr­ sam nicht etwa durch den Tod des Dienstherrn und die Abwesenheit des Erben auf den Dienstboten über, sollten demselben auch nach geschehener Versiegelung die Schlüssel vom Notar Übergeben worden sein; so: cit. Mannh. 9. Febr. 77; vgl. jedoch n. 31. — Dasselbe gilt von den Sachen, welche ein Arbeitgeber in den eigenen Räumen oder an einer von ihm angewiesenen Arbeitsstelle einem gedungenen Wächter oder Arbeiter (Ladengehülfen, Handwerksgesellen rc.) zur Bewachung, Benutzung, Bearbeitung, zum Verkauf re. überläßt: ZI. 18. Sept. 67, ZU. 13. Juni 68. VII. 21. April 70, ZN. 8. Sept. 74 (RdO. VIII, 521; IX, 376; XI, 248; XV, 538); z. B. wenn ein Waldeigenthümer die Aussicht Uber das Holz oder die Fällung eines im Walde stehenden Baumes einem Arbeiter übertragen hat; letzterer begeht, wenn er unbefugt Bäume abhaut und sich zueignet, keine Unterschlagung, sondern einen Holzdiebstahl, nimmt er dagegen im Walde Holz weg, welches ein Anderer (berechtigter oder un­ berechtigter Weise) gefällt hatte, so verübt er einen Diebstahl: ZU. 13. Nov. 73 (RdO. XIV, 717). Dgl. n. 27. 28. 36. 62. 22. Ebenso (o. 21) verhält es sich mit den Briefen, welche ein Postbe­ amter für die Postanstalt versendet rc.; die Abnahme der Freimarke von einem solchen ist Diebstahl, selbst wenn eine höhere Marke durch die tarifmäßige ersetzt wird: Dreöd. 25. Aug. 71 (SGZ. XV, 280). Dagegen erachtete DreSd. 19. April 75 (StZ. V, 350) e« für Unterschlagung und nicht für Diebstahl, wenn ein Postbeamter sich Gelder aus Briefen zueigne, welche ihm von Dritten übergeben oder in dem von ihm zu leerenden Briefkasten vorgefunden wurden, gleichviel, ob diese Gelder deklarirt oder nicht deklarirt waren. 23........... ebenso mit den Sachen, welche eine Gefängnißverwaltung einem Gefangenen zum Gebrauche überläßt, so lange jener sich entweder in der Anstalt oder außerhalb derselben, aber unter besonderer Aufsicht der Gefängnißbeamten befindet: VI. 28. Juni 61, ZII. 7. Mai 78 (RdO. I, 468; XIX, 245); Mecklenb. OG. (GSaal 28 s. 512); vgl. jedoch n. 41. 24............ ebenso mit den Sachen, welche ein Gastwirth einem eingekehrten Gaste zum Gebrauche in dem ihm angewiesenen Zimmer überläßt: DU. 12. April 55 c. Karlsheim. Anders gestaltet sich die Sache, wenn einem Andern ein möblirtes Quartier vermiethet worden ist: AG. Kiel 2. Mai 71 (StZ. I, 135); contra: BL. f. 531. 25. Die Sachen, welche ein einkehrender Reisender in das ihm überlasiene GasthofSzimmer bringt, bleiben (auch bei momentaner Abwesenheit) in seinem Ge­ wahrsam, so lange er jenes Zimmer tnite hat; nach seiner Abreise gehen die von ihm (ans Irrthum rc.) zurückgelassenen Gegenstände in den Gewahrsam deS Wirthes über: HS. II, 432; vgl. n. 18. 27. 28. 26. Der Gewahrsam einer Sache (n. 16) geht auch dadurch nicht verloren, daß

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man sie momentan in die Hand eines (fremden) Dritten gelangen laßt, sobald man selbst anwesend bleibt und so die Willensbestimmung über die Sache behält; z. B. wenn der Inhaber eines Verkausölokals einem Kaufliebhaber gestattet, innerhalb des Lokals eine verkäufliche Sache zum Zweck der Besichtigung re. in die Hand zu nehmen: ZU. 30. Juni 70 (RdO. XI, 387); vgl. d. 27. 28; Schw. i. SGZ. XVIII, 193. 27. In den unter n. 21—26 erwähnten Fällen gestaltet sich die Sache anders, sobald besondere Umstände eö erkennen lassen, daß der Herr die thatsächliche WillenSbestimmung über die in den Händen des Andern befindliche Sache verloren hat, und daß dieselbe auf den Letzteren übergegangen ist; z. B. wenn der Dienstbote rc. die Herausgabe der Sache an den Herrn verweigert, oder den Besitz der versteckt gehaltenen Sache geleugnet hat; vgl. HS. H, 436. Hierzu genügt es aber nicht, wenn dem Dienstboten rc. die Sache zu einem ihm aufgetragenen Verbrauche über­ lasten worden ist: BII. 20. April 70 (RdO. XI, 248). 28. Ebenso geht der Gewahrsam über, sobald der Stellvertreter (Arbeiter, Dienstbote rc.) die anvertraute Sache (mit oder ohne Einwilligung des Herrn) aus den Räumlichkeiten des letzteren entfernt, um sie auswärts zu benutzen oder zu beaufsichtigen: ZI. 12. März 69 (RdO. X, 154); DreSd. 29. Nov. 75 (StZ. IV, 294: betraf Saatkorn, welches ein Knecht zur Aussaat erhalten und auf das Feld geschastt hatte); HS. II, 437; Merkel i. HH. III, 640; contra: ZI. 11. März 57 c. Bergmann (betr. eine der Obhut eine-Schäfers anvertraute Heerde); ZI. 22. Febr. 60 c. Dziodeck (in Betr. eines zum Transporte von Sachen gedungenen Fuhrmannes); ZI. 8. Apr. 70 (RdO. XI, 243). 29. Nimmt der Stellvertreter eines Andern eine Sache in Empfang, welche der letztere bis dahin noch nicht gehabt hat und erst durch die Handlung des ersteren erwerben soll, so erlangt der Vertretene den Gewahrsam nur dann, wenn der Ver­ treter mit der Absicht handelte, die Sache für ihn zu erwerben, oder wenn derselbe demnächst etwas thut, wodurch sie besten Willensbestimmung unterworfen wird, z. B. wenn er das erhobene Geld in die Kaste des Herrn legt. Im entgegengesetzten Falle erlangt der Vertreter selbst den Gewahrsam, ohne Unterschied, ob die Empfang« nähme in oder außer den Räumen deS Herrn stattfand: ZI. 17. Juli 57 o. Färber, ZI. 12. Mai 66 c. Schwartz (betr. Handlungsreisende, welche Geld für ihren Prinzipal einkassirten); VI. 5. Febr. 68 (RdO. IX, 102: betr. einen Prokuristen, welcher in Abwesenheit des Prinzipals Gelder vereinnahmte); VI. 19. Mai 76 (RdO. XVII, 373); HS. II, 434. Das muß jedenfalls da gelten, wo der Zahlende den Stell­ vertreter zum Eigenthümer machen wollte, (weil er etwa ihn für den Herrn des Geschäfts hielt). Contra: ZU. 28. Sept. 65, DI. 12. Dez. 66 (RdO. VI, 337; VII, 703) für den umgekehrten Fall, wo der Zahlende Besitz und Eigenthum auf den Herrn übertragen wollte; vgl. § 246 n. 8—10. 30. Beim Diebstahl kommt auf die Rechtmäßigkeit des Gewahrsams Desjenigen, welchem die Sache weggenommen wird, Nichts an: auch dem Diebe kann die Sache wieder gestohlen werden: ZI. 23. Nov. 60 (RdO. I, 43); und zwar selbst von Demjenigen, welcher sich an dem ersten Diebstahle betheiligt hatte; dieser stiehlt dann dieselbe Sache zweimal: TL. s. 902; contra: 2. 9. Dez. 68 (RdO. IX, 715: der Dieb, welcher die gestohlene, aus seinem in den Gewahrsam eines dritten Unberechtigten gelangte Sache wiederum wegnehme, begehe nicht abermals einen Diebstahl). 31. Hat Jemand den Gewahrsam einer fremden Sache erlangt, so kann er an ihr nicht mehr einen Diebstahl, sondern nur eine Unterschlagung begehen; z. B. wenn der Nachlaß eines Verstorbenen sich im Gewahrsam eines im Hause allein zurückgebliebenen Dienstboten befindet; vgl. jedoch n. 21. — DaS gilt selbst von Demjenigen, welchem ein verschlossene« Behältniß ohne den zugehörigen Schlüssel anvertraut ist: die Zueignung der darin befindlichen Sachen ist kein Dieb­ stahl: ZPl. 12. Dez. 53 (JMbl. 54 s. 90); contra: Merkel i. HH. III, 695. 32. Selbst die Wegnahme bei einer Leiche befindlicher Sacken kann unter be­ sonderen Umständen Diebstahl sein: ZU. 16. Mai 76 (RdO. XVII, 347: Jemand war ganz nahe bei seiner Wohnung vom Tode ereilt worden; es wurde angenommen, daß die Hinterbliebene Wittwe thatsächlich in der Lage, den Besitz an jenen Sachen aus­ zuüben, gewesen sei, in. a. W. den Gewahrsam derselben gehabt habe). — Sachen,

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Diebstahl unb Unterschlagung. — § 242.

welche einer Leiche mit ins Grab gegeben sind, befinden fich bei Erbbegräbnissen in dem Gewahrsam der betr. Familie, sonst in demjenigen der betr. Kirchengemeinde; vgl. § 168 n. 2, DreSd 24. Aug. 77 (RdO. XVIII, 168). 33. Zur „Wegnahme" gehört, daß die Sache aus der fremden in die eigene Verfügungsgewalt gebracht werde. Demgemäß ist das Laufenlassen eines fremden HauöthierS, das Auöfliegenlafsen fremder Bienen noch keine vollendete Wegnahme, diese wird vielmehr erst durch da- Einsangen bewirkt; kommt eS zu letzterem nicht, so liegt höchsten- ein Diebstahlsversuch vor: BL. f. 530ff.; vgl. n. 39. Ebendeshalb stellt das Verzehren der fremden Sache, oder das Verzehrenlassen durch da- eigene Thier keine Wegnahme dar; insofern einer solchen Handlung keine sich als Diebstahl charakterifirende Wegnahme vorherging, kann sie nur als Sachbeschädigung (Weide­ frevel :c.) strafbar sein. — Die Wegnahme kann durch eine fremde Kraft bewirkt werden, z. B. durch einen Dritten, durch einen apportirenden Hund rc. 34. Außerdem ist der Begriff der „Wegnahme" dadurch bedingt, daß sie ohne Zustimmung des (verfügungsfreien) Inhaber- geschehe: VI. 31. Oft. 60 (GA. VIII, 840); die Zustimmung eine- schwachsinnigen Inhaber- oder eineKindes beseitigt den Thatbestand eines Diebstahls nicht: ZU. 13. Juni 57 (GA. V, 697); Merkel i. HH. III, 644. Gleichgültig ist es dagegen, ob der Inhaber zur Ertheilung jener Zustimmung seinerseits befugt war; nicht minder, ob er sie frei­ willig oder gezwungen gegeben hat: die Annahme des erzwungen Gegebenen kann Erpreffung, aber nicht Diebstahl sein: ZU. 13. Nov. 56 (GA. V, 64). Eine be­ dingte Zustimmung ist ohne Erfüllung der Bedingung keine Zustimmung; Beisp. Wegnahme einer in Erwartung der Zahlung ausgestellten Quittung: ZII. 25. Juni 74 cit. n. 4; vgl. Schw. i. SGZ. XVIII, 196. Ein Geschehenlassen (Nichthindern) der Wegnahme ist noch nicht als Zustimmung anfzufaffen, z. B. wenn der Inhaber den beobachteten Dieb ertappen will (ZI. 10. Apr. 74: RdO. XV, 225) oder wenn ihm die Sache so schnell weggenommen wird, daß er keine Zeit hat, eS zu verhindern: ZI. 20. Jan. u. 23. Juni 69 (RdO. X, 39. 445). — Die Zustimmung des Inhabers bewirkt auch dann Straflosigkeit, wenn der Wegnehmende sie nicht kannte, wenn er also seinerseits mit dem vollen Dolus handelte: BI. 4. Nov. 59 (GA. VIII, 132: der Angeschuldigte hatte einen Dienstboten zu bestimmen gesucht, ihm Abends Sachen seines Herrn aus dem Fenster zuzuwerfen: der Dienstbote theilte dies seinem Herrn mit, und warf dann ans Anweisung des letzter» dem An­ geschuldigten die Sachen wirklich zu; es lag sonach eine mit Zustimmung deS Herrn erfolgte Besitzübertragung vor). Wohl aber ist Diebstahl in dem analogen Falle anzunehmen, wo der Dienstbote im Auftrage seines Herrn die Sache in einer Räum­ lichkeit des letztern niederlegt und der Angeschuldigte sie von dort in diebischer Ab­ sicht wegholt: Oldenb. 8. Apr. 61 (Oldenb. Arch. VIII, 113). 35. Durch die Einwilligung des (verfügungsfreien) Eigenthümer- der Sache zu der betr. Handlung wird das Begrifssmerkmal der „Wegnahme", wenn diese auö der Innehabung eines Dritten geschieht, nicht beseitigt; wohl aber kann dadurch die beabsichtigte Zueignung zur berechtigten werden, und deshalb der That­ bestand des Diebstahls wegfallen: Merkel i. HH. UI, 646. 653; vgl. n. 43. 36. Auch Derjenige begebt einen Diebstahl, welcher zur Entnahme eines gewisien Quantums aus einem größeren (fremden) Dorrathe befugt, in bewußter Ueberschreitung dieser Besugniß Mehr rc. wegnimmt: ZI. 30. März 70 (RdO. XI, 212). — Dasselbe gilt von dem mit der Fällung eines fremden Baumes Beauftragten, wenn er jene Handlung vornimmt, nicht in der Absicht den Auftrag zu vollziehen, sondern um sich den Baum zuzueignen: ZI. 23. Jan. 63, 20. Jan. 71 (RdO. III, 238; XU, 45); contra: Merkel i. HH. UI, 645; vgl. n. 21. 37. Der Mitbesitzer kann sich dadurch, daß er die Sache dem Mitbesitze des Anderen entzieht, sie also diesem „wegnimmt", eines Diebstahls schuldig machen: ZI. 10. Oft. 62, 25. Nov. 64 (RdO. III, 76; V, 301). 38. Die Wegnahme braucht nicht eine heimliche zu sein, und zwar weder in objektiver (vgl. n. 34), noch in subjektiver Beziehung: vom Falle des gewalt­ samen Diebstahls abgesehen, ist eS sehr wohl denkbar, daß der Dieb entweder durch die Ossenlundigkeit seiner Handlungsweise jeden Verdacht von sich abzulenken, oder

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Diebstahl und Unterschlagung. — § 242.

durch seine Schnelligkeit sich und die Sicherheit zu bringen sucht.

öffentlich

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weggenommene fremde Sache in

39. Mit der Wegnahme ist der Diebstahl vollendet, d. h. sobald die Sache aus der fremden in die eigene Verfügungsgewalt gebracht ist; daß die erlangte Herrschaft eine bereits gesicherte sei, wird dazu nicht erfordert: Merkel i. HH. III, 664. Das StGB, bekennt sich daher zur s. g. Apprehensionstheorie, welche zur Voll­ endung Besitzergreifung verlangt, und verwirft sowohl die Kontrektationö- wie die AblationStheorie, von welchen jene ein diebisches Berühren genügen läßt, diese ein Wegbringen fordert; vgl. BL. f. 531, Darmst. 23. Okt. 76 (HEntsch. s. 141). — Wann jenes anzunehmen sei, ist vom Richter der Thatsrage nach der Belegenheit des Einzelsalles zu beurtheilen. Er kann annehmen, daß ein Taschendiebstahl mit der Entfernung der Sache aus der fremden Tasche noch nicht vollendet, und daß der sie unmittelbar darauf aus der Hand des Wegnehmenden empfangende Dritte nicht Gehülfe, sondern Mitthäter sei: ZI. 18. Dez. 68 (RdO. IX, 753); vgl. n. 46. — Von jenem Gesichtspunkte aus ist es auch zu beurtheilen, ob ein vollen­ deter Diebstahl vorliege, so lange sich der Dieb mit der in seine Gewalt gebrachten Sache noch in den Räumen des bisherigen Inhabers befindet; ein prüfendes Jn-dieHand-Nehmen, sowie ein bloßeö Bereitlegen genügen dazu nicht; wohl aber die Be­ mächtigung, um die Sache zu behalten (mitzunehmen); ist eine solche erfolgt, so liegt, auch wenn demnächst der Dieb überrascht und genöthigt wird, die Sache zurückzulassen, ein vollendeter Diebstahl vor: ZI. 10. Apr.> 20. u. 28. Okt. 74 (RdO. XV, 225. 692. 717); Dreöd. 24. Mai 75 (SGZ. XX, 18); BL. s. 532, Merkel i. HH. in, 364; vgl. § 243 n. 11. — Hat der Dieb die Sache in den Räumen deö bisherigen Inhabers versteckt, um sie spater wegzuholen, so fragt es sich, ob dadurch die Verfügungsgewalt dem bisherigen Inhaber entzogen und auf den Dieb übergegangen ist, — eine Frage, welche, wie daö auf sie bezügliche Moment der Wegnahme ^vorwiegend) thatsächlicher Natur ist: ZU. 20. Nov. 75 (RdO. XVI, 765). Sie ist durchweg zu bejahen, wenn die Sache so versteckt ist, daß sie voraus­ sichtlich beim Suchen gar nicht oder nur in Folge eines nicht zu erwartenden Zu­ falles gesunden werden konnte; trifft dieses zu, so ist der Diebstahl vollendet, selbst wenn der Dieb sich demnächst entfernt und dadurch, daß ihm die betr. Räumlichkeit nunmehr unzugänglich wird, die Verfügungsgewalt (zeitweise) wieder verliert; im entgegengesetzten Falle, z. B. wenn die Sache an dem Dersteckorte nicht lange un­ gesunden bleiben konnte, ist der Diebstahl nicht vollendet: ZI. 28. Juni 61, 12. Dez. 62, 23. Sept. 63 u. 5. Nov. 73 (RdO. I, 468; in, 171; IV, 67; XIV, 681); DreSd. 2. Juli 71, 9. Dez. 72 (StZ. I, 88; II, 281; SGZ. 17 f. 55). Der Dieb­ stahl kann aber auch deshalb nicht vollendet sein, weil die versteckte Sache mindestens noch nicht in den vollständigen Gewahrsam des Thäters gelangt war, z. B. weil sie wegen ihrer Beschaffenheit (Menge) oder wegen der Beschaffenheit der Räumlich­ keiten rc. sich ohne Gefahr nicht sofort in Sicherheit bringen ließ: DreSd. 24. Juli 74 (SGZ. XIX, 16). Vgl. Schw. i. SGZ. XVIII, 198. 199; BL. 1. c. Contra: HS. II, 433 (betrachtet durchweg den Diebstahl als nicht vollendet, so lange sich die Sache noch iu den Räumen des bisherigen Inhabers befindet). — War in den gedachten Fällen der Diebstahl nicht vollendet, so stellt das spätere Wegholen der (in dem Gewahrsam deö bisherigen Inhabers verbliebenen) Sache unzweifelhaft einen neuen (vielleicht schweren) Diebstahl dar. Das Gleiche würde im Falle eines früher vollendeten Diebstahls nur dann anzunehmen sein, wenn der Gewahrsam der Sache inzwischen dem Dieb wieder entgangen und aus einen Andern überge­ gangen wäre. 39a. Mit einem vollendeten Diebstahle kann ein versuchter sehr wohl ideell tont untren, z. B. wenn der Thäter überrascht wird, bevor er Alles, was er sich aneignen wollte, weggenommen hat. 40. Als Dolus wird zunächst daö Bewußtsein (8 59) erfordert, daß die Sache eine fremde sei, welche zu nehmen man kein Recht hat (n. 31), und daß sie sich in dem Gewahrsam eines Andern befinde: Münch. 16. Sept. 72 (StZ. II, 103). Wer in dem irrigen Glauben handelt, er sei zur Wegnahme berechtigt, ist selbst dann kein Dieb, wenn jener Irrthum aus einer RechtSunkenntniß beruhte: VI. 1. März 65 (RdO. V, 529); vgl. Abschn. IV (s. 123) n. 7. Auch genügt eS nicht, wenn der

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Angeschuldigte nur wußte, daß sein vermeintliches Recht ein bestrittenes oder gefährdeteS, oder daß die eigenmächtige Wegnahme in anderer Beziehung (z. B. als Selbsthülfe) widerrechtlich sei: 9311. 9. Sept. 58 (IMbl. s. 23). — Aus demselben Grunde liegt kein Diebstahl vor, wenn der Thäter in der Voraussetzung handelte, der Inhaber werde die Wegnahme genehmigen: Wolfenb. 5. Juli 72 (StZ. II, 181); Stnttg. 30. Dez. 74 (WGbl. IX, 174); vgl. n. 34. 43. 41. Sodann erheischt der § die „Absicht, sich die Sache (rechtswidrig) zu­ zueignen", d. h. thatsächlich sie in sein Vermögen und sich in die Lage zu bringen, alle Rechte eines Eigenthümers ausüben zu können: ZI. 29. Oft. 62 (RdO. III, 91), (: sich die Sache exklusive dienstbar zu machen: Merkel i. HH. III, 648). — Der entweichende Gefangene, welcher fremde Gegenstände nur deshalb mitnimmt, weil er sich ihrer nicht entledigen kann (z. B. die Fesseln oder die Gefangenentracht, wenn er keine andere Kleidung hat), begeht keinen Diebstahl; vgl. Meckl. OG. (cit. n. 23); contra: Schw. t. SGZ. XVIII, 197. — Die Absicht, die Sache sofort zu zerstören oder zu unterdrücken (z. B. eine Urkunde: § 274), oder sie zu be­ schädigen und dann zurückzugeben, ist nicht als „Absicht der Zueignung" anzu­ sehen: 931. 17. Okt. 73 (RdO. XIV, 648); Dresd. 15. Aug. 73 (SGZ. XVII, 306); v. Buri i. GSaal 30 Beil. f. 11 (anders, wenn Jemand z. 93. eine Maschine wegnehme, um ihre Konstruktion kennen zu lernen, und sie dann zu zerstören [?]). Dasselbe gilt von der lediglich auf eine zeitweilige (mit keinem Verbrauche verbundene) Benutzung gerichteten Absicht, sollte auch durch diese Benutzung in anderer Be­ ziehung ein rechtswidriger Dermögenövortheil gesucht sein: DreSd. 4. Okt. 72 (StZ. II, 188; SGZ. XVII, 44); «II. 12. März 74 (RdO. XV, 146); vgl. n. 6; §§ 289. 290. Das Gegentheil tritt ein, wenn die Absicht auf einen gänzlichen oder iheilweisen Verbrauch sich richtete: ZU. 29. Sept. 70 (RdO. XI, 492); eine solche Absicht waltet indessen nicht nothwendig in allen Fällen ob, wo ein vorübergehender mit einem allmäligen Verschleiße verbundener Gebrauch (z. B. das vorübergehende Tragen eines fremden Kleides, die augenblickliche Benutzung eines fremden Pferdes rc.) bezweckt war: Merkel i. HH. III, 651; wohl aber, wenn ein fremdes Werthpapier (ein Sprarkafsenbuch rc.) weggenommen wird, um dasselbe ganz oder theilweise zu verwerthen und dann zurückzugeben: ZI. 8. Sept. 57 (Entsch. 34 s. 333). Ebenso ist die Wegnahme in der Absicht, die Sache zu verpfänden, selbst dann Diebstahl, wenn spätere Wiedereinlösung und Rückgabe erfolgen sollte; vgl. ZI. 24. Jan 68 (RdO. IX, 59); Meyer n. 15; contra: Manh. (BAnn 38 (.337); Schw. s. 595; Puch. n. 8; Merkel i. HH. IN, 650; vgl. § 246 n. 34. Dagegen genügt es nicht, wenn die Wegnahme in der Absicht geschah, die Sache selbst als Pfand für eine ver­ meintliche Forderung zu behalten; vgl. n. 45. 42. Die Absicht muß dahin gehen, sich selbst die Sache zuzueignen. Der­ jenige, welcher es bewirkt, daß eine fremde Sache unmittelbar aus dem Gewahrsam des Inhabers in die eines Dritten übergeht, damit dieser sie sich rechtswidrig zueigne, kann höchstens Gehülfe am Diebstahle des letzteren oder Anstifter sein: ZI. 18. März 70 (RdO. XI, 182); vgl. § 47 n. 4. Ein solcher Fall liegt z. B. vor, wenn Jemand eine fremde Sache einem Dritten, welcher weiß, daß jener nicht der Eigenthümer ist, verkauft und denselben dadurch veranlaßt, die Sache dem Inhaber wegzunehmen und sich zuzueignen; hier ist der Ankäufer der Dieb, der Verkäufer je nach Umständen der Anstifter; vgl. DreSd. 5. März 75 (SGZ. XIX, 297). Ebenso liegt aber auch dann kein Diebstahl aus Seiten des Verkäufers vor, wenn der Ankäufer ihn für den Eigenthümer hielt, mithin selbst im guten Glauben war (hier begeht der Verkäufer vielmehr einen Betrug): VI. 14. Mai 58 (GA. VI, 567); vgl. § 48 n. 7; contra: ML. s. 458; Schütze s. 472 n. 10, welcher es für genügend erachtet, wenn die Ab­ sicht dahin ging, die Sache in ihrem Werthe (Preise) sich zuzueignen [?]; Merkel i. HH. III, 643. — Dagegen ist Diebstahl anzunehmen auf Seiten desjenigen, welcher eine Sache rechtswidrig wegnimmt, um sie einem Dritten im Wege eines translativen Rechtsgeschäftes zu übertragen, z. B. sie ihm zu schenken oder zu verpfänden, (um eine solche Verfügung zu treffen, muß er zunächst die Sache sich selbst zueignen): ZI. 17. Juli 67, 10. Apr. 74 u. 5. Juli 76 (RdO. VIII, 474; XV, 225; XVII, 493); JKanzl. Schwerin (GSaal 25. s. 56). und nicht minder auf Seiten desjenigen, welcher, um sich die Sache zuzueignen, die äußere Handlung des Diebstahls durch einen Andern, z. B. seinen Dienstboten, vornehmen laßt, wogegen

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der letztere nur als Gehülfe strafbar fein kann; vgl. § 47 n. 4; contra: ZI. 5. Dez. 77 (RdO. XVIII, 771). 43. Die Absicht muß endlich auf eine „rechtswidrige" Zueignung gerichtet, d. h. der Thäter muß sich bewußt fein, daß er auf die von ihm beabsichtigte Zueignung kein Recht habe. Aus den bezüglichen Worten des § ist jedoch nicht zu folgern, daß schon die bloße Absicht genüge, ein Diebstahl daher selbst dann vorliege, wenn die Zueignung zwar nicht rechtswidrig ist, vom Thäter aber irriger Weise dafür gehalten wird (Beisp. in n. 34, 35); die Zueignung muß vielmehr auch ob­ jektiv jene Eigenschaft besitzen; vgl. § 246 („sich rechtswidrig zueignet"); contra: Merkel i. HH. III, 653. War die Zueignung objektiv keine rechtswidrige, so wird sie dies auch nicht durch die Art oder die Mittel ihrer Verwirklichung, sollten letzlere gleich widerrechtlich oder gar strafbar sein: V. 10. Jan. 74 (RdO. XV, 19); oben n. 40. 44. DaS Römische Recht forderte zum Thatbestände deS furtum eine ge­ winnsüchtige Absicht (lucri faciendi gratia), beschränkte aber den gesuchten Ge­ winn nicht auf die Erlangung von Vermögensvortheilen, sondern betrachtete als solchen auch die Wegnahme einer Sklavin libidinis causa, sowie das unentgeltliche Weiterverleihcn einer von einem Andern entliehenen Sache, ließ also die Verschaffung eine« sinnlichen Genusses oder die Befriedigung eines geistigen Verlangens (des WohlthätigkeitSsinneS rc.) genügen. Dadurch wurde die Fixirung und Begränzung dieses BegriffSmerkmalS wesentlich erschwert. Erst als man anfing, in der Wissenschaft und in der Gesetzgebung Len Begriff deS „Diebstahls" selbst zu beschranken, und die im Römischen Recht darunter mitbegriffenen furtum usus, furtum possessionis und Unterschlagung davon ausschied, ward eS möglich, auch jene „Gewinnsucht" konkreter und schärfer zu fassen. ES ward nunmehr allgemein anerkannt, daß der gesuchte Gewinn eben mir in der Erlangung der Sache selbst zu bestehen brauche, daß da­ her jenem Erfordernisse vollständig genügt sei, wenn die Absicht auf die rechts­ widrige Zueignung (Aneignung) der fremden Sache gerichtet war. Demgemäß hatte das Pr. StGB, in der Begriffsbestimmung des Diebstahls (§ 215) anstatt der gewinnsüchtigen nur die Absicht der rechtswidrigen Zueignung erheischt. Daß hierdurch eine über diese Absicht der rechtswidrigen Zueignung hinausgehende gewinn­ süchtige Absicht aus dem Begriffe ausgeschieden sei, hatte der Preußische Gesetzgeber dadurch zum klarsten Ausdrucke gebracht, daß die Geff. v. 13. und 14. Apr. 1850 bei den durch § 349 Nr. 3 des Pr. StGB.'ö und durch die §§ 41 ff. der Pr. FPO. vorgesehenen „Entwendungen" die Verhängung der Diebstahlsstrase von dem Vor­ handensein einer „gewinnsüchtigen Absicht" abhängig machten, obgleich anerkannter Maßen die dort vorgesehene „Entwendung" den vollständigen Thatbestand deS Dieb­ stahls voraussetzte, die hier ausnahmsweise die Diebstahlsstrafe begründende „gewinnsüchtige Absicht" also kein Degriffömerkmal jedes Diebstahls (Entwendung) fein konnte. DaS erkannten Z. 6. Jan. 69 und (nach längerem Schwanken auch das OTr. durch) ZPl. 3. Juli 69, ZU. 7. Ott. 69, ZI. 30. März 70 (RdO. X, 5. 484. 626; XI, 212) vollständig an. — Diesen Standpunkt hat daS D. StGB, bewußter Weise festgehalten: während nemlich der I. Entw. (§215) die „Gewinn­ sucht" in die Begriffsbestimmung aufgenommen hatte, ist dieselbe im II. Entw. (§ 237) wiederum ausgeschieden worden und die Motive (s. 118) führen näher au», daß die­ selbe für den Thatbestand von keiner entscheidenden Bedeutung sein könne. Bei den Reichstagsberathungen ward sodann von einzelnen Rednern aus jenes vermeintliche Begriffserforderniß nochmals hingewiesen (vgl. Stenogr. Ber. s. 673 die Reden der Abgg. Dähr und v. Brauchitsch), ein hierauf bezüglicher Antrag aber nicht gestellt, vielmehr schließlich die Definition des Entwurfs allseitig angenommen. Sonach ist „Gewinnsucht" kein ThatbestandSmerkmal des Diebstahls: Darmst. 1. Febr. 75, Wolfenb. 14. Nov. 76, ZU. 28. Nov. 76 (HEntsch. s. 13; Br. Z. 24 s. 6; RdO. XVII, 763); BL. s. 529; v. Kirchmann s. 150; Schütze s. 430 n. 9; Puch. n. 1; ML. j. 454; Schaper i. HH. II, 196; Merkel ib. III, 655. War die rechtswidrige Zueignung beabsichtigt, so ist das entferntere Motiv des Thäters (Gewinnsucht. Rach­ sucht, Muthwille, Chikane, Schabernack rc.) vollständig gleichgültig; vgl. Antr. d. GStA.'S z. BPl. 16. Nov. 67 (RdO. VIH, 719). Umgekehrt genügt eine gewinn-

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süchtige Absicht zur Erfüllung deS Thatbestandes nicht, sobald der Gewinn in etwas Anderem als in der rechtswidrigen Zueignung bestehen sollte. 45. Demgemäß (n. 44) darf auch nicht gefordert werden, daß die Absicht auf eine „Bereicherung- gerichtet sei; ebenso: Vl. 16. Nov. 77 (RdO. XVIII, 719); BL. f. 529; contra: ZPl. 30. April 77 (RdO. XVIII, 297: Mot.). DaS Gesetz verlangt nur die Absicht einer „rechtswidrigen", nicht die einer „unentgeltlichen" Zueignung. Auch Derjenige begeht einen Diebstahl, welcher in der gedachten Ab­ sicht sich einer fremden Sache bemächtigt, um sich durch sie für eine ihm gegen den Andern zustehende Forderung bezahlt zu machen: ZI. 16. Sept. 74 (RdO. XV, 565) eit. BI. 16. Nov. 77; contra: Stuttg. 26. Jan. 76 (WGbl. XII, 200); nicht min­ der Derjenige, welcher sofort an die Stelle der weggenommenen Sache ihren Bermögenswerth in baarem Gelde niederlegt; in beiden Fällen liegt sowohl die Weg­ nahme einer fremden Sache als die Absicht der rechtswidrigen Zueignung vor, also Alles, was das Gesetz verlangt. Ebenso: Meyer s. 185; ML. f. 454; Rüd. n. 15; Schütze s. 430; Merkel i. HH. III, 655. 658; contra: HS. II, 426. 442; Schw. s. 583 und die Motive s. 369. Der Umstand: „daß der Thäter nicht durch die Wegnahme allein sich die Sache aneignen will, sondern zugleich auf Gründ seines Anspruchs auf Befriedigung auö dem Vermögen des Schuldners, welchem er die Sache wegnimmt", ist bedeutungslos, da Handlung und Absicht nach wie vor rechts­ widrig bleiben; mit Recht macht daher Schütze 1. c. den Motiven den Vorwurf, daß sie dem Gesetzbuche selbst widersprechen, wenn sie aufstellen, daß „in der Absicht der rechtswidrigen Zueignung die Absicht ausgedrückt liege, sich die fremde Sache ohne Entgelt zuzueignen" (vgl. die Rede des Abg. Bähr im RT.: Stenogr. Ber. f. 673). — Ohne Grund beruft man sich für jene Auffassung auf ein prakti­ sches Bedürfniß; die in dieser Beziehung angeregten Bedenken erledigen sich ander­ weitig in befriedigender Weise: Nimmt Jemand seinem Schuldner eine Sache weg, blos um sie als Pfand bis zur demnächstigen Befriedigung zu behalten, so will er sich dieselbe nicht zueignen; es liegt also kein Diebstahl vor (o. 41). Dasselbe gilt da, wo der Thäter die Sache nimmt, um sie sofort in den Nutzen des EigenthümerS zu verwenden, z. B. wenn der Pferdeknecht dem Herrn Futter wegnimmt, um es an die Pferde des letzteren zu verfuttern (das oben n. 42 Gesagte trifft hier nicht zu, weil eS sich nicht um ein tranSlativeS Rechtsgeschäft handelt); insoweit ein solcher Fall nicht zum Gegenstände einer besonderen Strafbestimmung gemacht ist (vgl. § 370 Nr. 6), kann eventuell nur die Strafe der Sachbeschädigung Anwendung finden. Ebenso begeht Derjenige keinen Diebstahl, welcher eine konkrete Sache, deren Tradition zu fordern er das Recht hat, dem Verpflichteten unbefugter Weife weg­ nimmt: er handelt zwar rechtswidrig, aber er beabsichtigt nicht eine rechtswidrige Zueignung: Rede des Abg. Meyer im RT. (Stenogr. Ber. s. 674); Merkel i. HH. III, 654; ML. s. 455; vgl. n. 43. Endlich stellen auch die eigenmächtige Aneignung einer verkäuflichen Waare bei zufälliger Abwesenheit des Verkäufers gegen Hinlegung des Verkaufspreises, und die eigenmächtige Umwechslung fremder Geldstücke gegen andere gleichwerthe regelmäßig einen Diebstahl nicht dar, wenn der Handelnde dabei von der Voraussetzung ausging, daß der Eigenthümer jener Gegenstände mit dem Verkaufe oder der UmwechSlung einverstanden sein werde: auch dann wollte er keine rechtswidrige Zueignung (n. 40). Dagegen fehlt eS an jedem Grunde, einen Dieb­ stahl in den seltenen Fällen nicht anzunehmen, in welchen der Umwechselnde sich be­ wußt ist, daß der Andere gerade auf die individuellen Geldstücke, welche er besitzt, ein Gewicht legt und fie gegen andere ihm minder werthe nicht umwechseln will, oder weun Jemand eine fremde nicht käufliche Sache sich aneignet und dafür ihren (vermeintlichen) Werth in Geld (oder gar einen andern nicht sungtbeln Werthgegen­ stand) an die Stelle legt; geschah letzteres ohne die (wenigstens präsumirte) Zustim­ mung beS EigenthümerS, so liegt ein Diebstahl vor, zumal sich in einem solchen Falle die „Gleichheit" deS Werths gar nicht feststellen läßt. Daffelbe ist endlich da anzunehmen, wo der Gläubiger seinem Schuldner Geld (oder gar andere nicht fun­ gible Sachen) wegnimmt, um sich dadurch für seine Forderung bezahlt zu machen; hier ist die Annahme eines Diebstahls um so unbedenklicher, als das Motiv zu einer solchen Handlungsweise regelmäßig in der Unsicherheit der gesuchten Befriedigung liegen wird, so daß also der Thäter, indem er für die genommene Sache einen ge­ fährdeten Anspruch ausgeben wollte, keineswegs einen vollgültigen Entgelt leistete.

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Diebstahl und Unterschlagung. — §242.

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Vgl. Darmst. 1. Febr. 75 u. Antr. d. GStA.'S (cit. n. 44); ML. f. 455, Herzog i. GSaal 26 f. 220. 46. Haben sich mehrere Personen an der Ausführung eines Diebstahls betheiligt, so sind diejenigen, welche eine Thatbestandshandlung mit dem zur Selbst­ begehung erforderlichen Dolus vornahmen, Mitthäter, während die übrigen nur als Gehülfen betrachtet werden können; vgl. § 47 n. 8.13. 18. Demgemäß kann Der­ jenige, welcher nicht die Abficht hat, die Sache sich selbst zuzueignen (n.42), auch wenn er sich an der Wegnahme betheiligt, nur Gehülfe sein; contra: JK. Schwerin (GSaal 25 s. 56). Beim Vorhandensein des erforderlichen Dolus kann der Instanz­ richter ohne Rechtsirrthum Mitthäterschaft annehmen, wenn der Eine die fremde Sache aus dem Gewahrsam des Inhabers wegnahm, der Andere aber sie sofort aus den Händen des Ersten in Empfang nahm und in Sicherheit brachte: ZI. 16. Juni 65 (RdO. VI, 187); ZI. 18. Dez. 68 (RdO. IX, 753. betr. einen im Freien ausgeführten Taschendiebstahl); oder wenn der Eine die Sache allein aus einem Gebäude heraus holte, draußen aber ein wartender Zweiter sich am Wegtragen betheiligte: ZI. 12. Jan. 55 (Entsch. 29 s. 418); vgl. n. 39. 47. Ueber die Unterscheidung der im § 370 Nr. 2 und 5 vorgesehenen Weg­ nahme oder „Entwendung" rc. von dem Diebstahl vgl. dort n. 17. 18. 48. Ein in der Absicht zu stehlen bewirktes Einsteigen, Einbrechen oder Cinschleichen stellt einen DiebstahlS-Versuch dar; vgl. § 43 n. 6. Dasselbe gilt von dem Suchen nach einem zu stehlenden Gegenstände in einem fremden Raume, und zwar selbst dann, wenn der gewollte Diebstahl deshalb nicht zur Vollendung gelangt, weil der zu stehlende Gegenstand nicht an dem Orte, wo er gesucht wurde, vorhanden ist, oder weil der Thäter dort Nichts findet, waö ihm des Stehlen- Werth erscheint; vgl. § 43 n. 10. Demgemäß bedarf eS bei einem Diebstahlsversuche nicht der Ermittlung und Feststellung Desjenigen, was der Thäter zu stehlen Willens war; eS genügt festzustellen, daß er „eine fremde Sache rc." zu stehlen versucht habe: ZI. 24. April 57 c. Kern; ZU. 4. Juni 57 c. Grube. — Dagegen genügt der in der Absicht zu stehlen bewirkte Eintritt in eine fremde Räumlichkeit (nebst dem Herumwandeln in derselben) für sich allein noch nicht, um den Ansang der Aus­ führung anzunehmen (es ist keine Thatbestandshandlung: §43 n. 6); contra ZI. 20. Febr. 74, VI. 26. April 76 (RdO. XV, 106; XVII, 282); vgl. auch Dresd. 12. Jan. 74 (StZ. IV, 161: schon das Rütteln an einer Thüre könne als Versuch angesehen werden; vgl. jedoch § 243 n. 26); id. 27. April 77 (SGZ. 22 s. 49: unterschied, ob der Eintritt mit dem festen Entschluß zu stehlen oder nur zur Er­ forschung einer Gelegenheit, zu stehlen, erfolgte; im ersteren Falle liege ein Versuch, im letzteren eine bloße Vorbereitungshandlung vor). 48a. Inwiefern den Dieb und den Theilnehmer am Diebstahl neben der hier­ durch verwirkten Strafe auch noch die Strafe der Begünstigung oder Hehlerei treffen könne, darüber vgl. §§ 48 n. 13. 14; 257 n. 2; 258 n. 10; 259 n. 2. 48b. Auf den Werth-Ersatz der gestohlenen Sache hat der Strafrichter (als solcher) nur da zu erkennen, wo besondere gesetzliche Bestimmungen (z. B Pr. HDGes. § 18; Pr. Forstdiebst.-Ges. §9) dieses vorschreiben; vgl. Pr. FMR. v. 8. Juni 1854 (IMbl. s. 306); ZI. 4. Febr. 1859 (GA. VII. 347). Eine solche Vorschrift hat die AKO. v. 26. Sept. 1845 für den Bezirk des AH.'S Köln gegeben, nach welcher die Be­ amten der StA.-schaft in Untersuchungen wegen Diebstahls gefällten Holzes aus StaatSwaldungen neben der Bestrafung auch die Berurtheilung des Beschuldigten zum Ersätze deS Werthes des entwendeten Holzes in Antrag bringen, und die Gerichte über diesen Antrag erkennen sollen. 49. Den im § 242 vorgesehenen Thatbestand bezeichnet § 244 als „einfachen Diebstahl". — Neben einer drei Monate erreichenden Gesängnißstrafe kann auf den Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte rc. erkannt werden; vgl. §§ 248. 32. 35. 50. Da §2 des EG.'S alle besonderen Forst- und Feldpolizei-Straf­ gesetze, namentlich alle besonderen Vorschriften über den Holz. (Forst-) Dieb­ stahl aufrecht erhalten hat, so bleibt in den Fällen, wo ein solches Gesetz zutrifft, die ordentliche Diebstahlöprase aus den §§ 242 ff. ausgeschlossen, selbst wenn der betr. Thatbestand an und für sich den Voraussetzungen deö § 242 vollständig entspricht; Oppenhoff, D. Strafgesetzbuch. 7. AuSg.

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Thl. II. Abschn. XIX.

Diebstahl und Unterschlagung. — § 242.

vgl. EG. § 2 n. 7; unten § 370 Nr. 2. 5; Elf. Lothr. EG. Art. II. — Insoweit eS dagegen an solchen besonderen Landesgesehen fehlt, fällt auch die Wegnahme rc. von zur Zeit noch nickt eingeernteten Boden-Erzeugnissen unter den Begriff und daS Strafverbot des Diebstahls; ebenso: Münch. 24. März 77, 25. Mai 78 (BEnlsch. VII, 109: VIU, 289); contra: Wolfenb. (GSaal 25 s. 70); vgl. oben n. 14. 51. Das im Eingänge der n 50 Gesagte gilt in Preußen von den die EntWendung von Bodenerzeugnissen rc. betreffenden Bestimmungen des linksrheinischen Ruralges.'S v. 28. Sept. — 6 Okt. 1791 und der FPO. v. 1. Nov. 1847 (Ges. v. 13. Apr. 1856) §5 41—43. 45: die letztere ist durch das Ges. v. 22. Mai 1852 Art. m im ganzen (damaligen) Staatsgebiete (mit Ausschluß des linken Rheinufers) eingeführt worden, insoweit derartige Entwendungen nicht durch ältere besondere Feldpolizeigesetze vorgesehen waren. Jenen §§ der FPO. ganz entsprechende Be­ stimmungen enthält für die neuen Provinzen die NEB. v. 25. Juni 1867 Art. HI. Beide citt. Artt. schließen da, wo die Voraussetzungen der FPO. zutreffen, aus­ drücklich die sämmtlichen DiebstahlSflrafen (§§ 215. 224 deS Pr. StGB.'S) aus, somit auch in den Fällen des schweren oder rückfälligen Diebstahls: VII. 13. Okt. 64, DU. 24. Nov. 65, ZU. 1. Juni 72 (RdO. V, 171. 287; XIII, 328). DaS ist aber auf den Fall des Raubes nicht auszudehnen. 52. Der § 41 Nr. 5 der dt. FPO. (NEV. Art. in, § 1 Nr. 5) ist auf das Abschneiden von GraS rc. auf Wiesen nicht anwendbar: ZI. 5. Apr. 54 c. Krause. 53. In § 41 Nr. 6 der FPO. (NEV. Art. III. § 1 Nr. 6) ist unter „Aufsammeln von Dünger" daS allmälige Zusammenbringen des auf dem Felde zerstreut liegenden Düngers zu verstehen; die Wegnahme einer Quantität aufge­ schütteten Düngers ist Diebstahl; Zn. 3. Okt. 61 (RdO. I, 567); vgl. n. 11. 54. In § 42 Nr. 2 der FPO. (NED. Art. HI § 2 Nr. 2), welche die „EntWendung von Früchten und anderen Bodenerzeugniffen aus Gärten rc." mit einer Geldstrafe bedrohen, bezeichnet der Ausdruck „Entwendung" den vollständigen Thatbestand des Diebstahls: VI. 2. März 70 (RdO. XI, 133); vgl. n. 44. 47. 55. Zu den „Bodenerzeugniffen" im Sinne des cit. § 42 Nr. 2 der FPO. re. ist Holz, insbesondere solches, welches vom Eigenthümer bereits abgehauen oder ausgerodet, also perzipirt ist, nicht zu zählen, da aus Holzentwendungen die FPO. nur insoweit Anwendung findet, als die Nrn. 1 oder 3 des §42 zutreffen: ZI. 26. Febr. 68, 13. Sept. 71 (RdO. IX, 513; XH, 446). Handelt es sich um Bäume re., welche in einem Walde stehen, so bleibt die FPO. gänzlich außer Anwendung, und das HDGes. wird maßgebend: ZI. 16. Okt. 61 (RdO. n, 11). Vgl. n. 62. 64. 56. Ebenso ist in dem cit. § 42 Nr. 2 der FPO. (rc.) zu den Bodenerzeug­ niffen Torf nicht zu zählen; die Wegnahme (ungestochenen) Torfs „aus einem fremden Grundstücke" fällt unter § 370 Nr. 2 (vgl. dort n. 11), diejenige bereits gestochenen Torfs unter § 242: Zn. 12. Dez. 61 (RdO. n, 147). 57. Der cit. § 42 Nr. 2 der FPO. findet auch auf bereits geerntete und eingesammelte Früchte rc. Anwendung: DPl. 30. Nov. 57 (JMbl. 58 s. 45); VI. 25. Okt. 61 (RdO. II. 24). Diese Anwendbarkeit wird durch daS AuSdreschen der Früchte und durch daS Aufladen derselben aus einen Wagen zur Abfuhr nicht beseitigt, so lange sie sich noch auf dem Felde rc. befinden; ZI. 30. Okt. 63 (RdO. IV; 140). Dasselbe gilt vom übrigbleibenden Stroh; dieses ist nicht als das Pro­ dukt einer weiteren Bearbeitung anzusehen, sondern nach wie vor ein Bodenerzeugniß: ZI. 21. Dez. 60 (RdO. I, 194). — Auch das Unterbringen der geernteten Früchte (auf dem Felde) in Schober (Mieten, Gruben rc.) schließt die Anwendung der Nr. 2 nicht aus, sobald jenes nur geschehen ist, um die Früchte vor den Einflüssen der Witterung zu bewahren; die Diebstahlsstrafe greift nur dann Platz, wenn jenes Unterbringen außerhalb des Feldes oder wenn es zu dem Zwecke geschah, um die Früchte rc. gegen Dritte zu schützen: VI. 5. Mai 69 (ib. X, 289) oder wenn die Miete rc. überhaupt zum (definitiven) Verwahrungsorte für die bereits vollständig perzipirten (und vom Orte ihrer Entstehung fortgeschafften) Früchte bis zu deren Verwendung diente: BI. 29. Mai 74, VlI. 29.Nov. 77 (RdO. XV, 338; XVIH, 751). 58. Auf andere als die darin genannten Oertlichkeiten (z. D. auf einen Hofraum) darf die cit. Nr. 2 nicht ausgedehnt werden: Vn. 25. Apr. .61 (RdO. I, 327). 59. Die Vorschrift des cit. § 42 Nr. 2 der FPO. (re.) greift Platz, sobald

Thl. II. Dbschn. XIX. Diebstahl und Unterschlagung. — § 242.

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entweder der Werth ein unbedeutender oder die Quantität eine geringe war; daß beides zusammentreffe, wird nicht erfordert: £L 25. Olt. 61, ZPl. 13. Nov. 65 (RdO. It, 24; VI, 456). In Betreff der Feststellung vgl. n. 61. 60. Nach § 45 der eit. FPO. (NEB. Art. in § 4 Äbs. 2) soll in den Fällen der §§ 41—43 1. c. (NED. Art. IH. § 1—3) die DiebstahlSstrase dann (und nur dann) eintreten, wenn die (mit der Absicht rechtswidriger Zueignung vorgenommene) Wegnahme außerdem „in gewinnsüchtiger Absicht" stattgefunden hat; der Sinn dieser Ausdrucksweise ist dahin aufzufassen, daß durch die Handlung ein Vermögens­ gewinn gesucht wurde, welcher nicht blos in der Befriedigung eines momentanen Bedürfnisses (Gelüstes) bestand. Dgl. n. 44. 61. Nach Pr. Verfahren sind diejenigen Momente, welche es bedingen, daß die an sich unter den Begriff des Diebstahls fallende Handlung mit der milderen Strafe der FPO. (§ 41—43) oder der NEB. Art. III zu belegen ist, als „mil­ dernde" (die Strafbarkeit vermindernde) und wenn einer der erwähnten Thatbestände feststeht, die dabei obwaltende (die DiebstahlSstrase nach sich ziehende) gewinn­ süchtige Absicht als „erschwerender (die Strafbarkeit erhöhender) Umstand" an­ zusehen und zu behandeln. Der Iustanzrichter hat ihr Vorhandensein von Amtswegen zu berücksichtigen; erachtet er sie für unerwiesen, so braucht er ihrer im Erkenntniffe nicht Erwähnung zu thun: die Bestrafung aus § 242 wird durch die Feststellung seines Thatbestandes vollständig gerechtfertigt, falls nicht außerdem jener mildernde Umstand eine Feststellung gefunden hat; contra: DH. 11. April 78 (RdO. XIX, 218). Eine ausdrückliche (positive oder negative) Fest- bezw. eine Fragstellung wegen deö letzteren und eventuell auch wegen jenes erschwerenden Umstands wird aber unerläßlich, wenn das Vorhandensein derselben behauptet, bezw. dieserhalb die Stellung einer schwur­ gerichtlichen Frage beantragt ist. Alsdann genügt der Ausspruch: das Vorhandensein jenes strafmildernden bezw. erschwerenden Umstandes sei nicht erwiesen, um den­ selben auszuschließen. Dieselben Grundsätze finden bei den durch § 370 Nr. 2. 5 vor­ gesehenen Uebertretungen Anwendung. Vgl. § 370 n. 23. Gleiches gilt nach den Grundsätzen der RStPO., welche daher auch, dem im § 262 ib. ausgesprochenen Grundsätze gemäß, für jede dem Angeklagten nachtheilige Beantwortung obiger Fragen eine Mehrheit von zwei Drittheilen der Stimmen erfordert; vgl. ib. §§ 266 Abs. 2. 295. 296; Löwe f. 638. 62. Da- oben (n. 50) Gesagte gilt auch von den in Betreff deS Holz(Forst-) Diebstahls ergangenen Gesetzen. Demgemäß ist daS Pr. HDGef. für die darin vorgesehenen Fälle vollständig tu Kraft geblieben, obgleich auch dort unter „Diebstahl" (§§ 1. 2) der vollständige Thatbestand de« § 242 zu verstehen ist. Da­ gegen scheidet das HDGef. bezw. dereinst das Forst.Diebst..Ges. ans und die §§ 242ff. werden anwendbar, wenn das Holz vorher (berechtigter oder unberechtigter Weise) vom Stamme oder Boden getrennt worden war: ZI. 2. Mai 66, 22. Sept. 75 (RdO. VII, 264; XVI, 598); vgl. n. 21. Dasselbe gilt von den als Objekten des „Holzdiebstahls" im eit. HDGef. § 1 Nr. 2. 3 und § 2 bezw. im eit. Forstdiebst..Ges. § 1 besonder- ausgezählten Gegenständen: von dem durch Zufall abge­ brochenen re. Holze, Spähnen, Abraum re. und von Waldprodukten anderer Art, sobald der Berechtigte sie für sich (durch Einsammeln, Zurichten, Aufstellen rc.) in Besitz genommen hat: VH. 16. Dez. 69, ZI. 5. Nov. 73 (NdO. X, 789; XIV, 685); behauptet dann der Dieb, er habe von dieser Besitznahme keine Kenntniß ge­ habt, so wird § 59 anwendbar: ZI. 18. März 59 c. Stärke. Unter „Spähnen, Abraum, Borke" (1. c.) sind die zufälligen Abfälle der Holzbearbeitung zu verstehen: Z. 22. Dez. 69 (RdO. X, 805); daher gehören ganze Theile eines Baumes und die absichtlich zum Zwecke der Benutzung als Lohe abgelöste Baumrinde nicht hierher: DI. 25. Febr. 57 (IMbl. f. 135). — In allen Fällen einer Holzentwendung sind für das Verfahren die unter n. 61 entwickelten Grundsätze maßgebend; contra: SH. 7. Dez. 71, VI. 12. Juni 74 (RdO. XH, 628; XV, 399: hielten eine er­ schöpfende positive oder negative Feststellung für unerläßlich, bezw. den § 242 nur dann für anwendbar, wenn die Voraussetzungen eine« nach dem HDGes. zu ahn­ denden Holzdiebstahls als ausgeschloffen erkannt wurden). 63. Nach dreimaliger Bestrafung wegen Holzdiebstahls zieht zwar ein fernerer Holzdiebstahl die Strafe des § 242 bezw. deö eit. Forftdiebst.-Ges.'s § 8 nach sich; er wird aber dadurch nicht zum gewöhnlichen Diebstahle; vgl. § 244 n. 11.

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Thl. H. Abschn. XIX. Diebstahl und Unterschlagung. — §§ 212 243.

§. 2L3. Auf Zuchthaus bis zu zehn Jahren ist zu erkennen, wenn 64. Wegnahme von Baumpflanzen aus einer Baumschule fällt nicht unter daS Pr. HDGes., ist vielmehr, je nachdem die Handlung in gewinnsüchtiger Absicht geschah oder nicht (n. 60), als Diebstahl oder auS § 42 Nr. 3 der FPO. zu bestrafen: Deschl. I. 30 Sept. 64 (NdO. V, 147). 65. In Betreff der Fortnähme von Baum- oder Prellpsählen vgl. FPO. §§ 43. 45; Pr. Ges. v. 13. Apr. 1856; NEB. Art. III §§ 3. 4. — Münch. 6. Febr. 74 (StZ. in, 339) betrachtete Baumstützen als Zubehör des Baumes und ihre Ent­ wendung demgemäß als Felbdiebstahl im Sinne des Bayr. Pol-StGB.'S v. 26. Dez. 1871 Art. 112. Dagegen ist die Entwendung neuer, noch nicht zur Stütze ver­ wandter und mit dem Boden in Verbindung gebrachter, sondern auf dem Felde auf­ gelagerter Hopfenstangen unzweifelhaft aus § 242 zu bestrafen: Münch. 23. Nov. 75 (BEntsch. V, 524). 66. Ueber die bei gewissen Fällen des § 242 eintretende Zuständigkeit der dereinstigen Schössengerichte vgl. RGVG. §§ 27 (Nr. 4). 28. 75 (Nr. 6). Hinsichtlich der prozessualischen Behandlung der in n. 61 erwähnten UebertretnngSfälle gilt zur Zeit noch das Pr. Ges. v. 14. April 1856 Art. 1 § 3 (unten b. EG. z. Pr. StGB. Art. Xni mitgetheilt).

§243. 1. Die hier vorgesehenen Fälle werden im § 244 als „schwere" Diebstähle bezeichnet. 2. Neben der Zuchthausstrafe kann auf Zulässigkeit der Polizei-Aufsicht erkannt werden: § 248. — Beim Vorhandensein mildernder Umstände tritt Ge­ fängniß nicht unter drei Monaten ein (: Schlußs.), neben welchem außerdem der Verlust der tc. Ehrenrechte verhängt werden kann; das gilt auch vom DiebstahlSversuche, wenn die Strafe drei Monate erreicht: §§ 32. 35. 248. 3. Daß es dem Thäter möglich war, den Diebstahl in minder schwerer Weise z. B. ohne Einsteigen auszuführen, schließt die Strafe deö § nicht auS: Z. 20. Jan. 69, ZI. 4. Nov. 74 (RdO. X, 36; XV, 746). 4. ES kommt nur als StraszumeffungSgrund in Betracht, wenn bei einem Diebstahle mehrere der hier unter Nrn. 1—7 vorgesehenen Umstände konkurriren. 5. Nach Pr. Verfahren ist es statthast, eine Frage an die Geschwornen alter­ nativ dahin zu richten, ob ein schwerer Diebstahl in einer oder der andern der durch § 243 vorgesehenen verschiedenen Weisen begangen worden sei, z. B. ob der Angeschuldigte den Diebstahl mittels EinßeigenS oder mittels Gebrauchs eines falschen Schlüssels begangen habe, sobald die Fassung eS klar macht, daß die Geschwornen nicht entscheiden sollen, welche dieser Alternativen vorliege, daß vielmehr nur darüber ein AuSspruch erwartet wird, ob sie überzeugt seien, daß der Diebstahl nicht anders als in einer der erwähnten Weisen ausgeführt sein könne: ZI. 20. Febr. 67 (RdO. VIII, 133); vgl. Ovpenh. Pr. Strafvers. Art. 80 n. 12. Für die unbedingte Statt­ haftigkeit sprechen sich auS (wegen der gleichen Strafandrohung): ZI. 6. Juli 53 (GA. I, 537); ZI. 11. Juni 58 c. Schmidt; vgl. GA. II, 668 IV; so auch nach französischem Verfahren die Praxis des Pariser KH.'S:Re). (Cass.) 27. janv. 27, Rej. 8. juill. 30 (SN. 8. 1. p. 512 ; 9. 1. p. 554); Gilb. C. d’instr. art. 337 n. 65. Dgl. indessen §48 n. 16, und für da- französischrechtliche Verfahren: SN. 5. 1. p. 105 Note; 8. 1. p. 512 Note 3. — Dasselbe gilt unter der Herrschaft der RStPO.; vgl. Mot. s. 199. 6. Der Beginn der Ausführung eines schweren Diebstahls (Versuch) liegt vor. sobald mit einer Thatbestandshandlung begonnen ist, sei dieses die Wegnahme selbst oder eine der den gewollten Diebstahl qualificirenden Handlungen z. B. daS Einsteigen, Einschleichen rc.; es ist sonach nicht erforderlich, daß die begonnene qualistzirende Handlung (z. B. daS Einsteigen rc.) vollendet worden fei: DU. 1. Febr. 66 (RdO. VII, 67); Merkel t. HH. UI, 685; vgl. § 43 n. 6. 7. In Betreff der Zuständigkeit re. vgl. Pr. Ges. v. 22.Mai 1852 Art.I. SS 1. 2; Pr, NStPO. § 13 und dereinst RGVG § 73 Nr. 5.

Thl. n. Abschn. XIX. Diebstahl und Unterschlagung. — §243 Nr. 1.2. 501

1) auS einem zum Gottesdienste bestimmten Gebäude Ge­ genstände gestohlen werden, welche dem Gottesdienste gewidmet sind; 2) aus einem Gebäude oder umschlossenen Raume mittels Einbruchs, EinsteigenS oder Erbrechens von Behältnissen gestohlen wird; Zu Nr. l. Vorausgesetzt wird, daß das Gebäude in dauernder Weise „)UM Gottes­ dienste", nicht, daß es zum öffentlichen Gottesdienste bestimmt sei; auch eine Privat, kapelle gehört hierher. — Ist nur ein einzelner Raum eine- Gebäude- zum Gottes­ dienste bestimmt, so wird der § anwendbar, wenn auS diesem oder einem demselben Zwecke dienenden Nebenraume gestohlen ist. 9. Der § unterscheidet nicht zwischen den verschiedenen Religion-gesellschäften: der Gottesdienst einer jeden im Staate bestehenden Gesellschaft (vgl. § 167) wird geschützt; ob sie Korporation-rechte habe, ist gleichgültig. 10. Nicht minder ist eö gleichgültig, ob der Dieb zu derselben oder überhaupt zu irgend einer Religionsgesellschaft gehört. 11. Uebereinstimmend mit Nr. 2 (aber abweichend von Nr. 7) erheischt Nr. 1, daß der Diebstahl „aus dem Gebäude re." verübt sei. Dadurch wird zum AuS. drucke gebracht, daß die Anwesenheit des Diebeö i m Gebäude kein Erforderniß des Thatbestandes sei, daß eö vielmehr genüge, wenn sich die Sache im Gebäude befand, (z. B. wenn der Dieb die That durch Hineinlangen von außen her verübte: BI. 10. Oft. 53, Jena 29. Oft. 73 (GA. III. 854; StZ. IV, 167). Sonach ist aus obiger Faffung nicht zu folgern, als bedürfe eö zur Bollendung des Diebstahls des Herausbringens der Sache aus dem Gebäude; vielmehr fommen auch hier die allgemeinen Grundsätze in Betreff der Vollendung des Diebstahls (§ 242 n. 39) zur Anwendung: ZI. 27. Sept. 71, Z. 20. April 72 (RdO. XII, 466; XIII, 271). 12. Ein Gegenstand ist „dem GottteSdienste gewidmet", sobald er (mitteloder unmittelbar) zu einem liturgischen Zwecke oder zur Erhöhung der Feierlichfeil dient; daß er saframentaler Natur oder geweiht sei, wird nicht erfordert: ZI. 24. Juni 64 (RdO. V, 28). Dagegen gehören nicht hierher Gegenstände, welche blos zur Bequemlichkeit der die Kirche Besuchenden dienen, z. B. Kirchensihe; vgl. jedoch Temme Gem. D. StR. s. 352; noch auch ausgelegte Gesang- rc. Bücher, da- Geld im Opferstocke rc. Daffelbe gilt von den in den Synagogenleuchtern befindlichen Lichtern, nicht aber von den Jahrtagslichtern, d. h. Wachskerzen, welche nach jüdi­ schem RituS bei Verrichtung gewisser Gebete angezündet werden: WGbl. XII, 473. 8.

Zu Nr. 2. „auS" d. Ebbe. rc.: 23. 41, Ausgang: 37. Bassin: 16. Behältniß: 18. 36-42. • Bestimmen: 36. • Brtefkouvert r 36. . Diebst. d. BhffS.: 41. - Kiffen 38. • Sachbeschädigung: 31. • Satf: 38.

Inhalt: n y a i t:

Einsteigen. 17.25.32-37. - Adschlteßung. 34. 35. . Durchwaten: 34. • Durchzwängen: 35. . innere-: 33. . Hinderniß, sächl.: 34. . Oeffnung: 34. 35. - Thüre: 45. • Überschreiten: 34. 35. . Verschluß: 35.

Ei

v. außen: wer? 30. 36. Zeit: 29. Zweck: 30.

Backofen: 13. bewohnt? 16. 24. fest? 14. Gauklerwagen: 14.

Gebäude, Neubau: 13. • Schäferkarre: 14. . unbewegt.: 14. . verschlossen? 13. „in" d Gebäuderc.: 23. 33. 41. Mitbewohner: 24. „mittel-": 30. 36. Naum. umschloss.: 17-22.25.32. • Aalfang: 18. • Eingang. 21. • Umschließung: 19—22. Sachbeschädigung: 31. Schäferkarre: 14. Schiff: 15. Schlüssel, echter» 43. Thetlnehmer, mehrere: 30. 44. Überschreiten: 20. 34. Verschluß: 13.17. 29. 35.39. * Zerstörung, 29. 39 Versuch: 44. Vertiefung: 34. Wafferlauf: 34. Wer? 30. 44.

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Tbl. n. Abschn. XIX.

Diebstahl und Unterschlagung. - §243 Nr. 2.

13. „Gebäude" bezeichnet ein unbewegliches (durch Menschenhand hergestelltes) Bauwerk, welches einen Theil der Erdoberfläche einnimmt, und eine weitergehende Zweckbestimmung erkennen läßt, als die der Umfriedigung des Raumes. Im Uebrigen kommt es auf den zum Bau verwendeten Stoff (Stein, Lehm. Holz rc), auf die Größe und auf die Natur des Zweckes nicht an: OAG. Eisenach (StZ. II, 52: betr. eine gemauerte Hütte zur Aufbewahrung von ArbeitS-Utensilien). Doch for. bette DreSd. 20. Dez. 75 (SGZ. XX, 259) Dauerhaftigkeit sowie Festigkeit deS Materials und sprach daher einer blos aus lose mit einander verbundenen Pfählen und einigen Schütten Stroh hergestellten Obsthütte die Eigenschaft eine« Gebäudes ab, und DreSd. 17. Aug. 77 (ib. XXII, 167) erkannte ebenso hinsichtlich einer aus eingerammten Pfählen und aufgenagelten Brettern in leichter Zusammenfügung errichteten Kirschbude, zumal da sie einer dauernden Zweckbestimmung entbehre; (letztere stelle dagegen einen „umschlossenen Raum" (n. 17 ff.) dar). — Ebensowenig bedarf eS eines den Zutritt von Außen hindernden Ab- oder Verschlusses; eS ist daher auch gleichgültig, ob der Dieb daffelbe für verfchloffen gehalten hat: ZI. 10. Jull 67 (RdO. VIII, 64); contra: Wert. OG. (GSaal 24 f. 102: ein ord­ nungsmäßiger Verschluß sei nothwendig, sonach genüge eS nicht, wenn ein verquol­ lenes und deshalb nicht verschließbares Fenster mittels Bindfaden zugebunden ge­ wesen, welchen der Dieb zerrissen habe). — Demgemäß ist ein in den rohen Mauern dastehender Neubau ein „Gebäude": ZU. 21. Juni 62. ZI. 13. gebt. 63 (RdO. 11, 458; in, 290); ebenso ein alleinstehender Backofen; ZI. 22. März 54 c. Mörke. — Dagegen gehört eine natürliche (als Keller rc. benutzte) Höhle nur dann hierher, wenn sie durch Menschenhand eine den obigen Voraussetzungen entsprechende Vervollständigung erhalten hat; dazu kann eine Bedachung genügen; vgl. BI. 23. Jan. 74 (RdO. XV, 38). — Der zu einem Gebäude gehörende „umschloffene Staunt* ist nicht als Theil desselben anzusehen, sondern selbstständig zu beurtheilen; vgl. n. 18 ff. 14. Ist daS Bauwerk unbeweglich (n. 13), d. h. kann eS nicht in seiner Gesammtheit fortbewegt werden, so kommt eS weiter nicht darauf an, ob es fest mit dem Boden verbunden ist: ein hölzernes, lose auf den Boden aufgesetztes, aber wegen seiner Schwere nicht forizubewegeudeS Haus rc. ist ein Gebäude: HS. H, 467 ff.; contra: ZI. 10. Sept. 70 (RdO. XI, 433); selbst ein bestimmungsgemäß zerleg­ barer Bau, wie z. B. eine Marktbude, kann unter Umständen als „Gebäude" be­ trachtet werden; so: Münch. 2. Juni 76 (DEntsch. VI, 281). Dagegen gehört eine zum Fortbewegen bestimmte Räumlichkeit auch dann, wenn sie zum regelmäßigen Aufenthalt und zum Uebernachten benutzt wird (Gauklerwagen, Schäferkarre rc.) nicht hierher: ZI. 8. Juli 53 (IMbl. s. 368), OStA. Wolsenb. 4. März 77 (Br. Z. 24 s. 94). 15. Wenn auch die Nr. 7 für den dort vorgesehenen Fall ein bewohntes Schiff „einem bewohnten Gebäude gleichachtet", so steht ein solches doch nicht einem „Gebäude" im Sinne der Nr. 2 gleich: Z. 10. Mai 71, Beschl. I. 19. April 72, ZI. 31. Jan. 73 (RdO. XII, 256; XIII. 268; XIV, 105); contra : Lübeck 20. Juli 72 (GA. XXI, 118; StRZ. XII, 543); ebensowenig ist ein Schiff als „um­ schlossener Raum" anzusehen; vgl. n. 18; Beschl. II. 11. Juli 78 (RdO. XIX, 368). 16. Daß das Gebäude bewohnt gewesen sei, wird hier nicht erfordert; vgl. n. 24. 17. Nach den Motiven (s. 120) ward von einer Definition de- Begriffs des „umschlossenen Raums" abgesehen, weil man denselben (sowie die Begriffe des „Einbruchs", „Einsteigen-", „falschen Schlüssels") als dem gemeinen Le­ ben angehörend ansah, welcher dem Verständnisse des Laien zugänglich sei und des­ halb auch von den Schwurgerichten richtig gehandhabt werden würde. Es ist sonach unbedenklich statthast, diese Ausdrücke in den schwurgerichtlichen Fragstellungen bei­ zubehalten. Wird indessen die juristische Bedeutung, welche auch diesen, wie jedem im Gesetze gebrauchten Ausdrucke mit Nothwendigkeit beiwohnt, zweifelhaft, so ist es zulässig, ihn in die durch den Einzelfall dargebotenen thatsächlichen Momente auf­ zulösen, und so die Entscheidung, ob nach denselben ein „umschlossener Raum" re. vorliege, dem recht-verständigen Richter zu vindiziren; vgl. Pr. Ges. v. 3. Mai 1852

Thl. II. Abschn. XIX. Diebstahl und Unterschlagung. — § 243 Nr. 2.

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Art. 82; NStPO. § 318; contra: Rüd. n. 6. Unter der Herrschaft der RStPO. gilt jedoch das Gegentheil; vgl. Mot. z. NStPO. s. 199, Kommiss.-Protok. s. 447 ff. 18. Der „umschlossene Raum", welcher hier dem „Gebäude" gleich gestellt ist, hat mit diesem das gemein, daß er einen Theil der Erdoberfläche bilden muß (vgl. jedoch den Schluß der Note); er unterscheidet sich vom Gebäude durch die erkennbare Zweckbestimmung, welche lediglich dahin abzielt, da« Eindringen von Menschen zu verhindern (n. 19). Einen erheblichen Anhaltspunkt, für diese Unterscheidung bietet der Umstand, ob die Räumlichkeit auch von oben gedeckt ist, obgleich derselbe nicht als unbedingt entscheidend angesehen werden kann. — Nach der andern Seite bildet das „Behältniß" den Gegensatz gegen den „umschlossenen Raum", vgl. n. 38ff. — Hiernach ist ein umschlossenes Bassin ein umschlossener Raum: ZI. 14. Mai 58 c. Welke; dasselbe muß von einem aus Planken ausgezimmerten, mit dem Erdboden sestverbundenen. zum Fangen und Aufbewahren von Aalen dienenden s. g. Aalsange gelten; vgl. BI. 15. Jan. 58 (GA. VI, 120). Mauh. (BAnn. 41 s. 377) erachtete den s. g. Trippel, d. h. die Gallerte, welche sich um daS zweite Stockwerk der Schwarzwaldhäuser hinzieht und nur vom Innern derselben zugänglich ist, für einen (zum Hause gehörigen) umschlossenen Raum. 19. Der Raum muß ,.umschlossen^, d. h. mit einer festen Vorrichtung umgeben sein, welche in erkennbarer Weise dazu bestimmt und (relativ) geeignet ist, das Eindringen von Menschen abzuwehren. Die Umschließung muß fest d. h. so unbeweglich sein, daß sie nicht in ihrer Gesammtheit fortbewegt werden kann; somit genügt eS. nicht, wenn sie aus lose aus einander gelegten Steinen besteht, so daß sie ohne Gewalt und Zerstörung auseinander genommen und ebenso leicht wiederhergestellt werden kann: Beschl. I. 4. Nov. 70 (RdO. XI, 547); vgl. DreSd. 24. Sept. 77 (SGZ. 22 s. 176: betr. eine mit Stroh und Dünger überdeckte Kartosselgrube). Dagegen bedarf eü keiner festen Verbindung mit dem Boden; auch hier reicht es hin, wenn die Unbeweglichkeit auf der eigenen Schwere beruht. Contra: DI. 30. Ott. 61, ZI. 14. Juli 64 (RdO. II. 28; V, 86, insofern sie die Unbeweg­ lichkeit für den Begriff eines umschlossenen Raumes nicht als wesentlich erachteten). 20. Durch die Umschließung soll das Eindringen von Menschen abgewehrt werden (n. 19); somit genügt ein durch einfaches Ueberschreiten zu überwindendes Hinderniß nicht: Z. 20. April 72 (RdO- XHI, 271). Auf der andern Seite wird nicht erfordert, daß dasselbe unüberwindlich fei; eine erhebliche Erschwerung der Ueberwindung reicht hin. — Trifft diese« zu, so ist eS gleichgültig, worin jene Vor­ richtung besteht, ob sie durch Menschenhand hergestellt oder von Natur vorhanden ist. Ein den obigen Voraussetzungen entsprechender Wasserraum kann als hinreichende Umschließung angesehen werden (anders, wenn er fest zu gefroren ist): Dreöd. 5. Mai 71, 27. Mai 72: StZ. I, 90; II, 105); dem steht der Umstand nicht entgegen, daß das Wasser als Mittel der Ueberschreitung benutzt werden kann. — Dasselbe gilt von einer umschließenden Vertiefung, z. B. von einem Graben, wenn er so breit und tief und sein Rand so steil ist, daß er weder überschritten, noch durchgangen werden kann. Ebenso verhält es sich, wenn eine Räumlichkeit im Ganzen so tief liegt, daß durch den steilen Rand der Zutritt von allen Seiten verhindert wird. — Auch dann, wenn zusammen gehörende Gebäude in unmittelbarer Verbindung selbst die Umfriedigung bilden, liegt ein, die Gebäude selbst mit umfassender, umschlossener Raum vor; vgl. Nr. 7. 21. Um ihrem Zwecke (n. 19. 20) zu entsprechen, muß die Umschließung eine vollständige sein; sie darf also keine, den freien Zutritt ins Innere gestaltende Unterbrechung haben, wie z. B. eine unverschließbare Thüre; contra (in Bezug auf letztere): Meckl. OG. (GSaal 26 s. 545); vgl. auch Schw. s. 599 (589). Dagegen nimmt eine Oessnung, welche ein unter den Begriff des Einsteigen« fallendes Ein­ dringen zuläßt, dem Raume nicht den Charakter eines umschlossenen. Das gilt z. B. von einer mehrere Fuß über der Erde befindlichen Oessnung in der umgebenden Mauer rc., von einer ein Hinabsteigen in die Tiefe gestattenden Luke: ZI. 11. März 57 (GA. VII, 396). In derartigen Fällen kommt Vieles aus die thatsächliche Gestal­ tung, besonders aus die Natur der Umschließung und aus die Größe und Höhe der Oessnung rc. an. — Ebenso wird der Begriff der Umschließung dadurch nicht auf­ gehoben, daß in derselben verschließbare Eingänge angebracht sind, welche zur Zeit nicht verschlossen, oder mittels Durchgreifens zu öffnen sind: Dreöd. 5. Mai 71

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Thl. n. Abschn. XIX.

Diebstahl und Unterschlagung. — § 243 Nr. 2.

(SGZ. XVI, 77); demgemäß ist es gleichgültig, ob der Dieb die Zugänge gekannt oder für verschlossen gehalten hat: ZI. 10. Juli 67 (RdO. VIII, 64); Dresd. 6. Oft. u. 29. Dez. 73 (SGZ. XVIII, 84. 157); nur baun, wenn die Eingänge regel­ mäßig und in einer für Jeden sichtbaren Weise offen zu stehen pflegen, kann der Raum als zur Zeit nicht „umschlossen" angesehen werden: ZU. 23. Sept. 75 (RdO. XVI, 609). Sonach schließt der Umstand, daß der Dieb möglicher Weise in das Gebäude rc. hätte kommen können, ohne einzubrechen rc., die Anwendung der Nr. 2 noch nicht auS; vgl. n. 3. 22. Sind die Merkmale eines umschloffenen Raumes vorhanden, so begründet eö keinen Unterschied, wenn derselbe mehreren Eigenthümern in abgetrennten Parzellen gehört, auch dann muß der Umschließung der gesetzliche Schutz gegen Eingriffe dritter von Außen eindringender Personen zu Theil werden: Beschl. I. 25. Apr. 55 (GA. III, 569). Dies gilt selbst daun, wenn die Einfriedigung nicht speziell zum Schutze desjenigen Raumes, aus welchem gestohlen wurde, hergerichtet ist, trenn z. B. der Thäter nicht in derjenigen Abtheilung, in welche er zunächst eingestiegen war, sondern in derjenigen eines anderen Eigenthümer-, in welche er nunmehr ohne Einsteigen gelangen konnte, gestohlen hat; so: ZII. 4. Ott. 77 (RdO. XVIII, 618); contra: Antr. d. GStA. (ib.). 23. In Betreff der Bedeutung der Ausdrucksweise: „aus einem Gebäude rc." vgl. oben n. 11. Das dort Gesagte erleidet bei dem „mittels EinsteigenS" verübten Diebstahle insofern eine Ausnahme, als dieser letztere Begriff den Eintritt des Diebes in das Gebäude rc. voraussetzt; vgl. n. 32. 33. — Auch hier ist wesentlich, daß sich die zu stehlende Sache im Gebäude rc. befand; ein Diebstahl, welcher mittels Erbrechung eines an der Außenseite deffelben angebrachten, mit dem Innern in keiner Verbindung stehenden Schaukastens verübt ist, gehört nicht hierher: ZI. 8. Juli 53 c. Perplies. wohl aber ein GetreideDiebstahl, welcher mittels Durchbohrens des BodenbeschluffeS in der Weise ausgeführt wird, daß die darauf lagernden Körner durchrinnen: ZII. 15. Sept. 53 (GA. I, 711). Eine gleichzeitig als öffentlicher Durchgang benutzte, mithin den Zwecken des öffentlichen Verkehrs dienende Hausflur verliert darum nicht nothwendig die Eigenschaft als innerer Theil eines Gebäudes; ob das Eine oder Andere zutreffe, ist eine thatsächliche, der Nachprüfung des Nichtigkeitörichters entzogene Frage: Dreöd. 1. April 78 (SGZ. 22 f. 275). 24. Die Bestrafung aus Nr. 2 wird dadurch nicht auSgefchloffen, daß der Dieb selbst Mitbewohner des Gebäudes war und zu andern Zeiten und Zwecken befugter Weise auf demselben Wege sich den Eingang verschafft hatte: Z. 7. Sept. 70 (RdO. XI, 436). 24a. Nach den Mot. f. 120 ist für die erhöhte Strafbarkeit des mittels Ein­ bruchs oder EinsteigenS verübten Diebstahls vorzugsweise die besondere Gefliffentlichfeit und Hartnäckigkeit des Diebs entscheidend. 25. Für den Begriff deS „Einbruchs" oder des „EinsteigenS" ist es gleichgültig, ob das Eine oder das Andere in das Gebäude selbst bewirkt wurde, aus welchem demnächst gestohlen worden ist, oder in einen mit dem letzteren in Verbindung stehenden umschlossenen Raum. 26. „Einbruch" ist die gewaltsame Eröffnung eines Eingangs (Zugangs) in ein Gebäude oder in einen umscklosienen Raum, bei welcher die Substanz der Um­ schließung oder ihr mechanischer Zusammenhang verletzt wird: Schw. f. 600 (590); DreSd. 5. April 72. 12 Jan. 74 (SGZ. XV, 258; XVIII, 157: Oeffnen einer Thüre durch Rütteln. Heben, Stoßen genüge nicht); vgl. n. 40; contra: V, 7. Juni 71 (RdO. XII, 313: erachtete jede gewaltsame d. h. mittels einer widerrechtlichen Kraft­ anstrengung ausgeführte Oeffnung (eines BehältniffeS) für ein „Erbrechen"). — Als im mechanischen Zusammenhange stehend ist alles Verbundene anzusehen. waS nach seiner Bestimmung in der ungetrennten Verbindung bleiben soll, z. B. daS Gefüge eines BehältniffeS, das Gehänge einer Thüre (trotz ihrer Beweglichkeit). Ist dieser mechanische Zusammenhang aufgehoben worden, so bedarf eS einer Snbstanzverletznng (eines „Brechens") nicht; vgl. Z. 20. Jan. 69 (RdO. X, 36); cit. Dresd. 5. Apr. 72. Daher ist das (ohne Beschädigung bewirkte) Auöheben eines verschloffenen Thor-

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flügelS ein Einbruch: Beschl. Pl. 5. Mai 56 (JMbl. s. 183); contra: OStA. Wolsenb. 14. März 74 (StZ. III, 344); ebenso da« Lockern und Ausziehen eines Nagels, HaSpenS oder einer Schraube, die Herausnahme einer Fensterscheibe durch Zu­ rückbiegen der Bleieinsastung: DreSd. lO.Febr. 71, 13. April 74, (SGZ. XV, 118; XVIII, 283); contra: Mertel i. HH. III, 676; nicht aber das ohne Beschädigung . ersolgende Auöeinanderbiegen der lockeren Thorflügel eines verschlossenen ScheunenIhorS: BI. 12. Zan. 55, ZI. 29. Jan. 79 (Entsch. 29 f. 418; RdO. XX, 50); contra: Beschl. 10. Juni 63 (RdO. IX, 369). Vgl. n. 35. 40. 27. Das Maß der anzuwendenden Kraftanstrengung (Gewalt n. 26) ist mit Rücksicht auf den zu bewältigenden sachlichen Widerstand zu bemessen; die GewaltHandlung darf nicht lediglich aus dem Grunde negirt werden, weil die Krastaustrengung eine nur unbedeutende, nicht gesteigerte gewesen sei: V. 30. Sept. 68, Z. 20. Jan. 69 (RdO. IX, 526; X, 36). Da« Zerbrechen einer Fensterscheibe ist Einbruch: DI. 24. Febr. 60 c. Lehmann. Dasselbe gilt von dem Zerreißen eines Gazefensters oder der Papierverklebung, welche den leeren Raum einer fehlenden Fensterscheibe verschließt, vorausgesetzt, daß jene die Bestimmung hatten, das Eindringen von Außen zu verhindern. Aehnlich verhält es sich mit dem Durchschneiden eines die EingangSthüre zuhaltenden Strickes. Dagegen erkannte Stuttg. 20. Jan. 75 (StZ. IV, 365), daß das Zerschneiden eine- das Fenster festhaltenden BindfadenS nicht (nothwendig) einen Einbruch darstelle. 28. Nur das von Außen bewirkte Eindringen in das Gebäude oder den verschloffenen Raum ist „Einbruch", nicht dasjenige, durch welches der Dieb im Innern eines Gebäudes rc. in einen ihm hier versperrten Raum dringt; in einem solchen Falle kann nur von dem „Erbrechen eines Behältnisses" die Rebe sein; vgl. n. 18. 33. 38. 39. 29. Einem Einbrüche steht eS nicht gleich, wenn der Dieb vor Verübung deö Diebstahls die zum Verschlüsse bestimmten Vorrichtungen beschädigt, und dadurch den demnächstigen Verschluß unmöglich macht: VI. 3. Juli 57 (GA. V, 698). Dagegen trifft der § zu. wenn die frühere Beschädigung selbst schon den Charakter eines Einbruchs an sich trug, der Diebstahl aber erst nach einem Zwischenräume unter Benutzung dieses früher bewirkten Einbruchs erfolgt; vgl. n. 30. 30. Ein Diebstahl kann (vom Urheber desselben) nur daun „mittels Ein­ bruchs oder Erbrechens eines Behältnisses" verübt sein, wenn er selbst oder ein Theilnehmer am Diebstahl den Einbruch rc. rc. verübt hat: Beschl. Pl. 14. Sept. 57 (Entsch. 37. 2. s. 22); BII. 20. März 68 (RdO. IX, 148); DreSd. 23. Iuui u. 1. Aug. 73 (StZ. III, 117 ; SGZ. XVII, 271); HS. II, 472 n. 5; vgl. § 47 n. 10. 25. Es genügt daher nicht, wenn der Dieb eine vorgefundene, von einem Andern zu einem andern Zwecke (berechtigter oder unberechtigter Weife) gewaltsam bewirkte Oeffnung zur Ausführung des Diebstahls benutzt hat (er hat dann nicht den „Einbruch rc." d. h. nicht die Handlung des Andern, sondern nur den von diesem hergestellten sachlichen Zustand der Oeffnung benutzt). DreSd. 21. April 76 (SGZ. 21 s. 52) nahm AehnlicheS sogar in einem Falle an. wo die Beseitigung eines Ver­ schlusses (vgl. § 243 Nr. 4) in diebischer Absicht und von einem Mitthäter, aber vor dem Eingehen der Diebstadlsgemeinschaft bewirkt und dies seinem späteren Genossen bei Verübung deS Diebstahls bekannt war; hier sei der erstere wegen schweren, der letztere wegen leichten Diebstahl« zu bestrafen; ähnlich: 9311. 24. Okl. 78 (RdO. XIX, 477); vgl. übrigens $ 47 n. 25. 26. Dagegen gehen die oben citt. Ent­ scheidungen. sowie Hälichner, Schütze s. 437 und Schwarze (,. 610 (601); SGZ. XVII, 33) zu weit, wenn sie verlangen, daß der Dieb (oder ein Thellnehmer) den Ein­ bruch zum Zwecke der Verübung deS (desselben?) DiebstablS vorgenommen habe; dem Erfordernisse des § ist vollkommen genügt, wenn der Dieb rc. einen von ihm rc. zu einem andern Zwecke z. B. zu einem andern oder zu einem früher ausge­ führten Diebstahle vorgenommenen Einbruch rc. in Folge eines neuen Entschlusses zu dem nunmehr verübten Diebstahl benutzt: ZU. 12. Apr. 55 (GA. III, 546); Merkel i. HH. in, 678; contra: Beschl. 19. Febr. 69, BII. 21. März 78 (RdO. X, 103; XIX, 156). Die Nichtigkeit dieses Satzes ergiebt sich (arg. e contrario) aus der Nr. 7, in welcher ausdrücklich hervorgehoben ist. daß der Thäter sich in diebischer Absicht eingeschlichen habe. Da« gilt namentlich auch da, wo Derjenige, welcher einen Einbruch verübt hat, um eine mit einer geringeren Strafe bedrohte

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TH1. n. Abschn. XIX. Diebstahl

und

Unterschlagung. - § 243 Nr. 2.

Entwendung (z. B. im Sinne des § 370 Nr. 5) vorzunehmen, in Folge eines neuen Entschlusses demnächst die Gelegenheit benutzt, um einen gemeinen Diebstahl zu be­ gehen: Münch. 16. Oft. 72 (StRZ. XIII, 69); Darmst. 9. Dez. 72 (HEntsch. s. 19). Im Uebrigen vgl. n. 36. 43. 31. Da das Gesetz hier das Zusammentreffen des Diebstahls mit dem (eine Sachbeschädigung nothwendig in sich schließenden: n. 26) Einbrüche zum Gegenstände einer besonderen Strafandrohung gemacht hat, so kann die Borschrift de« § 73 hier keine Anwendung finden; vgl. dort n. 6. Dagegen steht die Straf­ losigkeit oder Unverfolgbarkeit des Diebstahls der Verfolgung und Bestrafung wegen Sachbeschädigung nicht entgegen; vgl. § 247 n. 21. 32. „Einsteigen" ist der von Außen bewirkte Eintritt in ein „Gebäude" oder einen „umschlossenen Raum", welcher mittels körperlicher Ueberwindung einer das Eindringen von Menschen hindernden sachlichen Abschließungsvorrichtung geWonnen ist. Daß diese Abschließung eine vollständige Umschließung bilde, wird bei einem Gebäude nicht erfordert (n. 13); dagegen liegt eine vollständige Umschließung im Begriffe de« „umschlossenen Raumes", die aber dadurch nicht aufgehoben wird, daß in den letzter» zur Zeit unverschlossene Eingänge führen (n. 21). 33. Nur der von Außen in ein Gebäude rc. bewirkte Eintritt stellt eia „Einsteigen" dar, nicht daS im Innern eines Gebäudes bewirkte Eindringen in eine verschlossene Abtheilung desselben (diese ist ein „Behältniß", vgl. n. 38): Beschl. 19. Febr. 69, Stuttg. 24. Dez. 74 (RdO- X, 103; StZ. IV, 364); contra: Dreöd. 29. Sept. 71, Jena 30. Okt. 72, Manh. 7. April 77, Münch. 4. Febr. 78 (StZ. I, 119; II, 181; BAnn. 43 s. 212; BEntsch. VIII, 50); ML. s. 467; Schw. f. 601 (591: für den Fall, wo die Abtheilungen in einem Hause „völlig" getrennt seien). — Der Dieb muß in das Innere des Gebäudes eingedrungen fein; ein äußeres Hinan, oder Hinaufsteigen an einem Gebäude, um etwas von den äußeren Bestandtheilen desselben (z. B. das Blei der Dachrinnen) oder aus dem Innern mittelst Durchgreifens von Außen her zu stehlen, genügt hier nicht: V. 7. Apr. 52, DreSd. 13. Nov. 72, Münch. 25. April 74 (GA. I, 94; SGZ XVH, 57; StZ. IV, 51); contra: Meyer f. 191 n. 7; vgl. n. 23. Das Eindringen mit einem Theile des Körpers genügt, wenn dadurch der Schwerpunkt in das Innere des Gebäudes ge­ bracht ist; vgl. Manh. 20. Sept. 73 (StZ. HI, 115); Schütze f. 437; contra: Schw. f. 601 (591). 34. Wesentlich für den Begriff ist die Ueberwindung einer das Eindringen von Menschen hindernden sachlichen Abschließungövorrichtung (n. 32): eine Vorrichtung, welche in Wahrheit gar nicht hindert und durch die gewöhnliche Fort­ bewegung deS Körpers (z. B. durch ein Ueberschreiten) überwunden werden kann, genügt dazu nicht: Manh. 1. März 73 (BAnn. 39 s. 136), DreSd. 10. Mai 75 (SGZ. XX, 16). Ist dagegen ein wirkliches sachliches Hinderniß überwunden wor­ den, so kommt auf seine Bedeutendheit und auf die Art der dasselbe überwindenden Körperbewegung Nichts an: ein Durchkriechen durch eine vorhandene, aber nach Lage oder Enge den freien Zugang nicht gewährende Oeffnung genügt: Jena 8. Juni 71, DreSd. 6. Aug. 72 (StZ. I, 79; II, 103); ebenso das Durchklettern, Durchwaten oder Ueberspringen eines einen Raum abschließenden (Wasser-) Grabens: DreSd. 27. Mai 72 (StZ. II, 105); vgl. n. 35. 35. Außerdem wird zum Wesen des „Einsteigens" erfordert, daß die benutzte Oeffnung nicht nach der baulichen Einrichtung deö betretenen Raums in bleibender Weise zum Eingänge für Menschen bestimmt sei. Dagegen ist ein „Ein­ steigen" nicht ausgeschlossen, wenn der Eigenthümer rc. rc. sich der Oeffnung ge­ legentlich selbst zum Betreten deS Raums bedient hat. Dgl. ZI. 3. Juli 74 (RdO. XV, 475), DreSd. 11. Juni 75 (SGZ. XX, 30). Ebenso verschlägt es Nichts, wenn einer Oeffnung, welche nach ihrer baulichen Einrichtung und äußern Erschei­ nung zum Eingänge nicht dienen soll, vom Eigenthümer diese Eigenschaft in beschränktet» Maße (für gewisse Personen und zu gewissen Geschäften) beigelegt ist: ZI. 20. Jan. 65 (RdO. V, 427). Bei einer horizontal in zwei Hälften getheilten Thüre ist die Benutzung der oberen Hälfte zum Eintritte während deS Verschlusses der unteren keine bestimmungsmäßige; dasselbe gilt von dem Durchkriechen durch eine unter dem Thore frei bleibende Oeffnung. Dgl. ZI. 6. Jan. 54, DrcSo.

