Das Postulat der Unparteilichkeit des Richters - Befangenheit und Parteilichkeit - im deutschen Verfassungs- und Verfahrensrecht [1 ed.] 9783428446148, 9783428046140

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Das Postulat der Unparteilichkeit des Richters - Befangenheit und Parteilichkeit - im deutschen Verfassungs- und Verfahrensrecht [1 ed.]
 9783428446148, 9783428046140

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Schriften zum Prozessrecht Band 65

Das Postulat der Unparteilichkeit des Richters – Befangenheit und Parteilichkeit – im deutschen Verfassungs- und Verfahrensrecht

Von

Joachim Riedel

Duncker & Humblot · Berlin

JOACHIM RIEDEL

Das Postulat der Unparteilichkeit des Richters

Schriften zum Prozessrecht

Band65

Das Postulat der Unparteilichkeit des Richters - Befangenheit und Parteilichkeit im deutschen Verfassungs- und Verfahrensrecht

Von

Dr. Joachim Riedel

DUNCKER

&

HUMBLOT

/

BERLIN

D 21 Alle Rechte vorbehalten © 1980 Duncker & Humblot, Berlin 41 Gedruckt 1980 bei Buchdruckerei Richard Schröter, Berlin 61 Prlnted in Germany ISBN 3428 04614 5

Vorwort Bei der hier vorgelegten Untersuchung handelt es sich um die über­ arbeitete Fassung meiner Dissertation, die dem Fachbereich Rechts­ wissenschaft der Universität Tübingen im WS 1977/78 vorgelegen hat. Das Manuskript der jetzigen Fassung befindet sich im wesentlichen auf dem Stand von September 1979; später veröffentlichte Literatur und Judikatur habe ich, soweit möglich, noch nachträglich eingearbeitet. Allen, die zu dieser Untersuchung beigetragen haben, möchte ich auch an dieser Stelle herzlich danken. Mein besonderer Dank gilt den Herren Prof. Dr. Günter Dürig und Prof. Dr. Knut Wolfgang Nörr, Tübingen, sowie Herrn Prof. Dr. Karl Peters, Tübingen-Münster/West­ falen, die diese Untersuchung mit zahlreichen Anregungen und för­ dernder Kritik begleitet haben. Nicht zuletzt danke ich Herrn Prof. Dr. Broermann vom Verlag Duncker & Humblot für die Aufnahme der Arbeit in die Reihe der „Schriften zum Prozeßrecht". Tübingen, im März 1980

Joachim Riedel

Inhaltsübersicht Ausführliches Inhaltsverzeldmis . ... . . .. . ........... . .. ... ... . ... . . .. . . IX Einleitung (§ 1) . . . . . .. . . .... .... . . . . . .. .. . . ... .. ... . .... .... . .. ... .... .

1

E r s t e r Te i l Gleichheitssatz und Postulat der richterlichen Unparteilichkeit Inhalt und Grenzen des Postulats Erster Abschnitt: Begriff und Kriterien von Unparteilichkeit und Befan-

genheit ............ ..... . .. . . ... . ...... ................ .... .

9

Das Leitbild des unparteilichen Richters: der Ausgangspunkt. . Das Unparteilichkeits-Postulat als spezifische Ausprägung des allgemeinen Gleichheitssatzes.. ............ . .......... ....... § 4. Parteilichkeit als unsachliche, auf Bevorzugung oder Benach­ teiligung eines Prozeßbeteiligten gerichtete innere Einstellung des Richters ..... . ........ .. .. ..... . .. . .... .. .. . ... ... .... ... § 5. Die Bevorzugung oder Benachteiligung eines Prozeßbeteiligten als Merkmal der Parteilichkeit ... . .. .. ... ... .. .. .. .... . . . ... §§ 6 -1 0. Die Unsachlichkeit der Ungleichbehandlung als Merkmal der Parteilichkeit im einzelnen ..... . ........... ... .. ........ ... . §§ 11 -13. Die Fallbezogenheit als zusätzliches Kriterium der Parteilichkeit ..... . . ........ ........ .... .... .... ........ .... ... ..... . §§ 14- 1 6. Das Verhältnis der „Parteilichkeit" zur „Befangenheit" ... ... . § 17. Zusammenfassung zum Ersten und Uberleitung zum zweiten Abschnitt ...... .... ........ . . . . .. ..... . . .. .. . ... . . .. .. .. . ...

9

§ 2. § 3.

13 16 20 25 58 76 89

Zweiter Abschnitt: Erscheinungsformen (Falltypen) der Parteilichkeit und

sachlich eng damit verwandte Phänomene .. .. ... . . .... .. . .... 91

Erste Fallgruppe: Die persönliche Voreingenommenheit .. . ... 91 § 18. §§ 19 - 20. zweite Fallgruppe: Das eigene, persönliche Interesse des Richters an der Sache ....... ... ............ ..... ........ .... .. .. 94 §§ 21 - 25. Dritte Fallgruppe: Die vorzeitige Festlegung des Richters ... . 11 5 Vierte Fallgruppe: Beeinflussung des Richters von dritter Seite 1 56 § 26. Fünfte Fallgruppe: Gereiztheit, Ungeduld und ähnlich nega§ 27. tive Stimmungen und Einstellungen des Richters ... ......... 1 57 §§ 28 -32. Sechste Fallgruppe: Mißachtung der dem Richter vom Gesetz her vorgeschriebenen Rolle: Eingriff in die formale Chancen­ gleichheit der Parteien im Parteienprozeß zugunsten einer Partei ......... ............. . ............................... 163

VIII

Inhaltsübersicht

Dritter Abschnitt: Erste Schlußfolgerungen für die Ausgestaltung des deutschen Prozeßrechts . . . . .. . ... ..... .. ..... ..... .... ... .. .. 198 § 33. § 34. § 35.

Die Forderung nach Objektivität und Unparteilichkeit des Richters im Prozeß . . . . .. . .... ...... . . ... . . .. ... ..... . .... .. . 198 Zusammenfassung: Der Geltungsbereich des Unparteilichkeits­ Postulats im Rahmen des Prozeßrechts .. ... ... . .......... . .. . 199 Der „Mindeststandard" des Prozeßrechts in bezug auf ein Handlungsverbot für den tatsächlich befangenen Richter . . . . . . 20 1 z w e i t e r Te i l Das Unpartellldlkelts-Postulat und die sonstigen Bestimmungen des Grundgesetzes

Erster Abschnitt: Das Rechtsstaatsprinzip und das Unparteilichkeits-Po-

stulat (§ 36) . . . . . . . . . . . .. . . . . . .... . .. ...... .......... .. . .. ... 212

Zweiter Abschnitt: Die Vorschriften des Grundgesetzes über das Richter­

amt und das Unparteilichkeits-Postulat . .. . ... . . .. . . ... ... . . . 216

§ 37. § 38.

Art.92 GG 216 Art. 97 GG . . . .. ... .. . .. . . . .. . . .. ..... . .. ... ... .. . . .... . . . . .. 220

Dritter Abschnitt: Der Grundsatz des gesetzlichen Richters und das Un­

parteilichkeits-Postulat (§§ 39 - 52) ... .. ... . . .. . .... .... .... 22 5

Anhang: Die europilsche Menschemecbts-Konvention und das Unpartei­ lldlkeits-Postulat (§ 53) ••.... ..•......... .... ..... ..... ..... 267 Zusammenfassung und Ausblltk (§ 54) .. . . ... ... . . . . .. . . .... . . . . . . ..... 269 Quellen- und Literaturverzeichnis ...... . ... . .. ....... . ...... . . . ... . . . . . 272

Ausführliches Inhaltsverzeichnis Einleitung (§ 1) I. (Ausgangspunkt der Untersuchung) ............................. . II. (Notwendigkeit einer derartigen Untersuchung überhaupt) ......... III. (Speziell der derzeitige Befund in Literatur und Rechtsprechung) . .

2

IV. (Zu Gang und Inhalt der Untersuchung) ....... . . . . . . .............

4

V. (Beschränkung der Untersuchung im wesentlichen auf den staatlichen Richte r) . . . . ... . ... . . . . . ......... . ........... . .......... . . .

7

E r s t e r Te i l Gleichheitssatz und Postulat der richterlichen Unparteilichkeit Inhalt und Grenzen des Postulats

Erster Abschnitt Begriff und Kriterien von Unparteilichkeit und Befangenheit

§ 2. Das Leitbild des unparteilichen Richters: der Ausgangspunkt .. . .. .

9

I. (E rste Umschreibung des Begriffs der Unparteilichkeit) . ...........

9

II. (Richterliche Unparteilichkeit als Essentiale der Rechtsprechung) ...

10

III. (Abgrenzung „Unparteilichkeit" - ,.Neutralität" ) ... . . . . . . . ... . . .. .

12

§3 . Das Unparteilichkeits-Postulat als spezifische Ausprägung des allge­ meinen Gleichheitssatzes ........ .... ...... ...... ........... . ..... 13 I. (Ansatz beim Merkmal der Bevorzugung/Benachteiligung aus sach­ fremden Gründen) ........... . ..................... . . . . . . . ....... 13 II. (Gleichheit vor dem Richter und durch den Richter) .... . ...........

14

III. (Allgemeiner Gleichheitssatz und seine Konkretisierungen) ...... � .

16

X

Ausführliches Inhaltsverzeichnis

§ 4.

Parteilichkeit als unsachliche, auf Bevorzugung oder Benachteili­ gung eines Prozeßbeteiligten gerichtete innere Einstellung des Richters . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16

I . (Bevorzugung/Benachteiligung eines Prozeßbeteiligten aus sach­ fremden Gründen allein als Kriterium zu weit) . . . . . . . . . . ... . . . . . . . 16 II. (Ausschlaggebend die unsachliche innere Einstellung des Richters)..

17

III. (Das Unparteilichkeits-Postulat und die Lehre vom Willkür-Verbot) 1. (Der Ansatzpunkt) . . .. . . ... . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . 2. (Objektiver Charakter des „Willkür"-Begriffs) ... .. . . . . .. . . . . . . 3 . (Inkongruenz von „Parteilichkeit" und „Willkür") . . . . . . . . . . . .. .

18 18 18 19

IV. (Vorläufig zusammenfassende Formel für die Parteilichkeit) . . . . . .. 20 §5. Die Bevorzugung oder Benachteiligung eines Prozeßbeteiligten als Merkmal der Parteilichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . .. . . . . 20 I. (Die Tatsache der Bevorzugung oder Benachteiligung als solche) .. . 20 II. (Ausreichen schon dieses objektiven Tatbestandes als solchen auch ohne entsprechendes Bewußtsein des Richters) . . . .. . . . . . .. . . . . . . . . 21 III. (Der für eine solche Bevorzugung oder Benachteiligung in Betracht kommende Personenkreis) .. . . .. . . . . .. .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . 22 IV. (In der Regel Korrespondieren von Bevorzugung eines Prozeßbe­ telligten und Benachteiligung eines anderen Prozeßbeteiligten) . . . . 24 § 6. Die Unsachlichkeit der Ungleichbehandlung als Merkmal der Par­ teilichkeit. A. Unparteilichkeit und subjektiv-personale Kompo­ nente im richterlichen Handeln - Das Problem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25 I. (Das subjektiv-personale Element im richterlichen Handeln überhaupt) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

25

1. (speziell im Rahmen der Rechtsanwendung) .. . . .. . . . . . . . . . . . . . . 26 2. (Einfluß der Persönlichkeit des Richters auf die Ausgestaltung des jeweiligen Verfahrens überhaupt) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . 27 II. (Die sachliche „Nähe" zur Befangenheit) . . .. . . . . . . . . . . . . . . . ... . . . . 27 III. (Stand der bisherigen Behandlung dieser Materie in der Literatur. Notwendigkeit einer genaueren Erfassung und Differenzierung) . . . . 28 § 7. B. Ausgrenzung des in der Struktur der Rechtsanwendung selbst angelegten personalen Elements im richterlichen Handeln . . . . . . . . . 31 I. (Notwendigkeit einer Differenzierung) . . . . . . . . .. . . . . . . .. . . . . . . . . . . 31 II. (Das subjektive Moment bei der Auslegung von Rechtsnormen. Beispiele) . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . 32 III. (Das subjektive Moment in sonstigen Bereichen der Rechtsanwendung) . . . . . . . .. . . . . . . . . . ... ... . ..... .. . . . . . . ... . . . . ... . . . . . . . . . . . . 34

Ausführliches Inhaltsverzeichnis

XI

36 IV. (Bisherige Behandlung dieser Materie im neueren Schrifttum) 1. (Einzelne Beispiele) ... ... .. ... ..................... ........ ... 36 2. (Speziell die Monographien von Hamm und Eisenblätter) ....... 37 V. (Der Ansatz für eine allgemeine Abgrenzungsformel) .......... .... 39 1. (Funktion des prozessualen „Parteilichkeits"-Begriffs) .... .. .. .. 39 2. (Die Entscheidung des LSozG Celle vom 23.3.54) ............... 40 VI. (Allgemeine Abgrenzungsformel) . ..... ... ..... ......... ........... 40 1. (Die Formel selbst) ... ........ .............. .... . ... ......... . . 41 2. (Relevanz dieser Abgrenzung für das Gebot der Rechtsanwendungsgleichheit) . . . . . . . ... . .. . .... ... . ...... ...... ..... . ....... 41 VII. (Differenzierung zwischen richterlicher „Objektivität" im allgemei­ nen und richterlicher „Unparteilichkeit" im besonderen) .... . . .....

41

§ 8. C. Auswirkungen dieser tenninologischen Ausgrenzung für die

Praxis: grundsätzlich keine Ablehnung eines Richters allein wegen einer bestimmten von ihm vertretenen Ansicht ....... . ..... . ..... 43

I.

(Die Regel) . ... ..... ............. .... ... .......... .......... .....

43

II. (Speziell: Ablehnung wegen verfehlter Rechtsansicht) ........... .. 44 1. (Abgrenzung der Funktionen von Rechtsmittelverfahren und Ab­ lehnungsverfahren) ..................... ... ... .... . . .. . ....... 44 2. (Ausnahmen) . . .... ............................... . ........... 45 III. (Differenzierung zwischen Begründung und Motiv der Richterablehnung) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ... .... . .. .......... ... ............ ..

46

§9. D. Speziell das politische und weltanschauliche Moment im richter­ lichen Handeln und die Ablehnung von Richtern des BVerfG . .. . . . 47 I. (Zur praktischen Relevanz des politischen Moments im richterlichen Handeln für die Richterablehnung) .... . .......................... 47 II. (Besondere Relevanz für die Richter des BVerfG) .. ... . . .......... 48 1. (Hier enger Begriff des „Politischen") .......... ... ............. 48 2. (Die besondere persönliche Exponiertheit der Bundesverfassungsrichter) . . . . .. .... . . . .. . ... ............ . ............ ...... 49 III. (Versuche, schon de lege lata den Eintritt der Beschlußunfähigkeit des BVerfG durch mehrere erfolgreiche Richterablehnungen abzuwenden) . • . . . . . .. . . .. . . .... . .. . ... . ... . .................... ...... 1 . (Die Auffassung Kleins) . . . . .. . . ............... ........... ..... 2. (Die Auffassung Geigers) . ...... ............................... 3 . (Die Auffassung Lademanns) . . .. ... .... ................ . ...... 4. (Einschränkung der Ablehnungsbefugnis vor dem BVerfG) ..... 5. (Strengerer Beurteilungsmaßstab für Ablehnungsgesuche) . . ....

50 50 51 51 51 52

IV. (Abhilfemöglichkeiten de lege ferenda) ......... . ................. 54

XII

Ausführliches Inhaltsverzeichnis

§ 10. E. Das Unsachlichkeits-Kriterium allgemein . . .. . . . . . . . : . . .. . . . . . . ·. 56 I. (Relevanz der sonstigen subjektiven Momente im richterlichen Han­ deln für die Parteilichkeit) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . 56 II. (Der Vergleichsmaßstab) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5 7 1. (Nicht ein Vergleich von Richter zu Richter) . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . 5 7 2. (Ausschlaggebend vielmehr nur das Verhalten des j eweiligen Richters) . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . .. . . .. . . .. . . . . . ... . . ... . . . . 5 7 III. (Allgemeine Formel für das Unsachlichkeits-Kriterium) . . . . . ...... 5 8 § 11. Die Fallbezogenheit als zusätzliches Kriterium der Parteilichkeit. A. Ausgrenzung der Fallgruppe der Nichteignung des Richters . . . . . 5 8 § 12. B. Ausgrenzung des nur „allgemeinen Interesses" des Richters . . . .

·eo

I. (Der Ausgangspunkt. Beispiele) . . . . . . . . . . . . . .. . . . .. . . . . . ... . . . . . . . 60 II. (Die Erscheinungsformen des nur „allgemeinen Interesses") . . . . . . . . 61 1. (Das [mehr oder weniger] zwangsläufige Mitbetroffensein des mit der Sache befaßten Richters) .. . . .. . ... . . . . . .. . . . . . . . , . . . . . 2. (Sonstige Erscheinungsformen) . . . . . . . . . . ... . .. . . . . . . . . . . . . . . . . 3. (Speziell das politisch motivierte Interesse des Richters) . . . . . . . . a ) (Der verfassungstreue Richter) .. . . . . .. . . . ... . .. . . .. .. . · . . . . . b) (Der Richter als Sympathisant oder Mitglied einer radikalen Partei oder sonstigen politischen Gruppierung) . . . . . . . . . . . . . . 4. (Das „allgemeine Interesse" des Richters als besondere Variante des strukturbedingten personalen Elements im richterlichen Handeln) . . . . . . . .... . . . . . . .. . . . .. .. . . . . . . . . . ... . ... . .. . . . . . . . · . . . . .

62 63 64 64 65 66

III. (Bisherige Behandlung dieser Materie in Gesetzgebung, Rechtsprechung und Schrifttum) . . . . . .. . . .. .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 67 iv. (Allgemeine Formel für das „allgemeine Interesse") . . . . . . . . . . . . . . . 6 9 V. (Ausnahmsweise Bej ahung einer Parteilichkeit) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6 9 § 13 . C. D as Merkmal der Fallbezogenheit allgemein . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

70

1. (Die Ausgrenzungsfunktion dieses zusätzlichen Kriteriums) . . . . . . . . 7 0 I I. (Der positive Gehalt der Fallbezogenheits-Formel) . . . . . . . . . . . . .. . . 1. (Entwicklung einer allgemeinen Formel) .. ... . ... . . . . . . . .. ... , . 2. (Illustration anhand zweier Beispiele) . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . a) (Die schichtenspezifische Perspektive des Richters) . . . . .. . . . . b) (Das Vorurteil des Richters im sozialpsychologischen Sinne) . . 3. (Abgrenzung letztlich nur gradueller Art) . . . . . .. . . . . . . . .. . . . : -: .

71 72 72 72 73 75

Ausführliches Inhaltsverzeichnis

XIII

§ 14. Das Verhältnis der "Parteilichkeit" zur „Befangenheit". A. Die grundsätzliche Untergliederung der Befangenheitsgründe in Fälle persllnlicher und sachlicher Voreingenommenheit . . . . . . , . . . . . . . . . . .

76

I. (Zwei grundlegende Erscheinungsformen der Befangenheit) . . . . . . .

76

1. (Die sog. persönliche Voreingenommenheit) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

76

2. (Die sog. sachliche Voreingenommenheit) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

77

II. (Relevanz dieser Zweiteilung) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

77

§ 15. B. Pers6nliche und sachliche Voreingenommenheit in der Ausgestal­

tung der Richterausschließung und Richterablehnung wegen Be­ sorgnis der Befangenheit. Der prozessuale Begriff der "Parteilichkeit" . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78

. I. (Die Ausgestaltung der Ausschließungsgründe) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. (Die Ablehnung wegen Besorgnis der Befangenheit und der Begriff der „Parteilichkeit") . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. (Der Begriff der „Parteilichkeit" bei Friesenhahn) . . . . . . . . . . . . . 2. (Der Begriff der . "Parteilichkeit" bei Arzt) . . . . . . • . . . . . . . . . . . . . a) (Darstellung der Terminologie bei Arzt) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) (Schlußfolgerungen bei Arzt) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) (Kritik) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

. . . . .

78 79 80 80 80 81 82

3. ( ,,Parteilichkeit" im Sinne von „persönlicher Voreingenommenheit") . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

83

4. (Der „Parteilichkeits"-Begriff der Prozeßordnungen) . . . . . . . . . . .

84

5. (Relevanz für die Behandlung der Fälle der sog. Vorbefassung) . .

85

III. (Zur Terminologie im folgenden. zusammenfassende Definition der „Parteilichkeit") . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 86 § 16. C. Anhang: Der marxistisch-leninistische Begriff der „Parteilichkeit"

86

§ 17. Zusammenfassung zum Ersten und Oberleitung zum Zweiten Abschnitt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

89

I. (Zusammenfassung und Uberleitung) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

89

II. (übergreifendes Prinzip für die Befangenheits-Materie?) . . . . . . . . . .

89

Zweiter Abschnitt Ersmeinungsformen (Falltypen) der Parteilichkeit und saclllim eng damit verwandte Phänomene § 18. Erste Fallgruppe: Die pers6nliche Voreingenommenheit . . . . . . . . . . .

91

I. (Der für eine Befangenheits-begründende persönliche Beziehung des Richters in Betracht kommende Personenkreis) . . . . . . . . . . . . . . . . 9 1

XIV

Ausführliches Inhaltsverzeichnis

II. (Verschiedene Konstellationen der persönlichen Beziehung)

92

1 . (Persönliche oder sachliche Beziehung) ................ . . . . ..... 92 2 . (Unmittelbare oder mittelbare Beziehung) . ......... .. • . . . ...... 93 3 . (Kein näheres Eingehen auf die einzelnen Fallkonstellationen).. 93 § 1 9. Zweite Fallgruppe: A. Das eigene, persönliche Interesse des Richters an der Sache ................. .... . .. . ... . ... . ........ . . . . . .. 94 I. (Die Fallkonstellation) ........... . .... . . . ....... . ............. . .. 94 II. (Eigenes „Betroffensein" des Richters) .... . ............ ....... . ... 94 III. (.,Betroffensein" als materielle Beteiligung an der Sache) .......... 96 1 . (Allgemeines) .. . . .. . .......................................... 96 2. (Ausdrückliche gesetzliche Regelung lediglich im BVerfGG) .... 96 § 2 0. B. Die typisch einseitige Interessenrichtung des Richters, insbeson­ dere die Problematik des sog. interessengebundenen Laienrichters.. 98 1. (Das Problem) ............. . ..... . ........ . ......... . ... . . .. . ... .

98

II. (Die verschiedenen Konstellationen einer typisch einseitigen Interessenrichtung des Richters) .... .............. .... ........... . .... 100 1. (Polare Interessenvertretung in der Richterbank) ........... ... a) (Die „Arbeitsrichter" ; das Bild des Richters als „Interessenvertreter") . . .. ........ . .................. . ................. b) (Die „Sozialrichter") ... . . .. . ............................... c) (Die landwirtschaftlichen Beisitzer in Landwirtschaftssachen). 2. (Nicht-polare Interessenvertretung in der Richterbank) ........ a) (Die „Finanzrichter") ... . ................................. . . b) (Die ehrenamtlichen Verwaltungsrichter) ................... c) (Die sog. .,Hausgerichtsbarkeiten" ) .......................... d) (Besetzung der Spruchkörper in Wiedergutmachungssachen).. 3. (Die übrigen ehrenamtlichen Richter) ................ . .........

100 101 102 104 105 105 105 105 106 107

III. (Argumente in Literatur und Rechtsprechung) ..................... 107 1. (Berufung auf die Gesamtkonzeption der j eweiligen Gerichtsverfassung) . . .. . . . ..... . ........ .... . ............................ 108 2 . (Berufung auf den Amtseid des Richters) ... . . .... . ............ 108 IV. (Vereinbarkeit einer typisch einseitigen Interessenrichtung des Rich­ ters mit dem Unparteilichkeits-Postulat?) ............... . ..... .... 1 . (Ein Sonderfall des sog. .,allgemeinen Interesses") .............. 2 . (Der Diskussionsstand in Literatur und Rechtsprechung) ....... 3 . (Zusammenfassende eigene Würdigung) ............... . ........

109 109 110 113

V. (Ausnahmen) ..................... ............. .... ....... ....... 114

Ausführliches Inhaltsverzeichnis

XV

§ 21. Dritte Fallgruppe: Die vorzeitige Festlegung des Richters. A. Ober-

blick . . . . .. . . .. . ... . . . . . . . . . . . . . .. .. . . . .. . . . .. .. . . .. . . .. . . .. . . . . . . 1 1 5

I. (Einführung in das Problem) . . . . . . .. . .. . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . 1 15 I I. (Notwendige Differenzierungen) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ... . . . . . . . 11 6 I I I. (Unterscheidung zwischen endgültiger und vorläufiger Festlegung) . . 1. (Grundsätzliches Unterscheidungskriterium: die j eweilige innere Einstellung des Richters) . .. . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . 2. (Zusätzliches Kriterium: Abstellen auf die objektive Wirkung der jeweiligen Einstellung) . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. (Praktische Relevanz dieser Differenzierung) . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

11 6 117 118 11 9

IV. (Unterscheidung zwischen Festlegung in rechtlicher und in tatsächlicher Hinsicht. Oberleitung) ... . . ... . . . . .. . . . . . . . . . .... . ..... . .. . . 1 1 9 § 22. B. Die endgültige Festlegung des Richters . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . 120 I. in tatsächlicher Hinsicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 120 I I. in rechtlicher Hinsicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 1 22 1. (Auch insoweit Gebot grundsätzlicher „Offenheit" des Richters). . 122 2. (Die Merkmale der Befangenheit) . . .. . ... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 24 I I I. (Speziell die endgültige Festlegung des Richters bei politisch oder weltanschaulich motivierter Rechtsauffassung) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. (Grundsätzliche Lösung) . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . ... . . . . . . 2. (Ausnahmefälle) . .. . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) (Ablehnung des Bundesverfassungsrichters Dr. Leibholz) . . . . b) (Ablehnung des Bundesverfassungsrichters Dr. Rottmann) . . . c) (Ablehnung des Bundesverfassungsrichters Dr. Geiger) . . . .. . d) (Ablehnung des Bundesverfassungsrichters Hirsch) . . . . . . .. . .

1 24 125 128 1 29 130 131 1 33

§ 23. C. Die nur vorläufige Festlegung des Richters. Allgemeines . . . . . . . . 1 34 I . (Der Regelfall) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 134 II . (Zur Ergänzung: ein spezieller Aspekt) . . ... . . . . . . .. . . . . . . . . .. . . . . 135 1. (Bewußter Eindruck einer weitergehenden Festlegung) . . . . . . . . . 1 36 2. (Bloße Ungeschicklichkeit im Ausdruck. Das grundsätzliche Di­ lemma der Ausgestaltung des Rechts der Richterablehnung) . . . . 136 I I I. (Oberleitung: einige besondere Fallkonstellationen) . . . . . . . . . . . . . . . 137 § 24. D. Speziell: Außerungen des Richters zum Verfahrensgegenstand . . 1 37 I. Äußerungen innerhalb des Verfahrens . . . . . . . .. .... . . ... .... . .. . . . 138 1. (Der Normalfall) . . . .. .. . . . .. . . . . . ... . . . .. .. . . . . . . . . . . . . . . .. .. . 138 2. (Speziell: Rat, Empfehlung des Richters gegenüber einem Prozeßbeteiligten) . . . . .. . . . . .. .. . . . . . . . . .... . . . . . . . . . . . . . .. . . .... . 141

XVI

Ausführliches Inhaltsverzeichnis

II. Äußerungen des Richters außerhalb des Verfahrens .... ....... .... 1 43 1. (in tatsächlicher Hinsicht) ....... ............................... 1 43 2. (in rechtlicher Hinsicht, insbesondere die richterliche Publizistik) 1 44 a) (abstrakte Äußerungen ohne Bezug auf ein konkretes Verfahren) ....................................................... 1 46 b) (Äußerungen gerade im Hinblick: auf ein bestimmtes Verfahren) ... .... ................... ........ ............. ........ 1 48 3. (Ausnahmefälle) .................... :........ ........ . ....... . 1 50 4. (Gebot der Zurückhaltung in bezug auf öffentliche Äußerungen außerhalb des Verfahrens) . . ................ . ........ ......... 1 5 0 § 25. E. Die sog. Vorbefassung ................ . .... .................... 1 52 I. (Das Problem. Die wesentlichen Fallkonstellationen) ... ..... ...... 1 52 II. (De r Lösungsansatz) ........ .................... ............ ..... 1 53 § 26. Vierte Fallgruppe: Beeinflussung des Richters von dritter Seite .... 1 56 § 27. Fünfte Fallgruppe: Gereiztheit, Ungeduld und ähnlich negative Stimmungen und Einstellungen des Richters ...................... 1 57 I. (Unmutsäußerungen des Richters gegenüber dem prozessualen Verhalten eines Prozeßbeteiligten) .............. ...................... 1 57 II. (Die Bewertung sonstiger negativer Stimmungen und Einstellungen des Richters gegenüber den Prozeßbeteiligten oder zum Gegenstand des Verfahrens) ............................. .. . ..... ... . ......... 1 58 1 . (Verfahrensfehler und Befangenheit) ............... ........ ... 1 59 2. (Sonstige Beispielsfälle) ...................... . ....... .... ..... 1 6 0 III. (Gleichgültigkeit un d Unsorgfältigkeit als Formen der Befangenheit?) . .. . ............... ..................................... ... . 1 6 1 1. (Die Entscheidung des OLG Hamm vom 10.1 2. 7 5 = JMBI. NRW 1976 , 11 1 f.) . ................................................... 161 2. (Die Entscheidung des OLG Frankfurt a. M. vom 6.1 2.77 = Rpfleger 1978 , 1 00 f.) .............................. .......... . .. 1 62 § 28 . Sechste Fallgruppe: Mißachtung der dem Richter vom Gesetz her vorgeschriebenen Rolle: Eingriff in die formale Chancengleichheit der Parteien im Parteiprozeß zugunsten einer Partei. A. Allgemeines ....................................... ........... ..... ... 163 I. (Das Problem) .... . .................................... .... ....... 163 II. (Die Rolle des Richters im Parteiprozeß: Der Aussagewert der Pro­ zeßmaximen. Uberleitung zu § 29) ................................ 164

Ausführliches Inhaltsverzeichnis

XVII

§ 29. B. Die Rolle des Richters im Zivilprozeß, insbesondere die ihm nach. §§ 139 und 278 III ZPO zugewiesene Rolle. Allgemeine Abgrenzungsformel . • . . . •. .. •.. . . . . . . . ........ . .. . . . . .. . . . . . . . . . ... . .. . . 16 6 I. (Herkömmliche Abgrenzungsformeln zur Abgrenzung zwischen Parteilichkeit einerseits und zulässiger Aufklärung andererseits) . . . .. . 166 II. (Eigene Abgrenzungsformel: Ansatz vom Begriff der Parteilichkeit her, speziell beim Merkmal der Unsachlichkeit) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16 8 § 30. C. Speziell: Befugnis des Richters, auch von sich aus zu neuem Angriffs- oder Verteidigungsvorbringen anzuregen? . . . . . . . . . .. . . . . . . . 16 9

I. (Eingrenzung der Fragestellung) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16 9 II. (Der Streitstand) ... .. ........ . ........... ... . ....... . . .. .. ... . ... 17 0 III. (Allgemeine Lösungsgesichtspunkte) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . •. 17 1 IV. ( Kritik der bisherigen Lösungsvorschläge und eigener Lösungsvorschlag) . .. . ... .. . ... . . . . . . . . . ... . ... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 173 1. (Abgrenzung gegenüber sonstiger Erörterung des Falles auf Grund des bisherigen Parteivorbringens) . .. . . . .. . . . .. . . . . . . .. . 173 2. (Kritik einzelner Lösungsvorschläge) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . 17 5 3. ( Speziell zur vorgeschlagenen Abgrenzung zwischen bloßem Hinweis einerseits und Rat und Empfehlung andererseits) . . . . . .. . .. 176 4. (Achtung der Dispositionsfreiheit der Parteien als äußerste Grenze) . . .. . . . . . . . . . . . .. . . . .. ... . .. . .. . .... . . . . . .. . . .. . . .. . ... 17 8 5. (Der zum Ausdruck gebrachte Angriffs- oder Verteidigungswille der Parteien als Kriterium?) .. . . .... .. . . . . . . . . . . .. . ... . .. ..... 17 8 6 . (Das Kriterium der objektiven Sachdienlichkeit) . . . . ... . . . . . . . . 179 7 . (Unzutreffende oder nicht weiterführende weitere Argumente) .. 18 0 8. (Berufung auf das Sozialstaatsprinzip: Die Formel vom „kom­ pensatorischen Verhandlungsstil") . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . .... . . 18 1 9. (Eigener Lösungsvorschlag) . ... . . . . .. . . . • . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 183 §31. D. BVerfGE 42, 64 ff.: Gebot der Parteilichkeit aus übergeordneten verfassungsrechtlichen Gründen? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18 4 I. (Würdigung des Sachverhalts auf der Basis der bisherigen Auslegung des § 139 ZPO) . . . ... . . . ... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 184 II. (Würdigung speziell aus verfassungsrechtlicher Sicht) . . . . . . . . . . . . . 1 86 1. (Die Argumentation in den Entscheidungsgründen) .. .... . . . . . . . 1 87 a) (Das Mehrheitsvotum) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 187 b) (Das Sondervotum) . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . 188 2. (Die aufgeworfenen verfassungsrechtlichen Probleme) . . . . .. . . . . 1 90 3. (Unmöglichkeit einer erschöpfenden Erörterung dieser Fragen im Rahmen der jetzigen Untersuchung) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 192

XVIII

Ausführliches Inhaltsverzeichnis

§ 32. E. Anhang: Die These vom npolitfschen Richter" und das Unparteilichkeits-Postulat . . . . . . . . . . . .. . ... . ... . . . . . . .. ... ... . ... . . . .. .... 1 93 I. (Die verschiedenen I nhalte dieser These) ... . . .... .... . ... .. .. . .. .. 1 93 1 . (Der „politische Richter" als der „politisch bewußte" oder „sozial verantwortungsbewußte" Richter) . . ..... .... .. . . . .. . . . . . .. 193 2. (Die zentrale Ausrichtung der These auf den Sozialstaatsgedanken) . . . . . . . . . . .. ....... ..... ............. ....... .... .... ..... . 1 95 I I . (Ein Problem richterlicher Objektivität und Eignung, nicht aber spe­ ziell der richterlichen Unparteilichkeit) .. ... ......... ... .. .. . ... . .. 1 96

Dritter Abschnitt Ente Sdllußfolgerungen für die Ausgestaltung des deutschen Prozeßrecbt1 § 33. Die Forderung nach Objektivität und Unparteilichkeit des Richters

im Prozeß . . . . . . . . . . . . . .. . . .. . . . . . . .. . . . . . . . . . . . .. . . .. . . . . . . .. . . 198

§ 34. Zusammenfassung: Der Geltungsbereich des Unparteilichkeits-Po­ stulats im Rahmen des Prozeßrechts . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . 1 99 I. (Einheitliche Geltung für alle Prozeßarten) .. .......... . ..... . .. .. . 199 I I . ( Keine Beeinträchtigung des Postulats durch die Entscheidung BVerfGE 42, 64 ff.) . . . . . . . ... . . ... . . .. .. ... . .... . . ...... .... . . . . . . . 200 I I I. (Einheitliche Geltung für alle Richter) . . .. . . . ... .. . . .. . . .. .. . . . . .. 200 § 35. Der „Mindeststandard" des Prozeßrechts in bezug auf ein Hand­ lungsverbot für den tatsächlich befangenen Richter .... .... . .. . . . . 201 I. (Handlungsverbot bei Befangenheit und die Ausgestaltung der Rich­ terausschließung kraft Gesetzes) .. ... . . ... ..... . . . . . . .... . .. .. .... 201 I I. (Das Institut der sog. Selbstablehnung des Richters) .... . . ... .. . ... 1. ( Keine eigentliche Selbstablehnung, sondern bloße Anzeige etwa­ iger Befangenheitsgründe) . . .. ... . ........ .... ..... .......... . 2. ( Pflicht des Richters zur Anzeige etwaiger Befangenheitsgründe?) 3. (Befangenheit selbst oder nur Besorgnis der Befangenheit als Kriterium für die Anzeigepflicht?) . . ....... . .. . ...... ... .... . ... 4. (Aufwertung des I nstituts der sog. Selbstablehnung des Richters durch die Anerkennung einer Anzeigepflicht des Richters) ... ...

201 201 2 02 2 04 2 06

I II. (Sonstige Behelfe zur Gewährleistung der richterlichen Unpartei­ lichkeit im einzelnen Verfahren) .. . . .. . . .... .. . ... . .... ... . . . . . . . . 206

Ausführliches Inhaltsverzeichnis

XIX

1. (Die Richterausschließung kraft Gesetzes) . . .... . . . .. . .... .... . . 2. (Berücksichtigung sonstiger Befangenheitsgründe auch von Amts wegen?) ..... .............. . .... .. ...... .... .................. a) (Einleitung des Verfahrens von Amts wegen?) .............. b) (Berücksichtigung weiterer Befangenheitsgründe von Amts wegen?) ............... ..... ...... . .. . ........ .... . ........ 3. (Das Institut der Parteiablehnung) ... . .. . ....... .... .. . . .. ... .. a) (Die Besorgnis der Befangenheit als Kriterium der Parteiablehnung) . . . ..... . . .. . .. .. .. . . ... .. .... .... ....... . . . .... b) (Unstatthaftigkeit eines generellen Ausschlusses oder einer Beschränkung der Parteiablehnung) .. .... . ...... . . .. . ... . .. c) (Oberleitung zum zweiten Teil) .. . .. . .. . ... ..... .... .... . . .

206 206 2 07 208 2 09 209 21 0 21 0

Z w e i t e r T el l

Das Unparteiliclikeits-Postulat und die sonstigen Bestimmungen des Grundgesetzes Erster Abschnttt

Du Redltastaatsprinzlp und du UnparieUldlkeits-Postulat § 36 . . .. . . .. . . ....... . . . .... . . . ........... . ........... ............ ..... 21 2 I. (Vorbemerkung) ... .. ............... ................ . ....... ... .. 2 12 II. (Das Unparteillchkeits-Postulat als Ausfluß des Rechtsstaatsprinzips) .... . .... ... ....... . . . . .. .. .... . ......... . . ........ .... ...... 21 3 III. (aber keine Möglichkeit der Verfassungsbeschwerde allein bei Ver­ letzung dieses Prinzips) .. .... ........ ........ .... . ............... 2 1 3 Zweiter Abschnitt

Die Vorsdlrlften des Grundgesetzes über das Rldlteramt und du Unparteilidlkeits-Postulat § 37. Art. 92 GG .... ....... ... ...... ........................ .......... . 216 I. (Das Problem) .. . . ........ .......... . . ........... ............. . .. 2 16 II. (Lösungsansatz und Lösung) . ... . . ........ . ... . ......... ...... ... . 1. (Die Funktion des Art. 92 GG) . ... . . .. .. . .. ........ . ... .. .... . 2. (Die Formel des BVerfG vom Richter als dem „nichtbeteiligten Dritten") .. .. ........... .. . ..... ... .. ... .... ... ............ ... 3. (Art.92 GG nicht „Sitz" des Unparteilichkeits-Gedankens) . . .. . .

2 16 217 217 2 18

XX

Ausführliches Inhaltsverzeichnis

§38. I. II. III.

Art. 97 GG .................... . . . . ........ ... . . ·. ; . . ·. . ;. . ·.. . . ·. .. . . (Das Problem) . ..... . . . .... ;. . . ... . ... . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . .. . (Die Position der h. M.) .. . . .. . . .. . . .. . . . . . . . .. . . . . . . . . . .. . .... . . . . (,,Unparteilichkeit" nicht notwendig identisch mit „Unabhängigkeit" )

2 20 2 20 22 1 222

Dritter Abschnitt Der Grundsatz des gesetzlichen Richters und das Unparteilichkeits-Postulat

§3 9. Die Problemstellung . . . . . . . . . . . . . ... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . .. 2 2 5 § 40. Der Stand der Diskussion in Literatur und Rechtsprechung. A. Die traditionelle Lehre ...... . . . . .....•.. .... .... ...... . .. . . . . . .... . . . 2 2 7 I. (Die Garantie des gesetzlichen Richters als Garantie der gesetz­ lichen Zuständigkeitsordnung) . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . .. .. . . . . . . 2 27 II. (ohne Einbeziehung des Unparteilichkeits-Gedankens) . .. , , . . ... . . 2 2 9 III. (Richterausschließung und -ablehnung als Fälle einer ausnahms­ weise zulässigen Richterentziehung) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . .. . . . . . 230 § 41. B. Die Auffassung des BVerfG .. . .. . . ... . . . . . . . . ... . .. . .. ... . .. . .. 23 1 I. (Ansatz beim Begriff des „Richters" in Art. 101 I 2 GG) . . . . . .. . . . . . 23 1 II. (Ausprägung eines materialen Begriffs des „gesetzlichen Richters" ) 23 1 III. (BVerfGE 2 1 , 13 9 ff.: Einbeziehung auch des Unparteilichkeits-Ge­ dankens in den materialen Begriff des „gesetzlichen Richters" ) . .. . . 23 2 IV. (Einbeziehung der Ausschließungs- und Ablehnungsvorschriften in das System der normativen Vorausbestimmung des gesetzlichen Richters) . .... . . . .. . . . . . .. . . . ... . .. . ..... . . . . . .. . .. ... . . . .._.. . . . . . 233 V. (Die seitherigen einschlägigen Entscheidungen des BVerfG) . . .. . . . 23 4 § 42. C. Die Auffassung Hamms .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ... . . . . . . . 235 I. (Ansatz beim Attribut „gesetzlich" in Art. 1 01 I 2 GG) . . .... . . .. . . 2 35 II. (Die gesetzliche Zuständigkeitsordnung als System der „Richter­ Rechtsfall-Zuordnung" ) .. . . .... . . .. . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . 236 III. (Ergänzung dieses Systems durch den Komplex der Ausschließungs­ und Ablehnungsvorschriften für den Fall gewisser „Fehlzuweisungen") ... . ... ... .... . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . ... .... 23 7 IV. (Verfassungsrang aber nur für die „Grundstruktur" dieses Normenkomplexes) .. . . . . . .. . .... . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . ... , ..... 237 § 43. Kritik der verschiedenen Auffassungen und eigene Stellungnahme. A. Das {11'Undsiitzliche methodische Problem . . • • . . • .. . . . . • •. . . , . , . . 23 8

Ausführliches Inhaltsverzeichnis

XXI

§44. B. Kritik der traditionellen Lehre (,,Regel-Ausnahme-Theorie") .. ;. 240 I. (Verhältnis der Ausschließungsvorschriften zu den Zuständigkeitsnormen) . . • . . ..... . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . .. . . . . . . . . .. . . . .. . ... . . . . . . . . . 240 II. (Problematik der Richterablehnung in diesem Zusammenhang. Zurückweisung der sog. ,,Regel-Ausnahme-Theorie") .... . ... .. . .. . .. 240 §45 . C. Der materiale Begriff des gesetzlichen Richters überhaupt . . . . . . 241 I. (Die strukturellen Anforderungen des Grundgese�zes an Gericht und Richter) . .. .... . ..... . .. . . .. .. .... . . . · : . . . . . . . .· .• . . . ... .. . . , .. 241 II. (Anerkennung des materialen Begriffs des gesetzlichen Richters zumindest für ständige Attribute von Gericht. und Richter) .. . . . . . ... 242 III. (Einbeziehung auch des Unparteilichkeits-Geclankens in: den materialen Begriff des gesetzlichen Richters?) . . . .... . . . ... . ... . ... .. . . . 243 §46 . D. Verankerung des Unparteilichkeits-Gedankens beim Begriff des „Richters" in Art. 101 I 2 GG? .. . . . .. .. .. .. .. . . . . .. . . . . .. . . . . . . . .. 243 I. (Zum Ansatz des BVerfG) .. . . . .. . ...... . .. ... .. . . . .. . . .. . .. . . . .. . 243 II. (Die Konsequenz: unterschiedliche „Richter"-Begriffe in Artt. 92 , 97 GG einerseits und Art. 1 01 I 2 GG andererseits) . . . . . .. . . . . . . . . . 244 . III. (Lücken in der Argumentation des BVerfG) . .. . . .... .... . . . ,. , . .. . 244 .. I V. (Abhängigkeit der „Richter" -Qualität von den Umstänc;len . des j eweiligen Einzelfalles?) . . . .. . . . . . . ... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2 45 §47. E. Verankerung des Unparteilichkeits-Gedankens beim Attribut „gesetzlich" in Art. 101 1-2 GG? . . . • • . . . • . . . • .. .. . . ... . . . . . .. . . . . . . . 246 . I. (Der Bruch mit der traditionellen Auffassung) . , . ... . .. . . . . _. . , ._ - . . 246 II. (Der enge sachliche Zusammenhang zwischen gesetzlicher Zustän­ digkeitsordnung einerseits und Richterauschließi.mg · und 0 ableh­ nung andererseits) . . ......... . . . . . . . . . . .. . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 247 III. (Die Auffssaungen im gemeinen Prozeßrecht des 1 9. Jht.s) . . ... . . . . 249 IV. (Einbeziehung auch des Komplexes der Richterausschließung und -ablehnung unmittelbar in das Attribut „gesetzlich" in Art. 101 I 2 GG) ...... . . . . . . . . . . . . . .... . . . . . . . . . . . .. . . .... . ... . .. . . . . . . . . . 1. (Die traditionelle Bedeutung des Attributs „gesetzlich" allein als „gesetzlich zuständig") .. . . .. .. . . . . . . .. . . . .. . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . 2. (Beschränkung des Begriffs „gesetzlich" auf positive Attribute von Gericht und Richter) . .... . .. . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . 3. (Verankerung des Unparteilichkeits-Gedankens im Attribut „ge­ setzlich" allenfalls in Form eines bestimmten gesetzlich fixierten Richter-Leitbildes) .. . . .. .. .... . . , . ... . . . . . . . . . . ....... . . . . , .. . 4 . (Der neue Begriff des „gesetzlichen Richters") . . . , , . . .. . . . . . . , . .

250 2 50 2 50 2 51 2 52

XXII

Ausführliches Inhaltsverzeiclmis

§ 48. Fortsetnmg: Konkretisierung des tn Art. 101 · I 2 GG verankerten

Richter-Leitbildes .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 253

1. (Das "Schutzgut" der Ausschließungs- und Ablehnungsvorschriften) . . . . . .... . . . . . . . . . . . . . .. . . . ..... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 253 I I. (Die Funktion des Aspekts des Vertrauens in die Unparteilichkeit des Richters) . ... . .. . . .. . . . ... . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 255 III. (Erstreckung des Leitbildes sowohl auf den Aspekt der Unpartei­ lichkeit selbst wie aber auch auf den Aspekt des Vertrauens in die Unparteilichkeit des Richters. Art. 101 I 2 GG als verfassungsrecht­ licher „Sitz" des Unparteilichkeits-Postulats) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 256

iv.

(Stellungnahmen in der einschlägigen Literatur und Rechtspre­ chung htl Rahmen des Art. 1 01 I 2 GG) . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . 257

§49. F. Dfe Voraussetzungen für den Verlust der Eigenschaft "gesetzlicher Richter" ..... . .. . . . .... . . ... . . ... . . . . . .. . . . . . . • . ... . . . . . . . . . . . 25 8 I. (Der Fall der Richterausschließung) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . 258 II. (Der . Fall der Richterablehnung wegen Besorgnis der Befangenheit) ...... .. . .. . . .. .... ... . . . ..... ... . .. . . . . . ... . . ....... . . . .. . .. 25 8 1. (Die verschiedenen in Betracht kommenden Lösungsmöglichkeiten) .. ... ......... . . ... . . . . . .. . . . . . . .. . .. . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . 25 9 2. (Die maßgeblichen Gesichtspunkte) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25 9 3. (Differenzierende Lösung) .. . . . . .. .. . . .. . . . . . . . .. .. . . . . . . .. . . . . 260 § 50. G. Das Moment der Rtchter- ,. Entztehung• tn Art. 101 I 2 GG .. . . .. . 26 1 I. (Der prozessuale Aspekt in Art. 101 I 2 GG) . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26 1 II. (Die inhaltliche Richtigkeit der Entscheidung im Ablehnungsverfahren als maßgebliches Kriterium) . . . . .. . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. (Die inhaltlich richtige Entscheidung) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. (Die inhaltlich unrichtige Entscheidung) . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . 3. (Schlußfolgerungen für die Entscheidungen im Rahmen der Aus­ schließung kraft Gesetzes) . . . . . . .... ... .... . . . .. ... . ... ...... .

262 262 262 263

§5 1. H. Verankerung nur der „Grundstruktur" der Ausschließungs- und Ablehnungsvorschriften in Art. 101 I 2 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ... 263 § 52. J. Auswirkungen des Art. 101 I 2 GG auf die Ausgestaltung des Ge­ richtsverfassungs- und Prozeßrechts über den speziellen Bereich der Rtchterausschlteßung und -ablehnung hinaus . . . . ... . . . . . . . . . . . 264

Ausführliches Inhaltsverzeichnis

XXIII

Anhang :

§ 53. Die europäische Menschenrechts-Konvention und das Unpar­ teilicbk.eits-Postulat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 267 Zusammenfassung und Ausblick (§ 54) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 269 Quellen- und Literaturveneichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 272

Einleitung §1 I. Im Mittelpunkt des Komplexes der Richterausschließung und der Richterablehnung wegen Besorgnis der Befangenheit, wie er im Rah­ men des geltenden Prozeßrechts ausgestaltet ist, steht ersichtlich das Merkmal der „Besorgnis der Befangenheit" oder auch des „Mißtrauens gegen die Unparteilichkeit des Richters" 1 • Um zweierlei geht es dabei: Dem mit der jeweiligen Sache befaßten Richter wird Mißtrauen ent­ gegengebracht, und zwar speziell in Bezug auf seine Unparteilichkeit; Gegenstand des Mißtrauens muß also gerade die (tatsächliche oder auch nur vermeintliche) Parteilichkeit, Befangenheit dieses Richters sein. Was aber bedeutet nun eigentlich im einzelnen, daß ein Richter ,,unparteilich" oder gerade auch „parteilich" , ,,befangen" ist? II. Sichtet man unter dieser speziellen Fragestellung die einschlägige Literatur und Judikatur zur Richterausschließung und Richterableh­ nung, so zeigt sich, daß die Äußerungen zu dieser Materie überhaupt zwar durchaus reichhaltig sind, daß indessen das zentrale Merkmal, auf dem diese beiden Rechtsinstitute gemeinsam basieren: nämlich der Begriff der „Parteilichkeit" oder auch „Befangenheit" , ebenso wie sein Widerpart, der Begriff der „Unparteilichkeit" , bisher immer nur par­ tiell, fragmentarisch behandelt worden sind. überspitzt formuliert, könnte man sagen, daß diese Gesetzesbegriffe zwar allenthalben ver­ wendet werden, jedoch meist nur ungenügend reflektiert. Dieser Umstand beruht wohl im wesentlichen darauf, daß die ge­ nannten Äußerungen, entsprechend der Ausgestaltung des geltenden 1 Vgl. § 42 II ZPO und § 24 II StPO. Daß die Ausschließungs- und Ablehnungsgründe an sich qualitativ gleich­ wertig und die Ausschließungsgründe der Sache nach ebenfalls Verdachts­ gründe sind, die lediglich in verfahrensmäßiger Hinsicht gegenüber den „ein­ fachen" Ablehnungsgründen besonders hervorgehoben sind, kann als allge­ meine Auffassung bezeichnet werden; vgl. hierzu, ohne daß die Frage hier im übrigen weiter vertieft werden soll, zur ZPO etwa Wach, Handbuch I [ 1 885] § 27.Il.3 = S. 336; Rieb. Schmidt, LB [1906] § 35.V.b) = S. 216 f.; Wie­ czorek, Großkommentar I 2 [1975] Erl. A.I zu § 42 ZPO; Stemmler, NJW 1974, 1 545 f. [1545] ; zur StPO etwa John, Grundzüge [1880] S. 28 sowie StPO I [1884] Erl. 1, 2 zu § 22 StPO = S. 302 ff., 3 14; Roxin, KurzLB § 9 = S. 39. Dazu, daß diese Auffassung bereits in der gemeinrechtlichen Prozeßrechtsliteratur des 19. Jh.s verbreitet war, vgl. Stübel, CrimVerfahren I [1811] § 263 = S. 130; Gesterding, Ausbeute I [ 1826] Abh. IV § 7 = S. 85 ff. (104); v. Linde, AcP Bd. 20 [1837] , 316 ff. 1 Rledel

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§ 1 . Einleitung

Prozeßrechts, von vornherein auf das komplexe Merkmal der „Besorg­ nis der Befangenheit" ausgerichtet sind und den ihm zugrunde liegen­ den Aspekt der „Unparteilichkeit" bzw. ,,Befangenheit" selbst lediglich in diesem Zusammenhang mit erfassen. Ein solcher Ansatz hat jedoch zur Folge, daß dieser letztere Aspekt oft genug im Bereich des Ver­ schwommenen, Konturenlosen bleibt. Das ist aber eigentlich unver­ tretbar: denn um den Begriff der „Besorgnis der Befangenheit" richtig �rfassen zu können, bedarf es doch an sich zunächst einmal einer Verständigung darüber, wann und unter welchen Voraussetzungen überhaupt von einer „Befangenheit" als solcher die Rede sein kann und soll. III. Sofern in Rechtsprechung und Schrifttum überhaupt versucht wird, das Phänomen der „Befangenheit" näher zu erfassen, fällt auf, daß es sich hierbei häufig um bloße Umschreibungen mit Hilfe der beiden anderen Ausdrücke ,,(Un-)Parteilichkeit" und ,,(Un-)Vorein­ genommenheit" handelt, die letztlich auf eine bloße Tautologie hinaus­ laufen2 . Auf der gleichen Linie liegt es auch, daß die Ausdrücke ,,(un-)voreingenommen" , ,,(un-)befangen" und ,,(un-)parteilich" wieder­ holt neben- und miteinander als Begriffspaare verwendet werden, ohne daß dabei eine inhaltliche Differenzierung ersichtlich wäre3. Und auch sonst ist eine Klärung dessen, was eigentlich unter „Befangenheit" und „Unparteilichkeit" zu verstehen sein soll, jedenfalls im Sinne einer breiter angelegten theoretischen Fundierung bisher nur recht unvoll­ ständig erfolgt. Dies muß um so mehr verwundern, als der Komplex der Richterausschließung und Richterablehnung in den letzten Jahren unter verschiedenen Aspekten bereits mehrfach monographisch be­ handelt worden ist. Nachdem die Schrift von Arzt, Der befangene Strafrichter [ 1969] ' insoweit den Anfang gemacht hat, sind ihr seither gleich mehrere 2 Grundlegend in dieser Richtung die Entsch. des OLG Darmstadt vom 13.5. 1 901 = Alsberg, Entsch. Bd. 1 (1 927 ) Nr. 6 9, in der die „Befangenheit" umschrieben wird als „ein innerer Zustand, eine Stimmung des Richters, die dessen Unparteilichkeit im einzelnen Falle störend beeinflussen kann" (nicht in dieser Form wörtlich wiedergegeben in DJZ 7. Jgg. (1 902 ] S. 2 27 lfde. Nr.3). Vgl. im Anschluß hieran etwa die Entsch. des BGH vom 9. 2. 51 = BGHSt 1 , 34 ff. (LS 2 ) : ,,. . . eine innere Haltung" des Richters, ,,die dessen Unpartei­ lichkeit störend beeinflussen könnte ..." ; ähnlich die Entsch. vom 10. 1 1.67 = BGHSt 2 1 , 334 ff. (341 ): ,,. . . eine innere Haltung" des Richters, ,,die dessen Unparteilichkeit und Unvoreingenommenheit störend beeinflussen könnte . . .". 3 Vgl. etwa aus der Rspr. des BGH die Entsch. v. 4.6.56 = BGHSt 9, 233 ff. (234) sowie v. 15. 7.60 = BGHSt 15, 40 ff. (46 ): ,,... voreingenommen und befangen . . . "; v. 9. 2.51 = BGHSt 1 , 34 ff. (3 8): ,,. . . Voreingenommenheit und Parteilichkeit . . . "; v. 1 0. 1 1.67 = BGHSt 2 1 , 334 ff. (341 ): ,,. . . Unparteilich­ keit und Unvoreingenommenheit...". ' Die folgenden Titel werden hier jeweils nur abgekürzt wiedergegeben; wegen der vollständigen Titel vgl. das Literaturverzeichnis.

§ 1. Einleitung

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Dissertationen gefolgt: zunächst Ernst, Die Ablehnung eines Richters wegen der Besorgnis der Befangenheit [ 1973] ; dann Hamm, Der ge­ setzliche Richter und die Ablehnung wegen Besorgnis der Befangenheit [ 1973] ; Schütz, Die Ablehnung von Bundesverfassungsrichtern wegen Besorgnis der Befangenheit [1974] ; weiter Stemmler, Befangenheit im Richteramt [ 1 975] ; Overhoff, Ausschluß und Ablehnung des Richters [ 1975] ; Horn, Der befangene Richter [ 1977] ; Stadler, Die richterliche Neutralität in den Verfahren nach dem Bundesverfassungsgerichtsge­ setz [1977] ; und, soweit ersichtlich, zuletzt Mahne, Der Befangenheits­ antrag im Strafprozeß [ 1 979] . Weil Richterausschließung und Richter­ ablehnung wegen Besorgnis der Befangenheit letztlich auf dem glei­ chen gesetzgeberischen Grund basieren, nämlich auf dem Anliegen, eine Abhilfemöglichkeit gegenüber einer befürchteten Befangenheit des jeweiligen Richters zu schaffen5 , hätte der Gegenstand der jetzigen Untersuchung: die richterliche Unparteilichkeit oder gerade auch Be­ fangenheit, eigentlich zumindest mittelbar, nämlich im Rahmen der „Besorgnis der Befangenheit" , mit im Mittelpunkt jener Erörterungen stehen müssen. Dem ist aber nicht so. Vielmehr hat sich von den genannten Arbeiten allein die Schrift von Arzt gerade auch mit dem Komplex der „Befangenheit" und „Parteilichkeit" als solcher ausein­ andergesetzt (worauf übrigens bereits im Untertitel hingewiesen wird „Zugleich eine Kritik an der Beschränkung der Befangenheit auf die Parteilichkeit"). Die vorliegende Untersuchung wird auf die diesbe­ züglichen Ausführungen von Arzt im einzelnen einzugehen und sie zu diskutieren haben. Mahne weist zwar zunächst mit Recht darauf hin, .,das Schicksal eines Befangenheitsantrages" werde neben der Ausgestaltung des Ablehnungsver­ fahrens gerade auch „durch die nähere Bestimmung des Befangenheitsbe­ griffes" bestimmt (S. 2, ebenso S. 14); in der Folge beschränkt er sich j edoch auf eine Kasuistik der wichtigsten Ablehnungsgründe und arbeitet Vor­ schläge für ihre gesetzliche Fixierung de lege ferenda heraus, während er auf eine Untersuchung der allgemeinen Kriterien von Befangenheit aus­ drücklich verzichtet (S. 16). Speziell mit der Materie der richterlichen Unparteilichkeit selbst scheint sich im übrigen nach ihrer Themenstellung ausdrücklich die (politikwissenschaftlich orientierte) Monographie von Eisenblätter, Die Überparteilichkeit des Bundesverfassungsgerichts im politischen Prozeß [ 1976] zu befassen, mit der sich die vorliegende Arbeit deshalb eben­ falls wird auseinandersetzen müssen'. Vgl. hierzu die vorstehende Fußn. 1. Von ihrem Titel her „Die Befangenheit des Richters im kanonischen Recht" verspricht eigentlich auch die kürzlich veröffentlichte Dissertation von Ignacio Perez de Heredia y Valle [St. Ottilien 1977] zur katholischen Kir­ chenrechtsgeschichte einigen Aufschluß für das Thema der vorliegenden Un­ tersuchung. Wie indessen bereits im Untertitel anklingt „Die Entwicklung der Einrede der Befangenheit und der Amtsenthaltung des Richters vom 1 0

§1 . Einleitung

IV. Angesichts dieser Sachlage wird es, um das vorgefundene „Defizit" abzubauen, zunächst einmal darauf ankommen, im einzelnen heraus­ zuarbeiten, was nun eigentlich die „Unparteilichkeit" oder eben auch die „Befangenheit" ausmacht, welches also ihre konstituierenden Merk­ male sind. Die vorliegende Untersuchung will versuchen, einen Beitrag hierzu zu leisten. Zur „positiven" Seite hin, also in der Richtung, ob bei einer bestimmten Fallkonstellation eine „Parteilichkeit" anzuneh­ men sein soll, mag dies mit Hilfe der vorgefundenen Literatur und Judikatur noch einigermaßen festzustellen sein, auch wenn die ein­ schlägige Kasuistik - ganz im Sinne der Ausgestaltung der Prozeß­ ordnungen - primär auf die „Besorgnis der Befangenheit" und nicht auf die „Befangenheit" selbst abstellt. Von ebenso großer Bedeutung ist es jedoch, daneben die „Parteilichkeit" gerade auch gegen Phäno­ mene abzugrenzen, die ihr zwar einerseits sachlich nahestehen, also gewissermaßen mit ihr sachlich verwandt sind, die aber doch vom Begriff der „Parteilichkeit" nicht mit erfaßt werden sollen; diese Abgrenzung zur „negativen" Seite hin erweist sich teilweise als we­ sentlich schwieriger. Auf diesem Hintergrund wird vor allem zunächst einmal geklärt werden müssen, in welchem Verhältnis zu dem hier untersuchten Unparteilichkeits-Postulat etwa die subjektiv-personale Komponente steht, die praktisch in aller Rechtsanwendung und damit gerade auch im richterlichen Handeln enthalten ist (s. u. §§ 6-10). Daneben gilt es insbesondere noch, den Komplex des sog. nur „allgemeinen Interesses" genauer als bisher zu erfassen (§ 12) und im Zusammenhang damit auch das Institut der sog. ,,interessengebundenen Laienrichter" (§ 20). Darüber hinaus wird etwa auch der Standort der neuerdings so häufig propagierten Thesen vom „politischen Richter" und vom sog. ,,kom­ pensatorischen Verhandlungsstil" im vorliegenden Zusammenhang zu bestimmen sein (§ 32). Auch wird sich zeigen, daß z. B. der Komplex der sog. ,,vorzeitigen Festlegung" des Richters bisher noch keineswegs so differenziert gesehen wird, wie es von der Sache her geboten er­ scheint (§§ 21-25). Auf der anderen Seite folgt aus der speziellen Themenstellung zu­ gleich, daß die Materie der Richterausschließung und -ablehnung als solche außerhalb des engeren Themas der Arbeit liegt. Dementspre­ chend wird sie im folgenden, soweit nicht speziell zum Verständnis des Befangenheits-Komplexes selbst erforderlich, weitgehend außer Betracht zu bleiben haben. Dekretalenrecht bis zum Codex Juris Canonici", beschränkt sich diese Arbeit auf die verfahrensrechtlichen Aspekte dieser Materie, während sie zur Frage­ stellung hier nichts beiträgt (vgl. hierzu meine ausf. Rez. in ZZP Bd. 9 2 [1 97 9 ] , 379 ff.).

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In verfassungsrechtlicher Hinsicht liegt es geradezu auf der Hand, daß das Postulat der richterlichen Unparteilichkeit (jedenfalls auch) aus dem allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 I GG) abzuleiten ist. Dieser Aspekt wird demgemäß den Rahmen für den Ersten Teil der folgenden Untersuchung bilden. In methodischer Hinsicht liegt es dabei nahe, in einem Ersten Abschnitt, in einer Art „Allgemeinem Teil", erst einmal überhaupt die Merkmale der „Unparteilichkeit" und „Befangenheit" herauszuarbeiten. Zugleich wird es dabei auch darauf ankommen, die vorgefundene uneinheitliche Terminologie zu sichten und nach Mög­ lichkeit eine klarere Ordnung in sie zu bringen. Soweit die Untersuchung dabei auf der Ebene des einfachen Ver­ fahrensrechts erfolgt, wird es, weil es unzureichend wäre, sich auf eine einzelne Prozeßordnung beschränken zu wollen, der Sache nach um eine allgemeine Verfahrens(rechts)lehre im Sinne einer (horizon­ talen internen) Verfahrensrechtsvergleichung gehen. Im Vordergrund werden dabei zunächst einmal die einschlägigen Regelungen der ZPO und der StPO stehen, und zwar schon deshalb, weil sich die übrigen, neueren Prozeßordnungen weitestgehend an diese älteren Regelungen anlehnen, überwiegend sogar in der Form, daß sie die ZPO-Regelung en bloc übernehmen und allenfalls noch partiell ergänzen und/oder modifizieren7 • Bei genauerer Prüfung wird sich allerdings erweisen,daß detaillierte Aufschlüsse über den hier zu untersuchenden Gegenstand aus ZPO und StPO streckenweise kaum entnommen werden können, sondern großenteils überhaupt nur aus den einschlägigen Regelungen des B VerfGG, in denen die jeweilige Problematik oft allein deutlich(er) angesprochen und näher reflektiert worden ist. Demzufolge kommt hier gerade der Rechtsprechung des B VerfG eine ganz wesentliche Bedeutung zu und daneben auch der diesbezüglichen Literatur zum Verfassungsprozeßrecht. Wesentliche Aufschlüsse werden sich im übrigen teilweise erst er­ geben, wenn auch die einschlägige ältere Literatur und Judikatur ausgewertet wird. Unter diesem Gesichtspunkt wird an einigen Stellen, ohne daß die Arbeit allerdings insgesamt historisch fundiert werden soll, selbst die Literatur zum gemeinen Prozeßrecht des 19. Jht.s heran­ gezogen werden, wenn von ihr ein Beitrag zum besseren Verständnis des geltenden Rechts zu erwarten ist. 7 Die Ausgestaltung der StPO lehnt sich übrigens insoweit ihrerseits aus-· drücklich ebenfalls an das Vorbild der etwas älteren ZPO an; vgl. hierzu den Entwurf des preuß. J ustizministeriums (sog. ,,E I") vom Januar 1873: zum einen die „Vorbemerkung" im allgemeinen und zum anderen speziell die ,,Motive", Einzelbegründung zu §§ 1 6 - 26 ( = S. 20 ff.); . iiil wesentlichen gleich­ lautend auch die späteren Entwürfe „E II" und „E III".

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§ 1. Einleitung

An den „Allgemeinen Teil" wird sich dann in einem Zweiten Ab­ schnitt in einer Art „Besonderem Teil", wiederum auf der B asis einer allgemeinen Verfahrens(rechts)lehre in dem zuvor genannten Sinne, eine Erörterung der wichtigsten Erscheinungsformen der „Parteilich­ keit" anschließen. Dabei wird es zum einen darum gehen, die zugrunde liegenden Fallkonstellationen zu erfassen und sie möglichst nach Fallgruppen zu ordnen8 ; zugleich wird es aber gerade auch in diesem Rahmen wesentlich mit darauf ankommen, die nur sachlich verwandten Phänomene näher zu untersuchen und, soweit erforderlich, auszu­ grenzen. Eine hervorgehobene Bedeutung kommt in diesem Rahmen der Entscheidung des B VerfG vom 24. 3. 76 BVerfGE 42, 64 ff. zu: Scheint sie doch nichts anderes zu besagen, als daß das Unparteilichkeits-Gebot in bestimmten Fällen hinter anderen Verfassungsprinzipien zurück­ treten müsse; der Sache nach würde das ja nichts anderes bedeuten, als daß dem Richter insoweit von Verfassungswegen ausdrücklich ein parteiliches Verhalten zur Pflicht gemacht würde! Eine eingehende Auseinandersetzung mit dieser „brisanten" Entscheidung unter dem Gesichtspunkt, ob ihr wirklich derart weitreichende Konsequenzen entnommen werden können, ist daher unerläßlich (§ 31).

=

Aus dem Verständnis der richterlichen Unparteilichkeit, wie es auf dem Hintergrund des allgemeinen Gleichheitssatzes in den beiden vorausgegangenen Abschnitten entwickelt worden ist, werden sich im übrigen für die Ausgestaltung und Anwendung des Prozeßrechts bereits erste Schlußfolgerungen ergeben, denen deshalb ein anschließender Dritter Abschnitt gewidmet werden soll. Indessen wäre es ein zu enger Ansatz, wenn die verfassungsrecht­ lichen Überlegungen allein auf den Gleichheitssatz beschränkt würden. In einem Zweiten Teil der Arbeit sind deshalb darüber hinaus weitere Normen der Verfassung auf ihre Relevanz für die Unparteilichkeits­ Materie zu untersuchen (Erster bis Dritter Abschnitt) : Im Mittelpunkt dieser Ü berlegungen wird dabei der Grundsatz des gesetzlichen Rich­ ters (Art. 101 I 2 GG) zu stehen haben (Dritter Abschnitt). Und zwar 8 Zur KlarsteIIung mag kurz darauf hingewiesen werden, daß die hier vorgesehene Übersicht unter dem Aspekt der „Befangenheit" selbst errolgt. während die bisherigen Klassifikationen unter dem Aspekt der Ausschlie­ ßun,:1;s- und Ablehnungsgründe und damit unter dem Aspekt der „Besor2nis der Befangenheit" erfolgen, was natürlich nicht notwendig deckungsgleich ist. Unter dem Gesichtspunkt der Ausschließungs- und Ablehnungsgründe ist hier vor allem die Arbeit von Stemmler, Befangenheit im Richteramt, zu nennen, der sich um eine eingehende Erfassung aller in Betracht kommenden derartigen Gründe bemüht hat (S. 20 ff., 90 ff.) ; daneben sind hier - für dexi Bereich des Strafrechts - die Arbeit von Arzt, Der befangene Strafrichter (S. 39 ff.), sowie - für das Zivilrecht - die Arbeit von Ernst, Die Ablehnung eines Richters . . . (S. 157 ff.) zu nennen.

§ 1. Einleitung

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wird sich erweisen, daß die Unparteilichkeits-Materie unter diesem speziellen Gesichtspunkt eine zusätzliche Dimension erlangt, die ihr nicht schon vom allgemeinen Gleichheitssatz vermittelt wird. Auch in diesem Zusammenhang wird im übrigen wieder zu fragen sein, welche Relevanz diesem Aspekt für die Ausgestaltung und Anwendung des Prozeßrechts zukommt; im Rahmen der vorliegenden Untersuchung selbst werden insoweit jedoch allenfalls gewisse Grundlinien aufge­ zeigt werden können, die dann aber als Basis für spätere detaillierte Erörterungen dienen mögen. Die Überlegungen zum Stellenwert der richterlichen Unparteilichkeit würden allerdings auch dann noch unvollständig sein, wenn nicht neben dem Grundgesetz auch die europäische Menschenrechts-Konven­ tion (MRK) berücksichtigt würde, die in der Bundesrepublik j a un­ mittelbar geltendes Recht ist. Auf sie wird daher, soweit erforderlich, in einem Anhang zum Zweiten Teil ebenfalls noch einzugehen sein. V. Die Ausführungen des Ersten Teils über Inhalt und Grenzen des Unparteilichkeits-Postulats werden an sich in ihrer Geltung nicht von vornherein auf eine bestimmte Spezies von Richtern beschränkt sein. Ja im Grunde beschränken sie sich, sofern sie sich nicht gerade speziell auf die Rolle des Richters im Prozeß beziehen, nicht einmal auf „die Richter" schlechthin; vielmehr gelten sie an sich in gleicher Weise auch außerhalb dieses speziellen Personenkreises, auch wenn die hierzu herangezogene Literatur und Judikatur fast ausschließlich gerade den Richter zum Gegenstand haben wird. Vorrangig ist hierbei an das Verwaltungsrecht zu denken, speziell an die Regelung des Verwaltungsverfahrens, wie sie inzwischen nach vorausge­ gangener langer Diskussion im Verwaltungsverfahrensgesetz des Bundes (s. dort §§ 20, 21) und in den entsprechenden Landesgesetzen eine generelle gesetzliche Ausgestaltung erfahren hat. Zumal im Kommunalrecht erlangt diese Materie immer wieder gesteigerte Bedeutung, wenn die einschlägigen Befangenheits-Regelungen der Gemeindeordnungen im Einzelfall das zen­ trale Gemeindeorgan beschlußunfähig zu machen drohen und einmal mehr die Frage der Befangenheit von Gemeinderäten im Raume steht. - Dieser an sich außerordentlich reizvollen Frage näher nachzugehen, würde indessen den Rahmen der vorliegenden Untersuchung bei weitem sprengen, weshalb sie im folgenden weitgehend außer Betracht bleiben muß. Treffen die Ausführungen des Ersten Teils der Arbeit nach dem eben Gesagten an sich schlechthin auf jeden Richter zu, so ist das Thema der Untersuchung aber doch speziell unter dem verfassungs­ rechtlichen Aspekt enger zu fassen: Grundgesetz wie auch europäische Menschenrechts-Konvention meinen, wenn sie von „Rechtsprechung", ,,Gericht" und „Richter" sprechen, immer nur den staatlichen Bereich; deshalb wird im folgenden, wenn es um Inhalt und Stellenwert des Unparteilichkeits-Postulats geht, allein vom staatlichen Richter die Rede sein.

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§ 1. Einleitung

Es mag sein, daß die folgenden Ausführungen teilweise zu einseitig auf die Person des Einzelrichters abstellen, während die spezifischen Aspekte der Beziehungen des Richters im kollegialen Spruchkörper etwas vernachlässigt werden. Eine etwaige Einseitigkeit in dieser Richtung - wie vielleicht auch in anderer Hinsicht - wird indessen bei einer Untersuchung, die ja mit ihrer speziellen Fragestellung in mehrfacher Beziehung gewissermaßen „Neuland" betritt, in Kauf zu nehmen sein. Insoweit mag sie Anstoß und Anreiz dazu sein, die bisherigen und jetzigen Überlegungen weiter zu vertiefen und zu verfeinern.

E rster Teil

Gleichheitssatz und Postulat der richterlichen Unparteilichkeit - Inhalt und Grenzen des Postulats Erster Abschnitt

Begriff und Kriterien von Unparteilichkeit und Befangenheit § 2. Das Leitbild des unparteilichen Richters: der Ausgangspunkt I. Seit altersher wird vom Richter erwartet, daß er sein Amt unpar­ teiisch ausübe1• Dieses Postulat der „Unparteilichkeit" (auch „Unbe­ fangenheit" , ,,Überparteilichkeit" , ,,Unvoreingenommenheit" , ,,Obj ek­ tivität" oder „Neutralität") besagt, daß der Richter in die Behandlung und Entscheidung des gerade anstehenden Falles nicht sachfremde, unsachliche Momente mit einfließen lassen soll2 , sondern den ihm un­ terbreiteten Fall ohne Ansehen der Person nur auf Grund der sach­ lichen Gegebenheiten des Falles und allein nach Recht und Gesetz 1 Vgl. in dieser Richtung im Corpus Juris Civilis etwa das Paulus-Zitat aus den Digesten (D.2.1.10): ,.. . . Qui iurisdictioni praeest, neque sibi ius dicere debet neque uxori vel liberis suis neque libertis vel ceteris, quos secum habet . . ." sowie im Corpus Juris Canonici etwa die Stelle im Liber Extra der Dekre­ talensammlung Papst Gregor IX. (X 2.28.41 ): ,,. . . suspecti et inimici iudices esse non debent . . .". 2 In diesem Sinne besonders deutlich seinerzeit die Entsch. des OLG Jena v. 26 .11.18 90 = Seuff.Arch. Bd. 47 (1 8 92 ) Nr. 57 , in der die „Besorgniß der Befangenheit" definiert wurde als die „Besorgniß einer nicht streng sachli­ chen Behandlung des Rechtsstreits in Folge einer bewußten oder unbewuß­ ten Hinneigung oder Abneigung gegenüber einer der Parteien". Vom BGH wird das Moment der Unsachlichkeit im Rahmen der Parteilich­ keit etwa in der Entsch. v. 9. 2. 51 = BGHSt 1 , 34 ff. (37 ) betont: ,.. . . aus unsachlichen Gründen . . . "; ähnlich auch die Entsch. des BFH vom 21. 7 .67 = BFHE 90, 160 ff. (16 4): ,.. . . ist unter Befangenheit ein Zustand zu verstehen, der eine vollkommen gerechte, von jeder falschen Rücksicht freie Einstellung zur Sache beeinträchtigt . . .". Neuerdings wird dieses Moment auch von Lei­ po!d in der 20. Aufl. des Kommentars von Stein/Jonas hervorgehoben (Rn. 2 zu § 42 ZPO) : ,.. . . Durch die Ablehnung wegen Befangenheit soll der Gefahr unsachlicher Beweggründe bei der Rechtsprechung begegnet werden . . ." , , ,. . . Verdacht der Unsachlichkeit bei Bildung oder Beibehaltung der Meinung . . .".

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I. Teil, 1 . Abschn.: Begriff und Kriterien der Parteilichkeit

entscheiden soll3 • Eben dies steht denn auch im Mittelpunkt des Eides, den der Richter bei Antritt seines Amtes abzulegen und mit dem er zu geloben hat, ,,. . . nach bestem Wissen und Gewissen ohne Ansehen der Person zu urteilen und nur der Wahrheit und Gerechtigkeit zu dienen . . . " '. II. Diesem Postulat, wie es soeben zunächst einmal kurz umrissen worden ist, wird im Rahmen der Rechtsprechung eine zentrale Bedeu­ tung zugemessen: die richterliche Unparteilichkeit wird als „funda­ mentaler Grundsatz" 5 , als „Grundvoraussetzung" 6 oder „Essentiale" 7 aller Rechtsprechung charakterisiert8 • Nach Brusiin ist „der Unpar­ teilichkeitsgrundsatz . . . für den Richter des modernen Kulturstaates ein wahres Grundgesetz, dessen Verletzung von der herrschenden Rechtsüberzeugung besonders streng verurteilt wird"'. Es wird gesagt, das Unparteilichkeits-Postulat folge „unmittelbar aus dem Zweck der Rechtsprechung und aus der Aufgabe des Rich­ ters" 10 ; teilweise wird deshalb sogar die Auffassung vertreten, dieses Moment der Unparteilichkeit sei schon dem „Richter" -Begriff als sol­ chem immanent1 1 • Dem ist jedenfalls insoweit zuzustimmen, als der Richter im Parteien­ prozeß regelmäßig ja gerade angerufen wird, damit er den Streit der 3 Ähnlich etwa auch Pabst v. Ohain, Ablehnung S. l : ,, . . . unparteilich, d. h. ohne Ansehen der Person und Sache . . .". So sinngemäß auch schon Seuffert, Von dem Rechte des peinlich angeklagten [1 787] im I V. Kap. S. 1 8: ,,. . . setzte die Gesellschaft . . . in ihrem Richter . . . voraus . . . eine Unpar­ theylichkeit, die ohne alle Vorurtheile, ohne alle Vorherbestimmung für die Verdienste der einen oder der anderen Parthey nur das Verbrechen, nicht die Person verfolgt .. .". 4 So § 38 I DRiG, ähnlich die entsprechenden Regelungen der Landes­ Richtergesetze. 5 Cappelletti, Fundamental Guarantees, General Report S.66 4: ,,. . . For millennia a number of basic principles have developed to represent the ,fundamental' rights of the parties . . . : such as the ancient principles of a) . . . b) judicial impartlality . . . c) . . .". Ähnlich auch die Entsch. des B GH vom 3. 7. 75 = NJW 1 9 76 , 109 ff. (l lO): das „Gebot unparteilicher Rechtspflege" als ,,einer der wesentlichen Grundsätze des Prozeßrechts". 1 Kornblum, Schiedsrichter S.3. 7 Knöpfle, BVerfG-Festgabe I S.1 48 : ,,. . . die Sicherung absoluter Neutra­ lität als essentiale jeder richterlichen Tätigkeit . . .". Ähnlich Cappelletti S. 741 : ,,. . . those ,essentials' of justice, which have been called its ,natural' elements: impartiality of the adjudicating body .. . ". 8 Benda, Der befangene Richter S. 303 kennzeichnet die „Frage der Befangenheit des Richters" zutreffend als „die Kernfrage jeder Justiz". 9 Objektivität S.33. 10 Bettermann, GR III/2 S. 526 . 1 1 So etwa LR-Schäfer V § 1 GVG Rn.3 und Vorb.3 vor §1 GVG. (Besonderes Gewicht kommt dieser Fragestellung heute im Hinblick auf den „Richter"-Begriff in Artt. 9 2 und 101 I 2 GG zu, vgl. hierzu die diesbezüglichen Ausführungen im zweiten Teil der Arbeit [§§ 37,39 ff.].)

§ 2. Das Leitbild des unparteilichen Richters: der Ausgangspunkt

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Parteien als „unparteiischer Dritter" entscheide11, als einer, der über den Parteien steht13 • Er soll den zwischen ihnen bestehenden Konflikt so regeln, daß er dabei nicht etwa aus Gründen, die nicht in der Sache selbst und den einschlägigen Rechtsnormen liegen, von vornherein der einen oder anderen Seite zuneigt". Diese Erwartung richtet sich insbesondere an den staatlichen Richter15 : repräsentiert dieser doch den Staat, der die ursprüngliche Selbsthilfe verdrängt und es dafür selbst in die Hand genommen hat, Streitigkeiten zwischen den Parteien zu schlichten und zu regeln11 , wofür er besondere Verfahren vor eigens dafür eingerichteten Organen - eben den Gerichten - zur Verfügung stellt17 • Diese funktionelle Organtrennung erlaubt es dann im übrigen, daß auch der Staat selbst vor seinen eigenen Gerichten klagen und verklagt werden kann, ohne daß allein schon dadurch die Unparteilichkeit der mit der Sache befaßten Richter in Frage gestellt wäre18 • u B ettermann (ebd.). Allgemein zur Rolle des Richters, als „Vermitteln­ der" und hier insbesondere als „Richtender" Konflikte zwischen streitenden Parteien zu lösen, aus rechtssoziologischer Sicht Eckhoff, Rolle S. 2 58 ff. 13 Eisenblätter, Überparteilichkeit S. 20. 1 4 Eisenblätter S.30 und passim. 1 5 Gedacht ist hier primär an den beamteten Nur-Richter. 18 Der Gedanke der Verdrängung der privaten Selbsthilfe durch die staat­ liche Gerichtsbarkeit nahm noch in der gemeinrechtlichen Literatur des 1 9 . Jh.s zum Zivilprozeß bis etwa zur Mitte des Jh.s wesentlichen Raum ein und wurde dementsprechend regelmäßig bei den Grundlagen des Zivilprozeß­ rechts eingehend erörtert: vgl. Claproth, Einleitung [1 79 5] §§ 1 - 5 = S. 1 - 26 ; Danz/Gönner, Grundsäze [1 806 4 ] §§ 2 - 5 = S. 2 -11 ; Martin, LB [1 838 12 ] § 8 = S.1 8 f.; v. Linde, LB [1 85 0] §§ 2 -4 = S. 2 - 8; Martin, Vorlesungen I [1 855] § 1.III - V = S.6 ff.; v. Bayer, Vorträge [1 856 8] § 9 = S.14 ff. ; sowie Osterloh, LB [1 856 ] § 1 5 = S. 22 - 26. - In den „späten" gemeinrechtlichen Lehr­ büchern wird der Gedanke dann, der seitherigen staatsrechtlichen Entwick­ lung entsprechend, nur noch kurz angesprochen: vgl. Endemann, CivProz­ Recht [1 86 8] § 1 .I = S. 2 f.; Renaud, LB [1 873] § 1 = S. 2 (bei und in Fußn. 7 ) ; sowie Wetzell, System [1 87 8] § 1 = S.1 f. Seitdem wurde der hier erörterte Komplex, soweit ersichtlich, nur noch einmal in einem Lehrbuch zum Zivil­ prozeßrecht näher besprochen, und zwar bei Hellwig, System I [1 91 2] § 1 .I = S.1 f., während er ansonsten allenfalls noch beiläufig erwähnt wird, vgl. hierzu etwa aus der Gegenwart Blomeyer, ZivProzRecht § 1 = S.1 ; Schänke/ Kuchinke, ZivProzRecht § l.I. = S. 1 ; Rosenberg/Schwab, ZivProzRecht § 1 .III = S. 2.; Jauernig, ZivProzRecht § 1 .I.l = S. l ; sowie Bruns, ZivProz­ Recht Rn. 1 = S.1 . 1 7 Zum Zivilprozeß vgl. in diesem Zusammenhang etwa Rieb. Schmidt, LB § 1 .I = S.1 , und Rosenberg/Schwab, ZivProzRecht § 1 .III.1 = S. 2, sowie aus der gemeinrechtl. Lit. des 1 9. Jh.s Martin, Vorlesungen I § 1.I - V. = S. 5 ff. Zu dem Erfordernis, daß der staatl. Richter sein Amt gerade aus dieser Konstel­ lation heraus auch unvoreingenommen ausüben muß, besonders deutlich von Bayer, Vorträge § 1 = S. 1 : ,,. . . Um den Zweck der Realisirung des Rechtes zu erreichen, muß ein Dritter, - der die nöthige Einsicht, Unbefangenheit und Macht besitzt, zu jenen beiden Functionen" (nämlich „Untersuchung" des Streitfalles sowie „Ausübung von Zwang") .,autorisirt werden. Dieser Dritte ist das Gericht . . . ". 1 8 Vgl. hierzu etwa B VerfG v. 9.11 . 55 = E 4, 331 ff. (346 ); Friesenhahn,

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I. Teil, 1 . Abschn.: Begriff und Kriterien der Parteilichkeit

Gleiches gilt sinngemäß aber auch für den Strafprozeß. Hier stehen sich zwar nicht im strengen, j edenfalls nicht im materiellen Sinne echte „Parteien" gegenüber19 ; wohl aber gebietet der Umstand, daß der Staat die private Fehde und Rache zugunsten des staatlichen Strafanspruchs verdrängt hat20 , auch hier die Unparteilichkeit des Richters : Wenn es nunmehr dem staatlichen Richter übertragen ist, in einem förmlichen Verfahren darüber zu befinden, ob jener staatliche Strafanspruch im konkreten Fall besteht und welche Sanktion hierauf ggf. zu verhängen ist, dann muß auch insoweit gewährleistet sein, daß der jeweilige Richter nicht von vornherein, sei es zugunsten des Staates als Träger jenes Strafanspruchs oder sei es auch zugunsten des Beschuldigten oder Angeklagten, ,,Partei nimmt" 11 • III. Die eingangs genannten Ausdrücke „Unparteilichkeit" , ,,Unbe­ fangenheit" usw. mögen im folgenden zunächst einmal synonym neben­ einander verwendet werden. Soweit es sich als notwendig erweist, wird dann im weiteren Verlauf der Arbeit genauer differenziert werden22 • So viel sei aber doch schon hier festgehalten, daß der verschiedentlich23 anstelle der soeben genannten Ausdrücke verwendete Begriff der „Neutrali­ tä.t " hier besser außer Betracht bleiben sollte. Zwar wird Schlaich 24 darin zu folgen sein, daß der Begriff der „Neutralität" vage ist und von Fall zu Fall F"S. Richard Thoma S.32 ff.; Bettermann, GR III/2 S.527 f.; Leibholz/Rinck, Art. 9 2 GG Anm. 4 (mit weiteren Nachw. zur Rspr. des BVerfG). 1 9 Allgemeine Auffassung, vgl. z. B. LR-Schäfer I Einl. Kap. 9 Rn. 4 und Peters, LB § 16 .II = S.88. (Eine Ausnahme muß natürlich für das Privat­ klageverfahren gemacht werden, das ersichtlich als echtes Parteiverfahren angelegt ist.) Auf die Streitfrage, ob der Strafprozeß der StPO immerhin in formaler Hinsicht als Parteiprozeß anzusehen ist, braucht im vorl. Zusammenhang nicht eingegangen zu werden; Eb. Schmidt, Lehrkommentar I Rn. 1 05, 1 06 wertet sie ohnehin als „Scheinproblem ohne alle sachliche Bedeutung", im Ergebnis ähnlich etwa Wach, Struktur S. 7 ff. und Henkel, Strafverfahrens­ recht § 2 4.I.B.2 = S.111 . 20 Vgl. hierzu Eb. Schmidt, Einführung §§ 34 ff. = S.47 ff. 11 Sehr deutlich wird dieser Zusammenhang von Müller, LB [1837 ] bei den Grundlagen des Strafprozesses aufgezeigt, vgl. § 1 mit Fußn. 1 = S. 1 : ,,Keine Strafe kann ohne vorausgehende unparteiische richterliche Untersuchung und Entscheidung exequirt werden. Denn gerade hierdurch unterscheidet sich jene von der Rache nach subjectivem Urtheile des Verletzten . . . " (ebd. Fußn.1 ). 2 2 Vgl. hierzu unten § 7.VII und § 15.II, III. 23 z. B. BVerfG v. 2 4. 11 .6 4 = BVerfGE 18, 2 41 ff. (255): ,,. . . Das Erforder­ nis der richterlichen Neutralität . . ." ; zuletzt in der Entsch. vom 2 4.3. 76 = E 42 , 6 4 ff. (78): ., . .. die richterliche Unabhängigkeit, die Distanz und Neutra­ lität . . ."; im Anschluß an diese Terminologie etwa Bettermann, AöR Bd.9 2 (1 96 7), 506 ff.; Sehlaich, Neutralität S.59 ff.; Kern/Wolf, Gerichtsverfassungs­ recht § 18.1 = S.1 2 2 , § 2 2 = S.1 46 ff. sowie Wolf, Verfahrensrecht § 3.1.3 = S.33 und passim; ferner etwa Stadler, Neutralität S. 1 ff. und passim. 24 S.40 ff. (dort auch zu den verschiedenen Aspekten der „Neutralität").

§ 3. Unparteilichkeits-Postulat und allgemeiner Gleichheitssatz

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der Ausfüllung und Konkretisierung bedarf, so daß er also nicht etwa von vornherein völlig ungeeignet wäre, den hier interessierenden Sachverhalt zu erfassen; gemeinhin umschreibt dieser Ausdruck aber doch wohl einen etwas anderen Sachverhalt, so daß er im vorliegenden Zusammenhang besser nicht verwendet werden sollte: Vom Wortsinn her bedeutet „Neutralität" zwar durchaus auch, nach „kei­ ner von beiden Seiten" (lat. ,,neuter") hin zu tendieren, und insoweit deckt sie sich allerdings mit der „Unparteilichkeit". Darüber hinaus enthält „Neutra­ lität" aber sinngemäß weiter die „Nicht-Intervention" , das „Vom-Konflikt­ Fernbleiben" 25, also daß der Betreffende sich „aus der Sache heraushält" 21 • Gerade das Gegenteil hiervon wird aber im Ergebnis vom Richter erwartet: Zwar soll auch er „keiner von beiden Seiten" von vornherein zu- oder ab­ geneigt sein; aber der Prozeß zielt ja auf die verfahrensbeendende Entschei­ dung durch den Richter hin, und mit ihr soll der Richter gerade in die Sache der „Parteien" (i. w. S.) eingreifen, indem er die Sache an sich zieht und nachdem er den Prozeßbeteiligten Gelegenheit gegeben hat, ihre Argumente vorzutragen - nun seinerseits nach Lage des Falles ihre Rechte und Pflich­ ten verbindlich regelt. Für das Richteramt ist hiernach also gerade wesent­ lich, daß der Richter sich nicht aus der Sache heraushält, daß er vielmehr ganz im Gegenteil hierzu sogar dezidiert Stellung nehmen und durch seinen Spruch den Streit beenden soll27 , wobei er regelmäßig gerade zum Vorteil der einen und zum Nachteil der anderen Seite entscheiden muß28. Folgerichtig ist Dagtoglou denn auch der Ansicht, daß der Ausdruck „neutraler Richter" nach alledem „widerspruchsvoll" sei29 •

§ 3. Das Unparteilichkeits-Postulat als spezifische Ausprägung des allgemeinen Gleichheitssatzes I. Wenn nach der eingangs gegebenen Umschreibung also „Partei­ lichkeit" besagt, daß der betreffende Richter „unsachliche" , ,.sach­ fremde" Momente in die Behandlung und Entscheidung des Falles einfließen lasse, wenn es also mit anderen Worten darauf ankommt, daß hierbei auch Gründe eine Rolle (mit)spielen, die nicht in der Sache 2s Dagtoglou, Forsthoff-Festgabe S.66. 26 In diesem Sinne also durchaus zutreffend etwa der Ausdruck von der „weltanschaulichen Neutralität" des Staates, von der „wirtschaftspolitischen Neutralität" des Grundgesetzes oder von der „Neutralität" der Bundesanstalt für Arbeit bei Arbeitskämpfen. 27 Dagtoglou S.66 f. Ähnlich unterscheidet jetzt auch Kriele ausdrücklich zwischen „Neutralität" und „Unparteilichkeit" (in NJ W 1 976 , 777) : .,. . . Man muß . . . unterscheiden zwischen Unparteilichkeit und Neutralität. Der Rich­ ter soll unparteilich, aber nicht neutral sein. Er soll schließlich entscheiden, daß der eine recht und der andere unrecht hat . . .". Nicht überzeugen kann demgegenüber Sehlaich S. 2 21 , wenn er gerade den Richter als Beispiel für das Prinzip der „Nicht-Einmischung" anführt; der Hinweis, daß mit der Ge­ setzesbindung des Richters eine zusätzliche Nuance hereinspiele, erfaßt nicht das spezifische Moment, um das es hier gerade geht. 2s Vgl. Eckhotf, Rolle S. 261. 29 S.6 7. - Demgegenüber versteht etwa Overhotf, Ausschluß S. 2 5 im Rah­ men des Oberbegriffs der „Unbeteiligtheit" des Richters die „Neutralität" als die Fallgruppe der „Unbeteiligtheit in bezug auf die Parteien selbst".

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I. Teil, 1. Abschn.: Begriff und Kriterien der Parteilichkeit

selbst liegen, die mit ihr eigentlich nicht etwas zu tun haben, - so ist es doch nicht eigentlich dieser Umstand allein, der so nachhaltig auf der Unparteilichkeit des Richters bestehen läßt. Ausschlaggebend ist vielmehr erst, daß derartige Momente geeignet sind, den jeweiligen Richter, bei dem sie vorliegen, in der Behandlung des gerade anste­ henden Falles überhaupt und zumal bei der Entscheidungsfindung zu beeinflussen und so schließlich den Ausgang der Sache selbst zu ver­ schieben, zu verfälschen': in der Weise nämlich, daß der Richter hier - im Vergleich zu dem Fall, daß ein solches Moment bei ihm nicht vorliegt - einen ProzejJbeteiligten bevorzugt oder benachteiligt, daß er ihm „faktisch oder rechtlich eine Lage (verschafft oder beläßt), die ein Mehr an begünstigenden oder benachteiligenden Momenten gegen­ über der objektiv-rechtlich gewährten Lage in sich schließt" 2 • II. Dieses Merkmal der Bevorzugung oder Benachteiligung eines Prozeßbeteiligten aus sachfremden Gründen macht sogleich deutlich, daß es sich beim Postulat der richterlichen Unparteilichkeit letztlich um eine spezifische Ausprägung des verfassungsrechtlichen Gleichheits­ satzes für den Bereich der Rechtsprechung handelt, nämlich im Sinne Dürigs um die „Gleichheit der Bürger vor dem Richter" und um die ,,Gleichheit (der Rechtsanwendung) für den Bürger durch den Richter" 1• Sofern es auf die Richtigkeit des Ergebnisses in der jeweiligen Sache, d. h. auf die Richtigkeit der Entscheidung ankommt, steht im Vorder1 Hierauf weist - im Rahmen der „Besorgnis der Befangenheit" - be­ sonders deutlich Arzt, Strafrichter S. 14 hin: ,, . • . Die Besorgnis der Befan­ genheit des Richters bedeutet zugleich die Besorgnis eines parteilichen und damit letztlich unrichtigen Urteils . . ." (Hervorhebung nicht schon im Origi­ nal; dazu, daß Arzt jedoch zu einseitig auf das unrichtige Ergebnis abstellt und den Begriff der „Befangenheit" überdehnt, s. nachstehend § 4.1). Ahnlich auch Wolf, Verfahrensrecht § 25.Ill = S. 173 ; in diesem Sinne für das Unpar­ teilichkeits-Gebot auch im Rahmen des Verwaltungshandelns etwa Häberle, Öffentliches Interesse S. 100. Insoweit sehr plastisch im übrigen das neue Lehrbuch Strafverfahrensrecht der DDR (Abschn. 8 .1.1 = S. 295): ., . . . Um in der Strafsache gerecht entschei­ den zu können, muß das Gericht unvoreingenommen an ihre Untersuchung und an die strafrechtliche Beurteilung des festgestellten Sachverhalts heran­ gehen. Nicht subjektive Wünsche, Neigungen, Meinungen usw. dürfen das Gericht in seiner Untersuchungs- und Entscheidungstätigkeit lenken. Jede Voreingenommenheit führt zu Einseitigkeit und verengt das Blickfeld. Es würden dann nur solche Tatsachen wahrgenommen, die sich in die subjek­ tivistisch festgelegte Auffassung über die Strafsache einordnen. Tatsachen, die dem widersprächen, würden dadurch nicht erkannt oder als unwesentlich übergangen. Ferner beeinträchtigt die Voreingenommenheit die richtige An­ wendung des Strafgesetzes . . ." (zur abweichenden Terminologie sowie zum ideologischen Hintergrund des Prozeßrechts der DDR s. unten § 16). 2 Eichenberger, Unabhängigkeit S. 25 . 3 S. die Übersicht in MD Art. 3 I Rn. 378 und im einzelnen die Darstellung ebd. Rn.3 92 ff. und 3 94 ff.; vgl. daneben vor allem auch Böttichers Schrift „Die Gleichheit vor dem Richter", in der er das Gebot der „Gleichbehandlung innerhalb der Rechtspflege" (S. 6) erörtert.

§ 3. Unparteilichkeits-Postulat und allgemeiner Gleichheitssatz

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grund das Gebot der Rechtsanwendungsgleichheit', also die Verpflich­ tung des Richters, solche „Unterscheidungen zu unterlassen, die auch das Gesetz selbst nicht gemacht, und solche zu respektieren, die das Gesetz (zulässigerweise) vorgenommen hat" 5 , und damit „das Gebot . . . ,

ohne Ansehen der Person nur nach sachlichen Gesichtspunkten zu ent­ scheiden"8.

Doch wäre es zu eng, allein auf diese „gleichmäßige Verteilung des Risikos am Prozeßausgang" 7 und damit auf die Gleichbehandlung der Prozeßbeteiligten in materieller Hinsicht abzustellen. Vielmehr geht es darüber hinaus gerade auch darum, daß der Richter die Prozeßbe­ teiligten überhaupt schon im Gang des Verfahrens selbst gleich be­ handelt, weil dieses seinerseits die Entscheidung vorbereitet und zu ihr hinführt8 • Selbst wenn im Einzelfall etwa einmal eine Zeugenvernehmung parteiisch erfolgen sollte, sie dann aber das Urteil doch nicht beeinflußt, weil sie durch einen anderen prozessualen Vorgang „neutralisiert" wird, so ist doch zumin­ dest vorübergehend die Wahrheitsfindung und damit die sachgerechte Ent­ scheidung gefährdet.

Bötticher charakterisiert diese formale9 Gleichbehandlung der Pro­ zeßbeteiligten treffend als „Waffengleichheit während des Prozeß­

verlaufs" 10.

Daß gerade unter diesem Gesichtspunkt der „Waffengleichheit" die Chance eines Prozeßbeteiligten, den Prozeß zu „gewinnen", auf Grund der tatsäch­ lichen oder rechtlichen Gegegebenheiten des Falles auch einmal von vorn­ herein gleich null sein kann, läßt sich mit dem soeben Gesagten durchaus vereinbaren, da dies einen ganz anderen Aspekt betrifft: hier geht es j a aus­ schließlich darum, daß der Richter in die Behandlung des Falles keine „sach4

Dürig Rn. 52 und 398.

Ipsen, GR I I S. 1 47 ; ebenso v. Mangoldt/Klein I Art. 3 Erl. 111.3 = S. 200. 1 Ipsen S. 1 52, ähnlich auch S.1 42, 1 49 ü eweils m. w. N.) ; ebenso BK-Wernicke Art. 3 Erl. 11.b). 7 Bötticher S.1 5. • Vgl. Brüggemann, Rechtsprechende Gewalt S. 82, Arzt, Strafrichter S. 1 00 und neuerdings Wassermann, Zivilprozeß S. 171 f. Dazu, daß sich das Unparteilichkeits-Postulat gerade auch auf die richterlichen Maßnahmen im Stadium der Vorbereitung der mündlichen Verhandlung erstreckt, vgl. Bathe, Verhandlungsmaxime S. 80 f., 1 01 ff. 9 Da es jetzt allein um den rein formalen Aspekt geht, mag hier die Streit­ frage dahingestellt bleiben, ob und ggf. inwieweit auch im Strafprozeß eine weitergehende „Waffengleichheit" der Prozeßbeteiligten angenommen wer­ den kann. 10 S. 1 5, ebenso MD-Dürig Art.3 I GG Rn. 3 92, ferner Rn. 50. Aus rechtssoziologischer Sicht vgl. zu diesen beiden Richtungen der Gleich­ behandlung der Prozeßbeteiligten Eckhoff, Impartiality S. 1 3: ,, . . . impartiality is displayed when both parties are given the same opportunities and are shown the same consideration. This principle of equal distribution can be applied both to procedure and to the substance of the cases . . . . . . the principle of equality ...". 5

1. Teil, 1. Abschn.: Begriff und Kriterien der Parteilichkeit

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fremden" Momente einfließen lassen soll; wenn das ungünstige Ergebnis aus der Konstellation des Falles selbst geboten ist, kann eben davon keine Rede sein. III. Dieses grundrechtlich geschützte allgemeine Gleichbehand­ lungsgebot11 oder, negativ gewendet, dieses Verbot einer sachlich nicht gerechtfertigten Bevorzugung oder Benachteiligung12 wird in Art. 3 II, III GG durch spezielle Differenzierungsverbote konkretisiert und verstärkt. Für die verfassungsrechtliche Standortbestimmung des Unparteilichkeits-Postulats ergeben sich aus dieser Normierung von leges speciales im Verhältnis zum allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 I GG13 vorerst keine Besonderheiten: ein parteiliches Verhalten des Richters in dem zuvor umschriebenen Sinne verletzt, sofern nicht im Einzelfall ein spezielles Differenzierungsverbot betroffen ist, den allgemeinen Gleichheitssatz; positiv läßt sich folglich feststellen, daß das Unparteilichkeits-Postulat (zumindest auch) beim allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 I GG verfassungsrechtlich verankert ist14 • § 4. Parteilicltkeit als unsachliche, auf Bevorzugung oder Benachteiligung eines Prozeßbeteiligten gerichtete innere Einstellung des Richters

I. Der spezifische Gehalt der „Parteilichkeit", wie sie herkömmlich verstanden wird, wäre nun allerdings erst teilweise erfaßt, wenn sie allein als Bevorzugung oder Benachteiligung eines Prozeßbeteilig­ ten aus unsachlichen, sach-fremden Gründen und derart als Verstoß gegen den Gleichheitssatz verstanden würde, wenn also mit anderen Worten allein darauf abgestellt würde, ob beim Richter „Umstände vorliegen, die die Richtigkeit des Urteils . . . gefährden . . . ". So aber Arzt in seiner Schrift „Der befangene Strafrichter" 1 , in der er sich - s. Untertitel - gegen eine „Beschränkung der Befangenheit auf die Parteilichkeit" wendet. Arzt geht jedoch, wie später noch im einzelnen zu zeigen sein wird•, von einem viel zu engen Begriff der „Parteilichkeit" aus und hat infolgedessen angesichts der Tatsache, daß die Prozeßordnungen bei der Ablehnung wegen Besorgnis der Befangenheit zentral eben auf den Be­ griff der „Parteilichkeit" abstellen (s. §§ 42 II ZPO, 24 II StPO), allerdings 11

Vgl. den Wortlaut von Art. 3 I und II GG. Vgl. den Wortlaut von Art. 3 III GG. 1s Dürig Rn. 248 ff. 1 4 Bötticher S. 19; Eichenberger, Unabhängigkeit S. 25; v. Münch/Gubelt I Art. 3 Rn. 33 und 29. Nach Dürig Art. 3 III Rn. 14 und Art. 3 I Rn. 384a (un­ ter d) ist Art. 3 III jedenfalls in einem weiteren Sinne .,. . . in politicis ein Grundrecht, gerichtet an den öffentlichen Dienst, gegen ,Befangenheit' und auf ,Distanz' • . .". 1 S. 102. 2 S. u. in § 15.11.2. 12

§ 4. Parteilichkeit als innere Einstellung des Richters

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Schwierigkeiten zu begründen, daß die gemeinhin als „Befangenheit" aner­ kannten Fallkonstellationen, soweit sie von seinem engen „Parteilichkeits"­ Begriff nicht erfaßt werden, trotzdem im Rahmen der erwähnten General­ klauseln zur Ablehnung sollen berechtigen können. Mit der Lösung, die er daraufhin vorschlägt, ,,schießt" er dann allerdings erheblich „über das Ziel hinaus" , indem er für die „Befangenheit" allein noch auf das „im Ergebnis parteiliche Urteil" abstellen und damit auch Fallkon­ stellationen unmittelbar in j enen Begriff mit einbeziehen will, die nach her­ kömmlichem, durchaus zutreffendem Verständnis in diesem Begriff mit Recht nicht enthalten sind3 • Wollte man allein auf das Merkmal der sachlich nicht gerechtfertig­ ten Bevorzugung oder Benachteiligung eines Prozeßbeteiligten ab­ stellen, hätte man etwa Schwierigkeiten zu begründen, warum z. B . ein Verfahrensfehler, der einen Prozeßbeteiligten ungerechtfertigt schlech­ ter stellt, nicht auch als „Parteilichkeit" des Richters zu werten sein soll : bloße Verfahrensfehler als solche werden nun aber nach allgemei­ ner Auffassung, sofern im Einzelfall nicht besondere Umstände hinzu­ treten, gerade nicht als Fall der „Parteilichkeit" angesehen'. Was aber macht dann die „Parteilichkeit" , ,,Befangenheit" aus? II. Ausschlaggebend ist, daß die sachlich nicht gerechtfertigte Bevor­ zugung usw. aus der Person des Richters herrührt, daß sie in einer unsachlichen inneren Einstellung des Richters zum Verfahren begrün­ det ist5 • Wenn aber letztlich eben diese „innere Einstellung" des Richters für das Vorliegen oder Nichtvorliegen einer Befangenheit entscheidend ist, dann kommt es gar nicht einmal darauf an, ob der Richter dem betr. Prozeßbeteiligten jenen vorhin erwähnten Vorteil, j enen „Vorsprung" , im Ergebnis auch tatsächlich verschafft oder, im entgegengesetzten Fall, ob er ihn auch tatsächlich zurücksetzt. Wenn nämlich derartige unsach­ liche, sachfremde Momente generell geeignet sind, eine dahingehende Wirkung auszulösen, dann muß sogar schon die bloße Tatsache allein, daß ein solches Moment im konkreten Fall mit hereinspielt, genügen, um eine „Befangenheit" annehmen zu können: denn schon dann ist j edenfalls nicht mehr auszuschließen, daß der Richter die j eweilige Sache nicht rein „sachlich" behandelt, daß er vielmehr zumindest dahin tendieren kann, in dem erwähnten Sinne einen Prozeßbeteiligten un­ gerechtfertigt zu bevorzugen oder zu benachteiligen. Und bereits dann fehlt es im Sinne Böttichers an der „Waffengleichheit" der Prozeßbe3 So insbesondere der Komplex der „absoluten Unfähigkeit" oder „Unge­ eignetheit" des Richters, s. dazu unten § 1 1 . 4 S o insbesondere Stemmler, Befangenheit S. 202 und S. 222 Fußn. 1 sowie Stadler, Neutralität S. 94 f. mit Fußn. 125 gegen Arzt S. 96 ff., nach dem in diesen Fällen letztlich von der Voraussetzung einer „Parteilichkeit" abge­ sehen werde (a. a. 0. S. 97). 5 So eingehend Stemmler S. 99 ff. gegen Arzt.

2 Riedel

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I. Teil, 1. Abschn.: Begriff und Kriterien der Parteilichkeit

teiligten „während des Prozeßverlaufs" und an der „gleichmäßigen Verteilung des Risikos am Prozeßausgang" , womit auch hier der Bezug zum Gleichheitssatz deutlich wird (vgl. vorstehend § 3). III. Wenn nun soeben die unsachliche innere Einstellung des Richters derart als Kriterium der Befangenheit hervorgehoben und wenn zu­ gleich auf den engen Zusammenhang mit dem Gleichheitssatz abgestellt worden ist, dann mag hier die Assoziation an eine Rechtsfigur nahe­ liegen, der einerseits jedimfalls von ihrem Ursprung her gerade das subjektive, persönliche Moment eigen ist und der zum andern jeden­ falls nach der herrschenden Auffassung gerade im Rahmen des Art. 3 I GG eine zentrale Rolle zukommt: gemeint ist die sog. Lehre vom Will­ kürverbot, wie sie unter der Geltung des Art. 109 WRV herausgebildet und inzwischen im Rahmen des Art. 3 I GG durch das BVerfG und die h. M. in der Literatur aufgenommen und verfestigt worden ist8 • 1. Diese Lehre besagt nun keineswegs, worauf Dürig mit Nachdruck hinweist7, daß die „Geltungsintensität" des Gleichheitssatzes modi­ fiziert, womöglich gar von vornherein reduziert wäre; im Gegenteil gilt der Gleichheitssatz an sich gerade auch für die Rechtsprechung unein­ geschränkt. Eingeschränkt ist vielmehr allenfalls die Kontrollbefugnis des BVerfG, wenn es eine gerichtliche Entscheidung daraufhin zu über­ prüfen hat, ob der Gleichheitssatz verletzt worden ist: in diesem spe­ ziellen Rahmen allerdings, aber eben auch nur dann, soll die Über­ prüfung der vorausgegangenen Entscheidung auf den eingegrenzten Aspekt beschränkt sein, ob ein Verstoß gegen den Gleichheitssatz spe­ ziell in Form des sog. Willkürverbots vorliegt oder nicht. Dabei liegt dieser Lehre der plausible Ansatz zugrunde, daß speziell im verfas­ sungsgerichtlichen Verfahren nicht schon jede sachliche Unrichtigkeit der Rechtsanwendung im Einzelfall als Verletzung des Gleichheitssatzes behandelt werden darf, weil andernfalls jeder derartigen Verletzung einfachen Gesetzesrechts auf dem Umweg über Art. 3 I GG zugleich die spezifische Qualität einer Verfassungsverletzung zukäme und damit im Ergebnis das Verfassungsgericht zu einer Art „Super-Revisionsinstanz" umfunktioniert würde8 • 2. Der in diesem Zusammenhang verwendete Ausdruck „Willkür" legt dabei eigentlich die Annahme nahe, daß auf die subjektive Moti­ vation des jeweiligen staatlichen Organ(walter)s abzustellen sei, dessen 8 Grundlegend hierzu die Monographie von LeibhoZz, Die Gleichheit vor dem Gesetz (1 . Aufl. 1 9 2 5, 2. ergänzte Aufl. 1 9 59 ). 7 MD Art.3 I Rn. 39 5 ff. Diese Differenzierung verkennt Overhoff, Aus­ schluß S. 40, wenn er das Unparteilichkeits-Postulat zwar zutreffend auf den Gleichheitssatz bezieht, dabei aber die Verletzung des Art.3 sogleich auf den Aspekt des Willkürverbots verkürzt. 8 Grundlegend hierzu Leibholz S.7 6 ff.

§ 4. Parteilichkeit als innere Einstellung des Richters

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Maßnahme als verfassungswidrig beanstandet wird. Dann läge in der Tat die sachliche Nähe der so verstandenen „Willkür" zur Parteilichkeit auf der Hand, bei der es ja ebenfalls gerade auf die unsachliche innere Einstellung des Richters ankommen soll (s. o. II.). Eben diese Voraussetzung trifft nun aber auf das herrschende Ver­ ständnis des Willkürverbots gerade nicht zu, weil der „ Willkür"-Begrifj hiernach nicht in der angegebenen Weise subjektiv, sondern im Gegen­ teil - von der subjektiven Motivation des jeweiligen Organ(walter)s völlig losgelöst - rein objektiv zu verstehen sein soll9 • In diesem Sinne ist eine staatliche Maßnahme - z. B. also auch eine gerichtliche Ent­ scheidung - ,,willkürlich" und verstößt damit gegen Art. 3 I GG, wenn sie objektiv „ohne zureichende sachliche Gründe ergangen", wenn sie nicht „sachlich gerechtfertigt" oder doch wenigstens „sachlich vertret­ bar" ist10• In der Entscheidung vom 1. 7. 1954 hat das BVerfG bekanntlich hierzu die Formel geprägt, daß es „unter dem Gesichtspunkt des Willkürverbots des Art. 3 I GG nicht schon" genüge, ,,wenn die Rechtsanwendung oder das ein­ geschlagene Verfahren Fehler enthalten. Hinzukommen muß vielmehr, daß diese bei verständiger Würdigung der das Grundgesetz beherrschenden Ge­ danken nicht mehr verständlich sind und sich daher der Schluß aufdrängt, daß sie auf sachfremden Erwägungen beruhen" 11 • 3. Im vorliegenden Zusammenhang kommt es nun nicht darauf an, die soeben angesprochene Lehre vom Willkürverbot im einzelnen zu diskutieren. Für den Zweck der j etzigen Untersuchung genügt es viel­ mehr bereits, auf den objektiven Charakter des hierbei zugrunde geleg­ ten „Willkür"-Begriffes hinzuweisen und diesen mit dem Unparteilich­ keits-Postulat in Beziehung zu setzen. Dabei soll allerdings die Kritik von Brinkmann12 an der h. M. nicht über­ gangen werden, wonach „eine Objektivierung des Willkürverbots" schon be­ grifflich „ausgeschlossen" sei; ,,Willkür" sei „eben nicht möglich ohne das subjektive Moment des Wissens und Wollens". Diese Kritik leuchtet in der Tat ein, soweit es um die terminologische Seite der Lehre vom Willkürverbot geht: Es wäre in der Tat glücklicher und würde manchem Mißverständnis vorbeugen, wenn statt des Ausdruckes „Willkür", der nun einmal gemeinhin das angesprochene subjektive Moment beinhaltet, eine andere Terminologie gewählt worden wäre. In der Sache selbst dagegen vermag diese Kritik die Lehre vom Willkürverbot nicht eigentlich in Frage zu stellen. Wenn nun also das, was mit dem „Willkür"-Begriff gemeint ist, hier derart objektiv zu verstehen ist, dann vermag dieser Begriff die Fälle der Parteilichkeit zumindest nicht immer adäquat zu erfassen: Während 9 Zur Begründung dieses objektiven „Willkür"-Begriffs s. Leibholz S. 95 ff., ferner Dürig, Staatslexikon Art. ,,Gleichheit" Sp. 987 (unter 1.5). 10 Vgl. hierzu die detaillierten Nachweise aus der Rspr. des BVerfG bei Leibholz/Rinck Art. 3 Rn. 2, 3. 11 BVerfGE 4, 1 ff. (7). 11 Grundrechts-Kommentar Art. 3 Erl. I 3 a y.

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1. Teil, 1. Abschn.: Begriff und Kriterien der Parteilichkeit

es nämlich für die Annahme einer Parteilichkeit gerade auf den „inne­ ren Vorgang" in der Person des Richters ankommt (s. o.), soll „für einen Willkürtatbestand im Sinne des Art. 3 I" allein „der äußere Tatbestand als Ergebnis (entscheidend)" sein: Eine etwaige „innere ,sachfremde Motivation"' , durch die ja zugleich eine Parteilichkeit begründet würde, und ähnliche Interna aus der Person des Richters sollen hiernach über­ haupt „nur als Willkürindizien verwertbar" sein, während für einen Verstoß gegen das Willkürverbot als solchen allein maßgebend sein soll „die Erwägung, ob nach einer am ,Gerechtigkeitsgedanken orientierten Betrachtungsweise' . . . der Staatsakt durch sachgerechte Gesichts­ punkte getragen wird und aufrechterhalten werden kann" 13 • Eine richterliche Entscheidung kann demzufolge parteiisch sein, ohne daß sie dabei zugleich auch unter diesem speziellen objektiven „Will­ kür"-Aspekt gegen den Gleichheitssatz verstößt14 : Denn selbst wenn der betr. Richter parteilich handelt, kann seine Entscheidung im Ergeb­ nis trotzdem sachlich gerechtfertigt sein. ,,Parteilichkeit" und „ Willkür" im Sinne der Lehre vom Willkürverbot sind folglich nicht kongruent. IV. Zusammenfassend läßt sich somit auf der B asis der bisherigen Überlegungen die „Parteilichkeit" , ,,Befangenheit" umschreiben als ein ,,innerer Zustand" 15, eine „innere Haltung" 16 oder auch „Einstellung" des Richters derart, daß er bei der Behandlung und Entscheidung eines Falles auch „unsachliche" , ,,sach-fremde" Momente mit einfließen läßt17 mit der Folge, daß er daraufhin einen Prozeßbeteiligten - von der Sache selbst her ungerechtfertigt - entweder tatsächlich benachteiligt oder bevorzugt oder daß er aber doch zumindest dahin tendiert18 •

§ 5. Die Bevorzugung oder Benachteiligung eines Prozeßbeteiligten als Merkmal der Parteilichkeit I. Ob der Richter im konkreten Fall einen Prozeßbeteiligten „bev'!r­ zugt" oder „benachteiligt" (oder ob er immerhin dahin tendiert), wird sich j eweils ohne Schwierigkeit beurteilen lassen, sofern der zugrunde · 13 14

Dürig, Staatslexikon (s. vorstehende Fußn. 9). Leibholz S. 31 und ausführlicher - für das Verwaltungsverfahren -

s. 44 f. u Im Anschluß an OLG Darmstadt v. 13. 5. 1901 = Alsberg, Entsch. Bd. 1 (1927) Nr. 69. 18 Im Anschluß an BGH v. 9. 2. 51 BGHSt 1, 34 ff. (LS 2). 17 In dieser Richtung etwa LR-Dünnebier I Rn. 4 zu § 24 StPO: ,, . . . ein innerer Zustand des Richters, der seine vollkommen gerechte, von j eder fal­ schen Rücksicht freie Einstellung zur Sache, seine Neutralität und Distanz gegenüber den Verfahrensbeteiligten . . . beeinträchtigen kann . . ." . Sehr ähnlich die Entsch. des BFH vom 21. 7. 67 (s. das Zitat oben in Fußn. 2 zu § 2). 18 Zur Verfeinerung dieser Formel vgl. zusammenfassend unten § 15.111.

Marre, Befangenheit

=

§ 5. Das Merkmal der Bevorzugung oder Benachteiligung

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liegende Sachverhalt als solcher geklärt ist. Denn dann braucht hierfür lediglich das j etzige, tatsächliche Verhalten des Richters mit seinem Verhalten für den (hypothetischen) Fall verglichen zu werden, daß das hier vorliegende Befangenheits-begründende Moment gerade fehlt1 • Während hier also das Moment der Bevorzugung oder Benachteiligung in tatsächlicher Hinsicht als geklärt vorausgesetzt wird, kommt in der gericht­ lichen Praxis oft gerade erst einmal der Beweisfrage wesentliche Bedeutung zu, dies um so mehr, als es im Rahmen der Ablehnung wegen Besorgnis der Befangenheit maßgeblich auf den Beurteilungsmaßstab ankommt, der hierbe1 zugrunde zu legen ist (Stichwort: ,,objektiver", ,,subjektiv-obj ektiver" oder „primär-subjektiver" Beurteilungsmaßstab). Auf die kontroverse Erörterung dieses Problems in der neueren Literatur kann j edoch im j etzigen Zusam­ menhang nicht eingegangen werden. II. Wenn die Befangenheit (u . a.) wesentlich dadurch gekennzeichnet wird, daß der Richter einen Prozeßbeteiligten „bevorzugt" oder „be­ nachteiligt" oder daß er auch nur dahin tendiert, dann folgt daraus ohne weiteres, daß es insoweit nur auf diesen Sachverhalt als solchen ankommt. Ob der Richter sich dieses Sachverhalts auch bewußt ist, ist demgegenüber völlig belanglos: Denn ausschlaggebend ist ja allein, daß das Gebot der Unparteilichkeit im konkreten Fall objektiv verletzt wird, - die Tatsache einer derartigen Verletzung oder auch nur einer dahingehenden Tendenz ist aber unabhängig davon, ob der Richter sich dieses Umstands bewußt ist oder nicht2 • Nur diese Auffassung vermag im übrigen dem Umstand Rechnung zu tra­ gen, daß das richterliche Handeln wie alles menschliche Handeln bekanntlich nicht allein von bewußten Faktoren bestimmt wird. Die soeben angestellte Überlegung bedeutet zugleich, daß es für die Feststellung einer Befangenheit erst recht nicht darauf ankommen kann, daß der Richter die Bevorzugung oder Benachteiligung, zu der seine innere Einstellung in der Folge für einen Prozeßbeteiligten führt (oder zumindest führen kann), gerade auch will. Dieses Ziel wird seine Einstellung zwar meistens mehr oder weniger deutlich haben: so nämlich regelmäßig in den Fallkonstellationen der persönlichen Voreingenommenheit3 sowie im Rahmen der sachlichen Voreingenommenheit beim eigenen, persönlichen Interesse des Rich­ ters' und bei der Beeinflussung von dritter Seite5• - Bei der vorzeitigen 1

S. dazu näher unten § 10. II, III. Allg. Auffassung, vgl. statt aller Stemmler, Befangenheit S. 99 ff. Von der Frage, ob der Richter sich seiner Befangenheit auch bewußt sein müsse, ist natürlich die ganz andere Frage getrennt zu sehen, ob der Richter zunächst einmal Kenntnis von den tatsächlichen Umständen selbst haben müsse, die seine Befangenheit begründen. Diese Frage wird ohne weiteres bejaht werden können (vgl. hierzu Hamm, Gesetz!. Richter S. 73 f.). 3 Hierzu vgl. näher unten § 18. 4 Hierzu näher § 19. 5 Vgl. hierzu unten § 26. 2

1. Teil, 1. Abschn.: Begriff und Kriterien der Parteilichkeit

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Festlegung dagegen, soweit sie als Befangenheit zu qualifizieren ist6 , scheint nicht eigentlich die Bevorzugung oder Benachteiligung das aus­ schlaggebende Moment auszumachen, sondern die Tatsache, daß der Richter sich vorzeitig weiteren Hinweisen, Argumenten usw. verschließt, die zu einer anderen Beurteilung der Sache Anlaß geben könnten. Eben dieser Umstand aber, daß der Richter sich dieser anderen Beurteilung verschließt, bedeutet im Grunde nichts anderes, als daß er sich einer Beurteilung verschließt, die für einen Prozeßbeteiligten günstiger oder aber gerade auch ungünstiger ist als der jetzt von ihm eingenommene Standpunkt: und damit ist auch bei dieser Fallkonstellation das Mo­ ment der Bevorzugung bzw. Benachteiligung gegeben, ohne daß es hier freilich so im Mittelpunkt stünde wie in den anderen Fallgruppen. III. Wird schon der soeben näher angesprochene Aspekt der „Bevor­ zugung" oder „Benachteiligung" bzw. der dahingehenden Tendenz des Richters speziell im Rahmen der richterlichen Unparteilichkeit bisher nur am Rande berücksichtigt7 , so ist die daran anschließende Frage, welcher Personenkreis denn für eine dahingehende „Bevorzugung" usw. durch den Richter überhaupt in Betracht kommt, in dieser allgemeinen Form, soweit ersichtlich, bisher überhaupt noch nicht angesprochen worden. Überlegungen hierzu finden sich vielmehr lediglich im Zusam­ menhang mit der Ablehnungsbefugnis. Dabei wird sich aus dem folgen­ den ergeben, daß zumindest eine wesentliche Vorentscheidung für die Abgrenzung des Kreises der Ablehnungsberechtigten und für den Um­ fang der Ablehnungsbefugnis bereits hier bei der Bestimmung des Be­ griffs der „Befangenheit" getroffen wird. Bewußt ist hier nur von einer „Vorentscheidung" die Rede. Denn im ein­ zelnen richtet sich die Bestimmung der Ablehnungsbefugnis natürlich primär nach der konkreten gesetzlichen Ausgestaltung, die ihrerseits auf die Gege­ benheiten der jeweiligen Prozeßart Rücksicht zu nehmen hat. Wenn eingangs in § 3.I davon die Rede gewesen ist, daß die Bevor­ zugung usw. zugunsten bzw. zu Lasten eines „Prozeßbeteiligten" gehen müsse, stellt sich die Frage, welcher Personenkreis hiermit gemeint ist. Neben den „Parteien" im engeren Sinne8 zählen hierher auch gewisse sonstige am Verfahren formell beteiligte Personen, nämlich die Neben-

s. u. §§ 21 ff. Anders dagegen auf dem Hintergrund des Gleichheitssatzes, der hier ja ebenfalls tangiert ist; vgl. insoweit allgemein Ipsen, GR II S. 159 f.; v. Man­ goldt/Klein, Art. 3 Erl. V.3. a), b); v. Münch/Gubelt I Art. 3 Rn. 88. 8 Nämlich „Kläger" und „Beklagter" , ,,Antragsteller" und „Antragsgegner" im „Parteiprozeß", daneben aber auch die vergleichbaren Positionen in den anderen Prozeßformen, wie die des Beschuldigten und des Angeklagten im Strafverfahren, des „Beteiligten" im Verfahren der freiwilligen Gerichtsbar­ keit und des „am Verfahren zur Hauptsache Beteiligten" im Verfassungsge­ richtsprozeß (zum letzteren vgl. die Differenzierung in § 32 II 2 BVerfGG). 8

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§5. Das Merkmal der Bevorzugung oder Benachteiligung

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intervenienten und Streithelfer im Zivilprozeß (§§ 66 ff., 72 ff. ZPO) sowie die Beigeladenen im Verwaltungsprozeß (§§ 63 Nr. 3, 65 f. VwGO). Zwar bilden nicht eigentlich gerade deren Rechte oder Pflichten den Ge­ genstand des Rechtsstreits, wie es bei den „Parteien" und den ihnen gleich­ gestellten Verfahrensbeteiligten der Fall ist; j edoch stehen sie gerade im Hinblick auf diesen Verfahrensgegenstand mit den „Parteien" in einer derart engen rechtlichen Beziehung, daß das Gesetz eben deswegen (vgl. §§ 66 I, 72 I ZPO, § 65 I, II VwGO) die Möglichkeit eröffnet, sie formell an dem betr. Ver­ fahren zu beteiligen, und ihnen hierfür auch eigens einen prozessualen Status verschafft, auf Grund dessen sie - den „Parteien" zwar nicht gleich, aber doch immerhin ähnlich - in dem Verfahren mitwirken und es mitgestalten können (vgl. §§ 67, 74 I ZPO, § 66 VwGO).

