Koordinationsmethoden im Internationalen Privat- und Verfahrensrecht: Dissertationsschrift 9783161570155, 9783161570162, 3161570154

Das Internationale Privat- und Verfahrensrecht enthält eine Vielzahl von Rechtsakten, die auf drei unterschiedlichen Reg

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Koordinationsmethoden im Internationalen Privat- und Verfahrensrecht: Dissertationsschrift
 9783161570155, 9783161570162, 3161570154

Table of contents :
Cover
Titel
Vorwort
Inhaltsübersicht
Inhaltsverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
Einleitung
§ 1 Problemstellung
§ 2 Koordinationsbegriff und Gedankengang der Arbeit
A. Eine betriebswirtschaftliche Annäherung an den Koordinationsbegriff
B. Ableitung der Analysekriterien
I. Die beiden Hauptformen der Koordination in dieser Arbeit
II. Die Analysekriterien der einzelnen Koordinationsmethoden
1. Koordinationsgegenstände und Regelungsebenen
a) Rechtsnormen des IPR und IZVR
aa) Eingrenzung der Arbeit hinsichtlich der Koordinationsgegenstände
bb) Die Koordinationsgegenstände und Regelungsebenen im IPR und IZVR – Ein Überblick
(1) Internationales Privat- und Verfahrensrecht als nationales Recht
(2) Internationales Privat- und Verfahrensrecht als Völkervertragsrecht
(3) Internationales Privatrecht europäischer Herkunft
(a) Europäisches Kollisionsrecht auf staatsvertraglicher Basis
(b) Europäisches Kollisionsrecht neuer Form
b) Sachrechtsnormen als Koordinationsgegenstand
2. Funktionsweise der Koordinationsmethoden
3. Ziele der Koordination
4. Koordinationsakteure
a) Legislative
aa) Die nationale Legislative
bb) Die Legislative auf EU-Ebene
cc) Die Rechtssetzung bei staatsvertraglichen Rechtsakten
b) Judikative
C. Ableitung allgemeiner Grundsätze zur Behandlung von Koordinationsproblemen
1. Teil: Analyse der Vorrang- und Inhaltskoordinationsmethoden
1. Abschnitt: Methoden der Vorrangkoordination
1. Kapitel: Akzessorische Anknüpfung und Zuständigkeitsgleichlauf
§ 1 Akzessorische Anknüpfung im IPR-Kollisionsrecht
A. Koordinationsgegenstände
B. Funktionsweise
I. Grundlegende Charakteristik
1. Verschiedene Konzeptionen
a) Akzessorische Anknüpfung als flexible Anknüpfung
aa) Akzessorische Anknüpfung als Grundanknüpfung
bb) Akzessorische Anknüpfung als Ausweichklausel
b) Akzessorische Anknüpfung als festgeschriebene Anknüpfung
2. Verweise in derselben und zwischen verschiedenen Regelungsebenen
II. Akzessorische Anknüpfung im internationalen Vergleich außerhalb des Anwendungsbereichs der Rom II-VO
C. Koordinationszweck
I. Akzessorische Anknüpfung ohne Koordinationszweck
II. Akzessorische Anknüpfung mit Koordinationszweck
1. Begründung einer Koordination
2. Bedeutung der akzessorischen Anknüpfung bei Konzeption als Ausweichklausel
3. Bedeutung der akzessorischen Anknüpfung bei Konzeption als Grundanknüpfung
4. Bedeutung des renvoi bei der akzessorischen Anknüpfung
D. Koordinationsakteure
I. Legislative
II. Judikative
III. Parteien
§ 2 Zuständigkeitsgleichlauf im internationalen Verfahrensrecht
A. Koordinationsgegenstände
B. Funktionsweise
I. Zuständigkeitsgleichlauf ohne vorherbestimmtes Vorrangverhältnis der materiellen Klagegrundlage
1. Verknüpfung von Klage und Widerklage (Art. 8 Nr 3 Brüssel Ia-VO, § 33 ZPO)
2. Gerichtsstand der Streitgenossenschaft (Art. 8 Nr 1 Brüssel Ia-VO)
II. Konzentration aufgrund eines gesetzlich prädeterminierten Verhältnisses der in Rede stehenden Sachbereiche
1. Unionsrechtlicher Zuständigkeitsgleichlauf von Scheidungs- und Gütersachen (Art. 5 EuGüterVO) sowie internationale Verbundzuständigkeit von Scheidungs- und Folgesachen im deutschen Recht (§ 137 FamFG)
2. Verbindung der internationalen Zuständigkeiten in Erbschafts- und Gütersachen (Art. 4 EuGüterVO und §§ 344 Abs. 5 i. V. m. 105 FamFG)
C. Koordinationszweck
I. Zuständigkeitsgleichlauf ohne vorherbestimmtes Vorrangverhältnis der materiellen Klagegrundlage
1. Verknüpfung von Klage und Widerklage
2. Gerichtsstand der Streitgenossenschaft
II. Konzentration aufgrund eines gesetzlich prädeterminierten Verhältnisses der in Rede stehenden Sachbereiche
1. Gleichlauf zwischen Scheidungs- und Gütersachen
2. Gleichlauf zwischen Erb- und Gütersachen
D. Koordinationsakteure
I. Legislative
II. Judikative
III. Parteien
2. Kapitel: Vorrangnormen zur Regelung des Verhältnisses von Rechtsakten zueinander
§ 1 Vorrangnormen zum Verhältnis von zu ersetzenden europäischen Übereinkommen und ihren Nachfolgeverordnungen
A. Koordinationsgegenstände
B. Funktionsweise
I. Internationales Privatrecht
II. Internationales Zivilverfahrensrecht
C. Koordinationszweck
D. Koordinationsakteure
§ 2 Normen zum Verhältnis zwischen EU-Verordnungen und ihnen vorgehenden internationalen Übereinkommen
A. Koordinationsgegenstand
B. Funktionsweise
I. Internationales Privatrecht
1. Verhältnis von Ratifizierungszeitpunkt des Übereinkommens und Inkrafttreten der Verordnung
2. Sachliche Anwendungsbereiche der Rechtsakte und ihr Verhältnis zu ihrem räumlichen Anwendungsbereich
a) Gewöhnliches Vorrangregelungsmodell im Kollisionsrecht
b) Abweichung im Falle Verstärkter Zusammenarbeit nach Art. 326 ff. AEUV
c) Abweichung bei vollständiger Überschneidung der Anwendungsbereiche
II. Internationales Zivilverfahrensrecht
1. Verschiedene Grundausprägungen
2. Besondere Ausprägungen
a) Bedingungslose Vorrangregel mit interpretatorischer Klarstellungsklausel: Art. 71 Abs. 1 und 2 Brüssel Ia-VO
b) Bedingte Günstigkeitsvorbehalte: Art. 21 Abs. 2 EGBVO, Art. 69 Abs. 3 EuUnthVO, Art. 75 Abs. 3 EuErbVO
C. Koordinationszweck
D. Koordinationsakteure
I. Legislative
II. Judikative
§ 3 Koordination von Verordnungen und weiteren unionsrechtlichen Kollisionsnormen
A. Internationales Privatrecht
I. Koordinationsgegenstände
1. Überblick
2. Richtlinien und Rom I-VO
3. Richtlinien und Rom II-VO
II. Funktionsweise
III. Koordinationszweck
IV. Koordinationsakteure
1. Legislative
a) Sonderkollisionsrecht ohne Umsetzung
b) Richtlinienkollisionsrecht
2. Judikative
B. Internationales Zivilverfahrensrecht
I. Koordinationsgegenstände
II. Funktionsweise
1. Besondere Gerichtsstandregelungen
2. Besondere Verfahrensregelungen
3. Anerkennung und Vollstreckung
III. Koordinationszweck
IV. Koordinationsakteure
2. Abschnitt: Methoden der inhaltlichen Koordination
1. Kapitel: Nähere Bestimmung von Tatbestandsmerkmalen in Rechtsnormen des IPR und IZVR
§ 1 Internationales Privatrecht
A. Koordinationsgegenstand
B. Funktionsweise
I. Erstfrage und Vorfrage
1. Erstfrage
2. Vorfrage
II. Die Koordinationsmethode im staatsvertraglichen IPR bei Verweis in EU-Kollisionsrecht
C. Koordinationszweck
D. Koordinationsakteure
I. Legislative
II. Judikative
§ 2 Internationales Zivilverfahrensrecht
A. Koordinationsgegenstände
B. Funktionsweise
I. Bestimmung von Tatbestandsmerkmalen durch Sachnormverweisung
1. Grundlage der Koordinationsmethode
2. Koordination durch Sachnormverweisung
II. Bestimmung von Tatbestandsmerkmalen durch Kollisionsnormverweisung
1. Art. 5 Nr. 1 lit. a Brüssel I-VO bzw. Art. 7 Nr. 1 lit. a Brüssel Ia-VO
2. Art. 22 Nr. 2 Brüssel I-VO bzw. Art. 24 Nr. 2 Brüssel Ia-VO
C. Koordinationszweck
I. Bestimmung von Tatbestandsmerkmalen durch Sachnormverweisung
1. Umgehung der Unmöglichkeit der Bestimmung eines unionsrechtlich autonomen Begriffs
2. Immunisierung des EU-Rechts gegen schnelle nationale Rechtsentwicklung
II. Bestimmung von Tatbestandsmerkmalen durch Kollisionsnormverweisung
D. Koordinationsakteure
I. Legislative
II. Judikative
2. Kapitel: Inhaltliche Koordination zwischen EU-Rechtsakten untereinander
§ 1 Inhaltliche Koordination bei Qualifikation und begrifflicher Gestaltung von Anwendungsbereichen
A. Inhaltskoordination zwischen den Kollisionsnormen des IPR bzw. IZVR
I. Koordinationsgegenstände
II. Funktionsweise
1. Materieller Anwendungsbereich
a) Ausdrückliche Abgrenzungen
aa) Rom I-VO
bb) Rom II-VO
cc) Brüssel I- bzw. Brüssel Ia-VO
dd) Rom III-VO
ee) Brüssel IIa-VO
ff) EuErbVO
gg) Güterrecht
b) Anwendungsbereich ohne explizite Abgrenzungen
2. Besondere kollisionsnormspezifische Anwendungsbereiche
III. Koordinationszweck
IV. Koordinationsakteure
1. Legislative
2. Judikative
B. Koordination im Verhältnis von IPR- und IZVR-Rechtsakten der EU
I. Koordinationsgegenstände
II. Funktionsweise
1. IPR- und IZVR-Normen aus getrennten Verordnungen
a) Grundsatz des begrifflichen Einklangs
aa) Internationales vertragliches und außervertragliches Schuldrecht – Brüssel I- bzw. Brüssel Ia-, Rom I- und Rom II-VO
(1) Allgemeine Grundsätze
(2) Das inhaltliche Verhältnis von Art. 15 Abs 1 Brüssel I-VO bzw. Art. 17 Abs. 1 Brüssel Ia-VO zu Art. 6 Rom I-VO
(3) Die Koordination von IPR und IZVR bei der Behandlung der culpa in contrahendo
bb) Internationales Eherecht – Brüssel IIa-VO, Rom III-VO
(1) Entwicklung
(2) Koordination der Anwendungsbereiche von Brüssel IIa-VO und Rom III-VO
b) Ausnahmen vom Grundsatz des begrifflichen Einklangs
aa) Zum Verhältnis der Anwendungsbereiche von Brüssel I- bzw. Brüssel Ia-, Rom I- und Rom II-VO im internationalen Schuldrecht
bb) Internationales Eherecht
2. IPR- und IZVR-Normen in Gesamtverordnungen
a) Grundsatz des begrifflichen Einklangs zwischen IPR und IZVR
aa) Kein expliziter Verweis auf den begrifflichen Einklang zwischen IZVR und IPR
bb) Mögliche Vorteile einer Gesamtverordnung gegenüber der Trennung von IZVR und IPR
(1) Flexiblere Abstimmung zwischen IZVR und IPR
(2) Konzeption des Anwendungsbereichs
b) Ausnahmen
aa) EuErbVO
bb) EuUnthVO
III. Koordinationszweck
IV. Koordinationsakteure
1. Legislative
2. Judikative
§ 2 Inhaltliche Koordination der Anknüpfungsmomente
A. Inhaltliche Koordination der Anknüpfungsmomente auf der IPR-Ebene
I. Koordinationsgegenstände
II. Funktionsweise
1. Die inhaltskoordinative Komponente der akzessorischen Anknüpfung
2. Nutzung desselben Anknüpfungsmoments in verschiedenen Kollisionsnormen
a) V-EuGüterVO und EuErbVO
b) Rom III-VO und V-EuGüterVO
III. Koordinationszweck
1. Gleichlauf bei vertraglichem und außervertraglichem Schuldrecht sowie bei Art. 15, 17 a. F. und 14 EGBGB
2. Gleichlauf im Rahmen von EuGüterVO, EuErbVO und Rom III-VO
IV. Koordinationsakteure
1. Legislative
2. Parteien
3. Judikative
B. Inhaltliche Koordination der Anknüpfungsmomente sowie sonstiger Tatbestandsmerkmale im IZVR
I. Koordinationsgegenstände
II. Funktionsweise
1. Einheitlichkeit von Anknüpfungsmomenten in IZVRVerordnungen und bei sonstigen prozessualen Vorschriften
a) Einheitlichkeit bei Gerichtsständen
b) Einheitlichkeit bei Verfahrenskoordination sowie bei Anerkennung und Vollstreckung
aa) Verfahrenskoordination
bb) Anerkennung und Vollstreckung
2. Unterschiedliche Anknüpfungskonzeptionen
a) Uneinheitliche Begriffsbestimmung
b) Unterschiede bei Verfahrenskoordination und Anerkennung und Vollstreckung
aa) Unterschiede bei der Verfahrenskoordination
bb) Unterschiede bei Anerkennung und Vollstreckung
III. Koordinationszweck
IV. Koordinationsakteure
C. Das Verhältnis der Anknüpfungsmomente zwischen IPR- und IZVR-Verordnungen
I. Koordinationsgegenstände
II. Funktionsweise
1. Verwendung von Anknüpfungsmomenten
a) Unterschiede bei den Anknüpfungsmomenten
b) Übereinstimmungen von Anknüpfungsmomenten
aa) EuErbVO
bb) Vertragliche Schuldverhältnisse
cc) Güterrecht
dd) Unterhaltsrecht
ee) Scheidungsrecht
2. Auslegung von Anknüpfungsmomenten
a) Begriffliche Kohärenz am Beispiel der konzeptionellen Orientierung der Rom III-VO an der Brüssel I-VO
b) Unterschiedliche Auslegungen desselben Begriffs in IPR und IZVR
III. Koordinationszweck
IV. Koordinationsakteure
§ 3 Konzeptionelle Koordination im Verfahrensrecht
A. Internationales Gerichtsstandrecht und die Vermeidung einander widersprechender Entscheidungen
I. Koordinationsgegenstand
1. Gerichtsstände
2. Folgenkorrektur
II. Funktionsweise
1. Struktur der Gerichtsstände
a) Grundidee
b) Abweichungen von der Grundidee durch Mehrzahl möglicher Gerichtsstände
aa) Besondere Gerichtsstände zur Steigerung prozessualer Effektivität
bb) Mehrzahl möglicher Gerichtsstände als Ansporn zu einem Gerichtsverfahren
2. Mechanismen zur Folgenkorrektur bei Anrufung mehrerer Gerichte
a) Korrektur bei paralleler Anrufung mehrerer Gerichte
b) Korrektur von Fällen einander widersprechender Entscheidungen
III. Koordinationszweck
1. Gerichtsstände
2. Mechanismen zur Folgenkorrektur
IV. Koordinationsakteure
1. Gerichtsstände
a) Legislative
b) Judikative
2. Mechanismen zur Folgenkorrektur
B. Die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Entscheidungen
I. Koordinationsgegenstände
II. Funktionsweise
1. Anerkennung und Vollstreckung im Exequaturmodell
a) Anerkennung
b) Vollstreckung
2. Anerkennung und Vollstreckung im Modell der unmittelbaren Vollstreckung
a) Anerkennung
aa) Grundsatz der automatischen Anerkennung
bb) EuUnthVO bei durch das HUP 2007 gebundenen Mitgliedstaaten
cc) Brüssel Ia-VO
b) Unmittelbare Vollstreckung
aa) Vollstreckung in der Brüssel IIa-VO
bb) Vollstreckung in der EuUnthVO von Entscheidungen aus einem Mitgliedstaat, der durch das HUP 2007 gebunden ist
cc) Vollstreckung in der Brüssel Ia-VO
III. Koordinationszweck
IV. Koordinationsakteure
1. Legislative
2. Judikative
3. Kapitel: Inhaltliche Beziehungen zwischen EU- und völkervertraglichen IPR- und IZVR-Rechtsakten
§ 1 Orientierung des EU-Kollisionsrechts an europäischen Vorgängerübereinkommen
A. Überblick über die Entwicklung der Koordinationsgegenstände
B. Funktionsweise
I. Inhaltliche Orientierung als Koordination
1. Weitergeltung der Vorgängerübereinkommen aufgrund der räumlichen Bereichsausnahmen
2. Weitergeltung der Vorgängerübereinkommen aufgrund der Geltungsbereichsausnahmen für das Vereinigte Königreich und Irland sowie Dänemark
II. Koordinationsmechanismus
1. Koordinierung in Gesetzesform
2. Koordinierung durch Auslegungskohärenz
a) Auslegungskohärenz
b) Eingeschränkte interpretatorische Vorwirkung
C. Zweck der Koordinationsmethode
I. Koordination von Übereinkommen und Verordnung
II. Orientierung als Grundlage der Weiterentwicklung von EuIPR und EuZPR
1. Präzisierung zur Lösung von Rechtsfortbildungsproblemen
a) Präzisierung unter Vorbild einer Entscheidung des EuGH
b) Klarstellung ohne vorherige Entscheidung des EuGH
2. Wesentliche Änderung bei Anwendungsproblemen in der Praxis
a) Anpassung bei wesentlichen Änderungen am Beispiel von Art. 34 Nr. 2 Brüssel I-VO
b) Anpassungen in Verbraucher-IZVR und -IPR
3. Fehlende Änderung trotz Problemen mit der Regelung
a) Wortidentische Übernahme im Verhältnis von Art 5 Nr. 1 EuGVÜ und Art. 5 Nr. 1 lit. a Brüssel I-VO
b) Wortidentische Übernahme im Verhältnis von Art 5 Nr. 3 EuGVÜ zu Art. 5 Nr. 3 Brüssel I-VO
D. Koordinationsakteure
I. Koordination durch die EU insgesamt
1. Koordinativer Beitrag der Europäischen Kommission
2. Bedeutung der Stellungnahmen des Europäischen Parlaments und des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses für die Koordinationswirkung
3. Koordination durch die Rechtsprechung
II. Koordination durch bestimmte Mitgliedstaaten der EU
§ 2 Inhaltliche Beziehungen zwischen EU-Kollisionsrecht und den Haager Konventionen im IPR
A. Internationales Privatrecht
I. Koordinationsgegenstände
II. Funktionsweise
1. Verallgemeinerung eines in einer speziellen Kollisionsnorm auftretenden Anknüpfungsmoments