Thl. ll. Abschn. XIX. Diebstahl und Unterschlagung. - § 243 Nr. 2.

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6. Aug. 72, 11. Juni 75, 22. gebt. 78 (GA. II, 258; StZ. II, 103, SGZ. XX, 30; XXII, 247); vgl. n. 34. Dagegen liegt kein Einsteigen vor, wenn der Dieb die Flügel eines geschlossenen Scheunenthors soweit auseinandergedrückt hat, daß ein Durchwinden möglich war: BI. 12. Jan. 55 eit. n. 26. — Daß die Benutzung einer nur zum Eingänge der Thiere bestimmten Oeffnung (z. B. einer niedrigen Stallthüre, einer Hühnerleiter) den Begriff des Einsteigens nicht ausschließe, ist selbst­ verständlich: ZII. 21. Sept. 67 (RdO. VIH, 450). 36. Damit ein Diebstahl ..mittels EinsteigenS" verübt sei, ist eS nicht un­ erläßlich, daß das Einsteigen stattgefunden habe, um im Gebäude zu stehlen; der § trifft auch dann zu, wenn der Dieb, erst nachdem er (aus anderer Veranlassung) unbefugt eingestiegen war, den Entschluß faßte, dort zu stehlen: D. 29. Okt. 52 c. RichlewSki; contra: Beschl. Pl. 14. Sept. 57 (cit. n. 30); Münch. 26. Oft. 72 (BEntsch. II, 268); DreSd. 8. März u. 10. Dez. 75 (StZ. V, 353; SGZ. XX. 254: selbst für den Fall, wo der Thäter zur Verübung einer Entwendung im Sinne des § 370 Nr. 5 eingestiegen sei, dann aber auch andre Dinge stehle); Wolfenb. 14. Nov. 76 (Dr. Z. 24 s. 6: nahm zwar in letztgedachtem Falle „Einsteigen" an, nicht aber dann, wenn der Dieb blos aus Muthwillen, Neugier re. oder zur Ver­ übung eines ganz anderen Vergehens z. B. einer Sachbeschädigung eingestiegen sei); vgl. n. 30. 43. 46. 37. Der Diebstahl ist nur dann „mittels" Einbruchs (EinsteigenS) verübt, wenn diese alS Mittel zur Ausführung desselben gedient, nicht also dann, wenn dieselben erst nach Vollendung des Diebstahls stattgefunden haben, z. B. um den AuSgang aus dem Gebäude zu erlangen: Beschl. I. 13. März 67 (RdO. xni, 166).

38. „Behältniß" ist eine verschließbare Räumlichkeit, welche entweder einen Theil eines Gebäudes bildet, oder für sich allein eine bewegliche zur Aufnahme an­ derer Gegenstände bestimmte Sache darstellt; sonach gehören auch die einzelnen ab­ schließbaren Gelaffe (Zimmer, abgetheilte Wohnungen, ein durch Latten abgeschloffener Theil des Kellers) in einem Gebäude hierher: DreSd. 1. Sept. 73, Stuttg. 29. Apr. 74, ZI. 1. Nov. 78 (SGZ. XVII, 310; StZ. IV, 50; RdO. XIX, 510); contra: Manh. 7. April 77 (cit. n. 33); vgl. n. 33. Im Uebrigen kommt auf die Beschaffen­ heit der Räumlichkeit, den Stoff, aus welchem sie gefertigt, sowie den Zweck, für welchen sie bestimmt ist, Nicht« an; insbesondere ist eS nicht erforderlich, daß sie die Bestimmung habe, die darin befindlichen Gegenstände gegen Diebstahl zu schützen (Beisp.: ein Weinfaß: ZI. 7. Apr. 54, GA. II, 555). Ebenso ist eS gleichgültig, ob ihre Erbrechung leicht oder schwierig war: ein Sack oder Ballen ist ein Be­ hältniß: Beschl. 1. 16. Sept. 59, Dreöd. 5. Juni 71, 1. April 78 (GA. VII, 841; StZ. I, 90; SGZ. 22 f. 275); ebenso eine thönerne re. Sparbüchse. Dagegen genügt eine nur das AuSeinandersallen verhindernde Umhüllung nicht: ZI. 12. Okt. 59 (GA. VII, 839), cit. DreSd. 1. April 78. Ebenso ist Dasjenige kein Behältniß, was selbst mit den darin befindlichen Sachen ein Ganzes bildet und für seine BeNutzung wesentlich ist, z. B. ein Kissen mit den darin enthaltenen Federn re.: Beschl. I. 12. Dez. 62 (RdO. HI, 174); dasselbe dürfte von einem verschlossenen Briefeouvert gelten. 39. DaS Behältniß muß „erbrochen" fein; es wird somit ein vorhandener Verschluß vorausgesetzt. Ob da- Derschlußmittel ein stärkeres oder schwächeres war, macht keinen Unterschied: da« Zunähen eines Sackes, die Versiegelung eines Packet« oder die trockene Lehmverklebung eines Bienenkorbs genügt: DI. 28. Okt. 53 (GA. II, 123); DreSd. 5. Juni 71 (cit. n. 38); contra (in Betreff der Versiegelung einer Emballage): Münch. 2. Dez. 72 (StZ. II, 182). 40. Der Begriff des „Erbrechens" ist dem des „Einbruchs" (n. .26ff.) entsprechend. Er bezeichnet eine Verletzung der Substanz oder des mechanischen Zusammenhanges, durch welche der durch das Behältniß selbst und durch daS Verschluß­ mittel dem Eindringen entgegengesetzte Widerstand überwunden wird, z. B. das Lockern oder Zurückbiegen oder Herausziehen eines Nagels oder einer Schraube (: DreSd. 1. Sept. 73, SGZ. XVII, 310); die Zerreißung einer Zeugumschließung oder das Durchschneiden eines Bindfadens; vgl. DreSd. 1. April 78 (eit. n. 38);

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Thl. II. Abschn. XIX. Dieifl-Hl und Unterschlagung. - § 243 Nr. 2.3.

3) der Diebstahl dadurch bewirkt wird, daß zur Eröffnung eines Gebäudes oder der Zugänge eines umschlossenen Raumes, oder zur Eröffnung der im Innern befind­ lichen Thüren oder Behältnisse falsche Schlüssel oder contra: Merkel i. HH. III, 677. — Der Begriff deS „Erbrechens" wird dadurch nicht aufgehoben, daß auch der berechtigte Inhaber nur durch einen ähnlichen Ge­ waltakt in das Innere zu dringen im Stande war. Dagegen ist die (ohne Zer­ störung erfolgende) Benutzung des bestimmungsmäßig nicht blos zum Verschließen sondern auch zum Wiedereröffnen dienenden Hülfsmittels kein Erbrechen, z. B. das Losknoten eines Bindfadens: Befchl. I. 5. Mai 69 (RdO. X, 291); vgl. n. 68. 41. Der Diebstahl muß „auS dem Gebäude mittels Erbrechens des Be­ hältnisses" verübt fein: das ist anzunehmen, wenn der Dieb sich deS BehSltniffeS, welches die zu stehlende Sache enthält, im Gebäude bemächtigt und daffelbe noch innerhalb der Räume des Bestohlenen erbrochen hat: Z. 20. Apr. 72, BI. 3. Okt. 77 (RdO. XIII, 271; XVIII, 617). Dagegen gehört der Fall nicht hierher, wo daö ganze Behältniß gestohlen und erst nach Vollendung deS Diebstahls draußen er­ brochen wird, um zum Inhalte zu gelangen: BI. 2. Okt. 72 (RdO. XIII, 490); contra: Puch. n. 2. Dgl. n. 23. 70. 42. Auch der an sich zur Eröffnung eines Behältnisses Befugte verwirkt die Strafe des § 243, wenn er mittels Erbrechens desselben einen Diebstahl verübt: ZI. 26. Sept. 56 c. Große.

43. Der Diebstahl ist auch dann „mittels Einbruchs, Einsteigens oder Er­ brechens eines Behältnisses" verübt, trenn der Dieb sich auf diesem Wege nur deS (echten) Schlüssels bemächtigt hat, deffen er sich zum Eröffnen des die Gegen­ stände des demnächstigen Diebstahls enthaltenden GelaffeS bediente: VII. 17. März 64 (RdO. IV, 426); vgl. n. 56; vorausgesetzt, daß der Einbruch rc. von vorn herein zum Zwecke der Verübung des Diebstahls in der gedachten Weise stattfand, so: DreSd. 19. Febr. u. 23. Juli 75 (SGZ. XIX, 233; XX, 76); Jena 29. Jan. 79 (Doll. 26 f. 164); vgl. jedoch n. 30. 36. 44. In Betreff der Betheiligung Mehrerer an einem unter die Nr. 2 fallenden Diebftadl vgl. n. 30; § 47 n. 10. 25. — In Betreff des Versuches eines solchen vgl. oben n. 6.

Zu Nr. 3 45. Ueber die Begriffe „Gebäude", „umschlossener Raum" und „Be­ hältniß" vgl. oben n. 13—16. 17—22. 38-40. 46. Nr. 3 erheischt Bewirkung deS Diebstahls durch „Anwendung" falscher Schlüssel rc.; diese Anwendung muß also durch einen beim Diebstahl Betheiligten geschehen; dagegen wird auch hier nicht erfordert, daß die Eröffnung rc. zum Zwecke des Diebstahls stattgefunden habe; vgl. n. 30; contra: Meyer n. 17. 47. Der falsche Schlüssel rc. muß „zur Eröffnung rc." angewendet sein; eS wird also ein Verschluß vorausgesetzt; war ein solcher vorhanden, so wird der § durch eine anderweitig vorhandene Zugänglichkeit der betr. Räumlichkeit nicht ausgeschlossen: ZI. 9. März 61 (RdO. II, 393). — Der Verschluß muß in einem Schlosse bestehen, d. h. in einem Mechanismus, welcher bei einer normalen BeHandlung die Eröffnung nur Demjenigen gestattet, welcher sich dazu des für denselben hergerichteten Werkzeuges (Schlüssels) bedient; somit reicht ein vorgeschobener Riegel, Pflock rc. nicht hin, insofern derselbe nicht mit einem Schlosse in der Art in Ver­ bindung gesetzt war, daß er von der Außenseite her nur durch den Schloßmechanis­ mus in Bewegung gesetzt werden konnte; contra: DreSd. 23. April 75 (SGZ. XIX, 366: im Falle der Anwendung „anderer rc. Werkzeuge" genüge jede andere Vorrichtung de« Zuschließen«, gleichviel, ob eS zur ordnungsmäßigen Eröffnung des Verschlusses eines Werkzeuges Überhaupt bedürfe oder ob dieselbe einfach durch Anwendung körperlicher Kraft bewirkt werden könne); vgl. n. 51. — Treffen die obigen Voraussetzungen zu, fo kommt daraus Nichts an, ob der Verschluß ein mehr oder minder mangelhafter war: ZI. 4. Jan. 67 (RdO. VIII, 9).

Thl. II. Abschn XIX. Diebstahl und Unterschlagung. — § 243 Nr. 3.

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andere zur ordnungsmäßigen Eröffnung nicht bestimmte Werkzeuge angewendet werden; 48. Ein Schlüssel ist ein „falscher", wenn er nicht zur Eröffnung des Schlosses bestimmt ist (vgl. den Schluß des §: „zur ordnungsmäßigen Eröffnung nicht bestimmte Werkzeuge''). DaS Recht, über einen Schlüssel und feine Zugehörig­ keit zu einem Schlosse Bestimmung zu treffen, steht dem Inhaber der Räum­ lichkeit zu, nicht dem Eigenthümer als solchem (die Motive f. 121 drücken sich hier ungenau auS): ein Schlüssel ist für ein Schloß bestimmt, wenn er nach der Ab­ sicht des Inhabers bleibend zur Eröffnung des letzteren dienen soll. Sonach ist ein vom Eigenthümer zurückbehaltener Duplikat-Schlüssel eines an einen Andern dermietheten Raumes ein „falscher Schlüssel": ZU. 26. Sept. 61 (RdO. I, 550); DreSd. 13. Sept. 75 (SGZ. XX, 122); contra: Meyer n. 16. 49. Der Hauptschlüssel eines Hauses ist für alle Schlösser bestimmt, zu deren Oeffnung er eingerichtet ist, sollte er auch bei dem einzelnen Schlosse nur aus­ nahmsweise zur Anwendung kommen: ZI. 21. Dez. 53 (GA. II, 125). Dagegen genügt die nur gelegentlich und aushülssweise erfolgende Benutzung eines Schlüssels für ein anderes Schloß nicht, um ihn als für dieses mitbestimmt zu betrachten. 50. Der verlorene oder entwendete echte Schlüssel hört damit nicht so­ fort auf, für das Schloß „bestimmt" zu sein; es kommt vielmehr hier wesentlich daraus an, ob der (zur Bestimmung berufene) Inhaber des Berschlußobjektes durch eine äußerlich erkennbare Handlung seinen Willen, daß jener Schlüssel künftig nicht mehr für dieses Schloß dienen solle, geäußert hat: DreSd. 9. Febr. 72 (StZ. I, 355). Ob eine Handlung (;. B. die Ersetzung des Schlüssels durch einen neuen) jenen Willen zum Ausdrucke bringe, fällt der thatsächlichen Beurtheilung des Einzelfalles anheim: ZII. 26. Sept. 61 (RdO. I, 550). Contra: ZI. 28. Juni 54 (GA. II, 691, wollte als falschen Schlüssel nur denjenigen betrachten, welcher nie für das Schloß bestimmt war); ähnlich: HS. II, 476; Meyer n. 15; Merkel i. HH. in, 67. 51. Mit Rücksicht auf das (n. 47) Gesagte sind unter den den falschen Schlüsseln gleichgestellten „anderen zur ordnungsmäßigen Eröffnung nicht bestimmten Werkzeugen" nur solche zu verstehen, durch welche der innere SchloßmechaniSmuS in Bewegung gesetzt und der dadurch bewirkte Verschluß aufgehoben wird; vgl. Z 30. Sept. 68 (RdO. IX, 526); DreSd. Il.Jan. 75 (StZ. V, 357: hier war der Schloßriegel durch eine Messerklinge zurückgedrückt worden). Demgemäß gehört die Benutzung eines anders gearteten Werkzeug-, durch welches an der Schließvorrichtung eine das Eindringen ermöglichende Zerstörung oder Veränderung vorgenommen wird, nicht hierher; sie kann nur als Einbruch (Erbrechung eines Behältnisses) unter Nr. 2 fallen; contra: DreSd. 1. Nov. 75 (SGZ. XX, 201: nahm die Anwendbarkeit der Nr. 3 in einem Falle an, wo ein Kasten ohne Beschädigung desselben und ohne Ein. Wirkung auf den inneren SchloßmechaniSmuS, lediglich durch Einzwängung einer Messerklinge zwischen Deckel und Schloßkasten geöffnet worden war). 52. Nach den Motiven (s. 121) sollte durch die Bezeichnung der „anderen Werkzeuge" als „nicht zur ordnungsmäßigen Eröffnung bestimmter" zum Aus­ drucke gebracht werden, daß ein vom Inhaber selbst zur Eröffnung verwendetes „anderes Werkzeug" den sonst gebräuchlichen Schlüffe! vertrete und daher ebenso­ wenig wie der richtige Schlüssel als ein Diebesinstrument angesehen werden könne, dessen Anwendung den Diebstahl zum schweren mache. Dabei wird aber voraus­ gesetzt, daß der Inhaber ein solches „andere- Werkzeug" regelmäßig und fortdauernd zur Eröffnung benutze und ihm dadurch die „Bestimmung", jenem Zwecke zu dienen, beilege (vgl. n. 48); ein nur vorübergehender Gebrauch (z. B. wenn der Schlüssel verlegt oder der au die Stelle eines verlornen tretende Schlüssel noch nicht fertig gestellt ist) reicht dazu nicht au-. Auch versteht es sich von selbst, daß nur daS individuelle vom Inhaber benutzte andere Werkzeug als LaS „ordnungsmäßige zum Eröffnen bestimmte" angesehen werden kann; von einem andern gleich gearteten und geformten gilt nicht dasselbe. 53. Die Worte „im Innern" beziehen sich sowohl auf da- „Gebäude" als auf den „umschlossenen Raum". 54. Zum Thatbestände genügt die Eröffnung des Gebäude- rc.; eine- Ein­ tritt- in dasselbe bedarf es nicht.

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Thl. n. Mschn. XIX. Diebstahl und Unterschlaguvg. — §243 Nr. 3.4.

4) auf einem öffentlichen Wege, einer Straße, einem öffent­ lichen Platze, einer Wasserstraße over einer Eisenbahn, oder in einem Postgebäude oder dem dazu gehörigen Hofraume, oder auf einem Eisenbahnhofe eine zum 55. Hai der Angeschuldigte den gebrauchten Schlüssel irriger Weise für den richtigen gehalten, so wird § 59 anwendbar. 56. Ein Diebstahl ist auch dann „mittels falschen Schlüssels rc." verübt, wenn durch denselben nur das Behältniß geöffnet wurde, welches den richtigen Schlüssel enthielt, und wenn dann mit diesem das die betr. Sachen enthaltende Behältniß geöffnet worden ist: ZI. 11. Aug. 59 (GA. VH, 715); 3311. 27. Sept. 60 c. Probst; vgl. n. 43. 57. Die Strafe der Nr. 3 trifft auch denjenigen, welcher in der eigenen Wohnung einen Diebstahl durch Eröffnung eines (in fremdem Gewahrsam befind­ lichen) Behältnisses mittels falschen Schlüssels ausführt; contra: DI. 6. April 53 (Entfch. 25 f. 247); vgl. n. 24; § 242 n. 32. 58. In der schwurgerichtlichen Fragstellung können unbedenklich die Ausdrücke „falscher Schlüssel" oder „andere zur ordnungsmäßigen Eröffnung nicht be­ stimmte Werkzeuge" beibehalten werden. Gleichwohl empfiehlt es sich hinzuzusetzen, daß jenes Werkzeug „zur Eröffnung des Schloßmechanismus" angewendet worden sei; vgl. DI. 18. Oft. 54 c. Zirkel. Unter der Herrschaft der RStPO. ist stets an der abstrakten Fassung des Strafgesetzes festzuhalten; vgl. n. 17 a. E. 59. In Betreff des Versuchs vgl. n. 6 und in Betreff der Tauglichkeit eines für das Schloß nicht paffenden Schlüssels § 43 n. 9.

Zu Nr. 4. 60. „Oeffentliche Wege" find nicht blos Land- und Heerstraßen, sondern alle zu Jedermanns Benutzung dienenden Wege, auch wenn sie über ein Privat­ grundstück führen; z. B. ein Fußsteig: ZU. 7. Juli 53 (Entfch. 26 f. 157). 60a. „Oeffentlicher Platz" ist ein dem Staate oder der Gemeinde ge­ höriger, zum bleibenden Gebrauche des Publikums bestimmter Platz, selbst ein auf freiem Felde befindlicher; der Raum, welcher von einem solchen Platze, um als Circus rc. zu dienen, abgesteckt wird, verliert dadurch jene Eigenschaft nicht, sollte er auch nur gegen Bezahlung zugänglich sein; so: v. Buri i. GSaal 29 Beil. s. 41. 61. „Wasserstraße" bezeichnet hier alle schiffbaren Dinneuwäffer (Flüsse, Kanäle, Landseen, Haff), im Gegensatz gegen die „offene See" (§ 250); so: MeveS i. StRZ. XIII, 422. 61a. Unter einer „Eisenbahn" ist hier nur eine öffentliche, mithin z. B. keine Zechenbahn zu verstehen. Doch unterscheidet der § nicht unter Lokomotiv- und Pferde­ bahnen; so: MeveS i. GSaal 26 s. 262ff.; v. Buri 1. c.; contra: DreSd. 20. April 74 (StZ. V, 164); vgl. § 250 n. 4; § 315 n. 2. Der Ausdruck bezieht sich jeden­ falls nur auf den Schienenweg in seiner bestimmungsmäßigen Benutzung, nicht also auch auf den Bahndamm oder das Bahnplanum: Meves I. c. 62. „Postgebäude" umfaßt nicht nur die speciell zum Postdienste bestimmten Räumlichkeiten, sondern alle mit den letzteren in unmittelbarer Verbindung stehenden Räume desselben Gebäudes, z. B. den Flur, die Treppen. 63. Der Eisenbahnhof umfaßt die Eiseubahngebäude (einschließlich der Güterböden: DreSd. 22. Jan. 75, StZ. V, 359) mit, soweit fie nicht dem Privat­ gebrauche überlassen find. Außer ihnen gehören dazu der Perron, da« Planum des Bahnhofs und in gewissem Betrachte die Nebengeleise, nicht aber der vor dem Stationsgebäude befindliche s. g. Vorplatz: MeveS 1. c. 64. „Reisegepäck" ist alles, was ein Reisender mit oder bei (an) sich führt, um es auf der Reise zu haben; auf den ferneren Zweck kommt Nichts an; eS gehört sonach auch Dasjenige hierher, was auf der Reise ge- oder verbraucht werden soll; contra: Merkel i. HH. in, 680. Ein Reisender ist Derjenige, welcher von seinem bisherigen Aufenthalts.Orte sich an einen andern begiebt, um dort eine Verrichtung vor- oder zeitweise Aufenthalt zu nehmen; ein bloßer Spaziergänger gehört nicht hierher; wohl aber ein Fuhrmann: Dn. 25. Apr. 61 (RdO. I. 357).

Thl. IL

abfit 11. XIX. Diebstahl und Unterschlagung. — § 243 Nr. 4. 511

Reisegepäck oder zu anderen Gegenständen der Beför­ derung gehörende Sache mittels Abschneiden- oder AblösenS der BefestigungS- oder BerwahrungSmittel, oder durch Anwendung falscher Schlüffel oder anderer zur ordnungsmäßigen Eröffnung nicht bestimmter Werkzeuge gestohlen wird; 65. „Gegenstand der Beförderung" ist eine Sache, sobald sie auf (in) eine der in der Nr. 4 aufgezählten Räumlichkeiten gebracht ist, um aus (auf) der­ selben weiter geschickt zu werden. Somit gehören solche Gegenstände, welche eine dort befindliche Person zufällig bei sich führt, nicht hierher; dasselbe gilt von Theilen des Transportmittels, sowie seiner Ausrüstung. — Daß die Sache einer VerkehrSanstalt (Post, Eisenbahngesellschaft ic.) zur Weiterschaffung übergeben sei, wird nicht erfordert; eS genügt, wenn sie irgendwie weiter geschafft wird oder werden soll, selbst wenn dieses durch ein einzelnes Transportmittel (z. B. einen Handwagen) geschieht: DreSd. 11. Nov. 72 (SGZ. XVII, 45; StZ. n, 184), oder wenn ein Einzelner die zu befördernde Sache selbst trägt. Contra: MeveS 1. c. in speziellem Bezug aus daS Eisenbahnwesen. (Er unterscheidet zwischen dem Reisegepäck und den anderen Gegenständen der Beförderung; letztere erhielten diese Eigenschaft erst im Augenblicke ihrer Uebernahme durch die Bahnverwaltung; beim Reisegepäck sei die Frage wesent­ lich thatsächlicher Natur; hier könne schon die Uebergabe an den Gepäckträger ge­ nügen.) AuS dem Gesagten folgt, daß eine Sache „Gegenstand der Beförderung" sein kann, auch wenn sie augenblicklich nicht fortbewegt wird; z. B. wenn der Wagen, aus welchem sie befördert wird oder befördert werden soll, auf der Straße hält, oder wenn das Schiff vor Anker liegt: ZKH. 30. Sept. 51 (IMbl. f. 364); ZI. 19. Oft. 53 (GA. I, 714), oder wenn die zu transportirende oder tranSportirte Sache sich zum Zwecke der Aus-, Ein- oder Umladung an einem jener Orte be­ findet: Beschl. I. 26. Zuni 65 (RdO- VI, 220). — Ein schwimmender Fischkasten, welcher an seinem Platze bleibt, ist selbstverständlich kein Gegenstand der Beförderung: Manh. 7. Sept. 72 (DAnn. 38 s. 305). 66. „BefestigungSmittel" sind diejenigen Vorkehrungen, welche dazu dienen, einen Beförderungsgegenstand rc. mit dem Beförderungsmittel oder auf demselben mit andern BeförderungSgegenständen in eine feste Verbindung zu bringen, damit die Sicherheit des Transports erhöht werde: Münch. 30. Nov. 72 (StZ. H, 184: beil.). Dagegen scheidet Dasjenige aus, was nur den Zweck hat, die Reibung zweier Gegenstände zu verhindern; es kann daher nicht ohne Weiteres als ein BefestignngSmittel angesehen werden, wenn ein BesörderungSgegenstand auf eine Karre in der Art verpackt ist, daß er mit Säcken und dgl. umstopft war; vgl. Beschl. I. 13. Sept. 54 c. Bennin. 67. „Verwahrung Smittel" sind alle Einschließungen oder Umhüllungen, welche dazu dienen, den Gegenstand während des Transports (nicht blos vor den Einwirkungen der Witterung, sondern) vor Eingriffen von außen und vor dem Auöeinanderfallen oder-Fließen zu verwahren: ZU. 7. Juni 66 (RdO. VH, 330). Daffelbe umfaßt daher alle TranSportbehältniffe, z. B. Kisten, Säcke, FLffer und dgl.: DI. 25. März 63 (RdO. m, 367); Münch, (eit. n. 66). 68. Mit Rücksicht auf die Bedeutung der Worte „Befestigung«- oder DerwahrungSmittel" (n. 66. 67) sind auch die Worte „Abschneiden und Ablösen" dahin zu deuten, daß sie jede in gewaltthätiger Weise bewirkte Eröffnung oder Be­ seitigung jener Mittel umfassen: HS. II, 482; contra: Merkel i. HH. HI, 680. ES gehört daher auch das Erbrechen einer Kiste, eines Koffers rc. hierher- Beschl. I. 1. Juli 63 (RdO. III, 351); Münch, (cit. n. 66); ebenso daS Anbohren eines FaffeS: Beschl. I. 16. März 55 (GA. IH, 569); oder daS Ausschneiden eines Sacks: BI. 25. März 63 (cit. n. 67); oder da« Durchschneiden eines Stricks, mit welchem die die gestohlenen Gegenstände enthaltende Kiste zugebunden war: ZI. 19. Oft. 53 (GA. I, 714). Dagegen dürfte das bloße Aufbinden eines Sacks nicht genügen: 23L 18. Juli 55, Meckl. OG. (GA. HI, 704; GSaal 26 f. 547); ebenso nicht ein

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Thl. II. Abschn. XIX. Diebstahl und Unterschlagung. — § 243 Nr. 4—6.

5) der Dieb oder einer der Theilnehmer am Diebstahle bei Begehung der That Waffen bei sich führt; 6) zu dem Diebstahle Mehrere mitwirken, welche sich zur Loöknoten, weil sonst auch die Anwendung des echten Schlüssels ausreichen müßte; contra: DreSd. 10. Nov. 73 (StZ. III, 345); Schütze s. 438 n. 17; MeveS i. StRZ. XIII. 423; vgl. d. 40. 69. In Betreff der „Anwendung falscher Schlüssel" vgl. n. 46ff. Aus der Gleichstellung derselben mit dem Abschneiden rc. der BesestigungSmittel rc. er­ hellt, daß jener Ausdruck nur auf die mittels falscher Schlüssel bewirkte Eröffnung der Berwahrmittel, z. B. der verschlossenen Eisenbahnwagen, oder der verschloffenen Kisten zu beziehen ist. nicht also ans die Eröffnung verschlossener Räume auf Post, und Eisenbahnhöfen rc.; liegt eine-solche vor, so wird Nr. 3 anwendbar. 70. Der Diebstahl muß „mittels bei Abschneiden- rc. der Befepigungömittel rc." bewirkt sein: sonach gehört der Fall nicht hierher, wo da- ganze Be­ förderungsmittel, z. B. ein Wagen mit der Ladung von einer der gedachten Oertlichkeiten gestohlen, oder wo vom Beförderungögegenstande selbst ein Theil ab­ geschnitten worden ist: Beschl. I. 22. Sept. 65 (RdO. VI, 327); DreSd. 28. März 73 (SGZ. XVH, 109; StZ. III, 12); vgl. n. 41. 71. Gleichgültig ist. ob der Diebstahl von einem Mitreisenden oder einem Dritten verübt wird: ZI. 19. Okt. 53 (cit. n. 68). Dagegen muß da- „Abschneiden" re. durch einen am Diebstahl Betheiligten bewirkt sein: DI. 25. Marz 63 (RdO. m, 367). In dieser Beziehung ist daö oben n. 30 Gesagte analog anzu­ wenden.

Zu Nr. 5. 72. ES ist gleichgültig, ob einer der Mitthäter oder ein Gehülfe die Waffe bei sich führt, vorausgesetzt, daß dieser „bei Begehung der That" (d. h. des Dieb­ stahls) anwesend und (als Gehülfe) mit thätig war: dagegen genügt es nicht, wenn ein Anstifter oder Gehülfe bei seiner nicht zur Zeit und am Orte des Diebstahls ausgeübten Thätigkeit eine Waffe bei sich führte. 73. Die Strafe der Nr. 2 trifft auch die unbewaffneten Betheiligten, welche von dem Waffensühren des Genosien Kenntniß hatten; vgl. § 57 n. 10. 25, OTr. 16. Mai 76 (GA. 24 s. 466).............................. 74. Der Begriff „Waffe" ist auch hier in dem zu § 123 n. 23, und zu § 223a. n. 3 entwickelten Sinne zu versieben: DreSd. 3. Mai 75 (SGZ. XX, 13); contra: v. Kries i. GA. 25 s. 48 (beschränkt den Ausdruck hier wie in den §§ 123. 250. 362 aus seine technische Bedeutung). Die Worte: „wenn der re. Waffen bei sich führt" sind gleichbedeutend mit den Worten: „eine mit Waffen versehene Person" im § 123 Abs. 3; daS dort unter n. 23—25 Gesagte findet sonach auch hier Anwendung. Demgemäß ist es gleichgültig, zu welchem Zwecke die Waffen mitgenommen wurden: OTr. 16. Mai 76 (cit. n. 73) und wird namentlich die Ab­ sicht, die Waffe eventuell zu gebrauchen, nicht erfordert, noch auch, daß eine mitge­ brachte Schußwaffe geladen war; vgl. ZI. 18. Dez. 74, Münch. 29. Aug. 74, Jena 76 (RdO. XV, 885, StZ. IV, 169; Voll. 24 s. 270). Hier wie dort genügt der Besitz einer einzigen Waffe. Im Uebrigen vgl. § 250 n. 2. 75. Treffen die Voraussetzungen dieser Nr. 5 zu, so ist diese auch auf den mittels einer Waffe verübten Wil'ddiebßahl (vgl. § 242 n. 9) anzuwenden, sollte der Dieb auch zur Führung der Waffe berechtigt oder gar verpflichtet gewesen sein: DU. 10. Okt. 61, ZI. 21. ii. 23. Okt. 68, 18. Dez. 74 (RdO. II, 2; IX, 573. 581; XV, 885); Puch. n. 5; Merkel i. HH. III, 682; contra: John Kritiken s. 95; HS. n, 479 Note 3 ; Schütze s. 435 n. 9; Schw. s. 605(596).

Zu Nr. 6 (Banden-Diebstahl). 76. AIS „Mehrere" sind auch zwei anzusehen. 77. Die Mehreren müssen „zum Diebstahle mitgewirkt" d. h. sie müßen sich an der Ausführung desselben unmittelbar (durch „That") betheiligt haben; ist

Thl. II Abschn. XIX. Diebstahl und Unterschlagung. - § 243 Nr. 6.7.

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fortgesetzten Begehung von Raub oder Diebstahl ver­ bunden haben, oder 7) der Diebstahl zur Nachtzeit in einem bewohnten Ge­ bäude, in welches stch der Thäter in diebischer Absicht eingeschlichen, oder in welchem er sich in gleicher Absicht dieses der Fall, so macht eS keinen Unterschied, ob jene Mitwirkung unter den Be­ griff der Mitthaterschast oder der Beihülse fiel; vgl. Münch. 19. Juni 74 (StZ. IV, 171); contra: Villnow, Raub ic. 1875, s. 29. Demgemäß gehören zwar wachestehende Personen, nicht aber Anstifter und Diejenigen hierher, welche nur durch „Rath" oder durch Gewährung der Werkzeuge Hülse geleistet haben. — Noch un­ zweifelhafter ist eS, daß Derjenige, welcher zwar der Verbindung angehörte, zum Einzeldiebstahle aber nicht mitwirkte, von der durch diesen verwirkten Strafe nicht betroffen wird; vgl. n. 79. Ebensowenig kommt die Nr. 6 gegen Denjenigen zur Anwendung, welcher fich, ohne der Verbindung anzugehören, am Diebstahle betheiligte: DreSd. 16. April 75 (SGZ. XIX, 362); contra: Billn. 1. c. f. 30. 78. Eine „Verbindung zur fortgesetzten Begehung von Diebstahl ic." liegt vor, wo Mehrere ihren Willen dahin vereinigen, durch wechselseitige Mitwirkung (als Thäter oder Gehülfen) eine Mehrheit selbstständiger nicht vorher individuell bestimmter Diebstähle rc. zu verüben (Bande): VI. 14. Jan. 59 (GA. VII. 395). Eine Beschränkung auf eine bestimmte Art von Diebstählen (z. B. auf „Ladendiebstähle") schließt die Nr. 6 nicht aus.- ZI. 29. Apr. 68 (RdO. IX, 295); dasselbe gilt von einer für eine begrenzte Zeit (z. B. während eines Jahrmarkts) eingegangenen Verbindung: Münch. 19. Znni 74 (cit. n. 77); Schütze s. 435 n. 10; Merkel t. HH. III, 686; contra: DreSd. 10. Juli 74 (SGZ. XIX, 19); Schw. s. 605 (596); Geyer i. HH. II, 416. — Eine GewerbSmäßigkeit des Handelns liegt nicht in jenem Begriffe: DreSd. 16. April 75 (cit. n. 77); auch darf man hier nicht an das f. g. fortgesetzte Verbrechen (§ 74 n. 3 ff.) denken. Dgl. n. 79. 79. Die „Verbindung rc." an sich ist durch Nr. 6 nicht unter Strafe ge­ stellt, das Mitwirken mehrerer so Verbundener ist vielmehr nur ein erschwerender Umstand des Diebstahls. Eben darum wird zur Anwendung der Nr. 6 nicht noth­ wendig eine Mehrheit begangener Diebstähle erfordert und zieht jeder einzelne, ein­ schließlich des zuerst verübten, die Strafe der Nr. 6 nach sich; im Falle einer Mehr­ heit liegt Realkonkurrenz vor: VI. 23. Okt. 72 (RdO. XIII, 539). Aus gleichem Grunde sind die mitverbundenen Gehülfen trotz des unter n. 77 Gesagten aus Nr. 6 in Verbindung mit § 49, und nicht ausschließlich auö Nr. 6 zu bestrafen; ebenso: Merkel i. HH. IV n. 409; contra: Münch. 19. Juni 74 (cit. n. 77).

Zu Nr. 7. 80. Der Grund der Strafschärfung für den nächtlichen Diebstahl liegt in der größeren Gefahr, welcher der Bestohlene, in Folge seiner nächtlichen Ruhe und der größeren Sicherheit des Thäters beim Mangel bereiter Hülfe, ausgesetzt ist. Des­ halb hängt die Entscheidung der Frage, ob eine bestimmte Stunde im Sinne des § als „Nachtzeit" zu betrachten fei, nicht von den zufälligen Umständen des EinzelfalleS und von den speziellen Lebensgewohnheiten der Bewohner des Hauses ab, in welchem der Diebstahl begangen wird, ist vielmehr durch die Jahreszeit und die all­ gemeine OrtSgewohnheit bedingt; demgemäß ist Nachtzeit die Nachtschlafenszeit der betr. Gegend, also diejenige Zeit der Dunkelheit, welche die Bewohner jener Gegend in der Allgemeinheit der nächtlichen Ruhe zu widmen Pflegen. Hiernach kann die Nachtzeit in einem Schanklokale, in welchem sich zur späten Stunde noch Gäste auf­ zuhalten Pflegen, nicht anders bestimmt werden, als in jedem anderen Hause: Zll. 9. Juni 55 (Entsch. 31 s. 250); DI. 10. Okt. 55 (GA. III, 842); Dreöd. 15. Dez. 71 (StZ I. 283); Stilb. n. 12; Schütze s. 437; BL. s. 533 (Zusammentreffen von Dunkelheit und Schlafenszeit); contra: AG. Oldenb. (Old. Arch. VII, 256); Schw. f. 607 (597: hält die Schlafenszeit der Hausbewohner für entscheidend); ähnlich: Manh. 4. Apr. 76 (BAnn. 42 f. 123); Ortloff i. StRZ. XI, 531 (die Zeit -wischen Sonnennnter- und Ansgang); ebenso: Merkel i. HH. III, 684; Haager i. DAnn. Oppenhoff, D. Strafgesetzbuch. 7. AuSg. ZZ

514 Thl. II. Abschn. XIX. Dieista-l und Unterschlagunz. - §243 Nr. 7.

verborgen hatte, begangen wird, auch wenn zur Zeit des Diebstahls Bewohner in dem Gebäude nicht an­ wesend sind. Einem bewohnten Gebäude werden der zu einem bewohnten Gebäude gehörige umschlossene Raum und die in einem solchen befindlichen Gebäude 39 s. 161; 44 s. 308 .Zeit der Dunkelheit vom Unter- bis Aufgang der Sonne); ähnlich v. Buri i. GSaal 29 Beil. f. 42. 81. Diese Nr. setzt „(tum Unterschiede von Nr. 1 und 2) voraus, daß der Diebstahl „in einem rc. Gebäude" verübt sei; ste findet keine Anwendung, wenn der Dieb fich während des Diebstahls nicht innerhalb des Gebäudes befunden, vielmehr jenen mittels Hineinlangend in das Gebäude von außen her ausgeführt hat: 931. 15. Juni 53 (Entsch. 26 s. 150). 82. Ueber den Begriff des „Gebäudes" vgl. oben n. 13 ff. 83. Ein Gebäude ist „bewohnt", wenn es regelmäßig (nicht blos vorüber­ gehend) zum Aufenthalte eines Menschen, insbesondere zur Nachtruhe dient: BI. 1. Juli 53 (GA. I, 574); vgl. § 306 Nr. 2 („ein Gebäude, welches zur Wohnung von Menschen dient"); somit gehört auch ein Stall hierher, in welchem Jemand seine gewöhnliche Schlafstelle hat: ZPl. 23. Jan. 54, DreSd. 15. Dez. 71 (Entsch. 27 f. 102; StZ. I, 283); vgl. jedoch ML. f. 470 n. 33. Im Uebrigen kommt ans das Maß der dem Bewohner gebotenen Bequemlichkeit (auf das Vorhandensein eines Schornsteins u. dgl.) Nichts an: Beschl. I. 15. Apr. 53 (IMbl. s. 231). — ES genügt nicht, wenn das Gebäude zum Bewohnen bestimmt ist: VH. 4. Dez. 56 o. Wahl. 84. Ein Gebäude gilt im Ganzen als bewohnt, auch wenn der Bewohner nur einzelne Räume deffelben benutzt. Als Theile jenes Ganzen sind alle Räum­ lichkeiten im Innern anzusehen, welche unter sich in unmittelbarer Verbindung (der Zugänglichkeit) stehen, also auch ein der Voraussetzung entsprechender (selbst nicht bewohnter: n. 83) Stall, (: ZI. 5. Okt. 53: GA. I, 710), unbeschadet der Vor­ schrift des Schlußsatzes des Abs. 1. 85. In Betreff des Begriffs des „umschlossenen Raumes" vgl. n. 18ff; ein solcher ist nur dann zu einem rc. Gebäude „gehörig", wenn er mit demselben durch die Umschließung in eine unmittelbare räumliche Verbindung gesetzt ist. 86. Haben mehrere, Winterlage haltende Schiffe nur einen Wächter, so ist nur dasjenige Schiff bewohnt, auf welchem der letztere sich gewöhnlich aufhält und namentlich seine Schlafstelle hat: KB. n, 120. — Auch bei bewohnten Schissen wird nicht erfordert, daß gerade „zur Zeit des Diebstahls Bewohner anwesend seien": v. Duri (dt. n. 80). 87. „Einschleichen" bezeichnet ein heimliche«, (absichtlich der Wahrnehmung entzogenes) unberechtigtes Eingehen in ein Gebäude rc. Ein Verschaffen des offnen Eintritts unter listigem Vorwände gehört nicht hierher: Köstlin Abhh. f. 266. Daß besondere Veranstaltungen und Vorsichtsmaßregeln getroffen seien, ist im Begriffe des Einschleichens nicht enthalten: Haager i. GSaal 29 f. 368; contra: Manh. 2. Okt. 75 (BAnn. 42 s. 123: forderte ernt planmäßige Heimlichkeit, mittels welcher der Thäter unter Benutzung einer günstigen Gelegenheit und unter Beobachtung von VorstchtSmaßregeln (Beisp.: Festhalten der jeden Eintretenden ankündigenden Schelle; Ottendorf ib. s. 127] in ein Gebäude so zu gelangen verstand, daß dessen Betreten und Begehen den Bewohnern unbekannt blieb). 88. Ein Mitbewohner des Hauses kann sich in einen zu diesem gehörigen umschloffenen Raum „eiuschleichen", sobald ihm an diesem eine Mitbenutzung nicht zusteht. Ebenso kann der Mitbewohner eines Gebäudes sich in einem Theile deffelben „verbergen", an welchem er kein Nutzungsrecht hat. 69. Der § setzt ausdrücklich voraus, daß „der Thäter" sich eingeschlichen habe. Als Thäter ist hier aber Jeder anzusehen, welcher an der Ausführung der That flch betheiligt (eine Thatbestandshandlnng vorgenommen hat; vgl. n. 77), sollte diese seine Thätigkeit auch, wegen der Natur seines Doluö (§ 47 n. 18), sich als „Beihülfe" charakteristren, z. B. wenn ein Kind eiugeschlichen ist, um einem Cr-

Thl. n. Abschn. XIX. Diebstahl und Unterschlagung. — §243 Nr. 7. §244. 515

jeder Art, sowie Schiffe, welche bewohnt werden, gleich geachtet. Sind milvernde Umstände vorhanden, so tritt Gefängniß­ strafe nicht unter drei Monaten ein. (I. @ntro. §218; U. Entw.: § 238; Pr. StGB.: §§218.217 Nr. 6; 220—224.) Vgl. §§ 242.247. 248. 32; Mil-StGB. §§ 138. 134. 136. 160. 161; RGVG. § 73 Nr. 5. Preußen: Vgl. Ges. v. 22. Mai 1852 Art. I. §§ 1. 2; NStPO. § 13.

§. Wer im Jnlande als Dieb, Räuber oder gleich einem Räuber oder als Hehler bestraft worden ist, dar­ auf abermals eine dieser Handlungen begangen hat, und wegen wachsenen Sachen hinauszureichen, welche dieser sich zueignet (da- StGB, umfaßt nicht selten unter dem generellen Ausdrucke „Thäter" auch Den Urheber einer Bei­ hülfe, vgl. § 51 n. 2; § 52 rc.); contra: Schütze i. GA. XXI, 168. Jedenfalls ge« nflflt es, wenn Einer von mehreren Mitthätern sich eingeschlichen hatte, um alle aus § 243 zu bestrafen; vgl. § 47 n. 10. 90. Der Diebstahl muß in einem rc. Gebäude rc. begangen fein, in welches der Thäter sich rc. „e in ge schlichen" (verborgen) hatte"; eö muß also das Einschleichen rc. der beabsichtigten Wegnahme vorher gegangen sein. Im Uebrigen aber bedarf es nicht eines zeitlichen Zwischenraums zwischen beiden: auch wenn die Weg­ nahme sich unmittelbar an daS vorhergegangene Einschleichen anschloß, trifft der § zu: daS Gegentheil kann weder aus der Faffung des §, noch aus einer vermeintlichen ratio legis, noch aus den (abweichend abgefaßten) Bestimmungen älterer Landesgesetze und der diesen gewordenen Auslegung gefolgert werden. Insbesondere beweist daS Plusquamperfektum („eingeschlichen rc. hatte") in dieser Beziehung gar Nichts: das ergiebt die entsprechende Fassung deS § 250 Nr. 4: die dort vorgesehene Eventualität „wenn sich der Räuber gewaltsam Eingang verschafft hatte" kann un­ möglich auf den Fall einer zeitlichen Trennung beider Handlungen beschränkt werden. Ebenso: Jena 27. Sept. 71, AG. Eisenach, Darmst. 5. Mai 73, Manh. 2. Okt. 75 (StZ. I, 178; n, 186. 324; BAnn. 42 f 101); Puch. n. 7; Herzog i. StRZ. XI, 576; MeveS ib. XII, 156; XIII, 425; Haager im GSaal 29 s. 362; v. Buri ib. Beil. s. 43. Contra: ZPl. 22. Jan. 72 (RdO- XHI, 67); Stullg. 10. Juli 72, DreSd. 6. Sept. 72 (StZ. I, 356; II, 107); Meckl. OG., OStA. Wolfenb. 17. Okt. 74 (GSaal 24 s. 325; 27 s. 319); Schw. f. 606(597); Schütze s. 438; Stöckel i SGZ. XV, 323 (sie fordern einen zeitlichen Zwischenraum, welcher genüge, die Gelegenheit zum Diebstahl zu erspähen). — Jedenfalls ist es nicht erforderlich, daß dies Einschleichen re. vor dem Beginne der Nachtzeit stattgefunden habe: DreSd. 14. Apr. u. 15. Dez. 71 (StZ. I, 15. 283); BL. s. 536; ML. f. 471; Merkel i. HH. III, 684; Haager 1. c.; contra: Schw. 1. c., Schütze 1. o. und wie es scheint cit. ZPl. 22. Jan. 72. 91. DaS Cinschleichen rc. muß „in diebischer Absicht", also um im Ge­ bäude zu stehlen, geschehen sein; dagegen bedarf eS nicht einer anf den Diebstahl einer konkreten im Voraus ins Auge gefaßten Sache gerichteten Absicht. Ja Nr. 7 wird anwendbar, wenn der Thäter zwar ein bestimmte« Diebstahlsobjekt im Auge hatte, demnächst aber ein anderes wählte: DreSd. 28. Mai 75 (St. V, 360). 92. In Betreff des Versuchs vgl. oben n. 6.

§ 244. Inhalt:

Anstiftung: 11. 16. Beihülfe: 11. 16. Bestrafung: 3—5. 13. 14. Diebstahl: 9. 10. 20. Ehrenrechte: 18. Entwendung: 5. 10. 15. Feststellung r 14. 21.

„gleich e. Räuber", 12. Inland r 1. 2. Konkurrenz, Real-: 19. Namen, falscher: 14. Pol.-Aufsicht: 18. Raub, Diebstahl: 10. 20. Rückfall, Verjährung r 7. 21.

Strafantrag: 17. Strafunmündigkeit: 8. Uebersehen, Nachholung: 22. Verfahren: 22. 23. versuch, 11. 16.

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Thl.II. Abschn. XIX. Diebstahl und Unterschlagung. — 8 244.

derselben bestraft worden ist, wird, wenn er einen einfachen Diebstahl (§ 242) begeht, mit Zuchthaus bis zu zehn Jahren, wenn er einen schweren Diebstahl (§ 243) begeht, mit Zucht­ haus nicht unter zwei Jahren bestraft. 1. Die Worte „Wer im In lande bestraft worden ist" — stnd dahin auf­ zufassen, daß die Vorbestrafung von einer inländischen Behörde ausgegangen sein muß; vgl. § 5 und R.-Mil.-StGD. §§ 7. 13. Hat in der Zwischenzeit eine GebietS-Aenderung des Reichs stattgefunden, so genügt eS, wenn die frühere Berurtheilung von einem Gerichte eines zur Zeit der Verübung de« jetzt abzuurtheilenden neuen Falles dem Reiche angehörenden Gebiets ausgegangen ist; trifft dieses zu, so ist eS gleichgültig, ob damals bereits das Bundesverhältniß existirte, und ob auch damals schon das betr. Gebiet dem Reiche angehörte: VH. 2. März 71, VI. 4. Juli 73, ZI. 15. Nov. 76 (RdO- XII, 130; XIV, 485; XVII, 740); DreSd. 24. Apr. u. 1. Dez. 71, 21. Juni 72 (SGZ. XV, 156. 245; StZ. II, 108); Jena 24. Mai 71 (StZ. I, 183); Puch. n. 2; StZ. I, 33; Merkel i. HH. III, 688; contra: Ortloff i. StZ. I» 7; v. Steman i. GSaal 23 s. 413. Demgemäß begründet auch ein während des Kriegs rc. von einem inländischen Militärgerichte gegen eine in­ ländische Militärperson im Auslande verhängte Bestrafung den Rückfall: ZI. 18. Sept. 73 (RdO. XIV, 523); vgl. Mil-StGB. § 7. — In Betreff des Verhältnisses des ehemaligen Norddeutschen Bundes zu den demselben später zugetretenen süddeutschen Staaten vgl. § 8 n. 6. 2. Die Voraussetzungen der n. 1 müssen auch bei der zweiten^Vorbestrafung zutreffen. 3. Erfordert wird eine (zweimalige) strafrechtliche „Bestrafung", mag diese von einer richterlichen oder von einer andern die Strafgerichtsbarkeit ausübenden Behörde z. B. von einer Polizei- oder Fiskal-Behörde ausgegangen fein: Stuttg. 27. März, 3. Juli n. 18. Dez. 72 (StZ. I, 284; II, 54. 198); ZII. 9. Apr. 74 (RdO. XV, 211); Manh. 29. Sept. 77 (BAnn. 43 (. 291); contra: id. 26. Febr. 73 (ib.); Schw. s. 614 (604); Ortloff 1. c.; v. Steman 1. c. f. 411; vgl. § 68 n. 8. — Dagegen genügt eine disziplinarische Bestrafung nicht. 4. Trifft die Voraussetzung der n. 1 zu, so ist eS gleichgültig, ob die früheren Handlungen im In- oder im AuSlande verübt, ob die Derurtheiiungen ordentliche oder außerordentliche, ob fie vor oder nach Einführung des StGB.'S, auf den Grund des letzteren oder eine« früher in Kraft gewesenen Landesgesetzes ergangen waren: VII. 2. März 71 (RdO. XII, 130); nicht minder, ob jenes LandeSgefetz eine Straf­ schärfung wegen Rückfalls kannte: Darmst. 27. Jan. 73 (HEntfch. f. 6). 5. Es bedarf zweier Vorbestrafungen „als Diebrc."; sonach kommt eS nur darauf an, ob durch die frühere Entscheidung eine Bestrafung wegen einer der auf. gezählten Straffälle erfolgt war, nicht darauf, ob dieses mit Recht geschehen, und ob die damals vorliegende That auch jetzt als „Diebstahl rc." zu qualifiziren fein würde: Dreöd. 15. Nov. 72, Stuttg. 27. Aug. 73, Münch. 3. Mai 78 (SGZ. XVII, 51; StZ. III, 200; BEntsch. Vm, 220). Dabei entscheidet nicht die im Tenor ent­ haltene generelle Bezeichnung des Straffalles, sondern welches Strafgesetz damals zur Anwendung gebracht ward. — Demgemäß begründen auch solche Derunheilungen, welche wegen unbefugter Zueignung von Holz, Wild, Fischen, Lebensmitteln rc. die Strafe des „Diebstahls" verhängten, für einen neuen „Diebstahl" die Rückfallsstrafe, sollte auch die damals bestrafte That jetzt unter den Begriff eines weit ge­ ringer bestraften Holz-, Forst-, Jagd-, Feld- und Fischereifrevels oder einer sonstigen Uebertretung (z. B. deS §370 Nr. 2. 5 oder 6) fallen: DPl. 9. Jan. 54 (IMbl. f. 116); ZII. 14. März 72 (RdO. XUI, 217); contra: Wolfenb. 23. Juli 71 (StZ. I, 153); v. Steman 1. c. f. 421; Merkel i. HH. m, 688; ML. f. 322. Vgl. n. 9—11. 6. Der befaßte Richter muß die ihm nach n. 5 obliegende Prüfung in jedem Einzelfalle selbstständig vornehmen; der Umstand, daß der Angeschuldigte bereit« ein. mal wegen Raube« im ersten Mildfelle (§ 250 Nr. 5) verurtheilt ist, entbindet ihn nicht der Pflicht, demnächst selbstständig zu prüfen, ob die zweimalige Borbestrasung in der Weise, wie § 244 e» voraussetzt, vorliege.

Thl. II. Abschn. XIX.

Diebstahl und Unterschlagung. — § 244.

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Sind mildernde Umstände vorhanden, so tritt beim ein­ fachen Diebstahl Gefängnißstrafe nicht unter drei Monaten, beim schweren Diebstahl Gefängnißstrafe nicht unter Einem Jahre ein. [USntto.: § 219; II. Entw.: § 239; Pr. StGB.: § 219; EG. bemf. Art. VI.] Vgl. §§ 245. 250 Nr. 5 : 255. 261. 264; 362 Äbs. 3; RPostgks. v. 28. Olt. 1871 $ 28 (BGbl. s. 353); R.-Mil.-SlGB. §§ 7. 13. 138; RGBG. § 73; RSiPO. §§ 262. 402. Preußen: Dgl. EG. ,. Pr. StGB. Art. XXVI; (Rh.) Ges. v. 4. Mai 1853; Ges. v. 22. Mai 1852 Art. I 8 1 Nr. 1. 2. NStPO. §§ 13. 325.

7. Der Umstand, daß die zweite Vorbestrafung nach einem früher geltenden Strafgesetze zu einer Zeit erfolgt ist, wo die auch damals in Betracht kommende Nückfälligkeit bereits verjährt war, steht der Anwendung des § nicht entgegen: Stnttg. 28. Dez. 72 (WGbl. VI, 334). 8. Auch eine während der Strafunmündigkeit erfolgte Vorbestrafung (selbst eine auf „Verweis" lautende: ZI. 14. März 72. RdO. XHI, 267) begründet für spätere Fälle den Rückfall: Z. 3. Dez. 51 (IMl. 52 s. 7); Dochow i. GSaal 23 s. 471; Göz i. WGbl. V. 120; contra: Kaiser i. StRZ. XI, 177; Hartm. i. SGZ. XVI, 159. Das gilt sogar dann, wenn damals die That vor dem vollenbeten zwölften Jahre begangen war, eine Strafverfolgung also nach dem jetzt geltenden Gesetze (§ 55) ausgeschlossen sein würde: eit. ZI. 14. März 72. 9. Eine Vorbestrafung „als Dieb rc." liegt vor, wenn die Bestrafung aus dem den Thatbestand des betr. Strafsalls sowie die Strafe desselben bestimmenden Gesetze erfolgt ist. Dabei macht es keinen Unterschied, ob wegen eines dabei ob­ waltenden erschwerenden Umstandes (z. B. wegen schweren Diebstahls) eine geschärfte, oder wegen mildernder Umstände eine geminderte Strafe verhängt worden ist; nicht minder, ob die Strafverfolgung damals durch eine besondere Voraussetzung (z. B. durch daö Vorhandensein eines Strafantrags: § 247) bedingt gewesen war: Dreöd. 29. Sept. 71 (SGZ. XV, 318); Stuttg. 27. März 72 (StZ. I. 284) Das gilt selbst dann, wenn daö maßgebende Strafgesetz beim Vorhandensein bestimmter Vor­ aussetzungen (z. B. wegen geringfügigen Objekts) eine Strafe eintreten ließ, welche das Maß der jetzigen Uebertretungöstrafen nicht überflieg: Stuttg. 27. März, 3. Juli u. 28. Dez. 72 (StZ. I, 284; II, 54. 198); «II. 9. Apr. 74 (RdO. XV, 211): Fälle eines kleinen Diebstahls (kleinen Betrugs) nach dem frühern Württ. StGB. Art. 321 und dem Württ. Pol.-Strafges. Art. 57. 10. Das Gesagte (n. 9) erleidet eine Ausnahme da, wo das Gesetz eine an sich den allgemeinen Begriff des betr. Straffalleö erfüllende Handlung, unter Berück­ sichtigung bestimmter bei ihm obwaltender Voraussetzungen, in erkennbarer Weise aus dem allgemeinen Begriff ausgesondert, als einen besonderen Straffall („Materie": EG. § 2) qualifizirt und für diesen eine ganz selbstständige Strafandrohung getroffen hat. Daö würde vom Raube im Verhältnisse zum Diebstahle gellen, wenn er im § nicht ausdrücklich hervorgehoben wäre. — Insbesondere aber trifft jene Ausnahme zu. wenn sich die Strafandrohung in einem neben dem allgemeinen Strafgesetzbuche geltenden besonderen Gesetze (z. B. in einem Feld-, Forst-, Holzdiebstahlsgesetze) findet: Jena 4. Juli 72, Dreöd. 15. Nov. 72, Münch. 4. Febr. 73 (StZ. II, 186. 188. 282). Daö gilt in Preußen selbst dann, wenn ein im dritten Rücksalle verübter Holzdiebstahl mit der Strafe des einfachen Diebstahls belegt worden ist (Pr. HDGes. v. 2. Juni 1852 § 16): ZI. 25. Olt. 61, 15. Juli 64 (RdO. II, 22; V, 85). Aehnlich verhält es sich mit einem Munddiebstahl, dem s. g. Futterdiebstahl und der unbefugten Aneignung fremder Erde, Steine rc. (§ 370 Nr. 5. 6. 2; Pr. StGB. § 349 Nr. 3. 7. 2): Lübeck (GA. XIX, 615); Wolfenb. 23. Juni 71 (StZ. I, 153). Dasselbe erkannte Stuttg. 19. Juni 72 (StZ. n, 53) in Betreff eines Familiendiebstahlö (Württ. StGB. Art. 339; bedenkt.). 11. Nach dem unter n. 9 Gesagten liegt eine Vorbestrafung „als Dieb rc." auch da vor, wo wegen des Versuchs der betr. Mißthat gestraft worden ist: ZU. 9. Apr. 74 (RO. XV, 218); Jena 5. Apr. 71, DreSd. 16. Juni u. 3. Juli 71,

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Thl. II. Abschn. XIX.

Diebstahl und Unterschlagung. - §244.

Stuttg. 28. Mai 73 (StZ. I, 182. 92; m, 13; StRZ. XIH, 183); Puch. n. 4; Göz i. WGbl. V, 112; contra; v. Stemann i. GSaal 23 s. 412; dabei kommt es nicht in Betracht, ob die That, welche früher unter der Herrschaft eines anderen Gesetzes als Versuch bestraft war. auch jetzt den Bedingungen eines strafbaren Ber. fuchs entsprechen würde: cit. Jena 5. April 71; vgl. n. 5. — Ebenso verhält es sich, wenn früher wegen Anstiftung oder Beihülfe zu einem Diebstahl oder Diebstablsversuche gestraft war: ZU. 19. De;. 72 (RdO. Xm, 678); Schw. s. 614 (605); Rttd. s. 376; Meyer n.5; Puch, n.4; Schütze s.441 n. 17; contra: v. Stemann 1. c.; vgl. n. 14. — Dagegen wird durch eine Borbestrafung wegen „Begünstigung" eines Diebs die Rückfallsstrafe nicht begründet, es fei denn, daß jene vorher zuge­ sagt war (§ 257 Abs. 3), oder daß der Begünstiger seine« Vortheils wegen handelte (Hehlerei i. e. S.: § 258). Eine auf Grund des Hann. StGB.'S Art. 75 wegen Begünstigung eines Diebstahls ans Gewinnsucht erfolgte Bestrafung stellt gleichfalls eine Bestrafung „als Hehler" dar: ZI. 24. Jan. 77 (RdO. XVIII, 63). 12. Als eine Bestrafung „gleich einem Räuber" ist die wegen schwerer Er. Pressung (§ 255; Pr. StGB. § 236) und die aus § 252 erfolgte anzusehen. 13. „Bestrafung" ist nicht gleichbedeutend mit Verurtheilung; eS bedarf auch noch einer (gänzlichen oder theilweisen) Verbüßung der verhängten Strafe bzw. eines Erlasses derselben; vgl. in Betreff des Näheren § 245 n. 1 ff. 14. Der Umstand, daß die frühere Verurtheilung gegen den Angeschuldigten unter einem falschen Namen ergangen war, steht der demnächstigen Verhängung der RücksallSstrafe nicht entgegen, sobald feststeht, daß Verurtheilung und Vollstreckung ihn getroffen hatten: Beschl. I. 1. Febr. 61 (RdO. I, 237). 15. Der neue jetzt zur Aburtheilung gelangende Diebstahl muß an sich und unmittelbar unter die ߧ 242 ff. fallen. Entwendungen der in n. 10 erwähnten Art gehören nicht hierher. Daö gilt selbst von einem nach § 16 des Pr. HDGes.'S mit der DiebstahlSstrase zu ahndenden Holzdiebstahle: Vl. 12. Juni 74 (RdO. XV, 399). 16. Auch dann, wenn der neue Straffall nur einen Versuch, die Anstif­ tung oder Beihülse zu einem Diebstahle re. darstellt, tritt die RücksallSstrafe (unter geeigneter Berücksichtigung der §§ 44. 49) ein, insofern in der Person dieses Angeschuldigten die Voraussetzungen deS § zutreffen (§ 50 n. 5): DreSd. 17. April li. 17. Juli 71, 20. Mai 78 (SGZ. XV, 153. 243; XXII. 314) ; ZI. 11. Dez. 72, 2. Juni u. 3. Dez. 73, ZII. 8. Jan. 74 (RdO. XHI, 654; XIV, 438. 768; XV, 9); Stuttg. 31. Dez. 73 (StZ. IV, 51); Schw. (. 614 (605); Rüd. n. 6; Schütze f. 439 n. 17 ; contra: v. Stemann 1. c. f. 412. 17. Die Rückfallsstrase wird dadurch nicht auSgeschloffen, daß der neue Diebstahl nur auf Antrag des Verletzten verfolgt werden kann ($ 247): DreSd. 29. Sept. 71, Stuttg. 27. März 72 (StZ. I, 92. 284); vgl. n. 9; noch dadurch, daß der Thäter ein Ausländer ist: ZII. 2. Mai 76 (RdO. XVn, 297). 18. Statthaftigkeit der Aberkennung der bürgerlichen Ehrenrechte und der Polizeiaufsicht: vgl. § 248. 19. Liegen mehrere im wiederholten Rückfalle begangene Diebstähle re. vor, so tritt die Strafschärfung für jeden einzelnen nach den Grundsätzen von der RealKonkurrenz (§ 74) ein: DreSd. 31. Juli 71 (SGZ. XV, 244). 20. Ein schwerer im zweiten Rücksalle verübter Diebstahl ist auch dann mit Zuchthaus nicht unter zwei Jahren zu bestrafen, wenn er gleichzeitig die Merkmale des Raubes (§ 249) an sich trägt; vgl. § 73 n. 6. 21. Der Nichtigkeit«- bzw. RevistonSrichter kann in Preußen und unter der Herrschaft der RStPO. die in der Dorinstanz unterbliebene Feststellung der Lorbestrafungen nicht nachholen und ist an die in der Borinstanz wirklich erfolgten Fest­ stellungen gebunden; vgl. Löwe RStPO. s. 784. Demgemäß müssen die Voraussetzungen des § vom Instanzrichter ausdrücklich und so festgestellt werden, daß danach der Nichtigkeitsrichter die Richtigkeit der Gesetzesanwendung vollständig zu be­ urtheilen im Stande ist: Vl. 1. Mai 72, VII. 6. Juni 72, VI. 6. Sept. 72 (RdO. XIII, 287. 342. 438). Es muß sonach aus der Feststellung hervorgehen, daß

Thl. II. «bschn. XIX.

Diebstahl und Unterschlagung. - §§ 244.245.

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§. 2Ä3 Die Bestimmungen des § 244 finden An­ wendung, auch wenn die früheren Strafen nur theilweife ver­ büßt oder ganz oder theilweife erlassen find, bleiben jedoch jede der Borbestrasungen nicht allein verhLiigt, sondern auch (wenigsten« theilweise) vollstreckt (erlassen) war, ehe die folgende That begangen wurde, und daß seit der Verbüßung rc. der letzten Strafe bis zur Begehung des jetzt vorliegenden Falles keine zehn Jahre verflossen sind: V. 23. Apr. 69 (RdO. X, 263). — Jene Fest­ stellung liegt in Preußen in schwurgerichtlichen Sachen nicht den Geschworenen, sondern dem Gerichtshöfe ob: EG. z. Pr. StGB. Art. XXVI; NStPO. § 325. Dasselbe ist unter der Herrschaft der RStPO. Rechtens, selbst insoweit die Identität streitig sein möchte: Schw. RStPO. s. 462. Die Feststellung erfolgt nach der RStPO. stets nach einfacher Stimmenmehrheit, da § 262 ib. die Voraussetzungen des Rückfalles ans dem Bereiche der Schuldsrage ausdrücklich ausscheidet. 22. Inwiefern die bei der Aburtheilung unberücksichtigte Rückfälligkeit des An­ geschuldigten zu einer nachträglichen abermaligen Verfolgung und Verschärfung der Strafe führen könne, beurtheilt sich nach den maßgebenden Prozeßgesetzen. Nach den in Preußen geltenden Prozeßordnungen ist die Frage zu verneinen, sollte auch der Angeschuldigte (z. B. durch Beilegung eines falschen Namens) jenes Uebersehen ab­ sichtlich veranlaßt haben: ZPl. 16. April 55 (JMbl. s. 192) Die RStPO. ge­ stattet dagegen zu dem Behufe (unter gewissen Voraussetzungen) die „Wiederaufnahme des Verfahrens"; vgl. dort § 402, Schw. StPO. f. 553; Löwe f. 820. 23. In Betress der Zuständigkeit und des Verfahrens vgl. Pr. Ges. v. 22. Mai 1852 Art. I. § 1 Nr. 1. 2; Pr. NStPO. § 13; (Rh.) Ges. v. 4. Mai 1853 und für die Folge RGDG. § 73 Nr. 5.

§245. 1. Sowohl die erste als die zweite Rückfälligkeit ist durch die (gänzliche oder theilweise) ,$3etbü6iutg" der vorher verhängten Strafe bedingt, sollte auch die Vorbestrafung aus einem inzwischen außer Kraft getretenen Gesetze erfolgt sein, nach welchem die Rückfälligkeit schon durch eine vorhergegangene Verurtheilung begründet wurde. Der Verbüßung ist ein (gänzlicher oder theilweiser) Erlaß gleich gestellt, nicht aber die Verjährung; vgl. § 70 n. 1. 2. Ist die ergangene Verurtheilung in legaler Weise z. B. durch Anrechnung einer Untersuchungshaft oder einer im Auslande wegen derselben That erlittenen Strafe (§§ 60. 7) vollstreckt worden, so ist es für die Rückfälligkeit unwesentlich, ob jene bei Begehung der nächstfolgenden That schon rechtskräftig war: VI. 20. März u. 26. April 72, Dreöd. 12. Juni 71 (RdO. XIII, 217. 284; StRZ. XIII, 186); contra: Münch. 16.01t. 74, ZI. 30. Juni 76 (BEntsch. IV, 461; RdO. XVII, 480). Dies gilt namentlich auch dann, wenn dem zur Untersuchungshaft gebrachten Angeschuldigten, welcher gegen die Verurtheilung kein Rechtsmittel eingewendet hat, trotz des vom StA. ergriffenen Rechtsmittels die Zwischenzeit auf die verhängte Strafe angerechnet wird (Pr. Ddn. 3. Jan. 1849 § 158; NStPO. § 429; RStPO. § 482). Werden einem im Auölande bestraften Deutschen nachträglich die Ehrenrechte aberkannt (§37), so bedarf es gleichfalls keiner weiteren Vollstreckung; hier wird aber die Rechtskraft des betr. Urtheils erfordert; vgl. § 37 n. 13. 14. 3. Die Strafe ist „theilweise verbüßt", sobald mit ihrer Zufügung (der Vollstreckung) ein Anfang gemacht ist; sind verschiedene Strasarten verhängt, so reicht die theilweise Vollstreckung einer dieser Strafen hin, selbst wenn diese nur in einer Nebenstrase (z. B. der Einziehung eines Gegenstandes oder der Einsperrung in ein Arbeitshaus) bestand. Bei Freiheitsstrafen muß die Einlieferung in die Strafanstalt bewirkt sein; eine Verbüßung hat nicht stattgefunden, wenn der Festgenommene aus dem Transport entspringt: Beschl. I. 4. Ott. 71 (RdO. XII, 494); vgl. in dieser Beziehung § 15 n. 2; § 16 n. 4. Bei Geldstrafen muß eine Einziehung (Einzah­ lung) erfolgt sein. — Dagegen genügt es (von dem unter n. 2 a. E. vorgesehenen Falle abgesehen) nicht, wenn eine verhängte Nebenstrafe oder die von Ge setzeöwegen eintretende Folge einer Verurtheilung mit der Rechtskraft der letzteren

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Thl. II. Abschn. XIX. Diebstahl und Unterschlagung- — §§ 245. 246.

ausgeschlossen, wenn seit der Verbüßung oder dem Erlasse der letzten Strafe bis zur Begehung des neuen Diebstahls zehn Jahre verflossen sind. [I. Entw.: § 219; II. Entw.: § 240; Pr. StGB-: §§ 219. 60.] Dgl. §§ 244. 250 Nr. 5; 261. 264; R.-Postges. v. 28. Ott. 1871 §28; R.-Braupeuerges. v. 31. Mär, 1872 § 34; R-Mil.-StGB. § 13.

§. 246

Wer eine fremde bewegliche Sache, die er in

ohne weitere VollstreckungShandlnng wirksam wird; vgl. §§ 31. 36. 38 Abs. 3; § 71 n. 3-5. 4. Ist die „im Inlande" (§ 244 n. 1) verhängte Strafe verbüßt, so schadet es nicht, wenn die Vollstreckung (auf Requisition der inländischen Behörde) im AuSlande bewirkt wurde; auch in diesem Falle ist die „Bestrafung" als „im Inlande" erfolgt anzusehen; contra: Schw. s. 204; Ortloff i. StZ. I, 10. 5. Ist die Strafe 1heilweise verbüßt, der Rest aber verjährt, so beginnt die Verjährung des Rückfalls mit der Beendigung der Theilvollstreckung. 6. Der Ablauf einer zehnjährigen Frist schließt die RÜckfälligteit nur dann aus, wenn er zwischen der Verbüßung re. der zuletzt verhängten Vorstrafe und der Verübung des jetzt abzuurtheilenden Falles (des „neuen Diebstahls") liegt (die früheren Fälle brauchen keine „Diebstähle" zu fein): Dagegen ist es gleichgültig, wie viel Zeit zwischen den früheren Vorbestrafungen lag: Beschl. 11. Okt. 71, Dl. 13. Sept. 72, ZI. 23. April 75 (RdO. XII, 503; XIH. 447; XVI, 308); Wolsenb. 11. April 71 (StZ. I, 154); DreSd. 22. April 72 (SGZ. XVI, 275); Manh. 7. Sept. 72. 15. März 73, Stuttg. 2. Okt. 72 (StZ. II, 109. 54. 56; III, 201); Schw. f. 616; Rüd. n. 2; Schütze f. 439 n. 7; Puch. n. 6; contra: Jena 14. Nov. 72 (StZ. in, 117); Meyer s. 197 n. 2; Prestinari i. BAnn. 39 s. 13; (nach der Entstehungsgeschichte des § ist die Frage nicht unzweifelhaft). — Das Gesagte gilt selbst dann, wenn die erste Lorbestrafung unter der Herrschaft eines auch die Der. jährung des ersten Rückfalls zulassenden älteren Gesetzes erfolgt, und zur Geltung«zeit desselben die damals genügende Verjährungsfrist abgelaufen ist: cit. Stuttg. 2. Okt. 72; ZI. 4. Dez. 72 (RdO. XIH, 646). 7. War die letzte Vorbeflrafung wegen mehrerer realiter konkurrirender Straffälle erfolgt, von welchen nur einzelne zu den im § 244 hervorgehobenen gehörten, so beginnt der Lauf der zehnjährigen Verjährungsfrist doch erst mit der Verbüßung der verhängten Gesammtstrase: Zn. 20. Febr. 68 (RdO. IX, 146); anders würde sich die Sache gestalten, wenn die Strafen gesondert erkannt waren; vgl. §§ 75. 77. 8. Der Ablauf der zehnjährigen Frist schließt auch dann die Verhängung der Rückfallsstrafe aus, wenn schon die letzte Vorbestrafung wegen eines RückfallSdiebstahlS (aus § 244) erfolgt war. 9. Die Vorschrift dieses § ist auf die nach einem in Kraft verbliebenen be­ sonderen Bundes- oder LandeSstrafgesetze zu verhängenden Rückfallsstrasen nicht aus­ zudehnen: Zn. 5. Jan. 75 (RdO. XVI, 12), MeveS i. StRZ. XI, 565, vgl. z. B. Pr. Steuer-Ordn. v. 8. Febr. 1819 § 62. 63; Pr. HDGes. § 16; VZollges.v. 1. Juli 1869 § 140—142. Das letztere enthält im § 142 eine besondere Vorschrift in Betreff der Verjährung deö Rückfalls.

§246. Inhalt:

Ableugnen: 36. 61. Anbieten z. Anlauf: 33. 61. Anstifter: 29. Anvertrauung: 8.10. 26.27.57, Beamter: 59. Begriff: I. 2. Behältniß: 27. Bei-Sette-Schaffen: 35. Benachtheiligung r 48. 51. Benutzung: 39.

Besitz, vgl. Gewahrsam. Bevollmächtigter: 3. 7a ff. Dienstbote. 26. Dolusr 45-50. Dritter: 29. 40. 61. Eigenthümer, früh.: 26. . Zustimmung: 41. 47. Eigenthum, Erwerb: 7—2l. . Uebertragung: 12. 33. Ersatz: 41. 42. 43. 46.

Erstattung in genere: 7. Fahrlässigkeit: 49. Faustpfandgläub.: 23. 24. Feststellg.: 17a. 29a. 39a. 50. Finder: 6. 25. 37. 61. Forderung: 3. 36. 44. Frachtführer: 18. Gegenforderung: 44. Geheimniß - o. Gehülfe: 29. 40. 61.

Thl. II. Abschn. XIX.

Diebstahl m\b Unterschlagung. — §240.

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Besitz oder Gewahrsam hat, sich rechtswidrig zueignet, wird wegen Unterschlagung mit Gefängniß bis zu drei Jahren und, Gesellschafter: 21. Gewahrsam: 24-29. - Ableugnen. 36 61. - Eigenthümer, früh.: 28. Gewahrsam, Erlangg.: 24. 28. * d. Mißth.: 30 GcwerbSgehülfe: 16. Gewinnsucht: 45. Gut-verwalter: 7n. Hehlerei: 61. Holz, Fällung: 19. 7n. • gelieferte-: >7. Irrthum: 11. 12. 25. Kommissionär: 8. 10. 4l. Kompensation: 44. Konkurrenz: 6. 10. 34. 53-55. Mitbesitzer: 22. Mttetgenthümer: 21. Nichtschnld- 11. 12. Okkupation-recht: 4. Pfandschein: 8. 32. Recht: 3. . dringlich: 34. Recht-widrigkeit41—44.

Rückgabe, Absicht: 42. Sicherstellung: 42. . Verweigerung- 36. Sache: 3ff. - anvertraute: 6.10. 26 27.57. . bewegliche: 3. - fremde 3. - fungible: 7. • gefundene: 6 - herrenlose: 4. 5. - unkörperliche: 3. - verlorene: 6. Schatz: 5 Simulation: 13. Sparkaffenbuch: 3. 32. Spezifikation: >5. Stellvertreter: 8—10. Strafantrag: 62. Straflosigkeit: 62. Strandgut: 6. Theilnahme: 29. 40 61. Trödelvertrag: 6. Uebergabe: >4. Urkundenfälschung.- 55.

Verbrauch: 32. Verbringen: 35. Derfügg., auftragSwibr.: 8.10. 41. Derh. z. Diebst.: 2. z. Untreue: 10. Verheimlichung: 35. Verjährung: 52. Verletzter: 44a. Verpfandung: 8. 23. 34. 41. Verstecken: 35. 61. Versuch: 60. Veruntreuung: 57. Vollendung: 51. Wechsel: 6. 10. 32. Werthpapier: 3.8. 10. 12.32. Wiedererwerbung: 42. Wiederholung: 54. Zehnten: 21. Zerstörnng, 33. Zeugenbeweis - 63. Zueignung: 30-39. 61. • recht-widr.: 41—44. . werk 40. Zufall: 25. 37.

1. Der Begriff der „Unterschlagung" ist kein so allgemein bekannter, daß der Instanzrichter von der ausdrücklichen Feststellung der Merkmale de- § absehen und sich mit der einer erwiesenen „Unterschlagung" begnügen dürfte, sollte auch das maßgebende Strafprozeßgesetz (3. B. das französischrechtliche) eine allgemeine Vor­ schrift jener Art nicht enthalten: VII. 4. Febr. 64, 19. Mai 70 (RdO. IV, 343; XI, 320; betr. Rh. Sachen). 2. Die Begriffsbestimmung des § entspricht wesentlich der des Diebstahls (§ 242), mit dem Unterschiede, daß hier eine rc. Sache vorausgesetzt wird, welche der Thäter bereits in seiner Verfügungsgewalt hat, nnd vaß eben deshalb an die Stelle der „Wegnahme" die „rechtswidrige Zueignung" tritt. Es kann daher hier auf die zum § 242 gemachten Bemerkungen verwiesen werden. 3. Insbesondere gilt hier Alles, was zu § 242 n. 2—15 Über die „fremde, bewegliche Sache" gesagt worden ist. Demgemäß kann eine unkörperliche Sache z. B. ein Recht, eine Forderung nicht unterschlagen werden: DreSd. 8. Mai 71 (StZ. I, 120); die rechtswidrige Verfügung Über eine solche durch einen Be­ vollmächtigten ist aus § 266 zu bestrafen. Dagegen sind Werthpapiere körper­ liche Sachen. Das Gegentheil nahm ein Meckl. OG. (GSaal 28 f. 508) von einem auf eine bestimmte Person lautenden Sparkaffenbuche an; daß die Sparkasie bei der Auszahlung die Legitimation des Empfängers nicht zu prüfen braucht, mache jenes Buch nicht zum Inhaberpapier; vielmehr erscheine die durch dessen Hingabe erwirkte Auszahlung des Betrags lediglich als eine Verfügung über eine fremde Forderung (§ 266); vgl. jedoch § 242 n. 4 und unten o. 32.---------Die Unterschlagung einer Idee, z. B. eines technischen Geheimniffeö ist nicht denkbar, eine solche kann nicht zurückgegeben und nicht zugeeignet werden. Dasselbe gilt vom literarischen Eigenthum, nicht aber von dem betr. Manuscripte; vgl. § 242 n. 2, DreSd. 1. April 78 (SGZ. 22 s. 274). 4. An herrenlosen Sachen ist eine Unterschlagung ebensowenig wie ein Diebstahl möglich, sollte auch einem Andern das ausschließliche Okkupationsrecht zustehen; vgl. § 242 d. 8 ff. Wer unbefugter Weise eine herrenlose Sache mit der Absicht der Zueignung okkupirt ($. D. ein Jagdfrevler), begeht keine Unterschlagung, selbst wenn civilrechtlich anzunehmen ist, daß er daS Eigenthum nicht für sich, son­ dern für einen Anderen erwerbe; vgl. über diese Frage Förster Pr. Privatrecht III, 182 n. 9; Koch zu ALR. I, 9 $ 115. 5. Dasselbe (n. 4) gilt von einem Sch'atze, dessen Eigenthümer nicht zu er­ mitteln ist, mag jener in dem eigenen oder in einem fremden Grunde gefunden sein; auch in dem letzteren Falle beruht der (durch einzelne Gesetzgebungen gewährte) Anspruch des Gruudeigenthümers auf einen Theil des Gefundenen nur auf einem

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Thl.u. AblLn. XIX. Diebstahl und Unterschlagung. — §246.

wenn die Sache ihm anvertraut ist, mit Gefängniß bis zu fünf Jahren bestraft. persönlichen Forderungsrechte: OTr. I. Civ.-Sen. 11. Mai 55 (Entsch. 30 s. 421); HS. II, 499; id. i. GA- XV, 6; contra: ZI. 14. Febr. 55 (Entsch. 30 s. 359); BI. 17. Febr. 69 (RdO. X, 69); Meyer n. 11; Förster 1. c. III, 190 n. 50; ebenso (in Bezug aus das Gemeine Recht): Schütze f. 441 n. 5, und (in Bezug auf das Pr. ALR. und das franz. Recht): Puch. n. 3. Die Nichtanzeige eines im eigenen Grundstücke gefundenen Schatzes ist in Preußen aus § 103, I, 9 ALR. strafbar: BI. 30. Juni 66 (RdO. VIII, 396). Vgl. BI. 20. Sept. 69 (ib. X, 647). 6. Eine verlorene (vgl. über diesen Begriff § 242 n. 16—20) und dem­ nächst von einem Dritten gefundene Sache ist auch dann, wenn in dem vorge­ schriebenen Aufgebot-verfahren (vgl. z. B. Pr. ALR. I, 9 § 31 ff.) der Eigenthümer nicht ermittelt wird, darum noch nicht von Anfang an als eine herrenlose zu be­ trachten; sie erlangt diese Eigenschaft erst durch die im ZuschlagSerkenntniffe ausge­ sprochene Präkluston und wird erst von diesem Augenblicke an für den redlichen Finder Gegenstand deS EigenthumSerwerbeS: VII. 17. März 59 (JMbl. f. 139). — Aehnlich verhält es stch mit gefundenem Strand gute; auf dieses findet daher § 246 (unter Ausschluß der speciellen Strafbestimmungen älterer Strandordnungen) Anwendung: vgl. Z. 13. Oft. 69 (RdO. X, 636), Schütze s. 441 n. 5 und über­ dies § 43 der R.-StrandungS-Ordn. v. 17. Mai 1874 (RGbl. f. 73). 7. Eine Sache, welche Jemand mit der Beipflichtung der Erstattung in genere erhält, geht als Species in sein Eigenthum über. Dies gilt selbst dann, wenn die freie Verfügung über die Sache (z. B. Geld) zu einem bestimmten Zwecke gewährt wurde; die Verwendung zu einem anderen Zwecke hebt hier den Eigen­ thumsübergang nicht auf: DI. 3. Jan. 79 (RdO. XX, 6). Eine derartige, auf die Erstattung in genere beschränkte Pflicht ist aber nicht ohne Weiteres überall anzu­ nehmen, wo es stch um fungible Sachen (Geld rc.) handelt (vgl. § 350, welcher „Geld" besonders hervorhebt). Zwar wird es in solchen Fällen dem Berechtigten regelmäßig gleichgültig sein, ob er die Erstattung in denselben oder in anderen gleichwerthen Spezies erhält, und er wird daher Nichts dagegen einwenden, wenn der Erstattungspflichtige die empfangene Species gegen andere gleichwerthe austauscht oder umwechselt, ja er wird nicht selten eine solche Umwechslung wünschen und dazu Anweisung ertheilen. AuS allem dem folgt aber keineswegs, daß deshalb der Er­ stattungspflichtige sofort - mit dem Gewahrsam Eigenthum an der erhaltenen SpecieS erwerbe; seine Befugniß geht nur dahin, eine UmwechSlung vorzunehmen, in Folge welcher die neuen Stücke an die Stelle der ausgewechselten treten und statt der letz­ teren in das Eigenthum des Berechtigten übergehen; eine Verausgabung ohne gleich­ zeitige Ersetzung durch andere gleichwerthe liegt sonach nicht in seinen Befugniffen, insofern nicht der beiderseitige Wille gerade dahin gerichtet war, daß er ohne Wei­ teres Eigenthümer der erhaltenen Gegenstände werden und daß der Berechtigte da­ für nur eine persönliche Forderung auf dereinstige Rückzahlung eines künftig erst zu beschaffenden gleichen Betrages erlangen solle: ZI. 27. Sept. 61, 8. Nov. 67, Z. 19. Juni 70 (RdO. I, 553; VIII, 692; XI, 383); Manh. 10. Mai 73, Dreöd. 5. Juli 78 (StZ. in, 204; SGZ. 23 s. 43); OHG. 4. April 76 (Entsch. deff. XX» 65); ML. s. 486. Alle« dieses gilt selbst dann, wenn der Erstattungspflichtige unter Zustimmung des Berechtigten die empfangenen Gelder mit seinen eigenen vermischt hat, so daß eine Scheidung nicht mehr möglich ist; der gesammte Geldverrath steht dann in dem ratirlichen Miteigenthume Beider, so daß der Inhaber durch einseitige Verfügung über das Ganze sich in Betreff des Antheils des Andern sehr wohl einer Unterschlagung schuldig machen kann: DI. 9. Dez. 55 (GA. IV, 255). — Sonach ist in jedem Einzelfalle thatsächlich zn prüfen, ob nach der Absicht der Betheiligten das Eigenthum an den Species ohne Weiteres übergehen, oder ob dasselbe so lange beim Berechtigten verbleiben sollte, bis andere gleichwerthe Species an ihre Stelle gesetzt und so zum Eigenthume des letzteren gemacht sind; vgl. DreSd. 10. März 73 (SGZ. XVH, 114); DU. 11. April 78 (RdO. XIX, 220: ein Fall der ersteren^Art liege vor, wenn Jemand von einem Anderen Geld mit der Derpflichtnng erhalte, dasselbe aus sein, des Empfängers, Lombard-Conto bei der Bank einzuzahlen und in feinen Büchern dem Anderen gutzuschreiben).

Thl. II. Abschn. XIX. Diebstahl und Unterschlagung. — $ 246.

