Das Rechnungswesen im Spannungsfeld zwischen strategischem und operativem Management: Festschrift für Marcell Schweitzer zum 65. Geburtstag [1 ed.] 9783428487387, 9783428087389

Am 18. Oktober 1997 wird Prof. Dr. Marcell Schweitzer 65 Jahre alt. Aus diesem Anlaß widmen ihm Schüler und Kollegen ein

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Das Rechnungswesen im Spannungsfeld zwischen strategischem und operativem Management: Festschrift für Marcell Schweitzer zum 65. Geburtstag [1 ed.]
 9783428487387, 9783428087389

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Das Rechnungswesen im Spannungsfeld zwischen strategischem und operativem Management

Festschrift rür MarceIl Schweitzer zum 65. Geburtstag

Betriebswirtschaftliehe Forschungsergebnisse Begründet von Prof. Dr. Dres. h. c. Erleb Kosiol t Fortgerührt von Prof. Dr. Dr. h. c. Knut Bleicher, Prof. Dr. Klaus Chmielewicz, Prof. Dr. Günter Dlugos, Prof. Dr. Dres. h. c. Erwln Grochla, Prof. Dr. Heinrich Kloidt, Prof. Dr. Heinz Langen, Prof. Dr. Siegtried Menrad, Prof. Dr. mrich Pleiß, Prof. Dr. RaIf-Bodo Schmidt, Prof. Dr. Wemer VoUrodt, Prof. Dr. Dres. h.c. Eberbard Witte Herausgegeben von Prof. Dr. Marcell Schweitzer Eberhard·Karls·Unlversltät Tüblngen

in Gemeinschaft mit

Prof. Dr. Franz Xaver Bea

Eberhard·Karls·Unlversltät Tüblngen

Prof. Dr. Erleb Frese Universität zu Köln

Prof. Dr. Oskar Grün WIrtschaftsunIversität Wien

Prof. Dr. Dr. h. c. Jürgen Hauschildt Christlan·A1breehts-Unlversltät Kiel

Prof. Dr. Wilfrled Krüger Justus.Lleblll·Unlversltät Gießen

Prof. Dr. Hans-Ulrieb Küpper

Ludwlg-Maxlmlilans-Universltät München

Prof. Dr. Dieter Pohmer

Eberhard·Karls·Unlversltät Tüblngen

Prof. Dr. Henner Schierenbeck Universität Basel

Prof. Dr. Dr. h. c. Norbert Szyperski Universität zu Köln

Prof. Dr. Ernst Troßmann Universität Hohenhelm

Prof. Dr. Dr. h. c. Rütger Wossidlo Unlvenltlit Bayreuth

Band 108

Das Rechnungswesen im Spannungsfeld zwischen strategischem und operativem Management Festschrift für Marcell Schweitzer zum 65. Geburtstag

Herausgegeben von

Hans-Ulrich Küpper Ernst Troßmann

Duncker & Humblot · Berlin

Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme Das Rechnungswesen im Spannungsfeld zwischen strategischem und operativem Management : Festschrift für Marcell Schweitzer zum 65. Geburtstag I hrsg. von Hans-Ulrich KUpper ; Ernst Troßmann. - Berlin: Duncker und Humblot, 1997 (Betriebswirtschaftliche Forschungsergebnisse ; Bd. 108) ISBN 3-428-08738-0

Alle Rechte, auch die des auszugsweisen Nachdrucks, der fotomechanischen Wiedergabe und der Übersetzung, für sämtliche Beiträge vorbehalten © 1997 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Fotoprint: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 0523-1027 ISBN 3-428-08738-0

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Gedruckt auf alterungsbcsländigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706

MarceIl Schweitzer zum 65. Geburtstag gewidmet

Inhaltsverzeichnis

A. Das Rechnungswesen - seine Fundamente und seine Zielrichtung

Zum wissenschaftlichen Werk von Marcell Schweitzer und zum Aufbau dieser Festschrift von Hans-Ulrich KUpper und Ernst Troßmann ........................ ......... ......... .....

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B. Rechnungswesen und externe Steuerung

Der Shareholder Value im Spiegel traditioneller betriebswirtschaftlicher Bilanzansä1ze von RolfBUhner ....... ...................... ................ ........................... ... ........ ..........

27

Strategische Beteiligungen und ihre bilanzielle Abbildung aus Anteilseignersicht von Wolfgang Eiseie .......................................................................................

43

Die International Accounting Standards im Spannungsverh!l.tnis zu den Grundsätzen der deutschen Rechnungslegung von Gunther Reiter .........................................................................................

63

Indirekte Aktivierung von immateriellem Anlagevennögen als Beitrag zur Unternehmenssanierung: Die Fälle Philips und Fokker von Klaus Brockho.IJ ... ............................................... ...... ............. .... ...... ........

89

Planungsmodelle 1hr den Jahresabschluß von Horst Seelbach und Kathrin Fischer ...................... ................... ....... ........ 105

c.

Rechnungswesen und interne organisatorische Steuerung

Unternehmungsinterne Märkte - Konzeptionelle Überlegungen zu einem aktuellen Thema von Erich Frese .............................................................................................. 129 Die vernachlässigten Kosten des Schnittstellen-Managements von JUrgen Hauschildt .................................................................................... 147 Aufgaben, SchwerpWlkte und Instrumente des Kostenmanagements von Wolfgang Mtinnel ..................................................................................... 161

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Inhaltsverzeichnis

Kostenorientierte Preisfmd\U1g: Eine kritische Analyse des Praktikerverfahrens zur PreissetzlUlg von Ralph Bemdt ........... ......................................................... ...... ................. 185 Target Cost Management: Der Stand \U1d die Problematik in Japan von Tetsuo Kobayashi ............. ......... .............................................................. 197 Konzeption zur Anwend\U1g des Zielkostenmanagements auf die Entwickl\U1g von Anwend\U1gssoftware von Karl-Heinz Rau ............................................. ................................. .......... 219 Zielkostenmanagement in frühen Phasen der Produlctentwickl\U1g von Heifried Schneider ... ................ ....... .................................... ............... ...... 241 D. Rechnungswesen und operative Planung

Erfolgs- \U1d Kostenmanagement aus kapitaltheoretischer Sicht vonJosejKloock ............................................................................................ 261 Prozeßcontrolling von Oskar Gran........... ........ ...... ............. ...... ...... .... .... .................. ............... ... 285 Zur Bezugsgrößenwahl in Kostenrechn\U1gssystemen von Horst Glaser .............. ......... ............. ....................................... ................. 303 Supply Chain Plan\U1gs- \U1d SteuerlUlgssystem (SCPS) zur wirtschaftlichen LenklUlg von Lieferketten von Ganther ltJpfel ......................................................................................... 325 Qualitätskosten: Ein Glasperlenspiel oder Controllingobjekt? von Wemer Kem ............................................................................................ 353 Umweltpolitische Instrumente in der betrieblichen Produktionsplan\U1g von Wemer Dinkelbach ........................... ........................ ............................... 375 E. Rechnungswesen und strategische Planung

GrlUldkonzeption einer strategieorientierten Unternehmensrechn\U1g von Franz Xaver Bea ........................................................ .............................. 395 Strategieorientiertes Kostenmanagement in der Industrie\U1ternehm\U1g von Birg;t Friedl ....................................... ..... ........................... ..................... 413 Strategie Considerations in the Design ofResponsibility Acco\U1ting Systems: Cases for Allocating Common Costs von Takeyuki Tan; ....................................... ................................................... 433

Inhaltsverzeichnis

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F. Entwicklung.richtungen des Rechnungswesens Betrachtungen zur Effizienz betrieblicher Kosten- und Erlösreclmungssysteme von G1Jnter Hettich ...... ................................. ................ ..... ... ........... ............... 447 Neue IT-Potentiale zur Unterstützung der Unternelunensftlhrung von Bernd Jahnke .......... ............................................................. ............... ..... 469 Kostenreclmung und Datenbanken von Heiner MuIler-Merbach ................................. ... ... ............................ ... ..... 495 Kostenreclmung ftlr Produktionsoptionen von Ernst Troßmann ............................................................................. :.... ..... 517 Rechnungswesen in Dienstleistungsbetrieben von August-Wi/helm Scheer und Markus Bold ............................. ..................... 547 Hochschulrechnung zwischen Kameralistik und Kostenrechnung von Hans-Ulrich KUpper ........................ ................ .... ........................ ............ 565 Die Regulierung von Leistungsentgelten marktbeherrschender Unternelunen Zu § 24 tT. des Telekommunikationsgesetzes von Eberhard Wirte .......... ................. ..................... ............... ............. ............ 589 'Obersicht Ober das wissenschaftliche Werk von MarceIl Schweltzer ............... 609 Sachregister ......................................................................................................... 620

Verzeichnis der Autoren

Professor Dr. Franz Xaver Bea

Eberhard-Karls-Universität Tübingen, Abteilung Betriebswirtschaftslehre, insbesondere Planung und Organisation

Professor Dr. Ralph Bemdt

Eberhard-Karls-Universität Tübingen, Abteilung Betriebswirtschaftslehre, insbesondere Absatzwirtschaft

Professor Dr. Klaus BrockhojJ

Christian-Albrechts-Universität zu Kiel, Institut fi1r betriebswirtschaftliche hmovationsforschung

Professor Dr. RolfBühner

Universität Passau, Lehrstuhl fi1r Betriebswirtschaftslehre, Organisation und Personalwesen

Professor Dr. Wemer Dinkelbach

Universität des Saarlandes, Fachbereich Wirtschaftswissenschaft

Professor Dr. Wolfgang Eiseie

Universität Hohenheim, Lehrstuhl fi1r Rechnungswesen und Finanzierung arn Institut fi1r Betriebswirtschaftslehre

Professor Dr. Erich Frese

Universität zu Köln, Seminar fi1r Allgemeine Betriebswirtschaftslehre und Organisationslehre

Professor Dr. Birgit Friedl

Christian-Albrechts-Universität zu Kiel, Lehrstuhl fi1r Controlling arn Institut fi1r Betriebswirtschaft

Professor Dr. Horst Glaser

Universität des Saarlandes, Lehrstuhl fi1r Betriebswirtschaftslehre, insbesondere Industriebetriebslehre

Professor Dr. Oskar Grün

Wirtschaftsuniversität Wien, Institut filr Organisation und Materialwirtschaft (Supply Management)

Professor Dr. Dr. h. c. Jürgen Hauschildt

Christian-Albrechts-Universität zu Kiel, Institut fi1r betriebswirtschaftliche hmovationsforschung

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Verzeichnis der Autoren

Dr. Ganter Hettich Kaufinannischer Leiter und Prokurist der Fa. GEC ALSTHOM T&D GmbH, BerlinIF ilderstadt Professor Dr. Bemd Jahnke Eberhard-Karls-Universität Tübingen, Lehrstuhl filr Wirtschaftsinfonnatik Professor Dr. Dr. h.c. Werner Kern Universität zu Köln, Seminar filr Allgemeine Betriebswirtschaftslehre, Industriebetriebslehre und Produ1ctionswirtschaft ProfessorDr. Dr. h.c. JosefKloock Universität zu Köln, Seminar filr Allgemeine Betriebswirtschaftslehre und Unternehmensrechnung sowie Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, Institut filr Betriebswirtschaftslehre, Fachgebiet Internes Rechnungswesen und Controlling Professor Dr. Tetsuo Kobayashi School ofBusiness Administration, Kobe University, Japan Professor Dr. Hans-Ulrich KUpper Ludwig-Maximilians-Universität München, Institut fllr Produktionswirtschaft und Controlling Professor Dr. Wolfgang Mannel Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-NÜffiberg, Lehrstuhl filr Betriebswirtschaftslehre, insbesondere Rechnungswesen und öffentliche Betriebe Professor Dr. Heiner MUI/er-Merbach Universität Kaiserslautern, Fachbereich Sozial- und Wirtschaftswissenschaften, Lehrstuhl Betriebsinfonnatik und Operations Research Professor Dr. Karl-Heinz Rau Fachhochschule filr Gestaltung, Technik und Wirtschaft, Pforzheim, Fachbereich Betriebsorganisation und Wirtschaftsinfonnatik Professor Dr. Ganther Reiter Europäisches Studienprogramm filr Betriebswirtschaft an der Fachhochschule filr Technik und Wirtschaft, Reutlingen Professor Dr. August-Wilhelm Scheer und Dipl.-Wirtsch.-Ing. Markus Bold Universität des Saarlandes, Lehrstuhl filr Betriebswirtschaftslehre, insbesondere Wirtschaftsinformatik Professor Dr. Heifried Schneider Technische Universität Dmenau, Fakultät filr Wirtschaftswissenschaften, Fachgebiet Produktionswirtschaft und Industriebetriebslehre Professor Dr. Horst See/bach und Dr. Kathrin Fischer Universität Hamburg, Institut filr Logistik und Transport Professor Dr. Takeyuki Tani School ofBusiness Administration, Kobe University, Japan

Verzeichnis der Autoren

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Professor Dr. Ernst Troßmann Universität Hohenheim, Lehrstuhl Controlling am Institut fiIr Betriebswirtschaftslehre Professor Dr. Eberhard Witte Ludwig-Maximilians-Universität MUnchen, Institut fiIr Organisation Professor Dr. Ganther zapfel Johannes-Kepler-Universität Linz, Institut fiIr Industrie und Fertigungswirtschaft

A. Das Rechnungswesen seine Fundamente und seine Zielsetzung Zum wissenschaftlichen Werk von Marcell Schweitzer und zum Aufbau dieser Festschrift von Hans-Ulrich KUpper, Universitat MUnchen und Ernst Troßmann, UniversittJt Hohenheim

Am 18. Oktober 1997 wird MarceIl Schweitzer 6S Jahre alt. Zu diesem Anlaß widmen ihm Schüler, Kollegen und Freunde die vorliegende Schrift. Da in seinem wissenschaftlichen Werk immer wieder die tragende Rolle des Rechnungswesens für das Management hervortritt, ist die Thematik der Festschrift hierauf gerichtet. MarceIl Schweitzer gehört zu einer Generation, die bei den großen Betriebswirten aus der ersten Hälfte dieses Jahrhunderts tätig war, in den sechziger Jahren Lehrstühle übernommen und das Geschehen unseres Faches seither maßgeblich bestimmt hat. Geboren in Rumänien als Sohn eines Försters, absolvierte er nach dem Abitur in Hannover eine Lehre als Industriekaufmann. Zum Studium der Betriebswirtschaftslehre ging er von der TU Hannover an die Freie Universität Berlin. Dort wurde er im Anschluß an das Diplom Assistent bei Erich Kosiol. Dessen Persönlichkeit hat ihn fasziniert und seine wissenschaftliche Ausrichtung stark beeinflußt. Die Fundierung im Formalen, dessen Anwendung auf Organisation und Rechnungswesen entsprachen voll seiner Begabung und haben ihn zu eigener wissenschaftlicher Leistung motiviert. Die Ausrichtung theoretischer Konzepte auf praktische Probleme und die Breite der Forschung am Kosiolschen Institut im fachlichen wie im geo-

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Hans-UJrich KOpper und Emst Troßmann

graphischen Sinn kamen seinen eigenen Interessen umfassend entgegen. Hier liegen viele Wurzeln für die Wege, die er beschritten und maßgeblich mitgestaltet hat. Nach Promotion (1963) und Habilitation (1968 nach einem zweijährigen DFG-Stipendium) folgte Schweilzer 1969 einem Ruf auf den ordentlichen Lehrstuhl für Allgemeine Betriebswirtschaftslehre, Industriebetriebslehre und Unternehmensforschung an die Universität Tübingen. Dieser Hochschule ist er trotz attraktiver anderer Angebote treu geblieben. In seiner Fakultät gewann mit Schweitzer die quantitative Richtung der Betriebswirtschaftslehre an Gewicht, das sich schließlich bis zur Einrichtung des Studiengangs zum DiplomKaufmann ausweitete. Das Forschungsinteresse von MarceIl Schweitzer reicht von quantitativen Methoden über die Wissenschaftstheorie bis hin zum Rechnungswesen und zur Unternehmungsfiihrung. Mit der Dissertation zu Problemen der Ablauforganisation wurde die erste Forschungsrichtung eingeschlagen, die sich bis heute weiterverfolgen läßt. Anfang der 70er Jahre traten die Produktions- und Kostentheorie sowie Fragen der Industriebetriebslehre in den Vordergrund. Aufbeiden Gebieten verfaßte er anerkannte Lehrbücher. In ihnen tritt deutlich seine methodologische Fundierung hervor, die eine Basis für die Systematisierung der Probleme und Ansätze liefert. Mit der Einbindung der verschiedenen betriebswirtschaftlichen Produktionsfunktionen in einen einheitlichen Ansatz und ihrer präzisen Analyse anband wissenschaftstheoretischer Merkmale brachte er eine spezifische Betrachtungsweise in die Produktionstheorie ein. Diese Forschungsrichtung wurde vor allem in einem DFG-Projekt zur Materialbedarfsplanung vertieft. Seine intensive Beschäftigung mit Fragen der Produktion mündeten in das 1990 erstmals herausgegebene umfassende Lehrbuch zur Industriebetriebslehre. Mit der Habilitation ist für Schweitzer das Rechnungswesen in das Zentrum seines Forschungsinteresses gerückt und hat ihn seither nicht mehr losgelassen. In der Schrift "Struktur und Funktion der Bilanz - Grundfragen der betriebswirtschaftlichen Bilanz in methodologiseher und entscheidungstheoretischer Sicht" hat er die Problematik der Bilanztheorie oder - wie er präziser sagt - der Bilanzauffassungen in bis dahin nicht vorgenommener Schärfe untersucht und die dynamisch-pagatorische Bilanzauffassung axiomatisiert. In Weiterfiihrung der Pagatorik arbeitete er sehr klar die Bedingungen heraus, denen eine als eindeutiges Meßinstrument konstruierte Erfolgsermittlung unterliegt. Ferner zeigte er auf, daß sie im Hinblick auf wichtige Bewertungsfragen mit der längerfristigen Planung verbunden werden müßte und wie dies realisierbar sein könnte, ohne sie in der Investitions- und Finanzplanung aufgehen zu lassen. Neben der auch in einer Vielzahl von Beiträgen behandelten Bilanzierung gewann das innerbetriebliche Rechnungswesen für ihn immer mehr an Bedeu-

Das Rechnungswesen - seine Fundamente und seine Zielrichtungen

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tung. Den Beginn bildete ein äußerst einfallsreicher Beitrag zur Kostenremanenz, in dem er zeigen konnte, wie sich dieses Phänomen durch mehrdimensionale Kostenfunktionen einleuchtend erklären läßt. Zu den wichtigsten Arbeiten wurden die Lehrbücher "Systeme der Kosten- und Erlösrechnung" und "Break-even-Analysen". Im ersten liegt neben einer wissenschaftstheoretisch geprägten Darstellung der Grundlagen die Betonung auf der Charakterisierung und dem Vergleich der wichtigsten Kostenrechnungssysteme. Über inzwischen sechs Auflagen hinweg wurde der jeweils aktuelle Stand in diesem wichtigen Bereich des Rechnungswesens immer wieder aufbereitet und durch eigene Ansätze weitergeführt. Im zweiten hat Schweitzer ein ihn seit vielen Jahren interessierendes Konzept in dessen vielfältigen Ausprägungen umfassend dargestellt und analysiert. Teilprobleme des internen Rechnungswesens wie z.B. Kostenkategorien, -funktionen und -prinzipien wurden in Einzelbeiträgen vertieft. Ein besonders interessantes, aber vor allem im Hinblick auf die Umsetzung schwieriges Gebiet war die Leitung eines Forschungsprojekts zur Entwicklung einer Hochschulkostenrechnung. In ihm wurden die Probleme sowie die Gestaltungsmöglichkeiten einer solchen Rechnung eingehend analysiert und realisierbare Lösungskonzepte erarbeitet. Damit ist Schweitzer zu einem sehr frühen Zeitpunkt in den immer wichtiger werdenden Bereich der Dienstleistungsunternehmungen vorgestoßen. Die Aktualität der in diesem Projekt gesammelten Erkenntnisse erweist sich gegenwärtig in besonderem Maße. Die Gewinnermittlung in der Bilanzrechnung oder die Bestimmung von Kosten waren für Schweitzer kein Selbstzweck. In der Verknüpfung der Gewinnermittlung mit der entscheidungsabhängigen Gewinnverwendung und der Ausrichtung der Kostenrechnung auf unterschiedliche Rechnungszwecke und -ziele wird erkennbar, wie klar er ihre Bedeutung als Managementinstrumente sah und herausarbeitete. Dem entspricht seine Beschäftigung mit Führungsproblemen privater und öffentlicher Unternehmungen, die sich auch in seinen Beiträgen in der zusammen mit Franz X Bea und Erwin Dichtl herausgegebenen Allgemeinen Betriebswirtschaftslehre niederschlägt. Die Entwicklung betriebswirtschaftlicher Fachgebiete wird in besonderer Weise durch Handwörterbücher dokumentiert und von diesen beeinflußt. Über seine Tätigkeit als Mitherausgeber (neben Erich Kosiol und Klaus Chmielewicz) des inzwischen in dritter Auflage erschienenen Handwörterbuchs des Rechnungswesens hat Marcell Schweitzer wesentlich dazu beigetragen, die Fundamente dieses Gebietes zu festigen und seine Zielrichtungen zu prägen. Über seine Forschung hinaus hat er damit Einfluß auf die Weiterfiihrung des Rechnungswesens genommen. Die immer wieder auf grundsätzliche Fragen zielenden Arbeiten von Schweitzer und diese Handwörterbücher zeigen eindrücklich die wissenschaftliche Entwicklung auf dem Gebiet des Rechnungswesens. Obwohl es gegen 2 FS Schweitzer

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Hans-U1rich Küpper und Ernst Troßmann

Ende der 60er Jahre gefestigt und geschlossen erschien, kam es zu entscheidenden Neuausrichtungen. Mit seinem Ausbau zum Führungsinstrument gewannen die Zukunftsorientierung und die Zielabhängigkeit zentrale Bedeutung. In dieser Funktion werden wesentlich höhere Anforderungen an das Rechnungswesen als an ein reines Abrechnungsinstrument gestellt. Damit gerät es in das Spannungsfeld der verschiedenen Führungsinstrumente und Führungsteilbereiche. Deshalb bot es sich an, die Position des Rechnungswesens im Spannungsfeld zwischen strategischem und operativem Management zum Gegenstand der ihm gewidmeten Schrift zu wählen. Als Führungsinstrument muß das Rechnungswesen nicht nur höheren, sondern zugleich unterschiedlichen Anforderungen genügen. Deshalb befassen sich die Beiträge dieses Buches sowohl mit den Rechnungszwecken der Planung als auch mit seiner Nutzung zur innerbetrieblichen (Verhaltens-) Steuerung. Aus den verschiedenen Rechnungszwecken ergeben sich zudem teilweise entgegengerichtete Anforderungen an die zu ihrer Erfüllung notwendigen Rechnungssysteme. Dieses Problem wird dadurch verstärkt, daß sich die übergeordneten Zwecke in unterschiedliche Richtungen aufgliedern. So ist die externe Steuerung der Unternehmung von der internen Steuerung betrieblicher Teileinheiten zu trennen; Informationen fiir Planungszwecke können eher auf strategische oder auf operative Management-Aufgaben ausgerichtet sein. Darüber hinaus entstehen besondere Anforderungen an das Rechnungswesen durch die eigene Problematik spezifischer Produkte und Branchen sowie Entscheidungssituationen. So stehen die Gestaltungsfragen des Rechnungswesens in einem Spannungsfeld vielfältiger Management-Anforderungen. Nach den unterschiedlichen Richtungen, denen sich auch der Jubilar und Erstadressat dieser Schrift immer wieder gewidmet hat, sind die Beiträge folgenden Hauptkapiteln zugeordnet: -

In Kapitel B "Rechnungswesen und externe Steuerung" werden Modelle zum externen Rechnungswesen mit ihrer besonderen Betonung einer möglichst objektiven, nachprüfbaren Ermittlung und Rechnungslegung behandelt.

-

Kapitel C "Rechnungswesen und interne Steuerung" untersucht die Möglichkeiten, mit dem Rechnungswesen Ansätze einer internen dezentralen Steuerung zu realisieren.

-

Kapitel D "Rechnungswesen und operative Planung" beschäftigt sich mit der Informationsbereitstellung rur zahlreiche innerbetriebliche Planungsansätze, deren Gegenstandsbereich quantitativerfaßt wird und daher vorwiegend im operativen Bereich liegt.

-

Kapitel E "Rechnungswesen und strategische Planung" ist der Frage gewidmet, inwieweit die konkrete Ausgestaltung des Rechnungswe-

Das Rechnungswesen - seine Fundamente und seine Zielrichtungen

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sens von Unternehmungsstrategien und ihren Veränderungen abhängt. -

Im Kapitel F "Entwicklungsrichtungen des Rechnungswesens" werden Entwicklungsrichtungen von Rechenansätzen für ausgewählte Entscheidungsfragen und besondere Anwendungsbereiche behandelt.

Im Kapitel B "Rechnungswesen und externe Steuerung" steht die Frage im Mittelpunkt, wie das externe Rechnungswesen und dabei insbesondere die Bilanz zu gestalten sind, um den Anforderungen seiner Adressaten gerecht zu werden. Als primärer Inforrnationsempfiinger wird wieder mehr der Eigenkapitalgeber beachtet - vor allem bei Kapitalgesellschaften mit börsennotierten Anteilen. Rolf Bilhner diskutiert zunächst die in jüngster Zeit verstärkt hervorgetretene Orientierung am Shareholder Value. Seine Analyse deckt auf, daß wesentliche Elemente des heute diskutierten Cash-Flow-Berechnungskonzepts für den Shareholder Value bereits bei verschiedenen Bilanzauffassungen in den Ansätzen zur Gewinnermittlung zu finden sind. Einen besonderen Stellenwert im Shareholder Value nimmt die Bewertung von Beteiligungen ein, die von Wolfgang Eiseie untersucht werden. Der bloße Beteiligungsausweis kann die durch die Beteiligung hervorgerufenen Shareholder-ValueÄnderungen nicht adäquat ausdrücken, da zwischen der Ertragsbewertung und dem bilanziellen Ausweis erhebliche Diskrepanzen entstehen. Eiseie unterscheidet Vollkonsolidierung und Pooling-of-Interests-Konsolidierung als mögliche genauere Abbildungsvarianten. Dabei stellt sich heraus, daß weniger die Art der Konsolidierung als die Möglichkeit einer ergebnisorientierten Ex-postKontrolle maßgebend sind. Eine eigene Dimension erhält die Beurteilung von Beteiligungen durch die hier bestehende Principal-Agent-Problematik. Für eine erfolgsabhängige Entlohnung des Beteiligungs-Engagements zeigen sich finanzwirtschaftliche gegenüber bilanziellen Größen als tendenziell besser geeignet. Den Entwicklungsprozeß der International Accounting Standards von ursprünglich unverbindlichen Empfehlungen hin zu maßgeblichen Rechnungslegungskriterien für die Börsenzulassung diskutiert Ganter Reiter in seinem Beitrag. Die international beobachtbare stärkere Ausrichtung auf den Eigenkapitalgeber läßt vor allem die Periodenabgrenzung wichtiger erscheinen als das Erfordernis der Objektivierbarkeit. Demgemäß dominieren in den International Accounting Standards zunehmend herkömmliche US-amerikanische Regelungen gegenüber kontinentaleuropäischen Bewertungsvarianten. Vor diesem Hintergrund werden die Vereinbarkeit mit deutschen Rechnungslegungsprinzipien sowie Möglichkeiten ihrer Weiterentwicklung diskutiert. Der Beitrag von Klaus Brockhoff greift ein Bilanzierungsproblem heraus, das einen zentralen Unterschied der neueren International Accounting Standards zum geltenden deutschen Bilanzrecht beleuchtet: das Bilanzierungsver2·

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Hans-U1rich Kilpper und Ernst Troßmann

bot von selbsterstellten immateriellen Vennögensgegenständen. An den Fällen Philips und Fokker wird gezeigt, wie es mit einer Art Sale-and-Lease-BackVerfahren zu einer indirekten Aktivierung gewerblicher Schutzrechte kommen kann. Folgerungen fiir generelle Bewertungsmöglichkeiten und -prinzipien machen die Analyse über die konkreten BeispielfiUle hinaus zusätzlich interessant. Einen allgemeinen Ansatz zur Bilanzpolitik schließlich stellen Horst See/bach und Kathrin Fischer vor. Ganz im Sinne der von Schweitzer betonten Trennung zwischen Ermittlungs- und Verwendungsrechnung ist ihr Modell auf die Optimierung einer zunächst als vorläufig ermittelten Basisbilanz gerichtet. Der bilanzpolitische Spielraum wird durch eine Reihe von Vorschriften und Regeln definiert. Hinzu können angestrebte Relationen bestimmter Bilanzpositionen treten. Der Ansatz macht deutlich, daß bei expliziertem Bedingungsrahmen und klarer Zieldefinition die Ausnutzung von Bilanzierungsspielräumen eine quantitativ fonnulierbare und lösbare Optimierungsaufgabe ist. Während das Rechnungswesen fiir eine externe Steuerung eine zwiespältige Rolle spielen kann, weil hier der Ersteller der Rechnung nicht dem unmittelbaren Einflußbereich des Infonnationsadressaten unterliegt, sind die Verhältnisse bei der internen Steuerung grundlegend anders. An die Stelle gesetzlicher Vorschriften sowie anerkannter Nonnen und Konventionen treten die gesetzesfreien, jedoch zielbezogenen internen Festlegungen einer Unternehmung. Soweit aber Ergebnisse aus dem betrieblichen Rechnungswesen zur internen Steuerung unterschiedlicher organisatorischer Einheiten verwendet werden, ergibt sich aus Sicht des Informationsempflingers eine ähnliche Situation wie im externen Rechnungswesen. Dajedoch Soll-Vorgabe, Infonnationsbereitstellung und Gestaltung der entsprechenden Rechenkonzepte im Einfluß der betrieblichen Zentrale, etwa einer Controlling-Einheit, liegen, sind die Gestaltungsmöglichkeiten ungleich größer und können effizienter genutzt werden. Diese Problematik ist Gegenstand des Kapite/s C. Einen grundsätzlichen Einblick in die Sichtweisen der internen Steuerung vennittelt der Beitrag von Erich Frese. Er fuhrt in die Idee der "Quasi-Marktbeziehung" innerhalb einer Unternehmung ein. Besonderheit des internen Marktes ist die Verbundenheit der Partner über externe Märkte, über gemeinsame Ressourcen oder über abzustimmende Prozesse. Frese zeigt, daß es zweckmäßig ist, als Gegenstück zum externen Markt einerseits den realen internen, andererseits den fiktiven Markt zu setzen. Die Management-Aufgaben bei definierten internen Märkten sind allerdings nicht leicht: Es geht um die adäquate strategische Zielvorgabe, um die Motivation zu marktorientierten Ansätzen und - was vor allem das Rechnungswesen betrifft - um die Bewertung der Allokationsleistung interner Märkte. Eine betriebliche Steuerung über

Das Rechnun~esen - seine Fundamente und seine Zielrichtungen

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die Definition interner Marktbeziehungen soll herkömmliche hierarchische Koordinationsinstrumente weitgehend durch sich selbständig bildende Abstimmungsprozesse ersetzen. Die hierarchische Koordination macht daher einem SchnittsteUen-Management Platz. Entsprechend ändern sich die Kosten der Koordination. JfJrgen Hauschildt zeigt, daß dieser Aspekt keineswegs vernachlässigbar ist. Er arbeitet heraus, inwieweit hierbei die Idee der Transaktionskosten hilfreich sein kann und skizziert Berechnungskonzepte fiir die Schnittstellenkosten. Die ersten beiden Beiträge dieses Kapitels machen deutlich, daß jede interne betriebliche Steuerung einer fundierten Unterstützung durch ein entsprechendes internes Rechnungswesen bedarf. In welcher Weise dies geschehen kann, zeigt der Überblick von Wolfgang Mlinne/. Umfassend kennzeichnet er, wie sich die ursprüngliche Kostenrechnung zu einem Kostenmanagement hin entwickelt hat. Weniger die Berechnung entstehender Kosten als die aktive Beeinflussung von Kostenstrukturen ist heute von Bedeutung. Die weitere Entwicklung richtet sich auf eine Integration isolierter produktbezogener oder prozeßorientierter Kostenmanagementansätze sowie des ressourcenorientierten Leistungscontrolling. Integrationsansatz könnte eine lebenszyklusorientierte Kosten- und Erfolgssteuerung sein. Einen wichtigen Problemkreis der internen Steuerung bildet die Vorgabe von Lenkungs- und Grenzpreisen. In bezug auf die Preisobergrenze von Absatzprodukten ist hierzu in den vergangenen Jahren vor allem der Ansatz des Target Costing in den Vordergrund getreten. Mit dieser Problematik beschäftigen sich die weiteren vier Artikel dieses Kapitels. Unter der Überschrift "Kostenorientierte Preisfindung: Eine kritische Analyse des Praktikverfahrens zur Preissetzung" problematisiert Ra/ph Berndt die in der Praxis nach wie vor angewandten kostenorientierten Preisfestsetzungsmethoden. Er kommt zu einem generellen Überblick über Preisfindungsmethoden auf Kostenbasis und deckt deren kostentheoretische Grundlage auf. Ein besonderer Blick ist dabei dem Marktbezug der Preissetzung gewidmet, ein Aspekt, der als charakteristisches Element des Target Costing auch die weiteren Beiträge durchzieht. Die Möglichkeiten des Target Costing und seines Ausbaus zu einem ManagementGedanken schildert Tetsuo Kabayashi fiir die Situation in Japan. Dabei hebt er vor allem die Einbettung des Target-Costing-Prozesses in ein entsprechendes Management-Umfeld hervor. Der gezielte Einsatz von geeigneten Führungsinstrumenten wirkt dabei unterstützend. Eine eher ungewöhnliche Anwendung des Target-Costing-Gedankens stellt Kar/-Heinz Rau vor, indem er die Problematik der Kalkulation von Software untersucht. Wegen des fast erschöpfenden Anteils an mengenunabhängigen Vorleistungskosten ist dies ein besonders heikler Fall. Die im Target-Costing-Prozeß angestrebte Kundenausrichtung und Zielorientierung in der Produktdefinition erhält deshalb hier eine verstärkte Bedeutung. Rau zeigt, auf welchen Grundideen ein Zielkosten-

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Hans-Ulrich Küpper und Ernst Troßrnann

management bei solch einer Anwendung aufbauen kann. Die Problematik des frühzeitigen Einsetzens eines Target-Costing-Managementprozesses behandelt Herfried Schneider. Bei ihm steht die allgemeine Situation in Industriebetrieben im Vordergrund. Wegen der noch unvollständigen Produktdefinition kommen für die Kostenrechnung vor allem die Verfahren der konstruktionsbegleitenden Kalkulation in Frage. Zusammen mit den Elementen des Zielkostenmanagements ergibt sich daraus eine interessante Methodenkombination. Kapitel D behandelt die Gestaltungsfragen des Rechnungswesens für operative Planungsaufgaben. Grundsätzliche Abgrenzungsfragen und vor allem der Zusammenhang zwischen finanziellen Oberzielsetzungen und der Gestaltung von Rechnungssystemen für die Lösung operativer Planungsaufgaben behandelt Josef Kloock. Anhand der Interdependenzen zwischen Kapazitäts- und Programmplanung diskutiert er Modellansätze für die mehrperiodige Produktions- und Investitionsplanung. Diese dienen als Grundlage für die inhaltliche Gestaltung operativ orientierter Planungsansätze und Deckungsbeitragsrechnungen.

In den operativen Bereich fällt das Management von Prozessen, dem die drei folgenden Beiträge gewidmet sind. Sie behandeln zwei unterschiedliche Aspekte des Prozeßmanagements und seiner rechnerischen Fundierung. Oskar Grün gibt einen Überblick über die Aufgabenstellung und die speziellen Merkmale des Prozeß-Controlling. Als zentrale Elemente arbeitet er unter anderem die Orientierung an Einzelprozessen, die Integration von Prozeß- und Ergebnisorientierung, prozeßorientierte Erfassungs- und Analysemethoden sowie die dezentrale Verankerung in der Unternehmungsorganisation heraus. Horst Glaser problematisiert die Gestaltung von Prozeßkostenrechnungen und legt detailliert dar, an welchen Stellen eines Kostenrechnungssystems durch die Wahl von Bezugsgrößen Fehlerpotentiale bestehen. Die Definition eines Kostenverzerrungsgrads kann quantitativ verdeutlichen, welchen Preis vereinfachte Lösungen der Bezugsgrößenwahl haben. Dies gibt Orientierungshinweise für die Zusammenstellung geeigneter Bezugsgrößen in der Kalkulation. Das Management ganzer Lieferketten untersucht Günther Ziipfel. Für eine wirtschaftliche Planung und Steuerung des Material- und Produktflusses von den Lieferanten bis zu den Kunden, einschließlich seiner innerbetrieblichen Elemente, bedarf es eines Planungskonzepts sowie der adäquaten Informationsgrundlage. Ziipfel formuliert einen detaillierten Vorschlag eines Supply Chain Planungs- und Steuerungssystems, der neben der zentralen Komponente für die Mengenplanung auch wichtige Controlling-Elemente enthält. In den vergangenen Jahren haben die Qualitäts- und Ökologieorientierung für die Planung von Produktionsprozessen und den Absatz der Produkte besondere Bedeutung erlangt. Diesen beiden Themen sind die folgenden Beiträge des Kapitels D gewidmet. Werner Kern behandelt die Frage, ob und wie

Das Rechnungswesen - seine Fundamente und seine Zielrichtungen

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Kosten der Qualitätssicherung definiert, erfaßt und gestaltet werden können. Er diskutiert die Problematik einer Einpassung von Qualitätskosten in die übliche Kostendefinition, zeigt aber vor allem pragmatische Wege einer kostenrechnerischen Messung qualitätsrelevanter Effekte auf, welche die Grundlage eines entsprechenden Qualitätscontrolling bietet. Mit der Umweltproblematik beschäftigt sich Werner Dinkelbach. Ausgangspunkt seiner Analyse sind die typischen Zielkonflikte zwischen Formalerfolgs- und Umweltzielen von Produktionsprozessen. Adäquate Instrumente ermöglichen es, ökologische Effekte in Erfolgsänderungen umzusetzen. Am Beispiel einer CobbDouglas-Technologie diskutiert er die Wirksamkeit von Instrumenten der Steuerung über Preise, über Mengen und über Emissionszertifikate. Auf den Zusammenhang von strategischer Planung und Rechnungswesen ist Kapitel E gerichtet. Da strategische Entscheidungen in der Regel nicht auf konkreten quantitativen Informationen beruhen, lassen sich Rechnungswesendaten höchstens begrenzt fiir strategische Planungszwecke heranziehen. Hingegen können strategische Entscheidungen deutliche Rückwirkungen auf die Gestaltung des internen Rechnungswesens haben. Franz Xaver Bea legt das Konzept eines auf den strategischen Grundentscheidungen der Unternehmung fußenden Rechensystems vor. Nach seinem Vorschlag besteht eine strategieorientierte Unternehmungsrechnung aus drei Modulen. Mit einer Projektrechnung sollen Strategien bewertet werden. Die Potentialrechnung soll das betriebliche Fähigkeitspotential wiedergeben, eine gewählte Strategie zu realisieren. Die Prozeßrechnung bildet die Maßnahmen kostenrechnerisch ab, mit denen eine Strategie konkret umgesetzt wird. Die Potentialrechnung wird am Beispiel einer strategischen Humanpotentialrechnung dargestellt. In die Prozeßrechnung gehen unter anderem das Target Costing, die Prozeßkostenrechnung oder das Benchmarking als Elemente ein. Birgit Friedl stellt die besondere Bedeutung heraus, die der Gestaltung der Kostensituation bei der Schaffung und Sicherung von strategischen Wettbewerbsvorteilen der Unternehmung zukommt. Sie untersucht die spezifischen Anforderungen der jeweiligen Wettbewerbsstrategie an die Kostenstruktur. Hieraus werden die Konsequenzen fiir das adäquate Kostenmanagement abgeleitet, das den Strategieprozeß begleitet. Zentrale Elemente hierfiir sind unter anderem die Wertkettenanalyse sowie das Cost-Benchmarking. Auf den Änderungs- und Anpassungsaspekt im Ableitungszusammenhang zwischen Strategiewahl und Rechnungssystemgestaltung richten sich die Überlegungen von Takeyuki Tani. Er diskutiert den Einfluß der Unternehmungsumwelt und der daraus resultierenden strategischen Entscheidungen auf das interne Rechnungswesen. Dieser wird vorwiegend über organisatorische Änderungen in der Unternehmung wirksam und kann vor allem in der Konzeption von Bereichs-Kostenrechnungen erkannt werden. Konkrete Beispiele sind die Bestimmung von Verrechnungspreisen und die Zurechnung gemeinsamer Ressourcenkosten innerhalb eines Systems interner Steuerung mit Hilfe von Kosteninformationen.

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Hans-U\rich KOpper und Ernst Troßmann

Das letzte Kapitel F zeigt einige interessante Entwicklungsrichtungen für das Rechnungswesen auf. Einleitend arbeitet Günter Hettich heraus, wie die Effizienz interner Rechensysteme beurteilt werden kann und von welchen Bestimmungsgrößen sie abhängt. Dann untersucht er den Zusammenhang von Bestimmungsgrößen der Effizienz und Effizienzindikatoren. Dies mündet in den Vorschlag eines Systems von Bestimmungsgrößen der Effizienz von Rechnungssystemen. Die beiden folgenden Beiträge beschäftigen sich mit den Rückwirkungen der Informations- und Kommunikationstechnik auf die kostenrechnerischen Gestaltungsmöglichkeiten. Bernd Jahnke gibt einen Überblick über die Möglichkeiten der Computerunterstützung zur Unternehmungsführung. Er skizziert die neu eröffneten Potentiale für das Management durch die erweiterten Möglichkeiten des Daten- und Dokumentenmanagements durch die Multimedia-Angebote sowie leistungsfähigere Anwendungssoftware. Heiner MüllerMerbach greift insbesondere die Wechselbeziehung zwischen Rechnungsmethoden und ihrem Daten-Spiegelbild in Datenbanken auf. Er zeigt, aufweIche Weise ein Datenbankdesign interessante Rückschlüsse auf die Logik einer Rechenmethode erlaubt. Während die ersten drei Beiträge dieses Kapitels generelle Entwicklungslinien des Rechnungswesens aufzeigen, die aus verbesserten Gestaltungsmöglichkeiten resultieren, geht es in den weiteren Aufsätzen dieses Kapitels um besondere, unter neuem Blickwinkel betrachtete Anwendungsfälle. So untersucht Ernst Troßmann die Bewertung bestimmter Entscheidungssituationen im Produktionsbereich, welche durch die Wahl zwischen einer sicheren, aber möglicherweise ungünstigeren Alternative und einer vielleicht günstigeren, dafür aber risikobehafteten Alternative gekennzeichnet sind. Über eine Analogie zu Optionsgeschäften des Wertpapiermarktes können Grenzpreise für die Alternativenbewertung hergeleitet werden. Zur Berechnung, Interpretation und Anwendung derartiger Realoptionen legt Troßmann einen Vorschlag vor. Dringlich erforderlich erscheint ein Ausbau des Rechnungswesens für die immer wichtiger gewordenen Dienstleistungsbetriebe. Dem sind die letzten drei Beiträge gewidmet. August-Wilhelm Scheer und Markus Bold geben zunächst einen Einblick in die allgemeine Problematik der Dienstleistungskalkulation. Sie stellen dann ein Verfahren zur Bewertung von Geschäftsprozessen vor, das auf der rur immaterielle Produkte interessanten Prozeßkostenrechnung beruht, und diskutieren die Anwendungsmöglichkeiten bei privaten sowie öffentlichen Dienstleistungsanbietern. Eine in jüngster Zeit wieder verstärkt in das öffentliche Interesse gerückte Fragestellung behandelt Hans-UIrich Küpper mit dem adäquaten Rechensystem für das spezielle Dienstleistungsangebot von Hochschulen. Ausgehend von einer Kritik am herkömmlichen kameralistischen Rechensystem der öffentlichen Verwaltung gelangt er

Das Rechnun~wesen - seine Fundamente und seine Zielrichtungen

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zu einem System von Strukturmerkmalen für eine adäquate Hochschulrechnung, die sich an den Haupt- und Nebenprozessen von Forschung, Lehre und Service in einer Hochschule orientiert. Ein ganz anderes immaterielles Produkt, dessen Bereitstellung seit einiger Zeit ebenfalls intensiv öffentlich diskutiert wird, betrachtet Eberhard Witte: die Leistungen der Telekom. In seinem Beitrag zeigt er die Bewertungsprobleme dieser Dienstleistungsproduktion. Ihre Kosten- und Leistungsrechnung wirft besondere Fragen auf, weil wegen des großen Produktivitätsfortschritts eine erhebliche relative Kostenersparnis möglich wird, eine kostenorientierte Preisfindung zwar vorgesehen, aber kaum objektiv möglich ist und schließlich bei der Telekom-Grundleistung eine besondere Dimension des Fixkostenproblems besteht. Wilte demonstriert die daraus folgenden Schwierigkeiten und zeigt Möglichkeiten ihrer Lösung auf. In jedem der 28 Beiträge dieser Festschrift findet man Grundgedanken wieder, die MarceIl Schweilzer in seinen Arbeiten gelegt hat. Darin zeigt sich über die gesamte Themenbreite dieser Festschrift, in welcher Weise MarceIl Schweitzer die Diskussion zentraler Problemstellungen des Rechnungswesens angestoßen, Ansätze ihrer Lösung vorgeschlagen, ihre Weiterentwicklung gefördert und die Diskussion angereichert hat. Herausgeber und Autoren dieser Festschrift sehen darin ihre Verbundenheit mit dem Jubilar und verbinden dies mit den besten Wünschen für persönliches Wohlergehen und eine weiterhin erfolgreiche wissenschaftliche Arbeit.

B. Rechnungswesen und externe Steuerung

Der Shareholder Value im Spiegel traditioneller betriebswirtschaftlicher Bilanzansätze von RolfBUhner, Universitm Passau

I. Grundgedanken ........................................................................................... 28 ll. Elemente des Shareholder Value ............ ................... ... ........... ............ ... ..... 28

1. Cash-flows aus betrieblicher Tätigkeit ................. ... ........... .......... ............ 29 2. P1anungsperiode .................. .......... ...... ................ ............ ........... ............. 30

3. Diskontierungsfaktor ............................................................................... 31 Ill. Elemente des Shareholder Value in traditionellen bilanztheoretischen

Ansätzen ..................................................................................................... 32 1. Dynamische Bilanz .................................................................................. 32

2. Heutiger Wert........................................................................................... 34 3. Pagatorische Bilanz .................................................................................

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4. Synthetische Bilanztheorie .......... ........ ................ .............. ......... ....... ....... 38

IV. Zusammenfassung ..................................... ,................................................. 40

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RolfBühner

I. Grundgedanken Die Globalisierung des Wettbewerbs zwingt viele Unternehmen zur Beschaffung von neuem Kapital. Bei börsennotierten Gesellschaften geschieht dies oft durch die Aufnahme zusätzlichen Eigenkapitals. Dies verstärkt die Konkurrenz um die knappen finanziellen Ressourcen am deutschen Kapitalmarkt und damit um die Gunst der Aktionäre. Viele Unternehmen reagieren auf diese Entwicklung mit einer verstärkt kapitalmarktorientierten Unternehmenssteuerung. Als Maßgröße dient dabei der Shareholder Value.

Rappaports wegweisendes Werk "Creating Shareholder Value" (vgl. Rappaport [Shareholder Value]) gilt als Auslöser für den Einzug des ShareholderValue-Ansatzes in die Vorstandsetagen deutscher Unternehmen. Ausgehend von den USA, wo in den 80er Jahren aufgrund von sog. "Raiders" Restrukturierungen nach Shareholder-Value-Maßstäben erfolgten, erreichte der Shareholder Value den alten Kontinent. Die wertorientierte Unternehmensführung ruckt die Interessen der Aktionäre an der Rentabilität ihrer Aktienanlage in den Mittelpunkt der unternehmerischen Entscheidungsfindung, was von anderen Unternehmenskoalitionären, wie z. B. den Arbeitnehmervertretern, als Einseitigkeit zum Teil scharf kritisiert wird. Auch die handelsrechtliche gläubigerorientierte Bilanzierung gerät mit in die Diskussion. Denn die Ausrichtung des Unternehmens an den Interessen der Aktionäre macht weniger einen gläubigerorientierten, vorsichtigen Gewinnausweis erforderlich als vielmehr den Ausweis des "tatsächlichen" Erfolgs für die Eigentümer im Jahresabschluß eines Unternehmens. Idee und Konzeption des Shareholder Value sind aber keineswegs neu. Bestandteile des Shareholder-Value-Ansatzes lassen sich bereits in der Diskussion um Aufbau und Funktion der Bilanz finden, die bis in die 60er Jahre hinein intensiv geführt wurde. Dieser Beitrag betrachtet nun einige ältere Ansätze aus dieser Diskussion aus dem scheinbar modernen Blickwinkel des ShareholderValue-Ansatzes. Zuvor werden die grundlegenden Elemente des Shareholder Value knapp erläutert, um den Vergleich mit den traditionellen Ansätzen zu erleichtern.

11. Elemente des Shareholder Value Der Begriff Shareholder Value läßt sich im Deutschen mit Aktionärsvermögen wiedergeben (vgl. zu den folgenden Ausführungen Rappaport [Shareholder Value] 50 ff., Bühner [Management-Wert-Konzept] 35 ff.; ders. [Unternehme-

Shareholder Value

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rische Führung] 9 ff.). Das Aktionärsvermögen wird durch Kursgewinne, Bezugsrechte und Dividendenzahlungen gesteigert. Die Entscheidung der Aktionäre, Anteile an einem Unternehmen zu halten oder zu veräußern, basiert in erster Linie auf der Erwartung zukünftiger Vermögenszuwächse. Der Aktionär beurteilt sein Engagement folglich anband der ihm zukünftig zufliessenden Zahlungen, wobei er die Zahlungen, die zu einem späteren Zeitpunkt erfolgen, grundsätzlich niedriger bewertet als die Geldmittel, über die er bereits gegenwärtig verfügen kann. Das gesamte Aktionärsvermögen aus der Sicht des Unternehmens ergibt sich als heutiger Wert des Eigenkapitals aus der Differenz des Unternehmenswertes und des Werts des Fremdkapitals. Dabei steht der Unternehmenswert im Mittelpunkt des Shareholder-ValueAnsatzes. Ihn gilt es zu steigern, um für die Kapitalgeber attraktiv zu bleiben. Er ergibt sich als Barwert der Einzahlungsüberschüsse (Cash-flows) in der Planungsperiode. Die wesentlichen Bestandteile des Shareholder-Value-Ansatzes sind somit -

die zukünftigen Cash-flows aus der betrieblichen Tätigkeit

-

die Planungsperiode und

-

der Diskontierungsfaktor.

1. Cash-flows aus betrieblicher Tätigkeit Der Cash-flow eines Unternehmens ergibt sich aus der Differenz von Ein- und Auszahlungen. Hier sind vor allem die Zahlungen von Bedeutung, die aus der betrieblichen Tätigkeit resultieren (sog. Operating Cash-flow). Denn der zukünftige Wert aus der Sicht der Kapitalgeber richtet sich in erster Linie nach der Erwartung von Zahlungen aus der ordentlichen Tätigkeit des Unternehmens. Diese Zahlungen dürften auch leichter zu prognostizieren sein als außerordentliche Zahlungen. Darüber hinaus werden von den betrieblichen Einzahlungen die Steuerzahlungen und die Ersatzinvestitionen (vereinfachend die Abschreibungen) abgezogen. Sie dienen der Aufrechterhaltung des Geschäftsbetriebes. Der Operating Cash-flow läßt sich entweder direkt als Saldo aus den finanzwirksamen Erträgen und Aufwendungen des betrieblichen Leistungserstellungsprozesses ermitteln oder indirekt durch rückwirkende Bereinigung des bilanziellen Jahresüberschusses um den Saldo der finanzunwirksamen Erträge und Aufwendungen. Zwangsläufig führen beide Vorgehensweisen zu demselben Ergebnis. Der Netto-Cash-flow ist der Umsatzüberschuß, der sich nach Abzug kapazitätserweiternder Investitionen in Working Capital (operatives Nettoumlaufvermögen) und Anlagevermögen vom Operating Cash-flow ergibt. Er gibt die Höhe der Finanzmittel an, die den Kapitalgebern, also den Gläubigem und Eignern, zur Verfügung stehen.

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RolfBühner

Der Free Cash-flow errechnet sich aus dem Netto-Cash-flow, indem die Zinszahlungen an die Fremdkapitalgeber subtrahiert werden. Der Free Cashflow ist der Einzahlungsüberschuß, der letztlich den Unternehmenseignern prinzipiell zur Ausschüttung zur Verfiigung steht. Dabei muß berücksichtigt werden, daß es sich beim Free Cash-flow um Residualeinkommen handelt. Dies ist ein Aspekt, der in der Diskussion um den Shareholder Value oft unbeachtet bleibt. Denn der Free Cash-flow steht als "Restüberschuß" den Aktionären erst nach Befriedigung der Anforderungen aller übrigen "Stakeholder" zur Verfiigung. Erst wenn die Forderungen von Mitarbeitern, Lieferanten, Gläubigem und Staat entsprechend ihrer Beiträge zur Unternehmenswertschöpfung bzw. nach Maßgabe gesetzlicher Bestimmungen erfiillt worden sind, können die Renditeforderungen der Aktionäre befriedigt werden. Dieser Gedanke zielt bereits auf die Überschußverteilung ab; ein Überschuß muß aber zuvor entstanden sein. Hier setzt das Shareholder-Value-Konzept an. Es verankert die Forderungen der Aktionäre nach einer angemessenen Verzinsung ihres Kapitals im Management, das sich zumeist nicht aus den Eignern des Unternehmens zusammensetzt. Das Management ist so gezwungen, soviel Wert zu schaffen, daß die Ansprüche aller Unternehmensbeteiligten erfiillt werden. 2. Planungsperiode Kurswertsteigerungen als wesentliche Einkommenskomponente der Aktionäre basieren auf der Einschätzung, ob und in welcher Höhe das Unternehmen in Zukunft fähig sein wird, Zahlungen an seine Eigentümer zu leisten. Daher sind die zukünftigen Cash-flows des Unternehmens von Bedeutung. Die Cashflows, die in der Vergangenheit erzielt wurden, zeigen hingegen, ob sich die Erwartungen der Aktionäre erfiillt haben. Sie dienen der Ex-post-Kontrolle. Das Unternehmen ist gezwungen, die zukünftigen Zahlungsströme zu planen und zu prognostizieren und die Aktionäre darüber zu informieren. Da das Unternehmen im Regelfall jenseits des Planungshorizontes weiterbesteht, müssen auch Zahlungsströme berücksichtigt werden, die nicht mehr in die Planungsperiode fallen. Dieser sogenannte Restwert macht in Abhängigkeit vom Wirtschaftszweig einen erheblichen Anteil am Gesamtunternehmenswert aus. Er ist abhängig von der gewählten Unternehmensstrategie. Bei einer Desinvestitionsstrategie nehmen die Einzahlungen zuerst zu, später jedoch ab. Der Restwert ist dann im Vergleich zu den Cash-flows in der Planungsperiode relativ niedrig. Bei einer Investitionsstrategie ist hingegen in frühen Perioden mit Auszahlungen, in späteren dann mit erhöhten Einzahlungen zu rechnen. Der Restwert muß dann entsprechend höher veranschlagt werden. Je größer der Anteil des Restwerts am gesamten Cash-flow ist, desto vorsichtiger muß er geschätzt werden. Andernfalls besteht die Gefahr des Hockey-

Shareholder Value

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Stick-Effekts (vgl. Copeland/KollerlMurrin [Valuation] 274 ff.). Dies bedeutet, daß nach Perioden mit mäßigem Cash-flow eine Trendumkehr angenommen wird. Eine derartige Prognose kann zwei Ursachen haben: Entweder wurde zu optimistisch geplant und der Restwert überschätzt, oder der Lebenszyklus betrieblicher Investitionen überdauert die Planungsperiode.

3. Diskontierungsfaktor Um die zukünftigen Cash-flows auf den gegenwärtigen Zeitpunkt projizieren zu können, müssen sie diskontiert werden. Der Wert des Unternehmens und damit des Aktionärsvermögens hängt also wesentlich von der Wahl des Diskontierungsfaktors ab. Welcher ist aber nun der richtige? Es wird davon ausgegangen. daß Investoren nur dann bereit sind, ihre Geldmittel einem Unternehmen zu überlassen, wenn die Investition mindestens soviel Rendite erbringt wie eine alternative Anlage mit vergleichbarem Risiko. Diese Opportunitätskosten der Kapitalgeber sind also aus Sicht des Unternehmens die Kosten des aufgenommenen Kapitals. Sie stellen fiir das Unternehmen eine Mindestrendite dar, die es fiir die Investoren erbringen muß. Diese setzen sich zusammen aus Gläubigern und Eigentümern. Die Gesamtkapitalkosten entsprechen daher dem gemäß der jeweiligen Kapitalanteile gewogenen Mittel der Renditeforderungen dieser beiden Gruppen. Die Fremdkapita/kosten als Rendite der Gläubiger werden bei der Kreditvergabe ausgehandelt. Sie liegen normalerweise unter den Eigenkapitalkosten, da die ihnen zugrundeliegenden Verbindlichkeiten im Konkursfalle vorrangig bedient werden und daher ein geringeres Risiko tragen. Dieses geringe Risiko wird in den vertraglich ausgehandelten Konditionen mit berücksichtigt. Zudem sind Zinszahlungen auf Fremdkapital steuerbegünstigt, was die Kosten aus Unternehmenssicht zusätzlich senkt. Die Eigenkapita/kosten sind aus den Erwartungen der Eigenkapitalgeber zu schätzen. Es wird von der Überlegung ausgegangen, daß der Anleger für seine Übernahme des Ausfallrisikos entschädigt werden möchte, wobei Risikoaversion des Anlegers unterstellt wird. Bekommt der Anleger diese Risikoprämie nicht, wird er eine eher risikolose Anlageform (z. B. Bundesanleihen) vorziehen. Die Eigenkapitalkosten setzen sich somit aus der Rendite risikofreier Anlagen und einer unternehmensspezifischen Risikoprämie zusammen (vgl. ausführlich zur Ermittlung der Eigenkapitalkosten mit Hilfe des Capital Asset Pricing Models Sach [Kapitalkosten] 119 ff.).

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ill. Elemente des Shareholder Value in traditionellen

bilanztheoretischen Ansätzen

Verfahren zur Ermittlung des "wahren" Unternehmenswerts bzw. des "richtigen" Gewinns eines Unternehmens werden in der Betriebswirtschaftslehre seit langem diskutiert. Ausgangspunkt der Diskussion ist zumeist der handelsrechtliche Jahresabschluß, "der ein den tatsächlichen Vermögensverhältnissen entsprechendes Bild der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage (... ) zu vermitteln hat" (§ 264 Abs. 2 HGB). Daher werden im folgenden die Bilanztheorien Schmalenbachs, Riegers, Kosiols/Schweitzers und Albachs, die die Bilanzdiskussion maßgeblich beeinflußt haben, dahingehend untersucht, inwiefern sie den Shareholder-Value-Ansatz konzeptionell vorwegnehmen.

1. Dynamische Bilanz a) Erjolgsermittlung Schmalenbach geht als erster davon aus, daß der Zweck der Bilanz nicht die bloße Aufstellung des Vermögens und der Schulden eines Kaufmanns sein könne, sondern vielmehr die Ermittlung des Erfolgs eines Unternehmens (vgl. Schmalenbach [Reparaturen] 473). Das von ihm entwickelte Konzept der dynamischen Bilanz ermittelt den Erfolg als Saldo der Einnahmen und Ausgaben (vgl. Münstermann [Bilanzdiskussion] 513). Unter Erfolg versteht Schmalenbach den Betriebserfolg. Diesen Begriff trennt er vom Einkommensbegriff, den er auf bestimmte Personengruppen bezieht (vgl. Schrnalenbach [Dynamische Bilanz] 57). Insofern unterscheidet Schmalenbach zwischen der Entstehung und der Verwendung von Gewinnen. Die Feststellung des entstandenen Erfolgs ist nach seiner Ansicht die Voraussetzung für die "richtige Betriebssteuerung" (Schrnalenbach [Dynamische Bilanz] 50). Diese Betonung der Erfolgsentstehung zur Unternehmenssteuerung im Gegensatz zur Erfolgsverwendung findet ihre Entsprechung im Shareholder-Value-Ansatz, der sich ebenso als Steuerungsinstrument zur Werterhöhung des Unternehmens versteht wie die dynamische Bilanz. b) Zukunftsorientierung

Der "richtige" Erfolg läßt sich theoretisch einwandfrei nur bei vollkommener Voraussicht oder im Rahmen einer Totalerfolgsrechnung am Ende der Lebensdauer eines Unternehmens feststellen. Für langlebige Unternehmen hat eine derartige Totalerfolgsrechnung bestenfalls eine geringe Bedeutung. Zur

Shareholder Value

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Erfolgsermittlung sind stattdessen Periodenrechnungen bei unvollkommener Voraussicht erforderlich, die dennoch nicht allein die Einnahmen und Ausgaben der vergangenen Periode einander gegenüberstellen dürfen. Vielmehr müssen auch die sog. schwebenden Posten berücksichtigt werden (vgl. Schmalenbach [Grundlagen] 10). Unter diesem Begriff subsumiert Schmalenbach alle Geschäfte, deren endgültige Abwicklung in der Zukunft liegt. Die Abbildung der schwebenden Geschäfte fuhrt dazu, daß die Bilanz, die "im Betriebe sich abspielenden Bewegungen" (Schmalenbach [Dynamische Bilanz] 44) und so den "Kräftespeicher der Unternehmung" (Schmalenbach [Dynamische Bilanz] 74) darstellt. Auf diese Weise ist die Unternehmensleitung also gezwungen, die aus den schwebenden Geschäften in Zukunft resultierenden Zahlungen zu prognostizieren. Hier sind deutlich Parallelen zum ShareholderValue-Ansatz zu erkennen, der den Unternehmenswert ausschließlich aus den zukünftigen Cash-flows herleitet.

c) "Kapitalisierung" und Berficksichtigung der Eigentümer-Interessen Der Wert eines Unternehmens in der dynamischen Bilanz ist als "der kapitalisierte Zukunftserfolg" (Schmalenbach [Dynamische Bilanz] 48) zu sehen. Hier zeigt sich, daß Schmalenbach eine Barwertbetrachtung zur Unternehmensbewertung vorgeschwebt haben muß, wie sie im Shareholder-ValueAnsatz vollzogen wird. Er konkretisiert allerdings keinen Diskontierungsfaktor, mit dem der Zukunftserfolg auf die Gegenwert zu kapitalisieren ist. Im Shareholder-Value-Ansatz wird dieser Diskontierungsfaktor von den Opportunitäten der Eigentümer determiniert, indem ihre Renditeforderungen als Kosten des Eigenkapitals berücksichtigt werden. Dadurch erfolgt die Orientierung an den Interessen der Eigentümer. Eine vergleichbare Hervorhebung der Eigentümerinteressen erfolgt bei Schmalenbach in abgeschwächter Fonn in seiner ausdrücklichen Ablehnung eines besonderen Gläubigerschutzes: "( ... ) in der ursprünglichen Entwicklung der Bilanzgesetze (hat) der Gläubigerschutz eine Rolle gespielt (... ). Aber es sind doch folgende Einwände zu erheben. Wenn der Gläubigerschutz wirklich der oberste Zweck der Bilanz wäre, so müßte man fragen, warum die Gläubiger eines größeren Schutzes bedürfen sollten als andere an dem Bestehen des Geschäfts interessierten Personen (... ). In Wirklichkeit wird auch dem Gläubiger am besten dadurch gedient, daß man den Kaufmann dazu anhält, die Entwicklung seines Geschäftes durch eine gute Darstellung des Erfolgs zu kontrollieren. Auch ein Gläubiger, wenn man ihm die Bilanz eines Schuldners vorlegt, dürfte sich mehr für den Erfolg als für andere Bilanzposten interessieren." (Schmalenbach [Dynamische Bilanz] 51 f.) 3 FS Schweitzer

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d) Fazit Schmalenbachs Verdienst ist es, den Schwerpunkt der Bilanzierung von einer

statischen Aufstellung von Vermögensgegenständen und Schuldenpositionen auf die Ermittlung des Erfolgs verlagert zu haben. Dies erfordert die besondere Berücksichtigung der zukünftigen Ein- und Auszahlungen (also Cash-flows) in den schwebenden Geschäften. Sie bilden als kapitalisierter Zukunftserfolg den Wert eines Unternehmens auf den Zeitpunkt des Periodenabschlusses ab. Dadurch soll zudem die Vergleichbarkeit der einzelnen Periodenabschlüsse erhöht werden, da außergewöhnliche Vorgänge auf mehrere Perioden verteilt werden (vgl. Moxter [Gewinnermittlung] 195), die andernfalls nur der Periode zugerechnet würden, in der sie entstanden sind. Die Verwendung der Kapitalwertmethode im Shareholder-Value-Ansatz hat den gleichen Effekt. Es ist zu erkennen, daß die Bilanztheorie Schmalenbachs die grundlegenden Elemente des Shareholder-Value-Ansatzes enthält. Eine vergleichbare Orientierung an den Interessen der Eigentümer, die im Shareholder-Value-Ansatz in den Opportunitätskosten der Aktionäre in die Wertermittlung eingehen, fehlt bei Schmalenbach allerdings weitestgehend.

2. Heutiger Wert a) Zahlungsorienlierung Rieger nimmt 1928 den Shareholder Value geradezu vorweg (vgl. Rieger

[privatwirtschaftslehre]). Den traditionellen Jahresabschluß als Instrument zur Wertermittlung lehnt er rundherum ab. Er bezeichnet ihn schlicht als eine Fiktion: "Wie kann man denn abschließen, wenn man mitten im Leben steht!" (Rieger [privatwirtschaftslehre] 209). Ausschlaggebend für die Wertermittlung sind nach Riegers Meinung ausschließlich Zahlungsströme, wie auch der Zweck eines Unternehmens einzig in der Erzielung von Geldeinkommen für die Eigentümer, die Unternehmer, liegt (vgl. Rieger [privatwirtschaftslehre] 44 und 213). Denn "Ausgangspunkt jedes Geschäfts ist eine Aufwendung in Geld, und entsprechend ist der Schlußstein, das Charakteristikum für die vollzogene Abwicklung, eine Einnahme in Geld. (... ) Nur Geld ist begrifilich jenseits aller Schwankungsmöglichkeit. (... ) In der ganzen Rechnung liegen nur die Punkte G und G' fest; sie allein machen eine Abrechnung möglich." (Rieger [privatwirtschaftslehre] 203). Eine Bewertung zu Tageswerten (gemeint sind Wiederbeschaffungswerte) ist nach seiner Ansicht demnach völlig bedeutungslos (vgl. Rieger [privatwirtschaftlehre] 213), weil sie eine Liquidation vortäuscht und gleichzeitig von der Annahme der Fortdauer des Unternehmens ausgeht (vgl. Gümbel [Bilanztheorie Riegers] 341). Zahlungsunwirksame Vorgänge werden so ausgeklammert. Diese Auffassung entspricht

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dem Shareholder-Value-Ansatz, der ausschließlich Cash-flows als Überschuß der "Einnahmen in Geld" über die "Aufwendungen in Geld" in die Wertermittlung einbezieht. b) "Eskomptierung" und Zukunftsorientierung

Für Rieger "kann es sich bei der Bewertung (... ) nur darum handeln, das spätere geldliche Ende auf den Bilanztag zu eskomptieren." (Rieger [privatwirtschaftslehre] 213). Diese Auffassung hat für die Bewertung eines Unternehmens eine zentrale Bedeutung (Rieger nennt seine Auffassung den "Kardinalsatz der Bewertung"; vgl. Rieger [privatwirtschaftslehre] 213). Den so ermittelten Wert bezeichnet Rieger als den heutigen Wert. Dieser heutige Wert kommt dem Shareholder Value sehr nahe, auch wenn Rieger den Kalkulationszins für die "Diskontrechnung" (Rieger [privatwirtschaftslehre] 229) wie auch Schmalenbach nicht konkretisiert. Den heutigen Wert in der Praxis zu ermitteln, hält Rieger ohnehin für unmöglich: "Man sieht, was alles dazu gehörte, richtige Bilanzen aufzustellen - es ist eigentlich nicht auszudenken! (... ) Alles muß vorhergesehen werden, nicht nur der Warenumsatz und die Warenpreise, auch die Gebrauchsdauer der Anlagen usw. (... ) Es kann dem Kaufmann unmöglich zugemutet werden, in die Zukunft zu sehen." (Rieger [privatwirtschaftslehre] 219 f.). Rieger geht allerdings dabei auch von dem Anspruch aus, den heutigen Wert wissenschaftlich exakt zu ermitteln, was nur bei vollkommener Voraussicht möglich ist. Diese Auffassung steht konträr zum Shareholder-Value-Ansatz, der dem Unternehmer sehr wohl zumutet, in die Zukunft zu sehen, indem er die zukünftigen Zahlungsströme plant und prognostiziert. c) EigentUmerinteressen

Auch wenn Rieger keinen konkreten Diskontierungsfaktor vorschlägt, in dem die Interessen der Kapitalgeber berucksichtigt werden, so stellt er doch die Eigentümer, und dabei ganz ausdIiicklich auch die Aktionäre, als Unternehmer vor alle anderen Unternehmensbeteiligten. "(... ) und zwar deshalb, weil sie es sind, die das Kapital beigebracht haben, weil auf ihnen in erster Linie das Risiko lastet, und weil endlich der Gewinn ( ... ) als Dividende ihnen zugute kommt." (Rieger [privatwirtschaftslehre] 124) Rieger nimmt zudem einem häufig geäußerten Kritikpunkt am ShareholderValue-Ansatz von vornherein den Wind aus den Segeln. Diese Kritik besagt, daß die Aktionärsorientierung im Shareholder-Value-Ansatz eine Orientierung an kurzfristigen Gewinnen nach sich ziehe. Rieger macht hingegen darauf aufmerksam, daß für die Unternehmenssteuerung nicht einzelne, evtl. auf Gewinnmitnahmen spekulierende Aktionäre ausschlaggebend sein können, 3"

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sondern die Gesamtheit der Eigentümer, die den langfristigen Erfolg des Unternehmens anstrebt (vgl. Rieger [privatwirtschaftslehre] 125). d) Fazit

Dieser kurze Überblick über Riegers Ausführungen zur Jahresbilanz zeigt, daß er mit seinem Verständnis vorn heutigen Wert eines Unternehmens dem Shareholder Value bereits 1928 sehr nahe gekommen ist. Er verweist darauf, daß ein Unternehmen eine "untrennbare Einheit in der Zeit" (vgl. Rieger [privatwirtschaftslehre] 237) sei. Die Bewertung eines Unternehmens kann nur erfolgen, wenn seine Geldwerdung als Ganzes simultan erfaßt wird (vgl. Gürnbel [Bilanztheorie Riegers] 367). Diese Simultanität versucht der ShareholderValue-Ansatz durch die Anwendung der Kapitalwertrnethode herzustellen. Die Ähnlichkeit des Riegerschen Konzeptes mit der dynamischen Bilanz Schmalenbachs ist deutlich zu erkennen (worauf Rieger selbst hinweist; vgl. Rieger [privatwirtschaftslehre] 211). Im Gegensatz zu Schmalenbach warnt Rieger jedoch "vor dem Laienglauben, so komplizierte Zusammenhänge wie den Grad finanzieller Zielrealisierung in der Globalgröße 'Periodengewinn' zuverlässig einfangen zu können." (Mmner [Gewinnermittlung] 203). 3. Pagatorische Bilanz a) Zahlungsorienlierung

Das Konzept der pagatorischen Bilanz geht zurück auf Kosiol. Sein Schüler Schweitzer hat unter anderem mit seiner Habilitationsschrift "Struktur und Funktionen der Bilanz", in der er eine Axiomatik für buchhalterische Abrechnungssysteme entwickelt, wesentlich zu ihrer Entwicklung beigetragen. Ausgangspunkt der Bilanzierung sind in diesem Konzept einzig Einzahlungen und Auszahlungen (vgl. Kosiol [pagatorische Bilanz] 113; zwar werden hier die Begriff Einnahmen und Ausgaben verwendet, gemeint sind aber Ein- und Auszahlungen im Sinne von Zahlungsströmen). Sie sollen "mittelbar der Abrechnung des Unternehmungsprozesses dienen" (Kosiol [pagatorische Bilanz] 115). Der Unternehmensprozeß besteht im wesentlichen aus dem Austausch von Gütern und Leistungen innerhalb des Unternehmens und mit der Umwelt; seine Darstellung erfolgt mittels der Zahlungsströme, die den realen Güterströmen entgegenlaufen (vgl. Kosiol [pagatorische Bilanz] 113 f.). Es werden in der pagatorischen Bilanz diejenigen Güter erfaßt, denen reale Zahlungsvorgänge entsprechen, alle Bilanzgegenstände sind somit als Zahlungen interpretierbar (vgl. Schweitzer [pagatorische Bilanz] 1488). Zweck der pagatorischen Bilanz ist die Erfolgsermittlung, die von der Erfolgsverwendungsrechnung zu trennen ist (vgl. Schweitzer [Bilanz] 83). Die "richtige" Erfolgsermittlung, die

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seit Schmalenbachs Entwicklung der dynamischen Bilanz als der Hauptzweck der Bilanzierung gesehen wird, stellt dabei das zentrale Anliegen der pagatorisehen Bilanzierung dar. Schweitzer und Kosiol sehen die Ermittlung des "richtigen" Erfolgs als Grundlage rur die Steuerung des Unternehmens. Die pagatorische Bilanz ermittelt den Erfolg des Unternehmens als Überschuß der Einzahlungen über die Auszahlungen, indem sie sämtliche Bilanzpositionen zu ihrem Zahlungswert ansetzt. Dies bedeutet die konsequente Umsetzung des Anschaffimgswertprinzips (vgl. Schweitzer [Bilanz] 172). Ausschließlich in Zahlungsströmen abbildbare Größen gehen in die Bilanzierung ein. Aus diesem Umstand leitet sich der Begriff der pagatorischen Bilanz ab. Hier werden also grundsätzlich wie beim Shareholder Value Cash-flow-Größen erfaßt und der Bewertung zugrunde gelegt. b) Zukunftsorientierung Schweitzer weist darauf hin, daß "auch ein geplanter Unternehmungsprozeß zum Betrachtungsgegenstand erhoben und zahlenmäßig abgebildet werden kann." (Schweitzer [Bilanz] 52 f.) Zukünftige Cash-flows werden im Konzept der pagatorischen Bilanz insofern erfaßt, als der Zahlungsbegriff dahingehend erweitert wird, daß zukünftige Barbewegungen rniteinbezogen werden (vgl. Kosiol [pagatorische Bilanz] 132). Der expliziten Bezugnahme ausschließlich auf Zahlungsvorgänge liegt, wie auch der Konzeption der Dynamischen Bilanz, die "Vorstellung einer Kassenrechnung fiir die gesamte Lebensdauer einer Unternehmung (zugrunde), deren Ergebnis erst nach der Auflösung der Unternehmung in Gestalt einer Differenz zwischen sämtlichen baren Einnahmen und sämtlichen baren Ausgaben feststellbar ist." (Lechner [Analysen] 160). Die pagatorische Bilanz stellt eine Periodenerfolgsrechnung dar, die durch Zerlegung der Totalerfolgsrechnung möglich wird. Dabei werden die Zahlungen, die erst in der Zukunft erfolgen, in die Periodenerfolgsrechnung rniteinbezogen. Dennoch fehlt auch hier die Bezugnahme auf einen Diskontierungsfaktor, der es ermöglicht, die zukünftigen Zahlungen auf den Bilanztag abzubilden. c) Eigentilmerorientierung

Der Erfolg des Unternehmens wird nach Kosiols Ansicht auf "den Unternehmer als Wirtschaftssubjekt bezogen" (Kosiol [pagatorische Bilanz] 116). Der Unternehmenserfolg ist das Einkommen der Unternehmenseigner als Entschädigung fiir die Kapitalhergabe und stellt die Verzinsung des Eigenkapitals einschließlich der Risikoprärnie dar. Der Überschuß des Unternehmens wird auf die Unternehmer übertragen und stellt deren Residualeinkommen dar (vgl. Kosiol [pagatorsiche Bilanz] 125). Diese Betrachtung des Gewinns als Ent-

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schädigung fiir die Kapitalhergabe entspricht der Auffassung des ShareholderValue-Ansatzes, daß das Unternehmen eine Mindestrendite fiir die Kapitalgeber erwirtschaften muß. d) Fazit

Es ist zu erkennen, daß auch die pagatorische Bilanz mit der auf Schweitzer zurückgehenden deutlichen Trennung von Erfolgsermittlung und -verwendung sowie der konsequenten Bezugnahme auf Zahlungsvorgänge einige wesentliche Aspekte des Shareholder-Value-Ansatzes vorwegnimmt. In diesem Zusammenhang ist auch die Interpretation des Unternehmenserfolgs als Entschädigung fiir die Kapitalgeber bemerkenswert, wenn auch diese Auffassung nicht in die Konzeption der pagatorischen Bilanz weiter eingeht.

4. Synthetische Bilanztheorie a) Trennung von Bilanz und betrieblichem Gesamtplan Albach betont 1965, daß die Bilanz kein Führungsinstrument sein könne, da sie die komplexen Entscheidungsgrundlagen fiir das Managment nicht adäquat abbilde (vgl. Albach [Grundgedanken] 22). Sie sei vielmehr ein Kontrollkalkül, dessen Hauptaufgabe die Abgrenzung realisierter von den nicht realisierten Gewinnen sei. Diese Abgrenzung läßt sich nach Albach aber nur dann bewerkstelligen, wenn der Bilanz eine ganzheitliche Betrachtung des Unternehmens zugrunde liege und "die Einnahme- und Ausgabenströme eines Unternehmens als ein Ganzes betrachtet" (Albach [Grundgedanken] 23) werden. Dies erfordere eine Abkehr von der Einzelbetrachtung der Vermögensgegenstände und stattdessen eine Orientierung am betrieblichen Gesamtplan. Die Bilanz sei dann "eine periodische Kontrollrechnung über den betrieblichen Gesamtplan (aus dem sich der erwartete Gesamtgewinn ergibt) und ohne den Bezug auf diesen Gesamtplan nicht zu verstehen." (Albach [Grundgedanken] 24). b) Kapitalwertmethode im betrieblichen Gesamtplan Ein betrieblicher Gesamtplan geht aus einer Entscheidung hervor, die zur Realisierung deIjenigen Alternative mit dem höchsten Kapitalwert dient (vgl. Albach [Grundgedanken] 24). Dieser Kapitalwert ergibt sich aus der Summe der mit dem Kalkulationszinsfuß gewichteten Periodengewinne. Der Kalkulationszinsfuß stellt eine Alternativanlage außerhalb des Unternehmens dar. Die Bilanz prüft lediglich, ob und inwieweit der Optimalplan in der vergangenen Periode eingehalten wurde. Der in ihr ausgewiesene Gewinn ergibt sich

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schließlich aus der Veränderung des Gesamtwerts des Unternehmens (vgl. Albach [Grundgedanken] 27). Der Gesamtwert stellt dabei die Summe der Einzelwerte dar, wobei diese Einzelwerte nicht getrennt voneinander zu sehen sind. In der Konzeption des betrieblichen Gesamtplans spiegeln sich deutlich die Bestandteile des Shareholder-Value-Ansatzes wider: die Orientierung an Zahlungsströmen, der Einbezug der zukünftigen Zahlungen und die Abzinsung mit einem Kalkulationszinsfuß, der einer Anlageform außerhalb des Unternehmens entspricht (vgl. Albach [Grundgedanken] 25).

c) Orientierung an Kontrollinstanzen Albach geht allerdings nicht näher darauf ein, für welche am Unternehmen partizipierende Gruppierung diese Alternativanlage geltend gemacht werden soll. Dennoch unterscheidet Albach sehr wohl zwischen unterschiedlichen am Unternehmen beteiligten Kontrollinstanzen, denen die Bilanz Informationen über die Rentabilität des Unternehmens liefern soll. Der Unterschied zwischen diesen Instanzen begründet sich bei Albach in der Fristigkeit der jeweiligen Beziehung zum Unternehmen (vgl. Albach [Grundgedanken] 28). Daraus resultieren unterschiedliche Interessen hinsichtlich der Höhe des in den jeweiligen Perioden auszuweisenden Gewinnes: Kurzfristige Aktionäre beispielsweise erhoffen sich Spekulationsgewinne durch Ausschüttungen eines für die vergangene Periode zu hoch ausgewiesenen Gewinns. Dadurch wird der Gesamtwert eines Unternehmens als zu hoch angesetzt. Langfristige Gläubiger hingegen hoffen auf niedrige Gewinnausschüttungen, und damit auf eine langfristig wahrscheinliche Erhaltung des Vermögens des Unternehmens. Ihren Interessen kommt somit ein zu niedrig ausgewiesener Gewinn entgegen, das Unternehmen würde mit einem zu niedrigen Wert eingestuft. Derartige Interessen beeinflussen laut Albach die Prognose der zukünftigen Zahlungen und damit die Höhe des gegenwärtig ausgewiesenen Gewinns (vgl. Albach [Grundgedanken] 29 ff.). Unberücksichtigt läßtAlbach aber, daß diese Interessen darüber hinaus auch die Wahl des Kalkulationszinsfußes maßgeblich beeinflussen. Ein sehr hoher Kalkulationszinsfuß führt ceteris paribus zu einem niedrigen, ein sehr niedriger Kalkulationszinsfuß zu einem hohen Unternehmenswert. Unterschiedliche Interessen werden bei Albach aber nicht als Opportunitäten im Kalkulationszinsfuß abgebildet. Ebenso fehlt bei ihm die konsequente Orientierung an den Interessen der Eigner eines Unternehmens. d) Fazit

Aus der Sichtweise des Shareholder-Value-Ansatzes ist die ganzheitliche Betrachtungsweise des Unternehmens in einem Gesamtplan hervorzuheben, die auf der Basis dynamischer Investitionsrechnungen der Unternehmenssteue-

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rung dient. Die Bilanz ist bei Albach lediglich als Kontrollinstrument zu sehen, das die Einhaltung des Plans in den Perioden überprüft und gegebenenfalls zu Planrevisionen fUhrt (vgl. Albach [Grundgedanken] 25). Der Gewinnausweis in der Bilanz ist dabei abhängig von den Interessen der Kontrollinstanzen, an die sich der Jahresabschluß vorrangig richtet. Eine derartige Abhängigkeit kommt in der jüngeren Vergangenheit darin zum Ausdruck, daß die Unternehmen, die den Shareholder Value zum Maßstab ihrer Unternehmensfiihrung gemacht haben, ihre Berichterstattung verändert haben. Ihre Jahresabschlüsse richten sich in zunehmenden Maße an die Aktionäre, indem sie Informationen veröffentlichen, beispielsweise über die Kursentwicklung, prognostizierte Cash-flows, risikosenkende Maßnahmen etc., die über die handelrechtlich zwingende Berichterstattung hinausgehen.

