Das sowjetische Jahrhundert. Archäologie einer untergegangenen Welt [3 ed.] 9783406715112

Der Osteuropa-Historiker Karl Schlögel lädt mit seiner Archäologie des Kommunismus zu einer Neuvermessung der sowjetisch

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Das sowjetische Jahrhundert. Archäologie einer untergegangenen Welt [3 ed.]
 9783406715112

Table of contents :
Vorwort................................................................................ 17
Einleitung: Archäologie einer untergegangenen Welt................ 20
SPLITTER DES IM PER IU M S................................................ 27
Baracholka im Ismailowski-Park, Basar in Petrograd............. 28
Die sowjetische Welt als Museum.................................................. 38
Museumsimperium. Lebenswelten des Imperiums 40
- Lineare Fort­schrittsgeschichte und der Zauber der Vitrinen 43
- Die Geschichte neu lesen 47
- Nikolai Anziferow: Material Culture. Exkursion als Methode 54
- Identitätssuche: Zwischen Entsorgungswut und neuen Mythen 55
Rückkehr auf den Schauplatz: Petrograd 1917............................ 59
Zehn Tage, die die Welt erschütterten 60 - Topographie der Revolu­tion 63
- «Schmelztiegel der Ereignisse» 70 - «On s’engage et puis ... on voit» 75
Der Philosophen-Dampfer und die Spaltung derrussischen K ultur.......................................................................... 78
Lenins chirurgische Operation 79 - Berlin, Prag, Paris, New York - die russländische Diaspora 86
- Glanz und Tragödien im «Zeitalter der Extreme» 90
- Heimkehr in ein verändertes Land 93
CHAUSSEE DER ENTHUSIASTEN«USSR im Bau» - die Macht der Bilder........................................ 96
Dnjeproges: Amerika am Dnjepr.................................................. 103
Die gekrümmte Spange 104
- Das Genie der Baumeister: Alexandrow, Wenedejew, Winter, Wesnin 106
- Jahrhundert der Ingenieure 109 -
Amerika am Dnjepr 113
- Dnjeproges: Die Sprengung eines Jahrhun- dertbauwerks 116
Magnitogorsk - die Pyramiden des 20. Jahrhunderts................ 118
Die Maschine in der Steppe 118 - Der Mythos von Magnitka 120
- Ar­beit als Front, Magnitka als Schlachtfeld 122
- Der «neue Mensch» 126
- «Gorod budet» - «Eine Stadt entsteht» 129
Schwarz und Weiß. Das Auge des Photographen...................... 134
Exkursion zum Bjelomor-Kanal.................................................. 141
Alter Reiseführer in die neue Zeit 143
- Panamakanal am Polar­kreis 145
- Wunder in der Felsenlandschaft 148
- «Kanalarmisten». Sowjetgesellschaft als Mobilisationsgesellschaft 151
- Perekowka. Umschmiedung. Sklavenarbeit als Wiedergeburt 154
- «Wir fahren jetzt in die Hauptstadt der russischen Intelligenzija» 157
Landschaft nach der Schlacht........................................................ 160
Sturm und Drang 161
- Zeit des Plans, New Deal 164 - Out of control 170
SOWJETISCHE ZEICHENWELTEN.................................. 175
Zeichen an der W and.................................................................... 179
Orden und Medaillen: Die Abzeichen auf der Brust................... 188
Körpersprache. Der tätowierte L e ib ............................................ 196
Moscow Graffiti. Am Anfang war der Futurismus...................... 202
Namen sind nicht Schall und R auch............................................ 207
DAS LEBEN DER D IN G E ........................................................ 213
Packpapier, Verpackung.............................................................. 214
Das Schicksal der Großen Sowjet-Enzyklopädie:Die Ordnung des Wissens im Tumult der Geschichte................ 217
«Ein Denkmal unserer großen revolutionären Epoche» 218
- Über­schießende Aufklärung. Die Überbietung der ersten Moderne 220
-
Eine Enzyklopädie verschlingt ihre Autoren 223
- Rückkehr zur Ord­nung des Alphabets 227
Galerien des Privaten: Der Porzellanelefant auf dem Regal. . . 230
Das Klavier im Kulturpalast........................................................ 236
Müll. Eine Phänomenologie der Ordentlichkeit......................... 245
«Krasnaja Moskwa»: Chanel auf Sowjetisch............................... 250
Der komponierte Duft 251
- Wie aus dem «Bouquet Catherine II» das Parfüm «Rotes Moskau» wurde 253
- Klassenkampf in der Sphäre der Düfte 258
- Michail Bulgakow und die Connection Chanel 260
Stalins Kochbuch. Bilder vom guten Leben in sowjetischer Zeit . 264
Eine Politische Ökonomie von Essen und Trinken 265 - Rationale Er­nährung, methodisches Einüben von Manieren 266
- Sozialistische Stillleben. Bilder von einem besseren Leben 269 - Das vorrevolutionäre Kochbuch der Jelena Molochowjez 275
- Zur Bildungsgeschichte der russisch-sowjetischen Mittelklasse 278
- Wiederentdeckung der russi­schen Küche in der Zeit der Globalisierung 279
RÄUME DER F R E IH E IT ........................................................ 281
Geologen auf Expedition und andere Wege ins Weite, ins Freie . 282Bis an seine Grenze gehen 284
- Der Zug Workuta-Adler und Sex on the Beach 286 - Das Baltikum als Europa-Ersatz. Die Itinerare der Intelligenzija 288Datscha: Tschechows «Kirschgarten» im 20. Jahrhundert . . . 291
«Sommergäste» 293
- Biotop der Aufsteiger und der neuen Mittel­klasse 296
- Selbstversorgung und Krisenresistenz 297
- Peredelkino - lieu de memoire 299Erholungsheime für die Werktätigen.Das Sanatorium als Geschichtsort............................................... 303
Das Erholungsheim, die Heilstätte als Topos 305 - Prächtiges Erbe: Die Kurorte des Russischen Reiches 306
- Die Krim: Wie aus der Perle des Imperiums das Sanatorium des Sowjetlandes wird 309
- Mazesta: Ein
neuer Kurort für den neuen Menschen 312 - «Stalins Datscha»: Die Hauptstadt am Meer 316
- Erholungsgebiete als Kriegsgelände 318
BINNENRÄUM E........................................................................ 321
Klingelschilder, Klingelzeichen..................................................... 322
Kommunalka oder Wo der Sowjetmensch gehärtet wurde.Der Alltag als Ausnahmezustand.................................................. 324
Die Lebenswelt im toten Winkel der Sowjetstudien 326
- Das Auge des Dichters: Joseph Brodskys Essay «In eineinhalb Zimmern» 327
- Die Kommunalka als umkämpfter Raum 330 - Die Kommunalkagemein- schaft. Der Alltag als Ausnahmezustand 335
- Diktatur der Intimität, Zerstörung der Privatheit, Verhaltenslehren der Indifferenz 340
Das Interieur als Schlachtfeld........................................................ 346
Sich einrichten im Ambiente der alten Welt. Die Revolutionäre und der Plüsch 347
- Revolutionäres Wohnen. Eine neue Welt für den neuen Menschen 349
- Der verzweifelte Kampf gegen das «Kleinbürger­tum» 351
- Sehnsucht nach «Gemütlichkeit» in Zeiten des Chaos 353
- Boris Iofans Sessel und die Arbeit am sowjetischen Stil 354
- Nach demSieg: Der Große Stil, Neo-Empire - und seine Auflösung 356
Wohnheim/Obschtscheshitie: Soviet melting p o t...................... 359
Zeltstädte, Barackenwelten: Halt finden in «Russia in Flux» . . 364
Die Baracke 366
Palmen im Bürgerkrieg................................................................. 369
Die andere Palmenwelt: Siegfried Kracauers «Unter Palmen» 1930 370
- Palme, Absolutismus und Aufklärung 372
- Wsewolod Garschins «Attalea princeps»: Revolution als Sprengung des Gewächshauses 374
- Die Palme im Bürgerkrieg 377
- Palme gegen Gummibaum 379
- Hydrokultur und Imperium 381
Das sowjetische Treppenhaus: Zur Analytik anonymer undanomer Räume................................................................................. 383
Ilja Kabakows Installation - Die Toilette als zivilisatorischer Ort 388
Moskauer Küche oder Die Wiedergeburt der Civil Society . . . 398
Juli Kims Denkmal für die «Moskauer Küchen» 399
- Die Moskauer Küche - eine Topographie 402
- Die «1960er» und die Formierung der Dissidentenbewegung 407
- «Das Große bleibt groß nicht und klein nicht das Kleine» 415
LANDSCHAFTEN, ÖFFENTLICHE RÄUME................... 419
Gorki-Park: Ein Garten für den neuen Menschen...................... 420
Die Inszenierung eines Gesamtkunstwerks 421 - Kombinat des glück­lichen Lebens 423
- Geburt der sowjetischen Massenkultur 428
-Paradise lost. Luna-Park postsowjetisch 431
Das Diorama: Ausblick auf eine Landschaft mit Helden .... 435
Shilmassiv oder Die Erhabenheit der Plattenbau-Gebirge . . . 442
Tscherjomuschki als Prototyp 446
- Entstalinisierung vor der Ent- stalinisierung 449
- Die Plattenbausiedlung als Endpunkt einer großen Wanderung 453
- Postsowjetische Erosion, Suche nach der neuen Stadt 456
Russkaja glubinka - Das Land jenseits der großen Städte .... 460
«Eine neue Wüstungsperiode» 462
- Das Sowjetdorf: Weißgeblutet, verbrannte Erde 470
- Säkulare Erschöpfung 473
BIG D A T A .................................................................................... 475
Spezchran. Katalog der verbotenen Bücher............................... 476
Diagramme des Fortschritts, Diagramme der Katastrophen . . 487Bildsprache für die neue Zeit 488
- Der «Wiener Kreis» und Mos­kau 490
- Die abwesenden Millionen und die Zerstörung der Statis­tik 494
- Otto Neuraths Projekt, unabgegolten 497RITUALE....................................................................................... 503
Die Grenze bei Brest - Rites de passage..................................... 504
Die Brest-Erfahrung. Verlangsamung der Bewegung, Innehalten 505
-
«Dies ist eine besondere Grenze» 507
- Der Grenzwächter als Held und die Erfindung des Feindes 510
- Open Sky und das Ende des Imperi­ums 514
Choreographien der Macht. Paraden auf dem Roten Platzund anderswo................................................................................. 517
Abläufe. Das Skript 518
- Die Geburt der Parade aus Krieg und Revo­lution 520
- «Uhrwerk der Nachrevolution» 522
- Die Parade der Fünfjahrpläne, die Parade des Sowjetvolkes 523
- Überleben und Triumph: Die Vollkommenheit des Rituals 527
- Militärparaden in Friedenszeiten 531
Ein «Tempel der Moderne» - das Krematorium......................... 534
Einäscherung und neue Zeit 534
- Der Petrograder Krematoriums­diskurs 537
- Rotes Pantheon und die Asche der Opfer und ihrerHenker 540
SAGS oder Riten der Ordnung des Alltags.................................. 544
Die Warteschlange als sowjetischer Chronotop......................... 553
Sowjetischer Chronotop 554
- Die Schlange - Versuch einer künst­lerischen Bewältigung 557
- Der Agent der Geheimpolizei und die Warteschlange: Das Ohr an der Gesellschaft 559
- Requiem: Warten im Angesicht des Todes 563
- Zerstörung des Marktes: Zentraler Plan an Stelle der «unsichtbaren Hand» 568
- Postsowjetischer Basar: Zusam­menbruch der Ordnung der Warteschlange 571
«Was hatten wir doch für Feste ...» ............................................... 574
Die Geburt des sowjetischen Festes im Karneval der Geschichte 576
- Roter Kalender: Neue Welt, neue Zeitordnung 580 - «Sowjetfordis­mus». Neues Zeitregime 583
- Säkularisierung: Wie aus Weihnachten Neujahr wurde 584 - Die Erosion der sowjetischen Festkultur 586
KÖRPER ....................................................................................... 589
Fiskultura: Der Sowjetmensch als Athlet. Der andere Weg zbuKraft und Schönheit....................................................................... 590
Russische Stahlgewitter: Geburt der Körperkultur aus Revolution und Krieg 594
- Spartakus versus Olympia 595
- Von modernen Bewe­gungsstudien zur antiken Skulptur. Ikonisierung 598
- Krieg: Die Lebenden und die Toten - eine Meditation 601
- Sportweltmacht UdSSR/CCCP 602 - Nach Juri Wlassow: Arnold Schwarzenegger 604
Kleider für den neuen Menschen oder:Christian Diors Rückkehr auf den Roten P la tz............. 607
Wie Schmetterlinge von einem anderen Planeten 608
- Die Russische Revolution und der Umsturz der Kleiderordnung 612
- Mode als Klassenkampf 616
- Das «Haus der Modelle» 1935: Der Plan und die Mode 620
- Nadjeshda Lamanowa - Couturiere der Sowjetunion 623
- Der Puls der Zeit: Stiljagi und andere Subkulturen 626
- Ein Museum der sowjetischen Mode: Retrospektive der Antizipationen 629
Männliche Grazie. Nurejews Geste............................................... 631
KÄLTEPOL KOLYMA.............................................................. 643
Jewgenija Ginsburg: Neunundvierzig Grad 646
- Warlam Schalamows «Erzählungen aus Kolyma». Protokoll vom Kältetod 650
- Bersins Villa und das Gold 658
- Dalstroi: Imperium, innere Kolonisation 664
- Spurensicherung: Die Lärche, der Schubkarren, die Handschuhe 668
SOLOWKI - LABORATORIUM DER EXTREME:DIE KLOSTERINSEL ALS KONZENTRATIONSLAGER 673
Das Wunder im Weißen Meer 675
- Die Arbeit der Mönche 676
- Das erste Konzentrationslager 680
- Wiedergeburt und Restauration 687
KORRIDORE DER M A C H T.................................................. 691
K. im Labyrinth des sowjetischen Alltags.................................. 692
«Geschlossen wegen Reparatur» 692
- Soziologie der Schwelle 695
- Der Sinn sinnloser Bewegung 696
- Privateigentum und Ökonomik der Zeit 700
Das «Haus an der Moskwa»: Wohnmaschine, Menschenfalle, gated community ........................................................................... 703
Das «Haus an der Moskwa» 704
- Das Ambiente der Aufsteiger­klasse 706
- Die Falle: Säuberung und Wohnungswechsel 710
- Neue Zeiten: Vom «Oosdom» zur gated community 713
Die Aura des Telephonapparates und die Abwesenheitdes Telephonbuchs........................................................................... 716
RAUSCHEN DER Z E IT........................................................... 725
Das Verstummen der G locken..................................................... 728
Klangwolken: Die akustische Textur des alten Russland 728
- Doppel­herrschaft. Glocken gegen Fabriksirenen 731
- Soundtrack postsowje­tisch 737
Lewitans S tim m e........................................................................... 739
Die Stimme und die Technik 741
- His Master’s Voice 745
- Fernsehen: Der Abschied des Veteranen 750
Back in the USSR. Tonspuren........................................................ 752
FREMDES TERRITORIUM, KONTAKTZONEN, ZW ISCHENW ELTEN.............................................................. 757
«The little oasis of the diplomatic colony» (George F. Kennan) . 761
Im Journalistenghetto. Blick von außen, Zentrumsfixierung . . 767
Berjoska-Läden: «Oasen des Überflusses».................................. 772
Das Genie des Sammlers: George Costakis und dieWiederentdeckung der sowjetischen Avantgarde-Kunst .... 779
Wie vom Blitz getroffen. Wie alles begann 782
- Der russische Grieche: Außenseiter und zwischen den Welten 786
- Im Fadenkreuz der Macht 790
- Zwischen Sotheby’s Triumph und neuer Staatskunst 793
AUF DEN MAGISTRALEN DES IMPERIUMS:ZEITREISE INS RUSSISCHE 20. JAHRHUNDERT . . . 795
Abschied vom Eisenbahnzeitalter 797
- Kochender Samowar, Sand­wich zellophanverpackt 798
- Russländische/sowjetische Geschichte ist Eisenbahngeschichte 800
- Lebenswelt Eisenbahn 807
- Reise in die Ungleichzeitigkeit 811
RED CURE.DAS LENIN-MAUSOLEUM ALS SCHLUSSSTEIN . . . . 817
Der Kubus. Die Suche nach der vollkommenen Form 820
- Leninismus und Lenin im Sarkophag: «Die zwei Körper des Königs» 825
- Das Pan­theon, das nie gebaut wurde 831DAS LUBJANKA-PROJEKT - ENTWURF FÜR EINMUSEE IMAGINAIRE DER SOWJETZIVILISATION 833

ANHANG
Danksagung.................................................................................... 848
Anmerkungen................................................................................. 851
Ausgewählte Literatur.................................................................... 897
Nachweis der Abbildungen...........................................................899
Personenregister.............................................................................. 901

Citation preview

Edition der Carl Friedrich von Siemens Stiftung

Karl Schlögel

DAS SOWJ ETISCH E JAH RH UNDERT ARCHÄOLOGHHHNER

UNTERGEGANGENEN WELT

C.H.BECK

Mit 86 Abbildungen I. Auflage. 2017 2.Auflage. 2018

3. Auflage. 2.018

© Verlag C.H.Beck OHG, München 2017

Satz: Janß GmbH, Pfungstadt Druck und Bindung: Druckerei C.H.Beck, Nördlingen Umschlaggestaltung: Rothfos & Gabler‚ Hamburg Umschlagabbildung: © akg—images/Fototeca Gilardi Gedruckt auf säurefreiern, alterungsbeständigem Papier (hergestellt aus chlorfrei gebleichtem Zellstoff) Printed in Germany ISBN 978 3 406715I1 2

www.cbbeck.de

Gewidmet Sonja Margolz'na, meiner Frau, ewigen Anregerz'n und Opponentz'n

INHALT

Vorwort

..............................

17

Einleitung: Archäologie einer untergegangenen Welt ......

20

...............

27

SPLITTER DES IMPERIUMS

Baracholka im Ismailowski-Park, Basar in Petrograd

. .

2.8

Die sowjetische Welt als Museum ................. 38 Museumsimperium. Lebenswelten des Imperiums 40 — Lineare Fort-

schrittsgeschichte und der Zauber der Vitrinen 43 — Die Geschichte neu lesen 47 — Nikolai Anziferow: Material Culture. Exkursion als Methode 54 — Identitätssuche: Zwischen Entsorgungswut und neuen

Mythen 5 5

Rückkehr auf den Schauplatz: Petrograd 1917 .......... 59 Zehn Tage, die die Welt erschütterten 60 — Topographie der Revolution 63 — «Schmelztiegel der Ereignisse» 70 — «On s’engage et puis on voit» 75 Der Philosophen-Dampfer und die Spaltung der russischen Kultur ......................... 78 Lenins chirurgische Operation 79 —— Berlin, Prag, Paris, New York — die russländische Diaspora 86 — Glanz und Tragödien im «Zeitalter der Extreme» 90 — Heimkehr in ein verändertes Land 93

............. «USSR im Bau» — die Macht der Bilder ..............

CHAUSSEE DER ENTHUSIASTEN

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Dnjeproges: Amerika am Dnjepr ................. 103 Die gekrümmte Spange 104 — Das Genie der Baumeister: Alexandrow, Wenedejew, Winter, Wesnin 106 — Jahrhundert der Ingenieure 109 —

Amerika am Dnjepr 113

dertbauwerks



Dnjeproges: Die Sprengung eines jahrhun-

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Magnitogorsk — die Pyramiden des 20. Jahrhunderts ...... 118 Die Maschine in der Steppe 118 — Der Mythos von Magnitka 120 — Arbeit als Front, Magnitka als Schlachtfeld 122 — Der «neue Mensch» 126 — «Gorod budet» — «Eine Stadt entsteht» 129 Schwarz und Weiß. Das Auge des Photographen

........

134

Exkursion zum Bjelomor-Kanal ................. 141 Alter Reiseführer in die neue Zeit 143 — Panamakanal am Polar-

kreis 145 — Wunder in der Felsenlandschaft 148 — «Kanalarmisten». Sowjetgesellschaft als Mobilisationsgesellschaft 151 — Perekowka. Umschmiedung. Sklavenarbeit als Wiedergeburt 154 — «Wir fahren jetzt in die Hauptstadt der russischen lntelligenzija» 157

Landschaft nach der Schlacht ................... 160 Sturm und Drang 161 — Zeit des Plans, New Deal 164 — Out of control 170

SOWIETISCHE ZEICHENWELTEN ............

175

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179

Zeichen an der Wand

Orden und Medaillen: Die Abzeichen auf der Brust ....... 188 Körpersprache. Der tätowierte Leib

............... 196

Moscow Graffiti. Am Anfang war der Futurismus ........

202

Namen sind nicht Schall und Rauch ............... 207

...................

213

.....................

2 14

DAS LEBEN DER DINGE Packpapier, Verpackung

Das Schicksal der Großen Sowjet—Enzyklopädie: Die Ordnung des Wissens im Tumult der Geschichte ...... 217 «Ein Denkmal unserer großen revolutionären Epoche» 218 —— Überschießende Aufklärung. Die Überbietung der ersten Moderne 220



Eine Enzyklopädie verschlingt ihre Autoren 223 — Rückkehr zur Ordnung des Alphabets 227

Galerien des Privaten: Der Porzellanelefant auf dem Regal . . .

230

Das Klavier im Kulturpalast ................... 236

Müll. Eine Phänomenologie der Ordentlichkeit . . . .

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245

«Krasnaja Moskwa»: Chanel auf Sowjetisch ........... 250 Der komponierte Duft 251 — Wie aus dem «Bouquet Catherine II» das Parfum «Rotes Moskau» wurde 253 — Klassenkampf in der Sphäre der Düfte 258 — Michail Bulgakow und die Connection Chanel 260

Stalins Kochbuch. Bilder vom guten Leben in sowjetischer Zeit . 264 Eine Politische Ökonomie von Essen und Trinken 265 — Rationale Ernährung, methodisches Einüben von Manieren 266 —— Sozrealistische Stillleben. Bilder von einem besseren Leben 269 — Das vorrevolutionäre Kochbuch der Jelena Molochowjez 275 — Zur Bildungsgeschichte der russisch—sowjetischen Mittelklasse 278 — Wiederentdeckung der russi— schen Küche in der Zeit der Globalisierung 279

RÄUME DER FREIHEIT ................... 281 Geologen auf Expedition und andere Wege ins Weite, ins Freie . 282 Bis an seine Grenze gehen 284 — Der Zug Workuta—Adler und Sex on the Beach 286 — Das Baltikum als Europa—Ersatz. Die Itinerare der Intelligenzija 288

Datscha: Tschechows «Kirschgarten» im 20. Jahrhundert . . . 291 Biotop der Aufsteiger und der neuen Mittel«Sommergäste» 293 klasse 296 -— Selbstversorgung und Krisenresistenz 297 Peredelkino — lieu de mémoire 299





Erholungsheime für die Werktätigen. Das Sanatorium als Geschichtsort ................ 303 Das Erholungsheim, die Heilstätte als Topos 305 — Prächtiges Erbe: Die Kurorte des Russischen Reiches 306 — Die Krim: Wie aus der Perle des Imperiums das Sanatorium des Sowjetlandes wird 309 — Mazesta: Ein

neuer Kurort für den neuen Menschen 312 — «Stalins Datscha»: Die Hauptstadt am Meer 316 — Erholungsgebiete als Kriegsgelände 318

BINNENRÄUME

..........

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321

Klingelschilder, Klingelzeichen .................. 322

Kommunalka oder Wo der Sowjetmensch gehärtet wurde. Der Alltag als Ausnahmezustand ................. 324 Die Lebenswelt im toten Winkel der Sowjetstudien 326 — Das Auge des Dichters: Joseph Brodskys Essay «In eineinhalb Zimmern» 327 — Die Kommunalka als umkämpfter Raum 330 — Die Kommunalkagemeinschaft. Der Alltag als Ausnahmezustand 335 — Diktatur der Intimität, Zerstörung der Privatheit, Verhaltenslehren der Indifferenz 340 Das Interieur als Schlachtfeld ................... 346 Sich einrichten im Ambiente der alten Welt. Die Revolutionäre und der Plüsch 347 — Revolutionäres Wohnen. Eine neue Welt für den neuen Menschen 349 — Der verzweifelte Kampf gegen das «Kleinbürger— tum» 351 —— Sehnsucht nach «Gemütlichkeit» in Zeiten des Chaos 353 — Boris Iofans Sessel und die Arbeit am sowjetischen Stil 354 — Nach dem Sieg: Der Große Stil, Neo-Empire und seine Auflösung 356

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Wohnheim/Obschtscheshitie: Soviet melting pot ........ 3 59 Zeltstädte, Barackenwelten: Halt finden in «Russia in Flux» . . Die Baracke 366

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Palmen im Bürgerkrieg 369 Die andere Palmenwelt: Siegfried Kracauers «Unter Palmen» 1930 370 — Palme, Absolutismus und Aufklärung 372 — Wsewolod Garschins «Attalea princeps»: Revolution als Sprengung des Gewächshauses 374 — Die Palme im Bürgerkrieg 377 — Palme gegen Gummibaum 379 — Hydrokultur und Imperium 381

Das sowjetische Treppenhaus: Zur Analytik anonymer und

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Ilja Kabakows Installation — Die Toilette als zivilisatorischer Ort

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anomer Räume

Moskauer Küche oder Die Wiedergeburt der Civil Society . . . 398 Juli Kims Denkmal für die «Moskauer Küchen» 399 — Die Moskauer Küche — eine Topographie 402 — Die «1960er» und die Formierung der Dissidentenbewegung 407 — «Das Große bleibt groß nicht und klein nicht das Kleine» 415

LANDSCHAFTEN, ÖFFENTLICHE RÄUME ....... 419 Gorki-Park: Ein Garten für den neuen Menschen ........ 420 Die Inszenierung eines Gesamtkunstwerks 421 — Kombinat des glücklichen Lebens 423 — Geburt der sowjetischen Massenkultur 428 — Paradise lost. Luna-Park postsowjetisch 431 Das Diorama: Ausblick auf eine Landschaft mit Helden

. . . .

435

Shilmassiv oder Die Erhabenheit der Plattenbau-Gebirge . . . 442 Tscherjomuschki als Prototyp 446 — Entstalinisierung vor der Entstalinisierung 449 — Die Plattenbausiedlung als Endpunkt einer großen Wanderung 453 — Postsowjetische Erosion, Suche nach der neuen Stadt 456

Russkaja glubinka — Das Land jenseits der großen Städte . . . . 460 «Eine neue Wüstungsperiode» 462 —— Das Sowjetdorf: Weißgeblutet, verbrannte Erde 470 — Säkulare Erschöpfung 473

BIG DATA

............................

Spezchran. Katalog der verbotenen Bücher

475

........... 476

Diagramme des Fortschritts, Diagramme der Katastrophen . . 487 Bildsprache für die neue Zeit 488 — Der «Wiener Kreis» und Moskau 490 — Die abwesenden Millionen und die Zerstörung der Statis— tik 494 — Otto Neuraths Projekt, unabgegolten 497

RITUALE .......................... Die Grenze bei Brest — Rites de passage

.

503

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504

Die Brest-Erfahrung. Verlangsamung der Bewegung, Innehalten 505 —

«Dies ist eine besondere Grenze» 507 — Der Grenzwächter als Held und die Erfindung des Feindes 510 — Open Sky und das Ende des Imperi— ums 514

Choreographien der Macht. Paraden auf dem Roten Platz und anderswo ........................... 5 17 Abläufe. Das Skript 518 — Die Geburt der Parade aus Krieg und Revo— lution 520 — «Uhrwerk der Nachrevolution» 522 — Die Parade der Fünfjahrpläne, die Parade des Sowjetvolkes 523 — Überleben und Triumph: Die Vollkommenheit des Rituals 527 — Militärparaden in Friedenszeiten 5 3 1 Ein «Tempel der Moderne» — das Krematorium ......... 534 Einäscherung und neue Zeit 534 — Der Petrograder Krematoriums— diskurs 537 — Rotes Pantheon und die Asche der Opfer und ihrer Henker 540 SAGS oder Riten der Ordnung des Alltags ............