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Sind mildernde Umstände vorhanden, so kann auf Geld­ strafe bis zu neunhundert Mark erkannt werden. Der Versuch ist strafbar. [I. Enlw.: §§223.224; n. Entw.: § 241; Pr. StGB.: §§225-227.] Vgl. §§241. 247. 248. 266 Nr. 2; 350. 351; Mil.-StGB. §§ 127. 138; RGDG. §§ 27 (Nr. 5). 28. 75 (Nr. 7); RStPO. § 261. Preußen: Vgl. NStPO. §§ 448—450. 7a. Demgemäß (n. 7) macht sich der Gutsverwalter, welcher die für den Gutsherrn eingenommenen Gelder, der Verwalter eines fremden Forstes, welcher den Erlös aus den Waldprodukten sich zueignet, einer Unterschlagung schuldig, da diese Gelder in ihren Händen fremde, bezw. Eigenthum des ForstbefitzerS sind (§ 140, I, 14 des Pr. ALR. steht dem nicht entgegen): ZI. 3. März 76,14. Juli 75 (RdO. XVII, 170; XVI, 547); ZII. 31. Ott. 76 (GA. 24 s. 584: erkannte gleichzeitig, der Umstand, daß ein Verwalter über seine Verwaltung noch nicht Rechnung gelegt habe, schließe die Feststellung nicht aus, daß er eine bestimmte, in seiner Verwaltung überkommene Summe sich rechtswidrig angeeignet habe); vgl. n. 8. Dasselbe gilt von dem bei dem Eigenthümer einer Droschke in Tagelohn stehenden Kutscher, wenn er da- gelöste Fahrgeld oder einen Theil desselben, z. B. den die Taxe überschreiten­ den Betrag sich zueignet: ZI. 9. Febr. 76 (RdO. XVn, 102). Ebenso überträgt die Zahlung an einen durch Quittung legitimirten Bevollmächtigten da- Eigenthum des Geldes unmittelbar auf den Empfangsberechtigten; der Bevollmächtigte kann es daher unterschlagen: ZI. 3. März 76 (RdO. XVII, 165). 8. Derjenige, welcher eine Sache einem Anderen anvertraut, damit dieser als sein Stellvertreter eine Verfügung darüber treffe z. B. sie veräußere, ver­ liert dadurch allein noch nicht da- Eigenthum. Das gilt selbst dann, wenn nun­ mehr nach civilrechtlichen Grundsätzen der Stellvertreter nach außen hin als der ausschließlich zu wirksamen Verfügungen Qualifieirte erscheint, z. B. wenn ihm baareS Geld oder ein auf den Inhaber lautendes Werthpapier (Staatspapier, Aktie, Lotterieloos re.) oder ein auf seinen Namen resp. in blanco girirter Wechsel über­ geben worden ist. Ging die Verabredung zwischen den Parteien dahin, daß trotz dieses formellen UebertragS das Eigenthum ganz oder theilweise bei dem Uebertragenden verbleiben solle, so ist die Sache in der Hand des Andern eine fremde; er macht sich durch ihre Zueignung einer Unterschlagung schuldig, z. B. wenn er das empfangene Geld zu einer andern als der aufaetragenen Verwendung verausgabt: Z. 17. März 69, ZII. 17. Juni 71, ZI. 12. April 72, ZN. 7. Sept. 76 (RdO. X, 158; XII, 629; XIII, 254; XVII, 545); desgl. ZI. 11. Febr. 76 (RdO. XVN, 112: in Betreff eines kaufmännischen Kommissionärs; dieser sei gemäß Art. 376 des HGD.'s nicht ohne Weiteres befugt, als Selbstkaufer des zum Verkaufe übergebenen Gutes aufzutreten); vgl. auch ZI. 23. Febr. 76 (RdO. XVN, 138: entschied, daß der mit einer Verpfändung Beauftragte die über die Verpfändung ausgestellte Lom­ bardbescheinigung, selbst wenn sie auf seinen Namen laute, für den Mandanten be­ sitze, dieselbe daher unterschlagen könne). Mit der Unterschlagung kann daun das Vergehen des § 266 Nr. 2 ideell Ions untren; vgl. n. 10. 34. 40. — Das Gegen­ theil ist nach §§ 511. 514, I, 11 des Pr. ALR 's bei dem eigentlichen Trödelver­ trage der Fall, weshalb Jemand unter der Herrschaft des ALR.'S an den Sachen, in deren Besitz er durch einen solchen Vertrag gelangt, keine Unterschlagung begehen kann: ZI. 12. Febr. 62 (RdO. II, 247). Im Gebiete deö Gemeinen Rechts ist die Frage, inwiefern der Trödler Eigenthümer der Sachen werde, streitig; vgl. L. 3D. 19. 2; N. Sächs. Jahrb. IX, 109. Inzwischen sprach Stuttg. 29. Okt. 74 (WGbl. IX, 153) eine Person frei, welche, mit dem Verkaufe von Uhren zu einem bestimmten Preise beauftragt, die erzielten Preise für sich verbraucht hatte, da die Uebereinkunft sie nur verpflichtet habe, eine gewisse, vorausbestimmte Geldsumme an den bisherigen Uhreneigenthümer zu zahlen; damit die Kaufpreise unmittelbar in das Eigenthum des letzteren übergingen, hätten dieselben der Beschuldigten als Stellvertreterin des eigentlichen Verkäufers behufs Ablieferung an diesen übergeben oder von ihr in der Absicht, diesen zum Eigenthümer des Geldes zu machen, eingenommen fein müssen. Münch. 17. Aug. 74 (BCutsch. IV, 338) unterschied bei ganz gleicher Sachlage, ob

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der Beauftragte bei dem Verkaufe beabsichtigt habe, die Sache als seine eigene oder aber als die deö Mandanten zu verkaufen; in ersterem Falle habe der Verkauf eine rechtswidrige Zueignung und in Verbindung mit der Nichtablieferung des Erlöses eine Unterschlagung involvirt; in letzterem Falle sei dem Mandanten nur eine per­ sönliche Forderung auf Herausgabe der durch das Mandat und die Tradition der Sache noch nicht in sein Eigenthum übergegangenen Erlöse erwachsen. Dagegen erachtete Münch. 9. März 76 (BEntsch. VI, 79) die Zueignung des über den fest­ gesetzten MinimalpreiS erzielten Erlöses als Unterschlagung, selbst wenn der Stell­ vertreter des Eigenthümer- diese seine Eigenschaft dem Käufer verschwiegen habe; die civilrechtlichen Grundsätze über den Erwerb des Eigenthums an den Geldstücken feien hier ohne Einfluß. Manh. 24. März 77 (BAnn. 43 f. 122) erblickte in der Zueignung des Erlöses sogar eine qualifizirte Unterschlagung (n. 57). Im Uebr. vgl. n. 9.10. 23. 9. Erwirbt Jemand als Stellvertreter eines Andern (mit den Mitteln dieses) eine Sache, so geht das Eigenthum an derselben sofort und unmittelbar auf den Vertretenen über, wenn hieraus im Augenblicke der Besitzübertragung die bei­ derseitige Absicht der betheiligten Personen (des den Besitz übertragenden Dritten und des denselben übernehmenden Stellvertreters) gerichtet war. Handelten beide mit verschiedenen Absichten, wollte z. B. der mit dem VertretungSverhältniffe ver­ traute Dritte den Vertretenen zum Eigenthümer der übertragenen Sache machen, während der Stellvertreter sofort für sich selbst zu erwerben beabsichtigte, so hat jedenfalls der Stellvertreter das Eigenthum, welches ihm der Dritte nicht übertragen wollte, nicht erworben; die Sache ist sonach für ihn eine fremde geblieben. 10. Zweifelhafter erscheint dagegen der Fall, wo Jemand in Vertretung eines Andern (und mit dessen Mitteln), aber in eig nem Namen B. alö Kom­ missionär, Wechselindossator, Vertreter eines Ladeninhabers, oder als der mit der Einziehung eines Lotteriegewinns Beauftragte) eine Sache sofort mit der Absicht erwirbt, selbst Eigenthümer derselben zu werden, und wo der aus ihn den Ge­ wahrsam übertragende Dritte ihn zum Eigenthümer der Sache machen will, weil er ihn für den ausschließlich Berechtigten hält. In solchen Fällen hat das Pr. OTr. angenommen, daß die Frage des Eigenthumserwerbs nicht nach den verschiedenen in den einzelnen Theilen des Staates geltenden Civilgesetzgebungen zu beurtheilen, daß vielmehr für dieselbe das in Betreff der Vertretung getroffene Uebereinkommen maßgebend sei, weil die die Unterschlagung betreffende Strafbestimmung wesentlich dahin abziele, Treue und Glauben im geschäftlichen Verkehr zu sichern; eS fei sonach das Eigenthum sofort für den Vertretenen erworben (resp. ihm verblieben), wenn dieses bei der über die Vertretung getroffenen Uebereinkunft beabsichtigt war: dann komme eS weiter nicht mehr daraus an, ob der Vertreter Vertragsbrüchiger Weife beim Erwerbe die Absicht hegte, für sich zu erwerben, und ob der mit dem VertretungSverhältniffe unbekannte Dritte bei Uebertragung des Gewahrsams den Dertreter zum Eigenthümer machen wollte: 831. 9. Nov. 66, ZII. 5. Dez. 67, 931. 13. März 78 (RdO. VH, 612; VIII, 763; XIX, 134). Gegen diese Auffassung spricht indessen, daß der Vertreter, welcher civilrechtlich Eigenthümer einer Sache geworden ist, durch Ausübung dieses erworbenen Rechts nicht eine ^wider­ rechtliche Zueignung" derselben Sache begehen kann; vgl. Mertel i. HH. HI» 694; deshalb ist eS richtiger, das Strafbare seiner Handlungsweise in der auftragS- und somit rechtswidrigen Verwendung der ihm (zu einem andern Zweck) zur Verfügung gestellten Sache (des zum Ankaufe zu verwendenden Geldes, oder des zu verwerthen­ den Werthpapieres) zu suchen; er hat dann diese ihm anvertraute Sache unter­ schlagen: HS. n, 506 Nr. 2; ZI. 7. Juni 71, 31. Jan. u. 12. April 72 (RdO. XU, 311; XIII, 106. 254); vgl. n. 8. 34. 40. Ander« verhält eS sich freilich, wenn der Kommissionär die angekaufte Sache für den Kommittenten in Depot nimmt und diesen davon benachrichtigt; hier ist das Eigenthum unzweifelhaft auf den Kom­ mittenten übergegangen, mithin eine demnächstige rechtswidrige Verfügung über jene Sache eine Unterschlagung der letzteren selbst: ZI. 9. April 75, BI. 3. Juli 78 (RdO. XVI, 280;,XIX» 350). — Daö StGB, hat übrigens Handlungen der obigen Art im § 266 Nr?2 noch zum Gegenstände einer besonderen Strafandrohung ge­ macht; eventuell treffen beide Vergehen ideell zusammen; vgl. § 266 d. 5. 11. Durch Zahlung einer Nichtschuld geht das Eigenthum au den ge-

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zahlten Geldstücken auf den Empfänger mit der Verpflichtung zur Erstattung in genere (§ 179. 180. I, 16 Pr. ALR.; C. civ. artt. 1376. 1380) über; wissent­ liche Annahme einer solchen Zahlung und der Verbrauch deö Geldes ist nicht Unter­ schlagung: ZII. 3. Febr. 59, ZI. 30. März 59 (JMbl. f. 114; GA. VII, 399). Dgl. jedoch n. 12 a. E. 12. Anders gestaltet sich die Sache, wenn die gewollte Eigenthum-Übertragung wegen eines wesentlichen, daS Zustandekommen des betr. Rechtsgeschäfts hindernden Mangels (z. B. wegen einer Personen- oder Sachenverwechslung) nicht wirksam wird; z. B. wenn Jemand bei einer Zahlung ein höheres Werthpapier hingiebt, als er zu geben vermeint oder wenn eine Sache (durch Verwechslung) der unrichtigen Person Übergeben wird; eS liegt dann nicht (wie in dem Fall der n. 11) ein bloßer Irrthum im Motive vor, vielmehr fehlt eS an dem zum Wesen deö RechtSgeschästeS gehörigen Einverständnisse; sonach kann daS zu Unrecht Empfangene unterschlagen werden: Zll. 23. Juni 64, 4. Mai 65, VI. 31. Okt. 73, ZU. 29. April 75 (RdO. V, 18; VI, 87; XIV, 679; XVI, 323). DreSd. 25 Jan. 75 (SGZ. XIX, 291) hielt es, wenn beim Geldwechseln zuviel herausgegeben wird, in gedachter Hinsicht für gleichgültig, ob der Wechselnde bezüglich der Höhe deS empfangenen oder des von ihm herausgegebenen Betrags irrte: auch in ersterem Falle habe der Andere den Mehrbetrag nach gemeinrechtlichen Grundsätzen nur als eine fremde Sache in Besitz nehmen können; vgl. jedoch n. 11. 13. Durch einen nur simulirten Verkauf geht Eigenthum nicht über; der Scheinkäufer kann die Sache unterschlagen: ZI. 30. Jan. 67, 10. Nov. 76 (RdO. VIII, 79; XVU, 731: für die entgegengesetzte Ansicht hatte man geltend gemacht, daß das äußerlich zu Stande gekommene Geschäft so lauge bestehe, bis eS durch die Parteien oder durch Richterspruch förmlich aufgehoben sei); nicht aber der Scheinverkäufer: Carlsruhe (BAnn. 44 s. 208). 14. Wo bei Veräußerungen der Eigenthumsübergang durch die Ueber, gäbe bedingt ist, kann der im Gewahrsam verbliebene Veräußerer sich keiner Unterschlagung schuldig machen, so lange die Uebergabe nicht erfolgt ist: DI. 21. Juni 67, 4. Dez. 68 (RdO- VIII, 399; IX, 697). — Wird eine Waare vom Verkäufer in die Räume des Käufers gebracht, und in der Erwartung sofortiger Zahlung dort niedergelegt, so fehlt es an einer daS Eigenthum übertragenden Uebergabe; die Waare bleibt daher (bis zur Zahlung) für den Käufer eine fremde Sache, an welcher er eine Unterschlagung begehen kann: ZI. 6. Juli 77 (RdO. XVIII, 509). Wer dagegen ein Thier, z. B. ein Pferd, zur Tödtung dem Abdecker überliefert, begiebt sich dadurch seines Eigenthums, falls kein deSfallsiger Vorbehalt gemacht ist oder aus den Umständen erhellt; so: Mannh. 23. Febr. 78 (BAnn. 44 s. 197). 15. DaS Eigenthum an einer Sache geht nicht durch die einem Andern auf. getragene Verarbeitung verloren; die Grundsätze der Spezifikation bleiben bei einer vertragsmäßig vorgenommenen Verarbeitung ausgeschloffen: ZII. 25. Okt. 55 c. Däumchen. 16. Der Erwerb, welchen ein GewerbSgehülfe mit oder ohne Auftrag feines Meisters re. durch GewerbShandlungen macht, wird dadurch nicht von Rechts­ wegen Eigenthum des Meisters, sollte auch der Gehülfe vertragsmäßig zur Abliefe­ rung verpflichtet sein: ZI. 2. Juni 58 c. Berndt. 17. DaS Holz, welches einem Beamten zur Heizung seiner Dienstwohnung und mit dem Verbote, es zu veräußern, geliefert wird, bleibt bis zum Verbrauche eine ihm fremde Sache; er macht sich durch eine anderweite Zueignung einer Unter­ schlagung schuldig; so: Dl. 3. März 69, 27. Juni 73 (RdO. X, 118; XIV, 474: bedenklich); contra: MeveS i. StRZ. XIII, 453. 18. Für den Frachtführer ist das ganze ihm zum Transport anvertraute Frachtgut eine fremde Sache, selbst wenn in einem ausgestellten Ladescheine daS Quantum deffelben zu geringe angegeben war; obgleich in einem solchen Falle durch die Annahme des geringeren Quantums und die Zahlung der Fracht jedes weiter­ gehende ForderungS-Recht des Adreffaten gegen den Frachtführer erlischt (D. HGB. Art. 408 Abs. 1), bleibt die Zueignung des UeberschuffeS Seitens des letzteren wider­ rechtlich und strafbar: DI. 3. Mai 65 (RdO. VI, 84). 19. Bäume auf dem Stamme gehen dadurch, daß sie zum Zwecke der Fäl­ lung an einen Andern verkauft werden, (auch nach franz. rc. Rechte) noch nicht in

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daS Eigenthum des letzteren über; der verkaufende Grundeigenthttmer macht sich durch einen nochmaligen Verkauf an einen Dritten nicht einer Unterschlagung (möglicher Weise aber eines Betruges, vgl. § 263 n 60) schuldig: Beschl. I 18. Jan. 54 c. Schiemang. 19a. Nach dem Pr. ALR. (I, 21) gehören die bei Beendigung der Pachtzeit hängenden, noch nicht reifen Früchte dem Verpächter, sind daher für diesen trotz der dem Pächter gemäß §§ 597 ff. 1. c. etwa zustehenden Vergütung, keine fremden Sachen: VII. 31. Oft. 78 (NdO. XIX, 507). 20. Zehnten sind, so lange die Ablieferung nicht erfolgte, in der Hand des Zehntpflichtigen keine fremden Sachen; der Zehntberechtigte ist nicht Miteigenthümer der vom Boden getrennten Früchte: Zll. 26. Jan 54 c. Maternus. 21. Ein Miteigenthümer, Miterbe oder Gesellschafter kann an den in seinem Gewahrsam befindlichen Gemeinschaftösachen in Betreff deö Antheils der Uebrigen eine Unterschlagung begehen: VI. 17. Juni 63, ZI. 18. Sept. 67, 5. März 69, 8. Nov. 76 (RdO. in, 499; VIII, 524; X, 135; XVII, 719); die« trifft trotz Art. 100. 102. 114 de- HGB.'S zu, wenn der Gesellschafter einer offenen Handels­ gesellschaft Waaren auS dem der Gesellschaft gehörigen Waarenlager sich zu seinem Privatnutzen aneignet und verwendet: ZI. 1. Nov. 76 (RdO. XVII, 706). Dgl. § 242 n. 6. 22. Ein Mitbesitzer kann sich selbst dann der Unterschlagung der betr. Sache schuldig machen, wenn sich der Eigenthümer derselben im Mitbesitze befand: SGZ. VH, 139; vgl. § 242 n. 37. Der Mitbesitzer einer fremden Sache wird jedoch dadurch, daß er der von einem anderen Mitbesitzer verübten Unterschlagung derselben nicht widerspricht, noch nicht Theilnehmer: DreSd. 14. Nov. 73 (StZ. in, 347). 23. Der Faustpfandgläubiger, welcher von dem Rechte, das Pfandobjekt zu verkaufen, in gutem Glauben Gebrauch macht, den nach Abzug seiner Forderung verbleibenden Rest de« Erlöses aber sich rechtswidrig zueignet, begeht dadurch keine Unterschlagung; so: Münch. 9. Mai 73 (StZ. II, 325); vgl. n. 7ff. Wohl ober liegt eine Unterschlagung (und zwar an der Sache, nicht am Erlöse verübt) vor, wenn der Faustpfandgläubiger die Sache widerrechtlich und heimlich zum Nachtheile des Pandbestellers veräußert: Zn. 1. Mai 62 (RdO. n, 375); vgl. n. 24. 24. Zur Unterscheidung vom Diebstahl wird bei der Unterschlagung voraus­ gesetzt, daß die Sache im „Besitz" oder „Gewahrsam" des Thäters gewesen sei; diese beiden Ausdrücke sind hier nur zur-Erläuterung gehäuft; durch sie soll die thatsächliche Innehabung (Verfügungsgewalt) bezeichnet werden, vgl. in Betreff derselben § 242 n. 16ff. Demgemäß kommt es auf die rechtliche Natur jenes GewahrsamS rc. nicht an; unzweifelhaft gehört der „unvollständige Besitz" des Pr. ALR.'S (I, 7 § 6) hierher, z. B. der des FaustpfandgläubigerS: Zn. 1. Mai 62 (cit. d. 23). Wer den Gewahrsam eines fremden Gebäudes hat, kann an einzelnen be­ weglich gemachten Theilen deffelben eine Unterschlagung, nicht aber einen Diebstahl begehen: VII. 20. Mai 73 (RdO. XIV, 384). — Auch Derjenige, für welchen ein Anderer den Gewahrsam ausübt, kann sich (durch eine über die Sache getroffene Verfügung) der Unterschlagung schuldig machen. 25. In welcher Weise der Thäter den Gewahrsam rc. erlangt hatte, ist gleich­ gültig, insofern nur die Sache in seiner Hand eine fremde blieb, mag dieses durch ein (die spätere Rückgabe bedingendes) Rechtsgeschäft, durch einen Zufall (z. B. durch Finden: ZII. 3. Nov. 74, RvO. XV, 739), durch Irrthum oder wie sonst geschehen sein; selbst die Auvertrauung zu einem unerlaubten Zwecke schließt die Möglichkeit einer demnächstigen Unterschlagung nicht aus. Demgemäß gehört auch der Fall hierher, wo Jemand eine Sache m der irrigen Meinung einer vorhandenen Berechtigung (z. B. als vermeintlich nächster Erbe) in Besitz genommen hatte: ZI. 19. Juni 68 (RdO. IX, 398); vgl. jedoch n. 30. 26. Inwiefern Sachen. welche Dienstboten, Arbeitern, Gefangenen, eingekehrten Gästen anvertraut werden, in deren Gewahrsam übergehen, oder in dem der Herrschaft rc. verbleiben, ob also jene daran einen Diebstahl oder eine Unterschlagung begehen können, darüber vgl. § 242 n. 21 ff. 57. Ueber den Gewahrsam solcher Sachen, welche in einem einem Andern an­ vertrauten verschlossenen Behältnisse enthalten sind, vgl. § 242 n. 32.

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28. Die Strafe trifft auch den früheren Eigenthümer der Sache, welcher trotz des Uebergangs des Eigenthums den Gewahrsam zeitweilig behalten hat, z. B. den Wechselinhaber, welcher nach erlangter Zahlung den in seinen Händen verblie­ benen Wechsel weiter begiebt: 9311. 12. Marz 68 (RdO. IX, 195). 29. Ein Dritter, welcher den Gewahrsam der Sache nicht hat, kann sich an der Unterschlagung derselben nicht als Mitthäter, sondern nur als Anstifter oder Ge­ hülfe beiheiligen: vgl. n. 40; § 47 n. 17. 29a. In der richterlichen Feststellung, daß Jemand einem Anderen eine Sache anvertraut habe, ist die Feststellung des Gewahrsams deö letzteren mitenthalten: ZI. 3. Mär- 76 lRdO. XVII, 166). 30. Die Unterschlagung wird dadurch begangen, daß man sich eine fremde, bereits in dem eigenen Gewahrsam befindliche Sache demnächst (rechtswidrig) „zueignet". Somit gehört der Fall nicht hierher, wo Jemand schon bei der Be­ sitznahme der fremden Sache mit der Absicht der Zuneignung handelte (dann erfolgte die Zueignung schon durch die Besitznahme); vgl. jedoch 931. 19. Mai 76, DreSd. 13. März 76 (RdO. XVII, 373; SGZ. 21 f. 40). Da« gilt namentlich da, wo der Gewahrsam durch eine mit einer rechtswidrigen Zueignung verbundene Mißthat (z. B. durch Diebstahl, Jagdfrevel tc.) erlangt war; in einem solchen Falle kann nur wegen dieser Mißthat gestraft werden; spätere Verfügungen über die Sache sind' keine Unterschlagung: Motive s. 123; ZI. 8. März 61 (GA. IX, 646); Merkel i. HH. HI, 698. Ebenso sind solche Falle auszuscheiden, wo Jemand sich eine fremde Sache im guten Glauben einer vorhandenen Befugnis; zugeeignet (z. B. eine ge­ stohlene Sache ohne Kenntniß vom Diebstahl angekauft) hat; auch hier fällt eine spätere (nach Erlangung jener Kenntniß) über die bereits früher zugeeignete Sache getroffene Verfügung nicht unter den Begriff der Unterschlagung; contra: OG. (GSaal 24 s. 314); vgl. n. 25. — Dagegen schließt eine andere unrechtmäßige (nicht mit einer Zueignung verbundene) Erlangung de« Gewahrsam« eine demnächstige „Unterschlagung" nicht auS: Mot. 1. c. 31. Weil der vorgängige Gewahrsam rc. deS Thäters vorausgesetzt wird, kann die „Zueignung" hier nicht durch eine Wegnahme der Sache bewirkt werden; eS wird vielmehr wesentlich eine andere positive Thätigkeit erfordert, welche erkennen läßt, daß der Besitzer jene dadurch in sein Vermögen bringen wolle, um die Rechte de« EigenthümerS über sie ausüben zu können; ebenso: DI. 3. Juli 78 (RdO. XIX, 350: ein positiver KontrektationSakt sei nöthig). 32. Hierher gehören zunächst alle Arten deS Verbrauchs der Sache, sollte damit auch keine Verzehrung (Zerstörung) der Substanz der körperlichen Sache verbunden sein; z. D. Verausgaben fremder Geldstücke, Verwerthung eines rc. WerthpapierS, die unbefugte Ausfüllung und Weiterbegebung eines WechselblankettS, die (gänzliche oder theilweife) Entwerthung eines Sparkaffenbuchs durch Einziehung des Guthaben« (: DI. 21. Jan. 63, ZI. 30. Mai 66, ZU. 27. Jan. 76: RdO- in, 225: VII, 317; XVII, 68; vgl. jedoch oben n. 3 und ML. f. 488); die Realisirung eines fremden Pfandscheins durch Einlösung des Pfandes (darin liegt eine Aneignung des Pfandschein«: 931. 19. Dez. 55 GA. IV, 256); ja selbst der Fall, wo Gelder in die Kaffe deS EigenthümerS zwar wirklich abgeliefert werden, der Abliefernde sich dieselben jedoch fälschlich als eine persönliche Einlage gutschreiben läßt; so: Darmst. 29. Mai 76 (HCntsch. s. 72); vgl. übrigens § 263. 33. Dasselbe gilt von allen mit der Sache vorgenommenen Rechtsgeschäften, welche einen EigenthumSübergang vermitteln sollen (Verkaufen, Verschenken rc.) und zwar selbst dann, wenn bei einer solchen Eigenthum-Übertragung das Recht der späteren Wiedererwerbung (Rückkauf) vorbehalten wird; ZI. 5. Nov. 73, 9. Sept. 74 (RdO. XIV, 682; XV, 550); n. 34; cotifr«: Dreöd. 7. März 73 (StZ. HI, 17); oder wenn die Derschenkung gerade an den zum Empfange Berechtigten geschieht: Jena 76 (Doll. 23 s. 374); ja schon von dem bloßen Anbieten zum Verkaufe rc.. ZU. 16. Juni 74. 6. Sept. 75, DreSd. 22. Juni 74 (RdO. XV, 408; XVI, 555; SGZ. XVin, 349); n. 61. 34. Nicht minder gilt das Gesagte (n. 31) von allen Rechtsgeschäften, durch welche ein dingliche« Recht an der Sache begründet werden soll, insbesondere von einer Verpfändung. Eine solche pellt unzweifelhaft eine (theilweife) Veräußerung,

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somit recht eigentlich eine Rechtshandlung dar, welche nur als Ausfluß des EigenthumSrechtS ausgeübt werden kann; ohne Berechtigung vorgenommen, charakteristrt sie sich sonach mit Nothwendigkeit als Akt der Zueignung, selbst dann, wenn der Thäter mit der ernstlichen Absicht einer späteren rechtzeitigen Wiedereinlöse handelte, da hierdurch die rechtliche Natur seiner Handlung in keiner Weise geändert wird: ZI. 7. Juni 71, 17. Apr. 72, 5. Nov. 73 (RdO. XU, 311; XIII, 255; XIV, 683); Meyer n. 5. 6; das Gegentheil könnte mir in solchen Fällen angenommen werden, wo der Handelnde, im Bewußtsein jederzeit zur Wiedereiolöse im Stande zu sein, das Geschäft selbst gar nicht als eine ernstliche Verpfändung angesehen hatte: (Beisp.: der Verwahrer einer fremden Werthsache versetzt dieselbe in einem öffent. lichen Leihhause für einen unbedeutenden Betrag, um sie sicher unterzubringen, oder der vermögende Käufer einer Sache, deren er dringend bedarf, hat die Börse ver­ gessen und läßt eine fremde Werthsache zurück, um den Verkäufer wegen der unter, weilt nachzuliefernden Bezahlung zu beruhigen, vgl. n. 46). Contra: Manh., id. 6. Dez. 73 (BAnn. 33 s. 337; 40 s. 38; nahmen aber Unterschlagung an, wenn der Thäter mit dem Bewußtsein handelte, zur Wiedereinlöse nicht im Stande zu sein): Meckl. OG. (GSaal 27 s. 225; DreSd. 6. März, 13. Nov. u. 11. Aug. 71, 23. Marz 77 (StZ. I, 23. 185; GA. XIX, 814; SGZ. XXII, 37: die beiden letzteren Erkk. erachteten es sogar für unwesentlich, ob der Thäter mit dem Glauben zur späteren Wiedereinlöse im Stande zu sein, bzw. mit der wohlbegründeten Aussicht auf die Mittel dazu, gehandelt habe); Münch. 26. Febr., 22. Juli u. 22. Sept. 76 (BEntsch. VI, 72.391.457: der Thäter müsse bei der Verpfändung weder die Absicht der Wieder, einlösung noch die gegründete Aussicht auf Erfüllbarkeit dieser Absicht gehabt haben; doch genüge in ersterer Hinsicht ein dolus eventualis, falls der eventuell beabsichtigte Er* folg eingetreten sei); vgl. Motive s. 123 (: eö sei nach der Willensrichtung des Thä­ ters zu entscheiden, ob darin eine Unterschlagung oder nur ein unerlaubter Gebrauch der Sache zu finden sei); HS. II, 510. 515; Schütze s. 443; Schw. s. 623(612); id. i. SGZ. XV, 87; id. t. GSaal 23 s. 446; Merkel i. HH. III, 699; ML. f. 454 n. 4. — Gleichgültig ist eS, ob die Sache bei der Verpfändung als eine eigene, oder als eine fremde bezeichnet war; der Umstand, daß im letzteren Falle der Eigenthümer die unentgeltliche Herausgabe fordern kann (8 77ff. I, 15 Pr. ALR.), schließt die „Zueignung" nicht auS: ZI. 5. Mai 65 c. Detzer (beil.); contra: Abh. i. GA. IX, 360 und XIH, 379: arg. § 89.1, 20 ALR., welcher aber einen Schluß e contrario nicht zuläßt, auch unzweifelhaft schon durch § 225 deS Pr. StGB.'S außer Kraft gesetzt war. — Verpfändet ein Bevollmächtigter die anvertraute Sache zum Nachtheil des Auftraggebers, so wird (in Ideal-Konkurrenz) auch § 266 Nr. 2 anwendbar; vgl. n. 8. 10. 40. 35. Inwiefern andere mit der Sache vorgenommene Maßnahmen, z. B. ein Bei-Seite-Schassen, Verbringen, Verstecken, Derheimlichen, als Akte der „Zueignung" anzusehen sind, ist nach der dabei obwaltenden Absicht des Thäters vom Richter der Thatfrage zu beurtheilen. Um solches anzunehmen, ist keineswegs unerläßlich, daß die Sache ans dem Gewahrsam des Angeschuldigten herausgebracht, oder daß sie örtlich den Nachforschungen entzogen oder verborgen worden; noch weniger bedarf eS deS Eintritts einer Unmöglichkeit der Rückgabe: ZU. 17. Ott. 57 (GA. VI, 121). Das Hinschaffen der Sache an einen andern Ort kann genügen, (z. B. wenn ein Beamter amtlich empfangene Gelder aus dem Amtölokale in die eigne Wohnung mitnimmt): ZII. 22. Apr. 69, 24. Apr. 70, ZI. 15. März 71 (NdO.X, 250; XI, 122; XII, 161); ebenso ein Verstecken der Sache: ZII. 14. Ott. 58 (GA. VIII, 108), oder eine an derselben vorgenommene Veränderung, durch welche ihre Wiedererkennung erschwert wird: ZI. 4. Mai 70 (RdO. XI, 280); ein Vermischen mit den eignen Sachen: ZU. 12. Dez. 74 (RdO. XV, 876); oder eine (eine demnächstige Veräußerung vorbereitende) theilweise Zerstörung: ZI. 23. Sept. 68 (RdO. IX, 501); vgl. n. 38. 36. Ebenso verhält es sich mit dem Vorenthalten der Sache, mit der Ableugnung des Besitzes, mit dem Vorgeben, die Sache bereits veräußert zu haben, und mit der Verweigerung der verschuldeten Rückgabe; vgl. ZI. 6. Mai 64, DI. 16. Juni 65, ZI. 30. Apr. 69, ZU. 17. Dez. 74, ZI. 17. Juli 78 (RdO. IV, 491; VI, 186; X, 282; XV, 876; XIX, 377); DreSd. 8. Jan. 72 (StZ. 1.290); Merkel i. HH. HI, 700; contra: DI. 28. Febr. 62 (RdO. H, 277); ferner mit

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der Zurückbehaltung eines Theils auszuzählender Gelder bei der Auszahlung: ZI. 8. Nov. 76 (RdO. XVII, 719). Ja schon der (in äußerlich erkennbarer Weise) gesaßte Entschluß, die Sache von nun an als Eigenthümer zu besitzen, verbunden mit der Bethätigung dieses EntschlusieS durch ferneres Behalten derselben kann ge­ nügen: ZI. 20. Nov. 74 (RdO. XV, 804). Dagegen ist die (einstweilige) Zurückbehaltung einer Geldsumme zur Sicherstellung einer Forderung noch keine Zueignung: ZI. 3. Marz 76 (RdO. XVII, 171); dasselbe gilt von der Nichterfüllung der vertragsmäßigen Verpflichtung, die betr. Sache aus dem Pfandbesitze eines Dritten zu befreien: BI. 3. Juli 78 (eit. n. 31). 37. Der Finder einer Sache macht sich keiner Unterschlagung schuldig, wenn er schon bei der Besitzergreifung die Absicht der Zueignung hatte, weil der § vor­ aussetzt, daß der Thäter den Gewahrsam schon vor der Zueignung gehabt habe (n. 30); der § kann daher auf den Finder nur dann Anwendung finden, wenn letzterer die Absicht der Zueignung hinterdrein faßt und ausführt. Vgl. die Mot. f. 124, Darmst. 6. Nov. 71 (HEntsch. 71. 2 s. 40); contra: DreSd. 12. März 75 (SGZ. XIX, 302: beil.); Münch. 16. Febr. 77 (BEntsch. VII, 66: nahm zwar an, daß eine Besitzergreifung mit der Absicht der Zueignung die Möglichkeit einer Unterschlagung nicht ausschließe, forderte aber auch hier zur Vollendung der letzteren eine nachfolgende Handlung, durch welche jene Absicht an den Tag gelegt werde); vgl. auch DreSd. 13. März 76 (cit. n. 30). Hielt der Finder zur Zeit der Zu­ eignung die Sache für derelinquirt, so ist in keinem Falle von einer Unterschlagung die Rede; vgl. n. 4. 45. — Der Begriff des Findens wird dadurch nicht ausge­ schlossen, daß die verlorene Sache nicht zufällig angetroffen, sondern aufgesucht wor­ den ist: cit. DreSd. 13. März 76. 38. Eine lediglich auf Zerstörung der Sache abzielende Handlung schließt eine Zueignung nicht in sich, ist daher nur als Dermögensbefchädigung zu bestrafen: HS. II, 510; vgl. n. 38 a. E. und § 242 n. 41. 39. Ebensowenig kann die unbefugte Benutzung der Sache, welche nicht mit einem wenigsten- theilweifen Verbrauche (n. 32) verbunden ist, als „Zueignung" angesehen werden; vgl. § 242 n. 41. 39a. Da die Zueignung ein Rechtsbegriff ist, so muß der Jnstanzrichter in den EntscheidungSgründen die Handlung bezeichnen, in welcher er die Zueignung gesunden hat; so: Stuttg. 24. Dez. 75 (WGdl. XI, 271). Dgl. übrigen- n. 05. 40. Gleichgültig ist es, ob der Inhaber der Sache die Zueignung selbst vor­ nimmt, oder in seinem Interesse die betr. Handlung durch einen Dritten vor­ nehmen läßt. Dieser Dritte kann, selbst wenn er dolose handelt, nicht als Thäter, sondern nur als Gehülfe angesehen werden: ZI. 18. März 70, Münch. 22. Juli 76 (RdO. XI, 182; BEntsch. VI, 391); vgl. n. 29. Schütze s. 442 n. 6 nimmt eine Unterschlagung auf Seiten des Inhabers sogar dann an, wenn ein Dritter die Sache mit seiner Zustimmung sich selbst zueignete; jener Dritte könne möglicher Weise Gehülfe oder Hehler sein [?] — Keinesfalls wird eine Unterschlagung dadurch ausgeschlossen, daß der Inhaber sich die Sache blos zueignete, um sie einem Dritten zuzuwenden: DreSd. 11. Sept. 74 (StZ. V, 83); vgl. § 242 n. 42. — Stellte ein Dritter, im Einverständnisse mit dem Thäter und um diesem die rechtswidrige An­ eignung zu ermöglichen, unrichtige Berechnungen auf, so macht er sich als Gehülfe strafbar: ZI. e8. Nov. 76 (RdO. XVII, 719). 41. Die Zueignung muß „rechtswidrig" d. h. eine solche sein, auf welche man kein Recht hat: ZI. 19. Jan. 72, 20. Nov. 74 (RdO. XIII, 51; XV, 804). Somit schließt die (vorher oder gleichzeitig ertheilte) Zustimmung des EigenthümerS die Strafbarkeit selbst dann aus, wenn der Thäter keine Kenntniß von derselben hatte; dagegen hat die nachträgliche Genehmigung des EigenthümerS (z. B. die Be­ willigung einer Frist zur Erstattung der unterschlagenen Gelder: Münch. 9. Juli 75, BEntsch. V, 337) nicht die gleiche Wirkung. — Rechtswidrig ist die Handlung auch dann, wenn sie in einer über die Grenzen einer vorhandenen Berechtigung hinaus­ gehenden Weise erfolgte, z. B. wenn Derjenige, welcher befugt ist, ihm anvertraute fremde Sachen rc. zu einem aufgetragenen Zwecke zu verwenden, dieselben für sich verbraucht; oder wenn Derjenige, welcher ermächtigt war, eine fremde Sache zu verpfänden, diese Verpfändung im eignen Interesse unbefugter Weile oder für einen höheren als den ihm gestatteten Betrag bewirkt: ZI. 7. Juni 71, 12. u. 17. Apr. Oppenhoff, D. Strafgesetzbuch. 7. AuSg. 34

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72 (RdO. XU, 311; XIII, 254. 255); HS. II, 506 Note. (Nach Gemeinem Rechte ist der Psandinhaber ohne Zustimmung des Verpfänders zu einer Afterverpfävdung (seines Pfandrechts) befugt: V. 14. Oft. 68, RdO. IX, 553). Dagegen charakterisirt die bloße Vernachlässigung der vorgeschriebenen Formalitäten eine an sich berechtigte Veräußerung, z. B. die Verwerthung von Kommissionsgut im Falle des Art. 375 des DHGB.'S, noch nicht als Unterschlaguna: hier ist ebendie Absicht rechtswidriger Zueignung anSgeschlosien; so: VI. 3. Juli 78 (RdO. XIX, 350); vgl. n. 44. 42. Eine unbefugte Veräußerung der Sache hört deshalb nicht auf, rechts­ widrig und strafbar zu fein, weil der Thäter ihre spätere Wiedererwerbung und Rückgabe beabsichtigte; vgl. n. 34. Ebensowenig hebt die Möglichkeit oder Wahr, scheinlichkeit eiueS (von Ansang an gewollten) demnächst zu leistenden Ersatzes die Strafbarkeit auf, sollte auch ein solcher späterer Ersatz in irgend einer Weise (z. B. durch eine vorher geleistete Kaution oder durch Hinlegen einer antezipirten Gehalts» quittung in die spoliirte Kasse) mehr oder weniger sicher gestellt sein: ZI. 8. Nov. 67 (RdO. Vni, 692); Manh. 11. Oft. 73 (StZ. III, 205). Dasselbe gilt von einem später (nach Vollendung der Unterschlagung) wirklich geleisteten Ersätze: ZI. 27. März 63, 27. Ott. 71 (RdO. UI, 379; XII, 540). Inwiefern dagegen die Ueberzeugung, zum sofortigen Ersätze im Stande zu sein, die Strafbarkeit ausschließe, darüber vgl. n. 46. 34. 43. Selbst ein gleichzeitiger vollständiger Ersatz würde der Handlung den Charakter der Rechtswidrigkeit nur dann nehmen; wenn es sich von durchaus fungiblen Sachen handelte, z. B. von dem Austausche der fremden Geldstücke gegen andere ganz gleich werthe; vgl. n. 7. Insbesondere kann es nicht genügen, eine individuelle Sache durch denjenigen Werth zu ersetzen, welchen dieselbe für Dritte oder im Handelsverkehr hat, da sie für den Eigenthümer einen höheren Affektions rc. Werth haben kann, welcher ihm nicht widerrechtlich entzogen werden darf: ZI. 27. Juni 68 (RdO. IX, 412). Inwiefern in einem solchen Falle die Strafbarkeit wegen Ab­ wesenheit des Dolus wegfalle, darüber vgl. n. 46. 47. 44. Ebenso wird die Rechtswidrigkeit der Zueignung durch das Vorhandenfein einer Gegenforderung oder eines Kompensationsanspruchs nicht beseitigt (nur Forderung-rechte können durch Kompensation aufgehoben werden, nicht das Eigenthumsrecht): ZU. 26. Sept. 72, ZI. 13. Juni 73 (RdO. XIII, 477; XIV, 419). Demgemäß schließt der Umstand, daß der Inhaber sich für eine vermeintlich rechtmäßige Forderung bezahlt machen wollte, eine Unterschlagung an sich nicht auS; wohl aber kann hier in Frage kommen, ob jenem das Bewußtsein der Rechtöwidrigkeit der Zueignung (n. 45) beiwohnte: ZI. 19. Jan. 72, VI. 29. Mai 74 (RdO. XUI, 51; XV, 339). Dgl. überdies d. 36. 41 a. E. 44a. Auf die Person des Verletzten und die Natur seines Rechts kommt es nicht an; der § hat den Begriff „Unterschlagung" dem § 225 deö Pr. StGB.'S gegenüber insofern erweitert, als letzterer nur die Rechte der Eigenthümer, Besitzer oder Inhaber schützen wollte; so: ZI. 20. Nov. 74 (RdO. XV, 804). Ebenso ist eS gleichgültig, ob bei dem Verletzten die Ueberzeugung von dem Verluste seines Eigenthums entstanden sei: ZI. 17. Juli 78 (ib. XIX, 377). 45. Der DoluS besteht hier, ebenso wie beim Diebstahle, in der Absicht der Zueignung, mit dem Bewußtsein, daß die Sache eine fremde und daß die Zueignung rechtswidrig sei: ZIU 6. Okt. 74, ZI. 3. März 76 (RdO. XV, 624; XVU, 170). CS wird daher hier das zu § 242 n. 41—45 Gesagte in vollem Maße anwendbar. Insbesondere bedarf es auch hier keiner über jene Absicht der Zueignung hinaus­ gehenden „Gewinnsucht": Motive s. 123; ZI. 1. Nov. 72 (RdO. XUI, 579). Der Mangel jenes Bewußtseins in dem einen oder dem andern Punkte schließt da­ gegen die Strafbarkeit selbst dann aus, wenn er die Folge eines Rechtsirrthums war; vgl. § 242 n. 40, Manh. 8. Juli 76 (BAnn. 42 f. 261). 46. Demgemäß (n. 45) schließt auch die Absicht eines dereinstigen Ersatzes (n. 42) den DoluS nicht aus. sollte auch der Thäter dabei die Ueberzeugung hegen, daß er zu einer späteren Zeit im Besitze der zu einem solchen Ersätze erforder­ lichen Mittel sein werde: ZU. 17. März 70, Z. 29. Juni 70 (RdO. XI, 176. 383). Straflosigkeit kann also nur dann eintreten, wenn der Thäter mit der Ueberzeugung

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handelte, daß er sofort und jederzeit zur vollständigen Ersetzung der betr. (fungiblen) Sache durch andere gleich werthe im Stande sei: ZI. 21. Okt. 68 (RdO. IX, 570); vgl. n.34; HLlschn. i. GA. XV, 13; HS. II. 519; contra: Schw. s. 625 (616); DreSd. 1. Nov. 72, Manh. 5. Febr. 76 (StZ. II. 189; BAnn. 43 f. 301: welche Erkk. die Veräußerung rc. einer fungiblen zu einer bestimmten späteren Zeit abzuliefern­ den fremden Sache nicht für eine Unterschlagung erachteten, wenn es in der Ueber­ zeugung geschehen sei, zu jener künftigen Zeit zum vollständigen Ersätze im Stande zu sein; dies soll nach cit. Manh. jedoch da eine Ausnahme erleiden, wo die be­ sondere Art des Auftrags oder eine besondere Verabredung jene Verwendung untersagt habe); vgl. auch BL. s. 542. 47. Da zum Dolus wesentlich auch das Bewußtsein von der Rechtswidrig!eit gehört (n. 45), so trifft der § nicht zu, wenn der Thäter in der Ueberzeugung handelte, daß der Eigenthümer der Sache mit der vorgenommenen Handlung sofort einverstanden sein werde: Mot. s. 124; DreSd. 6. Juni 73 (SGZ. XVII, 183). Dagegen genügt die bloße Hoffnung, der Andere werde sich zu einer demnächftigen Gutheißung bewegen lasten, noch nicht, um die Strafbarkeit zu be­ seitigen. 48. Ein weiter gehender DoluS wird nicht erheischt, insbesondere also nicht die Absicht und selbst nicht einmal daS Bewußtsein einer Benachtheiligung des fremden Rechts, und ebensowenig eine (weiter gehende) „Absicht zu unterschlagen": Beschl. II. 23. Mai 61, ZI. 17. März 70 (RdO. I, 406; XI, 176). 49. Eine bloße Fahrlässigkeit (Unachtsamkeit) genügt nie zum Thatbestände der Unterschlagung: ZI. 7. März 60 c. Schulz. 50. Eine den Worten des § entsprechende thatsächliche Feststellung schließt an sich die des erforderlichen Dolus in sich; nur dann, weun der Angeschuldigte daS Vorhandensein einzelner Merkmale dieses DoluS bestreitet, bedarf es einer ausdrück­ lichen Feststellung derselben: 9311. 15. Juli 54, DI. 6. Sept. 65 (GA. 50. II. 10; RdO. VI, 277). 51. Vollendet wird die Unterschlagung durch die erste eine Zueignung darstellende Handlung, sollte auch der Augenblick, wo die Sache dem Berechtigten aus­ zuhändigen war, noch nicht gekommen sein: 9311. 9. Mai 67 (RdO. VIII, 33). Durch spätere über die Sache getroffene Verfügungen re. wird dann das Vergehen ebensowenig fortgesetzt als erneuert. Vgl. n. 30. DeS Eintritts einer Benachthei­ ligung des Berechtigten bedarf es zur Vollendung nicht, wie eine solche überhaupt nicht zu den Merkmalen de« Thatbestandes einer Unterschlagung gehört: ZI. 26. Nov. 75 (RdO. XVI, 759). 52. Demgemäß (n. 51) beginnt auch der Laus der Verjährung (nicht mit der Erlangung des Gewahrsam«, sondern) mit dem Tage, an welchem die (erste) Zueignungshandlung zum Abschlüsse gekommen ist; sie wird durch spätere ander­ weitige Verfügungen über die Sache nicht unterbrochen. 53. Au« demselben Grunde (n. 51) begeht Derjenige, welcher den Gewahrsam mehrerer (demselben Dritten gehöriger) fremder Sachen gleichzeitig erlangt hat, meh­ rere Unterschlagungen in Real-Konkurrenz, wenn er sich jene durch verschiedene selbstständige Handlungen zueignet. 54. Dastelbe gilt da, wo Gelder rc. wiederholt unterschlagen und dann wieder gedeckt find; contra: Schw. s. 626 (617), welcher nur in Betreff deö schließlich fehlenden Betrages eine (einmalige) Unterschlagung annimmt (dann würde der That­ bestand gänzlich wegsallen, wenn der unterschlagende Kastenbeamte schließlich alles wieder gedeckt hätte); vgl. n. 41. 42. 55. Real-Konkurrenz liegt vor, wenn Jemand zur Verdeckung einer verübten Unterschlagung eine Urkundenfälschung begeht. 56. Neben der Gefängnißstrase kann, wenn diese drei Monate erreicht (§ 32), aus den Verlust der Ehrenrechte re. erkannt werden: §§ 248. 32. 35. 57. War die Sache dem Thäter „anvertraut", so kann eine Schärfung der Gefängnißstrase bis zu fünf Jahren eintreten; die Motive (f. 123) bezeichnen diesen Fall als „Veruntreuung". „Anvertraut" ist eine Sache, wenn der Gewahrsam

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derselben auf Grund eines vertragsmäßigen Rechtsverhältnisses und mit der Ver­ pflichtung erlangt ist, sie später wieder abzuliefern: Merkel i. HH. HI, 696; im Uebrigen sind die Natur, die Rechtsgültigkeit und der Zweck jenes Rechtsverhält­ nisses sowie die Person Desjenigen, an welchen die Ablieferung (Rückgabe :c.) er­ folgen soll, gleichgültig; Beisp.: Hinterlegung«-, Sachmiethe-, Verarbeitung«-, Leih-, Auftrag--, VerpfändungSvertrag. Precarium: Schütze f. 444 n. 11. Letzterer rechnet auch vertragöähnliche Rechtsverhältnisse, z. B. Vormundschaft hinzu. Manh. 24. März 77 (BAnn. 43 s. 123) schließt, mit Rücksicht auf die Vorgeschichte des §, nur die­ jenigen Sachen aus, deren Besitz rc. durch Finden oder Zufall (Pr. StGB. § 226) erlangt wurde. Vgl. n. 8 a. E. und § 266. 58. Abs. 2 gestattet beim Vorhandensein mildernder Umstände die Ver­ hängung einer bloßen Geldstrafe, schließt aber deshalb die Gefängnißstrafe nicht als unstatthaft aus. — Er bezieht sich auch auf den Fall der Veruntreuung. 59. In Betreff der Unterschlagungen der Beamten vgl. die §§ 350. 351. 60. Ein Anfang der Ausführung des Versuchs einer Unterschlagung ist nicht denkbar, so lange die Sache noch nicht in den Gewahrsam des Angeschuldigten gekommen ist; der Versuch, eine fremde Sache in seinen Gewahrsam zu bekommen, um sie demnächst zu unterschlagen, ist nicht strafbar: ZPl. 28. März 59 (JMbl. s. 170); Merkel i. HH- m, 708; contra: Schütze s. 445 n. 14. 61. Macht sich Jemand einer Unterschlagung dadurch schuldig, daß er eine fremde in seinem Gewahrsam befindliche Sache rechtswidrig auf einen Dritten über­ trägt, so ist die Betheiligung dieses Dritten bei der fraglichen Handlung nicht Hehlerei, weil diese eine vorher vollendete Mißthat voraussetzt, hier aber erst durch die Veräußerung die Unterschlagung verübt wird; jener Dritte kann sonach nur insoweit strafbar sein, als seine Handlung sich als Theilnahme am Vergehen des Thäters darstellt: DII. 24. Ott. 67, 26. März 68. ZI. 12. Jan. 72 (RdO. VIII, 636; IX, 236; XIII, 35); Merkel i. HH. III, 708. Das Umgekehrte tritt ein, wenn der Inhaber sich die Sache vorher schon zugeeignet hatte und sie dann erst durch eine neue Handung aus einen Andern überträgt (n. 51); als einen vor­ hergegangenen Akt der Zueignung kann der Jnstanzrichter das Wegstecken der Sache, daö Anbieten zum Verkaufe, die Ableugnung eines Fundes rc. ansehen: eit. ZI. 12. Jan. 72; 3?DL 4. April 78, Münch. 19. Juli 73 (RdO. XIX, 194; StZ. H, 376); vgl. n. 33. In solchen Fällen ist die Bestrafung des Dritten als Hehler dadurch bedingt, daß er beim Erwerbe der Sache Kenntniß von der vorher vollen­ deten Unterschlagung hatte. 62. Unter gewissen Voraussetzungen bleibt der Urheber einer Unterschlagung straflos; bei anderen ist die Verfolgung durch einen Antrag deö Verletzten be­ dingt. Das Nähere siehe bei § 247. 63. Die französische (belgische und rheinhessische) Rechtsprechung und RechtSlehre halten durchweg an dem Grundsätze fest, daß da, wo der Thatbestand eines Vergehens rc. die Existenz eines vertragsmäßigen Verhältnisses voraussetzt, oder in sich schließt, der Beweis des letzteren auch im Strafverfahren nur in derjenigen Weife statthaft sei, wie er vor dem Eivilrichter geführt werden könnte; daß also z. B. der Zeugenbeweis über dieses civilrechtliche Verhältniß vom Strafrichter nur da zuzulassen sei, wo er auch vor dem Eivilrichter statthaft sein würde: Gilb. C. pdn. art. 408 n. 93ff. 98ff. Die rheinpreußischen, rheinbaierischen und badischen Gerichte haben diesen Grundsatz mit Recht nie anerkannt, und die Zulässigkeit der Beweismittel überall nur nach den für das Strafverfahren geltenden Regeln beurtheilt, sonach stets den Zeugenbeweis unbeschränkt zugelassen. Vgl. § 153 n. 29; Oppenh. Pr. Strafverf. Art. 22 n. 10. 73—75; Petersen i. Puch. Zeitschr. III, H. 2. Dereinst erledigt sich diese Streitfrage im Sinne letzterer Ansicht durch § 261 Abs. 1 der RStPO.; die im Abs. 2 ib. dem Strafrichter allgemein ertheilte Befugniß, da, wo die Strafbarkeit einer Handlung von der Beurtheilung eines bürgerlichen Rechtsverhältnisses abhängt, die Untersuchung auszusehen und einem der Betheiligten zur Erhebung der Civilklage eine Frist zu bestimmen oder das Urtheil

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§. 2Ü7. Wer einen Diebstahl oder eine Unterschlagung gegen Angehörige, Vormünder oder Erzieher begeht, oder wer einer Person, zu der er im Lehrlingsverhältnisse steht, oder in deren häuslicher Gemeinschaft er als Gesinde sich befindet, Sachen von unbedeutendem Werthe stiehlt oder unterschlägt, ist nur auf Antrag zu verfolgen. Die Zurücknahme des An­ trages ist zulässig. des Civilgerichts [über die civilrechtliche Vorfrage^ abzuwarten, wird sich namentlich, gegenüber ganz unbegründeten, lediglich zur Umgehung einer Civilklage erhobenen Denunciationen wegen Unterschlagung oder Betrugs, wie sie in Fällen aufgelöster Sozietätsverträge, Geschäftsverbindungen. Austragsverhältnisie rc. öfter vorkommen, als praktisch erweisen: Mot. z. RStPO- s- 189. 64. Ueber die Zuständigkeit vgl. RGBG. §§ 27. 28. 75.

§247. Angehöriger: 3 Ascendent: 16. Begünstigung: 1. Diebstahl 2. 10. 21. Dolus: 12. 20. Ehegatte: 17. 18. Entwendung: 2. Erzieher: 5. „gegen"« 10. 11. 19.

Inhalt: Gesinde: 8. Häusliche Gemeinsch.. 6. Hehlerei: I. 22. Jdealkonkurrenz r 21. Irrthum: 12. 20. Kenntniß: 12. 20. Kost oder Lohn: 6. 7. Lehrling: 7. Sachbeschädigung: 21.

Strafe. 13. rheilbarkeit: 15. Theilnahme: 1. 15. 22. Unbedeut. Werth: 9. Verletzter» 10. 15. Verschwägerter: 16. Versuch: 1. verwandter: 16. Vormund: 4.

1. In den Abss. 1. 2 umfassen die Ausdrücke „Diebstahl" und „Unter­ schlagung" auch den Versuch dieser Mißthaten (vgl. § 65 n. 4), alle Arten der Theilnahme an solchen und die Begünstigung (Abs. 3; § 61 n. 6); dagegen sind die Vorschriften aus die Hehlerei nicht auszudehnen. Vgl. n. 22. 2. „Diebstahl" ist auf alle Arten des Diebstahls (nicht aber auf Raub) zu beziehen, also auch auf die Fälle des schweren Diebstahls und auf die nur als Ueber, tretung zu bestrafenden Entwendungen (Feld-, Holz-, Eßwaaren-Diebstahl); vgl. § 370 Nr 5 und Schlußsatz. 2a. Für die Anwendbarkeit des § ist lediglich entscheidend, daß daS bett. Ver­ hältniß zur Zeit der That bestanden habe; vgl. n. 17; contra: Schw. i. SGH. 22 s. 163 (in Betreff des AngehörigkeitS-DerhältnisseS, für dessen ganze Dauer die Wohlthat des § dem Thäter ex ratione legis zu Statten komme). 3. Ueber den Begriff des „Angehörigen" vgl. § 52 Abs. 2. Demgemäß sind zwar Halb-, nicht aber Stiefgeschwister (s. g. zusammengebrachte Kinder) Ange­ hörige; ebenso: ZI. 12. März 79 (RdO. XX, 135). 4. „Vormund" ist hier Derjenige, welchem die Sorge für eine handlungs­ unfähige Person unmittelbar übertragen ist, nicht also ein nur für die VermögensVerwaltung bestellter Vormund oder Curator, der Gegenvormund des Preußischen, sowie der Nebenvormuud des französischen Rechts, noch der die obervormundschaft­ lichen Funktionen ausübende Beamte: ebenso: MeveS s. 215; contra: Merkel i HH. III, 709 (zählt auch den Vormund eines Verschwenders hierher). 5. Unter „Erziehern" sind Lehrer (Lehrherren, Lehrmeister) nicht mitbe­ griffen, insofern ihnen nicht die ganze Leitung der körperlichen und sittlichen Ausbildung übertragen ist: Dreöd. 17. Febr. 71 (GA. XIX, 815); Münch. 8. Apr. 72 (StZ. I, 190); vgl. § 174 n. 10. 6. Die Worte „oder wer...................unterschlägt" fanden sich im Abs. 1 ur­ sprünglich nicht; vielmehr machte Abs. 1 nach seiner ursprünglichen Fassung die Strafverfolgung von einem Antrage in allen Fällen abhängig, wo ein Diebstahl rc. gegen Personen begangen wird, in deren Lohn oder Kost der Thäter sich befindet, und zwar ohne Rücksicht auf den Werth des Objekts. Die Novelle hat dies durch obige Worte in beiderlei Hinsicht geändert.

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THI. U. Abschn. XIX.

Diebstahl und Unterschlagung. — § 247.

Ein Diebstahl oder eine Unterschlagung, welche von Ver­ wandten aufsteigender Linie gegen Verwandte absteigender Linie oder von einem Ehegatten gegen den anderen begangen worden ist, bleibt straflos. 7. Unter den ,«m Verletzten „im Lehrling-verhLltniß Stehenden" sind alle Lehrlinge, auch die nicht in häuslicher Gemeinschaft mit ihm sich befindenden, begriffen, nicht aber Gehülfen und Gesellen, selbst im Falle der häuslichen Gemein­ schaft mit dem Verletzten: Stenogr. Ber. s. 822 (Schwarze). — Lehrling ist jeder, welcher bei einem Lehrherrn zur Erlernung eines Gewerbes in Arbeit tritt, ohne Unterschied, ob die Erlernung gegen Lehrgeld oder unentgeltliche Hülfe­ leistung stattfindet, oder ob für die Arbeit Lohn gezahlt wird: Gew.-O. § 115 (alte Fassung). Da hiernach zum Wesen deö „LehrlingöverhältnisseS" nicht gehört, daß der Lehrling von seinem Meister Lohn oder Kost erhalte, so ist der Umfang deS § 247 durch die Novelle insofern sogar noch erweitert worden. — MeveS f. 216 zählt auch die Handlung-- und Apothekerlehrlinge (Gew.-O. § 126 bzw. jetzt § 154; HGB. I, Tit. VI) und da, wo partikularrechtlich bei der Land- und Forstwirthschaft Lehr­ linge auftreten, selbst diese hierher. 8. Der Ausdruck: „Gesinde" ist hier nur in engerem Sinne zu nehmen, mithin nur auf die eigentlichen Dienstboten, bzw. solche Personen zu beziehen, welche sich zur Verrichtung der niederen Dienste im Hauswesen, in der Wirthschaft tc. ver­ tragsmäßig für eine längere Zeitdauer verpflichtet haben; vgl. Stenogr. Ber. s. 815. Demgemäß gehören Taglöhner, Dtückarbeiter sowie alle anderen nur vorübergehend beschäftigten Personen, und andererseits Hauslehrer, Privatsekretaire, Handlung«, reisende, Gouvernanten, Gesellschafterinnen nicht hierher; desgleichen nicht s. g. Hausoffizianten, ungeachtet das Pr. ALR. (§ 177 ff. II. 5) die letzteren in gewissem Detrachte zum Gesinde zählt, noch die in Preußen gleichfalls der Gefindegefetzgebung in mehrfacher Hinsicht unterworfenen Schiffsleute; vgl. Oppenhoff Reff.-Gef. s. 188, MeveS s. 217. Zur Feststellung deö Begriffs bleiben landesgesetzliche Bestimmungen hier überhaupt außer Frage. — DaS Gesinde muß sich in der „häuslichen Ge­ meinschaft" deS Verletzten befinden; dazu genügt eS nicht, wenn der Thäter zufällig oder in Folge des Dienstverhältnisses in Gebäuden wohnt, welche mit dem Hanfe des Verletzten in Verbindung stehen, oder wenn er zwar freie Wohnung in einem Raume des Hauses hat, auch regelmäßig zu den Mahlzeiten der Dienstherrschaft zugezogen wird, im Uebrigen aber gänzlich getrennt von der Hausgemeinschaft lebt; eS ist vielmehr erforderlich, daß er mit dem Verletzten so zusammenwohnt, wie dies unter den Angehörigen einer Familie zu geschehen pflegt; so: Laöker, Schwarze i. Stenogr. Ber. s. 820. 822; contra: MeveS s. 218; vgl. auch BL. s. 527 (definirt „häusliche Gemeinschaft" als eine solche HauSgenoffenschaft, welche dem Thäter freien Zutritt zu den Gegenständen gewähre). — DaS Zusammentreffen deS Gesindeverhältniffeö und der häuslichen Gemeinschaft genügt zur Anwendbarkeit deö § nicht, vielmehr muß ersteres Verhältniß auch gerade zwischen dem Diebe und dem Bestohlenen bestehen; Diebstähle gegen Dritte, z. B. gegen die in der häuslichen Gemeinschaft befindlichen Angehörigen deS Dienstherrn verübt, gehören nicht hierher: ZI. 25. Jan. 78 (RdO. XIX, 39); contra: BoituS i. GSaal 30 f. 317. 9. Der vage Ausdruck „von unbedeutendem Werthe" fand sich schon im § 370 Nr. 5, ist dort aber näher präzisirt durch die sonstigen Thatbestand-merkmale („Nahrungsmittel rc.", „zum alsbaldigen Verbrauche"). Eine Mehrheit gestohlener rc. Sachen, welche zwar, jede einzeln für sich betrachtet, von unbedeutendem, wegen ihrer Menge jedoch von nicht unbedeutendem Werthe sind, schließt die Anwendung des § aus. Im Uebrigen ist die thatsächliche (mithin vom Nichtigkeitörichter nicht nachzuprüfende: Stuttg. 31. Dez. 77, WGbl. XIV, 111) Frage, ob eine Sache von unbedeutendem Werthe sei, nach den Umständen jedes einzelnen Falles zu beurtheilen und hierbei auch die Vermögenslage des Verletzten mehr oder weniger in Betracht zu ziehen. 10. In Betreff der Person, „gegen welche ein Diebstahl rc. begangen wird" („deö Verletzten"), vgl. §65 n. 1. 3. Hiernach ist der Eigenthümer der Sache gelbst dann verletzt, wenn sie (beim Diebstahl) nicht auö seinem Gewahrsam weg-

Thl. n. Abschn. XIX. Diebstahl und Unterschlagung. — § 247.

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Diese Bestimmungen finden auf Theilnehmer oder Be­ günstiger, welche nicht in einem der vorbezeichneten persönlichen Verhältnisse stehen, keine Anwendung. |I. Entw.: § 222; II. Entw-: § 242; — Nov. v. 26. gebt. 1876 Art. I. UI. — Pr. StGB.: § 228.] Vgl. §§ 50. 52. 61—65. 289 Abs. 5; 370 Nr. 5; B.-Gew.-Ordn. v. 21. Juni 1869 § 115; R.-Mil.-SiGB. § 127. genommen ist, oder wenn er für dieselbe einen Ersatzanspruch gegen Dritte hat: ZPl. 30. April 77, DreSd. 12. Apr. u. 17. Juni 72. Sluttg. 19. Nov. 73 (RdO. XVIII. 297; StZ. I, 332; II, 113; III, 210); vgl. Stuttg. 1. Dez. 75 (WGbl. XI, 330). Dasselbe gilt aber auch vom Inhaber der Sache, sobald sein rechtlich geschützter Besitzstand beeinträchtigt oder wenn durch die That für ihn eine ErsatzPflicht begründet wird: BI. 19. Nov. 56 (GA. V, 101), — nicht aber vom unred­ lichen Besitzer: DI. 1. Juli 64 (RdO. V, 43); vgl. jedoch cit. ZPl. 30. April 77 (nahm einen civilrechtlich und darum auch strafrechtlich geschützten Besitzstand zu Gunsten Jemandes an, welcher die spater gestohlene Sache gefunden und sich dem­ nächst rechtswidrig zugeeignet hatte, selbst freilich, weil diese Unterschlagung verjährt war, nicht mehr strafrechtlich verfolgt werden konnte; daö Recht-verhältniß des In­ habers zum Eigenthümer komme hier nickt in Betracht). — Ein Dienstbote, welcher sich Geld zueignet, welches ihm ein Dritter zur Verabfolgung an seinen Herrn (ohne Auftrag des letztern) übergeben hatte, begeht die Unterschlagung nur „gegen" jenen Dritten: ZI. 9. Febr. 72 (RdO. XIH, 135); Münch. 6. Mai 73 (StZ. II, 326). 11. Abs. 1 scheidet aus, wenn die Mißthat nicht allein „gegen" eine der aus­ gezählten Personen verübt war, sondern gleichzeitig auch die Rechte eines in keinem solchen Berhältniffe stehenden Dritten beeinträchtigte: ZI. 27. März 74 (RdO. XV, 193); BII. 9. Febr. 60 (RA. 55, II. 42). Das gilt z. B. da, wo eine zur Güter­ gemeinschaft gehörige Sache gestohlen wird; die Mitberechtigung der Frau läßt die Verfolgung ohne Strafantrag statthaft erscheinen, wenn nicht sie, sondern nur der Mann in einem der gedachten Derhältnisie sich befindet, sollte dem letzteren auch das BerwaltungS- und Beräußerungsrecht in Betreff jener Sache zustehen: ZI. 13. Nov. 72, DI. 20. Jan. 75 (RdO. XIII, 591: XVI, 62). 12. Die Anwendbarkeit des Abs. 1 ist lediglich durch das Bestehen eines der angedeuteten Verhältnisse bedingt, ohne daß eö dabei auf die Kenntniß des Schul­ digen von diesem Derhältnisie, oder auf sein Vermeinen über ein solches ankäme: DI. 1. Juli 64 (RdO. V, 43); es bedarf daher deö Antrags nicht, sobald daö Ver­ gehen „gegen einen Dritten" begangen war, sollte der Schuldige seinerseits auch geglaubt haben, er verletze durch die That nur die Rechte eines Angehörigen rc.: DI. 20. Jan. 75, Stuttg. 22. Juni 75 (RdO. XVI, 62; StZ. V, 85); § 59 n. 18; HS. II, 453; Merkel i. HH. III, 711; Reber n. 118. 183; contra: ZI. 17. Mai 58 GA. VI, 710); Schw. f. 260. 628. 13. Ist der Antrag gestellt, so erfolgt die Bestrafung nach den allgemei­ nen Grundsätzen; eö findet daher event, auch § 244 (Rückfall) Anwendung; vgl. § 244 n. 17. 14. Die Vorschriften über die Unheilbarkeit eines Strafantrags und seiner Zurücknahme finden hier keine Anwendung: Abs. 3; vgl. § 63 n. 4. 15. Die Bestimmung deö Abs. 1 ist, soweit sie Vergehen wider Angehörige, Vormünder oder Erzieher betrifft, durch § 263 auf den Betrug ausgedehnt. 16. Abs. 2 spricht (im Gegensatze gegen § 52 Abs. 1) nur „von Verwand­ ten" der auf- und absteigenden Linie, ist also auf die Blutöverwandton zu be­ schränken und auf Verschwägerte nicht auszudehnen: Schütze s. 447 n. 19. 17. Zwischen Ehegatten wird der § wirksam, sobald die betreffende Hand­ lang zur Zeit des Bestehens der Ehe stattfand, sollte die letztere auch seitdem auf­ gelöst worden sein; vgl. n. 2a. 18. Eine Ehescheidung beseitigt für die Zukunft die Anwendbarkeit deö § 247. Das ist aus eine Trennung (von Tisch und Bett rc.), Welche daö Band der Ehe fortbestehen läßt, nicht auszudehnen.

536

Thl. II. Abschv. XX.

Raub und Erpressung. — |§ 248. 249.

§. 248. Neben der wegen Diebstahls oder Unter­ schlagung erkannten Gefängnißstrafe kann auf Verlust der bür­ gerlichen Ehrenrechte, und neben der wegen Diebstahls er­ kannten Zuchthausstrafe auf Zulässigkeit von Polizei-Aufsicht erkannt werden. sl. Entw.: §§ 216. 223; n. Entw.: § 243; Pr. StGB.: §§216. 218. 219. 227.] Dgl. §§ 32. 35. 38. 45. 48. 49. 242-244. 246. 256.

Zwanzigster Abschnitt. Raub und Erpressung. §. 249. Wer mit Gewalt gegen eine Person oder unter Anwendung von Drohungen mit gegenwärtiger Gefahr 19. Ueber die Bedeutung der Worte: „gegen Verwandte ic." vgl. oben 10; in Betreff des Falles, wo durch die That außer dem Descendenten noch ein Dritter in seinen Rechten gekränkt wurde, gilt analog doS unter n. 11 Gesagte. 20. Da der § die gegen einen Descendenten verllbten Diebstähle für straflos erklärt, so muß der irrige Glaube deS Schuldigen: er verletze durch seine Hand­ lung nur das Recht seines Descendenten, die gleiche Wirkung ausüben: Merkel i. HH. III, 711; Schw. i. SGZ. 22 s. 162; v. Buri i. GSaal 29 Beil. s. 197; contra: Rüd. d. 3; HS. II. 452; Dinding II. 475; vgl. Abh. i. GA. V. 643. 21. Die Straflosigkeit des Diebs ist auf einen begleitenden und quali« fizirenden Umstand (z. B. den Einbruch), wenn dieser für sich allein ein selbstständiges Vergehen j. B. das der Sachbeschädigung) darstellt, nicht aus­ zudehnen, zumal da, wo letzteres gegen eine dritte Person (z. B. den Eigenthümer des vom Bestohlenen bewohnten HaufeS) verübt ist; vgl. § 73 n. 6. 12; contra: v. Bar i. GA. XIX, 651; Ruhstr. i. GSaal 24 f. 140. 149; Fuchs s. 82. 22. Die im Abs. 2 vorgesehene Handlung ist an sich eine Mißthat, welche nur an der betr. Person nicht bestraft wird; diese Ausnahmebestimmung ist daher auf die in keinem der erwähnten Derhältnisie stehenden Theilnehmer und BegÜnstiger nicht auszudehnen: Abs. 3; vgl. übrigens Binding II. 468 (bezieht den Abs. 3 nur auf die Fälle deö bezweckten Sichern« der Vortheile; leiste Jemand einem Straf­ losen Beistand, um ihn der vermeintlich verwirkten Strafe zu entziehen, so liege bei ihm blos Putativ-Dolus vor); dasselbe gilt vom Hehler: ZU. 15. Febr. 72, ZI. 2. Mai 73, ZU. 27. Juni 76 (RdO. XIII, 154; XIV, 332; XVn, 458); vgl. n. 1. Noch unbedenklicher kommt letzterem die Vorschrift deS Abs. 1 nicht zu Statten: ZU. 9. Jan. 79 (RdO. XX, 25). d.

§ 248. 1. Die Vorschrift dieses § gilt auch für die Bestrafung des Versuchs oder der Theilnahme an einem der genannten Strassälle: §§ 45. 48. 49. Es kann daher wegen eines versuchten schweren Diebstahls auf Zulässigkeit von Polizeiaufsicht nur neben Zuchthaus erkaunt werden. 2. Die ganze Dorschrift.ist für den Instanzrichter fakultativ. 3. Auf den Verlust der Ehrenrechte rc. kann nur dann erkannt werden, wenn die Gesängnißstrafe drei Monate erreicht: §§ 32. 35.

§ 249. 1. Die Motive (s. 124) heben hervor, daß der „Raub" nicht als ein „durch Gewalt gegen die Person verübter Diebstahl" noch als eine „durch diebische Absicht ausgezeichnete Gewalt", sondern als ein besonderes gegen Person und Eigenthum zugleich begangenes Verbrechen betrachtet fei. Demgemäß bleiben alle die Be-

Thl. II. Abschn. XX.

Raub »nd Erpressung. — § 249.

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für Leib oder Leben eine fremde bewegliche Sache einem An­ deren in der Absicht wegnimmt, sich dieselbe rechtswidrig zu­ zueignen, wird wegen Raubes mit Zuchthaus bestraft. Sind mildernde Umstände vorhanden, so tritt Gefängniß­ strafe nicht unter sechs Monaten ein. [I. @nlto.: § 227; II. Emw.: §244; Pr. StGB.: §§ 230. 231.] 244. 250 - 252. 256. 139. 32. Preußen: Vgl. Ges. v. 4. Juui 1851 § 10 (GS. s. 453).

Vgl. §§242.

strasung des ..Diebstahls" betreffenden Vorschriften (z. D. § 247) hier ausgeschlossen, insoweit sie nicht für den Raub ausdrücklich wiederholt sind. 2. Dagegen umfaßt die Begriffsbestimmung des § den vollständigen Thatbestand des Diebstahls, wie er im § 242 aufgestellt worden ist: es ist daher Alles, was *u jenem § bemerkt ist, um jenen Begriff zu erläutern, hier zu berücksichtigen, es sei denn, daß sich aus den, den Raub unterscheidenden besonderen Merkmalen nachweisen ließe, daß jene Grundsätze hier außer Anwendung bleiben müssen: BL. s. 542; Merkel i. HH. III, 715ff.; vgl. n. 13. 3. Demgemäß wird auch der Raub erst durch die Wegnahme der Sache vollendet: Motive s. 124. Hat eine „Wegnahme" gar nicht stattgefunden, ist vielmehr der andere durch Gewalt genöthigt worden, die Sache herauszugeben, so kann nur Erpressung (§ 253. 255), nicht Raub vorliegen. 4. Die gewaltsame Besitznahme unbeweglicher Sachen ist nicht Raub und nur insofern strafbar, als sie den Thatbestand eines anderen Straffalles enthält. 5. Mit Rücksicht auf das unter n. 1 Gesagte trifft die Strafe des Raubes auch da zu, wo es sich um solche Gegenstände handelt, deren „Diebstahl" wegen besonderer dabei obwaltender Umstände mit geringeren (UebertretungS-) Strafen bedroht ist, z. B. um Nahrungsmittel rc., Holz, Feldfrüchte von unbedeutendem Werthe rc. Insoweit die Voraussetzungen der §§ 249 ff. zutreffen, bleiben die besonderen, „Entwendungen" rc. der fraglichen Art vorsehenden, Straf­ bestimmungen (;. B. des § 370 Nr. 5, eines HDGef.'S, einer Feldpolizeiordnung rc.) außer Anwendung: Beschl. I. 11. Febr. 70 (RdO. XI, 94); vgl. Pr. Ges. v. 22. Mai 1852 Art. III; Pr. NED. Art. XIII, welche zwar die Strafen des schweren Dieb­ stahls, nicht aber die des Raubes ausschließen, und § 252 n. 1. 6. Ueber den Begriff der „Gewalt" vgl. § 113 n. 29ff.; die Gewaltanwen­ dung muß hier das Mittel fein, welches die Wegnahme ermöglichte, sei eS, daß dadurch dem Andern die Hinderung der Wegnahme unmöglich gemacht oder daß er zu ihrer Duldung genöthigt wurde. Dieselbe braucht keine für den Angegriffenen unüberwindliche („unwiderstehliche": § 52) zu sein; contra: v. Buri i GSaal 29 Beil. f. 22; es genügt eine Gewalt, welche dahin abzielt, diejenige Kraftanftrengung zu überwinden, welche der Inhaber macht, um sich im Besitze der Sache zu er­ halten, z. B. ein Wegreißen aus den festhaltenden Händen: ZI. 27. März 67, Befchl. I 6. Jan. 69 (RdO. VIII, 204; X, 4); Dreöd. 4. Juni 75 (SGZ. XX, 25: erachtete eö sogar für gleichgültig, ob der Verletzte den Gegenstand gerade in der Voraussicht der Wegnahmehandlung des Thäters festgehalten habe). Ebenso­ wenig wird erfordert, daß die Gewalt eine Gefahr für Leib oder Leben begründe. Dagegen ist eS nicht als Gewalt anzusehen, wenn einer Person eine Sache entrissen wird, ehe sie dieselbe schützen kann; vgl. n. 9. Bestand die Gewalt in vorsätzlicher Tödtung, so liegt Ideal-Konkurrenz vor: Münch. 4. Jan. 73 (BEntsch. III, 1). 7. Ist die Wegnahme „mit Gewalt" bewirkt, war also die letztere das Mittel zur Ausführung jener, so gilt es gleich, ob die Gewalt zum Zwecke der Wegnahme angewendet, oder ob die zu einem andern unerlaubten Zwecke ausgeübte Vergewaltigung demnächst bewußter Weise zur Verübung der Wegnahme benutzt wird; (vgl. die abweichende Fassung deS § 250 Nr. 4); contra: ZI. 20. Dez. 61 (RdO. II, 175); HS. II. 530; Schw. s. 632(624); Merkel i. HH. III, 719; Schütze s. 453 n. 16; ML. s. 480; Dillnow, Raub rc. 1875, s. 23; v. Buri 1. c. 8. Die Gewalt muß „gegen eine Person" angewendet sein; dagegen ist eö nicht nothwendig, daß diese Person der Inhaber der Sache sei, wenn nur der

538

Thl. II. Abschn. XX.

Raub uub Erprcsiung. — §§249.250.

§. 250. Auf Zuchthaus nicht unter fünf Jahren ist zu erkennen, wenn 1) der Räuber oder einer der Theilnehmer am Raube bei Begehung der That Waffen bei sich führt; Kausalnexus feststeht: Motive f. 125; vgl. v. Buri 1. c.; contra: Dillnow f. 8 (körperliche Gewalt gegen eine dritte Person falle unter den Begriff der Drohung). 9. Der Gewalt steht ein listiges einem Widerstände vorbeugendes Verhallen, z. B. Betäuben oder Einschließen deS Inhabers, nicht gleich: Merkel i. HH. in, 718; Dillnow f. 9; ebensowenig die Benutzung eines vorhandenen hülflosen Zustandes: Schütze f. 452. Contra: v. Buri I. c. f. 17. 10. In Betreff der „Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben" vgl. § 48 n. 30; § 52 n. 7ff.; § 106 n. 2ff. Auch hier muß die Drohung die unberechtigte Zufügung eines Uebels zum Gegenstände haben; somit genügt es nicht, wenn ein in Lebensgefahr Schwebender mit der Versagung der begehrten Hülse bedroht wird. Daß die Gefahr „auf andere Weise nicht abgewendet werden konnte" (§ 52), wird hier nicht erheischt (vgl. § 176. 177). — Auch hier ist eS nicht unerläßlich, daß die Drohung sich gegen die Person deS Inhabers der Sache richte (vgl. n. 8). Dagegen versteht es sich von selbst, daß auch die Drohung daS Mittel gewesen sein muß, die Wegnahme zu bewirken (;. B. durch Hinderung eines Widerstände«); die erzwungene Besitzübertragung Seitens des Inhabers fällt unter §255; vgl. n. 3. 11. Ueber die Verübung eines Raubes durch mehrere gemeinschaftlich handelnde Theilnehmer vgl. § 47 n. 10. Beispiele: ZII. 19. März 63, ZI. 22. Mai 63, ZU. 18. Jan. 66, VI. 27. Apr. 66 (NdO. UI, 353. 468; VII, 36. 252). 12. Ein Diebstahl kann auch durch die, nicht vom Thäter, sondern von einem Gehülfen angewendete Gewalt rc. den Charakter des Raubes annehmen, wenn jener bei seiner That Kenntniß von dieser Gewaltanwendung hatte, und sie so zur Verübung des Diebstahls benutzte: ZII. 18. Jan. 66 (cit. n. 11); vgl. § 47 n. 25; contra: v. Buri 1. c. f. 40. 13. Nach Pr. Verfahren und nach der RStPO. sind die den Thatbestand des Diebstahls zum Raube stempelnden Umstände als erschwerende bezw. die Straf, barfett erhöhende („besondere:" Pr. Ges. v. 3. Mai 1852 Art. 91 Abs. 4; NStPO. § 321; RStPO. §§262. 295) zu behandeln: BI. 15. Juli 57 (GA. V, 633); Löwe s. 639 n. 2d. Wird die einen Raub betreffende Frage von den Geschworenen unter Verneinung der Gewalt rc. bejaht, so ist die Diebstahlsstrafe zu verhängen: ZI. 2. Jan. 56 (GA- IV, 207). 14. Der Versuch eines (gewollten) Raubes kann angenommen werden, sollte auch nur erst mit einem Theile der Thatbestandshandlungen, sei es mit der Gewaltanwendung rc. oder aber mit der Wegnahme begonnen sein; Motive s. 125; vgl. § 243 n. 6. 15. In Betreff der Zulässigkeit der Polizeiaufsicht vgl. § 256. 16. Liegen mildernde Umstände vor, so kann der Verlust der rc. Ehren­ rechte erkannt werden: §§ 32. 35, nicht aber die Zulässigkeit der Polizeiaufsicht (§256): VI. 6. Juni 73 (RdO. XIV, 413).

§250. 1.

Zulässigkeit der Polizeiaufsicht, vgl. § 256.

Zu Nr. 1. Vgl. 8 243 Nr. 5. 2. Vgl. die Bemerkungen zum cit. § 243 Nr. 5. Auch hier wird nicht er­ fordert, daß der Thäter ev. von der Waffe Gebrauch zu machen beabsichtigte; doch fordert v. Buri i. GSaal 29 Beil. f. 28ff., daß jener mit derselbeu mindestens schrecken wollte. Nach v. Buri 1. c. soll aus Nr. 1 auch Derjenige strafbar fein, welcher den Anderen durch seinen Hund habe zusammenreißen lassen: die Zähne des Hundes seien in diesem Falle die „Waffe^ [?].

Thl. II. Abschn XX.

Raab und Erpressung. — § 250.

539

2) zu dem Raube Mehrere mitwirken, welche sich zur fort­ gesetzten Begehung von Raub oder Diebstahl verbunden haben; 3) der Raub auf einem öffentlichen Wege, einer Straße, einer Eisenbahn, einem öffentlichen Platze, auf offener See oder einer Wasserstraße begangen wird; 4) der Raub zur Nachtzeit in einem bewohnten Gebäude (§ 243 Nr. 7) begangen wird, in welches sich der Thäter zur Begehung eines Raubes oder Diebstahls eingeschlichen oder sich gewaltsam Eingang verschafft

3.

Zu Nr. 2. Vgl. § 243 Nr. 6. Vgl. die Bemerkungen zum cit. § 243 Nr. 6. Zu Nr. 3.

Vgl. § 243 Nr. 4.

4. Diese Nr. 3 stimmt in Betreff der aufgezählten Oertlichkeiten mit § 243 Nr. 4 insoweit überein, als sie (in veränderter Reihenfolge) auch öffentliche Wege, Straßen, Eisenbahnen, öffentliche Platze und Wasserstraßen nennt. Da aber hier die anderweitige Begrenzung fehlt, welche § 243 Nr. 4 in Betreff der Objekte der Wegnahme enthält, so ist hervorzuheben, daß der aus einer Eisenbahn (Locomotivoder Pferdebahn: vgl. § 243 n. 61a; Dilln. s. 32) verübte Raub nur dann hierher ge­ hört, wenn er mit Gewalt rc. gegen eine die Eisenbahn rrls „Weg" („Straße"), somit als Transportmittel benutzende Person, nicht also, wenn der Raub an einer aus dem Bahndamme sich befindenden Person verübt wird. Aehnlich verhält es sich mit der „Wasserstraße" (ein gegen einen Badenden verübter Raub gehört nicht hier­ her). Dagegen ist es gleichgültig, ob der Eisenbahuzug in Bewegung ist oder ruht. Ein nicht auf der Eisenbahn, sondern aus dem Bahnhöfe oder einem Nebengeleise verübter Raub gehört nicht hierher. Vgl. MeveS i. GSaal 26 s. 266 ff. 5. Sodann zählt die Nr. 3 noch die „offene See" auf: dieser Ausdruck bezieht sich nur auf das Meer. und zwar auf denjenigen Theil desselben, welcher „offen" d. h. nicht von der Küste aus durch Kanonen zu beherrschen ist; vgl. § 8 n. 3; ebenso i. v. Buri I. c. s. 41; contra'. Villn. s. 33 (erblickt in jenem Ausdrucke den Gegensatz zu dem Theile deö Hafens oder der Mündung der Flüsse, in den das Seewaffer hineinspüle, weshalb derselbe den von der Küste aus beherrschten Theil des wirklichen Meeres nicht ausschließe); deSgl. MeveS i. StRZ. XIU, 421. Schiffbare Landseen gehören, gleich den Häfen. Flüssen und Canälen, zu den „Wasser­ straßen" und auch dies nur, wenn sie als Verkehrswege dienen; vgl. Dilln. 1. c. (legt diese Eigenschaft auch den bloß flößbaren Landseen rc. bei). 5a. Ein Fall der Nr. 3 liegt nicht vor, wenn der zu Beraubende zwar ans offener Straße verfolgt worden, von dieser aber abgebogen war und nun erst ein­ geholt wird, wohl aber dann, wenn jener bereits auf der Straße überwältigt, dem­ nächst aber in ein Haus geschleppt und dort erst ausgeplündert wurde; so: v. Buri 1. c.; vgl. übrigens § 3 n. 10. Zu Nr. 4.

Dgl. § 243 Nr. 7.

6. Insoweit diese Nr. 4 mit der cit. Nr. 7 des § 243 übereinstimmt, sind die Bemerkungen zu der letzteren zu vergleichen. Durch die hinter dem Worte „Ge­ bäude" eingeschaltete Anführung jener Nummer sollte angedeutet werden, daß die dort gegebenen Erläuterungen des Begriffs „Gebäude", nach welchen demselben der dazu gehörige Raum rc., und ein bewohntes Schiff gleich geachtet werden, auch hier gelten. Dagegen scheidet hier die fernere Erläuterung, daß die Nr. 7 auch dann Anwendung finde, wenn zur Zeit des Diebstahls Bewohner im Gebäude nicht anwesend sind, aus, da der Raub Gewalt rc. gegen eine Person voraussetzt. —- Die Worte: „zur Begehung eine- Raubes oder Diebstahls", deuten auf die Absicht; vgl. § 243 n. 91.

540

Thl. II. Abschv XX.

Raub und Erpressung. — §§250. 251.

oder in welchem er sich in gleicher Absicht verborgen hatte, oder 5) der Räuber bereits einmal als Räuber oder gleich Die einem Räuber im Jnlande bestraft worden ist. im § 245 enthaltenen Vorschriften finden auch hier Anwendung. Sind mildernde Umstände vorhanden, so tritt Gefängniß­ strafe nicht unter Einem Jahre ein. [I. ent».: §228; II. ent».: §245; Pr. StGB.: § 232.]

Dgl. §§ 245. 249.

251. 252. 256. 32.

§. 251. Mit Zuchthaus nicht unter zehn Jahren oder mit lebenslänglichem Zuchthaus wird der Räuber bestraft, wenn bei dem Raube ein Mensch gemartert, oder durch die gegen ihn verübte Gewalt eine schwere Körperverletzung oder der Tod desselben verursacht worden ist. [I. entro.: § 229; II. ent».: § 246; Pr. StGB.: § 233. Nr. 2. 3.] Vgl. § 224. 256. 7. In Nr. 4 ist der Fall zugesetzt worden: „wenn sich der Thäter in das be­ wohnte Gebäude gewaltsam Eingang verschafft bat." Ob die Gewalt zur Ge­ winnung des Eingangs an Personen oder Sachen verübt worden sei, ist gleichgültig; auch braucht im letzteren Falle die Gewaltanwendung nicht den Voraussetzungen eine« Einbruchs zu entsprechen. Dagegen steht dieser gewaltsamen EingangS-Verschaffung die durch Einsteigen oder Anwendung eines falschen Schlüssels gewonnene nicht gleich. — Im Hause selbst muß dann nochmals Gewalt, und zwar hier gegen eine Person angewendet werden: v. Buri 1. c. f. 43. ZN Nr. 5. Vgl. § 244. 245. 32. 9. Hier genügt der erste Rückfall; vorausgesetzt wird aber eine Vorbestrafung als Räuber (aus §§ 249—251) oder gleich einem Räuber (aus §§ 252. 255). — Im Uebrigen sind die Bemerkungen zu den §§ 244. 245 zu vergleichen. 9. Beim Vorhandensein mildernder Umstände kann auf den Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte erkannt werden: 32.

8 251. 1. „Martern" bezeichnet die Zufügung schmerzhafter Mißhandlungen, welche grade in der Absicht der SchmerzzusÜgung bewirkt wird: v. Buri i. GSaal 29 Beil. s. 45 rechnet auch Peinigungen der Seele hierher; contra: Villn. s. 38. 2. Ueber die „Verursachung einer schweren Körperverletzung" vgl. § 224 n. 1 ff.; ob die eingetretene Folge beabsichtigt war (§ 225), ist hier für den Thatbestand unwesentlich. Hatte dagegen der Räuber die Verursachung deS erfolgten Tode« gewollt, so konkurrirt ideell Mord oder Todtschlag: Besohl. 22. Jan. 69, ZI. 4. Sept. 74 (RdO. X, 44; XV, 518); vgl. § 249 n. 6. 3. Für den Thatbestand ist es unwesentlich, welcher Mensch gemartert rc. wurde, und» ob die Marter re. ein Mittel zur Begehung de« Raubes war. Vgl. § 249 n. 8; Villn. f. 38, welcher übrigen« die Worte „bei dem Raube" für gleich, bedeutend mit „bei Gelegenheit de« Raubes" hält, und daher meint, das „Martern rc." könne auch nach Verübung des Raubes geschehen sein; vgl. § 252 n. 3. 4. Neben der Zuchthausstrafe kann Polizeiaufsicht für zulässig erkannt werden: § 256. 5. Ueber die Bestrafung mehrerer Mitthäter, wenn die betr. Gewalthand-

Thl. n. Abschn. XX.

Raub und Erpressung. — §§ 251. 252.

541

§. 232 Wer, bei einem Diebstahl auf frischer That betroffen, gegen eine Person Gewalt verübt oder Drohungen mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben anwendet, um sich im Besitze des gestohlenen Gutes zu erhalten, ist gleich einem Räuber zu bestrafen. [I. Entw.: § 227; II. Entw.: § 247; Pr. StGB.: § 230 Abs. 2.) Vgl. §§ 249-251. 256. 214. Preußen: Dgl. Ges. v. 4. Juni 1851 § 10 (GS. s. 453). lungen nur Einzelnen derselben zur Last fallen, vgl. §47 n. 10ff. und § 59. In einem solchen Falle ist es nicht unerläßlich, daß festgestellt sei, von welchem der Mit­ thäter jene Gewalthaudlungeu ausgegangen find, sobald nur erwiesen ist, daß die­ selben bei dem Raube und zu dem Zwecke desselben von irgend einem der Mitthäter zugefügt waren, und daß sie die betr. Folge gehabt haben. 6. Hat die bei einem (unvollendet gebliebenen) Raubversuche verübte Ge­ walt eine der im § vorgesehenen Folgen gehabt, so ist nach § 44 auf Zuchthaus von 2Va bis zu 15 Jahren zu erkennen; contra: v. Buri i. GSaal 29 Beil. f. 48 (hält dte volle Strafe des § 251 für verwirkt, während bei dem blos versuchten Martern rc. der § ganz außer Anwendung bleibe).

§252. 1. Der Diebstahl bildet im Falle des § 252 ein bloßes Thatbestandsmerkmal des hier vorgesehenen Verbrechens, der Thäter ist daher nicht noch daneben (§ 74) wegen des Diebstahls zu bestrafen: DU. 22. Nov. 77 (RdO. XVIII, 730). 2. Der Ausdruck „Diebstahl" umfaßt hier alle Arten der Entwendung, namentlich auch solche, welche wegen der dabei obwaltenden besonderen Umstände für fich allein nicht mit der Diebstahls- sondern (aus einem besonderen Gesetze, z. D. dem Pr. HDGes. nur mit einer UebertretuugSstrafe zu ahnden sein würden; Vgl. §249 n. 5; contra: Beschl. II 26. Sept. 72, Beschl. I. 12. Jan. 76 (RdO. Xin, 478; XVII, 25); Meyer s. 208 n. 3; Puch. n. 2. 3. Die Worte: „bei einem Diebstahl" find nicht aus den Fall zu be­ schränken, wo der Diebstahl noch nicht vollendet war (vgl. „des gestohlenen Gutes"); es genügt, wenn der Dieb „auf frischer That" betroffen wurde, d. h. wenn zwischen dem Diebstahl und dem Betreffen eine solche sachliche Verbindung, eine solche Continuität obwaltet, daß daS ganze als ein zusammenhängender Vor­ fall erscheint: ZI. 27. März 67, Beschl. I. 13. Nov. 68 (RdO. VIII, 204; IX, 633). Demgemäß gehört auch der Fall hierher, wo der Dieb nach einer unmittelbar nach der That eingetretenen Verfolgung angehalten wird. Vgl. § 214 n. 5; Motive s. 125; Merk. i. HH. III, 723; v. Buri s. 51; contra: Villn. f. 41. 4. In Betreff der Gewalt und der Drohungen rc. vgl. § 249 n. 6—10. 5. Der § trifft nur zu, wenn die Handlung geschah, „um sich im Besitze" deS Gestohlenen zu erhalten, nicht da, wo der Dieb nur feine Person stchern wollte: Mot. s. 125. Verfolgte der Thäter beide Zwecke, so bleibt der § anwendbar. DaS Gegentheil gilt, wenn er nur den letzterwähnten Zweck verfolgte, sich aber bewußt war, daß er mit seiner Person auch die gestohlene Sache, z. B. ein bereits ange­ zogenes Kleidungsstück in Sicherheit bringe; contra: v. Buri f. 52. Ob jener (im § vorgesehene) Zweck erreicht wurde, ist gleichgültig: Villn. s. 41. 6. Der Thäter soll „gleich einem Räuber" bestraft werden; eS werden sonach auch die §§ 250. 251 anwendbar, wenn ihre Voraussetzungen zutreffen: Mot. s. 125. Letzteres ist jedoch nur da der Fall, wo die betr. Erschwerungsgründe bei der Anwendung der Gewalt oder der Drohungen und nicht blos bei dem Diebstähle vorliegen: VH. 22. Nov. 77 (eit. n. 1); Schw. i. SGZ. t21 f. 204; vgl. übrigens Jena 76 (Voll. 24 f. 274: erkannte, daß jene ErschweruugSgründe jedenfalls (auch) bei dem Diebstahle vorliegen müßten). Neben der Zuchthausstrafe kann die Zu­ lässigkeit der Polizeiaufsicht ausgesprochen werden; § 256.

