Das Projekt eines Umweltgesetzbuchs 2009 [1 ed.] 9783428531738, 9783428131730

Der Band dokumentiert eine von der Humboldt-Universität zu Berlin, dem Forschungszentrum Umweltrecht (Berlin) und von de

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Das Projekt eines Umweltgesetzbuchs 2009 [1 ed.]
 9783428531738, 9783428131730

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Schriften zum Umweltrecht Band 165

Das Projekt eines Umweltgesetzbuchs 2009 Herausgegeben von

Eberhard Bohne und Michael Kloepfer

asdfghjk Duncker & Humblot · Berlin

EBERHARD BOHNE / MICHAEL KLOEPFER (Hrsg.)

Das Projekt eines Umweltgesetzbuchs 2009

Schriften zum Umweltrecht Herausgegeben von Prof. Dr. Michael Kloepfer, Berlin

Band 165

Das Projekt eines Umweltgesetzbuchs 2009 Herausgegeben von

Eberhard Bohne und Michael Kloepfer

asdfghjk Duncker & Humblot · Berlin

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Alle Rechte, auch die des auszugsweisen Nachdrucks, der fotomechanischen Wiedergabe und der Übersetzung, für sämtliche Beiträge vorbehalten # 2009 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Fremddatenübernahme: Werksatz, Berlin Druck: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 0935-4247 ISBN 978-3-428-13173-0 Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier ∞ entsprechend ISO 9706 *

Internet: http://www.duncker-humblot.de

Vorwort Der vorliegende Band dokumentiert die wissenschaftliche Tagung „Das Umweltgesetzbuch 2009“, die am 9. und 10. Oktober 2008 an der Humboldt-Universität zu Berlin stattfand. Die Tagung wurde in Kooperation der HumboldtUniversität zu Berlin und der Deutschen Hochschule für Verwaltungswissenschaften Speyer organisiert. Auf der von knapp 200 Teilnehmern besuchten Veranstaltung diskutierten Umweltpolitiker des Bundes und der Länder, Vertreter der Europäischen Kommission, der Verwaltung von Bund und Ländern, der Wirtschaft, der Umweltverbände und der Rechtswissenschaft die Konzeption und die Grundzüge des im Entwurf zum Umweltgesetzbuch 2009 (UGB) kodifizierten Umweltrechts. Der Band enthält nahezu alle auf der Tagung gehaltenen Referate und ein Protokoll der abschließenden Podiumsdiskussion. Verzichtet werden musste bedauerlicherweise auf den Abdruck des Referats von Dr. Marianne Klingbeil, welches aufgrund verloren gegangener Tonbandaufnahmen leider nicht mehr rekonstruiert werden konnte. Das UGB als Gesamtvorhaben konnte in der laufenden Legislaturperiode wegen des aufziehenden Wahlkampfs im Jahr 2009 nicht mehr politisch realisiert werden, auch wenn die ursprünglichen Bücher UGB II – IV noch in dieser Periode als Einzelgesetze mit eigenen Gesetzesbezeichnungen erlassen wurden * . Mit der Veröffentlichung dieses Bandes soll aber gleichwohl zum einen der auf der Tagung hinsichtlich des UGB als Gesamtkodifikation verbreitete Optimismus festgehalten und zum anderen die im Rahmen der Veranstaltung gewonnenen wissenschaftlichen Erkenntnisse für ein zukünftiges UGB dokumentiert werden. Die Idee der Umweltrechtskodifikation kann durch parteipolitische Egoismen zwar abgebremst, langfristig aber nicht dauerhaft aufgehalten werden. Wer eine solch große Kodifikation in Angriff nimmt, braucht jedoch langen Atem und Optimismus. Den Mitarbeitern unserer Lehrstühle, allen voran dem Assistenten David Bruch (Berlin), danken wir für die wertvolle Unterstützung bei der Durchführung und Dokumentation der Tagung. Speyer / Berlin, im Juni 2009

Eberhard Bohne, Michael Kloepfer

* Gesetz zur Neuregelung des Wasserrechts (BGBl. 2009 I, S. 2585), Gesetz zur Neuregelung des Rechts des Naturschutzes und der Landschaftspflege (BGBl. 2009 I, S. 2542), Gesetz zum Schutz vor nichtionisierender Strahlung bei der Anwendung am Menschen (BGBl. 2009 I, S. 2433).

Inhaltsverzeichnis Michael Kloepfer Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Hans-Jürgen Papier Kodifikation – ein Mittel zur guten Gesetzgebung? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Dieter Sellner Integrierte Vorhabengenehmigung – Genehmigung und planerische Genehmigung, Allgemeine Bemerkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

31

Alfred Wirtz Integrierte Vorhabengenehmigung – Bemerkungen aus Sicht einer Genehmigungsbehörde . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

41

Michael Kotulla Das Wasserrecht im UGB 2009 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

51

Martin Gellermann Das Naturschutzrecht im Umweltgesetzbuch 2009 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

61

Christof Sangenstedt Das Umweltgesetzbuch 2009 und nicht-kodifiziertes Umweltrecht sowie Übergangsvorschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

77

Hubert Steinkemper Die künftige Rechtsetzung im Umweltschutz – auf Bundesebene . . . . . . . . . . .

99

Albrecht Rittmann und Alexis von Komorowski Die künftige Rechtsetzung im Umweltschutz auf Länderebene . . . . . . . . . . . . . 107 Petra Schön Bessere Rechtsetzung und Umweltgesetzbuch 2009 – Bemerkungen aus Sicht des Nationalen Normenkontrollrates . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121 Matthias Miersch Politische Konflikte beim Erlass des Umweltgesetzbuches 2009 . . . . . . . . . . . . 129 Protokoll der Podiumsdiskussion vom 10. Oktober 2008 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 133 Autorenverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 163

Einführung Von Michael Kloepfer Im Jahr 2009 sollte die Zukunft des Umweltrechts beginnen und die bereits über 25 Jahre dauernde Diskussion in Wissenschaft und Politik über Notwendigkeit, Form und Inhalt der Umweltrechtskodifikation mit dem Erlass eines Umweltgesetzbuchs beendet werden. 1 Mit der Einführung des UGB wäre Deutschland dem Beispiel vieler europäischer Staaten gefolgt, in denen bereits vollständige oder zumindest partielle Umweltrechtskodifikationen entstanden sind (z. B. Portugal [1987], Niederlande [1993], Belgien [1995], Schweden [1999], Polen [2001], Italien [2006/2008], mit erheblichen Einschränkungen auch Frankreich [2000], Finnland [2000], Schweiz und England). In dem aufziehenden Wahlkampf im Jahr 2009 ist ein deutsches UGB als Gesamtvorhaben aus parteipolitischen Egoismen nun vorerst gescheitert, 2 auch wenn die Bücher UGB II – IV jetzt als Einzelgesetze erlassen werden sollen. 3 Es bleibt zu hoffen, dass das Projekt UGB in der nächsten Legislaturperiode erneut in Angriff genommen wird. 4

1 Vgl. zum UGB zuletzt etwa: BMU (Hrsg.), Herausforderung Umweltgesetzbuch 2007; Bohne, EURUP 2006, 276 ff.; Kloepfer, UPR 2007, 161 ff.; ders., Die Verwaltung 2008, 195 ff.; ders., Umweltschutzrecht, 2008, S. 21 ff.; ders. (Hrsg.), Das kommende Umweltgesetzbuch, 2007; Lottermoser, UPR 2007, 401 ff.; Sangenstedt, ZUR 2007, 505 ff.; ders., in: Ziekow (Hrsg.), Aktuelle Fragen des Fachplanungs, Raumordnungs- und Naturschutzrechts 2007, 2008, S. 339 ff.; Szokalla, DVBl. 2008, 300 ff.; Sellner, Dokumentation zur 31. Fachtagung der GfU 2007, 2008, S. 35 ff.; ders., in: Trute (Hrsg.), Allgemeines Verwaltungsrecht – zur Tragfähigkeit eines Projekts, 2008, S. 191 ff.; kritisch Schrader, ZRP 2008, 60 ff.; zu Einzelfragen etwa: Diederichsen, in: Ziekow (Hrsg.), Aktuelle Fragen des Fachplanungs-, Raumordnungs- und Naturschutzrechts 2007, 2008, S. 369 ff.; Durner, NuR 2008, 293 ff.; Erbguth / Schuber, NuR 2008, 474 ff.; Fischer-Hüftle, NuR 2008, 213 ff.; Gärditz, Die Verwaltung 2007, 203 ff.; Guckelberger, NuR 2008, 369 ff.; Knopp, UPR 2008, 121 ff.; Koch / Krohn, Das Naturschutzrecht im Umweltgesetzbuch, 2008; Sanden, ZUR 2009, 3 ff.; Scheidler, UPR 2009, 11 ff.; Möckel, NuR 2008, 831 ff. 2 Pressemitteilung des BMU v. 1. 2. 2009, Nr. 033/09. 3 BT-Drs. 16/12274 (Recht des Naturschutzes und der Landschaftspflege); BTDrs. 16/12275 (Wasserrecht); BT-Drs. 16/12276 (Regelung des Schutzes vor nichtionisierender Strahlung). 4 Davon gehen die politischen Akteure teilweise aus. Vgl. Pressemitteilung der SPDFraktion v. 20. 3. 2009, Nr. 248.

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Michael Kloepfer

I. Geschichte des Gesetzesvorhabens Das vorübergehende Scheitern der Umweltrechtskodifikation ist umso kritischer zu beurteilen, als der Entwurf zum UGB 2009 eines der am besten vorbereiteten Gesetzesvorhaben in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschlands war. So wurden bereits in den 70er Jahren des vorigen Jahrhunderts die Kodifikationsmöglichkeiten des Umweltrechts in der Rechtswissenschaft erörtert und sogar von der Bundesregierung im Umweltbericht 1976 erwähnt. Dieser Erwähnung folgten 1978 und 1986 zwei Studien im Auftrag des Umweltbundesamtes, welche die Systematisierbarkeit und die Harmonisierbarkeit des Umweltrechts untersuchten und zu dem Ergebnis kamen, dass eine Kodifikation möglich und sinnvoll sei. 5 Infolgedessen setzte das Umweltbundesamt 1988 eine wissenschaftliche Arbeitsgruppe zur Erarbeitung eines Allgemeinen Teils eines Umweltgesetzbuches ein, die ihre Ergebnisse 1990 im so genannten Professorenentwurf vorlegten. 6 Eine erweiterte Professorengruppe erarbeitete darauf einen Besonderen Teil des Umweltgesetzbuches. 7 Der Deutsche Juristentag hatte bereits 1992 das Umweltgesetzbuch befürwortet. 8 Im selben Jahr wurde die Unabhängige Sachverständigenkommission zum Umweltgesetzbuch vom damaligen Bundesumweltminister Töpfer zur Erarbeitung eines Gesetzesvorschlages für ein Umweltgesetzbuch eingesetzt. Der Kommissionsentwurf, welcher die Grundlage eines ministeriellen Referentenentwurfes bilden sollte, wurde 1997 an die auf Töpfer folgende Bundesumweltministerin Merkel übergeben. 9 Zur Erarbeitung eines Referentenentwurfes für ein erstes Buch zum UGB kam es gleichwohl erst im Jahre 1999 unter Bundesumweltminister Trittin. Damals folgte das Bundesumweltministerium dem gesamthaften Ansatz des Kommissionsentwurfes jedoch nur begrenzt und setzte bei seiner Arbeit vor allem Schwerpunkte im Bereich der Umsetzung der IVURichtlinie und der UVP-Änderungsrichtlinie. 10 Der so erarbeitete Referentenentwurf wurde aber nie in das Gesetzgebungsverfahren eingebracht. Denn aufgrund verfassungsrechtlicher Bedenken – insbesondere das Bundesjustiz- und 5 Kloepfer, Systematisierung des Umweltrechts, 1978; ders. / Meßerschmidt, Innere Harmonisierung des Umweltrechts, 1986. 6 Kloepfer / Rehbinder / Schmidt-Aßmann unter Mitwirkung von Kunig, Umweltgesetzbuch – Allgemeiner Teil, 1991. 7 Entwurf von Kloepfer / Kunig / Papier / Peine / Rehbinder / Salzwedel / SchmidtAßmann, Umweltgesetzbuch – Besonderer Teil, 1994. 8 Verhandlungen des 59. DJT, 1992, Band II, Sitzungsberichte, Teil N. 9 Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (Hrsg.), Umweltgesetzbuch (UGB-KomE), 1998. 10 Der Arbeitsentwurf eines UGB I vom 5. 3. 1998 ist abgedruckt bei Rengeling (Hrsg.), Auf dem Weg zum Umweltgesetzbuch, 1999, S. 273 ff.; einen Überblick gibt etwa Schmidt-Preuß, DVBl. 1998, S. 857 ff.

Einführung

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das Bundesinnenministerium zweifelten an der Gesetzgebungskompetenz des Bundes – wurde das Projekt UGB gestoppt, obwohl nach verbreiteter Meinung in der Rechtswissenschaft bereits die seinerzeitigen Kompetenzgrundlagen dem Bund die Schaffung eines UGB ermöglicht hätten. 11 Erst die am 1. September 2006 in Kraft getretene Föderalismusreform I 12 war dann Voraussetzung und Anlass, die Arbeit an dem UGB-Projekt sieben Jahre nach seinem Scheitern wieder aufzunehmen. Stand zuvor dem Bund zunächst vor allem im Bereich Wasserhaushalt und Naturschutz lediglich eine Rahmenzuständigkeit nach Art. 75 GG a. F. zu, so begründete die Reform im Wasser- und Naturschutzrecht Vollkompetenzen des Bundes (Art. 74 Abs. 1 Nr. 32, 29 GG). Daneben sind die – mit Ausnahme der auf Art. 74 Abs. 1 Nr. 11 GG gestützten Materien (z. B. Chemikalienrecht, Umweltenergierecht) – die umweltrechtlichen Kernmaterien (Abfallwirtschaft und Immissionsschutz (Art. 74 Abs. 1 Nr. 24 GG), Naturschutz, Wasserhaushalt) vom Erforderlichkeitskriterium befreit (arg. Art. 72 Abs. 2 GG). Damit bestand und besteht nun die verfassungsrechtliche Möglichkeit zur Verabschiedung eines Umweltgesetzbuches des Bundes mit Vollregelungen für alle umweltrechtlichen Kernmaterien und zur Regelung eines bundeseinheitlich integrierten Verfahrens zur Genehmigung von Anlagen. Da die Länder wegen Art. 125b Abs. 1 S. 3 GG erst ab dem 1. Januar 2010 von ihrer Abweichungskompetenz im Bereich des Naturschutzes, der Landschaftspflege und des Wasserrechts Gebrauch machen können (Art. 72 Abs. 3 S. Nr. 2, 5 GG), besteht sogar die verfassungsrechtlicher Erwartung, dass jedenfalls die einschlägigen Teile eines UGB bis dahin erlassen werden. 13 Bundesumweltminister Gabriel legte deshalb 2007 einen ersten Referentenentwurf vor, der nach Abstimmungen mit den anderen Bundesministerien 2008 in einem weiteren überarbeiteten Entwurf mündete, welcher Grundlage des Entwurfs zum UGB 2009 sein sollte. 14 Das Scheitern dieses Entwurfes im aufziehenden Wahlkampf des Jahres 2009 ist vor allem auf den Widerstand der CSU zurückzuführen. Die CSU opponierte dabei nicht nur (vorerst erfolgreich) gegen die SPD und ihre eigene SchwesterPartei – die CDU-Bundespartei, sondern stieß darüber hinaus auch die CDU-ge11

Zur Kritik an dieser offiziellen Begründung vgl. nur etwa Bohne, EurUP 2006,

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Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes vom 31. 8. 2006 (BGBl I, S. 2034). Zu beachten ist jedoch, dass der Bund seinerseits von nach dem 1. Januar 2010 erlassenen Landesregelungen zum Naturschutz oder zum Wasserrecht abweichen kann, weil im Bereich der Abweichungskompetenzen die lex-posterior-Regel gilt (Art. 72 Abs. 3 S. 2 GG). Ein bundeseinheitliches UGB kann also künftig auch dann noch realisiert werden, wenn zwischenzeitlich Länder in den in Art. 72 Abs. 3 S. 1. Nr. 2, 5 GG genannten Bereichen gesetzgeberisch tätig geworden sind. 14 http://www.bmu.de/gesetze_verordnungen/umweltgesetzbuch/doc/40448.php, zuletzt aufgerufen am 1. 4. 2009. 13

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Michael Kloepfer

führten Bundesländer vor den Kopf, die allesamt die Verabschiedung des UGB gefordert hatten. 15 Begründet wurde der Widerstand vor allem mit – für Fachleute – nicht nachvollziehbaren Ängsten vor einer durch das UGB geschaffenen „Monster-Bürokratie“, die auf einen Schlag 10.000 Neugenehmigungen erforderlich mache. 16 Daneben werden wahltaktische Erwägungen eine Rolle gespielt haben, etwa die, dass man der SPD so kurz vor den anstehenden Landtags- und Bundestagswahlen keine politischen Erfolge mehr gönnen wollte.

II. Umweltrechtskodifikation in der Diskussion Trotz seiner umfassenden Vorbereitung, wurde und wird das Projekt UGB von verschiedensten Seiten angefeindet und bekämpft. „Warum?“ muss man sich angesichts der schon früh festgestellten Notwendigkeit einer Kodifikation, der Widerlegbarkeit der wenigen Gegenargumente sowie der besonderen Vorteile einer Kodifikation fragen. Die Notwendigkeit einer Kodifikation des Umweltrechts beruht auf dem schon früh diagnostizierten Systematisierungs- und Harmonisierungsbedürfnis im bundesdeutschen Umweltrecht. Das bisher geltende – teilweise sehr schnell und unter verschiedenen Bundesregierungen entstandene – deutsche Umweltrecht ist seit jeher geprägt durch seine für den Rechtsanwender häufig verwirrende Unübersichtlichkeit. Zum einen ist die übermäßig hohe Zahl an Vorschriften zu beklagen. Zum anderen folgt aus dieser „äußeren Übernormierung“ auch eine „innere Übernormierung“, die wiederum durch zu detailliertes und überflüssiges Recht gekennzeichnet ist, welches in den letzten 30 Jahren entstanden ist. Zudem sind weite Teile des deutschen Umweltrechts und der Umweltministerialbürokratie noch einem medialen Schutzansatz verhaftet. Folgen sind Vollzugsdefizite zulasten der Umwelt, eine vor allem von der Wirtschaft kritisierte Überbürokratisierung und fehlende Bürgernähe. Trotz der Systematisierungs- und Harmonisierungsbedürfnisse des Umweltrechts wurde und wird das UGB-Projekt, insbesondere von Seiten einiger Wirtschaftsverbände 17 einerseits und manchen Umweltverbänden 18 andererseits, auch 15

s. dazu auch die Stellungnahmen der Baden-württembergischen Umweltministerin Tanja Gönner in der Dokumentation der Podiumsdiskussion in diesem Band. 16 So Der Bayerische Umweltminister Söder in zahlreichen Stellungnahmen zum Scheitern des UGB, s. z. B. http://www.tagesschau.de/inland/umweltgesetzbuch110.html, zuletzt aufgerufen am 1. 4. 2009. Solche Äußerungen lassen Zweifel an dem fachlichen Wissen des Ministers aufkommen. 17 s. dazu etwa die Äußerungen von Kreklau (BDI) in der Dokumentation der Podiumsdiskussion in diesem Band. 18 Vgl. Pressemitteilung des DNR v. 12. 6. 2008; Pressemitteilung des BUND v. 12. 6. 2009; Pressemitteilung des NABU v. 12. 6. 2008.

Einführung

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skeptisch gesehen. Man fürchtet, die Kodifizierung führe zu einer Verschärfung bzw. Milderung des umweltrechtlichen Schutzniveaus. Eine Sorge, die möglicherweise nicht ganz unbegründet ist und der man im Interesse der Kodifikation insofern gerecht werden sollte, als die Kodifikation nicht als Vehikel für eine grundsätzliche Veränderung des Schutzniveaus benutzt werden darf. Andernfalls würden die Gegner solcher Veränderungen – so wie es jetzt geschehen ist – automatisch (und überflüssigerweise) zu Gegnern der Kodifikation selbst werden. Auch das rechtswissenschaftliche Schrifttum hatte Zweifel an der Kodifizierbarkeit, insbesondere an der Abgrenzbarkeit des Umweltrechts 19 und über dessen Anerkennung als eigenes Rechtsgebiet. 20 Diese Zweifel müssen allerdings heute mit Blick auf die früheren UGB-Entwürfe und des Entwurfs für das UGB 2009 als unbegründet angesehen werden. Der eher fundamentalistische Einwand, in einer kompromissgeprägten Demokratie sei eine systematische Kodifikation nicht mehr möglich, 21 ist unter Grundgesetz seit 1949 durch zahlreiche Kodifikationen (Verwaltungsgerichtsordnung, Verwaltungsverfahrensgesetz, Sozialgesetzbuch) widerlegt worden. So greift auch das Argument, das unsystematische europäische Umweltrecht verhindere eine Systematisierung des Umweltrechts, zu kurz. Vielmehr kann eine systematische Kodifikation, die Defizite des europäischen Umweltrechts in dieser Hinsicht korrigieren. Denn der Umsetzungsgesetzgeber wird durch das Bestehen eines Umweltgesetzbuches dazu gezwungen die europäischen Vorschriften in ein bestehendes System einzufügen. 22 Den befürchteten Zerreißungseffekten durch das UGB wurde zudem beispielsweise durch die Herausnahme des Umweltstrafrechts aus dem UGB entgegengewirkt, 23 auch Verweisungen können diesen Zweck erfüllen. Den ebenfalls vorgebrachten Übergangsschwierigkeiten im Falle der Kodifikation des Umweltrechts kann man durch gesetzliche Übergangsvorschriften gerecht werden, wie sie jetzt im Entwurf des Einführungsgesetzes zum UGB 2009 vorgelegt wurden. Darüber hinaus steht hinter der Befürchtung von Übergangsschwierigkeiten eigentlich die Angst vor Rechtsänderungen. Würde man auf diese Angst eingehen, würde jeder Rechtsfortschritt verhindert und die Zukunftsfähigkeit des Rechts insgesamt gefährdet werden – ein offensichtlich unhaltbares Ergebnis. Aller Kritik zum Trotz erscheinen darüber hinaus der Abbau der äußeren Übernormierung, die verbesserte Systematisierung und Harmonisierung, die erhöhte Klarheit, Transparenz und Anwenderfreundlichkeit sowie eine vereinheitlichen19

s. dazu Kloepfer, Umweltrecht, 3. Aufl. 2004, § 1 Rn. 59 ff. Sendler, UPR 1981, 1 ff. 21 Vgl. Kübler, JZ 1969, 645 ff.; anders Kloepfer, JZ 1992, 817 (818). 22 s. dazu auch die Papier in diesem Band. 23 Zu konzeptionellen Überlegungen für ein UGB vgl. jüngst etwa Bohne, EurUP 2006, 276 (287 ff.). 20

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Michael Kloepfer

de Konzeptionalisierung des Umweltrechts im UGB als Vorteile und nahezu sichere Kodifikations„renditen“. Ähnliches gilt für die integrierende Kraft eines UGB für die Umweltministerien und für das Politikfeld Umweltschutz insgesamt. Zudem kam der Bundesrepublik Deutschland bis zum Ende der 80er Jahre des letzten Jahrhunderts eine besonders einflussreiche Rolle in der Entwicklung des Umweltrechts in der EG zu. Die erfolgreiche Kodifikation des Umweltrechts kann entscheidend dazu beitragen diese Vorreiterrolle zurück zu erobern. 24 Der Abbau der inneren Übernormierung sowie die Harmonisierung und Entbürokratisierung hängen hingegen vom Inhalt der Kodifikation ab, sie sind also „nur“ mögliche „Renditen“ einer Kodifikation.

III. Der Entwurf zum UGB 2009 Die dieser Tagung zugrunde liegende Fassung des Entwurfs eines UGB 2009 ging aus dem Referentenentwurf 2008 des Bundesumweltministeriums hervor. Das Ministerium legte damit den aus folgenden Büchern bestehenden Vorschlag zu einem Umweltgesetzbuch vor: UGB Erstes Buch: Allgemeine Vorschriften und vorhabenbezogenes Umweltrecht – mit 10 Anlagen − − − −

UGB UGB UGB UGB

Zweites Buch: Wasserwirtschaft Drittes Buch: Naturschutz und Landschaftsschutz Viertes Buch: Nichtionisierende Strahlung Fünftes Buch: Emissionshandelsrecht

Mit der Trennung von fachbereichsübergreifenden Regelungen im Ersten Buch des UGB und den fachgebietsbezogenen Teilen in den folgenden Büchern übernahm der Referentenentwurf von 2008 in abgeschwächter Form in der Sache die Grundgliederung des Professoren- und des Kommissionsentwurfes in einen Allgemeinen und einen Besonderen Teil. Insoweit blieb er in der Tradition der großen systematischen Kodifikationen in Deutschland (z. B. BGB, StGB), ohne der Gefahr zu hoher Abstraktion bei den Allgemeinen Vorschriften zu erliegen. Die noch fehlenden Bücher des UGB (insbesondere zum Recht der nicht genehmigungsbedürftigen Anlagen, zum gebiets- und verkehrsbezogenen Immissionsschutz, zum Bodenschutz und zu Altlasten, zum Kreislaufwirtschaftsund Abfallrecht, zum Schutz vor gefährlichen Stoffen, zu Anforderungen an Produkte und für den Ressourcenschutz sowie ggf. zum Schutz vor ionisierenden Strahlen) sollten später angefügt werden. Dies könnte auch für das soeben novellierte EEG gelten. Bisher ist nicht vorgesehen, das Atomrecht – auch mit24

s. auch die Äußerungen der Parlamentarischen Staatssekretärin des BMU Astrid Klug in der Dokumentation der Podiumsdiskussion in diesem Band.

Einführung

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telfristig oder langfristig nicht – in das UGB aufzunehmen, da nach geltendem Recht die zivile Kernenergienutzung in Deutschland auslaufen soll. Dies könnte sich ändern, falls der Deutsche Bundestag in der nächsten Legislaturperiode einen Wiedereinstieg in die zivile Nutzung der Kernenergie beschließen sollte.

IV. Ausblick Eine endgültige Beurteilung des UGB 2009 wäre erst nach der Verabschiedung durch den Gesetzgeber und vor allem nach seiner Bewährung in der Praxis möglich gewesen. Der vorläufigen Bewertung des Entwurfs zum UGB 2009 durch Rechtswissenschaftler, Politiker und Vertretern von Wirtschaftsverbänden hat die hier dokumentierte Tagung ein Forum geboten. Sollte eine Umweltrechtskodifikation in der nächsten Legislaturperiode nun tatsächlich in Angriff genommen werden, so werden die Erfahrungen dieser Tagung hilfreich sein. Sollte das „grand projet“ des UGB dann gelingen, so wäre es für die Umwelt, für die Menschen, für die Wirtschaft aber auch für die Stellung Deutschlands ein erheblicher Gewinn.

Kodifikation – ein Mittel zur guten Gesetzgebung? 1 Von Hans-Jürgen Papier 2 Kodifikationen haben einen guten Ruf – sie stehen für Losgelöstheit vom hektischen politischen Tagesgeschäft, für Systematik, Widerspruchsfreiheit, Rationalität, Verständlichkeit, für eine Begrenzung des Paragrafenapparats sowie für begriffliche Vereinheitlichung und Klarheit. Doch trotz dieser guten Reputation sind Kodifikationen jedenfalls in der Bundesrepublik Deutschland – bezogen auf die Gesamtzahl der Gesetze von Bund und Ländern – eher die Ausnahme. Zwar assoziiert jeder Jurist beim Stichwort „Kodifikation“ sogleich das Bürgerliche Gesetzbuch oder das Strafgesetzbuch, vielleicht auch die Verwaltungsverfahrensgesetze von Bund und Ländern sowie die verschiedenen Bände des Sozialgesetzbuches mit ihren allgemeinen und besonderen Teilen – doch lässt allein diese Aufzählung sogleich innehalten. Denn auch und gerade in diesen Materien sind Spezial- und Einzelgesetze, Gesetzesänderungen und eine Fülle von gerichtlichen Streitigkeiten bis hin zum Bundesverfassungsgericht und zum Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte zu konstatieren. Vorweg sei festgestellt: Dass auch eine gelungene Kodifikation die gerichtliche Auslegung im Einzelfall niemals obsolet machen kann, wie es bspw. das sog. „Auslegungsverbot“ des Corpus Iuris Justinians im 6. Jahrhundert und noch der „réferé législatif“ des Preußischen Allgemeinen Landrechts – also die Pflicht, Zweifelsfälle dem Gesetzgeber vorzulegen – im 18. Jahrhundert versucht hatten 3, ist heute eine gesicherte Erkenntnis und Erfahrungstatsache. Eine Renaissance des Gesetzgebungsstaates, ein Zurück zu den Idealen oder doch wohl besser: Illusionen des Gesetzespositivismus 4 zu erwarten, wäre sicher eine gefährliche Utopie. Bereits das gegen Ende des 19. Jahrhunderts erarbeitete BGB erhob nicht mehr den Anspruch einer lückenlosen, allgemein – also auch für juristische Lai1 Bei der Abfassung des Manuskripts wurde der Autor von seinem wissenschaftlichen Mitarbeiter beim BVerfG, Herrn Regierungsdirektor Dr. Amadeus Hasl-Kleiber, tatkräftig unterstützt. 2 Die Vortragsform wurde beibehalten. 3 Hierzu Stephan Meder, Die Krise des Nationalstaates und ihre Folgen für das Kodifikationsprinzip, JZ 2006, 477 – 484 (480). 4 Siehe Werner, Das Problem des Richterstaates, in: Recht und Gericht in unserer Zeit, Reden, Vorträge, Aufsätze 1948 – 1969, hrsg. von K.A. Bettermann und C.H. Ule, 1971, S. 176 (187).

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Hans-Jürgen Papier

en – verständlichen und der Auslegung praktisch nicht bedürfenden Regelung, sondern ging von einer „Aufgabenteilung zwischen Gesetz und Dogmatik“ (Stephan Meder) 5, also einer erheblichen Bedeutung von Rechtswissenschaft und Rechtsfortbildung durch die Rechtsprechung, aus. Und auch in heutiger Zeit wird weitestgehend eine zurückhaltendere Vorstellung von Kodifikation vertreten, die Franz-Joseph Peine wie folgt formuliert hat 6: „Eine Kodifikation zieht aus der Summe des vorhandenen Rechts unter einem bestimmten Aspekt diejenigen Rechtsnormen heraus, die dem vorgegebenen Gesichtspunkt genügen. Damit wird unter einem vorgegebenen Gesichtspunkt das vorhandene Recht systematisch erfasst – es entsteht ein Teilsystem des Rechts“.

Doch ist eine so verstandene Kodifikation an sich tatsächlich ein Weg zur guten oder zumindest zu einer verbesserten Gesetzgebung oder muss schon aus verfassungsrechtlichen Gründen nach den Besonderheiten der einzelnen Rechtsgebiete unterschieden werden, so dass die Vorteile von Rechtsgebiet zu Rechtsgebiet durchaus unterschiedlicher Art sein können? In welchem Verhältnis steht Kodifikation zu der „gestaltenden“ Regelungsgesetzgebung durch Maßnahmegesetze 7? Und schließlich: Gibt es insbesondere in Mehrebenensystemen rechtliche Rahmenbedingungen, die eine Kodifizierung begünstigen oder gegen sie sprechen? Lassen Sie mich diesen Fragen im Folgenden etwas detaillierter nachgehen – dabei wähle ich naheliegender Weise das Projekt des UGB des Bundes als Beispiel, ohne eine auch nur annähernd vollständige Problembehandlung zu versuchen oder zu beabsichtigen:

I. Kodifizierungspotentiale und Verfassungsrecht Auszugehen ist von der Erkenntnis, dass das Kodifizierungspotential einer Regelungsmaterie nicht nur aus seinen (einfach-gesetzlichen) Eigengesetzlichkeiten folgt, sondern dass das Verfassungsrecht ganz maßgebliche Vorentscheidungen 5 Vgl. Stephan Meder, a. a. O., S. 484; s. auch Behrends, in: Behrends / Henckel (Hrsg.), Gesetzgebung und Dogmatik, 1989, S. 9 – 36(33) mit dem Hinweis, dass der ursprünglich vorgesehene „Paragraph über die Rechtsfindung aus dem Geist des Gesetzbuches, d. h. aus dem Geist seiner Dogmatik, als selbstverständlich gestrichen wurde.“. 6 Franz-Joseph Peine, Zur praktischen Bedeutung der Kodifikationsidee – dargestellt am Umweltrecht und am Gewerberecht, in: Ipsen / Schmidt-Jortzig (Hrsg.), Recht-StaatGemeinwohl, FS für Dietrich Rauschning, 2001, S. 669 – 689(677). 7 Zur „Dichotomie von Rechts- und Maßnahmegesetz“ bei Forsthoff vgl. Thomas Simon, Was ist und wozu dient Gesetzgebung? – Kodifikation und Steuerungsgesetzgebung: Zwei Grundfunktionen legislativer Normsetzung, in: Kohl / Neschwara / Simon (Hrsg.), FS für Wilhelm Brauneder, 2008, S. 635 – 648(648); zum Terminus „gestaltende Gesetzgebung“ vgl. ebenda, S. 639 sowie Peter Noll, Gesetzgebungslehre, 1973, S. 215.

Kodifikation – ein Mittel zur guten Gesetzgebung?

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und Grenzen für eine Systematisierung bereithält. Lassen Sie mich das am Beispiel des Umweltrechts kurz erläutern: 1. Fachrechtliche Perspektive Eine Kodifizierung macht nur Sinn, wenn es ein ausreichend komplexes Kodifizierungsmaterial und ein wirkliches Bedürfnis nach einer Vereinheitlichung gibt. Dabei ist unbestreitbar, dass das Umweltrecht des Bundes in eine Vielzahl von gesetzlichen und untergesetzlichen Regelungen zersplittert ist, dass auf ein und denselben Sachverhalt häufig mehrere Gesetze anzuwenden sind, dass die Schutzkonzepte noch nicht durchgehend integrativ, sondern zum Teil noch auf zu schützende Einzelmedien ausgerichtet sind 8 und dass die dabei zu subsumierenden Begrifflichkeiten stark differieren; diese Liste ließe sich problemlos fortführen 9. Ein Harmonisierungs- und Abstimmungsbedarf ist danach unverkennbar. Allerdings wird man der teilweise anzutreffenden Skepsis gegenüber allzu euphorischen Beschwörungen einer Verbesserung der Gesetzgebung und des Gesetzesvollzuges, der Verständlichkeit und Bürgernähe des Rechts oder schließlich gar des Umweltbewusstseins der Bürger insgesamt wohl kaum mit substantiellen Gegenargumenten begegnen können. Deswegen kann aber das Vorhaben eines Umweltgesetzbuches nicht schlechthin und nicht vorschnell als ein ebenso unnötiger wie disfunktional wirkender Schritt in die Traumfabrik akademischer Gesetzgebungslehren abgewertet werden. Eine derart vordergründige Abwehr von Kodifikationsbestrebungen setzte sich ihrerseits dem Vorwurf aus, tradierte Eigenständigkeiten der jeweiligen Fachgebiete und damit verbundene Zuständigkeiten und Wissensprärogativen nicht auf dem Altar größerer Harmonisierung und Systematisierung zu opfern bereit zu sein. Dabei liegt es nahe, dass dieser schwierige Prozess der Harmonisierung und Systematisierung noch am ehesten im Rahmen einer Kodifizierung bewältigt werden kann – eher und besser jedenfalls als bei „bilateraler“ Abstimmung der jeweils aufeinanderstoßenden mediensektoralen Fachgesetze. Nicht zu verkennen ist dabei allerdings, dass die Regelungen des Besonderen Teils eines Umweltgesetzbuchs in ungleich größerem Maße als die eines Allgemeinen Teils geprägt sind von politischen Willensentscheidungen, Wertungen 8 Vgl. nur Michael Kloepfer, Sinn und Gestalt des kommenden Umweltgesetzbuchs, UPR 2007, 161 – 170(161 f.). 9 Michael Kloepfer, Das Umweltgesetzbuch auf dem Weg, Die Verwaltung, 2008, S. 195 – 225(197 f.); Dieter Sellner, Der systematische Ertrag einer Kodifikation für das allgemeine Verwaltungsrecht am Beispiel des Umweltgesetzbuches, in: Trute / Groß / Röhl / Möllers (Hrsg.), Allgemeines Verwaltungsrecht – zur Tragfähigkeit eines Konzepts, 2008, S. 191 – 210(197 f.).

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und Abwägungen. Im Besonderen Teil werden die politisch durchsetzbaren oder „machbaren“ Regelungen stärker im Vordergrund stehen, weniger die systematisch-dogmatischen Aspekte. Die Erarbeitung und Beratung eines Besonderen Teils geraten damit sehr viel stärker und sehr viel schneller in die politische Diskussion und in die Abhängigkeit von moralisch-ethischen und politischen Vorverständnissen als die des Allgemeinen Teils. Gleichwohl kann das Umweltrecht der Bundesrepublik Deutschland heute insgesamt betrachtet als ein kodifizierungsfähiges, abgrenzbares Rechtsgebiet angesehen werden 10. Dass es wegen des „Querschnittcharakters“ des Umweltschutzes Abgrenzungsschwierigkeiten geben kann, spricht noch nicht gegen die Abgrenzung als solche. Auch dass die „Idee einer ganzheitlichen Kodifikation nur unvollkommen verwirklicht“ werden könnte (Breuer 11), ist weder überraschend noch ein Argument gegen systematische kodifikatorische Verbesserungen. Insbesondere ist nicht ersichtlich, weshalb die „unausweichlichen Zerschneidungseffekte“ 12 gegenüber anderen gesetzlichen Regelungen größer sein sollen, wenn bestimmte Kerngebiete des Umweltrechts in einem Gesetzbuch zusammengefasst sind, als in dem Fall, in dem alle Gebiete des Umweltrechts jeweils in getrennten, vielfach auch nicht aufeinander abgestimmten Spezialgesetzen normiert sind. Kurz: Fachlich spricht viel für eine Kodifizierung des Umweltrechts des Bundes. 2. Verfassungsrechtliche Perspektive Doch ist nicht zu verkennen, dass bereits auf der Ebene des Verfassungsrechts eine gewisse Heterogenität in Sachen Umweltrecht angelegt ist, die sich auf der Ebene des einfachen Rechts kaum völlig ausgleichen lassen dürfte. a) Gesetzgebungskompetenzen Schon die Gesetzgebungskompetenzen des Bundes sind unübersichtlich geregelt. Für den Bereich „Umwelt“ sieht auch nach der Föderalismusreform und der Abschaffung des früheren Instituts der Rahmengesetzgebungskompetenz das Grundgesetz keine thematisch vollumfängliche Gesetzgebungskompetenz des Bundes vor. Vielmehr bleibt es bei Teilzuweisungen des Art. 73 Abs. 1 Nr. 14 GG 10 Vgl. bereits Kloepfer / Rehbinder / Schmidt-Aßmann / Kunig, Umweltgesetzbuch – Allgemeiner Teil –, Berichte 7/90 des Umweltbundesamtes, 1990; siehe auch Papier, Entwurf eines Umweltgesetzbuches, DVBl. 1992, 1133 (1134). 11 Vgl. Breuer, Empfiehlt es sich, ein Umweltgesetzbuch zu schaffen, gegebenenfalls mit welchen Regelungsbereichen? Gutachten B für den 59. Deutschen Juristentag, 1992, S. B 31 ff. (82 ff.). 12 Breuer, a. a. O., These Nr. 19, S. B 123.

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im Atomrecht und des Art. 74 Abs. 1 GG, insbesondere im Bereich „Recht der Wirtschaft“ (Nr. 11), „Bodenrecht“ (Nr. 18), „Abfallwirtschaft, Luftreinhaltung und Lärmbekämpfung“ (Nr. 24), „Naturschutz und Landschaftspflege“ (Nr. 29), „Raumordnung“ (Nr. 31) und „Wasserhaushalt“ (Nr. 32). Zwar decken diese Teilzuweisungen thematisch sehr wichtige Felder ab und könnten in ihrer „Zusammenschau“ 13 – rein thematisch gesehen – wahrscheinlich auch eine weitreichende Kodifizierung stützen. Doch lässt sich auf diese Technik der „Zusammenschau“ nicht ohne Einschränkungen zurückgreifen. Denn in ihrer qualitativen Ausstattung sind die Einzelkompetenzen sehr unterschiedlich, worauf Michael Kloepfer und Astrid Epiney schon frühzeitig und zu Recht hingewiesen haben 14. Da ist vor allem die unterschiedliche Abhängigkeit vom streng auszulegenden Kriterium der „Erforderlichkeit zur Herstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse“ in Art. 72 Abs. 2 GG. Zwar trifft dies von den genannten Kompetenzen nur das „Recht der Wirtschaft“ (Art. 74 Abs. 1 Nr. 11 GG) 15 – doch auch diese Kompetenz ist in Ansehung des hier in Rede stehenden Kodifikationsvorhabens wichtig, insbesondere wenn es darum geht, gesetzliche Pflichten für Unternehmen aufzustellen. Weiter ist im Hinblick auf das neue Institut der Abweichungsgesetzgebung (Art. 72 Abs. 3 GG) für jede einzelne Materie zu unterscheiden, ob den Ländern Abweichungsgesetzgebungsrechte zustehen und – wenn ja – inwieweit dabei abweichungsfeste Kernbereiche existieren, in denen von Bundesregelungen nicht abgewichen werden kann, was an dieser Stelle nicht im Einzelnen ausgeführt werden soll 16. Sicher ist nur, dass nach Art. 125b Abs. 1 Satz 3 GG die Länder ab 1. Januar 2010 Abweichungsgesetze gerade auch von einem neu erlassenen Umweltgesetzbuch des Bundes erlassen dürfen – dem Bund steht also nur ein zeitlich befristeter „Regelungskorridor“ (Michael Kloepfer 17) zu. Nach dieser „(Schon-)Frist“ 18 stünde ein UGB des Bundes den Ländern in den Teilbereichen des Art. 72 Abs. 3 Satz 1 GG zur partiellen Abweichung offen.

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Vgl. Referentenentwurf UGB 2009, Begründung zu UGB I, S. 44. Astrid Epiney, Föderalismusreform und Europäisches Umweltrecht, NuR 2006, 403 (407 – 410); Michael Kloepfer, Die neue Abweichungsgesetzgebung der Länder und ihre Auswirkungen auf den Umweltbereich, in: Wege gelebter Verfassung – FS für Rupert Scholz zum 70. Geburtstag, 2007, S. 652 – 675. 15 Michael Kloepfer, a. a. O., S. 656 f. mit Hinweis auf die strikte Rechtsprechung des BVerfG zum Erforderlichkeitskriterium in BVerfGE 106, 62 (Altenpflege), BVerfGE 110, 141 (gefährliche Hunde), BVerfGE 111, 10 (Ladenschluss); BVerfGE 111, 226 (Juniorprofessuren); BVerfGE 112, 226 (Studiengebühren). 16 Vgl. ausführlich Michael Kloepfer, Die neue Abweichungsgesetzgebung der Länder und ihre Auswirkungen auf den Umweltbereich, in: Wege gelebter Verfassung – FS für Rupert Scholz zum 70. Geburtstag, 2007, S. 652 – 675(661 –664). 17 Michael Kloepfer, a. a. O., S. 654. 14

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Bevor eine Antwort auf die Kompetenzlage im Umweltrecht gegeben werden kann, ist also stets eine Art gedankliche Tabelle zu entwerfen, in der jeder Einzelmaterie des Art. 74 Abs. 1 GG zunächst eine Aussage zur Erforderlichkeitsprüfung, sodann eine Aussage zur Abweichungsberechtigung der Länder und ggf. zur Existenz eines abweichungsfesten Kernbereichs zugeordnet werden muss 19. Dabei sei nicht verschwiegen, dass die präzise Bestimmung der abweichungsfesten Kernbereichsgrenzen alles andere als stets eindeutig ist. Was sind bspw. „die allgemeinen Grundsätze des Naturschutzes“ im Sinne von Art. 72 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 GG oder „stoff- oder anlagenbezogene Regelungen“ in Art. 72 Abs. 3 Nr. 5 GG? 20 Zusammenfassend lässt sich also feststellen, dass die Möglichkeiten einer Kodifizierung nicht nur von den Sachgesetzlichkeiten des jeweiligen Fachbereichs, sondern ganz wesentlich auch von den verfassungsrechtlichen Rahmenbedingungen abhängen, wobei der Bereich Umwelt durch eine große Unterschiedlichkeit der verfassungsrechtlichen Vorgaben gekennzeichnet ist. b) Rechtsstaatliche Anforderungen Zusätzlich und unabhängig von diesen umweltrechtsspezifischen, kompetenzrechtlichen Vorgaben für eine Kodifikation ergeben sich aber auch aus dem Rechtsstaatsprinzip unterschiedliche Regelungsanforderungen an die Systematik einer Kodifikation je nachdem, ob es sich um eine Kodifikation mit oder um eine Kodifikation ohne staatliche Grundrechtseingriffe handelt. Das belegt schon ein Vergleich von BGB und StGB: In Bereichen, in denen es nicht um staatliche Eingriffs-Befugnisse geht – wie insbesondere im Zivilrecht –, wird eine richterliche Rechtsfortbildung verfassungsrechtlich eher leichter möglich sein und die Grundrechte werden als Ausdruck einer objektiven Werteordnung insoweit sogar eine Art Richtschnur darstellen können, was einer der Gründe dafür sein dürfte, dass das BGB auch unter dem Grundgesetz nicht auf permanente Gesetzesänderungen angewiesen war, sondern in sich ständig weiterentwickelnder verfassungskonformer Auslegung und Rechtsfortbildung über ein Jahrhundert angewandt werden konnte 21. Dagegen ist im Bereich hoheitlicher 18 So Wilfried Erbguth, Zur Föderalismusreform im Bereich Umwelt, insbesondere Raumordnung, in: Ipsen / Stüer (Hrsg.), Europa im Wandel, FS für Hans-Werner Rengeling, 2008, S. 35 – 56(42 – dort Fußnote 44). 19 Siehe auch Astrid Epiney, Föderalismusreform und Europäisches Umweltrecht, NuR 2006, 403 (404). 20 Vgl. zu diesen verfassungsgerichtlich noch ungeklärten Fragen Michael Kloepfer, Die neue Abweichungsgesetzgebung der Länder und ihre Auswirkungen auf den Umweltbereich, in: Wege gelebter Verfassung – FS für Rupert Scholz zum 70. Geburtstag, 2007, S. 652 – 675(661 – 664); ebenso Ramsauer, zitiert bei Bischoff, DVBl 2008, S. 1039 (1040).

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Grundrechtseingriffe der Vorbehalt des Gesetzes zu beachten. Letzterer setzt einer fachgerichtlichen Rechtsfortbildung zumindest im Bereich grundrechtsrelevanter staatlicher Eingriffe von vornherein Grenzen und lässt bei geänderten tatsächlichen Rahmenbedingungen und neuartigen Gefährdungen den Ruf nach neuen – auch punktuellen – Gesetzesänderungen viel naheliegender erscheinen als etwa im Zivilrecht. Auch insoweit wird im Bereich des UGB 2009 also eine Differenzierung erforderlich werden. In den zahlreichen vom Vorbehalt des Gesetzes geprägten Bereichen eines UGB 2009 wird das kodifizierte System seine – unvermeidliche – Unvollständigkeit oder Anpassungsbedürftigkeit vielfach nicht aus eigener Kraft ausgleichen können, sondern der permanenten Weiterentwicklung in Form von Änderungs- und Ergänzungsgesetzen bedürfen. In der modernen Umweltgesetzgebung muss das Recht schon aus diesem verfassungsrechtlichen Grund zwangsläufig zur „Totalität“ der Ordnungen hintendieren. Diesem Trend kann nur in begrenztem Maße durch den Einsatz von Generalklauseln und unbestimmten Rechtsbegriffen entgegengewirkt werden. Denn eine solche Strategie der „Flucht in die Generalklauseln“ würde voraussetzen, dass bei der Anwendung der Generalklausel auf „präexistente“ und allgemein anerkannte objektive Wertvorstellungen zurückgegriffen werden kann, die bei der Anwendung der Generalklausel nur noch benannt und ggf. weiter konkretisiert werden müssen. Solche präexistenten objektiven Wertvorstellungen gibt es aber im Bereich des Umweltrechts wie auch in anderen Regelungsbereichen nicht oder nicht mehr. Vielmehr ist die Konkretisierung der abstrakten Verfassungsvorgaben und anderer Gemeinwohlziele für den Umweltschutz und seinen Ausgleich mit anderen Schutzgütern im parlamentarisch-demokratischen System des Grundgesetzes zuvörderst Sache des parlamentarischen Gesetzgebers. Verwendet die Gesetzgebung Generalklauseln und höchst unbestimmte Rechtsbegriffe, die letztlich ebenso abstrakt bleiben wie das Verfassungsrecht und seine Gemeinwohlziele selbst, kommt der Gesetzgeber also seiner Konkretisierungsaufgabe nicht nach, dann veranlasst er auf diese Weise die rechtsprechende Gewalt, nicht etwa nur existente und allgemein anerkannte Wertvorstellungen zu erkennen und zu konkretisieren, sondern mangels solcher objektiver Wertsetzungen subjektive Wertungen des jeweiligen Rechtsanwenders dem Rechtsfindungsprozess zugrunde zu legen. Die somit absehbare partielle Abhängigkeit auch eines UGB von permanenter Aktualisierung durch den einfachen Gesetzgeber und die partielle Möglichkeit einer Zersplitterung in divergierende Landesrechtsordnungen sind allerdings meines Erachtens noch kein wirklich schlagendes Argument gegen eine Kodifizierung an sich 22. Ganz im Gegenteil erscheint es längerfristig gesehen sogar leichter, ein vernünftiges System von Befugnissen zu ergänzen, als immer neue 21

Vgl. hierzu Behrends, in: Behrends / Henckel (Hrsg.), Gesetzgebung und Dogmatik, 1989, S. 9 – 36(35 unter VI.).

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Eingriffsbefugnisse in diversen Einzelgesetzen unterzubringen. Und auch wenn nur einzelne Länder Ergänzungen vornehmen, wird durch die bloße Existenz einer Bundeskodifizierung für die gesetzgebenden Instanzen viel deutlicher, worin die Unterschiedlichkeit und Tragweite der von Ihnen beabsichtigten Regelungen bestehen und insbesondere, ob hierfür ein wirkliches Gesetzgebungserfordernis existiert. Allerdings gilt es, die Erwartungen an eine Kodifizierung nicht zu hoch zu schrauben und vor allem nicht an den Ansprüchen zu messen, wie sie an eine Kodifizierung in anderen kompetenziell übersichtlicheren Materien – wie etwa der des Zivilrechts – gestellt werden können. Das führt mich zu meinem nächsten Punkt, nämlich dem Verhältnis von Kodifizierung und gestaltender Maßnahmegesetzgebung.

II. Kodifizierung und gestaltende Gesetzgebung Die bereits erwähnte Unterscheidung zwischen Kodifizierung und gestaltender Maßnahmegesetzgebung hat eine lange Tradition. Seit dem Hochmittelalter hat es ein permanentes Nebeneinander beider Phänomene gegeben – beide gehören zur europäischen Rechtstradition. So gab es neben dem ius commune schon lange vor dem 18. Jahrhundert eine unüberschaubare und aus eher einzelfallorientierten politischen Entscheidungsprozessen resultierende sog. Policey-Gesetzgebung 23, die in einer bunten Formenvielfalt von „Edikten“, „Verordnungen“, „Mandaten“ und „Statuten“ das Leben der Menschen zu ordnen versuchten 24. Immer wieder wurde auch versucht, die so gewachsenen Rechtsquellen in Kodifikationen zu ordnen. Dabei haben allerdings auch die neuzeitlichen Kodifikationen zu keiner Zeit Ergänzungen, die dem politischen Tagesgeschäft verhaftet und geschuldet sind, obsolet werden lassen. Allerdings wird aus dem dargestellten Nebeneinander von Kodifizierung und politisch gestaltender Maßnahmegesetzgebung teilweise (Thomas Simon 25) gefolgert, es sei ein „Fehler, die Steuerungsgesetzgebung an kodifikatorischen Formidealen zu messen, ohne zu fragen, ob man die beiden Gesetzestypen bei ihrer unterschiedlichen Funktion überhaupt einheitlichen Formkriterien un22

Skeptisch zum Projekt des UGB angesichts der zum 01. 01. 2010 ablaufenden „(Schon-)Frist“ allerdings Wilfried Erbguth, Zur Föderalismusreform im Bereich Umwelt, insbesondere Raumordnung, in: Ipsen / Stüer (Hrsg.), Europa im Wandel, FS für Hans-Werner Rengeling, 2008, S. 35 – 56(42). 23 Vgl. Stephan Meder, Die Krise des Nationalstaates und ihre Folgen für das Kodifikationsprinzip, JZ 2006, 477 – 484(483). 24 Hierzu Thomas Simon, Was ist und wozu dient Gesetzgebung? – Kodifikation und Steuerungsgesetzgebung: Zwei Grundfunktionen legislativer Normsetzung, in: Kohl / Neschwara / Simon (Hrsg.), FS für Wilhelm Brauneder, 2008, S. 635 –648(644 f.). 25 Thomas Simon, a. a. O., S. 642 f.

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terwerfen kann“. Zeitlosigkeit und Unabhängigkeit vom sozialen Wandel seien typisch kodifikatorische Regelungsziele, während die gestaltende „Steuerungsgesetzgebung diesem Ideal von vornherein kaum entsprechen könne, weil sie schon ihrer Intention nach eine unmittelbare und direkte Reaktion auf unerwünschten gesellschaftlichen Wandel oder Stagnation“ darstelle 26. Dazu sei eine verfassungsrechtliche Klarstellung vorausgeschickt: Selbstverständlich können unter dem Grundgesetz alle Gesetze, die das von der Verfassung vorgesehene Gesetzgebungsverfahren durchlaufen haben, die gleiche Verbindlichkeit beanspruchen und selbstverständlich sind alle Gesetze in gleicher Weise den verfassungsrechtlichen Prinzipien der Normenbestimmtheit, Normenklarheit, Widerspruchsfreiheit und dem Gebot der Grundrechtskonformität verpflichtet. Verfassungsrechtlich kann es also keine zwei Kategorien von Gesetzgebung geben: Entweder ein Gesetz genügt den verfassungsrechtlichen Anforderungen oder es tut dies nicht – grundsätzlich können die verfassungsrechtlichen Anforderungen nicht geringer sein, nur weil es sich um einen Akt der Steuerungsgesetzgebung handelt. Die Unterscheidung zwischen gestaltender Steuerungsgesetzgebung und kodifizierender Gesetzgebung ist verfassungsrechtlich weitgehend irrelevant 27. Aber auch unter einem mehr rechtspolitischen Aspekt sollte die Unterscheidung zwischen Kodifizierung einerseits und gestaltender bzw. steuernder Maßnahmegesetzgebung andererseits nicht überbetont werden. So gibt es häufig Kodifkationen oder auch Rekodifikationen, die partiell inhaltlich gestaltend wirken, man denke nur an die Änderungen im Mietrecht bei der Schuldrechtsreform des BGB. Entscheidend sollte das permanente Bemühen um Normenbestimmtheit, -klarheit und -widerspruchsfreiheit sein, ganz gleich, in welchem Kontext man sich bewegt. So ist es auch bei einem Maßnahmegesetz sinnvoll und geboten, sich mit der Frage des Anwendungsbereichs im Verhältnis zu bestehenden Codices oder anderen Einzelgesetzen intensiv und ggf. ausdrücklich auseinanderzusetzen. Eine konsequente Verwendung von Begrifflichkeiten kann auch in formal getrennten Einzelgesetzgebungsverfahren erfolgen. Vor allem aber ist zu bedenken, dass gerade die Judikatur des Bundesverfassungsgerichts erheblichen Wert auf die empirischen Aspekte eines Gesetzgebungsverfahrens legt, also auf die Ermittlung tatsächlicher Gefahrenlagen (bspw. ob Sportwetten tatsächlich ein Spielsuchtpotential haben 28), auf die Ermittlung technischer Möglichkeiten (bspw. welche Möglichkeiten der Infiltration und Fernsteuerung informationstechnischer Systeme es bei der Online-Durchsuchung technisch gibt 29) sowie 26

Thomas Simon, a. a. O., S. 643. Das sieht im Ergebnis wohl auch Thomas Simon so – vgl. a. a. O., S. 647 –, wenn auch ohne Rückgriff auf die verfassungsrechtlichen Anforderungen der Normenbestimmtheit, Klarheit und Widerspruchsfreiheit. 28 BVerfGE 115, 276 – Sportwettenmonopol. 27

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auf die Ermittlung und Bewertung der tatsächlichen Auswirkungen von gesetzlichen Differenzierungen (bspw. der Wettbewerbsverzerrungen zwischen Ein- und Mehrraumgaststätten, die mit Rauchverbotausnahmen verbunden sind 30). Diese Anforderungen und die dadurch regelmäßig gebotene Evaluierung und Nachsteuerung gesetzlicher Regelungen werden durch eine Kodifizierung allein nicht gewährleistet oder entbehrlich und sind andererseits auch von einem gestaltenden Maßnahmegesetz zu fordern. In einem modernen Gesetzgebungsverfahren dürften die Juristen in den allerseltensten Fällen „unter sich“ bleiben können. Die äußere Form der Kodifizierung allein bietet jedenfalls noch keine Gewähr guter Gesetzgebung insbesondere im Sinne verfassungsrechtlicher Unbedenklichkeit. Auf der anderen Seite ist nicht zu verkennen, dass gerade der der Kodifizierung eigene Zwang zur Systematisierung es wesentlich erleichtert, die insbesondere im Zusammenhang mit Ausnahmevorschriften verfassungsrechtlich gebotenen Fragen zu stellen und sie mit den einzelnen Vorschriften in Beziehung zu setzen, um dann ggf. weitere (regelmäßig empirische, also nicht-juristische) Untersuchungen einzuleiten. Gute Gesetzgebung ist also schon nach rein nationalen Maßstäben eine komplizierte Angelegenheit. Doch wird gerade im Umweltbereich eine Kodifizierung durch den Bundesgesetzgeber noch deutlich weiter verkompliziert, weil der Bund seinerseits auf die Vorgaben des Gemeinschaftsrechts zu achten hat, was mich zum letzten Abschnitt meines Vortrags führt.