544

Die Warteschlange als sowjetischer Chronotop

553

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Sowjetischer Chronotop 554 — Die Schlange — Versuch einer künst— lerischen Bewältigung 557 — Der Agent der Geheimpolizei und die Warteschlange: Das Ohr an der Gesellschaft 559 — Requiem: Warten im Angesicht des Todes 563 — Zerstörung des Marktes: Zentraler Plan an Stelle der «unsichtbaren Hand» 568 — Postsowjetischer Basar: Zusam— menbruch der Ordnung der Warteschlange 571 «Was hatten wir doch für Feste .. .» ................ 574 Die Geburt des sowjetischen Festes im Karneval der Geschichte 576 —

Roter Kalender: Neue Welt, neue Zeitordnung 580 — «Sowjetfordismus». Neues Zeitregime 583 — Säkularisierung: Wie aus Weihnachten Neujahr wurde 584 — Die Erosion der sowjetischen Festkultur 586

KÖRPER

............................. 589

Fiskultura: Der Sowjetmensch als Athlet. Der andere Weg zu Kraft und Schönheit ........................ 590 Russische Stahlgewitter: Geburt der Körperkultur aus Revolution und

Krieg 594 — Spartakus versus Olympia 595 — Von modernen Bewegungsstudien zur antiken Skulptur. Ikonisierung 598 — Krieg: Die

Lebenden und die Toten — eine Meditation 601

——

Sportweltmacht

UdSSR/CCCP 602 — Nach Juri Wlassow: Arnold Schwarzenegger

604

Kleider für den neuen Menschen oder: Christian Diors Rückkehr auf den Roten Platz ......... 607 Wie Schmetterlinge von einem anderen Planeten 608 — Die Russische Revolution und der Umsturz der Kleiderordnung 612 — Mode‘ als Klassenkampf 616 — Das «Haus der Modelle» 1935: Der Plan und die Mode 620 — Nadjeshda Lamanowa — Couturiére der Sowjetunion 623 — Der Puls der Zeit: Stiljagi und andere Subkulturen 626 — Ein Museum der sowjetischen Mode: Retrospektive der Antizipationen 629

Männliche Grazie. Nurejews Geste ................

KÄLTEPOL KOLYMA

63 1

..................... 643

Jewgenija Ginsburg: Neunundvierzig Grad 646 — Warlam Schalamows «Erzählungen aus Kolyma». Protokoll vom Kältetod 650 — Bersins Villa

und das Gold 658 — Dalstroi: Imperium, innere Kolonisation 664 — Spurensicherung: Die Lärche, der Schubkarren, die Handschuhe 668

SOLOWKI — LABORATORIUM DER EXTREME: DIE KLOSTERINSEL ALS KONZENTRATIONSLAGER

673

Das Wunder im Weißen Meer 675 — Die Arbeit der Mönche 676 — Das erste Konzentrationslager 680 — Wiedergeburt und Restauration 687

KORRIDORE DER MACHT ................. 691 K. im Labyrinth des sowjetischen Alltags ............ 692 «Geschlossen wegen Reparatur» 692 — Soziologie der Schwelle 695 — Der Sinn sinnloser Bewegung 696 — Privateigentum und Ökonomik der Zeit 700

Das «Haus an der Moskwa»: Wohnmaschine, Menschenfalle, gated community

......................... Das Ambiente der AufsteigerMoskwa»

703

Das «Haus an der klasse 706 — Die Falle: Säuberung und Wohnungswechsel 710 — Neue Zeiten: Vom «Gosdom» zur gated community 713 704 —

Die Aura des Telephonapparates und die Abwesenheit des Telephonbuchs

........................

RAUSCHEN DER ZEIT

........

,

.

716

725

..................

Das Verstummen der Glocken 728 Klangwolken: Die akustische Textur des alten Russland 728 — Doppel— herrschaft. Glocken gegen Fabriksirenen 731 — Soundtrack postsowjetisch 737

.........................

739 Lewitans Stimme Die Stimme und die Technik 741 —— His Master’s Voice 745 —— Fernsehen: Der Abschied des Veteranen 750

Backin the USSR.T0nspuren. . . .

752

FREMDES TERRITORIUM, KONTAKTZONEN,

.....................

757

«The little oasis of the diplomatic colony» (George F. Kennan) .

761

Im Iournalistenghetto. Blick von außen, Zentrumsfixierung . .

767

............

772

ZWISCHENWELTEN

Berjoska-Läden: «Oasen des Überflusses»

Das Genie des Sammlers: George Costakis und die Wiederentdeckung der sowjetischen Avantgarde-Kunst . . . . 779 Wie vom Blitz getroffen. Wie alles begann 782 — Der russische Grieche:

Außenseiter und zwischen den Welten 786 — Im Fadenkreuz der Macht 790 — Zwischen Sotheby’s Triumph und neuer Staatskunst 793

AUF DEN MAGISTRALEN DES IMPERIUMS: ZEITREISE INS RUSSISCHE 20. IAHRHUNDERT . . .

795

Abschied vom Eisenbahnzeitalter 797 — Kochender Samowar, Sand— wich zellophanverpackt 798 — Russländische/sowjetische Geschichte ist Eisenbahngeschichte 800 — Lebenswelt Eisenbahn 807 — Reise in die Ungleichzeitigkeit 8 1 1

RED CUBE. DAS LENIN-MAUSOLEUM ALS SCHLUSSSTEIN . . . .

817

Der Kubus. Die Suche nach der vollkommenen Form 820 — Leninismus und Lenin im Sarkophag: «Die zwei Körper des Königs» 825 — Das Pan— theon, das nie gebaut wurde 831

DAS LUBIANKA-PROIEKT - ENTWURF FÜR EIN MUSEE IMAGINAIRE DER SOWIETZIVILISATION . .

833

ANHANG

............................ Anmerkungen ........................... Danksagung

84 8 85 1

Ausgewählte Literatur ..................... 89 7

.................... Personenregister ..........................

Nachweis der Abbildungen

8 99 901

Vorwort

Historiker sind auch Zeitgenossen, und zuweilen kommen sie in die Lage, Augenzeugen von etwas zu werden, was in der Fachsprache dann «Zäsur», «historischer Augenblick», «Epochenende» heißt. So war es auch im Falle der Sowjetunion. Nicht die Geschichte war zu Ende gekommen, wohl aber das Imperium, dessen Zeit abgelaufen war. Von da aus eröffnet sich ein neuer Blick auf fast alles: die Vergangenheit, den Schauplatz, die am geschichtlichen Prozess Beteiligten. Und vielleicht war dies nirgends so schwer zu ertragen wie in dem Land, das von einer Sequenz von Kriegen, Bürgerkriegen und Revolutionen heimgesucht wurde, mit einem unübersehbar großen Territorium und mit Schicksalen, wie sie nur in einem heillosen geschichtlichen Tumult zustande kommen. Das Ende war aber auch Anfang: Vielstimmigkeit, wo es bisher gleichgeschaltete Öffentlichkeit gab; hinaus in die Welt, wo bisher die Grenzen versperrt waren; rücksichtsloser Blick auf eine Geschichte mit vielen offenen Fragen; Öffnung der Archive und Geschichten, die nun endlich erzählt werden konnten. Von außen war nur schwer die Radikalität dieses Bruchs nachzuvollziehen: ein Umsturz von Gewohnheiten, Lebenspläne über den Haufen geworfen, Grenzen, wo es bis dahin keine Grenzen gegeben hatte, Millio— nen, die sich ihr Leben neu einrichten mussten, Absturz für die einen, Aufstieg für die anderen. Das Vierteljahrhundert seither hat gezeigt, wie unendlich schmerzlich dieser Prozess der Verwandlung der ehemaligen Sowjetunion war und wie eine politische Führung postimperiale Phan— tomschmerzen, nostalgische Sehnsüchte und Abstiegsängste für eine Flucht nach vom, den Krieg gegen Nachbarstaaten eingeschlossen, für ihren Machterhalt nutzt. Beide Erfahrungen, die des historischen Augenblicks, der Zäsur, der Wende und die der langen Zeit danach, die die Wirkmächtigkeit «tiefer» Strukturen zum Vorschein brachte, bezeichnen den. historischen Ort für die Entstehung des vorliegenden Buches. Dass sein Erscheinen mit dem 100.Jahrestag der Russischen Revolu—

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Vorwort

tion zusammenfällt, war nicht beabsichtigt, hat aber auch sein Gutes, was immer man dem Recycling von Jahrestagen im Kulturbetrieb auch vorwerfen mag. Geschichte richtet sich nicht nach Jubiläen, diese sind besten— falls Anlässe, um etwas zur Sprache zu bringen, was endlich spruchreif geworden ist. Der Blick wird geschärft, geradezu herausgefordert, noch einmal Maß zu nehmen und eine Formation neu zu vermessen, die seit den «Zehn Tagen, die die Welt erschütterten» Gestalt angenommen und sich als Zivilisation sm" generis bis zum Ende des 20.Jahrhunderts be— hauptet hat. Das 20.Jahrhundert als sowjetisches: als Ausbruch aus dem Weltkriegs-Europa, als Wiederbegründung des Russländischen Reiches in neuer Form, als Vorposten der antikolonialen Revolution, als Gegenpol zum kapitalistischen Weltmarkt und als Versuchsgelände einer beispiel— losen Sturm-und-Drang—Modernisierung, als Krieg der Selbstbehauptung gegen den barbarischen Vernichtungskrieg Hitler-Deutschlands, als Auf— stieg zur zweiten Weltmacht mit einem Herrschaftsbereich von der Elbe bis zum Pazifik, als letztes großes Vielvölkerreich am Ende des 20.Jahr— hunderts in Europa. Es gibt gute Gründe, neben einem amerikanischen Jahrhundert auch ein sowjetisches gelten zu lassen. An seinem Ende haben sich die einen gefragt, wie es dazu kommen konnte, dass sich die Sowjetunion so lange hat halten können, während andere sich schon auf deren Existenz ad infinitum eingerichtet hatten; am Schluss wurden alle vom Gang der Ereignisse, die in die Perestroika und schließlich in die Auflösung der UdSSR einmündeten, überrumpelt. Der Verfasser dieses Buches hat einen Großteil der sowjetischen Welt, ihre Spätzeit gleichsam, noch miterlebt. Seit seiner ersten Reise im Jahre 1966 hat er das Land kreuz und quer durchwandert, erforscht, dort studiert. Wie viele, die aus dem kleinräumigen Mitteleuropa kamen, konnte er sich der Faszination, die von den Landschaften, den Strömen, der Ge— schichte und den Menschen ausgingen, nicht entziehen. Er war bewegt und gerührt von der Großzügigkeit von Angehörigen der Kriegsgenera— tion, die so Entsetzliches erlitten hatten, gegenüber einem jungen Deutschen, dessen Vater als Wehrmachtssoldat «an der Ostfront» gekämpft hatte; er hörte den Lebensgeschichten zu, die so nicht einmal in der gro— ßen Literatur vorkamen, war immer aber auch konfrontiert mit deprimierenden Erfahrungen von Menschen, den Bildern gestohlener Lebenszeit und der Erwartung, dass man nach all den Schrecken und Unbilden end— lich doch auch ein «normales Land» werden würde.

Vorwort

I9

Die Arbeit an der Sowjetunion — und für mich als über die russische Sprache und Geschichte sozialisierten Historiker bedeutete dies vor allem: Russland — hat mich nun ein Leben lang beschäftigt. Mit der Zeit, in der Russland gleichsam zum Zentrum der Welt geworden war, habe ich mich in «Jenseits des Großen Oktober. Petersburg 1909—1921. Ein Labora— torium der Moderne» (1988) beschäftigt. Den Beziehungen zwischen Russen und Deutschen, besonders aber dem Schicksal der russischen Diaspora, war mein Buch «Berlin. Ostbahnhof Europas» (1998) gewidmet. Mit «Terror und Traum. Moskau 1937» (2008) habe ich mir klar zu werden versucht, was während der «Großen Säuberungen» der Stalin-Zeit geschehen war. Porträts von osteuropäischen Städten, verfasst seit den 1980er Jahren, waren mein Zugang, mir die sowjetische Lebenswelt und die kulturelle Landschaft des östlichen Europa zu erschließen. Wenn es ein Thema gab, vor dem ich zurückschreckte, weil ich fühlte, ihm nicht gewachsen zu sein, dann war es der Vernichtungskrieg, mit dem HitlerDeutschland die Völker der Sowjetunion überzogen hatte. Ich hatte es nicht auf eine Generalbilanz, auf eine Art «Rechenschafts— legung» meiner Sowjetunion— bzw. Russlandstudien abgesehen, es gab andere Pläne und Prioritäten. Aber dann kam jener berühmte Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte. Der beschleunigende und entschei— dende Impuls war Putins Annexion der Krim und der unerklärte Krieg gegen die Ukraine seither, der — so fand ich — einen zwang, noch einmal einen Blick auf das untergegangene Imperium zu werfen. Auf dieser Grundlage entstand der Plan zum vorliegenden Buch. Eine Skizze des Vorhabens konnte ich in der Carl Friedrich von Siemens Stiftung in München im Jahre 2014 vortragen, und zwar unter dem Titel «Archäologie des Kommunismus. Sich ein Bild machen von Russland im 20.Jahrhundert». Dass ich konzentriert und unter privilegierten Bedingungen an meinem Buch arbeiten und es fertigstellen konnte, wäre ohne die großzügige Förderung durch die Carl Friedrich von Siemens Stiftung und ihren Direktor Professor Heinrich Meier nicht möglich gewesen. Ihnen gilt mein aufrichtiger Dank. Und es freut mich, dass der Verlag C.H.Beck das Buch in sein Programm aufgenommen hat.

Karl Schlögel, Berlin im Mai 2017

Einleitung: Archäologie einer untergegangenen Welt

Was hier als «Archäologie einer untergegangenen Welt» vorgestellt wird, ist nicht eine neue Geschichte der Sowjetunion, sondern der Versuch, sich die Geschichte dieses Landes neu zu vergegenwärtigen, gewiss auch anders als in vielen der vorliegenden eindrucksvollen Gesamtdarstellungen. Die Sowjetunion war nicht nur ein politisches System mit datierbarem Anfang und Ende, sondern eine Lebensform, die ihre eigene Bildungsgeschichte, ihre Reife, ihre Verfalls- und Auflösungszeit hatte. Sie hat die Bürger des Landes für mehrere Generationen mit ihren Praktiken, Werten und Routinen geprägt.1 Ich bezeichne diese Lebenswelt von langer Dauer als «sowjetische Zivilisation», unabhängig davon, was ihr Anspruch, eine der alten Welt, dem Kapitalismus oder dem Westen gegenüber überlegene zu sein, gewesen sein mag. Lebenswelten können älter und stabiler sein als politische Ordnungen, und sie können fortleben, wenn das Ende eines Systems schon proklamiert und protokolliert ist.2 Sie hinterlassen ihre Spuren noch weit über ihr Ende hinaus, wie jeder weiß, der sich in der Staatenwelt bewegt hat, die aus großen Imperien hervorgegangen ist: Sprachen, der Stil von Verwaltungs— und Schulgebäuden, Infrastruktur und Eisenbahnstrecken, aus alter Zeit übernommene Umgangsformen, Bildungswege und Biographien, Hass auf oder sentimentale Anhänglichkeit an die Herren von einst — überall lassen sich diese Erscheinungen beobachten, ob im ehemaligen Bereich des British Empire, des Osmanischen Reiches oder der Donaumonarchie, ja sogar des Deutschen Reiches. Nicht viel anders verhält es sich mit dem Sowjetimperium. Seine Spuren werden noch sichtbar sein — physisch—reell und auf den mentalen Karten der Bewohner der nun postimperialen, postkolonialen Welt —, wenn das Staatswesen UdSSR schon vergessen ist. Hier setzt eine Archäologie an. Sie nimmt das Territorium des einstigen Imperiums als Feld, in dem sie die Spuren sichtet und sichert, die Sonden ansetzt und Ausgrabungen veranstaltet — buchstäblich und im übertrage—

Archäologie einer untergegangenen Welt

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nen Sinne. Archäologen graben nicht aufs Geratewohl, sondern sie haben Anhaltspunkte, an denen sie fündig werden können. Sie haben ihre Navi— gationsgeräte und Karten und haben vor allem ganze Bibliotheken im Kopf. Worauf sie es abgesehen haben, sind die Hinterlassenschaften vorangegangener Generationen. Sie legen Schicht um Schicht frei, bergen die Funde, katalogisieren die Bruchstücke und treffen alle Vorkehrungen für deren Konservierung und spätere Analyse. Der Fund soll ihnen Aufschluss geben über eine Welt, die nicht mehr ist. Die Bruchstücke, die zu lesen und zu dechiffrieren sie gelernt haben, rekonstruieren ein Abbild, den Text einer vergangenen Epoche. Jedes dieser Fragmente hat seine Ge— schichte, und die Kunst besteht darin, die Fragmente zum Sprechen zu bringen. Aus den Einzelstücken setzt sich das Mosaik zusammen, und aus den Geschichten, die die toten Objekte preisgeben, bündelt sich das, was «die» Geschichte genannt wird. Zuweilen stoßen Archäologen wider Erwarten und unvermutet auf Schichten und Funde, die sie zwingen, mit überlieferten Deutungen, Periodisierungen, Kontexten zu brechen. Das sind dann die Sternstunden der Ausgräber. Die Objekte freilegen, sie bergen, sie zum Sprechen bringen — das ist der Weg der Archäologie, der hier vorgeschlagen wird. Mit ihr kommt auch ein viel weiter gefasster Begriff des Dokuments, der «Quelle» ins Spiel. Als Quelle für die Vergegenwärtigung einer vergangenen Epoche kommen jetzt nicht nur das schriftliche Dokument, der Bericht, das Zeugnis, der Aktenbestand in Betracht, sondern —- im Grunde — alle Objektivationen, Vergegenständlichungen menschlicher Tätigkeiten (wenn man hier einmal von den Ablagerungen der Naturgeschichte absieht). Die Welt wird betrachtet und lesbar durch die Geschichte der Dinge, durch die Analyse von Zeichen und Verkehrsformen, Orten und Routinen; das Ganze erwächst aus dem Detail, und die Hauptfrage bei einem Projekt «Sowje— tische Zivilisationsgeschichte» ist dann: wo anfangen, wo aufhören, wenn alles in Betracht kommt: die Großbauten des Kommunismus ebenso wie die Nippes-Porzellanfiguren der 1930er Jahre, die Stimme des Sprechers von Radio Moskau ebenso wie die Parade der Sportler, der Gorki—Park ebenso wie die Lager an der Kolyma, der Bau des Mausoleums ebenso wie die Strände an der Roten Riviera. Diese Aufzählung ist kein Plädoyer für anything goes und kein Spiel auf der Suche nach dem Ungewöhnlich-Exo— tischen, sondern der Hinweis auf die unendliche Komplexheit einer Gesellschaft, erst recht wenn diese in eine Sequenz aus Krieg, Bürgerkrieg

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Einleitung

und Revolution hineingezogen wurde und wenn Leben über weite Strecken eine Form von Kampf ums Überleben war. Zivilisationsgeschichte geht aufs Ganze, sie ist nicht eine Geschichte der Politik oder des Alltags, des Terrors oder begeisterter Zustimmung, der Kultur oder der Barbarei, sondern beides und noch viel mehr — oft zur gleichen Zeit und am gleichen Ort.3 Wenn man die Idee einer histoire totale als wenn schon nicht er— reichbares, aber doch als erstrebenswertes Ideal aufrechterhält, und wenn man bereit ist, die damit verbundenen Risiken in Kauf zu nehmen, dann stellt sich also bei aller «panoramatischen Offenheit» die Frage nach den Kriterien der Auswahl, nach der «Relevanz» — also der Entscheidung, was in einer solchen Studie avisiert und Gegenstand der Analyse werden soll. Das vorliegende Buch ist nicht eine Kollektion von Essays, die sich über die Jahre angesammelt haben, obwohl einige der Texte zu verschiedenen Zeitpunkten geschrieben worden sind; vielmehr beschreiben die im Inhaltsverzeichnis benannten Kapitel Stationen eines durchgehenden Parcours, für die sich der Verfasser bewusst entschieden hat. Ob diese Auswahl, die nie auf enzyklopädische Vollständigkeit abzielen konnte, plausibel und überzeugend, ob sie konstruiert oder gar gewaltsam ist, muss sich an der Lektüre selbst erweisen. Der Autor hätte gern einige weitere hinzugefügt, wenn es vom Umfang her möglich gewesen wäre: zum Beispiel Artek-Lager und Kindheit; Weltfestspiele der Jugend 1957; Juri Gagarin, der strahlende Held. Kein vorausgeschickter Kommentar kann den einzelnen Kapiteln abnehmen, was sie selbst nur leisten können: etwas zur Evidenz bringen. Es ist der ungeheure Satz, den Walter Benjamin im riesenhaften Torso seines «Passagen-Werks» versteckt hat: «Methode dieser Arbeit: literarische Montage. Ich habe nichts zu sagen. Nur zu zeigen.» Ein Satz, der aber schon damals, als aus dem Flaneur des 19. Jahrhunderts der Flüchtling des 20.Jahrhunderts geworden war, kaum noch einzulösen

war.4

Das Buch umfasst, wie auf einen Blick aus der Gliederung ersichtlich ist, an die sechzig Einzelstudien unterschiedlicher Länge, gruppiert in rund zwanzig Blöcken. Es sind die Stationen, die zurückgelegt werden zwischen dem Eingangskapitel — einem Gang über einen der Moskauer Basare am Ende der Sowjetunion — und einem Nachwort, das auf ein musée imaginaire, ein Museum der Sowjetzivilisation hinausläuft, und zwar an einem denkwürdigen zentralen Ort, dem Herz der Finsternis der sowjetischen Geschichte: der Lubjanka. Eine Linie der Erkundung könnte man mit «Ein

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Zeitalter wird besichtigt» (Heinrich Mann) beschreiben. Eine andere folgt der Einladung «Im Raume lesen wir die Zeit».5 Und beides kommt zusam— men in dem, was Michail Bachtin den «Chronotopos» genannt hat.6 Die Kapitel handeln von den Großbauten des Kommunismus, gleichsam Pyramiden des 20.Jahrhunderts, vom Duft des Imperiums, einem sowjetischen Markenparfum, von dem, was die Kälte von 49 Grad minus für Häftlinge an der Kolyma bedeutete, von den «Zehn Tagen, die die Welt erschütterten» und anderen Topoi, bei denen alle Sinne der Weltwahrnehmung ins Spiel kommen. Wenn es keinen Sinn ergibt, diese Topoi an dieser Stelle im Einzelnen in ihrer «Relevanz», ja Notwendigkeit zu begründen, so ist es durchaus von Bedeutung, die Grundlage für die Entscheidung, warum gerade diese ausgewählt wurden, zu benennen. Die Auswahl beruht auf einer Primärerfahrung, der Erfahrung des Autors. Sie leitet sich nicht ab aus einer derzeitigen akademischen Kontroverse oder Veränderung der Richtung in den Sowjetunion— oder Russland-Studien. Die Felder der Exploration und die Stellen, an denen die Sonden ange— setzt werden sollten, waren jemandem, der sich ein Leben lang mit der sowjetischen Welt beschäftigt hatte und noch knapp drei Jahrzehnte des sowjetischen Systems selbst miterlebt hatte, längst klar, und das Problem war eher eines der «Architektur», der Komposition, also der Darstellung, wenn man sich von einer allzu einfachen enzyklopädischen oder chronologischen Anordnung der in Frage kommenden «Lemmata» verabschiedet hatte. Das waren die ersten Eindrücke, die man in der Zeit des Ost—WestKonflikts gewinnen konnte, einer fremden Welt, die durch den Rauchvor— hang des Kalten Krieges verdunkelt war; das war die Welt der 1960er Jahre, in der man sich in der UdSSR von Campingplatz zu Campingplatz bewegen konnte; die Welt, die man zur Zeit der Studentenbewegung in den Seminaren am Osteuropa-Institut der Freien Universität in Westberlin studieren konnte — jetzt schon neomarxistisch, nicht mehr im Rahmen der Totalitarismus-Theorie; das war auch die Welt der Sowjetunion und ihrer Verbündeten, deren Panzer man in Prag gesehen hatte. Und das war schließlich die Sowjetunion, in der in der Zeit von Glasnost und Perestroika Dinge geschahen, die bis dahin unvorstellbar gewesen waren: die Wiederkehr des freien Wortes und des lebendigen Denkens im öffent— lichen Raum, ja fast ein lautlos sich vollziehendes Geschichtswunder, wo alle Welt doch auf alles gefasst war — «Armaggedon Averted» lautete der Titel von Stephen Kotkins Buch.7 Zusammengenommen ergab sich ein

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Einleitung

Erfahrungsschatz, erworben auf Reisen quer durch das Land, im Bus, in Zügen, per Schiff, auch per Autostopp. Der Fundus, aus dem heraus die Sujets generiert wurden, basierte auf einer Primärerfahrung und auf der Herausbildung eines Koordinatensystems, in dem nicht Diskurse, nicht das Sekundärwissen aus Büchern und Medien darüber entschieden, was als bedeutend und analysewürdig zu gelten habe, sondern die unmittelbare eigene Anschauung, oder noch genauer: die De—uisa-Inspektion, der dann die Analyse folgt. Dieses Buch handelt daher nur von Orten und Gegen— ständen, die der Verfasser selbst gesehen hat, ob es sich um die Staudämme, die Klöster oder die Sammlung Costakis in Thessaloniki handelt. Von besonderem Interesse waren jene «Gemeinplätze», die Svetlana Boym erstmals ins Blickfeld der Forschung gerückt hatte: die Warte— schlange, die Gemeinschaftswohnung, der Zustand der öffentlichen Toiletten, die Paraden, die Plattenbausiedlungen, die Moskauer Küchen. Dabei ging es um die allen sichtbare Oberfläche, für deren Analyse sich der wissenschaftliche Betrieb jahrzehntelang nicht interessiert hatte, weil die Suche nach dem «Wesen» oder dem «System» wichtiger war als die Beschreibung und Analyse der Lebenswirklichkeit.8 Aber es griffe zu kurz, das hier vorliegende Unternehmen nur als eine persönliche Angelegenheit, als eine «bloß subjektive» Sicht — etwa unter dem Titel «Meine Sowjetunion. Erinnerung an eine untergegangene Welt» — anzusehen. Gegen den Fetisch der «subjektiven Eindrücke» und gegen einen ebenso naiven wie pathetischen Begriff der unmittelbaren Anschauung ist eine Generation, die durch alle nur denkbaren akademischen Kontroversen der «Soviet Studies» gegangen ist, wohlgewappnet. Sie hatte sich geschult in den Debatten um die Theorien vom Totalitarismus, der «bürokratischen Entartung», der Modernisierung und all der Differenzierungen und Verästelungen seit dem «sozialgeschichtlichen Paradigmenwechsel». Und sie wurde schließlich Augen- und Ohrenzeuge einer Wende in der Sowjetunion selbst, als das Land seine Sprache wiederfand und die «weißen Flecken» seiner Vergangenheit bearbeitete? Wenn die Figur des Flaneurs oder die Exkursion als Methode eine so zentrale Rolle spielen, dann deshalb, weil hier Anschauung und Reflexion ebenso zwangsläufig wie zwanglos zusammenkommen. Ein weiteres Element, das dem hier eingeschlagenen Weg entgegenkam, muss noch erwähnt werden. Die vorliegende Arbeit profitierte von der

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Wiederaufnahme jener kulturgeschichtlichen Ansätze, die auf eine Integration der Disziplinen abzielten und die in Deutschland mit den Namen so verschiedener Köpfe wie Karl Lamprecht, Georg Simmel und Aby War— burg verbunden sind. Ausgehend von der Einsicht, dass alle menschliche Vergesellschaftung sich in kulturellen Formen darstellt und verdichtet, rückte die Analyse der kulturellen und symbolischen Formen —- in gleich welchem Genre — ins Zentrum. Es wurde klar, dass kulturwissenschaft— liche Analyse eben nicht gleichbedeutend ist mit Analyse «der» Kultur als eines aparten «Subsystems» — wie das der Wirtschaft oder der Politik auch —, sondern dass sie abzielt auf die konkrete Analyse kultureller Formen, an der mitzuwirken alle Disziplinen, die je etwas dazu beitragen können, aufgerufen sind.10 Dass darin eine Gefahr des Eklektizismus und Dilettantismus steckt wer könnte es bestreiten. Im Übrigen sind viele Essays des vorliegenden Buches Eröffnungen, die Benennung von Gegenständen, die ihrer systematischen Analyse und kulturgeschichtlichen Erschließung noch harren. Nun, nachdem der (lebensgeschichtliche) Erfahrungsraum und der (intersubjektive und transgenerationelle) Referenzrahmen für die vorliegenden Studien benannt ist, bleiben noch zwei wichtige einschränkende Bemerkungen. Erstens: Das Ende eines Imperiums — und die UdSSR macht hier keine Ausnahme — hat auch epistemologische Konsequenzen: Es kommt zu einer Verschiebung der Blickrichtung. Die akademische Sozialisation, die Russland- und Sowjetunion-Historiker und wohl nicht nur den Verfasser des vorliegenden Buches — geprägt hat, war in der Regel russozentrisch, Moskau— oder Leningrad-zentriert, bewegte sich in der russischsprachigen le0ine' des Imperiums. Darin liegt eine Beschränkung der Kompetenz, die nicht in einem Hauruckverfahren überwunden werden kann. Sie kann hier nur konstatiert und zum Gegenstand einer relativierenden Reflexion gemacht werden. Dass ein Museumsparcours, der an der postimperialen Peripherie der ehemaligen Sowjetunion entworfen wird, in vielem ganz anders aussehen würde, versteht sich daher von selbst.11 Zweitens: Was mit dem Gang über den Basar begann, endet — unerwartet für mich selbst und doch fast zwangsläufig — in der Sammlung der Objekte, im Museum, wo Menschen — Einheimische wie Fremde — sich einfinden, weil sie sich die sowjetische Welt vergegenwärtigen und — vermittelt über die Exponate — ins Zwiegespräch kommen wollen mit Gene-

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Einleitung

rationen, die nicht mehr sind und die selber nicht mehr sprechen können. Die Idee eines musée imaginaire — so André Malraux — oder eines «Palastes der Erinnerung» — so Matteo Ricci — für die sowjetische Zivilisation hat sich ergeben als die schlüssige Form, in der die vorliegenden Unter— suchungen eingemündet sind.12 Das Buch ist eine Einladung, jeder kann seiner Neugier, seiner Neigung, seinem Interesse folgen. Der Besucher bewegt sich selbständig, eher labyrinthisch als linear, er bekommt keine Lehre mit auf den Weg, außer dem Schluss, den er selber zieht, wenn er die Zeit, die Orte, die Objekte mit ihren Geschichten und Schicksalen Revue passieren lässt.