2. Übernahme eines im völkervertraglichen IPR genutzten Anknüpfungsmoments zur punktuellen Ergänzung des EU-Rechtsakts
a) Internationales Deliktsrecht
b) Internationales Erbrecht
III. Koordinationszweck
IV. Koordinationsakteure
1. Legislative
2. Judikative
B. Internationales Zivilverfahrensrecht
I. Koordinationsgegenstände
II. Funktionsweise
1. Koordination aufgrund der Parallelentwicklung der Rechtsakte im Verhältnis von EU-Rechtsakten zu überregionalen Staatsverträgen
a) EuUnthVO und HUÜ 2007
b) Brüssel Ia-VO und HGÜ
2. Koordination ohne Parallelentwicklung der Rechtsakte im Verhältnis von EU-Rechtsakten zu regionalen Staatsverträgen
III. Koordinationszweck
1. Kohärenz
2. Gleichzeitige Beachtung der Eigenheiten der Verordnungen
a) Eigene Regelungen zur Lückenschließung in EU-Rechtsakten
b) Besondere Schutzvorschriften im EU-Rechtsakt
IV. Koordinationsakteure
1. Arbeitsgruppen
2. Legislative
3. Judikative
§ 3 Inhaltliche Orientierung von völkerrechtlichen Übereinkommen an EuIPR und EuZVR
A. Internationales Zivilverfahrensrecht
I. Koordinationsgegenstände
II. Funktionsweise
1. Orientierung in Gesetzesform
a) EuGVÜ und LugÜ 1988
aa) Allgemeines
bb) Sachliche Unterschiede zwischen EuGVÜ und den Luganer Übereinkommen 1988 und 2007
(1) Unterschiede in Arbeitssachen
(2) Unterschiede bei Vermietung und Verpachtung
(3) Unterschiede bei Anerkennungsversagungs-gründen
b) Brüssel I-VO und LugÜ 2007
aa) Wortlautunterschiede ohne inhaltlichen Einfluss
bb) Wortlautunterschiede mit potenziellem inhaltlichen Einfluss
cc) Wortlautunterschiede mit inhaltlichem Einfluss
dd) Weggefallene Wortlautunterschiede
c) Einfluss der Luganer Übereinkommen auf das EuGVÜ bzw. Brüssel I- und Brüssel Ia-VO
2. Orientierung im Wege der Auslegung
III. Koordinationszweck
IV. Koordinationsakteure
1. Legislative
2. Judikative
B. Internationales Privatrecht
I. Koordinationsgegenstände
II. Funktionsweise
1. Unveränderte Anknüpfung an den „Wohnsitz“ in den Nordischen Abkommen von 1934 und 2012
2. Veränderung der Rechtswahl im Nordischen Abkommen von 2012
III. Koordinationszweck
IV. Koordinationsakteure
1. Legislative
2. Judikative
§ 4 Ausdrückliche Verweisung auf Vorbildrechtsakt
A. Internationales Privatrecht
I. Koordinationsgegenstände
II. Funktionsweise
1. Deklaratorische oder konstitutive Verweisung?
2. Unterscheidung von der akzessorischen Anknüpfung
3. Verhältnis der Anwendungsbereiche von EU-Rechtsakt und völkervertraglichem Vorbildrechtsakt
III. Koordinationszweck
IV. Koordinationsakteure
1. Legislative
2. Judikative
a) Auslegung des Übereinkommens in seinem vorgesehenen Anwendungsbereich
b) Auslegung des internationalen Übereinkommens außerhalb des vom Übereinkommen vorgesehenen Anwendungsbereichs
B. Internationales Zivilverfahrensrecht
I. Koordinationsgegenstände
II. Funktionsweise
1. Allgemeines
2. Pacta tertiis-Regel und Bindung eines durch ein Übereinkommen nicht gebundenen EU-Mitgliedstaates an die unionsrechtliche Verweisungsregel
III. Koordinationszweck
IV. Koordinationsakteure
1. Legislative
2. Judikative
4. Kapitel: Koordination von nationalem und EU-Kollisionsrecht
§ 1 Internationales Privatrecht
A. Orientierung des Mitgliedstaates an EU-Kollisionsrecht für Sachverhalte außerhalb des Anwendungsbereichs
I. Koordinationsgegenstand
II. Funktionsweise
1. Gesetzgeberische Orientierung
a) Primärrechtliche Grundlagen der gesetzgeberischen Orientierung
aa) Die Reichweite der kompetenzrechtlichen Grundlage
bb) Eigenständige Bedeutung
b) Umsetzung der primärrechtlichen Grundlagen der Koordinationsmethode
2. Überschießende Orientierung im Rahmen der Rechtsanwendung
a) Möglichkeit der überschießenden Orientierung zwischen materiell-rechtlichen Kollisionsnormen
b) Möglichkeit der überschießenden Orientierung zwischen materiell-rechtlichen Kollisionsnormen und IZVR
III. Koordinationszweck
1. Gesetzgeberische Orientierung
2. Koordinationszweck der Anwendungsorientierung
IV. Koordinationsakteure
1. Legislative
2. Judikative
a) Umsetzung der gesetzgeberischen Orientierung
b) Aktivität im Rahmen der Anwendungsorientierung
B. Öffnungsklauseln zur Delegation der Normkomplementierung an die Mitgliedstaaten
I. Koordinationsgegenstände
II. Funktionsweise
1. Erweiterung von Rechtswahloptionen im Versicherungsvertragskollisionsrecht
a) Art. 7 Abs. 3 UAbs. 2 Rom I-VO
b) Art. 7 Abs. 4 lit. b Rom I-VO und Art. 46c EGBGB a. F./Art. 46d EGBGB n. F
2. Art. 46d EGBGB a. F./Art. 46e EGBGB n. F. und die Öffnungsklauseln der Rom III-VO
a) Öffnungsklausel für besondere nationale Rechtswahlformvorschriften (Art. 7 Abs. 2–4 Rom III-VO)
b) Zeitpunkt der Rechtswahl – Art. 5 Abs. 3 Rom III-VO und Art. 46d Abs. 2 EGBGB a. F./Art. 46e Abs. 2 EGBGB
3. Zeitpunkt der Rechtswahl – Art. 7 i. V. m. Erwägungsgrund Nr. 25 S. 2 Rom II-VO und Art. 46a EGBGB
III. Koordinationszweck
1. Vermeidung von Rechtszersplitterung
2. Erweiterungsoptionen zugunsten besonderer nationaler Rechtswahlformvorschriften
3. Nationale Zusatzvorschriften zur zeitlichen Ausweitung der Rechtswahlmöglichkeit
IV. Koordinationsakteure
1. Legislative
2. Judikative
§ 2 Internationales Zivilverfahrensrecht
A. Nationale Ausführungsvorschriften zu den EuZVR-Verordnungen
I. Koordinationsgegenstände
II. Funktionsweise
1. Vollstreckbarerklärung
a) Zuständigkeit
b) Rechtsbehelfe
c) Antrag auf Vollstreckbarerklärung bzw. auf Vollstreckungsversagung
d) Vollstreckungsversagungsgründe
2. Durchführung der Vollstreckung
III. Koordinationszweck
IV. Koordinationsakteure
B. Überschießende Orientierung der Mitgliedstaaten an internationalen Kollisionsrechtsakten
I. Koordinationsgegenstand
II. Funktionsweise
1. Überschießende Orientierung bei der Rechtssetzung am Beispiel der Übertragung des EuGVÜ auf interlokale Sachverhalte im Vereinigten Königreich
a) Übernahme des EuGVÜ zur Regelung interlokaler Sachverhalte
b) Abweichendes Gesamtregelungskonzept
2. Überschießende Orientierung bei der Rechtsanwendung
a) Internationale Zuständigkeit – Fälle judikativer überschießender Umsetzung
b) Anerkennung und Vollstreckung
III. Koordinationszweck
1. Legislatorische Orientierung
2. Orientierung bei der Rechtsanwendung
IV. Koordinationsakteure
1. Legislative
2. Judikative
a) Nationale Gerichte
b) Rolle des EuGH
3. Abschnitt: Das Verhältnis des anwendbaren Rechts zu statutsfremden Rechtsnormen als Mischung aus Methoden der Vorrangund der Inhaltskoordination
1. Kapitel: Die vorrang- und inhaltskoordinative Seite im IPR
§ 1 Vorrang international zwingender Normen
A. Eingriffsnormen
I. Koordinationsgegenstände
1. Anwendung der Eingriffsnormen der lex fori
2. Zur Anwendung ausländischer Eingriffsnormen dritter Staaten
a) Rom I-VO
b) Rom II-VO
c) V-EuGüterVO und V-EuPartVO
d) EuErbVO
II. Funktionsweise
1. Voraussetzungen nach Kollisionsrecht
2. Eingriffsnormbestimmung nach nationalem Recht
III. Koordinationszweck
IV.Koordinationsakteure
1. Legislative
2. Judikative
B. Vorrang des Einzelstatuts vor dem Gesamtstatut
I. Koordinationsgegenstände
II. Funktionsweise
III. Koordinationszweck
IV. Koordinationsakteure
§ 2 Kollisionsrechtlicher Vorrang national zwingender Normen wegen sachlicher Aspekte
A. Günstigkeitsvergleich
I. Koordinationsgegenstände
II. Funktionsweise
1. Schutz der schwächeren Vertragspartei
2. Durchführung des Günstigkeitsvergleichs
III. Koordinationszweck
IV. Koordinationsakteure
1. Die Rechtssetzungspersonen
2. Die Rolle der Gerichte im Rahmen des Günstigkeitsvergleichs
a) Die Rolle der nationalen Gerichte
b) Die Rolle des EuGH
aa) Die Unzulässigkeit der Überprüfung des im Günstigkeitsvergleich enthaltenen Rechtsvergleichs
bb) Zulässigkeit der Frage nach dem methodischen Vorgehen der Gerichte bei Durchführung des Günstigkeitsvergleichs
cc) Materieller Einfluss des EuGH auf Günstigkeitsvergleiche nationaler Gerichte
(1) Konstellation 1: Nichtvornahme des Günstigkeitsvergleichs
(2) Weitere Konstellationen: Fehlerhafte Durchführung des Günstigkeitsvergleichs als Verstoß gegen Unionsrecht
(a) Konstellation 2: Durchführung des Günstigkeitsvergleichs durch das nationale Gericht mit vertretbarer Argumentation
(b) Konstellation 3: Nationales Gericht kommt bei Günstigkeitsvergleich zu einem evident falschen Ergebnis
(3) Konstellation 4: Fehlende Begründung einer objektiv falschen Entscheidung
(4) Konstellationen fehlenden materiellen Einflusses des EuGH trotz Unionsrechtswidrigkeit
B. Kollisionsrechtliche Durchsetzung bestimmter Richtlinien
I. Koordinationsgegenstände
II. Funktionsweise
III. Koordinationszwecke
IV. Koordinationsakteure
§ 3 Kollisionsrechtlicher Vorrang national zwingender Normen wegen geographischer Aspekte
A. Einzelstaatenklausel
I. Koordinationsgegenstände
II. Funktionsweise
1. Allgemeines
2. Zum Unterschied zwischen Rechtswahlbeschränkung und Rechtswahlwirkungsbeschränkung am Beispiel der Einzelstaatenklausel in Art. 3 Abs. 3 Rom I-VO
III. Koordinationszweck
IV. Koordinationsakteure
B. Binnenmarktklausel
I. Koordinationsgegenstände
II. Funktionsweise
III. Koordinationszweck
IV. Koordinationsakteure
§ 4 Vorrang nationaler Grundsätze im Rahmen der Einzelfallkorrektur des ordre public
A. Koordinationsgegenstände
B. Funktionsweise
C. Koordinationszweck
D. Koordinationsakteure
§ 5 Inhaltskoordination mittels Substitution
A. Koordinationsgegenstände
B. Funktionsweise
I. Die generelle Substituierbarkeit des inländischen Rechtsinstituts
II. Die konkrete Substituierbarkeit durch ein bestimmtes ausländisches Rechtsinstitut
C. Koordinationszweck
D. Koordinationsakteure
I. Legislative
II. Judikative
§ 6 Inhaltskoordination mittels Anerkennung und Anpassung ausländischer Rechtsinstitute unabhängig von einer konkreten Rechtsnorm
A. Koordinationsgegenstand
B. Funktionsweise
I. Anerkennung ausländischer Sachrechtsinstitute
1. Keine Weiterexistenz nach der Purifikationstheorie
2. Weiterexistenz mit unterschiedlichen Auffassungen über die Wirkungen
a) Vollständige Transposition
b) Selektive Transposition
c) Hinnahme- bzw. Anerkennungstheorie
II. Anpassung ausländischer dinglicher Rechte im Unionsrecht
1. Die Regelungen in Art. 31 EuErbVO, Art. 29 EuGüterVO und Art. 29 EuPartVO
2. Die unionsrechtlichen Anpassungsnormen im Vergleich zu den bisherigen Ansätzen
C. Koordinationszweck
D. Koordinationsakteure
I. Legislative
II. Judikative
2. Kapitel: Die vorrang- und inhaltskoordinative Seite im IZVR
§ 1 Koordination nationaler Grundsätze des Anerkennungs- bzw. Vollstreckungsstaates mit dem anzuerkennenden bzw. zu vollstreckenden Urteil mittels ordre public
A. Koordinationsgegenstände
B. Funktionsweise
I. Ursprüngliche Funktionsweise
II. Weiterentwickelte Funktionsweise: Ausschluss der Prüfung von Anerkennungs- und Vollstreckungshindernissen
C. Koordinationszweck
D. Koordinationsakteure
I. Legislative
II. Judikative
§ 2 Anwendung ausländischen Verfahrensrechts in inländischen Gerichtsverfahren
A. Zum Grundsatz der Anwendung der lex fori im Verfahrensrecht
B. Inhaltskoordination bei Heranziehung ausländischen Verfahrensrechts im Rahmen der Beurteilung ausländischer Verfahrensakte
I. Koordinationsgegenstände
II. Funktionsweise
III. Koordinationszweck
IV. Koordinationsakteure
C. Inhaltskoordination bei der Anwendung ausländischen Verfahrensrechts im Rahmen des materiellen Rechts
I. Koordinationsgegenstände
II. Funktionsweise
III. Koordinationszweck
IV. Koordinationsakteure
2. Teil: Herleitung koordinativer Gestaltungsprinzipien aus der Lösung von Einzelproblemen
1. Abschnitt: Erhöhung des kollisionsrechtlichen Bestimmtheitsniveaus von Regelungen und durch Regelungen
1. Kapitel: Erhöhung des Bestimmtheitsniveaus durch Regelungen am Beispiel von Normenwidersprüchen in IPR und IZVR
§ 1 Problemkonstellationen der Normwidersprüche in IPR und IZVR
A. Normwidersprüche im IPR
I. Grundproblemkonstellation
II. Keine Verhinderung von Normwidersprüchen durch Kollisionsrechtsvereinheitlichung
1. Das Verhältnis von Ehegüterrecht und Erbrecht am Beispiel des Ehegattenerbrechts
2. Qualitativer Normwiderspruch zwischen Erb- und Sachenrecht am Beispiel von Vindikations- und Damnationslegat
3. Normwiderspruch zwischen Vertrags- und Deliktsrecht am Beispiel der Anwendbarkeit der französischen non cumul-Regel
4. Normwiderspruch im Verhältnis von materiellem Erbrecht und Verfahrensrecht am Beispiel der österreichischen Einantwortung
III. Rechtliche Möglichkeiten der Parteien zur Vermeidung von Normwidersprüchen
1. Beschränktheit der Rechtswahl
2. Problematisches Verhältnis von Formerfordernis der Rechtswahl und Kenntnis der Ehegatten von der Rechtswahlmöglichkeit
IV. EU-primärrechtliche Auswirkungen von Normwidersprüchen
B. Normenmangel im IZVR – Negative Kompetenzkonflikte
I. Problemlage
1. Bedeutung von negativen in Abgrenzung zu positiven Kompetenzkonflikten
2. Verbindung negativer Kompetenzkonflikte mit den Grundfreiheiten
II. Betroffene Normen des Unionsrechts
C. Negative Kompetenzkonflikte bei Kollisionsnormverweisungen zwischen IZVR und IPR in Art. 24 Nr. 2 Brüssel Ia-VO
I. Auswirkungen der Differenzierung zwischen Sitz- und Gründungstheorie
II. Betroffene Normen des Unionsrechts
§ 2 Kollisionsrechtlicher Lösungsansatz statt sachrechtlichem
A. Möglichkeiten zur Verhinderung von Normwidersprüchen
I. Gesetzgeberische Möglichkeiten
1. Koordination der Systembegriffe und Anwendungsbereiche ex ante
2. Koordination der Anknüpfungsmomente
II. Parteiautonomie
B. Methoden zur Lösung von Normwidersprüchen ex post
I. Umqualifizierung
II. Sachrechtliche Lösungsansätze
1. Sachrechtliche Anpassung im IPR
2. Sachrechtliche Lösung des negativen Kompetenzkonflikts im IZVR
III. Kollisionsrechtlicher Lösungsansatz
1. Kollisionsrechtliche Anpassung im IPR
2. Kollisionsrechtliche Lösung des negativen Kompetenzkonflikts im IZVR
C. Bewertung
I. Umqualifizierung
II. Kollisionsrechtliche oder sachrechtliche Lösung?
1. Legislative Perspektive
a) Beibehaltung des Status quo?
b) Möglichkeit der Vereinfachung der Rechtsanwendung durch eine sachrechtliche Lösung
c) Problem der Akzeptanz einer sachrechtlichen Lösung bei zukünftiger EU-Erweiterung
d) Regelungsbasis und Zustimmungserfordernisse unter den Teilnehmerstaaten
aa) Breitere gesetzliche Grundlage im Kollisionsrecht
bb) Anhaltende Notwendigkeit der Kollisionsrechtsvereinheitlichung
2. Judikative Perspektive
a) Judikative Perspektive der sachrechtlichen Lösung
b) Judikative Perspektive der kollisionsrechtlichen Lösung, insbesondere die Rolle des EuGH
aa) Die Rolle des EuGH als Koordinator
bb) Bedingungen für die koordinative Rolle des EuGH
(1) Die Notwendigkeit einer geschriebenen Kollisionsnorm
(2) Notwendigkeit einer geschriebenen EU-Kollisionsregel
§ 3 Inhaltliches Lösungskonzept bei Normwidersprüchen im IZVR
A. Anknüpfung an den gewöhnlichen Aufenthalt in Subsidiarität zum Wohnsitz: Gedanken zu einer konzeptionellen Neuorientierung
B. Ausblick auf Verfeinerungen des Anknüpfungssystems
I. Unionsrechtlich einheitlicher Wohnsitzbegriff
II. Alleinige Anknüpfung an den gewöhnlichen Aufenthalt
1. Weitere Vorbehalte gegen die Wohnsitzanknüpfung
2. Erwägungen zur Anknüpfung an den gewöhnlichen Aufenthalt in Zivil- und Handelssachen auf der Grundlage der EU-Verordnungen im Familien- und Erbrecht
3. Kollisionsrechtliche Lösung des negativen Kompetenzkonflikts im Rahmen von Art. 24 Nr. 2 Brüssel Ia-VO
§ 4 Lösung des Normwiderspruchs im IPR
A. Subsidiäre Anknüpfung statt Abänderung der Ursprungsanknüpfung