Ausschlaggebend dafür, daß gerade diese „Prozeßbeteiligten" hier mit berücksichtigt werden sollen, ist zunächst einmal die Tatsache, daß sie auf Grund ihrer engen sachlich-rechtlichen Beziehung zu einer Par­ tei durch die für oder gegen diese ergehende Entscheidung jedenfalls mittelbar auch selbst in ihrem eigenen Rechtskreis mitbetroffen werden: Wenn nun aber für die Parteilichkeit gerade charakteristisch ist, daß sie die Entscheidung des Richters inhaltlich verfälscht (oder auch nur dahin tendiert), dann kann eine etwaige Befangenheit des Richters zumindest mittelbar gerade auch zu Lasten oder zugunsten dieser Prozeßbeteilig­ ten wirken, so daß auch ihnen gegenüber von einer Bevorzugung oder Benachteiligung die Rede sein kann. Darüber hinaus erlaubt es ihnen der eben angesprochene spezielle formelle Status im Verfahren, im Rahmen des j eweiligen Verfahrens innerhalb der von der jeweiligen Prozeßordnung gezogenen Grenzen gerade auch ihre eigenen Interessen wahrzunehmen und zur Geltung zu bringen. Hieraus folgt nämlich zugleich speziell unter dem Aspekt einer etwaigen richterlichen Befangenheit, daß eben dieser prozessuale Status es diesen sog. ,,Prozeßbeteiligten im formellen Sinne" 9 dann auch prinzipiell möglich macht, eine Befangenheit des Richters, die zu ihren Lasten (oder auch einmal zu ihren Gunsten) geht, in dem Verfahren selbst geltend zu machen10 und damit zugleich eine möglicherweise auch sachlich unrichtige Entscheidung abzuwenden. 9 Stemmler, Befangenheit S. 23, spricht sich mit Recht dafür aus, daß die­ ser Begriff des „Prozeßbeteiligten im formellen Sinne" im Hinblick auf die Befangenheits-Materie „ganz weit zu verstehen" sei; .,beteiligt" ist „danach jeder, für oder gegen den die Entscheidung wirkt bzw. vollstreckbar ist" (die Formel ist freilich mißverständlich insofern, als mit „Wirkung" ja auch die Auswirkung auf die nur materiell Beteiligten angesprochen sein könnte; das ist bei Stemmler aber ersichtlich so nicht gemeint). 10 Daß die Prozeßordnungen regelmäßig (Ausnahme: § 6 II FGG) auf die Besorgnis der Befangenheit abstellen, wird hier mit Absicht vernachlässigt, wie ja im übrigen die j etzigen Erörterungen auch nur eine (allerdings we­ sentliche) Vorentscheidung für die eigentliche Abgrenzung beim Kreis der Ablehnungsberechtigten bedeuten. Erst dort ist auch von Belang, daß die Ablehnung wegen Besorgnis der Befangenheit nach der Ausgestaltung der

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I. Teil, 1. Abschn.: Begriff und Kriterien der Parteilichkeit

Eben diese Überlegungen führen nun aber weiter dazu, daß andere am Verfahren Beteiligte, denen nicht dieser soeben gekennzeichnete doppelte Status nach materiellem und Verfahrensrecht eigen ist, als von einer richterlichen Befangenheit Betroffene nicht in Betracht kommen. Und zwar die sog. ,,Prozeßbeteiligten im weiteren Sinne" trotz eines gewissen prozessualen Status deshalb nicht, weil sie (als solche) durch die Sachentscheidung nicht in ihrer eigenen Rechtssphäre betroffen werden; aber auch die sog. nur „materiell an der Sache Beteiligten" nicht: zwar werden auch sie durch die Sachentscheidung des Gerichts in ihrer eigenen Rechtssphäre (mit) betroffen, aber, soweit sie nicht gleich­ zeitig einen entsprechenden prozessualen Status haben, also nicht auch formell am Verfahren beteiligt sind, doch nur mittelbar, während es für die Frage der Befangenheit j a gerade auf die Entscheidung - oder besser: auf deren Richtigkeit oder Unrichtigkeit - ankommen soll, die aber eben unmittelbar nur gegenüber den „Parteien" ergeht. Im Ver­ hältnis zu den nur materiell am Verfahren Beteiligten fehlt es darüber hinaus aber auch an solchen unmittelbaren prozessualen Wirkungen, wie sie im Verhältnis zum Nebenintervenienten (§ 68 ZPO), zum Streit­ helfer (§ 74 ZPO) und zum Beigeladenen (§§ 65 f. VwGO) normiert sind. Diese Oberlegungen übersehen natürlich nicht, daß der Richter im Einzel­ fall auch einmal letztlich gerade einem derart nur materiell Beteiligten einen Vorteil verschaffen oder einen Nachteil zufügen will. Im jetzigen Zusammen­ hang, in dem es nur um die Frage geht, ob ein „Prozeßbeteiligter" .,bevor­ zugt" oder „benachteiligt" wird, ist eine solche Fallkonstellation aber nur dann relevant, wenn hierbei zugleich auch die Richtigkeit der Entscheidung selbst, also im Verhältnis zu den Parteien, tangiert wird. Von Bedeutung ist die soeben angesprochene Fallkonstellation ansonsten vielmehr in einem an­ deren Zusammenhang, nämlich im Rahmen der Fallgruppe der „persönlichen Voreingenommenheit"11 •

IV. Im Regelfall wird im Prozeß die Bevorzugung oder Benachteili­ gung eines Prozeßbeteiligten mit der Schlechter- oder Besserstellung eines anderen Prozeßbeteiligten einhergehen, da sich im Prozeß regel­ mäßig - mindestens zwei - ,,Parteien" gegenüberstehen12 • Der Sache nach trifft dies auch für den Strafprozeß zu, auch wenn für ihn die Konstruktion als „Parteiprozeß" inadäquat ist13 : denn zumindest formal stehen sich hier der Beschuldigte und der Staat, vertreten durch den Staats­ anwalt, wie Parteien gegenüber. Eine Ausnahme von der eben genannten Regel soll nun aber derart mög­ lich sein, daß auch beide „Parteien" gleichzeitig Gefahr laufen, von dem Rich­ ter benachteiligt zu werden14 • Prozeßordnungen nicht die Befürchtung voraussetzt, daß sich die von dem Richter ausgehende Bevorzugung bzw. Benachteiligung gerade gegen die eigene Person richtet. 1 1 S. hierzu unten § 18.1. 1 2 Eichenberger, Unabhängigkeit S . 25 Fußn. 3 und Stemmler, Befangen­ heit S. 97 ff. 18 Vgl. oben § 2.11 mit Fußn. 19.

§6 . Das subjektiv-personale Element im richterlichen Handeln

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Dabei sind natürlich vorab all die Fälle auszuscheiden, in denen die Vor­ eingenommenheit des Richters gegenüber den „Parteien" auf jeweils ver­ schiedenen Gründen beruht15• - Weiterhin ist zu berücksichtigen, daß die an­ gegebenen Textstellen sich jeweils auf die von den Prozeßbeteiligten subjek­ tiv empfundene Besorgnis der Befangenheit, nicht aber auf das tatsächliche Vorliegen einer Befangenheit selbst beziehen: Selbst wenn die „Parteien" aus einem bestimmten Grunde übereinstimmend eine Benachteiligung durch den Richter befürchten müssen, besagt dies aber, was bisher übersehen wurde, noch nichts darüber, ob der Richter auch tatsächlich befangen ist, d. h. in diesem Falle, ob er tatsächlich dahin tendiert, beide „Parteien" gleichzeitig zu benachteiligen. Im Parteiprozeß kommt nach alledem eine gleichzeitige Benachteiligung beider Seiten allenfalls dann in Betracht, wenn die „Parteien" ausnahms­ weise einmal übereinstimmende Anträge stellen, während ja im „Normal­ fall" , dem Modell des kontradiktorischen Verfahrens entsprechend, konträre Anträge gestellt werden, so daß die Entscheidung des Richters, wenn sie eine ,.Partei" benachteiligt, zwangsläufig zugleich zugunsten der anderen aus­ fällt16 . Der erwähnte Ausnahmefall wird demnach, was in dieser Form bisher nicht differenziert wurde, kaum bei Anträgen zur Sache selbst vorkommen können, sondern höchstens einmal bei rein prozessualen Anträgen, wofür die Entscheidung des VGH Kassel zugleich ein Beispiel liefert: nämlich überein­ stimmender Antrag beider Parteien, das Ruhen des Verfahrens anzuordnen, der in der Folge vom Gericht einfach übergangen wird - aus Voreingenom­ menheit gegenüber beiden Parteien, um nicht den Ausgang des anhängigen Musterprozesses abwarten zu müssen, sondern sogleich in der Sache selbst entscheiden zu können. § 6. Die Unsachlichkeit der Ungleichbehandlung als Merkmal der Parteilichkeit. A. Unparteilichkeit und subjektiv-personale Komponente im richterlichen Handeln - Das Problem I. Die eingangs aufgestellte Forderung, der Richter solle die jeweils anstehende Sache so behandeln, daß für ihn nur die Gesichtspunkte, die sich aus der Sache selbst ergel;,en, und daneben keine anderen ( = ,,sach-fremden") Momente maßgeblich sein sollen, ist nun allerdings nur dann völlig unproblematisch, wenn die richterliche Tätigkeit als ein rein rational-logischer Vorgang angesehen werden kann, der von der konkreten Person des jeweiligen Richters völlig losgelöst ist1 ; denn

14 Vgl. VGH Kassel v. 2 1 . 8.6 2 = DVBI. 1 963, 7 2 ff. (7 5 ) ; Ule in der Anmer­ kung hierzu ebd. S. 76 ; Giessler, NJW 1 973, 9 82 , und Stemmler (s. vorste­ hende Fußn. 1 2 ). 15 So zutreffend Ule ebd. und im Anschluß hieran auch Stemmler S. 9 8. 11 Ähnlich Rasehorn, Anm. NJW 1 973, 2 88. 1 Modell des sog. Justizsyllogismus; Extremvorstellung: der Richter als bloßer „Subsumtionsautomat" .

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I. Teil, 1. Abschn.: Begriff und Kriterien der Parteilichkeit

dann könnte die Person des Richters ausgewechselt werden, ohne daß die Behandlung des einzelnen Falles hiervon inhaltlich berührt würde. Gerade das ist aber bekanntlich nicht der Fall2 . 1. Denn es kann inzwischen wohl als Allgemeingut angesehen werden, daß die Rechtsanwendung kein rein kognitiver Vorgang ist, daß vielmehr in prak­ tisch aller Rechtsanwendung und damit auch in der richterlichen Tätigkeit jeweils ein volitives und damit subjektiv-personales Element enthalten ist, das seine je spezifische Ausprägung gerade durch die Person des jeweiligen Rechtsanwenders, hier also des jeweiligen Richters, erhält3 • Dieses personale Element - wie auch immer man es im einzelnen umschreiben und in quan­ titativer Hinsicht gewichten mag - liegt in der Struktur der Rechtsnormen selbst begründet. ,, . . . . Ausgangspunkt der Überlegungen ist die unbezweifel­ bare Erkenntnis, daß das Gesetz in der weit überwiegenden Zahl seiner An­ wendungsfälle aus einer Reihe von Gründen nicht so, wie es dasteht, einfach anwendbar ist, daß ihm die Sachverhalte des Lebens nicht schlicht subsumiert werden können, sondern daß es dazu erst der Aufbereitung der Gesetzes­ norm bedarf . . . "4 : nämlich ihrer Auslegung. Diese aber erfordert ihrerseits in der notwendigen Transformation und Konkretisierung im Hinblick auf den einzelnen zu lösenden Fall regelmäßig eine Wertung. Selbst wenn der Richter diese Wertung, soweit möglich, an bereits vorgegebenen gesetzlichen und damit über-individuell verbindlichen Wertungen ausrichtet und wenn er sich dabei gerade auch um Methodenreinheit und Methodenehrlichkeit be­ müht, so bleibt doch oft genug noch ein Spielraum, den er durch seine eigene, persönliche Wertung ausfüllen kann und muß. Bei der Lückenfüllung und Rechtsfortbildung, bei der Anwendung von Generalklauseln und Normen, die dem Rechtsanwender einen Ermessens­ oder Beurteilungsspielraum einräumen, wie wohl auch im Bereich der teleoFür ein derartiges Verständnis der richterlichen Tätigkeit stellt sich nach Eisenblätter, Überparteilichkeit S. 2 9 f. im Regelfall die Frage nach der rich­ terlichen „Überparteilichkeit" überhaupt nicht, weil diese „per definitionem dem Urteilsspruch inhärent" sei (S. 29 ) ; dabei ist freilich zu berücksichtigen, daß Eisenblätter das subjektiv-personale Moment von vornherein en bloc in seinen Begriff der „Parteilichkeit" einbezieht (vgl. hierzu näher § 7.IV.2). 2 Die folgenden Ausführungen sind nur als eine grobe Skizze gedacht ohne j eglichen Anspruch darauf, daß alle relevanten Gesichtspunkte auch nur an­ gesprochen würden. Es soll hier lediglich darum gehen, die Problematik als solche aufzuzeigen, um damit die erforderliche Abgrenzung zur „Befangen­ heit" zu ermöglichen. Deshalb wird auch weitgehend von detaillierten Litera­ turnachweisen abgesehen. 3 Dieser Satz gilt in dieser Form uneingeschränkt freilich nur dort, wo die Entscheidung des Rechtsstreits allein dem jeweiligen Richter obliegt. Diese Voraussetzung trifft indessen für das rechtsgeschichtlich frühe Gerichtsver­ fahren keineswegs im gleichen Maße zu: Wie Eckhoff, Impartiality S.1 5 ff. ausführt, ist in einer Verfahrensform, in der die Entscheidung durch Gottes­ urteil, gerichtl. Zweikampf, Los, Würfel o. ä. getroffen wird, die Persönlich­ keit des einzelnen Richters für den Ausgang des jeweiligen Verfahrens an sich von nur untergeordneter Bedeutung (wenn auch, wie EckhofJ S. 16 zu­ treffend bemerkt, dafür die Möglichkeit in B etracht gezogen werden muß, daß der Richter bei einer derartigen Verfahrensform den Ausgang des Verfahrens möglicherweise manipuliert und damit immerhin mittelbar seine Person doch ins Spiel bringt). 4 So etwa Zöllner, Ringvorlesung S. 140.

§ 6. Das subjektiv-personale Element im richterlichen Handeln

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logischen Sinngebung zeigt sich dieser Spielraum für die eigene, subjektive Wertung des Rechtsanwenders schon auf der Ebene des einfachen Rechts be­ sonders augenfällig. In sogar noch gesteigertem Maße gilt diese Feststellung, ohne daß hier auf die Methodik der Verfassungsinterpretation näher einge­ gangen werden kann, für die Anwendung von Normen des Verfassungsrechts, zumal im Rahmen der Grundrechte und der grundrechtsähnlichen Bestim­ mungen. Aber auch sonst enthalten praktisch alle Schritte der Rechtsfindung: Tatsachenfeststellung, Gesetzesauslegung, Subsumtion, Beweiswürdigung und Festsetzung der Rechtsfolgen8 , regelmäßig ein wertendes Element. Diese „Wertentscheidung" des Richters „ist im Gegensatz zur Subsumtion zugleich ,ein Akt innerer Stellungnahme des Wertenden', eine ,persönliche Entschei­ dung', die infolge der Unteilbarkeit der Persönlichkeit nicht allein der Schicht des Intellekts, sondern auch der des Willens und Gefühls entstammt und in­ sofern - nämlich als Entscheidung des ,ganzen Menschen' - persönlichkeits­ gebunden ist" 8 • 2. Dieses personbezogene Moment im richterlichen Handeln beschränkt sich aber nicht nur auf den Vorgang der Entscheidungsfindung selbst: Der Prozeß insgesamt zielt zwar in erster Linie auf eben diese ab, aber in seinem Verlauf spielt er sich rein tatsächlich so komplex ab, daß gerade auch in der Art und Weise des „Prozedierens" selbst - etwa wie eine Vernehmung im einzelnen erfolgt oder wie ein Beschluß gefaßt wird - die Persönlichkeit des jeweiligen Richters den konkreten Verfahrensablauf ganz wesentlich mit­ prägt1 ; wie ja überhaupt der Verlauf und das Ergebnis einer Verhandlung insgesamt und ihrer verschiedenen Abschnitte im einzelnen jenseits der Rechtsnormen, die insoweit gewissermaßen den äußeren Rahmen abgeben, großenteils gerade auch von den psychischen Interaktionen abhängen, die sich zwischen den konkreten Beteiligten abspielen8• II. Diese Tatsache, daß in der Ausgestaltung des konkreten Verfah­ rens im allgemeinen und in der Entscheidungsfindung im besonderen die Person des j eweiligen Richters praktisch immer eine (mal mehr, mal weniger) wesentliche Rolle spielt, bedeutet nun allerdings, daß eine reine Obj ektivität in dem eingangs erwähnten Sinne, daß nämlich ein­ zig und allein die konkrete Sache selbst Verlauf und Ausgang des Prozesses bestimmen solle, in der Praxis jedenfalls nicht voll verwirk­ licht werden kann. Selbst bei dem größten Bemühen um innere Distanz zu dem gerade anstehenden Fan• kann es nicht ausbleiben, daß die Art 5 Dütz, ZZP 1 97 4, 371 und passim: ,,. . . subjektiv-wertende, schöpferische Tätigkeit des Richters bei der Normanwendung, Norminterpretation, Rechts­ gestaltung und Tatsachenfeststellung . . ." ; ausführlich speziell zum Straf­ prozeß etwa Küper, Richteridee S. 5 ff.

1 Küper S. 9.

7 Vgl. hierzu Baltzer, ZZP 197 6 , 414 und Wassermann, Zivilprozeß S. 2 2 und passim. 8 Vgl. hierzu Schünemann, Jus 1 97 8, 7 2 5 f., wonach „auch die juristische Entscheidung wesentlich durch Handeln und Kommunikation gekennzeichnet ist und . . . so neben dem Gesetz eine Vielzahl von individuellen, sozialen, in­ stitutionellen und situativen Faktoren wirken, die erst gemeinsam mit dem Gesetz, in einem komplexen Zusammenwirken, den Sachverhalt, die ,anwen­ dungsreife' Norm und damit das Entscheidungsergebnis konstituieren . . .". 9 Das hier nicht im mindesten verkannt oder womöglich sogar herunter­ gespielt werden soll; ihm kommt vielmehr im Bewußtsein der Richter ohne

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I. Teil, 1. Abschn.: Begriff und Kriterien der Parteilichkeit

und Weise, wie der Richter den einzelnen Fall behandelt, in der einen oder anderen Beziehung gerade durch seine individuelle Persönlich­ keitsstruktur mitbestimmt wird10 • Dieses subjektive Moment kann nun einmal genereller Art sein inso­ fern, als es den Richter bestimmt, alle Fälle einer Art in einem gewissen Sinne zu behandeln; daneben kann es aber auch sein, daß irgendwelche Faktoren den Richter gerade nur in einem einzelnen Fall besonders an­ sprechen und sein Verhalten in eine bestimmte Richtung lenken. Zu­ mindest für den Vorgang der Rechtsanwendung selbst läßt sich dabei feststellen, daß die subjektiv-personale Komponente eine gewisse ein­ seitige Ausrichtung der richterlichen Tätigkeit zur Folge hat: insofern nämlich, als der Richter mögliche andere Alternativen, die an sich innerhalb des ihm vorgegebenen Spielraumes ebenfalls zur Wahl stün­ den, tatsächlich nicht wählt, wird, falls für einen Prozeßbeteiligten ge­ rade eine andere Alternative günstiger sein sollte, dessen Ausgangs­ position im Verhältnis zu einem anderen Prozeßbeteiligten, für den eben die vom Richter gewählte Alternative am günstigsten ist, allein schon durch diese konkrete Wertung des Richters verschlechtert. Eben diese „Einseitigkeit" , durch die die Prozeßbeteiligten von Fall zu Fall benachteiligt oder bevorzugt werden, wird nun aber auf Grund der Persönlichkeitsstruktur des jeweiligen Richters durch einen Umstand bedingt, der nicht in der Sache selbst begründet zu sein scheint und deshalb im Sinne der bisherigen Begriffsbestimmung für die Parteilich­ keit möglicherweise als „sachfremd" zu werten ist. Infolgedessen ist, um es zunächst einmal vorsichtig auszudrücken, jedenfalls die „Nähe" dieses subjektiv-personalen Elements zur Befangenheits-Materie nicht zu verkennen. Das Gleiche mag im übrigen ebenso auch für die Gestal­ tung des Verfahrensablaufs überhaupt gelten, soweit sie für die Ent­ scheidungsfindung relevant ist oder doch zumindest werden kann. III. Um so erstaunlicher ist es deshalb, daß diese Materie, die be­ kanntlich heute nicht nur im Zentrum der Diskussion in Methodenlehre und Rechtstheorie steht, sondern unter mehreren Aspekten zugleich eingehend gerade auch auf ihre verfassungsrechtliche Relevanz unter­ sucht wird (Stichworte: ,,Gesetzesbindung" 11 und „Unabhängigkeit des weiteres regelmäßig durchaus ein hoher SteIIenwert zu; nur ist damit eben nicht zugleich auch gesagt, daß so das richterliche Handeln bereits in ganzer Breite erfaßt sei. 1 0 Diesem personalen Element wird in besonders augenfäIIiger Weise durch das Institut des Sondervotums Rechnung getragen, wie es durch die 4. Novene zum BVerfGG zunächst einmal für den Bereich der Verfahren vor dem BVerfG auch in Deutschland eingeführt worden ist, vgl. § 30 II 1 BVerfGG und § 55 GeschO-BVerfG. 1 1 Auf detaiIIierte Nachweise aus der sehr reichhaltigen Literatur muß hier wie auch in den folgenden Fußnoten verzichtet werden; steIIvertretend

§ 6 . Das subjektiv-personale Element im richterlichen Handeln

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Richters" 1 !, ,,Gleichheitssatz" und „Gesetzlicher Richter" 13) , bislang in gleicher Weise nicht auch im Hinblick auf das Unparteilichkeits-Postulat untersucht worden ist. Erst recht muß dies verwundern, wenn man be­ rücksichtigt, daß ja neuerdings versucht wird, nachzuweisen, daß gerade auch das Unparteilichkeits-Postulat seinerseits in der Verfassung mit verankert sei. Die soeben getroffene Feststellung gilt zum einen schon für die ein­ schlägigen Kommentierungen zur Ablehnung wegen Besorgnis der Be­ fangenheit und daneben auch für sonstige Äußerungen im Schrifttum sowie in gerichtlichen Entscheidungen, die sich meistens, ohne eine nähere Begründung hierfür zu liefern, auf die Angabe beschränken, daß bestimmte Fallkonstellationen eine (Besorgnis der) Befangenheit nicht zu begründen vermögen. D arüber hinaus finden sich meist allenfalls gewisse Andeutungen zu diesem Problemkreis14 • Besonders ins Gewicht fällt aber, daß die neueren Monographien, die sich in den letzten Jah­ ren in größerer Zahl und unter den verschiedensten Aspekten mit dem Komplex der Richterausschließung und -ablehnung befaßt haben und dabei zumindest mittelbar auch die Materie der Befangenheit berührt haben, zwar überwiegend diese Thematik mehr oder weniger ange­ sprochen haben, daß aber auch sie diesen Komplex bisher nicht über­ zeugend „in den Griff bekommen" haben, so daß die erforderliche Ein­ und Abgrenzung beim Begriff der Befangenheit weiterhin aussteht. Arzt, Strafrichter, hat diese Thematik überhaupt nur punktuell bei ein­ zelnen Ablehnungsgründen angeschnitten, ohne sie in einen größeren Zu­ sammenhang zu stellen (S. 42 ff., 52 , 107 ff.). - Ernst, Ablehnung, geht zwar ausführlich auf das personale Element ein, doch zieht er es nur als Argument gegen die sog. Vermutung der Unparteilichkeit des Richters heran (S. 103 ff.), um dann in der Folge einen „primär subjektiven Maßstab für die Beurteilung

für alle vgl. hier das Thema der Staatsrechtslehrertagung 1 9 75 „Die Bindung des Richters an Gesetz und Verfassung" (= VVDStRL Heft 34 S. 7 ff.). 12 Vgl. statt aller die Schrift von Simon, Die Unabhängigkeit des Richters (1 9 75). 13 Hierzu Dürig in MD Art. 3 I Rn. 39 9 ff., insbes. Rn. 410 ff. u Kurze Andeutungen etwa bei Wassermann, JR 1 9 61 , 401 ; Teplitzky, NJW 1 9 6 2 , 2044; sowie neuerdings bei Heusinger, Rechtsfindung S.1 66 f. und bei Kern/Wolf, Gerichtsverfassungsrecht § 2 2.11.2.e, f = S.1 49 ; KMR 1-Paulus Vorb. Rn. 2 vor § 2 2 StPO spricht jetzt von „genereller ,Befangenheit' der Gerichtspersonen". Im älteren Schrifttum vgl. Bendix, Das Problem der Rechtssicherheit [1 91 4] S.1 9 2 , der in diesem Zusammenhang von „Parteilichkeit und Befangenheit" spricht, dann aber diesen Ausdruck sogleich selbst gegen die eigentliche Par­ teilichkeit abgrenzt. Vgl. ferner Pabst von Ohain, Ablehnung [1 9 32] , der auf dem Hintergrund der „Ablehnung eines Richters wegen Besorgnis der Be­ fangenheit aus politischen Gründen" trotz teilweise schiefer Formulierung jedenfalls der Sache nach zutreffend zwischen einer nur „allgemeinen Ein­ stellung" des Richters einerseits und einer fallbezogenen Haltung anderer­ seits unterscheidet (S.1 3 f., 1 7).

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I. Teil, 1. Abschn.: Begriff und Kriterien der Parteilichkeit

von Ablehnungsgesuchen" zu begründen; eine Feinabgrenzung zwischen per­ sonalem Element und Befangenheit für den Einzelfall fehlt demgegenüber. Im übrigen werden bei Ernst zwar die „allgemeinen Interessen des Richters" näher behandelt (S. 193 ff. ), dabei aber nicht in ihrer vollen Tragweite erfaßt. - Bei Overhoff, Ausschluß, findet sich dann an sich ein erfreulich klarer An­ satz in der Richtung, daß im Hinblick auf das Unparteilichkeits-Postulat ge­ rade auch das subjektiv-personale Element im richterlichen Handeln eine wesentliche Rolle spielt (S. 44); um so bedauerlicher ist es, daß er diesen An­ satz dann nicht weiterverfolgt (vgl. S.56 ff.) ; ganz ähnlich auch Schütz, Ableh­ nung S. 2 (dabei hätte eigentlich gerade das politische Moment, dem im Ver­ fassungsgerichtsprozeß sogar eine gesteigerte Bedeutung zukommt, allen An­ laß gegeben, sich mit diesem Fragenkreis näher auseinanderzusetzen). Hamm, Gesetzlicher Richter, beginnt ähnlich wie Overhoff (S.16 ff.), doch läßt er in der Folge leider jegliche Abgrenzung oder auch nur nähere Abklärung zum Verhältnis von subjektiv-personalem Element einerseits und (Un-)Par­ teilichkeit andererseits vermissen, weil er den Begriff der „Parteilichkeit" von vornherein für beides verwendet15 • - Stemmler, Befangenheit, erörtert zwar besonders eingehend den Begriff der „Befangenheit" als solcher (S. 94 ff.) und untersucht daneben auch die „Beziehungen . . . allgemeiner Art ohne individuell-persönlichen Charakter" (S.138 ff.), doch auch er dringt nicht bis zum Kern des Problems vor, weshalb er auch die Bedeutung des § 18 II BVerfGG nicht richtig erfaßt, den er überhaupt nur beiläufig am Rande er­ wähnt (S.1 48 f.). - Horn, Befangener Richter, spricht die Thematik zwar an (S. 2 2 ff., 95 f.), bringt sie im Rahmen seiner Rechtstatsachenforschung aber einer Klärung nicht näher. - Und Stadler, Neutralität, schließlich legt das Schwergewicht der Erörterung, obwohl der Titel „Die richterliche Neutrali­ tät. . ." an sich eine andere Gewichtung erwarten ließe, im wesentlichen auf die verfahrensrechtlichen Aspekte sowie auf Aspekte außerhalb des Kom­ plexes der Richterablehnung und -ausschließung; auf den Begriff der Unpar­ teilichkeit selbst (bei ihm „Neutralität") geht er demgegenüber nicht näher ein, weshalb er auch keinen Anlaß hat, die Relevanz des subjektiv-persona­ len Elements im richterlichen Handeln zu erörtern. - Am ehesten scheinen hier dann noch die Überlegungen von Eisenblätter in seiner Monographie ,,Die Überparteilichkeit des Bundesverfassungsgerichts im politischen Prozeß" in Betracht zu kommen, der sich - bezogen auf die Rechtsprechung des BVerfG - eingehend mit dem subjektiv-personalen Element im richterlichen Handeln auseinandersetzt. Wie jedoch zu zeigen sein wird, geht er zum einen teilweise von unzutreffenden Prämissen aus, und zum andern und vor allem legt er einen Begriff von „Parteilichkeit" zugrunde, der von dem hier ver­ wendeten wesentlich abweicht16 • Angesichts dieser Sachlage sollen die folgenden Ausführungen einen Beitrag dazu leisten, daß die hier noch immer vorhandene Lücke ge­ schlossen wird17• Dabei wird allerdings nicht auszuschließen sein, daß der Stellenwert dieses personalen Elements möglicherweise gegenüber der Bedeutung der ja durchu Zur Kritik an Hamms Begriff der Parteilichkeit s. u. § 7.IV.2. 11 Vgl. hierzu unten § 7.IV.2. 1 7 Auf die Notwendigkeit, den „Befangenheits"-Begriff gerade mit Rück­ sicht auf jenes personale Element im richterlichen Handeln neu zu über­ denken, weist Simon, Unabhängigkeit S.76 f. hin, der dann jedoch dieser Frage, weil sie außerhalb des dort gestellten Themas liegt, selbst nicht weiter nachgeht.

§ 7. Ausgrenzung: personales Element und Parteilichkeit

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aus auch vorhandenen rationalen, ,,objektiven" Momente im richterlichen Handeln überzeichnet wird; dies wäre dann aber durch die spezielle Frage­ stellung bedingt und enthält keine darüber hinaus gehende Stellungnahme.

§ 7. B. Ausgrenzung des in der Struktur der Rechtsanwendung selbst angelegten personalen Elements im richterlichen Handeln I. Das richterliche Handeln wird heute zunehmend gerade auch aus sozialwissenschaftlicher Sicht, insbesondere unter soziologischen und psychologischen Fragestellungen, erforscht. Hiernach wird richterli­ ches Handeln, ohne daß dies hier im einzelnen dargestellt werden könnte t , von vielfältigen Faktoren bestimmt, die nur zu einem (wenn auch erheblichen) Teil im rein rechtlichen Bereich zu lokalisieren und zudem auch nur teilweise bewußt sind. Von besonderer Bedeutung für den jetzigen Zusammenhang ist dabei, daß das Handeln des einzel­ nen Richters wesentlich durch seine jeweilige Persönlichkeitsstruktur und durch die sozialen Bezüge mitbestimmt wird, in die er gestellt ist2 • Von manchen dieser zahlreichen Einflüsse wird der Richter sich im Einzelfall schon dadurch freimachen können, daß er sie sich bewußt macht3 • Eine durchgängige und vollständige „Emanzipation" hiervon wird aber schwerlich möglich sein, weil all dies letztlich in der Struktur der menschlichen Persönlichkeit selbst begründet ist. Eben diese Struk­ tur bringt der Richter zwangsläufig auch in sein Amt mit ein. Es kann mithin gar nicht ausbleiben, daß sich, soweit der Prozeß subjektiven Mo­ menten Raum gibt, die Persönlichkeit des jeweiligen Richters auf Ver­ lauf und Ausgang des Verfahrens auswirkt. Wenn man einmal von der einzelnen Richterperson abstrahiert und auf das Gefüge der Justiz insgesamt abstellt, läßt sich somit sagen, daß gewissermaßen schon die Gerichtsverfassung selbst diese subjektive Komponente im rich­ terlichen Handeln impliziert'. 1 Beispiele hierzu nachstehend zu III. sowie in § 13.ll.2 und § 25.Il (bei Fußn. 1 6 ). 1 Stichworte z. B.: Vorverständnis; individueller Charakter der Überzeu­ gungsbildung; Einstellungen und Attitüden; Erfahrung; soziale Herkunft; Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Schicht und Berufsgruppe; Ein­ bindung in einen Behördenapparat, in ein Richterkollegium. 3 Hierzu näher etwa Kern/Wolf, Gerichtsverfassungsrecht § 17.lll =

s. 1 1 6 ff.

4 In dieser Richtung sehr deutlich etwa LR-Dünnebier I § 2 4 StPO Rn. 2 0, 21 in bezug auf die familiären Verhältnisse des jeweiligen Richters, die bei bestimmten Fallkonstellationen für den Angeklagten eine mehr oder weniger einseitige Perspektive bedingen könnten, die aber trotzdem die Ablehnung des Richters nicht rechtfertigen könnten, weil die Gerichtsverfassung auf die familiären Verhältnisse der Richter keine Rücksicht nehme.

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I. Teil, 1. Abschn.: Begriff und Kriterien der Parteilichkeit

Diese Feststellung umfaßt jedoch in ihrer derart allgemein gehal­ tenen Aussage nicht nur, daß der Richter z. B . seine persönlichen moralischen, religiösen, weltanschaulichen und politischen Wertmaß­ stäbe, seine Vorverständnisse und Vorurteile in den Prozeß im allge­ meinen und in den Vorgang der Rechtsanwendung im besonderen mit einbringt; darüber hinaus bezieht sie etwa auch mit ein, daß der Richter in einem konkreten Verfahren in seinem Verhalten gegenüber den Prozeßbeteiligten von so persönlichen Faktoren wie Antipathie oder Sympathie, Freundschaft oder Feindschaft, Gereiztheit oder auch Ungeduld bestimmt wird. Angesichts dessen drängt sich die Frage auf, ob es angebracht ist, all diese Erscheinungsformen eines persön­ lichen Moments im richterlichen Handeln, nur weil sie einheitlich aus der Person des j eweiligen Richters resultieren, insgesamt in den Begriff der „Parteilichkeit" einzubeziehen, wie es in der Tat verschie­ dentlich geschieht. Denn nach der vorhin getroffenen Begriffsbestim­ mung wäre damit ja einheitlich das Urteil der „Unsachlichkeit" verbunden, was aber außerordentlich problematisch erscheint. II. Wenn nämlich der Richter in einem konkreten Fall zwischen Interessenlagen abzuwägen hat, die sich konträr gegenüberstehen, und wenn die einschlägige Norm für die spezielle Fallkonstellation nicht schon eine genügend konkrete Wertung vorgegeben hat, dann bleibt dem Richter im Rahmen der Rechtsanwendung bei der Konkretisierung dieser Norm, damit er den anstehenden Fall entscheiden kann, bei aller gebotenen Distanz und Offenheit für die beiderseitigen Argu­ mente letztlich keine andere Wahl, als einer der beiden Seiten den Vorzug vor der anderen zu geben und sich entweder für die Alternative „A" oder aber eben für die Alternative „non-A" zu entscheiden: Um den anstehenden Fall zu einer Lösung zu bringen, muß er sich ent­ scheiden ( ,,Entscheidungszwang" ) ; ihm bleibt hier lediglich die Wahl, welcher der beiden Interessenlagen er im Ergebnis den höheren Rang einräumt, - tertium non datur. Zu denken ist hierbei etwa an folgende Fallkonstellationen: Im Anschluß an politische Demonstrationen, in deren Verlauf von Demonstranten größere Sachschäden angerichtet wurden, stellte sich in den letzten Jahren wieder­ holt die Frage, ob die Geschädigten, wenn die unmittelbaren Schädiger nicht namhaft zu machen waren, sich dann wenigstens bei den Initiatoren der Demonstration schadlos halten könnten. Diese Frage wurde bekanntlich sehr kontrovers beantwortet5• Ausschlaggebend dafür, ob und in welchem Umfang eine derartige Haftung zu bej ahen oder zu verneinen sein sollte, war in recht­ licher Hinsicht die Auslegung der §§ 823 I, 830 BGB ; im Vordergrund stan­ den dabei je nach dem gewählten Ansatz die Merkmale „Rechtswidrigkeit des Eingriffs in das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebe5 Vgl. aus der Literatur z. B . Kollhosser, Jus 1969, 510 ff.; Reinelt, NJW 1970, 19 f.; Diederichsen/Marburger, NJW 1970, 777 ff.; Merten, NJW 1970, 1625 ff.; Ballerstedt, JZ 1973, 105 ff.

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trieb", ,.Mittäter" (§ 830 I 1 ), ,.Beteiligter" (§ 830 I 2 ) oder „Umfang" einer etwaigen „Verkehrspflicht von Demonstrationsteilnehmern" . Angesichts des im Schadensersatzrecht geltenden Alles-oder-Nichts-Prinzips stand und fiel die Haftung des Beklagten mit der engen oder weiten Auslegung eines oder mehrerer dieser Merkmale. Beide Auslegungen lassen sich jeweils mit gleich guten Gründen vertreten und wurden auch vertreten. D ie Antwort auf die Frage, wie hoch oder wie niedrig die „Schwelle" für eine Haftung für Demon­ strationsschäden anzusetzen sei, und damit diejenige Rechtsauffassung, die der zu treffenden Entscheidung zugrunde gelegt wurde, hing somit - jeden­ falls bis zu den Entscheidungen BGHZ 59, 30 ff. und BGH, NJ W 1 97 2 , 1571 ff., in denen die Frage für den Bereich der Rechtsprechung höchstrichterlich ge­ klärt wurde - wesentlich von der persönlichen Wertung desjenigen Richters ab, der mit einem solchen Fall konfrontiert war; eben diese Wertung aber war nicht zuletzt in der persönlichen politischen Einstellung des jeweiligen Richters mit begriindet. Sehr ähnlich verhält es sich z. B. auch mit einer Frage, die neuerdings im Bereich des Strafrechts besondere Aktualität erlangt hat: ist das unbefugte Bekleben von Hauswänden, Brücken, Telefonverteilerschränken usw. mit Plakaten als Sachbeschädigung nach § 303 I StGB strafbar oder nicht? Be­ kanntlich divergieren die hierzu bisher ergangenen gerichtlichen Entschei­ dungen erheblich, weil sie diese Rechtsfrage teils bejahen, teils aber gerade auch verneinen6• Beim unbefugten Plakatieren sind die „klassischen" Krite­ rien der Sachbeschädigung, nämlich Beeinträchtigung der Sachsubstanz oder Herabsetzung der Gebrauchsfähigkeit der Sache, fast immer im strengen Sinne nicht erfüllt. Der Richter steht deshalb vor der Frage, ob es sich, wenn er trotzdem eine Sachbeschädigung bejahen würde, um eine sehr weite und gerade noch zulässige Auslegung oder schon um eine unzulässige Analogie handelt. Beide Auffassungen sind nach dem bisherigen Stand von Recht­ sprechung und Lehre zu § 303 StGB mit gleich guten Gründen vertretbar, eine dritte Alternative neben Strafbarkeit oder Nichtstrafbarkeit scheidet im Rahmen dieser Vorschrift aus. Den Ausschlag dafür, welcher der beiden Alternativen der einzelne Richter zuneigt, gibt somit auch hier letztlich seine persönliche Bewertung; weil es sich in den hier zu entscheidenden Fällen regelmäßig um Plakate mit politischem Inhalt handelt, hängt eben diese Wertung nicht zuletzt mit von der persönlichen politischen Einstellung des jeweiligen Richters ab. Auf einer etwas allgemeineren Ebene sei hier daneben auch auf den Aspekt der Lückenfüllung hingewiesen. Immer wieder stößt der Richter bei der Ge­ setzesanwendung auf Lücken, bei denen er, um den ihm unterbreiteten Fall entscheiden zu können, keinen Maßstab dafür vorfindet, ob er sie nun mit Hilfe der Analogie oder aber ganz im Gegenteil mit Hilfe eines Umkehr­ schlusses schließen soll: wie im einzelnen er nun die Lücke schließt, so oder so, das hängt häufig, so sehr er dabei auch um eine möglichst „gerechte" Lö­ sung im Rahmen des vorgeschriebenen Gesetzes bemüht sein mag, letztlich doch allein von seiner subjektiven Präferenz für den einen oder anderen Lösungsweg ab, - weshalb es ja auch immer wieder zu divergierenden Ent6 Vgl. die Vorlegungsbeschlüsse des OLG Oldenburg vom 2 4.5. 78 = JZ 1 978 , 450 und des OLG Hamburg vom 7 . 2 . 7 9 = N JW 1 979, 162 4 (nur LS.) so­ wie die hierauf ergangene Entsch. des B GH vom 13. 11 . 7 9 = NJ W 1 980, 350 f. Aus der Literatur vgl. neuerdings hierzu etwa Raas, Jus 1 978 , 1 4 ff., Thoss, NJ W 1 978 , 161 2 ff. und M. J. Schmid, NJ W 1 97 9, 1580 ff.

3 Rledel

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scheidungen kommt, von denen keine für sich allein die Richtigkeit in An­ spruch nehmen kann. Im übrigen setzt, wie zu Recht immer wieder betont wird, allein schon die bloße Feststellung, ob eine sich als einschlägig anbie­ tende Norm als „eindeutig" anzusehen ist oder nicht, eine Wertung des Rich­ ters voraus, für die er oft genug dem Gesetz einen klaren Maßstab nicht ent­ nehmen kann.

Wenn nun also in derartigen Fällen die Auslegung der fraglichen Rechtsnorm letztlich (auch) ein gewisses subjektives Moment enthält, das in der Person des jeweiligen Richters und seineu Wertvorstellungen begründet ist, dann kann dies schwerlich als Verletzung des Unpar­ teilichkeits-Gebots, d. h. als „Parteilichkeit" gewertet werden: dieses personale Moment ist hier vielmehr in der Struktur der Rechtsanwen­ dung, hier speziell im „Institut" der Auslegung, von vornherein mit angelegt und von da her „sach-bedingt", ,,sachnotwendig" 7• III. Im Prinzip nicht anders verhält es sich aber auch mit anderen Bereichen des richterlichen Handelns, in denen dieses subjektive Moment häufig ebenfalls eine wesentliche Rolle spielt: nämlich bei der Tatsachenermittlung, bei der Beweiswürdigung wie auch bei der Sub­ sumtion und der Rechtsfolgenbestimmung. So wird jeder Richter im Rahmen der vorgegebenen Beweisvorschriften den maßgeblichen Sachverhalt doch in der für ihn spezifischen Weise er­ mitteln, wobei er etwa in Verfahren mit Amtsermittlungsgrundsatz, soweit der Verfahrensgang nicht schon durch die Anträge der Prozeßbeteiligten vor­ gezeichnet ist, vorrangig in einer bestimmten Richtung Beweise erhebt, wäh­ rend er dies in anderer Richtung nicht als erforderlich ansieht. Hier schlägt sich nieder, daß jede Wirklichkeitserkenntnis stets nur die eines bestimmten Subjekts mit seinen jeweiligen subjektiven Gegebenheiten und Einseitig­ keiten ist8 und daß zumal die soziale Wahrnehmung9 , d. h. die Wahrnehmung der sozialen Umwelt, beim Menschen in hohem Grade persönlichkeits­ spezifisch ist. Darüber hinaus gilt dies gerade auch für den Vorgang der Oberzeugungsbi1dung10: der eine Richter wird in einer Situation, in der meh7 So hat z. B. das LG Berlin mit Rücksicht darauf, ,.daß fast sämtliche Rich­ ter entweder Hausbesitzer oder Mieter seien", ein Ablehnungsgesuch zurück­ gewiesen, weil „die Partei, die einen Richter nur deswegen als befangen be­ trachte, weil er eine dieser sozialen Positionen einnehme, praktisch die Mög­ lichkeit objektiver Rechtsfindung in allen Mietstreitigkeiten leugne" (zit. bei Wassermann, JR 1 961 , 401 ). Ähnlich für dahingehende „wirtschaftliche Ge­ gensätzlichkeiten" (im Ergebnis grds. keine Ablehnung) auch Wieczorek, Großkommentar I (1 . Aufl.) Erl. B II b (a. E.) zu § 42 ZPO, ausführlicher in diesem Sinne jetzt ebd. in der 2. Aufl. 8 So speziell im Hinblick auf den Richter etwa Käßer, Wahrheitserfor­ schung S. 2 9 f., und Weimar, Strukturen S. 2 f., 2 9 ff. 9 Zum Thema „Soziale Wahrnehmung und Strafprozeß" vgl. die Hinweise bei Schünemann, DRiZ1 976 , 370 ff. 1 0 Eingehend hierzu zuerst wohl Bohne, Zur Psychologie der richterlichen Überzeugungsbildung (1 948 ; hier insbes. S.13 ff.) ; vgl. auch Peters, Fehler­ quellen II §31.1, III, IV == S. 230, 236 ff. Nach Kasper, Freie Beweiswürdigung S.1 9 ff. (21 ) ist „der Vorgang der Überzeugungsbildung .. • insgesamt gesehen von einem eigenartigen Spannungsverhältnis zwischen rationalen und irra-

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rere Gesichtspunkte gegeneinanderstehen, relativ bald zu einem Entschluß kommen, der andere langsamer, während dem dritten Richter die Entschei­ dung außerordentlich schwer fällt11 • Besondere Relevanz erhält diese Proble­ matik natürlich auf dem Hintergrund des Grundsatzes der freien Beweis­ würdigung: Denn hier wird dem Richter nicht einfach ein Urteil über das Vorliegen (oder auch gerade Nichtvorliegen) einer objektiven, mathematisch­ statistisch erfaßbaren Wahrscheinlichkeit (oder bestenfalls sogar Sicherheit) abverlangt, sondern eine persönliche Gewißheit, die zwar durchaus in einem engeren Zusammenhang mit dem eben genannten objektiven Wahrschein­ lichkeitsurteil zu sehen ist, die aber zusätzlich gerade dieses spezifisch sub­ jektive Moment der persönlichen „Überzeugung" erfordert12 • Eben dieses Moment variiert aber zwangsläufig von Richter zu Richter entsprechend dessen jeweiliger Persönlichkeitsstruktur13 • Im Rahmen der Subsumtion zeigt sich das personale Moment dann insbe­ sondere bei den normativen, ausfüllungsbedürftigen Gesetzesbegriffen: so etwa in einem Scheidungsprozeß bei der Frage, ob die Fortsetzung der Ehe für den Antragsteller im Sinne des § 156 5 II BGB eine „unzumutbare Härte" bedeuten würde14 ; oder wenn es z. B. darum geht, in einer Kindschaftssache das „Wohl des Kindes" konkret zu bestimmen (s. § 1634 II 2 BGB) ; oder wenn schließlich im Falle eines Mitverschuldens des Geschädigten die beiderseiti­ gen Verschuldensquoten konkret zu fixieren sind (§ 254 BGB) 15 • Schließlich kommt die subjektive Komponente im richterlichen Handeln auch im Rahmen der Rechtsfolgenbestimmung zum Tragen, wenn nämlich der Richter innerhalb eines vorgegebenen Ermessensspielraumes gerade diese und nicht eine andere, an sich ebenfalls mögliche Rechtsfolge anordnet: so etwa besonders deutlich bei der Strafzumessung, für die ja die Dogmatik dem Richter, mit im einzelnen unterschiedlicher Begründung, ausdrücklich einen gewissen Entscheidungsspielraum zuerkennt, da die schuldadäquate Strafe innerhalb des vom Gesetz vorgegebenen Strafrahmens niemals exakt fixiert werden kann18 • Für welches Strafmaß der Richter sich konkret entscheidet, tionalen, objektiven und subjektiven, logischen und emotionalen Elementen beherrscht ...". Vgl. daneben auch Schünemann, Jus 1976 , 560 ff. zur Pro­ blematik der „richterlichen überzeugungsbildung". 1 1 Sog. Interferenzneigung, vgl. Weimar S. 129 ff. 12 Vgl. zu dieser grundlegenden Unterscheidung neben den in Fußn. 10 ge­ nannten Autoren aus der Rspr. etwa die Entsch. des OLG Celle v. 23.3.76 = NJW 1976 , 2030 f. mit der Besprechung von Hanack in Jus 1977, 727 ff. Ein­ gehend zum Grundsatz der freien Beweiswürdigung jetzt die Tübinger Ha­ bilschrift von Gerhard Walter, Freie Beweiswürdigung [Tübingen 1979) . 13 Besonders deutlich in diesem Zusammenhang die Vorschrift des § 287 ZPO, die unter bestimmten Voraussetzungen die Ermittlung des geltend ge­ machten Schadens der Schätzung des Richters überläßt. 1 4 Ähnlich z. B. auch im Mietrechtsstreit über Kündigung des Vermieters und Widerspruch des Mieters (§ 556 a I BGB). 15 Aus dem Bereich des materiellen Strafrechts vgl. daneben z. B. die sehr plastischen Ausführungen von Woesner zu den Tatbestandsmerkmalen beim Mord (§ 211 II StGB) in NJ W 1978, 1026 . 1 8 Die erst durch das 1. StrRG 196 9 eingeführte Vorschrift des § 13 StGB (= jetzt §46 i. d.F. des 2. StrRG) zählt zwar neuerdings immerhin auf, wel­ chen Gesichtspunkten der Richter bei der Strafbemessung „namentlich" Rech­ nung tragen soll, jedoch ohne Gewichtung dieser Aspekte im einzelnen, so daß dem Richter im Ergebnis doch kein fester Maßstab an die Hand gegeben ist. Ähnlich unverbindlich bleiben letztlich auch die Versuche in Rspr. und

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hängt u. a. einmal von der bisherigen eigenen sowie von der von den Kolle­ gen übernommenen Erfahrung ab17 , zum anderen aber vor allem auch von seiner „Strafideologie" 18, d. h. von seiner persönlichen Einstellung zu den ver­ schiedenen möglichen Funktionen der Strafe und im Zusammenhang damit letztlich von zahlreichen persönlichkeitsspezifischen, zum Teil unbewußten Faktoren. IV. In diesem Rahmen, wie er soeben unter II. und III. umrissen und an Beispielen illustriert worden ist, ist also das subjektiv-perso­ nale Element im richterlichen Handeln ersichtlich schon von vorn­ herein in der Struktur der Rechtsanwendung selbst mit angelegt. Dann erscheint es abe r wenig sachgerecht, auch derartige Sachverhalte in den Begriff der „Parteilichkeit" mit einzubeziehen, die j a nach den obigen Ausführungen wesentlich gerade durch das Merkmal der „Unsachlichkeit"gekennzeichnet wird. T rotzdem sind Formulierungen dieser Art des öfteren anzutreffen. 1. Aus der neueren Literatur mag als Beispiel zunächst Richard Schmid mit seinen Äußerungen über „Befangenheit aus Weltanschauung und sozia­ lem Standort" genannt werden19• Daneben gilt dies etwa für Sehlaich, wenn er die „Neutralität der Rechtsprechung" 20 auf dem hier gemeinten Hinter­ grund schlechthin mit ihrer „Unparteilichkeit" gleichsetzt21 , oder auch für Kriele, der im Nachwort zur 2. Auflage seiner „Theorie der Rechtsgewin­ nung" 22 mit Blick auf das subjektiv-personale Element im richterlichen Han­ deln die (Un-)Parteilichkeit des Richters anspricht28 , ohne dabei klarzustellen, wie sich dieser Begriff von „Parteilichkeit" zu dem „Parteilichkeits"-Begriff der Verfahrensgesetze im Rahmen der Vorschriften über die Richterableh­ nung verhält. Gleiches gilt im übrigen auch für Kilian, wenn er bei der Erörterung der Frage, ob - und ggf. inwieweit - der Richter im Rahmen der Entschei­ dungsfindung auch die Folgen der von ihm zu treffenden Entscheidungen mit berücksichtigen dürfe, bemerkt24 : ,, • • • Die Nichterwähnung von Entschei­ dungsfolgen bringt lediglich den psychologischen Vorteil, daß sich bei Außen­ stehenden der Eindruck über die Unparteilichkeit des Entscheidungssubjekts nicht abschwächt . . ." ; ähnlich ist (S. 80) von der „Neutralität des Richters bzgl. des Ergebnisses" die Rede: diese Äußerungen beziehen sich ersichtlich Schrifttum, die Strafbemessung stärker zu strukturieren (auf nähere Nach­ weise muß hier aus Platzgründen verzichtet werden). 17 Vgl hierzu etwa Würtenberger, Irrationale Elemente S. 62 ff., der näher zwischen der persönlichen Lebenserfahrung des Richters und der „kollek­ tiven" Erfahrung des Richterstandes ( = .,Tradition") unterscheidet. 1 8 Ausdruck bei Würtenberger S. 71 ff. Zum subjektiven Moment im Be­ reich der Strafzumessung vgl. auch Schmidhäuser, LB 20/51 (a. E.) = S. 788 f. 19 S. den gleichnamigen Aufsatz S. 147 ff.; ähnlich zuvor in „Weltanschau­ liche Hintergründe", wo der Verf. von „politischer, weltanschaulicher oder standesmäßiger Befangenheit" spricht (S. 41 und passim). 2 0 Neutralität S. 59 ff. 11 s . 6 1 . 22 s .3 10 ff. 13 s. 33 5 ff. 14 J ur. Entscheidung S. 219.

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darauf, daß der Richter in einer bestimmten Richtung überhaupt seine per­ sönlichen Wertungen in seine Entscheidung mit einfließen läßt, und meinen damit ersichtlich gerade das personale Element im richterlichen Handeln, wie es soeben näher erörtert worden ist. Gleichfalls in diesen Zusammenhang gehören auch die Äußerungen von E. Schneider in seinem Aufsatz über „Befangenheitsablehnung und Richter­ persönlichkeit", in dem er eingangs „Subjektivität (im Sinne von Vorurteils­ haltung)" und Befangenheit gleichsetzt25 • Wenn er dann in der Folge ver­ sucht, gewisse Fallkonstellationen aus dem Bereich der Ablehnung wegen Besorgnis der Befangenheit mit Hilfe des Kriteriums auszugrenzen, ob das beanstandete Verhalten des Richters im Sinne des § 42 II ZPO einen Grund darstellt, der geeignet ist, Mißtrauen gegen die Unparteilichkeit eines Rich­ ters zu rechtfertigen (S. 44 f.) , so ist dieser Ansatz nicht differenziert genug und zudem systematisch ungenau, weil zumindest bei den hier gemeinten Fallkonstellationen die Fragestellung unmittelbar beim Begriff der Befan­ genheit selbst ansetzen müßte28• In einem sehr weiten Sinne, nämlich derart, daß hierunter schlechthin das Einwirken subjektiver Faktoren in das richterliche Handeln gemeint ist, ver­ wendet schließlich Döhring die Ausdrücke „Parteilichkeit" , ,,Befangenheit" und „Voreingenommenheit" in seiner 1 977 veröffentlichten Schrift über „die gesellschaftlichen Grundlagen der juristischen Entscheidung" (S.1 55). 2. Im übrigen muß sich die Kritik teilweise gerade auch gegen solche Monographien richten, die sich entweder mit dem Komplex der Richterablehnung wegen Besorgnis der Befangenheit als solchem oder aber sogar direkt mit der „Überparteilichkeit" befassen. Zum einen ist damit die Arbeit von Hamm, Gesetzlicher Richter, gemeint, der S. 23 und 50 ff. subjektiv-personales Element im richterlichen Handeln und prozessuale Parteilichkeit ununterschieden als „Parteilichkeit" bezeich­ net, ohne näher darauf einzugehen, ob der „Parteilichkeits"-Begriff des Pro­ zeßrechts beides umfaßt. Dies ist eigentlich um so erstaunlicher, als er S. 50 und 52 ausdrücklich die „prozessuale Parteilichkeit" anspricht und diese dabei zumindest der Sache nach mit der Konstellation gerade des konkreten Falles in Zusammenhang bringt (S. 35 f. sowie S. 52). Die Unterscheidung zwischen „gesetzlich tolerierter" und sonstiger „Parteilichkeit" (S. 51 f.) ist rein formal und hilft in diesem Zusammenhang wenig weiter: ,, . . . Parteilich­ keit (,Befangenheit') wird . . . definiert als die über das gesetzlich hingenom­ mene Maß hinausgehende psychologische Tendenz des Richters, aus irratio­ nalen und aus sachlich nicht gerechtfertigten rationalen Motiven eine Partei gegenüber der anderen zu benachteiligen oder zu bevorzugen . . . " (S. 52). Diese Formel versucht, den Begriff der „Parteilichkeit" primär von der Aus­ gestaltung der Ablehnungsmöglichkeit im Gesetz her zu definieren, anstatt umgekehrt die Ablehnungsmöglichkeit vorrangig vom Begriff des „Miß­ trauens in die Unparteilichkeit" her zu bestimmen, was zu unterschiedlichen Ergebnissen führen kann: es kann sich nämlich herausstellen, daß nach der Ausgestaltung der gesetzlichen Vorschriften die Ablehnungsmöglichkeit nicht 25 DRiZ 1978, 43. H Der gleiche Mangel verführt ihn im übrigen auch dazu, für einen objek­ tiven Maßstab bei der Beurteilung von Ablehnungsgesuchen zu plädieren, anstatt danach zu fragen, ob die von der Partei geltend gemachte Besorgnis überhaupt eine „Befangenheit" zum Gegenstand hat.

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etwa in allen Fällen gegeben sein soll, in denen an sich mit Grund eine (Be­ sorgnis der ) Befangenheit geltend gemacht werden kann. Wenn aber die rein formale Grenzziehung in der zitierten Formel nicht sicherstellen kann, daß sie auch nur alle Fälle der „Parteilichkeit" im eigentlichen Sinne erfaßt, dann vermag sie natürlich ebensowenig eine verläßliche Abgrenzung zwischen subjektiv-personalem Element einerseits und „echter" ,,Parteilichkeit" ande­ rerseits zu leisten27 • In besonderem Maße muß die Kritik sich daneben jedoch gegen die Arbeit von Eisenblätter über die „Überparteilichkeit des Bundesverfassungsgerichts im politischen Prozeß" [ 1976] richten, die sich schon vom Titel her gezielt gerade mit dem Unparteilichkeits-Postulat zu befassen scheint. Zwar geht die Arbeit das Thema primär von der politikwissenschaftlichen Seite an, dabei ragt sie aber doch auch so sehr in den rechtlichen Bereich herein, daß sie in diesem Zusammenhang nicht übergangen werden kann. Eisenblätters Arbeit gipfelt in der These, daß eine „Überparteilichkeit" des BVerfG jedenfalls objektiv-tatsächlich weitgehend überhaupt nicht mög­ lich sei, sondern allenfalls in „modifizierter" Form, die aber letztlich nichts anderes als bloßer „Schein" , eine bloße „Fiktion" sei28• Am Unparteilichkeits­ Postulat gemessen, wie es bisher hier erörtert und geradezu als „essentiale" der Rechtsprechung charakterisiert worden ist, muß diese These natürlich zumindest verblüffen. Dabei ist allerdings zu bedenken, daß Eisenblätter nicht eigentlich von „Unparteilichkeit" , sondern eben von „Überparteilich­ keit" spricht, was ja nicht ohne weiteres identisch sein muß. Andererseits ist in der Negation stets von „Parteilichkeit" die Rede; spätestens diese Aus­ drucksweise drängt aber doch zu der Frage, wie sie sich zu der Terminologie der Prozeßordnungen verhält. Bei näherem Zusehen erweist sich denn auch, ohne daß der Verfasser hierauf j edoch selbst eingeht, daß hier eine Bedeu­ tung von „Parteilichkeit" verwendet wird, die von der hier zugrunde geleg­ ten erheblich abweicht. Nach Eisenblätter wird „Überparteilichkeit" kumula­ tiv durch sachliche und objektive Anwendung einer Norm definiert" 29 , wobei er „Obj ektivität" als „Vorurteilslosigkeit im ideologischen Bereich und Frei­ sein von subjektivem Meinen und rein persönlichen Präferenzen für eine Interessengruppe" umschreibt30 : auf dieser Basis will er „Parteilichkeit" be­ reits dann bej ahen, sobald in das richterliche Handeln ein subjektives Mo­ ment aus der Person des j eweiligen Richters mit einfließt, das letztlich keiner ,,rechtsnormativen Bindung" mehr unterliegt31 • Deren Stellenwert überzeich­ net der Verfasser nun für den Bereich des einfachgesetzlichen Rechts ersicht­ lich, wenn er meint, daß sie etwa im Bürgerlichen Recht und Strafrecht prak­ tisch immer gegeben sei32 und daß dort mit Hilfe der rechtswissenschaft­ lichen Methoden so gut wie immer ein von subjektiven Wertungen des Rich27

Vgl. auch die weitere Kritik unten in § 47.11. s. 22, 78 ff. s. 31. so s . 32. 31 S. 21 und passim. 82 Vgl. aber andererseits S. 80 f., wo Eisenblätter im Gegenteil davon aus­ geht, daß in einem „weiten Zwischenbereich . . . Bindung und Freiheit des Rechtsanwendenden nebeneinander existent" seien, womit dann nach seiner Definition von einer „Überparteilichkeit" im strengen Sinne nicht mehr die Rede sein könne. 28 29

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ters letztlich freies Auslegungsergebnis zu erzielen sei38 • Demgegenüber wird ihm für das Verfassungsrecht, auch wenn seine Sichtweise dort teilweise ebenfalls einseitig-verkürzt ist, immerhin insoweit zuzustimmen sein, als dort die „rechtsnormative Bindung" weitgehend verdünnt sei und dort zudem ein nicht geringer Teilbereich verbleibe, in welchem dem Richter nicht einmal mehr in Form von sog. ,,festgelegten Kompromißformeln"H eine gewisse Richtschnur für die subjektive Auslegungsentscheidung vorgegeben sei85 • Um so mehr hätte deshalb für Eisenblätter, auch wenn er primär nur den mate­ riellen Aspekt der spezifischen Form der Rechtsanwendung im Verfassungs­ recht im Auge hat und diese aus politik-wissenschaftlicher Sicht analysieren will, Anlaß bestehen sollen, auch auf die terminologische Seite seines Themas näher einzugehen und gerade auch das Verhältnis seines „Parteilichkeits"­ Begriffes zu dem der Prozeßordnungen herauszuarbeiten. V. Natürlich verbietet es sich keineswegs von vornherein, das, was Eisenblätter und die übrigen, zuvor erwähnten Autoren meinen: näm­ lich eben jenes bereits in der Struktur der Gesetzesanwendung selbst angelegte subjektiv-personale Element im richterlichen Handeln, eben­ falls als „Parteilichkeit" zu umschreiben. Worum es hier aIIein geht, ist die Forderung, daß dann aber konsequenterweise auch Rechenschaft darüber abgelegt werden müßte, wie sich ein solches Verständnis von „Parteilichkeit" nun eigentlich zu derj enigen „Parteilichkeit" (= ,,Befangenheit") verhält, wie sie nun einmal im Rahmen des Pro­ zeßrechts im Zentrum der Bestimmungen über die Richterablehnung steht. 1. Bei der hier beabsichtigten terminologischen Ein- und Ausgren­ zung geht es allein darum, diesen letzteren terminus technicus unter dem teleologischen Aspekt so zu bestimmen, daß er für das Prozeßrecht praktikabel bleibt: eben das aber wäre nicht mehr gewährleistet - der Begriff wäre nämlich nicht mehr als „Fundament" für das Institut der Richterausschließung und -ablehnung geeignet -, wenn er auch mit einem Inhalt „befrachtet" würde, der praktisch aller richterlichen Tätigkeit eigen ist. M. a. W. : Ausschließung und Ablehnung wegen Besorgnis der Befangenheit können schwerlich als Instrumente dafür dienen, jedweden Richter allein schon auf Grund von Umständen an der Ausübung seines Amtes zu hindern, die von vornherein struk­ tureII, d. h. sach-notwendig in seiner Tätigkeit angelegt sind. Es kann vielmehr nur darum gehen, mit ihrer Hilfe eine von dem jeweiligen Richter tatsächlich ausgehende oder auch nur drohende Bevorzugung oder Benachteiligung eines Prozeßbeteiligten in all j enen Fällen abzu­ wehren, in denen sie auf anderen Umständen als den eben erwähnten beruht. ,,Gesteuert" wird eben diese Funktion von Ausschließung und Ablehnung aber primär gerade durch die entsprechende Ein- und 83

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s. 33.

S. 31, 78 f. und passim.

s. 31, 78 ff., 105 f. und passim.

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Abgrenzung des Begriffs der „Parteilichkeit" , ,,Befangenheit" , der ihnen als zentrales Merkmal gemeinsam zugrunde liegt. 2. Aus der Rechtsprechung hat sich mit dieser Thematik bisher, soweit ersichtlich, eingehend lediglich das LSozG Celle in seiner Ent­ scheidung vom 23. 3. 5438 auseinandergesetzt, weshalb der Kern dieser Ausführungen hier ausnahmsweise im vollen Wortlaut wiedergegeben werden soll. Es sei lediglich so viel vorausgeschickt; daß das Gericht, so sehr es einerseits die erforderliche Abgrenzung zutreffend „geortet" hat, dann aber doch gewissermaßen „auf halbem Wege stehengeblie­ ben" ist, indem es die hier anstehenden Fragen im Rahmen der Besorgnis der Befangenheit erörtert hat, anstatt zum Kern des Pro­ blems vorzustoßen und direkt zu fragen, ob hier überhaupt von einer ,,Befangenheit" selbst die Rede sein kann: ,,. . . es ein absolut objektives Urteil nicht gibt, weil jedes Urteil nun ein­ mal Ausdruck einer bestimmten Persönlichkeit ist, die sich nach den ihr eigenen Anlagen und Fähigkeiten auf Grund von Bildung und Umwelt individuell darstellt. Ein objektives Urteil im absoluten Sinne kann daher keine Prozeßpartei von einem Richter erwarten, wie auch die eigene Er­ wartung und Besorgnis einer Prozeßpartei dem Grundsatz der Relativität untergeordnet bleiben. Demnach ist die Befürchtung einer Partei, ein Ur­ teil werde in diesem Sinne nicht objektiv gefällt werden, allgemein nicht geeignet, eine echte Besorgnis der Befangenheit eines Richters zu recht­ fertigen. Die Besorgnis einer Befangenheit kann vielmehr nur so verstan­ den werden, ob einer in einer bestimmten Richtung ausgeprägten Persön­ lichkeit als Richter zugetraut bleiben darf, daß sie das Urteil in getreuli­ cher Erfüllung der einem Richter obliegenden Pflichten nach bestem Wissen und Gewissen und damit unparteiisch abgibt. Wenn man es richtig hierauf abstellt, dann wird deutlich, daß es im allgemeinen gar nicht darauf an­ kommen kann, welche politische, sozialpolitische, religiöse oder weltan­ schauliche Grundhaltung der Richter hat, sondern vielmehr darauf, ob er den ehrlichen Willen hat, getreulich seines Amtes als unparteiischer Rich­ ter zu walten. Von diesem . . . Willen des Richters ist, solange nicht son­ stige gewichtige objektive Umstände dafür sprechen, daß er für die Ent­ scheidung der unter den Prozeßparteien strittigen Rechtsfragen in einem die Besorgnis der Befangenheit rechtfertigenden Maße in seiner Entschlie­ ßungsfreiheit eingeengt ist, zunächst auszugehen ...37."

VI. Auf der so vorbereiteten Basis läßt sich nun im Hinblick auf das subjektiv-personale Element im richterlichen Handeln folgende allgemeine Abgrenzungsformel für die „Parteilichkeit" im Sinne der Prozeßordnungen aufstellen: 30 = Die Sozialgerichtsbarkeit 1955, 17 3 ff. (175) mit zust. Anm. Völcker ebda. S. 175 f.; gekürzt - mit Datumsangabe „11. 11.54" , aber gleichem Akten­ zeichen - auch in NJ W 1955, 239 f. (2 40). 37 Hervorhebung zu Anfang des Zitats bereits im Original. - Die in der Entsch. an diese Zitatstelle anschließenden Ausführungen, die ersichtlich zur weiteren „Absicherung" des Ergebnisses dienen sollen, gehen am eigentlichen Problem weitgehend vorbei und können deshalb hier außer Betracht bleiben.

§ 7. Ausgrenzung: personales Element und Parteilichkeit

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1. Wenn und soweit der Richter bei der Rechtsanwendung gar nicht umhin kann, (wenigstens teilweise auch) auf seine weltanschau­ lichen, religiösen, sozialen, politischen und sonstigen persönlichen Wertvorstellungen zurückzugreifen und diese in die Behandlung des jeweiligen Falles mit einfließen zu lassen, wenn also sein Handeln diese personale Komponente insoweit zwangsläufig mit enthält, dann kann dieses Handeln des Richters nicht allein schon deswegen, weil seine persönliche Wertung gerade so und nicht anders und deshalb womöglich für den einen Prozeßbeteiligten günstig, für den anderen aber nachteilig ausgefallen ist, als „unsachlich" und damit als „par­ teilich" gewertet werden. Die Möglichkeit, den betr. Richter mit einer dahingehenden Begründung wegen Besorgnis der Befangenheit abzu­ lehnen, scheidet hier folglich aus38 • 2. Im Hinblick auf den Gleichheitssatz, aus dem das Unparteilich­ keits-Postulat eingangs j a abgeleitet worden ist, bedeutet die soeben aufgestellte Formel nun allerdings, daß das Gleichbehandlungsgebot nicht absolut gilt, sondern von vornherein eine Begrenzung erfährt: weil der jeweilige Rechtsanwender, hier speziell der j eweilige Richter, zwangsläufig seine Persönlichkeit in sein Amt mit einbringt, hängt es j edenfalls in dem soeben angegebenen Rahmen letztlich gerade auch von der Person des einzelnen Richters ab, wie, d. h. mit welchem konkreten Inhalt, er sein Amt ausübt. Die Rechtsanwendung überhaupt und damit gerade auch das richterliche Handeln impliziert also von vornherein eine gewisse Ungleichbehandlung von Richter zu Richter, ohne daß diese aber als „unsachlich" angesehen werden darf. Diese Beziehung von Gebot der Rechtsanwendungsgleichheit einerseits und „Personalität verschiedener Richter" andererseits hat etwa Dürig in seiner Kommentierung zu Art. 3 I GG eingehend dargestellt39 , wobei er zugleich auch den engen Zusammenhang mit dem Grundsatz des gesetzlichen Richters aufgezeigt hat40 • VII. Wenn soeben j enes personale Element im richterlichen Handeln, soweit es bereits in der Struktur der Rechtsanwendung selbst ange38 Allgemeine Auffassung, vgl. etwa RG v. 30. 11. 1882 = RG Rspr. (Strafs.) Bd. 4 (1882), 854 ff. (856) ; BGH v. 19. 6. 1956, zit. bei Dallinger, MDR 1957, 16, und jew. stdg. Rspr.; Teplitzky, NJW 1962, 2044 f. und Jus 1969, 321. Von einem ganz anderen Ausgangspunkt als hier im Text, nämlich in An­ lehnung an die in § 18 II BVerfGG angesprochenen und ausdrücklich aus dem Komplex möglicher Ausschließungs- (sowie Ablehnungs-)gründe ausgenom­ menen „allgemeinen Interessen", kommt Ridder, Demokratie und Recht 1973, 242 f. ebenfalls zu dem Ergebnis, daß insbes. die politische Einstellung des Richters nicht zum Gegenstand einer Ablehnung gemacht werden dürfe (auf diesen Komplex des nur „allgemeinen Interesses" wird im folgenden in § 12 im einzelnen einzugehen sein). so MD Rn. 399 ff., 410. •o Rn. 412 sowie 48 f.

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I. Teil, 1. Abschn.: Begriff und Kriterien der Parteilichkeit

legt ist0 , ,,en bloc" aus dem prozessualen Begriff der „Parteilichkeit" ausgegrenzt worden ist, so sollte man es aber möglichst nicht einfach bei dieser bloßen (,,negativen") Ausgrenzung belassen, sondern darüber hinaus doch auch versuchen, der sachlichen Nähe dieses Elements zur Befangenheits-Materie Rechnung zu tragen und beide (nunmehr „po­ sitiv") in einen systematischen Zusammenhang zu bringen: Hierzu mag es sich etwa empfehlen, unter den eingangs genannten Begriffen der „Unparteilichkeit" , ,,Unbefangenheit" , ,,Unvoreingenom­ menheit" , ,,Objektivität" und ,,(reinen) Sachlichkeit" , die dort zu­ nächst als synonym nebeneinander gestellt worden sind, jetzt doch weiter zu differenzieren: hierfür bietet sich dann etwa an, ,, Unpar­ teilichkeit"/,, Unbefangenheit" / ,, Unvoreingenommenheit" als Unterfall der „ O bjektivität" (und „reinen Sachlichkeit") aufzufassen'2 ; und jenes strukturelle subjektive Element der Rechtsanwendung könnte dann als ein Problem (des Postulats) der „Objektivität" verstanden werden, ohne daß hierdurch gerade auch der spezielle Bereich der „Unpartei­ lichkeit"/,,Unbefangenheit" im hier verstandenen engeren Sinne tan­ giert würde'3 • Wenn auch die Notwendigkeit einer derartigen Unterscheidung schon verschiedentlich angesprochen worden ist, so fehlt es bisher aber doch an einer genügend klaren Abgrenzung des Bereichs der ,,(Un-)­ Parteilichkeit" im Verhältnis zur ,,(Nicht-)Objektivität" . Dieses „Defizit" beruht ersichtlich darauf, daß ja der Begriff der „Parteilichkeit" bisher auch sonst noch nicht ausreichend untersucht worden ist. Die soeben getroffene Feststellung gilt gerade auch für die Schrift von Brusiin „über die Objektivität der Rechtsprechung", die sich ansonsten wohl am eingehendsten speziell mit dieser Thematik aus grundsätzlicher Sicht aus­ einandergesetzt hat". Allerdings finden sich bei ihm durchaus Ansätze in u Im folgenden abgekürzt „strukturbedingtes personales Element". 42 In diesem Sinne etwa Brusiin, Objektivität S.33 : ,.. . . Die Parteilichkeit kann somit als ein Spezialfall der Willkür, der Nicht-Objektivität . . . aufge­ faßt werden, die Unparteilichkeit als ein Spezialfall der Objektivität . . ." . Ähnlich z. B. auch die Unterscheidung bei Friesenhahn, Objektivität S. 2 8, 30 und bei Simon, Unabhängigkeit S.76 f., sowie in der vorstehend zu V.2 im Wortlaut wiedergegebenen Entsch. des LSozG Celle. 43 Auf dieser Basis, wenn nämlich „Oberparteilichkeit" im Sinne der hier zugrunde gelegten Terminologie mit „Objektivität" schlechthin gleichgesetzt wird, soweit sie nicht gerade in ihrer speziellen Erscheinungsform als „Un­ parteilichkeit" gemeint ist, kann der vorhin wiedergegebenen These von Eisenblätter im Prinzip wohl ohne weiteres zugestimmt werden, wonach es in der Rechtsprechung des BVerfG praktisch keine „Überparteilichkeit" gebe, jedenfalls nicht im strengen Sinne des völligen Fehlens von subjektiv-perso­ nalen Komponenten im richterlichen Handeln (vgl. oben zu IV.2 ). " Die zitierte Entsch. des LSozG Celle läßt demgegenüber völlig offen, welche Kriterien im einzelnen für die Abgrenzung in Betracht kommen könnten; der konkrete Fall bot allerdings auch keinen Anlaß, die Oberle­ gungen in dieser Richtung weiter zu vertiefen. Und die Bemerkung bei Simon,

§ 8. Keine Ablehnung allein wegen einer bestimmten Ansicht

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dieser Richtung, die im wesentlichen auf die hier vertretene Ansicht hinaus­ laufen45 . Auf der anderen Seite verwendet Brusiin jedoch die Ausdrücke ,,Parteilichkeit" und „Befangenheit" daneben auch in einem weiteren Sinne, der gerade auch Aspekte des strukturbedingten personalen Elements einzu­ beziehen scheint46 • Fragt man nun nach den Kriterien, durch die sich die „Befangenheit" oder auch „Parteilichkeit" gerade auch im Verhältnis zum Oberbegriff der " (Nicht-)Objektivität" auszeichnet (differentia specifica) , so sind es nach dem Resultat der bisherigen Überlegungen eben die beiden Momente 1. der Bevorzugung oder Benachteiligung eines Prozeßbe­ teiligten (oder auch nur einer dahingehenden Tendenz des Richters) und 2. der „Unsachlichkeit" im Sinne einer dahingehenden inneren Einstellung des Richters zum Verfahren. Die weiteren Oberlegungen werden zu zeigen haben, ob womöglich im Hinblick auf dieses letztere Kriterium noch genauer differenziert werden muß. § 8. C. Auswirkungen dieser terminologischen Ausgrenzung für die Praxis : grundsätzlich keine Ablehnung eines Richters allein wegen einer bestimmten von ihm vertretenen Ansicht

I. Die soeben dargelegte Auffassung, daß das strukturbedingte per­ sonale Element im richterlichen Handeln als solches noch keine „Be­ fangenheit" zu begründen vermag, wirkt sich nun im Prozeß praktisch vor allem in der Weise aus, daß, wenn der Richter sich im Hinblick auf den gerade anstehenden Fall in rechtlicher oder tatsächlicher Hinsicht eine bestimmte Meinung bildet und diese zur Grundlage seiner Entscheidung macht, - daß dieser Unstand allein noch keine Befangenheit ausmachen und deshalb eine Ablehnung nicht rechtfer­ tigen kann. Soweit es dabei um die rechtliche Würdigung des Falles geht, muß der Richter nach dem oben Gesagten j a, soweit ihm die Rechtsanwen­ dung einen Spielraum beläßt, diesen durch seine Wertung ausfüllen, wobei eben bei allem Bemühen primär um Rationalität dieser Wertung letztlich jedenfalls teilweise doch auch ein eigenes, höchstpersönli clles Moment mit einfließt. Wenn der Richter sich nun mit eben der Aus­ legung der einschlägigen Rechtsnorm(en), die er wählt, für eine bestimmte Rechtsansicht entscheidet, die womöglich für den einen Prozeßbeteiligten günstig, für den anderen aber ungünstig ist, und Unabhängigkeit S. 76 f. ist lediglich als weiterführender Hinweis gedacht, weil dieser spezielle Aspekt außerhalb der eigentlichen Thematik der Ar­ beit lag. 45 Vgl. hierzu insbesondere S. 32 f. 46 Vgl. hierzu seine Bemerkung S. 35 über die „auf sozialen Machtein­ flüssen beruhende Parteilichkeit" , die sich der Richterablehnung entziehe.

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I. Teil, 1. Abschn.: Begriff und Kriterien der Parteilichkeit

wenn demzufolge die Chancen im Prozeß insoweit von vornherein ungleich verteilt werden, dann ist dieser Umstand in der Rechtsan­ wendung als solcher angelegt und kann deshalb Uedenfalls grund­ sätzlich) nicht dem einzelnen Richter als „Parteilichkeit" angelastet werden. Die Tatsache, daß der Richter zu einer Rechtsfrage gerade diese und nicht eine andere mögliche Rechtsauffassung vertritt, kann demnach seine Ablehnung wegen (Besorgnis der) Befangenheit grund­ sätzlich nicht rechtfertigen 1 • II. In dieser Form kommt eine Richterablehnung in der Praxis aber kaum vor. Wenn doch einmal gerade eine bestimmte Rechtsansicht des Richters ausdrücklich zur Grundlage seiner Ablehnung gemacht wird, dann allenfalls mit der Begründung, diese Rechtsansicht sei verfehlt, dem Richter sei es primär um ein bestimmtes gewünschtes Ergebnis gegangen, zu dessen Begründung gerade die angeführte Ansicht habe herhalten müssen, auch wenn der Richter sich damit ohne überzeugenden Grund etwa gegen eine „eingefahrene" ständige Rechtsprechung gestellt habe: eben darin zeige sich die Voreingenom­ menheit des Richters gegenüber dem Antragsteller2 • 1. In einem solchen Fall wird die „unsachliche " , d. h. (möglicher­ weise) parteiliche Behandlung des gerade anstehenden Falles also an sich allein damit begründet, daß die von dem Richter vertretene Rechtsauffassung nicht haltbar sei; sonstige Umstände, die für eine Befangenheit sprechen könnten, liegen nicht vor (oder sind jedenfalls nicht geltend gemacht). Demzufolge läuft die Überprüfung eines der­ artigen Ablehnungsantrages inhaltlich auf eine bloße Überprüfung der Rechtsauffassung des Richters hinaus, während das spezifische Moment der Befangenheit hier allenfalls nur sehr mittelbar eine Rolle spielt. Nun ist es aber „nicht die Aufgabe des Ablehnungsverfahrens fest­ zustellen, ob der Richter rechtsbedenkenfrei und sachgerecht verfährt" 3 • Denn in diesem Verfahren geht es ausschließlich um die Parteilichkeit oder Unparteilichkeit des Richters. Die von ihm vertretene Rechtsauf­ fassung als solche kommt hierfür grundsätzlich nicht in Betracht'. 1 Allgemein hierzu etwa Zwirner, AöR Bd. 93 (1968), 81 ff. (bei und in Fußn. 16 m. zahlr. Nachw.). Vgl. in diesem Zusammenhang auch Maunz/Sig­ loch/Schmidt-Bleibtreu/Klein, BVerfGG § 19 Rn. 2: ,,. . . ohne bestimmte Rechtsansichten kann ein Richter überhaupt seinen Aufgaben nicht gerecht werden" (nicht mehr so pointiert in der Neubearbeitung 1979). 2 So etwa sinngemäß die Argumentation des Landes Baden-Württemberg in einem Verfahren vor dem VG Stuttgart, vgl. die in JZ 1976, 277 f. ver­ öffentlichte Entsch. v. 8. 10. 75 (hier speziell S. 278). 3 Wassermann, JR 1961, 402. ' Im Anschluß an KG v. 24. 12. 55 = JR 1957, 64 (falsch zit. bei VG Stutt­ gart a. a. 0. S. 278). - So auch die allg. Auffassung; vgl. außer den soeben

§ 8. Keine Ablehnung allein wegen einer bestimmten Ansicht

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Das besagt natürlich nicht, daß ein Prozeßbeteiligter, der sich durch die betreffende Rechtsauffassung des Richters benachteiligt fühlt, sich einfach damit abfinden müßte. Das ist regelmäßig6 durchaus nicht der Fall: Nur ist der richtige Weg, hiergegen anzugehen, nicht der der Richterablehnung; viel­ mehr ist der Prozeßbeteiligte auf den Rechtsmittelweg zu verweisen, in dem er die strittige Auffassung des Richters in dem eigens dafür vorgesehenen Verfahren überprüfen lassen kann6 • Das bedeutet nun allerdings konkret für ihn, daß er die Auffassung des Richters erst nachträglich, d. h. nach Erlaß der Entscheidung überprüfen lassen kann, die auf dieser Auffassung beruht, während demgegenüber die Ablehnung gerade vorbeugend wirkt7 ; ferner müssen die speziellen Zulässig­ keitsvoraussetzungen des jeweiligen Rechtsmittels erfüllt sein; und zudem ist dieser Weg mit allem Aufwand und vor allem auch mit allem Risiko ver­ bunden, die eine weitere Instanz bedeutet. Diese vergleichsweise deutlich ungünstigere Ausgangslage rechtfertigt es jedoch nicht, von einem Rechts­ behelf Gebrauch zu machen, der zwar in mancher Hinsicht günstiger und weniger umständlich sein mag, der aber nach seiner spezifischen Funktion für eine solche Materie gar nicht vorgesehen ist.

2. Die vorstehenden Ausführungen schließen nun freilich nicht aus, daß im Einzelfall doch einmal gerade die spezielle, von einem Prozeß­ beteiligten als verfehlt angesehene Rechtsauffassung des Richters für eine Ablehnung in Betracht kommt: Dann ist es aber so, daß nicht diese Auffassung allein zur Grundlage der Ablehnung gemacht wird. Vielmehr müssen zusätzlich „noch ganz besondere Umstände dargetan" werden, die dafür sprechen, daß die Auffassung des Richters auf einer „unsachlichen Einstellung gegenüber der ablehnenden Partei" oder in Bezug auf die Streitsache beruht8 ; und eben diese „besonderen Umstände" sind es eigentlich auch erst, die gerade die (Besorgnis der) Befangenheit in einem solchen Fall als begründet erscheinen lassen. In derartigen Fällen ergibt sich die Befangenheit also jeweils nicht schon daraus, daß der Richter in der angesprochenen Beziehung eine bestimmte Auffassung hat und vertritt, sondern z. B. erst aus der Starrheit, mit der er auf dieser Position verharrt•, oder auf dem besonderen Engagement, mit dem er sich zuvor für die betr. Sache genannten Entsch. des KG und des VG Stuttgart sowie dem Aufsatz von Wassermann etwa BGH v. 16 .6 . 71 = VRS Bd. 41 (1 971 ), 203 ff. (205) : ,, . . . ver­ fehlte Rechtsansichten oder tatsächliche Irrtümer eines Richters begründen im allgemeinen nicht die Besorgnis der Befangenheit . . .". 5 Mit Ausnahme vor allem des Verfassungsgerichtsprozesses, der einen Instanzenzug nicht kennt, oder wenn das betr. Verfahren bereits in der letz­ ten Instanz anhängig ist, so daß ein Rechtsmittel nicht mehr in Betracht kommt. 6 Wassermann (s. vorstehende Fußn. 3) ; OLG Karlsruhe v. 12. 10. 73 = VRS Bd. 46 (1 97 4), 1 94 ff. (1 95 f.). 7 Allg. zum Verhältnis von Rechtsmittel und Ablehnung vgl. Arzt, Straf­ richter S.13 ff. 8 KG (s. vorstehende Fußn. 4). 9 Vgl. Ernst, Ablehnung S. 2 44.

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I. Teil, 1. Abschn.: Begriff und Kriterien der Parteilichkeit

eingesetzt hat: Diese „besonderen Umstände" aber lassen sich ohne weiteres unter die Fallgruppen (insbesondere) der „vorzeitigen Fest­ legung", u. U. auch des „materiellen eigenen Interesses" usw. sub­ sumieren, wie sie nachstehend im Rahmen des „Besonderen Teils" in den §§ 21 ff. und 19 im einzelnen als Erscheinungsformen der Befan­ genheit erörtert werden sollen. III. In anderen Fällen spielt zwar letztlich die ausschlaggebende Rolle für den Ablehnenden durchaus auch die konkrete Rechtsauf­ fassung des Richters, aber sie erscheint in der Begründung der Ab­ lehnung nur am Rande, während die (Besorgnis der) Befangenheit primär auf einen anderen Aspekt gestützt wird: Wenn nämlich, wie im Falle der Ablehnung der Bundesverfassungs­ richter Dr. Leibholz und Dr. Rottmann im Verfassungsstreit um die staatliche Parteienfinanzierung10 bzw. um den Grund(lagen)vertrag mit der DDR11, die Besorgnis der Befangenheit etwa damit begründet wird, daß der betr. Richter seine persönliche Ansicht zu einer ent­ scheidungserheblichen Rechtsfrage bereits vor Erlaß der Entscheidung außerhalb des Verfahrens kundgetan habe und daß deshalb befürchtet werden müsse, er sei bereits in diesem Sinne „festgelegt" , dann wird zwar vordergründig die frühzeitige Kundgabe der persönlichen Ansicht wegen der hierin liegenden Gefahr der vorzeitigen „Festlegung" als solcher zum Anlaß der Ablehnung genommen; in Wirklichkeit ist es aber doch gerade der spezifische, d. h. persönlichkeitsbedingte Inhalt eben dieser Ansicht, der dem betr. Prozeßbeteiligten mißliebig, weil ungünstig, ist und um dessentwillen er den Richter an der weiteren Mitwirkung im Verfahren hindern will. Bei genauerem Hinsehen ist das dann aber gar nicht so sehr eine Frage der Begründung des Ablehnungsantrages als vielmehr eine solche der dahinter stehenden Motivation, wie sie sich im Grunde bei jeder Ablehnung stellt12 • Nach der eingangs gegebenen Begriffsbestimmung liegt nämlich eine Be­ fangenheit an sich nicht nur dann vor, wenn der Richter dahin tendiert, den betr. Prozeßbeteiligten zu benachteiligen, sondern ebenso auch dann, wenn er dazu neigt, ihn aus sachfremden Gründen zu bevorzugen. In beiden Fällen wird sich die Befangenheit als solche mit gleich guten Gründen belegen lassen. Und doch wird im letzteren Fall (der Bevorzugung) weit seltener eine Ablehnung tatsächlich erfolgen als im umgekehrten Fall (der Benachteili­ gung). Denn im ersten Fall wird sich der betr. Prozeßbeteiligte kaum einmal 1 0 Vgl. hierzu die Entsch. des BVerfG vom 2. 3. 66 = E 20, 1 ff.; v. 3. 3. 66 = E 20, 9 ff. = NJW 1966, 923 f. = JZ 1966, 312 ff.; v. 25. 3. 66 = E 20, 26 ff. = NJW 1966, 924 = JZ 1966, 704. 11 Vgl. die Entsch. des BVerfG v. 29. 5. 73 = E 35, 171 ff. = NJW 1973, 1267 f. = JZ 1973, 465 f.; v. 16. 6. 73 = E 35, 246 ff. = NJW 1973, 1268 ff. = JZ 1973, 513 ff. 1 2 Speziell zu den Leibholz-Beschlüssen des BVerfG unterscheidet insoweit treffend etwa Zwirner AöR Bd. 93 (1968) , 86, 88.

§ 9. Speziell: die Ablehnung von Richtern des BVerfG

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veranlaßt sehen, diese günstige Ausgangsposition im Prozeß durch die Ab­ lehnung des Richters, die ihm hier an sich j a durchaus zusteht, selbst zu zer­ stören, während im entgegengesetzten Fall der Prozeßbeteiligte weit eher alles daran setzen wird, den Richter mit Hilfe der Ablehnung von der weite­ ren Mitwirkung am Verfahren auszuschließen und so einen sonst absehbaren ungünstigen Ausgang des Verfahrens zu verhindern. Ein wichtiger Maßstab dafür, ob die zu erwartende Entscheidung des als parteilich angesehenen Richters günstig oder ungünstig ausfallen wird, ist nun aber in beiden Fällen gerade dessen bekanntgewordene Rechtsauffassung zu einer entscheidungs­ erheblichen Frage. § 9. D. Speziell das politische und weltanschauliche Moment im richterlichen Handeln und die Ablehnung von Richtern des BVerfG I. Im Rahmen der vorhin in § 7 erörterten persönlichen Wertvor­ stellungen, auf die der einzelne Richter bei der Rechtsanwendung immer wieder zurückgreifen muß, verdient natürlich besondere Auf­ merksamkeit das Moment der politischen wie auch der weltanschau­ lichen Einstellung des jeweiligen Richters', zumal ihm im Hinblick auf das diesbezügliche Differenzierungsverbot in Art. 3 III GG eine spezifische verfassungsrechtliche Bedeutung zukommt. Richterablehnungen, die sich etwa gegen die politische Einstellung des jeweiligen Richters wenden, haben praktisch immer zum Inhalt, daß dieser Richter sich im Zusammenhang mit dem Verfahrensgegen­ stand „politisch" geäußert habe. Damit sind solche Äußerungen für eine etwaige Befangenheit vorrangig unter dem Aspekt der „vorzei­ tigen Festlegung" relevant, weshalb es am nächsten liegt, den ange­ sprochenen Komplex im Rahmen des späteren „Besonderen Teils" bei eben jener Fallgruppe der Befangenheit mit zu behandeln2 • Daneben kommt dem politischen wie auch dem weltanschaulichen Moment im richterlichen Handeln wesentliche Bedeutung gerade auch dann zu, wenn es darum geht, die Parteilichkeit gegen das sog. nur „allgemeine Interesse" des Richters abzugrenzen3 • Gelten die dortigen Ausfüh­ rungen an sich allgemein für die Richter aller Gerichtsbarkeiten, so kommt beim politischen und weltanschaulichen Moment im richter­ lichen Handeln speziell für die Richter des B VerfG noch eine weitere Dimension hinzu, die in der Praxis immer wieder gravierende Pro­ bleme bereitet und deshalb im folgenden näher erörtert werden soll. 1 Das Moment der sozialen Einstellung des Richters wird im Rahmen des „Besonderen Teils" unter einem besonders bedeutsamen Teilaspekt erörtert werden, nämlich beim Institut des sog. ,.interessengebundenen Richters" (s. u. § 20). 2 S. u. §§ 21 ff., insbes. § 22.III. 9 S. nachstehend § 12, insbes. § 12.II.3.

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I. Teil, 1 . Abschn.: Begriff und Kriterien der Parteilichkeit

II. Wenn nämlich vorhin der Satz aufgestellt worden ist, daß es schwerlich als „Parteilichkeit" im Sinne des Prozeßrechts aufgefaßt werden könne, wenn der Richter in einem Fall geradezu zwangsläufig auch seine persönliche politische und/oder weltanschauliche Wertung in die Behandlung eines Falles mit einfließen läßt, dann ist dieser Satz natürlich von besonders weitreichender und zudem von Zeit zu Zeit auch außerordentlich aktueller Bedeutung (um nicht zu sagen: Brisanz)' für die Richter des B VerfG, das ja auf Grund der spezifischen Auf­ gaben, die ihm nach Art. 93 GG, § 13 BVerfGG zugewiesen sind, wenn auch nicht ausschließlich5 , so aber doch bevorzugt mit Streitigkeiten befaßt wird, die in besonderem Maße einen „politischen" , teilweise ausgesprochen „hochpolitischen" Charakter aufweisen.

1 . Mit Rücksicht auf die spezifische Qualität des BVerfG als „Verfassungs­ organ"6 , als welches es neben die übrigen staatlichen Organe mit einer „poli­ tischen" Funktion in eben diesem hier gemeinten Sinne tritt und diese kon­ trolliert, ist das „Politische" im jetzigen Zusammenhang betont eng zu verstehen: Und zwar läßt sich in diesem Sinne „der originäre Bereich der Politik" etwa als „der dynamische Prozeß der Willensbildung" umschreiben, ,,der in ein Gesetzgebungsverfahren mündet und mit der Schaffung einer ge­ setzlichen Norm in den dafür vorgesehenen parlamentarischen Verfahrens­ weisen endet"7, wobei die Willensbildung innerhalb der Verfassungsorgane selbst natürlich in diesen Begriff mit einbezogen ist; sehr ähnlich heißt es bereits bei Pabst v. Ohain: ,,. . . Ein politisches Wirken steht sonach dann in Rede, wenn dieses darauf abzielt, Angelegenheiten des Staates zu beein­ flussen und zu diesem Zweck seine Gesetzgebungs- und Verwaltungsorgane in Tätigkeit zu setzen . . . "8, wobei im übrigen die weitgehende Eingrenzung des Begriffs auf die Sphäre von „Staat und Parteien" wesentlich sein soll•. 4 Man denke nur an die Ablehnung des Verfassungsrichters Dr. Rottmann, die im Rahmen des „hochpolitischen" Verfassungsstreits um den „Grund(la­ gen)vertrag" erfolgte und an der seinerzeit etwa die Presse lebhaft Anteil nahm. 5 Das zeigen die zahlreichen nicht so sehr „politischen" Verfahren vor dem BVerfG einerseits (so wohl insbes. die Mehrzahl der Verfassungsbeschwer­ den) und allein schon das Beispiel von „politischen" Strafprozessen, von Zivil­ prozessen um Ersatz von Schäden im Zusammenhang mit „politischen" De­ monstrationen oder von Verwaltungsstreitigkeiten etwa um die Genehmi­ gung von Kernkraftwerken andererseits sehr deutlich. 6 §1 I BVerfGG. 1 Pulch, DRiZ 1 976 , 33. 8 Ablehnung S. 16 . 9 So etwa Mayer-Maly in DRiZ 1 971 , 325 f. I m Gegensatz zu diesem betont eng gefaßten Begriff des „Politischen", den Kilian als „pa rtei-"/,,machtpolitisch" kennzeichnet (Jur. Entscheidung S. 96 Fußn. 1 2 3), steht ein wesentlich weiterer Begriff, der „im Hinblick auf die Entscheidungsfolgen" (d. h. im Hinblick auf die Folgen einer richterlichen Entscheidung) ,,in der Gesellschaft" konzipiert ist und von Kilian als „polito­ logisch-soziologisch" charakterisiert wird (ebd.). D ieser weitere Begriff liegt etwa der später zu erörternden These vom sog. ,,politischen Richter" zugrunde (s. u. § 32 ).

§ 9. Speziell: die Ablehnung von Richtern des BVerfG

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2. Auch ohne daß hier auf das ansonsten sehr kontroverse Verhält­ nis von Recht(-sprechung, speziell Verfassungsrechtsprechung) und Politik näher eingegangen wird 10 , läßt sich schon jetzt j edenfalls so viel sagen, daß gerade bei der Behandlung und Entscheidung derartiger „politischer" Verfahren die persönlichen politischen Wertungen des Verfassungsrichters zumindest auch eine wesentliche Rolle spielen. Und zwar gilt dies hier sogar um so mehr, als j a die Verfassungs­ bestimmungen in besonderem Maße ausfüllungs- und konkretisierungs­ bedürftig sind und deshalb dem Richter - bei allem Bemuhen um ein primär rationales Problemlösungsverhalten1 1 - geradezu zwangs­ läufig auch ganz persönliche Wertungen abverlangen. In Anbetracht dessen liegt es auf der Hand, daß den subjektiven politischen, auch weltanschaulichen Anschauungen und Wertvorstellungen des j eweili­ gen Verfassungsrichters hier eine noch gesteigerte Bedeutung zukommt und daß die Person des einzelnen Richters hier noch mehr in den Vordergrund rückt, als es sonst schon der Fall sein mag12 • Im vorliegenden Zusammenhang kommt es dabei nicht so sehr darauf an, daß der Verfassungsrichter infolgedessen Gefahr läuft, seine eigene politische Wertung an die Stelle der Wertung des Gesetzgebers zu setzen13 • Vielmehr geht es hier primär um die besondere persönliche Exponiertheit, der auf diesem Hintergrund gerade die Richter des B VerfG ausgesetzt sind. Sieht man einmal von der Bedeutung ab, die einem Teil der verfassungsgerichtlichen Verfahren ohnehin schon von vornherein zukommt, und läßt man vorübergehend auch einmal den Stellenwert beiseite, den schon die Entscheidung des Verfassungs­ gerichts als solche einnimmt, weil sie mit der höchsten Autorität ausgestattet ist, insbesondere nicht angefochten werden kann und nach § 31 BVerfGG eine derart weitgehende Bindungswirkung entfaltet, dann steht hier sogleich die besondere Konstruktion des B VerfG als ,,Zwillingsgericht" 14 im Mittelpunkt: Nicht nur, daß die beiden Spruch­ körper als solche voneinander völlig unabhängig sind, - darüber hinaus sieht das BVerfGG auch keinerlei Vertretungsregelung für den Fall einer etwaigen Verhinderung eines Richters vor, so daß die 1 0 In gleicher Weise kann hier auch die bereits in der Weimarer Zeit heftig diskutierte Streitfrage dahingestellt bleiben, ob die Verfassungsgerichte über­ haupt echte „Gerichte" sind oder stattdessen letztlich zusätzliche rein poli­ tische Organe nur im Gewande eines Gerichts. 11 Das etwa auch Roth, Jus 1975, 619 ausdrücklich hervorhebt. 12 Allgemein zum Zusammenhang des politischen Moments im richterli­ chen Handeln mit den persönlichen „Werturteilen und Zielvorstellungen" des Richters s. etwa Dichgans, FS. Geiger S. 946 ff. 1 3 Ob der neuerdings in verstärktem Maße diskutierte Grundsatz des „ju­ dicial self-restraint" eine wirksame Abhilfe hiergegen zu gewährleisten ver­ mag, kann hier nicht erörtert werden. 1 4 S. § 2 I BVerfGG.

4 Riede!

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I. Teil, 1. Abschn.: Begriff und Kriterien der Parteilichkeit

Richter des BVerfG im Gegensatz zu allen anderen Gerichtsbarkeiten15 nicht „auswechselbar" sind. In engstem Zusammenhang damit steht schließlich die Regelung über die Beschlußfähigkeit der Senate16 , weil nach der derzeitigen Regelung bereits mehr als 2 erfolgreiche Richter­ ablehnungen in derselben Sache dazu führen, daß das erforderliche Quorum von mindestens 6 Richtern nicht mehr gegeben ist. Stellt nun einerseits die besondere Exponiertheit und zugleich Un­ auswechselbarkeit der Bundesverfassungsrichter gerade auch im Hin­ blick auf ihre jeweilige persönliche politische und weltanschauliche Einstellung einen verstärkten Anreiz für die Verfahrensbeteiligten dar, einen mißliebigen Richter eben mit Hilfe der Ablehnung wegen Besorgnis der Befangenheit ausschließen und so die Mehrheitsver­ hältnisse in der Richterbank zu ihren Gunsten beeinflussen zu wollen, so wird damit auf der anderen Seite zugleich die Gefahr um so kon­ kreter, daß der jeweilige Senat durch mehrere erfolgreiche Ableh­ nungen beschlußunfähig wird, ohne daß nach der jetzigen Regelung im BVerfGG eine Abhilfe für diesen Fall vorgesehen ist. Das drohende „ Gespenst" der Beschlußunfähigkeit bestimmt demzufolge denn auch aufs nachhaltigste sowohl die Judikatur des BVerfG selbst wie auch die einschlägige Diskussion im Schrifttum. III. Um eine derartige Beschlußunfähigkeit zu verhindern, die in erster Linie gerade von einer Ablehnung mehrerer Richter zugleich droht, werden immer wieder Überlegungen angestellt, wie der Eintritt dieses Falles schon de lege lata verhindert werden kann17 : 1 . Nach KZein18 soll die befürchtete Beschlußunfähigkeit in Wirk­ lichkeit gar nicht eintreten können, weil nach der erfolgreichen Ab­ lehnung von zwei Richtern der betr. Senat in seiner restlichen Beset­ zung (ohne den abgelehnten weiteren Richter) nicht mehr wirksam darüber befinden könne, ob dieser weitere Richter ebenfalls von der Mitwirkung im Verfahren ausgeschlossen sei; demnach könnten in einem und demselben Verfahren mehr als zwei Ablehnungsgesuche von vornherein keinen Erfolg haben. - Dieser Lösungsvorschlag er­ scheint indessen zu einseitig vom Ergebnis her bestimmt, als daß er in der Begründung überzeugen könnte19 • 1 5 Das gilt etwa auch für den bad.-württ. StGH, wonach der Landtag sogar von vornherein für jedes Mitglied des StGH einen Stellvertreter zu wählen hat (vgl. § 2 IV bad.-württ. StGH-Gesetz). tu S. § 15 II 1 BVerfGG. 1 7 Vgl. zum folgenden die Ausführungen von Schütz, Ablehnung S. 91 ff. und Stadler, Neutralität S. 27 ff., 65 ff. 1 8 Maunz/Sigloch/Schmidt-B leibtreu/Klein, BVerfGG § 19 Rn. 10 (etwas abgeschwächt jetzt in der Neubearbeitung 1979 Rn. 15). 10 Im Ergebnis ablehnend auch Schütz S. 90 und Stad.Zer S. 66.

§ 9. Speziell: die Ablehnung von Richtern des BVerfG

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2. Eine andere Meinung geht davon aus, daß im § 19 BVerfGG eine den §§ 47 ZPO, 29 StPO entsprechende Regelung fehlt, wonach ein abgelehnter Richter allenfalls noch unaufschiebbare Amtshandlungen vornehmen darf. Hieraus wird dann gefolgert, daß im Falle mehrerer Ablehnungen zugleich der einzelne Richter jeweils nur in seiner eigenen Sache an der Beratung und Mitentscheidung verhindert sei, nicht aber auch in Bezug auf die übrigen Ablehnungsgesuche (so das B VerfG selbst in den Entsch. vom 13. 5. 53 E 2, 296 ff. [298] , 298 f., 299 f., als in einem Verfahren 6 Richter des Ersten Senats gleichzeitig abgelehnt worden waren; im Anschluß an Geiger0 hat der Senat sich hier in der Weise beholfen, daß er die mehreren Ablehnungs­ gesuche nach den jeweils geltend gemachten Gründen in drei verschie­ dene Gruppen mit j eweils zwei Richtern aufteilte und über die ver­ schiedenen Gruppen j eweils getrennt entschied21) .

=

3. Lademann seinerseits schlägt vor, daß, weil eine Lösungsmöglich­ keit nach geltendem Recht nur innerhalb des jeweiligen Senats selbst gefunden werden könne, dann eben dieser Senat im Rahmen der ihm zustehenden Verfahrensautonomie einen geeigneten Ausweg finden müsse, um seine Funktionsfähigkeit auch in einer derartigen Situation zu bewahren22 • Dieser Vorschlag erscheint indessen ebenfalls nicht akzeptabel, weil bei aller Autonomie, die dem B VerfG im Prinzip durchaus zustehen mag23 , das Verfahren dann doch zu weitgehend in das freie Ermessen des j eweiligen Spruchkörpers gestellt wäre24 . 4. Während sich die bisher genannten Lösungsvorschläge unmittel­ bar auf die drohende Beschlußunfähigkeit beziehen, setzen zwei andere Ansichten, auf die in diesem Zusammenhang ebenfalls einzugehen ist, schon wesentlich früher und allgemeiner an, indem sie bereits die Ablehnungsmöglichkeit als solche einschränken und so die Erfolgs­ chancen etwaiger Ablehnungsgesuche von vornherein mindern. Im einzelnen werden hierfür zwei unterschiedliche Wege eingeschlagen: Die erste Ansicht will bei der Ablehnungsbefugnis ansetzen und diese im Vergleich zu den übrigen Verfahrensordnungen nachhaltig einschränken. Trotz an sich gegebener Besorgnis der Befangenheit auf Seiten eines Verfahrensbeteiligten soll eine - nach dem Wortlaut 20 BVerfGG § 19 Erl. 8. 21 Zust. hierzu Lechner, BVerfGG § 19 Erl. 6; Klein Rn. 1 0 ; Leibholz/ Rupprecht, BVerfGG § 1 9 Rn. 9 , 1 0 ; abl. Lademann, SchlHA 19 58, 2 27 und Wieczorek I1 § 45 ZPO Erl. A II (in der 2. Aufl. Erl. A II a 2 jetzt nicht mehr so explizit). 22 S. 2 27 f. (s. vorstehende Fußn.). 23 Vgl. z. B. BVerfG v. 31. 1. 52 = E 1, 109 ff. (11 0 f.); v. 8. 12. 5 2 = E 2 , 7 9 ff. (8 4); v. 11. 8.54 = E 4 , 31 ff. (36 f.). 24 Ablehnend auch Schütz S. 9 3 ff.

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I. Teil, 1. Abschn.: Begriff und Kriterien der Parteilichkeit

des § 19 BVerfGG selbst an sich wohl durchaus zu bej ahende - Ableh­ nungsbefugnis trotzdem ganz oder wenigstens teilweise zu verneinen sein, wenn es sich um ein sog. ,,abstraktes" oder auch -,,objektives" Verfahren vor dem Verfassungsgericht (insbesondere Normenkontroll­ verfahren) handelt25 • - Diese Einschränkung des Ablehnungsrechts bedeutet aber im Grunde nichts anderes, als daß hier ein Verfahrens­ beteiligter (i. w. S.) gezwungen werden soll, einen Richter hinzunehmen, obwohl er nach den Maßstäben des sonstigen Verfahrensrechts an sich allen Anlaß haben mag, eine Befangenheit dieses Richters zu befürch­ ten, und obwohl dieser Besorgnis womöglich auch tatsächlich eine Befangenheit des Richters zugrunde liegt. Selbst wenn etwa das Nor­ menkontrollverfahren, an das hier vorrangig zu denken ist, in erster Linie rein abstrakt nur die vorgelegte Norm als solche auf ihre Vereinbarkeit mit der Verfassung prüfen soll, so ist es doch keineswegs allein wegen dieser „Abstraktheit" des Verfahrens von vornherein völlig ausgeschlossen, daß der betr. Richter sich hierbei auch mit von dem besonderen Moment bestimmen läßt, das ihn aus den geltend gemachten Gründen befangen erscheinen läßt, daß er sich also bei der Entscheidungsfindung im Einzelfall doch auch gerade von der Rücksicht auf irgendwelche persönlichen oder sachlichen Momente bestimmen läßt, die an sich für die Bewertung der fraglichen Norm keine Rolle spielen dürften. Vertretbar - und vielleicht sogar nahe­ liegend - mag es allenfalls sein, in einem solchen Fall besonders eingehend zu prüfen, ob der betr. Verfahrensbeteiligte auch tatsäch­ lich begründeten Anlaß hat, der Richter werde sich gerade in diesem abstrakten Verfahren von derartigen unsachlichen Gesichtspunkten bestimmen lassen. Untragbar erscheint es demgegenüber, ein dahin­ gehendes möglicherweise begründetes Mißtrauen schon von vornherein einfach als unbeachtlich übergehen zu wollen26 • 5. Noch weiter geht schließlich eine andere Ansicht, welche die Ablehnungsmöglichkeit mit Hilfe eines gegenüber dem sonstigen Ver­ fahrensrecht wesentlich strengeren Maßstabes bei der Beurteilung von Ablehnungsgesuchen einengen will. Für diesen Weg hat das BVerfG 25 Vgl. hierzu bejahend, wenn auch im einzelnen mit unterschiedlicher Be­ gründung, insbes. Friesenhahn, Anm. JZ 19 66 , 707 f.; Zwirner, AöR Bd. 93 (196 8), 100, 133 f.; Leibholz/Rupprecht Rn. 5; Rupprecht, NJ W 197 1 , 2 249 ff. (gegen Sälzer, NJW 197 1, 1204 ff.); in diesem Sinne neuerdings auch das B VerfG im Beschl. v. 6 .4. 7 6 (Ablehnung Dr. Zeidler) = E 42 , 90 f. (9 1), ebenso im 2 . Beschluß vom selben Tage (Ablehnung Dr. Geiger) = KJ 197 6 , 311 ff. (3 14), nach früheren Ansätzen in dieser Richtung im Beschl. v. 2 . 10. 5 1 = BVerfGE 1, 66 ff. (6 8); inzwischen ausdrücklich bestätigt in der Entsch. vom 5 . 10. 77 = E46 ,34 ff. (3 6 , unter 11.2 .a), betr. Ablehnung Richter Hirsch). 26 Im Ergebnis ebenfalls ablehnend Schütz, Ablehnung S. 9 8 ff., Knöpfle, BVerfG-Festgabe I S. 160 sowie Stadler, Neutralität S. 49 ff.; teilweise abl. auch Maunz/Sigloch/Schmidt-B leibtreu/Klein, BVerfGG § 19 Rn. 10 (Neube­ arbeitung).

§ 9. Speziell: die Ablehnung von Richtern des BVerfG

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sich inzwischen entschieden, nachdem es ihn in den Leihholz-Beschlüs­ sen zunächst noch ausdrücklich für nicht gangbar erklärt hatte27 ; in den Entsch. vom 7. 10. 77 (Ablehnung Richter Hirsch) sowie vom 2. 1 . 78 (Ausschließung Richter Träger) wird diese Auffassung jetzt bereits als „ständige Rechtsprechung des B VerfG" gekennzeichnet28 • - Vom Ansatz her mag dabei das Argument, der Verfassungsgerichtsprozeß erfordere auf Grund seines besonderen Charakters einen strengeren Beurteilungsmaßstab für Ablehnungsgesuche als das sonstige Verfah­ rensrecht, nicht einmal so ohne weiteres von der Hand zu weisen sein, gerade weil hier dem politischen Moment regelmäßig eine so gesteigerte Bedeutung zukommt. Die bisher zur Begründung dieses strengeren Maßstabes vorgetragenen Argumente29 vermögen indessen noch in keiner Weise zu überzeugen30 • Soweit hierfür nicht lediglich das im konkreten Fall wenig hilfreiche Argument angeführt wird, im Verfassungsgerichtsprozeß müsse von den Beteiligten eben in erhöhtem Maße Vertrauen in die Unparteilich­ keit der Richter erwartet werden, und wenn man daneben einmal beiseite läßt, daß die geltend gemachte Besorgnis j a letztlich nichts anderes bedeutet, als daß die hier hereinspielende Befangenheit sich ja gerade auch auf den Inhalt der Entscheidung auswirken und deren Richtigkeit verfälschen könne, - dann „rückt" hier, wie Friesenhahn zutreffend bemerkt hat, die jeweils zur Begründung herangezogene „Eigenart der Verfassungsgerichtsbarkeit . . . zwingend das Problem der ,Unparteilichkeit' des Richters" (als solcher) ,,in ein besonderes Licht" 31 • Indessen wird gerade der politischen Dimension, obwohl sie doch dem Verfassungsgerichtsprozeß in besonderem Maße eigen ist und Vgl. hierzu die Beschl. v. 2. 3. 66 = E 20, 1 ff. (8 f.) sowie v. 3. 3. 66 = E 20, f.) einerseits und andererseits - nach einer ersten Hinwendung zu einem strengeren Maßstab in der Entsch. v. 25. 1. 72 = E 32, 288 ff. (290 f.) die ausdrückliche Bej ahung eines strengeren Maßstabs im 1 . Rottmann-Be­ schluß v. 29. 5. 73 = E 35, 171 ff. (172 ff.), während dann der 2. Rottmann-Be­ schluß v. 16. 6. 73 = E 35, 246 ff. (251 ff.) zwar verbal an den im 1. Rottmann­ Beschluß aufgestellten Grundsätzen festhält (S. 251), in der Sache selbst aber wohl nicht mehr. Im Beschluß vom 7. 12. 76 = E 43, 126 ff. (127 f., Selbstableh­ nung Präsident Dr. Benda) wird dann freilich die Notwendigkeit eines spe­ ziellen „strengen Maßstabs" für Verfahren vor dem BVerfG erneut hervor­ gehoben. 28 E 46, 14 ff. (16, unter 111.1) und E 47, 105 ff. (107 f.). 29 Vgl. insbes. die Begründung des 1. Rottmann-Beschlusses (v. 29. 5. 73 = BVerfGE 35, 171 ff.). 80 Zust. zur neueren Rspr. des BVerfG insbes. Häberle, JZ 1973, 45 1 ff.; abl. die Abw. Meinung des Richters Wand zum 1. Rottmann-Beschluß (ebd. S. 175 ff.); ferner Schumann, JZ 1973, 484 ff. (insbes. 488 f.) ; Schäfer, Bay­ VerwBl. 1973, 477 f.; Ridder, Demokratie und Recht 1973, 239 ff.; sowie Schütz S. 77 ff. Zust. jetzt wohl auch Maunz/Sigloch/Schmidt-Bleibtreu/Klein, BVerf­ GG § 19 Rn. 1 - 3 (Neubearbeitung 1979) . 31 JZ 1966, 704 ff. (706). 27

9 ff. (17

I. Teil, 1. Abschn.: Begriff und Kriterien der Parteilichkeit

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ihm weitgehend sein besonderes Gepräge gibt, in der bisherigen ein­ schlägigen Diskussion großenteils zu wenig Rechnung getragen32 • Dabei führt doch eben dieser Aspekt sogleich zu der Frage, in welchem Verhältnis eigentlich das politische Moment im richterlichen Handeln überhaupt zum Begriff der „Befangenheit" steht. Wie Zwirner be­ merkt33 , war man sich freilich schon seinerzeit bei den Beratungen zum BVerfGG „der besonderen verfahrensrechtlichen zusammenhänge, in die die Richterablehnung übernommen wurde" , nicht, jedenfalls nicht ausreichend bewußt34 • IV. Wenn man sich vor Augen führt, daß die soeben dargestellten Versuche, die Ablehnungsmöglichkeit in Verfahren vor dem B VerfG derart nachhaltig einzuschränken, erklärtermaßen letztlich allein dem Ziel dienen zu verhindern, daß dieses Gericht infolge mehrerer gleich­ zeitiger erfolgreicher Ablehnungen beschlußunfähig wird35 , dann muß es um zweierlei gehen: Zum einen muß weit stärker als bisher bewußt gemacht werden, daß das vorhin im einzelnen erörterte subjektiv-personale Element im richterlichen Handeln, soweit es bereits in der Struktur der Rechts­ anwendung selbst notwendig mit angelegt ist, zwar mit der „Partei­ lichkeit" sachlich eng verwandt ist und daß diese Nähe gerade bei der politischen und weltanschaulichen Einstellung des einzelnen Richters besonders evident wird, daß aber dieses strukturbedingte personale Element letztlich gerade nicht von dem prozessualen Begriff der Par­ teilichkeit oder Befangenheit mit umfaßt wird. 32

Am deutlichsten in dieser Richtung bisher wohl Zwirner, AöR Bd. 93

(1968), 132 f. 83 s. 132.

84 Vgl. den Mündl. Bericht des Abg. Dr. Wahl (CDU) in der 2. Beratung des Gesetzentwurfs (1. Wp. 112. Sitzung, 18. 1. 51 = Stenograph. Bericht S. 4224 [C] . wonach „die Vorlage . . . hier bewährten Vorbildern (folge)" . - Nach Lau/er, Verfassungsgerichtsbarkeit S. 52 und passim hatte schon der Parla­ mentarische Rat nur mangelhafte Vorstellungen über die spezifische Stellung und Funktion des BVerfG im Verfassungsgefüge. 85 In diesem Zusammenhang ist auch eine Inkonsequenz zu sehen, die sich im Anschluß an die vorstehend im Text zu 111.4 und 5 wiedergegebenen An­ sichten geradezu aufdrängt: Wenn nämlich der „abstrakte" oder auch „ob­ jektive" Charakter gewisser Verfahrensarten vor dem Verfassungsgericht die Ablehnungsmöglichkeit in der angegebenen Weise nachhaltig einschränken soll, - müßte dies dann nicht eigentlich sinngemäß insbesondere auch für das j a ebenfalls abstrakte Normenkontrollverfahren vor dem OVG/VGH nach § 47 VwGO sowie für sonstige abstrakte Verfahren (vor den Großen und den Vereinigten Großen Senaten sowie vor dem Gemeinsamen Senat der Ober­ sten Bundesgerichte) gelten? Diese an sich naheliegende Konsequenz scheint bisher, soweit ersichtlich, überhaupt nicht beachtet zu werden, - vermutlich, weil die jeweiligen Richter hier ja nicht wie beim BVerfG unauswechselbar sind und deshalb von vornherein gar kein Anlaß dazu besteht, zur Abwen­ dung einer sonst drohenden Beschlußunfähigkeit die Möglichkeit der Richter­ ablehnung wie beim BVerfG beschränken zu wollen.

§

9. Speziell: die Ablehnung von Richtern des BVerfG

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Zum anderen gilt es daneben aber auch, das genannte „Gespenst der Beschlußunfähigkeit" de lege ferenda durch eine entsprechende Änderung der Verfassung des B VerfG zu „bannen" . Dann nämlich wird von selbst das Bedürfnis entfallen, durch mehr oder weniger gekünstelte Konstruktionen zu bewerkstelligen, daß ein möglicherweise oder sogar tatsächlich befangener Richter nur deshalb weiterhin am Verfahren mitwirken darf, damit der - in der Tat kaum wünschens­ werte - Fall ferngehalten wird, daß sonst eines Tages das Gericht in einer Sache nicht mehr beschlußfähig sein könnte88 • Die Lösung darf nun allerdings nicht etwa darin bestehen, in An­ lehnung an die Regelung des österreichischen Verfassungsgerichtshof­ gesetzes37 künftig nur mehr die Richterausschließung vorsehen und das Institut der einfachen Richterablehnung wegen Besorgnis der Befan­ genheit daneben schlechthin abschaffen zu wollen, wie es nach den Leihholz-Beschlüssen des B VerfG etwa Zwirner in Erwägung gezogen 1;iat38 • Daß ein solcher Weg nicht gangbar ist, wird später noch im einzelnen zu begründen sein39 . Eine einigermaßen befriedigende Lösung in dem hier angesproche­ nen Dilemma wird sich stattdessen wohl nur in der Weise finden lassen, daß die bisherige streng persongebundene Verfassung des Gerichts mit den zwei gegeneinander völlig getrennten und selbstän­ digen Spruchkörpern wenigstens für den Fall drohender Beschluß­ unfähigkeit etwas aufgelockert und gemildert wird. Ganz in diesem Sinne wird denn auch wiederholt gefordert, wenn schon an der Kon­ struktion als Zwillingsgericht festgehalten werden solle, dann aber doch künftig wenigstens in einem gewissen Rahmen eine wechselseitige Vertretung von Senat zu Senat vorzusehen40 , - wie ja überhaupt die Verfassung des B Ver/G von Anfang an ein zentraler Diskussions­ punkt gewesen ist. Zwar würde mit der Einführung einer solchen 38 Ebenso Schütz, Ablehnung S. 101 ff. und Stadler, Neutralität S. 35 f., 66 ff. 37 S. § 12 dieses Gesetzes (der Wortlaut dieserVorschrift ist wiedergege­ ben bei Schütz S. 97 Fußn. 1 ; vgl. auch den diesbezüglichen Hinweis in der Entsch. BVerfGE 46, 34 ff. [38 f.] ). 3 8 AöR Bd. 93 (1968), 132 ff.; Andeutungen in dieser Richtung auch in der Rez. von H. H. Rupp in NJW 1974, 1807. Gegen derartige Bestrebungen nach­ drücklich auch Schütz S. 97 ff. und Stadler S. 36 f. - Dazu, daß in Österreich neuerdings doch gefordert wird, das Ablehnungsrecht auch für den Verfas­ sungsgerichtsprozeß einzuführen, s. Klecatsky in FS. WiUi Geiger S. 941 und zuvor in ÖJZ 1973, 118. s, s. u. §§ 35, 47.IV.3 und 51. 40 Vgl. in diesem Sinne etwa Friesenhahn, Anm. JZ 1966, 706 (Fußn. 3); Schäfer, BayVerwBI. 1973, 478; Ridder, Demokratie und Recht 1973, 240 Fußn. 8; Häberle, JZ 1973, 454 Fußn. 16 a. E.; Zuck, ZRP 1973, 238; Knöpfte, BVerfG-Festgabe I S. 146 Fußn. 20, 151, 157 f.; und besonders eingehend hier­ zu die Ausführungen bei Schütz S. 102 ff., insbes. S. 105 ff., sowie bei Stadler s. 35 f., 66 ff.

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I. Teil, 1. Abschn. : Begriff und Kriterien der Parteilichkeit

Vertretungsregelung die bisherige streng persongebundene Struktur des Gerichts, die das zentrale Anliegen der derzeitigen Verfassung des B VerfG ist, jedenfalls in einem Teilbereich aufgegeben. Darüber hin­ aus könnte eine solchen Regelung die Verfahrensbeteiligten erst recht zu dem Versuch anreizen, durch Ablehnung die Besetzung der Richter­ bank manipulieren zu wollen41 • Dafür wäre aber doch wenigstens das Gespenst der drohenden Beschlußunfähigkeit gebannt, dem heute ein derart hoher Tribut gezollt wird: diesem Ziel zuliebe sollten die genannten etwaigen Einbußen und Nachteile, die mit der Einführung einer sei es auch nur partiellen Vertretungsregelung verknüpft wären, durchaus in Kauf genommen werden! 42

§ 10. E. Das Unsachlichkeits-Kriterium allgemein 1. In den vorstehenden §§ 6 - 9 ist von dem persönlichen Moment im richterlichen Handeln bisher im wesentlichen nur insoweit die Rede gewesen, . als es von vornherein in der Struktur der Rechtsan­ wendung selbst mit angelegt ist, also nur insoweit, als der Richter bei der Rechtsanwendung im Einzelfall notwendig auch auf seine persönliche Wertung zurückgreifen muß. Während es dabei in den §§ 6 und 7 zunächst allgemein auf die Abgren­ zung dieses strukturbedingten personalen Moments gegenüber der „Partei­ lichkeit" im prozessualen Sinne ankommen mußte, waren anschließend in den §§ 8 und 9 zwei spezielle Aspekte näher anzusprechen, die in diesem Zusam­ menhang für die gerichtliche Praxis eine besonders wichtige Rolle spielen. Daneben kann das Handeln des Richters aber auch sonst Einflüssen aus seiner persönlichen Sphäre ausgesetzt sein, ohne daß dieser sub­ jektive „Einschlag" dabei schon derart in der Rechtsanwendung selbst mit angelegt wäre, daß es bei jedem Richter in einer solchen Situation hereinspielen würde. D amit ist nun aber auch wiederum nicht gesagt, daß derartige subjektive Momente stets in der Weise wirken müßten, daß hierdurch ein Prozeßbeteiligter benachteiligt oder bevorzugt wird. Es läßt sich ja durchaus vorstellen, daß irgendwelche Eigenschaften und Einstel­ lungen des Richters zwar die konkrete Art, wie er einen Prozeß führt, beeinflussen, daß dies aber trotzdem für die Position des ein­ zelnen Prozeßbeteiligten im hier interessierenden Sinn irrelevant, indifferent ist. Von Ausnahmen abgesehen, die hier beiseite gelassen seien, wird dieser Satz etwa für den individuellen Stil der Verhandlungsführung zu gelten u Knöpfte S. 158. 42 Wegen der Detailvorschläge für ein solch� Regelung kann inzwischen auf die Ausführungen vor allem von Stadler S. 66 ff. verwiesen werden.