542

Thl. n. Abschn. XX.

Raub und Erpressung. — § 253.

§. 253. Wer, um sich oder einem Dritten einen rechts­ widrigen Vermögensvortheil zu verschaffen, einen Andern durch Gewalt oder Drohung zu einer Handlung, Duldung oder Unterlassung nöthigt, ist wegen Erpressung mit Gefängniß nicht unter Einem Monat zu bestrafen. Der Versuch ist strafbar. [I. Entw: 88 230. 231; II. Entw.: 8 248; Pr. StGB.: 88 234. 235.] Vgl. 8§ 114. 126. 240. 241. 254—256. 339. Preußen: Vgl. Ges. v. 4. Juni 1851 8 10 (GS. s 453).

§253. 1. Begriff der „Nöthigung", vgl. § 240 n. 1. 2. 2. In Betreff des Begriffs „Gewalt" vgl. § 52 n. 4; § 106 n. 1; § 113 n. 29—39; § 240 n. 4. Die Gewalt darf hier nicht gegen eine Person geübt sein, indem sonst § 255 anwendbar wird; contra: v. Wächter i. GSaal 27 s. 161. (Andere Gewalt, als eine gegen die Person geübte, wird sreilich für letztere regel­ mäßig den Charakter einer im § neben der „Gewalt" aufgeführten Drohung an­ nehmen; gleichwohl erscheint da« AuSkunstömittel v. Wächters, im § 255 gegen die constante Terminologie des StGB.'S, vgl. §§ 176, 177, 249, die Worte „mit gegenwärtiger Gefahr" auf „Gewalt" mitzubeziehen, hier also unter „Gewalt" nur eine höchst gefährliche, im § 253 aber eine minder gefährliche Gewalt gegen die Person zu verstehen, ale sehr bedenklich). — Auch eine an sich berechtigte GewaltAnwendung (z. B. Seitens eines Beamten, vgl. § 339) ist strafbar, wenn dadurch ein widerrechtlicher Vermögenövortheil erpreßt werden soll. 3. In Betreff der „Drohung" vgl. § 48 n. 30; § 106 n. 2ff. Daß die­ selbe eine Mißthat zum Gegenstände habe (§ 240) oder eine gegenwärtige Gefahr für Leib oder Leben begründe (§§ 249. 252. 255), wird hier nicht erfordert: ZI. 30. Jan. 74 (RdO. XV, 46); eS kann daher die Bedrohung mit der Ausübung eines Rechts, der Stellung eines Strafantrags, der Anbringung einer (begründeten oder unbegründeten) Denunciation, der Veröffentlichung eines Witz-Artikels, einer Thatsache durch die Preffe genügen (das Strafbare liegt im Zweck): Motive s. 126; ZU. 13. Nov. 73, ZI. 30. Jan. 74, ZU. 8. Okt. 74, 4. April u. 27. Juni 76, ZI. 9. Febr. 77, 10. Jan. 79, DreSd. 26. März 77, Mannh. 30. Dez. 78 (RdO. XIV, 714; XV, 46. 637; XVII, 248. 459; XVHI, 120; XX, 28; SGZ. 22 f. 36; DANN. 45 f. 15); contra (in Betreff der angedrohten Geltendmachung eines be­ stehenden Rechts): Billnow f. 12; dasselbe gilt von dem Jn-AuSstchtstellen einer (be­ gründeten oder unbegründeten) Klage; contra: Münch. 26. Jan. 72 (BEntsch. II, 11). Dagegen ist überall festzuhalten, daß ein Uebel, also ein Nachtheil für Leben, Freiheit, Ehre, Vermögen rc. in Aussicht gestellt sei, deffen Bevorstehen die Willens­ freiheit des Andern zu beschränken geeignet ist; daher ist die Erklärung des zudring­ lichen Bettlers, er werde nicht weggehen, bis er etwas erhalte, für sich allein noch kein CrpreffungSversuch: Merkel i. HH. m, 727. Andererseits genügt ein blos relatives Uebel, z. B. die gewaltsame Verhinderung einer Abreise: ZII. 16. Juli 75 (RdO. XVI, 549). Die Bezeichnung der Handlung, durch welche das Uebel er­ reicht werden soll, ist nicht erforderlich: cit. ZU. 16. Juli 75. — Der § setzt zwar die Identität des Bedrohten mit Demjenigen, welcher den Vermögensvortheil verschaffen soll, voran-; doch wird nicht erfordert, daß letzterer (Vortheil) gerade aus dem Vermögen des Bedrohten zu leisten fei, und daß die den Gegenstand der Nöthi­ gung bildende „Handlung rc." denselben unmittelbar gewähre, der § umfaßt viel­ mehr auch den Fall, wo der Bedrohte zu einer „Handlung rc." genöthigt wird, um einen Driten zur Gewährung jenes Vortheils zu bestimmen: ZI. 24. Mai 76 (RdO. XVn, 375). Ferner ist es gleichgültig, ob das angedrohte Uebel den Bedrohten allein und unmittelbar, oder ob dasselbe zunächst einen Dritten treffen würde (Beisp.: Bedrohung eines DaterS mit einer Denunciation gegen den Sohn): DreSd. 18. Aug. 73, ZI. 10. Nov. 75, DU. 15. März 77 (SGZ. XVH, 305; RdO. XVI, 716;

Thl. n. Abschn. XX.

Ravb und Erpressung. — § 253.

543

XVin, 220). Dies gilt sogar dann, wenn jener Dritte mit dem Dreher im EinVerständnisse handelte: DreSd. 27. gebt. 74 (StZ. IV, 181), oder wenn derselbe gar der Droher selbst wäre (Beisp.: der Sohn droht mit Selbstmord, falls der Vater kein Geld gebe; contra: Billnow s. 12). — Die Drohung braucht keine ernstlich gemeinte gewesen zu sein, sofern nur der Bedrohte deren Verwirklichung für mög. lich (bevorstehend) hielt: ZI. 20. Jan. 75, 30. Mai 77 (RdO. XVI, 58; XVIII, 355). — Ob das angedrohte Mittel in seinem Erfolge für den Bedrohten schädlich oder unschädlich war, ist gleichgültig: ZI. 9. Febr. 76 (RdO. XVII, 101). 4. Der DoluS muß dahin gerichtet sein, „sich oder einem Andern einen (rechtswidrigen) DermögenSvortheil zu verschaffen". Wer dies nicht beabsichtigt, vielmehr nur in der Absicht handelt, einem Andern die Mittel zur Abwendung einer von ihm beschlossenen und von jenem befürchteten, mithin bereits drohenden Maß­ regel an die Hand zu geben, verfällt nicht der Strafbestimmung des §: ZI. 9. Febr. 76 (cit. n. 3). — Ein Vermögen-vortheil liegt vor, wenn die Vermögenslage in irgend einer Beziehung verbessert, z. B. wenn ein Forderungsrecht, ein Beweismittel, ein Besitzstand (z. B. durch Abnöthigen der in fremdem Besitze befindlichen eigenen Sache) erworben oder ein Vermögensnachtheil abgewendet wird: Motive f. 126; vgl. § 263 d. 2-10. 5. Der gesuchte DermögenSvortheil muß ein (bewußter Weise: DI. 13. Febr. 74, RdO. XV, 84) „rechtswidriger", d. h. ein solcher sein, auf welchen man kein Recht hat: Mot. s. 126, und durch dessen (erzwungene) Gewährung das Der« mögenS-Recht des Andern benachtheiligt wird; so: Merkel i. HH. in, 733; vgl. Schütze s. 456, Villnow s. 49. Demgemäß scheidet der § in allen solchen Fällen aus, wo Jemand gegen Aufgabe eines wirklich begründeten Rechtsanspruchs vou dem Verpflichteten die Leistung, z. B. die Erfüllung einer fälligen Forderung erzielen will: BI. 29. Jan. 75 (RdO. XVI, 95), sollten auch zu deren Realisirung unerlaubte oder unlautere Mittel angewandt worden sein: ZU. 7. Dez. 76, DII. 14. März 78 (RdO. XVII, 797; XIX, 141); da« Gegentheil tritt ein, wenn die Berichtigung (oder Uebernahme) einer an sich begründeten Forderung von einem Dritten, Nichtverpflichteten (z. B. einem Angehörigen des Schuldners) erpreßt wird; vgl. Stenogr. Ber. f. 684; ZI. 17. Sept. 75, 19. Juni 78, DreSd. 16. April 77 (RdO. XVI, 585; XIX, 312; SGZ. 22 f. 48); contra: Meyer o. 5. - Für den Begriff der Rechtswidrigkeit ist nur die juristische Rechtmäßigkeit oder Unrechtmäßig« keil entscheidend; das Bestehen einer blos moralischen Verpflichtung zu dem begehrten Thun oder Unterlassen schließt die Rechtswidrigkeit nicht aus: ZI. 24. Mai 76 (cit. n. 3.); ZU. 13. Sept. 77 (RdO. XVm, 564). Die Berichtigung einer verjährten Forderung pellt daher einen rechtswidrigen DermögenSvortheil dar, sofern der Schuldner bereits (sei es auch nur außergerichtlich) erklärt hatte, von der DerjahrungSeinrede Gebrauch machen zu wollen: DreSd. April 75 (StZ. V, 365); des­ gleichen die Befreiung von einer judikatmäßigen Schuld, sollte die Verurtheilung auch aus einem Meineide beruht haben; so: ZU. 4. April 76 (cit. n. 3). Ist es dagegen noch nicht zu einer Verurtheilung gekommen, so kann das Bestreben des Beklagten, von einer nach seiner Ueberzeugung unbegründeten Forderung befreit zu werden, als ein auf Erlangung eines rechtswidrigen Dermögensvortheils gerichtetes selbst dann nicht angesehen werden, wenn der Gegner bereits durch ein (noch nicht rechtskräftiges) Urtheil zum ErfÜllungSeide verstattet war; so: 93H. 15. März 77 (RdO. XVLÖ, 220); vgl. übrigens § 263 n. 6. — Uebermäßige Entschädigung ist selbst dann ein rechtswidriger DermögenSvortheil, wenn sie den Höchstbetrag der ge­ setzlich zulässigen Buße (§§ 188. 231) nicht erreicht: ZI. 9. Febr. 77 (RdO. XVIII, 120). In Preußen entspricht daS Verbot der Verabfolgung von Loosen an Auf­ käufer durch die Lotterie. Collekteure dem Gesetze; die trotzdem stattfindende Verab­ folgung stellt daher für den Aufkäufer einen rechtswidrigen DermögenSvortheil dar: ZI. 6. Juli 77 (RdO. XVm, 512). — Da den Angeschuldigten überall keine BeweiSlast trifft, so kann die Rechtswidrigkeit nicht lediglich damit begründet werden, daß jener die behauptete Rechtmäßigkeit nicht nachgewiesen habe; dies schließt jedoch nicht auS, daß der Jnstanzrichter einen Anspruch um deswillen, weil es an jedem Anhalte für dessen Begründung mangle, für einen rechtswidrigen erachte: Dl. 9. Nov. 77 (RdO. XVIII, 703). Das Bewußtsein von der Rechtswidrigkeit des gesuchten

544

Thl.

n.

Abschn. XX. R-ub und» Erpressung. - §§ 253—255.

§. 25*1. Wird die Erpressung durch Bedrohung mit Mord, mit Brandstiftung oder mit Verursachung einer Ueberschwemmung begangen, so ist auf Zuchthaus bis zu fünf Jahren zu erkennen. (I. Entw.: 8 231; II. Entw.: § 249; Pr. StGB.: § 235 Abs. 2.] Dgl. §§ 253. 255. 257. 126. 240. 241; RGDG. § 73 Nr. 2. Preußen: Dgl. Ges. v. 4. Juni 1851 § 10 (GS. f. 453).

§. 255 Wird die Erpressung durch Gewalt gegen eine Person oder unter Anwendung von Drohungen mit gegen­ wärtiger Gefahr für Leib oder Leben begangen, so ist der Thäter gleich einem Räuber zu bestrafen. (I. Entw.: § 232; II. Entw.: § 250; Pr. StGB.: § 236.] Dgl. §§ 249 —251. 253. 254. 256. 126. 240. 241. Preußen: Dgl. Ges. v. 4. Juni 1851 § 10 (GS. s. 453). DermögenSvortheilS bedarf nur im Bestreitungsfalle der ausdrücklichen Feststellung: DU. 9. Dez. 75 (RdO. XVI, 785); eilt. ZII. 4. April 76 u. DI. 9. Nov. 77. 6. Daß der Vortheil auch für einen „Dritten" gesucht sein könne, ist aus­ drücklich hervorgehoben worden, weil die Zuwendung an einen Andern hier unmittel­ bar bewirkt werden kaun, während beim Diebstahl der Zuwendung an einen An­ deren die Zueignung (Wegnahme) des Diebes vorhergehen muß; vgl. § 242 n. 42. 7. In Betreff der Vollendung des Vergehens vgl. § 240 n. 8. Danach bedarf eö nicht der Erlangung des gesuchten DermögenSvortheilS: Motive s. 126. — In Betreff des Versuchs vgl. § 114 n. 5. Letzterer ist nicht dadurch bedingt, daß der Bedrohte rc. mit der verlangten Handlung schon den Ansang gemacht habe: ZII. 8. Okt. 74 (RdO. XV, 637). 8. Neben der Gefängnißstrafe kann, wenn diese drei Monate erreicht, auf deu Verlust der Ehrenrechte rc. erkannt werden §§ 256. 32. 35. 9. Im Uehrigen sind die Bemerkungen zu § 240 (Nöthigung) zu berücksichtigen.

§254. 1. Ob eine Bedrohung mit „Tödtung" als Bedrohung mit „Mord" an­ zusehen sei, ist nach der Belegenheit des Einzelfalles thatsächlich zu prüfen. Schütze s. 457 n. 26 nimmt an, daß „Mord" hier auch Todtschlag umsaffen solle; contra: villnow s. 51; v. Buri t. GSaal 29 Beil. s. 68. 2. Neben der Zuchthausstrafe kann auf Zulässigkeit von Polizeiaufsicht erkannt werden: § 256. — Zuständigkeit der Strafkammern: RGDG. § 73 Nr. 2.

§ 255. 1. Die Motive (s. 127) nennen deu hier vorgesehenen Fall: „räuberische Crpreffung". 2. In Betreff der „Gewalt gegen eine Person" und der „Anwendung von Drohungen mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben" vgl. §253 n. 2, § 249 n. 6. 9; § 48 n. 30; § 106 n. 2 ff. Das dort Gesagte gilt hier mit der Maßgabe, daß die Gewalt zum Zweck der Nöthigung angewendet sein muß. Die Beschränkung auf Drohungen mit einer schweren LeibeSgefahr wäre ungerechtfertigt; so: Dillnow s. 51. 3. Der Thäter soll „gleich einem Räuber" bestraft werden; eS werden daher auch die §8 250. 251 anwendbar, sobald ihre Voraussetzungen zutreffen: Mo­ tive f. 127. Dgl. § 252 n. 6. Neben der Zuchthausstrafe kann Polizeiaufsicht für zulässig erklärt werden: § 256.

Thl. n. Abscha. XXL Begünstigung und Hehlerei. — § 257.

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§. 256. Neben der wegen Erpressung erkannten Ge­ fängnißstrafe kann auf Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte und neben der wegen Raubes oder Erpressung erkannten Zuchthaus­ strafe auf Zulässigkeit von Polizei-Aufsicht erkannt werden. fl. Entw.: § 231; II. Entw.: § 251; Pr. StGB.: §§ 235. 231.] Vgl. §§32. 249—255.

Einundzwanzigfter Abschnitt. Begünstigung und Hehlerei. §. 257. Wer nach Begehung eines Verbrechens oder Vergehens dem Thäter oder Theilnehmer wissentlich Beistand leistet, um denselben der Bestrafung zu entziehen oder um ihm die Vortheile des Verbrechens oder Vergehens zu sichern, ist wegen Begünstigung mit Geldstrafe bis zu sechshundert Mark § 256. 1. Der Verlust der rc. Ehrenrechte kann neben der Gesangnißprase nur dann erkannt werden, wenn diese drei Monate erreicht: § 32. 2. Ja Betreff des Raubes vgl. § 249 n. 16.

§ 257. Angehöriger: 24. 25. Anstiftung: 1. 2. 3. 29. Arbeitshaus: 12. Beamter: 20. Begünstigter: 3. - Bekanntschaft: 10. - Bestrafung, 17. Begünstigung: I. . d. Begünstiger-: 3. Beihülfe. 1. 2. 3. 5. 6. 28. Bestrafung: 11—14. Dieb ic.: 23.

JVDIUB : ». O—IV.

Feststellung: 8. Geldstrafe r 14. Gnadengesuch: 13. Hauptthat Dovendg : 5. 27. Hehlerei r 23. Helzdiebstabl: 30. Mineralien: 30. Polizeiaufsicht: 12. Strafantrag: 13. 18. Strafe, 19. 22. Theilnahme: 1.

Theilnehmer: 1. 2. Uebertretung: 4 30. Unterlassung: 7. Untersuchungshaft: 12. Versuch: 5. 16. Vollstreckung: 12. 13. „vor" Begehung: 5. 6. 27. Vortheil, eigener: 21. 25. wann? 5. v. 27. wissentlich: 9. Zeit: 5. 6. 27. Zweck, Erreichung: 16.

1. DaS Gesetz betrachtet die „Begünstigung" als ein selbstständiges Ver­ gehen, nicht als Betheiligung an der Mißthat des HauptthäterS; vgl. ML. s. 236 (derselbe qualifiziere in der ersten Ausgabe f. 681 die Begünstigung als einen straf­ baren Eingriff in die Rechtspflege des Staats, kennzeichnete hiermit aber nur Eine Seite des Vergehens). — Demgemäß ist die Theilnahme an einer Begünstigung (Mitthäterschaft, Anstiftung, Beihülfe) unzweiselhaft möglich, und strafbar; contra: Villnow s. 73 (in Betreff der Beihülfe; diese sei nicht denkbar, ohne selbst zur Be­ günstigung zu werden). Ja sogar die Anstiftung zur eignen (de« Anstiftenden) Be­ günstigung ist (alö weitere Mißthat) strafbar, sofern die Entschließung dazu nicht schon in der Entschließung zur Begehung der Hauptthat enthalten war; so: DI. 14. Nov. 77 (RdO. XVm, 712); vgl. übrigens §74 n. 4. 2. Aus demselben Grunde kann ein bei der Hauptthat Betheiligt er sich demnächst durch Begünstigung eines andern TheilnehmerS (abermals) strafbar machen: DI. 27. Sept. 76 (RdO. XVH, 601: in Betreff des Gehülfen): Jena (Doll. XX, 316); Puch. n. 5; ML. f. 239; Merkel i. HH. III, 741; Abh. i. StZ. I, 65. 81; contra: Stuttg. 28. Dez. 76, Münch. 20. Apr. 77 (WGbl. XU, 441; BEntsch. VII, 155); Manh. 3. Febr. 77 (BAnn. 43 s. 120: sprach sich gleichzeitig gegen die Möglichkeit einer idealen Konkurrenz aus); Schw. s. 648(642) u. i. GSaal 24 s. 376; v. Buri u. Herzog ib. 29 s. 34. 161; vgl. § 48 n. 14; § 258 n. 10 und MeveS i. StRZ. Xm, 492. Oppenhoff, D. Strafgesetzbuch. 7. Au-g.

35

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Thl. n. Abschn. XXI. Begünstigung und Hehlerei. — § 257.

oder mit Gefängniß bis zu Einem Jahre und, »mit er diesen Beistand seine- Vortheils wegen leistet, mit Gefängniß zu be­ strafen. Die Strafe darf jedoch, der Art oder dem Maße nach, keine schwerere sein, als die auf die Handlung selbst angedrohte. 3. Ebenso sann der Begünstiger demnächst sowohl durch einen bei der Hauptthat Betheiligten als durch eiuen Dritten begünstigt werden; vgl. ML. f. 239; contra: Villnow f. 73. 4. Nur die Begünstigung des Thäters (TheilnehmerS) eines Verbrechens oder Vergehens (auch eines fahrlässigen: Schütze s. 162) ist strafbar; diesen steht ein militärisches Verbrechen (Vergehen) gleich: Mil.-StGB. §§ 1. 2. In Beziehung auf Uebertretungeu kaun (in Ermangelung besonderer dies bestimmender Gesetze, vgl. n. 30) eine Begünstigung nicht stattfinden. Demgemäß ist dieselbe in Beziehung auf solche Mißthaten, bei welchen sich die Höhe der Strafe nach dem Objekte richtet, so daß nach Maßgabe des letzteren derselbe Thatbestand sich bald als Vergehen, bald als Uebertretung charakteristrt (z. B. Abgabenhinterziehungen) bald möglich, bald nicht möglich: ZI. 8. Nov. 61, 7. Febr. 62 (RdO. II, 44. 238). Ebenso kann eine Begünstigung stattfinden, wenn eine — an stch als Uebertretung strafbare — That durch die Rückfälligkeit des Thäters zum Vergehen wird: VI. 25. Jan. 56, ZI. 5. Nov. 56 (GA. V, 88: damals unterlag die Richtigkeit dieser Entscheidung Be­ denken, welche jetzt dadurch gehoben sind, daß die Begünstigung als selbstständiges Vergehen aufgefaßt ist); contra: Merkel i. HH. m, 739. Ja beiden Fällen ist die Strafbarkeit des Begünstigers durch seine Kenntniß von den die That als Vergehen charakterisirenden Umständen bedingt (n. 8). — Der obige Grundsatz findet auch im Falle des Abs. 3 Anwendung. 5. Auch der Versuch eines Verbrechens oder Vergehens ist selbst mindestens ein Vergehen; es fällt daher auch die Begünstigung des Urhebers k. eines solchen Versuchs unter den §: Motive s. 128. Letztere verliert diese ihre rechtliche Bedeu­ tung nicht, wenn der Urheber des Versuchs demnächst seine Thätigkeit wieder auf­ nimmt und die begonnene Mißthat vollendet. Alsdann kann jedoch die Begünstigung ideell mit der Beihülfe konkurriren. Vgl. n. 6. 6. „Beistaudleisten" bildet den Gegensatz zum „Beihülfe leisten", indem beide eine fremde Mißthat, aber in entgegengesetztem Sinne zur Voraussetzung haben. Wie der Gehülfe dem Urheber einer Mißthat vor oder bei deren Verübung, so ist der Begünstiger ihm nach der Verübung, und in Bezug auf die Folgen derselben förderlich. Der Ausdruck „Beistand" ist demgemäß auf die bereits begangene Mißthat und nicht etwa auf ein späteres, anderweitiges Thun des Be­ günstigten zu beziehen, eine „Begünstigung" vielmehr sehr wohl möglich, ungeachtet der Begünstigte selbst sich vollkommen unthätig verhält, ja von dem ihm geleisteten Beistände gar keine Kenntniß besitzt; vgl. n. 11; contra: Villn. s. 83. 7. Folgeweise ist der Ausdruck „Beistandleisten" nicht aus § 49, sondern aus stch selbst zu erklären; er umfaßt mindestens jede positive Thätigkeit, welche die in § 257 bezeichnete Richtung verfolgt: Dresd. 1. Juni 77 (SGZ. 22 s. 79); vgl. n. 16. Der Beistand kann aber auch durch ein pflichtwidriges Unterlassen, z. B. durch eine Nichtanzeige Seitens eines dazu Verpflichteten (vgl. § 347) geleistet wer­ den : Münch. 10. März 76 (BEntsch. VI, 86: betraf die unterlassene Eintragung eines Geschäfts in die Handelsbücher); Puch. n. 7; contra: Merk. i. HH. III, 740. Dasselbe gilt von einem unbeeidigten falschen Zeugnisse (des Nichtwissens re.): DreSd. 27. Sept. 72 (StZ. I, 133); ebenso von der Ableugnung des Besitzes der in gutem Glauben erlangten vom Verbrechen re. herrührenden Gegenstände: DreSd. 28. Juli 73 (StZ. HI, 120; SGZ. XVH, 280); nicht minder von der au einen Dritten gerichteten Aufforderung, den Thäter ic. nicht zu verrathen: Z. 1. Dez. 71 (RdO. Xn, 553). 8. Der Beistand muß „wissentlich" geleistet sein: der Begünstiger muß wissen, daß der Andere ein Verbrechen rc. begangen hat; eö wird somit insoweit eine Kenntniß von der Natur der That vorausgesetzt, daß danach der Charakter

Thl. n. Abschn. XXL Begünstigung und Hehlerei. — §'257.

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Die Begünstigung ist straflos, wenn dieselbe dem Thäter oder Theilnehmer von einem Angehörigen gewährt worden ist, um ihn der Bestrafung zu entziehen. derselben als eines Verbrechens oder Vergehens erkannt werden konnte; trifft dieses zu, so ist eS gleichgültig, ob der Begünstiger rechtöirrthümlich die That für eine Uebertretung hielt. Auch bedarf es keiner weiteren Kenntniß von der speciellen Natur deS begangenen Verbrechens rc.: HS. II, 257; Merkel t. HH. III, 741; vgl. v. Duri i. GSaal 29 f. 47 (verlangt, daß das vom Begünstiger gemeinte und dawirklich verübte Vergehen derselben Gattung seien, wie z. B. Unterschlagung — Diebstahl, Betrug); dagegen muß (objektiv) der Thatbestand deS Verbrechens rc. des HauptthLterS nach Maßgabe der Prozeßgesetze festgestellt werden: Wolfenb. 27. Sept. 72 (StZ. II, 194). 9. Da- „Wissen" (n. 8) besteht in der Ueberzeugung de- Begünstigers, daß der Begünstigte die That begangen habe; inwiefern diese Ueberzeugung durch vorhanduen Zweifel au-geschloffen werde, unterliegt der thatsächlichen Beurtheilung deS Einzelsalles; der dem Begünstiger bekannte Umstand, daß der Begünstigte bereits (rechtskräftig) verurtheilt sei (n. 12), schließt die Verneinung jenes WiffenS nicht nothwendig aus. 10. ES wird keineswegs erfordert, daß der Begünstiger den Begünstigten persönlich gekannt oder mit ihm in unmittelbarer Verbindung gestanden habe; man kann durch Vermittelung eines Dritten auch einen Unbekannten begünstigen: ZU. 16. Juni 53 (GA. I, 578); v. Duri 1. c. s. 29; vgl. n. 6. 11. Ein Beistand, „um den Thäter der Bestrafung zu entziehen", kann geleistet werden, noch ehe von irgend einer Seite Schritte zur Herbeiführung einer Bestrafung geschehen stnd. Demgemäß erkannte ZI. 28. Okt. 74 (RdO. XV, 719), daß eine Begünstigung de- Urhebers einer Unterschlagung in der Beschaffung der Mittel zum Ersätze der unterschlagenen Summe gesunden werden könne, sofern die­ selbe eben geschehe, um die Strafverfolgung abzuwenden. 12. Der Ausdruck „Bestrafung" umfaßt sowohl die Verhängung als die Vollstreckung der Strafe (vgl. § 244. 245). Demgemäß macht sich Derjenige des Vergehens schuldig, welcher absichtlich dem gerichtlichen Verfahren BelastungöbeweiSmittel entzieht; nicht minder Derjenige, welcher etwas thut, um die (verdiente: n. 9) Strafvollstreckung zu verhindern: BL 29. Febr. 56 (JMbl. {. 110); z. B. wenn ein Anderer sich unter fälschlicher Annahme des Namens des Verurtheilten zur Verbüßung der verhängten Freiheitsstrafe gestellt. Vgl. übrigens § 271 n. 19. Die durch die LandeSpolizeibehörde zu handhabende „Stellung unter Polizeiaufsicht", oder „Unterbringung in ein Arbeitshau-" (§ 362 Abs. 2) bilden einen Tbeil der „Bestrafung": Beschl. I. 22. Juni 59 (GA. VII, 542). — Dagegen genügt die Ab­ sicht, den Thäter rc. von der Untersuchungshaft zu befreien, nicht; contra: MeveS i. StRZ. Xm, 517; Schw. i. GSaal 24 s. 382. 13. Bemühungen, welche dahin abzielen, den Verletzten zu bestimmen, daß er den zur Strafverfolgung erforderlichen Strafantrag nicht stelle oder den gestellten zurücknehme, stnd nicht als ein „der Bestrafung Entziehen" anzusehen: Schw. 1. c. s. 384. — Ebenso scheidet hier Alles aus, was sich als Akt der statthaften Verthei­ digung in dem gesetzlich geregelten Verfahren charakterisirt; eS kann daher die Thätig, feit des dem Angeschuldigten zur Seite stehenden Vertheidigers als solchen nie unter das Strafverbot fallen. Daffelbe gilt von Demjenigen, welcher dem Verurtheil­ ten behülflich ist» im Wege der Begnadigung einen Straferlaß zu erzielen. Da da- Gesetz den Gnaden-Erlaß als ein unbeschränktes Vorrecht der Krone betrach­ tet , so kann ein solcher nie als ein „der Strafe Entziehen" aufgefaßt werden; selbst das auf Täuschung berechnete Vorbringen unwahrer Thatsachen in einem Be­ gnadigungsgesuche gehört nicht hierher, zumal der § in Betreff der benutzten Mittel keine Unterscheidung macht; er setzt ein nicht im legalen Wege bewirktes „Entziehen" voraus, und das kann der Gnadenerlaß schon deshalb nicht sein, weil derselbe ledig­ lich ans der inneren Entschließung des Landesherrn beruht, welche sich jeder NachPrüfung Seitens eines Richters entzieht: Schw. 1. c. Meyer f. 215; MeveS i. StRZ. Xm, 520; contra: ZI. 15. Sept. 67, 4. Mai 70 (RdO. Vm, 538; XI, 283);

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Thl. II. Abschn. XXI. Begünstigung und Hehlerei. — $ 257.

Die Begünstigung ist als Beihülfe zu bestrafen, wenn sie vor Begehung der That zugesagt worden ist. Diese Bestim­ mung leidet auch auf Angehörige Anwendung. |I. ent».: §§ 43. 44; II. Enlw.: § 252; Pr. StGB.: §§ 37. 38.) Dgl. §§ 247. 258. 260. 261. 346. 52. 63; B,.Rech«h..4. 51. 53. Zahlung-.Einstellung: 16—24. Hauflrer: 14. 47—49. 54. - Ausdehnung: 20. Höker: 14.47—49. 54 - Bewußtsein: 28. Kaufmann: 1-17. 24. 47. 54. - dauernd? 18. - Fragstellung: 16. 24. - Exekution: 19. • wann? 15. - erklärte? 20. Kommis: 6. - Feststellung: 20. Konkurrenz: 33—35. 68. . Folgen, dauernd: 31. Konkurs: 20. 45. - Gläubiger. Zahl. 23. Korporation, kaufm.: 8. - Veranlassung? 24. Lotterie: 4. 5. - verschuldet? 24. Mäkler: 17. 0. - Zeitpunkt: 20. 21. Minderjähriger: 12. 17a. Zahlungsunfähigkeit: 18. Namen, etg.: 10. Zeit: 15. 20. 30-32. 43. 65. Naturprod., felbstgew.: 3. Prokurist: 6. 10. 11. 46. Ziegelei: 3. RechtSkr. relat.: 35.

1. Mit dem 1. Oktober 1879 tritt au Stelle des § 281 der § 209 der RKO., besten Fassung sich von derjenigen des § 281 nur darin unterscheidet, daß statt „Kaufleute, welche ihre Zahlungen eingestellt haben", gesagt wird: „Schuldner, welche ihre Zahlungen eingestellt haben, oder Über deren Vermögen das Konkursverfahren eröffnet worden ist." Diese Ausdehnung der Straf­ vorschriften wegen „betrügerischen BankeruttS" auf Nichikaufleute gilt jedoch nur bezüglich der unter Nr. 1. 2, nicht also auch bezüglich der unter Nr. 3. 4 getroffenen Bestimmungen, da bei Nichtkaufleuteu (vorbehaltlich deS unter n. 13 Gesagten) von

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Thl. N. Abschn. XXIV.

Bankerult. - §281.

1) Vermögensstücke verheimlicht oder bei Seite geschafft haben, „Führung der HandelSbücher" keine Rede sein kann. Für Kaufleute tritt durch die RKO. die Aenderung ein, daß zur Begründung des Thatbestandes im Sinne sämmt­ licher Nrn. 1—4 nicht mehr mit Nothwendigkeit die Feststellung der Zahlungsein­ stellung erfordert wird, daß vielmehr auch die Feststellung der Konkurseröffnung genügt. — Die nähere Begrenzung deö Begriffs „Kaufmann" ist nach dem Erster, wähnten auch unter der Herrschaft der RKO. zur Erläuterung der bezüglichen StrafVorschriften unentbehrlich. la. Da zur Zeit der Abfassung des StGB.'S der Begriff eines „Kauf­ manns" durch die ReichS-Gesetzgebung bereits festgestellt, war, so ist eS unbedenk­ lich, diese Begriffsbestimmung auch hier als maßgebend anzusehen, zumal die Artt. 18. 52 de« Pr. EG.'S z. HEB. (EG. z. Pr. StGB. Art. XII § 2. 3) dieses für das Pr. StGB, ausdrücklich ausgesprochen hatten. Anderweitige landesgesetzliche Vorschriften dürfen bei der Frage, ob Jemand Kaufmann sei, nicht in Betracht gezogen werden . — Demgemäß ist „Kaufmann" Derjenige, welcher gewerbsmäßig Handelsgeschäfte treibt (D. HGB. Art. 4): ZI. 30. Oft. 72, Bll. 12. Febr. 74, Z. 21. März 74 (RdO. XIII, 558; XV, 70. 175); Schw. f. 699 (706); Puch. n. 1; Merkel i. HH. III, 817 und unten o. 14; contra: DreSd. 17. März 73 (SGZ. XVII, 118); Rüd. n. 2; vgl. Abh. i. WGbl. VII, 53. 2 Was ein „Handelsgeschäft" sei (n. 1), ist nach den Art. 271—277 des HGB.'S zu beurtheilen; demgemäß gehört dahin auch eine über den Umfang des Handwerks hinaus betriebene Färberei: OT. 12. Apr. 77 (GA. 25 f. 225). Der Handel mit Immobilien kann nicht die Eigenschaft als „Kaufmann" begründen (Art. 275 1. c.): Münch. 2. Sept. 73 (StZ. III, 71). Da Art. 271 Nr. 1 und Art. 273 Abs. 2 1. c. nicht blos den Kauf rc. zum Zwecke der Weiterveräußerung, sondern auch die gewerbliche Weiterveräußerung der zu diesem Zwecke angeschafften Waaren zu den Handelsgeschäften zählen, so kann die Eigenschaft eines Kaufmanns nicht lediglich deshalb verneint werden, weil Jemand in der betreffenden Zeit nicht erweislich Sachen zur Wiederveräußerung gekauft rc. habe: DI. 17. März 75 (RdO. XVI, 228). Es begreift übrigens Art. 271 Nr. 1, insofern er die Anschaffung be­ weglicher Sachen zum Zwecke der Weiterveräußerung nach geschehener Bearbeitung gleichfalls für ein Handelsgeschäft erklärt, nur solche Fälle, wo die Sachen trotz der Bearbeitung bewegliche Sachen bleiben, während Art. 272 Nr. 1 ib. nur solche Geschäfte im Auge hat, bei denen die zu bearbeitenden Rohmaterialien vom Unter­ nehmer gar nicht angeschafft, sondern ihm von Anderen zum Zwecke der Bearbeitung überliefert werden: DU. 21. März 78 (RdO. XIX, 155); vgl. n. 5b. 3. Der Verkauf selbpgewounener Naturprodukte stellt selbst dann, wenn diese vorher be- oder verarbeitet worden, ein Handelsgeschäft nicht dar: Dil. 22. Juni 65 (RdO. VI, 207. Dasselbe gilt von dem Betriebe einer Ziegelei, bei welchem die verarbeitete Erde den eigenen Grundstücken entnommen wird: ZU. 8. Mai 69 (RdO. X, 304); und von dem Gewerbe eines Müllers, welcher das aus selbstgewonnenen Früchten gemahlene Mehl verkauft: DI. 16. Juli 69 (RdO. X, 513). — Dagegen ist ein Gutsbesitzer, welcher gewerbsmäßig Handelsgeschäfte treibt, als Kaufmann zu betrachten, sollte für ihn jener GewerbSbetrieb auch nur ein landwirthschaftlicheS Nebengewerbe darstellen (Beifp.: Branntweinbrennerei, Zuckerfabrikation rc., sobald dabei nicht bloß selbstgewonnene Produkte verarbeitet werden); der Umstand, daß nach dem EG. z. Pr. Konk.-Ordn. v. 8. Mai 1855 Art. XIV und nach dem Pr. EG. z. D. HGB. Art. 31 ein Gutsbesitzer in dem gedachten Fall in Beziehung auf die Anwendung der Vorschriften der Konkursordnung nicht zu den Kaufleuten gezählt werden soll, kommt für das D. StGB, nicht in Betracht; vgl. cit. DII. 22. Juni 65. 4. Derjenige, welcher aus dem Absätze angeschaffter Lotterie-Loose ein Gewerbe macht, ist Kausmanu; für ihn sind die Loose zwar nicht als „für den Handelsverkehr bestimmte Werthpapiere", wohl aber als „Waaren" anzusehen (HGB. Art. 271 Nr. 1); ebenso OHG. 4. März 78 (Entsch. deff. 23 s. 213: speziell in Betreff der Kollekteure der Braunschw. Lotterie). DaS ist aber auf den Veranstalter einer Lotterie, welcher die felbftgeschaffeuen Loose abseht, nicht auszudehnen, und ebenso-

Thl. II. Abschn. XXIV. Bankerutt. — § 281.

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2) Schulden oder Rechtsgeschäfte anerkannt otar aufgestellt haben, welche ganz oder theilweise erdichtet sind, wenig auf den Verheuerer von Loosen, welcher nur ihn persönlich verpflichtende Promessen ausstellt. 5. Daß der Handel mit gewissen Gegenständen, z. B. Loosen einer nicht geuehmigten Lotterie, verboten und strafbar ist, schließt nicht aus, den denselben gewerbsmäßig Betreibenden als „Kaufmann" im Sinne der §§ 281 ff. anzusehen; contra: Goldschm. Handb. d. HR I, 526; Endemann HR. §75 Nr. 7. 5a. Disferenzgeschäste, welche nicht auf reelle Lieferung, sondern nur auf Zahlung der Kursdifferenz abzielen (§ 283 n. 7), find lediglich als Spiele anzusehen; der Betrieb solcher Geschäfte macht noch nicht zum Kaufmann: Münch. 29. Mai 74 (StZ. IV, 69). 5b. Unternehmer von Bauten gehören als solche nicht zu den Kaufleuten: DI. 3. März 76, OHG. 2. Mai 74 (RdO. XVII, 167; Entsch. d. OHG.'S Xin, 343). Ebenso ist die Anschaffung von Rohmaterialien zum Zwecke der Ver­ wendung im Wege der Bauunternehmung kein Handelsgeschäft: VH. 21. März 78 (cit. n. 2). 6. Nur Derjenige ist Kaufmann, welcher die Handelsgeschäfte als eigenes Gewerbe betreibt; Handlungsgehülfen, Kommis, Prokuristen, HandelsMäkler rc. gehören als solche nicht hieher, selbst wenn sie das Geschäft allein führen; ebenso: DU. 7. Juni 77 (RdO. XVIII, 369). 7. Der Handel braucht nicht daS ausschließliche, nicht einmal daS HauptGeschäft zu sein, sobald er nur gewerbsmäßig svgl. § 260 n.2] betrieben wird: ZU. 19. Nov. 57 c. Richter; ZI. 11. März 59 c. Schier: SIL 30. Mai 76 (RdO. XVH, 384); vgl. d. 3. 8. Durch die Eintragung in das Handels- (Firmen.) Register oder durch den Beitritt zu einer kaufmännischen Korporation ist die Eigenschaft eines Kauf­ manns nicht bedingt; vgl. Pr. EG. z. D. HGB. Art. 3 Nr. 4. 9. Auch die Ge werd esteuerpslichtig seit sowie die Zahlung der betreffen­ den Steuer sind für den Begriff eines Kaufmanns nicht maßgebend (D. HGB. Art. 11): ZI. 28. Oft. 70, 17. Febr. 71 (RdO. XI, 536; XII, 104). 10. Es ist gleichgültig, ob der die Handelsgeschäfte Treibende die betr. Hand­ lungen selbst vornimmt, oder durch einen Andern, z. B. durch einen Prokuristen vornehmen läßt (HGB. Art. 6 Abs. 3), nicht minder, ob er dabei unter eigenem Namen auftritt, oder ob dazu ein Anderer, z. B. aus Grund eines simulirten Uebertragungöakts, seinen Namen hergiebt und diesen in daö Firmenregister hat ein­ tragen lassen: ZI. 1. Nov. 72 (RdO. XIII, 579). 11. Eine Handelsgeschäfte gewerbsmäßig betreibende Frau (Handelösrau) hat alle Rechte und Pflichten eines Kaufmanns, sollte sie auch ihr Gewerbe durch einen Prokuristen rc. betreiben lassen (HGB. Art. 6). — Doch ist die Ehefrau eines Kausmanns wegen ihrer Thätigkeit im Geschäft regelmäßig nur als Gehülfin ihres Mannes anzusehen (Art. 7 Abs. 3ib.), sollte fie auch thatsächlich daS Geschäft vor­ wiegend oder gar ausschließlich leiten; zur kaufmännischen Eigenschaft der Frau wird vielmehr erfordert, daß jenes in ihrem Namen oder im Namen beider Eheleute als Gesellschafter betrieben werde (Art. 4, 6, 15, 85 ib.), was in erster Linie durch die von den Eheleuten etwa abgegebenen Erklärungen, durch die Anmeldung im Handelsregister rc. (Art. 12 ib.) erwiesen wird: DU. 30. Mai 76 (RdO. XVII, 384). 12. Ein gewerbsmäßig Handelsgeschäfte betreibender Minderjähriger kaun sich eines BankeruttS schuldig machen, sollten auch die Bedingungen nicht erfüllt sein, von welchen daS Gesetz die Zulässigkeit eines solchen Handelsbetriebe« abhängig macht; vgl. Pr. EG. z. HGB. v. 24. Juni 1861 Art. 37, 38, nicht aber der Vor­ mund des minderjährigen Geschäftsinhabers; vgl. d. 6. 13; Br. Z. 23 f. 166. 13. Die Mitglieder einer offenen Handelsgesellschaft, sowie die per­ sönlich haftenden Mitglieder einer Kommanditgesellschaft, sind Kaufleute, nicht aber die bloßen Kommanditisten, die stillen Gesellschafter und die Theilhaber an einer Aktiengesellschaft, selbst nicht die Mitglieder des Vorstandes einer solchen oder einer eingetragenen Genossenschaft, trotz der diesen obliegenden Buch­ führung; vgl. HGB. (BGes. v. 11. Jnli 1870) Artt. 112. 122. 165. 206. 241.

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n.

Nbschn.

XXIV.

Bankerott. - §281.

3) Handelsbücher zu führen unterlassen haben, deren Füh­ rung ihnen gesetzlich oblag, oder 249. 249a. 252. 256: Pr. EG. j. HGB. Art. 12 § 8; (Pr. Konk.-Ordn. e. 8. Mai 1855 § 307); BGes. v. 4. 3uli 1868; Bll. 7. Juni 77. DPI. 9. Nov. 74 (RdO. xvm, 369; XV, 753); Merkel i. HH. III, 819. Jene» gilt selbst dann, wenn die für die Errichtung der Gesellschaft vorgeschriebenen Förmlichkeiten nicht beob­ achtet sind; vgl. HGB. Art. 110 (BGes. v. II. Juni 1870) Artt. 168. 211. Dagegen können die zuletzt genannten Personen sich deS im § 282 vorgesehenen Ver­ brechens schuldig machen. — Für die Folge bestimmt jedoch § 214 der RKO., daß die §§ 209—211 ib. gegen die Mitglieder des Vorstands einer Aktiengesellschaft oder eingetragenen Genossenschaft und gegen die Liquidatoren einer Handelsgesellschaft oder eingetragenen Genossenschaft, welche ihre Zahlungen eingestellt hat, oder über deren Vermögen daS Konkursverfahren eröffnet ist, Anwendung finden sollen, wenn sie in dieser Eigenschaft die mit Strafe bedrohten Handlungen begangen haben. DaS ist aus andere Vertreter physischer oder juristischer Personen nicht auszudehnen; gegen diese reichen § 212 ib. (bezw. § 282 deS StGB.'S) sowie die Bestimmungen über Betrug, Unterschlagung, strafbaren Eigennutz rc. auS: Mot. z. RKO. f. 1563. — Im Uebrigen vgl. HGB. Art. 206. 249. 249a. 14. Die im Art. 10 des HGB.'S erwähnten „Höker, Trödler, Hausirer nnd dergleichen Handelsleute von geringem Gewerbebetriebe, Wirthe, Fuhr­ leute und Schiffer", sind „Kaufleute", insoweit bei ihnen die unter n. 1 gedachte Begriffsbestimmung zutrifft; sie sind nur von der Pflicht der Buchführung entbun­ den, können also nicht von den Strafen des § 281 Nr. 3 und des § 283 Nr. 2. 3. betroffen werden; vgl. n. 47ff. Dagegen finden die übrigen Vorschriften der §§ 281 — 283 auch auf sie Anwendung: Münch. 19. Juni 75 (StZ. V, 147); contra: Dreöd. 17. März 73 (cit. n. 1), 16. Nov. 74 (StZ. V, 140), Stuttg. 14. Juli 77 (WGbl. XIII, 253); Schütze f. 493; vgl. ZI. 9. Febr. 76 (StZ. VI, 23: ließ die Bezeichnung „Kaufmann" im Urtheile als genügende Feststellung des NichtzutreffenS des cit. Art. 10 gelten). 15. ES wird nicht erfordert, daß zur Zeit der Strafverfolgung der Ange­ schuldigte noch Kaufmann sei: VII. 14. Nov. 61 (RdO. II, 68; vgl. n. 21. 3L 16. Der Strafrichter (Geschworene) hat die Frage, ob ein des Bankeruttö Angeschuldigter „Kaufmann" gewesen sei, selbstständig zu prüfen; er ist an frühere Entscheidungen deS Civil- (Handels-) Gerichts in keiner Weise gebunden. Nach den in Preußen geltenden Strasprozeßgesetzen ist es nicht unstatthaft, in der schwurge­ richtlichen Fragstellung die Bezeichnung „Kaufmann" beizubehalten; die Auflösung dieses Begriffs durch Hervorhebung der im Art. 4 des HGB.'S angegebenen Merk­ male wird aber unerläßlich, sobald sie von irgend einer Seite beantragt ist: ZI. 26. Juni 67, Vl. 27. Nov. 67, vgl. Z. 21. März 74, DI. 23. Febr. 76 (RdO. VIII, 404. 747; XV, 175; XVII, 135). Aehnlich nach Bayr. Verfahren: Abh. i. StZ. IV, 33. Vgl. jedoch für die Folge § 267 n. 37 a. E. 17. Auf andere Personen als Kaufleute, z. B. auf Handelsmäkler, sind die Vorschriften der §§ 281. 283 nicht auszudehnen; vgl. n. 6; der dieses vorschrei­ bende § 262 deS Pr. StGB.'S ist für beseitigt zu erachten; vgl. EG. § 2 n. 22. 18. Der Begriff der „Zahlungseinstellung" ist lediglich aus der ReichSgesetzgebung (vgl. DWO. Art. 29 Nr. 1; HGB. Art. 314 Nr. 1), nicht auS einem Landesgesetze zu erläutern, daher müssen ältere Entscheidungen deS Pr. OTr.'S, welche wesentlich aus der Begriffsbestimmung des § 113 der Pr. Konk.-Ordn. v. 8. Mai 1855 beruhen, außer Betracht bleiben; contra: ZII. 29. Mai 77 (GA. 25 f. 458). Die RKO. enthält keine Definition des Begriffs. — Im Sinne des StGB.'S stellt ein Kaufmann seine Zahlungen (besser: daS Zahlen) ein, sobald er aufhört, seine fälligen kaufmännischen Verbindlichkeiten zu erfüllen. Dazu genügt eS nicht, wenn eine einzelne fällige Zahlung aus einem auf das konkrete RechtSverhältniß bezüglichen besondern Grunde nicht geleistet wird, vielmehr mutz die Cr. fülluug der fälligen Verbindlichkeiten überhaupt (daS Zahlen) eingestellt sein; ein solches kann aber auS der Nicht-Erfüllung einzelner Verpflichtungen gefolgert wer-

Thl. IL Abschn. XXIV.

Bankerutt. — § 281.

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4) ihre Handelsbücher vernichtet oder verheimlicht oder so geführt oder verändert haben, daß dieselben keine Ueber­ sicht des VermögenSzustandeS gewähren. den; ebenso schließt die Berichtigung einzelner (zumal kleinerer) Schuldbeträge die „Zahlungseinstellung" nicht aus, wenn im Uebrigen ihre Voraussetzungen vorliegen: ZI. 15. Sepr. 71, 11. Oft. 76, Manh. 8. Juli u. 25. Nov. 76 (RdO. XH, 453; XVII, 649; BAnn. 42 s. 274; 43 f. 50). — In der Regel wird die Zahlung«, einstellung auf einer wirklichen oder vermeintlichen oder auch nur fingirten ZahlungSunfähigkeit beruhen; unerläßliche Bedingung ist dieses aber nicht, da das Gesetz nicht- davon besagt (ebenso: cit. Manh. 25. Nov. 76; vgl. jedoch: BI. 3. Dez. 75, RdO. XVI, 770; StZ. VI, 22); hört der Kaufmann auf, „zu zahlen", so ist es unerheblich, aus welchen Gründen eö geschah; diese kommen nur insofern in Betracht, als danach zu beurtheilen ist, ob wirklich eine Einstellung des Zahlenim Allgemeinen vorliege. — Für den Begriff der Zahlungseinstellung ist eS un­ wesentlich, ob der betr. Zustand ein dauernder sei; ein zeitweilige- Nicht-mehrZahlen genügt zur Erfüllung deS Thatbestandes deö DankeruttS: ZI. 3. Juli 72 (RdO. XIII, 383); contra: Schw. f. 700. 19. Aus dem Gesagten (n. 18) ergiebt sich, daß „Zahlungseinstellung" nicht gleichbedeutend ist mit Bermögenöunzulänglichkeit; eine solche kann vorhanden sein, ohne daß deshalb der Kaufmann zu zahlen aufhört, z. B. wenn seine Schulden zur Zeit noch nicht fällig sind, oder wenn er noch so viel Kredit besitzt, um auch ohne Zahlung die Gläubiger der fälligen Schuld (zeitweilig z. B. durch Hingabe neuer Wechsel, oder durch Erlangung eines Zahlungsausstandes) zu befriedigen: BI. 19. Juli 71 (RdO. XII, 419). Umgekehrt kann auch bei völliger Suffizienz de- Aktivvermögens eine „Zahlungseinstellung" erfolgen, z. B. wenn vorhandene Werthobjekte nicht sofort in Baar umzusetzen sind, oder wenn daö Nichtzahlen ledig, lich in einer Unordnung der Geschäftsführung oder in der Fingirung einer Zahlungs­ unfähigkeit seinen Grund hat. — Demgemäß ist die Annahme einer Zahlungsein­ stellung nicht dadurch bedingt, daß eine Exekutionövollstreckung vergeblich versucht worden sei: ZI. 15. Sept. 71 (RdO. XU, 453). Umgekehrt wird solche nicht noth­ wendig dadurch ausgeschloffen, daß ein Gläubiger im Wege einer Zwangsvollstreckung seine Befriedigung erwirkt hat. 20. Ebenso ergiebt sich aus n. 18, daß die Annahme einer Zahlungseinstellung weder durch die Erklärung des Kaufmanns: er sei insolvent (Münch. 9. Sept. 73: StZ. III, 73; Bl. 3 Dez. 75, cit. n. 18), noch durch eine vorhergegangene civilrechtliche Konkurseröffnung (Falliterklärung rc.) bedingt ist; vgl. WO. Art. 29 $Kr. 1; HGB. § 314 Nr. 1. Der Strafrichter hat auch die Frage der Zahlungseinstellung selbstständig zu prüfen und darüber eine ausdrückliche Fest­ stellung zu treffen (vgl. n. 16), ohne an frühere civilrichterliche Entscheidungen ge­ bunden zu sein: DII. 6. Dez. 66, ZI. 1. Nov. 72 (RdO. VH, 695; XIII, 579); er kann dieselbe bejahen, selbst wenn der Civilrichter die Konkurseröffnung rc. (gleich­ viel, aus welchem Grund) abgelehnt, oder die Zahlungseinstellung nicht als erwiesen betrachtet, wenn ein (außergerichtliches) Arrangement die Eröffnung des Konkurses rc. abgewendet, oder wenn das eröffnete Konkurs- re. Verfahren durch Akkord (Konkor­ dat, Vergleich rc.) seine Erledigung gefunden, oder das Rheinische rc. Handelsgericht den Falliten für „entschuldbar" erklärt hat: ZI. 27. Sept. 65 (RdO. VI, 232); Manh. 25. Nov. 76 (cit. n. 18). Ebenso ist eine vorhergegangene civilgerichtliche Entscheidung über den Zeitpunkt der erfolgten Zahlungseinstellung (Pr. Konk.Ordn. v. 8. Mai 1855 § 122; C. de comm. art. 441) für den Strafrichter in keiner Weise maßgebend: ZII. 14. Nov. 61 (RdO. II, 68); vgl. ZI. 15. Sept. u. 11. Olt. 76 (ib. XVII, 564. 649: betrafen die Handhabung deS § 308 der Pr. Kouk.-Ordn.). Hiernach darf der Strafrichter nicht das Strafverfahren aussetzen, bis im Livilverfahren der Zustand der Zahlungseinstellung rc. festgestellt sei. — Dieselben Grund­ sätze gelten auch unter der Herrschaft der R.-Justizgesetze, vgl. RStPO. § 261 Abs. 1, jedoch mit der Einschränkung, daß gemäß Abs. 2 ib. die Aussetzung des Strafver­ fahrens zu dem letztgedachten Zwecke dereinst allerdings statthast ist. Sie finden jedoch auf die Konkurseröffnung als das hinfttro alternativ neben der Zah-

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Thl. H. Abschn. XXIV.

Bankern«. — § 281.

Sind mildernde Umstände vorhanden, so tritt Gefängniß­ strafe nicht unter drei Monaten ein. [I. Entw.: § 255; II. Enlw.: § 276; Pr. StGB.: § 259.] Vgl. §§282. 283. 32. 35; EG. § 2 Abs. 3; HGB. Artt. 4. 10. 28-40; 314 Nr. 1; B.-EG. ,. HGB. v. 5. Juni 1869 § 2; RKO. §§ 209. 211. 214. 162. 183; EG. ,. R«O. § 3. Preußen: Dgl. EG. z. Pr. StGB. Art. XII Nr. 2; Crim.-Ordn. §§ 201. 356; Konk.-Ordn. v. 6. Mai 1855 §§ 113. 114. 307—309. 322. 340. 341.

lungöeinflellung in Betracht kommende Thatbestandömoment (n. 1) keine Anwendung, insofern der Strafrichter nicht untersuchen darf, ob jene mit Recht erfolgt sei. 21. Für den Thatbestand des BankeruttS ist es gleichgültig, ob die Zahlungs­ einstellung während des Betriebes des kaufmännischen Geschäfts oder erst nach Auf­ gabe desselben eingetreten ist, vorausgesetzt, daß eS fich im letzteren Falle um die Zahlung solcher Schulden handelt, welche vor oder während jenes Geschäftsbetriebs entstanden sind: ZII. ll.Febr. 74 (RdO. XV, 70); dabei macht es keinen Unter­ schied, wie viel Zeit seit Aufgabe des Geschäfts verstrichen ist; § 144 Nr. 1 der Pr. Konk.-Ordn. v. 8. Mai 1855 stndet hier keine Anwendung. Vgl. n. 18. 31. 22. Eine Zahlungseinstellung erstreckt sich nothwendig auf die ganze vermögens­ rechtliche Lage; es ist unstatthaft, ste in Beziehung auf ein Geschäft anzunehmen, während sie in Betreff eines anderen gleichzeitig betriebenen verneint wird: ZII. 18. Sept. 62 c. Stöcks (Beil.); ebensowenig darf ste auf die Handelsgeschäfte be­ schränkt werden; contra: DreSd. 3. Juni 72 (StZ. II, 122). Vgl. Pr. EG. z. HGB. § 36; Pr. Konk.-Ordn. §§ 1 ff ; RKO. §§ 1 ff. 23. Eine Mehrheit von Gläubigern gehört nicht zu den unerläßlichen Voraussetzungen eines BankeruttS: ebensowenig bedarf eS eines Mißbrauchs des öffentlichen Kredits; contra: TL. f. 1008. 24. Die Eigenschaft als Kaufmann und die Zahlungseinstellung sind in den durch die §8 281. 283 vorgesehenen Fällen BegriffSmerkmale, welche der ausdrück­ lichen Feststellung bedürfen; vgl. n. 14. 16. 47; § 283 n. 11; dagegen bilden sie keinen Theil des vom Gesetz für strafbar erachteten Handelns. Bei der Zah­ lungseinstellung kommt nur der thatsächliche Zustand in Betracht, nicht wie er ent­ standen ist, und ob dabei dem Angeschuldigten ein Verschulden zur Last falle: ZI. 6. April 64 c. Rosenfeld; ebensowenig ist erforderlich, daß jene Einstellung durch die in den §§ 281 ff. besonders hervorgehobenen Handlungen herbeigeführt sei: ZII. 4. April 61, ZI. 1 Juli 64, Z. 13. Nov. 68 (RdO. I, 346; V, 42; IX, 365); Merkel i. HH. III, 819. 824; (eS ist kaum denkbar, wie eine solche durch Verheim­ lichung der Handelsbücher herbeigeführt werden könnte); ein in dieser Beziehung an­ getretener Gegenbeweis ist unerheblich: ZII. 15. Sept. 70 (RdO. XI, 455); contra: Hälschn. t. GA. XVIII, 672. Aus demselben Grunde wird die Strafbarkeit des BankeruttS dadurch nicht ausgeschloffen, daß der Angeschuldigte zur Zeit der ZahlungSeinstellung unzurechnungsfähig war: ZI. 12. Dez. 69 (RdO. X, 799); vgl. n. 32. — Hiernach ist die schwurgerichtliche Frage nicht dahin zu fasten, ob der An­ geklagte schuldig sei, seine Zahlungen eingestellt zu haben rc.: ZII. 12. Febr. 74 (RdO. XV, 70). 25. Zum Thatbestände deS „betrüglichen" BankeruttS gehören außer den Erforderniffen deö § nicht auch noch die Begriffsmerkmale des Betrugs {§ 263): eS bedarf weder der Absicht, sich oder einem Andern einen rechtswidrigen vermögenSvortheil zu verschaffen (:ZI. 4. April 55, Entsch. 30 s. 365), noch einer ein­ getretenen Beschädigung des Vermögens der Gläubiger. Die Bezeichnung „betrüglicher Bankerutt" bezweckt nur. die hier vorgesehenen Fälle von denen deS § 283 durch einen technischen Ausdruck zu unterscheiden. 26. Der § 281 erheischt für alle unter Nr. 1—4 aufgezählten Fälle die „Ab­ sicht" deS Thäters, seine Gläubiger zu benachtheiligen; daS bloße Bewußt-

Thl. II. Abschn. XXIV. Baukerutt. - § 281.

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lein, c6 werde eine Benachtheiligung eintreten, genügt nicht; contra: Merkel t. HH. III, 818. Andererseits wird nicht erfordert, daß diese Absicht erreicht sei; die Straf­ barkeit wird also dadurch nicht ausgeschlossen, daß die Gläubiger demnächst dennoch zu ihrer Befriedigung gelangen; vgl. n. 25, ZI. 20. Sept. 76 (RdO. XVII, 578: beil.). — Unter „seinen Gläubigern" sind die Gläubiger überhaupt zu verstehen (ohne Unterschied, ob die Forderungen derselben aus Handelsgeschäften herrühren oder nLcht); eine lediglich auf Benachtheiligung eines einzelnen Gläubigers gerichtete Absicht erfüllt den Thatbestand nicht, sofern nur der Gesammtheit der Gläubiger Nichts entzogen werden sollte. Dagegen ist jede Beeinträchtigung oder Verminderung der Konkursmasse, als desjenigen Objekts, aus welchem bte Gläubiger überhaupt, soweit möglich, ihre Befriedigung erhalten sollen, eine Benachtheiligung Aller: Münch. 28. Dez. 72 (BEntsch. II, 307); eine hierauf gerichtete Absicht erfüllt den DoluS, selbst, wenn ein einzelner Gläubiger aus dem beseitigten BermögenSobjekte vorzugs­ weise Befriedigung fordern konnte, und die Absicht zunächst dahin ging, diesem EinzelglLubiger jenes Vorzugsrecht zu entziehen (der nicht befriedigte Einzelgäubiger nimmt dann an der Dertheilung der Gesammtmasse Theil, so daß also auch die übrigen benachtheiligt werden). Inwiefern die unbefugte (aus Kosten der übrigen erfolgende) Befriedigung eines EinzelgläubigerS durch den Cridar eine Benachtheiligung im Sinne des § darstelle, darüber vgl. n. 41. 27. Eine „Benachtheiligung der Gläubiger" liegt darin, wenn die Liquidirung der Masse oder die Flüssigmachung der Aktiva erschwert oder verzögert wird. Dasselbe gilt von einer zeitweiligen Dorenthaltung einzelner zur Masse gehöriger Vermögenöstücke. 28. Die beabsichtigte Benachtheiligung muß mit der Zahlungseinstellung und mit der dadurch herbeigeführten Nichtbefriedigung der Gläubiger in Verbindung stehen. Deshalb ist die gedachte Absicht wesentlich durch daS Bewußtsein von der bereits eingetretenen oder bevorstehenden Zahlungseinstellung bedingt: Beschl. 1. 20. Nov. 67, DII. 12. Febr. 74, Manh. 28. Jan. 76 (RdO. VIII, 738; XV, 70; BAnn. 44 s. 49) Merkel i. HH. III, 819; vgl. n. 30-32. 29. Die Aufzählung der unter Nr. 1 — 4 vorgesehenen Einzelhandlungen, durch welche im Falle einer Zahlungseinstellung der betrügliche Bankerutt begangen wird, ist ltmitativ: Ausdehnung auf andere ähnliche Fälle ist unstatthaft: ZII. 14. Nov. 61 (RdO. H, 68). 30. Für den Thatbestand ist es gleichgültig, ob die Einzelhandlung vor oder nach der Zahlungseinstellung stattgefunden hat, insoweit daS eine oder andere that­ sächlich möglich ist: ZII. 17 Oft. 67, Beschl. I. 20. Nov. 67, Manh. 28. Jan. 76 (RdO. VIII, 603. 738; BAnn. 44 s. 49: Fälle der Nr. 1); ZII. 14. Nov. 61 teil. n. 29: Fall der Nr. 2); ZI. 22. DU. 62 (RdO. in, 84: Fall der Nrn. 1. 2. 4); contra: Rubo s. 923; vgl. DreSd. 15 Sept. 73 (StZ. in, 375). Die unter­ lassene sowie die ungenügende Buchführung (Nr. 3. 4) können füglich der Zahlungs­ einstellung nur vorhergehen. Doch ist erforderlich, daß jene Handlungen mit der Zahlungseinstellung in Verbindung stehen, d. h. mit bewußter Beziehung auf die Nichtbefriedigung der Gläubiger erfolgten: ZI. 23. Jan. 75, DreSd. 4. Zan. und 25. Juni 75 (RdO. XVI, 90; (StZ. VI, 19); vgl n. 28. — Demgemäß ist auch die Strafbarkeit des Anstifters (Gehülfen) nicht durch die Kenntniß von einer bereits stattgehabten Zahlungseinstellung bedingt; es genügt in dieser Beziehung daS Bewußtsein desselben, daß eine Zahlungseinstellung zu erwarten fei: ZI. 26. Mai 69 (RdO. X, 348); vgl. n. 28. 31. Die Vollendung des Verbrechens'ist wesentlich dadurch bedingt, daß die Voraussetzungen des Thatbestandes in ihren Wirkungen zusammentreffen, ins­ besondere die Zahlungseinstellung mit den erheischten Handlungen; gehen diese der Zahlungseinstellung vorher, so tritt die Vollendung erst mit letzterer ein; eS findet sonach daS alsdann geltende Strafgesetz Anwendung: ZI. 6. Dez. 72 (RdO. XIII, 647); vgl. §2 n. 20. — Außerdem ist eS im letzterwähnten Falle unerläßlich, daß die Folgen der Einzelhandlungen noch fortdauern; die Strafe deö vollendeten BankeruttS bleibt daher außer Anwendung, wenn vor dem Eintritte der Zahlung-Anstellung die verheimlichten Vermögensstücke wieder herbeigeschafft, die Anerkennung rc. der finzirten Schulden wirkungslos gemacht, die verheimlichten Bücher wieder zum

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Thl. U. Abschn. XXIV. Bankerutt. - §281.

Vorschein gebracht sind: ZU. 14. Nov. 61 (RdO. n, 68); Merkel t. HH. m, 820; vgl. jedoch § 283 n. 21. — In Betreff des Versuchs vgl. n. 36. 32. Ebenso ist bei einer nach Vornahme der Einzelhaudlung stattfindenden Zahlungseinstellung ein Bankerutt im Sinne der §§ 281 ff. nur dann anzunehmen, wenn zur Zeit ihrer Verübung noch Schulden vorhanden waren, welche vor oder während des kaufmännischen Geschäftsbetriebes entstanden sind, nicht also auS der Zeit nach Aufgabe des Handelsgeschäfts herrührten; vgl. n. 21. 31. 33. Aus dem unter n. 24 Ausgeführten folgt, daß. wenn ein Kaufmann, welcher seine Zahlungen eingestellt hat, sich mehrerer der im § 281 oder § 283 vorge­ sehenen (selbstständigen) Handlungen, oder einer derselben wiederholt schuldig macht, Real-Konkurrenz vorliegt, obgleich die vorhandene Zahlungseinstellung für alle identisch ist (ebenso, wie die Eingehung mehrerer neuer Ehen Seitens eines Verheiratheten eine Real-Konkurrenz begründet, obgleich das Begriffsmerkmal der be­ stehenden ersten Ehe bei allen identisch ist): Merkel i. HH. UI, 821; contra: ZI. 15. Juli 64, 7. Febr. 68, ZU. 6. Okt. 74 (die Nichtziehung der Bilanz für mehrere Jahre betreffend: § 283 Nr. 3), DU. 9. April 74, 3. April 79 (RdO. V, 87; IX, 118; XV, 222. 613; XX, 193); VI. 3. Dez. 75 (RdO. XVI, 770: nahm daher au, daß eine erst nach Vollendung einer der Einzelhandlungen geleistete Unterstützung nicht als Begünstigung (§ 257), sondern als Beihülfe zu bestrafen sei, wenn die weitere Einzelhandlung erst später unternommen worden); Manh. 28. Jan. 76 (cit. n. 30); Abh. i. GA. XVIII, 289; Hälschner ib. XV1U, 666 n. 32. 33; Schw. s. 704 (713); Rüd. n. 5; vgl. unten n. 67. 68. 34. Ebenso sind die Fälle des einfachen BankeruttS einer- und des be­ trügt chen BankeruttS andererseits, insofern es sich dabei nicht um dasselbe positive oder negative äußere Verhalten handelt (wie in den Fällen des § 281 Nr. 3. 4 im Vergleiche mit § 283 Nr. 2) von einander unabhängige selbstständige Handlungen, welche eine Real-Konkurrenz begründen; eö kann sonach Derjenige, welcher bereits wegen einfachen BankeruttS bestraft ist, demnächst noch wegen betrüglichen BankeruttS verfolgt und bestraft werden: VPl. 12. Mai 62, ZI. 26. Juni 67, 16. Febr. 77, ZU. 14. März 78 (RdO. U, 395; VIII, 404; XVIII, 141; XIX, 139); Dreöd. 1. Sept. 73 (SGZ. XVU, 309); Rüd. n. 5; contra: ML. f. 528. Vgl. auch Seeger i. GA. XX. 137 ff. 35. Demgemäß (n. 33. 34) sind verschiedene selbstständige Handlungen, durch welche ein Kaufmann, der seine Zahlungen eingestellt hat, gegen eine der Nrn. 1—4 des § 281 oder der Nrn. 1- 3 des § 283 verstößt, auch prozessualisch als verschiedene Strassälle zu behandeln; der Pr. Richter darf daher nur diejenige konkrete Handlung zum Gegenstände seiner Entscheidungen machen, mit welcher er durch die Anklage (den Eröffnungsbeschluß) besaßt worden ist; contra: ZI. 15. Juli 64 (cit. n. 33); ebenso wird nur in Betreff jeder Einzelhandlung eventuell die relative Rechtskraft wirksam: vH. 24. Febr. 70, contra: Z. 16. Febr. 70 (RdO. XI, 127. 99). 36. Ein Versuch des betrüglichen BankeruttS liegt vor, wenn ein Kaufmann nach erfolgter Zahlungseinstellung mit der Ausführung einer der unter Nr. 1. 2 oder 4 vorgesehenen Handlungen beginnt, sowie nicht minder dann, wenn er ein Gleiches im Hinblicke aus eine erst bevorstehende, von ihm vorgesehene Zahlungs­ einstellung thut (n. 28): ZI. 17. Juli 59 (GA. VII, 496); die Strafbarkeit ist dann nicht durch den wirklichen Eintritt der Zahlungseinstellung bedingt; z. B. wenn eine Zahlungsunfähigkeit nur fingirt werden sollte. Contra: Merkel i. HH. III, 820 (verlangt Handlungen, welche dahin abzielen, eine Zahlungseinstellung herbeizuführen), Rubo f. 408. 926 (hält einen strafbaren Versuch für unmöglich). 37. In Betreff der Theilnahme gelten die allgemeinen Grundsätze; vgl. Not. s. 134; § 48 n. 4 und oben n. 33. § 282 steht dem nicht entgegen, vgl. unten u. 41a und § 282 n. 1. In Betreff des Dolu^deS TheilnehmerS siehe n. 30. 38. Die Verjährung eines BankeruttS beginnt (nach § 67 Abs. 4) mit der Vollendung der Mißthat, also, wenn die Cinzelhandlung der Zahlungseinstellung vorherging, erst mit dem Eintritte der letzteren: ZI. 1. Juli 64, 14. Dez. 70, ZU. 28. Sept. 76, 6. Febr. 77. VI. 23. Jan. 78 (RdO. V, 41; XI, 598; XVII, 623; XVIII, 96; XIX, 31); vgl. n. 31. Anders verhält eS sich mit einem vor der Zahlungseinstellung verübten Versuche; vgl. n. 36.

Thl. II. Abschn. XXIV

Dankerutt. — § 281.

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38a. Ueber die Wirkung, welche die Eröffnung eines Strafverfahrens wegen betrügerischen BankeruttS auf die Schließung eines Akkords (Zwangsvergleichs) und die ergehende Verurtheiluvg auf einen geschloffenen Akkord (ZwangSv er gleich) äußert, vgl. Pr. Konk.-Ordn. v. 8. Mai 1855 § 189 und für die Folge RKO. §§ 162. 183.

Zn Nr. 1. 39. Das „Verheimlichen" („ Bei-Seit e-Schaffen") von Vermögensstücken fetzt eine Handlung voraus, welche (bewußter Weife) die Sache ver Wahr­ nehmbarkeit oder Erreichbarkeit für die Gläubiger in der Weife entzieht, daß denselben dadurch die Geltendmachung ihrer Rechte, wenn auch nur zeitweilig, unmöglich gemacht, erschwert oder verzögert wird. Es bedarf nicht nothwendig einer Heimlichkeit der Handlung selbst, oder einer Entfernung der Sache von ihrem bisherigen Orte. — Auch die Verwendung von Geldern zu unnöthigen Ausgaben oder zur Flucht kann unter diesen Begriff fallen, wenn dabei die im § vorausgesetzte Absicht ob­ waltete: ZI. 2. Febr. 70 (RdO. XI, 66); Merkel i. HH. HI, 817; ebenso daS Verschleudern (Verschenken) von Werthobjekten. 40. Zu den „DermögenSstücken" gehören auch unbewegliche Sachen: auch sie können als zum Vermögen gehörig der Wahrnehmbarkeit entzogen werden (z. B. durch einen simulirten Verkauf); vgl. DreSd. 15. Sept. 73 (SGZ. XVIII, 52); dasselbe gilt von Forderungen. Dagegen gehört das Verschweigen einer Schuld nicht hierher. — Ausgeschlossen sind solche DermögenSstücke, welche nicht zur Konkursmasse gezogen werden können (durch ihre Verheimlichung rc. werden die Gläubiger nicht benachtheiligt): Münch. 28. Dez. 72 (BEntfch. II, 307). 41. Die Befriedigung eines einzelnen Gläubigers zum Nachtheile der Uebrigen gehört an sich hierher, wenn diese Benachtheiligung der Uebrigen beabsichtigt war (n. 26); vgl. Darmst. 22. Zuni 74 (HEntsch. s. 29); DreSd. 17. Sept. 77 (SGZ. 22 s. 178); contra: Schütze f. 494, Rubo s. 923. Außerdem bedroht § 303 der Pr. Konk.-Ordn. v. 8. Mai 1855 eine solche Handlung, wenn' sie nach der Zahlungseinstellung geschieht, (auch in Abwesenheit jener Absicht) mit einer DergehenSstrafe; dieses Vergehen kann daher sehr wohl mit dem Thatbestände der Nr. 1 ideell konkurriren. Inzwischen dürfte eS sich fragen, ob nicht dereinst, unter der Herrschaft der RKO., welche, neben den Strafvorschristen über den Bankerutt, im § 211 eine dem eit. § 308 entsprechende Bestimmung, jedoch ohne jene Zeitbeschränkung (und auch hinsichtlich der Nichtkaufleute) trifft, die Möglichkeit einer solchen Idealkonkurrenz ausgeschlossen, ob nämlich nicht der eit. § 211 nach dem Willen des Gesetzgebers bestimmt fei, alle Fälle der Begünstigung einzelner Gläubiger vor den übrigen, ohne Rücksicht auf eine weiter oder weniger weit gehende Absicht, zu treffen und von der Bestrafung wegen BankeruttS auszuschließen. Eine ähnliche Wirkung legte ZU. 3. Okt. 61 (RdO. I, 568) bereits dem eit. § 308, gegenüber der dem § 281 Nr. 1 entsprechenden Vorschrift des Pr. StGB.'S, bei. 41a. Wenn ein Dritter im Intereffe eines Kaufmanns, welcher feine Zah­ lungen eingestellt hat, DermögenSstücke desselben verheimlicht rc., so kommt lediglich § 282 zur Sprache, eS fei denn, daß der Kaufmann selbst deS betrüglichen BankeruttS schuldig wäre, und jenes Verheimlichen re. sich als Beihülfe zu dieser That (§§ 281 Nr. 1. 49) darstellt; vgl. n. 37 und § 282 n. 1. 42. ES ist statthast, eine schwurgerichtliche Frage alternativ auf ein „Ver­ heimlichen oder Bei-Seite-Schaffen" zu richten: Zl. 15. Juli 64 (RdO. V, 87); vgl. n. 62; Oppenh. Pr. Strasvers. Art. 80 n. 12; Mot. z. RStPO. f. 199.

Zu Nr. 2. 43. Die „Anerkennung" kann indirekt (z. B. durch ein Nichtbestreiteu im Prozesse) erfolgen: ZU. 14. Nov. 61 (RdO. II, 68). — Auch die Anerkennung einer bereits vor dem Beginne des kaufmännischen Geschäfts „erdichteten" Schuld fällt unter Nr. 2; ebenso die Anerkennung einer älteren, durch eine frühere Zah­ lungseinstellung und einen demnächfligen Akkord oder in anderer Art getilgten Schuld: ZI. 13. Jan. 65, DreSd. 4. Jan. 75 (RdO. V, 420; SGZ. XIX, 247), nicht aber diejenige einer solchen Schuld, deren Geltendmachung die BerjährungSeiurede mit Erfolg entgegengesetzt werden könnte. — Desgleichen gehört die Anerkennung eines

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Thl. II. Abschn. XXIV. Bankerutt. — § 281.

nicht begründeten Vorzugsrechts für eine an sich begründete Schuld hierher: Dreöd. 2. März 74 (StZ. IV, 196). 44. Die „Erdichtung", also die Nichtexistenz der Schuld muß erwiesen werden; dem Angeschuldigten liegt nicht der Beweis der Existenz ob: Beschl. II. 4. April 61 c. Pöttgen. Vgl. RStPO. § 260. 45. Derjenige, welcher im Einverständnisse mit dem Cridar eine erdichtete Forderung als Gläubiger im Konkurse ic. anmeldet, kann Gehülse an dem Bankerutte des Letzteren sein; außerdem kann in Ideal - Konkurrenz § 282 Nr. 2 AnWendung finden; vgl. dort n. 1. Zu Nr. 3.

46. In Betreff der Nothwendigkeit der Buchführung sind die Vorschriften deö D. HGB.'S maßgebend, welches (Art. 28) allgemein „jeden Kaufmann" für verpflichtet erklärt, „Handelsbücher zu führen"; in Betreff einer Ausnahme vgl. n. 47 ff. — Jene Pflicht liegt jedem persönlich haftenden Theilhaber an einem kaufmännischen Geschäfte ob, sollte auch bei der ArbeitSvertheilung ein Einzelner die Sorge für die Buchführung allein übernommen haben; dem steht Art. 99 des HGB.'S nicht entgegen (vgl. Art. 105. 112 ib.): ZI. 23. gebr. 66, 1. Nov. 72, 27. Jan. 75, ZU. 30. Mai 76 (RdO. VII, 124, XIII, 579; XVI, 88; XVII, 393); DreSd. l l. März 78 (SGZ. 22 f. 257). Ebenso steht jeder Kaufmann für die OrdnungSmäßigkeit der Buchführung auch dann ein, wenn er dieselbe einem Dritten übertragen hat: ZII. 1. Juli 58, ZI. 27. Mai 59 (GA. VH, 569). DaS gilt auch von einer Handelsfrau, welche in vorschriftsmäßiger Weise einen Pro­ kuristen bestellt hat. 47. Don der Pflicht zur Buchführung (einschließlich der Dilauzziehung: n. 55; 8IL 16. Mai 78, RdO. XIX, 261) find nach Art. 10 deS D. HGB.'S „Höker, Trödler, Hausirer und dergleichen Handelsleute von geringem Gewerbe­ betriebe, Wirthe, gewöhnliche Fuhrleute, gewöhnliche Schiffer, und Personen, deren Gewerbe nicht über den Umfang des Handwerksbetriebs hinausgeht", entbunden, obgleich auch diese Personen „Kaufleute" sind (n. 14). Sie werden daher wohl Minderkaufleute im Gegensatz zu den Vollkaufleuten genannt. Be­ hauptet der Angeschuldigte, daß einer jener Ausnahmefälle auf ihn Anwendung finde, so muß der Jnstanzrichter darüber (positiv oder negativ) eine ausdrückliche Fest­ stellung treffen. Ebenso muß im Pr. schwurgerichtlichen Verfahren einem Antrage auf Stellung einer hieraus bezüglichen Frage nothwendig entsprochen werden, wo­ gegen letztere unter der Herrschaft der RStPO. arg. § 295 ib. und nach den Materialien in keinem Falle zu stellen ist. Doch gilt das zu § 283 n. 11 Gesagte auch in Betreff des Thatbestandes des § 281 Nr. 3. 48. Die Ausdrücke „Höker, Trödler, Hausirer" find nicht aus der Spezialgesetzgebung des Einzelstaats, sondern nur ausder BundeSgesetzgebuug, also aus dem HGB. und der Gew.-O. sowie eventuell aus dem allgemeinen Sprache gebrauche zu erläutern. Hiernach find unter den aufgezählten Personen nur solche zu verstehen, welche mit angekauften, von ihnen im Wesentlichen unverarbeitet ge­ lassenen Waaren einen kleinen Detail-Handel zum Absätze an Konsumenten treiben; vgl. ZI. 10. Mai 67 (RdO. Vin, 312). 49. 3m Art. 10 deö HGB.'S sind die Worte „von geringem Gewerbebetriebe" sprachlich nur auf „dergleichen Handelsleute", nicht auch auf die zuvor speziell aufgezählten „Höker rc." zu beziehen- ES ist daher nicht zwischen Hökern rc. von ge­ ringem und solchen von größerem Gewerbebetriebe zu unterscheiden, vielmehr find alle Höker rc. unbedingt von der Pflicht der Buchführung re. entbunden; die Größe ihres Gewerbebetriebes ist daher nur insoweit von Einfluß, als es auf diese bei Entscheidung der Frage ankommt, ob fie überhaupt als Höker re. anzusehen sind (n. 48); contra: ZI. 25. Jan. 67 (RdO. VIII, 56). Dagegen entbindet der Umstand, daß Jemand neben anderweitigem Handel auch Trödelhandel rc. treibt, jenen nicht von der Pflicht der Buchführung hinsichtlich deS ersteren Handels: Manh. 24. März 77 (BAnn. 43 s. 125)..

Thl. II. Abschn. XXIV. Bankerutt. — § 281.

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50. Nur diejenigen „Handelsleute von geringem Gewerbebetriebe" sind von der Pflicht der Buchführung entbunden, welche einen den Geschäften der Höker rc. ähnlichen („dergleichen") Handel treiben: ZI. 8. März 67, 22. Jan. 69, March. 21. Dez. 78 (RdO. VIII, 160; X, 46; BAnn. 44 f. 359); contra (anscheinend): VI. 3. März 76 (RdO. XVII, 167). ES wird daher auch bei diesen Personen ein kleiner Detailhandel vorausgesetzt, bei welchem die gekauften Waaren an die Kon­ sumenten abgesetzt werden, ohne daß sie in der Zwischenzeit eine wesentliche Ver­ arbeitung erfahren hätten; vgl. n. 48. Im Uebrigen kommt auf die Natur deö Geschäfts (die Art der Waare rc.) Nichts an. Ob ein Gewerbebetrieb ein ^ge­ ringer" gewesen, ist vom Instanzrichter selbstständig nach dem Umfange der betriebenen Geschäfte (bezw. nach der Höhe deS Umsatzes und nach der Bedeutung sowie den Verhältnissen des OrtS. wo das Geschäft betrieben wurde: Manh. 10. Nov. 77, BAnn. 43 f. 345; id. 21. Dez. 78 cit.) zu prüfen Er ist dabei an frühere in Betreff derselben GeschästSsührung ergangene civilrechtliche Entscheidungen nicht gebunden; ebenso: BII. 16. Mai 78 (RdO. XIX, 261); vgl. RStPO. § 261; gleichwenig sind der gezahlte Steuersatz, der Umstand, daß der Betreffende früher in das Handels- (Firmen.) Register eingetragen war, und die Eröffnung des kaufmännifchen Konkurses maßgebend: Bl. 19. Juni 67, ZI. 17. Febr. 71, ZU. 8. Mai 73 (RdO. VIII, 378; XII, 104; XIV, 350). — Setzt ein Kaufmann nach erfolgter Zahlungseinstellung und demnächstiger Erlangung eines Akkords sein Geschäft fort, so richtet sich die Pflicht der Buchführung re. nach dem Umfange rc. des neuen Geschäftsbetriebes, nicht nach dem des früheren, sollten auch aus diesem die Aktiva und die Aktordschuld in das neue Geschäst übernommen sein: ZI. 23. Nov. 70 (RdO. XI, 561). 51. Zu den von der Pflicht der Buchführung entbundenen Personen gehören Wirthe aller Art, also auch große Gasthossbesitzer und Restaurateure: ZI. 30. Nov. 64, 8. März 67, DI. 11. Dez. 67 (RdO. V, 311; VIU, 160. 788); nicht aber Delikateffenhändler: Wolfenb. 27. Juni 73 (StZ. III, 228). Bei der Berathung wurde dem vorgeschlagenen Worte „Schenkwirthe" später der generelle Ausdruck „Wirthe" substituirt. Ist mit einem Wirthschaftöbetriebe ein anderes kaufmännisches Geschäft, z. B. ein Delikatessenhandel, verbunden, so muß die wegen deS letzter» erforderliche Buchführung auch die WirthschaftSgeschäfte mit umfaffen: cit. Wolfenb.; vgl. ZI. 1. Aug. 70 (RdO. XI, 339). 52. Als „gewöhnliche Fuhrleute und Schiffer" sind diejenigen zu be­ trachten, welche einen geringfügigen, nicht kaufmännisch eingerichteten Geschäftsbetrieb haben: dagegen ist es gleichgültig, ob die letzteren mit eigenen oder mit gemietheten Schiffen die Frachtschifffahrt betreiben; Prot. z. D. HGB. s. 533. 1275 ff. — Dreöd. 16. Nov. 74 (StZ. V, 140) zählte dahin Schiffer, welche Steinhandel von geringem Umfange betreiben, indem sie Steine aufkaufen, verschiffen und weiter verkaufen. 53. Die Frage, ob ein Gewerbe ilfctr'„btn Umfang deS Handwerksbe­ triebs hinausgehe", kann nur bei solchen Geschäften aufgeworfen werden, welche in der Bearbeitung oder Verarbeitung beweglicher Sachen (vgl. D. HGB. Art. 271 Nr.l; 272 Nr. 1) bestehen. Werden angeschaffte Sachen in unveränderter Gestalt wieder verkauft, so tritt eine Befreiung von der Buchführung nur dann ein, wenn die oben unter n. 48—52 erwähnten Voraussetzungen zutreffen. Bei dem nach geschehener Verarbeitung stattfindenden Verkaufe genügt zur Ausschließung des Art. 10 die Feststellung, daß der Geschäftsbetrieb über den Umfang des Handwerksbetriebes hinaus­ gegangen fei; es bedarf dann nicht noch außerdem der Prüfung: ob der Gewerbe­ betrieb ein geringer war: ZI. 23. Jan. 67 (RdO. VIII, 46). — Auch bei Prüfung dieser Frage find die gezahlte Steuer und der Umstand, ob der Angeschuldigte in das Handelsregister eingetragen war, nicht entscheidend (n. 50): ZU. 13. Juni 67 (RdO. vm, 368). 54. Nach den unter n. 46-53 entwickelten Grundsätzen ist die Pflicht zur

Buchführung auch bei solchen Kaufleuten zu beurtheilen, welche ihr Geschäft bereits vor Einführung des HGB.'S begonnen hatten, und zwar selbst dann, wenn der betr. Geschäftsbetrieb ihnen damals noch nicht die Eigenschaft eines Kaufmanns beilegte: Z1I. 27. Mai 65, 21. März 67 (RdO. VI, 153; Vm, 196). 55.

Der Ausdruck „Handel-bücher" umfaßt in den Nrn. 3. 4 und in § 283

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Thl. H. Abschn. XXIV. Bankerntt. - §281.

Nr. 2 auch daS von dem Kaufmann beim Beginn seines Gewerbebetriebes und später periodisch aufzunehmende Dermögenöverzeichniß (Inventar und Bilanz); vgl. D. HGB. Art. 29ff., welche diese Auszeichnungen in erster Linie in dem von den „Han. delöbüchern" handelnden Tit. 4 des 1. Buchs aufzählen; daS Gegentheil ist nicht daraus zu folgern, daß das HGB. gelegentlich (z. B. im Art. 33) die Bilanz neben den Handelsbüchern nennt, und daß § 283 Nr. 3 der Unterlassung der rechtzeitigen Ziehung der Bilanz noch neben die Unterlass miß der Buchführung für strafbar erklärt: ZI. 7. Nov. 66, 18. Juli 72, ZU. 8. Febr. 76 (RdO. VII, 608; XIII, 429; XVII, 96); vgl. n. 56, 57; § 283 n. 16 ff. — Inventar und Bilanz müssen schriftlich aufgestellt und unterschrieben werden: HGB. Art. 29. 30; ein Ziehen der Bilanz im Kopfe genügt nicht: ZI. 21. Oft. 57 c. Lange; vgl. Pr. Konk.-Ordn. v. 8. Mai 1855 § 116. Ebensowenig genügen ununterschriebenene Zusammen­ stellungen: BI. 23. Jan. 78 (RdO. XIX, 31), noch Zusammenstellungen auf losen nicht chronologisch geordneten Blättern: Dreöd. 11. März 78 (SGZ. 22 s. 257). Die Bilanz wird auch nicht durch einen Abschluß der übrigen . Conti ersetzt: ZI. 2. Juli 58 (Entsch. 39 s. 345). 56. Abgesehen von den das Inventar und die Bilanz betreffenden Vorschriften hat daS HGB. absichtlich in Betreff der Zahl und der Gattung der zu führenden Handelsbücher keine Bestimmung getroffen, „weil sich jene nach der Natur und der Ausdehnung des betriebenen Geschäfts richten müßten". Demgemäß find unter den „Büchern, deren Führung dem Kaufmanne gesetzlich obliegt", diejenigen zu ver. stehen, welche nach kaufmännischen Grundsätzen für daS konkrete Geschäft erforderlich find, um den nöthigen Ueberblick über daffelbe zu behalten; vgl. Mot. z. D. HGB. s. 20. DaS gilt z. B. von einem Briefkopirbuch (zur Eintragung aller abgesendeten HandelSbriese); contra: Jena (StZ. I, 304); ebenso von der Ausbewahrung der empfangenen Handelsbriefe: bedurfte es derselben mit Rüclstcht aus die Natur des Geschäfts, so find auch diese gesammelten Briefe als ein „Handelsbuch" anzusehen; contra: DI. 23. Jan. 78 (cit. n. 55). Da« s. g. Beibuch ist kein Handelsbuch im Sinne des HGB.'S: OHG. 21. Okt. 74 (Entsch. deff. XIV, 260). — Die Vor­ schriften eines bestätigten KaufmannsstatutS können hier keine Berücksichtigung finden: VI. 19. Juni 67 (RdO. VIII, 378). 57. Nach VI. 23. Jan. 78 (cit. n. 55) sollen § 281 Nr. 3 und die erste Alter­ native deS § 283 Nr. 2 nur dann Platz greifen, wenn der Fallit Handelsbücher überhaupt und nicht etwa blos ein einzelnes derselben zu führen unterlassen hat [?]. Dagegen erkannte DII 3. April 79 (RdO. XX, 193), daß die im § 281 Nr. 3 und 4 enthaltenen ThatbestandSmerkmale sich nicht gegenseitig ausschlöffen, daß vielmehr neben unterlassener Buchführung zugleich unordentliche angenommen werden könne. Zu Nr. 4.