IV. Zusammenfassung Der Überblick über einige ausgewählte ältere Ansätze zur Gewinnermittlung bzw. Unternehmensbewertung hat gezeigt, daß der Shareholder-Value-Ansatz keineswegs neu ist. Überlegungen zur "richtigen" Gewinnermittlung bzw. Unternehmensbewertung, die den Shareholder-Value-Ansatz konzeptionell vorwegnehmen, finden sich schon in Veröffentlichungen, die weitaus älter sind als die im Zusammenhang mit dem Shareholder Value allseits bekannten Werke der vergangenen Jahre. Hier ist besonders die pagatorische Bilanz Kosiols und Schweitzers hervorzuheben, die ein umfassendes und einheitliches Bewertungssystem darstellt. Es ist zu erkennen, wie zeitlos wichtig die Ansätze zur Gewinnermittlung und Unternehmensbewertung in der Betriebswirtschaftlehre sind. Daher wird hier auch die Ansicht vertreten, daß es sich beim Shareholder-Value-Ansatz nicht um eine neuartige Management-Mode handelt, die bald wieder in Vergessenheit geraten könnte. Vielmehr betrifft dieser Ansatz die wesentlichen Elemente, die für die Unternehmenssteuerung und -existenzsicherung von so grundlegender Bedeutung sind. Der Verdienst des Shareholder-Value-Ansatzes neuerer Prägung ist es, den Unternehmen konkrete Handlungsempfehlungen zur Wertsteigerung zu geben.

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Shareholder Value

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Strategische Beteiligungen und ihre bilanzielle Abbildung aus Anteilseignersicht· von Wolfgang Eiseie. Universitlit Hohenheim

I. Einfilhrung....................................................................................... ........... 44

ll. Die bilanzielle Behandlung strategischer Beteiligungen ............................... 46 Ill. Analyse der bilanziellen Abbildungsfonnen strategischer Beteiligungen

zum Zwecke der Ex-post-Kontrolle ..............................................................

47

1. Herleitung eines Beurteilungsmaßstabes ................ ................ ......... ..... .... 47 2. Vergleichende Gegenüberstellung alternativer Abbildungsfonnen

50

a) Vorgehensweise .................................................................................. 50 b) Ausweis als Beteiligung...................................................................... 51 c) Vollkonsolidierung ............................................................................. 53 d) Besonderheiten beim Anteilstausch ............... ............... .......... ............. 55 N. Anreizprobleme ................ ......... .......... .... .............. ... ...... ...... ............. .......... 56 V. Fazit ............................................................................................................ 61

• Meinem Mitarbeiter, Herrn Dr. N. Kratz, habe ich fttr die sehr wertvolle Unterstützung bei der Fertigung des Beitrages zu danken.

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Wolfgang Eisele

I. Einnihrung Der Erwerb und die Veräußerung von Beteiligungen an Unternehmen stellen eine Investitions- bzw. Desinvestitionsmaßnahme dar und sind somit elementarer Bestandteil der Gestaltung des Investitions- und Finanzierungsprogramms von Unternehmen. Von besonderem betriebswirtschaftlichen Interesse sind derartige Zu- oder Abgänge beim Beteiligungsverrnögen dann, wenn diesen strategische Überlegungen zugrundeliegen. Nun handelt es sich bei dem Begriff "strategisch" um ein schillerndes Modewort (vgl. Bea/Haas [Management] 46), dessen Verwendung einer inhaltlichen Präzisierung bedarf. Folgt man der von NeuslNippel ([strategisch] 425) vorgeschlagenen Definition für strategisches Verhalten, die an die beabsichtigte ,,Beeinflussung von Handlungen anderer Individuen mit dem Ziel der verbesserten Verfolgung des eigenen Forrnalziels" anknüpft, so können strategische Beteiligungserwerbe im Gegensatz zu nicht strategischen Beteiligungserwerben dadurch charakterisiert werden, daß durch sie das Verhalten der Unternehmensleitung des Unternehmens, an dem die Beteiligung erworben wird, im Sinne der Ziele des Erwerbers beeinflußt werden soll. Verwendet man für derartige Konstellationen Begriffe wie "einheitliche Leitung", "Control-Verhältnis" oder "maßgeblicher Einfluß", dann ist damit ein unmittelbarer Bezug zum Konzern als solchem und zur Konzernrechnungslegung hergestellt. Daß in dem hier verwendeten Sinne strategisch motivierte Unternehmensverbindungen von beachtlicher empirischer Relevanz sind, belegen entsprechende Untersuchungen: So weist Görling ([Unternehmensverbindungen] 542 ff.) im Rahmen einer 1993 durchgeführten Studie nach, daß ca. 74% der von ihm untersuchten Aktiengesellschaften einern Konzernverbund angehörten. Bezogen auf die untersuchten börsennotierten Gesellschaften erhöhte sich der Anteil konzernverbundener Unternehmen auf ca. 97%. Diese Zahlen belegen eindrucksvoll, daß die Steuerung des Beteiligungsverrnögens von Unternehmen zu den zentralen Managementaufgaben gehört. Das Management eines Unternehmens handelt grundsätzlich im Auftrage seiner Anteilseigner. Es hat Entscheidungen so zu treffen, daß sich hieraus ein größtmöglicher Shareholder Value ergibt. Dies gilt auch und insbesondere für so weitreichende Investitions- bzw. Desinvestitionsentscheidungen, durch die ein Konzern entsteht bzw. hinsichtlich der Konzemzugehörigkeit einzelner Unternehmen verändert wird. Soweit die Anteilseigner dem Management uneingeschränkt unterstellen können, daß dessen Entscheidungen ausschließ-

Strategische Beteiligungen

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lieh mit dem Ziel entsprechender Shareholder-Value-Steigerungen getroffen werden, können Rechnungslegungsinformationen lediglich den Zweck haben, entscheidungsrelevantes Wissen für Kapitalmarktteilnehmer zur Bestimmung individueller Preisgrenzen zu vermitteln. Kann diese Unterstellung nicht aufrechterhalten werden, weil das Management möglicherweise eigenständige und mit den finanzwirtschaftlichen Interessen der Anteilseigner konfligierende Zielsetzungen verfolgt, so können Rechnungslegungsdaten zusätzlich der Informationsbereitstellung zum Zweck einer regelmäßig wiederkehrenden Ex-post-Kontrolle der Handlungen des Managements durch die Anteilseigner dienen (vgl. Busse von Colbe [Rechnungswesen] 71). Insofern wird der externen Rechnungslegung zusätzlich die Aufgabe einer Ergebniskontrolle zuteil (vgl. Schweitzer [Kontrolle] 96). Darüber hinaus können bilanziell gemessene Erfolgsgrößen als Bemessungsgrundlage für erfolgsabhängige Entlohnungskomponenten des Managements mit dem Ziel einer anreizverträglichen Vertragsgestaltung zwischen dem Management als Auftragnehmer und den Anteilseignern als Auftraggebern Verwendung finden (vgl. § 86 AktG). In beiden Fällen erfiillt der bilanzielle Erfolg die Funktion eines (Ersatz-) Indikators rur die periodische Shareholder-Value-Änderung (vgl. Eischen [Shareholder Value] 211), da der (originäre) Shareholder Value außerhalb der Prämissen des vollkommenen Kapitalmarktes nicht objektiv meßbar ist. Aus diesen Überlegungen ergeben sich die im folgenden zu behandelnden Fragen: 1. Welche Form der bilanziellen Abbildung strategischer Beteiligungen fUhrt zu einer möglichst großen Übereinstimmung einer beteiligungsinduzierten Shareholder-Value-Änderung zwischen zwei Bilanzierungszeitpunkten mit einer entsprechenden bilanziell gemessenen Unternehmenswertänderung? 2. Führt eine Entlohnungsform, deren Bemessungsgrundlage entweder der im Einzelabschluß des Mutterunternehmens ausgewiesene Jahresüberschuß oder aber der durch Konsolidierung ermittelte Konzernjahresüberschuß ist, möglicherweise zu (vermeidbaren) Anteilseigner-Manager-Konflikten bezüglich der Investitionsalternative "strategischer Beteiligungserwerb"? Der Klärung dieser beiden Fragestellungen in den Abschnitten III und IV vorgeschaltet ist eine Behandlung der im Rahmen des geltenden Rechnungslegungsrechts vorgegebenen Möglichkeiten der bilanziellen Abbildung strategischer Beteiligungen im Abschnitt 11.

46

Wolfgang Eisele

11. Die bilanzielle Behandlung strategischer Beteiligungen Es wird grundsätzlich von einer Situation ausgegangen, in der ein über dem anteiligen bilanziellen Eigenkapital des Beteiligungsunternehmens liegender Kaufpreis für die Beteiligung vorliegt. Darüber hinaus wird die Existenz von Zwischenerfolgen und konzerninternen Schuldverhältnissen gedanklich ausgeblendet, da sie in keinem zwangsläufigen Zusammenhang mit dem Erwerb, dem Besitz bzw. dem Verkauf strategischer Beteiligungen steht. Für die bilanzielle Behandlung strategischer Beteiligungen kommen grundsätzlich fünfVorgehensweisen in Betracht: 1. Ausweis als "Anteile an verbundenen Unternehmen" oder "Beteiligungen" gern. § 266 Abs. 2 HGB im Einzelabschluß bzw. auch in einem zu erstellenden Konzernabschluß, wenn keine Einbeziehung der betreffenden Beteiligung in die Konsolidierung erfolgt; 2. Konsolidierung im Rahmen der Vollkonsolidierung gern. § 301 HGB, wenn eine Mutter-Tochter-Beziehung gern. § 290 HGB vorliegt. Dabei kann neben der Abschreibung eines Firmenwertes in den Folgeperioden auch eine offene Verrechnung mit den Rücklagen im Zeitpunkt der Erstkonsolidierung erfolgen. In diesem Fall erfährt der Firmenwert erst im Zeitpunkt der Endkonsolidierung eine erfolgswirksame Verrechnung; 3. Konsolidierung im Rahmen der Pooling-of-Interests-Methode, wenn die Voraussetzungen des § 302 HGB vorliegen; 4. Einbeziehung in den Konzernabschluß im Rahmen der anteilsmäßigen Konsolidierung gern. § 310 HGB, wenn es sich um ein gemeinsam mit einem oder mehreren anderen Unternehmen geführtes Unternehmen handelt (Joint Venture); 5. Einbeziehung in den Konzernabschluß als assoziiertes Unternehmen im Rahmen der Equity-Methode, wenn ein maßgeblicher Einfluß vorliegt (§§ 311, 312 HGB). Die den Überlegungen zugrundeliegende Frage nach einer adäquaten Abbildung beteiligungsinduzierter Shareholder-Value-Änderungen innerhalb der externen Rechnungslegung, die durch den Erwerb bzw. die Veräußerung sowie den Besitz strategischer Beteiligungen" ausgelöst werden, erfordert methodisch einen Vergleich von Unternehmenswertänderungen auf der Basis des Ertragswertkonzepts mit Änderungen des bilanzieIl ermittelten Unternehmenswertes und damit bilanzieIl gemessenen Reinvermögensänderungen. Da insofern bezüglich der bilanziellen Darstellung lediglich die konsoli-

Strategische Beteiligungen

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dierungstechnischen Auswirkungen auf den Konzernjahresüberschuß von Interesse sind, können solche Konsolidierungsformen, die diesbezüglich keine Unterschiede aufweisen, zusammengefaßt werden. Weil die Quotenkonsolidierung und die Equity-Methode dadurch gekennzeichnet sind, daß in Analogie zur Vollkonsolidierung ein aktiver Unterschiedsbetrag in den Folgejahren erfolgswirksam verrechnet wird und anteilige Jahresüberschüsse des Beteiligungsunternehmens in den Konzernjahresüberschuß eingehen, sind beide Methoden insoweit durch die Betrachtung der Vollkonsolidierung abgedeckt. Die folgende Analyse kann daher hinsichtlich der bilanziellen Behandlung strategischer Beteiligungen auf drei erforderliche Fallunterscheidungen reduziert werden: 1. der (bloße) Ausweis als Beteiligung, 2. die Vollkonsolidierung mit künftiger Abschreibung eines Firmenwertes bzw. mit (erfolgsneutraler) Verrechnung eines Firmenwertes mit den Rücklagen, und schließlich 3. die Konsolidierung im Rahmen der Pooling-of-Interests-Methode.

ill. Analyse der bilanziellen Abbildungsformen strategischer

Beteiligungen zum Zwecke der Ex-post-Kontrolle 1. Herleitung eines Beurteilungsmaßstabes

Es wird von folgender Situation ausgegangen: Die Unternehmensleitung (Agent) verfügt gegenüber den Anteilseignern (prinzipale) über Wissensvorsprünge hinsichtlich existierender Investitionsalternativen sowie der mit den Investitionsalternativen verknüpften unsicheren zukünftigen Zahlungsströme. Sie ist somit aufgrund ihrer Eigenschaft als Spezialist am ehesten in der Lage, den Unternehmenswert (Shareholder Value) zu einem beliebigen Zeitpunkt zu bestimmen. Die Zielgröße "Shareholder Value" wird als Ertragswert des beteiligten Unternehmens gemessen. Die Unternehmensleitung diskontiert hierzu die Erwartungswerte zukünftiger Ausschüttungen an die Anteilseigner bzw. bei angenommener Vollausschüttung ersatzweise die Erwartungswerte der im Unternehmen anfallenden Investitionsrückflüsse mit einem risikoangepaßten Diskontierungsfaktor (1 +r), der die unternehmensindividuellen Eigenkapitalkosten widerspiegelt (vgl. Schmidt [Ertragswertrnethode) 1090 ff.). Die Unternehmensleitung handelt strikt im Interesse der Anteilseigner. Dies gilt sowohl fiir Investitions- und Finanzierungsentscheidungen als auch fiir die Ex-post-Inforrnationsüberrnittlung an die Anteilseigner. Zwar erübrigt sich in dieser Situation jegliche Ex-post-Kontrolle, aber dennoch ist die grundsätz-

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Wolfgang Eisele

liche Frage nach der konzeptionell überlegenen bilanziellen Handhabung legitim. Das betrachtete Unternehmen erwirbt im Planungszeitpunkt t=O eine strategische Beteiligung, die im Zeitpunkt t=N wieder veräußert wird. Die Beteiligungsquote beträgt 90%. Der Beteiligungserwerb kann entweder durch Kauf gegen Hingabe von Finanzierungsmitteln oder aber durch Anteilstausch gegen Hingabe von Anteilen an dem erwerbenden Unternehmen erfolgen. Das Unternehmen weist nach dem Erwerb der Beteiligung einen Ertragswert (E~.t) auf, der durch die Unternehmensleitung ermittelt wurde. Der Ertragswert kann im Kauffall gedanklich aufgespalten werden in einen Ertragswert vor Durchfuhrung des Beteiligungserwerbs (E~.,), verringert um die Investitionsauszahlung ( A °) und erhöht um den Ertragswert der Beteiligung (EW~,,) (vgl. Hartmann-Wendels [Rechnungslegung] 217): (1)

Der Beteiligungserwerb erweist sich somit als vorteilhaft, wenn er, isoliert betrachtet, einen positiven Kapitalwert aufweist oder bei einer Unternehmensgesamtbetrachtung zu einer Ertragswertsteigerung beiträgt. Erfolgt der Beteiligungserwerb durch Anteilstausch, so liegt keine Anschaffungsauszahlung (A o ) vor. Der Erwerb ist aus der Sicht der Altanteilseigner dann vorteilhaft, wenn sich aufgrund des Vorganges eine positive anteilige Ertragswertänderung ergibt, da die Altanteilseigner nunmehr lediglich mit 90% an künftigen Rückflüssen partizipieren: 0,9 • (EW.~., + EW:., ) > E~.,

(2)

Zukünftige Ertragswertänderungen (ausschließlich bezogen auf die erworbene Beteiligung) im Kalkül der Unternehmensleitung ergeben sich zunächst durch den Zeitablauf (bei fiktiv sicheren Erwartungen) und werden beim Übergang vom Beginn zum Ende einer jeweiligen Periode durch die sicheren Zinsen (Zinsfuß=i) auf den Ertragswert zu Periodenbeginn zum Ausdruck gebracht (ökonomischer Gewinn). Darüber hinaus resultieren sie aus Wissensstandsänderungen auf seiten der Unternehmensleitung, bedingt durch die Existenz unsicherer Erwartungen. Schließlich ergeben sie sich aufgrund der Durchfuhrung von Investitions- und Finanzierungsmaßnahmen auf der Ebene des Beteiligungsunternehmens. Wissensstandsänderungen können sowohl eine Steigerung als auch. eine Verringerung des Ertragswertes bewirken. Die Durchfuhrung von Investitions-

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Strategische Beteiligungen

und Finanzierungsmaßnahmen wird unter der Annahme des Handelns im Sinne der Anteilseigner stets eine Ertragswertsteigerung zur Folge haben; bei Existenz von Prinzipal-Agent-Problemen können auch solche Maßnahmen realisiert werden, die Ertragswertminderungen auslösen. Die Entwicklung des Ertragswertes des beteiligten Unternehmens in Abhängigkeit von der Entwicklung des Wertes der Beteiligung im Zeitablauf läßt sich somit folgendermaßen darstellen, wobei von Ausschüttungen von seiten des Beteiligungsunternehmens generell abgesehen wird:

I Zeitpunkt t zeitliche Fortschreibung der Ertragswertkomponente: EW:., Wissensstandsänderung: Investitions- und Finanzierungsmaßnahme der Unternehmensleitung:

o

... n ...

N

EW:.,

~,*(l+ir

EW:., *(1 +i)N

-

MW';w

MWt'w

-

MW:'"

-

Abb. 1: Entwickllmg des Ertragswertes

Aufgrund dieser drei Einflußfaktoren ergibt sich also jeweils vom Beginn bis zum Ende einer Periode eine Shareholder-Value-Änderung, die konzeptionell dem ökonomischen Gewinn unter Unsicherheit entspricht (vgl. HartmannWendeis [Rechnungslegung] 218). Bei vollkommenem und vollständigem Kapitalmarkt würde somit eine Bilanz gemäß dem Konzept des ökonomischen Gewinns unter Unsicherheit (kapitaltheoretische Bilanz) zu jedem Bilanzierungszeitpunkt den absolut richtigen Shareholder Value widerspiegeln. Soll den Anteilseignern jedoch jenseits der Prämissen des vollkommenen Kapitalmarkts die Möglichkeit einer Ex-post-Kontrolle auf der Basis objektivierbarer Informationen eingeräumt werden, so kann dies lediglich auf der Grundlage der Konventionen der kaufmännischen Bilanzierung erfolgen. Ausgangspunkt ist hierbei die Überlegung, daß die bilanzielle Bewertung des Reinvermögens eines Unternehmens ebenso wie die Ermittlung eines 4 FS Schweitzer

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Ertragswertes (kapitaltheoretische Bewertung) als Bewertung des unsicheren zukünftigen Zahlungsstromes des Unternehmens interpretierbar ist, ja sogar "der kaufmännische Erfolg als eine Sonderform des kapitaltheoretischen Gewinns unter Unsicherheit gedacht werden kann" (Ordelheide [periodengewinn] 279). Die Rechtfertigung fiir eine solche Sichtweise ergibt sich aus der zwangsläufigen Identität der Totalgewinne beider Bewertungskonzeptionen bei lediglich unterschiedlicher Periodisierung (vgl. Ordelheide [Bilanzen] 518 ff.). Insofern ist eine vergleichende Gegenüberstellung beider Bewertungskonzeptionen, nämlich der originär kapitaltheoretischen auf der einen sowie der bilanziellen mit ihren unterschiedlichen Ausprägungen auf der anderen Seite, ein zulässiges Untersuchungsdesign. Die originäre Ermittlung eines Shareholder Value durch Ertragswertbestimmung wird somit zum Beurteilungsmaßstab bilanzieller Bewertungen des Reinvermögens: Durch die Betrachtung zeitlich aufeinanderfolgender Bilanzen sollen Änderungen des Shareholder Value bilanziell abgebildet und damit Richtungsaussagen über dessen Entwicklung ermöglicht werden. Zu untersuchen ist nun, welche Art der bilanziellen Behandlung von strategischen Beteiligungen eine wahrheitsgemäße Berichterstattung über beteiligungsinduzierte Shareholder-Value-Änderungen ermöglicht. Darüber hinaus ist zu klären, ob bestehende Bilanzierungsnormen dazu führen, daß das Management über von ihm erkannte Shareholder-Value-Änderungen zwingend berichtet bzw. wenigstens durch entsprechende Wahlrechtsausübung wahrheitsgetreu berichten kann. 2. Vergleichende Gegenüberstellung alternativer Abbildungsformen a) Vorgehensweise

Im folgenden ist für die im Abschnitt 11 dargestellten Varianten der bilanziellen Abbildung strategischer Beteiligungen zu prüfen, inwieweit beteiligungsbedingte Ertragswertänderungen (vgl. Abschnitt III.1) bilanziell korrekt wiedergegeben werden bzw. sich in einer bilanziell gemessenen Unternehmenswertänderung niederschlagen. Von Ausschüttungen der auf der Ebene des Beteiligungsunternehmens erzielten Erfolge wird wiederum abgesehen. Dabei ist die Frage, inwieweit Wissensstandsänderungen bezüglich der erwarteten Rückflüsse aus dem Investitionsobjekt Beteiligung auf seiten der Unternehmensleitung im Rahmen der Bilanzerstellung nachvollzogen werden müssen bzw. können, von besonderer Bedeutung. Unterstellt.man der Unternehmensleitung einen hinreichenden Einblick in die finanzwirtschaftlichen Verhältnisse des Beteiligungsunternehmens auf der Grundlage entsprechender

Strategische Beteiligungen

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Berichtspflichten des Managements des Beteiligungsunternehmens, so wird die Erwartungsbildung bezüglich der Rückflüsse aus dem Investitionsobjekt Beteiligung unmittelbar auf den Erwartungen bezüglich der zukünftigen Zahlungsströme des Beteiligungsunternehmens basieren. Wissensstandsänderungen werden sich dann sowohl auf zukünftige Ein- als auch Auszahlungen auf der Ebene des Beteiligungsunternehmens beziehen. Wird zukünftig mit höheren Umsätzen aufgrund steigender Preise und bzw. oder Absatzmengen gerechnet, so schlägt sich dies in höheren zukünftig erwarteten Einzahlungen nieder. Analoges gilt in umgekehrter Richtung. Als weitere Ursache fiir zukünftig erwartete niedrigere Einzahlungen kommen erwartete Forderungsausfälle in Betracht. Zukünftig erwartete Auszahlungssteigerungen können auf geplante Erhöhungen der Produktionsmengen sowie auf Preissteigerungen auf den Beschaffungsmärkten zurückzufiihren sein. Darüber hinaus können sich spezielle Risiken, z. B. Produkthaftungs- oder Gewährleistungsrisiken, in zusätzlichen erwarteten Auszahlungen niederschlagen. Die genannten Sachverhalte können als beispielhafte Auslöser von Erwartungsänderungen angesehen werden, die den folgenden Überlegungen zugrundeliegen.

b) Ausweis als Beteiligung Der Erwerb einer Beteiligung wie auch jedes anderen Vermögensgegenstandes ist bezüglich der bilanziellen Erfolgsermittlung als erfolgsneutraler Vorgang anzusehen. Im Rahmen einer Betrachtungsweise, die den bilanziellen Erfolg als Sonderform des kapitaltheoretischen Erfolges versteht, verkörpert eine Aktivierung der erworbenen Beteiligung zu Anschaffungskosten nichts anderes als eine spezielle Form der Berücksichtigung der Unsicherheit zukünftiger Einzahlungen aus dem Beteiligungsbesitz: Die Bewertung zu Anschaffungskosten ist dann als ,,Bewertung zum Gegenwartswert zukünftiger Einzahlungen im Betrag der Anschaffungskosten" interpretierbar (Ordelheide [periodengewinn] 280 f.). Erst im Zeitpunkt der Veräußerung (t=N) wird durch eine Einzahlung oder einen Forderungsausweis der Erfolg so konkret bzw. werden die Investitionsrisiken so gering, daß eine bilanzielle Erfolgsentstehung als zulässig und geboten anzusehen ist. Zwischen dem Zeitpunkt des Erwerbs und der Veräußerung der Beteiligung können außerplanmäßige Abschreibungen beim Finanzanlagevermögen auf den niedrigeren beizulegenden Wert gern. § 253 Abs. 2 Satz 3 HGB erforderlich werden. Diese werden möglich bzw. zwingend, wenn der Ertragswert der

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Beteiligung unter deren Anschaffungskosten sinkt (vgl. AdlerlDüringi Schmaltz [Rechnungslegung] § 253 Tz. 465). Sie bilden somit einen Informationszugang ab, aufgrund dessen die erwarteten zukünftigen Einzahlungen nachhaltig sinken. Die vorstehenden Überlegungen gelten sowohl für den Fall des Beteiligungsausweises im Einzelabschluß als auch für den Fall eines Ausweises in einem zu erstellenden Konzernabschluß bei Nichteinbeziehung in die Konsolidierung. Sie lassen sich in folgender Abbildung 2 zusammenfassen:

Zeitpunkt t

0

... n ...

N

-

-

in t=O geplante Reinvermögensmehrung durch VerauBerungsgewinn

Änderung des bi/anziellen Reinvermögens aufgrund von: Zeitablauf

eventuell auBerplanmäßige Abschreibung auf Finanzanlagen

Wissensstandsänderung

Investitions- und Finanzierungsmaßnahme der Unternehmensleitung

-

-

In t=N eintretende Abweichung gegenOber der in t=O geplanten Reinvermögensmehrung durch Veraußerungsgewinn

-

Abb. 2: Wirkungen auf das bilanzielle Reinvennögen bei bloßem Ausweis strategischer Beteiligungen

Während also bei kapitaltheoretischer Gewinnermittlung auf der Grundlage von Ertragswertänderungen ein Gewinnausweis bereits im Erwerbszeitpunkt t=O möglich ist, nämlich in Höhe des Kapitalwertes der Beteiligung (vgl. Gleichung 1), und in den Folgeperioden durch zeitliche Fortschreibung sowie durch Wissenszugänge und Investitionsmaßnahmen entsteht (vgl. Abschnitt III.l), ergibt sich ein bilanzieller Erfolg erst dann, wenn ein entsprechender Wissenszugang in Form einer Einzahlung oder der Entstehung einer Forderung erfolgt. Lediglich negative Erfolge in Form von Ertragswertminderungen dürfen bzw. müssen bei entsprechenden Wissenszugängen bilanziell

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berücksichtigt werden und verringern naturgemäß gleichfalls den kapitaltheoretisch ennittelten Periodenerfolg. Dieses Ergebnis ist unbefriedigend. Es sind aufgrund der Einseitigkeit der bilanziellen Wertfortschreibung erhebliche Diskrepanzen zwischen der Ertragsbewertung und der bilanziellen Bewertung des Anlagegutes ,,Beteiligung" im Zeitablauf vorprogrammiert. Dies gilt zwar grundsätzlich für jede Art von Vermögensgegenstand und ist der Preis für die angestrebte Objekivierung der Unsicherheitsbewältigung im Rahmen der bilanziellen Bewertung. Beteiligungen weisen aber gegenüber anderen Vermögensgegenständen eine spezielle Eigenschaft auf: Sie verkörpern Ansprüche an das Reinvermögen des Beteiligungsunternehmens. Insofern wäre es denkbar, durch direkte Übernahme der (anteiligen) bilanziellen Reinvermögensentwicklung in die Bilanz des beteiligten Unternehmens zu einer Annäherung beider Bewertungskonzeptionen zu gelangen, und zwar ohne Einbuße hinsichtlich des Ausmaßes an Objektivierung der Wertansätze. Technisch kann dies auf dem Wege der Konsolidierung erfolgen. c) Vo/lkonsolidierung

Die Einbeziehung einer Beteiligung in die Vollkonsolidierung mit Minderheitenausweis gern. § 301 HGB geht von der Einzelerwerbsfiktion aus. Dies hat erhebliche Konsequenzen für die der Bilanzierung zugrundeliegende Erfolgskonzeption und damit für das Ausmaß, in dem kapitaltheoretischer und bilanziell gemessener Gewinn auseinanderfallen. Zwar ist der AnschafIungsvorgang als solcher wie im Fall des Ausweises als Beteiligung erfolgsneutral, während bei kapitaltheoretischer Gewinnermittlung bereits im AnschafIungszeitpunkt ein Erfolg in Höhe des Kapitalwertes entsteht. Aber in den Folgeperioden "reagiert" der bilanzielle Erfolgsausweis bei Konsolidierung in wesentlich stärkerer Übereinstimmung mit der kapitaltheoretischen Gewinnkonzeption als der (bloße) Beteiligungsausweis. Dies bringt Abbildung 3 übersichtsartig zum Ausdruck. Es zeigt sich, daß die Unternehmensleitung bei Einbeziehung der Beteiligung in die Konsolidierung wesentlich präziser und zeitnäher über von ihr erkannte Shareholder-Value-Änderungen berichten kann, ohne daß hierbei Objektivierungseinbußen hinsichtlich des bereitgestellten Informationsmaterials hingenommen werden müssen. Dies gilt für errechnete ShareholderValue-Verringerungen, die sich in Form von Abschreibungen bzw. Rückstellungen in analoger Weise in der bilanziellen Gewinnennittlung niederschlagen. Bezogen auf Shareholder-Value-Steigerungen triffi dies insoweit zu, als anteilige Jahresüberschüsse des Beteiligungsunternehmens in den konsoli-

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~

0

... n ...

N

-

planmäßige Abschrelbung aufgedeckter stiller Reserven und eines Firmenwertes; anteIlIger JahresOberschuß des Beteiligungsunternehmens

in t=O geplante Reinvermögensmehrung durch Veraußerungsgewinn aus Konzernsicht im Rahmen der Endkonsolidierung

Änderung des bilanzlellen Reinvermögens aufgrund von. Zeltablauf:

Wissensstandsänderung: ...................................................... ................. ............................................. .............................................. - ............................................. .......:..y.!!1.~~~!~!S.~~!:'.Q............ ................. .............................................. - Umsatzreduktion

eventuell ROckstellungen fOr drohende. Verluste; außerplanmäßige Abschreibungen

-

-

...................................................... ................. ...~~~!S.~~.~~~.':I.Q!!!~;...... ..............................................

- Forderungsausfall ...................................................... ................. ...~~~!"!.I!?~!!rI~.~............. .............................................. - ............................................. .......:.~r~~~!!?!:'.~!~!a~~!!IL.. .............................................. außerplanmaßige

•••••••••• u

- Preissteigerung auf Beschaffungsmärkten

•••••

-

...................•................•................. ................. - Entstehung von zusätzlichen Risiken



-

...................................................... .................



eventuell ROckstellungen fOr drohende Verluste eventuell ROCkstellungen fOr ungewisse Verbindlichkeiten

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .u

•••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••• u

-

-

............................................... In t=N eintretende Abweichung gegenaber der In t=O geplanten Relnvermögensmehrung durch Veraußerungsgewlnn

- Wissensänderung hinsichtlich des In t=N sich ergebenden Ver äußerungsertöses

Investitions- und Finanzlerungsmaßnahme der Unternehmensleltung:

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .u . u . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

erfolgsneutraler Vorgang

-

Abb. 3: Wirktmgen auf das bilanzielle Reinvennögen bei VoiIkonsolidierung strategi-

scher Beteiligwtgen

Strategische Beteiligungen

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dierten Erfolgsausweis eingehen, obwohl wegen der Annahme der Gewinnthesaurierung auf der Ebene des Beteiligungsunternehmens weder entsprechende Einzahlungen noch Forderungszugänge beim beteiligten Unternehmen existieren. Die gegenüber dem Beteiligungsausweis "vorzeitige" Berücksichtigung von anteiligen Jahresüberschüssen des Beteiligungsunternehmens widerspricht nicht der gewollten bilanziellen Behandlung von Investitionsrisiken (vgl. Abschnitt III.2.b), denn aufgrund der Einflußmöglichkeiten bei strategischen Beteiligungen ist die Thesaurierung von Jahresüberschüssen des Beteiligungsunternehmens als verkürzte Ausschüttung mit sofortiger Wiedereinlage in das Beteiligungsunternehmen anzusehen. Im Ergebnis bewirkt somit die Einbeziehung in die Konsolidierung, daß bei einheitlichen Bilanzierungskonventionen für das beteiligte wie das Beteiligungsunternehmen die Möglichkeit einer Shareholder-Value-orientierten Expost-Kontrolle aufgrund einer erheblich differenzierteren Abbildungsweise verbessert werden kann. Das HGB bietet neben der planmäßigen Abschreibung eines Firmenwertes gem. § 309 Abs. I Satz I und 2 HGB auch die Möglichkeit, diesen im Zeitpunkt der Erstkonsolidierung offen mit den Rücklagen zu verrechnen (§ 309 Abs. 1 Satz 3 HGB). Im Unterschied zur ersten wird bei letzterer Vorgehensweise ein Firmenwert erst im Zeitpunkt der Endkonsolidierung zu Aufwand. Welche Art der Periodisierung eher Rückschlüsse auf die zeitliche Abfolge von Shareholder-Value-Änderungen zuläßt, kann nicht generell gesagt werden. Soweit eine Zurechnung künftiger Zahlungsüberschüsse zu dem Vermögensgegenstand ,,Firmenwert" überhaupt möglich erscheint, kann keinesfalls zwingend von einer kontinuierlichen Abnahme dieser Ertragswertkomponente ausgegangen werden.

d) Besonderheiten beim Anteilstausch Bei Vorliegen eines Anteilstausches sind bezüglich der Frage nach der Vereinbarkeit der bilanziellen Erfolgskonzeption mit der Zielsetzung einer effizienten Ex-post-Kontrolle zwei Aspekte zu unterscheiden: 1. die Art der Konsolidierung und 2. die Bewertung der Beteiligung im Einzel- bzw. bei Nichtkonsolidierung auch im Konzernabschluß. Die Konsolidierung einer durch Anteilstausch erworbenen Beteiligung darf bei Vorliegen der im § 302 HGB genannten Bedingungen entsprechend der sogenannten Pooling-of-Interests-Methode erfolgen. Diese Methode weist insofern erfolgsneutralen Charakter auf, als eine Auflösung stiller Reserven sowie die Bilanzierung eines Firmenwertes im Zeitpunkt der Erstkonso-

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lidierung unterbleiben und daher in den Folgeperioden keine entsprechenden Abschreibungen auftreten können. Hierin besteht bezüglich der dieser Methode zugrundeliegenden Erfolgskonzeption der zentrale Unterschied zur Kapitalkonsolidierung gem. § 301 HGB (vgl. pfaff [Interessenzusammenführungsmethode] Rz 65 ff.). Ansonsten beinhaltet die Pooling-of-Interests-Methode sämtliche im vorigen Abschnitt herausgestellten Vorzüge hinsichtlich einer Verringerung der Diskrepanz zwischen kapitaltheoretischem und bilanziellem Gewinn im Vergleich zum (bloßen) Beteiligungsausweis. Problematischer erscheint hingegen die Bewertung der Beteiligung im Einzelabschluß, die schließlich die Basis jeglicher Konsolidierung bildet. Wird die Beteiligung im Wege des Anteilstausches erworben, so stellt sie eine Sacheinlage dar, deren Gegenleistung in der Gewährung von Anteilsrechten an dem beteiligten Unternehmen besteht. In diesem Falle ergeben sich eine Bewertungsuntergrenze in Höhe des Nennbetrages der zu gewährenden Anteile und eine Bewertungsobergrenze in Höhe des Zeitwertes der erworbenen Beteiligung (vgl. AdlerlDüringlSchmaltz [Rechnungslegung] § 255, Tz. 97). Je nach dem, wie der bestehende Bewertungsspielraum ausgeschöpft wird, resultieren daraus unterschiedliche Totalgewinne aus dem Investitionsobjekt ,,Beteiligung" über die Dauer des Beteiligungsbesitzes hinweg. Die im Abschnitt m.1 hervorgehobene Identität der Totalgewinne nach dem Konzept des kapitaltheoretischen Gewinns einerseits sowie nach bilanzieller Gewinnkonzeption andererseits ist damit aufgehoben, so daß Abweichungen zwischen beiden Konzeptionen nicht mehr auf die Unterschiede hinsichtlich der Periodisierung beschränkt sind. Aufgrund dessen sind die Möglichkeiten einer am Shareholder Value orientierten Ex-post-Kontrolle nicht primär durch die Art der Konsolidierung, sondern durch das Bewertungswahlrecht beeinträchtigt.

IV. Anreizprobleme Neben dem Aspekt der Abbildungsqualität bilanzieIl gemessener ShareholderValue-Änderungen sind im Zusammenhang mit der Problematik einer Expost-Kontrolle durch die Anteilseigner auch die möglichen Auswirkungen ergebnisorientierter Anreizsysteme zu sehen. Geht man davon aus, daß der Shareholder Value im Sinne des Ertragswertes des Unternehmens eine nicht intersubjektiv feststellbare und überprüfbare Größe darstellt, so kann es trotz vielfältiger konzeptioneller Probleme (vgl. Elschen [Shareholder Value] 214 ff.) sinnvoll erscheinen, den eher objektivierbaren bilanziellen Gewinn als Bemessungsgrundlage fiir erfolgsabhängige Entlohnungen der Unternehmensleitung zu verwenden. Dabei kommen im

Strategische Beteiligungen

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Hinblick auf den Erwerb strategischer Beteiligungen grundsätzlich sowohl der durch Konsolidierung der betreffenden Beteiligung als auch der durch Nichteinbeziehung in die Konsolidierung ennittelte Erfolg in Betracht. Es stellt sich nun die Frage, ob sich aus der Wahl der Bemessungsgrundlage fiir erfolgsabhängige Entlohnungen erwünschte oder auch unerwünschte Rückwirkungen auf die Investitionsentscheidung bezüglich des Erwerbes strategischer Beteiligungen ergeben können. Dieser Frage soll anband zweier Beispiele nachgegangen werden, denen die folgenden Annahmen zugrundeliegen: 1. Erfolgsabhängige Entlohnungen basieren auf dem bilanzieIl gemessenen Jahresüberschuß (konsolidiert versus nicht konsolidiert). 2. Im Verlustfall kommt es zu einer "negativen Entlohnung" (Verlustausgleich durch den Agenten). 3. Das Formalziel des Agenten besteht in der Maximierung des Entlohnungsbarwertes, während aus der Perspektive des Prinzipals die Maximierung des der Investition zurechenbaren Kapitalwertes das Formalziel darstellt. 4. Es erfolgen keine Ausschüttungen durch das Beteiligungsunternehmen während der Dauer des Beteiligungsbesitzes. 5. Die Rückwirkungen der Verrechnung gewinnabhängiger Managemententlohnungen als Aufwand (Abzugsfähigkeit von der eigenen Bemessungsgrundlage) werden vernachlässigt. 6. Zur Vereinfachung wird von sicheren Erwartungen ausgegangen. Im Rahmen dieser Prämissen können die Auswirkungen unterschiedlicher Bilanzierungs- bzw. Periodisierungskonzeptionen isoliert untersucht werden. Fall 1: Beteiligung versus nicht abnutzbares Anlagevermögen Verglichen werden zwei Investitionsalternativen, nämlich der Erwerb einer strategischen Beteiligung sowie eines nicht betriebsnotwendigen Grundstücks. Beide Investitionsalternativen erfordern eine Anschaffungsauszahlung in Höhe von 100 im Zeitpunkt t=O. Nach Ablauf von fünf Perioden (t=5) erfolgt in beiden Fällen die Veräußerung des Investitionsobjekts. Während der Dauer der Zugehörigkeit zum Unternehmen ergeben sich in beiden Fällen keine Zahlungen. In der folgenden Abbildung 4 sind fiir beide alternativ möglichen Investitionsobjekte jeweils die unterstellten Zahlungsströme sowie als grundsätzlich mögliche Bemessungsgrundlagen fiir eine erfolgsabhängige Entlohnung der ökonomischen Gewinn (angenommener Kalkulationszinsfuß: 10%) sowie der bilanziellen Gewinn angegeben, wobei hinsichtlich der Beteiligungsalternative wiederum zwischen dem konsolidierten und dem nicht kon-

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Wolfgang Eisele

solidierten Erfolg zu unterscheiden ist. Die ausgewiesenen Beträge bei konsolidierter Erfolgsermittlung basieren auf den jeweiligen angenommenen anteiligen Jahresüberschüssen des Beteiligungsunternehrnens sowie eines Veräußerungserfolges in t=5 aus Konzernsicht.

Zeitpunkt

t=o

t=1

t=2

t=3

Beteiligung Zahlung

-100

-

-

ökonomischer Gewinn

5,56

10,56

11,61

bilanzieller Gewinn (nicht konsolidiert)

0

0

bilanzieller Gewinn (konsolidiert)

0

t=4

-

-

170

12,n

14,05

15,46

0

0

0

70

9

14

15

8

24

-100

-

-

-

-

180

11,n

11,18

12,29

13,52

14,88

16,36

0

0

0

0

0

80

GrundstOck Zahlung ökonomischer Gewinn bilanzieller Gewinn

t=5

Abb. 4: Zahlungsströme der Investitionsobjekte Beteiligung und Gnmdstück

Bei einem unterstellten Kalkulationszinssatz von 10% weist die Beteiligung einen Kapitalwert von 5,56 (Vermögensendwert bzw. Totalgewinn: 70) auf, während der Kapitalwert des Grundstücks 11,77 (Vermögensendwert bzw. Totalgewinn: 80) beträgt. Das Grundstück stellt also aus Sicht der Anteilseigner die vorteilhaftere Investitionsaiternative dar. Diese Rangfolge der Investitionsaiternativen ergibt sich auch aus der Perspektive der Unternehrnensleitung, sofern diese prozentual am ökonomischen Gewinn partizipiert. Der ökonomische Gewinn stellt eine auf finanzmathematischem Wege ermittelte periodische Reinvermögensmehrung in Höhe der Zinsen auf den Ertragswert dar (vgl. Schneider [Grundlagen] 200). Da er insofern unmittelbar auf dem Ertragswert einer Investition und damit auf dem Konzept des Shareholder Value basiert, ist er bei vorgegebenem Kalkulationszinsfuß und damit im Rahmen der Modellannahrnen problemloser und zugleich intersubjektiv überprüfbarer Ermittelbarkeit eine notwendigerweise verzerrungsfreie Bemessungsgrundlage für erfolgsabhängige Entlohnungen

Strategische Beteiligungen

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und fungiert somit als Maßstab für die Tauglichkeit bilanzieller Gewinngrößen. Die gleiche Rangfolge der Investitionsaltemativen gilt für den Fall, daß eine erfolgsabhängige Entlohnung auf der Basis des nicht konsolidierten Erfolges vorgesehen ist: Der Barwert der Jahresüberschüsse beträgt für die Investitionsalternative ,,Beteiligung" 43,46, während er für die Investitionsalternative "Grundstück" einen Betrag von 49,67 aufweist. Damit ist gewährleistet, daß eine Investitionsentscheidung der Unternehmensleitung, die auf der Grundlage des Barwertes der erfolgsabhängigen Entlohnung vorgenommen wird, zwangsläufig mit der Zielsetzung der Anteilseigner kompatibel ist. Eine solche Interessenharmonie ist nicht mehr gegeben, wenn der konsolidierte Erfolg Bemessungsgrundlage für die erfolgsabhängige Entlohnung der Unternehmensleitung ist. In diesem Fall beträgt der Barwert der konsolidierten Jahresüberschüsse 51,39. Es ist daher für die Unternehmensleitung vorteilhaft, die Beteiligung zu erwerben, da sich der Barwert der erfolgsabhängigen Entlohnung als prozentualer Anteil am Barwert der konsolidierten Jahresüberschüsse ergibt und somit den Barwert der erfolgsabhängigen Entlohnung bei Realisierung des Investitionsprojekts "Grundstück" übersteigt. Ursache für die Rangfolgenumkehr ist das eklatante Auseinanderfallen der zeitlichen Strukturen der für die Beteiligung ermittelten konsolidierten Gewinnreihe einerseits und der nicht konsolidierten Gewinnreihe andererseits bei jeweils identischem Totalgewinn bzw. Vermögensendwert. Das Problem einer Rangfolgenumkehr ist somit unabhängig von der Frage, ob überhaupt eine Periodisierung von Zahlungsströmen erfolgt, denn sonst wäre bereits die Entlohnung auf der Grundlage des ökonomischen Gewinns eine problematische Vorgehensweise. Entscheidend für ein Aufrechterhalten der ursprünglichen Rangfolge ist vielmehr, daß für beide Investitionsalternativen einheitliche Bilanzierungs- bzw. Periodisierungsregeln vorgegeben werden.

Fall 2: Beteiligung versos abnutzbares Anlagevermögen In Abwandlung des ersten Falles wird nunmehr als Alternative zum Beteiligungserwerb der Kauf einer maschinellen Anlage erwogen, die ebenfalls eine Anschaffungsauszahlung in Höhe von 100 erforderlich macht und eine Nutzungsdauer von fünf Perioden bei linearer Abschreibung aufweist. Die während der Nutzungsdauer anfallenden Zahlungsüberschüsse und Gewinngrößen sind in der folgenden Tabelle wiedergegeben, wobei von einer Wiederanlage der Investitionsrückflüsse der Zeitpunkte t=1 bis t=4 zum Kalkulationszinsfuß ausgegangen wird und die Zinsen in t=5 als Zinsertrag in Höhe von 37 vereinnahmt werden:

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Zeitpunkt

t=O

t=1

t=2

t=3

t=4

t=5

Maschinelle Anlage Zahlung

-100

43

29

24

24

10

ökonomischer Gewinn

3,69

10,37

11,41

12,55

13,80

15,18

0

23

9

4

4

27

bilanzieller Gewinn

Abb. 5: Zahlungsströme des Investitionsobjektes Maschinelle Anlage

In diesem Fall erweist sich die Beteiligungsinvestition mit ihrem Kapitalwert von 5,56 (Vermögensendwert bzw. Totalgewinn: 70) gegenüber der Maschine mit einem Kapitalwert von 3,69 (Vermögensendwert bzw. Totalgewinn: 67) aus der Sicht der Anteilseigner als vorteilhafter. Liegt der Entlohnung der Unternehmensleitung der konsolidierte Erfolg zugrunde, so ist die Rangfolge der Investitionsobjekte aus der Sicht der Unternehmensleitung mit dem Kapitalwertkriterium kompatibel: Der Barwert der konsolidierten Jahresüberschüsse beträgt 51,39 und der Barwert der Gewinnreihe für die Maschine 50,85. Stellt jeweils der nicht konsolidierte Jahresüberschuß die Bemessungsgrundlage für die erfolgsabhängige Entlohnung der Unternehmensleitung dar, so ergibt sich für die Beteiligung ein Barwert der Jahresüberschüsse von 43,46, während der entsprechende Barwert für die Maschine 50,85 beträgt. Aus der Sicht der Untemehmensleitung kommt es hier zu einer Rangfolgenumkehr. In beiden hier dargestellten Fällen liegen aus der Perspektive der Anteilseigner entscheidungsverzerrende Anreize vor. Es kann nicht generell gesagt werden, daß ein Anreizsystem auf der Grundlage der nicht konsolidierten Erfolgsgröße dem konsolidierten Gewinn überlegen ist oder umgekehrt. Auslöser für diese unerwünschten Effekte sind die jeweils differierenden Periodisierungsregeln, denen die zu vergleichenden InvestitionsaIternativen unterworfen sind. Für die Unternehmensleitung erhält die InvestitionsaIternative "strategische Beteiligung" insofern einen zusätzlichen egoistischen Aspekt: Indem sie Investitionsentscheidungen trifft, die den ihr vorgegebenen Zielsetzungen widersprechen, kann sie das Entlohnungsverhalten ihrer Auftraggeber in ihrem Sinne positiv beeinflussen.

Strategische Beteiligungen

61

v. Fazit Eine existierende Diskrepanz zwischen der Ertragswertänderung aufgrund des Besitzes oder des Erwerbes bzw. der Veräußerung strategischer Beteiligungen und deren Abbildung im Einzeiabschluß des beteiligten Unternehmens kann durch Einbeziehung der Beteiligung in die Kapitalkonsolidierung verringert werden. Dabei steht nicht so sehr die Frage nach der Art der Konsolidierung im Vordergrund, vielmehr ist von Bedeutung, daß strategische Beteiligungen überhaupt in die Konsolidierung einbezogen werden. Hierdurch wird erreicht, daß durch eine objektivierte periodische Messung des bilanziellen Wertes des Beteiligungsunternehmens Wertänderungen der Beteiligung sowohl in positiver als auch in negativer Richtung unmittelbar und ohne zeitliche Verzögerung entsprechende bilanzielle Wertänderungen beim beteiligten Unternehmen auslösen. Dem Ziel einer ergebnisorientierten Ex-post-Kontrolle kann man somit erheblich näher kommen. Hinsichtlich der Funktion als Bemessungsgrundlage fiir erfolgsabhängige Entlohnungen und damit zur Entfaltung von Anreizwirkungen, die auf die Erfüllung der finanzwirtschaftlichen Ziels der Anteilseigner gerichtet sind, kann eine ähnlich eindeutige Aussage nicht getroffen werden. Die hier dargestellten Beispiele belegen, daß sowohl der konsolidierte als auch der nicht konsolidierte Jahresüberschuß des beteiligten Unternehmens als Bemessungsgrundlage fiir Entlohnungen unerwünschte Anreizverzerrungen hervorrufen kann. Im Ergebnis können daher eindeutige Bilanzierungsregeln fiir die Behandlung strategischer Beteiligungen, die sowohl dem Anspruch einer ergebnisorientierten Ex-post-Kontrolle als auch einer anreizorientierten Entlohnungsregelung gerecht werden sollen, nicht widerspruchsfrei hergeleitet werden. Es ist von daher zu vermuten, daß eine unmittelbar an finanzwirtschaftlichen Größen anknüpfende Anreizregelung fiir die Erfiillung dieser Funktion besser geeignet ist.

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Wolfgang Eisele

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Die International Accounting Standards im Spannungsverhältnis zu den Grundsätzen der deutschen Rechnungslegung von Gunther Reiter, ESB Reutlingen

I. Problemstellung..........................................................................................

64

ll. Ansätze zur Hannonisierung der Reclmungslegung ....... :.............................. 64 1. Hannonisierung in den Staaten der Europäischen Gemeinschaft

64

2. Ansätze zur internationalen Hannonisierung durch das International Accounting Standards Committee (lASC) ....... .... ........... ...................... .... 65

III. Vereinbarkeit der International Accounting Standards mit den Grundsätzen deutscher Reclmungslegung ......................................................................... 67 1. Der Adressatenkreis der Reclmungslegung ............................................... 67 2. Die Zwecke der Reclmungslegung ......................................................... :. 68 3. Die Grundsätze der Reclmungslegung ...................................................... 71 a) Die Fundamentalprämissen der lAS - Reclmungslegung ......................

71

b) Die primären und sekundären Reclmungslegungsgrundsätze ...............

73

c) Relativierende Nebenbedingungen ................................ ............... .......

76

4. Kriterien der Bilanzierungsfiihigkeit ............. ...........................................

76

5. Wertansätze im Jahresabschluß ................................................................

78

a) Die primären Wertansätze .................... ............ ........................... . ...... 78 b) Die sekundären Wertansätze .......... ................... .... ....... ............. ..........

80

IV. Ansätze zu einer Weiterentwicklung der deutschen Reclmungslegung ..........

82

V. Zusammenfassung und Ausblick ... ............ ...................................................

85

64

Günther Reiter

I. Problemstellung Bereits wenige Jahre nach der Umsetzung der vierten und der siebten EGRichtlinie in nationales Recht durch das Bilanzrichtliniengesetz von 1985 ist die Diskussion um eine Hannonisierung der Rechnungslegung neu entflammt. Rasante Fortschritte in der Kommunikationstechnologie, der Abbau von Handeishemmnissen, Devisenbeschränkungen und Kapitalverkehrskontrollen führen zu einer zunehmenden Globalisierung der Waren- und Dienstleistungsaber auch der Geld- und Kapitalmärkte. Der sich im Zuge dieses Globalisierungsprozesses verschärfende internationale Wettbewerb hat maßgebliche Auswirkungen auf die Unternehmensstruktur, die Standortpolitik sowie die Finanzierungsstrategien der Marktteilnehmer und damit auch auf den Adressatenkreis der betrieblichen Rechnungslegung. Sieht man in der Vermittlung entscheidungsrelevanter Informationen für Kapitalgeber und andere Adressaten einen der primären Zwecke des Jahresabschlusses (vgl. Schweitzer [Bilanz] 11), so taucht vor dem Hintergrund dieser Entwicklung unweigerlich die Forderung nach einer internationalen Harmonisierung der Grundsätze auf, nach denen Unternehmen Rechnung legen. Unter den verschiedenen privatrechtlichen und zwischenstaatlichen Organisationen, die sich dieser Aufgabe widmen (vgl. dazu ausführlich Küting/Hayn [Entwicklung] 35 ff., Havermann [Entwicklungen] 666 ff.), wird im einschlägigen Schrifttum dem International Accounting Standards Committee (lASe) heute die größte Bedeutung beigemessen. Die Diskussion - nicht nur in Deutschland - konzentriert sich seit Beginn der neunziger Jahre zunehmend auf die Frage, ob bzw. inwieweit die vom IASC entwickelten und veröffentlichten International Accounting Standards (lAS) als allgemein anerkannte Rechnungslegungsgrundsätze in die nationalen Normensysteme Eingang finden können. In diesem Beitrag soll vor dem Hintergrund der aktuellen Diskussion untersucht werden, ob eine Weiterentwicklung des deutschen Bilanzrechts auf der Grundlage der lAS vorstellbar ist und welche Probleme auf dem Wege zu diesem Ziel noch einer Lösung bedürfen.

ll. Ansätze zur Harmonisierung der Rechnungslegung 1. Harmonisienmg in den Staaten der Europliischen Gemeinschaft Als sich etwa Mitte der sechziger Jahre die Diskussion um die Harmonisierung der Rechnungslegung in der EG intensivierte, erfolgte dies vor dem Hintergrund des wirtschaftlichen und politischen Zusammenwachsens der europäischen Staaten. Der Abbau von Handelsschranken und eine zunehmen-

International Accounting Standards

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de Öffnung der Grenzen für den Waren-, Dienstleistungs- und Kapitalverkehr verlangte auch eine Harmonisierung der Grundsätze, nach denen Unternehmen Rechnung legen. Die Angleichung des Bilanzrechts stellte vor dem Hintergrund des europäischen Vereinigungsprozesses letztlich eine politische Notwendigkeit dar. Dementsprechend war auch der Prozeß der Harmonisierung in erster Linie ein politischer Prozeß, bei dem die inhaltliche Auseinandersetzung mit Fragen über Zwecke, Form und Inhalt der betrieblichen Rechnungslegung zugunsten der Konsensfindung und der politischen Durchsetzbarkeit in den Hintergrund gedrängt wurden. Deutlich zeigt sich dies in der Vielzahl nationaler Wahlrechte, welche die 4. und die 7. Richtlinie den Mitgliedsstaaten der EG einräumten und die deren Umsetzung in nationales Recht ohne wesentliche Eingriffe in das historisch gewachsene, soziokulturell geprägte Bilanzverständnis der einzelnen Länder erlaubten (vgl. z. B. Stein [Bilanzierung] 661). Insbesondere konnte der fundamentale Gegensatz zwischen dem primär statischen, vom Gedanken des Gläubigerschutzes und damit der Vorsicht geprägten Bilanzverständnis deutscher Prägung und der dynamischen, den Informationsbedürfnissen der Kapitalanleger und damit dem Grundsatz des 'true and fair view' verpflichteten, angelsächsischen Rechnungslegungsphilosophie nicht gelöst werden. Obwohl es sich bei der Verabschiedung und der Umsetzung der 4. und 7. EG-Richtlinie, politisch betrachtet, um ein historisches Ereignis bei dem Bestreben um eine Harmonisierung der Rechnunglegung handelte, war das Ergebnis, wirtschaftlich gesehen, doch eher enttäuschend (vgl. Küting [Bilanzrecht] 32 m.w.N.). Die Harmonisierung blieb im wesentlichen auf die formalen Aspekte der Rechnungslegung beschränkt, eine Angleichung der materiellen Grundsätze im Sinne der Schaffung einer inhaltlich gleichwertigen und vergleichbaren Rechnungslegung in den Staaten der EG konnte dagegen nicht erreicht werden. Vielmehr trat durch den Kompromißcharakter der vierten Richtlinie neben die bereits bestehenden nationalen Ansatz- und Ausweiswahlrechte eine Vielzahl weiterer zulässiger Ausgestaltungsvarianten, die, wenn sie von einem Mitgliedsstaat in das nationale Recht übernommen wurden, die Freiheitsgrade in der Darstellung der Bilanzinformation noch erhöhten, wodurch der Aussagewert und die Vergleichbarkeit der Jahresabschlüsse trotz erläuternder Anhangangaben eher noch weiter einschränkt wurden (vgl. auch Schruff [Vereinheitlichung] 401). 2. Ansätze zur internationalen Harmonisierung durch das International Accounting Standards Committee (lASC) Etwa zeitgleich mit dem Beitritt Großbritanniens zur Europäischen Gemeinschaft wurde 1973 das lASe als privatrechtlicher Zusammenschluß der Berufsorganisationen der Wirtschaftsprüfer aus zehn Industrienationen mit dem 5 FS Schweitzer

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Günther Reiter

Ziel gegründet, weltweit anerkannte Rechnungslegungsstandards zu erarbeiten. Mit diesen 'International Accounting Standards' sollte eine globale Harmonisierung der Vorschriften und Grundsätze, nach denen Unternehmen Jahresabschlüsse erstellen und publizieren, erreicht werden. Im Jahre 1996 gehörten dem IASC 116 Mitgliedsorganisationen aus 85 Ländern an (vgl. IASC [Standards] 7). Deutschland ist seit der Gründung durch das Institut der Wirtschaftsprüfer (IDW) und die Wirtschaftsprüferkammer (WPK) im IASC vertreten. Im Gegensatz zur EU verfügt das IASC über keine politischen bzw. legislativen Durchsetzungsmöglichkeiten. Die von ihm verabschiedeten Standards stellen vielmehr Empfehlungen dar, die zur Erlangung rechtlicher oder faktischer Verbindlichkeit der Umsetzung durch die normgebenden Institutionen der einzelnen Staaten (Gesetzgeber, Börsenbehörden oder Berufsorganisationen) bedürfen. Der Arbeit des IASC und den von ihm verabschiedeten Standards wurde bis Ende der achtziger Jahre in der Literatur und in der Bilanzierungspraxis keine nennenswerte Beachtung geschenkt. In den ersten Jahren seines Bestehens stand es weitestgehend im Schatten des politisch mit viel Nachdruck betriebenen europäischen Harmonisierungsprozesses. Zwar wurden bis 1988 insgesamt 31 lAS verabschiedet, diese waren aber, ähnlich wie die 4. und 7. EGRichtlinie, durch zahlreiche Wahlrechte gekennzeichnet, um auch hier einen Komprorniß zwischen der angelsächsischen und der kontinentaleuropäischen Bilanzphilosophie zu schaffen. Von seinem satzungsmäßigen Ziel, als weltweit anerkannter Standard-Setter fiir Rechnungslegungsgrundsätze anerkannt zu werden, war das IASC weit entfernt. Erst mit dem Beitritt der International Organisation of Securities Commissions (lOSCO) in das Consultative Board des IASC und deren Entscheidung, keine eigenen, für die Börsenzulassung maßgeblichen Rechnungslegungsgrundsätze zu entwickeln, sondern unter bestimmten Voraussetzungen IASkonforme Abschlüsse anzuerkennen, veränderte sich die Situation grundlegend. Allerdings machte die stark von der amerikanischen Börsenaufsichtsbehörde SEC dominierte lOSCO, in der Deutschland durch das Bundesfinanzministerium und die Deutsche Börse AG vertreten ist, dem IASC eine grundlegende Überarbeitung der bis dahin verabschiedeten Standards zur Auflage. Insbesondere wurde eine weitgehende Eliminierung der vielfaItigen, in den lAS enthaltenen Wahlrechte als Voraussetzung für die Anerkennung gefordert (vgl. Biener [Bedeutung] 150. Um den Auflagen der IOSCO zu entsprechen, wurden im Rahmen des sogenannten "Comparability and Improvement'-Projektes vom IASC zehn Standards grundlegend überarbeitet und die darin enthaltenen, in der Regel an der

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kontinentaleuropäischen Rechnungslegung orientierten Wahlrechte eliminiert. Diese überarbeiteten Standards traten zum 01.01.1995 in Kraft. Bei den wenigen darin noch verbliebenen Wahlrechten wird zwischen einer zu präferierenden Vorgehensweise ("Benchmark-Treatment') und einer zulässigen Wahlaltemative (''Allowed Alternative Treatmenf') unterschieden (vgl. dazu Kleekämper [lAS] 561f.), die in begründeten Ausnahmen zur Anwendung kommen kann. Das 'Comparability-and-Improvement' -Projekt markiert eine grundlegende Neuausrichtung der Harmonisierungsstrategie durch das IASC. Während zuvor versucht worden war, konträre Rechnungsphilosophien durch die Schaffung von Wahlrechten in Einklang zu bringen, steht nun eine eindeutige Kapitalmarktorientierung im Vordergrund. Damit hat das IASC eine starke Hinwendung zum anglo-amerikanischen Bilanzverständnis, das sich in erster Linie dem Informationsbedürfnis der Risikokapitalgeber verpflichtet fiihlt, vollzogen. Allerdings ist diese Neuausrichtung nicht das Ergebnis einer intensiven wissenschaftlichen Diskussion. Vielmehr wurde sie durch den Einfluß der amerikanischen Börsenaufsichtsbehörde SEC innerhalb der IOSCO sowie die anglo-amerikanisch orientierte Mehrheit im Board des IASC bewirkt. Als Gegengewicht zur anglo-amerikanischen Interessensvertretung engagiert sich auch die EU im IASC. Sie ist Mitglied in der Consultative Group und verfügt über Beobachterstatus im Board des IASC (vgl. IASC [lASC] 8). Die Zusammenarbeit mit dem IASC soll mit dem Ziel der Schaffung eines europa- und weltweit harmonisierten Bilanzrechts künftig weiter verstärkt werden. Grundsätzlich schließt die EU dabei eine Änderung ihrer Richtlinien zur Ausräumung von Unvereinbarkeiten mit den lAS nicht aus (vgl. EU [Harmonisierung] Rn. 5.3, 5.4]. Im Gegenzug hat sich das IASC bereit erklärt, die bisher erlassenen Standards hinsichtlich ihrer Vereinbarkeit mit den EURichtlinien zu überprüfen. Durch diese neue Strategie versucht die EU, im internationalen Harmonisierungsprozeß wieder mehr Einfluß zu gewinnen.

ill. Vereinbarkeit der International Accounting Standards

mit den Grundsätzen deutscher Rechnungslegung 1. Der Adressatenkreis der Rechnungslegung

Als Adressaten des Jahresabschlusses definiert das IASC " ... present and potential investors, employees, lenders, suppliers and other trade creditors, customers, govemments and their agencies and the public." (IASC [Framework] Rn. 9). Der Adressatenkreis der IASC-Rechnungslegung deckt sich damit im wesentlichen mit dem im deutschen Schrifttum nach der Koalitionstheorie ab-

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GOnther Reiter

gegrenzten Kreis der Jahresabschlußempfänger (vgl. Coenenberg [Jahresabschluß] 653 ff., Federmann [Bilanzierung] 40 ff.). Allerdings sieht das IASC den Fiskus nicht als Jahresabschlußadressaten (vgl. IASC [Framework] Rn. 6). Dementsprechend findet sich im Rahmen der lAS keine dem deutschen Maßgeblichkeitsgrundsatz entsprechende Verbindung zwischen Handels- und Steuerbilanz. In seinem "Framework for the Preparation and Presentation of Financial Statements" weist das IASC darauf hin, daß der Jahresabschluß nicht den Informationsbedürfnissen aller Adressaten gleichermaßen gerecht werden kann. Vielmehr ist der lAS-Abschluß primär an den Informationsinteressen der Risikokapitalgeber orientiert, allerdings unter der Annahme, daß ein am Investor orientierter Jahresabschluß "... will also meet most of the needs of other users that financial statements can satisfy" (IASC [Framework] Rn. 10). Hierin zeigt sich die stark von der anglo-amerikanischen Rechnungslegungsphilosophie beeinflußte Anlegerorientierung. Demgegenüber versucht der handelsrechtliehe Jahresabschluß durch einen Interessenausgleich den teilweise stark divergierenden Informationsbedürfnissen der einzelnen Adressaten gleichermaßen Rechnung zu tragen (vgl. BaetgelKirsch [Grundsätze] Rn. 279). Im Sinne dieser Interessenregelung versucht das HGB, die verschiedenen Jahresabschlußzwecke in den gesetzlichen Einzelvorschriften weitestgehend ausgeglichen zu berücksichtigen. Allerdings läßt sich nicht übersehen, daß durch die starke Betonung des Vorsichtsprinzips die Gläubigerschutzinteressen letztlich doch im Vordergund stehen. 2. Die Zwecke der Rechnungslegung Trotz divergierender individueller Zielvorstellungen ist allen Jahresabschlußadressaten das Bedürfni.s nach unternehmensbezogener Information, auf deren Grundlage sie ihre individuellen Dispositionen treffen können, gemeinsam (vgl. auch Coenenberg [Jahresabschluß] 654). Betrachtet man Informationen als empirisch wahre Erkenntnisse, die unterschiedlichen Zwecken dienen können und deren Gewinnung demzufolge zweckorientiert erfolgen muß, so stellt sich vor dem Hintergrund dieser Interessendivergenz der Bilanzadressaten die Frage nach der primären Zweckausrichtung der vermittelten Informationen (vgl. Schweitzer [Bilanz] 11). Grundsätzlich ist von der Annahme auszugehen, daß die Jahresabschlußadressaten von den ihnen vermittelten Informationen erwarten, daß sie empirisch untermauert, unmanipuliert sowie faktisch begründet, wahr und haltbar sind. Je geringer die Informationsverluste, Informationsverzerrungen oder -verzögerungen in einem Informationssystem sind, desto sicherer kann die da-

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mit vermittelte Infonnation als Dispositionsgrundlage dienen. Demzufolge wäre für die Infonnation externer Adressaten derjenige Jahresabschluß der geeignetste, der " ... auch der Unternehmensfiihrung selbst das klarste Bild von der Situation der Unternehmung vermittelt" (Schweitzer [Bilanz] 141 m. w. N.). Dieses Verständnis des Jahresabschlusses als Instrument zur Vermittlung wahrer und zuverlässiger Infonnationen, die Grundlage individueller wirtschaftlicher Entscheidungen in bezug auf das berichtende Unternehmen sind, liegt den International Accounting Standards zugrunde. Als "Objective of FinanciaJ Statements" sieht das lASe "... to provide infonnation about the financial position, performance and changes in the financial position of an enterprise that is useful to a wide range of users in making economic decisions." (vgl. lASe [Framework] Rn. 12.). Damit der Jahresabschluß diesem aus der anglo-amerikanischen Rechnungslegung bekannten Postulat der "Decision UsefuJness" gerecht wird, muß er dem Grundsatz des "true and fair view" bzw. der ''fair presentation" entsprechen. Das angelsächsische "true-and-fairview" -Prinzip und der amerikanische Grundsatz der "fair presentation" werden dabei vom lASe als inhaltlich gleichwertig angesehen (vgl. lASe [Framework] Tz. 46). Jahresabschlüsse, die unter Beachtung dieses Grundsatzes aufgestellt werden, vermitteln nach Überzeugung des lASe nicht nur für Risikokapitalgeber relevante Informationen, sondern tragen ebenso den Erfordernissen des Gläubigerschutzes, der Rechenschaft und der Kapitalerhaltung Rechnung (vgl. lASe [Framework] Rn. 12-17). Mit der Genera/norm des § 264 Abs. 2 HGB, wonach der Jahresabschluß der Kapitalgesellschaft unter Beachtung der Grundsätze ordnungsmäßiger Buchfiihrung ein den tatsächlichen Verhältnissen entsprechendes Bild der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage des Unternehmens zu vermitteln hat, wurde ein inhaltlich im wesentlichen dem "True-and-fair-view" -Prinzip entsprechender Grundsatz in das deutsche Recht aufgenommen. Durch den Verweis auf die Grundsätze ordnungsmäßiger Buchfiihrung, die Unterordnung unter das Imparitätsprinzip und durch zahlreiche Ansatz- und Bewertungswahlrechte wird die praktische Bedeutung dieser Bestimmung allerdings sehr stark eingeschränkt. Entgegen den Vorgaben der 4. EG-Richtlinie kommt der Generalnorm im deutschen Recht somit nicht die Funktion eines "overriding princip/e" zu, vielmehr ist sie den kodifizierten und nicht kodifizierten GoB untergeordnet und besitzt damit lediglich eine Subsidiärfunktion (vgl. Streim [Generalnorm] 396 fI.). Der primär an den Bedürfnissen der Risikokapitalgeber orientierten Informationskonzeption der lAS-Rechnungslegung steht der handelsrechtliche Jahresabschluß als "Kompromiß-Instrument' (BaetgelKirsch [Grundsätze] Rn. 282), das einen Ausgleich zwischen den Iahresabschlußzwecken Doku-

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mentation, Rechenschaft und Kapitalerhaltung herzustellen versucht, gegenüber (vgl. auch Federmann [Bilanzierung] 47 ff.). Allerdings ist zu fragen, ob es sich dabei tatsächlich um eigenständige Bilanzzwecke handelt. Unzweifelhaft hat der Jahresabschluß Informationen über die Lage und die Entwicklung eines Unternehmens zu vermitteln. Informationen können aber, wie Schweitzer ([Bilanz] 11 f.) deutlich macht, unterschiedlichen Zwecken dienstbar gemacht werden, wobei die Informationsgewinnung selbst nur zweckorientiert erfolgen kann. So sind etwa Gläubigerschutz bzw. Kapitalerhaltung nicht originäre Zwecke des Jahresabschlusses, sondern vielmehr Zwecke, denen die durch die Bilanz vermittelte Information Rechnung tragen soll. Insofern wäre zu empfehlen, zwischen dem Injormationszweck des Rechnungssystems einerseits und den Zwecken, die mit dieser Information erreicht werden sollen, andererseits zu unterscheiden. Dokumentation, Rechenschaft, Kapitalerhaltung und Gläubigerschutz sind bei dieser Betrachtungsweise letztlich Nebenbedingungen, durch die der Informationszweck des Jahresabschlusses konkretisiert wird und die bei der Gewinnung und Darstellung der Jahresabschlußinformation zu beachten sind. Diese Information kann z. B. so gestaltet werden, daß sie im Sinne des Gläubigerschutzes (aber auch des Aktionärschutzes und der Unternehmenserhaltung) den ausgewiesenen, ausschüttbaren Gewinn auf den Betrag beschränkt, der dem Unternehmen ohne Gefllhrdung der Substanz entzogen werden kann. Dies impliziert aber, daß die im Gewinnausweis vermittelte Information unter den Nebenbedingungen einer apriori festgelegten Kapitalerhaltungskonzeption dargestellt wird. Die Beachtung der Gläubigerinteressen und der Kapitalerhaltung sind aber nicht notwendigerweise nur auf dem Weg der (tendenziellen) Unterbewertung des Vermögens bzw. einer Überbewertung der Schulden zu erreichen, wie er vom deutschen Bilanzrecht beschritten wird. Der gleiche Zweck wäre z. B. auch durch Regelungen zur Ausschilttungsbegrenzung und Rilcklagenbildung zu erreichen. Die mit der Bildung stiller Reserven verbundene Informationsverzerrung könnte dadurch weitgehend vermieden werden. Dies steht auch nicht im Widerpruch zur Objektivität der vermittelten Information. Diese Nebenbedingungen, denen die Jahresabschlußinformationen unterworfen sind, werden in den jeweils geltenden Rechnungslegungsgrundsätzen und im kodifizierten Bilanzrecht verbindlich festgelegt. Während die International Accounting Standards in der Tradition der anglo-amerikanischen Rechnungslegung die Entscheidungsrelevanz der vermittelten Bilanzinformation in den Vordergrund stellen und sich nicht auf ein spezifisches Kapitalerhaltungskonzept festlegen (vgl. lASe [Framework] Rn. 110), hat der deutsche Jahresabschluß seine Informationsfunktion unter der Restriktion eines vorsichtigen, am Schutz der Gläubiger und der Erhaltung des Nominalkapitals orientierten Gewinnausweises zu erfüllen. Hierin liegt einer der fundamentalen Gegensätze beider Rechnungslegungskonzeptionen.

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3. Die Grundsätze der Rechnungslegung Die Grundsätze der lAS-Rechnungslegung sind im lAS Framework und ergänzend in lAS 1 "Disclosure 0/ Accounting Policies" formuliert. Einen Überblick über das System dieser Rechnungslegungsgrundsätze gibt Abb. I (vgl. dazu IASC [Framework] Rn. 22-46; vgl. auch GoebellFuchs [Rechnungslegung] 876, Hayn [Standards] 720).

a) Die Fundamentalprtimissen der lAS - Rechnungslegung Im Gegensatz zur anglo-amerikanischen Rechnungslegung verzichtet das IASC auf die verbindliche Festlegung einer Generalnorm im Sinne eines "overriding principle". Vielmehr soll die Beachtung der allgemeinen Rechnungslegungsgrundsätze sowie der relevanten Einzelstandards sicherstellen, daß der Jahresabschluß dem Postulat des "true and fair view" bzw. der "fair presentation" Rechnung trägt (vgl. IASC [Framework] Rn. 246). Im System der lAS entspricht dieses Postulat somit der Generalnorm des § 264 Abs. 2 HGB, der ebenfalls nur eine subsidiäre Anwendung gegenüber den Einzelvorschriften zukommt. Als Basisprinzipien der Rechnungslegung definiert das IASC die "Accrual Basis" (periodenabgrenzung) und den Grundsatz des "Going Concern" (Unternehmensfortfiihrung) (vgl. IASC [Framework] Rn. 22, 23). Beide Grundsätze bilden sozusagen die Fundamentalprtimissen, auf denen die Jahresabschlußinformation basiert. Von ihnen darf nur abgewichen werden, wenn zwingende Gründe dies erfordern, wie etwa die Erstellung einer Liquidationsbilanz. Beide Fundamentalprinzipien haben im System der deutschen GoB ihre Entsprechung im Grundsatz der Periodenabgrenzung und im Grundsatz der Unternehmens/ortflJhrung. Während dem "Going-Concern" -Prinzip in beiden Rechnungslegungssystemen weitestgehend der gleiche Bedeutungsinhalt zukommt, unterscheidet sich die "Accrual Basis" der lAS-Konzeption vom deutschen Grundsatz der Periodenabgrenzung zwar nicht inhaltlich, so aber doch in seiner Stellung innerhalb des Systems. Während das deutsche Imparitätsprinzip aus Gründen der vorsichtigen Bewertung eine Abweichung vom strengen Grundsatz der Periodenabgrenzung vielfach zwingend vorschreibt, wie etwa bei der Antizipation noch nicht realisierter Verluste sowie dem Verbot des Ausweises noch nicht realisierter Gewinne, obwohl eine Wertsteigerung bei einem Vermögensgegenstand bereits eingetreten ist, dominiert in der lAS-Konzeption der Grundsatz der Periodenabgrenzung deutlich vor dem Grundsatz der Vorsicht.

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Underlying Assumptions Accrual Basis

Going Concem

(Periodenabgrenzung)

(UntemehmensfortlOhrung)

Qualitative Characteristics of Financial Statements Understandability

Relevance

Reliability

Comparability

(Entscheidungsrelevanz)

(Z1MI~I.. igke~)

(Vergleichbarke~)

-

-

(VerslAndlichkeit)

Materiality (WesenHichkeit)

-

Faithful Representation (Wahrheit)

Substance over Form (WirtschaftI. Betrachtung)

-

t

Neutrality (WillkQrfreihe~)

Prudence (Vorsicht)

Completeness (VoIlstAndigke~)

Constraints on Relevant and Reliable Information - Timeliness

t

(Rechtzeitigke~)

-

Balance between Beneflt and Cost (Wirtschaftlichkeit)

Balance between Qualitative Characteristics (Ausgewogenheit)

~

!

~

~

Application of the principal qualitative characteristics and of appropriate accounting standards

!

!

~

!

True and Fair View/Fair Presentation

Abb. 1: Übersicht über die Grundsätze der IAS-Rechmmgslegung

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b) Die primären und sekundären Rechnungslegungsgrundsätze

Auf der Basis der beiden Fundamentalprämissen definiert das IASC vier "Qualitative Characteristics 0/ FinanciaJ Statements", die sicherstellen sollen, daß die in den Jahresabschlüssen vermittelten Informationen den Informationsbedürfnissen der Anwender gerecht werden. Der Grundsatz der "Understandability" (Verständlichkeit), verlangt, daß die im Jahresabschluß vermittelte Information klar und nachvollziehbar ist (vgl. IASC [Framework) Rn. 25). Diesem Grundsatz entsprechende Vorschriften finden sich auch im deutschen Handelsrecht in den §§ 238 Abs. 1 Satz 2 HGB, der sich auf die dem Jahresabschluß zugrunde liegende Buchhaltung bezieht, sowie § 243 Abs. 2 HGB, der den Grundsatz der Klarheit und Übersichtlichkeit des Jahresabschlusses verlangt. Während sich der Grundsatz der Klarheit und Übersichtlichkeit im deutschen Bilanzrecht aber primär auf die formalen Aspekte der Darstellung und Bezeichnung der Jahresabschlußpositionen bezieht (vgl. etwa BaetgelFeylFey [§ 243) Rn. 41 ff.), macht die Formulierung des IASCGrundsatzes deutlich, daß hier auch die Verständlichkeit im Sinne einer inhaltlichen Nachvollziehbarkeit der dargestellten Bilanzinformation gemeint ist. Insofern geht der lAS-Grundsatz über den Klarheitsgrundsatz des deutschen Handelsrechts hinaus. Gemeinsam ist beiden allerdings, daß sich die Bilanzinformation an einen sachverständigen Dritten wendet. Der Grundsatz der "Relevance" (Entscheidungsrelevanz) bezieht sich auf die Zweckdienlichkeit der Information fiir Entscheidungen der Jahresabschlußempfanger. Danach gelten Informationen dann als relevant, wenn sie als Grundlage für das Treffen ökonomischer Entscheidungen dienen, oder sie für die Evaluierung bereits getroffener Entscheidungen Bedeutung besitzen (vgl. IASC [Framework) Rn. 26 ff.). Konkretisiert wird der Grundsatz der "Relevance" durch die Forderung nach der "MateriaJity" (Wesentlichkeit) (vgl. IASC [Framework) Rn. 29, 30), welche verlangt, daß eine Information von ihrer Art oder ihrem Gehalt her wesentlich und bedeutsam für eine Entscheidung oder die Beurteilung einer bereits getroffenen Entscheidung sein muß. Der Grundsatz der "Relevance" findet insofern seine Entsprechung im Grundsatz der Wesentlichkeit, der im deutschen Bilanzrecht nicht explizit kodifiert ist, sondern sich aus der Generalnorm des § 264 Abs. 2 HGB sowie den mit Wirtschaftlichkeitsüberlegungen begründeten Bewertungsvereinfachungsverfahren für Vorräte herleiten läßt (vgl. BaetgelKirsch [Grundsätze) Rn. 309).