B. Inhaltliche Ausgestaltung des Anknüpfungsmoments im IPR
I. Das Prinzip des charakteristischen Anknüpfungsgegenstandes
II. Flexible statt fixen Prioritäten
III. Kriterien zur Bestimmung des charakteristischen Anknüpfungsmoments
1. Der Umfang des Einflusses auf andere Systembegriffe am Beispiel des Zusammenspiels von Erb- und Sachenkollisionsrecht
2. Faktoren zur Auslegung der Beziehung von Systembegriffen am Beispiel des Falles der Erbschaft des hinterbliebenen Ehegatten
a) Parteieninteressen als zu berücksichtigender Faktor
b) Keine zwingende Relevanz von IZVR-Konzentrationstendenzen für das IPR
c) Keine Relevanz der Regelungsebene der in Rede stehenden Kollisionsrechtsakte
3. Faktoren mit natürlicher Priorität – Die Bedeutung von Rechtswahlvereinbarungen und der Einbezug eines Verfahrens
a) Parteiautonomie
b) Kollision bei Konflikt von Verfahrensrecht und anwendbarem Recht
4. Grenzen des Ansatzes
a) Grenzen der Wirkung des Lösungsvorschlags
b) Konzeptionelle Grenzen
aa) Gestaltung eines Beispielkatalogs in der Form von Art. 4 Abs. 1 Rom I-VO
bb) Fehlen des Vorrangs eines der Statute
cc) Verzichtbarkeit einer Ausweichklausel
IV. Regelungsvorschlag
2. Kapitel: Erhöhung des Bestimmtheitsniveaus durch Abstimmung der Anwendungsbereiche
§ 1 Verhältnis von völkervertraglichem Kollisionsrechtsübereinkommen und abhängigem EU-Rechtsakt
A. Problemkonstellation
B. Lösungsansatz
§ 2 Verhältnis der Anwendungsbereiche innerhalb einer EU-Kollisionsrechtsverordnung
A. Folgen fehlerhafter inhaltlicher Koordination von IZVR- und IPR-Teil desselben Kollisionsrechtsaktes
B. Verfolgung eines bestimmten Verhältnisses der Anwendungsbereiche von IZVR- und IPR-Teil eines Rechtsaktes
3. Kapitel: Schließung von Regelungslücken bei Fehlen von Mechanismen zur Schaffung von EU-Einheitsrecht
§ 1 Status quo: Unbestimmte Vorrangregelungen in Bezug auf EU-Einheitsrecht
A. Verhältnis von europäischem Einheitsrecht und internationalen Kollisionsrechtsübereinkommen in demselben Gebiet
B. Hintergrund der Normverteilung
§ 2 Lösungsansatz
2. Abschnitt: Optimierung der legislativen Differenzierung sowie Erhöhung der Flexibilität bei der Normanwendung
1. Kapitel: Optimierung der legislativen Differenzierung durch den nationalen Gesetzgeber
§ 1 Höherer Differenzierungsgrad bei der inländischen Behandlung eines im Ausland erworbenen Sachenrechts
A. Anerkennung oder Transposition von ausländischen Sachenrechten
B. Zum Statut der Verwertung des ausländischen Sachenrechts
I. Aktuelle Rechtslage
II. Lösungsvorschlag
1. Vorbemerkungen
2. Lösungskonzept
§ 2 Höherer Differenzierungsgrad bei der Substituierbarkeit des deutschen Notars zur Vermeidung eines Verstoßes gegen EU-Grundfreiheiten
A. Problematik der Substitution in Bezug auf die EU-Grundfreiheiten
B. Ausländische Notare und Niederlassungsfreiheit
C. Verstoß gegen die Dienstleistungsfreiheit
I. Der generelle Ausschluss ausländischer Notare von der Substitution in § 925 Abs. 1 BGB
II. Der Ausschluss ausländischer Notarformen
2. Kapitel: Optimierung der legislativen Differenzierung durch den EU-Gesetzgeber
§ 1 Vermeidung von Differenzierungen zwischen Mitgliedstaaten in Bezug auf kollisionsrechtliche Entwicklungsschritte aufgrund deren Nichtteilnahme an anderen Entwicklungsschritten ohne direkten sachlichen Zusammenhang
A. Differenzierung zwischen EU-Mitgliedstaaten und Pflicht der EU zur Gleichbehandlung von Mitgliedstaaten nach Art. 4 Abs. 2 EUV
B. Differenzierung ohne sachlichen Zusammenhang im Rahmen von Anerkennung und Vollstreckung nach der EuUnthVO
§ 2 Optimierung der Kombination von renvoi und Vorfragenanknüpfung
A. Fehlende Differenzierung beim Ausschluss des renvoi im EuIPR
I. Problemlage
1. Die allgemeine Konzeption des renvoi im nationalen, völkervertraglichen und europäischen IPR
a) Nationales IPR
aa) Grundsatz der Beachtung des renvoi
bb) Ausnahme der Sachnormverweisung
b) Völkervertragliches IPR
c) Europäisches IPR
2. Gefährdung der Verhinderung einer Pflichtenkollision für an konkurrierende Kollisionsrechtsübereinkommen gebundene Mitgliedstaaten
a) Ausschluss der Anwendung kollisionsrechtlicher Altverträge
b) Fehlender Ausschluss der Gefährdung und Verletzung der Vertragspflichten bei den durch das Übereinkommen gebundenen Mitgliedstaaten
c) Konsequenz der Gefährdung der Anwendung kollisionsrechtlicher Übereinkommen durch verfehlte renvoi-Konzeption
3. Gefährdung des internationalen Entscheidungseinklangs durch renvoi-Ausschluss
4. Vorschub hinkender Rechtsverhältnisse
II. Die Rückkehr zur allgemeinen Zulassung des renvoi als Lösungsansatz
1. Konzeptionelle Vorteile der Kollisions- gegenüber der Sachnormverweisung bei der Verweisung auf das Recht eines EU-Mitgliedstaates
2. Konzeptionelle Vorteile der Kollisions- gegenüber der Sachnormverweisung bei der Verweisung auf nicht-EU-mitgliedstaatliches Recht
a) Vermeidung hinkender Rechtsverhältnisse im Rahmen der Rom III-VO
b) Art. 34 EuErbVO als Ausdruck voreuropäischer renvoi-Dogmatik
aa) Art. 34 Abs. 1 EuErbVO
bb) Auswirkungen des Vorrangs völkervertraglichen Kollisionsrechts auf die Konzeption des renvoi nach Art. 34 Abs. 1 EuErbVO
cc) Art. 34 Abs. 2 EuErbVO
B. Zur Anknüpfung der Vorfrage und ihrer Kombination mit der hier vertretenen renvoi-Konzeption
I. Unklarheit bzgl. der Anknüpfung einer im Sachrecht eines Nicht-EU-Mitgliedstaates auftretenden Vorfrage
II. Selbstständige Vorfragenanknüpfung und ihre gesetzgeberische Umsetzung
1. Konzept der selbstständigen Vorfragenanknüpfung
2. Aspekte einer gesetzgeberischen Umsetzung
§ 3 Güterrechtliche Ungleichbehandlung eingetragener Partnerschaften gegenüber Ehegatten
A. Ungleichbehandlungen
I. Rechtswahl bei eingetragenen Partnerschaften
II. Undifferenzierte Anknüpfung zur Bestimmung des objektiven Güterstatuts eingetragener Partnerschaften
B. Fehlende Rechtfertigung der Ungleichbehandlung
I. Rechtswahlausschluss bei eingetragenen Partnerschaften
II. Undifferenzierte Anknüpfung zur Bestimmung des objektiven Güterstatuts eingetragener Partnerschaften
§ 4 Schaffung eines vergleichbaren Niveaus an Prorogationsoptionen zur Gewährleistung einheitlicher Zweckverfolgung
A. Problem der inkonsistenten Zweckverfolgung bei der Prorogation im Internationalen Familienrecht
B. Einführung einer beschränkten Prorogationsmöglichkeit
§ 5 Höherer Differenzierungsgrad bei der Verfahrenskoordinierung am Beispiel des Torpedo-Problems
A. Das sog. „Torpedo-Problem“ und seine Lösung durch Art 31 Abs. 2 Brüssel Ia-VO
I. Lösung der ursprünglichen Problematik nach der Brüssel Ia-VO
II. Verbleibendes Koordinationsproblem
B. Erforderlichkeit einer differenzierteren Lösung im Vergleich zur Brüssel Ia-VO bei einander widersprechenden Entscheidungen
3. Kapitel: Erhöhung der Flexibilität bei der Normanwendung
§ 1 Erhöhung der inhaltlichen Flexibilität von Anknüpfungsmomenten bei der Übertragung eines inhaltlichen Konzepts zwischen Rechtsgebieten
A. Problemlage
I. Gerichtsstand
II. Anwendbares Recht
1. Möglichkeit mehrerer gewöhnlicher Aufenthaltsorte
2. Auswirkungen auf den Verbraucherschutz
B. Lösungsansätze
I. Zulassung eines im Einzelfall abweichenden Begriffsverständnisses des Anknüpfungsmoments im IPR
II. Anpassung der Anforderungen des IPR-Anknüpfungsmoments an den zu erreichenden Schutzzweck
§ 2 Erhöhung der Anwendungsflexibilität bei der Kollision von Koordinationsmethoden am Beispiel von sog. Rechtsmixen
A. Problemstellung
I. Rechtsmix-Konstellationen im Verhältnis von Vorrangnormen und akzessorischer Anknüpfung
1. Günstigkeitsvergleich und akzessorische Anknüpfung
2. Einzelstaaten- bzw. Binnenmarktklausel und akzessorische Anknüpfung
II. Kollisionen der akzessorischen Anknüpfung mit Rechtsmixen aufgrund von Rechtsspaltung
1. Rechtsspaltung durch Rechtswahl
2. Rechtsspaltung durch Statutenwechsel
B. Lösungsansätze
I. Ausnutzung des Erfordernisses der spezifischen Verbindung der akzessorischen Anknüpfung durch den Rechtsanwender
II. Lösung im Falle von Günstigkeitsvergleich, Einzelstaaten- und Binnenmarktklausel
1. Analyse der Überlagerungsintensität
a) Bestehen einer echten Überlagerungssituation als Voraussetzung
b) Schwierigkeiten bei der Bestimmung der Überlagerungsintensität
c) Folgerung aus den Anwendungsschwierigkeiten
2. Bezug auf die vorhandenen kollisionsrechtlichen Wertungen
a) Einzelstaatenklausel
b) Günstigkeitsvergleich
c) Binnenmarktklausel
3. Abschnitt: Verfolgung einer konsequenten Verbindung zwischen Regelungsinhalt und Regelungszweck
1. Kapitel: Koordinationsproblem durch Übertragung eines formellen Konzepts aufgrund unterschiedlicher Regelungshintergründe
§ 1 Konzeptübertragung trotz unterschiedlicher Regelungszwecke
§ 2 Lösungsansatz: Anhebung der unionsrechtlichen Anforderungen an die EU-Mitgliedstaaten
2. Kapitel: Fehlerhafte Verbindung von Inhaltsorientierung und Vorrangregelung zwischen kollisionsrechtlichen Übereinkommen und EU-Verordnungen
§ 1 Problemaspekte
A. Erleichterung des forum shopping
B. Erschwerung der internationalen Verwirklichung von Koordinationskonzepten auf anderen Regelungsebenen
C. Erschwerung der Durchsetzung legislativer Lösungen anderer Koordinationsprobleme
§ 2 Lösungskonzept
A. Lösungsmöglichkeiten mit Bezug auf das Übereinkommen
I. Punktuelle Nichtanwendung bei Unvereinbarkeit?
II. Verpflichtung des EU-Mitgliedstaates, auf eine Änderung des Übereinkommens hinzuwirken
III. Pflicht zur Kündigung des Übereinkommens durch den EU-Mitgliedstaat
B. Lösungsmöglichkeit auf EU-Ebene: Kein vorbehaltloser Vorrang internationaler Übereinkommen vor EU-Rechtsakten zwischen EU-Mitgliedstaaten
I. Konzeptionelle Orientierung der IPR-Vorrangkollisionsnormen am IZVR
II. Verbesserte inhaltliche Koordination der kollidierenden Rechtsakte
1. Abgrenzung der räumlichen Anwendungsbereiche
a) Das Verhältnis von Rom I-VO zum HÜ 1955
b) Das Verhältnis von Rom II-VO zum HStrVÜ
2. Keine Koordination der sachlichen Anwendungsbereiche
3. Kapitel: Verhinderung der Zweckverfehlung aufgrund der fehlerhaften Verbindung des Vorrangs von Richtlinienkollisionsrecht und nationaler inhaltlicher Orientierung an der EU-Gesetzgebung
§ 1 Die Zweckverfehlung und ihre Ursache
A. Problem der Zweckverfehlung
B. Verbindung der Koordinationsmethoden als Grund für das Problem
§ 2 Lösungsvorschlag
A. Nationale Lösung: Konsequentere Orientierung der EU-Mitgliedstaaten am EU-Vorbild
B. Lösung auf EU-Ebene unter Einbeziehung der nationalen Ebene: Ausweitung des Anwendungsbereichs von Art. 6 Rom I-VO
I. Vorüberlegungen
II. Lösungsvorschlag
1. Zulässigkeit eines über das Richtlinienkollisionsrecht hinausgehenden Verbraucherschutzes
2. Streichung von Art. 23 Rom I-VO
3. Klarstellungen hinsichtlich des sachlichen Anwendungsbereichs von Art. 6 Rom I-VO
4. Auswirkungen auf die nationale Ebene: Anpassung des räumlichen Bezugs in Art. 46b EGBGB
a) Anpassung von Art. 46b Abs. 1 und 2 EGBGB
b) Anpassung von Art. 46b Abs. 4 EGBGB
III. Vor- und Nachteile eines solchen Konzeptes
1. Nachteile
2. Vorteile
4. Kapitel: Vermeidung inkonsequenter Regelungskonzepte bei Anerkennung und Vollstreckung
§ 1 Inkonsequentes Regelungskonzept bei Umgestaltung von Anerkennungs- und Vollstreckungsversagungsgründen in der EuUnthVO
A. Reduktion der Anerkennungs- und Vollstreckungsversagungsgründe um den ordre public
B. Ermessenspielraum der zuständigen Behörde beim Versagungsgrund einander widersprechender Entscheidungen statt zwingender Berücksichtigung
§ 2 Inkonsequente Koordination bei der Anerkennung von einander widersprechenden Entscheidungen
A. Vorrang der inländischen Entscheidung
B. Zeitliche Priorität bei zwei ausländischen Entscheidungen
C. Lösungskonzept
I. Lösung im Falle des Konflikts von Entscheidungen aus EU-Mitgliedstaaten
II. Lösung im Falle des Widerspruchs mit einer Entscheidung aus einem Drittstaat
III. Konflikt mit dem Verbot der Nachprüfung der Zuständigkeit
4. Abschnitt: Optimierung der Regelungseffizienz
1. Kapitel: Effizienzbewertung unterschiedlicher Verweisungsformen zwischen verschiedenen Regelungsebenen
§ 1 Ausdrückliche Verweisung auf ein Übereinkommen im Vergleich zur Übernahme des Übereinkommenstextes
A. Regelungseffizienz
B. Übersichtlichkeit
C. Erfordernis der Nachbesserung des Normtextes
D. Kein Nachteil hinsichtlich der Motivation (noch) nicht teilnehmender Mitgliedstaaten
E. Keine Auswirkungen auf die Beteiligung des Europäischen Parlaments
§ 2 Effizienz von Formen des Hinweises auf vor- oder nachrangige Übereinkommen in EU-Verordnungen
A. Kurzfristiger Aufwand: Verfahrensdauer
B. Langfristiger Erfolg: Übersichtlichkeit für den Rechtsanwender
2. Kapitel: Steigerung der Übersichtlichkeit von nationalen Spezifikationen
§ 1 Höhere Übersichtlichkeit durch Kataloge nationaler Ausfüllungsnormen bei Öffnungsklauseln des EU-Kollisionsrechts
§ 2 Höhere Übersichtlichkeit durch Kataloge nationaler Spezifikationen des Herkunftslandes bei EU-Kollisionsrecht
A. Beispiele für Verweisungen auf Normenkataloge
B. Erweiterung der Nutzung von Normenkatalogen zur besseren Verwirklichung von Koordinationsmethoden
3. Kapitel: Erweiterte Anwendung von Günstigkeitsvergleich und Rechtswahlbeschränkung
§ 1 Vergleichbarkeit von Mieter und sozial schwächerem Ehepartner mit Verbraucher und Arbeitnehmer
A. Schutzbedürftigkeit von Personengruppen beim Günstigkeitsvergleich: Verbraucher und Arbeitnehmer
B. Allgemeine Schutzbedürftigkeit bei Rechtswahlbeschränkung: Der Versicherungsnehmer bei Masserisiken und die zu befördernde Person bei Personenbeförderungsverträgen
C. Allgemeine Schutzbedürftigkeit des Mieters: Vertragszwang und sog. strukturelles Ungleichgewicht
D. Allgemeine Schutzbedürftigkeit eines sozial schwächeren Ehepartners
I. Ausgangssituation
II. Referenzperson
§ 2 Konkrete Schutzbedürftigkeit aufgrund fehlenden Schutzes durch andere Koordinationsmethoden
A. Die Situation von Verbraucher und Arbeitnehmer
B. Der Versicherungsnehmer und die zu befördernde Person bei Personenbeförderungsverträgen
I. Versicherungsnehmer
II. Die zu befördernde Person bei Personenbeförderungsverträgen
C. Die Situation des Mieters bei Vermietung unbeweglicher Sachen
D. Der sozial schwächere Ehepartner
I. Güterrecht
II. Unterhalts- und Scheidungskollisionsrecht sowie Güterkollisionsrecht eingetragener Partnerschaften
§ 3 Lösungsansätze
A. Der sozial schwächere Ehepartner
B. Kombination von Günstigkeitsvergleich und Rechtswahlbeschränkung im Verbraucher- und Arbeitnehmerrecht
I. Individualarbeitsverträge
1. Vorteile
2. Nachteile
II. Verbraucherverträge
1. Vorteile
2. Nachteile
C. Der Versicherungsnehmer und die zu befördernde Person bei Personenbeförderungsverträgen
D. Mieter bei Vermietung unbeweglicher Sachen
I. Erweiterung des Günstigkeitsvergleichs
II. Rechtswahlbeschränkung
Zusammenfassung
Teil 1
§ 1 Vorrangkoordination
§ 2 Inhaltskoordination
§ 3 Die inhaltliche Beeinflussung des anwendbaren Rechts durch bestimmte ausländische Sachrechtsnormen als Mischbereich
Teil 2
§ 1 Erhöhung des kollisionsrechtlichen Bestimmtheitsniveaus von Regelungen und durch Regelungen
§ 2 Optimierung der legislativen Differenzierung sowie Erhöhung der Flexibilität bei der Normanwendung
§ 3 Verfolgung einer konsequenten Verbindung von Regelungsinhalt und Regelungszweck
§ 4 Optimierung der Regelungseffizienz
Literaturverzeichnis
Sachverzeichnis