§ 10. Das Unsachlichkeits-Kriterium allgemein

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haben, den der einzelne Richter pflegt: ob z. B. straff, lässig oder schwach, ob autoritär oder kooperativ usw. Andererseits kann die subjektive Einstellung des Richters sich aber gerade auch so äußern, daß er den jeweiligen Prozeßbeteiligten in tatsächlicher oder rechtlicher Hinsicht zurücksetzt und damit im Er­ gebnis benachteiligt, ohne daß dies durch die Konstellation des Falles eigentlich gerechtfertigt ist. Man denke z. B. daran, daß Antipathie oder Vorurteil des Richters gegen­ über einem Prozeßbeteiligten eine entsprechende Intensität erreichen und ihn in seinem Verhalten gegenüber diesem Prozeßbeteiligten leiten. Solche subjektiven Momente, die in der beschriebenen Weise nur im Einzelfall einmal hinzutreten und den Gang und das Ergebnis des Verfahrens beeinflussen, führen also nur möglicherweise zur Parteilichkeit; eine notwendige Folge ist dies jedoch nicht. Allein ihr Fehlen oder Vorliegen ist demnach noch kein geeignetes Kriterium dafür, ob der Richter als befangen anzusehen ist oder nicht. Sie mögen im Einzelfall die „Herkunft" einer etwaigen Befangenheit erklären, aber sie legen nicht etwa schon durch ihre bloße Existenz fest, ob in diesem Fall eine Befangenheit gegeben ist oder nicht. Auch insoweit ist vielmehr im Sinne der bisher entwickelten Formel ganz allgemein zunächst einmal darauf abzustellen, ob der Richter in dem jeweiligen Verfahren einen Prozeßbeteiligten bevorzugt oder benachteiligt oder ob er immerhin dahin tendiert, dies zu tun; und sofern diese Frage zu bej ahen ist, kommt es weiter darauf an, ob diese Bevorzugung oder Benachteiligung von der Sache selbst her gerecht­ fertigt ist, oder aber, ob der Grund hierfür außerhalb liegt und damit ,,unsachlich" = ,,sach-fremd" ist. II. Woran läßt sich nun aber messen, ob der Richter im Einzelfall ein derartiges „sach-fremdes" Moment in die Behandlung der Sache mit einfließen läßt, die dann zumindest der Tendenz nach auf eine ungerechtfertigte Bevorzugung oder Benachteiligung eines Prozeßbe­ teiligten hinausläuft? 1. Zunächst mag hier vielleicht der Gedanke naheliegen, darauf abzustellen, ob ein anderer Richter den Fall anders behandeln würde. Dieser Gedanke muß aber sogleich wieder fallengelassen werden, weil er völlig die zuvor eingehend besprochene strukturbedingte personale Komponente im richterlichen Handeln vernachlässigt: Denn diese äußert sich ja gerade darin, daß verschiedene Richter ein und denselben Fall auf der Basis derselben Normen trotzdem u. U. verschiedenartig behandeln können, ohne daß insoweit aber, wie oben ausgeführt, von einer „Befangenheit" die Rede sein soll. 2. Die erforderliche Abgrenzung muß vielmehr bei dem jeweiligen Richter selbst ansetzen. Wenn es auf dem Hintergrund des Gleichheits-

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1. Teil, 1. Abschn.: Begriff und Kriterien der Parteilichkeit

satzes darum geht zu beurteilen, ob das Handeln eines Richters gegen das Gebot der Rechtsanwendungsgleichheit verstößt oder nicht, darf in dem hier interessierenden Rahmen allein auf das Handeln dieses einzelnen Richters selbst abgestellt werden. Als einzelner Richter steht er dabei ja gleichfalls unter jenem Gebot: ,,Mindestens sein Richten" soll „Gleiches mit gleichem Maß messen" (Dürig1 ) . Auf dieser Basis ergibt sich ein Vergleichsmaßstab i n zweifacher Richtung: Zum ersten ist festzustellen, ob der Richter die Beteiligten innerhalb desselben Verfahrens, soweit von der Sache her geboten, gleich behandelt oder ob er womöglich - und sei es auch nur der Tendenz nach - einen Beteiligten zugunsten eines anderen benach­ teiligt. Und falls sich eine dahingehende Bevorzugung oder Benachtei­ ligung nicht feststellen läßt, bleibt immer noch zu prüfen, ob der Richter die Beteiligten des konkreten Verfahrens womöglich im Ver­ hältnis zu einem gleichgelagerten anderen Verfahren ungerechtfertigt ungleich behandelt.

III. Auf diesem Hintergrund läßt sich nunmehr im Anschluß an die zuvor herausgearbeitete Abgrenzungsformel für das strukturbe­ dingte personale Moment im richterlichen Handeln folgende allgemeine Formel für das Kriterium der „ Unsachlichkeit" aufstellen: Ein subjektives Moment im Handeln des einzelnen Richters ist im Sinne der Parteilichkeit dann als „unsachlich" , ,,sach-fremd" anzuse­ hen, wenn es hinweggedacht werden kann als etwas, das nicht schon in der Struktur der Rechtsanwendung als solcher mit angelegt ist, das vielmehr erst im Einzelfall in der Person des jeweiligen Richters ge­ wissermaßen nur „zufällig" hinzutritt; es muß also ebensogut auch fehlen können, ohne daß hierdurch der Fall als solcher einschließlich der hiermit verknüpften sachbezogenen Rechtsanwendung inhaltlich verändert wird. § 11. Die Fallbezogenheit als zusätzliches Kriterium der Parteilichkeit. A. Ausgrenzung der Fallgruppe der Nichteignung des Richters

Aus der soeben aufgestellten „Unsachlichkeits"-Formel folgt, daß gewisse subjektive Momente, die aus der Person des einzelnen Richters in sein Handeln mit einfließen, von vornherein nicht unter den hier zugrunde gelegten Begriff von „Parteilichkeit" fallen, auch ohne daß sie im Sinne der vorhin entwickelten Abgrenzungsformel in der Struk­ tur der Rechtsanwendung notwendig mit angelegt sind. 1

MD Art. 3 I GG Rn. 412.

§11. Fallbezogenheit und generelle Nichteignung des Richters

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Gemeint sind hier Fälle etwa derart, daß das Handeln des Richters durch ein leicht erregbares Temperament bestimmt wird 1 oder daß seine Verhandlungsführung allgemein unwirsch, ungeduldig oder arro­ gant ist. Ein solcher Verhandlungsstil rührt durchaus aus der subjek­ tiven Einstellung des jeweiligen Richters zu seinem Amt. Jedoch fehlt es hier ersichtlich an dem eben erwähnten Moment des Akzidentiellen in dem Sinne, daß es nur ausnahmsweise einmal im Einzelfall hinzu­ tritt, während es ansonsten regelmäßig gerade fehlt. Im Gegenteil : Ausgangspunkt ist hier j a gerade, daß dieses Moment bei dem betr. Richter durchgängig vorliegt, daß es die Regel ist. Damit ist hier der weite Bereich der Nichteignung des Richters angesprochen, für dessen Verständnis im hier interessierenden Zu­ sammenhang die Entstehungsgeschichte der einschlägigen Normen besonders aufschlußreich ist: Neben dem Komplex der „Verdächtig­ keit" des Richters (,,judex suspectus") wurde nämlich in der Literatur bis ins 19. Jht. hinein meist nur der einheitliche Komplex der „Fähig­ keit zum Richteramt" (negativ: ,,judex inhabilis") behandelt'. In der 1. Hälfte des 19. Jht.s wurde dann jedoch mit dem zunehmenden Ausbau des modernen Gerichtsverfassungsrechts innerhalb der „Er­ fordernisse zum Richteramt" weiter differenziert und seither zwischen der „absoluten Unfähigkeit" des Richters einerseits und seiner nur „relativen Unfähigkeit" andererseits unterschieden; und zwar sollte sich diese Unterscheidung gerade danach richten, ob die Unfähigkeit genereller Art und damit eine Frage der Eignung überhaupt war oder aber sich lediglich aus der Beziehung des Richters gerade zu dem konkreten Fall ergab3• Der Sache nach liegt diese Unterscheidung auch dem heutigen Prozeßrecht zugrunde4 , wie es aus den Reichs­ justizgesetzen von 1877 hervorgegangen ist: Dabei wird heute über­ haupt nur noch der Komplex der relativen Unfähigkeit (= heutige Richterausschließung) zusammen mit der Verdächtigkeit des Richters (= heutige Ablehnung wegen Besorgnis der Befangenheit) im Rahmen des Prozeßrechts behandelt, während die absolute (Un-)Fähigkeit des 1 Vgl. das Beispiel von Arzt, Strafrichter S.11 mit Fußn.1 5 (,,aufbrausende Heftigkeit" ). 1 Auf detaillierte Nachweise muß im vorl. Zusammenhang verzichtet wer­ den; vgl. statt aller zum gemeinen Zivilprozeß Danz/Gönner, Grundsäze [1806 ] § 24 = S. 58 ff. und Brackenhoeft, Erörterungen (1842 ] § 7 9 = S. 1 98 ff. Zur diesbezüglichen Terminologie und Systematik des gemeinen Prozeßrechts im 1 9. J h. vgl. im übrigen noch die Ausführungen unten in §§ 46.IV und 47 .III. 8 Vgl. z. B. am Ende der Periode des gemeinen Zivilprozesses in dieser Richtung besonders deutlich Renaud, LB [1 873] §§ 13, 14 = S.39 ff. und am Ende der Periode des Inquisitionsprozesses Müller, LB [1837 ] §§ 46 , 47 = s. 78 ff. 4 Vgl. hierzu in aller Kürze StJ-Leipold, Vorb. 1 vor § 41 ZPO.

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I. Teil, 1. Abschn.: B egriff und Kriterien der Parteilichkeit

Richters, völlig losgelöst davon, vorrangig in GVG und DRiG geregelt ist. Und auch nur in jenem prozessualen Bereich hat die Parteilichkeit ihren originären Standort. Dieser Satz ist im Prinzip eigentlich unbe­ stritten5 . Kontrovers ist im Grund allein die davon verschiedene Frage, ob ein ungeeigneter Richter, obwohl nur seine generelle Befähigung zum Richteramt, nicht aber speziell seine Unparteilichkeit bezweifelt wird, trotzdem mit Hilfe eben des Instituts der Richterablehnung wegen Besorgnis der Befangenheit präventiv aus dem Verfahren ausgeschlossen werden kann; und auch dies nur deswegen, weil andere präventiv wirkende effiziente Rechtsbehelfe nach geltendem Recht nicht zur Verfügung stehen. Wenn dem aber so ist, dann ist hier in dieser Untersuchung, die speziell der Materie der Parteilichkeit als solcher gewidmet ist, nicht der richtige Ort, auf diese alte6 Streitfrage näher einzugehen.

§ 12. B. Ausgrenzung des nur „allgemeinen Interesses" des Richters 1. Bei der hier vorgenommenen Ab- und Ausgrenzung geht es nun aber nicht allein darum, solche Umstände als potentielle Ablehnungs­ gründe auszuscheiden, die „nicht auf den konkreten Fall zugeschnitten, sondern verallgemeinerungsfähig" sind in dem Sinne, daß, wenn einer Ablehnung mit einer dahingehenden Begründung stattzugeben wäre, ,,der Richter für eine erneute Ablehnung mit gleicher Begrün­ dung" in einem anderen Verfahren „verwundbar gemacht" und damit ,,praktisch aus dem Amt entfernt" würde'. Daneben ist hier vielmehr auch an eine ganz anders geartete Fallkon­ stellation zu denken; soll etwa in folgenden Fällen der j eweilige Richter gerade wegen (Besorgnis der) Befangenheit abgelehnt werden können?

(1) In einem Rechtsstreit vor dem Finanzgericht geht es darum, ob (oder auch: in welcher Höhe) dem Kläger eine B ausparprämie für Bausparleistun­ gen zusteht. Für den zuständigen Richter sei nun der Ausgang dieses Rechts­ streits auch von persönlichem Interesse, weil er neuerdings ebenfalls Bau­ sparer ist und sich zufällig in der gleichen tatsächlichen Situation wie der klagende Bausparer befindet: Sieg oder Niederlage des Klägers werden sich

5 In diesem Ansatz übereinstimmend an sich gerade auch Arzt, Strafrich­ ter S. 10 ff., der dann aber trotzdem in bestimmten Fällen die Anwendbar­ keit der Ablehnungsvorschriften bejahen will (S. 101 ff.) ; ihm folgend Ernst, Ablehnung S. 2 17 f.; ablehnend demgegenüber Stemmler, Befangenheit s. 241 ff. 8 Man vgl etwa die kontroverse Behandlung in der gemeinrechtlichen Literatur des 19. Jh.s. 1 Arzt, Strafrichter S. 1 1.

§ 12. Fallbezogenheit und „allgemeines Interesse" des Richters

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zumindest mittelbar auch für den Richter, je nachdem, günstig oder ungünstig für seine eigene Position gegenüber dem Finanzamt auswirken. (2) Der Richter soll im Rechtsstreit eines Kollegen oder auch eines Beamten gegen dessen Dienstherrn über eine Rechtsfrage etwa des Nebentätigkeits­ ader des Beihilfenrechts befinden, durch die auch sein eigener richterrecht­ licher Status berührt wird, weil die Frage auch für ihn persönlich von Belang ist; oder, noch pointierter: der Richter soll im Rechtsstreit eines Kollegen eine grundsätzliche Frage der Richterbesoldung entscheiden. (3 ) In einem anderen Verfahren mag es darum gehen, daß ein Wohnungs­ eigentümer einem anderen Wohnungseigentümer dessen angeblich im Über­ maß betriebenes Klavierspiel untersagen lassen will; und es trifft sich nun so, daß entweder ein Richter für diesen Rechtsstreit zuständig ist, in dessen eigenem Haushalt ebenfalls gern und ausgiebig musiziert wird, oder aber im Gegenteil gerade ein Richter, der sich zu Hause ebenfalls durch Hausmusik eines Nachbarn belästigt fühlt. (4 ) Schließlich gehört hierher auch der Fall, daß im konkreten Verfahren nicht einfach die persönliche politische Einstellung des Richters überhaupt mit angesprochen wird, daß hier vielmehr etwa die Tatsache hinzukommt, daß der Richter Mitglied eben der politischen Partei ist, um deren Belange es in dem betr. Verfahren geht, oder daß er gerade einer rivalisierenden Partei angehört. Als selbstverständlich sei in allen diesen Beispielsfällen vorausge­ setzt, daß die Entscheidung, die der Richter zu treffen hat, nicht von vornherein inhaltlich völlig gebunden ist, daß vielmehr bei der Auslegung der einschlägigen Rechtsnormen oder auch sonst bei der Subsumtion ein gewisser Spielraum besteht, innerhalb dessen der Richter dann so oder so entscheiden kann. Auf diesem Hintergrund ist dann allen Beispielen gemeinsam, daß der j eweilige Richter der angesprochenen Sache ein erhöhtes persönliches Interesse entgegen­ bringen wird, weil der Ausgang der Sache zumindest mittelbar auch für die Gestaltung seiner eigenen rechtlichen Situation bedeutsam ist und weil es der Richter selbst in der Hand hat, durch seine Ent­ scheidung den Ausgang der anhängigen Sache zu bestimmen. II. Damit liegt die Nähe dieser Fallkonstellation zu dem „eigenen persönlichen Interesse des Richters" auf der Hand, das nachher im ,,Besonderen Teil" gerade als ein sogar klassischer Fall der Partei­ lichkeit behandelt werden wird2 • Diese letztere Fallgruppe zeichnet sich nun anerkanntermaßen durch die besondere Beziehung aus, in welcher der Richter dort zu dem jeweiligen Verfahren stehen muß : eingegrenzt ist sie nämlich auf solche Konstellationen, in denen der Richter, sei es formell oder doch wenigstens materiell, in das konkrete Verfahren selbst als „Beteiligter" mit einbezogen ist. Eben davon kann in den hier gemeinten Fällen indessen nicht die Rede sein: In diesem engen Sinne ist der Richter hier mit dem konkreten Verfahren gerade nicht verbunden; sein Interesse resultiert nicht aus einer derart kon1

s. u. § 19.

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I. Teil, 1. Abschn.: Begriff und Kriterien der Parteilichkeit

kreten persönlichen Beziehung gerade zu dem anstehenden Fall, sondern ist, wie man sagt, allgemeinerer Art (sog. allgemeines Inter­ esse). 1. Wenn insoweit eine „Parteilichkeit" oder jedenfalls vom Ergebnis her eine Ablehnungsmöglichkeit bekanntlich grundsätzlich verneint wird, so liegt dieser Auffassung in einem Teil der Fälle der Gedanke zugrunde, daß es hier entweder überhaupt keinen oder doch kaum einen Richter geben wird, der durch den vorgelegten Fall nicht zu­ mindest mittelbar mehr oder weniger auch in seinen persönlichen Belangen angesprochen und berührt würde: Der konkrete Fall wäre deshalb nicht oder doch kaum judiziabel, weil entweder alle mit ihm befaßten Richter als persönlich interessiert und damit als befangen abgelehnt werden könnten oder doch jedenfalls von vornherein eine zu große Zahl derjenigen Richter, die nach der Zuständigkeitsordnung zur Mitwirkung in diesem Falle berufen sind. Hier würde das Institut der Richterablehnung, das ja nach seiner Ausgestaltung im Prozeß­ recht ersichtlich auf die Regelung eines Ausnahmefalls zugeschnitten ist, infolge eines zu weit gefaßten Parteilichkeits-Begriffs geradezu in sein Gegenteil verkehrt: die als Ausnahme vorgestellte Konstellation würde zum Regelfall erhoben. Zu denken ist dabei primär an diejenigen Fälle, in denen der ein­ zelne Richter durch den konkreten Fall geradezu zwangsläufig auch in seinen eigenen Belangen tangiert wird und deshalb am Ausgang des Verfahrens besonderen Anteil nimmt: gemeint sind diejenigen Fälle, in denen auch der Richter selbst praktisch immer eben den ,,Status" innehat, um den es in der gerade anstehenden Sache geht, so daß er vom Ausgang der Sache jedenfalls mittelbar auch persön­ lich berührt wird. So vor allem in den Fällen, in denen der Richter etwa über eine Frage der Richterbesoldung3 oder sonst über eine richterrechtliche oder auch über eine beamtenrechtliche Frage, die auch für Richter relevant ist, zu befinden hat, - vorausgesetzt natürlich, daß es sich nicht gerade um eine ganz spezielle Angelegenheit handelt, von der sich nicht derart sagen läßt, daß sie praktisch für alle Richter und damit auch für den konkret mit der Sache befaßten Rich­ ter von Belang sei. Auch hier liegt die Problematik gewissermaßen schon in der Gerichtsverfassung selbst begründet (s. die gleichlautende Argumentation oben in § 7 .14). Sinngemäß hat dies daneben etwa auch für Fragen des Einkommensteuer­ und Lohnsteuerrechts zu gelten5 , sofern es sich nicht gerade um ausgespro8 Vgl. hierzu etwa den instruktiven Beitrag von Adam in JZ 1976, 589 zur „Klage der Bundesrichter der USA auf Gehaltserhöhung", in der gerade auch die hier erörterte Problematik angesprochen wird. ' Bei Fußn. 4. 5 Vgl. hierzu und zum Folgenden Maunz/Sigloch/Schmidt-Bleibtreu/Klein, § 18 BVerfGG Rn. 2 und 8 (Neubearbeitung) und Rn. 6 (Erstbearbeitung).

§ 1 2. Fallbezogenheit und „allgemeines Interesse" des Richters

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chene Sonderfälle handelt, die nicht derart von allgemeinem Interesse sind, daß sie auch den Richter als steuerpflichtigen mit berühren. Ferner zählen hierher etwa auch Fragen des Ehe- und Kindschaftsrechts, die ja mit einem familienrechtlichen Status einhergehen, wie er häufig oder sogar regelmäßig gerade auch dem mit der Sache befaßten Richter eigen ist8 • In diesen Fällen resultiert die gesteigerte persönliche Anteilnahme des Richters an der konkreten Sache aus einem bestimmten Status, den er mit einer Vielzahl von Personen teilt, so daß also alle, die eben diesen Status innehaben, von dem Verfahren zumindest mittelbar in gleicher Weise mit betroffen werden und es deshalb mit mehr oder weniger großem persönlichen Interesse verfolgen werden7 • 2. Daneben kommen nun aber auch Fälle in Betracht, in denen das mittelbare Mitbetroffensein des Richters nicht derart typisch oder zwangsläufig ist, daß es sich nicht auch wegdenken ließe: zu denken ist hier an solche Fälle, in denen der Richter sich nur im Einzelfall einmal, gewissermaßen „zufällig" , persönlich in einer ähnlichen oder sogar gleichen Situation wie ein „Beteiligter" des jetzigen Verfahrens befindet (oder auch befunden hat) und in denen er folglich geneigt sein wird, sich mit der Position dieses „Beteiligten" (oder gerade auch mit der Position von dessen Gegner) mehr oder weniger zu „identifizieren" und den Fall entsprechend „einseitig" im Sinne seines eigenen Interessenstandpunktes zu behandeln. In diesen Fällen ist der Umstand, daß der Richter durch das Verfahren auch persönlich berührt wird, nicht derart zwangsläufig oder auch nur typisch, daß er sich nicht auch einfach wegdenken ließe. Denn wenn man einmal die eingangs genannten Beispielsfälle (s. o. zu I.) nimmt, so läßt sich ja ohne weiteres vorstellen, daß für den betr. Fall statt des genannten Richters ebensogut auch ein anderer Richter zuständig sein könnte, der selbst nicht auch Bausparer ist, der in bestimmter Richtung nicht auf Beihilfen angewiesen ist, der keine Nebentätigkeit neben seinem Richter­ amt ausübt oder der nicht in puncto Hausmusik derart „engagiert" oder ge­ rade auch „sensibilisiert" ist. In gleicher Weise kommt es daneben auf die Person des einzelnen Richters an, ob er etwa mit einer gleichgelagerten An­ gelegenheit auch persönlich konfrontiert ist oder war, z. B. mit einer bau­ rechtlichen oder vielleicht auch mit einer haftungs- oder versicherungsrecht­ lichen Frage ... 8 Vgl. in diesem Zusammenhang außer dem Zitat oben § 7.I in Fußn. 4 auch die Entsch. des OLG Köln vom 23. 9. 71 = NJW 1 97 2, 91 1 f. zu der Rüge, daß an einer Entsch. über die Verteilung der elterlichen Gewalt bei Kindern weiblichen Geschlechts lediglich männliche Richter mitgewirkt hätten (dort allerdings nicht speziell unter dem Gesichtspunkt der Parteilichkeit, sondern der nicht vorschriftsmäßigen Besetzung der Richterbank - Grds. des gesetz­ lichen Richters -). 7 Im Anschluß an Adolf Arndt, DVBI. 1 952, 1 . Stadler, Neutralität S. 80 spricht hier im Hinblick auf § 1 8 II BVerfGG von einem „Gruppenbetroffen­ sein" i m Gegensatz zur „Sachbeteiligung" im Sinne des § 1 8 I Nr. 1 , 1. Alt. BVerfGG.

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I. Teil, 1. Abschn.: Begriff und Kriterien der Parteilichkeit

In diesen und vergleichbaren anderen Fällen handelt es sich letzt­ lich einfach darum, daß der Richter seine persönlichen Anschauungen, Wertvorstellungen, ideellen und materiellen Interessen wie auch seine Empfindlichkeiten in das jeweilige Verfahren mit einbringt und daß er sich dabei insbesondere auch nicht von der Tatsache freimachen kann, daß er j a seinerseits „mit seiner Umwelt in rechtlichen, tatsäch­ lichen und persönlichen Beziehungen" steht8, mit denen sich für ihn individuelle Vorstellungen, Empfindungen und Wertungen verbinden. Von da her wird er Fragen, mit denen er dienstlich befaßt wird und die auch für ihn persönlich derart bedeutsam sind, geradezu zwangs­ läufig eine größere Aufmerksamkeit und persönliche Anteilnahme ent­ gegenbringen als anderen Problemen, die ihn nicht derart persönlich berühren. Die Tendenz des Richters zu einer bestimmten Auffassung, die dann im konkreten Fall den einen Prozeßbeteiligten von vorn­ herein bevorzugt, den anderen benachteiligt, resultiert hier also letzt­ lich aus der allgemeinen Einstellung des Richters, die sich dann lediglich im einzelnen Fall „niederschlägt" und konkretisiert, ohne daß sie aber ihre eigentliche Begründung gerade in der Beziehung des Richters zu diesem konkreten Fall hat. 3. Im Prinzip haben die vorstehenden Überlegungen in gleicher Weise auch für das politisch motivierte Interesse des Richters zu gelten. Um an das eingangs unter I.(4) genannte Beispiel anzuknüpfen, daß der Richter Mitglied eben der politischen Partei ist, um deren Belange es in dem jetzigen Verfahren geht, oder daß er gerade einer rivalisie­ renden Partei angehört: Die bloße Tatsache allein, daß der Richter Mitglied einer Partei ist, unterscheidet sich noch nicht grundlegend davon, daß der Richter im Rahmen seiner allgemeinen politischen Einstellung, die er in das Verfahren mit einbringt, zufällig gerade mit dieser oder aber mit einer rivalisierenden Partei sympathisiert. Dies liegt noch im Bereich der strukturbedingten personalen Kom­ ponente in seinem Handeln, daß er seine politische Einstellung durch den Eintritt in die entsprechende politische Partei auch derart äußer­ lich erkennbar betätigt und daß er diese Einstellung auch in sein Amt mit einbringt. a) Dieser Satz gilt zunächst einmal jedenfalls für solche Parteien, die zweifelsfrei auf dem Boden der Verfassung stehen. Selbst insoweit erlegt der Gesetzgeber aber mit Recht dem Richter, damit das Ver­ trauen der Rechtssuchenden in seine Unabhängigkeit nicht gefährdet wird, für eine etwaige politische Betätigung eine gewisse Zurückhal­ tung auf (§ 39 DRiG), auf die hier jedoch nicht im einzelnen eingegangen zu werden braucht9 • Soweit es dabei um das politische Engagement 8 So VGH Mannheim v. 21. 1. 75 BVerfGG § 18 Anm. 2.

=

NJW 1975, 1048 ; ähnlich auch Geiger,

§1 2. Fallbezogenheit und „allgemeines I nteresse" des Richters

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des Richters geht, lassen sich mit Dürig im wesentlichen 3 Stufen unterscheiden, die im Ansatz „alle zunächst ohne weiteres zulässig sind: Das bloße Politisieren, die Mitgliedschaft in einer politischen Gruppierung . . . und schließlich die aktive Betätigung innerhalb einer solchen Organisation" 1 0 • In ähnlicher Weise hat seinerzeit bereits Pabst von Ohain in seiner Schrift ,,Die Ablehnung eines Richters wegen Besorgnis der Befangenheit aus politi­ schen Gründen" [1 932 ] in drei Fallgruppen differenziert, wobei er im Sinne der hier vorgenommenen Abgrenzung ebenfalls zwischen einer nur „allge­ meinen Einstellung" des Richters einerseits und einer fallbezogenen Haltung andererseits unterschieden hat11 • Sofern der Richter die hier natürlich in besonderem Maße gebotene Zurückhaltung übt, sich also nicht sonderlich exponiert, stellt etwa die bloße Tatsache der Mitgliedschaft in der Partei allein noch nicht die besondere Beziehung her, die nach dem bisher Gesagten erforder­ lich ist, um über die nur allgemeine Interessiertheit hinaus eine engere ,,Beteiligung" gerade in der konkreten Sache und damit eine „Partei­ lichkeit" zu bej ahen12 • b) Wesentlich problematischer mag demgegenüber der Fall erschei­ nen, daß der Richter mit einer radikalen Partei oder sonstigen poli­ tischen Gruppierung sympathisiert oder sogar deren Mitglied ist. Hier steht dann das Problem der Verfassungstreue dieses Richters im Vordergrund. Auf diese außerordentlich brisante Problematik braucht jedoch im vorliegenden Zusammenhang nicht näher einge­ gangen zu werden, weil es sich insoweit ersichtlich um eine generelle Einstellung des Richters handelt, die nicht speziell auf der besonderen 8 Vgl. hierzu aus dem neueren Schrifttum etwa den Aufsatz von Heimes­ hoff in DRiZ 1 975 , 2 61 ff. sowie die Dissertation von Hülsmann, Die politische

Betätigung des Richters [1 977] . Auf die sehr problematische Abgrenzung zwischen richterlicher Unabhän­ gigkeit einerseits und richterlicher Dienstaufsicht andererseits sei in diesem Zusammenhang wenigstens kurz hingewiesen (s. § 2 6 DRiG). 10 MD Art. 3 III Rn. 11 7 m. w. N. 11 Vgl. zunächst die Bemerkung oben § 6.111 in Fußn.1 4 (a. E.); im jetzigen Zusammenhang sind vor allem die beiden ersten Fallgruppen von Belang: „1 . Der Richter vertritt lediglich eine politische Anschauung bzw. (er) ist Mitglied einer politischen Partei oder eines politischen Vereins" : hier soll grundsätzlich, d. h. ohne Hinzutreten besonderer Umstände, keine Befangen­ heit und daher auch keine Ablehnung in Betracht kommen (S. 1 7 ff.). „2. Der Richter betätigt sich darüber hinaus in der Öffentlichkeit im Sinne seiner politischen Einstellung" : hier soll weiter zu differenzieren sein je nach Art und Inhalt dieser politischen Betätigung (S. 2 3 ff., insbesondere S. 2 8 ff.). „3. Der Richter ist persönlicher politischer Gegner des Ablehnenden" : hier soll grundsätzlich die Ablehnung gegeben sein (S. 35 f.). 12 So etwa auch die Entsch. des VGH Mannheim vom 21.1. 75 = NJW 1 975 , 1 048; ähnlich etwa die Entsch. des BVerfG vom 2 2. 2. 6 0 = BVerfGE 11 , 1 ff. (3). Speziell für die Richter des BVerfG in diesem Sinne auch Häberle, Grund­ probleme S. 30. 5 Riedel

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1. Teil, 1. Abschn.: Begriff und Kriterien der Parteilichkeit

Beziehung des Richters gerade zu dem konkret anhängigen Fall be­ ruht. Auch hier geht es vielmehr, wie schon bei der vorhin angesprochenen „Nichteignung des Richters" 18 , allenfalls um die Frage, ob mangels eines anderen effizienten Rechtsbehelfs die Vorschriften über die Richterablehnung zumindest entsprechend angewendet werden können. Das ist aber, so reizvoll und aktuell es an sich auch sein mag, nicht mehr das Thema der j etzigen Untersuchung. 4. Wie schon unter 3. bereits kurz angesprochen, fällt bei der Erör­ terung des sog. nur „allgemeinen Interesses" dessen sachliche Ver­ wandtschaft mit der Figur des sog. strukturbedingten personalen Elements im richterlichen Handeln auf, das ja vorhin „en bloc" aus dem Begriff der „Parteilichkeit" ausgegrenzt worden ist. Wenn näm­ lich dieses Moment sich gerade darin äußern soll, daß der Richter seine eigenen, persönlichen Wertvorstellungen und Auffassungen in sein Handeln mit einfließen läßt, so liegt es auf der Hand, daß der füchter auf dieser Basis im einzelnen Fall gerade auch einmal in einer Beziehung angesprochen sein kann, die sein besonderes Interesse weckt, daß er z. B. in einer politischen, weltanschaulichen oder sozialen Frage, um die es gerade geht, in stärkerem Maße als sonst persönlich angesprochen wird - ohne daß aber hierfür gerade eine besondere Beziehung zu dem anstehenden Fall selbst ausschlaggebend wäre. Die letztere Formulierung bringt nun allerdings zugleich zum Aus­ druck, daß hier unter „Interesse" etwas anderes zu verstehen sein soll als der bloße Umstand überhaupt, daß der Richter seine persön­ lichen Wertvorstellungen usw. in sein Handeln mit einfließen läßt. Gemeint ist vielmehr eine erhöhte Aufmerksamkeit, eine gesteigerte persönliche Anteilnahme im Hinblick auf ein gerade anstehendes Pro­ blem, wie sie in der Formel vom strukturbedingten personalen Element in ihrer ganz allgemein gehaltenen Fassung gerade nicht schon mit angesprochen ist, da hier in der Tat schlechthin darauf abgestellt wird, daß der Richter in die Behandlung und Entscheidung einer Sache seine persönlichen Vorstellungen mit einbringt - ganz unabhängig davon, ob ihn diese Sache persönlich in irgendeiner Hinsicht näher anspricht oder ob es lediglich darum geht, daß er hierzu überhaupt eine eigene Meinung hat und diese mit einfließen läßt. Der Komplex des „allgemeinen Interesses" meint hiernach eine besondere Variante des strukturbedingten personalen Elements im richterlichen Handeln, die sich durch eine spezifische Qualität, eben durch die gesteigerte persönliche Anteilnahme des Richters, von der allgemeinen Figur des personalen Elements abhebt und dadurch in 1 3 S. o. § 1 1 . Paulus § 24 Rn. 10.

A.

A.

aber

wohl LR-Dünnebier

I § 24 Rn. 18 und KMR 1-

§ 12 . Fallbezogenheit und „allgemeines Interesse" des Richters

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eine noch größere Nähe zur „Befangenheit" im hier verstandenen engeren Sinne gerückt wird, als es ohnehin schon generell beim personalen Element der Fall ist. III. Deshalb liegt nun die Frage um so näher, welche Behandlung diese Materie bisher in Gesetzgebung, Rechtsprechung und Schrifttum erfahren hat. Während die notwendige Ausgrenzung des strukturbe­ dingten personalen Elements aus dem Begriff der „Parteilichkeit" bisher bekanntlich noch so gut wie gar nicht näher behandelt worden ist (s. o.), läßt sich solches von dem Komplex des nur „allgemeinen Interesses" jedenfalls nicht in so weitgehender Form behaupten. Aller­ dings verhält es sich aber doch so, daß - mit einer wichtigen Aus­ nahme - diese Materie in den Prozeßordnungen selbst überhaupt nicht geregelt wird; und demzufolge beschränken sich auch die einschlägigen Literaturstellen regelmäßig auf die stereotype Wiedergabe der Formel, daß ein nur allgemeines Interesse an der Sache noch keine Befangen­ heit begründe; allenfalls wird noch das eine oder andere Beispiel zur Verdeutlichung beigefügt14 . Eine Ausnahme bildet lediglich das B VerfGG, das in § 18 II in einer Generalklausel neben einigen speziell benannten Gründen auch sonstige „ ähnliche allgemeine Gesichts­ punkte", aus denen heraus der Richter am Ausgang des Verfahrens persönlich interessiert ist, ausdrücklich aus dem Ausschließungsfall der „Beteiligung an der Sache" (§ 18 I Nr. l, 1. Alt.) ausnimmt15 , - wo­ mit gerade der Komplex des hier erörterten „allgemeinen Interesses" angesprochen werden soll. Und mit Rücksicht auf die hier vom Gesetz vorgegebene ausdrückliche Normierung wird dieser Komplex dann auch immerhin in der Literatur zum BVerfGG näher behandelt18 • 14 Ausführlicher wird die Materie im Rahmen des gerichtlichen Verfah­ rensrechts, soweit ersichtlich, bisher wohl überhaupt nur bei Ernst, Ableh­ nung S. 193 ff. und bei Stemmler, Befangenheit S. 138 ff. behandelt. 1 5 Vgl. daneben etwa auch die mit § 18 II BVerfGG nahezu wortgleiche Re­ gelung des § 11 II bad.-württ. StGHG. Vergleichbare Regelungen finden sich daneben außerhalb des hier erörter­ ten gerichtlichen Verfahrensrechts insbesondere im Bereich des Verwaltungs­ verfahrensrechts, speziell im Rahmen der Befangenheitsvorschriften des Kommunalrechts; als Beispiel vgl. etwa § 18 III 1 bad.-württ. GemO (,,Diese Vorschriften gelten nicht, wenn die Entscheidung nur die gemeinsamen Inter­ essen einer Berufs- oder Bevölkerungsgruppe berührt"). 18 S. Adolf Arndt, DVBI. 1952 , 1 ; Geiger § 18 Anm. 2 ; Lechner § 18 „zu Abs. 2 "; Leibholz/Rupprecht § 18 Rn. 1; Maunz/Sigloch/Schmidt-B leibtreu/ Klein § 18 Rn. 2 , 3, 8; Ridder, Demokratie und Recht 1973, 2 42 f.; Stadler, Neutralität S. 78 ff. Wenn letzterer im Hinblick auf die Regelung des § 18 II BVerfGG meint, hier sei „eine Abgrenzung zwischen (schädlicher) Sachbetei­ ligung und (hinzunehmendem) Gruppenbetroffensein eingeführt, die sich als praktikabel erwiesen hat und die Forderung nach richterlicher Neutralität nur so weit außer acht läßt [ ! ] , wie dies für eine funktionierende Verfas­ sungsgerichtsbarkeit unumgänglich ist" (S. 80), dann geht er erkennbar da­ von aus, daß es sich im Grunde auch bei diesen Fallgruppen um Konstella­ tionen der Befangenheit handelt; dieser Auffassung kann j edoch nach dem hier Gesagten nicht zugestimmt werden.

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I. Teil, 1. Abschn.: Begriff und Kriterien der Parteilichkeit

Aus dem Vorstehenden folgt zugleich, daß die in § 18 II BVerfGG ent­ haltene Regelung der Sache nach nicht etwa einen Sondertatbestand erfaßt, der nur für den Verfassungsgerichtsprozeß relevant ist. Diesen Anschein geben sich allerdings überwiegend die einschlägigen Kom­ mentierungen, die nämlich die Regelung des § 18 II aus der Eigenart gerade des Verfassungsgerichtsprozesses rechtfertigen wollen17 • Dabei verkennen sie jedoch, daß es sich in Wirklichkeit um ein generelles Problem handelt, das sich ersichtlich in den übrigen Prozeßarten glei­ chermaßen stellt18 • Allenfalls wird ihnen zuzugestehen sein, daß sich die Problematik des nur „allgemeinen Interesses" in der Tat im Verfassungsgerichtsprozeß besonders nachhaltig aufdrängt, - weshalb sich der Gesetzgeber ja auch gerade hier zur Aufnahme einer ausdrücklichen Bestimmung in das Gesetz veranlaßt ge­ sehen hat, wobei zudem als „Regelbeispiele" gerade solche Aspekte hervor­ gehoben worden sind, denen in diesem Prozeß typischerweise eine besondere Bedeutung zukommt19• Wenn man einmal von diesem speziellen Blickwinkel absieht, trifft die Regelung des § 18 II BVerfGG aber den Kern der Sache sehr wohl. Insoweit war der Initiativ-Gesetzentwurf der SPD-Fraktion zum BVerfGG, der statt des Ausschließungsgrundes der „Beteiligung an der Sache" (so jetzt § 18 I Nr. 1, 1. Alt. BVerfGG) die Ausschließung bei einem „persönlichen Interesse am Ausgang des Verfahrens" vorsah (§ 15 I 1, 1. Alt. Entwurf20) , an sich sogar noch prägnanter: Er umschrieb nämlich die hier gemeinte Konstellation, die damals wie heute aus dem Anwendungsbereich der Ausschließungsvorschrift ausdrücklich ausgenommen werden sollte, als „ein Interesse, das allen gemeinsam ist oder durch allgemeine Merkmale, wie Fami­ lienstand, Beruf, Abstammung, Zugehörigkeit zu einer politischen Partei, gekennzeichnet wird" (§ 15 II Entwurf)21 • In die gleiche RichIn diesem Sinne Arndt , Lechner und Klein (vgl. vorstehende Fußn.). So im Ergebnis ausdrücklich Ridder ebd. (s.Fußn. 16). 19 Ridder S. 242 hält freilich die Formel vom Interesse des Richters am Ausgang des Verfahrens „aus einem ähnlich allgemeinen Gesichtspunkt" für „ziemlich hilflos formuliert". Dies mag vielleicht insofern zutreffen, als der Formel kaum eine positive Aussage entnommen werden kann. Ausschlag­ gebend ist hier jedoch zunächst einmal nur die „Negation" gegenüber der Be­ fangenheit: nämlich der Umstand, daß die fragliche Beziehung des Richt ers zu dem gerade anstehenden Fall eben nicht eine „besondere" ist in dem Sinne, daß sie aus der Konstellation gerade nur dieses konkreten Falles resultiert; dann aber erscheint die terminologische Gegenüberstellung "besonderes allgemeines Interesse" durchaus sinnvoll und angebracht. 20 BTags-Drucks. 1/328. 21 E ntspricht in der Sache dem § 15 II Regierungsentwurf [ == § 18 II BVerfGG] , wobei die angeführten Beispiele sogar völlig übereinstimmen (vgl. hierzu Abg. Dr. Arndt [SPD] im BTags-Rechtsausschuß, s. Prot. 1. Wp. 33. 17

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§ 12. Fallbezogenheit und „ allgemeines Interesse" des Richters

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tung ging dann aber auch die Begründung zu § 15 des Regierungsent­ wurfs22 : ,,. . . Abs. 2 stellt klar, daß eine . . . Nächstbeteiligung" (im Sinne von § 15 I Nr. l, 1. Alt. RegEntw.) ,,nicht vorliegt, wenn der Richter nur unter einem allgemeinen sozialen, gesellschaftlichen, ethischen, politischen oder ähnlichen Gesichtspunkt, den er mit anderen Bürgern teilt, am Ausgang des Verfahrens interessiert sein kann . . . " . IV. Sieht man einmal davon ab, daß mit diesen Formeln neben dem „allgemeinen Interesse" im hier gemeinten engeren Sinne23 teilweise auch schlechthin das personale Element im richterlichen Handeln ange­ sprochen ist2', so geben sie, sofern hier nur „Interesse" eng genug verstanden wird, durchaus die wesentlichen Momente wieder, durch die das „allgemeine Interesse" charakterisiert wird: Es mag hier zwar so sein, daß der Richter am Verlauf und insbesondere am Ausgang des Verfahrens deshalb persönlich interessiert ist, weil er hiervon ir­ gendwie „mitbetrofjen" wird. Ausschlaggebend ist aber, daß er in eben diese konkrete, jetzt zu behandelnde Sache selbst nicht mit einbezogen ist, daß er weder formell noch auch „nur" materiell an ihr „ beteiligt" ist. Auf die konkrete Sache bezogen, ist er vielmehr nur außenstehender Dritter: Wenn der Richter hier vom Ausgang des Verfahrens mittel­ bar mitbetroffen wird, dann doch nur, wenn man so sagen will, in Form eines bloßen „Reflexes" , während es an einer eigentlichen indi­ viduell-konkreten und damit „ besonderen" Beziehung gerade zu dieser konkreten Sache fehlt25 •

V. Diese grundsätzliche Stellungnahme zum Komplex des sog. ,,all­ gemeinen Interesses" : nämlich Ausgrenzung aus dem Begriff der „Parteilichkeit" , schließt nun allerdings nicht aus, daß eine derartige Konstellation, wie sie hier erörtert worden ist, im Einzelfall ausnahms­ weise doch einmal zur Annahme einer Parteilichkeit im hier gemeinten engeren Sinne führen kann. Und zwar wird mit der allgemeinen Auf­ fassung eine solche dann zu bejahen sein, wenn im Einzelfall j eweils noch besondere Umstände hinzutreten, die im Vergleich zum „Nor­ malfall" , wie er hier der Regel zugrunde gelegt worden ist, für den Sitzung vom 27. 4. 1950 S. 1 1 ; ebenso der Vertreter des BJustMin. , Dr. Geiger, ebd.). 22 BTags-Drucks. 1/788. 13 S. vorstehend im Text zu II.4. 24 So etwa Geiger, § 18 BVerfGG Anm. 2 (speziell zu § 18 II BVerfGG) und ferner Ernst, Ablehnung S. 193 ff. (zum „ allgemeinen Interesse" überhaupt). :s Vgl. hierzu die Äußerung des Abg. Dr. Arndt (SPD) im Rechtsausschuß des Dt.BTages, 1. Wp. Prot. der 33. Sitzung vom 27. 4. 1950 S. 1 1 : ,, . . • eine Sache aller ist niemals eine ei gene Sache . . ." (Hervorhebung schon im Ori­ ginal). Ähnlich wie dort auch in DVBl. 1952, 1, wo Arndt freilich zu eng auf ein „individuelles und konkretes Verhalten des Richters" abstellt; vgl. auch Geiger § 18 Anm. 2.

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I. Teil, 1 . Abschn.: Begriff und Kriterien der Parteilichkeit

konkreten Fall noch eine besondere Nuance hinzufügen: dann aber rechtfertigt sich die Abweichung von der vorhin aufgestellten Regel gerade mit Rücksicht auf die Besonderheiten dieses konkreten Falles, womit das Moment des „Allgemeinen" als entscheidendes Kriterium in den Hintergrund gedrängt wäre. Das Moment des „Konkreten" aber wird sich ohne weiteres einer der Fallgruppen zuordnen lassen, die anschließend im „Besonderen Teil" als Fallgruppen der Parteilichkeit dargestellt werden sollen; vorrangig kommen dabei die Fallgruppen des „eigenen, persönlichen Interesses" 26 und der „vorzeitigen Festle­ gung" des Richters27 in Betracht, u. U. a uch der Fall der persönlichen Voreingenommenheit28 • Dieser Satz wird etwa zutreffen, wenn der Richter nicht nur ein einfaches, nicht näher betroffenes Mitglied der klagenden oder beklagten (Gliederung einer) Partei ist, sondern wenn er z. B. in engeren persönlichen Beziehungen zu den am Rechtsstreit beteiligten Repräsentanten dieser Partei steht29 ( = Fall des eigenen, persönlichen Interesses oder auch der persönlichen Vor­ eingenommenheit) oder wenn er sich etwa gerade in bezug auf die streitige Frage bereits stärker engagiert oder sogar exponiert hat (= Fall der vorzeiti­ gen Festlegung). Daneben wird aber z. B. auch an den Fall zu denken sein, daß der Richter sich nicht einfach privat in einer ähnlichen oder gleichen Situation befindet, wie sie dem jetzigen Verfahren zugrunde liegt, und daß er nur deshalb dem jetzigen Fall ein gesteigertes persönliches „Interesse" entgegenbringt: ge­ meint ist vielmehr die spezielle Konstellation, daß der Richter mit seiner privaten Angelegenheit ebenfalls in ein gerichtliches (oder ein sonstiges mehr oder weniger formalisiertes) Verfahren verwickelt (worden) ist, in dem es darum geht (oder ging), als „Partei" seine Interessen durch entsprechende, möglicherweise einseitige, Argumente zu wahren und durchzusetzen. Hier liegt es dann auf der Hand, daß der Richter in einem vergleichbaren Fall, mit dem er dienstlich konfrontiert wird, geneigt sein wird, sich eben dieser Argu­ mente auch in seiner ganz anderen Funktion als Richter zu bedienen, - wo­ mit dann aber ein Fall der „vorzeitigen Festlegung" gegeben wäre80 •

§ 13. C. Das Merkmal der Fallbezogenheit allgemein I. In den vorstehenden §§ 11 und 12 sind zunächst zwei Komplexe behandelt worden, die nach der bisher getroffenen Begriffsbestimmung an sich möglicherweise durchaus unter den Begriff der „Parteilichkeit" zs 27

28

s. u. § 19. s. u. §§ 21 s. u. §1 8.

ff.

29 Vgl. hierzu etwa VGH Mannheim vom 21.1. 7 5 = NJ W 1 9 75, 1048; Pabst von Ohain, Ablehnung (vgl. die Wiedergabe vorstehend in Fußn.11 , insbes.

zur 3. Fallgruppe). 30 Vgl. hierzu insbesondere die Entscheidung des LG Aachen vom 1 5. 2.63 = MDR 1 963, 602 sowie die zust. Anm. von Teplitzky ebd.; zustimmend auch Stemmler, Befangenheit $. 236 f,

§ 13. Das Merkmal der Fallbezogenheit allgemein

71

zu fassen wären, die aber gerade aus diesem Begriff ausgegrenzt werden sollen. Gerade mit Rücksicht auf diese beiden Materien oder auch, weiter gefaßt, mit Rücksicht auf die sog. allgemeine Einstellung des Richters überhaupt1 ist nun über die Kriterien der Bevorzugung/ Benachteiligung sowie der Unsachlichkeit hinaus, wie sie sich schon aus dem Gleichheitssatz ableiten lassen, als zusätzliches Kriterium der Parteilichkeit das Merkmal der sog. Fallbezogenheit herausgearbeitet worden, dem primär eben jene Ausgrenzungsfunktion zugedacht ist. Nach allgemeiner Auffassung muß sich nämlich das Befangenheits­ begründende Moment gerade auf das jeweilige konkrete Verfahren beziehen2 ; es muß sich jeweils um einen „individuellen, konkret ver­ fahrensbezogenen . . . Grund" handeln3 ; mit anderen Worten: die Be­ fangenheit muß „ihre Wurzel" gerade „im konkreten Rechtsstreit haben" ; die „Fallbezogenheit" der Befangenheit soll dabei sogar „das entscheidende begriffliche Kriterium" sein'. Eben dieses Moment ist im übrigen wohl auch gemeint, wenn regelmäßig die Formel verwendet wird, daß der Grund der Befangenheit in der besonderen Beziehung des Richters zu der jeweiligen Sache oder zu den dabei beteiligten Personen zu sehen sei5 , oder wenn gesagt wird, daß der Richter insoweit nicht „unbeteiligt" , nicht „unbeteiligter Dritter" sei8 • II. Während die pauschale Ausgrenzung der soeben genannten Kom­ plexe: der Eignung des Richters, des sog. allgemeinen Interesses und überhaupt der allgemeinen Einstellung des Richters aus dem Bereich der Parteilichkeit in dieser allgemeinen Form im Ergebnis an sich unproblematisch ist, ist die Anschlußfrage, wie eng oder wie weit nun eigentlich jene Fallbezogenheit des Befangenheits-Moments im einzel­ nen zu verstehen ist, wesentlich schwieriger zu beantworten. Trotzdem finden sich zu dieser Frage im Schrifttum, soweit ersichtlich, keine weiterführenden Hinweise allgemeiner Art, weil die einschlägigen 1 Womit im Grunde das hier abgekürzt so bezeichnete strukturbedingte personale Element im richterlichen Handeln gemeint ist, und zwar in der Form, daß der Richter zu bestimmten Fragen und Problemen eben bestimmte Ansichten hat, die nicht zuletzt gerade auch aus seiner jeweiligen Persönlich­ keit resultieren. 2 Besonders weitgehend die Formulierung bei Arzt, Strafrichter S. 12: ,, . . . der Ablehnungsgrund war nicht bezogen oder beschränkt auf das kon­ krete Verfahren . . . " (Hervorhebungen schon im Original). 3 Stemmler, Befangenheit S. 139.

' Stemmler S. 244.

5 Vgl. etwa (allgemein zu Ausschließung und Ablehnung) : Rieb. Schmidt, LB § 35.V = S. 215, und Geiger, BVerfGG § 18 Anm. 1 ; (zur Ausschließung:) StJ-Leipold Rn. 6 zu § 41 ; B GH v. 5. 11 . 70 = BGHZ 54, 392 ff. (395 f.); Knöpfle, BVerfG-Festgabe I S. 149; (zur Ablehnung wegen Bes.d.Bef.:) RG v. 17. 6. 1918 = Warneyer 11. Jgg. (1918) Nr. 146; v. 19. 8. 1935 = Warneyer 27. Jgg. (1935) Nr. 152. 6 Vgl. hierzu näher unten § 17.11 (mit Fußn. 2) und § 19.111.

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I. Teil, 1. Abschn.: Begriff und Kriterien der Parteilichkeit

Literaturstellen sich insoweit regelmäßig mit der Wiedergabe der so„ eben zitierten Formeln begnügen oder sie allenfalls umschreiben. Im folgenden soll deshalb versucht werden, den positiven Gehalt der Fallbezogenheit wenigstens annäherungsweise zu erfassen. 1. Und zwar wird zunächst einmal gelten müssen, daß die zitierten Formeln keinesfalls so eng verstanden werden dürfen, als ob es sich dabei stets um einen Umstand handeln müsse, der gewissermaßen „exklusiv" nur in diesem jeweiligen konkreten Fall eine Rolle spielt und sonst nicht. Andernfalls würden nämlich von vornherein sämtliche persönlichen Beziehungen des Richters zu bestimmten Prozeßbeteilig­ ten ausscheiden, da sie sich in einer Mehrheit von Prozessen, in die dieser Prozeßbeteiligte vor diesem Richter verwickelt ist oder werden sollte, beliebig oft wiederholen können, - eben diese persönliche Beziehung des Richters zu einem Prozeßbeteiligten stellt nun aber gerade anerkanntermaßen einen der „klassischen" Befangenheitsfälle dar. Der fragliche Umstand muß also durchaus auch von weniger „exklusiver" Art sein können insofern, als er auch in einer Mehrheit von Verfahren vorliegen darf. Eine wesentliche Einschränkung ist dabei j edoch unumgänglich: es muß sich nämlich jedenfalls um ein Moment handeln, das nicht etwa bei allen gleichgelagerten Fällen ebenfalls vorliegt; vielmehr darf es nur ausnahmsweise einmal hinzutreten, während es sonst regelmäßig gerade fehlen muß. Dies gilt nun nicht nur für die Fallbezogenheit im Sinne des soeben erwähnten Bezugs auf bestimmte Personen, sondern in gleicher Weise auch bei einer sachlichen Bezogenheit auf den Verfahrensgegenstand: Die innere Einstellung des Richters muß sich hiernach zwar nicht unbedingt ausschließlich auf den ganz konkreten Fall als solchen be­ ziehen; vielmehr ist ausreichend auch schon der Bezug auf eine bestimmte Fallkonstellation als solche, die durchaus wiederholbar sein mag: nur darf es sich dabei natürlich aber nicht um eine generelle Einstellung des Richters überhaupt handeln, die seinem Handeln also gerade regelmäßig zugrunde liegt. 2. Diese diffizile Feinabgrenzung im Grenzbereich von - verkürzt gesagt - allgemeiner Einstellung des Richters einerseits und Partei­ lichkeit andererseits sei im folgenden anhand zweier subjektiver Fak­ toren näher untersucht und illustriert, denen aus · soziologischer und psychologischer Sicht im richterlichen Handeln eine erhebliche Bedeu­ tung zukommt; das zweite Beispiel wird dabei die Schwierigkeit dieser Abgrenzung besonders deutlich vor Augen führen. a) Zum einen mag hier die schichtenspezifische Perspektive heran­ gezogen werden, die der Richter als Angehöriger einer bestimmten

§1 3. Das · Merkmal der Fallbezogenheit allgemein

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gesellschaftlichen Schicht in sein Amt mit einbringt und die ja heute ein wesentlicher Gegenstand der sog. Justizforschung ist. Sie kann sich - ohne daß dies hier im übrigen weiter vertieft werden müßte etwa dann äußern, wenn ein Strafrichter, der regelmäßig der Mittel­ schicht zuzuordnen ist, über das ihm fremde Verhalten eines Angehö­ rigen z. B. der Unterschicht zu befinden hat, wie ja im übrigen überhaupt schon die sprachliche Kommunikation zwischen beiden im Sinne einer „Sprachbarriere" erschwert sein kann, so daß der Richter aus dem Verhalten des Angeklagten womöglich sogar aus seiner subjektiven Sicht naheliegende, aber objektiv unzutreffende Schlüsse zieht7 • Hier ist natürlich nach dem vorhin Gesagten vorab erst einmal zu fragen, inwieweit hier überhaupt von einer „unsachlichen" Einstellung des Richters die Rede sein kann, weil sein Handeln zumindest teilweise notwendig eine persönliche Wertung impliziert, die als solche gerade auch das schichtenspezifische Wertesystem des einzelnen Richters mit einbezieht. Im übrigen jedoch handelt es sich hier um eine, wenn man so will, innere Einstellung des Richters, die ihm generell eigen ist und die er gerade regelmäßig in sein Handeln mit einfließen läßt: dann aber fehlt es ersichtlich j edenfalls an der Fallbezogenheit, so daß schon insoweit von einer Parteilichkeit nicht die Rede sein kann. b) Als zweites Beispiel sei daneben das sog. ,, Vorurteil" in dem speziellen Sinne, wie es von der Sozialpsychologie verstanden wird, näher untersucht. Aus der Sicht dieser Disziplin wird nämlich das richterliche Handeln wesentlich durch „Einstellungen" bestimmt, ins,­ besondere durch „Attitüden", zu denen neben den „Stereotypen" ge­ rade auch die sog. ,,Vorurteile" in dem hier gemeinten spezifischen Sinne8 zählen. Wesentlich für das so verstandene „Vorurteil" ist dabei 7 Verschiedentlich wird diese schichtenspezifische E ingebundenheit rich­ terlichen Handelns als „Klassenjustiz" bezeichnet, wobei dann aber dieser ,.verhaltenstheoretische" Begriff nicht mit dem „staatstheoretischen" Klassen­ justiz-Begriff des Marxismus identisch sei (vgl. Rottleuthner, Richterliches Handeln S.165 ff., 1 74 ff. ; Bender, DRiZ 1 974, 223 ff.; Röhl, Rechtstatsachen­ forschung S. 98 ff.). Gerade wegen dieser naheliegenden Verwechslungsgefahr wird der Ausdruck „Klassenjustiz" hier vermieden. - Zur „Klassenj ustiz" im hier gemeinten Sinne der schichtenspezifischen Einseitigkeit vgl. etwa Raiser, Jahrbuch S. 12 3 ff. (mit zahlr. Nachw. S.1 33 ff.). 8 Nach Dorsch/Feuchter, Psychologisches Wörterbuch, Stichwort „Vor­ urteil", ,,eine dem Stereotyp nahestehende Einstellung (Meinungsbildung) , die kaum auf Erfahrung (Information, Sachkenntnis), um so mehr auf sub­ jektiver Eigenbildung bzw. Generalisierung von Ansichten usw. beruht. Kennzeichnend für das V. ist auch die zähe, unflexible, unreflektierte Fort­ dauer . . ." . Nach Dietrich/Walter, Grundbegriffe, Stichwort „Vorurteil" ,,ein verfestigtes, vorgefaßtes, negatives Urteil über Gruppen von Menschen, das gefühlsmäßig unterbaut ist und nicht mit der Wirklichkeit übereinstimmt" . Ähnlich Arnold/Tajfel, Lexikon der Psychologie B d. 3, Stichwort „Vorurteil" , wonach der Begriff „in der Sozialpsychologie .. . hauptsächlich im Sinne einer

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I. Teil, 1. Abschn.: Begriff und Kriterien der Parteilichkeit

das gefühlsmäßige9 Verfestigtsein, Vorgefaßtsein in Bezug auf ein verallgemeinerndes negatives Urteil über eine soziale Gruppe10 • Für eine etwaige Parteilichkeit sind derartige Vorurteile des Richters natürlich nur von Belang, soweit sie im konkreten Fall zur Bevorzu­ gung oder Benachteiligung eines Prozeßbeteiligten führen (oder immer­ hin führen können). Das setzt zunächst einmal voraus, daß dieser Prozeßbeteiligte11 derjenigen sozialen Gruppe angehört, gegen die sich das jeweilige Vorurteil richtet12 : so z. B., wenn der Richter den Angeklagten für den Täter hält, weil für ihn etwa alle Türken sowieso potentielle Messerstecher, alle Araber ohnehin potentielle Terroristen, alle Zigeuner in diesem Sinne potentielle Diebe und Betrüger, alle Vorbestraften potentielle Rückfalltäter, alle Landstreicher potentielle Zechbetrüger und Diebe, alle Alkoholiker im Rausch gewalttätig sind und weil der Angeklagte nun gerade der jeweiligen sozialen Gruppe angehört. Hinzu kommen muß aber noch, daß die verallgemeinerte Meinung, die dem jeweiligen Vorurteil zugrunde liegt und die ja nicht schlechthin sachlich falsch sein muß 13 , in dem konkreten Fall nun aber gerade nicht zutrifft und daß deshalb der betr. Prozeßbeteiligte anders = besser feindlichen Haltung gegenüber einer oder mehreren sozialen Gruppen ver­ wendet wird (z. B. gegenüber rassischen, nationalen, ethnischen oder religiö­ sen Gruppen)"; anstelle von „feindlicher Haltung" spricht Tajfel im Anschluß an Allport auch von einer „Antipathie" , die auf „einer falschen und un­ flexiblen Verallgemeinerung" beruhe. Eingehend zum Komplex „Stereotype und Vorurteile" der Artikel von Bergler und Six im Handbuch der Psycholo­ gie 7. Bd. 2 . Hlbbd. S.1371 ff. und jetzt der Sammelband von Karsten (Hrsg.), Vorurteil [1 978]. Speziell zur Vorurteilsbildung in der richterlichen Tätigkeit im Sinne von ,,vor-wissenschaftlichen Theorien", ,,Alltagstheorien" , ,,Vorurteilen" (i. e. S.) und „Stereotypen" aus sozialpsychologischer und forensisch-psychologischer Sicht sehr instruktiv Maisch, NJW 1 975, 566 ff. (m. w. N.) ; zu den richterlichen ,,Alltagstheorien" näher auch Opp, Ztschr. für Soziologie 1 972 , 2 52 ff. 9 Ähnlich Arnold/Wilson, Lexikon der Psychologie Bd. 1 , Stichwort „Einstellung" [hier nur i. e. S. von „Attitüde" ] : ,,. . . Das möglicherweise wichtigste Kennzeichen der Einstellung ist, daß sie notwendigerweise wert­ orientiert oder affektiv sind . . .". 10 Nach Irle, LB der Sozialpsychologie S. 385 sind „soziale Vorurteile . . . diejenige Teilklasse sozialer Attitüden, die extrem resistent gegen Ände­ rungen ist". Der Sache nach kann hiernach das „Vorurteil" als ein spezieller Fall der vorzeitigen Festlegung des Richters in tatsächlicher Hinsicht verstanden werden. 11 Oder auch ein anderer Prozeßbeteiligter, sofern nur die Einstellung des Richters diesem gegenüber auf die Position des ersteren im Prozeß zurück­ wirkt. 12 Vgl. hierzu Arnold/Tajfel, Lexikon der Psychologie Bd. 3, Stichwort „Vorurteil": ,,. . . Diese Antipathie kann sich gegen eine Gruppe als Ganzes richten oder gegen ein Individuum, weil es dieser Gruppe angehört . . . ". Im Prozeß wird nur der letztere Aspekt zum Tragen kommen, ganz abgesehen davon, daß er ja wohl ohnehin nur ein Ausfluß des ersteren Aspekts ist.

§ 13. Das Merkmal der Fallbezogenheit allgemein

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gestellt würde, wenn der Richter sich in seiner Behandlung der Sache nicht von seinem Vorurteil leiten lassen würde. Das weitere Merkmal der Unsachlichkeit mag zunächst nicht ganz unproblematisch erscheinen, weil die Vorurteile ja ein sehr ver­ breitetes, geradezu allgemein-menschliches Phänomen sind; auch ohne ein näheres Eingehen hierauf läßt sich jedoch feststellen, daß keines­ wegs jeder Richter, der einen bestimmten Sachverhalt zu würdigen hat, hierbei notwendigerweise stets von einem Vorurteil bestimmt wird. Vielmehr hängt es - ohne daß hier näher auf die Entstehung von Vorurteilen eingegangen werden müßte - von der Person des jeweiligen Richters ab, ob er in der betr. Situation ein diesbezügliches Vorurteil mitbringt oder nicht. Daraus folgt dann aber, daß Vorurteile jedenfalls nicht „sach-bedingt" im vorhin dargelegten Sinne sind und deshalb, wenn sie im Einzelfall hereinspielen, als „unsachlich" , ,,sach­ fremd" qualifiziert werden können14 • Fraglich erscheint hingegen das Moment der Fallbezogenheit, weil dem Vorurteil ja ersichtlich eine über den einzelnen Fall hinausgrei­ fende, generelle Komponente eigen ist. Der Schritt zur Annahme einer „generellen Einstellung" ist in der Tat nicht weit. Auf der anderen Seite ist zu bedenken, daß für die rechtliche Beurteilung eines bestimmten Sachverhalts primär die Eigenschaft oder „Rolle" eines Beteiligten als Mieter oder Vermieter, als Schädiger oder Verletzter, als Eigentümer oder Besitzer, als Dieb, Mörder, Betrüger usw. aus­ schlaggebend ist. Auf diesem Hintergrund aber macht die Zugehörig­ keit eines Beteiligten zu einer bestimmten Bevölkerungsgruppe, gegen die sich das Vorurteil des Richters richtet, allenfalls einen Ausschnitt aus dem Kreis all derer aus, die für eine derartige materiell-rechtliche „Rolle" überhaupt in Betracht kommen, - und insofern läßt sich mit guten Gründen durchaus die Annahme vertreten, daß es sich hier nicht schon um eine „generelle" Einstellung schlechthin handelt. Dies hat dann zur Folge, daß hier im Ergebnis eine Parteilichkeit des Richters bej aht werden kann, die unter den entsprechenden formellen Voraussetzungen eine Ablehnung des betr. Richters rechtfertigt. 3. Der Unterschied zwischen allgemeiner Einstellung einerseits und Fallbezogenheit, wie sie für die Parteilichkeit charakteristisch ist, andererseits scheint hiernach letztlich nur gradueller Art mit fließen13 Nach Karsten, Einleitung, ,,muß" das Vorurteil „nicht unbedingt mit der Wirklichkeit übereinstimmen" (S. 5), weil es auf einer „Verallgemeinerung" mit Hilfe „gewisser Denkschablonen" beruht (S. 6) ; ähnlich Dreier, Gedächt­ nisschrift Friedr. Klein S. 103: ,, . . . Vorurteile als bloß vorläufige Urteile brauchen nicht notwendig falsch zu sein. Sie werden zu V. im engeren und pejorativen Sinne in dem Maße, wie sie durch psychische Mechanismen gegen kritische Prüfung immunisiert sind . . . " . 1 4 Dieses Ergebnis folgt im übrigen zwingend auch schon aus Art. 3 I I I GG.

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I. Teil, 1. Abschn.: Begrif und Kriterien der Parteilichkeit

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den Obergängen zu sein. Die Abgrenzung fiele wahrscheinlich um einiges leichter, wenn auch außerhalb des Bereiches der Parteilichkeit ein ähnlich effizienter vorbeugender Rechtsbehelf wie die Richterab­ lehnung zur Verfügung stünde. Weil aber bei Fragen der sog. allge­ meinen Einstellung des Richters regelmäßig auch seine Eignung zum Amt angesprochen ist, wird damit zugleich auch der Grundsatz der richterlichen Unabhängigkeit angesprochen. Dieser steht der Möglich­ keit, einen Richter unter relativ einfachen Voraussetzungen - wie es ja bei der Richterablehnung für das einzelne Verfahren der Fall ist aus dem Amt überhaupt zu entfernen, strikt entgegen: die Bej ahung einer Parteilichkeit und demzufolge auch der Ablehnungsmöglichkeit in Fällen dieser Art liefe aber gerade auf eine solche Möglichkeit' hinaus, weil sie der Sache nach gerade nicht auf ein einzelnes Ver-1 fahren oder eine geringe Zahl von Verfahren begrenzt wäre und damit von vornherein die Gefahr der Fortsetzung und Wiederholung mit gleicher Begründung in sich bergen würde1 5 • Näher auf dieses außerordentlich problematische Spannungsverhältnis einzugehen, ginge indessen über den Rahmen der vorl. Untersuchung ersichtlich hinaus. § 14. Das Verhältnis der „Parteilichkeit" zur „Befangenheit". A. Die grundsätzliche Untergliederung der Befangenheitsgründe in Fälle persönlicher und sachlicher Voreingenommenheit

I. Wie soeben in § 13.1 1 bereits angedeutet, kommt eine Befangenheit des Richters grundsätzlich in zwei Richtungen in Betracht: nämlich einmal als besondere persönliche Beziehung zu einem Prozeßbetei­ ligten und zum anderen als besondere Beziehung zu der jeweiligen Sache als solcher2 • 1. Im ersten Fall neigt der Richter aus persönlicher Verbundenheit zu einem Prozeßbeteiligten oder aber gerade auch aus Abneigung ihm gegenüber dazu, ihm bzw. seinem Gegner um seiner selbst willen eher zum prozessualen Erfolg zu verhelfen, als er sonst gegenüber dem betr. Prozeßbeteiligten bereit wäre, wenn er nicht in einer derartigen Beziehung zu ihm (bzw. zu seinem Gegner) stünde. Diese Fallgruppe läßt sich etwa als „persönliche Voreingenommenheit" charakterisieren'. 15

Vgl. das Zitat oben § 12.I (bei Fußn. 1). Bei Fußn. 5. 2 Diese Unterscheidung ist allgemein üblich, vgl. die oben § 13.I in Fußn. 5 angegebenen Fundstellen, ferner etwa Bettermann, AöR Bd. 92 (1967), 508, 510; Ernst, Ablehnung S. 25 ff.; Overhoff, Ausschluß S. 43. Diverse Beispiele zur Illustration der im folgenden zunächst abstrakt ge­ haltenen Ausführungen sogleich anschließend in § 15.I. a So etwa die Formulierung auch bei Stemmler, Befangenheit S . 96 f. Bettermann S. 508 unterscheidet ähnlich zwischen der „subj ektiven, d. h. par1

§ 14. Persönliche und sachliche Voreingenommenheit

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2. Daneben kommt für eine Befangenheit des Richters aber auch die Konstellation in Betracht, daß ein Prozeßbeteiligter vor dem jewei­ ligen Richter von vornherein eine günstigere oder eben auch ungünsti­ gere Ausgangsposition, als ihm sonst zukäme, erhält, ohne daß dieser Umstand gerade auf einer persönlichen Beziehung des Richters zu ihm oder zu seinem Gegner beruht: gemeint ist der Fall, daß der Richter - unabhängig von seiner persönlichen Einstellung zu den konkreten Prozeßbeteiligten - aus sach-fremden Gründen in der Sache selbst in tatsächlicher oder rechtlicher Hinsicht von vornherein einer bestimmten Auffassung zuneigt, und daß er dadurch demjenigen Prozeßbeteiligten, für den diese Auffassung günstig ist, in der Folge von vornherein eine größere Chance, den Prozeß vor ihm als Richter zu „gewinnen" , verschafft, als es sonst der Fall wäre, oder aber, daß er im Gegenteil die Chancen eines Prozeßbeteiligten entsprechend verkürzt. Zur Abgrenzung von der zuerst genannten Variante der „persönlichen Voreingenommenheit" bietet sich für diesen Komplex etwa die Kennzeichnung als „sachliche Voreingenommenheit" an4 • II. Diese grundlegende Zweiteilung im Rahmen der Befangenheits­ fälle ist nun freilich nicht so zu verstehen, als ob der Einzelfall stets ausschließlich der einen oder anderen Fallgruppe zugeordnet werden könnte. Von Fall zu Fall kann vielmehr durchaus auch einmal eine ,,Häufung" von persönlicher und sachlicher Voreingenommenheit auf­ treten5. Dieses mögliche Kumulieren beider Befangenheits-Konstella­ tionen berechtigt indessen nicht dazu, allein schon deswegen diese prinzipielle Zweiteilung von vornherein für überflüssig und sogar unangebracht zu halten6• Gerade sie bringt nämlich im Gegenteil be­ sonders deutlich zum Ausdruck, daß eine Befangenheit des Richters ihre „Wurzeln" eben in zwei ganz verschiedenen Richtungen haben kann. Selbst wenn im Einzelfall einmal Momente aus beiden Bereichen zusam­ mentreffen sollten, so ist ihr Gewicht doch regelmäßig so unterschiedlich ver­ teilt, daß doch jedenfalls im Ergebnis das „Schwergewicht", die ausschlag­ gebende Rolle, im einen oder anderen Bereich zu suchen ist. Praktische Bedeutung hat diese Unterscheidung jedoch allenfalls für das richtige Verständnis des Begriffs der „Parteilichkeit" (s. dazu teibezogenen" und der „objektiven, d. h. fallbezogenen Neutralität" ; ebenso in oeJurBl. 1972, 60. 4 So z. B. Arzt, Strafrichter S. 66 und 76, im Anschluß an die Entsch. des RG v. 20. 6. 1889 = RGSt 19, 332 ff. (341); daneben spricht er S. 1, 80 und 1 1 5 auch von „sachlich befangen", von „sachlicher Befangenheit". Stemmler S. 96 f. spricht hier im Anschluß an Bettermann (vgl. vorstehende Fußn. 2) von „ob­ jektiver" bzw. ,,fallbezogener Voreingenommenheit". 5 Im Anschluß an Bettermann S. 508 Fußn. 34. 8 So aber Stemmler S. 20 Fußn. 3 und S. 97.

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I. Teil, 1.Abschn.: Begriff und Kriterien der Parteilichkeit

nachstehend § 15.II), weil der Formel von der „sachlichen" Voreinge­ nommenheit, im Gegensatz zur „persönlichen" Voreingenommenheit, primär eigentlich nur eine „negative" Funktion zukommt, nämlich diejenigen, untereinander recht heterogenen Falltypen unter einem Oberbegriff zusammenzufassen, denen im wesentlichen nur gemeinsam ist, daß es bei ihnen an einer besonderen persönlichen Beziehung des Richters zu einem Prozeßbeteiligten fehlt, wie sie demgegenüber für die „persönliche" Voreingenommenheit bestimmend ist. Für die nähere Zuordnung des Einzelfalles kommt es demgegenüber - darin ist Stemmler ohne weiteres zuzustimmen - vorrangig auf die einzelnen Falltypen von Befangenheit an (die sich aber ihrerseits, wie im fol­ genden näher zu zeigen sein wird, zwanglos in das hier besprochene Schema der grundsätzlichen Zweiteilung einfügen lassen).

§ 15. B. Persönliche und sachliche Voreingenommenheit in der Ausgestaltung der Richterausschließung und Richterablehnung wegen Besorgnis der Befangenheit. Der prozessuale Begriff der „Parteilichkeit" I. Daß in diesem Sinne eine Befangenheit des Richters sowohl in der einen wie auch in der anderen Richtung in Betracht zu ziehen ist, findet seinen Ausdruck in der Ausgestaltung der Befangenheits­ materie in den verschiedenen Prozeßordnungen, und zwar vorrangig in der Normierung der Ausschließungsgründe, die sich - bis auf zwei Ausnahmen - jeweils einer der beiden großen Fallgruppen zuordnen lassen, nämlich1 : persönliche Voreingenommenheit: ZPO: § 41 Nr.2 und3 StPO: § 2 2 Nr.2 (1. Alt.: .,Ehegatte" ) und 3 BVerfGG: § 1 8 I Nr. 1 (2 . und folgende Alternativen) sachliche Voreingenommenheit: ZPO: § 41 Nr. 1 , 4 ( 1 . und 2. Alt.: ,,Prozeßbevollmächtigter" , .,Beistand"), 5 und6 StPO: § 2 2 Nr. 1 , 4, 5, § 23 BVerfGG: § 1 8 I Nr. 1 ( 1 . Alt.) und 2. (Eine Ausnahme macht insoweit lediglich die in § 41 Nr.4 [3. Alt.] ZPO [ .,gesetzlicher Vertreter] 2 und § 2 2 Nr. 2 [2 .Alt.] StPO [,,Vormund"] gere1 Die übrigen, hier nicht angeführten Prozeßordnungen verweisen weitest­ gehend auf die entsprechenden Vorschriften der ZPO. 2 Im Rahmen der genannten ZPO-Vorschrift allerdings auch wiederum nur, soweit es sich um die gesetzl. Vertretung einer natürlichen Person han­ delt, während es sich bei der Vertretung einer juristischen Person typischer­ weise um eine sachbezogene Voreingenommenheit handeln wird (näher zu dieser Unterscheidung bei der gesetzlichen Vertretung etwa StJ-Leipold § 51 ZPO Erl. V.A und V.B = Rn. 30 ff., 41 ff.).

§ 15. Der prozessuale Begriff der „Parteilichkeit"

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gelte Fallkonstellation, die typischerweise eine Häufung beider Befangen­ heitsformen darstellen dürfte.)

II. Die Ablehnung wegen Besorgnis der Befangenheit ist demgegen­ über lediglich in einer Generalklausel geregelt, und auch dies näher nur in ZPO (§ 42 II) und StPO (§ 24 II) mit der wörtlich übereinstim­ menden Formel, daß eine derartige Ablehnung stattfindet, ,,wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Mißtrauen gegen die Unparteilichkeit eines Richters zu rechtfertigen" 3 • Eine zentrale Bedeutung kommt hier ersichtlich den beiden Begriffen „Befangenheit" und ,,(Un-)Parteilich­ keit" zu. Beiden ist gemeinsam, daß sie im Gesetz selbst nicht unmittel­ bar definiert sind und deshalb zunächst einmal ausgelegt werden müssen. Der Ausdruck „befangen" wird in den Wörterbüchern zur deutschen Spra­ che, soweit speziell für den j uristischen Sprachgebrauch von Bedeutung, regelmäßig mit „nicht frei im Urteil"', ,,mit einem Vorurteil" 5 , ,,voreingenom­ men"8 und/oder „parteiisch"7 umschrieben8 •

Die Schlüsselstellung in der Generalklausel kommt ersichtlich dem Ausdruck ,,(Un-)Parteilichkeit" zu, weil die Klausel „Besorgnis der Befangenheit" j a gerade durch den Terminus „Mißtrauen gegen die Unparteilichkeit" umschrieben wird. Auf diesen letzteren Gesetzes­ begriff konzentrieren sich dementsprechend auch die diversen Aus­ legungsversuche in Literatur und Rechtsprechung, auf die in diesem Zusammenhang näher einzugehen ist. Gemeinsam ist ihnen lediglich ein gewisser „Kern", den sie diesem Gesetzesbegriff zugrunde legen, 3 Die übrigen Prozeßordnungen verweisen auch insofern auf die ZPO­ Regelung, während das BVerfGG (§ 1 9) den Begriff der „Besorgnis der Be­ fangenheit" und das FGG (§ 6 II) den Begriff der „Befangenheit" einfach als bekannt voraussetzen. ' Trübners Dt. Wörterbuch I, Stichwort „befangen" ; Paul/Betz, Dt. Wörter­ buch, Stichwort „befangen" ; ähnlich Duden Etymologie, Stichwort „befangen" (,,nicht frei"); Kluge, Etymologisches Wörterbuch, Stichwort „befangen" (,,un­ freien Geistes und Gehabens"). 5 Heyse, Handwörterbuch I [1 833 ] , Stichwort „befangen" (,,eingenommen [von ... Vorurtheilen . . .] ") ; Wörterbuch der dt. Gegenwartssprache I , Stich­ wort „befangen" Erl.3 (,,mit einem Vorurteil") ; Sprachbrockhaus, Stichwort ,,befangen" Erl. 2. 8 Heyse ebd.; Grimm, Dt. Wörterbuch I [1 854] , Stichwort „befangen" Erl. 3 (,,eingenommen"); Duden Etymologie ebd. (,,voreingenommen") ; Wör­ terbuch der dt. Gegenwartssprache ebd. Erl. 3 ; Mackensen, Dt. Wörterbuch, Stichwort „befangen"/,,Befangenheit"; Ullstein Lexikon der dt. Sprache, Stichwort „befangen" Erl.3 ; Duden Großes Wörterbuch I Stichwort „befan­ gen" Erl. 2. 1 Heyse ebd. (,,parteiisch"); Duden Etymologie ebd. (,,unparteilich, frei") ; Wörterbuch der dt. Gegenwartssprache ebd. (,,parteiisch" als speziell jurist. Bedeutung); Sprachbrockhaus ebd.; Duden Großes Wörterbuch ebd; 8 Vgl. in diesem Zusammenhang auch die zahlreichen Nachweise im Deut­ schen Rechtswörterbuch I, Stichwort „befangen", das allerdings wegen der hier gemeinten speziellen Bedeutung auf das Stichwort „Unbefangenheit" verweist, das bisher noch nicht erläutert ist.

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I. Teil, 1 . Abschn.: Begriff und Kriterien der Parteilichkeit

während sie im übrigen, d. h. soweit es im einzelnen um den genauen Umfang des Begriffsinhalts geht, recht unterschiedlicher Ansicht sind: 1 . Besonders eng scheint diesen Begriff Friesenhahn zu verstehen, indem er streng vom Wortlaut ausgeht und die (Un-)Parteilichkeit auf die „Bezie­ hung des Richters zu einer am Ausgang des Rechtsstreits materiell inter­ essierten Partei" beschränkt (worunter er allenfalls noch die entsprechenden ,,Verfahrensbeteiligten" des Verfassungsgerichtsprozesses versteht). Hier­ nach soll eine „Parteilichkeit" überhaupt nur dann vorliegen, wenn der Rich­ ter „gerade deswegen nicht objektiv (entscheidet), weil sie", d. h. die betr. Partei, ,,am Verfahren beteiligt ist"9 • Damit ist dieser Begriff nun aber so eng gefaßt, daß er nicht einmal wenig­ stens die persönlichen Beziehungen des Richters auch zu den sonstigen Pro­ zeß-/Verfahrensbeteiligten mitumfaßt, wie sie aber in der oben § 1 4.I.1 dar.,. gestellten Formel mit angesprochen sind, die im Rahmen der „persönlichen" Voreingenommenheit global alle Prozeßbeteiligten10 umfaßt. Ein derart enges Verständnis kann deshalb schwerlich im Sinne der Prozeßordnungen sein, wenn sich schon die Ausschließungsvorschriften nicht auf diesen engen „Par­ tei"-Begriff beschränken, sondern darüber hinaus auch die Beziehung des Richters zu sonstigen „Prozeßbeteiligten" mit einbeziehen11 • 2. Einen gleich engen Begriff der ,,(Un-)Parteilichkeit" , wie FTiesen­

hahn ihn für die Verfassungsgerichtsbarkeit zugrunde legt, verwendet Arzt in seiner Schrift „Der befangene Strafrichter" für den Bereich

des Strafprozesses. a) Obgleich er seiner Arbeit bereits den Untertitel „Zugleich eine Kritik an der Beschränkung der Befangenheit auf die Parteilichkeit" beigibt, läßt er den Leser zunächst ziemlich lange darüber im unklaren, welchen genauen Inhalt sein Begriff von „parteilich" nun eigentlich positiv hat: Zu Anfang spricht er den Fall des „sachlich befangenen Richters" an (S.1 12 ) und in der Folge die „Besorgnis eines Fehlurteils aus anderen Grün­ den" als dem einer „Besorgnis der Parteilichkeit" (S.13), wobei er (S.1 ) ,,die mannigfaltigen Ursachen für ein Mißtrauen gegenüber dem Richter" im Auge hat, die nicht unbedingt gerade eine „Parteilichkeit" in dem von ihm zu­ grunde gelegten Sinne darstellen müßten. Ganz in diesem Sinne heißt es auch S.51 noch immer nur negativ, daß „es falsch wäre, wollte man bei der Ablehnung ausschließlich auf die Besorgnis eines parteilichen Urteils ab­ stellen". Erstmals auf S. 56 klingt eine positiv formulierte Begriffsbestimmung an, wenn Arzt die „Parteilichkeit " als „Voreingenommenheit des Rich­ ters zugunsten oder zuungunsten des Beschuldigten" umschreibt, und wenn er dann die so verstandene „Parteilichkeit" als „eine gegenüber dem Angekl agten parteiliche Einstellung" dem „Unvermögen des • Anm. JZ1 966 , 707. 1 0 Dazu näher unten § 18.1. 11 So auch die Kritik von Bettermann, AöR Bd. 9 2 (1 96 7), 509 f. 11 - Ebenso dann S. 8 0 und 11 5, ähnlich spricht er S.66 und 76 von „sach­ licher Voreingenommenheit".

§ 15. Der prozessuale Begriff der „Parteilichkeit"

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Richters" gegenüberstellt, die Aussage eines Zeugen „unbefangen zu würdigen" , mit dem er befreundet oder verwandt o. ä. ist. S. 66 und 80 stellt er dann - im Hinblick auf den Fall der sog. Vorbefassung erneut die „sachliche Voreingenommenheit" oder auch „sachliche Be­ fangenheit" , mit der er die „persönliche Beziehung des Richters zum Verfahrensgegenstand" meint (S. 89 f.), der „Parteilichkeit" als einer ,,einseitigen Einstellung dieses Richters gegenüber dem Angeklagten" (S. 80), als „einer Voreingenommenheit zugunsten oder zuungunsten des Angeklagten" (S. 87) gegenüber. In gewisser Hinsicht am klarsten wird die „Parteilichkeit" eigentlich erst in der „Schlußbemerkung" (S. 115) definiert: nämlich als „ Voreingenommenheit gegen die Person eines Prozeßbeteiligten". Daß damit aber nicht etwa schlechthin alle „Prozeßbeteiligten" , also auch die nur im formellen Sinne am Verfahren beteiligten Personen, gemeint sind, läßt sich insbesondere den Ausführungen S. 56 f. entnehmen, in denen Arzt die freundschaftliche (oder verwandtschaftliche o. ä.) Beziehung des Richters zu einem Zeugen erörtert und insoweit ausdrücklich eine „Parteilichkeit" verneint, weil hierunter nur eine „Voreingenommenheit des Richters zugun­ sten oder zuungunsten des Beschuldigten" zu verstehen sei.

b) Bei einem derart engen Begriff von „Parteilichkeit" muß Arzt nun natürlich unausweichlich in erhebliche konstruktive Schwierig­ keiten geraten, wenn er begründen will, daß über den Komplex der persönlichen Voreingenommenheit hinaus ( = ,,Parteilichkeit" in seinem Sinne) auch die von ihm daneben sehr eingehend erörterten Fälle der „sachlichen Voreingenommenheit" oder „sachlichen Befangenheit" unter die Generalklausel des § 24 II StPO fallen sollen13• Denn diese beschränkt die Ablehnungsmöglichkeit wegen „Besorgnis der Befan­ genheit" j a gerade auf die Fälle eines „Mißtrauens gegen die Unpartei­ lichkeit" . Angesichts dessen will Arzt sich mit einer „erweiternden Auslegung des Ablehnungsrechts" (S. 13), mit einer „weiten Interpretation der Ablehnung wegen Befangenheit" (S. 20) behelfen. Im einzelnen schlägt er hierfür vor, nicht mehr auf die „parteiliche Einstellung (als innere Tatsache beim Richter)" (S. 93, ähnlich S. 102), auf die „innere Ein­ stellung" des Richters im Sinne eines „Mangels im subjektiven Bereich" (S. 102) abzustellen. Die Fälle der sachlichen Voreingenommenheit sollen stattdessen auf dem Wege in die Generalklausel einbezogen werden, daß sie (S. 93) ,,in tatsächlicher Hinsicht mit Parteilichkeit gleichgesetzt" werden: ,, . . . Es wird . . . darauf abgestellt, daß der Rich­ ter einen Erfolg herbeiführt, der wie eine parteiliche Einstellung wirkt . . . " ; auf den Fall der vorzeitigen Festlegung bezogen, bedeutet 18 Gleiches hat sinngemäß auch für die entsprechende Generalklausel des § 42 II ZPO zu gelten. 8 IUedeJ

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1. Teil, 1. Abschn.: Begriff und Kriterien der Parteilichkeit

dies dann : ,, . . . Nicht erforderlich ist dagegen, daß die vorzeitige Fest­ legung auf parteilicher Einstellung (als innerer Tatsache beim Richter) beruht . . .'0'. c) Diese Argumentation vermag indessen nur in ihrem Ansatz, nicht aber auch in den hieraus gezogenen Folgerungen zu überzeugen. In der Tat läßt sich nicht etwa sagen, daß die Bedeutung von „Partei­ lichkeit" , von der Arzt ausgeht, von vornherein abwegig sei; im Gegenteil liegt es vom Wortsinn her sogar nahe, ,,Parteilichkeit" als eine innere „Parteinahme" gerade für eine „Partei" des einzelnen Verfahrens zu verstehen, wobei zumal an den Fall zu denken sein mag, daß der Richter sich innerlich auf die Seite einer „Partei" schlägt eben um ihrer Person, um seiner persönlichen Beziehung zu dieser Partei willen. Wenn sich dann in der Folge erweist, daß dieser Begriff von „Par­ teilichkeit" für die Generalklausel des § 24 II StPO (sowie des § 42 II ZPO) zu eng ist, liegt es weiterhin nahe, dasjenige Moment, das für die ursprünglich gemeinte „Parteilichkeit" ausschlaggebend ist, auch dem weiteren Begriff von „Parteilichkeit" zugrunde zu legen, der durch die Prozeßordnungen vorgegeben ist. Eben gegen diese gedankliche Umsetzung speziell in der Form, wie sie daraufhin bei Arzt vorgeschlagen wird, muß sich nun aber die ganze Kritik wenden. Denn in diesem gedanklichen Schritt entfernt er sich ersichtlich zu weit von seinem eigenen Ansatzpunkt mit der Folge, daß er den neuen, weiteren Begriff der „Parteilichkeit" - und damit im Grunde auch den Begriff der „Befangenheit" - in unzuläs­ siger Weise überdehnt und schließlich sogar die Ablehnung des unge­ eigneten Richters in die Generalklausel mit einbezieht (S. 101 ff.). Wenn er dieses Ergebnis, das er offenbar selbst als zu weitgehend empfindet, dann selbst wieder dadurch zu korrigieren versucht, daß nur besonders gravierende Fälle der Unfähigkeit zur Ablehnung berechtigen sollen (S. 104 ff.), so läßt sich diese Einschränkung jedenfalls nicht aus dem Begriff der „Parteilichkeit" selbst rechtfertigen. Eine andere Eingrenzungsmöglichkeit aber gibt die Generalklausel nicht her, so daß sich der Vorschlag von Arzt schon unter diesem Gesichts­ punkt als unzutreffend erweist 15 • Ausgangspunkt für das (zu) weite Verständnis von „Parteilichkeit" ist für Arzt der Gedanke, daß „der unfähige Strafrichter mit dem parteiischen Strafrichter gemein hat, daß ein Vertrauensverhältnis zu u Ebenso S. 97 für Rechtsverletzungen durch den Richter. 15 Vgl. hierzu die Bemerkungen oben § 11 (a. E.), wonach hier allenfalls eine analoge Anwendung der Ablehnungsvorschriften in Betracht kommen kann.

§ 15. Der prozessuale Begriff der „Parteilichkeit"

83

ihm unmöglich ist" (S. 101). Bei „wörtlicher Auslegung" der General­ klausel soll freilich eine Ablehnung nicht möglich sein, ,,weil der Beschuldigte keinen Grund hat, speziell der Unparteilichkeit" (in dem anfangs zugrunde gelegten engen Sinne) ,,zu mißtrauen" (ebda.). Jedoch soll die Ablehnung trotzdem dadurch möglich werden, daß Arzt den Begriff der „Parteilichkeit", wie bereits oben zu b) angesprochen, ,,nicht

auf die innere Einstellung des Richters beschränkt, sondern auf ein

im Ergebnis parteiliches Urteil abstellt" (S. 102). Damit ist Befangen­ heit bei ihm, jedenfalls der Tendenz nach, schlechthin die Unfähigkeit des Richters, ein richtiges Urteil zu sprechen (vgl. in diesem Sinne die Formulierung S . 1 1 5 in der „Schlußbemerkung" : ,, . . . Der Recht­ suchende sollte Vertrauen in die Fähigkeit des Richters haben können, daß dieser nicht nur ein unparteiliches, sondern auch ein richtiges Urteil sprechen wird . . ." .

Damit ist jedoch der Bereich dessen, was gerade auch nach 'dem eigenen Verständnis des Begriffes bei Arzt wie auch nach den bishe­ rigen Ausführungen hier für die „Parteilichkeit" und „Befangenheit" spezifisch ist: nämlich gerade die (unsachliche) innere Einstellung des

Richters sei es zu den Beteiligten oder sei es zum Gegenstand des konkreten Verfahrens, ersichtlich verlassen. Dem auf diese Weise gefundenen weiten Verständnis der „Parteilichkeit" muß deshalb die Anerkennung versagt werden18 •

3. Beschränkt sich, wie vorstehend zu 1 . und 2. ausgeführt, das von

Friesenhahn und Arzt zugrunde gelegte Verständnis von „Parteilich­

keit" allein auf die „Parteien" des einzelnen Verfahrens, so wird es von anderer Seite immerhin so weit gefaßt, das es j edenfalls alle Fälle der persönlichen Voreingenommenheit in dem vorhin in § 14.1.1 ange­ sprochenen Sinne abdeckt17 •

Nur M. J. Schmid 18 freilich hält den so verstandenen Begriff für identisch mit dem der Prozeßordnungen, womit er zugleich glaubt, nachweisen zu kön­ nen, daß darüber hinaus, also bei sachlicher Voreingenommenheit, vom Ge­ setz eine Ablehnung nicht vorgesehen sei. Dem naheliegenden Einwand, daß ja die Ausschließungsvorschriften selbst (wie oben zu I. gezeigt) auch Fälle der sachlichen Voreingenommenheit regeln, versucht er dadurch auszuwei­ chen, daß er diese Fälle als etwas Heterogenes charakterisiert, nämlich als .,Ausfluß des Grundsatzes, daß niemand Richter in eigener Sache sein soll". Gerade dieses Argument zeigt jedoch die Fehlerhaftigkeit seiner Argumen­ tation: denn eben dieser Falltypus ist anerkanntermaßen einer der „klassi­ schen" Fälle der Befangenheit19 • Ebenso die Kritik von Stemmler, Befangenheit S. 99 ff. 17 In diesem Sinne VGH Kassel v. 2 1. 8. 62 = DVBI. 1963, 72 ff. (74 f.) ; LG Würzburg v. 25. 6. 73 = NJ W 73, 1 932 f. (1 933); M. J. Schmid, NJ W 1 974, 730; Kern/Wolf, Gerichtsverfassungsrecht § 2 2.1.1 = S. 146 . 18 S. vorstehende Fußnote. 19 Ausdrücklich ablehnend zu Schmid auch Stemmler, NJ W 1 974, 1 545. 18

84

I. Teil, 1 . Abschn.: Begriff und Kriterien der Parteilichkeit

Demgegenüber beschränken die anderen genannten Stellen zwar ebenfalls den Ausdruck „Parteilichkeit" auf die persönliche Vorein­ genommenheit; doch erkennen sie daneben auch die sachliche Vorein­ genommenheit als Form der Befangenheit an. Nur bezeichnen sie diesen Komplex dann folgerichtig nicht als „Parteilichkeit" , sondern etwa als „Voreingenommenheit" 20 • Wenn nun aber der VGH Kassel in der Entscheidung vom 21. 8.1 9 62 be­ hauptet, ,.in der Literatur und in der Judikatur" seien „die Voreingenom­ menheit und die Parteilichkeit als zwei selbständige Merkmale (Fälle) der Befangenheit anerkannt" 21 , so bleibt hierbei offen, wie diese terminologische Unterscheidung mit dem Gesetzeswortlaut vereinbar sein soll, der doch allein auf das Mißtrauen in die „Unparteilichkeit" des Richters abstellt. Dieses offensichtliche Problem versucht das LG Würzburg22 dadurch zu lösen, daß es die „Parteilichkeit" im Sinne der persönlichen Voreingenommenheit aus­ drücklich als „Parteilichkeit im engeren Sinne" bezeichnet und dieser, wenn auch nur konkludent, die „Parteilichkeit im weiteren Sinne" gegenüberstellt, die dem „Parteilichkeits"-Begriff der Prozeßordnungen entspricht und dem­ entsprechend als Oberbegriff sowohl die persönliche Voreingenommenheit (,,Parteilichkeit im engeren Sinne") wie auch die sachliche Voreingenommen­ heit (,,Voreingenommenheit") umfaßt. 4. Eine derartige Differenzierung ist sicher nicht ohne weiteres von der Hand zu weisen, da sich „Parteilichkeit" durchaus in unter­ schiedlich weiter Bedeutung begreifen läßt23 • Sofern nämlich auf die Richtung, also gewissermaßen auf die Finalität der Befangenheit abgestellt wird, erfaßt der Begriff in der Tat lediglich die besondere Beziehung des Richters gerade zu den „Parteien" , allenfalls, wenn er etwas weiter gefaßt wird, auch noch zu den sonstigen „Prozeßbeteilig­ ten" , nicht aber auch eine derartige Beziehung nur zu der „Sache" , zum Verfahrensgegenstand als solchem. - Andererseits läßt sich „Parteilichkeit" aber auch vom Ergebnis her verstehen, nämlich im Hinblick darauf, daß eine „Partei" , ein Prozeßbeteiligter, vom Richter 20 VGH Kassel und LG Würzburg (s. Fußn.1 7); ferner etwa Friesenhahn (s. o. im Text zu 1 .). Wolf (s. Fußn. 1 7) spricht insoweit - unter dem Ober­ begriff der „Neutralität" - von „sachlicher Distanz". Möglicherweise ist also die begriffliche Unterscheidung zwischen persön­ licher und sachlicher Voreingenommenheit gemeint, wenn die Ausdrücke ,,(un-)parteilich" und ,,(un-)voreingenommen" verschiedentlich nebeneinander als Begriffspaar verwendet werden (s. o. die Bemerkungen in § 1.III bei und in Fußn.3). Mehr als eine Vermutung in dieser Richtung ist freilich nicht möglich, da andererseits j a etwa auch die Kombination „voreingenommen und befangen" vorkommt (vgl. ebd.), bei der eine derartige inhaltliche Diffe­ renzierung zumindest nicht ohne weiteres ersichtlich ist. 2 1 S. Fußn.1 7. - Die vom VGH hierzu angeführten Belegstellen sind im übrigen irreführend insofern, als sie weder terminologisch noch auch nur der Sache nach so strikt zwischen „Parteilichkeit" einerseits und „Voreingenom­ menheit" andererseits unterscheiden, wie es der VGH tut. 12 S. Fußn. 1 7. 13 Vgl. in diesem Sinne zunächst die Bemerkungen oben zu 2.c) im Rah­ men der Kritik an Arzts Begriff der ,.(Un-)Parteilichkeit".

§ 15. Der prozessuale Begriff der „Parteilichkeit"

85

benachteiligt oder bevorzugt wird (oder daß der Richter zumindest dahin tendiert); in diesem Fall macht es keinen Unterschied, ob die Befangenheit auf person- oder auf sachbezogenen Umständen beruht, so daß dann beide Fallgruppen umfaßt sindzt. Verfehlt wäre es aller­ dings, in diesem zweiten Falle, wie Arzt es tut, das wesentliche Merk­ mal der „Parteilichkeit" im engeren = finalen Sinne, nämlich die unsachliche innere Einstellung des Richters, außer Betracht zu lassen und nur noch auf das Ergebnis, die ungerechtfertigte Bevorzugung oder Benachteiligung eines Prozeßbeteiligten, abstellen zu wollen. Dieses Merkmal der unsachlichen inneren Einstellung muß vielmehr gerade auch dem weiteren Begriff der „Parteilichkeit" immanent blei­ ben. Wenn nun also einerseits „Parteilichkeit" sowohl in einem engeren wie auch in einem weiteren Sinne verstanden werden kann und wenn dann andererseits das Gesetz selbst in den Ausschließungsgründen sowohl Fälle der persönlichen wie gerade auch der sachlichen Vorein­ genommenheit regelt und wenn im übrigen für die Ablehnbarkeit wegen Besorgnis der Befangenheit ein gegenteiliger Wille des Gesetz­ gebers nicht ersichtlich ist: dann liegt der Schluß auf der Hand, daß die Prozeßordnungen „Parteilichkeit" im weiten Sinne des Oberbegriffs für persönliche und sachliche Voreingenommenheit verwenden21• Um Mißverständnissen vorzubeugen, sollte man unter diesen Umständen den Ausdruck dann aber möglichst auch nur in diesem Sinne ver­ wenden. 5. Eine ganz andere Frage ist es natürlich, ob eine hiernach an sich zu be­ j ahende (Besorgnis der) Befangenheit auch stets zur Ablehnung des Richters berechtigt oder ob etwa nach der Ausgestaltung des Gesetzes gewisse Kon­ stellationen hiervon ausgenommen sein sollen (gemeint sind die Fälle der sog. Vorbefassung in richterlicher Eigenschaft, für die ein ausdrücklicher Ausschließungsgrund nicht normiert worden ist). Dieses Problem kann indessen nicht auf der terminologischen Ebene gelöst werden: Der dahingehende Versuch M. J. Schmids vermag, wie soeben zu 3. gezeigt, nicht zu überzeugen, - ganz abgesehen davon, daß er gewisser­ maßen „das Kind mit dem Bad ausschüttet" , indem er nämlich schlechthin jegliche sachliche Voreingenommenheit, also nicht nur die in der Tat proble­ matischen Vorbefassungs-Fälle, aus dem Befangenheits-Begriff ausklammert. Und der Versuch des LG Würzburg, diesem Problem durch die Aufspaltung des Parteilichkeits-Begriffs in einen engeren und einen weiteren Begriff bei­ zukommen (vgl. ebda.), hilft letztlich auch nicht weiter, da hierdurch die Frage, welche Fälle der sachlichen Voreingenommenheit nun zur Ablehnung berechtigen sollen und welche nicht, noch keineswegs beantwortet wird, sonH Diese Unterscheidung liegt ja im Ansatz gerade auch den Ausführungen von Arzt zugrunde; nur gehen seine Schlußfolgerungen dann zu weit (vgl. im einzelnen die Kritik oben zu 2.). 15 So auch etwa Bettermann, AöR Bd. 92 (1967), 510 und Stemmler, Befan­ genheit S. 96 f.

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I. Teil, 1. Abschn.: Begriff und Kriterien der Parteilichkeit

dem im Gegenteil weiterhin offen bleibt. Die Frage des, wenn man so sagen will, ,,gesetzlich hingenommenen Befangenheitsniveaus" 28 wird vielmehr je­ weils bei den einzelnen, hierfür in Betracht kommenden Falltypen im Hin­ blick auf die konkrete gesetzliche Regelung geklärt werden müssen. III. Auf der Basis der vorstehenden Überlegungen können und sollen nun im folgenden die Ausdrücke „Befangenheit", ,,Parteilich­ keit" und „ Voreingenommenheit" synonym nebeneinander als Ober­ begriff für die persönliche und sachliche Voreingenommenheit ver­ wendet werden, während jeweils ein entsprechendes Attribut beigefügt wird, wenn nur eine dieser Fallgruppen gemeint ist. Aus den zuvor angeführten Gründen mag es an sich wünschenswert sein, wenn der mehrdeutige Gesetzesbegriff „Unparteilichkeit" durch einen präzi­ seren Ausdruck ersetzt würde, bei dem nicht erst geprüft werden müßte, in welcher der möglichen Bedeutungen er eigentlich im Gesetz verwendet wird; am ehesten würde sich hierfür wohl der Ausdruck „Unvoreingenommenheit" anbieten27• Ein dringendes Bedürfnis besteht hierfür indessen nicht, weil die bisherige Praxis, von ganz vereinzelten Ausnahmen abgesehen (s. o.), durch diese Unklarheit des Gesetzes, wenn man einmal von einem daraus resultie­ renden terminologischen „Durcheinander" absieht, jedenfalls in der Sache selbst kaum beirrt worden ist. Im Anschluß an die vorausgegangenen Überlegungen läßt sich im übrigen nunmehr die vorhin in § 4.IV nur vorläufig getroffene Be­ griffsbestimmung selbst zusammenfassend folgendermaßen verfeinern: „Parteilichkeit" ( = ,,Befangenheit" = Voreingenommenheit") ist die unsachliche innere Einstellung des Richters zu den Beteiligten oder zum Gegenstand des konkreten Verfahrens, aus der heraus er in die Behandlung und Entscheidung dieses Falles auch unsachliche, sach­ fremde Momente mit einfließen läßt mit der Folge, daß er daraufhin, von der Sache selbst her nicht gerechtfertigt, einen Prozeßbeteiligten benachteiligt oder bevorzugt oder aber zumindest dahin tendiert.

.,

§ 16. C. Anhang: Der marxistisch-leninistische Begriff der „Parteilichkeit" Die soeben im Hinblick vor allem auf die heutige westdeutsche ZPO und StPO, wie sie auf die Reichsjustizgesetze von 1877 zurückgehen, definierte „Parteilichkeit" soll ersichtlich ein Negativum zum Ausdruck bringen, das im konkreten Fall den einzelnen Richter unter bestimm­ ten formellen Voraussetzungen unfähig macht, in dem jeweiligen 25 Im Anschluß an die Formulierung bei Hamm, Gesetzl. Richter S. 114 ff., 161 ff. 27 Auf den inzwischen - allerdings auf einer ganz anderen, ideologischen Basis - die sozialistische Doktrin und neue Prozeßgesetzgebung der DDR maßgeblich abstellt, vgl. hierzu den folgenden § 16.

§

16. Der marxistisch-leninistische Begriff der „Parteilichkeit"

87

Verfahren (weiterhin) mitzuwirken. Um so mehr muß es deshalb zumindest auf den ersten Blick verwundern, daß in den Staatswesen, die unter der Ideologie des Marxismus-Leninismus stehen, den Richtern die „Parteilichkeit" ausdrücklich sogar zur Pflicht gemacht wird, daß aber andererseits auch diese sozialistischen Prozeßordnungen der Sache nach zugleich auch das Institut der Richterausschließung und Richter­ ablehnung wegen Besorgnis der Befangenheit kennen. Der Grund für diese Divergenz liegt darin, daß der marxistisch­ leninistische Begriff der „Parteilichkeit" ein völlig anderer ist und daß demzufolge dort scharf zwischen der (als positiv gewerteten) ,,Parteilichkeit" einerseits und der (negativ verstandenen) ,. Vorein­ genommenheit" andererseits unterschieden wird. ,,Parteilichkeit" wird dabei verstanden als „die konsequente offene Partei­ nahme für die Sache der Arbeiterklasse und, darin eingeschlossen, für die objektive Wahrheit" 1 ; auf das Strafverfahren bezogen, bedeutet sie „das Ringen um die Gewinnung wahrer Erkenntnisse als Voraussetzung für ein gerechtes Urteil auf marxistisch-leninistischer Grundlage der Erkenntnis­ tätigkeit"2. Handelt es sich insoweit also um eine generelle Einstellung des Richters auf einer bestimmten ideologischen Basis, so schließt folglich die Forderung nach „sozialistischer Parteilichkeit" die gleichzeitige Forderung nicht aus, daß der Richter daneben und zugleich die einzelne Sache „unvor­ eingenommen zu untersuchen und zu entscheiden" habe3 • Dementsprechend sehen etwa die StPO der DDR' wie auch die neue ZPO der DDR5 hierfür aus­ führliche Detailvorschriften vor8 , die, wenn auch nicht in der Terminologie7, 1 LB-Strafverfahrensrecht der DDR Abschn.5.2.1 = S. 144. 2 Ebd. Abschn. 3.2 .2 = S. 77; zum Zivilprozeß vgl. entsprechend etwa Kellner, NJ 19 75 , 542. Eingehend hierzu neuerdings A. F. Tscherdanzew, Das Prinzip der Parteilichkeit in der marxistisch-leninistischen Staats- und Rechtswissenschaft, in: Staat und Recht (Potsdam) 19 77 , 168 ff. 8 So ausdrücklich §§ 9 I 2 und 156 der StPO der DDR vom 12. 1. 1968 i. d. F. der Bekanntmachung vom 19 . 12. 19 74, zuletzt geändert durch das 3. StrafR­ ÄndG vom 28.6. 19 79 ( = GesBI. der DDR I 139 ff.). 4 S. vorstehende Fußn. 5 Gesetz über das gerichtliche Verfahren in Zivil-, Familien- und Arbeits­ rechtssachen - Zivilprozeßordnung - vom 19. 6 . 1975 ( = GesBI. der DDR 19 75 I 533 ff.). 8 StPO 1968/1974: Viertes Kapitel. Erster Abschnitt „Gewährleistung der richterlichen Unvoreingenommenheit" (§§ 156 - 16 3). ZPO 1975: Fünftes Ka­ pitel. Dritter Abschnitt „Ausschließung von Richtern und Schöffen" (§§ 73 - 76 ). 7 Die neue ZPO von 19 75 , die mit Wirkung ab 1. 1 . 19 76 die alte ZPO von 18 77 abgelöst hat (§ 209 ), stellt in § 73 II 1 (der entspr. Vorschrift für die Ab­ lehnung wegen Besorgnis der Befangenheit) statt auf die Ausdrücke „Be­ fangenheit" und „Unparteilichkeit" auf die „Unvoreingenommenheit" ab: .,Eine Prozeßpartei kann beantragen, einen Richter oder Schöffen wegen be­ rechtigter Zweifel an seiner Unvoreingenommenheit auszuschließen." Der Ausdruck .,(Un-)Parteilichkeit" kommt folgerichtig in diesem Zusammenhang nicht mehr vor. Zugleich hat auch der Ausdruck „Befangenheit" seine her­ kömmliche zentrale Stellung verloren, er erscheint jetzt nur noch im Katalog der (traditionellen) Ausschließungsgründe in § 73 I Nr.4: .,Ein Richter oder Schöffe ist von der Mitwirkung an der Verhandlung und Entscheidung aus-

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I. Teil, 1. Abschn.: Begriff und Kriterien der Parteilichkeit

so aber doch in der Sache selbst im großen und ganzen mit den herkömm­ lichen Regelungen der ZPO und StPO von 1877 weiterhin übereinstimmen; ausschlaggebend ist dabei auch für die Verfahrensgesetze der DDR, daß die .,Voreingenommenheit" des Richters ihren Grund gerade in seiner besonde­ ren Beziehung sei es zu den Prozeßbeteiligten oder sei es zum Gegenstand des jeweiligen Verfahrens haben müsse8 • Auf diesem ideologischen Hintergrund wird verständlich, daß das Gebot der „sozialistischen Parteilichkeit" gerade auch das Gebot der richterlichen Unvoreingenommenheit mit umfassen soll: .,. . . Unvoreingenommenheit ist . . . gleichermaßen Bestandteil der Wissenschaftlichkeit wie der Parteilich­ keit im Strafverfahren . . ." 9 • Für den Strafprozeß etwa bedeutet dies, daß .,Parteilichkeit und Unvoreingenommenheit" zugleich „unerläßliche Bestand­ teile der wissenschaftlichen Untersuchung von Strafsachen und der Entschei­ dung über sie" sind10 • -

geschlossen, wenn . . . . . . 4. er durch durch ein eigenes Interesse am Aus­ gang des Verfahrens befangen ist." Die StPO von 196 8/74 lehnt sich demgegenüber im Detail noch stärker an die Terminologie der StPO von 1877 an: § 159 I - .,Ein Richter kann wegen Besorgnis der B efangenheit abgelehnt werden, wenn berechtigte Zweifel an seiner Unvoreingenommenheit [ ! ] bestehen. Er kann sich auch selbst für be­ fangen erklären" ; doch ist auch hier schon zentral der Ausdruck „Unvorein­ genommenheit", wie insbesondere die Überschrift des Abschnitts „Gewähr­ leistung der richterlichen Unvoreingenommenheit" und der „Grundsatz" des § 156 zeigen: .,Das Gericht ist verpflichtet, jede Strafsache unvoreingenommen zu untersuchen und zu entscheiden." - Der Ausdruck .,(Un-) Parteilichkeit" wird auch hier nicht mehr verwendet. Sofern im einschlägigen Schrifttum der DDR das überkommene Vokabular von der ,,(Un-)Parteilichkeit" doch noch anklingt, dann aber doch nur mit gleichzeitigem Hinweis auf die jetzige sachliche Unterscheidung; vgl. etwa Nathan/Niethammer, Z ivilprozeßrecht I 4. Kap. § 2.11 = S. 88: ,,... par­ teiisch (nicht zu verwechseln mit parteilich) • . •" (Hervorhebung nicht schon im Original). 8 Vgl. zum Strafprozeß etwa Schindler/Noack, Leitfaden § 13.I. 1, 2 = S. 211, 21 2, sowie LK Strafprozeßrecht, Vorb. zu §§ 156 ff.; zum Zivilprozeß vgl. z. B. Nathan/Niethammer, (s. vorstehende Fußn. a. E.) sowie Kellner, NJ 19 75, 5 42. 9 LB Strafverfahrensrecht Abschn. 5.5.1 = S. 16 4; ebenso die Richtlinie des Plenums des Obersten Gerichts der DDR zu Fragen der gerichtlichen Beweis­ aufnahme und Wahrheitsfindung im sozialistischen Strafprozeß vom 16.3. 78 ( = GesBl. der DDR 19 78 I 16 9 , in Abschn. I.l ): ,,. . . Die sozialistische Partei­ lichkeit erfordert und gewährleistet die objektive und allseitige Feststellung der Wahrheit über jede Straftat durch gesetzliche, unvoreingenommene Be­ weisführung . . ." . 10 L B Strafverfahrensrecht Abschn. 8.1.l = S. 296; ebenso Kellner, NJ 19 75 , 5 42 zur neuen ZPO der DDR: ,,. . . Die Stellung der Gerichte im Zivil­ prozeß der DDR ist . . •" (u. a.) ,,. . . durch Unvoreingenommenheit und Partei­ lichkeit . . • geprägt. . . . Unvoreingenommenheit gegenüber den Prozeßsub­ jekten und parteiliches, d. h. vom Standpunkt der sozialistischen Gesetzlich­ keit bestimmtes Herangehen und Entscheiden von Rechtsstreiten und ande­ ren Rechtsangelegenheiten, sind dabei zwei sich gegenseitig bedingende Vor­ aussetzungen gerichtlicher Täti&keit . . ." (Hervorhebungen nicht schon im Orisinal).

§ 17. Zusammenfassung und Überleitung zum zweiten Abschnitt

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§ 17. Zusammenfassung zum Ersten und Oberleitung zum Zweiten Abschnitt I. In den bisherigen Paragraphen sind auf dem Hintergrund des Gleichheitssatzes zunächst einmal die Elemente und Kriterien der Parteilichkeit allgemein herausgearbeitet worden. Im einzelnen können nun die Befangenheits-begründenden Momente von ganz unterschied­ licher Qualität sein, so daß „Befangenheit" sich dementsprechend in vielerlei Formen äußern kann1 • Im folgenden soll deshalb der Versuch unternommen werden, in einer Art „Besonderem Teil" den wichtigsten Fallkonstellationen, die für eine Befangenheit in Betracht kommen, nachzugehen und sie nach Fallgruppen zu ordnen. Dabei wird es zum einen darum gehen, einen Überblick über die möglichen Fallgestaltun­ gen überhaupt zu geben, wobei es allerdings nicht das Anliegen dieser Untersuchung sein kann, sogleich einen vollständigen Überblick zu vermitteln; stattdessen soll es hier zum anderen darauf ankommen, gerade auch auf solche Konstellationen näher einzugehen, die zwar mit der Materie der Parteilichkeit sachlich eng verwandt sind, die aber trotzdem in diesen Komplex nicht mit einbezogen werden sollen. II. Wie die nachfolgenden Ausführungen zeigen werden, ist dabei den verschiedenen Befangenheits-begründenden Momenten in ihrer hier angesprochenen Heterogenität zunächst einmal nur gemeinsam, daß sie - auf dem Hintergrund des verfassungsrechtlichen Gleichheits­ satzes - eben „unsachlich" und „sach-fremd" und dabei zugleich ,,fallbezogen" sind. Ob ihnen darüber hinaus ein sonstiges übergrei­ fendes Prinzip gemeinsam ist, mag immerhin fraglich erscheinen, und zwar gerade mit Rücksicht auf die mehrfach angesprochenen vielfäl­ tigen außerrechtlichen, subjektiven Faktoren, die ja auch über den engeren Bereich der Parteilichkeit hinaus das richterliche Handeln mit bestimmen und die Verwirklichung einer völligen „Objektivität" in dem absoluten Sinne einer reinen Sachbezogenheit sowohl im Ver­ hältnis zu den Verfahrensbeteiligten wie auch in Bezug auf den Ver­ fahrensgegenstand allenfalls annäherungsweise als möglich erscheinen lassen. In einem weiteren Sinne mag hier als derartiges übergreifendes Prinzip der Grundsatz des Richters als des „nichtbeteiligten Dritten" angesehen werden, wie er etwa vom B VerfG in ständiger Rechtspre­ chung angesprochen wird2 : nämlich im Sinne des Richters als des 1 Und zwar im einzelnen wesentlich reichhaltiger und vielgestaltiger, als es gemeinhin in den Übersichten zur Systematik der Ausschließungs- und Ablehnungsgründe dargestellt wird. 2 Vgl. die Entsch. v. 29. 4. 54 = BVerfGE 3, 377 ff. (38 1); v. 9. 1 1 . 55 = E 4, 331 ff. (346) ; v. 9. 5. 62 E 14, 56 ff. (69) ; v. 24. 1 1 . 64 E 18, 241 ff. (255) ; v. 8. 2. 67 E 2 1 , 139 ff. (146). (Dabei ist allerdings zu berücksichtigen, daß das BVerfG diese Formel ursprüngli� in einem anderen, nämlich im gerichts-

=

=

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I. Teil, 1 . Abschn.: Begriff und Kriterien der Parteilichkeit

,,Dritten", der in der dialektischen Beziehung zu den Parteien (i. w. S.) nicht schon vornherein für oder gegen eine der beiden Seiten „Partei nehmen" soll (Dürig).

organisatorischen Sinne verwendet hat; erst in der zuletzt genannten Entsch. E 21 , 1 39 ff. [1 45 f.] hat es der Formel dann einen weiteren, umfassenderen Sinn beigelegt, der gerade [auch] den hier angesprochenen Aspekt beinhal­ tet; vgl. hierzu im einzelnen die Ausführungen unten zu Art. 92 und 101 I 2 GG in §§ 37.11.2 und 41.111. Außer der vorgenannten Rspr. des BVerfG vgl. in diesem Zusammenhang insbes. auch die Entsch. des BSozG v. 28. 5. 65 = BSGE 23.105 ff. (1 08 f.). Overhoff, Ausschluß S. 21 ff. sieht in der „Unbeteiligtheit des Dritten" das grundlegende Prinzip der gesamten Befangenheits-Materie. Zu berücksichti­ gen ist dabei j edoch, daß dem ,,(Nicht-)Beteiligtsein" in diesem Zusammen­ hang eine wesentlich weitere Bedeutung beigelegt wird, als es in der Folge hier der Fall sein wird (s. u. §1 9 .111). Im Ansatz wohl ähnlich wie die Vorgenannten, in der Formulierung aber zu eng etwa Görg/Müller, FGO Anm.1 zu § 51 , die ein einheitliches Prinzip für die Ausschließungs- und Ablehnungsgründe der Prozeßordnungen in dem Mitwirkungsverbot bei „Interessenkollision" zu erkennen glauben: ,,. .. Es ist ein Rechtsgrundsatz, daß niemand bei Wahrung fremder Interessen an Ent­ scheidungen mitwirken soll, die ihn selbst betreffen (Interessenkollision) . . ." ; der Begriff des „Selbst-betroffen-Seins" scheint hier wohl doch überdehnt.

zweiter Abschnitt Erscheinungsformen (Falltypen) der Parteilichkeit und sachlich eng damit verwandte Phänomene § 18. Erste Fallgruppe: Die persönlirhe Voreingenommenheit I. Die persönliche Beziehung, um deretwillen der Richter einen Prozeßbeteiligten tatsächlich oder zumindest tendenziell bevorzugt oder benachteiligt, kann zunächst einmal gerade zu diesem Prozeßbeteilig­ ten selbst, ebensogut natürlich aber auch gerade zu dessen Gegner bestehen. Darüber hinaus ist aber auch denkbar, daß jene Haltung des Richters aus einer besonderen Beziehung zu einem sonstigen Prozeßbeteiligten resultiert und von da her auf seine Einstellung gegenüber jenem anderen Prozeßbeteiligten zurückwirkt. In diesem Sinne kommen neben den „Parteien" selbst und überhaupt den „Prozeßbeteiligten im formellen Sinne" 1 als Personen, zu denen der Richter in einer Befangenheits-begründenden Beziehung stehen kann, vor allem die sog. ,,Prozeßbeteiligten im weiteren Sinne" in Be­ tracht2, wie der Vertreter der Staatsanwaltschaft, der Vertreter des öffentlichen Interesses im Verwaltungsgerichtsprozeß, der Prozeßbe­ vollmächtigte, der Zeuge oder der Sachverständige3 • Mit Rücksicht auf diesen Personenkreis charakterisiert Stemmler die persönliche Vor­ eingenommenheit treffend als die „Nähe des Richters zu den Personen des Verfahrens"•. In einem weiteren Sinne wird hierher etwa auch der Fall zu rechnen sein, daß ein Rechtsmittelrichter eine Sache auf Grund seiner persönlichen Be­ ziehung zu dem Vorderrichter, der die angefochtene Entscheidung erlassen hat, tendenziös behandelt, um zu einem bestimmten gewünschten Ergebnis 1 Vgl. hierzu die Ausführungen oben in § 5.III. So etwa auch die Unterscheidung bei Stemmler, Befangenheit S. 23 f. und 96 f. 3 Die sog. Subsidiarität der Ablehnung bei einer persönlichen Beziehung des Richters insbesondere zum Prozeßbevollmächtigten, zum Staatsanwalt oder zum Sachverständigen ändert nichts daran, daß der Richter hier gege­ benenfalls dem betr. Prozeßbeteiligten gegenüber voreingenommen ist. Es handelt sich hier also nicht um ein Problem der „Befangenheit" als solcher, sondern um die Frage, ob ein grundsätzlich gegebenes Ablehnungsrecht we­ gen Besorgnis der Befangenheit in bestimmten Fallkonstellationen ausge­ schlossen sein soll. 4 Befangenheit S. 199 f. 2

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I. Teil, 2. Abschn.: Falltypen der Parteilichkeit

zu kommen: z. B. um die angefochtene Entscheidung dem Vorderrichter zu­ liebe unbedingt aufrechterhalten, oder aber im Gegenteil gerade auch, um sie zu Fall bringen zu können. - Dieser Vorderrichter, um dessentwillen der j etzige Richter geneigt ist, in das Verfahren un-sachliche, ,,sach-fremde" Ge­ sichtspunkte mit einfließen zu lassen, zählt nicht eigentlich zu den „Prozeß­ beteiligten im formellen Sinne", auch nicht im weiteren Sinne, weil diese Kategorien den im Verfahren mitwirkenden Richter als solchen j eweils nicht mit einbeziehen. Trotzdem durchbricht die hier angesprochene Fallgestal­ tung die bisher aufgestellte Regel zumindest in der Sache selbst keineswegs, da j a auch der Richter einen bestimmten formellen Status innerhalb des jeweiligen Verfahrens hat. Darüber hinaus sind nun aber auch noch solche Personen mit zu berücksichtigen, die in keiner Weise formell in das Verfahren mit einbezogen sind, die aber doch durch seinen Ausgang mitbetroffen, · ,,berührt" werden. Damit ist der Kreis der „nur" materiell am Ver­ fahren Beteiligten angesprochen, der sogleich im folgenden § 19.III. näher erörtert werden wird. Denn es liegt ja durchaus nahe, daß der Richter im Einzelfall auch einmal einen „Prozeßbeteiligten im for­ mellen Sinne" gerade mit Rücksicht auf die Auswirkungen bevorzugt oder benachteiligt, die das Verfahren auf einen solchen, formell „au­ ßenstehenden" Dritten haben kann, zu dem der Richter eben in einer besonderen persönlichen Beziehung steht. Im Gegensatz zu den vorher angesprochenen, zumindest in einem weiteren Sinne formell am Prozeß „Beteiligten" wird dieser letztere Personenkreis, soweit ersichtlich, in der einschlägigen Literatur nicht mit berücksichtigt, was aber wohl daraus resultiert, daß sich die Autoren die Fallkonstellationen der Ausschließungsgründe zum Vorbild nehmen, die sich in der Tat auf den Kreis der (irgendwie) formell am Verfahren beteiligten Personen beschränken. II. Der „persönliche" Charakter der soeben erörterten Beziehungen des Richters zu den verschiedenen „Prozeßbeteiligten" kann nun im einzelnen recht unterschiedlicher Qualität sein: 1. Zum einen kann es sich hierbei nämlich um eine echte „per­ sönliche" Beziehung handeln, bei der in der Tat das personbezo­

gene Moment, die Beziehung unmittelbar von Person zu Person, im Vordergrund steht, sei es nun in Form besonderer Verbundenheit oder etwa gerade auch in Form besonderer Abneigung.

Die hiermit angesprochene „Beziehung unmittelbar von Person zu Person" darf nun freilich nicht so verstanden werden, als ob der Richter und der betr. Prozeßbeteiligte sich in irgendeiner Hinsicht wirklich „nahestehen" müßten. Es genügt hierfür vielmehr allein schon der Umstand, daß die bei­ den einander an sich völlig fremd sein mögen, daß j edoch irgendetwas an der Person des Prozeßbeteiligten den Richter gegen ihn „voreingenommen" macht, etwa in ihm eine Antipathie oder auch eine besondere Sympathie her­ vorruft, die ihn in der Folge dazu veranlaßt, sei es diesen Prozeßbeteiligten selbst oder sei es auch um der Einstellung gegenüber diesem Prozeßbeteilig­ ten willen einen anderen Prozeßbeteiligten zu benachteiligen oder gerade auch zu bevorzugen.

§18 . Die persönliche Voreingenommenheit

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Daneben kann der „persönliche" Charakter der Beziehung, worauf Arzt mit Recht hinweist5, aber auch durch eine „sachliche" Beziehung, d. h. durch einen näheren Kontakt begründet werden, der wesentlich auf einem sachbezogenen Verhältnis beruht. Arzt führt hierfür als Beispiel eine geschäftliche oder berufliche Beziehung des Richters zu einem Prozeßbeteiligten an° . Ausschlaggebend ist freilich, daß hier trotzdem auch das personbezogene Moment noch eine wichtige Rolle (mit)spielt, da andernfalls der sachbezogene Aspekt derart im Vorder­ grund steht, daß der Fall nicht mehr hier, sondern bei der „sachlichen Voreingenommenheit" einzuordnen ist. 2. Das persönliche Moment kann aber - ebenfalls im Anschluß an Arzt1 - auch noch in einer anderen Richtung mittelbarer Art sein: inso­ fern nämlich, als die persönliche Beziehung nicht unbedingt zwischen dem Richter und dem betr. Prozeßbeteiligten unmittelbar bestehen muß, sondern auch durch eine dritte Person vermittelt sein kann, die ihrerseits selbst an dem Verfahren gar nicht beteiligt zu sein braucht (weder in formeller noch in materieller Hinsicht). Nach Arzt kommt hier als Beispiel etwa eine freundschaftliche Beziehung des Beschul­ digten oder Verletzten nicht zum Richter selbst, sondern etwa zu seiner Ehefrau in Betracht8 , ebenso wird eine solche Beziehung zu einem anderen Angehörigen oder auch zu einer sonst nahestehenden Person genügen müssen, sofern nur diese Beziehung eng genug ist, um den Richter für oder gegen den Prozeßbeteiligten voreingenommen zu machen.

3. Auf die einzelnen Fallgestaltungen persönlicher Voreingenommenheit, wie familiäre oder nachbarschaftliche Beziehungen, Freundschaft oder Feind­ schaft, ist hier nicht näher einzugehen. Insoweit kann auf die eingehende Er­ örterung dieser Materie in den Monographien von Arzt9 , Ernst 10 , Stemmler11 sowie Overho[/12 verwiesen werden, die ihrerseits wiederum - auf dem Hin­ tergrund der Einteilung in Ausschließungs- und „einfache" Ablehnungs­ gründe - die überaus reichhaltige Kasuistik in Judikatur und Literatur aus­ gewertet haben.

5 Strafrichter S. 48 ff. einerseits (,,Persönliche Beziehungen . . ." ) und S.50 ff. andererseits (,,Sachliche Beziehungen . . ."). 8 S.50. - Speziell zum kollegialen Verhältnis des Richters zu einem Pro-. zeßbeteiligten als Ablehnungsgrund vgl. die Ausführungen bei Ernst, Ableh­ nung S.15 9 ff. und Stemmler, Befangenheit S.1 30 f. 7 S. 55. 8 Ebd. 9 s. 48 ff. 10 Ablehnung S. 15 7 ff., 17 2 ff. 11 Befangenheit S. 31 ff., 1 26 ff. u Ausschluß S. 202 ff.