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Eine besondere Bedeutung im Rahmen der lAS-Rechnungslegung kommt dem Grundsatz der "Reliability" (Zuverlässigkeit) zu (vgl. lASe [Framework] Rn. 31 ff.). Jahresabschlußinformationen werden grundsätzlich dann als zuverlässig angesehen. wenn sie frei von materiellen Fehlern und Verzerrungen sind und wenn sie Sachverhalte zuverlässig so darstellen, wie sie sie darzustellen vorgeben. Der Grundsatz der "Reliability" umfaßt insofern die im deutschen Bilanzrecht nicht kodifizierten Grundsätze der Willkürfreiheit und der Wahrheit, geht allerdings deutlich über deren Bedeutungsinhalte hinaus. Konkretisiert wird die Forderung nach "Reliability" durch fünf Unterprinzipien. Der Grundsatz der "Faithful Representation" (Wahrheit) betont noch einmal den Aspekt der Richtigkeit und Verlässlichkeit der vermittelten Information. Dabei betont das lASe ([Framework] Rn. 34), daß z. B. die Aktivierung eines originären Goodwill aufgrund der Schwierigkeit seiner Identifizierund Meßbarkeit aus Gründen der nicht hinreichenden Zuverlässigkeit abzulehnen ist. Der Grundsatz der "Substance Over Form" räumt der wirtschaftlichen Betrachtung bei der Darstellung eines Sachverhaltes den Vorrang vor dessen rechtlicher Gestaltung ein. Ein typisches Beispiel stellt hier die Bilanzierung von Leasing-Verträgen dar, die grundsätzlich bei dem Vertragspartner zu aktivieren sind, der den überwiegenden wirtschaftlichen Nutzen sowie das Investitionsrisiko und die Gefahr des Untergangs des Gutes trägt (vgl. lASe [Framework] Rn. 35, [lAS 17] Rn. 11 ff.). Die "Neutrality" (Willkürfreiheit) verlangt, daß die dargestellten Informationen objektiv und frei von meinungsbeeinflussenden Tendenzen sind, um zu verhindern, daß durch sie Entscheidungen der Adressaten prädeterminiert werden. Das "Prudence" -Prinzip ist inhaltlich weitestgehend mit dem deutschen Vorsichtsprinzip vergleichbar. Es betont die Tatsache, daß im Jahresabschluß dargestellte Sachverhalte häufig mit Unsicherheiten behaftet sind, aufgrund deren die im Rahmen der Rechnungslegung erforderlichen Schätzungen mit dem angemessenen Grad an Vorsicht vorgenommen werden müssen, " ... such that assets or income are not overstated and liabilities or expenses are not understated." (lASe [Framework] Rn. 37). Allerdings weist das lASe ausdrücklich darauf hin, daß die Anwendung des Vorsichtsprinzips keinesfalls die Legung stiller Reserven rechtfertigt, da in diesen Fällen die Neutralität und die Zuverlässigkeit der ~echnungslegung verletzt wären. Zwar ist auch in der deutschen Rechnungslegung die bewußte Bildung stiller (Willkür-) Reserven nicht zulässig, trotzdem erzwingen die gesetzlichen Vorschriften des HGB, insbesondere im Rahmen des Imparltätsprinzips, die Legung stiller Reserven in einem Umfang, wie sie mit dem "Prudence" -Prinzip der lAS-Konzeption nicht vereinbar sind. Nach der Systematik der lAS-Grundsätze kommt dem "Prudence" Prinzip nur im Rahmen des Grundsatzes der "Reliability" Bedeutung zu. Es besitzt damit gegenüber dem deutschen Vorsichtsprinzip einen

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etwas geringeren Stellenwert. Dies zeigt sich etwa in der Tatsache, daß sich das Realisationsprinzip nach lAS-Verständnis nicht nur auf am Markt realisierte Erträge, sondern auch auf zukünftig hinreichend sicher zu erwartende Erträge erstreckt. So können noch nicht realisierte Gewinne auch bereits dann bilanziell erfaßt werden, wenn die Wertzunahme eines Vermögensgegenstandes bzw. die Minderung einer Verbindlichkeit hinreichend verläßlich bestimmbar sind. Außerdem sind nach lAS 10 "Contingencies and Events Occuring After the Balance Sheet Date", vorhersehbare Verluste, deren Eintreten am Bilanzstichtag bereits wahrscheinlich geworden ist, zu berücksichtigen (vgl. lASe [lAS 10] Rn 8 ff.). Auch das allgemeine Ausfallrisiko im Forderungsbestand ist als Periodenaufwand abzuschreiben (vgl. lASe [Framework] Rn. 63). Zumindest im Hinblick auf zu erwartende Verluste besteht deshalb eine enge Analogie zum Vorsichtsgrundsatz des § 252 Abs. 4 HGB. Den letzten Aspekt der "Reliability" bildet die "Completeness" (Vollständigkeit) der Jahresabschlußinformation (vgl. lASe [Framework] 38). Dieses Postulat steht weitestgehend im Einklang mit dem handelsrechtlichen Grundsatz der Vollständigkeit (vgl. § 246 Abs. 1 HGB) und wird lediglich aus Gründen der Wirtschaftlichkeit und der Wesentlichkeit eingeschränkt. Der Grundsatz der "Comparability" (vgl. lASe [Framework] Rn. 39-42) umfaßt in der lASe-Konzeption zwei Aspekte der Vergleichbarkeit: Zum einen sollen die Jahresabschlüsse von Unternehmen interperiodisch vergleichbar sein, was zunächst die Stetigkeit der angewandten Bewertungsmethoden voraussetzt. Diese Sichtweise entspricht dem in § 252 Abs. 1 Nr. 6 HGB kodifizierten Stetigkeitsgrundsatz, geht jedoch über diesen insofern hinaus, als die lAS auch die Stetigkeit der Darstellung verlangen. Allerdings betont das lASe Framework, daß " ...the need for comparability should not be confused with mere uniformity and should not be allowed to become an impediment to the introduction ofimproved accounting standards." (lASe [Framework] Rn. 41). Damit verdeutlicht das lASe, daß den Aspekten der "Relevance" und der "Reliability" im Konfliktfall Vorrang vor dem Grundsatz der Stetigkeit einzuräumen ist. Der zweite Aspekt der "Comparability" betont noch einmal die Entscheidungsrelevanz für Investoren. Er besagt, daß die Jahresabschlüsse den Adressaten auch sachgerechte Vergleiche verschiedener Unternehmen untereinander ermöglichen sollen. Diesem Aspekt wird vor allem dadurch Rechnung getragen, daß einerseits Wahlrechte sehr stark eingeschränkt sind und andererseits weitgehende Offenlegungspflichten bezüglich Bilanzansatz und Bewertung gefordert werden. Neben der impliziten Verankerung des Stetigkeitsgrundsatzes im Rahmen der Forderung nach "Comparability" wird in lAS 1 "Disc/osure 0/ Accounting Policies" die Bewertungsstetigkeit ("Consistency") neben dem Grundsatz des "Going-Concern" und der "Accrual Basis" als "Fundamental Accounting Assumption" betont (vgl. lASe [lAS 1] Rn. 3,

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4). Dem Stetigkeitsgrundsatz kommt somit in der lAS-Rechnungslegung ein deutlich höheres Gewicht als im deutschen Handelsrecht zu. c) Relativierende Nebenbedingungen

Die Sicherstellung der PriInärgrundsätze der "Relevance" und der "Reliability" kann mit Verzögerungen bei der Bereitstellung entscheidungsrelevanter Informationen, aber auch mit unverhältnismäßig hohen Kosten verbunden sein. Außerdem können einzelne Grundsätze im Konflikt mit anderen stehen. Aus diesem Grunde definiert das lASe sogenannte "Constraints on Relevant and Reliable Information", die als Nebenbedingungen der Berichterstattung zu beachten sind (vgl. lASe [Framework] Rn. 43-45). Durch sie wird gefordert, daß die Berichterstattung zeitnah ("Timeliness") zu erfolgen hat, da Informationen, die dem Empfänger zu spät zugehen, fiir ihn ihre Relevanz verlieren können. Außerdem sollen die Kosten der Informationsbereitstellung und der Informationsnutzen ("Balance Between Benefit and Cosf') in einem angemessenen Verhältnis zueinander stehen und schließlich sind in Konfliktfällen die einzelnen Grundsätze in einem angemessenen Verhältnis zu berücksichtigen ("Balance between Qualitative Characteristics"). Im Gegensatz zu den handelsrechtlichen Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung, die der Gesetzgeber nur als unbestimmten Rechtsbegriff verwendet, ohne sie untereinander zu systematisieren und inhaltlich allgemein abzugrenzen, definiert das lASe ein vierstufiges System allgemeiner Rechnungslegungsgrundsätze, das den Rahmen absteckt, innerhalb dessen die Jahresabschlußinformation zu generieren ist. Allerdings sind auch die IASGrundsätze so allgemein formuliert, daß sie einer Weiterentwicklung der Rechnungslegung und einer Anpassung an veränderte technische, gesellschaftliche oder ökonomische Rahmenbedingungen nicht im Wege stehen. Von den deutschen GoB unterscheidet sich das System der lAS-Grundsätze somit einmal dadurch, daß es nicht nur im Rahmen einzelner Standards, sondern auch als Basissystem kodifiziert ist. Daneben bestehen grundlegende Unterschiede in der Wertigkeit und der Stellung der einzelnen Grundsätze untereinander. Diese Unterschiede zwischen den beiden Normensystemen machen deutlich, daß sie verschiedene Informationszwecke verfolgen. Somit liegen ihnen unterschiedliche Nebenbedingungen fiir die Darstellung unternehmensbezogener Informationen zugrunde. 4. Kriterien der Bilanzierungsflihigkeit Die theoretische Konzeption, die einem Rechnungslegungssystem zugrunde liegt, findet ihren Niederschlag nicht nur in den Grundsätzen der Rechnungs-

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legung, sondern vor allem auch in der Festlegung des Forrna1inhaltes der Bilanz, der durch die Bilanzierungs- und Bewertungsnormen determiniert wird. In ihm wird deutlich, ob es sich um ein statisches oder dynamisches Bilanzkonzept handelt (vgl. eoenenberg [Jahresabschluß] 659). Betrachtet man die Ansatznormen der lAS-Rechnungslegung, so wird in der Definition des Vermögensgegenstandes deutlich, daß sich das lASe dem dynamischen Modell der Rechnungslegung verpflichtet sieht. Ein Verm6gensgegenstand (asset) wird vorn lASe definiert als " ... a resource controlled by the enterprise as a result of past events and from which future econornic benefits are expected to flow to the enterprise", wobei Voraussetzung fiir die Aktivierung die hinreichend zuverlässige Bewertung der Anschaffungs- oder Herstellungskosten bzw. des Nutzenpotentials dieses Vermögensgegenstandes sind (vgl. lASe [Frarnework] Rn. 49, 89). Im Gegensatz zum lASe gibt das deutsche Handelsrecht keine explizite Definition des Vermögensgegenstandes. Nach herrschender Meinung ist ein Vermögensgegenstand im Sinne des deutschen Handelsrechts durch einen wirtschaftlichen Wert, der selbständig bewertbar und selbständig verkehrsfähig ist, definiert (vgl. Kussmaul [Bilanzierungsfähigkeit] 384 fI.). Insbesondere die selbsUindige Verkehrsfahigkeit hebt die Bedeutung der Schuldendeckungsfahigkeit als qualifizierendes Merkmal fiir einen Vermögensgegenstand besonders hervor. Damit wird die primär statische Sichtweise in der deutschen Bilanzkonzeption deutlich (vgl. auch Federrnann [Bilanzierung] 100). Analog zur lAS-Konzeption postuliert auch das deutsche Handelsrecht implizit die hinreichend zuverlässige Ermittlung des Wertes eines Vermögensgegenstandes. Ist dieser nicht hinreichend genau bestimmbar bzw. objektivierbar, so kommt eine Aktivierung aus Gründen der Vorsicht nicht in Frage. Dies führt letztlich zum Aktivierungsverbot des § 248 Abs. 2 HGB fiir nicht entgeltlich erworbene immaterielle Vermögensgegenstände des Anlagevermögens, das in der lAS-Konzeption allerdings keine Entsprechung findet, da hier dem "Accrual"-Konzept eine höhere Wertigkeit beigemessen wird als dem Vorsichtsgrundsatz. Entsprechend der dynamisch orientierten lAS-Konzeption können also nicht nur Vermögensgegenstände im Sinne der deutschen GoB, sondern auch Aufwendungen, deren Aktivierung zur Erreichung einer periodengerechten Erfolgsermittlung erforderlich ist, im Jahresabschluß unter den Aktiva ausgewiesen werden. Für die Passivierungsfähigkeit von Schulden verlangt das lASe " ... a present obligation of the enterprise arising from past events the settlement of which is expected to result in an outflow from the enterprise of resources embodying econornic benefits", wobei auch hier eine hinreichend zuverlässige Bewertung des erwarteten Mittelabflusses vorausgesetzt wird (vgl. lASe [Frarnework] 49,

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91). Diese Definition schließt auch Rackstellungen grundsätzlich mit ein (vgl. ebd., Rn. 64). Als Schulden im Sinne des deutschen Bilanzrechts werden selbständig bewert- und abgrenzbare Vermögensbelastungen gesehen, welche dem Grunde nach bestehen oder zumindest hinreichend sicher zu erwarten sind. Bestehen hinsichtlich der Höhe bzw. der Fälligkeit Unsicherheiten, so sind diese Verpflichtungen als Rückstellungen zu passivieren (vgI. Kussmaul [Bilanzierungsfiihigkeit] Rn. 408 ff.). Im Gegensatz zur Definition von Vermögensgegenständen unterscheidet sich die lAS-Konzeption von der deutschen Rechnungslegung bei den Verbindlichkeiten somit nur marginal. Allerdings dürfte der Ansatz von Aufwandsrlickstellungen, die handelsrechtlich zulässig bzw. unter bestimmten Voraussetzung sogar verpflichtend vorgeschrieben sind, mit der lAS-Definition nicht in Einklang zu bringen sein, da hier keine rechtliche oder faktische Verpflichtung seitens des Unternehmens gegenüber Dritten vorliegt. Auch lAS 10 "Contingencies and Events Occuring After the Balance Sheet Date" deckt die Bildung von Aufwandsrückstellungen nicht.

5. Wertansätze im Jahresabschluß a) Die primtiren Wertanstitze

Für die Bewertung von Vermögensgegenständen werden im Rahmen der lAS die folgenden Bewertungsmaßsttibe unterschieden (vgl. lASe [Framework] Rn. 100). -

"Historical cost", d. h. die Anschaffungs- bzw. Herstellungskosten eines Vermögensgegenstandes

-

"Current cost", die den Wiederbeschaffungskosten am Stichtag entsprechen

-

"Realisible (settlement) value", der dem aus einem voraussichtlichen Verkaufserlös abgeleiteten beizulegenden Wert eines Vermögensgegenstandes entspricht

-

"Present value", der den auf den Bewertungsstichtag abdiskontierten zukünftigen Netto-Cash-Flows entspricht, die durch den Vermögensgegenstand generiert werden.

Als primtiren Wertansatz für Vermögensgegenstände schreibt das lAse die AnschajJungs- oder Herstellungskosten vor (vgl. lASe [lAS 16] Rn. 15 ff., [lAS 2] Rn. 6 ff., [lAS 25] Rn. 19,23). Die Definition der Anschaffungskosten entspricht dabei inhaltlich der des § 255 Abs. 1 HGB und urnfaßt neben dem um Nachlässe reduzierten Anschaffungspreis auch .alle dem Vermögensgegenstand direkt zurechenbaren Nebenkosten, die bis zur Herstellung der Be-

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triebsbereitschaft anfallen. Auch nachträgliche Anschaffungskosten, die zu einer Werterhöhung des Vennögensgegenstandes führen, sind zu aktivieren. Deutliche Unterschiede zwischen dem Wertansatz nach lAS und nach HGB ergeben sich dagegen bei der Bewertung mit den Herstellungskosten. Nach lAS 2 "Inventories" (vgl. Rn. 10 fI. LV.m. [lAS 16] Rn. 19) sind in die Herstellungskosten sowohl die Einzelkosten als auch die fixen und variablen Gemeinkosten, die im Zusammenhang mit der Herstellung eines Vennögensgegenstandes anfallen, einzubeziehen. Dabei müssen auch Verwaltungskosten, die im Zusammenhang mit der Fertigung anfallen, in die Herstellungskosten einbezogen werden. Bei der Zurechnung der Gemeinkosten ist dabei von einem normalen Beschäftigungsgrad, der der durchschnittlichen Kapazitätsauslastung mehrerer Perioden entspricht, auszugehen. Wird diese Nonnalbeschäftigung unterschritten, so dürfen die dabei entstehenden Leerkosten nicht in die Herstellungskosten eingerechnet werden (vgl. lASe [lAS 2] Rn. 11). Zwar dürfen auch bei der Ermittlung der handelsrechtlichen Herstellungskosten nur "... angemessene Teile der notwendigen Materialgemeinkosten der notwendigen Fertigungsgemeinkosten und des Werteverzehrs des Anlagevermögens, soweit er durch die Fertigung veranlaßt ist, eingerechnet werden" (§ 255 Abs. 2 Satz 3 HGB), was die Zugrundelegung eines normalen oder optimalen Beschäftigungsgrades und damit ebenfalls die Eliminierung von Leerkosten beinhaltet. Allerdings wird im deutschen Schrifttum davon ausgegangen, daß eine Eliminierung von Leerkosten unterbleiben kann, wenn die tatsächliche Beschäftigung 70 % der Normalbeschäftigung überschreitet (vgl. KnoplKüting [§ 255] Rn. 315 fI.). Nach der Fonnulierung des lAse ist dagegen davon auszugehen, daß die Pflichteliminierung von Leerkosten bereits bei einer wesentlich geringeren Unterbeschäftigung eintritt. Grundsätzlich nicht als Herstellungskosten aktivierungsfähig sind abnormal hohe Ausschußraten oder andere ungewöhnlich hohe Kosten der Produktion, Lagerkosten, sofern die Lagerung nicht technologisch bedingt ist, Kosten der allgemeinen Verwaltung sowie Vertriebskosten (vgl. lASe [lAS 2] Rn. 14). Bezüglich der Behandlung von Fremdkapitalkosten lassen die lAS (vgl. [lAS 23] Rn. 7 f., 10 fI., LV.m. [lAS 2] Rn. 15) grundsätzlich zwei Alternativen zu. Nach dem IIBenchmark"Ansatz sind Fremdkapitalkosten im Jahr der Entstehung sofort erfolgswirksam zu berücksichtigen. Als l~llowed Alternative Treatment" können Fremdkapitalkosten allerdings auch in die Anschaffungs- bzw. die Herstellungskosten eingerechnet werden, sofern sie im unmittelbaren Zusammenhang mit der Anschaffung oder der Herstellung eines Vennögensgegenstandes angefallen sind und sich auf einen längeren Zeitraum bis zur Herstellung der Betriebsbereitschaft beziehen. Die einrechenbaren Fremdkapitalkosten umfassen dabei nicht nur die Zinsen, sondern auch weite-

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re im Zusammenhang mit der Fremdkapitalaufnahme anfallende Kosten einschließlich etwaiger Währungsdifferenzen, die im Zusammenhang mit Fremdwährungskrediten entstehen (vgl. lASe [lAS 23] Rn. 4 f.). Sowohl bezüglich der einrechenbaren Fremdkapitalkosten als auch der Wertunter- und -obergrenzen der Herstellungskosten unterscheiden sich die primären Wertansätze nach lAS und HGB deutlich. Grundsätzlich bestehen nach lAS außer für die Einrechnung von Fremdkapitalkosten keine Aktivierungswahlrechte bei der Herstellungskostenermittlung. Dagegen eröffnet § 255 Abs. 2 und 3 HGB erhebliche bilanzpolitische Gestaltungsmöglichkeiten, die vom Ansatz der Einzelkosten als Wertuntergrenze bis zum Vollkostenansatz unter Berücksichtigung der Gemeinkosten der allgemeinen Verwaltung sowie der sozialen Leistungen und Einrichtungen des Betriebes reichen. Insofern liegt die Wertuntergrenze nach HGB deutlich unter den lAS-Herstellungskosten. Andererseits ist die Wertobergrenze aufgrund des Einbeziehungswahlrechtes für allgemeine Verwaltungs- und Sozialkosten nach HGB höher als der Wertansatz nach lAS.

b) Die sekundtiren Wertanstitze Zu "Historical eost" aktivierte Vermögensgegenstände des Sachanlagevermögens werden über die Perioden ihrer Nutzung planmäßig abgeschrieben. Außerplanmtißige Wertminderungen sind durch entsprechende zusätzliche Abschreibungen zu berücksichtigen. Fallen die Gründe für eine außerplanmäßige Abschreibung in einem späteren Geschäftsjahr weg, so ist eine Zuschreibung vorzunehmen (vgl. lASe [lAS 16] Rn. 29, 56, 59). Eine rein steuerlich motivierte Relativierung dieser Zuschreibungspflicht, entsprechend § 280 Abs. 2 HGB, ist in den lAS nicht vorgesehen, da steuerliche Wertansätze hier nicht relevant sind. Anstelle dieser als "Benchmark-Treatment' vorgesehenen Folgebewertung ist als "A//owed Alternative Treatment' auch eine Neubewertung mit dem "Fair Value", der dem Marktpreis am Bewertungsstichtag entspricht, zulässig (vgl. lASe [lAS 16] Rn. 7, 30 ff., 60). Diese Neubewertung kann zu einer Überschreitung der bisherigen fortgeführten Anschaffungs- oder Herstellungskosten führen. In diesem Fall trägt das lASe dem Vorsichtsgedanken allerdings dadurch Rechnung, daß bei einer Neubewertung, die zu einem Wertansatz über dem Aktivierungswert führt, diese nicht erfolgswirksam vorgenommen werden darf, sondern der Zuschreibungsertrag erfolgsneutral in eine Neubewertungsrücklage als Unterposition des Eigenkapitals einzustellen ist (vgl. lASe [lAS 16] Rn. 39).

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Während sich die Vorschriften zur außerplanmäßigen Abschreibung und zur Wertaufholung bei Wegfall der Gründe fiir eine außerplanmäßige Abschreibung nach lAS und HGB nicht wesentlich unterscheiden, findet die als "Allowed Alternative" zulässige Neubewertung der Sachanlagen unter Überschreitung der bisherigen fortgeführten Anschaffimgs- oder Herstellungskosten im deutschen Handelsrecht keine Entsprechung. Eine solche Neubewertung stellt eine klare Durchbrechung des strengen Anschaffimgswertprinzips dar, wie es in § 253 Abs. 1 Satz 2 HGB als Konkretisierung des aus dem Vorsichtsprinzip abgeleiteten Realisationsprinzip fiir Gewinne kodifiziert ist. Sie ist deshalb in Deutschland nicht zulässig. In diesem Punkt stellen die IASBestimmungen übrigens auch eine Durchbrechung der Vorschriften der USGAAP dar, die ebenfalls eine Überschreitung der historischen Anschaffungsoder Herstellungskosten nicht zulassen. Die Bewertung von Vorrtiten hat nach lAS 2 "Inventories" (vgl. Rn. 6) nach dem Niederstwertprinzip zu erfolgen. Ist der "net realisible value" am Stichtag niedriger als die Anschaffimgs- oder Herstellungskosten, so ist der niedrigere Wert anzusetzen. Der "net realisible value" im Sinne von lAS 2 (Rn. 4) entspricht dabei inhaltlich weitestgehend dem beizulegenden Wert im Sinne des § 253 Abs. 3 HGB (vgl. dazu z. B. Göring [§ 253] Rn. 148 ff.). Bei Wegfall der Gründe fiir eine außerplanmäßige Abschreibung auf den "net realisible value" ist eine Wertaufholung bis zu den Anschaffimgs- oder Herstellungskosten vorzunehmen. Eine Zuschreibung auf einen darüber hinaus gehenden Marktwert ist allerdings bei Vorräten nicht vorgesehen. Grundsätzlich ist auch bei Gegenständen des Vorratsvermögens eine Einzelbewertung vorzunehmen. Allerdings können gleichartige Vermögensgegenstände stattdessen mit dem gewogenen Durchschnitt oder nach der Verbrauchsfolgefiktion FIFO bewertet werden. Beide Formen der Sammelbewertung sind als "Benchmark Treatment" zugelassen. Als "Allowed Alternative Treatment" läßt das lASe allerdings auch die UFO-Methode zu. Andere Verbrauchsfolgeunterstellungen sind dagegen nicht vorgesehen (vgl. lASe [lAS 2] 19f., 21 f., 23 f.). Wesentliche Unterschiede in den primären Wertmaßstäben ergeben sich somit in erster Linie bei den Herstellungskosten, deren Ansatz in den lAS wesentlich restriktiver geregelt ist als im deutschen Handelsrecht. Auch die Möglichkeit der Anwendung einer Verbrauchsfolgeunterstellung als Bewertungsvereinfachung bei Vorräten ist im Rahmen der lAS stärkeren Einschränkungen unterworfen als im deutschen Recht. Ebenso ist in den lAS-Bestimmungen der Ansatz eines Festwertes, wie ihn § 240 Abs. 3 HGB zuläßt, nicht vorgesehen. Demgegenüber geht das lASe bei der Sekundärbewertung durch die Zulässigkeit einer den Aktivierungswert übersteigenden Neubewertung über den Zuschreibungsrahmen des HGB hinaus. Sekundäre Wertansätze, die niedriger sind als die (fortgeführten) Aktivierungswerte, ensprechen sich da6 FS Schweitzer

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gegen wieder in beiden Systemen. Allerdings hat sich die Ermittlung des beizulegenden Wertes für Vorräte nach lAS grundsätzlich am Absatzmarkt zu orientieren. Auch ist eine außerplanmäßige Abschreibung zur Vermeidung künftiger Wertkorrekturen im Sinne des § 253 Abs. 3 Satz 3 HGB auf einen Wertansatz, der unter dem Stichtagskurs liegt, nach den lAS-Bestimmungen nicht zulässig (vgl. lASe [lAS 10] Rn. 25, 28).

IV. Ansätze zu einer Weiterentwicklung der deutschen Rechnungslegung Trotz zahlreicher Gemeinsamkeiten in Einzelfragen der Bilanzierung stehen sich mit den lAS und den handelsrechtlichen Grundsätzen der Rechnungslegung zwei in ihrer theoretischen Konzeption verschiedenartige Rechnungssysteme gegenüber. Vor diesem Hintergrund wird die Frage nach einer Weiterentwicklung der deutschen Rechnungslegung im Hinblick auf eine internationale Harmonisierung in der Literatur kontrovers diskutiert. Bislang haben sich vor allem drei LtJsungsvorschJdge herauskristallisiert: -

Angleichung eines deutschen Abschlusses an die lAS-Normen durch IASkonforme Ausübung der handelsrechtlich zulässigen Wahlrechte (vgl. z. B. GEFIU [Anpassung] 1138 ff., Menn [Übernahme] 127 ff.).

-

Angleichung der handelsrechtlichen Bestimmungen zum Konzemabschluß an die lAS (vgl. z. B. Schruff[Vereinheitlichung] 411 ff.)

-

Änderung des § 292 HGB zur Anerkennung von nach lAS erstellten Konzernabschlüssen als befreiende Abschlüsse (vgl. z. B. Biener [Bedeutung] 25).

Die genannten Ansätze beziehen sich primär auf den KonzernabschJuß, mit dem Hinweis auf dessen ausschließliche Informationsfunktion. Eine Angleichung des Rechts des Einzelabschlusses mit seiner Zahlungsbemessungs- und Kapitalerhaltungsfunktion und die damit verbundene Aufgabe "bewährter deutscher Rechnungslegungsgrundsätze" (Schroff [Vereinheitlichung] 405) wird dagegen bislang mehrheitlich abgelehnt (vgl. FröschlelGlaumlMandler [Ergebnisse] 411). Im Hinblick auf das zumindest langfristig anzustrebende Ziel einer Harmonisierung, nämlich die Schaffung eines geschlossenen, in sich konsistenten Bilanzrechts, das auf einer einheitlichen theoretischen Grundkonzeption basiert, können die genannten Vorschläge allerdings nicht überzeugen. So vernachlässigt der Vorschlag, mit den lAS kompatible Abschlüsse durch entsprechende WahJrechtsausabung zu erreichen, die Tatsache, daß den geltenden deutschen GoB und den lAS völlig verschiedene theoretische Konzeptionen

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zugrunde liegen. Ein vorwiegend statisch geprägtes, am Gläubigerschutz orientiertes Rechnungssystem nur durch die "einseitige" Ausübung zulässiger Wahlrechte an ein primär an den Informationszwecken der Risikokapitalgeber ausgerichtetes dynamisches System anzupassen, würde keinem der beiden Rechnungslegungssysteme wirklich gerecht werden. Außerdem findet diese Vorgehensweise ihre Grenzen dort, wo die Bilanzierungsvorschriften iofolge des theoretischen Basiskonzepts nicht kompatibel sind. Dies gilt etwa für die nach lAS vorgeschriebene Aktivierung selbsterstellter immaterieller Anlagegüter, die Aktivierung von Entwicklungskosten, das grundsätzliche Verbot der Aktivierung von Aufwandsrückstellungen sowie die Aktivierung langfristiger Fertigungsaufträge nach der 'Percentage-of-Completion'-Methode mit gleichzeitiger Teilgewinnrea1isierung, um nur die wichtigsten zu nennen. Die beiden anderen Vorgehensweisen führen letztlich zum gleichen Ergebnis, das allerdings auf zwei verschiedenen Wegen erreicht werden soll. Die einfachere und rechtssystematisch unbedenklichere Lösung wäre der Weg über eine Erweiterung der Befreiungsermtlchtigung des § 292 HGB. Der zweite Ansatz, nur die gesetzlichen Vorschriften für den Konzernabschluß an die lAS anzupassen, hätte weitergehende Einschnitte in das bestehende Bilanzrecht zur Folge und würde letztlich zu dessen Spaltung führen: Einzelabschlüsse wären weiterhin auf der Grundlage der geltenden handelsrechtlichen GoB, Konzernabschlüsse dagegen auf der Basis der lAS zu erstellen. Zwar wurde mit der Angleichung des deutschen Konzembilanzrechts an die 7. EGRichtlinie der Grundsatz der Maßgeblichkeit des Einzelabschlusses für den Konzernabschluß durch die Möglichkeit der Neuausübung von Bilanzierungsund Bewertungswahlrechten (vgl. §§ 300 Abs. 2, 308 HGB) aufgegeben (vgl. Schruff [Vereinheitlichung] 412). Dies bedeutet aber nicht, daß damit auch die auf den Einzelabschluß anzuwendenden Bilanzierungsgrundsätze für den Konzernabschluß irrelevant wären. Vom Einzelabschluß abgekoppelte Bestimmungen zur Bilanzierung und Bewertung im Konzernabschluß und die damit verbundene, parallele Gültigkeit konkurrierender Rechnungslegungsvorschriften für den Einzel- und den Konzernabschluß müßten letztlich die Frage aufwerfen, welche Konzeption die bessere ist. Aufgrund der zunehmenden Bedeutung des Konzernabschlusses würde die Informationsfunktion des Einzelabschlusses damit zunehmend in Frage gestellt werden (vgl. auch Busse von Colbe [Anpassung] 389 f., Stein [Bilanzierung] 665). Vor diesem Hintergrund ist auch die grundsätzliche Frage zu stellen, ob das auf eine lange Tradition zurückblickende deutsche Bilanzrecht in seiner primär statischen, am Gläubigerschutz orientierten Schwerpunktsetzung, die sicher ihre historische Rechtfertigung hat (vgl. etwa GroßfeldlDiekmann [Grundlagen] 419 ff.), auch unter veränderten wirtschaftlichen Rahmenbedingungen angemessen ist. Anders ausgedrückt, ist die Frage nach dem Bewtlh6"

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rungsgrad der Grundsätze deutscher Rechnungslegung zu stellen. So fehlt bislang der wissenschaftliche Nachweis darüber, daß das deutsche Bilanzrecht Gläubiger effektiver gegen Konkurse schützt bzw. ihnen im Konkursfall eine bessere Position sichert, als dies im anglo-amerikanischen Raum der Fall ist. Auch sind GltJubigerschutz und Kapitalerhaltung nicht zwingend mit dem Imparitätsprinzip und dem strengen Anschaffungswertprinzip verbunden. So kann bei einer Aktivierung von Entwicklungskosten oder selbsterstellten immateriellen Anlagegütern, ebenso wie bei Neubewertungen, dem Vorsichtsgedanken auch mit Hilfe einer ausschtlttungsgesperrten Rflcklage Rechnung getragen werden, wie dies bei der Aktivierung von Ingangsetzungsaufwendungen im geltenden Recht bereits der Fall ist.

Insgesamt, so hat die bisherige Gegenüberstellung gezeigt, liegt der IASRechnungslegung eine durchgängigere und in sich geschlossenere theoretische Konzeption zugrunde. Aufgrund der stark eingeschränkten Wahlrechte und des hohen Stellenwertes der Grundsätze der Periodenabgrenzung und der Zuverlässigkeit sowie der Kriterien zur Aktivierung und Passivierung erscheint ein lAS-Abschluß eher geeignet, Informationen als externe, aber auch interne Entscheidungsgrundlage bereitzustellen, als dies ein handelsrechtlicher Abschluß kann. Damit soll keinesfalls einer unkritischen Übernahme der anglo-amerikanisch geprägten lAS das Wort geredet werden. Trotzdem wäre es vor dem Hintergrund der bisherigen Diskussion hilfreich, wenn die Frage nach einem Paradigmenwechsel der deutschen Rechnungslegung (vgl. Busse von Colbe [Anpassung] 373 f) weniger dogmatisch diskutiert würde. Schließlich wurde auch das deutsche Konsolidierungsmodell des AktG von 1965, das zu den traditionsreichsten und am weitesten entwickelten in Europa gehörte, mit der Umsetzung der 7. EG-Richtlinie nahezu vollständig zugunsten des angelsächsichen Ansatzes aufgegeben, ohne daß dadurch die Aussagekraft des Konzernabschlusses grundsätzlich in Frage gestellt worden wäre. Vor allem aber erscheint es wenig zweckmäßig, sich in der Diskussion um die Weiterentwicklung der Rechnungslegung primär aufLösungen zu konzentrieren, die allenfalls für eine Übergangszeit ihre Rechtfertigung haben. So wäre die Neufassung des §292 HGB zur Anerkennung von lAS-konformen Abschlüssen als befreiende Konzernabschlüsse (vgl. dazu auch Oser [Recht] S. 4 ff) im Hinblick auf die Anerkennung der lAS durch die IOSCO als vorübergehende Lösung durchaus zu akzeptieren. Sie kann aber aus den genannten Gründen keinen Dauerzustand begründen. Akzeptiert man die Notwendigkeit einer weiteren internationalen Harmonisierung der Rechnungslegung, und dies ist bei den meisten Autoren zu erkennen, so führt letztlich der einzig langfristig gangbare Weg über eine verstärkte Einflußnahme deutscher und europäischer Institutionen und Rechnungslegungsexperten im IASC mit dem Ziel, aus einer Synthese von kontinentaleuropäischen und anglo-amerikani-

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schen Prinzipien ein Bilanzkonzept zu entwickeln, das eine breite Akzeptanz findet.

v. Zusammenfassung und Ausblick Die Notwendigkeit einer weitergehenden Hannonisierung der Rechnungslegung ist im wesentlichen unbestritten. Mit den lAS und den handelsrechtlichen GoB stehen sich zwei in ihrer theoretischen Konzeption grundsätzlich verschiedenartige Jahresabschlußmodelle gegenüber. Die Frage, welches Modell das bessere bzw. richtigere ist, läßt sich, wie die bilanztheoretische Diskussion in Deutschland (vgl. dazu z. B. Schweitzer [Bilanz] 155 f.) gezeigt hat, wissenschaftlich nicht beantworten. Auch der Versuch, unterschiedliche Bilanzkonzepte durch das Einräumen umfangreicher Ansatz- und Bewertungswahlrechte in Einklang zu bringen, ist, wie die EG-Hannonisierung deutlich gemacht hat, nicht zweckgerecht. Vielmehr bedarf es eines normativen Bekenntnisses zum primären Informationszweck des Jahresabschlusses, dem sich die verschiedenen Nebenbedingungen der Informationsgewinnung und -darstellung unterzuordnen haben. Mit den lAS bietet sich ein vielversprechender Ansatz für eine weltweite Harrnonisierung der Rechnungslegung. Eine Angleichung des deutschen Bilanzrechts an die lAS erscheint aber frühestens dann sinnvoll, wenn diese als vollständiges, in sich geschlossenes System vorliegen und wenn die Aspekte der Vorsicht und der Kapitalerhaltung darin stärker akzentuiert sind. Darüber hinaus erscheinen weitgehende Erleichterungen für kleine Personen- und Kapitalgesellschaften ohne Börsennotierung notwendig, da hier andere Inforrnationsaspekte als bei börsennotierten Gesellschaften im Vordergrund stehen. Grundvoraussetzung für eine Weiterentwicklung des deutschen Bilanzrechts ist allerdings, daß nicht länger die Verteidigung historisch gewachsener Usancen im Vordergrund steht, sondern die Chancen, die sich mit dem internationalen Hannonisierungsprozeß bieten, erkannt werden. Die unkritische Verteidigung tradierter Positionen war noch nie eine geeignete Basis für einen notwendigen Fortschritt.

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Indirekte Aktivierung von immaterellem Anlagevermögen als Beitrag zur Unternehmenssanierung: Die Fälle Philips und Fokker von Klaus BrockhojJ. Universitm zu Kiel

I. EinfiUuung.................................................................................................. 90

n.

Die Fallstudien................................................... ......................................... 92 1. Rabobank Nederland B. V. ............... ............... .................................. ....... 92 2. Der Fall Philips Electronics N.V. ............................................................. 93 3. Der Fall N.V. Koninklijke Nederlandse Vliegtuigenfabriek Fokker .......... 94 4. Rekonstruktion einiger Hauptaspekte ..................................................... :. 96

rn.

Zur Beurteilung ........................................................................................... 100

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Klaus Brockhoff

I. Einrtihrung Die Bedeutung von Innovationen für die Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen ist mehrfach beschrieben worden und heute zum allgemeinen Wissensbestand auch der praktisch orientierten Managementliteratur geworden. Es ist allerdings nicht allgemein üblich, darauf auch im Rahmen der Fertigungswirtschaft hinzuweisen. Marcell Schweitzer ist einer der Autoren, die sehr eindringlich darauf aufmerksam gemacht haben, wobei er die Notwendigkeit zur systematischen Suche nach Innovationen besonders betont (vgl. Schweitzer [Fertigungswirtschaft] 627 ff.). Zustimmend weist er auch darauf hin, daß "Innovationsprozesse ... zum größten Teil den Charakter von Investitionen (haben), die nicht nur mit Chancen, sondern auch mit erheblichen Risiken belastet sind" (vgl. Schweitzer [Fertigungswirtschaft] 628). Für die Erfassung von Innovationsprozessen im Rechnungswesen kann eine Vielzahl von Gesichtspunkten prägend sein. Bei der Erarbeitung von Gestaltungsempfehlungen für das interne Rechnungswesen ist in den letzten Jahren vor allem der Gesichtspunkt der Verhaltenssteuerung als bedeutsam erkannt worden (vgl. SchweitzerlKüpper [Systeme] 549 ff.). Die "anreizverträgliche Wirtschaftsrechnung" erkennt den Charakter von Innovationsprozessen als Investitionsprojekte ausdrücklich an. Dazu werden stoßweise anfallende Ausgaben auch für selbsterstellte immaterielle Wirtschaftsgüter "gleichmäßig auf die planmäßige Nutzungsdauer bzw. die Zeit bis zur Abatzreife" der daraus eventuell entstehenden Produkte verteilt, Planabweichungen in einem entsprechenden Fonds erfaßt und kalkulatorische Wagnisse über einen Fonds für zweckgebundenes Risikokapital abgerechnet (vgl. Schneider [Grundsätze] 1181 ff., Schneider [Reformvorschläge] 1371 ff.). Auch in anderen Vorschlägen wird dem Gedanken der Innovationsprozesse als Investitionsprozesse entsprochen (vgl. Hauschildt [Rechnungswesen b] 173 ff., Dellmann [Rechnungslegung] 557 ff. und 587 ff.), unabhängig davon, ob sich diese Vorschläge auf einzelne Projekte beziehen oder auf ganze Geschäftseinheiten bzw. Unternehmen, ob sie in das interne Rechnungswesen integriert sind oder Nebenrechnungen vorsehen. Trotz einiger kritischer Bemerkungen zu den Lösungsvorschlägen der anreizverträglichen Wirtschaftsrechnung (vgl. SchweitzerlKüpper [Systeme] 612) ist der Grundgedanke von Innovationsprozessen als Investitionsprojekte akzeptiert. Bei dieser Ausgangslage könnte vermutet werden, daß auch im externen Rechnungswesen dieselbe Sichtweise anerkannt wird. Das würde generell zur Aktivierung aller Aufwendungen für die Vorbereitung von technologisch begründeten Innovationen, insbesondere der Aufwendungen für Forschung und

Indirekte Aktivierung von inunateriellem Anlagcvcnnögen

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Entwicklung, sprechen, die dann nach problemadäquaten Regeln abzuschreiben wären. Das ist in Deutschland tatsächlich aber nur in sehr eingeschränktem Umfang möglich. Die lang anhaltende Diskussion um diese Frage ist vorerst durch § 248 Abs. 2 HGB im Sinne eines Aktivierungsverbots fiir selbsterstellte immaterielle Gegenstände des Anlagevermögens entschieden. Davon unbeschadet ist die Aktivierung der derivativen, entgeltlich erworbenen immateriellen Gegenstände des Anlagevermögens, der Ausgaben fiir den Erwerb oder die Herstellung materieller Vermögensgegenstände oder der als Herstellungskosten im Umlaufvermögen sowie als Sondereinzelkosten der Fertigung und als Fertigungsgemeinkosten aktivierbaren Ausgaben (vgl. Veit [Behandlung] 453 ff.). Die Ablehnung umfangreicherer Aktivierungsmöglichkeiten wird mit Argumenten begründet, die in dem Spezialfall der Aktivierung von Ausgaben fiir die Grundlagenforschung wie folgt zusammengefaßt wurden: "geringe Relevanz der Ansatzfrage, Problematik des Wertansatzes, Vorsichtsgesichtspunkte sowie nationale kaufmännische Übung. Für eine Aktivierung argumentiert man mit Anreizen zu verstärkter Forschung, Verbesserung von Information und Rechenschaft, Periodisierungsgesichtspunkten und internationaler Gewohnheit" (vgl. Veit [Aktivierung] 641 ff.). Für die gesamten Forschungs- und Entwicklungsausgaben kann das Argument der geringen Relevanz kaum herangezogen werden, insbesondere nicht in denjenigen Unternehmen, deren Wettbewerbsposition von hohen Forschungs- und Entwicklungsintensitäten bestimmt wird. Das gilt zum Beispiel fiir die pharmazeutische Industrie, die Chemieindustrie, die elektrotechnische Industrie oder Teile des Fahrzeugbaus (vgl. SV-Wissenschaftsstatistik GmbH [Forschung)). Die Problematik des Wertansatzes kann offensichtlich gelöst werden. Dies zeigen die folgenden Fälle und die Vielzahl der Lizenzabkommen, in denen Geldäquivalente fiir die Nutzung technologischen Wissens vereinbart werden. Das Vorsichtsprinzip kann in Widerspruch zu den gewünschten Anreizwirkungen geraten und insbesondere dann zu fehlerhaftem Ausweis der Ergebnisse führen, wenn es zur Umkehr der konjunkturellen Entwicklungen kommt (vgl. Schneider [Grundsätze)). Die Möglichkeit oder Unmöglichkeit der Aktivierung ist materiell unbedeutend, wenn ein Unternehmen mit einem gleichmäßigen Strom von Forschungs- und Entwicklungsausgaben bei einem Gewinnausweis betrachtet wird. Sie wird aber bedeutend, wenn starke Schwankungen in den Forschungsund Entwicklungsaufwendungen vorkommen. Dies kann im laufenden Geschäft der Fall sein. Immerhin ist von 1991 auf 1993 der F&E-Personalbestand (als Maßgröße der realen laufenden Forschungs- und Entwicklungsausgaben) in den Unternehmen der Branchen Energie- und Wasserversorgung sowie Bergbau um 24,8 % gefallen, im Holz-, Papier- und Druckgewerbe um 21,5 % gesunken, aber in der Wirtschaftsabteilung Verkehr und Nachrichtenübermittlung um 26,4 % angestiegen. Im letztgenannten Falle sinkt dann der Personal-

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bestand von 1993 auf 1994 wieder um 24,8 % (vgl. SV-Wissenschaftsstatistik [Forschung] Tab.1b). Wenn solche Branchenrnittelwerte beobachtet werden, so sind sie nach aller Erfahrung mit Streuungen behaftet. Das bedeutet, daß es einzelne Unternehmen mit noch größeren Schwankungen der Forschungs- und Entwicklungsausgaben geben wird. Wichtig ist die Möglichkeit der Aktivierung auch in der Situation der Unternehmensgründung, wenn Forschungs- und Entwicklungsarbeiten geleistet werden, aber noch keine oder nur sehr geringe Umsätze vorliegen. Die herkömmliche Vorgehensweise kann zu hohen Verlustausweisen führen und läßt nicht erkennen, daß das Unternehmen über immaterielle Aktiva verfUgt. Das kann die Finanzierung durch Banken behindern. Dies ist vor allem dann problematisch, wenn es für diesen Typ der Unternehmen keine leicht zugängliche Börse für die Beschaffung von Eigenkapital gibt. Am Beispiel amerikanischer Biotechnologieunternehmen kann studiert werden, welche Bedeutung die Bereitstellung von Risikokapital über Kapitalmärkte bei der Finanzierung ihrer Startphasen hat (vgl. Solt [SWORD] 173 ff.). Schließlich ist zu bedenken, daß Unternehmen in Verlustsituationen durch hohe Forschungs- und Entwicklungsausgaben ihre Steuerlast nicht verändern. Könnten sie allerdings durch Aktivierung und Abschreibung eine andere zeitliehe Verteilung der Belastungen erreichen, so wären in nachfolgenden Jahren mit Gewinnausweis diese Gewinne zu mindern und entsprechend die Steuerlast zu mindern. Wie sich im folgenden zeigen wird, ist dies sogar zeitlich simultan zu erreichen, wenn ein Unternehmen mit Verlustausweis mit einem Unternehmen mit Gewinnausweis kooperiert. Allerdings verursacht dies Transaktionskosten, die gegebenfalls eingespart werden könnten, wenn die nur durch Kooperation erreichbaren Steuervorteile auch ohne Kooperation erreichbarwären. In den drei Situationen, die für eine Aktivierung der Forschungs- und Entwicklungsausgaben interessant sind, kann man legale Umgehungen des Aktivierungsverbots beobachten. Eine solche Situation hat in der Vergangenheit große Aufmerksamkeit auf sich gezogen, nämlich das "sale and lease back" von immateriellem Anlagevermögen. Sie soll deshalb näher betrachtet werden.

ll. Die Fallstudien 1. Rabobank Nederland B.V. Die Rabobank Nederland B.V. in Utrecht weist in ihren Jahresabschlüssen eine Bilanzsumme von 253 Mrd. hfl im Jahre 1993 und 269 Mrd. hfl im Jahre 1994 aus. Der Reingewinn (nettowinst) betrug 1993 1,123 Mrd. hfl und 1,284

Indirekte Aktivierung von immateriellem Anlagcvennögen

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Mrd. hfl im darauffolgenden Jahr. Die Bank weist den höchsten Gewinnsteuersatz der drei niederländischen Großbanken auf. Im Geschäftsbericht für das Jahr 1993 berichtet die Bank von einer Finanzinnovation: "In dit kader introduceerde de Rabobank in het verslagjaar in ons land een variant op de al langer bekende sale- en leaseback-constructie. Het ging daarbij echter niet zoals gebruikelijk om materiele zaken (zoals bijvoorbeeld bedrijfsgebouwen), maar om immateriele activa, zoals licenties en patenten. De juridische en fiscale complicaties van deze noviteit voor Nederland vergden een lange en intensieve voorbereiding. De vordelen voor het Nederlandse bedrijfsleven compenseren dit echter ruimschoots" (vgl. Rabobanken [Geschäftsbericht 1993] 29). Auch im folgenden Kalenderjahr werden die "veelbesproken technolease-transacties" erwähnt und neben anderen Möglichkeiten als eine Dienstleistung zur Optimierung der finanziellen Struktur von Unternehmen hervorgehoben (vgl. Rabobanken [Geschäftsbericht 1994] 29). Tatsächlich haben diese Transaktionen große Aufmerksamkeit hervorgerufen. Sie betreffen zwei sehr bedeutende niederländische Unternehmen, Philips Electronics N.V. und N.V. Koninklijke Nederlands Vliegttuigenfabriek Fokker, die sich beide zur fraglichen Zeit in einer Verlustsituation befanden. 2. Der Fall Philips Electronics N.V. Im FIiihjahr 1993 teilt der niederländische Wirtschaftsminister dem Parlament in einem Brief mit, daß er von der bisherigen Position der Regierung, keine Staatshilfen für einzelne Unternehmen zu leisten, in bestimmten Fällen abrücken wolle (vgl. pmr [Technolease] 9). Diese Fälle sollen für Unternehmen von herausragender Bedeutung gelten, "was Wertschöpfung, KnowHow und Schlüsselstellung für Zulieferer und Forschungsinstitute betreffe", die gute Überlebenschancen haben und bei denen sich private Partner "mindestens zur Hälfte" an der Rettungsaktion beteiligen. Die Wirtschaftspresse berichtet über damit ermöglichte Transaktionen ab dem 10. Oktober 1993: "Geheimer Notkredit für Philips? Nach Meldungen des niederländischen Fernsehens soll der Philips-Konzern in diesem Sommer einen bisher geheimgehaltenen Großkredit von der niederländischen Rabobank erhalten haben. Die Regierung in Den Haag habe dabei durch Steuerabsprachen Hilfestellung geleistet. Der Elektrokonzern habe ... seine Patente und Lizenzeinkünfte an die genossenschaftliche Bank verpfändet und gleichzeitig wieder zurückgemietet. Die Höhe des Kredites sei von der Rabobank nicht bekanntgegeben worden, werde von Experten aber bis auf 800 Mio. hfl. veranschlagt. In Amsterdamer Börsenkreisen wurde die Frage gestellt, ob Philips mit der Geheimhaltung dieser Vereinbarung nicht seine Informationspflichten gegenüber den Aktionären verletzt habe" (vgl. pmr [?] 14). Das "Handelsblatt" berichtet über Vermutungen niederländischer Zeitungen,

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wonach die Verschleierung einer "schlechten Vermögensposition" durch einen "Buchhaltertrick" erfolgt sei; das Blatt berichtet aber nicht von einer Verpfiindung, sondern vorn Verkauf der Patente und Lizenzrechte. Es weist auf eine Steuerminderung bei der Bank hin (vgl. vwd [Philips] 15, prnr [philips-Transaktion] 11). Am selben Tag weist "Die Welt" daraufhin, daß das Geschäft zur Verbesserung des Verschuldungsgrades (Fremdkapital dividiert durch Eigenkapital) von 1,56 im Jahre 1992 auf 1,13 im Jahre 1993 beigetragen und die Liquidität verbessert habe; der Eigenkapitalanteil an der Bilanzsurnrne erhöhte sich von 22,3 % auf 25,2 %. Der Premierminister und der Wirtschaftsrninister werden als persönlich eingeweiht bezeichnet (vgl. htz [patentrechte] 17). Der Wirtschaftsminister gab eine Intervention beim Finanzrninister zu, und die Oppositionspartei VVD verlangte eine Erklärung der Regierung, weil sie die Etablierung der Industriepolitik durch die Hintertür befürchtete (vgl. prnr [philips-Transaktion] 11). Im November wird deutlich, daß Philips mit der Rabobank ein Rückkaufsrecht innerhalb von 10 Jahren vereinbarte und "in der Zwischenzeit das ausschließliche Nutzungsrecht arn verkauften know-how" hat (vgl. prnr [Bilanzposition] 18). Im Geschäftsbericht heißt es: "In the Netherlands, the tax position has improved as a result of a so-called sale and leaseback agreement with Rabobank, pertaining to certain software and knowhow. As a consequence, part of the provision for deferred income tax assets was released, resulting in a positive effect on the tax rate ofthe Philips group" (vgl. Philips [Annual Report] 9). Es wurden also Rückstellungen für latente Steuern aufgelöst. Nach einern Verlust von 900 Mio. hfl im Jahre 1992 wies das "income statement" für 1993 ein "net income" von 1965 Mio. hfl aus. 3. Der Fall N.V. Koninklijke Nederlandse Vliegtuigenfabriek Fokker Der Geschäftsbericht des Unternehmens aus dem Jahre 1993 erwähnt die "partnership" mit der Deutsche Aerospace AG (DASA), spricht über die Absatzschwierigkeiten für Flugzeuge und vermeidet "in view of the considerable uncertainties" eine Prognose über den Geschäftsverlauf des bei Berichtserstellung schon laufenden Geschäftsjahres (vgl. Fokker [Annual Report 1993] 5-13). Diese Situation spiegelt sich im Jahresabschluß. In der Bilanz wird erstrnals ein Posten in Höhe 527 Mio. hfl für verleaste Flugzeuge aus eigener Produktion aufgenommen (vgl. Fokker [Annual Report 1993] 39). Die Gewinn- und Verlustrechnung weist keine Steuerzahlungen aus und nach Jahren mit positiven Ergebnissen erstrnals einen Verlust von 460 Mio. hfl. Bei einer Beurteilung ist zu bedenken, daß Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten als Aufwand behandelt und sowohl durch direkte Subventionen über das Netherlands Agency for Aerospace Programmes (NIVR) als auch durch besondere Darlehensgarantien gefbrdert werden (vgl. Fokker [Annual Report 1993] 19). Dafür sind 304 Mio. hfl anzusetzen.

Indirekte Aktivierung von immateriellem Anlagevcrmögen

9S

Im Folgejahr verdoppelt sich der Wert der aktivierten, verleasten Flugzeuge auf 1027 Mio. hfl. Der Verlust beträgt 449 Mio. hfl. Der staatliche Beitrag zu den Forschungs- und Entwicklungsaufwendungen ist mit S6 Mio. hfl angesetzt. Außerdem wird unter der Position "Steuern" eine Nettoeinnahme von 427,4 Mio. hfl. verbucht, zu der es heißt: "This represents the release part of the provision for deferred taxation receivables as a result of the sale-lease-back agreement with Rabobank Nederland of the technical know how in respect of development and production of the PopJetLine and JetLine programmes" (vgl. Fokker [Annual Report 1994] 31). Wie bei Philips werden also auch hier Rückstellungen für latente Steuern aufgelöst. Die Transaktion läuft ganz so ab wie im Falle von Philips. Allerdings werden einige zusätzliche Details erkennbar, weshalb anband der Presseberichte ein ergänzender Überblick gegeben werden soll. Am 11. Juli 1994 wird gemeldet: "Der seit Jahren in großen finanziellen Schwierigkeiten steckende Amsterdamer Flugzeughauer Fokker erhält zur Verstärkung seines Eigenkapitals eine Finanzspritze von insgesamt einer Milliarde Gulden. Zu der Stützungsaktion wird der deutsche Mehrheitsaktionär DASA ... 600 Millionen Gulden beitragen; der niederländische Staat, der zur Zeit noch 22 Prozent des Aktienkapitals hält, wird ... durch Mitwirkung an einer finanziellen Konstruktion unter Einschaltung der Rabobank der Flugzeugfabrik 400 Millionen Gulden zugute kommen lassen... In einem Brief an die zweite Parlamentskammer informierte (Wirtschaftsminister) Andriessen über eine entsprechende Übereinkunft. ... Die Rabobank kann ihrerseits über mehrere Jahre hinweg die Ausgaben des Patenterwerbs abschreiben, wodurch der Staat 400 Millionen Gulden weniger Steuereinnahmen hat. Andriessen zufolge hat der niederländische Fiskus hierfür schon seine Zustimmung gegeben. Der Finanzminister äußerte die Überzeugung, daß dadurch die finanzielle Zukunft von Fokker gesichert sei" (vgl. E.L. [Finanzhilfen] 17). Die Eigenkapitalquote von Fokker N. V. sollte so von 11 % auf 27 % steigen. Als "Gegenleistung" für die indirekte staatliche Hilfe sollte für die folgenden IS Jahre ein Anteil von 12,7 % der gezahlten Dividenden an die staatliche Entwicklungsgesellschaft für Luft- und Raumfahrt (NIVR) abgeführt werden (vgl. pmr [Staatshilfe] 9). Nur mit Zustimmung dieser Einrichtung kann auch die Rabobank über die erworbenen Schutzrechte verfügen (vgl. Fokker [Annual report 1994] 6), was im Hinblick auf die oben erwähnte Subventionierung verständlich ist.

Der niederländische Wirtschaftsminister sieht die Aktion als marktwirtschaftlich an, doch erwägt der britische Konkurrent von Fokker, British Aerospace pIc., eine Beschwerde bei der Europäischen Kommission, weil nach Ansicht dieses Unternehmens unlautere Wettbewerbsvorteile durch Fokker erlangt würden (vgl. J.Rh. [protest] 26).

96

Klaus Brockhoff

4. Rekonstruktion einiger Hauptaspekte Die teilweise etwas unklaren Meldungen lassen es sinnvoll erscheinen, die Vorgänge in abstrakter Form zu "rekonstruieren", soweit dies aus Sicht eines Außenseiters möglich erscheint und die Hauptaspekte des Falles betroffen sind. Dabei wird auf willkürlich gegriffene Zahlen zurückgegriffen. Wir haben mit drei Unternehmen zu tun, nämlich einem verlustbringenden Industrieunternehmen A, einem gewinnbringenden Unternehmen B und einer Gesellschaft zur Verwertung von Technologien C. Die Zwischenschaltung der zuletzt genannten Gesellschaft C ist zur Erreichung der steuerlichen Effekte nicht zwingend, erlaubt aber die erwünschte Ausgliederung der spezielles know-how erfordernden Unternehmeraktivitäten aus B sowie die fiir A wichtige Exklusivität in der Beziehung zu C. Letztere würde potentiell verletzt, wenn B mehrere gleichartige Engagements mit Unternehmen Al, Al, ... eingehen würde und ihre jeweiligen Technologien an einer Stelle bündelte. Damit eventuell verbundene Synergien müssen hier außer Betracht bleiben. Sie könnten auch bei der gewählten Konstruktion durch Verträge zwischen mehreren Gesellschaften vom Typ C, also Cl, C2, ... , erreicht werden. In Unternehmen A, das seine Verlustvor- und -rücktragsmöglichkeiten genutzt hat, kommen Forschungs- und Entwicklungsausgaben vor, die zu gewerblichen Schutzrechten führen. Sie können nicht aktiviert werden. Die ausgewiesenen Verluste vergrößern sich um den Betrag der Forschungs- und Entwicklungsaufwendungen, nehmen wir an um 1000. Es wird nun eine Gesellschaft C gegründet, der A den Bestand von Schutzrechten übereignet. Zugleich erwirbt A eine Forderung gegenüber C in derselben Höhe. Es wird vereinbart, daß die Verzinsung dieser Forderung der Höhe der pauschalierten Nutzungsentgelte fiir die gewerblichen Schutzrechte entsprechen soll. Bei C fällt deshalb kein Gewinn an und damit auch keine Gewinnsteuer. Auch bei A verändert sich der Gewinnausweis daraus zunächst nicht, da den Zinserträgen die Aufwendungen fiir die Nutzung der Schutzrechte in derselben Höhe gegenüberstehen. Die Gesellschaft C schließt nun mit der Gesellschaft Beinen Gewinnabführungsvertrag. Gleichzeitig stattet B die Gesellschaft C mit einem Eigenkapital von 300 aus, das zur Rückzahlung des Fremdkapitals an A in derselben Höhe genutzt wird. Damit hat A einen hoch erwünschten Liquiditätszufluß, der zur Verlustminderung genutzt werden kann, ohne bei A Gewinnsteuern zu begründen.

Indirekte Aktivienmg von immateriellem Anlagevenn6gen

97

Da die gewerblichen Schutzrechte von C nicht selbst erstellt, sondern erworben wurden, können sie aktiviert und abgeschrieben werden. Der Einfachheit halber sei angenommen, daß eine Sofortabschreibung erfolge. Die Annahme ist nicht zwingend. Sie hat lediglich für B eine besonders vorteilhafte Wirkung auf den Kapitalwert des Engagements, die bei einer Verteilung der Abschreibungsbeträge auf mehrere Perioden durch den Effekt der Abzinsung reduziert würde. Die Sofortabschreibung hat natürlich einen Verlust von 1000 zur Folge, der aufgrund des Gewinnübernahmevertrages auf B übertragen wird. Gegebenenfalls kann dem ein Gewinn in Höhe der ersparten Zinsen auf 300 gegenüberstehen, den wir hier mit 30 ansetzen. Der anteilige Ertrag aus den Nutzungsentgelten von A ist allerdings auch 30, so daß es bei der Verlustübernahme von 1000 bleibt. Aufgrund der Verlustübernahme durch B wird eine Minderung der Gewinnsteuer erzielt. Bei einem angenommenen Steuersatz von 30 % entspricht dem eine Steuererspamis von 300, also genau dem der Gesellschaft C bereitgestellten Eigenkapital. Damit ist es also gelungen, die Beteiligung an C aus den Steuererspamissen zu finanzieren. In den Folgejahren kann nun aus der Beteiligung eine laufende Gewinnübernahme von 30 Geldeinheiten erwartet werden. Wegen der auf maximal 20 Jahre begrenzten Laufzeit von Patenten ist allerdings nur mit einer deutlich kürzeren mittleren Laufzeit zu rechnen, obwohl bei eventuell übernommenen Patentanmeldungen auch noch eine Nutzungsperiode von mehr als 20 Jahren zu erwarten ist, weil die Nutzungsperiode erst mit der Erteilung des Patents einsetzt. Eine konservative Annahme über den Verfall des Marktwertes der aktivierten Schutzrechte wird durch eine Exponentialfunktion erreicht. Zu ihrer Operationalisierung sei angenommen, daß nach 20 Jahren noch b % des ursprünglichen Wertes feststellbar sei, wobei b= (0,05; 0,1; 0,15) angenommen werde. Daraus kann der Parameter k einer Exponentialfunktion W(t)= e-kt

(1)

bestimmt werden, mit W(t)= Marktwertanteil der Schutzrechte zum Zeitpunkt t, t

0,1,2, ... ,T Zeitperioden,

T

20, wegen der angenommenen maximalen Patentlaufzeit.

Wir nehmen an, daß der Marktwertanteil die erzielbaren Erlöse aus der Verwertung der Schutzrechte bestimmt. In der Ausgangsperiode t = 0 wurden diese hier mit 30 angenommen. Allgemeiner formuliert ergeben sie sich aus: 7 FS Schweitzer

98

Klaus Brockhoff

M=A·s·z,

(2)

mit M

= Marktwert der erzielbaren Erlöse in der Periode t = 0 für B vor Steuern,

A

= Abschreibungsgegenwert der von C übernommenen Schutzrechte,

s

= marginaler Steuersatz,

A·s = von B in C eingesetztes Eigenkapital, z

= zwischen C und A vereinbarter Fremdkapitalzinssatz, gleich dem Satz für das Nutzungsrecht der Schutzrechte.

Die Nettoerlöse aus M nach Steuer betragen M(l-s). Nehmen wir nun noch eine kontinuierliche Verzinsung mit dem Satz g an, die wegen der Besonderheiten des Geschäfts nicht notwendigerweise mit z übereinstimmen muß, so kann der Kapitalwert Ko aus dem Engagement von Bane bestimmt werden: Ko

= M(l

- s)

= M(l

- s)

20

J W(t)· e-gt dt

(3)

o

oder Ko

20

J

o

e -(k+g)t dt.

(4)

Der Wert des Integrals kann einfach bestimmt werden. Für einige Kombinationen der Parameter k und g zeigt dies die Abbildung 1.

Zins 10 %

Zins 15 %

Zins 20 %

9 = 0,095

9 = 0,139

9 = 0,182

Restwert b=5%

k= 0,1498

4,05

3,44

3,01

Restwert b = 10 %

k= 0,1151

4,68

3,90

3,35

Restwert b = 15 %

k= 0,0949

5,14

4,22

3,59

Abb. 1: Wert des Integrals aus (4) für 20 Perioden

99

Indirekte Aktivierung von inunateriellem AnIagevennOgen

Mit Hilfe der Integralwerte müssen nun nur die in der ersten Periode möglichen Gewinnübertragungen von C an B, hier die angenommenen 30, multipliziert werden, um den Kapitalwert des Engagements von Bane festzustellen. Es ist. wie sich aus der Tabelle ergibt, plausibel anzunehmen, daß der Kapitalwert mit zunehmendem Kalkulationszins sinkt und mit zunehmendem Restwert der Schutzrechte in der Periode 20 ansteigt. Wird damit gerechnet. daß A nach genau 10 Jahren von einem Rückkaufrecht der Schutzrechte zu dem dann gültigen, prognostizierten Marktwert Gebrauch macht. können die in Abbildung 1 genannten Multiplikatoren nicht realisiert werden. Sie sind statt dessen noch mit den Faktoren aus Abbildung 2 zu multiplizieren. Man erkennt, daß die Reduktion der erwarteten Nutzungsdauer der Schutzrechte fiir B um die Hälfte zu einem Abschlag der Faktoren zwischen 13 % und 4 % bei den hier gewählten Parameterkonstellationen führt. In dieser Hinsicht ist das Ergebnis also nicht als besonders sensitiv anzusehen. Die in Abbildung 2 angegebenen Multiplikatoren (M(h,T» können allgemein

fiir ein Jahr hT , h > 0, relativ zu einem Bezugsjahr T aus der Formel M(h, T)

=

(1 - (k + g) e-(k + g) hT) / (1 - (k + g) e-(k + g) T)

(5)

bestimmt werden.

Restwert b=5% Restwert b = 10% Restwert b = 15%

Zins 10 %

Zins 15 %

Zins 20 %

9 = 0,095

9 = 0,139

9 = 0,182

k= 0,1498

0,921

0,948

0,965

k= 0,1151

0,891

0,928

0,951

k= 0,0949

0,870

0,913

0,941

Abb. 2: Faktoren zur Korrektur des Wertes des Integrals aus (4) ftlr 10 Perioden Ver-

tragslaufzeit

Natürlich sind die nach Abb. 1, gegebenenfalls auch unter Korrektur mit den Werten aus Abb. 2, zu ermittelnden Kapitalwerte nur annähernd gültig,

100

Klaus Brockhoff

weil insbesondere von Kosten fiir die Anbahnung und Durchführung des Investments abgesehen wurde. Diese Kosten können durchaus beachtlich sein, wie die Hinweise auf die Einschaltung höchster Regierungskreise, also vennutlich besonders intensiver und mit viel Sachverständigenunterstützung unterfiitterter Verhandlungen, in den Berichten vennuten lassen. Interessant ist die Wirkung des Grenzsteuersatzes s auf den Kapitalwert. Vor dem Integral in (4) steht ein Ausdruck, der nach Einsetzen aller Größen die Multiplikatoren s(l-s) enthält. Bildet man nun die Ableitung des Kapitalwerts nach s, so stellt sich heraus, daß Steigerungen der Grenzsteuersätze unter 50 % zu einem Anstieg des Kapitalwerts beitragen, während Steigerungen der Grenzsteuersätze über 50% hinaus den Kapitalwert senken. Dies ist aus zwei gegenläufigen Effekten zu erklären. Der Anstieg der Steuersätze reduziert zwar den Nettowert der Gewinnübertragungen von C an B bei jedem Anstieg der Steuersätze. Zugleich aber führt der Anstieg der Steuersätze dazu, daß von Bane mehr Eigenkapital zur Verfiigung gestellt werden kann und damit dann ein ebenfalls ansteigender Anteil an den gesamten Einnahmen aus der Verwertung der Schutzrechte gegenüber A an B abgeführt wird. Entsprechend kann A ein höherer Liquiditätszufluß gewährt werden. Natürlich sind hier die dargestellten Modellbedingungen in besonders einfacher Weise und unter Vernachlässigung mancher institutioneller Bedingungen konstruiert worden. Gleichwohl wird damit die Essenz des Geschäfts deutlich.

ill. Zur Beurteilung Die im vorausgehenden Abschnitt dargestellten und rekonstruierten Fälle berühren einige grundsätzliche Fragen zum Ausweis selbst erstellter immaterieller Wirtschaftsgüter im Jahresabschluß. Besonders interessant ist nämlich im Gegensatz dazu, daß die bisherige Behandlung finanzieller und steuerlicher Wirkungen von sale and lease back-Verträgen ausschließlich an materiellem Anlagevennögen anknüpft (vgl. Schneider [Investition] 690 ff., Wöhe/ Döring [Bilanzierung] 250 ff.). Dabei spielt aber die Differenzierung der Aktivierungsfähigkeit bei selbst erstelltem oder erworbenem immateriellen Anlagevennögen keine Rolle. Insofern sind auch Folgerungen aus der Behandlung von sale and lease back-Verträgen bei materiellem Anlagevennögen, insbesondere im Hinblick auf geringe steuerliche Effekte, wenn diese denn überhaupt feststellbar sind (vgl. Schneider [Investition] 694 ff.), nicht unmittelbar auf die hier betrachteten Fälle zu übertragen. Für diese Fälle aber ergeben sich die folgenden Feststellungen. Erstens wird wieder einmal erkennbar, daß selbst erstellte immaterielle Wirtschaftsgüter bewertungsfähig sind. Allerdings ist hier kein "perfekter"

Indirekte Aktivierung von immateriellem Anlagevennögen

101

Markt ZU vermuten, weil der Verkäufer die alleinige Nutzung der Rechte nicht verliert, also keine konkurrierenden Nutzer Gebote für Lizenzzahlungen abgeben können, und weil auch der Käufer an einem hohen Wert interessiert ist. Beide Parteien ziehen aus einem hohen Wert dadurch Nutzen, daß damit die steuerliche Wirkung aus der Abschreibung erhöht wird. A muß lediglich darauf achten, daß die Lizenzzahlungen nicht wertproportional festgelegt werden. Nur in bezug auf diese Zahlungen sind die Interessen von A und B entgegengesetzt. Zweitens wird deutlich, daß sehr beachtliche Beträge bei der Bewertung eines know how-Bestandes anfallen können. Sie werden hier zum Auslöser der Transaktionen, nicht die laufenden Forschungs- und Entwicklungsausgaben. Selbst wenn diese annähernd gleichmäßig sind, können also beachtliche Effekte ausgelöst werden. Drittens ist festzustellen, daß das Verbot der Aktivierung selbst erstellter immaterieller Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens umgangen werden kann. Der hier dargestellte Weg kann als "indirekte Aktivierung" bezeichnet werden. Solange diese Umgehung allerdings vor allem als eine Sanierungsmaßnahme angesehen wird oder werden muß, kann sie zu Imageeinbußen fUhren (vgl. Hauschildt [Rechnungswesen a] 56). Davor sollten Unternehmen grundsätzlich bewahrt werden. Viertens wird deutlich, daß die Vorteilhaftigkeit der Transaktionen für B praktisch ausschließlich steuerliche Gründe hat. Deshalb ist auch verständlich, daß in den Niederlanden der Wirtschaftsminister den Finanzminister von der Notwendigkeit der Transaktionen überzeugen mußte. Im Prinzip wird die bei A bereits einmal angefallene Ausgabe noch einmal steuerlich berücksichtigt. Nehmen wir an, daß Unternehmen A vor Berücksichtigung der Forschungsund Entwicklungsausgaben einen zu versteuernden Gewinn in Höhe dieser Ausgaben ausweise. Durch die Berücksichtigung der Forschung und Entwicklung als Ausgabe sinkt der Gewinn auf Null, so daß die Besteuerung entfällt. Durch die Veräußerung des know how an eine weitere Gesellschaft in der oben dargestellten Konstruktion wird dann eine Möglichkeit zu erneuter Steuerersparnis geschaffen. Unter diesem Aspekt könnte man versucht sein, geradezu eine Umkehrung der derzeitigen Normen zu verlangen, nämlich ein Aktivierungsgebot für selbst erstellte immaterielle Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens und ein Aktivierungsverbot fiir die von Dritten erworbenen immateriellen Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens. So weit wird man weder gehen wollen noch sollen, zumal damit wiederum andere Verzerrungen denkbar sind. Ganz ähnliche Fälle sind nämlich auch fiir materielles Anlagevermögen denkbar, wenn in einem verlustreichen Unternehmen Anlagen zu einem Betrag über

102

Klaus Brockhoff

dem Buchwert veräußert werden und von diesem Wert dann beim Käufer abgeschrieben wird. Als eine der Forderungen an die Gestaltung steuerrechtlicher Vorschriften wird die Einhaltung von Finanzierungsneutralität verlangt. Sie bedeutet, daß "kein Finanzierungsvertrag wegen der Besteuerung inhaltlich abgewandelt wird" und "setzt voraus, daß bei Vernachlässigung des Steuerrechts paretooptimale Finanzierungsverträge zustande kommen, und daß das Steuerrecht keine Arbitragegewinne mittels Verträgen zur gemeinsamen Ausbeutung steuerrechtlicher Vorschriften zu Lasten des Fiskus ermöglicht" (vgl. Schneider [Investition] 690). Wenn auch eingeräumt wird, daß diese und weitere Voraussetzungen die Norm der Finanzierungsneutralität nicht gerade als operational erscheinen lassen, so wird sie doch verwendet, um die Bedeutung der institutionell bedingten Steuerausweichhandlungen zu erklären. Hier muß festgestellt werden, daß ein besonders offensichtliches und gravierendes Beispiel fiir die Verletzung der Finanzierungsneutralität vorliegt. In volkswirtschaftlicher Hinsicht ist bei den dargestellten Vorgehensweisen ungeklärt, ob die durch "technolease" betriebene Industriepolitik (vgl. pmr [Technolease] 9) wirksamer oder unwirksamer ist als bei einer alternativen Verwendung der Steuerausfälle. Die Frage danach wird besonders interessant und brisant, wenn man sich in Erweiterung der Beispiele vorstellt, daß die Unternehmen A und B in verschiedenen Nationen angesiedelt sind. Insgesamt stellt sich erneut die Frage, ob nicht die herkömmlichen Bewertungs- und Aktivierungsregeln fiir immaterielles Anlagevennögen einer Überprüfung bedürfen. Die Regeln haben sich zu Zeiten herausgebildet, als der Beitrag der Forschung und Entwicklung zur Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen noch als bescheiden angesehen wurde. Diese Situation hat sich verändert. Dafür sprechen die Höhe der Forschungs- und Entwicklungsaufwendungen und die zunehmende Bedeutung fiir die Wettbewerbsposition von Unternehmen. Darüber ·hinaus werden Forschungs- und Entwicklungsleistungen und -ergebnisse zum Handelsobjekt, wofiir verschiedene Formen von Unternehmenskooperationen (vgl..UrbanlVendemini [Alliances], Teichert [Erfolgspotential)) ebenso ein Indiz sind wie der zunehmende Außenwirtschaftsverkehr (vgl. Deutsche Bundesbank [Dienstleistungen)). Deshalb müßten immer mehr Gelegenheiten zur Lösung der Bewertungsprobleme geschaffen werden, statt diese zu negieren. Es wird als nachteilig angesehen, daß es in Deutschland den Unternehmen "verwehrt ist, ... konkrete Erfahrungen zur Wirkung von Aktivierungsmöglichkeiten zu gewinnen" (vgl. Hauschildt [Rechnungswesen b] 178). Wenn sich damit eine veränderte Einschätzung des Wertes von immateriellem Anlagevermögen ergibt, könnte dies vor allem auch zur leichteren Kapitalbeschaffung in der Gründungsphase von technologieintensiven Unterneh-

Indirekte Aktivienmg von inunateriellem AnlagevennOgen

103

men dienen. Banken und andere Kapitalgeber lehnen Engagements in dieser Phase und bei diesem Typ von Unternehmen auch mit dem Argument der Bewertungsunsicherheit ab. Die Bewertung von Risiken kann aber geübt werden, was sowohl die ökonomische als auch die psychologische Literatur zeigt. Dazu sollten die sich bietenden Gelegenheiten genutzt werden.

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Planungsmodelle fUr den Jahresabschluß von Horst See/bach und Kathrin Fischer, Universitlit Hamburg

I. Bilanzoptirnienmg......................................................................................

106

ll. Modelle zur Bilanzoptirnienmg ...................................................................

107

1. Erfassung der Ertragsteuern ...................................................................

107

2. Basis-Bilanz ..........................................................................................

108

3. Entscheidungsvariablen .........................................................................

109

4. Zielfunktion und Restriktionen ..............................................................

111

llI. Beispiel zur Bilanzoptirnienmg ..................................................................

115

1. Daten ....................................................................................................

115

2. Par&l1etrische Optirnienmg ...................................................................

118

3. Quotientenprogrammienmg ...................................................................

119

106

Horst Seelbach und Kathrin Fischer

J. Bilanzoptimierung Für die Gestaltung der Bilanz im Rahmen des handels- und steuerrechtlichen Jahresabschlusses mit einer Vielzahl von Bilanzierungswahlrechten bieten sich die Modelle der mathematischen Programmierung an. Zum einen stehen die erforderlichen Daten ohne großen zusätzlichen Erfassungsaufwand zur Verfügung und die funktionalen Zusammenhänge weisen Strukturen auf, die ohne Schwierigkeiten mit gängigen Lösungsverfahren traktabel sind; zum anderen erfordern die zahlreichen zu berücksichtigenden - in der Regel quantifizierbaren - Zielvorstellungen und die Kombinationsmöglichkeiten der Wahlrechte eine systematische Analyse und Planung, die die Anwendung von Optimierungsmodellen nahelegen. Zusätzlichen Aufwand bereiten allein die Modellformulierung sowie die modellgemäße Aufbereitung der Daten. Die unterschiedlichen Kombinationen von Wahlrechten bilden für den oder die Entscheidungsträger die Alternativenmenge, aus der bei der Erstellung des Jahresabschlusses genau eine - bestehend aus genutzten und nicht genutzten Wahlrechten - entsprechend den verfolgten Zielsetzungen auszuwählen ist. Da unterschiedliche Personen(kreise) - z. B. Anteilseigner und Geschäftsführungmit zum Teil divergierenden Interessen beteiligt sind und diese außerdem nicht unbedingt nur ein Ziel, sondern mehrere Ziele - z. B. hohes Ansehen in der Öffentlichkeit und hohe Ausschüttungen - verfolgen, liegt ein Entscheidungsproblem unter mehrfacher Zielsetzung vor. Die Erfassung von Bilanzoptimierungsproblemen durch gemischt ganzzahlige Modelle mit linearen Restriktionen und linearer Zielfunktion, die die rechnergestützte Problemlösung gestattet, ist aufgrund der ausschließlich proportionalen Beziehungen zwischen den Größen innerhalb der Bilanz möglich. Wird eine der Zielsetzungen als den anderen übergeordnet ausgewählt und ausschließlich verfolgt, so lassen sich Lösungen mittels in Standardsoftware implementierter Branch-and-Bound-Verfahren bestimmen. Durch Vorgabe alternativer Zielfunktionen lassen sich dann Zusammenhänge und Konsequenzen bestimmter Bilanzpolitiken ebenso aufzeigen wie durch die Formulierung von Kompromißmodellen oder die parametrische Variation einzelner Modellgrößen. Im folgenden stehen nicht die Details des Rechnungswesens im Mittelpunkt der Betrachtungen, sondern die modellmäßige und rechnerische Handhabung des skizzierten Entscheidungsproblems. Deshalb wird ein allgemeines Modell formuliert, das auf die Erstellung einer Einheitsbilanz für Kapitalgesellschaften ausgerichtet ist, d. h. einer Bilanz, die sowohl den handels- als auch den steuerrechtlichen Vorschriften genügt (vgl. Freidank [Entscheidungs-

Planungsmodcllc filr den Jahresabschluß

107

modelle] 27). Dabei soll eine bereits erstellte vorläufige Basis-Bilanz durch die Nutzung von Wahlrechten im Rahmen des Optimierungsprozesses umgestaltet werden. Die Wirkungsweise des Modells wird anschließend anband eines Beispiels verdeutlicht, wobei insbesondere auf die Möglichkeiten der parametrischen Programmierung und die Anwendung der Quotientenprogrammierung zur Optimierung relativer Bilanzkennzahlen eingegangen wird.

11. Modelle zur Bilanzoptimierung 1. Erfassung der Ertragsteuern Die Berücksichtigung von steuerlichen Wirkungen einzelner Änderungen der Bilanz erfolgt mit Hilfe eines Ertragsteuerfaktors, der die anfallenden Körperschaft- und Gewerbeertragsteuem erfaßt. Die Höhe der Körperschaftsteuer differiert jedoch in Abhängigkeit von der Gewinnverwendung. Ein eindeutiger - im Rahmen der Optimierung gleichbleibender - Steuersatz wird daher von Freidank ([Entscheidungsmodelle] 153 ff., [Bilanzoptimierung)) und Kloock ([Bilanzpolitik)) für eine fest vorgegebene Ausschüttungsquote abgeleitet. Bei diesem Vorgehen können aber bestimmte Zusammenhänge nur durch mehrfaches Optimieren mit alternativen Ausschüttungsquoten erfaßt werden. Deshalb wird hier der für Ausschüttungen vorgesehene Betrag mit seinen Steuerwirkungen selbst als Entscheidungsparameter in das Modell aufgenommen (vgl. zur Gewinnverwendung als Entscheidungsproblem der Bilanzpolitik Schweitzer [Bilanztheorien] 287 f., Schweitzer [Struktur] 83 ff.). Vorgegebene Ausschüttungsquoten oder -beträge sind dann gegebenenfalls als zusätzliche Restriktion im Modell zu berücksichtigen. Auch unter dieser Voraussetzung kann ein einheitlicher Steuersatz s abgeleitet werden, dem der Körperschaftsteuersatz für einzubehaltende Gewinne (Tarifbesteuerung) zugrunde liegt. Die durch Ausschüttung entstehende Steuerminderung wird dabei explizit berücksichtigt (vgl. SeelbachlFischer [Bilanzgestaltung]). Die Körperschaftsteuersätze für einbehaltene (Ske) und ausgeschüttete (skJ Gewinne sind unmittelbar gegeben. Der effektive Gewerbeertragsteuersatz Sge ist aus dem Hebesatz und der Steuermeßzahl zu bestimmen, wobei die Minderung der Bemessungsgrundlage für die Gewerbeertragsteuer durch die Gewerbeertragsteuer einbezogen wird. Ihr Einfluß auf die Bemessungsgrundlage der Körperschaftsteuer wird bei der Ermittlung der entstehenden Ertragsteuer erfaßt. Sonstige Modifikationen der ertragsteuerlichen Bemessungsgrundlagen sollen unbeachtet bleiben. Die entstehende Ertragsteuerlast ist dann ES : = [Ske + Sge(l - Sb)] (JvSt - D) + [Sb + Sge(l - Sb)] D (1)

108

Horst Seelbach und Kathrin Fischer

mit D als Ausschüttungsbetrag einschließlich der auf ihn zu zahlenden Körperschaftsteuer und JvSt als dem von dem Unternehmen erzielten Jahresüberschuß vor Steuern. Einsetzen der Bardividende B, B := (1 - slca)D, die als Ausschüttungsvorschlag der Unternehmensleitung für die Hauptversammlung zu verstehen ist und dementsprechend als Bilanzgewinn ausgewiesen werden soll, führt zur Steuerzahlung (2)

Also ist der auf den Jahresüberschuß vor Steuern als Bemessungsgrundlage anzuwendende Multifaktor (vgl. z. B. Rose [Steuerlehre] 38 ff.) der Steuersatz

s,

(3)

und der mit B verknüpfte Multifaktor, (4)

ist ein Steuerentlastungsfaktor, der auf den jeweiligen Ausschüttungsbetrag B zu beziehen ist. Für den Jahresüberschuß nach Steuern, JnSt := JvSt - ES, folgt durch Einsetzen von ES entsprechend (2): (5)

2. Basis-Bilanz Die Daten oder Parameter des Bilanzierungsproblems sind durch die vor der Optimierung aufzustellende Basis-Bilanz und die Ertragsteuersätze gegeben. Im folgenden wird der Modellentwicklung die Basis-Bilanz mit den in Abb. 1 angegebenen allgemeinen Bezeichnungen zugrunde gelegt. Die Bilanzpositionen sind zur besseren Verständlichkeit zu Gesamtposten aggregiert und mit dem Buchstaben v für "vorläufig" gekennzeichnet. Während die Aktivseite entsprechend dem gesetzlich vorgeschriebenen Schema nach Anlage- und Umlaufvermögen sowie Rechnungsabgrenzungsposten gegliedert ist, wird auf der Passivseite nach Eigenkapital, lang- und kurzfristigem Fremdkapital unterschieden, da in der Modellformulierung die wertmäßigen Konsequenzen einzelner Bilanzierungsentscheidungenjeweils innerhalb dieser Gruppen identisch sind. Der Jahresüberschuß ergibt sich aus den übrigen Bilanzpositionen; er schafft den Ausgleich zwischen Aktiv- und Passivseite der Bilanz und wird in der vorläufigen Bilanz gesondert ausgewiesen. Ebenso werden die auf Grundlage des vorläufigen Jahresüberschusses bestimmten vorläufigen Ertrag-

Planungsrnodelle flIr den Jahresabschluß

109

steuerrückstellungen, die dem kurzfristigen Fremdkapital zugehören, gesondert erfaßt. Es wird angenommen, daß sie den gesamten anfallenden Ertragsteuern entsprechen, also noch keine Vorauszahlungen erfolgt sind. Da keine steuerrelevanten Modifikationen der Bemessungsgrundlagen für Körperschaftund Gewerbeertragsteuern berücksichtigt werden, stimmen vorläufige Grundlage der Steuerbemessung und vorläufiger Jahresüberschuß vor Steuern (vJvSt) überein.