58. Diese Nr. sieht von der Voraussetzung der Nr. 3: „daß die Führung der Bücher gesetzlich oblag", ab; die in der Absicht, die Gläubiger zu benachtheiligen, vorgenommene Vernichtung rc. der geführten Bücher (n. 55. 56) fällt selbst dann unter die Strafvorschrift, wenn es der Führung derselben nicht bedurft hätte (Beisp : ein Höker rc.: n. 47): ZI. 4. Apr. 55 (Entsch. 30 s. 365); Merk. i. HH. III, 818; contra: DreSd. 17. März 73 (SGZ. XVII, 118; StZ. III, 127). 59. Al- „Vernichtung" eines Buchs ist es nicht anzusehen, wenn daffelbe sofort durch eine wortgetreue Abschrift ersetzt und diese fortgeführt ist; vgl. ZI. 10. Mai 72 (RdO. XIII, 298); vgl. aber n. 65. 60. Nach Art. 33 des HGB.'S soll der Kaufmann die geführten Bücher zehn Jahre lang aufbewahren; auch nach dem Ablaufe dieser Frist wäre eine in der Absicht, die Gläubiger zu benachtheiligen, bewirkte Vernichtung strafbar; vgl. n. 58. 61. In Betreff deS Begriffs der „Verheimlichung" vgl. n. 40. 41; auch hier genügt ein temporäres Vorenthalten, z. B. wenn der Gemeinschuldner die Bücher nicht in der vom Gesetze vorgeschriebenen Frist vorlegt (vgl. Pr. Konk.-Ordn. v. 8. Mai 1855 § 116): ZI. 8. Juni 59 c Kaher. 62. Alternative Befragung der Geschwornen: ob der Angeschuldigte seine

Thl. H. Abschn. XXIV.

Bankerutt. — §281.

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Bücher vernichtet oder verheimlicht habe, ist statthaft: ZI. 15. Sept. 58 c. Schle­ singer; vgl. n. 42, Mot. z. RStPO. s. 199, Löwe RStPO. f. 679. 63. Die Bücher sollen ordentlich, d. h. so geführt werden, daß sie „eine Ueber­ sicht des Vermögenöftandes gewähren; vgl. § 283 n. 14. Diese Eigenschaft muß den Büchern objektiv beiwohnen, so daß nicht blos der sie Führende, sondern auch jeder sachverständige Dritte aus ihnen jene Uebersicht gewinnen kann: ZU. 11. Apr. 61 c. Lohn; ZI. 30. Juni 71 (RdO. XU, 358: betr. die alljährlich zu ziehende Bilanz). Solches ist nicht der Fall, wenn die Uebersicht erst auf Grund besonderer, außerhalb des Inhalts der Bücher liegender Ergänzungen oder doch nur durch ein mühsames, mit Vervollständigung und Vergleichung der einzelnen Einträge verbundenes Durcharbeiten der Bücher sich gewinnen läßt; so: DreSd. 20. Dez. 75 (SGZ. XX, 257: betraf einen Fall des § 283 Nr. 2). — Genügt die Gesammt­ heit der geführten Bücher jenem Erforderniffe, so bleibt die Nichtsührung oder un­ ordentliche Führung eines sonst erforderlichen Buche« straflos: ein solcher Mangel kann durch die genauere rc. Führung der übrigen Bücher ersetzt werden, vgl. ZI. 10. Mai 72 (RdO. XHI, 298). Dagegen reicht eS nicht hin, wenn die Bücher zwar das ganze geschäftliche Material enthalten, aber in einer nicht kaufmännisch ge­ ordneten („übersichtlichen") Weise: ZII. 18. Juni 70 (RdO. XI, 369). 64. Die durch die Bücher (Inventar, Bilanz rc.) zu gewährende „Uebersicht" muß die ganze „Vermögenslage" umfassen; die Buchführung darf sich daher nicht auf die Handelsgeschäfte oder einen Theil derselben beschränken, muß sich vielmehr auf alle (auch die Privat-) Geschäfte (aller persönlich haftender GeschaftötheilHaber) erstrecken, welche auf die Vermögenslage von Einfluß sein können: ZI. 4. Juni 69, ZII. 25. Apr. 72 (RdO. X, 398; XIII, 273); contra: ZI. 18. Mai 66 (RdO. VII, 306: betr. eine Bilanz). — Alle KommissionS- und GefälligkeitS-Wechselgefchäfte sind aufzunehmen. 65. Abgesehen von den die Aufstellung des Inventars und die alljährliche Ziehung der Bilanz betreffenden Vorschriften (vgl. § 283 Nr. 3) enthält das HGB. in Betreff der Zeit, innerhalb deren die Buchführung zu bewirken ist, keine Bestimmungen; auch hier kommt sonach Alles auf das durch die Natur und den Um­ fang des Geschäfts bedingte Bedürfniß an (: ob durch die Verzögerung die erforder­ liche unausgesetzte Uebersicht über die Vermögenslage beeinträchtigt werde). 66. Das Inventar und die Bilanz müssen den Werth der vorhandenen Vermögenöflücke (zweifelhafte Forderungen nach ihrem präsumtiven Werthe), sämrnt. liche Schulden (nicht blos die Handelsschulden) aller GeschästStheilhaber (contra: DI. 18. Mai 66, RdO. VII, 306) angeben und einen das Verhältniß der Aktiv- zu der Passiv-Maffe darstellenden Abschluß enthalten: D. HGB. Artt. 29. 31. 239a; ZI. 5. Oft. 70 (RdO. XI r 495).' GefälligkeitSaccepte (Giros) sind im Passivum nach ihrem vollen, im Aktivum nach ihrem präsumtiven Werthe aufzuführen: DI. 17. Juli 63 (RdO. IV, 14). 67. Die Bilanz soll eine Uebersicht der Vermögenslage auf Grund der ge­ führten Bücher gewähren; ist daher die Bilanz nur deshalb unrichtig, weil jene Bücher unordentlich geführt waren, stellt sie also das nach den letzteren sich ergebende Resultat richtig dar, so kann nur wegen der ungenügenden Führung der übrigen Bücher, bezw. der Buchführung im Ganzen, nicht wegen unterlaffener Ziehung einer gehörigen Bilanz gestraft werden: ZI. 7. Febr. 68, 30. Juni 71 (RdO. IX, 118; XU, 358). Dagegen schließt die Bestrafung der unordentlichen Führung der übrigen Bücher eine gleichzeitige Bestrafung wegen gänzlicher Unterlassung der Bilanzziehung (§ 283 Nr. 3) nicht auS: ZI. 17. Febr. 71 (RdO. XU, 104). 68. Im Falle der mangelhaften rc. Buchführung liegt das Strafbare in der Nichtbefolgung der gesetzlichen Vorschrift, welche dem Kaufmann die Führung übersichtlicher rc. Bücher zur Pflicht macht; demgemäß bildet eine fortgesetzte schlechte Buchführung, bezw. eine wiederholte Veränderung der Bücher doch nur einen ein­ zigen Straffall. Dagegen begründet die wiederholte (selbstständige) Vernichtung (Verheimlichung) der geführten Bücher eine Realkonkurrenz; vgl. n. 33—35. 69. Beim Vorhandensein mildernder Umstände kann neben der Gefängnißstrafe aus den Verlust der rc. Ehrenrechte rc. erkannt werden: §§ 32. 35.

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Thl. II Stettin. XXIV. Sintern». — § 282.

§. 282 Mit Zuchthaus bis zu zehn Jahren wird be­ straft, wer 1) im Interesse eines Kaufmanns, welcher seine Zahlungen eingestellt hat, Vermögensstücke desselben verheimlicht oder bei Seite geschafft hat, oder §282. 1. Die Fassung deö mit dem 1. Oft. 1879 an Stelle des § 282 tretenden § 212 de« StPO, weicht von derjenigen de« § 282 darin ab, daß statt: „eine« Kaufmanns, welcher rc." gesagt ist: „eine« Schuldners, welcher seine Zah­ lungen eingestellt hat, oder über dessen Vermögen das Konkursver­ fahren eröffnet worden ist", bezw. (Nr. 2) „eines solchen Schuldners", und daß in Nr. 2 vor „erdichtete Forderungen" die Worte: „in dem Verfahren" eingeschaltet sind. Im Uebrigen vgl. § 281 n. 1 und unten n. 10. la. § 282 sieht gänzlich davon ab, ob der Kaufmann selbst sich strafbar ge­ macht habe; eS handelt sich also nicht um eine Theilnahme am Bankerutt deö letz­ teren (die Theilnahme ist ganz nach den allgemeinen Grundsätzen zu beurtheilen: Mot. s. 134); eine solche kann mit dem hier vorgesehenen Verbrechen nicht nur ideell, sondern (z. B. Beihülfe durch Rath) auch realiter konkurriren: Z. 21. März 74 (RdO. XV, 175); vgl. § 281 n. 37. 41a. 45; contra: ZI. 24. Nov. 75, Manh. 28. Jan. 76 (RdO. XVI, 751; BAnn. 44 s. 49), Merkel i. HH. UI, 822 (halten im Falle der Beihülse eine Idealkoukurrenz für nicht vorhanden und nur die §§ 281. 49 für zutreffend). 2. Demgemäß wird die Anwendbarkeit deS § nicht dadurch ausgeschloffen, daß der „Kaufmann, welcher seine Zahlungen eingestellt bat", eine Aktiengesellschaft oder eingetragene Genossenschaft ist. Ans diese Weise können sich auch die Vor­ steher solcher Gesellschaften deS im § 282 vorgesehenen Verbrechens schuldig machen; für die Folge kommt jedoch hier § 214 der RKO. zur Anwendung; vgl. § 281 n. 13. 3. Die Kenntniß von der Eigenschaft deö Gemeinschuldners als Kaufmann und von der Zahlungseinstellung bildet kein nach Pr. Verfahren (Ges. v. 3. Mai 1852 Art. 81) in die Hauptfrage aufzunehmendes Thatbestandsmerkmal, eS bildet vielmehr die Nichtkenntniß gemäß § 59 einen Strafausschließungsgrund, wegen besten auf Antrag der Vertheidigung eine besondere Frage gestellt werden muß: VII. 13. Jan. 76 (RdO. XVH, 27); vgl. n. 7. Unter der Herrschaft der RStPO. kommt da- oben f. 124 n. 8 a. E. Gesagte zur Anwendung 4. Hier bedarf es nicht der „Absicht, die Gläubiger deS Kaufmann« zu benachtheiligen": ZI. 10. Jan. 72, Z. 21. März 74 (RdO. XIII, 18; XV, 175); contra: BL. f. 568; ebensowenig braucht durch die Handlung den Gläubigern ein Nachtheil erwachsen zu sein. — Vgl. im Uebrigen in Betreff deö DoluS n. 3. 7—9. 5. Der Kaufmann, welcher nicht selbst Dermögenöstücke verheimlicht, noch erdichtete Schulden rc. aufstellt rc., kann sich durch Anstiftung eines Dritten sehr wohl aus §§ 282. 48 strafbar machen. 5a. Macht sich Jemand in Bezug auf dieselbe Zahlungseinstellung sowohl einer nach Nr. 1 als auch einer nach Nr. 2 strafbaren Handlung schuldig, so ist Real­ konkurrenz vorhanden; vgl. § 281 n. 33; contra: Manh. 28. Jan. 76 (cit. n. 1: hier liege ebensowohl wie da, wo Jemand blos eine dieser Handlungen, aber mehr­ mals vorgenommen habe, nur Ein Verbrechen vor).

Zu Nr. 1. 6. Aus der (dem Eingänge des § 281 entsprechenden) Fassung: „Wer im Jntereffe eine« Kaufmanns, welcher seine Zahlungen eingestellt hat —"ist nicht zu folgern, daß das Verbrechen der Nr. 1 erst nach der Zahlungseinstellung verübt werden könne: DreSd. 25. Juni 75 (StZ. VI, 19); Manh. 28. Jan. 76 (cit. n. 1); Merk. i. HH IU, 823; ML. (.526; contra: ZII. 14. Nov. 61 (RdO. II, 68); BL. f. 568. Vgl. n. 7. 10; § 281 n. 30.

Thl. II. Abschn. XXIV. Bank-rutt. - §§ 282. 283.

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2) im Interesse eines Kaufmanns, welcher seine Zahlungen eingestellt hat, oder, um sich oder einem Anderen Vermögensvortheil zu verschaffen, erdichtete Forderungen im eigenen Namen oder durch vorgeschobene Personen geltend gemacht hat. Sind mildernde Umstände vorhanden, so tritt Gefängniß­ strafe oder Geldstrafe bis zu sechstausend Mark ein. [I. Enlw.: § 256; IL Enlw.: § 277; Pr. StGB.: § 260.1 ©gl. §§ 281. 283. 49. 32. 35; RKO. §§ 212. 214; EG. ,. RKO. §3.

§. 283 Kaufleute, welche ihre Zahlungen eingestellt haben, werden wegen einfachen Bankerutts mit Gefängniß bis zu zwei Jahren bestraft, wenn sie 7. Vorausgesetzt wird die Kenntniß von einer bereits erfolgten oder drohenden Zahlungseinstellung. Vgl. n. 3. 8. In Betreff der „Verheimlichung rc. von Bermögenspücken" vgl. § 281 n. 39. 40. Auch hier bedarf eS der Absicht: der Gesammtheit der Gläubiger die Sache, welche mit zu ihrer Befriedigung dienen soll, zu entziehen. 9. Die Handlung geschieht im „Interesse des Kaufmanns", wenn ihm dadurch ein Vortheil werden soll, z. B. die zeitweise Benutzung einer Sache.

Zu Nr. 2. 10. Die Fassung der Nr. 2 ist insofern inkorrekt, als sie bei der zweiten Alternative der Zahlungseinstellung rc. nicht gedenkt noch hervorhebt, daß es sich um die Geltendmachung einer Forderung im Konkurs- (Falliments-) Verfahren han­ deln müsse; beides ist unzweifelhaft zu ergänzen. Demgemäß ist im § 212 der RKO. durch die Einschaltung der Worte „in dem Verfahren" (n. 1) der Sinn der betr. Bestimmung nicht geändert worden; vgl. Mot. z. RKO.; contra: v. Sarwey RKO. f 744. ES wird hier mithin vorausgesetzt, daß die Zahlungseinstellung (bzw. die Konkurseröffnung) der Handlung des Dritten vorhergegangen fei; contra: DreSd. 25. Juni 75 (cit. il 6). 11. Ueber den Begriff des „Vermögens Vortheils" vgl. §263 n. 2ff. Ein solcher wird auch da gesucht, wo Jemand eine zu hohe (fingine) Forderung geltend macht, um für seine wirkliche Forderung höhere Prozente zu erzielen. 12. Begriff einer „erdichteten Forderung": § 281 d. 43. 44. — Als „Geltendma chung" einer Forderung ist auch ihre Anmeldung im Konkurse an­ zusehen: DreSd. 3. Juni 72, 4. Jan. 75 (SGZ. XIV, 316; XIX, 247); vgl. § 281 n. 45. 13. Neben der beim Vorhandensein mildernder Umstände alternativ eintretenden Gefängnißstrase kann, wenn diese drei Monate erreicht, auf den Verlust der rc. Ehrenrechte rc. erkannt werden: §§ 32. 35.

§ 283. 1. Die Fassung des § 210 der RKO. weicht von derjenigen deS § 283 in der­ selben Weise ab, wie die Fassung des § 209 der RKO. von derjenigen des § 281. Auch hier hat die Ausdehnung der Bestimmung auf Nicht-Kaufleute keine alle Nrn. des § umfassende Bedeutung; sie bezieht sich vielmehr nur auf die Nr. 1; um dies bezüglich der Nr. 3 noch deutlicher zum Ausdruck zu bringen, sind in jener Nr. vor „unterlassen haben" die Worte: „gegen die Bestimmung des Handelsgesetzbuchs" eingeschaltet worden. Im Uebrigen vgl. hinsichtlich des Verhältnisses der Bestim­ mungen der RKO. za denen des § 283 das zu § 281 n. 1. 13 Gesagte. la. Auch sonst sind die Bemerkungen zu §281 zu vergleichen; insbesondere in Betreff der Voraussetzungen eines „Kaufmanns" n. 1—17, der „Zahlungs­ einstellung" n. 18—24, der Zeit der Begehung der Einzelhandlungen d. 30—32, Oppenhoff, D. Strafgesetzbuch. 7. AuSg.

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Thl. H. Abschn. XXIV. Vanktrutt. — § 283.

1) durch Aufwand, Spiel oder Differenzhandel mit Waaren oder Börsenpapieren übermäßige Summen verbraucht haben oder schuldig geworden sind, der Konkurrenz mehrerer Einzelhandlungen n. 33 — 35. 68, der Theilnahme n. 37 und der Verjährung n. 38. Letztere beginnt daher hier stets mit der Zah­ lungseinstellung: ZU. 20. Mai 79 (RdO. XX, 269). 2. Ein besonderer Doluö gehört nicht zum Thatbestände; da« Gesetz erachtet die in den einzelnen Nummern vorgesehenen Handlungen und Unterlassungen als einen die Rechte der Gläubiger gefährdenden und deshalb strafbaren Leichtsinn: ZI. 23. Febr. 66 (RdO. VII, 124); eS bedarf deshalb auch nicht des weiteren Nach­ weises einer Fahrlässigkeit: ZI. 11. Okt. 71, 6. Dez. 72, 10. Sept. 73, 13. Oft. 76 (RdO. XH, 509; XIII, 647; XIV, 523; XVII, 662); selbst die Feststellung, daß solche nicht obwaltete, schließt die Bestrafung nicht auö; dasselbe gilt von einer rechtSirrthümlichen Auffassung in Betreff der Pflicht zur Buchführung oder Bilanzziehung: ZU. 28. Okt. 69 (RdO. X, 672; cit. ZI. 13. Okt. 76. Vgl. n. 4. 9. 10. 3. Durch die Eröffnung der Untersuchung und durch die Verurtheilung wegen einfachen DankeruttS wird der Akkord (Zwangsvergleich) im Konkurse nicht ausgeschloffen; vgl. Pr. Konk.-Ordn. v. 8. Mai 1855 § 189 Abs. 2; StA. 63 s. 354; 54 s. 1, und für die Folge: v. Sarwey RKO. f. 653.

Zu Nr. 1. 4. Hier ist es unwesentlich, ob durch den Aufwand rc. die Zahlungsein­ stellung herbeigeführt wurde, und ob der Angeschuldigte voraussehen konnte, daß sein Aufwand rc. eine Zahlungseinstellung zu veranlaffeu geeignet sei: ZU. 23. Mai 57 c. Aßmann; vgl. n. 2; § 281 n. 24. 5. Ein „Aufwand" kann in übermäßigen Ausgaben für an sich berechtigte (z. D. geschäftliche) Zwecke gefunden werden: ZI. 4. Mai 70 (RdO. XI, 281). 6. Die Worte: „mit Waaren oder Börsenpapieren" sind ans „Spiel" nicht mitzubeziehen; es gehört sonach jedes Spiel (nicht blos das Börsenspiel) hierher: Merk. i. HH. III, 825; contra: Schw. s. 706; Puch n. 4. Dagegen genügen ge­ wagte Unternehmungen nicht, insofern sie nicht als „Spiel oder Differenzhandel" rc. zu qualifiziren sind. 7. „Differenzhandel" sind solche Geschäfte, welche gar nicht oder nur scheinbar einen wirklichen Kauf (Lieferung) zum Gegenstände haben, sondern von vorne herein lediglich auf Zahlung der am Verfall- (Stich-) Tage sich herausstellenden Preis- oder Courödifferenz gerichtet sind; daher bleibt der § da ausgeschlossen, wo ein LieferungSgeschäst ernstlich gemeint war; Antr. deS GStA.'S z. ZU. 21. März 67 (RdO. VIII, 197); Meyer n. 6; Merk. i. HH. UI, 825; contra: Bl. 21. März 62, cit. ZU. 21. März 67, ZI. 17. Apr. 72 (RdO. U, 306; VIII, 77; XIU, 255); Pr. OTr. IV. Civ.-Sen. 24. Febr. 59 (GA. VIII, 755); Abh. i. GA. 1. c.; diese nahmen an: ein Differenzhandel liege auch da vor, wo bei einem auf Zeit ge­ schloffenen Geschäfte die wirtliche Lieferung der Waare beabsichtigt war, demnächst aber Zahlung der Differenz au die Stelle trat, oder wo die gelieferte Waare sofort wieder veräußert wurde; ähnlich: Puch. n. 4. Jedenfalls kann Differenzhandel angenommen werden, wenn wenigstens auf Seiten des Beschuldigten bei Abschluß von Zeitgeschäften von vorn herein nicht die Absicht, ein effektives Kaufgeschäft ab­ zuschließen, sondern nur eine Spekulation auf die Differenz vorlag: ZU. 22. Mai 75, Wolfenb. 9. Febr. 77, Stuttg. 10. Juni 78 (RdO. XVI, 378; Br. Z. 24 s. 105; SB©bl. XV, 61). — Als „Defferenzhandel" kann auch der Abschluß eines einzigen DifferenzgeschäftS angesehen werden: ZI. 7. Mai 58 c. Heideprim. Dagegen ist eine Mehrheit selbstständiger Geschäfte dieser Art nur als ein einheitlicher „DifferenzHandel", somit nur als ein Straffall anzusehen: Merkel i. HH. UI, 825. 8. Die „Uebermäßigkeit" der verbrauchten rc. Summen ist mit Rücksicht auf die Vermögenslage des Angeschuldigten zu bemeffen: ZI. 10. Febr. 58 c. Sittig; Manh. 4. Nov. 76 (BAnn. 42 s. 343). 9. Für den Thatbestand ist es unerheblich, ob bei den durch den Differenz­ handel erlittenen Verlusten dem Kaufmann ein verschulden zur Last fällt, oder ob

Thl. II. Abschn. XXIV. Sanferutt. — § 283.

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2) Handelsbücher zu führen unterlassen haben, deren Füh­ rung ihnen gesetzlich oblag, oder dieselben verheimlicht, vernichtet oder so unordentlich geführt haben, daß sie keine Uebersicht deS VermögenSzustandes gewähren, oder 3) eS unterlassen haben, die Bilanz ihres Vermögens in der gesetzlich vorgeschriebenen Zeit zu ziehen. [I. entto.: $ 257; II. Emw.: §278; Pr. StGB.: §261.] Sgl. §§ 281. 282; D. HGB. ant. 4. 10. 28-40; Elf.. Lothr. Ges. v. 30. August 1871 Artt. 7. 8; RKO. §§ 210. 214; EG. ,. RKO. §3. Preußen: Vgl. Krim.-Ordn. § 357 Nr. 11; Konk.-Ordn. v. 8. Mai 1855 § 189 Abs. 2. 307—309. 340. 341; EG. z. Pr. StGB. Art. XII §§ 2. 3. dabei vorzugsweise unvorhergesehene Umstande mitwirkten (das Schuldbare lag im übertriebenen Differenzhandel): ZI. 8. Sepr. 71 (RdO. XII, 435); vgl. n. 2. 4. Zu Nr. 2. Dgl. § 281 Nr. 3. 4. 10. Ueber die Verpflichtung zur Buchführung vgl. § 281 n. 46—57. 63—68. Die im Art. 10 des HGB.'S aufgezählten Personen (vgl. § 281 n. 47—54) können sich der hier vorgesehenen Vergehen nicht schuldig machen. Wer zu solchen kleinen Handelsleuten feftgestelltermaßen nicht gehört, kann sich nicht damit entschuldigen, daß ihm daS Bewußtsein jener gesetzlichen Pflicht gefehlt habe, eS sei denn, daß die Behauptung dahin ginge, er sei sich seine- Geschäftsbetrieb« in dem festgestellten Umfange nicht bewußt gewesen: ZU. 20. Apr. 76 (RdO. XVH, 275); vgl. Manh. 24. März 77 (BAnu. 43 s. 125), Lhl. I Abschn. IV (s. 123) n. 7 u. oben n. 2. 10a. Hier bedarf eS keiner inneren oder ursächlichen Beziehungen zwischen den einzelnen Thatbestandsmomenten: Wolfenb. 9. Febr. u. 4. Mai 77 (Br. Z. 24 (. 103. 104). 11. Die gesetzliche Pflicht, Handelsbücher zu führen (n. 10), bildet für den Thatbestand der Nr. 2 ein wesentliches (und nicht etwa selbstverständliches) Begriffs­ merkmal, sie ist daher in jedem einzelnen Falle ausdrücklich festzustellen: so: ZI. 9. Febr. 76, Dl. 3. März 76 (NdO. XVII, 100. 167). Vgl. übrigens § 281 n. 47. 11a. Die unterlassene oder unordentliche Führung der erforderlichen Handels­ bücher wird weder durch die Schwierigkeit dieser Aufgabe, noch durch den Man­ gel der dazu nöthigen Kenntnisse und Fähigkeiten straflos; (wer diese Kenntnisse rc. nicht besitzt, soll nicht Geschäfte der betr. Art betreiben): ZI. 10. Mai 67, 13. Mai 74, ZII. 4. Dez. 77 (RdO. VIII, 312; XV, 307; XVIII, 765). Ebensowenig entschuldigt der irrthümliche Glaube an die eigene Fähigkeit oder die irrige Meinung, die Buchführung genüge den gesetzlichen Anforderungen: ZI. 2. Juni 71 (RdO. XII, 300). 12. Die „Verheimlichung, Vernichtung oder unordentliche Füh­ rung"' der Handelsbücher ist hier (abweichend vom § 281 Nr. 3, vgl. dort n. 58) nur insofern für strafbar erklärt, als eine gesetzliche Verpflichtung zu ihrer Führung bestand (: „oder dieselben . . ."): Merkel t. HH. HI, 825. 13. Bedeutung des Wortes „Verheimlichen", vgl. § 281 39—41. 14. Während § 281 Nr. 4 erheischt, daß die Bücher „so geführt rc. oder ver­ ändert seien, daß sie keine Uebersicht des VermögenSzustandes gewähren", setzt die obige Nr. 2 voraus, daß die Bücher „so unordentlich geführt seien, daß sie keine Uebersicht rc. gewähren". Der Sinn beider Vorschriften ist derselbe: eine „Ver­ änderung" der Bücher, welche die Uebersicht derselben erschwert, würde sich immer auch als eine „unordentliche" Führung charakterisiren; vgl. § 281 n. 63. Demge­ mäß ist da« in der Nr. 2 zugesetzte „so unordentlich" nicht ein für sich be­ stehendes von der Unübersichtlichkeit verschiedenes Merkmal, es wird vielmehr durch den Zusatz: „daß rc." erläutert, fällt also mit dieser Wirkung zusammen: ZI. 29. April 59 c. Grünbaum. 15. Dgl. im Uebrigen die Bemerkungen zu § 281 Nr. 3.

Zu Nr. 3.

16. Im Allgemeinen vgl. n. 10. 10a. Die Ziehung der Bilanz bildet einen Theil der dem Vollkaufmann zur Pflicht gemachten Buchführung; die ungenügende

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Thl. H. Abschn XXIV.

Bankerutt. — § 283.

Erfüllung dieser Pflicht fällt daher unter § 281 Nr. 3 oder 4, bezw. unter § 283 Nr. 2. Da aber daS HGB. für die Bilanzziehuug bestimmte Fristen vorgeschrieben hat, so ist die Nicht - Innehaltung dieser letzteren in Nr. 3 noch zum Gegenstände einer besonderen Strafandrohung gemacht, welche Platz greift, auch wenn im Uebrigen die gezogene Bilanz den gesetzlichen Vorschriften entspricht. — Ist die Vilanzziehung gänzlich Unterlasten, so werden die Nr. 3 und § 281 Nr. 3 bezw. § 283 Nr. 2 (in Ideal Konkurrenz) anwendbar; vgl. n. 22. 16a. Die Nichtvollendung der Bilanz steht der unterlastenev Ziehung derselben gleich: ZI. 14. Juli 75 (RdO. XVI, 545); nicht aber die Nicht aufbewahrung (verschieden von der Vernichtung: Nr. 2) der gezogenen Bilanz; so: OStA. Wolfenb. 24. Dez. 76 (Br. Z. 24 s. 80); vgl. übrigen« § 281 n. 60. 17. Die Bilanz muß beim Beginne deö Geschäfts und demnächst alljährlich gezogen werden: HGB. Art. 29; also zum zweiten Male spätestens am Schluste des mit der Eröffnung des Geschäfts beginnenden Betriebsjahres: ZI. 16. Mai 66 (RdO. VII, 302), Manh. 4. Nov. 76 (BAnn. 42 f. 343); diese Operation ist dann am Schluffe jedes folgenden Betriebsjahres zu wiederholen. Will der Kaufmann den Zeitpunkt verlegen, so muß er die nächste Bilanz vor Ablauf des begonnenen Jahres ziehen; ZI. 31. Mai 67, 28. Febr. 68 (RdO. VIII, 354; IX, 118). Die jährliche Bilanzziehung ist selbst dann geboten, wenn nach Art. 29 des HGB.'S eine zwei­ jährige Inventur des Waarenlagers genügt: ZII. 6. März u. 15- Mai 77 (RdO. XVIII, 182. 332); vgl. o. 20. — Die Btlanzziehung muß zu der angegebenen Zeit nicht blos begonnen, sondern auch beendigt sein, doch ist eS dem richterlichen Ermessen überlasten, je nach den Umständen eine Frist zur Vollendung der Bilanz zuzubilligen: ZI. 5. Olt. 66 (RdO. VII, 509). Landesgesetzliche Vorschriften, welche rücksichtlich der zu belaffenden Frist nähere Bestimmungen treffen, sind im Hinblick aus die gleichmäßige Geltung der Reichsgesetze im ganzen Reiche für beseitigt zu erachten; vgl. Pr. EG. z. D. HGB. Art. 60 Nr. 3; contra: ZI. 7. Febr. 68 (RdO. IX, 118: in Betreff des Statuts der Stettiner Kaufmannschaft v. 15. Nov. 1821 § 14, GS. s. 195). — Eine angebliche GeschäftSüberbürdung kann die Derzögerung der Bilanz nicht entschuldigen: eit. ZI. 11. Sept. 67. 18. Der Lauf der Jahresfrist für die Bilanzziehung wird durch den Eintritt eines neuen Gesellschafters nicht unterbrochen, wenn dadurch nicht gleichzeitig in den Verhältnissen des Geschäfts zu den Gläubigern etwas geändert wird: ZI. 16. Mai 66 (RdO VII, 302). 19. Ist die Bilanzziehung in einem Jahre (ürafbar) verzögert worden, so be­ ginnt die Berechnung des neuen Jahres, an dessen Schluß die neue Bilanz gezogen werden muß, mit dem Zeitpunkte, mit welchem die vorige abschloß, nicht mit dem Zeitpunkte, wo die Bilanz für das letzte Jahr (verspätet) gezogen wurde: ZII. 25. April 72 (RdO. XIII, 273); vgl. n. 21. 20. Die alljährlich zu ziehende Bilanz muß auch den Bestand solcher Waarenlager umfassen, in Betreff deren es nur alle 2 Jahre der Aufnahme eines genauen Inventars bedarf (HGB. Art. 29 Abs. 2); dabei ist da« vorjährige Inventar mit den erkennbaren (aus den andern Handelsbüchern sich ergebenden) Aenderungen zum Grunde zu legen: ZII. 22. Febr. 72. ZI. 17. April 72. 14. Juli 75. ZII. 6. März u. 15. Mai 77, DreSd. 18. Sept. 76 (RdO. XIII, 177. 255; XVI, 545; XVIII, 182. 332; SGZ. XXI, 218). 21. Der Mangel der Dilanzziehung in einem früheren Jahre wird durch die Dilanzziehung in den darauf folgenden Jahren nicht gedeckt; so: ZI. 2. Nov. 70 (RdO. XI, 542); Wolfenb. 9. Febr. u. 4. Mai 77 (eit. n. 10 a); vgl. jedoch § 281 n. 31; auch in einem solchen Falle beginnt die Verjährung des Vergehens nicht schon mit dem Zeitpunkte, wo die Bilanzziehung versäumt wurde, da ja zum Thatbestände die Zahlungseinstellung gehört, vor deren Eintritt daher das Vergehen nicht «begangen ist" (§ 67): eit. Wolfenb. 9. Febr. 77. 22. Die wiederholte Verabsäumung der jährlichen Bilanzziehung während meh­ rerer Jahre stellt mehrere selbstständige Strafsälle dar; es wird daher § 74 anwendbar; contra: ZI. 7. Febr. 68 (RdO. IX, 118); Schw. f. 707; vgl. n. 16. 19; § 281 n. 33—35. 68.

THI. II. Ablchn. XXV.

Strafbar» Eigennutz ic. — § 284.

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Fünknndzwanzigster Abschnitt*).

Strafbarer Eigennutz und Verletzung fremder Geheimnisse. §. 284l Wer aus dem Glücksspiele ein Gewerbe macht, wird mit Gefängniß bis zu zwei Jahren bestraft, neben welchem auf. Geldstrafe von dreihundert bis zu sechstausend Mark, so­ wie auf Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte erkannt werden kann.

*) Fünsuadzwanzigster Abschnitt. 1. In diesem Abschnitte sind verschiedenartige Vergehen zusammengefaßt, welche nicht unter einen allgemeinen Begriff zu bringen waren; deshalb darf die Begriffs­ bestimmung de- einzelnen Straffalles nicht aus der funpaffenden) Ueberschrift »straf­ barer Eigennutz" ergänzt, insbesondere darf nicht gefolgert werden, als ob dazu eine Gewinnsucht gehöre, wenn solche nicht ausdrücklich als Theil des Thatbestandes er­ heischt ist; ebenso: Wolfenb. 29. Sept. 76 (Br. Z. 23 s. 186). Ebensowenig ist der „strafbare Eigennutz" als eine „Materie" anzusehen, welche „Gegenstand de- StGB.'ö" fei; vgl. EG. § 2 n. 3. 4; Beschl. I. 11. Sept. 74 (9tbO. XV, 555); contra: Beschl. II. 25. Juni 74 (RdO- XV, 448).

§ 284. 1. „Glücksspiel" ist jedes Spiel, deffen Ausgang (für alle oder für einzelne Beiheiligte) wesentlich vom Zufalle abhängt, vorausgesetzt, daß dadurch die Erlan­ gung oder der Verlust irgend eines Gewinn-Objekts bedingt war; demgemäß ist es erforderlich, daß das Spiel-Objekt — nach den besonderen Umständen des Falles — für die Spielenden von einer solchen Bedeutung sei. daß seine Erlangung als Ge­ winn, feine Hingabe als Verlust betrachtet, und daß in der AnSstcht auf den Ge­ winn der Bestimmungsgrund zum Spiel gefunden werden könne: ZPl. 8. Juli 72, DU. 13. Juli 72, ZI. 20. Febr. 74 (RdO. XIII, 396. 426; XV, 107): Münch. 28. Juli 73 (BEntsch. III, 327); vgl. § 285 n. 3. Ist daher daS Objekt so gering­ fügig, daß seine Erlangung oder Hingabe für die Spieler (nach ihren Derhältniffen) bedeutungslos genannt werden darf, so scheidet jener Begriff aus. — Spiele, bei welchen überwiegend eine erlangte körperliche Geschicklichkeit oder eine auf bestimmten Regeln beruhende überlegende Anordnung und Leitung mit gleichen Vortheilen für gleich geschickte Spieler den Ausschlag geben, sind, selbst wenn um ein bedeutendes Objekt gespielt wird, keine Glücksspiele; vgl. C. ehr. art. 1966. Hängt aber der Ausgang, nach der dem Spiele zu Grunde liegenden Idee, wesentlich vom Zufalle ab, so ist es gleichgültig, ob daneben noch andere Umstände (z. B. das Maß der Aufmerksamkeit und Geschicklichkeit der einzelnen Spieler) von Einfluß find: DU. 21. Nov. 72, DI 12. Juli 76 (RdO. XIII, 617; XVII, 503), zumal wenn die Geschicklichkeit des Einen auf eine Täuschung des Mitspielers berechnet ist: DI. 8. Jan. 69, ZII. 13. Jan. 70 (RdO. X, 16; XI, 28: Kümmelblättchen). 2. Der Begriff des Glücksspiels ist nicht dadurch bedingt, daß ein Bank­ halter einer Mehrheit von Spielern gegenüber stehe; es macht daher auch keinen Unterschied, wenn das Bankhalten zwischen den verschiedenen Spielern umgeht. Ebenso trifft die Strafe nicht allein den Bankhalter, sondern jeden (GewerbS-) Spieler: Motive f. 137. 3. Ein Spiel hört dadurch nicht auf, ein Glücksspiel und strafbar zu sein, daß eS gleichzeitig den Voraussetzungen einer Wette entspricht: ZII. 9. Okt. 62 (RdO. III» 71); Merkel i. HH. in, 829. Letzteres kann jedoch nur da ange­ nommen werden, wo die Wette wesentlich vom Zufalle abhängig ist (n. 1); dem Zufalle steht die Geschicklichkeit Dritter, von welcher der AuSgang der Wette ab­ hängt. nicht gleich: Dresd. 17. Juni 78 (SGZ. 22 f. 363). 4. Eine „Lotterie (Ausspielung": § 286) ist kein „Glücksspiel": in Betreff deS Unterschieds vgl. § 286 n. 1. 2.

646

Thl. II. Abschn. XXV. (Strafbarer Eigennutz rc. — § 284.

Ist der Verurtheilte ein Ausländer, so ist die LandeSpolizeibehörde befugt, denselben auS dem Bundesgebiete zu verweisen. [I. ent«.: 6 266; IL ent».: § 279; Pr. StGB.: § 266.] Vgl. §§ 285. 286. 32 35. 40. 39 Nr. 2. 360 Nr. 14. 361. Nr. 2; Ges. v. 1. Juli 1868. Preußen: Vgl. Dell. v. 8. gebt. 1817 (GS. s. 3); Bdn. v. 23. Dez. 1843. 5. Aus dem Glücksspiel macht Derjenige „ein Gewerbe", welcher den fort­ gesetzten Betrieb des Glücksspiels zur Erwerbsquelle zu machen sucht; vgl. § 260 n. 2. 4—6. Auch hier ist eine Einzelhandlung, wenn sie mit der Absicht des GewerbemachenS vorgenommen wird, als der Beginn des letzteren anzusehen und somit strafbar: ZU. 3. Oft. 67 (RdO. VIII, 562); DreSd. 23. Juni 73 (StZ. in, 136). Motive f. 137. Immerhin muß aber das Spiel ein ernstlich gemeintes fein; ein blos fingirtes, zur Anlockung Anderer unternommenes Spiel würde.höchstens einen (straflosen) Versuch darstellen; DreSd. 20. Sept. 75 (SGZ. XX, 125). 6. Der durch das (Gewerbs-) Spiel zu erzielende Erwerb muß in dem Spiel­ gewinne (n. 1) bestehen, auf diesen muß das Spiel gerichtet sein. Demgemäß wird hier erheischt, daß da« Spielobjekt einen DermögenSwerth habe, und daß die Aussicht, dieses Objekt zu erlangen, für den Spieler BestimmungSgruud war, um zu spielen. ES genügt, wenn die Absicht dahin ging. einen früher erlit­ tenen Spielverlufl zu decken: ZU. 23. Okt. 73 (NdO. XIV, 660). — Im klebrigen kommt es (unbeschadet des unter n. 1 Gesagten) auf die Bedeutsamkeit des Spielobjekts und die VermögenSverhältniffe des Spielers weiter nicht an; insbesondere wird nicht erfordert, daß der gesuchte Erwerb zur Gewährung des Lebensunterhaltes oder zur Erhöhung der Einnahme bestimmt sei: ZU. 9. Juli 63 (RdO. III, 557)'; ebenso schließt die Absicht, den Spielgewinn zur Berichtigung der gemeinschaftlichen Zeche zu verwenden, den Begriff des Gewerbemachens nicht nothwendig aus. — War der gehoffte Spielgewinn ein Bestimmungsgrund für den Spieler, so wird die Strafbarkeit dadurch nicht beseitigt, daß für ihn auch noch andere Gründe (z. B. der Wunsch, sich zu unterhalten) mitbestimmend waren: ZI. 6. Febr. 74 ^RdO. XV, 60). — Die Feststellung: „es sei aus dem Glücksspiel ein Gewerbe gemacht", bringt die oben erwähnte, auf Erzielung eines Gewinnes gerichtete Absicht genügend zum Ausdrucke; wird aber die letztere bestritten, so bedarf es (in Preußen) ihrer aus­ drücklichen Feststellung; contra: ZI. 14. Jan. 57 c. Weidemann. 7. Durch eine erlangte Spiel-Routine oder Geschicklichkeit ist der Begriff deS Gewerbe-MachenS in keiner Weise bedingt. 8. ES genügt, wenn der Angeschuldigte vom Glücksspiel „ein Gewerbe ge­ macht hat": ob dasselbe bei seinen Mitspielern stattfand, ist gleichgültig: ZI. 6. Jan. 63 (RdO. III, 221). 9. Personen, welche beim Spiele in irgend einer Seife mit thätig sind, ohne selbst einen Spielgewinn zu suchen, können nur als Gehülfen strafbar sein: das gilt auch von dem. einen festen Lohn beziehenden Croupier; contra: ZI. 11. Juni 56 c. Horn. — Eine Beihülfe zum GewerbSspiel kann auch in der Thätigkeit Des­ jenigen gefunden werden, welcher den Spiellustigen den Eintritt zum Spiellokal ge­ währt oder durch Verabreichung von Speise und Trank (bewußter Weise) die lauge Dauer des Spiels ermöglicht: ZI. 22. Okt. 73 (RdO. XIV, 653). 10. Auf den Verlust der rc. Ehrenrechte rc. kann nur neben einer drei Monate erreichenden Gefängnißstrafe erkannt werden: §8 32. 35. 11. Die zum Gewerbs-Glücksspiel gebrauchten Gegenstände können, insofern sie den Thätern rc. gehören, eingezogen werden: § 40. Welche Gegenstände zum Gewerböspiele gebraucht oder bestimmt waren, ob insbesondere dazu auch daS auf dem Tische rc. sich befindende Geld der Spieler (namentlich des Bankhalters) gehöre, ist Gegenstand der thatsächlichen Beurtheilung des EinzelfalleS (anders im Falle, wo Jemand öffentlich ein Glücksspiel hält (n. 14): für diesen schreibt § 360 Nr. 14 a. C. die Einziehung aller auf dem Spieltische oder in der Bank befindlichen Gelder vor, selbst wenn dieselben nicht dem Spieler gehören). 12. Ueber die polizeiliche Verweisung aus dem Bundesgebiete vgl. § 39

Thl. n. Abschn. XXV. Strafbarer Eigennutz rc. — § 285.

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§. 283 Der Inhaber eines öffentlichen Versammlungs­ orts, welcher Glücksspiele daselbst gestattet oder zur Verheim­ lichung solcher Spiele mitwirkt, wird mit Geldstrafe bis zu eintausendfünfhundert Mark bestraft. [I. ent».: 8 267; II Ent».: 280; Pr. StGB.: § 267.] Vgl. §§ 284. 286. 360 Nr. 14. 365; BGes. v. 1. Juli 1868 (BGbl. f. 367). n. 9—13. Diese Verweisung ist hier an keine Frist gebunden: Erl. d. RKanzl.Amt- v. 8. Ott. 1873 (3Mbl. f. 282; DMbl. s. 267); vgl. § 362 n. 15. 13. Ueber die Verjährung vgl. § 67 n. 6. 14. Das unbefugte Halten eines Glücksspiels an einem öffentlichen Orte ist im 8 360 Nr. 14 mit einer Uebertretungsstrafe bedroht; ein solches kann mit dem im § 284 vorgesehenen gewerbsmäßigen Glücksspiel ideell konkurriren.

§ 285. 1. „Jnhaber eines öffentlichen Versammlungsorts" ist nicht blos, wer gewerbsmäßig ein öffentliches Lokal (n. 2) hält, wie z. B. ein Wirth, sondern überhaupt jeder, welcher zur Zeit über ein solches Lokal und seine Benutzung that­ sächlich die Aufsicht-- und Verfügungsgewalt hat; insbesondere also auch, wer den eigentlichen Berechtigten im Falle einer (längeren oder kürzeren) Abwesenheit ver­ tritt: DI. 17. Juli 67. ZI. 14 Febr. 68, 7. März 73. DII. 13. März 79 (RdO. VIII, 477; IX, 138; XIV, 195; XX, 137); Mot. f. 137. Ob der Inhaber zu dem betr. Geschäftsbetriebe einer amtlichen Erlaubniß rc. bedurfte und eine solche besaß, ist gleichgültig: ZI. 3. Oft. 62, 20. Sept. 65 (RdO. III, 44; VI, 318). 2. Ein Versammlungsort ist „öffentlich", wenn er dem Publikum in einer nicht individuell begrenzten Weise zugänglich ist, sollte der Zutritt auch im Uebrigen an gewiffe Bedingungen (z. B. des Mitspielen-) oder Beschränkungen geknüpft sein; vgl. §85 n. 2—6; ZI. 18. Nov. 68 (RdO. IX, 649). Demgemäß gehört das Lo­ kal einer geschloffenen Gesellschaft (Klub rc.) nicht hierher; auch wird der (in der Regel im Dienste der Gesellschaft stehende) Oekonom regelmäßig nicht die Verfügung-gewalt Über das Lokal (n. 1) besitzen, um Handlungen der Mitglieder zu „gestatten" oder zu verbieten. — Der Inhaber eines öffentlichen Versammlungsorts kann ÜbngenS auch seinen Privaträumeu, indem er sie allgemein zugänglich macht, zeitweilig die Eigenschaft eine- öffentlichen Lokals beilegen; sie verlieren alsdann diese Eigen­ schaft noch nicht dadurch, daß Einzelne oder gewisse Kategorien von Personen vom Besuche auSgeschloffen werden: ZII. 17. Dez. 74 (RdO. XV, 877); vgl. n. 6. 3. Ueber den Begriff de- Glücksspiels vgl. § 264 n. 1 ff. Auch hier muß um ein Objekt gespielt fein, welches erheblich genug ist, daß seine Erlangung oder Hingabe für die Spieler (nach , ihren Derhältniffen) als Gewinn oder Verlust ange­ sehen werden kann: DPl. 8. Juli 72, DU. 13. Juli 72, ZI. 20. Febr. 74 (RdO. XIII, 396. 426; XV, 107); einer weiter gehenden Gewinnsucht des Spielers be­ darf es nicht. Ein Spiel, welches lediglich der geselligen Unterhaltung der Theilnehmer dienen soll, z. B. das Ausspielen von Speisen und Getränken zum sofortigen Genuffe ist kein Glücksspiel: Stuttg. 29. Aug. 77 (WGbl. XIV, 95). 4. Dagegen erheischt § 285 nicht, daß aus dem Glücksspiele „ein Gewerbe gemacht" sei; somit ist auch die Gestattung rc. eines einmal (nicht gewerbsmäßig)' betriebenen Glücksspiels strafbar: ZPl. 8. Juli 72 (cit. n. 3). Mit dem Erforder­ nisse des Gewerbe-MachenS fällt hier auch das einer bei den Spielern auf Erzielung eines Erwerbs (Gewinnes) gerichteten Absicht (§ 284 n. 6) hinweg; die Vorschrift des § 285 ist wesentlich polizeilicher Natur: der Wirth rc. soll überhaupt in seinem Lokale Glücksspiele nicht dulden: ZPl. 8. Juli 72, BII. 21. Nov. 72 (RdO. XIH, 396. 617). Sonach ist eS auch gleichgültig, ob er von der Gewinnsucht der Spieler Kenntniß hatte. 5. Der Inhaber rc. darf das Glücksspiel nicht ..gestatten"; er verstößt gegen diese Vorschrift, sobald er das Spiel (mit der Kenntniß, daß es ein Glücksspiel ist) geschehen läßt und nicht die in seiner Macht liegenden Mittel anwendet, daffelbe zu verhindern; daS gilt auch dann, wenn er selbst mitspielt: DreSd. 7. Juni 72 (SGZ. XVI, 309; StZ. II, 115).

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Thl. II. Abschn. XXV. Strafbarer Eigennutz,c. —

285.286.

§. 286. Wer ohne obrigkeitliche Erlaubniß öffentliche Lotterien veranstaltet, wird mit Gefängniß bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bis zu dreitausend Mark bestraft. 6. Die „Gestattung" de- Glücksspiels fällt nur dann unter die Strafvorfchrift, wenn sie „daselbst" d. h. in dem öffentlichen Versammlungsorte, also in einer dem Publikum geöffneten Räumlichkeit stattfindet. Dagegen fällt diese Be­ schränkung weg, sobald eö sich von der „Mitwirkung zur Verheimlichung" des betriebenen Glücksspiels handelt; in diesem Falle genügt eö, wenn sich der LokalInhaber als solcher jener Handlung schuldig macht, z. B. wenn ein Wirth in seinem Wirthshause den Spielern eine dem Publikum in der Regel nicht zugängliche Räumlichkeit zu jenem Zwecke zur Verfügung stellt: VI. 1. Juli 57, ZU. 26. Juni 72 (GA. V, 708; RdO. XHI, 372); Merkel i. HH. HI, 828. 7. Wiederholte Zuwiderhandlungen gegen den § begründen eine Realkonkurrenz und § 74 wird anwendbar: VI. 1. März 65 (RdO. V, 532).

§286. 1. „Lotterie" ist ein Unternehmen, durch welches Jemand andern Personen gegen Zahlung eines Preises das Anrecht gewährt, je nach dem Ausfalle einer (durch den Zufall geleiteten) AuSloosung entweder einen vorausbestimmten Geldgewinn zu erlangen, oder aber den Einsatz ganz oder theilweise zu verlieren: ZII. 12. Okt. 71 (RdO. XII, 509); vgl. Koch: Recht der Ford. § 286 H. (HI, 779). Eine „AuSfpielnng" (Abs. 2) unterscheidet sich von der Lotterie nur dadurch, daß diese Geld­ gewinne, jene andere Sachen zum Gegenstände hat: ZI. 9. Juli 69 (RdO. X, 493). — Ein Spiel, deffen Ansgang nicht vom Zufalle, sondern wesentlich von der Ge­ schicklichkeit der Spieler abhängt, ist keine Ausspielung (Lotterie); doch wird der aleatorische Charakter dadurch nicht auSgeschloffen, daß persönliche Geschicklichkeit den Gewinner deS ersten Looses bestimmt: ZU. 18. Mai 76 (RdO. XVn, 360). — Ebensowenig gehört hierher eine Derloosung, bei welcher jedem nothwendig ein volles Aequivaleut für seinen Einsatz zu Theil werden muß; contra : ZI. 21. Apr. 71 (RdO. XII, 222); eS ist aber bei Beurtheilung der Frage, ob ein Gegenstand als volles Aequivaleut anzusehen sei, das zu § 263 n. 16 Bemerkte zu berücksichtigen. — In welcher Form der Einsatz gezahlt wird, ist gleichgültig: cit. ZU. 18. Mat 76 (i. c. war der Einsatz bei der Subscription auf ein Werk in dem Betrage ent­ halten, um welchen der SubscriptionSpreiS den Werth des Werks überschritt; daö Erk. sprach gleichzeitig aus, daß die Subscribenten nicht einmal das Bewußtsein ge­ habt zu haben brauchten, daß sie damit an einer Ausspielung Theil nähmen)? 2. Vom Glücksspiel (§ 234) unterscheidet sich eine Lotterie (Ausspielung) dadurch, dag es sich bet dieser um vorher genau bestimmte und begrenzte Objekte (Gewinne) handelt, und daß dem entsprechend auch die Einsähe eines Jeden vor der Derloosung feststehen, während sie beim Glücksspiel ungemeflen (der Selbstbestimmung der Spieler überlaffeu) sind und ebendeshalb eine weit größere Gefahr bedeutender Verluste mit sich führen. Demgemäß nimmt durch eine Vereinbarung über die Höhe des (jedesmaligen) Einsatzes und die diesem entsprechende Höhe des möglichen Gewinns das in fortlaufenden Einsätzen und Gewinnen sich wiederholende und so­ mit, dem Gesammtobjekte nach, sich der Berechnung entziehende Glücksspiel nicht den Charakter einer Lotterie rc. an: ZI. 27. Sept. 76 (RdO. XVII, 605). — Dagegen läßt sich nicht aufstellen, daß bei der Lotterie nothwendig dem Veranstalter jedesmal eine Mehrheit von Spielern gegenüberstehen und daß das Objekt derselben einem der Spieler zufallen müsse, noch daß die Chancen deö Verlustes nur auf Seiten der letzteren seien, während der Veranstalter durch die Gesammtbeträge der Einsätze einen vollständigen Ersatz für die gewährten Gewinne erlange: ZU. 27. Okt. 59 (JMbl. 60 s. 23); vgl. n. 6. 3. Jeder Vertrag, durch welchen sich Jemand gegen Entgelt verpflichtet, einem Anderen je nach dem Ausfalle irgend einer anderweitig stattfindenden (er­ laubten oder nicht erlaubten) AuSloosung das betreffende Looö, oder den bei jener AuSloosung in Aussicht gestellten Gewinubetraa oder auch irgend einen anderen Ge­ genstand zu gewähren („Promeffe"). stellt die Veranstaltung einer neuen selbstständigen

Thl. II. Abjchn. XXV. Strafbarer Eigennutz ic. — § 286.

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Den Lotterien sind öffentlich veranstaltete Ausspielungen beweglicher oder unbeweglicher Sachen gleich zu achten. II. Entw.: § 286; II. Entw.: § 281; Pr. StGB.: 8 268.] Vgl. §§ 284.360 Nr. 14. Preußen: Vgl. ALR. I. 11 §§ 247—276; ®bn. v. 7. De». 1816; AKO. v. 26. MSr, 1825, 20. MSr, 1827, 6. Juni 1829, 5. Nov. 1835 u. 27. Juni 1837; Bdn. v. 5. Juli 1847; Ges v. 7. Mai 1853; AKO. v. 2. Nov. 1868; NEV. Art IV. Lotterie dar und fällt somit unter das Strafverbot des §: ZU. 12. Oft. 71 (RdO. XU, 509); vgl. ZI. 10. Mai 78 (RdO. XIX, 258: erblickte demgemäß in der beim Verkauf von Waaren mit der Waare an die Käufer bewirkten Zustellung von Ga­ rantiescheinen, wonach dem Empfänger als Prämie der aliquote Betrag eines an­ derswo (gesetzmäßig) zur Ziehung gelangenden Looseö versprochen wird, den That­ bestand einer Lotterie). Das gilt namentlich von der Verheuerung eines Looses (z. B. eines Prämien-Anleihe-Looses) oder Loosenantheils für einzelne Ziehungen, sollte der betr. Vertrag auch in die Form eines Kaufs eingekleidet sein, bei welchem sich der Verkäufer zum späteren Rückkauf verpflichtet, falls auf dasielbe bei einer bestimmten Ziehung kein Gewinn fallen würde: ZI. 8. Okt. 58 (IMbl. f. 351); VH. 3. Febr. 59 (IMbl. f. 91); ZI. 8. Okt. 75 (RdO. XVI, 647); vgl. Inn.- u. FMBf. v. 17. Okt. 1848, 28. Febr. 1851 und 31. Jan. 1853 (VMbl. 48 f. 352; 51 f. 65; 53 f. 71). Demgemäß sind die, eine solche Handlung speziell vorsehenden Landesstrafgesetze, z. B. die Pr. AKO. v. 27. Juni 1837 und Pr. NEV. Art. IV Nr. 2 durch § 286 ersetzt und beseitigt: eit. ZU. 12. Okt. 71. Contra: Puch. n. 5. 4. Dagegen ist eS nicht untersagt, daß Jemand aliquote Theile eines in seinem Besitze befindlichen Looseö einer erlaubten Lotterie für immer Anderen über­ laste und diesen einen entsprechenden Antheil am künftigen Gewinn zusichere: Beschl. I. 16. Juni 65 (RdO. VI, 184). 5. Ebenso ist die durch den Besitz einer aus den Inhaber lautenden (inlänbischen oder ausländischen) Anleihe-Obligation bedingte Theilnahme an einer mit Prämienziehung statt der Verzinsung verbundenen AuSloosung, bei welcher jeden­ falls der Nennwerth der Obligation dem Inhaber zu Theil wird, keine Lotterie: ZI. 6. Okt. 58 (IMbl s. 351; ind.) ; vgl. RGes. v. 8. Juni 1871; Pr. AKO. v. 27. Juni 1837. In Betreff der Verheuerung von Prämieu-Anleihe-Loosev vgl. jedoch n. 3. 6. Zu den Ausspielungen gehören auch die sog. Glücksbuden: BI. 24. Mai 54 (GA. n, 834) ; contra: Puch. n. 2. Das gilt selbst dann, wenn dabei kein eigentliches Ausspielen unter mehreren Spielern Statt findet, bei ihrem Betriebe vielmehr der Unternehmer mit jedem einzelnen Spieler wettet; selbst der Umstand, daß dem gewinnenden Spieler von Anfang an die Wahl gelaffen wird, statt der gewonnenen Sache eine vorher bestimmte Geldsumme zu fordern, macht ein solches Spiel nicht zum „Glücksspiel": ZU. 27. Okt. 59 (eit. n. 2); vgl. n. 2. 8. 7. Berloosungen behufs der Auseinandersetzung und Theilung unter Miteigenthümern einer gemeinschaftlichen Sache fallen nicht unter daS Strafverbot: Stuttg. 12. Juli 73 (StZ. II, 29); vgl. Pr. AKO. v. 20. Mär, 1827 Nr. 4. 8. Die die Straflosigkeit bedingende „obrigkeitliche Erlaubniß" wird in Preußen von den OberprSstdenteu für den Umfang ihres Verwaltungsbezirks, für den ganzen Staat aber nur von dem Minister des Innern ertheilt; ausnahmsweise können bei Volksbelustigungen Ausspielungen geringfügiger Gegenstände (n. 6) von den Ortöpolizeibehörden gestattet werden: AKO. v. 2. Nov. 1868. 9. Derjenige, welcher eine von einer unzuständigen Behörde genehmigte Ausspielung veranstaltet, bleibt straflos, wenn er die Behörde für die zuständige gehalten hat: ZI. 23. Okt. 68 (RdO. IX, 584). 10. Der § erklärt nicht erst die Ausführung (AuSloosung), sondern schon die „Veranstaltung" einer Lotterie (Ausspielung) für strafbar. Eine Lotterie (Ausspielung) ist „veranstaltet", sobald daS Objekt derselben (die Gewinne) be­ zeichnet und die Loose Anderen zur Erwerbung zugänglich gemacht worden sind: BKH. 8. Juni 33, ZI. 8. Okt. 75, Münch. 12. Jan. 78 (RA. 18. II. 28; RdO. XVI, 647; BEntsch. VIII, 18). Einer vorherigen Vereinbarung mit den Spielenden über die Modalitäten der Ausspielung bedarf es nicht; es genügt, wenn diese durch

650

Thl. n. Abschn. XXV. Strafbarer Eigennutz-c. — §§286-288.

§. 287«'). — - - - — — §. 288. Wer bei einer ihm drohenden Zwangsvoll­ streckung in der Absicht, die Befriedigung des Gläubigers zu den Veranstalter allein bestimmt stad: ZI. 1. Dez. 76 (MO. XVn, 790: der Amgeklagte hatte für den Besuch seines Lokals ein Eintrittsgeld genommen, welches zu­ gleich das Anrecht auf den Gewinn verschiedener Sachen gewährte; die Art der Ziehung und Gewinnvertheilung wurde dann einseitig durch ihn bewirkt). Auch braucht der Anwerbung der Spieler nicht die feste Bestimmung der Loose und Ge­ winne vorherzugehen; vgl. ZII. 18. Mai 76 (eit. v. 1: scheint letztere zur „Ver­ anstaltung" einer Ausspielung re. überhaupt nicht zu fordern, in dieser Hinsicht viel­ mehr für ausreichend zu halten, wenn der AuöspielungSplan nur in Umriffen fixirt, insbesondere die Zahl der Loose und Gewinne nur annähernd bestimmt ist). Dagegen ist das bloße Absetzen von Loosen, bzw. die bloße Annahme von Einsätzen beliebiger Personen für eine bestehende (ausländische) Lotterie und die Einsendung dieser Ein­ sätze an die Kollekteure kein eignes Veranstalten einer Lotterie: cit. Münch. 12. Jan. 78. — Die Lotterie (Ausspielung) ist „öffentlich" veranstaltet, sobald der Erwerb der Loose der Allgemeinheit zugänglich gemacht ist. Diese Allgemeinheit braucht nicht unbedingt Alle zu umfassen, welche geneigt sein möchten, sich zu betheiligen; auch hier bildet der enge vertraute Kreis den Gegensatz; vgl. § 85 n. 5; Pr. AKO. v. 20. März 1827 Nr. 1. 2 („Privatzirkel"); ein Beisp.: ZI. 11. Okt. 72 (RdO. Xin, 516). ES genügt dazu schon das Jn.Umlauf.Setzen einer Lotterieliste: VKH. 5. Juli 41 (RA. 31. II. 51). 11. Der § setzt nicht voraus, daß die Veranstaltung in der Absicht stattgesunden habe, für sich selbst einen Gewinn zu erzielen; vgl. Abschn. 25 (s. 645) d. 1; ZI. 30. Nov. 55 (GA. IV, 263). Die Strafe trifft auch Denjenigen, welcher lediglich zu einem wohlthätigen Zwecke die öffentliche Veranstaltung vorgenommen hat: ZI. 5. Mai 54 c. Rasch. 12. Durch § 286 sind landesgesetzliche Vorschriften, welche das Spielen in auswärtigen Lotterien und das Kollektiren für eine solche mit Strafe bedrohen (z. B. die Pr. Ddn. v. 5. Juli 1847, das für die hohenz. Lande erlassent Ges. v. 7. Mai 1853, Art. IV Nr. 1 der NEV.) nicht aufgehoben: Mot. s. 137; ZII. 12. Okt. 71, V. 14. Dez. 72, Z. 22. Nov. 73, ZI. 1. Juli 75. 6. Okt. 76, ZU. 12. Dez. 76 (RdO. XII, 509; XIII, 663; XIV, 747; XVI, 507; XVII, 644. 816); contra: Rubo s. 931. Das gilt namentlich auch von denjenigen Bestimmungen dieser Gesetze, welche die Theilnahme betreffen; in letzterer Hinsicht ist daher beim Vorhandensein solcher Bestimmungen nicht aus die 88 47 ff. zurückzugehen: DreSd. 12. Jan. 77 (SGZ. 21 f. 312). Solche Lotterien (zu welchen auch die von einem anderen Bundesstaate veranstalteten gehören: V. 24. Jan. 72, ZI. 26. Apr. 78, RdO. XIII, 75; XIX, 234; cit. Z. 22. Nov. 73) bedürfen in Preußen der Kgl. Zulaffung: eit. AKO. v. 5. Juli 1847; vgl. Jnn.-MVf. v. 14. Nov. 1868 (BMbl. f. 304). Spielt ein Preuße in einem fremden Staate in einer dort gestatteten Lotterie, so bleibt er nach 84 straflos: DII. 11. Juli 67 (RdO. Vm, 466).

§ 287*). Der § ist durch § 14 des Ges.'s über den Markenschutz v. 30. Nov. 1874 (RGbl. s. 143) ersetzt; vgl. Art. V der Nov.

§ 288. 1. Diese Bestimmung ist aus dem Kgl. Sächs. StGB. Art. 310 übernommen worden, um auch für Nichtkaufleute die Vereitlung einer Spezial-Exekution nicht straflos zu lassen; man fand darin ein Korrelat für die Befreiung des Schuld­ ners von der persönlichen Schuldhaft: Mot. s. 137; vgl. Pr. Entw. v. 1847 8 327 u. DreSd. 17. Sepr. 77 (SGZ. 22 s. 178). Gegenüber dem an sich freien, noch durch keine exekutivische Maßregel beschränkten Rechte des Schuldners, über fein Eigenthum zu verfügen, charakterisirt sich § 288 als eine (der ausdehnenden Auslegung nicht empfängliche) AuSnahmevorschrist: ZII. 17. Okt. 76 (RdO. XVII, 666).

Thl. II. Abschu. XXV.

Strafbarer Eigennutz rc. — §288

651

vereiteln, Bestandtheile seines Vermögens veräußert oder bei Seite schafft, wird mit Gefängniß bis zu zwei Jahren bestraft. Die Verfolgung tritt nur auf Antrag des Gläubigers ein. [I. Snt».: (fehlte); II. Ein».: § 284; Pr. SiGB. (fehlle).f

«gl. §§ 137. 289.

2. Nur der Schuldner kann sich dieses Vergehens schuldig machen; ein Dritter [*. B. der Ankäufer deö veräußerten VermögenSflückS, vgl. RdO. XVI, 159] kann nur Gehülfe fein: 'Dreöd. 16. Juni 71 (StZ. I, 102). Vgl. n. 4. Eben­ deshalb ifl, wenn die Schuld blos der Frau zur Last liegt, der Mann, welcher Desiandtheile seines Vermögens veräußert rc., nicht strafbar: VI. 19. März 79 (RdO. XX, 146). 2a. Der § ist nicht blos anwendbar, wenn die Zwangsvollstreckung wegen einer Privatforderung, sondern auch, wenn sie wegen einer in Geldbuße bestehenden Exekutivstrafe (vgl. Pr. Vdn. v. 26. Dez. 1808 § 48 Nr. 2) droht; doch muß die Strafe bereits festgesetzt und nicht erst angedroht sein: VI. 1. Dez. 76 (RdO. XVII, 792). 3. „Zwangsvollstreckung" ist jedes gesetzlich geregelte Zwangsverfahren, durch welches die Befriedigung eines Gläubigers herbeigeführt werden soll. Dazu genügt eine blos konfervatorifche Maßregel noch nicht; ebensowenig der Ausbruch deö Konkurses. 4. Damit die „Zwangsvollstreckung drohe", ist es nicht erforderlich, daß mit der Vollstreckung schon der Anfang gemacht, oder daß sie auch nur angeordnet oder vom Gläubiger in Auftrag gegeben, oder daß sie später ins Werk gesetzt sei: ZI. 24. Jan. 73 (RdO. XIV, 83). Ebensowenig ist eS unerläßlich, daß bereits eine Verurtheilung oder ein zur Begründung einer Zwangsvollstreckung geeigneter amtlicher Erlaß (Mandat rc.) ergangen fei. Andererseits genügt es aber nicht, wenn Jemand in hohem Grade verschuldet, eine künftige Exekution seitens eines Gläubigers daher wahrscheinlich ist; der' betreffende Gläubiger muß vielmehr zur rechtlichen Geltendmachung seines Anspruchs schon einen Schritt gethan haben ; ist dies geschehen, so ist eS eine thatsächliche Frage, ob die Vollstreckung drohte, d. b. ob sie beabsichtigt war und in naher Aussicht stand; vgl. ZU. 24. Okt. 72, 25. März 74; DI. 26. Febr. 75, ZII. 26. Okt. 75 (RdO. XIII, 555; XV, 184; XVI, 159. 692); contra: DI. 9. Sept. 74 (RdO. XV, 551: insofern, als unter Umständen schon eine in fernerer Aussicht stehende Vollstreckung genüge); DII. 5. Juli 77, ZI. 19. Febr. 79 (RdO. XVIII, 501; XX, 91: nahmen an, daß unter besonderen Um­ ständen eine drohende Zwangsvollstreckung schon vor jeder gerichtlichen Geltend­ machung der Forderung angenommen werden könne; beide Fälle betrafen verfallene Wechsel). Jedenfalls bedingt die dem Schuldner in der Cxekutionsinstanz bewilligte Zahlungsfrist nicht nothwendig die Annahme, daß die Zwangsvollstreckung während dieser Frist keine drohende sei: VI. 21. Febr. 79 (RdO. XX, 96), noch wird der Begriff einer drohenden Zwangsvollstreckung durch Rechtöbehelfe, welche dem Schuldner dagegen zustehen, ausgeschloffen, so lange er von seinen Vertheidigung-mitteln nicht mit Erfolg Gebrauch gemacht hat: ZI. 30. April 79 (RdO. XX, 232). — Dem Gehülfen gegenüber ist der Begriff der drohenden Zwangsvollstreckung nicht anders aufzufaffen, als dem Thäter gegenüber: ZI. 21. März 77 (RdO. XVIH, 243). 5. Gleichgültig ist es, ob die drohende Zwangsvollstreckung von einer gericht­ lichen oder — soweit dieses statthaft — von einer anderen z. B. von einer Ver­ waltungsbehörde ausgegangen ist. oder ausgehen sollte. 6. „Bestandtheil des Vermögens" ist hier Alles, was Gegenstand einer Zwangsvollstreckung sein könnte (also auch Forderungen): daß derselbe für die „dro­ hende Vollstreckung" bereits ins Auge gefaßt sei, wird nicht erfordert. 7. Ueber den Begriff des „Bei-Seite-Schaffens" vgl. § 281 n. 39—41; treffen die dort hervorgehobenen Voraussetzungen zu, so genügt ein (zeitweiliges) Verheimlichen (welches § 281 neben dem „Bei Seite-Schaffen aufzählt), z. B. ein Scheinverkauf. 8. Als Dolus genügt nicht die Absicht, die drohende Zwangsvollstreckung zu vereiteln, es wird vielmehr die Absicht erfordert, die im Wege des in Aussicht ge­ nommenen Zwangsverfahrens herbeizuführende Befriedigung desjenigen Gläubigers,

652

Thl. II. Abschn. XXV. Strafbar» Eigennutz,c. — §§288.289.

§. 289. Wer seine eigene bewegliche Sache, oder eine fremde bewegliche Sache zu Gunsten des Eigenthümers der­ selben, dem Nutznießer, Pfandgläubiger oder demjenigen, wel­ chem an der Sache ein Gebrauchs- oder Zurückbehaltungsrecht zusteht, in rechtswidriger Absicht wegnimmt, wird mit Gefäng­ niß bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bis zu neun­ hundert Mark bestraft. von dessen Seite die Zwangsvollstreckung droht, bezw. seine vorzugsweise Befriedigung auf solchem Wege zn vereiteln: ZI. 24. Jan. 73, BI. 25. Nov. 74, ZU. 17. Juni 75 (RdO XIV, 83; XV, 809; XVI, 455). Selbst das Bewußtsein, daß dem Gläubiger kein weiteres Objekt zu seiner Befriedigung bleibe, ist nicht geeignet, jenen Willen zu ersetzen: ZU. 17. Okt. 76 (RdO. XVII, 666: hier war die Ver­ äußerung des einzigen Objekts für eine drohende Pfändung zur Abwendung der eignen Noth geschehen); Bll. 5. Juli 77 (ib. XVIII, 501); contra: Darmst. 12. Juni 76 (HEntsch. s. 82). Waltet dagegen jener Wille ob, so ist eS gleichgültig, ob eine spätere anderweitige Befriedigung des Gläubigers beabsichtigt wird, nicht minder, ob die Handlung (gleichzeitig) dazu dienen sollte, einen andern Gläubiger zu befriedigen: ZI. 25. März 74, 8. Jan. 75, ZI. 17. Mai 78, ZU. 7. Dez. 78 (RdO. XV, 184; XVI, 36; XIX, 270. 573: jener andere Gläubiger könne ev. wegen Beihülfe bestraft werden); vgl. jedoch Dreöd. 13. Nov. 76 (SGZ. 21 s. 245: entschied, daß der § ausgeschlossen sei, wenn der Schuldner lediglich die Absicht ver­ folgte, den einen Gläubiger vor dem andern zu bevorzugen, eben weil dann jener Wille nicht obgewaltet habe). Einer Gewinnsucht bedarf es in keinem Falle; ebenso: cit. ZI. 25. März 74. 9. Daß jene Absicht (n. 8) erreicht, oder daß überhaupt für den Gläubiger ein Nachtheil herbeigeführt sei, wird nicht erfordert. Demgemäß ist eS bedeutungs­ los, ob zur Zeit der Veräußerung re. noch andere BesriedigungSobjekte vorhanden waren unb ob der Gläubiger demnächst durch die in diese eingetretene Exekution zur Befriedigung gelangt, oder nicht: ZI. 20. Sept. 76 (RdO. XVU, 578). Aus demselben Grunde wird die Strafbarkeit auch durch eine spätere Wiederbeischafsung des betr. Gegenstandes nicht wieder beseitigt. 10. Zum Strafantrage ist derjenige Gläubiger berechtigt, seitens deffen die Zwangsvollstreckung drohte und dessen Befriedigung vereitelt werden sollte, bei der Gefährdung einer Forderung der Kasse eines Pr. Kreisgerichts dessen Direktor: ZI. 19. Dez. 77 (RdO. XVIII, 797), nicht berechtigt dagegen, wenn der Schuldner in Konkurs gerathen ist, der Curator der Masse; vgl. § 281 n. 26, VI. 26. Febr. 75 (cit. n, 4). § 289. 1. Dieser § bestraft das früher sog. furtum possessionis, welches jetzt unter den Begriff des Diebstahls (§ 242) nicht mehr fällt. 2. In Betreff des Begriffs der „beweglichen" sowie der „fremden Sache" vgl. § 242 n. 13 ff. 6 ff. 3. Ein Dritter nimmt die Sache „zu Gunsten des Eigenthümerö" (vgl. § 282 Nr. 2: „im Interesse eines Kaufmanns") weg, wenn er durch seine Hand­ lung dem letztern auf Kosten deö Nutznießers rc. einen Vortheil verschaffen will. 4. ES ist nicht unerläßlich, daß daS NuhuießungS- rc. Recht in durchaus rechtsverbindlicher Weise begründet sei; eö genügt, wenn daS betr. Rechtsgeschäft in einer nicht absolut nichtigen Weise zu Stande gekommen und demzufolge die Sache in den Gewahrsam des Berechtigten gelangt ist, z. B. wenn ein Kind unter väterlicher Gewalt ein solches Recht ohne. Zustimmung des Vaters bestellt hatte (vgl. ALR. I. 4 § 103); contra: VI. 19. März 58 (GA. VI, 569). Um so viel weniger ist die Strafbarkeit aus § 289 ausgeschlossen, wenn zwar der Akt, durch welchen die Besitzeinräumung erfolgte, ein rechtsgültiger, das Rechtsgeschäft je­ doch. zu dessen Sicherung jene geschah, anfechtbar ist: ZI. 22. Sept. 76 (RdO. XVU, 593).

Thl. II. Abschn. XXV.

Strafbarer Eigennutz ic. — § 289.

653

Neben der Gefängnißstrafe kann auf Verlust der bürger­ lichen Ehrenrechte erkannt werden. Der Versuch ist strafbar. Die Verfolgung tritt nur auf Antrag ein. Die Bestimmungen des § 247 Absatz 2 und 3 finden auch hier Anwendung. p. Emw.: § 271; II. Emw.: § 285; Pr. StGB.: § 271.1 247. 290.

Bgl. §§ 32. 35.

5. Nach Pr. Recht erlangt der Vermiet her durch die söhne Mitwirkung des Gerichts vorgenommene) Zurückbehaltung der Sachen des Miethers ein wirkliches Pfandrecht und den Schutz des § 289 (vgl. ALR. I, 21 § 395; Konk.-Ordn. v. 8. Mai 1855 § 33 Nr. 4): ZU. 28. Nov. 61 (RdO. U» 104): nur wenn ein Streit über den Werth und das Quantum der zurückzubehaltenden Sachen entsteht, tritt nach Anh. z. AGO. § 302 die Mitwirkung des Gerichts ein: ZU. 20. Juni 56 (GA. IV, 849); vgl. LI. 29. Okt. 58 (GA. VH, 115). Hat der Dermiether von jenem Rechte Gebrauch gemacht, so verwirkt der Miether durch die Wegnahme der Sachen die Strafe selbst dann, wenn ihm „dieselben unentbehrlich waren": ZI. 13. Mai 68 (RdO. IX, 327). Daö auf § 395, I, 21 des ALR. beruhende Pfandund Rententionsrecht gilt auch für diejenigen Ansprüche, welche dem Bermiether dadurch erwachsen, daß der Miether nach Ablauf der vertragsmäßigen MiethSzeit in der Wohnung verbleibt: ZI. 12. Sept. 77 (RdO. XVHI, 555). — Das gemein­ rechtliche Pfandrecht des BermietherS umfaßt auch das eingebrachte Waarenlager: Wolfenb. 29. Sept. 76 (Br. Z. 23 f. 186). 6. „Gebrauchsrecht" ist nicht auf dingliche Rechte dieser Art zu beschrän­ ken; ein persönliches Miethrecht genügt. 7. Als „Zurückbehaltungsrecht" ist hier, (wie aus der Gleichstellung mit dem Nutznießung-- und Pfandrechte hervorgeht,) nur dasjenige Recht anzusehen, ver­ möge dessen der Inhaber einer fremden Sache diese in seinem Gewahrsam behalten darf, bis er wegen einer Vertragsforderung befriedigt ist. Somit gehört das (aus Veranlassung eines erlittenen Schadens) durch Privat-Pfändung an einer fremden jSache erworbene Recht nicht hierher, zumal § 137 den Eingriff in eine amtlich vorgenommene Beschlagnahme mit geringerer Strafe bedroht. Ter Eingriff tu eine solche Privatpfändung (z. B. die ohne Gewaltthätigkeit erfolgende Wiederinbesitznahme der einem Holzsrevler von einem nicht aus da« HDGesetz ver. eibeten Privatwaldhüter abgepfändeten und noch nicht der OrtSobrigkeit übergebenen Transportmittel: Pr. HDGes. §§ 22. 23) ist als straflose Selbsthülfe zu betrachten (vgl. Pr. ALR. I, 14 §§ 462-465; FPO. § 53ff. 75): ZI. 7. März 66 (RdO. VII, 153); contra: Mertel i. HH. III, 837; Schütze s. 504. — Durch eine nütz­ liche Verwendung wird nach Pr. Rechte ein Zurückbehaltungsrecht nicht be­ gründet: öl. 19. März 58 (eil. n. 4). 8. Die Wegnahme der eigenen in Beschlag genommenen Sache aus dem Ge­ wahrsam des bestellten Hüters fällt selbst dann, wenn durch die ExecutionS-Beschlagnähme dem betr. Gläubiger ein Pfandrecht erworben ist, nicht unter § 289 (sondern nur unter § 137), weil der Hüter die Sache nicht als Vertreter des Gläubigers, sondern im Aufträge des betr. Beamten inne bat. 9. Die „rechtswidrige Absicht" muß auf Verletzung des wenigstens formell begründeten NutzuießungS- rc. Rechts gerichtet sein; ein. Weiteres wird nicht erfordert; insbesondere braucht die Absicht nicht auf Verkürzung oder Gefährdung des durch das Pfand- re. Recht gesicherten fremden Forderungsrechts zu gehen: ZI. 2. Okt. 57 c. Mendelssohn; Wolfenb. 29. Sept. 76 (Br. Z. 23 s. 186): contra: ZI. 24. Nov. 58 (GA. VII, 116); Jena 25. Jan. 72 (StZ. I, 273: erheischte die Absicht, sich einen Vermögensvortheil zu verschaffen oder dem Andern Schaden zuzufügen, arg. der Stellung des § im Abschn. 25 und seines Verhältnisse« zu dem eine geringere Strafe androhenden § 137). — Demgemäß wird die Strafbarkeit durch den Besitz ausreichender Mittel zur Deckung jener Forderung nicht ausge­ schlossen. — Einer gewinnsüchtigen Absicht bedarf es nicht: eit. ZI. 24. Nov. 58.

654

Thl. n. Abschn. XXV. Strafbarer Eigennutz >c. —

§§ 289—291.

§. 290. Oeffentliche Pfandleiher, welche die von ihnen in Pfand genommenen Gegenstände unbefugt in Gebrauch neh­ men, werden mit Gefängniß bis zu Einem Jahre, neben welchem auf Geldstrafe bis zu neunhundert Mark erkannt werden kann, bestraft. |I. Entw.: (fehlte); II. Entw.: § 286; Pr. StGB.: § 265] Dgl. §§ 289. 360 Nr. 12; B.-Gew.-Ordn. v. 21. Juni 1869 §§ 35. 148 Nr. 4.

§. 291. Wer die bei den Uebungen der Artillerie ver­ schossene Munition, oder wer Bleikugeln aus den Kugelfängen der Schießstände der Truppen stch widerrechtlich zueignet, wird mit Gefängniß bis zu Einem Jahre oder mit Geldstrafe bis zu neunhundert Mark bestraft. [I. Entw.: (fehlte); n. Entw.: § 287; Pr. StGB.: § 349 Nr. 5.] vgl. § 242ff. Preußen: Vgl. früher AKO. v. 23. Juli 1833 (GS. s. 86).

10. Ueber den Begriff der „Wegnahme" vgl. § 242 n. 33 — 39. Danach wird vorausgesetzt, daß sich die Sache zur Zeit in dem Gewahrsam des Andern be­ fand: Beschl. L 25. Okt. 71 (RdO. XII, 526). Wegschaffen der eigenen Sache aus einer gemietheten Wohnung in der Absicht, den Dermiether an der Ausübung feines Zurückbehaltungsrechts zu hindern, fällt, so lange dieses Recht noch nicht ausgeübt, und so die Sache in den Gewahrsam des DermietherS übergegangen ist, nicht unter diese Vorschrift: ZU. 28. Nov. 61 (RdO. II, 104). Doch gilt als wirksame AuSÜbung des Zurückbehaltungsrechts in dieser Hinsicht schon daS beim Auszuge einge­ legte Verbot des Wegbringens der Sachen (sowie der Versuch thätlicher Hinderung desselben): ZI. 22. Dez. 75 (RdO. XVI, 817), Wolfenb. 29. Sept. 76 (eit. n. 9); ja die dem ausziehenden Miether gegenüber abgegebene Erklärung, daß jenes Recht in vollem Umfange ausgeübt werden solle: ZI. 18. Okt. 76 (RdO. XVII, 674). — Die in öffentlichen Niederlagen befindlichen Waaren sind nicht im Gewahrsam der mit der bloßen Aussicht über jene Räume betrauten Beamten, weshalb auch von letzteren das Vergehen verübt werden kann: VI. 2. Juli 75 (RdO. XVI, 512). 11. Erschwerende Umstände des Diebstahls kommen hier nur als ©traf» zumeffungsgründe in Betracht. Ebenso ist eS kein Raub, wenn die That mit Gewalt verübt wird, vielmehr konkurrirt dann mit dem Vergehen des § 289 ideell die durch die Anwendung der Gewalt begangene Mißthat (z. D. Körperverletzung). Wird die Herausgabe der Sache durch Gewalt oder Drohung erzwungen, so liegt Nöthiguug (§ 240) oder Erpressung (§ 253) vor. 12. Aus den Verlust der Ehrenrechte rc. kann nur neben einer drei Mo­ nate erreichenden Gefäugnißstrafe erkannt werden: §§ 32. 35. 13. In Betreff des Schlußsatzes vgl. die Bemerkungen zu § 247 n. 16—22.

§ 290. 1. „Oeffentlicher Pfandleiher" ist jetzt Jeder, welcher offenkundig aus dem Pfandleihen ein Gewerbe macht? daß er von diesem Gewerbebetriebe vorher der Be­ hörde Anzeige gemacht habe (VGew.-Ordn. v. 11. Juni 1869 § 35), ist zum Thatbestände nicht erforderlich. —-Dgl. § 360 n. 84a. 2. Einer gewinnsüchtigen Absicht bedarf eS zu diesem Vergehen nicht; ein bewußtes Handeln genügt. 3. Ist der Gebrauch mit einem Verbrauche verbunden, so wird in der Regel Unterschlagung ideell koukurrireu: Mot. s. 139.

§291. 1. Der § unterscheidet in Betreff der verschossenen Munition nicht, ob dieselbe stch noch im Gewahrsam (z. B. in den Kugelfangen) des MilitärfiSkuS befinde, unter­ stellt auch ebensowenig, daß durch daS Verschießen daS Eigenthum an den im § ge-

Thl. n. Abschll. XXV. Slraftarer Eigennutz ic. — § 292.

655

§. 292. Wer an Orten, an denen zu jagen er nicht berechtigt ist, die Jagd ausübt, wird mit Geldstrafe bis zu nannten Gegenständen aufgegeben fei. Demgemäß schließt obige Spezialbestimmung die Verhängung der Strafe befl Diebstahls ober bet Unterschlagung au«, selbst wenn alle Thatbestaudflmerkmale eines dieser Strafsälle vorliegen: Merk. i. HH. Hl, 838; ML. s. 420.

§292. Inhalt:

Abs. d. Zueignung: 9. 14. Absicht, gewinnsüchtige: 15. Anstand: 8. Aufsuchen: 1. 8. Beihülfe: 10. Berechtigung: 1—6. 17. - Einrede: 6. Dach-: 23. Diebstahl: 1. 11. Dolus: 9. 12. 14. 15. Fahrlässigkeit. 14. Fallwild: 9. 15. Fischotter. 24. Fischreiher: 24a. Fuchs: 20. Gewahrsam: 1. H. 12. Glaube, guter: 14. Grenze, Verletzung: 3. 5. 15.

Hamster: 2 t. Hehlerei: 11. Hund. Jagdrevier: 30. Jagd: 1. 8-13. • Ruheulaffen: 7. Jagdbarkeit: 17—26. - Vertrag: 18. Jagdfolge: 5. 9. Jagdpacht: 2. Jagdpolizet: 7. 17. 30. Jagdrecht: 1—6. 17. • Beschränkung: 7. Jagdrevier. Hund, 30. Jagdschein: 16. Irrthum r 12. 14. Junaen. AuSnehmen: 13. Kaninchen: 19. Konkurrenz: 16.

KrametSvogel: 26. Lerche: 27. Marder: 22. MeereSstrand: 4. Okkupation: 1. 8-11. Ruheulaffen: 7. Schonung r 7» 18. 30. Schwa«: 26. Strafantrag: 29. Treiber: 10. Unterschlagung: 11. Vollendung: 8. Wild, Freiheit: 11. - jagdbar: 18—28. • nicht jagdbar: 17. Wildschaden, Abwehr: 15. Zueignung: 9. 14. Zuständigkeit: 31.

1. Dieser § bestraft den Eingriff in ein fremdes Iagdrecht b. h. in die Be­ rechtigung , in einem bestimmten Reviere mit Ausschließung Anderer jagdbare wilde Thiere („SEBilb": § 293), welche sich in Niemandes Eigenthum oder Gewahrsam befinden, zum Zwecke des Erlegens, befl Einfängen- oder sonstiger Defitzuahme aufzu­ suchen, zu verfolgen oder zu okkupiren; vgl. n. 8. Dabei macht eS feinen Unter­ schied, ob daS Wild lebt ober verendet ist. — Die Wegnahme eines fremden Thiers aus dem Gewahrsam eines Andern ist nach den den Diebstahl betreffenden Vorschriften zu beurtheilen; vgl. n. 11; § 242 n. 9. 10. 2. Ob die Berechtigung zu jagen eine dingliche oder persönliche (z. B. auf einem Jagdpachtvertrage beruhende) sei, ist gleichgültig. Auch Derjenige, welchem daS dingliche Jagdrecht zusteht, handelt ohne Berechtigung, wenn er zu einer Zeit jagt, wo die Befugviß auf einen Andern (z. B. pachtweise) übertragen ist, oder wo die Jagd für gemeinschaftliche Rechnung aller Betheiligten nur durch einen gehal­ tenen Jäger ausgeübt werden darf; vgl. Pr. JPol.-Gef. v. 7. März 1850 §§ 3. 10. 17. In dieser Beziehung genügt ein formell zu Recht bestehender Vertrag, sollten auch bei seinem Abschlüsse Regelwidrigkeiten vorgekommen sein, welche feine Wiederaushebung rechtfertigen würden (BI. 5. Apr. 54 o. DrLge), sobald derselbe nur nicht absolut nichtig ist; vgl. (in Betreff der gemeinschaftlichen Jagdbezirke): ZI. 1. Dez. 70, ZU. 21. Sept. 76 (RdO. XI, 585; XVH, 590: Beispiele der absoluten Nichtigkeit; in solchen Fällen verschlage efl Nichts, wenn die Jagdiutercfienten thatsächlich vom Vertrage bisher nicht zurückgetreten seien). — Der Jagdpächter, welcher auf einem von der Jagdverpachtung ausgeschlossenen Grundstücke, mit der Kenntniß von dieser Ausschließung, jagt, macht sich strafbar, sollte auch der Eigenthümer des Grundstücks die ihm gesetzlich obliegende äußere Kenntlichmachung (Pr. JPol.»Ges. § 6) unterlassen haben: ZU. 31. März 70 (RdO. XI, 217). 3. Schießt der Jäger aus dem einen Jagdreviere über die Grenze nach einem in einem andern Reviere sich befindenden Wilde, so ist die Berechtigungsfrage mit Rücksicht auf dasjenige Revier zu lösen, in welchem sich bafl Wild befindet: ZU. 7. Nov. 67, ZBI. 16. Juni 69, Münch. 27. Apr. 78 (RdO. VIII, 665; X, 420; BEntsch. VIII, 212). ES ist daher keine unberechtigte Ausübung der Jagd (sondern eventuell nur aus § 368 Nr. 10 strafbar), wenn sich Jemand in einem fremden Reviere ausstellt, um von dort auS bafl auf fein eigenes benachbartes Re­ vier übertretende Wild zu erlegen: Z. 17. Jan. 72 (RdO. XIH, 43); Münch. 28. Apr. 73 (BEntsch. III, 207), — efl sei denn, daß er sich dasselbe aus dem fremden Reviere hätte zutreiben lassen: Stuttg. 31. Dez. 77, Münch. 7. Juni 78

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Thl. n. Abschn. XXV. Strafbarer Eigennutz rc. — § 292.

dreihundert Mark oder mit Gefängniß bis zu drei Monaten bestraft. (WGbl. XIV, 111; BEntsch. Vm, 313), — oder wenn er, um ein aus seinem Re­ vier stehendes Wild zu erlegen, daffelbe anschleicht und hierbei fremde- Jagdgebiet Passirt: VH. 7. Ott. 75 (RdO. XVI, 640). 4. Die Berechtigung zur Jagd ist nach den Landesgesetzen zu beurtheilen; vgl. für Preußen Ges. v. 31. Oft. 1848 §§ 1—3, über ihre Ausübung da- Jagdpol.Ges. v. 7. März 1850; speciell für die Provinz Hannover die Hann. Gest. v. 29. Juli 1850 u. 11. März 1859; ZI. 20. März 78 (RdO. XIX, 149). In Schleswig ist die Jagd am Meeresstrande frei: V. 7. Sept. 72 (RdO. Xm, 440). — Auf Wegen (insbesondere Eisenbahnschienenwegen), welche ein fremde- Jagdrevier durchschneiden, ist der in diesem Reviere zur Jagd Berechtigte nach der Pr. Gesetzgebung die Jagd au-zuüben nicht berechtigt: ZI. 23. Nov. 77 (NdO. XVIII, 738). 5. In Preußen ist die Iagdfolge durch da- Gef. v. 31. Ost 1848 aufge­ hoben und durch da- JPol.-Gef. v. 7. März 1850 nicht wieder hergestellt worden; dasselbe nahm: Beschl. 27. Sept. 71 (RdO. XU, 465) für die neuen Provinzen an. Wer ein angeschossenes Wild au- seinem Revier in ein andere- verfolgt, ist Jagd­ frevler: ZI. 19. Juni 68 (RdO. IX, 399); vgl. n. 9. 6. Macht der eine- Jagdvergehen- Angeschuldigte den Einwand, er sei zur Ausübung der Jagd (dauernd) berechtigt, Io kommen in Preußen zur Zeit noch die Vorschriften de- Ges.'S v. 31. Jan. 1845 und der NStPO. §§ 486ff. zur An­ wendung. Dagegen ist der Einwand des Angeschuldigten: er habe vom Berechtigten die Erlaubmß zu der von ihm vorgenommenen konkreten Handlung gehabt, vom Strafrichter zu prüfen: ZU. 18. Oft. 66 (RdO. VH, 556). Dgl. EG. z. Pr. StGB. Art. Xm, l). 23. — Dereinst kommen, auch hinsichtlich de- Einwände- der (dauern­ den) Berechtigung, die Vorschriften der RStPO. § 261 zur Anwendung, indem § 3 de- CG.'S -. RStPO. die dort erwähnten landesgesetzlichen Bestimmungen nur, in­ soweit ste Forst- und Feldrügesachen betreffen, aufrecht erhält, mithin auf Jagdrüge­ oder gar Jagdvergehenssachen keinen Bezug bat. — Hinsichtlich der Zulässigkeit der Nichtigkeitsbeschwerde, bezw. de- Rechtsmittel- der Revision vgl. § 242 n. 7. 7. Der zur Ausübung Berechtigte verwirkt nicht die Strafe der §§ 292 ff. wenn er anderweitigen gesetzlichen Beschränkungen zuwiderhandelt oder polizeilichen Formvorschriften nicht genügt, (in einem solchen Falle finden die betr. landeSgesetzlichen Straf.Vorschriften Anwendung; vgl. Pr. JPol.-Ges. v. 7. März 1850; Ges. v. 26. Febr. 1870), z. B. wenn er zu einer Zeit die Jagd ausübt, wo er dieselbe ruhen zu lasten oder zu schoneu verpflichtet war: DU. 6. Juli 65, Z. 1. Nov. 71 (RdO. VI, 245; XU, 549). 8. Nach dem unter n. 1 aufgestellten Begriffe des JagdrechtS umfaffen die Ausdrücke „Jagen", „die Jagd ausüben" alle Handlungen, durch welche Jemand Wild okkupirt oder auch nur daffelbe aufsucht, verfolgt, oder ihm nachstellt, um es (selbst) zu erlegen, einzufangen oder sonst in Besitz zu nehmen: ZU. 17. Sept. 73 (RdO. XIV, 534). Sonach bedarf es zur Vollendung des Vergehens nicht der Besitzergreifung des Thieres: ZI. 10. Febr. 64, ZI. 3. Febr. 69 (RdO. IV, 361; X, 766); noch de- Gebrauchs eines JagdgeräthS oder einer Jagdvorrichtung: der Okkupation braucht kein Nachstellen vorhergegangen zu sein: Münch. 25. Juli 73 (StZ. HI, 29). Demgemäß genügt ein Stehen auf Anstand: ZU. 8. Sept. 73 (RdO. XIV, 520). — DaS Nachstellen re. braucht nicht zu dem Zwecke geschehen zu fein, sich das Thier endgültig zuzueignen; das Verfolgen (Hetzen) des Wildes genügt, selbst wenn der Zweck nur dahin ging, sich deffelben vorübergehend zu be­ mächtigen und es dann wieder in Freiheit zu fetzen (Parforcejagd): ZI. 20. Juni 55 c. v. SulkowSki. Dagegen ist das bloße Betreten eines fremden Jagdreviers mit einem Jagdgeräth. auch wenn eS in der Absicht geschah, dort (künftig) zu jagen, oder ein angeschossenes Wild sich zuzueignen, für sich allein noch keine Ausübung der Jagd: ZI. 16. Juni 69 (RdO. X, 420); Oldenb. 31. Jan. 72 (StZ. I, 206). Aus dem Besitze eines tauglichen JagdgeräthS (;. D. eines auseinandergenommenen, zum Schuffe rasch fertig zu pellenden Gewehrs) kann aber auf ein stattgehabtes Nachstellen geschloffen werden: ZI 18. Dez. 72 (RdO. XIII, 672).