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I. Teil, 2. Abschn.: Falltypen der Parteilichkeit

§ 19. Zweite Fallgruppe: A. Das eigene, persönliche Interesse des Richters an der Sa-ehe I. Im Rahmen der sog. sachlichen Voreingenommenheit kommt als erster Fall einer solchen „Nähe des Richters zum Gegenstand des . Verfahrens" 1 in Betracht, daß der Richter in der Sache selbst (mit-)­ betroffen ist, so daß er ein eigenes, persönliches Interesse am Verlauf und Ausgang des Verfahrens hat. Eben darin, daß dieses Interesse - sei es tatsächlich oder auch nur tendenziell - das Verhalten des Richters im Verfahren überhaupt und insbesondere seine Entschei­ dungsfindung beeinflußt, liegt das „unsachliche" Moment, das die Befangenheit begründet: dem Richter fehlt hier die gebotene persön­ liche Distanz zum konkreten Verfahrensgegenstand. Sofern man einmal davon ausgeht, daß auch die richterliche Tätigkeit als solche von einem entsprechenden „Interesse" geleitet wird, kann man hier auch von einer „Interessenkollision" sprechen: daß diese der Ausübung des Richteramts abträglich ist, bedarf keiner näheren Ausführung. II. Das persönliche Interesse des Richters, um das es hier geht, kann sowohl materieller wie auch ideeller Art sein2 • Im übrigen kann das „Betroffensein" des Richters, aus dem sein ,,Interesse" resultiert, unmittelbarer, aber auch mittelbarer Art sein: - unmittelbarer Art nämlich etwa dann, wenn der Richter selbst durch die Straftat verletzt ist oder wenn er selbst Inhaber oder Gegner des geltend gemachten Anspruchs ist1 ; - und mittelbarer Art z. B. dann, wenn der Richter etwa Aktionär der klagenden oder verklagten Aktiengesellschaft oder wenn diese ihrerseits durch die Straftat verletzt ist•. 1 Stemmler, Befangenheit S.1 99 f. r So speziell für den Verletzten im Strafprozeß Arzt, Strafrichter S. 40 f., 41 ff. Allgemeiner Ernst, Ablehnung S.1 89 ff., 1 92 f.; zum Aspekt des „mate­ riellen eigenen Interesses" auch Wach, Handbuch I § 27.II.3 .a = S.336 f. a Hier ist der Richter dann regelmäßig auch formell am Verfahren „be­ teiligt". • Hierher wird im übrigen auch der Fall zu zählen sein, daß der Richter zugleich als Mandatsträger dem Vertretungsorgan einer öffentlich-rechtlichen Körperschaft (insbes. Gemeinde, Landkreis) angehört, um deren Belange es in dem Verfahren geht. Es läßt sich freilich nicht der Satz aufstellen, daß hier auch nur eine Besorgnis der Befangenheit stets berechtigt wäre, womit zugleich gesagt ist, daß hier eine echte, Befangenheits-begründende Inter­ essenkollision keineswegs immer anzunehmen ist (in diesem Sinne zutreffend differenzierend etwa OLG Celle v. 27. 2 . 76 = NdsRPfl. 197 6 , 9 1 : Richter zu­ gleich als Abgeordneter des Kreistags des betr. Landkreises; Besorgnis der Befangenheit hier als begründet angesehen, da es sich um eine kommunal­ politisch bedeutsame Angelegenheit handle). Besonders weitreichende Konsequenzen hat diese Abgrenzung im übrigen im Gemeinderecht, weil dort bei einer großzügigen Bej ahung der Befangen­ heit leicht die Beschlußfähigkeit des Gemeinderats auf dem Spiel steht. Für Baden-Württemberg hat der Landtag versucht, durch eine Novellierung der

§ 1 9. Das eigene, persönliche Interesse des Richters an der Sache

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Besonders deutlich - am Beispiel des „Verletztseins" im Strafver­ fahren - zeigt Arzt hierzu die möglichen Abstufungen des Betroffen­ seins auf, indem er zwischen „unmittelbarer Verletzung" , ,,mittelbarer Verletzung" und bloßer „Berührung . . . durch die Tat" unterscheidet1 • Da es im jetzigen Zusammenhang ausschließlich um die tatsächlich vor­ liegende (also nicht um eine nur zu befürchtende) Befangenheit geht, macht es hier keinen Unterschied, ob diese Befangenheit als solche auf einer un­ mittelbaren oder einer „nur" mittelbaren Betroffenheit des Richteres beruht. Für die Abgrenzung der entsprechenden Ausschließungsgründe von der bloßen Ablehnbarkeit wegen Besorgnis der Befangenheit im einzelnen soll es demgegenüber, jedenfalls nach h. M., gerade auf das unmittelbare Betrof­ fensein ankommen•.

Zumindest wenn das (Mit-)Betroffensein nicht allzu entfernt ist, wird der Richter versucht sein, die Belange „seiner" Seite überzube­ werten und die der anderen Seite entsprechend hintanzustellen: er wäre dann in dieser Sache - zumindest in einem weiteren Sinne „Partei" und Richter zugleich, was sich aber nach der Rollenverteilung im Prozeß gegenseitig ausschließt. Und so hat denn auch das Gebot der richterlichen Unparteilichkeit schon sehr früh seine deutlichste Ausprägung und Konkretisierung gerade in dem Grundsatz des „nemo iudex in sua causa" erfahren7 • Wesentlich für eine Bej ahung der Befangenheit ist dabei, daß das Interesse des Richters nicht lediglich Ausfluß einer allgemeinen Ein­ stellung des Richters ist, die sich im konkreten Fall nur niederschlägt; wegen der Einzelheiten hierzu kann auf die Ausführungen zum Merkbisherigen strikten Vorschriften zugunsten einer Regelung, die auf die Ver­ hältnisse des Einzelfalls abstellt, eine praktikable Abgrenzung zu finden, s. das Gesetz zur Änderung der Gemeindeordnung, der Landkreisordnung und des Gesetzes über kommunale Zusammenarbeit vom 7 .6 .1 977 = GesBl. Bad.­ Württ. 1 977 S.17 3 (§ 1 Nr. 2 , § 2 Nr.1 b). Im Stadtstaat Bremen stellt ein da­ hingehendes Mitwirkungsverbot der Landesverfassung für Mitglieder der Bürgerschaft auf den „unmittelbaren Vorteil oder Nachteil" und daneben auf ein „persönliches oder wirtschaftliches Sonderinteresse" ab, vgl. die Entsch. des Brem.StGH vom 1 8. 2 . 77 = NJW 1 977 , 2307 ff. 5 S.47 f.; im Anschluß hieran auch Stemmler, Befangenheit S.1 24 f. 1 Näher hierzu Stemmler S. 25 ff. (m. w. N.), der j edoch die h. M. als zu eng ablehnt und stattdessen auf die „Nähe des tatsächlichen Betroffenseins" ab­ stellt, S. 27 ff. 7 In diesem Sinne besonders deutlich die Codex-Stelle im Corpus Juris

Civilis:

C.3.5 - ,,Ne quis in sua causa iudicet vel sibi ius dicat" C.3.5.1 - ,,. . . Generali lege decernimus neminem sibi esse iudicem vel ius sibi dicere debere. in re enim propria iniquum admodum est alicui licentiam tribuere sententiae . . ." . (Dieser Grundsatz galt im Bereich der sog. Patrimonialgerichtsbarkeit aus­ drücklich auch für den „Gerichtsherrn" selbst: vgl. zum gemeinen Prozeß­ recht Glück, Pandecten III/1 [1 806 2] § 1 92 = S. 82 ff. und zum preuß. Recht §§ 41 , 7 5 II 17 ALR.)

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I. Teil, 2. Abschn.: Falltypen der Parteilichkeit

mal der Fallbezogenheit, speziell zur Ausgrenzung des nur allgemeinen Interesses, verwiesen werden (s. o. §§ 12 und 13). III. Etwas allgemeiner formuliert, liegt den hier angesprochenen Fällen - in Anlehnung an die ständige Rechtsprechung des B VerfG der Gedanke zugrunde, daß „jeder richterlichen Tätigkeit wesentlich (ist), daß sie von einem nichtbeteiligten Dritten ausgeübt wird8•

1. Teilweise wird dieses Erfordernis des „Nicht-"/,,Unbeteiligtseins" frei­ lich in einem wesentlich weiteren Sinne verstanden, nämlich umfassend da­ hin, daß der Richter weder in bezug auf die Sache als solche noch auch in bezug auf die Prozeßbeteiligten an dem Verfahren selbst „beteiligt" sein dürfe9 (womit also sowohl die sachliche wie auch die persönliche Voreinge­ nommenheit gemeint sind). Der Sache nach enthält dieser Satz zweifellos einen fundamentalen Gedanken für den gesamten Komplex der Befangen­ heit. Terminologisch aber sollte der Begriff des ,,(Un-)Beteiligtseins" doch besser auf den Fall der sachlichen Voreingenommenheit begrenzt werden, da beim „Beteiligtsein" regelmäßig ein sachbezogenes Moment im Vordergrund steht, wie es für Fälle der persönlichen Voreingenommenheit gerade nicht charakteristisch ist10• Mit dem eigenen „Betroffensein" des Richters in der Sache, d. h. durch den Gegenstand des Verfahrens, geht es, nachdem bisher die „Prozeßbeteiligten im formellen Sinne" im Vordergrund gestanden haben1 1 , j etzt um die „B eteiligung im materiellen Sinne" 12 : anstatt auf den formellen Status des „Beteiligten" in dem betr. Verfahren wird hierbei, unabhängig davon, allein auf das tatsächliche Betroffensein in der jeweiligen Sache abgestellt.

2. In das Gesetz selbst hat dieser letztere Begriff freilich nur im BVerfGG Eingang gefunden, während die übrigen Prozeßordnungen hierfür je eigene Umschreibungen enthalten13 : § 18 I Nr. 1, 1. Alt. BVerfGG sieht nämlich einen 8 Vgl. die Nachweise vorstehend in § 1 7.II (Fußn. 2). S. o. § 1 7.II mit Fußn. 2. 10 Deshalb erscheint es auch nicht angebracht, wenn Stemmler, Befangen­ heit S. 22 f., 3 1 ff., 126 ff. auch die persönlichen Beziehungen des Richters zu einem Verfahrensbeteiligten in den Begriff der „Beteiligung des Richters in der Sache" mit einbeziehen will. Für diese Fälle ist doch gerade das person­ bezogene Moment spezifisch, so daß sie dementsprechend auch in einer eige­ nen Fallgruppe zusammengefaßt werden sollten: eben in der Fallgruppe der ,,persBnlichen Voreingenommenheit". 11 S. o. §5.III und § 1 8.I. 12 Eingehend zu diesen beiden Begriffen etwa Stemmler S. 22 ff. (m. w. N.). 13 Vgl. in der ZPO § 41 Nr. 1, 2. Alt.: Ausschließung des Richters „in Sachen, (in denen er selbst Partei ist oder) bei denen er zu einer Partei in dem Verhältnis eines Mitberechtigten, Mitverpflichteten oder Regreßpflichtigen steht" (die 1 . Alt. - in Klammern - stellt im Gegensatz dazu auf die Partei­ stellung, also auf die „formelle Beteiligung", ab) ; StPO: vgl. § 22 Nr. 1 - Ausschließung des Richters, ,,wenn er selbst durch die Straftat verletzt ist"; hierher zählt im übrigen wohl auch der in § 5 4 III VwGO geregelte Fall, daß „der Richter oder ehrenamtliche Verwaltungsrichter der Vertretung einer 9

§ 1 9. Das eigene, persönliche Interesse des Richters an der Sache

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Ausschluß des Richters u. a. auch dann vor, wenn er „an der Sache beteiligt" ist14, worunter nicht lediglich die formelle Beteiligung, sondern darüber hin­ aus im Prinzip1 5 gerade auch eine sonstige Beteiligung im materiellen Sinne zu verstehen sein soll18• Diese Frage wurde seinerzeit erst im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens geklärt, und zwar in dem soeben genannten Sinne. Im Rechtsausschuß des Bundestages waren nämlich in der 1 . Lesung Zweifel aufgekommen, ob der Wortlaut des damaligen §1 5 (jetzt § 18) in der Fassung des Regierungsent­ wurfs (BTagsDrucksache I/788) eine Beteiligung (auch) im materiellen Sinne oder etwa nur im formellen Sinne meine, wobei dann möglicherweise sogar eine Divergenz zwischen der Formulierung des Abs. I Nr. 1 , 1 . Alt. (., . . . am Verfahren beteiligt . . . " = formelle Beteiligung) und der des Abs. II vorliege (,,Beteiligt ist nicht, wer . .. am Ausgang des Verfahrens interessiert ist . . ." materielle Beteiligung) 17. Diese Frage wurde dann erst vom interfraktio­ nellen Unterausschuß des Rechtsausschusses entschieden, und zwar zugunsten (auch) der materiellen Beteiligung; zur Klarstellung wurde dementsprechend die bisherige Formulierung in Abs. I Nr.1 , 1. Alt. ., . . . am Verfahren betei­ ligt . . ." durch die neue Formulierung ., . . . an der Sache beteiligt . . ." er­ setzt18.

=

Körperschaft angehört, deren Interessen durch das Verfahren berührt wer­ den" (dies dürfte j edenfalls dann gelten, wenn auch die Zugehörigkeit zur Vertretung einer Körperschaft miterfaßt ist, die nicht selbst am Verfahren formell beteiligt ist, so Redeker/v. Oertzen § 54 Rn. 1 2 gegen Ule § 54 Anm. III a. E.; im Sinne von Ule hat seinerzeit §38 S. 2 (a. E.) brit. MRVO Nr. 1 65 v. 13 . 9.1 948, sogar ausdrücklich, auf die förmliche Beteiligung der betr. Kör­ perschaft am Verfahren abgestellt, bei allerdings anderem Wortlaut. (Näher zu § 54 III VwGO wie auch zu den entsprechenden Vorschriften der FGO [§ 51 III] und des SGG [§ 60 III] überhaupt Overhoff, Ausschluß S. 63 ff.). 14 Diese Formulierung geht auf die Fassung von § 1 5 1 Nr. 1 , 1. Alt., des Regierungsentwurfs zurück ( = BTags-Drucksache 1/788), während der vor­ ausgegangene Initiativ-Gesetzentwurf der SPD-Fraktion ( = BTags-Drucks. 1/3 28) in § 1 5 1 Nr. 1 , 1. Alt., darauf abgestellt hatte, daß der Richter „am Ausgang des Verfahrens persönlich interessiert" sein müsse, vgl. auch die Begründung zu § 1 5 Reg.-Entw. (ebd.), wonach die Ausschließungsregelung .,an den in der Verwaltungsgerichtsbarkeit bekannten Begriff der ,Nächstbe­ teiligung"' anknüpfe (genauer: an den im bayerischen Verwaltungsrecht ge­ läufigen Begriff, wie aus einer Äußerung des Vertreters des BJustMin im BTags-Rechtsausschuß, Dr. Geiger, hervorgeht, vgl. das dortige Prot. der 33 . Sitzung (1 . Wp.) vom 27. 4.1 950 S.11 a. E.). u Wenn auch mit unterschiedlicher Nuancierung bei den einzelnen Autoren. 18 Grundlegend Geiger § 18 Anm. 1 : .,. . . Beteiligt an dieser Sache ist jeder, der daran, sei es auch nur teilweise, unmittelbar ,teil hat' , entweder weil er ihr Urheber (,Anstifter') ist, sie selbst verantwortlich und unmittel­ bar - allein oder mit anderen - geschaffen hat, aus ihr unmittelbar einen Nutzen zieht, der nicht in gleicher Weise j edermann zukommt, oder durch sie unmittelbar einen Nachteil erleidet, der nicht in gleicher Weise auch Dritte trifft ...". - Ähnlich auch Leibholz/Rupprecht § 18 Rn. 2; Lechner § 18 Erl. 2 „zu Abs.1 "; Maunz/Sigloch/Schmidt-Bleibtreu/Klein § 18 Rn. 2 ; sowie Knöpfte, BVerfG-Festgabe I S.1 50. 17 Vgl. Dt.BTag 1 . Wp., 23 . Ausschuß, 33 . Sitzung am 27. 4.1 950 Proto­ koll S.1 2 ff. 18 Vgl. den „Entwurf eines Gesetzes über das Bundesverfassungsge richt nach den Beratungen im Unterausschuß des Rechtsausschusses. Stand: 27._Nov. 1 950" sowie die „Gegenüberstellung der Vorschläge des Unteraus-

=

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I. Teil, 2 . Abschn.: Falltypen der Parteilichkeit

Die zunächst in Betracht gezogene Eingrenzung allein auf die formelle Be­ teiligung wäre, wie im Rechtsausschuß mit Recht betont worden ist, in der Tat nicht folgerichtig gewesen, weil die Formulierung des Abs. II ja von vornherein ganz eindeutig auf den materiellen Aspekt abgestellt hat: ,, . . . am Ausgang des Verfahrens interessiert .. . ". Andererseits ist aber auch nicht zu verkennen, daß die j etzige Regelung der sonst üblichen und auch praktikableren Gesetzgebungstechnik zuwider­ läuft, als Ausschließungsfälle möglichst nur „obj ektivierbare Tatsachen und Vorgänge, die j ederzeit zuverlässig und eindeutig nachprüfbar sind" 19, vorzu­ sehen; auf dieses Bedenken wurde im Plenum des Rechtsausschusses in der 1. Lesung des Regierungsentwurfs auch ausdrücklich hingewiesen20 , ohne daß dem in der Folge j edoch Rechnung getragen worden ist21 • § 20. B. Die typisch einseitige Interessenrichtung des Richters, insbesondere die Problematik des sog. interessengebundenen Laienrichters I. Besonderer Erörterung bedarf in diesem Zusammenhang ein spezielles Institut der Gerichtsverfassung, das in Rechtsprechung und Schrifttum immer wieder generelle Z weifel an der Unparteilichkeit der fraglichen Richter aufwirft. Konsens besteht hier im wesentlichen nur über das Ergebnis, nämlich daß hier - jedenfalls im Regelfall eine Ablehnung wegen Besorgnis der Befangenheit nicht in Betracht komme; eine plausible Begründung steht dagegen noch immer weitge­ hend aus, da bisher eigentlich jeweils nur Teilaspekte zur Lösung des Problems aufgezeigt worden sind und die Diskussion sich zudem häufig auf recht vordergründige Argumente beschränkt, die z war an sich zutreffen mögen, die aber eben die Problematik bei weitem nicht voll erfassen: Gemeint ist der Umstand, daß bestimmten Gruppen von Rich­ tern eine typischerweise mehr oder weniger einseitige Interessenrich­ tung eigen ist. Im Vordergrund steht dabei das Institut der sog. ,,interessengebundenen Laienrichter" 1 , wobei vorrangig an die ehrenschusses mit den Beschlüssen der 2 . Lesung des Rechtsausschusses" vom 7.1 2 . 1 95 0 Ofd. Nr. 34 und 45 des vom Parlamentsarchiv des Dt.BTages erstellten ,,Fundstellenverzeichnisses zu den Gesetzesmaterialien zum Bundesverfas­ sungsgerichtsgesetz [BVerfGG] ", j eweils zu § 1 8 BVerfGG). 19 So die Formulierung im Beschluß des BVerfG vom 5 .1 0. 77 = E 46 , 34 ff. (37, unter Il.2 .b). 20 Vgl. Protokoll der 33. Sitzung (s. vorstehende Fußn.1 7) S. 13 ff. 21 Dazu, daß diese Bedenken innerhalb des § 1 8 BVerfGG gleich noch ein zweites Mal bestehen, nämlich im Hinblick auf die j etzige Regelung des Abs. III Nr. 2 - sog. ,,Lex Leibholz" -, vgl. die Kritik unten in § 24.II.2.a) [a. E.] . 1 Im Anschluß an Peters, Lehrbuch § 1 8.I.1.b) ::: S. 1 04. - Im Gegensatz dazu sind die sog. ,,sachverständigen Laien" einerseits und die „echten Laien" andererseits zu sehen (so die Terminologie bei Peters) ; ähnlich die bei Rügge­ berg, VerwArch. 1 9 70, 1 89 ff. (1 9 7) wiedergegebene Terminologie, wonach bei der Bestellung von ehrenamtlichen Richtern zwischen „Jedermanns-", ,,Sach­ verstands-" und „Interessengruppen-Prinzip" zu unterscheiden sei (Rügge-

§ 20. Die typisch einseitige Interessenrichtung des Richters

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amtlichen Beisitzer der Arbeitsgerichtsbarkeit, daneben aber auch der Sozialgerichtsbarkeit zu denken ist2 • Am augenfälligsten ist insoweit wohl das Modell des Arbeitsgerichtspro­ zesses, wonach die Richterbank neben einem Berufsrichter als Vorsitzendem (und etwaigen weiteren Berufsrichtern) in allen Instanzen paritätisch mit Beisitzern besetzt ist, die je zur Hälfte von der Arbeitgeber- und von der Arbeitnehmerseite vorgeschlagen werden3 und dementsprechend die typische Interessenpolarität dieser beiden sozialen Gruppen gerade auch in der Rich­ terbank widerspiegeln. Mit Rücksicht auf die besondere Art ihrer Berufung und die damit einhergehende spezifische Perspektive, die diese Richter typischer­ weise in ihr Amt mit einbringen, ist wiederholt davon die Rede, daß diese Richter von vornherein „sachlich befangen" seien4. In der Folge berg selbst wendet sich allerdings S.1 97 f. gegen diese Typisierung und ver­ sucht stattdessen, ein einheitliches „formales Repräsentationsprinzip" zu be­ gründen; ein solches Prinzip hindert jedoch nicht, daß innerhalb dieses ein­ heitlichen Komplexes bei näherer Betrachtung der einzelnen Gattungen ehrenamtlicher Richter doch wieder gerade diejenigen unterschiedlichen Aspekte hereinspielen, die Rüggeberg mit der Aufstellung seines einheitli­ chen Grundprinzips eliminieren wollte). Da es hier allein um den Gesichtspunkt der Parteilichkeit oder Unpartei­ lichkeit geht, ist auf die generelle, im Schrifttum sehr kontrovers diskutierte Frage, ob die Beibehaltung des Instituts der Laienrichter überhaupt sinnvoll und wünschenswert ist oder nicht [im letzteren Sinne etwa Baur] , nicht näher einzugehen. 2 Die früheren Bezeichnungen „Arbeits-", ,,Sozialrichter" usw. sind durch das Gesetz zur Änderung der Bezeichnungen der Richter und ehrenamtlichen Richter und der Präsidialverfassung der Gerichte vom 26 .5.72 (BGBI. I 841 , vgl. insbes. den neu eingefügten § 45 a DRiG) sowie durch das Gesetz zur Än­ derung von Bezeichnungen der Richter und ehrenamtlichen Richter vom 2 2 .1 2.75 (BGBI. I 3176 ) zu der einheitlichen Bezeichnung „ehrenamtlicher Richter" zusammengefaßt worden; als einzige Ausnahmen sind lediglich noch die herkömmlichen Begriffe „Schöffe" und „Handelsrichter" beibehalten wor­ den. Der Einfachheit halber sei es aber gestattet, im folgenden die früheren Bezeichnungen (in Anführungszeichen) trotzdem weiter zu benützen. 8 Vgl. allgemein § 6 I ArbGG und im einzelnen für das Arbeitsgericht §§ 16 , 20 ff., für das Landesarbeitsgericht §§ 35, 37 II und für das Bundes­ arbeitsgericht §§ 41 , 43 ArbGG. 4 So etwa Dersch/Volkmar, ArbGG § 49 Rn.3 2 (.,sachliche Befangenheit in bestimmten Anschauungen"); Wieczorek, AP Anm. zu Nr. 2 zu § 41 ZPO (.,Sozialbefangenheit"; eine Ablehnung aus einem derartigen Grund bezeich­ net W. wenig glücklich als „Sozialablehnung"); ferner das vorlegende AG Albstadt - Landwirtschaftsgericht - in dem Verfahren 2 BvL 13 /75 vor dem BVerfG, s. die Wiedergabe in der Entsch. des BVerfG vom 26.5.76 = E 42 , 206 ff. (unter A.11 der Gründe = S. 2 07: .,. . . Diese spezifische Befangenheit bestehe bei allen landwirtschaftlichen Beisitzern. Den Verfahrenbeteiligten nütze es also nichts, die jeweils mitwirkenden Beisitzer wegen Besorgnis der Befangenheit nach § 11 LwVG abzulehnen, weil sie sämtlich in Verfahren dieser Art am Verfahrensausgang interessiert und damit befangen seien ...", vgl. im übrigen auch den Tenor des Vorlegungsbeschlusses vom7. 11 . 75 selbst in NJW 1 976 , 26 4). Aus der Weimarer Zeit vgl. z. B. Fraenkel, Neue Zeitschrift für Arbeits­ recht (NZfA) 1 92 8, Sp. 407 ff. (Sp. 409: .,sachliche Befangenheit", Sp. 411 : .,eine gewisse Voreingenommenheit . . ., soweit der soziale Hintergrund in Frage kommt") sowie Feig, Anm. ArbRspr. 1 92 9, 73 (.,Klassenbefangenheit").

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wird dann in Bezug auf die ehrenamtlichen Richter in der Arbeitsge­ richtsbarkeit verschiedentlich die Behauptung aufgestellt, daß hier die Anforderungen an die richterliche Unparteilichkeit „andere" 5 (d. h. geringere) seien als sonst, daß insoweit die „Grundmaxime des deut­ schen Prozeßrechts" von der Unparteilichkeit des Richters „nicht zur Geltung kommen" könne6 oder daß sie insoweit „ganz erheblich durch­ brochen" werde7 • II. Treffen diese Schlußfolgerungen, die nach dem Vorausgegangenen zunächst einmal ganz folgerichtig erscheinen mögen, tatsächlich zu? Das wäre nur der Fall, wenn auch die zugrunde gelegten Prämissen stimmen würden. Dies wiederum hängt vorrangig davon ab, ob es sich hier tatsächlich um einen echten Fall von (sachlicher) ,,Befangen­ heit" handelt. 1. Gegen die Annahme einer dahingehenden Befangenheit spricht wohl schon die immer wieder von Berufsrichtern berichtete Erfahrung, daß jene Interessenpolarität, die für die Berufung der „Arbeitsrichter" wie auch der „Sozialrichter" ausschlaggebend sein soll, in der anschlie­ ßenden gerichtlichen Praxis kaum mehr zum Ausdruck komme. Es sei im Gegenteil gar nicht einmal so selten, daß die Beisitzer im konkret anstehenden Fall gewissermaßen „mit verkehrten Rollen" votierten und sich gerade gegen diejenige Prozeßpartei aussprächen, die derselben Gruppe angehöre wie sie selbst8 • 6 Rohlfing/Rewolle, ArbGG § 49 Anm. 2 und Feig (s. vorstehende Fußn. a. E.). • Wiehler, Spruchkörper S. 87 , ähnlich auch S. 89. 7 Pabst v. Ohain, Ablehnung S.39, 40. Bettennann spricht jetzt in der Festschrift für das BSozG insoweit von Zweifeln an der „generellen Neutralität" der ehrenamtlichen Richter (S. 8 14, ebenso S. 8 15 f.); auch Milller geht in seinem Beitrag ebd. S.902 von einer Befangenheit in Form sog. .,institutioneller Befangenheit" aus, die aller­ dings nicht zur Richterablehnung nach § 60 SGG berechtige. Bei Sehlaich, Neutralität, wird die Frage nach der „Unparteilichkeit" der .,Arbeitsrichter" zwar angesprochen, aber nicht eigentlich beantwortet. Wäh­ rend er zunächst „Neutralität" und „Unparteilichkeit" als synonym behandelt (S. 61: ., . . . Neutralität im Sinne der Unparteilichkeit . . ." ) , scheint er später doch weiter zu differenzieren: Einerseits sieht er, obwohl er die „Arbeits­ richter" als „Interessenten" charakterisiert, die „Neutralität" der arbeitsge­ richtlichen Spruchkörper als solcher jedenfalls im Sinne einer „gestaffelten Neutralitätskonzeption" als gewahrt an, wobei er vor allem auf ·die paritä­ tische Besetzung der Spruchkörper einerseits und auf die Tatsache anderer­ seits abstellt, daß jeweils ein staatlicher Berufsrichter als Vorsitzender fun­ giert; andererseits aber kennzeichnet er nur eben diesen Vorsitzenden als .,unparteiisch" (wobei er jedoch dieses Attribut auch wiederum nur in An­ führungszeichen wiedergibt, vgl. S. 67 ). 8 Vgl. z. B. für die „Arbeitsrichter" Galperin, ZSR 1957 , 135 f. und BArbG v. 3 1. 1.6 8 = BAGE 20, 27 1 ff. (274f.) ; für die „Sozialrichter" etwa Rohwer­ Kahlmann, ZSR 1957 , 165 f.; für „Arbeits-" und „Sozialrichter" vgl. die von Klausa, Ehrenamtliche Richter S. 1 40 f., 167 f., 199 ermittelten Daten. - Hunn, ArbuR 1954, 241 f. will diese Beobachtung allerdings im wesentlichen auf

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a) Diese Beobachtung muß indessen durchaus nicht dem entgegen­ stehen, daß insbesondere die Beisitzer in der Arbeitsgerichtsbarkeit mit der überwiegenden Meinung als „Interessenvertreter" o. ä.9 ge­ kennzeichnet werden, nämlich als Vertreter der Interessen derjenigen sozialen Gruppe, die sie jeweils in der Richterbank repräsentieren. Voraussetzung dafür ist jedoch, daß zunächst einmal klargestellt wird, was hier eigentlich konkret unter „Interessenvertretung" zu verstehen sein soll. Denn offensichtlich verbinden sich mit diesem Begriff recht unterschiedliche Vorstellungen, die kaum auf einen Nenner zu bringen sind: Der Ausdruck „Interessenvertreter" legt nämlich zunächst einmal die Vorstellung nahe, die Funktion der hiermit gemeinten Richter bestehe primär darin, im einzelnen Fall die Interessen „ihrer" Partei, d. h. der Partei aus derjenigen sozialen Gruppe wahrzunehmen, die sie selbst in der Richterbank repräsentieren, und ihr nach Möglichkeit auch zum Prozeßsieg zu verhelfen. Hunn10 und Klausa11 berichten, daß in der Tat einige Arbeitsrichter Ihr Amt in etwa so verstünden. Eine derart einseitige Auffassung vom Richteramt kann indessen keine Anerkennung finden, da ihr letztlich die Ausrichtung auf das „Recht" fehlt, so daß es sich im Grunde hier gar nicht mehr um eigentliche „Rechtsprechung" handelt11• Die „Interessenaustragung (gehört)", wie Rüggeberg zutreffend bemerkt, ,,vor die Richterbank, nicht in sie hinein" 13• Sofern ein ehrenamtlicher Richter sein Amt tatsächlich so versteht, könnte er zwar nicht wegen vorzeitiger Fest­ legung abgelehnt werden1', weil es sich ersichtlich um eine allgemeine solche „Arbeitsrichter" beschränkt wissen, die sich schon länger im Amt be­ finden. • Dietz/Nikisch, ArbGG § 49 Rn. 3; Kaiser, Repräsentation S. 293, 295 f.; Wiehler, Spruchkörper S. 87, 89; Kern, Gerichtsverfassungsrecht § 14.A.Il.2 = S. 110; Kern/Wolf, Gerichtsverfassungsrecht § 23.1.4.f = S. 153 f.; Rüggeberg, VerwArch 1970, 206; Däubler, ArbuR 1976, 371 f.; Jauernig, ZivProzRecht § 8.11 = S. 25. Für die Weimarer Zeit: Fraenkel, NZfA 1928, Sp. 407 ff. Ebenso für die „Sozialrichter" Rüggeberg und Kern/Wolf (ebd.). 10 S. 241 (s. vorstehende Fußn. 8). 11 S. vorstehende Fußn. 8. tt Aus dieser Wertung resultiert dann wohl auch die teilweise anzu­ treffende Weigerung, die „Arbeitsrichter" als „Interessenvertreter" zu charak­ terisieren, vgl. etwa Galperin, ZSR 1957, 135 f. - Statt dessen heißt es dann, die „Arbeitsrichter" zeichneten sich durch ihre besondere „Sachkunde" aus (so etwa Galperin ebd. und Dersch/Volkmar/Fitting/Schelp, ArbGG § 16 Anm. 2), wobei dann hierunter im einzelnen nicht so sehr juristisches Fachwissen oder spezielles Fachwissen verstanden wird als vielmehr ein be­ sonderes Vertrautsein mit den jeweiligen Lebensverhältnissen (Hunn S. 242 und Rüggeberg S. 210 f.). 13 s. 206. 14 So aber wohl Grunsky, ArbGG § 16 Rn. 11 (a. E.), § 46 Rn. 13 und § 49 Rn. 4.

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Einstellung handelt; wohl aber steht seine Eignung zum Richteramt überhaupt in Frage. Der Terminus „Interessenvertreter" läßt sich aber durchaus auch in einem Sinne verstehen, der eher Zustimmung finden kann. Gemeint ist dann nämlich nur, daß ein solcher Richter die Funktion hat, in der Richterbank dafür Sorge zu tragen, daß bei der Verhandlung, Beratung und Entscheidung eines Falles gerade auch die standes- oder berufs­ spezifischen Belange (,,Interessen") ,,seiner" Seite zur Geltung gebracht und mit berücksichtigt werden, wobei eben die paritätische Besetzung der Richterbank mit Vertretern aus den betroffenen sozialen Gruppen mit ihren typischerweise polaren Interessen die besondere Vertraut­ heit der Beisitzer mit den jeweiligen Lebensverhältnissen und damit eine entsprechende „Sachkunde" gewährleisten soll15 • In dieser bloßen ,,Interessenvermittlung" - im Gegensatz zur weitergehenden „lnter­ essenwahrung"16 - erschöpft sich aber auch schon die spezifische Funktion der „lnteressenvertretung" ; ansonsten ist den damit gemein­ ten ehrenamtlichen Richtern ebenso wie den Berufsrichtern, denen sie beigeordnet sind, aufgegeben, im konkreten Fall die ihnen vorge­ gebene Rechtsordnung zu verwirklichen, wobei primär die dort vor­ gegebenen Wertungen nachzuvollziehen sind und subjektiven Wer­ tungen nur insoweit nachzugeben ist, als jene gesetzlichen Wertungen hierfür Raum lassen: Daß unter diesen Voraussetzungen die Wertung eines Beisitzers sich im einzelnen Fall durchaus auch einmal gegen die Partei aus dem eigenen „Lager" kehren kann, ist dann nicht weiter erstaunlich. b) Für die ehrenamtlichen Richter der Sozialgerichtsbarkeit erscheint überhaupt schon fraglich, ob ihrer Berufung die gleiche Interessen­ polarität zugrunde liegt wie bei den „Arbeitsrichtern". Zwar gehören die „Sozialrichter" regelmäßig ebenfalls verschiedenen sozialen Grup­ pen an, auch sind die Spruchkörper jeweils dementsprechend paritätisch besetzt. Andererseits stehen sich hier im Prozeß aber nicht, wie im Arbeitsgerichtsprozeß, zwei Privatpersonen, oder seien es auch private Verbände, als Parteien gegenüber, sondern regelmäßig nur auf der einen Seite ein privater Einzelner, auf der anderen Seite dagegen eine Behörde aus dem Bereich der Sozialversicherung (hier im weitesten Sinne verstanden): Wenn auch in Angelegenheiten der Sozialversicherung (hier im en­ geren Sinne des SGG) und der Arbeitslosenversicherung17 die „Sozial15

So etwa Friederichs, Der Sozialrichter 1964, 2; Gerichtsverfassungsrecht § 14.A.II.2 = S. 110 ;

Kern,

371 f. 16

17

S. 207; ähnlich Hunn S. 241, Vgl. §§ 10 I , 31 I , 40 S. 1 S GG.

Rüggeberg

Rüggeberg S. 197 , 207; Däubler, ArbuR 1976,

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richter" j e zur Hälfte von der Arbeitgeberseite und aus dem Kreise der Versicherten (und damit von der Arbeitnehmerseite) stammen18 , so läßt sich doch kaum sagen, daß sie in der Richterbank typischerweise die Interessenpolarität der Prozeßparteien widerspiegeln19 • Am ehesten läßt sich dieses noch von den Versicherten- = Arbeitnehmer­ vertretern behaupten, da sie noch am meisten dazu tendieren werden, sich die Belange des einzelnen Versicherten gegenüber der Verwaltung zu eigen zu machen20 • Doch haben sie zugleich j a auch die solidarischen Interessen der Versichertengemeinschaft zu bedenken, deren Beiträge sie zur Hälfte selbst aufbringen und die im Prozeß gerade durch die Gegenseite, eben durch die Behörde, repräsentiert wird. Soweit es um die Belange der Versichertenge­ meinschaft geht, ist aber zugleich auch die Arbeitgeberseite angesprochen. Gerade weil die Versichertengemeinschaft zur Hälfte von der Arbeitnehmer­ seite mitgetragen wird, besteht wiederum für die Arbeitgebervertreter in der Sozialgerichtsbarkeit kein allzu großer Anreiz, sich einseitig mit den Belan­ gen der Versichertengemeinschaft zu identifizieren21 • Von daher liegt der Schluß nahe, zumindest die Arbeitgebervertreter von vornherein nicht als ,,Interessenvertreter" in dem oben erörterten Sinne anzusehen22 • Eine Ausnahme muß hier j edoch - was bisher, soweit ersichtlich, nicht beachtet worden ist - für den Bereich der gesetzlichen Unfall­ versicherung gelten. Denn hier werden die Beiträge ja allein von der Unternehmer- Arbeitgeberseite aufgebracht, während die Arbeit­ nehmerseite insoweit ausschließlich durch den bestehenden Versiche­ rungsschutz begünstigt wird: für diesen speziellen Sektor der Sozial-

=

§§ 1 2 II 1 , 33 S. 2, 40 S.1 SGG. Davon gehen aber wohl diejenigen Autoren aus, welche die „Sozialrich­ ter" ausdrücklich als „Interessenvertreter" kennzeichnen, so Kaiser, Reprä­ sentation S. 295 f., und in der Sache wohl auch Friederichs, Der Sozialrichter 1964, 2 sowie Haueisen, DOV 1962 , 163, obwohl letzterer es ansonsten aus­ drücklich ablehnt, die „Sozialrichter" als „Interessenvertreter" zu bezeichnen. 20 Vgl. hierzu und zum folgenden Rüggeberg, Verw.Arch. 1 970, 206 f. und j etzt auch den Beitrag von Müller in der Festschrift für das BSozG S. 878 ff. H Vielleicht erklärt sich teilweise - abgesehen davon vor allem, daß hier die Rechtsmaterie wesentlich komplizierter, ,,technischer" und unanschauli­ cher ist als dort - hieraus auch das von Klausa berichtete verbreitete Des­ interesse der Arbeitgebervertreter in der Sozialgerichtsbarkeit im Gegensatz zur Arbeitsgerichtsbarkeit, s. Ehrenamtliche Richter S. 1 40 ff. , 153 f. 22 So etwa Klausa S.1 67 f., 153 f. Das BSozG nimmt solches schlechthin in bezug auf alle „Sozialrichter" an (s. Entsch. v. 28 .5. 65 = BSGE 23, 105 ff. [ 1 10] ; hiernach ,,(repräsentieren) die Sozialrichter die Versichertengemeinschaft, an deren Schicksal der Arbeit­ nehmer in gleicher Weise interessiert (ist) wie der Arbeitgeber" (unter Beru­ fung auf die Amtliche Begründung zum Entwurf des SGG, s. a. a. O.); ebenso Meyer-Ladewig, SGG §1 2 Rn.3 - Üblicherweise wird dann behauptet, die Berufung der „Sozialrichter" beruhe in erster Linie auf dem „Sachverstands­ Prinzip", so das BSozG in stdg, Rspr., vgl. die Entsch. v. 1 6.1 2.59 = BSGE11 , 181 ff. (1 8 3); v. 7. 9. 6 2 = BSGE 18 , 18 ff. (20); v. 28.5. 65 = BSGE 23, 105 ff. (110); ebenso das B VerfG, s. die Entsch. v. 22.1.59 = BVerfGE 9, 1 24 ff. (1 35) ; Roehrbein, FS. Krohn S. 232 ; Rohwer-Kahlmann, ZSR 1 957 , 1 65 f.; Lattreu­ ter, Sozialrichter S. 20 ff. 18

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versicherung kann demnach durchaus von einer echten Interessen­ polarität die Rede sein, wie sie dem Modell der Arbeitsgerichtsbarkeit zugrunde liegt. Anders verhält es sich dagegen in den Angelegenheiten der Kriegsop­ ferversorgung, für die besondere Spruchkörper einzurichten sind23• Sie sind, wiederum paritätisch, mit ehrenamtlichen Richtern „aus dem Kreis der mit der Kriegsopferversorgung vertrauten Personen und der Versorgungsberechtigten" zu besetzen24. Hier sind allenfalls die Bei­ sitzer aus dem Kreis der Versorgungsberechtigten als „Interessenver­ treter" anzusehen, während solches von der anderen Seite nicht gesagt werden kann, um so weniger, als diese Gruppe nicht aus der Versor­ gungsverwaltung selbst entnommen werden darf25• Wiederum anders sind die Spruchkörper zu beurteilen, die speziell für die „Angelegenheiten des Kassenarztrechts" einzurichten sindzs . Hier ist sogar noch weiter zu differenzieren: Grundsätzlich sind hier die Spruchkörper paritätisch mit ehrenamtlichen Richtern „aus den Kreisen der Krankenkassen und der Kassenärzte (Kassen­ zahnärzte)" zu besetzen27 • Insoweit, im Verhältnis der Kassenärzte und der Kassenärztlichen Vereinigungen28 zu den Krankenkassen, läßt sich ohne wei­ teres von einer echten typischen Interessenpolarität reden, wie sie sich dann auch in der paritätischen Besetzung der Richterbank widerspiegelt29 • Anderes gilt demgegenüber für die „Angelegenheiten der Kassenärzte", in denen als Beisitzer einheitlich „nur Kassenärzte" mitwirken sollen80 • Hier, im Verhältnis zwischen einzelnem Kassenarzt und Kassenärztlicher Vereinigung (KÄV), ist im Streitfall an sich durchaus eine typische Interessenpolarität zu bejahen, und trotzdem findet sie hier in der Besetzung der Richterbank keine Entsprechung, weil die Beisitzer einheitlich nur von der jeweiligen KAV vor1eschlagen werden81 • Diese Regelung hat denn auch bald Anlaß zu Verfahren gegeben, die bis zum BSozG und zum BVerfG geführt wurden mit der Be­ gründung, die Beisitzer seien hier einseitige Vertreter der Interessen nur der KAV, weshalb die an sich gebotene Unparteilichkeit hier nicht gewähr­ leistet sei (näher hierzu nachstehend zu IV.). c) Eine deutliche typische Interessenpolarität mit entsprechender Besetzung der Richterbank findet sich darüber hinaus noch für gewisse Landwirtschaftssachen, die ja nach dem Gesetz über das gerichtliche S. §§ 10 I 1,3 1 I, 40 S. 1 SGG. S. §§ 12 IV,33 S. 2 , 40 S. 1 SGG. 15 So, nach vorher kontroversen Ansichten zu dieser Frage, ausdrücklich der Große Senat des BSozG in der Entsch. v. 30. 6. 1960 = BSGE 12, 237 ff. 1e S. §§ 10 II, 3 1 II, 40 S. 2 SGG. 17 S. §§ 12 III 1,33 S. 2, 40 S. 1 SGG. 28 Entsprechendes gilt hier und im folgenden für die Kassenzahnärzte und die Kassenzahnärztlichen Vereinigungen. " Zur Aufstellung der Vorschlagslisten s. §§ 14 III, 3 5 I 2, 46 SGG. IO S. §§ 12 III 2, 33 S. 2, 40 S. 1 SGG. n S. §§ 14 III, 3 5 I 2, 46 SGG. 23

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Verfahren in Landwirtschaftssachen vor besonderen Spruchkörpern der Zivilgerichte zu verhandeln sind: Soweit es sich nämlich um Pachtsachen32 handelt, stellt das Gesetz mit Hilfe einer Fiktion in § 6 I 3 sicher, daß das Gericht paritätisch mit Beisitzern aus der Berufs­ gruppe der Pächter und der Verpächter besetzt ist. 2. Im übrigen kann im Hinblick auf die sonstigen ehrenamtlichen Richter jedenfalls von einer polaren Interessenvertretung in dem vor­ hin dargelegten Sinne nicht die Rede sein. Es wäre jedoch zu eng, die Betrachtung nur auf den Fall einer derart ,,polaren" Besetzung der Richterbank zu beschränken, da eine spezi­ fische Interessenausrichtung bei ehrenamtlichen Richtern daneben typischerweise auch in einem anderen Sinne vorkommen kann: a) Dabei ist hier vor allem an die Beisitzer in der Finanzgerichts­ barkeit33 zu denken, von der Rüggeberg34 zutreffend sagt, daß es hier,

soweit es die ehrenamtlichen Richter betrifft, ,,nicht um gegenläufige Interessen verschiedener Gesellschaftsgruppen", sondern „allein um das allgemeine Interesse der Steuerzahler gegen unangemessene Be­ steuerung" gehe; die Beisitzer, die nach Anhörung der Berufsvertre­ tungen vorgeschlagen werden35 , seien dabei „eher als Ausgleich gegen eine zu fiskalischem Denken neigende Berufsrichterschaft gedacht" und sollten, wie es in den Beratungen zur FGO deutlich zum Ausdruck gebracht worden sei, vor allem die Belange der Wirtschaft wahren. b) Ähnliches wird sich, wenn es hier vielleicht auch nicht so sehr auf der Hand liegen mag, von den ehrenamtlichen Richtern in der Verwaltungsgerichtsbarkeit sagen lassen, die in der Richterbank, ohne die spezifisch juristische Perspektive des Berufsrichters, einfach den Bürger mit repräsentieren sollen, der der staatlichen Bürokratie ge­ genübersteht und ihr teilweise geradezu „ausgesetzt" ist. c) In etwa auf der gleichen Linie, nur gewissermaßen mit entgegen­ gesetztem „Vorzeichen" , liegt es, wenn in manchen Gerichtsbarkeiten die Berufsrichter üblicherweise aus der jeweils fachlich zugeordneten Verwaltung rekrutiert werden. Aus dieser Praxis wird dann hin und wieder die Befürchtung abgeleitet, diese Richter würden die spezifische Berufsperspektive, die sie sich während ihrer Tätigkeit in der Ver­ waltung zu eigen gemacht hätten, auch als Richter nicht ablegen und deshalb stets dazu tendieren, im einzelnen Fall von vornherein die u Und einige ähnlich gelagerte Angelegenheiten, die das Gesetz im einzelnen benennt. 83 S. §§ 4 III 2, 16 ff. FGO. ac VerwArch. 1970, 205. 35 S. § 25 S. 2 FGO.

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Belange der j eweiligen Verwaltung höher einzuschätzen als die des privaten Einzelnen, der mit dieser Verwaltung prozessiere. Insbeson­ dere der Finanzgerichtsbarkeit haftet in diesem Sinne „noch immer . . . das Odium einer ,Hausgerichtsbarkeit "' 36 an. Hier verneinen zumindest die Gerichte, daß die betr. Richter allein mit einer dahingehenden Begründung wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt werden können37 • d) In der entgegengesetzten Richtung, gewissermaßen unter „ent­ gegengesetztem Vorzeichen" , ist hier daneben noch an die Besetzung der Entschädigungskammern und -senate in Wiedergutmachungssachen zu denken: Nach § 208 III BEG ist bei deren Besetzung „dem Wesen der Wiedergutmachung in geeigneter Weise Rechnung zu tragen" (Satz 1), wobei dies nach Satz 2 vor allem auch in der Weise geschehen soll, daß „der Vorsitzende oder einer der Beisitzer . . . dem Kreis der Verfolgten angehören (soll)" . Ausschlaggebend für diese Regelung war einmal der Gedanke, daß auf diese Weise „die Kenntnis eines von der Verfolgung betroffenen Richters von den Vorgängen der Verfol­ gungszeit der Rechtsfindung nutzbar gemacht werden" sollte38, daß also „die Rechtsprechung in Entschädigungssachen Richtern anvertraut werden" sollte, ,,die . . . über die notwendigen historischen und politi­ schen Kenntnisse auf diesem Gebiet verfügen" 39 • Darüber hinaus und vor allem soll es dabei aber darauf ankommen, Richter mit diesem Amt zu betrauen, ,,denen die möglichst weitgehende und umfassende Ent­ schädigung Herzenssache und sittliches Gebot ist"'0 • Sofern diese letztere Annahme zutrifft, handelt es sich bei dieser erwünschten Grundeinstellung des Richters ersichtlich um einen Fall typisch tendenziell einseitiger Interessenwahrnehmung. Und doch geht 38

Rüggeberg S. 205 Fußn. 64. - Vgl. aber ähnlich z. B . auch BVerwG v.

= NJW 1969, 763 ff. (764) in einer Angelegenheit der Wehrdisziplinar­ gerichtsbarkeit. 37 So etwa BFH v. 7. 5. 74 = NJW 1974, 1 528 = HFR 1 974, 293 und BVerwG (s. vorstehende Fußn.). Es bleibe dahingestellt, ob der hier wiedergegebene Vorwurf tatsächlich berechtigt ist. Immerhin steht ihm der Einwand entgegen, daß das hier an­ gesprochene Verfahren - zumal in einer so diffizilen Materie wie dem Ab­ gabenrecht - jedenfalls noch mit am ehesten eine größtmögliche Sachkennt­ nis des Richternachwuchses gewährleisten dürfte. Ähnlich wie die o. a. Entscheidung des BFH haben die Finanzgerichte auch Ablehnungen allein mit der Begründung, die „Finanzrichter" unterständen der Dienstaufsicht des Finanzministers und seien deshalb letztlich von der Verwaltung abhängig, als ungerechtfertigt zurückgewiesen, vgl. BFH v. 20. 9. 66 = BFHE 86, 789 f. (790 a. E.), und dann vor allem die Entsch. v. 2 1 . 7. 67 = BFHE 90, 160 ff. (164 ff.). 38 van Dam/Loos, BEG § 208 Erl. 5 (zu Abs. 3 Satz 2) ; ferner Huber/Zorn in Das Dt. Bundesrecht, § 208 BEG [unter V F 50] Erl. zu Abs. 3. 39 Blessin/Ehrig/Wilden, BEG § 208 Rn. 5. 40 So jedenfalls Wilden ebd. 1. 3. 68

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etwa das BVerfG ausdrücklich davon aus, es könne „nicht . . . unterstellt werden, daß die Richter aus dem Kreis der Verfolgten wegen ihrer ,S achnähe' generell voreingenommen" seien'1 (eine Begründung für diese These sucht man in der zitierten Entscheidung freilich verge­ bens). 3. Doch zurück zu den ehrenamtlichen Richtern: Soweit ersichtlich, kann bei ihren bisher nicht genannten „Kollegen" in den übrigen Gerichtsbarkeiten - auch nicht in dem vorhin zu 1. erörterten wei­ teren, abgeschwächten Sinne - nicht davon die Rede sein, daß es sich um Vertreter irgendwie gearteter typischerweise mehr oder weniger einseitiger Interessenrichtungen handle. Hier geht es vielmehr allein darum, sei es „Laien" als Vertreter des „Volkes" neben den juristisch gebildeten Berufsrichtern an der Rechtsprechung mitwirken zu lassen (so bei den „Schöffen" in der Strafgerichtsbarkeit42), oder sei es auch, im Rahmen besonderer Gerichtsbarkeiten oder besonderer Zweige der Zivilgerichtsbarkeit, den „Kreis der von" der jeweiligen „Rechtsma­ terie Betroffenen an der Rechtsprechung (zu beteiligen)" und sich so ihren besonderen Sachverstand im Sinne einer besonderen Vertrautheit mit den jeweiligen Lebensverhältnissen nutzbar zu machen43 • III. Die vorstehende, von der Sache her notwendig differenzierte Übersicht hat gezeigt, daß eine typischerweise bestimmte Interessen­ richtung mit der Tendenz zu einer mehr oder weniger einseitigen Betrachtungsweise bei mehreren Gruppen von ehrenamtlichen Richtern auf Grund der jeweiligen Gerichtsverfassung geradezu vorausgesetzt wird, daß sie aber darüber hinaus teilweise gerade auch bei Berufs­ richtern anzutreffen ist. Selbst wenn vorhin dargelegt worden ist, daß der Ausdruck „Interessenvertretung" relativiert und in einem abgeschwächten Sinne verstanden werden muß, so fragt es sich doch, ob eine derartige typischerweise tendenziell einseitige Interessenper­ spektive mit dem Postulat richterlicher Unparteilichkeit vereinbar ist, das doch nach den Ausführungen im Ersten Abschnitt eigentlich für alle Richter einheitlich und uneingeschränkt gelten müßte. Verschie­ dentlich wird diese Frage, wie oben zu I. (a. E.) wiedergegeben, in der 41 Entsch. v. 7. 2 . 68 = E 2 3, 85 ff. (90 f.). 42 Möglicherweise sind die ehrenamtlichen „Verwaltungsrichter" auch hier zu lokalisieren, vgl. oben zu 2.c). 43 BVerfG v. 17 . 12. 69 = BVerfGE 2 7, 312 ff. (32 3) [für die Sozialrichter] ; auf diesen Gesichtspunkt hat das Gericht in der Entsch. vom 2 6.5. 7 6 = E 42 , 206 ff. (2 10), in der es um die Besetzung der Landwirtschaftsgerichte ging, maßgeblich abgestellt. Für die „Sozialrichter" hebt diesen Aspekt auch die Entsch. des BSozG vom 2 8. 5. 65 = BSGE 2 3, 105 ff. (1 09 ff.) hervor (weiterer Aspekt: Erstreckung der weitreichenden Selbstverwaltung in diesem Bereich bis in die Besetzung der Richterbank hinein). - Im übrigen wird hier dane­ ben vorrangig an die Handelsrichter und Beisitzer der Berufs- und Standes­ gerichte zu denken sein.

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Tat verneint; überwiegend jedoch wird sie, wenn auch im einzelnen mit recht unterschiedlicher Begründung, im Gegenteil durchaus be­ jaht. 1. Häufig findet sich die Antwort, daß es schwerlich im Sinne des Gesetzgebers sein könne, in diesen Fällen eine „Befangenheit" anzu­ nehmen, wenn ja gerade durch das Gesetz selbst eine derartige Besetzung der Richterbank vorgeschrieben werde. Aus der „ Gesamt­ konzeption" der jeweiligen Gerichtsverfassung müsse vielmehr gefol­ gert werden, daß hier eine Ablehnung aus den genannten Gründen jedenfalls im Regelfall ausscheiden müsse". Diese Argumentation . erscheint an sich ganz plausibel, weil der Gesetzgeber ja auch das Institut der Richterausschließung und -ableh­ nung ausdrücklich in die jeweilige Verfahrensordnung mit aufgenom­ men hat und somit Konsequenzen aus einer etwaigen Kollision dieser beiden Regelungsmaterien hätte bedenken müssen. Und trotzdem bleibt dieses Argument recht vordergründig, da es allenfalls zu begründen vermag, daß hier weder eine Ausschließung noch auch eine Ablehnung wegen Besorgnis der Befangenheit in Betracht kommen soll. Nicht beantwortet wird demgegenüber die dahinter stehende, grundsätzliche Frage, ob hier womöglich nur die Ablehnungsmöglichkeit abgeschnitten wird, während eine „Parteilichkeit" als solche an sich durchaus zu bejahen ist, die ja sonst normalerweise ohne weiteres zur Ablehnung berechtigen würde'5 • . 2. Diese Skepsis wird auch nicht mit dem in der Judikatur verschie­ dentlich als weiterem Argument anzutreffenden Hinweis entkräftet, in den hier gemeinten Fällen sei eine „Befangenheit" schon deswegen nicht zu befürchten, weil die ehrenamtlichen Richter, also auch die sog. ,,Inter­ essenvertreter", sich ja durch ihren Amtseid zur Unparteilichkeit ver­ pflichtet hätten". Dieses Argument hilft in Wirklichkeit nicht weiter, " So BArbG vom 31. 1 . 68 = BAGE 20, 271 ff. (273 ff.); ebenso BSozG v.30.1. 62 = SozR Nr. 6 zu § 41 ZPO; ArbG Berlin v. 6. 2. 64 = Der Betrieb 1 964, 9 9 6 ; Dersch/Volkmar, ArbGG § 49 Rn.3 2 ; StJ-Leipold, ZPO Rn. 2 zu § 42 (,, . . . wäre es mit der Einheit der Rechtsordnung nicht zu vereinbaren, vom Gesetz geforderte oder gewünschte Eigenschaften eines Richters [z. B. als Ar­ beitgeber oder -nehmer bei Arbeitsrichtern . . .] als Ablehnungsgrund anzu­ erkennen . . . "). Aus der Weimarer Zeit vgl. z. B. LArbG Stettin v. 30. 10. 28 = ArbRspr. 1 9 29 , 72 f. (7 2) sowie Fraenkel, NZfA1 9 28 , Sp. 410, 413. 45 Ähnlich die Kritik von Baumgärtel/Mes, Anm. SAE 1 9 69 , 136 (zu 2.), die allerdings darauf abstellen, daß das BArbG, anstatt „seine Auffassung • . . allein mit der Gesamtkonzeption des ArbGG 1 9 53 (zu begründen)" , ,,gerade die verfassungsrechtliche Zulässigkeit der Obertragung der Rechtsprechungs­ aufgaben auf Mitglieder arbeitsrechtlicher Interessenverbände" hätte „über­ prüfen" sollen. '8 So etwa BArbG (s. Fußn. 44) S. 27 4 und LSozG Celle v. 23 .3. 54 = Die Sozialgerichtsbarkeit 1 9 55 , 173 ff. (17 5).

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weil dem Eid von vornherein keine konstitutive Bedeutung für Amts­ pflichten zukommt. Ohnehin kann das Wissen des einzelnen Richters um seine Amtspflichten, die er durch seinen Eid bekräftigt hat, nur solche Tendenzen und Motivationen erfassen, die ihm selbst bewußt sind. Eine Parteilichkeit kann sich aber bei allem bewußten Bemühen des einzelnen Richters um Unparteilichkeit, das im Regelfall ohne weiteres angenommen werden darf, gerade auch aus dem unbewußten Persönlichkeitsbereich, vom Richter selbst unbemerkt, ergeben47• IV. Es ist deshalb unmittelbar zu fragen, ob eine derart einseitige Interessenrichtung des Richters und damit insbesondere das Institut der „interessengebundenen Laienrichter" mit dem Postulat zu verein­ baren ist, wie es vorhin im „Allgemeinen Teil" aus dem Gleichheits­ satz entwickelt worden ist. 1. Zum einen kann nach den obigen Ausführungen davon ausgegangen werden, daß die betr. Richter im einzelnen Verfahren, soweit die Rechtsanwendung ihnen nach Lage des konkreten Falles dafür Raum gibt, durchaus geneigt sein werden, die jeweilige Sache aus der spezifischen Perspektive der sozialen Gruppe, der sie angehören und die sie in der Richterbank repräsentieren, zu behandeln und zu beur­ teilen. überspitzt gesagt, bedeutet das, daß sie insoweit zumindest dahin tendieren werden, eher für diejenige Prozeßpartei, der sie sachlich nahestehen, ,,Partei" zu nehmen als für die Gegenseite. Jedoch geht es ihnen dabei, entsprechend ihrer Funktion als Reprä­ sentant der jeweiligen sozialen Gruppe, nicht eigentlich um den konkreten Fall als solchen und auch nicht um die konkreten Prozeß­ beteiligten als solche. Vielmehr geht es ihnen typischerweise primär darum, im Rahmen des einzelnen Verfahrens, an dem sie gerade mitzuwirken haben, die Belange der von ihnen repräsentierten sozialen Gruppe insgesamt zur Geltung zu bringen und zu wahren, was nach dem oben Gesagten durchaus auch einmal mit den Interessen der konkreten Prozeßpartei aus dieser Gruppe kollidieren kann. Bei aller etwaigen tendenziellen Einseitigkeit der Interessenrichtung fehlt es hier somit regelmäßig an der besonderen Einstellung des Richters gerade zu dem konkreten Fall als solchem, wie sie oben in § 13 als wesentliche Voraussetzung jeder „Parteilichkeit" herausgearbeitet wor­ den ist. Das Interesse, das hier im einzelnen Fall zum Ausdruck 47 Zu der grundsätzlichen Frage, ob „richterliche Pflicht" zur Unvoreinge­ nommenheit ohne weiteres mit einem entsprechenden „richterlichen Han­ deln" gleichgesetzt werden darf, vgl. j etzt auch - auf dem Hintergrund einer anderen Konstellation möglicher Befangenheit - die Monographie von Ursula Brandt-Janczyk, Richterliche Befangenheit durch Vorbefassung im Wiederaufnahmeverfahren, Tübingen 1978 (s, Einleitung S. 2).

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kommen mag, ist vielmehr allgemeiner Art und deshalb dem Bereich des vorhin in § 12 erörterten „allgemeinen Interesses" zuzuordnen. Insofern ist also der vom BVerfG in der Entscheidung vom 7. 2. 68 = E 23, 85 ff. (91) verwendete Ausdruck „generell voreingenommen" im Hinblick auf den prozessualen Parteilichkeits-Begriff von vornherein widersprüchlich und unangebracht; in der Sache selbst - es ging seinerzeit um die Besetzung der Spruchkörper in Wiedergutmachungssachen - weist das Gericht jedoch an sich durchaus in die richtige Richtung, ohne freilich eine Begründung für seine Auffassung zu geben. -I n die gleiche Richtung geht übrigens auch die Terminologie in der Entscheidung vom 26. 5. 76 = E 42, 206 ff. (208 ff.) zur Be­ setzung der Spruchkörper in Landwirtschaftssachen: Das Gericht spricht hier von einer „spezifischen generellen Befangenheit" (S. 2 1 0), verneint diese dann aber im Ergebnis mit der Begründung, daß in der fraglichen Fallkonstellation (Streitigkeiten zwischen Landwirten und Nicht-Landwirten) nicht typischer­ weise eine bestimmte gemeinsame I nteressenrichtung der ehrenamtlichen Beisitzer angenommen werden könne (S. 210 f.). 2. Während m a n sich über das Resultat - hier grundsätzlich keine Ablehnung wegen Besorgnis der Befangenheit - weitgehend einig ist, findet sich eine eingehendere Auseinandersetzung mit der Frage, ob es sich hier eigentlich um ein Problem der „Befangenheit" handelt oder nicht, bisher meist nur in Ansätzen, die zwar durchaus in die zutreffende Richtung weisen mögen, die aber das Problem nicht richtig ,,in den Griff bekommen" . Abgesehen davon, daß manche Autoren hier sogar ausdrücklich eine (sachliche) ,,Befangenheit" bej ahen, die lediglich nicht zur Ablehnung berechtigen soll, wird das Phänomen der „interessengebundenen Laien­ richter" teilweise zumindest in unmittebarer Nachbarschaft zur Befan­ genheit lokalisiert, ohne daß dabei eine echte Abgrenzung ersichtlich wäre. Dies gilt insbesondere für die Entscheidung des BVerfG vom 17. 12. 196946 , in der das Gericht darüber zu befinden hatte, ob die Berufung der kassen­ ärztlichen Beisitzer in den sozialgerichtlichen Angelegenheiten der Kassen­ ärzte, die ja allein auf Vorschlagslisten von Seiten der Kassenärztlichen Ver­ einigungen (KAV) beruht, mit der Verfassung, insbesondere mit dem Grund­ satz des gesetzlichen Richters, vereinbar sei: Das Gericht hatte sich hier zwar mit einem ausgesprochenen Sonderfall zu befassen, da es den Beschwerdeführern nicht eigentlich um die Besetzung der Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit mit interessengebundenen Laienrichtern überhaupt ging, sondern ausschließlich um das einseitige Vorschlagsrecht der KÄV; in diesem Rahmen war indessen auch die Problematik des I nstituts dieser Art von Beisitzern überhaupt mit zu berücksichtigen. 46 = BVerfGE 27, 312 ff. (bestätigt in der Entsch. v. 1 0. 5.7 2 = E 33, 171 ff., 182; vgl. in diesem Zusammenhang auch die vorstehend zu 1 . (a. E.) im Text genannte Entsch. vom 26. 5. 76 = E 42, 206 ff. (208 ff.), in der die zuvor zitier­

ten Entsch. indessen nicht zitiert werden (dabei wird aber wohl zu berück­ sichtigen sein, daß die dortige Entsch. im summarischen Verfahren nach § 24 BVerfGG ergangen ist, s. dort S. 208).

§ 20. Die typisch einseitige Interessenrichtung des Richters

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Im jetzigen Zusammenhang geht e s dabei nur um folgende Argumenta­ tion49 : Nachdem das Gericht den Vorwurf, die Beisitzer würden einseitig nur die Interessen der KÄV wahrnehmen, als zu pauschal zurückgewiesen hat (S. 323 f.), geht es anschließend näher darauf ein, daß die Beisitzer als Mit­ glieder der jeweiligen KÄV durch die von ihnen mit zu fällenden Entschei­ dungen in Honorarstreitigkeiten ja regelmäßig mittelbar auch selbst mitbe­ troffen würden (S. 324). Dazu heißt es dann wörtlich: ,,. . . Daß ein Richter von den Auswirkungen seiner Entscheidung in ent­ fernter Weise ,mitbetroffen' wird, läßt sich in keinem Zweig der Gerichts­ barkeit ganz ausschließen. Dadurch wird jedoch der Grundsatz der richter­ lichen Neutralität, dessen Verwirklichung allen Trägern eines richterlichen Amtes aufgegeben ist, noch nicht in verfassungswidriger Weise in Frage gestellt . . .". Eine nähere Begründung für diesen apodiktischen Satz läßt der Beschluß, auch in den weiteren Ausführungen, leider völlig vermissen. Statt dessen räumt das BVerfG selbst ein, daß „allerdings . . . die Wahrscheinlichkeit eines Falles der Befangenheit in diesem Bereich höher sein (mag) als in der allge­ meinen Gerichtsbarkeit" (S. 324 f.). Hiergegen stelle das SGG jedoch die Mög­ lichkeit der Richterablehnung zur Verfügung (S. 325). Doch vermag dieser Hinweis das offensichtliche Unbehagen des Gerichts an der gesetzlichen Re­ gelung keineswegs völlig auszuräumen, weshalb es dann noch ein weiteres Argument nachschiebt, das besonders deutlich macht, daß das Gericht hier letztlich doch eine echte „Befangenheit" annimmt (S. 325): ,,. . . Schließlich verlieren die von den Beschwerdeführern geltend gemach­ ten grundsätzlichen Einwände gegen die Zusammensetzung der Spruch­ körper in den Kammern für Angelegenheiten des Kassenarztrechts auch dadurch erheblich an Gewicht, daß in der Berufungs- und Revisionsin­ stanz [ I ] die Berufsrichter überwiegen, deren Unvoreingenommenheit und Unparteilichkeit auch von den Beschwerdeführern nicht in Zweifel ge­ zogen werden ... "60• -

Wesentlich differenzierter wird die Problematik vom BSozG in seiner Entscheidung vom 28. 5. 1965 51 behandelt, auf die das B VerfG in seiner soeben erörterten Entscheidung zwar im Tatbestandsteil seiner Entscheidungsgründe verweist, ohne dann aber in der eigent­ lichen Begründung selbst ausdrücklich darauf einzugehen52 • Das BSozG befaßt sich zunächst eingehend mit der Frage, ob die Berufung von Kassenärzten zu ehrenamtlichen „Sozialrichtern" [und damit zu „inter­ essengebundenen Laienrichtern"] überhaupt generell als verfassungsmäßig 0 Soweit die Argumentation sich auf Artt. 92 und 1 01 I 2 GG bezieht, vgl. die dahingehenden Ausführungen im Zweiten Teil der vorliegenden Unter­ suchung. 50 Dieser Gedanke kehrt in der bereits erwähnten Entsch. des BVerfG vom 26 . 5.7 6 = E 42, 206 ff. (21 0) zur Besetzung der Spruchkörper in Land­ wirtschaftssachen - wenn auch in der Formulierung etwas abgeschwächt wieder: ,,. . . Unbeschadet dessen, daß die Berufsrichter in der zweiten und dritten Instanz das Übergewicht haben, . .." . u = BSGE 23, 1 05 ff. 62 In der Sache selbst lehnt sich die Entsch. des BVerfG jedoch weitgehend an die Argumentation des BSozG an - wenn auch wesentlich komprimier­ ter -, ohne daß dies aber zum Ausdruck gebracht würde.

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anzusehen sei (S.1 07 ff.)H, wobei es ebenfalls den „Grundsatz der richterli­ chen Neutralität" in den Mittelpunkt stellt (S.1 08 ). Aus seiner Argumentation S.11 1 ff. wäre nun an sich der Schluß zu ziehen, daß das SGG dem Selbst­ verwaltungs- und Sachkunde-Prinzip zuliebe eine Zurücksetzung und Be­ einträchtigung des Grundsatzes der richterlichen Unparteilichkeit bewußt in Kauf genommen habe. Das Gericht verweist in diesem Zusammenhang nicht einmal, wie das BVerfG (s. o.), auf das Institut der Richterausschließung und -,ablehnung, das hier Abhilfe bieten könnte. Stattdessen fügt es noch eine Bemerkung an, die zunächst recht beiläufig klingt: Es dürfe n.ämlich „im übrigen nicht außer acht gelassen werden, daß der ehrenamtliche Richter nicht mit den Beteiligten identifiziert werden" könne (S.113 ) 64 • Dabei wird gerade mit dieser Bemerkung in Wirklichkeit der eigentliche Kern des Pro­ blems angesprochen: nämlich die Abgrenzung des nur „allgemeinen Inter­ esses", das sich nur u. a. gerade auch einmal in dem jetzt anstehenden Fall ,,niederschlagen" mag, von dem besonderen Interesse eben an dem ganz kon­ kreten Fall als solchem, welches nach den bisherigen Ausführungen allein el.lie „Parteilichkeit" zu begründen vermag! Am deutlichsten ist diese notwendige Differenzierung zwischen „allgemeinem I nteresse" einerseits und „Interesse gerade am konkreten Fall als solchem" bisher, soweit ersichtlich, in der Weimarer Zeit herausgearbeitet worden, und zwar im Hinblick auf die Beisitzer in der Arbeitsgerichtsbarkeit: Das ist auch nicht weiter verwunderlich, weil eine einheitliche, selbstän­ dige Arbeitsgerichtsbarkeit - mit der Besonderheit von Arbeitgeber- und Arbeitnehmervertretern als Beisitzern - ja erst durch das ArbGG vom 23 .1 2.1 926 66 eingeführt worden ist und sich demzufolge die Problematik des ehrenamtlichen Richters als „Interessenvertreter" gerade damals mit beson­ derer Aktualität und Schärfe aufgedrängt hat68• übereinstimmend stellen sowohl Fraenkel als auch das LArbG Stettin darauf ab, daß die Beisitzer regelmäßig nur „klassenmäßig, infolge (ihrer) Eigenschaft als Arbeitgeber oder Arbeitnehmer, an dem Aus­ gang des Prozesses interessiert" seien57 , daß „die Fragen des Rechts­ streits" regelmäßig „nur die allgemeinen Klasseninteressen eines Bei11 Das in der Entsch. anschließend behandelte Sonderproblem, nämlich die Problematik des einseitigen Vorschlagsrechts der KÄV (S.11 6 ff.), kann im vorl. Zusammenhang außer Betracht bleiben. 64 Ähnlich auch schon der Gedanke in der Entsch. v. 30 . 1 . 62 = SozR Nr. 6 zu § 41 ZPO: ,, . . . Das u. U. gegebene eigene Interesse dieser . . . Richter an der Sachentscheidung ist in Kauf genommen worden, um der Rspr. die Mit­ wirkung besonders sachkundiger Beisitzer in Fragen zu sichern, die weit­ gehend der autonomen Selbstverwaltung der Kassenärzte überlassen sind. Nur wenn Kassenärzte in einem besonderen Verpflich.tungsverhältnis zur KÄV stehen . . . , sind sie vom Amt des . . . Richters ausgeschlossen. . . ". Auch in dieser Entsch. wurde der an sich zutreffende Ansatz jedoch nicht weiter vertieft. 55 = RGBI. I 507 (in Kraft getreten am 1.7.1 927 ). 5 1 Für die Sozialgerichtsbarkeit ist eine entsprechende gesetzliche Rege­ lung überhaupt erst durch das SGG vom 3. 9.1 953 (= BGBI. I 1 239, 13 26 , in Kraft getreten am 1.1 .1 954) eingeführt worden. 67 Fraenkel, NZfA 1928 , Sp. 411, ebenso Sp. 409.

§ 20. Die typisch einseitige Interessenrichtung des Richters

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sitzers berühren" 58• Eine etwaige Ablehnung scheide daher insoweit aus, weil es an einer eigentlichen „Befangenheit" gerade fehle.

In etwa auf der gleichen Linie liegt es, wenn der BFH heute eine Ableh­ nung dann als ungerechtfertigt ansieht, wenn sie auf einen Grund gestützt wird, der „individuell nicht begrenzt, sondern so allgemeiner Natur ist, daß er seine Besonderheit und Eigenart für den einzelnen verloren hat" 59 • Folgerichtig wird die typischerweise einseitige Interessenausrichtung der hier erörterten Gruppen von Richtern dann auch mehrfach damit gleichgestellt, daß j a anerkanntermaßen auch die politische, weltan­ schauliche, religiöse Einstellung eines Richters als solche nicht zur Ablehnung berechtige60 • 3. Damit ist zutreffend der Zusammenhang mit dem sog. ,,allgemei­ nen Interesse" erfaßt (das sich j a oben seinerseits wiederum nur als eine besondere Variante des strukturbedingten personalen Elements in allem richterlichen Handeln erwiesen hat). Hier hat dieses „allge­ meine Interesse" lediglich eine besondere Qualität erhalten insofern, als es in den j eweiligen Gerichtsverfassungen gewissermaßen „institu­ tionalisiert" worden ist.

Auf diesem Hintergrund ist die oben zunächst kritisierte Berufung auf die ,,Gesamtkonzeption" des jeweiligen Verfahrensgesetzes61 natürlich sehr be­ rechtigt. Zutreffend differenziert demnach Bötticher, wenn er sagt, die Bei­ sitzer in der Arbeitsgerichtsbarkeit seien, wenn auch nicht „neutral"

58 LArbG Stettin v. 30.1 0. 28 = ArbRspr. 1 929, 7 2 f. ( mit zust. Anm. Feig S.7 3). - Ähnlich differenziert an sich zutreffend auch Pabst v. Ohain, Ableh­ nung [1 932 ] S. 39, wenn er feststellt, daß mit den ehrenamtlichen Beisitzern in der Arbeitsgerichtsbarkeit „Interessenten zu Richtern bestellt werden, die zwar nicht an dem Obsiegen bzw. Unterliegen der Partei interessiert sind, wohl aber am Schicksal der Gruppe oder Klasse, der sie selbst angehören" ; j edoch zieht der Verf. hieraus nicht den an sich naheliegenden Schluß, wie er hier im Text vertreten wird; vielmehr behauptet er, daß der „Grundsatz vollständiger Unparteilichkeit des Richters, zu dessen Schutz die Ableh­ nungsvorschriften bestehen, . . . damit ganz erheblich durchbrochen" werde (S. 39, ebenso S.40). 59 Entsch. v. 21. 7. 67 = B FHE 90, 1 6 0 ff. (1 64). Der diesem Satz vorausge­ schickte Gedanke, die Besorgnis der Befangenheit sei nach der Konzeption des Instituts der Richterablehnung nur dann begründet, wenn sie sich darauf richte, ,,daß sich der Richter aus einer in seiner Person liegenden individuel­ len Ursache heraus bei seiner Entscheidung von falschen Rücksichten leiten lasse" (ebd.), wird zwar an sich durchaus zutreffen, nur läßt er sich im dor­ tigen Zusammenhang nicht schlüssig aus den zuvor aufgestellten Prämissen ableiten. Darauf näher einzugehen, ist hier j edoch nicht der richtige Ort. 60 Vgl, z. B. LSozG Celle v. 2 3. 3.54 = Die Sozialgerichtsbarkeit 1 955, 17 3 ff. (1 75) mit zust. Anm. Völcker S.175 f.; ArbG Berlin v. 6. 2. 64 = Der Betrieb 1 964, 996 ; BFH ( s. vorstehende Fußn.) S. 1 64 f. Müller stellt in seinem B eitrag in der Festschrift für das BSozG ebenfalls darauf ab, daß es in diesem Zusammenhang an der „konkreten Verbindung des Sozialrichters mit der individuellen Rechtsstreitigkeit" fehle ( S. 905). 01 Vgl. oben zu III.1.

8 Riedel

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wie die Berufsrichter, so aber doch auch nicht „parteiisch", sondern „engagiert" 62 . Diese terminologische Unterscheidung bringt richtig zum Ausdruck, daß die gruppenspezifische Orientierung der „Arbeitsrich­ ter" , ,,Sozialrichter" usw. nicht dem Bereich der (Un-)Parteilichkeit zuzuordnen ist: Entsprechend der systematischen Zuordnung des nur „allgemeinen Interesses" mag die hier behandelte Besonderheit der Gerichtsverfassung zwar im Sinne der vorhin getroffenen Differenzie­ rung für die „Objektivität" der Rechtsprechung problematisch sein88 , - eine Frage speziell der „Unparteilichkeit" , um die es hier allein gehen soll, ist sie jedoch nach den vorausgegangenen Ausführungen nicht°'. Daraus folgt im übrigen zugleich, daß die Anforderungen an die Unparteilichkeit des Richters entgegen den vorhin zu 1. (a. E.) zitier­ ten Äußerungen auch bei den sog. ,,interessengebundenen Laienrich­ tern" keine „anderen", d. h. keine geringeren sind als bei den Berufs­ richtern65 . Das Gleiche hat daneben auch für die spezifische Interessenrichtung zu gel­ ten, wie sie nach dem oben zu II.2.d) Gesagten in Wiedergutmachungssachen gerade auch von den Berufsrichtern erwartet wird. V. Wenn in den hier gemeinten Fallkonstellationen die Ausschlie­ ßungs- und vor allem auch die Ablehnungsvorschriften grundsätzlich nicht zur Anwendung sollen kommen können, so schließt das natürlich nicht aus, daß im Einzelfall doch einmal eine Ablehnung mit dem Vorliegen eines derartigen Umstandes begründet werden kann. Jedoch 82 NJW 1962, 90. - Sinngemäß in dieser Richtung wohl auch Däubler, ArbuR 1976, 369 ff. (370 ff.), wonach die „grundsätzliche Interessenorientie­ rung" der Arbeitsrichter mit dem „Neutralitäts" -Gebot für die Rechtspre­ chung vereinbar sei (darauf, daß seine Kritik an dem Beschluß des Präsi­ diums des BArbG vom 22./23. 10. 75 = ArbuR 1976, 384 = BB 1976, 934 f. die Problematik des Falles nur teilweise erfaßt, kann im vorl. Zusammenhang nicht näher eingegangen werden). 88 S . o. §§ 7.VII und 12.11.4. Ansätze im Sinne des Textes, ohne daß diese dann aber vertieft werden (zumal der Verf. den Begriff der „Parteilichkeit" viel zu eng faßt, indem er ihn auf bewußte, ,,absichtliche" Parteinahme für eine Prozeßpartei be­ schränkt), bei Niemandt, Laienrichter [ 1929] S. 255 f. 84 Auf einer ganz anderen Ebene, nämlich nicht nach der terminologischen Seite, sondern unter dem Aspekt der Rechtsfolgen, differenziert der BFH (s. o. Fußn. 59), S. 165, wenn er feststellt, daß es sich hier nicht um ein Pro­ blem der Richterablehnung, sondern um ein solches der möglicherweise „nicht ordnungsmäßigen Besetzung der Richterbank" handle, das eben nicht im Ablehnungsverfahren geltend gemacht werden könne. 65 Bei Kern/Wolf, Gerichtsverfassungsrecht § 23.111.3 = S. 158 heißt es hierzu überhaupt nur: .,. . . Für die ehrenamtlichen Richter gilt grundsätzlich ebenso wie für die Berufsrichter die Pflicht zur Neutralität. Sie können des­ halb ebenso wie die Berufsrichter abgelehnt werden und unterliegen densel­ ben und zum Teil weitergehenden Ausschließungsgründen. Insbesondere dür­ fen sie nicht . . ." ; die „Interessen" -Problematik wird nicht einmal ange­ sprochen.

§ 21 . Die vorzeitige Festlegung des Richters. Überblick

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müssen dann j eweils noch besondere Umstände hinzukommen, die eine Ausnahme von der eben aufgestellten Regel rechtfertigen. Dies ist der Fall, ,,wenn der Rechtsstreit noch eine besondere Bedeu­ tung gerade für die Person des Beisitzers besitzt" , wenn dieser ein ,,besonderes persönliches Interesse . .. an dem Ausgang des Rechtsstrei­ tes" hat, das über sein nur allgemeines Interesse als Angehöriger einer der durch den Rechtsstreit betroffenen sozialen Gruppen hinausgeht, wenn also m. a. W. der Beisitzer „mittelbar in eigener Streitsache entscheiden" würde66 • Ähnlich heißt es, ,,ein allgemeiner Grund" könne „ausnahmsweise zur Rechtfertigung der Besorgnis der Befangenheit unter der Voraussetzung an­ erkannt werden, daß sich der allgemeine Grund zu einem individuellen Grund verdichtet hat. Damit dies angenommen werden kann, müssen in der persönlichen Haltung des Richters einzelne Tatsachen vorliegen, die als indi­ viduelle Ablehnungsgründe anerkannt werden können"67 • - Das BSozG denkt dabei in bezug auf die Beisitzer in Angelegenheiten der Kassenärzte, die ja ausschließlich von seiten der KÄV vorgeschlagen werden (s. o.), vor allem daran, daß diese Beisitzer „in einem besonderen Verpflichtungsverhält­ nis zur KÄV stehen"68 oder in sonstiger Weise „wirklichen Interessenkollisio­ nen ausgesetzt" sind69 • § 21. Dritte Fallgruppe: Die vorzeitige Festlegung des Richters. A. Oberblick I. Im Gegensatz zu der eben behandelten Fallgruppe des „eigenen, persönlichen Interesses" an der j eweiligen Sache kann der Richter aber auch von vornherein zu einer bestimmten Behandlung der Sache tendieren, ohne im Sinne j ener Fallgruppe ein persönliches Interesse am Verfahrensgegenstand zu haben, das ihn zugleich j edenfalls mate­ riell zu einem „Beteiligten" dieses Verfahrens macht: gemeint ist damit die Fallkonstellation, daß der Richter für die Behandlung des Falles, sei es im Hinblick auf den Ausgang des Verfahrens überhaupt oder sei es auch nur in einzelnen Punkten, in einer bestimmten Rich­ tung vorzeitig „festgelegt" ist1 • 88

So LArbG Stettin v. 30. 10.1 92 8

=

ArbRspr. 192 9, 72 f. (mit zust. Anm.

Feig S. 73); sehr ähnlich Fraenkel, NZfA 192 8, Sp. 409. Vgl. in diesem Zusam­ menhang auch BArbG v. 31. 1.6 8 = BAGE 20, 2 71 ff. (2 75 : ,,eigenes Interesse"). 87 So BFH vom 21. 7.6 7 = BFHE 90, 160 ff. (165 ff.).

Entsch. v.30. 1.6 2 = SozR Nr.6 zu § 41 ZPO. Entsch. v. 2 8.5.65 = BSGE 23, 105 ff. (11 4 f.). - Ähnlich, wenn auch we­ niger deutlich, will das BArbG einer Ablehnung stattgeben bei „etwaigen psychologischen Belastungen, denen im Einzelfall [ l ] die innere Unabhängig­ keit des Richters durch gewisse Bindungen zu einer Prozeßpartei ausgesetzt sein könnte" (so Entsch. v. 20. 4.6 1 = AP Nr. 1 zu § 41 ZPO). 1 Diese Fallkonstellation deckt sich nicht mit dem hiervon verschiedenen Aspekt, daß der Richter überhaupt zu einem bestimmten Problem eine be­ stimmte Ansicht hat, die nicht zuletzt in seiner jeweiligen Persönlichkeits­ struktur begründet sein mag, vgl. hierzu die Ausführungen oben in § 8.1. 68

89

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I. Teil, 2. Abschn.: Falltypen der Parteilichkeit

In einem weiteren, ganz allgemeinen Sinn läßt sich auch sagen, daß es letztlich in allen Fällen der Befangenheit um eine irgendwie geartete „Fest­ legung" des Richters gehe: in der Weise nämlich, daß sein Urteil jeweils durch bestimmte unsachliche, sach-fremde Momente im voraus einseitig ge­ bunden, eben „fixiert" sei. So ist wohl Schütz zu verstehen, wenn er sagtz , daß „der eigentliche Sinn des Ablehnungsverfahrens . . . darin (liegt) zu ver­ hindern, daß Richter an einer Rechtsentscheidung mitwirken, deren Urteil über den Sachverhalt in irgendeiner Weise fixiert ist", und wenn er anschlie­ ßend darauf abstellt, es sei „Aufgabe des Ablehnungsverfahrens . . . festzu­ stellen, ob der Richter rechtsbedenkenfrei und sachgerecht verfährt". Auf diesem Hintergrund wird in Literatur und Rechtsprechung ein ganzes Spektrum möglicher Fallkonstellationen erörtert, die im einzel­ nen unterschiedlich zu bewerten sein sollen und die deshalb im folgen­ den untersucht werden müssen. II. Dabei ist gleich vorab auf eine wesentliche Unterscheidung auf­ merksam zu machen: Natürlich mag es im einzelnen Fall durchaus auch einmal speziell darauf ankommen, ob gerade die Konstellation des ganz konkreten Falles berechtigten Anlaß zu der Besorgnis gibt, der jeweilige Richter sei befangen. In den hier angesprochenen Fällen liegt jedoch das eigentliche Problem meist wesentlich tiefer, nämlich bei der grundsätzlichen Frage, ob die Besorgnis, die in Bezug auf den Richter geltend gemacht wird, überhaupt eine „Befangenheit" zum Gegenstand hat, m. a. W.: ob das, was dort beim Richter befürchtet wird, überhaupt als ein Fall von „Befangenheit" angesehen werden kann. Diese im Grunde so naheliegende Trennung zwischen der Ebene der bloßen „Besorgnis der Befangenheit" einerseits und der Ebene der „Befangenheit" selbst andererseits wird indessen so gut wie regelmäßig vernachlässigt, und in der Diskussion werden die beiden Ebenen nur zu oft miteinander vermengt. Dies mag zwar mit Rücksicht darauf verständlich sein, daß die Prozeßordnungen ja bekanntlich nicht auf eine etwaige Befangenheit selbst abstellen, sondern auf die subjektive „Besorgnis der Befangenheit" . Aber logisch korrekt ist diese Art von Argumentation deshalb trotzdem nicht: denn die Frage, ob die in einem konkreten Fall geltend gemachte Besorgnis der Befan­ genheit berechtigt ist, kann sinnvollerweise erst dann beantwortet werden, wenn zuvor Klarheit darüber geschaffen worden ist, ob in einem derartigen Fall, die Richtigkeit des Vortrags unterstellt, über­ haupt von einer Befangenheit als solcher die Rede sein kann. Die folgenden Ausführungen wollen versuchen, einen Beitrag zu dieser längst fälligen Klärung zu leisten. III. Im Rahmen der vorzeitigen Festlegung des Richters auf eine bestimmte Ansicht wird üblicherweise zwischen einer nur vorläufigen z Ablehnung § 7.1

= S.36 .

§ 2 1. Die vorzeitige Festlegung des Richters. Überblick

1 17

Festlegung einerseits und einer endgültigen Festlegung andererseits unterschieden3 • 1 . Unter endgültiger Festlegung wird dabei sinngemäß ein Zustand verstanden, in dem der Richter vorzeitig auf eine bestimmte Ansicht derart „fest-gelegt" , ,,fixiert" ist, daß er Argumenten, die zu einer Änderung oder sei es auch nur zu einer Überprüfung des bisher eingenommenen Standpunktes Anlaß geben, einfach nicht mehr zu­ gänglich ist, m. a. W.: daß er sich ihnen gegenüber verschließt. Aus­ schlaggebend für die Annahme einer derartigen Form von Festlegung soll dabei ihre Wirkung in die Zukunft hinein sein, in der Weise nämlich, daß der Richter für die Zukunft auf die betr. Auffassung fixiert ist'. Arzt und Stemmler etwa nehmen diese Voraussetzung überhaupt nur dann als gegeben an, wenn der Richter „absolut" 5 oder „bedingungslos" 6 endgültig in dieser Weise festgelegt ist. Nur bei dieser Konstellation von Festlegung soll regelmäßig eine Befangen­ heit in Betracht kommen7 • Der so verstandenen endgültigen Festlegung wird dann die nur gegenübergestellt, der gerade die soeben er­ wähnte Ausrichtung auf die Zukunft fehlen soll8 • Sie hat hiernach lediglich zum Inhalt, daß der Richter „auf Grund des derzeitigen Sachstandes" eine bestimmte Auffassung von der Sache gewonnen hat, die jedoch in der Folge jederzeit noch „unter dem Vorbehalt der Meinungsänderung bei neuem Vorbringen" steht9• Dieser Charakter der bloßen Vorläufigkeit soll bewirken, daß eine dahingehende Fest­ legung jedenfalls grundsätzlich eine Befangenheit nicht begründet10 • vorläufige Festlegung

Die Bezeichnung „vorläufige Festlegung" scheint nun allerdings bei dem Verständnis, wie es soeben wiedergegeben worden ist, gerade­ zu einen Widerspruch in sich zu bedeuten: Denn der Richter soll hier ja gerade nicht für die Zukunft auf eine bestimmte Ansicht „fest­ gelegt" sein, sondern diese ja überhaupt nur zunächst einmal für den Moment vertreten. Indessen wäre es viel zu eng, nur diese beiden bisher erwähnten, in der Tat ganz konträren Konstellationen der nur 3 So etwa bei Arzt, Strafrichter S. 93 und sinngemäß auch bei Stemmler, Befangenheit S. 2 2 2 ff., der freilich ausdrücklich nur die endgültige Festle­ gung anspricht, was aber einen Sinn nur in der Abgrenzung zur vorläufigen Festlegung hat. ' So Arzt S. 93. 5 Arzt S. 9 4. 8 Stemmler S. 2 23 Fußn. 1 (a. E.). 1 Arzt S. 93 f., Stemmler ebd. 8 Arzt S. 93. 1 Arzt ebd. 1 0 Zu den Ausnahmen von dieser Regel s. später im einzelnen.

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I. Teil, 2. Abschn.: Falltypen der Parteilichkeit

rein vorläufigen Meinung einerseits und der absoluten Festlegung andererseits in Betracht zu ziehen. Zwischen diesen beiden „Extrem­ positionen" befindet sich nämlich noch eine ganze Skala der verschie­ densten Zwischenstufen, denen sämtlich gemeinsam ist, daß der Richter sich frühzeitig (mehr oder weniger) auf eine bestimmte Ansicht fest­ gelegt hat, und die nicht einfach übergangen werden dürfen. Die Übergänge sind gewissermaßen fließend. So wird man etwa von einer „überwiegenden" Festlegung reden können, wenn der Richter im großen und ganzen schon eine bestimmte Position be­ zogen hat und nur noch durch sehr gewichtige Argumente dazu bewogen werden kann, diesen Standpunkt zu modifizieren oder sogar aufzugeben; und noch weiter „verdichtet", ,,verfestigt" ist die Position etwa, wenn die Fest­ legung bereits „weitgehend" erfolgt ist, wenn es schon außerordentlich ge­ wichtige neue Aspekte sein müssen, die den Richter allenfalls noch zu einer Abkehr von seiner bisherigen Auffassung veranlassen können. Im übrigen wohnt bei näherem Zusehen sogar allein schon der eben erwähnten „vorläufigen Festlegung" im derart eng verstandenen Sinne zumindest doch schon die Tendenz zur Fortwirkung in die Zukunft inne. Denn solange sich für den Richter keine neuen Gesichts­ punkte ergeben, wird er ja begreiflicherweise an seiner derzeitigen, wenn auch an sich als durchaus nur vorläufig verstandenen, Auffassung festhalten: Und insoweit ist er dann also durchaus schon „fest-gelegt", - nur eben in einem weit geringeren Maße als bei der endgültigen Festlegung, nämlich unter dem Vorbehalt j ederzeitiger Überprüfung und, falls erforderlich, auch Änderung der Auffassung. Aus den vorstehenden Ausführungen folgt zugleich, daß ausschlag­ gebend für die j eweilige Nuancierung im Rahmen der vorzeitigen Festlegung primär die innere Einstellung des j eweiligen Richters zu

der konkreten Sache ist, um die es gerade geht: Damit ist jedenfalls eine erste, wesentliche Voraussetzung erfüllt, um die vorzeitige Fest­ legung im folgenden, sofern auch die weiteren Merkmale hinzutreten, als einen weiteren Fall der Befangenheit qualifizieren zu können.

2. Indessen muß es als zu eng erscheinen, wenn man im Rahmen der endgültigen Festlegung ausschließlich die „absolute" , ,,unbedingte" Festlegung (s. o.) behandeln wollte. Sofern man allein auf die innere Einstellung des Richters abstellt, ist jene Eingrenzung allerdings geboten. Jedoch wäre es verfehlt, es allein bei diesem rein subjektiven Kriterium bewenden zu lassen. Denn wenn man daneben auch einmal die objektive Wirkung der j eweiligen inneren Einstellung des Richters in die Betrachtung mit einbezieht, dann zeigt sich, daß manche Fälle, die unter dem subjektiven Aspekt an sich der nur vorläufigen Fest­ legung zuzurechnen sein mögen, mit Rücksicht auf ihre Wirkung weit eher in den Bereich der endgültigen Festlegung gehören.

§ 21. Die vorzeitige Festlegung des Richters. Überblick

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Zu denken ist hier etwa daran, daß der Richter sich zwar selbst als prin­ zipiell durchaus noch „offen" in dem eben erörterten Sinne versteht, daß er aber die Anforderungen, unter denen er zu einer Überprüfung und sogar Änderung seiner Position bereit ist, so hoch ansetzt, daß sie praktisch nicht mehr zu erfüllen sind. Im Anschluß an die soeben unter 1. vorgeschlagene Terminologie müßte man hier etwa von einer „weit-" bis „weitestgehenden Festlegung" sprechen. Eine derartige Fallkonstellation wäre, weil sie von der Wirkung her einer schon endgültigen Festlegung gleichkommt, in der Kategorie der „vorläufigen Festlegung" ersichtlich nicht adäquat eingeordnet. Deshalb bedarf die Formel, wonach es für die Abgrenzung zwischen vorläufiger und endgültiger Festlegung (allein) auf die jeweilige innere Einstellung des Richters ankomme, einer gewissen Ergänzung und Korrektur zur sachgerechten Erfassung eben dieser Grenzfälle: Und zwar ist dann im Sinne eines zusätzlichen objektiv-wertenden Moments neben dem bisher angesprochenen subjektiven Kriterium gerade auch auf die Wirkung der jeweiligen Form von Festlegung abzustellen. 3. Einern derart weitgespannten Spektrum von „vorzeitiger Fest­ legung" , wie es soeben dargestellt worden ist, mag auf den ersten Blick durchaus der Einwand entgegenzuhalten sein, daß hier zumindest für die Belange der gerichtlichen Praxis viel zu stark differenziert werde; dies wird sogar um so mehr zu gelten haben, als hierbei primär ja gerade auf das ,,forurn internurn" des Richters abgestellt wird, das sich den Beteiligten im konkreten Prozeß weitgehend entzieht. Dennoch erscheint die hier vorgeschlagene Nuancierung durchaus an­ gebracht und zudem auch praktikabel: Denn dieses verfeinerte Raster soll ja gerade den Blick dafür schär­ fen, ob die im Einzelfall geltend gemachte Besorgnis überhaupt eine „Befangenheit" zum Gegenstand hat, die allein die Ablehnung zu rechtfertigen vermag. Wie die folgenden Ausführungen zeigen werden, sind aber bereits unter diesem Aspekt bestimmte Fallkonstellationen von vornherein aus dem Bereich der „Parteilichkeit" auszuscheiden. Das bedeutet zum einen in materieller Hinsicht erhöhte Anforderungen an die Begründung eines Ablehnungsgesuchs, wenn gerade auf eine etwaige vorzeitige Festlegung des Richters abgestellt werden soll. Andererseits ist für eine erfolgreiche Richterablehnung j a auch wieder­ um nicht erforderlich, eine dahingehende Festlegung des Richters als solche nachzuweisen, vielmehr reicht bereits aus, daß eine dahin­ gehende Besorgnis glaubhaft gemacht wird: der Ablehnende braucht also sein Ablehnungsgesuch nur gerade auch in dieser Richtung genü­ gend zu substantiieren und glaubhaft zu machen. IV. Im folgenden wird es nun darum gehen müssen, im einzelnen zu untersuchen, welche Bedeutung den verschiedenen Konstellationen

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I. Teil, 2. Abschn.: Falltypen der Parteilichkeit

von vorzeitiger Festlegung im Rahmen der Befangenheit jeweils zukommt. Dabei wird sich übrigens herausstellen, daß etwa die von Arzt und Stemm­ Zer im Rahmen der vorzeitigen Festlegung erörterten Fallkonstellationen entgegen der von ihnen verwendeten Terminologie (s. o. zu III.l) in der Sache selbst keineswegs nur den dort ausdrücklich behandelten (Extrem-) Positio­ nen der absoluten Festlegung einerseits und der rein vorläufigen Festlegung andererseits zuzuordnen sind; vielmehr beziehen sie im Gegenteil durchaus gerade auch die hier angesprochenen Zwischenstufen mit ein. Am nächsten dürfte es liegen, sich im folgenden zuerst der „gravie­ rendsten" Form von vorzeitiger Festlegung, nämlich der endgültigen Festlegung zuzuwenden und erst im Anschluß daran auf die verschie­ denen Konstellationen der vorläufigen Festlegung einzugehen. Dabei soll im Anschluß an die übliche Unterteilung11 weiterhin zwischen einer Festlegung in tatsächlicher Hinsicht einerseits und einer solchen in rechtlicher Hinsicht andererseits differenziert werden, da sie teilweise unterschiedlich zu beurteilen sein sollen. Und zwar wird unter Festlegung in tatsächlicher Hinsicht verstanden, daß der Richter in der Ermittlung und Würdigung des zur Entscheidung an­ stehenden tatsächlichen Geschehens, des Sachverhalts, als solchen fest­ gelegt sei; Festlegung in rechtlicher Hinsicht meint demgegenüber, daß der Richter auf eine bestimmte Rechtsansicht als solche festgelegt sei. Diese Unterscheidung kann freilich im Einzelfall manchmal Schwierigkei­ ten bereiten12 • Dies gilt insbesondere für die rechtliche Würdigung des er­ mittelten Sachverhalts: hier geht es ja nicht eigentlich um die Würdigung des tatsächlichen Geschehens als solchen, d.h. um die Frage, ob der fragliche Vor­ gang sich so oder anders abgespielt hat; ebensowenig geht es aber auch darum, daß der Richter zu einer Rechtsfrage gerade diese bestimmte Ansicht und nicht eine andere vertritt, auf die er jetzt festgelegt ist. Letztlich wird es aber jedenfalls in der Regel wohl doch darum gehen, daß der Richter in be­ stimmter Richtung die tatsächlichen Voraussetzungen als gegeben annimmt und daraus bestimmte rechtliche Schlüsse zieht (Subsumtion), womit es dann aber im Sinne der hier übernommenen terminologischen Unterscheidung um eine Festlegung in tatsächlicher Hinsicht geht; andernfalls dürfte es sich eben doch um eine Festlegung auf eine bestimmte Rechtsansicht als solche handeln. § 22. Die endgültige Festlegung des Richters I. In tatsächlicher Hinsicht: Hierunter wird z. B. der Fall zu verstehen sein, daß der Richter, etwa auf Grund seiner Kenntnis der Akten, in die mündliche Verhandlung bereits mit der festen Überzeugung geht, daß der Angeklagte, obwohl er dies von An­ fang an geleugnet hat, in Wirklichkeit doch der Täter sei oder daß - auf den 11

it

Vgl. hierzu etwa Arzt S. 92 ff., 94 ff. und Stemmler S. 223 ff., 231 ff. Vgl. hierzu Arzt $. 92 und Stemmler s. 223,

§ 2 2 . Die endgültige Festlegung des Richters

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Zivilprozeß übertragen - der vom Kläger vorgetragene Sachverhalt zutreffe, obwohl der Beklagte dies entschieden bestreitet; hinzukommen muß aber jeweils noch - darauf kommt es für die Endgültigkeit des Festgelegtseins j a an -, daß der Richter sich in der Folge in seiner Annahme nicht mehr be­ irren läßt, selbst wenn sich im Laufe der Verhandlung Aspekte ergeben, die u. U. sogar nachhaltig gegen die Richtigkeit der bisherigen Annahme sprechen1 •

Der Richter läßt sich hier also in der Feststellung und Würdigung des relevanten Sachverhalts von vornherein gewissermaßen von einem bestimmten „Vor- Urteil" leiten, auf das er geradezu fixiert ist. Indem er hiermit das Ergebnis schon vorwegnimmt, das er eigentlich erst aus dem „Inbegriff der Verhandlung" gewinnen sollte, verstößt er gegen die Vorschriften der §§ 261 StPO, 286 I ZPO usw.2 , in denen das Prinzip der freien Beweiswürdigung in Verbindung mit dem Grund­ satz der Unmittelbarkeit der Beweisaufnahme verankert ist3• Hiernach soll das Gericht für seine Überzeugungsbildung und Entscheidungs­ findung grundsätzlich4 nur den in der jeweiligen Verhandlung selbst zur Sprache gekommenen Prozeßstoff heranziehen dürfen. Verstößt der Richter gegen dieses Gebot und legt er sich bereits, ehe die Verhand­ lung abgeschlossen ist, in tatsächlicher Hinsicht auf eine bestimmte Ansicht (endgültig) fest, so liegt hierin zunächst einmal ein Verfahrens­ fehler5, darüber hinaus aber - und darauf kommt es hier an zugleich auch eine „Befangenheit" ; denn deren Voraussetzungen sind hier ebenfalls gegeben. Indem der Richter sich neuen, anderen Aspekten verschließt, die zu einer anderen Würdigung des Falles in tatsächlicher Hinsicht führen würden, verstellt er sich nämlich den Weg zu einer anderen recht­ lichen Bewertung des Falles, die für die Prozeßbeteiligten günstiger 1 Vgl. hierzu - auf der Basis einer dahingehenden Besorgnis der Befan­ genheit - etwa die Entscheidungen OLG Oldenburg vom 25. 8. 70 = OLGSt S.1 ff. zu § 2 4 StPO sowie OLG Koblenz vom 13.6. 77 = VRS 1 97 8, 132 ff. 1 Vgl. daneben §§ 30 I 1 BVerfGG, 108 I 1 VwGO, 1 2 8 I 1 SGG und 96 I 1 FGO (das ArbGG enthält in dieser Hinsicht keine eigene Norm, so daß inso­ weit die Verweisung auf die ZPO gilt, vgl. § 46 II 1 ArbGG). Für den Bereich des Zivilprozesses ist hier zusätzlich der Verhandlungs­ grundsatz anzuführen. Vgl. in diesem Zusammenhang auch die §§ 108 II VwGO, 1 2 8 II SGG, 96 II FGO, wonach „das Urteil . . . nur auf Tatsachen und Beweisergebnisse gestützt werden (darf), zu denen die Beteiligten sich äußern konnten". 3 Vgl. hierzu etwa die Strafentsch. des BGH vom 5. 5 . 76 = NJW 1976 , 1 46 2 ; ähnlich auch Stemmler, Befangenheit S. 231 f. 4 Eine Ausnahme gilt allerdings für die Heranziehung sog. offenkundiger Tatsachen (vgl. § 291 ZPO) sowie für die Anwendung allgemeiner Erfah­ rungssätze, vgl. hierzu näher etwa StJ-Schumann/Leipold19 § 286 ZPO Erl. III.l; BL-Hartmann § 2 86 ZPO Erl. 2 ) F.; LR -Gollwitzer III § 261 StPO Rn. 18, KMR 6 -Sax § 261 StPO Erl. la; Kleinknecht § 261 StPO Rn.7 und 2 4. 5 Zum Zusammenhang von vorzeitiger Festlegung und Gleichheitssatz vgl. Dürig, Ringvorlesung S.36.

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I. Teil, 2 . Abschn.: Falltypen der Parteilichkeit

oder aber gerade auch ungünstiger wäre, - das Moment der Bevor­ zugung oder Benachteiligung ist damit also ersichtlich gegeben. Und zwar resultiert diese vorzeitige Festlegung, d. h. diese Festlegung in einem stärkeren Maße, als nach dem derzeitigen Stande des Verfahrens an sich statthaft, nicht eigentlich aus der Konstellation des Falles selbst, sondern aus der Einstellung, die der Richter dem konkreten Fall entgegenbringt: das Befangenheits-Merkmal der Unsachlichkeit liegt somit daneben auch vor. Und schließlich bezieht diese innere Einstellung des Richters sich entweder auf den Verfahrensgegenstand als solchen oder aber auf die Person eines Verfahrensbeteiligten8 , so daß im übrigen auch das weitere Merkmal der Fallbezogenheit bejaht werden kann. II. Wie verhält es sich nun aber im Vergleich hierzu mit der end­ gültigen Festlegung des Richters in rechtlicher Hinsicht?

1. Während der Richter, wie soeben ausgeführt, von den Prozeß­ ordnungen dazu angehalten ist, das Tatsachenmaterial, das er seiner Entscheidung zugrunde legt, grundsätzlich allein aus dem „Inbegriff der Verhandlung" zu gewinnen, gilt diese Regelung nicht auch in rechtlicher Hinsicht. Hier steht deshalb, jedenfalls im Prinzip, dem nichts entgegen, daß der Richter schon zu einem früheren Zeitpunkt zu der Rechtsansicht gefunden hat, die er in dem jetzt anhängigen Verfah­ ren vertritt'. Im Gegenteil wird man gerade von einem qualifizierten Richter sogar erwarten müssen, daß er über einen möglichst breiten Fundus an juristischem Wissen verfügt, den er jeweils in das einzelne Ver­ fahren mit einbringt und auf den er zur Klärung der sich ergebenden Rechtsfragen zurückgreift. Mit Recht weist deshalb Sarstedt darauf hin, daß „ein Richter . . . seinen Beruf gar nicht ausüben (könnte), wenn er nicht einen erheblichen Bestand von Ansichten über Rechtsfragen mitbrächte" 8 • Dies gilt überdies um so mehr, als unsere Gerichtsver­ fassung nach ihrer ganzen Ausgestaltung zumindest für den Regelfall ja gerade den „rechtsgelehrten Richter" voraussetzt0 • Andererseits ist vom Richter aber zugleich auch zu fordern, daß er sich, auch wenn er sich einmal zu einer Rechtsfrage eine Meinung a Auf diese beiden unterschiedlichen Ausrichtungsmöglichkeiten der Fest­ legung in tatsächlicher Hinsicht weist zutreffend Stemmler, Befangenheit S. 2 23 Fußn. 2 hin. 7 Speziell zur „Vorbefassung" im Rahmen des Festlegungs-Komplexes s. u. § 25 . 8 Anm. JZ 1966 , 31 5 ; zustimmend etwa Maunz/Sigloch/Schmidt-Bleibtreu/ Klein, § 19 BVerfGG Rn. 2 (Erstbearbeitung) sowie Dürholt, ZRP 1 977, 2 18. 9 Vgl. statt aller MD-Herzog, Art. 92 GG Rn.77 ff.

§ 22. Die endgültige Festlegung des Richters

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gebildet hat, in der Folge trotzdem für neue, überhaupt für anders­ lautende Argumente offenhält 1° . Eine derartige grundsätzliche Offen­ heit muß von ihm, wie zu Recht immer wieder betont wird, gerade auch in rechtlicher Hinsicht bis zum Schluß der Verhandlung erwartet werden können. Denn nur so ist gewährleistet, daß das, was von den Prozeßbeteiligten im Laufe des Verfahrens ja nicht nur in tatsäch­ licher, sondern auch in rechtlicher Hinsicht vorgetragen wird, vom Richter bei der Entscheidungsfindung berücksichtigt wird. Die Prozeßbeteiligten sind nämlich nicht etwa darauf beschränkt, lediglich bei der Ermittlung des Sachverhalts, also der tatsächlichen Entscheidungsgrundlage, mitzuwirken (während demgegenüber die rechtliche Würdigung allein dem Gericht vorbehalten wäre) : Vielmehr sind sie im Gegenteil darüber hinaus auch berechtigt, bei der recht­ lichen Aufbereitung des Prozeßstoffs mitzuwirken. Dies folgt aus dem Verfahrensgrundsatz des rechtlichen Gehörs, wie er in Art. 103 I GG verankert11 und in zahlreichen Vorschriften der einzelnen Prozeßord­ nungen konkretisiert ist 1 2 • Auch wenn eine generelle Verpflichtung der Gerichte zu einem eigentlichen „Rechtsgespräch" wohl nicht in Betracht kommt13 , so steht letzteren im Rahmen ihres Anspruchs auf

10 Stemmler, Befangenheit S. 2 23 Fußn. 2 weist zutreffend darauf hin, daß die hier geforderte „Offenheit" des Richters in zwei Richtungen zu verstehen ist: nämlich zum einen als Bereitschaft zur Erörterung des Prozeßstoffs mit den Prozeßbeteiligten und zum andern als Bereitschaft, auch die eigene bis­ herige Ansicht zu überprüfen und erforderlichenfalls zu ändern (und zwar hat letzteres nicht nur im Verhältnis zu den Prozeßbeteiligten zu gelten, son­ dern gegebenenfalls gerade auch im Verhältnis zu den Kollegen in einem kollegial besetzten Spruchkörper [Dürig]). 1 1 Zum Inhalt dieses Grundrechts vgl. näher MD-Dürig Art.1 03 I Rn. 28 ff.; speziell zur Rspr. des BVerfG s. die Nachweise bei Leibholz/Rinck zu Art.1 03 I. 1 2 Im vorl. Zusammenhang vgl. insbes. §§ 26 5 StPO, 139 I 2, 278 III ZPO, 86 , 104 I VwGO. 13 So jedenfalls die h. M.; vgl. statt aller zu Art.103 I GG: Dürig ebd. Rn.38 sowie neuerdings Schäfer, BayVerwBI. 1 978, 455 f.; zum Zivilprozeß: BL-Hartmann § 139 ZPO Erl. 2) E (vorsichtig einschränkend) und Thomas/ Putzo § 278 Erl. 3.b) ; zum Strafprozeß: LR-Schäfer I Einl. Kap.13 Rn. 90; und zum Verwaltungsprozeß: Eyermann/Fröhler § 86 VwGO Rn. 24. Der Wortlaut von § 104 I VwGO legt allerdings eine andere Beurteilung näher, wenn es heißt, ,,Der Vorsitzende hat die Streitsache mit den Beteilig­ ten tatsächlich und rechtlich zu erörtern" . Kritisch zur h. M. daher Redeker/ v. Oertzen § 108 Rn.7 mit der Bemerkung, daß „trotz § 104 I mit seiner Forde­ rung des Rechtsgesprächs . . . die Rspr. noch nicht zur allgemeinen Anerken­ nung vorgedrungen" sei. Auch wenn die Frage hier nicht weiter vertieft wer­ den kann, sei doch immerhin darauf hingewiesen, daß der Bundestags­ Rechtsausschuß seinerzeit bei der Beratung des VwGO-Entwurfs immerhin d as zunächst vorgesehene Gebot einer „erschöpfenden" Erörterung der Streit­ sache gestrichen hat (vgl. Koehler, VwGO § 104 Erl. I.3). § 278 III ZPO i. d. F. von Art. 1 Nr. 27 der Vereinfachungsnovelle, der jetzt „Überraschungsentscheidungen" verhindern soll, soll gerade als Schritt in die Richtung einer Anerkennung der Pflicht zum Rechtsgespräch anzusehen sein

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rechtliches Gehör aber doch jedenfalls das Recht zu, sich auch zu allen Rechtsfragen, die sich im Laufe des Verfahrens ergeben, zu äußern1 ' ; und das Gericht hat diese Stellungnahmen bei seiner Entscheidungs­ findung auch zu berücksichtigen: eben das ist aber nur dann möglich und sinnvoll, wenn das Gericht nicht schon von vornherein auf eine bestimmte Rechtsansicht „fest-gelegt" ist. Nun bedeutet aber ja allein schon der Umstand eine gewisse „Festlegung" , daß der Richter bereits eine bestimmte Auffassung in das Verfahren mit ein­ bringt, auf die er zumindest zunächst einmal zurückgreifen wird, wenn er im Laufe des Verfahrens mit einer dahingehenden Frage konfrontiert wird. Mit Rücksicht auf die soeben geforderte grundsätzliche „Offenheit" wird man allerdings davon ausgehen dürfen, daß dieses „Festgelegtsein" regelmäßig bis zum Schluß der Verhandlung nur vorläufig ist, während hier im Augen­ blick allein die endgültige Festlegung zur Diskussion steht. 2. Auf diesem Hintergrund sind dann, ebenso wie bei der endgültigen Festlegung in tatsächlicher Hinsicht (s. o. zu 1 .), im Anschluß an die vorhin in § 2 1 .111 getroffene Differenzierung zwischen endgültiger und nur vorläufiger Festlegung auch hier die Voraussetzungen der Befan­ genheit gegeben15 : Keiner weiteren Erörterung bedarf wohl, daß das Kriterium der Bevorzugung oder Benachteiligung eines Prozeßbetei­ ligten hier gegeben ist. Gleiches gilt im übrigen auch für den „unsach­ lichen" , ,,sach-fremden" Charakter, der hier die innere Einstellung des Richters prägt, wenn er sich neuen Aspekten und Argumenten völlig verschließt. Aber auch die für eine Befangenheit erforderliche „Fallbezogenheit" läßt sich durchaus bej ahen: Zwar bezieht sich die innere Einstellung des Richters hier nicht eigentlich auf die Beteiligten des konkreten Prozesses und auch nicht unmittelbar nur auf dessen Gegenstand, sondern - über den einzelnen, ganz konkreten Fall hin­ aus - auf eine abstrakte Rechtsfrage; andererseits hat sie aber doch wiederum nur die rechtliche Würdigung einer bestimmten einzelnen Fallkonstellation im Auge, sie ist also (noch) keine generelle Einstellung des Richters überhaupt; dann aber läßt sich im Sinne der oben in § 13.11.1, 3 entwickelten Formel auch hier die „Fallbezogenheit" und somit im Ergebnis insgesamt eine „Befangenheit" bej ahen. III. Wie bereits in § 2 1.111 näher erörtert, sind die Übergänge zwi­ schen endgültiger Festlegung des Richters einerseits und grundsätz­ licher Offenheit andererseits ohnehin schon fließend. Hinzu kommt [so ausdrücklich Abg. Dr. Hauser in der 3 . . Beratung des GesEntw. im BTags­ Plenum, s. DtBTag, 7. Wp., Stenograph. Bericht der 247. Sitzung am 3. Juni 1976, S. 17.611 (A), (B)] . u H. M.; vgl. statt aller allgemein zu Art. 103 I GG: Dürig ebda. Rn. 30, 33 ff. ferner speziell zum Zivilprozeß: Thomas/Putzo, ZPO Einl. 1.4.b) und zum Strafprozeß : LR-Schäfer I Einl. Kap. 13 Rn. 88. 1 5 Im Ergebnis ebenso etwa Stemmler, Befangenheit S. 232 f.

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aber noch, daß die „Offenheit" des einzelnen Richters für anderslau­ tende Argumente und seine Bereitschaft, seine bisherige Auffassung zu revidieren, einmal schon von einer Person zur anderen variieren, darüber hinaus aber sogar bei einer und derselben Person von einer Frage zur anderen, je nach dem, wie stark der Richter sich mit seiner Stellungnahme jeweils persönlich „engagiert" . 1. Damit ist hier ein Bereich angesprochen, in dem die Beurteilung der „Festlegung" besonders problematisch ist: Gemeint sind nämlich jene Auffassungen zu Rechtsfragen, die so sehr mit persönlichen Grundanschauungen des jeweiligen Richters verknüpft sind, d. h. die so sehr in seine jeweilige Personstruktur „eingebunden" sind, daß er jedenfalls in der grundsätzlichen Position von vornherein weitgehend fest-gelegt und deshalb bei aller geforderten „Offenheit" (s. o.) insoweit einer echten Diskussion kaum mehr zugänglich ist. Dieser Umstand berechtigt dazu, hier, obwohl der Richter an sich durchaus bereit sein mag, auf neue Aspekte und Argumente einzugehen, trotzdem schon von einer insoweit „endgültigen" Festlegung zu sprechen. Und zwar ist hier vor allem an die weltanschauliche und/oder politische Dimension zu denken, die so manchen Rechtsfragen ihr besonderes Gepräge gibt und die (zwar keineswegs ausschließlich, wohl aber) vorrangig zahl­ reichen Verfahren vor dem B VerfG eigen ist. Besonders deutlich hat sich die hier angesprochene Problematik seinerzeit im Zusammenhang mit der Ablehnung des Richters Dr. Leibholz anläßlich des Verfassungsstreits um die Parteienfinanzierung gezeigt1 8 ; aber auch die Ablehnung des Richters Dr. Rottmann im Rahmen des Streits um die Ver­ fassungsmäßigkeit des Grundvertrages mit der DDR 17 ist hier zu nennen. Interessanterweise sind dies auch die beiden einzigen Fälle, in denen das BVerfG bisher Ablehnungsgesuchen stattgegeben hat 18 • Inzwischen sind mit 1 8 Vgl. die Nachweise oben Fußn. 10 zu § 8.III. Zur Darstellung des Ver­ fahrensganges im Zusammenhang mit dieser Richterablehnung und zur Ein­ ordnung der zugehörigen Entscheidungen des BVerfG in den Zusammenhang der vorausgegangenen Rspr. des Gerichts zur Parteienfinanzierung vgl. ins­ bes. Zwirner, AöR Bd. 93 (1968), S. 84 f., 88 ff., 94 ff.; kürzer hierzu Friesen­ hahn, Anm. JZ 1966, 704 f. und Laufer, Verfassungsgerichtsbarkeit S. 516 ff. 17 Vgl. die Nachweise oben Fußn. 11 zu § 8.III. Zur Vorgeschichte dieser Richterablehnung s. Schumann, JZ 1973, 484. 18 In den übrigen bisher veröffentlichten Entscheidungen sind die Ableh­ nungsgesuche j eweils (als unzulässig oder als unbegründet) zurückgewiesen worden, vgl. die Entscheidungen - vom 2. 10. 51 BVerfGE 1, 66 ff.; - vom 13. 5. 53 E 2, 296 ff., 298 f., 299 f.; - vom 25. 1 . 55 = E 4, 143 f.; - vom 22. 2. 60 E 11, 1 ff.; - vom 2. 1 1 . 60 E 11, 343 ff.; - vom 12. 5. 64 = E 18, 37 f.; - vom 25. 1. 72 = E 32, 288 ff.; - vom 28. 5. 74 E 37, 265 ff.; - vom 27. 5. 75 E 40, 6 f.;

= = = = = =

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ähnlicher Begründung weitere Richter dieses Gerichts abgelehnt worden19 , ohne daß diese Ablehnungsgesuche aber ebenfalls Erfolg gehabt hätten. In den hier angesprochenen Fällen liegt der enge Bezug zu dem auf der Hand, was vorhin im „Allgemeinen Teil" zum strukturbe­ dingten personalen Element im richterlichen Handeln im allgemeinen und zur weltanschaulichen und/oder politischen Einstellung des Rich­ ters im besonderen gesagt worden ist. Daraus folgt für den j etzigen Zusammenhang, worauf namentlich Friesenhahn20 und Benda21 , aber auch Ridder22 zutreffend hingewiesen haben: In Streitigkeiten dieser Art, die Grundfragen unseres Staatswesens betreffen, läßt sich bei aller Offenheit für anderslautende Argumente, die bei einem Verfas­ sungsrichter wohl wird bej aht werden dürfen, kaum annehmen, daß er, wenn er an einem solchen Verfahren mitzuwirken hat, zu seiner

- vom 6 . 4. 76 (Ablehnung Dr. Niebler) = E42, 88 ff.; - vom 6. 4. 76 (Ablehnung Dr. Zeidler) = E42, 90 f.; - die dritte (ebenfalls ablehnende) Entsch. vom 6.4. 76 (Ablehnung Dr. Geiger), die im selben Verfahren wie die zuvor genannte Ablehnung des Richters Dr. Zeidler erfolgte, ist vom BVerfG selbst nicht veröffentlicht wor­ den; eine Wiedergabe des Ablehnungsgesuchs sowie des hierauf ergangenen Beschlusses findet sich lediglich in der Krit. Justiz 1976 , 311 ff. [näher hierzu nachstehend im Text zu 2.c)] ; - ferner Entsch. vom 7. 12. 76 = E43, 126 ff.; - vom 4. 10. 77 = E 46 , 14 ff.; - vom 1 9. 10. 77 = E46 , 200 f.; - vom 2. 1. 78 = E47, 105 ff.; - vgl. in diesem Zusammenhang zusätzlich die Entsch. vom 5.10. 77 = E46 , 34 ff., in welcher der 2. Senat die Möglichkeit einer Prüfung von Amts wegen bei Vorliegen eines etwaigen Ablehnungsgrundes jedenfalls für den Bereich des Verfassungsgerichtsprozesses verneint hat. 1 9 S. die Entsch. vom 6.4. 76 = KJ 1976 , 311 ff. (Ablehnung Dr. Geiger) so­ wie vom4. 10. 77 = E 46 , 14 ff. (Ablehnung Richter Hirsch). 20 In seiner Anm. zu den beiden Leihholz-Entscheidungen des BVerfG vom 2. und 3.3.6 6 = JZ 1966 , 704 ff. mit folgendem Resumee (ebd. S. 707) : ,,. . . Selbstverständlich bleibt bis zur entscheidenden Abstimmung die Offen­ heit für die Diskussion erhalten, aber wie weit ein Richter in einer Verfas­ sungsrechtsfrage, die vielleicht bereits seit Jahren diskutiert worden ist und zu der er sich eine feste Meinung erarbeitet hat, noch anderen Argumenten zugänglich und zu einem Wechsel der Meinung bereit ist, ist doch wirklich keine Frage, der man mit dem Begriff der Befangenheit Herr werden könnte . . ." (Hervorhebungen nicht schon im Original). 21 Im „Spiegel-Gespräch" in „Der Spiegel" Nr. 26 vom 25.6. 73 S. 32 im Zu­ sammenhang mit dem Verfahren um den Grund(lagen)vertrag: ,, . .. bei einem Vorgang, an dem das ganze deutsche Volk leidenschaftlich Anteil nimmt, und zu dem sich wahrscheinlich jeder seine persönliche Überzeugung gebildet hat, werden Sie kaum einen neutralen Bürger finden. Die Vorstellung, es gebe in dieser Frage Richter, die sich nicht auch eine Meinung pro und contra gebil­ det hätten, halte ich für Utopie. Gäbe es welche, so wären sie als Richter die ungeeignetsten.. .". 22 In Demokratie und Recht 1973, 244, wonach „es in den hier in aller Regel involvierten und umstrittenen politischen und juristischen Grund­ fragen von vornherein keine standpunktlosen Richter gibt, alle Richter (mit Ausnahme der wegen Meinungslosigkeit total unfähigen) also erfolgreich ab­ gelehnt werden müßten .. . ".

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„endgültigen" Ansicht erst im Zusammenhang mit der abschließenden Beratung des Falles finden würde. Gerade bei derart kontroversen Angelegenheiten wird man im Gegenteil eher davon ausgehen können, daß der einzelne Richter zu der betr. Frage schon seit längerem, zumindest im Grundsätzlichen, für sich Stellung bezogen und sich eine gefestigte Meinung gebildet hat, die für ihn in der Folge bestimmend ist. Diese Festlegung zumindest in der grundsätzlichen Position ist womöglich sogar schon erfolgt, bevor das j etzige Verfahren überhaupt begonnen hat: Dies liegt um so näher, als einem Verfahren vor dem Verfassungsgericht, in dem es um eine derartige Frage geht, ja regel­ mäßig eine mehr oder minder heftige außergerichtliche politische Aus­ einandersetzung vorausgeht, die gerade den Richter, der das politische Geschehen mit Interesse verfolgt, nicht unberührt lassen kann, die ihm vielmehr schon früh eine persönliche Meinung abverlangen wirdzs . Wenn nun eine dahingehende frühzeitige endgültige Festlegung des Richters Ausfluß des strukturbedingten personalen Elements im rich­ terlichen Handeln ist, dann muß folgerichtig auch hier dem Umstand Rechnung getragen werden, daß das Einwirken dieses subjektiven Moments in das richterliche Handeln vorhin im Ersten Abschnitt der vorliegenden Untersuchung als gerade nicht Befangenheits-begrün­ dend angesehen worden ist, weil es nicht als „unsachlich" , ,,sach-fremd" gewertet werden kann: Demzufolge kann selbst eine endgültige Fest­ legung in diesem Bereich - jedenfalls grundsätzlich - eine Befangen­ heit nicht bewirken. Was soeben im Hinblick vor allem auf den politischen Aspekt gesagt worden ist, hat natürlich in gleicher Weise auch für den weltanschau­ lichen Bereich zu gelten (ganz abgesehen davon, daß sich eine klare begriffliche Abgrenzung hier wohl ohnehin schwerlich durchführen lassen würde). Eine etwaige Richterablehnung z. B. in dem Verfassungsstreit um die Re­ form des § 218 StGB 24 , der letztlich auf der Basis gerade auch äußerst kontro­ verser weltanschaulicher Positionen ausgetragen wurde, wäre also, wenn die Ablehnung auf die Besorgnis einer dahingehenden Festlegung des Richters gestützt worden wäre, nach den hier entwickelten Grundsätzen als unbegrün­ det zurückzuweisen gewesen, - es sei denn, es hätten noch besondere Um­ stände hereingespielt, die eine andere Beurteilung erfordert hätten. Das eben Gesagte hat nun im Prinzip gerade auch für diejenigen beiden Ablehnungsfälle zu gelten, die Anlaß für die hier angestellten 23 Ähnlich Schütz, Ablehnung S. 16, wonach „dem Verfassungsrichter eine persönliche Anteilnahme an den Angelegenheiten des öffentlichen Lebens nicht zu verwehren (ist) ; sie ist sogar wünschenswert" ; in diesem Sinne auch Dürholt, ZRP 1977, 219 f. 14 Vgl. hierzu die Entsch. des BVerfG v. 25. 2. 75 = E 39, 1 ff. = NJW 75, 573 ff.