Citation preview

Studien zum ausländischen und internationalen Privatrecht 426 Herausgegeben vom

Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Privatrecht Direktoren: Holger Fleischer, Ralf Michaels und Reinhard Zimmermann

Richard Johannes Bader

Koordinationsmethoden im Internationalen Privat- und Verfahrensrecht

Mohr Siebeck

Richard Johannes Bader, geboren 1986; 2005–2011 Studium der Rechtswissenschaften in Tübingen und Aix-en-Provence (Maîtrise en droit); 2011–2013 Wissenschaftlicher Angestellter an der Universität Tübingen; 2013–2014 LL.M.-Studium am Europakolleg in Brügge; 2015– 2017 Referendariat am Landgericht Tübingen mit Stationen u. a. am Gerichtshof der Europäischen Union in Luxemburg und im Bundesministerium für Wirtschaft und Energie in Berlin; 2017 Eintritt in den höheren Justizdienst des Landes Baden-Württemberg; 2018 Promotion.

D 21 ISBN  978-3-16-157015-5 / eISBN  978-3-16-157016-2 DOI 10.1628/978-3-16-157016-2 ISSN  0720-1141 / eISSN  2568-7441 (Studien zum ausländischen und internationalen Privatrecht) Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliographie; detaillierte bibliographische Daten sind über http://dnb.dnb.de abrufbar. © 2019  Mohr Siebeck Tübingen. www.mohrsiebeck.com Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für die Verbreitung, Vervielfältigung, Übersetzung und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Das Buch wurde von Gulde Druck in Tübingen gesetzt und auf alterungsbeständiges Werkdruckpapier gedruckt und von der Buchbinderei Nädele in Nehren gebunden. Printed in Germany.

Vorwort Die Juristische Fakultät der Eberhard Karls Universität Tübingen hat die vorliegende Arbeit im Sommersemester 2018 als Dissertation angenommen. Literatur konnte bis Januar 2019 berücksichtigt werden. Diese Arbeit hat mich während zweier wichtiger Stationen meiner Ausbildung begleitet und ist von verschiedenster Seite beeinflusst worden, wofür ich mich sehr herzlich bedanken möchte. Die erste Station in Tübingen betreffend gilt mein herzlichster Dank zu allererst meinem sehr geschätzten Doktorvater Herrn Professor Dr. Martin Gebauer, der nicht nur das Thema der Arbeit angeregt hat, sondern für Diskussionen stets zur Verfügung stand und mich bereits während meines Studiums fachlich nachhaltig beeinflusst hat. Herrn Professor Dr. Martin Nettesheim danke ich sehr für die zügige Erstellung des Zweitgutachtens. Mein herzlicher Dank gilt ferner Herrn Professor Dr. Jan Schürnbrand und Herrn Professor Dr. Joachim Vogel für die sehr schöne und lehrreiche Zeit als wissenschaftlicher Angestellter an ihren Tübinger Lehrstühlen. Es betrübt mich sehr, dass sie das Ende dieser Arbeit nicht erleben konnten. Die Zusammenarbeit mit ihnen war mir eine Ehre und Freude. Daneben gilt mein Dank jedoch nicht minder den weiteren wunderbaren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern an diesen Lehr­stühlen. Die zweite Station ist das College of Europe, an dem ich von 2013 bis 2014 im Rahmen des LL.M.-Programms studiert habe. Hier gilt mein Dank zunächst Herrn Professor Dr. Peter Arnt Nielsen für seine Anregungen im Rahmen meiner Masterarbeit, die teilweise in diese Dissertation eingeflossen ist. Ferner danke ich Herrn Professor Dr. Dr. Phedon Nicolaides dafür, dass er mir zuvor unbekannte Zugänge zur Regulierungstechnik eröffnet und damit Grundlagen geschaffen hat, die bei der Gedankenführung dieser Arbeit sehr geholfen haben. Sehr herzlich möchte ich mich auch bei allen bedanken, die durch ihre Freundschaft, Initiative zu notwendigen Ablenkungen von der Arbeit und ihre Diskussionsbereitschaft wichtige Beiträge zum Gelingen dieser Arbeit geleistet haben. Mein ganz besonderer Dank gilt schließlich meiner Familie für ihre Begleitung auf meinem gesamten bisherigen Lebens- und Ausbildungsweg, die weit über fortwährende Unterstützung, Rat, Geduld und aufmunternde Worte hinausreicht. Ihr widme ich daher diese Arbeit. Tübingen, im Januar 2019

Richard Bader

„Auch für die Fortentwicklung des europäischen internationalen Privat- und Verfahrensrechts gilt: Weder Rom noch Brüssel sind an einem Tag zu erbauen.“ (Dennis Solomon, FamRZ 2004, 1409, 1419)

Inhaltsübersicht Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V Inhaltsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XIII Abkürzungsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XLV

Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 1.  Teil: Analyse der Vorrang- und Inhaltskoordinationsmethoden 17 1. Abschnitt: Methoden der Vorrangkoordination . . . . . . . . . . . . 19 1. Kapitel: Akzessorische Anknüpfung und Zuständigkeitsgleichlauf 19 2. Kapitel: Vorrangnormen zur Regelung des Verhältnisses von Rechtsakten zueinander . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42 2. Abschnitt: Methoden der inhaltlichen Koordination . . . . . . . . . 69 1. Kapitel: Nähere Bestimmung von Tatbestandsmerkmalen in Rechtsnormen des IPR und IZVR . . . . . . . . . . . . . . . . 69 2. Kapitel: Inhaltliche Koordination zwischen EU-Rechtsakten untereinander . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 83 3. Kapitel: Inhaltliche Beziehungen zwischen EU- und völkervertraglichen IPR- und IZVR-Rechtsakten . . . . . . . . . 147 4. Kapitel: Koordination von nationalem und EU-Kollisionsrecht . . 207 3. Abschnitt: Das Verhältnis des anwendbaren Rechts zu statutsfremden Rechtsnormen als Mischung aus Methoden der Vorrangund ­der Inhaltskoordination . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 237 1. Kapitel: Die vorrang- und inhaltskoordinative Seite im IPR . . . . 237 2. Kapitel: Die vorrang- und inhaltskoordinative Seite im IZVR . . . 283

X

Inhaltsübersicht

2.  Teil: Herleitung koordinativer Gestaltungsprinzipien aus der Lösung von Einzelproblemen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 293 1. Abschnitt: Erhöhung des kollisionsrechtlichen Bestimmtheitsniveaus von Regelungen und durch Regelungen . . . . . . . . . . . . . . . . 295 1. Kapitel: Erhöhung des Bestimmtheitsniveaus durch Regelungen am Beispiel von Normenwidersprüchen in IPR und IZVR . . . . 295 2. Kapitel: Erhöhung des Bestimmtheitsniveaus durch Abstimmung der Anwendungsbereiche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 343 3. Kapitel: Schließung von Regelungslücken bei Fehlen von Mechanismen zur Schaffung von EU-Einheitsrecht . . . . . . . . 349 2. Abschnitt: Optimierung der legislativen Differenzierung sowie Erhöhung der Flexibilität bei der Normanwendung . . . . . . . . . . 353 1. Kapitel: Optimierung der legislativen Differenzierung durch den nationalen Gesetzgeber . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 353 2. Kapitel: Optimierung der legislativen Differenzierung durch den EU-Gesetzgeber . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 364 3. Kapitel: Erhöhung der Flexibilität bei der Normanwendung . . . 401 3. Abschnitt: Verfolgung einer konsequenten Verbindung zwischen ­Regelungsinhalt und Regelungszweck . . . . . . . . . . . . . . . . 419 1. Kapitel: Koordinationsproblem durch Übertragung eines formellen Konzepts aufgrund unterschiedlicher Regelungshintergründe . . . 419 2. Kapitel: Fehlerhafte Verbindung von Inhaltsorientierung und Vorrangregelung zwischen kollisionsrechtlichen Übereinkommen und EU-Verordnungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 424 3. Kapitel: Verhinderung der Zweckverfehlung aufgrund der fehlerhaften Verbindung des Vorrangs von Richtlinienkollisionsrecht und nationaler inhaltlicher Orientierung an der EU-Gesetzgebung 434 4. Kapitel: Vermeidung inkonsequenter Regelungskonzepte bei Anerkennung und Vollstreckung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 445 4. Abschnitt: Optimierung der Regelungseffizienz . . . . . . . . . . . 455 1. Kapitel: Effizienzbewertung unterschiedlicher Verweisungsformen zwischen verschiedenen Regelungsebenen . . . . . . . . . . . . 455

Inhaltsübersicht

XI

2. Kapitel: Steigerung der Übersichtlichkeit von nationalen Spezifikationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 461 3. Kapitel: Erweiterte Anwendung von Günstigkeitsvergleich und Rechtswahlbeschränkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 466 Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 485 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 501 Sachverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 525

Inhaltsverzeichnis Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V Inhaltsübersicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IX Abkürzungsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XLV

Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 §  1 Problemstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 §  2 Koordinationsbegriff und Gedankengang der Arbeit . . . . . . . . 3 A. Eine betriebswirtschaftliche Annäherung an den Koordinationsbegriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4 B. Ableitung der Analysekriterien . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4 I. Die beiden Hauptformen der Koordination in dieser Arbeit . 4 II. Die Analysekriterien der einzelnen Koordinationsmethoden 5 1. Koordinationsgegenstände und Regelungsebenen . . . . 6 a) Rechtsnormen des IPR und IZVR . . . . . . . . . . . 6 aa) Eingrenzung der Arbeit hinsichtlich der Koordinationsgegenstände . . . . . . . . . . 6 bb) Die Koordinationsgegenstände und R ­ egelungsebenen im IPR und IZVR – Ein Überblick . . . . 6 (1) Internationales Privat- und Verfahrensrecht als nationales Recht . . . . . . . . . . . . . . 7 (2) Internationales Privat- und Verfahrensrecht als Völkervertragsrecht . . . . . . . . . . . . 7 (3) Internationales Privatrecht europäischer Herkunft 9 (a) Europäisches Kollisionsrecht auf ­staatsvertraglicher Basis . . . . . . . . . . 9 (b) Europäisches Kollisionsrecht neuer Form . 9 b) Sachrechtsnormen als Koordinationsgegenstand . . . 10 2. Funktionsweise der Koordinationsmethoden . . . . . . . 10 3. Ziele der Koordination . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10 4. Koordinationsakteure . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11 a) Legislative . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11 aa) Die nationale Legislative . . . . . . . . . . . . . 11