III. Kodifizierung in Mehrebenensystemen Wie dargestellt, sind die Gesetzgebungskompetenzen in Sachen Umweltschutz thematisch zwischen Bund und Ländern aufgeteilt, wobei die Einzelkompetenzen des Bundes keineswegs homogen sind, insbesondere hinsichtlich des Erforderlichkeitskriteriums und einer Abweichungskompetenz der Länder. Anders sieht es im Bereich der Europäischen Gemeinschaft aus. Titel XIX des EGVertrages gewährt der Europäischen Gemeinschaft unabhängig von der – ohnehin nicht themengebundenen – Harmonisierungskompetenz des Art. 95 EG-Vertrag eine Politik- und Rechtsetzungskompetenz im gesamten „Umwelt“bereich (vgl. Art. 174 und Art. 175 EG-Vertrag). Die Zuständigkeitsverteilung zwischen Bund und Ländern – auch nach der Föderalismusreform – führt dazu, dass einheitliche EG-Vorgaben im bundesstaatlichen Gefüge unter Umständen nicht von einer einzigen Ebene umgesetzt werden können, sondern dass partiell der Bund 29 BVerfG, Urt. v. 27. 02. 2008, Az. 1 BvR 370/07, 1 BvR 595/07, NJW 2008, 822 – Online-Durchsuchung. 30 BVerfG, Urt. v. 30. 07. 2008, Az. 1 BvR 3262/07, 1 BvR 402/08, 1 BvR 906/08, NJW 2008, 2409 – Nichtraucherschutz.

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und partiell die Länder umsetzen müssen oder können. Und selbst wenn eine Umsetzung der gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben durch den Bund im Rahmen eines UGB zunächst erfolgt, kann sich die Situation ergeben, dass im Falle einer Abweichungsgesetzgebung eines Landes oder mehrerer Länder jeweils zu prüfen ist, ob mit den Landesmodifizierungen den EG-Vorgaben Rechnung getragen ist oder nicht. Dieses durch die Bundesstaatlichkeit determinierte Problem dürfte erhebliche praktische Relevanz entfalten. Denn es ist geradezu ein typisches Merkmal der neueren Umweltpolitik der EG, wie ein Blick auf die IVU-Richtlinie 31 und die UVP-Richtlinie 32 belegt, dass sie einen eher „integrierten Ansatz“ verfolgt und gerade nicht auf ausgewählte Medien bezogen ist 33. Man könnte vor diesem Hintergrund die Frage stellen, ob das Projekt einer Kodifizierung auf Bundesebene nicht gerade die falsche Normierungsebene auswähle. Denn der Bund ist ja quasi „umzingelt“ von den Gemeinschaftsvorgaben auf der einen Seite und der ab 1. Januar 2010 eröffneten Abweichungsgesetzgebung durch die Länder andererseits. Man könnte auch daran denken, eine Kodifizierung auf Bundesebene erst dann für sinnvoll zu halten, wenn zuvor auch auf der übergeordneten Ebene des Gemeinschaftsrechts eine entsprechende Kodifizierung erfolgt. Andererseits spricht der Grundsatz der Subsidiarität des Gemeinschaftsrechts gerade gegen eine systematisch vollständige Regelung auf dieser supranationalen Ebene. Wenn die Mitgliedstaaten sich eigenständige Regelungsbereiche erhalten wollen, sollten sie nicht aus föderalen Gründen eine zusätzliche Systematisierung und damit Regelungsintensivierung der Europäischen Gemeinschaft anstreben. Außerdem ist zu bedenken, dass selbst im Falle einer Kodifizierung des EG-Umweltrechts durchaus noch weitere EG-Vorgaben aus ganz anderen – nicht umweltrechtlichen – Regelungsbereichen einschlägig und umzusetzen sein können. Als Beispiel sei die auf Art. 47 und 55 EG-Vertrag gestützte Dienstleistungsrichtlinie vom 12. Dezember 2006 34 genannt. Deren Kapitel II über „Verwaltungsvereinfachung“ (Art. 5 – 8) wird auch von einer zukünftigen Umweltverwaltung zu beachten sein. Die Schaffung einheitlicher Ansprechpartner (Art. 6), die Einräumung ausreichender Rechte auf Information (Art. 7) und die Sicherstellung elektronischer Verfahrensabwicklung (Art. 8) dürften im Rahmen einer natio31

Richtlinie 96/61 über die integrierte Vermeidung und Verminderung der Umweltverschmutzung, ABl. 1996 L 257, 26. 32 Richtlinie 85/337 über die Prüfung der Umweltverträglichkeit bestimmter Projekte, ABl. 1985 L 175, 40. 33 Vgl. bspw. Astrid Epiney, Föderalismusreform und Europäisches Umweltrecht, NuR 2006, S. 403 (406 f.), mit Hinweis auf den ebenfalls integrierenden Ansatz auch der (an sich medienbezogenen) Wasserrahmenrichtlinie. 34 Richtlinie 2006/123/EG über Dienstleistungen im Binnenmarkt, ABl. L 376, S. 36.

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nalen Kodifizierung leichter möglich sein als in Einzelgesetzgebungsverfahren, auch dann wenn das eigentliche EG-Umweltrecht niemals kodifiziert werden sollte. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Kodifizierungsarbeit im Bereich des Umweltrechts durch die Gleichzeitigkeit der gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben einerseits und der Möglichkeit der Abweichungsgesetzgebung der Länder andererseits besonders kompliziert erscheint, dass aber diese Mehrebenenproblematik bei einem nicht-kodifizierten Konglomerat aus Einzelgesetzen zu noch viel größeren und bedeutend schwerer steuerbaren Schwierigkeiten führen dürfte. Die Mehrebenensituation bewirkt zwar, dass mit der Kodifizierung des Umweltrechts des Bundes möglicherweise – im Vergleich zu anderen eher traditionsreichen Kodifikationsprojekten – der Anspruch auf übersichtliche, relativ leicht verständliche und beständige Rechtsetzung nicht voll wird erfüllt werden können. Gleichwohl ist – relativ betrachtet – im Vergleich zu einem sich in Einzelgesetzen des Bundes als der „mittleren Gesetzgebungsebene im Umweltbereich“ und gar in zusätzlichen Landesgesetzen verlierenden Konglomerat die Kodifizierung des Bundesumweltrechts die deutlich überzeugendere Variante.

Schluss Ich komme zum Schluss. Gute Gesetzgebung gehört zu den anspruchsvollsten juristischen Tätigkeiten, gerade weil sie heute regelmäßig nicht mehr in rein juristischer Herangehensweise erfolgen kann, sondern koordinierte interdisziplinäre Überlegungen voraussetzt. Eine Kodifizierung ist dabei weder eine hinreichende noch eine zwingend notwendige Voraussetzung für „gute Gesetzgebung“. Allerdings bietet das mit einer Kodifizierung verbundene Systematisierungserfordernis Gelegenheit, die mit einem Gesetzgebungsverfahren verbundenen Problemstellungen deutlicher zu erkennen, um ggf. die erforderlichen (auch nichtjuristischen) Prüfungen zu initiieren. Dabei ist nicht zu verkennen, dass in Materien, bei denen die Regelungsbefugnisse auf Mehrebenensysteme verteilt sind, die erforderliche Abstimmung mit den jeweils anderen Ebenen – als eine im Ausgangspunkt eher juristische Zusatzaufgabe – durch Kodifikation erleichtert werden dürfte. Es ist im Falle einer Umweltrechtskodifikation ebenso wenig wie etwa bei der Sozialrechtskodifikation davon auszugehen, dass durch die Kodifizierung die Häufigkeit gestaltender Einzel(änderungs-)Gesetze grundlegend reduzierbar wäre. Vielmehr wird auch in Zukunft auf ein permanentes Nachsteuern des Gesetzgebers nicht verzichtet werden können, sei es wegen geänderter gemeinschaftsrechtlicher Vorgaben, wegen neuer Gefahrenlagen, wegen des technischnaturwissenschaftlichen Wandels oder wegen neuer politischer Akzentsetzungen auf Landes- oder Bundesebene. Auch insoweit erleichtert eine Kodifizierung

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aber letztendlich die Gesetzgebung, weil sie durch ihre Systematisierung mögliche Systembrüche oder Systemmodifikationen, die solche Anpassungen mit sich bringen, wesentlich plastischer heraustreten lässt als ein Konglomerat isolierter Einzelgesetze, bei dem die Gesamtsituation in jedem Gesetzgebungsverfahren aufwändig ermittelt und dargestellt werden müsste. Schon von daher ist die gewaltige mit einer Kodifikation verbundene Arbeit „der Mühe wert“. Wie sieht denn angesichts der Stofffülle und Komplexität der zu regelnden Sachmaterien, des Zeitdrucks im Gesetzgebungsverfahren, der Einwirkung der Verbände, angesichts von Kompromissen „in letzter Minute“ nach Einschaltung von Vermittlungsausschuss, Kanzlerrunden, kleinen und großen Koalitionsgipfeln, Kodifikationsbestrebungen entwöhnte Gesetzgebung heute in diesem Lande vielfach aus? Die Ergebnisse dieser schlagwortartig umrissenen Rahmenbedingungen sind vielfach unklare, unvollständige, unverständliche, widersprüchliche, dem eigenen Gesetzeszweck entgegenstehende, unbillige oder sogar erkennbar unbeabsichtigte Normierungen. In der Flut von Gesetzen, Ausnahme- und Änderungsgesetzen bzw. Artikelgesetzen treten nicht selten schon Zweifel über das jeweils geltende Recht auf. Trotz aller Emsigkeit und Geschäftigkeit schafft eine solchermaßen kurzatmige, überdies mit traditions- und systemlosen Zweckschöpfungen arbeitende Gesetzgebung vielfach nicht Rechtsklarheit, nicht Rechtsfrieden und nicht Rechtssicherheit, sondern im Gegenteil Unklarheit, Streit und Unsicherheit. Eine solche Gesetzgebung erzeugt keine Autorität und Akzeptanz beim Rechtsunterworfenen, befriedigt keinesfalls sein Gerechtigkeitsgefühl. All das muss dann letztlich der Richter leisten, so dass der Weg zum immer wieder beklagten Richterstaat dadurch unaufhaltsam beschritten wird. Will man dieser Entthronung des Gesetzgebers und der Verlagerung rechtsschöpferischer Funktionen auf die rechtsanwendenden Organe, die das demokratisch-parlamentarische System unseres Landes im Kern tangieren, nicht resignierend und tatenlos zusehen, dann bleibt im Grunde nur der Versuch, jedenfalls für abgrenzbare Rechtsbereiche ein übergeordnetes System, eine größere Übersichtlichkeit und leichtere Erkennbarkeit des Rechts zu schaffen. Eine solche Systementscheidung verhindert auch nicht die notwendigen, widerspruchsfreien Wertentscheidungen und politisch-dezionistischen Vorgaben, die selbstverständlich auch der auf Kodifikationen bedachte Gesetzgeber zu treffen hat. Es ist also der Weg der – jedenfalls teilgebietlichen – Kodifikation des Rechts, der schlussendlich für die Stabilität des demokratisch-parlamentarischen sowie des rechtsstaatlichen Systems unverzichtbar ist.

Integrierte Vorhabengenehmigung Genehmigung und planerische Genehmigung, Allgemeine Bemerkungen Von Dieter Sellner

I. Einleitung Wir haben es erfahren: Kodifikation ist in der heutigen Zeit ein schwieriges Unterfangen. Die Veranstalter dieser Tagung hatten damit gerechnet, dass heute – am 09. Oktober 2009 – mit Sicherheit ein Regierungsentwurf zu den fünf Büchern des UGB mit Einführungsgesetz vorliege. Die Meinungsverschiedenheiten erwiesen sich als zu groß. Es steht nicht fest, ob und wann es zu einer Befassung des Bundeskabinetts mit dem UGB kommt. Ja, wir wissen heute nicht einmal, ob die Kodifikation noch in dieser Legislaturperiode abgeschlossen wird. Ein Hauptstreitpunkt ist nach wie vor die integrierte Vorhabengenehmigung. Ich gehe in meinem Statement von der Entwurfsfassung des BMU vom 20. 05. 2008 aus. Diese Fassung ist zwar inzwischen weiterentwickelt in der Diskussion; die neue Fassung ist aber noch nicht öffentlich. In diesem Statement berichte ich kurz in einem ersten Abschnitt über die wesentlichen Regelungen zur integrierten Vorhabengenehmigung, die der Entwurf vom 20. 05. 2008 enthält. In einem zweiten Abschnitt befasse ich mich mit wesentlichen Streitpunkten, die allenfalls zum Teil inzwischen beigelegt werden konnten. Der dritte Abschnitt soll dann ein Ausblick auf das weitere Gesetzgebungsverfahren sein.

II. Die wesentlichen Regelungen des Entwurfs zur integrierten Vorhabengenehmigung [Abschnitt 1] 1. Da Zweck der integrierten Vorhabengenehmigung die einheitliche und umfassende Entscheidung über die Zulassung eines Vorhabens ist, muss eine volle verfahrensrechtliche Integration stattfinden. Vorhaben, die mit einer Ge-

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wässerbenutzung verbunden sind, bedürfen nicht mehr einer gesonderten wasserrechtlichen Zulassung. Diese Zulassung wird vielmehr verfahrensrechtlich in die Entscheidung über die integrierte Vorhabengenehmigung eingebunden. Aus der Koordinierungspflicht des § 10 Abs. 5 Satz 2 BImSchG wird die Pflicht zur verfahrensrechtlichen Integration, zur einheitlichen Genehmigungsentscheidung. 2. Die integrative materielle Prüfung im Rahmen der Genehmigungsentscheidung hat zur Folge, dass an dem Begriff der schädlichen Umwelteinwirkungen nach § 3 und § 5 BImSchG nicht mehr festgehalten wird. Es ist vielmehr nunmehr unter Beibehaltung des bisherigen Grundpflichtenkonzeptes das Schutzprinzip in § 52 Abs. 1 Nr. 1 1 des Entwurfs und das Vorsorgeprinzip in § 52 Abs. 1 Nr. 2 BImSchG mit dem Begriff der schädlichen Umweltveränderungen verbunden. Darunter versteht die Begriffsbestimmung des Entwurfs Gewässerveränderungen, auf Mensch oder Umwelt einwirkende Luft- und Bodenveränderungen sowie Geräusche, Erschütterungen, Licht, Wärme, Strahlen und ähnliche Einwirkungen auf Mensch oder Umwelt. 3. Die materielle Integration geht über den integrativen Begriff der schädlichen Umweltveränderungen hinaus. In § 52 2, der Grundpflichtenvorschrift, ist geregelt, dass die genehmigungsbedürftigen Vorhaben so durchzuführen – also im wesentlichen zu errichten und zu betreiben – sind, dass zur Gewährleistung eines hohen Schutzniveaus für den Menschen und die Umwelt insgesamt die aufgeführten Grundpflichten erfüllt werden müssen. Zum Schutzprinzip und zum Vorsorgeprinzip werden – wie bisher – die Pflicht zur Abfallvermeidung, Abfallverwertung und Abfallbeseitigung sowie die Pflicht zur sparsamen und effizienten Energieverwendung hinzugefügt. Neu ist ein – allerdings streitiges – Gebot zur sparsamen Wasserverwendung.

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§ 52 Grundpflichten für genehmigungsbedürftige Vorhaben (1) Genehmigungsbedürftige Vorhaben sind so durchzuführen, dass zur Gewährleistung eines hohen Schutzniveaus für den Menschen und die Umwelt insgesamt; 1. schädliche Umweltveränderungen und sonstige Gefahren, erhebliche Nachteile und erhebliche Belästigungen für die Allgemeinheit und die Nachbarschaft nicht hervorgerufen werden können; 2. Vorsorge gegen schädliche Umweltveränderungen und sonstige Gefahren, erhebliche Nachteile und erhebliche Belästigungen getroffen wird, insbesondere durch die dem Stand der Technik entsprechenden Maßnahmen; 3. Abfälle vermieden, nicht zu vermeidende Abfälle verwertet und nicht zu verwertende Abfälle ohne Beeinträchtigung des Wohls der Allgemeinheit beseitigt werden (...); 4. eine mit Rücksicht auf den Wasserhaushalt gebotene sparsame Wasserverwendung erreicht wird; 5. Energie sparsam und effizient verwendet, insbesondere die entstehende Wärme genutzt wird. 2 Siehe Fußnote 1.

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4. Eine Pflicht zur materiellen Integration enthält auch die Rechtsverordnungsermächtigung des § 53 3 des Entwurfs. Hier wird geregelt, dass bei der Festlegung der Anforderungen an die Durchführung von Vorhaben mögliche Verlagerungen nachteiliger Umweltauswirkungen von einem Umweltgut auf ein anderes oder auf den Menschen zu berücksichtigen sind. Auch hier wir die Gewährleistung eines hohen Schutzniveaus für die Umwelt insgesamt gefordert. Die Schlussfolgerung aus diesem Regelungssystem des Entwurfs geht dahin, dass in der Genehmigungsentscheidung selbst wohl kaum eine zusätzliche materielle Integration etwa in Form einer Integrationsklausel zu beachten ist, die dahin geht, dass bei Einhaltung aller Standards die Genehmigungsbehörde nochmals zu prüfen hat, auf welche Weise die Verpflichtung der umweltrechtlichen Vorschriften am besten erfüllt wird. Eine derartige Integrationsklausel wird in der Literatur zum Teil gefordert und war auch Gegenstand des Entwurfs der Unabhängigen Sachverständigenkommission für ein Umweltgesetzbuch 1997. 5. Die Genehmigungsvoraussetzungen sind für die integrierte Vorhabengenehmigung in § 54 4 des Entwurfs enthalten. Erste Genehmigungsvoraussetzung ist, dass die Grundpflichten und die sich aus einer Rechtsverordnung ergebenden 3

§ 53 Rechtsverordnungen über Anforderungen an genehmigungsbedürftige Vorhaben (1) Die Bundesregierung wird ermächtigt, nach Anhörung der beteiligten Kreise durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates vorzuschreiben, dass die Durchführung von Vorhaben, die Beschaffenheit von Anlagen, der Zustand nach Betriebseinstellung und die trägereigene Überwachung genehmigungsbedürftiger Vorhaben zur Erfüllung der sich aus § 52 ergebenden Pflichten bestimmten Anforderungen genügen müssen, insbesondere, dass 1. (...), 2. (...), 3. (...), 4. (...), 5. (...); d) (...)Bei der Festlegung der Anforderungen sind insbesondere mögliche Verlagerungen nachteiliger Umweltauswirkungen von einem Umweltgut auf ein anderes oder auf den Menschen zu berücksichtigen; ein hohes Schutzniveau für die Umwelt insgesamt ist zu gewährleisten. 4 § 54 Genehmigungsvoraussetzungen; Bewirtschaftungsermessen (1) Die Genehmigung ist zu erteilen, wenn sichergestellt ist, dass 1. die sich aus § 52 und einer auf Grund des § 53 erlassenen Rechtsverordnung ergebenden Pflichten erfüllt werden, 2. andere Anforderungen des Umweltgesetzbuchs sowie sonstiger umweltrechtlicher Vorschriften nicht entgegenstehen und 3. andere öffentlich-rechtliche Vorschriften und Belange des Arbeitsschutzes dem Vorhaben nicht entgegenstehen. (2) Ist das Vorhaben eine Gewässerbenutzung oder ist eine Gewässerbenutzung Teil des Vorhabens, steht die Erteilung der Genehmigung insoweit im pflichtgemäßen Ermessen (Bewirtschaftungsermessen) der Genehmigungsbehörde. (3) Bei der Erteilung der Genehmigung sind im Rahmen der Genehmigungsvoraussetzungen nach Absatz 1 und der Ausübung des Ermessens nach Absatz 2 die Ergebnisse einer durchgeführten Umweltverträglichkeitsprüfung nach § 100 Abs. 2 im Hinblick auf eine wirksame Umweltvorsorge zu berücksichtigen.

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Konkretisierungen durch das Vorhaben erfüllt werden. Zweite Voraussetzung ist, dass andere Anforderungen des Umweltgesetzbuches sowie sonstige umweltrechtliche Vorschriften nicht entgegenstehen. Darüber hinaus dürfen andere öffentlich-rechtliche Vorschriften und Belange des Arbeitsschutzes dem Vorhaben nicht entgegenstehen. Hier leuchtet die Vorschrift des § 6 BImSchG durch. Für den Naturschutz bleibt es bei dem bisherigen Huckepackverfahren. Er wird nicht integriert oder in eine Grundpflicht umgeformt, was zum Teil kritisiert wird. 6. Ein entscheidender Punkt – vielleicht der streitigste im Gesetzgebungsverfahren – ist die Vereinbarkeit des Anspruchstatbestandes der bisherigen immissionsschutzrechtlichen Genehmigung mit dem Bewirtschaftungsermessen bei der wasserrechtlichen Genehmigung. Eine Vorgabe des Gesetzgebungsverfahrens war, dass es einerseits bei den Genehmigungsanspruch bleiben sollte, dass andererseits aber auch das Bewirtschaftungsermessen für die wasserrechtliche Genehmigung unter keinen Umständen entfallen sollte. Der Entwurf vom 20. 05. 2008 enthält dieses Programm, wenn er in § 54 Abs. 2 5 vorschreibt, ich zitiere: „Ist das Vorhaben eine Gewässerbenutzung oder ist eine Gewässerbenutzung Teil des Vorhabens, steht die Erteilung der Genehmigung insoweit im pflichtgemäßen Ermessen (Bewirtschaftungsermessen) der Genehmigungsbehörde.“

Ich komme auf diese Vorschrift bei der Erörterung der Kritik zurück. Ihre Absicht ist, dass der immissionsschutzrechtliche Teil der Genehmigung beansprucht werden kann, der wasserrechtliche Teil der Genehmigung, sofern auch insoweit die Grundpflichten erfüllt sind, zusätzlich dem Bewirtschaftungsermessen der Genehmigungsbehörde unterliegt. 7. Die UVP wird in das Genehmigungsverfahren nicht voll integriert, wie dies vielleicht wünschenswert wäre. Sie wird vielmehr – wie nach geltender Rechtslage – als unselbstständiger Teil des Verwaltungsverfahrens zur Erteilung der integrierten Vorhabengenehmigung unter Einschluss der Öffentlichkeitsbeteiligung geregelt. Ihr Ergebnis ist nach § 54 Abs. 3 6 des Entwurfs bei der Erteilung der Genehmigung im Rahmen der Genehmigungsvoraussetzungen und der Ausübung des Ermessens bei der planerischen Genehmigung – hierauf komme ich zurück – zu berücksichtigen. Dabei wendet die Behörde nach dem Entwurf – wie bisher – das geltende Fachrecht an. Nach wie vor verbleibt es also bei einer verfahrensrechtlichen Bedeutung der UVP. Eine materielle, über die Genehmigungsvoraussetzungen nach dem Fachrecht hinausgehende Bedeutung hat die UVP nach dem Entwurf nicht. Der kodifikatorische Vorteil liegt darin, dass nunmehr im Ersten Buch des UGB die Regelungen zur UVP für die der integrierten Vorhabengenehmigung bedürftigen Vorhaben einheitlich geregelt sind. Eines Rückgriffs auf das UVP-Gesetz bedarf es insoweit nicht. Anderer5 6

Siehe Fn. 4. Siehe Fn. 4.

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seits kommt es dadurch natürlich unübersehbar zu einem Zerschneidungseffekt, weil für andere Vorhaben, auf die die integrierte Vorhabengenehmigung nicht anzuwenden ist, das UVP-Gesetz weiter gilt. 8. Ein Unterfall der integrierten Vorhabengenehmigung ist die planerische Genehmigung nach § 63 7 des Entwurfs. Bei ihr tritt zu den Genehmigungsvoraussetzungen des § 54 8 des Entwurfs das Abwägungsprogramm hinzu. Die planerische Genehmigung wird unter der Voraussetzung erteilt, dass die in § 54 Abs. 1 9 für die integrierte Vorhabengenehmigung genannten Voraussetzungen vorliegen und dem Vorhaben keine überwiegenden öffentlichen oder privaten Belange entgegenstehen. Diese Belange sind umfassend zu ermitteln, zu bewerten und gegeneinander und untereinander abzuwägen. Der Regelungstyp ist neu, denn das Entscheidungsprogramm für bestimmte Vorhaben, für die bislang eine Planfeststellung erforderlich war, verlangt hiernach die Erfüllung von bestimmten Genehmigungsvoraussetzungen und damit auch von Grundpflichten. Es handelt sich dabei um Vorgaben, die als Mindeststandards nicht der Abwägung unterliegen. Darüber hinaus kann aber die Abwägung der Behörde zu dem Ergebnis kommen, dass zusätzliche Anforderungen an die Zulassung des Vorhabens zu stellen sind. Diese können auch über die Kriterien, die nach der Grundpflichtenvorschrift zu erfüllen sind, materiell hinausgehen. Eine Verschärfung der Genehmigungsvoraussetzungen tritt dadurch zwar nicht ein; doch die Prüfungssystematik ändert sich. Der Anwendungsbereich dieser planerischen Genehmigung ist gering und umfasst lediglich Deponien, Gewässerausbauten, Deich- und Dammbauten sowie Rohrleitungsanlagen. Große bislang planfeststellungsbedürftige Infrastrukturvorhaben wie Straßen, Wasserstraßen, Schienenwege, Flughäfen sind nicht Gegenstand des UGB. 9. Der Anwendungsbereich der integrierten Vorhabengenehmigung einschließlich der planerischen Genehmigung wird in einer Vorhabenverordnung, die als Entwurf vorliegt, abschließend festgelegt. Die in dieser Vorhabenverordnung enthaltene Vorhabensliste hat den Vorteil, dass sie nun insgesamt bestimmt, 7

§ 63 Genehmigungsvoraussetzungen und Abwägung Die planerische Genehmigung für Vorhaben nach §§ 49, 50 Abs. 3 darf nur erteilt werden, wenn die in § 54 Abs. 1 genannten Voraussetzungen vorliegen. Darüber hinaus dürfen dem Vorhaben keine überwiegenden öffentlichen oder privaten Belange entgegenstehen; diese sind umfassend zu ermitteln, zu bewerten sowie gegeneinander und untereinander abzuwägen. Bei der Erteilung der planerischen Genehmigung sind im Rahmen der Genehmigungsvoraussetzungen nach Satz 1 und der Abwägung nach Satz 2 die Ergebnisse einer durchgeführten Umweltverträglichkeitsprüfung nach § 100 Abs. 2 im Hinblick auf eine wirksame Umweltvorsorge zu berücksichtigen. 8 Siehe Fn. 4. 9 Siehe Fn. 4.

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welche Vorhaben öffentlichkeitsbeteilungspflichtig sind und welche Vorhaben entweder aufgrund einer Einzelfallprüfung, aufgrund der Erfüllung bestimmter Kriterien oder generell UVP-pflichtig sind. 10. Die Durchführung des Genehmigungsverfahrens für Vorhaben, die der integrierten Vorhabengenehmigung unterliegen, soll nach dem Entwurf zu einem größeren Teil im Gesetz selbst geregelt werden. Nur die Anforderungen an die Genehmigungsunterlagen sollen Gegenstand eines Anhangs zum Gesetz sein. Was die Durchführung des Genehmigungsverfahrens angeht, so ist der Entwurf wenig innovativ. Man könnte sich hier eine weitere Ausformung der Öffentlichkeitsbeteiligung vorstellen, wie sie auch im Anhörungsverfahren bereits gefordert worden ist. Die Regelung zum Erörterungstermin sollte jedenfalls überdacht werden. Jüngste gesetzliche Änderungen haben dazu geführt, dass der Erörterungstermin auf der Grundlage einer pflichtgemäßen Ermessensentscheidung der Behörde entfallen kann. Bei dieser Regelung sollte es verbleiben. § 94 10 des Entwurfs sieht demgegenüber ein Widerspruchsrecht der Einwender gegen die ihnen bekannt zu gebende Absicht der Behörde vor, den Erörterungstermin entfallen zu lassen. Bei Großvorhaben wird stets ein Widerspruch erfolgen. Eine unglückliche Regelung.

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§ 94 Erfordernis eines Erörterungstermins (1) Die form- und fristgerecht erhobenen Einwendungen, die für die Prüfung der Genehmigungsvoraussetzungen von Bedeutung sein können, werden erörtert. Der Erörterungstermin soll den Personen, die Einwendungen erhoben haben, Gelegenheit geben, ihre Einwendungen zu erläutern. Einwendungen, die auf vertraglichen Ansprüchen, letztwilligen Verfügungen oder Ansprüchen aus dinglichen Rechten gegen den Antragsteller beruhen, sind im Erörterungstermin nicht zu behandeln; Personen, die solche Einwendungen erhoben haben, sind hierüber schriftlich zu bescheiden und auf den Rechtsweg vor den ordentlichen Gerichten zu verweisen. (2) Abweichend von Absatz 1 Satz 1 entfällt der Erörterungstermin, wenn 1. Einwendungen gegen das Vorhaben nicht oder nicht rechtzeitig erhoben worden sind, 2. die rechtzeitig erhobenen Einwendungen zurückgenommen worden sind, 3. ausschließlich Einwendungen erhoben worden sind, die auf vertraglichen Ansprüchen, letztwilligen Verfügungen oder Ansprüchen aus dinglichen Rechten gegen den Antragsteller beruhen, oder 4. die Genehmigungsbehörde allen Personen, die Einwendungen erhoben haben, mitgeteilt hat, dass sie beabsichtige, von einer Erörterung abzusehen und niemand innerhalb einer Frist von zwei Wochen nach Zugang der Mitteilung widersprochen hat; auf das Recht zum Widerspruch ist hinzuweisen; § 95 Abs. 1 Satz 3 gilt für diese Mitteilung entsprechend. Der Antragsteller ist vom Entfallen des Termins zu unterrichten.

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III. Wesentliche Streitpunkte zur Regelung der integrierten Vorhabengenehmigung [Abschnitt 2] 1. Insbesondere in einem Gutachten für das Bundeswirtschaftsministerium wird die Auffassung vertreten, die Formulierung des § 54 Abs. 2 UGB 11 enthalte im Ansatz Unklarheiten, soweit es um die Aufrechterhaltung des Bewirtschaftungsermessens gehe. Ich halte das nicht für richtig. Das Modell des § 54 12 ist klar und eindeutig. Wie in § 6 BImSchG ist zunächst der Anspruch auf die integrierte Vorhabengenehmigung in § 54 Abs. 1 13 des Entwurfs enthalten. Es heißt hier: „Die Genehmigung ist zu erteilen.“

Die Voraussetzungen für die Erfüllung dieses Anspruchs werden in Abs. 1 genannt. In § 54 Abs. 2 14 des Entwurfs wird dann der Fall behandelt, dass das Vorhaben entweder selbst eine Gewässerbenutzung ist – dann bleibt es wie nach bisheriger Rechtslage bei dem Bewirtschaftungsermessen der Behörde – oder aber dass das Vorhaben – z. B. eine chemische Anlage oder ein Kraftwerk – mit einer Gewässerbenutzung verbunden ist. Für diesen Fall – anders kann die Vorschrift des § 54 Abs. 2 15 nicht verstanden werden – bleibt es für diese Gewässerbenutzung bei dem Bewirtschaftungsermessen. Insoweit besteht kein Anspruch auf Erteilung der Genehmigung. Im übrigen aber bleibt es bei dem Genehmigungsanspruch gem. § 54 Abs. 1 16 des Entwurfs. Der Einwand, die Abgrenzung zwischen dem Anspruchsteil und dem Ermessensteil sei unklar, ist verfehlt. Die Abgrenzung ist einfach. Dem Entwurf liegt, wie sich aus der Begründung ergibt, das allgemeine Konzept zugrunde, dass sich hinsichtlich einer Gewässerbenutzung am Bewirtschaftungsermessen der Behörde, das auch dem bisherigen Benutzungstatbestand des WHG zugrunde liegt, nichts ändern soll. Wenn also – auch im Hinblick auf die Gewässerbenutzung – alle Genehmigungsvoraussetzungen nach § 54 Abs. 1 17 des Entwurfs erfüllt sind, ist von der Behörde hinsichtlich der Gewässerbenutzung nach den Grundsätzen des Bewirtschaftungsermessens, die sich in der Praxis ja bewährt haben und für die Rechtsprechung vorliegt, zu entscheiden, ob die Gewässerbe11 12 13 14 15 16 17

Siehe Siehe Siehe Siehe Siehe Siehe Siehe

Fn. 4. Fn. 4. Fn. 4. Fn. 4. Fn. 4. Fn. 4. Fn. 4.

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wirtschaftung oder auch die Bewirtschaftung des Grundwassers Einschränkungen der Benutzung erfordern. Wenn das nicht der Fall ist, wird die Genehmigung auch hinsichtlich der Gewässerbenutzung antragsgemäß erteilt. Anderenfalls erfolgen im Hinblick auf die Gewässerbenutzung Einschränkungen in Form von Nebenbestimmungen. Würde man es, wie zum Teil in der Auseinandersetzung über den Entwurf gefordert, bei der getrennten Erteilung von immissionsschutzrechtlicher Genehmigung und wasserrechtlicher Genehmigung belassen, würde ein so entscheidender Kernbereich aus dem Regelsystem zur integrierten Vorhabengenehmigung eliminiert, so dass das neue Instrument praktisch entwertet wird. Soweit die Genehmigungsreife im Zusammenhang mit der Gewässerbenutzung während eines Verfahrens über die Erteilung der integrierten Vorhabengenehmigung nicht schnell genug erreicht werden kann, ist es nach dem Entwurf möglich, den Gewässerbenutzungsteil in einer späteren Teilgenehmigung zu regeln. Die Integration erfolgt dann über das vorläufige positive Gesamturteil im Rahmen der ersten Teilgenehmigung. 2. Auffallend ist, wenn man die Kritik am Entwurf der Vorschriften über die integrierte Vorhabengenehmigung würdigt, dass sie eine eigenwillige, fast widersprüchliche Gemengelage aufweist. Auf der einen Seite wird, wie aufgezeigt, die Integration von immissionsschutzrechtlichem und wasserrechtlichem Teil einer Vorhabengenehmigung unter dem Aspekt der Verschärfung der Genehmigungsvoraussetzungen und aus Furcht vor Verfahrensverzögerungen kritisiert. Andererseits wird der Entwurf aber auch mit Argumenten angegriffen, die er bewusst und gewollt nicht enthält, weil aufgrund der Absprachen im politischen Raum ein Zuviel an Innovation nicht erreichbar ist. Das gilt z. B. für die Kritik daran, dass die UVP nicht voll in das Genehmigungsverfahren integriert ist, sondern selbstständiger Verfahrensteil bleibt, insbesondere aber dass die naturschutzrechtlichen Anforderungen nach wie vor „nur“ im Huckepackverfahren geprüft und nicht voll in den Grundpflichtentatbestand integriert sind. Man mag das für zukünftige Fortentwicklungen des UGB weiter verfolgen. Zur Zeit ist es jedenfalls nicht mehrheits- und damit nicht durchsetzungsfähig. 3. Gegner des Gesamtmodells der integrierten Vorhabengenehmigung wenden sich auch gegen die Regelung zu den Nebenbestimmungen im Genehmigungsbescheid. Nach § 57 Abs. 1 Satz 1 18 des Entwurfs kann die Genehmigung 18 § 57 Nebenbestimmungen zur Genehmigung (1) Bedingungen und Auflagen sind zulässig, soweit dies zur Erfüllung der in § 54 Abs. 1 genannten Genehmigungsvoraussetzungen erforderlich oder in Ausübung des Bewirtschaftungsermessens nach § 54 Abs. 2 zweckmäßig ist. Ist das Vorhaben eine Gewässerbenutzung oder ist eine Gewässerbenutzung Teil des Vorhabens, kann die Genehmigungsbehörde im Hinblick auf die Gewässerbenutzung eine Sicherheitsleistung, insbesondere (...).

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unter Bedingungen erteilt oder mit Auflagen verbunden werden, soweit dies zur Erfüllung des § 54 Abs. 1 19 und der dort genannten Genehmigungsvoraussetzungen erforderlich ist. Das ist der alte § 12 BImSchG. Es heißt dann aber weiter, dass Bedingungen und Auflagen auch zulässig sind in Ausübung des Bewirtschaftungsermessens nach § 54 Abs. 2 20 in Bezug auf Gewässerbenutzungen. Hier wird befürchtet, dass es zu Abgrenzungsschwierigkeiten bei den Befristungen und beim Widerrufsvorbehalt kommen könne. Auch das ist übertrieben. Nach der bisherigen Rechtslage benötigt etwa der Betreiber einer chemischen Anlage, die mit einer Gewässerbenutzung verbunden ist, zwei Genehmigungen. Die immissionsschutzrechtliche Genehmigung ist stets unbefristet. Die Gewässerbenutzungsgenehmigung ist regelmäßig befristet. In einer einheitlichen Genehmigung kann sich dies in klarer Abgrenzung des immissionsschutzrechtlichen und des Wasserbenutzungsteils wiederfinden. Von der Gefahr einer Infektion der gesamten integrierten Vorhabengenehmigung durch das Bewirtschaftungsermessen kann hier nicht die Rede sein. Unklarheiten, die beschworen werden, existieren in Wahrheit nicht. Rechts- und Investitionssicherheit kommt nicht zu kurz.

IV. Ausblick [Abschnitt 3] Eine moderne UGB-Kodifikation, die auf dem Grundsatz der Verfahrensintegration und der materiellen Integration mit medienübergreifender Betrachtung beruht, verdient nicht die Mühe, wenn die bisher getrennten Genehmigungsbestandteile nicht in einer Genehmigung zusammengefasst werden. Das ist im vorliegenden UGB-Entwurf des BMU, soweit zur Zeit auch nur erreichbar, gelungen. Für mich wäre die Beibehaltung der Trennung von immissionsschutzrechtlicher Genehmigung nicht nur ein Schönheitsfehler in einer UGB-Kodifikation. Man müsste dann sagen, dass das ganze UGB fallengelassen werden sollte. Wer dem Projekt und besonders den Vorschriften über die integrierte Vorhabengenehmigung entgegenhält, es komme zu Verschärfungen im Verfahrensbereich und im materiellen Bereich, hat nicht im ausreichenden Umfang den Inhalt der Begründung zur Kenntnis genommen. Viel könnte dafür sprechen, die Kodifikation mit zusätzlichen Innovationen anzureichern. Hier hat aber das BMU äußerste Zurückhaltung walten lassen. Dass der Mindeststandard der Integrati(2) Die Genehmigung kann auf Antrag, für Gewässerbenutzungen auch von Amts wegen, für einen bestimmten Zeitraum erteilt werden. Sie kann mit einem Vorbehalt des Widerrufs nur erteilt werden, wenn das genehmigungsbedürftige Vorhaben lediglich Erprobungszwecken dienen soll. 19 Siehe Fn. 4. 20 Siehe Fn. 4.

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on, den die IVU-Richtlinie vorgibt, leicht überschritten ist, spricht nicht gegen, sondern für die integrierte Vorhabengenehmigung. Der Diskussionsstand gerade zur integrierten Vorhabengenehmigung ist eindrucksvoller Beleg für die Schwierigkeiten, die in der heutigen Zeit einer großen Kodifikation entgegenstehen. In vielen Vorarbeiten, die geleistet worden sind, und im Hinblick auf das Produkt, das bisher bereits als Teilschritt für das UGB vorliegt, ist nach meiner Überzeugung gerade der Teil der integrierten Vorhabengenehmigung innerhalb des UGB-Entwurfs ein Beweis dafür, dass ein UGB als ein wichtiger Schritt zur Verbesserung der Systematik des Umweltrechts möglich ist. Die Erfahrung mit Gesetzesänderungen in der vergangenen Zeit hat ergeben, dass die Vollzugsbehörden durchaus in der Lage sind, auch mit größeren Modifikationen der Gesetzeslage umzugehen.

Integrierte Vorhabengenehmigung Bemerkungen aus Sicht einer Genehmigungsbehörde Von Alfred Wirtz

I. Umweltgesetzbuch Die Integrierte Vorhabengenehmigung (IVG) – Die Umweltbehörde Bezirksregierung, eine integrierte Arbeitsorganisation – Das europäische Umweltrecht geht von einem integrierten Umweltschutz aus. Die aktuellen, derzeit allerdings noch sektoralen Novellen unserer Umweltgesetze gründen wesentlich auf der IVU-Richtlinie 1, der UVP Richtlinie 2 und weiteren europäischen Normen – wie dem „medienübergreifenden Schadstoffregister (PRTR)“. Eine Genehmigungs- und Aufsichtsbehörde mit Vollzugsverantwortung für das Umweltrecht, wie die Bezirksregierung Münster, ist in besonderer Weise daran interessiert, mit Vorschriften im Sinne eines ganzheitlichen Umweltschutzes umgehen zu können, wenn sie auf eine wirksamere verwaltungsökonomische Anwendung zielen. Aus meiner Sicht muss im Sinne eines medienübergreifenden, integrierten Umweltschutzes dazu ermutigt werden, mit der Kodifikation des Umweltrechtes ein ganzheitliches, harmonisiertes Ordnungsrecht zu schaffen. Aus der Sicht der Verwaltungspraxis würde das Umweltgesetzbuch 2009 einen deutlich effizienteren Vollzug gewährleisten als das geltende Recht. Der Entwurf des Umweltgesetzbuchs gibt allen Anlass, im Zuge der Verwaltungsmodernisierung über verbesserte und angepasste Verfahrensstrukturen und 1 IVU-Richtlinie (Integrated Pollution Prevention and Control – „IPPC-Richtlinie“) – Richtlinie 96/61/EG des Rates vom 24. September 1996 über die integrierte Vermeidung und Verminderung der Umweltverschmutzung (ABl. EG Nr. L 257 / S. 26 vom 10. 10. 1996). 2 UVP-Richtlinie – Richtlinie 97/11/EG des Rates vom 3. Mai 1997 zur Änderung der Richtlinie 85/337/EWG über die Umweltverträglichkeitsprüfung bei bestimmten öffentlichen und privaten Projekten (ABl. EG Nr. L 73 S. 5) und der Richtlinie 85/337/EWG des Rates vom 27. Juni 1985 über die Umweltverträglichkeitsprüfung bei bestimmten öffentlichen und privaten Projekten (ABl. EG Nr. L 175 S. 40).

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Behördenorganisationen der Umweltschutzverwaltung nachzudenken und diese entsprechend der materiellen normativen Entwicklung zu modernisieren und zu restrukturieren. Dies ist bei den traditionellen festen Strukturen mit ihren sektoralen Organisationsgliederungen ein nicht leichtes Unterfangen. Mit diesem Beitrag möchte ich Wege zu einer integrierten Arbeitsorganisation für die Umweltverwaltung aufzeigen. Umwelt- und Entwicklungsprobleme sind in hohem Maße globaler Natur und verlangen verantwortliches Handeln auf allen Seiten. Die Bezirksregierung Münster nutzt als Teil der Umweltverwaltung in NRW schon heute bei der Industrieanlagenzulassung und der Überwachung dieser Anlagen konsequent ihre Möglichkeiten zur integrierten Verfahrenshandhabung. So wurde die Abteilung 5 „Umwelt und Arbeitsschutz“ der Bezirksregierung Münster zum 1. Januar 2008 restrukturiert. Dies hat die Möglichkeiten zur medienübergreifenden Arbeit merklich verbessert.

II. Erwartungen an ein Umweltgesetzbuch aus der Sicht eines Verwaltungspraktikers 1. Die Integrierte Vorhabengenehmigung Die Bundesregierung hat sich in ihrer Koalitionsvereinbarung die Kodifikation des Umweltrechtes in einem Umweltgesetzbuch zum Ziel gesetzt. Das Vorhaben, die Vorschriften der IVU-Richtlinie über die Genehmigung zur Errichtung und zum Betrieb von Industrieanlagen in der Europäischen Union im Sinne eines integrativen Konzeptes zu harmonisieren, ist aus der Sicht der Vollzugsbehörden zu begrüßen und meines Erachtens längst überfällig. Mit der Kodifikation der Umweltgesetze und der Integrierten Vorhabengenehmigung ergeben sich – mit Blick auf die aktuelle Genehmigungs- und Überwachungspraxis Vorteile, die über das heute wichtige Instrument der Konzentrationswirkung deutlich hinausgehen. Hiervon profitieren Wirtschaft, Verwaltung und Öffentlichkeit gleichermaßen. Nachfolgend werde ich die Integrierte Vorhabengenehmigung als Einheit würdigen und dabei nicht auf einzelne Aspekte der beiden Genehmigungsarten – die „Anlagen-Genehmigung“ bzw. die „Planerische Genehmigung“ eingehen. Für die IVG spricht zunächst einmal, dass die am Verfahren Beteiligten auf Behördenseite es nur noch mit einem Partner zu tun haben. Damit kommt man der seit langem im Zuge der Bürokratiekritik erhobenen Forderung insbesondere der Klein- und Mittelindustrie nach. Ein weiterer wichtiger Grund für dieses Instrument liegt darin, dass nach dem Entwurf des Umweltgesetzbuches einheitliche Verfahrensanforderungen gelten

Integrierte Vorhabengenehmigung aus Sicht einer Genehmigungsbehörde

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werden. Mit der Zusammenführung unterschiedlicher Genehmigungsverfahren und einer gebündelten Genehmigungsentscheidung sind gegensätzliche Auffassungen zur Entscheidung auch nur noch einmal gerichtlich zu überprüfen, ein zusätzlicher nicht zu unterschätzender Beschleunigungseffekt. Besonders, wenn eine Öffentlichkeitsbeteiligung und eine Umweltverträglichkeitsprüfung Verfahrensbestandteile sind, wird die Integrierte Vorhabengenehmigung beträchtliche Synergiegewinne nutzbar machen. 2. IVG und praktische Vollzugseffizienz Die bislang schon unternommenen Anstrengungen zur Verfahrenskonzentrierung nach geltendem Recht können mit der systematischen Kodifikation des Umweltrechtes in einem Gesetzbuch und den daraus resultierenden Harmonisierungseffekten noch verstärkt und verbessert werden. Ein einheitlicher Genehmigungstatbestand IVG wird das komplexe Verfahren nicht nur für alle Beteiligten verständlicher und übersichtlicher, sondern in der Praxis auch vollzugseffizienter machen. Die sektorale an den einzelnen Schutzgütern ansetzende Betrachtung der Medien ist künstlich und nicht an ihrem tatsächlichen Zusammenspiel in der Natur orientiert. Die Praxis zeigt, dass so materielle Wirkungszusammenhänge leicht vernachlässigt werden können. Für die administrative Handhabung ist eine sektorale Versäulung und mangelnde Ausgleichsmöglichkeit zwischen den Medien ein großes Defizit im Vollzug des Umweltschutzes. Sie fördern eine die konkordante Anwendung der Umweltgesetze behindernde innerbehördliche Domänenbildung. Für die Überwindung der Vollzugsdefizite ist eine Strategie, die eine Gesamtbetrachtung der Medien normativ dirigiert, von eminenter Bedeutung. Der medienübergreifende Ansatz wird im UGB-Entwurf über die formulierten Grundpflichten und hier insbesondere über den Begriff der „schädlichen Umweltveränderung“ mit diesem Instrument rechtlich verbindlich. Beispiele, die diese Sicht aus der Praxis belegen, sind im Heft 3 zum „Forum Umweltgesetzbuch“ mit dem Thema „Zulassung und Überwachung von Industrieanlagen im Umweltgesetzbuch“ genannt. 3 3. IVG und Verfahrensstringenz Eine Integrierte Vorhabengenehmigung auf der Grundlage eines einheitlichen Umweltgesetzbuches wird nach meiner Überzeugung auch zur weiteren Verfahrensbeschleunigung und verbesserten Verfahrensökonomie beitragen. Im Rah3

Zulassung und Überwachung von Industrieanlagen im Umweltgesetzbuch – die Integrierte Umweltbehörde, Alfred Wirtz, RVP Bezirksregierung Münster.

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men der Verfahrensführung ist es unerlässlich, komplexe Genehmigungsverfahren stringent zu führen. Die Erweiterung auf neue Zulassungstatbestände ist in diesem Kontext folgerichtig im UGB-Entwurf unterblieben. Der Staat nimmt mit der Verfahrensgestaltung eine dienende Funktion ein und muss sich insoweit auf die zentralen Punkte beschränken. Hier gilt der Grundsatz: „Nur soviel Verfahrensregelungen wie nötig sind, um eine möglichst schnelle Umsetzung der normierten umweltrechtlichen Ziele zu erreichen“. Dabei hat der Gesetzgeber eine einheitliche „Verfahrenshygiene“ zu verantworten und insbesondere sicherzustellen, dass die Verfahren frei von jedweder Manipulation bleiben. Mit der Maxime der Verfahrensstringenz wäre ein Gebot der Konsensbeschaffung als „ius strictum“ nicht zu vereinbaren. Die Verfahrenspraxis der Bezirksregierung Münster weist aus, dass Bypasselemente außerhalb des gesetzlichen Verfahrensregimes unter dem Gesichtspunkt der Verfahrenseffizienz und -ökonomie eher nachteilig sind, jedenfalls in der Regel zu deutlichen Zeitverzögerungen führen. Ebenso ist für eine planbare Integrierte Vorhabengenehmigung von Bedeutung, dass die Verfahren auf die Zulassung von Anlagenänderungen auf den Gegenstand der Änderung begrenzt bleiben und nicht als Vehikel für verschärfte Auflagen genutzt werden. Dies gilt auch bei medienübergreifender Betrachtung. Die gegen die Integrierte Vorhabengenehmigung vorgebrachten Bedenken sind aus meiner Sicht unbegründet. Soweit die Befürchtung geäußert wird, aus einem solchen Verfahren ergäben sich „wasserrechtliche Erschwernisse“, kann ich diese Besorgnis nicht teilen. Die Kritik unterstellt, dass in einem Änderungsverfahren stets die gesamte Anlage Gegenstand der Prüfung sei. Dies ist aber nicht so. Der Prüfungsgegenstand ist identisch mit dem Antragsgegenstand; insoweit ist der Antragsteller „Herr des Verfahrens“. Prüfgegenstand ist die konkret geplante Änderung mit all ihren Umweltauswirkungen. Wenn mit einer Änderung die Abwassersituation für eine Einleitung von Abwasser in ein Gewässer nicht verändert wird, darf sie auch nicht Gegenstand der Prüfung in einem Änderungsgenehmigungsverfahren sein. 4. IVG und Verfahrensdauer Die heutige Genehmigungspraxis und die damit verbundenen Genehmigungsverfahrenslaufzeiten werden durchweg als gut bewertet. Ein Benchmarkvergleich der fünf nordrhein-westfälischen Bezirksregierungen bestätigt dies, wie die folgende Grafik ausweist.

Integrierte Vorhabengenehmigung aus Sicht einer Genehmigungsbehörde

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 Die Klein- und Mittelindustrie und ihre Verbandsorganisationen unterstützen die IVG ausdrücklich. Sie haben die in dem neuen Instrument der IVG liegenden Vorteile klar erkannt. Die Integration der Verfahren und der Bündelung in einer Behördenzuständigkeit werten sie als wichtige Bürokratieentlastung.

5. IVG und Harmonisierung wasserrechtlicher und immissionsschutzrechtlicher Verfahren Mit einer Integrierten Vorhabengenehmigung lassen sich Friktionen im Rahmen der Industrieanlagenzulassung bei heute parallel zum immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahren durchzuführenden wasserrechtlichen Verfahren vermeiden. Heute besteht für die immissionsschutzrechtliche Genehmigungsbehörde die Verpflichtung, die parallel durchzuführenden Verfahren gemäß dem Bundes-Immissionsschutzgesetz materiell-inhaltlich und zeitlich vollständig zu koordinieren. Bei sperrigen Vorhaben führt dies wegen des Abstimmungsbedarfs und des Informationsaustausches zu einem enormen Verwaltungsaufwand. In extremen Fällen sind Verfahrensblockaden nicht ausgeschlossen. Die Koordinierungspflicht der Immissionsschutzbehörde ist im Sinne eines integrierten Umweltschutzes zwar richtig und unerlässlich. Eine Genehmigungsbehörde mit integrativer Entscheidungskompetenz verfügt jedoch über wirksamere Mittel und Wege zur

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Steuerung des Genehmigungsverfahrens als eine Behörde, die lediglich koordinierend zur Konsensbeschaffung verpflichtet ist. Dies gilt insbesondere dann, wenn eine für ein Medium zuständige „Drittbehörde“ ihre Forderungen mit aller Macht und einseitig durchzudrücken versucht. Dies geht vielfach nur zu Lasten anderer Medien, deren Schutz dann über Gebühr strapaziert wird. Dieses Risiko war vor Inkrafttreten der IVU-Richtlinie und den daran angepassten Vorschriften des BImSchG natürlich größer. Aus der Zahl der Fälle mag dies ein Beispiel illustrieren. Es gab z. B. die Situation, dass eine zuständige Untere Staatliche Immissionsschutzbehörde eine verschärfte TA Luft umsetzen wollte und beispielsweise für eine Chemieanlage einen alkalischen Abluftwäscher für säurehaltige Abgase anordnete. Die Frage der unvermeidlichen Entstehung und Beseitigung salzhaltigen Abwassers überließ man ohne weitere Abklärung dem Betreiber, der sich dann mit der für das Wasser zuständigen Behörde auseinandersetzen musste. Erst nach Einschaltung der Bezirksregierung als Fachaufsichtsbehörde und in ihrer Funktion als Bündelungsbehörde war am Ende eine insgesamt tragfähige Lösung möglich, allerdings unter Zeitverlust und mit Friktionen. Weitere Beispiele sind im Heft 3 „Forum Umweltgesetzbuch“ 4 beschrieben. 6. IVG auf dem praktischen Prüfstand Die Praxistauglichkeit einer Integrierten Vorhabengenehmigung ist in NRW im Rahmen eines Workshops des Ministeriums für Umwelt und Naturschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz des Landes Nordrhein-Westfalen an zwei konkreten Antragsvorhaben der Großindustrie getestet worden. Verfahrensgegenstand war u. a. ein Vorhaben, für das nach heutigem Recht eine BImSchGGenehmigung und sieben wasserrechtliche Genehmigungen erteilt worden sind. Mit dem Umweltgesetzbuch könnten diese acht Verfahren in einer Integrierten Vorhabengenehmigung zusammengefasst werden. Die Möglichkeit, das Genehmigungsverfahren gestuft unter Nutzung eines Vorbescheides bzw. von Teilgenehmigungen oder eines Vorzeitigen Beginns durchführen zu können, sieht auch der UGB-Referentenentwurf vor, so dass bei komplexen Vorhaben nach dem Fortschritt der Ingenieurplanung die jeweiligen Bauphasen genehmigt und in Angriff genommen werden können. Gemeinsam mit dem Umweltministerium Baden-Württemberg wurde in einem weiteren Workshop die Anwendbarkeit der IVG auf die Klein- und Mittel4

Zulassung und Überwachung von Industrieanlagen im Umweltgesetzbuch – die Integrierte Umweltbehörde, a. a. O.

Integrierte Vorhabengenehmigung aus Sicht einer Genehmigungsbehörde

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industrie ausgelotet. Nach Einschätzung der Umweltministerien von NordrheinWestfalen und Baden-Württemberg wird gerade diese Industrie mit einer IVG von bürokratischem Aufwand entlastet werden. Dies ist das Ergebnis der Workshops vom 13. bis 14. Oktober 2008 in der Bezirksregierung Münster, in dem neben den beiden Ministerien auch Vertreter / Innen aus Fachbehörden und der Wirtschaft den Gesetzentwurf anhand praktischer Fallbeispiele diskutiert haben. Als besonderer Vorteil des IVG-Verfahrens wurden die Bündelung des Fachverstandes und die Koordinierung des Verfahrens und der Entscheidungskompetenz in einer Hand gewürdigt.

III. IVG – Konsequenz für Behördenstruktur und Verfahrensmanagement Mit der Kodifizierung des Umweltrechtes erfährt die Diskussion um eine Integrierte Umweltbehörde eine (neue) Aktualität; hierauf macht das Sondergutachten „Umweltverwaltungen unter Reformdruck: Herausforderungen, Strategien, Perspektiven“ – Februar 2007, vom Sachverständigenrat für Umweltfragen (SRU) nachdrücklich aufmerksam. 5 Nordrhein-Westfalen hat auf diesen Anpassungsimpetus mit einer umfassenden Reform der Behördenlandschaft sowohl in der Aufbauorganisation wie in der Binnenstruktur der Umweltbehörden reagiert. In einem ersten Schritt sind zum 1. Januar 2007 die zwölf Staatlichen Ämter für Arbeitsschutz und die zwölf Staatlichen Umweltämter als untere Vollzugsbehörden in die fünf Bezirksregierungen integriert worden, mit der Folge, dass es in der Hierarchie der Umweltverwaltung nur noch zwei Ebenen gibt. In einem zweiten Schritt wurden zum 1. Januar 2008 zahlreiche Umweltschutzaufgaben kommunalisiert. Die Zuständigkeiten für große und komplexe Industrieanlagen sind jedoch in staatlicher Regie geblieben und den fünf Bezirksregierungen übertragen worden. Der Organisationsaufbau und die Kompetenzverteilung in der Umweltverwaltung sind im Auszug des Organigramms der Bezirksregierung Münster abgebildet. In Konsequenz der Leitkriterien: „Zaunprinzip“ 6 und „One face to the customer“ sind die Zuständigkeiten in den Dezernaten Ab5

U. a. Sondergutachten „Umweltverwaltungen unter Reformdruck: Herausforderungen, Strategien, Perspektiven“ – Februar 2007, vom Sachverständigenrat für Umweltfragen (SRU) oder „Anforderungen an das Umweltgesetzbuch aus der Sicht eines Landes“, Forum Umweltgesetzbuch – Heft 6, Tanja Gönner, Umweltministerin des Landes BadenWürttemberg. 6 Mit dem Zaunprinzip wird in NRW das Ziel verfolgt, umweltrechtliche Beurteilungen und Entscheidungen möglichst einer Behörde zuzuordnen. Die unterschiedlich sektoralen Umweltaspekte/-medien sollen dabei in einer Behörde gebündelt und die not-

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Abteilung Umwelt …

Medien übergreifende Bearbeitung

51 Natur-/Landschaftssch. 52 - Abfallwirtschaft einschl. anlagenbez. US

Luft

Abfall

Lärm BetriebsKläranlage

53 - Immissionsschutz einschl. anlagenbez. US VAwS

54 - Wasserwirtschaft einschl. anlagenbez. US

Abwasser

55/56 - Arbeitsschutz Techn. u. Betrieblicher fallwirtschaft, Immissionsschutz und Wasserwirtschaft jeweils anlagenbezogen zugeordnet worden. Diese Arbeitsorganisation löst sich von der traditionellen, die Medien trennende Denkweise und legt dabei den Fokus auf die ökologisch und arbeitsökonomisch sinnvollste Bearbeitung des Verwaltungsvorgangs. Bei der „medienübergreifenden Arbeitsweise“ konzentriert sich die Bearbeitung eines Genehmigungsantrages / Vorganges regelmäßig auf eine Person. Diese ist mit den technologiespezifischen Umweltfragestellungen einer bestimmten Anlagenart bzw. Branche vertraut. Im Vergleich zu der medienorientierten Bearbeitung deckt die „medienübergreifende Sachbearbeitung“ nicht das komplette Rechts- und Fachwissen eines Umweltgutbereiches ab. Der / die Beschäftigte wendigen unterschiedlichen Fachkompetenzen für die Beurteilung umweltrechtlicher Fragen in einer Behörde zusammengeführt werden. Hierdurch sollen kompetente und ökologisch tragfähige Lösungen erarbeitet und die Rechtssicherheit von Genehmigungsbescheiden erhöht werden. Profitieren werden dadurch alle von einem industriellen Vorhaben Betroffenen – die Unternehmung, die Behörde als „Genehmiger“ und die Öffentlichkeit, deren Sachwalter die zuständige Umweltbehörde ist. Neben der gesamtheitlichen Beurteilung der Umweltbelange wird durch eine solche Organisation eine weitere, nicht unerhebliche Verfahrensbeschleunigung ermöglicht, einem wesentlichen Instrument im Standortwettbewerb.