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Überlegungen gewesen sind, nämlich für die seinerzeitige Ablehnung der Bundesverfassungsrichter Dr. Leibholz und Dr. Rottmann: Selbst wenn diese Richter auf die Ansicht, die staatliche Parteifinanzierung sei verfassungsmäßig (so Dr. Leibholz), bzw. auf die Auffassung, das Deutsche Reich sei in staatsrechtlicher Hinsicht untergegangen (so Dr. Rottmann), j eweils bereits endgültig festgelegt gewesen sein mögen, so vermochte doch j eweils dieser Umstand allein ihre Ablehnung noch nicht zu begründen, weil er, für sich genommen, zumindest auch in den politischen Grundanschauungen dieser Richter derart verwurzelt war, daß er nach dem eben aufgestellten Grundsatz nicht als Befangen­ heit gewertet werden kann.25 Im Falle des Richters Dr. Leibholz war die beanstandete Äußerung wenn auch nicht über die „unheilige Allianz" 28, so aber doch über das „unheilige Bündnis" 27 zwar im Kontext einer wissenschaftlichen Lehrmeinung erfolgt; das schließt aber natürlich nicht aus, daß sie dabei nicht zuletzt gerade auch auf bestimmten politischen Grundüberzeugungen des Richters basierte, auf die er eben „festgelegt" war. 2. Eine Ausnahme von der eben aufgestellten Regel ist j edoch für den Fall zu machen, daß mit der endgültigen Festlegung noch beson­ dere Umstände einhergehen, die dem konkreten Fall ein von der bisher zugrunde gelegten Konstellation abweichendes Gepräge geben. Dabei ist hier vor allem daran zu denken, daß der betr. Richter nicht einfach nur auf eine bestimmte Position festgelegt ist (und dies auch zu verstehen gibt) , daß vielmehr mit dieser Festlegung eine gewisse Animosität gegenüber einem Prozeßbeteiligten einhergeht, die zumindest in die Richtung einer persönlichen Voreingenommenheit weist, oder daß sich sonst mit dem Fixiertsein auf eine bestimmte eigene Position zugleich ein Unwerturteil über die Gegenposition ver­ bindet, das über die bloße sachlich begründete Ablehnung dieser Position als solcher merklich hinausgeht und zugleich eine Abwertung oder sogar Herabwürdigung der Vertreter dieser anderen Ansicht beinhaltet28 • Ähnlich etwa Stemmler, Befangenheit S. 239 f. So die Begründung der Ablehnungsgesuche der NPD und der BP unter Berufung auf den Tagungsbericht von Rudolf in der DÖV 1965, 807, vgl. die Wiedergabe in den Entsch. des BVerfG vom 2. 3. 66 E 20, 1 ff. (3) sowie vom 3. 3. 66 = E 20, 9 ff. (1 1 , jeweils zu 2.). 17 So Dr. Leibholz in seiner dienstlichen Äußerung zu den beiden Ableh­ nungsgesuchen der NPD und der BP, vgl. die Wiedergabe ebda. S. 4 und 12 f., ferner in der (überarbeiteten) Wiedergabe des fraglichen Vortrags selbst in VVDStRL Heft 24, 19 (vgl. hierbei die Fußn. 6 auf S. 17 ebd.). 28 Vgl. in diesem Zusammenhang etwa die Beispiele im letzten Absatz des 1. Rottmann-Beschlusses des BVerfG v. 29. 5. 73 = E 35, 171 ff. (174 f.) : ,, . . . Be­ sondere Umstände, wie beispielsweise eine dezidierte Parteinahme für eine Rechtsauffassung oder eine ungewöhnliche Schärfe im Auftreten oder Vor­ trag . . . ". In diesem Sinne auch Stemmler S. 238. 21

28

=

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a) Eben diese zusätzliche Voraussetzung war seinerzeit im Falle der Leihholz-Ablehnung gegeben, als der Richter mit Bezug auf diejenigen politischen Parteien, die einer staatlichen Parteienfinanzierung ableh­ nend gegenüberstanden, von einem „unheiligen Bündnis" sprach. Dabei fällt außerdem noch ins Gewicht, daß der Richter sich in dieser außerordentlich pointierten, emotional gefärbten Form gerade zum Gegenstand eines Verfahrens vor dem B VerfG äußerte, in dem er ohnehin schon die besonders exponierte Funktion eines Berichterstat­ ters innehatte29 , die ihm um so mehr eine gewisse Zurückhaltung nahegelegt hätte. Zumindest unter diesem Gesichtspunkt war der abge­ lehnte Richter damals also durchaus als befangen anzusehen. Ganz in diesem Sinne hat auch das B VerfG seinerzeit in den beiden Entscheidungen vom 2. 3. und 3. 3. 196630 darauf abgestellt, daß der abgelehnte Richter „in derart dezidierter Form" eine „deutlich abwer­ tende Beurteilung" der Prozeßbeteiligten zum Ausdruck gebracht habe. Zutreffend hat Bettennann den beiden Entscheidungen insoweit zuge­ stimmt31 , als er darauf abgestellt hat, daß die ablehnenden Parteien die „Bemerkung vom ,unheiligen Bündnis' als politische Disqualifika­ tion ihrer Person wie ihrer Sache ansehen (durften, ja . . . mußten)" 32 • - Wenn freilich sowohl das B VerfG33 als auch Bettermann34 anschlie­ ßend ausdrücklich hervorheben, daß der abgelehnte Richter "seine Bemerkungen" in Wirklichkeit keineswegs in einem derartigen „abwer­ tenden Sinne gemeint" habe, so soll damit doch wohl im Ergebnis gesagt werden, daß die fraglichen Äußerungen des Richters zwar durch­ aus berechtigten Anlaß dafür gegeben hätten, an seiner Unparteilich­ keit zu zweifeln ( = Besorgnis der Befangenheit), daß in Wahrheit aber seine Unparteilichkeit keineswegs in Frage gestanden habe35 • Diese Bemerkung kann jedoch nach dem bisher Gesagten keine Zustimmung finden, weil der Richter seine pointierte Äußerung j a ganz bewußt Vgl. den Hinweis in der Entsch. vom 2. 3. 66 = E 20, 1 ff. (3). 30 Ebd. S. 7 und S. 16 f. Die Entsch. vom 25. 3. 66 = E 20, 26 ff., in der der Senat die - angebliche - Selbstablehnung des Richters Dr. Leibholz für be­ gründet erachtete, kann im vorl. Zusammenhang außer Betracht bleiben, weil es dort primär um Fragen des Ablehnungsverfahrens ging, das hier nicht zur Diskussion steht. 31 AöR Bd. 92 (1967), 509 ff. - Zustimmend zu den Entscheidungen ferner auch Arzt, Strafrichter S. 96 Fußn. 156 und im Prinzip auch Stemmler S. 238 (der jedoch ebd. Fußn. 4' die Entscheidungen aus einem anderen - prozessua­ len - Gesichtspunkt im Ergebnis für falsch hält). st Ebd. S. 511. 33 Ebd. S. 7 und 17. 14 Ebd. S. 511. 1 6 Derartige „Ehrenerklärungen" für den abgelehnten Richter finden sich häufig in stattgebenden Ablehnungsentscheidungen. Eingehend zu dem da­ hinterstehenden Richterbild Ernst, Ablehnung S. 34 ff. und passim. 29

g Rledel

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I. Teil, 2 . Abschn.: Falltypen der Parteilichkeit

und · damit gerade auch im Bewußtsein ihres spezifischen Gehalts gemacht hat; mit j enem Argument läßt sich also eine Befangenheit des abgelehnten Richters durchaus nicht verneinen, auch wenn die Auf­ fassung des Richters an sich sachlich sehr wohl fundiert war36 • Auch die Bemerkung von Sarstedt, die fragliche Äußerung von Prof. Leib­ holz auf der Staatsrechtslehrertagung 1 965 enthalte „eine politische und keine Rechtsansicht", und sie lasse „keinen Bezug auf die vom BVerfG zu entschei­ dende Rechtsfrage erkennen"37 , vermag jedenfalls in dieser Form nicht zu überzeugen; ebensowenig auch die Überlegung von Zwirner, die NPD habe ,,die Bemerkung nur als das verstehen (können), was sie war: als eine viel­ leicht impulsive Verteidigung der eigenen, aber nicht als Indiz einer per­ sönlich voreingenommenen oder nichtobjektiven Interpretation des Art. 2 1 GG" 88• Eine weitergehende Auseinandersetzung mit den beiden Leibholz-Ent­ scheidungen des BVerfG ist im vorliegenden Zusammenhang nicht möglich, insbesondere weil wesentliche Aspekte dem Bereich der Ablehnbarkeit wegen Besorgnis der Befangenheit zuzuordnen sind, der hier als solcher nicht zur Erörterung stehen soll; vorrangig müßte dabei auch näher auf die Frage ein­ gegangen werden, ob die Ablehnungsbefugnis der Prozeßbeteiligten im ver­ fassungsgerichtlichen Verfahren gegenüber dem sonstigen Prozeßrecht ein­ geschränkt ist oder ob die Ablehnungsmöglichkeit womöglich auch in anderer Weise, etwa auf Grund eines strengeren Beurteilungsmaßstabes als sonst, begrenzt ist. - Indes wird nachstehend noch einmal Gelegenheit bestehen, auf die Leibholz-Entscheidungen zurückzukommen, wenn im Rahmen der vorläufigen Festlegung der Komplex der richterlichen Publizistik näher zu erörtern sein wird (s. dazu unten § 24.II.2 .). b) Wenn hiernach also der Richter Dr. Leihholz auf Grund seiner Äußerung vom „unheiligen Bündnis" durchaus als befangen anzusehen war, so mag demgegenüber fraglich sein, ob dies in gleicher Weise auch im Hinblick auf die seinerzeit ebenfalls beanstandeten Äußerun­ gen des Richters Dr. Rottmann zu gelten hat: Wenn er die Aufrecht­ erhaltung der These vom Fortbestand des Deutschen Reiches als „poli­ tisches Wunschdenken" , als „Vernebelung der politischen Wirklichkeit" und als „Gerede" charakterisiert39 , so mag darin zunächst einmal nur die wertende Schlußfolgerung aus seiner eigenen Position gelegen haben. Jedoch haftete ihr dabei zugleich auch eine gewisse emotionale Vgl. Stemmler S. 2 35 (m. w. N.). 37 Anm. JZ 1 966, 315. 88 AöR Bd. 93 (1968), 101. - Außer Sarstedt S. 314 ff. und Zwirner S. 81 tf. ebenfalls ablehnend zu den Leibholz-Entscheidungen des BVerfG auch Frie­ senhahn, Anm. JZ 1 966, 704 ff.; Lau/er, Verfassungsgerichtsbarkeit S.517 f.; Baring, DVBI. 1968, 61 0; sowie Sälzer, NJ W 1 971, 1 206 Fußn.42 (a. E.), mit im einzelnen jeweils unterschiedlicher Begründung. Knöpfte, BVerfG-Festgabe I S. 152 ff. bespricht die Entsch. selbst wie auch die literarischen Äußerungen hierzu im wesentlichen nur unter dem Aspekt der Besorgnis der Befangen­ heit, während er auf den Aspekt der Befangenheit selbst nicht näher eingeht. 89 Vgl. die Begründung des 2. Rottmann-Beschlusses vom 16. 6. 7 3 = BVerfGE 35, 246 ff. (248, 249, 2 53). 36

§ 2 2 . Die endgültige Festlegung des Richters

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„Färbung" mit einer - aus der Verteidigung der eigenen Position heraus vielleicht verständlichen - Herabsetzung und Disqualifizierung der Gegenseite an, die nach Intensität und Schärfe über die bloße Wahrung und Rechtfertigung des eigenen Standpunktes deutlich hin­ ausging. Unter diesem Gesichtspunkt wird deshalb der stattgebenden Entscheidung im 2. Rottmann-Beschluß ebenfalls zuzustimmen sein40 •

Ein weiteres Eingehen auf die beiden Beschlüsse muß im übrigen auch hier unterbleiben, weil es sich insoweit im wesentlichen um verfahrensrechtliche Probleme handelt, während es hier allein um den materiellen Aspekt der Unparteilichkeit selbst gehen soll. c) Im Anschluß an die Leibholz- und Rottmann-Beschlüsse des ist hier ferner noch auf die Ablehnung des Richters Dr. Geiger einzugehen, die im Frühjahr 1976 im Rahmen des konkreten Nor­ menkontrollverfahrens zur Prüfung des § 28 der hamburgischen Justiz­ ausbildungsordnung vom 10. 7. 1972 erfolgte (Fall Empell). B VerfG

Das Ablehnungsgesuch wurde vom BVerfG durch Beschluß vom 6 . 4. 76 verworfen. Veröffentlicht wurde die Entscheidung vom Gericht jedoch nicht, angeblich, weil die Entscheidungsgründe mit der Begründung der Entschei­ dung über die Ablehnung des Richters Dr. Zeidler in demselben Verfahren und vom selben Tage übereinstimmten41 , die in der Tat ihrerseits zunächst in einer förmlichen Pressemitteilung im Wortlaut42 veröffentlicht und zudem

'° Zustimmend zu den beiden Rottmann-Beschlüssen des B VerfG, wenn auch mit Kritik im einzelnen, Häberle, JZ 1 973, 451 ff., 454 f.; ablehnend dem­ gegenüber, mit im einzelnen unterschiedlicher Begründung, Schumann, JZ 1 973, 484 ff.; Schäfer, BayVerwBl. 1 973, 477 f.; sowie Ridder, Demokratie und Recht 1 973, 2 39 ff.; ferner Stemmler S. 2 38 mit Fußn. 4. Zu Knöpfte s. vorste­ hende Fußn. 38 (a. E.). 41 So die Notiz „Befangenheitsanträge gegen Verfassungsrichter abge­ lehnt" in der „Stuttgarter Zeitung" vom 15. 4. 76 S. 2 (a. E.) ; vgl. daneben etwa auch den Artikel „Antrag und Ablehnung verschwiegen" in der „Südwest­ presse" vom selben Tag S. 2 sowie die Glosse „Manipuliert" in der „Stutt­ garter Zeitung" vom 1 7. 4. 76 , S. 3. 42 Es fällt allerdings auf, daß die „Gründe" sich auf die eigentlichen Ent­ scheidungsgründe beschränken und nicht auch, wie es sonst bei dahingehen­ den Entscheidungen des Gerichts die Regel ist, eine Art „Tatbestand" mitum­ fassen. Infolgedessen hängt der Schlußsatz der „Gründe" gewissermaßen „in der Luft", wenn es dort heißt: ,. . . . Im übrigen vermag das Vorbringen des Antragstellers eine Besorgnis der Befangenheit des abgelehnten Richters nicht zu begründen." Dabei enthält die Begründung dieses Ablehnungsgesuchs an sich keinerlei irgendwie gearteten politischen „Zündstoff", da sie lediglich darauf gerichtet ist, Dr. Zeidler „habe in seiner Stellung als Präsident des BVerwG an einer Besprechung zur Radikalenfrage beim Bundeskanzler teilgenommen und sei deshalb nicht objektiv" (so die Notiz in der „Stuttgarter Zeitung" vom 15. 4. 76 ). Auch wenn das Ablehnungsgesuch primär aus rein prozessualen Gründen zurückgewiesen worden ist (Fehlen der Ablehnungsbefugnis), so legt doch gerade das - wenn auch kurze - Eingehen auf die sachliche Be­ gründung des Gesuchs im Schlußsatz der Entscheidungsgründe immerhin die Vermutung nahe, daß die knappe Fassung des Beschlusses mit Rücksicht auf die gleichzeitige Ablehnung des Richters Dr. Geiger erfolgt sein könnte, weil diese Ablehnung dann mit einem praktisch wortgleichen Beschluß beschieden werden konnte.

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1. Teil, 2. Abschn.: Falltypen der Parteilichkeit

anschließend in die Amtliche Entscheidungssammlung aufgenommen worden ist43 • Die hier angesprochene Entscheidung ist vielmehr, zusammen mit dem Ablehnungsgesuch, lediglich in der „Kritischen Justiz"H veröffentlicht. Ein Vergleich der beiden Entscheidungsgründe zeigt, daß sie allerdings bis auf ein Wort, auf das es jedoch gerade wesentlich ankommt (s. nach­ stehend) - völlig wortgleich sind. Völlig identisch sind sie in der primären Begründung, die darauf abstellt, daß den Beteiligten des Ausgangsverfah­ rens im Rahmen des konkreten Normenkontrollverfahrens vor dem BVerfG eine Ablehnungsbefugnis nicht zukomme; darauf ist hier indes nicht näher einzugehen45 , weil es sich insoweit um ein Problem des Ablehnungsverfahrens handelt, während es hier ja allein um das Vorliegen oder Nichtvorliegen einer etwaigen Befangenheit als solcher gehen soll. Im vorliegenden Zusammenhang kommt es vielmehr allein auf die Begründung des Ablehnungsgesuchs und auf den hierauf sich bezie­ henden Schlußsatz der Entscheidungsgründe an: Der Antragsteller hatte nämlich seine Ablehnung darauf gestützt, daß der betroffene Richter sich seinerzeit in seiner Doktorarbeit von 1941 (,,Die Rechts­ stellung des Schriftleiters") zum Komplex der Berufsverbote dezidiert bejahend im nationalsozialistischen Sinne geäußert habe. Sinngemäß hatte er hieraus gefolgert, daß der Richter nunmehr in diesem Sinne für das jetzige Verfahren, in dem es ebenfalls um die Rechtmäßigkeit sog. ,,Berufsverbote" gehe, ,,festgelegt" sei. Die diesbezügliche Argumentation des Antragstellers, die im einzelnen mit diversen Zitaten aus der erwähnten Dissertation untermauert wird, hat nun das B VerfG in seinem Beschluß vom 6. 4. 76 mit dem einen Schlußsatz als unbeachtlich zurückgewiesen, daß „im übrigen . . . das Vorbringen des Antragstellers eine Besorgnis der Befangenheit des abgelehnten Richters ersichtlich [ ! ] nicht zu begründen (vermag)"". Das Gericht war nun freilich an sich gar nicht genötigt, überhaupt auf die inhaltliche Begründung des Ablehnungsgesuchs einzugehen, da es das Gesuch ja schon aus formalen, prozessualen Gründen für unzu­ lässig erachtete (s. o.). Um so mehr muß daher die apodiktische Formu­ lierung befremden, wonach ein materieller Ablehnungsgrund hier „ersichtlich" nicht vorliege, zumal gerade dieser bekräftigende, alle etwaigen Zweifel für unbeachtlich erklärende Ausdruck es ist, durch den sich die Ablehnungsentscheidung im Verfahren Dr. Geiger von der parallelen Entscheidung über die Ablehnung des Richters Dr. Zeidler unterscheidet. Nachdem jener Richter sich nun einmal im „Dritten Reich" derart dezidiert zu einem parallelen Problem literarisch ge­ äußert hatte und damit in der Tat die Frage einer etwaigen Festlegung 43 4' 45

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BVerfGE 42, 90 f. KJ 1976, 311 ff. (mit Anm. Perels ebd. S. 314 f.). Vgl. hierzu die Ausführungen oben in § 9.11.2 - IV. S. KJ ebd. S. 314 (Hervorhebung nicht schon im Original).

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des Richters im Raum stand, zumal in einer politisch derart heiklen Beziehung, hätte es dem Gericht, wenn es schon die sachliche Seite des Ablehnungsgesuchs ansprach, sicher besser angestanden, wenigstens auf eben diesen Zusatz „ersichtlich" zu verzichten, ganz abgesehen davon, daß das Gericht auf diesen Aspekt ja überhaupt nicht hätte einzugehen brauchen und dies etwa durch eine entsprechende abschlie­ ßende Bemerkung auch hätte zum Ausdruck bringen können. Hier war aber gerade im Gegenteil eine eindeutige Stellungnahme gewollt, die indessen - unabhängig davon, wie man im übrigen zu der Vorlage­ frage selbst steht - in der vom Gericht gewählten Form ein deutliches Unbehagen auslösen muß47 ; dies gilt sogar um so mehr, als die „Ver­ heimlichung" dieses Ablehnungsgesuches vor der Öffentlichkeit oben­ drein den „Verdacht der Manipulation" nahegelegt, in dem Sinne nämlich, ,,daß hier bewußt Hilfestellung geleistet wurde, um die poli­ tische Vergangenheit eines Richters der öffentlichen Diskussion zu entziehen"'8 • Aus dieser Kritik am Prozedieren des Gerichts in dieser Sache darf nun aber nicht der Schluß gezogen werden, daß die fragliche Schluß­ bemerkung des Gerichts im Ergebnis notwendig falsch gewesen sei. Die Antwort auf diese Frage muß hier vielmehr offenbleiben: Aus der Begründung des Ablehnungsgesuches läßt sich nämlich zunächst einmal allenfalls die Vermutung für eine vorläufige Festlegung des Richters auf Grund seiner damaligen literarischen Äußerung entneh­ men, während weitergehende Hinweise für eine schon endgültige Festlegung, die eine dahingehende Besorgnis der Befangenheit recht­ fertigen würden, darin gerade nicht enthalten sind. Eine nur vorläufige Festlegung für sich allein hingegen würde, wie sogleich noch im einzelnen zu zeigen sein wird, für die Annahme einer Befangenheit keineswegs ausreichen. d) Die gleichen Grundsätze müssen schließlich auch für die Beurtei­ lung des Ablehnungsgesuches gelten, das im August 1977 vom Kultus­ ministerium Baden-Württemberg im Fall Güde gegen den Bundesver­ fassungsrichter Hirsch eingelegt worden ist. Das Ministerium hat seine Ablehnung nämlich gerade damit begründet, daß der betr. Richter in seiner Würdigung des sog. Radikalenerlasses im allgemeinen und des sog. Radikalenbeschlusses des B VerfG im besonderen rechtlich festge­ legt sei, und zwar eben in der Weise, daß er seine Auffassung hierzu mehrfach in allzu pointierter und engagierter Weise vertreten habe'9 • '7 Und zwar, wie die Zitate in Fußn. 41 zeigen, keineswegs nur in „linken" Kreisen, sondern gerade auch in der sog. ,,bürgerlichen" Presse. '8 Zitat aus der „Stuttgarter Zeitung" vom 17. 4. 76 (s. o. Fußn. 41). Ähnlich die Anm. von Perels in KJ ebd. S. 314 f. 49 Vgl. den Artikel „Kultusministerium: Martin Hirsch hat sich zu weit vorgewagt" in der „Südwestpresse" vom 16. 8. 77 sowie die Notiz „Befangen-

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Immerhin enthält die Begründung des Beschlusses vom 4.10. 77 ( = E 46, 14 ff. [ 1 7] unter III.2 [a. E.] ) eine in dieser Form ungewöhnliche, kaum ver­ hüllte Kritik der übrigen Senatsmitglieder an dem Verhalten des abgelehn­ ten Richters, wenn dort von dem „ungewöhnlichen, mit der gebotenen Zu­ rückhaltung schwer verträglichen, persönlich gefärbten, wiederholten Ein­ greifen in die öffentliche Diskussion um den sog. Radikalenbeschluß des Bun­ desverfassungsgerichts" die Rede ist50 • Wenn der zweite Senat fortfährt, das solchermaßen kritisierte Verhalten des abgelehnten Richters könne trotzdem für sich „allein . . . die Besorgnis der Befangenheit hier nicht rechtfertigen", so kommt es in der Tat darauf an, ob der Richter trotz der beanstandeten öffentlichen Äußerungen u. a. im „Spiegel" und in der „Westdeutschen All­ gemeinen Zeitung" für die konkret anstehenden Rechtsfragen noch als aus­ reichend „offen" angesehen werden durfte oder nicht. Eine Stellungnahme hierzu würde vorrangig eine genaue Kenntnis jener Äußerungen selbst vor­ aussetzen. Fraglich mag es immerhin sein, ob das Ablehnungsgesuch allein schon mit der Begründung hätte zurückgewiesen dürfen, daß eine etwaige (endgültige) Festlegung des abgelehnten Richters sich auf die Problematik des Radikalen als Anwärter im öffentlichen Dienst beschränke, während es in dem anhängigen Verfassungsbeschwerdeverfahren um die davon verschie­ dene Frage des Lebenszeitbeamten gehe. Selbst wenn aber, was naheliegt, auch in letzterer Hinsicht eine endgültige Festlegung vorlag, so ist aber doch zu berücksichtigen, daß es sich hier um die Stellungnahme zu einer Frage von eminenter politischer Bedeutung handelte: im Sinne des vorhin zu 1. und 2. Ausgeführten könnte dann eine „Befangenheit" lediglich bei besonderer Ani­ mosität und Emotionalität der Stellungnahme bejaht werden. § 23. C. Die nur vorläufige Festlegung des Richters. Allgemeines I. Daß der Richter sich über die S ache, die er zu bearbeiten hat, schon von Anfang an in tatsächlicher wie auch in rechtlicher Hinsicht jedenfalls vorläufig eine gewisse Meinung bildet, ist geradezu unver­ meidlich, ja sogar unverzichtbar, weil es ihm nur so möglich ist, die S ache nach und nach „in den Griff zu bekommen" und sie einer Entscheidung zuzuführen. Dabei wird der Richter sogar, wie vorhin bereits angesprochen, auf den Bestand an Rechtsansichten zurückgrei­ fen müssen und dürfen, den er gewissermaßen ständig „bei sich trägt" . heitsantrag gegen Hirsch" in der „Stuttgarter Zeitung" vom 1 9. 8. 77, ferner den Artikel „Richter Hirsch nicht befangen" in der „Stuttgarter Zeitung" vom 13. 10.77. 50 Vgl. in diesem Zusammenhang auch die Entsch. vom darauffolgenden Tag (5. 10. 77 = E 46, 34 ff.) im Fall Empell, in der der Zweite Senat ein­ gehend geprüft hat, ob in einem Verfahren, in dem ein Richter (im konkreten Fall: ebenfalls der Richter Hirsch) Anlaß zur Besorgnis der Befangenheit ge­ geben hat, diese Frage vom Gericht auch von Amts wegen aufgegriffen wer­ den darf, sofern weder ein Ablehnungsgesuch von seiten eines Verfahrens­ beteiligten vorliegt noch auch der betr. Richter selbst eine dahingehende An­ zeige im Sinne einer sog. ,,Selbstablehnung" abgegeben hat. Weil die Ent­ scheidung sich auf die Erörterung dieses verfahrensrechtlichen Problems be­ schränkt, ist hier nicht näher auf sie einzugehen [vgl. jedoch die diesbezüg­ li chen Bemerkungen unten in § 35.UI.2.a) ).

§ 23 . Die nur vorläufige Festlegung des Richters. Allgemeines

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Unumgängliche Voraussetzung dabei ist jedoch grundsätzlich die gleichzeitige Offenheit für neue Aspekte und Argumente, an denen der Richter seine bisherige Ansicht von der Sache ständig zu messen und zu überprüfen hat, und die regelmäßig bis zum Schluß der Ver­ handlung, also bis das Gericht sich zur Beratung zurückzieht, andauern muß. Dieser Umstand, daß das Gericht sich von Anfang an eine, wenn auch nur vorläufige, Meinung macht und sogar machen muß, liegt somit in der richterlichen Tätigkeit selbst begründet. Obwohl ihm dabei sogar durchaus die Tendenz zu einer gewissen Festlegung anhaftet - in dem Sinne nämlich, daß der Richter die so gewonnene Ansicht zumin­ dest so lange beibehalten wird, wie neue Gesichtspunkte nicht auf­ tauchen, die zu einer Revision und eventuell sogar Aufgabe des bisherigen Standpunktes Anlaß geben -, kann dieser Umstand mithin doch nicht als „unsachlich", als „sach-fremd" qualifiziert werden. Und zwar gilt dies einheitlich für alle der vorhin angesprochenen Abstu­ fungen von vorläufiger Festlegung (soweit sie nicht ausnahmsweise mit Rücksicht auf ihre Wirkung der endgültigen Festlegung gleich­ zustellen sind) : Die nur vorläufige Festlegung stellt demzufolge als solche, d. h. soweit nicht etwa besondere Umstände hinzukommen, die eine abweichende Beurteilung erforderlich machen, keinen Fall der Befangenheit dar. Dem scheint nun allerdings entgegenzustehen, daß allein schon die bloße Tendenz des Richters, einen Prozeßbeteiligten in der Folge in einer bestimm­ ten Richtung sei es zu benachteiligen oder sei es zu bevorzugen, ausreichen soll, um eine Befangenheit bejahen zu können. Eine dahingehende Tendenz ist aber ja eigentlich gerade auch in der vorläufigen Festlegung enthalten. Und doch besteht hier ein ganz wesentlicher Unterschied: Denn diese an sich vorhandene Tendenz wird hier - davon ist ja gerade im Gegensatz zur end­ gültigen Festlegung auszugehen - ,,begleitet", ,,kompensiert" durch die gleichzeitig gegebene „Offenheit" des Richters, die verhindert, daß er von vornherein zu einseitig auf diese eine Richtung fixiert wird. Mit anderen Worten: soweit die Festlegung allenfalls vorläufig ist, fehlt es überhaupt schon am Moment der Vorzeitigkeit, das sonst die Unsachlichkeit begründen würde.

II. Die bisherigen Überlegungen betrafen zunächst einmal nur diejenigen Fälle, in denen der jeweilige Richter tatsächlich nur vor­ läufig festgelegt ist und in denen er dies auch entsprechend zum Aus­ druck bringt. Problematisch könnte es dagegen sein, wenn es an einem derartigen Hinweis auf die Vorläufigkeit der bisherigen Ansicht fehlt, wenn die Äußerung vielmehr den Eindruck erweckt, eine bereits feststehende Meinung wiederzugeben. Weil es nun für die Feststellung, ob tatsächlich eine Befangenheit vorliegt, anders als bei der Frage, ob auf Seiten eines Prozeßbeteiligten eine dahingehende Besorgnis be­ gründet ist, nicht auf den bloßen Eindruck,: ,son�rn auf die jeweilige

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innere Einstellung des Richters ankommt, wird hier in folgender Weise zu differenzieren sein: 1. Zum einen ist an den Fall zu denken, daß der Richter sich zwar dessen bewußt ist, daß er eine an sich nur vorläufige Ansicht wieder­ gibt, daß er aber in seiner Äußerung diese Einschränkung fortläßt und ihr dadurch den Eindruck verleiht, sie sei bereits feststehend. z. B. teilt der Richter in einer Presseerklärung nicht lediglich mit, daß nach dem Stand der bisherigen Ermittlungen ein dringender Tatverdacht gegen den Beschuldigten oder Angeklagten bestehe, vielmehr stellt er kurzerhand fest, der Beschuldigte bzw. Angeklagte sei der Täter1 •

In einem solchen Fall setzt der Richter sich bewußt, zum Nachteil des Beschuldigten usw., über die zu dessen Schutz aufgestellte Un­ schuldsvermutung hinweg und bringt damit eine Art „Vor-Verurtei­ lung" zum Ausdruck: Benachteiligung2 , Unsachlichkeit und Fallbezo­ genheit sind hier ersichtlich gegeben und eine Befangenheit demzufolge ohne weiteres zu bejahen. 2. Anders verhält es sich dagegen, wenn dem Richter bei der For­ mulierung lediglich eine Ungeschicklichkeit unterläuft, wenn er in Wirklichkeit also allenfalls vorläufig festgelegt ist. Dann nämlich fehlt es hier gerade an der bewußten inneren Einstellung, aus der soeben zu 1. die Bejahung hergeleitet worden ist3• Damit ist nun freilich ein Dilemma angesprochen, auf das etwa Arzt' und Stemmler5 hingewiesen haben: daß nämlich im Rahmen des bestehenden Ablehnungsrechts der vorsichtig formulierende Rich­ ter gegenüber dem etwas unbedachten Richter ungerechtfertigt privi­ legiert werde. Ein tatsächlich noch so befangener Richter könne der Ablehnung entgehen, wenn er sich nur vorsichtig genug verhalte; ein etwas unbedachter Richter setze sich dagegen dem Mißtrauen in seine Unparteilichkeit und damit der Gefahr, wegen Besorgnis der Befan­ genheit abgelehnt zu werden, aus, auch wenn er in Wirklichkeit gar nicht befangen sei. Das ist indessen nicht ein Problem speziell der 1 Vgl, hierzu etwa den Fall, der der Entsch. des BGH v. 9 . 7 . 53 = BGHSt.4, 2 6 4 ff. zugrunde lag. 1 Im Falle eines vorweggenommenen Freispruchs auch einmal eine Bevor­ zugung. 3 Diese Feststellung schließt indes nicht aus, daß auch in diesem Fall ein Ablehnungsgesuch regelmäßig Erfolg haben wird. Denn zumindest aus Sicht des Beschuldigten usw. wird meist auch hier aller Anlaß bestehen, an der Unvoreingenommenheit des Richters zu zweifeln: mehr aber wird für die Begründetheit des Ablehnungsgesuches ja nicht vorausgesetzt. Vgl. hierzu die Entsch. des LSozG für das Saarland vom 5.8.76 = Die Sozialgerichtsbarkeit 197 7, 46 3 f. mit abl. Anm. von Maase ebd. S.464 f. ' Strafrichter S.9 3 f. 5 Befangenheit S. 2 2 3 f. Vgl. auch Ridder, Demokratie und Recht 197 3, 244 1;1 owie Maase (s. Fußn. 3) S.465.

§ 24. Speziell: Äußerungen des Richters zum Verfahrensgegenstand 137 hier angesprochenen Konstellation von „Festlegung", sondern letztlich das Dilemma der Richterablehnung überhaupt, weil sie regelmäßig nicht auf die innere - und damit nicht ohne weiteres feststellbare Einstellung des Richters als solche abstellen kann, sondern darauf angewiesen ist, von äußeren Indizien auf eine etwaige Befangenhe;it zu schließen: ein solcher Behelf ist dann aber geradezu zwangsläufig mit Unzulänglichkeiten und Unzuträglichkeiten belastet8 • III. Während es bisher unter 1. und II. allgemein um die nur vor­ läufige Festlegung überhaupt ging, sollen im folgenden noch einige spezielle Fallkonstellationen gesondert erörtert werden, denen im Zusammenhang der „Festlegung" , da sie in der Praxis wiederholt die Grundlage für Ablehnungsgesuche bilden, eine hervorgehobene Bedeutung zukommt. Soweit es in diesen Fällen um eine endgültige Festlegung geht, gilt das oben in § 22 Gesagte, wonach also regelmäßig eine Befangenheit zu bejahen ist. Problematisch sind diese Fälle dagegen im Hinblick auf eine nur vorläufige Festlegung: gilt nämlich auch insoweit die soeben aufgestellte Regel, daß hier eine Befangenheit nicht in Betracht kommt, oder kann hier etwa ausnahmsweise doch eine Befangenheit angenom­ men werden? Sofern hier nämlich eine derartige Ausnahme nicht festgestellt werden kann, wäre auch in diesen Fällen eine Ablehnung allein dann begründet und damit erfolgreich, wenn eine endgültige Festlegung des Richters zumindest befürchtet werden müßte - was dann aber auch jeweils entsprechend sub­ stantiiert werden müßte - oder wenn sonstige, besondere Umstände vor­ lägen, aus denen die Besorgnis einer Befangenheit hergeleitet werden könnte7• § 24. D. Speziell: Äußerungen des Richters zum Verfahrensgegenstand

Als erste Fallgruppe ist hier der Fall in Betracht zu ziehen, daß der Richter sich darüber äußert, wie er das Verfahren, sei es im ganzen oder sei es in bestimmten einzelnen Punkten, in tatsächlicher und/oder rechtlicher Hinsicht beurteilt. In diesem Zusammenhang wird regel­ mäßig danach differenziert, ob diese Äußerung des Richters innerhalb oder außerhalb des jeweiligen Verfahrens erfolgt, weil hierfür jeweils unterschiedliche Maßstäbe gelten sollen 1 • 8 Vgl. hierzu näher die Überlegungen zur Grundstruktur des geltenden Ausschließungs- und Ablehnungsrechts im Rahmen der Erörterung des Art. 101 I 2 GG (s. u. § 48). 7 Zur Problematik des vorzeitigen Niederschreibens der Urteilsformel durch den Amtsrichter mit Rücksicht auf Erkenntnisse der Wahrnehmungs­ psychologie s. Schünemann, DRiZ 1976, 370 ff. 1 Vgl. hierzu besonders deutlich Stemmler, Befangenheit S. 224 ff. Zur Äußerung von Rechtsansichten speziell von Seiten der Richter am BVerf.G

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. I. Teil, 2. Abschn.: Falltypen der Parteilichkeit

1. Äußerungen innerhalb des Verfahrens 1. Innerhalb des Verfahrens selbst ergibt sich schon aus der Struktur des Prozesses selbst oft genug die Situation, teilweise sogar die Not­ wendigkeit, daß der Richter schon vor Schluß der Verhandlung - sei es innerhalb, sei es aber auch außerhalb der mündlichen Verhand­ lung - zur tatsächlichen und/oder rechtlichen Beurteilung des gerade anstehenden Falles Stellung nimmt. Im Rahmen des rechtlichen Gehörs, das er den Prozeßbeteiligten zu gewähren hat, wird er sich dabei meist nicht darauf beschränken können, lediglich einseitig die Auf­ fassung der Prozeßbeteiligten zur Kenntnis zu nehmen. Vielmehr wird er in diesem Zusammenhang häufig gerade auch seine eigene Beurtei­ lung der Sache offenlegen müssen, - auch wenn der Grundsatz des rechtlichen Gehörs mit der h. M. nicht dahin zu verstehen sein wird, daß der Richter zu einem eigentlichen Rechtsgespräch mit den Parteien verpflichtet sei2 • Teilweise schreiben die Prozeßordnungen dem Richter sogar aus­ drücklich ein Verhalten vor, das eine Kundgabe der eigenen Ansicht zumindest mittelbar umfaßt: - so insbesondere bei dem in § 265 StPO vorgeschriebenen Hinweis auf eine etwaige Veränderung des rechtlichen Gesichtspunktes, der ohne eine vorausgegangene rechtliche Würdigung der Tat gar nicht denkbar ist; sehr ähnlich jetzt auch § 278 III ZPO i. d. F. von Art. 1 Nr.27 der Vereinfachungs­ novelle3 ; - ähnlich sieht § 139 I 2 ZPO ausdrücklich vor, daß der Richter in dem dort angegebenen Rahmen „das Sach- und Streitverhältnis mit den Parteien nach der tatsächlichen und der rechtlichen Seite zu erörtern" (und Fragen zu stellen) habe; - ebenso sind hier auch die §§ 279 I 1 ZP04 und 57 II ArbGG zu nennen, wonach der Richter „in jeder Lage des Verfahrens auf eine gütliche Beilegung vgl. neuerdings die Erörterung bei Stadler, Neutralität S. 83 ff. (mit div. Nachw.). 2 Für die Einführung einer gesetzlichen Verpflichtung des Richters zum Rechtsgespräch mit den Parteien im Zivilprozeß etwa Hinz, ZRP 1 975, 157 f. (im Zusammenhang mit der Erörterung des Entwurfs der Vereinfachungs­ novelle) ; hiergegen die Entgegnung von Kalthoener ebd. S. 223 f. 3 Vom 3. 12. 1 976 = BGBI. I 3281 . Diese Vorschrift war nicht schon im Reg.Entwurf enthalten (= BTags-Drucksache 7/2729), sondern ist erst vom BTag auf Antrag des Rechtsausschusses (= Stenograph. Protokoll 7. Wp. 91. Sitzung/10.3.76 S.1 6 f., 26 ; BTags-Drucks. 7/5250) in der 2. Lesung in das Ge­ setz eingefügt worden [s. Dt.BTag 7. Wp. Stenograph. Bericht 247.Sitzung/ 3. 6 .76 S. 17.607 (D)] . Nach Anrufung durch den BRat u. a. wegen dieser Vor­ schrift hat der Vermittlungsausschuß eine Kompromißformel gefunden (s. BTags-Drucks.7/5565, unter Nr. 1), die dann von BTag [Stenograph. Bericht 258 . Sitzung/10.11 .76 S.18 5 . 47 (B) f.] und BRat (Bericht über die 440. Sitzung am 1 2.11.76 S. 41 9) übereinstimmend angenommen wurde. Zur Befürchtung einer etwaigen Parteilichkeit des Richters im Hinblick auf die Hinweispflicht nach § 278 III ZPO s. E. Schneider, MDR 1 977, 88 2 und Jur. Büro 1 977, Sp.306 sowie Franzki, DRiZ 1 977, 1 65.

§ 24. Speziell: Äußerungen des Richters zum Verfahrensgegenstand 1 39 des Rechtsstreits oder einzelner Streitpunkte bedacht sein (soll)" : denn einen etwaigen Vergleichsvorschlag des Gerichts werden die Parteien am ehesten dann akzeptieren, wenn das Gericht gleichzeitig zu verstehen gibt, wie es den Fall nach dem derzeitigen Stand .des Verfahrens beurteilt, - ganz abgesehen davon, daß j a schon aus der Abfassung des etwaigen Vergleichsvorschlags selbst abzulesen ist, wie das Gericht den Fall einschätzt5 ; - daneben gehört hierher etwa auch die Vorschrift des § 136 II StPO, wenn es dort heißt, daß dem Beschuldigten „bei Beginn der ersten" (richterlichen) „Vernehmung . . . zu eröffnen (ist) , welche Tat ihm zur Last gelegt wird und welche Strafvorschriften in Betracht kommen": denn ein derartiger Hinweis setzt ja gerade notwendig eine - wenn auch nur vorläufige - tatsächliche und rechtliche Würdigung der Tat voraus, die dem Beschuldigten zur Last gelegt wird6 ; - schließlich mag in diesem Zusammenhang (ohne daß es hier ansonsten auf eine vollständige Aufzählung aller einschlägigen Vorschriften ankommen soll) auch die Mitteilung des Verwaltungsgerichts an die Verfahrensbeteilig­ ten erwähnt werden, daß es beabsichtige, im Sinne des Entlastungsgesetzes 4 Diese Vorschrift ist auf Grund Art. 1 Nr. 27 der Vereinfachungsnovelle an die Stelle des früheren § 296 I ZPO getreten; zugleich ist die Sonderregelung für das Verfahren vor dem Amtsgericht in § 495 II entfallen (Art. 1 Nr.54 der Vereinfachungsnovelle). § 349 I ZPO a. F., wonach der Einzelrichter angehalten wurde, zunächst die gütliche Beilegung des Rechtsstreits zu versuchen, ist auf Grund von Art. 1 Nr.6 des Gesetzes zur Entlastung der Landgerichte und zur Vereinfachung des gerichtlichen Protokolls vom 20. 12. 74 (BGB!. I 3651 ff.) mit Wirkung ab 1 . 1. 75 weggefallen. 5 Es fällt auf, wie wenig diese spezielle Thematik in Literatur und Rspr. behandelt wird, während Dogmatik und überhaupt Funktion und Stellenwert des Vergleichs im Zivilprozeß gerade in letzter Zeit wiederholt erörtert wor­ den sind (insoweit wohl zuletzt der Landesbericht von Grunsky, Die gütliche Beilegung von Rechtsstreitigkeiten [1978] , die Tübinger Habilschrift von Friedrich Ebel, Berichtung, transactio und Vergleich [Tübingen 1978] sowie Freund, DRiZ 1979, 72 ff. und Stürner, JR 1979, 135 ff.) ; lediglich Wolf, ZZP 1976 , 260 ff. weist immerhin darauf hin, daß die „Verpflichtung zur Neutrali­ tät" den Richter auch im Rahmen seiner „Vergleichstätigkeit" binde (S. 273 f.; vgl. jetzt auch ders., Verfahrensrecht § 35.111.4 = S. 255). Speziell zum Vergleich s. aus der Rspr. etwa LG Hamburg v. 18. 10.65 = MDR 1966 , 421 f. (422); OLG Köln v. 13. 12. 74 = NJW 75, 788; und besonders deutlich LG Köln v. 21. 11.6 9 = Ztschr. Wohnungswirtschaft und Mietrecht WM - 1970, 13 7 f. (138). - In der Literatur muß man ansonsten schon zu Levin, Prozeßleitung [1913 ] zurückgehen, der in § 33 = S. 206 ff. (insbes. S. 207, 208) erklärt, daß ein derartiges Vergleichsgespräch die richterliche Unparteilichkeit nicht beeinträchtige; damit nimmt Levin gegen Mittermaier Stellung, der seinerseits in Gemeiner Prozeß I [18222 ] § XII = S. 13 1 f. eine hierauf gegründete Besorgnis der Befangenheit als gerechtfertigt angesehen hatte. - Im übrigen wird die hier angeschnittene Thematik auf allgemei­ nerer Basis behandelt, nämlich bei der generellen Frage, wie die frühzeitige Äußerung der Rechtsansicht durch den Richter im Hinblick auf seine Unpar­ teilichkeit überhaupt zu beurteilen ist; vgl. hierzu nachstehend im Text. Aus rechtssoziologischer Sicht zur Rolle des Richters einerseits als „Ver­ mittelnder" , andererseits als „Richtender" s. Eck.hoff, Rolle S. 254 ff., 258 ff. und insbes. - zum Verhältnis dieser beiden Rollen zueinander - S. 26 2 ff.; vgl. auch ders., Impartiality S. 14 f. 6 Stemmler S. 225. - Speziell zum Eröffnungsbeschluß s. die Ausführun­ gen nachstehend in § 25 zur sog. ,,Vorbefassung".

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vom 31. 3. 1978 vorzugehen und einen Gerichtsbescheid nach Art. 2 § 1 I zu erlassen oder die Berufung nach Art. 2 § 5 I ohne mündliche Verhandlung zurückzuweisen7. In diesem Rahmen liegt es also ersichtlich in der rechtlichen Aus­ gestaltung des jeweiligen Prozesses selbst begründet, und im übrigen folgt es aus der Struktur des Prozesses überhaupt, der - auf dem Hintergrund des Grundsatzes des rechtlichen Gehörs - zumindest weitgehend auf der Form des Dialogs zwischen Gericht und Parteien aufgebaut ist, daß der Richter seine Beurteilung des Falles nicht erst in der abschließenden Entscheidung sowie in vorausgehenden Zwi­ schenentscheidungen kundgibt, sondern häufig auch schon früher im Laufe des Verfahrens. Dieser Umstand ist also, mit anderen Worten, in der richterlichen Tätigkeit selbst begründet und kann deshalb als solcher eine Befangenheit des Richters nicht begründen, es sei denn, daß im Einzelfall noch besondere Umstände hinzutreten8 • Eine besondere Relevanz erhält diese Festlegung natürlich im Rah­ men der Bemühungen um eine stärkere Konzentration und Beschleu­ nigung des Zivilprozesses, wie sie zunächst vor allem im sog. ,,Stutt­ garter Modell" und jetzt in den einschlägigen Regelungen der Ver­ einfachungsnovelle ihren Niederschlag gefunden haben. Denn die hier zugrunde gelegten Verfahrensmodelle gehen ja gerade davon aus, daß das Gericht seine Beurteilung des Falles möglichst schon in einem frühen Stadium des Verfahrens offenlegt9 • Vorausgesetzt ist dabei natürlich stets, daß der Richter sich, auch wenn er einmal seine Absicht kundgetan hat, in der Folge trotzdem grundsätzlich bis zum Schluß der Verhandlung weiterhin für neue Aspekte und Argumente offenhält, sich also nicht etwa vorzeitig schon endgültig festlegt 10 • Auch dürfen nicht etwa sonstige Momente hinzu­ kommen, die ihrerseits eine Voreingenommenheit des Richters be7 S. das Gesetz über die Entlastung der Gerichte in der Verwaltungs- und Finanzgerichtsbarkeit vom 31. 3. 1978 (= BGBI. I 446). Das BVerwG hat in­ zwischen zutreffend entschieden, daß eine dahingehende Mitteilung des Ge­ richts als solche eine Richterablehnung nicht zu rechtfertigen vermag (s. Beschl. vom 6. 2. 79 = DVBI. 1979, 560). 8 Im Ergebnis ähnlich etwa Sarstedt, Anm. JZ 1966, 315; Kuchinke, JuS 1967, 295 ff.; Teplitzky, Jus 1969, 322 sowie E. Schneider, Jur. Büro 1977, Sp. 306 und MDR 1977, 882. 9 Vgl. etwa Bender, DRiZ 1968, 164; Deubner, ZZP Bd. 82 (1969), 274 f.; Baumann/Fezer, S. 45 f.; Rasehorn, Anm. NJW 1973, 288. Abg. Dr. Hauser bei der 3. Beratung des Entw. der Vereinfachungsnovelle, s. Dt.BTag, Steno­ graph. Bericht 7. Wp. 247. Sitzung, 3. Juni 1976 S. 17.610 (D); jetzt auch Ben­ der/Belz/Wax, Vereinfachungsnovelle S. 74. 10 Ähnlich jetzt StJ-Leipold Rn. 11 zu § 42 ZPO: ,,. . . Dabei ist aber die Vorläufigkeit der Äußerungen zu betonen; der Eindruck einer einseitigen vorzeitigen Festlegung kann die Befangenheit" [muß heißen: die Besorgnis der Befangenheit] ,,begründen . . ,".

§ 24. Speziell: Äußerungen des Richters zum Verfahrensgegenstand 141 gründen. So wünschenswert es auf der einen Seite sein mag, daß der Richter seine Auffassung schon frühzeitig offenlegt, so kann der Richter aber andererseits gerade hierdurch auch dazu verleitet werden, in der Folge an eben dieser Ansicht festzuhalten. Diese Befürchtung ist gerade in Bezug auf das „Stuttgarter Modell" geäußert worden11 und nicht von vornherein von der Hand zu weisen. Andererseits trug aber gerade das sog. ,,Probeurteil" nach dem „Stuttgarter Modell", in dem das Anliegen einer möglichst frühzeitigen Offenlegung der Beurteilung des Falles einen besonders eindrucksvollen Niederschlag fand, schon von seiner Idee her so sehr den Charakter des Vorläufigen, daß es nicht etwa unter dem Aspekt der vorzeitigen Festlegung schon generell als Beeinträchtigung der erforderlichen richterlichen „Offenheit" ge­ wertet werden darf12 • 2. Besonders müssen in diesem Zusammenhang allerdings noch die­ jenigen Fälle betrachtet werden, in denen der Richter nicht einfach seine (frühzeitige) Ansicht zur tatsächlichen und/oder rechtlichen Seite des Falles äußert, in denen er vielmehr darüber hinaus mit dieser Äußerung einen Rat, eine Empfehlung an einen Prozeßbeteiligten zu einem bestimmten prozessualen Verhalten verbindet. Zu denken ist dabei insbesondere an die Fälle, in denen der Richter einem Prozeß­ beteiligten entweder nahelegt, ein bereits eingelegtes Rechtsmittel wieder zurückzunehmen, da es keine Aussicht auf Erfolg verspreche, oder in denen er den Rat erteilt, von einem bestimmten Angriffs- oder Verteidigungsmittel, von dem bisher keine Rede war, Gebrauch zu machen. Im Falle der Empfehlung, das eingelegte Rechtsmittel zurückzuneh­ men, kommt dabei das Verhalten des Richters, auch wenn er seine Äußerung bewußt nur auf der Basis der derzeitigen Beurteilung des Falles macht, wenn er also allenfalls vorläufig festgelegt ist, in der Wirkung einer endgültigen Festlegung doch weitgehend gleich: Denn wenn der betr. Prozeßbeteiligte den Rat befolgt, begibt er sich damit der Möglichkeit, daß sich im weiteren Verlauf des Rechtsmittelver­ fahrens u. U. doch noch neue Gesichtspunkte ergeben, die zu einer anderen Beurteilung der Sache und zu einer entsprechenden Ent­ scheidung des Rechtsmittelgerichts führen. Ähnlich sind etwa die Fälle zu beurteilen, in denen das BVerfG dem Be­ schwerdeführer im Rahmen des Annahmeverfahrens (§ 93a BVerfGG) mit­ teilt, daß die von ihm eingelegte Verfassungsbeschwerde keine Aussicht auf Erfolg habe und daß deshalb ihre Rücknahme nahegelegt werde11 • 11 In diesem Sinne etwa Müller, ZRP 1972, 257 und vorher schon Strohm, AnwBI. 1969, 425. n Ebenso Bender, ZRP 1972, 258 f., sinngemäß ders. auch schon in DRiZ 1968, 164 zum „Stuttgarter Modell" und jetzt in Bender/Belz/Wax, Vereinfa­ chungsnovelle S. 73.

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Der Gesichtspunkt der vorzeitigen Festlegung spielt demgegenüber eine allenfalls untergeordnete Rolle in den weiterhin genannten Fällen, in denen der Richter einen Prozeßbeteiligten erst auf die Möglichkeit hinweist, von einem bestimmten Angriffs- oder Verteidigungsmittel Gebrauch zu machen und dadurch die Prozeßlage womöglich nachhaltig zu Lasten des Gegners zu verändern. Hier ist vielmehr ausschlagge­ bend, daß der Richter in die Auseinandersetzung, die die Parteien vor ihm austragen, einseitig zu Gunsten einer Partei eingreift und damit u. U. sogar die bisherige Chance des Gegners, den Prozeß zu gewinnen, zunichtemacht. - Daneben kommt diesem letzteren Aspekt aber teilweise gerade auch bei der Empfehlung, ein eingelegtes Rechts­ mittel zurückzunehmen (s. o.), eine zentrale Bedeutung zu: nämlich soweit dieser Rat im Rahmen eines Parteiprozesses erteilt wird und dadurch die formale Chancengleichheit der Parteien tangiert wird. Mit Rücksicht auf das Gefüge des Parteiprozesses, in das der Richter hier eingreift, hat dieser Aspekt hier, schon mit Rücksicht auf die Kostenfolgen, wohl sogar größeres Gewicht als das Moment der Fest­ legung14 . Diesem letzterem Aspekt kommt demzufolge im wesentlichen nur im Rahmen des Strafprozesses, der zumindest in materieller Hinsicht nicht als Parteiprozeß qualifiziert werden kann15 , eine ausschlagge­ bende Rolle zu und daneben in den Verfahren vor dem BVerfG, soweit sie nicht kontradiktorisch ausgestaltet sind 18 , wobei hier primär an das Verfassungsbeschwerdeverfahren zu denken ist 11 • Der soeben als weiteres Moment angesprochene Eingriff des Richters in die formale Chancengleichheit der Parteien auf der Basis des Parteiprozesses ist demgegenüber gesondert näher daraufhin zu untersuchen, welche Bedeutung ihm für die Unparteilichkeit oder gerade auch Parteilichkeit des Richters zu­ kommt18. 1 8 Vgl. hierzu die Entsch. des BVerfG vom 6. 4. 76 = E 42, 88 ff. (89 f.) im Anschluß an die Entsch. vom 25. 1. 55 = E 4, 143 f. (144). 14 Darauf, daß die Problematik der hier angesprochenen Fallkonstellation allein mit dem Aspekt der vorzeitigen Festlegung des Richters nicht adäquat erfaßt wird, weist auch Stemmler, Befangenheit S. 208 und 216 hin. 1 5 Vgl. die Nachweise oben in Fußn. 19 zu § 2.II. 11 Nach Schütz, Ablehnung S. 23 Fußn. 2 sind die Verfahren vor dem BVerfG generell nicht als Parteistreitigkeit ausgestaltet. 17 Vgl. hierzu Lechner, BVerfGG Vorb. 2a), b) vor § 17, wonach das Ver­ fahren der konkreten Normenkontrolle „ein Verfahren ohne prozessual förm­ lich Beteiligte" sei und wonach es „in den Fällen der Normenkontrolle, und zwar sowohl der konkreten wie der abstrakten, die sich als objektive Ver­ fahren zur Feststellung der Gültigkeit oder Rechtsqualität einer Norm dar­ stellen, . . . bei rechtsförmlicher Betrachtung an einem ,Antragsgegner' (fehlt)" ; letzteres soll im übrigen in gleicher Weise auch für die Verfassungs­ beschwerde gelten (ebda. Vorb. 2b). Wie Lechner jedenfalls für das Normen­ kontrollverfahren jetzt auch das BVerfG (Entsch. vom 5. 10. 77 = E 46, 34 ff. [36, unter 11.2.a, speziell zur Ablehnungsbefugnis]). 1 8 Eingehend dazu unten § 30.

§ 24. Speziell: Äußerungen des Richters zum Verfahrensgegenstand 143 Wenn nun also der Richter im Strafprozeß oder im Verfassungs­ beschwerdeverfahren dem Beschwerdeführer (i. w. S .) nahelegt, den eingelegten Rechtsbehelf zurückzunehmen, so enthält diese Äußerung regelmäßig eine Mitteilung darüber, wie das Gericht 1• die Begründet­ heit oder auch schon die Zulässigkeit des Rechtsbehelfs nach dem der­ zeitigen Stande des Verfahrens beurteilt, und im Zusammenhang damit die Schlußfolgerung, wie auf dieser Basis derzeit die Erfolgs­ aussicht des Rechtsbehelfs zu beurteilen sei. Selbst wenn diese vorläu­ fige Einschätzung der Sache von weitreichender Bedeutung für den Beschwerdeführer sein mag, sofern er nämlich im Vertrauen auf diese Äußerung des Gerichts den Rechtsbehelf zurücknimmt, so läßt sich aber doch nicht etwa sagen, daß die Äußerung des Richters und die ihr zugrunde liegende innere Einstellung des Richters zum Verfahren auf einem unsachlichen, sachfremden Moment beruhten. Im Gegenteil: ein Vergleich mit den zuvor unter 1. genannten Beispielen zeigt, daß die hier erörterte Fallkonstellation nicht anders zu beurteilen ist als die Äußerung zu der j eweiligen Sache auch sonst, wie sie vorhin zunächst einmal ganz generell erörtert worden ist. Mit Recht wird daher auch hier grundsätzlich (d. h. sofern nicht etwa im Einzelfall besondere Umstände hereinspielen sollten, die eine abweichende Be­ urteilung erfordern) die Ablehnbarkeit des betr. Richters verneint20 • II. Während es bisher speziell um die vorläufige Festlegung ging, die in Äußerungen des Richters innerhalb des Verfahrens, also gegen­ über Prozeßbeteiligten, zum Ausdruck kommt, gilt es nun im folgenden, denjenigen Erscheinungsformen von vorläufiger Festlegung nachzu­ gehen, die sich in

Äußerungen des Richters außerhalb des Verfahrens

niederschlagen21 •

1. Die Äußerung in tatsächlicher Hinsicht, an die hier zunächst zu denken ist, kann ebensogut im dienstlichen wie auch im privaten Bereich des Richters erfolgen; d. h. es kommt hier sowohl der Fall in Betracht, daß der Richter gegenüber einem Dritten, also gegenüber

19 Soweit das Gericht, genauer: der Spruchkörper, dem der betr. Richter angehört, kollegial besetzt ist, soll hier davon ausgegangen werden, daß die Ansicht, die der Richter als die des „Gerichts" wiedergibt, auch seine eigene ist; so kann diejenige Konstellation, die für eine etwaige Befangenheit des einzelnen Richters nicht von Belang ist: nämlich daß der Richter überstimmt worden ist und lediglich die Auffassung der Mehrheit wiedergibt, hier außer Betracht bleiben. 20 Zum Strafprozeß vgl. etwa die Übersicht bei LR-Dünnebier I § 24 StPO Rn.36 und zum Verfassungsbeschwerdeverfahren vor dem BVerfG die vor­ stehend in Fußn.13 zitierten Entscheidungen. A. A. offenbar Stemmler, Be­ fangenheit, S. 226 f. (insbes. S. 227 a. E.). 21 Vgl. zum Folgenden die Überlegungen von Dürholt, ZRP 1977 , 217 ff.

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jemandem, der nicht Prozeßbeteiligter ist, eine dienstliche Erklärung zu dem laufenden Verfahren abgibt, z. B. eine Mitteilung an die Presse zu einem bei ihm anhängigen Verfah­ ren, etwa - hier wird es in der Praxis am häufigsten von Bedeutung sein zu einem anhängigen Strafverfahren (vgl. hierzu etwa den Fall BGHSt. 4, 2 64 ff.),

wie aber ebensogut auch der Fall, daß der Richter sich über das Verfahren privat gegenüber einem Dritten äußert, vgl. etwa die Fallkonstellation, die der Entscheidung des BGH vom 13. 7. 66 BGHSt. 21 , 85 ff. zugrunde lag: ein Schöffe wird beim Friseur in ein Ge­ spräch über ein Strafverfahren verwickelt, in dem er als Laienrichter mitzu­ wirken hat.

=

Unproblematisch dürften hier diejenigen Fälle sein, in denen der Richter erkennbar nur seine vorläufige Ansicht zu der Sache zum Ausdruck bringt: hier besteht kein Anlaß, allein auf Grund der Äuße­ rung als solcher eine Befangenheit anzunehmen. Bei Äußerungen außerhalb des Verfahrens, zumal im nicht-dienstlichen Bereich, sollte der Richter sich allerdings besondere Zurückhaltung aufer­ legen, um auch nl).r den „bösen Schein" einer Voreingenommenheit, hier: einer vorzeitigen endgültigen Festlegung, zu vermeiden, der sonst berechtig­ ten Anlaß für ein Ablehnungsgesuch geben könnte22 • Denkbar ist noch, daß der fraglichen Äußerung der Hinweis auf die bloße Vorläufigkeit der mitgeteilten Ansicht fehlt, daß sie also den Eindruck er­ wecken soll, eine bereits feststehende Meinung wiederzugeben. Wegen dieser Fallkonstellation darf auf die Ausführungen oben in § . 23.II verwiesen werden.

2. Wenn nun andererseits der Richter außerhalb des konkreten Verfahrens gegenüber Dritten seine Ansicht nicht, wie soeben erörtert, in tatsächlicher Hinsicht äußert, sondern zu einer Rechtsfrage, die auch in dem betr. Verfahren von Belang ist, dann ist damit insbesondere der Bereich der sog. richterlichen Publizistik angesprochen, also der Teilnahme des Richters an der rechtswissenschaftlichen Diskussion. Hierunter werden in erster Linie literarische Äußerungen wie aber auch Äußerungen auf Kongressen, Fachtagungen usw. zu verstehen sein (die j a im übrigen regelmäßig ebenfalls Eingang in die Literatur finden) 23, darüber hinaus auch Äußerungen z. B. in Kollegs und Semiu Um den Richter bei dienstlichen Verlautbarungen an die Presse davor zu bewahren, daß er sich vorschnell dem Verdacht der Befangenheit aussetzt, empfiehlt es sich deshalb, derartige Mitteilungen einer Pressestelle zu über­ tragen, die insoweit „neutralisierend" wirkt; es bleibt dann natürlich immer noch die Frage, woher eigentlich die Pressestelle diej enige Information be­ zogen hat, die sie an Dritte weitergibt. H Der spezielle Fall, daß der Richter zu der Auffassung, auf die er jetzt „fest-gelegt" ist, im Zusammenhang mit einem anderen, früheren Verfahren gefunden hat, mit dem er ebenfalls befaßt war, wird nachstehend in § 2 5 un­ ter dem Gesichtspunkt der „Vorbefassung" angesprochen werden.

§ 24. Soeziell: Äußerungen des Richters zum Verfahrensgegenstand 145 naren. Ausschlaggebend ist dabei aber allein die Tatsache, daß der Richter sich in irgendeiner Weise, und sei es auch nur im Rahmen der beteiligten Fachkreise, außerhalb des Verfahrens selbst öffentlich zu der jeweiligen Rechtsfrage äußert. ,,. . . Die fachliche Auseinander­ setzung kann sich" , wie Schütz deshalb mit Recht sagt, ,,jeder Publika­ tionsmittel bedienen . . . " 24. Infolgedessen zählen etwa auch Äußerungen in einem Leserbrief an eine Tageszeitung hierher25 • Dabei drängt sich sogleich der Gedanke auf, daß es für die innere Einstellung des Richters zu der Sache - auf die es j a für die Be­ stimmung der Befangenheit maßgeblich ankommt - nicht eigentlich ausschlaggebend sein kann, ob der Richter die Rechtsansicht, die er sich gebildet hat und auf die er jetzt mehr oder weniger festgelegt ist, bisher für sich behalten oder ob er sie inzwischen öffentlich kundgetan hat26 : Denn das „Festgelegtsein" richtet sich ja letztlich allein danach, ob der Richter eine dahingehende Auffassung hat, auf die er jetzt fixiert ist. Daß er diese Ansicht bereits einmal geäußert hat (in welcher Form auch immer), ist demgegenüber, für sich genom­ men, hierfür nebensächlich, schon weil der Richter seine Auffassung inzwischen ohne weiteres geändert haben kann. Allenfalls mag eine derartige Äußerung als eine Art „ Verstärker " in Richtung auf eine Festlegung wirken, insofern nämlich, als etwa die vorausgegangene besonders eingehende Beschäftigung mit dem Thema oder - was hier besonders interessiert - allein schon der öffentliche Charakter der Äußerung die Neigung des Richters, an der einmal entwickelten und kundgegebenen Auffassung festzuhalten, durchaus verstärken mögen. Dieser Umstand schafft indessen allenfalls eine - möglicherweise jedoch durchaus erhöhte - Gefahr für die Unvoreingenommenheit des Richters in dem Sinne, daß eine (endgültige oder auch nur weitge­ hende) Festlegung hier u. U. eher eintritt als sonst. Das aber ist dann ein Problem auf der Ebene der Besorgnis der Befangenheit, nicht aber der Befangenheit selbst, um die es hier allein gehen soll. Unter diesem speziellen Gesichtspunkt ist etwa das Institut des Sonder­ beim BVerfG, so sehr seine Einführung ansonsten grundsätzlich zu begrüßen ist, nicht ganz unproblematisch, gerade auch mit Rücksicht darauf, daß die Richter dieses Gerichts ohnehin schon in besonderem Maße exponiert sind27• Bei näherem Zusehen zeigt sich dann allerdings, daß die fragliche Äußerung des Richters, auf die hier seine Festlegung gestützt wird , votums

Ablehnung S. 65. Vgl. in diesem Sinne etwa den Fall BVerfGE 37, 265 ff. 19 Darauf macht mit Recht Sarstedt, Anm. JZ 1966, 315 aufmerksam ; zu­ stimmend hierzu Ernst, Ablehnung S. 242 f. und Dürholt, ZRP 1977, 218, 219. 17 Vgl. hierzu die Ausführungen bei Stadler, Neutralität s. 89 ff. (m. w. N.). H 26

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Riedel

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im einzelnen unter sehr unterschiedlichen Umständen erfolgt sein kann, so daß im folgenden doch genauer differenziert werden muß: Und zwar wird es zunächst einmal wesentlich darauf ankommen, ob der Richter seine Ansicht gerade im Hinblick auf das konkrete Verfahren geäußert hat, in dem die betr. Rechtsfrage eine Rolle spielt, oder ob dieser Bezug zu dem j etzigen Verfahren sich erst nachträglich dadurch ergeben hat, daß der Richter inzwischen mit einem derartigen Fall konkret befaßt worden ist, während es im Zeitpunkt der Äußerung an einem derartigen direkten Bezug gerade gefehlt hat28 • a) In diesem letzteren Fall der nur abstrakt gemeinten Außerung fällt ins Gewicht, daß für die Fortbildung der Rechtswissenschaft Bei­ träge aus der Praxis, und zwar gerade auch aus richterlicher Sicht, außerordentlich wünschenswert sind, damit Theorie und Praxis nicht nebeneinander her bestehen, sondern sich gegenseitig durchdringen und anregen. Dies um so mehr, als unsere Gerichtsverfassung im Regelfall ja gerade den „rechtsgelehrten Richter" voraussetzt29 • Im übrigen wird die fachliche Qualifikation eines Richters, zumal an den Obergerichten und für die Berufung zum BVerfG, nicht zuletzt gerade auch (mit) an derartigen literarischen Beiträgen gemessen30 • Selbstverständlich ist auch hier vorauszusetzen, daß der Richter sich durch die fragliche Äußerung noch nicht endgültig festgelegt hat, wovon aber auch im Regelfall nicht ohne weiteres ausgegangen werden kann11 • Diese Offenheit also weiterhin vorausgesetzt, kann die abstrakte Äu­ ßerung der Rechtsansicht als solche nicht anders gewertet werden, als es oben § 23.1 schon generell zur lediglich vorläufigen Festlegung festgehalten worden ist: nämlich daß sie als solche eine Befangenheit gerade nicht zu begründen vermag32 •

zs Auf diesen Gesichtspunkt weist zutreffend Stemmler, Befangenheit S. 2 34 f. hin. Auch Stad.Zer S. 86 ff. differenziert in dieser Weise. 29 MD-Herzog, Art. 9 2 GG Rn. 77 ff. 30 Vgl. hierzu für die Bundesverfassungsrichter Sarstedt (s.Fußn. 26 ) S. 316. 31 Vgl. hierzu Sarstedt ebd. S. 315: .,. .. Wenn der wissenschaftlich erzogene Richter sich in das öffentliche Gespräch über Rechtsfragen einschaltet, dann geschieht es doch natürlich, um seine Ansichten zur Diskussion zu stel­ len; nicht um von nun an mit Pilatus zu sagen: ,Was ich geschrieben habe, habe ich geschrieben' . . ." (Hervorhebung schon im Original). Bei literari­ schen Äußerungen, mit denen der Richter sich in besonderem Maße expo­ niert hat, mag allerdings gegenüber dieser These von Sarstedt Skepsis durch­ aus angebracht sein. 32 Allg. Auff., vgl. etwa Sarstedt ebd. S. 315; Friesenhahn, Anm. JZ 1 966 , 707; Bettermann, AöR Bd. 9 2 (1 96 7), 51 0 bei und in Fußn. 45; Zwirner, AöR Bd. 9 3 (1 96 8), 86 bei und in Fußn.16 ; Arzt, Strafrichter S. 95; Ernst, Ab­ lehnung S. 242 f.; Schumann, JZ 1 9 73, 487 f.; Schütz, Ablehnung S.6 2 ff.; Stemmler, Befangenheit S. 2 33 ff. (jeweils m. w. Nachweisen). - Ridder, Demokratie und Recht 1 9 73, 244 meint in etwa das Gleiche, wenn er sagt, daß diese Frage überhaupt kein Problem der Befangenheit sei, und sie statt dessen als eine solche der richterlichen Unabhängigkeit wertet.

§ 24. Speziell: Außerungen des Richters zum Verfahrensgegenstand 147

Letztlich ist dieses auch gemeint, wenn es in § 18 III Nr. 2 B VerfGG heute ausdrücklich heißt, daß „die Äußerung einer wissenschaftlichen Meinung zu einer Rechtsfrage, die für das Verfahren bedeutsam sein kann", nicht als Ausschließungsgrund i. S. des § 18 I Nr. 2 - frühere Tätigkeit des Richters „in derselben Sache . . . von Amts oder Berufs wegen" - anzusehen sei33 • Ridder34, Schumann35 und Stadler36 weisen hierzu mit Recht darauf hin, daß diese Vorschrift nicht etwa eine Sonderregelung ausschließlich für den Verfassungsgerichtsprozeß ent­ hält, sondern der Sache nach nur einen Gedanken wiedergibt, der im übrigen Prozeßrecht in gleicher Weise gilt. Zutreffend stellt Schumann fest, daß „nicht etwa nur die in die Form eines wissenschaftlichen Beitrags gekleidete Rechtsansicht keine Befangenheit aus­ löst", sondern „ganz allgemein . . . die Äußerung eines Richters zu einer Rechtsfrage ihn nicht befangen (macht)" (S. 486). In gleichem Sinne hebt auch Knöpfle zutreffend hervor, daß ,.§ 1 8 Abs. 3 Nr. 2 wissenschaftlichen Äußerun­ gen" im Verhältnis zu Äußerungen anderer Art „keinen erkennbaren zusätz­ lichen Schutz (gewährt)" 37• Insofern geht es deshalb geradezu an der eigent­ lichen Problematik vorbei, wenn etwa Schütz versucht, in Anlehnung an die Regelung eben des § 1 8 III Nr. 2 BVerfGG Kriterien für eine „Abgrenzung zwischen wissenschaftlicher und politischer Meinung" herauszuarbeiten3s. Denn dies bedeutet ja im Grunde nichts anderes, als daß die „nur" politische Meinung von vornherein dem Befangenheitsverdacht wesentlich eher ausge­ setzt ist und demzufolge in der Konsequenz zur Ablehnbarkeit führt, wäh­ rend die „wissenschaftliche" Meinung im Gegensatz dazu, um den Ausdruck von Knöpfle aufzugreifen, weitgehend „privilegiert" wäre. Genau das ist aber nach den vorstehenden Ausführungen nicht der Fall, wobei hier im übrigen gerade auch zu berücksichtigen ist, was vorhin zum subjektiv-personalen Element im richterlichen Handeln überhaupt gesagt worden ist: daß nämlich die persönlichen politischen und weltanschaulichen Ansichten eines Richters, die in sein Handeln mit einfließen, sein Handeln im Regelfall gerade nicht schon „parteilich" machen39 • Im übrigen erscheint die Vorschrift des § 1 8 III Nr. 2 BVerfGG nicht nur von der Sache her zu eng gefaßt; vielmehr fragt es sich darüber hinaus auch, 33 Sog. ,.Lex Leibholz" aus Anlaß der Leibholz-Entscheidungen des BVerfG, eingefügt durch Art. ! Nr. 9 des Vierten Gesetzes zur Änderung des

Gesetzes über das BVerfG vom 2 1 .1 2. 1 970 (BGBI. I 1 765). In der Sache selbst handelt es sich im wesentlichen nur um eine ausdrückliche Klarstellung des Gesetzgebers, weil die hier zum Ausdruck gekommene Auffassung bereits vorher galt, vgl. BVerfG v. 2 . 1 0. 51 = E 1 , 66 ff. (68 f., in bezug auf eine „frühere gutachtliche oder wissenschaftliche Meinungsäußerung" ); ferner Geiger, BVerfGG [ 1 952] § 1 8 Anm. 4 sowie Leibholz/Rupprecht, BVerfGG [1 968] § 1 8 Rn. 2 . 34 Demokratie und Recht, 1 973 , 239 f. 85 JZ 1 973 , 486. 38 Neutralität S. 83. s1 BVerfG-Festgabe I S. 164. 38 Ablehnung S.67 ff. 39 Ebenso, im Anschluß an Schumann, gegen Schütz jetzt auch Stadler S. 83, 86; ähnlich im Ergebnis auch Maunz/Sigloch/Schmidt-Bleibtreu/Klein, BVerfGG § 1 9 Rn. 9 (Neubearbeitung). 10-

148

1. Teil, 2. Abschn.: Falltypen der Parteilichkeit

ob die Einengung der Vorschrift nur auf die Äußerung einer „wissenschaftli­ chen Meinung" nicht allein schon unter gesetzestechnischen Gesichtspunkten unangebracht ist: Ob nämlich die Äußerung des Richters, um die es jeweils geht, eine „wissenschaftliche Meinung" zum Gegenstand hat oder nicht, kann schwerlich allein anhand formaler, leicht überprüfbarer Kriterien festgestellt werden; vielmehr wird es dafür schon eines Eingehens auch auf den Inhalt dieser Meinung bedürfen. Eben das ist nun aber dem Anliegen der Ausschlie­ ßungstatbestände, möglichst nur an äußere, typisierte und infolgedessen leicht feststellbare Fakten und Fallkonstellationen anzuknüpfen, genau ent­ gegengesetzt40. Eine tatsächliche Befangenheit selbst kann hier nach alledem allen­ falls dann in Betracht kommen, wenn besondere Umstände hinzutreten, die den einzelnen Fall in einem besonderen Licht erscheinen lassen, wobei auch hier wieder insbesondere an eine durch die Sache selbst nicht gerechtfertigte Animosität und Polemik zu denken ist, die in der Äußerung zum Ausdruck kommt41 • Gerade diese Momente legen es allerdings nahe, in einem solchen Falle näher zu untersuchen, ob die Festlegung nicht womöglich schon so weitgehend ist, daß sie einer endgültigen Festlegung zumindest im Ergebnis gleichzustellen ist. b) Wie verhält es sich nun aber, wenn der Richter seine Rechtsansicht gerade mit Rücksicht auf ein bei ihm anhängendes Verfahren äußert? Immerhin geht seine innere Einstellung hier ja gerade dahin, entweder speziell zu diesem konkreten Verfahren als solchem42 oder aber immerhin anläßlich eben dieses Verfahrens zu der betr. Frage außerhalb des Verfahrens Stellung zu nehmen. Selbst dann handelt es sich aber auch hier, sofern in der Folge trotz dieser Äußerung weiterhin die notwendige „Offenheit" gewährleistet ist, um nichts anderes als um eine allenfalls vorläufige Festlegung, die durch die Äußerung manifestiert worden ist. Für einen Prozeßbeteiligten wird nun allerdings nicht ohne weiteres er­ kennbar sein, aus welcher Einstellung heraus der Richter jene Äußerung ge­ macht hat: aus seiner Sicht kann deshalb auch in einem solchen Fall die Besorgnis gerechtfertigt sein, der Richter sei auf Grund der äußeren Um­ stände der Äußerung bereits weitergehend, womöglich sogar endgültig fest­ gelegt. Einern dahingehenden Ablehnungsgesuch wäre demnach stattzugeben, aber eben nur aus dem Gesichtspunkt, daß eine derartige nicht auszuscL� le­ ßende und daher befürchtete Festlegung die Voraussetzungen der Befangen­ heit erfüllen würde, und auch nur unter der weiteren Voraussetzung, daß das Ablehnungsgesuch die dahingehende Befürchtung genügend substantiiert. 40 Dazu, daß die gleichen Bedenken auch gegen die Regelung des § 18 I Nr. 1, 1. Alt., i. V. m. Abs. II bestehen, vgl. die Kritik oben in § 19.III.2 (a. E.). Nach Stadler S.73 hätte die als § 18 III Nr. 2 angefügte Vorschrift systexra­ tisch besser im Rahmen des § 19 eingefügt werden sollen. 41 Vgl. etwa Ernst, Ablehnung S. 245 und Stemmler, Befangenheit S. 236 ff. 4 2 Genauer: zu der bestimmten Rechtsfrage, die gerade auch in diesem Verfahren eine Rolle spielt.

§ 24. Speziell: Äußerungen des Richters zum Verfahrensgegenstand 149 Nicht anders verhält es sich, wenn das Verfahren, zu dessen recht­ licher Problematik der Richter sich geäußert hat, im Zeitpunkt der Äußerung selbst zwar noch nicht bei ihm anhängig gewesen ist, wenn sich aber bereits abgezeichnet hat, daß es demnächst auf ihn zukom­ men würde: Allein daraus, daß der Richter sich in diesem Zeitpunkt hierzu, insbesondere öffentlich, geäußert hat und daß er j etzt insoweit vorläufig auf diese Ansicht festgelegt ist, kann demnach eine Befangen­ heit ebenfalls nicht abgeleitet werden43 • Auch unter diesem Gesichtspunkt gibt also die Regelung des § 18 III Nr. 2 BVerfGG, die von ihrem Anlaß her (,,Lex Leibholz") primär die hier erörterte Äußerung zu einem bereits anhängigen Verfahren meint, einen durchaus zu­ treffenden Gedanken wieder. Der hier vertretenen Ansicht steht nun allerdings eine Meinung gegenüber, wonach offenbar allein schon die Tatsache, daß der Richter seine Äußerung in engem zeitlichen Zusammenhang mit dem j etzt anhängigen Verfahren gemacht hat, eine Befangenheit begründen soll". Hiervon geht anscheinend Schorn aus, wenn er sagt, daß der Richter „in jedem Fall . . . einen Ablehnungsgrund schaffen" werde, ,.wenn er während des Verfahrens - auch ohne Bezug auf dieses - seine Rechtsauffassung" dartue45. Sehr deutlich ist dieser Gedanke dann in den Leibholz- und Rott­ mann-Beschlüssen des BVerfG angesprochen: In den Leihholz-Entscheidun­ gen hat das Gericht seine Stellungnahme freilich noch ausdrücklich offen­ gelassen48 , weil die stattgebende Entscheidung jeweils auf einen anderen Ge­ si chtspunkt gestützt wurde. Im 1. Rottmann-Beschluß vom 29. 5. 7347 hat das Gericht diesem Aspekt ebenfalls eine wesentliche Bedeutung beigemessen, nur wurden seinerzeit für den konkreten Fall die entsprechenden Voraus­ setzungen verneint, so daß das Ablehnungsgesuch u. a. auch deswegen zurück­ gewiesen wurde. Demgegenüber wurde der 2. (stattgebende) Rottmann-Be­ schluß vom 16. 6. 73 gerade auch darauf gestützt, daß das Gericht eine der­ artige Nähe zum laufenden Verfahren bejahte, und u. a. auf Grund dessen wurde die von der Antragstellerin geltend gemachte Besorgnis der Befangen­ heit als begründet anerkannt48• Bei näherem Zusehen erweist sich dann allerdings, daß die diesbezügliche Begründung doch etwas anders zu verstehen ist: Das Gericht hat nämlich nicht eigentlich auf die zeitliche Nähe der Äußerung zum Verfahren als solche abgestellt, sondern vorrangig auf das angenommene besondere politische „Engagement" des Richters, das nur durch j ene Nähe zum Verfahren eine

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43 Vgl. B VerfG v. 2. 10. 51 E 1, 66 ff. (68 f.) ; Sarstedt, Anm. JZ 1966, 315; Schumann (s. Fußn. 35) S. 486 f.; Ernst, Ablehnung S. 243 ; Stemmler, Befan­ genheit S. 235 f.; im Grundsatz auch OLG Köln v. 25. 1 1 . 70 NJW 1971, 569 f. (570) sowie der 2. Rottmann-Beschluß des BVerfG v. 16. 6. 73 E 35, 246 ff. (253 ). " Abi. hierzu Stemmler S. 235 f. u GA 1963, 162. 48 BVerfGE 20, 1 ff. (6) und 9 ff. (15 f.). 47 BVerfGE 35, 171 ff. (174). 48 Ebd. S. 246 ff. (254).

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I. Teil, 2 . Abschn.: Falltypen der Parteilichkeit

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gesteigerte Bedeutung erlangt habe49• Im übrigen ist das Gericht (genauer: die Senatsmehrheit) ersichtlich davon ausgegangen, daß die von der Antrag­ stellerin geltend gemachte Besorgnis der Befangenheit sich letztlich auf die Befürchtung richtete, der Richter sei bereits endgültig festgelegt50 • 3. Eine Ausnahme von der eben aufgestellten Regel hat natürlich auch hier zu gelten, wenn besondere Umstände hinzutreten, die dem einzelnen Fall ein besonderes Gepräge geben51 • Ein derartiger Fall wird etwa vorliegen, wenn in der Äußerung eine be­ sondere Polemik oder ein besonderes Unwerturteil in bezug auf die Gegen­ meinung zum Ausdruck kommt, wenn der Richter also im Abwägen des Für und Wider nicht mehr frei ist, wenn er sich insoweit von un-sachlichen Mo­ menten mitbestimmen läßt52• Gerade dann fragt es sich jedoch auch hier, ob die Festlegung im Grunde nicht schon so weitgehend ist, daß sie im Ergebnis einer endgültigen Festlegung zumindest gleichzustellen ist. 4. Ein ganz anderes Problem, als bisher erörtert, ist es demgegen­ über natürlich, ob eine derartige öffentliche Äußerung des Richters außerhalb des Verfahrens, wenn sie schon im Regelfall eine Befangen­ heit nicht zu begründen vermag, darüber hinaus etwa sogar zu b e­ grüßen ist. Besonders die Mißhelligkeiten im Zusammenhang mit den Äußerungen des Bundesverfassungsrichters Hirsch zum Radikalenbe­ schluß des B VerfG13 legen hier zumindest einige Skepsis nahe. 'Ober­ haupt können die äußeren Umstände, unter denen eine solche Äuße­ rung erfolgt, natürlich besonders schnell die Befürchtung nahelegen, 49 Ebd. - Dieser Umstand wird offensichtlich von den Kritikern dieser Entscheidung übersehen, wenn sie davon ausgehen, daß die Mehrheitsmei­ nung einen weitgehenden „Maulkorb" für die Bundesverfassungsrichter be­ deute; in diesem Sinne, außer dem Minderheitsvotum der Richter Seufjert, Hirsch und Dr. Rupp S. 2 57, etwa Häberle, JZ 1 973, 454 und Schumann, JZ 19 73, 486; ferner Ridder, Demokratie und Recht 1973, 2 46 (., . . . der politische und mittelbar eventuell auch wissenschaftliche Kastrationseffekt des Be­ schlusses vom 1 6. Juni 1973 . . •"). so Ebd. S. 25 4. n Vgl. Ernst, Ablehnung S. 2 43 f., 2 45; Stemmler, Befangenheit S. 237 f.; Schumann (s. Fußn. 49 ) S. 487 (m. div. Nachw.); letzterer nennt - neben der endgültigen Festlegung - als Beispiele das „besondere Engagement" und die .,persönliche Geringschätzung des Andersdenkenden" . 51 Der Fall, der der Entsch. des OLG Köln v. 2 5 .11 .70 = NJW 71 , 569 f. (570) zugrunde gelegen hat, rechtfertigt in diesem Zusammenhang allerdings die Annahme einer Befangenheit nicht: Wenn der betr. Richter sich dort in einem Zeitschriftenaufsatz ausdrücklich gegen das Gebaren eines Prozeßbe­ teiligten gewandt und es als mißbräuchlich gewertet hat, wogegen er u. a. ein Einschreiten des Gesetzgebers forderte, so war seine Äußerung - in die­ sem Sinne j edenfalls die Entscheidungsgründe S. 570 - gerade auch in der scharfen Form von der Sache her ohne weiteres geboten und angemessen. Im übrigen gibt der mitgeteilte Sachverhalt für die Annahme einer endgültigen Festlegung nichts her: auch insoweit erscheint es demnach nicht gerecht­ fertigt, daß dem Ablehnungsgesuch seinerzeit stattgegeben wurde. 53 Die in der Folge ja Anlaß zu den Entscheidungen des BVerfG vom 4. ,.md 5. 10. 77 E 46, 1 4 ff.,34 ff. gegeben haben.

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§ 24. Speziell: Außerungen des Richters zum Verfahrensgegenstand 15 1 der Richter sei auf diese Ansicht, die er derart öffentlich kundgegeben hat, nunmehr endgültig festgelegt. Indessen wird auch auf diesem Wege nicht schon im Regelfall ein Richter, der sich in der ange­ gebenen Weise exponiert hat, mit Hilfe der Ablehnung aus dem jeweiligen Verfahren ausgeschlossen werden können. Vielmehr müssen - sofern nicht sonstige besondere Umstände geltend gemacht werden können, die für eine etwaige Befangenheit sprechen - schon zusätz­ liche Momente angeführt werden, aus denen gerade auf eine endgültige Festlegung geschlossen werden kann. Jedenfalls wird sich insoweit aber für den Richter jeweils eine gewisse Zurückhaltung empfehlen5', ohne daß hier aus den eben genannten Gründen gleich derart gereizte Formulierungen wie „Maul­ korb" oder „Kastrationseffekt" angebracht sind55 , Schon deshalb ist der Vorschlag von Hamelbeck56 abzulehnen, daß der Richter sich bei kontroversen Rechtsfragen, die sich im Laufe eines Verfahrens ergeben, gezielt hierzu literarisch äußern solle, um damit eine öffentliche Diskussion anzuregen, die dann im Ergebnis der Ent­ scheidung zugute käme57 • Sofern der Richter zugleich Hochschullehrer ist, hilft im übrigen die Berufung darauf, daß ihm insoweit die Wissenschaftsfreiheit zur Seite stehe58 , ersichtlich wenig weiter. Im Gegenteil wird den Leibholz­ Beschlüssen darin zu folgen sein, daß das Richteramt seinerseits Rückwirkungen auf die wissenschaftliche Betätigung hat59 ; d. h. wenn es im Einzelfall zwischen den beiden Tätigkeiten zu Komplikationen 54 So sinngemäß insbes. die Leibholz-Beschlüsse des BVerfG = E 20, 1 ff. (5 f.) und 9 ff. (15); ferner Schorn, GA 1963, 162; Friesenhahn, Anm. JZ 1966, 709; Baring, DVBI. 1968, 610; Arzt, Strafrichter S. 95 f.; Ridder, Demokratie und Recht 1973, 246 f.; Stadler, Neutralität S. 89. Nach Schütz, Ablehnung S. 20 und 72 ist dieses Gebot der Zurückhaltung Ausfluß des Grundsatzes des Judi­ cial self-restraint, der nicht nur für das BVerfG insgesamt, sondern auch für den einzelnen Richter dieses Gerichts gelte. - Daß der Richter zumindest in der Form der Äußerung eine gewisse Zurückhaltung wahren sollte, gibt Dür­ holt, ZRP 1977, 220 (bei und in Fußn. 36) sinngemäß zu verstehen, auch wenn er die Frage verbal ausdrücklich unbeantwortet läßt. - LR-Dünnebier I § 24 StPO · Rn. 37 spricht in diesem Zusammenhang schließlich vom „guten Stil", der vom Richter erwartet werden müsse. Zum Zurückhaltungs-Gebot auf dem Hintergrund der richterlichen Dienst­ aufsicht vgl. die Entsch. des BGH vom 17. 10. 77 = BGHZ 70, 1 ff. mit Anm. M. Wolf in NJW 1978, 825 f. 55 Vgl. o. Fußn. 49. 58 NJW 1956, 540. 57 Ausdrücklich hiergegen etwa Schuler, NJW 1956, 857 f., auch Sarstedt, Anm. JZ 1966, 315 (,,übertreibung") und Stemmler, Befangenheit S. 233 Fußn. 6. Sinngemäß hiergegen auch schon die Glosse in NJW 1956, 253, die den Anlaß zu dem Vorschlag von Hamelbeck gegeben hat. 58 So Leibholz/Rupprecht, BVerfGG § 19 Rn. 5. 59 BVerfGE 20, 1 ff. (5 f.) und 9 ff. (15).

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I. Teil, 2. Abschn.: Falltypen der Parteilichkeit

kommt80 , wird aus den eben genannten Gründen den Belangen des Richteramts der Vorrang gebühren müssen. § 25. E. Die sog. Vorbefassung

1. Im Rahmen der vorzeitigen Festlegung ist nun abschließend als spezieller Komplex noch die sog. Vorbefassung zu erörtern1 • Hierunter ist zu verstehen, daß der Richter, bevor er jetzt zur Mitwirkung in der Sache berufen und mit ihr befaßt ist, schon zu einem früheren Zeit­ punkt mit dem Gegenstand des Verfahrens befaßt worden ist und sich auf Grund dessen eine bestimmte Meinung von der Sache gebildet hat, auf die er jetzt mehr oder weniger festgelegt ist. Und zwar ist dabei wesentlich, daß er in dieser Sache als „Dritter" , der jedenfalls nicht im materiellen Sinne als „Beteiligter" dieses Verfahrens ange­ sehen werden kann, und zudem in einer bestimmten Funktion tätig geworden ist. Diese besondere Funktion hebt die „Vorbefassung" von den sonstigen Fällen der früheren Befassung mit dem Verfahrensgegenstand ab, zu denen insbesondere die soeben behandelte richterliche Publizistik zu rechnen ist1 . Im einzelnen kann diese Funktion von recht unterschiedlicher Art gewesen sein3 • Sie kann sowohl amtlicher wie auch nichtamtlicher Art gewesen sein. Im Rahmen der amtlichen Funktion kann zwischen ebenfalls richterlicher Funktion einerseits und anderweitiger, nicht­ richterlicher Funktion andererseits unterschieden werden. Und bei der mehrfachen Befassung speziell in richterlicher Eigenschaft ist noch weiter danach zu unterscheiden, ob die frühere Befassung, auf die die jetzige „Festlegung" zurückgeführt wird, innerhalb desselben oder aber im Rahmen eines anderen Verfahrens (mit gleichem oder ähnli­ chem Gegenstand) erfolgt ist und, sofern innerhalb desselben = jetzigen Verfahrens, ob innerhalb desselben Verfahrensabschnitts, um den es eo Vgl. hierzu allgemein Sarstedt (s. Fußn. 57) S. 316. 1 Als eine weitere derartige spezielle Fallgruppe käme daneben an sich noch das „Vorurteil" im Sinne der sozialpsychologischen Terminologie in Be­ tracht. Weil dieses jedoch schon vorhin im Zusammenhang mit dem Merk­ mal der Fallbezogenheit eingehend erörtert worden ist (s. o. § 13.II.2.b), kann davon abgesehen werden, diese Fallgruppe hier im Rahmen des Besonderen Teil eigens noch weiter zu behandeln. 1 Näher zum Begriff und zu den verschiedenen Aspekten der „Vorbefas­ sung" insbesondere Stemmler, Befangenheit S. 150 Fußn. 1 . 3 Die folgende Differenzierung ist i m wesentlichen a n den Katalogen der Ausschließungsgründe in den einzelnen Prozeßordnungen orientiert, aus denen auch die nachfolgenden Beispiele überwiegend entlehnt sind. Vgl. näher zu dieser Systematik Arzt, Strafrichter S. 61 ff., 86 ff.; Stemmler S. 34 ff., 54 ff., 150 ff., 164 ff.; Overhoff, Ausschluß S. 79 ff., 166 ff.; speziell zur Vorbe­ fassung des Richters in richterlicher Eigenschaft s. ferner die Ausführungen bei Ernst, Ablehnung S. 221 ff. sowie bei Hamm, Gesetzl. Richter s. 161 ff.

§ 25. Die sog. Vorbefassung

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auch jetzt geht, oder aber in einem früheren Verfahrenssta:diurn. Auf dieser B asis kommen dann etwa folgende Beispiele in Betracht, ohne daß diese Übersicht auch nur annähernd vollständig wäre: nicht-amtliche Funktion: frühere Tätigkeit als Vormund', als Prozeßbevoll­ mächtigter einer Partei6 oder als Verteidiger6 in dieser Sache; auch die Ver­ nehmung als Zeuge oder als Sachverständiger7 wird hier einzuordnen sein; amtliche, nicht-richterliche Funktion: Mitwirkung in einem vorausgegan­ genen Verwaltungsverfahren8 oder als Staatsanwalt oder Polizeibeamter im Ermittlungsverfahren9 ; Mitwirkung im vorausgegangenen Gesetzgebungs­ verfahren10 ; amtliche, ebenfalls richterliche Funktion:

- Mitwirkung in einem früheren Verfahrensabschnitt: etwa innerhalb des staatsanwa'l tschaftlichen Ermittlungsverfahrens als Haftrichter oder im Zwi­ schen.verfahren, insbesondere Mitwirkung am Erlaß des Eröffnungsbe­ schlusses, im Verhältnis zum anschließenden Hauptverfahren; Mitwir­ kung im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes oder im Armen­ rechtsverfahren im Verhältnis zum jetzigen Hauptsacheverfahren; Mitwir­ kung im Erkenntnisverfahren im Verhältnis zum späteren Vollstreckungs­ verfahren; und dann überhaupt die Mitwirkung in einer früheren Instanz11 ; - frühere Tätigkeit innerhalb desselben Verfahrensabschnitts: Mitwir­ kung am Erlaß von Zwischenentscheidungen jeder Art, die der jetzigen End­ entscheidung vorausgehen und ihr inhaltlich vorgreifen (unabhängig davon, ob sie, soweit sie reichen, abschließend oder nur vorläufig sind) ; so etwa die Mitwirkung an einer Haftentscheidung im Rahmen des Hauptverfahrens selbst im Verhältnis zum späteren Urteil; die Mitwirkung an der Zurück­ weisung eines Beweisantrages im Strafprozeß12 oder an einer Entscheidung zur Parteivernehmung im Zivilprozeß 13 im Verhältnis zum weiteren Fortgang der Hauptverhandlung bzw. mündlichen Verhandlung; im Grunde gehört hierher aber auch ganz allgemein die Vorbereitung und Leitung der Verhand­ lung - zumal im Strafprozeß mit seinem vorausgegangenen schriftlichen Er­ mittlungsverfahren - auf der Grundlage der Akten (,,Aktenkenntnis" ). II. Voraussetzung dafür, daß in all diesen und ähnlichen Fällen eine Befangenheit im Sinne einer „funktionellen Voreingenommenheit" 1 ' auch tatsächlich bej aht werden kann, ist natürlich j eweils, daß der Richter nicht lediglich schon vorher mit dieser Sache befaßt gewesen ist; hinzu kommen muß vielmehr, daß der Richter infolgedessen in ' Vgl. § 22 Nr. 2 (2. Alt.) StPO. 6 Vgl. § 41 Nr. 4 ( 1 . und 2. Alt.) ZPO, § 22 Nr. 4 ( 3 . Alt. ,,Anwalt des Verletzten" ) StPO. 6 Vgl. § 22 Nr. 4 (4. Alt.) StPO. 7 Vgl. § 41 Nr. 5 ZPO, § 2 2 Nr. 5 StPO. 8 Vgl. § 54 II VwGO. 9 Vgl. § 22 Nr. 4 ( 1 . und 2. Alt.) StPO. 10 Vgl. § 18 I Nr. 2 i. V. m. § 18 III Nr. 1 BVerfGG. 11 Vgl. § 41 Nr.6 ZPO, § 23 I, II StPO. 12 Vgl. § 244 III - VI StPO. 13 Vgl. §§ 445 ff. ZPO. 14 Im Anschluß an Dagtoglou, Forsthoff-Festgabe S. 88 f.

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I. Teil, 2. Abschn.: Falltypen der Parteilichkeit

seiner Beurteilung der Sache auch bereits „festgelegt" ist, daß er also für neue Aspekte und Argumente, die möglicherweise eine andere Würdigung der Sache erforderlich machen, nicht mehr offen (genug) ist, so daß er den Fall j etzt, wenn er erneut bzw. weiterhin mit ihm befaßt wird, nicht mehr so frei behandeln kann, wie wenn er erstmals mit ihm befaßt würde. In diesem Sinne genügt auch schon, wenn er nur unter erschwerten Voraussetzungen geneigt ist, sein „Vor-Urteil" zu revidieren, weil ihm schon dann die Bereitschaft fehlt, sich bis zum Schluß des Verfahrens für eine j ederzeitige Überprüfung seines bisherigen Standpunktes uneingeschränkt offenzuhalten. Dabei spielt hier vor allem eine Rolle, daß der Richter all das, was er zu einem früheren Zeitpunkt vom Verfahrensgegenstand erfahren hat, bei der erneuten Befassung hiermit nicht einfach beiseiteschieben kann, so daß er es geradezu zwangsläufig jetzt mit einbringt und es seinerseits den Richter bei der erneuten Behandlung und Beurteilung des Falles jedenfalls zunächst einmal mitbestimmen wird. Der Richter ist also bereits mit einer vorausgegangenen Würdigung der Sache, mit einem „Vor-Urteil" über sie vorbelastet, wenn er sich erneut mit ihr befaßt. Damit verstößt der Richter aber jedenfalls dann, wenn der Zeitpunkt der früheren Befassung vor dem j etzigen Verfahrensabschnitt lag, in tatsächlicher Hinsicht gegen die Regelung, daß er das Material, das er seiner Entscheidungsfindung zugrunde legt, grundsätzlich allein aus dem „Inbegriff der" (jetzigen) ,,Verhandlung" gewinnen soll 15 • Daneben kommt in diesem Zusammenhang, was dann neben der tatsächlichen Seite in gleicher Weise auch die rechtliche Seite des j eweiligen Falles betrifft, eine besondere Bedeutung vor allem auch einem psychischen Mechanismus zu, auf den die Psychologie aufmerk­ sam gemacht hat, nämlich der psychischen Tendenz, einen einmal ge­ faßten Entschluß nach Möglichkeit zu „perpetuieren" (sog. primacy effect) H : dieser Mechanismus erschwert es dem Betreffenden, sich anschließend noch möglichst uneingeschränkt für neue Aspekte und Argumente offenzuhalten, und beeinträchtigt infolgedessen ersichtlich die freie Revisibilität eines früher gefaßten Entschlusses. Andererseits besagt all dies noch nicht ohne weiteres, daß der j eweilige Richter auch tatsächlich bereits endgültig auf jene Ansicht festgelegt ist, die er bei der früheren Befassung mit dem Verfahrens­ gegenstand gewonnen hat. Denn ebensogut kann sie auch rein vor­ läufig (gewesen) sein, wenn der Richter trotz - oder gerade wegen -

Vgl. die Ausführungen oben in § 22 .I. 18 S. Weimar, Strukturen S.13 4 f. und Maisch, NJW 1 97 5 , 566 ff. (m. w. N.), ferner Mrozynski, MSchrKrim1 97 4, 50 f. 15

§ 25. Die sog. Vorbefassung

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der Tatsache der Vorbefassung bei der erneuten oder weiteren Befas­ sung mit der Sache um Offenheit für neue Aspekte und Argumente bemüht ist. Möglicherweise hat er seine Auffassung inzwischen sogar geändert; oder er ist etwa bei der seinerzeitigen Entscheidung, an der mitgewirkt zu haben ihm jetzt vorgehalten wird, überstimmt worden und vertritt also persönlich gar nicht die fragliche Ansicht, auf die er jetzt festgelegt sein soll: nur ist dies den Prozeßbeteiligten auf Grund des Beratungsgeheimnisses eben nicht bekanntgeworden. Ohne­ hin sind zahlreiche Entscheidungen, die im Laufe eines Verfahrens ergehen, wie etwa Haft- und Armenrechtsentscheidungen, von vorn­ herein nur vorläufig-summarischer Art. Im übrigen darf nicht über­ sehen werden, daß „die mehrmalige Befassung mit derselben Rechts­ frage . . . in der Natur des Richteramtes" selbst angelegt ist17 , ganz abgesehen davon, daß der Richter gleich.gelagerte Fälle aus dem Gesichtspunkt des Gleichbehandlungsgrundsatzes grundsätzlich ja ge­ rade gleich behandeln muß. In Anbetracht all dessen berechtigt allein die Tatsache der Vorbefassung als solche nicht schon dazu, den jewei­ ligen Richter als befangen anzusehen. Eine ganz andere Frage ist es demgegenüber, mit welchem Grad von

Wahrscheinlichkeit in einem solchen Fall eine vorzeitige Festlegung

und damit eine Voreingenommenheit anzunehmen ist, mit anderen Worten: ob allein schon die Tatsache einer solchen Vorbefassung als solche geeignet ist, die Ablehnung des Richters wegen Besorgnis seiner Befangenheit zu rechtfertigen, oder ob eine dahingehende Gefahr womöglich typischerweise schon so erheblich ist, daß hier sogar die Ausschließung des Richters geboten erscheint. Auf dieser Basis mag die Tatsache der Vorbefassung jedenfalls zumindest ein starkes Indiz für eine etwaige Festlegung des Richters sein. Diese in manchen Beziehungen schon seit jeher heftig diskutierte18 Problematik hier im einzelnen behandeln zu wollen, ginge jedoch über das Thema der jetzigen Untersuchung bei weitem hinaus. Darauf, daß das Problem auf der Basis des geltenden Rechts nicht schon auf der terminologischen Ebene beim Gesetzesbegriff der „Parteilichkeit" ge­ löst werden kann, ist . bereits oben in § 15.II.5 hingewiesen worden. Im ein­ zelnen wäre der hier angesprochene Problemkomplex im Rahmen einer Be­ handlung der Richterausschließung und Richterablehnung bei der Erörterung des „gesetzlich hingenommenen Befangenheitsniveaus" 19 zu behandeln, was jedoch nicht mehr Gegenstand der jetzigen Untersuchung ist. 17 So Arzt, Strafrichter S. 95 (m. w. N. ebd. in Fußn. 155) ; vgl. in diesem Zusammenhang auch Stemmler, NJW 1974, 1545 f. 18 So stand die Frage der Ausschließung oder Nichtausschließung des Rich­ ters, der im Strafprozeß am Eröffnungsbeschluß mitgewirkt hat, schon bei den Beratungen zur RStPO 1877 mit im Mittelpunkt der parlamentarischen Auseinandersetzungen. 19 Diesen Ausdruck verwendet Hamm, Gesetz!. Richter S. 1 14 ff., 161 ff.

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§ 26. Vierte Fallgruppe: Beeinflussung des Richters von dritter Seite1 Arzt spricht insoweit sehr plastisch vom „unter Druck gesetzten Strafrichter" 2 • Bei der hier angesprochenen Einflußnahme von dritter Seite werden gewöhnlich zwei Richtungen unterschieden3 : Einmal kommen hiernach Einflußnahmen aus dem Bereich der Justiz selbst in Betracht, sei es von Richterkollegen (insbesondere der übergeordneten Instanz), sei es aus dem Bereich der Justizverwaltung oder etwa auch von seiten der Staatsanwaltschaft, wobei hier im übrigen sowohl an förmliche Weisungen wie auch an sonstige Formen der Beeinflussung einschließlich der informellen Wege zu denken ist, nicht zuletzt auch an öffentliche Stellungnahmen zu einem schwebenden Verfahren. Daneben kann ein Richter aber auch von anderer Seite her beein­ flußt sein. Als Hauptbeispiel4 wird in diesem Zusammenhang regel­ mäßig hervorgehoben, daß der Richter unter dem Einfluß der öffent­ lichen Meinung steht, wobei primär an eine Beeinflussung durch die Massenmedien gedacht ist. Eine echte Befangenheit liegt in diesen Fällen jedoch nur dann vor, wenn der Richter in einem konkreten Verfahren tatsächlich unter einem derartigen sach-fremden Einfluß steht, der ihn zumindest dahin tendieren läßt, die Sache in der von außen gewünschten Weise zu behandeln und zu entscheiden. Diese Unterscheidung bedeutet insbesondere, daß nicht etwa schon die Öffentlichkeit der Verhandlung als solche - und zwar hier vor allem die sog. mittelbare Öffentlichkeit6 - eine Befangenheit des Richters zu bewirken vermag; vielmehr ist j eweils im Einzelfall erst genau zu prüfen, ob der Richter tatsächlich unter dem Einfluß der jeweiligen veröffentlichten Meinung steht. 1 Stadler, Neutralität S. 96 scheint diese Fallkonstellation ebenfalls dem Bereich der vorzeitigen Festlegung zurechnen zu wollen; weil es sich hier aber um eine ganz spezifische Konstellation handelt, empfiehlt es sich mehr, sie als eigene Fallgruppe zu behandeln. • Strafrichter S.110 ff. 3 Vgl. zum Folgenden etwa Arzt S. 11 0 ff., 11 2 ff.; Ernst, Ablehnung S. 1 81 ff.; LR-Dünnebier I § 24 StPO Rn.1 2 -1 5. Mahne erörtert in diesem Zusammenhang als dritten Teilaspekt noch die „Einwirkung durch den Ange­ klagten, den Verteidiger oder Sympathisanten des Angeklagten", s. Befan­ genheitsantrag S. 55 ff. ' Dünnebier Rn.1 5 erwähnt daneben als weiteres, allerdings wenig ak­ tuelles Beispiel noch den Fall der Bestechung. 5 Zu dieser Unterscheidung vgl. etwa Eb. Schmidt, LK I Rn. 407: ,. . . . Die Öffentlichkeit der Verhandlung ermöglicht . . . nicht nur . . . unmittelbare Öffentlichkeit, sondern auch ein Verbreiten von Nachrichten über das Ge­ sehene und Gehörte (mittelbare Öffentlichkeit) . . .", ,,. . . Verbreitung von Nachrichten über die Verhandlung . . .". Ähnlich etwa LR-Schäfer Bd. I Einl. Kap. 13 Rn.1 01 und Bd. III Vorb. B vor § 1 69 GVG.

§ 27. Gereiztheit, Ungeduld und ähnlich negative Stimiµungen

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Damit soll nun freilich auf keinen Fall ignoriert oder auch nur heruntergespielt werden, daß heutzutage gerade von den Massenmedien infolge ihrer Berichterstattung zu schwebenden Verfahren eine zum Teil sogar ganz erhebliche Gefahr für die richterliche Unvoreinge­ nommenheit ausgeht, so daß die - überwiegend überhaupt erst in der Mitte des 19. Jahrhunderts verwirklichte6 - Öffentlichkeit der mündlichen Verhandlung heute keineswegs mehr uneingeschränkt gut­ geheißen werden kann7 • Mit besonderem Nachdruck wird insoweit bekanntlich vor allem die Gefährdung der Laienrichter hervorgehoben, und nicht zuletzt mit Rücksicht darauf wird das Institut des Laien­ richters heute von manchen Autoren überhaupt in Frage gestellt. Der hiermit angeschnittenen Problematik kann indessen hier eben­ falls nicht im einzelnen nachgegangen werden, weil hierbei der Aspekt der Gefährdung der richterlichen Unvoreingenommenheit und damit der Aspekt der Besorgnis der Befangenheit im Vordergrund steht, der als solcher ja nicht Gegenstand dieser Untersuchung ist. § 27. Fünfte Fallgruppe: Gereiztheit, Ungeduld und ähnlich negative Stimmungen und Einstellungen des Richters I. 1 Ein Gerichtsverfahren setzt die Parteien und übrigen Prozeß­ beteiligten - teilweise sogar ganz erheblichen - psychischen Span­ nungen aus. Viel, sehr viel steht oft für sie auf dem Spiel. Entsprechend heftige emotionale Reaktionen bestimmen deshalb oft genug ihr Ver­ halten gegenüber dem Gegner oder dem Richter, wenn es gilt, den Prozeß möglichst zu „gewinnen" , oder vielleicht auch nur, ihn psychisch „durchzustehen". Es kann deshalb gar nicht ausbleiben, daß durch dieses komplexe Geschehen auch der Richter seinerseits psychischen Belastungen ausgesetzt wird. Gilt dies schon für den „normalen" Prozeß, so erst recht für solche Verfahren, in denen die Beteiligten es von vornherein gerade darauf anlegen, den Prozeß mit allen möglichen Mitteln zu stören und zu sabotieren und dabei womöglich noch den Richter als Angehörigen der Justiz zu attackieren und zu verunglimp8 Ausführlich zur Einführung des Öffentlichkeitsprinzips im reformierten deutschen Strafprozeß des 19. Jh.s sowie im Zivilprozeß heute die Monogra­ phien von Peter-Paul Alber, Die Geschichte der Öffentlichkeit im deutschen Strafverfahren (Berlin 1973) sowie von Marie Theres Fligen, Der Kampf um Gerichtsöffentlichkeit (Berlin 1974). 7 Speziell zu der Frage, ,,inwieweit Einflüsse aus der Öffentlichkeit die richterliche Neutralität beeinträchtigen und trüben können", vgl. den Auf­ satz von Stürner in JZ 1978, 161 ff. (m. div. Nachw.); allgemein zu „Wert und Grenzen der Verfahrensöffentlichkeit im Strafprozeß" s. die gleichnamige Monographie von Herbert Schmidthals (Bern/Frankfurt a. M./Las Vegas 1977). 1 Vgl. zum Folgenden die Bemerkung von E. Schneider, DRiZ 1978, 45 f. (unter III.3.c).

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fen. Bei alledem ist der Richter aber von seiner Funktion her gehalten, die Kontrolle über den Verlauf des Verfahrens in seiner Hand zu behalten, das Verfahren auf die Entscheidung hinzuführen und dabei zugleich gegenüber den Beteiligten eine sachlich-gelassene Haltung zu bewahren. Bei aller Routine, die er sich angeeignet haben mag, wird der Richter diesen Anforderungen nicht stets voll gerecht werden können. Soll deshalb aber j edes Abweichen von j ener Rollenerwartung sogleich als „Befangenheit" gewertet werden dürfen und damit in der Folge zur Ablehnung berechtigen2 ? Auszugehen ist davon, daß als „Parteilichkeit" , ,,Befangenheit" nicht schlechthin schon j ede negative Stimmung des Richters gegenüber einem Prozeßbeteiligten anzusehen ist; wie gleich zu Anfang (s. o. § 3 .1) hervorgehoben worden ist, muß vielmehr als wesentliches Charakte­ ristikum die Gefahr hinzukommen, daß der Richter auf Grund seiner inneren Einstellung zu den Prozeßbeteiligten oder zum Gegenstand des Verfahrens gerade auch in seiner Entscheidungsfindung beein­ trächtigt und daß infolgedessen die Entscheidung verfälscht werden könnte. Eben daran fehlt es nun aber, wenn der Richter sich etwa durch das Verhalten eines Prozeßbeteiligten zu Unmutsäußerungen veranlaßt sieht, die eine angemessene Reaktion auf eben dieses Ver­ halten darstellen und als solche ersichtlich sachlich gerechtfertigt sind, und wenn darüber hinaus kein Anlaß zu der Befürchtung besteht, daß durch die in der Äußerung zum Audruck gekommene psychische Reaktion des Richters in der Folge auch die bevorstehende Entschei­ dung selbst nachteilig beeinflußt werde. Angesichts der alarmierenden Erfahrungen mit den Terroristenprozessen der letzten Jahre wird man dabei die „Toleranzgrenze" für derartige Unmutsäußerungen sogar um so weiter ziehen müssen, je aufreizender und damit zugleich auch je mehr persönlich belastend das Verhalten des j eweiligen Beteiligten gegenüber dem Richter ist. Diese Ansicht hat dabei zugleich auch konstruktiv einen Vorzug gegenüber den bisherigen Versuchen, bei derartigen Fallkonstella­ tionen die Richterablehnung auszuschließen. Wenn hier nämlich die ,,Unsachlichkeit" der Reaktion und damit überhaupt schon eine „Be­ fangenheit" als solche verneint wird, entfällt von vornherein die Notwendigkeit, mit Hilfe etwaiger prozessualer Behelfe, die kaum zu überzeugen vermögen, ein an sich gegebenes Ablehnungsrecht im Ergebnis doch noch zu verneinen: Der direkte Weg setzt unmittelbar bei der „Befangenheit" selbst an. II. Die soeben herausgearbeiteten Gesichtspunkte geben nun auch den Schlüssel dazu, wie im Hinblick auf eine etwaige „Befangenheit" 2

Vgl. hierzu etwa den Aufsatz von Rabe, NJW 1976, 172 ff.

§ 27. Gereiztheit, Ungeduld und ähnlich negative Stimmungen

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andere negative Stimmungen und Einstellungen3 des Richters gegen­ über den Prozeßbeteiligten oder dem Gegenstand des Verfahrens gewertet werden müssen, die nicht schon Ausfluß einer persönlichen Voreingenommenheit oder einer anderen Form von sachlicher Vor­ eingenommenheit sind, wie sie im Rahmen der vorhergehenden Fall­ gruppen erörtert worden sind. 1. Festzuhalten ist in diesem Zusammenhang, daß Verfahrensfehler, die einem Richter im Laufe des Verfahrens unterlaufen, im Einzelfall zwar den Schluß auf eine etwaige Befangenheit des Richters nahe­ legen mögen', aber natürlich nicht schon als solche eine Befangenheit zu begründen vermögen: denn hierfür ist nun einmal ausschlaggebend erst die unsachliche innere Einstellung des Richters (aus der heraus er im Einzelfall allerdings durchaus einmal gerade auch zu einem Verfahrensfehler verleitet werden kann)5 • Ein darauf gerichtetes Ab­ lehnungsgesuch kann hiernach nicht etwa schon dann Erfolg haben, wenn in der Begründung lediglich der Verfahrensfehler als solcher dargetan und im übrigen die bloße Behauptung aufgestellt wird, dieser Fehler müsse auf einer Befangenheit des Richters beruhen. Vielmehr muß darüber hinaus auch schlüssig dargetan werden, daß aus der Sicht des Prozeßbeteiligten Anlaß besteht, gerade auf eine Voreinge­ nommenheit des Richters zu schließen. Eben das aber wird in der (stattgebenden) Entscheidung des

LG Franken­

thal vom 9.1 . 76 = FamRZ 1 977, 562 f. übersehen, in der die Besorgnis der

Befangenheit allein schon auf Grund der Tatsache als begründet erachtet wurde, daß der Richter einen Schriftsatz mit beleidigenden Formulierungen gegenüber der Gegenseite kurzerhand zurückgewiesen und zugleich eine Ent­ scheidung angekündigt hatte, ohne zuvor eine Änderung des Schriftsatzes an­ heimzugeben. Wenn es in der Begründung (S. 56 3) heißt, der Richter habe „aus der Sicht der Kindesmutter begründeten Anlaß für deren Befürchtung gegeben, er werde ohne Berücksichtigung ihres weiteren Vorbringens und damit [I] nicht unparteiisch entscheiden", so kann diese Argumentation nicht überzeugen. Entgegen der Ansicht des Gerichts (S. 56 3 a. E.) wäre es vielmehr gerade darauf angekommen, ob der Richter, wie die Kindesmutter geltend 3 Hier nicht im spezifischen Sinne der Sozialpsychologie (vgl. oben § 1 3.11.2.b) im Rahmen der Ausführungen zum „Vorurteil"). 4 Deshalb wird diesem Komplex im Rahmen der Abhandlungen zur Ab­ lehnung wegen Besorgnis der Befangenheit mit Recht wiederholt sogar ein eigener Abschnitt „Rechtsverletzungen des Richters" (so z. B. bei Arzt, Straf­ richter S. 96 ff. und Stemmler, Befangenheit S. 200 ff.) oder „Fehler des Rich­ ters" (so bei Ernst, Ablehnung S. 202 ff.) gewidmet. • Hiernach kann die Annahme von Arzt S. 97, daß hier letztlich von der Voraussetzung einer. ,,Parteilichkeit" abgesehen werde, keine Zustimmung finden. Diese Annahme hängt damit zusammen, daß Arzt einerseits einen zu engen und andererseits in der Folge dann einen zu weiten Begriff von „Par­ teilichkeit" zugrunde legt; vgl. hierzu im einzelnen die Kritik oben in § 1 5.11.2. - Gegen Arzt speziell im vorl. Zusammenhang der Verfahrensfehler auch Stemmler S. 202 mit Fußn.1 und S. 222 Fußn. 1 sowie Stad.Zer, Neutralität s. 9 4 f.

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gemacht hatte, Schriftsätze des Kindesvaters mit ebenfalls beleidigenden Äußerungen gegenüber der Gegenseite weitergeleitet hatte, während er einen derartigen Schriftsatz der Kindesmutter zurückwies: sofern dieser Vor­ trag zutreffen sollte, hätte aus solcher Ungleichbehandlung in der Tat, aber eben erst dann, der Schluß auf eine Voreingenommenheit des Richters ge­ zogen werden dürfen. 2. Im einzelnen kommt im Rahmen der jetzigen Fallgruppe etwa in Betracht, daß der Richter z. B. aus familiären Spannungen heraus gegenüber den Verfahrensbeteiligten gereizt ist oder daß er sich ihnen gegenüber aus Zeitdruck ungeduldig verhält und sie infolgedessen daran hindert, ihre Rechtsposition voll auszuschöpfen. Während gegen eine straffe Verhandlungsführung als solche im Prinzip nichts einzu­ wenden ist, darf der Richter aber doch nicht die Prozeßbeteiligten in der Wahrnehmung der ihnen zustehenden prozessualen Rechte be­ schneiden. Hierin liegt, auf den Strafprozeß bezogen, zum einen eine unzulässige Beschränkung der Verteidigung und darüber hinaus ein Verstoß gegen den Grundsatz des rechtlichen Gehörs (Art. 103 I GG), die unter den entsprechenden Zulässigkeitsvoraussetzungen zur nach­ träglichen Anfechtung des darauf folgenden Urteils berechtigen. Zum anderen aber - und darauf kommt es hier an - liegt hier zugleich auch ein Grund vor, der unter den weiteren Voraussetzungen der §§ 24 ff. StPO, nunmehr bereits vorbeugend, auch zur Ablehnung jenes Richters berechtigt: die für eine Parteilichkeit vorausgesetzten Merk­ male der Benachteiligung (oder Bevorzugung) eines Prozeßbeteiligten sowie der Unsachlichkeit liegen ersichtlich vor. Problematisch kann im Einzelfall allerdings das weitere Merkmal der Fallbezogenheit sein: wenn nämlich die fragliche Einstellung, „Stimmung" des Richters nicht nur vorübergehender Art, also eine Ausnahme ist, sondern genereller Art. Im letzteren Falle würde es sich nämlich wieder um eine Frage der (generellen) Eignung des Richters handeln, die j a nach der hier zugrunde gelegten Begriffsbe­ stimmung im Rahmen der „Befangenheit" gerade nicht erfaßt werden kann (s. o. § 1 1). Diese Abgrenzung verpflichtet dafür freilich um so mehr dazu, gerade auch für den Bereich der Nichteignung des Richters effiziente Rechtsbehelfe zur Verfügung zu stellen, damit die „Versuchung" entfällt, wegen ihrer vorbeu­ genden Wirkung auf den Rechtsbehelf der Richterablehnung zurückzugreifen. Dieser Problemkreis liegt j edoch außerhalb des Rahmens der vorliegenden Untersuchung und kann deshalb hier nicht näher behandelt werden. Als besonders markantes B eispiel sei hier daneben noch der Fall angeführt, daß der Richter die Sache aus irgendeinem Grund „über­ steigert und verzerrt" sieht, was sich dann etwa in entsprechend ,,starken Worten" oder drastischen Vergleichen äußern mag6 . • Vgl. hierzu die Entsch. des OLG Hamm vom 9. 3. 67 mit zust. Anm. Deubner ebd. S. 2371.

=

NJW 1967, 1577

§ 27. Gereiztheit, Ungeduld und ähnlich negative Stimmungen

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III. Näher einzugehen ist im folgenden noch auf zwei Entscheidun­ gen, in denen die bloße Gleichgültigkeit des Richters gegenüber einer Sache und die bloße Unsorgfältigkeit des Richters in einer Sache bereits als ein Fall der Befangenheit angesehen zu werden scheinen. 1. In dem ersten Fall, den das OLG Hamm zu entscheiden hatte7 , hatte ein Antragsteller (ASt.) den Vorsitzenden einer Zivilkammer mit der Begrün­ dung abgelehnt, daß sich die Besorgnis der Befangenheit aus der ungewöhn­ lich langen Dauer des Armenrechtsprüfungsverfahrens ergebe. Trotz diverser Rückfragen, Eingaben und Erinnerungen sei sein Armenrechtsgesuch, das er Mitte 1972 gestellt habe, bis Anfang 1975 [ ! ] noch immer nicht beschieden worden; darauf müsse er den Schluß ziehen, daß der abgelehnte Richter, der seit 1 . 1. 1974 Vorsitzender dieser Zivilkammer sei, seinem Rechtsschutzbe­ gehren „gleichgültig" gegenüberstehe. Erst nachdem er am 31. 1. 75 eine Dienstaufsichtsbeschwerde eingelegt habe, habe ihm die Kammer durch Be­ schluß vom 1. 4. 75 das Armenrecht bewilligt. Das OLG Hamm hat dem Ab­ lehnungsgesuch im Beschwerdeverfahren stattgegeben, wobei es sich im we­ sentlichen der Argumentation des ASt. angeschlossen hat. Nun fragt es sich j edoch, ob allein schon eine bloße Gleichgültigkeit, auf die nach der Begründung des OLG das Verhalten des abgelehnten Richters · aus Sicht des ASt. zurückzuführen sein mußte, als ein Fall von „Befangenheit" gewertet werden kann; eben das wäre j a erforder­ lich, damit die vom ASt. geltend gemachte „Besorgnis der Befangen­ heit" als berechtigt angesehen werden könnte. Genau daran fehlt es hier nun aber: Denn Befangenheit setzt gerade ein - im einzelnen wie auch immer geartetes - inneres „Engagement" des Richters in bezug auf die S ache voraus, das zum einen die Bevorzugung oder Benachteiligung eines Prozeßbeteiligten zur Folge hat und das daneben und vor allem auf einer unsachlichen Motivation beruht. Eine innere Einstellung des Richters, die zur Benachteiligung eines Pro­ zeßbeteiligten (hier: des ASt.) führt, läßt sich im vorliegenden Fall durchaus bej ahen, da j a auch das bewußte Liegenlassen der Sache, ohne ihr den ge­ ringsten Fortgang zu geben, ersichtlich hierunter fällt. Nun kann aber dieses bloße Untätigbleiben auf sehr unterschiedlichen Gründen beruhen. So weist denn auch das OLG Hamm darauf hin, daß im vorliegenden Fall „die lange Dauer des Armenrechtsprüfungsverfahrens im wesentlichen auf der erheb­ lichen Arbeitsbelastung der Kammer beruht" habe (S. 1 12), die, für sich ge­ nommen, ersichtlich kein „unsachliches" Moment darstellt. Zutreffend erwägt das Gericht deshalb weiter, daß dieser Umstand j edoch für den ASt. nicht erkennbar war und daß er deshalb annehmen durfte, ihm werde „das Armenrecht aus unsachlichen Gründen so lange verweigert" (ebd.). Eben das, was hiermit in Form eines Verdachts angesprochen ist, wird nun aber mit dem Begriff der „Gleichgültigkeit" nicht adäquat erfaßt, weil dieser B egriff nicht auch j enes spezifisch unsachliche Moment mit beinhaltet, wie es für die Befangenheit vorauszusetzen 7 Entsch. vom 10. 12. 75 DRiZ 1978, 46.

11 Riede!

= JMBI. NRW 1976, 1 1 1 f.; zust. hierzu E. Schneider,

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ist. Bei einer Besorgnis, die tatsächlich allein auf eine „Gleichgültigkeit" des Richters gerichtet gewesen wäre, hätte demnach dem Ablehnungs­ gesuch des ASt. nicht stattgegeben werden dürfen. Vielmehr hätte es dann allein bei dem Verfahren der Dienstaufsichtsbe­ schwerde sein Bewenden haben müssen. - Wie aber soeben bereits ange­ sprochen, hat das OLG Hamm, als es dem Ablehnungsgesuch doch stattgab, in seiner Begründung zutreffend gerade auch auf das unsachliche Moment abge­ stellt, das zumindest aus Sicht des ASt. mit hereinspielte. I n der Sache selbst hat das Gericht also durchaus richtig entschieden. Nur hat es seine Argumen­ tation unzutreffend auf eine bloße Gleichgültigkeit gestützt, die als solche nicht schon geeignet ist, die Annahme einer Befangenheit zu begründen. Der Sache nach war demgegenüber aber ersichtlich gemeint, daß die Einstellung des abgelehnten Richters - jedenfalls aus Sicht des ASt. - über eine solche bloße Gleichgültigkeit hinausging: nämlich in die Richtung einer Verschlep­ pungsabsicht8. 2. In dem zweiten Fall, der vom OLG Frankfurt a. M. entschieden worden ist9 , hatte der Richter in einer Erbscheinsache in seiner dienstlichen Erklä­ rung zum Ablehnungsgesuch den Beteiligten, mit dem er ein langes Gespräch über die Sache geführt hatte, verwechselt und sich außerdem in grober Weise über den Zeitpunkt des Gesprächs geirrt. Das OLG hat dem Ablehnungsge­ such aus dem Gesichtspunkt stattgegeben, die Befürchtung der Antrag­ stellerin (ASt.), ,,der abgelehnte Richter verhandele ihren Fall nicht mit der nötigen Sorgfalt", sei als berechtigt anzusehen. Die Tatsache, daß der Richter in seiner dienstlichen E rklärung auf das Ablehnungsgesuch den maßgeblichen Sachverhalt gleich in zwei wesentlichen Punkten entstellt wiedergibt, spricht zwar für eine geringe Sorgfalt des Richters in dieser Sache, und sie mag deshalb auch durchaus dazu angetan sein, ,,das Vertrauensverhältnis zwischen ihm und der ASt. so wesentlich (zu beeinträchtigen), daß es ihr nicht mehr zugemutet werden kann, die Entscheidung ihrer S ache durch den abgelehnten Richter zu akzeptieren" (S. 101 a. E.). Nur läßt sich aus der Beschlußbegründung nicht entnehmen, worin nun eigentlich die befürchtete „Befangenheit" selbst liegen soll. Der bloße Hinweis auf die großzügige Handhabung des Ablehnungsrechts vermag diesen Nachweis noch keineswegs zu ersetzen.

8 Aus den gleichen Gründen erscheint auch die von Mahne, Befangen­ heitsantrag S. 74 f. wiedergegebene, bisher unveröffentlichte Entsch. des BGH vom 29. 3.6 3 - 4 StR 429/6 2 - als problematisch, in der die schleppende Bearbeitung einer Haftsache als Ablehnungsgrund bejaht worden ist. Allgemein zum Thema „Verfahrensverzögerung" - auf der Basis der Ab­ lehnung wegen Besorgnis der Befangenheit - s. näher Ernst, Ablehnung S. 205 f., der ähnlich differenziert wie hier im Text. 9 Entsch. vom6 . 1 2. 77 = Rpfleger1 978 , 100 f.