XIV

Inhaltsverzeichnis

bb) Die Legislative auf EU-Ebene . . . . . . . . . . 12 cc) Die Rechtssetzung bei staatsvertraglichen ­ Rechtsakten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13 b) Judikative . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14 C. Ableitung allgemeiner Grundsätze zur Behandlung von Koordinationsproblemen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14

1.  Teil: Analyse der Vorrang- und Inhaltskoordinationsmethoden 17 1. Abschnitt: Methoden der Vorrangkoordination . . . . . . . . . . . . 19 1. Kapitel: Akzessorische Anknüpfung und Zuständigkeitsgleichlauf . . 19 §  1 Akzessorische Anknüpfung im IPR-Kollisionsrecht . . . . . . . . 19 A. Koordinationsgegenstände . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19 B. Funktionsweise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20 I. Grundlegende Charakteristik . . . . . . . . . . . . . . . . . 20 1. Verschiedene Konzeptionen . . . . . . . . . . . . . . . . 20 a) Akzessorische Anknüpfung als flexible Anknüpfung . 21 aa) Akzessorische Anknüpfung als Grundanknüpfung 21 bb) Akzessorische Anknüpfung als Ausweichklausel . 23 b) Akzessorische Anknüpfung als festgeschriebene Anknüpfung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23 2. Verweise in derselben und zwischen verschiedenen ­Regelungsebenen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24 II. Akzessorische Anknüpfung im internationalen Vergleich außerhalb des Anwendungsbereichs der Rom  II-VO . . . . . 25 C. Koordinationszweck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26 I. Akzessorische Anknüpfung ohne Koordinationszweck . . . 26 II. Akzessorische Anknüpfung mit Koordinationszweck . . . . 27 1. Begründung einer Koordination . . . . . . . . . . . . . . 27 2. Bedeutung der akzessorischen Anknüpfung bei Konzeption als Ausweichklausel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28 3. Bedeutung der akzessorischen Anknüpfung bei Konzeption als Grundanknüpfung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 4. Bedeutung des renvoi bei der akzessorischen Anknüpfung 29 D. Koordinationsakteure . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30 I. Legislative . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30 II. Judikative . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30 III. Parteien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30

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§  2 Zuständigkeitsgleichlauf im internationalen Verfahrensrecht . . . . 31 A. Koordinationsgegenstände . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31 B. Funktionsweise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31 I. Zuständigkeitsgleichlauf ohne vorherbestimmtes Vorrangverhältnis der materiellen Klagegrundlage . . . . . 31 1. Verknüpfung von Klage und Widerklage (Art.  8 Nr.  3 Brüssel Ia-VO, §  33 ZPO) . . . . . . . . . . . . . . . . . 32 2. Gerichtsstand der Streitgenossenschaft (Art.  8 Nr.  1 Brüssel Ia-VO) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33 II. Konzentration aufgrund eines gesetzlich prädeterminierten ­Verhältnisses der in Rede stehenden Sachbereiche . . . . . . 33 1. Unionsrechtlicher Zuständigkeitsgleichlauf von Scheidungsund Gütersachen (Art.  5 EuGüterVO) sowie internationale Verbundzuständigkeit von Scheidungs- und Folgesachen im deutschen Recht (§  137 FamFG) . . . . . . . . . . . . 34 2. Verbindung der internationalen Zuständigkeiten in ­ Erbschafts- und Gütersachen (Art.  4 EuGüterVO und §§  344 Abs.  5 i. V. m. 105 FamFG) . . . . . . . . . . . . 35 C. Koordinationszweck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36 I. Zuständigkeitsgleichlauf ohne vorherbestimmtes ­ Vorrangverhältnis der materiellen Klagegrundlage . . . . . 36 1. Verknüpfung von Klage und Widerklage . . . . . . . . . 36 2. Gerichtsstand der Streitgenossenschaft . . . . . . . . . . 37 II. Konzentration aufgrund eines gesetzlich prädeterminierten ­Verhältnisses der in Rede stehenden Sachbereiche . . . . . . 38 1. Gleichlauf zwischen Scheidungs- und Gütersachen . . . 38 2. Gleichlauf zwischen Erb- und Gütersachen . . . . . . . . 39 D. Koordinationsakteure . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40 I. Legislative . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40 II. Judikative . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41 III. Parteien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41 2. Kapitel: Vorrangnormen zur Regelung des Verhältnisses von Rechtsakten zueinander . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42 §  1 Vorrangnormen zum Verhältnis von zu ersetzenden europäischen ­Übereinkommen und ihren Nachfolgeverordnungen . . . . . . . . 42 A. Koordinationsgegenstände . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42 B. Funktionsweise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43 I. Internationales Privatrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43 II. Internationales Zivilverfahrensrecht . . . . . . . . . . . . . 44

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C. Koordinationszweck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46 D. Koordinationsakteure . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46 §  2 Normen zum Verhältnis zwischen EU-Verordnungen und ihnen ­vorgehenden internationalen Übereinkommen . . . . . . . . . . . 46 A. Koordinationsgegenstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47 B. Funktionsweise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47 I. Internationales Privatrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47 1. Verhältnis von Ratifizierungszeitpunkt des Übereinkommens und Inkrafttreten der Verordnung . . . 47 2. Sachliche Anwendungsbereiche der Rechtsakte und ihr Verhältnis zu ihrem räumlichen Anwendungsbereich . . . 48 a) Gewöhnliches Vorrangregelungsmodell im Kollisionsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48 b) Abweichung im Falle Verstärkter Zusammenarbeit nach Art.  326 ff. AEUV . . . . . . . . . . . . . . . . 49 c) Abweichung bei vollständiger Überschneidung der Anwendungsbereiche . . . . . . . . . . . . . . . 50 II. Internationales Zivilverfahrensrecht . . . . . . . . . . . . . 51 1. Verschiedene Grundausprägungen . . . . . . . . . . . . 51 2. Besondere Ausprägungen . . . . . . . . . . . . . . . . . 54 a) Bedingungslose Vorrangregel mit interpretatorischer ­Klarstellungsklausel: Art.  71 Abs.  1 und 2 Brüssel Ia-VO 54 b) Bedingte Günstigkeitsvorbehalte: Art.  21 Abs.  2 EGBVO, Art.  69 Abs.  3 EuUnthVO, Art.  75 Abs.  3 EuErbVO . 55 C. Koordinationszweck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55 D. Koordinationsakteure . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56 I. Legislative . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56 II. Judikative . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57 §  3 Koordination von Verordnungen und weiteren unionsrechtlichen ­Kollisionsnormen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57 A. Internationales Privatrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57 I. Koordinationsgegenstände . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57 1. Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57 2. Richtlinien und Rom  I-VO . . . . . . . . . . . . . . . . 58 3. Richtlinien und Rom  II-VO . . . . . . . . . . . . . . . . 58 II. Funktionsweise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61 III. Koordinationszweck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61 IV. Koordinationsakteure . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63 1. Legislative . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63 a) Sonderkollisionsrecht ohne Umsetzung . . . . . . . . 63

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b) Richtlinienkollisionsrecht . . . . . . . . . . . . . . . 64 2. Judikative . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 64 B. Internationales Zivilverfahrensrecht . . . . . . . . . . . . . . . 64 I. Koordinationsgegenstände . . . . . . . . . . . . . . . . . . 64 II. Funktionsweise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65 1. Besondere Gerichtsstandregelungen . . . . . . . . . . . 65 2. Besondere Verfahrensregelungen . . . . . . . . . . . . . 66 3. Anerkennung und Vollstreckung . . . . . . . . . . . . . 67 III. Koordinationszweck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 67 IV. Koordinationsakteure . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 68 2. Abschnitt: Methoden der inhaltlichen Koordination . . . . . . . . . 69 1. Kapitel: Nähere Bestimmung von Tatbestandsmerkmalen in Rechtsnormen des IPR und IZVR . . . . . . . . . . . . . . . . . 69 §  1 Internationales Privatrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 69 A. Koordinationsgegenstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70 B. Funktionsweise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70 I. Erstfrage und Vorfrage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70 1. Erstfrage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70 2. Vorfrage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70 II. Die Koordinationsmethode im staatsvertraglichen IPR bei Verweis in EU-Kollisionsrecht . . . . . . . . . . . . . . 71 C. Koordinationszweck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 72 D. Koordinationsakteure . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 72 I. Legislative . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 72 II. Judikative . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73 §  2 Internationales Zivilverfahrensrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . 74 A. Koordinationsgegenstände . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 74 B. Funktionsweise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 74 I. Bestimmung von Tatbestandsmerkmalen durch ­Sachnormverweisung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 74 1. Grundlage der Koordinationsmethode . . . . . . . . . . 74 2. Koordination durch Sachnormverweisung . . . . . . . . 75 II. Bestimmung von Tatbestandsmerkmalen durch ­Kollisionsnormverweisung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 76 1. Art.  5 Nr.  1 lit.  a Brüssel I-VO bzw. Art.  7 Nr.  1 lit.  a Brüssel Ia-VO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 76 2. Art.  22 Nr.  2 Brüssel I-VO bzw. Art.  24 Nr.  2 Brüssel Ia-VO 77 C. Koordinationszweck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78

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I. Bestimmung von Tatbestandsmerkmalen durch ­Sachnormverweisung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78 1. Umgehung der Unmöglichkeit der Bestimmung eines ­unionsrechtlich autonomen Begriffs . . . . . . . . . . . . 78 2. Immunisierung des EU-Rechts gegen schnelle nationale ­Rechtsentwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79 II. Bestimmung von Tatbestandsmerkmalen durch Kollisionsnormverweisung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 80 D. Koordinationsakteure . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 81 I. Legislative . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 81 II. Judikative . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 82 2. Kapitel: Inhaltliche Koordination zwischen EU-Rechtsakten untereinander . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 83 §  1 Inhaltliche Koordination bei Qualifikation und begrifflicher Gestaltung von Anwendungsbereichen . . . . . . . . . . . . . . . 83 A. Inhaltskoordination zwischen den Kollisionsnormen des IPR bzw. IZVR . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 83 I. Koordinationsgegenstände . . . . . . . . . . . . . . . . . . 83 II. Funktionsweise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 84 1. Materieller Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . 84 a) Ausdrückliche Abgrenzungen . . . . . . . . . . . . . 84 aa) Rom  I-VO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 84 bb) Rom  II-VO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 84 cc) Brüssel I- bzw. Brüssel Ia-VO . . . . . . . . . . 85 dd) Rom  III-VO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 85 ee) Brüssel IIa-VO . . . . . . . . . . . . . . . . . . 86 ff) EuErbVO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 86 gg) Güterrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 87 b) Anwendungsbereich ohne explizite Abgrenzungen . . 88 2. Besondere kollisionsnormspezifische Anwendungsbereiche 88 III. Koordinationszweck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 89 IV. Koordinationsakteure . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 90 1. Legislative . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 90 2. Judikative . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 90 B. Koordination im Verhältnis von IPR- und IZVR-Rechtsakten der EU . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 91 I. Koordinationsgegenstände . . . . . . . . . . . . . . . . . . 91 II. Funktionsweise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 92 1. IPR- und IZVR-Normen aus getrennten Verordnungen . . 92

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a) Grundsatz des begrifflichen Einklangs . . . . . . . . 92 aa) Internationales vertragliches und außervertragliches Schuldrecht – Brüssel I- bzw. Brüssel Ia-, Rom  Iund Rom  II-VO . . . . . . . . . . . . . . . . . . 92 (1) Allgemeine Grundsätze . . . . . . . . . . . . 92 (2) Das inhaltliche Verhältnis von Art.  15 Abs.  1 Brüssel I-VO bzw. Art.  17 Abs.  1 Brüssel Ia-VO zu Art.  6 Rom  I-VO . . . . . . . . . . . . . . 93 (3) Die Koordination von IPR und IZVR bei der Behandlung der culpa in contrahendo . . . 95 bb) Internationales Eherecht – Brüssel IIa-VO, Rom  III-VO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 95 (1) Entwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 95 (2) Koordination der Anwendungsbereiche von Brüssel IIa-VO und Rom  III-VO . . . . . . . 96 b) Ausnahmen vom Grundsatz des begrifflichen Einklangs 96 aa) Zum Verhältnis der Anwendungsbereiche von Brüssel I- bzw. Brüssel Ia-, Rom  I- und Rom  II-VO im internationalen Schuldrecht . . . . . . . . . . 97 bb) Internationales Eherecht . . . . . . . . . . . . . 98 2. IPR- und IZVR-Normen in Gesamtverordnungen . . . . 99 a) Grundsatz des begrifflichen Einklangs zwischen IPR und IZVR . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99 aa) Kein expliziter Verweis auf den begrifflichen Einklang zwischen IZVR und IPR . . . . . . . . 99 bb) Mögliche Vorteile einer Gesamtverordnung gegenüber der Trennung von IZVR und IPR . . . 99 (1) Flexiblere Abstimmung zwischen IZVR und IPR 99 (2) Konzeption des Anwendungsbereichs . . . . 100 b) Ausnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100 aa) EuErbVO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100 bb) EuUnthVO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102 III. Koordinationszweck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103 IV. Koordinationsakteure . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103 1. Legislative . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103 2. Judikative . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103 §  2 Inhaltliche Koordination der Anknüpfungsmomente . . . . . . . . 104 A. Inhaltliche Koordination der Anknüpfungsmomente auf der IPR-Ebene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104 I. Koordinationsgegenstände . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104

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II. Funktionsweise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104 1. Die inhaltskoordinative Komponente der akzessorischen ­Anknüpfung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104 2. Nutzung desselben Anknüpfungsmoments in verschiedenen Kollisionsnormen . . . . . . . . . . . . . 105 a) V-EuGüterVO und EuErbVO . . . . . . . . . . . . . 105 b) Rom  III-VO und V-EuGüterVO . . . . . . . . . . . . 105 III. Koordinationszweck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106 1. Gleichlauf bei vertraglichem und außervertraglichem Schuldrecht sowie bei Art.  15, 17 a. F. und 14 EGBGB . . 106 2. Gleichlauf im Rahmen von EuGüterVO, EuErbVO und Rom  III-VO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106 IV. Koordinationsakteure . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 108 1. Legislative . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 108 2. Parteien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 108 3. Judikative . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 108 B. Inhaltliche Koordination der Anknüpfungsmomente sowie sonstiger Tatbestandsmerkmale im IZVR . . . . . . . . . . . . 108 I. Koordinationsgegenstände . . . . . . . . . . . . . . . . . . 108 II. Funktionsweise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109 1. Einheitlichkeit von Anknüpfungsmomenten in IZVRVerordnungen und bei sonstigen prozessualen Vorschriften 109 a) Einheitlichkeit bei Gerichtsständen . . . . . . . . . . 109 b) Einheitlichkeit bei Verfahrenskoordination sowie bei ­Anerkennung und Vollstreckung . . . . . . . . . . . 110 aa) Verfahrenskoordination . . . . . . . . . . . . . . 110 bb) Anerkennung und Vollstreckung . . . . . . . . . 111 2. Unterschiedliche Anknüpfungskonzeptionen . . . . . . . 114 a) Uneinheitliche Begriffsbestimmung . . . . . . . . . . 114 b) Unterschiede bei Verfahrenskoordination und Anerkennung und Vollstreckung . . . . . . . . . . . 114 aa) Unterschiede bei der Verfahrenskoordination . . . 114 bb) Unterschiede bei Anerkennung und Vollstreckung 116 III. Koordinationszweck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 116 IV. Koordinationsakteure . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 117 C. Das Verhältnis der Anknüpfungsmomente zwischen IPR- und IZVR-Verordnungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 118 I. Koordinationsgegenstände . . . . . . . . . . . . . . . . . . 118 II. Funktionsweise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 118 1. Verwendung von Anknüpfungsmomenten . . . . . . . . 118

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a) Unterschiede bei den Anknüpfungsmomenten . . . . 118 b) Übereinstimmungen von Anknüpfungsmomenten . . 119 aa) EuErbVO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119 bb) Vertragliche Schuldverhältnisse . . . . . . . . . . 119 cc) Güterrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119 dd) Unterhaltsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . 120 ee) Scheidungsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . 120 2. Auslegung von Anknüpfungsmomenten . . . . . . . . . 121 a) Begriffliche Kohärenz am Beispiel der konzeptionellen Orientierung der Rom  III-VO an der Brüssel I-VO . . 121 b) Unterschiedliche Auslegungen desselben Begriffs in IPR und IZVR . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 122 III. Koordinationszweck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 122 IV. Koordinationsakteure . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 124 §  3 Konzeptionelle Koordination im Verfahrensrecht . . . . . . . . . . 125 A. Internationales Gerichtsstandrecht und die Vermeidung einander widersprechender Entscheidungen . . . . . . . . . . . . . . . . 125 I. Koordinationsgegenstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125 1. Gerichtsstände . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125 2. Folgenkorrektur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 126 II. Funktionsweise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 126 1. Struktur der Gerichtsstände . . . . . . . . . . . . . . . . 127 a) Grundidee . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 127 b) Abweichungen von der Grundidee durch Mehrzahl möglicher Gerichtsstände . . . . . . . . . . . . . . . 127 aa) Besondere Gerichtsstände zur Steigerung prozessualer Effektivität . . . . . . . . . . . . . 127 bb) Mehrzahl möglicher Gerichtsstände als Ansporn zu einem Gerichtsverfahren . . . . . . . . . . . . . 129 2. Mechanismen zur Folgenkorrektur bei Anrufung mehrerer Gerichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131 a) Korrektur bei paralleler Anrufung mehrerer Gerichte . 131 b) Korrektur von Fällen einander widersprechender ­Entscheidungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 132 III. Koordinationszweck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 133 1. Gerichtsstände . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 133 2. Mechanismen zur Folgenkorrektur . . . . . . . . . . . . 134 IV. Koordinationsakteure . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135 1. Gerichtsstände . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135 a) Legislative . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135