Integrierte Vorhabengenehmigung aus Sicht einer Genehmigungsbehörde

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ist vielmehr in einer bestimmten Branche medienübergreifend „zu Hause“ und besitzt neben einem medienübergreifenden Grundwissen ausgeprägte technologiebezogene Kenntnisse. Damit hat sich die Bezirksregierung Münster gleichsam als Avantgardebehörde für eine Organisation entschieden, in der branchenbezogene Arbeitsteams in einem Dezernat „Immissionsschutz – einschließlich anlagenbezogener Umweltschutz“ die unterschiedlichen Fachthemen „aus einer Hand“ bearbeiten. Auf diese Weise wurde die klassische Zuständigkeit für Wasser, Luft und Boden in getrennten Dezernaten aufgegeben und durch eine medienübergreifende Zuständigkeit ersetzt. So werden beispielsweise die mit der Genehmigung einer Chemieanlage verbundenen Zulassungen (BImSchG-Genehmigung, Direkt- oder Indirekteinleitergenehmigung, Eignungsfeststellung, naturschutzrechtliche Ausnahme, Bodenschutzrechtliche Belange – Altlasten) von einer Person bearbeitet. Mit dem Zaunprinzip ist heute grundsätzlich nur noch eine Behörde (und im Rahmen der medienübergreifenden Arbeit in der Bezirksregierung Münster – bis auf Ausnahmen – nur noch eine Person als Generalist) für die verschiedenen Fachaufgaben und Umweltmedien [Arbeitsschutz (bezogen auf Störfallanlagen), Immissionsschutz, Wasser, Abwasser, Abfall, Naturschutz] gegenüber einem Unternehmen im Sinne von „One face to the customer“ nach außen verantwortlich. In der Behörde stehen im „back office“ Spezialisten unterstützend zur Seite.

IV. Fazit Die Erfahrungen der Bezirksregierung Münster mit einer medienübergreifenden Organisation und einer integrierten Vorgangsbearbeitung in der nordrheinwestfälischen Umweltverwaltung zeigen, dass die traditionelle medienspezifische Orientierung ein Verfahrensmanagement aus einer Hand und eine integrierte Entscheidung aus einem Guss vielfach behindert. Die Neuorganisation der Abteilung 5 „Umwelt und Arbeitsschutz“ der Bezirksregierung Münster hat sich bewährt und als funktionstüchtig erwiesen. Dies kann schon nach einem Dreivierteljahr festgestellt werden. Die von Kritikern befürchtete Überforderung der Mitarbeiter / Innen hat sich als unbegründet herausgestellt. Kompetenz, Arbeitsethos und Loyalität der Beschäftigten haben die aus der Neuorganisation folgende erhebliche Arbeitsverdichtung und die sich aus dem Veränderungsstress ergebenden Belastungen ausgesprochen gut aufgefangen. Die Arbeitsqualität verbessert sich kontinuierlich, wie sich gleichzeitig die Zufriedenheit der Beschäftigten stabilisiert. Die anfängliche Skepsis ist einem engagierten Bekenntnis zur medienübergreifenden Arbeit gewichen.

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Die im Referentenentwurf UGB 2009 vorgesehene Integrierte Vorhabengenehmigung würde für die Praxis erhebliche Vorteile in der administrativen Handhabung des Umweltrechts bringen. Gewinner der zu erwartenden Kodifikationsrendite würden nach meiner informierten Einschätzung die Umwelt, die Wirtschaft, die Verwaltung und die Bevölkerung in gleicher Weise sein.

Das Wasserrecht im UGB 2009 Von Michael Kotulla * I. Der Beitrag befasst sich mit dem Recht des Wasserhaushalts, wie es sich aus dem derzeitigen Stand der Arbeiten an dem geplanten Umweltgesetzbuch ergeben würde. Dabei wird der überarbeitete Referentenentwurf vom 20. 5. 2008 zugrunde gelegt. Dieser weist insbesondere in seinen ersten beiden Büchern einschlägige Regelungen aus. Den Kern bildet eindeutig das in 6 Kapitel zu insgesamt 93 Paragrafen gegliederte und mit „Wasserwirtschaft“ überschriebene Zweite Buch des UGB-Entwurfes. Ergänzend hinzu treten Teile des 2. Kapitels des Ersten Buches des UGB-E und Ausschnitte aus der flankierend geplanten Vorhabenverordnung. Hierdurch sollen das zurzeit aufgrund von Art. 125b Abs. 1 GG zunächst noch fortgeltende, sich nur auf Rahmenvorgaben für die Länder beziehende Bundesrahmenrecht des Wasserhaushaltsgesetzes (WHG) und die es ausfüllenden Wassergesetze der Länder vollständig abgelöst werden. Davon unberührt bleiben indes nicht zuletzt die bislang von dem Abwasserabgabengesetz und dem Bundeswasserstraßengesetz getroffenen Normierungen. Gleichwohl handelt es sich um eine noch immer sehr komplexe Materie. Deshalb können die mir aufgegebenen Darlegungen zur kritischen Würdigung des Regelwerkes naturgemäß nur kursorischer Natur sein. Die nachfolgenden Ausführungen werden sich daher allenfalls mit einigen zentralen, mir besonders wichtig erscheinenden Aspekten zu beschäftigen haben. II. Ein im Rahmen des hier in Rede stehenden Umweltgesetzbuches neu gefasstes Bundeswasserrecht würde künftig durchweg aus Vollregelungen bestehen und trüge dem durch die zum 1. 9. 2006 in Kraft getretene „Föderalismusreform“ 1 veranlassten Wegfall der bloßen Rahmengesetzgebungskompetenz des Bundes * Der Autor ist Inhaber des Lehrstuhls für „Öffentliches Recht, insbesondere Umweltrecht“ an der Fakultät für Rechtswissenschaft der Universität Bielefeld. 1 Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes (GG-ÄndG) vom 28. 8. 2006 (BGBl. I S. 2034).

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für das Wasserhaushaltsrecht zugunsten der ihm seither gemäß Art. 74 Abs. 1 Nr. 32 GG zustehenden konkurrierenden Gesetzgebungszuständigkeit Rechnung. Danach haben die Länder die Befugnis zur Gesetzgebung für den Bereich des Wasserhaushalts jetzt nur noch solange und soweit der Bund von seiner Zuständigkeitsoption nicht durch den Erlass eines entsprechenden Gesetzes Gebrauch gemacht hat. Die Sperrwirkung für die ländereigene Rechtsetzung beginnt, wenn mit einem erlassenen Bundesgesetz eine Materie abschließend geregelt werden sollte. Zwar steht den Ländern gemäß Art. 72 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 GG für einige Bereiche des Wasserhaushaltsrechts eine vom Bundesrecht abweichende Regelungsbefugnis zu. Doch dürfen diese wegen Art. 125b Abs. 1 Satz 3 GG davon – sofern es sich dabei überhaupt um nennenswerte Regelungsmaterien handelt 2 – erst Gebrauch machen, wenn und soweit der Bund ab dem 1. 9. 2006 einschlägige Gesetze erlässt, ansonsten frühestens ab dem 1. 1. 2010. So gesehen gestaltet sich das Neuregelungsvorhaben für ein Umweltgesetzbuch aus Sicht des Bundes günstig. Denn Art. 125b Abs. 1 Satz 3 GG wirkt den Ländern gegenüber als eine temporäre Veränderungssperre, die dem Bund jedenfalls einen hinreichenden zeitlichen Korridor für den zurzeit angestrebten Erlass eines Umweltgesetzbuches verschafft. III. Kommen wir nun zu den wasserrechtlich bedeutsamen Inhalten des projektierten Umweltgesetzbuches und damit zum Kern der insoweit einschlägigen Regelungen, die eindeutig im Zweiten Buch (nachfolgend UGB II E) verortet sind: Dem UGB II E ist ein 1. Kapitel mit „Allgemeinen Bestimmungen“ (§§ 1 bis 5 UGB II E) vorangestellt. Bemerkenswert ist insoweit die nunmehr unmissverständliche Ausrichtung der wasserwirtschaftlichen Vorschriften auf eine „nachhaltige Gewässerbewirtschaftung“, mittels der die Gewässer als Bestandteil des Naturhaushalts, als Lebensgrundlage für den Menschen, als Lebensraum für Tiere und Pflanzen sowie als sonst nutzbares Gut zu schützen sind (§ 1 UGB II E). Es folgt eine Regelung zum Geltungs- und Anwendungsbereich (§ 2 UGB II E) und ein einen Katalog von Begriffsbestimmungen enthaltender § 3 UGB II E. Derart gesetzlich statuiert würde künftig auch das Wasserhaushaltsrecht äußerlich dem Erscheinungsbild anderer moderner Umweltgesetze (z. B. BImSchG, BBodSchG) angeglichen. Mit Blick auf das Eigentum am Gewässer belässt ein bisher vorbildloser § 4 im Wesentlichen alles beim Alten. Es wird durch ihn klargestellt, dass der Bund Eigentümer der Bundeswasserstraßen ist und es für alle übrigen Gewässer bei 2

Näher dazu Kotulla, NVwZ 2007, 489 ff.

Das Wasserrecht im UGB 2009

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den bisherigen landesrechtlichen Vorschriften bleibt. Außerdem wird nunmehr in der damit insoweit intendierten Ablösung des die jeweiligen landesrechtlichen Zustände aufrechterhaltenden Art. 65 EGBGB 3 hervorgehoben, dass Wasser eines – wie es in § 4 Abs. 2 UGB II E heißt – „fließenden oberirdischen Gewässers und das Grundwasser“ nicht eigentumsfähig seien. Warum diese wohl dem Art. 4 Abs. 1 BayWG entnommene ausdrückliche Feststellung sich indes nicht auch auf stehende Gewässer bezieht, ist nicht ohne weiteres ersichtlich. Hält man nämlich eine Regelung, derzufolge das Wasser sich im Eigentum desjenigen befinden solle, auf dessen Grundstück es sich befindet, mit der wohl h. M. 4 für „nicht sehr realistisch“ 5 oder gar für „denknotwendig ausgeschlossen“ 6, so müsste folgerichtig auch das Eigentum an der „stehenden Welle“ ausgeschlossen sein. Zumal gerade an Seen mit mehreren Anliegern das jeweilige Wasser regelmäßig ebenso wenig dauerhaft an Ort und Stelle verbleibt, als dass es konkret einem bestimmten Eigentümer zugerechnet werden könnte. Obendrein wurde die bis jetzt zuständigkeitshalber ausschließlich landeswasserrechtlich statuierte Duldungspflicht von Eigentümern und Nutzungsberechtigten gegenüber legalen Nutzungen durch Dritte (z. B. § 13 LWG NW) in § 4 Abs. 4 UGB II E aufgenommen. Die bislang in § 1a Abs. 2 WHG verankerten allgemeinen Sorgfaltspflichten werden gemeinsam mit den speziell den Hochwasserschutz betreffenden gleichartigen Obliegenheiten des § 31a Abs. 2 WHG in § 5 UGB II E zusammengefasst. Sicherlich den Kernpunkt der Regelungen bilden die im Kapitel 2 in insgesamt vier Abschnitten verorteten §§ 6 –41 UGB II E über die „Bewirtschaftung der Gewässer“. Im Rahmen des ersten Abschnitts über „Gemeinsame Bestimmungen“ behandelt § 6 in Anlehnung an § 1a Abs. 1 WHG zunächst die allgemeinen Grundsätze der Gewässerbewirtschaftung. Damit bleibt der staatliche Bewirtschaftungsauftrag auch künftig das zentrale wasserrechtliche Strukturprinzip. Dort finden sich hinsichtlich der den Behörden aufgegebenen Bewirtschaftungsleitlinien einige hier nicht näher auszuführende Ergänzungen – wie etwa der nunmehrige Beitrag zum Schutz der Meeresumwelt (Nr. 6). Obendrein findet sich in § 6 UGB II E der bislang den Regelungen über den Gewässerausbau in § 31 Abs. 1 Satz 1 WHG vorangestellte Grundsatz, dass der natürliche oder naturnahe Zustand der Gewässer erhalten oder wieder hergestellt wird, sofern überwiegende Allgemeinwohlgründe dem nicht entgegenstehen. Es folgt abgesehen von einigen redaktionellen Änderungen die Regelung der von der EG-Wasserrahmenrichtlinie zwingend vorgegebenen und bisher in § 1b 3

Begründung zum UGB II-Entwurf, S. 45. Vgl. dazu Czychowski / Reinhardt, WHG, 9. Aufl., 2007, Einl. Rdnrn. 44 f. 5 Baur / Stürmer, Sachenrecht, 17. Aufl., 1998, § 27 Rdnr. 48. 6 Reichmann, Wasserrecht, in Hoffmann-Riem / Koch, Hamburgisches Staats- und Verwaltungsrecht, 1988, S. 20. 4

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WHG im Wesentlichen inhaltsgleich verorteten Bewirtschaftung nach Flussgebietseinheiten (§ 7 UGB II E). § 8 Abs. 1 UGB II E stellt die eigens in § 9 UGB II E abschließend aufgezählten Gewässerbenutzungstatbestände (darunter erstmals auch das Einbringen fester Stoffe ins Grundwasser!) unter einen Erlaubnisvorbehalt. Damit wird auch insoweit dem Vorbild des bisherigen § 2 Abs. 1 WHG gefolgt, als alle nicht ausdrücklich von diesem Gestattungserfordernis ausgenommenen Zugriffe auf ein Gewässer zumindest einer vorherigen behördlichen Erlaubnis unterworfen sind. Bei den Ausnahmen von der Erlaubnispflicht handelt es sich − um die in § 8 Abs. 3 und 4 UGB II E expressis verbis genannten Benutzungen, also Maßnahmen der Gefahrenabwehr, Übungen und Erprobungen, sowie um die nunmehr in den §§ 17 f. UGB II E aufgeführten Tatbestände des Gemein-, Anlieger- und Hinterliegergebrauchs, − um die in den §§ 35 und 38 UGB II E genannten Benutzungen mit Blick auf Küstengewässer und das Grundwasser sowie − um § 41 Abs. 1 Satz 2 UGB II E für das sich nicht nachteilig auf die Grundwasserbeschaffenheit auswirkende Einbringen von Stoffen im Zuge von Erdarbeiten. Konzeptionell wird von dem bisher nach Erlaubnis (§ 7 WHG) und Bewilligung (§ 8 WHG) differenzierten Gestattungsregime Abstand genommen. Die bisher im Interesse des Investitionsschutzes für Unternehmer vorgesehene Bewilligung für nicht stoffliche Einleitungen betreffende Benutzungen entfällt. Insofern bleibt nur die Erlaubnis als jederzeit widerrufliche Befugnis zur Gewässerbenutzung (§ 10 UGB II E) übrig. Sie bietet also wie bisher weder gegenüber privaten Dritten noch gegenüber der Wasserbehörde Bestandsschutz. Obendrein soll sie in ihrer Bedeutung – sie ist bisher der Regelfall – massiv zurechtgestutzt werden. Soll ihr doch künftig gleichsam nur noch komplementären Charakter zukommen. Gilt sie nämlich unter dem Regime des WHG für alle gewässererheblichen Benutzungen unabhängig von deren Dimensionierungen, so soll sie künftig nur noch auf Gewässerinanspruchnahmen von eher untergeordneter wasserwirtschaftlicher Bedeutung Anwendung finden. Denn „wasserwirtschaftliche Vorhaben“, die aufgrund − ihrer Beschaffenheit und ihres Betriebes in besonderem Maße geeignet sind, schädliche Umweltveränderungen, Gefahren, erhebliche Nachteile oder Belästigungen hervorzurufen oder − ihrer Art, ihrer Größe und ihres Standortes erhebliche Umweltauswirkungen haben können und für die deshalb eine UVP bzw. Vorprüfung vorgeschrieben ist, sollen fortan gemäß § 49 Abs. 1 Satz 1 UGB I E in Verbindung mit Nr. 13 des Anhangs zur neuen Vorhabenverordnung einer integrierten Vorhabengenehmigung bedürfen.

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Vorhabengenehmigungspflichtigen Gewässerbenutzungen kommt anders als den Erlaubnissen nach § 8 UGB II E eine dem § 14 BImSchG vergleichbare feste Rechtsstellung gegenüber privaten Dritten zu (§ 58 Abs. 2 UGB I E). Sofern zudem ein Bedürfnis nach einer gesicherten Rechtsstellung gegenüber einem behördlichen Widerruf besteht, kann diese gemäß § 122 Abs. 1 UGB I E auf Antrag unter den dem § 8 WHG für die Bewilligung vergleichbaren Voraussetzungen eingeräumt werden. So gesehen wird der Wegfall der Bewilligung im Wesentlichen kompensiert. Dabei ist jedoch wie bisher schon (§ 8 Abs. 2 Satz 2 WHG) nicht einzusehen, warum eine gesicherte Rechtsposition zwar für Wasserentnahmen, nicht jedoch auch für Stoffeinleitungen erlangbar sein soll (§ 122 Abs. 2 Nr. 3 UGB I E). An dem mit solchen Benutzungen gegebenenfalls einhergehenden unterschiedlichen Schadenspotenzial kann dies doch wohl nicht liegen. Zuwiderhandlungen gegen rechtliche Vorgaben können jeweils gleich gravierende Folgen zeitigen. Dies gilt um so mehr, als mit dem Einsatz fortschrittlicher Klärtechnik längst zufrieden stellende Reinigungsergebnisse erzielt werden. Vor diesem Hintergrund erscheint eine derartige Ungleichbehandlung nicht nur unzeitgemäß, sondern auch wegen des Verstoßes gegen Art. 3 Abs. 1 GG äußerst bedenklich. § 54 UGB I E und § 11 Satz 1 UGB II E legen jeweils vergleichbare tatbestandliche Anforderungen fest, unter denen die Erteilung einer Vorhabengenehmigung oder Erlaubnis möglich ist. Die genannten Vorschriften treten damit an die Stelle des § 6 WHG. Sie gehen aber wegen ihrer Inbezugnahme des gesamten öffentlichen Rechts, gegen das die beabsichtigte Benutzung nicht verstoßen darf, weit über das im Kern lediglich wasserwirtschaftliche und damit verwandte Belange umfassende Wohl der Allgemeinheit in § 6 WHG hinaus. War das Bewirtschaftungsermessen bisher innerhalb des Gestattungsregimes der §§ 2 ff. WHG ein ungeschriebenes Rechtsfolgenmerkmal 7, so wird es nunmehr ausdrücklich in § 54 Abs. 2 UGB I E (für die Vorhabengenehmigung) und § 11 Satz 2 UGB II E (für die Erlaubnis) fixiert. Damit behält das Wasserhaushaltsrecht auch weiterhin seine genehmigungsrechtliche Sonderstellung. Denn insbesondere die Erteilung der vorhabenbezogenen Genehmigung soll ansonsten in Anlehnung an den bisherigen § 6 BImSchG als gebundene Entscheidung ergehen. Diese Abweichung für das Wasserrecht ist um so bedauerlicher, als sie eigentlich unnötig ist und das UGB nicht zuletzt deswegen initiiert wurde, um die diversen umweltrechtlichen Vorschriften und Instrumente zu harmonisieren. Hier hätte es sich bereits aus rechtssystematischen Gründen angeboten, auf das Instrument des Bewirtschaftungsermessens vollständig zu verzichten. Ist es doch künftig ohnehin weitgehend überflüssig, wenn die bis zum 22. 12. 2009 für jede Flussgebietseinheit aufzustellenden Bewirtschaftungspläne und Maßnahmenprogramme das behördliche Ermessen weitgehend vorsteuern werden. 7

Kotulla, WHG, 2003, § 6 Rdnrn. 19 ff.

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Deshalb würde man durch die wegen ihres Charakters als öffentlich-rechtliche Vorgaben im Rahmen des Genehmigungs- bzw. Erlaubnistatbestandes ohnehin zwingend zu berücksichtigenden Inhalte dieser Planungselemente das Gleiche letztlich erheblich systemkonformer erreichen können. Für vor Inkrafttreten des UGB bestehende Benutzungen gelten die bereits erteilten Gestattungen weiter: gemäß § 129 UGB I E, sofern sie künftig vorhabengenehmigungspflichtig wären, gemäß § 88 UGB II E, sofern sie fortan erlaubnispflichtig sein sollten. Insbesondere alle bestehenden Bewilligungen gelten weiterhin (§ 88 Abs. 2 UGB II E), genießen also Bestandsschutz. § 12 UGB II E behandelt die Inhalts- und Nebenbestimmungen zur Erlaubnis einschließlich der nachträglichen Anordnungen. Damit werden die §§ 4 und 5 WHG abgelöst. Ungeachtet des an die Stelle der bisherigen „Benutzungsbedingungen“ tretenden neuen Begriffs „Inhaltsbestimmungen“ ändert sich hier jedoch nichts an der aktuellen Rechtslage. Insoweit wird die bislang spezifisch wasserhaushaltsgesetzliche Terminologie lediglich derjenigen des allgemeinen Verwaltungsrechts angepaßt. Sofern es vorhabengenehmigungspflichtige Benutzungen anbelangt, gilt für sie § 57 UGB I E, der allerdings zwar die wichtigsten Nebenbestimmungen, nicht jedoch den Terminus „Inhaltsbestimmungen“ kennt. Warum es hier eine derartige regelungssystematische Diskrepanz zur Erlaubnis gibt, wäre gewiss klärungsbedürftig. § 16 UGB II E enthält mit Blick auf Gewässerbenutzungen eine umfassende Verordnungsermächtigung „zur Gewässerbewirtschaftung“. Auf diese Weise will man „die im Ganzen schlank gehaltenen gesetzlichen Vorgaben“ konkretisieren. 8 Die Vorschrift soll sowohl dazu dienen, verbindliche EU-rechtliche Vorgaben als auch sonstige in einem langen Beispielskatalog aufgeführte Materien in Bundesrecht umzusetzen. Ergänzt wird dieser Katalog durch gesetzliche Vorgaben in weiteren speziellen Vorschriften. 9 Hierdurch wird ein weit über die bisherigen Verordnungsermächtigungen – wie etwa die §§ 6a, 7a WHG – hinausgehendes Verordnungsregime ermöglicht. Dies dürfte der unvermeidlich zu zahlende Preis für den Wegfall der bislang weitgehend der Landesrechtsetzung obliegenden Ausführungsregelungen sein. Mit Blick auf vorhabengenehmigungspflichtige Benutzungen enthält § 53 UGB I E eine wohl noch allgemeiner gehaltene Verordnungsermächtigung. Auch hier besteht eine regelungstechnische Diskrepanz, die durch die Inkorporation der jeweils anderen Vorschrift zumindest überwunden werden könnte. Die innerhalb des 2. Abschnitts des 2. Kapitels verorteten §§ 19 bis 23 UGB II E entsprechen mit den in ihnen gemäß Art. 4 EG-WRRL festgesetzten Be8

Begründung zu § 16 UGB II E, S. 55. §§ 40 Abs. 1 Satz 3, 49 Abs. 2, 50 Abs. 1 Satz 2, 53 Abs. 3, 54 Abs. 4 und 85 Abs. 3 UGB II E. 9

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wirtschaftungszielen im Wesentlichen den §§ 25a bis 25d WHG. Allerdings enthalten sie nunmehr Vollregelungen. Die bisherigen Regelungsaufträge an die Länder sind entfallen; was der Übersichtlichkeit der ohnehin nicht leicht zu verstehenden Vorschriften sicherlich zuträglich sein wird. Nicht zuletzt der Erreichung dieser Bewirtschaftungsziele dienen die dem bisherigen Landeswasserrecht entnommenen Vorschriften über die Mindestwasserführung (§ 25 UGB II E), über die Durchgängigkeit der Gewässer (§ 26 UGB II E), über die Wasserkraftnutzung (§ 27 UGB II E), über Anlagen im Zusammenhang mit Gewässern (§ 28 UGB II E), über den Wasserabfluss (§ 29 UGB II E) und über den Gewässerrandstreifen (§ 30 UGB II E). In den §§ 31 bis 34 UGB II E ist die Unterhaltung der Gewässer geregelt. Durch sie sollen die vornehmlich nur Rahmenrecht für die Länder setzenden §§ 28 bis 30 WHG in bundesrechtliche Vollregelungen überführt werden. Hierbei sind Bemühungen unverkennbar, namentlich mit Blick auf die Erreichung der Bewirtschaftungsziele in ökologischer Hinsicht die Unterhaltungspflichten zu konkretisieren; so etwa, wenn in § 31 Abs. 1 Nr. 4 UGB II E „die Erhaltung und Förderung der ökologischen Funktionsfähigkeit des Gewässers, insbesondere als Lebensraum von wildlebenden Tieren und Pflanzen“ postuliert wird. Obendrein bezieht § 31 Abs. 1 Nr. 4 UGB II E Belange des Hochwasserschutzes in die Gewässerunterhaltung ein. Dem § 31 WHG vergleichbare Vorschriften über den Gewässerausbau fehlen im UGB II E. Für sie sollen die Regelungen der §§ 63 ff. und § 75 UGB I E über die planerische Genehmigung gelten. Bemerkenswert ist insoweit die Klarstellung, dass eine solche Genehmigung nicht erforderlich sei, wenn das Gewässer nur für einen begrenzten Zeitraum entsteht und der Wasserhaushalt dadurch nicht erheblich beeinträchtigt wird (§ 75 Abs. 1 UGB I E). Dies betrifft nicht zuletzt das als Folge von Bau- und Abbauarbeiten nur vorübergehend frei gelegte Grundwasser, für das insoweit erstmals eine gesonderte wasserrechtliche Feststellung getroffen wird. Im 3. Abschnitt des 2. Kapitels, also den §§ 35 bis 37 UGB II E, sind die Vorschriften über die „Bewirtschaftung der Küstengewässer“ enthalten. Sie entsprechen weitgehend den §§ 32a bis 32c WHG. Die Bewirtschaftung des Grundwassers regeln die unter Abschnitt 4 verankerten §§ 38 bis 41 UGB II E. Hier gibt es gegenüber den bisherigen §§ 33 bis 35 WHG einige kleinere, gleichwohl beachtenswerte Modifikationen: So soll durch § 38 Satz 1 Nr. 1 UGB II E die im Rahmen des § 33 Abs. 1 Nr. 1 WHG bisher für Haushalts- oder bestimmte landwirtschaftliche Zwecke prinzipiell erlaubnisfreie Verwendung des Grundwassers 10 nunmehr endlich einheitlich auf geringe Mengen begrenzt werden. Die Länder dürfen zwar weiterhin die erlaubnisfreien Benutzungstatbestände ein10

Näher dazu Kotulla, WHG, § 33 Rdnrn. 4 ff.

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schränken oder ausweiten (§ 38 Satz 2 UGB II E); werden dabei jedoch durch den leider nicht ausdrücklich genannten Art. 11 Abs. 3 lit. e EG-WRRL beschränkt, wonach Grundwasserbenutzungen jedenfalls dann nicht erlaubnisfrei gestellt werden dürfen, wenn hiervon signifikante nachteilige Auswirkungen auf den Zustand des Gewässers zu erwarten sind. Die bisher in § 33a WHG aufgeführten Bewirtschaftungsziele 11 werden mittels § 39 UGB II E in Verbindung mit einer auf § 16 Satz 2 Nrn. 2 und 8 UGB II E gestützten Rechtsverordnung (insoweit ist der Erlass einer „umfassenden Grundwasserverordnung“ geplant 12) zu Vollregelungen umgestaltet. Mit Blick auf die in § 40 UGB II E geregelte Reinhaltung des Grundwassers wird an dem bereits aus § 34 WHG bekannten Besorgnisgrundsatz festgehalten. Demgemäß (§ 40 Abs. 1 UGB II E) darf eine Erlaubnis für das Einbringen und Einleiten von Stoffen nur erteilt werden, wenn nachteilige Veränderungen der Wasserbeschaffenheit nicht zu besorgen sind. Wobei anders als in § 34 Abs. 1 WHG klargestellt wird, dass der Schadstoffgehalt und die Schadstoffmenge bei Nichtüberschreiten der Geringfügigkeitsschwelle vor Eintritt in das Grundwasser die Besorgnis ausschließen soll. Zur allgemeinverbindlichen Festlegung der Geringfügigkeitsschwellen kann eine auf § 16 Satz 2 Nr. 3 UGB II E gestützte Rechtsverordnung erlassen werden. – § 40 Abs. 2 UGB II E entspricht inhaltlich dem bisherigen § 34 Abs. 2 WHG. Dass nach dem Willen der Entwurfsschöpfer mit § 40 UGB II E zugleich eine Konkretisierung der im Rahmen der vorhabengenehmigungspflichtigen Benutzungen geltenden Schutzpflicht mit Blick auf den Begriff der „schädlichen Umweltveränderungen“ (§ 52 Abs. 1 Nr. 1, § 4 Nr. 6 Satz 2 UGB I E) erfolgen soll, kommt zumindest formulierungstechnisch nur unzureichend zum Ausdruck. Insoweit wäre ein klarstellender Hinweis des sich in der vorliegenden Fassung ausschließlich auf die Erlaubniserteilung beziehenden § 40 UGB II E wünschenswert. Das 3. Kapitel beschäftigt sich mit den „Besonderen wasserwirtschaftlichen Bestimmungen“. Ein 1. Abschnitt (§§ 42 bis 45 UGB II E) widmet sich der öffentlichen Wasserversorgung, den Wasserschutzgebieten und dem Heilquellenschutz. Diese Regelungen sind teilweise dem Landeswasserrecht entnommen oder wie mit Blick auf die Wasserschutzgebiete über § 19 WHG hinaus lediglich zu Vollregelungen aufgewertet worden. Abschnitt 2 widmet sich in den §§ 46 bis 53 UGB II E der Abwasserbeseitigung. Hierdurch werden die §§ 7a, 18a und 18b WHG übernommen und zum Teil um bisher nur landesrechtliche Regelungen erweitert. Hervorgehoben werden sollen an dieser Stelle der als besondere Voraussetzung für die Erlaubniserteilung zu erfüllende, dem § 7a WHG vergleichbare § 49 UGB II E und die künftig legal eingeführten Termini „Direkteinleitung“ und „Indirekteinleitung“. Der die Zulassung von Abwasserbehandlungsanlagen betreffende § 18c WHG ist nicht in den UGB II E aufge11 12

Vgl. insoweit Kotulla, WHG, Rdnrn. 4 ff. Begründung zu § 39 UGB II E, S. 77.

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nommen worden. Derartige Anlagen werden künftig nach Maßgabe des § 49 Abs. 1 Satz 1 UGB I E in Verbindung mit der Nr. 13.1 des Anhangs zur geplanten Vorhabenverordnung einer integrierten Vorhabengenehmigung bedürfen. Im 3. Abschnitt (§§ 54 f. UGB II E) geht es um den Umgang mit wassergefährdenden Stoffen. § 54 UGB II E regelt die materiellen Anforderungen an den anlagenbezogenen Umgang mit wassergefährdenden Stoffen, § 55 UGB II E die hierzu erforderliche behördliche Vorkontrolle. § 54 entspricht dem § 19g WHG. Allerdings wird richtigerweise auf die bisher in § 19g Abs. 2 WHG vorgenommene Privilegierung von Anlagen zum Umschlagen wassergefährdender Stoffe und für Anlagen zum Lagern und Abfüllen von Jauche, Gülle und Silagesickersäften verzichtet. 13 Auch für diese Anlagen gilt also wie bislang schon für sonstige Anlagen zum Umgang mit wassergefährdenden Stoffen der Besorgnisgrundsatz; also dass durch den Umgang mit diesen Stoffen eine nachteilige Veränderung der Gewässereigenschaften nicht zu besorgen ist. Entsprechendes soll künftig auch für alle Rohrleitungsanlagen gelten, sofern sie nur Anlagen verbinden, die in einem engen räumlichen und betrieblichen Zusammenhang miteinander stehen. Abweichend von § 19g Abs. 1 Satz 2 WHG gilt dies unabhängig davon, ob die Anlagen kurzräumig durch landgebundene öffentliche Verkehrswege getrennt sind. Gelten für die betreffenden Anlagen gemäß § 19g Abs. 2 WHG als Anforderungsniveau lediglich der „bestmögliche Schutz“, also das in der konkreten Situation technisch Mögliche und wirtschaftlich Vertretbare 14, so verlangt § 54 Abs. 2 UGB II E im Interesse der Harmonisierung mit den Anforderungen, die für die Vorsorge gegen schädliche Umweltveränderungen auch bei anderen Anlagentypen gelten, künftig generell den erheblich höher einzuschätzenden „Stand der Technik“. § 54 Abs. 4 Nr. 1 UGB II E sieht anstatt des in § 19g Abs. 5 Satz 2 WHG vorgeschriebenen Erlasses einer Allgemeinen Verwaltungsvorschrift über die Einstufung der Gefährlichkeit wassergefährdender Stoffe nunmehr den Erlass im Verordnungswege vor. Zudem stellt § 54 Abs. 4 Nrn. 2 bis 4 UGB II E sicher, dass insbesondere die Regelungen in den §§ 19i bis 19l WHG (Betreiberpflichten, Besondere Pflichten beim Befüllen und Entleeren, Fachbetriebe) sowie solche wie in den Verordnungen über Anlagen zum Umgang mit wassergefährdenden Stoffen (VAwS) der Länder oder der Muster-VAwS vom 8. / 9. 11. 1990 bzw. vom März 2001 künftig ebenfalls durch Rechtsverordnung des Bundes getroffen werden können. § 55 UGB II E hat die Eignungsfeststellung für die betreffenden Anlagen zum Gegenstand. Alles in allem erscheinen diese Regelungen durchaus folgerichtig. Im 4. Abschnitt des 3. Kapitels (§§ 56 bis 65 UGB II E) ist der Hochwasserschutz verankert. Hierdurch sind die namentlich durch das Hochwasserschutzgesetz von 2005 15 in das WHG implantierten 13 Zur zurzeit geltenden Rechtslage unter dem Regime des § 19g Abs. 2 WHG siehe Kotulla, WHG, § 19g Rdnrn. 28 ff. 14 Kotulla, WHG, § 19g Rdnr. 34. 15 Gesetz zur Verbesserung des vorbeugenden Hochwasserschutzes vom 3. 5. 2005 (BGBl. I S. 1224).

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§§ 31a bis 32 in modifizierter Form übernommen worden. Insbesondere sind die bisher noch nicht berücksichtigten Vorgaben der EG-Hochwasserschutzrichtlinie von 2007 16 in den §§ 56 bis 59, 63 Abs. 1 und 64 UGB II E aufgegriffen worden. Demgegenüber überführen die §§ 60 bis 62, 63 Abs. 2 und 65 UGB II E das bislang geltende Recht allerdings nunmehr als bundesrechtliche Vollregelungen in das UGB II. Bemerkenswert ist, dass künftig neben dem Binnenhochwasser auch das Küstenhochwasser erfasst wird (§ 56 UGB II E). Auf die Darstellung weiterer Details verzichte ich aus Platzgründen. Ein Eingehen auf die im 5. Abschnitt u. a. verankerten Maßnahmenprogramme und Bewirtschaftungspläne (§§ 66 bis 69 UGB II E) mag sich schon deshalb erübrigen, weil sich abgesehen von den nunmehr als Vollregelungen ausgestalteten Normierungen gegenüber § 36 und § 36b WHG keine inhaltlichen Abweichungen ergeben. Der mit „Haftung für Gewässerveränderungen“ überschriebene 6. Abschnitt ist nahezu identisch mit den §§ 22 und 22a WHG. Es folgen in einem 7. Abschnitt die bisher im Wesentlichen landeswasserrechtlich geregelten „Duldungs- und Gestattungsverpflichtungen“ (§§ 75 bis 79 UGB II E). Regelungen in einem 4. Kapitel über Entschädigung und Ausgleich (§§ 80 bis 84 UGB II E), die Gewässeraufsicht (5. Kapitel – §§ 85 f. UGB II E) sowie zu Bußgeldern und zur Überleitung des bestehenden Rechts (6. Kapitel – §§ 87 bis 93 UGB II E) runden den insgesamt recht stattlich ausgefallenen Vorschriftenkatalog ab. IV. Fazit: Alles in allem stellt sich der von mir mit Blick auf das Wasserrecht vorgestellte UGB E sicherlich nicht als der ganz große Wurf dar. Er bedeutet aber gewiss in vielerlei Hinsicht ein Gewinn an Einheitlichkeit, die jedoch – wie insbesondere am Beispiel des die Gewässerbenutzungen betreffenden Gestattungsregimes deutlich wird – nicht immer auch ein Mehr an Übersichtlichkeit bedeuten muss. Insgesamt gesehen weisen die Bemühungen des Referentenentwurfes aber fraglos in die richtige Richtung.

16 Richtlinie 2007/60/EG des Europäischen Parlaments und des Rates über die Bewertung und das Management von Hochwasserrisiken vom 23. 10. 2007 (ABl. EU, L 288, S. 27).

Das Naturschutzrecht im Umweltgesetzbuch 2009 Von Martin Gellermann

I. Einführung Die nun schon seit geraumer Zeit in der Diskussion befindliche umfassende Kodifikation des deutschen Umweltrechts geht derzeit in eine entscheidende Phase. In Kürze soll das Bundeskabinett mit den Entwürfen des Umweltgesetzbuchs befasst werden, zu denen in Gestalt des UGB III auch eine Gesamtnovelle des Naturschutzrechts gehört. Nun sind Änderungen des Naturschutzrechts stets konfliktträchtig, und so darf man schon gespannt sein, ob der Entwurf diese Runde unbeschadet übersteht. Da die Ergebnisse der Kabinettsbefassung noch nicht absehbar sind, muss es im Folgenden sein Bewenden mit einem Einblick in das künftige Naturschutzrecht haben, wie es sich auf Grundlage des Referentenentwurfs darstellt. 1 Während mit der im Jahre 2002 vorgenommenen Novelle des Bundesnaturschutzgesetzes noch das Ziel einer substantiellen Verbesserung des Schutzes von Natur und Landschaft verfolgt wurde, 2 zeigt sich der Entwurf des UGB III in dieser Hinsicht wenig ambitioniert. Die Erkenntnis, dass der Verlust der Artenvielfalt hierzulande ungebremst voranschreitet 3 und der Umstand, dass die Umsetzung der von der Bundesregierung im November 2007 beschlossenen Biodiversitätsstrategie 4 erhebliche zusätzliche Anstrengungen erfordert, haben in dem Entwurf keine erkennbaren Spuren hinterlassen. Stattdessen ist er von dem Bemühen geprägt, das geltende Rahmenrecht zu einer Vollregelung auszubauen, die Verständlichkeit und Praktikabilität des Naturschutzrechts zu erhöhen, Vorgaben des EG-Rechts bundesweit einheitlich umzusetzen und die bislang landesrechtlich geregelten Bereiche des Naturschutzrechts in das Bundesrecht 1 Referentenentwurf des Umweltgesetzbuchs (UGB), Drittes Buch (III) – Naturschutzrecht und Landschaftspflege, Stand: 20. 05. 2008, http://www.bmu.de/files/pdfs/allgemein /application/pdf/ugb3_naturschutz.pdf. 2 Vgl. BT-Drs. 14/6372, S. 27 f. 3 Rat von Sachverständigen für Umweltfragen (SRU), Umweltschutz im Zeichen des Klimawandels, Umweltgutachten 2008, Tz. 331 ff., 333. 4 Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (BMU), Nationale Strategie zur Biologischen Vielfalt, 2007, http://www.bmu.de/files/pdfs/allgemein /application/pdf/biolog_vielfalt_strategie_nov07.pdf.

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zu überführen. 5 Diese Ausrichtung schließt gewisse Modifikationen nicht aus, bringt es aber doch mit sich, dass sich das künftige Naturschutzrecht im Wesentlichen als eine vereinheitlichende Zusammenfassung des auf Bundes- und Landesebene vorhandenen Bestandes naturschutzrechtlicher Regelungen darstellt.

II. Versuch der Verfassungsinterpretation Zu den beachtenswerten Neuerungen zählt immerhin der Versuch, die Konturen jener Bestandteile des künftigen Naturschutzrechts zu schärfen, von denen die Länder aus Gründen des Art. 72 Abs. 3 Nr. 2 GG nicht abweichen dürfen. Während die Entwurfsbegründung darüber informiert, dass sich die abweichungsfesten Vorschriften des Arten- und Meeresnaturschutzes in den Abschnitten 5 und 6 des UGB III-Entw. geregelt finden, werden die allgemeinen Grundsätze des Naturschutzes in Einzelbestimmungen des Entwurfs ausdrücklich festgelegt. Die auf eine Verdeutlichung der „abweichungsfesten Kerne“ gerichteten Vorschriften, mögen als Hilfestellung für die Länder gedacht sein, geben aber dennoch zu Bedenken Anlass, weil der Bundesgesetzgeber weder zur konstitutiven Ausgestaltung noch zur authentischen Interpretation der in Art. 72 Abs. 3 Nr. 2 GG bezeichneten abweichungsfesten Materien berufen ist. 6 Seine Regelungen können allenfalls als Auslegungsvorschläge fungieren, über deren Tragfähigkeit man trefflich streiten kann. Das gilt namentlich für den verfassungsrechtlichen Begriff des Artenschutzrechts. Während der Entwurf insoweit nur die Vorschriften des fünften Abschnitts als abweichungsfest kennzeichnet, erhebt sich aus verfassungsrechtlicher Perspektive die Frage, ob dies nicht auch für die im vierten Abschnitt verankerte Bestimmung über den gesetzlichen Biotopschutz zu gelten hat. 7 Immerhin nimmt Art. 72 Abs. 3 Nr. 2 GG den einfachrechtlichen Begriff des Artenschutzrechts in sich auf, knüpft damit an die geläufige Unterscheidung zwischen Artenund Gebietsschutz an und entzieht jenen Normenbestand dem regelnden Zugriff der Länder, der herkömmlich dem Bereich des Artenschutzes zugeordnet wird. Da der gesetzliche Biotopschutz mit der Artenschutznovelle 1987 eingeführt wurde, 8 in der Ursprungsfassung des § 20c BNatSchG a. F. als spezifisch artenschutzrechtliche Regelung konzipiert war, manche Bundesländer die zur 5

Begründung des Referentenentwurfs, Stand: 20. 05. 2008, S. 3. Koch / Krohn, Das Naturschutzrecht im Umweltgesetzbuch. Den Auftrag der Föderalismusreform erfüllen, in: Umweltbundesamt (Hrsg.), Forum Umweltgesetzbuch, Heft 7, 2008, S. 13. 7 Wohl ebenso Fischer-Hüftle, Zur Gesetzgebungskompetenz auf dem Gebiet „Naturschutz und Landschaftspflege“ nach der Föderalismusreform, NuR 2007, 78/84. 8 J. Schmidt-Räntsch, in: Gassner / Bendomir-Kahlo / Schmidt-Räntsch, Bundesnaturschutzgesetz (BNatSchG), 2. Aufl. 2003, § 30 Rn. 1. 6

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Umsetzung bestimmten Landesregelungen noch immer in den Artenschutzkapiteln verankern 9 und § 39 Abs. 1 BNatSchG sogar ausdrücklich betont, dass der Schutz der Biotope wildlebender Tier- und Pflanzenarten zu den Aufgaben des Artenschutzes gehört, ist nicht auszuschließen, dass der Entwurf des UGB III den Ländern in Ansehung des gesetzlichen Biotopschutzes eine Abweichungsbefugnis signalisiert, die von Verfassungs wegen gar nicht besteht. Gleichsam in gegenläufiger Richtung scheint der Entwurf den verfassungsrechtlichen Begriff der allgemeinen Grundsätze des Naturschutzes mitunter deutlich zu überdehnen. Da es sich bei diesen Grundsätzen schon begrifflich nur um ausfüllungsfähige und -bedürftige Leitregeln von eher prinzipienhafter Art handeln kann, 10 leuchtet nicht ein, wieso es den Ländern versagt sein soll, von dem bundesrechtlich geregelten Katalog der Schutzgebietskategorien abzuweichen, der in § 20 Abs. 2 UGB III-Entw. als abweichungsfest gekennzeichnet ist. Dass ein Instrumentarium zum Schutz bestimmter Teile von Natur und Landschaft verfügbar sein muss, welches es in Ansehung der Besonderheiten des jeweiligen Gebiets oder Objekts erlaubt, divergierenden Schutzbedürfnissen Rechnung zu tragen, steht sicher außer Frage, indessen ist das „Korsett der bundesrechtlichen Schutzkategorien“ zu eng und detailliert, um noch als prinzipienhafte Leitregel gelten zu können. Der Versuch einer einfachgesetzlichen Konturierung abweichungsfester Bestandteile des Naturschutzrechts führt in jedem Fall auf verfassungsrechtlich unsicheres Terrain. Da es dessen zur Herstellung einer vollzugsfähigen Vollregelung nicht bedarf, sollte sich das UGB III am Vorbild des UGB II orientieren und das Feld der Verfassungsinterpretation tunlichst nicht betreten.

III. Erweiterung des räumlichen Geltungsbereichs Zu den sinnvollen Neuerungen des Entwurfs zählt jedenfalls, dass das künftige Naturschutzrecht seinen Geltungsanspruch nicht mehr nur im deutschen Hoheitsgebiet, sondern auch im Bereich der dem Küstenmeer vorgelagerten deutschen Ausschließlichen Wirtschaftszone (AWZ) erheben soll. Da dieser Schritt zur Umsetzung EG-rechtlicher Vorgaben erforderlich ist 11 und es im Übrigen auch jenseits der 12 sm-Zone wertvolle und schutzbedürftige Naturgüter gibt, sieht § 3 UGB I-Entw. vor, dass die Vorschriften des Dritten Buchs im Bereich der 9

Vgl. § 28 Abs. 3 LNatSchG RP v. 28. 09. 2005, GVBl. 2005, S. 387. Koch / Krohn (Fn. 6), S. 13: „Tragende Prinzipien des Naturschutzrechts“; ähnlich Schulze-Fielitz, Umweltschutz im Föderalismus – Europa, Bund und Länder, NVwZ 2007, 249/257: „Leitregeln abstrakt-genereller Art“; Kotulla, Umweltschutzgesetzgebungskompetenzen und „Föderalismusreform“, NVwZ 2007, 489/492: „Grundsätze betreffen allgemeine Aussagen zum Naturschutz und zur Landschaftspflege; weitergehend Hendrischke, „Allgemeine Grundsätze“ der Naturschutzgesetzgebung, NuR 2007, 454/457. 10

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AWZ insoweit Geltung beanspruchen, als dies mit dem Seerechtsübereinkommen der Vereinten Nationen vereinbar ist. Das gilt freilich nicht ohne Einschränkungen. Während § 3 UGB I-Entw. hiervon den Abschnitt über die Landschaftsplanung ausdrücklich ausnimmt, stellt § 57 Abs. 2 UGB III-Entw. klar, dass die naturschutzrechtliche Eingriffsregelung im Bereich der AWZ auf Windkraftanlagen keine Anwendung findet, die in dafür vorgesehenen Eignungs- oder Vorranggebieten bis zum 1. Januar 2017 genehmigt werden. Mit dieser Privilegierung soll dem Umstand Rechnung getragen werden, dass die Auswirkungen der Offshore-Windparks auf die Meeresnatur noch nicht abschließend prognostizierbar sind und den Vorhabenträgern ein umfangreiches Monitoring aufgegeben wird, dessen Ergebnisse als Grundlage für die Ermittlung des Kompensationsbedarfs bei künftigen Anlagen fungieren können. 12 Das mag plausibel klingen, lässt aber unberücksichtigt, dass auch im Küstenmeer Windparks in dafür vorgesehenen Eignungsgebieten errichtet werden sollen, deren Träger – ungeachtet des auch ihnen abverlangten Monitorings – vollen Umfangs den eingriffsbezogenen Verursacherpflichten zu genügen haben. Ist die Eingriffsregelung aber im Küstenmeer trotz der auch dort bestehenden Erkenntnis- und Bewertungsunsicherheiten vollen Umfangs anwendbar, besteht kein Grund, der die Privilegierung entsprechender Anlagen in der AWZ rechtfertigen könnte. Die Vorschrift des § 57 Abs. 2 UGB III-Entw. sollte daher im weiteren Verlauf des Gesetzgebungsverfahrens nochmals überdacht werden.

IV. Entwicklungen zentraler Regelungsbereiche In zentralen Regelungsbereichen des Gesetzes hat es gewisse Änderungen gegeben, die aber insgesamt eher von dem Bemühen geprägt sind, den vorhandenen Standard zu wahren. 1. Land-, forst- und fischereiwirtschaftliche Bodennutzung Besonders ausgeprägt sind die Beharrungstendenzen im Bereich der an eine gute fachliche Praxis der land-, forst- und fischereiwirtschaftlichen Bodennutzung zu stellenden Anforderungen, die mit der Novelle 2002 in das Bundesrecht aufgenommen und seinerzeit in einer Broschüre des BMU unter der Überschrift „Mehr Hasen im Feld“ als bedeutender Fortschritt gepriesen wurden. 13 Die Be11 Zur Geltung des europäischen Naturschutzrechts in der mitgliedstaatlichen AWZ EuGH, Urt. v. 20. 10. 2005 – Rs. C-6/04 (Kommission / Großbritannien) – Slg. 2005, I-9017 Rn. 117; Czybulka, Geltung der FFH-Richtlinie in der Ausschließlichen Wirtschaftszone, NuR 2001, 19 ff.; ders., Die Anwendung der Umwelthaftungsrichtlinie in der Ausschließlichen Wirtschaftszone und auf dem Festlandsockel, NuR 2008, 304 ff. 12 Begründung des Referentenentwurfs, Stand: 20. 05. 2008, S. 100.

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stimmungen des § 5 Abs. 4 –6 BNatSchG haben die in sie gesetzten Erwartungen freilich nicht erfüllen können, weil die Länder davon abgesehen haben, die zur Konkretisierung und Durchsetzung dieser Grundsätze erforderlichen Regelungen zu erlassen. 14 Der Bund könnte sich dieser Aufgabe nun selbst annehmen, will sich an diesem „heißen Eisen“ die Finger aber ersichtlich nicht verbrennen. § 5 UGB III-Entw. belässt es daher bei einer weitgehend wörtlichen Übernahme der wenig aussagekräftigen Umschreibungen des bisherigen Rechts und sieht in der aktuellen Entwurfsfassung nicht einmal mehr eine Rechtsverordnungsermächtigung vor, auf deren Basis die notwendige Konkretisierungsleistung erbracht werden könnte. Der flächendeckende Mindestschutz, den § 5 UGB IIIEntw. verspricht, wird in der Praxis der land-, forst- und fischereiwirtschaftlichen Bodennutzung daher kaum steuernde Wirkungen entfalten. Auch das neue Recht lässt daher keine Stabilisierung der Bestände des gefährdeten Feldhasen erwarten. 2. Landschaftsplanung Im Bereich der Landschaftsplanung erlegt sich der Entwurf vornehme Zurückhaltung auf. Ob Landschaftspläne von den Naturschutzbehörden oder anderen Stellen erarbeitet werden, in welchen Verfahren dies geschieht und ob sie als eigenständige Pläne aufgestellt oder unmittelbar in die räumliche Gesamtplanung integriert werden, erfährt keine bundesrechtliche Regelung. Die Artenvielfalt bleibt daher wenigstens in der Landschaftsplanung erhalten. Neben der fraglos sinnvollen Fortentwicklung der Inhalte eines Landschaftsplans (§ 9 Abs. 3 UGB III-Entw.) und der beabsichtigten Einführung eines fakultativen Grünordnungsplans (§ 11 Abs. 1 S. 5 UGB III-Entw.) verdient eigentlich nur Erwähnung, dass das erst mit der Novelle 2002 eingeführte Flächendeckungsprinzip „in modifizierter Form aufrechterhalten“ wird. 15 Während die Landschaftsplanung auf überörtlicher Ebene auch weiterhin flächendeckend zu erfolgen hat, soll die Aufstellung eines Landschaftsplans auf örtlicher Ebene nach § 11 Abs. 1 S. 4 UGB III-Entw. nur dann noch geboten sein, wenn aus Anlass wesentlicher Änderungen im Planungsraum ein Bedürfnis zur Konkretisierung der Naturschutzziele sowie der zur ihrer Umsetzung dienenden Erfordernisse und Maßnahmen besteht. Da die Aufstellungspflicht namentlich dann zum Tragen kommen soll, wenn ein Bauleitplan in größerem Umfang neue Bauflächen im Außenbereich aus13 Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (BMU), Natur beginnt überall. Das neue BNatSchG. Entwurf einer Broschüre zur Novelle des BNatSchG. 14 Rat von Sachverständigen für Umweltfragen (Fn. 3), Tz. 455; Koch / Krohn (Fn. 6), S. 27. 15 Begründung des Referentenentwurfs, Stand: 20. 05. 2008, S. 6.

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weist, erhält die Diskussion um die Frage neuen Auftrieb, ob die Landschaftsplanung zu den Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen der Bauleitplanung gehört. 16 Die Entwurfsbegründung sucht dem unter Hinweis darauf zu begegnen, die Wirksamkeitsvoraussetzungen der Bauleitplanung wären abschließend im Baugesetzbuch geregelt. 17 Überzeugend ist das freilich nicht, wenn man sich des Umstandes besinnt, dass auch die kommunalrechtlichen Vorschriften über das Zustandekommen einer Satzung zur Nichtigkeit eines Bebauungsplans führen können. Im Übrigen ändert es nichts daran, dass Abwägungsdefizite im Hinblick auf Belange des Naturschutzes namentlich dann besonders nahe liegen, wenn ein Bauleitplan ohne vorherigen Landschaftsplan aufgestellt wird, obwohl gerade die bauleitplanerisch vorgesehenen Veränderungen des Planungsraums die gesetzliche Pflicht zur Aufstellung eines Landschaftsplans aktivieren. Die Modifikation des Flächendeckungsprinzips dürfte daher Folgewirkungen im Bereich der kommunalen Bauleitplanung zeitigen. 3. Naturschutzrechtliche Eingriffsregelung Das zentrale Instrument zur Gewährleistung eines flächendeckenden Mindestschutzes von Natur und Landschaft bildet die naturschutzrechtliche Eingriffsregelung. Der Entwurf des UGB III belässt es im Wesentlichen bei den im Zuge der Novelle 2002 geschaffenen Regelungen und nimmt sich im Übrigen der bislang den Ländern vorbehaltenen Aufgabe an, Einzelheiten der Durchführung und des Verfahrens zu normieren. a) Eingriffsbegriff Die bekannte Definition des Eingriffs wird unverändert übernommen. An den geläufigen Begrifflichkeiten festzuhalten ist fraglos sinnvoll, indessen bergen die Elemente der Eingriffsdefinition spezifische Auslegungsprobleme in sich, die den Vollzug erschweren können. Zu deren Bewältigung hätte sich eigentlich der Einsatz der im Landesrecht üblichen Positiv- und Negativlisten angeboten, die den Anwendungsbereich der Eingriffsregelung fallgruppenweise verdeutlichen. Von den sich hiermit bietenden Möglichkeiten der Vollzugserleichterung macht der Entwurf keinen Gebrauch.

16 Eingehend hierzu de Witt / Dreier, in: Hoppenberg (Hrsg.), Handbuch des öffentlichen Baurechts, 19. Ergänzungslieferung 2006, E Rn. 218 f.; ferner Schrödter, in: ders. (Hrsg.), Baugesetzbuch, 7. Aufl. 2006, § 1 Rn. 158. 17 Begründung des Referentenentwurfs, Stand: 20. 05. 2008, S. 54.

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b) Folgenbewältigungsprogramm Das Folgenbewältigungsprogramm, das bereits im Zuge der Novelle 2002 eine strukturelle Fortentwicklung erfahren hat, 18 soll weitgehend unverändert in das UGB III übernommen werden. Es wird lediglich das bislang landesrechtlich geregelte Ersatzgeld in die Kaskade der Eingriffsfolgen integriert (§ 15 Abs. 5 UGB III-Entw.). Eingriffsverursacher haben unvermeidbare Beeinträchtigungen daher auch weiterhin vorrangig auszugleichen oder zu ersetzen, während das Ersatzgeld erst zum Tragen kommt, wenn dem Eingriffsvorhaben der Vorrang vor den Belangen des Naturschutzes attestiert wird. aa) Vorrang der Naturalkompensation Dieses Folgenregime ist Manchem ein Dorn im Auge, und so hat es nicht an Stimmen gefehlt, die das Ersatzgeld an die Stelle der Naturalkompensation gesetzt wissen wollten. 19 Solche Forderungen haben im Referentenentwurf aus gutem Grunde keinen Niederschlag gefunden. Die Eingriffsregelung ist kein Instrument zur Verbesserung der Finanzausstattung des Naturschutzes, sondern will die Leistungsfähigkeit des Naturhaushaltes und das Landschaftsbild gewahrt wissen. 20 Ihrer auf Sicherung des Status quo von Natur und Landschaft gerichteten Funktion liefe es zuwider, wenn sich die Eingriffsregelung darauf beschränkte, eine moderne Form des Ablasshandels zu etablieren. Erschwerend kommt hinzu, dass die Umstellung auf ein reines Ersatzgeld den wohlverstandenen Interessen der Eingriffsverursacher nicht entsprechen kann. Eingriffe bergen nicht selten zugleich artenschutzrechtliche Probleme in sich, die § 44 Abs. 5 UGB III-Entw. – jedenfalls mit Blick auf national gefährdete Tier- und Pflanzenarten – durch eine Freistellung von den Bindungen an die Verbote des § 44 Abs. 1 UGB III-Entw. zu bewältigen sucht. Dies rechtfertigt sich aus der Erwägung, dass die Interessen des Artenschutzes bereits im Rahmen der Anwendung der Eingriffsregelung eine hinreichende Berücksichtigung erfahren. Entfiele die grundsätzliche Pflicht zur Naturalkompensation, müsste eine Streichung dieser Freistellungsklausel ernstlich erwogen werden, weil ein Ersatzgeld keine Gewähr dafür bietet, dass hierdurch finanzierte Maßnahmen den betroffenen Arten zugute kommen. 18 Vgl. nur Koch, Die naturschutzrechtliche Eingriffsregelung, in: Kerkmann (Hrsg.), Naturschutzrecht in der Praxis, 2007, § 4 Rn. 11; Sparwasser / Wöckel, Zur Systematik der naturschutzrechtlichen Eingriffsregelung, NVwZ 2004, 1189. 19 Koch / Krohn, Umwelt in schlechter Verfassung, NuR 2004, 673/679 unter Hinweis auf die 36.Ämtschefkonferenz am 03. 11. 2005 in Rostock, Ergebnisprotokoll TOP 32; Koch (Fn. 18), § 4 Rn. 2. 20 Landmann / Rohmer / Gellermann, Umweltrecht IV, 53. Lfg. 2008, Nr. 11 vor § 18 Rn. 1.