SPLITTER DES IMPERIUMS

Baracholka im Ismailowski-Park, Basar in Petrograd

Vom Moskauer Stadtzentrum nach Ismailowo sind es nur ein paar Metro— stationen. Man steigt an der Partisanskaja aus und folgt den Wegweisern oder einfach dem Menschenstrom, der dorthin geht, wo alle hinwollen: zum Basar oder zur Baracholka, wie man den Trödelmarkt in Russland schon vor der Revolution nannte und auf dem gebrauchte, heute sagt man second hand, Gegenstände gehandelt werden.1 Das ganze Land, ja der ganze ehemalige Ostblock war nach dem Ende der sozialistischen Verteilungswirtschaft überzogen von einem Netz Abertausender solcher Basare und Trödelmärkte in Parks, an Endstationen von U-Bahnen mit Hunderttausenden von Besuchern und Kunden — wie etwa der «Siebte Kilometer» bei Odessa oder der Markt, der sich am Stadion in Lushniki in Moskau ausgebreitet hatte. In der Zeit des Zusammenbruchs der Verteilungsökonomie, des Absturzes der Währungen und einer zeitweiligen Rückkehr zum Naturaltausch waren diese Märkte zu zentralen Orten der Krisenbewältigung und des Überlebenskampfes geworden, mit Millionen von Menschen, die als Shopping—Touristen und wie «Weberschiffchen» auch über die Grenzen hinweg pendelten.2 Der Basar im Park von Is— mailowo war etwas Besonderes. Das lag schon an der Nähe zum Stadtzentrum, er war nach dem Gorki-Park der zweitgrößte Stadtpark Moskaus, in den 1930er Jahren hieß er Stalin-Park, und am Eingang stand eine Stalin-Statue. Dort sollte das Stalin—Stadion gebaut werden. Wenn es heute Fremde und Moskauer dorthin zieht, dann nicht nur wegen der großzügigen Garten- und Parkanlagen, sondern wegen dieses großen Basars. Einen anderen Straßenmarkt besucht Swetlana Alexijewitsch und beschreibt ihren Gang über den Arbat in Moskau. Mit der ihr eigenen Sen— sibilität beobachtet sie, wie eine weltgeschichtliche Epoche verramscht wird: «Auf dem Alten Arbat, auf meinem geliebten Arbat, sah ich Verkaufsstände — mit Matrjoschkas, Samowaren, Ikonen, Fotos des letzten Zaren und seiner Familie. Porträts weißgardistischer Generäle — Kol-

Barachollea im Ismailowshi-Par/e, Basar in Petrograd

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Matrjoschkas in jeder Gestalt — Eine Lenin-Büste tschak, Denikin und . Ich erkannte mein Mos— kau nicht wieder. Was war das für eine Stadt? Auf dem Asphalt saß ein alter Mann auf Ziegelsteinen und spielte Akkordeon. Die Brust voller Orden. Er sang Lieder aus dem Krieg, vor ihm lag eine Mütze mit Mün— Ich wollte zu ihm gehen doch er war zen. Vertraute, geliebte Lieder schon von Ausländern umringt zum Fotografieren kein Wunder! Sie hatten uns so gefürchtet, und nun Da! Nur noch ein Haufen Gerümpel. Das Imperium — futsch! Neben den Matrjoschkas und Samowaren berge— weise rote Fahnen und Wimpel, Parteibücher und Komsomolausweise. Und sowjetische Auszeichnungen! Lenin—Orden und Rotbannerorden. Medaillen!»3 Basare, Trödel- und Flohmärkte dieser Art gab und gibt es in allen Städten der ehemaligen Sowjetunion, und was man auf ihnen besichtigen kann, sind die Splitter, die Trümmer, die Fragmente der Objektwelt des untergegangenen Imperiums. Es gibt nichts, was man dort nicht finden könnte. Gegenstände, die der Welt vergangener Generationen angehört hatten, wechseln die Besitzer und werden so zum Eigentum der heute Lebenden: Zirkulation vergegenständlichter Formen, Wiederaneignung durch andere. Das sind gusseiserne Bügeleisen, die mit Holzkohle befeuert wurden und vielleicht aus einem zum Abriss bestimmten Bauernhaus im russischen Norden stammen, vielleicht aber auch ein modernes Bügeleisen, das den Arbeitern einer Fabrik, die schon lange keine Löhne mehr ausbezahlt hatte oder deren Geldlöhne in den 1990er Jahren sinnlos ge— worden waren, in natura ausgehändigt worden war. Das können einzelne gut erhaltene Exemplare einer einst in Millionenauflage gedruckten Par— teizeitung sein, die nun aber — mit einem Porträt des Führers Stalin und einem wichtigen Erlass — zu einem historischen Dokument geworden sind. Es können Photoalben sein, in denen die Stationen eines ganzen Lebens festgehalten sind — die Großeltern, die Familie, die Zeit bei den Pio— nieren, die Schule, der Beginn des Arbeitslebens, möglicherweise die Zeit bei der Armee — und in denen der Übergang von der einen zur anderen Epoche durch den Übergang von Sepiabraun zu Schwarz—Weiß — und in einem langen Leben zum Farbphoto — markiert ist. Es finden sich An— sichtskarten vom Urlaub am Schwarzen Meer, Augenblicke des Glücks. So liegen sie nun da, ausgebreitet im Staub, in Plastikhüllen, so wie andere Dokumente, die die Mühe des Arbeitslebens dokumentieren, das Arbeits—

Splitter des Imperiums

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sich auf den Trödelmärkten das Inventar Wie überall auf vergangener Epochen aus. So auch auf einem der Moskauer Basare im Ismailowski—Park in den 1990er Jahren.

Werkskarriere. Manchmal findet sich — mit dem Tod eines Menschen oder der Auflösung eines Haushaltes — ein ganzes Bündel von Dokumenten, in denen sich eine Biographie widerspiegelt: Photographien, aus denen sich die Physiognomie, die Statut eines Menschen ablesen lässt, die Schulzeugnisse, die Erfolge im Sportverein, eine Parteimitgliedschaft bis zum Lebensende. Auf dem Basar findet sich das Mobiliar, mit dem die Kindes—

Baracholka im Ismailowski-Parlz, Basar in Petrograd

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kinder nichts anfangen können oder nichts anfangen wollen, weil es nicht mehr zeitgemäß, nicht mehr «modern» genug ist. Ganze Bibliotheken finden sich wieder und geben Zeugnis vom Geschmack vergangener Generationen V0n Lesern. In vielen Büchern finden sich Randnotizen und Unter— streichungen. Die Verkaufsstände sind wahre Enzyklopädien historischer Trends und Moden. Hier kann man ablesen, worin sich eine Jugend, die mit der alten Welt nichts mehr zu tun haben wollte, absetzte von der Welt von gestern: Lederjacken, Matrosenhemden. Was bis zum Lebensende besonders sorgfältig aufbewahrt worden war — Auszeichnungen, Betriebsurkunden, Diplome, sogar Orden —, ist nun nicht davor geschützt, eines Tages auf dem Trödel- und Flohmarkt feilgeboten zu werden, ist die Not nur groß und die Pietät niedrig genug. Auf dem postimperialen Trödel finden sich die aus Zentralasien mitgebrachten Wandteppiche und die Radioapparate, die wegzuwerfen man sich nicht getraut hatte sie könnten vielleicht noch einmal gebraucht werden. Der Spezialist für Graphik der 1920er Jahre kann kaum seine Erregung unterdrücken, wenn er ein Blatt entdeckt, das ein ahnungsloser Händler ihm anbietet. Plunder, Kram, second hand, Unikat — alles ist Zeugnis, je nachdem. Diese Märkte sind etwas für gelangweilte Touristen, aber auch für hochspezialisierte Ex— perten. Sie erkennen an der verbeulten Keksdose das Design der vorrevolutionären Süßwarenfabrik von Einem oder des Zigaretten-Trusts Mosselprom aus den 1920er Jahren. Sie erkennen an dem Bücherstand die kostbar aufgemachten Klassiker-Editionen des Akademie-Verlages der 1930er Jahre. In der Kiste mit den Hunderten von kunstvoll geschliffenen Parfum-Flacons suchen sie zielgerichtet jene heraus, die zum Parfum «Rotes Moskau» oder «Flieder» gehören. Mit den Händlern, die die Por— zellanfigürchen feilbieten, nimmt es niemand an Sachkenntnis und Kunstverstand auf: Sie kennen die Designer, die Werkstatt, die Signatur am Bo— den der Figur. Man findet auf solchen Märkten Spezialisten, die alles über Meißner Porzellan, über die verschiedenen Ausführungen des Pathephons wissen und ein unendliches Set von Papirossy— und Streichholzschachteln vor sich ausbreiten. Heute als skandalumwittert geltende Staliniana -— wie das von Gorki herausgegebene und von Rodtschenko illustrierte Werk über den Bau des Weißmeer-Ostsee-Kanals — sind besonders teuer. Für Funde aus dem deutsch-sowjetischen Krieg gibt es noch immer besonders Interessierte: Koppelschlösser, Soldbücher und Wehrpässe, durchschossene Helme, Arbeitsbücher von ehemaligen «Ostarbeitern», auch Briefe von

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deutschen Soldaten, die ihren Weg in die Heimat nicht mehr gefunden haben — alles ist zu haben. Ganze Sammlungen werden verkauft, von wild durcheinander bis systematisch geordnet — etwa Teeglasuntersetzer, Briefmarken und Münzsammlungen (besonders aus der Zeit des Bürgerkriegs mit Dutzenden von konkurrierenden lokalen Währungen). Dazwischen sind plötzlich Klassenphotos aus dem Jahr des Großen Terrors 1937 zu entdecken. Die Baracholka von heute hat ihre Vorläufer.4 Man kann fast sagen: Jede große Krise, jeder Umbruch, jedes Epochenende schlägt sich nieder auf Basaren, auf denen die Splitter der untergegangenen Welt feilgeboten werden. «Fragment des Imperiums» — so lautete der Titel eines 1929 gedrehten Films des Regisseurs Friedrich Ermler, eines Meisterwerks der sowjetischen (Stumm-)Filmkunst.5 Ein Soldat, der im Bürgerkrieg durch eine Verwundung sein Gedächtnis verloren hatte, kommt wieder zu Be— wusstsein in Leningrad, wo er sich nicht mehr zurechtfindet; alles hat sich geändert: das Tempo, die Gesichter, die Mode, die Frauen — sogar Wol— kenkratzer sind zu sehen (offensichtlich der gerade fertiggestellte Komplex des Hauses der Industrie in Charkow). Der Soldat in Pelzmütze und Bauernmantel irrt durch die Metropole, will zurück in die Stadt, die es aber nur noch in Splittern, Trümmern, Fragmenten gibt. Schließlich schlägt er sich zum Fabrikkomitee durch, dem neuen Herrn der Stadt, und alles kommt zu einem guten Ende. Ermler hat den großen Umbruch in Krieg, Revolution und Bürgerkrieg als Zeit der Zersplitterung und Fragmentierung inszeniert. Die Zeit der Wirren war auch die Zeit der Baracholka. Der Markt kennt keine Standesunterschiede mehr, die Not und der Überlebenskampf haben alle gleich gemacht — ob Arbeiter, ehemalige Beamte, Intelligenzler oder Bauern. «Getreide war der absolute Wert—Maßstab, die harte Währung all der Jahre des Bürgerkrieges.»6 Die Hierarchie der Werte war auf den Kopf gestellt. Michail Ossorgin beschreibt das aus der Sicht des Bibliophilen: «Ich habe eine Originalausgabe der gesammelten Werke von Lavoisier gefunden — für Moskau eine außergewöhnliche Rarität. Und dann habe ich auch noch ein überaus interessantes Buch gesehen, und zwar wohl das erste in Russland gedruckte Mathematikbuch, noch in Altkirchenslawisch, aus dem Jahre 1682. Es hat einen wirklich wunderhübschen Titel: Auch Logarithmustafeln aus petrinischer Zeit fin—

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det man dort.» Ausgaben aus der Zeit Peters und Katharinas sind billiger zu haben als die neuesten Editionen der Imaginisten.7 Auch damals gelangte alles auf den Markt, wenn es nur half, um in Hunger und Kälte zu überleben. Zum Verkauf oder zum Verramschen stand der Reichtum der ganzen zum Untergang verurteilten alten Hauptstadt. Die postrevolutionäre Situation war eine der grenzenlosen Ver— schleuderung von über Generationen angesammelten Reichtümern: 1 Paar Stiefel gegen 10 Kilogramm Bücher oder: 1 Uniform gegen 1 Kerosinkocher. Ein Rubens-Bild, das aus einem Palais verschwunden war, für einen Laib Brot. Der Augenblick der Auflösung konnte für Connaisseurs, die nicht emigriert waren, zur Sternstunde werden: Sankt-Petersburg, Petrograd, war in der Zeit des Bürgerkriegs vermutlich der größte Trödelmarkt europäischer Kunst, auf dem Möbel von Roentgen, Bilder von Poussin, Goldschmiedearbeiten der allerersten Werkstätten zu haben wa— ren — für jeden, der wenigstens einen Sack Mehl anzubieten hatte.8 Das war der Ort für die Ärmsten der Armen. Im Bürgerkrieg gingen alle dorthin, um Naturaltausch zu treiben. Geld hatte keinen Wert mehr. Dort trafen sich alle Gesellschaftsklassen. Dort gab es alles: Porzellanfigür— chen, Lüster, Ferngläser und Photoapparate mit Zeiss-Optik, Nachttöpfe, Nähmaschinen der Marke Underwood, Straußenfedern, Bände der Zeitschrift «Newa», französisches Parfum. Die Baracholka—Petrograd —- das wäre die Geschichte eines Ortes, an dem die vom Zusammenbruch aller sozialen Beziehungen getroffene Stadt ihren Zusammenhang aufrechterhält, Ort des Tausches und Handels, wo alles ineinander übergeht: Tausch, Betrug, Aktivitäten der Berufsdiebe, Weltläufigkeit von Kunsthändlern, das Aufeinandertreffen all derer, die, aus ihren angestammten sozialen Rollen herauskatapultiert, sich neu aufstellen müssen.9 Die Welt der offenen Stadt Petrograd mit all ihren Palais, Bibliotheken, Kunst— und Bildersammlungen, dem gewöhnlichen Reichtum, der sich in den Wohnungen einer wohlhabenden Schicht hatte ansammeln können, ist vielfältig bezeugt. Literarische Reflexionen über die Zerstreuung des großen Reichtums auf Basaren, in Antiquariaten und Kommissionsgeschäften findet man etwa in Boris Pilnjaks «Die Wolga fällt ins Kaspische Meer».10 Dort tauchen zwei Moskauer Antiquitätenhändler auf, die im demnächst von einem neuen Stausee überfluteten Kolomna alte Möbel aufkaufen. Die antiken Möbel stehen für das unter— gegangene Russland. Uber das Depot, eine alte Kirche, heißt es etwa:

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«Die Kirche sah wie der Stapelplatz aus einer Feuersbrunst geretteter Gegenstände aus. An den Wänden türmten sich Schränke, KleiderHoch oben, in dreifacher ablagen, Diwane und Nähmaschinen auf Manneshöhe, war über zwei Kleiderablagen ein riesiger Esstisch aufge— stellt und darauf ein Tischchen mit Hammer und Stuhl für den Auktionator. In der Kirche, genauer gesagt im Leihhaus, befanden sich nur wenige Menschen. Sie hatten die Mützen nicht abgenommen, betrachteten geschäftsmäßig die Sachen und erörterten laut die Preise, die zusammen mit den Katalognummern der einzelnen Stücke ausgehängt worden waren. Dämmerlicht fiel durch die vergitterten und verstaubten Kirchen— fenster. Der Professor folgte dem Beispiele der Übrigen und ging ungezwungen von einem Stück zum anderen. Zur Versteigerung kamen die nicht ausgelösten Stücke des Leihamts, zusammengewürfelter Hausrat. Kattunene Puffs neben Messingbetten und Esstischen aus Lindenholz erzählten eine Chronik der russischen Verarmung ...»11 Das Zimmer des Kustos des «Museums für Altertumskunde» von Kolomna wird wie folgt beschrieben: «In seiner Wohnung, die wie eine Rumpelkammer aussah, häuften sich Foliantenbibeln, Gesang— und Gebetbücher, Pries— terstolen, Mönchskutten, Heiligenbilder, Hostiendecken, Altargeräte, Ornate, Stücke aus dem dreizehnten bis siebzehnten Jahrhundert. Unter einer Staubschicht stand die lebensgroße Holzfigur eines nackten Christus, den Dornenkranz auf dem Haupte, eine Arbeit des siebzehnten Jahrhunderts, die aus dem Kloster von Biberdorf stammte. lm Arbeitszimmer des Museums standen die Mahagonimöbel aus dem ehemaligen Besitz des Gutsherren Krasin. Den Schreibtisch zierte als Aschenbecher eine porzellanene russische Adelsmütze mit rotem Besatz und weißem Kopf ...»12 Möbel erzählen Geschichte: «Die Kunst des russischen Mahagonimöbels, die nach Russland unter dem ersten Peter verpflanzt worden war, hat ihre vorgeschichtliche Ära. Diese Leibeigenenkunst hat keine geschriebene Geschichte, die Zeit hat es nicht für nötig befunden, die Namen ihrer Meister aufzubewahren. Sie war die Sache namenloser Einsiedler, ein Ruhm der Kellergrüfte in den Stadthäusern oder der hintersten Winkel der Leutestuben auf den Bauernhöfen. Russischer Bitterschnaps und Lustqual der Einsamkeit mochten da zu Taten berauschen. Jacob und Boulle, die Künstler des französischen Möbels, wurden die Lehrmeister. Junge Leibeigene wurden aus den Dörfern nach Moskau und Petersburg

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gebracht und von dort nach Paris und Wien geschickt, um die Kunst zu erlernen. Dann kehrten sie zurück, erst in die Kellergräber der großen Städte, von dort in die stinkenden Leutekammern der Dörfer, und arbeiteten, solange sie atmeten. Zehn Jahre oder noch mehr saß mancher Meister an einem Ruhebett, einem Schreibtisch, einem Bücherschrank oder Spiegeltisch, schuftete und soff, bis er verreckte. Seine Kunst hinterließ er des Bruders Söhnen, denn eigene Kinder zu zeugen war diesen Meistern verboten. Die Neffen wurden entweder in der Kunst der Oheime fortge— bildet, oder sie machten einfach nach, was sie sahen. Die Meister starben, doch ihre Werke lebten fort: in den Herrenhäusern auf dem Lande und in den Palästen der Städte. Auf ihren Betten liebte und starb man, in den Geheimfächern der Sekretäre wurden Liebes— und Staatsgeheimnisse ver— wahrt, Bräute beschauten vor den Spiegeltischen ihr blühendes Fleisch, Matronen ihre Runzeln. Unter den Kaiserinnen Elisabeth und Katharina waren Barock und Rokoko im Schwange, Bronze mit Girlanden und Schnörkeln, Palisander und Rosenholz, Ebenholz, geflammte karelische Birke und persischer Nussbaum. Dann kam die strenge Zeit des Zaren Paul, des Malteserritters, des Freimaurers und Kommisskaisers, der militärisch gerade Linie, starren Kastengeist und Kadaverruhe forderte. Das Mahagoniholz musste dunkel poliert werden, aus grünem Leder waren die Polster, schwarze Löwen und Greife bildeten die Zierrate. Mit AlexanSo spie— der I. kam Empire, Klassizität, Griechentum zur Herrschaft gelte sich der Zeitgeist in der Kunsttischlerei ...»13 Die Baracholka blieb auch später ein fester Bestandteil des sowjetischen Alltagslebens, zeitweilig untersagt, stets Gegenstand von Kontrollen und Schikanen, aber immer unersetzlich, um die Schwächen der Planökono— mie zu konterkarieren. Der Ökonom W. Scher sah im Moskauer Basar die Wiedergeburt des Kapitalismus: «Die Sucharewka erobert den Roten Platz im Namen der Verwandlung ganz Moskaus in ein New York oder Chicago.»14 1936 gab es in Moskau den Jaroslawler und Dubininsker Markt, wo man Gummigaloschen, Schuhe, Konfektionskleidung, Schallplatten u.a. kaufen konnte. Die Baracholka der 1930er und 40er Jahre existierte Seite an Seite mit den staatlichen Kommissionsgeschäften.” In den 1940er Jahren schreibt der nach der Besetzung Ostpolens ins Reichs— innere, nach Alma-Ata, verbannte Pole Aleksander Wat über die Baracholka oder Tolkutschka in Alma-Ata: «Der Trödelmarkt spielte eine Rolle in meinem Leben, deshalb will ich

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ihn ein wenig beschreiben. Ein riesiger Platz, fast wie der Rote Platz in Moskau. Tagsüber herrschte hier ein Sodom und Gomorrha, ein Gewühle von Lumpen und Menschen. In allen Farben. Alles wurde hier verkauft. Nägel, einzelne Gummistiefel, aber gleichzeitig auch ordentliche Dinge, zum Beispiel Gold. Jedermann hielt krampfhaft sein Hab und Gut fest, sie hatten ihre Waren um den Arm geschlungen oder hielten sie in der Hand, oder die ganze Familie bildete einen Schutzwall, denn dort trieben sich ur/ei (Kriminelle — K. S.) herum. Und Milizionäre. Man muss wissen, dass der NKWD in Russland zwar als eine Drohung galt, die Milizionäre aber vorwiegend unterernährte, ganz blutarme Leute waren, schlaff wie Flie— gen im Spätherbst. Sie schlichen bloß herum. Ein unsägliches Geschrei in zwanzig Sprachen und Dialekten. So war es tagsüber ...»16 Überlebensorte waren die Trödel— und Schwarzmärkte besonders in den vom Krieg verwüsteten Städten im Westen der Sowjetunion, als die staatliche Versorgung noch nicht wiederhergestellt war. Juri Nagibin zufolge gab es im Nachkriegsmoskau auf der Baracholka vor allem altes Schuhzeug, gebrauchte Kleidung, Soldatenmäntel, herrschaftliche Pelze, Goldringe und Antiquitäten, von der saitenlosen Balalaika bis zur Zieh— harmonika, zu Pistolen, Orden, gefälschten Dokumenten, Wattejacken, Priestergewändern, Brüsseler Spitzen, amerikanischen Sommeranzügen — alles Mögliche eben." Eine wieder andere Bedeutung hatten sie in der Zeit des Tauwetters und der sowjetischen Spätzeit. Die Generation des Tauwetters trennt sich von den Möbeln der 1930er und 40er Jahre, sie ist aus dem Ärgsten — der elementaren Not der Revolutions— und Industriali— sierungsepoche — heraus. Sie trennt sich von den sperrigen Möbeln, die in die Neubauwohnungen nicht passen, sie trennt sich von den Gesammelten Werken der Klassiker des Marxismus-Leninismus, aber sie behält die Kinderbücher Kornei Tschukowskis und Gaidars, die Akademie—Ausgaben der russischen klassischen Literatur und das große Kochbuch aus der Stalin—Zeit. In den 1960er Jahren gingen «die Organe» wieder schärfer gegen die Märkte vor, weil sie in ihnen ein Biotop für Spekulanten, Devisenhändler, Farzowschtschilei sahen.18 Am gravierendsten ist aber die Entsorgungsaktion am Ende der Sowjet— union. Der Entsorgung der Vergangenheit eignete —— für einen Augenblick wenigstens — ein Moment von Hysterie. Man kann Möbel, Kleider und Bücher der Sowjetzeit nicht schnell genug loswerden. Doch diese Zeiten sind inzwischen vorüber. Die Baracholka ist heute fast zum Ver—

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schwinden gebracht inmitten der postsowjetischen Landschaften des Konsums aus Super-Malls, Einkaufszentren, dazugehörigen Parkplätzen und Logistik—Komplexen. Auf der Baracholka lebt allenfalls fort, was die teure Warenwelt und der allerletzte Schrei nicht bieten können. Split— ter des Imperiums.