Aktiva

Vorläufige Bilanz

Anlagevermögen

vA

Eigenkapital (ohne JahresOberschuß)

Umlaufvermögen

vU

JahresOberschuß nach Steuern

Rechnungsabgrenzungsposten

Bilanzsumme

vRa

vBilS

Passiva vE vJnSt

Langfristiges Fremdkapital

vFI

Kurzfristiges Fremdkapital (ohne ErtragsteuerrOckst. )

vFk

ErtragsteuerrOcksteIlung

vES

Bilanzsumme

vBilS

Abb. 1: Vorläufiger Jahresabschluß (Basis-Bilanz)

3. Entscheidungsvariablen Die Alternativenmenge des Entscheidungsproblems setzt sich aus den möglichen Kombinationen von verfügbaren Wahlrechten zusammen. Welche Wahlrechte konkret ausgenutzt werden können, hängt von der Unternehmenssituation und den gesetzlichen Regelungen ab. Den Wahlrechten wird je eine Entscheidungsvariable tl .iz zugeordnet, die die aus der Nutzung des i-ten Wahlrechtes entstehende Änderung der betroffenen Bilanzposition erfaßt. Da die Variablenwerte prinzipiell positiv sein sollen, sind die einzelnen Veränderungen der Bilanz nach Erhöhungen und Senkungen der Wertansätze (hochgestellter Index, vz = Vorzeichen) zu differenzieren. Die Koeffizienten der Variablen werden später jeweils mit den entsprechenden Vorzeichen versehen. Die Nurnerierungen der Entscheidungsvariablen (tiefgestellter Index) orientieren sich an der Reihenfolge, die die Positionen in der vorläufigen Bilanz haben.

llO

Horst Seelbach und Kathrin Fischer

Jedes Bewertungswahlrecht kann nur innerhalb bestimmter Grenzen ausgeübt werden, so daß entsprechende Intervalle filr die zulässigen Variationen vorzugeben sind. Die Variablen sind somit stetiger Natur. Für die Bilanzierungswahlrechte können die Variablen hingegen nur bestimmte Werte - den Wert 0 filr den Fall, daß das Recht nicht genutzt wird. und einen von 0 verschiedenen Wert, der im Falle der Ausnutzung des Wahlrechtes angesetzt wird - annehmen. Anband der Wahlrechte, die Positionen des Umlaufvermögens aus dem in Abschnitt III verwendeten Beispiel betreffen, soll dies verdeutlicht werden. Diese wie auch die übrigen noch einzufuhrenden Alternativen werden in enger Anlehnung an Freidank [Bilanzoptimierung] beispielhaft ausgewählt. -

Ansatz der Herstellungskosten filr unfertige Erzeugnisse mit den Verwaltungsgemeinkosten von 230 TOM: AU7 E {O, 230} .

-

Rücknahme einer Zuschreibung auf unfertige Erzeugnisse: o ~ ~Ul ~ 60.

-

Rücknahme einer Zuschreibung auf zweifelhafte Forderungen: o ~ ~U2 s 70.

-

Zuschreibung auf sonstige Wertpapiere des Umlaufvermögens: o s ~U; ~ 310.

Zunächst werden der Übersichtlichkeit halber nur die Auswirkungen einer Entscheidung auf die gesamte Rubrik innerhalb der aggregierten Bilanz betrachtet. Ihre Erfassung erfolgt über aggregierte Variablen, die mit dem Symbol A in Kombination mit der entsprechenden Rubrikbezeichnung der Bilanz dargestellt werden. So gibt z. B. AU die gesamte Variation des Umlaufvermögens an. Diese aggregierten Änderungsvariablen ~. können positive oder negative Werte annehmen und nehmen die summierten wertmäßigen Konsequenzen aller einzelnen Entscheidungen auf. Erst wenn ein konkretes Modell zur rechnerischen Lösung formuliert wird, ist die Auflösung in einzelne Entscheidungsvariablen erforderlich. Die Positionen der (aggregierten) Bilanz erhalten nach der Optimierung die folgenden Werte, die sich aus den vorläufigen Werten vor der Optimierung v. und den Änderungsvariablen A. zusammensetzen. Die Höhe von Eigen- und Fremdkapital wird dabei nicht nur direkt durch die Änderungen von Bilanzund Wertansätzen, sondern zudem indirekt durch Steuerwirkungen beeinflußt. Es sei darauf hingewiesen, daß bei der hier gewählten Darstellung die vorläufige Steuerzahlung ES nicht im vorläufigen kurzfristigen Fremdkapital vFk und die Änderung der Steuerzahlung nicht in AFk enthalten ist, daß die endgültige Steuerzahlung jedoch Bestandteil des sich ergebenden kurzfristigen Fremdkapitals Fk ist. Es ergibt sich:

Planungsmodelle filr den Jahresabschluß

111

A

:= vA + l!.A,

(6)

U

:= vU + l!.U,

(7)

Ra := vRa + !!.Ra,

(8)

BilS:= A + U + Ra=vA + AA +vU + AU +vRa +!!.Ra,

(9)

FI

(10)

:= vFl + AFl,

Fk := vFk + s . vJvSt + AFk + s [AA + AU + !!.Ra - (MI + AFk)] - Sb • B.

(11)

Das Eigenkapital ergibt sich als Differenz aus Bilanzsumme und Fremdkapital: E

:= vA + vU + vRa - (vFl + vFk + S • vJvSt) + (1 - s) [AA + AU + !!.Ra - (MI + AFk)] +

Sb • B.

(12)

4. Zielfunktion und Restriktionen Bei der Bilanzgestaltung werden zumeist Satisfizierungs- und Extremierungsziele verfolgt. Mögliche Extremierungszielsetzungen sind neben der Maximierung des Jahresüberschusses vor und nach Steuern, der Minimierung der Steuerzahlung und der Maximierung des Bilanzgewinns, die vor allem zu einem positiven Bild der Unternehmung in der Öffentlichkeit beitragen sollen, auch die Minimierung des Jahresüberschusses, die die Anteilseigner von überhöhten Dividendenforderungen abhalten soll, oder die Minimierung der Ausschüttung, die durch hohe Rücklagenbildung das Eigenkapital des Unternehmens stärkt. Die genannten Ziele stehen z. T. in engem Zusammenhang. Maximierung des Jahresüberschusses nach Steuern bei gegebenem positivem Ausschüttungsbetrag und Maximierung der Ausschüttung führen zwar i. a. zu unterschiedlichen Ergebnissen; bei einer vorgegebenen Auschüttungsquote hingegen stimmen die Ergebnisse überein. Auch wenn kein Ausschüttungsbetrag und keine Quote vorgegeben sind, wird bei Überschußmaximierung wegen der geringeren steuerlichen Belastung ausgeschütteter Gewinne der volle Jahresüberschuß als Bilanzgewinn vorgesehen, und beide Ziele stimmen wiederum überein, sofern von der Berücksichtigung von Entnahmen aus Rücklagen abgesehen wird. Auch die Maximierung der Eigenkapitalrentabilität und des Jahresüberschusses sind in der hier gewählten Modellierung komplementäre Ziele. Die abhängigen absoluten Zielgrößen der Optimierung - Jahresüberschuß vor oder nach Steuern sowie die Ertragsteuerzahlung - lassen sich wie folgt mittels der Änderungsvariablen darstellen:

Horst Seelbach und Kathrin Fischer

112

JvSt = vJvSt + [~A + ~U + i1Ra - (AFl + ~)],

(13)

JnSt = (1 - s) [vJvSt + ~A + ~U + i1Ra - (AFl + ~)] + Sb • B,

(14)

ES

=

s [vJvSt + ~A + ~U + i1Ra - (AFI + ~)] + Sb • B.

(15)

Für die Beurteilung der Solidität und Ertragskraft einer Unternehmung anhand ihrer Bilanz werden in der Literatur (vgl. z. B. Buchner [Grundzüge] 68 ff.) zahlreiche relative Kennzahlen diskutiert. Sollen bestimmte Kennzahlenniveaus, wie z. B. die "goldene Finanzierungsregel", eingehalten werden, liegen Satisfizierungsziele vor, die als Restriktionen fonnuliert werden können. Soll eine solche Kennzahl hingegen einen möglichst günstigen Wert annehmen, handelt es sich um ein Extremierungsziel, z. B. die Maximierung der Rentabilität oder die Minimierung des Verschuldungsgrades. Exemplarisch werden einige Kennziffern ausgewählt, deren Beschränkungen auf bestimmte Werte zunächst als Restriktionen in das zu entwickelnde Modell aufgenommen werden. Für die Ermittlung einiger dieser Kennzahlen ist eine Aufspaltung des Urnlaufvennögens U in liquide Mittel (Ul), monetäres Umlaufvennögen (Um) und Vorratsvennögen (Uv) erforderlich. Im einzelnen werden einbezogen: Vermögenskonstitution, Relation von Anlage- zu Urnlaufvennögen: AlU S VI. Anlageintensittit, Relation von Anlageverrnögen zu Bilanzsurnrne: AlBilS S V2 . Verschuldungsgrad, Relation von Fremdkapital (F) zu Eigenkapital: FIE SKI. Deckungsgrad A, Verhältnis von Eigenkapital zu Anlagevennögen: EtA ~ D I. Deckungsgrad B, Verhältnis der Summe aus Eigenkapital und langfristigem Fremdkapital zum Anlagevennögen: (E + Fl)tA ~ D2• Deckungsgrad C, Verhältnis der Summe aus Eigenkapital und langfristigem Fremdkapital zur Summe aus Anlagevennögen und Vorratsvennögen (Uv): (E + Fl)/(A + Uv) ~ D3 . Liquidittit 1. Grades, Verhältnis von liquiden Mitteln (Ul) zum Bestand an kurzfristigem Fremdkapital: UlIFk ~ LI. Liquidittit 2. Grades, Verhältnis des monetären Urnlaufvennögens (Um) zum kurzfristigen Fremdkapital: UmIFk ~ ~. Liquidittit 3. Grades, Verhältnis des gesamten Urnlaufvennögens zum kurzfristigen Fremdkapital: UIFk ~ ~. Eigenkapitalrentabilittit, Verhältnis von Gesamtperiodenerfolg (Jahresergebnis nach oder vor Steuern) zu Eigenkapital: JnStIE ~ RE I bzw. JvStIE ~ RE2. GesamtkapitalrentabiliUit. Zur Vereinfachung wird auf die Berücksichtigung von Zinsen verzichtet und das Jahresergebnis zum Gesamtkapital in Beziehung gesetzt: JnStlBilS ~ RGI bzw. JvStlBilS ~ RG2 •

Die Forderungen an die Höhe von Bilanzkennzahlen können in Restriktionen überführt werden. Dafür sind die entsprechenden Ergebnisgrößen einzusetzen und die Relationen so urnzufonnen, daß die Variablen auf der einen,

Planungsrnodelle filr den Jahresabschluß

113

die Parameter auf der anderen Seite des Relationszeichens stehen. Anhand der Kennziffer der Vermögenskonstitution sei dies beispielhaft. dargestellt. Die Forderung A

vA+M ~v vU + f.U I

U

(16)

läßt sich umformen in (VI) !:lA - VI . !:lU :5: VI . vU - vA. Die Ungleichung (VI) wird Bestandteil des Modells, vgl. Abb. 2. Unter Ausnutzen der in Abschnitt 11.3 angegebenen Beziehungen können alle angegebenen Bilanzkennziffern mit ihren Schwellenwerten als Ungleichungen in den Änderungsvariablen !:l. ausgedrückt werden. So ergibt sich für die Ungleichung, die die geforderte Eigenkapitalrentabilität nach Steuern erzwingt: JnSt ~ RE I bzw. E

JnSt ~ RE I . E.

(17)

Durch Einsetzen von (14) und (12) und Umformen folgt (RE 1) (1 - REI)(l - s) [!:lA + !:lU + l:!.Ra - (llFI + llFk)] ~

RE I[vA +vU +vRa - (vFI +vFk + s . vJvSt - Sb • B)] - (l - s) vJvSt - Sb • B.

Die entstehenden Restriktionen sind linear, so daß die Lösung des Bilanzierungsproblems mittels Verfahren der gemischt ganzzahligen Programmierung möglich ist. Soll hingegen eine der relativen Größen maximiert oder minimiert werden, sind Verfahren der Quotientenprogrammierung heranzuziehen. Wenn die Bilanzsumme auf 5,31 Mio. DM beschränkt werden soll, damit die Gesellschaft nach § 267 Abs. I HGB noch als kleine Kapitalgesellschaft. gilt, entsteht die zusätzliche Restriktion (Geldbeträge werden in TOM erfaßt) (BS) !:lA + !:lU + l:!.Ra ~ 5310 - (vA + vU + vRa). Schließlich soll keine negative Ertragsteuerrückstellung ausgewiesen werden, da zur Vereinfachung Jahresfehlbeträge und deren steuerliche Wirkungen unberücksichtigt bleiben. Daher ist in das Modell die Nebenbedingung (ES)



[!:lA + !:lU + l:!.Ra - (llFI + llFk)] - Sb • B ~ - s . vJvSt

einzubeziehen. Damit ergeben sich insgesamt 15 Nebenbedingungen. 8 FS Schweitzer

I!A

~u

1-4°S

(1-REI)(1-s)

1-REi1-s)

(10$) - Os

- Llos

- L2°S

-4°S

(1-REI)(1-s)

1-REi1-s)

(105) - RGI

1-RG2

1

s

03

L1

L2

L3

RE1

RE2

RG1

RG2

BS

ES

- L2°S

s

1

1-RG2

(105) - RGI

1 - L2°S

- Llos

~lMUm

~Um

~lMUI

~UI

1-Llos

1-s

~lMUv

(1-s)-0s

~Uv

4°S

L2°S

Llos

s

s

~Fk

- L,(1-s)

- Li1-s)

- LI (1-s)

- (1 - s)

- (1 - s)

- (1 - s)

(1+KI)(1-s)

1-s

4 °St.

L2°St.

LI°St.

St.

St.

St.

-(1+KI)St.

-St.

0 gilt. Das Verfahren von Dinkelbach basiert auf der Idee, die Zielfunktion des Quotientenprogramms durch eine Hilfszielfunktion der Form F(q, x) := f(x) - q . g(x)

(18)

zu ersetzen. Für die Optimallösungen gilt (vgl. Dinkelbach [Nonlinear))

. f(xo}

qo· = g{xo}

I } = max {f(X) g(x) Ax Sb, x ~ 0

(19)

genau dann, wenn F(qo, Xo)

= max { f(x) - qo . g(x) I Ax ~ b, x ~ 0 } = O.

(20)

Da das optimale qo vor der Optimierung nicht bekannt ist, wird eine Folge von Hilfsproblemen gelöst, um die Lösung des Ausgangsproblems iterativ zu bestimmen. Ausgehend von einer zulässigen (Basis-)Lösung x\, Z. B. dem Nullvektor, wird der Quotient q\ := f(x\)/g(x\) bestimmt und mit dem Parameter q\ anschließend ein neues Hilfsproblem konstruiert. Nun kann wieder eine Lösung X2 des Hilfsproblems bestimmt werden, aus der sich anschließend ein neuer Wert q2 ergibt, usw. Das Verfahren ist zu beenden, wenn das Optimalitätskriterium im Simplextableau erfiillt ist. In jedem Schritt werden somit die Koeffizienten und damit die Steigung der Hilfszielfunktion in der aktuellen Basislösung neu bestimmt, was anschaulich einer Drehung der Zielfunktionsgeraden entspricht, und dann die für diese Steigung optimale Basislösung ermittelt. Dies ist für die Automatisierung des Verfahrens insofern nachteilig, als die Bestimmung und Eingabe der neuen Zielfunktionskoeffizienten manuell erfolgen müssen.

Planungsmodelle filr den Jahresabschluß

121

Dasselbe gilt fiir ein ähnliches iteratives Vorgehen, bei dem als Hilfsproblem die Formulierung der (Quotienten-)Zielfunktion als Nebenbedingung verwendet wird, deren Schlupf zu maximieren ist. Es wird also f(x)

cTx+p

gx

d x+r

q(x):= -() =

T

~ RS

(21)

durch Umformen und Einführen einer Schlupfvariablen sI überführt in cTx - RS . dTx - sI = RS . r - p

(22)

und als zu maximierende Zielgröße wird sI angesetzt. Für die rechte Seite RS werden ein beliebiger Wert RS 1 gewählt und das entstehende Hilfsproblem gelöst. Anschließend sind der sich ergebende Wert des Schlupfes, sI), zu RS 1 zu addieren, RS2 := RS 1 + sI), und der Schlupf sh der Restriktion mit rechter Seite RS 2 zu bestimmen USW. Das Verfahren ist nach der i-ten Iteration zu beenden, wenn der Schlupf sI; den Wert Null annimmt. Das Vorgehen entspricht anschaulich dem Verschieben und Drehen der (l:Iilfs-)Restriktion bzw. der ursprünglichen Zielfunktion und damit dem Verfahren von Dinkelbach. Es können aber mehrere Iterationen mit derselben Zielfunktion gerechnet werden, bevor eine neue rechte Seite und zu maximierende Schlupfvariable zu bestimmen ist. Die dritte Möglichkeit zur Lösung eines linearen Quotientenprogramms besteht im Einsatz eines einzigen linearen Ersatzproblems (vgl. Charnesl Cooper [Programming], Schaible [Quotienten] 117, Hillier/Lieberman [Operations] 427). Zunächst werden folgende Größen eingeführt: y:= x' 1,

. mJt t :=

1

1

g(x) = dT X + r .

(23)

Wird nun in die Zielfunktion von (Q) die Variable t eingesetzt, werden alle Nebenbedingungen mit t multipliziert und die Definitionsgleichung fiir t als zusätzliche Restriktion erfaßt, so läßt sich unter Ausnutzen der Definitionen der Variablen y das Ersatzproblem (E)

max

u.d.N.

cTy + P' t Ay - b . t :s;; 0 dTy + r' t = 1 Y ~ 0, t~ 0

aufstellen, das zu dem Problem (Q) äquivalent ist und dessen Lösungen durch Rücktransformation gemäß (23) wieder in Lösungen des Ausgangsproblems überführt werden können. Um diesen Ansatz z. B. auf die Minimierung der Kennziffer fiir die Vermögenskonstitution anzuwenden, sind also anstelle der Variablen äe neue Variablen y(äe) := t . äe einzuführen sowie Zielfunktion

122

Horst Scclbach und Kathrin Fischer

und zusätzliche Restriktion des Ersatzproblems zu definieren. Die Zielfunktion ist min

(24)

y(AA) + vA· t

und die zusätzliche Nebenbedingung y(AU) + vU . t

= l.

(25)

Hinzu kommen die ursprünglich einzuhaltenden Restriktionen. in denen die Variablen y(Ae) zu verwenden sowie die rechten Seiten jeweils mit der Variablen t zu multiplizieren sind. Während die iterativen Vorgehensweisen auch auf gemischt ganzzahlige Problemstellungen anwendbar sind - anstelle des Simplexverfahrens zur Lösung der Hilfsprobleme tritt das Branch-and-Bound-Verfahren - erfordert das Ersatzprogramrn (E) zusätzliche Nebenbedingungen. die die Ganzzahligkeit, z. B. von ARa+, auch im Ersatzproblem gewährleisten. Die ursprüngliche Nebenbedingung ARa+ - 5 U2 = 0 mit

U2

e {O, I}

(26)

geht durch die beschriebene Transformation (Multiplikation mit t) über in

y(Ra1-5 V2 = 0 mit

V2

e {O, t}.

(27)

Um die Variable V2 zu steuern, sind einige Variablen und lineare Nebenbedingungen - M ist eine im Verhältnis zu t hinreichend große Zahl - einzuführen: V2

+ h2

- t

(28)

= 0,

V2 -

h2 + M· Z2

- n~

0,

(29)

h2

v2 + M(l-

Z2) -

t ~ 0,

(30)

-

Z2 e

{O, I}, h 2 ~ 0,

v2

~ 0.

(31)

Diese Gruppe von Nebenbedingungen ist für jedes Bilanzierungswahlrecht zu formulieren, das (gemischt ganzzahlige) Quotientenprogramrn ist dann über ein gemischt ganzzahliges Ersatzprogramrn direkt zu lösen. Als Alternativen zur Maximierung des Jahresüberschusses nach Steuern werden beispielhaft die Vermögenskonstitution AlU und der Verschuldungsgrad F/E als zu minimierende (Extremierungs-)Zielsetzungen betrachtet. Die Ergebnisse werden einander gegenübergestellt, um so eventuell auftretende Zielkonflikte deutlich werden zu lassen. Um deren Beeinflussung durch die gegebene Alternativenrnenge zu überprüfen. wird zum einen der Fall untersucht, daß für die Kennziffern. die nicht als Zielgröße fungieren. die in Abb. 4 genannten Soll-Forderungen zu erfüllen sind; zum anderen wird der Fall

123

Planungsmodelle fllr den Jahresabschluß

betrachtet, daß alle Restriktionen bis auf die Variablenbegrenzungen und die Forderung nach Ausschluß eines Iahresfehlbetrages vernachlässigt werden. Ferner wird wieder die Bedeutung der Ausschüttungspolitik durch alternative Vorgabe einer Vollausschüttung bzw. einer Vollthesaurierung des Gewinns herausgestellt. Es ergeben sich folgende Kombinationen: FIBmin

1. Extremierungsziel:

InSt max

AlUmin

Ausschüttung:

B=O

B = InSt

Restriktionen:

einzuhalten

nicht einzuhalten

Um zuverlässige Aussagen über das Auftreten von Zielkonflikten treffen zu können, werden in allen Zweifelsfällen, d. h., wenn bei Verfolgung eines Extremierungsziels fiir die anderen Zielfunktionen nicht deren individuelle Optima erreicht werden, mittels lexikograpischer Optimierung unter den bezüglich des ersten Ziels optimalen Lösungen die fiir die anderen Zielsetzungen besten Werte bestimmt. Diese Vorgehensweise erweist sich in der Mehrzahl der Fälle als notwendig, da mehrere Entscheidungsvariablen dieselbe aggregierte Bilanzposition betreffen und daher sehr häufig Mehrfachlösungen auftreten. Soweit sich aus der Reihenfolge, in der bezüglich der anderen Kriterien optimiert wird, unterschiedliche Resultate ergeben, finden sie sich in den beiden folgenden Tabellen. Die Ergebnisse der Berechnungen sind in Abb. 7 - bei Einhaltung aller Restriktionen des beschriebenen Modells - und Abb. 8 - unter Vernachlässigung aller KennzifIernrestriktionen und der Begrenzung der Bilanzsumme zusammengestellt. Im Gegensatz zu oben werden Geldbeträge in DM erfaßt, um sie besser von den dimensionslosen Größen AlU und FIB abzugrenzen. 1. Extremierungsziel Werte

JnSt

AlU

1. Extremierungsziel

F/E

JnSt

AlU

F/E

447.857

296.429

447.857

351.888

287.222

287.222

AlU

0,882

0,786

0,882

0,882

0,830

0,830

F/E

0,751

0,751

0,751

0,808

0,799

0,799

ES

335.893

222.321

335.893

431.862

352.500

352.500

JnSt

8

8 = JnSt

8=0

Abb. 7: Ergebnisse mit Kennziffemrestriktionen (Geldbeträge in DM)

Horst Seelbach und Kathrin Fischer

124

1. Extremierungsziel Werte JnSt

JnSt

l.210.714

AlU

1. Extremierungsziel

F/E

JnSt

AlU

F/E

296.429 l.210.714

951.276

232.908

0

AlU

1,370

0,786

1,370

1,370

0,786

1,116

F/E

0,751

0,751

0,751

0,879

0,815

0,751

ES

908.036

222.321

908.036 1.167.474

285.842

0

8

8 = JnSt

8=0

Abb. 8: Ergebnisse ohne Kennziffemrestriktionen (Geldbeträge in DM)

Bei Vollausschüttung der Gewinne sind die Ziele Jahresüberschußmaximierung und Minimierung des Verschuldungsgrades komplementär, da die Erhöhung des Eigenkapitals, die mit der Erhöhung von JnSt einhergeht, eine Senkung des Verschuldungsgrades bewirkt, sofern das Verhältnis der Steuerzahlung ES zum Jahresüberschuß nach Steuern kleiner ist als der bisherige Verschuldungsgrad. Im Falle der Vollausschüttung trifft dies mit etwa 43 % steuerlicher Belastung des Jahresüberschusses vor Steuern zu. Es stellt sich allerdings die Frage, wie sinnvoll es ist, den Jahresüberschuß nach Steuern dem Eigenkapital zuzuordnen, soweit dieser der Hauptversammlung zur Ausschüttung vorgeschlagen werden soll (vgl. zu dieser Strukturierung der Bilanz Coenenberg [Jahresabschluß] 172). Eine Definition des Eigenkapitals ohne den zur Ausschüttung vorgesehenen Gewinnanteil ist jedoch ohne weiteres möglich. Bei voller Einbehaltung des Gewinns hingegen beträgt die Steuerlast etwa 55 %, so daß der Jahresüberschuß nach Steuern kleiner ist als die Ertragsteuerrückstellung und sich damit eine Verschlechterung des bisherigen Verschuldungsgrades ergibt. Entsprechend zeigen die Ergebnisse, daß die Ziele bei Gewinnthesaurierung konkurrieren, der Jahresüberschuß also kleiner wird, wenn sich der Verschuldungsgrad verringert. Dieser Konflikt wird besonders deutlich, wenn keine weiteren Restriktionen einzuhalten sind (Abb. 8). Der minimale Verschuldungsgrad von 0,751 bei Vollausschüttung läßt sich zwar auch bei Vollthesaurierung erreichen, jedoch muß dann auf den Ausweis eines Jahresüberschusses ganz verzichtet werden. Daran wird deutlich, daß die ausschließliche Minimierung des Verschuldungsgrades keine sinnvolle Zielsetzung sein kann. Die Minimierung des Quotienten aus Anlage- und Umlaufvermögen konkurriert bei jeder gewählten Datenkonstellation mit der Maximierung des Jahresüberschusses nach Steuern. Solange alle Restriktionen des ursprüngli-

125

Planungsmodelle filr den Jahresabschluß

ehen Modells einzuhalten sind, fuhrt die durch Verfolgung dieses Ziels erreichbare Verbesserung der Vermögenskonstitution stets zu einer erheblichen Gewinnreduktion. Einer um knapp 10 % verbesserten Vermögenskonstitution steht eine bis zu mehr als 30 o/o-ige Einbuße beim Jahresüberschuß gegenüber. Ähnlich verhält es sich bei Vernachlässigung der Restriktionen. Hier verbessert sich die Vermögenstruktur zwar um mehr als 42 %, der JnSt verringert sich jedoch um ca. 75 %. Daß sich die beiden Minimierungsziele im Falle der Vollthesaurierung bei Einhaltung aller Restriktionen komplementär verhalten, ist offenbar Zufall; denn zum einen besteht ein solcher Zusammenhang im Fall ohne Restriktionen nicht, zum anderen weisen die beiden Koeffizienten, von denen sich der eine auf die Aktiv-, der andere auf die Passivseite der Bilanz bezieht, keinen interpretierbaren Zusammenhang auf. Über die Aussagen hinaus, die auf Basis der Ergebnisse für die Zielgrößen getroffen werden können, lassen sich weitere Erkenntnisse aus den Strukturen der Lösungen, d. h. den Variablenbelegungen, gewinnen, die für einige Modelle in Abb. 9 zusammengestellt sind. Es sind nur die Variablen aufgeführt, die in mindestens einem Modell einen von Null verschiedenen Wert annehmen.

AlU min

AlU min

JnSt max

JnSt max, F/E min

F/E min

8 = JnSt

8=0

8=0

8 = JnSt

8=0

mit Restr.

ohne Restr.

ohne Restr.

ohne Restr.

ohne Restr.

M;

500.000

500.000

M:

350.000

350.000

156.250

M2

350.000

350.000

350.000

M3

400.000

400.000

400.000

~U;

230.000

230.000

230.000

230.000

~U3

310.000

310.000

310.000

310.000

~U;

60.000

~U2

70.000 5.000

5.000

5.000

~FI;

25.000

25.000

25.000

25.000

~Fk2

60.000

60.000

60.000

60.000

~Ra+

Abb. 9: Optimale Variablenwerte (in DM)

126

Horst Seelbach und Kathrin Fischer

Die Lösungsstrukturen zeigen, daß - wie erwartet - bei der Verfolgung des Ziels der Minimierung des Vennögenstrukturquotienten das Anlagevennögen so weit wie möglich gesenkt und das Umlaufvennögen so stark wie möglich erhöht wird. Dies geschieht unabhängig davon, ob Restriktionen einzuhalten sind oder nicht. Werden die Restriktionen aufgehoben und das Ziel der Maximierung des Jahresüberschusses verfolgt, so wird die Bilanzsumme soweit wie möglich erhöht, indem die Wertansätze aller Aktivposten bis zu ihrer Obergrenze ausgeweitet werden. Infolgedessen muß gleichzeitig auch der auf der Passivseite der Bilanz erfaßte Jahresüberschuß anwachsen. Außerdem zeigt sich, daß die komplementären Ziele der Überschußmaximierung und der Minimierung der Vennögenskonstitution im Falle der Vollausschüttung tatsächlich zu identisch strukturierten Lösungen führen. Wird bei Maximierung des Jahresüberschusses statt Vollausschüttung die Einbehaltung der Gewinne unterstellt, so bleibt die Lösungsstruktur im wesentlichen erhalten; es erfolgt nur eine Umverteilung des sich vermindernden Jahresüberschusses zu den Rücklagen. Schließlich sind die Strukturen der Lösungen, die sich bei der Minimierung des Verschuldungsgrades ergeben, sehr unterschiedlich, obwohl die Zielfunktionswerte übereinstimmen. Während im Falle der Volleinbehaltung die Positionen der Aktivseite vermindert werden, um auf diese Weise auch den Jahresüberschuß möglichst stark zu senken, erfolgt im Fall der Vollausschüttung eine maximale Erhöhung der Aktivseite, die unmittelbar zu einer Erhöhung des Jahresüberschusses führt. Die parametrische Variation von Daten wie auch die Vorgabe alternativer Extremierungsziele lassen die Interdepenzen zwischen den möglichen Wertansätzen in der Bilanz und deren Konsequenzen deutlich werden. Ohne Schwierigkeiten lassen sich weitere Alternativen, wie z. B. Entnahmen aus versteuerten Rücklagen, oder Restriktionen, wie etwa zusätzliche Anforderungen an die Bilanzstruktur, einbeziehen.

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.

Planun~odel1e

filr den Jahresabschluß

127

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c. Rechnungswesen und interne organisatorische Steuerung

Unternehmungsinterne Märkte - Konzeptionelle Überlegungen zu einem aktuellen Thema von Erich Frese, Universitm zu K61n

I. Theoretische Einordnung der Fragestellung ................................................. 130 II. Markt und Hierarchie .................................................................................. 131

m.

Reale interne Märkte ................................................................................... 136

IV. Fiktive interne Märkte ................................................................................. 140 V. Schlußfolgerungen ....................................................................................... 142

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J. Theoretische Einordnung der Fragestellung "Outside the firm, price movements direct production, which is oo-ordinated through aseries of exchange transactions on the market. Within a firm, these market transactions are eliminated and in place of the oomplicated market structure with exchange transactions is substituted the entrepreneur-co-ordinator, who directs production. It is clear that these are alternative methods of 00ordinating production." (Coase [Nature] 388). Die auf den ersten Blick überzeugende Feststellung von Coase, daß im Markt und in der Unternehmung grundlegend unterschiedliche Prinzipien zur Koordination der Arbeitsteilung zur Anwendung kommen, wirft bei näherer Betrachtung Fragen auf. Das gilt vor allem im Hinblick auf die gegenwärtig in vielen Unternehmungen zu beobachtenden Restrukturierungen. Wenn es ein innovatives Element in den aktuellen Reorganisationen gibt, dann den breit angelegten Versuch, Marktelemente in vielfältiger Weise in die Unternehmungen einzuführen. Beispiele sind das Konzept der Geschäftssegmentierung mit "Quasi-Unternehmungen" (Schweitzer [profit-Center] 2082) als nahezu selbständigen marktorientierten Akteuren und die Steuerung autonomer Produktionseinheiten in unmittelbarer Reaktion auf Marktimpulse (vgl. hierzu Arbeitskreis Organisation [Organisation]; Frese/v. Werder [Organisation]). Vorrangig in Großunternehmungen, d. h. in Institutionen, die entstehen, weil Transaktionen in großem Umfang aus dem Markt herausgenommen und zur Reduzierung von Transaktionskosten der hierarchischen Koordination unterworfen werden, installiert man zunehmend interne Marktmechanismen, holt den Markt gewissermaßen in die Unternehmung, um Defizite der hierarchischen Koordination auszugleichen. Dieses Paradoxon bildet den Kern der hier zu untersuchenden Problematik. Die eingangs zitierte Überlegung von Coase ist der Ausgangspunkt einer Reihe theoretischer Arbeiten, von denen nachhaltige Impulse für das seit den siebziger Jahren in eindrucksvoller Weise ausgebaute mikroökonomische Konzept der Integration von Markt und Unternehmung ausgingen. Oliver E. Williamson (vgl. Williamson [Markets]; Williamson [Institutions]) ist der Hauptprotagonist dieser neuen Sichtweise des Effizienzvergleichs von Unternehmungen, die zur Koordination auf die "visible hand" des Managements zurückgreifen, und von Märkten, auf denen die Abstimmung über die "invisible hand" des Preises erfolgt. Interessanterweise finden Mischformen zwischen hierarchischen und marktlichen Koordinationsprinzipien bei Williamson nur insofern Berücksichtigung, als sie zur Entstehung eigenständiger "govemance structures" in der Form unterschiedlicher Kooperationsmuster zwischen Unternehmungen führen. Es

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wird also die Einbringung hierarchischer Elemente in marktliche Steuerungssysteme untersucht. Dem gegenteiligen Fall interner Märkte, der Nutzung von Marktmechanismen in Unternehmungen, schenkt Williamson hingegen keinerlei Aufmerksamkeit. Auch die Analyse weiterer Beiträge aus den Gebieten der Organisationstheorie, der Unternehmungsstrategie und des Rechnungswesens läßt den Schluß zu, daß mit Ausnahme von Modellen, die sich um eine Weiterentwicklung des klassischen Problems der Steuerung durch Verrechnungspreise bemühen, unternehmungsinterne Märkte kaum Gegenstand eingehender Untersuchungen sind. Eine Ausnahme bilden die schon vor einiger Zeit erschienenen Arbeiten von Ecc/es, auf die im folgenden noch einzugehen ist. Es finden sich zwar in jüngster Zeit Publikationen, die mit Blick auf die aktuellen Restrukturierungen in der Wirtschaft (allerdings weitgehend ohne kritisches Abwägen) interne Märkte als neue Organisationsform propagieren (vgl. z. B. Ackoff [perestroika]), und vielversprechende Versuche, interne Märkte als ein Element eines sich gegenwärtig herausbildenden Organisationskonzepts zu interpretieren (vgl. vor allem Piore [Reform]) - eine strategische und organisatorische Dimensionen einbeziehende konzeptionelle Auseinandersetzung steht aber noch weitgehend aus.

11. Markt und Hierarchie Interne Märkte, die Anwendung von Prinzipien marktlicher Transaktionen bei der Steuerung des Ressourceneinsatzes in arbeitsteiligen Systemen mit einheitlicher, im Kern hierarchischer Willensbildung, sind vor allem ein Thema für Großunternehmungen. Das in der aktuellen Diskussion reichlich strapazierte Bild der Holding, die ihre Geschäftsbereiche an der langen Leine (oder ohne Leine) führt, lenkt allzuleicht von der Tatsache ab, daß solche Unternehmungen ihre Rechtfertigung in den Vorteilen der Größe finden, daß also Verbundeffekte existieren. Es ist weitestgehend unstrittig, daß die Poolung von Ressourcen unter einheitlicher Leitung beispielsweise im Hinblick auf die Befriedigung der Nachfrage nach komplexen Systemlösungen, die effiziente Ausnutzung stark spezialisierter Potentialfaktoren, Möglichkeiten des Risikoausgleichs und eine umfassendere Finanzierungsbasis der marktlichen Abstimmung zwischen selbständigen Unternehmungen grundsätzlich überlegen ist. Allerdings sind derartige Überlegungen zu relativieren, basieren sie doch in aller Regel auf der impliziten Annahme, eine Unternehmung stelle ein weitgehend monolithisches Gebilde dar, in dem alle relevanten Entscheidungen durch eine zentrale 9*

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Einheit getroffen und mittels hierarchischer Weisungen an die Ausführenden handlungsverbindlich übermittelt werden. Ein solches Verständnis von Arbeitsteilung greift jedoch zu kurz; arbeitsteilige Aufgabenerfüllung in Unternehmungen bedeutet immer auch die Übertragung von Entscheidungskompetenzen an hierarchisch nachgelagerte Einheiten und damit die Bildung von Bereichen, denen eigentlich zusammengehörende Entscheidungskomplexe zur getrennten Bearbeitung übergeben werden. Infolgedessen ist die reibungslose Ausnutzung von Größenvorteilen durch Großunternehmungen nicht selbstverständlich. Es müssen vielmehr geeignete organisatorische Maßnahmen (Art der Bereichsbildung, Schnittstellenmanagement) ergriffen werden, um die dysfunktionalen Effekte der Arbeitsteilung soweit wie möglich abzumildern. Grundsätzlich lassen sich drei organisatorisch relevante Verbundformen unterscheiden, die durch den Einsatz adäquater Abstimmungsinstrumente möglichst umfassend ausgeschöpft werden sollen und die auch eine aussagefähige Theorie interner Märkte in Betracht ziehen muß: -

Marktverbund Durch gemeinsames Auftreten von Unternehmungsbereichen auf dem Beschaffungs- oder Absatzmarkt sollen Synergieeffekte realisiert werden. Ein aktuelles Beispiel für den Absatzmarkt ist der Erlösverbund zwischen Bereichen im Systemgeschäft.

-

Ressourcenverbund Mehrere Bereiche nutzen gemeinsan eine knappe Ressource, z. B. ingenieurwissenschaftliches Know-how. Da die Verfügung über den Ressourcenpool üblicherweise einer gesonderten Einheit, z. B. einem Zentralbereich, übertragen wird, die über die Lieferung an Nachfrager entscheidet, wird der Ressourcenverbund de facto in einen Prozeßverbund überführt.

-

Prozeßverbund Zwischen Unternehmungsbereichen bestehen interne Leistungsverflechtungen; ein Bereich liefert dann ein Vorprodukt oder eine Leistung an einen anderen Bereich. Der Prozeßverbund nimmt insofern eine Sonderstellung ein, als ihm kein eigenständiges Ziel der Nutzung von Größenvorteilen zugrundeliegt, sondern das Abstimmungsproblem in der Regel aus der Bildung handlungsorientierter Bereiche erwächst. Jeder Bereich konzentriert sich auf die Bearbeitung homogener, relativ eng abgegrenzter Handlungskomplexe. Auf diese Weise sollen Spezialisierungsvorteile bzw. Lerneffekte der Potentialfaktoren realisiert werden. Letztlich stellt der Prozeßverbund damit eine aus der Zielsetzung des Ressourcen-Verbundeffektes abgeleitete Problematik dar.

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Würden keine Verbundeffekte angestrebt, könnten die Unternehmungsbereiche über den Einsatz ihrer Ressourcen frei disponieren und sich wie selbständige Unternehmungen im Markt verhalten. Die Frage interner Märkte würde sich dann nicht stellen; es bestünden dem externen Markt weitestgehend gleichzusetzende Beziehungen. Ohne Einschränkung der Allgemeingültigkeit der Aussagen berücksichtigt die folgende Analyse nur die Existenz eines Prozeßverbundes. Es wird unterstellt, daß das Management interne Lieferungen vorschreibt, wenn eine Leistung intern erstellt werden kann. Ein solcher interner Bezugs- und Lieferzwang läßt sich mit wettbewerbsstrategischen Überlegungen begründen (vgl. hierzu Eccles [Control), Eccles [pricing), Eccles [problem) sowie Frese [profit Center)). Wird in der Verfolgung der Strategie des Prozeßverbunds fiir einen bestimmten Teil der Wertschöpfungskette ein Wettbewerbsvorteil gesehen, dann müssen konsequenterweise interne Bezüge vorgeschrieben und der Kauf am externen Markt ausgeschlossen werden. Bei einem Werkzeugmaschinenhersteller bezieht dann der Unternehmungsbereich "Montage" Gußteile vom Unternehmungsbereich "Gießerei", und bei einem Markenartikelhersteller nimmt der Geschäftsbereich "Kosmetik" die Dienstleistung des Zentralbereichs "Marktforschung" in Anspruch. Die Vorschrift interner Bezüge schließt natürlich nicht aus, daß ein interner Anbieter im Fall von Überkapazitäten auch an den externen Markt liefert oder daß ein interner Nachfrager bei Engpässen extern zukaufi (vgl. im einzelnen Frese [profit Center) 946 ff.). Von diesen praktisch durchaus bedeutsamen Mischformen interner und externer Transaktionen wird jedoch im folgenden abgesehen. Bevor der Versuch unternommen wird, das besondere des internen im Unterschied zum externen Markt herauszuarbeiten, ist die Thematisierung der Begriffe "Markt" und "Unternehmung" unumgänglich. Beide Termini gehören zu den Kerndefinitionen der Wirtschaftswissenschaft. Ihr Gebrauch ist so verbreitet und allgegenwärtig, daß in vielen Texten unterstellt wird, der Leser habe auch ohne explizite Definition eine hinreichend genaue Vorstellung von den Begriffsinhalten. Gleichwohl bleibt festzuhalten, daß die terminologische Abgrenzung von "Markt" und "Unternehmung" keineswegs trivial ist. Die eingehende Herleitung der beiden Begriffe würde allerdings den Rahmen dieses Beitrags sprengen. Für die folgende Abgrenzung unternehmungsexterner und -interner Märkte beschränken wir uns daher auf eine vereinfachte Beschreibung der zugrundegelegten Situation. Betrachtet werden zwei Einheiten A ("Anbieter") und N ("Nachfrager"). A verfügt über disponible Ressourcen und ist potentiell bereit, zu N in eine Austauschbeziehung einzutreten. N hat einen Bedarf, der durch die in der Verfügung von A liegenden Ressourcen befriedigt werden kann. Der Komplex der Verhandlungen zwischen A und N

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und des physischen Übergangs von Ressourcen soll als ,,Markttransaktion" bezeichnet werden. Transaktionen vollziehen sich auf einem externen Markt, wenn A und N insofern unabhängig in ihren Entscheidungen sind, als keine arbeits- und gesellschaftsrechtlichen Einflußnahmen (von A auf N, von N auf A oder von einer übergeordneten Einheit auf A und N) existieren. Zustandekommen und Modalitäten der Transaktion werden dann von A und N unter Orientierung an ihren jeweiligen individuellen Nutzenfunktionen geregelt. Wesentliches Element einer externen Marktbeziehung ist der Verhandlungsprozeß; er ergibt sich aus der bestehenden Entscheidungsautonomie und schließt den Zwang zum Vertragsabschluß aus. Im Wege der Verhandlung werden hinsichtlich der zu übertragenden Ressource die Leistungsmerkmale (Art, Qualität, Menge sowie Ort und Zeitpunkt der Leistung) und die Konditionen (insbesondere Preis) festgelegt. (Die weitere Betrachtung sieht von Rahmenverträgen mit längerer Laufzeit für die einzelnen Transaktionen ab.) Der Preis hat für viele marktliche Transaktionen eine herausragende Bedeutung. Die Nutzen- und Kostengrößen einer Transaktion werden vor allem durch den Preis bestimmt. Darüber hinaus erfüllt der Preis eine mehr "technische" Funktion: Die Bildung von Preisen erlaubt den Ausweis des monetären Erfolgs einer Transaktion. Transaktionen vollziehen sich auf einem internen Markt (in der Unternehmung), wenn die Entscheidungsautonomie von A und N aufgrund arbeitsrechtlicher und gesellschaftsrechtlicher Bindungen durch die Planung hierarchisch übergeordneter Einheiten eingeschränkt ist. A und N sind dann Bereiche einer Unternehmung. Das Recht, über den Einsatz von Ressourcen zu entscheiden, die Gewährung von Entscheidungsautonomie, ist im Rahmen der Unternehmungsverfassung an A und N delegiert. Im Unterschied zum externen Markt müssen A und N (z. B. die Unternehmungsbereiche "Gießerei" und "Montage") bei ihren Transaktionsentscheidungen die hierarchisch vorgegebenen Restriktionen beachten und den verbliebenen Entscheidungsspielraum nach Maßgabe unternehmungszielkonformer Kriterien ausfüllen. Der Vergleich der so abgegrenzten externen und internen Märkte unterstreicht die eingangs zitierte Charakterisierung von Coase: In Unternehmungen gelten andere Regeln als auf dem (externen) Markt (vgl. hierzu die Studie von Hennart [Intemalization]). Interne Märkte kennen keine autonomen Akteure, die nur ihrer individuellen Nutzenfunktion verpflichtet sind. Die Strukturen interner Märkte werden durch Managemententscheidungen geprägt. Das Management definiert die Regeln und steuert unter Orientierung am Transaktionsergebnis über positive und negative Anreize das Verhalten der Beteiligten. Wie auf externen Märkten ist auch auf internen Märkten der Ausweis monetärer Transaktionserfolge ein wesentliches Element. Obwohl die Existenz von

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Verbundproblemen strenggenommen die Möglichkeit der Zurechnung von Erfolgskomponenten, die Isolierung des Erfolgsbeitrags der beteiligen Unternehmungsbereiche, ausschließt, schaffen interne Märkte durch interne Preise die formelle Voraussetzung bereichsbezogener Erfolgsrechnungen. Formal betrachtet entkoppeln interne Preise die miteinander verbundenen Unternehmungsbereiche und erlauben den Ausweis monetärer Transaktionserfolge. Durch diesen Erfolgsausweis können interne Märkte eine Allokationsfunktion und eine Motivationsfunktion erfiillen. Auf internen Märkten mit Allokationsfunktion wird im Rahmen der eingeräumten Entscheidungsautonomie über den monetären Transaktionserfolg der Einsatz von Ressourcen abgestimmt. Die für die Beurteilung der Allokationsleistung interner Märkte wichtigen Fragen lauten: Welche Vorteile weist der Marktrnechanismus gegenüber der nicht-marktlichen, d. h. der planerischen Ausfüllung des Entscheidungsspielraums auf? Wie kann durch Etablierung eines internen Marktes, insbesondere durch die Einfiihrung von Preisen, die (unternehrnungs-)gesarntzielkonforme Koordination sichergestellt werden? Hinsichtlich der letzten Frage sei an dieser Stelle schon angemerkt, daß in Entscheidungssituationen, die für die Praxis realistisch sind, ein Preis, der die gesamtzieloptimale Allokation von Ressourcen garantiert, nicht ermittelt werden kann (vgl. zu den Grenzen der Optimierung des Ressourceneinsatzes durch die Einfiihrung von Verrechnungspreisen Kloock [Verrechnungspreise]). Diese Feststellung schließt die Realisierung der Allokationsfunktion auf einern niedrigeren Anspruchsniveau nicht aus. Werden interne Märkte zur Erfiillung der Motivationsfunktion errichtet, dann sollen der marktliehe Verhandlungsprozeß und der Ausweis des monetären Transaktionserfolges das Leistungsverhalten der Transaktionspartner, insbesondere die Intensität der Leistungsanstrengung, positiv beeinflussen. Die Beurteilung der Motivationsleistung interner Märkte läßt sich im wesentlichen auf die Frage zurückführen, ob der interne Markt Indikatoren für den Transaktionserfolg generieren kann, die intrinsische und extrinsische Motivationswirkungen auslösen. Intrinsische Effekte beruhen auf dem Gefühl der Befriedigung über erbrachte Leistungen, denen von den Mitarbeitern ein hoher persönlicher Stellenwert beigemessen wird. Intrinsische Effekte sind vor allem zu erwarten, wenn nach Einschätzung der Betroffenen das Leistungsergebnis von ihnen zu beeinflussen ist. Demgegenüber werden extrinsische Motivationseffekte in Abhängigkeit vorn Transaktionsergebnis durch positive und negative Anreize des übergeordneten Managements ausgelöst (vgl. im einzelnen Eccles [problem]). Die Unterscheidung zwischen Allokation und Motivation beruht auf der gedanklichen Trennung zweier in der Realität miteinander verbundener Beweggründe für die Einrichtung interner Märkte. Allokation und Motivation stellen

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auf unterschiedliche Kriterien ab. Bei der Verfolgung der Allokationsperspektive geht es um die Einbringung des Rationalkalküls und damit um die methodische Bewältigung der Entscheidungskomplexität. Es besteht ein Spielraum hinsichtlich der Transaktion, möglicherweise ist sogar offen, ob ein Transfer zwischen den Transaktionspartnern überhaupt zustande kommt. Zu lösen ist ein tatsächlich existierendes Entscheidungsproblem; interne Märkte mit Allokationsfunktion werden deshalb im folgenden "reale Märkte" genannt. Die Motivationsperspektive löst sich prinzipiell von der methodischen Frage der Koordination von Transaktionen. Nicht die Steuerung des Ressourceneinsatzes, sondern das Problem der unvollkommenen Kenntnis der Wirkung von Anreizen auf das Verhalten der Beteiligten prägt die Problematik des internen Marktes. Es wird deshalb zur Herausarbeitung der Motivationsdimension unterstellt, daß kein Entscheidungsspielraum hinsichtlich der Transaktion besteht: Das Allokationsproblem gilt als bereits gelöst. Unter Allokationsgesichtspunkten existiert damit kein realer interner Markt; interne Märkte mit Motivationsfunktion werden deshalb hier als "fiktive Märkte" bezeichnet. Die Herausarbeitung der Merkmale und Einsatzmöglichkeiten beider Formen interner Märkte erfolgt im weiteren anhand der Marktelemente Transaktionspartner, Transaktionsspektrum und Ressourcenkompetenz.

ill. Reale interne Märkte Reale interne Märkte lassen sich unter Rückgriff auf die genannten Marktelemente in folgender Weise kennzeichnen: 1. Transaktionspartner A und N sind zwei Einheiten derselben Unternehmung, die im Unterschied zu Akteuren auf externen Märkten hinsichtlich der Wahl ihrer Transaktionspartner Restriktionen unterworfen sind. Es gibt ex definitione keine Möglichkeit, einen externen Transaktionspartner zu wählen. Wahlmöglichkeiten bestehen allenfalls hinsichtlich interner Partner. (Wenn A ausschließlich an einen externen Abnehmer liefern oder N in vollem Umfang von einem externen Zulieferer beziehen könnte, läge nach der hier gewählten begriffiichen Abgrenzung ein externer Markt vor.) 2. Transaktionsspektrum Auf realen internen Märkten ist - anders als auf externen Märkten - in der Regel nicht das volle Transaktionsspektrum Gegenstand der Verhandlungen. Leistungsmerkmale und Konditionen sind üblicherweise bis zu einem gewissen Grade durch hierarchische Planung im voraus festgelegt. Es bleibt bei realen Märkten aber immer ein Spielraum, z. B. hinsichtlich der

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Transaktionsmenge, der unter Orientierung am monetären Transaktionserfolg ausgefüllt wird. 3. Ressourcenkompetenz Ebenso wie auf externen Märkten besitzen die Transaktionspartner auf realen internen Märkten Ressourcenkompetenz, d. h. sie verfUgen über Entscheidungskompetenzen hinsichtlich eines transaktionsbezogenen Einsatzes von Ressourcen. Dabei sind verschiedene Fälle denkbar, von denen nachfolgend zwei besonders relevante vorgestellt werden. Zum einen können Transaktionen auf realen internen Märkten budgetwirksam sein, d. h. den Transaktionspartnern sind frei verfUgbare Budgets vorgegeben und die Inanspruchnahme einer Leistung führt zu einer Reduzierung des Budgets. Die Nachfrage eines Unternehmungsbereichs, z. B. nach Leistungen des Zentralbereichs Marktforschung, wird dann durch das Zusammenspiel von Preis der Leistung und Höhe des Budgets fiir den Kauf der Leistung beeinflußt. Jede interne Beschaffung schränkt den Dispositionsspielraum des abnehmenden Bereichs, möglicherweise sogar in bezug auf den externen Markt, ein. Ressourcenkompetenz kann aber auch vorliegen, ohne daß monetäre Budgets eingeführt werden. In diesem Fall agieren die Transaktionspartner in der Regel auf der Grundlage der klassischen Kosten-Erlös-Rechnung als Profit Center unter Orientierung am Transaktionserfolg (vgl. im einzelnen zum Profit Center Schweitzer [profit-Center]). Jede Entscheidung über den Bezug von Leistungen beeinflußt die Kostensituation eines Profit-Center-Leiters und lenkt dessen Nachfrageverhalten insoweit, als er zumindest mittel- bis langfristig einen Überschuß der Erlöse über die Kosten erzielen muß. Für die Abschätzung der Einsatzmöglichkeiten realer interner Märkte und fiir das Verständnis ihrer praktischen Erscheinungsformen empfiehlt es sich, zwei Entscheidungssituationen zu unterscheiden. Reale interne Märkte könnten zum einen gebildet werden, um die Veränderung (Aufbau, Abbau) von Kapazitäten zu steuern. Über interne Preise (Zinsen) würde dann z. B. die Nachfrage der Unternehmungsbereiche nach Investitionsmitteln zum Aufbau neuer Fertigungskapazitäten gesteuert. Allerdings legen Studien über den Ablaufvon Investitionsentscheidungen in der betrieblichen Praxis (vgl. die klassische Untersuchung von Bower [Managing]) den Schluß nahe, daß Investitionsvorhaben nicht über interne Märkte geregelt werden. Investitions- und Desinvestitionsentscheidungen beruhen vielmehr auf (häufig aufwendigen) Planungskalkülen. Diese Einschätzung der Bedeutung realer interner Märkte rur Investitionsentscheidungen könnte mit dem aktuellen Hinweis auf den Wettbewerb zwischen Produktionsstandorten internationaler Unternehmungen um den Aufbau von Fertigungskapazitäten in Frage gestellt werden. In der Tat werden z. B. in der Automobilindustrie nicht selten

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Investitions- und Desinvestitionsentscheidungen als das Ergebnis eines unternehmungsinternen Wettbewerbs um knappe Ressourcen präsentiert. Ohne Zweifel konkurrieren die einzelnen Produktionsstandorte in dem Sinne untereinander, daß sich in der Regel eine Mehrzahl von Standorten um die Zuweisung von Investitionsmitteln bemüht und die unternehmungsinterne Willensbildung zu beeinflussen sucht. Es steht jedoch außer Frage, daß solch komplexe Entscheidungen (insbesondere im globalen Produktionsverbund der Automobilindustrie) nicht allein einem internen Marktmechanismus überantwortet werden können. Vielmehr spricht einiges dafür, daß hier das Bild des internen Marktes und des internen Wettbewerbs bemüht wird, um Druck auf politische Instanzen zur Schaffung günstiger Investitionsbedingungen (Subventionen) auszuüben oder um das Ergebnis von Unternehmungsentscheidungen mit weitreichenden wirtschaftlichen und sozialen Folgen an den Standorten überzeugender und medienwirksamer vertreten zu können. Wenn reale interne Märkte für die Veränderungen von Infrastrukturen damit von geringer Relevanz sind, kann zum anderen ihr Einsatz bei der effizienten Ausschöpfung gegebener Kapazitäten vermutet werden. Liegt aufgrund von Investitionsentscheidungen eine entsprechende Infrastruktur bereits vor, so kann es nur darum gehen, das bereitgestellte Potential möglichst wirtschaftlich zu nutzen. Die effiziente Ausschöpfung des Potentials hängt vom Verhalten der internen Anbieter und Nachfrager ab. Diese Problemstellung bildet den praktisch bedeutsameren Anwendungsbereich für interne Märkte. Die Steuerung des Ressourceneinsatzes über interne Märkte wird immer dann zu einer realistischen Gestaltungsalternative, wenn das Transaktionsspektrum hinsichtlich wesentlicher Parameter, z. B. hinsichtlich des Umfangs des Leistungsaustausches, offen ist und seine Festlegung von den Entscheidungen eines Transaktionspartners (in der Regel des Nachfragers) abhängt. Das gilt vor allem fiir Leistungen mit hoher "Plastizität", weniger fiir durch Planung weitgehend fixierte Input-Output-Beziehungen ohne nennenswerten Gestaltungsspielraum (wie in dem Beispiel der Lieferung von Gußteilen an die Montage). Als "plastisch" (in Anlehnung an AlchianlWoodward [Firm] 69) wird hier eine Nachfragesituation bezeichnet, bei der hinsichtlich der Einschätzung des Bedarfs ein Ermessensspielraum besteht. Hierzu zählen aufgrund der schwierigen Nutzenbewertung vor allem Dienstleistungen wie z. B. interne Beratungs- und Informationsleistungen zur Entscheidungsunterstützung. Im Falle plastischer Nachfrage lassen sich durch interne Marktmechanismen vor allem in das Nachfrageverhalten in höherem Maße ökonomische Elemente einbringen. Beim Nachfrager soll auf diese Weise die verantwortungsvolle Nutzung der intern angebotenen Dienstleistungen sichergestellt werden, d. h. sie werden einem Kosten-Nutzen-Kalkül unterzogen (vgl. hierzu die Analysen der Funktion von Verrechnungspreisen bei LauxlLiermann [Grundlagen] 410 ff. und Kreisel [Zentralbereiche] 249 ff.).

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Die Etablierung leistungsfähiger interner Marktmechanismen stellt sich als schwierig dar. Eine der wichtigsten zu lösenden Fragen ist dabei, wie man durch die bis zu einem gewissen Grad willkürliche Festsetzung interner Preise den strategischen Intentionen der Nutzung interner Ressourcenpotentiale gerecht werden kann. Ein zu hoher Preis kann auf Kosten der Leistungsfähigkeit der nachfragenden Unternehmungsbereiche zum Verzicht auf die aus der Sicht der Unternehmung sinnvolle Inanspruchnahme interner Leistungen führen. Der Unternehmungsbereich wird dann durch die Schaffung eines internen Marktes daran gehindert, das vorhandene Potential zu nutzen und einen möglichen Wettbewerbsvorteil zu realisieren. Die auf den ersten Blick naheliegende und in der Praxis weit verbreitete Orientierung an externen Marktpreisen ist daher nicht unproblematisch. Die internen Nachfrager werden in diesem Fall bei der Nutzung interner Dienstleistungen hinsichtlich der Preise mit ihren Konkurrenten, die am externen Markt beziehen müssen, gleichgestellt; sie können dann ihren potentiellen Wettbewerbsvorteil nicht ausnutzen. Es ließen sich weitere Beispiele für solche dysfunktionalen Wirkungen anführen; die Grenzen realer interner Märkte sind offensichtlich. Letztlich kommt das Management bei der Auslegung der Kapazitäten um seriöse Bedarfsschätzungen und um Interventionen bei mißbräuchlicher Nutzung des internen Leistungsangebots nicht herum. Diese einschränkenden Anmerkungen zur Allokationseffizienz gelten spiegelbildlich für die Eignung interner Märkte, aussagefähige Kontrollindikatoren zur Auslösung von Kapazitätsanpassungen zu generieren. Eine Überprüfung der bestehenden Infrastruktur kann aufgrund veränderter Rahmenbedingungen zu Desinvestitionsentscheidungen mit der Konsequenz einer Kapazitätsstillegung und Auslagerung der betrachteten Teilfunktion in den externen Markt führen. Es stellt sich die Frage, ob die von internen Märkten ausgehenden Signale, insbesondere die Entwicklung der Bereichserfolge und der Auslastung der Kapazitäten, für das Management der Auslöser sein können, um nach dem Prinzip des "Management by Exception" korrigierend einzugreifen. Den genannten Indikatoren wird man eine gewisse Aussagefähigkeit nicht absprechen können. Es erscheint auch plausibel, bei bemerkenswerten Veränderungen ihrer Werte die dem Aufbau der Kapazitäten zugrundeliegenden Bedarfsschätzungen und Effizienzannahmen zu überprüfen. Es dürfte jedoch angesichts der erörterten Unzulänglichkeiten der Allokationsfunktion interner Märkte ein fragwürdiges Prinzip sein, sich bei der Kontrolle ganz auf die Indikatorenentwicklung zu stützen.

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IV. Fiktive interne Märkte Fiktive interne Märkte entfernen sich hinsichtlich der drei unterschiedenen Elemente noch weiter von den bisher betrachteten externen und internen Märkten. 1. Transaktionspartner A und N haben als interne Einheiten keine Möglichkeit, den Transaktionspartner frei zu wählen. 2. Transaktionsspektrum Das Spektrum der disponiblen Leistungsmerkmale und Konditionen ist - verglichen mit dem Fall des realen internen Marktes - noch stärker eingeschränkt. Bei Marktfiktionen gibt es keine Dispositionsspielräume, die nach dem Kriterium des monetären Transaktionserfolges auszufüllen wären. Vorhandene Spielräume werden durch Planung vor Ort geregelt. Fiktive interne Märkte sind deshalb typisch für Nachfragesituationen mit fixierter Input-Output-Beziehung. Der Koordinationsbedarf kann in diesen Fällen aufgrund der eindeutigen Produktionsfunktion im wesentlichen durch hierarchische Planung befriedigt werden; es verbleibt nur noch ein Motivationsproblem. 3. Ressourcenkompetenz Auf fiktiven internen Märkten bestehen für die Transaktionspartner keine Entscheidungsspielräume in bezug auf den Einsatz von Ressourcen. Die Ausprägung der Marktelemente macht deutlich, daß auf fiktiven internen Märkten Kunden-Lieferanten-Beziehungen nur simuliert werden. Die Beurteilung der Funktionsfähigkeit fiktiver Märkte reduziert sich auf die Fragen, welche Motivationswirkung ein durch Marktfiktionen generierter monetärer Transaktionserfolg entfalten kann, und wie weit der Motivationseffekt davon abhängt, ob die Fiktion verschleiert werden kann. Für ihre Beantwortung dürften vor allem die Prinzipien des mit dem Marktmechanismus verbundenen, vom Management konzipierten Anreizsystems von Bedeutung sein (vgl. hierzu und zu den folgenden Überlegungen Frese [profit Center)). Jedes in der Praxis realisierte Anreizkonzept ist mit Problemen behaftet. Bei der Beurteilung der Funktionsfähigkeit fiktiver interner Märkte sind vor allem die Einseitigkeit des Leistungsdrucks, die Selektivität der Indikatoren und die Flüchtigkeit der Fiktion in die Betrachtung einzubeziehen. Eine gewisse Einseitigkeit in der Wirkungsweise fiktiver interner Märkte ergibt sich aus der Tatsache, daß über den monetären Transaktionserfolg der

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Leistungsdruck vor allem auf den Anbieter interner Leistungen ausgeübt wird. Beim Anbieter wird im Fall ausschließlich interner Lieferungen über den internen Preis die gesamte Erlöskomponente bestimmt. Wenn sich seine Kostenstruktur gemessen an dem eingefiihrten internen Preis als problematisch erweist, findet dieses Defizit unmittelbar seinen Ausdruck im Bereichserfolg. Beim Nachfrager dagegen sind die internen Preise in der Regel nur ein Element unter mehreren Kostenfaktoren. Der Ansatz interner Preise deckt damit nicht mit derselben Zwangsläufigkeit wie bei internen Anbietern vorhandene Leistungsdefizite auf. Insgesamt läßt sich feststellen: Der Anbieter fällt eher auf als der Nachfrager. Die weitgehende Fixierung des Transaktionsspektrurns durch das Management hat zur Folge, daß der Bedarf des Kunden und seine Anforderungen an Leistungsmerkmale und Konditionen beim Anbieter nur sehr eingeschränkt berücksichtigt werden. Die durch den fiktiven internen Markt generierten Indikatoren sind sehr selektiv. Sie erfassen über den internen Preis in erster Linie das Kostenverhalten des Anbieters. Weitere aufschlußreiche Informationen über das Leistungsniveau der Unternehmungsbereiche lassen sich nur über zusätzliche Maßnahmen des Managements, wie Befragungen zur Zufriedenheit interner Kunden und Lieferanten, Beobachtung von Konflikten, begrenzte Öffnung interner Märkte für externe Anbieter und Nachfrager zur Erhöhung des Marktdrucks und Einholung von Expertenurteilen gewinnen (vgl. zur Ergänzung monetärer Erfolgsgrößen um weitere Beurteilungskriterien Eccles [performance] und Schweitzer [profit-Center] 2084). Jede Fiktion läuft Gefahr, als solche erkannt zu werden und so ihre Wirksamkeit zu verlieren. Bei internen Märkten geht es weniger darum, über längere Zeit den Anschein eines existierenden realen Marktes zu suggerieren. Es dürfte allen Beteiligten schnell bewußt werden, daß elementare Eigenschaften realer Märkte nicht vorliegen. Entscheidend für die Motivationswirksarnkeit fiktiver interner Märkte ist die Nutzung der auf der Basis des monetären Transaktionserfolges generierten Problemindikatoren. Nur wenn die monetären Erfolgsgrößen Aufschluß über das tatsächliche Leistungsverhalten vermitteln und dem Management überzeugendes und gezieltes Handeln gestatten, ist eine Motivation zur Steigerung der Leistungsanstrengung zu erwarten. Die bloße Erzeugung eines diffusen internen Marktdrucks, die Inszenierung eines Marktes und die Praktizierung eines Abrechnungsrituals, lassen sich nicht mit Aussicht auf Erfolg über mehrere Perioden hinweg überzeugend aufrechterhalten. Die Merkmale externer, realer interner sowie fiktiver interner Märkte lassen sich unter Rückgriff auf die hier als relevant angesehenen Elemente eines Marktes wie folgt zusammenfassen:

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Externer Markt

Realer interner Markt

Fiktiver interner Markt

Transaktionspartner

freie Wahl

eingeschränkte Wahl

vorgegeben

Transaktionsspektrum

frei verhandelbar

eingeschränkt verhandelbar

größtenteils vorgegeben

Transaktionsbezogene Ressourcenkompetenz

ja

ja

nein

Abb. 1,' Markttypologie

V. Schlußfolgerungen Die vorangegangenen Abschnitte haben gezeigt, daß interne Märkte in Unternehmungen ein facettenreiches Thema sind. In der Praxis bedeutet die Einfiihrung marktlicher Elemente in letztlich hierarchisch geprägten Strukturen in mehrfacher Hinsicht eine schwierige Gratwanderung. Ihre Bewältigung bleibt von der Tatsache, daß "Markt" und "Wettbewerb" 'bei uns positiv besetzt sind, nicht unbeeinflußt. Eine positive Grundstimmung tbrdert die Tendenz, in undifferenzierter und unreflektierter Weise in der Anwendung von Markt- und Wettbewerbskonzepten die naheliegende Lösung für Probleme in den verschiedensten Institutionen zu sehen. Aufschlußreich ist in diesem Zusammenhang die Reformdiskussion in der öffentlichen Verwaltung (vgl. z. B. Lüder [Triumph]; Mintzberg [Staat]). Jeder, der sich mit den Reorganisationen in der Praxis beschäftigt, wird gerade bei der Einfiihrung und Ausgestaltung interner Märkte feststellen, daß häufig eher ein etwas diffuser Glaube an die "ordnende" Wirkung des Marktes als das fundierte Verständnis eines komplexen Konzeptes das Handeln leitet. Die generell zu fordernde nüchterne Einstellung und sorgfältige Analyse der Zusammenhänge sind gerade bei der Modellierung interner Märkte angebracht. Denn in bemerkenswertem Kontrast zu dem vorherrschenden Trend, das leistungssteigernde Potential marktlicher Konzepte auch für die Gestaltung von Unternehmungen nutzbar zu machen, stehen Veränderungen gerade in Branchen mit besonders intensivem Wettbewerb. Bezeichnenderweise wird in der Automobilindustrie bei den Beziehungen zum Zulieferer das arm' s length-Prinzip der klassischen Marktbeziehung zunehmend durch längerfristige, sogar hierarchische Elemente aufweisende Formen der Kooperation abgelöst. Geleitet wird diese neue Philosophie von der Auffassung, daß bei

Untemehmun~inteme

MArkte

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einem Wettbewerb um permanente Produktivitäts- und Qualitätssteigerungen und Innovationen - bei aller Härte der Preisverhandlungen - nur die partnerschaftliche Problemlösung die erforderlichen Leistungsreserven mobilisiert (vgl. hierzu Nishiguchi/Anderson [Supplier)). Insgesamt läßt sich die wesentliche Herausforderung des Managements bei der Gestaltung unternehmungsinterner Märkte auf drei Problembereiche zurückfUhren: l. Formulierung wettbewerbsstrategischer Vorgaben, 2. Bewertung der Allokationsleistung interner Märkte und 3. Klärung des Stellenwerts marktorientierter Motivation im Führungskonzept der Unternehmung. Zu 1.: Die überragende Bedeutung strategischer Ziele wurde bei der Erörterung des Stellenwerts von Verbundeffekten deutlich. Der ganze Komplex der Bezüge vom und der Lieferungen zum externen Markt kann nur auf der Grundlage eines strategischen Konzepts geregelt werden. Nur mit Hinweis auf strategische Leitlinien läßt sich auch die in der Praxis weit verbreitete Denkweise korrigieren, die Etablierung interner Märkte schließe zwangsläufig die Aufhebung interner Liefer- und Bezugsverpflichtungen ein. In die strategische Bewertung müssen darüber hinaus die verfolgten Organisationskonzepte einbezogen werden. Interne Märkte lassen sich um so überzeugender verankern, je konsequenter die Organisationsstrukturen, etwa durch das Prinzip der Geschäftssegmentierung, die Bildung quasi-autonomer Einheiten unterstützen. Auch die Verfolgung einer Organisationskonzeption muß allerdings hinsichtlich ihrer strategischen Implikationen sorgOOtig geprüft werden. Auf vielen Geschäftsfeldern lassen sich heute Wettbewerbsvorteile nur durch die gemeinsame Nutzung der vorhandenen Ressourcen und die abgestimmte Ausschöpfung von Marktpotentialen realisieren. Die Gewährleistung von Ressourcenund Markteffizienz (Frese [Grundlagen] 292 ff.) wird in vielen Branchen zu einer Herausforderung bei der organisatorischen Gestaltung; sie kann nicht ohne Auswirkungen auf die Einrichtung interner Märkte sein. Zu 2.: Die Bewertung der Allokationsleistung realer interner Märkte, die Auseinandersetzung mit der Steuerung der "plastischen" Nachfrage über interne Preise, muß von der planerischen Fundierung der Investitionsentscheidungen über den Aufbau von Kapazitäten und der Gewährleistung ihrer wirksamen Kontrolle ausgehen. Investitionsentscheidungen führen zu mehrperiodigen Ressourcenbindungen, die auf langfristigen Bedarfsschätzungen beruhen. Die Notwendigkeit längerfristiger Prognosen führt dazu, daß häufig die tatsächliche Entwicklung von der geplanten abweicht. Vor diesem Hintergrund ist die Bildung realer interner Märkte Teil eines umfassenderen Problems, das sich auf zwei Fragen zurückfUhren läßt: l. Wie kann sichergestellt werden, daß sich alle Beteiligten (insbesondere die potentiellen Nachfrager) bei Investitionsentscheidungen über den Aufbau von Kapazitäten um seriöse Bedarfsschätzungen bemühen? 2. Wie kann gewährleistet werden, daß bei

144

Erieh Frese

Datenänderungen rechtzeitig Kapazitätsanpassungen eingeleitet werden? Aus dieser Perspektive betrachtet konkurriert die laufende Allokation über interne Preise mit der mehrperiodigen quotenbezogenen Zuweisung von Kapazitäten und anteiligen Kosten an die nachfragenden Bereiche. Beim Quotenmodell bringen die potentiellen Nachfrager in der Phase der Investitionsplanung ihren Bedarf ein und tragen gemeinsam mit dem Management das verabschiedete Investitionsprojekt. Die Verpflichtung, Kapazitäten und Kosten zu übernehmen, motiviert zur seriösen Bedarfsschätzung und fUhrt angesichts der übernommenen Kosten bei Planabweichungen oder bei Informationen über leistungsfähige Anbieter auf dem externen Markt zur rechtzeitigen Auslösung von Anpassungsüberlegungen. Gegenüber der laufenden Steuerung der Nachfrage über den internen Markt hat das Quotensystem den Vorzug, durch den Verzicht auf die problematische Festsetzung interner Preise Fehlallokationen zu vermeiden. Überlegen ist die Allokation über interne Märkte vor allem, wenn die starre Festlegung von Quoten angesichts der Dynamik der externen Märkte die effiziente Ausschöpfung des Ressourcenpotentials beeinträchtigt. Zu 3.: Jedes Führungssystem ist verhaltensbezogen und - bei aller Respektierung und Förderung persönlicher Spielräume - daran orientiert, das Handeln der Mitarbeiter auf das Unternehmungsziel auszurichten. Ohne ein Mindestmaß an Planung läßt sich die Zielorientierung komplexer arbeitsteiliger Systeme nicht gewährleisten. Das Führungssystem und das System der Unternehmungsplanung sind deshalb eng miteinander verbunden. Das jeweilige Führungsverständnis offenbart sich dabei nicht zuletzt in der Bewertung und Behandlung des Spannungsverhältnisses zwischen dem Anspruch der (zentralen) Unternehmungsplanung und der Ausgestaltung der Bereichsautonomie. Je umfassender und detaillierter geplant wird, um so weniger Raum bleibt fiir die Selbstkontrolle der Bereiche. Diese Konsequenz wird letztlich auch nicht durch die Beteiligung der Unternehmungsbereiche an der Planung aufgehoben. Vor diesem Hintergrund ruckt die in vielen Branchen bestehende Tendenz, den Anspruch der Unternehmungsplanung zurückzunehmen, die Selbstkontrolle in den Mittelpunkt des Führungsverständnisses. Es sind vor allem zwei Entwicklungen, die diesen Wandel bewirken. Die Dynamik der Märkte schränkt die Möglichkeiten der bereichsübergreifenden Unternehmungsplanung ein und macht die Einräumung größerer Handlungsspielräume auf der Ebene der Bereiche unumgänglich. Überlagert wird diese veränderte Rolle der Planung von einer Führungsphilosophie, die stärker auf die Autonomie der Bereiche setzt. Bei einer lediglich durch komplexere Anforderungen erzwungenen Rücknahme der Planung ist zu erwarten, daß das Management die entstehende Bereichsautonomie auch oder sogar primär als Delegationsrisiko sieht. Die Einfiihrung flankierender Führungsinstrumente, vor allem in Form einer Kontrolle durch Experten und interne Märkte, liegt dann nahe. Die herausragende

Untemehmungsinteme MArkte

145

Bedeutung der Marktkontrolle ist in diesem Zusammenhang auch darauf zurückzuführen, daß gegenwärtig mit der Übernahme neuer Organisationskonzepte bisher in Zentralbereichen verankertes bereichsunabhängiges Expertenwissen systematisch abgebaut wird. Will man unter diesen einschränkenden Bedingungen ein Netz fiir das als gravierend empfundene Delegationsrisiko knüpfen, sind Marktfiktionen zur Etablierung von Marktkontrolle häufig unumgänglich. Insofern könnte man Marktfiktionen in EinzelflUlen sogar als Indikator fiir eine doppelbödige Führungskonzeption bezeichnen, bei der die Rhetorik des eigenverantwortlichen 'Unternehmers in der Unternehmung' eine stark hierarchisch geprägte Kontrollphilosophie verdeckt. Ein Führungsverständnis, das dagegen auf die Fähigkeit und Bereitschaft zu eigenverantwortlichem Handeln der Unternehmungsbereiche vertraut und die Wahrnehmung von Delegationschancen und nicht die Verhinderung von Delegationsrisiken zum handlungsleitenden Prinzip erhebt, kann nicht auf die motivierende Wirkung von Fiktionen setzen.

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Die vernachlässigten Kosten des Schnittstellen-Managements von Jtlrgen Hauschildt, Universittit zu Kiel

I. Organisatorischer Wandel: von hierarchischer zu nicht-hierarchischer

Koordination ............................................................................................... 148 1. Hierarchische Koordinationsfonnen sind auf dem Rückzug ...................... 148

2. Schnittstellen-Management ergänZt die hierarchische Koordination ......... ISO 3. Varianten des Schnittstellen-Managements .............................................. 152

n.

Das Schnittstellen-Problem Wlter KostengesichtspWlkten ............................ 153 1. Gründe für die VernachlässigWlg der Kosten des SchnittstellenManagements .......................................................................................... 153 2. Perspektiven des Vergleichs von Schnittstellenkosten .............................. ISS

Ill. Ein Konzept zur BestimmWlg der Kosten des Schnittstellen-Managements

156

1. Bietet die Diskussion über Transaktionskosten eine OrientierWlg? ............ 156

2. Kriterien der BestimmWlg von Kosten des Schnittstellen-Managements ... 157

10*

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JÜTgen Hauschildt

I. Organisatorischer Wandel: von hierarchischer zu nicht-hierarchischer Koordination Es ist das Verdienst MarceIl Schweitzers, die von seinem Lehrer Erich Kosiol souverän, aber getrennt behandelten Arbeitsgebiete Organisation und Rechnungswesen in seinen Arbeiten systematisch verknüpft zu haben. Diese Verknüpfungen sind wechselseitig: Zum einen gehört das interne Rechnungswesen zu den Instrumenten der Koordination und ist mit den übrigen Koordinationsmechanismen der Aufbau- und Ablauforganisation ganzheitlich zu verbinden. Zum anderen stellen neue Organisationsformen die Unternehmung vor zahlreiche Entscheidungsprobleme, die nicht ohne Rückgriff auf Informationen aus dem internen Rechnungswesen entschieden werden können. Zu dieser zweiten Beziehung soll die folgende Betrachtung einige Fragen aufwerfen, um damit im Sinne des Jubilars der weiteren Verknüpfung von Organisation und Rechnungswesen Impulse zu geben. 1. Hierarchische Koordinationsformen sind auf dem Rückzug Nach der klassischen Vorstellung ist Aufbauorganisation ein System sowohl der Spezialisierung als auch der Koordination. Schweitzer ([Arbeitsteilung] 141) bestimmt diese Eigenschaften der Organisation höchst präzise: "Unumgängliche Begleiterscheinung der Arbeitsteilung ist .. eine Kooperation zwischen den beteiligten Personen(gruppen), eine Koordination der individuellen Arbeitsprozesse unter funktionalen, räumlichen, zeitlichen, informatorischen, kompetenzmäßigen und verantwortungsmäßigen Gesichtspunkten sowie eine Integration der individuellen Zielvorstellungen zum Zielsystem der Unternehmung." Nach diesem Konzept bestimmt sich die Vorgehensweise des Organisators: Er hat die Aufgaben der Unternehmung aus dem Zielsystem abzuleiten, im Prozeß der Spezialisierung im Detail zu analysieren und zu synthetisieren, zu Stellenaufgaben zusammenzufassen und in Abteilungen zu gliedern. Die Bildung von übergeordneten Leitungsstellen leitet bereits zum Prozeß der Koordination über. Diese vollzieht sich nach den Regeln der hierarchischen Herrschaft durch die Erteilung von Kompetenz und Verantwortung zwischen Vorgesetzten und Untergebenen (Hauschildt [Verantwortung] 2101). Die traditionelle Darstellung der Aufbauorganisation im Organigramm ist das Sinnbild dieser Hierarchie mit ihren formalen Dimensionen "Gliederungstiefe" und "Leitungsspanne" sowie mit ihren inhaltlichen Dimensionen "Abteilungen" und "Instanzen", je nach gewählter Spezialisierung.

Kosten des Schnittstellen-Managements

149

Es ist gesicherte Erkenntnis der Organisationstheorie, daß diese äußere Form der Organisation von der Umwelt abhängig ist. Diese Kontingenzthese richtet sich vor allem auf die Form der Spezialisierung, wenn sie etwa den Wandel der Funktionalorganisation zur Divisonalorganisation infolge von Strategieänderungen und/oder Unternehmenswachstum betrachtet. Sie stellt jedenfalls noch nicht die Hierarchie als Koordinationsinstrument grundsätzlich in Frage, selbst wenn in Fortführung der ersten Studien immer offenkundiger wurde, daß auch die Koordination der neuen Spezialisierungsform anzupassen ist (LawrencelLorsch [Organization] 58 ff.; Khandwalla [Unsicherheit] 143 ff.). Erst das scheinbar unaufhaltsame Anwachsen der Verwaltungskosten hat die Hierarchie fragwürdig werden lassen. Es ist die auffiUligste Wirkung der sog. Re-engineering-Bewegung, daß die Zahl mittlerer hierarchischer Schichten abgebaut wurde. Zwar bleibt auch hier die Hierarchie als Konstrukt grundsätzlich noch unangetastet, sie wird aber im Zuge des "Lean-Management" flacher. Wenn zugleich die Zahl der Mitarbeiter nicht drastisch verringert wird, kann das nur bedeuten, daß die Leitungsspannen der verbleibenden Vorgesetzten größer werden. Die flache Hierarchie behält in diesem Falle die gleiche Breite. Wenn nicht zugleich die Leitungskapazität der verbleibenden Vorgesetzten drastisch angehoben wird - und das ist nicht zu vermuten - kann das nur bedeuten, daß die Untergebenen einem höheren Zwang zur Selbstabstimmung unterliegen. Und damit wird nach Koordinationsinstrumenten jenseits der Vorgesetzten-Untergebenen-Beziehung gefragt, eben nach hierarchieärmerer oder gar hierarchiefreier Koordination. Diese grundsätzliche Tendenz wird durch weitere Änderungen im Umfeld und in der Strategie der Unternehmen verstärkt:

-

Neue Kommunikationstechniken vernetzen die Untergebenen und erlauben ihnen eine direkte, schnelle, zweckspezifische und interaktiv anreicherungsfähige Information. Der Zugang zu innerbetrieblichen Datenbanken wird zudem erleichtert. Die Bedeutung des Herrschaftswissens von Vorgesetzten wird damit geringer. Die Lösung von Wissens- und Wahmehmungskonflikten zwischen den Beteiligten verlangt nicht mehr zwingend die Intervention eines Vorgesetzten.

-

Das steigende Ausbi/dungsniveau der Mitarbeiter fOrdert Delegation und erlaubt selbständiges Handeln. Die damit bewirkte Dezentralisierung ist immer weniger hierarchisch kontrollierbar. Eine solche Kontrolle würde von selbstverantwortlich agierenden Mitarbeitern als demotivierend empfunden. Die Koordination verlangt konsequenterweise nach verantwortungsgerechter Rechnungslegung und motivationsentsprechenden Anreizen. Sie muß sich langfristig vorausschau-

150

JOrgen Hauschililt

end zugleich auf Rekrutierung und Ausbildung der Mitarbeiter erstrecken. -

Die regionale Ausweitung der Unternehmenstätigkeit in das Ausland, die Internationalisierung, ja Globalisierung der betrieblichen Tätigkeit fordert den Aufbau selbständiger Leistungseinheiten, die zur bewußten Anpassung an lokale, regionale oder kulturelle Eigenheiten angehalten sind. Die traditionelle hierarchische Führung dürfte schon an Kultur- und Sprachunterschieden in Schwierigkeiten geraten, ganz abgesehen davon, daß die mit ihr verbundenen Interaktionsfonnen von Vorgesetzten und Untergebenen ·bei größeren Distanzen kaum effizient wären. An die Stelle der Steuerung des gesamten Handlungsprozesses tritt eine Steuerung durch Budgets und/oder Betriebsergebnisse. Das Planungs- und Kontrollgespräch mit dem Vorgesetzten wird durch ein systematisches Controlling übernommen, wenn man nicht gar Lösungen der Selbststeuerung wählt, durch die die Erfolgs- und Risikointeressen der Zentrale mit denen der dezentralen Einheiten im Sinne der Agency-theory synchronisiert werden.