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Rückwirkungen wären überdies im Felde der Haftung für Biodiversitätsschäden zu gewärtigen, erschöpfte sich die Eingriffsfolge in der Zahlung eines Ersatzgeldes. Namentlich ließe sich die Vorschrift des § 19 Abs. 1 S. 2 UGB IIIEntw. nicht aufrechterhalten, nach der es an einem zur Sanierung verpflichtenden Schaden fehlt, wenn berufliche Tätigkeiten in Anwendung der naturschutzrechtlichen Eingriffsregelung zugelassen werden. Die hiermit einhergehende Freistellung von der Einstandspflicht ist mit der Regelungsvorgabe des Art. 2 Nr. 1 UA 2 UH-RL nur vereinbar, solange durch Maßnahmen der Naturalkompensation der Erhaltungszustand der betroffenen natürlichen Ressourcen gewahrt wird. 21 Der Beschränkung der Eingriffsfolgen auf ein Ersatzgeld fiele § 19 Abs. 1 S. 2 UGB III-Entw. daher mit der Folge zum Opfer, dass Eingriffsverursacher trotz Zahlung eines Ersatzgeldes nicht davor gesichert wären, auf Sanierung eines im Zuge der Durchführung des Eingriffs verursachten Biodiversitätsschadens in Anspruch genommen zu werden. Auch im Interesse der Träger von Eingriffsvorhaben bleibt daher zu hoffen, dass der Bundesgesetzgeber am Prinzip der Naturalkompensation festhält. bb) Eingriffsregelung als Instrument staatlicher Aufgabenerfüllung Mag die Eingriffsregelung auch nicht zu einem Finanzierungsinstrument des Naturschutzes umfunktioniert werden, eröffnet § 15 Abs. 2 S. 4 UGB IIIEntw. doch die Möglichkeit, die Kompensationsverpflichtung für Zwecke der Erfüllung staatlicher Aufgaben des Naturschutzes und der Wasserwirtschaft zu instrumentalisieren. Nach dieser Vorschrift können Maßnahmen als Ausgleich oder Ersatz anerkannt werden, die in Bewirtschaftungsplänen für Natura 2000Gebiete oder wasserwirtschaftlichen Maßnahmeprogrammen festgelegt sind. Das mag auf den ersten Blick unproblematisch erscheinen, solange solche Maßnahmen den an einen Ausgleich oder Ersatz zu stellenden Anforderungen genügen. Die Regelung hat aber zur Konsequenz, dass die vom Eingriffsverursacher geschuldete Kompensationsleistung nicht zu den aus Gründen des Habitat- oder Gewässerschutzes ohnehin gebotenen Maßnahmen hinzutritt, sondern an ihrer Stelle erbracht wird. 22 Der Gewinner ist dabei weder der Natur- oder Gewässerschutz noch der Verursacher des Eingriffs, sondern einzig der Staat, der seine Finanzierungsverantwortung für gemeinschaftsrechtlich gebotene Maßnahmen auf private Eingriffsverursacher verlagert. Da Staatsentlastung nicht zu den Funktionen der Eingriffsregelung zählt, sollte § 15 Abs. 2 S. 4 UGB III-Entw. im weiteren Verlauf des Gesetzgebungsverfahrens gestrichen werden. 23 21 Eingehend Gellermann, Umweltschaden und Biodiversität, NVwZ 2008, 828/834 f.; ferner Louis, Der Biodiversitätsschaden nach § 21a des Bundesnaturschutzgesetzes, NuR 2008, 163/169. 22 Darauf hat Thum, Chancen und Risiken von Flächenbevorratung und Ökokonto: Ein Praxistest, UPR 2006, 289/294 aufmerksam gemacht. 23 Ebenfalls kritisch Koch / Krohn (Fn. 6), S. 20.

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cc) Flexibilisierung der Eingriffsregelung Die sich mit dem Stichwort der Flexibilisierung der Eingriffsregelung verbindende Diskussion konnte naturgemäß nicht spurlos am Entwurf vorbeigehen. 24 § 16 Abs. 1 UGB III-Entw. erkennt mit begrüßenswerter Klarheit die Möglichkeit einer Bevorratung vorgezogener Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen an und lässt damit eine zeitliche Entkoppelung von Eingriff und Kompensationsleistung zu. In welchen Bahnen sich diese Bevorratung im Einzelnen vollzieht, lässt der Entwurf allerdings offen. Da sich die Erfassung von Ökokonten und Flächenpools, die Einbuchung vorgezogener Maßnahmen, die Genehmigungsbedürftigkeit der Konten und ihre Handelbarkeit auch weiterhin nach Landesrecht richtet (§ 16 Abs. 2 UGB III-Entw.), wird es insoweit wohl bei einer unübersichtlichen Regelungsfülle verbleiben. c) Vollzug der Eingriffsregelung In verfahrensrechtlicher Hinsicht bleibt es grundsätzlich bei dem bekannten „Huckepackverfahren“, indessen folgt § 17 Abs. 3 UGB III-Entw. dem Vorbild einiger Bundesländer und sieht ein subsidiäres Eingriffsgenehmigungsverfahren vor. 25 Überdies reagiert der Entwurf auf das viel beklagte Vollzugsdefizit, indem er die Festsetzung von Sicherheitsleistungen vorsieht (§ 17 Abs. 5 UGB IIIEntw.), die Erfassung der für Ausgleich und Ersatz vorgesehenen Flächen in entsprechenden Katastern anordnet (§ 17 Abs. 6 UGB III-Entw.) und einen die sach- und fristgerechte Durchführung der Maßnahmen betreffenden behördlichen Prüfauftrag erteilt (§ 17 Abs. 7 UGB III-Entw.). Die an landesrechtlichen Vorbildern orientierten Vorschriften sind zu begrüßen, indessen fehlt es an einer Regelung, die sich über eine die Wirksamkeit der Kompensationsmaßnahmen betreffende Erfolgskontrolle verhält. Da Eingriffsverursacher nicht bloß die Erbringung der Kompensationsleistung, sondern einen Kompensationserfolg schulden, muss geprüft werden, ob die ergriffenen Maßnahmen ökologisch wirksam sind und die im Zeitpunkt der Zulassungsentscheidung prognostizierten Wirkungen tatsächlich entfalten. Im Übrigen muss der Behörde die Befugnis eingeräumt werden, auf etwaige sich im Rahmen dieser Erfolgskontrolle ergebende Kompensationsdefizite durch nachträgliche Anordnungen zu reagieren. Während sich einzelne Landesgesetze 26 dieser Thematik längst angenommen haben, bleibt der Entwurf des UGB III in dieser Hinsicht lückenhaft. 24 Vgl. hierzu Louis, Rechtliche Grenzen der räumlichen, funktionalen und zeitlichen Entkoppelung von Eingriff und Kompensation (Flächenpool und Ökokonto), NuR 2004, 714 ff.; Wolf, Entwicklungslinien der Eingriffsregelung, NuR 2004, 6 ff. 25 Vgl. etwa § 17 Abs. 3 Bbg NatSchG, § 17 Abs. 2 HeNatG, § 6 Abs. 4 LG NW. 26 § 23 Abs. 3 NatSchG BW, § 9 Abs. 5 LNatSchG SH.

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4. Biotopverbund, Gebietsschutz, Natura 2000 Der Schutz bestimmter Teile von Natur und Landschaft soll sich auch künftig in den bekannten Bahnen bewegen. Der Entwurf des UGB III enthält zwar gewisse Modifikationen, indessen entsprechen die einschlägigen Regelungen weitgehend dem geltenden Recht. a) Biotopverbund Obwohl der im Zuge der Novelle 2002 eingeführte Biotopverbund einen wichtigen Beitrag zur Eindämmung des ungebremsten Verlustes der Artenvielfalt erbringen könnte, belässt § 21 UGB III-Entw. es im Wesentlichen bei einer Übernahme der rahmenrechtlichen Vorgaben des § 3 BNatSchG. Als neues Element erscheint lediglich der Hinweis darauf, dass Flächen des Grünen Bandes und des nationalen Naturerbes in den Verbund einbezogen werden können. Im Übrigen hat die Vorschrift jenseits des Auftrages zur Einrichtung eines Biotopverbundes wenig Konkretes zu bieten. Während das Verhältnis dieses Verbundsystems zum Netz Natura 2000 mit dem Hinweis auf seine Ergänzungsfunktion zumindest noch angedeutet wird, trifft § 21 UGB III-Entw. keine Aussagen darüber, welche konkreten Tier- und Pflanzenarten von dem Verbund profitieren sollen, innerhalb welchen zeitlichen Rahmens er zu entwickeln und einzurichten ist, welche rechtlichen Konsequenzen sich aus seiner eingriffsbedingten Beeinträchtigung ergeben und wie der Bestand des Verbundes in seiner Gesamtheit zu gewährleisten ist. Soll der Biotopverbund tatsächlich Wirkungen entfalten, wird § 21 UGB IIIEntw. im Gesetzgebungsverfahren seine „rahmenrechtlichen Eierschalen“ wohl noch ablegen und zu einer Vollregelung ausgebaut werden müssen. b) Schutzkategorien Auch die wesentlich gehaltvolleren Vorschriften über den Gebiets- und Objektschutz haben weitgehend unveränderten Eingang in die Bestimmungen der §§ 23 ff. UGB III-Entw. gefunden. Der Entwurf beschränkt sich im Wesentlichen auf eine partielle Präzisierung der an die verschiedenen Schutzgebietstypen zu stellenden Anforderungen. Klargestellt wird immerhin, dass Landschaftsschutzgebiete auch für Zwecke des Biotop- und Artenschutzes eingesetzt werden können (§ 26 Abs. 1 UGB III-Entw.). Das wird man in den Bundesländern gern hören, die sich dieser Schutzkategorie bedienen, um den Schutzregimewechsel bei faktischen Vogelschutzgebieten herbeizuführen. c) Gesetzlicher Biotopschutz Die Regelung zum gesetzlichen Biotopschutz (§ 31 UGB III-Entw.) entspricht im Wesentlichen dem Vorbild des § 30 BNatSchG. Der Katalog der geschützten

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Biotope wurde nur geringfügig um Großseggenriede, Lärchenwälder und Schlickgründe mit bohrender Megafauna erweitert, während es den Ländern vorbehalten bleibt, wichtige Biotoptypen wie totholzreiche Wälder, Streuobstwiesen, aufgelassene Steinbrüche oder Feldhecken den einschlägigen Schutzmechanismen zu unterstellen. Bemerkenswert ist daneben der Versuch der Einbindung des gesetzlichen Biotopschutzes in die Bauleitplanung (§ 31 UGB III-Entw.). 27 Wird auf Antrag der Gemeinde im Verfahren der Aufstellung eines Bebauungsplans eine Ausnahme oder Befreiung erteilt, soll bei Durchführung der planerisch vorbereiteten Vorhaben eine nochmalige Entscheidung der Naturschutzbehörde entbehrlich sein. Das ist gut gemeint, verspricht aber nur geringen Gewinn, weil die Vorschrift eine plankonforme Verwirklichung der Vorhaben verlangt, während es bei den in der Praxis nicht seltenen Abweichungen von den planerischen Festsetzungen beim Erfordernis der Ausnahme verbleibt. d) Natura 2000 Die praktisch bedeutsamen Vorschriften zum Schutz der Gebiete des Netzes Natura 2000 sollen ebenfalls nur in einzelnen Beziehungen verändert werden. Der Entwurf hält an der grundsätzlichen Entscheidung fest, nach der die Gebiete des Netzes Natura 2000 zu besonderen Schutzgebieten erklärt werden müssen. § 32 Abs. 5 UGB III-Entw. stellt aber immerhin klar, dass eine Unterschutzstellung der zahlreichen Einzelgebiete unterbleiben kann, wenn gebietsbezogene Bestimmungen des Landesrechts einen gleichwertigen Schutz verbürgen. Bundesländer, die den Natura 2000-Gebieten den gemeinschaftsrechtlich gebotenen Schutzstatus unmittelbar durch landesgesetzliche Vorschriften oder zentrale Verordnungen der Landesregierungen eingeräumt haben, können an ihren sinnvollen Modellen daher festhalten. Weniger erfreulich ist dagegen der mit § 33 UGB III-Entw. unternommene Versuch einer Umsetzung des in Art. 6 Abs. 2 FFH-RL geregelten Verschlechterungsverbots. Während die EG-rechtliche Vorschrift einen Umgebungsschutz etabliert wissen will, bezieht § 33 UGB III-Entw. die Verbotsfolge nur auf Aktivitäten innerhalb der Kulisse eines Natura 2000-Gebietes. Da die Vorschrift überdies Möglichkeiten der Abweichung vom Verschlechterungsverbot vorsieht, die das europäische Habitatschutzrecht nicht kennt, 28 verfehlt sie das Ziel der korrekten Umsetzung gemeinschaftsrechtlicher Vorgaben.

27 Hierzu Fischer-Hüftle, Der Gebietsschutz im UGB III (Naturschutz und Landschaftspflege), NuR 2008, 213/217. 28 Fischer-Hüftle (Fn. 27), NuR 2008, 218.

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Aus praktischer Sicht ist bedenklich, dass der Entwurf in Ansehung des für die FFH-Verträglichkeitsprüfung (FFH-VP) wichtigen Projektbegriffs auf dem Stand der „Kleinen Novelle“ verharrt, 29 sich diesbezüglich jeder Erläuterung enthält und zu allem Überfluss auch noch eine Streichung der gemeinschaftsrechtlich unbedenklichen Definition des Planbegriffs vorsieht. Wer wissen möchte, welche Verhaltensweisen über Plan- oder Projektqualität verfügen, wird genötigt, diese Frage anhand des Gemeinschaftsrechts und der hierzu ergangenen Rechtsprechung des EuGH zu klären. Als praktikabel kann man es kaum bezeichnen, wenn die Feststellung der Anwendungsvoraussetzungen der §§ 34, 36 UGB IIIEntw. den Griff zur amtlichen Sammlung der Entscheidungen des Gerichtshofs erfordert, die in deutschen Amtsstuben bekanntlich nicht sonderlich verbreitet ist. Da die Bestimmung der Reichweite des Projektbegriffs mit Unsicherheiten behaftet ist, es zur Durchführung einer FFH-VP aber eines geeigneten Trägerverfahrens bedarf, soll das derzeit in § 34 Abs. 1a BNatSchG geregelte subsidiäre Anzeigeverfahren beibehalten werden. Das birgt insoweit Schwierigkeiten in sich, als sein Verhältnis zur ebenfalls subsidiären Eingriffsgenehmigung unklar ist. Während aus der Perspektive des habitatschutzrechtlichen Anzeigeverfahrens das Verfahren der Eingriffsgenehmigung vorrangig zu sein scheint, kann mit gleicher Berechtigung argumentiert werden, dass es wegen der habitatschutzrechtlichen Anzeigepflicht keiner Eingriffsgenehmigung bedarf. Bevor die Entscheidung in deutschen Amtsstuben mit dem Würfel getroffen wird, sollte zumindest eine gesetzliche Klarstellung erfolgen. Nicht unerwähnt bleiben darf schließlich, dass Flexibilisierungsüberlegungen ihre Spuren wohl im Bereich der naturschutzrechtlichen Eingriffsregelung hinterlassen haben, eine zeitliche Entkoppelung etwaiger Beeinträchtigungen eines Natura 2000-Gebietes von dem in diesem Fall gebotenen Kohärenzausgleich aber nicht vorgesehen ist. Da die Anerkennung der Anrechenbarkeit eines vorgezogenen Kohärenzausgleichs den Projektträgern Gelegenheit böte, ausgleichsbedingte Verzögerungen der Realisierung ihrer Vorhaben zu vermeiden, trüge eine dies ermöglichende Regelung maßgeblich zur Beschleunigung von Investitionsund Infrastrukturvorhaben bei. Eine sich an § 16 Abs. 1 UGB III-Entw. orientierende Bestimmung über den vorgezogenen Kohärenzausgleich sollte daher in das UGB III aufgenommen werden.

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Hierzu Gellermann, die „Kleine Novelle“ des Bundesnaturschutzgesetzes, NuR 2007, 783 f.

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5. Artenschutz Im Felde des Artenschutzrechts behält der Referentenentwurf die Systematik des BNatSchG bei und unterscheidet zwischen Vorschriften des allgemeinen und des besonderen Artenschutzrechts. a) Vorschriften des allgemeinen Artenschutzes Zunächst wird der bislang landesrechtlich geregelte allgemeine Artenschutz in das Bundesrecht überführt. Die Orientierung an landesrechtlichen Vorbildern äußert sich namentlich in der Übernahme der so genannten Handstraußregelung, Abbrenn- und Schneideverboten sowie der Genehmigungspflicht für das gewerbsmäßige Sammeln wildlebender Pflanzen (§ 39 Abs. 3 – 5 UGB III-Entw.). Einen speziellen Schutz erfahren als Winterquartier für Fledermäuse geeignete Höhlen und ähnliche Räumlichkeiten (§ 39 Abs. 6 UGB III-Entw.), während die in einzelnen Landesgesetzen enthaltenen Horstschutzzonen für Großvögel nicht in den Entwurf übernommen wurden. § 54 Abs. 1 Nr. 7 UGB III eröffnet dem BMU aber die Möglichkeit, den Schutz von Neststandorten gefährdeter Vogelarten im Verordnungswege einzuführen. Daneben widmet der Entwurf dem Themenfeld der invasiven Arten Aufmerksamkeit (§ 40 UGB III-Entw.) und enthält die zur Umsetzung der Zoo-Richtlinie erforderlichen Vorschriften (§ 42 UGB III-Entw.). Um den Vorgaben des europäischen Artenschutzrechts zu genügen, thematisiert § 38 Abs. 2 UGB IIIEntw. sogar die Aufstellung von Artenhilfsprogrammen. Das geschieht freilich in einer Weise, die den Anforderungen des Art. 12 Abs. 1 FFH-RL schwerlich gerecht wird. Diese Vorschrift verlangt kohärente und vorbeugende Maßnahmen zum Schutz aller Anhang IV-Arten, während § 38 Abs. 2 UGB III-Entw. ihre Ergreifung von der Bedingung ihrer Erforderlichkeit abhängig macht. b) Besonderes Artenschutzrecht Im Felde des besonderen Artenschutzrechts übernimmt der Entwurf die mit der „Kleinen Novelle“ eingeführten Regelungen weitgehend unverändert. aa) Erweiterung des geschützten Artenspektrums Allerdings ist eine Verbesserung des Schutzes der nur nach nationalem Recht geschützten Tier- und Pflanzenarten vor bodennutzungsbezogener und eingriffsbedingter Ingerenz geplant. Zu diesem Zweck hält § 54 Abs. 1 Nr. 2 UGB IIIEntw. eine Verordnungsermächtigung bereit, auf deren Grundlage bestandsgefährdeten Arten, für deren Erhaltung die Bundesrepublik Deutschland eine be-

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sondere Verantwortung trägt, ein Schutz vermittelt werden kann, wie er den Arten des Anhangs IV FFH-RL und den europäischen Vogelarten zukommt. Dem Vernehmen nach soll bereits eine Liste erstellt worden sein, die 103 Tierund Pflanzenarten identifiziert, bei denen die Kriterien der Gefährdung und Verantwortlichkeit erfüllt sind. Das mag man als Fortschritt begreifen, indessen belehrt der Vergleich mit den Roten Listen der gefährdeten Arten darüber, dass es sich eigentlich nur um einen „Tropfen auf den heißen Stein“ handelt. In den Gefährdungskategorien 0 – 3 werden hierzulande rund 9.000 Arten geführt, von denen rund 5.600 Arten als mindestens stark gefährdet gelten. Da von diesen Arten wiederum rund 1.700 Arten vom Aussterben bedroht sind, kann die Verbesserung des Schutzes von gerade mal 103 Arten schwerlich als substantieller Beitrag zur Erreichung der nationalen Biodiversitätsziele begriffen werden. Wer auf diesem Felde Fortschritte erzielen will, wird andere Wege beschreiten müssen. Denkbar wäre namentlich, den gesetzlichen Biotopschutz zu nutzen, um den Schutz national gefährdeter Arten zu verbessern. 30 Diesbezügliche Vorschläge haben ihren Niederschlag im Entwurf des UGB III freilich nicht gefunden. bb) Beibehaltung des Rechtszustandes der „Kleinen Novelle“ Im Übrigen zeigt sich der Entwurf von der Kritik unbeeindruckt, die sich an den im Zuge der „Kleinen Novelle“ geschaffenen Schutzvorschriften des besonderen Artenschutzrechts entzündet hat. 31 Dabei geht es keineswegs nur um die Vereinbarkeit der Regelungen mit dem EG-Artenschutzrecht, sondern auch darum, dass die neuen Begrifflichkeiten in der Praxis zu erheblichen Verunsicherungen führen. Schon die räumliche Bemessung der geschützten Fortpflanzungsund Ruhestätten birgt Probleme in sich, weil die Übernahme der dem EG-Artenschutzrecht entstammenden Termini den Verdacht hat aufkommen lassen, dass nicht mehr räumlich eng begrenzte Lokalitäten, sondern zumindest bei Arten mit kleinen Aktionsräumen deren Gesamtlebensraum geschützt wird. Schenkt man etwa den Ausführungen des nordrhein-westfälischen Leitfadens zum Artenschutzrecht Glauben, gelangt nicht mehr nur der Brutbaum des Steinkauzes, sondern sein rund 50 ha umfassendes Revier in den Genuss der artenschutzrechtlichen Sicherungen. 32 Ob unter dem Siegel des Artenschutzes tatsächlich eine 30 Gellermann / Schreiber, Schutz wildlebender Tiere und Pflanzen in staatlichen Planungs- und Zulassungsverfahren, 2007, 226 ff. 31 Vgl. nur Lau / Steeck, Das Erste Gesetz zur Änderung des Bundesnaturschutzgesetzes – Ein Ende der Debatte um den europäischen Artenschutz, NuR 2008, 386/ 392 ff. m.w. N. 32 Ministerium für Umwelt, Naturschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz NRW (MUNLV), Geschützte Arten in Nordrhein-Westfalen. Vorkommen, Erhaltungszustand, Gefährdungen, Maßnahmen, 2007, S. 21.

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neue Form des Gebietsschutzes eingeführt wurde, lässt auch der Entwurf des UGB III offen. Besonders bedenklich ist überdies, dass die Einschlägigkeit der Verbote in einzelnen Beziehungen von einer Verschlechterung des Erhaltungszustandes der lokalen Population abhängig gemacht wird. Das bringt es beispielsweise mit sich, dass der Landwirt, der während der Feldbestellung Gelege bodenbrütender Vögel zerstört, den Verbotstatbestand nur dann nicht erfüllt, wenn die lokale Population der betroffenen Art unter dem Verlust nicht leidet. Das wird der Landwirt kaum feststellen können, wenn schon Naturschutzbehörden mit der Identifikation lokaler Populationen überfordert sind und selbst Experten die populationsbezogenen Folgen des Verlustes einzelner Gelege oftmals kaum einzuschätzen wissen. Insoweit drängt sich der Verdacht einer verfassungsrechtlich relevanten Unbestimmtheit der bußgeldbewehrten Verbote auf. 33 Im weiteren Verlauf des Gesetzgebungsverfahrens sollten daher Änderungen des besonderen Artenschutzrechts ernstlich erwogen werden, die praktischen Bedürfnissen entsprechen und sich keinen verfassungs- und gemeinschaftsrechtlichen Bedenken konfrontiert sehen. 6. Vereinsklage Lassen sie uns zum Abschluss noch einen kurzen Blick auf die naturschutzrechtliche Vereinsklage werfen, die mit der Novelle 2002 in das BNatSchG eingeführt wurde und sich im Entwurf des UGB III weitgehend unverändert wiederfindet (§ 66 UGB III-Entw.). Die Vorschrift trägt zur Umsetzung der Richtlinie 2003/35/EG über die Öffentlichkeitsbeteiligung bei, 34 die mit den im UGB IEntw. verorteten Vorschriften des Umweltrechtsbehelfsgesetzes nicht vollständig bewirkt wurde. 35 Um die aus gemeinschaftsrechtlicher Sicht noch immer bestehenden Lücken zu schließen, sollte die naturschutzrechtliche Vereinsklage auch in solchen Fällen zugelassen werden, in denen eine Verletzung der zur Umsetzung des EG-Artenschutzrechts bestimmten nationalen Vorschriften (§§ 44 ff. UGB III-Entw.) in Rede steht. Ein solcher Schritt trüge fraglos dazu bei, etwaigen Vertragsverletzungsverfahren wegen einer unzureichenden Umsetzung der besagten Richtlinie zu entrinnen. 33 34

Gellermann (Fn. 29), NuR 2007, 787. Gellermann, Europäisierte Klagerechte anerkannter Umweltverbände, NVwZ 2006,

7/9 f. 35 Vgl. nur Halama, in: Berkemann / Halama, Handbuch zum Recht der Bau- und Umweltrichtlinien der EG, S. 765 Rn. 317 ff.; Epiney / Sollberger, Zugang zu Gerichten und gerichtliche Kontrolle im Umweltrecht, 2002, S. 214; Bunge, Rechtsschutz bei der UVP nach der Richtlinie 2003/35/EG, ZUR 2004, 141/143; Ekard / Pöhlmann, Europäisierte Klagebefugnis: Öffentlichkeitsrichtlinie, Klagerechtsrichtlinie und ihre Folgen, NVwZ 2005, 532; Koch, Die Verbandsklage im Umweltrecht, NVwZ 2007, 370/376.

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V. Fazit Mit diesem Überblick über einige zentrale Regelungsbereiche des UGB III soll es sein Bewenden haben. Auch wenn kaum zu bestreiten ist, dass der Entwurf in einzelnen Beziehungen begrüßenswerte Fortentwicklungen des Naturschutzrechts vorsieht, fällt die Gesamtbilanz doch eher ernüchternd aus. Das Ziel einer Verbesserung der Verständlichkeit und Praktikabilität wird in verschiedener Hinsicht nicht erreicht, die Art der Umsetzung einschlägigen EG-Rechts lässt diesbezügliche Diskussionen nicht verstummen und es sind sogar – namentlich im Felde des besonderen Artenschutzrechts – verfassungsrechtliche Bedenken anzumelden. Es bleibt zu hoffen, dass die dem Entwurf anhaftenden Mängel im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens noch behoben werden.

Das Umweltgesetzbuch 2009 und nicht-kodifiziertes Umweltrecht sowie Übergangsvorschriften Von Christof Sangenstedt *

I. Das UGB 2009 als Teilkodifikation des Umweltrechts 1. Die Notwendigkeit eines schrittweisen Vorgehens Bereits der Titel dieses Beitrags macht deutlich, dass das Umweltgesetzbuch 2009 nicht den Anspruch einer Gesamtkodifkation des Umweltrechts erhebt. Neben dem UGB 2009 soll es (zunächst) weiterhin auch nicht-kodifiziertes Umweltrecht geben. Warum ist das so, und ist dieses Vorgehen vernünftig? Tatsächlich gibt es hierzu keine Alternative. Das „Umweltgesetzbuch“ ist ein Großprojekt, das im Bereich des Umweltrechts ohne Beispiel ist. Wer den Ehrgeiz hätte, das gesamte Umweltrecht „auf einen Schlag“ zu kodifizieren, würde sich damit unweigerlich verheben. Zwar mag das UGB aufgrund der umfangreichen Vorarbeiten, die in den 80er und 90er Jahren geleistet worden sind, eines der „am besten vorbereiteten Gesetzesvorhaben in Deutschland seit der Schaffung des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) im Jahr 1896“ 1 sein. Dies bedeutet aber nicht, dass damit unbesehen an frühere Regelungsvorstellungen angeknüpft werden kann. Es besteht vielmehr Aktualisierungsbedarf. Das Umweltrecht ist eine hochgradig dynamische Materie. Neue Problemfelder, die seinerzeit noch nicht im Fokus standen, geraten zunehmend ins Blickfeld; für sie müssen zeitgemäße und passgerechte Regelungsantworten gefunden werden. Herausforderungen wie die globale Klimaerwärmung, die Sicherung der Energieversorgung und der Schutz der natürlichen Ressourcen erfordern den Einsatz innovativer Strategien und Instrumente. Hinzu kommt, dass weite Teile des Umweltrechts heute in wesentlich stärkerem Maße als früher von den Vorgaben internationaler Übereinkommen und von Rechtsakten der EU geprägt sind. Dieser Entwick* Dieser Beitrag gibt ausschließlich die persönliche Auffassung des Autors wieder. §§Angaben im Text beziehen sich auf den Referentenentwurf des BMU zum UGB in der Fassung vom 4. 12. 2008 (veröffentlicht auf der Website des BMU unter http://www.bmu .de/umweltgesetzbuch/downloads/doc/40448.php). 1 Kloepfer, Sinn und Gestalt des kommenden Umweltgesetzbuchs, UPR 2007, 161.

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lung muss ein modernes Umweltgesetzbuch Rechnung tragen. Meilensteine des UGB wie der Entwurf der Unabhängigen Sachverständigenkommission 2 sind eine Quelle wertvoller Anregungen und Ideen. Sie machen aber weiterführende, über die bisherigen Ansätze hinausreichende Überlegungen nicht entbehrlich 3. Dieser Prozess der Auseinandersetzung und Neukonzeption ist aufwändig und arbeitsintensiv. Im Gegensatz zu dem Zeitbedarf, der realistischerweise für eine vollständige Kodifikation des Umweltrechts zu veranschlagen ist, steht der politische Auftrag des Koalitionsvertrags, noch in dieser Legislaturperiode ein Umweltgesetzbuch zu schaffen 4. Beides zusammen – Gesamkodifikation und Einhaltung eines auf vier Jahre beschränkten Zeitrahmens – geht schlichtweg nicht. Deshalb kommt nur eine stufenweise Realisierung des UGB in Betracht 5. Das Regelungsprogramm für die erste Tranche, das UGB 2009, muss so zugeschnitten werden, dass es in der laufenden 16. Legislaturperiode komplett zu bewältigen ist. „Komplette Bewältigung“ bedeutet: sämtliche Verfahrensschritte – von der Entwicklung eines Regelungskonzepts über die Erarbeitung und Abstimmung der Gesetzentwürfe bis zur Durchführung des Gesetzgebungsverfahrens einschließlich der Option eines Vermittlungsverfahrens – müssen innerhalb dieses Zeitrahmens abgeschlossen werden 6.

2 Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (Hrsg.), Umweltgesetzbuch (UGB-KomE), Entwurf der Unabhängigen Sachverständigenkommission zum Umweltgesetzbuch beim Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit, 1998. 3 Sangenstedt, Auf dem Weg zu einem Umweltgesetzbuch? Stand und Perspektiven, in: Ziekow (Hrsg.), Aktuelle Fragen des Fachplanungs-, Raumordnungs- und Naturschutzrechts 2007, 2008, S. 339, 345 f. 4 Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD (veröffentlicht auf der Website des Deutschen Bundestages unter http://www.bundestag.de/aktuell/archiv/2005/koalition /vertrag.pdf), Abschnitt B 7.3, S. 55 f. Das Dokument trägt das Datum 11. 11. 2005, ist aber erst am 18. 11. 2005 von den Koalitionspartnern unterzeichnet worden. 5 Zust. Bohne, Das Umweltgesetzbuch vor dem Hintergrund der Föderalismusreform, EurUP 2006, 276, 287, Kloepfer (Fn. 1), S. 167. 6 Die Planungen gingen davon aus, dass das Gesetzgebungsverfahren möglichst bis Ende 2008 abgeschlossen werden sollte. Der Grund liegt darin, dass die letzten Monate einer Legislaturperiode häufig bereits vom beginnenden Wahlkampf geprägt sind. In dieser Phase fällt es Koalitionsregierungen erfahrungsgemäß schwer, wichtige Gesetzesvorhaben noch unfallfrei über die Bühne zu bringen. Durch eine gezielte Verzögerungstaktik ist es den UGB-kritischen Kräften innerhalb der Koalition allerdings gelungen, den Abstimmungsprozess so zu verschleppen, dass Zeitpläne ständig revidiert und „nach hinten“ verschoben werden mussten.

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2. Regelungsgegenstände des UGB 2009 a) Wenn auch eine Gesamtkodifikation innerhalb einer Legislaturperiode nicht erreichbar ist, so besteht doch der Anspruch, mit dem UGB 2009 das Fundament für ein umfassendes Umweltgesetzbuch zu setzen. Dabei ist das Regelungstableau bereits zu großen Teilen durch Vorgaben des Koalitionsvertrags und der Föderalismusreform I abgesteckt. b) Zu den „Pflichtmaterien“, deren Aufnahme außerhalb jeder Diskussion stehen, gehört das Vorhabenzulassungsrecht. Hierzu enthält der Koalitionsvertrag eine klare Aussage: die verschiedenen Genehmigungsverfahren sollen durch eine integrierte Vorhabengenehmigung (iVG) ersetzt werden. Die iVG ist danach ein Kernelement des UGB 2009. Geregelt werden soll sie, neben anderen übergreifenden Vorschriften, im Buch I des UGB. c) An der iVG ist das Projekt UGB beim letzten Anlauf 1999 gescheitert – und zwar vor allem wegen unzureichender Regelungskompetenzen des Bundes beim Wasser- und Naturschutzrecht 7. Aus umweltpolitischer Sicht bestand das zentrale Reformziel bei der Neuordnung der Gesetzgebungskompetenzen durch die Föderalismusreform I deshalb darin, dem Bund ein UGB mit iVG zu ermöglichen. Das ist auch gelungen. Mit der Abschaffung der bis dahin geltenden Rahmengesetzgebung (Art. 75 GG a. F.) und der Zuordnung zur konkurrierenden Gesetzgebung ist der Bund nunmehr in der Lage, im Wasser- und Naturschutzrecht Vollregelungen zu erlassen. Damit kann der Bundesgesetzgeber jetzt erstmalig auch die wasser- und naturschutzrechtliche Seite der iVG regeln. Dieser Kompetenzzugewinn des Bundes wurde andererseits dadurch erkauft, dass Wasserwirtschaft und Naturschutz zugleich dem neuen Kompetenztyp der Abweichungsgesetzgebung unterstellt wurden. Nach der Übergangsvorschrift des Art. 125b Abs. 1 Satz 3 GG dürfen die Länder von ihren (partiellen) Abweichungsbefugnissen aber grundsätzlich erst ab dem 1. Januar 2010 Gebrauch machen. Mit diesem „Moratorium“ sollte dem Bund ein (leider nur sehr enges) Zeitfenster geöffnet werden, um vor dem Wirksamwerden der Abweichungsrechte mit einem UGB in Vorlage zu treten 8. Es besteht die verfassungspolitische Erwartung, dass der Bund diese Option nutzt. Daher gehören auch das Wasser- und Naturschutzrecht zu den „gesetzten“ Materien, an deren Neuregelung beim UGB 2009 kein Weg vorbeiführt. Standorte sind die Bücher II (Wasserwirtschaft) und III (Naturschutz und Landschaftspflege) des UGB. d) Verwunderung hat bei einigen die Entscheidung ausgelöst, das Recht der nichtionisierenden Strahlung als Buch IV in das UGB 2009 aufzunehmen. Aber auch dafür gibt es gute Gründe. Die nichtionisierende Strahlung bildet ein zuneh7 8

Sangenstedt, in: Ziekow (Fn. 3), S. 340 ff. Sangenstedt, in: Ziekow (Fn. 3), S. 344 f. m.w. Nachw.

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mend an Bedeutung gewinnendes Rechtsgebiet im Handlungsfeld „Umwelt und Gesundheit“. Dieser Regelungsbereich soll neu geordnet werden – und ist damit prädestiniert für ein UGB, das sich generell die Neuordnung des Umweltrechts auf die Fahnen geschrieben hat. Auch in der Sache besteht Regelungsbedarf. In der 26. BImSchV ist die Materie bislang nur für bestimmte Frequenzen im Bereich Mobilfunk und Hochspanungsleitungen geregelt. Nach einer Ende der 90er Jahre ergangenen Empfehlung der EU zum Schutz vor elektromagnetischen Feldern 9 sollen dagegen alle Frequenzen und Funkanwendungen erfasst werden. Die hier derzeit noch bestehenden Lücken sollen jetzt mit dem UGB IV geschlossen werden. Anders als im Immissionsschutzrecht sollen überdies nicht nur Nachbarschaft und Allgemeinheit, sondern auch Nutzer bestimmter Einrichtungen geschützt werden. So sollen im Bereich der künstlichen UV-Strahlung Regelungen zum Schutz vor Hautkrebs, insbesondere ein Solarienverbot für Minderjährige und Grenzwerte für Altgeräte, geschaffen werden. Erstmals soll es auch Vorschriften zur Anwendung nichtionisierender Strahlung in der medizinischen Heilbehandlung geben. e) Vorhabenzulassung sowie Gewässer-, Natur- und Strahlenschutz sind „Klassiker“ des Umweltrechts. Bei ihnen dominiert traditionell das Ordnungsrecht, das für einen wirksamen Schutz von Mensch und Umwelt weiterhin unverzichtbar bleiben wird. Auf neueren Regelungsfeldern wie dem Klima- und Ressourcenschutz gewinnen daneben aber auch verstärkt ökonomische Steuerungsinstrumente Gewicht. Beispiele hierfür sind der Emissionshandel oder die Vergütungsregelungen des EEG für die Stromerzeugung aus Erneuerbaren Energien. Damit leistet das Umweltrecht seinen Beitrag zur Einführung umweltfreundlicher Technologien und zur Stärkung von Innovationsprozessen. Ein modernes, zukunftsweisendes Umweltgesetzbuch muss auch hier einen Regelungsschwerpunkt setzen 10. Mit dem Emissionshandelsrecht kann beim UGB 2009 allerdings zunächst nur ein Sektor „an Bord genommen“ werden (Buch V), der exemplarisch für diesen Wandel im Umweltrecht steht. Das ursprünglich als Buch VI des UGB 2009 vorgesehene Recht der Erneuerbaren Energien musste im Zuge der Ressortabstimmung wieder aus dem Entwurf gestrichen werden. Grund war die Befürchtung der Wirtschaftsseite, mit der Integration des EEG werde ein Einfalltor geöffnet, durch das später womöglich weitere Teile des Energierechts in das UGB und damit unter den unmittelbaren Einfluss des Umweltressorts gelangen würden 11. 9

Empfehlung des Rates 1999/519/EG vom 12. Juli 1999 zur Begrenzung der Exposition der Bevölkerung gegenüber elektromagnetischen Feldern (0 Hz bis 300 GHz), ABl. L 199/59 v. 30. 07. 1999. 10 Vgl. dazu näher Machnig, Grußwort, in: Gesellschaft für Umweltrecht e.V. (Hrsg.), Dokumentation zur 31. wissenschaftlichen Fachtagung der Gesellschaft für Umweltrecht e.V. Berlin 2007, 2008, S. 15, 18; Sangenstedt, Der Referentenentwurf für ein Umweltgesetzbuch, in: Köck (Hrsg.), Auf dem Weg zu einem Umweltgesetzbuch nach der Föderalismusreform, 2009, S. 25, 29.

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3. Zusätzliche Rechtszersplitterung durch das UGB 2009? a) Eines der vorrangigen Ziele des UGB ist es, das Umweltrecht zu harmonisieren, um die Rechtszersplitterung, die auf fachgesetzlicher Ebene sowie zwischen Bund und Ländern besteht, zu überwinden 12. Dagegen wird vereinzelt der Vorwurf erhoben, dass die Rechtszersplitterung mit dem UGB 2009 partiell noch zunehmen werde. Bislang einheitliche Rechtsgebiete wie der Immissionsschutz und die UVP würden künftig zwischen UGB und Fachrecht aufgeteilt. Da mit der Überführung in das UGB z. T. auch begriffliche oder inhaltliche Änderungen verbunden seien, werde die Aufteilung für die Anwender Komplikationen und Rechtsunsicherheit zur Folge haben 13. Diese Kritik ist nicht gerechtfertigt. Sie verkennt die Gründe, die für das Vorgehen des BMU maßgebend sind, und beschreibt Folgen, die bei nüchterner Betrachtung nicht zu erwarten sind. b) Zutreffend ist allerdings, dass das UGB 2009 keine vollständige Ablösung des BImSchG und des UVPG vorsieht. Neben dem UGB wird es vielmehr vorübergehend noch ein „Rumpf-BImSchG“ und ein „Rumpf-UVPG“ geben. Aus dem Bereich des Immissionsschutzrechts soll die Anlagenzulassung künftig ausschließlich im UGB geregelt und dem neuen Genehmigungstyp der iVG zugeordnet werden 14. Das Recht der nicht genehmigungsbedürftigen Anlagen, der gebiets- und der verkehrsbezogene Immissionsschutz sollen dagegen in den jetzt anstehenden ersten Kodifikationsschritt nicht einbezogen werden, sondern einstweilen im BImSchG verbleiben. Ähnliches gilt für die UVP. Dieses Instrument soll, sowohl was die Voraussetzungen der UVP-Pflicht als auch das Verfahren angeht, im UGB 2009 nur für iVG-pflichtige Vorhaben geregelt werden. Damit erfasst die Neuregelung zwar den weitaus größten Teil der (potentiell) UVPpflichtigen Vorhaben; für UVP-relevante Infrastrukturprojekte aus den Bereichen Verkehr, Bau und Energie, die nicht in den Anwendungsbereich der iVG fallen, wird aber zunächst weiterhin das UVPG zur Anwendung kommen. Erst in der nächsten Legislaturperiode sollen das „Rumpf-BImSchG“ und das „RumpfUVPG“ in das UGB überführt werden. 11

Zu dieser ressortzentrierten Denkweise näher u. unter II.1.c), 2.b). So ausdrücklich der Koalitionsvertrag (Fn. 4) sowie aus der Literatur statt vieler Bohne (Fn. 5), S. 277. 13 Aus Sicht der Industrie Strauch, Herausforderung durch das Umweltgesetzbuch aus Sicht der Industrie, in: Köck (Fn. 10), S. 153, 155; ders., Die Kernpunkte des UGB für die Wirtschaft, in: Frenz (Hrsg.), Umweltgesetzbuch (UGB): Auswirkungen auf die Praxis, 2009, S. 23, 25 f.; aus Sicht der Umweltverbände Hermann / Küppers, Die integrierte Vorhabengenehmigung im Umweltgesetzbuch, in: Öko-Institut e.V. (Hrsg.), KGV-Rundbrief Nr. 3+4/2008, S. 41, 50. 14 Mit der Konsequenz, dass §§ 4 – 21BImSchG aufgehoben werden sollen; vgl. Art. 1 Nr. 4 EG UGB-E. 12

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c) Für diese Aufteilung gibt es gute Gründe. Beim UGB 2009 musste ein Regelungsprogramm gefunden werden, das unter den gegebenen Randbedingungen bewältigt werden kann, ohne die Beteiligten zu überfordern. Einkalkuliert werden musste dabei auch ein großzügig bemessenes Kapazitäts- und Zeitbudget für die Einbindung der beim UGB besonders zahlreichen Betroffenen. Denn das BMU verfolgt bei diesem Kodifikationsvorhaben den Anspruch, die Vorschriften nicht vollzugsfern am „grünen Tisch“ des Ministeriums zu entwickeln, sondern die künftigen Anwender eingehend in allen Phasen des Entstehungsprozesses – und damit weit über das bei Gesetzgebungsprojekten sonst übliche Maß hinaus – zu konsultieren. So ist es auch geschehen 15. Der bisherige Verlauf der Auseinandersetzung bestätigt die Richtigkeit dieser Herangehensweise. Die Entscheidung, aus dem Immissionsschutzrecht zunächst nur den Komplex der Anlagenzulassung aufzugreifen, knüpft an die Erfahrungen beim ersten Anlauf für ein UGB Ende der 90er Jahre an. Schon damals wurde über nichts so intensiv gestritten wie über die Einführung einer integrierten Vorhabengenehmigung und deren Ausgestaltung 16. Erwartungsgemäß steht die iVG beim UGB 2009 erneut im Zentrum des Geschehens. Die Diskussionen über Konzeption („Modellfrage“) 17 und Anwendungsbereich 18 des neuen Genehmigungstyps nehmen kein Ende und fordern alle Beteiligten bis an die Grenze der Belastbarkeit. Der Abstimmungsprozess würde definitiv überfrachtet, wenn neben diesem dominierenden Thema noch weitere substantielle Immissionsschutzmaterien zu behandeln wären. Auch aus europarechtlichen Gründen erscheint das Immissionsschutzrecht für eine Komplettübernahme in das UGB 2009 derzeit noch nicht reif. Am 12. Juni 2008 ist die neue Luftqualitätsrichtlinie in Kraft getreten, die innerhalb von zwei Jahren in nationales Recht umgesetzt werden muss. Da die Umsetzung nicht im Schnellverfahren und daher erst in der nächsten Legislaturperiode möglich ist, wäre es verfehlt, das Recht der gebietsbezogenen Luftreinhaltung schon jetzt – aber noch auf alter Grundlage – im UGB 2009 im regeln. Beides – Umsetzung der Richtlinie und Überführung ins UGB – kann sinnvollerweise nur zusammen erfolgen 19. Insgesamt führt daher kein Weg an einem gestaffelten Vorgehen vorbei: das Vorhabenzulassungsrecht 15 Sangenstedt, in: Köck (Fn. 10), S,. 30 f. Zu den Aktivitäten der Länder innerhalb dieses Abstimmungsprozesses Gönner, Anforderungen an das Umweltgesetzbuch aus der Sicht eines Landes, in: Umweltbundesamt (Hrsg.), Forum Umweltrecht, Heft 6, S. 6; Schink / Pichocki, Das UGB aus Ländersicht, in: Frenz (Fn. 13), S. 11, 12, 14 ff. 16 Vgl. Feldmann, Aktuelle Entwicklungen zum Umweltgesetzbuch, in: Bohne (Hrsg.), Perspektiven für ein Umweltgesetzbuch, Berlin, 2002, S. 13, 18 ff.; zu möglichen Regelungsmodellen einer integrierten Vorhabengenehmigung Bohne (Fn. 5), S. 289. 17 Dazu näher Sangenstedt, in: Köck (Fn. 10), S. 33 f; ders., Der Referentenentwurf für ein Umweltgesetzbuch, in: Spannowsky / Hofmeister (Hrsg.), Umweltrechtliche Einflüsse in der städtebaulichen Planung, 2009, S. 11, 24 ff. 18 Zur Debatte um eine Beschränkung der iVG auf Anlagen nach der IVU-Richtlinie Sangenstedt, in: Köck (Fn. 10), S. 38 ff.

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geht mit dem UGB 2009 voran, die restlichen Teile des BImSchG folgen in der nächsten Legislaturperiode. Auch eine vollständige Ablösung des UVPG würde den Rahmen des UGB 2009 sprengen. Vordringlich erscheint vor allem eine Optimierung der UVPVorschriften im Bereich der iVG-pflichtigen Vorhaben. Denn da die UVP unselbständiger Teil des Zulassungsverfahrens ist 20, muss auch sie ihren Beitrag zu dem Regelungsziel der iVG leisten, eine bessere materielle Integrationsleistung mit Effizienzgewinnen und Entlastungseffekten im Verfahren zu verbinden 21. Hier gibt es beim UVPG in der Tat Handlungsbedarf. Insbesondere unter den Gesichtspunkten der „besseren Rechtsetzung“ und „Anwenderfreundlichkeit“ weist ein Teil der Vorschriften – namentlich jene, nach denen sich die UVP-Pflicht bestimmt (§§ 3a ff UVPG) – so gravierende Defizite auf 22, dass eine Verschiebung der Novelle auf die nächste Legislaturperiode den Reformanspruch der iVG geradezu desavouieren würde. Natürlich wäre es wünschenswert, wenn die vorgesehenen Verbesserungen nicht nur den iVG-pflichtigen, sondern allen UVPrelevanten Vorhaben zugute kämen. Die bisherigen Erfahrungen mit Änderungen des UVPG lassen es aber ratsam erscheinen, schrittweise vorzugehen und sich „im ersten Aufschlag“ auf Vorhaben zu beschränken, deren Zulassung unstreitig zum Kernbereich des Umweltrechts gehört. Verkehrs- und Bauvorhaben sowie Energieanlagen nach dem EnWG gehören nicht in diese Kategorie. Ihre Einbeziehung würde den Abstimmungsprozess voraussichtlich wesentlich erschweren, zumal auf diesen Gebieten UVP-rechtliche Sondervorschriften bestehen 23, deren Überführung in das UGB besondere Aufmerksamkeit erfordern. Der jetzt eingeschlagene Weg hat überdies den Vorteil, dass sich die neu gefassten UVPVorschriften zunächst in der Praxis der iVG bewähren können, bevor im nächsten Kodifikationsschritt das verbleibende „Rumpf-UVPG“ in Angriff genommen wird. Damit könnte es leichter fallen, Akzeptanz für eine einheitliche Ausgestaltung der UVP auf der Grundlage jener Lösungen zu gewinnen, die jetzt für den Bereich der iVG ins Auge gefasst sind. d) Das Nebeneinander eines integrierten Vorhabenzulassungsrechts im UGB I sowie fortbestehender „Rumpf-Gesetze“ im Immissionsschutz und bei der UVP mag für Kodifikationspuristen unbefriedigend sein – die Rechtssicherheit wird dadurch aber nicht gefährdet. Für die Rechtsanwender ist dieser Parallelzustand problemlos zu bewältigen. Gegenteilige Szenarien, die Gegner der iVG mit dramatischer Geste an die Wand malen, halten einer vertieften Prüfung nicht stand. 19 Zur Umsetzung der neuen Luftqualitätsrichtlinie Steinkemper, Die künftige Rechtsetzung im Umweltschutz – auf Bundesebene, in diesem Band, S. 99 –106. 20 § 2 Abs. 1 Satz 1 UVPG, § 81 Abs. 1 Satz 2 UGB I-E. 21 Sangenstedt, in: Ziekow (Fn. 3), S. 351 f. 22 Sangenstedt, in: Ziekow (Fn. 3), S. 355. 23 Z. B. § 3b Abs. 3 Satz 4 und 5 UVPG.

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Zunächst ist noch einmal zu unterstreichen, dass die vorgesehene Aufteilung vorübergehender Natur ist. Das UGB 2009 ist nur der erste Kodifkationsschritt. Schon in der nächsten Legislaturperiode sollen das „Rumpf-BImSchG“ und das „Rumpf-UGB“ ebenfalls ihren Platz im UGB finden. Es ist nicht zu erkennen, welche Komplikationen sich in dieser überschaubaren Zwischenphase einstellen sollten. Auf Regelungsfeldern, die noch nicht in das UGB überführt worden sind, werden die Anwender schlichtweg weiterhin das ihnen bekannte bisherige Recht anwenden. Wo liegt das Problem? Auch Regelungswidersprüche, die das Verständnis oder das Zusammenspiel zwischen den neuen und „alten“ Vorschriften erschweren könnten, werden nicht auftreten. Hierauf wurde bei der Erarbeitung des UGB-Entwurfs besonders geachtet. Dies gilt insbesondere für die vieldiskutierte Einführung neuer Begriffe. Dabei geht es um Begriffe, die bei der iVG zur Beschreibung der vom Vorhabenträger einzuhaltenden Grundpflichten verwendet werden. In der Tat sollen im UGB hier z. T. andere Bezeichnungen verwendet werden als im BImSchG. Während etwa Anlagen nach § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BImSchG so zu errichten und zu betreiben sind, dass „schädliche Umwelteinwirkungen“ nicht hervorgerufen werden können, verlangt § 53 Abs. 1 Nr. 1 UGB I-E die Vermeidung „schädlicher Umweltveränderungen“. Und statt des immissionsschutzrechtlichen Begriffs „Emissionen“ (§ 3 Abs. 3 BImSchG) verwendet das UGB die Bezeichnung „Freisetzungen“ (§ 4 Nr. 7 UGB I-E). Dieser Begriffswechsel wird keineswegs, wie die Kritiker prognostizieren, zur Verwirrung führen, sondern er trägt im Gegenteil zur Rechtsklarheit bei. Eine Übernahme der immissionsschutzrechtlichen Bezeichnungen wäre im Regelungsbereich der iVG verfehlt, weil sich Begriffe wie „schädliche Umwelteinwirkungen“ und „Emissionen“ im Wesentlichen auf Luftverunreinigungen beziehen. Im Rahmen der iVG sollen jedoch nicht lediglich Umweltbeeinträchtigungen über den Luftpfad, sondern auch über den Wasser- und Bodenpfad betrachtet werden. Die unmodifizierte Verwendung der immissionsschutzrechtlichen Terminologie würde im Rahmen eines integrierten, medienübergreifend angelegten Genehmigungskonzepts sachlich zu kurz greifen und damit eher Unklarheit schaffen. Hinzu kommt, dass die neuen Begriffe nicht undefiniert im UGB stehen, sondern einen gesetzlich bestimmten Inhalt haben. Bei den Begriffsbestimmungen knüpft das UGB an die aus dem bisherigen Umweltrecht bekannten Bezeichnungen an. Geändert hat sich nur die Bezeichnung, nicht aber der Begriffsinhalt 24. Der materielle Gleichklang zwischen der bisherigen und der künftigen Begrifflichkeit wird schließlich auch dadurch unterstrichen, dass das bestehende untergesetzliche Regelwerk für iVG-Anlagen uneingeschränkt fortgelten soll 25. Dieses Regelwerk konkretisiert die gesetzlichen Genehmigungsanforderungen bei der iVG. Wenn 24 25

Dazu näher Sangenstedt, in: Spannowsky / Hofmeister (Fn. 17), S. 27 ff. Dazu näher u. unter III.3.b).

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also bspw. eine Anlage, die Abgase über einen Kamin freisetzt (emittiert), die Anforderungen der TA Luft einhält, dann steht damit zugleich fest, dass durch diesen Vorgang keine „schädlichen Umweltveränderungen“ i. S. d. § 53 Abs. 1 Nr. 1 UGB I-E hervorgerufen werden. Auch insoweit ändert sich an der bestehenden Rechtslage nichts. Insgesamt sind die neuen Begriffe im UGB somit definitorisch und materiell klar untersetzt. Unternehmen, Behörden und Gerichte werden sich hier auch künftig auf bekanntem Terrain bewegen. Unsicherheiten und Auslegungsschwierigkeiten sind nicht zu erwarten.

II. Künftige Regelungsgegenstände des UGB 1. Das UGB als offene Kodifikationsbaustelle a) Wenn mit dem UGB 2009 zunächst nur eine Teilkodifikation des Umweltrechts vorgelegt wird, ruft dies unweigerlich die Frage auf den Plan, welche weiteren Umweltrechtsgebiete später noch hinzutreten sollen, um das UGB zu komplettieren. Die Antwort lautet: ein geschlossenes Gesamtkonzept, das den Inhalt des UGB vollständig festlegt, gibt es derzeit (noch) nicht. Diese Vorgehensweise stößt nicht überall auf Beifall. Man könne, so wird kritisch angemerkt, nicht einfach losmarschieren, ohne eine klare Vorstellung entwickelt zu haben, wohin die Reise gehen solle. Solche Einwände werden den Besonderheiten dieses Kodifikationsvorhabens nicht gerecht. Das Fehlen eines inhaltlichen Gesamtkonzepts hat Gründe, die sowohl mit der Struktur des Umweltrechts als auch mit den psychologischen Befindlichkeiten der Beteiligten zusammenhängen. b) Zuerst zur strukturellen Seite. Das Umweltrecht ist eine Querschnittsmaterie, die eine Vielzahl von Berührungspunkten mit anderen Rechtsgebieten hat. Es gibt Überlappungen und Grauzonen, so etwa im Verhältnis Umwelt und Energie, Umwelt und Landwirtschaft, Umwelt und Verkehr oder Umwelt und Gesundheit. In solchen Grenz- und Überschneidungsbereichen ist häufig keine eindeutige Entscheidung möglich, ob Vorschriften dem Umweltrecht oder einem anderen Rechtsgebiet zuzuordnen sind 26. Klare Kriterien fehlen, die Einordnung ist letztlich eine Frage der Konvention. Zuschnitt und Reichweite des Sektors „Umwelt“ sind überdies keine statischen Größen, sondern unterliegen dem Wandel. In diesem dynamischen Prozess erfährt das Umweltrecht „Aufladungen“ und Impulse von verschiedenen Seiten. Wesentliche Bedeutung kommt Umweltrechtsakten der EU und internationalen Umweltübereinkommen wie der Aarhus-Konvention zu 27, denen im Vergleich 26 27

Zur Abgrenzbarkeit des Umweltrechts UGB-KomE (Fn. 2), Einleitung, S. 73, 87 ff. Vgl. UGB-KomE (Fn. 2), Einleitung, S. 80 ff.

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zur traditionellen Anschauung in Deutschland häufig ein wesentlich weiteres Umweltrechtsverständnis zugrunde liegt. Auch wenn sich hierzulande allmählich ebenfalls eine etwas offenere Sichtweise durchzusetzen scheint, bleibt die Bestimmung der Materien, die zum Umweltrecht gehören, ein kompliziertes und politisch heikles Thema. Die Neuordnung des Umweltrechts durch ein UGB trifft sozusagen mitten ins Herz dieser Problematik. Sie ist damit eine der Schlüsselfragen des Projekts. c) Der psychologische Befund schließt unmittelbar an das Ergebnis der strukturellen Analyse an. Die Hüter anderer Rechtsbereiche betrachten das Umweltrecht mit seinem latenten Expansionsdrang als Bedrohungspotential. Der Wechsel einer bislang ihrem Terrain zugeordneten Rechtsmaterie ins Portfolio des Umweltrechts ist aus der Perspektive des abgebenden Ressorts nicht lediglich ein formaler Akt; es geht vielmehr um einen Verlust an Kompetenz und Einfluss. Befürchtet wird, dass mit der Verschiebung ins Umweltfach auch inhaltlich eine neue, stärker umweltzentrierte Ausrichtung verbunden sein könnte, während Belange, die bisher eher im Vordergrund standen, zurückgedrängt würden. Ob solche Vorstellungen berechtigt sind, mag dahinstehen – jedenfalls sind sie vorhanden und bestimmen in erheblichem Maße das Ressortverhalten im Abstimmungsprozess. Exemplarisch für dieses Phänomen stehen die „BMELV-Leitlinien zum Umweltgesetzbuch (UGB)“ vom 11. September 2006 28. Das Papier enthält u. a. eine Liste diverser Rechtsgebiete aus dem Zuständigkeitsbereich des BMELV, die nach dortiger Auffassung, auch soweit sie umweltrelevante Bestimmungen umfassen, für das UGB tabu sein sollen, weil sie diesem als „spezielleres Fachrecht“ vorgingen. Andere Ressorts haben ihre „no go-areas“ zwar nicht gleich ins Internet gestellt 29, in der Sache fahren sie aber einen ähnlich strikten Abgrenzungskurs. d) Die Frage „Was kommt ins UGB?“ rührt also an einen ausgesprochen sensiblen Nerv. Angesichts der begrenzten Zeit, die für das UGB 2009 zur Verfügung steht, wäre es ein kapitaler Fehler, ihre Klärung an den Anfang der Arbeiten zu stellen. Damit würde bereits auf der Eingangsetappe ein Streitfeld eröffnet, das nur schwer zu beherrschen ist. Es müsste mit langwierigen und komplizierten Auseinandersetzungen gerechnet werden, deren Ausgang ungewiss ist. Die Realisierung des UGB 2009 könnte gefährdet werden. Klüger erscheint es, den Fokus zunächst auf die Regelungsgegenstände des ersten Kodifikationsschritts zu 28

Veröffentlicht auf der Website des BMELV unter http://www.bmelv.de/cln_045/nn _749972/sid_A645544A07F8F326BCE320073F4AADD1/DE/04-Landwirtschaft/Agraru mweltmassnahmen/LeitlinienUmweltgesetzbuch.html_nnn=true. 29 Anders – aber ebenfalls mit sehr starken Abgrenzungstendenzen – die Beschlüsse verschiedener Fachministerkonferenzen, z. B. Beschluss der WMK vom 9. / 10. 6. 2008 (TOP 9.2), der IMK vom 18. 4. 2008 (TOP 12) und der VMK vom 16. / 17. 4. 2008 (TOP 8.3), veröffentlicht auf der Website des Bundesrates unter http://www.bundesrat.de/cln_099 /nn_8796/DE/gremien-konf/fachministerkonf/fachministerkonf-node.html?_nnn=true.