Thl. n. Abschn. XXV.

Strafbarer Eigennutz »e. — § 292.

657

Ist der Thäter ein Angehöriger des Jagdberechtigten, so tritt die Verfolgung nur auf Antrag ein. Die Zurücknahme deS Antrages ist zulässig. [I. ent».: § 273; II. Ent».: § 288; — Nov. v. 26. Febr. 1876 Art. I — Pr. StGB.: § 274.) Dgl. §§ 293-295. 368 Nr. 10. 11. Preußen: Dgl. ALR. I, 9 § 107ff.; II. 16, § 30ff.; Ges. v. 31. Jan. 1845 (GS. s. 95); Ges. v. 31. Oft. 1848; Jagd.Pol .Ges. v. 7. März 1850; Ges. v. 14. April 1856 Artt. I. II. (GS. s. 208); NStPO. §§11. 486ff.; (Nass.) Vdn. betr. d. Iagdrecht rc. v. 30. März 1867; Ges. v. 26. Febr. 1870, betr. d. Schonzeit des Wildes. 9. Auch die unberechtigte Aneignung von Fallwild (vgl. n. 1) fallt unter den §: DI. 22. April 68, ZU. 7. Ott. 69, ZI. 20. Nov. 78 (RdO. IX, 288; X, 625; XIX, 543); DreSd. II. Aug. 71, Stuttg. 2. Dez. 74, Münch. 18. Jan. 78 StZ. I, 138; V, 153; BEntsch. VIII, 26); Merkel i. HH. III, 840; und zwar selbst dann, wenn der Angeschuldigte dasselbe aus seinem eigenen Reviere angeschossen hatte (vgl. o.5); ZU. 19. Mai 59 c. Wolfs; ZI. 20. Febr. 63 c. Woggan; ZI. 14. Juni 78 lRdO. XIX. 309); daS gilt auch nach gemeinem und Rheinischem Rechte: DII. 26. Marz 57 (RA. 52. II. 76); Z. 2. Juni 69 (RdO X. 375). Contra: GM. H, 623; IV, 3; TL. s. 1030 Nr. 3; Oldenb. 31. Jan. 72 (eit. n. 8). — Dagegen bleibt der § selbstverständlich ausgeschlossen, wenn Jemand Fallwild ergreift, um eS an den Jagdberechtigten abzuliefern: ZU. 18. Juni 68 (RdO. IX, 386). 10. Nur Derjenige ist Jagdfrevler, welcher eine der unter u. 8 aufgezählten Handlungen vornimmt, um selbst das Wild in Besitz zu nehmen rc. Der Treib er ist nur Gehülfe des Jägers. 11. Don dem Augenblicke an, wo ein Anderer (berechtigter oder unberechtigter Weife) sich deS Thiers bemächtigt, dasselbe also okkupirt hat, kann von einem Jagd­ frevel als dem Eingriffe in die fremde Okkupationsberechtigung nicht mehr die Rede sein: ZI. 13. Mai 70 (RdO. XI, 306). DaS ist anzunehmen, wenn sich das Thier in einer (von einem Berechtigten oder Unberechtigten) gelegten Schlinge rc. gefangen hat (vgl. § 242 n. 12), oder wenn es von dem Hunde eines Jägers rc. gefaßt ist; anders würde sich die Sache verhalten, wenn ein herrenlos umherlaufender Hund das Thier gefaßt hätte: D. 14. Juni 52 c. Schendliolorz. — Aus dem Gesagten folgt ferner, daß sich ein Jagdfrevler durch ein spätere- Fortschaffen de« erlegten Wildes aus dem Jagdreviere nicht eines neuen Jagdfrevels schuldig macht. Schafft ein Dritter im Cinverständniß mit dem Frevler das Wild fort, so ist er Gehülfe oder Begünstiger des Letzteren. Nimmt ein Dritter die Handlung für sich vor, so kann Diebstahl oder Hehlerei vorliegen. — Erlangt dagegen ein lebendig ergriffeneWild die Freiheit wieder, so wird eS dadurch wieder herrenlos und kann Gegenstand einer neuen Okkupation, also auch eines Jagdfrevels sein. — Wer (bewußt) okkupirteS, vom Inhaber verlorenes todtes Wild findet und bei Seite schafft, begeht nach Umstäudeu (§ 246 n. 6) eine (Fund ) Unterschlagung. 12. Zweifel kann der Fall erregen, wo Jemand von einem Andern (Be­ rechtigten oder Unberechtigten) in Besitz genommene- Wild, in der Unkennt»iß von jener Besitznahme und in der Absicht der unbefugten Ausübung der Jagd sich zueignet; auch in einem solchen Falle wandte ZII. 15. März 60 (RA. 55. II. 65) den § 274 de- Pr. StGB.'S an. 13. DaS Ausnehmen (aus dem Lager) oder das Aufgreifen der Jungen von jagdbaren vierfüßigen wilden Thieren stellt ein „Jagen" dar. Der § 368 Nr. 11, welcher das Auönebmen der Jungen von „jagdbarem Federwild" als Uebertretung bestraft, ist eine nicht auszudehnende Ausnahme: Deschl. 2. Jan. 52 (GA. I, 261); ÖL 26 Jan. 55 c. Brundlow. 14. Der DoluS (Wille) muß auf die Vornahme einer der unter n. 8 erwähnten Handlungen gerichtet sein, verbunden mit dem Bewußtsein von der Wider­ rechtlichkeit derselben. Der gute Glaube an eine (nicht vorhandene) Berechtigung schließt selbst dann, wenn sie auf einem Rechtsirrthume beruht (vgl. s. 123 n. 7), Oppenhoff, D. Strafgesetzbuch. 7. AuSg. 42

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Thl. II. Abschn. XXV. Strafbarer Eigennutz rc. — § 292.

die Bestrafung aus; ebenso: Dl. 14. Nov. 77 (RdO. XVIII, 709); z. D. wenn der Jäger unbewußt über die Grenzen seines Reviers hinausging oder wenn er sich rechtSirrthümlich zur Ausübung der Jagdsolge für befugt hlelt: VII. 6. Sept.60 c. Schräder; contra: BI. 8. Juli 74 (RdO. XV, 479; hrer hatte der Recht-irrthum die Frage der Jagdbarkeit deS Wildes, n. 18, betroffen); vgl. §293 n. 3. Eme Fahrlässigkeit, oder die Dermeidlichkeit des Irrthums genügt zur Bestrafung mcht: BII. 12. März 63, 7. Juli 64 (RdO. III, 351; V, 52). Dagegen kann der Instanzrichter den guten Glauben negiren und den erforderlichen DoluS annehmen, wenn Jemand frevelhafter Weife sich selbst in der Unkenntniß Uber die Grenzen erhielt und eS darauf ankommen ließ, ob er dieselben überschreite: ZU. 14. Sept. 54 (GA. n, 835). - Der ausdrücklichen Feststellung jenes Dolus bedarf es nur. wenn der­ selbe bestritten worden ist; contra: Stuttg. 26. Febr., 5. März 73 (StZ. II, 298: hielt die Feststellung dann für unerläßlich, wenn der Angeschuldigte anderswo lagdberechtigt war). 15. Eine über den erwähnten (n. 14) DoluS hinausgehende (,.B. emi MU. nützige oder gewinnsüchtige ) Absicht wird nicht erheischt: 2. 27. Mat 68 (RdO. IX. 346); vgl. Abfchn. 25 (f. 645) n. 1. Der Absicht, sich daS Thier rechtswidrig zuzueignen, bedarf es nur im Falle einer unbefugten Okkupation. Demgemäß trifft die Strafe auch den Grundbesitzer, welcher lediglich zur Abwehr des Wildschaden- von seinen Feldern da« Wild jagt und erlegt : Beschl. I. 25. Jan. 56 (GA. IV, 267); vgl. Pr. JPol.-Ges. v. 7. März 1850 §§ 21. 22. 24. DaS Gegentheil nahm ein Meckl. OG. (GSaal 26 s. 550) vom bloßen Schießen Zur Berscheuchung des übertretenden Wildes an, sollte letzteres dabei auch (wider den Willen des Schießenden) getroffen worden fein; vgl. n. 8. . _ Ä 16. Jagt Jemand unberechtigt und zugleich ohne Lösun g emeS Ia gdsch e tuS (Pr. JPol.-Gef. v. 7. März 1850 § 14. 16), so liegt Jdeal-Konkurrenz vor: BI. 19. Febr. 62 (RdO. II, 264). 17. DaS Jagdrecht bezieht sich nur auf Thiere (mithin z. B. nicht auf abgeworfene Hirschgeweihe: ZU. 12. Juni u. 19. Okt. 7b, RdO. XVI, 457. 664; anders im Königr. Sachsen: Ges. v. 1. Dez. 1864 § 1), und zwar nur aus zagdBare wilde Thiere: die nicht jagdbaren sind Gegenstand des freien Thierfangs. Das Verbot des Pr. ALR.'S H, 16 § 35: nicht jagdbare wilde Thiere in fremden Jagdrevieren aufzusuchen re., ist eine jagdpolizeiliche Vorschrift, um anderweitige Beeinträchtigungen deS Jagdrecht» unter dem Borwande der Verfolgung Nicht jagdbarer Thiere zu verhüten; daher bildet das Aufsuchen rc. derselben nicht den Thatbestand deS § 292: ZPl. 31. März 56 (Entsch. 34 s. 355). 18. Die Frage, welche Thiere jagdbar sind, ist nach der geltenden Civil. Gesetzgebung zu beantworten. Für Württemberg vgl. in dieser Hinsicht Kübel i. WGbl. XV, 296. DaS Pr. ALR. II, 16 § 31 verweist auf die Gesetze der ein­ zelnen Provinzen; aus dem Umstande, daß das Ges. v. 26. Febr. 1870 für ver­ schiedene Wildarten (z. B. für den Dachs, den Schwan re.) eine Schonzeit vorschreibt, ist nicht zu folgern', daß dieselben nothwendig als jagdbar anzusehen feien. (Dasselbe entschied ZII. 4. Nov. 69, RdO. X, 690 bezüglich der denselben Gegenstand betreffenden und durch jenes Ges. v. 26. Febr. 1870 ersetzten Bdn. v. 9. Dez. 1842; contra: ZI. 8. Mai 67. RdO. VIII, 295). In Ermangelung provinzialrechtlicher Bestimmungen sind diejenigen viersüßigen wilden Thiere und dasjenige wilde Geflügel für jagdbar zu erachten, welche zur Speise benutzt zu werden pflegen: MR. 1. c. §§ 32—34. Ein Provinzialgesey, welches die jagdbaren wilden Thiere speziell aufzählt, schließt dadurch den eit. § 32 auS: ZII. 13. Nov. 62 (RdO. m, 116); vgl. Jahrb. 59 f. 41. — Für die zum Gen.-Gouvernement deö Niederund Mittelrheins gehörig gewesenen Landestheile (linkes Rheinuser) läßt sich die Jagdbarkeit gemäß § 7 der Bdn. v. 18. Aug. 1814 auS der derselben angehängten Wildprettaxe (Hermen- s. 616, 623; Scotti Nr. 3618) entnehmen: DU. 16. Febr. 54 (RA. 49. II. 93), Gen.-Prok. Cöln 1. März 1870. — Die Gesetze, welche ge. wisse Thiere für jagdbar erklären, unterliegen nicht der Abänderung durch Ber. träge: BII. 16. Okt. 62 (RdO. in, 80). 19. Kaninchen sind im Gebiete der Bdn. v. 18. August 1814 (cit. n. 18) jagdbar: LG. Aachen 21. März 70 c. Hellenbrandt; ebenso im Königr. Sachsen,

Thl. II. Abschn. XXV.

Strafbarer Eigennutz re. — § 292.

659

Herzogth. Graunschweig u. Fürstenth. Schwarzb. Rudolst.; vgl. Starke i. GA. 23 s. 398; dieser nimmt die Jagdbarkeit allgemein an, insbesondere auch für da- vor­ malige Herzogth. Magdeburg; contra (in Bezug auf letzteres): VH. 12. Juli 59 (GA. VII, 694). Dgl. übrigens § 23 Abs. 2 deS Pr. JPol.-Gel.'ö v. 7. März 1&50, wo daS Kaninchen als schädliches Thier dem Wilde (Abf. 1, 3 ib.) gegenüber gepellt wird. 20. Füchse sind Raubthiere, also nicht jagdbar; so in Pommern (Forst.-Ordn. v. 24. Dez. 1777 Tit. 12 §2): DI. 26. Apr. 56 c. Lüpke; im Fürsienth. Paderborn : ZU. 1. Febr. 66 c. Prigge; im Gebiete der n. 18 eit. Ddn. 18. Aug. 1814 (vgl. dort § 12); ZII. 3 Dez. 63 (RdO. IV, 233). Anders in Waldeck: DI. 8. Juli 74 (RdO. XV, 479) und im Königr. Sachsen: Ges. v. 1. Dez. 1864. 21. Hamster sind gleichfalls nicht jagdbar; Pr. ALR. II, 16 § 35; dies gilt auch in der Pr. Provinz Sachsen; das in entgegengesetztem Sinne sich aussprechende Korsächs. Mandat v. 8. Sept. 1717 ist kein in jener Provinz geltendes ProvinzialGesetz: Beschl. II. 17. April 56 c. Stöcklein. 22..............ebenso Marder: ZI. 10. Sept. 56 c. Lehmann; so in Ostpreußen und Lithauen (Forstordn. v. 3. Dez. 1775 Tit. 12 § 2); ZI. 6. Juni 66 (GA. XIV, 579) und im Gebiete der Kurköln. Jagd-Ordn. v. 9. Juli 1759 (vgl. dort Cap. I §§ 58ff. bei Scotti); anders im Königr. Sachsen: Ges. v. 1. Dez. 1864. 23. Der Dachs ist im Gebiete der Oestr.-Dayer. (Wormser) Jagd-Ddn. v. 20. Sept. 1815 jagdbar: DKH. 17. Jan. 35 (Volkmar s. 390); ebenso in Ostpreußen und Lithauen: ZI. 26. Juni 74 (RdO. XV, 455) und im Königr. Sachsen: Ges v. 1. D«z. 1864; nicht aber im Fürstenthum Paderborn (arg. Holzordn. v. 1. März 1669 Art. 39. 40): ZII. 1. Febr. 66 c. Prigge und nach der Kurköln. Jagdordn, v. 9. Juli 1759. 24. Die Fischotter ist im Königr. Sachsen jagdbar: Ges. v. 1. Dez. 1864, desgleichen (in Ermangelung provinzialrechtlicher Vorschrift) im Gebiete des Pr. ALR.'S (I, 9, § 172); so in der Mark Brandenburg: Beschl. I. 28. Juni 61 (RdO. I, 476); in Schlesien: DI. 22. April 68 (RdO. IX, 288), nicht jagdbar im vor­ maligen Erzstiste Köln mit Einschluß des Herzogthums Westfalen und im Gebiete der Oestr.-Bayerischen (Wormser) Jagd-Ddn. v. 20. Sept. 1815: ZI. 2. März 71 (RdO. XII, 122); ZKH. 4. Nov. 37 (Volkmar s. 390). — Den Fischereiberechtigteu ist jedoch in Preußen allgemein gestattet, Fischottern und Taucher ohne Anwendung von Schußwaffen zu tödten (fangen): Fischereiges. v. 30. Mai 1874 § 45. 24a. Fischreiher sind auf dem linken Rheinuser nicht jagdbar; so: LG. Aachen 23. Aug. 64 c. Fischenich. DaS Gegentheil gilt für daS Gebiet der Kur­ köln. Jagdordn. v. 9. Juli 1759. 25. Fasane sind in Preußen jagdbar; so: ZI. 8. Mai 67 (RdO. VIII, 295) unter Berufung auf die Ddn. v. 9. Dez. 1842; vgl. jedoch n. 18. Dies gilt mindestens für daö Gebiet der Kurköln. Jagdordn. v. 9. Juli 1759; vgl. dort Cap. I § 18. 26. Der Krammetsvogel ist im Geltungsbereiche der unter n. 18 eit. Ddn. v. 18. August 1814 (§ 7 b) jagdbar: ©II. 16. Olt. 62 (RdO. III, 80). Dasselbe gilt im ehemaligen Kurfürflenthum Trier: DII. 30. Juni 70 RdO. XI, 388); ebenso im ehemaligen Herzogthume Berg (Berg. Forst- und Jagd-Satzungen v. 8. Mai 1761 Kap.l § 16. 31 Taxa re.): DU. 4. März 58 (RA. 54. II. 40). Im gleichen Sinne sprach sich allgemein eine Jnn.-MDf. v. 25. März 1852 (DMbl. s. 102) aus. — In Preußen bedarf es zum Krammetsvogelsang eines Jagdscheins (JPol -Ges. v. 7. März 1850 § 14), welcher nicht auf die Jagdnutzung durch Schieß­ gewehr beschränkt ist: eit. DU. 16. Okt. 62. 27. Lerchen sind nicht jagdbar: ZI. 15. Febr. 54 c. Laste; auch nicht in der Rheinprovinz; so: ZKH. 27. Okt. 30 (Dolkm. s. 388); sie werden jedoch in der oben n. 18 eit. Wildprettaxe mit ausgeführt. 28. ... ebenso Schwäne: ZN. 4. Nov. 69 (RdO. X, 689); anders in der Mark Brandenburg: ZI. 15. Dez. 71 (RdO. XII, 663); vgl. n. 18. 29. Während der § in seiner ursprünglichen Fastung die Strafverfolgung in Betreff aller Jagdvergehen von einem Antrage abhängig machte, hat die Novelle das Erforderniß eines solchen aus die Fälle beschränkt, wo der Thäter ein „An­ gehöriger [§ 52] des Jagdberechtigten" ist. Als „Jagdberechtigter kaun hier

660

Tbl.

n.

DLschn. XXV.

Strafbarer Eigennutz rc. — §§292.293.

§. 293. Die Strafe kann auf Geldstrafe bis zu sechs­ hundert Mark oder auf Gefängniß bis zu sechs Monaten er­ wähl nur Derjenige angesehen werden, welcher an der betr. Stelle zur Ausübung des IagdrechtS aktuell befugt war, mithin in Preußen. — vgl. Iagdpolizeigefetz v. 7. März 1850, — hinsichtlich der einen gemeinschaftlichen Jagdbezirk bildenden Grundstücke der IagdpLchter (vgl. n. 2), nicht auch jeder einzelne Grundstückbesitzer bezw. die Gesammtheit derselben. Die frühere Praxis des Pr. O Tr.'S. welche beide als Iagdberechtigte, bezw. „Verletzte" und die Gemeindebehörde als Vertreterin der Grundbesitzer, in Westfalen unter Umständen selbst den Amtmann als antragsberechtigt erachtete (ZU. 19. Oft. 71, ZI. 5. Dez. 73, ZU. 16. Nov. 75: RdO. XII, 522; XIV, 780; XVI, 732), hat bei der jetzigen Fassung des § keinen gesetzlichen Boden mehr. Hiernach ist in Betreff derjenigen Grundstücke, auf welchen gemäß § 6 des cit. Gesetzes die Ausübung des IagdrechtS ruhen muß, ein Antrag in keinem Falle mehr nöthig. — Ebenso bleibt Abs. 2 außer Anwendung, wenn der Angehörige nicht der alleinige Iagdberechtigte ist; vgl. § 247 n. 11; MeveS f. 256. — Die Aber­ kennung, bezw. Versagung des Jagdscheins (Pr. JPol.-Ges. v. 7. März 1850 § 15) entzieht dem Iagdberechtigten nicht das Recht, Strafantrag zu stellen: OTr. 13. Juni 76 (GA. 24 f. 599). 30. Durch die §§ 292—295 und durch §368 Nr. 11 sind anderweitige landeögesetzliche, zum Schutze des IagdrechtS ergangene Strafbestimmungen, welche andere Thatbestände -um Gegenstände haben (vgl. EG. § 2 n. 4. 5. 7). nicht aufgehoben, sondern in Kraft verblieben; z. B. solche, welche das freie Umherlaufen der Hunde in einem Jagdreviere untersagen: vgl.; § 368 n. 45. Dasselbe gilt von Vorschriften, welche die Ausübung einer Jagdberechtigung gewissen Beschränkungen unter, werfen, z. D. eine Schonzeit vorschreiben (vgl. § 293; Pr. Jagdpol-Ges. v. 7. März 1850 § 7 und Pr. Ges. v. 26. Febr. 1870). In Preußen waren durch das Ges. v. 31. Okt. 1848 § 4. 8 alle derartigen Beschränkungen der Ausübung der Jagd durch die Berechtigten, soweit sie nicht den Schutz der öffentlichen Sicherheit oder die Schonung der Feldfrüchte betreffen. aufgehoben, z. B. das Verbot mit Bracken zu jagen (cit. GGVdn. § 9 Nr. 1): ZU. 15. Jan. 57 (RA. 52. II. 53); ebenso die Schlesische Ddn. v. 13. Okt. 1774, welche gewissen Personen das Schießen rc. von Fasanen gänzlich untersagte: ZI. 8. Mai 67 (RdO. VIII, 295). Aus demselben Grunde ward eine aus Grund des Ges.'s v. 7. März 1850 erlassene Polizei - Der. Ordnung, welche neuerdings eine Beschränkung in der Ausübung der Jagd anordnet, z. B. das Jagen mit Bracken (zur Schonung des Wildes) untersagt, weil dem Ges. v. 31. Okt. 1848 widersprechend, für unverbindlich erachtet: ZII. 6. Sept. 55 (Entsch. 30 s. 475). Dagegen ward eine Hege- und Schonzeit wieder eingeführt durch Ges. v. 26. Febr. 1870; vgl. f. Hohenzollern Ges. v. 2. Mai 1853. — Ebenso hat das Strafverbot der Hann. Iagdordn. v. 11. März 1859 §§ 14. 22 (Hann. GS. f. 159), nach welchem der IagdpLchter einem Dritten das Jagen ohne feine Begleitung nicht gestatten darf, seine Geltung bewahrt: DI. 8. Juli 74 (RdO. XV, 476) — Hinsichtlich der in der Bayer. Pfalz noch geltenden Iagdpolizeivorschristen vgl. Münch. 12. Juli 78 (BEntsch. VHI, 390). 31. Zuständigkeit und Verfahren: vgl. Art. I.; NStPO. § 11. Zuständigkeit der Rheinpr. Handlungen gegen Spezial-Jagd-Gesetze; vgl. EG. Dereinst sind in den Fällen des § 292 RGDG. § maßgebend.

Pr. Ges. v. 14. April 1856 Polizei-Gerichte für Zuwiderz. Pr. StGB. Art. XX. — 27 Nr. 2 u. RStPO. § 447

§ 293. 1. Die Strafschärfung ist für den Richter fakultativ. 2. Der § steht verschiedene Alternativen vor, in welchen die Strafe deö § 292 eine Schärfung erfährt; sonach genügt es, wenn das Vergehen während der Schon­ zeit, oder wenn eö in einem Walde, oder zur Nachtzeit oder gemeinschaftlich von Mehreren begangen wird; vgl. Pr. StGB. § 275, welcher in dieser Beziehung thrcr gefaßt war.

Thl. II. Abschn. XXV.

Strafbarer Eigennutz rc. — §293.

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höht werden, wenn dem Wilde nicht mit Schießgewehr oder Hunden, sondern mit Schlingen, Netzen, Fallen oder anderen Vorrichtungen nachgestellt oder, wenn das Vergehen während der gesetzlichen Schonzeit, in Wäldern, zur Nachtzeit oder ge­ meinschaftlich von Mehreren begangen wird. [I. Snttr.: § 274; II. Enlw.: §289; Pr. S,GB.: § 275.] Bai. §§ 292. 294. 295. 388 Nr. 10. 11; RGBG. § 75 Nr. 14. Preußen: Bgl. JPol.-Grs. v. 7. MLrz 1850 § 18; Ges. v. 26. Febr. 1870; Ges. v- 2. Mai 1853 (für Hoheriz.l; Ges. v. 14. April 1856 Art. I. 2a. Die Worte „daö Vergehen" sind eben auf daö im § 292 vorgesehene Vergehen zu beziehen. ES läßt sich daher aus diesen Worten so wenig wie aus betn sonstigen Inhalte deS § folgern, daß auch bei den in der zweiten Hälfte des § auf. gezahlten Fällen dem Wilde „nachgestellt" sein wüste. Demgemäß ist selbst die unberechtigte Aneigung von Fallwild, wenn sie während der Schonzeit rc. erfolgte, aus § 293 und richt aus § 292 zu bestrafen, ungeachtet die ratio legis gravioris hier nicht überall zutreffen mag; lex non distinguit; contra: Münch. 13. Sept. 78 (BEntsch. VIII, 479). 3. In Betreff der „Schonzeit" sind die Landesgesetze maßgebend. Für ganz Preußm (mit Ausschluß der Hohenzollernschen Lande) gilt in dieser Beziehung das Ges. v. 26 Febr. 1870; vgl. § 292 n. 30. Hat ein Unberechtigter während der Schonzeit gejagt und dadurch die Strafe des § 293 verwirkt, so kann ihn nicht auch noch daneben die Strafe deö § 5 des eit. Gesetzes treffen. — Die Schonzeit ist eine „geetzliche", auch wenn sie aus Grund gesetzlicher Vorschrift im Einzelfall durch eine Behörde bestimmt ist (z. B. cit. Ges. v. 26. Febr. 1870 § 2); Nichtkenntniß der so bestiumten Schonzeit macht nicht straflos (§ 59 findet hier keine Anwendung); contra: 20. Sept. 72 (StZ. II, 17); vgl. f. 123 n. 7, § 292 n. 14. 4. „Lachtzeit" ist hier (abweichend von § 243 Nr. 7) die Zeit zwischen Sonnen -Unergang und Aufgang; vgl. § 322; Mauh. 4. April 76 (BAnn. 42 s. 123); coitra: DreSd. 14. Febr. 76, Münch. 21. Juni 76 (SGZ. XX, 346; BEntsch. VJ, 385: lassen die Nachtzeit erst mit Beendigung der Abenddämmerung beginnen; chnlich: Jena (Voll. 24, 83: Nachtzeit sei hier die Zeit der eingetretenen Dunkelheit). 5. „Aehrere", dazu genügen zwei. — In Betreff des Begriffs der „Gemeinschaflichkeit" vgl. §47 n. 13; eS bedarf dazu des gewollten Zusammenwirken- bet Mehreren; z. B. wenn der eine Jäger daö Wild aus dem fremden Revier auf ?aS eigene treibt, damit eö dem hier aufgestellten Mit.Jäger zum Schuß komme: ZI 22. Febr. 65 (RdO. V, 521). Dagegen reicht es nicht hin, wenn Mehrere in der Weise zusammen jagen, daß Jeder nur für sich das Wild aufsucht, um es selbs zu erlegen. — Die Mitwirkung von Treibern macht die Jagd nicht zu einer geuneuschaftlichen, da sie nur Gehülfen, nicht Mitthäter sind (§ 292 n. 10); contra: M!. s. 493 (hält überhaupt die Beihülfe für genügend). 6. Ahesehen von der gestatteten Strafschärfung, bezieht sich § 293 in seiner Fassung au' § 292 zurück. Daö dort Bestimmte (sowie die Bemerkungen zu demselben) Weitn sonach auch hier maßgebend, insbesondere ist auch hier die Strafver­ folgung buch einen Strafantrag bedingt, wenn der Thäter zu den Angehörigen des Jagdbere:chtzten gehört: Dreöd. 23. Sept. 72, Stuttg. 4. Nov. 74 (StZ. II, 125; V, 151);; O)G. 10 —14. Jan. 73 (StRZ. XIII, 354): Darmst. 5. Mai 73 (HCutsch. f. 59); Schi. f. 720(733); Rüd. n. 6; Puch. s. 299; Nießen t. StRZ. XIII, 157); v. Binder i GSaal XXV, 122; Merkel i. HH. III, 841; contra: V. 13. Sept. 71, ZU. 7.Dez. 71, V. 25. Juni 73. ZI. 14. Febr. 73, ZII. 1. Apr. u. 8. Sept. 73 (RdO. UI. 445. 630; XIV, 86. 140. 244. 520); Münch. 29. Apr. 72, 21. Mai 75, 24. Apr 76. Jena 14. Aug. 73 (StZ. I, 300; III, 33; V, 152; (BEntsch. VI, 205); Hiebe n. 269; Herzog i. StRZ. XH, 615. 7. Dn Jagdberechtigten, welcher in einer der durch § 293 vorgesehenen Weisen wie Joßb ausübt, trifft nicht die Strafe dieses §: ZI. 24. Jau. 72 (RdO.

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Thl. II. Abschn. XXV. Strafbarer Eigennutz rc. — §§ 294. 295.

§. 284. Wer unberechtigtes Jagen gewerbsmäßig be­ treibt, wird mit Gefängniß nicht unter drei Monaten bestraft; auch kann auf Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte, sowie auf Zulässigkeit von Polizei-Aufsicht erkannt werden. [I. entro.: § 275; II. Elltw.: §290; Pr. StGB.: § 276.] 295. 32. 35. 368 Nr. 10. 11.

Bgl. §§ 292. 293.

§. 283. Neben der durch das Jagdvergehen verwirkten Strafe ist auf Einziehung deS Gewehrs, des Jagdgeräths und der Hunde, welche der Thäter bei dem unberechtigten Jagen XIII, 79); in Ermangelung besonderer landesgesetzlicher Dorschristen ist für ihn eine solche Handlung straflos; vgl. (in Betreff der Schonzeit und des Fangens von Reb­ hühnern, Hasen und Rehen in Schlingen) cit. Pr. Ges. v. 26. Febr. 1870 §§ 1 (be­ sonders Nr. 13). 5. 8. Zuständigkeit und Verfahren; vgl. Pr. Gef. v. 14. April 1856 Art. I, Pr. NStPO. § 11 und für die Folge RGDG. § 75 Nr. 14.

§294. 1. Der Begriff des „gewerbsmäßigen Betriebs" setzt eine fortgesetzte unbefugte Ausübung der Jagd zum Zwecke des Erwerbs voraus: ZI. 1. Dez. 71, ZU. 20. Juni 72 (RdO. XII, 601; XIII, 370); — eine (zum Zwecke des Erwerbs verübte) Einzelthat genügt nicht: VII. 16. Jan. 73, Mannh. 14. Juli 77 (RdO. XIV. 52; BAnn. 43 f. 229); ebensowenig die bloße Gewohnheitsmäßigkeit, welche jedoch einen Schluß auf die GewerbSmäßigkeit rechtfertigen und unterstützen kann: ZI. 2. Juni 75 (RdO. XVI, 413). In Betreff des Näheren vgl. § 260 n. 2. 4. 6. — Auch hier tritt der Fall ein, daß die Einzelhandlungen, aus welchen sich das GewerbSvergehen zusammensetzt, schon als Einzelvergehen (aus § 292 oder § 293) strafbar sind, so daß wegen Realkonkurrenz derselben unter Anwendung deS § 74 Abs. 4 eine fünf Jahre übersteigende Gesängnißstrase eintreten könnte; vgl. § 260 n. 6 o. E. Da indessen hier wegen veS einheitlichen GewerbSvergehenS auch auf den Verlust der rc. Ehrenrechte und auf Zulässigkeit der Polizeiaufsicht erkannt werden darf, so stellt sich § 294 als das strengere und deshalb allein anzuwendende Gesetz dar; vgl. § 2 n. 15. 2. Jagen mehrere Personen gemeinschaftlich unbefugt (vgl. § 293 n. 5), betreibt aber nur Einer von ihnen die Jagd gewerbsmäßig, so wird (da hier die GewerbSmäßigkeit einen erschwerenden Umstand bildet), nach dem Grundsätze deS § 50 nur der zuletzt Erwähnte von der Strafe des § 294 betroffen. Dagegen ist Derjenige, welcher wiffentlich zu einem gewerbsmäßigen unbefugten Jagen Hülfe leistet, unzweifelhaft aus diesem § und auS § 49 zu bestrafen. 3. Im Falle dieses § ist die Verfolgung nie durch einen Strafantrag be­ dingt: ZU. 20. Juni 72 (RdO. XIII, 370). 4. Die die Zuständigkeit und das Verfahren betreffenden Vorschriften des Pr. Gef.'S v. 14. Apr. 1856 Art. I und der NStPO. § 11 bleiben hier außer An­ wendung, desgleichen dereinst RGDG. § 75.

§ 295. 1. Dieser § weicht mehrfach von den im §40 aufgestellten allgemeinen Grund­ sätzen ab: er macht die Einziehung der ausgezählten Gegenstände von anderen Vor­ aussetzungen abhängig (vgl. n. 2) und gebietet jene Maßnahme unbedingt, selbst für den Fall, wo die Gegenstände nicht dem verurtheilten gehören. Zur Rechtfertigung dieser letzteren Bestimmung führen die Motive (s. 193) an, daß ohne sie die Vor­ schrift namentlich von gewerbsmäßigen Jagdfrevlern, welche sich gegenseitig die Gewehre leihen, umgangen werden würde. Hieraus ist nicht zu folgern, daß die Anwendung der Vorschrift durch die Feststellung der gedachten Thatsache bedingt sei;

Thl. II. Abschn. XXV. Strafbarer Eigennutz rc. — § 295.

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bei sich geführt hat, ingleichen der Schlingen, Netze, Fallen und anderen Vorrichtungen zu erkennen, ohne Unterschied, ob sie dem Verurtheilten gehören oder nicht. ll. Elltw.: § 276; DUSntro.: § 291; Pr. StGB.: § 277.] 40. 42.

Dgl. §§ 292-294.

selbst der geführte Nachweis, daß das Gewehr einem Dritten, Unbetheiligten gehöre, würde den Instanzrichter nicht ermächtigen, von der Einziehung abzusehen, es fei denn, daß durch eine andere positive Gesetzesvorschrift die Rückgabe der betr. Sache an den (unbetheiligten) dritten Eigenthümer geboten wäre; z. B. nach C. d’instr. crim. art. 366 für den Fall, wo die betr. Sache dem Eigenthümer gestohlen wäre und dieserhalb gleichzeitig eine Derurtheilung erfolgte); vgl. auch Pr. NSlPO. §9; RStPO. § 111; Komp.-GH. 30. Mai 57 (JMbl. 1858 s. 15). 2. Einzuziehen ist das Gewehr rc., welches der Thäter bei dem unberechtigten Jagen „bei sich geführt" hat; daß die gedachten Gegenstände bei den Jagdvergehen gebraucht oder zu denselben bestimmt (§ 40) oder auch nur geeignet gewesen seien, wird nicht erfordert; demgemäß wird der § auch da anwendbar, wo nur eine unbefugte Aneignung von Fallwild stattgefunden hat: ZI. 20. Febr. 63 (RdO. III, 307). — Bezüglich der im Schlußsätze de« § erwähnten Schlingen re. wird vor­ ausgesetzt, daß sie zum Einsangen des Wildes ausgestellt rc. waren; hier ist daher von einem Dei-sich-sühren keine Rede; vgl. übrigens n. 7. 3. Der Thäter muß die Gegenstände in dem Augenblicke „bei stch geführt haben" wo er sich des Jagdvergehens schuldig machte; daher bleibt der § außer An­ wendung, wenn Jemand sich unter Zurücklassung seines Gewehres in unberechtigter Jagdfolge in ein fremdes Jagdrevier begiebt, oder wenn er ein angeschoffeneS, in ein fremdes Jagdrevier übergetretenes Wild durch seinen Hund verfolgen läßt, wäh­ rend er selbst im eigenen Jagdrevier bleibt (in diesem Falle ist nur der Hund ein­ zuziehen): ZU. 27. Juni 67, DI. 26. Sept. 73 (RdO. Vin, 424; XIV, 583). — Dagegen ist es nicht unerläßlich, daß das Gewehr rc. in das fremde Jagdrevier ge­ bracht sei; z. B. wenn das Jagdvergehen in der Weise verübt wurde, daß der Thäter aus seinem Jagdreviere nach einem im fremden Nachbarreviere sich befindenden Wilde schoß (§ 292 n. 3). — Auf Jagdgeräthe, welche nicht der Thäter, sondern sein Gehülfe bei stch führte, findet § 295 keine Anwendung; vgl. aber n. 7. 4. Mit Rückficht auf diesen § kann die vorläufige Beschlagnahme der Geräthe selbst durch einen Privatjagdausseher bewirkt werden: ZII. 20. Febr. 73 (RdO. XIV, 152). 5. Die einzuziehenden Gegenstände find speziell im Urtheile zu bezeichnen; wo dieses nicht möglich ist, fällt die Einziehung weg: Münch. 4. Febr. 73 (St.Z. II. 204). Eine allgemein erkannte Einziehung „der mitgeführten Jagdgeräthe" wäre unvollstreckbar; ste würde die Abnahme eines ManiseflationSeideS (vgl. § 40 n. 18) nicht rechtfertigen. Auch ist (bei Nichtigkeitsstrafe) im Urtheile festzustellen, daß der Thäter das ^Jagdgeräthe", auf dessen Einziehung erkannt wird, hei Verübung der That mit sich geführt habe: Münch. 27. April 78 (DEntsch. VIH, 211). Dgl. übrigens n. 7. 6. In Betreff der Vollstreckung der Einziehung vgl. Pr. JMDf. v. 28. Nov. 1860 (JMbl. f. 435), und in Betreff der über die konfiScirten Gewehre rc. zu treffenden Verfügungen: Pr. JMVff. v. 6. Juli 1854 und 8. Aug. 1868 (JMbl. 54 s. 294; 68 s. 265); Jnn.-MDf. v. 6. Sept. 1876 (DMbl. 77 s. 123). 7. Durch § 295 werden die §§ 40. 42, insoweit sie die Einziehung auch noch in anderen den Voraussetzungen des § 295 nicht entsprechenden Fällen gestatten, nicht ausgeschloffen; ebenso: DU. 23. Nov. 76 (RdO. XVII, 759). Der Instanzrichter kann daher auch solche Gegenstände, welche zur Begehung des verübten Jagd­ vergehens (z. B. eines gewerbsmäßigen unbefugten Jagens) bestimmt gewesen find, sowie die einem Gehülfen gehörenden einziehen, selbst wenn fie bei Verübung des Vergehens nicht mitgeführt find. Ebenso ist es gestaltet, auf die im § 40 für zulässig erklärte Einziehung selbstständig zu erkennen, falls die Derurtheilung einer be­ stimmten Person nicht ausführbar ist (§42); contra: Jena 76 (Doll. 24 s. 273). 8. Im Uebrigen vgl. die Bemerkungen zu §§ 40. 42.

664

Thl. n. Abschn. XXV. Strafbarer Eigennutz ic — § 296.

§. 296. Wer zur Nachtzeit, bei Fackellicht oder unter Anwendung schädlicher oder erplodirender Stoffe unberechtigt fischt oder krebst, wird mit Geldstrafe bis zu sechshundert Mark oder mit Gefängniß bis zu sechs Monaten bestraft. [I. Entw.: § 354 Nr. 12; H. Entw: § 292; Rvv. v. 26. Febr. 1876 Art. I; Pr. StGB.: § 273.) Dgl. § 370 Nr. 4; RGBG. § 75 Nr. 14. Preußen: Dgl. ALR. I. 9 §§ 170-192; II, 15 §§ 73-78 (Rh.) Ges. v. 14. flor. X; iRH.) StRG. v. 30. pluv. XIII; (Rh) Ges. v. 23. Juni 1833; (Berg.) Pol..Edic»e v. 1594 u. 1596; Gef. v. 14. April 1856 Art. I; Fischerei. Ges. v. 30. Mai 1874 u. die AuSführ.-Bdn. v. 11., 15., 20. Mai u. 2. Nov. 1877 (GS. 141 ff. 235 ff.). § 296. 1. Dieser §, sowie § 370 Nr. 4, bestraft den unberechtigten Eingriff in das einem Anderen zustehende Recht, Fische (Krebse), welche sich weder in seinem Eigenthume noch in seinem Gewahrsam befinden, mit Ausschließung Dritter zu okkupiren. Die widerrechtliche Aneignung fremder, im Gewahrsam eines Anderen befindlicher Fische rc. ist Diebstahl; vgl. § 242 n. 10. 12. — Demgemäß bezeichnet „Fischen (Krebsen)" die Vornahme von Handlungen zur unmittelbaren Besitznahme von Fischen oder Krebsen in offnen Gewässern § 292 n. 8). Dgl. jedoch § 370 n. 13. 2. Aus andere Thiere, als Fische und Krebse find die §§ 296. 370 Nr. 4 nicht auszudehnen, sollten jene auch (wie z. B. Blutegel nach ALR. I, 9 § 170) der Fischereigerechtigkeit mit unterliegen; contra: Münch. 6. Juli 77 (BEntsch. VII, 281: speciell bezüglich der Perlmuschelthiere); vgl. § 242 n. 10 und (in Betreff der Fisch. Otter) § 292 n. 24. 3. Die Berechtigung zu fischen rc. ist nach den Landesgesetzen zu beurtheilen; vgl. für Preußen ALR- I, 9 §§ 172—192, II, 15 §§ 73—78. Fisch.-Ges. v. 30. Mai 1874 § 7; für das linke Rheinufer: Ges. v. 14. flor. X, StRG. v. 30. pluv. XIII, Ges. v. 23. Juni 1633: für das ehemalige Herzogth. Berg die Pol.-Ddn. v. 1594 und 1596; letztere verbot nicht nur das Fischen, sondern auch daS Krebsen in fremden, nicht gemeinen Gewäffern: DKH. 27. Nov. 48 (RA. 43. II, 63). 4. In Betreff deS „unberechtigten" Fischend re. vgl. § 292 n. 1 ff. Ein solches liegt auch da vor, wo Jemand über die Grenzen seines beschränkten Rechts hinausgegangen ist: VI. 9. Mai 66 (RdO. VII, 286), nicht aber da, wo Jemand mit Erlaubniß des Berechtigten z. B. des FischereipächterS fischt, sollte dem letzteren auch in seinem Pachtverträge die Uebertragung seines Rechts auf Dritte untersagt gewesen sein: 5311. 16. Nov. 54 (Rh. Sache). — Das unberechtigte Fischen ist, in Ermangelung der im § 296 vorgesehenen erschwerenden Umstände, nur eine aus § 370 Nr. 4 zu bestrafende Übertretung. 5. In Betreff des Dolus vgl. § 292 n. 14 ff. 6. Macht der Angeschuldigte den Einwand: er habe die Berechtigung zu der ihm zur Last gelegten Handlung gehabt, so wird im Geltungsbereiche der Pr. NStPO. (Art. 486 ff.) das zu § 292 n. 6 in. Gesagte anwendbar; dasselbe gilt im Gebiete des Rheinischen Rechtes. Dagegen findet in den übrigen Pr. Provinzen das Ges. v. 31. Jan. 1845 (Ges. v. 14 Apr. 1856 Art. II) bei Fischereivergehen keine Anwendung, insoweit nicht einzelne Fischerei-Ordnungen das Gegentheil auösprechen, z. B. die für das Oder-Haff v. 2. Juli 1859 §49 (GS. f. 68); so: BI. 9. Mai 66, ZI. 16 Nov. 66. 28. Apr. 69, 7. Dez. 70 (RdO. VII, 286. 645; X, 275; XI, 592). — Für die Folge ist allgemein nur § 261 der RStPO. maßgebend. Im Übrigen vgl. § 242 n. 7 in. 7. Der § 296 zählt drei gleichgestellte Fälle auf; er wird sonach bei jedem nächtlichen Fischen und ebenso bei jedem Fischen bei Fackellicht oder mittels schädlicher rc. Stoffe anwendbar. 8. In Betreff der „Nachtzeit" vgl. § 293 n. 4. — Zum „Fackellicht" gehören verschloffen (in Lampen, Laternen rc.) gehaltene Flammen nicht, wohl aber Strohfackeln, brennende Stabe oder Spähne; so: Meveö s. 261. — Als „schäd­ liche oder explodirende Stosse" wurden beispielsweise ausgezählt: ungelöschter

$61. II. abfän. XXV. (Strafbarer Eigennutz:c. — 5§290.296a.

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§. 296a. Ausländer, welche in den Deutschen Küsten­ gewässern unbefugt fischen, werden mit Geldstrafe bis zu sechs­ hundert Mark oder mit Gefängniß bis zu sechs Monaten Bestraft. Neben der Geld- oder Gefängnißstrafe ist auf Einziehung der Fanggeräthe, welche rer Thäter bei dem unbefugten Fischen bei sich geführt hat, ingleichen der in dem Fahrzeuge Kalk, Fenchelkörner, Dynamit: Stenogr. Der. s. 730; vgl. sranz. Ordonn. v. August 1669 (tit. 31 art. 14). 9. Die Novelle Hai durch Streichung des früheren Abs. 2 da« Vergehen aus der Reihe der Antragsvergehen ausgeschieden. 10. Anderweitige, in den Landesgesetzen (z. B. in den bestehenden FischereiOrdnungen) enthaltene Strafbestimmungen sind durch § 296 nicht außer Kraft gesetzt, insofern der dort vorgesehene Thatbestand nicht ein unbefugtes Fischen (Krebsen) zum Gegenstände hat: EG. § 2 Abs. 2. Das gilt auch von solchen Be­ stimmungen, welche das Hineinwersen von schädlichen Stoffen in das Wasser mit Strafe bedrohen, sobald dasselbe nicht als das Mittel zu einem unberechtigten Fischen rc. benutzt wird; ebenso von den Vorschriften, durch welche die Ausübung der Fischerei für gewisse Zeiten untersagt wird. 11. Zuständigkeit und Verfahren vgl. Pr. Ges. v. 14. April 1856 Art. I; NStPO. § 11; Zuständigkeit der Rheinpr. Polizeigerichte für die durch besondere Gesetze vorgesehenen Fischereisrevel vgl. EG. z. Pr. StGB. Art. XX. — Für die Folge vgl. RGDG. § 75 Nr. 14.

§ 296a. 1. Nach den Grundsätzen des Völkerrechts (vgl. Hesster, d. europ. Völkerrecht, §§ 75. 76) gehört eö zu den Befugnissen des KüstenflaatS, die Benutzung der Küsten­ gewässer insbesondere auch in Betreff der Fischerei zn regeln, dieselbe den Inländern vorzubehalten und Ausländer vom Flschen in diesen Gewässern auszuschließen. Im Hinblick auf wiederholte Klagen deutscher Fischer, daß sie durch Uebergriffe auSläubischer Fischer innerhalb der deutschen HoheitSgrenze beeinträchtigt würden, erschien eine Strafbestimmung erforderlich, um dem unbefugten Fischen von Ausländern in den deutschen Küstengewässern wirksam entgegentreten zu können; so: die Mot. (s. 66) zur Novelle, welche demgemäß diesen § in das StGB, eingeschoben hat. 2. Ueber den Begriff „Ausländer" vgl. § 8 n. 4 ff. Demgemäß sind Ausländer auch solche Nicht-Deutsche, welche im Inlande einen Wohnsitz haben; contra: MeveS f. 348. — Zur Anwendbarkeit des § wird erfordert, daß der Ausländer im eignen Interesse und nicht im Dienste sowie im Auftrage eines Inländers fische, wie andererseits selbst die inländischen Gehülfen eines unbefugt fischenden Ausländers aus § 296a (in Verbindung mit § 49) strafbar find: MeveS f. 349. 3. Ter Ausdruck „fischen" ist hier wohl in einem weiteren Sinne, als im § 296 zu nehmen und aus den Fang anderer Seethiere, als Fische mitzubeziehen, insofern sie. wie z. D Austern und Hummer, nach dem allgemeinen Sprachgebrauch« „gefi'cht" zu werden pflegen. Dagegen ist derselbe auch für Preußen nicht aus dem Pr. Fischereigesetze v. 30. Mai 1874, Z 2 zu erläutern. — Daß ein Fang bereits gemacht sei, ist nicht nöthig; vgl. § 296 n. 1, MeveS s. 350. 4. Zur Erläuterung des Ausdrucks „Küstengewässer", welcher in § 145 wiederkehrt und dort der (offenen) „See" gegenübergestellt wird, vgl. § 8 n. 3 und Hesster 1. c. MeveS s. 349 glaubt denselben für den Bereich der Pr. Küste auS dem Sinne deuten zu dürfen, welchen das Pr. Fischereigesetz (n. 3) mit dem Aus­ drucke „Küstenfischerei" im Gegensatze zur „Binnenfischerei" verbindet [?]. 5. Der § bedroht nur das „unbefugte" Fischen mit Strafe. Der Aus­ druck „unbefugt" giebt dem Zweifel Raum, ob darunter jedes Fischen ohne vorher erwirkte Erlaubniß, oder nur ein solches Fischen verstanden sei, welches entgegen einem (bereits erlassenen oder noch zu erlassenden) Verbote der betreffenden Staats-

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Thl. II. Abschn. XXV. Slrasbarer Eigennutz,c. - §§296-298.

enthaltenen Fische zu erkennen, ohne Unterschied, ob die Fanggeräthe und Fische dem Verurtheilten gehören oder nicht. [I. II. Snt».: (fehlte); Nvv. v. 26. gebe. 1876 Art. II; Pr. StGB, (sehlte)j. Bgl. § 296; RGDG. § 75 Nr 14. Preußen: Vgl. Fischerei-Ges. v. 30. Mai 1874 (GS. s. 197).

§. 297. Ein Reisender oder Schiffsmann, welcher ohne Vorwissen des Schiffers, ingleichen ein Schiffer, welcher ohne Vorwissen des Rheders Gegenstände an Bord nimmt, welche das Schiff oder die Ladung gefährden, indem sie die Beschlag­ nahme oder Einziehung des Schiffes oder der Ladung veran­ lassen können, wird mit Geldstrafe bis zu eintausendfünfhundert Mark oder mit Gefängniß bis zu zwei Jahren bestraft. fl. Cntw. § 277; II. Entw.: § 293; Pr. StGB.: § 278.] Dgl. R-Seem.-Ordn. v. 27. Dez. 1872 §§3. 75. 76. 84. 95. 100. 102 103 (RGbl. s. 408); D. HGB. Artt. 564. 565. 674.

§. 298. Ein Schiffsmann, welcher mit der Heuer ent­ läuft, oder sich verborgen hält, um sich dem übernommenen Dienste zu entziehen, wird, ohne Unterschied, ob VaS Vergehen regierung stattfinde. Die Motive (n. 1) scheinen der letzteren Alternative das Wort zu reden, mithin das Bestehen, -zw. den Erlaß eine- ausdrücklichen Verbots vorauszusetzen; contra: MeveS f. 350 (hält „unbefugt" für gleichbedeutend mit: unbe. rechtigt). 6 In Betreff des DoluS vgl. § 292 n. 14 ff. 7. In Betreff der „Einziehung der Fanggeräthe" rc. vgl. die Bemer­ kungen zu § 295. Dieselbe ist daher obligatorisch; ebenso: MeveS f. 351; contra: Anh. z. Sch. s. 22. Die gebrauchten Fahrzeuge unterliegen nicht der Einziehung. 8. Eine Ueberweisung der Verhandlung rc. in den hier fraglichen Sachen an die dereinstigen Schöffengerichte findet nicht statt; vgl. RGVG. § 75 Nr. 14.

§ 297. 1. „SchiffSmann" umfaßt auch dieSchiffSoffiziere mit Ausschluß des ..Schif­ fers" (Kapitains), sowie nicht minder alle sonstigen auf dem Schiffe Angestellten (Maschinisten, Auswärter rc.): R.-Seem.-Ordn. v. 27. Dez. 1872 § 3; ebenso: DI. 27. März 78 (RdO. XIX, 165: speziell in Betreff der Heizer auf Dampfschiffen); contra: MeveS i. StRZ. XIII, 389. 2. CS ist hier vorzugsweise an die Mitnahme von Konterbande (Brannt­ wein, Kriegsbedarf rc.) gedacht; vgl. GM. II, 624. 3. Zum Thatbestände gehört das Bewußtsein deS Handelnden, daß die betr. Gegenstände das Schiff in der angegebenen Weise gefährden; eines weiteren Dolus z. B. einer eigennützigen Abficht bedarf es nicht: HS. II, 388; vgl. Abschn. 25 (s. 645) n. 1. 4. Geschieht die Handlung im Jnlande, so wird der § anwendbar, ohne Unterschied, welcher Nationalität das Schiff oder der Angeschuldigte ist. Das inlän­ dische Schiff gilt auch auswärts als „Inland"; vgl. § 8 n. 3.

§ 298. 1. „SchiffSmann" vgl. § 297 n. 1. 2. Der erhaltenen Heuer ungeachtet kann der SchiffSmann seine Entlassung fordern, wenn eine der Voraussetzungen der §§61—64 der R.-Seem.-Ordn. zu­ trifft; entzieht er fich in einem solchen Fall dem Dienste ohne Genehmigung des Seemanns-Amts, so trifft ihn nicht die Strafe des § 298, sondern die des § 83 1. c.; vgl. MeveS i. StRZ. XIII, 390.

Thl. II. Abschn. XXV. Strafbarer Eigennutz,c. — §§298.299.

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im Jnlande oder im Auslande begangen worden ist, mit Ge­ fängniß bis zu Einem Jahre bestraft. [I. Emw.: §§ 248. 249 Nr. 2; II. Entw.: § 294; Pr. StGB.: § 279.] Dgl. § 4; R-.Seem-.Ordn. v. 27. Dez. 1872 §§ 3. 29. 61-64. 81-83. 100. Preußen: Dgl. ALR. II, 8 § 1542; Ges. v.20.Mr, 1854 §§ 1.2 (GS. f. 137); Pr. EG. z. HGB. Art. 56.

§. 299. Wer einen verschlossenen Brief oder eine an­ dere verschlossene Urkunde, die nicht zu seiner Kenntnißnahme bestimmt ist, vorsätzlich und unbefugter Weise eröffnet, wird mit Geldstrafe bis zu dreihundert Mark oder mit Gefängniß bis zu drei Monaten bestraft. Die Verfolgung tritt nur auf Antrag ein. (I. Entw.: § 279; II. Entw.: § 295; Pr. StGB.: § 280.| Vgl. §§61 ff. 354. 358; RPostgef. e. 28. Oft 1871 § 5; RGBG. § 27; RStPO. § 447. Preußen: Dgl. ©erfass, v. 31. Jan. 1850 Art. 33; Krim..Ordn. §§ 123ff.; NS,PO. § 104. 3. Der Schiffsmann „entläuft bezw. hält sich verborgen mit der Heuer", wenn er sich entfernt rc., ehe er die vorschußweise empfangene Heuer ganz abverdient hat; entläuft rc. er ohne Heuer, so wird §81 (Abf. 1. 2.) der R.-Seem.-Ordn. an­ wendbar. Ob er den Dienst bereits angetreten hat, oder nicht, ist für die Anwend­ barkeit des § 298, bzw. des eit. § 81 (Abf. 3) gleichgültig: DI. 27. März 78 (RdO. XIX, 165). 4. Die Worte: „ohne Unterschied, ob das Vergehen im In- oder im AuSlande begangen worden ist", sind zugesetzt worden, weil die Handlung in England und Amerika straffrei ist, und sonach eventuell auch an Deutschen nicht gestraft werden könnte (§ 4 Nr. 3): Mot. s. 140. Daraus ist indessen nicht zu folgern, daß wegen der Verübung der That im Auslande nur der Deutsche gestraft werden könne; der § findet auch auf Ausländer unbedingt Anwendung, sobald das Schiff die Reichsflagge führt (arg. §8 n. 3); Puch. n. 2; contra: Schw. f. 54 (46); vgl. Merkel i. HH. III, 843. 5. Die Verfolgung des im Auslande begangenen Vergehens ist hier nicht fa­ kultativ, wie in den Fällen des § 4 Abf. 2; vgl. dort n. 9. § 299. 1. „Eröffnen" bezeichnet hier das Beseitigen des DerfchluffeS eines Briefes rc. in der Weife, daß dadurch eine Kenntnißnahme vom Inhalte ermöglicht wird; daß eine solche erfolgt fei, daß ein Fremder Kenntniß genommen habe, ist nicht erforderlich. — Eine Zerstörung des Verschlusses sammt dem Inhalte gehört nicht hierher: ZI. 20. März 72 (RdO. XIII, 211). 2. Als DoluS genügt die „Vorsätzlichkeit" des ErössnenS verbunden mit dem Bewußtsein der mangelnden Defugniß; einer weitergehenden Absicht (z. B. Kenntniß von dem Inhalte der Schrift zu nehmen oder Gewinnsucht) bedarf es nicht: Mot. f. 170; ZI. 15. März 54 (GA. II, 839: Fall des § 354); Münch. 28. Juni 78 (BEntfch. VIII, 348); Merk. i. HH. m, 844; contra (in Betr. des ersten Punktes): Meyer f. 253. 3. Der Ehemann ist befugt, die von feiner Frau geschriebenen Briefe, so lange sie noch nicht in die Hand deS Adressaten gelangt sind, zu öffnen, ohne Unterschied, wie er ihren Besitz erlangt hat; ebenso kann er die Briefe derselben von der Postbehörde reklamiren und an sich behalten, Alles ohne dazu der Mitwirkung einer Behörde zu bedürfen: ZU. 21. Oft. 58 (GA. VII, 118); contra (als Regel und vorbehaltlich der durch besondere Umstände gerechtfertigten Ausnahmen): Dreöd. 30. Nov. 74 (StZ. V, 164). 4. In Betreff der Fälle, wo eine amtliche Eröffnung fremder Briefe gestattet ist, vgl. § 354 n. 1. 2.

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THI. II. Abschn. XXV.

Strafbar» Eigennutz rc. — § 300.

§. 300« Rechtsanwälte, Advokaten, Notare, Verthei­ diger in Strafsachen, Aerzte, Wundärzte, Hebeammen, Apo­ theker, sowie die Gehülfen dieser Personen werden, wenn sie unbefugt Privatgeheimnisse offenbaren, die ihnen kraft ihres Amtes, Standes oder Gewerbes anvertraut sind, mit Geld­ strafe bis zu eintausendfünfhundert Mark oder mit Gefängniß bis zu drei Monaten bestraft. Die Verfolgung tritt nur auf Antrag ein. II. Emw.: § 280; n. Entw.: § 296; Pr. StGB.: § 155.] Vgl. §§ 61 ff. 139; RStPO. § 52 Nr. 2. 3; REPO. § 348; RGVG. § 75 Nr. 14. 5. Der Strafantrag steht Demjenigen zu, welcher zur Zeit daö Derfügungsrecht über den Brief hat, also bis zum Eintreffen destelben beim Adrestaten: dem Absender: ZU. 14. Febr. 78 (RdO. XIX, 71); Reber d. 377; contra: KlebS i. GA. XIX, 571; Nessel s. 29 (halten beide für antragSberechtigt). 6. Begeht ein Post-Beamter das Vergehen an einem der Post anvertrauten Briefe, so werden die §§ 354. 358 anwendbar. 7. Zuständigkeit der dereinstigen Schöffengerichte, Zulässigkeit amtSrichterlicher Strafbefehle; vgl. RGBG. §27 Nr. 2; RStPO. § 447.

§ 300. 1. Die Strafandrohung ist auf andere, als die aufgezählten Personen, z. B. auf Geistliche, aus Arbeiter (Fabrikgeheimnisse) nicht auszudehnen; dagegen kommt es auf die in den verschiedenen Bundesstaaten für die betr. Stellungen gebräuchlichen Bezeichnungen nicht an; es genügt, wenn die Funktionen denen der aufgezählten Amtsstellungen entsprechen. Demgemäß umfaßt der Ausdruck: „Rechtsanwalt" auch den französtschrechtlichen re. Anwalt, ebenso „Notar" alle Beamten der frei­ willigen Gerichtsbarkeit. — Der Geburtshelfer ist „Arzt". 2. Aus den Worten: „die ihnen kraft ihres Amtes, Standes oder Gewerbe- anvertraut fhib", erhellt, daß nur solche Personen hierher gehören, welche auS der betr. Thätigkeit in bleibender Weife ein Geschäft machen; eS gehören also diejenigen nicht hierher, welche mir im Einzelfalle eine solche Thätigkeit (wenn auch gegen Entgelt) übernommen haben; wohl aber RechtSpraktikanten und Referendarien, wenn ihnen eine der erwähnten gerichtlichen Thätigkeiten übertragen ist. 3. Den aufgezählten Personen ist ein „Privatgeheimniß anvertraut", sobald dasselbe ihnen auS Veranlassung ihrer Stellung und Thätigkeit und in Betreff eines Gegenstandes, auf welchen sich diese Thätigkeit bezog, somit aus Veranlaffung des dabei in sie gesetzten Vertrauens bekannt geworden ist. Das gilt namentlich auch von den „Gehülfen" der Rechtsanwälte rc-, an welche regelmäßig ein förm­ liches „Anvertrauen" deö GeheimniffeS nicht erfolgt. 4. Eine strafbare Absicht (zu schaden oder Gewinn zu erzielen re.) wird nicht erfordert, auch der leichtsinnige Vertrauensbruch wird bestraft: Mot. f. 140. 5. Der Umstand, daß die Veröffentlichung zu wissenschaftlichen Zwecken (z. B. die Darstellung eines Krankheitszustandes durch den behandelnden Arzt) erfolgte, schließt die Bestrafung nicht auS; kann der wiffenfchaftliche Zweck nicht ohne Offenbarung des fremden GeheimniffeS erreicht werden, so ist die Statthaftigkeit der letzteren durch die Zustimmung de« Betheiligten bedingt; vgl. Stenogr. Ber. s. 732; contra: Schw. s. 724 (738). 6. Antrags berechtigt ist Derjenige, welchem zur Zeit die Befugniß zusteht, über die Offenbarung des GeheimniffeS Bestimmung zu treffen: eventuell auch der Rechtsnachfolger der Partei rc.: Reber n. 378. 7. Die Frage, inwiefern Jemand angehalten werden könne, über die ihm als Geheimniß anvertrauten Thatsachen ein Zeugniß abzulegen, kann ihre Lösung nicht auS § 300 finden, da dieser nur von einem „unbefugten" Offenbaren spricht, ein vom Richter erzwungenes Zeugniß also nicht strafbar fein kann. ES ist daher in jedem Einzelfalle zu untersuchen, inwiefern die allgemeine gesetzliche Zeugnißpflicht

Thl. H. Abschn. XXV. Strafbarer Eigennutz re. — §§300.301.

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§. 301. Wer in gewinnsüchtiger Absicht und unter Be­ nutzung des Leichtsinns oder der Unerfahrenheit eines Minder­ jährigen sich von demselben Schuldscheine, Wechsel, Empfangsbekenntniffe, Bürgschaftsinstrumente oder eine andere, eine Verpflichtung enthaltende Urkunde ausstellen, oder auch nur mündlich ein Zahlungsversprechen ertheilen läßt, wird mit Ge­ fängniß bis zu sechs Monaten oder mit Geldstrafe bis zu ein­ tausendfünfhundert Mark bestraft. Die Verfolgung tritt nur auf Antrag ein. (I. Entw.: §§ 263. 265; II. Evtw.: §§ 297. 299; Pr. StGB.: (fehlte!.) Vgl. 8 302. Preußen: «gl. (Ges. v. 2. Mär, 1857: GS. s. 111); Ges. v. 12. Juli 1875. aus besonderen obwaltenden Gründen (nach der Natur der Stellung der betr. Ver­ trauensperson) eine Ausnahme erleide: Befchl. I. 22. Jan. 62 (RdO. n, 214); vgl. in dieser Beziehung Oppenh. Pr. Strasverf. § 20 n. 4 ff.; Deschl. II. 6. Juni 63 (RdO. III, 488: in Betreff eines altländischen Notars); rücksichtlich der französisch­ rechtlichen Notarien ist die Frage streitig: Gilb C. d’instr. er. art. 80 n. 10; art. 322 n. 45—47; Sir. 44. 1. 257 Note. — Obige Frage erledigt sich dereinst zum erheblichen Theile dadurch, daß § 52 der RStPO. die Vertheidiger, Rechtsanwälte und Aerzte ausdrücklich für berechtigt erklärt, ihr Zeugniß in Ansehung desjenigen, was ihnen in jener Eigenschaft, bezw. in Ausübung ihres Berufs anvertraut ist, zu verweigern, und daß § 348 Nr. 5 der RCPO. eine ähnliche Bestimmung zu Gunsten aller Personen trifft, welchen kraft ihres Amtes, Standes oder Gewerbes Thatsachen anvertraut sind, deren Geheimhaltung durch ihre Natur oder durch ge­ setzliche Vorschrift geboten ist; vgl. auch ib. § 349 Nr. 3. Macht Jemand von jenem Rechte keinen Gebrauch, so handelt er gleichwohl nicht ..unbefugt", und ver­ fällt daher nicht der Strafe des § 300: Löwe StPO. f. 315. Inzwischen bestimmt Abs. 3 des eit. § 348, daß die Vernehmung der unter Nr. 5 bezeichneten Personen selbst im letztgedachten Falle nicht auf Thatsachen zu richten sei, in Ansehung welcher erhelle, daß ohne Verletzung der Pflicht zur Verschwiegenheit ein Zeugniß nicht ab­ gelegt werden könne. 8. Bedingte Zuständigkeit der dereinstigen Schöffengerichte: RGDG. § 75 Nr. 14. §301.

1. Die Absicht, bei einem Geschäfte den gewöhnlichen kaufmännischen Ge­ winn zu ziehen, ist eine „gewinnsüchtige": ZI. 11. Nov. 63 (RdO. IV, 162). — Gleichgültig ist es, ob der Thäter den Gewinn für sich, oder für einen Andern sucht: ZI. 20. Jan. 65 (RdO. V, 431). — Einer anderweitigen böSltchen Absicht bedarf es nicht: ZII. 12. Nov. 63 (RdO. IV, 195). 2. Bei „Minderjährigen", welchen ausnahmsweise die vollen DiSpositionöbefugniffe eines Großjährigen beigelegt worden sind, bleibt der § außer Anwendung; das gilt auch von der Emanzipation in Gemäßheit des C. civ. am. 482 ff. 3. Nur Derjenige kann den Leichtsinn oder die Unerfahrenheit eines Minder­ jährigen benutzen, welcher Kenntniß von der Minderjährigkeit hat; dazu be­ darf es nicht einer genauen Bekanntschaft mit dem Lebensalter; der Instanzrichter kann jene Kenntniß annehmen, wenn der Gläubiger nach den obwaltenden Umständen jene Thatsache vernünftiger Weise, nicht bezweifeln konnte. Inwiefern ein obwaltender Zweifel und die absichtliche Vermeidung alles desjenigen, was dazu geeignet war, diesen Zweifel zu heben, als eine Kenntniß von der Minderjährigkeit anzusehen sei, unterliegt dem thatsächlichen Ermessen---- Hatte der Angeschuldigte von der Minder­ jährigkeit Kenntniß, so ist eS gleichgültig, ob im Uebrigen Umstände vorliegen, nach welchen der Minderjährige füglich für großjährig gehalten werden konnte: ZU. 12. Nov. 63 (RdO. IV, 195).

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Thl. II Abschri. XXV. Strafbarer Eigennutz rc. — §301.

4. Handelt der Thäter mit jener Kenntniß (n. 2), so schließt der Umstand, daß der Minderjährige sich wahrheit-widrig für großjährig ausgegeben hat. die Bestrafung nicht auS; da- Gegentheil ist nicht daraus zu folgern, daß der RT. einen diesen Fall vorsehenden Zusatz-Paragraphen gestrichen hat: Sten. Ger. s. 737 ff. 5. Die „Benutzung des Leichtsinn-" rc. ist ein von der Kenntniß der Minderjährigkeit verschiedene-, somit der besonderen Feststellung bedürfende- Merkmal. Don einer solchen kann keine Neve sein, wenn da- betr. Geschäft unter Zustimmung de- Vaters (Vormunds) zu Stande gekommen ist: DI. 29. Apr. 68 (RdO. IX, 293). Dem steht eine spätere Genehmigung de- Vater- rc. nicht gleich: ZI. 11. Mai 61 (GA. IX, 565); ebensowenig der Umstand, daß ein großjähriger Dritter die Zahlung-verbindlichkeit de- Minderjährigen mit übernommen hat: ZI. 11. Nov. 63 (RdO. IV, 162). 6. Treffen die Voraussetzungen de- § zu, so ist e- gleichgültig, welcher recht­ lichen Natur die vom Minderjährigen übernommene Verbindlichkeit ist und auf welchem thatsächlichen Vorgänge fie beruht; insbesondere ist nicht erforderlich, daß e- an einem zur Begründung einer Verbindlichkeit geeigneten Vorgang fehle, oder daß er stmulirt sei. Ebensowenig wird die Strafbarkeit dadurch nothwendig auögeschloffen, daß der Minderjährige da- Geschäft zu einem berechtigten Zwecke (z. B. zur Erlangung eine- nothwendigen Leben-bedürsniffe-) eingegangen ist: ZI. 3. Juni 59 (GA. VH, 531). Endlich kommt e- nicht daraus an, ob da- Geschäft recht­ lich verbindlich sei, ob e- eine Klage (v SB. eine Bereicherung-klage) gegen den Minderjährigen begründe oder nicht. 7. Dagegen wird bei den betr. Urkunden, insbesondere auch bei den Em­ pfang-bekenntnissen vorausgesetzt, daß sie eine „Verpflichtung" begründen; eine Quittung über die erfolgte Berichtigung einer Forderung gehört nicht hierher. Aus welchen Gegenstand sich diese Verpflichtung bezieht, ist gleichgültig; die Ver­ pflichtung zu einer Handlung genügt (ander- im Falle de- § 302); nicht minder ob da- Geschäft den Charakter eine- Kreditgebens an stch trägt; die Ausstellung, Acceptation oder Girirung eine- Wechsels genügen; desgleichen, ob da- Schriftstück zur Zeit der Unterzeichnung schon vollständig vorhanden war, oder ob demselben erst später mit dem Willen des Unterzeichners durch Ausfüllung der urkundliche, die Verpflichtung begründende Charakter gegeben wurde (Pr. AGO. I, 10 § 134; StGB. § 269): ZI. 22. Nov. 76 (RdO. XVII, 752); vgl. BI. 3. Olt. 66 (ib. VII, 503: betraf ein auf ein Wechselformnlar gesetztes Dlanco-Accept). 8. „Zahlung-versprechen" ist jede mündliche Uebereinkunst über Erfüllung einer Leistung: Z. 7. Sept. 70 (RdO. XI, 433); BI. 26. Jan. 76 (ib. XVII, 61: hierher könne selbst die Bitte um Kredit als Zusage der Zahlung einer auf Kredit zu komrahirenden Schuld gerechnet werden). Dagegen dürfte eine nur durch konkludente Handlungen übernommene Verbindlichkeit nicht ausreichen, da das Gesetz ausdrücklich eine Schrift oder ein mündliches Versprechen erheischt; contra: cit. Z. 7. Sept. 60. 9. Der § 301 findet auf Denjenigen, welcher sich eine in Zuwiderhandlung gegen da« Strafverbot Pipulirte Forderung gegen einen Minderjährigen cediren läßt, keine Anwendung; Abs. 3 de- § 302 bezieht sich nur aus den in dem letzteren vorgesehenen Fall. 10. Wiederholte Zuwiderhandlungen gegen den § begründen eine Realkonkurrenz (§ 74): DI. 13. Jan. 64 (RdO. IV, 285). 11. Zur Stellung de- Strafantrag- ist der Minderjährige als „Verletzter" (§ 65) auch dann befugt, wenn er (wegen der Unverbindlichkeit des Rechtsgeschäft-) schließlich keine Beschädigung erleidet; vgl. n. 6. In Betreff der Antrag-frist vgl. § 61 n. 27; demgemäß beginnt dieselbe für den Minderjährigen erst dann, wenn er von der gewinnsüchtigen Benutzung seine- Leichtsinn- re. die nöthige Erkenntniß ge­ wonnen. bezw. die erfolgte Uebervortheilung erkannt hat; so: Münch. 19. Febr. 76 (StZ. VI, 29). 12. Eine Ueberweisung der Verhandlung rc. wegen der hier fraglichen Fälle an die dereinstigen Schöffengerichte findet nicht statt: RGDG. § 75 Nr. 14.

Thl.

Il Abschn. XXVI. Sachbeschädigung. - §§302.303.

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§. 302. Wer in gewinnsüchtiger Absicht und unter Benutzung des Leichtsinns oder der Unerfahrenheit eines Minder­ jährigen sich von demselben unter Verpfändung der Ehre, auf Ehrenwort, eidlich oder unter ähnlichen Versicherungen oder Betheuerungen die Zahlung einer Geldsumme oder die Er­ füllung einer anderen, auf Gewährung geldwerther Sachen ge­ richteten Verpflichtung aus einem Rechtsgeschäfte versprechen läßt, wird mit Gefängniß bis zu Einem Jahre oder mit Geld­ strafe bis zu dreitausend Mark bestraft. Neben der Gefängnißstrafe kann auf Verlust der bürger­ lichen Ehrenrechte erkannt werden. . Dieselbe Strafe trifft denjenigen, welcher sich eine For­ derung, von der er weiß, daß deren Berichtigung ein Minder­ jähriger in der vorbezeichneten Weise versprochen hat, abtre­ ten läßt. Die Verfolgung tritt nur auf Antrag ein. |I. Goto.: §§264. 265; II. Goto.: §§298. 299; Pr. StGB, (sthlte)-l vgl. §§ 301. 32. 35. Preußen: vgl. (Ges. v. 2. März 1857: GS. s. 111); Ges. v. 12. Juli 1875.

Sechsundzwanzigster Abschnitt. Sachbeschädigung. §. 303 Wer vorsätzlich und rechtswidrig eine fremde § 302.

1. Dieser § steht, trotz der Verschiedenheit der Fassung, in der Hauptsache denselben Thatbestand wie § 301 vor; er unterscheidet sich nur insofern, als er das Versprechen der „Zahlung einer Geldsumme - oder der Erfüllung einer anderen auf Gewährung geldwerther Sachen (also nicht auf Handlungen) gerichteten Ver­ pflichtung aus einem Rechtsgeschäfte voraussetzt und außerdem als BestärkungSmittel dieses Versprechens eine Verpfändung der Ehre rc. — Somit treffen die Bemerkungen zu § 301 auch hier zu. 2. „Geldwerthe" Sache ist jeder Gegenstand, welcher einen nach Geld abzu­ schätzenden Werth hat; also nicht nur fungible Sachen, welche gleich dem Gelde umlaufen (Börsenpapiere oder dgl.): Merk. i. HH. III, 846; contra: Meyer n. 4. 3. Bei der Verpflichtung „unter Verpfändung der Ehre, aus Ehren­ wort'' rc. ist es gleichgültig, ob diese Bestärkung vom Minderjährigen aus eigenem Antriebe oder auf Deranlaffung des Gläubigers hinzugefügt ist, sobald nur der letztere dieselbe angenommen hat: ZI. 20. Dez. 67 (RdO. VIII, 809). Ebenso Ist es un­ wesentlich, ob diese zusätzliche Verpflichtung in daS Schnlddokument mit aufgenommen oder mir mündlich ausgesprochen ist. 4. Aus den Verlust der re. Ehrenrechte re. kann neben der Gesängnißstrafe nur dann erkannt werden, wenn diese drei Monate erreicht: §§ 32. 35. 5. Auch beim Cessionar wird vorausgesetzt, daß er Kenntniß von der Minderjährigkeit Desjenigen hatte, welcher sich in der angegebenen Weife verbindlich gemacht hat: VI. 7. Okt. 70 (RdO. XI, 505). § 303.

1. Die Beschädigung rc. muß „vorsätzlich" verübt, also der Wille aus die Beschädigung gerichtet gewesen sein: eine bei Gelegenheit rechtswidrigen Gebrauchs

672

Thl. n. Mschn. XXVI.

Sachbeschädigung. — § 303.

Sache beschädigt oder zerstört, wird mit Geldstrafe bis zu eintausend Mark oder mit Gefängniß bis zu zwei Jahren be­ straft. vorgekommene Fahrlässigkeit reicht nicht au6: DU 13. Dez. 66 (RdO. VII, 547); noch auch da« Bewußtsein, daß nach dem gewöhnlichen Lause der Dinge die Be­ schädigung ic. die Folge der Handlung sein werde, (sofern nicht vom Jnstanzrichter aus diesem Bewußtsein jener Vorsatz gefolgert wird): HS. II, 545; contra: Vl. 28. Jan. 59, ZI. 5. Dez. 73 (Entsch. 40. II. 21; RdO. XIV, 781); vgl. Schütze s. 501; Schw. s. 727 (743). Dagegen braucht die Beschädigung nicht der Endzweck der Handlung zu sein; der § trifft auck da zu, wo die Beschädigung rc. nur das gewollte Mittel zur Erreichung emes an sich nicht strafbaren Zweckes war: ZI. 4. März 63, Münch. 14. April.77 (RdO. m, 319; DEntsch. VII, 152); vgl. n. 3. Geschah die Beschädigung zur Erreichung eines strafbaren Zwecks, so liegt IdealKonkurrenz vor: Beschl. I. 16. Mai 60 (JMbl. s. 273); contra: Lüder DermögenSbefchädigung s. 96. 2. Außerdem wird das Bewußtsein der Rechtswidrigkeit" (v. 3) vor­ ausgesetzt: DI. 18. Mai 70, DreSd. 12. Juni u. 2. Dez. 72, 7. Juli 73 (RdO. XI, 312; StZ. II, 126. 244; SGZ. XVII, 216). Ein Handeln im Glauben an eine vermeintliche Befngniß oder in der Boraussetzung einer demnächstigen Billigung durch den Eigenthümer der Sache ist straflos: DI. 23. Febr. 65, 9. Juni 69 (RdO. V, 462; X, 407). Das gilt selbst dann, wenn jener Glaube auf einer unrichtigen RechtSanschaunng beruhte: ZI. 14. Febr. 67, ZU. 28. Juni 77 (RdO. VIII, 119; XVIII, 490); vgl. oben s. 123 n. 7. 3. Die Handlung muß „rechtswidrig" sein. Die Ausübung des eigenen Rechts kann einen Eingriff in fremde Rechte nicht rechtfertigen, Niemand darf also fremde Sachen deshalb beschädigen, weil er ohne eine solche Beschädigung sein eigenes Recht nicht auszuüben vermag, das StGB, erkennt den DermögenS-Nothstand als Strafausschließungsgrund nicht an: § 54 n. 3; contra: DI. 19. Dez. 77 (RdO. XVIII, 803: wenn die Hülfe des Staats zur Abwendung eines unwiederbringlichen Nachtheils zu spät kommen würde: Pr. ALR. Einl. § 78); DII 6. April 76 (RdO. XVII, 261: wer zum Schutze seiner Früchte auf sein Grundstück Gift lege und so das Krepiren des Federviehs des Nachbarn vorsätzlich herbeiführe, handle im Falle eines Nothstandes, d. h. im Falle des Mangels an jedem anderen Mittel zur Er­ reichung jenes Zwecks nicht rechtswidrig). Sonach ist die Verletzung eines fremden Rechts nur dann und nur insoweit straflos, als entweder besondere Gesetze (vgl. z. B. D. HGB. Art. 565; R.-Seem.-Ordn. v. 27. Dez. 1872 §75; Pr. FPO. §§ 16, 44; Rh. Rur.-Ges. v. 28. Sept. 1791 Tit. 2 Art. 41) ausdrücklich eine Aus­ nahme begründen, oder aber die Voraussetzungen der Nothwehr vorliegen: ZI. 18. Mai 66 (RdO. VH, 308), wobei jedoch nicht übersehen werden darf, daß da« Recht der Nothwehr auch bei Angriffen auf Vermögensrechte, z. B. auf einen gesetzlich ge­ schützten Besitzstand eintritt; vgl. §53 n. 8, ZU. 7. Sept. 76 (RdO. XVII, 548: der Angeschuldigte hatte als Miteigentbümer eines Wegs behufs Aufrechterhaltung seines Besitzstandes ein von den Mitbesitzern zur Sperrung des Wegs bestimmtes Stocket, bevor deffen Errichtung vollendet war, mithin vor vollzogener Besitzentsetzung zerstört); ZU. 28. Juni 77 (clt. n. 2: betraf Zerstörung eine- ZaunS zur Aufrechterhaltung des Besitzes einer Wegegerechtigkeit). Das Gegentheil ist nicht daraus zu folgern, daß die „unerlaubte Selbsthülfe" als solche nicht mit Strafe bedroht ist; dadurch wird die durch eine andere zutreffende Gesetzesstelle begründete Strafbarkeit nicht ausgeschlossen: ZI. 30. Ott. 74, ZU. 29. April 75 (RdO. XV, 729; XVI, 324); HS. U, 545. Demgemäß findet in einem solchen Falle nach Pr. Verfahren auch nicht die Verweisung jener Berechtigungseinrede zum CivilrechtSwege (nach dem Gesetze v. 31. Jan. 1845 oder der NStPO. § 486) statt: ZII. 12. Mai 70 (RdO. XI, 300). Alles dieses gilt selbst dann, wenn die zum Zwecke der Selbsthülse zer­ störte Sache polizeilichen Anordnungen nicht entsprach und ihre Beseitigung polizei­ lich angeordnet war; auch das giebt einem Privaten nicht das Recht, jene Sache zu zerstören: ZI. 23. Jan. 63 (RdO. m, 239). 4. Eine spezielle Gestattung der Selbsthülse durch Beschädigung rc. fremder

Th». H Abschn. XXVI.

SachbeschLdigung. — §303.

673

Der Versuch ist strafbar. Die Verfolgung tritt nur auf Antrag ein. Ist das Vergehen gegen einen Angehörigen verübt, so ist die Zurücknahme des Antrages zulässig. [I. Entw.: § 281; II. Entw.: § 300; N°v. v. 26. gebt. 1876 Art. I. Pr. StGB.: § 281.] «gl. §§ 133. 265. 274 Nr. 1; 304. 305; RGVG. § 27. 75. Preußen: Dgl. FPO. § 14. 43. 45; NEB. Art. LH; NStPO- § 448—450. Sachen enthalten die Gesetze, welche die Iagdberechtigten rc. unter gewissen Vor­ aussetzungen befugt erklären, fremde im Jagdreviere herumlaufende Hunde zu tödten. Das Pr. ALR. II, 16 § 64—67 gestattet dem Jagdberechtigten (nicht anderen Per­ sonen) die ungeknüppelt frei umherlaufenden gemeinen (nicht die ohne Verschulden der Besitzer übergelaufenen Jagd-) Hunde zu tödten: Zll. 29. Nov. 60 c. Dick­ mann; VII. 15. Mai 79 (RdO. XX, 264). Dasselbe gilt provinzial-rechtlich in Westpreußen und im Netze-Distrikte (Forst-Ordn. v. 8. Okt. 1805 Tit. 3 §§ 9. 10. 12): OTr. I. Civ.-Seu. 29. Sept. 62 (StA. 45 s. 347). In Ostpreußen und Litthaueu dürfen die Forstbedienten und Jagdberechtigten die umherlaufenden Hunde tödten (Forst-Ordn. v. 3. Dez. 1775 Tit. 10 § 10, Tit. 14 §32, welche weder durch Art. III—VII des Publ.'ö-PatentS z. ALR., noch durch § 240 des Ostpreuß. Prov.-RechtS aufgehoben sind): ZI. 10. Dez. 73 (RdO. XIV, 788). Jo der Provinz Posen (mit Ausnahme des Netze-Distrikts) ist den Jagdberechtigten, selbst da, wo kein Wald ist, das Tödten der in ihrem Reviere ledig umherlaufenden Jagdund Windhunde gestattet, ja sie können dieses Recht auch auf ihre Bediensteten über­ tragen (Publ. der Südpreuß. Kr.- u. Dom.-Kammer v. 1. März 1794 § 3K; AKO. v. 30. Mai 1841; Pos. AmtSbl. 1842 f. 145ff.), ZI. 23. Sept. 70, 1. Okt. 75 (RdO. XI, 477; XVI, 622); vgl. Entsch. 30 s. 189; 45 s. 354; StA. 43 s. 201. Für Schlesien hat die Jagd-Ordn. v. 19. April 1756 Tit. 15 § 8; Tit. 20 § 1; Tit. 19 §§ 1. 2 (Korn Ed.-Sammt. 10 s. 41) es den Kgl. Forstbedienten er­ laubt, ungeknüppelte Hunde nach vorheriger Verwarnung der Besitzer zu erschießen, insofern sie nicht ohne Verschulden der letzteren übergelauken sind; die nngeknüppelten Hunde der Schäfer und Bauern können von den Forstbedienten ohne Weiteres er­ schossen werden; sodann gestattet vie Cirk.-Ddn. v. 12—27. Okt. 1779 (Korn 16 s. 199) Jedem da« Erschießen der aufsichtslos im Felde umherlaufenden Hunde unbeschränkt: ZI. 6. Dez. 67 (RdO. VIII, 776). — Auf dem linken Rheinufer im Gebiete des ehemaligen GG.'s f. d. NMRh. ist das Erschießen der frei umherlaufenden Hunde den Forstbeamten gestattet (GGBdn. v. 18. Aug. 1814 § 9 Nr. 3), ohne daß zwischen den Hunden der Jagdberechtigten und anderen Hun­ den unterschieden wäre: Komp..GH. 13. Mai 71 (JMbl. s. 231); ähnliches bestimmt daS Bergische Edikt v. 12. Jan. 1734; der Jagdberechtigte hat auf dem linken Rhein­ ufer und im ehemaligen Herzogthume Berg eine solche Befugniß nicht: BKH. 12. Okt. 40 (RA. 30. II. 75), AH. Köln 15. März 53 (Tr. Ann. VII, 278); contra: ZKH. 31. Mai 54 (Dolkm. f. 392). Dasselbe gilt in den ehemals Kursächsischen LandeStheilen: ZU. 23. Jan. 68 (RdO. IX, 45). In Betreff des rechtsrheinischen Theils des ehemaligen KurfürftenthumS Köln vgl. Bdn. v. 3. Juli 1765 (Scotti II, 854). — Alle derartige Gestattungen sind auf ihren Wortlaut zu beschräukeu: setzen die­ selben einen „(Itbiß) herumlaufenden" Hund voraus, so sind sie auf solche Thiere, welche sich unter der unmittelbaren Aufsicht eines Menschen im Revier befinden, nicht auszudehnen; ebenso scheiden sie aus, sobald der Hund unter Aufsicht genommen ist, oder daS Revier verlassen hat: ZI. 3. Febr. 65, 23. Sept. 70 (RdO. V, 462; XI, 477). Durch eine Polizei-Vdn. kann in Preußen das Tödten freiumherlausender, ungeknüppelter Hunde nicht ohne jede Beschränkung Jedwedem erlaubt werden: DI. 5. Okt. 77 (RdO. XVIII, 621). — Die dem Jagdberechtigten ertheilte Befugniß steht Demjenigen nicht zu, welcher von jenem die Erlaubniß zu jagen in nicht rechtsverbindlicher Weise erlangt hat: Zll. 8. Mai 74 (RdO. XV, 296). — Wo es an positiven Vorschriften fehlt, ist das Tödten der rc. Hunde strafbar; vgl. BAnn. 34 f. 222; 38 s. 219. 268; contra: Komp.-GH. 13. Okt. 77 (BMbl. 78 s. 62: nahm an, daß ein Förster in Ausübung des ihm anvertrauten Jagdschutzes einen im Waldrevier jagenden fremden Hund schon nach allgemeinen RechtSgrundOppenhoff, D. Strafgesetzbuch.