-

Die mit der Re-engineering-Bewegung verbundene Funktionsausgliederung ("outsourcing") hat viele, zuvor innerbetrieblich erbrachte Tätigkeiten auf rechtlich und wirtschaftlich selbständige Partner verlagert. Zudem verlangt die zunehmende Komplizierung der technologischen Entwicklung immer stärkere Kooperation mit den Nachbarn in der Wertschöpfungskette bis hin zur Bildung langfristiger, strategischer Allianzen. In allen diesen Beziehungen wird die Interaktion nicht mehr durch Befehl und Gehorsam, sondern durch Verhandlung und Preis gesteuert. Sicherlich ist bei diesen marktwirtschaftlichen Prozessen der Machtaspekt nicht ausgeblendet - aber er setzt sich nicht mehr hierarchisch durch.

Fazit: Die klassische Welt der Vorgesetzten-Untergebenen-Beziehung, durch die die innerbetrieblichen Leistungsprozesse gesteuert werden, gilt immer weniger. Hierarchiefreie, aufjeden Fall hierarchietJrmere Koordination wird moglich und nOtig.

2. Schnittstellen-Management erglnzt die hierarchische Koordination Was tritt an die Stelle der Hierarchie, wenn betriebliche Teilbereiche zu koordinieren sind? Diese Frage soll analysiert werden, ohne daß wir bindend festlegen, wie ein "Teilbereich" bestimmt sei. Man mag sich einzelne Geschäftsbereiche, Abteilungen, Projekte, aber auch selbständige Kooperationspartner vorstellen. Es wird angenommen, daß diese "Teilbereiche" durch organisatorische Kriterien voneinander abgegrenzt seien. Sie haben innerhalb ihrer Kom-

Kosten des Schnittstellen-Managements

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petenz Handlungsautonomie und unterscheiden sich womöglich in ihren Zielen, Zeithorizonten, Sprachgepflogenheiten, in ihrem Selbstverständnis und ihrem Image. Diese Unterschiede können Ursachen von Motiv- und Zielkonflikten sein. Zwischen diesen Teilbereichen ist Interaktion zwingend. Keiner der Teilbereiche kann von sich aus die Interaktion abbrechen. Keiner kann seine Leistungen durch Dritte erbringen lassen. Die Interaktion selbst läßt sich unter Rückgriff auf das Modell von Thompson [Organizations] in drei Spielarten kennzeichnen: -

Die Interaktion ist ,,sequentielf', wenn der eine Teilbereich dem anderen in einer Wertschöpfungskette vorgelagert ist und seine Leistungen an ihn abliefert. Der übliche Ressort- oder Rollenkonflikt erwächst aus zeitlicher, qualitativer oder quantitativer Divergenz von Ablieferung und Abnahme. Er prägt z. B. den Alltag der Zusammenarbeit von Produktions- und Absatzabteilungen. Eine tiefere Konfliktursache ist in aller Regel eine Divergenz der Kapazitäten.

-

Komplizierter ist der Fall der ,I'eziproken" Interaktion. Hierbei bearbeiten beide Teilbereiche in parallel erfolgender Individualarbeit ein gemeinsames Zielobjekt, wobei die Leistungsbeziehungen ständig von dem jeweiligen Leistungsstand des anderen Bereichs abhängen. Man denke an die vielfache, wechselseitige Abstimmungsnotwendigkeit zwischen der Forschung und Entwicklung einerseits und dem Absatz andererseits oder an die Verknüpfung von Teilprojekten in einem Gesamtprojekt. Hier drohen nicht nur Wahrnehmungs- und Wissenskonflikte, sondern auch Ziel-, Motiv- und Ressort-Konflikte zur Frage, wessen Lösungsbeitrag sich letztlich durchsetzt oder Priorität genießt.

-

Am besten vertraut ist die Wirtschaftswissenschaft mit der Behandlung der dritten Interaktionsform, mit der sog. ,,gepoolten" Interaktion: Beide Teilbereiche greifen dabei auf gemeinsame Ressourcen zurück. Jeder Teilbereich kann nur insoweit tätig werden, als ihm der andere Teilbereich Nutzungsmöglichkeiten erlaubt. Man denke z. B. an den Wettbewerb von Geschäftsbereichen um Innovationsmittel. Hier entsteht der Verteilungskonflikt.

Die Interaktion wirft also in jeder ihrer Spielarten Konflikte auf, die bei hierarchischer Koordination durch den gemeinsamen Vorgesetzten (der auch eine Pluralinstanz sein kann) gelöst werden. Die divergierenden Teilbereiche unterwerfen sich seinem Schiedsspruch. Er setzt die Prioritäten. Die Betrachtungen zum Wandel der Hierarchie haben nun deutlich gemacht, daß diese Vorstellung vielfach nicht mehr realistisch ist. Die Teilbereiche sind oft so weit - organisatorisch oder örtlich - voneinander entfernt, daß sie keinen

152

Jllrgen Hauschildt

gemeinsamen Vorgesetzten haben. Oder die Anrufung der jeweils ranghöchsten Instanz, in deren Zuständigkeit beide Teilbereiche fallen, ist unwirtschaftlich, zu langsam oder wegen der Informationsfilterung zu riskant. Kurz: Die Teilbereiche benötigen nicht-hierarchische Koordinationsinstrumente. Wissenschaft und Praxis bezeichnen diese übereinstimmend als ,.schnittstellen-Management'. Dieses Schnittstellen-Management ergänzt und ersetzt hierarchische Koordination. Es ist müßig, darüber zu spekulieren, daß Hierarchie völlig entbehrlich wird. Die Geschichte der Menschheit verbietet eine derartige Vorstellung. Aber die Hierarchie läßt sich flexibilisieren, variieren und partiell oder befristet auch substituieren. Damit ist die Frage nach den Alternativen des Schnittstellen-Managements aufgeworfen.

3, Varianten des Schnittstellen-Managements Abbildung 1 zeigt die Varianten des Schnittstellen-Managements im Überblick (Brockhoff/Hauschildt [Schnittstellen-Management] 400). Die Gliederung greift dabei auf die soeben diskutierte Beziehung der jeweiligen Koordinationsform zur Hierarchie zurück.

Koordinationsinstrumente

I

I

hierarchische

I

formal

HauptHierarchie

nicht-hierarchische

I

Informal

NebenHierarc hien

I

I

I

durch EInwirkung auf GruppenverhaltBn

durch Einwirkung auf indivlduel/e5 Verhalten

I

I

expllz_

I

ImpILz~

I

I

peraonengebunden

I

enlpersonllcht

-Anreize

- ZleleM.lonen

- VerbindungsIeute, Stllbe

- Mirktel Preise

-Schulung

- Unternehmens'Kuku"

- Kommissionen

-Verrect>nungspreise

- ProjelGManagement

- Programme

-Galllkeeper

- Plane

- Job Rotation -Controlling

- rtumllche DistanzGesta~ng

'hier8rchie-neufnlr

0

~/ererr;h.

ergllnzend°

Abb. 1: Systematik der Koordinationsinstrumente

Kosten des Schnittstellen-Managements

153

Diese Instrumente sind entweder -

hierarchie-neutral, d. h. sie werden unabhängig von jeder Form der Hierarchie eingesetzt, oder

-

hierarchie-ergänzend, d. h. sie werden innerhalb einer bestehenden Hierarchie eingeführt, indem den Organen zusätzliche Funktionen übertragen oder Funktionen in neuer Gliederung zusammengefaßt werden, oder

-

hierarchie-ersetzend, d. h. durch diese Vorkehrungen werden Teile einer bestehenden Hierarchie entbehrlich.

Dieser Beitrag hat nicht die Funktion, diese vielen Spielarten des Schnittstellen-Managements im einzelnen zu beschreiben. Ähnliche Konzepte finden sich bei Brockhoff ([Management] 34), Küpper ([Controlling] 264 ff.), Horvath ([Schnittstellenüberwindung] 4 ff.) und Staehle ([Management] 530 ff.). Die Aufzählung soll an dieser Stelle lediglich bewußt machen, daß die Hierarchie keinesfalls die einzige Koordinationsform ist, sondern daß es eine Fülle von alternativen Instrumenten gibt. Und damit erhebt sich ein Auswahlproblem, das u. a. nach einer ökonomischen Fundierung ruft.

ll. Das Schnittstellen-Problem unter Kostengesichtspunkten 1. Gründe für die Vernachlässigung der Kosten des Schnittstellen-Managements Werden Schnittstellen-Probleme unter Kostenaspekten entschieden? Es gibt m. W. keine Untersuchung, durch die empirisch fundiert geprüft worden wäre, welche Bedeutung die Praxis bei Organisationsentscheidungen dem Kostengesichtspunkt einräumt. Insoweit handelt es sich bei den folgenden Überlegungen um Hypothesen. Zunächst wird jeder Ökonom zu Recht argumentieren, bei Änderung betrieblicher Gegebenheiten seien stets nicht nur die Kosten, sondern auch die Erlösaspekte, auf jeden Fall die Leistungsaspekte zu bedenken. Eine einseitige Konzentration auf Kostengesichtspunkte sei Ausdruck einer effektivitätsblinden Sparwut. Ein Blick auf die in Abb. I genannten Koordinationsmechanismen zeigt nun aber, daß sie -

unterschiedlich schnell wirken, manche haben den Charakter langfristiger Investitionen,

-

unterschiedlich breit wirken, manche beziehen sich nur auf eine einzige Schnittstelle, andere auf mehrere,

154

JOrgen Hauschildt

-

unterschiedlich sicher wirken, fiir manche lassen sich die Wirkungen präzise, fiir andere nur höchst vage vorhersagen,

-

unterschiedlich isoliert wirken, manche fordern flankierende Maßnahmen, manche wirken schon isoliert.

Die Bestimmung der Leistungen von Instrumenten des Schnittstellen-Managements stellt somit ein höchst komplexes Problem dar. Schließlich muß eingeräumt werden, daß viele dieser Koordinationsinstrumente keine echten Alternativen in dem Sinne sind, daß sie einander ausschließen. Es ist also bei Kosten-lLeistungs-Erwägungen auch noch abzuwägen, welche Kombinationen von Koordinationsinstrumenten eingesetzt werden können (Brockhoff [Management] 41 ff.). Diese Überlegungen sollen bewußt machen, daß damit nicht nur die Quantifizierung der Kosten zu bedenken ist. Wenn wir uns im folgenden allein auf die Kostenaspekte konzentrieren, dann durchaus im Bewußtsein, daß damit allenfalls die Hälfte der Arbeit getan ist. Die bisherige Betrachtung respektiert immerhin noch den ökonomischen Gehalt des Schnittstellen-Problems. Aber auch diese Perspektive könnte ein Ergebnis der spezifischen Betriebsblindheit der Betriebswirte sein. Die These ist nicht widerlegt, daß organisatorische Regelung überhaupt nicht unter Kosten-/Leistungsüberlegungen entschieden werden. Einige Indizien sollten uns nachdenklich machen: Allzu bereitwillig hat die Wissenschaft den sog. "situativen Ansatz" aufgegriffen, wonach (Um-)Organisation in Abhängigkeit von (dem Wandel) der Umwelt erfolgt. Allzu häufig argumentiert die Praxis mit einem Syndrom-Argument: Die Organisation werde nur verändert, wenn die geforderte Leistung überhaupt nicht oder zu spät oder zu unsicher oder zuwenig diskret oder zuwenig human erbracht werde. In solchen Fällen verdrängt ein Effektivitätskriterium die Effizienzforderung völlig. Organisation steht bei dieser Betrachtungsweise im Dienste der Beseitigung von Fehlern, Störungen oder Defiziten. Das gilt insbesondere in der konfliktreichen Interaktion autonomer Bereiche. Man kann diese Aufgabe natürlich in die vertraute Kosten-/Leistungsperspektive überführen. Man sollte aber dabei fragen, ob der handelnde Praktiker auch so denkt. Denn die Beseitigung von Mißerfolgen bedeutet zieltheoretisch nicht dasselbe wie das Streben nach Erfolg. Und last not least: Gerade die Umorganisation steht unter machtpolitischen Erwägungen: Sie bietet die Möglichkeit, Einflußbereiche zu erweitern und dem Interaktionspartner Ressourcen und Potentiale abzujagen. Faßt man diese Überlegungen zusammen, wird die Konstellation erkennbar, in der die Beteiligten die Kosten des Schnittstellen-Managements vernachlässigen: Wenn die Wirkung dieser Maßnahmen ohnehin keinen Konsens findet, wenn andere Kriterien Priorität genießen, wenn schließlich Handlungsdruck durch akutes Organisationsversagen entsteht, wird man umorganisieren, "ko-

Kosten des Schnittstellen-Managements

155

ste es, was es wolle" - SO die Devise der ökonomisch bedenkenlosen Umorganisierer.

In der bisherigen Betrachtung haben wir die Frage noch nicht behandelt, ob sich die Kosten des Schnittstellen-Managements überhaupt bestimmen lassen. Wenn hier Zweifel aufkommen, hat es der soeben dargestellte ökonomisch bedenkenlose Umorganisierer noch leichter. Er kann die Liste seiner Begründungen noch um das Argument verlängern, die Betriebswirtschaftslehre sei nicht in der Lage, die Kosten des Schnittstellen-Managements konsensfähig zu bestimmen. Damit ist unser Fach herausgefordert. 2. Perspektiven des Vergleichs von Schnittstellenkosten Bevor der Versuch gemacht wird, die Kosten der nicht-hierarchischen Koordination zu bestimmen, sind die Situationen näher zu kennzeichnen, in denen derartige Kostenrechnungen benötigt werden. Wenn dabei die Leistungsseite ausgeklammert wird, reduziert sich die Betrachtung auf Kostenvergleiche. Man möge diese Vereinfachung nicht vorschnell als Übersimplifizierung abtun. Die Diskussion um den Transaktionskostenansatz geht gleichermaßen heroisch vor und unterstellt mit ihrer Dichotomie kühn, daß ,,Markt" einerseits und "Hierarchie" andererseits offenkundig zu gleichen Leistungen befähigt sind. Perspektive J:

Schnittstellenkosten werden mit den Slack-Kosten des Nichtstuns verglichen.

Ein gesondertes Schnittstellen-Management wird regelmäßig gefordert, wenn die Interaktion der autonomen Teilbereiche nicht reibungslos erfolgt. Implizit wird damit unterstellt, daß die Kosten der Nicht-Regelung höher sind als die Kosten, die die Einrichtung und Unterhaltung des Schnittstellen-Managements verursacht. Der korrekte Kostenvergleich müßte die Kosten des als "uneffizient" eingeschätzten Zustands mit denen des neuen, des SchnittstellenManagements vergleichen. Sind letztere höher, mag man auch ökonomisch rational mit dem Schlendrian leben. Das könnte z. B. für manche komplizierte Schnittstellenregelung im Multi-Projektmanagement gelten. Perspektive 2:

Schnittstellenkosten werden mit Transaktionskosten bei Funktionsausgliederung verglichen.

Von unserer weiten Schnittstellendefinition umschlossen ist die Frage des "Make-or-buy". Dieses ist die traditionsreiche Frage der neuen Institutionenökonomik, in der die (externen) Transaktionskosten der Ausgliederung betrieblicher Funktionen auf Marktpartner mit den (internen) Transaktionskosten, in unserer Diktion: mit Koordinationkosten, verglichen werden. Daß der Vergleich der Mikroökonomen sich auf die einzige Alternative ,,Markt"

156

Jürgen Hauschildt

versus "Hierarchie" reduziert, mag aus der Sicht von Volkswirten schon feinsinnig genug sein. Betriebswirte, namentlich die Organisationstheoretiker unter ihnen, müssen indessen auf der Beachtung nicht-hierarchischer Koordinationsformen bestehen (so auch Picot [Transaktionskostenansatz] 273 ff.). Sicherlich hat die Diskussion um die Funktionsausgliederung die interessantesten Ansätze zur Bestimmung der Transaktionskosten erbracht. Aber eine vergleichsweise gleich mächtige Bestimmung der hierarchischen Koordinationskosten fehlt, von den Kosten der nicht-hierarchischen Koordination ganz zu schweigen (Albach [Kosten] 1163 ff.). Perspektive 3:

Die Kosten unterschiedlicher Varianten des SchnittstellenManagements werden verglichen.

Diese Perspektive sollte eigentlich die traditionsreichste in unserem Fache sein. Denn ebenso wie die Kosten alternativer Produktionsformen oder Absatzwege oder Logistikvarianten mit dem Ziel verglichen werden, die jeweils optimale Variante zu bestimmen, so sind die Kosten alternativer Administrationsformen zu vergleichen und die optimale Variante der Koordination festzustellen. Wenigstens die in Abb. 1 genannten Varianten bzw. Kombinationen gelten dabei als Alternativen. Wenn sich die Wirkung der aus ihnen abgeleiteten Zahlungsströme über mehrere, ggf. unterschiedliche zukünftige Perioden erstreckt, dann sind dynamische Rechenmethoden anzuwenden, wie sie aus der Investitionstheorie bekannt sind. Kurz: Die Bestimmung von Kosten der Koordination, hier speziell: der nicht-hierarchischen, ist nicht etwa ein triviales Problem, weder für die Wissenschaft noch für die Praxis (vgl. schon Albach [Koordination] 349).

ill. Ein Konzept zur Bestimmung der Kosten des Schnittstellen-Managements 1. Bietet die Diskussion über Transaktionskosten eine Orientierung? Nach gängiger Vorstellung liegt den Kosten ein Mengengerüst und ein Wertgerüst zugrunde. Die Bestimmung von Schnittstellenkosten würde dementsprechend nach dem Verbrauch von Produktionsfaktoren und den zweckspezifischen Wertansätzen zu fragen haben. Merkwürdigerweise ist die Diskussion über die Transaktionskosten dieser traditionellen betriebswirtschaftlichen Leitlinie nicht gefolgt. Betrachtet wurden vielmehr Kosten, die man sich nur als das Ergebnis eines weiterführenden Verrechnungsprozesses vorstellen kann. Durchgesetzt hat sich die folgende, von Picot ([Organisation] 298) inspirierte Unterteilung:

Kosten des Schnittstellen-Managements

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- Anbahnungskosten als Kosten der Suche von Transaktionspartnern, i. w. Kosten der Inforrnationsbeschaffung, -

Vereinbarungskosten als Kosten von Verhandlungen und Vertragsvereinbarungen,

-

Abwicklungskosten als Kosten der Durchführung der Transaktion sowie der laufenden Pflege der Transaktionsbeziehungen,

-

Kontrol/kosten als Kosten der Kontrolle des vereinbarten Leistungsaustausches.

Maßgeblich für diese Gliederung der Kosten ist eine Prozeßvorstellung. Man betrachtet eine "Transaktion" von ihrer Vorbereitung über ihre Durchführung bis hin zu ihrer kritischen Nachbereitung. Auffällig ist, daß die Diskussion "auf halbem Wege" abbricht. Denn ein entsprechend griffiges Schema für die internen Transaktionskosten (oder in unserer Diktion: für die Koordinationskosten) wird nicht entwickelt, obwohl die Entscheidung über die Funktionsausgliederung dies zwingend verlangt. Man darf spekulieren, ob damit die "Outsourcing-Welle" begünstigt oder behindert wurde. Unsere These lautet auf jeden Fall: Auch wenn man die Kosten der hierarchischen Koordination bei diesem Vergleich mit Transaktionskosten in Rechnung stellt, so werden die Kosten der nicht-hierarchischen Koordination in der Regel vernachlässigt. Es gibt vielmehr die eingangs erwähnten Gründe für die Annahme, daß diese Kosten des Schnittstellen-Managements in dem Augenblick steigen, in dem die Kosten der Hierarchie reduziert werden. Nach unserer Ansicht wird damit der Kostenvergleich zugunsten des Outsourcing systematisch verzerrt. 2. Kriterien der Bestimmung von Kosten des Schnittstellen-Managements Die soeben geführte Diskussion liefert aber zugleich den Ansatz zur Bestimmung von Kosten des Schnittstellen-Managements: -

Im ersten Schritt ist ein Konturierungskonzept zu entwickeln, durch das der Gegenstandsbereich (hier: die Schnittstelle) abgegrenzt wird.

-

Im zweiten Schritt ist ein Strukturierungskonzept zu entwickeln, durch das der Gegenstandsbereich Schnittstelle in sich so gegliedert wird, daß die Kosten vollständig und lückenlos, möglichst einfach und konsensfähig bestimmt werden können.

-

Im dritten Schritt ist ein Erjassungskonzept zu entwickeln, durch das das Mengen- und das Wertgerüst der Schnittstellenkosten bestimmt werden können, wie in jeder anderen Kostenrechnung auch.

(1) Hinsichtlich der ersten Aufgabe, der Konturierung, liefert das in Abb. 1 vorgelegte Konzept der nicht-hierarchischen Koordination einen ersten Ein-

158

JOTgen Hauschildt

stieg. Schwierigkeiten erwachsen daraus, daß einzelne Schnittstellen auch andere als nur Koordinationsfunktionen haben: -

So kann eine Stabsstelle neben der Funktion eines ,,Liaison Officer" auch noch die Aufgabe haben, eine bestimmte Instanz bei der Entscheidungsvorbereitung zu unterstützen.

-

So kann Schulung nicht nur im Interesse der Koordination erfolgen, sondern auch mit dem Ziel der Aus- und Weiterbildung fachlicher Fähigkeiten und Fertigkeiten der geschulten Person.

-

So sollen Pläne und Programme nicht nur die beteiligten Interaktionspartner koordinieren, sondern zugleich die Unsicherheit reduzieren und damit Hilfen in Entscheidungsprozessen bieten.

-

So soll räumliche Distanzrninderung nicht nur eine Koordination benachbarter Leistungsbereiche erleichtern, sondern gleichfalls die Transportkosten mindern.

Damit steht die Ermittlung von Schnittstellenkosten vor dem vertrauten Problem der Zurechenbarkeit. Dieses ist nach der langjährigen Praxis der Kostenrechnung nicht unlösbar. (2) Hinsichtlich der zweiten Aufgabe, der Strukturierung, liefert das Prozeßschema der Bestimmung von Transaktionskosten nützliche Hinweise: -

Einrichlungskoslen: Den Anbahnungskosten des Transaktionskostenansatzes entsprechen die Kosten der Einrichtung einer Schnittstelle. Dabei sollte unterschieden werden, ob die Schnittstelle auf Dauer (bis zum Widerruf) eingerichtet wird oder ob sie nur einen befristeten Auftrag hat. Damit sind sowohl Investitionen als auch laufende Kosten zu berücksichtigen.

- An/aujkosten: Den Vereinbarungskosten des Transaktionskostenkonzepts entsprechen alle Kosten, die durch die Überwindung von Anlaufproblemen entstehen. Diese dürften vor allem bei den hierarchieersetzenden Instrumenten, wie Einrichtung interner Märkte, Einfiihrung von Verrechnungspreisen, Installation von Planungssystemen, nicht unerheblich sein. Auch die Anlaufkosten sind investiven Charakters. -

Interaktionskosten: Sie entsprechen den Abwicklungskosten im Transaktionskostenkonzept und umfassen zum einen die Kosten der laufenden Wahrnehmung der Schnittstellenfunktion und zum anderen die der besonderen Pflege der Interaktionsbeziehungen.

-

Kontrollkosten: Wie im Transaktionskostenkalkül sind die Leistungen der Schnittstelle im Soll-Ist-Vergleich zu bewerten. Damit fallen Kosten dieses Schnittstellen-Controlling an (Gaiser [Bewältigung] 127).

Kosten des Schnittstellen-Managements

159

Die Verwendung dieses Schemas der Kostenstrukturierung bietet einige Vorteile: Der Vergleich mit Transaktionskosten wird erleichtert. Die prozessuale Sicht verhindert, daß wesentliche Kostenelemente übersehen werden. Einmalig anfallende Kosten werden von den laufenden getrennt. Diese Vorzüge sollten indessen nicht von der Pflicht entbinden, ggf. noch bessere Strukturierungsalternativen zu suchen. (3) Hinsichtlich der dritten Aufgabe, der Bestimmung des Mengen- und Wertgerostes der Kosten, mündet die Ermittlung von Kosten des SchnittstellenManagements wieder in die traditionellen Bahnen der Kostenrechnung ein. Auf einige Besonderheiten sei hier aufmerksam gemacht: -

Eine Reihe von Schnittstellen verursacht nur eine einzige Art von Kosten: Anreize und Prämien.

-

Einige Spielarten von Schnittstellen (Verbindungsleute, Stäbe, Gatekeeper) verursachen fast ausschließlich Personalkosten, werfen aber gravierende Zurechnungsprobleme auf.

-

Einige Spielarten von Schnittstellen verlangen gesonderte Erfassung von Tätigkeiten oder Arbeitszeiten der beteiligten Personen: Kommissionen, Projektrnanagement, Schulung, Job-Rotation.

-

Einige Spielarten sind als Systemkonstruktionen deshalb schwer in ihrem Mengengerust einzuschätzen, weil sie vielfache, kaum abgrenzbare Mitarbeit der betroffenen Interaktionspartner fordert: Man denke an einen mehrfachen Planungsdurchlauf, bottom-up und topdown, das ganze revolvierend.

-

Einige Spielarten fordern auf, gründlich über die Wertansätze nachzudenken: Soll bei Kommissionsarbeit oder Projektrnanagement der Personaleinsatz mit Opportunitätskostensätzen bewertet werden oder mit pagatorischen Werten?

Diese Aufzählung kann hier abgebrochen werden. Der Organisationstheoretiker hat die Kompetenz seiner Kollegen aus dem Rechnungswesen zu respektieren. Er hätte seine Aufgabe richtig erfüllt, wenn er das Bewußtsein dafür geweckt hätte, die Kosten des Schnittstellen-Managements nicht länger zu vernachlässigen.

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160

JOrgen Hauschil1ft

Brockhoff, Klaus: [Management] Management organisatorischer Schnittstellen - unter

besonderer Berücksichtigung der Koordination von Marketingbereichen mit Forschung und Entwicklung. Hamburg 1994. Brockhoff, Klaus und Jürgen Hauschild: [Schnittstellen-Management] SchnittstellenManagement - Koordination ohne Hierarchie. In: Zeitschrift ft1r Organisation (62) 1993, S. 396-403. Gaiser, Bernd: [Bewältigung] Bewältigung der Schnittstelle zwischen F&E und Marketing durch entscheidungsorientierte Infonnationen. In: Synergien durch Schnittstellen-Controlling. Hrsg. v. P. Horvath. Stuttgart 1991, S. 123-143. Hauschildt, Jürgen: [Verantwortung] Verantwortung. In: Handwörterbuch der Führung. 2. Aufl. Hrsg. v. A. Kieser, G. Reber und R. Wunderer. Stuttgart 1995, Sp. 20972106. Ho",ath, Peter: [Schnittstellenüberwindung] Schnittstellenüberwindung durch das Controlling. In: Synergien durch Schnittstellen-Controlling. Hrsg. v. P. Horvath. Stuttgart 1991, S. 1-23. Khandwalla, Pradip N.: [Unsicherheit] Unsicherheit und die "optima1e" Gestaltung von Organisationen. In: Organisationstheorie. 1. Teilband. Hrsg. v. E. Grochla. Stuttgart 1975, S. 140-156. KUpper, Hans-Ulrich: [Controlling] Controlling - Konzeption, Aufgaben und Instrumente. Stuttgart 1995. Lawrence, Pau1 R. und Jay W. Lorsch: [Organization] Organization and EnvironmentManaging Differentiation and Integration. Homewood, lll. 1969. Picot, Amold: [Transaktionskostenansatz] Transaktionskostenansatz in der Organisationstheorie: Stand der Diskussion und Aussagewert. In: Die Betriebswirtschaft (42) 1982, S. 267-284. Picot, Amold: [Organisation] Organisation von Infonnationssystemen und Controlling. In: Controlling (2) 1990, S. 296-305. Schweitzer, Marcell: [Arbeitsteilung] Arbeitsteilung. In: Handwörterbuch der Organisation. 2. Aufl. Hrsg. v. E. Grochla. Stuttgart 1980, Sp. 139-144. Staehle, Wolfgang: [Management] Management - Eine verhaltenswissenschaftliche Perspektive. 7. Aufl., München 1994. Thompson, 1. D.: [Organizations] Organizations in Action. New York 1967.

Aufgaben, Schwerpunkte und Instrumente des Kostenmanagements von Wolfgang Mtinnel, UniversiUlt Erlangen-Nflmberg

1. Von der Kostenrechnung über das Controlling zum Kostenmanagement .....

n.

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Ziele des Kostenmanagements ...................................................................

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lll. Frühzeitiges Produktlcostenmanagement ....................................................

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IV. Prozeßorientiertes Kostenmanagement .... .................... .............. .................

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V. Ressourcenorientiertes Leistungscontrolling ............................................... 176 VI. Zusammenfilhrung in der lebenszyklus-orientierten Kosten- und Erfolgssteuerung...................................................................................................

11 FS Schweitzer

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Wolfgang Minnet

I. Von der Kostenrechnung über das Controlling zum Kostenmanagement Das Rechnungswesen zählt seit jeher zu den Kemgebieten der Betriebswirtschaftslehre. Bezüglich des innerbetrieblichen Rechnungswesens hat sich die Betriebswirtschaftslehre vorrangig mit den Zwecken und den hierfür geeigneten Methoden der Kostenrechnung befaßt. Einerseits entwickelte sich die Kostenrechnung im Sinne der Betriebsabrechnung zunächst überwiegend zum Überwachungs- und Kontrollinstrument. Andererseits stand sie ebenso vorrangig im Dienste der Preiskalkulation und Preispolitik. Außerdem lieferte die Kostenrechnung mit der Ermittlung der Herstellkosten notwendige Kosteninformationen fiir differenzierende Betriebsergebnisrechnungen. In diesem Sinne wurde die Kostenrechnung in ihrer vorrangigen Ausrichtung auf ihre traditionellen Zwecke als Abrechnungsinstrument immer weiter verfeinert. Dadurch, daß sich die Bedeutung der ursprünglich dominierenden Rechnungszwecke verschob und neue Anforderungen hinzukamen, kam es zu einer zunehmenden Differenzierung der Kostenrechnungskonzepte. Mit verstärkter Unterstützung der Entscheidungsfindung durch die Kostenrechnung wurde diese zu einem umfassenden Instrument der Unternehmensführung. Die Kostenrechnung hatte ein Spektrum von Zwecken abzudecken, das sich nicht durch ein und dieselbe Methode befriedigen ließ. Dennoch wurde zunächst die Ablösung der konventionellen Kostenrechnung durch modeme entscheidungsorientierte System auf der Grundlage des Rechnens mit relativen Einzelkosten oder der flexiblenPlankostenrechnung kontrovers diskutiert. Die unterschiedlichen Ausgestaltungen von Kostenrechnungssystemen, die auf der Unterscheidung von Einzel- und Gemeinkosten einerseits und der Unterscheidung von fixen und variablen Kosten andererseits beruhen, haben auch einen breiten Eingang in die Systematik von Fach- und Lehrbüchern zur Kosten-, Leistungs-, Erlös- und Ergebnisrechnung geführt (siehe stellvertretend fiir eine besonders differenzierte Analyse von Kostenrechnungssystemen und insbesondere fiir die Weiterentwicklung von Plankostenrechnungssystemen SchweitzerlKüpper [Systeme]). Erst später erkannte man, daß die Unterstützung der Angebotspreisfindung durch die Kostenrechnung auch weiterhin parallel die Nutzung von Vollkosten als Richtwerte rechtfertigt. Außerdem blieben weiterhin die vollen Selbstkosten relevante Rechnungsziele zur Bestandsbewertung und zur Bestimmung "kostendeckender Preise" nach den Vorschriften des Öffentlichen Preisrechts. Dies führte insbesondere in der Praxis zu Parallelkalkulationen, die heute auch von den verfügbaren Softwaresystemen unterstützt werden.

Kosterunanagement

163

Gleichzeitig sind in der Praxis die der Kostenrechnung zugrunde liegenden Unternehmensstrukturen und -ablaufe immer komplexer geworden. Deshalb entwickelte sich das Kostencontrolling als ein weiteres, zusätzliches Aufgabenfeld zur Unterstatzung des Managements. Aus heutiger Sicht hat das Controlling die Koordination der Teilplane komplexer Unternehmensstrukturen durch die Unternehmensführung zu unterstützen. Das Management benötigt entscheidungsrelevante Informationen für immer komplexere Entscheidungsfelder und verlangte eine immer schnellere Steuerung aus Abweichungen. Das Controlling muß Regeln für die Handhabung und Nutzung von Kostenrechnungsinformationen formulieren. Dabei richtet sich das Controlling primär auf die Fertigungskosten, weil dadurch bei einer hohen Fertigungstiefe ein großer Anteil der Selbstkosten erfaßt wird. Eine schnelle auf Ex-post-Analysen aufbauende Steuerung stand dabei im Vordergrund. Allerdings greift diese Feedback-Steuerung zur Beeinflussung von Kostenniveau, Kostenstruktur und Kostenverläufen zu spät. Sie ist nicht in der Lage, wirksam und nachhaltig die Potentiale einer besseren Kostenfestlegung vollständig und nachhaltig zu erschließen. Sie ermöglicht lediglich eine Steuerung der Kosten im Rahmen festgelegter Strukturen. Aus der Auseinandersetzung mit diesem Defizit ist der Aufgabenkomplex des Kostenmanagements hervorgegangen. Deshalb setzt das Kostenmanagement unmittelbar an den Kosteneinflußgräßen an, die der Steuerung durch das Kostencontrolling vorgelagert sind. Im Controlling dominieren leistungsvolumen- bzw. produkt- und absatzvolumenbezogene Kosteneinflußgrößen. Für das Kostenmanagement sind umfassendere und grundsatzlichere, auch kostenstellenabergreifende Kostentreiber zu identifizieren und abzubilden. Diese teils auch an komplexen Prozessen ansetzende Kostenbeeinflussung setzt nicht nur am Volumen von konventionell abgebildeten Kosteneinflußgrößen an, sondern beeinflußt unmittelbar die kostenmäßige Auswirkung der Parameter der Produktions- und Kostenfunktionen. Das frühzeitige Kostenmanagement bezieht sich auf den Gesamtzusammenhang von Produkten, Prozessen und Ressourcen. Abbildung I veranschaulicht im Zentrum die Ansatzebenen des Kostenmanagements einerseits als separate Aufgabenbereiche und andererseits in Verbindung mit den zu steuernden Unternehmensbereichen. Es geht im einzelnen um eine den Zielen des Kostenmanagements entsprechende Steuerung von Zuliefererkostenmanagement und Distributionskostenmanagement innerhalb der Wertschöpfungskette, um das Innovationskostenmanagement als Vorleistung und um das Komplexitätskostenmanagement, Qualitätskostenmanagement und Logistikkostenmanagement als teilweise Vorleistungen und auch wertschöpfungsbegleitende Leistungen erbringende Bereiche. 11'

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Wolfgang MAnnel

Das Ziel des Kostenmanagements besteht darin, Strukturen zu verändern. Zu den konkreten Maßnahmen des Kostenmanagements zählen daher das Gestalten neuer Strukturen. Zunächst sind die Produktstrukturen zur Vermeidung von Komplexität soweit zu vereinfachen, wie es die Befriedigung der tatsächlichen Kundenwünsche zuläßt. Bereits im Rahmen der konstruktionsbegleitenden Produktoptimierung wird die Auswirkung auf die Prozeßgestaltung berücksichtigt. Das Kostenmanagement vereinfacht komplexe Prozeßstrukturen durch Zusammenfassung von Teilprozessen beispielsweise zu einem in seinem Ablauf durchgängigen Kundenauftrag. Durch die entsprechende Neuordnung von Kompetenzen können interne Transaktionskosten reduziert werden. Auf der Ressourcenebene sind durch Reorganisation schlanke Unternehmensstrukturen im Sinne des Lean Managements zu schaffen.

Produktk05tenmanagement

Prozeßk05tenmanagement

Ressourcenonentlertes Kostenmanagement

Abb. 1: Ansatzpunkte und Einsatzbereiche des Kostenmanagements

Kostenmanagement

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Auch für ein effizientes Kostenrnanagement sind Kostenanalysen und Kostenvergleiche eine wesentliche Voraussetzung. Das Kostenrnanagement ist allerdings kein Teilgebiet des Rechnungswesens, sondern eine Aufgabe der Unternehmensführung und geht mit einer VersUirkung des Kostenbewußtseins im Gesamtunternehmen einher. Unternehmensstrategische Aspekte und eine längerfristige Betrachtungsweise erlangen durch die Anforderungen des Kostenrnanagements im internen Rechnungswesen eine größere Bedeutung. In der Literatur zur strategischen Unternehmensführung wird empfohlen, die Wettbewerbsstrategie entweder auf Kostenfohrerschaft oder auf die Erlangung von Differenzierungsvorteilen auszurichten. Während mit einer Kostenfiihrerschaftsstrategie angestrebt wird, über economies of scale Kostenvorteile und ein vergleichsweise günstiges Preisniveau zu erzielen, ist die Verfolgung einer Di.fJerenzierungsstrategie dadurch gekennzeichnet, daß durch die Individualität der Produkte bzw. Leistungsbündel, durch die Neuartigkeit und Innovationsgeschwindigkeit, durch technische Perfektion und Qualität sowie logistische Leistungen (wie die Termintreue) Kundenpräferenzen geschaffen werden sollen. Eine solche Bedeutungsabnahme des Preises bzw. der Kostensituation ist aber nur so lange haltbar, wie auch der unterstellte Kompensationsmechanismus funktioniert. Es kommt deshalb darauf an, anstelle einer einseitigen strategischen Ausrichtung sämtliche Wettbewerbsfaktoren ihrer jeweiligen Bedeutung entsprechend in der Unternehmensstrategie zu verankern. Die daraus je nach Schwerpunktlegungen resultierenden Teilstrategien lassen sich unter dem Begriff der Kostenund Leistungsfohrerschaft subsumieren (siehe dazu auch Becker [Stabilitätspolitik) 234 ff.).

Da sich die kostenmäßigen Konsequenzen der Leistungsdifferenzierung vor allem in den Bereichen Forschung und Entwicklung, Qualitätsschaffung und Qualitätssicherung sowie im gesamten Gebiet der Logistik niederschlagen, steht an vorderster Front die Forcierung des Managements der Entwicklungs-, Qualitäts- und Logistikkosten. Eine weitere und sehr wichtige Konsequenz ist, daß von progressiv kalkulierten Selbstkosten plus Gewinnzuschlags-Preisen abzugehen ist. Die mit einem solchen Vorgehen verbundene kostenorientierte Preispolitik stößt unter den geschilderten Bedingungen schnell an ihre Grenzen. Das schon in der Entwicklungs- und Konstruktionsphase einsetzende Produktkostenmanagement muß von den auf den Märkten durchsetzbaren Preisen ausgehen. Das schließt eine aktive Preispolitik keinesfalls aus, doch ist diese primär marktorientiert anzulegen. Insofern wird die kostenorientierte Preiskalkulation immer mehr durch eine marktpreisorientierte Kostenpolitik abgelöst.

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Wolfgang Minne)

ll. Ziele des Kostenmanagements In einschlägigen Definitionen zum Kostenmanagement spricht man auch von einer umfassenden und frühzeitigen (antizipativen) Kostenbeeinflussung im Hinblick auf deren Niveau, Struktur, Verhalten, Flexibilität und Transparenz (vgl. zum Begriff des Kostenmanagements auch die Ausführungen von Franz [Kostenbeeinflussung) 1492, ReisslCorsten [Gestaltungsdomänen) 1478). Für die Kostenniveaupolitik erweist sich eine Trennung von Fixkosten als Kapazitätskosten und proportionalen Kosten als Leistungs- oder Prozeßkosten als nützlich. In bezug auf die Fixkosten erfolgt die Kostenbeeinflussung primär durch eine kapazitt1tsorientierte Fixkostensteuerung. Durch optimale Kapazitätsdimensionierung werden Fixkosten auf ein minimal notwendiges Niveau gesenkt. Auch das Kapazitätsprofil in der Zeitachse sowie die Größe der Kapazitätsquanten determinieren den Fixkostenanfall. Eine große Maschine verursacht regelmäßig einen größeren Fixkostenblock als eine kleine Maschine. Mit einern Abschluß eines Mietvertrages über zwei Jahre reduziert man die Disponierbarkeit der Fixkosten in zeitlicher Hinsicht. Zur Beeinflussung des Niveaus der proportionalen Kosten sind Maßnahmen zur Produktivitätssteigerung geeignet, da im Vordergrund eine Optimierung von KostenLeistungs-Relationen steht. Eine Rationalisierungsmaßnahme, die beispielsweise den Energieverbrauch von Maschinen verringert, wäre als Ansatz zur Senkung des Niveaus der proportionalen Kosten zu sehen. Die Kostenstrukturpolitik beinhaltet die Optimierierung verschiedener Kostenstrukturen, die sich aus den unterschiedlichen Kategorisierungen des Gesamtkostenblocks ergeben. Es handelt sich zunächst um die Beeinflussung der Primt1rkostenstruktur. Steigen die Preise für bestimmte Kostengüter (z. B. Energie, Personal) wird dies im Sinne eines strategisch ausgerichteten Kostenmanagements zur Substitution dieser Kostengüter durch solche führen, deren Preisentwicklung sich günstiger (z. B. Technologiekosten) gestaltet. Die Beeinflussung des Verhältnisses von primt1ren und sekundt1ren Kosten durch das Kostenmanagement erfolgt mit dem Ziel, die Sekundärkosten zu reduzieren. Der Abbau von innerbetrieblichen Leistungen führt zu einer reduzierten unternehmensinternen Komplexität und erhöht die Kostentransparenz. Einflußnahmemöglichkeiten im Rahmen der funktionalen Kostenstruktur ergeben sich durch Verlagerung, Substitutionalisierung und Intensivierung von Aktivitäten in und zwischen Unternehmensbereichen. Die Intensivierung der Entwicklungsaktivitäten zur Verbesserung von Produkten und Prozessen kann das Aktivitätsniveau und die Aktivitätsstruktur im Produktions- und auch Vertriebsbereich reduzieren. Auch diese kostenstrukturpolitische Aufgabe· erfor-

Kostenmanagement

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dert zunächst einmal eine Einflußnahme auf die Unternehmensstruktur und die betrieblichen Abläufe. Die Beeinflussung der funktionalen Kostenstruktur ergibt sich erst mittelbar. Bezüglich der Kostenkategorisierung in Einze/- und Gemeinkosten sollen Gemeinkosten soweit wie möglich abgebaut und in ihrem qualitativen Charakter den Einzelkosten angenähert werden. Unternehmen, die sich horizontal und vertikal segmentieren, haben wesentlich bessere Voraussetzungen für die Zuordnung von Gemeinkosten zu Ressourcenbereichen und Tätigkeitsfeldern. Die Differenzierung der /ebenszyk/usspezijischen Kostenstruktur in Vorlaufkosten, laufend anfallende Kosten der Produktion und Vermarktung sowie Nachlaufkosten gibt ein weiteres wichtiges Strukturbild für das Kostenrnanagement wieder. Sicherlich ist es zumindest tendenziell sinnvoll, Nachlaufkosten (im Sinne von Entsorgungskosten) zu vermeiden und durch Intensivierung der Produktentwicklung beispielsweise ein leichter demontierbares und entsorgungsfreundlicheres Produkt zu schaffen. Eine weitere Beeinflussungsrichtung ist die bereits angesprochene Reduktion der Kosten in der Produktions- und Vermarktungsphase durch Verstärkung der Forschungs-, Entwicklungs- und Konstruktionstätigkeit, was bereits im Zusammenhang mit der funktionalen Kostenstruktur angesprochen wurde. In der Relation zwischen fixen und proportionalen Kosten manifestiert sich die Kostenflexibilität. Die Kostenjlexibi/isierung gewährleistet die erfolgswirtschaftliche Stabilität von Unternehmen. In zunehmendem Umfang werden fixkostenintensive Technologien eingesetzt, um prozeßbedingte Verbräuche (z. B. an Energie- und Betriebsstoffen) und die hierfür anfallenden proportionalen Kosten zu reduzieren. Eine Verminderung der Prozeßkosten ist nicht ohne die Hinnahme höherer Fixkosten und Verschiebung in der Relation zwischen beiden Kostenkategorien zu erreichen. Bei personellen und immateriellen Potentialen läßt sich das Kostenverhalten insbesondere durch die Art der Vertragsgestaltung beeinflussen. In dem Moment, in dem der Vertrag abgeschlossen wird, erfolgt eine kostenstrukturpolitische und gleichzeitig die Kostenflexibilität beeinflussende Festlegung. Wichtige Ansatzpunkte der Kostenflexibilisierung sind die Personal- und Technologiepolitik, die Preisund die Tarifstruktur für die verschiedenen Potentiale sowie darüber hinausgehende Aspekte der Vertragsgestaltung und die Dienstleistungs- und Produktionstiefenoptimierung. Die gezielte Beeinflussung langfristiger Kostenentwicklungen steht im Vordergrund der kostenpolitischen Einflußnahme auf das Kostenverha/ten. Nicht nur die Veränderung der Kostenflexibilität auf längere Sicht, sondern auch das bewußte Herbeiführen anderer kostenstruktureller und das Gesamtkostenniveau betreffender Entwicklungen ist die Aufgabe des Kostenmanagements, die auch als dynamische Kostenpolitik bezeichnet werden kann. Die Aufdeckung der kostenmäßigen Konsequenzen von Komplexitätsphänomenen macht das Erfordernis deutlich, an bisher kaum beachteten Kosteneinfluß-

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größen, wie beispielsweise der Variantenvielfalt, mit Maßnahmen des Kostenmanagements anzusetzen. Die KomplexiUitskosten sind Mehrkosten durch Komplexität auf der Produkt-, Prozeß- und Ressourcenebene. Sie fallen in Folge einer großen Vielfalt von Kunden, Produkten, Varianten, Baugruppen, Teilen, Materialien und auch Lieferanten an. Betroffen sind insbesondere die Bereiche Forschung und Entwicklung, Konstruktion, Arbeitsvorbereitung, Logistik, Einkauf und Vertrieb. Dem Wesen nach handelt es sich um Kostenprogressionen, die beispielsweise bei Erhöhung der Variantenanzahl dadurch anfallen, daß sich Planungs-, Dispositions- und Koordinationsbedarfe bei jeder zusätzlichen Variante erhöhen. Standardisierung und Normung sind bekannte, der Baugruppen-, Teileund Materialvielfalt entgegenwirkende Teilstrategien. Die leistungswirtschaftliche Komplexität wirkt sich kostenmäßig auch dergestalt aus, daß mögliche Degressionseffekte erst verspätet oder auch nur in einem geringen Umfang realisiert werden können. Insbesondere Kostensenkungspotentiale, die auf Grund von Lern- und Erfahrungskurveneffekten realisiert werden können, sind hiervon betroffen. Die Kostentransparenz kann erhöht werden, wenn die Voraussetzungen dafür geschaffen werden, daß Kosten den jeweiligen Betrachtungsobjekten in

einem möglichst hohen Umfang auf disaggregierten Stufen direkt zugerechnet werden können. Die Schaffung dieser Voraussetzung steht in einem sehr engen Zusammenhang mit den Ansatzpunkten zur Reduzierung von Gemeinkosten, Fixkosten und auch KomplexiUitskosten. Die eindeutigere Zuordnung von Gemeinkosten, wie sie beispielsweise durch die schon angesprochene Segmentierung und wertschöpfungskettenorientierte Bündelung von Aktivitäten erfolgt, verhilft zu einer h6heren Kosten- und Ergebnistransparenz. Durch die Reduzierung der Anzahl von Beziehungsebenen, über die hinweg Kosten-, Leistungs- und Produktionsbeziehungen bestehen, erhöht sich die Kostentransparenz. Durch die Reduzierung innerbetrieblicher Leistungen und die durch Dienstleistungs- und Produktionstiefenreduzierung erreichbare Transparenz der Prozeßstruktur wird auch eine höhere Kostentransparenz geschaffen.

ill. Frühzeitiges Produktkostenmanagement In länger zurückliegenden Jahren fiel es den Unternehmen leichter, kostenrechnerisch kalkulierte Preise am Markt durchzusetzen. Insofern war es durchaus wertvoll, Selbstkosten als langfristige kostenmäßige Preisuntergrenze zu kennen. Doch handelte es sich dabei von Anfang an generell nur um kostenrechnerische Richtgrößen, die lediglich auf jene Preise verwiesen, die für jedes Produkt eine - der jeweiligen Kalkulationsmethode nach - anteilig

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gleiche Gemeinkostendeckung sicherstellen. Gut ausgebildete Fachleute wußten, daß sie sich im Rahmen des "kalkulatorischen Ausgleichs" über kalkulierte Selbstkosten hinwegsetzen konnten (vgl. RiebeI [preiskalkulation] 549 ff.). Allerdings wurde diese interne Produktsubventionierung früher meist erst dann bedacht, wenn kalkulierte Selbstkosten im Markt nicht durchgesetzt werden konnten. Vor allem große Betriebe mit komplexen Produktsortimenten orientierten sich vielfach primär an den kalkulierten Selbstkosten und richteten erst den "zweiten Blick" auf ihre Märkte. So gesehen klaffie auch zwischen der betriebswirtschaftlichen Kalkulationslehre und der mikroökonomischen Preistheorie über lange Zeit hinweg eine :fiir manche Betriebswirtschaftsstudenten nur schwer schließbare Lücke. Der bereits ausgeführte Bedeutungswandel des Produktkostenmanagements führt zur Erkenntnis, daß die kostenpolitische Steuerung schon sehr frühzeitig einsetzen muß, dann nämlich, wenn sich eine Produktidee konkretisiert, wenn Produkte entwickelt und konstruktiv festgelegt werden. Denn in diesen frühen Phasen werden - wie praktische Erfahrungen zeigen - 70-80 % der Produktkosten hinsichtlich ihres Niveaus und ihrer Struktur so festgelegt, daß sie während der Produktions- und Vermarktungsphase nur unwesentlich gesenkt werden können. Die Entwickler und Konstrukteure legen nicht nur die Funktionalität und Gestalt industrieller Erzeugnisse fest. sondern zwangsläufig zugleich auch die zu realisierenden Fertigungsverfahren, die mögliche Eigenleistung und den erforderlichen Fremdbezug. Kostenwirksame Verfahrensund Eigen-Fremd-Entscheidungen werden demzufolge regelmäßig mehr oder weniger lange Zeit vor Beginn der eigentlichen Produktion getroffen. Neuerdings fordern auch die Befiirworter des Target Costing (siehe hierzu Seidenschwarz [Target Costing)) eine prinzipiell vom Marktpreis und von der angestrebten Rentabilität ausgehende Kostenpolitik. Nach dem Denkansatz des Zielkostenmanagements sind den retrograd kalkulierten markt- und rentabilitätskonformen Kosten die progressiv kalkulierten Produktkosten der aktuellen Technologie und Fertigungsstruktur gegenüberzustellen. Das Target Costing operiert mit vollkostenrechnerisch ermittelten Produktkosten und erfaßt die Rentabilität demzufolge als umsatzbezogenes Nettoergebnis. Insofern hat es mit der Deckungsbeitragsrechnung zunächst nur die Marktpreisorientierung gemeinsam. Den Unternehmenserfolg erklärt es nicht als Überschuß der Deckungsbeiträge über die Fixkosten, sondern als die Summe der Nettoergebnisse aller Produktarten. So gesehen greift das Target Costing zwar die methodische Grundausrichtung traditioneller Kalkulationskonzepte wieder auf, doch stellt es die Produktkostenkalkulation erklärtermaßen nicht in den Dienst der Preiskalkulation und Preispolitik, sondern - und dies ist bedeutsam - ausdrücklich und besonders vorrangig in den Dienst einer vom Marktpreis ausgehenden produkt-. prozeß- und ressourcenorientierten Kostenpolitik.

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Sind insbesondere im Falle von Produktinnovationen "drifting oosts" der jeweils faktischen Gegebenheiten und Bedingungen (Technologien, Prozesse, Abläufe und Organisation) höher als die dem Preisniveau und dem Rentabilitätsstreben gemäßen, auf den Märkten über die Preise durchsetzbaren "allowable oosts", müssen Konstrukteure Produktmodifikationen überdenken, die bei möglichst geringen Einbußen an Produktnutzen und Verkaufserlösen möglichst große Kostensenkungen versprechen: Vor allem die Produktkonfiguration, die Funktionalität einzelner Produktkomponenten, die Ausstattung der Erzeugnisse, das Eigen-Fremd-Verhältnis, Fertigungsverfahren, Produktionsabläufe, genutzte Technologien und der Materialeinsatz sind systematisch zu überprüfen. Das Analysieren solcher Anderungen der Produktgestalt verlangt unter Umstanden mehrfache Überarbeitungen der entwicklungs- und konstruktionsbegleitenden Produktkostenkalkulation. Läßt sich die Kalkulationslücke zwischen "allowable oosts" und "drifting oosts" nicht schon zu Beginn der Produktions- und Vermarktungsphase schließen, sind unter gründlicher Beachtung von Erfahrungskwven- und Lernkurveneffekten Zielkosten auf einem Niveau vorzugeben, das innerhalb des Produktlebenszyklus mengenund zeitabhängig immer weiter so stark sinkt, daß über den gesamten Lebenszyklus des Erzeugnisses hinweg die angestrebte Umsatzrentabilität tatsächlich erreicht wird. Der Denkansatz des Target Costing steht in einer engen Beziehung zum Cost Benchmarking (siehe dazu HorvathlLamla [Cost Benchmarking] 66 ff.; MondenJHamada [Target Costing] 16 ff.). Das Benchmarking greift die Me~ thodik zwischenbetrieblicher Vergleiche wieder auf. Es will eine wettbewerbsorientierte Unternehmenssteuerung organisatorisch festlegen, um zu erreichen, daß jeweils die weltweit besten Unternehmen ("best practice") als Maßstab zur Beurteilung der eigenen Leistungsfähigkeit herangezogen werden. Zur langfristigen Verbesserung von Effizienz und Effektivität sollen die unternehmenseigenen Prozesse, Verfahren und Strukturen permanent mit den ,,Besten der Besten" verglichen werden (vgl. HorvathlHerter [Benchmarking] 4 ff.). Grundanliegen des Benchmarking ist es, den Wettbewerb in das gesamte Unternehmen hineinzutragen. Auch für jene unternehmensinternen Prozesse und Ressourcen, die nicht in unmittelbarer Berührung mit dem Absatzmarkt stehen, sollen Wettbewerbssituationen geschaffen werden, wie etwa für dispositive und logistische Prozesse und für Serviceleistungen. Das Cost Benchmarking kann sich daher - im Gegensatz zu traditionellen Betriebsvergleichen nicht vorrangig und erst recht nicht ausschließlich auf publizierte Informationen stützen. Im Zuge der konzeptionellen Ausreifung industrieller Erzeugnisse sind Produktkosten, Produktgestalt und -!unktionalitat, Produktnutzen, Produktpreis und Produkterfolg simultan zu optimieren (Ehrlenspiel [Simultaneous Engineering] 289 ff.). Daher kann es im Streben nach größtmöglichen Gewinnen

Kostenmanagement

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und einer hohen Rentabilität nicht ausreichen, Plankalkulationen erst dann zu erstellen, wenn das für Kostenkalkulationen relevante Mengen- und Zeitgerüst für konstruktiv festgelegte Erzeugnisse bereits in Form konkreter Stücklisten und Arbeitspläne festgeschrieben ist. Doch muß diesbezüglich nicht nur die Kostenrechnungsmethodik verbessert werden. Vielmehr muß die Produktkostenkalkulation in ein wertanalytisches Kostenmanagement eingebunden werden (vgl. Jehle [Wertanalyse und Kostenmanagement] 145 ff.). Einerseits muß die Verbindung von Wertanalyse und Kostenmanagement dafür Sorge tragen, daß Kostensenkungsziele und -strategien so relativiert werden, daß Unternehmen nicht infolge übertriebener Kosteneinsparungen in eine "Innovationsfalle" geraten. Andererseits muß das wertanalytische Kostenmanagement gezielt, gründlich und nachhaltig die Nützlichkeit der einzelnen Funktionen komplexer Industrieerzeugnisse aufdecken. Die Abhängigkeit des Verkaufserlöses vom Produktnutzen muß das Marketing bewältigen, den Produkterfolg kann dann letztlich das Controlling quantifizieren. Demnach zwingt das Streben nach erfolgreichen Produktentwicklungen nicht nur zu einer Abstimmung von Zielen und Denkmustern, sondern auch zur organisatorischen Integration der an der Entwicklung neuer Erzeugnisse mitwirkenden Unternehmensbereiche. Zur Ermöglichung frühzeitiger Produktkalkulationen wurden Produkterfolgsrechnungen von Betriebswirten, Technikern und Informatikern mit in letzter Zeit verschiedenen methodischen Ansätzen erarbeitet (siehe zu einem Überblick Gröner [Vorkalkulation] und Kiewert [Hilfsmittel)). Sie alle zielen auf eine innovationsbegleitende Kosten- und Erfolgsoptimierung ab, die bereits dann beginnt, wenn Produktideen konkrete Gestalt annehmen. In dieser sehr frühen Phase des Produktentwurfs lassen sich nur von globalen Produktmerkmalen ausgehende Grobkalkulationen erstellen. Ein illustratives Beispiel hierfür sind die in der Bauindustrie üblichen Schtitzkalkulationen, die vom Volumen des umbauten Raumes, vom Typ des zu bauenden Hauses, vom angestrebten Standard und von ähnlichen grundlegenden Objektmerkmalen ausgehen. Für nicht allzu komplexe Erzeugnisse stellt die Literatur die sogenannte Kilogramm-Methode als besonders einfaches Kalkulationsverfahren heraus. Für die Kosten- und Erfolgsoptimierung in der Entwicklungs- und Konstruktionsphase werden auf Produktkomponenten abstellende und zugleich nach Kalkulationspositionen (Kostenarten) dijJerenzierende Kalkulationsverfahren benötigt (siehe hierzu Ehrlenspiel [Kostengünstiges Konstruieren)). Denn globale Berechnungen der Herstellkosten komplexer Erzeugnisse sind nicht geeignet, die kostenmäßigen Konsequenzen konstruktiver Alternativen hinreichend genau aufzuzeigen. Können Konstrukteure bestimmte Eigenschaften von Produktkomponenten innerhalb gewisser Bandbreiten beliebig variieren, empfiehlt es sich, vor allem die Abhängigkeit der Materialkosten und

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Wolfgang MAnnet

der Fertigungskosten von konstruktiv stetig variierbaren Merkmalsausprägungen durch Kostenfunktionen abzubilden. So läßt sich beispielsweise erfassen und durch eine mathematische Funktion ausdrücken, wie die für das Herstellen von Gußteilen oder Drehteilen entstehenden Materialkosten unter Berücksichtigung der Abfälle mit dem Volumen solcher Komponenten zunehmen. Da zur Bestimmung derartiger Abhängigkeiten häufig Regressionsanalysen durchgefiihrt werden müssen, spricht die Fachliteratur auch von Regressionskalkulationen. Die moderne Wirtschaftsinformatik stellt für das Aufdecken der kalkulationsrelevanten Kostenbeziehungen mittlerweile sehr leistungsfähige Methoden bereit. So sind beispielsweise sogenannte" neuronale Netze" in der Lage, ausgehend von einem sich immer weiter anreichernden Datenmaterial die Art funktionaler Zusammenhänge eigenständig aufzudecken. Wissensbasierte Systeme vermögen als Expertensysteme vielschichtige Kostenfunktionen zur Unterstützung der entwicklungs- und konstruktionsbegleitenden Kalkulation festzuhalten (siehe Gröner [Vorkalkulation] 184 ff.). Die Kalkulation der Material- und Fertigungskosten für diskrete Abstufungen von Produkt- oder Komponentenmerkmalen läßt sich dadurch unterstützen, daß man diese Kosten zunächst für die jeweilige Standardversion eines Produkts bestimmt. Hierauf abstellend lassen sich die Kosten der von diesem technischen Standard abweichenden Produktvarianten durch Äquivalenzziffern ausdrücken. Man spricht in diesem Zusammenhang von Ahnlichkeitskalkulationen. Methodisch gesehen handelt es sich um Relativkostenkalkulationen, da variantenspezifische Äquivalenzziffern stets - im Verhältnis zur Standardversion des Produktes oder der Produktkomponente - die relative Höhe der jeweiligen Kostenart zum Ausdruck bringen. Betriebswirte und Techniker empfehlen der Praxis gemeinsam den Aufbau technologiespezijischer Relativkostenkataloge.

IV. Prozeßorientiertes Kostenmanagement Das produktbezogene Kostenmanagement greift an dem Verbrauch von Kostengütern und an der Inanspruchnahme von Potentialfaktoren durch die Herstellung von Gütern und Leistungen an, soweit diese durch die Gestaltung der Angebotsleistung determiniert werden. Damit steht die Reduzierung von Güterverbräuchen im Vordergrund, d.h. Kostenträgereinzelkosten und Kostenträgergemeinkosten werden durch produktbezogene Maßnahmen gesenkt. Die Ausrichtung auf die Reduzierung von Güterverbräuchen ist für die traditionelle Kostenrechnung und das Kostencontrolling typisch. Schon die sehr stark durch Gutenberg geprägte Produktionstheorie stellt mit ihren Produktionsfunktionen primär auf die kapazitäts- und leistungsbedingten Kostengüterverbräuche ab. Die Produktions- und Kostentheorie folgte diesem Leitge-

Kostenmanagement

173

danken, der seinerseits die Verfeinerung der Konzepte der Plankostenrechnung prägte. Im Rahmen dieser fachlichen Fokussierung unterschied die Betriebswirtschaftslehre zwar schon immer zwischen Verbrauchsgütern und Potentialfaktoren, doch wurden solche menschlichen, technischen und immateriellen Ressourcen vor allem hinsichtlich jener Kostengüterverbräuche untersucht, die durch das Aufrechterhalten der Betriebsbereitschaft und durch die Leistungserstellung hervorgerufen werden. Von dieser Sichtweise ist das Kostenstellencontrolling und das Kostenträgercontrolling gleichermaßen geprägt. Die nicht nur in der Industrie sondern auch in der vielfältigen Dienstleistungswirtschaft sehr stark gestiegene Fixkostenintensität machte die Grenzen einer primär verbrauchsorientierten Kostensteuerung transparent. Praxis und Wissenschaft erkannten, daß die Steuerung der Kosten und Ergebnisse fixkostenintensiver Unternehmen nur dann die angestrebte Wirkung entfalten kann, wenn das Ergebniscontrolling vorrangig an dem Einsatz und an der Verwendung der kostenverursachenden Ressourcen ansetzt. Diese Erkenntnis hat zwischenzeitlich dazu geführt, daß man die funktional und objektbezogen abgegrenzten Unternehmensbereiche nicht mehr nur als Kostenstellen, sondern zugleich - und dies vorrangig - als Leistungsstellen bzw. Prozeßstellen betrachtet und untersucht. Einer solchen leistungswirtschajtlichen Betrachtung hat sich schon die Grenzplankostenrechnung mit ihrer Differenzierung nach Kosteneinflußgrößen bzw. Bezugsgrößen zugewandt. Demzufolge betonen die Befiirworter dieses bewährten Steuerungsinstrumentes heute auch zu recht, daß es sich dabei um eine prozeßkonforme Grenzplankostenrechnung handelt. Allerdings führt die Differenzierung nach Leistungsarten, die nach wie vor nur als Kosteneinflußgrößen begriffen werden, nicht über die traditionelle Sichtweise hinaus. Ein entscheidender Fortschritt kann nur erreicht werden, wenn die Kostenrechnung durch eine zumindest gleichgewichtige Leistungsrechnung ergänzt wird und wenn das Controlling vorrangig an den unternehmensinternen Leistungsströmen, insofern also am innerbetrieblichen Prozeßgeflecht ansetzt. In diesem Bestreben werden die indirekten Leistungsbereiche bezüglich ihrer Prozeßstrukturen analysiert. Abbildung 2 zeigt eine Differenzierung nach verschiedenen Prozeßarten, die über die konventionell leistungsbezogen erfaßten Prozesse in Beschaffung, Produktion und Absatz hinaus auch dispositive und steuernde Prozesse, Vorleistungen und Serviceleistungen zur Erhaltung unternehmerischer Potentiale und Leistungen zur Erhaltung der Lieferanten- und Kundenpotentiale umfaßt.

174

Wolfgang MAnnel

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ForIdI

Abb. 1: Kostenfestlegung und Kostenentstehung (vgl. Ehrlenspiel [Produktkosten] 293)

sung der Kosten eines Produktes in seinem Entstehungszusammenhang. Das Ziel besteht darin, daß ein kundengerechtes Produkt unter der Nebenbedingung entwickelt wird, daß die Kosten des Produktes unter Berücksichtigung eines angemessenen Gewinns durch den am Markt erzielbaren Preis gedeckt werden können. Unter kostenrechnerischen Aspekten steht damit nicht mehr die Frage im Vordergrund 'Was wird ein neues Produkt kosten?' sondern vielmehr die Frage 'Was darf ein kundengerechtes Produkt kosten?' Formal ergibt sich somit die Frage nach den Preisobergrenzen der sachzielbezogenen Güterverbräuche, die zur marktlichen Bereitstellung eines Produktes notwendig sind (vgl. Seidenschwarz [Umsetzung] 74). Damit muß der Ansatz in der Lage sein, mehrere betriebliche Funktionen, z. B. Marketing/Vertrieb, Fertigung, Einkauf und Produktentwicklung, die unterschiedliche Sichten auf ein Produkt haben, zielgerichtet zu koordinieren. Hieraus deutet sich schon an, daß es sich beim Zielkostenmanagement weniger um ein isoliertes Konzept der Kostenrechnung handelt, sondern vielmehr um ein umfassendes Managementkonzept der Produktentwicklung (vgl. Friedl [Target Costing] 74 f.). 2. Vorgehensweise des Zielkostenmanagements Ausgangspunkt des Zielkostenmanagements ist die Produktidee in ihrem marktlichen Umfeld. Zur Bestimmung der Preisobergrenzen für die Einsatzgüter ist es notwendig, den erzielbaren Marktpreis vor dem Hintergrund des

222

Karl-Heinz Rau

angestrebten Kundennutzens zu ermitteln. Die nachfolgenden Ausführungen orientieren sich an der Abbildung 2. hun • Marlctsegmenticrun ltionierung und SGF-planung

Vom Mar;t forderte

Produktrnerkrnale Vom Markt

balZte K ten

erlaubte Kosten

K

Maßnahmen zur Zielk

F tlegung der

vor14ufi en Zielkosten

emeduktionsbedarf

enem:ichung

Markteintritt

Abb. 2: Ablauf des Zielkosterunanagements (nach Seidenschwarz [Umsetzung] 75)

Ausgehend von der eigenen technologischen und organisatorischen Kompetenz sind die vorn Markt geforderten Produktrnerkrnale abzuleiten. Dabei kann auf Erfahrungen mit einern Vorgängerprodukt und/oder Erkenntnisse der Marktforschung zurückgegriffen werden. In Abhängigkeit vorn Sachziel der Unternehmung sollte das geplante Produkt in einern ausreichend großen Marktsegrnent eindeutig positioniert werden. Vor dem Hintergrund dieser Positionierung können Preis und Absatzmenge mit mehr oder weniger großer Unsicherheit prognostiziert bzw. geschätzt werden. Damit ergibt sich gleich

Zielkostenmanagemenl

223

die Frage, welcher Preis der für das Zielkostenmanagement maßgebliche Marktpreis sein soll. In der Literatur wird einerseits die Auffassung vertreten, daß dies ein Durchschnittspreis über den Produktlebenszyklus sein soll. Vereinfachend wird andererseits der Preis zum Zeitpunkt des Markteintritts genannt. Dies hängt insbesondere von der Preisdynamik im Laufe des Lebenszyklus ab (vgl. Seidenschwarz [Target] 117 ff.). So sind die Unterschiede beispielsweise im Elektronikbereich (z. B. PC) und Automobilbereich extrem. Um auf die Kostenobergrenze für das Gesamtprodukt zu kommen, ist es noch notwendig, festzulegen, welcher Gewinn mit dem geplanten Produkt erzielt werden soll. Hierzu wird eine produktspezifische Umsatzrendite (RUma) vorgeschlagen, mit der aus dem Marktpreis ~) die vom Markt erlaubten Kosten (Kerl) ermittelt werden können: Kerl = pMarkt • (I-Rums)

(I)

Diesen vom Markt erlaubten Kosten können geschätzte Kosten (drifting cost) des Produktes gegenübergestellt werden. Diese geschätzten Kosten basieren auf einem vorläufigen Produktkonzept und gehen von gegebenen technologischen und organisatorischen Prozeß-, Potential-, Produkt- und Programmstrukturen, aus. Vielfach dienen als Ausgangspunkt dieser Schätzung Erfahrungen aus Vorgängerprodukten. Üblicherweise wird davon ausgegangen, daß diese geschätzten Kosten höher sind als die vom Markt erlaubten Kosten. Damit ergibt sich ein Kostenreduktionsbedarf, der über eine kunden- und kostengerechte Produktentwicklung abgedeckt werden soll. Zielkosten (Kz~, die als Vorgabe in den Produktentwicklungsprozeß eingehen, sollten die Eigenschaft haben, daß diese Kosten auch durch Entwicklungsentscheidungen beeinflußt werden können. Somit sind folgerichtig aus den vom Markt erlaubten Kosten, die nicht beeinflußbaren Kosten (K~ herauszurechnen. (2)

Das Ergebnis sind die Zielkosten für das Gesamtprodukt. Damit ist eine Kostenobergrenze als Budget gegeben, das so eingesetzt werden sollte, daß mit dem Produkt ein Maximum an Kundennutzen erzeugt wird. Aus Gesichtspunkten der Verhaltensbeeinflussung der am Entwicklungsprozeß beteiligten Organisationseinheiten bzw. Personen ist es notwendig, daß diese Gesamtzielkosten auf einzelne Produktfunktionen bzw. Produktkomponenten aufgespalten werden. Ausschlaggebend für diese Aufspaltung sollte die Sicht des Kunden auf das Produkt sein. Ausgangspunkt sind somit kundenrelevante Produktmerkmale, die kaufentscheidend und damit nutzengenerierend sind. Diese Produktmerkmale sind als wahrnehmbare Konsequenzen der Produktfunktionen zu verstehen, die über spezifische Produktkomponenten bzw. -teile realisiert werden (vgl. Abb. 3 auf der folgenen Seite). Die Bedeutung der Produktmerkmale muß marktorientiert ermittelt werden. Dies kann über Markt-

224

Karl-Heinz Rau

! Produktmerkmal ! z. B. hohe aktive Sicherheit

!

! Produktfunktion ! z. B. Fahrzeug beschleunigen

1

!prOdUktkOmponente! z. B. Motor Abb. 3: Stufen der Kostenspaltung (vgl. Seidenschwarz [Target] 256)

untersuchungen (z. B. Conjoint Analyse), Befragung von Schlüsselkunden oder aber über Einschätzungen durch Marketingexperten aus dem Unternehmen ermittelt werden. In Anlehnung an die Konzeption des Quality Function Deployment (vgl. Yoshizawa [QFDD kann nun in einem mehrstufigen Prozeß eine expertengestützte Dekomposition der Zielkosten (KzC) erfolgen. Die nachfolgenden Formeln (3) bis (7) verdeutlichen den formalen Zusammenhang (vgl. auch Schweitzerl Küpper [Systeme] 668 ff.). In einem ersten Schritt ist abzuschätzen, in welchem Umfang (FB) die einzelnen Funktionen (F) zur Erreichung der nutzenrelevanten Produktmerkmale (M) beitragen. FI

F=

MI

M=

MG=

Fn FBu

FB=

MGI (3)

MGm FBlm (4)

FBnl

Die Multiplikation mit den Merkmalsgewichten (MG) führt zu den Funktionsgewichten (FG). Somit kann schon auf dieser Ebene eine Aussage über Funktions-Zielkosten (KZF) gemacht werden.

Zielkostenmanagement

225

FG.

FG=FB·MG=

(5)

FG. Der nächste Schritt der Zielkostenspaltung führt zu den Komponentenzielkosten (KZK). Die Vorgehensweise ist grundsätzlich analog. Über die Komponentenmatrix (KB) wird abgeschätzt, in welchem Umfang die einzelnen Komponenten (K) zur Funktionserfüllung beitragen. K.

K=

KBu

KB••

und KB=

(6)

Die Multiplikation mit den Funktionsgewichten liefert die Komponentengewichte (KG) und damit lassen sich die Komponentenzielkosten (7) ermitteln. KG.

KG=KB·FG=

und

KZK = KZO • KG

(7)

Dieser Prozeß ist keineswegs ein Vorgang, der allein von der Abteilung Controlling eines Unternehmens umgesetzt werden kann. Vielmehr ist dieser Ansatz der Versuch einer Formalisierung des Produktplanungs- und Konzipierungsprozesses, der von einem interdisziplinären Entwicklungsteam realisiert werden muß, das später auch für die Umsetzung Verantwortung zu tragen hat. Das Ziel dieses Zielkostenspaltungsprozesses ist es einerseits, die Erreichbarkeit der Gesamtzielkosten zu beurteilen und möglichst zu bestätigen und andererseits den Gesamtbetrag der Zielkosten möglichst optimal auf die Funktionen bzw. Komponenten des Produktes zu verteilen, so daß die Kundenanforderungen bestmöglichst erfüllt werden. Neben dieser sogenannten Funktionsmethode zur Zielkostenspaltung wird auch die sogenannte Komponentenmethode vorgeschlagen. Dabei wird meist ausgehend von einem entsprechenden Vorgängerprodukt die Aufteilung der Produktzielkosten vorgenommen. Claassen und Hilbert (vgl. ClaassenlHilbert [Teilekosten] 2 ff.) schildern ein derar1S FS Schweitzer

226

Karl-Hcinz Rau

tiges Vorgehen bei VW, wobei Strukturverschiebungen in der Kostenverteilung entsprechend der Einschätzung von Präferenzverschiebungen am Markt berücksichtigt werden. Gemäß dem Ablaufschema in Abbildung 2 schließt sich an die Stufe der Zielkostenspaltung ein mehrstufiger Prozeß mit Maßnahmen zur Zielkostenerreichung an. In der Konzipierungsphase kann auf der Funktionsebene ein Vergleich zwischen dem Ergebnis der Zielkostenspaltung (KZF) und kalkulierten Funktionskosten den Kostensenkungs- bzw. Strukturverschiebungsbedarf offenlegen. Hierzu ist die Voraussetzung zu erfii1len, daß die Kostenrechnung in der Lage ist, Funktionskosten zu ermitteln (vgl. SchweitzerlKüpper [Systeme] 671 f). Entsprechend dem Fortschritt der Produktentwicklung kann ein entsprechender Vergleich in der Ausarbeitungsphase auf der Ebene der Komponenten erfolgen. Diese Indikatorinformationen für Kostensenkungs- bzw. Kostenverschiebungsbedarf bilden die Basis für konkrete Maßnahmen, die der Kostenbeeinflussung dienen. Beispiele hierfür sind die Verwendung anderer Materialien und Verfahren, Erhöhung des Gleichteileanteils, Fremdbezug statt Eigenfertigung, Reduzierung von Overengineering usw. Methodische Hilfsmittel, die das Auffinden geeigneter Maßnahmen unterstützen, sind das Value Engineering, Simultaneous Engineering, Zulieferermanagement usw. Abgeschlossen wird das Zielkostenmanagement mit dem Markteintritt. Entsprechend der Marktdynamik in der Produktions- und Vermarktungsphase sind laufende Kostensenkungsmaßnahmen notwendig, um die Konkurrenzfähigkeit aufrechtzuerhalten.

ID. Kennzeichnung der Entwicklung von Anwendungssoftware 1. Charakterisierung von Software als Wirtschaftsgut Software bezeichnet Programme, die zugehörige Dokumentation sowie die damit zusammenhängenden Daten, die zum Betreiben eines Computersystems notwendig sind. Vielfach wird auch von Softwareprodukt und Softwaresystem gesprochen. Dabei wird mit Softwareprodukt die Außensicht des Auftraggebers bzw. Käufers und Nutzers betont. Demgegenüber steht beim Softwaresystem das Zusammenwirken der Systemelemente, also die innere Sichtweise des Entwicklers im Vordergrund. Aus der Sicht des Anwenders sollte das Produkt Software im Sinne eines Anwendungssystems noch weiter definiert werden. Der Anwender hat erst dann einen Nutzen von Software, wenn sie installiert ist und wenn die Benutzer auch in der Lage sind, die Software zu nutzen. Damit erweitert sich die Produktsicht auf die technische und organisatorische Implementierung im Unternehmen sowie die Schulung der Benutzer. Unter den

Ziclkostenmanagement

227

Aspekten der Softwareentwicklung sollen unterschiedliche Softwarekategorien unterschieden werden (vgl. Abb. 4). Merkmal/Merkmalsausprägung

Software kategorie

NShe zum Anwendungsproblem

- anwendungsnah

Anwendungssoftware

- anwendungsfern/systemnah

Systemsoftware

Abnehmer

- anonymer Markt

Standard software

- individueller Auftraggeber

Individualsoftware

Stellung des Auftragnehmers

- unternehmenseigen

eigenentwickelte Software

- unternehmensfremd

fremdentwickelte Software

Abb. 4: Softwarekategorien aus Entwicklungssicht

Softwareprodukte können nach der Nähe zum Anwendungsproblem in Systemsoftware (anwendungsfern bzw. systemnah) und Anwendungssoftware (anwendungsnah) unterschieden werden. Während die Systemsoftware sich grundsätzlich an den Eigenschaften der Hardware orientiert, ist die Anwendungssoftware an den Aufgaben des Anwenders ausgerichtet. Zur Systemsoftware gehören insbesondere das Betriebssystem, systemnahe Software (z. B. Datenbankmanagementsystem) und Übersetzungsprogramme. Das Spektrum der Anwendungssoftware reicht von der Textverarbeitung, über Logistik-, Abrechnungs- und Controllingsysteme bis zu Führungsinformationssystemen. Richtet sich die Software an einen anonymen Markt, so spricht man von Standardsoftware. Wird Software für eine spezielle Anwendersituation entwickelt, so bezeichnet man diese als Individualsoftware. Individualsoftware kann entweder eigenentwickelt oder von einem externen Auftragnehmer entwickelt werden. Aus wirtschaftlicher Sicht handelt es sich bei Software um ein knappes, immaterielles Potentialgut, das als Einsatzgut beim Anwender und als Ausbringungsgut beim Ersteller auftritt (vgl. SchweitzerlKüpper [Theorie] 42 ff.). Im Mittelpunkt dieses Beitrags steht betriebswirtschaftliche Anwendungssoftware.

2. Besonderheiten des Softwareentwicklungsprozesses Der Lebenszyklus eines Produktes läßt sich in einen Entstehungs-, Produktions- und Marktzyklus sowie Auslaufzyklus gliedern. Grundsätzlich gilt dies 15'

228

Karl-Heinz Rau

auch für Software. Hinsichtlich der Kosten im Lebenszyklus lassen sich entsprechend Vorleistungs-, Produktions-Nermarktungs- und Nachleistungskosten unterscheiden (vgl. Zehbold [Lebenszykluskostenrechnung] 153 ff.). Bei materiellen Realgütern, wie Maschinen, Materialien, Teilen und Baugruppen, fällt i. d. R. der überwiegende Teil der Lebenszykluskosten im Produktions- und Marktzyklus an. Bei Software hingegen fallen Entstehung und Produktion zusammen. Ist Software entwickelt, fallen kaum noch Kosten für die Produktion an, wenn man bei Standardsoftware von Vervielfältigungskosten auf entsprechende Datenträger absieht. Der Prozeß der Softwareentstehung läßt sich nach unterschiedlichen Kriterien strukturieren. In Anlehnung an August-Wilhelm Scheer (vgl. Scheer [Wirtschaftsinformatik] 4 ff.) lassen sich einerseits Beschreibungssichten und andererseits Beschreibungsebenen unterscheiden. Unter dem Aspekt der Beschreibungssichten werden betriebswirtschaftliche Informationssysteme in eine Funktions-, Daten-, Organisationsund Steuerungssicht zerlegt. Die Funktionssicht betrachtet das Informationssystem hinsichtlich der problemspezifischen Erfassung, Verarbeitung und Ausgabe der Daten. Die Datensicht beschreibt den Inhalt und die Beziehungen der Daten als beschreibende Merkmale des realen Anwendungszusammenhangs. In der Organisationssicht ist der Benutzer des Systems in seiner aufbauorganisatorischen Stellung mit seinen Aufgaben abgebildet, und die Steuerungssicht verbindet die drei isolierten Sichten unter dem Aspekt des Ablaufsbzw. Vorgangszusammenhangs. Das Konzept der Beschreibungsebenen geht davon aus, daß die Distanz zwischen der betrieblichen Problemstellung (z. B. Angebotsbearbeitung beim Einzelfertiger oder Schadensbearbeitung beim Sachversicherer) und den Nutzungspotentialen der Informations- und Kommunikationstechnik im Sinne von Hardware und Systemsoftware in einer strukturierten Weise zu überwinden ist. Ausgehend von der betrieblichen Problemstellung werden auf der Basis eines groben Pflichtenheftes die fachlichen Anforderungen auf der Fachkonzeptebene systematisch erarbeitet und detailliert. Vor dem Hintergrund des Einsatzes von Informations- und Kommunikationstechnik werden auf der DV-Konzeptebene die DV-technischen Aspekte modelliert. Dabei können die Modelle des Fachkonzeptes als Zwischen- bzw. Wiedereinsatzprodukte für das DV-Konzept angesehen werden. Das DV-Konzept schließlich ist die Basis für die Implementierung des Systems auf einer konkreten Implementierungsplattform im Sinne von Hardware und Systemsoftware. Werden die Beschreibungssichten und Beschreibungsebenen kombiniert, so entstehen einzelne Teilprozesse, die Teilprodukte im Rahmen des Entwicklungsprozesses von Anwendungssoftware liefern, z. B. das Fachkonzept der Funktionen, das DV-Konzept der Daten oder die Implementierung der Organisation. Zur Aufgabenerfiillung können nun unterschiedliche Methoden und organisatorische Regelungen eingesetzt werden. Diese werden i. d. R. in unternehmens- bzw. projektspezifischen Vorgehensmodellen beschrieben. Die Entwicklung von Anwendungssoftware bewegt sich dabei stets

229

Zielkostenmanagement

in einem Spannungsverhältnis unterschiedlicher Zielsetzungen. Zu nennen sind hier insbesondere die Ziele 'Zeit', 'Qualität' und 'Kosten'. Grundsätzlich werden an Software hohe Qualitätsanforderungen gestellt, andererseits soll Software möglichst schnell verfiigbar sein und darüber hinaus müssen die Kosten wirtschaftlich vertretbar sein. Bei der Entwicklung von Individualsoftware sollen die Potentiale des Anwendungssystems möglichst schnell nutzbar sein. So kann es rur ein Unternehmen existentiell sein, die Zeit zur Angebotsbearbeitung bis zum Termin X auf eine Durchlaufzeit von Y reduziert zu haben, da sonst zu viele Kunden zur Konkurrenz abwandern. Die Softwareentwicklung im Unternehmen als Investitionsmaßnahme konkurriert mit anderen Investitionsmaßnahmen. Damit ergibt sich die Notwendigkeit, daß sich im Rahmen eines Wirtschaftlichkeitsnachweises die Kosten der Systementwicklung wirtschaftlich rechtfertigen lassen. Im Falle der Entwicklung von Standardsoftware steht das Anbieterunternehmen i. d. R im Wettbewerb mit anderen Anbietern. Daraus ergibt sich, daß Marktpotential schnell an die Konkurrenz gehen kann, wenn man nicht frühzeitig Marktpräsenz zeigt. Hinsichtlich der Entwicklungskosten ergibt sich fiir den Standardsoftwarehersteller der natürliche Zwang, daß über die Markterlöse die Kosten zu decken sind. Dabei ergibt sich das besondere Problem, daß der überwiegende Teil der Kosten vor Markteintritt faktisch entstanden ist, die Erlöse jedoch erst nach Markteintritt erzielt werden können. 3. Notwendigkeit einer kunden- und kostenorientierten SoftwareentwickIung

-

Der Erfolg einer Softwareentwicklung kann grundsätzlich bemessen werden am geleisteten Beitrag zum Erfolg des Anwenderunternehmens. Bei der Individualentwicklung ist letztlich entscheidend, in welchem Umfang die Nutzeffekte des Softwareeinsatzes die Kosten der Softwareentwicklung übersteigen. Im Fall des Standardsoftwareherstellers ergibt sich sein Erfolg im Sinne des Gewinns ganz einfach aus der Differenz Erlös minus Kosten. Wobei ein wesentlicher Kostenblock die Entwicklungskosten darstellen und die erzielbaren Erlöse wesentlich von dem Nutzen des Softwareeinsatzes beim Kunden bestimmt werden. In beiden Fällen zeigt sich somit, daß die Software zur Aufgabenbewältigung beim Anwender in effizienter und effektiver Weise beitragen muß, da sonst der notwendige Nutzen ausbleibt. Durch diesen in Währungseinheiten zu bewertenden Nutzen wird die Obergrenze der Kosten fiir die Entwicklung der Software definiert. Damit ergibt sich fiir Software grundsätzlich die in Abschnitt 1 des Kapitels 11 skizzierte Herausforderung, daß die vom Markt erlaubten Kosten möglichst kundenoptimal fiir die Softwareentwicklung einzusetzen sind. Neben diesen grundsätzlichen Überlegungen zeigen Berichte aus der Praxis, daß Softwareentwicklungsprozesse nicht selten unbefriedigend ablaufen (vgl. MöllerlPaulisch [Software-Metriken] 13 ff.). Aussagen wie 'ein

230

Karl-Heinz Rau

großes Softwareprodukt kommt typischerweise über ein Jahr zu spät und überschreitet seine ursprünglichen Kostenschätzungen um das Doppelte' charakterisieren die Situation zwar plakativ, jedoch nicht selten zutreffend. Vor diesem Hintergrund soll im nächsten Kapitel versucht werden, den Ansatz des Zielkostenmanagements auf die Softwareentwicklung zu übertragen.