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b) Judikative . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 136 2. Mechanismen zur Folgenkorrektur . . . . . . . . . . . . 136 B. Die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Entscheidungen 137 I. Koordinationsgegenstände . . . . . . . . . . . . . . . . . . 137 II. Funktionsweise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 137 1. Anerkennung und Vollstreckung im Exequaturmodell . . 137 a) Anerkennung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 137 b) Vollstreckung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 138 2. Anerkennung und Vollstreckung im Modell der unmittelbaren Vollstreckung . . . . . . . . . . . . . . . . 139 a) Anerkennung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 140 aa) Grundsatz der automatischen Anerkennung . . . 140 bb) EuUnthVO bei durch das HUP 2007 gebundenen Mitgliedstaaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . 140 cc) Brüssel Ia-VO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 141 b) Unmittelbare Vollstreckung . . . . . . . . . . . . . . 141 aa) Vollstreckung in der Brüssel IIa-VO . . . . . . . 141 bb) Vollstreckung in der EuUnthVO von Entscheidungen aus einem Mitgliedstaat, der durch das HUP 2007 gebunden ist . . . . . . . . . . . . 142 cc) Vollstreckung in der Brüssel Ia-VO . . . . . . . . 143 III. Koordinationszweck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 144 IV. Koordinationsakteure . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 145 1. Legislative . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 145 2. Judikative . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 145 3. Kapitel: Inhaltliche Beziehungen zwischen EU- und völkervertraglichen IPR- und IZVR-Rechtsakten . . . . . . . . . . . 147 §  1 Orientierung des EU-Kollisionsrechts an europäischen ­Vorgängerübereinkommen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 147 A. Überblick über die Entwicklung der Koordinationsgegenstände . 147 B. Funktionsweise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 149 I. Inhaltliche Orientierung als Koordination . . . . . . . . . . 149 1. Weitergeltung der Vorgängerübereinkommen aufgrund der räumlichen Bereichsausnahmen . . . . . . . . . . . . 149 2. Weitergeltung der Vorgängerübereinkommen aufgrund der Geltungsbereichsausnahmen für das Vereinigte Königreich und Irland sowie Dänemark . . . . 150 II. Koordinationsmechanismus . . . . . . . . . . . . . . . . . 151 1. Koordinierung in Gesetzesform . . . . . . . . . . . . . . 151

Inhaltsverzeichnis

XXIII

2. Koordinierung durch Auslegungskohärenz . . . . . . . . 151 a) Auslegungskohärenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . 151 b) Eingeschränkte interpretatorische Vorwirkung . . . . 152 C. Zweck der Koordinationsmethode . . . . . . . . . . . . . . . . 152 I. Koordination von Übereinkommen und Verordnung . . . . 153 II. Orientierung als Grundlage der Weiterentwicklung von EuIPR und EuZPR . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 154 1. Präzisierung zur Lösung von Rechtsfortbildungsproblemen 155 a) Präzisierung unter Vorbild einer Entscheidung des EuGH . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 155 b) Klarstellung ohne vorherige Entscheidung des EuGH 156 2. Wesentliche Änderung bei Anwendungsproblemen in der Praxis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 156 a) Anpassung bei wesentlichen Änderungen am Beispiel von Art.  34 Nr.  2 Brüssel I-VO . . . . . . . . . . . . 156 b) Anpassungen in Verbraucher-IZVR und -IPR . . . . . 157 3. Fehlende Änderung trotz Problemen mit der Regelung . . 158 a) Wortidentische Übernahme im Verhältnis von Art.  5 Nr.  1 EuGVÜ und Art.  5 Nr.  1 lit.  a Brüssel I-VO . . . 158 b) Wortidentische Übernahme im Verhältnis von Art.  5 Nr.  3 EuGVÜ zu Art.  5 Nr.  3 Brüssel I-VO . . . . . . 159 D. Koordinationsakteure . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 160 I. Koordination durch die EU insgesamt . . . . . . . . . . . . 160 1. Koordinativer Beitrag der Europäischen Kommission . . 160 2. Bedeutung der Stellungnahmen des Europäischen Parlaments und des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses für die Koordinationswirkung . . . . . 161 3. Koordination durch die Rechtsprechung . . . . . . . . . 163 II. Koordination durch bestimmte Mitgliedstaaten der EU . . . 163 §  2 Inhaltliche Beziehungen zwischen EU-Kollisionsrecht und den Haager Konventionen im IPR . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 164 A. Internationales Privatrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 164 I. Koordinationsgegenstände . . . . . . . . . . . . . . . . . . 164 II. Funktionsweise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 164 1. Verallgemeinerung eines in einer speziellen Kollisionsnorm auftretenden Anknüpfungsmoments . . . 165 2. Übernahme eines im völkervertraglichen IPR genutzten ­Anknüpfungsmoments zur punktuellen Ergänzung des EU-Rechtsakts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 165 a) Internationales Deliktsrecht . . . . . . . . . . . . . . 166

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b) Internationales Erbrecht . . . . . . . . . . . . . . . . 167 III. Koordinationszweck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 169 IV. Koordinationsakteure . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 169 1. Legislative . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 169 2. Judikative . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 170 B. Internationales Zivilverfahrensrecht . . . . . . . . . . . . . . . 170 I. Koordinationsgegenstände . . . . . . . . . . . . . . . . . . 170 II. Funktionsweise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 170 1. Koordination aufgrund der Parallelentwicklung der Rechtsakte im Verhältnis von EU-Rechtsakten zu ­überregionalen Staatsverträgen . . . . . . . . . . . . . . 171 a) EuUnthVO und HUÜ 2007 . . . . . . . . . . . . . . 171 b) Brüssel Ia-VO und HGÜ . . . . . . . . . . . . . . . 172 2. Koordination ohne Parallelentwicklung der Rechtsakte im Verhältnis von EU-Rechtsakten zu regionalen Staatsverträgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 173 III. Koordinationszweck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 174 1. Kohärenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 174 2. Gleichzeitige Beachtung der Eigenheiten der Verordnungen 175 a) Eigene Regelungen zur Lückenschließung in EU-Rechtsakten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 175 b) Besondere Schutzvorschriften im EU-Rechtsakt . . . 176 IV. Koordinationsakteure . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 176 1. Arbeitsgruppen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 176 2. Legislative . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 176 3. Judikative . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 177 §  3 Inhaltliche Orientierung von völkerrechtlichen Übereinkommen an EuIPR und EuZVR . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 178 A. Internationales Zivilverfahrensrecht . . . . . . . . . . . . . . . 178 I. Koordinationsgegenstände . . . . . . . . . . . . . . . . . . 178 II. Funktionsweise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 178 1. Orientierung in Gesetzesform . . . . . . . . . . . . . . . 178 a) EuGVÜ und LugÜ 1988 . . . . . . . . . . . . . . . . 179 aa) Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 179 bb) Sachliche Unterschiede zwischen EuGVÜ und den Luganer Übereinkommen 1988 und 2007 . . 180 (1) Unterschiede in Arbeitssachen . . . . . . . . 180 (2) Unterschiede bei Vermietung und Verpachtung 181 (3) Unterschiede bei Anerkennungsversagungs­gründen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 181

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b) Brüssel I-VO und LugÜ 2007 . . . . . . . . . . . . . 182 aa) Wortlautunterschiede ohne inhaltlichen Einfluss . 183 bb) Wortlautunterschiede mit potenziellem inhaltlichen Einfluss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 183 cc) Wortlautunterschiede mit inhaltlichem Einfluss . 184 dd) Weggefallene Wortlautunterschiede . . . . . . . 185 c) Einfluss der Luganer Übereinkommen auf das EuGVÜ bzw. Brüssel I- und Brüssel Ia-VO . . . . . . . . . . 185 2. Orientierung im Wege der Auslegung . . . . . . . . . . . 186 III. Koordinationszweck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 187 IV. Koordinationsakteure . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 187 1. Legislative . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 187 2. Judikative . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 188 B. Internationales Privatrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 189 I. Koordinationsgegenstände . . . . . . . . . . . . . . . . . . 189 II. Funktionsweise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 189 1. Unveränderte Anknüpfung an den „Wohnsitz“ in den Nordischen Abkommen von 1934 und 2012 . . . . . 189 2. Veränderung der Rechtswahl im Nordischen Abkommen von 2012 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 190 III. Koordinationszweck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 191 IV. Koordinationsakteure . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 191 1. Legislative . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 191 2. Judikative . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 192 §  4 Ausdrückliche Verweisung auf Vorbildrechtsakt . . . . . . . . . . 193 A. Internationales Privatrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 193 I. Koordinationsgegenstände . . . . . . . . . . . . . . . . . . 193 II. Funktionsweise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 193 1. Deklaratorische oder konstitutive Verweisung? . . . . . . 193 2. Unterscheidung von der akzessorischen Anknüpfung . . 196 3. Verhältnis der Anwendungsbereiche von EU-Rechtsakt und völkervertraglichem Vorbildrechtsakt . . . . . . . . 196 III. Koordinationszweck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 199 IV. Koordinationsakteure . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 200 1. Legislative . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 200 2. Judikative . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 201 a) Auslegung des Übereinkommens in seinem vorgesehenen Anwendungsbereich . . . . . . . . . . 201 b) Auslegung des internationalen Übereinkommens außerhalb des vom Übereinkommen vorgesehenen ­Anwendungsbereichs . . . . . . . . . . . . . . . . . 201

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B. Internationales Zivilverfahrensrecht . . . . . . . . . . . . . . . 203 I. Koordinationsgegenstände . . . . . . . . . . . . . . . . . . 203 II. Funktionsweise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 203 1. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 203 2. Pacta tertiis-Regel und Bindung eines durch ein Übereinkommen nicht gebundenen EU-Mitgliedstaates an die unionsrechtliche Verweisungsregel . . . . . . . . . . 204 III. Koordinationszweck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 205 IV. Koordinationsakteure . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 205 1. Legislative . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 205 2. Judikative . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 205 4. Kapitel: Koordination von nationalem und EU-Kollisionsrecht . . . 207 §  1 Internationales Privatrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 207 A. Orientierung des Mitgliedstaates an EU-Kollisionsrecht für Sachverhalte außerhalb des Anwendungsbereichs . . . . . . . . 207 I. Koordinationsgegenstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 207 II. Funktionsweise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 208 1. Gesetzgeberische Orientierung . . . . . . . . . . . . . . 208 a) Primärrechtliche Grundlagen der gesetzgeberischen ­Orientierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 208 aa) Die Reichweite der kompetenzrechtlichen Grundlage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 208 bb) Eigenständige Bedeutung . . . . . . . . . . . . . 209 b) Umsetzung der primärrechtlichen Grundlagen der Koordinationsmethode . . . . . . . . . . . . . . 211 2. Überschießende Orientierung im Rahmen der Rechtsanwendung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 211 a) Möglichkeit der überschießenden Orientierung zwischen materiell-rechtlichen Kollisionsnormen . . 211 b) Möglichkeit der überschießenden Orientierung zwischen materiell-rechtlichen Kollisionsnormen und IZVR . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 212 III. Koordinationszweck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 213 1. Gesetzgeberische Orientierung . . . . . . . . . . . . . . 213 2. Koordinationszweck der Anwendungsorientierung . . . . 214 IV. Koordinationsakteure . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 214 1. Legislative . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 214 2. Judikative . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 214 a) Umsetzung der gesetzgeberischen Orientierung . . . 214

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b) Aktivität im Rahmen der Anwendungsorientierung . . 215 B. Öffnungsklauseln zur Delegation der Normkomplementierung an die Mitgliedstaaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 216 I. Koordinationsgegenstände . . . . . . . . . . . . . . . . . . 216 II. Funktionsweise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 216 1. Erweiterung von Rechtswahloptionen im Versicherungs­ vertragskollisionsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . 216 a) Art.  7 Abs.  3 UAbs.  2 Rom  I-VO . . . . . . . . . . . 216 b) Art.  7 Abs.  4 lit.  b Rom  I-VO und Art.  46c EGBGB a. F./Art.  46d EGBGB n. F. . . . . . . . . . . . . . . . 217 2. Art.  46d EGBGB a. F./Art.  46e EGBGB n. F. und die Öffnungsklauseln der Rom  III-VO . . . . . . . . . . 218 a) Öffnungsklausel für besondere nationale Rechtswahlformvorschriften (Art.  7 Abs.  2–4 Rom  III-VO) . . . 218 b) Zeitpunkt der Rechtswahl – Art.  5 Abs.  3 Rom  III-VO und Art.  46d Abs.  2 EGBGB a. F./Art.  46e Abs.  2 EGBGB 219 3. Zeitpunkt der Rechtswahl – Art.  7 i. V. m. Erwägungsgrund Nr.  25 S.  2 Rom  II-VO und Art.  46a EGBGB . . . . . . . 219 III. Koordinationszweck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 220 1. Vermeidung von Rechtszersplitterung . . . . . . . . . . 220 2. Erweiterungsoptionen zugunsten besonderer nationaler ­Rechtswahlformvorschriften . . . . . . . . . . . . . . . 222 3. Nationale Zusatzvorschriften zur zeitlichen Ausweitung der Rechtswahlmöglichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . 222 IV. Koordinationsakteure . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 223 1. Legislative . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 223 2. Judikative . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 224 §  2 Internationales Zivilverfahrensrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . 224 A. Nationale Ausführungsvorschriften zu den EuZVR-Verordnungen 224 I. Koordinationsgegenstände . . . . . . . . . . . . . . . . . . 224 II. Funktionsweise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 224 1. Vollstreckbarerklärung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 225 a) Zuständigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 225 b) Rechtsbehelfe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 226 c) Antrag auf Vollstreckbarerklärung bzw. auf ­Vollstreckungsversagung . . . . . . . . . . . . . . . 226 d) Vollstreckungsversagungsgründe . . . . . . . . . . . 226 2. Durchführung der Vollstreckung . . . . . . . . . . . . . 227 III. Koordinationszweck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 227 IV. Koordinationsakteure . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 228

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B. Überschießende Orientierung der Mitgliedstaaten an internationalen Kollisionsrechtsakten . . . . . . . . . . . . . 228 I. Koordinationsgegenstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 228 II. Funktionsweise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 229 1. Überschießende Orientierung bei der Rechtssetzung am Beispiel der Übertragung des EuGVÜ auf interlokale Sachverhalte im Vereinigten Königreich . . . . . . . . . . 229 a) Übernahme des EuGVÜ zur Regelung interlokaler ­Sachverhalte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 229 b) Abweichendes Gesamtregelungskonzept . . . . . . . 230 2. Überschießende Orientierung bei der Rechtsanwendung . 231 a) Internationale Zuständigkeit – Fälle judikativer ­überschießender Umsetzung . . . . . . . . . . . . . . 231 b) Anerkennung und Vollstreckung . . . . . . . . . . . 233 III. Koordinationszweck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 233 1. Legislatorische Orientierung . . . . . . . . . . . . . . . 233 2. Orientierung bei der Rechtsanwendung . . . . . . . . . . 234 IV. Koordinationsakteure . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 235 1. Legislative . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 235 2. Judikative . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 235 a) Nationale Gerichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 235 b) Rolle des EuGH . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 236 3. Abschnitt: Das Verhältnis des anwendbaren Rechts zu statutsfremden Rechtsnormen als Mischung aus Methoden der Vorrangund ­der Inhaltskoordination . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 237 1. Kapitel: Die vorrang- und inhaltskoordinative Seite im IPR . . . . . 237 §  1 Vorrang international zwingender Normen . . . . . . . . . . . . . 238 A. Eingriffsnormen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 238 I. Koordinationsgegenstände . . . . . . . . . . . . . . . . . . 238 1. Anwendung der Eingriffsnormen der lex fori . . . . . . . 238 2. Zur Anwendung ausländischer Eingriffsnormen dritter Staaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 239 a) Rom  I-VO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 239 b) Rom  II-VO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 240 c) V-EuGüterVO und V-EuPartVO . . . . . . . . . . . . 241 d) EuErbVO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 242 II. Funktionsweise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 243 1. Voraussetzungen nach Kollisionsrecht . . . . . . . . . . 243