Die sowjetische Welt als Museum

Museumsbesuche standen auf den Besichtigungsprogrammen von Be— suchern der Sowjetunion bzw. Russlands nicht an erster Stelle. Natürlich gab und gibt es die Highlights, die zum Pflichtprogramm gehören und die bei keiner Visite fehlen dürfen: die Gemäldesammlungen, allen voran die Eremitage und das Russische Museum in Sankt—Petersburg oder die Tretjakow—Galerie und die Rüstkammer im Kreml in Moskau. Aber wen verschlägt es schon einmal ins Eisenbahn-Museum in Sankt—Petersburg oder ins Bachruschin-Museum für Theatergeschichte in Moskau, nicht zu reden von den vielen, schon dem Umfang der Sammlungen nach eindrucksvollen Museen, die man außerhalb der beiden russischen Metro— polen besuchen könnte.” Dorthin kommen Experten, die wissen, dass bedeutende Kunstwerke der sowjetischen Moderne auch außerhalb der Hauptstadt in der sogenannten Provinz zu finden sind: in Samara an der Wolga oder in Nowosibirsk, wohin sie dank eines Volkskommissariats für Aufklärung - dem Erziehungsgedanken folgend und dem Prinzip der gerechten Umverteilung und Dezentralisierung von Kulturgütern ver— pflichtet — einst gesandt worden waren. So kommt es, dass man Meister— werke von Boris Kustodijew oder Kasimir Malewitsch auch an abgelegenen Orten findet, an denen man sie nicht vermutet hätte.20 Aber die Museumswelt beschränkt sich nicht auf Kunstmuseen. Museen sind, wie eine inzwischen ins Riesenhafte angewachsene Literatur zum Museumswesen zeigt, viel mehr.21 Sie sind Speicher des kulturellen Gedächtnisses —- im Großen wie im Kleinen: von Familien, Stämmen, Nationen, Imperien, Unternehmen. An ihren Exponaten und der Art, in der sie präsentiert werden, lässt sich Zeit vergegenwärtigen, die vergan— gene wie die, in der wir leben. So will eine Nation, eine Stadt sich selbst gesehen wissen. So soll ein Bild von sich in die Welt hinausgeschickt oder zumindest in den Köpfen der Besucher verankert werden. Museen glei— chen Zeitkapseln und Zeitmaschinen. Das kann in Kunstkabinetten, Wunderkammern, Galerien mit Vitrinen, viel Staub und Spinnweben ge—

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schehen'oder in Museen, die auf dem allerneuesten technischen Stand

sind, mit laufenden Bildern, Audioguides und der Produktion von Laut— welten, die den Besucher an andere Orte oder in andere Epochen kata— pultieren bzw. in eine «interaktive» Beziehung zu längst verstorbenen Generationen bringen. Museen können streng chronologisch aufgebaut sein, der Besucher folgt gleichsam einem Zeitpfeil. In solchen Ausstellungen hat alles seine Ordnung, fast wie in einem alten Schullehrbuch, und wer sich an diese Abfolge, an diese Narrative hält, der kann nicht verloren sein. Er folgt dem roten Faden und gelangt am Ende des Parcours durch alle Fährnisse und Unsicherheiten hindurch zum Endpunkt, ohne den keine geschichtliche Erzählung auskommt. Sie braucht ein Ende, ein Ziel, ein Telos, das freilich ganz verschieden aussehen kann: Es kann einen mit einer festen Botschaft, einer «Lehre» oder angefüllt mit widersprüchlichs— ten Informationen und Deutungen benommen und verwirrt zurücklas— sen — wie nach einer Fahrt in der Achterbahn. Im Zentrum des Museums stehen der Sammler und die Sammlung. Lange Friedenszeiten sind solcher Akkumulationsarbeit förderlich, während Zeitbrüche, mit ihren Unsicherheiten und ikonoklastischen Entgleisungen, zu irreversiblen Verlusten führen können. In Museen wird etwas gezeigt — das «Erbe der Menschheit» —, aber es geht nie ohne die Absicht und den Willen, sich darin selber zu zeigen und sich in Erscheinung zu bringen. Die Präsentation der materialen Hinterlassenschaft der Vergangenheit in ihren tausenderlei Formen ist bekanntlich selbst schon wieder eine eigene Geschichte. Museen sind daher, wie «verstaubt» und «ewig» sie auszusehen scheinen, wahrhafte Abbilder und Barometer der Zeit.22 Jede Ausstellung und jede Veränderung des Parcours ist bedeutungsvoll — so oder so. Sie besagt: Hier ist es zu einer Modifikation, einer Revision, einer Umwertung, einem Perspektivenwechsel gekommen. Das zeigt sich nach dem Ende des sowjetischen Imperiums und dem Aufbau nationaler Museumslandschaften im «postsowjetischen Raum» ganz drastisch. Die Geschichte der Museen in der «Zeit der Wirren» der 1990er Jahre und der Entsowjetisierung wird noch geschrieben werden müssen. Man müsste hier über vieles sprechen: über den punktuellen Zusammenbruch der Security-Systeme, über den Boom des Antiquitäten- und Kunstschmuggels, von der Tragödie, dass das Lebenswerk einer ganzen Genera— tion von Museumsleuten, Kustoden, Restauratoren in Frage gestellt und in manchen Fällen auch ruiniert wurde. Aber man würde auch ein Denk—

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mal setzen für die Hingabe, die Tapferkeit, ja den Heroismus, den diese «Arbeiter der Kultur» — nicht zum ersten Mal in der Geschichte — an den Tag gelegt haben, um «ihre» Museen zu verteidigen. Man denke an den Mut und die Beharrlichkeit, mit der das Personal des Nationalen Kunstmuseums in Kiew über Wochen hinweg und rund um die Uhr das Museum inmitten der Kämpfe auf dem Majdan geschützt und verteidigt hat. Man denke nur an die vielerorts entstandenen Bewegungen gegen die Rückgabe säkularisierter und in Museen umgewandelter Kirchen an die Russisch-Orthodoxe Kirche wie zuletzt im Falle der Isaakskathedrale in Sankt—Petersburg.23

Museumsimperium. Lebenswelten des Imperiums

Wer sich über Jahrzehnte hinweg bei seinen Reisen quer durch die Sowjet— union mit der Museumslandschaft vertraut gemacht und wer sich über die Bedeutung der «Augenarbeit» für die Historiographie Gedanken gemacht hat, wird — ob man das nun so nennt oder nicht — zu einem Museumsexperten.24 Dafür gibt es einen einfachen und zwingenden Grund: Der Besuch von Museen war in sowjetischer Zeit, wo diese zentrale Insti— tutionen des Wissens und der Information vor Ort gewesen sind, zwingend. Vor allem die lokalen und regionalen Heimatmuseen waren, erst recht für ausländische Besucher, aber eben auch in einem Land, in dem Literatur zur Lokalgeschichte generell knapp oder gar nicht zugänglich war, der wichtigste Ort, um sich ein Bild von einer Region machen zu können. Die Buchhandlungen hatten nur wenig zu bieten —— vielerorts konnte man nicht einmal Stadtpläne auftreiben. Selbst wenn es einmal Publikationen zu Themen der Lokalgeschichte gab, waren sie im Nu vergriffen, denn dann handelte es sich um Kostbarkeiten, die in Miniauf— lagen von 100 bis 500 Exemplaren als «graue Literatur» verlegt wurden. So wuchs mit jeder Reise die Bibliothek mit den kostbaren Werken der «grauen Literatur», die sich in den großen Universitäts— oder Staatsbiblio— theken meist nicht findet. Eine andere unverzichtbare Methode, sich mit den «unsichtbaren Städten» (Italo Calvino) vertraut zu machen, war der Besuch der Friedhöfe, falls sie noch vorhanden und nicht zugunsten von neuen Straßenführungen, Stadien oder Kulturparks eingeebnet worden waren.

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Die immer wieder aufgesuchten Museen dienten aber nicht nur der Navigation vor Ort, sondern standen für einen Typus von Museumskultur, der in westlichen Ländern fast ausgestorben ist und der aller sowjetischen Fortschrittsrhetorik zum Trotz sehr viel mit der Tradition der Bildungs- und Erziehungsinstitution Museum des 19.Jahrhunderts zu tun hatte. Das wird vor allem deutlich an den landes- und lokalgeschichtlichen Museen (istoritsches/eije i krajewedtsches/eije musei) außerhalb der Hauptstädte, also in den alten, oft im Schatten der jüngeren Metropolen liegenden russischen Städte wie Dmitrow, Twer und Jaroslawl. Die Erschließung der durch den Fluss konstituierten Kulturlandschaft wie des Wolgagebietes konnte (und kann) man sich ohne den Gang durch die reichen Museen von Nishni Nowgorod, Saratow, Samara oder Astrachan gar nicht denken. In den Museen der nichtrussischen Metropolen Tbi1issi, Taschkent, Jerewan, Kiew oder Riga merkte man sehr schnell — schon beim Versuch, die Legenden zu lesen —, dass die Sowjetunion ein Staat mit vielen Sprachen und Schriften war. Wie konnte man etwas von der Wucht der Modernisierung des Russischen Reiches bzw. der Sowjetunion verstehen, ohne die Museen der Industriestädte Iwanowo-Wosnessensk, Donezk, Jekaterinburg gesehen zu haben? In der Zeit der Perestroika wurden die regionalgeschichtlichen Museen oft die ersten Orte, an denen man etwas über den Großen Terror vor Ort, über die Freilegung von Massengräbern und die Lager erfahren konnte. Kurzum: Museumsbesuche hatten in einem Land, das für eine lange Zeit aus dem «Gutenberg-Zeitalter» mit seinen allseits und jederzeit zugänglichen Publikationen herausgefallen war, eine eminente, ja unersetzliche Rolle gespielt. Eine Analyse der ungemein reichen und vielfältigen Museumslandschaft der ehemaligen UdSSR steht meines Wissens noch aus.”

Es ist nicht allein die bedeutende Zahl großer, mittlerer, kleiner Museen, die einen überwältigt, sondern ihre thematische Bandbreite, die die ganze unendliche Vielfalt, den Reichtum der sowjetischen bzw. russischen Welt abbildet. Die landeskundlichen Sammlungen führen in klassischer Transdisziplinarität, man könnte auch altmodisch sagen: in einer ganzheitlichen Weise, in das Werden einer Region ein — beginnend mit der natürlichen Raumbeschaffenheit, den. klassischen Fragen von Geologie, Geographie, Botanik, Flora und Fauna bis hin zu den Ereignissen in der Gegenwart. Aber neben diesen praktisch an allen größeren Orten vorhandenen, lokal

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Die Eroberung des Nordpols durch sowjetische Piloten, zu besichtigen im Museum der Arktis und Antarktis, das 1937 in der ehemaligen Nikolaikirche in Sankt—Petersburg eingerichtet wurde.

zentrierten Museen finden sich die großartigen thematischen Dauerausstellungen, die zum Beispiel die Eroberung der Arktis und Antarktis (Leningrad/Sankt-Petersburg), die Geschichte des Eisenbahnbaus im Russischen Reich (Sankt-Petersburg, Nowosibirsk u.a.), die Theater-Entwicklung (Bachruschin—Museum in Moskau) zum Gegenstand haben, zahlreiche Museen für Architektur und Stadtentwicklung, Museen der Flussschifffahrt und des Treidlerwesens (Nishni Nowgorod, Rybinsk), Gedenkstätten und Museen zur sowjetischen Gewaltherrschaft (Solowki, Medweshegorsk am Weißmeer—Ostsee-Kanal), Museen, die nach Erringung der Unabhän— gigkeit 1991 in einem radikalen Bruch mit der Vorgängerinstitution eingerichtet worden sind (Okkupationsmuseum in Riga, Genozid-Museum in Vilnius). Eine bedeutende Rolle spielen alle Museen, Gedenkstätten und Dioramen, die mit dem Großen Vaterländischen Krieg verbunden sind (Dioramen in Sewastopol, Wolgograd, Rshew wie auch in der unabhängigen Ukraine in Dnipropetrowsk oder Kiew); der Krieg — auch die Kriege der jüngsten Vergangenheit wie die in Afghanistan und Tschetschenien —

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ist fester Bestandteil aller Museen und im Verbund mit Mahn- und Denkmälern oft Hintergrund für wichtige Ereignisse im persönlichen Leben, etwa die Photos zum Schulbeginn oder zu Hochzeiten.26 Eine weitere Besonderheit dürften die Museen der Aufklärung und des Atheismus sein, die mit der massiv antiklerikalen Politik der Bolschewiki und der Gottlo— senbewegung der 1930er Jahre zusammenhängen — sinnfällig gemacht in der Ausstellung von Reliquien und dem Foucaultschen Pendel, das über dem Pflaster im Zentrum der Kasaner-Kathedrale in Leningrad schwang. Ein Typus von Museum, der sich meines Wissens in anderen Museumskulturen weit seltener findet, sind die Wohnungsmuseen (musei-lewartiry), also in Museen umgewandelte Wohnungen berühmter Persönlichkeiten: Bis heute gibt es eine kaum überschaubare Zahl von Museen dort, wo einst Berühmtheiten wie Puschkin, Dostojewski, Alexander Blok, Rimski-Korsakow, Dmitri Mendelejew, Iwan Pawlow u. v. a. vorübergehend oder für längere Zeit lebten. In sowjetischer Zeit gab es eine Vielzahl von Museen zu «Leben und Werk» von Repräsentanten der Partei— und Staatsführung: Lenin, Kirow, Lunatscharski u. a. Zum selben Genre gehören die «Lebenswelten» des Adels, die Gutshäuser auf dem Lande — die Adelsnester, sofern sie die Wellen der Plünderung, Brandschatzung oder auch systematischen Zerstörung und Abtragung nach 1917 und durch den deutsch-sowjetischen Krieg überstanden haben. Aus der historischen Vogelperspektive betrachtet, erscheint der sowjetische Raum ja immer als unendlich unifiziert, homogenisiert, gleichförmig. Um dem, was die «Sowjetunion» war, gerecht zu werden, bedarf es allerdings des Blicks auf die «Welt vor Ort». Und hier entfaltet sich — aller Unifizierung und Zensur zum Trotz — die ganze Vielfalt eines großen Landes, die eben nicht in einem «Kurzen Lehrgang» aufgeht.

Lineare Fortschrittsgeschichte und der Zauber der Vitrinen

Die Museen sowjetischen Typs — und nicht nur sie — folgten einem einfachen, plausiblen Narrativ, wenn derartige Pauschalisierungen und Generalisierungen überhaupt möglich sind. Es ist das der (marxistischen) stufenförmig ansteigenden Fortschrittsgeschichte von der Entstehung der Welt, von Flora und Fauna, Steinzeit, Urgesellschaft, Sklavenhaltergesellschaft, Feudalismus, Kapitalismus, Arbeiterbewegung und Sozialismus.

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Das ist eine einfache chronologische Ordnung. Sie ist schulmäßig informativ und umfassend. Der Besucher lernt sehr viel — oder ruft sich in Erinnerung, was er in Zeiten des Abiturs schon einmal gewusst hat. Die Ausstellungsabfolge liefert ein festes Gerüst. Diese Linearität ist natürlich gewollt, konstruiert, verbunden mit einer weltanschaulichen Interpretation und einem Erziehungsauftrag. Es war nicht von Anfang an klar, wie ein Narrativ für das sowjetische Museum aussehen könnte. Seine Genese ist ein überaus konfliktreicher Prozess, in dem sich das Ringen der Sowjetmacht um ihr Verhältnis zur Geschichte widerspiegelt. Es hat eine Weile gedauert, bis sich eine Art Standard-Narrativ herauskristallisiert hat. «Wladimir Iljitsch war kein großer Liebhaber von Museen», teilt uns seine Frau Nadjeshda Krupskaja mit.” Doch ging es nicht um die persönlichen Ansichten Lenins, sondern um die Frage, welche Rolle Museen in der neuen Gesellschaft spielten, wie sie zu Orten werden könnten, die über den. revolutionären Bruch hinweg eine Kontinuität des Wissens und der Tradition garantierten. Von der radikalen Infragestellung des Museums als einer obsoleten und überholten Institution, wie etwa Kasimir Malewitsch sie vertrat, bis zur Ausarbeitung einer auf der Basis des Dialektischen Materialismus neu konzipierten Lehranstalt lag zwar nur ein Jahrzehnt, dieses war aber erfüllt von einer Debatte, die bis heute von ihrer Aktualität nichts eingebüßt hat und relevant geblieben ist. Dies zeigt schon allein der Kreis derer, die sich zum Thema Museum und Revolution geäußert haben: Kasimir Malewitsch, Alexander Rodtschenko, Ossip Brik, Andrej Platonow, Pawel Florenski als Vertreter der Avantgarde und am Ende Philosophen und Kunstkritiker der Stalin-Zeit wie Iwan Luppol und Alexei Fjodorow-Dawydow und, gleichsam als unsichtbarer Dritter und theoretischer Referenzpunkt, der Philosoph Nikolai Fjodorow (1829—1903) mit dessen Hauptwerk «Die gemeinsame Sache», in dem es nicht zuletzt um die Herstellung einer Beziehung zwischen den Generationen, zwischen den heute Lebenden und den schon Toten und letztlich die Wiederauferstehung ging.28 Michael Hagemeister fasst Fjodorows Anschauung wie folgt zusammen: «Das Museum ist kein Magazin toter Dinge, sondern der Ort, an dem durch Artefakte aller Art (nicht zuletzt durch Bücher) die Verstorbenen erinnert und — wenn auch vorerst nur im Gedenken — in der Vorstellung ins Leben zurückgeholt werden; das Museum dient somit dem Ziel, den Tod zu überwinden und die Sterblichen

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unsterblich zu machen.» Oder in den Worten Fjodorows selbst: «Das Museum ist keine Sammlung von Dingen, sondern eine Versammlung von Personen, seine Tätigkeit besteht nicht im Anhäufen toter Dinge, sondern in der Rückerstattung des Lebens an die Überreste des Abgelebten, in der Wiederherstellung der Verstorbenen — aufgrund ihrer Erzeugnisse — durch die tätigen Lebenden.»29 Es fällt einem, der in der Spätzeit der Sowjetunion mit der «reifen» Institution Museum zu tun bekommen hatte, schwer, sich noch einmal die radikalen, inspirierenden und irritierenden Fragestellungen des frühsowjetischen Museumsdiskurses zu vergegenwärtigen. Seit den 1930er Jahren, mit der Durchsetzung des stalinschen «Kurzem Lehrgangs», war das Narrativ auf Jahrzehnte hin entschieden. Alles, was nicht in die Fortschrittsgeschichte passt, kommt nicht vor oder wird in einer dialektischen Bewegung «aufgehoben». Spezifische Phasen oder Ereignisse der Geschichte fehlen überhaupt: im Bürgerkrieg etwa die Grausamkeiten der Bolschewiki, in der Kollektivierungs- und Industrialisierungsgeschichte das Hungersterben des Holodomor in der Ukraine, die Repressierung der Nationalitäten, die nichtheroische Seite des Großen Vaterländischen Kriegs mit seinen entsetzlichen Opfern. Wie schwer sich Museen nach dem Ende der sowjetischen Fortschrittserzählung mit der Produktion eines neuen, nichtideologischen und nichtmythischen Narrativs tun, kann man in vielen Museen der (wieder) unabhängig gewordenen Republiken beobachten. Im Nationalmuseum in Tbilissi etwa ist die Zeit von 1922 bis 1991 ausnahmslos als die «Zeit der Okkupation» dargestellt, so als wäre die Sowjetrepublik Georgien nur und ausschließlich ein besetztes Land gewesen — ohne eigenen sowjetischen Modernisierungs-Drive und ohne Stolz auf «Stalin, den größten Sohn des georgischen Volkes». Zu begründen, weshalb die sowjetische Museumskultur auch als eine Leistung sui generis angesehen werden sollte, ist nicht ganz einfach angesichts der verordneten Geschichtsbilder, der schamlosen Fälschungen, der von politischen Konjunkturen abhängigen Modellierung der Vergangenheit. Doch sind sie mehr als bloße Indoktrinations- und PropagandaEinrichtungen; hier kommen Traditionen zusammen, die mehr mit dem 19.Jahrhundert, mit dem Glauben an den «Geist der Aufklärung» und die «Verbesserung des Menschengeschlechts durch Erziehung und Bildung» zu tun haben als mit einem utopischen Projekt Kommunismus.

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Das sowjetisch—russische Museum verdiente eine phänomenologische Studie, eine «dichte Beschreibung», in der vieles in Betracht käme: der gewählte Ort — oft die prächtigsten alten Kaufmannsvillen, Adelspalais oder Kirchen —, die Rituale bei der ausführlich-umständlichen Ausfertigung des Billets, die Prozeduren an der Garderobe, der strenge Blick der Wärterinnen, meist ältere Frauen, ein Gefühl der Einsamkeit, wenn nicht gerade eine Schulklasse durch die Räume geführt wird. Zu den sinnfälligen Eigenschaften des sowjetischen Museums gehörte sein Bestehen auf materialer Gegenständlichkeit und Konkretheit der Objekte — ob es sich um ausgestopfte Bären oder Tongeschirr oder ein Exemplar der vorrevolutionären Untergrundzeitung handelte. In allen Museen der Welt gibt es Exponate, aber hier gab es noch nicht die Auflösung in die rasch laufenden Bilder, in die interaktiven Bildschirme, in die Playstationen und Zerstreuungsmaschinen. Sie waren bei all dem von außen herangetragenen Erziehungsauftrag mit all seinen doktrinären Verengungen und Beschränkungen Lernorte. Museen waren mehr als anderswo pädagogische und moralische Veranstaltungen. Der Besucher war nicht sich selbst überlassen, sondern wurde gleichsam an die Hand genommen und erhielt sanftes Geleit. Nicht der Einzelne, sondern die Exkursionsgruppe, die etwas lernen wollte und sollte, bewegte sich durch die Säle. Die Exkursion war vollgepackt mit Informationen, die sich doch niemand merken konnte, auch wenn manche mitschrieben, ein intensiver Belehrungsvorgang, der große Selbstdisziplin verlangte. Ein anderer Charakterzug des sowjetischen Museums war das Anliegen, den «Geist der Epoche» oder eines bestimmten Milieus anschaulich werden zu lassen.30 Die Bemühung um atmosphärische Rekonstruktion, die von der Postmoderne meist als naiv und unreflektiert verachtet wird, ist, wo sie sich erhalten hat, bis heute eindrucksvoll. Das geht nicht ohne Stilisierungen, Stereotype, Klischees ab. Man kann von einem regelrechten Kanon der Stilisierung von «Epochengeist» sprechen. Wo immer man hinkam in die Museen zwischen Brest und Wladiwostok, gab es ein bestimmtes Interieur mit Tapeten, Klavier und Jugendstillampen, das für die Welt der russischen Intelligenzija stand, ein anderes — die gläserne Veranda, der Lüster, die Empire-Möbel mit Schonbezügen — für das russische Adelsnest und wieder ein anderes für die Welt der Kaufmannschaft — hier nicht selten die Ikonenecke oder Privatkapelle. Man könnte fast ein Verzeichnis jener Gegenstände an— fertigen, die zum Objektprogramm gehörten: Thonet—Stühle, die Schreib-

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maschine Marke Mercedes oder Westwood, die Singer—Nähmaschine oder das Metallbett, das für den Asketismus der revolutionären Jugend stand. Die Typologie und Bildwelten soziokultureller Milieus wurden in vielen Jahrzehnten generiert und von Generation zu Generation weitergegeben. Nicht ein sensationelles Original stand im Zentrum, sondern die möglichst genaue stimmungsmäßige, farblich schlüssige Inszenierung einer Welt, wie wir sie aus den russischen Gesellschaftsromanen, aus Photoalben der Vorfahren oder aus Plakaten, die bildmächtig geworden sind, kennen. Diese Inszenierungen verrieten eine erstaunliche Stilsicherheit, die bezeichnenderweise eher bei der Rekonstruktion bürgerlicher Milieus als bei der Inszenie— rung der Welt des Proletariats zum Tragen kam.31

Die Geschichte neu lesen

Die Auflösung von Imperien ist immer so etwas wie eine glückliche Katastrophe. Mit all den Unsicherheiten und Instabilitäten ist sie eine Gefahr für so sensible, über viele Generationen gewachsene und auf Ordnung angewiesene Institutionen, wie Museen es sind. Epochenenden sind andererseits eine große Chance, weil ein neuer Anfang gemacht werden kann, weil der Museumskosmos neu geordnet und Geschichten erzählt werden können, die bisher nicht erzählt worden sind, weil neue Narrative formuliert, neue Objekte aus den Depots hervorgeholt, neue Parcours entwickelt werden können. Ein «Dekorationswechsel» im buchstäblichen

Sinne.32 Es gehört zu den aufregendsten Vorgängen im geistigen Leben einer Nation, wenn die ganze Geschichte noch einmal bedacht und re—interpretiert wird. Solche Vorgänge des Neu-Sehens und des Um-Wertens sind ein konfliktreicher und riskanter Prozess, wo es zu neuen Mythenbildungen und Ideologisierungen kommen kann. Es handelt sich dabei um die Entdeckung und Visualisierung von Themen, die bis dahin tabu waren, obwohl sie zentrale Lebenserfahrungen verkörperten. Sie führen zwangsläufig auch zu einer Belebung der Museumsszene, werden die Museen dadurch doch aus der Stille der bloßen Bildungsanstalt ins Zentrum der öffentlichen Auseinandersetzung gerückt. Sie werden zu umkämpften Orten der Neuorientierung, des Kampfes um Definitionshoheit. In der Regel folgen die Provinzmuseen mit gewisser Verzögerung den in der

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Hauptstadt getroffenen — auch geschichtspolitischen — Entscheidungen. Doch generell gilt das nicht. Gerade die Ferne von der hauptstädtischen Öffentlichkeit erlaubt es Kuratoren und Museumsdirektoren, neue Projekte und Ideen durchzusetzen — immer mit Bezug auf die «Besonderheiten» der lokalen und regionalen Verhältnisse und im Rückgriff auf die in den Depots so lange zurückgehaltenen Schätze. So kommt dort etwa nicht «die» Kollektivierung oder «der» Große Terror vor, wohl aber die Kollek— tivierung der Bauern oder der Terror gegen die regionalen Eliten, herausgearbeitet aus den lokalen Quellen, Zeugnissen und Archiven. Es ist die Konkretheit des Materials vor Ort, das in den allgemeinen Diskurs ein— sickert, vordringt und diesen auf mittlere und längere Sicht transformiert. Die Fähigkeit zur Gleichschaltung in einem hyperzentralistischen Staat mit seinen «Machtvertikalen» ist weitreichend, und doch ist es eine kin— dische Vorstellung anzunehmen, dass sich das historische Wissen und die konkrete Erinnerung vor Ort in einem so großen Land wie Russland von einem Punkt aus «geschichtspolitisch» vollständig steuern und regulieren ließen. Zudem hat das Internet auch die entfernteste russische «Provinz» an die Zentren des globalen Kulturbetriebes angeschlossen (die jungen Kuratoren, die im Jahr 2000 mit ihrem Laptop auf den Solowki—Inseln im Weißen Meer saßen —- in einem Hangar für Wasserflugzeuge aus den 1930er Jahren —, besprachen gerade mit ihren Kollegen in New York und Rotterdam eine gemeinsame Ausstellung). Eine zentrale Rolle bei der Veränderung der geschichtlichen Selbst— wahrnehmung in den Museen spielen Ausstellungen. Sie können wie Neueröffnungen eines Themas als Wendepunkte wirken. So war es zum Beispiel bei der Ausstellung «10 Jahre Chruschtschow» am KomsomolskiProspekt in Moskau in der Perestroika-Zeit Mitte der 1980er Jahre, bei der sich die Besucher, sichtlich erschüttert, zum ersten Mal mit den Erfahrungen ihrer Generation konfrontiert sahen: mit dem Leben in der Kommunalka, also der Gemeinschaftswohnung, mit der Rückkehr der Häftlinge aus dem Gulag nach Stalins Tod, mit der USA-Ausstellung, dem Weltjugendfestival von 1957, der Modenschau Christian Diors, vorgeführt von Mannequins auf dem Roten Platz. Die Besucher fanden hier ihre Welt vor, zum ersten Mal wurde die «Banalität des Alltagslebens», das ansonsten immer nur aus Höchstleistungen, Rekorden bei der Planerfüllung und heroischen Taten bestand, in einer Ausstellung thematisiert. Die Besucher waren zu Tränen gerührt, da sie sich und ihre Zeit wieder-

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erkannten und anerkannt fanden: ein Moment der Selbstwahrnehmung und Selbstaufklärung. Ein anderes Beispiel war die von dem Photographen Juri Brodski auf dem Territorium des Solowezker Klosters mitorganisierte Ausstellung. Zum ersten Mal wurde dort die Geschichte des Lager-Archipels dargestellt, immer mit Bezug auf die Anfang der 1990er Jahre noch sichtbaren Spuren - die Kaianlage, wo die Schiffe mit den Häftlingen ankamen, die umfunktionierten Kirchenräume, die von den Häftlingen angelegten Kanäle und Werkstätten, die halbverfallenen Kirchen auf den Inseln, in denen die politischen Gefangenen eingesperrt waren.33 Ein Initial war auch die Ausstellung des Russischen Museums in Petersburg über sowjetische Unterwäsche, in der es um Mode, vor allem aber um das Verhältnis der Sowjetmenschen zum Körper, um das Verhältnis von privat und öffentlich ging — ein Thema, für das es in einer Geschichte der offiziellen und prüden sowjetischen Hochkultur keinen Raum gegeben hatte.34 Es ist fast immer die stupende Materialität der gezeigten Exponate — der Primuskocher in der sowjetischen Küche, das Transistorradio aus der Rigaer Radiofabrik, das Muster des aserbaidschanischen Wandteppichs — und die Konfrontation mit einer verschwundenen Lebenswelt, die die Stärke solcher Vergegenwärtigungen ausmachen. Geschichtliche Ereignisse spielen nicht nur in der Zeit, sondern auch im Raum. Geschichte hat einen Ort, Geschichte findet statt. Nicht umsonst spricht man vom genius loci, vom Zauber (oder Fluch) eines Ortes, an dem das geschichtliche Ereignis gleichsam haftet und der zum Vermittlungspunkt für das virtuelle Gespräch zwischen den Lebenden und Toten, zwischen den Generationen wird: Hier also ist es geschehen! Städte sind von Orten geschichtlicher Ereignisse markiert, entweder indem diese sichtbare physische Spuren hinterlassen haben Einschüsse, Ruinen etwa —, oder indem sie als authentische Schauplätze imaginiert werden können. Man kann diese physischen oder symbolischen Topographien freilegen, sichtbar machen, lesen, dechiffrieren. Die geschichtlichen Ereignisse verschiedener Epochen überlagern sich wie in einem Palimpsest, einem Text, der immer wieder überschrieben wird. Die sowjetische Praxis der memorialnaja dos/ea, der Gedenktafel, die an bedeutende Zeitgenossen erinnerte, war, wie das Museum auch, eine Form, «Geschichte» sichtbar zu machen: «Hier lebte und arbeitete der verdiente Künstler des Volkes ...» Allein schon die einheitliche Form dieser Memorialplaketten, die man von einem bis zum anderen Ende der Sowjet-

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union finden konnte, deutet darauf hin, dass ein elaboriertes System da— hintersteckte: von der Kommission, die über die Auszeichnung entschied, bis hin zum Design der Tafel, die die Aufmerksamkeit auf sich ziehen sollte und — Wind und Wetter trotzend — für alle Ewigkeit gedacht war. Gedenktafeln für Dichter, Gelehrte, Parteigrößen, Kriegshelden, Panzer— und Flugzeugkonstrukteure, «Verdiente Künstler und Künstlerinnen des Volkes», Theaterleute, Komponisten, Ingenieure, Bestarbeiter usf. Genies sind darunter und Funktionäre, an die sich heute niemand mehr erinnert; Henker und ihre Opfer. Städte wie Moskau oder Leningrad waren punktiert von den Gedenktafeln (und sind es noch heute), von der symboli— schen Anwesenheit und Würdigung derer, die bedeutsam waren oder für bedeutsam gehalten wurden. Nicht weniger aufschlussreich ist, wer keiner Gedenktafel für würdig befunden wurde und wessen Namenszug zu ei— nem bestimmten Zeitpunkt abmontiert wurde. Zusammengefügt ergäben sie ein ebenso faszinierendes wie schockierendes Relief, und in vielen Fällen wäre es der Ausgangspunkt für dramatische Erzählungen von Leben und Tod von Menschen in außergewöhnlichen Zeiten. Man muss nur die Gedenktafeln an der Fassade des Hotels Metropol, dieses JugendstilLuxusliners am Theaterplatz im Zentrum von Moskau, abschreiten; man findet dort (nicht alle) Namen der Mitglieder der ersten Sowjetregierung, durchreisende Prominenz aus aller Welt, fellow trauellers aller Nationen. Oder die Gedenktafeln am legendären «Haus an der Moskwa», diesem Anfang der 1930er Jahre fertiggestellten, fast amerikanisch anmutenden compound für die Elite aus Partei und Regierung. So wie Opfer und Täter oft gemeinsam auf demselben Flur gelebt hatten, so stehen sie heute verzeichnet Seite an Seite auf den am Haus angebrachten Gedenktafeln. Eine Analyse dieser Gedenktafeln liefe wahrscheinlich auf eine Geschichte selektiver Würdigung der einen und demonstrativen Verschweigens all der Abweichler, Renegaten, Nonkonformisten, vor allem aber der vielen Namenlosen hinaus. Den bisher Verschwiegenen Namen, Lebensdaten und Lebensort zurückzugeben, Schicksale und Schauplätze sichtbar zu machen, ist eine der großen Initiativen der Aktivisten von «Memorial»: Sie haben — vielleicht angeregt durch die «Stolpersteine» in Deutschland — angefangen, an den Häusern der in der Welle des Terrors Verschwundenen Plaketten mit der Aufschrift «Die letzte Adresse» anzubringen. Damit haben sie ein neues Kapitel in der nachsowjetischen Erinnerungskultur aufgeschlagen.