§ 28. Eingriff in die formale Chancengleichheit der Parteien

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§ 28. Sechste Fallgruppe: Mißachtung der dem Richter vom Gesetz her vorgeschriebenen Rolle: Eingriff in die formale Chancengleichheit der Parteien im Parteienprozeß zugunsten einer Partei. A. Allgemeines1 I. Ausgangspunkt ist folgende Fallkonstellation, die unter einem an­ deren Aspekt, nämlich dem der vorläufigen Festlegung des Richters, bereits oben in § 24.1.2 angesprochen worden ist: In einem Parteiprozeß erkennt der Richter, daß die eine Seite, sei es der Kläger oder auch der Beklagte, prozessual ungeschickt vorgeht und deshalb einen Nachteil zu erleiden droht, der bei anderer Prozeßführung vermeidbar wäre, oder daß sie sonst aus ihrer Position im Prozeß einfach „mehr machen" könnte. Hierfür kommt etwa in Betracht, daß sie neue Angriffs- und/oder Vertei­ digungsmittel vorbringen könnte (wobei sich etwa ein anderer Tatsachenvor­ trag des Klägers im äußersten Falle als ein völlig veränderter Klaggrund darstellen würde) oder daß sie etwa inhaltlich weitergehende oder aber an­ derslautende Anträge stellen könnte, mit denen sie mehr - oder überhaupt erst - Erfolg hätte; ebensogut mag es auch sein, daß der Richter etwa ein eingelegtes Rechtsmittel für aussichtslos hält, so daß es dem betr. Prozeßbe­ teiligten nur unnötige Kosten bereiten würde, wenn er es trotzdem aufrecht­ erhalten würde. Wenn der Richter sich nun in einer derartigen Situation veranlaßt sieht, j enem Prozeßbeteiligten einen Rat, eine Empfehlung zu geben, wie er sich zweckmäßig verhalten solle, um seine Position im Prozeß zu verbessern oder zumindest vermeidbare Nachteile abzuwenden, so nimmt er dabei in Kauf, daß diese seine Unterstützung zugunsten einer Partei notwendig zugleich die Position ihres Gegners entsprechend verschlechtert: Dann ist aber ersichtlich das Merkmal der Benachtei­ ligung bzw. Bevorzugung eines Prozeßbeteiligten gegeben, indem hier nämlich der Richter nachhaltig in die formale Chancengleichheit der Parteien zugunsten einer Seite eingreift. Mit Rücksicht darauf behandeln Ernst und Stemmler die hier angespro­ chene Fallgruppe deshalb - auf der Basis der Ablehnung wegen Besorgnis der Befangenheit - zutreffend unter dem Gesichtspunkt „Verstöße gegen den Gleichheitssatz durch einseitiges Bevorzugen oder Benachteiligen eines Verfahrensbeteiligten" 2 , ,,Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes", „Verletzung der Waffengleichheit durch den Richter" 3 oder auch Verletzung der „prozessualen Chancengleichheit"'· 1 Die folgende Fallgruppe wird im Schrifttum, soweit sie dort auf der Basis der Ablehnung wegen Besorgnis der Befangenheit behandelt wird, hauptsächlich im Rahmen einer besonderen Fallgruppe „Rechtsverletzungen" oder auch „Fehler des Richters" erörtert (so insbesondere bei Ernst, Ableh­ nung S. 208 ff. und bei Stemmler, Befangenheit S. 204 ff.) ; eine solche Fall­ gruppe hat j edoch in einer Untersuchung, welche die Parteilichkeit selbst zum Gegenstand hat, keinen Raum (s. vorstehend § 27.11.1). 2 Ernst S. 203. s Stemmler S. 204. 11•

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I. Teil, 2. Abschn.: Falltypen de r Pa rteilichkeit

Fraglich muß es demgegenübe r e rscheinen, ob hier daneben stets auch schon die innere Einstellung des Richters als „unsachlich" zu werten ist, was aber ja Voraussetzung dafür wäre, daß hier von einer „Befangenheit" gesprochen werden kann. Die Antwort auf diese Frage hängt vorrangig davon ab, ob die hier gemeinte innere Einstellung des Richters mit der Rolle zu vereinbaren ist, die ihm in dem jeweiligen Prozeß (Zivilprozeß, Verwaltungsgerichtsprozeß) zugewiesen ist, oder ob der Richter sich etwa über diese Rolle hinwegsetzen will, um dem j eweiligen Prozeßbeteiligten die im konkreten Fall für angezeigt oder sogar erforderlich gehaltene Hilfestellung geben zu können. In Anbe­ tracht dessen kommt es deshalb maßgeblich darauf an, eben diese Rolle näher zu bestimmen. II. Nicht gangbar ist hierfür der Weg, die Grenzbeziehung etwa allein aus dem Begriff der Verhandlungs- oder Untersuchungsmaxime ableiten zu wollen, also aus Maximen, die bekanntlich für den Zivil­ prozeß einerseits und den Verwaltungsprozeß andererseits grundlegend sein sollen5 ; ebensowenig kommt insoweit ein Rückgriff allein auf den Begriff der Dispositionsmaxime in Betracht6 • Denn die „Verteilung der Verantwortlichkeit zwischen Gericht und Parteien" 7 im einzelnen Pro' Stemmler S. 207 . 6 Zu r Ausbildung des sog. ,,Verhandlungsgrundsatzes" im gelehrten P ro­ zeß des Mittelalters s. Knut Wolfgang Nörr, Zu r Stellung des Richters im gelehrten P rozeß de r Frühzeit: Iudex secundum allegata non secundum conscientiam iudicat (München 1 967 ) ; zu r „Geschichte und Stellung der Ver­ handlungsmaxime im deutschen Zivilp rozeß seit dem jüngsten Reichsab­ schied" vgl. die Übersicht in der gleichnamigen Schrift von Kurt Tiegelkamp (Köln 1 940); eingehend vom gemeinrechtlichen Zivilprozeß bis hin zur ZPO­ N ovellierung von 1 933 Falk Bomsdorf in seine r Schrift „P rozeßmaximen und Rechtswi rklichkeit. Ve rhandlungs- und Untersuchungsmaxime im deutschen Zivilp rozeß - Vom gemeinen Recht bis zu r ZPO" (Berlin 1 971 ); detaillierte Nachweise über „die Entwicklung einzelne r Prozeßmaximen seit de r Reichs­ zivilprozeßo rdnung von 1 877 " in de r gleichnamigen Schrift von Jürgen Dam­ rau (Pade rborn 1 975). Häufig wi rd neben dem Ausdruck „Verhandlungsmaxime" auch de r Aus­ druck „Beibringungsgrundsatz" ve rwendet, wobei diese beiden te rmini tech­ nici überwiegend als synonym verstanden we rden. Zettel, Beibringungs­ grundsatz will demgegenübe r weite r differenzie ren und o rdnet die Funk­ tionsve rteilung bzgl. de r Stoffsammlung, um die es hie r geht, allein dem Bei­ b ringungsgrundsatz zu (S. 21 ff., 30 ff.). 6 Die de r Sache nach im 1 9. Jh. noch lange vom Begriff der „Verhandlungs­ maxime" mitumfaßt wa r und erst durch Hermann Ortlo[J in seiner Schrift ,,Das St rafverfahren in seinen leitenden G rundsätzen und Hauptfo rmen" (Jena 1 858, s. do rt § 1 4 = S. 43 ff.; ihm folgend dann vo r allem von Canstein) aus diesem Begriff herausgelöst worden ist. Noch bei den Beratungen zur RCPO war diese Unterscheidung, wie die Mate rialien zeigen, nicht ohne wei­ teres geläufig (vgl. die Hinweise bei Bomsdorf S. 256 Fußn. 7 8). 7 Im Anschluß an die Fo rmulierung im Bericht der ZPO-Kommission [1 961 ] S. 17 4 ff. De r Be richt differenziert dabei näher nach drei Richtungen: 1. Verantwortlichkeit fü r die „Beschaffung des Tatsachenstoffes", fü r die „Tatsachenermittlung" (hierzu die Verhandlungs- und im Gegensatz dazu die

§ 28. Eingriff in die formale Chancengleichheit der Parteien

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zeß läßt sich keineswegs allein mit Hilfe derartiger abstrakter Maximen bestimmen8 • Dafür wäre nämlich Voraussetzung, daß sie in einer Pro­ zeßordnung jeweils „rein" verwirklicht wären: eben das ist nun aber bekanntlich gerade für den Bereich der Stoffsammlung im heutigen Zivilprozeß keineswegs der Fall. Zudem trifft diese Annahme nicht einmal für den gemeinrechtlichen Zivil­ prozeß einerseits und für den preußischen Reformprozeß der Allgemeinen Gerichtsordnung von 1 793/1 81 5 andererseits zu9 , obwohl doch Gönner seiner­ zeit gerade diese beiden Prozeßformen zum Anlaß nahm, das Gegensatzpaar von „Verhandlungs-" und „Untersuchungsmaxime" aufzustellen10 • Diesen letzteren Maximen mag an sich eine Bedeutung und ein Er­ kenntniswert im Sinne von Idealtypen durchaus zukommen. Im einzel­ nen Prozeß j edoch sind stets Elemente beider Maximen zugleich neben­ einander enthalten11 , nur in j eweils unterschiedlicher Nuancierung und Gewichtung. Die konkrete Abgrenzung von „Richtermacht und Parteienfreiheit" 12 im einzelnen Prozeß und damit auch die Festlegung der Rolle, die dem Richter im Rahmen einer bestimmten Prozeßordnung zugewiesen ist13, ergeben sich vielmehr allein aus der j eweiligen ge­ setzlichen Ausgestaltung14 • Untersuchungsmaxime); 2 . Verantwortlichkeit für die Bestimmung des Pro­ zeßgegenstandes und für die Verfügungen über diesen (hierzu die Dispo­ sitionsmaxime) ; 3. Verantwortlichkeit für den Prozeßbetrieb. - Vgl. in die­ sem Zusammenhang Baur, BSG-Festschrift, der im Rahmen des Gegensatz­ paares „Verhandlungs-/Untersuchungsgrundsatz" jeweils zwei Teilaspekte unterscheidet, nämlich: Verantwortlichkeit für die Einführung des Tatsachen­ stoffs in den Prozeß einerseits und Verwertung dieses Tatsachenstoffs durch das Gericht andererseits (S.41 , 43). 8 Zur Bedeutung der Verfahrensgrundsätze überhaupt s. etwa Grunsky, Grundlagen § 2 = S.1 6 f.; auch StJ-Pohle19 Vorb. II vor § 1 28 ZPO. 9 Diesen Nachweis hat unlängst eingehend Bomsdorf (s. vorstehende Fußn. 5) S. 23 ff., 65 ff. geführt, wobei allerdings die Kritik von Bomsdorf an Gönner ihrerseits auch wiederum teilweise etwas überspitzt ist. 1 0 In seinem Handbuch des deutschen gemeinen Prozesses Bd.1 [1804] Abb. VIII = S.1 75 ff., insbes. §§ 4, 5 = S. 181 ff. 1 1 So im Ansatz schon Gönner selbst § 1 2 = S. 1 9 2 f.; insbes. mit folgender Stelle (S.1 93): ,,. . . der Prozeß ist immer ein sehr zusammengesetzter Gegen­ stand, und bei ihm treten in vielen Fällen so verschiedene Rücksichten ein, daß nach dem obersten Gesetze, der Zweckgemäßtheit öfters nothwendig wird, die Bestimmungen nach einer oder der anderen Rücksicht zu machen. . ." ; Gönner fährt dann freilich fort: ,, . . . Es kämmt aber in der Be­ urtheilung, auf welche Maxime eine Prozeßordnung berechnet sey, auf diese Nebenpunkte [ ! ] gar nicht an, sondern man muß in den Geist eines Verfah­ rens im Ganzen eindringen, und hiernach bestimmen, auf welcher von beiden Maximen derselbe ruhe, welche von beiden also in dem gerichtlichen Ver­ fahren die herrschende sey" (Hervorhebung schon im Original). Recht ähnlich etwas später auch Mittermaier, Gemeiner Prozeß I 1 . Aufl. [18 20] § 8.I = S.44, 49 ; 2 . Aufl. [18 2 2 ] § VIII.! = S. 7 7, 79 (,,kein absoluter Gegensatz" ). 12 Im Anschluß an den Titel des Aufsatzes von Habscheid in ZZP Bd. 81 (1 9 68 ), 1 75 ff.

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1. Teil, 2. Abschn.: Falltypen der Parteilichkeit

Diese Feststellung führt nun für den Bereich des Zivilprozesses15 zur Regelung der §§ 139 und 278 III ZPO i. d. F. der Vereinfachungsnovelle18 , in denen Umfang und Inhalt der richterlichen Hinweis- und Aufklä­ rungspflicht primär17 fixiert sind. § 29. B. Die Rolle des Richters im Zivilprozeß, insbesondere die ihm nach §§ 139 und 278 Ill ZPO zugewiesene Rolle. Allgemeine Abgrenzungsformel 1. Im Rahmen der Ablehnung wegen Besorgnis der Befangenheit bereitet vor allem die genaue Abgrenzung desjenigen richterlichen Verhaltens, das zur Ablehnung berechtigt, gegenüber demjenigen Ver­ halten, das dem Richter durch § 139 I zur Aufgabe gemacht ist oder zu dem er hiernach jedenfalls befugt ist, ersichtlich immer wieder Schwierigkeiten1 • Das liegt einmal daran, daß sich der Aufgabenkreis, der sich für den Richter aus § 139 ergibt, aus dem generalklauselartigen Wortlaut dieser Vorschrift in der Tat nicht ohne weiteres ablesen läßt. 13 Bomsdorf S. 146 spricht insofern recht treffend vom „Mehr oder Weni­ ger amtlicher richterlicher Tätigkeit". 14 Obwohl Grunsky an sich den Prozeßgrundsätzen durchaus einen sogar wesentlichen Aussagewert zumißt (Grundlagen § 2 S. 16 f.) , kommt er letzt­ lich doch zum gleichen Ergebnis, daß nämlich die konkrete Verteilung der Verantwortlichkeit zwischen Gericht und Parteien sich „nicht mehr mit Hilfe der Verfahrensgrundsätze klären" läßt (S. 17). In diesem Zusammenhang ist bemerkenswert, daß, soweit ersichtlich, bei den Beratungen der Vereinfachungsnovelle weder der Regierungsentwurf (= BTagsDrucksache 7/2729) noch die Stenograph. Protokolle oder der schrift­ liche Bericht des BTags-Rechtsausschusses (s. Protokoll 7. Wp., 71., 91., 94. und 96. Sitzung am 18. 9. 75, 10. 3, 1. 4. und 7. 4. 76 sowie BTags-Drucks. 7/5250) die hier erörterten Prozeßmaximen überhaupt erwähnen. Dies ist vielmehr erst­ mals in der 3. Beratung des Gesetzentwurfs im BTags-Plenum der Fall, als die Mitglieder des Rechtsausschusses Abg. Dr. Emmerlich (SPD) und Abg. Dr. Hauser (CDU/CSU) hervorheben, daß durch die ausdrückliche Normierung einer allgemeinen Prozeßförderungspflicht der Parteien die sog. ,,Partei­ maxime" in keiner Weise aufgegeben und daß durch die Einführung des § 278 III ZPO die „Partei- und Verhandlungsmaxime" sogar noch verstärkt würden [s. Dt.BTag, 7. Wp., 247. Sitzung am 3. 6. 76, Stenograph. Bericht S. 17.608 (D), 17.610 (A), 17.611 (D)] . 15 Auf diesen werden sich die folgenden Überlegungen beschränken, weil sich angesichts des nach der h. M. hier herrschenden Verhandlungs- oder Bei­ bringungsgrundsatzes die hier angesprochene Problematik besonders nach­ haltig äußert. Im Bereich der VwGO wären insoweit vor allem die §§ 86 I, III, 87 S. 1 , 3, 104 I zu berücksichtigen (wobei § 87 S. 3 durch Art. 4 Nr. 1 der Ver­ einfachungsnovelle an die gleichzeitige Änderung der ZPO angepaßt ist). 1 8 Vom 3. 12. 76 B GBI. I 3281, hier insbes. Art. 1 Nr. 12 (zu § 141 1) und Nr. 27 (zu §§ 271 - 280). 17 Nähere Ausformungen der Aufklärungspflicht nach § 139 ZPO enthalten insbesondere die §§ 141 und 273. 1 Die Konturen des § 278 III ZPO scheinen demgegenüber, zumindest was den vorliegenden Zusammenhang betrifft, wesentlich klarer zu sein, vgl. inso­ weit die einschlägigen Kommentierungen (jeweils m. w. N.) .

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§ 29. Die Rolle des Richters im Zivilprozeß. Abgrenzungsformel

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Daneben scheint die Unsicherheit aber auch aus der Tatsache zu resul­ tieren, daß ja auch der Begriff der „Parteilichkeit" , der doch geradezu als das Fundament für die Ablehnung wegen Besorgnis der Befangen­ heit anzusehen ist, seinerseits bisher im einzelnen nicht ausreichend reflektiert worden ist. In diesem Zusammenhang wird der Richter häufig davor gewarnt, bei der Erfüllung der Aufklärungspflicht aus § 139 gegen das Gebot der Unparteilichkeit zu verstoßen2 • Der hiermit angesprochenen Gefahr, wegen (Besorgnis der) Befangenheit abgelehnt zu werden, kann der Richter nun aber nicht dadurch entgehen, daß er sich in dieser Hinsicht eine besondere Zurückhaltung auferlegt und es im Zweifel vorzieht, von einer Aufklärung, die ihm an sich angebracht erscheint, lieber abzusehen als eine Ablehnung zu riskieren: denn dann würde er auf der anderen Seite wiederum Gefahr laufen, daß seine anschließend ergehende Entscheidung wegen unterlassener Aufklärung angefochten und u. U. wegen dieses Verfahrensfehlers sogar aufgehoben würde3• Um so mehr besteht des­ halb die Notwendigkeit, den Aufgabenkreis, der sich für den Richter aus § 139 ergibt, möglichst genau einzugrenzen'. Die übliche Abgrenzungsformel geht dann sinngemäß dahin, daß eine Ablehnung des Richters so lange nicht in Betracht kommt, wie seine Fragen, Hinweise, Belehrungen usw. sich innerhalb der Grenzen des § 139 und - wie jetzt zu ergänzen ist - des § 278 III ZPO halten5 • Dieser letztere Ansatz, von Inhalt und Grenzen der §§ 139 und 278 III ZPO auszugehen und so die Grenze zum Bereich der Richter­ ablehnung abzustecken, liegt in der Tat besonders nahe. Die gegen2 Vgl. z. B. Kuchinke, JuS 1 967, ·2 97; OLG Frankfurt/Main v. 3.3. 70 = NJW 70, 1 884 f.; Grunsky, Grundlagen § 1 9.I V = S.1 78 ; BL-Hartmann § 139 ZPO Erl. 2) B und Hartmann, NJW 1 978, 1458, 1461 ; Thomas/Putzo, § 139 ZPO Erl. 1 , 2.a), b); Zöller/Vollkommer11 , § 42 ZPO Erl. 2) b) aa); Zöller/Ste­ phan12, § 139 ZPO Erl. 1 . 1 ; Würthwein, Parteieinfluß S.55, Speziell zum re­ formierten Zivilprozeß der Vereinfachungsnovelle insoweit etwa Baur, Ring­ vorlesung S.1 71 und Arens, Grundprinzipien S.1 0. Dazu, daß das Unparteilichkeits-Postulat gerade auch die richterlichen Maßnahmen im Stadium der Vorbereitung der mündlichen Verhandlung um­ faßt, vgl. Bathe, Verhandlungsmaxime S. 80 f. und 1 01 ff. 3 Spohr, Aufklärungspflicht S. 4. - Zur Anfechtbarkeit wegen Unter­ lassens einer gebotenen Aufklärung s. u. a. StJ-Pohle19 § 139 Erl. 1.2 und BL­ Hartmann § 139 Erl. 1 ) B (m. w. N.). 4 Einen besonders eingehenden Versuch, die Bestimmung des § 139 zu präzisieren, hat vor einigen Jahren Spohr in seiner Arbeit „Die richterliche Aufklärungspflicht (§ 139 ZPO) im Zivilprozeß" [1 969] unternommen, in der er von der jeweiligen Funktion her für den Anwendungsbereich des § 139 drei Falltypen herauskristallisiert hat, nämlich eine „Klarstellungs-" , eine sog. .,Transformations-" und eine „Verständigungsfunktion" (S.56 ff., 69 ff., 152 ff.). 5 Kuchinke, JuS 1 967, 299; StJ-Leipold, § 42 ZPO Rn.11 ; Zöller/Voll­ kommer11 (s. vorstehende Fußn. 2, nicht mehr in dieser Form jetzt in der 1 2. Aufl.) ; Thomas/Putzo § 42 Erl.3; Ernst, Ablehnung S. 210; Stemmler, Be­ fangenheit S. 214; E. Schneider, Anm. NJW 70, 1 885.

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I. Teil, 2. Abschn.: Falltypen der Parteilichkeit

teilige Position: nämlich die richterliche Aufklärung nur so weit zuzu­ lassen, wie sie nicht mit dem Unparteilichkeits-Gebot kollidiert (s. o.), muß demgegenüber zumindest so lange klare Konturen vermissen lassen, wie der Bereich der Parteilichkeit seinerseits nicht zuvor klar eingegrenzt worden ist; und eben dies ist ja nun einmal bislang weit­ gehend nicht der Fall. Trotz ihres entgegengesetzten Ausgangspunktes führen nun aber beide Auffassungen letztlich doch an sich zu genau dem gleichen Ergebnis. Sofern allerdings versucht wird, den zulässigen Umfang der Aufklärungs- und Hinweispflicht von der Parteilichkeit her zu bestimmen, ist der bisherigen stereotypen Formel (s. o.) entge­ genzuhalten, daß sie weitgehend „im Dunkeln" läßt, wie nun eigentlich auf diesem Wege im einzelnen das Ergebnis zu finden sein soll. II. Bei genauerem Zusehen stellt sich dann heraus, daß man auch nach dieser Formel darauf verwiesen wird, den fraglichen Pflichten­ kreis des Richters im einzelnen von den hierfür einschlägigen Normen her, also primär doch von den §§ 139, 278 111 ZPO her, zu bestimmen. Im Rahmen der „Parteilichkeit" hat nämlich die Abgrenzung ersichtlich beim Merkmal der „Unsachlichkeit" anzusetzen: Wenn ein bestimmtes Verhalten des Richters, genauer: die einem solchen Verhalten zu­ grunde liegende innere Einstellung des Richters, in Frage steht, so können sie natürlich nicht als „unsachlich", ,,sach-fremd" (und damit im Ergebnis als „parteilich") gewertet werden, wenn und soweit dieses Verhalten von Rechts wegen, insbesondere durch die Vorschriften der jeweiligen Prozeßordnung selbst, legitimiert und geboten ist. Und auf dieser Basis ist nun einmal vorrangig darauf abzustellen, ob das fragliche Verhalten des Richters eben durch die §§ 139, 278 III ZPO gedeckt ist. Der Sache nach findet sich diese Überlegung bereits auch in .Äuße­ rungen von anderer Seite; nur ist dann jeweils die Abgrenzung inner­ halb des Komplexes der „Parteilichkeit" selbst nicht so deutlich her­ ausgearbeitet, wie es jetzt hier vorgeschlagen wird. So hebt etwa Pohle in der Kommentierung zu § 42 ZPO hervor, daß „Rechtsbelehrungen und sonstige Hinweise an eine Partei . . . keinesfalls zu beanstanden (sind), wenn sie sich im Rahmen des § 139 halten" 8 • In der glei­ chen Richtung, aber wesentlich pointierter formuliert Deubner1 : ,, • • .• Partei­ lich verhält sich ein Richter, wenn er eine Partei entgegen den Geboten des Rechts begünstigt. Sie den Geboten des Rechts entsprechend zu begünstigen, ist dagegen eindeutig seine Pflicht. Die Befolgung von Rechtsnormen ist daher, mag sie sich auch noch so sehr zugunsten einer Partei auswirken, kein Anlaß, dem Richter Parteilichkeit vorzuwerfen . . .". In der Entscheidung vom 24. 3. 76 = E 42, 64 ff., die im folgenden § 31 noch im einzelnen zu würdi8 StJ-Pohle 1 9 § 42 Erl. 11.2 (a. E.); ebenso jetzt Zöller/Vollkommer § 42 Erl. 111.3.a). 7 FS. Schiedermair S. 86.

§30. Anregung zu neuem Angriffs- und Verteidigungsvorbringen?

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gen sein wird, hat das BVerfG der richterlichen Aufklärungspflicht nach § 139 ZPO einen betont weiten Umfang gegeben und dabei die Auffassung der Vorinstanzen ausdrücklich zurückgewiesen, daß durch diese extensive Inter­ pretation der Aufklärungspflicht die richterliche „Pflicht zur Unparteilich­ keit" beeinträchtigt werde (S.75 f., 78). In die gleiche Richtung weist auch E. Schneider, wenn er ausführt, ,,die Erfüllung von Amtspflichten" könne ,,niemals ein objektiver Grund für Parteimißtrauen sein"8• Ähnlich formu­ liert schließlich Wolf, daß der Richter, der in einer bestimmten Weise um Aufklärung eines unklaren Vortrags bemüht ist, ,,sich nur an das Gesetz (hält) und . . . deshalb [ ! ] nicht seine Neutralitätspflicht (verletzt)"9 .

Im weiteren Gedankengang wie auch im Ergebnis unterscheidet sich hier der dargestellte Ansatz in der Regel nicht von der bisher üblichen Abgrenzungsformel, die unmittelbar von § 139 (und § 278 III) ausgeht (s. o.). Im Vergleich zu dieser letzteren Formel hat der hier vorgeschlagene Ansatz jedoch den wesentlichen Vorzug, daß er nicht schon von vornherein auf bestimmte Normen eingeengt ist (hier also §§ 139 und 278 III ZPO). Vielmehr ist er geeignet, ebensogut auch etwaigen anderen rechtlichen Gesichtpunkten Rechnung zu tragen, die womöglich sogar in einem gewissen Spannungsverhältnis zu eben diesen Normen stehen; insbesondere gibt die jetzige Formel auch Raum für Wertungen, die etwa unmittelbar aus der Verfassung selbst abzu­ leiten sind10 • Andererseits bestimmt sich der Umfang der richterlichen Aufklärungs- und Hinweispflicht im Regelfall in der Tat primär nach den §§ 139, 278 III ZPO, weshalb zunächst durchaus eben diese Normen im Vordergrund stehen sollen. § 30. C. Speziell: Befugnis des Richters, auch von sich aus zu neuem Angriffs- oder Verteidigungsvorbringen anzuregen?

1. Im folgenden kann es nun allerdings nicht darum gehen, Inhalt und Umfang der Pflichten und Befugnisse, die sich für den Richter aus §§ 139, 278 III ZPO ergeben, im einzelnen darzustellen. Ohnehin herrscht über die dahingehenden „Konturen" des § 139 und ins­ besondere des § 278 III heute, jedenfalls in den Grundzügen, weit­ gehender Konsens, so daß insoweit auf die einschlägigen Kommen8 MDR 1 97 8, 45; ähnlich auch im Hinblick speziell auf den Rechtszustand nach der Vereinfachungsnovelle: ,, . . . Richterliches Verhalten, das dem neuen Verständnis des Prozeßrechts entspricht, kann . . . grundsätzlich keine Be­ fangenheitsablehnung mehr begründen . . ." (ebd. S.43). Sinngemäß in dieser Richtung auch Nagel, Funktion S.59. 9 Verfahrensrecht § 26 .1.1 = S. 17 4, vgl. auch „Anhang" Fall 3 = S. 350. 10 Hierzu vgl. den folgenden § 31 zur Entscheidung BVerfGE 42, 64 ff., ins­ besondere das Argument des Sondervotums, daß der Zuschlag im dortigen Falle unmittelbar nach Art. 1 03 I GG (i. V. m. § 83 Nr.6 ZVG) von Amts wegen hätte versagt werden müssen.

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I. Teil, 2. Abschn.: Falltypen der Parteilichkeit

tierungen verwiesen werden kann'. Insbesondere findet heute die Tendenz zu umfassender Erörterung der Streitsache mit den Pro­ zeßbeteiligten grundsätzlich durchweg Anerkennung, was nicht zu­ letzt gerade auch in der neuen Vorschrift des § 278 III unmittel­ baren Ausdruck im Gesetz selbst findet (vgl. hierzu die obigen Ausführungen über Äußerungen des Richters zum Verfahrensgegen­ stand, § 24.I). Kontrovers ist heute vor allem noch gerade die hier interessierende Frage, ob der Richter die Erörterung mit den Parteien und etwaige Hinweise auf diejenigen Anträge und den Sachvortrag beschränken muß, die von den Parteien bereits in das Verfahren eingeführt worden sind, oder ob der Richter darüber hinaus von sich aus auch auf die Möglichkeit hinweisen darf, daß eine Partei mit einem veränderten Antrag, mit einem zusätzlichen Angriffs- oder Verteidigungsmittel und/oder mit einem anderen oder erweiterten Sachvortrag mehr Erfolg hätte als mit dem bisherigen prozessualen Vorgehen. Insbesondere wird dabei die Frage diskutiert, ob der Richter den Beklagten von sich aus darauf aufmerksam machen darf, daß die eingeklagte Forderung bereits verj ährt sei und daß er, der Beklagte, folglich die Verj ährungs­ einrede geltend machen könne. Um diese Fragestellung soll es im fol­ genden vorrangig gehen2 • II. Die herrschende Auffassung verneint eine dahingehende Befugnis des Richters, ,,einer Partei neue Klagegründe, Einreden, Repliken von sich aus unterzuschieben" , und erkennt eine darauf gegründete Rich­ terablehnung als begründet an3 • Auch durch die Vereinfachungsnovelle habe sich, von dem Sonderfall des § 278 III abgesehen, an der Rechts­ stellung des Richters im Zivilprozeß nichts geändert (zumal diese Vorschrift ohnehin im wesentlichen nur die schon vorher herrschend gewesene Ansicht gesetzlich fixiert habe)\ Folgerichtig wird denn gerade auch der Hinweis an den Beklagten, daß er die Verjährungs­ einrede geltend machen könne, als unstatthaft angesehen5• 1

Im Hinblick speziell auf die Richterablehnung vgl. daneben vor allem

Stemmler, Befangenheit S. 207 ff. und Ernst, Ablehnung S. 208 ff. 2 Weitere Beispielsfälle dieser Art s. bei Wieczorek 1 2 § 139 Erl. B.III.b und bei E. Schneider, MDR 1977, 974. - Speziell mit der Anregung, einen pro­

zessualen Antrag zurückzunehmen, wird sich der folgende § 31 befassen. 3 So StJ-Pohle 19 § 139 Erl. II.l.c). Ebenso Wieczorek 1 2 § 139 Erl. B.II.b, B.III.b und § 42 Erl. B.III.a.2; in diesem Sinne auch BL-Hartmann § 42 ZPO Erl. 2) B.a); Thomas/Putzo § 139 Erl. 2.b) (a. E.) und Stemmler, Befangenheit s. 214 ff. 4 In diesem Sinne ausdrücklich Thomas/Putzo § 139 Erl. 2.b) bb). 5 Wieczorek I 2 § 139 Erl. B.III.b; Zöller/Stephan 12 § 139 Erl. II.2; Tho­ mas/Putzo § 139 Erl. 2.a) cc); Franzki, DRiZ 1977, 164 und NJW 79, 12; sowie aus der Judikatur, soweit ersichtlich, zuletzt OLG Bremen vom 14. 8. 79 NJW 1979, 2215 und OLG Köln vom 1. 8. 79 = MDR 1979, 1027 f.

§30 . Anregung zu neuem Angriffs- und Verteidigungsvorbringen?

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Demgegenüber hält eine neuere Auffassung den Satz, daß der Richter zu entscheiden, nicht aber die Parteien zu beraten habe, insbesondere mit Rücksicht auf die Wertungen des Grundgesetzes für verfehlt. Im Gegenteil sei es um der Durchsetzung einer nicht nur formalen, sondern gerade auch materiellen Chancengleichheit willen erforderlich, daß der Richter zumal dem rechtsunkundigen, anwaltlich nicht vertretenen Bürger dazu verhelfe, daß auch er im Prozeß von seiner Dispositionsfreiheit optimal Gebrauch machen könne; dazu ge­ höre nun aber einmal, daß der Richter ihn auf die ihm gegebenen Rechte hinweise, wenn er selbst nicht in der Lage sei, die rechtlichen Gegebenheiten der Streitsache zu überblicken6 • Aus dieser umfassen­ den Aufgabe soll dann gerade auch im Rahmen des § 139 die Pflicht folgen, etwa auf eine an sich gegebene Verj ährungseinrede hinzu­ weisen, sofern der Beklagte sich nicht schon von sich aus darauf berufen hat7 • Spätestens durch die Vereinfachungsnovelle habe sich der Aufgabenkreis des Richters insofern nachhaltig geändert8 • III. Allgemein wird sich zu dem soeben angesprochenen Fragen­ komplex zunächst sagen lassen, daß man sich bei der gebotenen Grenzziehung nicht auf die des öfteren anzutreffende Formel wird zurückziehen dürfen, daß dem Richter für die Erfüllung der Aufklä­ rungspflicht ein Ermessens- oder Beurteilungsspielraum zur Verfügung stehe9 • Spohr, der diese Annahme selbst als unzutreffend ablehnt10 , weist aller­ dings mit Recht zugleich darauf hin, daß „derartige Stellungnahmen aber doch einen berechtigten Hintergrund" haben. Selbst wenn sich nämlich theo­ retisch genaue „funktionelle Grenzen herausarbeiten" lassen, so verbleibt „in der prozessualen Praxis trotzdem ein Unsicherheitsbereich, weil dem Gericht in jedem Fall die der theoretischen Erfassung weitgehend unzugängliche Aufgabe verbleibt festzustellen, ob die Notwendigkeit, helfend einzugreifen, überhaupt besteht"11• 8 Ausführlich hierzu jetzt die Schrift von Wassermann, Der soziale Zivil­ prozeß [1 9 78] , insbesondere S. 1 1 0 ff. und 1 73 ff.; vgl. in Kürze auch Ben­ der/Belz/Wax, Vereinfachungsnovelle S. 7 f. = Rn. 8 ff. 7 Menne, ZZP Bd. 88 (1 9 75), 282; Deubner, FS. Schiedermair S. 83 Fußn. 6 ; Bender S. 8 Rn. 10 ; Langer, JZ 1 9 77, 381 ; E. Schneider, MDR 1 9 77, 9 74, in die­ sem Sinne zuvor schon in MDR 1 96 8, 723 und ebenso jetzt in DRiZ 1 9 78, 45 sowie eingehend jetzt in dem erst nach Drucklegung des Manuskripts ver­ öffentlichten Aufsatz in MDR 1 9 79 , 9 74 ff. (im Anschluß an die Entsch. des LG Braunschweig vom 20.3. 79 = NdsRPfl.1 9 79 , 1 46 f.); vgl. in diesem Sinne ferner Wassermann S. 11 9 sowie 1 75 ff. und jetzt nachdrücklich auch Zöller/ Vollkammer § 42 Erl. III.3.a). 8 So mit Nachdruck E. Schneider, MDR 1 9 77, 9 73. 9 So aber etwa Kuchinke, Jus 1 96 7, 29 7 ; StJ-Poh!e 19 § 139 Erl. 1.2 (a. E.) und Grunsky, Grundlagen § 1 9 .IV = S.1 79 . 10 Aufklärungspflicht S. 5. 11 Ebd. S.1 93.

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I. Teil, 2. Abschn.: Falltypen der Parteilichkeit

Auf dieser Basis wird auf die gesamten Umstände des jeweiligen Einzelfalles abgestellt werden müssen, wenn es darum geht zu beur­ teilen, ob der Richter die Grenzen des § 139 gewahrt hat oder nicht12• Wenn ansonsten wiederholt gesagt wird, daß die Aufklärungspflicht einen unterschiedlichen Inhalt und Umfang habe je nachdem, ob ein Prozeßbeteiligter anwaltlich vertreten sei oder nicht'3, so ist dieser Satz in dieser Form zumindest mißverständlich formuliert. Denn die Tatsache, daß die frühere Regelung des § 502 I ZPO i. d. F. der sog. AG-Novelle 190914 , die auf den Amtsgerichtsprozeß beschränkt war, anläßlich der Emminger-Verordnung 1924 aufgehoben und inhaltlich durch die jetzige Fassung des § 139 I ersetzt worden ist", die sowohl für den Amtsgerichts- wie auch für den Landgerichtsprozeß gilt, besagt ja gerade, daß die hier statuierte Aufklärungspflicht im Prinzip gleichermaßen für den Parteien- wie auch für den Anwaltsprozeß gilt' 6 • Eine ganz andere Frage ist es demgegenüber allerdings - und das soll wohl eigentlich auch mit der erwähnten Formulierung zum Ausdruck gebracht werden -, ob und ggf. ,,inwieweit die Ausübung der richterlichen . . . Pflichten im Einzelfall erforderlich ist" 17 • Die Ant­ wort auf diese letztere Frage kann in der Tat unterschiedlich ausfallen je nachdem, ob die betr. Partei anwaltlich vertreten ist oder nicht, ohne daß aber dieser Umstand dabei schon als solcher den Ausschlag geben würde18 •

Schließlich ist in diesem Zusammenhang noch das Verbot einseitiger Kon­ taktnahme mit einer Partei zu erwähnen, das ja schon aus dem Grundsatz der Parteiöffentlichkeit folgt19 • Dieses Verbot besagt, daß der Richter die für

12 StJ-LeipoZd § 42 ZPO Rn.11 und StJ-Pohle 19 § 139 Erl. 1.2 ; Zöller/Voll­ kommer'2 § 42 Erl. IIl.1 (a. E.) und Zöller/Stephan11 § 139 Erl. I.l (a. E.); Thomas/Putzo § 42 Erl. 2.b); Jauernig, ZivProzRecht § 2 5.VIl.5 = S.75. 13 StJ-Poh1e 19 § 139 Erl. II.2 ; BL-Hartmann § 42 Erl. 2) B.a) ; Blomeyer, LB § 1 9.I = S.85 ; Jauernig, ZivProzRecht § 25 .VII = S.7 4; Ernst, Ablehnung s. 21 5. 14 Gesetz, betreffend Änderungen des Gerichtsverfassungsgesetzes, der Zivilprozeßordnung, des Gerichtskostengesetzes und der Gebührenordnung für Rechtsanwälte vom 1. Juni 1 909 (= RGBl. 1 909, 475 ), hier: Art. II Nr.26 (Neufassung der §§ 495 - 51 0 c ZPO). 16 Verordnung über das Verfahren in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten vom 1 3. 2.1 92 4 ( = RGBI. I 135), hier: Art. II Nr.8 und63. 18 Kuchinke, Jus 1967, 301 und jetzt insbesondere E. Schneider, MDR 1977 , 970 f., ebenso jetzt auch Zöller/Stephann § 139 Erl. II.1. 17 Kuchinke ebd., ebenso auch Schneider (s. vorstehende Fußn.). 18 Kuchinke und Schneider ebd.; Wolf, Verfahrensrecht § 26.Il.5 = S.1 78; auch Spohr, Aufklärungspflicht S. 1 96 f.; zu pauschal gleichstellend dem­ gegenüber wohl Hartmann, NJW 78, 1458 ; ähnlich wie hier differenzierend BGH V.6.6.77 = RPfleger 1977, 359 f. (360). 19 Vgl. näher hierzu z.B. Zöller/Stephan 11 § 139 Erl. II.2 (a. E.) ; Ernst, Ablehnung S. 21 6; Stemmler, Befangenheit S. 22 0 f.; OLG Oldenburg v. 2 9.1 0. 62 = Soz.Entsch. I/4 lfde. Nr. 19/IV zu § 60 SGG; sowie v. 14. 12.62 = NJW

§ 30. Anregung zu neuem Angriffs- und Verteidigungsvorbringen?

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geboten gehaltene Aufklärung nur innerhalb des Verfahrens betreiben darf, d. h. aber, daß er auch die Gegenseite in diese Aufklärung mit einbeziehen und auch ihr Gelegenheit zur Stellungnahme geben soll. Nun bedeutet aller­ dings der nur einseitige Kontakt des Richters mit einer Partei als solcher noch keine Befangenheit selbst, sofern ihm nicht gerade eine dahingehende unsachliche innere Einstellung des Richters zugrunde liegt. Vielmehr stellt ein solches Verhalten zunächst einmal nur einen Verfahrensfehler dar (Ver­ kürzung des rechtlichen Gehörs für die Gegenseite); darüber hinaus mag es aber immerhin Anlaß zur Besorgnis der Befangenheit geben, nämlich zum einen in der Richtung, daß der Richter sich gerade aus Voreingenommenheit einseitig an die andere Partei gewandt habe, und zum andern in der Rich­ tung, daß er eben auf Grund der einseitigen Erörterung der Streitsache mit nur einer Seite nunmehr voreingenommen sei. IV. Für die spezielle Fragestellung nun, um die es hier näher gehen soll (s. o. zu 1.), ist mit Baur davon auszugehen, daß der Gesetzgeber dem Richter durch die §§ 139 und 278 III ZPO im Verhältnis zu den Parteien eine gewisse Fürsorgepflicht auferlegt hat20 • Der Wortlaut dieser Vorschriften verlangt ihm dabei in den dort angegebenen Gren­ zen sogar ein deutliches Aktivwerden ab: nicht nur, daß er nach § 139 I 2 die Streitsache mit den Parteien „erörtern" und „Fragen . . . stellen" soll, - sondern darüber hinaus soll er nach § 278 III von sich aus auf bestimmte entscheidungserhebliche rechtliche Gesichtspunkte hinweisen und im übrigen nach § 139 I 1 die Parteien auch zu weiterem Vortrag und zur Stellung sachdienlicher Anträge anhalten (,, . . . dahin . . . wirken, daß . . . "). Ebenfalls in diesem Zusammenhang ist die neuer­ dings zunehmende Tendenz zu sehen, die Streitsache mit den Parteien in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht auch über den Rahmen des § 139 I 2 hinaus zu erörtern; wesentlich dabei ist, daß ja diese Tendenz nach dem vorhin Gesagten - sofern nicht im Einzelfall ausnahmsweise besondere, Befangenheits-begründende Momente hinzutreten - mit der Pflicht zur Unparteilichkeit ohne weiteres zu vereinbaren ist. 1. Hieraus folgt zunächst einmal, daß der (vorläufigen) Stellungnahme des Richters zur tatsächlichen und/oder rechtlichen Würdigung der Streitsache zumindest dann nichts entgegensteht, wenn sie auf der Basis der bisher gestellten Anträge und des bisherigen Tatsachenstoffs erfolgt. Dabei macht es im übrigen auch keinen Unterschied, wenn der Richter insoweit zu Schlußfolgerungen gelangt, die von den Par­ teien entweder übersehen oder für unerheblich gehalten und deshalb nicht weiter berücksichtigt worden sind: in einem solchen Fall verbietet 63, 451 ; LSozG NRW v. 19. 11. 63 SozEntsch. 1/4 lfde. Nr. 19/11 zu § 60 SGG; speziell im Hinblick auf Maßnahmen im Stadium der Vorbereitung der mündlichen Verhandlung s. Bathe, Verhandlungsmaxime S. 80 f., 102 f. 20 Aktivität S. 194 und 202; insoweit zurückhaltend Wolf, Verfahrensrecht § 26.111.2 = S. 180, der eine etwaige Fürsorgepflicht des Gerichts jedenfalls nicht auf die hier gemeinten Fallkonstellationen beziehen will.

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1. Teil, 2. Abschn.: Falltypen der Parteilichkeit

§ 278 III ihm sogar, eine dahingehende rechtliche Würdigung bis zur Entscheidung zurückzuhalten, im Gegenteil verpflichtet ihn diese Vor­ schrift ausdrücklich zu einem diesbezüglichen Hinweis an die Parteien, um sie vor einer „Überraschungsentscheidung" zu schützen und ihnen Gelegenheit zu geben, vor Erlaß der Entscheidung auch zu dieser rechtlichen Würdigung Stellung zu nehmen. Sinngemäß muß das eben Gesagte nun auch für den Fall gelten, daß der Richter im Rahmen der Erörterung mit den Parteien zu er­ kennen gibt, die eine Seite könne das von ihr verfolgte Ziel günstiger mit einem etwas veränderten prozessualen Vorgehen erreichen, sei es daß sie ihren Antrag besser auf die Klagebegründung abstimme oder daß sie die Klagebegründung etwa von Verschuldens- auf Gefähr­ dungshaftung, von Vertrags- auf Bereicherungshaftung umstelle: in derartigen Fällen gibt der Richter der Partei noch nicht eigentlich völlig neues Angriffs- oder Verteidigungsvorbringen an die Hand, vielmehr bleiben Rechtsschutzziel und zugrunde liegender Lebenssach­ verhalt im wesentlichen gleich, und der Richter verhilft der betr. Partei durch seinen Hinweis - in den Grenzen des § 264 ZPO - ledig­ lich dazu, daß Begründung und Antrag sich besser decken oder daß die „an sich" begründete Klage auch tatsächlich dementsprechend be­ gründet wird21 • Im Ausgangspunkt erfaßt das bisher Gesagte nun aber eigentlich gerade auch den Fall, daß sich nach Auffassung des Richters aus dem bisherigen Vortrag der Parteien an sich auch Einreden oder Repliken ableiten ließen, die bisher noch nicht geltend gemacht worden sind. Wenn nun der Richter die Parteien von sich aus auf diese Möglichkeit hinweist, so handelt es sich ja eigentlich auch hier lediglich um die rechtliche Würdigung des bereits vorgegebenen Streitstoffes. Indessen erschöpft sich diese Fallvariante ersichtlich darin nicht: allein schon die bloße Erwähnung dieses rechtlichen Gesichtspunktes gibt der hier­ von begünstigten Partei, wenn ihr dieser Gesichtspunkt bisher ent­ gangen war und sie nicht lediglich aus anderen Gründen bewußt davon abgesehen hat, sich hierauf zu berufen22 , potentiell ein neues Angriffs- oder Verteidigungsmittel an die Hand, mit dessen Hilfe die bisherige Aussicht der Gegenseite, den Prozeß zu gewinnen, ganz oder teilweise zunichte gemacht werden kann23 • 21

Vgl. hierzu die Ausführungen bei Henckel, Prozeßrecht S. 128 ff. Darauf, daß im Einzelfall womöglich auch einmal bewußt von einer an sich gegebenen Verjährungseinrede kein Gebrauch gemacht wird, weil z. B. die Berufung hierauf als „wenig honorig" angesehen wird, weist etwa E. Schneider in MDR 1968, 723 hin. 23 Daß die hier erörterte Fallkonstellation mit den Argumenten zur bloßen Äußerung der Rechtsansicht nicht adäquat erfaßt werden kann, hebt auch Stemmler, Befangenheit S. 216 ff. hervor. - Andererseits wird aber zugleich 22

§30. Anregung zu neuem Angriffs- und Verteidigungsvorbringen?

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2. Daß ein solcher Hinweis j edenfalls nicht durch § 278 III gedeckt ist, hat mit Recht auch E. Schneider betont24 , der ja an sich ein derarti­ ges Verhalten des Richters nachdrücklich befürwortet. Ob man aller­ dings mit Wieczorek so weit gehen kann zu sagen, daß derart weit­ reichende Hinweise des Richters an die Parteien überhaupt nur dann gestattet seien, wenn das Gesetz sie ausdrücklich vorschreibe25, erscheint indessen zu formal. - Wenn andererseits Langer26 der Ansicht ist, daß „der Richter nicht (aufhört), unparteiisch zu sein, wenn er etwa eine Partei, die nichts davon weiß oder nicht daran denkt, auf die Möglich­ keit und Notwendigkeit etwa einer Einrede der Verj ährung oder einer Aufrechnungserklärung hinweist" , so kann auch seine Begründung nicht recht überzeugen21 ; sein Argument, der Richter müsse „eben mit beiden Seiten mitdenken - wie einer, der beim Schachspiel unbeteiligt zuschaut oder gar gegen sich selbst spielt" , erfaßt nämlich ersichtlich nur einen Teilaspekt und läßt gerade das Moment außer Betracht, auf das es hier entscheidend ankommt: daß der Richter hier nicht nur mitdenkt, sondern das Resultat dieses seines Denkens anschließend den Prozeßbeteiligten mitteilt und eben dadurch der einen Seite auf Kosten der anderen Seite eine vorteilhaftere Position verschafft.

Dann aber hilft auch das weitere Argument Langers nicht weiter, daß „der Richter .. . ja auch, wenn er pflichtgemäß auf einen Vergleich hinwirken will, die An- und Absichten beider Parteien überschauen (muß), um sie in Einklang bringen zu können . . ."; insoweit geht es nämlich nur um die Ab­ wägung dessen, was von den Parteien bisher vorgetragen oder immerhin an­ gekündigt worden ist, nicht jedoch um den Hinweis auf neue Angriffs- und Verteidigungsmittel, dessen Statthaftigkeit aber Langer gerade auf diesem Wege begründen wm2s. mit Recht darauf hingewiesen, daß ein derartiger Hinweis möglichst in eine Erörterung mit den Parteien einbezogen und nicht etwa unvermittelt gege­ ben werden solle, da sich sonst zu leicht jedenfalls der Verdacht einer Be­ fangenheit aufdrängen könne, vgl. in diesem Sinne etwa Ernst, Ablehnung S. 216 und Wassermann, Zivilprozeß S. 176. 24 MDR 1977, 885 ; ebenso zuvor Franzki, DRiZ 1977, 16 4. 25 So der Umkehrschluß bei Wieczorek 1 2 § 42 ZPO Erl. B.III.a.2. 28 JZ 1977,381. 27 Zustimmend zu Langer j edoch Wassermann, Zivilprozeß S. 176 . 28 Ansonsten allerdings ist der Beitrag von Langer gerade im jetzigen Zu­ sammenhang, in dem es um die Ausgestaltung der Rolle des Richters im Zivilprozeß geht, außerordentlich instruktiv, insofern als er auf die Entwick­ lung des oesterreichischen Zivilprozeßrechts verweist, in dem - vor allem auf Grund des Einflusses von Anton Menger und Franz Klein - die soziale Aufgabe des Richters im Prozeß eine wesentlich stärkere Ausprägung erhal­ ten hat als im deutschen Zivilprozeß. Es wäre überaus reizvoll, den Anregun­ gen von Langer zu folgen und näher zu untersuchen, wie im oesterreichi­ schen Zivilprozeßrecht im einzelnen die Grenze zwischen richterlicher Pro­ zeßleitung und Fürsorgepflicht einerseits und (Besorgnis der) Befangenheit andererseits gezogen wird, - dies um so mehr, als wesentliche Anstöße für die wiederholten Reformen des deutschen Zivilprozeßrechts j a gerade vom oesterreichischen Recht ausgegangen sind. Eine derartige vertiefte Erörte-

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Nach Wolf9 schließlich soll ein Hinweis auf an sich gegebene Gegen­ rechte jedenfalls dann geboten sein, wenn hierdurch insbesondere der Streitgegenstand als solcher nicht verändert wird und soweit hierdurch soziale Schutzgesetze zur Geltung gebracht werden sollen, deren Schutz andernfalls der begünstigten Partei verlorenginge30• Es mag hier dahinstehen, ob diese Auffassung von Wolf Zustimmung finden kann; denn jedenfalls diej enigen Fallkonstellationen, um die es hier vor­ rangig gehen soll (s. o.), werden von seiner Formel ersichtlich nicht erfaßt und wären somit durch § 139 nicht gedeckt. 3. Wenn nun verschiedentlich behauptet wird, dem Richter seien gegenüber den Parteien j edenfalls „Rat" und „Empfehlung" in der angegebenen Richtung versagt, so ist mit dieser Angabe möglicherweise keineswegs immer das gleiche gemeint. Denn die Intensität, mit der der Richter den neuen Gesichtspunkt in das Verfahren einbringt und mit der er womöglich auch auf das weitere prozessuale Verhalten der Partei Einfluß zu nehmen versucht, kann von Fall zu Fall recht unter­ schiedlich sein, ohne daß aus der Formulierung „Rat" bzw. ,,Empfeh­ lung" allein schon ersichtlich wäre, ein wie weiter oder wie enger Bereich auf j ener Skala damit eingegrenzt werden soll. Im einzelnen läßt sich der „Hinweis" des Richters z. B . auf die Verjährungseinrede etwa in folgenden Abstufungen vorstellen:

- Der Richter beschränkt sich im Rahmen der Erörterung mit den Par­ teien auf die bloße Feststellung, daß die eingeklagte oder zur Aufrechnung gestellte Forderung „an sich verjährt" sei. - Der Richter äußert darüber hinaus, ohne sich dabei aber speziell an die betroffene Partei zu wenden, daß bei einer solchen Sachlage an sich j a die Verjährungseinrede geltend gemacht werden könne. - Der Richter wendet sich speziell an die betroffene Partei und fragt sie direkt, ob sie angesichts der aufgezeigten Möglichkeiten die Einrede geltend machen wolle. - Der Richter beschränkt sich nicht auf diese bloße Frage, sondern legt der Partei von sich aus ausdrücklich nahe, die Einrede geltend zu machen; dabei kann dieses direkte Zugehen auf die Partei seinerseits nochmals von der bloßen distanzierten Anregung bis hin zum bestimmenden Zureden reichen. rung würde j edoch eine detaillierte Einarbeitung in die einschlägige oester­ reichische Literatur und Judikatur voraussetzen, was im Rahmen der vorl. Arbeit indessen nicht geleistet werden kann. (Zur näheren Information vgl., außer den weiterführenden Hinweisen bei Langer selbst, etwa die beiden Aufsätze von Sprung in ZZP Bd. 90 [1 977 ] , 380 ff. und in ZZP Bd. 9 2 [1 979 ] , 4 ff.). 29 Verfahrensrecht § 26.11 = S.176 ff. und „Anhang" Fall 3 = S.350 f. 30 Wolf führt in diesem Zusammenhang (s. ,,Anhang" ebd.) als Beispiel an, daß der Richter in einem Räumungsprozeß die rechtsunkundige, nicht an­ waltlich vertretene Partei auf das ihr zur Verfügung stehende Widerspruchs­ recht des Mieters nach § 556 a BGB hinweist.

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Sicher liegt ein „Rat" bzw. eine ..�mpfehlung" vor, wenn sich der Richter im Sinne der vierten = letzten Stufe verhält. Eine solche Ab­ grenzung würde allerdings vernachlässigen, daß die direkte Frage an die Partei in der Wirkung einer in die Form einer Aussage gekleideten Anregung ohne weiteres gleichkommen kann. Aber auch gegenüber der ersten und zweiten Stufe erweist sich eine klare Grenzziehung oft genug als kaum durchführbar: Denn einer rechtskundigen Partei, sei sie nun anwaltlich vertreten oder nicht, dürfte bereits die bloße Erwäh­ nung, daß die Forderung der Gegenseite verjährt ist, genügen, um den ihr damit zugespielten Ball aufzugreifen und daraufhin schon von sich aus die Verjährungseinrede zu erheben31 ; eine weniger informierte, anwaltlich nicht vertretene und vielleicht auch weniger gewandte Partei wird dagegen erst eines wesentlich nachhaltigeren und direkten „Anstoßes" durch den Richter bedürfen, um sich der ihr zustehenden Rechte bewußt zu werden und dann hiervon auch tatsächlich Gebrauch zu machen. Eine Differenzierung allein danach, ob der Richter sich auf einen bloßen feststellenden Hinweis beschränkt oder ob er darüber hinaus von sich aus auf die Partei zugeht und ihr einen entsprechenden Rat erteilt, erscheint demnach zu vordergründig-schematisch, als daß auf diese Weise das Verhalten, das dem Richter gestattet sein soll, sachgerecht gegenüber dem Bereich der Befangenheit abgegrenzt wer­ den könnte32 • Ohnehin wird einer derartigen Differenzierung entgegenzuhalten sein, daß es für die Bejahung oder Verneinung einer Befangenheit ja nicht eigentlich auf den äußeren Tatbestand, sondern vielmehr auf die jeweilige zugrunde liegende innere Einstellung des Richters zum Fall ankommen soll.

Mit Rücksicht auf diesen Einwand scheint sich eine Abgrenzung etwa danach anzubieten, ob der Richter durch seinen - wie im einzelnen auch immer gestalteten - ,,Hinweis" bewußt einer Partei eine Hilfestellung geben33 oder ob er lediglich „überhaupt" und abstrakt auf den fraglichen Ge31 Andeutungen in dieser Richtung bei StJ-Pohle19 § 139 Erl. 11.1.c). 32 Das zeigt gerade der Gedanke bei Pohle (s. vorstehende Fußnote) deut­ lich, obgleich der Verf. dann doch zwischen (zulässigem) Hinweis und (unzu­ lässigem) weitergehendem Rat unterscheidet. Im Ergebnis ähnlich wie hier Wassennann, Zivilprozeß S.1 75, 1 76. Ernst, Ablehnung S. 21 5 ff. scheint dem­ gegenüber davon auszugehen, daß sich zwischen „Rat und Empfehlung" einerseits und „Frage" andererseits ausreichend differenzieren läßt, ohne daß allerdings die Problemerörterung bei ihm insoweit weiter vertieft wird. 33 Außer Betracht zu bleiben hat hier natürlich der Fall, daß der Richter dieser Partei aus Gründen helfen will, die schon nach den früheren Ausfüh­ rungen eine Befangenheit begründen, wie z. B. aus persönlicher Voreinge­ nommenheit oder aus persönlichem, eigenem Interesse. Hier geht es viel­ mehr darum, daß der Richter sich gerade ohne eine derartige persönliche Be­ ziehung zum Fall dazu veranlaßt sieht, auf einen Gesichtspunkt aufmerksam zu machen, der für eine Partei vorteilhaft ist und ihr dazu verhelfen kann, die bisherigen Aussichten, den Prozeß zu gewinnen, zum Nachteil der Gegen­ seite entscheidend zu verändern. lZ Rledel

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sichtspunkt aufmerksam machen will. Diese Unterscheidung hilft indessen ebenfalls kaum weiter. Wie soeben gezeigt, muß der Richter nämlich be­ denken, daß womöglich schon die bloße Erwähnung, die Forderung sei j a eigentlich verj ährt, von der Partei aufgegriffen und in ein neues Angriffs­ oder Verteidigungsmittel umgemünzt wird, daß er also dieser Partei allein schon durch die bloße Erwähnung einen Ball zuspielt und so in die bisherige formale Chancengleichheit zugunsten einer Seite eingreift. Wenn es hiernach von Zufälligkeiten abhängt, ob die Partei bereits den bloßen Hinweis auf­ greift oder ob sie einer weitergehenden Hilfestellung bedarf, dann erscheint auch die jetzt angesprochene Differenzierung ungeeignet. 4. Statt dessen ist ganz allgemein und grundsätzlich zu fragen, ob der Richter, der sich im Rahmen der ihm zugewiesenen Rolle halten will, bei der Erörterung mit den Parteien darauf hinweisen darf, daß einer Seite an sich zusätzliche Angriffs- oder Verteidigungsmittel zur Ver­ fügung stehen, von denen sie bisher keinen Gebrauch gemacht hat, mit deren Hilfe sie aber die bisherige Überlegenheit des Gegners in Frage stellen könnte. Als Lösungsansatz bietet sich hierzu folgende Überlegung an: Wie die Formulierungen des § 139 I zeigen, obliegt es dem Richter lediglich, die Parteien dazu zu veranlassen, daß sie ihrerseits den Tatsachenvor­ trag vervollständigen, Beweise antreten und sachdienliche Anträge stellen. Die Herrschaft über den Streitstoff (im weitesten Sinne) liegt also ersichtlich letztlich allein bei den Parteien, während die richter­ liche Aufklärung dementsprechend auf den zwischen den Parteien bestehenden Streit, wie ihn das Gericht vorfindet, beschränkt ist. Hier­ aus folgt zum einen, daß der Richter die Parteien allenfalls dazu anregen darf, von bestimniten neuen Angriffs- oder Verteidigungs­ mitteln, die er aufgezeigt hat, Gebrauch zu machen: ob die jeweilige Partei die Anregung aufgreift oder nicht, bleibt ihrer alleinigen Ent­ scheidung vorbehalten, auf die der Richter keinen weitergehenden Einfluß, etwa durch Drängen oder Überreden-Wollen, nehmen darf. 5. Über diesen allseits anerkannten34 Satz hinaus wird nun aber verschiedentlich auch der weitere Schluß gezogen, daß die richterliche Aufklärung nicht über den Angriffs- oder Verteidigungswillen hinaus­ gehen dürfe, wie die Parteien ihn im Rahmen ihres bisherigen Vortrags ausdrücklich oder wenigstens andeutungsweise zum Ausdruck gebracht hätten35 •

34 Auch diejenigen Autoren, die dem Richter die Anregung zu neuen An­ griffs- oder Verteidigungsmitteln in weitem Umfang gestatten wollen, heben diesen Vorrang der Dispositionsfreiheit der Parteien hervor, vgl. Bender/ Belz/Wax, Vereinfachungsnovelle Rn. 10 = S. 8; Wassermann, Zivilprozeß S. 176 und passim; Wolf, Verfahrensrecht § 26.II.3, 4 = S. 176 ff. 35 Eingehend hierzu Spohr, Aufklärungspflicht S. 78 ff., 84 ff., 136 ff. sowie Stemmler, Befangenheit S. 209 ff.; vgl. daneben etwa Kuchinke, Jus 1967, 299; Lepa, DRiZ 1969, 8; StJ-Pohle'" § 139 Erl. 11.2; Wieczorek 1 2 § 139 Erl. B.11.b; Thomas/Putzo § 139 Erl. 2.b) bb) ; Zöller/Stephan § 139 Erl. 1.2 (a. E.) und II.2.

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Im Falle der hier erörterten Verjährungseinrede würde das z. B. voraus.,. setzen, daß der Gegner sich ersichtlich umfassend gegen die geltend gemachte Forderung verteidigen will und zumindest „irgendwie" , wenn auch ohne sub­ stantiierte juristische Würdigung, den Aspekt des Zeitablaufs von sich aus bereits zur Sprache gebracht hat38 • Diese „Transformation" 37 des wenigstens andeutungsweise zum Aus­ druck gebrachten Parteiwillens in die entsprechenden juristischen Ka­ tegorien wird dem Richter ohne weiteres zugestanden werden können, da er hier eigentlich nicht von sich aus völlig neue Gesichtspunkte zur Sprache bringt, sondern im Grunde nur solche Gesichtspunkte auf­ greift und verdeutlicht, die ja zuvor von den Parteien ihrerseits in das Verfahren eingebracht worden sind. Fraglich bleibt demgegenüber, ob der Richter mit Hinweisen und Anregungen auch darüber hinaus initiativ werden kann. E. Schneider weist hierzu mit Recht darauf hin, daß die Abgrenzung danach, ob es im Parteivorbringen entsprechende Ansatz­ punkte gibt oder nicht, ,,subjektiv dehnbar" sei und daß sich derartige Ansatzpunkte ,,,bei gutem Willen' meist finden" ließen; dieses Kri­ terium solle deshalb besser aufgegeben werden38 • 6. Statt dessen wird verschiedentlich vorgeschlagen, in Anlehnung an den Wortlaut des § 139 I 1 (,, . . . sachdienliche Anträge stellen . . . ") An­ regungen zu neuem Angriffs- oder Verteidigungsvorbringen unabhän­ gig davon, ob die Parteien sich bereits darauf berufen haben oder nicht, immer dann zu gestatten, wenn ihr Einbringen in den Prozeß objektiv „sachdienlich" sei39 • Das Moment der Sachdienlichkeit wird dabei in Anlehnung an § 264 ZPO dahin verstanden, daß „der zwischen den Parteien bestehende Streit endgültig ausgeräumt und einem neuen Rechtsstreit nach Möglichkeit vorgebeugt wird" 40 • Teilweise beruft man sich hierzu auch auf die Rechtsprechung des BGH, die insoweit jedoch eine klare Linie nicht ohne weiteres erkennen läßt. Ge­ rnde die in diesem Zusammenhang wiederholt zitierte Entscheidung BGHZ 3, 206 ff. (s. vorstehendes Zitat) kann nur mit Vorbehalten als Beleg für diese 38

Vgl. hierzu z. B. E. Schneider, MDR 1968, 723; Spohr S. 141 ff. und

Stemmler S. 215.

3 7 Im Anschluß an Spohr, Aufklärungspflicht S. 78 ff. Dazu daß die ver­ schiedenen richterlichen Funktionen, die Verf. im Rahmen des § 139 unter­ scheidet (,,Klarstellungs-", ,,Transformations-" und „Verständigungsfunk­ tion") im vorliegenden Zusammenhang „ineinander übergehen", vgl. dort S. 141 Fußn. 178 und S. 152 mit Fußn. 1 . 3 8 MDR 1977, 974. 39 So etwa Deubner, FS. Schiedermair S. 83 mit Fußn. 6 und der Sache nach, wenn auch ohne Berufung speziell auf das Moment der Sachdienlich­ keit, zumindest teilweise auch E. Schneider ebd. (s. vorstehende Fußn.) ; sinngemäß in dieser Richtung, zumindest für den Amtsgerichtsprozeß, auch Koch, NJW 1966, 1648 f. Abl. demgegenüber Spohr S. 70 ff. und Stemmler, Befangenheit S. 2 1 1 ff. 4o BGH v. 2. 10. 51 = BGHZ 3, 206 ff. (213).

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Auffassung herangezogen werden: Denn zwar geht sie im Wortlaut zunächst davon aus, daß ausschlaggebend die Sachdienlichkeit im Sinne des § 264 ZPO sei. Anschließend jedoch stellen die Entscheidungsgründe maßgeblich mit darauf ab, daß der Kläger, wenn auch in unzutreffender Formulierung, auch selbst einen dahingehenden Willen zum Ausdruck gebracht habe, wie ihn der Vorderrichter dann als sachdienlich angesehen hat. Die Entscheidung kann demnach in der Sache selbst mit guten Gründen auch für diejenige Auf­ fassung in Anspruch genommen werden, die maßgeblich auf den zum Aus­ druck gebrachten Parteiwillen abstellt. Im Regelfall wird das Kriterium der objektiv verstandenen Sach­ dienlichkeit zum gleichen Ergebnis führen wie die Auffassung, die sich den Parteiwillen zum Maßstab nimmt. Denn in der Mehrzahl der Fälle wird der Richter seinerseits zu einer Anregung gegenüber einer Partei überhaupt und gerade erst durch das bisherige Partei­ vorbringen veranlaßt werden; und soweit es speziell auf den geäußer­ ten Willen der betr. Partei ankommt, wird es entweder so sein, daß sie selbst in dieser Richtung etwas vorgetragen hat, oder aber so, daß sie einen entsprechenden Vortrag der Gegenseite aufgegriffen und sich so zu eigen gemacht hat. Kontrovers sind deshalb im Grunde nur die­ jenigen verbleibenden Fälle, in denen der Richter sich nicht einmal auf einen auch nur andeutungsweise zum Ausdruck gekommenen Par­ teiwillen stützen kann. Dieser Fall wird z. B. gegeben sein, wenn sich der neue Gesichtspunkt aus beigezogenen Akten ergibt, ohne daß die Parteien sich deren Inhalt zu eigen gemacht haben; zu denken ist auch daran, daß der Beklagte zwar den Klag­ anspruch für unbegründet erachtet, aber aus Unkenntnis an sich durchaus gegebene Gegenrechte nicht einmal in laienhafter Weise erkennt und sie deshalb auch nicht andeutungsweise zu artikulieren vermag. 7. In Fällen dieser Art würde man der Partei etwas „unterschieben" , wenn man hier sagen wollte, man würde an einen diesbezüglichen Parteiwillen anknüpfen. Hier handelt es sich vielmehr ersichtlich, wenn man so sagen will, um eine reine „Prozeßhilfe von Amts wegen" . Wenn nun insoweit der Einwand vorgebracht wird, der Richter dürfe hier den Parteien keine Anregungen zu neuem Angriffs- oder Vertei­ digungsvorbringen gehen, weil er sonst gegen das Unparteilichkeits­ Gebot verstoßen würde41 , dann vermag diese Argumentation nicht zu überzeugen: wie nämlich bereits oben in § 29.11 dargelegt, begrenzt nicht etwa das Unparteilichkeits-Gebot die Rechte und Pflichten des Richters nach § 139, sondern umgekehrt wird der Bereich der Partei­ lichkeit seinerseits durch das eingegrenzt, was dem Richter (u. a.) nach § 139 gestattet und geboten ist. u So etwa Spohr, Aufklärungspflicht S. 107 und passim; ihm folgend Stemmler, Befangenheit S. 211 ff.

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Ohnedies hat j a schlechthin für Anregungen nach § 139 zu gelten - inso­ weit ist Spohr allerdings ohne weiteres zuzustimmen (S. 107) -, daß „die richterliche Anregung . . . nur sinnvoll sein (kann), wenn sie der angespro­ chenen Partei einen Vorteil gegenüber ihrer bisherigen Position bringt", wo­ bei aber eben „dieser Vorteil . . . zugleich zum Nachteil" der Gegenseite „aus­ schlägt" : Nicht etwa nur eine Anregung der jetzt erörterten Art greift also in das formelle Gleichgewicht zwischen den Parteien ein, sondern überhaupt jede Maßnahme nach § 139; bei der jetzigen Fallkonstellation ist der Eingriff allerdings besonders schwerwiegend deshalb, weil in dem bisherigen Vor­ bringen der Partei nicht einmal ein dahingehender Ansatz enthalten ist. Nun könnte man in diesem Zusammenhang in Betracht ziehen, daß ja schon das Gesetz selbst den Richter in den Grenzen des § 139 I nicht lediglich zu bloßen Hinweisen bestimmter Art verpflichtet; vielmehr hält es ihn ja gerade auch zu weitergehender Aktivität gegenüber den Parteien an, indem § 139 I 1 dem Richter ausdrücklich aufgibt, er habe ,,dahin zu wirken, daß die Parteien . . . ". Wie Deubner mit Recht auf­ gezeigt hat'2, ist „das Wort ,hinwirken' . . . nicht nur tätigkeitsbezogen, wie ,hinweisen', sondern seiner sprachlichen Bedeutung nach am Erfolg, einer bestimmten Wirkung orientiert" , mit anderen Worten also final zu verstehen; mithin fordere es „eine wirkungsbezogene Aktivität des Gerichts, ein Nachfassen, wenn der bloße Hinweis nicht gewirkt hat" . So zutreffend diese Feststellung an sich auch ist, so hilft sie aber doch im jetzigen Zusammenhang kaum weiter, weil sie nicht die Frage zu beantworten vermag, ob der Richter hier überhaupt zu einem Eingrei­ fen befugt sein soll. 8. Eine neue Literaturmeinung will in diesem Zusammenhang eine weitgehende Anregungsbefugnis des Richters aus dem Sozialstaatsprin­ zip ableiten, das es gerade auch im Zivilprozeß zu verwirklichen gelte43 • Im Mittelpunkt steht dabei zunächst einmal der Schutz des sozial und wirtschaftlich Schwächeren, dem der Richter durch entge­ genkommende Unterstützung und Beratung im Rahmen des einzelnen Prozesses über die nur äußere, formelle Chancengleichheit hinaus auch zu einer inhaltlichen, materiellen verhelfen soll. Ein hierauf angelegter Verhandlungsstil wird dementsprechend als „kompensatorisch" gekenn­ zeichnet", wobei gerade die Vorschrift des § 139 als eine Art „Einfalls­ tor" für einen derartigen Verhandlungsstil verstanden wird45• FS. Schiedermalr S. 84. Repräsentativ die 1978 erschienene Schrift von Wassennann mit dem programmatischen Titel „Der soziale Zivilprozeß. Zur Theorie und Praxis des Zivilprozesses im sozialen Rechtsstaat" . 44 In diesem Sinne Wassennann ebd. S. 91 f. und 177 sowie in RuP 1974, 162 ff. (insbes. S. 167 f.) und RuP 1978, 1 ff.; ferner etwa Bender, ZRP 1974, 235 ff.; Rasehorn (zit. bei Böhm, ZRP 1975, 125); und Weitzel, Jus 1976, 723. Bender weist hierzu darauf hin (S. 236), daß eine solche Verhandlungsfüh­ rung keineswegs die Einführung einer „Klassenjustiz" bedeute, da es nicht etwa um die „klassenmäßige" Zuordnung der Parteien gehe, sondern allein 42

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Fraglich kann hier allerdings schon sein, wann im Einzelfall über­ haupt eine derartige soziale Unterlegenheit gegeben sein soll mit der Folge, daß insoweit eine extensive Beratungspflicht des Richters ein­ greift. Sofern eine minderbemittelte, rechtsunkundige Partei aus der Unterschicht ohne anwaltliche Beratung etwa einem Unternehmer gegenübersteht, der durch Fachleute sachkundig vertreten wird, dürfte eine derartige Konstella­ tion ohne Zweifel zu bejahen sein, und an Fälle dieser Art wird denn auch wohl vorrangig gedacht46 • Hat Gleiches aber etwa auch dann noch zu gelten, wenn der Rechtsvertreter des Unternehmers ein junger, noch unerfahrener Anfänger ist oder sich sonst linkisch aufführt oder wenn der Beklagte er­ sichtlich ein gerissener Gauner ist oder sonst ein nicht ganz aufrichtiges Spiel vor Gericht treibt? Zudem kann z. B. derselbe Händler, der eben noch in einem Prozeß als der sozial und wirtschaftlich überlegene anzusehen ist, im nächsten Prozeß, in den er mit einem mächtigen Konzern als Gegner ver­ wickelt ist, seinerseits der Hilfsbedürftige sein. Wie schon diese wenigen, kaum als extrem anzusehenden Beispiele zeigen mögen, fehlt es hier, wenn auf die Konstellation des einzelnen Verfahrens abzustellen sein soll47 , ersichtlich an einem griffigen und zumal verläßlichen Abgrenzungskriterium. Zudem würde die Formel vom „kompensatorischen Verhandlungsstil" in Fällen, in denen von einem sozialen Ungleichgewicht zwischen den Parteien nicht die Rede sein kann, folgerichtig eine Anregung zu neuem Angriffs- oder Vertei­ digungsvorbringen nicht gestatten. Eben dieser Schluß wird nun aber von den Befürwortern einer weitgehenden Anregungsbefugnis gerade nicht gezogen. So fehlt etwa bei Wassermann, wenn er speziell die Abgrenzung zwischen Richterablehnung einerseits und Rat und Empfehlung durch den Richter an­ dererseits erörtert, ein derartiger Hinweis auf das kompensatorische Anlieum den „Schutz des in der konkreten Konfliktsituation jeweils Schwächeren" , wofür die Kategorien der „Klassenjustiz" nicht ohne weiteres tauglich seien [ zu den verschiedenen Begriffen von „Klassenjustiz" vgl. die Bemerkungen oben in Fußn. 7 zu § 13.II.2.a)] . Gegen eine derartige „kompensatorische Rechtsprechung" etwa Roellecke, VVDStRL Heft 34 (1 976 ), S. 1 4 ff. mit der Begründung, daß es an verläßlichen „normativen Kriterien" für eine derartige Funktion der Rechtsprechung fehle (S. 16 ) . Kritisch zu Roellecke wiederum die Diskussionsbeiträge von Scheuner (S. 98), Soell (S. 1 2 1) und Dürig (S. 131 f.); ähnlich - speziell für das BVerfG - Frowein, DÖV 1 976 , 6 91 . Allgemein dazu, daß die zunehmende Verstärkung der richterlichen Auf­ klärungspflicht in der Ausgestaltung der ZPO im Zusammenhang mit dem Anliegen steht, statt einer nur formalen immer mehr auch eine materielle Chancengleichheit der Parteien im Prozeß zu verwirklichen, s. etwa Henckel, Gerechtigkeitswert S. 1 9 f.; zur „sozialen Aufgabe des Zivilprozesses" vgl. daneben auch Baur, Ringvorlesung S. 168 ff. 45 So etwa Rasehom ebd. (s. vorstehende Fußn.). 46 Konstellationen dieser Art mit rechtsunkundigen Bürgern, zumal mit Angehörigen der Unterschicht, hat etwa Wassermann, RuP 1 978, 2 im Auge. 47 S. das Zitat Bender in Fußn. 44.

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gen des Zivilprozesses48 • - Im Ergebnis ähnlich argumentiert daneben auch E. Schneider, der ohnehin nicht das Kriterium der sozialen Schutzbedürftig­ keit, sondern j edenfalls der Sache nach das Moment der Sachdienlichkeit in den Mittelpunkt stellt: er zitiert zustimmend einen Fall, in dem den Anwäl­ ten beider Seiten in zwei Instanzen entgangen war, daß der eingeklagte Schmerzensgeldanspruch bereits verjährt war, und in dem dann das Beru­ fungsgericht von sich aus auf diesen Umstand hingewiesen habe49 • 9. Als Argument für eine derartige weitgehende Hinweis- und An­ regungsbefugnis dient vielmehr letztlich die Berufung auf den bereits mehrfach angesprochenen „offenen, kooperativen . . . Verhandlungsstil des Richters, der eine eingehende und ausführliche Erörterung der Sach- und Rechtsfragen mit beiden Parteien einschließt" (Wasser­ mann50). Formelartig wird dieses umfassende, offene Tatsachen- und Rechtsgespräch zwischen Gericht und Parteien mit dem neuen Ausdruck „Kooperationsmaxime" charakterisiert51 • Der dahingehenden heutigen Tendenz, wie sie gerade auch in der Umgestaltung der ZPO durch die Vereinfachungsnovelle ihre gesetzliche Anerkennung gefunden hat, würde es ersichtlich entgegenstehen, wenn der Richter dabei lediglich Gesichtspunkte ansprechen dürfte, die zuvor schon von den Parteien ihrerseits zur Sprache gebracht worden sind. Vielmehr muß er darüber hinaus zumindest in gewissem Umfang auch zusätzliche rechtliche Aspekte ansprechen dürfen, die zwar von den Parteien bisher nicht ausdrücklich als solche vorgetragen worden sind, die aber doch aus ihrem bisherigen Vortrag ebenfalls hervorgehen: Und zwar wird dies anzunehmen sein, wenn diese neuen Gesichtspunkte, die auf ein mög­ liches neues Angriffs- oder Verteidigungsvorbringen hinweisen, mit dem Prozeßziel, das die Parteien in diesE:m Verfahren bisher verfolgen, in unmittelbarem Zusammenhang stehen, also nicht etwa dem bisher zum Ausdruck gebrachten Angriffs- oder Verteidigungswillen der Par­ teien eine völlig neue Richtung geben. Mit dieser „Anbindung" an die Disposition der Parteien jedenfalls in der großen Richtung (wenn auch nicht im Detail des Parteivorbringens) dürfte dem Einwand von Spohr52 und Stemmler53 gegen das Abgrenzungskriterium einer rein obj ektiv 48 Zivilprozeß S. 173 ff. (unter 1.2; anschließend S. 177 unter 1 .3 beschränkt Verf. sich demgegenüber auf die Feststellung, daß „kompensierende Empfeh­ lungen, die sich aus dem Rechts- und Tatsachengespräch in der Verhandlung ergeben, nicht als Ablehnungsgrund gewertet" würden, ohne daß aber auch dort ersichtlich wäre, daß allein derartige Empfehlungen gewissermaßen privilegiert sein sollen; in RuP 1974, 162 ff. und RuP 1978, 1 ff. spricht Verf. demgegenüber den Aspekt der Richterablehnung nicht an). 4 9 MDR 1977, 974 Fußn. 1 14. 50 Zitat aus Zivilprozeß S. 177. 5 1 Bettennann, oeJurBI. 1972, 63 und jetzt Wassermann, Zivilprozeß S. 109 und passim. 52 Aufklärungspflicht S. 78 ff. 53 Befangenheit S. 211, 215.

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verstandenen Sachdienlichkeit zumindest teilweise Rechnung getragen sein. In die gleiche Richtung wie die hier vorgeschlagene Formel dürfte auch das verschiedentlich verwendete Argument gehen, daß der Beklagte auf die Verjährungseinrede jedenfalls dann hingewiesen werden dürfe, wenn er sich, wie aus dem Antrag auf Klagabweisung zu ersehen, umfassend gegen die Klage verteidigen wolle". In diesem Umfang kann die für den Gegner vorteilhafte Unkenntnis einer Partei von den ihr an sich zustehenden rechtlichen Möglichkeiten nicht als eine für den Gegner schützenswerte Position angesehen werden, in die nicht durch einen entsprechenden Hinweis des Richters zu seinem Nachteil eingegriffen werden darf. Wenn aber ein dahingehender Hinweis gestattet sein soll, dann muß dies folgerichtig auch für eine weitergehende Anregung dieses Inhalts gegenüber der betr. Partei gelten: Denn eine klare Grenzziehung ist, wie vorhin gezeigt, insoweit kaum möglich, und zudem ist das Moment des neuen Gesichtspunktes im Grunde ja auch schon in dem bloßen Hinweis als solchen enthalten. Eine äußerste Grenze für die richterliche Anregungsbefugnis ist bei den hier erörterten Fallkonstellationen lediglich insoweit zu ziehen, als die Dispositionsfreiheit der Partei gewahrt bleiben und die Entschei­ dung darüber, ob von dem aufgezeigten Gegenrecht usw. Gebrauch gemacht werden soll, allein der Partei verbleiben muß (s. o.) u. § 31. D. BVerfGE 42, 64 ff.: Gebot der Parteilichkeit aus übergeordneten verfassungsrechtlichen Gründen? I. Im folgenden geht es im Rahmen des § 139 um eine andere Fall­ konstellation, nämlich um die Frage, ob dem Richter gegenüber einer Partei auch eine Anregung erlaubt sein soll, einen bereits gestellten Prozeß- oder Sachantrag wieder zurückzunehmen. Soweit dieser Fall und speziell eine dahingehende Anregungsbefugnis des Richters bisher erörtert worden ist1 , ging es jeweils um folgende Fallgestaltung: der Richter erteilt der Partei von sich aus einen dahingehenden Rat mit Rücksicht darauf, daß der Antrag der Partei aus seiner Sicht als unzu­ lässig oder unbegründet zurückgewiesen werden müßte, und mit der Rücknahme des Antrags könnte die Partei diesen Mißerfolg abwenden. 14 In diesem Sinne etwa E. Schneider, MDR 1 9 77, 9 74. Vgl. in diesem Zu­ sammenhang auch Bender/Belz/Wax, Vereinfachungsnovelle, der der rich­ terlichen Aufklärung weiten Raum gibt, soweit sie „im unmittelbaren Zu­ sammenhang mit dem erkennbar gewordenen Rechtsschutzbegehren der Par­ teien" steht (S.6 Rn.8 , S. 8 Rn.10). 55 .Ähnlich wie hier im Ergebnis, wenn auch mit unterschiedlichen Nuan­ cierungen im Detail, die oben in Fußn. 7 Genannten. 1 Verneinend z. B. Wieczorek 1 2 § 42 Erl. B.III.a.2, bejahend dagegen z. B. Ernst, Ablehnung S. 216 und Wassermann, Zivilprozeß S.1 75.

§31 . Gebot der Parteilichkeit von Verfassungs wegen?

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Der Entscheidung des BVerfG vom 24. 3. 76 BVerfGE 42, 64 ff.2 , die im folgenden im Mittelpunkt stehen soll, lag demgegenüber eine hier­ von abweichende Variante zugrunde: Das Gericht hat nämlich in diesem Verfahren das Unterlassen der Anregung, den Antrag auf Teilungsver­ steigerung zurückzunehmen, nicht deshalb als Verletzung der Ver­ fassung gerügt, weil der Antrag als erfolglos zurückzuweisen gewesen wäre ; vielmehr hat das BVerfG darauf abgestellt, daß der Erlös aus der Versteigerung nach Lage des Falles für die Antragstellerin (ASt.) auch nicht annähernd einen Gegenwert für ihren bisherigen Miteigen­ tumsanteil an dem Hausgrundstück dargestellt hätte : Die ASt. hätte also mit ihrem Antrag einerseits durchaus Erfolg gehabt, insofern nämlich, als die Versteigerung immerhin einen Erlös für den ihr bisher zustehenden Anteil erbracht hätte, nur war es andererseits für sie wirtschaftlich außerordentlich ungünstig, den Antrag noch aufrechtzu­ erhalten, nachdem ihr geschiedener Mann als einziger Bieter einen nur minimalen Betrag geboten hatte, mit dem sie dann abgefunden worden wäre3 • Mit Rücksicht auf diese Abweichung gegenüber der sonst erörterten Fallgestaltung, für die eine Anregungsbefugnis des Richters bisher allenfalls in Betracht gezogen worden ist, hatten die Fachgerichte denn auch kaum Anlaß zu der Annahme gehabt, daß bei dieser Sach­ lage im Rahmen des § 139 eine Anregung gegenüber der ASt., den Versteigerungsantrag zurückzunehmen, überhaupt gestattet sein könne; im Gegenteil war aus damaliger Sicht damit zu rechnen, daß der An­ tragsgegner den Richter' sogleich wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt hätte und daß dieser Ablehnung dann auch stattgegeben worden wäre5 • Eine Anregungsbefugnis läßt sich im übrigen bei einer Würdigung, die sich allein auf eine Auslegung des § 139 auf der Ebene des einfachen Verfahrensrechts beschränkt und etwaige höherrangige, verfassungs­ rechtliche Wertungen außer Betracht läßt, die zu einer „verfassungs­ konformen Anwendung" einfachgesetzlicher Verfahrensvorschriften führen, auch nicht aus dem Merkmal ableiten, daß der Richter auf ,,sachdienliche" Anträge der Parteien hinzuwirken habe. Dieses Merk-

r = NJW 1 97 6 , 1391 ff. = JZ 1 97 6 , 678 ff. Vorab hatte das Gericht in dieser Sache mit Beschluß vom 4.11 . 75 schon eine einstweilige Anordnung erlassen, vgl. die Wiedergabe in EuGRZ 1 975 , 569 und FamRZ 1 97 6 , 2 2 . a Kritisch zu den Berechnungsmodalitäten in der Entscheidung die Anm. von Stöber, RPfleger 1 97 6 , 39 2 f.; gegen ihn wiederum E. Schneider, MDR 1 977 , 356. 4 Daß es sich konkret um einen Rechtspfleger gehandelt hat, bedeutet im vorl. Zusammenhang keinen sachlichen Unterschied. 5 S. die Wiedergabe der Entscheidungsgründe des LG und des OLG in BVerfGE 42 , 64 ff. (67 f.).

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I. Teil, 2. Abschn.: Falltypen der Parteilichkeit

mal der Sachdienlichkeit wird nämlich in dem hier interessierenden Zusammenhang restriktiv dahin verstanden, daß der Richter zu einer solchen Antragshilfe nur im Rahmen des Prozeßzieles befugt sei, das die Partei ihrerseits auf Grund ihrer „eigenverantwortlichen Zielset­ zung"6 verfolge; seine Aufgabe beschränke sich darauf, ,,dafür zu sorgen, daß die Disposition, die eine Partei anstrebt, ihren sachgerech­ ten prozessualen Ausdruck findet" 7 • Besonders prononciert heißt es in diesem Zusammenhang dann weiter, die Aufgabe des Richters gehe lediglich dahin, " die Partei zu zweckmäßigen Anträgen, nicht aber zu einem ihr günstigen Vorbringen zu veranlassen" 8 • Eben um dieses letztere Moment ging es aber in dem konkreten Fall, den das B VerfG zu entscheiden hatte. Der Wille der ASt. war darauf gerichtet, nach Scheidung ihrer Ehe die Zwangsversteigerung des bisher gemeinsamen Hausgrundstücks zum Zwecke der Auseinander­ setzung zu betreiben. Ihr dahingehender Antrag war sowohl klar und eindeutig wie auch im Hinblick auf das erstrebte Ziel zweckmäßig und damit „sachdienlich" . Der Umstand, daß sie nach dem Verlauf des Versteigerungstermins ihren Miteigentumsanteil praktisch ohne Ge­ genwert verlieren würde, wenn ihr geschiedener Mann auf Grund seines minimalen Gebots den Zuschlag erhalten würde, fiel demgegen­ über nach der eben wiedergegebenen Auslegung des § 139 ersichtlich nicht mehr unter das Kriterium „sachdienlich" , weshalb auch unter diesem Gesichtspunkt eine Anregung nach § 139 nicht in Betracht kam9 • II. Nach der bisher allgemein üblichen Auslegung wäre also eine Anregung des Richters, dem drohenden Zuschlag durch Rücknahme des Versteigerungsantrages zuvorzukommen, durch § 139 nicht gedeckt gewesen. Dann aber hat das BVerfG in der Entscheidung E 42, 64 ff. den mit der Sache befaßten Fachgerichten, wie es scheinen will, aus verfassungsrechtlichen Gründen geradezu die reinste Parteilichkeit zur Aufgabe gemacht oder, mit anderen Worten, ihnen zum Vorwurf gemacht, daß sie sich nicht parteilich verhalten hätten! Diesem Ge­ sichtspunkt kommt um so größere Bedeutung zu, als diese Entscheidung des Zweiten Senats eine Neubesinnung über die verfassungsrechtlichen • Stemmler, Befangenheit S. 212. 7 Spohr, Aufklärungspflicht S . 137. Vgl. auch StJ-Pahle19 § 139 Erl. 11.2 : ,,. . . Die Parteien sollen durch Rechtsbelehrung angehalten werden, aus ihre:°1 Vorbr!?gen den für die Erreichung ihres Prozeßzieles richtigen Schluß zu ziehen . . . . 8 BL-Hartmann § 139 Erl. 2) D. • Auch die Stellungnahme der Bundesregierung (zit. in BVerfGE 42, 64 ff. [71 ] ) und die zust. Besprechung von E. Schneider (MDR 1977, 355) scheinen eine Anregung erst auf Grund verfassungsrechtlicher Wertungen für geboten zu erachten.

§ 3 1 . Gebot der Parteilichkeit von Verfassungs wegen?

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Grundlagen des richterlichen Verfahrensrechts eingeleitet 10 und im Be­ reich des Zwangsversteigerungsrechts inzwischen bereits drei ähnliche Entscheidungen des Ersten Senats nach sich gezogen hat 1 1 • Diese neueren Entscheidungen befassen sich indessen nicht auch mit dem Problem einer etwaigen Parteilichkeit des Richters, weshalb im folgenden die Entscheidung vom 24. 3. 76 = E 42, 64 ff. im Mittelpunkt zu stehen hat, die sich vorrangig gerade auch mit diesem Problem befaßt. 1. Für eine nähere Auseinandersetzung mit dieser grundlegenden Entscheidung ist nun bedeutsam, daß neben dem Mehrheitsvotum, welches die Entscheidung trägt, die Abweichende Meinung des Richters Dr. Geiger steht, die zwar mit dem Mehrheitsvotum im Ergebnis über­ einstimmt, ansonsten aber in der Begründung methodisch einen völlig anderen Weg geht. a) Das Mehrheitsvotum begründet die Entscheidung damit, daß im vorliegenden Fall Grundrechtsnormen, speziell die Artt. 14 I und 6 I (S. 76 f. unter B.II .2) in die Auslegung und Anwendung einfachen Ver­ fahrensrechts, und zwar hier gerade des § 139 ZPO (S. 78 unter B.II .3), ,,hineinwirkten" 12 : diese verfassungskonforme Auslegung des § 139 be­ deute, daß die ASt. vom Gericht nach dieser Vorschrift darüber hätte aufgeklärt werden müssen, welche Folgen es für sie habe, wenn ihrem geschiedenen Mann der Zuschlag erteilt würde, und daß sie darüber hinaus auch hätte befragt werden müssen, ob die Fortsetzung des Ver­ fahrens dann noch ihrem wirklichen Willen entspreche (S. 77 f. unter B .II .2.c) und 3). - Vom äußeren Rahmen der Argumentation her bleibt die Entscheidung insoweit also ganz auf der Linie der vorhin in § 29 erörterten Formel zur Abgrenzung zwischen dem Aufgabenkreis des § 139 I ZPO einerseits und dem Unparteilichkeitspostulat andererseits, wonach nämlich eine Parteilichkeit so lange zu verneinen ist, wie sich das Verhalten des Richters im Bereich des § 139 hält. Folgerichtig heißt es denn auch in der Begründung, daß die „Pflicht zur Unpartei­ limkeit" dem fraglichen Hinweis nicht entgegengestanden hätte (S. 75 unter B.II und S. 78 unter B.II.3). Im übrigen wird daneben ein Gesichtspunkt hervorgehoben, der auch für die in § 29.II vorgeschlagene Abgrenzungsformel von Belang ist, wonach die 10 Vgl. die Anmerkungen und Besprechungen von Weitzel, Jus 1976, 722 ff.; Vollkommer, RPfleger 1976, 393 ff.; E. Schneider, MDR 1977, 353 ff.; Goerlich, DVBI. 1978, 362 ff. und Suhr, NJW 1979, 145 f. Speziell zur Bedeutung der Entsch. BVerfGE 42, 64 ff. für Fragen des Zwangsversteigerungsrechts und damit zusammenhängende Probleme vgl. ferner die Anm. von Stöber in RPfleger 1976, 392 f. sowie den Aufsatz von Mohrbutter in DRiZ 1977, 39 ff. 11 Entsch. vom 7. 12. 77 = BVerfGE 46, 325 ff.; vom 27. 9. 78 = E 49, 220 ff. (mit Sondervotum Richter Böhmer ebd. S. 228 ff.) ; sowie vom 10. 10. 78 = NJW 1979, 538 f. = JZ 1979, 96 f.; in gleichem Sinne j etzt auch die weitere Entsch. vom 24. 4. 79 = E 51, 150 ff. 1 1 F ormulierung in der Abw. Meinung S. 84 unter I.3.

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I. Teil, 2. Abschn.: Falltypen der Parteilichkeit

Abgrenzung im Rahmen der Parteilichkeit jeweils beim Merkmal der „Un­ sachlichkeit" anzusetzen habe: Wenn das Mehrheitsvotum unter B.II.3 ( = S.78 ) maßgeblich auf das „Gebot sachgerechter Entscheidung" abstellt, bezieht sich dieses Argument zwar primär auf den Maßstab des Willkürver­ bots; doch liegt es nahe, es daneben gerade auch auf j enes Unsachlichkeits­ Kriterium der Parteilichkeit zu beziehen. Soweit nur der vorstehende Gedankengang in Frage steht, wirft also die Begründung des Mehrheitsvotums keine besonderen Probleme auf. Die eigentliche Problematik dieser Entscheidung liegt vielmehr erst in der Art und Weise, wie die Hinweispflicht des Gerichts im einzelnen aus der Verfassung begründet wird. Das Mehrheitsvotum geht davon aus, daß die „Rechtsposition, die für die [ASt.] auf dem Spiel stand" , unter dem besonderen grundrechtlichen Schutz der Artt. 14 I und 6 I GG stand (S.76 f. unter B.11.2). Begründet wird die Verfassungsverletzung, die zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidun­ gen führte, dann j edoch mit einem Verstoß gegen das Willkürverbot, der darin gelegen haben soll, daß die mit der Sache befaßten Gerichte entgegen j ener grundrechtlich geschützten Position der ASt. einen Hinweis nach § 139 ZPO für unstatthaft erachtet hätten: damit hätten sie unter dem Gesichts­ punkt des Willkürverbots gegen das „Gebot sachgerechter Entscheidung" ver­ stoßen (S.78 unter B.11.3). Wesentlich ist dabei, daß die Begründung von dem Merkmal ganz absieht, daß dieser Verstoß in einer sachlich nicht gerechtfer­ tigten Gleich- oder gerade auch Ungleichbehandlung im Verhältnis zu einem vergleichbaren anderen Fall zu sehen ist. Statt dessen stellt sie vielmehr einfach darauf ab, daß sich für das fragliche Verhalten „keine Gründe finden (lassen), die vor den das Grundgesetz beherrschenden Gedanken bestehen könnten" (S. 7 2 ff. unter B.I.l , 2 und B.II). Auf die angebliche Verletzung des Art. 103 I GG, die mit der Verfassungs­ beschwerde ebenfalls gerügt worden ist, geht das Mehrheitsvotum dem­ gegenüber mit der Begründung, daß die Entscheidung ja schon aus dem Ge­ sichtspunkt des Art. 3 I GG begründet sei, ausdrücklich nicht näher ein (S.78 f. unter B.111). Der Umstand, daß das Verfassungsbeschwerdeverfahren - zumindest pri­ mär - auf den Schutz der Grundrechte und grundrechtsähnlichen Rechte zu­ geschnitten ist (s. § 90 I BVerfGG), führt im übrigen dazu, daß auch die Frage, ob der Hinweis womöglich aus dem Gesichtspunkt des Sozialstaatsprinzips (,,sozialer Rechtsstaat") geboten gewesen sein könnte, sowohl in der Begrün­ dung der Verfassungsbeschwerde (S.6 9 unter A.11) wie auch in der Entschei­ dungsbegründung selbst (S.77 unter B.11.2.a) lediglich mittelbar angespro­ chen wird, und zwar im Rahmen der Frage, ob Art.14 I oder Art. 103 I GG verletzt seien13 • b) Auf einem ganz anderen Wege kommt demgegenüber das Son­ dervotum des Richters Dr. Geiger zu dem Ergebnis, daß im vorliegen­ den Fall eine Grundrechtsverletzung zum Nachteil der ASt. des Aus­ gangsverfahrens zu bej ahen sei. Die vom Mehrheitsvotum angenom11 Auf der gleichen Basis wird auch in der Entsch. E 49 , 220 ff. (226 unter 11.2) der Schutz gerade des sozial Schwachen hervorgehoben.

§ 31. Gebot der Parteilichkeit von Verfassungs wegen?

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mene Verletzung des Willkürverbots (Art. 3 I GG) hält es hier für unzutreffend. Und zwar hätte statt auf dem „Umweg" über Art. 3 I allenfalls unmittel­ bar auf die Verletzung der Grundrechte abgestellt werden dürfen, von deren Verletzung ja auch das Mehrheitsvotum ausgegangen sei (nämlich Artt. 14 I und 6 I, s. S. 79 f., 84 unter 1.1 , 3) ; ferner gehe es nicht an, den Satz vom Will­ kürverbot derart zu verselbständigen, daß von einem Vergleich mit ver­ gleichbaren anderen Fällen abgesehen und allein darauf abgestellt werde, ob das fragliche Handeln im konkreten Fall sachgerecht gewesen sei oder nicht (S. 81 ff. unter I.2 ); schließlich treffe es hier nicht zu, daß die materiell­ rechtlichen Normen der Artt. 1 4 I und 6 I GG in die einfachrechtliche Ver­ fahrensvorschrift des § 1 39 ZPO „hineinwirkten" (S. 84 unter I.3). - Statt dessen wird in dem Vorgehen der Fachgerichte eine Grundrechtsverletzung deshalb gesehen, weil es gegen das Verfahrensgrundrecht des Art. 103 I GG verstoßen habe. Dabei bleibt dahingestellt, ob der ASt. ein Hinweis nach § 1 39 ZPO hätte erteilt werden müssen, denn diese Vorschrift des einfachen Verfahrensrechts sei nach der ständigen Rechtsprechung des BVerfG für ihren gesamten Anwendungsbereich nicht durch Art. 103 I geboten (S. 85 un­ ter II. und S. 86 f. unter II.2 ). Unabhängig davon hätte vielmehr angesichts des Art. 103 I der Zuschlag von Amts wegen nach § 83 Nr. 6 ZVG versagt werden müssen, wenn das Gericht den Eindruck gewonnen hätte, daß die ASt. infolge „intellektueller Unfähigkeit" nicht in der Lage sei, sich in dem Verfahren auch tatsächlich das rechtliche Gehör zu verschaffen (S. 87 unter II.2 ). Die für die vorliegende Untersuchung zentrale Frage, ob der frag­ liche Hinweis nach § 139 ZPO, den das Sondervotum ersichtlich schon nach einfachem Verfahrensrecht für geboten hält (S. 86 unter 11.2), mit dem ja ebenfalls verfassungsrechtlich verankerten Unparteilich­ keits-Gebot vereinbar wäre, wird demgegenüber in keiner Weise angesprochen1'. Es wird deshalb davon auszugehen sein, daß der Rich­ ter Dr. Geiger insoweit dem Mehrheitsvotum gefolgt ist, wonach hier eine Verletzung der Pflicht zur Unparteilichkeit zu verneinen sein soll. - Bei näherem Hinsehen dürfte sich das Sondervotum dabei jedoch die Argumentation des Mehrheitsvotums allenfalls im Ergebnis, nicht aber auch in der Begründung zu eigen gemacht haben: Denn im Sondervotum geht es j a erklärtermaßen gerade nicht darum, daß ,,materiellrechtliche Verfassungsvorschriften .. . in eine (einfach-recht­ liche) Verfahrensvorschrift (§ 139 ZPO) ,hineinwirken"' mit der Folge, daß der fragliche Hinweis im Ergebnis doch durch § 139 ZPO gedeckt gewesen wäre. Vielmehr geht das Sondervotum im Gegenteil ersichtlich davon aus, daß ein solcher Hinweis von vornherein durch § 139 gedeckt gewesen wäre; nur soll es hierauf für die Feststellung, ob Art. 103 I GG verletzt worden ist oder nicht, im Grunde gar nicht ankommen, - oder, wie zu ergänzen ist, allenfalls insofern, als ein solcher aufklärender 14 Das Sondervotum beschränkt sich insoweit auf den Hinweis zu Anfang, daß das Unparteilichkeits-Postulat in den Artt. 101, 97 GG zu lokalisieren sei (S. 80 unter 1.1 ).

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I. Teil, 2. Abschn.: Falltypen der Parteilichkeit

Hinweis die ASt. j a wohl in die Lage versetzt hätte, sich auch tatsäch­ lich rechtliches Gehör in dem Verfahren zu verschaffen, und somit die Sperre aus Art. 1 03 I, die sonst dem Fortgang des Verfahrens ent­ gegenstand, aus dem Weg geräumt hätte. 2. Daß im vorliegenden Fall ein Hinweis an die ASt. nach § 139 ZPO geboten gewesen sei, und zwar allein schon auf der Ebene des einfachen Verfahrensrechts, also nicht erst in der verfassungskonformen Ausle­ gung, wie sie jener Vorschrift vom Mehrheitsvotum untergelegt wor­ den ist, ist bereits oben zu I. verneint worden, insoweit kann also dem Sondervotum ersichtlich nicht gefolgt werden. Das Mehrheitsvotum wirft demgegenüber insoweit wesentlich gra­ vierendere Probleme auf, da es ja gerade von einer verfassungskonfor­ men Anwendung des § 139 ausgeht und eine Grundrechtsverletzung eben in der Unterlassung der hiernach gebotenen Aufklärung der ASt. sieht. Wie bereits die Stellungnahme des Sondervotums zeigt, ist hierfür zunächst einmal der Frage nachzugehen, ob überhaupt noch Raum für eine Prüfung unter dem Gesichtspunkt des Willkürverbots verbleibt, wenn sich eine Grundrechtsverletzung primär in bezug auf eine andere Grundrechtsnorm (hier also speziell Artt. 14 I und/oder 6 1) ergibt. Außer dem Sondervotum (S. 80 unter 1.1) wendet sich gegen den dahingehenden Ansatz des Mehrheitsvotums nachdrücklich auch die Besprechung von Weitzel, nach dem „die Entscheidungsgrundla­ gen . . . unmittelbar aus Art. 6 und Art. 14 GG" hätten „gewonnen wer­ den" müssen 1 5 • Ebenfalls in diesem Sinne stellen auch die inzwischen ergangenen Entscheidungen des Ersten Senats vom 7. 12. 77, 27. 9. 78 und 10. 10. 78 zu Fragen des Zuschlags in der Zwangsversteigerung16 allein auf eine Verletzung des Art. 14 I GG ab, wobei sie über dahin­ gehende Ansätze im Mehrheitsvotum vom 24. 3. 76 hinausgehen und diesem Grundrecht eine neue, verfahrensrechtliche Dimension geben: Der Schutz des in Art. 14 I verbürgten Grundrechts schließe nämlich eine „rechtsstaatliche Verfahrensgestaltung" mit dem Anspruch auf „effektiven Rechtsschutz" und auf eine „faire Verfahrensführung" ein und gebiete so die „verfassungskonforme Anwendung" der einschlä­ gigen einfachgesetzlichen Verfahrensvorschriften 17 • - Diese Recht-

15 JuS 1976, 723 ff. Gegen ihn wiederum E.Schneider mit dem wenig über­ zeugenden Vorwurf, die Kritik von W. sei zu formal (MDR 1977, 356 f.). 1 6 S. o. Fußnote 11. 1 7 So BVerfGE 46, 325 ff. (333 ff. unter B.II.l, 335 ff. unter B.I I.2 ) ; ebenso der Beschluß vom 27. 9. 78 = E 49, 220 ff. (225 ff. unter II.l, 2) und der Be­ schluß vom 10.10. 78 = NJ W 1979, 538 (unter 2.). Das Sondervotum des Rich­ ters Böhmer zum Beschluß vom 2 7. 9.78 nimmt darüber hinaus eine Ver­ letzung des Art.1 4 I GG bereits in materiellrechtlicher Hinsicht an, weil die Durchführung der Zwangsversteigerung das Gebot der Verhältnismäßigkeit verletzt habe (E 49, 22 8 ff. [231 ff.] unter 11.1 , 2 ).

§ 3 1 . Gebot der Parteilichkeit von Verfassungs wegen?

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sprechung des Ersten Senats wird wiederum von Suhr in seiner Be­ sprechung zu der Entscheidung vom 7. 12. 77 im Grundsatz an sich nachdrücklich begrüßt; j edoch gibt er zu bedenken, ob der Anspruch auf effektiven Rechtsschutz und auf faire Verhandlungsführung tat­ sächlich aus dem tangierten einzelnen materiellrechtlichen Grundrecht folge oder ob dieser Anspruch nicht vielmehr auf einem „ergänzenden, allgemeinen Verfahrensprinzip" neben den „speziellen justiziellen Grundrechten" beruhe 18 •

Geiger hingegen weist diese Rechtsprechung, wie sie bereits im Mehrheitsvotum vom 24. 3. 76 anklingt, in seinem Sondervotum zurück und will stattdessen unmittelbar und allein auf die Verletzung des Art. 103 I GG abstellen19 • Gegen diese Argumentation wendet sich wie­ derum Weitzel, der diese Grundrechtsnorm hier für nicht einschlägig hält2° . Besonderen Raum in den Stellungnahmen zur Entscheidung BVerfGE 42 , 64 ff. nimmt darüber hinaus die Kritik an dem methodischen Vor­ gehen des Mehrheitsvotums ein, soweit es für die weitere Frage, ob das Verhalten der Fachgerichte gegen das Willkürverbot verstoßen habe, nicht den Vergleich mit anderen vergleichbaren Fällen zugrunde legt, sondern sich einfach damit begnügt, schlechthin einen Verstoß gegen das „Gebot sachgerechter Entscheidung im Rahmen der Gesetze unter dem Blickpunkt materialer, wertorientierter Gerechtigkeit" fest­ zustellen (s. Mehrheitsvotum S. 78 unter B.II.3). Wie bereits gezeigt, wendet sich nachdrücklich gerade gegen diesen methodischen Ansatz schon das Sondervotum (S. 81 ff. unter I.2). In die gleiche Richtung geht ausführlich auch die Kritik von WeitzeZ2 1 , auch Suhr spricht sich in seiner Besprechung der Entscheidung vom 7 . 12. 77 gegen diese Loslö­ sung des Willkürverbots vom Gleichheitssatz aus22 • Aus dem sonstigen Schrifttum zu Art. 3 I GG seien hier daneben stellvertretend nur Dürig und H. H. Rupp genannt, nach denen ein Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz nur auf Grund eines vorherigen Vergleichs festgestellt werden kann23 • Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang, daß die 1 8 NJ W 1979, 145 f. unter III. - Goerlich stellt die Entsch. vom 7. 12. 77 in seiner Rez. in den größeren Zusammenhang der bisherigen Judikatur des BVerfG zum Thema „Grundrechte als Verfahrensgarantien" , läßt dabei j e­ doch offen, ob in der Begründung dieses Ergebnisses dem Mehrheitsvotum vom 24. 3. 76 oder aber der Entsch. vom 7. 12. 77 zu folgen ist (DVBl. 1978, 362 f.). 19 S. 84 unter I.3 und S. 85 ff. unter II. Zu Art. 103 I GG im Verhältnis zu § 139 ZPO vgl. auch die Anm. von Vollkommer in RPfleger 1976, 394. 20 J us 1976, 723 unter II. 21 Ebd. S. 723 ff. unter III. 22 NJ W 1979, 146 unter IIl.2. 23 MD-Dürig, Art. 3 I GG Rn. 1 , 22 ff. 283, 305, 315 und H. H. Rupp in BVerfG-Festgabe II S . 366, 380 ff.

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I. Teil, 2. Abschn.: Falltypen der Parteilichkeit

Entscheidung des Ersten Senats vom 7. 12. 77 zwar die diesbezügliche Begründung des Mehrheitsvotums vom 24. 3. 76 wiedergibt, daß sie sich diese Begründung aber ersichtlich nicht zu eigen macht (S. 333 f. unter 11.1)24_ 3. Allein schon dieser Aufriß zeigt, daß die Entscheidung BVerfGE 42, 64 ff. eine Fülle von spezifisch verfassungsrechtlichen Problemen auf­ geworfen hat. Will man sich hiermit auch nur einigermaßen fundiert im einzelnen auseinandersetzen, setzt dies voraus, daß man nicht zuletzt auch auf Grundfragen der Methodik der Verfassungs-, speziell der Grundrechtsinterpretation zurückgeht. Eine derartige Analyse, die allein schon monographischen Charakter hätte, würde indessen den Rahmen der jetzigen Untersuchung ersichtlich bei weitem sprengen und kann deshalb hier nicht auch geleistet werden. So bedauer­ lich dies sicher sein mag, weil damit die Abgrenzung zwischen Partei­ lichkeit und Unparteilichkeit gerade an einer entscheidenden Stelle nicht ganz zu Ende geführt wird, - so ist andererseits aber doch zu bedenken, daß jedenfalls der Weg für die zutreffende Abgrenzung auch so schon vorgezeichnet ist und daß es insoweit eigentlich nicht mehr so sehr um diese Abgrenzung selbst geht: Der Maßstab für die Abgren­ zung selbst ist j a bereits vorhin in § 29.11 mit der dort aufgestellten Formel herausgearbeitet worden. Im jetzigen Zusammenhang geht es dagegen zentral erst einmal um die zutreffende Exegese der für die hier interessierende Fallkonstellation einschlägigen Verfassungsnor­ men, die derartige Probleme aufwirft; sofern diese Probleme gelöst sind, folgt dann nach der bereits vorgegebenen Abgrenzungsformel die genaue Grenzziehung zwischen Parteilichkeit und Unparteilichkeit in diesem Bereich gewissermaßen von selbst. Davon daß das B VerfG in dem zu entscheidenden Fall eine Grund­ rechtsverletzung im Ergebnis zu Recht bej aht hat und daß hier ledig­ lich kontrovers ist, wie diese Grundrechtsverletzung im einzelnen zu begründen ist, wird man im übrigen wohl schon jetzt ausgehen dürfen. Wenn die Fachgerichte den Zuschlag demnach allenfalls dann hätten anordnen dürfen, wenn sie sich zuvor wegen des weiteren Fortgangs des Verfahrens von dem wirklichen Willen der ASt. vergewissert hätten, dann wäre also eine dahingehende Aufklärung, wie und mit welcher Begründung im einzelnen auch immer, von Verfassungs wegen geboten gewesen: Dann aber läßt sich auch j etzt schon feststellen, daß die eingangs (s. o. zu II.) geäußerte Vermutung falsch ist, das B VerfG habe mit seiner Entscheidung vom 24. 3. 76 den Gerichten ein partei­ liches Verhalten zur Aufgabe gemacht25 • Das aber bedeutet weiter, daß " Die Entsch. des Ersten Senats vom 27. 9 . 78 beschränkt sich von vorn­ herein auf die Argumentation aus Art.1 4 I GG und geht auf die Argumenta­ tion aus Art. 3 I überhaupt nicht ein.

§ 32. Die These vom „politischen Richter"

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es das sonst für so hochrangig erachtete Unparteilichkeits-Gebot26 nicht einmal in einem Teilbereich - und sei es auch nur für einen extremen Ausnahmefall - in Frage gestellt und zugunsten anderer verfassungs­ rechtlicher Wertungen hintangestellt hat. Der hohe Stellenwert des Unparteilichkeits-Postulats ist durch diese Entscheidung nicht nur nicht angetastet, sondern allenfalls im Gegenteil noch verstärkt worden, in­ dem nämlich das BVerfG den Fachgerichten den Weg zu einem weiter­ gehenden Aktivwerden im Prozeß als dem geebnet hat, zu dem sie sich nach dem bisherigen Verständnis des einfachen Verfahrensrechts aus Furcht vor dem Vorwurf der Parteilichkeit für befugt gehalten haben27 •

§ 32. E. Anhang: Die These vom „politischen Richter" und das Unparteilichkeits-Postulat Im vorausgegangenen § 30 ist schon kurz die These vom „kompen­ satorischen Verhandlungsstil" angesprochen worden (s. dort zu IV.8). Diese Formel steht nun häufig in engem Zusammenhang mit der neuer­ dings ebenfalls propagierten Forderung nach dem „politischen Richter" : Mit ihr soll jeweils ein bestimmtes Selbstverständnis des Richters von seiner Funktion im Prozeß zum Ausdruck gebracht werden. Im Rahmen des jetzigen Komplexes, der der Rolle des Richters im Verhältnis zu den Parteien gewidmet ist, stellt sich deshalb die Frage, ob diese Forderung mit dem Postulat der richterlichen Unparteilichkeit über­ haupt zu vereinbaren ist. I. Ehe diese Frage beantwortet werden kann, muß allerdings vorab erst einmal geklärt werden, welcher Inhalt sich nun eigentlich im einzelnen mit dieser Formel verbindet. Sooft nämlich diese Formel m den letzten Jahren auch verwendet worden ist, so wenig ist doch ihr Inhalt klar umrissen. Vielmehr gehen mit ihr sehr heterogene Vor­ stellungen über den Grad und über die Intensität des „Politischen" einher1 • 25 Sofern man dieser Entscheidung in Begründung und Ergebnis nicht zu­ stimmen kann, müßte man allerdings davon ausgehen, daß das BVerfG hier den Fachgerichten ein parteiliches Verhalten „verordnet" hat. Weil die Ent­ scheidung dann aber gerade als falsch gewertet wird, ergeben sich daraus für den Stellenwert des Unparteilichkeits-Postulats jedoch keine weiterrei­ chenden Schlußfolgerungen. 28 Vgl. insbesondere die Entsch. vom 8. 2. 67 BVerfGE 21, 139 ff. 2 7 Vgl. hierzu Mohrbutter, DRiZ 1977, 40 : ,,. . . Mit einer Erweiterung des Pflichtenkreises aus § 139 ZPO wird zugleich . . . das Recht zur Ablehnung eingeengt . . ." . 1 Ebenso Dütz, Z Z P B d . 87 (1974), 383 ff . , ferner Held, DRiZ 1972, 8 0 : . ,. . . Die Diskussion ist schwer, weil die Zungen s o verschieden sind . . ." . Vgl. auch die kurze übersieht bei Kern-Wolf, Gerichtsverfassungsrecht § 15.111.1

=

13 Rledel

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I. Teil, 2. Abschn.: Falltypen der Parteilichkeit

1. Gemeinsam ist wohl allen Autoren, welche die These vom „poli­ tischen Richter" vertreten, die Vorstellung, daß sich j eder Richter der politischen Qualität seiner Amtstätigkeit bewußt sein solle (im Hinblick darauf will Wassermann etwa statt vom „politischen Richter" lieber vom „politisch bewußten Richter" sprechen2) . Im Grunde gehe es dabei der Sache nach nicht eigentlich um etwas Neues, da der Rechtsprechung seit jeher ein „politisches" Moment eigen sei3 • Dabei wird dieses Moment des „Politischen" hier allerdings wesentlich weiter verstanden als vorhin bei der Frage, in welchem Verhältnis „Recht" und „Politik", zumal im Rahmen der Verfassungsgerichtsbarkeit, zueinander stehen (s. o. § 9.II.1 ). Während das „Politische" dort „partei-"/,,machtpolitisch" akzentuiert ist, hat es hier eine „politologisch-soziologische" Ausrichtung der­ art, daß hier auf die „Entscheidungsfolgen in der Gesellschaft" , d. h. auf die Auswirkungen gerichtlicher Entscheidungen in der Gesellschaft, abgestellt wird'. Diese Perspektive steht in engem Zusammenhang mit der Einsicht, daß der Rechtsanwendung überhaupt und damit gerade auch der richterlichen Tätigkeit in der Ausfüllung und Konkretisierung der Rechtsnormen auf den Einzelfall hin in weitem Maße ein Moment der Rechtsschöpfung eigen ist5 ; hierin liegt aber insofern, als der Richter hierdurch einen eigenen Beitrag zur Gestaltung der sozialen und/oder wirtschaftlichen Verhältnisse leistet, ein politisches Moment in dem soeben angesprochenen Sinne, - wie ja wohl überhaupt bei der Formel vom „politischen Richter" im Vordergrund der Aspekt steht, daß dem Recht (jedenfalls auch) die Funktion zukommt, soziale Konflikte zu lösen und damit die sozialen und wirtschaftlichen Verhältnisse (mit) zu gestalten und das soziale usw. Leben (mit) zu regeln. Aus dem entsprechenden Bewußtsein des Richters von der gestaltenden = „politischen" Qualität seines Handelns soll dann weiter folgen, daß er sich bei seiner Tätigkeit auch die Folgen seines Handelns bewußt machen und sich hierüber Rechenschaft ablegen müsse; mit Rücksicht darauf könnte man etwa mit Wolf „statt vom politischen Richter . . . besser vom sozial verantwor­ tungsbewußten Richter" sprechen6 • Und damit der Richter eine ausreichende Qualifikation erhält, um diese sog. ,,Folgenverantwortung" übernehmen zu können, wird gefordert, daß seine Ausbildung sich gerade auch auf die sozia­ len und wirtschaftlichen Aspekte der Verhältnisse erstrecken soll, die er in seinem späteren Beruf zu regeln haben wird7•

= S. 9 7 f. und die unterschiedlichen Positionen von Benda, Stern und Wasser­

in Stellung des Richters S. 9 ff. (Die Literaturnachweise zum folgenden Text werden sich auf einige exem­ plarische Fundstellen beschränken.) 2 Wassermann, Politischer Richter S.15 und Stellung des Richters S.13 ff. 3 Adolf Arndt, Bild des Richters S.16 ; Litten, Politisierung S.16 ff.; Simon, Unabhängigkeit S.1 04 ff. 4 Kilian, Jur. Entscheidung S. 96 Fußn. 1 23; vgl. im übrigen zu diesem weiteren Begriff des „Politischen" die Nachweise bei Zöllner, Ringvorlesung S.135 mit Fußn.5. • Grundlegend zum „rechtsschöpferischen Beruf des Richteramts" Oskar Bülows Schrift „Gesetz und Richteramt" (Leipzig 1 885). Kritisch gegenüber einer - vor allem quantitativen - Überbewertung dieses rechtsschöpferischen Moments etwa Zöllner, Ringvorlesung S. 137 ff., insbes. S.154 f. 6 Kern/Wolf, Gerichtsverfassungsrecht § 15.III = S. 9 7. 7 Hierzu etwa Wassermann, Politischer Richter S. 85 f.

mann

§ 32. Die These vom „politischen Richter"

196

2. Regelmäßig verbinden sich allerdings mit der Formel vom „politi­ schen Richter" weitergehende Vorstellungen derart, daß die richter­ liche Tätigkeit auch eine bestimmte inhaltliche Ausrichtung erhalten solle8. Ausgangspunkt hierfür ist die Einsicht, daß auch der Richter seine eigenen, u. a. schichtenspezifischen Wertmaßstäbe und Perspektiven in sein Amt mit einbringt und geneigt sein wird, sie in sein Handeln mit einfließen zu lassen. Wenn er sich nun aber die politische Qualität seines Handelns bewußt mache, dann müsse er sich von diesen seinen „sozialen Befangenheiten" lösen9 und sein Handeln an einem Maßstab ausrichten, der jenseits dieser personbeding­ ten Subjektivismen liege, - und eben dafür komme vorrangig die Verfas­ sung in Betracht1 0 . Dieser komme nun aber heute für alle richterliche Tätig­ keit ein besonderer Akzent zu: Bisher nämlich habe die Rechtsprechung ein­ seitig regelmäßig nur den rechtsstaatlichen Verfassungsauftrag befolgt, wäh­ rend sie demgegenüber den ebenfalls im Grundgesetz verankerten Sozial­ staatsgedanken großenteils vernachlässigt habe. J etzt gelte es daher, mit Vorrang gerade auch diesem Verfassungsauftrag Genüge zu tun11 ; insbeson­ dere müsse nunmehr - und zwar gerade auch vom Richter - statt einer nur mehr formalen auch die materielle Chancengleichheit verwirklicht werden12, wofür sich etwa gerade die Vorschrift des § 139 ZPO anbiete, sofern sie im Sinne einer „kompensierenden Verhandlungsführung" gehandhabt werde18 . Im Prinzip wird nun gerade auch von den Autoren, die die These vom ,,politischen Richter" vertreten, sinngemäß anerkannt, daß dem Sozialstaats­ gedanken zwar einerseits eine „grundsätzliche normative Verbindlichkeit.. . für alle Staatsgewalten" zukommt1 4 , daß er aber andererseits als bloßes Ver­ fassungsprinzip15 , als „verfassungsgestaltende Grundentscheidung"16 inhalt­ lich so wenig bestimmt und zudem auch in den Detailartikeln des Grundge­ setzes nur so lückenhaft konkretisiert ist17 , daß es, zumal in einem plurali­ stischen Staatswesen, primär dem Gesetzgeber obliegen muß, diesen Gestal­ tungsauftrag der Verfassung mit einem bestimmten Inhalt auszufüllen. An­ gesichts dieser Prärogative des Gesetzgebers sei der Richter grundsätzlich nur dazu aufgerufen, den Sozialstaatsgedanken im Rahmen dieser ihm vor­ gegebenen Wertungen zu verwirklichen1 8 ; dies ergebe sich ja auch schon aus dem Umstand, daß der Richter im Gegensatz zum Gesetzgeber jeweils auf die Entscheidung eines konkreten Einzelfalles beschränkt sei19 . Mit Rücksicht 8 Ähnlich im Ansatz die Unterscheidung bei Pulch, DRiZ 1976 , 34 ff., der dann allerdings in der Folge das Thema zu einseitig-pauschal behandelt. 9 Wassermann, Justiz S. 40 f.; ähnlich Litten, Politisierung S. 42. 10 Wassermann, Politischer Richter S. 17 und passim. 11 Eingehend hierzu jetzt vor allem die Schrift von Wassermann, Der soziale Zivilprozeß, insbesondere S. 69 ff. 12 Wassermann ebd. S. 48. 13 So etwa Weitzel, Jus 1976 , 723. 14 MD-Herzog Art. 20 Rn. 1 53. u Herzog ebd. Rn. 152, 206. 18 Gerstenmaier, Sozialstaatsklausel S. 6 1 f. 1 7 Hierauf weist etwa Herzog Rn. 168 hin. 18 Vgl. Wassermann, Politischer Richter S. 42 ff., 88 ff., Stellung des Rich­ ters S. 14, 21, 25 und Zivilprozeß S. 79 f.; ferner Litten, Politisierung S. 48. 1 9 Litten S. 6 3 f.; Wassermann, Politischer Richter S.89. 1 3•

196

I. Teil, 2. Abschn.: Falltypen der Parteilichkeit

auf die Ausgestaltung des richterlichen Prüfungsrechts im heutigen Verfas­ sungssystem (vgl. hierzu insbesondere Art. 100 GG) sei zudem im Rahmen der Rechtsprechung die Kompetenz zur Konkretisierung des Sozialstaatsge­ dankens ohnehin weitestgehend beim BVerfG konzentriert20 • Als „oberste Auslegungsmaxime" 21 wende sich der Sozialstaatsgedanke allerdings dar­ über hinaus an alle Gerichte, wobei insoweit primär, wenn auch keineswegs ausschließlich, an die „verfassungskonforme Auslegung mehrdeutiger Ge­ setzesvorschriften" zu denken sein wird22 • Mögen nun die Vertreter der These vom „politischen Richter" nach ihren Äußerungen der vorstehend skizzierten inhaltlichen Begrenzung des Richter­ amts auch ohne weiteres zustimmen, so scheinen im einzelnen doch recht un­ terschiedliche Vorstellungen darüber zu bestehen, welcher Freiraum dem Richter hiernach für eigene politische Wertungen bleiben soll. Das hängt nun wiederum damit zusammen, daß die These vom „politischen Richter" bevor­ zugt mit bestimmten gesellschafts- (und partei-)politischen Vorstellungen ein­ hergeht, die regelmäßig „links" einzuordnen sind und zum Teil gerade auch die Justiz als Instrument zur „Systemüberwindung" einsetzen wollen23• Je näher sie dieser letzteren Position stehen, desto größer scheint (wenn auch kaum so direkt ausgesprochen) die Neigung zu sein, dem einfachen geltenden Recht nur mehr einen geringen Stellenwert zuzubilligen und statt dessen das (aus der Sicht der speziellen Ideologie) erwünschte Ergebnis unmittelbar aus der Verfassung, insbesondere aus dem Sozialstaatsgedanken, zu rechtfer­ tigen24. Mit der inhaltlich derart auf die Verwirklichung des Sozialstaatsprinzips ausgerichteten These vom „politischen Richter" geht im übrigen regelmäßig die Forderung nach einer besseren „demokratischen Legitimation" des Rich­ ters einher, die letztlich darauf hinausläuft, das Richteramt weit stärker als bisher in das (partei-)politische Kalkül mit einzubeziehen25 • II. Die vorstehenden Ausführungen über die verschiedenen Bedeu­ tungsstufen der These vom „politischen Richter" zeigen, daß die These, je enger sie verstanden wird, eine Fülle von verfassungsrechtlichen Problemen aufwirft26 ; zumindest in ihrem extremen Verständnis ist sie mit der Verfassung nicht mehr zu vereinbaren. 20 Gerstenmaier ebd. S . 152 f. 21 Wassermann, Zivilprozeß S. 74. 22 Herzog ebd. Rn. 1 74. Näher hierzu Schreiber, Sozialstaatsprinzip S. 51, 81 ff. 23 Nicht von ungefähr geht die Forderung nach dem „politischen Richter" mit einer gleichzeitig wieder verstärkten Diskussion der „Klassenjustiz" einher. 24 In diesem Sinne skeptisch etwa Dütz, ZZP Bd. 87 (1974), 386 ff. Gegen ein derartiges Verständnis der Rolle des Richters ausdrücklich auch Wasser­ mann in Stellung des Richters S. 2 1 f. 25 So sinngemäß etwa Litten, Politisierung S. 109 ff.; Düx, Demokratie und Recht 1973, 223 ff.; und Wassermann, Politischer Richter S. 96 ff., 107 (in seiner Schrift „Der soziale Zivilprozeß" beurteilt W. diese Frage inzwischen wesent­ lich distanzierter, s. dort S. 82). 2 8 Als Bezugspunkte für eine dahingehende Würdigung seien hier stich­ wortartig angeführt: Gesetzesbindung des Richters (einschl. Problematik des Richterrechts, Ausmaß zulässiger Folgenberücksichtigung); Rechtsnatur und Inhalt des Sozialstaatsgedankens, Kompetenz des Richters zu seiner un-

§ 32. Die These vom „politischen Richter"

197

Soweit nun speziell in Frage steht, ob diese These auch gerade mit dem Postulat richterlicher Unparteilichkeit in Einklang steht, gibt die Darstellung zu I. jedoch zugleich den Hinweis dafür, daß es sich hier aber nicht speziell um ein Problem etwaiger Parteilichkeit handeltn, deren Voraussetzungen vorhin im einzelnen herausgearbeitet worden sind. Zum einen läßt sich feststellen, daß es jedenfalls insoweit, als das Handeln des jeweiligen Richters mit der Verfassung in Einklang steht, von vornherein schon am Moment der Unsachlichkeit fehlt. Aber selbst dort, wo die Einstellung des Richters mit der Verfassung in Kollision gerät, fehlt es an den Voraussetzungen der Parteilichkeit: Denn die fragliche „politische" Tendenz des Richters, um die es in jener These geht, soll ja gerade seinem Handeln insgesamt und ständig eigen sein, also nicht etwa auf einzelne, konkrete Fälle beschränkt sein. Dann aber ist die innere Einstellung des Richters, die einem solchen Handeln zugrunde liegt, genereller Art, und es fehlt ihr an der beson­ deren Beziehung gerade zu dem konkreten Verfahren, also an der .,Fallbezogenheit", wie sie nun einmal für die Parteilichkeit ausschlag­ gebend ist28• Infolgedessen geht es hier allenfalls darum, daß - je nachdem, welche Bedeutung der These jeweils beigelegt wird - im Sinne der vorhin in § 7.VII getroffenen Differenzierung womöglich die richter­ liche „Objektivität" als solche in einer ganz spezifischen Weise tangiert und in Frage gestellt wird, ohne daß hierbei aber zugleich auch spe­ ziell die „Unparteilichkeit" des Richters in Mitleidenschaft gezogen wird. Soweit sich hierbei die weitere Frage stellt, welche Rechtsbehelfe gegenüber einem derartigen „politischen" Richter gegeben sind, geht es um ein Problem der Eignung des Richters: Der Weg der Richter­ ablehnung kommt hierfür nicht, jedenfalls nicht originär, in Betracht29 •

mittelbaren Verwirklichung im allgemeinen und Statthaftigkeit einer „kom­ pensatorischen Verhandlungsführung" im besonderen, Verhältnis von Rechts­ staats- und Sozialstaatsprinzip zueinander; Richterbestellung und richterliche Unabhängigkeit, Statthaftigkeit (partei-)politischen Engagements des Richters. 27 Davon geht aber etwa Plassmann, JZ 1977 , 59 3 (a. E.) aus. 28 Sinngemäß in dieser Richtung wohl auch Wassermann, Zivilprozeß, wenn er die „innerprozessuale Neutralität" des Richters gegenüber Prozeß­ beteiligten und Verfahrensbevollmächtigten der „Neutralität" gegenüber „den tragenden Prinzipien der Verfassung" gegenüberstellt (S. 81 ) und von der „Kompensation . .. durch den unparteiischen Richter" spricht (S. 90). 29 Vgl. hierzu die Ausführungen oben in § 11.