IV. Anwendung des Zielkostenmanagements auf die Entwicklung von Software 1. Produktmerkmale zur Beschreibung von Kundenanforderungen Die Anforderungen des Kunden an Software leiten sich i. d. R ab aus den Aufgaben, die er mit dem Softwareeinsatz unterstützen will. So hat beispielsweise eine Bank sicher sehr viel höhere Anforderungen an die Zuverlässigkeit eines Softwareproduktes zur Abwicklung des Zahlungsverkehrs als eine Hochschule an das Softwareprodukt zur Erstellung von Diplomzeugnissen. Dabei soll als Kunde der Anwender der Software verstanden werden, gleichgültig ob er als Auftraggeber filr eine Individualsoftware oder als Käufer einer Standardsoftware auftritt. Das Thema Produktmerkmale wird in der Informatik im Rahmen der Diskussion um Softwarequalität diskutiert (vgl. z. B. Frühauf! LudewiglSandmayr [Qualitätssicherung] 18 ff., Stahlknecht [Wirtschaftsinformatik] 322 ff.). Qualität ist nach der internationalen Norm DIN ISO 8402 definiert als die Gesamtheit von Eigenschaften bzw. Merkmalen eines Produktes bezüglich seiner Eignung, festgelegte und vorausgesetzte Erfordernisse zu erfiillen. In Anlehnung an die ISO Norm 9126 bzw. DIN 66272 seien folgende Hauptqualitätsmerkmale filr Softwareprodukte genannt (vgl. Stahlknecht [Wirtschaftsinformatik] 322, PombergerlBlaschek [Software Engineering] 9 ff., Gilb [principles] 375 ff.): Funktionalität, Zuverlässigkeit, Benutzbarkeit, Effizienz, Wartbarkeit, Portabilität und Integrationsgrad. Dabei ist davon auszugehen, daß der Funktionsumfang, den das Softwareprodukt abzudecken hat, entsprechend den Kundenanforderungen definiert ist. Hinsichtlich der Kundenanforderungen gibt es zwischen einer Individualentwicklung und der Entwicklung von Standardsoftware grundsätzliche Unterschiede. Bei der Individualentwicklung leiten sich die notwendigen Produktmerkmale aus den Anforderungen einer genau identifizierbaren Zielgruppe ab (z. B. die Vertriebsabteilung oder die Vertriebsabteilungen aller Töchter in einem Konzern) und sind von diesen grundsätzlich erfragbar. Im Falle der Entwicklung von Standardsoftware sind die Kunden durch einen grundsätzlich anonymen Markt definiert und nur als potentielle Zielgruppe identifizierbar. Das Produktmerkmal 'Funktionalität' bezieht sich nicht auf den Funktionsinhalt, sondern darauf, wie vollständig und korrekt die geforderten Funktionen

Zielkostemnanagement

231

vorhanden und ausführbar sind. Weitere Eigenschaften betreffen beispielsweise die Sicherheit (z. B. Zugriffssicherheit), die Verträglichkeit der Funktionen mit anderen Systemen usw. Die Zuverlässigkeit drückt aus, in welchem Grad die Software die geforderten Funktionen erfüllt. Insbesondere eine geringe Fehlerrate fUhrt zu einer hohen Zuverlässigkeit. Das Ausmaß an Benutzbarkeit drückt sich vor allem in der Zeit aus, die notwendig ist, um den Umgang mit dem System zu erlernen. Weitere Detailkriterien sind u. a. die Selbsterklärbarkeit, Handhabbarkeit und Benutzerorientierung. Die Effizienz bezieht sich auf das Zeitverhalten (z. B. Antwortzeit) und den Ressourcenverbrauch (z. B. Speicherbedarf). Um die Funktionsfähigkeit eines Softwareproduktes aufrechtzuerhalten, sind Wartungsaufgaben auszufiihren, z. B. Beseitigung von Fehlern oder Anpassung an veränderte Bedingungen (z. B. Gesetzesänderungen). Durch Wartung wird die ursprüngliche Funktionalität grundsätzlich nicht verändert. Die Wartbarkeit kann z. B. in der Zeit gemessen werden, die notwendig ist, einen Fehler zu beheben. Die Portabilität drückt die Leichtigkeit aus, mit der ein Softwaresystem auf eine andere Hard- bzw. Systemsoftwareplattform übertragen werden kann. Der Integrationsgrad eines komplexen Anwendungssystems ist insbesondere dann hoch, wenn Daten nur einmal eingegeben werden müssen und dann den unterschiedlichsten Anwendungsteilen zur Verfiigung stehen. Im Rahmen der Angebotserstellung wird beispielsweise der Interessent eingegeben, und dies fUhrt dazu, daß die Debitorenbuchhaltung bei der Forderungsverbuchung auf diese Eingabe zurückgreift. Unter dem Aspekt des Zielkostenmanagements können die skizzierten Qualitätsmerkmale als Ziele des zu entwickelnden Softwareproduktes verstanden werden, die als Resultat des Entwicklungsprozesses erreicht werden sollten. Die Wichtigkeit dieser Merkmale aus Kundensicht kann somit in die Kostenspaltung der Gesamtzielkosten einfließen. 2. Bestimmung von Zielkosten für das Gesamtprodukt Mit dem Einsatz von Software beabsichtigt der Anwender, bestimmte betriebliche Aufgabenstellungen zu unterstützen. Insofern muß er als Aufwand :für den Softwareeinsatz nicht nur die Kostenfür die Programme und deren Dokumentation sehen, sondern auch die Kosten, diefür all die Maßnahmen anfallen, welche notwendig sind, um eine Software effektiv zu nutzen (z. B. Implementierung und Schulung). Vor diesem Hintergrund soll dieser Kostenbetrag unser Ausgangspunkt :für die Ermittlung der Zielkosten sein. Diese weite Sicht wird insbesondere deshalb gewählt, da der Aufwand :für Implementierung und Schulung nicht unabhängig ist von der Gestaltung des Softwareproduktes. So kann Schulung einerseits durch klassische Dienstleistung erbracht werden, andererseits kann diese auch Teil des Softwareproduktes im Sinne eines Tutorials sein. Zumindest teilweise substitutionale Beziehungen existieren auch auf dem Gebiet der technischen und organisatorischen Imple-

232

Karl-Heinz Rau

mentierung (z. B. Einführungsleitfaden bei R/3 der SAP AG im Vergleich zur direkten Tabellenpflege im R/2-System). Wie bereits erwähnt, fallen die Kosten fiir Software zu einem hohen Anteil mit der Entwicklung an. Damit ergibt sich ein zeitlich starkes Auseinanderfallen der Kosten- und Erlösströme. Vor diesem Hintergrund wird ein dynamischer Ansatz zur Ermittlung der Zielkosten vorgeschlagen (vgl. auch Seibert [Target Costing] 15 ff.). Abbildung 5 verdeutlicht die Zusammenhänge auf der Zeitachse.

~ ..... T·····'-1--+-r--...------r----r----rl .. ····~

KEW•oft

KEW.~

KEW'.1

0.+1

I),.i

0.....

Abb. 5: Entwickhmgskosten Wld DeckWlgsbeiträge

Dabei steht KEWt_j fiir die Entwicklungskosten in der Periode t-j, wobei t der Zeitpunkt der Fertigstellung des Softwareproduktes ist. Hinsichtlich der Größe Dt+i ist zwischen Standardsoftware und Individualsoftware zu unterscheiden. Bei Standardsoftware ist D als Deckungsbeitrag zur Abdeckung der Entwicklungskosten zu verstehen: (8)

Dabei ist Pt+i der durchschnittlich erzielte Umsatz je verkaufter Lizenz in der Periode t+i und Xt+i die verkaufte Stückzahl. Entsprechend der Beziehung (1) wird aus diesem Umsatz mittels einer produktspezifischen Rendite der Zielgewinn herausgerechnet. Um den Beitrag der Periode t+i zu den Entwicklungskosten zu ermitteln, werden von diesem Betrag noch die anteiligen laufenden Kosten (Klt+U der Periode (z. B. Marketingkosten, VervielflUtigungskosten, Versandkosten) abgezogen. Die Anzahl der betrachteten Vermarktungsperioden m muß vom Standardsoftwarehersteller unter dem Aspekt des möglichen bzw. gewollten Planungshorizonts festgelegt werden. Bei der Individualsoftware steht Dt+i fiir den monetär bewerteten Nutzen des Softwareeinsatzes in Periode t+i. Auf die Problematik der Bewertung dieses Nutzens im Sinne von reduzierten Kosten, vermiedenen Kosten bzw. zusätzlichen Erlösen soll hier nicht näher eingegangen werden. Praxisbeispiele zeigen, daß eine Ermittlung durchaus möglich ist (vgl. von DobschützlSchmidt [Wirtschaftlichkeit] 164 ff.). Bei der Wahl von m geht u. U. die Zielvorstellung über die Amortisationszeit ein. Für die erlaubten Kosten im Sinne des Budgets, das zur Softwareentwicklung zur Verfügung steht, ergibt sich unter Berucksichtigung eines Kalkulationszinssatzes p folgender Wert:

Zielkostenmanagement

Kerl

= LJ~ j

P

D1+1 1 =0 q/

mit q=I+100

233 (9)

Diese vom Markt bzw. aus der Sicht des Anwenders erlaubten Kosten stellen die Zielkosten dar. Kosten für produktferne Prozesse und nicht di~nierbare Kostenblöcke (vgl. Abb. 2) seien bereits in den laufenden Kosten K t+i berücksichtigt. Damit ergibt sich KZG = Kerl. 3. Möglichkeiten der Zielkostenspaltung

Wie bereits im Abschnitt 3 des III. Kapitels ausgefiihrt, ist ein Anwendungssystem nur dann erfolgreich, wenn es seinen Beitrag zum Erfolg des Anwenderunternehmens leistet. Die Vorteilhaftigkeit eines. komplexen Anwendungssystems (z. B. PPS System) soll daher daran beurteilt werden, inwieweit die Funktionalität des Systems zur Verbesserung von Zielen der zu unterstützenden Geschäftsprozesse (prozeßziele PZ) beiträgt. Die damit gewonnene Aussage über die Wertigkeit einzelner Softwarekomponenten stellt den Rahmen für den Entwicklungsprozeß dar. Auf der Ebene der einzelnen Softwarekomponente soll dann gemäß einer Gewichtung von Softwarequalitätsmerkmalen (vgl. Abschnitt 1) ein Aufspalten der jeweiligen Zielkosten auf einzelne Entwicklungsschritte erfolgen. Damit können Zielvorgaben für einzelne Teilprozesse des Entwicklungsprozesses abgeleitet werden. Diese mehrstufige Zerlegungshierarchie sei in Abb. 6 in ihrer Struktur charakterisiert. Somit werden in dem hier präsentierten Konzept im Gegensatz zur Kostenspaltung bei materiellen Gütern (vgl. Abb. 3) die Spaltungsebenen Softwarekomponente und Entwicklungsteilprozeß vorgeschlagen.

I

Ziele des Geschartsprozesses

.

I

z. B. Durchlaufzeit, Prozeßkosten

I50ftwarekomponente I z. B. Datenverwaltung, Mengenplanung

1

Teilprozeß der Softwareentwicklung

z. B. Fachkonzept der Funktionen, DV-Konzept der Daten

Abb. 6: Zerlegwlgshierarchie fi1r DV-AnwendWlgssysteme

234

Karl-Heinz Rau

Ein konstruiertes Beispiel soll die vorgeschlagenen Zusammenhänge verdeutlichen. Auf eine formalisierte Darstellung wie im 2. Abschnitt des 11. Kapitels soll wegen der Analogie verzichtet werden. Ausgangspunkt seien Ziele des Geschäftsprozesses (vgl. Scholz/Vrohlings [Transparenz] 57 ff.), z. B. Durchlaufzeit (PZI), Prozeßkosten (P~), Fehlerrate (P~) und Kundenzufriedenheit (PZ4). Die Gewichtung dieser Ziele (ZGj ) hinsichtlich ihrer Bedeutung für den Anwender muß aus Kundensicht erfolgen. Das beispielhaft gewählte Anwendungsgebiet sei die Produktionsplanung und -steuerung in einer Industrieunternehmung. Als Funktionskomplexe bzw. Softwarekomponenten (SKJ eines PPS-Systems lassen sich in Anlehnung an Hackstein folgende Teilbereiche nennen (vgl. Hackstein [PPS] 9 ff.): Datenverwaltung (SKI), Produktionsprogrammplanung (SK2), Mengenplanung (SK3), Termin- und Kapazitätsplanung (S~), Auftragsveranlassung (SKs) und Auftragsüberwachung (S~). Damit läßt sich folgende Beziehungsmatrix aufstellen:

Prozeßziel

PZ,

PZ2

PZa

PZ4

Zielgewicht

30%

10 %

30%

30%

SK,

5%

20%

40%

20%

SK2

5%

30%

0%

10%

Sijvt = Xjt, LU jvt = U jt , Lhjvt = ajt, LXjvt ·djvt = Xjt ·djt

(11)

= Produktionsmengen . produktionsproportionaler Zahlungsüberschuß als Produkt-Gesamtdeckungsbeitrag des Erzeugnisses j in der Periode t und V·

f a ijV . Xjvt = a ij . Xjt = Bearbeitungszeit je ME . Produktionsmengen als gev=1 samte Beanspruchungszeit der Anlage i durch das Erzeugnis j in der Periode t ergibt sich folgendes modifizierte Grundmodell der taktischen Programmplanung mit gesondertem Ausweis der Modelldaten für die 1. Periode: Zieljunktion: n

n

T

LXjl ·d jl .q-I + LLXjt .d jt .q-t j=1 j=1 t=2

+

n

L

p=n+1 (tp=o)

x pl .d pl .q-I +

n

n

L L T

p=n+1 t=tp+1 (tp~l)

n

x pt .d pt .q-t

T

- Lgujl ,U jl .q-I - LLgujt ,U jt .q-t j=1 j=1 t=2 n

n

(tp=o)

(tp~l)

- p=n+ L I gupl ·Upl .g-I - p=n+ L I t=tp L+I gupt .U pt .q-t m

- "~CVil' A i1.q -0 ~I

m

m

T

T

" " ~~CVit'

A it·q-t+1

~1~2

m

T

t

.- " "" ~cvi1' Fil (I) .q -I - " ~~ ~CVilc' Fit (k) .q -t i=1 i=1 t=2 k=t-nj+1 (k~l)

272

JosefKloock

-LL T

m

0

Lcv~ .Fi~k).q-t (alle durch optimale cv~(kS:O) vorgegebene

i=1 t=1 k=t-nj+1 sprungfixe Anlagenauszahlungen der bis k vorhandenen Anlagen) ii

-L

p=n+1

T-t p

ii

L

gypl .Epl(l) .q-O -

= 0 investierten und ab t= 1 noch

t+1 p -1

L

Lgypt' Epk(t) .q-k+l ..... Max p=n+1 t=1 k=t (k; 0 bei jedem Produkt j die Größe DG(jb Werte aus dem

BezugsgrOßenwahl in Kostenreclmungssystemen

halboffenen Intervall [0, +OO[ annehmen oder im Fall von alj = niert sein.

°

311

nicht defi-

Unter Berücksichtigung der betreffenden Maße bzw. Beziehungen lassen sich hinsichtlich des für Produkt j (j = 1, ... , n) auftretenden Verzerrungsgrades bei Verwendung des KBF 1 als alleiniger Verrechnungsbasis folgende Transformationen durchführen:

=

KG 1 +KG 2 KG I +KG 2 .DG(jh.1 .

(25)

Mithin gilt:

1

VI· = - - - - - - ,J KG I +KG 2 .DG(jh,1

(26)

bzw., wegen DG(j)1 I = 1, Vl,j

1

=- , 2 : - - - - - - -

(27)

LKG k .DG(jh I

k=1

'

Analog ergibt sich (für a2j :F- 0) (28)

Ein Verzerrungsgrad entspricht also dem reziproken Wert der Summe der Produkte aus den jeweiligen Kostengraden und zugehörigen Disproportionalitätsgraden bezüglich des als Verrechnungsgröße betrachteten KBF. Die Höhe eines Verzerrungsgrades weicht um so mehr von dem Wert 1 ab, je weiter der betreffende produktbezogene Disproportionalitätsgrad von diesem Wert entfernt liegt; für DG(jh,1 = 1 und mithin DG(j)I,2 = 1 ergibt sich Vlj = 1 und V 2j = 1. Die entwickelten funktionalen Abhängigkeiten zwischen den Verzerrungsgraden und den Kosten- sowie Disproportionalitätsgraden als ihren Deter-

312

Horst Glaser

minanten bilden die Grundlage fiir die Herleitung von Relationen, die zwischen den Verzerrungsgraden V1j und V2j bestehen. 4. Beziehungen zwischen den Venerrungsgraden Da der Disproportionalitätsgrad DG(j)I,2 gemäß DG(j)I,2 = IIDG(j)2,1 dem reziproken Wert des Disproportionalitätsgrades DG(j)2,1 entspricht, ergibt sich (29)

und folglich (die auch fiir DG(jb = 0 gültige Relation) V2j = V1j· DG(j)2,I.

(30)

Der bei Verwendung des KBF 2 hinsichtlich Produktj (j = 1, ... , n) auftretende Verzerrungsgrad kann mithin unmittelbar aus dem fiir das betreffende Produkt bei Heranziehung des KBF 1 ermittelten Verzerrungsgrad abgeleitet werden, was eine erhebliche Rechenvereinfachung bedeutet. 5. Entscheidungskriterien für die Bezugsgrößenwahl Unter Beachtung der abgeleiteten Beziehungen kann folgender Ablauf zur BG-Wahl festgelegt werden: (1) Es sind die Verzerrungsgrade V1j (j = 1, ... , n) zu ermitteln. Sofern 1 - e S; V1j S; 1 + e fiir alle j = 1, ... , n gilt, kann KBF 1 als alleinige BG herangezogen werden. (2) Bei Verletzung der in (1) aufgeführten Bedingung sind die V2j (j = 1, ... , n) unter RückgriffaufV2j= V1j ·DG(j)2,1 bzw. V2j= lIKG2 (fiir alj = 0) zu errechnen. Sofern 1 - e S; V1j . DG(j)2,1S; 1 + e fiir alle j = 1, ... , n gilt, ist KBF 2 als einzige BG anzusetzen.

(3) Für den Fall, daß auch die Bedingung gemäß (2) nicht erfüllt ist, sind beide KBF als BG zu verwenden. Das Problem der BG-Wahl bei zwei KBF läßt sich allerdings noch wesentlich vereinfachen. Nachstehend wird die Existenz eines Kriteriums aufgezeigt, das apriori, d. h. ohne Berechnung der verschiedenen Verzerrungsgrade, die Feststellung des KBF ermöglicht, der bei keinem (!) Produkt zu einem größeren absoluten Kalkulationsfehler führt als der jeweilige absolute Kalkulationsfehler, der bei Verwendung des anderen KBF als Verrechnungsbasis entsteht. Generell sind dann zur BG-Wahllediglich die bei dem entsprechenden KBF

BezugsgrOßenwahl in Kostenreclmungssystemen

313

auftretenden Verzerrungsgrade zu ennitteln und mit den Grenzwerten 1 - e. 1 + e zu vergleichen. Folgende Behauptung wird hier aufgestellt: Es gilt 1V1j - 11 ~ 1V2j - 11 für alle j KG1 ~ 0.5 ist.

= 1..... n dann. wenn KG1 ~ KG2• d. h.

Sofern also der Anteil der von KBF 1 abhängigen (plan-)Kosten an den gesamten (plan-)Kosten mindestens 50 % beträgt, fUhrt die Verwendung des KBF 1 als Verrechnungsgröße hinsichtlich jedes (!) Produktes zu einem absoluten Kalkulationsfehler. der gleich oder kleiner als der entsprechende Fehler bei Heranziehung des KBF 2 als Verrechnungsgröße ist. Zum Beweis der betreffenden. intuitiv wohl überraschenden Feststellung ist zu beachten. daß die Menge der n Produkte aus folgenden fiinf (disjunkten) Teilmengen bestehen kann: (a.) Teilmenge der Produkte mit DG(j)2,1 > 1

(ß) Teilmenge der Produkte mit 0< DG(jb < 1 (y)

Teilmenge der Produkte mit DG(j)2,1 = 0

(8)

Teilmenge der Produkte mit DG(jb = 1

(E)

Teilmenge der Produkte mit alj = 0 (DG(jb nicht definiert).

Kann die Gültigkeit der Aussage. 1V1j - 11 ~ 1V2j - 11 dann. wenn KG1 ~ 0.5. für jede dieser Teilmengen aufgezeigt werden, so ist auch die oben angefUhrte generelle Behauptung bewiesen. Zu (a.) DG(j)2,1> 1 impliziert V1j < 1 und V2j> 1. Es bestehen dann folgende Äquivalenzbeziehungen: IVlr 11~lv2r 11~ 1- V1j ~

2 ~ V1j · [1 + DG(jb1

~

2

KG 1+ [1 - KGd . DG(jb ~

KG!'[1 - DG(jb1 + DG(jb

~ ~

~

~

V2j- 1 2 ~ V1j+ V2j I+DG(jh.l KG 1 +KG 2 .DG(jh,1

-------.;;."----

I+DG(jh ,1 2

I+DG(jh ,1 2

314

Horst Glaser

1 DG(') KGdl-DG(jb1 ~ J 2.1 2

KG I ~ 0,5 (wegen 1 - DG(j)2,1 < O!).

(31)

Zu (ß)

DG(j)2,I< 1 und> 0 impliziert Vlj > 1 und V2j < 1. Mithin gilt 1Vlj - 11 ~ 1V2j- 1 I Vlj - 1 ~ 1- V2j 2 ~ Vlj + V2j und analog zu (Cl.) schließlich ... KGI ~0,5

(32)

Zu (y)

DG(jb = 0 wegen a2j = 0 impliziert Vlj = I/KGI und V2j = O. Es gelten dann die Äquivalenzbeziehungen 1VI '- 11:51 V2'- 1 I VI . - 1 ~ 1 _1__ 1 ~ 1 J J J KG I 1 - - s; 2 KG I KG I

~

0,5.

(33)

Zu (8)

Aus DG(jh.1 = 1 folgt Vlj = V2j = 1 und mithin 1Vlr 11 = 1V2j- 11 = o. Zu (s)

Für alj = 0 ergibt sich VIJ = 0 und PKF

V2 . =

I c2 ·a2.J. +c I ·--·a . PKF 2.J

.J

2

CI ·0+C2 ·a2.j

=1+

c .PKF I I

C2

·PKF2

KG

=1+ __I KG 2

(34)

Folglich gilt IVlr 11~lv2r 11 KG I 1 ~V2'-1 1~-J KG 2 KGI ~ KG2 KG I ~ 0,5.

(35)

Es ist also festzuhalten, daß für KGI ~ 0,5 die bei Verwendung des KBF 2 auftretenden absoluten Kalkulationsfehler bei keinem Produkt geringer sein

BezugsgrOßenwahl in Kostenrechnungssystemen

315

können als die entsprechenden Fehler bei Verwendung des KBF 1; insofern sind dann lediglich die bei KBF 1 entstehenden Verzerrungsgrade zu ermitteln. Da der betreffende Beweis in analoger Weise auch hinsichtlich KBF 2 geführt werden kann, läßt sich nunmehr folgender Entscheidungsablauf für die BG-Wahl bei zwei KBF formulieren: Zu bestimmen ist der KBF i* mit i*E{ 1, 2}, für den KGjo ~ 0,5 gilt. Sofern bezüglich der dann zu ermittelnden Verzerrungsgrade VjOj die Bedingung

I

1 - e;S; VjOj:5: 1 + e und mithin Vjor ll:5: e für allej = 1, ... , n

(36)

erfüllt ist, kann der betreffende KBF als einzige BG angesetzt werden. Anderenfalls sind beide KBF als BG zu verwenden.

m. Kalkulationsfehler und Bezugsgrößenwahl bei drei Kostenbestimmungsfaktoren 1. Entscheidungsproblem Sofern die relevanten Kosten von drei KBF abhängen, die sich nicht proportional zueinander verhalten, ist zwecks Minimierung der BG-Anzahl bei Einhaltung der geforderten Kalkulationsgenauigkeit der nachstehend aufgeführte Entscheidungsablauf zu vollziehen. Als erstes muß untersucht werden, ob es einen KBF (KBF 1, KBF 2 oder KBF 3) gibt, der bei Verwendung als alleiniger Verrechnungsgröße für kein Produkt zu einem höheren absoluten Kalkulationsfehler führt als der maximal zulässige Fehler e. Im Falle der Existenz eines solchen KBF ist mit der Wahl des betreffenden KBF als BG das Entscheidungsproblem gelöst. Anderenfalls gilt es zu prüfen, ob die Heranziehung zweier KBF als Verrechnungsgrößen eine Nichtüberschreitung des tolerierten Kalkulationsfehlers e bewirkt. Dabei sind u. U. die bei folgenden KBF-Kombinationen entstehenden Kalkulationsfehler bzw. Verzerrungsgrade zu ermitteln: KBF 1 und KBF 2, KBF 1 und KBF 3 sowie KBF 2 und KBF 3. Für jede dieser Kombinationen ist zudem festzulegen, welcher KBF zur Verrechnung der Kosten dienen soll, die von dem nicht als Verrechnungsgröße gewählten KBF abhängen. Existiert eine entsprechende KBF-Kombination, bei der die geforderte Kalkulationsgenauigkeit gewährleistet ist. sind mit dieser Kombination die zu verwendenden BG determiniert. Bei Nichtexistenz einer derartigen KBF-Kombination müssen sämtliche KBF als BG eingesetzt werden. Die Lösung des angeführten Entscheidungsproblems scheint mit sehr umfangreichen Berechnungen verbunden zu sein. Im folgenden wird aber (für ai,j > 0) gezeigt, daß sich die jeweiligen Verzerrungsgrade und mithin die ent-

316

Horst Glaser

sprechenden Kalkulationsfehler wie beim Zwei-KBF-Fall auf rechentechnisch sehr einfach handhabbare Beziehungen zurückführen lassen.

2. Kostenverzerrungsgrade bei Verwendung eines Kostenbestimmungsfaktors als VerrechnungsgröOe Bei alleiniger Verwendung des KBF i, i E{I, 2, 3}, als Verrechnungsbasis entsteht unter Beachtung von {i, f, g} = {I, 2, 3} fiir Produktj (j = 1, ... , n) ein Verzerrungsgrad von

y..= I,J

c·1 ·a·· + I,J

Cf ·PKFf +C g .PKFg ·a·· PKF I,J 1

(37)

und folglich ein Kalkulationsfehler von RKij = Vij - 1.

(38)

Analog zum ,,zwei-KBF-Fall" sei der Kostengrad KGk des KBF k (k = 1,2,3) durch den Ausdruck KG k =

Ck ·PKFk CI ·PKFI +c 2 ,PKF2 +c 3 ,PKF3

(39)

definiert mit (40)

Der Disproportionalitätsgrad DG(jh,i von KBF k bezüglich KBF i bei Produkt j bestimmt sich gemäß ak ·/a·· ak' PKF DG(j)k j = ,J I,J mit der Implikation _,J = _ _ k . DG(jh i' (41) , PKFk / PKFj ai,j PKFi ' Gemäß den betreffenden Definitionen bzw. Bestimmungsgleichungen läßt sich der obige Ausdruck fiir Vij - beginnend mit einer Division von Zähler und Nenner durch Ci . aij - dann wie folgt transformieren:

Bezugsgr6ßenwahl in Kostenrechnungssystemen

317

KG i + KG f + KG g =--------------------~---------KG 1 .DG(j)l,i +KG 2 .DG(jh.i +KG 3 .DG(jh.i

(42)

Mithin gilt:

1

(43)

Vi. i =-:3~---LKG k ·DG(jh i k=1 . und - wie sich leicht zeigen läßt - bei einer beliebigen Anzahl m von KBF

1

V·=-----------m I,)

(44)

LKG k .DG(j)k i k=1 '

Beispielsweise tritt bei Verwendung des KBF 1 (i von V1,i

1

=-m-----------

= 1) ein Verzerrungsgrad (45)

LKG k .DG(jh I k=1 '

auf. Die bei Heranziehung eines KBF als Verrechnungsbasis auftretenden Verzerrungsgrade entsprechen also generell dem reziproken Wert der Summe der Produkte aus den jeweiligen Kostengraden und den zugehörigen Disproportionalitätsgraden. Unter Beachtung von DG(j)k,i = DG(j)k,IIDG(j)~1 ergibt sich nun für m = 3 Vi,i

=

1 DG(') LKG k . J k.1 k=1 DG(j)i.1 3

und folglich

=

3

DG(j)i,1

LKG k .DG(j)k I k=1 .

(46)

318

Horst Glaser

Vi,j= V1j · DG(j)~], also V2j = V1j · DG(j)2,1 sowie V3j = V1j · DG(j)3,1. (47) Die bei Heranziehung der KBF 2 bzw. KBF 3 auftretenden Verzerrungsgrade lassen sich mithin in erheblicher Reduktion des ansonsten anfallenden Rechenaufwandes unmittelbar aus den fiir KBF 1 errechneten Verzerrungsgraden ableiten; hinsichtlich der Disproportionalitätsgrade reicht eine Ermittlung der Größen DG(j)k,1 mit k = 1, 2, 3 aus. Unter Berücksichtigung der entwickelten Relationen läßt sich nunmehr folgendes "Entscheidungskriterium" formulieren: Existiert ein KBF i*, i*

E {I,

2, 3} mit

1- e:S: V1j . DG(j);.,1 :s: 1 + e bzw.

1V1j ,DG(j);.,1 - 11:s: e

(48)

für alle j = 1, .... , n, kann der betreffende KBF als einzige BG gewählt werden. Anderenfalls sind die bei zwei KBF als Verrechnungsgrößen entstehenden Verzerrungsgrade zu ermitteln und die entsprechenden Kalkulationsfehler mit dem zulässigen Fehler zu vergleichen.

3. Kostenverzerrungsgrade bei Verwendung von zwei Kostenbestimmungsfaktoren als VerrechnungSgrößen Sofern KBF i und KBF f als Verrechnungsgrößen verwendet werden und KBF i (auch) zur Verrechnung der Kosten dienen soll, die von dem KBF g proportional abhängig sind, ergibt sich fiir Produkt j (j = 1, ... , n) bei Geltung von {i, f, g} = {I, 2, 3} ein Verzerrungsgrad von

V1/\ f,J' =

cg .PKFg c·1 ·a·I,]. +c f ·af ,]. + PKE ·a·I,]. 1

CI ·al,i +CZ ·az,i +C3 ·a3,i

(49)

Unter Berücksichtigung der oben angeführten Bestimmungsgleichungen bezüglich der entsprechenden Kosten- und Disproportionalitätsgrade läßt sich der Ausdruck für Vv-..f, j wie folgt transformieren:

319

Bezugsgroßenwahl in Kostenrechnungssysternen

KG r KG g I+--.DG(j)r· + - KG i ,I KG i

=~~------~~--------~~------

2 ·DG(jh· +_K_G_ 3 ,DG{J)3· _K_G_I ,DG(j)l. +_K_G_ KG i ,I KG i ,I KG i ,I

KG i +KG g +KG r .DG(J)r,i

(50)

= ----~3...........:"----------~

LKG k .DG(j)k i

k=1

'

Da KGg = 1 - KGi - KGr ist, ergibt sich dann

-1]

_ I+KG r ,[DG(j)f,i Vi/\f,j - ---=-3---"------'---..... LKG k ·DG(j)k i k=1

(51)

'

und unter Beachtung der oben abgeleiteten Ausdrücke für ViJ ViAt;j = ViJ . {I + KGr' [DG(j)(i - In bzw. ViAt;j = V1J · DG(j)~1 ' {I + KGr · [DG(j)(i -ln.

(52)

Wegen DG(j)(i = DG(j)(1 I DG(j)~1 gilt schließlich . DG(j)r,1 V1/\ f·,J =V,I·,J ·DG(J)·I ,{I+KG r ,[ DG( ")I, J 1,1

In.

(53)

Die Ermittlung der bei Heranziehung von zwei KBF als Verrechnungsgrößen entstehenden Verzerrungsgrade für Produkt j setzt also lediglich die Kenntnis des bei alleiniger Verwendung des KBF 1 als Verrechnungsbasis hinsichtlich Produkt j auftretenden Verzerrungsgrades sowie der entsprechenden, die Höhe dieses Verzerrungsgrades mitbestimmenden Disproportionalitätsgrade voraus. Existieren nun zwei KBF, nämlich KBF i* und KBF

T E {I, 2, 3}, bei denen die Bedingung

IV1*/\.,-. I= I I.J

-1

·

VI .• DG(J).. I ,J 1,

Tmit T* i*, i* und

I

DG(j)y I ,{I + KG.,- . [ 'ln- 1 S e 1 DG(j)i*,1

(54)

für alle j = I, ... , n erfüllt ist, können die betreffenden zwei KBF als BG gewählt werden. Anderenfalls sind alle drei KBF als BG heranzuziehen. Im folgenden wird gezeigt, daß die Struktur der bisher entwickelten Relationen auch für den allgemeinen Fall einer beliebigen Anzahl von KBF gilt.

320

Horst Glaser

IV. Kalkulationsfehler und Bezugsgrößenwahl bei einer beliebigen Anzahl von Kostenbestimmungsfaktoren Sofern m (m ~ 2) KBF existieren, weist der Kostengrad des KBF k (k = I, ... , m) den Wert KG k = c k • PKFk m

(55)

:Lcv ·PKFv

v=\

auf, wobei (56)

zu beachten ist. Ferner wird der hinsichtlich des Produktes j (j = I, ... , n) auftretende Disproportionalitätsgrad DG(jh,i des KBF k (k = I, ... , m) bezüglich KBF i (i = I, ... , m) gemäß DG(jh j ,

=

ak . /a· . ak· PKF. ,) I,) mit der Implikation -') =__k . DG(J)k j , ai,j PKFj PKFk / PKFj

(57)

bestimmt. Es soll nun im folgenden untersucht werden, welche Verzerrungsgrade bzw. Kalkulationsfehler entstehen, wenn r KBF (r < m) als Verrechnungsgrößen eingesetzt werden. Die betreffenden KBF seien durch die Symbole [1], [2], ... , [r] gekennzeichnet. Dabei dient KBF [1], der unter Bezug auf die Basisnumerierung der KBF z. B. dem KBF 54 entsprechen kann, (auch) zur Verrechnung der Kosten, die von den nicht als Verrechnungsgrößen herangezogenen KBF [r + 1], [r + 2], ... , [m] proportional abhängig sind. In diesem Zusammenhang gelte: {[I], [2], ... [r]} =!R, I!R 1= rund !R c {I, 2, ... , m};

(58)

{[r + 1], [r + 2], ... , [m]} = !R, !R = {I, ... , m}\!R.

(59)

Bei der betrachteten Verrechnungssituation entsteht für Produkt j (j = 1, ... , n) ein Verzerrungsgrad von

BezugsgrOßenwahl in Kostenrechnungssyatemen

321

(60)

Dieser Ausdruck läßt sich wie folgt transfonnieren:

r KG[q]

1+ LG- ,DG(j)[q],[l]+ q=2 K

=

[I]

f

m

KG[q] -G q=r+1 K [I]

L

KGG k ,DG(jh,[I] k=1 K [I] m

KG[I] +

r

L

KG[q] + LKG[q]'DG(j)[q],[I] = ____~q~=r~+~I____~q=~2____________ m

L

k=1

(61)

KG k , DG(J)kJI]

Wegen der Beziehung m

L

q=r+1

KG[q] =

r

1- LKG[q] q=1

(62)

ergibt sich dann r

L KG[q],[DG(jhq],[I] -1] V!R . = __....q=_2_______________ ,J m L KG k ,DG(j)k,[I] 1+

k=1

21

FS Schweitzcr

(63)

322

Horst Glaser

und fiir [1]

=i E

1+

r

L

q=2

{I ..... m} KG[q].[DG(j)[q].i -1]

V!R.i = - - ' - - m - - - - - - L KG k .DG(jh.i k=1

(64)

Da bei m KBF und Wahl des KBF i als alleiniger Verrechnungsgröße

1

(65)

Vi,i =-m-----LKG k .DG(J)ki k=1 ' gilt. läßt sich V9I j auch in der Form r

V... "',J0 = v.I,J.. {I + '" ~ KG[ q ] .[DG(Jj)[ q ]0 ,I -ln q=2

(66)

schreiben. Aufgrund der Relationen VI,J°

0

= V 1Jo. DG(j)~1

und DG(j)

DG(") °= J [q],1 [q],1 DG(J} 1,1

(67)

folgt schließlich . r DG(j)[q],1 V!R ,J° = V1,J ·DG(J)ol ·{1+ L KG[ q].[ DG(Jj) ° -ln· I, q=2 1,1

(68)

Dieser Ausdruck umfaßt die fiir die Anzahl m = 2 und m = 3 von KBF abgeleiteten Verzerrungsgrade als Spezialfälle. Offenkundig lassen sich generell die bei Kombination beliebiger KBF als Verrechnungsgrößen entstehenden Verzerrungsgrade auf die bei Verwendung des KBF I als einziger Verrechnungsbasis auftretenden Verzerrungsgrade und die hinsichtlich dieses KBF geltenden Disproportionalitätsgrade zurückfuhren. Dies ermöglicht auch bei einer Vielzahl von KBF die schnelle Berechnung der jeweiligen Kalkulationsfehler. Zur Bezugsgrößenwahl bei einer beliebigen Anzahl m von KBF sind nun folgende Schritte durchzufilhren: Beginnend mit r = 1. also der Verwendung nur eines KBF als Verrechnungsgröße. ist. sofern erforderlich. r gemäß r := r + 1 schrittweise zu er-

BezugsgrOßenwahl in Kostenrechnungssystemen

323

höhen, bis erstmals ein KBF bzw. eine Kombination von KBF ermittelt werden kann mit IV!R,j -11 s; e für alle j = 1, ... , n. Ist dies für 9t = {[I], ... , [rn, 19t1 = r < m der Fall, sind die KBF aus 9t als Bezugsgrößen zu verwenden. Anderenfalls müssen sämtliche KBF als Bezugsgrößen herangezogen werden.

v. Anwendungsbereiche und Modifikationen der Bezugsgrößentheorie

Die Höhe eines Verzerrungsgrades und des zugehörigen Kalkulationsfehlers bleibt unverändert, wenn nicht die Mengeneinheit eines Produktes, sondern die Produktart mit der entsprechenden Ausbringungsmenge das Kalkulationsobjekt darstellt. Bei der bisher vorausgesetzten Konstanz der KBF-Koeffizienten sind die Werte der Verzerrungsgrade und Kalkulationsfehler zudem unabhängig von der jeweiligen Ausbringungsmenge Xj (j = 1, ... , n). Im Rahmen der Prozeßkostenrechnung werden nun ausdrücklich prozeßbezogene Degressionseffekte unterstellt. Speziell erfolgt hier die Annahme einer unterproportionalen Beziehung zwischen dem Wert eines als Kostentreiber gekennzeichneten KBF und der Ausbringungsmenge eines Produktes gemäß (69)

Der betreffende KBF-Koeffizient ai,j = KF; IXj bildet dann eine Funktion der Ausbringungsmenge. Die Disproportionalitätsgrade und mithin die Verzerrungsgrade sowie Kalkulationsfehler können dann in Abhängigkeit von der angesetzten Ausbringungsmenge Xj unterschiedliche Werte annehmen (zu bei spezifischen Fragestellungen der Prozeßkostenrechnung auftretenden Verzerrungsgraden und ihren Determinanten vgl. Cooper [Costing 2] sowie hinsichtlich der entsprechenden Verallgemeinerungen Glaser [prozeßkostenrechnung]). Der oben entwickelte Ansatz zur BG-Wahl läßt sich bei prinzipiell unveränderter Geltung der getroffenen Aussagen aber auch in diesem Fall wie bei beliebigen funktionalen Beziehungen zwischen KBF-Koeffizienten und Ausbringungsmengen anwenden. Es ist dann aber zu beachten, daß die im Rahmen der Planung der einzusetzenden BG ermittelten Kalkulationsfehler generell nur bei den dieser Planung zugrunde gelegten Ausbringungsmengen gelten und Abweichungen von diesen Mengen zu Änderungen der Kalkulationsfehler fuhren können. Da es sich bei den Verzerrungsgraden und den entsprechenden Kalkulationsfehlern um relative Größen handelt, wird einem Produkt, das nur geringe (Stück-)Kosten verursacht, für die BG-Wahl dasselbe Gewicht beigemessen 21·

324

Horst Glaser

wie einern Produkt mit hohen (Stück-)Kosten. Zwecks Berücksichtigung der möglicherweise bestehenden Bedeutung absoluter Kostenabweichungen böte es sich an, nur die Produkte in die Analyse einzubeziehen, deren richtige (Stück-)Kosten einen vorzugebenden Schwellenwert überschreiten.

Literatur Cooper, Robin: [Costing 1] Activity-Based Costing. In: Kostenrechnungspraxis (34) 1990, S. 210-220. Cooper, Robin: [Costing 2] Activity-Based Costing. In: Kostenrechnungspraxis (34) 1990, S. 271-279. Glaser, Horst: [ProzeßkostenrechnWlg] ProzeßkOstenrechnWlg Wld Kalkulationsgenauigkeit. In: KOstenrechnWlgspraxis (40) 1996, S. 28-34. Kilger, Wolfgang: [plankostenrechnWlg] Flexible PlankostenrechnWlg Wld DeckWlgsbeitragsrechnWlg. 10. Aufl., Wiesbaden 1993. Rummel, Kurt: [KostenrechnWlg] Einheitliche KostenrechnWlg auf der Grundlage einer vorausgesetzten Proportionalität der Kosten zu betrieblichen Größen. 3. Aufl., Düsseldorf 1967. Schweitzer, Marcell Wld Hans-Ulrich KOpper: [Systeme] Systeme der Kosten- Wld ErlösrechnWlg. 6. Aufl., München 1995.

Supply Chain Planungs- und Steuerungssystem (SCPS) zur wirtschaftlichen Lenkung von Lieferketten Gunther Zilpfel. Universitat Linz

I. Wesen des Lieferkettenmanagements ........ .............. .... ............. ....... ...........

326

TI. Operative Plammg als Aufgabe des Lieferkettenmanagements

327

1. Koordinienmgsaufgabe des operativen Lieferkettenmanagements

327

2. Supply Chain Planungs- und Steuenmgssystem .... .... ..............................

331

a) Zielsystem des operativen Supply Chain Managements .....................

331

b) Konzept eines Supply Chain Planungs- und Steuenmgssystems..........

334

aa) MRP TI-Konzept ..........................................................................

336

bb) SCPS-System zur Wirtschaftlichkeitskontrolle ............................

338

ce) Entscheidungsunterstützendes SCPS-System ...............................

343

III. Zusammenfassung .......... .............. ........ ............................... ...... ........... .....

350

326

OOnther ZIpfel

J. Wesen des Lieferkettenmanagements Untersuchungen über erfolgreiche Unternehmen zeigen, daß diese die Leistungserstellung ganzheitlich gestalten und als einen entscheidenden Wettbewerbsfaktor begreifen. Eine ganzheitliche Sichtweise der Leistungserstellung heißt, nicht nur die innerbetrieblichen Material- und Warenflüsse, sondern gleichzeitig auch die Material- und Warenflüsse vom Lieferanten zu den betrieblichen Produktionsstellen, durch die Produktionsstellen und vom Unternehmen zu den Kunden zu betrachten. Der Fokus liegt also nicht nur auf der isolierten Betrachtung der einzelnen Material- und Warenflüsse, sondern auf der Koordinierung dieser Material- und Warenflüsse in Form von Lieferketten. Auf der Beschaffungsseite ist das Unternehmen in einen Regelkreis mit seinen Lieferanten, auf der Absatzseite in einen Regelkreis mit seinen Kunden eingebunden. Logistik- oder Lieferketten (supply chains) stellen Wertschöpfungsverbunde mit verschiedenen Partnern dar. Aus der Sicht eines Unternehmens, das Güter für den Markt erstellt (produzent), können diese Partner sein: -

Lieferanten;

-

Logistische Dienstleister (Speditions- bzw. Transportunternehmen);

-

Lagerhalter;

-

Endkunden.

Stellt man die Lieferanten, logistischen Dienstleister, Lagerhalter, Abnehmer sowie Kunden als Elemente und die zwischen diesen stattfindenden Material- und Warenflüsse als Pfeile in einem Netzwerk bildlich dar, so läßt sich eine Logistik- bzw. Lieferkette veranschaulichen durch die Abb. 1. Die einzelnen, in einer solchen Lieferkette aufeinanderfolgenden Partner der Geschäftsprozesse lassen sich als Kunden-Lieferanten-Beziehungen interpretieren. Die Lenkung und Gestaltung der Lieferketten obliegt dem Lieferkettenmanagement (Supply ehain Management). Der Entwurf der Lieferketten - wie z. B. Entscheidungen über die Anzahl der Lieferanten, den Umfang an einzubeziehenden logistischen Dienstleistern bzw. an eigenen Transportmitteln, die Wahl der Standorte für die Produktion und die Anzahl sowie Lagerorte des Unternehmens, die Wahl der Distributionsstruktur zur Belieferung der Kunden - entspricht den Gestaltungsaufgaben des Lieferkettenmanagements. Die Aufgabe der Gestaltung der Lieferketten konstituiert die Logistik-Infrastruktur. Die zielgerichtete laufende Regelung der Material- und Warenflüsse für eine gegebene Logistik-Infrastruktur, z. B. die aktuelle Festlegung der Beschaffimgs-, Produktions- und Auslieferungsmengen an die Kunden und die

Supply Chain Planungs- und Steuenmgssystem

327

dazugehörigen, Infonnationsflüsse, konstituiert die Lenkungsaufgaben des Supply Chain Management. Die folgenden AusftJhrungen betrachten lediglich die Lenkungsaufgaben des Lieforkettenmanagements, wobei im folgenden die operative Planung der Lieferketten aus der Sicht eines Unternehmens betrachtet wird

Logistische Dienstleister

Abb. 1: Physische Lieferkette (supply chain)

ll. Operative Planung als Aufgabe des Lieferkettenmanagements 1. Koordinierungsaufgabe des operativen Lieferkettenmanagements Das operative Lieferkettenmanagement eines Unternehmens ist mit den folgenden Planungs- und Steuerungsprozessen verbunden (Abb. 2): -

Planungsprozesse, die längerfristig die Vertriebs-, Produktions- sowie Beschaffungsmöglichkeiten aufeinander abstimmen und damit die Voraussetzungen für einen effizienten Material- und Warenfluß bestimmen.

-

Planungs- und Steuerungsprozesse sowie Durchsetzungsprozesse, die kurzfristig den aktuellen Material- und Warenfluß festlegen. In den

GOnther ZIpfel

328

Durchsetzungsprozessen spiegeln sich die realen Material- und Warenflußprozesse wider.

Integrierte Lieferkettenplanung

Geschäftsplanung

!

!

Aggregierte Vertriebsplanung

Aggregierte Programmplanung

!

!

Liefersteuerung

Transporte

Hausteiledisposition

1

40-

Enderzeugnisse

Liefervorschau

FeinKaufteile- abruf disposition

I

rrransport~nd Leergut-

Teilesteuerung

~teuerung

1

L

Unternehmung

F

~

I

Montagesteuerung

~ F

-+

I

!

Kunden

I

Programmplanung

Lieferplanung

längerfristige Beschaffungsplanung

!

Teile

F

Transporte

F=

Lieferanten

'---

Abb. 2: Lieferkettenplanung und -steuerung

Längerfristig, z. B. für ein Jahr, sind die Teilpläne des Vertriebs, der Produktion und der Beschaffung mit dem Erfolgs- und Finanzplan abzustimmen. Im besonderen für Betriebe mit saisonalen Schwankungen des Absatzes ist eine längerfristige Abstimmung der Produktions- und Absatzmöglichkeiten notwendig, da im gegenteiligen Fall die Gefahr besteht, daß Absatzchancen nicht wahrgenommen (und damit mangelhafte Lieferfähigkeit auftritt) oder diese kurzfristig nur unwirtschaftlich realisiert werden können. Ein Hauptmerkmal dieser Geschäftsprozesse ist, daß eine Vielfalt von Entscheidungen bei ungewissen Erwartungen zu fällen ist. So ist u. a. zu entscheiden, ob eine Vorausproduktion stattfinden soll, ob kapazitätsanpassende Maßnahmen, z. B. Leasingpersonal für zukünftige Planperioden, vorzusehen sind. Prognosen über

Supply Chain Planungs- und Steuenmgssystem

329

Absatzmöglichkeiten sind dabei in der Regel Voraussetzung. Das Ergebnis dieser Geschäftsprozesse besteht darin, für die kurzfristige Planung Rahmenvorgaben zu erarbeiten, z. B. für welche Produktgruppen Lager anzulegen sind, mit welchen Beschaffimgsmengen ein Lieferant längerfristig rechnen kann oder in welchen Planperioden Kapazitäten anzupassen sind, um Saisonspitzen des Absatzes auszugleichen, etc. Kurzfristig sind nach Kenntnis von eingelangten Kundenaufträgen die aktuellen Produktionsmengen festzulegen, die Abrufaufträge an die Lieferanten zu bestimmen und die Vertriebsmengen und Transportalternativen zu planen. Im Rahmen der Geschäftsprozesse, die der Steuerung dienen, sind z. B. die Montage- und Teileaufträge vorzugeben und der Fertigungsprozeß zu überwachen, die Lieferungen an die Kunden bzw. Regionalläger - sofern vorhanden - zu veranlassen, die Transporte von den Lieferanten zu steuern und Gegenmaßnahmen bei Abweichungen zu ergreifen, etc. Die Entscheidungen über die Beschaffungs-, Produktions- und Vertriebsmengen sind laufend zu treffen und müssen miteinander abgestimmt werden. Sie können als die unmittelbaren Lenkungsaufgaben des Lieferkettenmanagements bezeichnet werden, da sie unmittelbar die Material- und Warenflüsse bestimmen. Weiterhin sind mittelbare Lenkungsaufgaben des Lieferkettenmanagement zu beachten. Diese beziehen sich vor allem auf den Einsatz der Ressourcen, der den Material- und Warenfluß in zeitlicher Hinsicht beeinflußt. Dazu gehören die Entscheidungen des Unternehmens über kapazitätsanpassende Maßnahmen ihrer Ressourcen, wie Überstunden, Zusatzschichten. oder die Entscheidungen zur Maschinenbelegung (prioritätenvergabe, Splittung und Überlappung für die Fertigungsaufträge etc.), aber auch Entscheidungen über den Transportmitteleinsatz bezüglich der Beschaffungs- und Vertriebsmengenetc. Die Entscheidungen über den Material- und Warenfluß werden von verschiedenen betrieblichen Funktionsbereichen - wie Beschaffung, Produktion und Vertrieb - getroffen. In diesem Fall entsteht die Gefahr, daß die einzelnen Funktionsbereiche ihre Ziele isoliert verfolgen. Dies wird vor allem sichtbar in überhöhten Beständen, Durchlaufzeiten sowie Kosten, aber auch Umsatzverlusteno Das ist der Preis dafür, daß Interdependenzen, d. h. sich wechselseitig beeinflussende Handlungsfelder, zerschnitten werden, da sie in den Verantwortungsbereich verschiedener Bereiche fallen. Je stärker durch die Zerlegung in partielle Handlungsfelder Interdependenzen zerschnitten werden und je mehr die Zielerreichung dadurch beeinträchtigt wird, desto notwendiger wird ein Abstimmen der partiellen Handlungsfelder oder - anders ausgedrückt eine Koordination. Die Existenz von Interdependenzen und die Zerlegung des

330

GGnther ZIpfel

gesamten Entscheidungsfelds in partielle Handlungsfelder begründen den Koordinationsbedarf (vgl. Küpper [Controlling)). Supply Chain Management führt zu Koordinationsbedarf in folgenden zwei eng verbunden Ebenen:

-

Materia/- und warenjlußbezogene Koordination, d. h. die materialund warenflußbezogenen Teilsysteme der Lieferkette müssen zielgerichtet aufeinander abgestimmt werden. Dabei sind die gesamten Material- und Warenflüsse der Lieferkette, von den Lieferanten bis zu den Abnehmern, abzustimmen, was eine Betrachtung unternehmensweiter und unternehmellSÜbergreifender Material- und Waren- sowie der dazugehörigen Informationsflüsse notwendig macht. Eine umfassende lieferkettenorientierte Betrachtung führt zu einem Gesamtkostendenken: Nicht die isolierten Kosteneinsparungen in einem Teilsystem (z. B. Vertrieb, Fertigung) sind primär wichtig, sondern die Summe der entstehenden Kosten über die gesamte Lieferkette hinweg. Weiterhin muß dieses Denken um ein gesamthaftes Umsatzbzw. Lieferservicedenken ergänzt werden: Entscheidungen zum Material- und Warenfluß müssen im Hinblick auf ihre gesamthaften Wirkungen auf den Versorgungsservice aller Lieferstellen bzw. den Lieferservice der Endabnehmer und letztlich auf den gesamten Umsatz der Lieferkette bedacht werden. Damit soll die Wirtschaftlichkeit (Effizienz) - trotz bestehender Schnittstellen durch Teilsysteme gesamthaft verbessert werden. Diese material- und warenflußbezogene Koordination wird heute als Gegenstand der Logistik gesehen (Weber/Kummer [Logistik], pfoh! [Logistik)) .

-

Koordination der FUhrungsteiisysteme der Lieferketten: Diese hat alle Führungsteilsysteme (Vertriebs-, Produktions- und Beschaffimgsmanagement etc.) auf ein einheitliches Zielsystem auszurichten, konsistente Unterziele abzuleiten, Zielkonflikte sichtbar zu machen sowie die Plandurchfiihrung zu kontrollieren und die Zieleinhaltung zu sichern. Dies wird auch als Aufgabe des Controlling gesehen, dessen Aktivitäten sich vor allem auf Zielbildung, Planung und Kontrolle sowie Informationsversorgung erstrecken (vgl. Horvath [Controlling], Weber [Controlling], Küpper [Controlling)). Controlling hat eine Service- und Unterstützungsfunktion für das Management in dem Sinne, daß isolierte, aber voneinander abhängige Führungsaufgaben einzelner Führungsteilsysteme zielgerichtet abgestimmt werden. Der Gefahr, die durch die notwendige Aufspaltung des gesamten Führungsprozesses in Führungsteilsysteme für ein komplexes System einer Lieferkette entsteht, nämlich die isolierte Verfolgung von Bereichszielen und daraus resultierend suboptimale Lösungen, soll durch Koordination dieser Führungsteilsysteme entgegengewirkt wer-

Supply ehain Planungs- und Steuerunpystem

331

den. Ganzheitliches Denken und Führen soll dadurch ermöglicht und der Gefahr von Fehlentscheidungen vorgebeugt werden. Logistik und Controlling sind primär auf Koordination ausgerichtet und damit eng verbunden. Während Logistik vor allem die Interdependenzen in den Material- und Warenflußsystemen (Leistungssystem) betont und die Effizienzverluste, die durch das Zerschneiden dieser Interdependenzen entstehen, zu verhindern versucht, werden vom Controlling jene Interdependenzen fokussiert, welche auf die Aufgabenteiligkeit des Führungsprozesses zurückzuführen sind. Zentrales Erfordernis, um die Koordinationsaufgabe des Supply ehain Management effizient erfüllen zu können, sind der Aufbau und der laufende Betrieb eines Supply Chain Planungs- und Steuerungssystems.

2. Supply Chain Planungs- und Steuerungssystem Das Supply Chain Planungs- und Steuerungssystem (SCPS) hat die Aufgabe, die mengenmäßigen und zeitlichen Prozesse der Lieferketten unter Berücksichtigung der verfiigbaren Ressourcen (z. B. Produktions-, Beschaffungs- und Absatzkapazitäten) durch abgestimmte Planvorgaben festzulegen, die Kosten und Leistungswirkungen sichtbar zu machen und den Regelungsprozeß der Lieferketten zielgerichtet zu unterstützen. Ein SCPS hat die Zielsetzungs-, Planungs- und Kontrollaufgaben der Führungsteilsysteme, denen die logistischen Aktivitäten obliegen, koordinierend zu unterstützen. Zur Koordination gehört vor allem die Festlegung und Präzisierung des Ziels bzw. der Teilziele. a) Zielsystem des operativen Supply Chain Managements Als Ziel des operativen Supply Chain Managements wird vor allem die Maximierung der Wirtschaftlichkeit, d. h. das Verhältnis der bewerteten Leistungen zu den Kosten, angesehen. Die eindeutige Ableitung der Sub- bzw. Unterzieie aus dem operativen Oberziel der Wirtschaftlichkeit macht eine Kenntnis der Ursache-Wirkungs-Zusammenhänge - wie sie in der Abbildung 3 angedeutet werden - notwendig. Es ist zu klären, durch welche Subziele das Lieferkettenmanagement dieses Oberziel beeinflussen kann und welcher Zusammenhang zwischen dem Ziel Wirtschaftlichkeit und den Subzielen besteht (Abb. 3). Ein "+" an einem Pfeil gibt dabei eine positive Beziehung zwischen zwei Größen wieder, d. h. I~e mehr - desto mehr bzw. je weniger desto weniger". Eine negative Bewertung ,,-" an einem Pfeil weist darauf hin, daß eine tendenzielle Beziehung zwischen zwei Größen der Art "je mehr - desto weniger bzw. je weniger - desto mehr" besteht. Eine eindeutige Quantifizierung der Beziehungen in Form eines absoluten Maßstabs ist allerdings dadurch nicht gegeben.

332

GOnther ZIpfel Lenk""e Gr6Sen (Beispiele fOr Handlu~ alternativen dea Supply ehaln Managemera)

Zlelgr6Sen dea . .fIlIIwen U.rerkettenmanagemente

Inslandhlllunppclilik

Ot>e...... den

+

Abb. 3: Wirkwlgsdiagramm zwischen Handlungsaltemativen und Zielen des operativen Lieferketterunanagements

Durch seine lenkbaren Größen kann das Supply Chain Management unmittelbar den Lieferservice und die Durchlaufzeiten, Bestande, Kapazitätsauslastung sowie die (Prozeß-)Qualität beeinflussen. Vor allem der Lieferservice sowie die Qualität beeinflussen den Kundennutzen und letztlich den Umsatz des Unternehmens. Durchlaufzeiten, Bestande und Kapazitätsauslastung sowie Lieferservice stehen wiederum in interdependenten Beziehungen. So sind kurze Lieferzeiten, ein Element des Lieferservice, von den Durchlaufzeiten abhängig. Kurze Durchlaufzeiten lassen eine schnelle Reaktion auf Kundenwünsche zu. Kurze Lieferzeiten lassen sich prinzipiell auch durch Bestände erreichen; allerdings muß beachtet werden, daß eine große Anzahl von Varianten - wie es heute aus Wettbewerbsgrunden zunehmend wichtiger wird eine längerfristige Prognostizierbarkeit auf Variantenebene kaum möglich macht, so daß das Risiko einer Lagerproduktion zunimmt. Höhere Werkstattbestände fUbren in der Regel dazu, daß die mittleren Durchlaufzeiten und die

Supply Chain Planungs- und Steuerungssystem

333

Kapazitätsauslastung bis zur Vollauslastung ansteigen. Die unmittelbar beeinflußbaren Zielgrößen, wie Lieferservice, Durchlaufzeiten, Auslastung, Bestände etc., stellen lediglich Ersatzziele für die Kosten- und Leistungsziele und damit die Wirtschaftlichkeit dar. Die Mengen- und Zeitgrößen haben wiederum auf die Kosten und die Umsätze im Unternehmen Einfluß. Die oberste Zielsetzung des operativen Supply Chain Managements könnte man daher allgemeiner so definieren: Ermittle denjenigen Material- und Warenfluß, der die Wirtschaftlichkeit maximiert (vgl. allgemein zur Wirtschaftlichkeit Schweitzer [Betriebswirtschaftslehre] 45; Renner [Produktionssteuerung] 115). Versucht man die Wirtschaftlichkeit zu präzisieren, wobei als bewertete Leistungen die Umsatzerlöse herangezogen werden, so lassen sich folgende Beziehungen ableiten: Unter Verwendung der Symbole: W U K G DB FK VK

=

=

Wirtschaftlichkeit Umsatz (bewertete Leistungen) Kosten Betriebsergebnis (Gewinn) Deckungsbeitrag Fixkosten variable Kosten

läßt sich die Wirtschaftlichkeit ausdrücken durch: U W=K

(1)

bzw. W·K=U

(2)

G=U-K=U-FK-VK

(3)

G=DB-FK

(4)

da DB = U - VK. Setzt man (2) in (3) ein, so erhält man:

G = K.(W -1) Durch Gleichsetzung von (4) und (5) ergibt sich: W=I+ DB - FK K

bzw.

(5)

334

Günther Zipfel

(6)

Aus der Definition der Wirtschaftlichkeit gemäß der Gleichung (6) können folgende Schlußfolgerungen gezogen werden: DB W = 1. wenn FK = 1 bzw. G = 0 DB W < 1, wenn 1, wenn - > 1 FK

(7)

Damit ergibt sich: Für das operative Supply ehain Management sind vor allem die Deckungsbeiträge, also die Umsätze abzüglich der variablen Kosten, beeinflußbar. Die Fixkosten sind dagegen definitionsgemäß im Rahmen der operativen Planung weitgehend unbeeinflußbar. Diese sind vielmehr vor allem durch die Vorhaltung der bereitgestellten betrieblichen Kapazitäten des Unternehmens bzw. der Ressourcen der Logistikkette bestimmt und resultieren aus Entscheidungen des strategischen bzw. taktischen Managements. Die Leistungserstellung wirtschaftlich im Rahmen des operativen Supply Chain Managements zu lenken, heißt daher, die Entscheidungen zu den Material- und Warenflüssen so zu treffen, daß für die bereitgestellten Ressourcen (und damit die gegebenen Fixkosten) ein möglichst hoher Deckungsbeitrag zu erwirtschaften ist. Je besser dies gelingt, desto wirtschaftlicher kann die Logistikkette bzw. die Leistungserstellung bezeichnet werden. Operationalisiert kann das Wirtschaftlichkeitsziel also wie folgt umschrieben werden: Ermittle denjenigen Material- und Warenfluß, der den Deckungsbeitrag bei gegebenen Fixkosten maximiert.

b) Konzept eines Supply Chain Planungs- und Steuerungssystems Aus den bisherigen Ausführungen ergibt sich, daß ein SCPS-System folgende Minimalanforderungen erfiillen muß: 1. Es muß in der Lage sein, eine Integration aller Teilpläne, die der Disposition der logistischen Material- und Warenflußkette dienen, vorzunehmen, wobei die Ressourcenrestriktionen bei allen Teilplanungen einbezogen werden. 2. Es muß in der Lage sein, die Wirkungen der Material- und Warenflüsse auf die Wirtschaftlichkeit bzw. Subziele davon sichtbar zu machen.

335

Supply Chain Planungs- und Steuerungssystem

Ein Planungs- und Steuerungssystem, das die erste Forderung erfUllt, ist das MRP II- (Manufacturing Resource Planning)-Konzept. Die zweite Forderung ist durch ein (mit dem MRP lI-Konzept verbundenes) ControllingInformationssystem zu realisieren. das vor allem Kosten- und Leistungs- bzw. Erfolgswirkungen der einzelnen Entscheidungen in der Lieferkette sichtbar zu machen hat. Ein SCPS-System kann daher so konzipiert werden. daß ein MRP-II-Konzept durch ein Controlling-Informationssystem erweitert wird, das Kosten- und Erlösrechnungen bzw. Kennzahlen zur Logistik enthält und Abweichungsanalysen zuläßt, um zielgerichtet handeln zu können (Abb. 4)

4----+

Geschäftsplanung

Abweichungsanalyse auf der Ebene Budget

~

Abweichungsanalyse auf der Ebene der Produktgruppen

.....

Plan-Oeckungsbeitragsrechnung auf der Ebene der Einzelerzeugnisse

Fixkostendeckungsanalyse auf der Ebene der Enderzeugnisse

.....

geplante Materialien und Bestände

AbweIchungsanalysen, z.B. aktuelle Bestandsreichweiten

geplante Liefertreue, Durchlaufzelten, Kapazitätsauslaslung, Prozeß.. aualität ete.

Abweichungsanalysen, z.B. Ober Lieferlreue, Durchlaufzeiten, Auslastung ete.

Budgetierung

1 Aggregierte Produktlons- und Absatzplanung

Plan-ErlÖ6- und

4----+ -Kostenrechnung auf der Ebene Produktgruppen

1 Programmplanung (MPS) und Vertriebsplanung (DRP)

+-----t

1

MaterIalbedarfsplanungfOr Komponenten (MRP)

~

~

~ Termin- und Kapazltlitsplanung sowie Steuerung

~

Stellgrößen

Regelgrößen

J

1

Physische Lieferkette

Abb. 4: Grundkonzept eines SCPS-Systems

I I

~

336

GOnther Zipfel

aa) MRP lI-Konzept Die American Production and Inventory Control Society (APICS) definiert MRP 11 wie folgt (zitiert nach Melnyk/Gonzalez [MRP 11] 126): "... a method for the effective planning of all the resources of the manufacturing company. Ideally, it addresses operational planning in units, financial planning in dollars, and has a simulation capability to answer "what-if' questions. It is made up of a variety of functions, each linked together: Business Planning, Production Planning, Capacity Requirements Planning, and the executive system for capacity and priority. Outputs from these systems would be integrated with financial reports, such as the business plan, purchase commitment report, shipping budget, inventory projection in dollars, etc.. " Im MRP lI-Konzept steht daher die Integration des Produktions-, Vertriebssowie Beschaffungsplans im Mittelpunkt, um abgestimmte Pläne für alle betroffenen Funktionsbereiche (z. B. Verkauf, Produktion, Beschaffung, Finanzen etc.) mittels Systemunterstützung zu bestimmen. Das computergestützte MRP lI-System umfaßt die Ebenen Geschäftsplanung (z. B. Produktionsprogramm- sowie Absatzprogrammplanung für Produktgruppen sowie Erfolgsplanung), Programmplanung für Enderzeugnisse, Mengenplanung, Termin- und Kapazitätsplanung sowie Steuerung (vgl. Mertens [MRP 11], Heinrich [MRP 11], Wight [MRP 11]). Der Abstimmungsprozeß zwischen der Geschafts-, Programm-, Mengensowie Termin- und Kapazitätsplanung wird nach einer Top-down-Kopplung realisiert, d. h. die übergeordneten Planungsebenen legen die Rahmenbedingungen für die untergeordneten Planungsebenen fest. Innerhalb jeder Planungsstufe ist eine wechselseitige (iterative) Abstimmung zwischen dem jeweiligen Mengen- und Ressourcenplan vorgesehen, wobei der Detaillierungsgrad der verwendeten Informationen von Planungsebene zu Planungsebene sowohl in sachlicher und räumlicher als auch in zeitlicher Hinsicht zunimmt (vgl. Heinrich [MRP 11] 102). Die Teilplanungen werden also schrittweise hintereinanderfolgend ("sukzessiv") durchgefiihrt mit jeweils zunehmendem Detaillierungsgrad und abnehmendem Planungshorizont. Gegenüber traditionellen computergestützten PPS-Systemen werden zusätzlich die Geschäftsund Programmplanung als Softwarebausteine angeboten, und auf allen Planungsebenen können die Ressourcen (auf unterschiedlichen Aggregations niveaus) durch das EDV-System überprüft werden. Dabei wird allerdings auf jeder Planungsstufe keine simultane Mengen- und Ressourcenplanung automatisch durchgefiihrt, sondern für den jeweils vom Disponenten vorgegebenen (u. U. aggregierten) Mengenplan werden durch das EDV-System die sich ergebenden Ressourcen bestimmt ("simuliert"). Der Benutzer kann den Mengenplan umändern, und es läßt sich wiederum der resultierende Ressourcenbedarf ermitteln. Diese interaktive Verarbeitung besteht also aus Planen, Simulieren,

Supply Cbain Planungs- und Steuenmgssystem

337

Umplanen. Die Simulationen können als what-if-Abfragen ohne verändernde Eingriffe in die Stammdaten verstanden werden (Mertens [MRP II] 16). Die einzelnen Planungsebenen können wie folgt skizziert werden: Die Geschäftsplanung erstellt aus vorgegebenen Budgets Erfolgspläne. Die konkrete Ausgestaltung dieser Planungsebene hängt vom Betriebstyp ab. Grundlage der Produktionsprogrammplanung für Produktgruppen (aggregierte Programmplanung) bilden der Absatzplan auf Produktgruppenebene sowie (bei Lagerfertigung) die geplanten Lagermengen der Produktgruppen. Aus diesem Absatz- und Lagerplan werden ein Produktionsprogrämm für Produktgruppen abgeleitet und die resultierenden Ressourcenbelastungen ermittelt. Als Ressourcen sind nicht nur Maschinenkapazitäten zu verstehen. sondern es lassen sich z. B. ebenso Personalressourcen. kritische Materialien etc. einbeziehen. Aggregierte Arbeitspläne, Fristenpläne u. ä. stellen dabei grundlegende Informationen dar. Ist das Produktionsprogramm ressourcenmäßig undurchführbar, sind Eingriffe des Benutzers erforderlich, und eine Umplanung ist vorgesehen. Die Auswirkungen werden wiederum ressourcenmäßig überprüft und die Prozedur solange fortgesetzt, bis ein zufriedenstellendes Programm gefunden ist. Um den Aufwand bei den interaktiven Simulationsverfahren in Grenzen zu halten, werden vor allem Engpaßressourcen (z. B. kritische Materialien, bekannte Engpaßmaschinen) in die Analyse einbezogen (vgl. Wedel [Konzept)). Die Programmplanung für Enderzeugnisse (MPS = Master Production Scheduling) hat die Mengen pro Enderzeugnis (bei der Fertigung einer großen Variantenvielfalt gegebenenfalls pro Hauptbaugruppe) zu bestimmen. Dazu ist das Produktionsprogramm auf der Basis von Produktgruppen und der aktuellen Bedarfe in das jeweilige Enderzeugnis zu disaggregieren. Für die Disaggregation wird in MRP II-Anwendungssystemen häufig eine sehr einfache Vorgehensweise vorgeschlagen. nämlich die Produktgruppenmengen entsprechend der Anteilsfaktoren auf die Enderzeugnisse (produktgruppenmitglieder) herunterzubrechen. Die Auswirkungen. die ein konkretes Produktionsprogramm (master production schedule) auf den Ressourcenbedarfhat, lassen sich wiederum auf detaillierterer Ebene in analoger Weise simulieren. Die Mengenplanung (MRP = Material Requirements Planning) entspricht in weiten Teilen der Materialbedarfsplanung traditioneller Systeme der Produktionsplanung und -steuerung. Mengenpläne lassen sich allerdings ressourcenmäßig auf Zulässigkeit prüfen. Eine simultane Optimierung der Mengen an Komponenten und der Kapazitäten ist aufgrund des Rechenaufwandes aber auch in dieser Teilplanung nicht realisiert. Vielmehr werden die Kapazitäten jeweils im Anschluß an die Mengenplanung betrachtet. Die Kapazitätsplanung läßt sich daher als Werkzeug interpretieren, um die Zulässigkeit der Mengenpläne testen zu können (vgl. Harhen [MRP)). 22 FS Schweitzer

338

Gilnther ZIpfel

Die Tennin- und Kapazitätsplanung eines MRP lI-Systems unterscheidet sich nicht grundlegend von der eines traditionellen PPS-Systems (vgl. Zäpfel [PPS]). Ein MRP lI-System stellt ein Inforrnationssystem dar, das zur Regelung logistischer Prozesse geeignet ist. Zur umfassenden Unterstützung der Koordination aller Planungs-, Kontroll- und Steuerungsaktivitäten unter Kosten- und Erlösgesichtspunkten ist es allerdings nur bedingt tauglich, da die Aspekte eines Wirtschaftlichkeits-Controllings in einern zu geringen Ausmaß integriert sind und die monetären Wirkungen unvollständig abgebildet werden. Der zuletzt genannte Punkt fUhrt auf die Notwendigkeit, das MRP lI-Konzept weiterzuentwickeln, um das Management von Lieferketten effizienter zu unterstützen. Für die Wirtschaftlichkeitsanalyse spielt im besonderen die Einbindung der Kosten- und Erlösrechnung in ein MRP lI-Konzept eine entscheidende Rolle. Die Wirtschaftlichkeitsanalyse verfolgt dabei zwei (miteinander eng verbundene) Aufgaben: 1. Im Rahmen der Wirtschaftlichkeitskontrolle sollen bereits getroffene Entscheidungen zum Lieferkettenmanagement durch ex post-Analysen auf ihre Wirtschaftlichkeit hin überprüft werden können (Kontrollfunktion). 2. Im Rahmen von Planungsaufgaben sollen Entscheidungen zum Lieferkettenmanagement durch ex ante-Analysen unterstützt werden (planungsfunktion). Die beispielhafte Ausgestaltung eine SCPS-Systems fiir die beiden Aufgaben wollen wir in eigenen Kapiteln skizzieren.

bb) SCPS-System zur Wirtschaftlichkeitskontrolle Um die Wirtschaftlichkeitszielsetzung im Rahmen des Supply Chain Managements sicherzustellen, müssen die getroffenen Entscheidungen zur Lieferkette im Hinblick auf diese Zielgröße überprüft werden. Dazu sind die Teilziele der Wirtschaftlichkeit abzuleiten und letztlich die Leistungen und Kosten (in unserem Sinne das Erwirtschaften von Deckungsbeiträgen durch den Absatz der vom Unternehmen erstellten Produkte) auf Basis des Ressourceneinsatzes differenziert zu erfassen. Ein Analyseinstrurnentarium zur Wirtschaftlichkeitskontrolle fiir das Supply Chain Management stellt dabei die Fixkostendeckungsanalyse dar, die bis auf die Ebene der Prozesse bzw. einzelnen Produkte heruntergebrochen werden kann. Dabei werden ausgehend vom Periodenerfolg fiir jede Stufe (Gesarntunternehmen, Bereiche, Produktarten, Einzelerzeugnisse) - entsprechend der mehrstufigen Deckungsbeitragsrechnung die Deckungsbeiträge analysiert und die entsprechenden logistischen Kenn-

339

Supply Chain Planungs- und Steuerungssystem

zahlen untersucht, die unmittelbar durch Entscheidungen zum Material- und Warenfluß beeinflußt werden. Dieses Vorgehen läßt sich auch als Wirkungsbzw. Wertkettenanalyse bezeichnen [vgl. auch WittlWitt [Controlling] 323). In der Abb. 5 ist diese Analyse (mit einigen Kennzahlen) angedeutet. Nettoerlös je Produktarl - variable Kosten Je Produktarl .. Deckungsbeitrag I - Produktfixkosten .. Deckungsbeitrag 11

r-

LIefertreue je Produkt

Durchlaufzeit Je Produkt

Bestand Je Produktarl

bzw.

Reichweite

T Summe Deckungsbeitrag 11 (ProduktarIen zusammengefaßt nach Produktgruppen) - Produldgrul!~nfixkosten '"Deckungsbeitrag 111

..

Lieferlreue je Produktgruppe

Durchlaufzeit je Produktgruppe

Durchsatz je Bereich

mittlere Durchlaufzeit je Bereich

Bestand je Produktgruppe

T Summe Deckungsbeitrag 111 Produldgruppen usammengefaßt nach Bereichen) Bereichsfixkosten .. Deckungsbeitrag IV

ft

Kapazitätsaus- Werkstattlastung Je bestände Bestände im Bereich Kapazitätsaus- EIngangslager lastung je Arbeitsstation

T Vertriebst reue Summe Deckungsbeitrag IV gesamt zusammengefaßt Ober alle ~ Durchsatz Bereiche) gesamt Untemehmensfixkosten =kalk. Periodenerfolg

Durchlaufzeit gesamt

Gesamtauslastung In%

Versorgungslage. Beschaffungsquote gesamt

T

Fixkostendeckung .. Gesamtdeckungsbeitrag Fixkosten

Abb. 5: Wirkungskettenanalyse und Zielgrößen des operativen Supply Chain Controlling

Ausgangspunkt der ex post-Analyse ist die Kennzahl der aktuellen Fixkostendeckung. Diese ist definiert durch:

22'

340

Günther ZIpfel

'xk deckung = -----=-----= Gesamtdeckungsbeitrag Flosten Fixkosten Für den Fall, daß diese Kennzahl gleich oder größer als 1 ist, liegt eine wirtschaftliche Leistungserstellung und -verwertung für die Periode vor. Eine Aufschlüsselung der Kennzahl zur Wirtschaftlichkeitskontrolle ist durch eine retrograde Analyse über die mehrstufige Deckungsbeitragsrechnung möglich (vgl. SchweitzerlKüpper [Kostenrechnung]). Retrograd heißt, daß zunächst der Periodenerfolg betrachtet wird und die sich auf das Gesamtuntemehrnen beziehenden Supply ehain-Kennzahlen näher analysiert werden, um Hinweise für Schwachstellen zu finden. Die Kennzahlen sind wie folgt definiert (Abb. 6).

Supply ChainElement

Spitzenkennzahl

Vertrieb

Vertriebstreue

Definition

Anzahl termingerecht ausgelieferter PrOdukte Anzahl der gesamten Aufträge je Periode

Produktion

Durchsatz gesamt

Anzahl der fertiggestellten Endprodukte

Materialwirtschaft

Versorgungslage gesamt

verfOgbarer Materialbestand In Stock

Beschaffung

Beschaffungsquote

Planproduktionssumme Endprodukte

Materialbedarf rur die Produktion Gelieferte Beschatfungsmengen Summe der Planbeschatfungsmengen

Abb. 6: Supply Chain-Kennzahlen

Weiterhin ist der Ressourceneinsatz - z. B. in Form der gesamten Kapazitätsauslastung sowie die gesamten Durchlaufzeiten der Prozesse der Leistungserstellung - zu betrachten. Ausgangspunkt der Analyse des Ressourceneinsatzes ist die Totalkapaziuit, d. h. das maximale Leistungsvermögen aller vorhandenen Ressourcen (z. B. maschinellen Anlagen und sonstiger Betriebsmittel wie Transportfahrzeuge etc.). Je höher die Totalkapazität, umso höher ist in der Regel die Höhe der Fixkosten. Bei hohen Fixkosten wird ein wirtschaftlicher Betriebsmitteleinsatz besonders wichtig. Dieser wird zunächst durch die organisatorische Verfüg-

341

Supply Chain Planungs- und SteuenutpyStem

barkeit des zur Inbetriebnahme und Nutzung notwendigen Personals begrenzt. Daher ist die organisatorisch verflJgbare KapaziUIt zu analysieren. die in erster Linie von den personellen Kapazitätsanpassungsmaßnahmen des Unternehmens abhängt, beispielsweise in Form von Überstunden oder einem Mehrschichtbetrieb. Ferner ist eine Analyse der technisch verflJgbaren Kapazittit vorzunehmen. die sich von der organisatorisch verfügbaren Kapazität durch Abzug aller Verlustzeiten unterscheidet (wie Ausfall von Personal, Stillstandszeiten aufgrund von Störungen etc.). Wirtschaftlichkeitsverluste durch Ausfallzeiten sind durch Abweichungsanalysen zu identifizieren und Maßnahmen, wie z. B. zweckmäßigere Instandhaltungsplanung, vorzusehen. Die Supply Chain Kennzahlen lassen eine erste grobe Analyse der Lieferkette zu. Eine eingehendere Ursachenanalyse macht einen engpaßorientierten Drill-Down notwendig, d. h. bereichsspezifische bzw. produktgruppen- sowie einzelproduktbezogene Betrachtungsebenen sind erforderlich. So lassen sich z. B. bei den bereichsspezifischen Analysen die Kennzahlen Durchsatz pro Bereich, Werkstattbestände und Kapazitätsauslastungen je Bereich heranziehen. Der Durchsatz je Bereich läßt sich definieren als Anzahl der in der Periode fertiggestellten Aufträge pro Bereich

------------------~--------~~------ ·100

Anzahl der in der Periode freigegebenen Aufträge pro Bereich

Die Kennzahl stellt das prozentuelle Verhältnis der in einer Planperiode fertiggestellten Aufträge zu der Anzahl der in der Planperiode freigegebenen Aufträge für den jeweiligen Bereich, z. B. Produktionsabteilung, dar. Zu beachten ist, daß die Durchsatzkennzahl u. U. 100 % überschreiten kann, und zwar dann, wenn zusätzlich zu den in der Planperiode freigegebenen und fertiggestellten auch die verspätet fertiggestellten Aufträge aus der Vorperiode hinzugebucht werden.