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Überreste und Spuren der Gewalt. Fast täglich gab es in der Perestroika-Zeit Meldungen über neue Funde und Grabungsstellen, wo man Brillengestelle, Stiefel, Gürtelschnallen, Patronenhülsen, zerschmetterte Schädel entdeckt hatte. Das Bild zeigt Funde aus einem Massengrab der 1930er Jahre in Dubowka bei Woronesh.

Das Territorium der ehemaligen Sowjetunion, über das Stürme der Gewalt hinweggegangen sind, ist markiert von Punkten massenhaften Lei— dens. Man kann von einer Memoriallandschaft des Todes und Überlebens sprechen, zu der jede Epoche und jede Generation ihren Anteil hinzugefügt hat.“ Eine Reise über die Karte der sowjetischen Lagerwelt kann man virtuell unternehmen, aber auch in Wirklichkeit.36 Dazu gehören Orte der Massenexekutionen des NKWD und des Gulag: der Wald von Lewaschowskoje polje oder das Kresty—Gefängnis in Leningrad, die Lich— tung bei Sandormoch in der Zone entlang des Weißmeer-Ostsee-Kanals, die Erschießungsplätze und Massengräber in Butowo und Kommunarka

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im Südwesten von Moskau, Bykownja bei Kiew und viele andere. Neben diesen konnten auch etliche andere Gedenkorte erst im Laufe der Peres— troika und nach dem Ende der Sowjetunion öffentlich kenntlich gemacht werden, etwa für die Erinnerung an Opfer auf beiden Seiten des Bürgerkriegs, der Opfer von Kollektivierung, der Deportation von Volksgruppen oder der Massenmord an den polnischen Offizieren im Wald von Katyn, in Mjodnoe bei Twer und in Charkow. Viele dieser nach dem Ende der Sowjetunion errichteten Gedenkstätten sind eindrucksvoll, der Besucher verstummt. Die Angehörigen der Opfer reisen oft von weither an und heften einen Brief oder ein Photo an einen Baum, weil der genaue Ort des Grabes unbekannt ist. Der nackte Stein, der Findling mit der knappen Inschrift scheint die Hauptform des Gedenkens zu sein — so die Felsblöcke von Solowki auf dem Lubjanka-Platz in Moskau und auf dem TroizkajaPlatz in Sankt-Petersburg.37 Der Reisende bekommt es, vor allem wenn er aus Deutschland kommt, noch mit einer ganz anderen Topographie der Gewalt zu tun — der allgegenwärtigen Spur des deutschen Vernichtungskrieges auf dem Territorium der ehemaligen Sowjetunion: die Stätten des Judenmords — Babi Jar in Kiew, Botanitscheski Sad in Dnipropetrowsk, Drobizki Jar und die Traktorenfabrik in Charkow, Odessa und Kamenez-Podolski, die Stele im Zentrum von Minsk, wo einmal das Ghetto war, die Gedenkstätten von Rumbula und Bikernieki bei Riga, Klooga in Estland — die Orte der Gefangenenlager und Exekutionen von Partisanen, des Massensterbens im eingeschlossenen Leningrad. Kaum ein Dorf ohne eine Stele oder ein Grab.38 Es ergibt sich nicht nur aus dem ideologischen Anspruch der Sowjetunion, «Vaterland der Werktätigen» zu sein, dass die Arbeitswelt und die Welt der Arbeiterklasse im Zentrum der politischen Aufmerksamkeit standen, es entspricht auch den Verhältnissen einer aus einem Agrarland in ein Industrieland hinüberwachsenden Gesellschaft. Fabriken und Betriebe waren Mittelpunkte, um die herum das Leben organisiert war — nicht unähnlich der Situation im westlichen Europa im Stadium der Industrialisierung. Zum Umfeld der Fabrik gehörten der Arbeitsplatz, die Ver— sorgung über die Betriebskantine (stolowaja, fabri/ea-leuchnja), die Zu— teilung von Wohnraum, die Schul— und Weiterbildung, das System der Abend- und Betriebsschulen, die zum Betrieb gehörenden und von ihnen

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finanzierten Kulturpaläste, das System der Erholungsheime und Sanatorien, die für die Urlaubsgestaltung so wichtig waren. Das Leben der Bevölkerung drehte sich um die Werke und Fabriken — nicht unähnlich den company towns in Nordamerika, in denen das Leben auch großer Städte ganz um das Unternehmen organisiert war, so etwa US-Steel, General Motors, Ford u.a. in Gary/Indiana oder Detroit. Aus all dem ergibt sich der besondere Stellenwert von Betriebs— und Werksmuseen, die seit den Tagen der Revolution eingerichtet und mit erheblichem Einsatz ausgebaut und unterhalten wurden. Man kann sie fast bei allen großen, manchmal auch kleineren Fabriken finden, darunter legendäre: die Putilow-Werke und die Baltische Werft in Leningrad, AMO bzw. SIL in Moskau, das Autowerk in Gorki, die Traktorenfabriken in Tscheljabinsk und Stalingrad und andere. Sie eröffneten einen über den konkreten Betrieb vermittelten Zugang zur Industrialisierungsgeschichte mit starker Berücksichtigung der Alltags- und Lebenswelt. In den Werksmuseen lässt sich fast alles ablesen: die meist schon ins 19.Jahrhundert zurückreichenden Ursprünge großer Fabriken, häufig von ausländischen Investitionen finan— ziert, die Entstehung der russländischen Arbeiterbewegung, der Aufbau einer eigenen, vom Ausland unabhängig werdenden Technik und Fertigung, die vom Großen Terror verursachten Störungen der industriellen Abläufe, die Auswirkungen des Krieges, der Wiederaufbau nach dem Krieg. Die Automodelle im Werksmuseum in Gorki/Nishni Nowgorod veranschaulichen die Geschichte der sowjetischen Automobilisierung. An der Baugeschichte lässt sich die Entwicklung von Industriearchitektur, Ingenieurskunst und Technik demonstrieren, an den Wohnverhältnissen der Übergang vom Kommunismus zum Konsumismus der Nach-Stalin— Zeit. Kurzum: Die Fabrik- und Werksgeschichten sind wohl nirgends so professionell und intensiv museal aufbereitet worden wie in der ehemaligen Sowjetunion (vermutlich sind die Industriemuseen von Manchester, Sheffield, Leeds am ehesten vergleichbar).39 Dieser Museumstypus ist begleitet von einem spezifischen wissenschaftlichen und literarischen Genre: den Werksgeschichten, den Biographien herausragender Konstrukteure, Ingenieure, Bestarbeiter oder auch von Sportlern, die es von der Werkbank bis zur Goldmedaille im Boxen oder Gewichtheben geschafft haben. Es war nicht zuletzt Maxim Gorki, der prominenteste sowjetische Schriftsteller, der dieses Genre mit Hilfe des von ihm initiierten Verlags «Zemlja i fabrika» (Land und Fabrik)

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gefördert hat. Neben den Werksarchiven warten auch die Werksmuseen darauf, für eine Mikrogeschichte der sowjetischen Industrialisierung er— schlossen zu werden.

Nikolai Anziferow: Material Culture. Exkursion als Methode

Werksgeschichten und Werksmuseen wurden nicht spontan, sondern auf einer theoretisch elaborierten Grundlage entwickelt, und zwar unter dem disziplinären Titel der «Museologija», der «Krajewedenie» (Landeskunde, Heimatkunde, regional studies) und « Gradowedenie» (Städtekunde, urban studies). Eine der Zentralfiguren dafür scheint mir Nikolai Anziferow (1889—1958) zu sein, der Autor eines seinerzeit legendären Buches — «Die Seele Petersburgs» — aus dem Jahre 1922, das nach dem Ende der Sowjetunion zahlreiche Reprints und Neuauflagen erlebt hat.40 Anziferow, selber ein Schüler des Althistorikers und Spezialisten für italienische Stadtkultur Iwan M. Grews, hat führend an der Ausarbeitung einer Methode mitgewirkt, die als Exkursionistik (eles/eursionistilea, eles/eursologija) in die sowjetische Museums- und Geschichtswissenschaft ein— gegangen und stilbildend für das Genre der sowjetischen Exkursion geworden ist. Die Bevölkerung sollte, nachdem die Paläste des Adels für das allgemeine Publikum geöffnet, die privaten Bibliotheken und Galerien der Allgemeinheit zugänglich gemacht waren, einen Zugang zur Welt der herrschenden Klasse bekommen: Überall entstanden «Museen der materiellen Kultur», in denen die Interieurs, die Lebensformen der Klassengesellschaft veranschaulicht wurden. Das Volk sollte eine lebendige Anschauung von den sozialen und kulturellen Verhältnissen gewinnen, und zwar an den authentischen Orten selbst.41 Anziferow und seine Schule waren davon überzeugt, dass es der konkreten Anschauung bedürfe, dass man eine Stadt «erfahren» müsse. Auf diese Weise wurde die Orts- und Landeskunde auf eine strenge Weise ausgearbeitet. Wir haben es hier mit einer «Geschichte von unten» avant la lettre und mit einer Richtung zu tun, die die westlichen «Geschichtswerkstätten» und «Museen des All— tags» vorwegnahm. Anziferow erwies sich als Zeitgenosse eines Franz Hessel, der die Kunst des Spazierengehens in Berlin entwickelte, oder eines Walter Benjamin, der den Flaneur zu einer zentralen Figur seiner

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geschichtlichen Hermeneutik gemacht hatte.42 Anziferows Schule ist wie die gesamte Richtung der Landes- und Lokalgeschichte im Zuge der Dogmatisierung der Geschichtsschreibung Ende der 1920er, Anfang der 193oer Jahre unter die Räder der stalinschen Repression gekommen. Nicht wenige Repräsentanten der «Krajewedenie» und «Gradowedenie» sind ermordet worden.43 Die anziferowsche Tradition lebte im Untergrund fort und in den Kreisen von nichtakademischen Historikern, die Material, Spuren, Bilder, Augenzeugenberichte, Karten usf. sammelten und im offi— ziösen historiographischen Betrieb keine Stelle finden konnten. Die an Verfolgung und Opfern reiche Geschichte der marginalisierten Historiker, die entscheidend zum Weiterleben einer kritischen Tradition beigetragen haben, wird noch geschrieben werden. Dass sie sich zuweilen gegen den Vorwurf des Dilettantismus und der Nichtprofessionalität hat verteidigen müssen, besagt nicht nur etwas über das Selbstbewusstsein der akademischen Geschichtsschreibung, sondern auch darüber, dass der enorme Beitrag der sogenannten Hobbyhistoriker zur Pflege eines lebendigen Ge— schichtsdenkens am Rande der sowjetischen Gesellschaft noch immer kaum verstanden ist.

Identitätssuche: Zwischen Entsorgungswut und neuen Mythen

Museen sind im Vierteljahrhundert nach dem Ende der Sowjetunion zu umkämpften Orten geworden. Der Freiraum, der sich auch für die Museen eröffnet hatte, setzte auch die Museumslandschaft, die versteinert erschien, in Bewegung. Allenthalben gab es eine Vielzahl von Ausstellungen, eine Zuwendung zur «kleinen Geschichte» vor Ort; was lange in den Depots versenkt war, wurde endlich gezeigt.44 Regie und einheitliches Skript für ein postsowjetisches Narrativ waren verloren gegangen. Was die einen als unerhörte Freiheit empfanden, erschien den anderen als be— drohliches Vakuum. Dieses auszufüllen schien in den nichtrussischen Republiken einfacher, da sich dort die wiedererrungene nationale Geschichte als Ersatz für eine von außen — namentlich von «den» Russen — verhängte Geschichte anbot, der alle Fehlentwicklungen und Tragödien zugeschrieben werden konnten, während die Russen mit ihrer sowjetischen Erbschaft allein zurückblieben.“ Allenthalben wurde in den 1990er Jahren das Projekt einer postsowjetischen russischen Identität proklamiert. In—

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zwischen sind auch die 1990er Jahre Geschichte und selber Gegenstand der Historisierung und Musealisierung geworden — zunächst auf dem Papier, irgendwann gewiss auch in der Realität: «Das Museum der 1990er Jahre: das Territorium der Freiheit.»46 Aber die Zeit des Suchens, der Selbsterkundung, der Pluralisierung der historischen Interpretationen, die die Perestroika-Zeit eingeleitet hatte, endete ein Jahrzehnt später in einer neuen, Schritt für Schritt begradigten, von der Führung massiv durchgesetzten geschichtspolitischen Wende. Deren Ergebnisse lassen sich in Lehrbüchern für die Schule, in Fernsehserien, Populärliteratur, Errichtung von Denkmälern beobachten; sie wirken sich auch auf Museen aus, denen in den reichen 2000er Jahren des Ol- und Gasbooms enorme Mittel für ihre Modernisierung zuflossen: Hightech statt altmodischer Vitrinen, Videoinstallationen statt Inszenierung realer Räume. Gravierender indes war die weltanschauliche und ge— schichtspolitische Wende, nach der nun die Feier des russischen Staates, die Größe des Imperiums, die Beschwörung der spirituellen Überlegenheit der russischen und vor allem russisch—orthodoxen Welt anderen Kulturen gegenüber im Zentrum stand. Die aus dem frühen 19.Jahrhundert bekannte Formel der Trinität von Autokratie, Orthodoxie und Volkstümlichkeit wurde so für das 21.Jahrhundert angepasst. Schon bald zeigte sich das auch an der Art, wie Museumsparcours und Ausstellungen umorganisiert oder neu konzipiert wurden. Ganze Themenblöcke oder Zeitabschnitte werden aus den Dauerausstellungen einfach ausgeblendet, herausgenommen und in die Depots verfrachtet. Das Zarenreich erstrahlt in nostalgischem Glanz, die Revolutions- und Bürgerkriegsgeschichte wird entsorgt: etwa im Heimatmuseum von Rybinsk, untergebracht im Gebäude der ehemaligen Getreidebörse direkt an der Wolga, wo eine ganze Epoche — der «Aufbau des Sozialismus» in den 1920er und 30er Jahren — (zeitweilig) verschwindet und ersetzt wird durch Zarenporträts und eine Ausstellung zu den Beziehungen zwischen den Romanows und der städtischen Kaufmannschaft. Es geht in diesem Prozess der Neuausrichtung nicht nur um neue Ausstellungskonzeptionen, sondern oft auch um die Existenz und Definition der Häuser selbst. Exponate, die zu den Kernbeständen von Museen gehören — etwa die Ikonensammlungen -, sollen in die Kirchen, aus denen sie in der Zeit der «Nationalisierung» beschlagnahmt worden waren, zurückgeführt werden. Kirchen, die von den Bolschewiki und der Gottlosenbewegung entweiht

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«Metaphysische Sphinx» hat der russisch-amerikanische Bildhauer Michail Shemjakin sein Denkmal für die Opfer der politischen Repressionen in Leningrad/Sankt-Petersburg genannt, das 1995 am Woskresenski-Ufer der Newa gegenüber dem Kresty—Gefängnis errichtet wurde.

und in «Museen des wissenschaftlichen Kommunismus» umgewandelt worden waren, sollen wieder «entmusealisiert» und re-sakralisiert werden — wie etwa bei der Kasaner und der Isaakskathedrale in Sankt-Peters— burg, aber auch Moscheen und Synagogen ließen sich hier nennen. Kurzum: Museen sind in einem doppelten Sinne zu umkämpften Orten geworden. Dies gilt auch für einige der wunderbaren Wohnungsmuseen, deren einstige Bewohner heute nicht mehr als museumswürdig gelten und die, oft in den besten Lagen, den Appetit von Immobilienmaklern geweckt haben. Vor allem aber lautet die Frage: Was soll in den Museen wie gezeigt werden? Also welcher geschichtlichen Erzählung sollen die jeweiligen

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Ausstellungen folgen? Selbstverständlich wird dieses Ringen nicht oder zumindest nicht primär von Museumsleuten entschieden, sondern von den großen «ideologischen Apparaten», um einen Terminus von Louis Althusser wieder aufzunehmen, also von den Instanzen historischer Interpretation, von den Akademien bis zu den Populärschriftstellern, von Werbefirmen und Tourismusindustrie, von Sponsoren und konfessionellen Verbänden, vor allem aber von denjenigen, die glauben, über das geschichtliche Bewusstsein der Nation nach Belieben verfügen zu können: den politischen Eliten und ihren ideologischen Beratern. Wir befinden uns längst inmitten eines Ringens um eine neue «Meistererzählung» russi— scher Geschichte, vor allem der des 20.Jahrhunderts. Man kann es ablesen am Denkmalstreit, der allenthalben ausgetragen wird: um die Wiederaufstellung des 1991 demontierten Denkmals für Felix Dsershinski auf dem Platz vor der Lubjanka; um die Errichtung eines Denkmals für den Kiewer Großfürsten Wladimir den Heiligen am Kreml, das ursprünglich vor der Fassade der Lomonosow-Universität auf den Sperlingsbergen hoch über der Moskwa aufgestellt werden sollte. Beim Kampf um die Entwicklung und Durchsetzung eines neuen Geschichtsnarrativs spielt auch die Deutung der Russischen Revolution und des Großen Terrors eine zentrale Rolle. Niemand weiß, welche Geschichte in Zukunft aufbereitet und erzählt werden wird. Ein Witz aus Sowjetzeiten lautete bekanntlich: Nichts ist so unvorhersehbar wie die Vergangenheit.

Rückkehr auf den Schauplatz: Petrograd 1917

Ganze Bibliotheken sind über die Russische Revolution geschrieben worden, und in Tausenden von Studien ist unser Wissen über die Ereignisse des Jahres 1917 ins Unendliche gewachsen: Memoiren von Teilnehmern, Mitwirkenden, Betroffenen. Fast aus jeder Perspektive und Blickhöhe fällt Licht auf den Schauplatz: aus der Höhe der Weltgeschichte, aus dem Blickwinkel der Sieger und derer, die davongekommen sind; aus der Sicht der Offiziere, denen die Armee abhandengekommen war; und aus der Sicht von Proletariern, die schon bald — dem Titel nach — zur herrschenden Klasse werden sollten. Es sind Zeugnisse von Leuten, die aus dem Untergrund aufgetaucht waren, und von anderen, die sich im bolschewistischen Russland in den Untergrund oder über die Grenzen retten mussten. Auch Diplomaten, die allen Turbulenzen zum Trotz auf ihren Posten ausharrten und unfreiwillig Augenzeugen weltgeschichtlicher Vorgänge geworden waren, steuerten ihre Mosaiksteinchen zum gewaltigen Panorama bei. Die Erinnerung an die Revolution findet sich «aufbewahrt auf ewig» und verschlossen in den Archiven der Sowjetmacht, als Memoiren gedruckt im «Archiv der Russischen Revolution» im Ausland, aufgelistet in den Findbüchern der Hoover Institution in Stanford, nicht zuletzt gespeichert im Gedächtnis von Millionen, die niemand befragt hat und die kein schriftliches «Zeugnis» hinterlassen haben. Alle zusammengenommen, lieferten das Material für die Rekonstruktion der Vorgänge, aus denen später die Hauptlinien und Wendepunkte der Entwicklung herauspräpariert wurden. Sie versuchen uns eine Antwort zu geben auf die Frage, warum es kam, wie es gekommen ist: zur Etablierung der Sowjetmacht. Sie sind der Ausgangspunkt, von dem aus dann, aus größerem Abstand und von höherer Warte aus, Darstellungen entstehen, die den Zeitzeugen in einem Punkt überlegen sind: Sie wissen, wie die Geschichte weitergegangen ist.47 Und doch ist es ein durch nichts zu ersetzendes Erkenntnisprivileg, dabei gewesen zu sein. Es wiegt die Beschränkungen auf, denen die Teilneh—

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mer der Ereignisse ausgesetzt waren und von denen die Nachgeborenen selber ausgeschlossen blieben. Einige der Augenzeugen jener «Zehn Tage, die die Welt erschütterten» waren noch am Leben, als die Sowjetmacht, die damals gegründet worden war, zu Ende ging.

Zeitzeugen führen zurück in den Tumult, in dem noch alles offen und ein Ende, geschweige denn «ein logisches Ende» nicht in Sicht ist. Sie sind auf ihre Augen angewiesen und kommen zu einem Urteil, das sich oft nur auf einen ersten Eindruck beziehen kann. Sie können sich noch nicht auf das Wissen berufen, das den Nachgeborenen dank späterer Geburt zugefallen ist. Sie müssen sich auf sich selbst gestellt «ein Bild machen». Aber ihre Unvollkommenheit kann ihnen zum Vorteil ausschlagen. Sosehr sie in ihrer Kenntnis der großen Zusammenhänge beschränkt sein mögen, sie haben noch den ganzen Schauplatz, frisch und ungeteilt, vor sich: vor aller Spezialisierung, vor aller säuberlichen Trennung in Gegenstände und Bereiche, die in Wahrheit zusammengehören.

Zehn Tage, die die Welt erschütterten

Es ist ein unverdientes Glück, im richtigen Augenblick am richtigen Ort zu sein. Zu denen, die im 20.Jahrhundert etwas daraus gemacht haben, gehören an vorderster Stelle auch der amerikanische Journalist John Reed und der russische Sozialist Nikolai Suchanow. Mit Recht sind sie in allen späteren Darstellungen der Russischen Revolution immer wieder als Kronzeugen aufgerufen worden. Dabei wurde jeder auf seine Weise in den Strudel der Ereignisse hineingezogen, wurde auf seine Weise zum teilnehmenden Beobachter, zum Protokollanten der Ereignisse und zum Autor einer maßgeblichen Erzählung. Als John Reed im September 1917 in Petrograd eintraf, hatte er, 1887 als Sohn eines Unternehmers in Portland/ Oregon geboren, nach Privatschulen und Studentenzeit in Harvard (Redakteur einer Studentenzeitschrift, begeisterter Sportler, Studienkollege von Walter Lippmann), bereits einige wichtige Erfahrungen hinter sich — eine Grand Tour durch das Europa der Belle Epoque, Bekanntschaft mit den linken Intellektuellen in Greenwich Village — Lincoln Steffens, Max Eastman, seine spätere Frau Louise Bryant —, er hatte über Arbeitskämpfe in den USA berichtet, vor allem aber über die mexikanische Revolution. Die Künst-

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lerszene im Paris der Vorkriegszeit war für den pazifistischen Aktivisten nicht der rechte Ort, und er ging nach dem Ausbruch des Ersten Weltkrieges als Kriegsberichterstatter nach Süd- und Osteuropa: nach Saloniki, Bulgarien, Serbien, Rumänien, Konstantinopel und in den zur Kriegszone gewordenen jüdischen Ansiedlungsrayon des Russischen Reiches. Im September 1917 war Reed an dem Ort angekommen, wo der Kriegsberichterstatter, der aus seinem politischen Engagement und sportiven journalistischen Ehrgeiz kein Geheimnis machte, all seine Talente ins Spiel bringen konnte.48 Nikolai Nikolajewitsch Suchanow gehörte wohl einer ganz anderen Welt, wenn auch demselben Generationenhorizont an. 1882 in Moskau in einer eher mittelständischen Familie geboren — der Vater aus einer Familie russifizierter Deutscher, Eisenbahnangestellter —, legte er die «typischen Stationen» eines wachen jungen Mannes seiner Generation zurück. Nach dem Gymnasium unternahm er eine Reise nach Paris, hatte Kontakt mit der politischen Emigration, begann nach der Rückkehr ein Studium in Moskau und wurde im Taganka-Gefängnis inhaftiert, aus dem er durch die Demonstranten der 1905er Revolution wieder freikam. Es folgte die abermalige Ausreise in die Schweiz, nach seiner Rückkehr die Verban— nung ins Archangelsker Gebiet, ab 1913 war er in Sankt-Petersburg als Mitarbeiter diverser Zeitschriften tätig. Als Parteigänger der «Zimmerwalder» Anti-Kriegs-Fraktion innerhalb der Menschewiki wurde er als Vertreter der «sozialistischen Literaturgruppe» gleich zu Beginn der Februarrevolution Mitglied des mit der Provisorischen Regierung rivalisierenden zweiten Machtpols in Petrograd, des Exekutivkomitees des Petrograder Sowjets. Das ganze Jahr 1917 über verblieb er in Positionen, von denen aus er — oft auch federführend — in Kontakt stand mit dem gesamten Führungspersonal diverser Fraktionen und wechselnder Regierungen. Nach der Schließung der Zeitung «Nowaja Shisn», der Zeitung Maxim Gorkis, durch die Bolschewiki begann er die Arbeit an seinen «Aufzeichnungen über die Revolution», die 1919 —1923 im Verlag von Grshebin erschienen.49 Die Wege der Berichterstatter (Reed, Suchanow) und Akteure der Ereignisse (Lenin, Trotzki, Antonow-Owsejenko und viele andere) haben sich immer wieder gekreuzt. Die einen beschrieben ihren Auftritt auf der großen Bühne der Revolution, die anderen zitierten sie als glaubwürdige Augenzeugen. Lenin war Suchanow an einem Punkt sogar näher gekom-

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men, als diesem lieb sein konnte: Die Sitzung der bolschewistischen Führung am 10./23.September 1917, auf der der bewaffnete Aufstand be—

schlossen wurde und zu der Lenin mit Perücke verkleidet erschienen war, fand in Suchanows Petrograder Wohnung in der Karpowka-Uferstraße Nr. 32, Wohnung 31 statt — ohne Wissen Suchanows.50 Trotzki zitiert Suchanow immer wieder als verlässlichen Chronisten und nennt John Reed sogar «Beobachter und Teilnehmer, Chronist und Poet der Umwälzung».51 John Reed und Nikolai Suchanow behandeln unterschiedlich lange Zeiträume, aber für beide bleibt die Auflösung der verfassunggebenden Versammlung, die so lange als das Hauptanliegen fast aller Parteien proklamiert und hochgehalten worden war, jenseits ihrer Darstellung. Beiden liegt daran, der Dynamik der Entwicklung, dem Wechsel der Koalitionen zu folgen, die die Verschiebung der Kräfteverhältnisse anzeigen. Dieser Prozess beginnt mit der Abdankung des Zaren und bringt die Etablierung einer Provisorischen Regierung mit sich, die wiederum ihre Macht mit ihrem Widerpart, dem Sowjet, teilen muss, bis sie ihr nach Putschversuchen von links und rechts endgültig entgleitet in der virtuos durchgeführten Machteroberung der Bolschewiki. In weniger als einem halben Jahr folgen Schlag auf Schlag: Ende einer dreihundertjährigen Dynastie, Auseinanderbrechen eines Imperiums, Zerfall ihrer mächtigsten Ordnungspfeiler — vor allem der Armee —, Verwandlung Russlands dank Machtzerfall und Anarchie in das zeitweise freieste Land der Welt, Umwandlung der Reichshauptstadt in einen rechtsfreien Raum, in dem die Macht dem gehört, der über den Einsatz der Panzerautos verfügt. Die Daten dieser Verschiebung, des Auseinanderbrechens und der Etablierung einer neuen Macht sind geläufig: Am 23.Februar/8.März schlagen Streiks, Lebensmittelunruhen und Frauendemonstration zum Internationalen Frauentag in Revolution um, Regimenter der Hauptstadt gehen auf die Seite der Aufständischen über. Am 27. Februar/12. März übernehmen das Provisorische Exekutivkomitee des Petrograder Sowjets der Arbeiterdeputierten und das Provisorische Komitee der Reichsduma die politische Führung, am 2./15.März folgen die Abdankung des Zaren und am 3./16. März die Bildung der Provisorischen Regierung unter Fürst Lwow —- alles begleitet und getragen von heftigen Auseinandersetzungen auf den Straßen Petrograds mit zahlreichen Opfern. Anfang April trifft Lenin auf dem Finnländischen Bahnhof

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nach langjährigem Exil in Petrograd ein. Am 3./16.Juni tritt erstmals der Allrussische Kongress der Arbeiter— und Soldatendeputierten zusammen. Die Forderungen nach Brot, Land und Frieden verbreiten sich, aber der Versuch der Bolschewiki Anfang Juli, die sich radikalisierende Bewegung für einen Aufstand zu nutzen, scheitert vorerst. Die Weiterführung des Krieges und die Weigerung, die spontanen Landbesetzungen der von der Front zurückflutenden Bauern-Soldaten zu bestätigen, unterminieren zunehmend die Autorität der Provisorischen Regierung. Der Versuch General Kornilows, «Ruhe und Ordnung» durch einen Putsch wiederherzustel— len, scheitert (27.—29. August/9.—11. September). Andere Versuche in Gestalt einer «Demokratischen Konferenz», durch ein sogenanntes Vorparlament, die Lage bis zu den Wahlen und bis zur Einberufung einer verfassunggebenden Versammlung zu stabilisieren, misslingen. Die bolschewistische Führung beschließt am 10./23. September den bewaffneten Aufstand, der, versehen mit der Autorität des Militärrevolutionären Komitees des Petrograder Sowjets, minutiös vorbereitet wird, sodass der 2. Allrussische Sowjetkongress, der am 25. Oktober/ 7. November zusammentritt, vor die vollendete Tatsache des Sturzes der Provisorischen Regierung und der faktischen Machteroberung durch die Bolschewiki gestellt wird. Der Rätekongress übernimmt in den folgenden Tagen alle von den Bolschewiki formulierten Proklamationen — Beendigung des Krieges, Übergabe des Landes an die Bauern, Selbstbestimmungsrecht der Völker — und billigt — nach Protest und Ausscheiden der Menschewiki und rechten Sozialrevolutionäre — die Bildung einer Regierung der Volkskommissare. Die Wahlen zur Konstituierenden Versammlung finden zwar wie ursprünglich festgelegt am 12./25.N0vember statt, als sie jedoch am 5./18.Januar 1918 zu— sammentritt, wird sie gewaltsam von den Bolschewiki auseinandergejagt. So weit die markanten Ereignisse, die Einschnitte und Weggabelungen.