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beschränken. Die Debatte über den „richtigen“ Gesamtzuschnitt des UGB wird dann zu gegebener Zeit zu führen sein, wenn im Zuge des Projektfortschritts über die Aufnahme weiterer Materien entschieden werden muss. Dieser pragmatische Ansatz wirft auch mit Blick auf die Struktur und Systematik des UGB keine unlösbaren Probleme auf. Es ist in der Sache nicht zwingend erforderlich, das künftige Regelungstableau des UGB bereits jetzt umfassend festzulegen. Vielmehr ist das Bücherkonzept, nach dem das UGB aufgebaut wird, so angelegt, dass hinreichender Manövrierspielraum für künftige Entwicklungen bleibt. 2. Überlegungen zur Komplettierung des UGB a) Trotz der gebotenen Zurückhaltung sollen nachfolgend einige Prüfaspekte aufgezeigt werden, die für die Vervollständigung des UGB Bedeutung haben. Damit soll späteren Entscheidungen nicht vorgegriffen werden, die Entscheidungsfindung könnte durch diese Überlegungen aber vielleicht etwas vorstrukturiert und erleichtert werden. Bei aller Diskussion dürfte unbestritten sein, dass der Kernbereich des Umweltrechts, soweit er nicht schon Gegenstand des UGB 2009 ist, im Zuge der nächsten Kodifikationsschritte in das UGB aufzunehmen sein wird. Zu diesen „klassischen“ Feldern des Umweltrechts gehören u. a. Luftreinhaltung, Chemikaliensicherheit, Abfall und Bodenschutz. Das Atomgesetz soll hingegen nicht in das UGB überführt werden. Die Nutzung der Kernenergie ist nach geltender Rechts- und politischer Beschlusslage eine Auslaufmaterie, die nach Auffassung des BMU weiterhin fachspezifisch gesondert geregelt bleiben soll 30. Anders stellt sich die Situation beim Strahlenschutz dar. Angesichts des engen Sachzusammenhangs 31 und vielfältiger Parallelen zwischen dem Recht der nichtionisierenden Strahlung (UGB IV) und dem Recht der ionisierenden Strahlung (Fachrecht) wäre es nicht überzeugend, wenn diese Materien auf Dauer an unterschiedlichen Standorten geregelt blieben. Bei der Eingliederung der „ionisierenden Strahlung“ in das UGB könnte ggf. auch das Zusammenspiel mit dem UGB-externen AtG neu geordnet werden. b) Außerhalb des umweltrechtlichen Kernbereichs könnte es sich anbieten, im UGB grundsätzlich nur Rechtsbereiche aus der Ressortzuständigkeit des BMU aufzugreifen. Beim UGB 2009 wird so verfahren. Daraus sollte aber nicht der Schluss gezogen werden, dass eine solche ressortzentrierte Herangehensweise als Generallinie für das UGB insgesamt zu empfehlen wäre. Der Ressortzuschnitt ist eine Frage politischer Opportunität; er ist keine statische, sondern eine sehr 30 Für eine Einbeziehung kerntechnischer Anlagen in die iVG dagegen Gönner (Fn. 15), S. 10. 31 Zu diesem Gesichtspunkt sogleich näher im Abschnitt II.2.d).

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bewegliche Kategorie. Dagegen handelt es sich beim Umweltgesetzbuch um eine Kodifikation, die auf strukturelle Kontinuität angelegt ist 32. Welche Regelungsgegenstände Eingang in das UGB finden, muss daher unabhängig von der jeweils aktuellen Ressortverteilung bestimmt werden. Selbst als „Weg des geringsten Widerstandes“ hat sich die Orientierung an der Ressortzuständigkeit beim UGB 2009 nicht bewährt. So hat die Zuständigkeit des BMU für das EEG die Wirtschaftsseite nicht im Geringsten davon abgehalten, die Streichung dieser Materie aus dem UGB zu verlangen. Und auch die Umweltministerien der Länder, die für den späteren Vollzug der UGB-Vorschriften zuständig sind, finden das Ressortkriterium nicht sonderlich überzeugend 33. Ihre Skepsis ist nachvollziehbar, wenn man bedenkt, dass die Ressortaufgaben auf Landesebene z. T. völlig anders verteilt sind als beim Bund. Gerade die Vielfalt der hier anzutreffenden Varianten unterstreicht die Fragwürdigkeit der ressortzentrierten Sicht. Würde die Bundesregierung etwa eine Organisationsänderung vornehmen und die Zuständigkeit für den Strahlenschutz, wie es derzeit in Schleswig-Holstein der Fall ist, dem Sozialministerium zuweisen, so hätte dies sicher nicht zur Folge, dass das Strahlenschutzrecht fortan als Sozialrecht zu betrachten und in das Sozialgesetzbuch zu integrieren wäre. Warum sollte die Ressortzugehörigkeit dann aber den Ausschlag dafür geben, ob bspw. die Zulassung gentechnischer Anlagen ihren Platz im UGB finden darf oder nicht 34? Dieser formale Gesichtspunkt kann bestenfalls ein Indiz für eine sachgerechte Zuordnung sein; eine inhaltlich tragfähige Begründung kann er aber im Zweifel nicht ersetzen. c) Die notwendige materielle Unterfütterung könnte das Kriterium der Umweltrelevanz liefern. Die Zulassung von Vorhaben, die in ihren Auswirkungen eine gewisse Umwelterheblichkeit besitzen, würde danach künftig in den Anwendungsbereich der iVG fallen 35. Hierzu gehören Infrastrukturprojekte wie Straßen, Schienenwege, Flugplätze und Hochspannungsleitungen, aber wohl auch bergbauliche Aktivitäten. Denn alle diese Vorhaben sind mit erheblichen Umweltauswirkungen verbunden und bilden ein Umweltrisikopotential, das durch geeignete Zulassungsanforderungen wirksam eingedämmt werden muss. Insoweit besteht hier durchaus Vergleichbarkeit mit dem Industrieanlagenzulassungsrecht, das seit jeher dem Umweltrecht zugerechnet wird und als Kernmaterie des UGB gilt. 32

Kloepfer (Fn. 1), S. 166; Sangenstedt, in: Köck (Fn. 10), S. 28. Vgl. Gönner (Fn. 15), S. 9. 34 Für eine Einbeziehung gentechnischer Anlagen in die iVG Gönner (Fn. 15), S. 10; dagegen die BMELV-Leitlinien zum Umweltgesetzbuch (Fn. 28). 35 Hierfür Gönner (Fn. 15), S. 9; Barth / Ziem / Zschiesche, Anspruchsvolle Umweltstandards, modernes Umweltrecht – für ein progressives Umweltgesetzbuch, ZUR 2007, 295, 297. 33

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Es gibt aber auch Unterschiede. So bestehen etwa beim Bergbau fachliche und technische Besonderheiten, deren Bewältigung ein spezielles rechtliches Instrumentarium erfordert. Dies könnte den Rahmen eines UGB sprengen und damit ein gewichtiges Argument für die Beibehaltung eigener fachrechtlicher Verfahren liefern 36. Im Übrigen sollte nicht verkannt werden, dass die politischen Widerstände gegen eine Überführung der genannten Rechtsbereiche ins UGB beträchtlich sind. Entsprechende Vorstellungen dürften derzeit daher wohl eher ins Reich der Utopie gehören. Das mag sich ändern, wenn die iVG ihre Vorzüge in der Praxis unter Beweis stellt. Denn damit könnte sie auch auf Feldern außerhalb ihres ursprünglichen Anwendungsbereichs an Attraktivität gewinnen und sich als Alternative zu den herkömmlichen Zulassungsverfahren darstellen. d) Von zentraler Bedeutung für eine Aufnahme in das UGB ist schließlich der Sachzusammenhang mit Materien, die unstreitig umweltrechtlichen Charakter haben. Gerade bei einer Neuordnung des Umweltrechts, die darauf abzielt, die bestehende Rechtszersplitterung abzubauen, kommt diesem Aspekt besonderes Gewicht zu. Einige Anpassungen und Begradigungen würden der rechtlichen Landschaft in der Tat gut tun. Die traditionellen Abgrenzungen zwischen dem Umweltrecht und anderen Rechtsbereichen dürften vor allem historisch zu erklären sein. Das Ergebnis ist ein Flickenteppich rechtlicher Zuordnungen, die z. T. weder sachlich überzeugend noch praktisch hilfreich sind. Beispiel Lärmschutz Der Lärmschutz ist derzeit auf diverse Rechtsgebiete verteilt. Das BImSchG regelt Lärm, der durch die Errichtung und den Betrieb von Anlagen hervorgerufen wird, beschränkt sich dabei aber auf den Schutz der Allgemeinheit und der Nachbarschaft. Weitergehende oder speziellere Bestimmungen finden sich u. a. im Arbeitsschutz-, Verkehrs- und Verbraucherschutzrecht. Nur bei den immissionsschutzrechtlichen Lärmschutzvorschriften handelt es sich nach herkömmlichem Verständnis um Umweltrecht. Diese Aufspaltung erscheint künstlich und in der Sache angreifbar. Andere Umweltrechtsbereiche sind mit ihren Schutzvorschriften breiter aufgestellt 37. Ob ein Betroffener als Nachbar oder als Nutzer einer Anlage oder Einrichtung erhöhtem Lärm ausgesetzt ist, 36 So für das bergrechtliche Betriebsplanverfahren von Mäßenhausen, Mögliche Auswirkungen des UGB auf bergbauliche Rohstoffgewinnungsvorhaben, in: Frenz (Fn. 13), S. 31, 32. 37 Das Immissionsschutzrecht kann nicht mit dem Umweltrecht gleichgesetzt werden. Das wird in der Diskussion über die Einführung eines Solarienverbots für Minderjährige im UGB IV z. T. verkennt. Einige fordern die Streichung dieser Bestimmung mit dem Argument, es handele sich nicht um Umweltrecht. Dieser Argumentation liegt die immissionsschutzrechtliche Perspektive zugrunde. Übersehen wird dabei, dass bei der ionisierenden Strahlung auch schon das geltende Strahlenschutzrecht die Nutzung bestimmter Anlagen oder Einrichtungen, die mit einem erhöhten radiologischen Risiko verbunden ist, regelt (so insbesondere im Bereich der medizinischen Heilbehandlung). Insoweit wird mit den neuen Vorschriften zur künstlichen UV-Strahlung also kein umweltrechtliches Neu-

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macht aus umweltfachlicher Sicht keinen Unterschied. Dies spricht dafür, das hier bislang herrschende Schubladendenken zu überwinden und den Komplex „Lärmschutz“ auch rechtlich stärker zusammenzuführen. Beispiel Leitungsanlagen Bei der Zulassung von Leitungsanlagen hängt es vom Anlagentyp ab, welches Rechtsgebiet einschlägig ist. Ist die Leitung eine Energieanlage im Sinne des EnWG, so ist ihre Zulassung ein energierechtlicher Vorgang. Die Zulassung von Rohrleitungsanlagen nach § 20 ff UVPG ist dagegen eine umweltrechtliche Materie. Für diese Differenzierung ist kein vernünftiger Grund erkennbar. Ob es sich etwa bei einer Gasleitung um eine Energieanlage nach dem EnWG oder um eine Rohrleitungsanlage nach § 20 i.V. m. Nr. 19.5 der Anlage 1 UVPG handelt, ändert in der Sache nichts daran, dass beide Anlagentypen mit vergleichbaren Umweltauswirkungen und -risiken verbunden sind. Deshalb liegt es nahe, die Leitungsanlagen künftig insgesamt einem einheitlichen Zulassungsregime zu unterwerfen. Wie die Beispiele zeigen, gibt die Neuordnung des Umweltrechts Anlass, dieses Rechtsgebiet auf den Prüfstand zu nehmen und (partiell) neu zu justieren. Das entspricht auch den Erwartungen, die an ein modernes, praxisgerechtes Umweltgesetzbuch gestellt werden. Ein zu kleinteiliger Zuschnitt des UGB würde den Kodifikationszielen nicht gerecht. Sach- und Lebensbereiche, die fachlich und tatsächlich eine Einheit bilden, würden damit rechtlich auseinander dividiert. Das Recht bliebe unübersichtlich, seine Anwendung unnötig kompliziert. Die Segmentierung verursacht Abgrenzungsprobleme und erhöht damit den Abstimmungs- und Vollzugaufwand. Ohne ausreichende normative Verzahnung besteht die Gefahr disharmonischer Rechtsentwicklungen. Das alles kann vermieden werden, wenn Materien, die sachlich zusammen gehören, auch rechtlich zusammen geregelt werden. Das Reformvorhaben UGB bietet dafür die besten Voraussetzungen. e) Die bisherigen Erfahrungen gebieten allerdings, vor zu ambitionierten Vorstellungen zu warnen. Das BMU kann die Reform des Umweltrechts nicht im Alleingang durchführen. Es braucht Partner, die seine Überlegungen teilen oder die Umsetzung zumindest nicht blockieren. In der realen Welt sind die Interessen unterschiedlich. Das UGB ist konfliktreiches Terrain – Reformanspruch stößt land betreten. Tatsächlich dürfte es den Ländern, die diese Frage problematisiert haben, weniger um ein rechtssystematisches als um ein vollzugspraktisches Anliegen gehen: sie befürchten offenbar, dass den Umweltbehörden durch die Aufnahme solcher Regelungen in das UGB neue Aufgaben zuwachsen könnten, für die sonst andere Teile der Verwaltung zuständig wären. Das ist jedoch keine zwingende Folge. Behördenorganisation und Kompetenzverteilung innerhalb der Landesverwaltung stehen in keinem unmittelbaren Zusammenhang mit dem Rechtscharakter der zu vollziehenden Vorschriften. Kein Land ist daran gehindert, die Überwachung von Solarien den Gesundheits- oder anderen Behörden außerhalb der Umweltverwaltung zuzuweisen.

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auf Besitzstandswahrung 38. Gegenstände und Inhalte des kodifizierten Umweltrechts müssen in einem politischen Diskurs bestimmt werden, der allen Seiten Kompromisse abverlangt und niemanden überfordern darf. Dabei wäre schon viel gewonnen, wenn die notwendige Auseinandersetzung etwas unaufgeregter, weniger fundamentalistisch und mit etwas mehr Offenheit und Pragmatismus geführt würde als es derzeit vielfach geschieht. Weder das Wohl oder Wehe der Umwelt noch Gedeih oder Verderb der Industrie, der Agrarwirtschaft oder anderer Branchen hängen zentral davon ab, ob eine Materie künftig im UGB oder an anderer Stelle geregelt wird.

III. Übergangsbestimmungen 1. Einordnung und Übersicht Gesetzgebungsvorhaben, die mit größeren Eingriffen in den vorhandenen Rechtsbestand verbunden sind, kommen in der Regel nicht ohne Übergangsbestimmungen aus. Bei der Auseinandersetzung mit solchen Novellen werden die Übergangsregelungen aber oft eher stiefmütterlich behandelt. Anders als die übrigen im Gewande der Innovation daherkommenden neuen Vorschriften gelten sie als unsexy, langweilig und technokratisch. Diese Geringschätzung ist fehl am Platz – auch beim UGB. Ob die angestrebte Neuordnung des Umweltrechts ein gelungener Wurf ist, entscheidet sich nicht zuletzt daran, wie harmonisch und friktionsfrei sich der Wechsel aus dem fachgesetzlich geprägten Umweltrechtssystem des geltenden Rechts in das verstärkt integrativ ausgerichtete 39 Regelungsgefüge des UGB vollzieht. Für die Praxis, insbesondere Industrie, Gewerbe und Landwirtschaft, ist die Reibungslosigkeit des Transfers ein essentieller Gesichtspunkt. Vermasselt der Gesetzgeber die sich ihm hier stellende Aufgabe, ist die Eintrittskarte zum neuen Recht für die Betroffenen mit hohem Aufwand und bürokratischen Lasten verbunden, dann beeinträchtigt dies die Akzeptanz und den Wert der Reform beträchtlich. Die Qualität der Übergangsbestimmungen ist daher für den Erfolg des Projekts UGB mitentscheidend. Die beschriebene Herausforderung stellt sich unter zwei Gesichtspunkten. Zum einen geht es um mögliche Veränderungen der genehmigungsrechtlichen Situation. Was geschieht mit bestehenden Vorhaben (Anlagen, Gewässerbenutzungen, planerischen Vorhaben), die künftig in den Anwendungsbereich der Zulassungsvorschriften des UGB fallen? Benötigen sie, soweit sie bereits nach geltendem Recht zugelassen sind, womöglich eine neue Genehmigung oder, soweit sie bislang zulassungsfrei waren, erstmals eine Genehmigung? Oder gelten vorhandene Zulassungen fort – und wenn ja, in welcher Form? Welche Kon38 39

Hierzu eingehend Sangenstedt, in: Spannowsky / Hofmeister (Fn. 17), S. 16 ff. Vgl. Sangenstedt, in: Ziekow (Fn. 3), S. 350.

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sequenzen hat das Inkrafttreten des UGB für laufende Zulassungsverfahren? Werden diese fortgeführt, und wenn ja, auf welcher Grundlage (altes oder neues Recht)? Dieser Fragenkreis soll sogleich im nächsten Abschnitt (III.2.) näher beleuchtet werden, wobei sich die Ausführungen, um den Rahmen nicht zu sprengen, auf Vorhaben im Anwendungsbereich der iVG konzentrieren werden. Die dafür maßgeblichen Vorschriften finden sich in Kapitel 2, Abschnitt 8 („Bestehende Vorhaben“) des UGB I. Der zweite, anschließend unter III.3. zu betrachtende Übergangskomplex betrifft die Situation bei den übrigen Vorschriften. Hier geht es u. a. um folgende Konstellationen: • Wenn Regelungsgegenstände des geltenden Umweltrechts künftig in den Anwendungsbereich des UGB fallen, müssen die dadurch überholten „Altvorschriften“ aufgehoben werden – andernfalls gäbe es ein Wirrwarr von Parellelregelungen und Unklarheit, welche davon jeweils Geltung oder Vorrang beanspruchen könnten. • Wenn fortgeltende Rechtsvorschriften außerhalb des UGB auf Umweltrecht verweisen, das seinen Platz künftig im UGB findet, müssen die Verweise an die neue Rechtslage angepasst werden. Ohne entsprechende Aktualisierung gingen Bezugnahmen ins Leere, und das Zusammenspiel mit dem UGB wäre unklar. Die hierfür benötigten Übergangsregelungen sollen im Einführungsgesetz zum Umweltgesetzbuch (EG UGB) getroffen werden. 2. Genehmigungsrechtliche Übergangsbestimmungen bei der iVG a) Bestehende Vorhaben aa) Übergangsregelungen werden zunächst für bestehende Vorhaben benötigt. Bestehende Vorhaben sind solche, die bereits zugelassen sind oder zulassungsfrei durchgeführt werden. Wenn ein bestehendes Vorhaben künftig in den Anwendungsbereich der iVG fällt, muss bestimmt werden, welche Konsequenzen diese Änderung für seinen genehmigungsrechtlichen Status hat. Für den Vorhabenträger kann sich diese Frage zu verschiedenen Zeitpunkten stellen. Im Vordergrund steht momentan naturgemäß die Situation beim Inkrafttreten des UGB und der Vorhaben-Verordnung 40. Regelungsbedarf besteht aber auch im Hinblick auf spätere Änderungen der Vorhaben-Verordnung, die dazu führen, dass Vorhaben, die bis dahin iVG-frei waren, iVG-pflichtig werden. Auch diese Konstellation wird in den Übergangsvorschriften des UGB I behandelt.

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Die Vorhaben-Verordnung bestimmt u. a., welche Vorhaben einer iVG bedürfen.

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bb) Bei der Erarbeitung dieser Vorschriften hat sich das BMU von dem Grundsatz leiten lassen, dass der Vorhabenträger auf den Fortbestand einer ihm erteilten Zulassung (oder bei zulassungsfreien Vorhaben: auf den Fortbestand der Zulassungsfreiheit) vertraut und dieses Vertrauen schutzwürdig ist. Im Lichte dieser Leitlinie wäre die Notwendigkeit einer neuen Genehmigung (oder bei bislang zulassungsfreien Vorhaben: die Notwendigkeit einer erstmaligen Genehmigung) überzogen. Andererseits kann nicht unberücksichtigt bleiben, dass das Risikopotential, das solche „Altvorhaben“ bilden, keineswegs geringer ist als bei entsprechenden Neuvorhaben, die aus guten Gründen einer iVG-rechtlichen Präventivkontrolle unterliegen. Deshalb müssen auch bestehende Vorhaben die materiellen Anforderungen der iVG einhalten, und es darf keine Abstriche bei den Überwachungs- und Eingriffsmöglichkeiten der Behörden geben. Dieses Anliegen wird im UGB auf zwei Wegen sichergestellt: (1) Vorhandene Zulassungen gelten als iVG fort. Damit kommt auch bei diesen „Altvorhaben“ das vollständige Anforderungs-, Eingriffs- und Überwachungsprogramm iVGpflichtiger Neuvorhaben zum Tragen. (2) Bislang zulassungsfreie Vorhaben sind anzuzeigen. Damit wird die Behörde in die Lage versetzt, solche „Altvorhaben“ auf den Prüfstand zu nehmen und zu veranlassen, dass festgestellte Defizite ausgeräumt werden. Auf diese Weise ist es möglich, sie bei Bedarf nachträglich noch an den Standard iVG-pflichtiger Neuvorhaben heranzuführen. cc) Die gleichen Überlegungen haben seinerzeit bereits bei der Ausgestaltung des § 67 BImSchG Pate gestanden 41, an dem sich die Übergangsvorschriften des UGB orientieren. Anders als im BImSchG soll dieser Ansatz im UGB jedoch nicht nur für Anlagen, sondern für alle Vorhabentypen gelten, die künftig durch iVG zuzulassen sind. Im Einzelnen 42 hat dies folgende Konsequenzen: (1) Bestehende Anlagen (§ 130 UGB I-E) • Vor Inkrafttreten des UGB erteilte immissionsschutzrechtliche Genehmigungen gelten als integrierte Vorhabengenehmigung nach dem UGB I fort (§ 130 Abs. 1 Abs. 1 UGB-E). Entsprechendes gilt für Vorbescheide und Zulassungen des vorzeitigen Beginns. Mit dieser an § 67 Abs. 1 BImSchG angelehnten Regelung wird das Vertrauen des Vorhabenträgers auf den Fortbestand der vorhandenen Genehmigung geschützt. Mit der Überleitung in das Zulassungsregime der iVG bestimmen sich die materiellen Anforderungen an Errichtung und Betrieb der Anlage, die Voraussetzungen und Grenzen eingreifender Maßnahmen sowie die Überwachung nach den gleichen Vorschriften wie bei iVG-Neuvorhaben.

41 Vgl. Hansmann / Röckinghaus, in: Landmann / Rohmer, UmweltR I, § 67, Rdnr. 10 f, 14; Jarass, Bundes-Immissionsschutzgesetz, 7. Auflage 2007, § 67 Rdnr. 7 f, 24 f. 42 Im Rahmen dieses Beitrags kann nur eine Übersicht über die wesentlichen Regelungen gegeben werden.

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Für den Sonderfall der sog. „verbundenen Vorhaben“, bei denen eine Gewässerbenutzung integraler Bestandteil einer Anlage ist (Beispiel: Kraftwerk entnimmt Kühlwasser aus einem Fluss), gilt entsprechendes auch für die wasserrechtliche Zulassung. Nach § 49 Nr. 1 a) aa) UGB I-E bilden solche Gewässerbenutzungen zusammen mit der Anlage ein Vorhaben, das durch eine iVG zugelassen wird. Deshalb sieht § 131 Abs. 1 Satz 2 UGB I-E vor, dass bei bestehenden „verbundenen Vorhaben“ auch die für den Vorhabenteil „Gewässerbenutzung“ erteilte wasserrechtliche Erlaubnis oder Bewilligung nach § 130 Abs. 1 UGB I-E als iVG fortgilt. Im Ergebnis führt dies dazu, dass die immissionsschutzrechtliche Genehmigung und die wasserrechtliche Zulassung zusammen als integrierte Vorhabengenehmigung fortgelten. Diese Verbindung bislang getrennter Zulassungen zu einer iVG hat vor allem für die Überwachung und eingreifende Maßnahmen Bedeutung: das für iVGVorhaben geltende Instrumentarium kommt dann nicht nur für den Vorhabenteil „Anlage“, sondern gleichermaßen für die mit der Anlage verbundene Gewässerbenutzung zur Anwendung. Immissionsschutzrechtlich nicht genehmigungsbedürftige Anlagen, die mit Inkrafttreten des UGB oder mit einer späteren Änderung der VorhabenVerordnung genehmigungspflichtig würden, bedürfen keiner iVG, wenn sie zuvor rechtmäßig errichtet oder wesentlich geändert worden sind oder mit ihrer Errichtung oder wesentlichen Änderung bereits begonnen worden ist. Nach § 130 Abs. 2 UGB I-E müssen diese Anlagen aber innerhalb von drei Monaten angezeigt werden. Damit wird einerseits dem Vertrauensschutz des Vorhabenträgers in den Bestand einer rechtmäßig errichteten Anlage Rechnung getragen. Andererseits muss die angezeigte Anlage – ebenso wie in den Fällen des § 67 Abs. 2 BImSchG, dem die Vorschrift nachgebildet ist – fortan grundsätzlich den gleichen materiellen Anforderungen genügen wie iVG-pflichtige Neuvorhaben 43. Auch die iVG-rechtlichen Eingriffs- und Überwachungsbefugnisse finden dann auf sie Anwendung.

(2) Bestehende Gewässerbenutzungen (§ 131 UGB I-E) • Gewässerbenutzungen, die mit Inkrafttreten des UGB genehmigungspflichtig würden, bedürfen keiner iVG, wenn sie bereits vorher wasserrechtlich zugelassen waren. Die vorhandene wasserrechtliche Zulassung (Erlaubnis, Bewilligung) gilt dann nach § 131 Abs. 1 Satz 2 UGB I-E als integrierte Vorhabengenehmigung fort. Diese Regelung entspricht der Übergangsvorschrift für genehmigte Anlagen (§ 130 Abs. 1 UGB I-E). • Gewässerbenutzungen, die erst durch eine spätere Änderung der VorhabenVerordnung genehmigungspflichtig würden, bedürfen keiner iVG, wenn sie bereits vorher wasserrechtlich zugelassen waren. Sie sind aber entsprechend 43

Zur Rechtslage bei § 67 Abs. 2 BImSchG Hansmann / Röckinghaus (Fn. 41), § 67 BImSchG Rdnr. 14; Jarass (Fn. 41), § 67 Rdnr. 24 f.

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§ 130 Abs. 2 UGB I-E anzuzeigen (§ 131 Abs. 3 UGB I-E). Anders als in den vorstehenden Fällen des § 131 Abs. 1 UGB-I erfasst die Regelung nur Gewässerbenutzungen, für die eine wasserrechtliche Zulassung nach dem UGB II besteht. Hierzu gehören auch Erlaubnisse und Bewilligungen nach altem Recht, die nach § 89 Abs. 1 und 2 UGB II als Erlaubnisse und Bewilligungen nach neuem Wasserrecht fortgelten. Im Übrigen ergeben sich die gleichen Rechtsfolgen wie bei der Parallelregelung für Anlagen (§ 130 Abs. 2 UGB I-E). Gewässerbenutzungen, die auf der Grundlage alter Rechte und alter Befugnisse durchgeführt werden und mit Inkrafttreten des UGB oder durch eine spätere Änderung der Vorhaben-Verordnung genehmigungspflichtig würden, bedürfen keiner iVG (§ 131 Abs. 2 Satz 1 UGB I-E). Sie sind weder anzuzeigen noch gelten die alten Rechte und alten Befugnisse als iVG fort. Auch die vorgeschrieben Anmeldung (§ 16 UGB II) dient nicht dem Zweck, die alten Rechte und alten Befugnisse in das Genehmigungssystem der iVG zu überführen. Diese sollen vielmehr wie bisher einem eigenständigen Regelungsregime unterliegen 44. Bestimmte wasserwirtschaftliche Vorhaben wie Fischzucht, Grundwasserentnahme oder landwirtschaftliche Bodenbe- und -entwässerung, mit denen vor Inkrafttreten des UGB begonnen wurde und die bisher wasserrechtlich zulassungsfrei waren, bedürfen nach § 131 Abs. 4 Satz 1 UGB I-E keiner iVG. Sie müssen auch nicht angezeigt werden. Geschützt wird damit das Vertrauen in den Fortbestand einer zulassungsfreien Gewässerbenutzung. Das ist nicht unproblematisch. Zulassungsfreiheit ist auf landesgesetzlicher Ebene bei diesen Vorhaben z. T. sehr großzügig gewährt worden. Soweit die Großzügigkeit höherrangigem Recht widerspricht, ist das Vertrauen nicht schutzwürdig. Zu Zweifeln Anlass gibt die bisherige Rechtslage insbesondere mit Blick auf UVP-rechtliche Erfordernisse. Nach der UVP-Richtlinie müssen die Mitgliedstaaten sicherstellen, dass bestimmte wasserwirtschaftliche Projekte, deren Durchführung mit erheblichen Umweltauswirkungen verbunden sein kann, einem Zulassungsverfahren mit UVP unterworfen werden. Vor diesem Hintergrund sieht § 131 Abs. 4 Satz 2 UGB I-E vor, dass bislang zulassungsfreie Gewässerbenutzungen einer iVG bedürfen, wenn sie geändert werden und eine Umweltverträglichkeitsprüfung durchzuführen ist.

(3) Bestehende planerische Vorhaben • Deponien, Rohrleitungen und künstliche Wasserspeicher sowie Gewässerausbauten, Deich- und Dammbauten werden nach geltendem Recht im Wege der Planfeststellung oder Plangenehmigung zugelassen. Nach § 51 Abs. 3 UGB I-E bedürfen diese planerischen Vorhaben künftig einer iVG in Form der planerischen Genehmigung. Bei bestehenden planerischen Vorhaben richtet sich 44

Kritisch dazu Sangenstedt, in: Köck (Fn. 10), S. 45.

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die Überleitung ins neue Recht nach den gleichen Grundsätzen und Regeln wie bei anderen iVG-pflichtigen Vorhaben: der Planfeststellungsbeschluss oder die erteilte Plangenehmigung gelten als planerische Genehmigung fort (§§ 133, 135, 136 UGB I-E). Diese Vorhaben sind dann grundsätzlich 45 ebenso zu behandeln wie iVG-pflichtige planerische Neuvorhaben. b) Laufende Verfahren Die vorstehend dargestellten Übergangsbestimmungen gelten für iVG-pflichtige Vorhaben, die beim Inkrafttreten des UGB oder einer späteren Änderung der Vorhaben-Verordnung bereits zugelassen waren. Übergangsbestimmungen werden aber auch für laufende Zulassungsverfahren benötigt, die zum jeweiligen Inkrafttretenszeitpunkt noch nicht abgeschlossen waren und ein nach neuem Recht iVG-pflichtiges Vorhaben zum Gegenstand haben. Für solche laufenden Verfahren enthält § 137 Satz 1 UGB I-E eine klare, an die Grundsatzregelung des § 96 Abs. 1 VwVfG 46 anschließende Vorgabe: bereits begonnene Verfahren sind nach den Vorschriften des UGB I und den dazu gehörigen Rechts- und Verwaltungsvorschriften zu Ende zu führen. Konkret bedeutet dies: mit Inkrafttreten des neuen Rechts richtet sich die Zulassung des Vorhabens in materieller und verfahrensrechtlicher Hinsicht nach dem iVG-rechtlichen Prüf- und Anforderungsprogramm des UGB. Eine Sonderregelung enthält § 137 Satz 2 UGB I-E für verbundene Vorhaben, die nach geltendem Recht zwei Zulassungen (immissionsschutzrechtliche Genehmigung und wasserrechtliche Erlaubnis), künftig aber nur noch eine iVG benötigen. Soweit bei Inkrafttreten des UGB hier bereits eine der erforderlichen Zulassungen erteilt worden ist, werden weitere bereits begonnene Zulassungsverfahren auf Antrag in Teilgenehmigungsverfahren umgestellt. Diverse Ausnahmen von dem Grundsatz, dass laufende Verfahren nach neuem Recht zu Ende zu führen sind, sieht § 138 Abs. 2 bis 6 UGB I-E bei der UVP vor. Sonderregelungen finden sich dort insbesondere für Vorhaben, bei denen das Zulassungsverfahren noch vor Ablauf der Umsetzungsfrist für die letzte Änderung der UVP-Richtlinie eingeleitet worden ist (Absatz 3), sowie für Vorhaben, bei denen die UVP-Pflicht im UGB neu oder anders als bisher geregelt wird (Absatz 4 und 6). Auf die Einzelheiten kann hier aus Raumgründen nicht weiter eingegangen werden.

45 Für eingreifende Maßnahmen bei übergeleiteten Deponien gelten nach § 134 UGB I-E z. T. Sonderregelungen. 46 Eine entsprechende Regelung finde sich auch in § 67 Abs. 4 BImSchG.

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3. Das Einführungsgesetz zum UGB (EG UGB) Abgeschlossen werden soll dieser Beitrag mit einem Überblick über das Einführungsgesetz zum UGB. Angesichts eines Umfangs von weit über 100 Artikeln ist mehr als eine punktuelle Visite hier nicht zu leisten. Angesprochen werden sollen aber zumindest einige wesentliche Struktur- und Inhaltselemente. a) Wie bereits einleitend (III. 1.) bemerkt, gibt das EG UGB zum einen darüber Auskunft, welche Bestimmungen des geltenden Umweltrechts außer Kraft treten, weil sie durch das UGB 2009 abgelöst oder überflüssig werden. Beispiele hierfür sind die Aufhebung der Verordnung über genehmigungsbedürftige Anlagen – 4. BImSchV (Artikel 92 EG UGB) und die Aufhebung der Verordnung über Immissionsschutz- und Störfallbeauftragte – 5. BImSchV (Artikel 93 EG UGB). Die 4. BImSchV wird im Rahmen des UGB durch die VorhabenVerordnung, die 5. BImSchV durch die Umweltbeauftragtenverordnung ersetzt. b) Zum zweiten wird im EG UGB ausgewiesen, welche Vorschriften des geltenden Umweltrechts künftig als Bezugsvorschriften des UGB fortgelten. Zentrale Bedeutung kommt dabei u. a. dem untergesetzlichen Regelwerk zum BImSchG zu. Für die iVG enthalten § 54 UGB I-E eine Ermächtigung zum Erlass von Rechtsverordnungen über Anforderungen an genehmigungsbedürftige (= iVGpflichtige) Vorhaben und § 48 UGB I-E eine ergänzende Ermächtigung zum Erlass allgemeiner Verwaltungsvorschriften. Auf dieser Grundlage soll im UGB 2009 aber kein neues untergesetzliches Regelwerk eingeführt werden. Vielmehr soll sichergestellt werden, dass das bestehende Regelwerk für BImSchG-Anlagen künftig auch auf iVG-Anlagen Anwendung findet. Die notwendigen Weichenstellungen finden sich in Art. 104 EG UGB. Nach Absatz 1 dieser Bestimmung sollen einstweilen („bis zum Inkrafttreten einer Rechtsverordnung nach § 54 UGB I“) verschiedene Rechtsverordnungen nach dem BImSchG als Rechtsverordnungen nach § 54 UGB I fortgelten. Entsprechende Fortgeltungsregelungen werden für die TA Luft und die TA Lärm getroffen (Artikel 104 Abs. 3 und 4 EG UGB). Hervorzuheben ist, dass die genannten Verordnungen und Verwaltungsvorschriften nur in ihrem bisherigen Anwendungsbereich übergeleitet werden. Sie sind somit weiterhin allein auf Industrieanlagen und bestimmte Belastungspfade beschränkt. Eine Ausdehnung auf andere iVG-pflichtige Vorhaben oder Belastungspfade ist nicht vorgesehen. c) Breiten Raum nehmen im EG UGB Folgeänderungen bei anderen Rechtsvorschriften ein. Dies ist eine Konsequenz der vielfältigen Verzahnungen, Verflechtungen und Bezüge zwischen den Materien des UGB 2009 und dem übrigen Bundesrecht. Soweit Rechtsvorschriften außerhalb des UGB auf Bestimmungen verweisen, die durch das UGB abgelöst oder obsolet werden, müssen solche Bezüge entfernt oder an die neue Rechtslage angepasst werden. Der hier bestehende Änderungsbedarf ist beträchtlich.

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d) Darüber hinaus enthält das Einführungsgesetz zahlreiche Regelungen, die in keinem unmittelbaren Zusammenhang mit den Gegenständen des UGB 2009 stehen, sondern der Rechtsbereinigung dienen. Etliche bundesgesetzliche Vorschriften sind nicht mehr auf dem aktuellen Stand der Entwicklung. Sie sind inhaltlich überholt, weisen Fehler auf oder sind überflüssig geworden, weil ein früherer Regelungsbedarf entfallen ist. Deshalb hat sich die Bundesregierung eine allgemeine Bereinigung des Bundesrechts vorgenommen. Einige Ressorts haben dazu für den Vorschriftenbestand ihres Zuständigkeitsbereichs spezielle Rechtsbereinigungsgesetze erlassen. Für das Umweltrecht beschreitet das BMU einen anderen Weg: die notwendigen Änderungen sollen im Rahmen des EG UGB erfolgen. Eine spezielle Materie, die das EG UGB in diesem Zusammenhang „mit an Bord nehmen“ soll, ist die Ablösung rahmengesetzlicher Regelungsaufträge bei der UVP. Betroffen ist das neben dem UGB verbleibende „Rumpf-UVPG“ 47. Da die Rahmengesetzgebung mit der Föderalismusreform I abgeschafft worden ist, sollen die im UVPG derzeit noch bestehenden Rahmenvorschriften in den Bereichen „Raumordnung“ und „Forstwirtschaft“ durch bundesgesetzliche Vollregelungen ersetzt werden 48. e) Ein letzter, praktisch außerordentlich wichtiger Regelungspunkt des Einführungsgesetzes ist das Inkrafttreten des UGB (Artikel 114 EG UGB). Die dazu vorbereitete Vorschrift ist relativ komplex und verwickelt, weil verschiedene Belange „unter einen Hut“ gebracht werden müssen. Erstes Anliegen ist die Vorhaltung eines großzügig bemessenen Umstellungs- und Eingewöhnungszeitraums, der es den künftigen Anwendern des UGB ermöglichen soll, sich vor dem Inkrafttreten eingehend mit den neuen Vorschriften vertraut zu machen. Deshalb sollen alle fünf Bücher des UGB sowie das EG UGB erst 12 Monate nach Verkündung in Kraft treten. Wegen der vielfältigen Bezüge, die zwischen den einzelnen Büchern und dem EG UGB bestehen, soll hierfür ein gemeinsamer Stichtag bestimmt werden. Damit soll ausgeschlossen werden, dass die Bestandteile des UGB sukzessive in Kraft treten. Nur bei einigen Einzelvorschriften, insbesondere Rechtsverordnungsermächtigungen, ist ein früheres Inkrafttreten notwendig. Soweit es dabei um Materien geht, die der Abweichungsgesetzgebung unterliegen, muss zusätzlich die 6-Monats-Frist nach Art. 72 Abs. 3 Satz 3 GG beachtet werden.

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Vgl. o. I.3.b). Die notwendigen Anpassungen für UVP-pflichtige wasserwirtschaftliche Vorhaben werden im UGB I vorgenommen. 48

Die künftige Rechtsetzung im Umweltschutz – auf Bundesebene Von Hubert Steinkemper

Vorbemerkung Vor mehr als 2 Jahren wurde unter Leitung von Herrn Prof. Kloepfer eine viel beachtete fachliche Auftaktveranstaltung zu dem Vorhaben eines Umweltgesetzbuches (UGB) in den Räumen dieser Universität durchgeführt. In der überwiegenden Anzahl der damaligen Beiträge klang die Hoffnung und Erwartung durch, dass das Umweltgesetzbuch ein Erfolg werden möge. Selbstverständlich gab es auch skeptische Stimmen, die bezweifelten, ob es gelingen könne, ein so umfangreiches Vorhaben in einer Legislaturperiode durchzubringen. Ich selbst habe damals die Überzeugung geäußert, dass es bei gutem Willen der Beteiligten gelingen könne, ein fachlich gutes, fortschrittliches Umweltgesetzbuch zu erarbeiten. Aus meiner Sicht sollte sich diese Erwartung bestätigen. Innerhalb der Bundesregierung läuft die abschließende Abstimmung des Gesetzentwurfs mit dem Ziel, den Entwurf alsbald dem Bundeskabinett zur Beschlussfassung vorzulegen. Auf diesen Abstimmungsprozess und die noch in der Diskussion befindlichen Punkte werde ich später noch eingehen. Ausdrücklich danken möchte ich an dieser Stelle der von der UMK eingesetzten Bund-Länder-Arbeitsgruppe zum UGB (BLAG-UGB), die unter dem Vorsitz von Herrn Dr. Rittmann das Vorhaben von Anfang an begleitet und in vielen Sitzungen intensiv fachlich beraten hat. Diese Arbeitsgruppe hat das Vorhaben maßgeblich beeinflusst. Ein Dank gilt schließlich auch dem vom BMU berufenen „Projektkreis“, der das Vorhaben ebenfalls von Beginn an begleitet hat. In diesem Projektkreis, in dem Vertreter aus Wissenschaft, Verwaltung und Verbänden vertreten sind, wurden ebenfalls wertvolle Hinweise erarbeitet.

I. Der Entwurf des Umweltgesetzbuches umfasst, wie vielfach dargelegt, neben den ersten heute schon diskutierten 3 Büchern – dem UGB I, dem UGB II (Wasserrecht) und dem UGB III (Naturschutzrecht) – das UGB IV (Strahlen-

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schutzrecht) sowie das UGB V (Emissionshandelsrecht). Hinzu kommen das Einführungsgesetz (EG UGB) sowie die Vorhabenverordnung und die Umweltbeauftragten-Verordnung, die sich in den Komplex des UGB I einfügen. Dies zeigt, dass das Vorhaben ein breites Spektrum des Umweltrechts abdeckt, gleichwohl aber erhebliche Bereiche des Umweltrechts noch nicht einbezieht. Zu der Frage des Ineinandergreifens von neuem und altem Recht und den dazu notwendigen Übergangsvorschriften hat Herr Dr. Sangenstedt schon ausführlich Stellung genommen. Auf dieser Grundlage ist näher darauf einzugehen, wie sich eine künftige Rechtsetzung im Umweltschutz auf Bundesebene gestalten wird. Auch unter dem Regime eines neuen Umweltgesetzbuches bleiben Fachgesetze und Teile von Fachgesetzen bestehen. Dies betrifft die Teile des BundesImmissionsschutzgesetzes, die nicht im Zusammenhang mit dem Genehmigungsverfahren stehen. Aber auch das UVP-Gesetz wird zum Teil weiter gelten. Das UGB I regelt zwar – in Verbindung mit der Vorhabenverordnung – für einen bestimmten Kreis von Vorhaben das Erfordernis einer UVP. Dieser Anwendungsbereich umfasst jedoch nicht alle Vorhaben, für die nach dem geltenden UVP-Gesetz im Einklang mit den Vorgaben des Rechts der Europäischen Union eine Umweltverträglichkeitsprüfung erforderlich ist. Das UVP-Gesetz gilt daher – mit eingeschränktem Anwendungsbereich – fort. Als Beispiel sind die Verkehrsvorhaben zu nennen. Schließlich wird auch das Kreislaufwirtschaftsund Abfallgesetz fortbestehen, mit Ausnahme des Zulassungsrechts von Abfallbeseitigungsanlagen und der Regelung zur Betriebsorganisation sowie zur Bestellung eines Abfall- oder besser gesagt Umweltbeauftragten. Dieser Bereich wird nun in das Umweltgesetzbuch überführt. In das UGB nicht einbezogen werden darüber hinaus das Bodenschutzrecht, das Chemikalienrecht sowie das Atomrecht einschließlich des Rechts der ionisierenden Strahlen. Es fragt sich also, in welchen Bereichen die Arbeiten am UGB nach dem Jahre 2009 weitergehen und welche Bereiche auch künftig in speziellen Fachrechten belassen werden sollen. Dabei ist auch zu sehen, in welchen Bereichen die Federführung innerhalb der Bundesregierung beim Bundesumweltministerium liegt. Aus heutiger fachlicher Sicht möchte ich vorab folgendes noch einmal betonen: Es bietet sich an, die übrigen Teile des Immissionsschutzrechts in das UGB aufzunehmen, z. B. das Recht der nichtgenehmigungsbedürftigen Anlagen, den gebiets- und verkehrsbezogenen Immissionsschutz, ferner den Schutz vor gefährlichen Stoffen. Auch die Anforderungen an Produkte und Ressourcenschutz, das Kreislaufwirtschafts- und Abfallrecht sowie Bodenschutz und Altlasten kommen hierfür in Betracht. Schließlich könnte auch das Chemikalienrecht im Rahmen eines zukünftigen Stoffrechts in das UGB integriert werden. Nicht in das UGB einbezogen werden sollte das Atomrecht als weiterhin fachspezifisch gesondert zu regelnder Bereich. Für das Recht der ionisierenden

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Strahlen gibt es allenfalls erste Vorüberlegungen, wie dieses Gebiet künftig eingeordnet werden könnte.

II. Das nationale Umweltrecht wird in zunehmendem Maße von Regelungen des europäischen Gemeinschaftsrechts überlagert oder durch dessen Maßgaben bestimmt. Diese „Mehrebenensituation“ zwischen Europäischer Union, Bund und Ländern hat Herr Prof. Dr. Papier heute in seinem Vortrag schon näher beleuchtet. Nicht zuletzt war dieser Aspekt auch ein Kriterium für die Auswahl der Rechtsgebiete im vorliegenden UGB-Entwurf. Zwischenzeitlich hat sich das Gemeinschaftsrecht weiterentwickelt. Deshalb möchte ich einen Überblick darüber geben, wo wir heute gemeinschaftsrechtlich bei den einzelnen Fachrechtsgebieten stehen, und welche Schlussfolgerungen sich daraus für eine künftige Erweiterung des UGB ergeben. 1. Gebietsbezogene Luftreinhaltung / EU-Luftqualitätsrichtlinie Am 12. Juni d. J. ist die neue Luftqualitätsrichtlinie in Kraft getreten. Diese Richtlinie muss spätestens 2 Jahre nach ihrem Inkrafttreten in nationales Recht umgesetzt werden. Sie vereinheitlicht die bisherige Luftqualitätsrahmenrichtlinie mit den dazu erlassenen Tochterrichtlinien. Zugleich enthält sie neue Regelungen zum Feinstaub und ermöglicht einen befristeten Dispens von den Vorgaben der Richtlinie für besonders belastete Gebiete, wenn der Nachweis erbracht wird, dass die vorhandenen Möglichkeiten ausgeschöpft wurden. Im BMU haben wir ein erstes Konzept zur Umsetzung der Richtlinie erarbeitet. Dieses sieht eine Änderung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes sowie neue Regelungen im Bereich der bisherigen 22. und 33. BImSchV vor. Wir werden damit auf europäischer Ebene wie auch auf nationaler Ebene für die gebietsbezogene Luftreinhaltung einen konsolidierten Stand erreicht haben. Es liegt deshalb nahe, die gebietsbezogene Luftreinhaltung dann auch ins UGB zu überführen. 2. Chemikalienrecht / REACH Im Bereich des Chemikalienrechts ist die EU-Verordnung zur Registrierung, Bewertung, Zulassung und Beschränkung chemischer Stoffe (REACH-Verordnung) am 18. Dezember 2006 verabschiedet worden. Mit dem REACH-Anpassungsgesetz haben wir in Deutschland die erforderlichen rechtlichen Voraussetzungen für einen effektiven Vollzug der REACH-Verordnung geschaffen und überflüssig gewordene Vorschriften des deutschen Chemikalienrechts aufgeho-

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ben. Inhaltlich sieht das Anpassungsgesetz insbesondere bereinigte Zuständigkeits-, Sanktions- und Vollzugsregelungen vor. Zugleich werden Bereinigungen bei der Anmeldung neuer Stoffe und den Mitteilungspflichten vorgenommen. Die EU-Kommission hat darüber hinaus den Entwurf einer so genannten GHSVerordnung („Globally Harmonized System“) vorgelegt. Diese Verordnung soll die bisherigen Vorschriften zur Einstufung und Kennzeichnung durch unmittelbar geltendes EG-Recht ersetzen. Schließlich hat die Kommission eine Überprüfung der Biozid-Richtlinie ins Auge gefasst. Es ist damit zu rechnen, dass dies erhebliche Änderungen einschließlich einer Überführung in unmittelbar geltendes Gemeinschaftsrecht mit sich bringen wird. Mit diesen Vorhaben kann auf europäischer Ebene und damit auch für Deutschland ein konsolidiertes Chemikalienrecht erreicht werden, so dass sich auch dieses Rechtsgebiet für einen neu zu schaffenden Stoffrechtsteil des UGB eignet. 3. Abfallrecht / Abfallrahmenrichtlinie Auch im Abfallrecht hat sich auf europäischer Ebene Wesentliches getan. Das Europäische Parlament hat am 17. 06. 2008 der Novelle zur Abfallrahmenrichtlinie zugestimmt. Da diese Novelle nur noch formell vom Rat anzunehmen ist, wird die Regelung alsbald in Kraft treten. Die neue Richtlinie wird zu erheblichen Verbesserungen für den Umwelt-, Klima- und Ressourcenschutz in Europa sowie zu wesentlich mehr Rechtsklarheit und Rechtssicherheit im europäischen Abfallrecht führen. Die neue Abfallrichtlinie enthält hierzu folgende Kernelemente: • Die neue 5-stufige Abfallhierarchie verstärkt die Vermeidung und das Recycling von Abfällen. Die Mitgliedstaaten erhalten dabei die notwendige Flexibilität, um die jeweils beste Umweltoption auszuwählen. Ökonomische und soziale Faktoren sind dabei zu berücksichtigen. • Die Abfallvermeidung wird als oberstes Ziel moderner Abfallpolitik verstärkt. Wesentliche Instrumente sind dabei der Grundsatz der Produktverantwortung sowie Abfallvermeidungsprogramme. Darüber hinaus erhält die Kommission das Mandat, weitere Instrumente für die Abfallvermeidung zu entwickeln (neue Öko-Design-Politik). • Das Recycling wird durch eine erstmalige Normierung von Recyclingquoten für die Mitgliedstaaten gestärkt. • Die Bioabfallverwertung wird ebenfalls durch eine eigenständige Regelung aufgewertet. • Der Abfallbegriff wird präzisiert. Es werden verbindliche Regelungen für die Abgrenzung zwischen Abfällen und Nebenprodukten und das Ende der Abfalleigenschaft geschaffen. Dies erhöht die Rechtssicherheit für Betroffene und Behörden.

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• Die Abgrenzung zwischen energetischer Verwertung und der Beseitigung von Abfällen wird klarer konturiert. Zugleich wird sichergestellt, dass die Verstärkung der Verwertung nicht die nationalen Entsorgungsstrukturen im Bereich der Müllverbrennung gefährdet. • Schließlich werden umfassende Grundlagen für High-Tech-Umweltstandards für Entsorgungsanlagen geschaffen. Dieser Überblick mag genügen, um deutlich zu machen, dass die neue Richtlinie erhebliche und umfangreiche Veränderungen bringen wird. Die neue Abfallrahmenrichtlinie muss innerhalb von 24 Monaten nach ihrer Veröffentlichung von den Mitgliedstaaten in nationales Recht umgesetzt werden. In Deutschland wird dies durch eine umfassende Novelle des Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetzes erfolgen. Mit dem so auf europäischer und nationaler Ebene erreichten konsolidierten Stand wäre das Abfallrecht umfassend als weiterer Bereich geregelt, der sich als zusätzliches Element für das Umweltgesetzbuch eignet. 4. Bodenschutzrecht / Bodenrahmenrichtlinie Auf dem Gebiet des Bodenschutzrechts ist die Europäische Kommission ebenfalls aktiv geworden. Sie hat am 22. September 2006 eine europäische Bodenschutzstrategie vorgelegt, die als wesentliches Element den Vorschlag für eine Rahmenrichtlinie enthält. Dem Vernehmen nach beabsichtigt die derzeitige Ratspräsidentschaft, bis zum Ende des Jahres eine politische Einigung zu erreichen. Ob es dazu wirklich kommt, ist allerdings sehr fraglich. Neben Deutschland gibt es eine Reihe weiterer Mitgliedstaaten, die bemängeln, dass die vorgeschlagene Bodenrahmenrichtlinie nicht mit dem europarechtlichen Subsidiaritätsprinzip im Einklang stehe. Unbeschadet der weiteren Entwicklung auf gemeinschaftsrechtlicher Ebene ist jedoch festzuhalten, dass auch die Regelungen des Bundesbodenschutzgesetzes geeignet wären, als in sich geschlossenes Rechtsgebiet zu einem späteren Zeitpunkt in das Umweltgesetzbuch eingestellt zu werden. Dieser Überblick zeigt, dass die bisher nicht in den UGB-Gesetzentwurf einbezogenen Fachrechte, gerade auch unter gemeinschaftsrechtlichen Aspekten hinreichend Stoff für die weitere rechtliche Gestaltung des Umweltrechts auf Bundesebene bieten. Dies gilt auch für die Abgrenzung und das Zusammenwirken mit Regelungen auf der Ebene der Länder, auf die Herr Dr. Rittmann sicherlich noch näher zu sprechen kommen wird. Als Fazit möchte ich festhalten: Die angesprochenen Fachrechtsgebiete sind aus fachlicher Sicht sehr geeignet, zu einem späteren Zeitpunkt als weitere wesentliche Teilelemente in das UGB Eingang zu finden. Die Entscheidung

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darüber wird zum gegebenen Zeitpunkt letztlich aber auch unter übergreifenden Aspekten zu treffen sein.

III. Meine Damen und Herren, lassen Sie mich abschließend zum Stand der Ressortabstimmung des UGBGesetzentwurfs Stellung nehmen. Dabei ist eines vorweg zu betonen: Seit der Anhörung der beteiligten Kreise und der Länder im Sommer d. J. hat es eine Vielzahl von Abstimmungsgesprächen innerhalb der Ressorts auf Arbeitsebene und eine Reihe von Gesprächen auf der Ebene der Staatssekretäre gegeben. Die Anhörung und diese Gespräche haben zu mehreren Hundert Änderungen und Verbesserungen des Gesetzentwurfs geführt. Dafür ist allen, die sich daran beteiligt haben, zunächst einmal zu danken. Dass diese Gespräche sehr umfassend, differenziert und bisweilen kompliziert waren, ist angesichts des Umfangs der Materie nicht verwunderlich. Im Bundesumweltministerium haben wir jetzt die Einschätzung, dass es angesichts der zahlreichen, im Konsens erledigten Punkte auch möglich sein sollte, kurzfristig die wenigen verbliebenen Streitpunkte im Hinblick auf eine Kabinettbefassung zu erledigen. Auf folgendes ist hinzuweisen: Im Ressortkreis abschließend geklärt sind das UGB IV, also das Recht der Nichtionisierenden Strahlen sowie das UGB V, das den Emissionshandel regelt. Auch das Einführungsgesetz EG UGB ist abgesehen von wenigen eher redaktionellen Einzelpunkten abgestimmt. Beim UGB III (Naturschutzrecht), gab es zunächst eine Vielzahl von Diskussionspunkten. In den Ressortabstimmungen ist es jedoch von wenigen Ausnahmen abgesehen gelungen, durchgehend Konsens zu erzielen. Noch in der Diskussion sind die konkrete Ausgestaltung der Eingriffsregelung sowie drei weitere, eher marginale Einzelpunkte. Aber auch in diesen Bereichen befinden wir uns nach meiner Einschätzung auf der Zielgeraden zu einer Einigung. Für die Eingriffsregelung könnte dies bedeuten, dass es beim Vorrang der Realkompensation bleibt, dass dabei aber auf die Belange der Landwirtschaft mehr als das in den ursprünglichen Entwürfen der Fall war, in geeigneter Weise Rücksicht genommen wird. Beim UGB II (Wasserrecht) ist noch ein einziger Punkt in der Diskussion. Dabei geht es in § 54 UGB II um die genaue Regelung des Technikstandards und des Besorgnisgrundsatzes für Anlagen zum Umgang mit wassergefährdenden Stoffen.