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2. Eingriffsnormbestimmung nach nationalem Recht . . . . 244 III. Koordinationszweck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 245 IV.Koordinationsakteure . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 246 1. Legislative . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 246 2. Judikative . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 246 B. Vorrang des Einzelstatuts vor dem Gesamtstatut . . . . . . . . . 247 I. Koordinationsgegenstände . . . . . . . . . . . . . . . . . . 247 II. Funktionsweise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 248 III. Koordinationszweck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 249 IV. Koordinationsakteure . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 249 §  2 Kollisionsrechtlicher Vorrang national zwingender Normen wegen ­sachlicher Aspekte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 250 A. Günstigkeitsvergleich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 250 I. Koordinationsgegenstände . . . . . . . . . . . . . . . . . . 250 II. Funktionsweise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 250 1. Schutz der schwächeren Vertragspartei . . . . . . . . . . 251 2. Durchführung des Günstigkeitsvergleichs . . . . . . . . 251 III. Koordinationszweck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 252 IV. Koordinationsakteure . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 253 1. Die Rechtssetzungspersonen . . . . . . . . . . . . . . . 253 2. Die Rolle der Gerichte im Rahmen des Günstigkeitsvergleichs . . . . . . . . . . . . . . . . 254 a) Die Rolle der nationalen Gerichte . . . . . . . . . . . 254 b) Die Rolle des EuGH . . . . . . . . . . . . . . . . . . 254 aa) Die Unzulässigkeit der Überprüfung des im ­Günstigkeitsvergleich enthaltenen Rechtsvergleichs 255 bb) Zulässigkeit der Frage nach dem methodischen Vorgehen der Gerichte bei Durchführung des ­Günstigkeitsvergleichs . . . . . . . . . . . . . . 255 cc) Materieller Einfluss des EuGH auf ­ Günstigkeitsvergleiche nationaler Gerichte . . . . 256 (1) Konstellation 1: Nichtvornahme des Günstigkeitsvergleichs . . . . . . . . . . . . 256 (2) Weitere Konstellationen: Fehlerhafte Durchführung des Günstigkeitsvergleichs als Verstoß gegen Unionsrecht . . . . . . . . 257 (a) Konstellation 2: Durchführung des Günstigkeitsvergleichs durch das nationale Gericht mit vertretbarer Argumentation . . 257

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(b) Konstellation 3: Nationales Gericht kommt bei Günstigkeitsvergleich zu einem evident falschen Ergebnis . . . . . . . . . . . . . 257 (3) Konstellation 4: Fehlende Begründung einer objektiv falschen Entscheidung . . . . . . . . 258 (4) Konstellationen fehlenden materiellen Einflusses des EuGH trotz Unionsrechtswidrigkeit . . . 259 B. Kollisionsrechtliche Durchsetzung bestimmter Richtlinien . . . 261 I. Koordinationsgegenstände . . . . . . . . . . . . . . . . . . 261 II. Funktionsweise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 263 III. Koordinationszwecke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 264 IV. Koordinationsakteure . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 265 §  3 Kollisionsrechtlicher Vorrang national zwingender Normen wegen ­geographischer Aspekte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 266 A. Einzelstaatenklausel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 266 I. Koordinationsgegenstände . . . . . . . . . . . . . . . . . . 266 II. Funktionsweise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 267 1. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 267 2. Zum Unterschied zwischen Rechtswahlbeschränkung und Rechtswahlwirkungsbeschränkung am Beispiel der Einzelstaatenklausel in Art.  3 Abs.  3 Rom  I-VO . . . 267 III. Koordinationszweck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 268 IV. Koordinationsakteure . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 268 B. Binnenmarktklausel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 269 I. Koordinationsgegenstände . . . . . . . . . . . . . . . . . . 269 II. Funktionsweise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 270 III. Koordinationszweck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 270 IV. Koordinationsakteure . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 270 §  4 Vorrang nationaler Grundsätze im Rahmen der Einzelfallkorrektur des ordre public . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 271 A. Koordinationsgegenstände . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 271 B. Funktionsweise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 272 C. Koordinationszweck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 272 D. Koordinationsakteure . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 273 §  5 Inhaltskoordination mittels Substitution . . . . . . . . . . . . . . . 273 A. Koordinationsgegenstände . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 273 B. Funktionsweise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 274 I. Die generelle Substituierbarkeit des inländischen Rechtsinstituts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 274

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II. Die konkrete Substituierbarkeit durch ein bestimmtes ausländisches Rechtsinstitut . . . . . . . . . . . . . . . . . 274 C. Koordinationszweck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 275 D. Koordinationsakteure . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 275 I. Legislative . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 275 II. Judikative . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 276 §  6 Inhaltskoordination mittels Anerkennung und Anpassung ausländischer Rechtsinstitute unabhängig von einer konkreten Rechtsnorm . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 277 A. Koordinationsgegenstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 277 B. Funktionsweise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 277 I. Anerkennung ausländischer Sachrechtsinstitute . . . . . . . 277 1. Keine Weiterexistenz nach der Purifikationstheorie . . . . 277 2. Weiterexistenz mit unterschiedlichen Auffassungen über die Wirkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 278 a) Vollständige Transposition . . . . . . . . . . . . . . 278 b) Selektive Transposition . . . . . . . . . . . . . . . . 279 c) Hinnahme- bzw. Anerkennungstheorie . . . . . . . . 279 II. Anpassung ausländischer dinglicher Rechte im Unionsrecht 279 1. Die Regelungen in Art.  31 EuErbVO, Art.  29 EuGüterVO und Art.  29 EuPartVO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 279 2. Die unionsrechtlichen Anpassungsnormen im Vergleich zu den bisherigen Ansätzen . . . . . . . . . . . . . . . . 280 C. Koordinationszweck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 281 D. Koordinationsakteure . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 281 I. Legislative . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 281 II. Judikative . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 282 2. Kapitel: Die vorrang- und inhaltskoordinative Seite im IZVR . . . . 283 §  1 Koordination nationaler Grundsätze des Anerkennungs- bzw. ­Vollstreckungsstaates mit dem anzuerkennenden bzw. zu vollstreckenden Urteil mittels ordre public . . . . . . . . . . . . . 283 A. Koordinationsgegenstände . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 283 B. Funktionsweise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 284 I. Ursprüngliche Funktionsweise . . . . . . . . . . . . . . . . 284 II. Weiterentwickelte Funktionsweise: Ausschluss der Prüfung von Anerkennungs- und Vollstreckungshindernissen . . . . 285 C. Koordinationszweck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 286 D. Koordinationsakteure . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 286 I. Legislative . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 286

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II. Judikative . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 287 §  2 Anwendung ausländischen Verfahrensrechts in inländischen ­Gerichtsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 288 A. Zum Grundsatz der Anwendung der lex fori im Verfahrensrecht . 288 B. Inhaltskoordination bei Heranziehung ausländischen Verfahrensrechts im Rahmen der Beurteilung ausländischer ­Verfahrensakte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 289 I. Koordinationsgegenstände . . . . . . . . . . . . . . . . . . 289 II. Funktionsweise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 290 III. Koordinationszweck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 290 IV. Koordinationsakteure . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 290 C. Inhaltskoordination bei der Anwendung ausländischen Verfahrensrechts im Rahmen des materiellen Rechts . . . . . . . 291 I. Koordinationsgegenstände . . . . . . . . . . . . . . . . . . 291 II. Funktionsweise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 291 III. Koordinationszweck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 292 IV. Koordinationsakteure . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 292

2.  Teil: Herleitung koordinativer Gestaltungsprinzipien aus der Lösung von Einzelproblemen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 293 1. Abschnitt: Erhöhung des kollisionsrechtlichen Bestimmtheitsniveaus von Regelungen und durch Regelungen . . . . . . . . . . . . . . . . 295 1. Kapitel: Erhöhung des Bestimmtheitsniveaus durch Regelungen am Beispiel von Normenwidersprüchen in IPR und IZVR . . . . . . 295 §  1 Problemkonstellationen der Normwidersprüche in IPR und IZVR . 296 A. Normwidersprüche im IPR . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 296 I. Grundproblemkonstellation . . . . . . . . . . . . . . . . . 296 II. Keine Verhinderung von Normwidersprüchen durch ­Kollisionsrechtsvereinheitlichung . . . . . . . . . . . . . . 298 1. Das Verhältnis von Ehegüterrecht und Erbrecht am Beispiel des Ehegattenerbrechts . . . . . . . . . . . . 298 2. Qualitativer Normwiderspruch zwischen Erb- und Sachenrecht am Beispiel von Vindikations- und Damnationslegat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 299 3. Normwiderspruch zwischen Vertrags- und Deliktsrecht am Beispiel der Anwendbarkeit der französischen non cumul-Regel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 300

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4. Normwiderspruch im Verhältnis von materiellem Erbrecht und Verfahrensrecht am Beispiel der österreichischen ­Einantwortung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 302 III. Rechtliche Möglichkeiten der Parteien zur Vermeidung von Normwidersprüchen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 303 1. Beschränktheit der Rechtswahl . . . . . . . . . . . . . . 303 2. Problematisches Verhältnis von Formerfordernis der Rechtswahl und Kenntnis der Ehegatten von der Rechtswahlmöglichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . 304 IV. EU-primärrechtliche Auswirkungen von Normwidersprüchen 304 B. Normenmangel im IZVR – Negative Kompetenzkonflikte . . . . 305 I. Problemlage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 305 1. Bedeutung von negativen in Abgrenzung zu positiven ­Kompetenzkonflikten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 305 2. Verbindung negativer Kompetenzkonflikte mit den Grundfreiheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 306 II. Betroffene Normen des Unionsrechts . . . . . . . . . . . . 306 C. Negative Kompetenzkonflikte bei Kollisionsnormverweisungen ­zwischen IZVR und IPR in Art.  24 Nr.  2 Brüssel Ia-VO . . . . . 307 I. Auswirkungen der Differenzierung zwischen Sitz- und ­Gründungstheorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 307 II. Betroffene Normen des Unionsrechts . . . . . . . . . . . . 308 §  2 Kollisionsrechtlicher Lösungsansatz statt sachrechtlichem . . . . . 309 A. Möglichkeiten zur Verhinderung von Normwidersprüchen . . . 309 I. Gesetzgeberische Möglichkeiten . . . . . . . . . . . . . . . 309 1. Koordination der Systembegriffe und Anwendungsbereiche ex ante . . . . . . . . . . . . . . . 309 2. Koordination der Anknüpfungsmomente . . . . . . . . . 310 II. Parteiautonomie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 310 B. Methoden zur Lösung von Normwidersprüchen ex post . . . . . 311 I. Umqualifizierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 311 II. Sachrechtliche Lösungsansätze . . . . . . . . . . . . . . . . 311 1. Sachrechtliche Anpassung im IPR . . . . . . . . . . . . 311 2. Sachrechtliche Lösung des negativen Kompetenzkonflikts im IZVR . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 312 III. Kollisionsrechtlicher Lösungsansatz . . . . . . . . . . . . . 313 1. Kollisionsrechtliche Anpassung im IPR . . . . . . . . . . 313 2. Kollisionsrechtliche Lösung des negativen Kompetenzkonflikts im IZVR . . . . . . . . . . . . . . . 314 C. Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 315

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I. Umqualifizierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 315 II. Kollisionsrechtliche oder sachrechtliche Lösung? . . . . . . 315 1. Legislative Perspektive . . . . . . . . . . . . . . . . . . 315 a) Beibehaltung des Status quo? . . . . . . . . . . . . . 315 b) Möglichkeit der Vereinfachung der Rechtsanwendung durch eine sachrechtliche Lösung . . . . . . . . . . . 316 c) Problem der Akzeptanz einer sachrechtlichen Lösung bei zukünftiger EU-Erweiterung . . . . . . . . . . . 317 d) Regelungsbasis und Zustimmungserfordernisse unter den Teilnehmerstaaten . . . . . . . . . . . . . . . . . 318 aa) Breitere gesetzliche Grundlage im Kollisionsrecht 318 bb) Anhaltende Notwendigkeit der Kollisionsrechts­ vereinheitlichung . . . . . . . . . . . . . . . . . 319 2. Judikative Perspektive . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 321 a) Judikative Perspektive der sachrechtlichen Lösung . . 321 b) Judikative Perspektive der kollisionsrechtlichen Lösung, insbesondere die Rolle des EuGH . . . . . . . . . . . 321 aa) Die Rolle des EuGH als Koordinator . . . . . . . 322 bb) Bedingungen für die koordinative Rolle des EuGH 323 (1) Die Notwendigkeit einer geschriebenen ­Kollisionsnorm . . . . . . . . . . . . . . . . 323 (2) Notwendigkeit einer geschriebenen EU-Kollisionsregel . . . . . . . . . . . . . . 324 §  3 Inhaltliches Lösungskonzept bei Normwidersprüchen im IZVR . . 324 A. Anknüpfung an den gewöhnlichen Aufenthalt in Subsidiarität zum Wohnsitz: Gedanken zu einer konzeptionellen Neuorientierung . 325 B. Ausblick auf Verfeinerungen des Anknüpfungssystems . . . . . 326 I. Unionsrechtlich einheitlicher Wohnsitzbegriff . . . . . . . . 326 II. Alleinige Anknüpfung an den gewöhnlichen Aufenthalt . . . 327 1. Weitere Vorbehalte gegen die Wohnsitzanknüpfung . . . 327 2. Erwägungen zur Anknüpfung an den gewöhnlichen Aufenthalt in Zivil- und Handelssachen auf der Grundlage der EU-Verordnungen im Familien- und Erbrecht . . . . 328 3. Kollisionsrechtliche Lösung des negativen Kompetenzkonflikts im Rahmen von Art.  24 Nr.  2 Brüssel Ia-VO . . 328 §  4 Lösung des Normwiderspruchs im IPR . . . . . . . . . . . . . . . 329 A. Subsidiäre Anknüpfung statt Abänderung der Ursprungsanknüpfung 329 B. Inhaltliche Ausgestaltung des Anknüpfungsmoments im IPR . . 331 I. Das Prinzip des charakteristischen Anknüpfungsgegenstandes 331 II. Flexible statt fixen Prioritäten . . . . . . . . . . . . . . . . 332

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III. Kriterien zur Bestimmung des charakteristischen ­Anknüpfungsmoments . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 332 1. Der Umfang des Einflusses auf andere Systembegriffe am Beispiel des Zusammenspiels von Erb- und ­Sachenkollisionsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 332 2. Faktoren zur Auslegung der Beziehung von Systembegriffen am Beispiel des Falles der Erbschaft des hinterbliebenen Ehegatten . . . . . . . . . . . . . . . . . 333 a) Parteieninteressen als zu berücksichtigender Faktor . 333 b) Keine zwingende Relevanz von ­IZVR-Konzentrationstendenzen für das IPR . . . . . 334 c) Keine Relevanz der Regelungsebene der in Rede stehenden Kollisionsrechtsakte . . . . . . . . . . . . . 336 3. Faktoren mit natürlicher Priorität – Die Bedeutung von ­Rechtswahlvereinbarungen und der Einbezug eines Verfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 336 a) Parteiautonomie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 336 b) Kollision bei Konflikt von Verfahrensrecht und anwendbarem Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . 337 4. Grenzen des Ansatzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 338 a) Grenzen der Wirkung des Lösungsvorschlags . . . . . 338 b) Konzeptionelle Grenzen . . . . . . . . . . . . . . . . 339 aa) Gestaltung eines Beispielkatalogs in der Form von Art.  4 Abs.  1 Rom  I-VO . . . . . . . . . . . 339 bb) Fehlen des Vorrangs eines der Statute . . . . . . 340 cc) Verzichtbarkeit einer Ausweichklausel . . . . . . 341 IV. Regelungsvorschlag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 342 2. Kapitel: Erhöhung des Bestimmtheitsniveaus durch Abstimmung der Anwendungsbereiche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 343 §  1 Verhältnis von völkervertraglichem Kollisionsrechtsübereinkommen und abhängigem EU-Rechtsakt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 343 A. Problemkonstellation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 343 B. Lösungsansatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 345 §  2 Verhältnis der Anwendungsbereiche innerhalb einer EU-Kollisionsrechtsverordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 346 A. Folgen fehlerhafter inhaltlicher Koordination von IZVR- und IPR-Teil desselben Kollisionsrechtsaktes . . . . . . . . . . . . . 347 B. Verfolgung eines bestimmten Verhältnisses der Anwendungsbereiche von IZVR- und IPR-Teil eines Rechtsaktes 347