Kapazitätsauslastung in Prozenten läßt sich ausdrücken durch: Nutzungszeit (Bearbeitungs-, Rüst- und Instandhaltungszeit) in h

--~----~-------.;;-.---

Organisatorische Verfügbarkeit der Kapazitätseinheit

·100

Die Kapazitätsauslastungen und die mittleren Durchlaufzeiten werden vor allem auch durch die Auftragsfreigabe beeinflußt. (vgl. Wiendahl [Fertigungssteuerung], Zäpfel [PPS]): Je höher die Freigabe-Bestände (ausgedrückt in Fertigungsstunden), umso länger sind die mittleren Durchlaufzeiten. Dies läßt sich damit erklären, daß bei niedrigen Beständen iil der Fertigung ein Auftrag vor einer Maschine - wenn überhaupt - nur kurz warten muß. Die mittlere Durchlaufteil kann durch Bestandsreduzierung so lange verringert werden, bis die variable Wartezeit gegen Null geht und die Mindest-Durchlaufzeit erreicht

342

Oilnther ZIpfel

ist, die aus Transport- und Bearbeitungs- sowie Rüstzeit besteht. Da aber nur geringe Bestände vorhanden sind, ist die Wahrscheinlichkeit groß, daß nach Freiwerden einer Maschine nicht immer sofort ein weiterer Fertigungsauftrag bereitsteht und so die Leistung des Systems tendenziell gering ist und damit auch die Kapazitätsauslastung. Im Falle eines hohen Werkstattbestands wird dagegen nach Bearbeiten eines Auftrags die Wahrscheinlichkeit hoch, daß eine Maschine sofort einen weiteren Fertigungsauftrag zur Bearbeitung vorfindet. Allerdings wird die mittlere Durchlaufzeit zunehmen, da die Warteschlange der Fertigungsaufträge vor den Maschinen ansteigt und die mittlere Durchlaufzeit damit erhebliche Anteile an Wartezeiten aufweist. Diese Phänomene treten vor allem bei nach dem Werkstattprinzip organisierten Prozessen auf. Die Analyse hat für diese Prozesse zu analysieren, ob die Auftragsfreigabe wirtschaftlich erfolgt ist. Wirtschaftlich heißt in diesem Fall, die Auftragsfreigabe ist so erfolgt, daß einerseits LeistungseinbrUche in der betrachteten Kapazittitseinheit vermieden werden und andererseits die Durchlaufzeit nicht großer als notwendig ist. Eine detaillierte Betrachtung der Wirtschaftlichkeit ist auf der Ebene der Produktgruppen bzw. der Einzelerzeugnisse bzw. Varianten möglich. Neben der Analyse der einzelnen Deckungsbeiträge und der anteiligen Fixkosten sind Kennzahlen, wie Liefertreue bzw. Bestands-Reichweiten pro Produktgruppe bzw. pro Enderzeugnis, von Interesse. Die Liefertermintreue läßt sich in Prozenten definieren durch die Kennzahl: Anzahl tenningerecht ausgelieferter Aufträge für Erzeugnis x --------------------------------------------------------------------------·100 Anzahl der auszuliefernden Aufträge für Erzeugnis x Aus dieser Kennzahl ersieht man den Prozentsatz der eingehaltenen Liefertermine zu einem im voraus festgelegten Zeitpunkt. Eine Liefertermintreue von 95 % sagt aus, daß von 100 bestellten Enderzeugnissen 95 termingerecht ausgeliefert werden konnten. Liefertermintreue ist ein wesentlicher Faktor der Logistikleistung in bezug auf den Endkunden. Bestände lassen sich durch eine Gegenüberstellung der geplanten und aktuellen Reichweiten für jedes Enderzeugnis näher analysieren. Definieren wir mit y = Materialbestand

n t = Bedarf in der Periode 't a = Anzahl der Tage pro Periode, so läßt sich die Materialreichweite MR in Tagen wie folgt ermitteln: Suche die erste Periode t für die gilt:

Supply Chain Planungs- und Steuenmgssystem

343

t-I

t

y~ Ln,;undbildeMR=(t-1).a+( ,;=1

y- Ln,; ,;=1

nt

).a (8)

Beispiel: Bei einem Materialbestand von 45 Stück und Wochenbedarfen von 25, 15 und 10 Stück beträgt die Materialreichweite 12,5 Tage (eine Woche entspricht dabei fünf Arbeitstagen). Bestände sind gerechtfertigt, wenn die Lieferbereitschaft dadurch erhöht wird. Aufgrund der großen Variantenvielfalt und der damit einhergehenden Prognoseproblematik kann aber eine ex post-Analyse zeigen, daß trotz hoher Bestände die geplante Lieferbereitschaft nicht sichergestellt wurde. In jedem Fall ist eine Bestandsoptimierung an jenen Stellen mit den höchsten Bestandsanteilen bzw. Materialreichweiten vorzunehmen. Die Wirkungskettenanalyse kann zur Wirtschaftlichkeitskontrolle um ein differenzierteres System von Kennzahlen erweitert werden. So können z. B. fiir die Vertriebslogistik Kennzahlen - wie etwa die durchschnittlichen Transportmengen je Lieferung, Anteil der Fahrzeit an der Bereitschaftszeit bezogen auf den eigenen Fuhrpark etc. - Auskunft über die Wirtschaftlichkeit geben. Ebenso gewinnen Kennzahlen über die Qualität der Produkte und Prozesse, wie z. B. Ausschußanteile, zunehmend an Bedeutung. Ein umfassenderes SCPS-System zur Wirtschaftlichkeits- und Erfolgskontrolle der Lieferketten, das weiterhin um Liquiditäts- und Rentabilitätsaspekte erweitert wurde, ist als computergestützter Prototyp in Zäpfel/Piekarz ([Supply Chain]) zu finden.

ce) Entscheidungsunterstatzendes SCPS-System Ein SCPS-System sollte dem Supply Chain Manager nicht nur eine Wirtschaftlichkeitskontrolle erlauben, sondern vor allem auch Vorschläge fiir die Entscheidungsfindung machen. Allerdings bieten die heutigen MRP lI-Systeme dazu wenig Hilfestellungen an. Am Beispiel der Entscheidungen zu den Produktions- und Vertriebsmengen wollen wir ein entscheidungsunterstützendes Verfahren vorschlagen. Das entscheidungsunterstützende System soll Entscheidungsprozesse im Rahmen eines MRP-IIIDRP-Konzepts unterstützen. DRP (Distribution Requirements Planning) ist ein Planungskonzept, das fiir eine gegebene Distributionsstruktur (Zentrallager, Regionallager etc.) die Bestände der Enderzeugnisse regelt und dabei die Höhe und Verteilung der Bestände auf die verschiedenen Lager bestimmt. Diese Entscheidungen sind von der Planung der Produktionsund Vertriebsmengen an Enderzeugnissen abhängig. Die Planung der Beschaffimgsmengen hängt wiederum mit der Planung der Produktionsmengen zusammen und basiert methodisch auf dem MRP lI-Konzept. Daher ver-

344

G6nther ZApfel

langt eine Koordinierung dieser Entscheidungen ein integriertes MRP IIIDRPKonzept. In der Abb. 7 ist ein derartiges Konzept skizziert.

Aggregierte Produktionsplanung

Aggregierte Vertriebsplanung

Distribution Requirements Planning (DRP)

1+---1

Programmplanung fOr Enderzeugnisse bzw. Varianten (MPS Master Production Scheduling)

=

Mengenplanung

(MRP

=Material Requirements Planning)

Abb. 7: DRPIMRP lI-Konzept

Ausgehend von der längerfristigen Abstimmung der Produktions- mit den Absatzmöglichkeiten, die durch die aggregierte Vertriebs- und Produktionsplanung durchzufiihren ist, ergibt sich kurzfristig die Aufgabe, die Mengen an aktuell zu produzierenden Enderzeugnissen festzulegen und gleichzeitig zu bestimmen - im besonderen für Betriebe mit standardisierten Erzeugnissen wie z. B. in der Nahrungsmittelindustrie - auf welche Vertriebslager die Enderzeugnisse aufzuteilen bzw. welche Mengen an die Kundenregionen zu liefern sind. Diese Aufgaben sind unter Beachtung von Umsatz- und Kostenaspekten zu lösen. Vor allem für den Fall unsicherer Erwartungen über zukünftige Absatzmöglichkeiten stellt dies keine einfache Aufgabe dar. Da die Unternehmen aus Wettbewerbsgründen eine Vielzahl von Varianten am Markt anbieten, wird es zunehmend schwieriger, die genauen Absatzwerte an den einzelnen Enderzeugnissen längerfristig exakt vorherzusagen. Häufig können nur Unter- und Obergrenzen angegeben werden, innerhalb der die einzelnen Absatzwerte der Enderzeugnisse liegen. Am ehesten lassen sich noch Bedarfe

345

Supply Chain Planungs- und Steuerungssystem

für Produktgruppen mit hinreichender Genauigkeit prognostizieren. Wir stehen also dem Problem einer ungewissen Nachfrage gegenüber.

Um die Nachfrageungewißheit zu bewältigen, läßt sich das Konzept der hierarchischen Vertriebs- und Produktionsplanung heranziehen. Das vorgeschlagene hierarchische Planungskonzept besteht aus den Planungsebenen der Vertriebs- und Produktions-Programmplanung für Produktgruppen und der Programm- bzw. Vertriebsplanung für Enderzeugnisse bzw. Varianten (Abb.8).

Prograrm1Planung tOr Produktgruppen tOr'C .. t, t+1 ,.... ,T+t-1: Daten: Bedarfsprognosen fOr Produktgruppen Ober- und Untergre nzen fllr Bedarfswerte der Enderzeugnisse

• Bestirrmung der zu produzierenden Mengen an Produktgruppen - - I • Bestirrmung der zu planenden Maßnahmen der Kapazitätsanpassung (z.B. Uberstunden oder Zusatzschichten etc.) • Bestirrmung der Plan-Lagerbestände

+--

Vorgaben: Menge an Produktgruppen

Daten: Eingelangte Kundenaufträge Aktuelle Lagerbestände in allen Lagern

Planung der Mengen an Einzelerzeugnissen tOr'C-t:

r----

• Bestirrmung der Produktionsmengen tOr die Einzelerzeugnisse • Aufteilung der Lagermengen auf die einzelnen Vertriebslager unter Beachtung der aktuellen Bedarfssituation

t:= t+1

Abb. 8: Hierarchisches Planungskonzept mit rollierendem Planungshorizont

Auf der oberen Planungsebene, der Programmplanung ftJr Produktgruppen, werden - basierend auf Daten über Absatzschätzungen der Produktgruppen, über Anfangslagerbestände der Erzeugnisse, über geschätzte Unter- und Ober-

346

Günther ZApfe!

grenzen der Absatzwerte der Enderzeugnisse für alle Planperioden - die Mengen an zu produzierenden Produktgruppen im Planungszeitraum bestimmt, so daß robuste Pläne entstehen. Ein Plan heißt robust, wenn für jeden möglichen Bedarf der jeder Produktgruppe angehörenden Enderzeugnisse und für die gegebenen Anfangslagerbestände an einzelnen Enderzeugnissen eine zulässige Disaggregation für jede Periode des Planungszeitraums existiert. Zulässigkeit in einer Periode setzt voraus, daß keine Fehlmengen aufgrund des aktuellen Bedarfs an Einzelerzeugnissen auftreten und die Summe der Produktionsmengen für die Einzelerzeugnisse einer Produktgruppe gleich der geplanten Produktionsmenge der Produktgruppe ist. Für die untere Planungsebene - dem Master Production Scheduling - sind auf Grundlage der tatsächlichen Absatzwerte und der Endlagerbestände für die jeweilige aktuelle Periode t des Planungszeitraums und unter Einbeziehung weiterer Daten (geschätzte Unter- und Obergrenzen des Absatzes der Enderzeugnisse in den folgenden Perioden sowie der vorgegebenen Mengen an Produktgruppen aus der oberen Planungsebene) die Menge an Enderzeugnissen bzw. Varianten zu bestimmen, die produziert werden soll, sowie die Aufteilung dieser Mengen auf die Regionallager bzw. auf die Vertriebsregionen. Für die Entscheidungen der unteren Planungsebene, die die Mengen an Produktgruppen in die Menge an anteiligen Enderzeugnissen aufteilt, d. h. disaggregiert, müssen sog. Konsistenzbedingungen erfiillt sein. Eine Disaggregation für die aktuelle Periode t heißt konsistent, wenn die Nachfrage in der ersten Periode für jedes Enderzeugnis befriedigt wird sowie die Zulässigkeit des aggregierten Plans für die restlichen Perioden des Planungszeitraums gewährleistet bleibt. Das gesamte Planungskonzept wird rollierend durchgefiihrt, d. h. jeweils nur die gegenwärtige Periode t wird verbindlich festgelegt, da die Kundenaufträge für diese Periode bekannt und realisiert sind, die restlichen Perioden werden vorläufig geplant. Zu Beginn jeder Planperiode werden die Daten aktualisiert und der Planungshorizont um eine Periode hinausgeschoben. Die Ermittlung der Pläne der oberen und unteren Planungsebene läßt sich durch Entscheidungsmodelle unterstützen, denen wir uns jetzt zuwenden. a) Modell zur Bestimmung der robusten Plane fiJr Produktgruppen

Um ein Entscheidungsmodell für die Bestimmung der Mengen an Produktgruppen zu formulieren, gehen wir von dem häufig in der Praxis vorkommenden Fall aus, daß die Nachfrage nach den Produktgruppen über die Zeit saisonal schwankenden Verlauf aufweist. Dabei setzt sich die Nachfrage nach jedem Enderzeugnis (d jt ) aus der Summe der Bedarfe der Nachfragemengen zusammen, die in jeder bedienten Absatzregion (m=l, ... ,M) entsteht, d. h.

Supply ehain Planungs- und Steuerungssystem

347

djt = L~=1 djmt . Summiert man alle Bedarfsmengen der Enderzeugnisse, die einer P~oduktgru~pe k angehören, so ~langt man zu demMBedarf der Pr~ukt­ gruppe lß der Penode 1, d. h. D kt =Lm=1 D kmt =L jePk Lm=1 d jmt , wObeI Pk = Menge der Enderzeugnisse, die der Produktgruppe k angehören. Der Bedarf jeder Produktgruppe wird als bekannt für den Planungszeitraum unterstellt, dagegen sind für die djt = L~=1 djmt nur Unter- und Obergrenzen zu bestimmen. Unter Zugrundelegung der Symbole: Variable: X kt

=Produktionsmenge für Produktgruppe k in Periode t

Ykt = Lagerbestand für Produktgruppe k in Periode t

U t = Überstunden in Periode t Konstante: lkt = Lagerkosten pro Stück und Periode 0t D kt ak

= Kosten pro Überstunde in Periode t = Bedarf für Produktgruppe k in Periode t (bekannt) = Bearbeitungszeit je Mengeneinheit für Produktgruppe k auf der Anlage

4 jt = Untergrenze für Bedarf in der Periode t für Produktgruppe k jel'Je 4jt = Untergrenze für Bedarf für Enderzeugnis j in Periode t

Qkt = ~

TI t

= Obergrenze für Überstunden in Periode t

Ct = Nonnalarbeitszeit auf der Anlage in Periodet, in Stunden ausgedrückt, läßt sich das folgende Entscheidungsmodell für die Bestimmung der Pläne für Produktgruppen formulieren: Zielfunktion: K T ~ ~lkt

k=lt=1

T

. Ykt + ~Ot . U t ~ Min! t=1

(9)

Nebenbedingungen: Ykt = Yk,t-l + X kt - D kt K

~ak

k=1 Ut

·Xkt ~ Ct + U t

~Ut

'v'k = 1, ... ,K; t = 1, ... , T

(10)

'v't = 1, ... , T

(11)

'v't=1, ... ,T

(12)

348

OOnther ZIpfel

t

t

"1:=1

"1:=1

LXk"l: ~ L(Dk"l: -Dk"l:)+

L

jel\

t

max{O, L~j"l: -YjO} "1:=1

(13)

V'k = 1, ... ,K;t = 1, ... , T X kt ~ D kt -!!kt

V'k = 1, ... ,K; t = 2, ... ,T

(14)

X kt

~O

V'k = 1, ... ,K; t = 1, ... , T

(15)

Ykt

~O

V'k = 1, ... ,K; t = 1, ... , T

(16)

Die Zielfunktion bringt zum Ausdruck, daß die Summe aus Lagerhaltungsund Überstundenkosten im Planungszeitraum zu minimieren ist. Gleichung (10) definiert den Lagerbestand einer Produktgruppe arn Ende der Periode als den Lagerbestand zu Beginn dieser Periode zuzüglich den Produktionsmengen abzüglich der Bedarfsmenge der Produktgruppe in der Periode. Die Beschränkungen (11) sichern fiir jede Planperiode, daß die geplanten Produktionsmengen der Produktgruppen zu einer Ressourcenbelastung fuhren, die nicht größer als die Normal- und Überstundenkapazität der Anlage ist. Überstunden sind in jeder Periode nur begrenzt möglich (Gleichung 12). Die Gleichungen (13) und (14) sichern, daß die Produktionsmengen robust sind, d. h. fiir jede Periode des Planungszeitraums eine zulässige Disaggregation fiir die untere Planungsebene existiert. Der Beweis fiir diese einfache hinreichende Robustheitsbedingung (und weniger restriktive Robustheitsbedingungen) können in Gferer/Zäpfel [Model], Zdpfel [produktion] sowie in LasserrelMerce [Robust] nachgelesen werden. Die Bedingungen (15) und (16) stellen die Nichtnegativitätsbedingungen dar. Das vorliegende Entscheidungsmodell ist als lineare Optimierungsaufgabe formuliert. Da in der Praxis die Anzahl der Produktgruppen weit kleiner ist als die Anzahl der Enderzeugnisse und dieses Modell den Datenerfordernissen der Praxis angepaßt ist, läßt es sich fiir den praktischen Einsatz heranziehen, wobei die kommerziellen Softwarepakete zur linearen Optimierung (z. B. LINDO) eingesetzt werden können. ß) Modell zur Bestimmung der Mengen an Einzelerzeugnissen

Das Modell der unteren Planungsebene bestimmt - unmittelbar nach Einlangen der Kundenaufträge fiir die aktuelle Periode t - die Mengen an Enderzeugnissen, die zu produzieren und die auf die einzelnen Vertriebsregionen bzw. Regionallager m=I, ... ,M in der Periode t aufzuteilen und zu transportieren sind. Sofern es notwendig ist, kann der Bedarf oder können Teilbedarfe fiir ein Enderzeugnis in einer Absatzregion auch aus anderen Regionallagern sofern dort entsprechende Bestände vorhanden sind - befriedigt werden. Dazu sind allerdings zusätzliche Transporte notwendig. Die Transportkosten hängen dabei von den zu liefernden Mengen von der Quelle (produktionsstandort,

Supply ehain Planungs- und Steuerungssystem

349

Regionallager) ZU der Senke (zu belieferndes Regionallager) sowie von dem Transportkostensatz pro Mengeneinheit und Entfernung von der Quelle zur Senke ab. Unter Verwendung der zusätzlichen Symbole: Variable: X jmt

produzierte Menge von Enderzeugnis j in der Periode t für die

=

Absatzregion m Lagerbestand des Enderzeugnisses j im Regionallager m e {I , ... ,M}

Yjmt =

am Ende der Periode t Produktionsmenge des Erzeugnisses j in der Periode 't > t

x j't = Yj't

=

Lagerbestand des Erzeugnisses j in der Periode 't > t

v j8mt = Menge von Erzeugnis j, die von Regionallager s zu Regionallager m, m '# s, in Periode t transportiert wird

Konstante: Transportkosten pro Mengeneinheit von dem Produktionsstandort zu

tm =

Lager (Absatzregion) m

t 8m =

Transportkosten pro Mengeneinheit vom Regionallager s zum

d jmt =

Bedarf für Enderzeugnis j in der Absatzregion m in der

Regionallager m (m '# s) Periode t,

kann das Entscheidungsmodell fiir die Bestimmung der Produktions-, Lagerund Vertriebsmengen wie folgt formuliert werden:

Zielfunktion M

K

Lt m L

m=1

LXjmt k=ljePk

+

M

M

L L

8=1 m=1

K

tsm

L

LVj8mt ~ Min! k=ljePk

(17)

s~m

Nebenbedingungen

Yjmt

= Yj,m,t-l + Xjmt +

M

LV jsmt 8=1

M djmt - LV jmst 8=1

'Vj ePk;k = l, ... ,K;m = 1, ... ,M

(18)

350

GOnther ZApfel

V'j e Pk;k = 1, ... ,K; 't = t + 1, ... , T

(19)

V'k =1, ... ,K

(20)

V''t = t+I, ... , T; k = 1, ... ,K

(21)

Xjmt ~ 0 sowie Yjmt ~ 0

V' j ePk;m =1, ... ,M;k =1, ... ,K

(22)

Xj't ~ 0 sowie Yj't ~ 0

V'j ePk;'t = t+l, ... ,T;k =1, ... ,K

(23)

Yj't

L

= Yj,'t-I +Xj't -gj't M

LXjmt jePIc m=l LX j't jePIc

=X id

=Xk't - (Dk't -

Q.k't)

Die Zielfunktion bringt zum Ausdruck, daß die Summe der Transportkosten für die aktuelle Periode t, die sich zusammensetzt aus den Transportkosten von der Produktionsstätte zu den Regionallagern und denen zwischen den Regionallagern, zu minimieren ist. Durch die Bedingungen (18) werden die Lagerbestände für jedes Enderzeugnis in jeder Absatzregion bestimmt. Da diese nicht-negativ sein müssen, wird eine hundertprozentige Lieferbereitschaft in der Periode t impliziert. Die Restriktionen (20) stellen sicher, daß die Summe der Mengen für die jeder Produktgruppe angehörenden Enderzeugnisse, die den Regionallagern in der Periode zur Verfiigung gestellt wird, der aggregierten Produktionsmenge der Periode entspricht. Die Bedingungen (19) und (21) entsprechen den Konsistenzbedingungen, die für die restlichen Perioden des Planungszeitraums garantieren, daß der aggregierte Plan zulässig bleibt (vgl. dazu Zäpfel [produktion)). Die Restriktionen (22) und (23) stellen die Nichtnegativitätsbedingungen dar. In diesem Fall erhalten wir wiederum ein lineares Optimierungsproblem, so daß sich die Simplexmethode zur Lösung einsetzen läßt. Im Modell wurde unterstellt, daß der Transportkostensatz unabhängig von der zu transportierenden Menge ist. Dies stellt für praktische Problemstellungen eine Vereinfachung dar, da die Spediteure häufig Transportkostensätze anbieten, die Sprungfunktionen in bezug auf die zu transportierende Menge aufweisen. In diesem Fall erschwert sich die Lösung des Modells. Aus Gründen des Seitenumfangs können wir allerdings darauf nicht eingehen (vgl. dazu Gehring [Frachtoptimierung)).

ill. Zusammenfassung Um erfolgreich im Wettbewerb teilnehmen zu können, ist es für Sachleistungsbetriebe wesentlich, ihre Material- und Warenflüsse vom Lieferanten

Supply Chain Planungs- und Steuerungssystem

351

zum Unternehmen, durch das Unternehmen und zu den Kunden wirtschaftlich zu gestalten. In den Ausfiihrungen wurde ein Planungskonzept vorgestellt, das die Sicherstellung und Kontrolle der Wirtschaftlichkeit für Lieferketten von Sachleistungsbetrieben zum Inhalt hat. Dieses Konzept basiert auf einem MRP-II-System, das um Controlling-Aspekte erweitert wurde. Zur Unterstützung von Entscheidungen wurde weiterhin ein entscheidungsgestütztes DRPKonzept vorgeschlagen, das in das SCPS-System integriert werden kann.

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352

Günther ZApfel

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Qualitätskosten: Ein Glasperlenspiel oder Controllingobjekt? von Werner Kern, UniversittJt zu KtJln

I. Das Anliegen der Qualitätsexperten .... ...... ................. ............. ........ ........... 354 l. Die Ausgangssituation ......................................... ... .......... ......... ......... ...

354

2. Qualität und Unternehmungserfolg ..... ................. ............ .......... ......... ...

356

3. Differenzierungsvorschläge .................................................................... 359

n.

m.

Theoretische Ausdeutung der Sachverhalte ................................................ 361 l. Prüfung des Kostencharakters ................................................................

361

2. Möglichkeiten des Erfassens und Bemessens ... ................. ........ ..... ........

363

3. Verursachungsprobleme ........................................................................

364

Ein Qualitätscontrolling? ........................................................................... 366

IV. Ergebnis.............................. ............................... ....................................... 369

23 FS Schweitzer

354

WemerKem

I. Das Anliegen der Qualitätsexperten 1. Die Ausgangssituation Im Bemühen von Wirtschaft und Wissenschaft, die Qualität von Produkten, gemeint als jede Art von Leistungsergebnissen. und den sie bewirkenden Produktionen zu ft)rdern, flillt die Aufmerksamkeit immer wieder auf die Qualitätskosten oder - in neuer Terminologie - qualitätsbezogenen Kosten. Seit einiger Zeit werden jedoch Gegenfragen laut: Gibt es überhaupt Kosten. die durch qualitätsorientiertes Handeln (oder auch dessen Unterlassen) verursacht werden? Lassen sich solche Kostenkomponenten von denjenigen Kosten überhaupt absondern. die durch Leistungserstellungen. i. d. R integrativen Komplexen sowohl quantitativer als auch qualitativer Merkmale, verursacht werden und einem Teilmerkmal, hier der Qualität, zurechnen? Produktion wird ja stets unter der Prämisse verstanden. daß der quantitative Output zugleich eine vorgegebene Qualität impliziert. Können solche Qualitätskosten dann sogar Indikatoren fiir ein qualitätsbezogenes Handeln im Sinne von Managementoder Controlling-Objekten sein? Als erste Teilantwort mag vorerst die These genügen, daß sich die Qualität, gemeint ist die Güte, von Produkten durch deren Konstruktion, das Beschaffen geeigneter Vormaterialien, ihre physische Erstellung (produktion i.e.S.), ihr Transportieren und Lagern usw. beeinflussen läßt. Alle diese Handlungen verursachen Aufwendungen oder Kosten, aber nur Anteile von diesen, z. B. rur spezielle Schulungen, fiir direkte Kontrollen und auch die Werte von entstandenen Fehlproduktionen, lassen sich erkennen und erfassen. Zu diesen kostenorientierten Konsequenzen qualitätsbezogenen Handeins existieren zahlreiche einschlägige Veröffentlichungen, allerdings vorwiegend ingenieurwissenschaftlich und praxisorientiert geprägt. Qualität wird von DIN EN ISO 8402 definiert als "die Gesamtheit von Eigenschaften und Merkmalen eines Produktes oder einer Dienstleistung, die sich auf deren Eignung zur Erfiillung festgelegter oder vorausgesetzter Erfordernisse beziehen". Dieser meist herstellerseitig, technokratisch und funktional interpretierten Ausdeutung der Qualität wird hier nicht gefolgt, weil sie prima facie der traditionellen Auffassung Vorschub leistet, daß Qualitätsanforderungen in erster Linie von den Herstellern (Konstrukteuren) determiniert würden; zudem vermittelt sie bloß ein statisches Qualitätsverständnis. In der Folge wird stattdessen einer kundenbezogenen, situativen Explikation des Qualitätsphänomens gefolgt, und zwar mit Rekurs auf weitergreifende Qualitätsdefinitionen.

QualitAtskosten

355

Danach hat Qualität sich an den Erwartungen der Leistungsempfänger im Sinne von Kundenzufriedenheit zu orientieren, d. h. an einer sog. annehmbaren Qualitätslage (AQL). Eine solche Vorgabe zielt übrigens nicht nur auf die materiellen, sondern auch auf die immateriellen Komponenten der zu eIbringenden Leistungen hin. Sie ist zudem informationsabhängig zu verstehen und kann sich im Zeitablauf auch verändern. Außerdem darf sie nicht nur ergebnisorientiert interpretiert werden, sondern verlangt ursachenbezogen ebenso nach einer prozeßorientierten Sichtweise. Schließlich darf mit Qualität keineswegs nur eine 'absolute Spitze' verlangt werden; sie ist vielmehr immer relativ zu erkennen. Dazu bedarf es jeweils eines Vergleichs mit einem Soll, und das resultiert eben aus den Erwartungen der das Qualitätsziel bestimmenden (betriebsexternen wie auch -internen) "Kunden". Ferner ist noch der Komplexität von Qualitätserfordernissen zu entsprechen, d. h. dem Faktum, daß sich die Qualität selbst einer einzelnen Leistung regelmäßig in mehreren Richtungen offenbart, so z. B. bezüglich Präzision, Form, Abmessungen, Gewicht, Aussehen und Haltbarkeit eines Sachguts. Aus dieser Tatsache resultieren diverse Teilqualitäten, die sich situationsbedingt jeweils als (objektive) Kemqualitäten oder als (subjektiv zu beurteilende) Peripheriequalitäten darstellen. Zu nennen sind hauptsächlich die Funktionsqualität (Gebrauchstauglichkeit), Stilqualität (Design, Erscheinungsbild), Dauerqualität (Haltbarkeit), Integrationsqualität (Systemfilhigkeit), Servicequalität (Pflege, Wartung, Instandhaltung), Umweltqualität (ökologische Verträglichkeit), Zukunftsoffenheit (Adaptivität an technischen Fortschritt) und Wertbeständigkeit. Jedes Nichterfülien von Erwartungen an eine oder mehrere dieser Teilqualitäten stellt einen Mangel, eine mehr oder minder große, korrekturfllhige oder irreparable Fehlleistung des Produzenten oder eben kurz einen Fehler dar. Und dies impliziert i. d. R. ein Nichtausschöpfen möglicher Erfolgspotentiale, d. h. hypothetisch Verluste. Demnach läßt sich Qualität betriebswirtschaftlich einfach deuten als die Eignung eines diskreten Leistungskomplexes, und zwar sowohl eines Leistungsergebnisses als auch eines Leistungsprozesses, alle an ihn gerichteten kundenbezogenen Erwartungen zu erfüllen. An dieser Ausdeutung hat sich das qualitätsbezogene Streben der Produzenten zu orientieren. Im Laufe der letzten Jahrzehnte wandelte sich dementsprechend auch das Qualitätsdenken vom bloß selektierenden Prüfen, d. h. von produkt- und prozeßbezogenen Qualitätskontrollen, über das umgreifendere, aber bloß statisch verstandene Konzept einer Qualitätssicherung hin zu einer dynamisierten Qualitätspolitik und außerdem zu' einem institutionalisierten Qualitätsmanagement, das seine umfassendste Version im Total Quality Management (TQM) findet. Von einem jeden dieser Konzepte erwarten Produzenten kurz- und längerfristig positive Wirkungen auf ihre Erfolge (Nut23'

356

WemerKem

zen); mit ihnen gehen dann aber auch entsprechende erfolgsmindernde Wirkungen einher. 2. Qualität und Unternehmungserfolg Die negativen Komponenten von Qualitätserfolgen sind Aufwendungen. In der einschlägigen Literatur, wurden sie zunächst - konform mit dem angloamerikanischen Begriff quality costs (so z. B. ASQC [Quality Costs]; Feigenbaum [Control], 99; PlunkettlDale [Quality Costs]) - als Qualitätskosten bezeichnet. Seit jüngerer Zeit wird, initiiert von Masing ([Fehlleistungsaufwand]), der Begriff qualitätsbezogene Kosten propagiert (vgl. dazu Fröhling [Qualitätsbezogene Kosten] 1735 f.). Argumente für den neuen Terminus sind insbesondere, daß der herkömmliche Begriff dualistisch sei, weil unter ihn sowohl Kosten für Qualitätserzielungen als auch Aufwendungen für Nicht-Qualitäten (Fehler) erfaßt und kompensatorisch aggregiert würden. Mit dem ursprünglichen Begriff werde "suggeriert, ... daß der größte Teil der Kosten doch für Qualität - also Erstrebenswertes - aufgewendet wird und nur ein kleiner Teil davon für Fehler. Tatsache ist, daß die Relation umgekehrt ist" (Blechschmidt [Qualitätskosten] 443). Ein Leistungsbezug der durch Fehler anfallenden Aufwendungen sei jedoch nicht gegeben. Unter Qualitätskosten würden zudem nicht selten bloß die Kosten qualitätsspezifischer Kostenstellen wie z. B. der Warenannahme und von Prüflabors verstanden. Im Hinblick auf das materielle Anliegen handelt es sich bei dieser Umbenennung, für die inzwischen auch Steinbach ([Kosten] 66) als nötig für "die gesamte betriebswirtschaftliche Abbildung" plädiert, aber wohl nur um eine terminologische Spitzfindigkeit. Die Betriebswirte stünden dann ebenfalls vor der Frage, ob die von ihnen gebrauchten Begriffe wie Material-, Fertigungs-, Vertriebs- und Verwaltungskosten nicht ebenfalls entsprechend als auf die Bereiche bezogen zu deklarieren und Entwicklungs-, Transport-lLogistik-, Entsorgungs-, Unfallverhütungs- u. a. Kosten nicht jeweils als auf die Funktionen bezogen zu bezeichnen wären. Nach DIN 55350 (Teil 11, 7) sind Qualitätskosten allemal diejenigen "Kosten, die eine Folge vorgegebener Qualitäts-Anforderungen" sind (s. a. Horvath/Urban [Qualitätscontrolling] 119; Kamiskerromys [Qualität] 444). Wie noch gezeigt werden wird, ist diese Ausdeutung prima facie jedoch zu eng gewählt; vor allem läßt sie - zumindest explizit - den ganzen Komplex der nicht unwesentlichen externen Kosten und auch den möglicher Erlösschmälerungen vermissen. Betriebswirte haben sich diesen Überlegungen bisher nur vereinzelt gewidmet. In allen drei Auflagen des Handwörterbuchs des Rechnungswesens kommt das Stichwort Qualitätskosten nicht vor. In der 5. Auflage des Handwörterbuchs der Betriebswirtschaft wird ihm bloß lh Spalte gewidmet (Müller-Böling [Qualitätsmanagement] 3634) und erst in der 2. Auf-

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lage des Handwörterbuchs der Produktionswirtschaft gilt ihm ein spezieller Artikel (Fröhling [Qualitätsbezogene Kosten] 1734 ff.). Die Ansichten über das "Phänomen" qualitätsbezogener Kosten sind in Wissenschaft und Praxis sowie zwischen Ingenieuren und Betriebswirten zudem recht heterogen. Das Spektrum reicht von der Überlegung, daß es qualitätsbezogene Kosten (Qualitätskosten) explizit gar nicht geben könne (so Cuntze [Gespräch] 15 f.; Dögl [Qualitätsmanagement] 159; Spitzner [Qualitätskosten] 215 ff.) bis hin zu äußerst differenzierenden Explikationen mit umfangreichen Auflistungen ihrer einzelnen Komponenten. Die Argumentationen basieren im ersten Fall auf der Überlegung, daß Qualitäterzielung ja stets eine integrale Voraussetzung aller Produktionen sei und das erforderliche trennscharfe Kriterium fehle (so Dögl [Qualitätsmanagement] 153; s.a. Geiger [Qualitätslehre] 257 ff; GolükelSteinbach [Qualitätssicherung] 774). In jeder betriebswirtschaftlichen Kostendefinition sei Qualität über den Leistungsbezug bereits per se enthalten. Deshalb lassen sich viele qualitätsbezogene Kostenelemente ohne zusätzliche Hypothesen aus den (Herstell-) Kosten für das Gestalten und Herstellen von Produkten tatsächlich auch kaum hinreichend exakt separieren. Deutlich wird dies z. B. bei maschinenintegrierten Prüfeinrichtungen, bei den Löhnen für kontrollierendes Personal oder beim Zusammenhang zwischen Sorgfalt und Produktionsgeschwindigkeit. Es wird als Time Life Quality selbst bei der Nutzung von Produkten manifest, wenn deren Mängel erst geraume Zeit nach ihrem Verkauf sichtbar werden. Aus anderen Überlegungen werden Ermittlungen von Qualitätskosten sogar als sachlich unnötig und/oder überflüssig, weil unproduktiv, angesehen oder als ein bestimmt Konzept einfach abgetan. Ein Bestimmen der Inhalte von Qualitätskosten, so durch ein enumeratives Aufzählen aller möglichen qualitätsbedingten Erfolgswirkungen, führt nicht zu der gewünschten generellen Ausdeutung. Außerdem lassen es solche Listen nicht selten an Eindeutigkeit der Abgrenzungen zwischen den jeweils maßgebenden Aufwands- oder Kostenarten fehlen; die Folge ist dann, daß sich einzelne Kosten mehreren Kategorien zuordnen ließen. Für die weiteren Überlegungen muß davon ausgegangen werden, daß sich unerwünschte - Qualitätsmängel in praxi, selbst bei bestem Bemühen, leider niemals völlig ausschließen lassen. Konsequenzen solcher Fehler sind jeweils Mehraufwendungen, die sowohl als (direkte) Fehlerkosten als auch als Fehlerfolgekosten oder - in neuerer Terminologie - als Fehlleistungsaufwand zu deklarieren wären. Sie werden unbeschadet gegenteiliger Auffassungen hier aber doch im Kontext der Qualitätskosten behandelt. Unstrittig ist dagegen der Charakter der Fehlerverhütungskosten als Qualitätskosten. Betrieblicherseits bedarf es grundsätzlich und immer erneut spezieller Maßnahmen, durch die eine vorgegebene Qualitätslage erreicht werden soll und die dann auf

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Erfolgswirkungen positiver Art direkt abstellen. Die Fehlerverhütungskosten bilden, sofern sie sich separieren lassen, die andere Teilmenge des integralen Gedankenkonstrukts "Qualitätskosten". Mit ihnen werden sowohl die laufenden als auch die Einmal-Aufwendungen für Qualitätssicherungen einschließlich der Prüfkosten fokussiert. Die Kosten partiebezogener Selektionsprüfungen wären allerdings Fehlerfolgekosten. Einem Aggregieren der soeben charakterisierten qualitätsbedingten Erfolgsveränderungen zu einer Summe, welche die monetären Konsequenzen von Fehlleistungen und der ergriffenen qualitätsbezogenen Maßnahmen einer Unternehmung in toto - analog den Kostenstellen- und Kostenträgerkosten als einen besonderen, nur nach anderen Kriterien gebildeten Kostenkomplex, verdeutlicht, stehen jedoch diverse Probleme grundsätzlicher und einzelfallbezogener Art entgegen. Trotzdem findet sich in der Literatur immer wieder die Vorstellung, daß es darauf ausgerichtete spezielle Qualitätskostenrechnungen geben müsse (vgl. Hahner [Qualitätskostenrechnung) 10 ff.; HorvathlUrban [Qualitätscontrolling) 117; Kandaouroff [Qualitätskosten) 768 ff.; Rauba [Qualitätskostenrechnung) 559 ff.; Rauba [Qualitätskostensystem) 18 ff.). In ihnen sollen die interessierenden Kosten sowohl nach ihren Ursachen, d. h. nach den Arten aufgetretener Fehler bzw. den vorsorgenden Stellen, hin klassifiziert und ausgewiesen werden. Grundsätzlich stellt sich aber die Frage, ob das Abbilden qualitätsbedingter Kosten in ihren jeweils vollen Ausmaßen ein zwar wünschenswertes Ziel, realiter aber doch eine nicht zu erreichende Idealvorstellung bleiben muß. Die große Anzahl einschlägiger Publikationen, die allein in Deutschland in den letzten beiden Jahrzehnten zu diesem Problemkreis - mit recht unterschiedlichen Auffassungen - erschien, legt den Verdacht nahe, daß ein existierendes Problemfeld hier überbetont wird, wahrscheinlich um in Praxis und Wissenschaft die unbestritten nötige Aufmerksamkeit zu wecken. Handelt es sich demnach bloß um ein akademisches Glasperlenspiel? Das Problem der hier diskutierten Kosten ist, daß sie - ebenso wie die Kosten der Logistik, Instandhaltung, Arbeitssicherheit u.ä. - Kosten einer Querschnittsfunktion sind, und solche lassen sich erfahrungsgemäß nicht so einfach aus den üblichen innerbetrieblichen Kosten- und Leistungsrechnungen mit ihren drei Kostenaufgliederungen nach Arten, Stellen und Trägem destillieren oder in diese integrieren. Sie bilden vielmehr eigenständige Kostenblöcke, und nur Teile von ihnen lassen sich mittels Sonderrechnungen sichtbar machen. In diese Richtung weist derzeit die Prozeßkostenrechnung; für das Ermitteln und den Ausweis von Qualitätskosten wird sie direkt empfohlen (z. B. von Barthl Schoof [Qualitätskosten); Kandaouroff [Qualitätskosten) 775).

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3. Differenziel11ogsvorschllge Weitere Überlegungen gelten einer inhaltlichen Differenzierung der Qualitätskosten. In der Literatur werden sie, wie auch in der betrieblichen Praxis und international üblich, grob spezifiziert nach: -

Fehlerkosten (unerwünschte) umfassend •

Kosten von Fehlerbehebungen (z. B. durch Nacharbeit),



Kosten von Fehlerfolgen, und zwar innerbetrieblichen (z. B. Wertvernichtungen bei Ausschuß), außerbetrieblichen (verbraucherseitigen) wie Aufwendungen für Garantie- und Kulanzleistungen, administrative Kosten von Reklamationsbearbeitungen, entgangene Gewinne,

-

-

Fehlerverhütungskosten aufgrund von •

Installation von Routinen zur Qualitätssicherung,



Schulungen, Ausloben von Preisen, Zertifizierungen,

Prütkosten (produkt- und prozeßbezogene).

Tiefer gehende, stärker differenzierende Spezifikationen und Explikationen sind vorwiegend enumerativ (so z. B. DGQ [Wirtschaftlichkeit] 26 f.; Hahner [Qualitätskostenrechnung] 20 ff.; Pfeifer [Qualitätsmanagement] 383 u. 388 ff.). In neuerer Zeit weisen Wildemann ([Leistungsbeurteilung] 763) und darauf fußend weitere Autoren zurecht darauf hin, daß diese Einteilung mehrfache konzeptionelle Schwächen besitzt. Kritisiert wird, (1) daß die herkömmliche Sicht das nötige umfassende Qualitätsdenken vermissen lasse, (2) daß das hier zum Ausdruck kommende operative Denken stärker durch eine strategische Sichtweise zu ersetzen sei und (3) daß die Prüfkosten jeweils bloß Untennengen der einen wie auch der anderen Kategorie seien. Deshalb empfehlen u. a. Wildemann und zuvor schon DIN EN ISO 9004 (Mai 1987) eine nur zweigeteilte Kategorisierung, deren Ziele Kandaouroff

([Qualitätskosten] 775) eingehender vorstellt. Bei dieser Dichotomie wird differenziert zwischen (eingeklammerte Begriffe nach Blechschmidt [Qualitätskosten] 445): -

Kosten der Übereinstimmung (Konformitätskosten),

-

Kosten der Abweichung (Nonkonformitätskosten).

Bei der erstgenannten Kategorie handelt es sich um Kosten, die zum Erfüllen der jeweils vorgegebenen Anforderungen aufgewendet werden; sie resul-

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tieren aus Wertschöpfungsprozessen und sind Folgen von Maßnahmen, mit denen positive Beiträge zum Unternehmungserfolg angestrebt werden. Ihr Leistungsbezug kann in Einzelfällen unmittelbarer Art sein, doch ist er i. d. R. nur mittelbar, weil diese Kosten vorwiegend aus investiven Entscheidungen resultieren und die Objekte nicht selten mehreren Zwecken dienen. Konformitätskosten stellen sich deshalb als entscheidungsbezogene Einzelkosten und in klassischer Sicht als Gemeinkosten dar; sie sind - bezogen auf das Beschäftigungsvolumen - im allgemeinen fixe Kosten. Zu den Kosten der Übereinstimmung zählen sämtliche Fehlerverhütungskosten, die Kosten von Qualitätsdokumentationen und die Prüfkosten, sofern sie nicht aus Selektionskontrollen resultieren, sondern einer Qualitätslenkung dienen. Die zweite Kategorie resultiert aus dem Nichterfülien von Qualitätsanforderungen, d. h. aus Unzulänglichkeiten mit der Folge eines Verschwendens von Ressourcen. Es handelt sich bei ihnen regelmäßig um Aufwendungen zur Beseitigung oder Kompensation entstandener Qualitätsfehler. Solche Nonkonformitätskosten fallen fast immer ungeplant an und sind zu vermeiden, weil sie den Erfolg der Unternehmung beeinträchtigen. Ihr Leistungsbezug ist zumindest fraglich, weshalb ja auch ihr Kostencharakter problematisiert wird. Zwecks Fehlerbehebung und -vermeidung besteht im allgemeinen aber ein lebhaftes Interesse, ihre Beziehungen zu den sie veranlassenden Fehlerquellen, zumindest zu den unmittelbaren, zu erkennen; dann handelt es sich immerhin um Aufwendungen und eventuell gar um (zurechenbare) Einzelkosten. Zu ihnen gehören sowohl die betriebsinternen als auch die -externen Fehlleistungsaufwendungen. Komponenten dieser Kostenkategorie wären vor allem die -

Fehlererfassungskosten (so bei Selektions- und Wiederholprüfungen),

-

Fehlproduktkosten (z. B. bei Anfall von Ausschuß),

-

Fehlerbeseitigungskosten (z. B. bei Nacharbeit) und

-

Fehlerfolgekosten (z. B. bei Regreßansprüchen).

Zu den letztgenannten wären auch noch alle fehlerbedingten Erlösschmälerungen (z. B. Mindererlöse infolge von Preisnachlässen) zu zählen, ferner Produktivitätsverluste, so die Kosten materialflußbedingter Wartezeiten von Kapazitäten, Kosten infolge Unter- und Übermengenlieferungen, und schließlich sogar Imageverluste. Ein besondere Frage ergibt sich hinsichtlich der Nonkonformitätskosten noch, wenn ein Kunde eine Lieferung mit nicht verlangten höheren Qualitätsstandards erhält, aber nicht bereit ist, das zusätzliche Qualitätsniveau zu vergüten. Fröhling ([Fehlerfolgekosten] 103 ff.; [Folgekosten] 556 ff.) weist außerdem darauf hin, daß Qualitätsfolgekosten auch strategischer Art sein können, wenn sie durch Kundenausfälle und beim Gewinnen kompensatorischer Kunden auftreten; solche sind jedoch nur schwer zu bemessen.

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Somit gibt es generell vier Arten von Wirkungen: (1) Aufwandsmehrungen, z. B. bei Maßnahmen zur Fehlerverhütung, (2) Aufwandsminderungen, z. B. bei Entfall verzichtbarer Aktivitäten, (3) Ertragsminderungen, z. B. bei unmittelbaren Fehlleistungen, (4) Ertragsmehrungen, z. B. über höhere Preise und größere Umsatzmengen. Unbeschadet dieser Charakterisierung von QuaIitätskosten bleiben zu deren Klärung noch weitere Fragen offen. Zum einen handelt es sich um das Grundsatzproblem, ob sie überhaupt Kostencharakter besitzen. Zum anderen stellt sich das Problem ihrer Operationalisierung, und zwar bezüglich der Notwendigkeit, -

sie vom allgemeinen Leistungsgeschehen hinreichend abzugrenzen und sodann entsprechend zu erfassen und zu bemessen sowie

-

die Wirkzusammenhänge zu ihren Kosteneinflußgrößen aufzuzeigen.

Nur bei einer positiven Antwort erweisen sich QuaIitätskosten als ein logisches sowie auch als ein theoretisch vertretbares Gedankenkonstrukt. Möglicherweise können sie dann auch ein operables Controllingobjekt sein.

ll. Theoretische Ausdeutung der Sachverhalte 1. Prüfung des Kostencharakters Zunächst gilt es, die Frage zu beantworten, ob sich alle qualitätsbezogenen Aufwendungen aus betriebswirtschaftlicher Sicht überhaupt als Kosten deklarieren lassen. Bisher wurde dies hier wie auch in der älteren Literatur und ebenfalls von Brunner ([Effizienz] 35 ff.) sowie Wildemann ([Leistungsbeurteilung] 762 ff.) als selbstverständlich unterstellt, dieweil der Kostencharakter von Fehlleistungsaufwendungen neuerdings infrage gestellt wird. Bezüglich der Kosten der Übereinstimmung gibt es im Grundsatz keine Probleme. Bei pagatorischer Ausdeutung der Kosten als die im Rahmen der betrieblichen Prozesse entrichteten Entgelte (vgl. Koch [Kostenrechnung] 14 f.) bedarf es nur der Hypothese einer Periodisierung der Zahlungen für getätigte QuaIitätsinvestitionen. Zu ähnlichen Schlußfolgerungen führt auch die auf den initiierten Zahlungen basierte entscheidungstheoretische Explikation von Kosten (vgl. Riebei [Einzelkosten] 81 u. 519). Das in diesem Zusammenhang zu beachtende Identitätsprinzip könnte bei komplexen Zusammenhängen allerdings zu Schwierigkeiten führen (vgl. Horvath/Urban [QuaIitätscontrolling] 119). Bei einem Rekurs schließlich auf den wertmäßigen

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Kostenbegriff (so Gutenberg [Produktion], 338; Kosiol [Kosten] 14 f.; Schweitzer/Küpper [Systeme] 25), nach dem Kosten sachzielorientierter, d. h. leistungsbezogener, bewerteter Verbrauch von (materiellen und immateriellen) Gütern zum Zwecke der Erstellung betrieblicher Leistungen sind, werden die Kriterien sowohl der bewerteten Güterverzehre als auch deren Leistungsbezogenheit erfüllt. Selbst Erlösschmälerungen lassen sich danach, und zwar mit Hilfe des Konzepts der Opportunitätskosten, als Kosten deklarieren. Kosten von Abweichungen implizieren Probleme allerdings insofern, als so manchem Fehlleistungsaufwand, insbesondere bei aufgetretenen Fehlern, wohl Güterverzehre zugrunde liegen, das Kriterium der Leistungsbezogenheit bei ihnen aber prima facie nicht erfüllt wird. Gestärkt wird dieses Argument noch durch die Tatsache, daß sich die negativen Erfolgswirkungen im Hinblick auf die Zielerfüllung sogar gegenläufig verhalten, weil die Kosten von Abweichungen mit steigendem Qualitätsniveau ja sinken, d. h. regressiv sind. Dieses Urteil gilt erst recht, wenn der Überprüfung der finale, zweckbedingte Kostenbegriff als teleologische Variante der wertmäßigen Kostenausdeutung zugrunde gelegt wird. Kosten sind danach nur der Zweckaufwand von Gütern und Diensten, geldwertmäßig ausgedrückt, für eine gewünschte Bedürfnisbefriedigung (vgl. Henzel [Kosten] 37 f.). Fehlleistungsaufwendungen resultieren aber bereits definitionsgemäß aus vermeidbaren Güterverzehren. Solche übermäßigen Verbräuche sind demnach kein (unerläßlicher) Zweckaufwand, sondern eben Fehl- oder Verlustaufwand (s.a. Kamiske [Mittel] 122). Gegen solche rigiden Ausdeutungen sprechen jedoch pragmatische Überlegungen. In der betrieblichen Praxis ist es bislang durchaus üblich, auch unerwünschte Mehraufwendungen als Kosten zu deklarieren; offenkundig wird dies in fast allen Istkostenrechnungen, so z. B. bei überhöhten Verbräuchen von Materialien und Energien, aber auch bei Löhnen, wenn mit ungenügenden Leistungsgraden gearbeitet wird. Deshalb scheint es vertretbar zu sein, analog auch diejenigen Aufwendungen in Kosten zu transformieren, deren Leistungsbezüge im engeren Sinne zwar nicht direkt gegeben sind, die aber immerhin im Rahmen betrieblicher Leistungserstellungen getätigt werden. Folglich sollte unter Rekurs auf den wertmäßigen Kostenbegriff - cum grano salis - auch von Kosten qualitätsbezogener Fehlproduktionen gesprochen werden dürfen. HorvathlUrban ([Qualitätscontrolling] 119) vertreten allerdings die Ansicht, daß zumindest die Regreßansprüche, d. h. Gewährleistungsfälle und Produkthaftungen, keine Kosten seien, sondern als neutrale Aufwendungen behandelt werden müßten. Werden diese jedoch periodisiert und anteilig als (kalkulatorische) Wagniskosten ausgewiesen, so würden sie ebenfalls, nur auf einem Umweg, zu Kosten werden.

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2. Möglichkeiten des Erfassens und Bemessens Bei Akzeptanz dieser ohne Zweifel pragmatisch geleiteten Interpretation muß auch das Messen und Zurechnen qualitätsbezogener Kosten auf deren Verursacher, d. h. auf Prozesse und Produkte, erörtert werden (ausführlich dazu Steinbach [Erfassen]; Steinbach [Qualitätsbezogene Kosten] 75 ff.; Stumpf [Erfassung] 205 ff.). Der Zweck solcher Ermittlungen liegt im Erkennen typischer Fehlerschwerpunkte mittels Auswerten der erfaßten Daten. Über entsprechend aufgabenspezifische Kostenstellen lassen sich jedoch bloß Teile der hier spezifizierten Qualitätskosten erfassen und darlegen. Deshalb bedarf es eines Erfassungssystems, mit dem sämtliche Kostenstellen, die Qualitätsverantwortung tragen, analysiert werden können, . Als Erfassungsstellen und Zurechnungsempfänger kommen allemal die speziellen qualitätsbezogenen Verantwortungsbereiche infrage wie z. B. Warenannahme, Prüflabors, (fliegende) Qualitätskontrolleure innerhalb der Produktion und Endkontrollen, aber auch Reklamationsabteilungen und Institutionen zur Qualitätsförderung (-ausbildung). Darüber hinaus fallen Qualitätskosten in den eigentlichen Prozeßstellen der verschiedenen Produktionsbereiche an, aber auch in der Logistik, im Marketing, Vertrieb und Kundendienst und sogar im Umweltschutz. Schließlich interessiert noch deren differenzierende Erfassung im Hinblick auf Produktgruppen und -arten (Kostenträger), nicht zuletzt bezüglich Ausschuß, Nacharbeit und Reklamationen. Als Methoden zum Erfassen bieten sich sowohl die diversen Routinen traditioneller Datenerfassung (Erstellen und Auswerten von Belegen und Listen) als auch automatisierte Betriebsdatenerfassungen an sowie die Techniken regelmäßiger und sporadischer Einzelermittlungen. Für die Zurechnungen läßt sich auf die Methoden der schon erwähnten Prozeßkostenrechnungen, aber auch die der Zielkostenrechnungen (Target Costing) und des Life Cycle Costing verweisen (vgl. Fröhling [Fehlerfolgekosten] 103; FröhlingIWullenkord [Qualitätskostenmanagement] 175). Methodisch weniger gravierend sind im allgemeinen auch die Probleme bei den zu Einzelkosten fiihrenden internen Fehlleistungen, solange nur deren Mengengeriiste, und zwar nach Arten und Anzahlen von Fehlern pro Stelle, erfaßt werden sollen. Solche Erfassungsprozesse sind allerdings regelmäßig recht aufwendig, weil der Umfang der jeweils an den Quellen der Fehlerentstehungen festzuhaltenden Detaildaten oft erheblich ist. Derartige Erhebungen sollten sich deshalb auf entsprechende Formalismen stützen können (vgl. dazu Köhler/Scbaefers [Qualitätskosten] 540 u. spez. FQS-DGQ [Fehlerkosten] 28 f. mit einem Rechnerprogramrn zum Erfassen von vernetzten Qualitätsbeeinträchtigungen).

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Größere Probleme zeigen sich jedoch beim Bewerten dieser verschiedenartigen registrierten Daten des Mengengerüstes, beim Verdichten der Fehlleistungsaufwendungen und sodann im Aufzeigen ihrer Wirkungen auf den Unternehmungserfolg. Zum Bewerten wird in den von Ingenieuren konzipierten Quellen meist undifferenziert ein Multiplizieren der ermittelten Basisdaten mit - nicht weiter reflektierten und als vorhanden unterstellten - Kostensätzen vorgeschlagen; in der Regel soll es sich bei ihnen wohl um feste Verrechnungspreise handeln, welche jeweils die Kostenrechner zu liefern hätten. Aus betriebswirtschaftlicher Sicht bieten sich jedoch recht verschiedene Wertansätze an, so Anschaffungs-, Tages-, Durchschnitts- und Wiederbeschaffungswerte sowie auch Grenzkosten (-erlöse). Deren Auswahl hängt jedoch immer von den jeweils verfolgten Zwecken ab. 3. Verursachungsprobleme Der Zweck aller dieser Kostenermittlungen liegt zunächst im Erkennen qualitätsbezogener Schwachstellen im Betriebsgeschehen, aber auch im Ermitteln der Ursachen von Unzulänglichkeiten. Grundsätzlich stellt sich für einen jeden Fehler einzeln die Frage nach seinen Ursachen (z. B. Werkzeugverschleiß, Materialfehler, Unaufmerksamkeit) und den dafür jeweils Verantwortlichen. Die Suche nach ihnen muß sich vielfach über mehrere Prozeßstufen zurück erstrecken, und bei Wirkungsketten ist einer solchen Suche keineswegs immer Erfolg beschieden. Außerdem gilt es, die Ursachen wiederkehrender Fehler zu erkennen. Für das Abstellen und Beheben erkannter Fehlerquellen mittels geeigneter Maßnahmen sowie auch das Einleiten von Aktivitäten zur allgemeinen Verbesserung des Qualitätspotentials einer Unternehmung sind folglich Informationen über die jeweils maßgebenden Ursache-Wirkungs-Zusammenhänge erwünscht. Qualitätserfolge in ihren Verursachungszusammenhängen, und zwar analog zu meßbaren Quantitäten nach Aggregation ihrer diversen Ausprägungen (z. B. über Profilgewichtungen) in ihren Wirkungen quantitativ - gegebenenfalls relativiert - augenscheinlich zu machen, gibt es verschiedene, teilweise sogar dezidiert ausgearbeitete Vorschläge. Verwiesen sei z. B. aufBuzzel/Gale [pIMS] 37 u. 91 fI., Geiger [Qualitätslehre] 67 ff., Haustein [Messung], MorseIRothlPoston [Measuring], Nicholson [Measurement], Rauba [Qualitätskostensystem] 67 fI., Reitz/Fellmann [Fehlleistungskosten] 196 ff. und Stumpf [Erfassung] sowie - unter Angebot spezieller Konzeptionen - auf Kawlath [Grundlagen] 87 fI. bezüglich Eigenschaftsmatrizen, Schumacher [Qualitätserfolgsrechnung] 34 fI. bezüglich Vektorenaggregationen und Wildemann [Leistungsbeurteilung] 779 f. bezüglich Qualitätsbilanzen. Auf der strategischen Ebene können solche Ermittlungen allerdings auch auf Grenzen stoßen; das wäre z. B. der Fall bei Verlusten an akquisitorischem Potential.

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Probleme zeigen sich ebenso bei miteinander gekoppelten, d. h. integrierten, Zurechnungsempfängern wie z. B. im Fall der strategischen Konformitätskosten (Systemkosten). Darüber hinaus ist auch noch das Erkennen genereller Wirkungsbeziehungen von theoretischem Interesse. Dies bedeutet, daß die Wirkzusammenhänge zwischen den interessierenden Qualitätskosten und ihren jeweils vermuteten, generalisierten Kosteneinflußgrößen prinzipiell aufzuzeigen wären. In der Literatur wird in solchen Fällen meist auf einen, leider niemals näher spezifizierten, Vollkommenheitsgrad reflektiert, so z. B. von Dögl ([Qualitätsmanagement] 157), Eichelberger ([Einfluß] 38) und Zeller ([Qualitätssteuerung] 30). Mit dieser Bezugsgröße für das Verhalten der maßgebenden Kosten, bevorzugt Fehler-, Fehlerverhütungs- und Prüfkosten, werden regressiv und progressiv verlaufende Kostenfunktionen aufgezeigt. Solche Modelle sowie auch ähnliche mit modifizierten Aktionsparametern wie z. B. Fertigungssicherheit, Anzahl von Beanstandungen (so z. B. Hein [Qualitätskontrolle] 105) sind ebenfalls bloß erklärende Gedankenkonstrukte. Bei ihnen verleiten die kompensatorischen Effekte zwischen den gegenläufigen Fehler- und Fehlerverhütungskosten unzweifelhaft zur schon erwähnten irrigen Annahme, daß es Kostenminima gäbe, die jeweils einen optimalen Vollkommenheitsgrad begründen, der wiederum ein Indikator für ein optimal ausgelegtes Qualitätsmanagement sein könne. Grundsätzlich sind die in diesen Modellen verwendeten Kosteneinflußgrößen aber so komplex konzipiert, daß deren kardinale Aggregation die Existenz von Zusammenhängen vorspiegelt, die sich realiter nicht überprüfen lassen. Bezüglich eines einzelnen Produkts gibt es, abgesehen von vereinzelten Ansätzen, sie z. B. wenigstens ordinal mit Scorings zu quantifizieren, kaum kardinale Qualitätsabstufungen; Qualität ist eben ein Phänomen, das sich sowohl aus der Sicht des Kunden als auch des Produzenten eigentlich bloß dual in Ja/Nein-Urteilen äußern kann. Andere Wege, die interessierenden Wirkzusammenhänge zu quantifizieren, finden sich in vereinzelten, jedoch ebenfalls nur formal bleibenden Modellen der betriebswirtschaftlichen Produktions- und Kostentheorie (vgl. dazu z. B. Botta [Geschwindigkeit] 114 ff.; Linde [produktqualität]; Lücke [Qualitätsprobleme] 279 ff.). Schumacher ([Qualitätserfolgsrechnung] 64) versucht es mit einer "qualitativen Leistungsfunktion". Praktische Lösungsvorschläge bleiben , fast immer rudimentär und zudem auf einzelne betriebliche Funktionsbereiche in diskreten Branchen, meist auf den Maschinenbau, beschränkt. Eine Besonderheit stellt in diesem Kontext noch die von Taguchi [Quality Engineering] 15) konzipierte Funktion der (gesamtwirtschaftlich zu verstehenden) Qualitätsverluste dar. Aus der von ihm angegebenen Formel resultiert ein becherförmiger Verlauf: Sowohl bei positiven als auch bei negativen Abweichungen von einem vorgegebenen Qualitäts-Soll steigt sie progressiv an und übersteigt vorgegebene Toleranzgrenzen. Nach diesem Konzept sind alle

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monetären Konsequenzen einer Abweichung - unerwünschte, durch entsprechende Maßnahmen aber vermeidbare - Kosten.

m. Ein Qualitätscontrolling? Geeignete Konsequenzen aus den - wie auch immer ermittelten - Qualitätskosten (qualitätsbezogenen Kosten) zu ziehen, ist eine Aufgabe des Managements. Sie käme, sofern eine solche institutionalisiert wird, einem darauf spezialisierten Qualitäts-Management zu. Dieses wird hier als ein Controllingbaustein aufgefaßt (vgl. Fröhling [Fehlerfolgekosten] 103 ff.; Fröhlingl Wullenkord [Qualitätskostenmanagement] 175 ff.). Er soll einem sowohl operativen als auch strategischen Qualitätscontrolling dienen, Ein solches wird inzwischen von mehreren Publikationen vorgeschlagen (z. B. Botta [Total Quality Management] l38 f.; Frenkel [Controlling]; Horvath [Qualitäts-Controlling]; HorvathlUrban [Qualitätscontrolling]; Schmelzer [Qualitätscontrolling]; Zink/Schmidt [Qualitätscontrolling)). Dies ist insofern verständlich, als Controlling üblicherweise als eine Komponente der Führung sozialer Systeme verstanden wird, die eine Unternehmungsfiihrung bei ihrer Lenkungsaufgabe koordinierend unterstützen soll. Im hier anstehenden Fall handelt es sich um ein Bereichscontrolling. Den Trägem einer solchen betrieblichen Funktion obliegt es im anstehenden Kontext, das zu ermittelnde Datenmaterial auszuwählen und anzufordern, die festgestellten qualitätsbezogenen Kosten zieladäquat auszuwerten und aus dem Datenmaterial entsprechende Empfehlungen abzuleiten. Schmelzer ([Qualitätscontrolling] 123) spricht dem Qualitätscontrolling die Aufgabe zu, "die Sicherstellung einer kunden- und wettbewerbsgerechten Produkt- und Prozeßqualität zu unterstützen". In welcher Art, wie detailliert und häufig Berichte über angefallene oder erwartete Qualitätskosten mit welchen Konzeptionen erstellt und ausgewertet werden sollten, soll hier nicht weiter zur Diskussion stehen. Es mag genügen, darauf zu verweisen, daß von sog. Qualitätskostenreporten im allgemeinen weniger absolute und eher relative Kenngrößen erwartet werden, weil der Aussagegehalt der erstgenannten erfahrungsgemäß begrenzt ist (vgl. dazu u. a. FröhlingIWullenkord [Qualitätskostenmanagement] 175 ff.; Geiger [Qualitätslehre] 74 ff.; GolükelSteinbach [Qualitätssicherung] 777 ff.; HorvathlUrban [Qualitätscontrolling] 54 ff.,; Kandaouroff [Qualitätskosten] 780 ff.; Pfeifer [Qualitätsmanagement] 393 ff.). Bei einem Fehlen von Vergleichsbasen sind Quervergleiche qualitätsbezogener Kosten überhaupt wenig aufschlußreich, zeitbezogene Längsvergleiche dagegen zu empfehlen (vgl. Geiger [Qualitätslehre] 81 ff.).

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Aufgrund der vorgetragenen Überlegungen läßt sich für das anstehende Problem nunmehr ein erstes Fazit ziehen: Qualitätskosten sind primär Indikatoren, mit denen die jeweils Verantwortlichen zu qualitätsbezogenem Handeln motiviert und auf mögliche Verbesserungen aufmerksam gemacht werden sollen. Die theoretisierenden Überlegungen zum Kostencharakter der Fehlleistungsaufwendungen ändern nichts am sachlichen Problem. Durch eine jede Aufwands- bzw. Kostenkomponente werden Erfolgsminderungen verursacht, und somit gibt es für Praktiker allemal ein Interesse, diese - unter Berücksichtiung der mit ihnen verbundenen Nutzenwirkungen (vgl. dazu Deming [Quality] und bezüglich der PIMS-Studie BuzzelVGale [pIMS] 91 ff.) - so gering wie möglich zu halten. Eine auf nötige und mögliche Gestaltungsmaßnahmen ausgerichtete, effiziente Qualitätspolitik bedarf eben entsprechender Informationen, um Schwachstellen (cost driver) zu erkennen, den sich ihr bietenden "qualitätspolitischen Spielraum" (StaudtlHinterwäller [Qualitätspolitik] 1022) zu nutzen und geeignete Entscheidungen zu flUlen. Dazu brauchen die fokussierten Kostenkomponenten nicht umbenannt zu werden. Da sich der Kostencharakter von Fehlleistungsaufwendungen betriebswirtschaftlich rechtfertigen läßt, kann der Terminus Qualitätskosten auch künftig als Oberbegrifffür sämtliche diesbezüglichen Kenngrößen beibehalten werden. Der besondere Stellenwert, der den Qualitäten bei allen betrieblichen Leistungserstellungen, und zwar sowohl materieller als auch immaterieller Art, heute zukommt, läßt ein Überwachen der durch sie induzierten Erfolgswirkungen unerläßlich werden. Qualitätskosten geben einem Controller Informationen zur Analyse und Steuerung des betrieblichen Geschehens, und zwar ex-post für nachträgliche Korrekturen, insbesondere beim Anfall von Nonkonformitätskosten, und ex ante, d. h. vorsorgend auf Entscheidungen hiitwirkend, die sodann die Konformitätskosten begründen. Die einem Qualitätscontrolling obliegenden Aufgaben sind von nicht geringer Relevanz. In der Literatur finden sich dazu unterschiedliche Angaben (z. B. Hahner [Qualitätskostenrechnung] 140; Schumacher [Qualitätserfolgsrechnung] 19; VDMA [Vergleich». Sie divergieren von Branche zu Branche und erst recht in Abhängigkeit von den gewählten Erfassungsmethoden. Angeblich streuen sie zwischen 3 % und 20 % vom Umsatz; Einzelangaben reichen bis 30 % oder gar 40 %. Nach anderen Angaben belaufen sie sich auf 6 - 12 %, eventuell gar 15 - 20 % der Herstellkosten oder auch 15 - 25 % der Wertschöpfung. Effektivität des Qualitätscontrolling kann sich aber nicht selten erst dann einstellen, wenn die Bereitschaft besteht, in komplizierteren Fällen weniger anspruchsvolle Lösungen zu tolerieren, d. h. sich gegebenenfalls auch mit weniger exakten Daten oder gar mit Teillösungen zu bescheiden. So wird ein Controller sowohl wegen der angesprochenen Ermittlungsprobleme als auch

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wegen des Gebots der Wirtschaftlichkeit des Rechnungswesens von der Vorstellung Abstand nehmen müssen, ein spezielles System einer - laufend durchzuführenden, permanenten und zudem allumfassenden - Qualitätskostenrechnung analog und parallel zur herkömmlichen Kosten- und Leistungsrechnung praktizieren zu können. Derartig verstandene Qualitätskostenrechnungen können und dürfen nicht zu einem Selbstzweck werden. Diese Einsicht ist wohl auch ein Grund dafür, daß sich spezielle Qualitätskostenrechnungen bei den Kostenrechnern nie recht durchsetzen konnten und sich in ihrer traditionellen Form heute eher auf dem Rückzug befinden (vgl. SeghezzilFries [Fehlerkostenrechnung] 88 f.; Weidner [Kosten] 900 u. 904). Feststellungen qualitätsbezogener Kosten sollten nicht irgendwelchen Dokumentationen dienen. Sie liefern auch keine Kalkulationsunterlagen, sondern unterstützen bloß Entscheidungen. Von dieser Zielsetzung, aber auch von ihrer andersartigen Logik her, erweisen sie sich insofern bestenfalls als eine zusätzliche Aufgabe des betrieblichen Rechnungswesens. Diese sollte nur fallbezogen mittels Sonderrechnungen (Qualitätsberichte mit Spezialauswertungen) erledigt werden. Wenn das Ziel aber bloß in der Steuerung qualitätssichernder Aktivitäten besteht, dürften Berichte über aufgetretene Fehler auch ohne deren Bewertung, d. h. ohne deren Transformation in Kosten, jedoch mit Angabe ihrer Ursachen deren Beeinflussungsgrößen sowie Häufigkeiten ihres Auftretens und deren Zeitlage meist ausreichen. Erst wenn der Einfluß von Fehlern auf Bereichsund Unternehmenserfolge veranschaulicht werden soll, werden Bewertungen nötig. Dann aber nutzen feste Verrechnungspreise nichts; grundsätzlich bedarf es fiir solche Fälle diskreter Kostensätze, die aus Fertigungs- oder Herstellkosten, ermittelt auf der Basis von Tageswerten, resultieren. Gesuchte Verbesserungsvorschläge sollten sich nur auf besonders relevante, ggf. auch periodenübergreifende, Zusammenhänge und qua Teilkostenperspektive auf ein Ermitteln möglicher Erfolgspotentiale konzentrieren. Bei einem solchen BeschräJlken auf Schwerpunkte bieten sich mehrfache Ausgestaltungsfonnen an. Nach der Regelmäßigkeit der Datenermittlungen, d. h. laufend oder sporadisch, rhythmisch oder arhythmisch, kurz-, mitteloder längerfristig, periodig oder aperiodig, einperiodig oder mehrperiodig (periodenübergreifend) interessieren Ertrags- und Kostenveränderungen als Ertragsminderungen und -mehrungen sowie als Aufwandsmehrungen und -minderungen, und zwar jeweils in absoluten als auch relativierten Kenngrößen. Die Analysen ihrer Ursachen könnten an den im Produkthaftungsgesetz 1989 angesprochenen Phasen anknüpfen: -

Produkt-Konzeption betreffend Konstruktionsfehler,

-

Prozeß-Konzeption betreffend Prozeßgestaltungsfehler,

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-

Beschaffung betreffend Beschaffungsfehler,

-

Produktion (einschließlich Transporte) betreffend Fabrikationsfehler,

-

Absatz betreffend Informationsfehler sowie

-

After Sales-Tätigkeiten betreffend Beobachtungsfehler.

Ein operatives sowie ggf. auch strategisches Ableiten und Vorschlagen geeigneter Verbesserungsmaßnahmen sowie deren Überwachen wären alsdann die letzten Schritte des Qualitätsmanagements.

IV. Ergebnis Damit kann die Eingangsfrage nunmehr wie folgt beantwortet werden: Mit dem Begriff der Qualitätskosten und dem Herauskehren ihrer Bedeutung wollten Promotoren des Qualitätswesens, meist Ingenieure, ursprünglich auf die Erfolgswirksamkeit von Maßnahmen zur Qualitätskontrolle sowie - dann weitergreifend - zur Qualitätssicherung und fortschreitend eines jeden Qualitätsmanagements aufmerksam machen; sie wollten dazu Handreichungen bieten. Auf die vorerst pragmatisch geprägten Präsentationen zum immer aktueller werdenden Problemfeld der Qualitätskosten folgte ein kritisches Überdenken der verwendeten Termini und der maßgebenden Kostenwirkungen. Dabei erstreckten sich die Diskussionen u. a. auf die Angemessenheit des Begriffes 'Qualitätskosten' und auf deren Spezifikationen, speziell der sog. Fehlerkosten. Diese Retlektionen führten nicht nur zur abwegigen Ansicht, daß es Qualitätskosten eigentlich gar nicht gäbe, sondern auch zum begrüßenswerten Versuch, durch begriffiiche Klarstellungen möglichen Mißdeutungen in der Praxis zu begegnen. Diese Diskussionen mögen einem unbefangenen Beobachter wie ein Glasperlenspiel anmuten; sie entbehren aber nicht einer gewissen Berechtigung. Am sachlichen Anliegen haben die diversen Vorschläge zur Thematik kaum etwas geändert. Pragmatismus und Gewohnheit sprechen für eine Akzeptanz der inkriminierten Begriffe auch weiterhin, so wie ja auch der Terminus 'Unkosten' als Unsinn nicht auszurotten ist. Außerdem wurde verdeutlicht, daß den Konformitätskosten, und zwar unabhängig von den verschiedenen Kostenverständnissen, allemal Kosteneigenschaft zukommt; bloß deren Erfassungen, Abbildungen und Zurechnungen zeigen gewisse Schwierigkeiten. Der Kostencharakter der FehUeistungsaufwendungen läßt sich zwar nicht mit einer jeden betriebswirtschaftlichen Kostendefinition begründen, wohl aber mit der relativ elastischen wertmäßigen Kostenausdeutung; ihrem Ermitteln, ausgehend vom Feststellen der diversen Komponenten ihrer Mengengerüste gelten gegenwärtig mehrere Untersuchungen. 24 PS Schweitzer

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Die Relevanz der Thematik führte bis hin zu Vorschlägen an geeigneten Kostenrechnungssystemen. Während besondere Qualitätskostenrechnungen mit der Intention von Vollkostenrechnungen auf Vorbehalte stoßen, dürften fallbezogen Prozeßkostenrechnungen hilfreich sein. Im Interesse eines effizienten Qualitätsmanagements alle angesprochenen Daten wie auch immer zu erheben, auszuwerten, bereitzustellen und darauf basierend geeignete Maßnahmen zu induzieren, zählt zu den Aufgaben des Controlling. Bei dessen funktionaler Spezifizierung handelt es sich um ein Qualitätscontrolling. Ergänzt wird es um - nicht selten abnehmerseitig erwartete - Qualitätsaudits und Qualitätszertifizierungen. Literatur ASQC (American Society for Quality Control): [Quality Costs] Quality Costs - What & How. 2. Aufl., Wisconsin 1971. Barth, Christa und Albrecht Schoot [Qualitätskosten] Qualitätskosten - Qualitätsgewinne. Mit der Prozeßkostenrechnung lassen sich Qualitätskosten und -gewinne im Sinne der ISO 9000-Forderungen darstellen. In: Qualität und Zuverlässigkeit (41) 1996, S. 652-656. Blechschmidt, Hubert: [Qualitätskosten] Qualitätskosten? In: Qualität und Zuverlässigkeit (33) 1988, S 442-445. Botta, Volkmar: [Geschwindigkeit] Produktionsgeschwindigkeit und Fertigungsqualität. Entscheidungshilfen ft1r die betriebswirtschaftliche Bestimmung zulässiger Leistungsanpassungen. Berlin 1976. Botta, Volkmar: [Total Quality Management] Total Quality Management und finanzielles Prozeß-Controlling. In: Branchenübergreifende Erfolgsfaktoren. Hrsg. v. R. A. Sierke und F. Albe. Wiesbaden 1995, S. 135-151. Brunner, Franz 1.: [Effizienz] Steigerung der EffIzienz durch Qualitlltskostenana1ysen. In: io Management Zeitschrift (60) 1991, H.7/8, S. 35-38. Buzzel, Robert D. und Bradley T. Gale: [PIMS] Das PIMS-Programm. Strategien und Unternehmenserfolg. Wiesbaden 1989. Chmielewicz, Klaus und Marcell Schweitzer (Hrsg.): Handwörterbuch des Rechnungswesens. 3. Aufl., Stuttgart 1993. Cuntze, Ernst-Otto: [Gespräch] Ein Gespräch über Qualitlltskosten. In: Qualität und Zuverlässigkeit (35) 1990, S. 15-17. Deming, W. Edwards: [Quality] Quality, Productivity, and Competitive Position. CambridgeIMA 1982. DGQ (Deutsche Gesellschaft ft1r Qualität) (Hrsg.): [Wirtschaftlichkeit] Wirtschaftlichkeit durch Qualitätsmanagement. DGQ-Schrift 14-18, Berlin 1995. DlJgl, Rudolf: [Qualitätsmanagement] Strategisches Qualitätsmanagement im Industriebetrieb. Göttingen 1986. Dreger, Wolfgang: [Qualitätskosten] Qualitätskosten. In: Zeitschrift ft1r wirtschaftliche Fertigung (76) 1981, S. 516-520.

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Umweltpolitische Instrumente in der betrieblichen Produktions planung von Wemer Dinkelbach. Universitilt des Saarlandes

I. Einftlhrung................................................................................................ 376 11. Zielkonflikte in umweltorientierten Produktionssystemen .......................... 376 III. Das umweltpolitische Instnunentarium aus betriebswirtschaftlicher Sicht

381

I. Preissteuerung ....................................................................................... 381 2. Mengensteuerung ..... ... ........ ..................................... ...... ........... ... ......... 384 3. Emissionszertifikate (Zertiflkatssteuerung) ............................................

386

IV. Schlußbemerkungen .................................................................................. 391

376

Wemer Dinkelbach

I. Einf"tihrung Mit diesem Beitrag wird der Versuch unternommen, umweltpolitische Instrumente - einer entscheidungsorientierten Systematik folgend - beispielhaft in die betriebliche Produktionsplanung zu integrieren, um zu zeigen, mit welchen Auswirkungen ein Unternehmen rechnen muß, wenn es mit diesen Instrumenten konfrontiert wird. Das umweltpolitische Instrurnentarium selbst wird als gegeben angenommen und nicht weiter diskutiert. Einige numerische, auf einer Cobb-Douglas-Produktionsfunktion aufbauende Beispiele sollen die Ausführungen verdeutlichen. Im Mittelpunkt steht ein (statisches, deterministisches) betriebliches Produktionsplanungsmodell mit einer erfolgsorientierten und einer umweltorientierten Zielfunktion, wobei beide Zielfunktionen als gleichrangig unterstellt werden und sich in der Regel als konfliktllr (konkurrierend) herausstellen. Bei den drei ausgewählten Instrumenten wird nicht nur nach dem größtmöglichen ökonomischen Erfolg des Unternehmens - z. B. nach der kostenrninimalen Produktion einer vorgegebenen Produktquantität - gefragt, sondern jeweils auch nach dem maximalen Beitrag zur Schonung der Umwelt - z. B. der Minimierung des Anfalls von Schadstoffen im Sinne der Vermeidung von nicht erwünschten Nebenprodukten (Vermeidungsziel). Zielkonflikte werden offengelegt, Lösungsmöglichkeiten vorgestellt. Dabei zeigt sich immer wieder, daß "umweltoptimale" Produktionen durchweg nicht mit den "erfolgsoptimalen" Produktionen übereinstimmen müssen.