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Schließlich hat sich auch beim UGB I die Anzahl der Diskussionspunkte ganz wesentlich reduziert. Noch nicht abschließend geklärt sind indes Punkte wie die Formulierung der „Umweltprinzipien“ in § 1, im UVP-Bereich die Regelung zum bisherigen „Altbestandsprivileg“ (§ 81 Abs. 2 UGB I) sowie die Kumulationsregelung (§ 82 [neu] UGB I). Auch die Formulierung der Grundpflichten (§ 52, Abs. 1 UGB I), die Regelung für Vorbescheid, Teilgenehmigung und vorzeitigen Beginn (§§ 55, 56 UGB I) sowie die konkrete Ausgestaltung des Anwendungsbereichs der integrierten Vorhabengenehmigung (iVG) werden noch erörtert. Um mit der iVG zu beginnen: Aus Sicht des BMU sollte es dabei bleiben, dass die integrierte Vorhabengenehmigung (iVG) nach dem allseits bekannten „Modell A“ im Sinne einer materiellen Integration gestaltet wird. Ein so genanntes „gestuftes Inkrafttreten“ – womit im eigentlichen Sinne keine Stufung, sondern eine Beschränkung der iVG ausschließlich auf den Bereich der Vorhaben, die der IVU-Richtlinie unterliegen, gemeint ist – sollte nicht Betracht kommen. Dies schon deshalb nicht, weil das allseits erklärte Ziel eines Umweltgesetzbuches Rechtsvereinfachung und Verfahrenserleichterung ist. Mit einer solchen „Stufung“ würde aber im Widerspruch dazu mit einer Vermehrung der Genehmigungsverfahrenstypen das Gegenteil erreicht. Im Übrigen ist das BMU den Ressorts im Vergleich zum Anhörungsentwurf bei der Bestimmung des Anwendungsbereichs der iVG in wesentlichen Punkten entgegen gekommen. Lassen Sie mich schließlich noch eine Anmerkung zur Regelung der Teilgenehmigung machen. Auf Wunsch der Ressorts wird in § 55 Abs. 1 Satz 2 UGB I nun ausdrücklich klargestellt, dass ein Anspruch auf eine Teilgenehmigung in den Fällen besteht, in denen die Teilgenehmigung für den konkreten Anlagenteil des Vorhabens oder für eine Gewässerbenutzung beantragt wird, sofern die allgemeinen Genehmigungsvoraussetzung erfüllt sind. Schließlich ist es vorstellbar, die im bisherigen Entwurf vorgesehene Kann-Bestimmung zur Erteilung von Vorbescheid, Teilgenehmigung und Zulassung des vorzeitigen Beginns in den §§ 55 und 56 UGB I als Soll-Bestimmung auszugestalten. Im Übrigen möchte ich zu diesem Themenkomplex auf die Ausführungen von Herr Dr. Sellner verweisen, der in seinem Vortrag die Dinge klargestellt hat. Soviel zum derzeitigen Stand der Abstimmung innerhalb der Bundesregierung. Bei gutem Willen aller Beteiligten sollte es möglich sein, dass sich die Auffassungen zu den verbliebenen, überschaubaren Diskussionspunkten jetzt rasch aufeinander zu bewegen, damit der Entwurf des Umweltgesetzbuches dem Bundeskabinett alsbald zur Beschlussfassung vorgelegt werden kann. Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

Die künftige Rechtsetzung im Umweltschutz auf Länderebene Von Albrecht Rittmann und Alexis von Komorowski Mit dem Umweltgesetzbuch sollen für das Bundesumweltrecht die Weichen auf Jahre und Jahrzehnte neu gestellt werden. Damit stellt sich – nach unserer bundesstaatlichen Ordnung unausweichlich – die Anschlussfrage, wie es künftig um die Umweltgesetzgebung der Länder bestellt sein wird. Den Verlockungen wohlfeiler Spekulation, zu der eine solche Frage Anlass geben mag, sucht dieser Beitrag durch juristische Nüchternheit zu entgehen. Dementsprechend geht er in einem ersten Schritt auf die veränderten rechtlichen Rahmenbedingungen ein, denen die Umweltrechtsetzung der Länder künftig Rechnung tragen muss (I.). Hierzu zählen einerseits die im Zuge der Föderalismusreform 2006 erreichten verfassungsrechtlichen Änderungen der umweltrechtlichen Gesetzgebungskompetenzen (I. 1.) sowie andererseits die einfachgesetzlichen Vorschriften des UGB (I. 2.). Nach dieser rechtlichen Vorabklärung und auf deren Basis wird in einem zweiten Schritt die Zukunft des Landesumweltrechts ausgelotet (II.). Dabei werden zum einen Entwicklungshypothesen aufgestellt (II. 1.), zum anderen die Sinnhaftigkeit und Machbarkeit eines Landes-UGB erörtert (II. 2.). Der kurze abschließende Ausblick ordnet die Umweltrechtsetzung der Länder in den Gesamtkontext ihrer eigenen Umweltschutzpolitik ein (III.). Dadurch soll Missverständnissen und Blickverengungen vorgebeugt werden.

I. Neue Rahmenbedingungen für die Umweltgesetzgebung der Länder 1. Neuordnung der Gesetzgebungskompetenzen Der grundgesetzlichen Kompetenzordnung war eine umfassende Gesetzgebungszuständigkeit des Bundes für den Schutz der Umwelt zwar immer schon fremd 1. Die zahlreichen und weitreichenden Einzelkompetenzen des Bundes in umweltrelevanten Bereichen haben jedoch zu einem seit jeher unverkennbaren Übergewicht des Bundes im Bereich der Umweltgesetzgebung geführt. 2 Dieser

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Entwicklung haben die Länder verschiedentlich entgegenzuwirken versucht. Zu erwähnen sind insbesondere die Verfassungsänderungen, die auf Empfehlung der Gemeinsamen Verfassungskommission Ende 1994 vorgenommen wurden. Indem der Zugriff des Bundesgesetzgebers auf die der konkurrierenden Gesetzgebung unterliegenden Regelungsmaterien an die striktere und vor allem auch voll justiziable Erforderlichkeitsklausel geknüpft 3, die zulässige Regelungsdichte bundesrechtlicher Rahmenvorschriften zusätzlich begrenzt wurde 4, konnten die Gestaltungs- und Innovationsspielräume für das Landesumweltrecht wieder ein wenig ausgedehnt werden. Dies gilt umso mehr, als das Bundesverfassungsgericht diese behutsame verfassungsrechtliche Neujustierung der Gesetzgebungskompetenzen recht länderfreundlich interpretiert hat 5. Erwähnt seien hier die Grundsatzentscheidungen zum Altenpflegegesetz 6 sowie zur Juniorprofessur 7. Mit der Föderalismusreform 2006 ist nun freilich der leichte Trend zur verfassungsrechtlichen Stärkung der umweltrechtlichen Gesetzgebungszuständigkeiten der Länder nicht bloß gestoppt worden. Vielmehr haben – unmittelbar gegenläufig – die Kompetenzen des Bundes zur Umweltrechtsetzung eine deutliche Stärkung erfahren. 8 Die bedeutsamste Neuerung ist, dass die Rahmengesetzgebungskompetenz im Bereich von Naturschutz und Wasserwirtschaft in die konkurrierende Gesetzgebung überführt wurde. Zu berücksichtigen ist allerdings, dass die Länder von den im Bereich des bisherigen Rahmenrechts getroffenen Vollregelungen des Bundes abweichen dürfen, sofern nicht bestimmte vom Grundgesetz definierte – oder sich aus dem überstaatlichen Recht ergebende – abweichungsfeste Kerne betroffen sind. 9 Der Zugriff des Bundesgesetzgebers auf das Umweltrecht ist ferner dadurch gestärkt worden, dass die der konkurrierenden Gesetzgebung unterfallenden Regelungsbereiche der Abfallwirtschaft und des Immissionsschutzes nicht länger der Erforderlichkeitsklausel unterliegen. 10 1

Das Fehlen eines einheitlichen Kompetenztitels „Recht der Umwelt“ beklagt Christof Sangenstedt, Umweltgesetzbuch und integrierte Vorhabengenehmigung, in: ZUR 2007, S. 505 (506). 2 Michael Klopefer, Umweltrecht, 3. Aufl, § 3 Rn. 91. 3 Rüdiger Sannwald, in: Bruno Schmidt-Bleibtreu / Hans Hofmann / Axel Hopfauf (Hrsg.), Grundgesetz, 11. Aufl., Art. 72 Rn. 41. 4 Wilfried Erbguth / Sabine Schlacke, Umweltrecht, 2005, § 4 Rn. 47. 5 Vgl. auch Volker Haug, Die Abweichungsgesetzgebung – ein Kuckucksei der Föderalismusreform?, in: DÖV 2008, S. 851 (852). 6 BVerfGE 106, 62 ff. 7 BVerfGE 111, 226 ff. 8 Zu den Auswirkungen der Föderalismusreform auf das Umweltrecht vgl. überblicksartig Alfred Scheidler, Die Föderalismusreform als Chance für ein Umweltgesetzbuch?, in: GewArch 2006, S. 453 (455 ff.). 9 Art. 72 Abs. 3 GG – ausführlich zur Abweichungsgesetzgebung Haug (Fn. 5), S. 854 ff.

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Des Weiteren ist der Bundesgesetzgeber nunmehr in der Lage, ohne Zustimmung des Bundesrats das im Umweltbereich besonders bedeutsame Verfahrensrecht und auch die Behördenorganisation zu regeln. 11 Freilich steht den Ländern insofern, wie schon bei den ehemals rahmenrechtlichen Materien, eine grundsätzliche Abweichungsbefugnis zu. Im Hinblick auf das Verwaltungsverfahren kann der Bundesgesetzgeber diese Abweichungsoption allerdings ausnahmsweise ausschließen, sofern dies im Rahmen eines Zustimmungsgesetzes geschieht und bestimmte Ausnahmevoraussetzungen erfüllt sind. Letztere sind nach den insoweit unzweideutigen Gesetzesmotiven bei Regelungen des Umweltverfahrensrechts regelmäßig gegeben, 12 Die durch die Föderalismusreform bewirkte Stärkung des Bundes im Bereich des Umweltrechts ist bekanntlich die Folge eines package deal: Das Mehr an bildungspolitischer Gesetzgebungskompetenz, das die Föderalismusreform den Ländern beschert hat, musste durch die Abgabe umweltrechtlicher Gesetzgebungszuständigkeiten „erkauft“ werden. 13 Anders als manch anderer package deal lässt sich dieses Geschäft auf Gegenseitigkeit sachlich ohne weiteres rechtfertigen. Denn Drittbegünstigter ist niemand Geringeres als der deutsche Bundesstaat. Für dessen Kohärenz und Konsistenz ist es nämlich ungleich bedeutsamer, dass die Länder in einem angestammten Bereich wie dem der Bildung ihre Kompetenzen öffentlichkeitswirksam arrondieren, als dass sie sich legislatorische Nischen in Regelungsbereichen erhalten, für die schon längst und für die Öffentlichkeit ganz selbstverständlich Berlin oder Brüssel die Hauptverantwortung tragen. 2. Das UGB Nach Auffassung des UGB-Entwurfsverfassers hat erst die Föderalismusreform 2006 und mithin die eben beschriebene Neuordnung der umweltbezogenen Gesetzgebungskompetenzen den Weg für das UGB frei gemacht. 14 Politisch gesehen ist dies gewiss zutreffend. Verfassungsrechtlich indes spricht Vieles dafür, dass der Bund auch schon vor der Föderalismusreform über genügend umweltbezogene Einzelkompetenzen verfügte, um ein umfassendes Umweltgesetzbuch zu erlassen. 15 Freilich soll an dieser Stelle keine umweltpolitische Vergangenheitsbewältigung betrieben, sondern stattdessen skizziert werden, wie das UGB die 10

Vgl. Art. 72 Abs. 2 GG. Art. 84 Abs. 1 GG. 12 BT-Drs. 16/813, S. 15. 13 Hierzu etwa Martin Stock, Föderalismusreform: Mit der Großen Koalition ins Abenteuer?, in: ZUR 2006, S. 113 (116 ff.). 14 Begründung zum UGB I-E (Stand: 20. 05. 2008), S. 8; in diesem Sinne auch Sangenstedt (Fn. 1), S. 506. 11

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Umweltrechtsetzung der Länder determinieren wird. Dazu ist vorneweg festzustellen, dass die Länder, soweit bekannt, bislang noch nicht umfänglich erhoben haben, welche Änderungen im Landesumweltrecht das UGB im Einzelnen nach sich ziehen wird. Im Folgenden soll daher lediglich versucht werden, durch Kategorienbildung systematisch zu erfassen, welche Konsequenzen das UGB für Landesumweltrecht haben wird. Zu unterscheiden ist zunächst zwischen dem vom UGB ausgelösten zwingenden umweltrechtlichen Regelungsbedarf und den nach Inkrafttreten des UGB verbleibenden landesumweltrechtlichen Regelungsoptionen. Unter diese beiden Oberkategorien lassen sich sodann wiederum Unterkategorien subsumieren, und zwar jeweils derer drei. a) Vom UGB ausgelöster zwingender landesumweltrechtlicher Regelungsbedarf Zwingenden landesumweltrechtlichen Regelungsbedarf vermag das UGB erstens insoweit auszulösen, als sich aus dem rechtsstaatlichen Prinzip der Rechtsklarheit 16 beziehungsweise aus dem föderalen Prinzip der Bundestreue 17 eine verfassungsrechtliche Pflicht ergeben kann, das Umweltrecht der Länder um solche Vorschriften zu bereinigen, die abweichend im UGB geregelt sind. Eine solche verfassungsrechtliche Verpflichtung muss jedenfalls dann angenommen werden, wenn landesumweltrechtliche Bestimmungen auf Grund paralleler UGBRegelungen als nichtig einzustufen sind, ihr gesetzesformaler Fortbestand zu einer massiven rechtlichen Unklarheit führt und hierdurch die Implementation des allein gültigen Bundesrechts erheblich erschwert wird. Zumindest in einer derartigen (Sonder-)Konstellation trifft das fragliche Land eine rechts- beziehungsweise bundesstaatliche Verpflichtung, seiner Regelung durch actus contrarius den Rechtsschein der Wirksamkeit zu entziehen. Zu berücksichtigen ist nun allerdings, dass der legislatorische Zugriff des UGB-Gesetzgebers überhaupt nur in Ausnahmefällen zur Nichtigkeit von gleichsinnigen oder abweichenden Bestimmungen des Landesumweltrechts führt. Denn zumindest die jetzige Tranche des UGB löst im Wesentlichen lediglich dort landesumweltrechtliche Bestimmungen ab, wo den Ländern von Verfassungs wegen 15

Reinhard Sparwasser / Rüdiger Engel / Andreas Voßkuhle, Umweltrecht, 5. Aufl., 2003, § 1 Rn. 176; Kloepfer (Fn. 2); vgl. auch Wolfgang Durner, Die Reform des Wasserrechts im Referentenentwurf zum Umweltgesetzbuch, in: NuR 2008, S. 293 sowie Annette Guckelberger, Der Referentenentwurf für ein UGB 2009 als erster Schritt auf dem Weg zur Kodifikation des Umweltrechts, in: NVwZ 2008, S. 1161 (1162). 16 Dazu nur Michael Sachs, in: ders. (Hrsg.), Grundgesetz, 4. Aufl., 2007, Art. 20 Rn. 123 ff. 17 Etwa Reinhold Zippelius / Thomas Würtenberger, Deutsches Staatsrecht, 31. Aufl., 2005, § 14 III.4.

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eine Abweichungsbefugnis zusteht. In diesen Regelungsbereichen aber gilt im Falle der inhaltlichen Überlappung nicht länger, dass Bundesrecht Landesrecht bricht. Statt dieses der deutschen Bundesstaatstradition entsprechenden Geltungsvorrangs greift ein bloßer Anwendungsvorrang der lex posterior. 18 Mithin büßen die landesrechtlichen Bestimmungen trotz späterer bundesrechtlicher Regelung des betreffenden Sachverhalts ihre Gültigkeit nicht ein. Sie sind nur aktuell, also etwa bis zu einer allfälligen Deregulierung des fraglichen Bundesrechts, außer Anwendung gesetzt. 19 Eine verfassungsrechtliche Bereinigungspflicht besteht infolgedessen von vornherein nicht. Dementsprechend wären die Länder verfassungsrechtlich unter keinem erdenklichen Gesichtspunkt daran gehindert, die der Abweichungsgesetzgebung zugänglichen Bestimmungen ihres Wasser- und Naturschutzrechts auch dort umfassend pro futuro als Auffangrecht aufrechtzuerhalten, wo der Bund kraft seiner neuen Gesetzgebungskompetenz eigene Vollregelungen geschaffen hat. Abweichendes gilt im Hinblick auf solche Regelungsmaterien der konkurrierenden Gesetzgebung, die der Abweichungsgesetzgebung der Länder nicht zugänglich sind. Hier bleibt es beim herkömmlichen Nichtigkeitsdogma. Gegenüber dem UGB liberalere Regelungen des Landesrechts über die Errichtung und den Betrieb von Tiergehegen für Tiere wild lebende Arten 20 können daher ebenso der rechts- und bundesstaatlichen motivierten verfassungsrechtlichen Bereinigungspflicht unterfallen wie etwa im Vergleich zum UGB weniger strikte landesrechtliche UVP-Pflichten im Bereich der Fischzucht 21. Denn im ersten Fall ist die Abweichungsbefugnis der Länder verfassungsunmittelbar ausgeschlossen, im zweiten Fall auf Grund der im UGB mit Zustimmung des Bundesrats verfassungskonform verfügten Abweichungsfestigkeit des allgemeinen Umweltverfahrensrechts. Zweitens löst das UGB dort einen zwingenden landesrechtlichen Regelungsbedarf aus, wo es ausnahmsweise ausdrückliche Regelungsaufträge enthält. So lässt sich beispielsweise dem Wasserbuch eine Verpflichtung entnehmen, wonach die Länder innerhalb bestimmter Fristen durch Verordnung – oder gegebenenfalls auch durch Gesetz – Überschwemmungsgebiete festzulegen haben. 22 Verpflichtende Wirkung entfaltet dieser einfachgesetzliche Gesetzgebungsauftrag auf Grund der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung – beziehungsweise mittelbar infolge der Bindung des Landesgesetzgebers an die verfassungsmäßige Ordnung. 23 18

Vgl. BT-Drs. 16/813, S. 11. Dazu etwa Wolfgang Köck / Rainer Wolf, Grenzen der Abweichungsgesetzgebung im Naturschutz, in: NVwZ 2008, S. 353 (354). 20 Dazu § 43 UGB III-E (Stand: 04. 07. 2008) im Vergleich etwa zu § 45c Abs. 2 Nds. NatSchG. 21 Vgl. Ziff. 13.2 des Entwurfs des Anhangs zur Vorhabenverordnung (Stand: 20. 05. 2008). 22 § 60 Abs. 1 Satz 1 UGB II-E (Stand: 03. 07. 2007). 19

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Zumindest theoretisch kann das UGB zwingenden landesrechtlichen Regelungsbedarf drittens auch insofern nach sich ziehen, als die Länder gehalten sind, ihre Verwaltung dahingehend anzupassen, dass die aus dem UGB erwachsenden Vollzugsaufgaben sachgerecht erledigt werden können. Diese Maßgabe folgt aus dem im Grundgesetz niedergelegten Grundsatz der Länderexekutive, wonach die Länder nicht nur befugt, sondern eben auch verpflichtet sind, Bundesgesetze als eigene Angelegenheit auszuführen. 24 Allerdings ist es praktisch kaum vorstellbar, dass beispielsweise die Behördenorganisation eines Landes derart ungeeignet ist, um Verfahren auf Erteilung einer integrierten Vorhabengenehmigung adäquat durchzuführen, dass sich die Gesetzesvollzugspflicht der Länder dahingehend verdichtet, dass die Behördenorganisation neu geregelt werden müsste. Denn beim Vollzugstyp der landeseigenen Verwaltung ist der Eigenverantwortlichkeit der Länder besonderes verfassungsrechtliches Gewicht beizumessen. Folglich dürfte selbst eine sonderbehördlich zerklüftete Organisation der Umweltverwaltung 25 verfassungsrechtlich kaum jemals zu beanstanden sein. b) Nach Inkrafttreten des UGB verbleibende Regelungsoptionen Nach allem führt der Erlass des UGB nur in Ausnahmefällen dazu, dass die Länder eine echte Rechtsetzungspflicht trifft. Als ungleich bedeutsamer erweisen sich daher die Konstellationen, in denen die Länder zwar nicht verpflichtet, wohl aber ermächtigt sind, gesetzgeberisch tätig zu werden. In diesem Zusammenhang sind erstens die in den verschiedenen Büchern des UGB enthaltenen Öffnungsklauseln zu nennen, durch die die Länder ausdrücklich zur landesrechtlichen Regelung bestimmter Sachverhalte befugt werden. Diese Öffnungsklauseln nehmen teilweise die Gestalt von Entschärfungsklauseln an. So können die Länder beispielsweise kleine Gewässer von wasserwirtschaftlich untergeordneter Bedeutung sowie Heilquellen von den Bestimmungen des Wasserbuchs ausnehmen. 26 In anderen Fällen stellen sich die Öffnungsklauseln als Verschärfungsklauseln dar. Als Beispiel hierfür sei auf die Bestimmung des UGB II über Tiergehege verwiesen, die nur weitergehende, also restriktivere Vorschriften der Länder unberührt lässt. 27 Mithin können die Länder statt der 23 Während der Landesverordnungsgeber unmittelbar auf Grund des Gesetzmäßigkeitsprinzips an den bundesrechtlichen Gesetzgebungsauftrag gebunden ist (vgl. etwa Art. 25 Abs. 2 2. Halbsatz LV BW), ergibt sich die entsprechende Bindung im Hinblick auf die Landtage nur mittelbar über den Vorrang der Verfassung (vgl. etwa Art. 25 Abs. 2 1. Halbsatz LV BW). 24 BVerfGE 37, 363 (385). 25 Zur Umweltverwaltungsorganisation auf Länderebene allgemein Sparwasser / Engel / Voßkuhle (Fn. 15), § 3 Rn. 31 ff. 26 § 2 Abs. 2 UGB II-E (Stand: 03. 07. 2007). 27 § 43 Abs. 5 UGB III-E (Stand: 04. 07. 2008).

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Anzeigepflicht, die das Naturschutzbuch für die Errichtung eines Tiergeheges grundsätzlich vorsieht, eine Genehmigungspflicht vorsehen; hingegen ist es ihnen außer in den bundesrechtlich ausdrücklich genannten Ausnahmefällen nicht erlaubt, die Anzeigepflicht abzuschaffen. Überwiegend freilich handelt es sich bei den Öffnungsklauseln der UGB-Bücher um Sowohl-als-auch-Klauseln. Sie lassen also gleichermaßen Standardverschärfungen wie Standardabsenkungen zu. Paradigmatisch hierfür ist die politisch heiß diskutierte UGB-Regelungslage hinsichtlich des Gewässerrandstreifens im Außenbereich. Das Wasserbuch sieht insofern fünf Meter vor, lässt aber jedwede abweichende Länderregelung zu – von der Nulllösung bis zu einem Gewässerrandstreifen von 10 Metern und mehr. 28 Landesrechtliche Regelungsoptionen existieren zweitens in den vom UGB nicht abschließend geregelten oder regelbaren Sachbereichen. Inwieweit in den Büchern des UGB eine bestimmte Regelungsmaterie erschöpfend und infolgedessen mit Sperrwirkung für die Landesgesetzgebung geregelt worden ist, lässt sich nur im Einzelfall durch sorgsame Auslegung der einschlägigen UGB-Regelungen beantworten. 29 Dabei ist namentlich auch die allgemeine Auslegungsmaxime zu berücksichtigen, dass bei verhältnismäßig jungen Gesetzen dem genetischen Interpretationsansatz besonderes Gewicht beizumessen ist. So ergibt sich beispielsweise schon aus den Gesetzesmaterialien, dass durch das Wasserbuch landesrechtliche Regelungen zum Wasserentnahmeentgelt nicht gesperrt werden sollen. 30 Misslich ist freilich, dass verfassungsrechtlich nach wie vor nicht abschließend geklärt ist, ob eine bundesgesetzliche Verordnungsermächtigung bereits vor oder aber erst nach Erlass der betreffenden Rechtsverordnung Sperrwirkung entfaltet. 31 Diese erhebliche Unschärfe der Sperrwirkungsdogmatik mag universitäre Klausurensteller freuen. Nicht nur, aber gerade auch im Rahmen des UGB bereitet sie hingegen erhebliches Kopfzerbrechen. Insofern sei nur an die zentrale Verordnungsermächtigung des Wasserbuchs erinnert, die umfassend alle möglichen Gegenstände künftiger wasserrechtlicher Regelungen erfasst. 32 Wäre tatsächlich davon auszugehen, dass Verordnungsermächtigungen ausnahmslos bereits vor ihrem Gebrauchmachen eine Sperrwirkung für die Ländergesetzgebung entfalten, 28

§ 30 Abs. 6 UGB II-E (Stand: 03. 07. 2007). BVerfGE 109, 190 (230); auch Köck / Wolf (Fn. 19), S. 355. 30 Begründung zum UGB II-E (Stand: 03. 07. 2007), S. 7; siehe auch auch Durner (Fn. 15), S. 303 sowie Michael Reinhardt, Identität und Zukunft des Wasserrechts als Bestandteil eines Umweltgesetzbuchs, in: ZUR 2008, S. 352 (357). 31 Dazu einerseits Christoph Degenhart, in: Sachs (Fn. 16), Art. 72 Rn. 16 und andererseits Bodo Pieroth, in: Hans D. Jarass / ders., Grundgesetz, 9. Aufl., 2007, Art. 72 Rn. 12. 32 § 16 UGB II-E (Stand: 03. 07. 2007); dazu auch Durner (Fn. 15), S. 300. 29

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würden mit Inkrafttreten des UGB II plötzlich etliche landesrechtliche Regelungen nichtig beziehungsweise unanwendbar. Nichtig wären beispielsweise die von der Abweichungsgesetzgebung ausgenommenen Regelungen, wozu etwa die für die Praxis hoch bedeutsamen Anlagenverordnungen der Länder (VAwS) 33 gehören würden. Nun sprechen allerdings die verfassungsjuristisch überzeugenderen Argumente dafür, dass die Sperrwirkung regelmäßig erst eintritt, nachdem von der Verordnungsermächtigung erschöpfend Gebrauch gemacht worden ist. Abweichendes gilt nur, wenn sich aus dem ermächtigenden Gesetz oder aus der die Gesetzesermächtigung nur teilweise ausfüllenden Verordnung explizit oder implizit eine ausnahmsweise Sperrwirkung für die Landesgesetzgebung ergibt. Im Fall der zentralen Verordnungsermächtigung des Wasserbuchs gibt es indes keine Anhaltspunkte dafür, dass diese Sperrwirkung entfalten soll. Dies lässt sich insbesondere auch nicht aus jener Überleitungsregelung des UGB II ableiten, nach der die Eigenkontrollverordnungen der Länder beziehungsweise die Landesregelungen über das Einleiten von Niederschlagswasser in das Grundwasser bis zum Inkrafttreten entsprechender Bundesrechtsverordnungen fortgelten sollen. 34 Denn hierdurch soll lediglich gewährleistet werden, dass Landesrecht vorübergehend in Kraft bleibt, obwohl der Bundesgesetzgeber mit dem Wasserbuch erstmals die Selbstüberwachung von Abwassereinleitungen selbst regelt 35 beziehungsweise die Länderermächtigung hinsichtlich der Erlaubnisfreiheit des Einleitens von Niederschlagswasser in das Grundwasser durch eine Vollregelung ersetzt 36. Folglich kann aus den in Rede stehenden Überleitungsbestimmungen gerade nicht der Umkehrschluss gezogen werden, dass abgesehen – von den dort erfassten Fällen – die Landesgesetzgebung im Anwendungsbereich der bundeswassergesetzlichen Verordnungsermächtigung ausgeschlossen wäre. Zu den vom UGB nicht regelbaren und infolgedessen der Landesgesetzgebung überantworteten umweltrechtlichen Sachbereichen gehört von Verfassungs wegen insbesondere auch der Schutz vor verhaltensbezogenem Lärm. Dabei ist in der Rechtslehre nach wie vor umstritten 37, ob der verhaltensbezogene Lärm – entsprechend der einfachrechtlichen Auslegungstradition – als Gegenbegriff zum anlagenbezogenen Lärm zu verstehen ist oder ob er – wie die Gesetzgebungsgeschichte dies suggeriert 38 – im weiteren Sinn als sozialer Lärm, mithin als 33

Vgl. Rüdiger Breuer, Öffentliches und privates Wasserrecht, 3.Aufl., 2004, Rn. 761. § 92 UGB II-E (Stand: 03. 07. 2007). 35 § 58 Abs. 3 UGB II-E (Stand: 03. 07. 2007). 36 § 38 Satz 3 UGB II-E (Stand: 03. 07. 2007). 37 Hierzu nur Hans D. Jarass, Bundesimmissionsschutzgesetz, 7. Aufl., 2007, Einleitung Rn. 41. 38 BT-Drs. 16/2069, S. 42, wo die im Gesetzgebungsverfahren gegenüber dem Regierungsentwurf vorgenommene Modifikation des Klammervorenthalts in Art. 74 Abs. 1 34

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Sport- und Freizeitlärm und Lärm von Anlagen mit sozialer Zweckbestimmung zu konkretisieren ist. Die Länder haben sich – zumindest immissionsschutzseitig – der restriktiveren Auffassung angeschlossen. Dies ist immerhin bemerkenswert. Denn es dürfte nicht eben häufig vorkommen, dass Länder den verfassungsrechtlichen Kampf um die Reichweite ihrer Rechtsetzungskompetenzen für beendet erklären, noch bevor er so recht begonnen hat. Des ungeachtet wird es dem Bundesverfassungsgericht vorbehalten bleiben, dieses Kompetenzproblem nach der einen oder anderen Seite abschließend zu lösen 39. Damit bleibt drittens noch darauf hinzuweisen, dass nach Inkrafttreten des UGB natürlich auch dort landesumweltrechtliche Regelungen möglich sein werden, wo den Ländern Abweichungsbefugnisse zustehen. Dabei gilt es zu differenzieren. Das UGB I schließt eine Abweichungsbefugnis der Länder im Hinblick auf das von ihm oder auf seiner Grundlage geregelte Umweltverfahrensrecht komplett aus. 40 Im Bereich des Wasserrechts sind wegen des Klammervorenthalts, der sämtliche stoff- und anlagenbezogenen Regelungen erfasst 41, der Abweichungsgesetzgebung der Länder enge Grenzen gesetzt. Die weitesten Spielräume dürfte daher das Naturschutzrecht der Abweichungsgesetzgebung der Länder bieten.

II. Zur Zukunft des Landesumweltrechts 1. Landesumweltrecht: Fossil oder Schrittmacher? Die Zukunftsprognosen, die dem Landesumweltrecht gemeinhin gestellt werden, könnten unterschiedlicher nicht ausfallen. Die verschiedenen Entwicklungshypothesen beruhen dabei im Wesentlichen auf abweichenden Bewertungen der Föderalismusreform. 42 Wer entscheidend darauf abstellt, dass durch die Föderalismusreform die umweltrechtlichen Gesetzgebungskompetenzen des Bundes arrondiert worden sind, wird dazu tendieren, das Landesumweltrecht zur aussterbenden Spezie zu erklären. Wer die Abweichungsgesetzgebung fokussiert, wird Nr. 24 GG von „ohne Sport- und Freizeitlärm und Lärm von Anlagen mit sozialer Zweckbestimmung“ in „ohne Schutz vor verhaltensbezogenem Lärm“ als bloße „redaktionelle Änderung“ ausgewiesen wird. 39 Das BVerfG wird sich in diesem Zusammenhang mit der methodologisch höchst interessanten Konkurrenz zwischen zwei von ihm in ständiger Rechtsprechung anerkannten Auslegungskriterien auseinandersetzen müssen, nämlich zwischen dem Auslegungskriterium der ‚Entstehungsgeschichte‘ (vgl. bspw. BVerfGE 88, 40 [56]) und dem des ‚historischen Zusammenhangs in der deutschen Gesetzgebung‘ (siehe etwa BVerfGE 106, 62 [105]). 40 § 140 UGB II-E (Stand: 03. 07. 2007). 41 Art. 72 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 GG. 42 Dazu und zum Folgenden Helmuth Schulze-Fielitz, Umweltschutz im Föderalismus – Europa, Bund und Länder, in: NVwZ 2007, S. 249 ff.

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seinerseits geneigt sein, einen Bedeutungszuwachs des Landesumweltrechts zu konstatieren. Diese Entwicklungshypothese wiederum kann – in Abhängigkeit vom föderalistischem Grundverständnis – zu gänzlich divergenten Folgebewertungen Anlass geben: Verfechter eines kooperativen Föderalismus werden den durch die Abweichungsgesetzgebung drohenden race to the bottom 43 beklagen, Vertreter des wettbewerbsföderalistischen Ansatzes hingegen die Chancen für einen umweltrechtlichen race to the top hervorkehren. Wer die Zukunft des Landesumweltrechts nüchtern ausloten möchte, muss sich unseres Erachtens zunächst von übertriebenen Erwartungen an die Abweichungsgesetzgebung frei machen – seien es positive oder negative. So wurde bereits darauf hingewiesen, dass die Regelungsmöglichkeiten, die den Ländern im Rahmen der Abweichungsgesetzgebung verbleiben, je nach Sachmaterie differieren und, insgesamt betrachtet, eher bescheiden ausfallen. Hinzu kommt, dass die Länder es sich aus zumindest vier Gründen wohl überlegen werden, ob sie von ihrer Abweichungsbefugnis Gebrauch machen. Denn erstens bedarf es gerade auch im politischen Raum einer besonderen Begründung, weshalb speziell in dem fraglichen Land die Verhältnisse so geartet sind, dass eine Abweichung vom einheitlichen Bundesrecht erforderlich wird. Schon dies hemmt den Rückgriff auf die Abweichungsbefugnisse. Zweitens sind sich die Länder durchaus bewusst, dass sie Mitverantwortung für die Anwendungsfreundlichkeit des Umweltrechts und für die Rechtssicherheit in diesem Regelungsbereich tragen. Jede Abweichungsgesetzgebung indes erschwert zwangsläufig den rechtlichen Vollzug und führt zur Verunsicherung der Rechtsanwender. 44 Die Länder werden daher immer nur ultima ratione von ihren Abweichungsbefugnissen Gebrauch machen. Dies gilt drittens auch deshalb, weil sie kein Interesse an einer demokratieschädlichen Ping-Pong-Gesetzgebung 45 haben können. Diese aber wäre zu befürchten, wenn Länder die Nichtberücksichtigung ihrer Anliegen im Verfahren der Bundesgesetzgebung mehr oder minder systematisch durch einen Rückgriff auf ihre Abweichungsbefugnisse ahnden würden. Denn eine solche Obstruktion seiner Politik könnte sich der Bundesgesetzgeber nicht bieten lassen. Er würde notgedrungen zur fatalen Ping-Pong-Gesetzgebung aufschlagen. Viertens ist die im Zuge der Föderalismusreform neu geregelte Lastentragung bei Verletzung europarechtlicher Verpflichtungen 46 angetan, die Länder von ei43

Vgl. Köck / Wolf (Fn. 19), S. 355. Eindrücklich hierzu René Grandjot, Die Neuregelung der Umweltkompetenzen nach dem Koalitionsvertrag, in: UPR 2006, S. 97 (98). 45 Dazu etwa Sandra Otto / Joachim Sanden, Verfassungsrechtliche Spielräume für das Naturschutzgesetzbuch, in: NuR 2007, S. 802 (804). 46 Art. 104a Abs. 6 GG. 44

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ner extensiven Abweichungsgesetzgebung abzuhalten. Denn mit der zunehmenden Europäisierung des deutschen Umweltrechts wächst die Gefahr, dass bei der Abweichungsgesetzgebung gegen europarechtliche Vorgaben verstoßen wird. Vertragsverletzungen indes sind mit finanziellen Risiken verbunden 47, zumal Kommission und Gerichtshof ihre Sanktionspraxis unlängst verschärft haben 48. Von diesen mit der Abweichungsgesetzgebung potenziell einhergehenden Haftungsfolgen für die Länder dürfte eine disziplinierende Wirkung ausgehen. Demnach spricht wenig für die Annahme, dass gerade die neuen Abweichungsbefugnisse der Länder dem Landesumweltrecht einen neuen Frühling bescheren werden. Genauso verfehlt wäre es allerdings, das Landesumweltrecht zum Fossil zu erklären. Vielmehr wird das Landesumweltrecht auch nach der Föderalismusreform und nach Inkrafttreten des UGB die Rolle beibehalten, die es bislang schon eingenommen hat, nämlich die eines Schrittmachers. Ein ebenso aktuelles wie überzeugendes Beispiel hierfür ist das am 1. Januar 2008 in Kraft getretene Erneuerbare-Wärmegesetz des Landes Baden-Württemberg 49. Dieses hat im Gesetzgebungsverfahren zum Erneuerbare-Energien-Wärmegesetz des Bundes 50 eine nicht unmaßgebliche Rolle gespielt und in der Folge dessen Regelungsgehalte mit geprägt. Allein schon unter diesem Gesichtspunkt lässt sich am Wärmegesetz Baden-Württemberg die Schrittmacherfunktion des Landesumweltrechts plastisch veranschaulichen. Hinzu kommt, dass das baden-württembergische Wärmegesetz mit Inkrafttreten des Wärmegesetzes nicht in vollem Umfang seine Wirksamkeit einbüßen wird. Soweit es im Hinblick auf den Wohngebäudebestand, also für Altbauten, die Pflicht begründet, zur Wärmeversorgung anteilig erneuerbare Energien zu nutzen, wird das Landeswärmegesetz neben dem Bundeswärmegesetz fortgelten. Und auch insofern wird das Erneuerbare-Wärmgesetz des Landes BadenWürttemberg der Schrittmacherfunktion des Landesumweltrechts gerecht. Denn es ruft dem Bundesgesetzgeber in Erinnerung, dass er die mit seinem Wärmegesetz verfolgten ehrgeizigen Klimaschutzziele nur erfüllen kann, wenn er die Nutzungspflicht auf den Altbestand erstreckt, wo das CO 2-Einsparpotenzial besonders groß ist. 51 Nun erweist es sich im Hinblick auf die Diskussion um die Zukunft des Landesumweltrechts als durchaus bemerkenswert, dass sich dessen fortbestehende 47

Vgl. Art. 228 Abs. 2 EGV. Hans-Joachim Cremer, in: Christian Calliess / Matthias Ruffert (Hrsg.), EUV / EGV, 3. Aufl., 2007, Art. 228 Rn. 10 ff. und 16. 49 Gesetz zur Nutzung erneuerbarer Wärmeenergie (Erneuerbare-Wärme-Gesetz) vom 23. November 2007 (GBl. S. 531). 50 Gesetz zur Förderung Erneuerbarer Energien im Wärmebereich (Erneuerbare-Energien-Wärmegesetz) vom 7. August 2008 (BGBl. I S. 1658). 51 Vgl. den Plenarbeitrag der Umweltministerin von Baden-Württemberg Tanja Gönner in der 846. Sitzung des Bundesrates am 04. 07. 2008 (BR-Prot., S. 201). 48

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Schrittmacherfunktion gerade auch am Fall der Wärmegesetzgebung praktisch verdeutlichen lässt. Denn die Zukunft des Landesumweltrechts ist zuletzt unter dem nahezu ausschließlichen Gesichtspunkt der Abweichungsgesetzgebung erörtert worden. Das Beispiel der Wärmegesetzgebung indes belegt eindrücklich, dass das Landesumweltrecht ohne weiteres auch im Bereich der klassischen konkurrierenden Gesetzgebung als Schrittmacher fungieren kann. 52 Für die Schrittmacherfunktion des Landesumweltrechts könnte es sich in diesem Zusammenhang als vorteilhaft erweisen, dass speziell die beiden vielleicht zukunftsträchtigsten Regelungsmaterien des Umweltrechts, das Recht der Klimaschutzes und das der Erneuerbaren Energien, zumindest schwerpunktmäßig dem ‚Recht der Wirtschaft‘ unterfallen. 53 Denn für diesen Kompetenztitel gilt die Erforderlichkeitsklausel fort, was die Innovationsspielräume für das Landesumweltrecht tendenziell erweitert. 2. Landes-UGB: Heillose Überforderung oder Mittel der Wahl? Das Landesumweltrecht bleibt demnach weiterhin bedeutsam. Dies rechtfertigt die Frage, in welche Form das zukunftsträchtige Landesumweltrecht gegossen werden soll, nachdem das Bundesumweltrecht seinerseits einer umfassenden Kodifikation unterworfen wurde. Die Frage so zu stellen, heißt, den Fokus auf das Thema Landes-UGB zu richten. Gegen ein Landes-UGB lassen sich im Wesentlichen dieselben Argumente anführen, wie sie seinerzeit gegen das Bundes-UGB ins Feld geführt worden sind. Der wohl schwerwiegendste Einwand beruht auf der Annahme, dass ein in dieser Form systematisiertes Landesumweltrecht Rechtsänderungen und -anpassungen erheblich erschwert. 54 In der Tat würde eine Kodifikation des Landesumweltrechts wesensnotwendig dazu führen, dass – im Vergleich zu den bislang sektoral fragmentierten Landesumweltgesetzen – die Abstraktionshöhe zunähme und die Verweisungszusammenhänge sich verdichteten. Infolgedessen wären bei einem Landes-UGB die vom Gesetzgeber zu bedenkenden Folgewirkungen selbst bei einer auf den ersten Blick unbedeutenden Rechtsänderung potenziell ungleich größer als bei einem relativ kleinteiligen Umweltgesetz. Die konsistente Fortschreibung des Landes-UGB erwiese sich vor diesem Hintergrund als überaus

52 Die Wärmegesetzgebung wird überwiegend und zutreffend der Gesetzgebungskompetenz der Luftreinhaltung (Art. 74 Abs. 1 Nr. 24 GG) zugeordnet – vgl. zum Wärmegesetz des Bundes (BR-Drs. 9/08, S. 19 f.) und zum baden-württembergischen Wärmegesetz (LT-Drs. 14/1781, S. 14). 53 Peter Nisipeanu, Tradition oder Fortentwicklung? Wasserrecht im UGB, in: NuR 2008, S. 87 (94 mit Fn. 78). 54 Dazu – bezogen auf das Bundes-UGB – Gerd Winter, Das Umweltgesetzbuch – Überblick und Bewertung, in: ZUR 2008, S. 337 (339).

Die künftige Rechtsetzung im Umweltschutz auf Länderebene

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anspruchsvolle Aufgabe, an der man selbstverständlich immer auch scheitern könnte. Allerdings sollten über die potenziellen Gefahren, die eine Systematisierung des Landesumweltrechts zweifellos in sich birgt, die greifbaren Chancen eines solchen Unternehmens nicht vernachlässigt werden. Immerhin besteht hierdurch die Möglichkeit, die auch im Landesumweltrecht erhebliche Normenmasse zu reduzieren. 55 So können, um ein besonders plastisches Beispiel zu nennen, die Jedermannspflichten aus den einzelnen Fachgesetzen 56 zu einer umfassenden ökologischen Jedermannspflicht zusammengeführt werden. Dies kommt der Lesbarkeit und damit der Anwenderfreundlichkeit des Landesumweltrechts unmittelbar zugute. Des Weiteren bietet ein Landes-UGB die Möglichkeit, das Integrationsprinzip auch landesrechtlich zu implementieren. 57 Die juristische Operationalisierung dieses Prinzips bereitet zwar – ähnlich wie die des Nachhaltigkeitsprinzips 58 – erhebliche Mühe. 59 Sie erscheint jedoch aus doppeltem Grund als alternativlos. Zum einen ist auf den vorgeordneten Regelungsebenen des Europa- und Bundesrechts der Schwenk zum Integrationsprinzip – vorläufig unumkehrbar – vollzogen worden. Zum anderen bleibt sein Kernanliegen bestechend, Umweltrecht zielgenau unter Berücksichtigung der Wechselwirkungen zwischen den einzelnen Umweltmedien zu konzipieren und zu vollziehen. Schließlich, aber nicht zuletzt lehrt die Erfahrung, dass bei einer grundständigen Neuerarbeitung eines Gesetzeswerks die Bereitschaft, althergebrachte Verfahren von Grund auf zu modernisieren und traditionsschwere Detailregelungen kritisch zu hinterfragen, merklich höher ist als bei bloßen Änderungsgesetzen. Im Rahmen einer Kodifikation des Landesumweltrechts lassen sich also effektiver als im Rahmen der bloßen Änderungsgesetzgebung Entbürokratisierungs- und Deregulierungspotenziale mobilisieren. Dessen aber bedarf es, um der massiven Vollzugsdefizite im Umweltrecht 60 endlich Herr zu werden. Bei Abwägung des Für und Wider eines Landes-UGB scheint es uns, als ob die Vorteile einer landesgesetzlichen Umweltrechtskodifikation ihre Nachteile 55 Dazu – bezogen auf das Bundes-UGB – Susanne Lottermoser, Das neue Umweltgesetzbuch, in: UPR 2007, S. 401 (402) sowie Sangenstedt (Fn. 1), S. 507. 56 Vgl. beispielsweise §§ 3a Abs. 7 WG BW, 7 NatSchG BW und 1 Abs. 2 LAbfG BW. 57 Dazu – erneut bezogen auf das Bundes-UGB – Lottermoser (Fn. 55) sowie Sangenstedt (Fn. 1), S. 508. 58 Dietrich Murswiek, „Nachhaltigkeit“ – Probleme der rechtlichen Umsetzung eines umweltpolitischen Leitbildes, in: NuR 2002, S. 641 ff. 59 Dazu nur Johannes Masing, Kritik des integrierten Umweltschutzes, in: DVBl. 1998, S. 549 ff. 60 Leider immer noch aktuell: Gertrude Lübbe-Wolff, Vollzugsprobleme der Umweltverwaltung, in: NuR 1993, S. 217 ff.

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tendenziell überwiegen. Dies gilt umso mehr, als der zentrale Einwand gegen ein Landes-UGB, nämlich dass ein systematisiertes Landes-UGB schwerer fortzuschreiben ist, zwar nicht gänzlich entkräftet werden kann, aber doch in zweierlei Richtung relativiert gehört. So darf zum einen nicht vernachlässigt werden, dass die Systematisierung des Landesumweltrechts die künftige Landesgesetzgebung zum Teil auch erleichtert. Insbesondere ist davon auszugehen, dass die Übernahme sowohl von Bundes- als auch von Europarecht weniger schwer fällt. Denn ein Landes-UGB wird sich an den rechtsdogmatischen Entwicklungen ausrichten, die sich im Umweltrecht auf nationaler sowie europäischer Ebene zuletzt vollzogen haben, und landesrechtliche Partikularismen regelmäßig nicht fortführen. Zum anderen dürfte sich ein Landes-UGB systematisch und strukturell eng an das Bundes-UGB anlehnen. Infolgedessen wird sich der Landesgesetzgeber bei künftigen Rechtsfortschreibungen immer auch ein Stück weit an dem orientieren können, was im Bundes-UGB und den anderen Landes-UGBen geschieht. Dies sind die klar zu benennenden Vorzüge des mit dem Bundes-UGB eigeleiteten Homogenisierungsprozesses im deutschen Umweltrecht.

III. Aufgabenvielfalt der Länderumweltpolitik Die bisherigen Überlegungen sollten verdeutlicht haben, dass die umweltrechtliche Landesgesetzgebung auch in Zukunft ein Grundpfeiler der Umweltschutzpolitik der Länder bleiben wird. Es handelt sich dabei aber nur um einen von mehreren Grundpfeilern, auf denen die Landesumweltpolitik beruht. Der statisch bedeutsamste Pfeiler ist weiterhin und unangefochten der umweltrechtliche Vollzug. Denn nach unserer föderativen Verfassung sind die Länder nun einmal in erster Linie Verwaltungsstaat. 61 Einen weiteren Grundpfeiler bildet die Mitwirkung an der Umweltgesetzgebung des Bundes. Die einzelnen Grundpfeiler stehen nicht isoliert für sich, sondern ergänzen sich vielfach in ihrer Stützkraft: Die potenzielle Möglichkeit, im Wege der Abweichungsgesetzgebung landesgesetzgeberisch tätig zu werden, stärkt die Stellung der Länder im Gesetzgebungsverfahren des Bundes. Durch Landesgesetzgebung können die Bedingungen für den Vollzug nicht nur des Landesumweltrechts optimiert werden. Umweltschutz auf Länderebene ist demnach durch Aufgabenvielfalt geprägt. Dies abschließend zu erinnern, erscheint in doppelter Hinsicht als sinnvoll. Denn es bewahrt vor überzogenen Erwartungen an die Landesumweltgesetzgebung. Und es unterstreicht, dass die Umweltrechtsetzung der Länder in enger Wechselbeziehung zu ihren anderen Umweltschutzaufgaben steht.

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Zippelius / Würtenberger (Fn. 19), § 46 II.1.; siehe auch Kloepfer (Fn. 2), § 3 Rn. 88.

Bessere Rechtsetzung und Umweltgesetzbuch 2009 Bemerkungen aus Sicht des Nationalen Normenkontrollrates Von Petra Schön 1 Der Nationale Normenkontrollrat hat die Auswirkungen des Umweltgesetzbuchs (UGB) hinsichtlich der Bürokratiekosten für die Wirtschaft untersucht. Aus seiner Sicht leistet das Umweltgesetzbuch einen wichtigen Beitrag zum Bürokratieabbau. Um die Position des Normenkontrollrats nachvollziehen zu können, bedarf es jedoch einer kurzen Einführung in den gesetzlichen Auftrag und die Arbeitsweise des Rates.

I. Programm der Bundesregierung zum Bürokratieabbau Unnötige Bürokratie ist ein Ärgernis für Wirtschaft, Bürger und Verwaltung gleichermaßen. Internationale Erfahrungen zeigen, dass überflüssige Berichtspflichten, Formulare und Anträge einen häufig unterschätzten Standort- und Kostenfaktor darstellen und der Volkswirtschaft erheblichen Schaden zufügen können. Die Bundesregierung hat sich deshalb zum Ziel gesetzt, die gegenwärtigen Bürokratiekosten auf den Prüfstand zu stellen und die bestehenden Belastungen der Unternehmen bis zum Jahr 2011 um 25 % zu senken; die Hälfte davon, also 12,5 Prozent, soll bereits Ende 2009 erreicht sein. Ausgehend von einer Gesamtbelastung der Wirtschaft von fast 48 Mrd. Euro bedeutet dies eine Entlastung der Unternehmen in zweistelliger Milliardenhöhe. Begleitet und unterstützt wird die Bundesregierung dabei durch den eigens zu diesem Zweck eingerichteten Nationalen Normenkontrollrat 2. Bereits im Koalitionsvertrag der Großen Koalition wurde im Jahr 2005 zwischen CDU, CSU und SPD die Einrichtung eines Normenkontrollrates vereinbart. 3 Diese Vereinbarung 1 Petra Schön ist Volljuristin und seit 2007 Referentin im Sekretariat des Nationalen Normenkontrollrats beim Bundeskanzleramt. Zuvor war sie Prüferin beim Bundesrechnungshof, von 2002 – 2003 als Referentin im Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit und von 2000 – 2003 bei der Bundesagentur für Arbeit tätig. 2 Nachfolgend auch (Normenkontroll-)Rat genannt. 3 „Gemeinsam für Deutschland – mit Mut und Menschlichkeit“, Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD vom 11. 11. 2005, S. 62.

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wurde mit der Verabschiedung des Gesetzes zur Einrichtung eines Nationalen Normenkontrollrates 4 (NKR-Gesetz) umgesetzt.

II. Bürokratiekosten aus Informationspflichten Das NKR-Gesetz zielt nicht auf den umfassenden Abbau aller Bürokratiekosten, sondern beschränkt sich auf diejenigen Kosten, die durch die Erfüllung gesetzlicher Informationspflichten entstehen. Informationspflichten sind auf Grund von Gesetz, Rechtsverordnung, Satzung oder Verwaltungsvorschrift bestehende Verpflichtungen, Daten und sonstige Informationen für Behörden oder Dritte zu beschaffen, verfügbar zu halten oder zu übermitteln. Dazu zählen zum Beispiel • alle Arten der Beantragung von Genehmigungen und Erlaubnissen wie beispielsweise Anlagengenehmigungen nach dem Bundesimmissionsschutzgesetz, allgemeine Baugenehmigungen oder Berufsanerkennungen, • Meldung des Umweltschutzbeauftragten an die zuständige Behörde, • Erklärungen und Meldungen gegenüber Finanzbehörden wie Lohnsteueranmeldung oder Umsatzsteuervoranmeldung, • Energiekennzeichnung von Haushaltsgeräten, • Verpflichtung zur Veröffentlichung von Angaben beispielsweise im Rahmen des Verbraucher- oder des Natur- und Umweltschutzes, • Daten und Informationen, die bei Kontrollbesuchen bereitgestellt werden müssen. Nicht zu den Bürokratiekosten im Sinne des NKR-Gesetzes zählen die sog. Befolgungskosten („compliance costs“). Damit sind die Kosten gemeint, die zur Erfüllung der inhaltlichen Pflicht einer Vorschrift entstehen. Dies sind beispielsweise • die Pflicht zur Einhaltung von Gewässerrandstreifen, • die Pflicht zur Bestellung von Umweltbeauftragten, • die Verpflichtung zur Zahlung einer Steuer, denn dabei handelt es sich um ein materielles Normziel (anders hingegen ist die Verpflichtung zur Abgabe einer Steuererklärung eine Informationspflicht) oder • die Verpflichtung zum Einbau eines Russpartikelfilters in ein Kraftfahrzeug. (Dagegen ist die Kennzeichnung eines Fahrzeugs mit einer Umweltplakette eine Informationspflicht.) Diese Einschränkung ist wichtig, da sie den Prüfauftrag des Normenkontrollrats begrenzen. Gleichwohl haben inhaltliche Regelungen häufig direkte 4

Gesetz zur Einsetzung eines Nationalen Normenkontrollrates vom 14. 08. 2006, BGBl. I S. 1866.

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Auswirkungen auf den Umfang der Bürokratiekosten. So beeinflusst z. B. der Umfang der genehmigungspflichtigen Anlagen die Zahl der Zulassungsanträge, die Einführung / Ausweitung von Gewässerrandstreifen hat Auswirkungen auf den Umfang der beantragten Ausnahmegenehmigungen oder die Bestellung von Umweltbeauftragten ist mit einer Meldepflicht an die zuständige Behörde verknüpft. Die Konzentration auf die Informationspflichten hat darüber hinaus zur Folge, dass einige zwischen Ressorts, Bundesländern, Wirtschafts- und Umweltverbänden zum Teil sehr kontrovers diskutierte Auswirkungen des UGB wie z. B. die Länge der Bearbeitungszeiten oder Rechtsunsicherheiten durch die Einführung neuer Rechtsbegriffe nicht der Bewertung durch den Normenkontrollrat unterliegen.

III. Zusammensetzung und Organisation des Nationalen Normenkontrollrats Im Herbst 2006 hat der Bundespräsident auf Vorschlag der Bundeskanzlerin im Einvernehmen mit den anderen Mitgliedern der Bundesregierung acht Mitglieder in den Normenkontrollrat berufen 5. Die Amtszeit der Mitglieder beträgt fünf Jahre. Der Normenkontrollrat hat seit September 2006 eine Vielzahl von Empfehlungen zum Bürokratieabbau gegeben 6, vor Ausschüssen des Bundestages berichtet und zum Bericht der Bundesregierung Stellung genommen 7. Die ehrenamtlich tätigen Mitglieder des Normenkontrollrates tagen wöchentlich. Im operativen Bereich wird der Rat durch sein 7-köpfiges Sekretariat unterstützt.

IV. Gesetzlicher Auftrag des Nationalen Normenkontrollrats Der Normenkontrollrat hat die gesetzliche Aufgabe, die Bundesregierung dabei zu unterstützen, die durch Gesetze verursachten Bürokratiekosten durch Anwendung, Beobachtung und Fortentwicklung einer standardisierten Bürokratiekostenmessung auf Grundlage des Standardkosten-Modells zu reduzieren. Er begleitet die Messung der bestehenden Bürokratiekosten und nimmt zu den zu erwartenden Bürokratiekosten aller neuen Gesetzentwürfe der Bundesregierung 5 Der Nationale Normenkontrollrat setzt sich zusammen aus Dr. Johannes Ludewig (Vorsitzender), Wolf-Michael Catenhusen (stellv. Vorsitzender), Prof. Dr. Johann Wittmann (Berichterstatter für das UGB), Herrmann Bachmeier, Dr. Hans D. Barbier, Prof. Dr. Gisela Färber, Henning Kreibohm und Dr. Franz Schoser. 6 Jahresbericht des Nationalen Normenkontrollrates „Bürokratieabbau – Jetzt Entscheidungen treffen“, Juni 2008, download unter www.normenkontrollrat.bund.de. 7 www.bundesregierung.de/Buerokratieabbau/buerokratieabbau.htm.

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Stellung, bevor diese in Kabinett und Bundestag behandelt werden. Der Normenkontrollrat berät die Bundesregierung in drei wesentlichen Punkten: • bei der Vermeidung neuer Bürokratiekosten (sog. Ex-ante-Verfahren), • bei der Reduzierung bestehender Bürokratiekosten aufgrund von Gesetzen, Verordnungen und Verwaltungsvorschriften und • bei der Anwendung der international anerkannten Regeln des StandardkostenModells. Dabei ist der Normenkontrollrat nur an seinen gesetzlichen Auftrag gebunden. Er ist in seiner Tätigkeit unabhängig. Dies stellt ihn frei von fachlichen Weisungen und sichert seine Neutralität sowohl im Blick auf die laufende Gesetzgebung als auch hinsichtlich von Vorschlägen zum Abbau von Bürokratielasten.

V. Transparenz über Bürokratiekosten durch das Standardkostenmodell In der Vergangenheit wurde in Deutschland die Frage, welche Bürokratiekosten durch die Befolgung gesetzlicher Informationspflichten entstehen, im Rahmen der Gesetzesfolgenabschätzung nicht gestellt. Niemand konnte sagen, mit wie vielen Informationspflichten die deutsche Wirtschaft konfrontiert wird, welche administrativen Abläufe in einem Unternehmen notwendig sind, um die Vorgaben gesetzlicher Informationspflichten zu erfüllen, und welche Kosten daraus resultieren. Dies änderte sich mit der Einführung des Standardkostenmodells. Dieses wurde Anfang der 90er Jahre in den Niederlanden entwickelt. Mit ihm wurde erstmals ein Instrument geschaffen, mit dem Bürokratiekosten mit einem vertretbaren Aufwand berechnet werden können. In den Niederlanden wurde mit Hilfe des Standardkostenmodells zunächst der Bestand der Bürokratiekosten gemessen und anschließend erfolgreich abgebaut. Die ersten Ergebnisse der niederländischen Bestandsmessung waren bemerkenswert. Niemand hatte es für möglich gehalten, dass allein die Informations- und Berichtspflichten der Wirtschaft Kosten in Höhe 16,4 Mrd. Euro, d. h. 3,5 % des Bruttoinlandsproduktes verursachten. Auf der Grundlage des Standardkostenmodells wurden inzwischen auch in Deutschland die Bürokratiekosten der Wirtschaft gemessen. Sie betragen rund 48 Mrd. Euro und damit rund 2 % des Bruttoinlandsprodukts 8.

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Das Bruttoinlandsprodukt betrug im Jahr 2007 rd. 2.423 Mrd. Euro.

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VI. Das Standardkostenmodell im Überblick Das Standardkostenmodell ist eine einfache und effektive Methode zur monetären Bewertung der Bürokratiekosten – also der Kosten, die bei Unternehmen, Bürgern, Verwaltungen augrund von gesetzlichen Informationspflichten entstehen. Kern dieses Modells ist die standardisierte Darstellung der Bürokratiekosten. Dazu werden zunächst modellhaft die Kosten zur Erfüllung einer Informationspflicht bestimmt, die in einem typischen Unternehmen entstehen. Anschließend werden diese mit der jährlichen Anwendungshäufigkeit im Unternehmen und sodann der Anzahl der in Deutschland betroffenen Unternehmen multipliziert. Im Ergebnis erhält man so für jede Informationspflicht die volkswirtschaftliche Belastung, die jährlich durch ihre Erfüllung entsteht. Mit Hilfe des Standardkosten-Modells lassen sich nicht nur in quantitativer Hinsicht belastbare Ergebnisse ermitteln. Darüber hinaus lässt sich auch ein qualitativer Mehrwert ableiten, denn es wird erstmals Transparenz über die einzelnen Arbeitsschritte hergestellt, die Unternehmen zu gehen haben, wenn eine Informationspflicht erfüllt wird.