7. Au-g.

43

674

Thl. H. Abfchn. XXVI. Sachbeschädigung. — § 303.

sätzen todten dürfe), DI. 19. Dez. 77 (eit. n. 3: für den im Pr. ALR. Einl. § 78 vorgesehenen Fall). — Anders verhall es sich, wenn auf Grund polizeilicher Anord­ nung ein die öffentliche Sicherheit gefährdender Hund gelödtet wird: ZI. 29. Jan. 62 c. Sänger. 5. Der § fetzt eine (körperliche) „Sache" voraus; vgl. über diesen Begriff § 242 n. 2ff.; demzufolge ist auch die Beschädigung öffentlicher Wege (beim Mangel der Boraussetzungen der §§ 304. 305) aus § 303 zu bestrafen: Münch. 22. Juli 76 (BEntsch. VI, 389). — Dagegen kann ein Begriffsganzes als solches nicht Gegen­ stand des Vergehens sein: MeveS f. 263; vgl. n. 9. Die Beeinträchtigung einer fremden Berechtigung (z. B. Nachdruck) gehört gleichfalls nicht hierher. 6. Die Sache mutz eine „fremde" sein; vgl. hierüber § 242 n. 6ff. Der Eigenthümer tonn das Bergehen nicht verüben, sollten auch durch die von ihm vor­ genommene Beschädigung (dingliche oder persönliche) Rechte Dritter (z. B. deö Be­ sitzers, Hypothekengläubigers, PfaudgläubigerS, Pächters, Käufers rc.) beeinträchtigt werden: HS. II, 543. 548; contra: ZI. 1. Febr. 71 (RdO. XU, 64), welches die Zerstörung aufstehender von einem Dritten gesäeter Pflanzen durch den Nutzungs­ berechtigten (trotz Pr. ALR. I, 9 § 221) für strafbar erachtete, so lange jenem Drit­ ten die ihm gebührenden Bestellung-kosten (§ 276 ff. 1. c.) nicht ersetzt seien. — Was vom Eigenthümer, gilt auch von seinem Stellvertreter, z. B. vom Ehemanne, inso« weit er die EigenthumSrechte seiner Frau ausübt. Doch erachtete Münch. 7. Dez. 74 (BEntsch. IV, 562) den Ehemann für strafbar, wenn er Sachen seiner nicht in Gütergemeinschaft mit ihm lebenden Frau, au denen ihm nur das BerwallungSund NutznietzungSrecht zusteht, zerstöre. — Dagegen kann sich der Miteigenthümer (Gesellschafter) des Bergehens schuldig machen: ZI. 16. Okt. 61 c. Westphal; vgl. § 274 Nr. 1; dem steht in Betreff der Handelsgesellschafter Art. 111 deö HGB.'S nicht entgegen, da er stch nur auf das Verhältniß der Gesellschaft zu Dritten be­ zieht: Stuttg. 5. Juli 76 (WGHl. XII, 201). Alsdann kommt, wenn es sich um Abschätzung des Schadens, z. B. zur Feststellung der strafgerichtlichen Kompetenz, handelt, nur der an dem Antheile der anderen Miteigenthümer angerichtete Schaden in Betracht: Jena 75 (Voll. XXIII, 85); vgl. RGBG. §27 Nr. 7. 7. Aus demselben Grunde (n. 6) gehört die Beschädigung einer herrenlosen Sache selbst dann nicht hierher, wenn einem Andern das ausschließliche Okkupations­ recht zusteht. 8. „Beschädigung (Zerstörung)" ist jede körperliche Einwirkung, durch welche die Sache (wenn auch nur zeitweise) eine Beeinträchtigung der Brauchbarkeit zu der ihr eigenthümlichen Zweckbestimmung erleidet; wie im Uebrigen auf die Sache ein­ gewirkt wird, ob mechanisch, chemisch, oder in irgend einer andern Weise, ist gleich, gültig: HS. II, 543. Demgemäß gehört auch eine (durch Waschen zu hebende) Be­ schmutzung hierher. Auch wird keineswegs erheischt, daß die Handlung die Inte­ grität der Sache beeinträchtige, vielmehr genügt eine mit derselben vorgenommene Aenderung, wodurch ste aufhört, ein BermögeuSobjekt zu fein, z. B. wenn sie in einen tiefen Fluß geworfen oder wenn ein gefangenes Thier in Freiheit gesetzt oder daS Ausströmen von Dampf (GaS rc.) veranlaßt wird: Lüder 1. c. f. 73. 81; HS. 1. o.; Schütze s. 499 n.7; Puch, n.6; Schw. s. 727(742); ML. f. 441; MeveS f. 266; contra: Merk. i. HH. III, 853; Rüd. n. 6. Dagegen gehört eine bloße Besitzent­ ziehung (Wegnahme) nicht hierher, z. B. ein verstecken der Sache; daher liegt nur ein Versuch vor, wenn Jemand eine fremde Sache in der Absicht, ste dem Eigen­ thümer zu entziehen, ins Wasser wirst, dieselbe aber sofort unversehrt wieder heraus­ geholt wird; so: ZI. 6. März 67 (RdO. VIII, 154). 9. ES ist eine Beschädigung, wenn eine künstlich zusammengesetzte Sache durch Zerlegung in ihre einzelnen Theile zu ihrem Zwecke unbrauchbar gemacht wird. Z. 27. Apr. 72 (RdO. XIII, 284) wandte den § auf die Auflösung eines zusammen­ hängenden Bienenschwarms an, da letzterer nicht lediglich ein Begriff-ganzes, sondern ein zusammengesetztes AeueS Ganze, eine f. g. counexe Sache sei; contra: MeveS s. 263; Münch. 10. Dez. 75 (BEntsch. V, 549) erblickte in dem Herausnehmen der den Fußboden einer Wohnstube bildenden Bretter eine Beschädigung im Sinne des § 303, obgleich diese Bretter nicht niet- oder nagelfest mit dem Hause verbunden

Thl. II. Abschn. XXVI.

Sachbeschädigung. — § 303.

675

waren. Das Gegentheil ist jedenfalls anzunehmen, wenn die Zerlegung nur vor. übergehend zu dem Zweck erfolgte, um einen Theil der Sache momentan zu gebrauchen und dann das Ganze vollständig (ohne alle Benachtheiligung) wiederherzufielleu: ZI. 6. Dez. 71 (RdO. XH, 624). 10. Nicht minder ist es eine „Beschädigung", weun die Sache dadurch unbrauch. bar (ober weniger brauchbar) gemacht wird, daß man fremde Körper in einer nicht mehr zu scheidendeu Weise darunter mischt (z. B. Saud unter das Getreide, Wasser unter den Wein, Säen von Unkraut in einen Acker): Lüder s. 82. 11. Daß die Sache eine Werth- oder daß ihr Eigenthümer rc. eine VermögensVerringerung erfahren habe, ist nicht wesentlich: ZU. 9. Olt. 73, DreSd. 26. Apr. 78 (RdO. XIV, 616; SGZ. XXII, 277); HS. H. 545; Lüder f. 59. 85. 113; (die Ueberschrist des 26. Abschnitts lautet deshalb: „Sachbeschädigung", nicht: „VermögenSbeschädigung", wie Tit. 26 des Pr. StGB.'S); vgl. § 274 Nr. 1. Demgemäß wird der Thatbestand durch die gleichzeitige Leistung eines vollständigen Ersatzes nicht ausgeschlossen: HS. II, 550. Ebenso verhält es sich, wenn die Sache durch die Handlung in rem des Eigenthümer« verwendet wird (z. B. Verfuttern an das Thier des letzteren). 12. Die Strafe trifft auch denjenigen, welcher die Handlung nicht selbst vornimmt, sondern in irgend einer Weise einen Dritten dazu veranlaßt, im guten Glauben die beschädigende Handlung vorzunehmen: ZI. 18. Dez. 68 (RdO. IX, 754); Puch. n. 6; vgl. § 47 n. 3. DaS gilt selbst dann, wenn in dieser Weise der Eigenthümer durch Täuschung veranlaßt wird, eine von ihm als solche nicht gewollte Beschädigung seiner Sache vorzunehmen, insofern derselbe dabei nur nicht in straf­ barer Absicht handelte: Schütze s. 501 n. 7; contra: Lüder 1. c. (.71; HS. II, 544. 549; Schw. s. 729. 13. Selbst mittels Unterlassung einer durch die Amts- oder Berufspflicht gebotenen Handlung kann eine „Sachbeschädigung" verübt werden; so: MeveS s. 267. 14. Hat das StGB, oder eins der im § 2 Abs. 2 des EG.'S speziell hervor­ gehobenen besonderen Reichs- oder LaudeSgesetze einen konkreter gestalteten Fall der Sachbeschädigung, (welcher also an sich unter den im § 303 aufgestellten Begriff fallen würde,) vorgesehen, so schließt die betr. Vorschrift die Anwendbarkeit des § 303 und des Grundsatzes der Ideal-Konkurrenz selbst daun aus, wenn jene Gesetze eine geringere Strafe androhen; vgl. § 73 n. 6. DaS gilt z B. von den in den Forstund Feldpolizei-Gesetzen vorgesehenen Weide- (HütungS-) oder sonstigen FeldFreveln; vgl. in Betreff der hieran anknüpfenden Streitfrage, ob in Württemberg die Zerstörung von Obstbäumen als Sachbeschädigung oder al« Feldexzeß zu bestrafen sei, Stuttg. 26. Aug. 76, 10. Juli 76 u. Bücher (WGbl. XII, 313. 395; XV, 30. 113). Die Pr. FPO. (§§ 14. 15. 41-45) läßt in solchen Fallen eine Bestrafung aus § 303 nur dann eintreten, wenn die Handlung aus Rache oder Bos­ heit verübt war: VI. 9. Juni 69 (RdO. X, 407). — Dagegen enthält § 370 In Nr. 1. 2 keine den § 303 in Bezug auf Wege absorbirende Bestimmung, da die dort vorgesehenen Uebertretungen den Begriff der „Sachbeschädigung" nicht in sich ausnehmen, wohl aber mit Mißthaten im Sinne der §§ 303—305 ideell konkurriren können: Münch. 22. Juli 76 (eit. n. 5). 15. Ebenso bleibt § 303 außer Anwendung, wenn eine Sachbeschädigung eine andere mit ihr zusammentreffende Miß that qualifizirt, z. D. Einbruch beim Diebstahl; vgl. § 73 n. 6. — DaS ist aber nicht aus den Fall auszudehnen, wo eine Sachbeschädigung als Vorbereitung für eine demnächst zu begehende anderweite Mißthat begangen wird. 16. Der Antrag auf Verfolgung kann nicht blos von dem Eigenthümer (Miteigenthümer, z. B. der Ehefrau in Betreff einer GütergemeinschaftSsache: Münch. 3. Febr. 73, StZ. n, 244; dem Gesellschafter: Stuttg. 5. Juli 76, cit. n. 6), sondern von jedem gestellt werden, welcher durch die Handlung eine Beeinträchtigung seines Rechts (selbst eines blos persönlichen: ZU. 18. Dez. 77, RdO. XVIII, 795) erlitten oder an der Erhaltung der Sache ein wesentliches Interesse gehabt hat (ZII. 24. Okt. 78, GA. 26 f. 504), z. B. von dem für die Erhaltung der Sache verant­ wortlichen Inhaber, vom Miether, wenn dessen Gebrauchsrecht in quantitativer oder qualitativer Hinsicht eine widerrechtliche Einbuße erlitten hat: VI. 5. Febr. 79 (RdO. XX, 64), oder wenn er kontraktlich verpflichtet ist, für die beschädigte Sache den

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Thl. n. Abschn. XXVI. Sachbeschädigung. — § 304.

§. 3041. Wer vorsätzlich und rechtswidrig Gegenstände der Verehrung einer im Staate bestehenden Religionsgesell­ schaft, oder Sachen, die dem Gottesdienste gewidmet sind, oder Grabmäler, öffentliche Denkmäler, Gegenstände der Kunst, der Wissenschaft oder des Gewerbes, welche in öffentlichen Samm­ lungen aufbewahrt werden oder öffentlich aufgestellt sind, oder Gegenstände, welche zum öffentlichen Nutzen oder zur Ver­ schönerung öffentlicher Wege, Plätze oder Anlagen dienen, be­ schädigt oder zerstört, wird mit Gefängniß bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bis zu eintausendfünfhundert Mark bestraft. Neben der Gefängnißstrafe kann auf Verlust der bürger­ lichen Ehrenrechte erkannt werden. Der Versuch ist strafbar. [I. Entw.: § 282; II. Entw.: § 301; Pr. StGB.: § 282]. Dgl. §§ 133. 168. 303. 305. 317. 32. 35; RGBG. § 75 Nr. 12. Preußen: Dgl. FPO. v. 1. Nov. 1847 §§ 42. 43. 45; NStPO. §§ 448-450; Chausseegeldtarif v. 29. Febr. 1840 Zusätzl. Dorschr. Nr. 19. Werth zu erlegen: Münch. 18. Aug. 76 (BEntsch. VI, 433), vom Kommodatar: ZU. 14. Dez. 71 (9?bO. XII, 655); Schütze s. 500 n. 5; vgl. § 65 n. 1. 3; contra: Herzog i. GSaal 26 f. 209. 227. Wer zur Antragsstellung ermächtigt sei, wenn der Staat oder eine Körperschaft verletzt worden, darüber vgl. WGbl. XV, 277. 17. Abs. 4 ist ein Zusatz der Novelle, welche außerdem das Maximum der Geldstrafe erhöht hat. In Betreff des Begriffs „Angehöriger" vgl. § 52. 18. Zuständigkeit in den Fällen der §§ 303. 304: Pr. NStPO. §§ 448ff., RGVG. §§75. 27.

§304.

1. Abgesehen von der Besonderheit der ausgezählten Gegenstände, setzt der § denselben Thatbestand wie § 303 voraus, mit der Ausnahme, daß er nicht verlangt, daß die Sache eine „fremde" fei. Hat jedoch Jemand die freie Verfügung über die eigene Sache, so macht er sich — selbst wenn sie zu den im § erwähnten gehört — durch ihre Zerstörung rc. nicht strafbar, da seine Handlung dann keine „rechtswidrige" ist, es sei denn, daß durch die im § vorausgesetzte Zweckbestimmung sein Recht vermöge gesetzlicher Vorschrift oder besonderer Rechtsverhältnisse in der Weise beschränkt wäre, daß er sie diesem Zwecke nicht entziehen durfte (Deisp.: Jemand beschädigt die auf seinem Boden zum öffentlichen Nutzen errichteten Uferschutzwerke): ZI. 18. Mai 66 (RdO. VH, 308), Münch. 22. Nov. 72, 27. Febr. 73, 18. Juli 73, 6. Sept. 75 (StZ. II, 129; III, 34 ; BEntsch. TU, 80; V, 436). Dgl. n. 4. 2. Als Dolus (§ 303 n. 1. 2) wird hier auch die Kenntniß (das Bewußtsein) vorausgesetzt, daß die beschädigte Sache zu den im § aufgezählten gehöre: DI. 18. Mai 70 (RdO. XI, 312). 3. Der § bezieht sich auf die „Gegenstände der Verehrung rc." aller im Staate bestehenden Religionsgesellschaften, ohne Unterschied, ob diese Korporations­ rechte erlangt haben oder nicht. 4. Bei den „dem Gottesdienste gewidmeten Gegenständen" bedarf es keiner Weihe. — Kirchen sind dem Gottesdienste gewidmet: ZI. 17. Okt. 60 (GA. VIII, 845). An ihnen können sich sogar die auf Grund eines Beschlusses des KirchenvorpandeS handelnden Mitglieder desselben aus § 304 strafbar machen, vor­ ausgesetzt, daß jener Beschluß mit einem Beschlusse der höheren kirchlichen Instanz in Widerspruch steht; sie handeln dann eben nicht in Vertretung des Eigentümers und in Vollziehung seines Willens (n. 1), sondern als Vollzieher ihres eignen: ZI. 8. Dez. 75 (RdO. XVI, 777). 5. Ein Grabhügel ist kein „Grabmal" (sondern ein Theil des Grabes);

THI. II

Abschn. XXVI.

SachbeschLdigung. — §§ 304.305.

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§. 305. Wer vorsätzlich und rechtswidrig ein Gebäude, ein Schiff, eine Brücke, einen Damm, eine gebaute Straße, die Beschädigung eine- solchen ist nur aus § 168 zu bestrafen; ebenso: ZI. 20. Sept. 76 (RdO. XVII, 581). 6. Der Begriff „öffentliche- Denkmal" setzt nicht nothwendig einen for­ mellen Akt der Uebergabe an ein öffentliche- Gemeinwesen voraus; demgemäß sind, auch ohne daß ein solcher Akt vorgekommen wäre, die mit Genehmigung der vor­ gesetzten Staatsbehörde in der Kirche angebrachten Gedenktafeln für gefallene Krieger „öffentliche Denkmäler": AG. Kiel 21 Sept. 75 (StZ. VI, 33). 7. Za Betreff der „Gegenstände der Kunst" vgl. § 133 n. 12. —Eine Sache ist „öffentlich aufgestellt", wenn sie sich an einem allgemein zugänglichen Orte zu dem Zwecke befindet, um dort von Zedermann in Augenschein genommen zu werden. Eme „Sammlung" ist „öffentlich", wenn sie von Staatswegen zu einem gemeiunützigen Zwecke bestimmt ist; hierher sind auch zoologische Gärten (die darin befindlichen Thiere) zu rechnen. 8. „Zum öffentlichen Nutzen dienen" die zum allgemeinen Ge­ brauche bestimmten Sachen; es genügt nicht, wenn eine Sache im öffentlichen Eigenthume steht: V. 20. Jan. 69 (RdO. X, 37). Dagegen kommt es nicht in Betracht, ob sie ihrem Zwecke mehr oder weniger entspricht, ob ihre Einrichtung (z. B. ein Wegweiser) eine dauernde oder leicht vergängliche ist: ZI. 19. Juni 68 (RdO. IX, 397); DreSd. 13. Febr. 71 (StZ. I, 308), und ob sie schon bei ihrer Herstellung für jenen Zweck bestimmt war: DreSd. 9. Aug. 78 (SGZ. 23 s. 53). 9. Ein Gegenstand „dient" nur dann „zur Verschönerung öffentlicher Wegerc.", wenn ihm diese Eigenschaft bestimmungsmäßig beiwohnt; auch hier genügt es also nicht, wenn die beschädigte (fremde Privat») Sache zufällig zur Ver­ schönerung des Wege- re. beiträgt; vgl. ZI. 6. Mai 70 (RdO. XI, 288). 10. Zm Falle der Beschädigung re. von Bäumen und Sträuchern rc., welche zur Verschönerung eine- öffentlichen Wege-rc. dienen, wird die Pr. FPO. (§ 42 Nr. 3) durch § 304 ausgeschlossen; so: VIl. 19. Dez. 61, ZI. 26. Nov. 73 (RdO. II, 164; XIV, 755). Die- ist jedoch nach ZI. 12. März 79 (RdO. XX, 132) nur so zu verstehen, daß die Beschädigung als solche aus § 304 bestraft werden muß; insofern ein landesrechtliches Feldpolizeigesetz sich auf den Felddiebstahl beziehe, bleibe dasselbe gemäß § 2 de- EG. und vorbehaltlich der Vorschrift de- § 73 an» wendbar, werde daher auch nicht etwa durch die §§ 242ff. ersetzt. 11. Ueber den Begriff der „Beschädigung" vgl. § 303 n. 8ff. Hier ist zu berücksichtigen, ob durch die Handlung der besondere Zweck, welchem die aufge­ zählten Sachen dienen, irgendwie beeinträchtigt wird. Da- Abpflücken von Früchten, Blumen oder Blättern, das Abschneiden einzelner Ruthen aus einer Weidevpflanzung, das Abbrechen eines abgestorbenen Baumes rc. sind noch keine „Beschädigung" der betr. Anlage: DI. 6. Mai 64, ZI. 20. März 67 (RdO. IV, 493; VIII, 189); ZI. 19. Jan. 59 c. Müller; vgl. Pr. FPO. § 42 Nr. 1; NEV. Art. III § 2 Nr. 1. Dagegen ist da- Umstürzen eines aufgestellten Wegweisers, selbst ohne sonstige Verletzung, als Beschädigung (Zerstörung) desselben anzusehen: ZI. 8. Okt. 62 (RdO. II. 59). 12. Nach demselben Gesichtspunkte ist die Frage zu lösen, ob die Beschädignng eines Theiles eine- solchen Gegenstände- (z. B. eines KirchenseusterS) als Beschä­ digung deö Gegenstände- selbst anzusehen sei: ZI. 17. Okt. 60 (cit. n. 4). 13. Zn dem hier vorgesehenen Falle ist die Strafverfolgung nicht durch einen Antrag de- Verletzten (§ 303) bedingt: ZI. 17. Nov. 71 (RdO. XII, 587). 14. Auf den Verlust der re. Ehrenrechte rc. kann neben der Gesängnißstrase nur erkannt werden, wenn diese drei Monate erreicht: §§ 32. 35. 15. Im Uebrigen vergl. die Bemerkungen zu § 303 und § 317 n. 3.

§ 305. 1. Dieser § sieht nicht, wie die §§ 303. 304, ein „Beschädigen oder Zerstören", sondern ein „ganz oder theilweise Zerstören" vor; es wird sonach eine Hand-

678

Thl. II. Rbschn. XXVI. Sachbeschädigung. - § 305.

eine Eisenbahn oder ein anderes Bauwerk, welche fremdes Eigenthum sind, ganz oder theilweise zerstört, wird mit Ge­ fängniß nicht unter Einem Monat bestraft. Der Versuch ist strafbar. [I. Gntto.: § 283; II. Eutw.: § 302; Pr. StGB.: $ 283.] Dgl. §§ 303. 304. 265. 306. 307. 311. 315. 321. 323; R-.Mil..StGB.: § 58 Nr. 2. Preußen: Dgl. FPO. § 43 Nr. 1. 4; 916-5. Art. HL § 3 Nr. 1. 4. hing vorausgesetzt, durch welche das Gebäude rc. ganz oder theilweise zu seiner Be­ stimmung unbrauchbar gemacht wird. Geringere leicht herstellbare Beschädigungen fallen nur unter die §§ 303 oder 304; vgl. n. 3. 6. 7 und DreSd. 2. Juli 75 (SGZ. XX, 72). 2. Der Gegenstand der Zerstörung muß „fremdes Eigenthum" sein. Dahin gehören auch res extra commercium, desgleichen bloßes Miteigenthum. Ebenso schließt der Auftrag eines MiteigenthümerS zur Zerstörung die „Rechts­ widrigkeit" der letzteren nicht auS: OTr. 22. Sept. 75 (StZ. VI, 361). 3. Theilweise Zerstörung des Gefängnisses zum Zwecke der Selbstbefreiung Seitens eines Gefangenen fällt unter diesen §; vgl. § 303 n. 1; § 120 n. 10. Als eine solche ist jedoch mit Rücksicht auf das unter n. 1 Gesagte das bloße Ausheben eines Brettes der Bedieluug einer Zelle, verbunden mit dem Durchbrechen der dar­ unter bestndlichen Schwartenverkleidung und Rohrdecke, nicht anzusehen: Dreöd. 3. Aug. 74 (StZ. V, 157). 4. Kähne und Gondeln stnd keine „Schiffe", wohl aber ein Seefischerboot, ein Floß oder eine Fähre: MeveS i. StRZ. Xm, 396. 5. Zu den „(gebauten) Straßen, welche fremdes Eigenthum flttb", zählen auch solche, welche nicht dem öffentlichen Verkehre dienen; vgl. n. 7; contra: DreSd. 4. Jan. 75 (StZ. VI, 35). Auch in anderer Hinficht hat der Ausdruck „Straße" hier eine weitere Bedeutung als in den §§ 242 Nr. 4, 250 Nr. 3, indem er Kanäle (als gebaute Wasserstraßen) mit umfaßt. „Gebaute Straßen" stnd von Men­ schenhand (regelrecht) angelegte Straßen; den Gegensatz bilden namentlich solche Wege, welche durch die Art der Benutzung eines Terrains von selbst entstanden find, sollte auch die Menschenhand (in untergeordneter Weise) nachgeholfen haben, um ste ihrem Zwecke dienlicher zu machen. DaS eit. Dreöd. 4. Jan. 75 folgert aus der Bezeichnung „gebaut" überdies, daß der Bau der Straße vollendet sein müsst. Im Uebrigeu vgl. n. 7. 8. 6. Handelt es fich um „Brücken" auf Privatwegen, so wird in Preußen § 43 Nr. 1 der Pr. FPO. (Art. m § 3 Nr. 1 der NGV.), § 305 aber nur dann anwendbar, wenn die Handlung auS Rache oder Bosheit geschah: eit. FPO. § 45; eit. NEV. Art. III. § 4; vgl. § 303 n. 4; contra: MeveS i. GSaal 26 s. 194 (sucht die Grenzlinie beider in der Erheblichkeit des verursachten Schadens). — Die Beschädigung eines Brückengeländers fällt nicht unter § 305, sondern unter § 303, wenn die Brücke selbst ohne Reparatur nach wie vor benutzbar blieb (n. 1): Münch. 23. Aug. 75 (BEntsch. V, 420). 7. Der § versteht unter „Eisenbahn" nur den unbeweglichen Theil der­ selben (§315: „Eisenbahnanlage"; vgl. unten n. 6), mithin nicht auch „Beförde­ rungsmittel und sonstiges Zubehör" (§315); dagegen unterscheidet er nicht zwischen den dem öffentlichen Verkehr dienenden und anderen Bahnen: Meveö 1. c. s. 193 fs. DreSd. 20. April 74, 4. Jan. 75 (StZ. V, 164; VI, 35) rechnen die Pferdebahnen nicht hierhin, sondern (insofern sie für den öffentlichen Verkehr bestimmt und vollen­ det stnd: n. 5) unter die „gebauten Straßen"; vgl. § 315 n. 2. Als (theil­ weise) Zerstörung ist bei einer Eisenbahn z. B. die Beseitigung einer Schiene, nicht aber das Auflegen von Gegenständen oder das Verschütten des Schienenwegs anzu­ sehen: MeveS 1. c. 8. AlS „Bauwerk" ist nur eine unbewegliche Sache anzusehen: eine beweg­ liche Hirtenbude (Schäferkarre) fällt nicht unter diesen Begriff; vgl. § 243 n. 13. 14; wohl aber ein Mühlenwehr: ZI. 21. Dez. 55 c. Swabina. Münch. 20 Febr. 74 (BEntsch. IV, 105) fordert eine gewisse Bedeutsamkeit des Baues, nicht aber den Zustand des DollendetseinS. Dagegen entschied ZU. 31. OK. 76 (RdO. XVII, 701),

Thl.

n.

Abschn. XXVII.

GemeingesShrliche Verbrechen ,c. —

$ 306.

679

Siebrniin-zwa»)igster Abschnitt *). Gemeingefährliche Verbrechen und Vergehen. §. 306. Wegen Brandstiftung wird mit Zuchthaus be­ straft, wer vorsätzlich in Brand setzt daß eine aus Steinen und Lehm erbaute, wenn anch baufällig gewordene Garten­ mauer ohne Rechtsirrthum als ein „Bauwerk", und das Wegreißen einzelner Steine als „theilweife Zerstörung" desselben angesehen werden könne. 9. Die Strafverfolgung ist nicht durch einen Antrag bedingt. 10. Wird durch die That eine Gefahr für das Leben oder die Gesundheit Anderer herbeigeführt, so wird unter Umständen in Jdeal-Konkurrenz § 321 an­ wendbar. — Ebenso kann der Thatbestand dieses § leicht mit einem der in den §§ 265. 306. 311. 315. 223 vorgesehenen Verbrechen ideell konkurrireu.

*) Siebenundzwanzigster Abschnitt. 1. Die Bezeichnung der in diesem Abschnitt behandelten Straffälle in der Ueberschrift als „gemeingefährliche Verbrechen re." darf nicht zur Ergänzung der in den einzelnen §§ vorgesehenen Thatbestände herangezogen werden. Demgemäß ist die Gemeingesährlichkeit nur insofern Thatbestandömerkmal, als sie ausdrücklich in der Begriffsbestimmung des betr. Falles hervorgehoben ist: wo dieses nicht zu­ trifft, schließt selbst der Nachweis, daß eine Gemeingefahr nicht obgewaltet habe, die Anwendbarkeit des betr. § nicht aus. 2. Auch in denjenigen Fällen, in welchen die objektive Gemeingesährlichkeit ein BegnffSerforderniß des einzelnen StraffalleS ist, braucht die Absicht deS Thäters nicht auf die Herbeiführung dieser Gefahr gerichtet zu sein: eS genügt das Bewußtsein von dem Vorhandensein einer solchen: ZI. 7. Juli 69, 1. April 70 (RdO. X, 488; XI, 225); vgl. § 307 n. 7. Einer ausdrücklichen Feststellung dieses Bewußtseins bedarf eS dann, aber auch nur dann, wenn dasselbe bestritten, bezw. wenn die Ausnahme deffelben in die Fragstellung ausdrücklich beantragt worden ist; Zachariä i. GA. III, 294. Ueber die Form dieser Fest« (Frag-) pellung vgl. § 59 n. 6: nur die festgestellte Unbekanntschaft schließt die Strafbarkeit aus. Unter der Herrschaft der RStPO. ist in der schwurgerichtlichen Frage stets die abstrakte Fassung deö Strafgesetzes beizubehalten, und hinsichtlich des Bewußtseins Nichts in jene aufzunehmen; vgl. oben s. 124 n. 8 a. E., § 59 n. 6 a. E. 3. Ist durch eines der hier vorgesehenen Verbrechen rc. der vom Thäter ge­ wollte Tod eines Menschen verursacht worden, so liegt in Jdeal-Konkurrenz T od tschlag (Mord) vor, und die §§ 212 (211). 73 werden anwendbar. §306. 1. Der § erheischt das „In Brand setzen" eines der unter Nr. 1—3 auf­ gezählten Gegenstände; daher genügt es nicht, wenn das Feuer an einem solchen Gegenstände angelegt d h. wenn ein brennender Zündstoff in die unmittelbare Nähe eines solchen gebracht ist: DI. 3. Febr. 53 (GA. II» 242); vielmehr muß daS Feuer von dem Zündstoffe dem Gegenstände selbst mitgetheilt sein, so daß dieser letztere brennt: der brennbare Theil deö Gegenstandes muß das Feuer in einer Weise nähren, daß ein Fortbrennen möglich wäre, selbst wenn jetzt der brennende Zündstoff entfernt würde; vgl. Mot. s. 142. Demgemäß ist ein bloßes Ansengen zur Er­ füllung deö Thatbestandes nicht geeignet, sondern höchstens Sachbeschädigung, in­ sofern eö nicht als Brandstiftungsversuch betrachtet werden kann; ähnlich (in Betreff des Ankohlenö): Dreöd. 24. Juli 76 (SGZ. 21 s. 178). Im Uebrigen ist es gleich­ gültig, in welcher Weise jenes Brennen sich kund giebt, ob das Feuer in eine Flamme ausgebrochen ist, oder fortglimmt (schwehlt), zumal bei manchen Gegenständen ein Flammenauöbruch nicht leicht stattsindet (z. B. bei Vorräthen von Tuch, Linnen re., bei Steinkohlenlagern rc.): Mot. 1. c.; DII. 4. März 58 (JMbl s. 172).

680

Thl. II. Abschn. XXVII.

Gemeingefährliche verbrechen rc. — §306.

2. Ebensowenig genügt eS, wenn nicht der Gegenstand selbst, sondern eine andere mit ihm in unmittelbarer Verbindung stehende Sache, z. B. ein im Gebäude befindliche- Mobiliarstück (Vorhang rc.) brennt, sollte auch die Abstcht dahin ge­ gangen sein, auf diese Weise da- Gebäude selbst in Brand zu setzen. So lange diese Absicht nicht erreicht ist, kann nur ein Versuch vorliegen. 3. Dem In-Br and-setzen ist eine gänzliche oder theilweise Zerstörung durch einen explodirenden Stoff gleichgestellt: § 311. 4. Einer Gerne ingesähr lich keit oder des Eintritts einer Lebensgefahr für Andere bedarf eS nicht; vgl. Abschn. 27 n. 1; BL. s. 592 (die Gefährlichkeit werde hier fingirt; ander- in den Fällen deS § 308). 5. Der § unterscheidet nicht, ob der in Brand gesetzte Gegenstand dem An­ geschuldigten gehörte oder einem Andern: Motive s. 142. 6. Die Feststellung der konkreten Handlung oder des Mittels, durch welchedie Jn-Brand-Setzung erfolgte, ist nicht unerläßlich: ZII. 23. Nov. 54 (GA. III, 114). 7. Der Dolus besteht hier in dem Willen, die Sache „in Brand zu setzen" (daß sie brenne: n. 1) und dem Bewußtsein, daß derselben eine derjenigen Eigenschäften beiwohne, welche der § unter Nr. 1-3 voraussetzt. — Jenem Erfordernisse ist nicht genügt, wenn der Thäter aus irgend einem andern Grunde nur das Brennen eines einzelnen Theiles jener Sache in so begrenztem Umfange wollte, daß jederzeit das von Anfang an beabstchtigte augenblickliche Löschen erfolgen könne, ehe dasselbe eine Ausdehnung erlange, daß demselben nicht sofort Einhalt zu thun wäre: Deisp.: Anzünden eines Balkens, um die Wanzen zu vertreiben rc. — Im Uebrigen kommt auf Motiv und Zweck der Handlung Nichts an. 8. Die neuere Wissenschaft erkennt eine die Zurechnungsfähigkeit ausschließende Pyromanie als selbstständige Manie nicht an; vgl. Bericht der Pr. wissenschastl. Deputation s. d. Mediz.-Wesen v. 8. Oft. 1851, JMDs. 30. Nov. 1851 (JMbl. s. 378); Zeitschr. f. RechtSpfl. in Baieru HI, 6 ff. Doch kann bei Geistesstörungen auch jener Trieb als Krankheit-symptom auftreten; vgl. Schütze s. 512 n. 20. 9. Handelte der Thäter mit dem unter n. 7 erwähnten DoluS, so ist die That vollendet, sobald ein Theil der Sache angefangen hat, zu brennen (n. 1), sollte auch der Thäter noch in der Lage sein, da- Feuer sofort wieder zu löschen; vgl. § 310, welcher im Falle der wirklich bewirkten Löschung ausnahmsweise Straf­ losigkeit eintreten läßt. Ist (mit jenem Dolus) ein anderer Gegenstand in Brand gesetzt worden, welcher geeignet war, einem der unter Nr. 1—3 aufgezählten daFeuer mitzutheilen, so liegt Jdeal-Koukurrenz mit dem im § 308 vorgesehenen Derbrechen vor. Dgl. Beschl. I. 22. Dez. 75 (GA. 23 s. 547) und § 308 n. 16. 10. Geschah die Handlung an einer gegen FeuerSgesahr versicherten Sache in betrügerischer Abstcht, so liegt in Ideal-Konkurrenz auch der Thatbestand de§ 265 vor; die Bestrafung ist daher nach dem die schwerste Strafe (Zuchthaus bis zu fünfzehn Jahren) androhenden § 306 zu bemessen; vgl. § 265 n. 11; es wäre unstatthaft, neben einer (zehn Jahre nicht übersteigenden) Zuchthausstrafe aus tz 265 noch eine Geldstrafe zu verhängen. Bliebe die Bestrafung aus § 306 ausgeschlossen, weil der Thäter den Brand sofort wieder gelöscht hat (§ 310), so müßte aus § 265 gestraft werden, da sich § 310 auf diesen nicht mit bezieht. 11. Die Strafe ist zeitliche Zuchthausstrafe, neben welcher auf Zulässigkeit der Polizeiaufsicht erkannt werden kann: § 325. 12. Die Vorschrift de- Pr. Ges.'S v. 4. Juni 1851, nach welcher u. a. eine während des Belagerungszustandes verübte vorsätzliche Brandstiftung mit dem Tode zu bestrafen war, ist nach dem Grundsätze des § 2 des EG.'S für ausgehoben zu erachten, da die Brandstiftung zu denjenigen Materien gehört, welche Gegenstand des StGB.'s sind, und § 4 des cit. EG.'S eine dem angeführten § 8 entsprechende Bestimmung enthält, welche sich aber auf den Fall des § 306 nicht mit bezieht; vgl. Beschl. I. 10. Febr. 71 (RdO. XII, 89) und dort den Antrag deS GStA.'S; EG. § 4 n. 7 und jetzt R.-Mil.-StGB. § 160; contra: Rüd. n. 4. 13. Die unter Nr. 1—3 alternativ aufgezählten Thatumstände bilden die Voraussetzung, unter welcher die Eingangs bezeichnete Handlung strafbar ist, sie sind prozessualisch nicht als „begleitende" (erschwerende) Umstände zu behandeln; somit finden Art. 91 Abs. 4 d. Pr. Ges.'S v. 3. Mai 1852, § 321 der NStPO. und der. einst die §§ 293—295 der RStPO. hier keine Anwendung: vgl. aber § 308 n. 19.

Thl. n. Abschn. XXVII. GrwcingesShrliche Verbrechen.,c. - $306.

681

1) ein zu gottesdienstlichen Versammlungen bestimmtes Gebäude, 2) ein Gebäude, ein Schiff oder eine Hütte, welche zur Wohnung von Menschen dienen, oder 3) eine Räumlichkeit, welche zeitweise zum Aufenthalt von Menschen dient, und zwar zu einer Zeit, während welcher Menschen in derselben sich aufzuhalten pflegen. [t. E»tw.: § 285; II. Elltw.: § 303; Pr. StGB.: § 285.] vgl. $§ 265. 307. 308. 310. 311. 325. 368 Nr. 4-8.

Zu Nr. 1. 14. Das Gebäude muß im betr. Augenblicke in dauernder Weife zu gottesdienstlichen Versammlungen bestimmt" fein; es genügt nicht, wenn diese Bestimmung erst in der Zukunft in Wirksamkeit treten sollte: ebensowenig reicht es aus, wenn das Gebäude nur einer einzelnen Person oder nur für einzelne konkrete Fälle jenem Zwecke diente (vgl. § 243 Nr. 1: „zum Gottesdienste"). Dagegen ist es gleichgültig, ob das Gebäude im Ganzen, oder nur ein einzelner Raum in demselben die betr. Bestimmung hatte {contra: Schütze s. 513 n. 22), ob im Augenblicke der That ein Gottesdienst dort stattfand, sowie ob die Religions­ gesellschaft, zu deren gottesdienstlichen Versammlungen das Gebäude bestimmt ist, KorporatiouSrechte besitzt rc.

Zu Nr. 2. 15. Begriff eines „Gebäudes" vgl. $ 243 n. 13ff. Eine „Hütte" unter­ scheidet sich von einem Gebäude nur durch die Größe und die geringere Festigkeit (Dauerhaftigkeit) deö verwendeten Materials (Flechtwerk, Stroh rc.); auch sie muß einen Theil der Erdoberfläche einnehmen; eine zum Fortbewegen eingerichtete Räum­ lichkeit (Gauklerwagen. Schäferkarre) ist, selbst, wenn sie Menschen zur Schlafstelle dient, keine Hütte: Beschl. I. 24. Nov. 54 (GA. in, 441); vgl. n. 19. 16. „Schiff" umfaßt auch Flöffe. 17. Das Gebäude rc. muß (regelmäßig, nicht blos „zeitweilig" vgl. Nr. 3) „zur Wohnung dienen": es muß ein „bewohntes Gebäude" fein; vgl. in Be­ treff des Näheren § 243 Nr. 7 n. 83. 84; WGbl. VII, 413; demnach gehört dahin ein die beständigen Schlafstätten der Knechte enthaltender Stall: Dresd. 20. Juli 74 (StZ. V, 161). Dagegen-ist es gleichgültig, ob sich im betr. Augenblicke wirklich Menschen dort aushielten, unb'ob dem Angeschuldigten die Anwesenheit von Menschen bekannt war: ZI. 1. Juli 68 (RdO. IX, 422); Jena (Voll. 25 s. 164). 18. CS genügt, wenn das Gebäude rc. auch nur einem Menschen und zwar selbst dann, wenn eS nur dem Angeschuldigten zur Wohnung diente: ZKH. 7. Sept. 52 (IMbl. s. 379); vgl. n. 21.

Zu Nr. 3. 19. Der allgemeine Ausdruck „Räumlichkeit" umfaßt auch Bergwerke; ebenso bewegliche Gegenstände der fraglichen Art (Eisenbahnwagen, Schäserkarren, Ausseherbuden rc.): Mot. s. 142. Er setzt (nach den Schlußworten der Nr. 3) ein zum Aufenthalte von Menschen dienliches Innere voraus, paßt daher z. B. nicht auf Brücken; vgl. § 308 n. 11. 20. Eine Räumlichkeit „dient zeitweise zum Aufenthalte von Menschen", wenn ihr diese Eigenschaft in dauernder Weise beiwohnt; der Aufenthalt muß also ein unter gewiffen Voraussetzungen regelmäßig wiederkehrender sein (: „zu einer Zeit, während welcher Menschen in derselben sich aufzuhalten pflegen"). Geschah die Handlung zu einer Zeit, wo Niemand sich in der betr. Räumlichkeit aufzuhalten pflegte, so macht selbst der außergewöhnliche Aufenthalt eines Menschen in derselben den § nicht anwendbar: VI. 8. Nov. 54 (GA. in, 113). Unwesentlich ist eS, ob sich im Augenblicke der Brandstiftung ein Mensch dort aushielt und ob sich der Thäter vorher Gewißheit darüber verschafft hatte, daß dem so sei.

682

Thl.

n.

Abschn. XXVIL

Gemeingefährliche Verbrechen

k.

— §

307.

§. 307. Die Brandstiftung (§ 306) wird mit Zucht­ haus nicht unter zehn Jahren oder mit lebenslänglichem Zucht­ haus bestraft, wenn 1) der Brand den Tod eines Menschen dadurch verursacht hat, daß dieser zur Zeit der That in einer der in Brand gesetzten Räumlichkeiten sich befand; 21. Auch hier ist eS ausreichend, wenn die Räumlichkeit nur einem Menfcken zum Aufenthalte diente (vgl. n. 18); dagegen dürfte die Nr. 3 auszuschließen sein, wenn dieser eine Mensch der Thäter selbst war und wenn er die That verübte zu einer Zeit, wo nur er sich dort aufzuhalten pflegte. 22. Die „in Brand gesetzte" Räumlichkeit selbst muß zum Aufenthalte ton Menschen dienen; der § greift daher nicht Platz, wenn Gebäulichkeiten angezündet sind, welche einen zum Aufenthalte von Menschen dienenden unbebauten Raum begrenzen oder umgeben. §307.

1. Dieser § setzt eine „Brandstiftung" im Sinne de- § 306 voraus, ist also nicht ans die im § 308 vorgesehenen Fälle auszudehnen. Alle zu jenem § ge­ machten Bemerkungen treffen auch hier zu. 2. Begeht ein St ras unmündig er die im § vorgesehene That, so ist auf Gefängniß von einem bis zu fünfzehn Jahren zu erkennen. 3. Wird die That in einem Theile des Bundesgebietes begangen, welchen der Kaiser in Kriegszustand erklärt hat, oder während eines gegen das Reich aus­ gebrochenen Krieges auf dem Kriegsschauplätze, so tritt an die Stelle der elektiv an­ gedrohten lebenslänglichen Zuchthausstrafe die Todesstrafe: EG. § 4; vgl. dort n. 7 bis 10; Beschl. I. 10. Febr. 71 (RdO. XII, 89).

Zu Nr. 1. 4. Der Ausdruck „Räumlichkeiten" umfaßt hier die im § 306 unter Nr-1. 2 erwähnten Gebäude rc. mit; vgl. § 308. 5. Die Strafschärfung tritt nur ein, wennder Tod eines Menschen dadurch verursacht worden ist, daß dieser „sich zur Zeitder That in der tu Brand ge­ setzten Räumlichkeit befand". Al- „Zeit der That" ist nur diejenige anzusehen, in welcher der Angeschuldigte thätig war (handelte), um den gewollten Erfolg (des Brennens) herbeizuführen; mit dem Eintritte dieses Erfolgs (also der Vollendung der Brandstiftung: § 306 n. 9) schließt die That ab. Demgemäß bleibt § 307 aus­ geschloffen, wenn ein zum Retten, Löschen rc. Herbeigeeilter seinen Tod findet; das gilt selbst dann, wenn ein im Augenblicke der Brandstiftung sich im Hause Aufhal­ tender daffelbe glücklich verlassen hatte, dann aberaus irgend einem Grunde zurück­ gekehrt ist: Sten. 39er. f. 741. 1175; Schaper i. HH. III, 885. Ebenso ist der § unanwendbar, wenn der Mensch, dessen Tod verursacht ist, sich zur Zeit nicht in der in Brand gesetzten Räumlichkeit, sondern in einer andern befand, welcher das Feuer erst von jener mitgetheilt wurde, sofern nicht der Wille des Thäters dahin gerichtet war, diese letztere Räumlichkeit (mittelbar) in Brand zu setzen; vgl. § 308 n. 15. 6. Der Tod muß „durch den Brand verursacht" sein: er muß seine nächste Veranlassung in der zerstörenden Kraft deö Feuers haben; das ist nicht allein da der Fall, wo ein Verbrennen stattgefunden hat, sondern auch da, wo Jemand bei einem durch den Brand herbeigeführten Zusammensturz erschlagen wird, oder durch einen zur Rettung ans der Feuerögesahr versuchten Sprung verunglückt. Dagegen genügt eS nicht, wenn der Brand nur die entferntere Veranlassung zu einem den Tod herbeiführenden anderweitigen Ereignisse war, z. B. wenn Jemand in Folge deö Schreckens vom Schlage gerührt wird, oder durch die Anstren­ gungen rc. beim Löschen erkrankt und an der Krankheit stirbt; vgl. Schütze i. GA. XX, 370. 7. Nr. 1 erheischt keinen weiter gehenden Dolus, als den im § 306 (dort n. 7) vorausgesetzten. Cs bedarf sonach weder eines auf Verursachung deS Todes

Thl. II. «bschll.

xxvn.

GkMkingesLhrliche Verbrechen ,c. — $§307. 308.

683

2) die Brandstiftung in der Abficht begangen worden ist, um unter Begünstigung derselben Mord oder Raub zu begehen oder einen Aufruhr zu erregen, oder 3) der Brandstifter, um das Löschen deS Feuers zu ver­ hindern oder zu erschweren, Löschgeräthschaften entfernt oder unbrauchbar gemacht hat. fl. Entw.: § 285; II. Entw.r $ 304; Pr. StGB.: § 285.] Dgl. §§306. 308. 310. 311. 325. 115; EG. § 4; R.-Mil.StGB. § 160. Königr. Sachsen: Dgl. (StGB. Art. 209 Nr. 1 o. e).

§. 308. Wegen Brandstiftung wird mit Zuchthaus bis zu zehn Jahren bestraft, wer vorsätzlich Gebäude, Schiffe, Hütten, Bergwerke, Magazine, Waarenvorräthe, welche auf dazu bestimmten öffentlichen Plätzen lagern, Vorräthe von eines Menschen gerichteten Vorsatzes, noch auch des Bewußtseins, daß die Brand­ stiftung eine Gefahr für Menschenleben herbeiführe; vgl. Abschn.27 (s. 679) n. 2. 3. Selbst die Feststellung des Mangels eines solchen Vorsatzes oder Bewußtseins schließt den § nicht aus: ZPl. 26. April 58 (JMbl. f. 203); DI. 29. Mai 67 (RdO. VIII. 345). Demgemäß bleibt hier §59 außer Anwendung; vgl. dort n. 12. 8. Don einem Versuche des in Nr. 1 vorgesehenen Verbrechens kaun eben­ sowenig die Rede sein, wie von dem Versuche einer tödtlichen oder schweren Körper­ verletzung; vgl. § 224 n. 17. Handelte der Thäter mit dem Vorsatze, durch die Brandstiftung den Tod des Menschen herbeizuführen, so liegt Mord- oder Todtschlagöversuch vor.

Zu Nr. 2. 3. 9. Beide Nummern sind dem Kgl. Sächs. StGB. Art. 209 Nr. 1 o. entlehnt. 10. Die Nr. 2 trifft nur da zu. wo die Brandstiftung geschah, um unter Be­ günstigung derselben einen Aufruhr zu erregen, nicht da, wo bei einer den Thatbestand eines (bereits vollendeten) Aufruhrs erfüllenden Zusammenrottung eine Brand­ stiftung stattfindet. 11. Eö wird nicht erfordert, daß zur Verwirklichung der in Nr. 2 vor­ ausgesetzten Absicht außer der Brandstiftung noch irgend etwas geschehen sei. 12. Im Fall der Nr. 3 ist eS unwesentlich, ob die hier vorgesehene Handlung vor oder nach der Brandstiftung verübt wurde. 13. Die Beseitigung einer einzigen Löschgeräthschaft (selbst einer im Privat, besitz befindlichen) kann genügen, wenn fie in der durch Nr. 3 vorausgesetzten Abficht geschah. Darauf, ob diese Beseitigung dann wirklich geeignet gewesen sei, daS Löschen zu verhindern, kommt es in keinem Falle an. — Die Beseitigung deS Löschstofis (Wassers) oder der Löschmannschaft (z. B. durch Trunkenmachen) gehört nicht hierher: Schütze f. 515 n. 26. 14. Trifft einer der unter Nr. 2. 3 vorgesehenen Erschwerung-gründe bei einem BrandstiftungSversuche zu, so wird § 44 anwendbar.

§ 308. 1. Ueber den Begriff deö „In-Brand-SetzenS" vgl. § 306 n. 1. 9. 2. Begriff eines „Gebäudes" und einer „Hütte", vgl. § 243 u. 13ff.; § 306 n. 15 und Stuttg. 31. Dez. 75 (WGbl. XI, 82: selbst eine aus Stroh und einigen Holztheilen auf freiem Felde errichtete, behufs des Obstschutze« für den Flurschützen erbaute Hütte im Werthe von 2—4 Mark sei als Hütte im Sinne des § 308 anzusehen). 3. Begriff deS „Schiffes" vgl. § 305 n. 4. 4. Da« In-Brand-Setzen eines einzigen Gebäudes rc. genügt. 5. „Magazin" umfaßt auch die darin aufbewahrten Gegenstände. •

684

Lhl.

U.

Abschn.

XXVII.

GrmeingesLhrliche Verbrrchcn ic. — $ 308.

landwirthschaftlichen Erzeugnissen oder von Bau- oder Brenn­ materialien, Früchte auf dem Felde, Waldungen oder Torf­ moore in Brand setzt, wenn die Gegenstände entweder fremdes Eigenthum sind, oder zwar dem Brandstifter eigenthümlich gehören, jedoch ihrer Beschaffenheit und Lage nach geeignet sind, daS Feuer einer der im § 306 Nr. 1 bis 3 bezeich­ neten Räumlichkeiten oder einem der vorstehend bezeichneten fremden Gegenstände mitzutheilen. Sind mildernde Umstände vorhanden, so tritt Gefängniß­ strafe nicht unter sechs Monaten ein. [I. ent».:

§§ 286. 287; II. ent».: § 305; Pr. StGB.: §§ 286. 287.] Cgi. §§ 306. 307. 310. 311. 325. 265. 32. 35; §4; Mil..StGB. $ 160.

e@.

6. „vorrath" ist nicht jede undedeutende Quantität von Waaren re., sondern nur ein größere-, zur künftigen Verwendung zusammengebrachte- Quan­ tum: KBII. s. 147 ; DU. 24. Febr. 70 (RdO. XI, 123); Dre-d. 15. Mai 71 (StZ. I, 44); vgl. § 90 n. 5. Wieviel dazu gehöre, unterliegt der Beurtheilung der Juftanzrichter (der Geschwornen): ZI. 11. April 62 (RdO. II, 346). Selbst, redend kommt e- nicht auf die wirklich verbrannte, sondern auf diejenige im nn. mittelbaren Zusammenhange sich findende Quantität an, welcher da- Feuer mitge­ theilt ist. 7. „WaarenvorrLthe^ gehören nur dann hierher, wenn sie „auf öffentlichen Plätzen (z. B. aus Packhöfen) lagern", welche zur Aufbewahrung solcher Borrälhe (dauernd) bestimmt sind; mithin z. B. nicht die aus einen Eisenbahnwagen verladenen vorräthe. 8. Der Ausdruck „Laudwirthschaftliche Erzeugnisse" umfaßt alle Feld-, Wiesen- und Gartenfrüchte, insbesondere auch Heu und Stroh: KBII. f. 146, nicht aber forstwirthschaftliche Erzeugnisse noch Sand, Erde, Thon, Torf, Steine und der­ gleichen der Substanz de- Bodens selbst entnommene, nicht durch Dewirthschaftung desselben gewonnene Gegenstände, noch auch solche Gegenstände, welche eine die herkömmlicheu Grenzen der Landwirthschast überschreitende fabrik- oder handwerksmäßige Ve- oder Verarbeitung erfahren und hiermit die Eigenschaft reiner Naturprodukte verloren haben, z. B. Mehl, Holzwaaren, aus selbstgewonnenen Taback-blättern be­ reitete Cigarren, zum verspinnen bereit gestellter Flach-; vgl. Pr. FMAnw. (zur Ausführung de- Pr. Ges.'S v. 3. Juli 1876) v. 3. Sept. 1876 (DMbl. s. 18); AG. Paderborn 11. Juli 65 (RdO. VI, 512). 9. Im Gegensatze gegen „vorräthe landwirthschaftlicher Erzeugnisse" bezeichnet „Früchte aus dem Felde" Bodenerzeugnisse (aller Art), welche noch nicht vom Boden getrennt, oder doch wenigsten- noch nicht zusammengebracht sind: v. 16. Jan. 52 (Entsch. 22 s. 75). Diese brauchen keinen vorrath (n. 6) zu bildert; vgl. jedoch BL. f. 592 (fordert eine größere Masse). — In Betreff de- Haidekraut- vgl. n. 10a. 10. „Waldungen" umfaßt auch kleinere Holzungen (Schonungen, Baumschulen, Parke); KBII. s. 146. — Die Waldung als zusammenhängendes Ganze muß in Brand gesetzt sein; ob dazu da- Anzünden eine- einzelnen Baume- genüge, hängt davon ab, wie nahe die Gefahr der Weiterverbreitung de- Feuer- liegt, und welche Mittel zu Gebote stehen, eine solche zu verhindern. Andererseits liegt ein Waldbraud schon dann vor, wenn der Brand noch keinen Baum sondern nur irgend welche auf dem Waldboden wachsende, brennbare Bodenerzeugnisse erfaßt hat und den stehenden Bäumen gefährlich werden kann; bis zu welchem Umfange um die stehenden Bäume der Waldbodeu sich erstrecke, bemißt sich nach den Umständen degegebenen Falle-, wobei als Anhaltspunkt dienen kann, ob der Boden durch die von den Bäumen abfallenden Blätter, Nadeln, Waldfrüchte rc. re. bestreut zu werden pflegt oder von den Wurzeln der Bäume durchzogen wird; so: Beschl. H. 19. Okt. 76 (RdO. XVII, 677).

Thl. II. Abschn. XXVII.

Gemeingefährliche Verbrechen rc. — §308.

685

10a. Der § gedenkt neben den „Waldungen" und „Torfmooren" nicht (wie § 368 Nr. 6 und Art. III § 3 Nr. 5 der NEB.) auch der Haide; Schütze s. 516 n. 30 folgert hieraus und aus dem NiLtauSreichen des § 368 Nr. 6 das Fortbestehen etwaiger Landesgesetze über den vorsätzlichen Haidebrand. 11. Die Aufzählung der einzelnen Gegenstände, welche der § enthält, ist auf andere Gegenstände, z. B. auf Brücken, nicht auszudehnen, sollte auch ein gleicher Grund für sie sprechen; die Zerstörung solcher Gegenstände ist nur auS § 303 zu bestrafen; vgl. § 306 n. 19. 12. Die erste Alternative des § erheischt ein „fremdes Eigenthum", also die Verletzung des EigenthumSrechtS eines Andern; sie ist somit unanwendbar, wenn die Handlung im Aufträge oder im Einverständniffe mit dem Eigenthümer erfolgte: VI. 25. Sept. 61, ZI. 23. März 68, 9. Juli 69 (RdO. I, 548; IX, 201; X, 500); contra: Wanjeck i. GSaal 31 s. 26; ebenso wenn ein Stellvertreter de- Ei­ gent hü wer S, welcher das Recht hat, über die Sache frei zu verfügen, die Hand­ lung vornimmt. Das gilt selbst dann, wenn durch die Handlung das dingliche Recht eines Dritten verletzt wird; vgl. § 303 n. 6. Dagegen trifft die Strafe auch den Miteigenthümer: ZI. 24. Fedr. 60 (GA. VIII, 205). 13. Wird die That vom (Allein-) Eigenthümer der Sachen begangen, so iß die Anwendbarkeit des § durch die Gemeingefährlichkeit der Handlung im Sinne des Schlußsatzes des Abf. 1 bedingt. Die angedeutete Gefahr muß in der „Beschaffenheit und Lage" (kumulativ) des in Brand gesetzten Gegenstandes ihren Grund haben; demgemäß genügt eine Feststellung nicht, welche dahin lautet: da« Feuer fei geeignet gewesen, sich den im § gedachten Gegenständen mitzutheilen. Dagegen ist es nicht erforderlich, daß die „Beschaffenheit uud Lage" eine solche Gefahr immer und unter allen Umständen mit sich bringen; eS genügt, wenn sie unter gewiffen leicht eintretenden Voraussetzungen (z. B. bei einer geeigneten Windeörichtuug) zur Mittheilung deS Feuers geeignet sind. — Daß den so gefährdeten Gegen­ ständen das Feuer wirklich mitgetheilt worden fei, ist zur Vollendung de- Ver­ brechens nicht erforderlich; vgl. n. 16. 14. Die Schlußbestimmung des Abf. 1 ist unvollständig, und wäre bester zum Gegenstände eines besonderen allgemeiner gefaßten § gemacht worden. Da hier die Gemeingefährlichkeit den Grund der Bestrafung bildet, so ist nicht abzusehen, warum die Vorschrift auf den Fall beschränkt wurde, wo die Brandstiftung einen der im Eingänge deS § aufgezählten Gegenstände betraf. Vgl. Pr. StGB. § 287; Kgl. Sächf. StGB. Art. 212. 15. Als Dolus fetzt auch § 303 nur den Willen, die Sache in Brand zu setzen, und das Bewußtsein voraus, daß der letzteren eine der aufgezählten Eigen­ schaften beiwohne und daß sie entweder fremdes Eigenthum oder zur Mittheilung des Feuers an einen der im Schlußsätze erwähnten Gegenstände geeignet sei. Auch im letzteren Falle bedarf es nicht der Absicht, diesen anderen Gegenständen das Feuer mitzutheilen: VPl. 26. Apr. 58 (JMbl. f. 203). — Jenes Bewußtsein wird durch daS Merkmal der Vorsätzlichkeit mit zum Ausdrucke gebracht, bedarf also nicht außerdem einer besonderen Feststellung; cit. BPl. Gleichwohl muß einem Antrage, dasselbe in die schwurgerichtliche Fragstellung mit aufzunehmen, mit Nothwendigkeit in der Faffuug entsprochen werden: ob es dem Angeschuldigten unbekannt gewesen sei, daß der in Brand gesetzte Gegenstand rc. geeignet war, deu andern Gegen­ ständen daS Feuer mitzutheilen (§ 59 n. 6): VI. 13. Nov. 67, ZI. 20. Mai 68 (RdO. Vm, 701; IX, 399). DaS Gegentheil gilt unter der Herrschaft der RStPO.; vgl. oben s. 124 n. 8; § 59 n. 6 t. @. — Fehlt es an jenem Bewußtsein, so kann eine fahrlässige Brandstiftung deS Gegenstandes, dem das Feuer mitgetheilt ist, vorliegen. 16. Handelte der Thäter mit der Absicht, daS Feuer einem der am Schluffe des Abf. 1 erwähnten Gegenstände mitzutheilen, so liegt eine Brandstiftung dieses Gegenstandes oder ein Versuch dieses Verbrechens (§ 306) in Jdealkonkurreuz mit dem im § 308 vorgesehenen vor; vgl. § 306 n. 9. 17. Neben der Zuchthausstrafe kann auf Zulässigkeit der Polizeiaufsicht, und beim Vorhandensein mildernder Umstände neben der Gesängnißstrafe ans den Verlust der rc. Ehrenrechte rc. erkannt werden: §§ 325. 32. 35. 18. $ 307 ist auf die im § 308 vorgesehenen Fälle nicht auszudehnen.

686 Thl. H. Abschn. XXVII.

GemeiugrsLhrliche Verbrechen ic. - §§308. 309.

§. 309. Wer durch Fahrlässigkeit einen Brand der in den §§ 306 und 308 bezeichneten Art herbeiführt, wird mit Gefängniß bis zu Einem Jahre oder mit Geldstrafe bis zu neunhundert Mark und, wenn durch den Brand der Tod eines Menschen verursacht worden ist, mit Gefängniß von Einem Monate bis zu drei Jahren bestraft. [I. Entw.: § 289; II. Entw.: § 306; Pr. StGB.: § 288.] Vgl. §§ 306. 308. 310. 311. 222. 368 Nr. 4-8. 19. An und für sich ist auch der in diesem § vorgesehene Thatbestand ein ein­ facher, nicht durch den Hinzutritt eines erschwerenden Umstandes qualifizirter; es gilt also auch hier daS zu § 306 n. 13 Gesagte. Gehörte aber der in Brand gesetzte fremde (oder gemeingefährliche) Gegenstand zu den im § 306 speziell aufgezählten, diente z. B- daS in Brand gesetzte fremde Gebäude zur Wohnung von Menschen, so nimmt diese Qualität den Charakter eines die Verhängung der strengeren Strafe des § 306 rechtfertigenden, also erschwerenden, Umstandes an und es werden für Preußen die Vorschriften deS Art. 91 Abf. 4 des Ges.'S v. 3. Mai 1852 (NStFO. § 321) sowie dereinst §§ 293—295 der RStPO. anwendbar. Aehnlich verhält sich die Sache, wenn die Handlung gleichzeitig (in Jdealkonkurrenz) den Thatbestand des § 265 erfüllt; (dieser ist der strengere, weil er neben der Freiheitsstrafe auch noch eine Geldstrafe androht). 20. Für den Fall des Kriegszustandes gilt das zu § 309 n. 12 Bemerkte. §309.

1. In Betreff des Begriffs der „Fahrlässigkeit- vgl. § 59 n. 19ff. Auch hier ist die Annahme einer „Fahrlässigkeit" nicht dadurch bedingt, daß eine VerbotsVorschrift übertreten worden sei: ZI. 18. Jan. 60 c. Eisenstedt. 2. Die In-Brand. Setzung eines der in den §§ 306 oder 303 erwähnten Gegenstände muß „durch Fahrlässigkeit herbeigeführt" sein. Somit trifft der 8 nicht zu, wenn eine eigene Sache vorsätzlich in Brand gesetzt ist, dem Thäter aber aus Fahrlässigkeit unbekannt geblieben war, daß die Sache geeignet sei, das Feuer fremden Sachen mitzutheilen (§ 308): in einem solchen Falle findet eine Bestrafung nur bann statt, wenn, wirklich das so absichtlich angelegte Feuer (fahrlässig) den fremden Sachen mitgetheilt worden ist. Umgekehrt wird die Anwendung des § da­ durch nicht ausgeschlossen, daß Derjenige, welcher durch Fahrlässigkeit den Brand einer Räumlichkeit herbeiführte, nicht wußte, daß dieselbe zu den in den §§ 306—308 ausgezählten Gegenständen gehöre; contra: Schw. s. 741 (767). 3. Abgesehen von der an die Stelle der Vorsätzlichkeit tretenden Fahrlässigkeit setzt der § 309 genau den vollständigen Thatbestand der in Bezug genommenen §8 306 oder 308 voraus: der dort gebrauchte Ausdruck: „in Brand setzt" ist hier nur deshalb durch „einen Brand herbeiführt" ersetzt, weil dieses dem fahrlässigen Handeln mehr entspricht; auch hier wird ein wirkliches „Brennen" des betr. GegenstandeS (§ 306 n. 1) erheischt: DreSd. 5. Febr. 75 (StZ. VI, 36); vgl. jedoch Jena (Voll. 25 f. 276: folgerte aus jenen Worten, daß hier schon ein mittelbarer Causalzusammenhang zwischen der Fahrlässigkeit des Angeschuldigten und dem Brande ge­ nüge; i. c. hatte ein Töpfer einen Kochofen in einem fremden Hause so fahrlässiger Weise ausgestellt, daß, als derselbe zum ersten Male geheizt wurde, sofort Brand ausbrach; die Vertheidigung machte geltend, daß der Angeschuldigte den Ofen nicht selbst geheizt habe). — Demnach sind durchweg die zu den eit. 8§ gemachten Be­ merkungen zu berücksichtigen. Die zwischen den Fällen des § 306 und denen des 8 308 gemachte Unterscheidung kann bei Handhabung deS § 309 nur behuss der Strafzumessung in Betracht kommen. 4. In Betreff des Schlußsatzes (: „wenn durch den Brand der Tod eines Menschen verursacht ist") gilt daS zu § 307 n. 6—8 Gesagte. Auch hier bedarf eö nicht einer Fahrlässigkeit in Betreff deS verursachten TodeS: Schw. f. 741 (757); contra: Schütze s. 517 n. 33, Schaper i. HH. m, 888. Erstreckte sich die (bei der Herbei-

Thl.

n.

Abschn. XXVII.

Gemeingefährliche Verbrechen k. —

§§ 309. 310.

687

§. 310. Hat der Thäter den Brand, bevor derselbe entdeckt und ein weiterer als der durch die bloße Inbrand­ setzung bewirkte Schaden entstanden war, wieder gelöscht, so tritt Straflosigkeit ein. [I. (Sntto.: (fehlte); n. Gntro.: § 307; Pr. StGB, (fehlte).) 46 Nr. 2; RStPO. § 295 Abs. 2. Könige. Sachsen: (StGB. Art. 213).

Vgl. §§ 306—309.

führung des Brandes obwaltende) Fahrlässigkeit auch auf die Tödtung, so liegt Idealkonkurrenz mit dem Falle des § 222 vor; die Strafe ist aber aus §309 zu verhängen, weil dieser einen höheren Mindestbetrag der Strafe androht, somit strenger ist. es wäre denn, daß der Thäter bei der That die Aufmerksamkeit auö den Augen gesetzt hätte, zu welcher er vermöge seines Berufes rc. verpflichtet war; alsdann muß aus § 222 Abs. 2 gestraft werden; vgl. dort n. 4 ff. 5. Ist der Tod eines Menschen durch den Brand verursacht worden, so ist es unerheblich, ob dieser sich zur Zeit der Herbeiführung des Brandes in der in Brand gesetzten Räumlichkeit befunden hat (§ 307 Nr. 1 bleibt hier außer Anwendung). § 310. 1. Nach Fassung und Stelle scheint dieser § sich nur aus den im § 309 vor. gesehenen Fall fahrlässiger Brandstiftung zu beziehen; die Motive (s. 144) beweisen aber, daß er für alle Fälle der vorsätzlichen oder fahrlässigen Brandstiftung (§ 306 bis 308, unter selbstverständlicher Ausscheidung des Falles des § 307 Nr. 1) gelten soll. 2. Der § dehnt die Vorschrift des § 46 Nr. 2 (betr. die Straflosigkeit des beendigten Versuchs bei thätiger Reue) aus einen Fall des vollendeten Der. brechen-rc. aus; sonach wird hier keineswegs erheischt, daß die That im Stadium des Versuchs stehen geblieben sei. 3. Voraussetzung ist, daß „der Thäter" selbst den Brand wieder gelöscht, daß also dazu nicht unbetheiligte dritte Personen mitgewirkt haben: MeveS i. GSaal 24 f. 176; contra: ZI. 26. Febr. 75, DreSd. 5. Febr. 75 (RdO. XVI, 162; StZ. VI, 37); DreSd. 24. Juli 76 (SGZ. 21 s. 178: erachtete es sogar für ausreichend, wenn der Brand ausschließlich durch Dritte gelöscht wurde, welche der Thäter zu diesem Zwecke zu Hülfe ries; Schw. s. 742 (758: „die vom Thäter herbeigezogene Hülfe Anderer schließe den § nicht aus, weil dieser nicht wie §46 Nr. 2 von der „eigenen Thätigkeit de- Thäters spreche"); Schütze s. 518 n. 34. „Thäter" ist hier jeder Theilnehmer (vgl. § 51 n. 2): Rüd. n. 3; Schütze 1. c.; contra: MeveS 1. c. s. 171. Dgl. n. 6. 4. Der Brand ist „entdeckt", sobald ein Dritter, bei der Brandstiftung nicht Betheiligter sich überzeugt hat, daß eö brenne (eine durch Brandgeruch veranlaßte Vermuthung: eS brenne in der Nähe, genügt nicht); nicht aber, wenn der Thäter selbst daraus aufmerksam gemacht hat, um eben dir Löschung herbeizuführen. 5. DaS Löschen muß geschehen (und vollendet sein), ehe „ein weiterer als der durch die bloße Inbrandsetzung bewirkte Schaden entstanden war". Unter „InBrandsetzung" ist der Anfang des Selbstbrennens des betr. Gegenstandes (§ 306 n. 1) zu verstehen: vgl. Motive s. 144 (: „ehe eine erhebliche Beschädigung eingetreten ist"). Somit bleibt der § ausgeschlossen, sobald aus das In-Brand.Setzen ein an­ dauernder Zustand des Brennens und damit eine fortschreitende Zerstörung (Be­ schädigung) des in Brand gesetzten Gegenstandes eingetreten ist, sollte auch noch kein anderer Gegenstand vom Feuer berührt sein. Dagegen schließt eine durch die bloße „In-Brandsetzuug" hervorgebrachte Beschädigung eines anderen Gegenstandes die Anwendung des § noch nicht aus. 6. Auch hier ist die vorgesehene thätige Reue nur als individueller Strafausschließungögrund für den löschenden Theilnehmer anzusehen, zumal die Mißthat vollendet war; vgl. § 46 n. 1. Daraus folgt, daß derselbe auf andere bei der That Betheiligte (Mitthäter, Anstifter, Gehülfen), welche selbst nicht mit gelöscht haben, nicht auszudehnen ist; sie bleiben strafbar. 7. In Betreff der (dereinstigen) prozessualischen Behandlung der Fälle deö § vgl. RStPO. § 295 Abs. 2, indem das Zutreffen der Voraussetzungen deS § 310

688 Thl. II. Abschn. XXVII. GemtiagksShrlichr Verbrechen rc. - §§311. 312.

§. 311. Die gänzliche oder teilweise Zerstörung einer Sache durch Gebrauch von Pulver oder anderen erplodirenden Stoffen ist der Inbrandsetzung der Sache gleich zu achten. [I. Sntro.: § 291; II. Eutw.: § 309; Pr. SlGB-: § 289.] Dgl. §§ 306—309. 325. 367 Nr. 4. 5; EG. § 4; R.-Mil.-SiGB.: § 160.

§. 312. Wer mit gemeiner Gefahr für Menschenleben vorsätzlich eine Ueberschwemmung herbeiführt, wird mit Zucht­ haus nicht unter drei Jahren und, wenn durch die Ueber­ schwemmung der Tod eines Menschen verursacht worden ist, zu den an jener Stelle erwähnten, vom Strafgesetze besonders vorgesehenen Um­ ständen gehört, durch welche die Strafbarkeit wieder aufgehoben wird; vgl. oben s. 124 n. 8; contra: Löwe s. 183 (das Löschen re. sei als Bestandtheil der That selbst anzusehen).

§311. 1. Diese Vorschrift bezieht stch auf alle Fälle, in welchen ein „Jn-BrandSetzen" („die Herbeiführung eines Brandes": § 309) für strafbar erklärt ist, also auf die sämmtlichen in den §§ 306—309 vorgesehenen Strafsälle, einschließlich der fahrlässigen Brandstiftung: Motive s. 144. ES wird also genau der Thatbestand eines der cit. §§ mit der Maßgabe vorausgesetzt, daß an die Stelle des „Brandes", die „Zerstörung durch Explosion" zu setzen ist. Die §§ 307 Nr. 3 und 310 scheiden aus, weil bei einer durch Explosion herbeigeführten Zerstörung von einem Löschen keine Rede sein kann; der Schlußsatz de« § 308 (In-Vrandsetzen der eigenen Sache) trifft hier nur dann zu, wenn die Wirkungen der veranlaßten Explosion sich einer fremden Sache der in § 306 erwähnten Art mittheilen konnten. 2. Die nicht glücklich gewählten Worte „bur* Gebrauch von rc." be­ rechtigen nicht zu dem Schluffe, als ob ein fahrlässiges Vergehen nur daun vorliege, wenn der Thäter das Pulver re. selbstthätig zur Anwendung gebracht habe; unter dem „Gebrauche explodirender Stoffe" ist hier vielmehr jedwedes Gebahren mit solchen Stoffen zu verstehen; daher macht sich au« § 311 strafbar z. D. derjenige, welcher eine von ihm geöffnete GaSröhre wieder zu verschließen versäumt und dadurch eine Explosion herbeiführt: Dresd. 20. April 74 (StZ. V, 163), Schütze s. 518 n. 35. 3. War die bewirkte Explosion das Mittel zu einer gewollten Brandstiftung, so finden die diese betreffenden §§ Anwendung. 4. Einer „theilweisen Zerstörung" steht eine bloße Beschädigung nicht gleich; jene ist nur dann anzunehmen, wenn der Gegenstand (wenigstens theilweise) un­ brauchbar gemacht ist. seiner Bestimmung zu dienen. 5. Ist durch die Explosion der Thatbestand des § 307 hergestellt worden, so wird (nach EG. § 4) für den Fall des erklärten Kriegszustandes das zu § 307 n. 3 Gesagte anwendbar.

§312. 1. Die in diesem, wie in den §§ 313. 314 erheischte „gemeine Gefahr rc." deutet auf die Gefahr einer nicht individuell begrenzten und als solcher vorher er­ kennbaren Mehrheit; vgl. § 321, welcher nur die Herbeiführung einer „Gefahr für daS Leben re. Anderer" fordert, und Mot. s. 141 („allgemeine Gefahr"). 2. DaS „vorsätzlich" ist (wie die Stellung des Wortes im § andeutet) nur auf die Herbeiführung der Ueberschwemmung zu beziehen; der Vorsatz braucht also nicht aus die gemeine Gefahr re. mit gerichtet zu sein; in dieser Beziehung genügt daS Bewußtsein des Thäters: MeveS i. StRZ. Xm, 378; Schw. f. 743 (760); vgl. Abschn. 27 (s. 679) n. 2. 3. „Ueberschwemmung" ist nicht jede Ueberströmung eines sonst wafferfreieu Theils der Erdoberfläche, sondern nur eine Ueberfluthung mit Wasser von solcher Menge, Gewalt und räumlichen Ausdehnung, daß dadurch eine Entfesselung

Thl.

n.

Abschu. XXVII.

Gemeingefährliche Verbrechen rc. — §§312—314.

689

mit Zuchthaus nicht unter zehn Jahren oder mit lebensläng[I. Entw.: § 291; II. Emw.: § 309; Pr. StGB.: § 290.] Dgl. §§ 313. 314. 325; EG. § 4; R.-Mil.-StGB.: § 160. Preußen: Bgl. Ges.v. 28.gebt. 1843 §§.4.13; Bdn. v. 9. Jan. 1845 (GS. s.35); Rh. Rur..Ges. v. 28. Sept. — 6. Oft. 1791 Tit. 2 Art. 15; FPO. § 43 Nr. 4 u. Schlußsatz; NED. Art. III. § 3 Nr. 4 u. Schlußsatz.

§♦ 313. Wer mit gemeiner Gefahr für daö Eigenthum vorsätzlich eine Ueberschwemmung herbeiführt, wird mit Zucht­ haus bestraft. Ist jedoch die Absicht des Thäters nur auf Schutz seines Eigenthums gerichtet gewesen, so ist auf Gefängniß nicht unter Einem Jahre zu erkennen. [I. Lntw.: §§ 292. 293; II. Entw.: § 310; Pr. StGB.: §§ 291. 292.] Vgl. §§312. 314. 325. Preußen: Dgl. die zu § 312 citt. Gesetze.

§. 314. Wer eine Ueberschwemmung mit gemeiner Ge­ fahr für Leben oder Eigenthum vurch Fahrlässigkeit herbeiführt, wird mit Gefängniß bis zu Einem Jahre und, wenn durch die Ueberschwemmung der Tod eines Menschen verursacht wor­ den ist, mit Gefängniß von Einem Monat bis zu drei Jahren bestraft. [I. Entw.: § 294; n. Entw.: § 311; Pr. StGB.: § 293.] Vgl. §§ 308. 312. 313. 321. 322. Preußen: Dgl. die zu § 312 citt. Gesetze. des Elements eintritt: DreSd. 29. Jan. 75 (StZ. VI, 39); vgl. n. 1. — In welcher Weise dieselbe „herbeigeführt" wird, ist gleichgültig; vgl. § 321. 4. Doll endet ist das Verbrechen, sobald ein (eigenes oder fremdes) Grund­ stück vom Wasser übersluthet und dadurch die „gemeine Gefahr für Menschenleben" eingetreten ist. 5. Ueber die „Verursachung des Todes eines Menschen" durch Ueberschwemmung vgl. § 307 n. 6—8. 6. Zulässigkeit der Polizeiaufsicht, vgl. § 325. 7. Ueber die Bestrafung im Fall eines erklärten Kriegszustandes vgl. § 307 n. 3; EG. § 4 n. 7 ff.

§ 313. 1. In Betreff der „gemeinen Gefahr", der „Vorsätzlichkeit" der Hand­ lung und des Begriffs der „Ueberschwemmung" vgl. § 312 n. 1—3. 2. Zulässigkeit der Polizeiaufsicht neben der Zuchthausstrafe; vgl. § 325. 3. Die Natur des gefährdeten Eigenthums ist für den Thatbestand gleich, gültig. 4. Abs. 2 erkennt ausnahmsweise einen Nothstand deS Vermögens als StrafMilderungsgrund an; vgl. § 54 n. 3. 5. Die ohne gemeine Gefahr herbeigeführte Ueberschwemmung eines fremden Grundstücks ist (von Fällen des § 321 abgesehen) aus dem linken Rheinufer aus Art. 15 Tit. 2 des Rur.-Ges. v. 28. Sept. 1791 zu bestrafen.

§314. 1. Begriff der „Fahrlässigkeit"; vgl. § 59 n. 19ff. — „Verursachung des Todes eines Menschen durch Ueberschwemmung; vgl. § 307 n. 6—8.

Oppenhoff, D. Strafgesetzbuch. 7. AuSg.

44

690

Thl. n. Abschn. XXVII. Gemeingefährliche Verbrechen rc. — § 315.

§. 315. Wer vorsätzlich Eisenbahnanlagen, Beförde. rungsmittel oder sonstiges Zubehör derselben dergestalt be­ schädigt, oder auf der Fahrbahn durch falsche Zeichen oder Signale oder auf andere Weise solche Hindernisse bereitet, daß dadurch der Transport in Gefahr gefetzt wird, wird mit Zuchthaus bis zu zehn Jahren bestraft. Ist durch die Handlung eine schwere Körperverletzung verursacht worden, so tritt Zuchthausstrafe nicht unter fünf Jahren und, wenn der Tod eines Menschen verursacht worden ist, Zuchthausstrafe nicht unter zehn Jahren oder lebensläng­ liche Zuchthausstrafe ein. [I. ent».: § 295; II ent».: §312; Pr. StGB.: §294.] Dgl. §§ 90 Nr. 2. 316. 319. 320. 325. 224; e®. § 4; ©es. v. 4. Znni 1851 § 10 (Pr. ES.

f. 453); 91®es. v. 7. Jnni 1871; R.-Mil.-SlGB. § 160; R.-BahnpolizeiRegl. v. 4. J-n. 1875 §§ 53ff. (RCentralbl. f. 57). Preußen: vgl. (®bn. v. 30. No». 1840: GS. 1841 f. 9).

§ 315.

1. In Betreff des Dolus vgl. Abschn. 27 (s. 679) n. 2. Eö genügt, wenn die Bereitung der Hindernisse vorsätzlich geschah, und der Thäter daö Bewußtsein von der daraus für den Transport (zeitweise) entspringenden Gefahr hatte: Dl. 15. Apr. 59 (GA. VII. 683). 2. AuS der Stellung des § in dem von „gemeingefährlichen Verbrechen rc." handelnden Abschu. 27, aus der Höhe der angedrohten Strafe, und den im Abs. 2 gemachten Unterstellungen, endlich aus den Ausdrücken „Eisenbahnanlagen" und „Transport" ist zu folgern, daß hier nur an solche Eisenbahnen gedacht ist, welche der Allgemeinheit des Publikums zugänglich sind und eben deshalb einen umfang, reichen Betrieb haben; contra: ML f. 565; vgl. ferner DreSd. 22. Nov. 75 (SGZ. XX, 263: zählte dazu auch die dem öffentlichen Verkehr noch nicht übergebenen Bahnen, falls sie soweit fertig gestellt worden, daß aus ihnen ein Verkehr von Loko­ motiven und Bauzügen stattfindet). Demgemäß gehören die in den Bergwerksstollen oder in größeren Fabrikräumen angelegten, lediglich zum Hin- uod Herschaffen von Materialien benutzten Eisenbahnen nicht hierher: Rüd. n. 1; contra: v. Kirchm. s. 190. Im Uebrigen macht es keinen Unterschied, ob die Eisenbahnen zum Perfönen- oder nur zum SachentranSport bestimmt und ob sie mit Lokomotiven oder mit Pferden rc. befahren werden; vgl. Motive z. RGes. v. 7. Juni 1871 s. 10 (Drucks. Nr. 16); Meves i. GSaal 26 f. 189ff.; contra: Z. 14. Juni 73, BPl. 2. Okt. 75, DreSd. 20. April 74 (RdO. XIV, 427; XVI, 625; StZ. V, 164: schloffen die Pferdebahnen aus); ebenso: ML. I. c. 3. Zn den „Eisenbahnanlagen" gehören die Eisenbahntelegrapheu nicht mit; sie sind in den §§ 317. 318 zum Gegenstände besonderer Vorschriften gemacht worden. Dgl. jedoch MeveS 1. c. (zählt sie zu dem „Zubehör"). 4. „Beförderungsmittel" sind nicht nur Lokomotiven, sondern auch einzelne Wagen; nicht minder auf Pferdebahnen die Zugthiere (vgl. aber n. 2); „son­ stige- Zubehör" ist nach Mev. l. c. Alle-, was zur Beaufsichtigung und Siche­ rung des Betriebs dient, mithin nicht blos solche Gegenstände, welche bei der Be­ förderung selbst gebraucht werden. 5. Daß die Eisenbahnanlagen re. fremde seien, wird hier nicht (wie im § 305) gefordert. Demgemäß und da Rechtswidrigkeit deö Handelns kein Begriffs­ merkmal der hier vorgesehenen Mißthat ist, kann sich auch der Eigenthümer, selbst durch Vornahme einer nothwendigen Reparatur, aus § 315 strafbar machen; so: Mev. 1. c. 6. „Hindernisse" müssen „auf der Fahrbahn^ (objektiv) bereitet sein; somit kann der Thatbestand weder in dem Unsähigmachen eines Bediensteten, noch

Thl. n. Abschn. XXVII. GemeingesLhrliche Verbrechen ,c. - §§ 315. 316. 691

§. 316.

Wer fahrlässigerweise durch eine der vorbe­

in der Anstellung eines unqualifizirten Bediensteten gesunden werden: DI. 25. März 59 (GA. VII, 563); contra (in Betreff des ersteren Punkts): ML. f. 566. Doch genügt schon ein völlig vorübergehendes Hinderniß (Beisp. ein die Fahrbahn passirender Wagen): DreSd. 16. Juni 76 (SGZ. 21 f. 148: Fall des § 316). 7. Durch die Handlung muß „der Transport" („auf der Eisenbahn": § 316; vgl. jedoch „ein Transport": § 316 Abs. 2), d. h. die Benutzung der Eiseudahn als Mittel der Fortschaffung in Gefahr gesetzt sein; auf dieser Auffaffung be­ ruht DreSd. 16. Nov. 74 (StZ. V, 164), welches demgemäß Transportgefährdung mit BetriebSgefährdung identifizirte. Dagegeu erkannte Jena 29. Jan. 79 (Doll. 26 f. 161), daß ein bestimmter Transport in Gefahr gefetzt sein müffe, die Feststellung einer Transportgefährdung in abstracto genüge nicht; ebenso bezieht Mev. 1. c. den Ausdruck „Transport" lediglich auf das, was (im konkreten Falle) trauSportirt, bzw. befördert wird, mit Einschluß der Transportmittel, vorausgesetzt, daß diese Gegenstände, dem Zwecke und Wesen der Eisenbahn entsprechend, behufs der Beförderung in Bewegung sind. Theilweise hiervon abweichend, erkannte ZII. 6. Okt. 74 (RdO. XV, 617), daß mehrere zur demnächstigen, anderweitigen TranSlozirung vorläufig auf einem Geleise bereit gestellte Waggons als „Transport" angesehen werden könnten; ein Erk. v. 11. März 57 nahm daffelbe sogar in Betreff einer ein­ zelnen, mit einem Tender versehenen Lokomotive an. Jedenfalls gehört daö Ordnen der Züge, das Rangiren der Wagen oder einzelner derselben auf den Geleisen der Bahnhöfe hierher, sofern dies mittels mechanischer Kräfte (also nicht durch Menschen­ hand) bewirkt wird: ZI. 27. Sept. 67 (RdO. VIII, 513), MeveS 1. c. Ob der Transport auf Schienensträngen erfolgte, welche zur Beförderung der Personen- und Güterzüge, oder auf solchen, welche nur zu Arbeit-, und anderen Betriebszwecken bestimmt sind, ist gleichgültig (sofern nur die Eisenbahn selbst dem öffentlichen Ver­ kehre dient: n. 2); vgl. ZII. 23. März 77 (RdO. XVIII, 246: Fall de- § 316 Abs. 2) u. § 316 n. 2. 8. Damit durch die Handlung der Transport „in Gefahr gesetzt sei", genügt eS nicht, wenn die Handlung an sich geeignet war, den Transport zu ge­ fährden, bzw. wenn die bloße Möglichkeit eines Schadens bestand, es muß vielmehr die begründete Besorguiß, eine Wahrscheinlichkeit desselben vorgelegen haben; dagegen schließt die Möglichkeit einer rechtzeitigen Abwendung deS Schadens durch das Ein­ greifen Anderer oder durch sonstige Ereigniffe die Strafbarkeit nicht aus; vgl. Mannh. 23. Juni 77 (BAun. 43 f. 186: Fall des § 316 Abs. 2). Auch bedarf eS zur Anwendung des Abf. 1 des wirklichen Eintritt« einer Beschädigung nicht: Z. 27. Sept. 71, 3311. 1. Okt. 74 (RdO. XII. 465; XV, 604); vgl. § 321 n. 8. Sine bloße Betriebsstörung involvirt nicht nothwendig eine Transportgefährdung; vgl. DreSd. 16. Nov. 74 (cit. □. 7) und unten n. 10; § 316 n. 1. 9. Der Transport ist „in Gefahr gesetzt", auch wenn die Gefahr nicht der Gesammtheit der zusammenhängenden Beförderungsmittel und allen auf denselben befindlichen Personen, sondern nur einzelnen Wagen oder Personen z. B. nur den auf den Tritten stehenden Schaffnern oder den transportirten Gütern drohte; vgl. Z. 27. Sept. 71 (RdO. XII, 465); contra: Schw. s. 745; Puch. n. 1, MeveS 1. c. 10. Die Verhinderung eines Transports gehört nicht hierher; vgl. Bayer. StGB. Art. 356, welcher demgemäß in Kraft verblieben ist, und n. 8. 11. Zur Anwendung des Abf. 2 wird nicht erfordert, daß die Körperverletzung re. gerade eine Person betroffen habe, welche zu dem Transporte in irgend welcher Be­ ziehung stand; demgemäß gehört z. B. auch der Fall hierher, wo ein entgleister Zug einen neben dem Bahnkörper Gehenden überfährt. Im Uebrigen vgl. bezüglich der „Verursachung" einer Körperverletzung oder des Tode« § 307 n. 6. 7; Über den Begriff der schweren Körperverletzung vgl. § 224; über die Bestrafung im Falle eine« Kriegszustandes vgl. § 307 n. 3; EG. § 4 n. 7—10. 12. Zulässigkeit der Polizeiaufsicht, vgl. § 325.

§316. 1. Abs. 1 setzt denselben Thatbestand wie § 315 voraus, mit dem einzigen Unterschiede, daß die Handlung nicht vorsätzlich, sondern fahrlässigerweise verübt sein muß. Daß der Transport unmöglich gemacht sei, wird auch hier nicht er-

692

Thl. II. Abschn. XXVII. GemeingesLhrlichr Verbrechen ic. — §§ 316.317.

zeichneten Handlungen den Transport auf einer Eisenbahn in Gefahr setzt, wird mit Gefängniß bis zu Einem Jahre und, wenn durch die Handlung der Tod eines Menschen verursacht worden ist, mit Gefängniß von Einem Monat bis zu drei Jahren bestraft. Gleiche Strafe trifft die zur Leitung der Eisenbahnfahrten und zur Aufsicht über die Bahn und den Beförderungsbetrieb angestellten Personen, wenn sie durch Vernachlässigung der ihnen obliegenden Pflichten einen Transport in Gefahr setzen. [I. @mro.: §§ 296.298; II. Enlw.: § 313; Pr. StGB.: § 295.] Vgl. s§ 315. 222. 319. 320; RGes. v. 7. Juni 1871 (RGbl. (.217).

§. 317.

Wer gegen eine zu öffentlichen Zwecken die-

fordert: DreSd. 16. Juni 76 (SGZ. 21 (. 148). — Ueber den Begriff der Fahr­ lässigkeit vgl. § 59 n. 19 ff. § 222 n. 3. 2. Abs. 2 setzt zwar eine im Betrieb befindliche Bahn voraus; doch ist eö gleichgültig, ob der speciell gefährdete Transport unmittelbar im Jntereffe des öffent­ lichen Verkehrs erfolgte, oder zunächst den die VertehrSintereffen des Publikums nur mittelbar fördernden Bau- oder Betriebszwecken der Bahnverwaltung diente: ZI. 23. März 77 (RdO. XVIII, 246); vgl. § 315 n. 7 a. E. 3. „Angestellte Person" (Abs. 2) ist Jeder, welcher durch einen dazu Be­ rufenen (sei eS auf längere Zeit oder auch nur vorübergehend) mit der Wahrnehmung der betr. Funktionen bei einer Staats- oder Privatbahn betraut worden ist, und zwar selbst dann, wenn bei dieser Betrauung eine Formvorschrist außer Acht gelaffen sein sollte: DU. 12. Mai 70 (RdO. XI, 301); Münch. 21. Aug. 75 (BCntsch. V, 415). — Dieses Begriffsmerkmal muß ausdrücklich festgestellt werden: DI. 8. März u. 23. Juui 76 (RdO. XVH, 179. 458: die Feststellung, daß der als Hlllfsweichenstelln oder Bahnwärter bezeichnete Beschuldigte mit der Bedienung der Weichen be­ auftragt gewesen sei, bezw. daß er den Bahnbetrieb zu fördern gehabt habe, genüge nicht, da hieraus nicht erhelle, ob und von wem er angestellt, und von wem er beauftragt worden). 4. Dagegen bedarf eS nicht der Feststellung, welche specielle „Pflicht" der Angeschuldigte „vernachlässigt" habe: DI. 8. März 76 (GA. 24 s. 233); vgl. n. 5. 5. Die Bahnangestellten verwirken die Strafe, sobald sie durch irgend eine Pslichtvernachlässigung einen Zug in Gefahr setzen; eS kommt dann weiter nicht darauf an, ob diese Pflichtvernachlässigung durch eine der im § 315 aufgezählten Handlungen sich kundgegeben habe: ZI. 4. Nov. 70, ZI. 23. Nov. 70 (RdO. XI, 554. 561); ebenso bedarf eS bei ihnen nicht (weiter) einer Fahrlässigkeit in Betreff des eingetretenen Erfolgs, z. B. der Möglichkeit, diesen (d. h. die Transportgefährdung oder gar den Eintritt des TodeS eines Menschen) voraus zu sehen i§ 59 n. 19): ZII. 3. Oft. 72, 29. Jan. 73, ZI. 28. Jan. 74. Z. 21. Febr. 74 (RdO. xra, 500; XIV, 92; XV, 41. 109); Münch. 21. Aug. 75 (cit. n. 2). Demgemäß erachtete das cit. ZII. 29. Jan. 73 den Angeklagten selbst in Betreff derjenigen Folgen für verantwortlich, welche seine Dienstvernachlässtgung in Verbindung mit andern, nicht vorauszusehenden Zufälligkeiten nach sich gezogen hatte. Fällt einem solchen Beamten noch außerdem Fahrlässigkeit in Betreff des eingetretenen Erfolgs zur Last, so liegt, wenn dieser in Körperverletzung oder Tödtung bestand, Idealkonkurrenz mit dem Vergehen im Sinne des § 230 oder § 222 vor: Münch. 6. Sept. 75 (BEutsch. V, 431); vgl. § 222 n. 13. 6. Neben der Strafe aus § 316 kann gegen den säumigen Angestellten die Unfährgerklärung zur Beschäftigung im Eisenbahn- rc. Dienste ausgesprochen werden: 88 319. 320.