Topographie der Revolution

Chronisten, die den Ereignissen auf der Spur bleiben wollen, werden unwillkürlich zu Topographen. Wer den Akteuren folgt, muss die Schauplätze, auf der die Entscheidungen fallen, aufsuchen.52 Man muss die Bühne beschreiben, auf der sich die Kontrahenten gegenüberstehen; der Blick in den Zuschauerraum gibt Aufschluss darüber, wer am meisten

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Beifall bekommt oder wer niedergeschrien wird. Reden und Proklamationen kann man in der Regel post festum nachlesen, doch ob ein Redner ein Auditorium mitreißt, ob eine Stimmung «kippt», das hängt an einer «Situation», in der das gesprochene Wort entscheidet. Überhaupt lässt sich über revolutionäre Massenbewegungen kaum etwas ohne den öffentlichen Raum erklären. Dort werden Argumente (überlegt oder demagogisch) vorgetragen, Handlungsbereitschaften geweckt oder bekräftigt, Resignation überwunden oder befestigt. Der «Zirkus Modern» auf der Petro— grader Seite, das Volkshaus Nikolais II. im Park an der Peter-Pauls— Festung, das Alexander-Theater sind nicht leere Ortsangaben, sondern bezeichnen Generatoren von Stimmungen und Überzeugungen. Orte und Räume haben ihr je spezifisches Publikum, das sich mit der Zeit in seiner Zusammensetzung auch wandelt. Es kommt der Augenblick, wo das Publikum wechselt, die Stimmung umschlägt und Redner, die einmal gefeiert wurden, nicht mehr zu Wort kommen. Welten liegen zwischen den festlich erleuchteten Sälen des Marienpalais, der Stadtduma, dem Taurischen Palais oder dem Theatersaal des Smolny einerseits und den Kasernen der Regimenter und den Fabrikhöfen an der Peripherie der Stadt andererseits. «In den weich glitzernden Sälen des Marienpalais gab es keine Revolution. Die gesamte Revolution vollzog sich im Smolny in den Arbeiterbezirken der Hauptstadt, in den Städten und Kreisen der Provinz. Und die ge— samte Revolution rollte auf einer abschüssigen Bahn einer Entscheidung entgegen.»53 Ein anderer Schauplatz ist das Taurische Palais: «Das unermessliche Areal des Palais schluckte leicht und unbemerkt die Hunderte von Menschen, die mit geschäftiger Gebärde hin und her liefen und aus Mangel an Tätigkeit offenkundig an Langeweile litten. Das waren die , die Abgeordneten. Sie blickten wie Hausherren, die von dem Unfug, den die ungehetenen Gäste treiben, etwas schockiert sind. Doch sie waren in der Minderheit. Das Palais füllte ein Volk in Pelzen, Arbeitermützen und Militärmänteln, das offensichtlich nicht hierhergehörte. In dieser Kategorie stieß man auf Schritt und Tritt auf Personen, die einem aus den politischen Kreisen der Petersburger Intelligenzija wohlvertraut waren. Alle Petersburger, die in der Politik und in der Öffentlichkeit tätig waren, strömten hierher.» Wir haben hier einen «Schmelztiegel der Ereignisse» vor uns. «Hier war ich buchstäblich im Brutofen großer Ereignisse, im Laboratorium der Revolution.»54 Wieder anders scheint die Atmosphäre im Smolny gewesen zu sein: «In qualvoller Enge saßen hier

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auf ihren Sitzen, auf allen Fensterbänken, auf dem Rande der Bühne, die Vertreter des ganzen Russland, in bedrücktem Schweigen oder froh— lockend, das Glockenzeichen des Präsidenten erwartend. Der Saal ungeheizt. Trotzdem herrschte eine schier unerträgliche Stickluft, veranlasst durch die Ausdünstungen all dieser zusammengepferchten, schon seit langem nicht mehr gewaschenen menschlichen Körper. Über die Masse hin, schwer und atembeklemmend, stinkiger Zigarettenqualm.»55 Eine Zweimillionenstadt wie Petrograd ist ein auf funktionierenden Routinen aufgebauter Organismus, eine Demonstration, ein Scharmützel setzt noch nicht den Gang der Dinge — die Straßenbahn, die Heerscharen von Droschkenfahrern, die Ankunfts- und Abfahrtszeiten der Züge — außer Kraft. Auf dem Newski-Prospekt beobachtet Reed: «Hin und wieder sah man einen Fußgänger. Sämtliche Laternen waren gelöscht. Ein paar Straßen weiter jedoch ging das Leben seinen gewohnten Gang. Überfüllte Straßenbahnen, auf und nieder wogende Menschenmassen, erleuchtete Schaufenster, die Reklamezeichen der Lichtbildtheater. Wir hatten Ein— lasskarten für das Ballett des Marientheaters — alle Theater waren geöffnet —, wir fanden es jedoch draußen interessanter. »56 Selbst in Zeiten der Not funktionieren die städtischen Markthallen noch, auf denen die Dienstbotcn und das Hauspersonal ihre Besorgungen erledigen. Aber wenn die Dienstbotcn es vorziehen, auf Demonstrationen zu gehen, wenn die Bedienung im Restaurant es für unter ihrer Ehre hält, Trinkgeld entgegenzunehmen, dann geht eine Epoche zu Ende. Bis eine Stadt ins Stocken gerät, kann es sehr lange dauern. Selbst am 8. November, nach dem bolschewistischen Coup, konstatiert Reed: «Äußerlich war alles ruhig. Hunderttausende waren zeitig zu Bett gegangen, standen früh auf und gingen ihrer Arbeit nach. In Petrograd fuhren die Straßenbahnen, die Warenhäuser und Restaurants waren geöffnet, die Theater in vollem Be— trieb. Sogar eine Gemäldeausstellung war angezeigt. Der Alltag — langweilig selbst in Kriegszeiten - ging seinen gewohnten Trott. Nichts ist erstaunlicher als die Lebenskraft des sozialen Organismus — wie er beharrt, sich nährend, sich kleidend, sich amüsierend, dem allerschrecklichsten Elend zum Trotz.»57 Auch Theater— und Opernveranstaltungen fallen nicht schon aus, nur weil es an einer Kreuzung in der Innenstadt Zusammenstöße mit Demonstranten gegeben hat. Die Stadt wird zum großen Verschiebebahnhof. «Die Soldaten strömten von der Front und aus den rückwärtigen Gebieten zurück in ihre Dörfer, man glaubte sich in die

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Ein Versuch, Schauplatz und Dynamik der Ereignisse im Oktober 1917 kartographisch zu erfassen und darzustellen — Stadtplan von Petrogra d

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BP KH BP KH BP K“ BP KH )1{ BP BP 1, in: SSSR na strojke. Illjustrirovannyj zumal novogo tipa, Moskva 2006, S. 11—23. Vgl. Marc Jansen/Nikita Petrov: Stalin’s Loyal Executioner: People’s Commissar Nikolai Ezhov, Stanford 2000; J.Arch Getty/Oleg V. Naumov: Yezhov. The Rise of Stalin’s «Iron Fist». With the Assistance of Nadezhda V. Muraveva, New Haven/London 2008. Erika Vol’f, «SSSR na strojke»: Zumal i ego éitatel’, S. 11. Erika Vol’f, «SSSR na strojke», S. 15—18. Erika Vol’f, «SSSR na strojke», S. 17. Dieser Frage geht Leah Dickerman in ihrem Katalogbeitrag zur Rodtschenko-Ausstellung nach: Leah Dickerman: The Propagandizing of Things, in: Magdalena Dabrowski/Leah Dickerman/Peter Galassi: Aleksandr Rodchenko, The Museum of Modern Art.With essays by Aleksandr Lavrent’ev and Varvara Rodchenko, New York 1998, S. 62—99. V. V. Majakovskij: Dolg Ukraine, zit. nach Anne D. Rassweiler: The Generation of Power. The History of Dneprostroi, New York/ Oxford 1988, S. 182. 10 Der Text basiert auf einer Reise des Autors zum Staudamm im Sommer 2006. 11 Das Bild von Georgi Petrusow in: SSSR na strojke 1930/4. 12 Paul Scheffer: Augenzeuge im Staate Lenins. Ein Korrespondent berichtet aus Moskau 1921—1930. Mit einer Einleitung von Margret Boveri. München 1972, S. 349. I3 Hier vor allem: K. B.Vasil’éenko/V. B. Repin/A. A. Konovalenko (Hg.): Ogni Dneprostroja. Fotokniga, Kiev 1980. I4 Zit. A. G. Cinjakov: Brat’ja Vesniny, Moskva 1970, S. 124; V. R.Jakubov: Architektory gidroénergetike, Moskva 2013, S. 30—32: zur Kritik an Cinjakovs und Chan—Mago— medovs Deutung vgl. D.S.Chmelnickij, Zagadki Dneprogesa (www.archi.ru) (01.04.

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2016) 15 Zit. Cinjakov, Brat’ja Vesniny, S. 124. 16 Öinjakov, Brat’ja Vesniny, S. 122. I7 Rassweiler, The Generation of Power, S. 11.

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Anmerkungen

18 Scheffer, Augenzeuge im Staate Lenins, S. 3 52. 0 I9 Zu I.G.Aleksandrov: S.I.Vavilov (Hg.): Ljudi russkoj nauki: Oéerki vydajuééichsja dejateljach estestvoznanija i techniki, Moskva 1948; einer der genauesten Berichte über den Bau von Dnjeproges stammt von einem profilierten Ingenieur: V. E. Sproge, Zapiski inienera, Moskva 1999, S. 133—515. 20

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Heiko Haumann: Beginn der Planwirtschaft. Elektrifizierung, Wirtschaftsplanung und gesellschaftliche Entwicklung Sowjetrusslands, 1917 bis 1921, Düsseldorf 1974. Vgl. auch das Kapitel GOELRO. Eros der Technik, Eros der Macht, in: Karl Schlögel: Petersburg. Das Laboratorium der Moderne 1909—1921, München 2002, S. 353—408. Scheffer, Augenzeuge, S. 352. Scheffer, Augenzeuge, S. 351. Scheffer, Augenzeuge, S. 350. Vgl. Zara Witkin: An American Engineer in Stalin’s Russia: The Memoirs of Zara Witkin, 1932—1934. Hg. von Michael Gelb, Berkeley 1991. Rassweiler, Generation of Power, S. 147. Zu A. Gastev vgl. Richard Stites: Revolutionary Dreams. Utopian Vision and Experimental Life in the Russian Revolution, New York/Oxford 1989. Margaret Bourke-White: Licht und Schatten. Mein Leben und meine Bilder, München/ Zürich 1964, S. 87. Ukrainian Activists Draw Attention To Little—Known WWII Tragedy, online unter https://www.rfel.org/a/european—remembrance-day-ukraine-Little-known-tragedyl

25083847.htm1 (18.03. 2016). 29 Stephen Kotkin: Magnetic Mountain. Stalinism as a Civilization, Berkeley u.a. 1995; ders.: Steeltown, USSR. Soviet Society in the Gorbachev Era, Berkeley/Los Angeles 1991. SSSR na strojke 1932, Nr. 1 Magnitogorsk. Gigant vtoroj metallurgiéeskoj Sonderheft 30 31 32

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bazy. Thomas Flierl (Hg.): Standardstädte. Ernst May in der Sowjetunion 1930—1933, Berlin 2012; Ernst May 1886—1970. Ausstellungskatalog, München u.a. 2011. John Scott: Behind the Urals: An American Worker in Russia’s City of Steel, Bloomington 1973. Ernst Jünger: Der Arbeiter. Herrschaft und Gestalt, Hamburg 193 2. Dagmara Jajeéniak-Quast: Stahlgiganten in der sozialistischen Transformation. Nowa Huta in Krakau, EKD in Eisenhüttenstadt und Kunéice in Ostrava, Wiesbaden 2010. Magnitka — Stal’ i ljudi: Fotoalbom, Moskva 1979. Es gibt mittlerweile ein Museum in der Stadt, das einem Opfer der stalinschen Repressionen gewidmet ist: Muzej-kvartia Borisa Ruö’eva als Filiale des Magnitogorsker historischen Heimatmuseums. Moshe Lewin: The Soviet Century, ed. By Gregory Elliott, London/New York 2005; David L. Hoffmann: Peasant Metropolis. Social identities in Moscow 1929—1941, Ithaca/London 1994. Das Heft SSSR na strojke 1932/1 enthält die Erzählung von der «Verwandlung» eines einfachen Bauern in einen bewussten und herausragenden Arbeiter. Margaret Bourke-White: Licht und Schatten. Mein Leben und meine Bilder, München/Zürich 1964, S. 88. Vgl. Karl Schlögel: Utopie als Notstandsdenken — einige Überlegungen zur Diskussion über Utopie und Sowjetkommunismus, in: Wolfgang Hardtwig (Hg.): Utopie und politische Herrschaft im Europa der Zwischenkriegszeit, München 2003, S. 77—96. Thomas Flierl (Hg.): Standardstädte. Ernst May in der Sowjetunion 1930 bis 1933. Texte und Dokumente, Berlin 2012. Murray Feshbach/Alfred Friendly, Jr.: Ecocide in the USSR. Health and Nature Under Siege, New York 1992. Alexander Rodtschenko: Schwarz und Weiß, in: Schamma Schahadat/Bernd Stiegler (Hg.): Alexander Rodtschenko. Schwarz und Weiß. Schriften zur Photographie (im Folgenden: Schwarz und Weiß), S. 13—18, hier 5.18.

Anmerkungen

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44 Rodtschenko, Die Wege der modernen Photographie (September 1928), in: Schwarz und Weiß, 5. 227—244, hier S. 243.

45 Rodtschenko im September 1928 in seiner Polemik «Die Wege der modernen Photographie», in: Schwarz und Weiß, 5.244. 46 Rodtschenko, Eine Warnung (November 1928), in: Schwarz und Weiß, S. 245—246, hier

S. 246.

47 Rodtschenko, Eine Warnung, S. 246. 48 A. Rodtschenko: Über die Komposition. Anstelle eines Vorworts (1941/1942), in: Schwarz und Weiß, S. 319—323, hier S. 323. 49 Rodtschenko, Das Große Analphabetentum oder eine kleine Gemeinheit, in: Schwarz und Weiß, S. 209. 50 Rodtschenko im September 1928 in seiner Polemik «Die Wege der modernen Photographie», in: Schwarz und Weiß, S. 244. 51 Rodtschenko, Eine Warnung (November 1928), in: Schwarz und Weiß, S. 245—246, hier S. 246. 52 M. Gor’kij/L.L.Averbach/S. G. Firin (Hg.): Belomorsko-Baltijskij Kanal imeni Stalina. Istorija stroitel’stva, Moskva 1934. 53 Rodtschenko, Der Meister und die Kritik. Ein Vortrag, der nicht gehalten wurde (September 1935), in: Schwarz und Weiß, S. 285—298, hier S. 293. 54 Rodtschenko, Uber die Komposition. Anstelle eines Vorworts (1941/42), in: Schwarz und Weiß, S. 319—323, hier S. 323. 55 Leah Dickerman, The Propagandizing of Things, S. 89. 56 Anne Brunswic hat die Photokollektion zur Verfügung gestellt. Dank an den Leiter des

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Petrosawodsker Museums. Einige der Abbildungen finden sich in Jurij Dmitriev: Belo— morskij-vodnyj put’. Ot zamyslov do voploééenija. Sbornik dokumental’nych materialov, Petrozavodsk 2003. Rodtschenko, Schwarz und Weiß, S. 30. Rodtschenko, Schwarz und Weiß, S. 286. Rodtschenko, Briefe an Warwara Stepanowa (1930—1933), in: Schwarz und Weiß, S. 122. Dickerman, S. 96. Alexander Solschenizyn: Der Archipel Gulag. Versuch einer künstlerischen Bewältigung, 3 Bde., Bern 1974, vor allem Bd. 3. Zum Gulag-System: Anne Applebaum: Gulag. A History, New York 2003; Anne Applebaum, Der Gulag. Aus dem Englischen von Frank Wolf, Berlin 2003; Michael Jakobson: Origins of the Gulag: The Soviet Prison Camp System, 1917—1934, Lexington 1993. Cyntia A. Ruder: Making History for Stalin. The Story of the Belomor Canal, Gaines— ville, FL 1998; Ju. A. Dmitriev: Belomorsko-baltijskij vodnyj put” ot zamyslov do voploééenija, Petrozavodsk 2003. Photos aus dem Petrozavdsker Archiv in: Dmitriev: Belomorsko-baltijskij vodnyj put’; Anne Brunswic: Les eaux glacées de Belomorkanal, Arles 2009. Tomasz Kizny: GULAG. Mit Vorworten von Norman Davies, Jorge Semprun, Sergej Kowaljow. Aus dem Französischen von Michael Tillmann, Hamburg 2004. Gorkij u. a., Belomorsko—Baltijskij Kanal. Vorsatzblatt, linke Seite. Beschreibung der geologischen, hydrologischen, technischen Aspekte des Kanalbaus vgl. Gorkij u. a., Belomorsko-Baltijskij Kanal, S. 68—128. Paul Gregory: The Political Economy of Stalinism. Evidence from the Soviet Secret Archives, Cambridge 2004; ders., The Economics of Forced Labor: The Soviet Gulag, Stanford 2003, Chapter 8. Alles nach Wikipedia-Einträgen zu Suez und Panama, 15.03.2016. Dmitriev, a. a. O. I.I‚Gnetnev: Lestnica k Belomu morju, Petrozavodsk 1983; Michael Prischwin: Der versunkene Weg (), Stuttgart 1961. Reprint: Maksim Gorkij u.a. (Hg.): Belomorsko-Baltijskij Kanal imeni Stalina: Istorija

Anmerkungen

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stroitel’stva 1931—1934 gg. Pod. red. M. Gor’kogo, L. Averbacha, S. Firina — Vosproizve— denie izdanija 1934 gg., 0.0.1998, S. 105. Gorkij u. a., Belomorsko-Baltijskij Kanal, 1998, S. 245. Gregory, The Political Economy of Stalinism; Solschenizyn, Der Archipel Gulag, Bd. 2. N.V.Petrov/K.V.Skorkin: Kto rukovodil NKVD 1934—1941. Spravoénik, pod. red. N. G. Ochotina i A. B. Roginskogo, Moskva 1999. Zum Problem der Visibilität und der Repräsentation von Juden in der Frühzeit der sowjetischen Repressionsorgane vgl. O.V. Budnickij: Rossijskie evrei meidu krasnymi i belymi (1917—1920), Moskva 2006; L. Kriéevskij: Evrei v apparate VCK—OGPU v 2o-e gody, in: O. V. Budnickij (Hg.): Evrei i russkaja revoljucija. Materialy i issledovanija, Moskva/lerusalim 1999, S. 320—350; Yuri Slezkine: Das jüdische Jahrhundert, Göttingen 2006; Karl Schlögel/Karl-Konrad Tschäpe (Hg.): Die Russische Revolution und das Schicksal der russischen Juden. Eine Debatte in Berlin 1922/23, Berlin 2014. Vgl. Susanne Schattenberg: Stalins Ingenieure. Lebenswelten zwischen Technik und Terror in den 1930er Jahren, München 2002; Loren Graham: The Ghost of the Executed Engineer, Cambridge 1993. Gorkij u. a., Belomorsko-Baltijskij Kanal, 1998, S. 234. Gorkij u. a., Belomorsko-Baltijskij Kanal, 1998, S. 428. Das Thema der «Umschmiedung» ist auch filmisch gestaltet in: Zakljuéennyje (Häftlinge), Regie: Jewgeni Tscherwjakow, Buch: Nikolai Pogodin, UdSSR 193 6. Memoiren-Datenbank bei Memorial, Aufruf unter Belomor. Zur tufta vgl. Gorkij u. a., Belomorsko-Baltijskij Kanal, 1998, S. 377, 385. Igal Halfin: Terror in my Soul. Autobiographies on Trial. Cambridge 2003; Jochen Hellbeck: Revolution on my Mind. Writing a Diary under Stalin, Cambridge 2006. N. P. Anciferov: Iz dum 0 bylom. Vospominanija, Moskva 1992; zur Biographie Anziferows: Karl Schlögel: «Die Seele Petersburgs» von Nikolai P. Anziferow. Ein legendäres Buch und sein unbekannter Autor, in: Nikolai Anziferow: Die Seele Petersburgs, München 2003, S. 7—46. Ekaterina Makhotina: Stolzes Gedenken und traumatisches Erinnern. Gedächtnisorte der Stalinzeit am Weißmeerkanal, Frankfurt am Main 2013. Wolfgang Schivelbusch, Entfernte Verwandtschaft. Faschismus, Nationalsozialismus, New Deal 1933—1939, München 2005. Klaus Gestwa: Die «Stalinschen Großbauten des Kommunismus». Sowjetische Technikund Umweltgeschichte 1948—1964, München 2010; Dirk van Laak: Weiße Elefanten. Anspruch und Scheitern technischer Großprojekte im 20.Jahrhundert, Stuttgart 1999. Hans Rogger: «Amerikanizm and the Economic Development of Russia», in: Comparative Studies in Society and History 23 No. 3 (Juli 1981), S. 382—420. A. I. Kokurin/Ju.N. Morukov: Stalinskie strojki GULAGA 1930—1953, Moskva 2005. Swetlana Alexijewitsch: Tschernobyl. Eine Chronik der Zukunft, Berlin 2006. Rudolf Bahro: Die Alternative. Zur Kritik des real existierenden Sozialismus, Hamburg 1977-

SOWIETISCHE ZEICHENWELTEN Roland Barthes: Das Reich der Zeichen, Frankfurt am Main 1981; Umberto Eco: Einführung in die Semiotik, München 1972; Jurij Lotman: Studien zur Semiotik. Die Innenwelt des Denkens: Eine semiotische Theorie der Kultur, Berlin 2010; Karl Schlögel: Moskau lesen, München 2011; Nancy Condee (Hg.): Soviet Hieroglyphics. Visual Culture in Late Twentieth-Century Russia, Bloomington/Indianapolis/London 1995. Eric A. Peschler: Künstler in Moskau. Die neue Avantgarde, Schaffhausen 1988. Kerstin Holm: Das korrupte Imperium — ein russisches Panorama, München 2003; Schlögel, Moskau lesen, Abschnitt: Zeichen auf goldenem Grund. Das ganze Kapitel basiert wesentlich auf: Dietrich Herfurth: Militärische Auszeichnungen der UdSSR. Aufnahmen von Jean Molitor. Berlin 1987, hier S. 15.

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Herfurth, Militärische Auszeichnungen der UdSSR, S. 20. Herfurth, Militärische Auszeichnungen der UdSSR, S. 12. Herfurth, Militärische Auszeichnungen der UdSSR, S. 27. Herfurth, Militärische Auszeichnungen der UdSSR, S. 33. Dannye o koliéestve nagraidenij ordenami i medaljami SSSR za period 1918—1964 gg., in: Istoénik 1998/3, S. 132—159, hier S. 137, Tablica Nr. 3. Dannye, S. 134, Tablica Nr. I; bei Herfurt, S. 33, wird die Gesamtzahl von 14,9 Millionen genannt. Sovetskie ordena i ordenskie dokumenty iz sobranija central’nogo muzeja revoljucii SSSR. Katalog, Moskva 1983. Dannye S. 143, Tablica Nr. 8. Verzeichnis bei A. A. fon Lampe: Puti vernych. Sbornik statej, Pariz 1960, S. 129—159. Danzig Baldaev/Sergej Wassiliew/Alexej Pluzer—Sarno: Russian — Criminal — Tattoo. Encyclopedia. Deutsche Ausgabe, Göttingen 2005, Vorwort, S. 17—25. Baldaev/Wassiliew/Pluzer-Sarno, S. 27. Baldaev/Wassiliew/Pluzer-Sarno, S. 30, 36. Baldaev/Wassiliew/Pluzer—Sarno, S. 37, 39. Ebd., S. 39, und die entsprechenden Abbildungen in: Hans-Peter Böffgen/Thees Klahn/ Andrzej Klant (Hg.): GULag-Zeichnungen, Frankfurt/Main 1993. Baldaev/Wassiliew/Pluzer-Sarno, S. 48. Baldaev/Wassiliew/Pluzer-Sarno, S. 52. John Bushnell: SOVIET GRAFFITI: Language and Subculture, Boston 1990. Russian Art of the Avant-Garde. Theory and Criticism 1902—1934. Edited and Trans— lated by John E. Bowlt, New York 1976; Felix Phillipp Ingold: Der große Bruch. Russland im Epochenjahr 1913, Kultur, Gesellschaft, Politik, München 2000. Vladimir Majakovskij/David Burljuk/A. Kamenskij: Dekret No. 1 o demokratizacii iskusstv, in: «Gazeta futuristov -— Moskva, 15, März 1918, zitiert nach der Übersetzung von Hugo Huppert: Wladimir Majakowski/D. Burljuk/W. Kamenski: Dekret Nr. 1 über die Demokratisierung der Künste, in: Wladimir Majakowski: Ausgewählte Werke, 5 Bde., hier Bd. 5. Publizistik, Berlin s. a., S. 434f. (Fu. 53). Richard Stites: Revolutionary Dreams. Utopian Vision and Experimental Life in the Russian Revolution, Oxford 1988, S. 111 f. Lev Uspenskij: Ty i tvoe imja, Leningrad 1962, S. XXX. Ilja Ilf/Evgenij Petrov: Pravda vom 7. Juni 1935, Nr. 155. K. Cukovskij: Zivoj kak zizn’. Razgovor 0 russkom jazyke, Moskva 1962 (Kapitel 4 «Umlsopogasy»). S.Maréak: Sobranie soéinenij v 8 tomach, tom 5, Moskva 1970, S. 532—533; Evgenij Dolmatowski, zit. in: Imena sovetskogo proizchoidenija, wikipedia.ru.