VII. Prüfung neuer Regelungsvorhaben (Ex-ante-Verfahren) Da eine nachhaltige Reduzierung der Bürokratiekosten nur gelingen kann, wenn nicht gleichzeitig durch neue Gesetze zusätzliche Belastungen eingeführt werden, prüft der Normenkontrollrat im Rahmen des sog. Ex-ante-Verfahrens die Regelungsentwürfe der Ministerien auf das Entstehen neuer Belastungen. Maßgeblich für seine Prüfung ist dabei insbesondere folgende Fragestellung: • Hat das Ressort die zu erwartenden Bürokratiekosten nachvollziehbar und unter Anwendung des Standardkosten Modells quantifiziert? • Hat das Ressort in ausreichendem Maß weniger belastende Alternativen geprüft? • Hat das Ressort unter Berücksichtigung des beabsichtigten Regelungsziels die am wenigsten belastende Alternative ausgewählt? Der Nationale Normenkontrollrat hat seit seiner Konstituierung zu mehr als 720 Gesetz- und Verordnungsentwürfen der Bundesregierung Stellungnahmen abgegeben. Die Stellungnahmen des Normenkontrollrats werden dem Regelungsvorhaben gesondert beigefügt und zusammen mit dem Entwurf dem Kabinett vorgelegt. Danach wird sie mit dem Kabinettbeschluss in das Parlament eingebracht und als Drucksache veröffentlicht. Im Rahmen dieses Ex-ante-Verfahrens hat der Normenkontrollrat auch den Entwurf des UGB geprüft und erstmals am 24. September 2008 dazu Stellung genommen 9.

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VIII. Messung des Ausgangsbestands an Bürokratiekosten der Wirtschaft Wie bereits oben erwähnt beabsichtigt die Bundesregierung eine Reduktion von 25 % der gegenwärtigen Bürokratiekostenbelastung bis Ende 2011, von der sie „in etwa die Hälfte“ 10 bis Ende 2009 erreichen will. Um dieses Ziel zu erreichen und die bestehenden Bürokratiekosten nachweisbar zu senken, musste zunächst der (Ausgangs-)Bestand ermittelt werden. Dazu wurden im 4. Quartal 2006 die durch Bundesrecht verursachten Informationspflichten von den einzelnen Ressorts flächendeckend identifiziert – insgesamt immerhin ca. 10.500 Informationspflichten – und anschließend dem Statistischen Bundesamt zur Kostenmessung gemeldet. Das Statistische Bundesamt hat die Ermittlung der Kosten inzwischen abgeschlossen und kommt zu einer Gesamtbelastung der deutschen Unternehmen von knapp 48 Mrd. Euro.

IX. Auswirkungen des UGB auf die Bürokratiekosten von Unternehmen Um das 25-prozentige Abbauziel erreichen zu können, stand auch das UGB unter der Prämisse, die Bürokratiekosten der Wirtschaft zu senken. Ein Anspruch, den der Nationale Normenkontrollrat im Rahmen seines Prüfauftrags beim aktuellen Entwurf des UGB als erfüllt ansieht. Der Nationale Normenkontrollrat hat den Entwurf des UGB 11 auf Bürokratiekosten, die durch Informationspflichten begründet werden, geprüft und am 24. September 2008 gegenüber dem Ressort seine Stellungnahme abgegeben 12. Der Normenkontrollrat hält die Einschätzung des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit, wonach das UGB zu einer NettoEntlastung der Wirtschaft von rund 27,2 Mio. Euro führt, für plausibel. Darüber hinaus besteht zwischen Rat und Ressort Einvernehmen darüber, dass durch den 9

Berücksichtigt ist der Sachstand bis zur Tagung „Das Umweltgesetzbuch 2009“ am 10. Oktober 2008. Die Stellungnahme des Normenkontrollrats war bis zur Tagung noch nicht öffentlich, da der Gesetzentwurf noch nicht im Bundeskabinett beschlossen worden war. 10 Bericht der Bundesregierung 2007 S. 25. 11 Da das Einführungsgesetz zum Umweltgesetzbuch hinsichtlich der Bürokratiekosten auf lediglich auf die Ausführungen im Entwurf zum Umweltgesetzbuch verwiesen hat, hat der Normenkontrollrat von einer gesonderten Stellungnahme abgesehen. 12 Die Stellungnahme des Normenkontrollrats war bis zur Tagung noch nicht öffentlich, da der Gesetzentwurf noch nicht im Bundeskabinett beschlossen worden war.

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Verzicht der bislang in § 5 Abs. 4 Bundesnaturschutzgesetz verankerten schlagspezifischen Dokumentation beim Einsatz von Pflanzenschutzmitteln weitere Einsparpotenziale realisiert werden können. Mit dem UGB werden insgesamt 26 Informationspflichten neu eingeführt, von denen allerdings 18 Informationspflichten bereits auf Landesebene bestehen und nun in das UGB aufgenommen werden sollen. Darüber hinaus werden 32 Informationspflichten geändert und 14 Informationspflichten aufgehoben. Darüber hinaus entfällt nach Angaben des BMU eine Informationspflicht für Bürgerinnen und Bürger, wodurch sich der Aufwand im Zusammenhang mit dem bisherigen naturschutzrechtlichen Anerkennungsverfahren vermindert. Daneben werden Informationspflichten der Verwaltung aus dem bestehenden Recht übernommen und angepasst. Aus Sicht des Normenkontrollrates hat das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit die Bürokratiekosten gut nachvollziehbar und ausführlich dargestellt. Die ihm vorgelegten Berechnungen entsprechen dem Standardkostenmodell und sind schlüssig. Um die Einschätzung des Ressorts angemessen bewerten zu können, hatte der Nationale Normenkontrollrat Gespräche mit Vertretern verschiedener Wirtschafts- und Umweltverbände geführt. Er hat verschiedene Stellungnahmen und die Ergebnisse der Planspiele ausgewertet. Möglichen anderen Belastungen (z. B. Rechtsunsicherheiten durch neu eingeführte Rechtsbegriffe, Verlängerung von Bearbeitungszeiten) waren nicht Gegenstand der Bewertung durch den Normenkontrollrat, da sich sein gesetzlicher Auftrag auf die Prüfung von Bürokratiekosten bezieht, die durch Informationspflichten hervorgerufen werden (s. o.). Die Bürokratiekosteneinsparungen sind – abgesehen von der Regelung zur schlagspezifischen Dokumentation – im Wesentlichen auf das Umweltgesetzbuch Erstes Buch (UGB I) zurückzuführen. Durch Rechtsvereinfachung, Systematisierung, Strukturierung und Vereinheitlichung von Verfahrensvorschriften reduzieren sich die Bürokratiekosten für die Zulassung von Industrieanlagen. Kernstück des UGB I ist die Einführung der integrierten Vorhabengenehmigung. Nach dem derzeit geltenden Recht muss ein Unternehmen für genehmigungsbedürftige Anlagen, die mit einer Gewässerbenutzung verbunden sind, zwei Anträge stellen. Künftig werden das immissionsschutzrechtliche Verfahren nach dem Bundesimmissionsschutzgesetz (BImSchG) und das wasserrechtliche Erlaubnis- oder Bewilligungsverfahren nach dem Wasser-Haushaltsgesetz (WHG) durch ein einziges Antragsverfahren ersetzt. Das Ressort konnte für die Ex-ante-Schätzung der Kosten durch das UGB die vom Statistischen Bundesamt ermittelten Daten nutzen. Wie oben dargestellt, hat das Statistische Bundesamt die Bürokratiekosten der Wirtschaft – und damit z. B. auch die Kosten für immissionsschutz- und wasserrechtliche Antragsverfah-

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ren – im Rahmen der Bestandsmessung ermittelt. Das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit hat diese Daten fortgeschrieben. Dazu hat es in einem ersten Schritt die stichtagsbezogenen Daten des Statistischen Bundesamts um die danach in Kraft getreten Rechtsänderungen (z. B. Bundesimmissionsschutzbeschleunigungsgesetz) bereinigt und dann in einem weiteren Schritt die Auswirkungen durch das UGB auf Basis des Standardkostenmodells berechnet. Maßgeblich dafür waren die Veränderungen der jeweiligen Arbeitsschritte, die in einem Unternehmen bei der Beantragung anfallen.

X. Fazit Das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit hat die Auswirkungen des UGB mit Hilfe des Standardkostenmodells errechnet. Es hat in dem vorliegenden Regelungsentwurf alle Berechnungen und Annahmen auf über 120 Seiten transparent und nachvollziehbar dargestellt und insoweit eine gute Grundlage für eine sachorientierte Diskussion über die Bürokratiekosten mit den anderen Ressorts und Bundesländern sowie den Wirtschafts- und Umweltverbänden geschaffen. Das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit leistet mit der Kodifikation des Umweltrechts einen weiteren, wichtigen Beitrag zum Bürokratieabbau unter Beibehaltung bestehender Umweltstandards. Es sollte aus Sicht des Normenkontrollrates den eingeschlagenen Weg konsequent weiter gehen und künftig auch die Rechtsbereiche auf mögliche Reduzierungspotenziale hin überprüfen, die unverändert in das UGB übernommen worden sind. Hierzu bietet es sich nach Auffassung des Rates z. B. an, die derzeitige Überarbeitung der IVU-Richtlinie auch dazu zu nutzen, die national verursachten Bürokratiekosten einer eingehenden Prüfung zu unterziehen und auf europäischer Ebene auf den Abbau überflüssiger Bürokratiekosten für die Wirtschaft hinzuwirken.

Politische Konflikte beim Erlass des Umweltgesetzbuches 2009 Von Matthias Miersch Seit den 70er-Jahren stoßen die unterschiedlichen Interessen in der Diskussion über die Überwindung des zersplitterten Umweltrechts und die Schaffung eines einheitlichen Umweltgesetzbuches (UGB) aufeinander und verhindern bislang die Kodifikation des deutschen Umweltrechts. Aktuell ist die Realisierung dieses ehrgeizigen Projekts greifbar nahe. Alle Beteiligten sind aufgerufen, nun die letzten Hürden zu überwinden. Eine ähnliche Chance wird sich in absehbarer Zukunft nicht mehr ergeben! Im Rahmen der Föderalismusreform im Jahr 2006 haben die Bundesregierung, die im Bundestag vertretenen Parteien und der Bundesrat das Ziel der Schaffung eines UGB einheitlich erklärt. Die Diskussionen der letzten Monate zeigen, dass die Schlagworte „Rechtsvereinheitlichung“, „Bürokratieabbau“, „Beschleunigung von Genehmigungsverfahren“ oder die „ganzheitliche Betrachtung der Umweltmedien“ von den Akteuren völlig unterschiedlich ausgelegt werden. Die Konfliktfelder verlaufen auf den unterschiedlichen Ebenen: zwischen Bundesregierung / Bundestag / Bundesrat, zwischen den Ministerien innerhalb der Bundesregierung und zwischen den Umweltorganisationen und Wirtschaftsverbänden. Nicht zu übersehen ist in diesem Zusammenhang, dass die Schaffung der Abweichungskompetenz den Bundesländern ein Druckmittel verschafft, das die geschaffene Vollkompetenz des Bundes in wichtigen Umweltrechtsbereichen in Frage stellt. In einigen Bundesländern besteht insoweit offenkundig bereits die Absicht, naturschutzrechtliche Grundsätze (Eingriffsregelung) zugunsten einer proklamierten Wirtschafts- und Industriefreundlichkeit zu ändern. Beispiel weiterer Konfliktfelder ist die „gute fachliche Praxis“ in der Landwirtschaft. All diese Aspekte zeigen, dass verfassungsrechtliche Auseinandersetzungen über die Weite der Abweichungsrechte drohen. Ein UGB könnte die Gefahr dieser Auseinandersetzung zumindest mindern, da sich auch in den einzelnen Bundesländern die Frage stellen würde, inwieweit eine abweichende Regelung tatsächlich vor dem Hintergrund einer bundeseinheitlichen Regelung sinnvoll und notwendig erscheint. Unter den Ministerien brachen bereits im Rahmen der Erstellung des Referentenentwurfs die alten Gräben wieder auf. Das Wirtschafts- und das Landwirt-

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Matthias Miersch

schaftsministerium sprachen sich gegen zu hohe Umweltstandards und für eigene Fachrechte außerhalb des UGB aus. Das Justiz- und das Innenministerium problematisierten die weitere Etablierung des Umweltverfahrensrechts gegenüber dem nationalen Verwaltungsverfahrensrecht, wie schon im Rahmen des Umweltrechtsbehelfsgesetzes, des Öffentlichkeitsbeteiligungsgesetzes und des AarhusÜbereinkommen-Gesetzes. Hier wurde z. B. das Verbandsklagerecht auf subjektiv-öffentliche Rechte beschränkt. Nachdem sich die Industrie, vertreten durch den Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI), in der Endphase der Verhandlungen zur Föderalismusreform noch für ein einheitliches UGB ausgesprochen hatte, wird jetzt die Notwendigkeit eines UGB zunehmend in Frage gestellt. Im Bereich des Wasserrechts forderten wichtige Verbände der Wasserwirtschaft z. B. den Erhalt der Regelungen alter Rechte. Die von der Wirtschaft ursprünglich erhobenen Forderungen nach Rechtsvereinheitlichung und Straffung des Rechts finden somit bereits ihre Grenze im 13. Jahrhundert. Auch der Nutzen der „integrierten Vorhabengenehmigung“, des Herzstücks des UGB, müsse nun erst einmal nachgewiesen werden, so der BDI. Den Unternehmen solle mehr Eigenverantwortlichkeit bei der Realisierung von Umweltzielen gelassen werden. Die Umweltverbände verlangen demgegenüber einen „qualitativen Mehrwert für Umwelt-, Klima- und Naturschutz und die Lebensqualität in Deutschland“. Es scheint also so, als ob die Erarbeitung des UGB einer Quadratur des Kreises gleich komme. Es droht die Gefahr, dass die aufgrund der komplizierten Rechtslage nach der Föderalismusreform ohnehin schwierige Erarbeitung des UGB im Widerstreit der Interessen zerredet wird. Dazu darf es nicht kommen! Der politische und rechtliche Schaden wäre nicht überschaubar. Gerade die Wirtschaft muss sich fragen, inwieweit die sich dann ergebende Rechtszersplitterung unabsehbare negative Folgen hätte. Aktuell scheint der Widerstand aus Teilen der Wirtschaft am größten. Deshalb muss auf die Planspiele in einzelnen Bundesländern verwiesen werden, die die Praktikabilität des ersten Buches des UGB-Entwurfs gezeigt haben. Gleichzeitig hat der Normenkontrollrat die Effektivität beurteilt und ein enormes Einsparvolumen (ca. 27 Mio. Euro) für die Wirtschaft ermittelt. Würde das UGB nicht realisiert werden, wären aber auch internationale Aspekte betroffen. Deutschland würde als Nationalstaat mit eigenen ambitionierten (umweltpolitischen) Vorstellungen nicht mehr sichtbar, sondern wäre lediglich ausführendes Organ ohne eigenes Profil für europäische Richtlinien und Verordnungen. Immer wieder haben maßgebliche Entscheidungsträger der Europäischen Union auf die wichtige Rolle der Bundesrepublik Deutschland im Rahmen der europäischen Rechtsfortbildung hingewiesen. So hat auch der zuständige Umweltkommissar Stavros Dimas angesichts der Diskussionen zur Föderalismusreform an die Bundesrepublik Deutschland appelliert, ihre aktive Rolle im Bereich der Umweltpolitik fortzusetzen. Deutsch-

Politische Konflikte beim Erlass des Umweltgesetzbuches 2009

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land wäre gut beraten, diesen Herausforderungen durch ein Umweltgesetzbuch gerecht zu werden. In diesem Zusammenhang wäre es wünschenswert, wenn der Klimawandel, die Verknappung von Ressourcen, der Flächenverbrauch und der massiv voranschreitende Verlust der biologischen Vielfalt in einem UGB als die künftigen Herausforderungen Berücksichtigung finden würden. Auf der anderen Seite muss anerkannt werden, dass ein einheitliches UGB ohne Substanzverlust bereits ein Mehrwert an sich darstellt. Das Umweltgesetzbuch muss deshalb verwirklicht werden. Es wäre ein erster, aber wichtiger Schritt hin zu einem übersichtlichen und anwenderfreundlichen Umweltrecht. Das UGB kann somit (noch) nicht der „Heilsbringer“ für eine verbesserte Umweltgesetzgebung sein. Es kann aber eine solide Grundlage liefern für weitere innovative Schritte im Bereich des Umweltrechts, um schließlich eine adäquate Antwort auf die großen Herausforderungen unserer Zeit geben zu können.

Protokoll der Podiumsdiskussion vom 10. Oktober 2008

Moderator Prof. Dr. Eberhard Bohne: Meine Damen und Herren, ich eröffne unsere abschließende Podiumsdiskussion. Zunächst möchte ich Ihnen die Teilnehmer vorstellen. Ich begrüße als Vertreterin des Bundesumweltministeriums die Parlamentarische Staatssekretärin Astrid Klug. Die Länderebene wird von der Umweltministerin des Landes Baden-Württemberg, Frau Gönner, vertreten. Als Vertreter der Wirtschaft ist Herr Dr. Kreklau, Mitglied der Hauptgeschäftsführung des Bundesverbandes der Deutschen Industrie, hier anwesend. Weiterhin begrüße ich Frau Barth vom Öko-Institut in Darmstadt, die vielfältig in die laufenden Diskussionen über das Umweltgesetzbuch verwoben ist. Seien Sie uns alle herzlich willkommen! Innerhalb der Bundesregierung wird jetzt seit über einem Jahr sehr intensiv über den Entwurf eines Umweltgesetzbuches diskutiert. Genau genommen wird über dieses Werk der Kodifikation schon seit fast 30 Jahren diskutiert. Wir haben gestern sehr viel von den verschiedenen Interessen, die im Spiel sind, gehört, ebenso von den Kompromissen, die eingegangen werden mussten. Frau Klug, ich möchte Sie eingangs fragen, wo eigentlich die Schmerzgrenze für das BMU liegt, an welchem Punkt Sie sagen würden: Ehe wir dieses oder jenes akzeptieren – etwa bei der integrierten Vorhabengenehmigung –, lassen wir das ganze Projekt lieber mit einem Knall platzen. Astrid Klug: Wir wissen alle, dass das UGB ein Projekt ist, welches einen echten Kraftakt erfordert. Es gibt überaus viele gute Gründe, weshalb wir uns die Realisierung dieses Projektes für diese Legislaturperiode vorgenommen haben. An diesem Projekt haben sich in den letzten 20 oder 30 Jahren schon viele versucht, und das mit guten Argumenten. Jetzt ist die einmalige Situation gegeben, dass wir ein Zeitfenster haben, um dieses UGB tatsächlich zu stemmen. Dieses Zeitfenster steht uns aber nicht unbegrenzt, sondern nur in dieser Legislaturperiode offen. Mit Fortschreiten der Legislaturperiode beginnt dieses Zeitfenster sich zu schließen. Das heißt, wir stehen jetzt tatsächlich an einem entscheidenden Punkt. Es stellt sich die Frage, ob die Politik gemeinsam mit allen, die in den letzten Monaten an dem UGB gearbeitet haben, es dieses Mal schafft, im entscheidenden Moment – bildlich gesprochen – auch tatsächlich zu springen oder ob am Ende doch wieder die Courage, die Kompromissbereitschaft und

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die Durchsetzungskraft fehlen, das UGB im entscheidenden Moment sozusagen durch das Rohr zu schieben. Uns stehen nur noch wenige Wochen zur Verfügung, um das UGB im Kabinett zu beschließen und in das parlamentarische Verfahren einzubringen. Die Zeit wird also knapp. Wir haben im Koalitionsvertrag von Anfang an klare Ziele, was das UGB angeht, niedergelegt. Weiterhin gab es einen Handlungsdruck aufgrund des Ergebnisses der Föderalismusreform. Es ist ja nicht so, dass dann, wenn wir es nicht schaffen sollten, das UGB in dieser Legislaturperiode zu beschließen, alles so ist, wie es vorher war. Wir würden vielmehr eine Verschlechterung registrieren müssen, was die Zersplitterung von Umweltrecht angeht. Wir wollen mit dem UGB erreichen, das deutsche Umweltrecht zu vereinheitlichen, zu harmonisieren, es unbürokratischer und europatauglicher zu machen. Wir gehören zu den Ländern in Europa, die jeweils am längsten brauchen, bis europäisches Umweltrecht umgesetzt ist. Das hat etwas mit unserem Föderalismus zu tun. Es hat etwas damit zu tun, wie wir in Deutschland mit unserem Umweltrecht bisher aufgestellt sind. Um wirklich ein zukunftstaugliches Umweltrecht zu haben, das in der Bevölkerung akzeptiert ist und bleibt, brauchen wir eine Vereinheitlichung, eine Harmonisierung und damit zugleich ein funktionsfähigeres Umweltrecht. In den letzten Monaten haben viele überaus viel Kraft, Zeit und Grips in das Projekt investiert. Wir haben das Verfahren von Anfang an so angelegt, dass wir das UGB nicht am grünen Tisch im BMU entwickeln. Vielmehr haben wir viele, die am Ende davon betroffen sein werden, in Projektgruppen und in Arbeitsgruppen mit eingebunden: die Länder, die Verbände, die Umweltverbände, die Wirtschaft, die Wissenschaft. Dies haben wir getan, um ein praxistaugliches UGB zu bekommen, das all die Anforderungen erfüllt, auf die wir uns im Koalitionsvertrag verständigt haben. In der konkreten Debatte erleben wir natürlich, dass es, wie es in der Vergangenheit in der Debatte über einzelne Fachgesetze ebenfalls immer wieder vorgekommen ist, auch Angriffe auf die Substanz bei diesem Projekt gibt. Das ist aber, wie gesagt, nicht nur im Falle des UGB so. Wir haben auch in der Vergangenheit immer inhaltliche Debatten geführt. Bei der Formulierung des Koalitionsvertrages wurde verabredet, dass das UGB eine hohe Priorität hat und dass es weder zu einer Erhöhung der Standards noch zu einer Absenkung der Standards kommen soll. Das Hauptziel ist, ein einheitliches, harmonisches Umweltrecht auf dem Schutzniveau des geltenden Rechts zu schaffen, das für lange Zeit Bestand haben kann. Wir wollen uns also nicht von inhaltlichen Debatten erdrücken lassen. Jetzt ist nicht der Raum und die Zeit, um entsprechende Kontroversen auszutragen. Das ist letztlich auch der Knackpunkt. Ob es zur Verabschiedung des UGB kommt, wird davon abhängen, ob alle über ihren Schatten springen können und bereit sind, die erwähnte Verabredung zu akzeptieren. Es geht also darum, dass alle wirklich an einem Strang ziehen, damit wir am Ende ein UGB haben, in dem wir das deutsche Umweltrecht zusammenführen. Es

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gibt allerdings noch etliche Einzelfragen, die nach wie vor offen sind und über die noch diskutiert werden wird. Es sind allerdings nicht mehr sehr viele; viele Fragen wurden ja bereits geklärt. Bei den Fragen, über die in der Schlussphase, sozusagen auf der Zielstrecke noch debattiert wird, wird sich entscheiden, ob wir das Projekt gemeinsam schaffen. Moderator Prof. Dr. Eberhard Bohne: Frau Klug, ich möchte hier nachhaken. Nehmen wir an, das UGB kommt jetzt in das Gesetzgebungsverfahren. Würden Sie, um ein Umweltgesetzbuch durchsetzen zu können, z. B. die alternativen Vorstellungen Bayerns zur integrierten Vorhabengenehmigung akzeptieren? In Bayern verfolgt man mit dem sektoralen Blickwinkel und einer Abwägung ja einen ganz anderen Ansatz. Können Sie sich vorstellen, einen solchen Ansatz zu akzeptieren? Astrid Klug: Ich kann versuchen, die Problematik am Beispiel der integrierten Vorhabengenehmigung zu konkretisieren. Ziel des UGB ist es, dass das deutsche Umweltrecht unbürokratischer wird. Eine integrierte Vorhabengenehmigung wird nur dann unbürokratisch, wenn wir das unterschiedliche Fachrecht, das wir haben, zusammenführen, also nicht nur Verfahren vereinheitlichen, sondern wirklich auch materiell etwas verändern und unterschiedliche Tatbestände, unterschiedliche Begrifflichkeiten zusammenführen. Nur dann hat das UGB wirklich einen Mehrwert. Ansonsten würde es sich nur um eine kleine organisatorische Veränderung handeln, die in den Papieren heute schon verbalisiert ist, die sich in der Praxis aber, weil wir es mit unterschiedlichen Behörden und unterschiedlichen Begrifflichkeiten zu tun haben, am Ende nie durchsetzen können wird. Das heißt, wir brauchen wirklich eine materielle Vereinheitlichung, damit das UGB einen Mehrwert hat. Das ist ein zentraler Punkt, der für uns entscheidend dafür ist, ob es am Ende ein UGB geben wird oder nicht. Moderator Prof. Dr. Eberhard Bohne: Ich möchte die Frage an Frau Gönner weiterreichen und sie bitten, sie aus Ländersicht zu beantworten. Erfüllt der vorliegende Entwurf eines Umweltgesetzbuches Ihre Erwartungen in dem allgemeinen Sinne, dass er zu einem Mehrwert führen wird, oder gibt es darin Punkte, in Bezug auf die Sie sagen würden, dass zumindest Sie in Baden-Württemberg sie nicht akzeptieren würden? Tanja Gönner: Ich glaube, an dieser Stelle muss man sich die Entstehungsgeschichte des UGB noch einmal vor Augen führen. Es gab sicherlich noch nie ein Rechtsetzungsverfahren in der Bundesrepublik Deutschland, bei dem die Länder in dieser Form von Anfang an mit einbezogen wurden. Dies geschah meines Erachtens deswegen, weil allen Seiten von Anfang an klar war, dass eine Herkulesaufgabe zu bewältigen ist. 1999 ist das UGB an verfassungsrechtlichen Bedenken gescheitert. Es war zweifelhaft, ob die damals noch existierende Rahmengesetzgebungskompetenz des Bundes für den Wasserhaushalt und den Naturschutz ausreichen würde, um ein umfassendes Umweltgesetzbuch zu schaf-

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fen. Durch die am 1. September 2006 in Kraft getretene Föderalismusreform I sind die Weichen freilich neu gestellt worden. Zu erinnern ist insoweit, dass in der Föderalismusreform I sehr intensiv um das Umweltrecht gerungen worden ist. Bei der Nachverhandlung in der Föderalismuskommission I wurde anschließend gewissermaßen Bildung gegen Umwelt getauscht: Die Länder mit ihren Fachministerien waren bereit, im Austausch gegen mehr Bildungskompetenzen etwas von ihren Gesetzgebungsbefugnissen im Umweltbereich abzugeben. Uns als denjenigen, die die Umsetzung des Umweltrechts vornehmen müssen, die sozusagen vollzugstauglich unterwegs sein müssen, war es wichtig, ein einheitliches UGB zu bekommen. Das war die Grundlage. Wir haben uns bei diesem Prozess intensiv eingebracht. Die Bund-LänderArbeitsgruppe „Umwelt“ hat über zwei Jahre konzentriert gearbeitet. Die Diskussionen in dieser Arbeitsgruppe bezogen sich insbesondere auf die integrierte Vorhabengenehmigung. Uns, die wir beim Umweltrecht Vollzugsaufgaben haben, war es wichtig, in diesem Bereich tatsächlich einen Schritt voranzukommen. Ich will noch einen Satz dazu sagen, weil ich das Ende der Diskussion vorher erlebt habe. Ich nehme für die CDU-Seite in Anspruch, dass wir uns an den Koalitionsvertrag halten. Das, was wir in der Bund-Länder-Arbeitsgruppe erarbeitet haben, entspricht nach Auffassung der überwiegenden Mehrheit der Länder dem Koalitionsvertrag. Ich lege deswegen großen Wert auf diese Feststellung, weil ich dabei war, als der Umweltteil des Koalitionsvertrages verhandelt wurde. Es ist mir insofern wichtig, dies klar herauszustellen. Natürlich gibt es noch Diskussionen im fachlichen Bereich über das Umweltgesetzbuch. Ich warne uns allerdings alle davor, bei diesen Diskussionen die Anforderungen an das UGB zu weit hochzuschrauben und zu versuchen, im inhaltlichen Teil noch nachzuarbeiten. Die entscheidende Frage – darin stimme ich mit Kollegin Klug überein – ist: UGB I, integrierte Vorhabengenehmigung – Ja oder Nein? Kommen wir dort voran? Das ist für die Europafähigkeit, die wir anstreben, entscheidend. Insofern ist ausschlaggebend, ob wir es schaffen, den integrierten Ansatz umzusetzen. Im Übrigen erwähne ich in diesem Zusammenhang auch den Aspekt der Vollzugskosten, der die Länder immer betrifft, insbesondere in Zeiten von Haushalten, die von Einsparnotwendigkeiten geprägt sind. Ebenso ist die Frage des Abbaus von Bürokratie und des Zusammenwirkens unterschiedlicher Behörden anzusprechen. Bei diesem Punkt kann ich aus baden-württembergischer Sicht sagen: Für uns wäre die integrierte Vorhabengenehmigung die Fortsetzung dessen, was wir im Rahmen unserer Verwaltungsreform getan haben, nämlich die entsprechenden Behörden zusammenzuführen. Ich glaube, dass wir am Beispiel Baden-Württembergs zeigen können, dass die integrierte Vorhabengenehmigung nicht wehtut. Ich formuliere das, wenn auch etwas salopp, ganz bewusst so. Bei uns wurde die Diskussion über dieses Thema intensiv geführt. Man hat dabei die unterschiedlichen Möglichkeiten abgewogen. Ich halte es für richtig und notwendig, diesen Weg weiter zu beschreiten, zu-

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mal die integrierte Vorhabengenehmigung das zentrale Anliegen des UGB ist. Auch hier gilt im Übrigen, was schon mehrfach gesagt worden ist: Ich glaube, dass der jetzige Versuch der Verabschiedung des Umweltgesetzbuches für längere Zeit der letzte Versuch sein wird. Ich spreche in diesem Zusammenhang nicht über Dreierkonstellationen bei Koalitionen. Man könnte trefflich darüber streiten, was bei solchen Konstellationen machbar ist oder nicht, ob die Bundesländer im Bundesrat zustimmen oder nicht. Mir geht es vielmehr darum, die Motivation für die Realisierung des Projektes zu erhalten. Es geht schließlich auch um die Motivation derjenigen, die sich seit 20 oder 30 Jahren mit diesem Projekt beschäftigen. Wenn man dieses Projekt jetzt nicht realisiert, wird es, wie ich fürchte, schwierig. Man könnte nun sagen, es sei sehr gut, dass wir dies wissen. Wir haben dann das Ziel, ein Scheitern zu verhindern. Natürlich kann von einigen gesagt werden: Wir wollen dieses Projekt eh nicht. Okay, das muss man wissen. Ich glaube allerdings, dass wir dem Recht damit keinen Gefallen tun. Bevor ich politisch tätig wurde, war ich im Bereich des Insolvenzrechtes tätig. Dies nehme ich immer gern zum Anlass, um auf Folgendes hinzuweisen: Auch über das Insolvenzrecht wurde 20 oder 25 Jahre lang intensiv diskutiert. Man stritt sich über lange Zeit. Als ich Anfang der 90er-Jahre in der Ausbildung war, stellte sich die Frage, ob wir schon im neuen Insolvenzrecht geprüft werden. Dies war dann nicht der Fall. Das neue Insolvenzrecht wurde 1994 beschlossen und nach einer Verschiebung 1999 in Kraft gesetzt. Wenn Sie heute Insolvenzrechtler fragen, werden Sie feststellen, dass es keinen mehr gibt, der noch in irgendeiner Weise eine Erinnerung an das alte Konkursrecht hat. Das zeigt mir, dass man manchmal den Mut haben muss, einen neuen Weg einzuschlagen, insbesondere nach 30 Jahren Diskussion. Wenn ich mir vergegenwärtige, dass bereits drei Viertel der Zeit meines Lebens über ein Umweltgesetzbuch diskutiert wird, finde ich es angemessen, das Projekt jetzt zu einem Ende zu bringen. Wir zumindest stehen dafür bereit. Ich bedanke mich an dieser Stelle ausdrücklich für die Bereitschaft des BMU, den Weg mit uns gemeinsam zu gehen und ganz bewusst auch den neuen Weg einzuschlagen und den Ländern einiges an Mitwirkungsmöglichkeiten einzuräumen. Die Bemühungen waren von dem Willen geprägt, dass zum Schluss etwas herauskommen muss, was vollzugstauglich ist. Das ist im Übrigen für die Menschen draußen das Entscheidende. Es wurde vorher deutlich gemacht, dass Bürgerinnen und Bürger von der Neuregelung weniger tangiert sind. Bürgerinnen und Bürger brauchen aber Ansprechpartner. In jedem Fall muss es daher bei Juristen ein Interesse an stimmiger, „guter“ Gesetzgebung geben. Ich glaube, dass das, was jetzt vorliegt, im Großen und Ganzen als stimmige und „gute“ Gesetzgebung zu bezeichnen ist – auch wenn es sicher noch das eine oder andere Detail gibt, bei dem auch wir von Seiten Baden-Württembergs gemeinsam mit anderen Ländern Änderungen für geboten halten.

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Wir haben in Baden-Württemberg ganz bewusst mehrere Planspiele zur integrierten Vorhabengenehmigung durchgeführt. Es war uns wichtig, bei diesen Planspielen die Wirtschaft einzubeziehen. Wir haben auch Anregungen seitens der Wirtschaft aufgenommen. Manchen Anregungen wurde Rechnung getragen. Insofern handelte es sich wirklich um einen dialogorientierten Entwicklungsprozess. Ich finde, dass der jetzt vorliegende Entwurf grundsätzlich ein guter Vorschlag ist, selbst wenn sich noch einige Detailfragen stellen und selbstverständlich auch noch die Abgeordneten des Bundestags mitzureden haben. Für diesen UGB-Entwurf habe ich schon bisher geworben und werde ich auch zukünftig werben – im Übrigen nicht nur im eigenen Haus, sondern auch bei anderen Ministerien und außerhalb des Ministerialbereiches. Moderator Prof. Dr. Eberhard Bohne: Herr Kreklau, teilen Sie die Auffassung der Vertreterinnen des Bundes und des Landes Baden-Württemberg, dass der vorliegende Entwurf einen guten Weg für das Umweltrecht darstellt, den man verfolgen sollte? Vor elf Jahren haben wir beide in Speyer über den damaligen Entwurf der Sendler-Kommission gesprochen. Sehen Sie in dem neuen Entwurf Fortschritte gegenüber dem damaligen Entwurf? Dr. Carsten Kreklau: Es ist ein anderer Entwurf. Lassen Sie mich zu dem, was jetzt auf dem Tisch liegt, und auch zur politischen Lage Folgendes sagen. Ich habe großes Verständnis dafür, dass dann, wenn sich Politiker und Fachleute über Jahrzehnte mit einem solchen Vorhaben auseinandersetzen, irgendwann einmal gesagt wird: Nun ist jedes Argument auf dem Tisch gewesen. Derartige Dauerbrenner können wir uns gegenüber der Fachöffentlichkeit und auch gegenüber der politischen Öffentlichkeit nicht leisten. – Herr Miersch hat das vorhin auch deutlich gemacht. Ich habe also Verständnis dafür, wenn gesagt wird: Jetzt reicht es eigentlich. Wir müssen nun unsere Handlungsfähigkeit unter Beweis stellen. – Ich glaube, dass das sehr gut nachvollziehbar ist. Wenn ich daran denke, dass sich allein im BDI fast schon Generationen von Fachleuten mit diesem Projekt auseinandergesetzt haben, frage auch ich mich manchmal: Wann haben wir es endlich hinter uns und damit dann eine neue belastbare Grundlage? Es gab ja auch in anderen Fällen Dauerbrenner, die langsam an den Nerven zu zerren drohten, etwa beim Dosenpfand. Natürlich sollte man aber nicht nach dem Motto handeln: Egal wie – jetzt muss das Projekt zum Abschluss gebracht werden. – Man muss sich vielmehr genau anschauen, was bezweckt wird. Wir stellen fest, dass unsere Argumente in den vergangenen Jahren mit sehr großer Ernsthaftigkeit abgewogen und zum Teil auch aufgegriffen worden sind. Insofern möchte ich mich dem Dank von Frau Gönner anschließen. Auch wir haben die Zusammenarbeit mit dem BMU und ebenso mit anderen als sehr wohltuend und sachlich empfunden. Als Nichtjurist pflege ich derartige Vorhaben nach einigen sehr schlichten Kriterien zu beurteilen. Wenn wir es mit sehr komplexen Themen zu tun haben,

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kommt es immer darauf an, die Komplexität zu reduzieren. Was uns die Praktiker in den Unternehmen darüber sagen, wie sie mit dem Umweltrecht klarkommen, ruft geradezu danach, das komplizierte Umweltrecht in seiner Komplexität auf irgendeine Art und Weise so zusammenzuführen, dass es leichter handhabbar wird, und zwar nicht nur für die Spezialisten, die hier heute versammelt sind, sondern auch für diejenigen, die in den Unternehmen damit umzugehen haben. Insofern sind wir nach wie vor – wie schon vor geraumer Zeit – der Auffassung, dass eine Reduzierung der hochkomplexen Materie in einem UGB sinnvoll und sicherlich auch notwendig ist. Für den Fall, dass das Vorhaben in dieser Runde die Hürden nicht überspringt, bin ich überzeugt davon, dass sich ein neues Zeitfenster auftun wird. Insofern lasse ich mich, mit Verlaub gesagt, von dem Hinweis, dass das Zeitfenster nur jetzt offenstehe, später werde gar nichts mehr passieren, nicht von inhaltlichen Argumenten abbringen. Wir müssen uns damit auseinandersetzen, ob das, was jetzt beabsichtigt ist, wirklich dem gerecht wird, was als Zielsetzung ins Auge gefasst wurde. Über die Koalitionsvereinbarung ist hier bereits gesprochen worden. Es ist auch über das gesprochen worden, was das BMU beabsichtigt. In einer der jüngsten Veröffentlichungen des BMU wird das UGB als einer von sieben wichtigen politischen Punkten genannt. Wenn jemand also sagt, die Umweltpolitik des Bundes breche zusammen und werde unglaubwürdig, wenn das Vorhaben des UGB nicht über die Bühne gehe, dann wage ich das zu relativieren. Dennoch bleibt die Realisierung dieses Projektes aus unserer Sicht wichtig. Was wir nach wie vor für nicht überzeugend halten, ist das gerade auch von Frau Gönner als Knackpunkt angesprochene Projekt der integrierten Vorhabengenehmigung. Obwohl auch wir sehen, dass man sich um Veränderungen bemüht hat, sind wir nach wie vor nicht der Auffassung, dass die eigentliche Zielsetzung erfolgreich abgearbeitet worden ist. Wir sehen, dass die Kosten um einen minimalen Bruchteil der Genehmigungskosten gesenkt werden könnten. Wir sehen aufgrund der Einführung einer neuen Systematik die Gefahr, dass die Vorhaben nicht schneller, sondern eher langsamer über die Bühne gehen werden. Wir sehen vor allen Dingen, dass eigentlich nur relativ wenige Vorhaben unter der Überschrift integrierte Vorhabengenehmigung im Sinne des Gesetzes zu erfassen sein werden. Es werden nur ungefähr 20 Prozent der Vorhaben von der integrierten Vorhabengenehmigung betroffen sein. Es stellt sich somit die Frage, ob der Aufwand gerechtfertigt ist. Ich sehe hier Fragezeichen in manchen Gesichtern. Es wären nur 20 oder 22 Prozent aller Vorhaben betroffen, bei denen immissionsrechtliche und wasserrechtliche Gesichtspunkte zusammen abgearbeitet werden sollen. Wenn ich auf der einen Seite die minimale Einsparung und auf der anderen Seite die geringe Zahl der betroffenen Vorhaben sehe, mache ich an dieser Stelle ein Fragezeichen. Wir haben aber auch Komplimente auszuteilen. Frau Gönner hat eben schon darauf hingewiesen, dass in ihrem Land große Anstrengungen unternommen

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worden sind, um die Verfahren zu beschleunigen. Wir stellen das auch in anderen Bundesländern fest. Das heißt, seit dem Zeitpunkt, als wir vor längerer Zeit begonnen haben, uns intensiv um das Projekt eines Umweltgesetzbuches zu bemühen, hat sich etwas getan. Der Diskussionsprozess, den wir in den vergangenen Jahren hinter uns gebracht haben, hat dazu geführt, dass sich die Praxis in den Ländern verändert hat. Auch vor diesem Hintergrund ist die Frage zu stellen, ob das große Rad – um es bildlich auszudrücken – angesichts geringer Relevanz – nur wenige Vorhaben sind betroffen – und minimaler Kosteneinsparung jetzt gedreht werden muss. Wir sehen auch die von mir eben angesprochenen Nachteile. Ich fasse zusammen. Ich gehe in der Bewertung so weit zu sagen, dass sich etwas bewegt hat, und zwar sowohl in der Praxis als auch bei einzelnen Teilen des Gesetzestextes, und dass ich die Äußerung von Herrn Ramsauer, wenn er es denn so gesagt hat, nicht für zutreffend halte, sondern den Eindruck habe, dass sein Hinweis auf die eigentumsfeindliche Ausgestaltung eher auf die Erbschaftsteuerregelung und nicht auf das Umweltgesetzbuch bezogen worden sein könnte. Moderator Prof. Dr. Eberhard Bohne: Herr Kreklau, ich möchte noch einmal nachfassen. Sie werden sicherlich gleich noch Gelegenheit haben, auf bestimmte Einzelpunkte im Zusammenhang mit der integrierten Vorhabengenehmigung zu sprechen zu kommen. Meine Frage an dieser Stelle ist: Würden Sie vom Grundkonzept her das bayerische Modell bevorzugen? Dr. Carsten Kreklau: Im Prinzip: Ja. Moderator Prof. Dr. Eberhard Bohne: Das bayerische Modell sieht eine sektorale Vorgehensweise vor; dann soll eine Gesamtabwägung erfolgen. Dies entspricht der Optimierungsklausel im seinerzeitigen Sendler-Entwurf. Dieses Konzept ist kürzlich in einer Stellungnahme vom BDEW stark angegriffen und zurückgewiesen worden. Wie ist denn Ihr plötzlicher Schwenk zur Optimierungsklausel zu verstehen? Mit ihr war damals die Horrorvision des Verlustes jeglicher Rechtssicherheit verbunden. Dr. Carsten Kreklau: Ich möchte meinen Hinweis auf Ihre Frage hin etwas präzisieren. Ich habe schon darauf hingewiesen, dass ich mich auf dem juristischen Feld nicht so gut auskenne wie Sie alle zusammen. (Heiterkeit) Ich habe insofern großes Verständnis für die bayerische Position, die sich in einer gewissen Distanz zu dem vorliegenden Entwurf befindet. Darauf bezieht sich meine Zustimmung. Moderator Prof. Dr. Eberhard Bohne: Warum unterscheidet sich die BDIPosition von der Position der Energiewirtschaft? Die Energiewirtschaft ist ein

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gewichtiger Verband. Nach meiner Erfahrung ist dieser Verband einer der schlagkräftigsten Verbände. Wie ist die angesprochene Unterscheidung zu erklären? Dr. Carsten Kreklau: Herr Bohne, ich möchte noch einmal auf den von mir eben gegebenen Hinweis zurückkommen. Wir schließen uns den bayerischen Kritikpunkten bezüglich des UGB-Entwurfes, wie er jetzt vorliegt, an. Ich bin nicht in der Lage, Ihnen zu sagen, ob das, was die Vorschläge aus Bayern genau beinhalten, der Position der Wirtschaft insgesamt entspricht. Moderator Prof. Dr. Eberhard Bohne: Es wird innerhalb der Wirtschaft also offensichtlich noch eines Klärungsprozesses bedürfen. Die Stellungnahme der Energiewirtschaft in dem angesprochenen Zusammenhang war, wie gesagt, eigentlich vernichtend. Frau Barth, ich möchte die Frage, die ich an alle hier oben auf dem Podium gestellt habe, auch an Sie richten: Teilen Sie die doch sehr positive Grundhaltung zu dem vorliegenden Entwurf, die die Vertreterinnen des Bundes und des Landes Baden-Württemberg hier zum Ausdruck gebracht haben? Regine Barth: Hier muss ich zwischen meiner pragmatischen Seele und meiner juristischen und umweltpolitischen Seele unterscheiden. Aus pragmatischer Sicht kann ich sagen: Dem, was Frau Gönner und Frau Klug gesagt haben, kann ich mich anschließen, insbesondere angesichts dessen, was bei den gegebenen Mehrheiten in Bund und Ländern möglich ist und was auch unter dem Aspekt der gesellschaftlichen Diskurse, in denen der Umweltaspekt nur ein Aspekt neben anderen ist, möglich ist. Trotzdem meine ich, dass sich das Umweltgesetzbuch, zumal es eine 30-jährige Vorgeschichte hat, an dem messen lassen muss, was umweltpolitisch notwendig ist. Frau Gönner, ich habe Ihre Warnung wohl vernommen, nicht zu viel zu verlangen, weil das Projekt sonst kaputt gemacht werde. Ich kann diese Warnung aus Ihrer Sicht nachvollziehen Als Wissenschaftlerin meine ich aber doch, dass die Messlatte nicht nur die sein kann, was eine parlamentarische Mehrheit findet. Die erste Frage muss vielmehr sein: Macht das, was auf dem Tisch liegt, Sinn? Ich will jetzt gar nicht so sehr kritisieren, dass das, was auf dem Tisch liegt, zum Teil etwas weitergehend hätte sein können. Die Hauptkritik bezieht sich auf Probleme, die im bisherigen Recht noch nicht gelöst waren und die jetzt durch die faktische 1:1-Übernahme von Immissionsschutzrecht, Wasserrecht und Naturschutzrecht in das UGB ebenfalls nicht gelöst werden. Es gibt zwar kleine Weiterentwicklungen und Veränderungen, aber diese sind wegen der Vorgabe aus dem Koalitionsvertrag eher behutsam. Es gibt also Punkte, die bisher schon defizitär waren, und ebenso Punkte, die vor 20 Jahren – seitdem hat sich eine nicht zu vernachlässigende Entwicklung vollzogen – noch nicht absehbar waren. Der Klimawandel ist hier schon genannt worden. Ebenso ist der Schutz der Biodiversität bereits genannt worden. Ich erwähne des Weiteren Wettbewerbsfragen und Fragen der Globalisierung. Die Entwicklung in diesen Bereichen muss sich im Umweltrecht und seiner Mo-

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dernisierung widerspiegeln. In dieser Hinsicht bin ich vom Umweltgesetzbuch enttäuscht. Die erwähnten Fragen werden nicht adressiert. Es wird nichts Neues, nichts Innovatives aufgenommen; es werden keine neuen Instrumente geschaffen, die auf die erwähnten Herausforderungen tatsächlich eine Antwort geben können. Das heißt aber nicht, dass deshalb alles, was auf dem Tisch liegt, schlecht ist. Es ist aber ein Stück weit unvollständig. Das fängt damit an, dass nicht alle wichtigen Vorhaben, die Umweltauswirkungen haben, vom Umweltgesetzbuch überhaupt erfasst werden. Im Laufe der Ressortabstimmung ist sogar ausdrücklich gesagt worden, es sei gar nicht beabsichtigt, dass die Verkehrsinfrastrukturprojekte, die ja große Umweltauswirkungen haben, irgendwann einmal erfasst werden. Das ist aus der Räson der Ressortabstimmung nachvollziehbar. Es ist aber aus umweltpolitischer Sicht oder aus wissenschaftlicher Sicht völlig ungerechtfertigt. Herr Miersch hat den Klimaschutz bereits angesprochen. Die integrierte Vorhabengenehmigung wird für die meisten zentralen Anlagen, mit denen z. B. Strom erzeugt wird, einschlägig sein. Im Falle des geplanten Kohlekraftwerks Hamburg-Moorburg haben Sie jetzt den ersten Versuch erlebt, wie man in einer schwierigen Lage mit unterschiedlichen Einschätzungen über langfristige Wirkungen von Genehmigungen umgehen will. Das UGB übernimmt bei den Fragen, die dort zu entscheiden waren, in den Regelungen über die integrierte Vorhabengenehmigung weitgehend unverändert das geltende Recht. Für mich stellt sich durchaus die Frage, ob das ins UGB übernommene derzeitige Recht, wenn in Zukunft CCS 1-Technologien verfügbar sein sollten, dazu im Moment die richtigen Antworten gibt. Ich würde diese Frage verneinen. Das Verbot von Befristungen von Amts wegen z. B. ist ein Hinderungsgrund, der den Behörden ihren Ermessensspielraum bzw. Gestaltungsmöglichkeiten nimmt, welche es aus unserer Sicht im Sinne des Klimaschutzes, im Sinne der Einhaltung von internationalen Zielsetzungen geben müsste. Es werden also Beschränkungen des geltenden Rechts beibehalten, die in der Vergangenheit vielleicht Sinn hatten, die die Behörden und uns aber behindern würden, auch im Hinblick auf langfristige Entscheidungen Optionen offenzuhalten, die wir uns offenhalten müssten, wenn wir Klimaschutzziele tatsächlich erreichen wollen. Das Flächenmanagement ist ein weiteres Beispiel. Es gibt im UGB – Herr Miersch hat das gesagt – einen zentralen Punkt, bei dem dies eine Rolle spielt. Die Eingriffsregelung ist innerhalb der Ressortabstimmung sehr umstritten gewesen. Wenn man die Strategie der Bundesregierung, was die Minimierung des Flächenverbrauchs angeht, ernst nimmt, hätte es natürlich weiterer Instrumente bedurft. Es ist schade, dass dieses Reformwerk nicht genutzt worden ist, um die erwähnte wichtige politische Zielsetzung zu erreichen. Das Ziel ist ja nicht 1

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umstritten. Es handelt sich um ein Ziel der Bundesregierung, das auch von den Ländern mitgetragen wird. Das Umweltgesetzbuch soll das Reformwerk für den Bereich des Umweltrechtes sein. Bei vielen Punkten sind wir mit dem deutschen Umweltrecht sehr gut aufgestellt. Es funktioniert ja auch sehr gut, aber es gibt neue Herausforderungen. Manchen Entwicklungen hätte man bei der Reform aus umweltpolitischer Sicht mehr Rechnung tragen müssen. Ich finde wichtig, dass bei dem, was jetzt nach den parlamentarischen Beratungen verabschiedet wird – wenn es denn so weit kommt –, zumindest die Tür dafür offengelassen wird, um für spätere politische Entscheidungen, in welche Richtung diese dann auch immer gehen mögen, Spielraum zu lassen. Den umweltpolitischen Herausforderungen, die teilweise auch von den Regelungsgegenständen des UGB tangiert werden, sollte somit Rechnung getragen werden können. Man kann sich natürlich fragen, ob es die Sache überhaupt wert ist, ein UGB zu konzipieren, wenn für die Umwelt nichts Innovatives darin zu finden ist. Der Kaskade der BMU-Entwürfe von September letzten Jahres bis heute lässt sich unter der Perspektive der Umwelt entnehmen – das ist von Herrn Kreklau gerade auch dargestellt worden –, dass es eine Reihe von Zugeständnissen an die Industrie gab. Meines Wissens gab es aber kein einziges Zugeständnis, das der umweltpolitischen Kritik Rechnung trägt, welche im Hinblick auf die Entwürfe geäußert worden ist. Im Gegenteil, die wenigen Punkte, die man umweltpolitisch positiv hätte hervorheben können, sind fast alle herausgefallen. Insofern ist eine gewisse Nüchternheit eingetreten, die wahrscheinlich den realen politischen Verhältnissen geschuldet ist. Es bleibt aber – diesbezüglich kann ich mich Herrn Papier und vielen anderen anschließen – immerhin „better regulation“. Natürlich gilt für das Umweltrecht genauso wie für das Sozialrecht und alle anderen Rechtsgebiete, dass „better regulation“ etwas ist, was dem Gemeinwohl dient. Im Blick auf alle Anwender – seien es die Umweltverbände oder die Antragsteller bzw. die Betreiber – ist zu sagen, dass es uns unter langfristiger Perspektive, in der Perspektive von 20 oder 30 Jahren mit Sicherheit gut ansteht, uns besser zu rüsten, als es bisher der Fall war. Insofern bleibt bei dem vorliegenden Entwurf, wenn er sich nicht wesentlich verschlechtert, was die umweltpolitischen Zielsetzungen angeht, immer noch das positive Fazit zu ziehen, dass er in der soeben angesprochenen Hinsicht ein sehr gelungener Entwurf ist. Moderator Prof. Dr. Eberhard Bohne: Frau Barth, auch bei Ihnen möchte ich noch einmal nachhaken. Sie sagten vorhin, Sie bedauerten, dass in dem Entwurf des Umweltgesetzbuches keine innovativen Instrumente enthalten seien. Meine erste Frage ist, ob Sie die integrierte Vorhabengenehmigung als das zentrale Kernstück des Umweltgesetzbuches ansehen, oder handelt es sich für Sie dabei um ein Instrument, das aus der Sicht der Umweltverbände gar nicht für so

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wichtig erachtet wird? Zweitens möchte ich die Konzeptionsfrage ansprechen. Wie beurteilen Sie vom Grundsatz her das alternative bayerische Modell? Sollte man diesem gegebenenfalls folgen? Regine Barth: Ich gebe zu, dass manchmal schwierig nachzuvollziehen ist, ob es wirklich der Sache wert ist, um über diese Frage den überaus emotionsgeladenen Streit zu führen. Bei näherem Hinsehen würde aber auch ich sagen: Es gibt gute Gründe zu kämpfen, was offensichtlich auch von beiden Seiten getan wird. Bei dem Streit ist der Blickwinkel der einzelnen Bundesländer durchaus unterschiedlich. Ich weiß von den hessischen Kollegen, dass sie überhaupt kein Problem sehen, weil es dort schon integrierte Genehmigungsbehörden gibt. Die hessischen Kollegen, mit denen ich gesprochen habe, finden es prima, dass auf Bundesebene jetzt alles nachvollzogen wird. Ich meine schon, dass die integrierte Vorhabengenehmigung ein zentrales Element ist. Allerdings bin ich mir nicht sicher, ob sich dadurch im realen Behördenleben wirklich ein großer Unterschied ergibt. Unter rechtswissenschaftlichen und umweltpolitischen Aspekten liegt uns der Ansatz, der jetzt im Entwurf gewählt worden ist, aber näher. Wir befürworten diesen Ansatz. Angesichts der vielen anderen wichtigen umweltpolitischen Fragen habe ich aber den Eindruck, dass die Frage der integrierten Vorhabengenehmigung sozusagen ein bisschen überhöht wird. Bisher hat hier noch niemand die Frage angesprochen, was eigentlich die Alternative wäre. Frau Klingbeil hat heute Vormittag gesagt: Wenn Sie Better-regulation-Analysen vornehmen, müssen Sie auch immer sagen, was dann passiert, wenn nichts getan wird, wenn also auf better regulation verzichtet wird. – Ebenso wäre zu fragen, was passiert, wenn wir kein UGB beschließen. Was passiert dann im Wasserrecht und im Naturschutzrecht? Wäre das aus der Sicht der Umweltverbände und aus der Sicht der Industrie befürwortenswert? Kommen wir dann mit dem Richterrecht nicht in eine unglaublich schwierige Situation hinein? Gestern fiel ja schon der Begriff Pingponggesetzgebung. Man muss sich insofern also wirklich überlegen, was eigentlich die Alternative ist. Man könnte nun sagen, man verzichte dann auf das UGB I und beschließe halt nur das UGB II und das UGB III. Das ist aber natürlich auch keine Alternative, weil die Bücher nicht als Einzelgesetze konzipiert sind. Wenn das Vorhaben jetzt im dritten Anlauf scheitert, muss man fragen, was dies für den vierten Anlauf heißt, wobei man in den Blick nehmen muss, was uns die Verfassung als Hypothek hinterlassen wird, der dann 2010 Rechnung zu tragen ist. Moderator Prof. Dr. Eberhard Bohne: Frau Klug, hier ist deutlich geworden, dass in der Wirtschaft offensichtlich noch Klärungsbedarf besteht, welchem Konzept man folgen soll. Erkennen Sie schon erste Auflockerungen der Widerstände in der Wirtschaft, die vielleicht genutzt werden könnten, um einen Konsens zu finden und zu einem guten Ende zu kommen?