Dritter Abschnitt Erste Schlu6folgerungen für die Ausgestaltung des deutschen Proze6rechts § 33. Die Forderung nach Objektivität und Unparteilichkeit1 des Richters im Prozeß Eine absolute Objektivität in dem Sinne, daß die eigene Persönlich­ keit des Richters bei seiner Entscheidungsfindung völlig ohne Einfluß bleibt und stattdessen allein die jeweilige konkrete Sache selbst sowie die hierfür einschlägigen Rechtsnormen die Entscheidung bestimmen, mag zwar an sich durchaus wünschenswert sein; doch kann sie vom Richter nicht einmal im Idealbild erwartet werden, weil diesem Wunsch, durch die Struktur der Rechtsnormen und zumal ihrer Anwendung selbst bedingt, das personale Element im richterlichen Handeln entge­ gensteht, also der Umstand, daß ein subjektives Moment aus der Per­ sönlichkeit des jeweiligen Richters jeweils in sein Handeln mit einfließt. Wenn auch ohne weiteres davon ausgegangen werden kann, daß die Richter regelmäßig durchaus um ein primär rationales Vorgehen be­ müht sind und daß sie sich dabei sogar von manchen dieser subjektiven Faktoren, die ihr Handeln gewöhnlich mitbestimmen, auch durchaus freimachen können, indem sie sich nämlich die bisherige Abhängigkeit von ihnen bewußt machen, - so ist aber wohl doch davon auszugehen, daß derartige Bestrebungen jedenfalls nicht generell und nicht umfas­ send möglich sein werden, weil diese Abhängigkeiten letztlich eben in der Struktur der menschlichen Persönlichkeit selbst begründet sind2 • Es kann daher immer nur darum gehen, den Einfluß dieses personalen, subjektiven Moments im richterlichen Handeln nach Möglichkeit „ein­ zudämmen" und im übrigen, soweit es unausweichlich oder auch unver­ zichtbar ist, unter Kontrolle zu bringen, es gewissermaßen zu „kanali­ sieren" und zu „strukturieren" . Ganz anders verhält es sich demgegenüber mit der Forderung nach der richterlichen Unparteilichkeit. Eine etwaige Parteilichkeit des Rieb1 Zur Abgrenzung vgl. oben § 7 .VI I. 2 Friesenhahn, Objektivität S. 28: ,, . . . bringt jeder Richter seine ganze Persönlichkeit mit ihren Fehlern und Vorzügen in sein Amt ein, er ist ge­ prägt durch Herkunft, Umwelt und Erziehung, seine Welt- und Lebensan­ schauung kann er auch als Richter nicht verleugnen . . ." .

§ 34. Der Geltungsbereich des Unparteilichkeits-Postulats

199

ters resultiert j a gerade daraus, daß der jeweilige Richter im Einzelfall einmal in die Behandlung der Sache ein besonderes persönliches Mo­ ment mit einfließen läßt, das - nicht schon durch die Sache selbst oder durch die Struktur der Rechtsanwendung bedingt - gewisser­ maßen nur „zufällig" einmal hinzutritt und den Richter an einer rein sachbezogenen Behandlung des Falles hindert. Diese Umschreibung besagt aber zugleich, daß dieses störende, ,,sach-fremde" Moment im Regelfall in seinem Handeln gerade fehlt. Und eben dieser Umstand erlaubt es, bei aller notwendigen Relativierung der Forderung, daß der Richter die Sache obj ektiv zu behandeln habe, unabhängig davon gleichzeitig zu verlangen, daß der Richter die Sache aber jedenfalls unparteilich behandeln solle, und Maßnahmen für den Fall vorzusehen, daß ein Richter im Einzelfall diesen Anforderungen nicht gerecht wird.

§ 34. Zusammenfassung: Der Geltungsbereich des Unparteilicb.keits-Postulats im Rahmen des Prozeßrechts Aus den bisherigen Überlegungen folgt zunächst, daß das Postulat der richterlichen Unparteilichkeit als solches ohne Einschränkung in allen Prozeßarten und für alle Richter einheitlich gelten muß. I. Das bedeutet zunächst einmal, daß der Begriff der Parteilichkeit als solcher für alle Prozeßarten einheitlich verwendet werden, also überall den gleichen Inhalt und Umfang haben muß. Das trifft auch in der Tat zu, obwohl dies, wenn man die Ablehnungsregelungen und die Praxis der Richterablehnung in den verschiedenen Prozeßarten mitein­ ander vergleicht, nicht ohne weiteres der Fall zu sein scheint. Bei ge­ nauerem Hinsehen wird man nämlich feststellen, daß die beobachteten Unterschiede nicht eigentlich auf jeweils unterschiedlichen Begriffs­ inhalten von „Parteilichkeit" und „Befangenheit" beruhen, sondern auf anderen Gesichtspunkten, die im Gegenteil durchaus auf einem gemeinsamen Begriff von Parteilichkeit aufbauen, dann aber in der weiteren Ausgestaltung oder Handhabung der einschlägigen Vorschrif­ ten teilweise untereinander differieren. Dies gilt - und darauf kommt es in diesem Zusammenhang vorran­ gig an - gerade auch in bezug auf das Verfassungsprozeßrecht, obwohl doch dort, zumindest auf der B asis1 der gegenwärtigen Praxis des B VerfG und der herrschenden Literaturmeinung, die Möglichkeit der Richterablehnung wegen Besorgnis der Befangenheit im Verhältnis zum sonstigen Prozeßrecht nachhaltig eingeschränkt sein soll. Diese Bestrebungen, die Ablehnungsmöglichkeit in Verfahren vor dem B VerfG drastisch einzuschränken (und dadurch zu verhindern, daß der jeweilige Senat durch mehrere gleichzeitige Ablehnungen beschluß-

200

I. Teil, 3. Abschn.: Erste Schlußfolgerungen für das Prozeßrecht

unfähig wird), gehen, wie oben in § 9.III, IV dargelegt, nicht etwa von einem besonderen Befangenheits-Begriff für das Verfassungsprozeß­ recht aus; vielmehr zielen sie lediglich entweder darauf, für das Merkmal der „Besorgnis der Befangenheit" einen strengeren Beurtei­ lungsmaßstab als sonst zu begründen, oder aber sie setzen jenseits dieser materiellrechtlichen Aspekte überhaupt erst im Rahmen der speziellen verfahrensrechtlichen Aspekte, etwa bei der Ablehnungs­ befugnis, an. II. Wie im übrigen vorhin in § 31 ausgeführt, kann davon ausgegan­ gen werden, daß der zentrale, gerade auch verfassungsrechtlich fun­ dierte Stellenwert des Unparteilichkeits-Postulats entgegen dem ersten Eindruck durch die Entscheidung BVerfGE 42, 64 ff. nicht wirklich in Frage gestellt worden ist. III. Aus dem bisher Gesagten folgt im übrigen zugleich auch, daß das Unparteilichkeits-Postulat für alle Richter einheitlich zu gelten hat1 • Das bedeutet vor allem, daß es insoweit keine Unterschiede zwischen Berufsrichtern einerseits und ehrenamtlichen Richtern ande­ rerseits geben darf. Problematisch mochte dies zunächst vor allem im Hinblick auf denjenigen Typ von ehrenamtlichen Richtern erscheinen, der als sog. ,,interessengebundene Laienrichter" gekennzeichnet wird. Wie indessen oben in § 20 im einzelnen nachgewiesen werden konnte, gilt auch bei ihnen das Unparteilichkeits-Postulat ohne Einschränkung. Wenn es mit Blick auf die Praxis der Richterablehnung trotzdem unterschiedliche Voraussetzungen und eine unterschiedliche Behand­ lung bei den verschiedenen Arten von Richtern zu geben scheint, dann aber nicht etwa beim Begriff der Parteilichkeit selbst, sondern erst bei der Frage, ob eine geltend gemachte Besorgnis der Befangenheit be­ gründet erscheint. Bei manchen Fallgruppen von Befangenheit - hier wird insbesondere an die Beeinflussung des Richters von dritter Seite zu denken sein - mag es allerdings berechtigt sein, eine in dieser Richtung geltend gemachte Besorgnis der Befangenheit bei einem Laienrichter eher als bei einem Berufsrichter für begründet zu halten. Das liegt dann aber an den unterschiedlichen tatsächlichen Voraus­ setzungen, denen bei der Würdigung eines etwaigen Ablehnungsge­ suchs Rechnung zu tragen ist. Das Postulat der Unparteilichkeit selbst gilt demgegenüber für beide Gruppen von Richtern in gleicher Weise.

1 Jedenfalls soweit es sich um allein die Rede ist.

staatliche Richter

handelt, von denen hier

§ 35. Der „Mindeststandard" des Prozeßrechts

201

§ 35. Der „Mindeststandard" des Prozeßrechts in bezug auf ein Handlungsverbot für den tatsächlich befangenen Richter 1. Wenn dem Postulat der richterlichen Unparteilichkeit, wie bisher dargelegt, im Prozeß ein derart hoher Stellenwert zukommt, weil es nämlich letztlich um die Gewähr der sachlich richtigen Entscheidung selbst geht, dann muß natürlich das Prozeßrecht auch den Fall regeln, daß ausnahmsweise ein Richter auch einmal mit einer Sache befaßt wird, der gegenüber er befangen ist; und das Prozeßrecht muß nun Vorsorge dafür treffen, daß dieser Richter dann nach Möglichkeit daran gehindert wird, in dieser konkreten Sache weiterhin mitzuwirken. Ein ausdrückliches „Handlungsverbot" 1 für den befangenen Richter kennt das geltende Prozeßrecht, zumindest in dieser Form, indessen nicht. Den Ausschließungsvorschriften mag zwar letztlich ein derartiger Gedanke zugrunde liegen. Jedoch stellen diese Vorschriften ersichtlich nicht darauf ab, ob der betroffene Richter im Einzelfall auch tatsächlich befangen ist; vielmehr umschreiben sie bestimmte Fallkonstellationen, bei denen typischerweise2 eine Befangenheit angenommen werden kann, stellen insofern die unwiderlegbare Vermutung3 auf, der Richter, bei dem dieser Tatbestand vorliege, sei tatsächlich befangen, und ordnen für diesen Fall schlechthin an, der Richter habe sich in dieser Sache der Ausübung seines Amtes zu enthalten: Wenn es aber im konkreten Fall gar nicht darauf ankommt, ob der betroffene Richter auch tatsächlich befangen ist, dann trifft es jedenfalls nicht zu, daß die Ausschließungsvorschriften unmittelbar für den Fall der Befangen­ heit ein Handlungsverbot zum Ausdruck bringen. II. Einern solchen Handlungsverbot kommt vielmehr nach der Aus­ gestaltung des geltenden Prozeßrechts am nächsten das Institut der sog. Selbstablehnung des Richters, wie es in § 48 I (1. Alt.) ZPO, 30 (1. Alt.) StPO, 19 III BVerfGG und 6 II FGG normiert ist4 • 1 . Zumindest für die Regelungen der ZPO und StPO wie auch des BVerfGG gilt dabei kraft ausdrücklicher Anordnung im Gesetz, daß

1 So der Ausdruck bei Wolff/Bachof III § 156 Rn. 26 = S. 331. 2 So etwa StJ-Leipo!d 20 § 41 ZPO Rn.6 und Zöller/Vollkommer 12 § 42 ZPO Erl. 111.1 ( a. E.). 3 I n diesem Sinne besonders deutlich Bettermann, GR 111/2 S.526 und Festschr. für das BSozG S. 807 ( ,,unwiderleglich vermutete Befangenheit" ), ihm zustimmend Eb. Schmidt, LK II Nachtrag 1 Vorb.1 vor § 2 2 ; zuvor schon v. Lilienthal, StrafProzRecht [ 19 2 3] § 6.IV = S. 12 ( ,,praesumtio iuris et de iure" ) und jetzt KMR7-Paulus Vorb. Rn.5 und 8 vor § 2 2 StPO (,,unwider­ legl. gesetzl. Befangenheitsvermutungen"). ' Während die übrigen Prozeßordnungen insoweit pauschal auf die ein­ schlägige Regelung der ZPO verweisen ( vgl. §§ 46 II i. V. m. 49 ArbGG, 54 VwGO, 60 SGG, 51 FGO).

202

I. Teil, 3. Abschn.: Erste Schlußfolgerungen für das Prozeßrecht

nicht schon die bloße Erklärung des Richters, er sei befangen oder er halte sich für befangen, dafür genügt, um die Rechtsfolge Ausscheiden aus dem Verfahren eintreten zu lassen; vielmehr wird er erst dadurch aus dem Verfahren ausgeschlossen, daß das zuständige Gericht seine Anzeige für begründet erklärt5 • Nach dem Wortlaut des § 6 II FGG (.,Ein Richter kann sich der Ausübung seines Amtes wegen Befangenheit enthalten" ) scheint demgegenüber an sich schon die bloße einseitige Erklärung des betr. Richters auszureichen. Im An­ schluß an die Entscheidung des BVerfG vom 8. 2. 67 = E 21, 139 ff. geht jedoch die heute herrschende Auffassung in Rechtsprechung und Schrifttum über­ einstimmend davon aus, daß zumindest bei den streitigen Verfahren der frei­ willigen Gerichtsbarkeit, wenn nicht sogar allgemein die Regelung des § 48 ZPO entsprechend anzuwenden sei6 • Im Rahmen der jetzigen Untersuchung kann es nun nicht darum gehen, die Modalitäten dieser sog. Selbstablehnung, zumal ihre ver­ fahrensrechtlichen Details, im einzelnen zu behandeln; eine derartige Erörterung wäre vielmehr im Rahmen einer gesonderten Untersu­ chung zu leisten, die sich die Ausschließungs- und Ablehnungsvor­ schriften als solche, speziell deren verfahrensrechtliche Aspekte, zum Gegenstand nimmt. Im jetzigen Zusammenhang konzentriert sich die Fragestellung allein auf die hier vorrangige Frage, ob derj enige Rich­ ter, bei dem eine Befangenheit vorliegt, auf Grund dieses Sachverhalts nicht lediglich berechtigt, sondern darüber hinaus sogar verpflichtet ist, diesen Umstand geltend zu machen, damit in dem dafür vorgesehenen Verfahren über seinen etwaigen Ausschluß aus dem Verfahren befun­ den werden kann. 2. Der Wortlaut der einschlägigen Vorschriften der ZPO und StPO sowie des BVerfGG nimmt hierzu keine Stellung, vielmehr regeln diese Vorschriften lediglich das Verfahren für den bereits eingetretenen Fall, daß ein Richter von sich aus einen Befangenheitsgrund anzeigt. Demgegenüber kann der Wortlaut des § 6 II FGG ( ,,Ein Richter kann . . . ") allerdings so verstanden werden, daß die Anzeige in das Ermessen des jeweiligen Richters gestellt sein solle7 ; indessen läßt sich diese Formu­ lierung aber ebensogut auch so auslegen, daß nach dem Willen des Gesetzgebers im Rahmen des FGG zwar die Parteiablehnung aus­ drücklich ausgeschlossen sein sollte (so § 6 II 2 a.F.), daß hiervon aber nicht auch die Selbstablehnung des Richters betroffen sein sollte, ohne daß darüber hinaus zugleich auch eine Regelung darüber getrof5 Vgl. hierzu die Entsch. des BVerfG vom 5. 10. 77 = E 46, 34 ff. (39 - sog. Amtsablehnung des Richters Hirsch). 6 Vgl. statt aller, mit div. Nachweisen, Bumiller/Winkler, FGG § 6 Erl. 4.a) . 7 So zum früheren Rechtszustand vor der Entscheidung BVerfGE 2 1 , 139 ff. etwa Schlegelberger, FGG § 6 Rn. 12 (.,pflichtgemäßes Ermessen") ; abl. hier­ gegen Keidel/Kuntze/Winkler, FGG § 6 Rn. 26 a.

§ 35. Der „Mindeststandard" des Prozeßrechts

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fen worden wäre, unter welchen Voraussetzungen im einzelnen eine derartige Selbstanzeige erfolgen könne und solle. Näheren Aufschluß zu der hier aufgeworfenen Frage geben erst die Materialien zur ZPO, deren Auffassung dann für lange Zeit die Auslegung von § 48 I (1. Alt.) ZPO und § 30 ( 1 . Alt.) StPO bestimmt hat: In der 2. Lesung des ZPO­ Entwurfs in der Justiz-Kommission des Reichstags hatte nämlich der Abg. Reichensperger den Antrag gestellt, ausdrücklich eine Anzeige­ pflicht des betroffenen Richters zu statuieren8 ; dieser Antrag wurde j edoch mit der Begründung abgelehnt, ,,eine derartige Verpflichtung gehöre in die Dienstesinstruktion, nicht in die Prozeßordnung" , zudem stehe der Normierung einer dahingehenden Pflicht die Befürchtung entgegen, ,,daß ängstliche Richter das Gericht mit allen möglichen Zweifeln belästigen würden" 9 • Unter der Geltung des Grundgesetzes hat sich j edoch heute die gegenteilige Auffassung als herrschend durch­ gesetzt, die von einer Pflicht des Richters zur Anzeige des Ablehnungs­ grundes ausgeht1 0 • Während das B VerfG in den beiden vorausgegan­ genen Beschlüssen vom 25. 3. 66 = E 20, 26 ff. (angebliche Selbstablehnung des Richters Dr. Leibholz) und vom 7. 12. 76 = E 43, 126 ff. (Selbstableh­ nung des Präsidenten Dr. Benda), die j eweils unmittelbar die sog. Selbstablehnung eines Bundesverfassungsrichters zum Gegenstand hatten11 , keinen Anlaß gehabt hat, auf die hier interessierende Frage einzugehen, hat es inzwischen in der Entscheidung vom 5. 10. 77 = E 46, 34 ff. (betr. Richter Hirsch) im Rahmen der Frage, ob das Gericht auch von Amts wegen über die Befangenheit eines Richters befinden dürfe, die Pflicht des betroffenen Richters zur Anzeige des Ablehnungsgrundes

8 In diesem Sinne zuvor für den gemeinrechtlichen Zivilprozeß Endemann, CivProzRecht [1 86 8] § 31.1, II = S. 102 f. und aus dem Bereich des reformier­ ten Strafprozesses z. B. Art. 44 II i. V. m. Art. 40 württ. StPO von 1843 (= RegBI. für das Kgr. Württ. 1 843, 459 ff.), Art.59 I i. V. m. Art.58 II württ. StPO von 1 86 8 ( = ebd. Jgg. 186 8, 205 ff.) und § 2 7 I 1 preuß. StPO von 1 867 ( = GesSlg. für die Preuß. Staaten 1867 , 9 33 ff.). 9 Protokolle der Justiz-Kommission des Deutschen Reichstags, betreffend die Berathung der Civilprozeßordnung und des Einführungsgesetzes [Berlin 187 6 ] , 83. Sitzung am 7. 10.1 875, S.511 (= Hahn, ZPO S. 9 78). - Die Mate­ rialien zur StPO gehen dann auf diese Frage nicht mehr ein. 10 Aus der Rspr. vgl. die Entsch. des BGH vom 3. 10. 62 = LM Nr. 4 zu § 42 ZPO = ZZP Bd. 76 (1963), 11 8 f. Aus der Lit. zur ZPO und StPO (die Kom­ mentierungen zum BVerfGG schweigen bisher hierzu) vgl. BL-Hartmann § 48 Erl.1 ; Thomas/Putzo § 48 Erl. 1.a) ; StJ-Leipold 20 § 48 Rn. 3 ; Eb. Schmidt, LK II § 30 Rn. 2 ; KMR 1 -Sax § 30 Rn. 4; LR-Dünnebier I § 30 Rn. 3; Klein­ knecht § 30 Rn. 2 sowie die Monographie von Hamm, Gesetz!. Richter S. 136 ff. ; in etwa in dieser Richtung, wenn auch zurückhaltender (,,. . . soll . . ." ) auch Wieczorek 1 1 § 48 Erl. B I a. 11 Dazu, daß die Entsch. vom 25. 3. 66 zu Unrecht von einer Anzeige des Richters selbst im Sinne einer sog. Selbstablehnung ausgegangen ist, vgl. die zutreffende Kritik von Friesenhahn, Anm. JZ 19 66 , 708 f., 710; Laufer, Verfas­ sungsgerichtsbarkeit S.51 7; Zwirner, AöR Bd. 9 3 (1 9 6 8) , 105 ff. ; Stadler, Neu­ tralität S. 41 Fußn. 2 7; sowie Knöpfle, BVerfG-Festgabe I S.1 66.

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I. Teil, 3. Abschn.: Erste Schlußfolgerungen für das Prozeßrecht

ausdrücklich hervorgehoben 12 • Angesichts dessen, daß das Postulat der richterlichen Unparteilichkeit unmittelbar in der Verfassung selbst ver­ ankert ist, und zumal mit Rücksicht darauf, daß es hier j a letztlich darum geht, daß die sachliche Richtigkeit der zu treffenden Entschei­ dung selbst gewährleistet werden soll, bedarf es wohl keiner näheren Begründung, daß vor dem derart abgesicherten Stellenwert des Un­ parteilichkeits-Postulats allein diese letztere Auffassung Bestand haben kann. Damit ist allerdings noch keine Aussage darüber getroffen, ob diese Pflicht des Richters zur Selbstanzeige lediglich eine solche des Richterdienstrechts13 oder eine echte prozessuale Pflicht ist14 • Von der Stellungnahme zu dieser Frage hängt ab, ob das Unterlassen einer derartigen Anzeige womöglich für die Parteien einen Anfechtungsgrund gegen die hierauf ergehende Entschei­ dung des betreffenden Richters schafft15 • Dieses verfahrensrechtliche Pro­ blem kann indessen im Rahmen der j etzigen Untersuchung nicht näher er­ örtert werden. 3. Der soeben bej ahten Pflicht des Richters zur sog. Selbstablehnung im Falle der Befangenheit tragen die Vorschriften des § 19 III BVerfGG und § 6 II FGG insoweit Rechnung, als sie nach ihrem Wortlaut gerade auf den Fall der Befangenheit selbst abstellen. Problematisch sind dem­ gegenüber insofern die Regelungen der §§ 48 I (1. Alt.) ZPO und 30 (1. Alt.) StPO, da sie auf die Möglichkeit der Parteiablehnung verweisen, die aber ja gerade nicht auf das Merkmal der tatsächlich gegebenen Be­ fangenheit selbst, sondern auf das subj ektiv gefärbte Merkmal der Be­ sorgnis der Befangenheit abstellt: Vor dem Unparteilichkeits-Postulat mit dem Inhalt, wie er bisher entwickelt worden ist, können diese Vor­ schriften allenfalls dann Bestand haben, wenn in verfassungskonformer Auslegung neben dem unmittelbar angesprochenen Fall der Ablehnbar­ keit wegen Besorgnis der Befangenheit der hiermit nicht notwendig deckungsgleiche Fall der tatsächlich gegebenen Befangenheit zumindest auch mit einbezogen und davon ausgegangen wird, daß diese Vorschrif­ ten gerade auch diesen Fall mit regeln sollen. Dieser grundlegende Aspekt ist indessen, soweit ersichtlich, bisher lediglich im Rahmen der Auslegung des § 6 II FGG näher angesprochen 1 2 S. 42 unter 11.2.g): ,, . . . Die Weigerung, sich selbst für befangen zu er­ klären, obwohl ein Fall der Befangenheit im Sinne des Gesetzes eindeutig vorliegt, wäre eine grobe Pflichtverletzung im Amt . . . " . 13 In diesem Sinne die Materialien zur ZPO (s. das Zitat oben bei Fußn. 9), ferner heute etwa StJ-Leipold20 § 48 Rn. 3 (a. E.) und LR-Dünnebier I § 30 Rn. 25. 14 So ausdrücklich Hamm, Gesetzl. Richter S. 136 ff. 15 Bej ahend für den Strafprozeß (aus dem Gesichtspunkt des § 337 StPO) Hamm ebd. S. 143 ff.; anders demgegenüber die h. M., vgl. Leipold und Dünne­ bier (s. vorstehende Fußn. 13) mit weiteren Nachweisen.

§ 35. Der „Mindeststandard" des Prozeßrechts

205

worden16 : In dem Maße, in dem seit der Entscheidung BVerfGE 2 1 , 1 3 9 ff. auch die sog. Selbstablehnung des FGG-Verfahrens i m Anschluß an die entsprechende Regelung der ZPO gehandhabt wird, tritt dieser Aspekt allerdings heute auch hier in den Hintergrund. Weit größere Aufmerksamkeit gilt bei ähnlichem Ausgangspunkt statt dessen dem entgegengesetzten Fall, daß nämlich ein Richter, der sich tatsäch­ lich nicht befangen fühlt, annimmt, er habe den Parteien durch sein Verhal­ ten immerhin Anlaß gegeben, aus ihrer Sicht an seiner Unparteilichkeit zu zweifeln: Die dem § 6 II FGG insoweit vergleichbare Norm des § 19 III BVerfGG17 regelt an sich nur den Fall, daß ein Richter sich selbst „für be­ fangen erklärt" . Das BVerfG hat jedoch in den Entscheidungen vom 25. 3. 66 und 7. 12. 76 gerade mit Rücksicht auf die entsprechenden Vorschriften der ZPO und StPO hervorgehoben, daß trotz des anderslautenden Wortlauts von § 19 III BVerfGG auch eine dahingehende Anzeige des Richters als begründet anzusehen sei (= E 20, 26 ff. [29 f., unter Il.1] und E 43, 126 ff. [127, unter Il.1] ) 18• Wenn nun aber der Richter nach der Ausgestaltung des geltenden Prozeßrechts nicht einfach allein auf Grund seiner Erklärung aus dem Verfahren ausscheidet, wenn vielmehr erst die Entscheidung des zu­ ständigen Spruchkörpers ausschlaggebend ist, dann mag folgender Ein­ wand gegen die hier bej ahte Annahme naheliegen, der Richter sei verpflichtet, eine bei ihm vorliegende Befangenheit anzuzeigen: Gegen­ stand der gerichtlichen Nachprüfung könne schwerlich der Zustand der Befangenheit als solcher sein, da es sich insoweit lediglich um einen „inneren Zustand" , um eine psychische Verfassung des Richters handle; allenfalls könne es bei diesem Verfahren vielmehr um die Frage gehen, ob aus Sicht eines Prozeßbeteiligten Anlaß zur Besorgnis der Befangenheit gegeben sei 19 • Indessen schließt dieser aus der Aus­ gestaltung des Verfahrensrechts abgeleitete, durchaus zutreffende Aspekt keineswegs aus, daß der Richter zur Selbstablehnung gerade auch dann verpflichtet sein soll, wenn er sich selbst als durchaus befangen empfindet. Auch wenn nämlich die beiden Merkmale „Befan­ genheit" und „Besorgnis der Befangenheit" nicht ohne weiteres dek­ kungsgleich sind, schließt dies ja keineswegs aus, daß sie im Einzelfall doch zum gleichen Ergebnis führen: Insoweit geht es einfach darum, daß der vom Richter angezeigte Befangenheitsgrund auch für die ent­ scheidenden Richterkollegen nachvollziehbar und einsichtig sein muß20 • 1 0 Vgl. Bärmann, FG § 7.II.1 = S. 63 (mit zahlreichen Nachweisen zum da­ maligen Streitstand). 1 7 Vgl. hierzu Zwirner, AöR Bd. 93 (1968), 106. 18 Zust. zu dieser Rspr. - gegen Zwirner (s. vorstehende Fußn.) - Knöpfle, BVerfG-Festgabe I S. 165 f. und Stad.Zer, Neutralität S. 41 ff. (insbes. S. 43 f.). 19 In diesem Sinne die Argumentation bei Stadler, Neutralität S. 43 f. 20 In diesem Sinne ist wohl auch die Stellungnahme von Schütz, Ableh­ nung S. 86 ff. zu verstehen.

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I. Teil, 3. Abschn.: Erste Schlußfolgerungen für das Prozeßrecht

4. Mit der hier erörterten Annahme einer Pflicht des Richters zur Anzeige einer bei ihm vorliegenden Befangenheit erfährt das Institut der sog. Selbstablehnung, nachdem es bisher für lange Zeit großenteils gewissermaßen im „Schatten" des Instituts der Richterausschließung und der Parteiablehnung gestanden hat, eine nachhaltige Aufwertung. Im System der Ausschließungs- und Ablehnungsnormen, die der Siche­ rung der richterlichen Unparteilichkeit dienen sollen, kommt ihm damit sogar eine zentrale Bedeutung zu oder, wie Dünnebier es zu­ treffend formuliert, die Funktion eines „Eckpfeilers" 21 • III. Trotzdem vermag allerdings die so verstandene Selbstablehnung für sich allein nicht stets zu gewährleisten, daß im einzelnen Fall ein etwaiger befangener Richter auch tatsächlich sein Ausscheiden aus dem Verfahren veranlaßt. Dabei muß es sich keineswegs darum handeln, daß der betreffende Richter die ihm obliegende Anzeige bewußt unter­ läßt. Ebensogut kann es auch so sein, daß der Richter aus seiner subjektiven Sicht dem Umstand, der objektiv bei ihm eine Befangen­ heit begründet, keine dahingehende Bedeutung beimißt, sei es daß er sich trotzdem als unparteilich einschätzt, oder sei es aber auch, daß er sich der möglichen Befangenheit überhaupt nicht bewußt ist. Mit Rück­ sicht auf die zentrale Bedeutung des Unparteilichkeits-Gebots muß deshalb das Prozeßrecht für diese keineswegs unwahrscheinlichen Fälle neben dem Institut der sog. Selbstablehnung auch noch andere prozessuale Behelfe bereitstellen. 1. Hierfür mag zum einen, jedenfalls soweit hierdurch gerade auch die Fälle tatsächlicher Befangenheit erfaßt werden, das bereits er­ wähnte Institut der Ausschließung in Betracht kommen (s. o. zu I.), das sich ja gerade dadurch auszeichnet, daß seine Wirkungen im Einzelfall unabhängig vom Willen des betroffenen Richters und der jeweiligen Prozeßbeteiligten bereits unmittelbar kraft Gesetzes eintreten und deshalb auch von Amts wegen zu berücksichtigen sind. 2. Konsequent wäre es nun eigentlich, wenn die etwaige Befangen­ heit eines Richters darüber hinaus auch sonst von Amts wegen zu berücksichtigen wäre, wobei hier vorrangig an kollegial besetzte Spruchkörper zu denken ist, in denen dann die einzelnen Richter jeweils auch mit über die Unparteilichkeit ihrer Kollegen zu wachen hätten. Das Institut der eigentlichen Richterablehnung, wie es in den Prozeßordnungen vorgegeben ist, kommt hierfür allerdings nicht in Betracht, weil die Richter nicht zu den Verfahrensbeteiligten gehören, denen nach der Ausgestaltung des Gesetzes eine Ablehnungsbefugnis zusteht22 • 2 1 LR I § 30 Rn. 4; vgl. in diesem Zusammenhang auch die Bemerkungen in meiner Rez. in ZZP Bd. 92 (1979), 381.

§ 35. Der „Mindeststandard" des Prozeßrechts

207

a) In Betracht zu ziehen ist deshalb allenfalls die Figur der sog.

Amtsablehnung in Anlehnung an die Regelung der §§ 48 I (2. Alt.) ZPO

und 30 (2. Alt.) StPO. Diese Regelung ist allerdings ausdrücklich auf die Ausschließungsfälle beschränkt23 und umfaßt nach dem Gesetzes­ wortlaut sonstige Befangenheitsfälle gerade nicht. Es ist jedoch zu überlegen, ob dieses Institut der Amtsablehnung von Verfassungs wegen womöglich auch auf die sonstigen Befangenheitsfälle ausgedehnt wer­ den muß.

Knöpfle24 und ihm folgend das B VerfG in der bereits genannten Entscheidung vom 5. 10. 77 E 46, 34 ff. (36 ff. - betr. Richter Hirsch -) haben indessen inzwischen überzeugend dargetan, daß die Einleitung eines solchen Verfahrens von Amts wegen für die Richter des B VerfG nicht in Betracht komme, weil es nicht praktikabel sei, zu Unzuträg­ lichkeiten und womöglich sogar zu neuen Befangenheiten im jeweiligen Senat führe und zudem mit den Vorkehrungen zur Sicherheit der richterlichen Unabhängigkeit nicht zu vereinbaren sei. Nicht kann dem B VerfG hierbei allerdings darin gefolgt werden, wenn es davon ausgeht, daß in den „objektiven" Normenkontrollverfahren eine Par­ teiablehnung von vornherein ausscheide und das Bedürfnis nach der Möglichkeit einer Ablehnung von 'Amts wegen deshalb an sich um so größer sei2 5 ; vgl. hierzu die Ausführungen oben in § 9.111.4, IV zu den Bestrebungen, die Ablehnungsbefugnis in Verfahren vor dem B VerfG schon de lege lata nachhaltig einzuschränken. So sehr ansonsten der Ansatz von Knöpfle an sich zu überzeugen vermag, daß zumindest für extreme Fälle eine Ausnahme vom grundsätzlichen Ausschluß der Amtsablehnung gemacht werden müsse, so erscheint doch die Grenz­ ziehung für den einzelnen Fall außerordentlich problematisch. Soweit im übrigen die Wahrung der richterlichen Unabhängigkeit in Frage steht, wird zu berücksichtigen sein, daß es hier ja nicht um eine Ent­ fernung des Richters aus seinem Amt überhaupt geht, für welche allein die spezielle Regelung des Art. 98 11 1 GG und des § 105 BVerfGG vor-

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22 Vgl. den Wortlaut von § 42 III ZPO und § 2 4 III 1 StPO; für den Ver­ fassungsgerichtsprozeß vgl. entsprechend Maunz/Sigloch/Schmidt-B leibtreu/ Klein, § 1 9 BVerfGG Rn. 10 (Neubearbeitung 1 979). 23 Ein eigentliches Verfahren von Amts wegen bei Vorliegen eines Befan­ genheitsgrundes hat bisher lediglich der „Entwurf einer Strafverfahrens­ ordnung und Friedensrichterordnung, aufgestellt von der Großen Straf­ prozeßkommission des Reichsjustizministeriums" in der Fassung der „Ersten Lesung 1 936 /1 937 " vorgesehen (§ 118); bereits in der Fassung der „zweiten Lesung", ,,zusammengestellt nach den Vorschlägen der Unterkommissionen der Großen Strafprozeßkommission" [1 939] wurde die sog. ,,Prüfung von Amts wegen" dann jedoch wieder auf den alleinigen Fall der sog. Selbst­ ablehnung des Richters beschränkt (§ 118). 24 BVerfG-Festgabe I S.166 ff. 26 E 46 , 34 ff. (36 , unter I I.2 .a).

208

I. Teil, 3. Abschn.: Erste Schlußfolgerungen für das Prozeßrecht

gesehen ist, sondern lediglich um den begrenzten Ausschluß aus einem einzelnen Verfahren : selbst in diesem engeren Rahmen hätte ein zwangsweiser Ausschluß bei bej ahender Entscheidung für den betrof­ fenen Richter j edoch ebenfalls schon eine gewisse disziplinierende Wirkung, in der eine Beeinträchtigung seiner Unabhängigkeit gesehen werden könnte. Gegen die sog. Amtsablehnung bei vorliegender Be­ fangenheit mag man vielleicht noch ins Feld führen wollen, daß j a schließlich auch eine Partei sich wissend auf die Verhandlung vor einem befangenen Richter einlassen könne, daß also auch in anderer Hinsicht in Kauf genommen werde, daß ein befangener Richter tätig werde: dieses Argument führt indessen ersichtlich nicht weiter, weil ja ein befangener Richter gerade unabhängig davon, ob die Parteien ihn ablehnen oder nicht, seinerseits zur Anzeige dieses Umstandes sogar verpflichtet ist (s. o.). Mögen im übrigen die Verfahrensmodalitäten des Art. 98 II 1 GG und des entsprechenden Landesrechts gegenüber denen des § 105 BVerfGG divergieren, so liegen die Dinge ansonsten bei den anderen Richtern doch im wesentlichen gleich, so daß die vorstehenden Ausführungen entsprechend auch für sie zu gelten haben. b) Scheidet somit die Möglichkeit, außerhalb der Ausschließungsfälle von Amts wegen den Ausschluß eines befangenen Richters einzuleiten, aus, so scheint nach einer verbreiteten Ansicht die Berücksichtigung eines etwaigen Befangenheitsgrundes von Amts wegen aber doch nicht schlechthin ausgeschlossen werden zu sollen: Für den Fall nämlich, daß ein Ablehnungsgesuch von seiten eines ablehnungsberechtigten Prozeßbeteiligten angebracht ist, wird in Rechtsprechung und Literatur, vor allem im Bereich des Strafprozesses, häufig, wenn auch meist ohne nähere Begründung, die Auffassung vertreten, das mit dem Ableh­ nungsgesuch befaßte Gericht dürfe seine Prüfung auch auf Gründe ausdehnen, die in dem Gesuch selbst gar nicht geltend gemacht worden seien26 • Wenn auch manches für diese Auffassung spricht: nicht zuletzt Gründe der Verfahrensautonomie, die ein weiteres Ablehnungsgesuch desselben Prozeßbeteiligten gegen denselben Richter überflüssig ma­ chen27 , - so stehen einer solchen Ausweitung andererseits doch auch

28 Für den Strafprozeß vgl. etwa LR-Dünnebier I § 24 Rn. 8 und insbe­ sondere Hamm, NJW 1973, 178 ff. (j eweils m. w. N.) ; vgl. daneben für den Verfassungsgerichtsprozeß allgemein in dieser Richtung Schütz, Ablehnung S. 76 sowie speziell zum 2. Rottmann-Beschluß des BVerfG vom 16. 6 . 73 ( = E35, 246 ff.) Häberle, JZ 1973, 454 Fußn. 19 , a. A. jedoch die Abw. Meinung hierzu ebd. S. 255 ff. (257 ). 27 So z. B. wenn der Ablehnende erst im Zusammenhang mit seinem be­ reits angebrachten Ablehnungsgesuch, etwa durch die dienstliche Äußerung des betroffenen Richters, einen zusätzlichen Ablehnungsgrund erfährt, der die Ablehnung womöglich überhaupt erst als begründet erscheinen läßt.

§35. Der „Mindeststandard" des Prozeßrechts

209

gewichtige Bedenken entgegen, so daß dieser Auffassung im Ergebnis wohl doch nicht gefolgt werden kann28• 3. Neben Ausschließung kraft Gesetzes und sog. Selbstablehnung sehen die Prozeßordnungen regelmäßig auch die weitere Möglichkeit vor, daß die Prozeßbeteiligten ihrerseits einen Richter ablehnen und auf diese Weise unter bestimmten Voraussetzungen ebenfalls aus dem Verfahren ausschließen. a) Wesentlich für diese Parteiablehnung ist jedoch, daß die Prozeß­ ordnungen dabei, sofern sie nicht lediglich auf die entsprechenden Vorschriften der ZPO verweisen29 , nicht etwa voraussetzen, daß es sich um einen wirklich befangenen Richter handeln müsse: vielmehr stellen sie jeweils darauf ab, daß die Prozeßbeteiligten bei diesem Richter eine Befangenheit „besorgen", daß sie seiner Unparteilichkeit „miß­ trauen"30. Hiernach steht also nicht die Tatsache der Befangenheit selbst, um die es im jetzigen Zusammenhang an sich allein geht, im Vordergrund, sondern die damit nicht notwendig deckungsgleiche, subjektiv gefärbte Besorgnis der Befangenheit, auf die ja letztlich auch die Ausschließungsvorschriften abstellen. Dieses abweichende Kri­ terium resultiert indessen notwendig daraus, daß es den Prozeßbetei­ ligten ja oft nicht möglich ist zu beurteilen, ob ein Richter, bei dem sie immerhin allen Anlaß haben mögen, eine Befangenheit zu befürch­ ten, auch tatsächlich befangen ist oder ob er lediglich einen solchen Eindruck erweckt31 • Letztlich zielt das Institut der Richterablehnung wegen Besorgnis der Befangenheit aber doch auf den tatsächlich be­ fangenen Richter: denn wirklich gefährdet ist die sachliche Richtigkeit der Entscheidung j a nur bei diesem. Das Ausweichen auf das Kriterium des Mißtrauens oder Vertrauens ist lediglich ein Behelf, mit dessen Hilfe auch die Prozeßbeteiligten ihrerseits und aus ihrer Sicht mit dafür sollen sorgen können, daß nach Möglichkeit nur ein unparteilicher Richter in ihrer Sache tätig wird und entscheidet. Dabei ist dieses Vertrauen der Prozeßbeteiligten in die Unparteilichkeit der Gerichte zugleich ein wesentlicher Legitimationsgrund aller richterlichen Tätig­ keit32 und Voraussetzung dafür, daß die Prozeßbeteiligten das jeweilige Verfahren im allgemeinen und auch den Spruch des Richters im besonderen innerlich zu akzeptieren bereit sind33 • 28 In diesem Sinne insbesondere Peters, Anm. JR 1 97 2 , 1 21 und Stadler, Neutralität S. 60 ff. (m.w. N.). 19 So § 46 II i. V. m. § 49 ArbGG, § 54 VwGO, § 5 1 FGO und § 60 SGG. 30 § 42 I, II ZPO, § 2 4 I, II StPO, § 1 9 I BVerfGG. 3 1 Vgl. hierzu statt aller LR-Dünnebier I § 2 4 StPO Rn. 5. 31 S. Kern/Wolf, Gerichtsverfassungsrecht § 1 5.IV.5 .c) = S.103 und Stadler, Neutralität S. 23 f. 33 Dieser Gesichtspunkt wird im Hinblick auf das Unparteilichkeits-Postu­ lat vor allem in der strafprozessualen Literatur angesprochen, vgl. z. B. Hanack, Anm. JR 1967 , 2 2 9; ähnlich etwa auch Ackermann, DRiZ 1958,33 1,33 2. 14 Riede!

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I. Teil, 3. Abschn.: Erste Schlußfolgerungen für das Prozeßrecht

Sehr einprägsam in dieser Richtung heißt es schon bei Gönner: ,, . . . ver­ mag die Gerechtigkeitspflege nur dann ihren hohen Zweck (zu) erreichen, wenn auch bei den Subjekten, von deren Ausspruch die Entscheidung eines Rechtsstreits abhängt, nichts vorhanden ist, was das Vertrauen der Parteien in die Geradheit aller richterlichen Handlungen schwächen kann . . . " 34 • Erzielt und gewährleistet wird ein solches Vertrauen aber letztlich allein dadurch, daß die Richter auch tatsächlich unparteilich, unbefan­ gen sind: ,, . . . Die Unparteilichkeit des Richters ist die unabdingbare Voraussetzung für das allgemeine Vertrauen in die Unparteilichkeit und damit Redlichkeit und Zuverlässigkeit der Rechtsprechung ins­ gesamt . . ." (Kissel35) . b) Gerade weil die Befangenheit als innere Tatsache aber so schwierig zu fassen ist, kommt es darauf an, sie im einzelnen Verfahren möglichst von allen Seiten zu überwachen. Dem Institut der Parteiablehnung kommt dabei sogar eine zentrale Bedeutung zu. Deshalb hat das B VerfG in der Entscheidung vom 8. 2. 67 = E 21, 139 ff. die Regelung des § 6 II 2 a. F. FGG, in der die Möglichkeit der Parteiablehnung ausdrücklich aus­ geschlossen worden war, mit Recht als mit dem Unparteilichkeits-Postu­ lat und damit mit der Verfassung unvereinbar angesehen und für nichtig erklärt. Andererseits sind aus den gleichen Gründen einmal mehr die derzeitigen Bestrebungen als verfehlt zurückzuweisen, welche die Beschlußfähigkeit der Senate des BVerfG mit Hilfe einer nachhal­ tigen Einschränkung der Möglichkeit der Richterablehnung sicherstellen wollen, anstatt die eigentliche Ursache zu beseitigen und wenigstens in begrenztem Maße eine Vertretungsregelung auch für die Richter des BVerfG einzuführen (vgl. im einzelnen die Ausführungen oben in § 9.III, IV). c) Mit dem Kriterium der „Besorgnis der Befangenheit" , wie es soeben eingeführt worden ist, erfährt indessen das Unparteilichkeits­ Postulat eine inhaltliche Modifikation und Erweiterung, die nicht schon im Gleichheitssatz selbst und der daraus abgeleiteten Forderung, daß der Richter gleichgelagerte Sachen nicht aus unsachlichen Gründen un­ gleich behandeln dürfe, mit angelegt ist. Mit Hilfe dieses Kriteriums kann nämlich im Einzelfall auch einmal ein solcher Richter aus dem Verfahren ausgeschlossen werden, der zwar aus Sicht der Prozeßbe­ teiligten Anlaß zu einer dahingehenden Befürchtung (,,Besorgnis") gibt, der aber in Wirklichkeit gar nicht befangen ist. Entsprechend gilt dieser Gedanke zudem auch für die Ausschließungsfälle, sofern im Einzelfall die unwiderlegliche Vermutung der Parteilichkeit nicht zutrifft. Im folgenden Zweiten Teil der Untersuchung wird deshalb gerade auch der Frage nachzugehen sein, ob neben der Forderung Handbuch I [ 18042] Abh. XII § 1 = S. 287 f. a5 Zukunft der Justiz S. 78.

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§ 35. Der „Mindeststandard" des Prozeßrechts

211

nach tatsächlicher Unparteilichkeit, wie sie aus dem Gleichheitssatz abzuleiten ist, darüber hinaus auch der hier angesprochene Aspekt des Vertrauens in die Unparteilichkeit ebenfalls in der Verfassung mit verankert und abgesichert ist.

Zweiter Teil

Das Unparteilichkeits-Postulat und die sonstigen Bestimmungen des Grundgesetzes Erster Abschnitt

Das Rechtsstaatsprinzip und das Unparteilichkeits-Postulat § 36 1. Es fällt auf, daß im Grundgesetz zwar mehrfach von der „Recht­ sprechung" im allgemeinen wie auch vom einzelnen „Richter" im besonderen die Rede ist, daß aber speziell die „Unparteilichkeit" des Richters nirgends, jedenfalls nirgends ausdrücklich, angesprochen wird1 • Die Frage, ob und gegebenenfalls in welcher Bestimmung das Unparteilichkeits-Postulat in der Verfassung verankert ist, muß des­ halb genauer dahin formuliert werden, im Rahmen welchen Verfas­ sungssatzes das Postulat im Grundgesetz mit verankert sein könnte. Auf dieser Basis wird zuerst auf das Rechtsstaatsprinzip (Art. 20) einzugehen sein und sodann auf diej enigen Bestimmungen, die sich allgemein mit dem Richteramt befassen, also auf die Artt. 92 und 97. Insbesondere wird es j edoch - wegen der damit verbundenen Mög­ lichkeit der Verfassungsbeschwerde - darum gehen zu prüfen, ob das Postulat außer durch den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 I wo­ möglich auch sonst noch im Rahmen des Grundrechtskatalogs oder aber der Verfahrensgrundrechte der Artt. 101 ff. geschützt ist. Im Mit­ telpunkt dieses Zweiten Teiles der Untersuchung wird dabei der Grundsatz des gesetzlichen Richters (Art. 101 I 2) zu stehen haben, der - seinerseits spezifische Ausprägung und Konkretisierung des allge­ meinen Gleichheitssatzes für den Bereich der Gerichtsverfassung2 auf der Basis der heute in Rechtsprechung und Literatur herrschenden Auffassung um wesentliche Nuancen zu verfeinern und auszubauen 1 Vgl. hierzu aus historischer Sicht die Bemerkung von Kollhosser, FG S. 74 f. (75) : ,, . . . Das Leitbild des unparteilichen und sogar den Schein der Parteilichkeit meidenden Richters, das jene Regeln" (sc. über Richteraus­ schluß und Richterablehnung) ,,jeweils nur für Teilbereiche zu sichern such­ ten, wurde unmittelbar nirgends positiviert" . 2 MD-Maunz Art. 101 Rn. 14.

§ 36. Rechtsstaatsprinzip und Unparteilichkeits-Postulat

213

sein wird. - Abschließend wird daneben und zugleich auch die Euro­ päische Menschenrechtskonvention (MRK) einzubeziehen sein, deren Rang im Verhältnis zum sonstigen Bundesrecht zwar recht kontrovers ist, der aber jedenfalls inhaltlich eine herausragende Bedeutung zu­ kommt. II. Das Rechtsstaatsprinzip, das nach allgemeiner Auffassung in Art. 20 GG enthalten ist, auch ohne daß es dort ausdrücklich bezeichnet ist3 , enthält zwar „keine für jeden Sachverhalt in allen Einzelheiten eindeutig bestimmten Gebote oder Verbote von Verfassungsrang", vielmehr ist es ein „Verfassungsgrundsatz", der „der Konkretisierung je nach den sachlichen Gegebenheiten (bedarf)"'; jedoch besteht Über­ einstimmung darüber, daß dieses Prinzip jedenfalls auch das „Recht auf ein faires Verfahren" beinhaltet5 • Auf dieser Basis setzt ein rechts­ staatliches Verfahren (u. a.) voraus, daß die Prozeßbeteiligten einem „unbefangenen Richter" gegenüberstehen6, m. a. W.: das Postulat der Unparteilichkeit des Richters ist hiernach Ausfluß des Rechtsstaats­ prinzips1 . Auf der gleichen Ebene liegt es, wenn das Recht der Richterablehnung als wesentlicher Bestandteil eines rechtsstaatlichen Verfahrens charakterisiert wird8 • Und in die gleiche Richtung geht schließlich auch die Rechtsprechung des B VerfG, wonach „der Grund­ satz, daß niemand in eigener Sache Richter sein kann, . . . zu den rechtsstaatlichen Prinzipien (gehört)"'. III. Selbst wenn nun damit das Unparteilichkeits-Postulat im Rechts­ staatsprinzip mit verankert ist - wobei nähere Einzelheiten hier dahingestellt bleiben mögen -, so gibt doch diese Auffassung dem­ jenigen Prozeßbeteiligten, der sich im Einzelfall mit einem parteilichen Richter konfrontiert sieht, nicht schon die Handhabe, aus eben diesem Gesichtspunkt gegenüber der von diesem Richter getroffenen Ent­ scheidung äußerstenfalls von dem spezifisch verfassungsrechtlichen Rechtsbehelf der Verfassungsbeschwerde Gebrauch zu machen. Denn das Rechtsstaatsprinzip als solches zählt nun einmal nicht zu den grundrechtlichen oder doch zumindest grundrechtsähnlichen Rechts­ positionen im Sinne des § 90 I BVerfGG, deren Verletzung geltend 3 Vgl. statt aller MD-Maunz/Dürig Art. 20 Vorb. vor Rn. 58. 4 So die Entsch. des BVerfG vom 21. 6. 77 E 45, 187 ff. (246 - lebens­ lange Freiheitsstrafe -). 5 So das BVerfG in stdg. Rspr., vgl. die Entsch. vom 19. 10. 77 = E 46, 202 ff. (210) und Leibholz/Rinck Art. 20 Rn. 38, 39; ferner BGH v. 17. 3. 71 = BGHSt. 24, 125 ff. (131) ; KMR 8 -Sax Einl. 1 c = S. 19. 8 BVerfG v. 27. 3. 74 E 37, 57 ff. (65 - Brückmann-Beschluß -). 7 Schönke/Kuchinke § 20.1 = S. 85; Pawlowski, DÖV 1976, 505. Better­ mann, AöR Bd. 94 (1969), 271 läßt die Frage ausdrücklich offen. 8 So etwa von Zeiß, ZivProzRecht § 8 S. 17 und Gloede, NJW 1972, 2070. 9 BVerfG v. 29. 4. 54 E 3, 377 ff. (381); Leibholz/Rinck Art. 20 Rn. 35.

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II. Teil, 1. Abschn.: Rechtsstaatsprinzip und Unparteilichkeit

gemacht werden müßte, damit insoweit die Zulässigkeitsvoraussetzun­ gen der Verfassungsbeschwerde erfüllt sind. Auf eben dieses Problem spitzt sich aber letztlich die Frage zu, ob das Unparteilichkeits-Erfor­ dernis als solches in der Verfassung selbst mit verankert ist. Der besondere verfassungsrechtliche Rang dieses Postulats käme nämlich gerade darin zum Tragen, daß es nicht einfach als solches objektiv­ rechtlich in der Verfassung verbürgt würde, daß vielmehr seine etwaige Verletzung äußerstenfalls auch mit dem spezifisch verfassungsrecht­ lichen Rechtsbehelf der Verfassungsbeschwerde gerügt werden könnte: eine Verankerung des Unparteilichkeits-Postulats lediglich im Rahmen des Rechtsstaatsprinzips erweist sich hierfür als ungeeignet. Daran vermag auch die Rechtsprechung des BVerfG nichts zu ändern, das für sich in Anspruch nimmt, im Rahmen der Prüfung, ob eine Verfassungs­ beschwerde begründet ist, auch sonstige Verfassungsnormen außerhalb des Katalogs des § 90 I BVerfGG einbeziehen zu können10 (so daß immerhin auf diesem Umwege auch eine etwaige Verletzung des Rechtsstaatsprinzips be­ rücksichtigt werden könnte). Auch diese Rechtsprechung setzt nämlich voraus, daß die Zulässigkeitsvoraussetzungen der Verfassungsbeschwerde, gerade auch nach § 90 BVerfGG, erfüllt sein müssen11 : und eben an dieser Be­ schwerdebefugnis würde es fehlen, wenn der Bf. nicht die Verletzung einer der dort aufgeführten Rechtspositionen geltend machen könnte. Es gilt deshalb, im folgenden insbesondere zu untersuchen, ob hier nicht womöglich auch eine speziellere Ausprägung des Rechtsstaats­ prinzips in Betracht kommt, der zugleich der Rang eines Grundrechts oder doch einer grundrechtsähnlichen Position im Sinne des § 90 I BVerfGG eigen ist. Zum einen bietet sich insoweit der allgemeine Gleichheitssatz des Art. 3 I GG an12 , dem bereits der Erste Teil der vorliegenden Untersuchung gewidmet worden ist; weil diese Verfas­ sungsbestimmung zwar, wie gezeigt, den Aspekt der tatsächlichen Befangenheit erfaßt, nicht aber auch den weiteren Aspekt des Ver­ trauens in die Unparteilichkeit, wird die Aufmerksamkeit im folgenden besonders dem Grundsatz des gesetzlichen Richters zu gelten haben1 3 , Vgl. in dieser Richtung etwa besonders augenfällig die Entsch. v. 9. 3. 71 E 30, 250 ff., in der das Gericht sich ausführlich mit einer etwaigen Ver­ letzung des Rechtsstaatsprinzips befaßt (S. 262 ff.), während es die einschlägi­ gen Grundrechtsartikel (Artt. 3 I und 14) anschließend eher beiläufig berück­ sichtigt (S. 270 ff.). 11 Vgl. die Nachweise aus der Rspr. des BVerfG - und zugleich die hier­ gegen gerichtete grundsätzliche Kritik - bei Maunz/Sigloch/Schmidt-Bleib­ treu/Klein § 90 Rn. 39. 12 S. BVerfG v. 2. 5. 67 = E 21, 362 ff. (372); und v. 19. 12. 67 = E 23, 12 ff. (24) (freilich j eweils nicht zum Aspekt des Art. 3 I GG als „Grundrecht" , sondern als „allgemeiner Rechtsgrundsatz"). 11 Dazu, daß - neben Art. 97 GG - vorrangig Art. 101 I 2 GG das Rechts­ staatsprinzip auf dem Gebiete der Gerichtsverfassung verwirklichen soll, vgl. die Entsch. des BVerfG vom 20. 3. 56 = E 4, 412 ff. (416).

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§36. Rechtsstaatsprinzip und Unparteilichkeits-Postulat

215

in dem womöglich auch dieser zweite Aspekt zum Tragen kommt. Zuvor ist aber noch auf die Bestimmungen der Artt. 92 und 97 einzu­ gehen, die sich nämlich generell mit dem Richteramt als solchem befassen.

Zweiter Abschnitt

Die Vorschriften des Grundgesetzes über das Richteramt und das Unparteilichkeits-Postulat § 37. Art. 92 GG I. Wenn in Art. 92 GG „die rechtsprechende Gewalt . . . den Richtern anvertraut" ist und wenn nun das Richteramt, wie bereits dargelegt, derart fundamental auf Unparteilichkeit angelegt ist, so liegt doch eigentlich die Annahme nahe, daß dann im Rahmen des Art. 92 auch eben das Unparteilichkeits-Postulat selbst mit verankert sei1 . Wohl ganz in diesem Sinne betont denn ja auch das B VerfG in ständiger Rechtsprechung, ,,jeder richterlichen Tätigkeit" sei „wesent­ lich", ,,daß sie von einem nichtbeteiligten Dritten ausgeübt wird" 2, .womit ja eigentlich gerade ein Hauptfall des Unparteilichkeits­ Postulats angesprochen ist (nemo iudex in sua causa) 3 • Und in der Entscheidung vom 4. 6. 69 E 26, 141 ff. spricht das Gericht in diesem Zusammenhang das Unparteilichkeits-Postulat sogar ausdrücklich an, wenn es sagt, daß „auch Art. 92 GG . . . auf den Richter (verweist), dessen Stellung charakterisiert ist durch das Prinzip der sachlichen Unabhängigkeit, der Unparteilichkeit, der Unabsetzbarkeit und der Unversetzbarkeit"'. - Dem steht auf der anderen Seite die Auffassung etwa von Herzog entgegen, wonach der Richter-Begriff des Art. 92 GG nicht auch das Moment der Unparteilichkeit umfasse5 •

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II. Die Lösung hat bei der Funktion des Art. 92 im Rahmen des GG im allgemeinen und des IX. Abschnitts (Artt. 92 ff.) im besonderen an­ zusetzen. 1 In diesem Sinne etwa Overhoff, Ausschluß S.3 9 f. 1 Hervorhebung nicht schon im Original. Vgl. hierzu die Nachweise oben § 17.11 mit Fußn. 2 sowie bei Leibholz/Rinck Vorb. vor Artt. 92 - 104 und Anm. 4 zu Art. 92. 8 s. 0. § 1 9.11, 111.1. ' S. 154 (Hervorhebung nicht schon im Original). - Bettermann, AöR Bd. 94 (196 9), 26 9 stimmt dem BVerfG insoweit ausdrücklich zu, als es die richterliche Neutralität als „Wesensmerkmal der Rechtsprechung" charakte­ risiert; seine Äußerung ist dabei freilich nicht speziell auf Art. 92 GG bezo­ gen, weil es ihm insoweit lediglich um die Kritik an der Rspr. des BVerfG geht, das ja neuerdings das Unparteilichkeits-Postulat im Rahmen des Art. 10 1 I 2 GG lokalisiert. 5 MD-Herzog Art. 92 Rn.73 ff.

§ 37. Art. 92 GG

217

1. Wenn der IX. Abschnitt der „Rechtsprechung" gewidmet ist und die diesen Abschnitt einleitende Bestimmung des Art. 92 „die recht­ sprechende Gewalt" ,,den Richtern" zuweist - wobei dann sogleich anschließend die Grundzüge der Gerichtsorganisation in Bund und Ländern bestimmt werden8 -, dann ist diese Regelung im Zusammen­ hang mit Art. 20 II 2 GG zu sehen, in dem das Verfassungsprinzip der Gewaltenteilung in Form der Organtrennung zunächst einmal grund­ sätzlich niedergelegt worden ist: Auf diesem Hintergrund hat Art. 92 die Aufgabe, eben dieses Prinzip nunmehr für den Bereich der „recht­ sprechenden Gewalt" zu konkretisieren und die zunächst nur ganz allgemein vorgesehenen jeweiligen „besonderen Organe" der staatli­ chen Gewalt für diesen speziellen Bereich zu bestimmen, nämlich die „Richter" (womit der Sache nach zugleich auch die Gerichte als solche gemeint sind) 7 . Für die zutreffende Erfassung dessen, was in diesem Rahmen unter „Rechtsprechung" zu verstehen sein soll, kommt es demnach primär darauf an, wie sie gegen die anderen Zweige der staatlichen Gewalt richtig abzugrenzen ist8 • Für den jetzigen Zusam­ menhang mag jedoch für die Frage, was insoweit speziell für den „Richter"-Begriff ausschlaggebend sein soll, die bloße Feststellung genügen, daß der staatliche Richter nach Art. 92 einem besonderen Organ der rechtsprechenden Gewalt zugeordnet sein muß. 2. In eben diesem Sinne ist denn auch die vorstehend zu I. zitierte Formel des B VerfG vom „nichtbeteiligten Dritten" jedenfalls ur­ sprünglich gemeint worden (während sie dann später eine Sinnerwei­ terung und partielle Sinnverschiebung erfahren hat) :

In der ersten hierzu ergangenen Entscheidung vom 29. 4. 54 = E 3, 377 ff. hatte das Gericht zunächst einmal ganz allgemein die Verwaltung von dem Grundsatz, daß niemand in eigener Sache Richter sein dürfe, ausgenom­ men und seine Geltung ausdrücklich auf die „richterliche Tätigkeit" be­ schränkt. Als „eigene Sache" ist damit ersichtlich nur die Sache der Behörde als solcher, des Gerichts als solchen gemeint; die Person des einzelnen Amts­ walters ist demgegenüber insoweit nicht von Belang. In der Entscheidung vom 9. 11. 55 = E 4, 331 ff. (346) (betr. Beschwerdeaus­ schüsse) leitet das Gericht dann die in der vorigen Entscheidung geprägte Formel vom nichtbeteiligten Dritten ausdrücklich aus dem Grundsatz der Gewaltenteilung ab, wobei es auf Art. 20 II 2 GG Bezug nimmt9 • In der Entscheidung vom 9. 5. 62 = E 14, 56 ff. (betr. bad.-württ. Gemeinde­ gerichte) wird dieser Zusammenhang von Gewaltenteilung und Nichtbeteili(381)

Art. 92, 2. Halbsatz, bis Art. 96. Hamann/Lenz Art. 92 Erl. A.1; Leibholz/Rinck Art. 92 Anm. 1; v. Münch/ Meyer III Art. 92 Rn. 3, 5. 8 Stichwort: .,formeller" oder „materieller" Begriff der Rechtsprechung? 1 Ganz auf dieser Linie liegt es, wenn das Gericht in der Folge in der Entsch. vom 17. 11. 59 = E 1 0, 200 ff. (216 ff.) die Gerichtsqualität der württ.­ bad. Friedensgerichte gerade aus diesem Gesichtspunkt der Gewaltenteilung verneint. 8

7

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II. Teil, 2. Abschn.: Grundgesetz und Richteramt

gung augenscheinlich etwas gelockert: Während das Gericht zunächst S.67 ff. ausschließlich den Aspekt der Organtrennung erörtert, folgt anschließend S.6 9, davon völlig getrennt, die Formel vom nichtbeteiligten Dritten, worauf dann, ohne nähere Erläuterung, unmittelbar der Satz folgt: ,, . . . Der Richter muß unparteiisch sein . . ." (im Anschluß daran prüft das Gericht dann frei­ lich allein Aspekte der sachlichen und persönlichen Unabhängigkeit der Ge­ meinderichter). In der darauffolgenden Entscheidung vom 24. 1 1. 6 4 = E 18, 241 ff. (254 f.) (betr. ärztliche Berufsgerichte) kehrt das Gericht dann noch einmal zur bis­ herigen Linie zurück, indem es aus dem Grundsatz der Gewaltenteilung (,,be­ sondere Organe" ) ableitet, daß sich „eine zu enge personelle Verzahnung der den Berufsgerichten anvertrauten rechtsprechenden Gewalt mit der Tätig­ keit der Organe der Kammer (verbietet)" ; letztlich wird dieses Gebot der Or­ gantrennung dabei aber aus dem „Erfordernis der Neutralität" abgeleitet, ohne daß mit diesem Begriff jedoch eine weitergehende Aussage verknüpft würde10 • Ein „Kurswechsel" erfolgt dann freilich in der Entscheidung vom 8. 2.67 = E 21, 139 fj. (1 45 f.): Ist bis dahin mit der Formel von der „Nichtbeteiligung" stets allein die jeweilige Behörde als solche, das jeweilige Gericht als solches gemeint gewesen, so erhält die Formel jetzt eine ganz neue, bisher nicht an­ gesprochene weitere Dimension, indem jetzt nämlich in den Begriff der ,,Nichtbeteiligung" - zusätzlich zum bisherigen Aspekt der Organtrennung ausdrücklich daneben und zugleich auch der Aspekt der „Neutralität und Distanz des Richters" (und zwar hier gerade des einzelnen Richters) ,,gegen­ über den Verfahrensbeteiligten" und damit die „Unparteilichkeit" im hier verstandenen Sinne einbezogen wird11 (wobei die Aufmerksamkeit des Ge­ richts im übrigen seither allein diesem zweiten, neuen Aspekt gilt12 ). 3. So viel zum Aspekt der Organtrennung auf dem Hintergrund der Frage, welche Anforderungen nach Art. 92 GG an „Gericht" und „Rich­ ter" zu stellen sind. - Aus der Tatsache, daß Art. 97 I/II ausdrücklich die sachliche und persönliche Unabhängigkeit des Richters postuliert, kann im übrigen geschlossen werden, daß auch diese Unabhängigkeit für den Richter-Status im Sinne des Art. 92 konstitutiv sein soll13 • Wei­ tere essentielle Merkmale für den Richter-Status lassen sich dem­ gegenüber aus dem Gesichtspunkt der Gewaltenteilung nicht ent­ nehmen". 1 0 Zur Rspr. des BVerfG zum „Neutralitätsgebot" für die staatlichen Ge­ richte gerade unter dem Aspekt der Gewaltenteilung vgl. Bettermann, AöR Bd. 92 (1967), 512 ff. und535. 11 Eingehend zu dieser inhaltlichen Ausweitung der Garantie des gesetz­ lichen Richters unten die Ausführungen zu Art. 1 0 1 I 2 GG (§§39 ff.). 1 2 Vgl. die Entsch. vom 26 . 1 .71 = E 30, 149 ff. (153) sowie vom 28. 10.75 = E 40, 26 8 ff. (271), die sich unter Berufung auf die Entsch. E 21, 139 ff. jeweils mit der Ausschließung eines Richters befassen, ferner die Entsch. vom 5. 10.77 = E 46 , 34 ff. (35 f. - sog. Amtsablehnung bzgl. Bundesverfassungsrichter Hirsch). 13 MD-Herzog Art. 92 Rn.73 -75; Nachweise der Rspr. des BVerfG bei Leibholz/Rinck Art. 92 Anm. 4. 14 Im Anschluß an Herzog ebd. Rn.76. - In der Sache selbst sinngemäß ebenso auch Bettennann, GR III/2 S.635, obwohl er zugleich verneint, daß

§37 . Art. 92 GG

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Ganz in diesem Sinne überläßt ja auch das GG in Art. 98 die Regelung der Rechtsstellung der Richter ausdrücklich weitestgehend dem einfachen Gesetz­ geber. „Alle anderen Regelungen, die das Grundgesetz und das einfache Gesetzesrecht in bezug auf die Organisation der Dritten Gewalt und auf den Status der Richter treffen" , folgert Herzog15 zutreffend, ,,be­ ziehen sich . . . nicht auf den Begriff des Richters, sondern auf Pflichten des Richters"; ,,deren Nichtbeachtung (stellt) selbstverständlich eine Verfassungs- bzw. Gesetzesverletzung dar, nicht aber (führt sie) den Verlust der Richterqualität mit sich" 16 •

Art. 92 GG scheidet hiernach als diejenige Verfassungsnorm, in der das Unparteilichkeits-Postulat als solches verankert sein könnte, aus11 •

Denn nach dem bisher Gesagten ist und bleibt auch ein im Einzelfall noch so parteilicher/befangener Richter, sofern nur die eben aufgezeig­ ten allgemeinen Voraussetzungen erfüllt sind, ein „Richter" im Sinne des Art. 92 GG. Wenn das B VerfG also das Unparteilichkeits-Postulat im Rahmen der Formel vom „nichtbeteiligten Dritten" in den „Richter"-Begriff selbst einbeziehen will, so kann ihm jedenfalls für die Bestimmung des Art. 92 GG insoweit nicht gefolgt werden.

Daraus folgt zugleich, daß das hier erörterte Problem sogleich im Rahmen des Art.1 01 I 2 GG von neuem anzusprechen sein wird, wenn es darum geht, ob das Unparteilichkeits-Postulat etwa beim Grundsatz des gesetzlichen Richters mit verankert ist, und zwar genauer bei der Frage, ob dort statt beim Attribut „gesetzlich" womöglich schon beim dortigen Begriff des „Rich­ ters" selbst: die Frage läuft dann letztlich darauf hinaus, ob dort derselbe ,,Richter"-Begriff wie hier in Art. 92 zugrunde liegt oder etwa ein anderer, inhaltlich reicherer als hier18 (vgl. im einzelnen unten §46 ).

die (sachliche) Unabhängigkeit für die (staatlichen) Gerichte „begriffswesent­ lich" sei. Ergänzend bezieht Herzog Rn. 7.7 ff. lediglich noch ein, daß dem „rechtsge­ lehrten Moment" nach deutschem Gerichtsverfassungsrecht eine beherr­ schende Rolle in der Organisation der Rechtsprechung zukomme. u Ebd. Rn. 76. 18 Dies soll „insbesondere auch für die justiziellen Grundrechte der Artt. 1 01 , 103 und 104" gelten, Herzog ebd. Gegen Herzog jetzt v. Münch/Meyer III Art. 92 Rn. 9, dessen Kritik jedoch nicht zu überzeugen vermag. 17 Bettermann, AöR Bd. 94 (1 96 9), 271 läßt diese Frage ausdrücklich offen. 1 8 I nsofern stellt daher Herzog Fußn. 1 zu Rn.76 das Problem etwas ver­ kürzt dar, wenn er sagt, die vorhin zu I. wiedergegebene Rspr. des BVerfG stehe der hier vertretenen Auffassung keineswegs entgegen: denn letztlich leite das Gericht ja die „Pflicht des Staates, im Einzelfall ein Gericht zu stel­ len, das die Gewähr der Unparteilichkeit bietet, . . . nicht aus Art. 92, sondern aus Art. 1 01 I 2 her" .

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II. Teil, 2 . Abschn.: Grundgesetz und Richteramt

§ 38. Art. 97 GG I. Manche Autoren lokalisieren das Unparteilichkeits-Postulat statt dessen beim Unabhängigkeitsgrundsatz, der seinerseits ja in Art. 97 GG verankert ist1 . Ausschlaggebend dafür ist die Erwägung, daß es nicht genügen würde, dem einzelnen Richter (sachliche wie auch persönliche) Unabhängigkeit allein gegenüber etwaigen Eingriffen aus der staat­ lichen Sphäre zu gewährleisten. Vielmehr muß der Richter, damit er auf breiter Basis unabhängig sein kann, auch gegenüber den Prozeß­ beteiligten und zudem gegenüber Einflüssen von dritter Seite abge­ sichert sein. überdies muß er auch innerlich unabhängig, also auch von unsachlichen, sach-fremden Einflüssen aus seiner eigenen Person frei sein, um jeweils wirklich in voller Unabhängigkeit urteilen zu können2 • 1 Brüggemann, Judex S. 82 ; Ridder, Demokratie und Recht 1 973, 2 43 ff. (S. 2 43: ,, . . . ,Befangenheit' ist Abhängigkeit . . . ") ; vgl. im übrigen die wei­ teren Nachweise bei Kollhosser, FG S. 73 Fußn.56 und Overhofj, Ausschluß S.36 Fußn. 1. Aus der Rspr. in diesem Sinne die Entsch. des B GH vom 31 . 10. 66 = BGHZ 46, 1 95 ff. (1 97). Verschiedene Autoren wollen das Unparteilichkeits-Postulat zugleich in Artt. 97 und 101 I 2 GG verankern, so z. B. Baumgärtel/Mes, Anm. AP Nr.3 zu § 41 ZPO und Schütz, Ablehnung S. 30; bei letzterem ist übrigens schon der Ansatz schief, wenn er bei der Frage, ob das Unparteilichkeits-Postulat in Art. 97 oder in Art. 101 I 2 GG (mit) verankert sei, darauf abstellen will, ,.ob das verfassungsgerichtliche Befangenheitsverfahren ,stärker vom subjek­ tiven Rechtsschutzinteresse (Garantie des gesetzlichen Richters) oder ob es stärker vom objektiven Interesse der Unabhängigkeit der Rechtspflege be­ herrscht wird"' : Verf. verengt dabei die Garantie des gesetzlichen Richters unzulässigerweise allein auf den grundrechtlichen Aspekt, während er den gleichzeitigen Aspekt der institutionellen Garantie und des Verfassungs­ grundsatzes im Sinne „objektiven Verfassungsrechts" übersieht (vgl. hierzu die Entsch. des BVerfG vom 3. 1 2 . 1 975 = E 40, 356 ff. [361 ] ) ; im übrigen meint Häberle, auf den Schütz sich dabei beruft, die zitierte Stelle in einem ganz anderen Sinne, als Schütz es hier annimmt. 2 Eingehend zu diesen verschiedenen Aspekten oder „Stoßrichtungen" des Unabhängigkeitsgrundsatzes insbes. Bettermann, GR IIl/2 S. 525 ff. und Eichenberger, Unabhängigkeit S. 36 ff., 43 ff.; ferner Coing, Oberste Grund­ sätze S. 80 f. Zust. zu Bettermann und Eichenberger etwa Rosenberg/Schwab § 2.4.VI = S. 11 9 f.; Arthur Kaufmann, FS. Karl Peters S. 2 95 ff.; Kornblum, Schiedsrichter S. 1 21 ; LR -Schäfer V § 1 GVG Rn. 3; ähnlich auch Blomeyer, LB § 4.II.2 = S. 2 3 sowie BGH (vgl. vorstehende Fußn. 1 ). Die „innere Unab­ hängigkeit" des Richters wird dabei teils als ein Fall der persönlichen Unab­ hängigkeit (so z. B. Mattem, BB 1 971 , 11 64), teils als ein Fall der sachlichen Unabhängigkeit angesehen (so z. B. Baur, Garanties fondamentales S. 7 : , , . . . A l'independance objective d u juge s'ajoute l'independance psychi­ que . . ."). Allg. zur „inneren Unabhängigkeit des Richters" vgl. den gleich­ namigen Aufsatz von Zweigert in FS. Fritz v. Hippel S. 711 ff. Auf die bloße Hilfsfunktion, die der Gewährleistung der richterlichen Unabhängigkeit zu­ kommt, in dem Sinne nämlich, daß sie eine sachlich richtige, von allen sach­ fremden, verfälschenden Momenten freie (und damit auch unparteiische) Be­ handlung und Entscheidung der einzelnen Sache sicherstellen soll, weisen mit Recht Bettermann, GR III/2 S.525 sowie AöR Bd. 92 (1 967), 51 9 f. und 52 2 ; B lomeyer ebd.; Schönke/Kuchinke § 9.I.1 = S. 46; und besonders eingehend Eichenberger S. 2 4 f., 5{) ff., 55 ff., 83 ff. hin; vgl. auch Arzt, Strafrichter S. 9 f.; Ernst, Ablehnung S. 6 und Overhofj, Ausschluß S. 37 sowie Eckhofj, Impar­ tiality S. 1 1 .

§38. Art. 97 GG

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Hieraus wird teilweise gefolgert, daß dann eben auch die Gewähr­ leistung des Art. 97 GG inhaltlich so weit reichen müsse3 • II. Dem ist nun aber entgegenzuhalten, daß der Unabhängigkeits­ grundsatz, wie er im Laufe des 19. Jh.s Eingang in die Verfassungen gefunden hat, von seiner Entstehungsgeschichte her (jedenfalls primär) gegen die Praxis der Kabinettsjustiz und später auch gegen eine etwaige parlamentarische Kontrolle der Justiz gerichtet war, im Sinne der Ter­ minologie von Bettermann4 also nur (oder j edenfalls in erster Linie) als „staatsrechtliche" oder „Staatsunabhängigkeit" gemeint war5 • Allein dieser Bedeutungsgehalt wurde dem Grundsatz auch unter der Geltung der Weimarer Reichsverfassung beigemessen (Artt. 102, 1 04 WRV) 6 . Die Materialien zum GG enthalten keine Aussage darüber, ob der Schutz der richterlichen Unabhängigkeit sich auf Eingriffe aus der staatlichen Sphäre beschränken oder auch Eingriffe und Beeinflus­ sungsversuche von anderer Seite mit einbeziehen solF. Die heute ganz herrschende Meinung erkennt auf dieser Basis zwar einerseits großenteils durchaus an, daß der Unabhängigkeitsgrundsatz im Sinne der vorhin wiedergegebenen Differenzierung mehrere Aspekte = ,,Stoß­ richtungen" umfaßt; andererseits geht sie aber zugleich mit Rücksicht auf die Entstehungsgeschichte des Grundsatzes doch davon aus, daß die Verfassungsbestimmung des Art. 97 GG lediglich die „Staatsunab­ hängigkeit" meint8 , also allein den Schutz der rechtsprechenden Ge­ walt vor Eingriffen aus der staatlichen Sphäre9 • 3

In diesem Sinne - außer den vorstehend Genannten - etwa auch

Hamm, Gesetz!. Richter S. 13 ff. (der sich freilich insoweit S. 15 zu Unrecht auf Bettermann beruft) ; Hamm versteht das Unabhängigkeits-Postulat sogar

vorrangig in dieser Richtung (s. S. 20, 22, 49 f.), wobei er freilich .,(Un-)Partei­ lichkeit" im hier verstandenen engen prozessualen Sinne und den übrigen Bereich der .,(Nicht-)Obj ektivität" einheitlich unter dem Begriff der .,(Un-) Parteilichkeit" zusammenfaßt (zur Kritik vgl. oben § 7.IV.2 ). 4 GR 111/2 S.525. 5 Ein Abriß zur Entwicklung des Unabhängigkeitsgrundsatzes findet sich etwa bei Eichenberger S. 7 4 ff.; Kern, Geschichte S. 1 0 1 ff. und passim; Eb. Schmidt LK I Rn. 462 ff.; Simon, Unabhängigkeit S. 1 ff., 41 ff. (mit „Biblio­ graph. Kommentar" S. 1 2 ff., 58 ff.); Fögen, Gerichtsöffentlichkeit S. 42 ff., 1 09 ff., 1 16 ff. (j ew. m. w. N.). • So die allg. Auffassung in der damaligen Literatur, s. Poetzsch-He[Jter Art. 1 02 Erl.3; Hatschek, StaatsR II § 64.1 = S.603 ff.; Anschütz/Thoma/ Mende, Handbuch II § 67.111 = S.80; Gebhard, Handkommentar Art. 1 02 Erl.3.a); Anschütz, RV Art.1 02 Erl. 2 , 3. 7 Vgl. zum einen den „Bericht über den Verfassungskonvent auf Herren­ chiemsee" (Darstellender Teil, Entwurf eines Grundgesetzes, Kommentieren­ der Teil, zu Artt. 132 , 133) und zum andern die „Entstehungsgeschichte der Artikel des Grundgesetzes", in JBöR N. F. Ed.1 (1 951 ), 715 ff. (zu Art. 97 GG). 8 Bettermann, GR 111/2 S.528 ff., AöR Ed. 94 ( 1 969), 271 sowie oeJurEI.1 972 , 60; B lomeyer, LE § 4.11.2 = S. 23 f.; Rosenberg/Schwab § 24.VI = S.1 18 f.; Jauernig, ZivProzRecht § 8.V.l = S. 27 f.; LR-Schäfer III § 1 GVG Rn.3 ; Kern/Wolf, Gerichtsverfassungsrecht § 18.111, I V = S. 123 f.

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II. Teil, 2. Abschn.: Grundgesetz und Richteramt

Nur diese Auf!. will folgerichtig erscheinen, wenn man die Bestimmungen der Artt. 92 ff. GG primär vom Prinzip der Gewaltenteilung her versteht, wie es soeben in § 37 zu Art. 92 GG ausgeführt worden ist10 • Nur diese Form der Unabhängigkeit stelle die „Unabhängigkeit im engeren und eigentlichen Sinne" dar11 • Das Erfordernis der Unpar­ teilichkeit soll demgegenüber von diesen Bestimmungen nicht mit umfaßt sein12 ; die sog. Parteiunabhängigkeit werde vielmehr durch die speziellen Vorschriften über die Richterausschließung und -ableh­ nung gesichert13 • III. Selbst wenn nun aber die „Stoßrichtung" der Forderung nach richterlicher Unabhängigkeit nach ihrer Entstehungsgeschichte (j eden­ falls vorrangig) den Übergriffen von seiten der Exekutive und/oder Legislative galt, so ist aber doch jedenfalls nicht von vornherein auszuschließen, daß dem verfassungsrechtlichen Unabhängigkeits­ Postulat heute angesichts veränderter Verhältnisse ein anderer, umfas­ senderer Bedeutungsgehalt zukommtu . Dafür mag zum einen sprechen, 9 Nachweise aus der Rspr. des BVerfG s. bei Leibholz/Rinck Art. 97 Rn. 1 und Schmidt-Bleibtreu/Klein Art. 97 Rn.1 ; ebenso BK-Holtkotten Art. 97 Erl. II.La), b); v. Münch/Meyer III Art. 97 Rn.7 und Hamann/Lenz Art. 97 Erl. A (vgl. aber andererseits ebd. auch Erl. B.2, in der Verf. auch Einwir­ kungen von nicht-staatlicher Seite in den Unabhängigkeits-Komplex ein­ bezieht, ohne diese Divergenz zu erläutern); ferner Simon, Unabhängigkeit S. 177 sowie Schmidt-Räntsch Rn.3 zu § 25 DRiG, während Gerner/Decker/ Kaufjmann, DRiG, bei gleichem Ausgangspunkt (s. Anm. 1 , 5.a zu § 25) in der Folge (s. Anm. 5.b) im Rahmen der „Handlungsfreiheit" gerade auch die Freiheit gegenüber nicht-staatlichen Beeinflussungsversuchen behandeln. 10 A. A. j edoch MD-Herzog, der einerseits davon ausgeht, daß die sachliche Unabhängigkeit jedenfalls primär die Weisungsfreiheit gegenüber der Exe­ kutive meint (Art. 97 Rn. 23, 29) und daß Art. 97 eine „Teilkonkretisierung" des Gewaltenteilungsprinzips darstelle (Rn. 2), der aber andererseits zugleich eine „Drittwirkung" dieser Verfassungsbestimmung in bezug auf „gesell­ schaftliche und private Einflüsse" bejahen will (Rn.1 2, 40 f.). 1 1 Bettermann, GR IIl/2 S. 528; ebenso Kollhosser, FG S.74 Fußn. 57. 12 Bettermann, AöR Bd. 94 (1 96 9), 271 und oeJurBl. 1 972, 6 0; Kern/Wolf § 1 8.I = S. 1 22, § 22.1.2 = S. 146 f.; Roellecke, VVDStRL Heft 34 (1 976 ), 33 Fußn.77: , . . . weil sich die Unparteilichkeit auf die Parteien, die Weisungs­ freiheit jedoch auf die Staatsorgane bezieht . . . " . Nach Kollhosser, FG S.76 würden andernfalls Mittel und Zweck vermengt: ,, . . . Die Garantie der sach­ lichen Unabhängigkeit ist ein Mittel zur Erreichung eines weiteren Zwecks: der Sicherung der richterlichen Unparteilichkeit. Mittel und Zweck (würden) miteinander identifiziert, und so (würde) der umfassendere Begriff des un­ parteilichen Richters in den engeren Begriff des sachlich unabhängigen Rich­ ters mit einbezogen . . . ". Zutreffend macht allerdings Overhofj, Ausschluß S.38 darauf aufmerksam, daß der Hinweis auf Art. 97 in diesem Zusammen­ hang nicht schlechthin verfehlt sei: Soweit nämlich eine Einflußnahme gerade aus der staatlichen Sphäre versucht werden sollte (aber auch nur dann), würde gleichzeitig mit der (eng verstandenen) Unabhängigkeit auch die Un­ parteilichkeit des Richters tangiert. 13 Bettermann, GR III/2 S. 526 und AöR Bd. 92 (1 967), 506 ; Blomeyer, LB § 4.II.2.b = S. 24; vgl. hierzu auch Kollhosser, FG S. 74 f. 14 Zu dieser Sinnerweiterung vgl. etwa Eichenberger, Unabhängigkeit S.74 ff. und Kollhosser S.75 ff., auch Ridder, Demokratie und Recht 1 973 , 243.

§

38. Art. 97 GG

223

daß „der Begriff der ,Unabhängigkeit der Justiz "' , wie Simon darlegt15 , „von Anfang an ein höchst komplexes und poröses Gebilde" gewesen ist, in dem neben der Staatsunabhängigkeit auch die anderen vorhin angesprochenen Aspekte von vornherein mitgeschwungen haben; zum andern ist hier von Belang, daß die richterliche Unabhängigkeit heute weniger von Exekutive und Legislative als von anderer, gerade auch von nicht-staatlicher Seite her bedroht erscheint18 • In gleicher Weise hat j a auch der Grundsatz des gesetzlichen Richters, wie sogleich in §§ 39 ff. näher zu erörtern sein wird, in neuerer Zeit eine nach­ haltige Sinnerweiterung erfahren. - Als Ansatzpunkt für eine inhaltliche Erweiterung käme im übrigen allenfalls Art. 97 I in Betracht, weil Abs. II zum einen auf die Unabsetzbarkeit und Unversetzbarkeit der Richter und zum andern auf die „hauptamtlich und planmäßig endgültig angestellten Richter" eingegrenzt ist. Aber selbst, wenn mit Herzog eine dahingehende „Drittwirkung" der Verfassungsbestimmung „auch gegenüber gesellschaftlichen und privaten Einflüssen" zu bejahen sein sollte17 , kommt indessen eine inhaltliche Sinnerweiterung des Art. 97 GG derart, daß diese Verfas­ sungsnorm gerade auch das Postulat der richterlichen Unparteilichkeit mit umfasse, nicht in Betracht. Aus der in Abs. I angesprochenen Wechselbeziehung zwischen Unabhängigsein einerseits und Unterwor­ fensein unter das Gesetz andererseits läßt sich herauslesen, daß der Richter von anderen Einflüssen als der Autorität des Gesetzes frei sein soll. Ohne Zwang lassen sich hierunter aber nur Einflüsse von außen begreifen, die auf den einzelnen Richter einzuwirken versuchen, mögen sie nun im einzelnen aus dem staatlichen Bereich, aus der Sphäre der Prozeßbeteiligten oder aber auch von seiten Dritter herrühren. Ob die beiden letzteren Bereiche in den Schutzbereich des Art. 97 I einbezogen sind oder nicht, kann dabei hier dahingestellt bleiben. Denn jedenfalls eine Auslegung, die noch einigermaßen am Wortlaut orientiert ist, muß wohl zu dem Ergebnis kommen, daß sachfremde Einflüsse, die in der Person des betr. Richters selbst begründet sind, wohl schwerlich noch als „Abhängigkeit" im eigent­ lichen Sinne verstanden werden können. Damit aber wäre ersichtlich nur ein Teil der oben im Ersten Teil erörterten Parteilichkeitsfälle erfaßt. Bildlich läßt sich dieses Verhältnis von Unabhängigkeit und Unparteilichkeit somit etwa in Form zweier Kreise darstellen, die u Unabhängigkeit S. 7 f. 11 Vgl. hierzu Baur, FS. Kern S. 53; Kern/Wolf § 21.1 = S. 141 ff.; Koll­ hosser ebd. 17 MD-Herzog Art. 97 Rn. 12 und 40; Herzog schränkt seine Auff. freilich dahingehend ein, daß eine unbeschränkte Drittwirkung nur bejaht werden könne, soweit es um Einflußnahmen von dritter Seite speziell im Hinblick auf die „Entscheidung des konkreten Prozeßfalles" gehe (Rn. 41).

224,

II. Teil, 2 . Abschn.: Grundgesetz und Richteramt

sich teilweise überschneiden. Daraus muß dann der Schluß gezogen werden, daß auch Art. 97 GG nicht diejenige Verfassungsnorm sein kann, in der das Unparteilichkeits-Postulat als solches und insgesamt verankert ist.

Sehr ähnlich argumentiert auch Eichenberger, wenn er sagt, daß „der Be­ griff der richterlichen Unabhängigkeit . . . nicht identisch" sei „mit dem Be­ griff der Unparteilichkeit" : ,,Parteilichkeit" sei „zwar häufig oder meistens Folge von richterlichen Abhängigkeiten, von verfälschenden Einwirkungen; Bevorzugung und Benachteiligung" seien „in der Regel verwirklichte Abhän­ gigkeiten . . . Aber es braucht nicht der Fall zu sein. Nicht jede Parteilichkeit geht auf Abhängigkeit zurück." 18). Ebenso differenziert jetzt auch Wolf, wenn er davon ausgeht, daß „die Neutralität die richtige Rechtsanwendung gegen­ über unsachlichen Einflüssen aus der Person des Richters selbst (sichert), während die richterliche Unabhängigkeit den Richter vor sachfremden Ein­ flüssen von außen schützt" 1 9•

18 Unabhängigkeit S. 25 ; vgl. auch die Ausführungen S. 44, wo Eichenber­ ger in der Folge weiter darlegt, daß die „Unabhängigkeit gegenüber den an der Rspr. als Parteien Beteiligten: die richterliche Unbeteiligtheit" (= ,,Par­ teiunabhängigkeit" im Sinne Bettermanns) nicht mit der „Parteilichkeit" identisch sei. 19 Verfahrensrecht § 3.1.3 = S.33 und zuvor schon sinngemäß in Kern/ Wolf, Gerichtsverfassungsrecht § 1 8.1 = S. 1 22 sowie § 22.1.2 = S. 1 46 f.

Dritter Abschnitt

Der Grundsatz des gesetzlichen Richters und das Unparteilichkeits-Postulat § 39. Die Problemstellung Jede Erörterung des Art. 101 I 2 GG im Rahmen des hier gestellten Themas hat davon auszugehen, daß - während ursprünglich, d. h. im 18. und weitgehend auch noch im 19. Jh., der Grundsatz des gesetz­ lichen Richters allein im Sinne des gesetzlich zuständigen „Gerichts" verstanden wurde1 - heute Übereinstimmung darüber besteht, daß dieser Grundsatz wesentlich umfassender zu verstehen ist: ,,Gesetz­ licher Richter" im Sinne des Art. 101 I 2 GG „ist nicht nur das Gericht als organisatorische Einheit" 2 , als „äußere Behördeninstitution" 3 und daneben als der einzelne „Spruchkörper"', sondern „auch (der) zur Entscheidung im Einzelfall berufene Richter" 5 , ,,die einzelne Richter­ persönlichkeit"6. Die Prämisse in Frage zu stellen, besteht kein Anlaß. Auf dieser Basis ist der „gesetzliche Richter" zunächst einmal nach traditionellem Verständnis der „gesetzlich zuständige Richter"7, also derjenige Richter, der organisationsrechtlich nach Gesetz und Ge­ schäftsverteilung im voraus zur Mitwirkung in einem konkreten Ver­ fahren berufen ist. Nun kann j edoch der Fall eintreten, daß ausgerechnet dieser Richter, dem der einzelne Fall nach der Zuständigkeitsordnung zugewiesen worden ist, auf Grund der einschlägigen Vorschriften kraft Gesetzes von der Mitwirkung in eben diesem Verfahren gerade ausgeschlossen ist; oder eben dieser Richter gibt aus irgendeinem Grunde einem der Verfahrensbeteiligten begründeten Anlaß zu der Befürchtung, er sei befangen, und muß, weil der hierauf erklärten Ablehnung stattgegeben

1 In diesem Sinne etwa besonders deutlich v. Feuerbach, Kleine Schriften [1 830/33] S. 17 8 ff. (206 ): ,,. . . ,Niemand darf seinem ordentlichen Richter ent­ zogen werden'. ,Richter' ist hier offenbar das Synonym von ,Gericht' . . .". 2 BVerfG v. 24.3. 64 = E 17 , 294 ff. (299) und stdg. Rsp r. 3 J. Henkel, Gesetz!. Richter S. 13 Fußn. 2. • BVerfG und J. Henkel ebd. 5 BVerfG v. 2. 6 . 64 = E 1 8, 65 ff. (69). 1 J. Henkel ebd. 7 Bettermann, AöR Bd. 94 (1969), 265 f. 15 Rledel

226

II. Teil, 3. Abschn.: Der Grundsatz des gesetzlichen Richters

wird, nachträglich aus dem Verfahren ausscheiden: Sind nun dieser ausgeschlossene und dieser mit Erfolg abgelehnte Richter, obwohl ihnen das Gesetz selbst die (weitere) Mitwirkung in dem Verfahren untersagt8 , trotzdem weiterhin der „gesetzliche Richter" , - mit der Konsequenz, daß eine Begründung dafür gefunden werden müßte, wie dieses gesetzliche Mitwirkungsverbot mit dem Richterentziehungs­ verbot des Art. 101 I 2 GG vereinbar sein soll? Oder verlieren sie womöglich auf Grund j enes Mitwirkungsverbots die Qualität des „ge­ setzlichen Richters" ? Falls letzteres zutreffen sollte: wie wäre dies im einzelnen zu begründen? Womöglich kommt es für den Verlust der Eigenschaft als „gesetzlicher Richter" aber letztlich gar nicht einmal so sehr darauf an, ob die Ausschließungs- oder Ablehnungs­ vorschriften im konkreten Fall eingreifen, sondern darauf, ob der betr. Richter obj ektiv befangen, parteiisch ist. Denn diese beiden Aspekte sind ja nicht notwendig deckungsgleich, weil die Ausschließungs- und Ablehnungsvorschriften primär auf die subjektive „Besorgnis der Befangenheit" und nicht eigentlich auf die Unparteilichkeit oder gerade Parteilichkeit des Richters selbst abstellen. Selbst wenn also der Normenkomplex der Richterausschließung und -ablehnung in irgendeiner noch näher zu bestimmenden Weise in den Regelungsbereich des Art. 101 I 2 GG mit einbezogen sein sollte, wäre damit nicht auch schon geklärt, ob auch das Postulat der richterlichen Unparteilichkeit selbst im Rahmen der Garantie des gesetzlichen Rich­ ters mit verankert ist. Angesichts der soeben skizzierten Wirkungen der Richterausschlie­ ßung und -ablehnung bieten sich für die Auslegung des Art. 1 0 1 I 2 GG im wesentlichen drei Alternativen an, die dementsprechend auch je­ weils ihre Anhänger in Literatur und Rechtsprechung gefunden haben und auf die deshalb im folgenden näher einzugehen sein wird. Bisher ist die hier zu besprechende Thematik nahezu ausschließlich unter dem Gesichtspunkt behandelt worden, welche Relevanz gerade dem Komplex der Ausschließungs- und Ablehnungsregeln als solchem im Rahmen der Garantie des gesetzlichen Richters zukommt9 • Die 8 I n diesem Zusammenhang kommt möglicherweise auch der in §§ 47 ZPO und 29 StPO niedergelegten Regelung eine besondere Bedeutung zu, wonach „ein abgelehnter Richter . . . vor Erledigung des Ablehnungsgesuches nur solche Handlungen vorzunehmen (hat), die keinen Aufschub gestatten" (in den übrigen Prozeßordnungen gilt die Regelung des § 47 analog). 9 Außer der Judikatur des BVerfG mit der grundlegenden Entscheidung vom 8. 2.67 = E 21 , 139 ff. (zur Verfassungswidrigkeit des § 6 II 2 a. F. FGG) ist hier vor allem die Monographie von Hamm, Der gesetzliche Richter und die Ablehnung wegen Besorgnis der Befangenheit unter besonderer Berück­ sichtigung des Strafverfahrens [1 97 3] zu nennen. Die bereits mehrfach zitierte Monographie von Stemmler, Befangenheit im Richteramt [ 1 975] baut

§ 40. Der Diskussionsstand: die traditionelle Lehre

227

Frage, ob - und ggf. inwieweit - die richterliche Unparteilichkeit selbst im Rahmen des Art. 101 I 2 GG gewährleistet werden soll, ist demgegenüber bisher allenfalls am Rande mit erörtert worden. Nun liegt die bisherige Fragestellung allerdings auch besonders nahe, wenn es im praktischen Einzelfall darum geht festzustellen, ob die vorgege­ bene gesetzliche Ausgestaltung der Richterausschließung oder -ableh­ nung als solche den verfassungsrechtlichen Anforderungen genügt, oder etwa auch, ob ein Gericht diese Normen zutreffend angewendet hat. Die nachstehenden Ausführungen werden jedoch zeigen, daß diese Fragestellung die eigentliche Problematik des Art. 101 I 2 GG nur ver­ kürzt ins Blickfeld bekommt und deshalb wesentliche Aspekte großen­ teils übersieht. § 40. Der Stand der Diskussion in Literatur und Rechtsprechung. A. Die traditionelle Lehre Die erste der drei genannten Auffassungen nimmt diejenige Aus­ legung zum Maßstab, die der Grundsatz des gesetzlichen Richters im Rahmen seiner bisherigen Entstehungsgeschichte erhalten hat1 • Haupt­ vertreter dieser Richtung sind Bettermann2 und J. Henkel3 • 1. Danach „soll mit dem Satz vom ,gesetzlichen Richter' verhindert werden, daß das zur Aburteilung eines Falles berufene Gericht unter Verletzung des Gleichheitssatzes, nach Willkür, unter Einwirkung justizfremder (lnteressen-)Gesichtspunkte zustande kommt, insbeson­ dere nachträglich ad hoc bestimmt wird"'. Dieses Verbot, die Besetzung der Richterbank im Hinblick auf den einzelnen Fall zu manipulieren5 , dagegen, wie sich schon dem Untertitel „Eine systematische Darstellung der Ausschließungs- und Ablehnungsgründe unter Berücksichtigung des gesetz­ lichen Richters als materielles Prinzip" entnehmen läßt, bereits weitgehend auf der Prämisse auf, daß der Komplex der Ausschließungs- und Ableh­ nungsregeln beim Grundsatz des gesetzlichen Richters verfassungsrechtlich verankert ist. 1 Zur Entstehungsgeschichte der Garantie des gesetzlichen Richters vgl. Kern, Gesetz!. Richter [1927] S. 45 ff.; Gehler, ZStrW Bd. 64 (1952), 296 ff.; Marx, Gesetz!. Richter S. 129 ff.; Kellermann, Gesetz!. Richter S. 48 ff. (speziell unter dem Aspekt, inwieweit über die formell-gesetzliche Zuständigkeits­ regelung für die verschiedenen Gerichtsbehörden als solche hinaus auch die „Geschäfts- und Personalverteilung" innerhalb des einzelnen Gerichts in diesen Grundsatz mit einbezogen worden ist); BGH v. 12. 5. 56 = BGHZ 20, 355 ff. (356 ff.). 2 GR III/2 S. 523 ff. und AöR Bd. 94 (1969), 263 ff. 3 Der gesetzliche Richter. Diss. jur. Göttingen 1968; ferner Anm. in DÖV 1976, 242 ff. ' Eb. Schmidt, LK I Rn. 560 b; ebenso BVerfG v. 24. 3. 64 = E 17, 294 ff. und stdg. Rspr. (zuletzt Entsch. v. 9. 5. 78 = E 48, 246 ff. [254] ) ; ähnlich MD-Maunz Art. 101 Rn. 23. 5 In diesem Sinne etwa ausdrücklich Abegg, GA Bd. 7 (1859), 12. 1 5•

228

II. Teil, 3. Abschn.: Der Grundsatz des gesetzlichen Richters

das sich ursprünglich gegen die Kabinettsjustiz, also gegen die Exeku­ tive richtete, ist im Laufe der Entwicklung zunächst auf die Legislative und schließlich auch auf die Rechtsprechung selbst ausgedehnt worden6 • Auf dieser Basis „verbietet" der Grundsatz des gesetzlichen Richters ,,nicht nur, daß j emand" (überhaupt) ,,dem Richter entzogen werde, er verbietet auch, daß j emand seinem Richter entzogen werde" 7 • Dieser Richter wird nun, damit etwaigen Manipulationsversuchen - von welcher Seite auch immer - nach Möglichkeit vorgebeugt wird, durch eine vorgegebene Zuständigkeitsordnung in Form der einschlägigen Bestimmungen der jeweiligen Gerichtsverfassung und Prozeßordnung sowie der jeweiligen Geschäftsverteilung bereits im voraus, soweit nur möglich, genau bestimmt8• Entscheidend ist dabei, ,,daß die Zu­ ständigkeit rechtssatzmäßig, also generell und abstrakt, festgelegt ist" , daß „nach allen Richtungen generell-abstrakt" schon im voraus fest­ steht, ,,welcher Richter welche Sachen zu entscheiden hat" 9 • Auf dieser Basis wirkt die Garantie des gesetzlichen Richters, soweit es gerade um ihren spezifisch verfassungsrechtlichen Rang geht, in zweierlei Richtung: - Zum einen setzt sie auf der Ebene des einfachen Gesetzesrechts „einen Bestand von Rechtssätzen" voraus, ,,die für j eden denkbaren Streitfall im voraus den Richter bezeichnen, der für die Entscheidung zuständig ist" 10 ; insoweit enthält sie ein Prinzip gesetzlicher Zustän­ digkeitsordnung"11, eine „ Garantie der normativen Ordnung richter­ licher Zuständigkeiten", ,,die gegen Verletzung und Manipulierung der gerichtlichen Zuständigkeitsordnung schützen soll" 1 2 • - Zum anderen enthält der Verfassungssatz zugleich das Gebot an den Rechtsanwender, im einzelnen Fall diese normative Zuständig­ keitsordnung strikt zu wahren, weil ein Verstoß gegen diese Ordnung 8

Eingehend hierzu, außer den vorstehend in Fußn. 1 Genannten, insbes.

Marx, Gesetzl. Richter S.88 ff. und J. Henkel, Gesetzl. Richter S.1 5 ff. und

passim. - Solange und soweit der Grundsatz des gesetzlichen Richters (nur) gegen Exekutive und Legislative gerichtet war bzw. ist, ist der enge Zusam­ menhang mit dem Gewaltenteilungsprinzip unverkennbar, vgl. hierzu Better­ mann, GR III/2 S. 542, ferner ausdrücklich hierzu Schultz, MDR 1 968, 467. 7 Kern, Gesetzl. Richter [1 927 ] S. 185, ähnlich Rechtspflege [1 932] S.492. Diese Differenzierung findet sich im übrigen auch schon wesentlich früher, etwa bei v. Feuerbach, Kleine Schriften [1830/33] S.178 ff. (210 f.). 8 Kern, Gesetzl. Richter § 1 9 = S.1 60 ff. ; das BVerfG in stdg. Rspr. seit der Entsch. vom 1 0. 6. 53 = E 2, 307 ff. (31 9 f.), vgl. zuletzt die Entsch. vom 9. 5.78 = E48, 246 ff. (253 f.). 9 Bettermann, GR III/2 S. 561 , 562. 10 BVerfG v. 1 0. 6. 53 = E 2, 307 ff. (31 9 f.) sowie vom 1 6. 7. 69 = E 27 , 18 ff. (34). 11 Bettermann ebd. S. 557 f., ebenso J. Henkel, Gesetzl. Richter S.1 2. 11 Bettermann, AöR Bd. 94 (1 96 9), 265 f., 27 2.

§ 40. Der Diskussionsstand: die traditionelle Lehre

229

des einfachen Gesetzesrechts mittelbar zugleich auch eine Verletzung des Art. 101 I 2 GG bedeuten würde.

Dabei soll allerdings eine etwaige Überprüfung durch das Verfassungsge­ richt auf den Gesichtspunkt des Willkürverbots beschränkt sein. Grundlegend hierzu ist die Monographie von Kern, Der gesetzliche Richter [1 927 ] , der seinerzeit die von Leibholz in seiner Schrift „Die Gleichheit vor dem Ge­ setz" [1 925] zum allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 109 I WRV ent­ wickelte Lehre vom Willkürverbot13 auf Art. 105 S. 2 WRV übertragen hat14 • Das BVerfG prüft dementsprechend Verletzungen der normati­ ven Zuständigkeitsordnung, soweit sie aus der Sphäre der Rechtsprechung selbst stammen, allein unter diesem Gesichtspunkt des Willkürverbots15 : ein bloßer „error in procedendo" soll hiernach den Willkür-Tatbestand nicht erfüllen16• II. In diesem Sinne einer Garantie der (formalen) normativen Zu­ ständigkeitsordnung wurde der Grundsatz des gesetzlichen Richters bereits in der Weimarer Zeit verstanden, nachdem er in Art. 1 05 S. 2 WRV eine verfassungsrechtliche Verankerung gefunden hatte17 • Der heutige Art. 101 GG schließt sich, vermittelt durch Art. 131 des Ent­ wurfs von Herrenchiemsee, bis auf eine geringfügige, rein redaktio­ nelle Änderung im Wortlaut völlig an diese Bestimmung des Art. 105 WRV an18 • Daraus wird teilweise der Schluß gezogen, daß dann eben auch die Auslegung des Art. 101 GG der des Art. 105 WRV zu folgen habe1 9• Auf

Vgl. hierzu die Ausführungen oben in § 4.111. Gesetzl. Richter S.1 86 , 1 91 , 202 ff. und passim; ähnlich später in der Anm. JZ 1 956 , 409. 15 Wobei auch hier ein objektiver „Willkür"-Begritf zugrunde gelegt wird. 18 Stdg. Rspr. seit der Entsch. vom 2 6. 2.54 = E 3, 359 ff. (36 4 f.) ; vgl. zu­ letzt die Entsch. vom 2 9. 6 . 76 = E 42 , 2 37 ff. (2 41 ). Ebenso die Rspr. des B GH, vgl. die Entsch. vom 9. 3. 7 6 = NJW 1 97 6 , 1 6 88 f. (m. w. N.). Gegen die Unterscheidung des BVerfG danach, ob der Eingriff aus dem Bereich der Rspr. selbst oder aber „von außen" komme, und für eine Aus­ weitung der Lehre vom Willkürverbot auf alle Fälle einer Verletzung der normativen Zuständigkeitsordnung J. Henkel, Gesetzl. Richter S. 85 ff. , 110 ff.; zust. hierzu MD-Maunz Art.101 Rn. 39, 51. überhaupt abl. gegenüber der Lehre vom Willkürverbot im Rahmen des Art. 1 01 I 2 GG Bettermann, AöR Bd. 94 (1 96 9), 2 80 ff., ihm folgend Papier, BVerfG-Festgabe I S. 455 f. 17 Vgl. hierzu außer der bereits zitierten grundlegenden Monographie von Kern, Der gesetzliche Richter (insbes. § 1 9 = S.1 60 ff.) die einschlägigen Er­ läuterungen und Darstellungen zu Art. 1 05 WRV: Anschütz, RV Art. 105 Erl.5; Hatschek, StaatsR I I § 6 4.111.2 = S. 62 9 ; Gebhard, Handkommentar Art.1 05 Erl. 4; Kern, Rechtspflege S. 491 ff.; sowie Graf zu Dohna, Ausnahme­ gerichte S. 111 ff. 18 Vgl. den „Bericht über den Verfassungskonvent auf Herrenchiemsee" (.,Entwurf eines Grundgesetzes" Art.1 31 sowie „Kommentierender Teil" ,.zu Art.1 31 ") sowie die „Entstehungsgeschichte der Artikel des Grundgesetzes" in JBöR N. F. Bd.1 (1 951 ) S. 7 39, ferner BK-Dennewitz Art.1 01 Erl. I. 1 9 So etwa Kern, DRiZ 1 959, 1 43 und sinngemäß insbes. Bettermann, GR III/2 S.557 f. sowie AöR Bd. 94 (1 96 9), 2 71. 13

14

230

II. Teil, 3. Abschn.: Der Grundsatz des gesetzlichen Richters

dieser Basis soll Art. 101 I 2 GG demnach folgerichtig „allein für die Regelung der Zuständigkeit des Richters" gelten20 ; darin erschöpfe sich der Regelungsgehalt der Garantie des gesetzlichen Richters21 • Dies bedeutet zugleich für den vorliegenden Zusammenhang, daß Art. 101 I 2 GG nicht auch die Funktion habe, speziell die richterliche Unpar­

teilichkeit zu gewährleisten22 •

III. Nach dieser Lehre ist also ein Richter, der auf Grund der einschlägigen Vorschriften von Gerichtsverfassung, Prozeßordnung und Geschäftsverteilung als „zuständig" bestimmt worden ist, in jedem Falle auch der „gesetzliche Richter" . Daran vermag dann folgerichtig auch der Umstand nichts zu ändern, daß ein derart als „zuständig" berufener Richter womöglich im konkreten Einzelfall kraft Gesetzes von der Mitwirkung in eben diesem Verfahren „ausgeschlossen" ist oder daß er, weil er begründeten Anlaß dazu gegeben hat, im Laufe dieses Verfahrens mit Erfolg wegen Besorgnis der Befangenheit abge­ lehnt wird und infolgedessen aus dem Verfahren ausscheiden muß: Wie nun läßt sich aber diese Anordnung des einfachen Gesetzesrechts mit dem generellen Verbot der Richterentziehung in Art. 101 I 2 GG vereinbaren? Diese Frage stellt sich um so mehr, als dieser Verfas­ sungssatz nach seinem klaren Wortlaut ja Ausnahmen irgendwelcher Art nicht vorsieht. Zum Teil ist der Versuch unternommen worden, die eben erwähnte Wirkung der Richterausschließung kraft Gesetzes einerseits und der erfolgreichen Ablehnung wegen Besorgnis der Befangenheit anderer­ seits, eben weil diese Wirkung kraft Gesetzes eintritt, in das „System

der normativen Vorausbestimmung des gesetzlichen Richters" 28 einzu­ beziehen, sei es einheitlich für die Ausschließung und Ablehnung24 oder aber doch immerhin für den Fall der Ausschließung25 • Bettermann

hat seine dahingehende Ansicht j edoch schon bald darauf ausdrücklich revidiert und erklärt: ,, . . . Art. 101 I 2 GG gewährleistet eine normative Zuständigkeitsordnung und deren strikte Einhaltung - mehr nicht. Um ein Zuständigkeitsproblem aber handelt es sich weder beim beJ . Henkel, Gesetzl. Richter S. 12. In diesem Sinne vor allem Bettermann, AöR Bd. 94 S. 265 ff. (gegen die Entsch. BVerfGE 21, 139 ff.) ; in der gleichen Richtung ferner J. Henkel, Ge­ setzl. Richter S. 160 ff. sowie Anm. DÖV 1976, 244. 22 So ausdrücklich Bettermann ebd. S. 269 und Henkel, Gesetzl. Richter s. 163 ff. 28 Formulierung in den Entsch. des BVerfG vom 8. 2. 67 = E 21, 139 ff. (146 unter C.II.3) sowie vom 26. 1. 71 = E 30, 149 ff. (153). 2 4 So vorübergehend Bettermann - als Reaktion auf die Entsch. BVerfGE 21, 139 ff. - in seinem Rechtsprechungsbericht in AöR Bd. 92 (1967), 507. 25 So Marx, Gesetzl. Richter S. 117 und, ihm folgend, Overhofj, Ausschluß s. 32 ff. 20

21

§ 41. Der Diskussionsstand: die Auffassung des BVerfG

231

fangenen Richter noch beim ausgeschlossenen Richter" 26 • Vielmehr soll es ·sich bei Ausschließung und Ablehnung um Fälle handeln, in denen das Gesetz ausnahmsweise gestattet, jemanden dem an sich zuständigen und damit „gesetzlichen" Richter zu entziehen27 : in einem solchen Fall müsse das formale Zuständigkeitsprinzip hinter einem anderen Prinzip, nämlich dem Neutralitätsprinzip, zurücktreten28 • Marx spricht insoweit von einem Rechtfertigungsgrund29 •

§ 41. B. Die Auffassung des BVerfG I. Ganz anders versucht das B VerfG, die Garantie des gesetzlichen Richters - herkömmlich verstanden als Garantie der formalen Zu­ ständigkeitsordnung - mit dem Komplex der Richterausschließung und -ablehnung in Einklang zu bringen. Und zwar setzt das Gericht beim Begriff des „Richters" in Art. 101 I 2 GG an. Bevor das Gericht sich in der Entscheidung vom 8. 2. 67 = E 21, 139 ff. erstmals eingehend mit dieser Frage auseinandergesetzt hat, mußte der heutige, umfas­ sende Begriff des „gesetzlichen Richters" zunächst allerdings erst schrittweise entwickelt werden: In der Entscheidung vom 20. 3. 56 = E 4, 412 ff. hatte das Gericht zunächst ganz allgemein erklärt, Art. 101 I 2 GG habe die Funktion, ,,das Vertrauen der Rechtsuchenden und der Öffentlichkeit in die Unparteilichkeit und Sach­ lichkeit der Gerichte (zu) schützen"1 • Im übrigen hat es allerdings die Maß­ nahme, die ein Richter getroffen hatte, obwohl er in diesem konkreten Fall kraft Gesetzes ausgeschlossen war, allein unter dem Gesichtspunkt unter­ sucht, ob auch bei einem derartigen Verstoß gegen die Garantie des gesetz­ lichen Richters - den das Gericht offensichtlich als selbstverständlich ange­ nommen hat - die verfassungsgerichtliche Nachprüfung auf den Aspekt des Willkürverbots beschränkt sei oder nicht. Auf das Verhältnis der Ausschlie­ ßungs- (und Ablehnungs-) Vorschriften zur Garantie des gesetzlichen Rich­ ters ist das Gericht in der Entscheidung dagegen nicht eingegangen. - Ganz ähnlich verhält es sich mit der Entscheidung vom 2 2 . 2 . 60 = E 1 1 , 1 ff., i n der das Gericht u. a. ausgesprochen hat, daß auch die unrichtige Be­ handlung eines Ablehnungsgesuches durch das jeweilige Gericht nur dann die Garantie des gesetzlichen Richters verletze, wenn sie auf Willkür beruhe2 • II. In der Entscheidung vom 1 7. 1 1. 59 = E 1 0, 200 ff. erhielt der Be­ griff des „gesetzlichen Richters" dagegen eine neue Dimension: 26 AöR Bd. 94 (1969), 269 mit Fußn. 15. 27 Bettermann S. 269 f. Ebenso Marx und Overhoff ebd. für die erfolgreiche Ablehnung. Hamm, Gesetzl. Richter S. 55 ff., 64 ff. kennzeichnet diese Auf!.

deshalb als „Regel-Ausnahme-Theorie". 2 s Bettermann ebd. 29

s. 117.

S. 416 und 418 (Hervorhebung nicht schon im Original). 2 S. 6; im gleichen Sinne die neueren Entsch. vom 9. 6. 71 = E 3 1 , 145 ff. (164) sowie v. 2 . 4. 74 = E 37, 67 ff. (75) . 1

232

II. Teil, 3. Abschn.: Der Grundsatz des gesetzlichen Richters

Hatte das Gericht den Art. 101 I 2 GG bisher im Anschluß an die her­ kömmliche Lehre nur unter dem Gesichtspunkt der formalen Zuständigkeits­ ordnung gesehen (und dabei die Relevanz der Ausschließungs- und Ableh­ nungsvorschriften in diesem Zusammenhang nicht näher erörtert), so prägte es jetzt im Hinblick auf diese Verfassungsbestimmung die Formel, Art.101 GG setze voraus, ,,daß nur Gerichte bestehen, die in jeder Hinsicht den An­ forderungen des Grundgesetzes entsprechen" (S. 2 13). Aus eben diesem Ge­ sichtspunkt hat es in dieser Entscheidung die Verfassungsmäßigkeit der württ.-bad. Friedensgerichte verneint (S. 2 13 ff. ). - Die Formel kehrt dann wieder in der Entscheidung vom 3.7. 6 2 = E 14, 156 ff. (162 ) ; hier hat das Gericht im Rahmen des Art. 1 01 I 2 GG geprüft, ob die Artt. 92 und 97 GG gewahrt seien, und auf dieser Basis in der zu weit­ gehenden Hinzuziehung von Hilfsrichtern eine Verletzung der Garantie des gesetzlichen Richters gesehen (S.1 6 2 ff.) 3 • Mit dieser Wende in seiner Rechtsprechung hat das B VerfG die bisherige rein formale Betrachtungsweise im Rahmen des Art. 101 I 2 GG, die allein auf die Wahrung der normativen Zuständigkeitsordnung des einfachen Gesetzesrechts fixiert war, verlassen und sie um einen materialen Aspekt ergänzt und erweitert. Damit hat es einer insbe­ sondere von Adolf Arndt wiederholt vorgetragenen Forderung Rech­ nung getragen, wonach Art. 101 I 2 GG eine „Strukturnorm . .. für die Rechtsprechung" sei und den „Richter im materialen Sinn" voraus­ setze4. In den soeben genannten E ntscheidungen hatte das Gericht freilich zunächst nur „ständige Attribute" 5 geprüft, die bei den Gerichten und Richtern j eweils allgemein vorliegen müssen, damit ihnen die ver­ fassungsrechtliche Qualität eines „gesetzlichen Richters" zugesprochen werden kann8 • III. In der bereits genannten Entscheidung vom 8. 2. 67 E 21, 139 ff. (zur Verfassungsmäßigkeit des § 6 II 2 a. F. FGG) ging das Gericht dann

=

• In der Folgezeit hat das Gericht die Formel dann noch einmal im Zu­ sammenhang mit der Besetzung der Sozialgerichte mit kassenärztlichen Bei­ sitzern in Kassenarztsachen aufgegriffen, dort dann allerdings - im Ergebnis zu Recht - einen Verstoß gegen Art. 101 I 2 GG verneint: Entsch. vom 17. 1 2. 6 9 = E 27, 31 2 ff. (3 1 9 ff.; vgl. hierzu eingehend oben in § 20.IV.2 ). In diesem Zusammenhang vgl. im übrigen auch die Entsch. v. 1 4.5. 68 = E 23, 32 1 ff. (3 24 f.), in der das Gericht im Rahmen des Art. 101 I 2 GG die „Gerichts" -Qualität des hess. Finanzgerichts geprüft hat, allerdings ohne die hier im Text zitierte Formel zu verwenden. ' DRiZ 1 959, 171 : ,,. . . bedeutet die Norm heute, daß die - insbesondere die Gleichheit wahrende - Rechtsstaatlichkeit und die Richterlichkeit der In­ stitution und der Person gewährleistet wird, die eine rechtsprechende Gewalt ausübt.. ." ; vgl. zuvor ähnlich schon JZ 1 956 , 633. 5 Formulierung bei Hamm, Gesetz!. Richter S. 94. • In diesem Rahmen ebenfalls für einen materialen Begriff des „gesetzli­ chen Richters" Marx, Gesetz!. Richter S. 1 6 ff.: .,.. . der gesetzliche Richter ist im materialen Sinne des Grundgesetzes zu verstehen als der durch abstrakte und generelle, allseits verfassungsmäßige Norm eingesetzte und danach im Einzelfall zuständige Richter .. ." ( S. 18 f.).

§ 41 . Der Diskussionsstand: die Auffassung des BVerfG

233

aber nochmals einen Schritt weiter, indem es jetzt auch die richterliche Unparteilichkeit in die Garantie des gesetzlichen Richters einbezog, die sich im Gegensatz zu den eben erwähnten ständigen Attributen allein aus der Beziehung des jeweiligen Richters zu den Beteiligten und/oder zum Gegenstand des einzelnen Verfahrens (,,Fallbezogenheit" der Parteilichkeit) beurteilen läßt7 • Die Einbeziehung auch dieses Komplexes in den Begriff des gesetzlichen Richters hat das Gericht nun allerdings nicht mit Hilfe der eben zitierten Formel von den Anforderungen, die das Grundgesetz an ein staatliches Ge­ richt und an einen staatlichen Richter stellt, zu begründen versucht8 • Ausge­ gangen ist das Gericht vielmehr wiederum vom Verständnis des Art.101 I 2 GG als des Prinzips der formalen Zuständigkeitsordnung (S.1 45 unter C.11.1 ). Im Anschluß daran hat es jedoch ausgesprochen (ebd. unter C.11.2 ), daß „dem Art. 101 I 2 GG . . . aber eine weitergehende Bedeutung beigemessen werden (muß). Er kann nicht als eine nur formale B estimmung verstanden werden, die stets dann schon erfüllt ist, wenn die Richterzuständigkeit allgemein und eindeutig geregelt ist". Zur näheren Begründung greift das Gericht dann auf die schon mehrmals zuvor verwendete Formel zurück, wonach „der richterli­ chen Tätigkeit . . . wesentlich ist, ,daß sie von einem nichtbeteiligten Dritten ausgeübt wird"' (S.1 45 f. unter C.Il.2 ). Während aber das Gericht diese For­ mel bisher in einem Sinne verwendet hat, der nicht die Person des einzelnen Richters meinte, sondern die jeweilige Behörde als solche, das jeweilige Ge­ richt als solches9 , bezieht es sie jetzt daneben und zugleich gerade auch auf die Person des einzelnen Richters (vgl. S.1 46 unter C.11.3 die Gegenüber­ stellung „Gerichte" einerseits und „Richter" andererseits) : ,,. . . Die richterliche Tätigkeit erfordert . . . Neutralität und Distanz des Richters gegenüber den Verfahrensbeteiligten . . ." (S. 146 unter C.11.2 ).

Wesentlich an dieser neuen Rechtsprechung ist im vorliegenden Zusammenhang vor allem, daß das BVerfG das Unparteilichkeits­ Postulat innerhalb des Art. 101 I 2 unmittelbar beim Eingriff des ,,Richters" verankert hat: unter C.II.2 der Entscheidungsgründe (S. 146) sagt das Gericht nämlich ausdrücklich im Hinblick auf die Formel vom „nichtbeteiligten Dritten" , daß „diese Vorstellung mit den Be­ griffen von ,Richter' und ,Gericht' untrennbar verknüpft" sei. IV. Von dieser Prämisse ausgehend, soll der Grundsatz des gesetz­ lichen Richters nicht mehr allein das Prinzip der formalen Zuständig­ keitsordnung umfassen, vielmehr müsse zugleich „auch gewährleistet sein, daß der Rechtsuchende nicht vor einem Richter steht, der . . . die gebotene Neutralität und Distanz vermissen läßt" (S. 146 unter C.II.3). Dementsprechend enthält jetzt das „System der normativen Voraus7 In diesem Sinne zuvor schon Ad. Arndt, JZ 1 9 56 , 633 , der im Rahmen des Art.101 I 2 GG von der „gesicherten Unbefangenheit der Richter" spricht; ausführlicher dann Schorn, GA 1 963 , 2 57 ; ferner - speziell zu § 6 II 2 a. F. FGG - Staudinger/Göppinger, BGB Bd. IV/3 a [1 966 ] Anh. zu § 1666 Rn. 277 , der seinerseits auf die Entsch. BVerfGE 11 , 1 ff. (5 f.) Bezug nimmt. 8 Darauf weist Hamm, Gesetzl. Richter S. 8 2 ausdrücklich hin. 9 Vgl. hierzu die Ausführungen zu Art.9 2 GG (oben § 37.11.2 ).