DAS LEBEN DER DINGE Über sowjetische Werbung: Randi Cox: All This Can Be Yours! Soviet Commercial Advertising and the Social Construction of Space 1928—1956, in: Evgeny Dobrenko/Eric Naiman (Hg.): The Landscape of Stalinism. The Art and Ideology of Soviet Space, Seattle/London 2003, S. 125—162. Brian Kassof: A Book of Socialism. Stalinist Culture and the First Edition of the Bol’shaia sovetskaja entsiklopediia, in: Kritika: Explorations in Russian and Eurasian History 6.1 (2005), S. 55—95. Bol’éaja Sovetskaja Enciklopedija, tom pervyj, Moskva 1929, Ot redakcii. Enciklopediéeskij Slovar’ (Enzyklopädisches Wörterbuch). Redaktion Prof. I.E.Andreevskij. Verlag F.A.Brokgaus (Lejpcig) und I.A.Efron (Sankt-Peterburg), 41 Bde. (82 Halbbände, Ergänzungsbände 1—2, 2 Halbbände) Sankt-Peterburg 1890—1907. Zur Geschichte von Brockhaus und Brokgaus-Efron vgl. Ulrich Hohoff: 200 Jahre Brockhaus. Geschichte und Gegenwart eines großen Lexikons, in: Forschung und

Anmerkungen

862

Lehre 2/2009, 5.118—120; Ausstellung in der Russländischen Staatlichen Bibliothek zum 125.Jahrestag des Erscheinens der Enzyklopädie Brockhaus—Efron, 6.August-— 15. September 2005; über die Zeit im Exil vgl. Gottfried Kratz: Russische Verlage und Druckereien in Berlin 1918—1941, in: Karl Schlöge/Katharina Kucher/Bernhard Suchy/ Gregor Thum (Hg.): Chronik russischen Lebens in Deutschland 1918—1941, Berlin

1999.5-514—SIs

©

Enciklopediéeskij Slovar’ Russkogo bibliografiéeskogo instituta br. A. i I. Granat i Ko (Enzyklopädisches Wörterbuch der Gesellschaft «A. u. I. Granat u. Co»), 7. überarbeitete Auflage, Bde. 1—55 und 57—58, Moskva 1910—1948, Bd. 56 ist nicht erschienen. Uber die Schlüsselstellung der Endredaktion von Adressbüchern und Nachschlagewerken habe ich geschrieben in: Terror und Traum, Moskau 1937, München 2008, S. 86-102. Die Entwicklung der 2. und 3.Ausgabe der BSE ist kurz resümiert in: A.Rewin/Ju. Schmuskis: Die Entwicklung der Enzyklopädien in der UdSSR, in: Hans-Joachim Diesner/Günter Gurst (Hg.): Lexika gestern und heute, Leipzig 1976, S.263—296; über Stalins Einfluss auf die Redaktionsarbeit vgl. Leonida Maksimenkova: «Naéinaem rabotat’ pri bol’éom pokrovitel’stve». Ob utastii I.V.Stalina v podgotovke vtorogo izdanija BSE, in: Istoénik 4/2003, S. 40—44. Bol’éaja Sovetskaja Enciklopedija, Red. S.I.Vavilov (Große Sowjetenzyklopädie), 2. Ausgabe, 50 Bde., 1 Ergänzungsband, Moskau 1950—1958, dazu Alphabetisches Register in 2 Bänden, Moskva 1960. 10 Bol’éaja Sovetskaja Enciklopedija, Red. A. M. Prochorov (Große Sowjetenzyklopädie) 3. Ausgabe, 30 Bde., Moskva 1969—1978. II Bol’éoj Enciklopediéeskij Slovar’ (Großes Enzyklopädisches Wörterbuch). 2. überarbeitete und ergänzte Auflage, Moskva/Sankt-Peterburg 1997. 12 Sinaida Hippius: Petersburger Tagebücher, Berlin 2014, S. 326 f. I3 Vera Dunham: In Stalin’s Time: Middleclass Values in Soviet Fiction, enlarged and updated Edition, Durham/London 1990. 14 Elena Jachnenko: Sovetskij farfor, in: A.Golosovskaja/V.Zuseva (Hg.): Sovetskij stil’. Vremja i veééi: Ukraééenija, moda, prazdniki, bel’e, eda, upakovka, den’gi, data, igruéki, parfjumerija, mebel’, farfor, Moskva: 2011, S. 164—181. I5 Zur Kunst der Palecher Handwerker vgl. Monika Kopplin: European Lacquer. Selected Works from the Museum für Lackkunst Münster, München 2010, Abschnitt Russia, S. 273—317.

16 Vladimir Tolstoj: Kunst und Kunsthandwerk in der Sowjetunion 1917—1937, München 1990. I7 Walter Benjamin: Moskauer Tagebuch. Aus der Handschrift herausgegeben und mit Anmerkungen von Gary Smith. Mit einem Vorwort von Gershom Scholem, Frankfurt am Main 1980, S. 41. 18 Michail Ossorgin: Eine Straße in Moskau. Roman, Berlin 2015, S. 167. I9 Ebd., S. 174. 20 D. S. Lichaöev: Izbrannoe. Vospominanija, Sankt-Peterburg 2000, S. 139. 21 Ossorgin, Eine Straße in Moskau, S. 190.

Juri Orlow: Ein russisches Leben, München 1992, 5.206. 2«3 Diese Darstellung folgt M.V.Sergeev: Fortepiannoe delo v Peterburge XIX veka. Po materialam russkoj periodiéeskoj peéati, in: Rossijskaja kul’tura glazami molodych uéennych, Bd. 3, Sankt—Peterburg 1994, S. 74—92. M.V.Sergeev: Ekspertiza fortepiano rossijskogo i sovetskogo proizvodstva, in: Musy24 kal’naja kul’tura i obrazovanie, Sankt-Peterburg 2010, S. 241—263. 25 Anatoli Kusnezow: Babij Jar, München 2001, S. 205 f. 26 Zitat Norman Davies/Roger Moorhouse: Die Blume Europas. Breslau—Wroclaw-Vratislavia. Die Geschichte einer mitteleuropäischen Stadt, München 2002, S. 508. Das Zitat ist aus: Irena Strauss, in: «To byio piekne miasto», in: Res Publica 6 (1990), S. 8. 27 Joseph Brodsky: Erinnerungen an Leningrad, München 1987, S. 78. 28 Lichaéev, Izbrannoe, a. a. O.

22

Anmerkungen

863

29 Katja Petrowskaja: Rückschau auf die sowjetische Didaktik für die Kleinsten, in: NZZ 13./14. 04. 2002, S. 55. 30 Stefan Melle: Auch Viktor Pawlowitsch verkauft, in: Berliner Zeitung vom 16.06. 1999.

31 Istorija vtoraja: pro fortepianostroenie: special’nye tematiéeskie stranicy iurnala spb. sobaka.ru No 12 (72) dekabr’ 2008. 32 Eginald Schlattner: Das Klavier im Nebel, Wien 2005.

33 Michail Korsunov/Viktorija Terechov: Tajna tajn Moskovskich, Moskva 1995, S. 121— 132. 34 Reiner Keller: Müll. Die gesellschaftliche Konstruktion des Wertvollen: Die öffentli-

35

36 37

38

39 40

41

42

43 44 45

46 47

che Diskussion über Abfall in Deutschland und Frankreich, Wiesbaden 2009; eine Skizze zum Thema vgl. Karl Schlögel: Das Wunder von Nishnij oder die Rückkehr der Städte. Berichte und Essays, Frankfurt am Main 1991: Abschnitt Mussor, Müll, S. 174. Il’ja Utechin: Oéerki kommunal’nogo byta. Izdanie vtoroe, dopolnennoe, Moskva 2004, S. 105; Nadeida Grigor’eva/Schamma Schahadat/Igor’ Smirnov (Hg.): Nähe schaffen, Abstand halten. Zur Geschichte von Intimität und Nähe in der russischen Kultur, München 2005 (Wiener Slawistischer Almanach, Sonderband 62), S. 439—456. Steven E. Harris: «In Search of Russia: Everyday Life in the NEP, the Thaw, and the Communal Apartment», in: Kritika: Explorations in Russian and Eurasian History 6, 3 (Summer 2005), S. 583—614. Utechin, Oöerki kommunal’nogo byta, S. 195. Marija Bykova: Duchi «Krasnaja Moskva» — simvol epochi. http://www.stranamam. ru/post/9724318/ sowie: http://www.womenclub.ru/perfumery/2463.htm (02.06.2017). Jürgen Raab: Soziologie des Geruchs: über die soziale Konstruktion olfaktorischer Wahrnehmung, Konstanz 2001, 3.301; Hans J.Rindisbacher: The Smell of Books: A Cultural-Historical Study of Olfactory Perception in Literature, Ann Arbor 1992; Alain Corbin: Pesthauch und Blütenduft («Le miasme et la jonquille», 1982), Berlin 2005; Patrick Süskind: Das Parfum, Zürich 1985. Gerüche zur Identifizierung von politischen Gegnern sind von der Staatssicherheit der DDR in verschlossenen Gläsern aufbewahrt worden. Marija Bykova: Luééie aromaty parfjumerii, sdelannoj v SSSR: https://mylitta.ru/ 761-soviet—perfume.html (03.06. 2017); Marija Bykova: Duchi Krasnaja Moskva, simvol epochi: http://www.stranamam.ru/post/9724318/ (03.06.2017); Koleva: Sovets— kaja parfjumerija, in: A. Golosovskaja/V. Zuseva (Hg.): Sovetskij stil’. Vremja i veééi, Moskva 2012, S. 74—85. Ernest Beaux: https://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Ernest_Beauxöcoldid=1500 84618 (03. 06. 2017); Sasha Raspopina: Smells like Soviet spirit: a brief history of perfume and cosmetics, in: The Guardian vom 19. 11.2014; Tilar J. Mazzeo: Chanel No 5. Die Geschichte des berühmtesten Parfums der Welt, München 2014. Zit. N.Lebina: Lemma Krasnaja Moskva, in: Enciklopedija banal’nostej, S. 207—208; E. Zirickaja: Legkoe dychanie: zapach kak kul’turnaja repressija V rossijskom obééestve 1917—1930-ch gg., in: Aromaty i zapachi v kul’ture, Moskva 2002, t. 2. Marina Koleva: Sovetskaja parfjumerija, in: Golosovskaja/Zuseva, Sovetskij stil’. Vremja i veééi, S. 74—85, hier S. 77/78. Ebd., S. 81. N.Lebina: Lemma Krasnaja Moskva, in: Enciklopedija banal’nostej, Sankt-Peterburg 2006, S. 207—208. Michail Lokutov: Graidanin francuzkoj respubliki, in: Sovetskij zumal chudoiestvennogo oéerka «Naéi dostiienija No 2/1937. Zu den diversen Versionen vgl. Evgenij Zirnov: Pervyj sekret «Sanel’ N° 5», in: zumal Kommersant.ru vom 15. 10.2007, online unter: https://www.kommersant.ru/doc/ 813950 (anlässlich der Moskauer Ausstellung «Sanel’. Po zakonam iskusstva», Link geprüft am 03.06.2017), Zur Biographie von August Michel: http://www.casual-info. ru/wiki/Mnruens+Anrycr+l (03.06.2017).

Anmerkungen

864

48 Michail Bulgakov: Der Meister und Margarita. Roman, Darmstadt/Neuwied 49 50

51

52 53 54 55

56 57

58 59

1973,

S. 154. Michael David-Fox: Showcasing the Great Experiment: Cultural Diplomacy and Western Visitors to the Soviet Union, 1921—1941, New York 2012. Zu Lebensdaten und Karrieren von Beau und Michel liegen unterschiedliche, z. T. kontroverse Daten vor. Zur Biographie von August Michel: http:l/www.casual-info.ru/ wiki/Mumenn+Asrycr+l (03.06.2017). Zu Ernest Beaux: https://de.wikipedia.org/w/ index.php?title=Ernest_Beauxötoldid=150084618 (03. 06. 2017). Kniga o vkusnoj i zdorovoj piéée. Odobrena Institutom pitanija Akademii medicinskich nauk SSSR, Moskva 1953. Mein Exemplar, auf dem Bücherbasar in Rostow-am—Don erworben, erschien 1953 in einer Auflage von 500 000 Exemplaren und kostete damals 15 Rubel. Kniga o vkusnoj i zdorovoj piéée, S. 83—122. Kniga 0 vkusnoj i zdorovoj piéée, S. 125—150. Kniga o vkusnoj i zdorovoj piäée, S. 153—184. Kniga o vkusnoj i zdorovoj piéée, S. 80. Zur Alkohol-Problematik: Sonja Margolina: Wodka. Trinken und Macht in Russland, Berlin 2004; William Pokhlebkin: A History of Vodka, London 1992. Kubanskie kazaki, Regie: Ivan Pyr’ev, 1949. Zu A. Mikojan: Sheila Fitzpatrick: On Stalin’s Team. The Years of Living Dangerously in Soviet Politics, Princeton/Oxford 2015; Anastas Mikojan: Tak bylo: Razmyélenija o minuväem, Moskva 1999. Jukka Gronow: Caviar with Champagne. Common Luxury and the Ideals of the Good Life in Stalin’s Russia, London 2003. Eine Gesamtübersicht bietet: Marina Koleva: Eda V SSSR, in: Golosovskaja/Zuseva, Sovetskij stil’. Vremja i veééi, S. 74—85; Elena Osokina: Our Bread Daily. Socialist Distribution and the Art. Of Survival in Stalin’s Russia 1927—1941, Armonk/N. Y./London 2001.

60 Vgl. Vadim Volkovz The Concept of «kul’turnost’»: Notes on the Stalinist Civilizing Process», in: Sheila Fitzpatrick (Hg.): Stalinism. New Directions, London/New York 2000, S. 210—230. 61 Titel des Molochowjez-Buches: Elena Molochovec: Podarok molodym chozjajkam ili sredstvo k umen’éeniju raschodov V domaänem chozjajstve, online unter: http:l/www. molohovetc.rul (03. 06. 2017). 62 Aleksandr Kraveckij: Tajnaja kuchnja Eleny Molochovec, in: Kommersant—Den’gi Nr. 37 vom 22.09.2014, S. 49, online unter: https://www.kommersant.ru/doc/2558138

(03. 06. 2017).

63 Echbert Chartman: Elena Ivanovna Molochovec, in: Portrety i sud’ba, in: Zurnalnyj

zal. Zvezda 2000 No. 3, online unter: http:l/magazines.russ.ru/zvezdal2ooo/3/hartman.html (03. 06. 2017). 64 Aleksandr Kraveckij: Tajnaja kuchnja Eleny Molochovec, in: Kommersant vom 22.09. 2014, online unter https://www.kommersant.ru/docl2558138 (10.06.2017). 65 Adresse und Telephonnumer sind im Spisok abonentov von 1915, S. 321, angegeben mit: E. I. Molochovec, Suvorovskij prospekt 54, telefon 136—43. 66 Alena Dvinina: Kulinarnaja kniga kak otraienie istorii, online unter: http://www.gov.

karelia.ru/Karelia/1249/14.html (03. 06. 2017). 67 Adresse des Museums der gesellschaftlichen Ernährung in Moskau, Bolschoj Rogoshskij pereulok

17, dom 17, stroenie 1.

RÄUME DER FREIHEIT Zur Geschichte des Tourismus in der Sowjetunion vgl. Anne E. Gorsuch/Diane P. Koenker (Hg.): Turizm. The Russian and East European Tourist under Capitalism and Socialism, Ithaca/London 2006; Bernd Knabe: Urlaub des Sowjetbürgers, Berichte des

Anmerkungen

865

Bundesinstituts für Ostwissenschaftliche und Internationale Studien Köln, Bd. 64/1977; über Ausländer-Tourismus in der UdSSR: B.E. Bagdasarjan/I.B.Orlov/J.J. Snajdgen u.a.: Sovetskoe Zazerkal’e. Inostrannyj turizm V SSSR v 1930—1980-e-g0dy, Moskva 2011.

Veöernaja Moskva, 24. April 1930, zit. bei Diane P. Koenker: The Proletarian Tourist in the 19303: between Mass Excursion and Mass Escape, in: Gursuch/Koenker, Turizm, S. 119—140, hier S. 119. Louise McReynolds: The Prerevolutionary Russian Tourist: Commercialization in the Nineteenth Century, in: Gorsuch/Koenker, Turizm, S. 17—42. Komsomol’skaja Pravda, 16. Dezember 1926, S. 3, zit. Diane P. Koenker, ebd., S. 121. Lemma «Turizm», in: L.V. Belovinskij: Enciklopediöeskij Slovar’ istorii sovetskoj povsednevnoj zizni, Moskva 2015, S. 662—663. Wassili Galaktionow/Anatoli Agranowski: Ein Strom wird zum Meer. Ein dokumentärischer Roman, Berlin 1952, S. 76. Katja Lebedewa: Komm Gitarre, mach mich frei! Russische Gitarrenlyrik in der Opposition, Berlin 1992. Eine wunderbare Hommage an diese Erfahrung ist: Petr Vajl’/Aleksandr Genis: 60-e. Mir sovetskogo éeloveka, Ann Arbor 1988, besonders der Abschnitt «Geographie statt Geschichte. Sibirien», S. 69—75. Christian Noack: Coping the Tourist: Planned and «Wild» Mass Tourism on the Soviet Black Sea Coast, in: Gorsuch/Koenker, Turizm, S. 281—304, hier S. 29 5; Christian Noack: «Andere Räume» — sowjetische Kurorte als Heterotopien. Das Beispiel Sotschi, in: Karl Schlögel (Hg.): Mastering Russian Spaces. Raum und Raumbewältigung als Probleme der russischen Geschichte, München 2011, S. 187—198. 10 Anna Rotkirch: «Travelling Maidens and Men with Parallel Lives — Journeys as Private Space during Late Socialism, in: Jeremy Smith (Hg.): Beyond the Limits: The Concept of Space in Russian History and Culture, Helsinki 1999, S. 131—165. 11 Viktor Erofeev: Muiéiny, Moskva 1997, S. 51—52, zit, bei Anna Rotkirch: Muiskoj vopros. Ljubov’ i seks trech pokolenij v avtrobiografijach peterburicev. Gendernaja serija. Vypusk vtoroj, Sankt-Peterburg 2011, S. 214. 12 Exemplarisch verarbeitet in: Ilya Kabakov: Album meiner Mutter, Paris 1995; Vitalij Bakanov: Detstvo 5och-6och. Vospominanija kievljanina, Kiev 2012. I3 Zur anderen Genese der «Datsche» in der DDR vgl. Henriette Brendler: Die Kleingartenkultur in der DDR und BRD -— ein Spiegel der politischen und gesellschaftlichen Systeme, Bachelor—Arbeit Kulturwissenschaft an der Europa Universität Viadrina 2007. I4 Lemma «Datscha», in: Natal’ja Lebina: Enciklopedija banal’nostej. Sovetskaja povsednevnost’: kontury, simvoly, znaki, Sankt-Peterburg 2006; die Geschichte der Datscha hat geschrieben: Stephen Lovell: Summerfolk. A History of the Dacha, 1710—2000, Ithaca/London 2003. 15 Über Datschenvororte vgl. M.V.Naééokina, Daénye poselki, in: E.I.Kiriéeno/E.G. Séeboleva/M. V. Naééokina (Hg.): Gradostroitel’stvo Rossii serediny XIX — naöala XX veka. Goroda i novye tipy poselenij, kniga vtoraja, Moskva 2003, S. 347—389. Eine Studie zu einem anderen prominenten Datschenort liegt vor in: Adrian V. Rudomino: Legendarnaja Barvicha. Zapiski staroiila ob istorii, prirode i éastnoj iizni, Moskva 2009. 16 Zit. Lovell, Summerfolk, S. 60. I7 Zit. Lovell, Summerfolk, S. 105. 18 Zur Gartenstadt—Diskussion in Russland vgl. E.I.Kiriéenko: Goroda-sady, in: Kiri—

Öenko/Séeboleva/Nasöokina, Gradostroitel’stvo Rossii, S. 506—544. 2014, S. 166 f. Sinaida Hippius, ebd., S. 200. Sinaida Hippius, ebd., S. 370. Alexander Rodtschenko: Meine Arbeit mit Majakowski (1940), in: Schamma Scha— hadat/Bernd Stiegler (Hg.): Alexander Rodtschenko. Schwarz und Weiß. Schriften zur Photographie, München 2011, S. 19—71, hier S. 52.

I9 Sinaida Hippius: Petersburger Tagebücher, Berlin

20 21

22

Anmerkungen

866

J. Arch Getty/Oleg V. Naumov: The Road to Terror. Stalin and the Self-Destruction of the Bolsheviks, 193 2—19 39, New Haven/London 1999.3-314‚319Lovell, Summerfolk, S. 137. Vgl. https://ru.wikipedia.0rg/wiki/‚llaua (Zugriff 12.04.2017). Denis Babiéenko/Nikolaj Galkin: «Ja iivu na daée v Peredelkine ...» Stalinskij «Visnevyj sad» popal pod katok privatizacii, in: Itogi, 29.05.2001, S.22—29; L.Lobov/ K. Vasil’eva: Peredelkino, skazanie 0 posatel’skom gorodke, Moskva 2011. Verzeichnis der Dichter und Schriftsteller auf: httpsz//ru.wikipedia.org/wiki/Iiepegen— Kl/IHO (03. 06. 2017); Verzeichnis der Gräber auf dem Friedhof von Peredelkino: http://tropki.ru/rossiya/moskovskaya-oblast/poselok-pisateley-peredelkino#lt=

2«3 Über Konspiration auf Datschen vgl.

24 25 26

27

55.6572&1n=37.34738cz=1 4 (03.06.2016). 28 Frank Westermann: Ingenieure der Seele. Schriftsteller unter Stalin — Eine Erkundungs— reise, Berlin

2003, S. 153—180.

29 Lovell, Summerfolk, S. 23 6. 30 Vladimir Pribylovskij: Vokrug Putina. Biografiéeskij spravoénik, Moskva 2016; Karen Dawisha: Putin’s Kleptocracy. Who owns Russia?, New York 2014.

31 M. Gerschenson/W. Iwanow, Briefwechsel zwischen zwei Zimmerwinkeln, Überset— zung von Nicolai von Bubnoff. Mit einem Nachwort von Karl Schlögel, Stuttgart 1990; Rainer Grübel (Hg.): Michail Geräenzon. Seine Korrespondenz und sein Spätwerk, Oldenburg 2007. 32 Zur Situation im Erholungsheim: V. F.Chodaseviéz Zdravnica, in: Vozroidenie vom 14. März 1929. 33 1.1. Kozlov (Hg.): Zdravnicy profsojuzov SSSR. Kurorty, sanatorii, pansionaty i doma otdycha profsojuzov. (Izdanie pjatoe, pererabotannoe i dopolnennoe), Moskva 1979. 34 Kozlov, Zdravnicy profsojuzov SSSR, S. 15. 12. 35 Kozlov, Zdravnicy profsojuzov SSSR, S. 11. SSSR, S. profsojuzov Zdravnicy Kozlov, 36 37 Z. B. Russland. Handbuch für Reisende von K. Baedeker, Leipzig 1897, S. 393—408. Die Beiträge von E.I.Kiriéenko zu den Kurorten im Kaukasus und auf der Krim in: E.I.Kiriéenko: Goroda-sady, in: E.I.Kiriöeno/E.G. Séeboleva/M.V.Naééokina,

Gradostroitel’stvo Rossii, S. 254—346.

39 Zdravnicy profsojuzov SSSR, S. 4 f. 40 Bilder in: Kozlov, Zdravnicy profsojuzov SSSR. 41 Zit. Kozlov, Zdravnicy, S. 5. 42 Kozlov, Zdravnicy, S. 6. 43 Dm. Chmelnizki bezeichnet ihn als «Stalins Lieblingsarchitekten.» Mershanow hat

44

45

46 47

48

übrigens noch als Architekt für die Verteidigung Moskaus gearbeitet, ist dann während der 1940—50er Jahre zu zehn Jahren Lagerhaft verurteilt gewesen und hat aus der Scharaschka — und dem Gefängnis — heraus weitergearbeitet. Seine Frau und seine engen Mitarbeiter kommen ebenfalls ins Lager, wo die Frau stirbt. 1948 oder 49 projiziert er offenbar in Sotschi ein Sanatorium aus der Haft heraus. Vgl. Wikipedia, dort auch Lit. zu Mershanow, und hier: http:l/www.geokorolev.ru/biography/biography_person_ merzhanov.html (03. 06. 2017). Beschreibung des Komplexes Kawkasskaja Riwjera bei: Natal’ja Zacharova: Istorija kurorta «Kavkazskaja Riv’era» vom 28.11.2009, online unter: http://arch-sochi.ru/ 2009/11/istoriya-kav-riv/ (03. 06. 2017). A.V.Séusev: Proekt gostinicy v Maceste, in: Sovremennaja architektura 1927, No. 3, S. 98—99, zit. in: Natal’ja Zacharova, Architektura Soéi. Selim O.Chan-Magomedov: Pioniere der sowjetischen Architektur, Dresden 1983, S. 514— 516. M. K.: Soéinskaja pravda No. 60 vom 14. März 1936, auch N. Z. Nesis: Vladimir Kostinov, Planirovka kurorta Soöi-Mazesta, in: Architektura SSSR, Nr. 9. sentjabr 1935, veröffentlicht in: Soéinskij kraeved. Über die frühen Entwürfe von N. Sokolow vgl. Natal’ja Zacharova: Kursovyj proekt

Anmerkungen

867

Nikolaja Sokolova «Kurortnye gostinicy v Maceste» 1928/29 uéebnyj god. Mit Zeichnungen. Online unter: https://arch-sochi.ru/2016/05/kursovoy-proekt-nikolaya-soko— lova-kurortnoy-gostinitsyi-v—matseste-1929-g0 d/ (03. 06. 2017). 49 Vgl. Natal’ja Zacharova: L. A. i A. A.Vesniny. Proekt gostinicy v Novoj Maceste. 1927 god, in: Sovremennaja archietektura 1927. No. 3, S.96—97; Selim Chan-Magomedov:

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Pioniere der sowjetischen Architektur, Dresden 1983, S. 532; Selim O. Chan-Mago— medov: Kurorty, in: http:l/www.alyoshin.ru/Files/publika/khan_archi/khan_archi_2_ 115.html (Zugriff 03. 06. 2017). Diese Übersicht basiert zum größten Teil auf den Angaben von Anshela Adshar: httpz//arch—sochi.ru/2or3/08/pamyatniki-arhitekturyi-goroda-sochi/ (Zugriff 03.06. 2017). Der in den 1930er Jahren errichtete Hauptbahnhof von Sotschi könnte ein Werk von M. Ginsburg gewesen sein. Der Bahnhof aus der Nachkriegszeit stammt von A.N.Duékin und G. G.Akwilew. Das Gebäude des Passagierhafens wurde von K.S. Alabjan und L. B. Karlik errichtet. Zu Stalins Lieblingsarchitekten vgl. Boris Merianov: Erinnerungen an Stalins Architekten Miron Merianov, in: Peter Noever (Hg.): Tyrannei des Schönen. Architektur der Stalin-Zeit, München/New York 1994, S. 55—61. Uber die tägliche Kommunikation zwischen Sotschi und Moskau in den Sommermonaten gibt am besten Aufschluss: O. V. Chlevnjuk/R. U. Déwis/L. P. Koäeleva/E. A. Ris/ L. A. Rogovaja (Hg.): Stalin i Kaganovié. Perepiska. 1931—1936 gg., Moskva 2001. Uber Sotschi und andere Residenzen Stalins vgl. Simon Sebag Montefiore: Stalin. The Court of the Red Tsar, New York 2004. Buber-Neumann, Schauplätze der Weltrevolution, Stuttgart 1967, S. 296 ff. Denis Babiéenko: Uétites’ otdychat’! Kurortnyj reiim dlja sovetskoj vlasti, in: Itogi vom 26.06.2001, S. 39. Kerstin Holm: Die Sphäre sozialistischer Muße. In Sotschi am Schwarzen Meer hat das Architekturtheater des Sowjetsystems überdauert, ist nun aber vom Zerfall bedroht, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 27.01.2001, Nummer 23; Marianne Mösle: Zar und Zimmermann. Prächtig verrostet: Das georgische Heilbad Borschomi wird endlich renoviert, in: Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung vom 01.05. 2005, Reise V5.