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Astrid Klug: Ich glaube, man darf die Wirtschaftsverbände, so wichtig diese in einem solchen Prozess auch sind, nicht mit den Wirtschaftsunternehmen verwechseln, die sehr wohl ein großes Interesse daran haben, dass das UGB zustande kommt. Im Naturschutz- und Wasserrecht besteht nach der Föderalismusreform bis 2010 ein Moratorium für Landesrecht. Die Unternehmen haben kein Interesse, dass das Umweltrecht in Zukunft noch stärker zersplittert sein wird, als es heute der Fall ist. Ich möchte noch einige Sätze zu den Ausführungen von Herrn Kreklau sagen. Man ist ja im Leben – auch im politischen Leben – vor Überraschungen nie sicher. Das macht das Leben auch so schön und so spannend. Ich habe – anderen geht es ähnlich – immer das Wehklagen der Wirtschaft im Ohr, wie kompliziert deutsches Umweltrecht ist, wie schwierig es mit dem Föderalismus ist und wie dringend einmal aufgeräumt und entrümpelt werden muss. Genau das tun wir jetzt mit dem UGB. Ich wundere mich darüber, dass ausgerechnet die Wirtschaft und die Wirtschaftsverbände dann, wenn es darum geht, sozusagen konkret zu springen und zu sagen: Jetzt realisieren wir das Vorhaben eines Umweltgesetzbuches, die Ersten sind, die zurückzucken und Angst vor der eigenen Courage haben, weil sich durch das Vorhaben natürlich auch etwas verändert. Es gibt dann natürlich neue Verfahren, die man auch neu lernen muss. Es gibt auch neue Begriffe. Es bleibt nichts so, wie es ist. Wir versuchen ja, manches einfacher zu gestalten. Das bedeutet eben auch, dass sich manches ändert. Dass ausgerechnet die Wirtschaft in der Debatte der Bereich ist, der sich am wenigsten auf die Veränderungen einlassen möchte, finde ich sehr schade. Eigentlich würde man gerade von der Wirtschaft etwas mehr Mut und Courage erwarten. Wir erarbeiten das UGB natürlich nicht nur für die heutige Generation von Juristen. Wir erarbeiten es vielmehr auch für künftige Generationen, die damit dann groß werden, die entsprechend lernen werden und für die das Regelwerk auf jeden Fall viel einfacher sein wird als das, was es in der Vergangenheit gab. Deshalb brauchen wir hier auch einen etwas größeren Wurf, nicht nur eine Verfahrenskonzentration, eine Neuordnung von Verfahren oder eine Neuzuteilung von Behörden. Frau Gönner hat zu Recht darauf hingewiesen, dass es viele Bundesländer gibt, die genau das, was im Entwurf des UGB jetzt vorgesehen ist, schon tun. Das wird aber nicht reichen, um wirklich ein konsistentes, kohärentes Umweltrecht zu haben, das europatauglich ist und das auf Dauer auch Verfahren vereinfachen kann. Der erste Schritt ist jeweils, sich auf das Neue einzulassen. Ich möchte auch noch kurz auf die Ausführungen von Frau Barth eingehen. Ich habe große Sympathie für das, was sie sagte, nämlich dass man ein Umweltgesetzbuch nicht nur juristisch bewerten darf. Ein Umweltgesetzbuch darf nicht nur Juristen froh machen. Vielmehr muss immer auch die Umweltpolitik als Ziel im Vordergrund steht. Dieses Ziel dürfen wir nicht aus den Augen verlieren, wenn wir jetzt versuchen, zu Kompromissen zu kommen und das Projekt abzuschließen. Das gesamte deutsche Umweltrecht hat ein Ziel: die Umwelt zu

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verbessern und sie zu erhalten. Natürlich kann man sich bei allen Fachgesetzen vorstellen, was wir schon in der Vergangenheit hätten tun können oder müssen, um Probleme zu lösen oder bestimmte Probleme gar nicht erst auf uns zurollen zu lassen. Auch ich kann mir in dieser Hinsicht manches vorstellen. Man muss aber klar sehen, dass uns für die Erarbeitung und Verabschiedung des UGB nur eine begrenzte Zeit zur Verfügung steht. Das ist diese Legislaturperiode. Im Übrigen stand uns dafür nicht die komplette Legislaturperiode zur Verfügung, weil wir erst einmal das Ergebnis der Föderalismuskommission abwarten mussten. Es ist eine überaus ambitionierte und ehrgeizige Zielsetzung, das Projekt in der Kürze der Zeit, die uns zur Verfügung steht, über die Bühne zu bringen. Wenn wir jetzt jedes einzelne Buch mit inhaltlichen Debatten überfrachten – auch wenn die Notwendigkeit besteht, solche Debatten zu führen –, überfordern wir das gesamte Projekt und werden es in dieser Legislaturperiode nicht mehr stemmen. Wenn sich das Zeitfenster jetzt schließt – in dieser Hinsicht bin ich anderer Auffassung als Herr Kreklau – und wir es nicht schaffen, das Projekt zu realisieren, vermag ich nicht zu sehen, wo sich in den nächsten zehn Jahren für dieses Projekt noch einmal ein Zeitfenster öffnen kann. Es wird kein Zeitfenster geben, bei dem die Voraussetzungen so günstig sein werden wie jetzt. Deshalb warne ich davor, das Projekt zu überfordern. Das Projekt ist mit dem, was wir in dieser Legislaturperiode vorhaben, sowieso noch nicht abgeschlossen. Es ist mit den Büchern ja bewusst modular aufgebaut. Es wird in den nächsten Legislaturperioden um weitere Bücher ergänzt werden müssen bzw. können, wobei wir dann weitere Fragen neu diskutieren und andere Themen integrieren werden. Wenn wir das Projekt in dieser Legislaturperiode realisieren wollen, müssen wir aber so realistisch sein zu bewerten, was tatsächlich zu stemmen bzw. nicht zu stemmen ist. Moderator Prof. Dr. Eberhard Bohne: Die Bemerkungen von Frau Klug veranlassen mich zu der Frage an Herrn Kreklau, warum die Wirtschaft eigentlich so ängstlich ist. Ich habe über die Zeit hinweg beobachtet, dass von der Wirtschaft einerseits zwar Rechtssicherheit gefordert wird, andererseits aber dann, wenn allgemeine Bestimmungen, Definitionen und Begriffsbestimmungen formuliert werden, dagegen opponiert wird. Die Wirtschaft kämpft dann bei verschiedenen Anlagen um Details. Denken Sie etwa an die Forderungen im Wasserbereich. Es gibt eine Formenvielfalt, die nur historisch zu erklären ist. Man wollte die Bewilligung jetzt abschaffen. Daraufhin ist darum gekämpft worden, dass die Bewilligung erhalten bleibt. Es wird um Anlagen zum Lagern und Abfüllen von Jauche, Gülle und Silagesickersäften gekämpft. Ebenso wird bei Anlagen um die Erhaltung der allgemein anerkannten Regeln der Technik beim Umgang mit wassergefährdenden Stoffen gekämpft. Warum eigentlich? Könnte sich die Wirtschaft nicht einmal einen Ruck geben und sagen – entschuldigen Sie, wenn ich es jetzt so drastisch formuliere –: Diesen Pipifax lassen wir jetzt einmal? – Im Kontext eines UGB halte ich es für Pipifax, wenn ich mich über Anlagen zum

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Lagern und Abfüllen von Silagesickersäften streite. Sehen Sie irgendwo einen Ruck, der durch die Wirtschaft geht? Dr. Carsten Kreklau: Herr Bohne, Sie fragen, warum die Wirtschaft so ängstlich ist. Versetzen Sie sich doch einmal in die Lage eines Unternehmers, der mit diesem Umweltrecht zu tun hat, der sich vor einen Wust von gesetzlichen Regelungen gestellt sieht, mit denen er umzugehen hat. Er sieht vor dem Hintergrund der langen Fachdiskussion nun Änderungen auf sich zukommen, die bei ihm zu zusätzlichen Unsicherheiten führen. Ich bitte Sie sehr herzlich, bei all Ihren Überlegungen stets auch den Blick des unmittelbar Betroffenen in sich aufzunehmen. Was politisch entschieden wird und was die Rechtsprechung für uns bietet, ist letztlich nicht für die Juristen gemacht worden, weder für die heutigen Juristen noch für die Juristen der Zukunft. Es ist vielmehr für den Bürger – auch für den Wirtschaftsbürger – und für denjenigen, von dem wir erwarten, dass er auch in Zukunft in Deutschland investiert, gemacht worden. Wenn es nicht gelingt, ein überzeugendes Konstrukt auf die Beine zu bringen, das die Unsicherheiten bei Investitionsvorhaben beseitigt, werden wir alle das Nachsehen haben. Herr Bohne, ich bitte Sie deshalb um Verständnis dafür, dass unsere Besorgnis nicht einer irgendwie gearteten Angst entspringt, sondern dem Kalkül und der Erwartung aus unternehmerischer Sicht, wie sich ein Unternehmer am Standort Deutschland mit seinen Investitionen zukünftig bewegen kann. Ich bedauere, dass die integrierte Vorhabengenehmigung in der Diskussion über das Gesamtkonstrukt UGB eine Schlüsselstellung eingenommen hat. Ich habe Frau Barth vorhin darauf hingewiesen, dass das BMU Probleme, die die Unternehmen im Zusammenhang mit der integrierten Vorhabengenehmigung sehen, durchaus erkannt hat und deshalb auch Veränderungen vorzunehmen versucht hat. Diese Veränderungen haben aber nicht den durchschlagenden Erfolg gehabt, wie wir ihn uns vorgestellt haben. Die Unternehmen brauchen aber einen solchen Erfolg, um mit den ins Auge gefassten Regelungen besser zurechtzukommen als mit den bislang geltenden Regelungen. Befürchtungen in der Hinsicht, dass uns das BMU sozusagen weit entgegengekommen sei, sind nicht gerechtfertigt. Es ist nicht so gewesen, dass es uns weit entgegengekommen wäre. Das veranlasst mich, meine Kritik hier heute noch einmal vorzutragen. Frau Klug, wenn es tatsächlich gelingt, eine Regelung zu finden, die wirklich gut ist, habe ich im Übrigen keine Befürchtungen, dass es kein weiteres Zeitfenster geben wird. Ich hoffe jedoch, dass es uns in den kommenden Wochen noch gelingt, auch bei der integrierten Vorhabengenehmigung zu einer Lösung zu kommen, die auch uns zu dem Gesamtpaket Ja sagen lässt. Moderator Prof. Dr. Eberhard Bohne: Sie haben auf die Probleme der einzelnen Unternehmen hingewiesen. Ich möchte daran eine Frage an Frau Gönner anknüpfen, die als Landesumweltministerin unmittelbar mit dem Vollzug und

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mit den Unternehmen zu tun hat. Ist es auch aus Ihrer Sicht und nach Ihren Erfahrungen so, wie es Herr Kreklau schildert? Tanja Gönner: Wir haben uns nicht nur rechtstechnisch in den Prozess eingebracht, sondern uns auch in die Rolle eines Unternehmens versetzt, indem wir Planspiele durchgeführt haben. Es wurde bundesweit eine Reihe von Planspielen durchgeführt – etwa in Baden-Württemberg, in Nordrhein-Westfalen und in Niedersachsen. Baden-Württemberg mag mit seinen Mittelständlern allerdings seine Eigenarten haben, was übrigens – lassen Sie diese Eigenwerbung bitte zu – durchaus erfolgreich war. Aus mittelständischer Sicht wird gerade von denjenigen, für die Sie kämpfen, Herr Kreklau, gesagt: Wir sind dankbar, wenn ihr es schafft, zu einer Vereinheitlichung zu kommen. Ein Spitzenverband der deutschen Wirtschaft hat gelegentlich mit der Schwierigkeit zu kämpfen, dass einzelne Teile aus seiner Gesamtheit quasi herausbrechen. Dann stellt sich die Frage, wie stark diese Teile sind und welche Zielsetzungen sie verfolgen. Sie sagten, nur 20 Prozent der Unternehmen seien von der IVG betroffen. Ich frage mich allerdings, warum man sich so aufregt, wenn es nur 20 Prozent sind. Das Entscheidende ist, dass die erwähnten 20 Prozent der Vorhaben Großvorhaben sind. Nehmen wir als konkretes Beispiel die Situation in Baden-Württemberg und die Genehmigung im Falle von Kohlekraftwerken. Frau Barth muss jetzt weghören, weil sie nicht gerne hören wird, was ich sage. Der Vorsitzende der EnBW erklärte bei der Grundsteinlegung des Kohlekraftwerkes in Karlsruhe sinngemäß, dass die ohnehin schnelle Genehmigung im Rahmen der integrierten Vorhabengenehmigung noch ein Stückchen schneller erfolgt wäre. Für die 20 Prozent der Vorhaben, für die Großvorhaben, die betroffen sein werden, ist es insofern wichtig, dass die vorgesehene Regelung kommt. Insofern möchte ich dafür werben, sich mit uns noch einmal zusammenzusetzen und die Planspiele zu besprechen. Wir haben uns bei den Planspielen ganz bewusst in die Sicht der Unternehmen hineinversetzt, weil es einem Land wie Baden-Württemberg wichtig ist, den Unternehmen ein benutzerfreundliches und anwendungspraktisches Umweltrecht zu bieten. Ich muss Herrn Kreklau insofern in Schutz nehmen, als man Anlagen zum Lagern und Abfüllen von Jauche, Gülle und Silagesickersäften, also die sogenannten JGS-Ablagen, nicht unbedingt als Pipifax abtun kann. In diesem Zusammenhang stellen sich sehr konkret Kostenfragen. Wir stehen, was diesen Bereich angeht, der Auffassung des BDI im Übrigen sehr nahe, weil in der UGB-Begründung zum Gefahrenpotenzial der JGS-Anlagen Hypothesen aufgestellt werden, die nicht sehr realitätsnah sind. Insofern muss man, wie ich glaube, jeden einzelnen Punkt durchdiskutieren. Das war auch der Grund, weshalb wir die Planspiele durchgeführt haben. Wir haben in diesem Rahmen viele unterschiedliche Fälle durchgespielt, um sagen zu können, ob sich wirklich keine Probleme ergeben.

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Das bayerische Modell ist hier mehrfach angesprochen worden. Mich verwundert bei der Diskussion über dieses Modell, dass ein Gesichtspunkt schlicht übergangen wird. Was mit dem bayerischen Modell vorgeschlagen wird, ist im Endeffekt etwas, was nach der heute gültigen Rechtslage im Verwaltungsvollzug bereits machbar ist. Insofern stelle ich mir die Frage, warum das, was im Verwaltungsvollzug bereits möglich ist, als eine große Neuerung herausgestellt wird. Denn eigentlich geht es uns doch um mehr: Wir wollen das Umweltrecht europafähig machen, wir wollen das Umweltrecht zukunftsfähig machen und wir wollen darauf schauen, Verwaltung tatsächlich einfacher zu machen. Was Bayern fordert, ist hingegen bereits heute im Rahmen des Verwaltungsvollzuges möglich. Ich würde mir wünschen, dass sich dies alle vergegenwärtigen. Eine vorletzte Bemerkung: Mich verwundert, dass man sich – wir signalisieren auch in dieser Hinsicht Gesprächsbereitschaft und haben diese bei den Planspielen auch bewiesen – gegen eine neue Systematik wehrt. Übertragen auf andere Bereiche heißt das, dass wir in Zukunft auch im Steuerrecht keine neue Systematik einführen sollten. Hartz IV bedeutete eine grundsätzliche Veränderung im Bereich der Sozialgesetze; alle fanden sie in Ordnung. Es handelte sich dabei ebenfalls um eine Operation, bei der man am Anfang nicht wusste, wie sie ausgeht. Ich bin verwundert, dass ausgerechnet von der Wirtschaft die Frage der Änderung der Systematik aufgeworfen wird, obwohl die Wirtschaft sonst hervorhebt, dass man Veränderungen gegenüber aufgeschlossen sein müsse, wenn man vorwärtskommen wolle. Das passt also nicht ganz zusammen. Ich verstehe, wenn danach gefragt wird, wie es mit den Begriffsbestimmungen aussieht. Damit sind wir beim juristischen Bereich. Bei neuen Gesetzesmaterien ist es so, dass bei der Auslegung des Rechts immer in die Begründung hineingeschaut werden muss. In der Begründung zum UGB I steht, wie die neuen Begrifflichkeiten in Relation zu den früher verwandten Begriffen zu verstehen sind. Es ist ganz wichtig, sich dies zu vergegenwärtigen. Auch die Gerichte werden die Vorschriften demgemäß auslegen. In Baden-Württemberg – das kann ich für uns in Anspruch nehmen – haben wir, wie gesagt, die Sichtweise der mittelständischen Unternehmen ebenso wie die der Großunternehmen bei unseren Überlegungen einbezogen. Wir kommen zu dem Ergebnis, dass das, was wir vorlegen, auch aus der Sicht der Wirtschaft ein ausgesprochen gutes Angebot ist. Es ist, wie Frau Barth schon sagte, aus der Sicht der Umweltverbände fast schon ein zu gutes Angebot für die Wirtschaft. Meine letzte Bemerkung bezieht sich auf die Anhebung bzw. Absenkung von Standards. Wenn ich 16 Landesgesetze im Naturschutzbereich und 16 Landesgesetze im Wasserrecht zusammenfüge, ist klar, dass es in einem Land eine Absenkung und in einem anderen Land eine Erhöhung der Standards gibt. Ich will dies einmal am Beispiel der hart umkämpften und viel diskutierten Gewässerrandstreifen verdeutlichen. Nordrhein-Westfalen hat einen Gewässerrand-

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streifen von zum Teil 5 m, Baden-Württemberg einen solchen von grundsätzlich 10 m festgelegt. Wenn bei einer Vereinheitlichung im Gesetz 10 m festgelegt werden, ist das für uns nichts Ungewöhnliches, sondern gleichbleibendes Recht. Es ist aber auch klar, dass es für Nordrhein-Westfalen eine Änderung bedeutet. In solchen Fällen muss man sich dann überlegen, ob man den Mut hat, Öffnungsklauseln vorzusehen. Wir haben in anderen Fällen ja auch schon über Öffnungsklauseln gesprochen. Es stellt sich somit die Frage, ob man auch im Falle der Gewässerrandstreifen bei einer gewissen Flexibilität bleiben will. Wir waren in den Ländern im Naturschutzrecht und im Wasserrecht eben anders aufgestellt. Wenn es um eine Vereinheitlichung geht, muss folglich überlegt werden, wie 16 unterschiedliche Bereiche zusammengeführt werden können. Beispiele wie die Frage der Gewässerrandstreifen sollten in der Debatte dann fairerweise offen angesprochen werden. Man sollte solche Fragen aber nicht als Beispiel dafür nehmen, dass es Standardanhebungen gibt. Ich werbe dafür, in eine emotional geführte Diskussion Fairness hineinzubringen. Es liegt in der Natur der Sache, dass dann, wenn man 16 unterschiedliche Entwürfe sozusagen einmal durchschüttelt, trotzdem kein Ergebnis erreicht wird, das für jeden das Gleiche bedeutet. Moderator Prof. Dr. Eberhard Bohne: Herr Kreklau, haben Sie mit anderen Unternehmen zu tun als Frau Gönner? Hier wurden schließlich sehr unterschiedliche Sichtweisen deutlich. Dr. Carsten Kreklau: Das glaube ich nicht. Wir haben es – genauso wie Frau Gönner – nicht mit allen Unternehmen zu tun. Wir haben uns die Planspiele angesehen und sie ausgewertet. Wir haben uns auch mit dem auseinandergesetzt, was in anderen Bundesländern geschehen ist. Dabei haben sich für uns Fragen ergeben, die ich hier auch noch einmal formulieren möchte. Es geht nicht darum, sich gegen Veränderungen zu sperren. Wenn Letzteres geschähe, wäre es um die Anpassungs- und Zukunftsfähigkeit unseres Landes schlecht bestellt. Natürlich muss es auch Veränderungen geben. Es kommt aber natürlich darauf an, warum und zu welchem Preis diese vorgenommen werden und ob die Ziele, die man sich gesetzt hat, tatsächlich erreicht werden. Frau Klug, ich muss an Sie die Frage stellen, ob Sie sich mit Kosteneinsparungen von 1 bis 2 Prozent bei den Verfahren – ich beziehe mich hier auf die Daten des Normenkontrollrates und auch auf die Begründung des UGB – zufriedengeben und ob Sie der Auffassung sind, dass dies eine ausreichende Zielerreichung bei dem großen Vorhaben eines UGB bedeutet. Wenn darüber hinaus festzustellen ist, dass aufgrund veränderter Rechtsbegriffe und einer veränderten Systematik unter Umständen weitere Verzögerungen ins Haus stehen, stelle ich mir die Frage: Ist es das, was politisch eigentlich gewollt war? Wir wissen, dass z. B. in Nordrhein-Westfalen die durchschnittliche Bearbeitungsdauer bei Vorhaben der erwähnten Art von 6,8 Monaten im Jahre 1995 auf 3,2 Monate zum jetzigen Zeitpunkt gesunken ist. Die Bearbeitungsdauer ist quasi halbiert

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worden. Woraus ergibt sich dann der Druck, sich bei geringer Kosteneinsparung jetzt mit einer neuen Systematik intensiv auseinanderzusetzen und diese Frage zum Dreh- und Angelpunkt des gesamten UGB-Vorhabens zu machen? Moderator Prof. Dr. Eberhard Bohne: Frau Klug, Sie haben zur Beantwortung dieser Frage das Wort. Astrid Klug: Ich bedanke mich für das Stichwort Normenkontrollrat. Der Normenkontrollrat ist eine neutrale Instanz, die die Aufgabe hat, uns auf die Finger zu schauen und zu prüfen, welche Auswirkungen sich dann, wenn wir neue Gesetze machen oder Gesetze zusammenführen, in Bezug auf Bürokratie für Unternehmen, die in ein Genehmigungsverfahren gehen, ergeben. Ich war heute Morgen leider nicht hier, nehme aber an, dass Frau Schön hier genau das wiedergegeben hat, was der Normenkontrollrat zum UGB aufgeschrieben hat, nämlich dass es mit dem Entwurf des UGB gelungen ist, das Kunststück zu vollbringen, zu entbürokratisieren, zu entschlacken und Verfahren zu beschleunigen, ohne Umweltstandards abzusenken. Die Vorlage ist ein Beitrag zur Entbürokratisierung und zur Verfahrensbeschleunigung. Die Unternehmen können von einem solchen Gesetzesvorhaben somit profitieren. Wir sind insofern, wie ich glaube, auf einem guten Weg. Ich habe ganz am Anfang gesagt – Frau Gönner hat dies bestätigt –, dass es uns, als wir das UGB in Angriff genommen haben, sehr wichtig war, dass wir es sozusagen nicht am grünen Tisch entwickeln, sondern dass wir sehr genau zuhören, was diejenigen, die die Vorschriften letztlich in den Ländern umsetzen müssen, aber auch diejenigen, die in den Unternehmen damit leben müssen, zum UGB und zu unseren Vorstellungen zu sagen haben. Wir haben auch viele Anregungen, die – auch seitens der Umweltverbände – gegeben wurden, in der Diskussion aufgenommen und bei der Erarbeitung des UGB berücksichtigt. Natürlich müssen wir am Ende aber immer eine Abwägung vornehmen. Wir können nicht alle Anregungen 1:1 aufnehmen, weil sie teilweise im Widerspruch zu unseren eigenen Zielen stehen oder auch in sich widersprüchlich sind. Das Thema von Entbürokratisierung und Beschleunigung von Verfahren haben wir aber immer als ein sehr wichtiges Thema erachtet, wohl wissend, dass es auch in diesen Bereichen Grenzen gibt, wohl wissend, dass es auch viele Unternehmen gibt, die sich mit dem Status quo arrangiert haben. Solche Unternehmen könnten auf die Idee kommen, dann, wenn ein neues UGB auf den Tisch gelegt wird, zu sagen: Wir haben gerade gelernt, mit den bisher geltenden Vorschriften umzugehen; wir kommen damit zurecht; wir wollen uns nun nicht wiederum auf etwas Neues einstellen. – Ich betone an dieser Stelle nochmals, dass wir das Umweltgesetzbuch nicht nur für heute, sondern auch für morgen machen. Wir glauben, dass wir damit in Zukunft professioneller und besser dastehen als bisher. Wir haben, wie gesagt, viele gute Anregungen aufgenommen. Allerdings sind wir nicht bereit, jeden Preis dafür zu bezahlen, dass es zur Verabschiedung

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eines UGB kommt. Es gibt auch hier Grenzen. Ich glaube aber, dass wir bisher wirklich gute Kompromisse gefunden haben, und hoffe, dass uns dies auf der Zielgeraden auch gelingt. Moderator Prof. Dr. Eberhard Bohne: Sie sagten gerade, Sie würden nicht um jeden Preis ein UGB beschließen. Welches ist denn der Preis? Astrid Klug: Wir werden kein UGB beschließen, das keinen Mehrwert für alle Beteiligten mit sich bringt. Wir werden kein UGB beschließen, das substanziell zu einem Standardabbau führt. Das Problem, das Frau Gönner beschrieben hat, besteht natürlich: Wenn man unterschiedliche Länderregelungen zusammenführt, kann man sie natürlich sozusagen nicht auf einen Punkt zusammenbringen. Es ergeben sich dann Veränderungen für einige Länder. Es darf aber in der Substanz keinen Standardabbau geben. Sonst würden der Bundesumweltminister und wir nicht bereit sein, ein UGB in das Verfahren einzubringen. Moderator Prof. Dr. Eberhard Bohne: Frau Barth möchte dazu etwas sagen. Regine Barth: Zunächst noch einmal zu den Bürokratiekosten. Wenn ich Frau Schön richtig verstanden habe, ist der Bereich, zu dem der Normenkontrollrat Berechnungen vorgenommen hat, nicht mit dem Bereich gleichzusetzen, auf den sich die Bemühungen der EU richten. Es geht zum einen um die Kosten, die den Unternehmen bzw. Antragstellern durch den Vollzug des Umweltrechtes entstehen. Zum anderen ist zu sagen, dass Bürokratiekostenabbau mehr beinhaltet. Es ist ebenso zu fragen, was für die Standortkommune, die bei den Verfahren ja ebenfalls eine bestimmte Rolle spielt, einfacher wird und was für Bürger, die von einer Anlage möglicherweise betroffen sind, einfacher wird, was für die Umweltverbände einfacher wird und was für die Genehmigungsbehörde und möglicherweise auch für übergreifende Planungsträger einfacher wird. All das wird bei dem Kostenmodell des Normenkontrollrates gar nicht berücksichtigt. Die Zielsetzung des Koalitionsvertrages beinhaltet nicht nur Entlastungen für die Unternehmen, sondern auch Entlastungen von staatlichen Trägern und weiteren privaten Trägern. Gelegentlich wird gesagt, dass das UGB gar nicht viel Entlastung mit sich bringe. Das liegt auch daran – dies ist ein wichtiger Aspekt –, dass wichtige Teile des Bürokratieabbaus schon vor ungefähr einem Jahr durch das Beschleunigungsgesetz für Verfahren nach dem Bundes-Immissionsschutzgesetz geregelt wurden. Dadurch sind bestimmte Standards schon abgeschafft worden, wodurch Bürokratiekosten abgebaut wurden. Man könnte nun natürlich sagen, unter dem soeben angesprochenen Aspekt bedürfe es keines UGB. Ich meine aber, man muss den Zusammenhang zwischen dem Status quo am Anfang der Legislaturperiode und dem, was am Ende mit dem UGB auf dem Tisch liegt, sehen. Ich will nun noch auf die Reformbereitschaft zu sprechen kommen. Als am Anfang in der Umweltszene darüber diskutiert wurde, ob ein UGB etwas brin-

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gen werde, gab es viele, die sagten: Lasst die Finger davon. – Es hieß, man müsse das BMU dafür kritisieren, dass das Projekt eines UGB überhaupt angegangen werde. Angesichts der gegebenen politischen Lage könne es nur zu einem Standardabbau führen. Es würde zu einem Steinbruch der umweltrechtlichen Standards werden. – Es gab und gibt in Teilen der Umweltszene die Sorge, dass das UGB dafür genutzt wird, bisherige Standards abzubauen. Ich selbst habe diese Meinung nie vertreten und vertrete sie auch heute nicht. Es ist aber nicht zu übersehen, dass es in der Umweltszene die Sorge vor einer Veränderung gibt, was ich für falsch und kurzsichtig halte. Natürlich gibt es immer ein Risiko. Man weiß nicht, was am Ende herauskommt. Ich meine, dass beide Seiten Risikobereitschaft zeigen müssen, weil wir sonst, wenn wir in Jahrzehnten denken, von der Zersplitterung im Bereich des Umweltrechtes nicht wegkommen. Das heißt nicht, dass politischer Streit über die umweltpolitischen Standards, die von beiden Seiten sehr unterschiedlich betrachtet werden, ausgeschlossen sein soll. Diesen Streit kann man auf der Basis eines konsistenten Umweltgesetzbuches führen, das, wenn es so wie der jetzt vorliegende Entwurf gestrickt wäre, auch Ansatzpunkte für Veränderungen bietet, die in unterschiedliche Richtungen gehen können und politisch natürlich auch mehrheitsfähig sein müssen. Ich meine schon, dass es aus politischer Sicht jetzt eines gewissen Mutes bedarf und dass dieser Mut auch gut investiert wäre. Das geht insbesondere an die Adresse der Industrieverbände. Moderator Prof. Dr. Eberhard Bohne: Ich möchte im Zusammenhang mit der integrierten Vorhabengenehmigung abschließend noch einen Punkt ansprechen und dann zu einem anderen Thema übergehen. Zunächst komme ich auf meine Bemerkung betreffend Anlagen zum Lagern und Abfüllen von Silagesickersäften, Gülle und Jauche zurück. Als ich von Pipifax sprach, habe ich mich nicht auf die wirtschaftliche Bedeutung dieser Anlagen bezogen. Ich habe mich vielmehr auf den Streitpunkt, um den es dabei geht, bezogen. Diesen Streitpunkt kann man nur als Rechtsdogmatiker wirklich würdigen. Er betrifft die Frage, ob die im UGB II vorgesehene und von der Wirtschaft abgelehnte Anforderung, dass diese Anliegen nachteilige Gewässerveränderungen nicht „besorgen“ lassen, schärfer ist als die geltende Anforderung, dass „der bestmögliche Schutz der Gewässer“ gewährleistet wird. Ich habe diese Frage nur als Beispiel erwähnt. Ich kritisiere, dass solche Details zum Anlass für grundsätzliche Opposition genommen werden. Herr Kreklau, es wird – auch von der Wirtschaft – immer wieder gefordert, die integrierte Vorhabengenehmigung nur auf IVU-Anlagen zu erstrecken. Das würde dazu führen, dass eine Fülle von Anlagen aus der Landwirtschaft nicht erfasst würde, die für die Umwelt und ebenso für die Gewässer durchaus von Bedeutung sind. Vonseiten der Energiewirtschaft, die ja auf die Gewässer und ihre Nutzung angewiesen ist, wird dies als eine übermäßige Privilegierung der Landwirtschaft verstanden. Fordert die Wirtschaft nach wie vor diese Beschränkung

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des Anwendungsbereiches oder ist diesbezüglich eine Änderung zu erkennen? Dies ist zwar ein spezieller Punkt, aber es ist für die Praxis in der Tat entscheidend, wie weit der Anwendungsbereich der integrierten Vorhabengenehmigung reicht. Dr. Carsten Kreklau: Ich bitte mir nachzusehen, dass ich Ihnen diese Frage nicht beantworten kann. Zur Detailinformation möchte ich Ihnen gerne unsere jüngste Stellungnahme zu diesem Thema überreichen, der das, was Sie wissen möchten, zu entnehmen ist. Uns kommt es auf Folgendes an. Wir befinden uns jetzt in einem politischen Verfahren, bei dem es darauf ankommt zu springen oder nicht zu springen. So habe ich es verstanden. Ich möchte hier vor allen Dingen die Botschaft überbringen, dass wir uns die Möglichkeit offenhalten sollten, das Thema noch etwas differenzierter anzugehen. So habe ich auch Herrn Miersch verstanden, der hier nicht schwarz-weiß argumentiert hat. Er hat sich vielmehr sehr sachlich mit einzelnen Aspekten auseinandergesetzt und dabei durchaus Offenheit erkennen lassen, die einzelnen Aspekte noch einmal aufzugreifen. Dafür möchte auch ich plädieren. Wir haben uns gerade in den letzten Monaten sehr intensiv damit auseinandergesetzt, was in den kommenden Jahren politisch und auch wirtschaftlich auf uns zukommen wird. Die Deutsche Bank hat kürzlich eine Studie herausgegeben, die sich mit dem Zustand Deutschlands im Jahre 2020 auseinandersetzt. Ich habe daraus zwei Stichworte in Erinnerung: Wir werden es zukünftig im wirtschaftlichen Geschehen, sozusagen in der Wertschöpfungsstruktur mit immer kürzeren und schneller aufeinanderfolgenden Zyklen zu tun haben. Wir werden es, wirtschaftlich gesprochen, darüber hinaus mit sehr viel riskanteren Vorhaben zu tun haben. Wenn ich mir diese beiden Gesichtspunkte vor Augen führe, stelle ich mir die Frage, ob das, was wir uns mit dem UGB jetzt vornehmen, dem angesprochenen Sachverhalt und der damit verbundenen Erwartung gerecht wird. Ist das, was wir uns vornehmen, geeignet, die Prozesse tatsächlich zu beschleunigen? Ist es geeignet, wirtschaftliche Risiken einzugrenzen? Im Grunde genommen geht es um die grundlegende Frage, ob es der Rechtsetzung gelingt, den wirtschaftlichen Realitäten Rechnung zu tragen. Moderator Prof. Dr. Eberhard Bohne: Frau Gönner, ich interpretiere Ihren Gesichtsausdruck so, dass Sie widersprechen möchten. Tanja Gönner: Lassen Sie mich zunächst eine wirklich ernst gemeinte Bemerkung machen. Ich halte es für problematisch, in Anbetracht der derzeitigen Finanzkrise die Deutsche Bank hinsichtlich riskanter Vorhaben für die Wirtschaft zu zitieren. Dieser Satz sei mir erlaubt. Ich glaube, unsere Auffassungen sind in den soeben angesprochenen Punkten gar nicht sehr weit voneinander entfernt. Einige Punkte haben Sie hier zu Recht angesprochen. Ich bin auf den einen oder anderen dieser Punkte vorhin ja auch eingegangen, etwa auf Anlagen zum Lagern und Abfüllen von Jauche, Gülle und

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Silagesickersäften sowie auf die Begriffsbestimmungen. Was das UVPG anbelangt, stellt sich die Frage, ob wir einige der dortigen Regelungen – es geht um das Altanlagenprivileg und die Kumulationsvorschrift – zunächst unverändert ins UBG übernehmen sollten, um zu sehen, was dann passiert und insbesondere was der EuGH dazu sagt. Darüber können wir gerne reden. Die grundsätzliche Frage ist meines Erachtens, ob die von Ihnen hier angeführten Punkte grundsätzlich gegen die integrierte Vorhabengenehmigung sprechen. Bei meiner Analyse komme ich zu dem Ergebnis, dass das nicht der Fall ist. Wir haben uns mit diesen Themen schließlich auch intensiv beschäftigt. Ich kann Ihnen gern auch unsere Ausarbeitung zur Verfügung stellen, die wir zu den von Ihnen angeführten Problembereichen erstellt haben. Hierbei handelt es sich meines Erachtens nicht um Punkte, bei denen die integrierte Vorhabengenehmigung grundsätzlich infrage gestellt wird. Man kann allenfalls noch über die Ausgestaltung in einzelnen Facetten diskutieren. Man sollte darüber nachdenken – dafür werbe ich –, ob es unter Berücksichtigung der hier aufgeführten Gründe angemessen ist, den Eindruck zu erwecken, dass die Wirtschaft in ihrer Gesamtheit ein Problem mit der integrierten Vorhabengenehmigung hat. Man muss freilich in Betracht ziehen, dass es vielleicht den einen oder anderen gibt, der die integrierte Vorhabengenehmigung nur deshalb angreift, um im Zuge des politischen Verhandlungsprozesses ganz andere Regelungen verhindern zu können. Ich wiederhole es: Die Punkte, die Sie uns bisher vorgetragen haben, sprechen meines Erachtens nicht grundsätzlich gegen die integrierte Vorhabengenehmigung. Sie beziehen sich mehr auf die Ausgestaltung dieser Genehmigung. Wenn wir uns darauf einigen könnten, wären wir schon einen großen Schritt weiter. Dann hätte auch diese Tagung ein schönes Ergebnis gehabt. Moderator Prof. Dr. Eberhard Bohne: Wir wollen hoffen, dass sich dieser Mehrwert ergibt. Ich möchte mich nun noch einem anderen Thema zuwenden, das auf unserer Tagung eine große Rolle spielte. Ich beziehe mich auf die Abweichungsgesetzgebung im Bereich von Wasser- und Naturschutzrecht. Ich stelle an Frau Gönner provozierend die Frage: Wo weichen Sie, wenn UGB II und UGB III kommen, in Baden-Württemberg davon ab? Tanja Gönner: Genau darauf schauen wir in Baden-Württemberg nicht. Wir haben uns als Umweltministerium, das für den Wasserbereich zuständig ist, in die Beratungen eingebracht. Wir haben uns dabei intensiv mit dem Landwirtschaftsministerium, das für den Naturschutz zuständig ist, abgestimmt. Unser Bestreben ist es, jetzt ein UGB zu schaffen, von dem wir später nicht abzuweichen brauchen. Wer mit der Zielsetzung in die Beratungen geht, anschließend Abweichungen vorzunehmen, nimmt das gesamte Projekt nicht ernst. Für diese Haltung werbe ich, übrigens auch bei den Kolleginnen und Kollegen in den anderen Ländern. Ich kann heute natürlich nicht sagen, dass keiner von der

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vorgegebenen Linie abweichen wird. Es war aber in der gesamten Diskussion unser Bestreben, das Werk so zu gestalten, dass die Gefahr gering gehalten wird, dass jeder sofort Abweichungsrechte geltend macht. Hierin liegt sicher auch der Grund, weshalb mancher Umweltverband nicht zufrieden ist. Es wurde ja auch intensiv um ein für alle Seiten akzeptables Werk gerungen. Ich räume durchaus ein, dass es den einen oder anderen Punkt geben kann, im Hinblick auf den man Öffnungsklauseln vorsieht. Dies könnte Punkte betreffen, die im parlamentarischen Verfahren im Bundestag noch heiß diskutiert werden. In BadenWürttemberg gibt es derzeit aber keine Überlegungen dahin gehend, dass es dann, wenn das UGB in der jetzt geplanten Form realisiert wird, Abweichungen geben wird. Zunächst einmal ist es unser Bestreben, dem UGB zum Erfolg zu verhelfen. Moderator Prof. Dr. Eberhard Bohne: Ich möchte meine vorhin gestellte Frage etwas modifiziert auch an Frau Barth richten. Ich habe viel über Klagen der Umweltverbände über Buch II und Buch III des UGB gelesen. Wo sollten die Länder aus Ihrer Sicht von dem UGB abweichen? Haben Sie schon Verbündete in der Frage möglicher Abweichungen? Regine Barth: Niedersachsen hat ja angeblich schon Abweichungspläne in der Schublade. Das ist aber nicht unser Verbündeter. Meine große Sorge ist, dass bei der Eingriffsregelung wichtige Bestandteile dieser Regelung, die ihren Wert ausmachen, herausgebrochen werden. Ich denke dabei daran, dass sich bei Planungen und Vorhaben bestimmte Wertungskategorien und auch Rechtsfolgen zwingend ergeben und es dann Abwägungsprozesse und Ermessensspielräume geben wird. Dies könnte in der Frage der Flächeninanspruchnahme und des Erhalts von Biodiversität von zentraler Bedeutung sein. Es gab ja Bestrebungen dahin gehend, insbesondere in der Frage der Rangfolge der verschiedenen Rechtsfolgen und der Ermessensmaßstäbe den Ländern freizustellen, wie sie es handhaben wollen. Ich erwähne in diesem Zusammenhang das Stichwort „Ersatzgeld“. Möglicherweise könnte durch ökonomische Maßnahmen dann etwas erreicht werden, was manche als ein „Sich-Freikaufen“ bezeichnen. Aus umweltpolitischer Sicht würde ich größere Schäden und weitgehende Folgen befürchten, wenn sich diese Position durchgesetzt hätte. Nach meiner Information ist das BMU aber standhaft geblieben und hat sich in den Verhandlungen nicht in der befürchteten Richtung bewegt. Man wird sehen, wie der Gesetzentwurf aussieht, wenn es jemals einen solchen geben wird. Was ich eben angesprochen habe, war einer der zentralen Kritikpunkte von uns. Manches von dem, was Umweltverbände an Sorgen geäußert haben, bezog sich auf das, was von anderen Ressorts in die Diskussionen eingebracht wurde. Ich nenne in diesem Zusammenhang beispielhaft die Frage der Schaffung eines Biotopverbundes und des Thema des Artenschutzes. Ein zweiter zentraler Punkt, bei dem ich ebenfalls nicht weiß, wie die Lösung der Ressorts für diesen Punkt endgültig aussehen wird, ist die gute fachliche

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Praxis. Damit ist die Frage angesprochen, inwieweit das Fachrecht in das UGB Eingang finden soll. Reicht es aus, wenn im landwirtschaftlichen Fachrecht bestimmte Regelungen getroffen werden? Oder muss es mindestens bei dem bleiben, was bisher das Bundesnaturschutzgesetz beinhaltet? Es geht somit um die Frage, wann fiktiv davon ausgegangen wird, dass gar kein Eingriff vorliegt, bzw. wann ein Eingriff etwa im Bereich der Waldwirtschaft oder der Landwirtschaft erlaubt ist. Wir haben es hier sowieso mit einem umweltrechtlichen Gebiet zu tun, das unter dem Gesichtspunkt von Governance große Fragen aufwirft, weil wenig Überwachung stattfindet. So gibt es bei den Industrieanlagen eine große Diskrepanz zwischen dem, was der Landwirtschaft abverlangt wird, und dem, was Unternehmen, die BImSchG-Anlagen betreiben, abverlangt wird. Umweltpolitisch betrachtet – wie es sozialpolitisch und gesamtgesellschaftlich zu bewerten ist, ist eine andere Frage – ist diese Ungleichbehandlung nicht gerechtfertigt. Man kann sich nur wünschen, dass die gute fachliche Praxis und die Sicherstellung von Naturschutz, Flächenschutz und Landschaftsschutz sowie alles, was mit hineinspielt, ihr Gewicht behalten. Was dies angeht, so würde man sich vor allen Dingen im Vollzug noch bessere Instrumente, eine bessere Überwachung und auch eine bessere Dokumentation und ein besseres Monitoring wünschen. Lassen Sie mich noch einen kurzen Schlenker machen und auf das Wasserrecht zu sprechen kommen, das bisher noch nicht Gegenstand der Debatte war. Wenn man an Buch II des UGB etwas kritisieren kann, so ist es aus meiner Sicht das, dass keine Antwort darauf gegeben wird, wie wir damit umgehen, dass nach wie vor aufgrund der Landwirtschaft bestimmte Einträge in das Grundwasser und auch in Oberflächengewässer erfolgen, die zwar nicht illegal sind, die aber insgesamt dazu führen, dass wir – jedenfalls in bestimmten Regionen – langfristig nicht die Grundwasserqualität haben, die wir nach EU-Recht und aus umweltpolitischer Notwendigkeit heraus brauchten. Wenn man fragt, was man sich wünschen würde, würde man perspektivisch sagen – in dem jetzigen Entwurf wäre dies sicherlich nicht mehr zu berücksichtigen –, dass man sich noch genauer überlegen sollte, wie man z. B. über die Bewirtschaftungspläne und über die Instrumente, die mit der Wasserrahmenrichtlinie nunmehr zur Verfügung stehen, besser nachjustieren kann, ökonomische Instrumente schaffen kann usw. In dieser Hinsicht gibt es Reformbedarf. Moderator Prof. Dr. Eberhard Bohne: Frau Klug, sehen Sie die Gefahr der Abweichungsgesetzgebung als real an? Astrid Klug: Ich möchte mir gern den Optimismus von Frau Gönner zu eigen machen; ich übernehme ihn gerne. Wir haben uns im Rahmen der Bund-Länder-Arbeitsgruppe von Anfang an mit den Ländern zusammengesetzt, um ein gemeinsames UGB zu entwickeln und möglichst wenig Anreize zu bieten, dass von dem Abweichungsrecht Gebrauch gemacht wird. Ich glaube auch nicht, dass irgendjemand davon profitieren würde. Im Übrigen habe ich auch Vertrauen in

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die politischen Diskussionen vor Ort. Ich glaube, wenn sich jemand motiviert fühlte, von einem Gesetzbuch, das man gemeinsam auf den Weg gebracht hat, abzuweichen, würde das auch vor Ort durchaus auf Kritik stoßen. Allerdings habe ich den Kollegen von Frau Gönner, den Landwirtschaftsminister aus Baden-Württemberg, auf dem Deutschen Naturschutztag in Karlsruhe erlebt, wo er verkündet hat, dass er hoffe, dass es das UGB nicht geben werde, und dass er als Minister selbstbewusst genug sei, von all dem, was ihm am UGB nicht gefalle, später auch abzuweichen. Ich hoffe, dass dieses Beispiel nicht Schule macht, weder in Baden-Württemberg noch sonst wo. Es ist deshalb überaus wichtig, dass es auch Umweltminister bzw. Umweltministerinnen wie Frau Gönner gibt, die wissen, was im Umweltgesetzbuch steht, und die dabei waren, als es entwickelt wurde. Hoffentlich treten diese Minister bzw. Ministerinnen im eigenen Land und in den Reihen der Länder stark genug auf und werben dafür, dass es keinen Sinn macht, von den vorgesehenen Regelungen abzuweichen, weil dies am Ende, wenn wir es tatsächlich geschafft haben, das UGB zu beschließen, in niemandes Sinn wäre. Moderator Prof. Dr. Eberhard Bohne: Zum Abschluss möchte ich einen Blick auf Europa werfen. Es war ja ein erklärtes Ziel der Föderalismusreform und es ist ebenso ein Ziel des UGB, die Europatauglichkeit des deutschen Umweltrechts zu erhöhen. Damit ist vor allem gemeint, die Umsetzung des EU-Rechtes zu erleichtern und zu beschleunigen. Es gibt aber noch einen zweiten Aspekt, der in einem Papier des BMU vom November des vergangenen Jahres unter dem Stichwort „10 gute Gründe für ein UGB“ angesprochen wird. Dort wird ausgeführt, dass das UGB auch eine Modellfunktion für die Fortentwicklung des EU-Rechtes haben könne und dass es Deutschland wieder zu seiner verloren gegangenen Vorreiterrolle im Umweltschutz verhelfen könne. Diese Aussage sollte man vor dem Hintergrund sehen, dass Großbritannien vorgemacht hat, was man mit einer guten nationalen Konzeption in Europa bewegen kann. Die IVU-Richtlinie beinhaltet nichts anderes als nationales britisches Recht. Der britische Umweltminister hat schon 1989/1990 im Parlament erklärt: Wir werden die Führung in Europa übernehmen. – Das kann man in den Protokollen des Westminster-Parlaments nachlesen. Meine Frage an Frau Klug ist, welche europäischen Rechtsetzungsinitiativen das BMU plant, wenn das Umweltgesetzbuch kommt. Astrid Klug: Darüber können wir reden, wenn wir es geschafft haben, das UGB tatsächlich zu beschließen. Es ist aber natürlich völlig richtig, dass das soeben angesprochene Motiv eines der Motive ist, warum wir das UGB erarbeiten. Es gibt ja kaum einen anderen Bereich, für den Europa so wichtig ist wie für den Umweltbereich. Weil Umweltprobleme keine Grenzen kennen, dürfen auch Umweltrecht und Umweltpolitik keine Grenzen kennen. Wir wissen aber alle um die Kritik, die Bürgerinnen und Bürger an Europa äußern. Deshalb ist es auf nationaler Ebene ebenso wie auf europäischer Ebene wichtig, das Umweltrecht

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einfach und kohärent zu gestalten, um bei den Bürgerinnen und Bürgern eine Akzeptanz für das Recht und für die Institutionen zu schaffen. Wir nehmen für uns in Anspruch, dass wir nicht nur in Europa, sondern weltweit Vorreiter sind, was gute Umweltpolitik angeht. Wir nutzen unsere gute Umweltpolitik auch für technologische Innovationen, wobei nicht nur an die Situation der Umwelt, sondern durchaus auch an wirtschaftliche Perspektiven zu denken ist. Das Umweltrecht muss dann Schritt halten, um diese Vorreiterrolle beizubehalten und auch zu nutzen. Deshalb ist es wichtig, dass wir hier in Deutschland ein Beispiel geben und davon ausgehend auch auf Europa Einfluss nehmen können. Das funktioniert natürlich dann nicht, wenn wir in vielen Fällen zu den Ländern gehören, die am längsten brauchen, um europäische Gesetzgebung in nationales Recht umzusetzen. Deshalb muss sich in dieser Hinsicht etwas ändern. Auch dazu kann das UGB einen Beitrag leisten. Moderator Prof. Dr. Eberhard Bohne: Herr Kreklau, wäre es nicht ein Mehrwert des UGB, wenn das deutsche Umweltrecht wieder mehr Einfluss in Europa gewinnt? Die Wirtschaft ist ja europäisch und weltweit vernetzt. Vielleicht können Sie dem Bundesumweltministerium ja einen Vorschlag unterbreiten, wo es auf europäischer Ebene etwas aktiver werden sollte. Dr. Carsten Kreklau: Die Frage ist, was wir unter einer Führungsrolle in Europa und vielleicht auch darüber hinaus verstehen. Ich glaube, dass Deutschland stark auftreten wird, wenn es eine starke wirtschaftliche Basis hat. Letztlich ist das für mich ein Kriterium, um zu beurteilen, ob ein Umweltgesetzbuch etwas dazu beitragen kann, die wirtschaftliche Basis zu stärken. Wenn das Umweltgesetzbuch der Hebel wäre, um europäisches Recht schneller wirkungsvoll in nationales Recht umzusetzen, wäre das sicherlich ein Vorteil. Insgesamt haben wir in Sachen Umweltpolitik mit der Bundesregierung und auch mit vielen anderen sicherlich eine gemeinsame Sichtweise. Es wird darauf ankommen, die Ökologie sozusagen zu einem Aspekt der Langzeitökonomie zu machen, sie in wirtschaftliches Geschehen einzubauen und sie auch in politische Meinungsbildung einzubauen, damit Umweltaspekte sich im wirtschaftlichen Geschehen rechenbar machen. Diese Rechenbarkeit setzt voraus, dass auch bei den umweltgesetzlichen Regelungen Verlässlichkeit gegeben ist. Berechenbarkeit und Vertrauen in die Umweltgesetzgebung sind ein außerordentlich hohes Gut. Diesen Maßstab müssen wir auch beim Umweltgesetzbuch anlegen. Moderator Prof. Dr. Eberhard Bohne: Frau Barth, wie bewerten Sie aus Ihrer Sicht im Blick auf Europa die doppelten Verbandsklageregelungen im UGB I und UGB III? Regine Barth: Sie hatten am Anfang dieser Runde nach der Konformität des UGB mit dem EU-Recht gefragt. Jetzt sprechen Sie in diesem Zusammenhang einen wunden Punkt an. Ich bin der Meinung, dass die jetzt vorgesehene Regelung des Umweltrechtsbehelfsgesetzes in puncto Verbandsklage, was die

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Übernahme der Schutznormtheorie angeht, mit der Århus-Konvention und auch der Art der Umsetzung der Århus-Konvention in EU-Recht nicht als konform anzusehen ist. Ich bin gespannt, wie die internationale und die europäische Ebene mit dieser Frage weiter umgeht. Es gibt eine erste Rechtsprechung in Deutschland, die, soweit ich es erkennen kann, dieses Gesetz so anwendet, wie es auch verabschiedet worden ist. Auch bei einer Umsetzung von 1:1 gibt es immer noch einen Interpretationsspielraum, denn man kann darüber diskutieren, was im Einzelnen unter einer Umsetzung von 1:1 zu verstehen ist. Im Übrigen kann man eine Zielsetzung auch grundsätzlich infrage stellen. Wenn man auf die Vergangenheit schaut, stellt man fest, dass es eine Pioniergesetzgebung in Deutschland gab, die dann auf EU-Ebene aufgegriffen worden ist. Das gilt beispielsweise für den Abfallbereich. Dies hat der deutschen Wirtschaft den Vorteil verschafft, dass sie die Instrumente und die Systematik schon kannte und darauf eingestellt war. Deshalb sah sie sich nicht vor die Probleme gestellt, die sich in anderen EU-Ländern bei der Einführung der EU-Abfallrechtsgesetzgebung ergaben. Ähnliches kann man für die IVU-Richtlinie im umgekehrten Sinne sagen. Diese Richtlinie ging nicht auf ein deutsches Vorbild zurück. Ich vertrete nicht die Auffassung, die Hauptredner sprächen sich in der UGB-Debatte für einen nationalen Impetus aus. Unter dem Aspekt des Blicks nach vorn und der Fragestellung, was uns das UGB als Vorteile bringen kann, ist zu sagen, dass die Vorbereitung, das Sich-Einstellen auf Instrumente und der Sachverhalt, bestimmte Instrumente in der Praxis schon gut implementiert zu haben, ein Standortvorteil und ein Wettbewerbsvorteil sein können und dies in der Vergangenheit auch gewesen sind. Was das Thema Vertrauen und Rechtssicherheit angeht, so kann ich Ihnen nur absolut recht geben. Dabei haben wir es mit einem wichtigen Standortvorteil zu tun. Das Vertrauen von Bürgern in den Staat und in seine Institutionen kennzeichnet eine wichtige Ausprägung des Rechtsstaatsprinzips. Vertrauen ist etwas, was nicht nur für die Industrie, sondern auch für die Bürger wichtig ist. Ein weiterer Aspekt von better regulation ist Transparenz. Ich denke, das UGB geht zwar behutsam, aber vielleicht ein Stück weit zu behutsam vor, wenn es darum geht, die Transparenz im Genehmigungsverfahren zu erhöhen, ohne die Kosten zu erhöhen. Gemessen an hartem EU-Recht und an der Philosophie der EU in Bezug auf better regulation hätte es, wie ich meine, beim UGB noch Verbesserungspotenzial gegeben. Was die Schaffung von Transparenz – auch im Sinne von Vertrauensschutz – angeht, dürfen die Standards jedenfalls nicht abgesenkt werden. Die letzte Frage bezog sich auf die Verbandsklage, wobei UGB I und UGB III erwähnt wurden. Ich meine, in diesem Punkt wäre eine Lösung, egal wie sie ausgestaltet worden wäre, in jedem Falle kritisiert worden. Man muss fragen, ob sich in der Substanz wirklich ein Problem stellt; dann muss man überlegen, wie viele einschlägige Fälle man sich theoretisch ausdenken kann. Vielleicht

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kommt man dann zu dem Schluss, lieber im Rahmen der Eingriffsregelung genau hinzuschauen, wo die Probleme liegen, und nicht das Risiko einzugehen, sich mit Kleinigkeiten aufzuhalten. Moderator Prof. Dr. Eberhard Bohne: Frau Gönner, der Gesetzgebungsprozess in Europa wird oft als regulatorischer Wettbewerb der Nationalstaaten bezeichnet. Sehen Sie eine Möglichkeit, vonseiten der Länder über den Bund in diesen Wettbewerb einzugreifen? In welche Richtung könnte das gehen? Früher habe ich, als ich noch im BMU tätig war, oft erlebt, dass Länder erst einmal abwarteten, bis ein verabschiedeter Richtlinientext vorlag. Vorher haben sie sich nicht damit beschäftigen wollen. Das kam sehr häufig vor. Ist das in Baden-Württemberg jetzt anders? Wirkt Baden-Württemberg in Europa sozusagen mit? Tanja Gönner: Zunächst muss man sich immer vergegenwärtigen, wie die heutige Situation ist und welche Schwierigkeiten die Umsetzung des europäischen Umweltrechts sowohl für den Bund als auch für die Länder mit sich bringt. Insofern ist meines Erachtens der integrative Ansatz das Wichtige beim UGB, weil wir dann europarechtliche Regelungen nicht mehr in unterschiedliche Rechtsgesetze umsetzen müssen. Ich glaube also, dass uns das UGB einen Schritt nach vorn ermöglichen wird. Wie bringen sich die Bundesländer in Europa ein? Wir selber versuchen, uns frühzeitig einzubringen. Es gibt für die Länder aber auch Kapazitätsgrenzen. Die Länder haben vorrangig die Aufgabe, den Vollzug sicherzustellen und die Verwaltung dafür vorzuhalten. Über die Grünbücher und die Weißbücher versuchen wir natürlich, die Entwicklung im europäischen Bereich zu beobachten. Es ist aber schwierig, sehr frühzeitig auf die Entwicklung einzuwirken. Wir versuchen dies punktuell, sei es im Rahmen von einzelnen Veranstaltungen in Brüssel, sei es in Einzelgesprächen in Brüssel. In diesem Rahmen versuchen wir, frühzeitig unsere Interessen zu vertreten. Die Länder schalten sich häufig aber erst dann ein, wenn die Richtlinien vorliegen, wenn die Diskussion im Bundesrat erfolgt und die Bitte an die Bundesregierung gerichtet wird, bestimmte Aspekte in die Debatte einzubringen. In Brüssel – auch dies gehört zur Realität – freut man sich sehr, wenn dort eines der 16 Bundesländer auftritt. Diese 16 Bundesländer repräsentieren einen Bundesstaat, der aber nur eine Stimme unter 27 Stimmen verkörpert. Man muss insofern immer sehr gut aufpassen, wie das Auftreten eines Bundeslandes in Brüssel wirkt. Einerseits vertrete ich dort meine Interessen; andererseits versuche ich zugleich deutlich zu machen, dass wir immer auch ein übergreifendes Gesamtinteresse verfolgen. Ich glaube, es hilft Deutschland, wenn auch die Länder für das Gesamtinteresse eintreten. Dieses Eintreten ist natürlich mit der Bitte und hin und wieder mit einer deutlichen Aufforderung an die Adresse der Bundesregierung verbunden – das gehört bei der Interessenvertretung der Länder zum politischen Geschäft –, die Interessen der Länder nicht aus den Augen zu verlieren.

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Ein Problem, das uns in der Politik langfristig begleiten wird, ist, dass sich im Zusammenhang mit dem Europarecht heute folgende große Schwierigkeit ergibt: Europa beschließt, der Bund setzt das Europarecht um und die Länder sollen es vollziehen; woher das Geld und das Personal dafür kommen, interessiert aber keinen. – Das führt dazu, dass Landesverwaltungen dauerhaft in der Gefahr sind, überfordert zu werden. Dieses Problem kann selbstverständlich nicht so gelöst werden, dass der Bund sagt: Wir können den Vollzug besser gewährleisten. Ich war politisch schon auf Bundesebene tätig; nun bin ich auf Landesebene tätig. Vor diesem Hintergrund kann ich sagen, dass ich glaube, dass die Art, wie wir den Föderalismus in Deutschland mit seinen Stärken – es gibt natürlich auch Schwächen – aufgebaut haben, sinnvoll ist. Der Umsetzung europäischen Rechts steht der deutsche Föderalismus jedenfalls dann nicht entgegen, wenn wir unsere Rechtssystematik den Umsetzungserfordernissen anpassen. Für eine solche europarechtsfähige Rechtssystematik ist das UGB, wie ich glaube, ein wichtiger Schritt, der uns entsprechend voranbringen kann. Moderator Prof. Dr. Eberhard Bohne: Wir stehen damit am Ende unserer Podiumsdiskussion. Ich möchte den Teilnehmern auf dem Podium ganz herzlich danken. (Beifall) Wir stehen damit zugleich am Ende unserer Tagung. Ich hoffe, die Tagung hat Ihre Erwartungen erfüllt und Sie können einige Anregungen mitnehmen. In der Diskussion deutete sich ja an, dass die Tagung vielleicht zu einem gewissen Verständnis der verschiedenen Positionen beigetragen hat. Ich danke Ihnen für Ihre engagierte Teilnahme.

Autorenverzeichnis apl. Prof. Dr. Martin Gellermann, Rechtsanwalt (Münster), außerplanmäßiger Professor am Fachbereich Rechtswissenschaft der Universität Osnabrück Prof. Dr. Michael Kloepfer, Humboldt-Universität zu Berlin, Lehrstuhl für Staats- und Verwaltungsrecht, Europarecht, Umweltrecht, Finanzrecht und Wirtschaftsrecht, Forschungszentrum Umweltrecht Dr. Alexis von Komorowski, Referent im Umweltministerium Baden-Württemberg, Stuttgart Prof. Dr. Michael Kotulla, Universität Bielefeld, Lehrstuhl für Öffentliches Recht, insbesondere Umweltrecht Dr. Matthias Miersch, Abgeordneter des Deutschen Bundestages, Mitglied im Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit des Deutschen Bundestages Prof. Dr. Dres. h.c. Hans-Jürgen Papier, Präsident des Bundesverfassungsgerichts, Karlsruhe Dr. Albrecht Rittmann, Ministerialdirigent im Umweltministerium Baden-Württemberg, Stuttgart Dr. Christof Sangenstedt, Ministerialrat im Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit, Berlin Petra Schön, Referentin im Sekretariat des Nationalen Normenkontrollrates beim Bundeskanzleramt, Berlin Dr. Dieter Sellner, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Verwaltungsrecht, Partner der Kanzlei Redeker, Sellner, Dahs und Widmaier, Berlin Hubert Steinkemper, Ministerialdirigent im Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit, Berlin Alfred Wirtz, Regierungsvizepräsident a. D., Bezirksregierung Münster