234

II. Teil, 3. Abschn.: Der Grundsatz des gesetzlichen Richters

bestimmung des gesetzlichen Richters" eine umfassendere Funktion: im Rahmen dieses Systems muß j etzt nämlich auch „Vorsorge dafür getroffen werden, daß im Einzelfall ein Richter, der nicht die Gewähr der Unparteilichkeit bietet, von der Ausübung seines Amtes ausge­ schlossen ist oder abgelehnt werden kann" (ebd.). Dabei setzt das Gericht offensichtlich als selbstverständlich voraus und erörtert deshalb auch nicht näher, daß jene richterliche Unparteilichkeit eben durch die Normen der Richterausschließung und -ablehnung gewährleistet wird: ,, . . . Diese die Unparteilichkeit des Gerichts sichernden Grund­ sätze sind in der Gerichtsbarkeit seit langem ein selbstverständlicher und unentbehrlicher Bestandteil der Gerichtsverfassung" (ebd.). Daraus folgert das Gericht dann weiter, daß „es . . . dem einfachen Gesetz­ geber . . . nicht mehr (freisteht), im Bereich der Gerichtsbarkeit jene Prinzi­ pien unbeachtet zu lassen" . Zwar sei er „in Einzelheiten, etwa bzgl. des Kata­ logs der Ausschließungs- und Ablehnungsgründe, nicht an ein bestimmtes Vorbild . . . gebunden" , vielmehr könne „eine Abweichung . . . sogar sachlich geboten sein" . Jedoch sei es „unzulässig, diese Grundsätze derart außer acht zu lassen, daß ihr Ziel, die Unparteilichkeit und Neutralität des Richters zu sichern, gefährdet" werde; dies sei „mit Art. 101 I 2 GG nicht vereinbar" (ebd.). Aus diesem Grund hat das BVerfG in dieser Entscheidung die Vor­ schrift des § 6 II 2 a. F. FGG, die für das FGG-Verfahren die (Partei-)Ableh­ nung eines Richters wegen Besorgnis der Befangenheit ausdrücklich aus­ schloß, als mit Art. 101 I 2 GG unvereinbar und deshalb nichtig angesehen (S. 148 unter IV.) 10 • V. Ein Jahr nach dieser grundlegenden Entscheidung E 21, 139 ff., in der Entscheidung vom 7. 2. 68 = E 23, 85 ff., bemerkt das Gericht in Anspielung auf jene Entscheidung kurz: ,, . . . Soweit Art. 101 I 2 GG gewährleisten soll, daß auch im Einzelfall ein unbeteiligter und unparteiischer Richter das Rich­ teramt ausübt, ist der Verfassung durch" ,,die Ausschließung und Ablehnung eines Richters regelnde Vorschriften" ,,Genüge getan" (S. 91). Hatte das BVerfG im übrigen in der Entscheidung E 21, 139 ff. zu­ nächst einmal nur die persönliche Voreingenommenheit des Richters im Auge 11 , so hat es in den darauf folgenden einschlägigen Entschei­ dungen 12 auch die sachliche Voreingenommenheit in den Geltungs­ bereich der Garantie des gesetzlichen Richters mit einbezogen'3 • • 0 Demgegenüber hatte der BGH in der Entsch. vom 31. 10. 66 = BGHZ 46, 195 ff. = NJW 1967, 155 f. die verfassungsrechtliche Problematik dieser Vor­ schrift nicht in Art. 101 I 2 GG, sondern im Rahmen des Art. 97 I GG bei der (inneren) sachlichen Unabhängigkeit des Richters lokalisiert. Im Sinne des BVerfG aber zuvor schon Göppinger (vgl. vorstehende Fußn. 7). Eine zusam­ menfassende Darstellung der Problematik des § 6 II 2 a. F. FGG findet sich bei Kollhosser, FG S. 69 ff. 11 Vgl. die Beispiele ebd. S. 146 unter C.II.3: ,, . . . etwa wegen naher Ver­ wandtschaft, Freundschaft oder auch Verfeindung mit einer Partei . . .". 1 2 Vgl. die Entsch. vom 26. 1 . 71 = E 30, 149 ff.; vom 27. 1 . 71 = E 30, 165 ff.; vom 14. 7. 71 = E 31, 295 ff.; vom 28. 10. 75 = E 40, 268 ff.; und zuletzt vom 5. 10. 77 = E 46, 34 ff. 1 3 Vgl. dazu Arzt, NJW 1971, 1113 und Stemmler, Befangenheit S. 10.

§ 42 . Der Diskussionsstand: die Auffassung Ramms

235

Während es in der Entscheidung E 2 1, 139 ff. um die Möglichkeit der Par­ gegangen war, betreffen die Entscheidungen E 30, 149 ff. und 165 ff., E 31, 2 95 ff. sowie E 40, 268 ff. einheitlich die Richterausschließung (wobei es sich jeweils um Fälle der Vorbefassung in richterlicher Eigenschaft handelt). Das Gericht greift dabei (E 30, 149 ff. [152 f.] sowie E 40, 268 ff. [27 1] ) zunächst einmal den an sich für die formale Zuständigkeitsordnung entwickelten Grundsatz auf, ,,daß sich der für den Einzelfall zuständige Rich­ ter möglichst eindeutig aus einer allgemeinen Norm ergeben" müsse. Dieser Formel gibt es dann aber in der Folge einen neuen, weiteren Inhalt, indem es klarstellt, daß zu eben diesen „allgemeinen Normen" auch „die gesetzlichen Vorschriften (gehören), die bestimmen, unter welchen Voraussetzungen ein Richter von der Ausübung seines Richteramtes ausgeschlossen ist." Im An­ schluß daran faßt die Entscheidung E 30, 149 ff. noch einmal die in der grund­ legenden Entscheidung E 2 1, 139 ff. entwickelten Grundsätze zusammen (S. 153), wonach, auch wenn der Gesetzgeber im großen und ganzen in der Ausgestaltung der Ausschließungs- und Ablehnungsgründe frei sei, so aber doch „zumindest die Möglichkeit der Ablehnung wegen Besorgnis der Be­ fangenheit gegeben sein" müsse14 • In der zuletzt zu diesem Problemkreis ergangenen Entscheidung vom 5. 10. 77 = E 46, 34 ff. befaßt sich das Gericht schließlich mit der Frage, ob bei Vorliegen eines etwaigen Befangenheitsgrundes das Gericht womöglich auch befugt sei, von Amts wegen zu entscheiden, wenn sowohl ein Ablehnungs­ gesuch von seiten eines Prozeßbeteiligten wie auch eine sog. Selbstablehnung von seiten des betr. Richters selbst ausbleiben. Vorausgeschickt wird dabei die allgemein gehaltene Feststellung, daß das Gericht gehalten sei, in jedem Verfahren von Amts wegen zu prüfen, ob der Grundsatz des gesetzlichen Richters gewahrt sei (S. 35 f. unter II.1) : vorausgesetzt wird also, daß dieser Grundsatz gerade auch den Aspekt der richterlichen Unbefangenheit mit umfaßt. teiablehnung

§ 42. C. Die Auffassung Hamms I. Eine dritte Ansicht schließlich will das Unparteilichkeits-Postulat zwar durchaus auch im Rahmen des Art. 101 I 2 verankern, aber nicht beim Begriff des „Richters", sondern bei dem dortigen Attribut „gesetz­ lich". Sehr eingehend dargestellt und begründet wird diese Auffassung in der Monographie von Hamm, Der gesetzliche Richter und die Ab­ lehnung wegen Besorgnis der Befangenheit unter besonderer Berück­ sichtigung des Strafverfahrens [ 1973] 1. Mit dem B VerfG gemein hat diese Auffassung den materialen Begriff des „gesetzlichen Richters". Im übrigen jedoch ist ihr Ansatz ein wesentlich anderer: Den Satz, 14 Die weiteren Entscheidungen vom 9.6. 7 1 = E 31, 1 45 ff. (164) sowie vom 2. 4. 7 4 = E 37, 67 ff. (75) beschränken sich auf die Frage, ob auch die - an­ geblich - fehlerhafte Behandlung eines Ablehnungsgesuches durch ein Ge­ richt nur unter dem eingeschränkten Gesichtspunkt des Willkürverbots zu prüfen ist oder nicht, ohne im übrigen auf die hier erörterte Problematik ein­ zugehen. - Zuletzt zur Frage der „Gerichts" -Qualität unter dem Aspekt des ,,nichtbeteiligten Dritten" und der „Neutralität" , allerdings ohne unmittel­ bare Bezugnahme auf Art. 101 I 2 GG, der Beschluß vom 30.5.7 8 = E 48, 300 ff. (316) zur Verfassungsmäßigkeit der Ehrengerichte für Rechtsanwälte. 1 Vgl. hierzu im einzelnen dort S.53 ff.

236

II. Teil, 3. Abschn.: Der Grundsatz des gesetzlichen Richters

daß das Unparteilichkeits-Postulat im Rahmen der Garantie des gesetz­ lichen Richters verankert sei, entwickelt sie nämlich nicht - wie das BVerfG - gewissermaßen neben der Garantie der formalen Zustän­ digkeitsordnung (aus dem Begriff des „Richters"), sondern aus dem Prinzip der Zuständigkeitsordnung selbst ; sie denkt dieses Prinzip gewissermaßen nur „zuende" . II. Ausgangspunkt ist eine Reflexion über die Funktion eben dieser formalen normativen Vorausbestimmung des gesetzlichen Richters: ihr liege nämlich ein ganz bestimmtes System der „Richter-Rechtsfall­ Zuordnung" zugrunde2 • Der einzelne Richter, der einen konkreten Fall verhandeln und entscheiden soll, soll hiernach nämlich nicht erst bestimmt werden, wenn der j eweilige Fall bereits bei Gericht anhängig geworden ist. Wie bei der Darstellung der traditionellen Lehre zu Art. 101 I 2 bereits näher ausgeführt, soll durch entsprechende Vor­ kehrungen verhindert werden, daß der j eweilige Richter gerade im Hinblick auf die Konstellation des konkreten Falles „ad hoc" berufen wird, daß im äußersten Falle seine Zuständigkeit zu diesem Zweck womöglich sogar manipuliert wird. Die vorbeugende Maßnahme be­ steht nun eben darin, daß die Zuständigkeit jedes einzelnen Richters im Rahmen des Möglichen durch allgemeine, generell-abstrakte Nor­ men der Gerichtsverfassung, Prozeßordnung und Geschäftsverteilung bereits im voraus festgelegt sein muß , noch ehe der konkrete Fall anhängig wird. Diese im voraus festgelegte „Automatik" 3 der Rich­ ter-Rechtsfall-Zuordnung wirkt gewissermaßen „blind" , ,,blindlings"', nämlich gerade „ohne Ansehung der Verfahrensbeteiligten und ohne Voraussicht ihres Falles"5, weshalb Hamm insoweit auch vom „Prinzip Zufall" spricht•. In diesem Sinne „verfolgte der Grundsatz des gesetzlichen Richters" ,,vom Anbeginn seiner Geschichte her" - in deren Verlauf sein Gel­ tungsbereich über die Exekutive als zunächst alleiniger Adressat hin­ aus zunächst auf die Legislative und schließlich auch auf die Rechtspre­ chung selbst ausgedehnt wurde - ,,den Zweck, das Mißtrauen des Recht­ suchenden in die Neutralität des jeweils Richtenden auszuschalten und damit die grundlegende Voraussetzung für die Anerkennung des Rechtsspruches zu schaffen" 7 • Der Prozeßbeteiligte könne nämlich 2 Hamm S. 23 f. und passim. a Hamm 8. 53. ' Adolf Arndt, JZ 1956, 633; Marx, Gesetzl. Richter S. 1 , 17; Kellermann, Gesetzl. Richter S. 216 und passim; Hamm S. 40, 53 und passim. 5 Arndt, ebd. 6

1

s. 40, 50.

Marx

S. 1 ;

Stemmler,

Entsch. vom 20. 3. 56

Befangenheit S. 18; ähnlich auch das BVerfG in der

= E 4, 412 ff. (416, 418).

§ 42. Der Diskussionsstand: die Auffassung Hamms

237

grundsätzlich davon ausgehen, daß der Richter, dem er dann gegen­ übersteht, nicht gerade wegen bestimmter persönlicher Eigenschaften für diesen einzelnen Fall berufen worden ist und daß er sich deshalb auch nicht etwa von vornherein derjenigen Stelle, die ihn berufen hat, in einem ganz bestimmten Sinne verpflichtet fühlt8 . III. Eben diese „blinde" Zuständigkeitsordnung mit ihrer gleich­ mäßigen Verteilung der Richter auf die anfallenden Verfahren9 kann nun aber im Einzelfall dazu führen, daß der konkrete Fall ausgerechnet einem Richter zugewiesen wird, der im Hinblick auf die Beteiligten und/oder den Gegenstand dieses Falles parteilich ist10 • Eine solche

„Fehlzuweisung" 11 kann jedoch eben mit Hilfe der Richterausschließung und -ablehnung revidiert werden.

Hamm geht nun davon aus, daß diese Materie nicht unverbunden neben der gesetzlichen Zuständigkeitsordnung steht, sondern in einem Ergänzungsverhältnis, eben weil sie die Funktion hat, bei untragbaren Resultaten, die sich im Einzelfall aus der Zuständigkeitsordnung ergeben, für Abhilfe zu sorgen, m. a. W.: eine Korrekturmöglichkeit zu geben12• Dies müsse dann aber auch entsprechende Konsequenzen für die Auslegung des Art. 101 I 2 haben: Wenn die formale gesetzliche Zuständigkeitsordnung gerade auch den Eindruck gewährleisten solle, daß nur ein unparteilicher Richter zur Mitwirkung in dem konkreten Falle berufen werde, dann würde ja der Grundsatz des gesetzlichen Richters „an seinem eigenen Regelungsziel vorbeiführen, wenn man ihn nicht gleichzeitig" (auch) ,,als eine unmittelbare Absicherung der richterlichen . . . Unparteilichkeit auffaßte" 13 • Daß auch das Unparteilichkeits-Postulat derart in der Garantie des gesetz­ lichen Richters mit verankert sein solle, kann nach Hamm im übrigen auch als Wille des Verfassungsgebers des Grundgesetzes angenommen werden, weil diesem bekannt gewesen sei, daß die formale Zuständigkeitsordnung, für sich genommen, manchmal zu unzuträglichen Ergebnissen führe und des­ halb unbedingt der Ergänzung und Korrekturmöglichkeit durch den Kom­ plex der Richterausschließung und -ablehnung bedürfe".

IV. Ebenso wie im Hinblick auf die formale Zuständigkeitsordnung auf der Ebene des Verfassungsrechts nicht die sämtlichen Zuständig8 9

10 11

12 13

Eingehend hierzu Hamm S. 22 f., 40, 46 ff., 83. Hamm S. 40. Hamm S. 35 f., 53, 83 f. Hamm S. 72.

s. 35 f., 53 f., 72, 83 f.

Hamm S. 46 f., ebenso S. 71.

1 4 S. 83 f. In diesem Sinne übrigens zuvor schon das BVerfG in der Entsch. E 21, 139 ff. ( 146) mit der knappen Bemerkung: ,, . . . Diese Grundsätze" (ge­ meint ist der Komplex der Richterausschließung und -ablehnung) ,,waren in ihrer Bedeutung auch dem Grundgesetzgeber vertraut . . ." (unter C.11.3).

238

II. Teil, 3. Abschn.: Der Grundsatz des gesetzlichen Richters

keitsvorschriften selbst in Art. 101 I 2 verankert seien, sondern lediglich deren Grundstruktur, d. h. das ihnen zugrunde liegende Prinzip 15 , so sollen nach Hamm, soweit es um die Gewährleistung der richterlichen Unparteilichkeit im Einzelfall geht, auch nicht die einzelnen Normen

der Richterausschließung und -ablehnung als solche Verfassungsrang haben, sondern lediglich deren Grundstruktur16 • Das bedeutet dann

zweierlei 17 : - ,, . . . Gegenüber dem Gesetzgeber des einfachen Gesetzes enthält Art. 101 I 2 GG das Gebot, ein irgendwie ausgestaltetes, aber in einem Kernbereich abgesichertes Ablehnungsrecht zu schaffen, dessen materielle Minimalaus­ stattung sich aus dem Prinzip der Gewährleistung des im Einzelfall unab­ hängigen und unbeteiligten Richters ergibt. - Gegenüber dem Anwender des einfachen Ablehnungs- 18rechts enthält Art. 101 I 2 GG das mit der Autorität eines Grundrechtes verbindliche Gebot, die Ablehnungs- 19vorschriften des einfachen Gesetzes einzuhalten" 20 • § 43. Kritik der verschiedenen Auffassungen und eigene Stellungnahme. A. Das grundsätzliche methodische Problem

Bei der Frage, ob das Unparteilichkeits-Postulat im Rahmen der Garantie des gesetzlichen Richters verfassungsrechtlich mit verankert ist oder nicht, geht es im Grunde darum, ob die Auslegung dieses Verfassungssatzes mit Rücksicht darauf, daß das Grundgesetz die entsprechende Regelung der Weimarer Reichsverfassung praktisch unverändert übernommen hat, auch auf das Verständnis verwiesen und beschränkt ist, das diesem Verfassungssatz seinerzeit beigemessen worden ist, oder ob der Garantie des gesetzlichen Richters heute trotzdem ein anderer, und sei es auch nur erweiterter Sinn beigelegt werden kann1 • M. a. W.: letztlich geht es hier um die Berechtigung einer sog. objektiven Auslegung der Verfassung, die sich von dem subjektiven Verständnis löst, das der historische Verfassungsgeber einer bestimmten Verfassungsbestimmung beigelegt hat. Diesem grundsätzlichen Problem kann man im vorliegenden Zusam­ menhang auch nicht mit der vom B VerfG aufgestellten und dann von 15

16

17

Hamm S. 89. Hamm ebd., vgl. auch S. 63 f.

Vgl. die entspr. Ausführungen zur traditionellen Lehre oben in § 40.I. und 1e Ergänze: ,,und Ausschließungs-" . 20 Hamm S. 98, vgl. dort auch zuvor S. 59, 78 und 95 f. 1 Ähnlich Kellermann, Gesetz!. Richter S. 127 f. (der sich dann allerdings selbst von vornherein auf den Aspekt der „Geschäfts- und Personalvertei­ lung", also auf einen Ausschnitt speziell der formalen Zuständigkeitsordnung beschränkt). 18

§ 43. Das grundsätzliche methodische Problem

239

Hamm aufgegriffenen These2 aus dem Wege gehen, dem Verfassungs­ geber des Grundgesetzes, also dem Parlamentarischen Rat und zuvor dem Verfassungskonvent auf Herrenchiemsee, sei ja seinerzeit bereits das Nebeneinander von formaler Zuständigkeitsordnung einerseits und Komplex der Richterausschließung und -ablehnung andererseits im allgemeinen sowie die Ergänzungs- und Korrekturbedürftigkeit der Zuständigkeitsordnung durch die Möglichkeit der Richterausschließung und -ablehnung im besonderen bekannt gewesen ; und mit Rücksicht darauf könne davon ausgegangen werden, der historische Verfassungs­ geber habe seinerzeit in seinen Willen aufgenommen, daß auch der Komplex der Richterausschließung und -ablehnung im Rahmen des j etzigen Art. 101 I 2 GG verfassungsrechtlich mit verankert sein solle: Wie den Materialien zum Grundgesetz zu entnehmen, haben die damaligen verfassungsgebenden Organe den heutigen Art. 101 GG überhaupt nicht näher erörtert, sondern sich - von gewissen bloß redaktionellen Änderungen abgesehen - einfach darauf beschränkt, die entsprechende überkommene Vorschrift des Art. 105 WRV mit in das Grundgesetz zu übernehmen3 • Dieser Sachverhalt läßt es ersicht­ lich nicht zu, in den damaligen Vorgang ein inhaltliches „Mehr" in dem zitierten Sinne hineininterpretieren zu wollen. Wenn also dieser „Ausweg" versperrt ist, führt die hier angeschnit­ tene Frage nach der Berechtigung oder Nichtberechtigung der sog. objektiven Verfassungsauslegung mitten hinein in die Grundprobleme der Verfassungsinterpretation. Diese Problematik im Rahmen des vor­ liegenden Themas im einzelnen untersuchen und erörtern zu wollen, würde indessen zu weit führen. In Anbetracht dessen soll hier, ohne daß dies j etzt im einzelnen gerechtfertigt werden kann, der Recht­ sprechung des B VerfG und der herrschenden Auffassung in der Literatur gefolgt werden, die eine derartige Auslegungsmethode grund­ sätzlich bej ahen. Von diesem Ausgangspunkt her stehen dann einem materialen Begriff des gesetzlichen Richters im allgemeinen und einer Veranke­ rung auch des Unparteilichkeits-Postulats im Rahmen des Art. 101 I 2 jedenfalls grundsätzliche Bedenken nicht mehr entgegen; und es kön­ nen nunmehr die zuvor dargestellten verschiedenen Auffassungen zu diesem Problemkreis im einzelnen erörtert werden.

2 3

Vgl. die Nachweise vorstehend in § 42.III (a. E.) bei und in Fußn. 14. Vgl. die Nachweise oben in § 40.II in Fußn. 18.

240

II. Teil, 3. Abschn.: Der Grundsatz des gesetzlichen Richters § 44. B. Kritik der traditionellen Lehre (,,Regel-Ausnahme-Theorie")

I. Die traditionelle Lehre ( = ,,Regel-Ausnahme-Theorie" in der Ter­ minologie von Hamm1) hat zunächst einmal die Entstehungsgeschichte der Garantie des gesetzlichen Richters für sich, die ja herkömmlich als eine bloße Garantie der formalen normativen Zuständigkeitsord­ nung verstanden worden ist. Bei etwas großzügiger Deutung des Zuständigkeitsbegriffes ließe sich in dieses System sogar ohne weiteres der Komplex der Richterausschließung einbauen, ohne daß damit das System in seinen Grundlagen verändert würde: denn die Richteraus­ schließung zeichnet sich ja gerade durch die „Automatik" 2 aus, mit der ein Richter bei Vorliegen eines Ausschließungsgrundes bereits kraft Gesetzes von der Mitwirkung in dem Verfahren „ausgeschlossen" wird. Mit Rücksicht darauf sehen Marx und, ihm folgend, auch Overhoff den ausgeschlossenen Richter ausdrücklich als nicht zuständig an, so daß er kein ,,gesetzlicher Richter" sei3. Zuvor hat im übrigen j a auch Bettermann wenig­ stens zeitweise - als Reaktion auf die Entscheidung BVerfGE 21 , 139 ff. die Richterausschließung in die Garantie des gesetzlichen Richters selbst mit einbeziehen wollen'.

II. Die eigentliche Problematik ergibt sich vielmehr erst bei der Frage, in welchem Vehältnis zum System der formalen Zuständigkeits­ ordnung - auf dem Hintergrund des Art. 101 I 2 GG - die Richterab­ lehnung wegen Besorgnis der Befangenheit steht. Denn hier führt nichts daran vorbei, daß der ablehnbare Richter, mag die Ablehnung an sich von vornherein noch so sehr begründet sein, jedenfalls zunächst einmal auf Grund eben jener formalen Zuständigkeitsordnung zur Mitwirkung im einzelnen Fall vorausbestimmt und damit „zuständig" ist. Die traditionelle Lehre behilft sich zumindest insoweit5 damit, daß sie hier eine Entziehung eines an sich zuständigen und damit ,,gesetzlichen" Richters annimmt, die vom Gesetz ausnahmsweise ge­ stattet werde8 • Dieses Argument vermag indessen nicht zu überzeugen. Denn der Satz „Niemand darf seinem gesetzlichen Richter entzogen werden" läßt in seiner apodiktischen Knappheit ersichtlich keinen Raum für etwaige Ausnahmen, mit denen sein absoluter Geltungs1 Gesetzl. Richter S. 55 ff., 64 ff. 2 Ausdruck bei Hamm S. 56. 3 Vgl. die Nachweise oben § 40.III bei und in Fußn. 25 . ' Daneben hat er dies sogar auch für den erfolgreich abgelehnten Richter erwogen, s. o. § 40.III bei und in Fußn. 24. 5 Sofern sie nicht wie Bettermann auch den Fall der Ausschließung hier einbezieht (AöR Bd. 94 [1 96 9 ] , 26 9 f.). 1 Vgl. oben § 40.III.

§ 45. Der materiale Begriff des gesetzlichen Richters überhaupt

241

anspruch durchbrochen werden könnte7 • Es müßte deshalb erst einmal der Nachweis erbracht werden, daß Art. 101 I 2 überhaupt eine der­ artige Ausnahme zuläßt: Bei Bettermann fehlt ein derartiger Nachweis jedenfalls; er beschränkt sich insoweit zum einen darauf zu belegen, daß auch „der befangene oder ausgeschlossene Richter" weiterhin „ein zuständiger Richter" sei, und begründet im übrigen die Durchbrechung des in Art. 101 I 2 verankerten Grundsatzes allein damit, daß dieser Grundsatz hier eben hinter dem „Neutralitätsprinzip" zurücktreten müsse8• Marx geht zwar näher auf das Problem ein, ob Art. 101 I 2 Ausnahmen zulasse9 ; eine überzeugende Begründung dafür, daß diese Bestimmung für den Fall der erfolgreichen Richterablehnung eine Ausnahme zulasse - er spricht insofern von „Rechtfertigungsgrün­ den" 1 0 -, findet sich indessen auch bei ihm nicht. Sofern man der soeben in § 43 zugrunde gelegten Prämisse folgt, daß die Auslegung einer Verfassungsbestimmung nicht notwendig auf den Sinn festgelegt ist, den der historische Verfassungsgeber ihr seinerzeit zugrunde gelegt hat, besteht nun aber auch keinerlei Not­ wendigkeit zu einer derart gezwungenen Konstruktion allein zu dem Zweck, die Materie der Richterausschließung und -ablehnung kon­ struktiv so einzuordnen, daß das überkommene Verständnis der Ga­ rantie des gesetzlichen Richters als einer rein formalen Zuständig­ keitsgarantie nicht angetastet wird. § 45. C. Der materiale Begriff des gesetzlichen Richters überhaupt I. Gegen die Auslegung der Garantie des gesetzlichen Richters als einer rein formalen Zuständigkeitsgarantie spricht schon, daß jeden­ falls heute, da die ursprüngliche „Stoßrichtung" des Verbots der Richterentziehung gegen die Exekutive weitgehend an aktueller Be­ deutung verloren hat und statt dessen Eingriffe aus dem Bereich der Rechtsprechung selbst im Vordergrund stehen1 , die traditionelle Aus­ legung allein schwerlich noch den spezifischen Verfassungsrang dieser Garantie zu rechtfertigen vermag2. Zugleich zeigt ein Blick vor allem auf Artt. 92 und 97 GG, daß schon die Verfassung selbst gerade auch in inhaltlicher Beziehung bestimmte 7 So auch Hamm S. 68 ff. Vgl. dort auch S. 65 ff. zur Kritik an der weiteren Argumentation, mit der Bettennann seine Auffassung im einzelnen zu be­ gründen versucht. 8 AöR Bd. 94 (s. Fußn. 5). 8 Gesetzl. Richter S. 117. 10 Ebd. 1 Vgl. Bettermann, AöR Bd. 94 (1969), 279. 1 So auch MD-Maunz Art. 101 Rn. 13; Hamm, Gesetz!. Richter S. 38, 47. f., 66.

18 Rledel

242

II. Teil, 3. Abschn.: Der Grundsatz des gesetzlichen Richters

Anforderungen an die Qualität der staatlichen Gerichte und Richter stellt3 • Von da her rechtfertigt sich der Satz, daß Art. 101 I 2 „in seinen Merkmalen ,gesetzlich' und ,Richter' die Grundsätze (übernimmt), die die Verfassung für die Ordnung der Dritten Gewalt aufgestellt hat"'. Auf der gleichen Linie liegt auch die vom B VerfG geprägte Formel, wonach Art. 101 I 2 GG voraussetzt, ,,daß nur Gerichte, die in j eder Hinsicht den Anforderungen des Grundgesetzes entsprechen" 5 , oder wenn Adolf Arndt das „Verbot der Richterentziehung" als ein „Struk­ turgesetz der Gerichtsbarkeit" charakterisiert'. II. Hierbei ist zunächst einmal an diejenigen Merkmale, ,,Qualitäten" zu denken, die ein Gericht und ein Richter generell und ständig aufweisen müssen, damit sie als „Gericht" bzw. als „Richter" im Sinne des Grundgesetzes anerkannt werden können7 • Allein in diesem Sinne ist auch die eben zitierte Formel des BVerfG von den Anforderungen, die das Grundgesetz an staatliche Gerichte (und Richter) stellt, zu verstehen. Dementsprechend hat es diese Formel auch nicht ver­ wendet, als es in der Entscheidung E 21, 139 ff. um die richterliche Unpartei­ lichkeit ging, also um die Beziehung des Richters gerade zu dem einzelnen Verfahren, in dem mitzuwirken er an sich auf Grund der Zuständigkeitsord­ nung berufen ist. Während das Gericht die Unparteilichkeit dann aber doch, allerdings mit anderer Begriindung, in die Garantie des gesetzlichen Richters einbezogen hat, will demgegenüber Marx den materialen Gehalt des Begriffs des gesetzlichen Richters ersichtlich allein auf diese generellen, ständigen Attribute beschränken8 • Jedenfalls soweit es um diese letzteren Qualitäten geht, erscheint deshalb - vom Boden einer objektiven Verfassungsauslegung aus die ablehnende Auffassung von Bettermann9 und J. Henkel 10 nicht gerechtfertigt. Henkel ist allerdings einzuräumen, daß die Konsequen­ zen nicht unbedenklich sind, wenn man einmal dem materialen Aspekt im Rahmen des Art. 101 I 2 GG Raum gegeben hat. Die Gefahr einer zu weitgehenden Ausdehnung, die Henkel an diversen Beispielen illustriert11 , ist in der Tat nicht zu übersehen. Andererseits muß dies aber nicht schon ein Grund sein, sich allein deswegen - wie Henkel 3

Ohne eigene Stellungnahme unter bloßer Wiedergabe des Streitstandes

v. Münch/Rauball III Art. 101 GG Rn. 12. 4 Marx, Gesetzl. Richter S. 18; ihm folgend Maunz 5 Vgl. die Nachweise oben in § 41.II. • JZ 1956, 633.

ebd.

7 Vgl. in diesem Sinne die Formulierung bei J. Henkel, Gesetzl. Richter S. 163, wonach „der ,gesetzliche Richter' . . . zum Oberbegriff für alles (wird), was das Grundgesetz über die Organe der rechtsprechenden Gewalt aussagt und von ihnen fordert". 8 Gesetzl. Richter S. 16 ff., insbes. S. 18 f. 9 AöR Bd. 94 (1969), 265, 267 f., 271. 10 Gesetzl. Richter S. 160 ff. und Anm. DOV 1976, 244. 11 Ge setzl. Richter S. 161 f.

§ 46 . Der Begriff des „Richters" in Art.101 I 2 GG

243

es tut - auf die Position der traditionellen Lehre zurückzuziehen, die ja Henkel selbst in Anlehnung an die diesbezügliche Kritik von Maunz als „wohl allzu formal" charakterisiert 12 • (Dies gilt um so mehr, als ja auch Henkel an sich dem materialen Begriff des gesetz­ lichen Richters den Vorzug geben möchte 13) . Vielmehr wird vorab erst einmal zu untersuchen sein, ob nicht die Möglichkeit besteht, innerhalb des materialen Begriffs des gesetzlichen Richters eine geeignete Schranke gegen eine zu weitgehende Ausuferung aufzurichten. III. Aufgabe der jetzigen Untersuchung kann es nun allerdings nicht sein, die soeben aufgeworfene Frage grundsätzlich und in vollem Umfang zu klären. Nachdem soeben zunächst einmal herausgearbeitet worden ist, daß der Begriff des gesetzlichen Richters jedenfalls im Prinzip auch eine materiale Komponente hat, soll es vielmehr im folgenden allein darum gehen, ob dieser materiale Aspekt gerade auch das Unparteilichkeits-Postulat mit umfaßt. Das besondere Pro­ blem besteht dabei, wie bereits angedeutet, darin, daß es sich insoweit nicht um ein ständiges Attribut handelt, sondern um eine „Qualität" des Richters, die sich jeweils erst aus seiner Beziehung zu dem ein­ zelnen Verfahren ergibt. Diese Problematik soll im folgenden anhand der beiden Auffassungen näher untersucht werden, die eine Ver­ ankerung des Unparteilichkeits-Gedankens gerade im Rahmen des Art. 101 I 2 GG bej ahen.

§ 46. D. Verankerung des Unparteilichkeits-Gedankens beim Begriff des „Richters" in Art. 101 I 2 GG'? I. Wenn man vom herkömmlichen Verständnis der Garantie des gesetzlichen Richters als einer nur formalen gesetzlichen Zuständig­ keitsgarantie ausgeht, mag es zunächst einmal sogar nahe liegen, das Unparteilichkeits-Postulat innerhalb des Begriffs des „gesetzlichen Richters" unmittelbar beim Begriff des „Richters" selbst zu lokali­ sieren. Ganz in diesem Sinne bezieht das BVerfG, das ja zunächst auch von der Garantie des gesetzlichen Richters als dem Prinzip der norma­ tiven Zuständigkeitsordnung ausgeht2 , anschließend die Formel vom Richter als dem „nichtbeteiligten Dritten" - zumindest vom Ansatz her - direkt auf den „Richter"-Begriff selbst3 • 12 Anm. DOV1 976 , 2 44. Vgl. Gesetz!. Richter S.1 60 f. 1 Vgl. zum folgenden vor allem die Kritik von Hamm, Gesetz!. Richter s. 90 ff. 2 Vgl. die Entsch. E 21 , 139 ff. (1 45 ) unter C.11.1 . 8 Vgl. die Nachweise oben in § 41 .111. - Die Kritik von Bettermann, AöR Bd. 9 4 (1 969 ), 271 , mit der er sich gegen die Entsch. BVerfGE 21 , 139 ff. wendet, 13

18•

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II. Teil, 3. Abschn.: Der Grundsatz des gesetzlichen Richters

In der Tat ist die Unparteilichkeit, wie dargelegt, für die richterliche Tätigkeit - jedenfalls für die Tätigkeit des staatlichen Richters - von fundamentaler Bedeutung. Daran besteht kein Zweifel. Außerordent­ lich zweifelhaft erscheint es jedoch, einem Richter, der im Einzelfall nicht die Gewähr der Unparteilichkeit bietet, bereits deshalb die Qualität eines „Richters" absprechen zu wollen: eben das aber wäre j a gerade die Konsequenz aus der Auffassung des B VerfG. II. Dagegen spricht zunächst einmal ein Blick auf die Bestimmungen der Artt. 92 und 97 GG, in denen der „Richter"-Begriff im Mittelpunkt steht. Sofern man den „Richter"-Begriff des Art. 101 I 2 GG unmittel­ bar mit dem Unparteilichkeits-Postulat „befrachtet", deckt er sich na­ türlich nicht mehr mit dem Begriff, wie er vorhin in den §§ 37, 38 den Artt. 92 und 97 zugrunde gelegt worden ist. Von der systematischen Stellung aller drei Bestimmungen gemeinsam im IX. Abschnitt des Grundgesetzes her erscheint dies kaum gerechtfertigt', dies um so mehr, als ja innerhalb des Art. 101 I 2 selbst ersichtlich auch ein anderer Ort in Betracht kommt, an dem das Unparteilichkeits-Postulat loka­ lisiert werden könnte, ohne daß hierfür der Begriff des „Richters" derart „umgebogen" werden müßte: nämlich das Attribut „gesetzlich" . Dieser letzte Gedanke liegt im übrigen um so näher, als das B VerfG ja selbst auf die Normen des einfachen Gesetzesrechts verweist, wenn es sagt, daß die Vorschriften über Richterausschließung und -ableh­ nung gerade dazu dienten, die Unparteilichkeit des Richters zu gewähr­ leisten5 . III. Eben dieser Satz des BVerfG wirft nun freilich zugleich ein anderes Problem auf: Die genannten Vorschriften der Richterausschlie­ ßung und -ablehnung stellen im wesentlichen auf die Besorgnis der Befangenheit ab und schützen demnach primär das Vertrauen in die Unparteilichkeit des Richters. Wenn nun aber das Gericht davon aus­ geht, daß die richterliche Tätigkeit „Neutralität und Distanz des Richters gegenüber den Verfahrensbeteiligten" erfordere8 . dann ergibt sich hier, weil Unparteilichkeit selbst und Vertrauen in die Unpartei­ lichkeit nicht notwendig deckungsgleich sind, eine deutliche Divergenz, auf die näher eingegangen werden müßte: Soll nun der objektiv ist demnach insoweit unzutreffend, als er dem BVerfG vorhält, es interp re­ tiere das Attribut „gesetzlich" in Art. 101 I 2 GG falsch: ... . . Die Einbeziehung von Verstößen gegen . . . das Gebot persönlicher Neutralität des Richters in den Schutzbereich des Art. 101 GG . . . verkennt den Begriff des gesetzlichen Richters, indem sie ,gesetzlich' als gesetzmäßig statt als gesetzlich zuständig versteht . . ." (in diesem Sinne gegen Bettermann auch Hamm, Gesetzl. Rich­ ter S. 80 bei Fußn. 25 ). ' So auch Hamm S. 93 ff. 5 Vgl. hierzu oben § 41 .IV, V. 8 BVerfGE 2 1, 139 ff. (146 ) unter C.II.2 (a. E.).

§ 46. Der Begriff des „Richters" in Art. 101 I 2 GG

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befangene Richter als solcher nicht mehr „Richter" im Sinne des Art. 101 I 2 GG sein oder nur der Richter, der begründeten Anlaß zur Besorgnis der Befangenheit gibt und damit unter die Vorschriften der Richterausschließung und -ablehnung fällt? Dabei ist in Rechnung zu stellen, daß der befangen wirkende Richter nicht unbedingt auch tatsächlich befangen ist. Auf diese Diskrepanz geht das Gericht in der grundlegenden Entschei­ dung E 21, 139 ff. überhaupt nicht ein. In den späteren Entscheidungen E 30, 149 ff. (Abw. Meinung ebd. S. 157 ff.) und E 40, 268 ff. wird diese Divergenz immerhin angesprochen, ohne daß ihr allerdings weiter nachgegangen würde. In den dazwischen ergangenen Entscheidungen E 30, 165 ff. und E 31, 295 ff. wird die Problematik erneut nicht einmal angesprochen. Unerörtert bleibt in den genannten Entscheidungen im übrigen auch, worin eigentlich jeweils die „Entziehung" des gesetz­ lichen Richters bestehen solF. IV. Schließlich und vor allem aber spricht gegen die Auffassung des

BVerfG, daß bei einer und derselben Person, je nach deren Beziehung

zu den einzelnen Fällen, in denen sie mitzuwirken hat, und zu den einzelnen Verfahrensbeteiligten die „Richter"-Qualität teils zu bejahen, teils aber folgerichtig gerade zu verneinen wäre. Denn nach dieser Auffassung ,,(muß) man immer erst im Einzelfall die j eweiligen Be­ ziehungen des Amtsträgers zu Menschen und Dingen kennen . . . , um sagen zu können, ob er überhaupt ein Richter ist" 8 • Eine derartige Konstruktion kann in ihren Konsequenzen schwerlich überzeugen. In diesem Zusammenhang mag ein Blick auf die gemeinrechtliche Prozeß­ rechtsliteratur des 19. Jh.s nützlich sein: Während die Fälle der Richteraus­

schließung (,,judex inhabilis" , ,,relative Inhabilität, Unfähigkeit") und der Richterablehnung (,,Rekusation", ,,Perhorreszenz"• des „judex suspectus") regelmäßig als Gründe behandelt werden, die den Richter im einzelnen Fall an der Ausübung des Richteramts hindern, während hier also vom prakti­ schen Normalfall ausgegangen wird und sich die Ausschließung und Ableh­ nung demgegenüber als Ausnahmefall darstellen, - versuchen einige Auto­ ren, diese Materie gewissermaßen von der Gegenseite her anzugehen, indem sie im Zusammenhang die verschiedenen „Erfordernisse" für das Richteramt erörtern. In diesem Rahmen wird dann zwischen „absoluten" oder „allgemei­ nen" Erfordernissen einerseits, die ein Richter generell erfüllen muß, und „relativen", ,,besonderen" oder auch „konkreten" Erfordernissen andererseits unterschieden, die der Richter im Hinblick gerade auf den konkreten Einzel­ fall erfüllen muß. Und zwar sollen in die erste Rubrik die Fälle der „abso7 Vgl. hierzu die Bemerkungen bei Hamm, Gesetz!. Richter S. 86. s Hamm S. 92. 9 Der Begriff „perhorreszieren" wurde teilweise synonym mit „rekusieren" verwendet, teilweise jedoch auch auf die Fälle des sog. ,,Perhorreszenzeides" beschränkt, dessen Rechtsnatur aber ihrerseits im gemeinen Prozeßrecht außerordentlich umstritten war.

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II. Teil, 3. Abschn.: Der Grundsatz des gesetzlichen Richters

luten Inhabilität" gehören, in die zweite dagegen gerade auch10 die Fälle der ,,relativen Inhabilität" und der „Verdächtigkeit" des Richters 11 • Einigkeit be­ steht bei dieser Differenzierung aber darüber, daß die „Richter"-Eigenschaft als solche nur im Falle der absoluten Inhabilität entfällt, während im Falle der „relativen Inhabilität" sowie der „Verdächtigkeit" allenfalls die Befugnis des Richters in Frage steht, in dem jeweiligen Einzelfall zu judizieren. Nach alledem muß die Auffassung des BVerfG, die das Unpartei­ lichkeits-Postulat im Rahmen des Art. 101 I 2 GG beim Begriff des Richters selbst lokalisieren will, abgelehnt werden1z . § 47. E. Verankerung des Unparteilicbkeits-Gedankens beim Attribut „gesetzlich" in Art. 101 I 2 GG?

I. War das B VerfG mit der Entscheidung E 21, 139 ff. vom konstruk­ tiven Ansatz her, jedenfalls in der formalen Argumentation, noch ganz auf der Linie der traditionellen Lehre geblieben, indem es den für die Auslegung des Art. 101 I 2 GG neuen materialen Aspekt in den Begriff des „Richters" selbst verlegte - so daß also das Attribut ,,gesetzlich" weiterhin auf die formale Zuständigkeitsgarantie be­ schränkt bleiben konnte -, so bedeutet die Auffassung von Hamm, der nun auch das Unparteilichkeits-Postulat im Attribut „gesetzlich" lokalisieren will, den endgültigen „Bruch" mit der traditionellen Lehre: Indem er das Unparteilichkeits-Postulat vom „Richter"-Begriff in das Attribut „gesetzlich" verlagert, das bislang für die formale Zuständigkeitsgarantie auf der Basis der gesetzlichen Zuständigkeits­ ordnung „reserviert" war, überwindet Hamm die gezwungene Kon­ struktion, derer sich das B VerfG seinerzeit noch mit Rücksicht auf die traditionelle Lehre bedient hat. Hamm ist gewissermaßen auf dem Weg weitergegangen, den das B VerfG mit seiner eingehend darge­ stellten Rechtsprechung vorbereitet hat, indem es schrittweise auch materiale Komponenten in den Begriff des „gesetzlichen Richters" ein­ gefügt hat: zunächst einmal die ständigen Attribute von „Gericht" und „Richter" und schließlich dann gerade auch das Unparteilichkeits­ Postulat. 1 0 Daneben wird gerade auch die Zuständigkeit des Richters hierher ge­ rechnet. 1 1 Zum Zivilprozeß vgl. v. Bayer, Vorträge [1856] § 51 = S. 158 und § 60 = S. 180 ; Osterloh, LB [1856] §§ 52, 53 = S. 90 ff.; Endemann, CivProzRecht [1868] § 27 = S. 85 und § 28 = S. 89. Zum Strafprozeß vgl. Tittmann, Hand­ buch III [1824] § 662 = S. 113 f.; Müller, LB [1837] §§ 46, 47 = S. 78, 80. Gegen diese Lehre, daß die Unverdächtigkeit des Richters als solche zu den ,,Erfordernissen einer gültigen Amtsverrichtung" gehöre, Martin, Vorlesun­ gen I [1855] § 43.II (a. E.) = S. 290 und § 59.II = S. 360,

11 Ebeni,o Hamm s. 92 ff.

§ 47. Das Attribut „gesetzlich" in Art. 101 I 2 GG

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Im folgenden wird es nun darum gehen, den Lösungsvorschlag von

Hamm im einzelnen zu würdigen. Dabei wird sich erweisen, daß seine

Auffassung im Grundsatz durchaus weitgehende Zustimmung verdient. Im Detail allerdings bedarf sie mancher Ergänzung und auch Verfei­ nerung, teilweise auch der Korrektur. Um das eben verwendete Bild wieder aufzugreifen, läßt sich etwa sagen, daß so, wie Hamm auf dem vom B VerfG vorbereiteten Weg weitergegangen ist, auch der Ansatz von Hamm seinerseits noch weitergeführt und verfeinert werden muß : eben das soll Aufgabe der folgenden Ausführungen sein. II. überzeugend erscheint zunächst einmal der Ansatz von Hamm, nämlich der enge innere Zusammenhang zwischen der formalen Zu­ ständigkeitsordnung einerseits und dem Komplex der Richterausschlie­ ßung und -ablehnung andererseits. Überspitzt und darum verfehlt wäre es allerdings, wenn man sagen wollte, die gesetzliche Zuständigkeitsordnung bestehe allein um des Schutzes der richterlichen Unparteilichkeit willen. Dem steht ersichtlich die Entstehungsgeschichte der Garantie des gesetzlichen Richters entgegen, die ja ursprünglich primär gegen die Kabinetts­ justiz des Monarchen gerichtet war. - Wohl aber kann man sagen, daß das System der normativen Vorausbestimmung des gesetzlichen Richters, das die Zuständigkeit des einzelnen Richters mit Hilfe gene­ rell-abstrakter Normen im voraus möglichst eindeutig festlegt, schon als solches gerade auch dazu dienen soll, die richterliche Unparteilich­ keit im Einzel! all sicherzustellen, insoweit nämlich, als die Prozeßbe­ teiligten regelmäßig darauf sollen vertrauen können, daß der konkrete Richter, der zur Mitwirkung in ihrem Fall berufen ist, nicht etwa gerade wegen bestimmter persönlicher Eigenschaften, Neigungen oder dergl. für ihren Fall berufen worden ist und daß er sich deshalb auch nicht derjenigen Stelle, die ihn berufen hat, womöglich verpflichtet fühlt, die Sache in einem bestimmten Sinne zu behandeln. Und selbst wenn im Rahmen dieser „Richter-Rechtsfall-Zuordnung" die Persönlichkeit des einzelnen Richters durchaus eine Rolle spielen sollte: in­ sofern nämlich, als einem Richter gerade mit Rücksicht auf bestimmte Fähig­ keiten, Neigungen oder dergl. bestimmte Fälle zugewiesen werden, - so ist es auch dann nicht eigentlich der einzelne Fall als solcher, der diesem Richter um seiner selbst willen zugewiesen wird, sondern vielmehr primär der Um­ stand, daß dieser Fall eben in jene Kategorie von Fällen gehört, für die dieser Richter generell-abstrakt schon im voraus als zuständig vorgesehen worden ist. In diesem Rahmen mag die Persönlichkeit des einzelnen Richters für die konkrete Ausgestaltung der Geschäftsverteilung innerhalb eines Gerichts ohne weiteres eine Rolle spielen•. 1 Diese Argumentation muß allerdings problematisch werden, wenn abzu­ sehen ist, daß ein Spruchkörper vorrangig mit einem bestimmten Großver­ fahren befaßt sein wird, und wenn deshalb die Berufung des Vorsitzenden primär im Hinblick auf eben dieses Verfahren erfolgt.

,MB

II. Teil, 3. Abschn.: Der Grundsatz des gesetzlichen Richters

Unzutreffend ist es dabei allerdings, wenn Hamm in diesem Zusammen­ hang schlechthin von einer etwaigen „Parteilichkeit" des Richters spricht, ohne diesen Begriff auf das einzugrenzen, was die Prozeßordnungen hier­ unter verstehen: Hamm faßt diesen Begriff nämlich - ohne dies aber ge­ nauer zu rechtfertigen - so weit, daß auch das strukturbedingte subjektiv­ personale Element im richterlichen Handeln hierunter fällt, das ja nach den Ausführungen im Ersten Teil dieser Arbeit gerade nicht in diesen Begriff einbezogen werden sollte2 • Dieser unklare terminologische Ansatz führt bei ihm in der Folge zu der unzutreffenden Behauptung, Richter(-ausschließung und)-Ablehnung erfaßten von vornherein nur einen Teilbereich dessen, was insgesamt als „Parteilichkeit" anzusehen sei3 : spätestens in diesem Zusam­ menhang hätte an sich aller Anlaß für Hamm bestanden, sich mit dem pro­ zessualen Unparteilichkeits-Begriff auseinanderzusetzen.

Wenn nun aber jenes System der normativen Vorausbestimmung des gesetzlichen Richters, das die Zuständigkeit des einzelnen Richters mit Hilfe generell-abstrakter Vorschriften schon im voraus möglichst eindeutig festlegt, zumindest auch die Unparteilichkeit des für den Einzelfall bestimmten Richters gewährleisten soll, dann erscheint es gerechtfertigt, mit Hamm von einer „Fehlzuweisung" zu sprechen', wenn den Parteien auf Grund dieses Systems im einzelnen Fall ein Richter zugewiesen wird, der gerade nicht die Gewähr der Unpartei­ lichkeit bietet, sei es, daß er tatsächlich befangen ist, oder sei es auch, daß er immerhin befangen wirkt. Eine derartige „Fehlzuweisung" muß nun natürlich revidiert werden können, weil die Parteien ja andernfalls ausgerechnet vor einem solchen Richter prozessieren müß­ ten, vor dem sie durch die formale Zuständigkeitsordnung gerade (mit) geschützt werden sollten. Und als diese Korrekturmöglichkeit bieten sich nun einmal auf der Ebene des einfachen Gesetzesrechts die Normen der Richterausschließung und -ablehnung an: So tritt dieser Normen­ komplex funktionell in der Tat in ein enges Ergänzungsverhältnis zur formalen Zuständigkeitsordnung. Rein äußerlich kommt dieser enge Zusammenhang schon darin zum Ausdruck, daß die Vorschriften über Ausschließung und Ablehnung des Richters in der ZPO wie in der StPO im Rahmen der einleitenden „Allgemeinen Vorschriften" unmit­ telbar auf die Vorschriften über die gerichtliche Zuständigkeit folgen'. 1 Vgl. die Kritik oben § 7.IV.2. 3 Gesetzl. Richter S. 97 f.: ,, . . . Das von der Verfassung unmittelbar ge­ währte Ablehnungsrecht kann sich also nur auf einen Kernbereich denkbarer Befangenheitsgründe beziehen . . ." (Hervorhebung nicht schon im Original); ähnlich S. 50 f., wo Hamm von der „gesetzlich tolerierten Parteilichkeit" spricht, die „zum Inhalt des Prinzips vom gesetzlichen Richter" gehöre. ' Gesetzl. Richter S.7 2. 5 §§ 1 ff. ZPO/StPO: ,,Sachliche Zuständigkeit der Gerichte" §§ 1 2 ff. ZPO/7 ff. StPO: ,,Gerichtsstand" (§§ 38 ff. ZPO: ,,Vereinbarung über die Zuständigkeit der Gerichte") §§ 41 ff. ZPO/22 ff. StPO: ,,Ausschließung und Ablehnung der Gerichts­ personen",

§ 47 . Das Attribut „gesetzlich" in Art.1 01 I 2 GG

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I I I. Diese Anordnung kommt nicht von ungefähr. Auch im gemeinrechtli­ chen Prozeßrecht war nämlich der enge Zusammenhang zwischen richterli­

cher Zuständigkeit (.,Competenz" ) einerseits und „relativer I nhabilität" und „Rekusation" wegen „Verdächtigkeit" 6 durchaus geläufig. Teilweise gingen Lehre und Gesetzgebung dabei sogar so weit, daß sie die relative I nhabilität und die Rekusation des Richters von vornherein gleich im Rahmen der Zu­ ständigkeitsregeln selbst behandelten; in der Weise nämlich, daß sie diese Materie als Fall des sog. ,,außerordentlichen Gerichtsstandes" 7 bzw. der „ex­ ceptio fori declinatoria" 8 behandelten. Diese Auffassung galt allerdings auch damals nicht uneingeschränkt. Mehrfach wurde nämlich ausdrücklich klar­ gestellt, daß der außerordentliche Gerichtsstand nur dann eintrete, wenn das betr. Gericht infolge der I nhabilität oder Rekusation beschlußunfähig werde9• Obwohl dieser Hinweis aus heutiger Sicht eigentlich den Gedanken nahelegen sollte, daß die systematische Einordnung der Ausschließungs- und Ableh­ nungsmaterie unmittelbar bei der Lehre vom außerordentlichen Gerichts­ stand dann womöglich unangebracht sei, hat er die Autoren trotzdem nicht davon abgehalten, diese Fälle in diesem Zusammenhang zu behandeln10• Ab­ gesehen davon, daß diese Einordnung durch die Systematik der AGO formal vorgegeben gewesen sein mag, wird sich dieser Sachverhalt im übrigen am ehesten wohl so erklären lassen, daß der Eintritt der Beschlußunfähigkeit, also der rechtlichen „Behinderung" des Gerichts, in diesen Fällen damals eben die Regel - und nicht die Ausnahme wie heute - gewesen ist: die Auf­ fassung erscheint demnach ganz auf die Verfassung der kleinen Untergerichte zugeschnitten, die jeweils mit nur einem Richter besetzt waren. überwiegend wurden Zuständigkeit einerseits und lnhabilität sowie Re­ kusation andererseits aber auch schon in der Lehre jedenfalls des 1 9. Jh.s Zu dieser Terminologie vgl. oben § 46 .I V bei Anm. 9. 7 Zum Zivilprozeß vgl. Glück, Pandecten VI /1 [1800) 5. Buch I. Tit. § 510.1.A.b.1) = S. 2 39 ; He[fter, System [1843) § 88 = S. 95 und § 16 2 = S. 190 f.; Koch, Preuß.Civ.Proz. [1855) § 67 = S. 16 5 f.; v. Bayer, Vorträge [1856 ) § 76 a. E. = S. 2 32 ; Osterloh, LB [1 856 ] § 82 = S.17 4; preuß. Corp.Jur. Frid. Erstes Buch von der Proceß-Ordnung [1781 ] Theil IV Tit. 2 § 2 Nr.5 i. V. m. §§ 80 ff. ; preuß. AGO [1793/1815] Theil I Tit. 2 § 7 Nr.1 i. V. m. §§ 1 31 , 143 ff. Ähnlich auch hann.ABPO [1847 ] ,,Behinderung und Ablehnung eines Gerichts" (§§ 1 4 ff.) innerhalb des Titels „Von der Zuständigkeit der Ge­ richte" , ebenso hann.BPO [1 850 ] §§ 21 ff.; bayZPO [1 86 9] ,,Behinderung und Ablehnung der Richter, Staatsanwälte und Gerichtsschreiber" (Art. 40 ff.) innerhalb des „1. Hauptstückes. Zuständigkeit der Gerichte". Zum Strafprozeß vgl. Stübel, Crim.Verfahren I [1811] §§ 26 1 ff. = S. 12 9 ff. ; Henke, Darstellung [1817 ] § 37 = S. 47; StGB für das Kgr. Baiern [1813] zweiter Theil. Von dem Prozeß in Strafsachen, Art. 33 - 35 „Von Ablehnung der Gerichtspersonen" und Art. 36 „Von nothwendiger Entschlagung der Amtsfunktionen" innerhalb des Kapitels „Von der Zuständigkeit (Kompe­ tenz) der Kriminalgerichte". Gegen die Annahme eines sog. ,,außerordentlichen" Gerichtsstandes in diesen Fällen schon aus terminologischen Gründen nachdrücklich Morstadt, Materialkritik [182 8) Abb. XLI I = S. 1 46 ff. (gegen das Lehrbuch von Martin) . 8 Lauterbach, Coll.theor.-pract. Pars Prima [1 7 26 ) Lib. V Tit. I § XXXI X = S. 42 8 ; Danz/Gönner, Grundsäze [1 806 ] § 16 0 = S. 2 90. 9 Glück (s. Fußn.7) § 508 = S. 2 32 ; Martin, LB [1 838) § 59 = S. 104 in Fußn. n); v. Daniels, Handbuch I [ 1839] § 77.VI I I = S. 26 4 f.; Martin, Vor­ lesungen I [1855) § 59.11 = S. 36 1; Martin/Temme, LB [1857 ] § 40 = S.108 f.; Corp.Jur.Frid. (s. Fußn.7) § 81 ; AGO (s. Fußn. 7 ) § 1 44. 10 Vgl. die in der vorstehenden Fußnote Genannten. 6

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II. Teil, 3. Absch.n.: Der Grundsatz des gesetzlichen Richters

systematisch getrennt behandelt, und zwar in der Weise, daß die lnhabilität bzw. Rekusation eines Richters zunächst einmal gerade voraussetzte, daß der j eweilige Richter an sich zur Behandlung der konkreten Sache „competent" sei 11 • In der gleichen Weise hat auch die Mehrzahl der Prozeßordnungen des 19. Jh.s die Richterausschließung und -ablehnung im Anschluß an die Rege­ lung der Zuständigkeit behandelt. Diese Systematik ist dann in die ZPO und StPO von 1877 übernommen worden. IV. Wenn vorhin vom „Ergänzungsverhältnis" zwischen gesetzlicher Zuständigkeitsordnung einerseits und Richterausschließung und Rich­ terablehnung andererseits die Rede gewesen ist, so geht der Sache nach eigentlich auch schon die sog. ,,Regel-Ausnahme-Theorie" (im Sinne Hamms), wie sie von Bettermann und Marx vertreten wird, in diese Richtung. Das grundlegend Neue an der Auffassung von Hamm ist nun aber, daß er mit Rücksicht auf eben dieses funktionelle Ergän­ zungsverhältnis den Komplex der Richterausschließung und -ableh­ nung gleichrangig neben der formalen Zuständigkeitsordnung in den Begriff des „gesetzlichen" Richters selbst mit einbezieht. Es fragt sich deshalb, ob das Attribut „gesetzlich" in Art. 101 I 2 GG diese Auslegung zuläßt. 1. Ursprünglich verstand man unter „gesetzlich" ,,gesetzlich zustän­ dig"12, d. h. auf Grund Gesetzes zuständig. Mit „Gesetz" ist dabei der Komplex der Zuständigkeitsregeln auf der Ebene des einfachen Ge­ setzesrechts zu verstehen, auf den somit die Bestimmung des Art. 101 I 2 verweist. Insoweit enthält Art. 101 I 2 eine „institutionelle Garan­ tie"1 8 . Diese „Garantie des gesetzlichen Richters" hat auf der Verfas­ sungsebene den Inhalt, zu gewährleisten, daß auf der Ebene des einfachen Gesetzesrechts eine normative Ordnung für die Regelung der richterlichen Zuständigkeiten existiert. Und zwar werden hierbei nicht alle Details des einfachen Gesetzesrechts· festgelegt, vielmehr nur ein „Kernbereich" von Zuständigkeitsregeln, die „Grundstruktur" " dieser Zuständigkeitsordnung, die eben dahin geht, daß die Zuständigkeit des einzelnen Richters mit Hilfe generell-abstrakter Vorschriften schon im voraus möglichst eindeutig bestimmt sein muß. 2. In der gleichen Weise will Hamm nun über das Attribut „gesetz­ lich" auch die Materie der Richterausschließung und -ablehnung in die Garantie des gesetzlichen Richters mit einbeziehen. 11 Gesterding, AcP Bd. 6 [ 1 823] , 237 ff.; Gensler, Commentar [1825] ,,zu § 41" unter „A)" ; Brackenhoeft, Erörterungen [1842] § 82 = S. 205; A. Chr. J. Schmid, Handbuch [1843] § 27 Fußn. 3 = S. 50; Behmer, Ztschr. f. Civ.Recht und Prozeß N. F. 6. Bd. [1849] § 1 1 = S. 36 ff. 1 2 So ausdrücklich Bettermann, AöR Bd. 94 (1969), 271. 18 Bettermann, GR III/2 S . 556 f., 559 f.; Marx, Gesetz!. Richter S. 59 f.; MD­ Maunz, Art. 101 Rn. 5. Gegen die Kennzeichnung des Grundsatzes des gesetz­ lichen Richters als „institutionelle Garantie" (wobei dieser Begriff aber wohl mißverstanden worden ist) J. Henkel, Gesetz!. Richter S. 8 ff. u Hamm S. 89.

§ 47. Das Attribut „gesetzlich" in Art. 101 I 2 GG

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Dazu ist zunächst festzustellen, daß , wenn man den Begriff „gesetz­ lich" im systematischen Zusammenhang der Verfassung betrachtet

und wenn man dabei speziell von der Entstehungsgeschichte der Ga­ rantie des gesetzlichen Richters einmal absieht, - daß dieser Begriff dann keineswegs von vornherein auf die Bedeutung „gesetzlich zu­ ständig", eingeengt ist, im Gegenteil: diese letztere Auslegung ist sogar wesentlich enger, als vom Wortverständnis her an sich geboten. Viel­ mehr wird man für das Attribut „gesetzlich" , wenn man seinen gesam­ ten Bedeutungsinhalt ausschöpfen will, ganz allgemein die Bedeutung .,durch Gesetz bestimmt, vorgeschrieben" anzunehmen haben . Läßt diese Auslegung nun ihrerseits die Annahme zu, daß auch die Materie der Richterausschließung und -ablehnung, wie neuerdings behauptet, in den Begriff des „gesetzlichen" Richters mit einbezogen ist? Das kann nicht ohne weiteres bej aht werden, weil der ausgeschlos­ sene wie auch der ablehnbare Richter keineswegs in dem angegebenen Sinne „durch Gesetz bestimmt, vorgeschrieben" sind oder auch nur, noch allgemeiner formuliert, ,,im Sinne des Gesetzes" sind. Im Gegen­ teil: weil sie bestimmten Erwartungen nicht gerecht werden, sollen sie ja gerade aus dem jeweiligen Verfahren entfernt, ,,ausgeschlossen" werden! Wenn das Attribut „gesetzlich" nicht überinterpretiert werden soll, dann wird man es vielmehr auf positive Eigenschaften eingrenzen müssen, die ein Richter kraft Gesetzes aufweisen muß. Die gesetzlichen Vorschriften über Richterausschließung und �ablehnung stellen dem­ gegenüber auf „negative" Aspekte ab, bei deren Vorliegen in einem konkreten Fall der jeweilige Richter gerade daran gehindert werden soll, sein Amt auszuüben. Mit der bisher gegebenen Begründung läßt sich demnach das gewünschte Ergebnis nicht rechtfertigen. 3. Das schließt indessen keineswegs aus, daß es eine andere Begrün­ dung gibt, mit deren Hilfe sich ohne weiteres untermauern läßt, daß die Materie der Richterausschließung und -ablehnung letztlich doch in Art. 101 I 2 GG mit verankert ist. Ausgangspunkt dafür ist die Erwä­ gung, daß ja die Vorschriften über Ausschließung und Ablehnung des Richters nicht um ihrer selbst willen in die Prozeßordnungen aufge­ nommen worden sind . Ihnen kommt vielmehr ersichtlich nur eine dienende Funktion zu . Dahinter aber steht, wenn auch nirgends positiv ausgesprochen'5, ein ganz bestimmtes Leitbild vom Richter16, das seine Unparteilichkeit zum Gegenstand hat11 • Von diesem Leitbild, dem die 15 Jedenfalls im Rahmen des rein innerstaatlichen deutschen Rechts (zu Art. 6 I europ. MRK s. u. § 53). - Darauf, daß das Postulat der Unparteilich­ keit des Richters bisher nirgends ausdrücklich gesetzlich niedergelegt war, weist auch Kollhosser, FG S. 75 hin. 16 Hierzu Kollhosser S. 75 ff., insbesondere die Überlegung auf S. 77. 17 Dabei sei im Augenblick noch dahingestellt, ob dieses Leitbild unmittel-

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II. Tell, 3. Abschn.: De r Grundsatz des gesetzlichen Richte rs

Ausschließungs- und Ablehnungsvorschriften Rechnung tragen sollen, wenn im Einzelfall ein Richter ihm nicht entspricht, läßt sich nun ohne weiteres sagen, daß es mit der Auslegung des Attributs „gesetzlich" im Sinne von „durch Gesetz bestimmt, vorgeschrieben" im Einklang steht. Auf diesem Wege läßt sich dann also auch begründen, daß die Materie der Richterausschließung und -ablehnung, die das Leitbild des unparteilichen oder doch immerhin unparteilich wirkenden Richters verwirklichen helfen soll, im Rahmen des Art. 101 I 2 GG - jedenfalls mittelbar - verfassungsrechtlich mit verankert ist. 4 . 18 Die Einbeziehung dieses Leitbildes in den Schutzbereich des Art. 101 I 2 rechtfertigt sich aus dem Gedanken, daß eine allein im Sinne der formalen Zuständigkeitsgarantie verstandene Garantie des gesetzlichen Richters heute den spezifischen Verfassungsrang dieser Garantie kaum mehr ausfüllen würde. Zudem stellt die Verfassung selbst bestimmte Strukturanforderungen an die Gerichte im allgemei­ nen wie auch an die einzelnen Richter, die sich dementsprechend in einer materialen Komponente im Begriff des „gesetzlichen Richters" niederschlagen . Gerade der Komplex der richterlichen Unparteilich­ keit, dessen hoher Stellenwert eingehend dargelegt worden ist, zeigt dabei, daß es nicht ausreichen würde, diesen materialen Aspekt allein auf generelle, ständige Attribute beschränken zu wollen. Vielmehr erfordert das in Art. 101 I 2 im Attribut „gesetzlich" verankerte System der generell-abstrakten Zuständigkeitsordnung aus sich selbst heraus, d. h. aus dem ihm zugrunde liegenden Leitgedanken heraus eine gerade auf den Einzelfall abgestellte Ergänzung und Korrekturmöglichkeit, wie sie in dem Komplex der Ausschließungs- und Ablehnungsvor­ schriften bereitgestellt wird". Da rauf, daß zwischen Zuständigkeitsordnung einerseits und dem Komplex, der die richterliche Unparteilichkeit zum Gegenstand hat, andererseits ein gewisses Spannungsverhältnis besteht, weist zutreffend Hamm hin: ein „Spannungsfeld" insofern nämlich, als sich die Zuständigkeit des einzelnen Richters nach der vorgegebenen abstrakt-generellen Zuständigkeitsordnung regelt, die gerade auf dem „Verbot der Einzelfallbestimmung des zuständi­ gen Richters" beruht, während sich die Unparteilichkeit oder gerade Parteibar die Unparteilichkeit des Richters selbst meint oder ob es statt dessen auf das Vertrauen in diese Unparteilichkeit abstellt. 1 8 Vgl. zum Folgenden Kollhosser, FG S. 7 5 f.; MD-Maunz Art. 101 Rn.1 3; Hamm, Gesetz!. Richter S.1 2 , 38 , 47 f., 66 . 19 Zustimmend zur Einbeziehung des Komplexes der richterlichen Un­ parteilichkeit in den Schutzbereich des Art. 101 I 2 GG - auf der Basis de r Rspr. des BVerfG - u. a. Arzt, Strafrichter S. 7 f.; Ernst, Ablehnung S.4 ff.; Stemmler, Befangenheit S. 1 3 ff. Ablehnend - außer Bettermann und J. Hen­ kel - Ridder, Demokratie und Recht 1 97 3, 2 43 ff. und Overhoff, Ausschluß S. 34 f. Ohne eigene Stellungnahme (lediglich mit Hinweis auf die Proble­ matik als solche) Knöpfle, BVerfG-Festgabe I S. 143 f.

§ 48. Konkretisierung des Richter-Leitbildes in Art. 101 I 2 GG

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lichkeit des Richters notwendig allein nach den Gegebenheiten eben des ein­ zelnen Falles bestimmtzo. Auf dieser Basis: ,,Kombination" der Zuständigkeits- und der Un­ parteilichkeits-Materie im Attribut „gesetzlich" in Art. 101 I 2 GG, läßt sich der „gesetzliche" Richter im Anschluß an die Formulierung von Kollhosser' - vorbehaltlich der nachstehenden Ausführungen zum genauen Inhalt jenes Leitbildes - definieren als derjenige „Richter,

den Gesetz und Geschäftsverteilung tatsächlich bestimmen oder be­ stimmen würden, wenn sie dem Leitbild des neutralen, unparteilichen Richters voll Rechnung tragen würden". § 48. Fortsetzung: Konkretisierung des in Art. 101 I 2 GG verankerten Richter-Leitbildes

I. Wenn es nun im folgenden darum geht festzustellen, ob das eben genannte Leitbild des Richters auf dessen Unparteilichkeit selbst oder aber statt dessen auf das Vertrauen in seine Unparteilichkeit abstellt', so legt ein Blick auf die Vorschriften der Richterausschließung und -ab­ lehnung zunächst einmal die Annahme nahe, daß es hier ja wohl um das Vertrauen in die Uparteilichkeit gehe. Denn eben dieses steht im Rah­ men der Ausschließungs- und Ablehnungsvorschriften ersichtlich im Vordergrund. Diesen Eindruck vermittelt vor allem die Generalklausel für die Rich­ terablehnung, die j a ausdrücklich auf die „Besorgnis der Befangenheit"

abstellt (§§ 42 I, II ZPO, 24 I, II StPO). In gleichem Maße gilt dies aber weiter auch für den Katalog der Ausschließungsgründe, die auf einer unwiderleglichen - Vermutung für die Befangenheit des jeweiligen Richters und damit ebenfalls nicht auf dem Gedanken der Unparteilich­ keit selbst, sondern des Vertrauens in die Unparteilichkeit des Richters basieren. Gesetz!. Richter S. 78. FG S. 76, ihm folgend Overhoff, Ausschluß S. 34. Ebenso Hamm, Gesetz!. Richter S. 5 1 : ,,. • . Gesetzlicher Richter kann . . . nur der sein, der gesetzlich zuständig ist und gleichzeitig die Gewähr der Unabhängigkeit und Unpartei­ lichkeit bietet . . ." . 1 Die folgenden Ausführungen können nur den Charakter einer Skizze ohne detaillierte Begründung und ohne nähere Nachweise haben; im einzel­ nen wäre der hier nur kurz angesprochene Gedankengang vielmehr in einer Untersuchung zu entwickeln, die vorrangig gerade den Komplex der Aus­ schließungs- und Ablehnungsvorschriften zum Gegenstand hätte, während diese Materie im Rahmen der jetzigen Untersuchung entsprechend ihrer an­ ders gearteten Fragestellung j a lediglich mittelbar eine Rolle spielt; ergän­ zend vgl. hierzu auch die Oberlegungen in meiner Rez. ZZP Bd. 92 (1979), 379 ff. 10

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II. Teil, 3. Abschn.: Der Grundsatz des gesetzlichen Richters

Allein gerade beim Komplex der Ausschließungsgründe stellen sich schon gewisse Zweifel ein, ob dieser Aspekt des Vertrauens wirklich der allein ausschlaggebende sein kann. Weil nämlich die Wirkung der Ausschließung gerade unmittelbar kraft Gesetzes eintritt, wird insoweit keinerlei Rücksicht darauf genommen, ob nun gerade die Beteiligten des konkreten Verfahrens dem betr. Richter vertrauen oder nicht. Man mag insoweit allenfalls von diesen konkreten Verfahrensbeteiligten ab­ strahieren und allgemein noch auf das Vertrauen der Öffentlichkeit als solcher in die Unparteilichkeit der Justiz überhaupt abstellen. In diese Richtung geht die aus den Materialien zur ZPO stammende und seither ständig verwendete Formel, wonach manche Fallkonstellationen „der Art (sind), daß schon die Rücksicht auf das Ansehen der Justiz die Ausschlie­ ßung des Richters erheischt" 2 • Damit im Zusammenhang zu sehen sind auch das Institut der sog.

Amtsablehnung bei Zweifeln über das Vorliegen eines Ausschließungs­

grundes (§§ 48 I [2. Alt.] ZPO, 30 [2. Alt.] StPO) wie auch das Institut der sog. Selbstablehnung im Falle eines Ablehnungsgrundes (§§ 48 I [ 1 . Alt.] ZPO, 30 [ 1 . Alt.] StPO). Diese letzteren Verfahren sollen näm­ lich gerichtsintern erfolgen, d. h. ohne daß die jeweiligen Prozeßbetei­ ligten hierzu überhaupt herangezogen werden3 • Auch insoweit kann er­ sichtlich von einem „Vertrauen in die Unparteilichkeit des Richters" allenfalls noch in einem sehr abstrakten Sinne die Rede sein. Etwas überspitzt läßt sich deshalb sagen, daß für eine Parteiablehnung über­ haupt nur dann noch Raum bleibt, wenn ein befangener oder zumindest befangen scheinender Richter nicht schon zuvor im Wege der Aus­ schließung kraft Gesetzes oder der Amts- oder Selbstablehnung aus dem jeweiligen Verfahren ausgeschieden ist. An dieser Stelle ist nun zurückzugreifen auf das, was gleich zu Beginn dieser Untersuchung (§ 3.1) zur Bedeutung der richterlichen Parteilich­ keit/Befangenheit festgehalten worden ist: Wesentlich ist ihr nämlich, daß sie die inhaltliche Richtigkeit der zu treffenden Entscheidung be­ einträchtigt oder doch zumindest in diese Richtung tendiert. Auf dieser Grundlage ist es dann aber mit einem bloßen Schutz des „Vertrauens in die Unparteilichkeit des Richters" allein ersichtlich nicht getan, zu­ mal wenn er, wie gezeigt, teilweise derart abstrakt zu verstehen ist. Dann muß vielmehr in erster Linie die Parteilichkeit des jeweiligen Richters als solche angegangen werden: insofern muß es also letztlich 2 So der CPO-Entwurf (RTags-Vorlage [ 1874] ) Besondere Begründung zu §§ 41 - 49 (= Hahn, ZPO S. 162 f.). 3 Vgl. hierzu § 48 II ZPO: ,,Die Entscheidung ergeht ohne Gehör der Par­ teien" ; in der StPO fehlt eine entsprechende ausdrückliche Anordnung. Im neueren Schrifttum wird jetzt allerdings bezweifelt, ob diese Regelung und Praxis vor der Verfassung Bestand haben kann, vgl. hierzu insbes. E. Schnei­ der, Rechtliches Gehör bei Selbstablehnung des Richters (JR 1977, 270 ff.).

§ 48. Konkretisierung des Richter-Leitbildes in Art. 101 I 2 GG

256

doch primär um die Gewährleistung der richterlichen Unparteilichkeit selbst gehen. II. Diese zu realisieren und dementsprechend alle Fälle von tatsäch­ licher Parteilichkeit zu erfassen, um den j eweiligen Richter aus dem Verfahren ausschließen zu können, ist jedoch teilweise eine nahezu un­ lösbare Aufgabe, wenn man bedenkt, daß eine tatsächliche Befangen­ heit des Richters oftmals kaum zu erkennen ist, daß sie nicht einmal dem betr. Richter selbst bewußt zu sein braucht, und schließlich auch, daß einer Partei im Einzelfall ein parteilicher Richter sogar will­ kommen sein mag, weil sie sich nämlich ein günstiges Urteil von ihm verspricht. In Anbetracht dessen kann die Idealvorstellung, daß ein etwaiger parteilicher Richter stets aus dem j eweiligen Verfahren ausgeschlossen wird und demzufolge lediglich unparteiliche Richter tätig werden, in der Realität allenfalls annäherungsweise durchgesetzt werden. Am nächsten wird man dieser Wunschvorstellung noch kommen, wenn man einem Richter, der sich selbst befangen fühlt, entgegen den Materialien zur ZPO, die sich seinerzeit ausdrücklich dagegen ausgesprochen haben, aus heutiger Sicht eine Pflicht zur Anzeige dieses potentiellen Ableh­ nungsgrundes, d. h. zur sog. Selbstablehnung auferlegt•. Im übrigen wird man sich dagegen damit behelfen müssen, daß man auf äußerlich wahrnehmbare Fakten zurückgreift, denen immerhin die Bedeutung eines Indizes für eine etwaige Befangenheit des einzelnen Richters zukommen kann und bei deren Feststellung Dritte, insbeson­ dere die Prozeßbeteiligten, zur Hilfe mit herangezogen werden können. In bestimmten Fallkonstellationen ist dabei die Wahrscheinlichkeit einer etwaigen Parteilichkeit des betr. Richters bereits typischerweise so groß, daß es hier naheliegt, nicht erst abzuwarten, ob ein Beteiligter des konkreten Verfahrens ein dahingehendes Mißtrauen gegenüber dem Richter geltend macht, sondern schon von Gesetzes wegen anzuordnen, daß sich der Richter aus dem Verfahren heraushalten soll : das ist die ratio legis der Richterausschließung kraft Gesetzes5 •

Die sog. abstrakten Ablehnungsgründe gehen ebenfalls in diese Richtung, bleiben jedoch gewissermaßen auf halbem Wege stehen, weil einerseits in einem solchen Fall eine Besorgnis der Befangenheit nicht mehr konkret be• Vgl. hierzu die Ausführungen oben in § 35.II. Zumindest in terminologischer Hinsicht völlig verfehlt ist die Äußerung von Hamm auf S. 92, wenn er „dem wirklich befangenen Richter (judex in­ habilis)" ,,den tatsächlich unbefangenen, aber befangen erscheinenden Rich­ ter (judex suspectus)" gegenüberstellt. Hamm ist hier offenbar die gemein­ rechtliche Terminologie nicht geläufig, die (nach heutigem Sprachgebrauch) den ausgeschlossenen Richter als „judex inhabilis" und den wegen Besorgnis der Befangenheit ablehnbaren Richter als „judex suspectus" bezeichnet (vgl. hierzu die Ausführungen oben in §§ 46.IV und 47.III). 5

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II. Teil, 3. Abschn.: Der Grundsatz des gesetzlichen Richters

hauptet und nachgewiesen zu werden braucht, weil aber andererseits die Entfernung des Richters nicht schon kraft Gesetzes angeordnet, sondern von einem dahingehenden (Ablehnungs-)Antrag eines Prozeßbeteiligten ab­ hängig gemacht wird8• Im übrigen bleibt nichts anderes übrig, als auf das subjektive Ver­ trauen - oder gerade auch Mißtrauen - der Beteiligten des konkreten Verfahrens abzustellen, das zwar nicht ohne weiteres ein immer zuver­ lässiges, aber doch ein immerhin in der Mehrzahl der Fälle nützliches Indiz dafür ist, ob der jeweilige Richter wenigstens unparteilich wirkt. Dabei muß allerdings in Kauf genommen werden, daß im Einzelfall auch einmal ein Richter · Anlaß zur Besorgnis der Befangenheit gibt, ohne daß er auch tatsächlich befangen ist. In diesem Falle entspricht er an sich der Sache nach durchaus dem Leitbild des unparteilichen Rich­ ters, weshalb sein Ausschluß aus dem Verfahren insoweit ungerecht­ fertigt wäre. Andererseits kommt nach den vorstehenden Ausführungen auch schon dem Vertrauensgedanken als solchem eine so wesentliche Funktion zu, daß es nicht tragbar wäre, einem derartigen Mißtrauen nur dann Beachtung schenken zu wollen, wenn der Nachweis erbracht werden könnte, daß der Richter letztlich auch tatsächlich befangen ist. Vielmehr wird man hier allein schon das bloße Mißtrauen gegenüber dem Richter als solches genügen lassen müssen, wenn nur di.e geltend gemachte Besorgnis der Befangenheit als solche ausreichend begründet ist. Allein schon dem Vertrauen der Prozeßbeteiligten in die Unpartei­ lichkeit des jeweiligen Richters kommt nämlich, wie oben in § 35.III.3 gezeigt, im Prozeß eine fundamentale Funktion zu. Mit Rücksicht darauf erscheint der Vertrauensaspekt, auch wenn es letztlich um die Unpar­ teilichkeit des Richters selbst geht, so weit „verselbständigt", daß er im jetzigen Zusammenhang auch selbst eine zentrale Stellung bean­ spruchen kann. III. Folgerichtig wird man demnach die vorhin gestellte Ausgangs­ frage so beantworten müssen, daß das im Attribut „gesetzlich" in Art. 101 I 2 GG verankerte Leitbild sowohl den tatsächlich unparteili­ chen wie auch den unparteilich wirkenden Richter meint, auf dessen Unparteilichkeit wenigstens vertraut werden kann. Diese Feststellung bedeutet zugleich, daß als diejenige Verfassungs­ norm, in der das Unparteilichkeits-Postulat in seinem vollen Umfang verankert ist, nicht der allgemeine Gleichheitssatz des Art. 3 I GG in Betracht kommt: aus dieser Verfassungsbestimmung leitet sich zwar, wie eingangs gezeigt, die Forderung ab, daß der Richter tatsächlich un• Als Beispiel vgl. die Regelung des § 54 III VwGO, wonach in einer be­ stimmten Fallkonstellation die „Besorgnis der Befangenheit . . . stets . . . be­ grilndet" sein soll.

§ 48 . Konkretisierung des Richter-Leitbildes in Art.1 01 I 2 GG

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parteilich zu sein hat. Daneben aber auch den zusätzlichen Aspekt des Vertrauens in die Unparteilichkeit mit zu erfassen, kommt demgegen­ über dem Art. 101 I 2 GG zu, der ja seinerseits eine besondere Ausprä­ gung und Konkretisierung des allgemeinen Gleichheitssatzes im Sinne einer „lex specialis" darstellt. IV. Eine nähere Auseinandersetzung mit den zahlreichen Äußerun­ gen in Literatur und Rechtsprechung zu dieser Frage kann im Rahmen der jetzigen Untersuchung nicht geleistet werden. Hier sei vielmehr lediglich auf diejenigen Äußerungen eingegangen, welche diese Frage speziell im Hinblick auf Art. 101 I 2 GG ansprechen. Zusammenfassend kann insoweit festgestellt werden, daß sie im Hinblick auf Art. 101 I 2 im allgemeinen wie auch auf die Ausschließungs- und Ablehnungsvor­ schriften im besonderen allenfalls das Nebeneinander von Unpartei­ lichkeit einerseits und Vertrauen in die Unparteilichkeit andererseits ansprechen, ohne hierauf j edoch näher einzugehen oder gar weiter­ reichende Schlußfolgerungen hieraus zu ziehen. Soweit zunächst einmal die Rechtsprechung des BVerfG in Frage steht, so hat das Gericht in der grundlegenden Entscheidung E 21 , 1 39 ff. die hier er­ örterte „Doppelspurigkeit" überhaupt nicht angesprochen. Vielmehr ist das Gericht, ohne näher darauf einzugehen, kurzerhand davon ausgegangen, daß die Ausschließungs- und Ablehnungsvorschriften „die Unparteilichkeit und Neutralität des Richters" sichern7 • Auch die darauf folgenden einschlägigen Entscheidungen E 30, 149 ff., E 30, 165 ff. und E 31 , 295 ff. gehen auf diese Problematik nicht ein. Eine Ausnahme macht jedoch die Abw. Meinung der Richter Dr. Leibholz, Dr. Geiger und Dr. Rinck zur Entscheidung E 30, 149 ff (157 ff.). Diese Richter weisen nämlich in ihrem Sondervotum8 im Anschluß an die Entscheidung des BGH vom 25.5.56 = BGHSt 9, 1 93 ff. (1 94 f.)9 ausdrück­ lich darauf hin, es sei das „Ziel" der Ausschließungs- und Ablehnungsvor­ schriften, ,,das Strafverfahren nicht nur gegen Voreingenommenheit zu schüt­ zen, sondern mit Rücksicht auf das Ansehen der Strafrechtspflege schon den Anschein eines Verdachts der Parteilichkeit zu vermeiden". Rückschlüsse derart, daß dieser doppelte Aspekt womöglich auch irgendwelche Relevanz für die These hat, daß in Art. 101 I 2 GG die Unparteilichkeit (als solche) ge­ währleistet sei und daß sie durch die Ausschließungs- und Ablehnungsvor­ schriften gesichert werde, finden sich jedoch auch in diesem Sondervotum nicht. - Das Gleiche gilt schließlich auch für die Entscheidung E 40, 268 ff. Hier ist der Blickwinkel sogar noch stärker verkürzt: zunächst heißt es näm­ lich, ,,die Vorschrift des § 41 Abs.5 WDO" trage „dem verfassungsrechtlichen Gebot Rechnung, daß der Richter die Gewähr der Unparteilichkeit bieten muß und nicht die erforderliche Neutralität und Distanz gegenüber den Be­ teiligten vermissen lassen darf"; ohne jeden Übergang schließt sich daran jedoch die Schlußfolgerung an, ,,Ziel der in § 41 Abs.5 WDO niedergelegten 7 S.146 unter C.11.3; vgl. auch zuvor die hierauf bezogene Bemerkung ,, . . . diese die Unparteilichkeit des Gerichts sichernden Grundsätze . . . ". 8 Ebd. S. 164 (Hervorhebung schon im Original). 9 Im Wortlaut zitiert das Gericht aus der Entsch. des BVerwG vom 1 . 3.68 = NJW 1 96 9, 76 3 ff. (764), die sich aber ihrerseits auf die genannte Entsch. des B GH beruft.

17 Riedel

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II. Teil, 3 . Abschn.: Der Grundsatz des gesetzlichen Richters

Ausschließungsgründe" sei „es daher [ ! ] , den - wenn auch möglicherweise objektiv unbegründeten - Verdacht der Parteilichkeit bei den Betroffenen auszuräumen" (S. 271 ). Sehr klar wird die eben so genannte „Doppelspurigkeit" dagegen bei Koll­ hosser formuliert, wenn er vom „Leitbild des unparteilichen und sogar den Schein der Parteilichkeit meidenden Richters" spricht10 ; leider bringt er aber keine nähere Begründung für diese zutreffende These. - Eine ähnliche For­ mulierung findet sich im übrigen auch bei Stemmler; danach „ist dem Prin­ zip des gesetzlichen Richters auch ein Anspruch auf einen unbefangenen und auch nicht befangen wirkenden Richter zu entnehmen"11 • Auch bei ihm fehlen allerdings in diesem Zusammenhang nähere Ausführungen hierzu. Nicht so deutlich ist insoweit demgegenüber Hamm; zwar spricht er an einer Stelle vom „parteilichen oder parteilich erscheinenden Richter" 1 2, im übrigen ist j edoch mal von der Unparteilichkeit als solcher13 , mal aber auch vom Anschein der Parteilichkeit14 die Rede, ohne daß diese Divergenz näher erörtert würde. § 49. F. Die Voraussetzungen für den Verlust der Eigenschaft „gesetzliclter Richter"

Statt dessen nimmt bei Hamm - insoweit mit Recht - sehr breiten Raum die Erörterung der Anschlußfrage ein, wann und unter welchen

Voraussetzungen ein Richter aufhört, ,,gesetzlicher" Richter zu sein.

Diese Frage läuft darauf hinaus, welcher Inhalt im einzelnen der Ver­ weisung in dem Attribut „gesetzlich" zukommt, mit deren Hilfe ja ge­ rade auf die Normen des einfachen Gesetzesrechts B ezug genommen wird. I. Unproblematisch ist die Frage im Falle der Ausschließung, weil hier die Wirkung ja bereits kraft Gesetzes eintritt und im übrigen die Voraussetzungen, unter denen diese Wirkung eintreten soll: nämlich das Vorliegen eines Ausschließungsgrundes, im Gesetz selbst (j eden­ falls der Tendenz nach) präzise angegeben sind. Sobald im einzelnen Fall ein derartiger Grund vorliegt, verliert der j eweilige Richter, ob­ wohl er ansonsten in formaler Hinsicht an sich durchaus „zuständig" ist, die Eigenschaft, der „gesetzliche" Richter zu sein1 • II. Nicht so einfach ist j edoch die Antwort in den Fällen, in denen ein Richter, ohne daß ein Fall der Ausschließung kraft Gesetzes vor­ liegt, befangen ist oder doch zumindest befangen wirkt.

°

FG 8. 75. Befangenheit S.13. 1 2 Gesetz!. Richter S. 53. 1 3 Ebd. S. 46 f., 77. 14 Ebd. S.35, 36 , 5 4, 72 . 1 Zur inhaltlich unrichtigen Entscheidung im Verfahren der sog. Amtsab­ lehnung s. nachstehend § 50.II.3. 1

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§ 49. Der Verlust der Eigenschaft „gesetzlicher Richter"

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1. Genügt hier allein schon das Vorliegen dieses materiellen Tatbe­ standes als solchen? Oder spielt hier auch die Regelung der Verfahrens­ ordnungen eine Rolle, wonach das bloße Vorliegen eines solchen „Be­ fangenheitstatbestandes" im Sinne Hamms2 für sich allein noch kei­ nerlei verfahrensrechtliche Wirkungen hat, wonach vielmehr dieser Grund erst in dem dafür vorgesehenen Verfahren förmlich geltend ge­ macht werden muß? Für den Fall, daß dieser formelle Aspekt in irgendeiner Weise von Bedeutung sein sollte, kommen wiederum verschiedene Möglichkeiten in Betracht, die Hamm ausführlich dargestellt und diskutiert hat3 • Und zwar zieht Hamm vier Alternativen in Betracht: 1. Alternative: Anknüpfung allein an den formellen Tatbestand, daß im

Rahmen des Ablehnungsverfahrens eine gerichtliche Entscheidung ergan­ gen ist (sog. ,,streng formale Verweisungstheorie"); mit der stattgebenden Entscheidung verliert der abgelehnte Richter die Eigenschaft, der „gesetz­ liche" Richter zu sein (S. 59 ff.); 2. Alternative: Anknüpfung nicht an den formalen Tatbestand der Entschei­ dung allein, hinzukommen muß vielmehr, daß diese Entscheidung auch in­ haltlich richtig ist (S. 61 f.) ; 3. Alternative: Anknüpfung an den „Befangenheitstatbestand" selbst, der Richter wird aber zum „ungesetzlichen" Richter erst in dem Moment, in dem dieser „Befangenheitstatbestand" einem Ablehnungsberechtigten die­ ses Verfahrens bekannt wird (S. 62 f.); 4. Alternative: ,,der Richter (hört) schon in dem Augenblick auf . . . , gesetz­ licher Richter zu sein, in dem die Umstände, die seine Unparteilichkeit zweifelhaft erscheinen lassen, zur Entstehung gelangen" (sog. ,,streng ma­ terielle Verweisungstheorie" , S. 63). 2. Wenn man nach den obigen Ausführungen davon ausgeht, daß es letztlich um die Gewährleistung der Unparteilichkeit als solcher, zu­ gleich aber auch um den Schutz des Vertrauens in die Unparteilichkeit des Richters geht, dann mag es zunächst am konsequentesten erschei­ nen, daß man allein auf das Vorliegen des „Befangenheitstatbestandes" als solchen abstellt; in diesem Falle würde der Richter ipso iure „unge­ setzlich" , ohne daß es überhaupt darauf ankäme, ob die (Besorgnis der) Befangenheit in dem hierfür vorgesehenen Verfahren geltend gemacht wird oder nicht. Das ist im Kern die Ansicht von Hamm (S. 73 ff.). Diese ,,streng materielle" Betrachtungsweise scheint indessen, für sich genom­ men, zu Ergebnissen zu führen, die zu wenig dem Rechnung tragen, was mit Hilfe der Ablehnungsvorschriften im Prozeß auch tatsächlich zu realisieren ist. Zwar bauen diese an sich gerade auch auf dem mate­ riellen Tatbestand der (Besorgnis der) Befangenheit auf, daneben aber 2 Gesetzl. Richter S. 62, 77. a Vgl. die eingehende Darstellung der von ihm sog. ,,Verweisungstheorien" S. 58 ff., ferner seine Kritik S. 70 ff.

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II. Teil, 3. Abschn.: Der Grundsatz des gesetzlichen Richters

setzen sie - und das ist der hier ausschlaggebende Gesichtspunkt voraus, daß dieser Tatbestand auch in einem bestimmten Verfahren, sei es der Partei- oder sei es der Selbstablehnung, geltend gemacht wird. Dabei ist sogar die bloße Geltendmachung allein nicht einmal ausrei­ chend, vielmehr muß im Regelfall erst noch eine förmliche Entschei­ dung hierüber hinzukommen', damit die vom Gesetz vorgesehene Wir­ kung: Ausschluß des Richters aus dem Verfahren, eintreten kann. Unterbleibt diese Entscheidung - oder sogar schon die Ablehnungser­ klärung5 -, so soll der Richter in dem Verfahren verbleiben, auch wenn materiell ein noch so gravierender Ablehnungsgrund vorliegen mag. Die bloße Tatsache, daß ein Ablehnungsantrag gestellt worden ist, entfaltet freilich für sich schon gewisse Vorwirkungen vorläufiger Art: allein dieser U mstand bewirkt nämlich, daß der Richter bis auf weiteres nur noch unauf­ schiebbare Amtshandlungen vornehmen darf, §§ 47 ZPO, 2 9 StPO.

Aus der Ausgestaltung des einfachen Gesetzesrechts, auf das Art. 101 I 2 GG nun einmal in dem Attribut „gesetzlich" verweist, folgt deutlich, daß der zwar ablehnbare, aber (noch) nicht abgelehnte Richter sowohl berechtigt wie auch verpflichtet ist, in dem jeweiligen Verfahren mit­ zuwirken•.

Wenn auch in reduziertem Maße, gilt dies sogar auch noch für die Zeit

nach Anbringung des Ablehnungsgesuchs, weil der Richter bis zur „Erledi­

gung des Ablehnungsgesuchs" befugt und sogar verpflichtet7 ist, immerhin noch unaufschiebbare Amtshandlungen vorzunehmen.

Formell aus dem Verfahren ausgeschlossen wird der Richter vielmehr erst durch die auf das Ablehnungsgesuch (bzw. bei der sog. Selbstableh­ nung auf die Anzeige des Richters) folgende gerichtliche Entscheidung, die den Ablehnungsgrund als begründet anerkennt8.

3. Diese prozessualen Zusammenhänge dürfen bei der Antwort auf die Frage, von welchem Moment an ein Richter nicht mehr „gesetzlicher Richter" ist, nicht außer Betracht gelassen werden. Denn eine rein ma­ terielle Betrachtungsweise wie auch eine rein formell-prozessuale Be­ trachtungsweise würden im Einzelfall für sich allein zu völlig divergie­ renden Resultaten führen: beide Resultate aber wären im Hinblick auf ' Ausnahmsweise wird von diesem Erfordernis abgesehen: Einer solchen förmlichen Entscheidung bedarf es nämlich nicht, wenn ein Amtsrichter ab­ gelehnt wird und er das Ablehnungsgesuch für begründet hält, §§ 45 II 2 ZPO, 27 III 2 StPO; die Erklärung des Richters tritt hier als Surrogat an die Stelle der Entscheidung. 5 Wobei hier auch an die sog. Selbstablehnung zu denken ist. • Die Annahme einer Pflicht zur sog. Selbstablehnung steht dem nicht entgegen. 7 Vgl. den Wortlaut von §§ 47 ZPO, 2 9 StPO ,,. . . hat .. . vorzunehmen...". 8 Im Falle der §§ 45 II 2 ZPO, 27 III 2 StPO erst in dem Augenblick, in dem das Entscheidungs-Surrogat vorliegt, Vil, vorstehende Fußn. 4.

§50 . Das Moment der Richter-,,Entziehung" in Art. 10 1 I 2 GG

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den spezifischen Gehalt des Art. 101 I 2, der zum einen das Leitbild des unparteilichen sowie zugleich auch den bloßen Anschein der Parteilich­ keit meidenden Richters beinhaltet und zum andern zum Schutze dieses Leitbildes auf die einfachgesetzlichen Normen der Richterausschließung und -ablehnung verweist, gleichermaßen unzulänglich. Das verkennt Hamm, wenn er dem prozessualen Moment nur eine völlig untergeord­ nete Rolle beimessen wil19 • Auf der anderen Seite besteht nun aber wiederum auch keine Not­ wendigkeit, beide Komponenten, nämlich die materielle wie auch die formell-prozessuale, zugleich und gemeinsam in das Attribut „gesetz­ lich" in Art. 101 I 2 „pressen" zu wollen. Denn diese Bestimmung stellt ja nicht schlechthin auf den „gesetzlichen" Richter ab, sondern auf die „Entziehung" eben dieses Richters. Infolgedessen bietet es sich an, den prozessualen Aspekt dem „dynamischen" Tatbestandsmerkmal „ent­ ziehen" zuzuordnen, während das „statische" Attribut „gesetzlich" in­ haltlich allein durch den materiellen Aspekt ausgefüllt wird. Daraus folgt dann, daß allein schon der befangene und/oder befangen wirkende Richter als solcher ein nicht-gesetzlicher Richter ist, und zwar konse­ quenterweise bereits von dem Augenblick an, in dem der Ablehnungs­ grund entsteht10 • § 50. G. Das Moment der Richter-,,Entziehung" in Art. 101 I 2 GG 1. In diesem weiteren Moment des „Entziehens" kommt nun der for­ mell-prozessuale Aspekt zum Tragen, daß der materielle „Befangen­ heitstatbestand", um auch prozessuale Wirkungen entfalten zu können, in dem hierfür vorgesehenen Verfahren geltend gemacht und daß hier­ über regelmäßig sogar förmlich entschieden werden muß. Wenn aber dieser prozessualen Geltendmachung des Ablehnungsgrundes eine so weitgehende Bedeutung zukommt, dann bedeutet das, daß ein Prozeß­ beteiligter nicht allein schon dadurch „seinem gesetzlichen Richter ent­ zogen" wird, daß er einem in materieller Hinsicht nicht „gesetzlichen" Richter gegenübersteht. Mag dieser Richter auch der Sache nach noch so befangen sein oder sich zumindest einen dahingehenden Anschein geben: solange dieser Tatbestand nicht ordnungsgemäß durch Partei­ oder Selbstablehnung geltend gemacht ist, darf der Richter nun einmal weiter in dem Verfahren verbleiben; es fehlt an dem weiteren Moment der „Entziehung". Diese kann folglich nicht, wie es an sich naheliegen mag, einfach dahin definiert werden, daß einem Prozeßbeteiligten sein „ gesetzlicher" Richter im materiellen Sinne „vorenthalten" wird, hier • Gesetz!. Richter S. 71 f.,75 ff. 10 E benso im Ergebnis auch Hamm S. 71 f., 73 ff.

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II. Teil, 3. Abschn.: Der Grundsatz des gesetzlichen Richters

also speziell ein solcher Richter, der dem Leitbild des unparteilichen und auch unparteilich wirkenden Richters gerecht wird; hinzu kommen muß vielmehr, daß eben diese „ Vorenthaltung" im Rahmen der dafür vorgesehenen Verfahren auch geltend gemacht sein muß.

Auf dieser Basis kann der Begriff des „Entziehens" dann im übrigen jedoch ohne weiteres weit verstanden werden, indem einfach auf das Ergebnis ab­ gestellt wird, daß jemand seinem gesetzlichen Richter „vorenthalten" ist. Eine Notwendigkeit, diesen Begriff - wie es vom Wortsinn her ebensogut möglich wäre - nur im Sinne eine finalen Akts zu verstehen, besteht demgegenüber nicht1 • Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen, daß die Vorschriften über das Ablehnungsverfahren neben anderen Voraussetzungen insbesondere auch gewisse zeitliche Grenzen für die Geltendmachung der (Besorgnis der) Befangenheit vorsehen, vgl. §§ 43 ZPO, 25 StPO. Sofern derartige Präklusionsfristen die Position der Ablehnungsberechtigten nicht über Gebühr beschneiden, muß es für die Frage der „Entziehung" gerade auch darauf ankommen, daß diese Formalien des Ablehnungsverfahrens eingehalten werden. II. Wenn nun das Ablehnungsverfahren, in dem ein Ablehnungs­ grund förmlich zur Geltung gebracht werden muß, im übrigen maßgeb­ lich auf die Entscheidung abstellt, die in diesem Verfahren regelmäßig zu ergehen hat, dann kommt es für die Frage, ob ein Verfahrensbeteilig­ ter seinem gesetzlichen Richter „entzogen" wird, folgerichtig wesentlich darauf an, ob diese Entscheidung inhaltlich richtig ist oder nicht.

1. Unproblematisch ist insofern die inhaltlich richtige Entscheidung, da sie ja nur dem materiellen Recht zur Anerkennung verhilft: Ist die Ablehnung zu Recht geltend gemacht worden und hat die Entschei­ dung dementsprechend dem Antrag stattgegeben, so rückt nach der Zu­ ständigkeitsordnung an die Stelle des abgelehnten Richters, der aus dem Verfahren ausscheiden muß, sein für diesen Fall vorgesehener Vertreter, der nunmehr, sofern er die entsprechenden Anforderungen erfüllt, seinerseits in jeder Hinsicht der „gesetzliche" Richter ist. Trifft der geltend gemachte Ablehnungsgrund dagegen nicht zu oder reicht er nicht aus, um eine echte Besorgnis der Befangenheit zu begründen, und weist die gerichtliche Entscheidung dementsprechend die Ablehnung zurück, so trägt sie nur dem Umstand Rechnung, daß ja der abgelehnte Richter in Wirklichkeit von Anfang an durchaus der „gesetzliche" Rich­ ter gewesen ist. 2. Anders verhält es sich bei der inhaltlich unrichtigen Entscheidung, wenn nämlich entweder die Ablehnung in materieller Hinsicht zu Un1 In etwa in dieser Richtung scheint aber Hamm den Begriff verstehen zu wollen, wenn er S. 63 auf ein vorsätzliches Verschweigen des Ablehnungs­ grundes abstellt.

§ 51. Verankerung nur der „Grundstruktur" in Art. 101 I 2 GG

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recht erfolgt, die Entscheidung aber trotzdem dem Gesuch stattgibt oder wenn im Gegenteil die Ablehnung durchaus zu Recht erfolgt, die Ent­ scheidung ihr aber unzutreffenderweise nicht stattgibt: Im einen Fall ist der abgelehnte Richter an sich ja weiterhin der „gesetzliche" Richter, so­ wohl nach der Zuständigkeitsordnung wie auch gerade im Hinblick auf das Unparteilichkeits-Postulat; wenn nun auf Grund der stattgebenden Entscheidung ein anderer Richter das Verfahren übernimmt, so wird damit im Ergebnis derjenige Richter, dem das Verfahren an sich ord­ nungsgemäß zugewiesen ist, zu Unrecht verdrängt. Im anderen Falle verbleibt der abgelehnte Richter im Verfahren, obwohl er an sich ausge­ schlossen werden müßte; infolgedessen wird den Prozeßbeteiligten der­ jenige Richter, der bei der an sich gebotenen stattgebenden Entschei­ dung nach der Zuständigkeitsordnung an die Stelle des befangenen bzw. befangen wirkenden Richters zu treten hätte, vorenthalten. Über das Merkmal des „Entziehens" in Art. 101 I 2 läßt sich somit, während das Attribut „gesetzlich" ganz auf die materielle Komponente ausgerichtet ist, daneben zwanglos auch die formell-prozessuale Kom­ ponente in die Garantie des gesetzlichen Richters einfügen. Bei Hamm bleibt dieser Gesichtspunkt unerörtert, weil er sich isoliert auf den materiellen Aspekt beschränkt und daneben dem formellen Aspekt allen­ falls eine völlig untergeordnete Rolle beimißt2• Soweit er dabei das Tatbe­ standsmerkmal „gesetzlich" im Auge hat, ist ihm, wie soeben im einzelnen dargelegt, im großen und ganzen zu folgen; nur verkennt Hamm, daß da­ neben auch das weitere Merkmal des „Entziehens" der näheren Untersuchung bedarf. 3. Wenn hiernach jede inhaltlich unrichtige Entscheidung im Rahmen des Ablehnungsverfahrens der Sache nach eine Verletzung des Art. 101 I 2 GG darstellt, dann hat dies folgerichtig sinngemäß auch im Falle der §§ 48 I (2. Alt.) ZPO, 30 (2. Alt.) StPO zu gelten, wenn bei Zweifeln über das Vorliegen eines Ausschließungsgrundes von Amts wegen eine ge­ richtliche Entscheidung hierüber zu erfolgen hat. § 51. H. Verankerung nur der „Grundstruktur« der Ausschließungs- und Ablehnungsvorschriften in Art. 101 I 2 GG Wenn also, wie soeben dargelegt, auf dem mittelbaren Weg über die Materie der Richterausschließung und -ablehnung das Leitbild des nicht nur unparteilich wirkenden, sondern letztlich auch tatsächlich unpartei­ lichen Richters im Rahmen des Art. 101 I 2 GG mit verankert ist, so be­ deutet dieser Satz nun allerdings nicht, daß damit dem Komplex der Ausschließungs- und Ablehnungsvorschriften insgesamt der spezifische 2

Vgl. Gesetz!. Richter S. 71 f., 73 fi.

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II. Teil, 3. Abschn.: Der Grundsatz des gesetzlichen Richters

Verfassungsrang der Garantie des gesetzlichen Richters zukäme. Dies trifft vielmehr lediglich für das genannte Leitbild selbst sowie daneben allenfalls noch für einen Kernbereich, für die „Grundstruktur" dieses Normenkomplexes zu. Soweit es dabei um die Ausschließungs- und Ab­ lehnungsmaterie geht, hat Hamm dieser Auffassung bereits eingehend dargelegt und begründet, weshalb, um unnötige Wiederholungen zu vermeiden, auf seine Ausführungen verwiesen werden kann1 . Von dem Umstand abgesehen, daß das Unparteilichkeits-Postulat jedenfalls formal - statt beim Attribut „gesetzlich" beim „Richter"­ Begriff selbst verankert sein soll, hat der Sache nach aber auch schon das B VerfG in seiner Entscheidung E 21, 139 ff. diese Auffassung ver­ treten1 ; Gleiches gilt auch für die seither ergangenen Entscheidungen zu dieser Materie3 • Auf die dortigen grundsätzlichen Überlegungen kann ebenfalls Bezug genommen werden'. Auch die wesentlichen Schlußfolgerungen aus dieser Auffassung: - zum einen an die Adresse des einfachen Gesetzgebers, welchen verfassungsrechtlichen Anforderungen bei der Ausgestaltung des ein­ fachen Gesetzesrechts Rechnung zu tragen ist, damit es dem Leitbild des unparteilichen und auch unparteilich wirkenden Richters weitestgehend entspricht, und - zum andern an die Adresse des einzelnen Richters im Hinblick darauf, daß die Anwendung des einfachen Gesetzesrechts hier auf dem Hintergrund der verfassungsrechtlichen Garantie des gesetzlichen Rich­ ters erfolgt und diese u. U. mittelbar mit verletzt, sind in ihren Grundzügen ebenfalls bereits vom B VerfG und von Hamm angesprochen worden, so daß vorerst auch insoweit auf sie verwiesen werden kann. § 52. I. Auswirkungen des Art. 101 I 2 GG auf die Ausgestaltung des Gerichtsverfassungs- und Prozeßrechts über den speziellen Bereich der Richterausschließung und -ablehnung hinaus Wenn hinter den Ausschließungs- und Ablehnungsvorschriften, wie gesagt, das Leitbild des unparteilich wirkenden und auch tatsächlich unparteilichen Richters steht, dann darf das damit verbundene Postulat Vgl. die kurze Wiedergabe oben in § 42.IV. Darauf weist auch Hamm S. 90 f. hin. 1 Vgl. die Wiedergabe oben in § 41.IV, V. 4 Ahnlich leitet auch v. Münch/Meyer III Art. 92 Rn. 9 die Notwendig­ keit, einen Bestand an Ausschließungs- und Ablehnungsvorschriften bereit­ zuhalten, unmittelbar aus der Verfassung ab; soweit er sie allerdings statt bei Art. 101 I 2 unmittelbar bei Art. 92 lokalisieren will, kann ihm jedoch nicht gefolgt werden (vgl. die Ausführungen oben zu Art. 92 in § 37). 1

1

§ 52. Ausgestaltung des Gerichtsverfassungs- und Prozeßrechts

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eigentlich nicht auf das bloße Gebot an den einfachen Gesetzgeber be­ schränkt werden, eine - wie auch immer im einzelnen ausgestaltete Möglichkeit der Richterausschließung oder jedenfalls der Ablehnung für all diejenigen Fälle vorzusehen, in denen ein Richter nicht die Ge­ währ der Unparteilichkeit bietet. Wenn der Unparteilichkeit und dem Vertrauen in die Unparteilichkeit des Richters ein derart hoher Stellen­ wert zugemessen wird, wie er in dem Verfassungsrang der Garantie des gesetzlichen Richters zum Ausdruck gebracht wird, dann müssen die richterliche Unparteilichkeit wie auch das Vertrauen in sie auf breiterer Basis gesichert und gefördert werden. Das bedeutet vor allem, daß schon die Prozeßstruktur - jedenfalls in ihren Grundzügen - so angelegt sein muß, daß sie die Unparteilich­ keit des Richters und das dahingehende Vertrauen nicht schon von vorn­ herein beeinträchtigt und in Frage stellt. Der Ermessensspielraum des

einfachen Gesetzgebers wird hier allerdings wesentlich weiter sein als bei der Ausgestaltung der Ausschließungs- und Ablehnungsmaterie, weil es bei der Ausgestaltung eines Prozesses gilt, neben dem Unpar­ teilichkeits-Gedanken zugleich auch anderen, möglicherweise ebenso gewichtigen Maximen und Grundsätzen Rechnung zu tragen1 • Im Kon­ fliktsfalle ist der Gesetzgeber hier gezwungen, nach einem Kompromiß zu suchen, der im Rahmen des Möglichen allen Belangen zugleich Rech­ nung tragen soll; ist dies nicht zu realisieren, muß er entscheiden, wel­ chen Belangen er auf Kosten anderer Belange den höheren Wert bei­ messen will2. Dieser Frage, inwieweit die richterliche Unparteilichkeit und das Vertrauen in sie durch die jeweilige Prozeßstruktur überhaupt und durch einzelne Prozeßprinzipien und -maximen im besonderen wie im übrigen auch durch die Ausgestaltung der Gerichtsverfassung gewähr­ leistet und gefördert, inwieweit sie aber womöglich hierdurch auch be­ einträchtigt werden, kann natürlich im Rahmen der jetzigen Unter­ suchung ebenfalls nicht im einzelnen nachgegangen werden. Hier. kann es vielmehr vorerst nur darum gehen aufzuzeigen, daß es verfehlt wäre, die Gewährleistung der richterlichen Unparteilichkeit und des Vertrauens in sie allein dem Komplex der Ausschließungs- und Ableh­ nungsvorschriften überantworten zu wollen3 • 1 Stellvertretend sei hier nur die Pflicht zur Erforschung der Wahrheit genannt, der zumal im Strafprozeß eine :icentraJe Rolle zukommt. 2 Auf diesem Hintergrund ist etwa der Rm na& tier „Reform der Haupt­ verhandlung im Strafprozeß" zu sehen, der trotz der weitgehenden Reform in der 1 . Hälfte des 19. Jh.s seither eigentlich nicht mehr verstummt ist. 3 Den Anstoß dazu, die . hier angesprochene Thematik nicht allein unter dem Aspekt der Richterausschließung und - ablehnung zu sehen, sondern da­ neben auch sonstige „institutionelle Sicherungen und Gefährdungen" der Unparteilichkeit (im Anschluß an Eichenberger, Unabhängigkeit S. 21 5 ff.) in

266

· II. Teil, 3. Abschn.: Der Grundsatz des gesetzlichen Richters

Neben der entsprechenden Ausgestaltung der Prozeßstruktur und der Gerichtsverfassung im allgemeinen sowie der einzelnen Prozeßmaximen und dergl. mehr ist im übrigen darüber hinaus zugleich auch noch an eine entsprechende Ausgestaltung des Richterdienstrechts zu denken, schließlich gehört auch die Normierung etwaiger einschlägiger Strafvor­ schriften an die Adresse der Richter hierher'.

die Betrachtung mit einzubeziehen, verdanken die hier angeschnittenen Über­ legungen im wesentlichen der Monographie von Küper über „die Richteridee der Strafprozeßordnung und ihre geschichtlichen Grundlagen" [1 967]. Ein ähnlich umfassender Ansatz, wenn auch nur andeutungsweise in Form eines knappen Überblicks ausgeführt, findet sich seither, soweit ersichtlich, ledig­ lich noch bei Kern/Wolf, Gerichtsverfassungsrecht § 2 2.II = S. 147 ff. Als weiterer Anhalt für eine weiterführende Untersuchung in dieser Rich­ tung mögen ansonsten noch die Übersichten von Rheinstein in JuS 1 974, 410 ff. zur Sicherung der „richterlichen Rechtstreue" und von Brusiin (Objek­ tivität S. 27 ff.) sowie Friesenhahn (Objektivität S. 26 ff.) zur Gewährleistung der richterlichen „Objektivität" dienen. ' Wobei hier aus dem Bereich des geltenden Strafrechts primär an den Tatbestand der Rechtsbeugung zu denken ist, § 336 StGB, ohne daß damit gesagt sein soll, daß nicht von Fall zu Fall auch andere Tatbestände in Be­ tracht kämen.

Anhang Die europäische Menschenrechts-Konvention und das Unparteilichkeits-Postulat § 53.

Nach Art. 6 I 1 der europäischen Konvention zum Schutze der Men­ schenrechte und Grundfreiheiten (MRK) 1 hat „jedermann . . . Anspruch darauf, daß seine Sache in billiger Weise öffentlich und innerhalb einer angemessenen Frist gehört wird, und zwar von einem unabhängigen und unparteiischen, auf Gesetz beruhenden Gericht, das über zivilrecht­ liche Ansprüche und Verpflichtungen oder über die Stichhaltigkeit der gegen ihn erhobenen strafrechtlichen Anklage zu entscheiden hat" . Am bedeutsamsten an dieser Bestimmung des Art. 6, in dem die pro­ zessualen Menschenrechte der MRK verankert sind, ist die Tatsache, daß hier - im Gegensatz zum innerstaatlichen deutschen Recht - der Anspruch auf den unparteilichen Richter ausdrücklich positiv nonniert worden ist. Darin wird dem hohen Stellenwert Rechnung getragen, der der richterlichen Unparteilichkeit für das (staatliche) Gerichtsverfahren zukommt1 • Wenn der Konventions-Text dabei schlechthin vom „unpar­ teiischen" Richter spricht, so wird darin zugleich zutreffend zum Aus­ druck gebracht, daß es letztlich gerade auf die tatsächliche Unparteilich­ keit des Richters selbst ankommt und nicht so sehr auf ein bloßes dahin­ gehendes Vertrauen. Nach allgemeiner Auffassung liegt „in dem Gebot der Unparteilichkeit . . . auch eine Garantie des Rechtes, einen befange­ nen Richter ablehnen zu können, und ein Schutz gegen willkürliche Zu­ rückweisungen von Befangenheitsrügen" 3 • 1 Vgl. zum Folgenden aus der deutschsprachigen Literatur die eingehen­ den Darstellungen und Erläuterungen von Schorn, MRK [ 1966 ] , Partsch, GR I/1 [1 966 ] S. 235 ff., Guradze, MRK [1 96 8] und - speziell zu Art.6 I MRK die Monographie von Pieck, Der Anspruch auf ein rechtsstaatliches Gerichts­ verfahren - Art.6 Abs. 1 der Europäischen Menschenrechtskonvention in seiner Bedeutung für das deutsche Verfahrensrecht [1 966 ] , ferner die Vorb. 1 -8 vor Art.1 MRK bei Kleinknecht, StPO. 2 Vgl. Cappelletti, Fundamental Guarantees, General Report S.681 : (Art. 6 I MRK) ,,. . . includes a comprehensive declaration of those fundamental procedural rights on which general - even universal - basic agreement appears to exist in modern societies: guarantees concerning the judicial body (independence, impartiality, establishment by law), . . . . . ." (Hervorhebungen nicht schon im Original). 3 So Partsch, GR I/1 S.390 ; vgl. ferner insbes. Velu, La Convention Euro­ peenne S. 284 ff. sowie die Entsch. der Menschenrechts-Kommission vom 4.8. 1960 in der 8eschwerdesache Nr. 556 /59 = Yearbook Vol.3 (1 960) S. 288 ff.

268 II. Teil, Anhang: Die europäische Menschenrechts-Konvention (MRK)

Im übrigen ist jedoch die unmittelbare Bedeutung der MRK für die Ausgestaltung des innerstaatlichen deutschen Rechts in diesem speziel­ len Punkt relativ gering, weil sie in der Sache selbst nichts aussagt, was dort nicht auch schon enthalten wäre'. Teilweise bleibt die MRK inso­ weit im Geltungsumfang sogar hinter dem innerstaatlichen deutschen Recht zurück: insofern nämlich, als sie sich in Art. 6 I 1 nicht generell an alle Gerichtsbarkeiten wendet, sondern nur an die in dieser Vorschrift näher bezeichneten Gerichtsbarkeiten. In Anbetracht dessen mag hier die abschließende Feststellung genügen, daß die Konvention in der Bun­ desrepublik Deutschland unmittelbar geltendes Recht ist5, .ohne daß im jetzigen Zusammenhang darüber hinaus speziell auch auf die kontro­ verse Frage nach dem Geltungsgrund sowie nach dem Rang der Kon­ vention im Verhältnis zum Grundgesetz und zum einfachen deutschen Gesetzesrecht näher eingegangen werden muß.

' Vgl. die Schlußfolgerung bei Pieck, Gerichtsverfahren S.67 , daß „in der deutschen Rechtsordnung die Forderung der Konvention nach einem un­ parteiischen Gericht" (mit Hilfe der Ausschließungs- und Ablehnungsnor­ men) ,,erfüllt wird". Dementsprechend sind denn auch in der einschlägigen Literatur die Äußerungen zu diesem speziellen Aspekt des Art. 6 I 1 außer­ ordentlich knapp. Am eingehendsten noch, soweit ersichtlich, Pieck S. 65 - 67 (der sich freilich überwiegend auf eine Wiedergabe der Rspr. des BVerfG be­ schränkt) sowie Velu, La Convention Europeenne S. 2 84 - 2 87 (mit div. Nachw. aus der Spruchpraxis der Menschenrechts-Kommission und des Europ. Ge­ richtshofes für Menschenrechte). Vgl. insoweit wohl zuletzt die Entsch. der Cour de Cassation Bruxelles vom 31 .5.1 97 6 = EuGRZ 1 977 , 130 f. sowie des Schweiz. Bundesgerichts vom 1 8.10.7 8 = EuGRZ 1 97 9, 42 ff. (44 f.). 6 Allg. Aufl'., vgl. z. B. Pieck S. 3 (m. w. N.) sowie Guradze, MRK Einl. § 4.II = S.11 f. (mit Erörterung der verschiedenen kontroversen Begrün­ dungen).

Zusammenfassung und Ausblick § 54 In einem großen Bogen, der sowohl den verfassungs- wie auch den verfahrensrechtlichen Aspekt umfaßte, hat die vorstehende Unter­ suchung es unternommen, das Postulat der richterlichen Unparteilich­ keit nach seinem Inhalt, Umfang und Stellenwert herauszuarbeiten und darzustellen. Vollständigkeit in der Erfassung des Gegenstandes konnte dabei nach der umfassenden Themendarstellung von vorn­ herein nicht das durchgängige Anliegen der Arbeit sein: jedenfalls im verfahrensrechtlichen Teil konnte es vielmehr nur darum gehen, überhaupt erst einmal die Konturen und die wesentlichen Strukturen von Unparteilichkeit und Befangenheit zu erhellen und genauer als bisher zu erfassen. Manche Frage konnte dabei zwangsläufig vorerst nur angeschnitten werden und bedarf noch der eingehenderen Erörte­ rung, wozu die vorliegende Arbeit als Anregung dienen mag. Je mehr Parteilichkeit und Befangenheit durch die jetzige wie auch durch weitere Untersuchungen Gestalt gewinnen, desto mehr drängt sich indessen andererseits zugleich auch, wenn man es prononciert so nennen will, ihre „Allgegenwärtigkeit" auf: Dieses, sogar verfassungs­ rechtlich verankerte, Gebot an jeden Richter, daß er in jedem einzelnen Verfahren, mit dem er befaßt wird, in bezug sowohl auf die Beteilig­ ten wie auch auf den Gegenstand des Verfahrens völlig unvoreinge­ nommen, eben „unparteilich" sein soll und daß er sich darüber hinaus nicht einmal dem Anschein der Parteilichkeit aussetzen soll, verlangt nämlich von ihm, wenn er dem Postulat jederzeit und überall gerecht werden will, geradezu übermenschliche Gaben. Denn auch in seiner Eigenschaft als Richter bleibt er Mensch mit all seinen Unzulänglich­ keiten und Schwächen. Manchen Einflüssen, sei es von außen oder sei es auch aus der eigenen Person, wird der Richter sich, wie auch bei den Beeinträchtigungen seiner Objektivität im übrigen, widersetzen oder entziehen können, nicht zuletzt dadurch, . daß er sich diese Fak­ toren überhaupt erst einmal bewußt macht. Jedoch wird ihm dies, selbst beim besten Bemühen, jeweils allenfalls partiell gelingen kön­ nen. Zu sehr ist auch sein Handeln als Richter mit an seine je eigene Person, an „dieses Humanum, daß man ist, wie man ist, und denkt, wie man denkt"1, gebunden. 1 So Zweigert, FS. Fritz v. Hlppel S. 718.

270

Zusammenfassung und Ausblick

Diesem Faktum, daß ein Richter selbst bei gutem Willen hin und wieder im Einzelfall den insoweit an ihn gestellten Anforderungen nicht gerecht wird, hat ein Gesetzgeber mit Rücksicht auf den hohen Stellenwert des Unparteilichkeits-Postulats, wie besprochen, in dop­ pelter Hinsicht Rechnung zu tragen: Zum einen sollte er schon die Gerichtsverfassung und die Verfahrensordnungen als solche so aus­ gestalten, daß sie nicht etwa schon aus sich heraus Parteilichkeiten des Richters schaffen oder auch nur begünstigen, sondern im Gegenteil nach Möglichkeit die Unparteilichkeit des einzelnen Richters fördern und bewahren. Daneben und zugleich muß der Gesetzgeber aber auch Vorsorge für den naheliegenden Fall treffen, daß ein Richter im Ein­ zelfall den an ihn gestellten Anforderungen nicht gerecht wird. Der deutsche Gesetzgeber hat sich vor 100 Jahren beim Erlaß von ZPO und StPO unter den verschiedenen Modellen, die er hierzu in der da­ maligen Rechtszersplitterung vorfand, für das Institut der Ausschlie­ ßung kraft Gesetzes mit enumerativem Fallkatalog und für das Institut der Ablehnung wegen Besorgnis der Befangenheit mit um­ fassender Generalklausel entschieden. Dieses Modell ist inzwischen � mit gewissen Ausnahmen nur in der freiwilligen Gerichtsbarkeit allen gerichtlichen Verfahrensordnungen gemeinsam. So effizient diese genannten Normenkomplexe nun auch im einzelnen ausgestaltet sein mögen, so darf man sich aber doch nicht der Illusion hingeben, als ließe sich das Postulat der richterlichen Unparteilichkeit auf diesem Wege jemals voll verwirklichen2 • Vielmehr wird man j enes Ziel allenfalls annäherungsweise, tendenziell erreichen können. Denn für die Parteilichkeit/Befangenheit ist nun einmal wesentlich, daß es auf die innere Einstellung des j eweiligen Richters ankommt: Diese aber kann - das liegt in der „Natur der S ache" begründet - im einzelnen Fall auch einmal verborgen bleiben und so ihre ungute Wirkung entfalten, ohne daß dies von irgendeiner Seite bemerkt wird1, - dies um so mehr, als die Parteilichkeit j a nicht einmal dem Richter selbst bewußt zu sein braucht. Mit gutem Grund stellen deshalb die Normen der Richterausschließung und -ablehnung daneben zugleich auch auf das subjektive Vertrauen - oder gerade auch Mißtrauen in die Unparteilichkeit des Richters ab, das zwar kein absolut zuver­ lässiges, aber doch immerhin sehr wertvolles Indiz für eine etwaige 2 In diesem Sinne schon Gllnner im Rahmen seines leidenschaftlichen Plädoyers für die Beibehaltung des Instituts der Aktenversendung , von dem in der Ära des gemeinen Rechts als einem willkommenen Surrogat gerade auch für eine „Perhorreszenz" des an sich zuständigen Richters lange Zeit und ausgiebig hatte Gebrauch gemacht werden können (s. Handbuch I [ 1804] Abb. XII § 6 S. 298 f.) . a Ähnlich Seibert, JZ 1960, 86: ,. . . . Offener Befangenheit läßt sich u. U. wirksam begegnen, heimlicher Voreingenommenheit dagegen nicht . . ." .

=

§ 54. Zusammenfassung und Ausblick

271

Parteilichkeit des betr. Richters ist. Trotz dieser Verlagerung ins Subjektive stehen im Zentrum des ganzen Normenkomplexes jedoch ersichtlich die „Unparteilichkeit" sowie die „Befangenheit" selbst. Es muß deshalb primär darum gehen, gerade sie möglichst genau zu erfassen. Anliegen der jetzigen Untersuchung war es, einen Beitrag hierzu und damit zu einem fundierteren Verständnis und möglichst auch zu einer klareren . und exakteren Handhabung dieses Normen­ komplexes zu leisten.

Quellen• und Literaturverzeichnis Die in dieser Arbeit verwendeten Abkürzungen lehnen sich überwiegend an das von H. Kirchner bearbeitete „Abkürzungsverzeichnis der Rechts­ sprache" (2. Aufl. Berlin 1 968 ) an; abweichend hiervon oder ergänzend hierzu werden die nachstehend genannten Abkürzungen verwendet. Im übrigen enthält das nachstehende Verzeichnis nähere Angaben nur zu demjenigen Quellenmaterial und zu solchem Schrifttum, das im Text sowie in den Fußnoten jeweils nur abgekürzt zitiert worden ist (in Klammern ist je­ weils die abgekürzte Zitierweise angefügt). Bei Zitaten aus Sammelwerken mit mehreren Bearbeitern wird in der Fußnote der Name des jeweiligen Bearbeiters mit angegeben. I. Quellen Allgemeine Gerichtsordnung für die Preußischen Staaten. Erster Theil. Pro­ zeßordnung. zweiter Theil. Verfahren in nicht streitigen Angelegenhei­ ten. Dritter Theil. Pflichten der J ustizbedienten. Neue Ausgabe [mit An­ hang zur AGO] Berlin 18 16 (zit. preuß. AGO). Allgemeines Landrecht für die Preußischen Staaten von 17 94. Textausgabe. Mit einer Einführung von Hans Hattenhauer und einer Bibliographie von Günther Bernert. Frankfurt a. M./Berlin 1 970 (zit. ALR) . Allgemeine bürgerliche Proceßordnung für das Königreich Hannover [vom 4. 12. 18 47 ] . Hrsg. von Adolph Leonhardt. Hannover 18 48. Nachdruck in: Gerhard J. Dahlmanns, Neudruck zivilprozessualer Kodifikationen und Entwürfe des 1 9. Jahrhunderts. Materialien zur Entwicklungsgeschichte der ZPO. Band 1. Bürgerliche Prozeßordnungen für das Kgr. Hannover von 1 8 47 und 1 850 (Aalen 1 97 1 ) S.57 ff. (zit. hann. ABPO). Bürgerliche Proceßordnung für das Königreich Hannover [vom 8 . 1 1. 1850] . Hrsg. und erläutert von A. Leonhardt. 3 . Aufl. Hannover 1861. Nachdruck in: Dahlmanns, Neudrucke . . . (s. vorstehend zur hann. ABPO) S.305 ff. (zit. hann. BPO). Corpus Juris Canonici. Editio Lipsiensis Secunda post Aemilii Ludovici Rich­ teri curas ad librorwn manu scriptorum et editionis romanae fidem re­ cognovit et adnotatione critica instruxit Aemilius Friedberg. Pars secunda. Decretalium Collectiones. (Unveränderter Nachdruck der Ausgabe Leipzig 187 9) Graz 1 95 9 (zit. Corpus Juris Canonici - Liber Extra -) . Corpus Juris Civilis. Editio stereotypa nona. Volumen secundum. Codex J u­ stinianus. Recognovit et retractavit Paulus Krueger. Berolini MCMXV (zit. Corpus Juris Civilis - Codex -). Corpus Juris Civilis. Editio sterotypa quinta decima. Volumen primum. Insti­ tutiones. Recognovit Paulus Krueger. Digesta. Recognovit Theodorus Mommsen. Retractavit Paulus Krueger. Berolini MCMXXVIII (zit. Cor­ pus Juris Civilts - Digesten -) .

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