§317.

1. In Betreff des Dolus gilt das zu § 315 n. 1 Gesagte; vgl. DI. 1. Apr. 70 (RdO. XI, 225).

Thl.

n.

Abschn. XXVII.

Gemeingefährliche Verbrechen rc.

— §§

317.318.

693

«ende Telegraphcnanstalt vorsätzlich Handlungen begeht, welche die Benutzung dieser Anstalt verhindern oder stören, wird mit Gefängniß von Einem Monat bis zu drei Jahren bestraft. fl.Evtw.: §297; II. Entw.: § 314; Pr. StGB.: §§296. 297.) Bgl. §§ 304. 318. R.-Berf. Art. 68; @ef. v. 4. Juni 1851 § 10 (Pr. ES. f. 453); R.. Mil..StGB.: §§ 58 Nr. 2. 160.

§. 318. Wer gegen eine zu öffentlichen Zwecken die­ nende Telegraphenanstalt fahrlässiger Weise Handlungen begeht, welche die Benutzung dieser Anstalt verhindern oder stören, wird mit Gefängniß bis zu Einem Jahre oder mit Geldstrafe bis zu neunhundert Mark bestraft. Gleiche Strafe trifft die zur Beaufsichtigung und Bedienung der Telegraphenanstalten und ihrer Zubehörungen angestellten Personen, wenn sie durch Vernachlässigung der ihnen obliegen­ den Pflichten die Benutzung der Anstalt verhindern oder stören. [I. Entw.: 8 199; II. Entw.: § 315; Pr. StGB.: § 298.]

Vgl. §§317. 319. 320.

2. Die „öffentlichen Zwecke", welchen die Telegraphenanflalt dient, brauchen keine öffentlichen Telegraphen zwecke zu sein; der § ist also nicht auf solche Tele­ graphenanstalten zu beschränken, welche dem Publikum zur Beförderung von Depeschen zugänglich sind, vielmehr gehören auch solche hierher, welche bei einer (für die all­ gemeine Benutzung bestimmten) Privateisenbahn zur Regelung des Dienstes gebraucht werden: Mev. s. 268; contra: Dambach i. GSaal 23 s. 250: auch ist die An­ wendbarkeit des § nicht dadurch bedingt, dag die Telegraphenanlage mit staatlicher Genehmigung hergestellt sei. — Dagegen scheiden die nur auf den Bereich und die Zwecke eines Privatgeschäfts (z. B. einer Fabrik) oder auf den inneren Dienst in einem Amtslokale beschränkten Anlagen auS; vgl. Mot. f. 144. 3 Die Strafbarkeit aus § 317 erfordert, daß die Handlung eine Verhin­ derung oder Störung der Benutzung der Anstalt zur Folge gehabt habe; es genügt nicht, wenn sie zur Bewirkung einer Störung re. geeignet war, sollte sie auch eine Beschädigung der Anstalt selbst bewirkt haben (in letzterem Falle treffen vielmehr ev. nur die allgemeinen Dorschristen über Sachbeschädigung, insbesondere § 304 zu); vgl. DI. 1. Apr. 70, ZI. 8. Nov. 76 (RdO. XI, 225; XVH, 717) und § 318 n. 2; contra: Dambach 1. c. s. 256. 4. Der dem § 317 entsprechende § 296 de« Pr. StGB.'S hatte im Abf. 2 als „Handlungen dieser Art" eine Reihe von Beispielen aufgezählt, alS: Be­ schädigung oder Zerstörung der Zubehörungen der Telegraphenanlagen, die Fälschung der durch den Telegraphen gegebenen Zeichen, die Verhinderung der Wiederherstellung einer zerstörten oder beschädigten Anlage, die Verhinderung der bei der Anlage an­ gestellten Personen in ihrem Berufe u. a. m. Diese Aufzählung ist als überflüssig in den (im Uebrigen mit Abs. 1 deS eit. § 296 übereinstimmenden) § 317 nicht mit ausgenommen worden, kann aber zur Erläuterung benutzt werden. Demgemäß ist die Handlung auch dann gegen eine „Tel egraph enan statt" gerichtet, wenn sie die Benutzung der letzteren verhindert oder stört (z. B. durch Verhinderung der An­ gestellten). sollten auch die sachlichen Anlagen gar keine Aenderung erfahren haben. Dagegen gehört die Verhinderung eines Privaten an der Aufgabe einer Depesche (als nicht gegen die Anstalt gerichtet) nicht hierher.

§318. 1. In Betreff der Fahrlässigkeit vgl. § 59 n. 19ff. 2. Wie in den Fällen deS § 317 (vgl. dort n. 3), so ist auch hier die Straf­ barkeit dadurch bedingt, daß die Handlung eine Verhinderung rc. wirklich zur Folge gehabt hat: ZII. 27. März u. 7. Juni 77 (RdO. XVIII, 249; GA. 25 s. 459). 3. Bei Abs. 2 sind die Bemerkungen zu § 316 v. 3 -6 zu vergleichen.

694 Thl. II. Abschn. XXVII. GemeingtsLhrliche Verbrechen ?c. - §§319.320.

§. 318 Wird einer der in den §§ 316 und 318 erwähnten Angestellten wegen einer der in den §§ 315 bis 318 bezeichneten Handlungen verurtheilt, so kann derselbe zu­ gleich für unfähig zu einer Beschäftigung im Eisenbahn- oder Telegraphendienste oder in bestimmten Zweigen dieser Dienste erklärt werden. [I. Entw.: § 300; II. Entw.: § 315; — N°v. v. 26. Fibr. 1876 Art. I. — Pr.

StGB.- § 2981. Bgl. §§ 316 318. 320.

§. 320. Die Vorsteher einer Eisenbahngesellschaft, so­ wie die Vorsteher einer zu öffentlichen Zwecken dienenden Tele­ graphenanstalt, welche nicht sofort nach Mittheilung des rechts­ kräftigen Erkenntnisses die Entfernung des Verurtheilten be­ wirken, werden mit Geldstrafe bis zu dreihundert Mark oder mit Gefängniß bis zu drei Monaten bestraft. Gleiche Strafe trifft denjenigen, welcher für unfähig zum Eisenbahn- oder Telegraphendienste erklärt worden ist, wenn er sich nachher bei einer Eisenbahn- oder Telegraphenanstalt wieder anstellen läßt, sowie diejenigen, welche ihn wieder an§319. 1. Ueber den Begriff der „Angestellten" vgl. § 316 n. 3. 2. Ursprünglich hieß es „wegen einer der daselbst bezeichneten Handlungen", so daß also der § nur bei den in den §§ 316. 318 vorgesehenen fahrlässigen, nicht auch bei den in den §§ 315. 317 vorgesehenen vorsätzlichen Handlungen zur AnWendung kommen konnte. Die Novelle hat dies geändert. 3. „Eisenbahn- oder Telegraphendienst" ist der Dienst, wie er in Abs. 2 der §§ 316. 318 näher bezeichnet ist; die Unfähigkeit ist sonach aus andere Dienste bei den betr. Anstalten nicht auszudehnen, z. B. nicht auf einen Bureau­ dienst, welcher mit der „Aufsicht Über die Eisenbahn" oder „mit der Beaufsichtigung und Bedienung der Telegraphenanstalt" nichts zu schaffen hat; contra: MeveS f. 269. 4. Die Fassung: „einer Beschäftigung im Eisenbahn- oder Telegraphendienste" deutet an, daß der Eisenbahnangestellte nur in Betreff des Eisenbahn-, der Telegraphenbeamte (insbesondere auch der Eisenbahn-Telegraphen-Angestellte) nur in Betreff des Telegraphendienstes unfähig erklärt werden darf: Mot. f. 145. 5. Die Unfähigerklärung darf nicht auf Zeit beschränkt werden. 6. Mit der Rechtskraft des eine solche Unfähigkeit aussprechenden Urtheils geht die zur Zeit bekleidete Stelle verloren.

§320. 1. Der Abs. 1 bezieht sich nur auf die „Vorsteher einer Eisenbahn gesellschaft", also nicht auf Staatsbeamte, welche eine Staaisbahn leiten; gegen sie kann nur im DiSciplinarverfahren vorgegangen werden. Daraus ist zu folgern, daß von den die Staats-Telegraphenanstalten leitenden Beamten das Gleiche gelte. Contra: v. Kirchm. f. 191; Meyer f. 265; Puch. s. 320 n. 4; Schaper i. HH. UI, 895; MeveS i. GSaal 26 s. 252. 2. Das früher (ans längere Zeit eingegangene) DertragSverhältniß mit dem Beamten schließt die Anwendung des § nicht aus; vgl. § 319 n. 5. 3. Abs. 2 trifft selbstverständlich auch da zu, wo einem zur Beschäftigung in

2ty.II. Abschn. XXVII. GemeingesLhrliche Dertrechrn rc. — §§ 320.321. 695

gestellt haben, obgleich ihnen die erfolgte Unfähigkeitserklärung bekannt war. [I. ent».: § 301; n. ent».: § 317; Pr. StGB.: § 300]. Dgl. §§316.318.319.

§. 321. Wer vorsätzlich Wasserleitungen, Schleusen, Wehre, Deiche, Dämme oder andere Wasserbauten oder Brücken, Fähren, Wege oder Schutzwehre oder dem Berg­ werksbetriebe vienende Vorrichtungen zur Wasserhaltung, zur Wetterführung oder zum Ein- und Ausfahren der Arbeiter zerstört oder beschädigt, oder in schiffbaren Strömen, Flüssen oder Kanälen daS Fahrwasser stört und durch eine dieser Hand­ lungen Gefahr für daS Leben oder die Gesundheit Anderer herbeiführt, wird mit Gefängniß nicht unter drei Monaten bestraft. Ist durch eine dieser Handlungen eine schwere Körper­ verletzung verursacht worden, so tritt Zuchthausstrafe bis zu gewissen Zweigen des Dienstes unfähig Erklärten dieser UrtheilsLestimmung zu­ wider die Wiederanstellung zu Theil geworden ist. § 321. 1. In Betreff der „Vorsätzlichkeit^ vgl. Abschn. 27 (f. 679) n. 2. 3. 2. Der § erheischt (abweichend von 8 305) nicht eine Recht-widrigkeit der Handlung; auch der Eigenthümer eine- solchen Werk- darf an demselben keine daS Leben oder die Gesundheit Anderer gefährdende Veränderung vornehmen; so: Dreöd. 4. März 72 (SGZ. XVI, 216); MeveS s. 271. 275; contra: Binding IL 437. 3. Ob die „Wasserbauten, Brücken und Fähren" sich an öffentlichen oder Privat-Gewässern befinden, ist gleichgültig: MeveS s. 271. — Dem entsprechend umfaßt der Ausdruck „Wege" auch Privatwege: ZU. 15. Nov. 55 c. Bittmann; ebenso den Leinpfad: Puch. s. 320. Dreöd. 7. Juni 75 (SGZ. XX, 22) rechnete selbst die über einen zugefrornen Fluß hergestellten Wege hierher. 4. Die Worte: „oder dem Bergwerksbetriebe............. der Arbeiter" fehlten früher; die Novelle hat fie eingeschaltet, weil Beschädigungen der zum Bergwerksbetriebe dienenden Vorrichtungen große Gefahr hervorrufen und unter Umständen den Charakter gemeingefährlicher Verbrechen annehmen: Mot. f. 58. 5. Bei den „Wasserleitungen .. . Wegen. .. ic." wird eine „Zerstö­ rung" oder „Beschädigung" d. h. eine Verletzung der Integrität der betr. Sache vorausgesetzt: somit genügt eS nicht, wenn in andrer Weise die gefahrlose Benutzung derselben behindert wird (vgl. die abweichende Fassung der §§ 316-318); contra: Jena (Voll. XXI, 173); vgl. MeveS s. 272. 6. „Schiffbar" bezieht sich auch aus „Flüffe" und „Kanäle«; bloße Flößbarkeit genügt nicht: ZI. 12. Nov. 75 (RdO. XVI, 723). 7. Auf die Störung des Fahrwassers im Meere, in einem Hafeneingange oder einem Landsee findet der § keine Anwendung: MeveS in StNZ. Xm, 375. 8. Durch die Beschädigung re. ist nur dann „Gefahr,e. herbeigeführt", wenn die Beschädigung eine solche Gefahr nach dem gewöhnlichen Lause der Dinge, also überhaupt mit Wahrscheinlichkeit voraussehen läßt, nicht also, wenn lediglich die Möglichkeit gegeben erscheint, daß unter außerordentlichen Verhältnissen Gefahr eintrete; ob erstere« der Fall sei, ist eine Thatfrage, mithin in dieser Hinsicht die Auffassung des Jnstanzrichterö entscheidend, insofern die von ihm festgestellten sak-

696 Thl. II. Abschn. XXVII. GemeingefShrlicht Verbrecht» ,c. - §§321.322.

fünf Jahren und, wenn der Tod eines Menschen verursacht worden ist, Zuchthausstrafe nicht unter fünf Jahren ein. [I. Entw.: § 302; n. Enlw.: § 318; — No», v. 26. Febr. 1876 Art. I. — Pr. StGB.: § 301] Vgl. §§ 91 Nr. 2. 284. 325. 326. 305. 312—314. 366». 222. 224. 370 Nr. 1. 2; R.-Mil.-SlEB.: §§ 58 Nr. 2. 160. Preußen: vgl. FPO. § 43 Nr. 1. 3. 4; NED. Art. III § 3 Nr. 1. 3. 4.

§. 322 Wer vorsätzlich ein zur Sicherung der Schiff­ fahrt bestimmtes Feuerzeichen oder ein anderes zu diesem Zwecke aufgestelltes Zeichen zerstört, wegschafft oder unbrauchbar macht, oder ein solches Feuerzeichen auslöscht oder seiner Dienstpflicht zuwider nicht aufstellt, oder ein falsches Zeichen, welches ge­ eignet ist, die Schifffahrt unflcher zu machen, aufstellt, insbe­ sondere zur Nachtzeit auf der Strandhöhe Feuer anzündet, welche- die Schifffahrt zu gefährden geeignet ist, wird mit Zuchthaus bis zu zehn Jahren bestraft. Ist durch die Handlung die Strandung eines Schiffes verursacht worden, so tritt Zuchthausstrafe nicht unter fünf Jahren und, wenn der Tod eines Menschen verursacht worden tischen Momente und die daraus gezogenen Folgerungen nicht selbst in einem innern Widersprüche stehen: Münch. 23. Aug. 75 (BEntsch. V, 420, 423). Dgl. § 315 n. 8. 9. Eine Gemeingesährlichkeit gehört nicht zu den Begriffsmerkmalen des Vergehens (vgl. Abschn. 27 n. 1: s. 679); eS genügt, trenn durch die Handlung das Leben rc. auch nur eines Anderen als des Thäters gefährdet wird (vgl. die Fassung deS § 323); dabei ist es gleichgültig, ob dieser Andere ein Recht zur Be­ nutzung der Anlage (z. B. deS Privatweg«) hatte, sobald nur nach den thatsächlich obwaltenden Derhältnisten für denselben eine Gefahr rc. herbeigeführt wurde. '10. „Verursachung" einer schweren Körperverletzung rc. vgl. § 307 n.6ff. 11. Zulässigkeit der Polizeiaufsicht, vgl. §325. § 322. 1. Abgesehen von dem am Schluffe des Abs. 1 erwähnten Falle des FeuerAnzündens auf der Straudhöbe erheischt dieser § nicht die Herbeiführung einer Ge­ fahr, geschweige denn einer Gemeingesährlichkeit. Demgemäß genügt als Dolus die Vorsätzlichkeit der Handlung an stch, verbunden mit dem Bewußtsein, daß daS Zeichen ein zur Sicherheit der Schifffahrt bestimmtes, oder daß das falsche Zeichen geeignet sei, die Schifffahrt unsicher zu machen; beim erwähnten Feueranzünden muß das Bewußtsein hinzutreten, daß daffelbe geeignet sei, die Schifffahrt zu gefährden; vgl. Abschn. 27 (679) n. 2. 3. 2. Der § ist nicht auf die Seeschifffahrt zu beschränken, findet vielmehr auch auf die daö Fahrwasser in andern Gewässern kundmachenden Zeichen rc. An­ wendung. 3. „Feuerzeichen" ist hier gleichbedeutend mit „Lichtzeichen"; das Ver­ dunkeln (Blenden rc.) des Lichts steht dem Auslöschen gleich: MeveS i. StGZ. XIII, 381; Schaper i. HH. HI, 903. 4. Das „Verrücken" eines Schifffahrtszeichens ist als ein „Wegschaffen" oder „Uubrauchbarmachen" desselben anzusehen. 5. „Nachtzeit" ist hier die Zeit zwischen Sonnen-Unter- und -Aufgang; vgl. § 293 n. 4. 6 Ueber die „Verursachung" einer Strandung rc. vgl. § 307 u. 6—8.

Thl. II. Abschn. XXVII. GemeingesShrliche verbrechen ic. — §§322-324 697

ist, Zuchthausstrafe nicht unter zehn Jahren oder lebensläng­ liche Zuchthausstrafe ein. [L ©nt».: § 303; II. ©nt».: § 319; Pr. StGB.: ß 302.] Dgl. §§ 323.325. 326. 265. 305; EG. §4; Mil..StGB.: § 160; «Ges. v. 3. MSr, 1873 (RGbl. f. 47); R.-Slrand.-Ordn. v. 17. Mai 1874.

§. 323. Wer vorsätzlich die Strandung oder das Sin­ ken eines Schiffes bewirkt und dadurch Gefahr für das Leben eines Andern herbeiführt, wird mit Zuchthaus nicht unter fünf Jahren und, wenn durch die Handlung der Tod eines Men­ schen verursacht worden ist, mit Zuchthaus nicht unter zehn Jahren oder mit lebenslänglichem Zuchthaus bestraft. (I. ©nt».: § 304; II. ©nt».: § 320 Pr. StGB.: § 303 ] Dgl. §§ 322. 325. 326. 265. 305; EG. § 4; R.-Mil.-SlGB.: § 160; D. HG«. Artt. 702. 708 Nr. 3; R.-Strand-Ordn. v. 17. Mai 1874 (RGbl. s. 73).

§. 324. Wer vorsätzlich Brunnen- oder Wasserbehäl­ ter, welche zum Gebrauche Anderer dienen, oder Gegenstände, welche zum öffentlichen Verkaufe oder Verbrauche bestimmt sind, vergiftet oder denselben Stoffe beimischt, von denen ihm bekannt ist, daß sie die menschliche Gesundheit zu zerstören ge7. Zulässigkeit der Polizei-Aussicht: § 325. 8. Fall eines Kriegszustandes :c.; vgl. EG. §4 und dort n.7—10.

§ 323. 1. Ueber den Begriff der „Vorsätzlichkeit" vgl. Abschn. 27 (s. 679) n.2. 3. 2. Auch hier wird eine Recht «widrigkeil der Handlung (in Betreff des Schiffes) nicht erfordert; vgl. § 321 n. 2. 3. „Schiff" bezeichnet hier jedes Fahrzeug sei e« auf dem Meere, sei eS auf einem Binnengewäffer. 4. Wird die Strandung in höchster Noth zur Rettung der Mannschaft rc. bewirkt, so trifft der § nicht zu, weil dann die Lebensgefahr nicht durch sie herbei­ geführt wird; vgl. D. HGB. Artt. 702. 708 Nr. 3. 5. War Schiff oder Ladung versichert, so kann in Ideal-Konkurrenz auch § 265 anwendbar sein; derselbe wird dann aber durch § 323 als den strengeren ausgeschloffen: § 73. 6. Ueber die „Verursachung" deö Todes vgl. § 307 n. 6—8. 7. Zulässigkeit der Polizeiaufsicht: § 325. 8. Fall eines Kriegszustandes; vgl. EG. § 4 und dort n. 7—10.

§ 324.

1. In Betreff des „Vorsätzlichkeit" vgl. Abschn. 27 (f. 679) n. 2. 3. 2. Unter „Brunnen- oder Wasserbehältern, welche zum Gebrauche Anderer dienen", sind hier solche Vorrichtungen zum Sammeln des Wassers zu ver­ stehen, bei denen die Benutzung des Wassers zum (unmittelbaren oder mittelbaren) Genusse durch Menschen oder doch zu einer eine Einwirkung auf den menschlichen Organismus ermöglichenden Verwendung den Hauptzweck bildet; demgemäß gehören Teiche, welche zur Fischzucht dienen, sowie überhaupt Fischbehälter nicht hierher; so: DreSd. 12. April 78 (SGZ. 22 f. 279). 3. Insofern der § 324 außer der Vergiftung von Brunnen, oder Wasserbehältern auch die Vergiftung der zum öffentlichen Verkauf rc. bestimmten Gegen­ stände und deren Verkauf rc. verpönt, sind seine Vorschriften bezüglich der als Nahrungs- oder Genußmittel für Andere bestimmten sowie gewifler Ge-

698

Thl. n. Abschn. XXVII.

Gemeingefährliche Verbrechen ic. - § 324.

eignet sind, ingleichen wer solche vergiftete oder mit gefähr­ lichen Stoffen vermischte Sachen wissentlich und mit Ver­ schweigung dieser Eigenschaft verkauft, feilhält oder sonst in Verkehr bringt, wird mit Zuchthaus bis zu zehn Jahren und, wenn durch die Handlung der Tod eines Menschen verursacht worden ist, mit Zuchthaus nicht unter zehn Jahren oder mit lebenslänglichem Zuchthaus bestraft. [I. Entw.: §306; II. Entw.: § 321; Pr. StGB.: § 304.) Vgl. §325. 326. 229. 367 Nr. 7; EG. § 4; Mil.-StGB.: § 160; RGef. v. 14. Mai 1879

§§ 10 ff. brauchsgegenstände (nemlich Bekleidungsgegenstände, Spielwaaren, Tapeten, Eß-, Trink-, Kochgeschirr, Petroleum) für nicht ausreichend erachtet worden. Dem­ gemäß trifft das RGef. v. 14. Mai 1879 weitergehende Bestimmungen, indem es im § 13, unter Beibehaltung der Strafen des § 324 (und 325), Jeden für strafbar erklärt, welcher vorsätzlich Gegenstände der letzterwähnten Art so herstellt, daß ihr Genuß, bezw. ihr bestimmung-gemäßer (vgl. n. 6) oder auch nur vorauszusehender Gebrauch die menschliche Gesundheit zu zerstören geeignet ist, sowie Jeden, welcher wissentlich solche Gegenstände verkauft rc., während § 12 ib. geringere Strafen normirt, wenn der Genuß, bezw. Gebrauch jener Gegenstände die Gesundheit min­ destens zu beschädigen geeignet ist. — Bei den oben aufgezählten Gegeuständen ist es daher nicht mehr erforderlich, daß ste „zum öffentlichen Verkauf rc. bestimmt stab"; ebenso ist es gleichgültig, ob die Gesundheitsgefährlichkeit derselben durch „Beimischung" anderer Stoffe oder durch die Art der Herstellung oder (was den Verkauf rc. betrifft) durch inneren Verderb des Gegenstandes entstanden ist, ferner, ob der Verkauf rc. „mit Verschweigung dieser Eigenschaft" stattgefunden hat; vgl. Mot. zum Gesetz v. 14. Mai 1879 f. 24. — Für die übrigen (d. h. in letzterem Gesetze nicht ausgeführten) „Gegenstände" hat der § 324 feine volle praktische Be­ deutung bewahrt. 4. Auf die Natur deS „Gegenstandes" kommt Nichts an; eS genügt, wenn er geeignet ist, die menschliche Gesundheit zu zerstören. 5. Ein Gegenstand ist zum „öffentlichen Verkaufe oder Verbrauche be­ stimmt", wenn er dem Erwerbe der Konsumenten in einer nicht individuell begränzten Weife zugänglich gemacht ist; eS genügt nicht, wenn erst die Absicht bestand, ihn später in den Verkehr zu bringen; alsdann beginnt die Strafbarkeit erst mit dem Verkaufen, Feilhalten rc.: Schw. f. 751 (769). Demgemäß ist die Vergiftung eines fremden Thieres (um es zu tödteu) nicht deshalb aus § 324 zu bestrafen, weil daffelbe vom Eigenthümer dazu bestimmt war, geschlachtet und als Fleisch in den Verkehr gebracht zu werden: Dreöd. 3. Aug. 71 (StZ. I, 43). Nach den Mot. z. Ges. v. 14. Mai 1879 f. 24 ist der Verkauf im Wege deS HaustrenS kein „öffent­ licher Verkauf". 6. Ueber den Begriff des „Gifts" oder eines „zur Zerstörung der menschlichen Gesundheit geeigneten Stoffs" vgl. § 229 n. 1 —4. Ein Gegenstand ist ver­ giftet re.", wenn ihm durch Beimischung von Gift rc. die Eigenschaft beigelegt ist, die Gesundheit desjenigen Menschen, welcher ihn in bestimmungsmäßiger Weise gebraucht, zu beschädigen; sonach gehört der Gebrauch gistiger Farben bei Kinderspielzeug nicht hierher: Schw. s. 750 (768); contra: Schaper i. HH. m» 906 n. 7. Fälle der letzteren Art werden ev. durch die §§ 12ff. des R.-Ges.'ö v. 14. Mai 1879 getroffen; vgl. n. 3. 7. Trichinenhaltiges Fleisch ist eine mit „gefährlichen Stoffen ver­ mischte Sache". Die Mot. z. Ges. v. 14. Mai 1879 f. 24 scheinen das Gegentheil anzunehmen, heben jedoch hervor, daß der wiffeutliche Verkauf solchen Fleische- ev. unter die Bestimmungen de- letzterwähnten Gesetze- falle. Dgl. auch § 326 n. 3. 8. Durch den Eintritt einer Gefahr für bestimmte Personen ist der That­ bestand nicht bedingt; selbst der Nachweis, daß eine solche im Fragefalle nicht ein­ getreten fei, schließt Strafbarkeit nicht aus.

Thl. n. Abschn. XXVII. Gemeingefährliche Verbrechen re. — §§ 325—327. 699

§. 325. Neben der nach den Vorschriften der §§ 306 bis 308. 311 bis 313. 315. 321 bis 324 erkannten Zucht­ hausstrafe kann auf Zulässigkeit von Polizei-Aufsicht erkannt werden. [I. Elltw.: § 307; n. Entw.: $ 322; Pr. StGB.: § 305.] vgl. §§ 38. 39.

§. 326. Ist eine der in den §§ 321 bis 324 be­ zeichneten Handlungen aus Fahrlässigkeit begangen worden, so ist, wenn durch die Handlung ein Schaden verursacht worden ist, auf Gefängniß bis zu Einem Jahre und, wenn der Tod eines Menschen verursacht worden ist, auf Gefängniß von Einem Monat bis zu drei Jahren zu erkennen. II. @ntm.: §§ 302 — 306; H. @ntro.: § 323; Pr. StGB. §§ 301—304.] Vgl. 8§ 321-324. 145. 222. 230. 367 Nr. 7; RGes v. 14. Mai 1879 § 14.

§. 327. Wer die Absperrungö- oder Aufsichts-Maß­ regeln oder Einfuhrverbote, welche von der zuständigen Be9. Auö der Kumulirung der Ausdrücke: „verkauft, feilhält oder foust in den Verkehr bringt- ergiebt sich, daß der zuletzt erwähnte hier eine weiter gehende Bedeutung hat als in dem (außer Kraft gesetzten) § 287; es genügt, wenn die Sache Anderen zum Erwerbe zugänglich gemacht ist, vgl. o. 5. 10. Ueber die „Verursachung" de- Tode- vgl. § 307 n. 6—8. 11. Zulässigkeit der Polizeiaufsicht: § 325. 12. In Betreff des Falle- eine- Kriegszustände- rc. vgl. EG. § 4 n,7—10

§325.----------------------------------------------------------------------------§326.

1. „Fahrläs figkeit", vgl. § 59 n. 19ff.; § 222 n. 3. ES genügt, wenn die Fahrlässigkeit in Betreff der in den §§ 321 — 324 bezeichneten Handlungen und nicht auch in Beziehung auf den verursachten Tod obwaltete; tritt eine Fahrlässigkeit der letzteren Art hinzu, so wird da- zu § 309 n. 4 Gesagte anwendbar. 2. 9n Betreff der „Verursachung eine- Schaden-" vgl. § 307 n. 6—8. In den Fällen der §§321 und 324 muß der verursachte Schaden da- Leben oder die Gesundheit eine- Andern zum Gegenstand haben. Rüd. n. 1 und Schaper i. HH. m, 904 nehmen dasselbe auch für die Fälle de- § 323 an; Meve- i. StRZ. XIII, 414 beschränkt hier die Anwendbarkeit de- § 326 sogar auf den Verlust von Menschenleben, wogegen Belmonte i. GSaal 28 s. 499 die fahrlässige Ausführung sämmtlicher in den §§ 321 —324 erwähnten Handlungen stet- für strafbar hält, wenn neben dem objektiven Thatbestände der dolosen Mißthat, also in den Fällen de- § 323 namentlich auch neben der Gefährdung von Menschenleben, noch da- für die Strafbarkeit einer culpa überhaupt erforderliche Requisit einer materiellen Rechts­ verletzung [§ 59 n. 19] vorhanden fei, sollte letztere auch nur in einer bloßen Beschädigung von Sachen bestanden haben; ebenso entschied in Betreff eine-Falle- de§ 323 da- von ihm cit. Erk. de- OG.'S Hamburg. 3. Ist eine der in den §§ 12. 13 de- RGes.'S v. 14. Mai 1879 bezeichneten Handlungen (§ 324 n. 3), z. B. der Verkauf trichinenhaltigen Fleisches (Mot. z. cit. Gef. f. 26), au- Fahrlässigkeit begangen worden, so kommt § 14 ib. zur Anwendung; dieser verpönt auch den Fall, wo kein Schaden verursacht worden ist, und beläßt es für die übrigen Fälle bei den Strafen de- § 326. 4. Im Uebrigen sind die Bemerkungen zu den §§ 321—324 zu vergleichen.

§327. 1. Nur die Verletzung der von der „zuständigen Behörde" angeordneten Maßregeln re. ist hier wie im § 328 mit Strafe bedroht. Welche Behörde als zu-

700

Thl. n. Abschn. XXVII.

GrmemgtsShrlicht Verbrechen,c. — § 327.

Hörde zur Verhütung des EinführenS oder Verbreitens einer ansteckenden Krankheit angeordnet worden sind, wissentlich ver­ letzt, wird mit Gefängniß bis zu zwei Jahren bestraft. ständig anzusehen sei, ist nach den LaudeSgesetzen zu beurtheilen. Zn Preußen sind hierzu nur die Provinzial-Behörden (Regierung, Drostei) oder das vorgesetzte Mi­ nisterium berufen (vgl. Ddn. v. 26. Dez. 1808 § 3; Reg.-Jnstr. v. 23. Oft. 1817 §2 Nr. 3; AKO. v. 8. Aug. sRegul. v. 28. Oft.] 1835 § 10; Ddn. v. 27. März 1836 SS 2-4. 6. 7; Pr. StGB. §§ 306. 307; Ges. v. 25. Juni 1875 § 2): ZII. 5. Mai 74 (RdO. XV, 273). Doch gilt das von der Regierung rc. Gesagte auch von einem in Vertretung ihrer handelnden Kommissar; demgemäß ist auch der Landrath zuständig, sofern er als Kommissar der Regierung diese vertritt: ZII. 13. Juli 74 (RdO. XV, 487). Ja selbst eine vom Landrathe als solchen getroffene Anord­ nung genügt, falls die Regierung ste genehmigt und dies öffentlich bekannt gemacht hat: ZI. 21. Mai 75 (RdO. XVI, 370). Die Ortspolizeibehörden (bezw. der Amtövorsteher oder, vorbehaltlich des eben Gesagten, der Landrath, vgl. Abschn. 29 n. 28. 29) sönnen die Befolgung sanitätspolizeilicher Anordnungen nur nach An­ leitung des Pol.-Ges.'S v. 11. März 1850 § 6 (bezw. der Bdn. v. 12. Sept. 1867 8 6 ff. und der Kreis-Ordn. v. 13. Dez. 1872 §§ 62. 59 Nr. 1. 78) sicher stellen; vgl. auch cit. KreiSOrdn. § 135 XI. Außerdem kommen in Betracht für das ehe­ malige Kurheffen: Ddn. v. 13. Dez. 1828, für die Provinz Hannover: vdn. v. 6. Juni 1833; AmtS-Ordn. v. 10. Mai 1859 § 15 (Hann. GS. f. 487). 2. Die §§ 327. 328 haben nur besondere Polizeimaßregeln der Behörden im Auge, nicht also ältere die SanitätSpolizei betreffende Landesgesetze; ste lassen daher auch die mit den daselbst getroffenen Anordnungen verbundenen Strafvorschrifteu (z. B. die im Pr. Regul. v. 28. Olt. 1835 enthaltenen) unberührt: ZPl. 26. Febr. 55 (JMbl. s. 128); ZI. 13. Jan. 64, DI. 11. Nov. 74 (RdO. IV, 284; XV, 760). Schaper i. HH. III, 907; contra: Z. 1. Juni 72, ZI. 15. Juli 74 (RdO. Xni, 329; XV, 505). Der § 23 des cit. Pr. Regulativs v. 1835, nach welchem die „Polizeibehörden" die Bestimmungen desselben unter Androhung ange­ messener Ordnungsstrafen einschärfen sollen, ist jetzt dabin abgeändert, daß die §§ 327. 328 Platz greifen, insofern ihr Thatbestand vorliegt, während die Verbindlichkeit anderer sanitätSpolizeilicher Vorschriften und Strafandrohungen nach den unter n. 1 citt. Pol.-Geff. zu beurtheilen ist. 3. Ebensowenig begreifen die in den §§ 327. 328 gedachten Anordnungen all­ gemeine Polizeistrafverorduungen der Regierungen re. im Sinne des Pr. Ges.'s v. 11. März 1850 (n. 1), deren Wesen eben in der Ergänzung fehlender gesetzlicher Strafbestimmungen besteht und welche daher in mehrfachem Betrachte legislativen Akten gleichstehen; demgemäß bedürfen jene Anordnungen auch nicht der Publikation in der für solche Strafverordnungen vorgeschriebenen Weise; eS fragt sich vielmehr nur, ob der Angeschuldigte, gleichviel wie, von ihnen Kenntniß erlangt hatte (vgl. n. 7): ZI. 13. April 73; Z. 14. Juni 73, ZII. 13. Juli 74, BI. 11. Nov. 74, ZU. 10. Dez. 74 (RdO. XIV, 302. 531; XV, 486. 760 856). Dgl. n. 7. 4. Die hier fraglichen Anordnungen werden in der Regel aus Anlaß spezieller Vorkommnisse als außerordentliche Maßregeln und in einer nach Zeit wie Ort be­ grenzten Weise getroffen. Dies ist jedoch keineswegs nothwendig, sie können viel­ mehr auch allgemein, für künftige Fälle und für alle Orte, wo die Krankheit (Seuche) ausbrechen möchte, sowie für einen nicht begrenzten Zeitraum erlassen werden: ZI. 12. Juni 68, VI. 15. Juli u. 11. Nov. 74 (RdO. IX, 370; XV, 505. 760); Jena 78 (Voll. 25 s. 362: die Worte „einer Krankheit" seien gleichbedeutend mit „von Krankheiten"; vgl. § 328 vcrbis „von Viehseuchen"). 5. Nur auf die „Verletzung einer Absperrungö- oder Aufsichts-Maß­ regel (eines Einfuhrverbotes") finden die §§ 327. 328 Anwendung. Andere polizei­ liche Anordnungen gehören nicht hierher, selbst wenn sie dahin abzielen, die Verbrei­ tung einer ansteckenden Krankheit zu verhindern, wie z. B. eine Anordnung, welche die Behandlung der Krankheit durch andere als approbirte Aerzte untersagte; letztere Anordnung würde übrigens der durch die Gew.-O. §§ 1. 29 gewährten Gewerbe­ freiheit widersprechen und sonach unverbindlich sein; ältere Bestimmungen dieser Art

Thl. II. Abschn. XXVII.

Gemeingefährliche Verbrechen rc. — § 327.

701

Ist in Folge dieser Verletzung ein Mensch von der an­ steckenden Krankheit ergriffen worden, so tritt Gefängnißstrafe von drei Monaten bis zu drei Jahren ein. II. Entw.: § 308; II. Entw.: § 324; Pr. StGB.: § 306.] Dgl. §§ 328. 222. 230; Verein-.Zoll. ic. Vertrag v. 8. Juli 1867 Art. 4 Abs. 2. 5; BZvllgef. v. 1. Juli 1869 §§ 2. 134; R.-Berfaff. Art. 4 Nr. 15. Preußen: Dgl. Patent v. 2. April 1803 (e. Rabe 7. S. 360. 398ff.); AKO. v. 8. Aug. 1835 nebst Regul. v. 28. Okt. 1835 (GS. f. 240); Min..Vers, v. 3. Juli 1863 (BMbl. s. 163); Kreir-Ordn. v. 13. De». 1872 §§59 Nr. 1; 135 XI. 1 u. §§ 140ff. (GS. s. 701). sind außer Kraft getreten: ZI. 26. Sept. 73 (RdO. XIV, 585). Inzwischen verstand ZU. 17. Dez. 78 (RdO. XIX, 417) unter „AufsichtSmaßregeln" im Sinne des § 328 aüe Anordnungen, welche sich auf die Feststellung und Sicherung deGesundheitszustandes der gefährdeten Thiere sowie aus die Unterdrückung der Seuche beziehen, mithin nicht blos Anordnungen bezüglich der Aufsicht über die gesperrten Reviere und die darin befindlichen kranken oder krankheit-verdächtigen Thiere. — Da­ gegen sind die §§ nicht aus allgemeine, alle Personen treffende, Maßnahmen rc. zu beschränken, vielmehr finden dieselben auch auf solche Anordnungen (der fraglichen Art) Anwendung, welche lediglich für einen Einzelfall getroffen sind: Z. 8. Nov. 71 (RdO. XII, 570), oder nur gewissen Personen bezm. Kategorien von Personen für konkrete Fälle gewisse Handlungen (z. B. die sofortige Anzeige eines ErkrankungöfalleS oder das Aushängen einer Warnungstafel) zur Pflicht machen: ZI. 13. Jan. 64, Bl. 10. Juli 68, ZU. 7. Nov. 72, BI. 15. Juli 74; contra: ZI. 18. Mai 70, Z. l.Juni 72 (RdO. IV, 284; IX. 449; XHI, 582; XV, 505; XI. 316; XIII. 499. — Damit eine von der zuständigen Behörde erlassene Anordnung als Aufsicht-Maßregel zur Verhütung des Einführend rc. von Krankheiten (Viehseuchen) anzusehen sei, genügt eS, daß sie sich selbst als zu diesem Zwecke erlassen bezeichnet: ZU. 7. Nov. 78 (RdO. XIX, 513). 6. Der § 327 bezieht sich nur auf Krankheiten der Menschen (vgl. Abs. 2 und §328); contra: Rubo s. 980 (schließt selbst Krankheiten der Pflanzen, z. D. die Kartofselkrankheit nicht auö). Gleichgültig ist es, ob nur die Menschen ihnen aus­ gesetzt, oder ob sie diesen und Thieren gemeinsam sind; VI. 14. Juli 54 u. Stuttg. 26. Febr. 79 (GA. II, 837; WGbl. XVI, 44) nahmen dasselbe sogar von solchen Krankheiten an, welche nur bei Thieren entstehen, sich aber sei e- in derselben, sei eS in einer andern Form auf Menschen übertragen (Beisp.: Milzbrand, schwarze Blatter, Tollwuth); contra jedoch: ZII. 17. Sept. 78 (cit. n. 5: speziell in Betreff de- aus Menschen übertragbaren Rotzes, weil das Pr. Ges. v. 25. Juni 1875 diesen als Viehseuche bezeichne); vgl. ferner § 328 n. 2. 7. Abweichend von §306 des Pr. StGB.'S, erheischt §327 (328) eine „wissentliche Verletzung"; eS bedarf somit der Kenntniß und des Verständnisses der ergan­ genen Anordnung sowie der Kenntniß des Zutreffens ihrer thatsächlichen Voraus­ setzungen im Fragefalle: V. 24. Mai 71, VI. 12. Juli 71 (RdO. XII. 290. 305); ZII. 7. Nov. 72, VI. 15. Juli 74, ZU. 17. Sept. 78 (cit. n. 5). Ein Irrthum über den Sinn der Anordnung schließt die Anwendung der §§ 327. 328 elbst dann aus, wenn jene in einer allgemeinen Polizeiverordnung (n. 3) enthalten ist, da letz­ tere hier nicht als solche, sondern als Absperrung-- rc. Maßregel in Betracht kommt; so: DII. 29. Nov. 77 (RdO. XVIII, 749). 8. Eine zuständiger Weise getroffene Anordnung verliert ihre Wirksamkeit nicht dadurch, daß sie statt der im § bestimmten, eine andere Strafe androht; dagegen ist nur die gesetzliche Strafandrohung maßgebend: Z. 10. Jan. 74 (RdO. XV, 21). 9. Abs. 2 wird anwendbar, sobald objektiv feststeht, daß die dem Angeschul­ digten zur Last fallende Verletzung der Anordnung die Folge gehabt hat. daß ein Mensch von der rc. Krankheit befallen worden ist; eS kommt dann auf eine Fahr­ lässigkeit in Beziehung aus den konkreten Erkrankung-fall nicht weiter an; vgl. § 59 n. 12; § 224 n. 12. 13. 10. DaS „Unternehmen einer verbotswidrigen Einfuhr- ist durch das VZollges. v. 1. Juli 1869 § 134 selbst dann, wenn daS Verbot auf polizeilichen

702

Thl.

n.

Abscha. XXVII.

Gemeingcsöhrliche Verbrechen ,c. — §§ 327. 328.

§. 328 Wer die AbsperrungS- oder Aufsichts-Maß­ regeln oder Einfuhrverbote, welche von der zuständigen Be­ hörde zur Verhütung des Einführens oder VerbreitenS von Viehseuchen angeordnet worden sind, wissentlich verletzt, wird mit Gefängniß bis zu Einem Jahre bestraft. Rücksichten beruhte, z. B. wenn eS zur Abwehr ansteckender Krankheiten erlassen war (vgl. 1. c §2; VZollverlr. v. 8. Juli 1867 Art. 4 Abs. 2—5), als „Koutrebande" charakterisirt und mit der (unbedingt gebotenen) „Konfiskation der Ge­ genstände, in Beziehung auf welche das Vergehen verübt worden ist", und außer­ dem, „insofern nicht in besonderen Gesetzen eine höhere Strafe festgesetzt ist", mit Geldstrafe bedroht. Der (aus § 1 de« Pr. Zoll-Strafges/S v. 23 Jan. 1838 ent­ lehnte) Ausdruck „in besonderen Gesetzen" ist im Gegensatze gegen daS Zollgesetz aufzufassen; demgemäß sind auch die speziellen Vorschriften der §§ 327. 328 de» StGB.'S als solche „besondere Gesetze" anzusehen. Sie sehen denselben Thatbestand vor, wie das Zollgesetz und drohen statt jener Geld- eine Gefängnißstrafe an. So­ nach liegt hier keine Jdeal-Konkurrenz verschiedener Thatbestände (§ 73, eit. VZollges. § 158) vor, vielmehr ergänzen sich beide Strafbestimmungen wechselseitig, so daß neben der Gefängnißstrafe aus Einziehung der eingeführten Gegenstände zu erkennen ist: ZI. 8. Juli 63, SSL 10. Febr. 64, ZI. 23. Ott. 67, ZU. 10. Dez. 74, 7. Nov. 78 (RdO. HI, 549; IV, 358; Vm, 631; XV, 856; XIX, 514); Münch. 1. Febr. 79 (BEntsch. IX, 63). Dagegen bleibt § 40 des StGB.'S hier ausgeschlossen, weil da« Objekt der Einfuhr nicht zur Begehung deS (davon getrennt gedachten) Ver­ gehens .gebraucht" ist. — Geschah die verbotswidrige Einfuhr ohne die im § 327 (328) vorausgesetzte Wissentlichkeit (n. 7), so werden die §§ 134 (144. 146ff.) deS DZollges.'S ihrem ganzen Inhalte nach anwendbar, es ist also auf die dort ange­ drohte Geldstrafe zu erkennen, da der eit. § (wegen seiner theils fiskalischen, theils rein polizeilichen Bedeutung) einen besonderen DoluS nicht erheischt; vgl. ib. § 163. Für diesen Thatbestand ist eS gleichgültig, ob der Thäter sich der Entrichtung der Zollabgabe entziehen, oder die Zollstelle umgehen wollte oder nicht: DI. 10. Febr. 64 (RdO. IV, 358). — Ein zeitweiliges Einfuhrverbot hebt die (durch den Zoll­ tarif begründete) allgemeine Zollpflichtigkcit des Gegenstandes nicht auf; sonach bleibt daS Unternehmen der unverzollten Einfuhr als solches strafbar; die Zoll­ hinterziehung konkurrirt daun ideell mit der Kontrebande (VZollgef. §§ 158. 159); contra: VI. 10. Febr. 64, ZI. 13. Sept. 64 (RdO. IV, 358; V, 135).

§328. 1. Dgl. die Bemerkungen zu § 327. Dem dort n. 1 Gesagten zufolge ist „zuständige Behörde" im Sinne des § 323 in Preußen nur die Landespolizeibehörde. Erläßt daher eine Ortspolizeibehörde oder die Militärverwaltung auf Grund des Pr. Ges.'S v. 25. Juni 1875 Anordnungen über denselben Gegenstand', so können Zuwiderhandlungen wider dergleichen Anordnungen nur aus den Strasbestimmungeu jenes Gesetzes, und nicht aus § 328 bestraft werden: ZU. 17. Sept. 78 (RdO. XIX, 417). 2. „Viehseuche" bezeichnet die ansteckenden (leicht übertragbaren) Krankheiten der HauSthiere. Zum Begrisse der „Viehseuche" im Sinne des § 1 gehört es keineswegS, daß die Krankheit epidemisch und nicht blos sporadisch aufzutreten pflege: BL 11. Nov. 74 (RdO. XV, 760). — Dahin gehören die Rinderpest, die Tollwuth und der Rotz (bet Pferden und Eseln): ZII. 13. Juli 74, DI. 15. Juli u. 11. Nov. 74 (RdO. XV, 486. 505. 760); § 10 deS Pr. Ges.'S v. 25. Juni 1875 zählt als (häufig vorkommende) Viehseuchen außer den beiden letzterwähnten noch auf: Milz­ brand, Maul- und Klauenseuche deS Rindviehes, der Schaafe, Schweine und Ziegen, Lungeuseuche des Rindviehs, Pockenseuche der Schaafe, Beschälseuche der Pferde, BläScheuauSschlag der Pferde und des Rindviehs, Räude der Pferde und Schaafe. 3. Zu den „Absperrungs-Maßregeln" gehört unbedenklich auch die zu dem angegebenen Zwecke erfolgte Untersagung der Abhaltung öffentlicher Viehverkäuse. Vgl. übrigens §§ 26. 74 des Pr. Ges.'S v. 25. Juni 1875. Eine „Aussicht--

Thl. H. Abschn. XXVII.

GemeingesLhrliche Verbreche» »c. - §§ 328. 329. 703

Ist in Folge dieser Verletzung Vieh von der Seuche er­ griffen worden, so tritt Gefängnißstrafe von Einem Monat bis zu zwei Jahren ein. [I. Ent». § 309; II. Snt».: § 325; Pr. StGB.: § 307.] Vgl. § 327 und die Citate zu dems.; BGes. v. 7. April 1869 (die Rinderpest betr.) eingeführt in Bayern, Württemberg u. Els.-Lothr. durch ©eff. v. 2. Nov. u. 11. Dez. 1871; Revid. Inftr. zu dems. v. 9. Juni 1873 (RGbl. s. 147); R.-Dersaff. Art. 80 Nr. 12; RGef. v 25. Febr. 1876, betr. die Beseitigung v. An­ steckungsstoffen bei Biehbeförd. auf Eisenb.; RGef. v. 21. Mai 1878. Preußen: Vgl. (Rh.) Rural-Ges. v. 28. Sept. 1791 Tit. 2 Art. 25; AKO. v. 28. Juni 1825; Vdn. v. 27. März 1836; AKO. v. 15. Nov. 1844; (Hannov.) Ddn. v. 3. Jan. 1867; Gef. v. 25. Juni 1875.

§. 329. Wer die mit einer Behörde geschlossenen Lie­ ferungsverträge über Bedürfnisse des Heeres oder der Marine zur Zeit des Krieges, oder über Lebensmittel zur Abwendung oder Beseitigung eines Nothstandes, vorsätzlich entweder nicht zur bestimmten Zeit oder nicht in der vorbedungenen Weise erfüllt, wird mit Gefängniß nicht unter sechs Monaten beMaßregel" ist die Anordnung, betreffend da« Todten der von einem tollen Hunde gebissenen Thiere: DI. 15. Juli 74 (RdO. XV, 505), oder die Verpflichtung gewisser Personen, ihnen vorgekommene, aus eine bestimmte Viehseuche hinweisende Erschei­ nungen anzuzeigen: DreSd. 3. Aug. 77 (SGZ. 22 f. 155); desgleichen die zur Verhütung des Einführen« re. einer Viehseuche getroffene Anordnung von Revistonen der Viehbestände, weshalb die ernstliche Weigerung, dev mit Vornahme der Revision Beauftragten den Zutritt zu den Ställen zu gestatten, unter den § fällt: DII. 31. Jan. u. 19. März 78 (RdO- XIX, 48. 146); ebenso kann als eine solche, bzw. als AbsperrungSmaßregel angeseheu werden die Verfügung einer Regierung über die Lage deS Orts der Tödtung rotzkranker Pferde: ZI. 10. Dez. 75 (RdOXVI, 789); vgl. für Preußen jetzt das cit. Ges. v. 1875 §§ 46ff. 36. 37. 73. 4. Eine angeordnete Viehsperre wird wirksam, sollten auch die zum Zwecke derselben vorgeschriebenen Kontrollmaßregeln noch nicht zur Ausführung gebracht fein; ZI. 23. Juni 71 (RdO. XII, 344), z. B. wenn die zur Abwehr der Rinderpest angeordnete „absolute OrtSsperre" (BGes. v. 7. Apr. 1869 § 14; Jnstr. v. 26. Mai 1869 § 23, jetzt Revid. Jnstr. v. 9. Juni 1873 § 23) nicht vorgeschriebener Maßen durch militärische Wachen, sondern in anderer Weise ins Werk gesetzt ist: VH. 23. März 71 (RdO. XII, 174). — An den durch daS Ges. v. 7. Apr. 1869 und die Jnstr. v. 9. Juni 1873 den dort genannten Polizeibehörden in Betreff der Anordnung von Grenzsperrmaßregeln rc. eingeräumten Besuguiffen bat § 82 des Pr. Kompetenz-Ges'S. v. 26. Juli 1876 nichts geändert, da dieser § sich nur auf dauernde Einrichtungen bezieht: Jnn.-MDs. 6. Febr. 1877 (DMbl. s. 94). 5. Eine angeordnete Viehsperre dauert so lange fort, bis sie von der an­ ordnenden Behörde wieder aufgehoben worden ist, sollte auch die Krankheit früher erloschen sein: ZI. 23. Juni 71 (cit. n. 4). 6. DaS RGes. v. 21. Mai 1878 trifft besondere (strengere) Bestimmungen hinsichtlich der Zuwiderhandlungen gegen die zur Abwehr der Rinderpest erlaffenen Lieh-Einfuhrverbote und steht hierbei auch die Fälle fahrlässiger Uebertretung der bezüglichen Beschränkungen sowie Verbote vor.

§329. 1. Bei den über Dedürfniffe deS Heeres rc. zur Zeit eines Krieges abgeschloffenen Verträgen braucht nur die Lieferung der Vereinbarung gemäß in die Kriegs zeit zu fallen; daß auch die Abschließung de- Vertrages in derselben Zeit erfolgt sei, ist nicht erforderlich.

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Thl. II. Abschn. XXVII. GemeiogefLhrliche Verbrechen ic. - §§329.330.

straft; auch kann auf Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte er­ kannt werden. Liegt der Nichterfüllung des Vertrages Fahrlässigkeit zum Grunde, so ist, wenn durch die Handlung ein Schaven ver­ ursacht worden ist, auf Gefängniß bis zu zwei Jahren zu erkennen. Dieselben Strafen finden auch gegen die Unterlieferanten, Vermittler und Bevollmächtigten des Lieferanten Anwendung, welche mit Kenntniß des Zweckes der Lieferung die Nicht­ erfüllung derselben vorsätzlich oder aus Fahrlässigkeit verur­ sachen.

|I. Entw.: § 310; II. Entw.: § 326; Pr. SlGB : § 308.] Vgl. § 230. Preußen: Vgl. Bdn. v. 26. De,. 1808 Art. 42 Nr. 5 (Oppenhoff, Ressortgrsetze s. 141 D. 383 ff).

§. 330. Wer bei der Leitung oder Ausführung eines Baues wider die allgemein anerkannten Regeln der Baukunst dergestalt handelt, daß hieraus für Andere Gefahr entsteht, 2. „Nothstand" ist hier gleichbedeutend mit Hungersnoth. 3. Vorausgesetzt wird, daß der Lieferant Kenntniß vom Zwecke der Lieferung habe: Motive z. Pr. StGB. s. 76. 4. Die Lieferung vertragswidriger Waaren ist eine nicht in der vorbedungenen Weife bewirkte Erfüllung.

§330.

1. Vorausgesetzt wird ein „Bau", d. h. die Errichtung eines Bauwerks (§ 305 n. 8). Der Ausdruck ist daher nicht auf den f. g. Hochbau einzuschränken, er um­ faßt vielmehr auch die einen solchen vorbereitenden Erdarbeiten sowie überhaupt den Master-, Brücken-, Straßen- und Grubenbau: Stuttg. 29. Sept. 75 (WGbl. X, 361). Demgemäß sind Fehler „bei der Ausführung eines Baues" auch die bei Ausschachtung der Baugrube begangenen: ZI. 7. März 77 (NdO. XVIII, 189). Zu einem Baue gehört ferner die Ausstellung des Baugerüstes; ist ein solches in kunst­ widriger, gefahrdrohender Weise errichtet, so wird der § anwendbar: BI. 26. Mai 65 (RdO. VI, 148). Dasselbe gilt, wenn bei Errichtung eines Neubaues an Stelle eines alten, in Beziehung auf einen stehengelassenen, demnächst in den Neubau auf. zunehmenden Theil des alten die nöthigen SicherungSmaßregeln verabsäumt werden; ZU. 17. Dez. 68 (RdO. IX, 747). Dagegen ist eine bloße AuSbesterung, bei welcher nichts Neues errichtet wird, kein Bau; contra: Schaper i. HH. in. 911; Schw. f. 754 (772). 2. Der (allgemein gefaßte) § trifft nicht bloß Baumeister und Bauhandwerker, sondern Jeden (z. B. den Bauherrn), welcher sich mit der Leitung oder Ausführung eines Baues befaßt. Der Betrieb derartiger Gewerbe ist nach der B.-Gew.-Ordn. nicht mehr durch eine vorgängige Prüfung oder Konzessionirung bedingt. 3. Der den Bau Leitende verwirkt die Strafe deS §, wenn er es an der erforderliche» Ueberwachung der beschäftigten Arbeiter fehlen laßt, und in Folge besten die Voraussetzungen deS § zutreffen: ZU. 17. Dez. 68 (RdO. IX, 747). — Civil­ rechtliche Verpflichtungen eines Anderen, die nöthigen SicherungSmaßregeln zu treffen, befreien deu Leiter des Baues nicht vou der Strafe, wenn er zu besten Ausführung schreitet, ehe jene Maßregeln getroffen sind: ZI. 7. Marz 77 (cit. n. 1). 4. Als „Ausführung des Baues" ist auch die Thätigkeit deö einzelnen unter der Leitung eines Baumeisters oder Meisters befchäftigteu Arbeiters anzusehen; auch er ist strafbar, wenn er gegen diejenigen Regeln verstößt, deren Kenntniß bei ihm vorauszusetzen ist.

Thl.

n.

Abschn. XXVIII.

Verbrechen n. Vergehen im Amte. — (§ 331 ff.)

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wird mit Geldstrafe bis zu neunhundert Mark oder mit Ge­ fängniß bis zu Einem Jahre bestraft. [I. (Sntto.: § 204; II. (Sntro.: §327; Pr. StGB.: § 2021. vgl. §367 Nr. 14. 15; Gew.-O. §§ 120. 147 Nr. 4. 2; RGes. v. 17. Juli 1878.

Achlnn-Iwalizigster Abschnitt*). Berbrechen und Vergehen im Amte. 4a. Ob „wider die allgemein anerkannten Regeln der Bankunst" gehandelt sei, ist eine thatsächliche Frage, deren Bejahung dadurch nicht ausgeschlossen wird, daß die Gutachten der Sachverständigen zu verschiedenen Resultaten gelangen: OTr. 19. Sept. 76 (GA. 24 s. 605). 5. Die Gefahr muß „für Andere" d. h. für ihre Person (Leben, Gesund­ heit, vgl. § 321) entstanden sein, eine Gefahr für das Eigenthum genügt nicht: Berner i. GSaal XIX, 35. — Es macht keinen Unterschied, welchen Personen die Gefahr drohe: die Gefährdung der beim Baue beschäftigten Arbeiter rechtfertigt die Anwendung des § ebenso wie die der künftigen Bewohner rc.: ZI. 9. Sept. 59 c. Laudien. 6. Ebensowenig unterscheidet der §, ob die Gefahr eine unmittelbar bevor­ stehende oder durch künftige, aber naheliegende Eventualitäten bedingte sei. ES unterliegt dem thatsächlichen Ermesten, inwiefern im letzteren Falle die „Gefahr" durch andere Umstände (z. B. durch die Nothwendigkeit einer der Benutzung des Gebäudes vorhergehenden polizeilichen Prüfung durch Bauverständige) abgewendet werde: ZI. 9. Jan. 56 (GA. IV, 252). Namentlich kann die Gefahr auch darin gefunden werden, daß durch die Bauausführung ein benachbartes Gebäude in einen gefahrdrohenden Zustand versetzt ist: ZI 7. März 77 (cit. n. 1). 7. Daß der Bauherr die Ausführung des Baues in stattgehabter Weise verlangt habe, schließt die Strafbarkeit des Baumeisters rc. nicht aus. 8. Ob Dolus oder Fahrlässigkeit vorliege, ist für den Thatbestand un­ wesentlich. 9. Handelt ein Bau-Gewerbe-Unternehmer der Aufforderung der Behörde ungeachtet den im § 120 der Gew.-O. erwähnten Bestimmungen über die zur Sicherheit gegen Gefahr für Leben und Gesundheit nothwendigen Ein­ richtungen zuwider, so macht er sich, selbst wenn dabei nicht gegen die all­ gemein anerkannten Regeln der Baukunst gehandelt ist, aus § 147 Nr. 4 1. c. strafbar. 10. Bei denjenigen gewerblichen Anlagen, zu deren Errichtung nach der Gew.-O. §§ 16. 24 eine „Genehmigung" erforderlich ist, können in die letztere Anordnungen zum Schutze der Arbeiter aufgenommen werden, deren Nichtbefolgnng die Strafe des § 147 Nr. 2 1. c. nach sich zieht; außerdem sind auch die im Schlußabs. dieses § gestalteten Zwangsmaßnahmen „statthaft" 'vgl. 1. c. § 18 Nr. 1): HMDf. v. 27. Apr. 1872 (DMbl. f. 227). *) Achtundzwanzigster Abschnitt. Vgl. N.-Mil.-StGD. § 145. 1. Der Begriff des „öffentlichen Amts" ist im StGB, weiter greifend, als der eines „Beamten", da er die Advokatur, die Anwaltschaft, das Notariat, den Geschwornen- und Schöfsendienst mitumfaßt; vgl. § 31 Abs. 2 und dort n. 6 ff. Aber auch aus diese beschränkt sich Abschn. 28 nicht, enthält vielmehr sogar einzelne Strafandrohungen gegen solche Personen, welche kein öffentliches Amt wahrnehmen; vgl. § 333 (aktive Bestechung), §§ 337.338 (Vergehen der Geistlichen und anderer Religionsdiener), § 355 (Telegraphenbedienstete). — Andererseits enthält das StGB, auch an einzeluen anderen Stellen Vorschriften, welche gegen Beamte besondere Strafen androhen; vgl. §§ 128. 129. 174 Nr. 1—3 300. 316. 318. 2. Insoweit die Begriffsbestimmung des einzelnen Straffalles einen „Beamten" voraussetzt, kann sich selbstredend nur ein Beamter als Thäter (Mitthäter) deffelben schuldig machen. Ist die Beamtenqualität dagegen kein unerläßliches Begriffsmerkmal des strafbaren Thatbestandes, sondern ein solches, durch welches die auch sonst begründete

Oppen hoff, D. Strafgesetzbuch.

7. AuSg.

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706

Thl. II. Abschn. XXV1I1. Verbrechen u. Vergehen im Amte. — $ 331.

§. 331. Ein Beamter, welcher für eine in sein Amt einschlagende an sich nicht pflichtwidrige Handlung Geschenke oder andere Vortheile annimmt, fordert oder sich versprechen Strafbarkeit erhöht wird (Beisp. §§ 350. 351 im Verhältniß zu § 246), so trifft denjenigen Mitthäter, welcher nicht Beamter ist, nur die einfache Strafe; vgl. § 50 n. 3. — Dagegen kann sich auch ein Nicht-Beamter an dem AmtS-Berbrechen rc. eines Beamten als Anstifter oder Gehülfe betheiligen; vgl. § 48 n. 4. Dem widerspricht eS nicht, daß die §8 333. 334 und 357 spezielle Fälle der Betheili­ gung eines Dritten an der Mißthat eines Beamten vorsehen, da sie von den Vor­ aussetzungen einer strafbaren „Theilnahme" absehen. 3. Eine Person des Soldatenstandes, welche bet einem ihr übertragenen Geschäfte der Heeres- oder Marineverwaltung eine Handlung begeht, welche im Sinne der allgemeinen Strafgesetze ein Verbrechen oder Vergehen im Amte darstellt, ist nach den in jenen Gesetzen für Beamte gegebenen Bestimmungen zu bestrafen: R.-Mil.-StGB. § 145. 4. Durch die Vorschriften dieses Abschnitts sind solche LandeS-Straf-Gesetze, welche für Beamte andere als die in den §§ 331 ff. vorgesehenen Thatbestände mit Strafen bedrohen, nicht aufgehoben; vgl. EG. § 2 n. 3ff.; contra: v. Kirchm. s. 197; Schütze s. 524 v. 10; MeveS i. HH. III, 929. 5. Ebenso sind durch Abschn. 28 die besonderen LandeS-DiSeiplinar Gesetze (insoweit sie nur DiSciplinar- und nicht die Strafen des allgemeinen Strafrechts androhen) nicht außer Kraft gesetzt: MeveS i. HH. UI, 930; contra: Rubo s. 985. In Preußen ist das Disziplinarverfahren (gegen richterliche und nicht richterliche Beamte) geregelt durch die Gesetze v. 7. Mai 1851, 26. März 1856 und 21. Juli 1852, in die neuen Landestheile (mit einzelnen Abänderungen) einge­ führt durch Vdn. v. 23. Sept. 1867. Dgl. Pr. Ges. v. 9. April 1879, betr. die Abänderung von Bestimmungen jener Disciplinargesetze. 6. Ueber die Statthaftigkeit eines DiSciplinarverfahrenS wegen solcher Handlungen, welche bereits Gegenstand eines strafrechtlichen Verfahrens sind oder waren, und umgekehrt, vgl. RGef. v. 31. März 1873 §§ 77. 78; Pr. Ges. v. 7. Mai 1851 §§ 3. 4; Pr. Ges. v. 21. Juli 1852 §§ 4.5; Oppenh. Pr. Strafverf. Art. 1 n. 68. 7. Die diSciplinarische Verfolgung wird durch Verjährung nicht auSgeschloffen: OTr. V. Civ -Sen. 29. Mai 55; I. Civ.-Sen. 2. Nov. 57, 18. Febr. 61, 27. Apr. 74 (RdO. I, 285; XV, 260); vgl. KH. 16. März 52 (IMbl. s. 164). 8. In Betreff der Konflikte bei gerichtlichen Verfolgungen wegen AmtSund Diensthandlungen vgl. Pr. Ges. v. 13. Febr. 1854, eingeführt in die neuen Landeötheile durch Vdn. v. 16. Sept. 1867 Art. IV; JMVf v. 12. Mai 1854 (RS. XL 440); Oppenh. Reffortges. s. 526 ff. und EG. z. RGVG. § 11.

§331. 1. Begriff eines „Beam ten*', vgl. 359. 2. Der Vortheil rc. muß „für" die Amtshandlung angenommen rc. d. h. von beiden Seiten als eine Gegenleistung für jene aufgefaßt (ein; Geber und Neh­ mer müssen das Bewußtsein und den Willen dieser Beziehung haben: DII. 4. Apr. 76 (RdO. XVn, 246). 3. „Handlung" umfaßt auch Unterlassungen; vgl. § 1 n. 8. — Borausgesetzt wird eine konkrete Handlung, welche dabei übereinstimmend von beiden Personen ins Auge gefaßt ist; es genügt nicht, wenn Gewährung nnd Annahme stattfanden, um bei dem Beamten nur im Allgemeinen eine geneigte Stimmung hervorzurufen. Besondere Gesetze, welche (für gewisse Beamtenklaffen) auch in einem solchen Falle das Anbieten, Gewähren oder Annehmen eines Geschenks mit Strafe bedrohen, sind in Kraft verblieben; vgl. VZollges. v. 1. Juli 1869 § 160; B.-Salzsteuerges. v. 12. Ott. 1867 § 17; B.-Branntw.-St.-Ges. v. 8. Juli 1868 § 68; R -Brau-St.-Ges. v. 31. Mai 1872 § 36 Nr. 1; — Pr. Steuer-Ordn. v. 8. Febr. 1819 tz 88; Pr. Brauntw.-St.-Bdn. v. 11. Mai 1867 § 68.

Thl. II. Abschn. XXVIII. Verbrechen u. Vergehen im Amte. — §331.

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läßt, wird mit Geldstrafe bis zu dreihundert Mark oder mit Gefängniß bis zu sechs Monaten bestraft. (1. Entw.: § 311; II. Ealw.: (fehlte); Pr. StGB.: § 309.] Vgl. §§ 332-335. 352. 357. 359. 32. 35; B.-Salzst-Gef. v. 12. Ott. 1867 § 17, SBBranntw..St.-Ges. v. 8. Juli 1868 § 68; R.-Brausteuerges. v. 31. Mai 1872 §36 Nr. 1; DZollges. v. 1. Juli 1869 § 160; Ml.,StGB.: § 114. Preußen: Dgl. Steuer.Ordn. v. 8. Febr. 1819 § 88; Branntw..St.«Ddn. (s. d. neuen Landestheile) v. 11. Mai 1867 § 68 (GS. f. 649). 4. Gleichgültig ist es, ob der Vortheil rc. für eine bereits stattgehabte oder eine künftig erst vorzunehmende Handlung gewährt rc. wurde: ZI. 8. Juli 3. Nov. 76, ZII. 3. Apr. 79 (GA. VII, 564; RdO. XVII, 713; XX, 195); letzteren Falle ist es zur Erfüllung des Thatbestandes nicht erforderlich, daß es Ausführung jener Amtshandlung gekommen fei. 5. Vorausgesetzt wird eine (konkrete, vgl. § 333 n. 4) „in daS Am t ein­ schlagende Handlung", d. h. eine solche, welche in den Bereich der dem Beamten durch das Amt (nach den bestehenden Gesetzen und Amtsinstruktionen: Pr. ALR. II, 10 § 85 ; ZI. 21. Juni 78, NdO. XIX, 323) zu Theil gewordenen Thätigkeit fiel; es genügt die Uebertragung durch einen (hierzu zuständigen: BI. 24. Jan. 72, RdO. XIII, 78) Vorgesetzten; vgl. § 359 n. 5ff. Hatte die Handlung jenen Charakter, so wird die Anwendbarkeit des § dadurch nicht auSgefchlofien, daß eö an den ihre Vornahme bedingenden Voraussetzungen fehlte, sofern sie dadurch nur nicht zur „pflichtwidrigen" wurde. Dagegen genügt nicht die irrige Meinung des Gebenden oder Annehmenden, daß die Handlung in das Amt einschlage. — Geschenke (s. g. Trink­ gelder), welche für bei Gelegenheit einer AmtSauSübung oder aus Veranlassung derselben geleistete, selbst in das Amt nicht einschlagende Gefälligkeiten gegeben werden, gehören nicht hierher; ebenso: BII. 3. Apr. 79 (RdO. XX, 195). 6. War die Handlung eine „pflichtwidrige", so scheidet § 331 aus und § 332 wird anwendbar. Die Worte: „an sich" vor „pflichtwidrige" sind überflüssig und bedeutungslos. 7. „Geschenke oder andere Vortheile" umfaßt nicht bloß Vermögens- und bleibende Vortheile, sondern auch vorübergehende GenÜsie (v B. Bewirthuugen): Stuttg. 12. Juli 73 (StZ. III, 37); contra: Schw. f. 756 (775). — Dagegen liegt in jenen Begriffen, daß das Gegebene nicht verschuldet und das Gewähren desselben ein freiwilliges gewesen sein muß: die Erhebung zuständiger Gebühren gehört selbstverständlich nicht hierher; eine Gebührenüberhebung fällt unter §352, UeberHebungen bei der Einziehung von Abgaben rc. unter § 353. — Der § 331 trifft zu, wenn der Beamte für eine Amtshandlung einen das Maß der ihm zustehenden Ge­ bühren überschreitenden Vortheil annimmt rc., insofern beiden mitwirkenden Personen diese Ueberschreitung bekannt war; vgl. Stenogr. Der. d. RT. s. 1175 (der RT. lehnte einen Antrag: nach dem Vorbilde des § 309 des StGB.'S in den § die Worte einzuschalten: Vortheile, zu denen er gesetzlich nicht berechtigt ist" - [dlö überflüssig) ab). 8. Die vorgesehene Handlung wird dadurch, daß sie mit Zustimmung des Amtsvorgesetzten verübt wurde, nur insoweit straflos, als die Annahme unter den gedachten Voraussetzungen gesetzlich statthast war; jene Zustimmung kann dann auch stillschweigend erfolgen (z. B. bei observanzmäßig hergebrachten Ver­ gütungen). In derartigen Fällen würde die Annahme sich als eine statthafte Ge­ bührenerhebung (n. 7) charakteristren. Eine erst nachträglich erfolgende Genehmigung des Vorgesetzten beseitigt die Strafbarkeit nicht: ZI. 6. Sept. 61 (GA. IX, 788). 9. In welcher Weife die „Annahme" erfolgt, ist gleichgültig; eine solche liegt auch da vor, wo der Beamte es bewußter Weise geschehen läßt, daß ein An. gehöriger den Gegenstand annimmt. Eine „Annahme" kann darin gefunden werden, wenn der Beamte das ohne fein Wissen ihm Zugewendete nach erlangter Kenntniß nicht sofort zurückgiebt, oder für das bereits vorher Verzehrte nicht sogleich den in feinen Kräften stehenden Ersatz leistet: ZI. 2. März 53 c. Deutsch. 10. Eine nachträgliche Zurückgabe deS Angenommenen schließt die Strafe nicht aus.

für 59, im zur

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Thl. n. Nbschn. XXVIII. Verbrechen u. Vergehen im Amte. — §§ 331.332.

§. 332. Ein Beamter, welcher für eine Handlung, die eine Verletzung einer Amts- oder Dienstpflicht enthält, Ge­ schenke oder andere Vortheile annimmt, fordert oder sich ver­ sprechen läßt, wird wegen Bestechung mit Zuchthaus bis zu fünf Jahren bestraft. Sind mildernde Umstände vorhanden, so tritt Gefängniß­ strafe ein. II. Enlw.: § 312; II. Entw.: § 328; Pr. StGB.: 310.]

Vgl. §§ 331. 333—336. 359. 31. 32. 35; R.-Mil.-StGS.: § 140; NGDG. g 73 Nr. 2.

11. Neben der Gefängnißstrase kann auf den Verlust der Fähigkeit zur BeNeidung öffentlicher Aemter aus die Dauer von Einem bis zu fünf Jahren er­ kannt werden: § 358. 12. Im verurtheilenden Erkenntnisse ist „das Empfangene oder der Werth deffelben für dem Staate verfallen zu erklären"; vgl. §§ 335. 40. 13. In Betreff der Anstiftung uud Beihülfe vgl. f. 706 n. 2. Der das Geschenk re. Gebende oder Versprechende macht sich hierdurch nicht der Beihülfe und ebensowenig der Anstiftung zum Verbrechen des annehmenden rc. Beamten schuldig, weil der letztere durch die Annahme sofort das Vergehen des § 331 verübt, also nicht erst durch das Geschenk (d. h. durch die seinerseits erfolgende Annahme deffelben) flch bestimmen läßt (8 47), ein (davon verschiedenes) Vergehen zu verüben: Stuttg. 12. Juli 73 (StZ. II, 37); vgl. § 332 n. 11. 14. Die Verhandlung rc. wegen der hier fraglichen Vergehen kann den dereinstigen Schöffengerichten nicht überwiesen werden: RGBG. § 75 Nr. 14.

§332.

1. Begriff eines „Beamten" vgl. § 359. 2. Begriff der „Handlung" vgl. § 331 n. 3. 4. — Auch dieser § unterscheidet nicht, ob die „Handlung" bereits geschehen ist, oder erst künftig vorgenommen werden soll; das Gegentheil kann nicht aus dem den aktiven Bestechungsversuch be­ treffenden § 333 (n. 4) gefolgert werden. Erfolgt die Annahme rc. des GeschenkS nach der Amtshandlung, so ist die Strafbarkeit nicht dadurch bedingt, daß die letztere in Erwartung des Geschenks geschehen sei (der § spricht allgemein): Mevei. HH. III, 967; contra: Schw. f. 757. 3. Daß die Handlung die „Verletzung einer Amts rc. -Pflicht" ent­ halte, gehört zum Thatbestände des Verbrechens und bildet nicht etwa (der Mißthat des § 331 gegenüber) einen erschwerenden Umstand, ist mithin auch prozessualisch nicht als solcher zu behandeln: vl. 21. Juni 76 (RdO. XVII, 445). 4. Das Verbrechen ist durch die Annahme rc. vollendet, sollte es sich auch um eine noch zu begehende Pflichtwidrigkeit handeln; es bedarf nicht auch noch der Verübung der letzteren; vgl. n. 5. 6. — Im Uebrigen vgl. in Betreff ^„An­ nahme rc. von Geschenken oder anderen Vortheilen" § 331 n. 7—10. 5. Der DoluS besteht hier in dem Bewußtsein der Annahme rc. eines Vor­ theils für eine Handlung, welche, wenn verübt, eine Pflichtwidrigkeit enthält; daß auch der Dritte die betr. Handlung als eine pflichtwidrige erkannt und flch durch die Gewährung des Vortheils strafbar gemacht habe, ist nicht erforderlich: ZI. 5. Nov. 69 (RdO. X, 699). Ebensowenig wird erheischt, daß der Beamte die Be­ gehung der Pflichtwidrigkeit beabstchtige. Dagegen fällt eS offenbar nicht unter die Strafvorschrift, wenn der Beamte das Gebotene nur hinnimmt, um flch ein Beweismittel gegen den Bestechenden zu stchern (dann „nimmt" er es nicht „au"). 6. Macht sich der Beamte der Pflichtwidrigkeit, für welche er das Geschenk annahm rc., (vor oder nach dieser Annahme) schuldig, so liegt, wenn diese Pflicht­ widrigkeit einen durch ein Strafgesetz vorgesehenen Thatbestand erfüllt, Realkonkurrenz vor. Die Selbstständigkeit der beiden Handlungen wird dadurch nicht aufge­ hoben, daß die eine durch die andere bezweckt bezw. herbeigeführt wurde; vgl. § 74 n. 4. 5; contra: Metzer s. 270.

Thl- II. ALschtt. XXVIII. Verbrechen u. Vergehen im Amte. — § § 332.333.

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§. 333. Wer einem Beamten oder einem Mitgliede der bewaffneten Macht Geschenke oder andere Vortheile an­ bietet, verspricht oder gewährt, um ihn zu einer Handlung, die eine Verletzung einer Amts- oder Dienstpflicht enthält, zu bestimmen, wird wegen Bestechung mit Gefängniß bestraft; auch kann auf Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte erkannt werden. Sind mildernde Umstände vorhanden, so kann auf Geld­ strafe bis zu eintausendfünfhundert Mark erkannt werden. [I. Cntw.: § 313; II. Entw.: 8 329; Pr. StGB.: §311.] Vgl. §§ 331. 332. 334. 335. 359. 32. 35. 48 u. die »u § 331 citt. B.. und Pr. Gess. 7. Der § ist anwendbar, wenn ein zur Erhebung von Gefällen für den Staat rc. berufener Beamter einen ihm persönlich gewährten Vortheil dafür annimmt,' daß er die Erhebung verschuldeter Gefälle unterläßt. 8. Sind mildernde Umstände vorhanden, so kann neben der Gefängnißstrase, wenn diese drei Monate erreicht, auf den Verlust der Ehrenrechte rc. erkannt werden: §§ 32. 35. 9. Versallen-Erklärung des Empfangenen re., vgl. § 335. 10. Macht sich ein Richter rc. der im § vorgesehenen Handlung schuldig, so wird § 334 anwendbar. 11. Von der Anstiftung und Beihülse gilt das zu § 331 n. 13 Gesagte. Wer einem Beamten Geschenke anbietet, um ihn zu einer künftigen Pflichtwidrigkeit zu bestimmen, wird ans § 333, bezw. aus § 334 Abs. 2 bestraft. 12. Zuständigkeit der dereinstigen Strafkammern: RGVG. § 73 Nr. 2.

§ 333. 1. Begriff des Beamten, vgl. § 359. — Begriff eines „Mitgliedes der bewaffneten Macht", vgl. § 113 n. 49; § 359 n. 49. — Begriff der „Geschenke oder Vortheile" vgl. § 331 n. 7-10. 2. DaS „Anbieten oder Versprechen" eines Geschenks rc. erfüllt den Thatbestand auch dann, wenn das Angebotene rc. nicht genau bezeichnet (z. B. nur „eine gute Belohnung" in Aussicht gestellt) war: ZI. 30. Nov. 70 (RdO. XI, 579). 3. Gleichgültig ist es, ob das Geschenk rc. dem Beamten unmittelbar (seiner Person) oder mittelbar für ihn einem Angehörigen rc. (als Mittelsperson) angeboten wird: vgl. n. 8; § 331 n. 9; BZollges. v. 1. Juli 1869 § 160. 4. Die Handlung (Unterlassung: § 331 n. 3; DreSd. 5. Jan. 77, SGZ. 21 f. 273) rc., zu welcher bestimmt werden soll, kann hier nur eine künftige fein; wer einem Beamten für eine bereits begangenene Pflichtwidrigkeit etwas anbietet oder gewährt, ist, sofern nicht besondere Strafgesetze zutreffen, straflos. 5. Auch hier muß es sich um eine konkrete Pflichtwidrigkeit handeln, zu welcher der Beamte bestimmt werden sollte; dagegen ist nicht erforderlich, daß dieselbe speziell und ausdrücklich bezeichnet werde; es genügt, wenn die Natur der zugemutheten Pflichtwidrigkeit aus den Umständen zu ersehen war (;. B. wenn einem einschreitenden Polizeib.eamten Geld in die Hand gedrückt wird): ZI. 26. Ott. 66, Manh. 16. Dez. 76 (RdO. VII, 581; BAnn. 43 s. 51); vgl. ZI. 9. März 77 (RdO. XVm, 202: hielt sogar die Feststellung für genügend, daß das Geschenk für ein pflichtwidriges Verhalten im Allgemeinen habe gewährt werden sollen [?]); auch wird der § dadurch nicht unanwendbar, daß die Art der Ausführung dem Beamten überlaffen war; vgl. § 331 n. 3. — Die zugemuthete Handlung braucht keine unter allen Umständen pflichtwidrige zu fein; es reicht hin, wenn sie diesen Charakter im konkreten Falle gehabt haben würde, insbesondere also, wenn die Be­ stechung geschah, um den Beamten zu veranlaffen, etwas zu thun, was er selbst im betr. Augenblicke für pflichtwidrig erachtete, sollte eS auch objektiv diesen Charakter nicht gehabt haben: ZI 22. Jan. u. 18. Juni 68, 1. Juni 71 (RdO. IX, 35. 394;

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Thl.H. Absch».XXVIII. «erbrechen u. Vergehe» im Amle. - §§333.334.

§. 334. Ein Richter, Schiedsrichter, Geschworener oder Schöffe, welcher Geschenke oder andere Vortheile fordert, anXII, 297); z. B. wenn jener veranlaßt werden sollte, eine ihm obliegende Anzeige von einer vermutheten Mißthat zn unterlassen, oder wenn er überhaupt eine Amts­ handlung nicht nach betn ihm zustehenden pflichtmäßigen Ermeffen, sondern in einer davon abweichenden Weise oder aus anderweiten, zumal unlauteren Beweggründen vornehmen sollte: Beschl. I. 8. Oft. 73, ZI. 15. März 78 (RdO. XIV, 615; XIX, 143); MeveS i. HH. III, 969; contra: Meyer s. 270; Schw. s. 759. Nicht minder genügt es, wenn ein Unterbeamter bestimmt werden soll, den Weisungen seines Vorgesetzten nicht Folge zu leisten: ZI. 25. Jan. 61 (RdO. XII, 48). 6. Zu den amtlichen Pflichten eines Beamten gehört es, über Gegenstände und Wahrnehmungen seines Amtes vor Gericht die Wahrheit zu sagen; das gilt namentlich von solchen Beamten, welchen das Gesetz die Pflicht auserlegt, entdeckte Gesetzesübertretungen zur Anzeige zu bringen, z. B. von Feldhütern (vgl. Pr. FPO. v. 1. Nov. 1847 § 51); das Unternehmen, einen Beamten durch Geschenke zu einer derartig unwahren — wenn auch unbeeidigten — Aussage vor Gericht zu be­ stimmen, fallt unter den §: ZU. 4. Febr. 58 c. Dörfler. — Ein Rheinischer Bürger­ meister verletzt eine Amtspflicht, wenn er eine ihm für einen Abwesenden zugestellte Schrift diesem nicht ausantwortet: Münch. 7. März 73 (BEntsch. III, 104). 7. In einer den Geschworenen vorgelegten Frage bedarf eS nicht nothwendig einer weiteren Spezialisirung: welcher Beamte, und zu welcher Pflichtwidrigfeit er habe bestimmt werden sollen: ZI. 25. Febr. 57 c. Friedläuder. 7a. Als Dolus wird, außer der Vorsätzlichkeit der Handlung an sich, das Bewußtsein von der Pflichtwidrigfeit der zugemutheten Handlung erfordert: DreSd. 23. Nov. 74, VI. 5. März 79 (SGZ. XIX, 154; RdO. XX, 123). 8. Das Vergehen ist mit dem Anbieten rc. des Geschenks rc. an den Beamten vollendet, selbst wenn dieser es auSschlägt; die That ist auch dann „Bestechung", nicht ein erfolgloser Bestechungsversuch; daher bleiben die §§ 44. 46 ausgeschlossen: Z. 20. Dez. 73 (RdO. XIV, 809). — Erfolgte daS Anbieten mittelbar an einen Angehörigen (n. 3), so tritt die Vollendung erst mit dem Augenblicke ein, wo der Beamte selbst davon Kenntniß erlangt: Manh. 18. Ost. 73 (StZ. II, 232), welche« aber zu weit geht, wenn es außerdem erheischt, daß in dem betr. Augenblicke für den Beamten die ihm zugemuthete Handlung noch möglich war; der Thatbe­ stand ist erfüllt, sofern die Handlung, wenn in der gewünschten Weise vorgenommen, eine Verletzung der Amtspflicht enthielt. 9. Nimmt der Beamte das Angebotene rc. an, so macht er sich deö im § 332 vorgesehenen Verbrechens schuldig; auch hier ist der Bestechende nicht als Anstifter aufzufaffen; vgl. § 331 n. 13; ZI. 20. Febr. 56 (GA. IV, 469). 10. Begeht der Beamte in Folge der von ihm angenommenen Bestechung die ihm zugemuthete Pflichtwidrigfeit, so nimmt, wenn die letztere den Thatbestand eines Straffalles erfüllt, die Handlung des Bestechenden den Charakter der Anstiftung (§ 48) an, mit welcher die Bestechung ideell zusammentrifft (§ 73): VI. 21. Febr. 72 (RdO. XIII, 159); contra: Schw. s. 759 (nimmt Realkonkurrenz an). 11. Aus den Verlust der rc. Ehrenrechte (oder auf Amtsnnfähigkeit) kann nur erkannt werden, wenn die Gefängnißstrafe drei Monate erreicht: §§ 32. 35. 12. „Verfallen-Erklärung" des Empfangenen, vgl. § 335. 13. Durch § 333 sind solche besondere Strafgesetze, welche daö Anbieten eines Geschenks an einen Beamten auch dann mit Strafe bedrohen, wenn dadurch der Beamte nicht (erweislich) zu einer pflichtwidrigen Handlung bestimmt werden sollte, nicht aufgehoben; vgl. § 331 o. 3. Dagegen wird § 333 anwendbar, sobald sein Thatbestand zutrifft: durch ihn wird dann z. B. § 88 der Pr. Steuer.Ordn. v. 8. Febr. 1819 ausgeschlossen: VPl. 9. Dez. 61 (RdO. II, 137).

§334. 1. Dieser § bedroht den Richter re., welcher sich bestechen läßt, mit einer (im Vergleiche mit § 332) geschärften Strafe; er weicht von der Fassung jenes § in­ sofern ab, als er die dort vorausgesetzte pflichtwidrige Handlung näher präzisirt.

Thl. II. Abschn. XXVIII. Verbrechen u. Vergehen im Amte. — § 334.

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nimmt oder sich versprechen läßt, um eine Rechtssache, deren Leitung oder Entscheidung ihm obliegt, zu Gunsten oder zum Nachtheile eines Betheiligten zu leiten oder zu entscheiden, wird mit Zuchthaus bestraft. Derjenige, welcher einem Richter, Schiedsrichter, Ge­ schworenen oder Schöffen zu dem vorbezeichneten Zwecke Ge­ schenke oder andere Vortheile anbietet, verspricht oder gewährt, wird mit Zuchthaus bestraft. Sind mildernde Umstände vor­ handen, so tritt Gefängnißstrafe ein. [I. Entw.: §§ 314. 315; II. Entw.: §§ 330. 331; Pr. StGB.: §§312. 313.) Vgl. §§ 331-333. 335. 336. 344-346. 359. 31. 32. 35. Sodann ist die Vorschrift auf (Nicht-Beamte) „Schiedsrichter, Geschworene und Schöffen^ ausgedehnt. 2. „Richter" ist derjenige Beamte, welcher, zur Handhabung der richterlichen Gewalt des Staates berufen, die damit verbundenen Prärogative genießt; vgl. Pr. Verfass, v. 31. Jan. 1850 Art. 86 ff. Es gehören daher (Verwaltung«-) Beamte nicht hierher, welche in einzelnen Rechtssachen eine vorläufig maßgebende, die Beschreitung des Rechtsweges nicht ausschließende Entscheidung treffen können; Bei­ spiele: da« Setzen eines Merkpsahleö in BorfluthSangelegenheiten, die Regulirung eines Interimistikums in Kirchenbausachen, die Kognition der Polizeibehörden in Gestndesachen, die Untersuchungen und die Strafresolute der Verwaltungsbehörden bei Abgaben-Hinterziehungen u. dgl. — Dagegen gehören die Handelsrichter (vgl. RGVG. § 116) und die Mitglieder eines Disciplinargerichts zu den Richtern; ebenso die Mitglieder einer Pr. General-Kommission, insoweit diese berufen ist, über streitige RechtSverhältnifie eine Entscheidung zu treffen. — Die Pr. SchiedSmänner find Beamte (Motive s. 147), aber nicht Richter (sie entscheiden nicht). Vgl. RStPO. § 420. 3. „Schössen" sind nur solche Privatpersonen, welche wie die Geschwornen, zur Entscheidung von Strafsachen berufen werden; vgl. Pr. NStPO. § 12, An­ hang; Kgl. Sächs. GerichtSschöffenges. v. 1. Olt. 1868; RGDG. § 26. 4. Der § setzt voraus, daß der daö Geschenk rc. Annehmende rc. zur Zeit dieser That Schiedsrichter, Geschworner oder Schösse war; es genügt nicht, wenn die Handlung durch einen nicht mit diesen Funktionen Betrauten in der Er­ wartung geschieht, er werde zum Dienste in der betr. Sache herangezogen werden. Dagegen wird der § anwendbar, sobald Jemand die Eigenschaft eines Geschwornen rc. durch Einberufung erlangt hat, sollte er sich auch noch nicht an den Ort des Ge­ richts begeben haben; noch weniger ist erforderlich, daß derselbe bereits zur Dienst­ leistung in der betr. Sache herangezogen oder als solcher vereidet sei; contra: Schw. s. 760(779); MeV. i. HH. III, 970; Schütze s. 529 n. 8. 5. Ueber das „Fordern, Annehmen oder Versprechen-lassen von Geschenken und anderen Vortheilen" vgl. § 331 n. 7 ff. 6. Der § ist auf solche Fälle beschränkt, in welchen es sich um eine „Rechts­ sache" handelt, welche „geleitet" und demnächst „entschieden" werden soll, bei welcher also die eigentliche richterliche Thätigkeit: die Entscheidung eine« Streit­ punkts oder die Handhabung der richterlichen Strafgewalt in Frage steht, und wo eben deshalb auch von der „Begünstigung" oder „Benachtheiligung" eines (von mehreren) „Betheiligten" (6 336: „Partei") die Rede fein kann; vgl. die Rede des Abg. Bähr im RT., auf desien Antrag § 334 feine jetzige Fassung erhielt: Stenogr. Ber. s. 745. Demgemäß bleibt der § ausgeschlossen, wo eö sich um Akte der frei­ willigen Gerichtsbarkeit handelt: Mev. i. HH. III, 971; contra: Schw. f. 759 (778); ebenso da, wo die Thätigkeit des Richters einen rein verwaltenden Charakter au sich trägt, sollte damit auch eine pflichtmäßige Prüfung der Sachlage ver* bunden sein. Zu letzteren Angelegenheiten gehören Vormundschaft-' oder Hypotheken­ sachen, ErbschastSregulirungen (insoweit eö sich nicht um die Lösung eines BerechtigungSstreitS handelt). Dagegen sind Zwangsvollstreckungen wirkliche Rechtssachen.

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Thl. II. Abschn.XXVlll. Verbrechen

u. Vergehen im Amte. — §§334.335.

§. 333. In den Fällen der §§ 331 bis 334 ist im Urtheile das Empfangene oder der Werth desselben für dem Staate verfallen zu erklären. [I.