BINNENRÄUME Klaus Mehnert: Der Sowjetmensch. Versuch eines Porträts nach zwölf Reisen in die Sowjetunion. 1929—1957, Stuttgart 1958, S. 60. Die Eingangssituation spielt eine Rolle auch bei: Philipp Pott: Moskauer Kommunalwohnungen 1917 bis 1997. Materielle Kultur, Erfahrung, Erinnerung, Zürich 2009, S. 166. Nadeida Mandelstam: Vospominanija, New York 1970, S. 142; )KAKT: Ziliéno— arendnye kooperativnye tovariééestva, Mietkooperativen, die in der Zeit der NEP bis in das Jahr 1937 existierten. Zur Evolution der russisch—sowjetischen Wohnverhältnisse vgl. Irina Kulakova: Istorija moskovskogo zil’ja, Moskva 2006. Ekaterina Ju. Gerasimova: Sovetskaja kommunal’naja kvartira kak social’nyj institut: Istoriko-sociologiéeskij analiz (na materialach Leningrada, 1917—1991) Dissertacija, Sankt-Peterburg 2000, S. 10. Christian Schmidt-Häuer: Das sind die Russen. Wie sie wurden, wie sie leben, Hamburg 1980; Hedrick Smith: Die Russen: wie die russischen Menschen wirklich leben, wovon sie träumen, was sie lieben und wie ihr Alltag wirklich aussieht, Gütersloh 1977. Vgl. M. V. Vorob’eva: Kommunal’naja kvartira v sovetskich kinofil’mach i anekdotach: popytka ob’emnogo portreta, in: Labirint, 2015, No. 2, S. 19—31. Sandra Evans: Sowjetisch wohnen. Literatur-Kulturgeschichte der Kommunalka, Bielefeld 2011; über Romane: Kommunal’nye kvartiry v iskusstve auf: https://ru.wikipedia. org/wiki/KOMMynanbnan_icnaprnpa (15.03. 2017).

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Anmerkungen

8 Svetlana Boym: Common Places. Mythologies of Everyday Life in Russia, Cambridge/ Mass 1994. Die Studien von Natal’ja Lebina: Enciklopedija Banal’nostej. Sovetskaja povsednevnost’: Kontury, simvoly, znaki, S.-Peterburg 2006; Il’ja Utechin: Oéerki kommunal’nogo byta. Izdanie vtoroe, dopolnennoe, Moskva 2004, sind hier an erster Stelle zu nennen. Wich-

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tig auch Ekaterina Ju. Gerasimova: Sovetskaja kommunal’naja kvartira kak social’nyj institut: Istoriko-sociologiéeskij analiz (na materialach Leningrada, 1917—1991), Dissertacija, Sankt-Peterburg 2000; Mark Meerovié: Nakazanie iiliééem: Ziliéénaja poli— tika v SSSR kak sredstvo upravlenija ljud’mi 1917—1937, Moskva 2008. Julia Obertreis: Tränen des Sozialismus. Wohnen in Petrograd/Leningrad zwischen revolutionären Entwürfen, sowjetischer Wohnpolitik und der Beständigkeit häuslicher Lebenswelten 1917—1937, Köln 2004; Paola Messana: Soviet Communal Living: an Oral History of the Kommunalka, London 2011; Sandra Evans, Sowjetisch wohnen. Joseph Brodsky: Erinnerungen an Leningrad, München 1987, S. 50. Brodsky, Erinnerungen, S. 52. Brodsky, Erinnerungen, S. 54 f. Brodsky, Erinnerungen, S. 55, 58. Brodsky, Erinnerungen, S. 57 f. Brodsky, Erinnerungen, S. 59. Ilya Kabakov: 1964—1983. Stimmen hinter der Tür, Leipzig 1996; ders.: Die Kommunalwohnung, Zürich 1989; ders.: SHEK Nr. 8, Bauman-Bezirk, Stadt Moskau, Leipzig 1994. Ilya Kabakov, Stimmen hinter der Tür, S. 22. Ilya Kabakov, Stimmen hinter der Tür, S. 24. Ilya Kabakov, Stimmen hinter der Tür, S. 34. Ilya Kabakov, Stimmen hinter der Tür, S. 37. Ilya Kabakov, Stimmen hinter der Tür, S. 39. Ilya Kabakov, Stimmen hinter der Tür, S. 41. Zur Diskussion über modernes Wohnen vgl. William Craft Brumfield/Blair A.Ruble (Hg.): Russian Housing in the Modern Age. Design and Social History, Cambridge 1993. Peter Gatrell: A Whole Empire Walking. Refugees in Russia during World War I, Bloomington 2005. Natal’ja Lebina, Enciklopedija, S. 201. Golfo Alexopoulos: Aliens, Citizens, and the Soviet State, 1926—1936, Ithaca/London

2003. 28 Victor Buchli: An Archeology of Socialism, London 7-9

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2000, S. 119. httpsz//ru.wikipedia.org/wiki/Komnrynansnan_rcsaprnpa (15.03.2017). Umfassende Darstellung des Wohnungsbaus: Philipp Meuser: Die Ästhetik der Platte. Wohnungsbau in der Sowjetunion zwischen Stalin und Glasnost, Berlin 2015. Il’ja Utechin, Oéerki kommunal’nogo byta, S. 109. Juri Orlow: Ein russisches Leben, München 1992, S. 122. Alles nach Il’ja Utechin, Oéerki kommunal’nogo byta, S. 5—7. Über neue Lebensform und Privatheit vgl. auch: Christina Kiaer/Eric Naiman (Hg.): Everyday Life in Early Soviet Russia. Taking the Revolution Inside, Bloomington/Indianapolis 2006; Catriona Kelly/David Shepherd (Hg.): Constructing Russian Culture in the Age of Revolution: 1881—1940, Oxford 1998. Juri Slezkine: The USSR as a communal appartement, or How a socialist state promoted ethnic particularism, in: Geoff Eley/Ronald Grigor Suny (Hg.): Becoming national: a reader, New York 1996, S. 203—238. Cordula Gdaniec: Kommunalka und Penthouse. Stadt und Stadtgesellschaft im post— sowjetischen Moskau, Münster 2005. Walter Benjamin: Moskauer Tagebuch, Frankfurt am Main 1980, S. 71. Vgl. die dem Interieur gewidmete Nummer der Architekturzeitschrift Proekt Rossija 68, 2/2013, besonders: Artem Deiurko: On the «Morphology of the Soviet apartment» exhibition 2011, S. 162—172; Analyse des Kirow-Museums in Leningrad von N. Lebina. Fast alle Museen sind über das Internet zu erreichen und virtuell zu begehen.

Anmerkungen

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191, Fri. 5. 37 Il’ja Utechin, Oéerki kommunal’nogo byta, S. in: des Benjamin: Franz Hessel (Hg.): Ein Flaneur in BerFlaneurs, Walter Wiederkehr 38

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lin, Berlin 2011, 5.279. Ol’ga Strugova: mebel’ i inter’er, in: A. Golosovskaja/V. Zuseva (Hg.): Sovetskij stil’. Vremja i veäéi, Moskva 2011, S. 148—163, hier S. 152. Zit. Victor Buchli: An Archeology of Socialism, London 2000, S. 44. Zur Tyrannei des Herdes: Buchli, An Archeology of Socialism, S. 46. Buchli, An Archeology of Socialism, S. 51. Zit. bei Buchli, An Archeology of Socialism, S. 53. Strugova, mebel’ i inter’er, S. 152. Strugova, mebel’ i inter’er, S. 148. Vladimirskij und Sheftel 1931, zit. Buchli, An Archeology of Socialism, S. 53. Buchli, An Archeology of Socialism, S. 54. Strugova, mebel’ i inter’er, S. 151. Buchli, An Archeology of Socialism, S. 87—93. Zit. Ol’ga Strugova, mebel’ i inter’er, S. 158. Strugova, ebd., S. 158. Strugova, mebel’ i inter’er, S. 155. B. Alekseev, O sovetskom inter’ere, in: Tvoréestvo 1941, Nr. 4, zit. nach Strugova, S. 159. Strugova, mebel’ i inter’er, S. 160. Sovetskij Sojuz 1954, Nr. 12. Buchli, An Archeology of Socialism, S. 174. Lemma «Obééeiitie» in: L. V. Belovinskij: Enciklopediéeskij slovar’ istorii sovetskoj povsednevnoj iizni, Moskva 2015, S. 412—413; Lebina, Enciklopedija Banal’nostej, S. 262. Andrei Sacharow: Erinnerungen, Sacharow—Center-Ausgabe, S. 84. In der Liste der Autobiographien kann man nachschlagen zu «obäéeiitie»: httpz/lwww.sakharov-center.

ru/search_resultl?searchid=1985756&text=oöu;emnrne&web=o&

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(03. 06. 2017). Das alles nach Andrej Graéev, Gorbaéev und: http://upmsu.phys.msu.ru/kur21953/ kur51.htm (20.02.2016). A. V. Zidéenko: Povsednevnaja zizn’ studenéeskich obäéeiitij novych rajonov krupnych gorodov Sibiri v 1950—1960-e gg. (lokal’nyj aspekt), in: Labirint. Zumal social’nogumanitarnych issledovanii 2015/2, S. 52—62; siehe auch: G.Iu. Miagéenko: Fenomen kul’tury povsednevnosti studenöeskogo obäéeiitija: dissertacija kandidata filosofskich nauk, Tambov 2006. Zum Stellenwert der Baracke vgl. die Lemmata bei Lebina, Enciklopedija Banal’nostej, S. 54—55, sowie L. V. Belovinskij, Enciklopediéeskij slovar’, S. 47—48. Vgl. zu Leben und Werk des in der Stalin-Zeit repressierten Magnitogorsker Dichters Boris Ru6’ev siehe: https://ru.wikipedia.org/wiki/PyubéB,_Bopnc_AnenmnnpOBI/iii (21.02.2016). Mjasokombinat A. I. Mikojana: http://www.mikoyan.rul(o3. 06. 2017). Jurij Orlow: Ein russisches Leben, München 1992, 5.95. Alexander Kosarew, Vorsitzender des Komsomol 193 2, zit. Natal’ja Lebina, Encyklopedija Banal’nostej, S. 55. Zum Übergang von den Barackensiedlungen in die eigene Wohnung vgl. das Interview mit dem Chefarchitekten von Nishni Nowgorod Juri Bubnow in: Project Russia 4, S. 21 ff. Lebina, Enciklopedija Banal’nostej, S. 55. Benjamin, Moskauer Tagebuch, S. 121 und 43. Walter Benjamin, Berliner Kindheit, S. 147. Siegfried Kracauer: Unter Palmen. Frankfurter Zeitung vom 19.10.1930 (Reiseblatt), in: Ders.: Werke, Bd. 5.3. Essays. Feuilletons. Rezensionen, hg. von Inka Mülder-Bach und Ingrid Belke, Berlin 2011, S. 350—352.

71 Ebd.

Anmerkungen

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72 Zur allgemeinen Geschichte der Botanischen Gärten in der UdSSR: P.I.Lapin: Botaniéeskie sady SSSR, Moskva 1984; Peter Hayden/Frances Lincoln: Russian Parks and Gardens, London 2005, S. 65 und S. 220—223. Zur Geschichte des Moskauer Botanischen Gartens: httpszf/ru.wikipedia.org/wiki/Anrenapcxnii_oropon (03.06.2017); zur

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Geschichte des Botanischen Garten Sankt—Petersburg: http://walkspb.ru/sad/botanicheskiy_sad.html (03. 06. 2017). Vsevolod Garéin: Attalea Princeps, online unter: https://www.litres.ru/vsevolod-garshin/attalea-princeps/ S. 1 (03. 06. 2017). Vsevolod Garéin, ebd., S. 2. Vsevolod Garéin, ebd., S. 4. Nikolaj P. Anziferow: Die Seele Petersburgs, München 2003, S. 65. Das ist ein deutlicher Hinweis auf Heinrich Heine, Gedicht Nr.XXIII im Buch der Lieder/Lyrisches Inter— mezzo (1822/23): «Ein Fichtenbaum steht einsam/Im Norden auf kahler Höh./Ihn schläfert; mit weißer Decke/Umhüllen ihn Eis und Schnee.//Er träumt von einer Palme,/ Die, fern im Morgenland,/Einsam und schweigend trauert/Auf brennender Felsen— wand.» Heinrich Heine: Sämtliche Schriften, herausgegeben von Klaus Briegleb, Bd. 1, München/Wien 1997, S. 88; diesen Hinweis verdanke ich Karl-Konrad Tschäpe. Zit. bei Richard Buckle: Diaghilew, Herford 1984, S. 31. Vladimir Nabokov: Sprich Erinnerung, sprich, Hamburg 1984, S. 256. Catherine Merridale: Der Kreml, Frankfurt am Main 2014, S. 360. Michail Koréunov/Viktorija Terechova: Tajna tain moskovskich, Moskva 1995. Vgl. Spravoénik-Putevoditel’, Moskva 1932, S. 219. Zit. bei Norman Davies: Im Herzen Europas. Geschichte Polens, München 2000, 5.351. Swetlana Krymova: Zelenaja zeméuiina. Kupiv tri veka nazad «Aptekarskij ogorod» za 11 tysjaé rublej, Moskovskij universitet sdelal ego bescennym, in: Poisk vom 10.September 2015. Wasser-Museum in Sankt-Petersburg: http://www.vodokanal-museum.ru/ (03. 06. 2017); Wasser-Museum in Moskau: http://www.mosvodokanal.ru/about/museum.php (03. 06. 2017).

Unitas. Ili Kratkaja istorija tualeta, Moskva 2007, S. 5 (Literaturliste S. 172—176). Der folgende Text basiert wesentlich auf diesem historischen Abriss. Besprechung der Ausstellung in Winsawod vgl. Ekaterina Degot’: O éem grustit’ V «Tualete» Kabakova, http://os.colta.ru/art/events/details/2785/ (03. 06. 2017); A. S. Konöalovskij: Nizkie istiny, Moskva 2001. 86 Zit. Bogdanov, Unitas, S. 130. 87 Utechin, Oéerki kommunal’nogo byta, S. 94. 88 Vasile Ernu: Oda Sovetskomu tualetu, in: ders.: Roidennyj v SSSR, Moskva 2007,

85 Igor Bogdanov:

5.3.

89 W. I. Lenin: Über die Bedeutung des Goldes jetzt und nach dem vollen Sieg des Sozialismus, in: Ausgewählte Werke, Band III, Berlin 1966, S. 736—743.

90 Zit. Bogdanov, Unitas, S. 86. 91 Zit. Bogdanov, Unitas, S. 87. 92 Ilja Ilf/Jewgeni Petrow: Das Goldene Kalb oder Die Jagd nach der Million, Berlin 2013,

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S. 169—188 (Kapitel 13). Michail Zoééenko: Izbrannoe V dvuch tomach, tom 1, Leningrad 1982, S. 170—172. Michail Bulgakow: Hundeherz, München 1997, S. 42. Zit. Bogdanov, Unitas, S. 100. Bogdanov, Unitas, S. 116. Vgl. Bogdanov, Unitas, S. 114; auch Ales’ Adamovié/Daniil Granin: Blokadnaja kniga, Leningrad 1989; Lidija Ginsburg: Aufzeichnungen eines Blockademenschen, Berlin 2014. Catherine Merridale, Der Kreml, S. 440. Catherine Merridale, Der Kreml, S. 454. Oleg Belov, in: Izvestija Sankt-Peterburga vom 24. 03.2004. Andrej Amalrik: Kann die Sowjetunion das Jahr 1984 erleben?, Zürich 1970. Dietrich Beyrau: Intelligenz und Dissens. Die russischen Bildungsschichten in der Sow-

Anmerkungen

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jetunion 1917 bis 1985, Göttingen 1993; Wolfgang Eichwede: Samizdat. Alternative Kultur in Zentral— und Osteuropa. Die 6oer bis Soer Jahre, Bremen 2000. Günter Hin/Sascha Wonders (Hg.): Kulturpalast. Neue Moskauer Poesie und Aktions— kunst. Mit Tonkassette und Karteikartensammlung, Wuppertal 1984; Günter Hirt/ Sascha Wonders: Moskau. Moskau. Videostücke, Wuppertal 19 87; Juli Kim über Wladimir Wysotzki und Alexander Galitsch, online unter: httpz//www.bards.ru/press/ press_show.php?id=1598 (03. 06. 2017). Juli Kims Poem: httpz//www.bards.ru/archives/part.php?id=19148 (03. 06. 2017). Eine der umfangreichsten Sammlungen zur Geschichte der Dissidentenkultur ist das Archiv der Forschungsstelle Osteuropa der Universität Bremen: httpsz//www.forschungs— stelle.uni-bremen.de/ (03. 06. 2017). Interview des Senders Radio Svoboda mit Dmitri Prigow u. a., in: http://www.svoboda. org/a/242oo667.html (03. 06. 2017). Tichon Dzjadko: Kuchnja Ginzburga, in: Bol’éoj gorod, online unter: httpz//bg.ru/

society/kuhnya_ginzburga-9471/ (03. 06. 2017). 108 Vgl. die Serie in: Bol’éoj gorod, online unter: httpz//bg.ru/series/9379/ (03. 06. 2017). 109 Karl Schlögel: Moskau. Die Rückkehr des Cafés, in: Walter Prigge (Hg.): Städtische Intellektuelle. Urbane Milieus im 20.Jahrhundert, Frankfurt am Main 1992, S. 162—181. 110 Z.B. der autobiographisch gefärbte Roman von Ljudmila Ulitzkaja: Das grüne Zelt. Aus dem Russischen von Ganna-Maria Braungardt, München 2010. III Marusja Iséenko: Kuchnja Mitty, in: Bol’äoj gorod, online unter http:l/bg.rulsocietyl kuhnya_mitty-9421l (03. 06. 2017). 112 Ulitzkaja, Das grüne Zelt; die Erinnerungen von Hans Magnus Enzensberger an seine Russland- und Sowjetunion-Reisen in: Hans Magnus Enzensberger: Tumult, Berlin 2014; Erinnerungen an die Moskau-Besuche auch bei: Wolf Biermann: Warte nicht auf bessre Zeiten! Die Autobiographie, Berlin 2016; aufschlussreich: Heinrich Böll — Lew 113 114 115 116

117

Kopelew: Briefwechsel, Göttingen 2011; Raissa Orlowa/Lew Kopelew: Wir lebten in Moskau, München/Hamburg 1987. Orlowa/Kopelew, Wir lebten in Moskau, S. 31. Solomon Rejser/M. Aronson u. a.: Literaturnye kruiki i salony, Moskva 2001 (1929). Ljudmila Alexejewa: The Thaw Generation: Coming of Age in the Post-Stalin Era, Pittsburgh 1990. Alexander Solschenizyn u.a.: Stimmen aus dem Untergrund. Zur geistigen Situation in der UdSSR, Darmstadt/Neuwied 1975; Karl Schlögel: Überdetermination und Selbstbestimmung. Die Intelligencija-Diskussion sowjetischer Dissidenten in den 70er Jahren : Berichte des BIOSt 1982/23. Zur Literatur über Bürgerrechtsbewegung und Dissidenten: Dietrich Beyrau: Intelligenz und Dissens. Die russischen Bildungsschichten in der Sowjetunion 1917 bis 1985, Göt—

tingen 1993. 118 Alexander Nekritsch: Entsage der Angst. Erinnerungen eines Historikers, Frankfurt 11. a. 1983; Roy Medwedew: Die Wahrheit ist unsere Stärke: Geschichte und Folgen des Stalinismus, Frankfurt am Main 1973. 119 Nikita Chruschtschow: Chruschtschow erinnert sich, Reinbek bei Hamburg 1971; William Taubman: Khrushchev. The Man and His Era, London 2005. 120 Aleksandr Genis/Petr Vajl’: 60-e. Mir sovetskogo beloveka, Ann Arbor 1989. 121 Borys Lewytzkyj: Politische Opposition in der Sowjetunion 1960—1972. Analyse und Dokumentation, München 1972. 122 Vgl. Franco Venturi: The Roots of Revolution: A History of the Populist and Socialist Movements in 19th Century Russia, Chicago 2001; Peter Scheibert: Von Bakunin zu Lenin. Geschichte der russischen revolutionären Ideologien, 1840—1895, Leiden

1956.

123 Übersicht über Entwicklung der Opposition und Bürgerrechtsbewegung in: Kul’tura pamjati. Publikacii na sajte Sacharovskogo centra. Soprotivlenie nesvobode v SSSR:

http://www.sakharov—center.ru/museum/expositions/resistance-unfreedom-ussr.html (03. 06. 2017).

Anmerkungen 124 Petro Grigorenko: Erinnerungen, München 1981. 125 Donald M. Thomas: Solschenizyn. Die Biographie, Berlin 1998. 126 Alla Rosenfeld/Norton T. Dodge (Hg.): Nonconformist Art. The Soviet experience 1956—1986, New York 1995. 127 Leonid Pljuschtsch: Im Karneval der Geschichte. Ein Leben als Dissident in der sowjetischen Realität, München 1983. 128 Karl Schlögel: Der renitente Held. Arbeiterprotest in der Sowjetunion (1953—1983), Hamburg 1984. 129 Richard Lourie: Sacharow. Eine Biographie, München 2003; Elena Bonner: In Einsamkeit vereint: meine Jahre mit Andrej Sacharow in der Verbannung, München 1991; An— drei Sacharow: Stellungnahme, Wien 1974. 130 Lev Gudkov/Boris Dubin: Intelligencija. Zametki 0 literaturno-politiéeskich illjuzijach, Moskva/Char’kov 1995.

LANDSCHAFTEN, ÖFFENTLICHE RÄUME Die gültige Darstellung: Katharina Kucher: Der Gorki-Park. Freizeitkultur im Stalinismus 1928—1941, Köln/Weimar/Wien 2007. Der Moskauer Gorki—Park ist der Prototyp

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für Parks in anderen Städten: E.S.Koéuchova/E.I.Rabinoviéz Kul’turno-politiéeskij kombinat «pod otkrytym nebom»: Central’yj park 1930ch vs klubnye sady 1920ch: sluéaj Sverdlovska, in: Labirint. Zumal social’no-gumanitarnych issledovanii 2/2015. Karl Schlögel: Der Zentrale Gor’kij-Kultur- und Erholungspark (CPKiO) in Moskau. Zur Frage des öffentlichen Raums im Stalinismus, in: Manfred Hildermeier (Hg.): Stalinismus vor dem Zweiten Weltkrieg. Neue Wege der Forschung, München 1998, S. 255—274. General’nyj plan rekonstrukcii goroda Moskvy, Moskva 1936. Zur Ausstellungsarchitektur: M. I. Astaf’eva-Dlugaé/JuP.Voléok: Moskva stroitsja, Moskva 1983, S. 106—124. Die Geschichte des Parks ist heute im Museum des rekonstruierten Parks zu besichtigen. L.B.Lunc/S.N.Palentreérz Zelenye nasaidenija N’ju-Iorka, in: Stroitel’stvo Moskvy 1937/10, S. 17—19. Frederick Starr: Melnikov: Solo Architect in a Mass Society, Princeton 1978. M.P.Koriev/M.I.Prochorova (Hg.): Architektura parkov SSSR, Moskva 1940; Selim O. Chan-Magomedow: Pioniere der sowjetischen Architektur, Dresden 1983, S. 514. Zum Palast der Sowjets vgl. Karl Schlögel: Im Schatten eines imaginären Turms, in: ders.: Moskau Lesen, Berlin 1984, S. 56—65. Michail Zolotonosov: Gluptokratoz. Sovetskaja sadovo—parkovaja skul’ptura 1930—ch godov, in: ders.: Slovol Telo: Seksual’nye aspekty, universalii, interpretacii russkogo kul’turnogo teksta XIX—XX vekov, Moskva 1999, S. 570—765. Dazu detailliert: Katharina Kucher, op. cit. Der rekonstruierte Park nimmt diese Topographie auf subtile Weise wieder auf. Klaus Mehnert: Das zweite Volk meines Lebens. Berichte aus der Sowjetunion 1925— 1983, Stuttgart 1986, S. 89—90. Juri Orlow: Ein russisches Leben, München 1992, S. 67 f. Sheila Fitzpatrick: How the Mice Buried the Cat: Scenes from the Great Purges of 1937 in the Russian Provinces, in: The Russian Review, vol. 52, No. 3 (July, 1993), S. 299— 320; Michail Bachtin: Literatur und Karneval. Zur Romantheorie und Lachkultur, München 1969. Zur Festkultur vgl. Malte Rolf: Das sowjetische Massenfest, Hamburg 2006. Wolfgang Leonhard: Die Revolution entlässt ihre Kinder, Köln 1955; Markus Wolf: Die Troika: Geschichte eines nichtgedrehten Films, Berlin/Weimar 1989. General Ernst Köstring: Der militärische Mittler zwischen dem Deutschen Reich und der Sowjetunion 1921—1941, bearbeitet von H. Teske, Frankfurt/Main 1965, S. 124—125.

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Anmerkungen

18 Osip Mandelstam: Mitternacht in Moskau. Die Moskauer Hefte. Gedichte 1930—1934,

Zürich 1986, 5.99, 101. Henri Cartier-Bressons Photos vom Gorki-Park: Henri Cartier-Bresson: Sowjetunion. I9 Photographische Notizen, Luzern/Frankfurt 1973. 20 Nach dem Roman «Gorki-Park» von Martin Cruz Smith 1983 verfilmt mit Lee Marvin, William Hurt und Joanna Pacula in den Hauptrollen. 21 Marie—Louise von Plessen: Sehsucht. Das Panorama als Massenunterhaltung des 19.Jahrhunderts, Frankfurt/Main 1993 (Katalog der gleichnamigen Ausstellung Kunsthalle Bonn, 28. Mai bis 10. Oktober 1993). 22 Walter Benjamin: Panorama, in: Das Passagenwerk. Gesammelte Schriften V.2, hg. von Rolf Tiedemann, Frankfurt am Main 1982, S. 655—665; Stephan Oettermann: Das Panorama. Die Geschichte eines Massenmediums, Frankfurt/Main

1980.

23 Lemma «Diorama» in: Bol’éaja Sovetskaja Enciklopedija, tom 22, Moskva 1935, 5.487; V. P. Petropavlovskij: Iskusstvo panoram i dioram, Kiev 1965; Verzeichnis der Dioramen auf dem Territorium der UdSSR in: https://ru.wikipedia.org/wiki/JlnopaMa (03. 06. 2017). Z4 Karl D. Qualls: «Where Each Stone Is History»: Travel Guides in Sevastopol after World War II, in: Anne E.Gorsuch/Diane P. Koenker (Hg.): Turizm. The Russian and East European Tourist under Capitalism and Socialism, Ithaca/London 2006, S. 163 —185. 2-5 Sovetskaja panoramnaja zivopis’, Sbornik statej, Leningrad 1965. 26 Ivo Peterson: Central’nyj muzej Velikoj Oteéestvennoj vojny. Karta-putevoditel’, 0.0. 2010.

2-7 Walter Benjamin: Moskauer Tagebuch, Frankfurt am Main 1980, S. 149. 28 Lewis H.Siegelbaum: Modernity Unbound. The New Soviet City of the Sixties, in: Anne E. Gorsuch/Diane P. Koenker (Hg.): The Socialist Sixties. Crossing Borders in the

Second World, Bloomington/Indianapolis 2013, S. 66—83.

29 Owen Hatherley: Landscapes of Communism. A History through Buildings, London 2015.

30 Philipp Meuser: Die Ästhetik der Platte. Wohnungsbau in der Sowjetunion zwischen

Stalin und Glasnost, Berlin

2015,

5.707.

31 Gesamtaufnahme der Operette: Gennadi Roschdestwenski, Sinfonische Kapelle des Russischen Staates, Residenz-Orchester Den Haag, 1997; Verfilmung unter Regie: Gerbert Rappaport, Lenfilm 1962. 32 Zu Juri Pimenow: Jurij Ivanoviö Pimenov, Moskva 1986; Leonid Siékin: 1903—1977. Jurij Pimenov. K 11-letiju so dnja roidenija, Moskva 2013. 33 Zit. Frank Nienhuysen: Wo bin ich?, in: Süddeutsche Zeitung vom 29./30.Dezember 2012, S. V2/3; Philipp Meuser, Die Ästhetik der Platte, S. 33; Plattenbausiedlungen sind auch das Ambiente für Krzysztof Kieélowskis Filmzyklus «Dekalog» aus dem Jahre

1988/89.

34 M. V. Naäéokina: Lemma