11. Zielkonflikte in umweltorientierten Produktionssystemen Ausgangspunkt ist ein umweltorientiertes Produktionssystem - verstanden als ein spezielles Input-Output-System - mit M Faktoren (Faktorarten), mit Q Schadstoffen (Schadstoffarten) sowie mit einern Produkt, jeweils gemessen in Faktoreinheiten [FEtl, ... , [FEM], in Schadstoffeinheiten [SEtl, ... , [SEQ] sowie in Produkteinheiten [PE]. Es wird in diesem Beitrag sowohl auf Nebenfaktoren - seien sie erwünscht oder nicht erwünscht - als auch auf erwünschte Nebenprodukte verzichtet, nicht jedoch auf nicht erwünschte Nebenprodukte, von denen exemplarisch Schadstoffe Gegenstand der nachfolgenden Analysen sind (vgl. hierzu DinkelbachIRosenberg [produktionstheorie] 16 ff.). Es bezeichne die Variable rE IR M den Vektor der Faktorquantitäten, die Variable SE IRQ den Vektor der Schadstoffquantitäten und die Variable x E ~ die Produktionsquantität. Diese Variablen definieren mit entsprechen-

Umweltpolitische Instrumente

377

den Koeffizienten die Menge TM aller Produktionen (aller Produktionspunkte), auch als Technologiemenge oder kurz als Technologie bezeichnet. Weiterhin lassen sich mit den angegebenen Variablen Zielfunktionen aufstellen, mit deren Hilfe entsprechende optimale Produktionen definiert und ermittelt werden können. Nachfolgend sind stets zwei Zielfunktionen von Interesse. Eine erste Zielfunktion ZE (= ZEifolgsori_"tilrt) mit den Werten ZE (r, s, x) umfaßt "Erfolgsgrößen" , etwa zu maximierende Deckungsbeiträge, während eine zweite Zielfunktion Zu (= ZUmwoltorio"ti_rt) mit den Werten Zu (r, s, x) "Umweltgrößen" beinhaltet, die Bestandteile einer umweltorientierten Zielsetzung sind, beispielsweise zu minimierende Schadstoffquantitäten. Mit der vorgestellten Technologie TM als Alternativenmenge und den zwei Zielfunktionen ZE und Zu bietet es sich an, ein (vektorielles) Entscheidungsmodell (VEM) mit zwei Zielfunktionen zu definieren: (1)

Hierbei ist ext je nach konkreter Situation durch max oder m;n zu ersetzen und/oder gegebenenfalls eine der beiden Zielfunktionen mit -1 zu multiplizieren. Das Entscheidungsmodell (VEM) dient zur Vorbereitung einer betrieblichen Produktionsentscheidung über die angegebenen Güterquantitäten unter den genannten Zielsetzungen. Die beiden Zielfunktionen ZE und Zu können durchaus komplementär sein, beispielsweise dann, wenn aus rein ökonomischen Gründen ein Unternehmen seine Faktorkosten minimiert und dabei gleichzeitig - technologisch bedingt die Umweltbelastungen minimiert (perfekte Lösung). Dieser Fall ist für die Thematik dieses Beitrags weitgehend uninteressant. In vielen, hier interessierenden Fällen sind jedoch die erfolgsorientierte Zielfunktion ZE und die umweltorientierte Zielfunktion Zu konkurrierend, d. h., ihre individuellen Optima (ihre individuell optimalen Produktionen) stimmen nicht überein. M. a. W.: Eine Verstärkung einer umweltschonenden Maßnahme wird vielfach mit einer Einbuße der Erfolgsgröße verbunden sein. Diese Überlegungen werden nunmehr exemplarisch unter Zugrundelegung einer Cobb-Douglas-Produktionsfunktion (vgl. Krelle [produktionstheorie] 142 ff.; Schweitzer/ Küpper [produktionstheorie] 77 f.; Matthes [produktionstheorie] 1577 f.) verdeutlicht. . Dem folgenden Beispiel liegt ein Produktionssystem mit zwei Faktoren, zwei Schadstoffen und einem Produkt zugrunde, wobei der Zusammenhang zwischen den zwei Faktorquantitäten rl und r2 sowie der Produktquantität x durch die Cobb-Douglas-Produktionsfunktion (2)

378

Wemer Dinkelbach

beschrieben wird. Die Schadstoffunktionen - hier als proportional zu den Faktorquantitäten unterstellt - lauten (3)

Unter der Annahme, daß eine feste Produktquantität x = 100 [PE) herzustellen ist, kann die Variable x bei der Definition der Technologie entfallen. Da zwischen den Variablen rl und SI einerseits sowie zwischen den Variablen r2 und 52 andererseits eineindeutige Beziehungen bestehen und da weiterhin keine Beschränkungen für Faktor- und Schadstoffquantitäten vorliegen, reicht es aus, die Technologie TMCD in den Variablen rl und r2 zu definieren: TM CD := {(;:)

e~ Isorl/3rY3 = wo}.

(4)

Die Technologie TMCD besteht - der traditionellen, auf Produktionsfunktionen (vgl. u. a. Schweitzer [Produktionsfunktionen), Schweitzer [Fertigungswirtschaft) 592 ff.) basierenden Produktionstheorie folgend - aus Faktorkombinationen, die sich als Produktisoquante im ~ darstellen lassen (Abb. 1). Diese Produktisoquante ist nichts anderes als die Altemativenmenge des nunmehr zu analysierenden Entscheidungs- bzw. Planungsproblems.

2,5

2,0

,

,,

,,

.......... ~ .......... .

,,

1,5

KF(rl , rl)

, , ..

= 45':!I. ~\ ~ '~\,

:

1,0

:

\ "I

: \ ...................... ·: ...... t ..... E

. :

0,5

S(rl, rl)'= 9,375 \

.

.

\: \ \ :

:

\

.~

\:

,,

,

~ O,O~-----r----~----~r-----~~---.----~

0,0

0,5

1,0

1,5

2,0

2,5

Abb. J: Cobb-Douglas-Teclmologie mit zwei konkurrierenden Zielfimktionen

Umweltpolitische Instrumente

379

Die Faktorpreise betragen 20,00 [GEIFE\) und 17,28 [GE~]. Damit kann die erfolgsorientierte Zielfunktion Z8 durch die zu minimierende Funktion der gesamten variablen Faktorkosten K'(r\,rz) := 20,00r\ + 17,28rz [GE]

(5)

konkretisiert werden. Hierbei handelt es sich - bei gegebener Produktquantität - um das bekannte Problem der Ermittlung einer Minimalkostenkombination. Die Produktquantität von 100 [PE] läßt sich zu einem festen Marktpreis von 55 [GE] verkaufen. Für die umweltorientierte Zielfunktion Zu existieren keine allseits bekannten und bewährten Konkretisierungen. In erster Annäherung, d. h. ohne Einbezug monetärer Bewertungen, lassen sich beispielsweise die insgesamt anfallenden Schadstoffquantitäten minimieren, wobei bei mehreren Schadstoffen - dimensionsbehaftete - Gewichtungen vorgenommen werden müssen, um zu einer einheitlichen Dimension, z. B. Schadstoffeinheiten [SE], zu kommen. Im folgenden steht die Summe der mit 1 [SE/SEd und 1 [SE/SE z] gewichteten Schadstoffquantitäten, d. h., S(r\,rz) := 1·6,25r\ + H,6rz [SE],

(6)

für die zu minimierende umweltorientierte Zielfunktion Zu.

Damit hat das Entscheidungmodell (VEM) für das vorliegende Beispiel folgendes Aussehen:

(7)

(VEMco)

bzw. (VEMco)

. !(20,OOf\ + 17,28fz) mm 6,25fl + 1,60f2

I 80fl

Z/3 1/3

fZ

1

= 100

.

(8)

Der Zielraum, d. h. die Menge aller erreichbaren Tupel der beiden Zielfunktionen, ist in Abb. 2 auf der folgenden Seite dargestellt. Die Punkte zwischen E und U sind effizient bezüglich (VEM), d. h., daß hier bei nur zwei Zielfunktionen und zugrundegelegter Cobb-Douglas-Technologie eine Erhöhung der Kosten (bzw. Schadstoffquantitäten) stets mit einer Reduktion der Schadstoffquantitäten (bzw. Kosten) verbunden ist bzw. eine Reduktion der Kosten (bzw. Schadstoffquantitäten) stets eine Erhöhung der Schadstoffquantitäten (bzw. Kosten) zur Folge hat. Die individuell optimalen Lösungen E und U lassen sich zeichnerisch bzw. marginalanalytisch bestim-

380

Wemer Dinkelbach

65

Abb.2: Zielraum einer Cobb-Douglas-Technologie mit zwei konkwrierenden Zielfunktionen

(rl,fl)

K(rl,r2)

S(rl,r2)

E

(1,5; 0,868)

45,000

10,764

U

(1,0; 1,953)

53,750

9.375

Abb.3: Wertetabelle

men. Sie sind gemeinsam mit dem Wert der jeweils anderen Zielfunktion in vorstehender Abbildung 3 zusammengestellt (vgl. auch Abb. 1). Der Zielkonflikt ist evident: Die minimalen Faktorkosten in Höhe von 45 [GE] steigen bei minimalem Schadstoffanfall auf 53,75 [GE]; der minimale Schadstoffanfall

Umweltpolitische Instrumente

381

von 9,375 [GE] steigt bei minimalen Faktorkosten auf 10,764 [SE] (vgl. Abb. 2). Bei beiden Lösungen ist ein positiver Gesamtdeckungsbeitrag erzielbar.

m. Das umweltpolitische Instrumentarium aus betriebswirtschaftlicher Sicht

Um die bei der Formulierung und Diskussion des vektoriellen Entscheidungsmodells (VEM) aufgezeigten Zielkonflikte zu lösen, kann man sich zum einen der Kompromißmodelle bedienen, wie sie in der Literatur vorgeschlagen und analysiert werden (vgl. u. a. DinkelbachlKleine [Elemente] 44 ff.). Zum anderen lassen sich umweltpolitische Instrumente heranziehen, wie sie in der Umweltökonomie, einem Zweig der Volkswirtschaftslehre, entwickelt wurden (vgl. u. a. Bonus [Umweltpolitik], Hansmeyer [Spektrum], Siebert [Ökonomie der Umwelt], Weimann [UmweltökonomikD. Sie werden seit einigen Jahren mit einem gewissen Selbstverständnis diskutiert. "When the environmental revolution arrived in the late 1960s, the economics profession was ready and waiting" (Cropper/Oates [Survey] 675). Oder: "Selten haben wir uns so sehr als Vordenker profiliert wie gerade in Umweltfragen; selten ein Problem so vollständig gelöst, selten aber auch in so fruchtloser Weise" (Streissler [Internationalisierung] 87). Im folgenden wird der Frage nachgegangen, welches der umweltpolitischen Instrumente für ein Unternehmen mit welchen Konsequenzen relevant werden kann. Ist es möglich, das eine oder andere Instrument vordenkend in betriebliche Planungsüberlegungen einzubeziehen? Inwieweit eignen sich diese Instrumente im Hinblick auf das Vermeidungsziel aus der Sicht eines Unternehmens? Die konstitutiven Komponenten eines Entscheidungsmodells - und damit auch aller Planungsmodelle - sind Zielfunktionen und Alternativenmengen, so daß es nahe liegt, sich im folgenden zunächst denjenigen Instrumenten zuzuwenden, die die Zielfunktionen tangieren, danach denjenigen, die die Alternativenmengen betreffen, und schließlich denjenigen, die sowohl Zielfunktionen als auch Alternativenmengen beeinflussen können.

1. Preissteuerung Das vielleicht bekannteste umweltpolitische Instrument ist die Preissteuerung oder auch Preislösung, die unmittelbar die erfolgsorientierten Parameter eines Unternehmens, d. h. deren Zielfunktion ZE, tangiert. Sie ist dadurch charakterisiert, daß nicht erwünschte Nebenfaktoren und nicht erwünschte Nebenprodukte monetär belastet werden, wobei man je nach spezieller Ausprägung und

382

Wemer Dinkelbach

je nach Standort von einer (Umwelt-)Abgabe, einer (Umwelt-)Gebühr, einer (Umwelt- oder Öko-)Steuer spricht (vgl. u. a. MackscheidtlEwringrnann/ Gawel [UmweltpolitikD. Wer nach welchen Kriterien Abgaben der erwähnten Art festsetzt, ist auf der einen Seite eine mehr oder weniger offene Frage, die auf der anderen Seite für diesen Beitrag jedoch ohne Belang ist. Ein einzelnes Unternehmen kann eine in Aussicht stehende Abgabe lediglich zur Kenntnis nehmen und versuchen, seinen Produktionsprozeß anzupassen, um unter den geänderten Rahmenbedingungen möglichst wirtschaftlich produzieren zu können. Da die Höhe einer Abgabe zunächst einmal unbestimmt ist, sind auch die Auswirkungen auf durch sie betroffene Unternehmen in hohem Maße unsicher, so daß Sensitivitätsanalysen gefragt sind. Im einfachsten Fall kann man davon ausgehen, daß alle nicht erwünschten Nebenprodukte eines Produktionssystems mit einer gleich hohen Abgabe h [GE/SE] belastet werden, so daß die gesamten Abgaben h· Zu [GE] von der erfolgsorientierten Zielfunktion ZE [GE] subtrahiert bzw. zu dieser addiert werden können. Damit ist entscheidungstheoretisch der Zielkonflikt des Entscheidungsmodells (VEM) durch eine Zielgewichtung - ZE wird mit 1 und Zu mit h gewichtet - gelöst. Für das eingeführte Beispiel ist etwa das folgende Komprornißmodell (eine skalare nichtlineare Optimierungsaufgabe) mit einer Abgabe auf die gesamte Schadstoffrnenge in Höhe von h [GE/SE] zu lösen:

~) min {V'A(rt, r2; h)

I 80r\213r2 = 100} \13

mit V'A(rt, r2; h) := 20r\ + 17,28r2 + h· (6,25r\ + 1,6r2)'

(9)

Die optimale Lösung dieses Komprornißmodells für h = 2 ist in Abb. 4 dargestellt; die Gesamtkostenisoquante V'A. (rb r2; 2) = 32,5rl + 20,48r2 = 65,823 berührt die Produktisoquante im PunktA mit den Koordinaten rl = 1,350 und r2 = 1,071. Im Vergleich zur (faktor-)kostenrninimalen Lösung E ist zunächst in bezug auf die Umweltorientierung festzuhalten, daß der Gesamtschadstoffanfall um S(1,5; 0,868) - S(1,35; 1,071) = 10,764 - 10,153 = 0,611 [SE] zurückgegangen ist, die Kosten jedoch von KF(l,5; 0,868) = 45

auf V'A. (1,35; 1,071; 2) = 65,823 [GE]

gestiegen sind, so daß das Unternehmen keinen positiven Deckungsbeitrag mehr erzielen kann und unter den hier betrachteten Annahmen seine Produktion einstellen muß.

383

Umweltpolitische Instrumente

,,

2,5

2,0

,, ,, ,

,

1,5

1,0

0,5

tPA(rl,r2j2)

,,

= 65,823 \ \ \ \

O,04-------r_-----r----~r_----_+------~----~

0,0

0,5

1,0

1,5

2,0

2,5

Abb.4: Preissteuerung im Ralunen einer umweltorientierten Cobb-Douglas-Technologie

Eine Sensitivitätsanalyse bezüglich h zeigt trivialerweise, daß mit steigendem h sich die jeweils optimale Lösung der schadstofIminimalen Lösung U nähert - was rur das betrachtete Beispiel ohne Interesse sein dürfte - und daß mit sinkendem h die jeweils optimale Lösung gegen die (faktor-) kostenminimale Lösung E strebt (vgl. Abb. 4). Analog zur kurzfristigen Entsorgungskostenobergrenze (vgl. DinkelbachlPiro [Entsorgung] 405) kann hier nach einer kurzfristigen Abgabenobergrenze ho gefragt werden, bei deren Überschreitung die variablen Gesamtkosten durch den Erlös des Produkts nicht mehr gedeckt werden. Für das vorliegende Beispiel sind die Werte fiir die Faktorquantitäten rl und r2 sowie rur die Abgabenobergrenze ho so zu finden, daß fiir die variablen Gesamtkosten gilt: It'A(rl, r2; ho) := (20 + 6,25ho) rl + (17,28 + 1,6ho) r2 = 55. Das Ergebnis lautet: ho = 0,946 mit rl = 1,415 und r2 = 0,976. M. a. W.: Übersteigen die Abgaben den Wert ho = 0,976 [GE/SE], dann können durch

384

Wemcr Dinkelbach

den Erlös des Produkts die Faktorkosten zuzüglich der Abgaben nicht mehr gedeckt werden. Es ist festzuhalten, daß für alle h > 0 die Existenz einer bezüglich (VEM) effizienten Produktion gesichert ist. Eine Umweltabgabe führt in diesem Beispiel zu einer Reduktion des Schadstoffanfalls verbunden mit einem Anstieg der Gesamtkosten. Dieses Ergebnis ist nur deshalb möglich, weil die unterstellte Cobb-Douglas-Technologie input-substitutional ist, d. h. eine gegebene Produktquantität mit mehr als einer Faktormengenkombination hergestellt werden kann. Bei einer inputlimitationalen Technologie, bei der eine gegebene Produktquantität mit nur einer einzigen Faktormengenkombination hergestellt werden kann, führt eine (Umwelt-)Abgabe zwar zu erhöhten Kosten des Unternehmens und zu erhöhten Einnahmen des Staates - sofern das Unternehmen seine Fertigung nicht einstellen muß -, aber nicht zu einer Reduktion des Schadstoffanfalls. "The high costs of achieving environmental improvements through tax policy limits the size of the tax that is practical from the perspective of equity and efficiency" (ChernicklBirner [Externality Valuation] 272). Wird ein Schadstoff auf der einen Seite als Nebenprodukt (als Output) aufgefaßt, lassen sich Umweltabgaben auch als negative Preise interpretieren (vgl. u. a. Debreu [Value] 33; Pethig [Allokation] 3). Wenn ein Schadstoff aber auf der anderen Seite keinen Erlös erwirtschaftet, sondern zusätzliche "Kosten" verursacht, könnte er - formal- auch als Faktor interpretiert werden, dessen Kosten im engeren Sinne allerdings nicht mehr als bewerteter sachzielbezogener Güterverzehr aufgefaßt werden können (vgl. u. a. Kloock/Siebenl Schildbach [Leistungsrechnung] 28; SchweitzerlKüpper [Erlösrechnung] 17).

2. Mengensteuerung Umweltpolitische Instrumente, die die Alternativenmenge, d. h. hier die Technologie, betreffen, werden als Mengensteuerung oder auch als Mengenlösung bezeichnet. Eine umweltpolitische Behörde legt in diesem Fall für bestimmte Schadstoffe wohl definierte Obergrenzen (Höchstmengen) für den Anfall zur kontrollierten Entsorgung bzw. den Ausstoß zur unkontrollierten Entsorgung in die natürliche Umwelt fest. "The fundamental difference of this approach from that of price regulation is that the regulatory and political processes focus directIy on the adoption of physical environmental goals rather than indirectly on these goals via pricing" (DudekIWilley [Overview] 336). Die gesamtwirtschaftliche Problematik einer im Hinblick auf die verfolgten Ziele sinnhaften FestIegung derartiger Obergrenzen - insbesondere für einzelne Unternehmen ist evident. Die "korrespondierende privatwirtschaftliche Größe muß als Erwartungsparameter den Anpassungsreaktionen der privaten Wirtschaftssubjekte überlassen werden" (Hansmeyer [Spektrum] 65).

Umweltpolitische Instrwnente

385

Bei einer Mengensteuerung erfolgt die Lösung des Zielkonfliktes, der durch das Entscheidungsmodell (VEM) beschrieben wurde, dadurch, daß lediglich die erfolgsorientierte Zielfunktion ZE extremiert wird und die andere umweltorientierte Zielfunktion Zu in Form einer Ungleichung (Obergrenze) der Alternativenmenge bzw. der Technologie hinzugefügt wird. Auch diese Vorgehensweise stellt in der multikriteriellen Entscheidungstheorie ein gängiges Kompromißmodell dar. Es wäre dasselbe Ergebnis auch erreichbar, wenn das Unternehmen von vornherein nicht die Schadstoffquantitäten minimieren möchte, sondern für diese eine Obergrenze - als Anspruchsniveau im Sinne eines Satisfizierungsziels - setzen würde, die nicht überschritten werden darf. Zur Lösung des bereits bekannten Beispiels mit Hilfe einer Mengensteuerung werden für beide Schadstoffe Obergrenzen festgelegt, und zwar SI

S 7,5 [SEIl

bzw.

S2

S 3,2 [SE2]

bzw.

rl S 7,5/6,25 = 1,2 [FEIl

r2 S 3,2/1,60 = 2,0 [FE2].

Damit lautet das zu lösende Kompromißmodell (eine skalare nichtlineare Optimierungsaufgabe):

In Abb. 5 ist die optimale Lösung dieser Aufgabe veranschaulicht: Im Punkt M mit rl = 1,2 und r2 = 1,356 schneidet die Kostenisoquante K!'(rJ, rz) = 47,437 die Produktisoquante im Schnittpunkt mit der Schadstoffisoquante SI = 7,5 (Randoptimum). Die Mengenbeschränkung für den zweiten Schadstoff ist redundant. Die gefundene Lösung zeigt die Wirkungen der Mengensteuerung deutlich auf: Gegenüber der kostenminimalen Lösung im Ausgangsfall geht der Gesamtschadstoffanfall von S(1,5; 0,868) = 10,764 auf S(1,2; 1,356) = 9,670 [SE] zurück, während die gesamten Faktorkosten von K!'(1,5; 0,868) = 45 auf K!'(1,2; 1,356) = 47,437 [GE] steigen. Trotz dieses "schönen" Ergebnisses ist daran zu erinnern, daß einerseits bei sehr hohen - d. h. redundanten - Obergrenzen trivialerweise keine umweltrelevanten Verbesserungen eintreten und daß andererseits bei extrem niedrigen Obergrenzen entweder keine bezüglich (VEM) effizienten Produktionen zulässig sind (im Beispiel für s\ < 6,25; vgl. Punkt U in Abb. 5) oder überhaupt keine zulässigen Produktionen mehr existieren, d. h. daß das Unternehmen seine Tätigkeit einstellen muß. M. a. W.: Bei einer Mengensteuerung ist im Gegensatz zur Preissteuerung die Existenz einer bezüglich (VEM) effizienten Produktion nicht gewährleistet. 2S FS Schweitzer

386

Wemer Dinkelbach

,,

2,5

,,

,,

,

,,

2,0 +----~-__\:-+----------

1,5

J(F(rl,

r2)

,,

= 47,437',

1,0

0,5

O,O+---~---,-~--r---,--~~r---~

0,0

0,5

1,0

1,5

2,0

2,5

Abb.5: Mengensteuerung im Rahmen einer umweltorientierten Cobb-Douglas-Tech-

nologie

3. Emissionszertifikate (Zertifikatssteuerung) Schließlich stehen hier umweltpolitische Instrumente zur Diskussion, die sowohl auf Zielfunktionen als auch auf Alternativenmengen eines Entscheidungsmodells einwirken, wobei jedoch nunmehr die Abgaben (preissteuerung) wie auch die Obergrenzen (Mengensteuerung) nicht als für Unternehmen unveränderbare Größen vorgegeben sind, sondern vielmehr die Unternehmen als Verursacher aufgrund eigener Entscheidungen. in gewissen Grenzen auf diese Parameter Einfluß nehmen können. Ein prominentes Beispiel einer solchen kombinierten Preis- und Mengensteuerung stellen Emissionszertiflkate dar. Ein Emissionszertiflkat (Umweltzertiftkat) ist ein auf einem Markt erwerbbares Recht, pro festgelegter Periode eine bestimmte Schadstoffquantität an die

Umweltpolitische Instrumente

387

natürliche Umwelt abzugeben; eine umweltpolitische Behörde gibt etwa fiir ein geographisch abgegrenztes Gebiet eine geeignete Anzahl von Emissionszertifikaten aus (vgl. u. a. Bartmann [Umweltökonomie] 149 ff., Cansier [Umweltökonomie], 192 ff., Cropper/Oates [Survey] 689 ff., HeisterlMichaelis [Umweltpolitik] 5 ff., Ventzke [produktionsplanung] 25 ff., Weimann [Umweltökonomie] 157 ff.). Eine umweltpolitische Steuerung mit Emissionszertifikaten kann in der Weise beginnen, daß alle in Frage kommenden Unternehmen eine kostenlose Grundausstattung (grandfathering) erhalten; reicht die dann vorliegende "Emissionskapazität" infolge zu hohen Schadstoffanfalls nicht aus, müssen weitere Emissionszertifikate auf dem Markt erworben werden, oder es muß der Produktionsprozeß im Hinblick auf einen geringeren Anfall an Schadstoffen, sofern dies technologisch möglich ist, angepaßt werden. Letzteres kann gegebenenfalls so weit getrieben werden, daß dann nicht mehr benötigte Emissionszertiflkate wieder veräußert werden können. Kommt ein Handel von Emissionszertiflkaten zustande, kann die zuständige Behörde durch Verknappung eine Reduktion des Gesamtanfalls des besagten Schadstoffs bewirken. Der Zielkonflikt zwischen erfolgs- und umweltorientierten Zielsetzungen ist rur das bereits eingefiihrte Beispiel nunmehr mit Hilfe von Emissionszertiflkaten zu lösen. Es bezeichne 8 die Anzahl der zu erwerbenden Zertifikate (8= 0, 1,2, ... ). Für die dann jeweils zugelassene Schadstoffquantität gelte etwa: SI

S;

5,625 + 2,58=: S18 [SEd

bzw.

r1 s; 0,9 + 0,48 [FE).

Aufgrund einer zur Verfiigung gestellten Grundausstattung ist es erlaubt, SIO = 5,625 [SEd des ersten Schadstoffs unkontrolliert zu entsorgen. Hiermit kann die konstante Produktquantität x = 100 mit einem minimalen Aufwand von 59,667 [GE] hergestellt werden, wenn davon ausgegangen wird, daß der zweite Schadstoff keinen Beschränkungen unterliegt (vgl. Punkt Zo in Abb. 6). Das Unternehmen kann Emissionszertifikate zu einem aktuellen Preis von q. = 6 [GE] pro Zertifikat kaufen, die jeweils einen zusätzlichen Ausstoß von 2,5 [SEd erlauben. Kann in diesem Fall durch Erwerb von Zertifikaten und die damit mögliche Produktionsanpassung in Richtung auf die (faktor-) kostenminimale Lösung (Punkt E) die geforderte Produktionsquantität kostengünstiger hergestellt werden? Beim Erwerb von 8 = 1 Zertifikat ergibt sich eine Obergrenze fiir den Schadstoffanfall von Sll = 5,625 + 2,5' 1 =8,125 [SEd. Die minimalen Gesamtkosten (Faktor- zuzüglich Zertifikatskosten) betragen in diesem Fall 51,97 [GE] (vgl. Punkt Z/ in Abb. 6), so daß ein positiver Deckungsbeitrag erzielt werden kann. Durch Kauf von beispielsweise 8 = 2 Zertifikaten kann die ursprünglich kostenminimale Lösung (vgl. Punkt E in Abb. 6) realisiert 25·

388

Wemer Dinkelbach

rl

2,5

= 0,9

("10

= 5,625)

2,0

1,5

rl

1,0

= 2,1

("13

= 13,125)

0,5

, O,O~------r---~~--~--.-~---.~~--,-----~

0,0

0,5

1,0

1,5

2,0

2,5

Abb. 6: Emissionszertiflkate im Rahmen einer wnweltorientierten Cobb-DouglasTechnologie

werden, allerdings zu Gesarntkosten von 45 + 2·6 = 57 [GE]. Dabei wächst der Anfall des ersten Schadstoffs auf 9,375 « 5,625 + 2,5 ·2= 10,625) [SEd an, während die Kosten durch den Erlös von 55 [GE] nicht mehr gedeckt werden können. Das zu lösende Kompromißmodell (eine gemischte ganzzahlige nichtlineare Optimierungsaufgabe) lautet für die skizzierte Problemstellung:

389

Umweltpolitische Instrumente

Diese Aufgabe läßt sich mühelos zeichnerisch lösen (vgl. Abb. 6). Die optimalen Lösungen sind exemplarisch für drei Preise in der nachfolgenden Abbildung 7 zusammengefaßt.

8

S16

0

5,625

Zo

(0,9; 2,411)

1

8,125

ZI

2

10,625

3

13,125

(r~(O), r;(O)

s;(O)

",i(8, qz) qz=O

qz=6

qz= 15

5,625

59,667

59,667

59,667

(1,3; 1,156)

8,125

45,970

51,970

60,970

E

(1,5; 0,868)

9,375

45

57

75

E

(1,5; 0,868)

9,375

45

63

90

Abb. 7: LösWlgen ftIr drei Preise

Die zweite Spalte dieser Tabelle enthält die Emissionsobergrenzen S]6 für den ersten Schadstoff beim Erwerb von 8 Zertifikaten (8 = 0, 1,2, ... ). In den weiteren Spalten befinden sich die jeweils von 8 abhängigen optimalen Lösungen, wobei die minimalen Werte der Kompromißzielfunktion 'Pi für drei verschiedene Zertiflkatspreise aufgelistet sind. Die Tabelle zeigt, daß erwartungsgemäß mit steigendem Zertiflkatspreis die bei jeweils optimaler Lösung anfallende Schadstoffquantität zurückgeht sowie die jeweils minimalen Gesamtkosten steigen. Zu bedenken ist allerdings, daß die kurzfristige Kostenobergrenze von 55 [GE] bei der hier gewählten Schrittweite für qz nur in wenigen Fällen nicht überschritten wird. Offensichtlich kommen bei der hier unterstellten Zertiflkatssteuerung nur die Punkte Zo, Z/ und E als optimale Lösungen in Frage (vgl. Abb.6). Alle Produktionen links von Zo (d. h. mit r/ < 0,9) sind bezüglich (VEM) ineffizient; sie fuhren zu höheren Kosten und zu größerem Schadstoffanfall als im Punkt Zo, der selbst ineffizient bezüglich (VEM) ist (vgl. Abb. 2), aber - wie gezeigt - optimale Lösung bei einer Zertiflkatssteuerung sein kann. Betrachtet man nur die Punkte zwischen Zo und Z/ (d. h. mit 0,9 < r/ :s: 1,3), dann ist Z/ gesamtkostenminimal. Der unterschiedliche Anfall des ersten Schadstoffs bleibt in der Kompromißzielfunktion ljIz unberücksichtigt. Für 1,3 'j

(14)

Lj ZKBS-ZBSUij = KA -ZBSUi

\>'i

(15)

Diese Summen verdeutlichen die Systematik und bieten eine Kontrollmöglichkeit, wenn auch keine Zusatzinformation. Die Zusatzinformation liegt in den Matrixelementen ZKBS-ZBSu selbst, also den fiir den Betriebsabrechnungsbogen benötigten Grunddaten. 3. Die einpolige Kostenartenbuchung

Neben den Kosten, bei denen sowohl die Kostenart als auch die Kostenstelle und der Kostenträger identifizierbar sind (Unterabschnitt 1), und den Kosten, bei denen sowohl die Kostenart als auch die Kostenstelle identifizierbar sind (Unterabschnitt 2), gibt es Kosten, bei denen einzig und allein die Kostenart identifizierbar ist. Das sind die "Gemeinkosten, die der jeweiligen Kostenstelle indirekt zugerechnet werden" (Weber [Einzel- und Gemeinkosten] 9). Die Buchungssystematik ist einfach: Die einzelnen Beträge werden nur der jeweiligen Kostenart zugerechnet. Die Attribute lassen sich wieder mit Hilfe der Objekttypen ordnen (Abbildung 5). Für den OT KOSTENART kommt nur das Attribut KA-EBSu fiir die Buchungssummen hinzu. Für die einpoligen Kostenartenbuchungen wird der derivative OT EKB eingerichtet, und zwar mit dem Eigenschlüssel EKBNR bzw. dem Index r, mit dem Fremdschlüssel KANR der Kostenart, mit EKB-Text als Buchungstext, sodann mit den Veränderungsattributen Datum und EKB-Betrag als Buchungsbetrag.

KANR(i)

EKBNR(r)

KA-Name

KANR(i r)

KA-DBSu

EKB-Text

KA-ZBSu

Datum

KA-EBSu

EKB-Betrag

Abb. 5: Objekttypen der einpoligen Kostenartenbuchung und ihre Attribute

Heiner Mtll\er-Merbach

510

Jede Buchung führt zu einer Erhöhung der Buchungssumme: KA-EBSu;:

= KA-EBSu; + EKB-Betrag~

(16)

Im Gegensatz zu der dreipoligen Kostenbuchung und der zweipoligen Kostenstellenbuchung erübrigt sich bei der einpoligen Kostenartenbuchung ein zusätzlicher Objekttyp von der Art des OT DKBS (Abbildung 3) und des OT ZKBS (Abbildung 4), da die Buchungssummen KA-EBSu keine weitere Aufspaltungsmöglichkeit innerhalb der Objekttypensystematik anbieten. 4. Die innerbetriebliche Leistungsverrechnung Üblicherweise werden zwischen den verschiedenen Kostenstellen Leistungen ausgetauscht, nicht nur zwischen den Hilfskostenstellen, sondern im Grunde auch zwischen allen anderen. Mit Hilfe der Verfahren der innerbetrieblichen Leistungsverrechnung werden die gegenseitig voneinander abhängigen Preise für die Leistungseinheiten bestimmt. Das geschieht durch Lösung eines lineareri Gleichungssystems bzw. mit Hilfe vereinfachender Umlageverfahren. Die innerbetriebliche Leistungsverrechnung dient nicht der Verbuchung einzelner kostenrelevanter GeschäftsvorflUle (wie in den Unterabschnitten 1, 2 und 3), sondern der periodenweisen Ermittlung von Veo-echnungspreisen, die gewöhnlich als maßgebend für die Folgeperiode verwendet werden, korrekterweise aber eigentlich zur Korrektur für die Buchungen der gegenwärtigen Periode dienen sollten. Dazu müßten sämtliche Buchungen, die von Verrechnungspreisen abhängig sind, durch zusätzliche Attribute gekennzeichnet sein. Die entsprechenden Korrekturen der Buchungen können am Periodenende vorgenommen werden, bei Bedarf aber auch - wenn auch mit vorläufigen Verrechnungspreisen - zu jedem beliebigen sonstigen Zeitpunkt. Die innerbetriebliche Leistungsverrechnung geht dabei teilweise der Betriebsabrechnung (Unterabschnitt 5) voraus, setzt andererseits aber teilweise die Ergebnisse der Betriebsabrechnung voraus. Man kann auch die innerbetriebliche Leistungsverrechnung gemeinsam mit der Betriebsabrechnung durchfuhren. Wie man es auch macht, erfordert die innerbetriebliche Leistungsverrechnung weitere Objekttypen und ein Bündel von zusätzlichen Attributen - sowohl bei den neu einzurichtenden als auch bei den vorhandenen Objekttypen (Abbildungen 2 bis 5), ohne daß hier Details vorgetragen werden. Als Rechenverfahren zur innerbetrieblichen Leistungsverrechnung sei hier mit Nachdruck für das Lösen von linearen Gleichungssystemen plädiert, was auf Computern keinerlei Schwierigkeiten bereitet. Die Umlageverfahren als vereinfachende Alternative sind - außer für besondere einfache zyklenfreie Strukturen - ungenau und insofern auch aufwendiger, als sie eine spezielle

Kostenreclmung und Datenbanken

511

Programmierung erfordern, während es für das Lösen linearer Gleichungssysteme Standardsoftware gibt.

5. Die Betriebsabrechnung Die Kostenstellen sind bereits mit den Einzelkosten der dreipoligen Kostenbuchung und den Gemeinkosten der zweipoligen Kostenstellenbuchung belastet. Es fehlt noch die Belastung mit den Gemeinkosten der einpoligen Kostenartenbuchung. Dazu werden plausible Verteilungsschlüssel eingesetzt. Zur Verteilungsrechnung dient der traditionsreiche Betriebsabrechnungsbogen. Nach der Belastung der Kostenstellen mit den Gemeinkosten der einpoligen Kostenartenbuchung werden kostensteIlenweise aus den Gemeinkosten und den Einzelkosten die Zuschlagsätze für die Zuschlagskalkulation bestimmt. Mit Hilfe dieser Zuschlagsätze werden dann in der zweiten Phase die Gemeinkosten aus den Kostenstellen zu den Kostenträgern übergewälzt. Üblicherweise gelten die für eine Periode berechneten Zuschlagsätze für die Kostenträgerkalkulation der Folgeperiode. Man kann aber auch die für eine Periode berechneten Zuschlagsätze nachträglich für die Kalkulation derselben Periode verwenden und entsprechende Korrekturbuchungen vornehmen - analog zu den Möglichkeiten der innerbetrieblichen Leistungsverrechnung (Unterabschnitt 4); diese korrigierende Rückwärtsanwendung wird allerdings bisher kaum realisiert, doch wäre sie technisch möglich. Zunächst werden die Gemeinkosten KA-EBSu der einpoligen Kosteruirtenbuchung von den Kostenarten i auf die Kostenstellen j umgelegt. Dazu wird der Betriebsabrechnungsbogen aufgebaut, d. h. eine Matrix der Umlagebeträge U-Betrag, für die die Summengleichung gelten muß: V'i

(17)

Die Umlagebeträge U-Betrag ergeben sich aus dem Verteilungsschlüssel U-Anteil, dessen Begründung (mit Mengengerüst) im Stammattribut U-Grund

niedergelegt ist (Abbildung 6):

U-Betragij : = KA-EBSuj * U-Anteilji

V'ij

(18)

Diese Umlagebeträge werden nun an den Kostenstellen j zusammengefaßt mit der Umbuchungssumme KS-UBSu:

KS-UBSuj : = 1) U-Betragij

V'j

(19)

512

Heiner MQller-Merbach

KANR(i)

KANR i

KSNR

KA-Name

KSNRO)

KS-Name

KA-DBSu

U-Grund

KS-DBSu

KA-ZBSu

U-Anteil

KS-ZBSu

U-Betrag

KS-UBSu

KA-EBSu

KS-ZSatz

Abb. 6: Objekttypen der Betriebsabrechnung und ihre Attribute

Daraus lassen sich nun die Zuschlagsätze für die Kostenstellen bestimmen. Dazu werden die direkt zugerechneten Gemeinkosten KS-ZBSu der zweipoligen Kostenstellenbuchung und die umgelegten Gemeinkosten KS-UBSu der einpoligen Kostenartenrechnung zu den Einzelkosten KS-DBSu in Beziehung gesetzt. Es ergibt sich der Zuschlagsatz KS-ZSatz:

KS-ZSatZj : = (KS-ZBSuj + KS-UBSuj)IKS-DBSuj

V'j

(20)

In der herkömmlichen Betriebsabrechnung wird (mehr oder weniger stillschweigend) davon ausgegangen, daß für jede Kostenstelle nur eine einzige Einzelkostenart ausgewiesen wird, die dann die Basis für die Zuschlagsätze bildet. An diese Tradition ist hier angeknüpft worden. Gleichwohl läßt die Datenbanksystematik eine Differenzierung der Einzelkosten für jede Kostenstelle zu. Dazu müßte ein weiterer derivativer Objekttyp eingeführt werden. 6. Die Zuschlagskalkulation Nach der Bestimmung der Zuschlagsätze mit Hilfe der Betriebsabrechnung folgt mit der Zuschlagskalkulation der nächste und abschließende Schritt. Es lassen sich mit den Zuschlagsätzen KS-ZSatz der Kostenstellen die Gemeinkosten zuordnen. Das erfordert weitere Attribute, insbesondere für den OT KOSTENTRAGER, und läßt sich (analog zu den Abbildungen 2 ff.) in der Systematik der relationalen Datenbanken fortsetzen, worauf hier jedoch verzichtet wird.

Kostenrechnung und Datenbanken

513

7. Das Prinzip der Matrixbuchhaltung

Im Zusammenhang mit der dreipoligen Kostenbuchung (Unterabschnitt 1) und der zweipoligen Kostenstellenbuchung (2) wurden die Prinzipien der funktionalen Kontorechnung (Thoms [Kontorechnung], vgl. auch Müller-Merbach [Kontorechnung]) bzw. der Matrixbuchhaltung auf die Kostenrechnung übertragen. Damit wurden Einzelsummen festgehalten, die in der herkömmlichen Kostenrechnung verlorengehen. Man braucht diese Zwischensummen nicht notwendigerweise, denn die bisherige Kostenrechnung ist auch ohne sie ausgekommen. Andererseits ermöglichen diese Zwischensummen weitere Einsichten in die betrieblichen Zusammenhänge, die bisher nicht genutzt werden.

IV. Zukunft des IKT-gestützten Rechnungswesens Die Informations- und Kommunikationstechnik (lKT) ist eine Herausforderung für das Rechnungswesen - in Theorie und Praxis. Einerseits kann man die IKT-Geräte als Instrumente zur Rationalisierung des Rechnungswesens verwenden, d. h. zur Beschleunigung und Sicherung der herkömmlichen Buchungsvorgänge. Andererseits bietet die IKT gewaltige Möglichkeiten, das Rechnungswesen - und nicht nur die Kostenrechnung - in seiner Leistungsfähigkeit auszubauen, die Systematik zu rekonstruieren und dabei eine reichhaltigere Informationsbasis für Entscheidungen unterschiedlichster Art zu schaffen. Das Rechnungswesen wird durch die IKT-Entwicklung erneut zu einem wissenschaftlich und praktisch spannenden Arbeitsgebiet.

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33 FS Schweitzer

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Kostenrechnung fUr Produktionsoptionen von Ernst Troßmann, Universittit Hohenheim

I. Die Rolle von Produktionsoptionen in einer entscheidungsorientierten

Kostenrechnung ......................................................................................... 518

II. Die kostenrechnerische Bewertungsproblematik bei einer Produktionsoption 520 1. Einfilhrendes Beispiel einer Produktionsoption ......................................

520

2. Möglichkeiten zur direkten Bewertung der Produktionsoption ............ ...

523

III. Indirekte Bewertung der Produktionsoption nach dem Vorbild der Wert-

papieroption .............................................................................................. 525 1. Analogie zentraler Elemente von Produktions- und Wertpapieroptionen

525

2. Berechnung des Optionswertes ..............................................................

529

3. Interpretation des Optionswertes ............................................................ 531 IV. Entscheidung über Produktionsoptionen mit kostenrechnerischen Bewertungsgrößen ............................................................................................... 534 1. Vergleichende Kennzeichnung direkt und indirekt ermittelter Options-

werte ..................................................................................................... 534

2. Anwendung von Optionswerten in Entscheidungskriterien fll.r Produktionsoptionen ......................................................................................... 537

V. Besonderheiten der kostenrechnerischen Beurteilung typischer Produktionsoptionen ........................................ ........ ....................... ............... ........ ... ... 538 1. Arten von Produktionsoptionen ............ ................... ............... ......... ... ....

538

2. Optionen auf das spätere Erbringen von Vorleistungen ..........................

541

3. Optionen auf spätere Kapazitätsnutzung ................................................

542

VI. Konsequenzen des Konzepts der Produktionsoptionen fll.r die Grenzpreiskalkulation ................................................................................................ 544

518

Ernst Troßmann

I. Die Rolle von Produktionsoptionen in einer entscheidungsorientierten Kostenrechnung Einer der zentralen Zwecke der Kostenrechnung ist es, für produktionsbezogene Entscheidungen Kalkulationswerte bereitzustellen (vgl. Schweitzerl Küpper [Systeme] 162). Sie sollen typische, für viele Fälle relevante Positionen umfassen. Dies wird dann erleichtert, wenn eine weitgehend isolierte Alternativenbeurteilung möglich ist. Davon geht man in vielen Kostenrechnungskonzepten aus. So ermittelt man die Kosten eines Gutes dadurch, daß man seine Produktion zunächst lediglich mit der Nichtproduktion vergleicht. Über dem Bemühen um eine möglichst umfassende, generelle Informationsbereitstellung kann man indessen leicht in Gefahr kommen, die Erfordernisse der situationsbezogenen Alternativenabhängigkeit der Kostenberechnungen zu vernachlässigen. Aus der Produktions- und Kostentheorie ist bekannt, in welchen Fällen genauer vorzugehen ist (vgl. zum Überblick Schweitzer [produktion) und [produktionsfunktionen)), um Interdependenzen, die aus der Bedienung des gleichen Absatzmarktes oder der gemeinsamen Nutzung der gleichen knappen Kapazitäten herrühren, zu erfassen. Damit ist aber die Standard-Vorgehensweise der Kostenrechnung nicht grundsätzlich in Frage gestellt. Denn vielfach können Interdependenzen nachträglich als Deckungsbeitragsänderungen berücksichtigt werden. Zum üblichen Repertoire des Kostenrechners gehört es, bei gemeinsamen Kapazitätsrestriktionen die bei der Herstellung eines Produkts verdrängten Deckungsbeiträge als Opportunitätskosten zu erfassen. Damit wird anstelle der Nichtproduktion eine Alternativproduktion mit dem kalkulierten Produkt verglichen (vgl. z. B. Schweitzerl Küpper [Systeme] 454 f.). Die in der Kostenrechnung auf diese Weise berücksichtigten Fälle sind in der Regel durch eine statische Betrachtung gekennzeichnet: Die Handlungsmöglichkeiten liegen vor; auf ihrer Basis kann entschieden werden. Nun spielt bei einem häufig vertretenen Typ von Produktions- und Absatzentscheidungen aber auch die zeitliche Abfolge eine besondere Rolle. Zu entscheiden über die Produktion ist jetzt; ob sich die Entscheidung als gut erweist, hängt allerdings von der weiteren Entwicklung ab. Problematisch wird dies nicht nur wegen der allgemeinen Unsicherheit über das Eintreffen von Prognosen, sondern insbesondere durch eine Unvollständigkeit im Informationsstand. So ist vielfach über die Produktionsbereitschaft für ein Produkt zu entscheiden, noch ehe bekannt ist, ob sie durch eine hinreichend große Absatzmenge gerechtfertigt wird. Solche Fälle wären in der Kostenrechnung typischerweise am ehesten mit Hilfe einer Break-even-Analyse zu erfassen. Grundidee ist, die Mindestmenge für die Vorteilhaftigkeit einer Produktionsaufnahme zu berechnen. Je

Kostenrechnung flIr Produlctionsoptionen

519

nach Datenlage mag so eine brauchbare Entscheidungsgrundlage gefunden werden (vgl. Schweitzerffroßmann [Break-even-Analysen)). In einem anderen Problemzugang kann man die Entscheidung für die Herstellung einer Produktionsbereitschaft verallgemeinert als Kauf einer Option verstehen. Diese Interpretation wird seit einigen Jahren vor allem in der USamerikanischen Literatur immer wieder angesprochen (vgl. z. B. Kester [Options], zum Überblick Brea1eylMyers [principles] 589 ff. und ausführlich vor allem DixitlPindyck [Investment)). Die Fixkosten entsprechen dem Kaufpreis der Option; sie ermöglichen die spätere Herstellung des Produkts zu den (günstigeren) variablen Kosten. Wie weit diese Option dann ausgenutzt wird, hängt von der tatsächlichen Nachfrage ab. Diese Analogie von Fixkostenentscheidung und Erwerb einer Produktionsoption ist naheliegend und überrascht nicht. Bei genauerer Analyse derartiger Entscheidungssituationen stellt sich heraus, daß bei anderer Interpretation auch die entgegengesetzte Handlungsmöglichkeit zum Aufbau einer Produktionsbereitschaft als Option angesehen werden kann: Die Option besteht dann in einem Offenhalten der Lage, verbunden mit der (anderweitig eben nicht vorhandenen) Möglichkeit, die Produktionsbereitschaft später aufzubauen. Je nach Informationsstand ist die eine oder die andere dieser beiden äquivalenten Interpretationen zweckmäßiger. Die zweite Sichtweise erscheint vielleicht auf den ersten Blick als nicht so eingängig. Sie ermöglicht aber eine breitere Anwendung des Optionsgedankens. Auch das Beispiel im nachfolgenden Kapitel wählt diesen Ausgangspunkt. Interessant wird die Interpretation typischer kostenrechnerischer Entscheidungsprobleme als Option durch zwei Aspekte. Zum einen erlaubt sie mitunter einen klareren Blick auf die Entscheidungssituation: Die Alternative zur jetzigen Aufnahme der Produktion ist nur unzureichend durch ihr Unterlassen erfaßt. Vielmehr ist es vielleicht eine spätere Produktionsaufnahme, eine andere Art der Produktionsaufnahme oder auch der völlige Verzicht darauf. Je nach Fall sind die Opportunitätskosten eines Verzichts auf die jetzige Produktionsaufnahme in der beabsichtigten Art unter Umständen nicht unerheblich und für die Kostenberechnung jedenfalls unverzichtbar. Der zweite Aspekt, der für eine Entscheidungsanalyse über die Sichtweise der Produktionsoptionen spricht, ist die Möglichkeit, eine Reihe unterschiedlicher Entscheidungssituationen kostenrechnerisch auf einheitliche Weise zu betrachten. Dies mag auch rur solche Fälle die Anwendung eines strukturierten Berechnungsrahmens erlauben, die aus dem üblichen Spektrum der kostenrechnerisch standardartig behandelten Produktionsentscheidungen herausfallen. In den folgenden Abschnitten wird zunächst ein typisches Beispiel ausfuhrlicher behandelt. Dann werden alternative Rechenkonzepte zu Produktions-

520

Ernst Troßmarm

optionen verglichen. Anschließend folgt ein Überblick über die wichtigsten Arten von Produktionsoptionen.

ll. Die kostenrechnerische Bewertungsproblematik bei einer Produktionsoption 1. Einführendes Beispiel einer Produktionsoption Nachfolgend sei ein Beispielfall untersucht, der in seiner Grundstruktur einem Fall ähnelt, den bereits Riebei beschrieben hat, allerdings fiir einen anderen Zweck (vgl. Riebei [Einzelkostenrechnung] 544 ff.). Betrachtet wird eine Transportunternehmung. Zu einem bestimmten Zeitpunkt fragt ein Kunde an, ob ein Transport von A nach B übernommen werden könne. Er erwartet eine alsbaldige Antwort, um erforderlichenfalls noch anderweitig disponieren zu können. Der Erlös fiir diesen Auftrag würde sich auf 4.000,-- DM belaufen; er ist nach oben nicht weiter verhandlungsfllhig. Die Kosten dieses Auftrags setzen sich aus auftragsfixen und -variablen Summanden zusammen. Zu ersteren gehören beispielsweise fixe Einsatzkosten fiir den eingesetzten LKW, etwa eine Nachreinigung oder eine fahrtspezifische Inspektion, ferner die Kosten der Beschaffung erforderlicher Auftragspapiere und Genehmigungen, einzelne Straßenbenutzungsgebühren sowie die Tagesspesen ("Auslösesummen") fiir Fahrer und Begleitpersonal. Die variablen Kosten sind u. a. sowohl entfernungs- als auch ladungsabhängig. Sie ergeben sich aus der Hinfahrt mit der Ladung zum Zielort B sowie der Rückfahrt nach A als Leerfahrt (zu Beispielen fiir die Einzelheiten der Kostenberechnung vgl. Riebei [Einzelkostenrechnung) 547 ff.). Da der Auftrag nur insgesamt angenommen oder abgelehnt werden kann, sind fiir das weitere nur seine Gesamtkosten relevant. Sie mögen sich auf 5.000,-- DM belaufen. Damit würde der Auftrag einen negativen Deckungsbeitrag von -l.000,-- DM erwirtschaften. Mit der üblichen Argumentation wäre er abzulehnen. Nun ist es möglich, daß nach der Entscheidung über den eben betrachteten Auftrag I über einen Auftrag 11 zu befinden ist, etwa einen Transport von A nach C. Nach den gleichen Grundlagen wie eben besprochen ermittelt man fiir ihn einen Erlös von 13.000,-- DM sowie zurechenbare Kosten von 12.780,-- DM. Mit einem Deckungsbeitrag von +220,-- DM wäre dieser Auftrag, für sich betrachtet, zwar nicht unbedingt abzulehnen, aber auch nicht besonders lukrativ. Hätte man allerdings beide Aufträge angenommen, so könnte folgende gemeinsame Transporttour realisiert werden, soweit - was hier vorausgesetzt werden soll - die Ladekapazität des LKW ausreicht: Die Orte Bund C sind,

521

Kostenrechnung fiIr Produktionsoptionen

wie Abb. 1 zeigt, so gelegen, daß sich eine Rundfahrt von A nach C über B anbietet. Die Fahrt urnfaßt zunächst die Gesamtladung; in B wird die Ladung des Auftrags I entladen, in C die des Auftrags 11; von C nach A fährt der LKW leer. Für diese gemeinsame Tour sind die Kosten u. a. wegen der veränderten Transportmenge und der neuen Gesamtroute neu zu berechnen. Es ergibt sich insgesamt ein Betrag von 15.000,-- DM. Die Erlöse sind demgegenüber unverändert, da Fahrtroute und Zusatzbeladung die Kunden nicht tangieren. Somit erhält man für die gemeinsame Tour nunmehr einen positiven Deckungsbeitrag von 4.000,-- DM + 13.000,-- DM - 15.000,-- DM = 2.000,-- DM. Abb. 1 zeigt die einzelnen Positionen in einer Gesamtübersicht im Zusammenhang.

AuftragsausfOhrung

isolierte Touren

Auftrag

gemeinsame Tour

11

I und 11

A~C~A

A~B~C~A

Tour

A~B~A

Erlös

4.ooo,-DM

13.ooo,-DM

17.ooo,-DM

Kosten

5.ooo,-DM

12.780,-DM

15.000,-DM

Deckungsbeitrag

-1.000,- DM

+220,-DM

+2.000,-DM

Abb.1: Entscheidungsproblematik im Tourenbeispiel

Welche Schlüsse kann man aus diesem Beispielfall ziehen? Zunächst ist es die Erkenntnis, daß bei der Berechnung von Kosten und Deckungsbeiträgen eines Auftrags die Produktionslage von ausschlaggebender Bedeutung sein kann. So zeigt Auftrag 11 isoliert einen Deckungsbeitrag von nur 220,-- DM. Wird er aber als Folgeauftrag von Auftrag I zusätzlich angenommen, lassen sich folgende Zusatzkosten auf ihn zurückführen: Kosten für die jetzt mögliche Rundtour: - bisher berechnete Kosten für Auftrag I: Zusatzkosten für Auftrag 11:

15.000,-- DM - 5.000,-- DM 10.000,-- DM

Mit dem Zusatzerlös von 13.000,-- DM für Auftrag 11 erhält man also einen Deckungsbeitrag von 3.000,-- DM. Je nach vorheriger Auftragslage erzielt der gleiche Auftrag 11 also entweder 220,-- DM oder 3.000,-- DM als Deckungsbeitrag. Diese Abhängigkeit der Deckungsbeitragszurechnung von den bereits

522

Ernst Troßmann

getroffenen vorherigen Entscheidungen zu demonstrieren, war einer der Zwecke des ursprünglichen analogen Tourenbeispiels von Riebei (vgl. Riebei [Einzelkostenrechnung] 565). Dazu braucht nicht unbedingt einer der Deckungsbeiträge bei isolierter Auftragserfiillung negativ zu sein (tatsächlich sind sie bei Riebei beide positiv). Ein zusätzliches Interesse zieht ein solcher Fall freilich dann auf sich, wenn wie hier der isolierte Deckungsbeitrag des ersten eintreffenden Auftrags negativ ist, also eine Ablehnung des Auftrags nahelegt. Dann fragt sich, nach welchem finanziellen Kriterium er dennoch angenommen werden kann. Nun bringt er in der Tat einen Verlust, solange kein weiterer Auftrag die Fahrt lohnend macht. Deshalb kann sich ein rechnerischer Vorteil des Auftrags I nur zeigen, wenn man die Möglichkeit der späteren Ergänzung um einen Auftrag 11 berücksichtigt. Mit der Annahme des Auftrags I erwirkt man nicht nur den Anspruch auf den zugehörigen Erlös des Auftrags I, sondern insbesondere auch die Möglichkeit, einen Auftrag vom Typ 11 kostengünstig zu produzieren. Ob diese Möglichkeit aber überhaupt ausgenutzt werden kann, hängt davon ab, ob ein Auftrag 11 eintrifft. Da dies nicht sicher ist, erwirbt man mit der Annahme des Auftrags I ein risikobehaftetes Geschäft. Je nach Eintrittswahrscheinlichkeit eines Auftrags 11 ist es mehr oder weniger erfolgsträchtig. Dieses Geschäft kostet zunächst 5.000,-- DM und erbringt schlechtestenfalls insgesamt nur einen Erlös von 4.000,-- DM. Nimmt man den Auftrag I und das mit ihm verbundene risikobehaftete Geschäft nicht an, bedeutet dies nicht gleichzeitig auch einen endgültigen Verzicht auf einen später eintreffenden Auftrag 11. Da keinerlei Vorleistungen erbracht wurden, braucht man die Entscheidung über seine Annahme erst dann zu treffen, wenn er vorliegt. Dabei wird man die Differenz der kompletten Produktionskosten zum Erlös mit den sich dann anderweitig bietenden Gelegenheiten vergleichen und je nach Ergebnis den Auftrag annehmen oder nicht. Die bei Ablehnung des Auftrags I entstehende Situation läßt sich somit insgesamt als Option auf ein Offenhalten der Möglichkeiten verstehen: Man verzichtet darauf, bereits jetzt Vorleistungen fiir einen Auftrag zu erbringen, dessen Eintreffen fraglich ist, und behält es sich vor, die erforderlichen Produktionsleistungen später doch noch zu erbringen. Wie günstig die Annahme des Auftrags I ist, hängt damit vom Wert dieser Produktionsoption ab. Mit der Wahl von Auftrag I verzichtet man auf diese Produktionsoption. Damit entgeht der Wert, den sie verkörpert. In eine Beurteilung von Auftrag I müßte somit dieser Alternativerfolg eingehen, z. B. kann er als Opportunitätskostenbetrag vom Ergebnis des Auftrags I abgezogen werden.

Kostenrechnung fllr Produktionsoptionen

523

2. Möglichkeiten zur direkten Bewertung der Produktionsoption Zur Bewertung der beschriebenen Produktionsoption gibt es zwei Möglichkeiten: -

die direkte Bewertung über eine unmittelbare Prognose der denkbaren künftigen Auftragslage; sie kann auf die Prognose der Optionsnutzung beschränkt werden;

-

die indirekte Bewertung nach dem Vorbild der Theorie fur Wertpapieroptionspreise.

Für eine direkte Prognose sind zunächst die Transportaufträge einzugrenzen, die überhaupt sinnvoll mit Auftrag I zu einer Gesamttour kombiniert werden können. Im nächsten Schritt ist eine Wahrscheinlichkeit zu prognostizieren, mit der eine derartige Auftragsergänzung innerhalb des relevanten Zeitraums eintreffen kann. Zur Prognose solcher Eintrittswahrscheinlichkeiten können Häufigkeitsverteilungen früherer Aufträge fur abgegrenzte vergangene Zeiträume hilfreich sein, wenn sie die hier relevanten Merkmale wie Absendeund Empfangsort sowie Auftragsvolumen enthalten. So kann man eine Wahrscheinlichkeitsverteilung passender zusätzlicher Aufträge unterschiedlichen Volumens und unterschiedlicher Tourenführung zusammenstellen. Hieraus sind folgende Größen zu berechnen: - die Wahrscheinlichkeit dafur, daß überhaupt rechtzeitig eine passende Auftragsergänzung zu Auftrag I eintrifft, - der (bedingte) Erwartungswert der Erlöse fur den oder die Einzelaufträge dieser Auftragsergänzung, - der (bedingte) Erwartungswert der Kosten bei gemeinsamer Ausführung mit Auftrag I in einer Rundtour, - der (bedingte) Erwartungswert der Kosten bei isolierter Ausführung. Die drei letztgenannten Werte gelten unter der Bedingung, daß eine passende Auftragsergänzung eintrifft. Zur sprachlichen Vereinfachung soll im folgenden die mögliche Auftragsergänzung als "Auftrag ll" bezeichnet werden, unbeschadet dessen, daß sie aus mehreren Teilaufträgen bestehen kann und die Auftragsdaten lediglich Erwartungswerte sind. Für die Argumentation ist dies (zumindest bei risikoneutraler Zielvorstellung) unerheblich. Als konkrete Werte fur den Beispielfall sei angenommen, daß Auftrag II Zusatzerlöse von 13.000,-- DM erbringt und die Kosten einer isolierten Erfiillung bei 12.780,-- DM, die einer mit Auftrag I kombinierten insgesamt bei

524

Ernst Troßmann

15.000,-- DM liegen. Diese Werte wurden bereits im obigen Einführungsbeispiel verwendet.

Damit ist eine Gesamtbeurteilung der Produktionsoption einerseits sowie der Annahme des Auftrags I und des damit verbundenen Risikogeschäfts andererseits möglich. Abb. 2 zeigt die relevanten Zahlen tabellarisch.

~

Alternative

Auftrag 11 trifft ein

Auftrag 11 trifft nicht ein

A: Auftrag I wird angenommen

• •



disponierte Kosten Ergebnis + Erlös Auftrag I + Erlös Auftrag 11 - Erhöhung der Produktionskosten zustandsabhängiges Ergebnis Gesamtdeckungsbeitrag

0: Auftrag I wird nicht angenommen

• •



disponierte Kosten Ergebnis + Erlös - Kosten Gesamtdeckungsbeitrag

Eintrittswahrscheinlichkeit

5.000,- DM

5.000,-DM

4.000,-DM 13.000,- DM -10.000,- DM + 7.000,- DM

4.000,- DM

+ 4.000,-DM

+ 2.000,- DM

-1.000,- DM

13.000,- DM - 12.780,- DM + 220,-DM

45 %

-

O,-DM 55 %

Abb. 2: Kosten Wld Erlöse der Handlungsalternativen im Tourenbeispiel

Der Erwartungswert fiir die Option beträgt bei einer Eintrittswahrscheinlichkeit des Auftrags 11 von 45 %: ·45 %. 220,-- DM + 55 % . 0>- DM 99,-- DM gegenüber 45 % ·2.000,-- DM + 55 % . (-l.000,--) DM

fiir die Annahme des Auftrags I.

350,-- DM

Kostenrechnung filr Produktionsoptionen

525

Für einen risikoneutralen Entscheidungsträger ist damit eine Entscheidungsgrundlage gegeben: Er wird den Auftrag I annehmen und damit zwangsläufig in das Risikogeschäft einsteigen, das auf ein Eintreffen eines Auftrags 11 spekuliert. Die Produktionsoption, ggf. später die gesamten und etwas höheren Produktionskosten für Auftrag 11 zu tragen (dies aber nur dann, wenn er eintrifft), erscheint ihm weniger reizvoll. Soweit der Entscheidungsträger risikoavers oder risikofreudig (oder beides abschnittsweise) ist, wäre dies in einer entsprechenden Zielvorschrift zu präzisieren, etwa mit Hilfe des J.1-cr-Prinzips, einer Risikonutzenfunktion oder anderer Vorgaben. Die Lösung des Falls wäre insgesamt formal analog. Allerdings müßten aus den Wahrscheinlichkeitsverteilungen der potentiellen Zusatzaufträge die erforderlichen Entscheidungsparameter, etwa die Varianz, zusätzlich berechnet werden. Für die weitere Argumentation in diesem Beitrag sei vorausgesetzt, daß der mögliche Auftrag 11 tatsächlich ein einheitliches Ganzes mit feststehenden Ausprägungen ist. Daher gibt es nur zwei relevante Zustände: Auftrag 11 trifft ein oder nicht. Diese Voraussetzung vereinfacht die formale Behandlung und läßt dennoch das allgemeine Prinzip erkennen.

ill. Indirekte Bewertung der Produktionsoption nach dem Vorbild der Wertpapieroption 1. Analogie zentraler Elemente von Produktions- und Wertpapieroptionen Auf Finanzmä.rkten ist der Handel mit Optionen und damit ihre Bewertung nichts Ungewöhnliches. Mit dem hier behandelten Fall am ehesten vergleichbar ist eine Kaufoption rur ein Wertpapier, etwa eine Aktie. Sie erlaubt es, zu einem späteren Zeitpunkt eine Aktie zu einem heute schon feststehenden Basispreis zu erwerben. Ob dies allerdings ein Vorteil ist, hängt vom dann geltenden, heute noch unbekannten Kurs der Aktie ab. Man wird die Kaufoption ausüben, wenn der Kurs über dem Basispreis liegt, und als Gewinn die Differenz daraus realisieren. Im umgekehrten Fall verzichtet man auf die Nutzung der Option und kann die Aktie ggf. direkt erwerben. Für die Chance, die eine derartige Kaufoption bietet, ist ein Optionspreis zu entrichten. Seine Festlegung bzw. Beurteilung ist deshalb nicht ganz einfach, weil die Option ein Risikogeschäft verkörpert. Dies erfordert eigentlich eine Risikoanalyse mit Ermittlung einer Wahrscheinlichkeitsverteilung nach dem oben für die Produktionsoption dargestellten Muster. Für die Kaufoption einer Aktie bietet sich aber eine naheliegende andere Möglichkeit: Die Aktie selbst wird ebenfalls heute angeboten und hat einen aktuellen Kaufkurs. Sie stellt ebenfalls ein Risikopapier dar: der Kurs kann

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Ernst Troßmann

steigen oder fallen. Damit drückt der heutige Aktienkurs implizit eine Bewertung der teilweise gleichen Risikosituation aus, die auch fiir die Option besteht. Dies kann man sich bei der Bewertung der Option zunutze machen; es erspart eine eigene Risikoanalyse. Andererseits ist die Option nur teilweise risikobehaftet. Bis zum Ende der Optionsfrist wird der mögliche Aktienkauf in jedem Fall aufgeschoben (als Analogie wird hier lediglich die sogenannte europäische Option betrachtet, die nur zum Fälligkeitstermin ausgeübt werden kann). Zumindest fiir diesen Teil ist sie eher mit einer Finanzanlage zu vergleichen, die man anstelle des Aktienerwerbs tätigen kann. Ihr Erfolg hängt nicht von der Kursentwicklung der Aktie ab, die Verzinsung ist insofern "risikolos". In gewissem Sinn stellt die Option eine Mischung aus dem sofortigen Aktienkauf und der Finanzanlage dar. Dies führt zur Idee, eine Bewertung der Option aus den bekannten Preisen dieser beiden Grenzpositionen zu ermitteln. Dabei handelt es sich um den Preis, der bei konsistenter Bewertung fiir die Option auf dem Markt gelten müßte. Weicht der tatsächliche Preis davon ab, sorgen Arbitragegeschäfte fiir einen entsprechenden Marktdruck hin zum Gleichgewichtspreis. Dieser Optionspreis ist unabhängig von den persönlichen Wahrscheinlichkeitsabschätzungen und Präferenzurteilen des Entscheidungsträgers. Er drückt vielmehr implizit die Einschätzungen aus, die generell auf dem entsprechenden Markt gelten. Seine Berechnung basiert darauf, diese impliziten Bewertungen zu ermitteln (vgl. die allgemeine Literatur zur Optionspreisbewertung, zur hier gewählten Vorgehensweise insbesondere Kruschwitz [Finanzierung] 293 ff. sowie KruschwitzlSchöbel [Optionspreistheorie)). Nun stehen bei einer Produktionsoption in der Regel keine Alternativen eines Marktes mit einheitlicher Bewertung zur Wahl, wie bei Kaufoptionen eines börsennotierten Wertpapiers. Deshalb kann sich eine Übertragung der Optionspreisbewertung nur am L6sungsprinzip fiir ein verallgemeinertes, gemeinsames Grundproblem orientieren: - Es gibt eine Handlungsmöglichkeit A, deren Erfolg vom Eintritt bestimmter Zukunftssituationen abhängt. In diesem Sinne ist sie risikobehaftet. - Es gibt eine andere Handlungsmöglichkeit S, deren Erfolg von diesen Zuständen gerade unabhängig ist. In diesem Sinne ist sie risikolos, "sicher". - Es gibt eine Handlungsmöglichkeit 0, die Option, bei der eine vorher eingeräumte Wahlmöglichkeit bei Eintritt der erfolgsbestimmenden Zustände so ausgenutzt werden kann, daß sich ein anderes Ergebnis einstellt als bei Handlungsmöglichkeit A. Während fiir die anderen beiden Handlungsmöglichkeiten ein Einstandspreis bekannt ist, muß er fiir die Option erst bestimmt werden.

Kostenrechnung fIlr Produktionsoptionen

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Im Wertpapierbeispiel ist Ader Aktienkauf, S die gewöhnliche Geldanlage und 0 die Kaufoption fiir die Aktie. Die unterschiedlichen Zukunftszustände ergeben sich durch die Kursentwicklung der Aktie. Für das Tourenbeispiel interpretiert man die Annahme des Auftrags I u. a. wegen des bekannten Einstandspreises als Handlungsmöglichkeit A. Sie ist deshalb risikobehaftet, weil ein Auftrag 11 eintreffen kann oder nicht. Genauer läßt sich Handlungsmöglichkeit A als die jetzige Beteiligung an einem Geschäft verstehen, das bereits heute Dispositionen verlangt, die zu Kosten von 5.000,-- DM führen. Der weitere Verlauf ist zustandsabhängig. Trifft Auftrag 11 ein, ist man zu zusätzlichen Kosten verpflichtet, um die Produktionsbereitschaft aufzustocken. Andererseits entstehen nun Gesamterlöse von 17.000,-- DM. Der Überschuß berechnet sich dann wie folgt: gemeinsamer Erlös 17.000,-- DM

zusätzliche Kosten bei gemeinsamer Tour gegenüber isolierter Erfiillung des Auftrags I (15.000 - 5.000) DM

7.000,--DM Beim Ausbleiben eines Auftrags 11 fallen keine weiteren Kosten mehr an; der dann entstehende Überschuß besteht nur aus dem Erlös von 4.000,-- DM fiir Auftrag I. In dieser Interpretation wird die gesamte Erlösseite als zustandsabhängig interpretiert. Der erste Zustand "Auftrag 11 trifft ein" stellt sich in seiner geldlichen Wirkung wie folgt dar: Er bedeutet zunächst "Zusatzerlöse von 13.000,-- DM sind möglich". Dies hat bei Alternative A weitere Zahlungen zur Konsequenz: zum einen den Erlös des Auftrags I, zum anderen die Zusatzkosten fiir die erhöhte Produktion. Im zweiten Zustand sind die Zusatzerlöse von 13.000,-- DM nicht möglich. Die Konsequenz der Möglichkeit A ist, daß lediglich der Erlös von 4.000,-- DM eintrifft und keine Zusatzkosten anfallen. Bei etwas anderer Definition hätte man auch die Erlöse von Auftrag I als vordisponiert betrachten und aus den zustandsabhängigen Überschüssen herausnehmen können. Die Alternative A hätte dann heutige Nettokosten von 1.000,-- DM und zustandsabhängige Erlöse von 3.000,-- DM bzw. 0 DM. Dies entspricht einer Grenzbetrachtung. Hier wird Alternative A weiterhin wie bisher eingeführt verstanden. In den weiteren Überlegungen ist jedoch auf die Konsequenzen anderer Definitionen einzugehen. Die Option 0 ist fiir das Tourenbeispiel konkret als Aufrechterhaltung der Möglichkeit zu interpretieren, einen späteren Auftrag 11 ohne Gesamtverlust zu produzieren oder nicht. Eine Produktionsbereitschaft wird vorab, d. h. vor Eintreffen eines entsprechenden Auftrags, nicht bereitgestellt. Sofern es also

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Ernst Troßmann

bei Auftrag I bleibt, entstehen wegen dessen Ablehnung weder Erlöse noch Kosten. Triffi Auftrag 11 ein, wird er (aus heutiger Sicht) wegen des zu erwartenden positiven Deckungsbeitrags von 13.000 - 12.780 = 220,-- DM angenommen. Konkret in Zahlungen ausgedrückt, stellt die Option das Recht dar, später eventuell eintreffende Zusatzerlöse (von 13.000,-- DM) zum Basispreis von 12.780,-- DM zu "erwerben". Abb. 3 zeigt die im weiteren verwendete Interpretation der beiden Möglichkeiten A und 0 im Zusammenhang.

Risikosituation Alternative A: Heutige Beteiligung am Gesamtgeschäft, d. h. heutiger Kauf auch der möglichen Zusatzerlöse mit der Verpflichtung zu dafOr erforderlichen Zusatzkosten

o

;;( Kosten: 5.000,- DM

0

heutige Disposition

Alternative 0: Recht auf späteren Erwerb möglicher Zusatzerlöse zu 12.780,- DM

c:
b

I

l

Kostenartenrechnung KostensteIlenrechnung

~

Prozeßkostenrechnung

•• • .~

KostenträRerrechnun Produktkalkulation

~



?

111

-

Ergebnisrechnung

Abb. 8: Integration von Kostenrechnung, Budgetplanung und -kontrolle

2. Kostenrechnung öffentlicher Dienstleister Für eine aktive Steuerung des Haushaltes sind die Kenntnis von Kosten und Leistungen sowie der Bezug zwischen beiden notwendig. Diese Informationen können nicht durch die Kameralistik und auch nicht durch die Doppik abgebildet werden, sondern müssen durch eine Kosten- und Leistungsrechnung erfaßt werden. Die Kosten- und Leistungsrechnung erweitert damit das in der 36 PS Schweitzer

562

August-Wilhelm Seheer und Markus Bold

Haushaltsplanung und -kontrolle in Form des Produkthaushalts gewonnene Bild um outputorientierte produktspezifische Kosten- und Leistungsdaten (vgl. den Doppelpfeil von der Kostenträgerrechnung zum Produkthaushalt in Abbildung 8). Der Kostenrechnung kommen dabei in der öffentlichen Verwaltung insbesondere die folgenden Aufgaben zu: Preisbildung, Wirtschaftlichkeitskontrolle, die kostenrechnerische Beurteilung von Verwaltungsentscheidungen sowie die Bereitstellung von entscheidungsrelevanten Kosten zur Alternativenbeurteilung. Die Kosten- und Leistungstransparenz zeigt die Wirtschaftlichkeit einzelrter Bereiche auf. Damit ist die Basis fiir flexible Haushaltswirtschaft und dezentrale Budgetierung geschaffen, und die finanzielle Handlungsfähigkeit der öffentlichen Verwaltungen kann gesichert werden. Die öffentlichen Dienstleister müssen dabei die eingesetzte VoIlkostenrechnung überdenken. Mittlerweile existieren Verfahren, die den gesetzlich geforderten Vollkostennachweis bzw. -kalkulation (vgl. Vikas [Controlling] 163 ff.) aus der Grenzplankostenrechnung ermöglichen. Der Einbezug der Prozeßkostenrechnung ist ebenso wie bei privatwirtschaftlichen Dienstleistern möglich und wurde dort bereits diskutiert.

VI. Fazit Die Methoden und Instrumente fiir Industrie, Dienstleistung und Verwaltung vernetzen sich und werden austauschbar. Eine Entwicklung, die sich fiir die Vernetzung der drei Bereiche insgesamt bereits abzeichnet. Das interne Rechnungswesen öffentlicher Dienstleister wird derzeit aufgebaut, das externe befindet sich im Umbruch. Neben die Finanzplanung bzw. -rechnung tritt die Vermögens- und Erfolgsrechnung. Neuere Ansätze wie das Service Engineering liefern die Produktbeschreibungen, anband derer der Haushalt finanziell und wirtschaftlich ausgerichtet werden kann. Die Diskussion über die Höhe der Budgets wird dann bereits bei der Planung auf die Sachzielebene verlagert, statt formal über Budgetkürzungen auf der Ebene von Prozentpunkten zu entscheiden. Die Produktdefinition schafft die Voraussetzungen, um eine interne Marktdenkweise zu schaffen, die zu wirtschaftlicherem Verhalten animiert. Für das interne Rechnungswesen im Industrieund Dienstleistungsbetrieb (öffentliche und privatwirtschaftliche) zeichnet sich die Prozeßkostenrechnung als Nebenrechnung zu verschiedenen kostensteilenorientierten Systemen ab. Dabei etablieren sich verschiedene Variationen der Prozeßkostenrechnung.

Rechnungswesen in Dienstleistungsbetrieben

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Hochschulrechnung zwischen Kameralistik und Kostenrechnung von Hans-Ulrich KUpper. Universitilt MUnchen I. Aktualität der Fragestellung ...................................................................... 566 II. Strukturelle Unterschiede und Gemeinsamkeiten von kameralistischen und

kostenrechnerischen SysteIllen ................................................................... 567 1. Zahlungsorientierung in Kameralistik und Kostenrechnung....................

567

2. Bestandteile und Gliederungskriterien in Kameralistik und Kosten-

rechnung .................... ......................... .................................................. 568

3. Wichtige Prinzipien und Verfahrensregeln von Kameralistik und

Kostenrechnung ..................................................................................... 570

m.

Rechnungszwecke und Verwendbarkeit von Kameralistik und Kostenrechnung in Hochschulen ...... ..... ..... ................................... ............ ............. ..... 574 l. Verwendbarkeit der Infonnationen ftIr Planungszwecke .........................

574

2. Verwendbarkeit der Infonnationen ftIr Zwecke der Verhaltenssteuerung

575

3. Verwendbarkeit der Infonnationen ftIr Kontrollzwecke ..........................

576

IV. Anforderungen an eine Hochschulrechnung .................. ........... ..................

577

1. Spezifische Merkmale von Hochschulprozessen als Bestinunungsgrößen

einer Hochschulrechnung ....................................................................... 577

2. Verstärkung der Planungs- und Steuerungsorientierung gegenüber deIll

Kontrollzweck ....................................................................................... 580

3. Zahlungsorientierung der Hochschulrechnung ........................................ 582 4. Trennung zwischen Grund- und Auswertungsrechnungen .......................

584

5. Gliederungsprinzipien ftIr die Basisgrößen einer Hochschulrechnung .....

585

V. Hochschulrechnung als BasissysteIll eines Hochschul-Controlling .............. 586

566

Hans-Ulrich KOpper

I. Aktualität der Fragestellung In der vergangenen Zeit sind die Hochschulen in Deutschland wieder in das Interesse der politischen und gesellschaftlichen Diskussion geraten. Obwohl sie seit der Ausweitung des Hochschulsystems im Anschluß an die Thesen von Picht eine Überlast bewältigt und nach der Vereinigung Deutschlands den Aufbau vieler Fakultäten in den neuen Bundesländern erfolgreich unterstützt haben, werden sie vielfllltig kritisiert. Viele sehen ihre Probleme nicht so sehr in der mangelnden Austattung mit Ressourcen, sondern in überkommenen Strukturen, die dem internationalen Wettbewerb zu wenig gewachsen seien. Dabei wird es als wichtiger Ansatzpunkt betrachtet, ihnen modeme Führungsinstrumente an die Hand zu geben, durch die sie effizient geleitet werden können. Während in den siebziger Jahren konzeptionelle Fragen insbesondere der Demokratisierung im Vordergrund standen, stehen jetzt Fragen des Managements und der Prozeßgestaltung im Vordergrund. Dabei mißt man der Nutzung betriebswirtschaftlicher Methoden und Erkenntnisse keine geringe Bedeutung zu.

Marcell Schweitzer hat von 1977 bis 1980 ein umfangreiches Forschungsprojekt zur Entwicklung einer Hochschulkostenrechnung durchgeführt. Dessen Ergebnisse sind in einern ausführlichen Projektbericht (SchweitzerlHettich [Entwicklung)) und mehreren Beiträgen (Schweitzer [Zwecksetzung]; Schweitzer [Grundzüge]; SchweitzerlHettich [EDV-Systementwicklung]; Schweitzerl Hettich [Anlagenrechnung)) dokumentiert. Obwohl seine Heirnatuniversität Tübingen dieses Vorhaben angestoßen und mit großem Interesse unterstützt hat, wurden nur einzelne Komponenten des erarbeiteten Systems "eingeführt. Trotz verschiedener Bemühungen blieben auch die anderen Hochschulen bei den traditionellen kameralistischen Rechensystemen. Offensichtlich war die Zeit für die Einführung von Kostenrechnungen in der Hochschule (noch) nicht reif. Mit der stärkeren Nutzung betriebswirtschaftlicher Führungskonzepte wird im Hochschulbereich deutlich, daß seine Rechnungssysteme unzureichend sind. Man scheint den Bedarf nach einer Hochschulkostenrechnung wieder zu entdecken. Beispielsweise sieht das Centrurn für Hochschulentwicklung (eHE), das modeme Führungsinstrumente für Hochschulen entwickeln will, darin eine wichtige Aufgabe und hat entsprechende Projekte eingeleitet. Damit stellt sich die von Marcell Schweitzer vor zwanzig Jahren intensiv behandelte Frage neu, ob Universitäten mit Kostenrechnungen ausgestattet werden und wie diese gestaltet sein sollten. Eine Frage umfassend zu beantworten, an welcher der zu Ehrende mit einern großen Projekt mehrere Jahre

Kameralistik und Kostenreclmung

567

gearbeitet hat, übersteigt die Möglichkeiten eines Festschriftbeitrags. Deshalb können hier lediglich einige grundsätzliche Überlegungen angestellt werden. Da Hochschulen bislang in das kameralistische staatliche Rechnungssystem eingebunden sind, wird die Konkurrenz zwischen Kameralistik und Kostenrechnung in ihren Mittelpunkt gestellt.

11. Strukturelle Untenchiede und Gemeinsamkeiten von kameralistischen und kosten rechnerischen Systemen 1. Zahlungsorientierung in Kameralistik und Kostenrechnung Das kameralistische Rechnungswesen knüpft an der Verbuchung der kassenmäßigen Vorgänge an und ist völlig auf Zahlungen gerichtet. Die rein finanzwirtschaftliche Ausrichtung zeigt sich daran, daß nur die Einhaltung von vorgegebenen Haushaltsansätzen verfolgt und keine Erfolgsgrößen ermittelt werden. Insoweit scheint das Liquiditätsziel im Vordergrund zu stehen. Jedoch besitzt dieses Entscheidungsziel fiir öffentliche Verwaltungen nicht die existentielle Bedeutung wie fiir privatwirtschaftliche Unternehmungen. Grundsätzlich sollen die Haushaltsansätze bei jedem Titel eingehalten werden, während fiir privatwirtschaftliche Unternehmungen wesentlich ist, daß die Zahlungsfähigkeit insgesamt erhalten bleibt. Deshalb verfolgt man in letzteren den Zahlungsmittelbestand fiir die Gesamtunternehmung und i. d. R nicht fiir einzelne Abteilungen oder Positionen. Die traditionelle Kostenrechnung geht von den Realgüterbewegungen aus. In ihr bewertet man den Verbrauch und die Entstehung von materiellen und immateriellen Gütern mit pagatorischen (Markt-) oder nichtpagatorischen (Verrechnungs-) Preisen (SchweitzerlKüpper [Systeme] 22 ff.). Da die Kostenrechnung als individuelles Rechnungsinstrurnent der jeweiligen Unternehmung verstanden wird, ist der Entscheidungsträger im Unterschied zur Finanzbuchhaltung und Bilanzrechnung im Kostenansatz frei. Die Bewertung der Güterbewegungen richtet sich nach seinem jeweiligen Rechnungsziel. Die Verfahren der Kostenrechnung sind als Vorschläge, nicht als Vorgaben, zu verstehen, die der Entscheidungsträger anwenden oder anpassen kann. Die investitionstheoretische Kostenrechnung (vgl. Küpper [Kostenrechnung)) macht jedoch deutlich, daß man bei der Verwendung von Kosteninformationen fiir Planungzwecke vorn langfristigen Erfolgsziel und deshalb i. d. R. ebenfalls von den Zahlungen ausgehen sollte. Der auf den ersten Blick grundlegende Unterschied zu kameralistischen Rechnungssystemen reduziert und relativiert sich damit in hohem Maße.

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Hans-Ulrich KOpper

2. Bestandteile und Gliederungskriterien in Kameralistik und Kostenrechnung Nach der kameralistischen Rechnungslogik werden die Vorgänge auf Konten mit zwei Seiten für Einnahmen und Ausgaben gebucht (vgl. Oettle [Kameralistik] 1049 f.; v. Wysocki [Rechnungswesen] 22 ff.). Jede von ihnen umfaßt zwei Spalten. In der Horizontalen geben alle Bestandskonten außer dem Kassenkonto entsprechend Abbildung 1 den Anfangsbestand aus dem Reste-Soll von Einnahmen der Vorperiode, den Einnahmen-Zugang für das laufende Soll, den Abgang durch die Ist-Ausgaben und den Endbestand als Saldo an. Die Werte von Erfolgs-, Kassen- und Bilanzkonten werden mit Ausnahme von Eröffnung und Abschluß nur in der Vertikalen in jeweils einer Spalte erfaßt. Seitenbezeiclln..,g Spallenbezeicmung Spalorinhol in dir Horizalllll