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3. Kapitel: Schließung von Regelungslücken bei Fehlen von Mechanismen zur Schaffung von EU-Einheitsrecht . . . . . . . . . . 349 §  1 Status quo: Unbestimmte Vorrangregelungen in Bezug auf EU-Einheitsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 349 A. Verhältnis von europäischem Einheitsrecht und internationalen ­Kollisionsrechtsübereinkommen in demselben Gebiet . . . . . . 349 B. Hintergrund der Normverteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . 350 §  2 Lösungsansatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 351 2. Abschnitt: Optimierung der legislativen Differenzierung sowie Erhöhung der Flexibilität bei der Normanwendung . . . . . . . . . . 353 1. Kapitel: Optimierung der legislativen Differenzierung durch den nationalen Gesetzgeber . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 353 §  1 Höherer Differenzierungsgrad bei der inländischen Behandlung eines im Ausland erworbenen Sachenrechts . . . . . . . . . . . . . . . . 353 A. Anerkennung oder Transposition von ausländischen Sachenrechten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 354 B. Zum Statut der Verwertung des ausländischen Sachenrechts . . . 355 I. Aktuelle Rechtslage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 355 II. Lösungsvorschlag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 355 1. Vorbemerkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 355 2. Lösungskonzept . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 357 §  2 Höherer Differenzierungsgrad bei der Substituierbarkeit des deutschen Notars zur Vermeidung eines Verstoßes gegen EU-Grundfreiheiten 358 A. Problematik der Substitution in Bezug auf die EU-Grundfreiheiten 358 B. Ausländische Notare und Niederlassungsfreiheit . . . . . . . . . 359 C. Verstoß gegen die Dienstleistungsfreiheit . . . . . . . . . . . . 359 I. Der generelle Ausschluss ausländischer Notare von der Substitution in §  925 Abs.  1 BGB . . . . . . . . . . . . . . 360 II. Der Ausschluss ausländischer Notarformen . . . . . . . . . 362 2. Kapitel: Optimierung der legislativen Differenzierung durch den EU-Gesetzgeber . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 364 §  1 Vermeidung von Differenzierungen zwischen Mitgliedstaaten in Bezug auf kollisionsrechtliche Entwicklungsschritte aufgrund deren Nichtteilnahme an anderen Entwicklungsschritten ohne direkten sachlichen Zusammenhang . . . . . . . . . . . . . . 364

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A. Differenzierung zwischen EU-Mitgliedstaaten und Pflicht der EU zur Gleichbehandlung von Mitgliedstaaten nach Art.  4 Abs.  2 EUV 365 B. Differenzierung ohne sachlichen Zusammenhang im Rahmen von Anerkennung und Vollstreckung nach der EuUnthVO . . . . . . 365 §  2 Optimierung der Kombination von renvoi und Vorfragenanknüpfung 369 A. Fehlende Differenzierung beim Ausschluss des renvoi im EuIPR 369 I. Problemlage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 370 1. Die allgemeine Konzeption des renvoi im nationalen, ­völkervertraglichen und europäischen IPR . . . . . . . . 370 a) Nationales IPR . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 370 aa) Grundsatz der Beachtung des renvoi . . . . . . . 370 bb) Ausnahme der Sachnormverweisung . . . . . . . 371 b) Völkervertragliches IPR . . . . . . . . . . . . . . . . 371 c) Europäisches IPR . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 372 2. Gefährdung der Verhinderung einer Pflichtenkollision für an konkurrierende Kollisionsrechtsübereinkommen gebundene Mitgliedstaaten . . . . . . . . . . . . . . . . 373 a) Ausschluss der Anwendung kollisionsrechtlicher Altverträge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 373 b) Fehlender Ausschluss der Gefährdung und Verletzung der Vertragspflichten bei den durch das Übereinkommen gebundenen Mitgliedstaaten . . . . . . . . . . . . . . 374 c) Konsequenz der Gefährdung der Anwendung ­kollisionsrechtlicher Übereinkommen durch verfehlte renvoi-Konzeption . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 375 3. Gefährdung des internationalen Entscheidungseinklangs durch renvoi-Ausschluss . . . . . . . . . . . . . . . . . 376 4. Vorschub hinkender Rechtsverhältnisse . . . . . . . . . . 376 II. Die Rückkehr zur allgemeinen Zulassung des renvoi als Lösungsansatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 377 1. Konzeptionelle Vorteile der Kollisions- gegenüber der Sachnormverweisung bei der Verweisung auf das Recht eines EU-Mitgliedstaates . . . . . . . . . . . . . . . . . 377 2. Konzeptionelle Vorteile der Kollisions- gegenüber der Sachnormverweisung bei der Verweisung auf nicht-EU-mitgliedstaatliches Recht . . . . . . . . . . . . 378 a) Vermeidung hinkender Rechtsverhältnisse im Rahmen der Rom  III-VO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 378 b) Art.  34 EuErbVO als Ausdruck voreuropäischer renvoi-Dogmatik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 379 aa) Art.  34 Abs.  1 EuErbVO . . . . . . . . . . . . . 380

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bb) Auswirkungen des Vorrangs völkervertraglichen ­Kollisionsrechts auf die Konzeption des renvoi nach Art.  34 Abs.  1 EuErbVO . . . . . . . . . . . 381 cc) Art.  34 Abs.  2 EuErbVO . . . . . . . . . . . . . 382 B. Zur Anknüpfung der Vorfrage und ihrer Kombination mit der hier vertretenen renvoi-Konzeption . . . . . . . . . . . . . . . . . . 383 I. Unklarheit bzgl. der Anknüpfung einer im Sachrecht eines Nicht-EU-Mitgliedstaates auftretenden Vorfrage . . . . . . 383 II. Selbstständige Vorfragenanknüpfung und ihre gesetzgeberische Umsetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . 384 1. Konzept der selbstständigen Vorfragenanknüpfung . . . . 384 2. Aspekte einer gesetzgeberischen Umsetzung . . . . . . . 385 §  3 Güterrechtliche Ungleichbehandlung eingetragener Partnerschaften gegenüber Ehegatten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 386 A. Ungleichbehandlungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 386 I. Rechtswahl bei eingetragenen Partnerschaften . . . . . . . . 386 II. Undifferenzierte Anknüpfung zur Bestimmung des objektiven Güterstatuts eingetragener Partnerschaften . . . . . . . . . 387 B. Fehlende Rechtfertigung der Ungleichbehandlung . . . . . . . . 388 I. Rechtswahlausschluss bei eingetragenen Partnerschaften . . 388 II. Undifferenzierte Anknüpfung zur Bestimmung des objektiven Güterstatuts eingetragener Partnerschaften . . . . . . . . . 390 §  4 Schaffung eines vergleichbaren Niveaus an Prorogationsoptionen zur Gewährleistung einheitlicher Zweckverfolgung . . . . . . . . . . . 392 A. Problem der inkonsistenten Zweckverfolgung bei der Prorogation im Internationalen Familienrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . 393 B. Einführung einer beschränkten Prorogationsmöglichkeit . . . . 393 §  5 Höherer Differenzierungsgrad bei der Verfahrenskoordinierung am Beispiel des Torpedo-Problems . . . . . . . . . . . . . . . . . 395 A. Das sog. „Torpedo-Problem“ und seine Lösung durch Art.  31 Abs.  2 Brüssel Ia-VO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 395 I. Lösung der ursprünglichen Problematik nach der Brüssel Ia-VO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 395 II. Verbleibendes Koordinationsproblem . . . . . . . . . . . . 396 B. Erforderlichkeit einer differenzierteren Lösung im Vergleich zur Brüssel Ia-VO bei einander widersprechenden Entscheidungen . 398 3. Kapitel: Erhöhung der Flexibilität bei der Normanwendung . . . . . 401 §  1 Erhöhung der inhaltlichen Flexibilität von Anknüpfungsmomenten bei der Übertragung eines inhaltlichen Konzepts zwischen Rechtsgebieten 401

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A. Problemlage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 401 I. Gerichtsstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 402 II. Anwendbares Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 402 1. Möglichkeit mehrerer gewöhnlicher Aufenthaltsorte . . . 402 2. Auswirkungen auf den Verbraucherschutz . . . . . . . . 404 B. Lösungsansätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 405 I. Zulassung eines im Einzelfall abweichenden Begriffsverständnisses des Anknüpfungsmoments im IPR . 406 II. Anpassung der Anforderungen des IPR-Anknüpfungsmoments an den zu erreichenden Schutzzweck . . . . . . . . . . . . 406 §  2 Erhöhung der Anwendungsflexibilität bei der Kollision von ­Koordinationsmethoden am Beispiel von sog. Rechtsmixen . . . . 408 A. Problemstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 408 I. Rechtsmix-Konstellationen im Verhältnis von Vorrangnormen und akzessorischer Anknüpfung . . . . . . . . . . . . . . . 409 1. Günstigkeitsvergleich und akzessorische Anknüpfung . . 409 2. Einzelstaaten- bzw. Binnenmarktklausel und akzessorische Anknüpfung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 410 II. Kollisionen der akzessorischen Anknüpfung mit Rechtsmixen aufgrund von Rechtsspaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . 410 1. Rechtsspaltung durch Rechtswahl . . . . . . . . . . . . . 410 2. Rechtsspaltung durch Statutenwechsel . . . . . . . . . . 411 B. Lösungsansätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 413 I. Ausnutzung des Erfordernisses der spezifischen Verbindung der akzessorischen Anknüpfung durch den Rechtsanwender 413 II. Lösung im Falle von Günstigkeitsvergleich, Einzelstaatenund Binnenmarktklausel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 414 1. Analyse der Überlagerungsintensität . . . . . . . . . . . 414 a) Bestehen einer echten Überlagerungssituation als ­Voraussetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 414 b) Schwierigkeiten bei der Bestimmung der ­Überlagerungsintensität . . . . . . . . . . . . . . . . 414 c) Folgerung aus den Anwendungsschwierigkeiten . . . 415 2. Bezug auf die vorhandenen kollisionsrechtlichen Wertungen 415 a) Einzelstaatenklausel . . . . . . . . . . . . . . . . . . 416 b) Günstigkeitsvergleich . . . . . . . . . . . . . . . . . 416 c) Binnenmarktklausel . . . . . . . . . . . . . . . . . . 417 3. Abschnitt: Verfolgung einer konsequenten Verbindung zwischen ­Regelungsinhalt und Regelungszweck . . . . . . . . . . . . . . . . 419

XL

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1. Kapitel: Koordinationsproblem durch Übertragung eines formellen Konzepts aufgrund unterschiedlicher Regelungshintergründe . . . . 419 §  1 Konzeptübertragung trotz unterschiedlicher Regelungszwecke . . . 420 §  2 Lösungsansatz: Anhebung der unionsrechtlichen Anforderungen an die EU-Mitgliedstaaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 423 2. Kapitel: Fehlerhafte Verbindung von Inhaltsorientierung und Vorrangregelung zwischen kollisionsrechtlichen Übereinkommen und EU-Verordnungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 424 §  1 Problemaspekte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 424 A. Erleichterung des forum shopping . . . . . . . . . . . . . . . . 424 B. Erschwerung der internationalen Verwirklichung von Koordinationskonzepten auf anderen Regelungsebenen . . . . . 425 C. Erschwerung der Durchsetzung legislativer Lösungen anderer Koordinationsprobleme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 426 §  2 Lösungskonzept . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 427 A. Lösungsmöglichkeiten mit Bezug auf das Übereinkommen . . . 427 I. Punktuelle Nichtanwendung bei Unvereinbarkeit? . . . . . 427 II. Verpflichtung des EU-Mitgliedstaates, auf eine Änderung des Übereinkommens hinzuwirken . . . . . . . . . . . . . . 427 III. Pflicht zur Kündigung des Übereinkommens durch den EU-Mitgliedstaat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 428 B. Lösungsmöglichkeit auf EU-Ebene: Kein vorbehaltloser Vorrang internationaler Übereinkommen vor EU-Rechtsakten zwischen EU-Mitgliedstaaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 428 I. Konzeptionelle Orientierung der IPR-Vorrangkollisionsnormen am IZVR . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 428 II. Verbesserte inhaltliche Koordination der kollidierenden Rechtsakte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 430 1. Abgrenzung der räumlichen Anwendungsbereiche . . . . 430 a) Das Verhältnis von Rom  I-VO zum HÜ 1955 . . . . . 430 b) Das Verhältnis von Rom  II-VO zum HStrVÜ . . . . . 431 2. Keine Koordination der sachlichen Anwendungsbereiche 432 3. Kapitel: Verhinderung der Zweckverfehlung aufgrund der fehlerhaften Verbindung des Vorrangs von Richtlinienkollisionsrecht und nationaler inhaltlicher Orientierung an der EU-Gesetzgebung . . . . . . . . . . 434 §  1 Die Zweckverfehlung und ihre Ursache . . . . . . . . . . . . . . . 434 A. Problem der Zweckverfehlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 434

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XLI

B. Verbindung der Koordinationsmethoden als Grund für das Problem 436 §  2 Lösungsvorschlag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 437 A. Nationale Lösung: Konsequentere Orientierung der EU-Mitgliedstaaten am EU-Vorbild . . . . . . . . . . . . . . . 437 B. Lösung auf EU-Ebene unter Einbeziehung der nationalen Ebene: Ausweitung des Anwendungsbereichs von Art.  6 Rom  I-VO . . 438 I. Vorüberlegungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 438 II. Lösungsvorschlag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 438 1. Zulässigkeit eines über das Richtlinienkollisionsrecht hinausgehenden Verbraucherschutzes . . . . . . . . . . . 439 2. Streichung von Art.  23 Rom  I-VO . . . . . . . . . . . . . 439 3. Klarstellungen hinsichtlich des sachlichen Anwendungsbereichs von Art.  6 Rom  I-VO . . . . . . . 440 4. Auswirkungen auf die nationale Ebene: Anpassung des räumlichen Bezugs in Art.  46b EGBGB . . . . . . . . . 441 a) Anpassung von Art.  46b Abs.  1 und 2 EGBGB . . . . 441 b) Anpassung von Art.  46b Abs.  4 EGBGB . . . . . . . 443 III. Vor- und Nachteile eines solchen Konzeptes . . . . . . . . . 443 1. Nachteile . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 443 2. Vorteile . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 444 4. Kapitel: Vermeidung inkonsequenter Regelungskonzepte bei Anerkennung und Vollstreckung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 445 §  1 Inkonsequentes Regelungskonzept bei Umgestaltung von Anerkennungsund Vollstreckungsversagungsgründen in der EuUnthVO . . . . . . 445 A. Reduktion der Anerkennungs- und Vollstreckungsversagungsgründe um den ordre public . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 446 B. Ermessenspielraum der zuständigen Behörde beim Versagungsgrund einander widersprechender Entscheidungen statt zwingender Berücksichtigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 448 §  2 Inkonsequente Koordination bei der Anerkennung von einander widersprechenden Entscheidungen . . . . . . . . . . . . . . . . . 450 A. Vorrang der inländischen Entscheidung . . . . . . . . . . . . . 450 B. Zeitliche Priorität bei zwei ausländischen Entscheidungen . . . 451 C. Lösungskonzept . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 451 I. Lösung im Falle des Konflikts von Entscheidungen aus EU-Mitgliedstaaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 452 II. Lösung im Falle des Widerspruchs mit einer Entscheidung aus einem Drittstaat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 452 III. Konflikt mit dem Verbot der Nachprüfung der Zuständigkeit 453

XLII

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4. Abschnitt: Optimierung der Regelungseffizienz . . . . . . . . . . . 455 1. Kapitel: Effizienzbewertung unterschiedlicher Verweisungsformen zwischen verschiedenen Regelungsebenen . . . . . . . . . . . . . . 455 §  1 Ausdrückliche Verweisung auf ein Übereinkommen im Vergleich zur Übernahme des Übereinkommenstextes . . . . . . . . . . . . . . . 456 A. Regelungseffizienz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 456 B. Übersichtlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 456 C. Erfordernis der Nachbesserung des Normtextes . . . . . . . . . 457 D. Kein Nachteil hinsichtlich der Motivation (noch) nicht teilnehmender Mitgliedstaaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . 458 E. Keine Auswirkungen auf die Beteiligung des Europäischen Parlaments . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 458 §  2 Effizienz von Formen des Hinweises auf vor- oder nachrangige Übereinkommen in EU-Verordnungen . . . . . . . . . . . . . . . 459 A. Kurzfristiger Aufwand: Verfahrensdauer . . . . . . . . . . . . . 459 B. Langfristiger Erfolg: Übersichtlichkeit für den Rechtsanwender . 460 2. Kapitel: Steigerung der Übersichtlichkeit von nationalen Spezifikationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 461 §  1 Höhere Übersichtlichkeit durch Kataloge nationaler Ausfüllungsnormen bei Öffnungsklauseln des EU-Kollisionsrechts 461 §  2 Höhere Übersichtlichkeit durch Kataloge nationaler Spezifikationen des Herkunftslandes bei EU-Kollisionsrecht . . . . . . . . . . . . 463 A. Beispiele für Verweisungen auf Normenkataloge . . . . . . . . 463 B. Erweiterung der Nutzung von Normenkatalogen zur besseren Verwirklichung von Koordinationsmethoden . . . . . . . . . . . 465 3. Kapitel: Erweiterte Anwendung von Günstigkeitsvergleich und Rechtswahlbeschränkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 466 §  1 Vergleichbarkeit von Mieter und sozial schwächerem Ehepartner mit Verbraucher und Arbeitnehmer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 466 A. Schutzbedürftigkeit von Personengruppen beim Günstigkeitsvergleich: Verbraucher und Arbeitnehmer . . . . . . 467 B. Allgemeine Schutzbedürftigkeit bei Rechtswahlbeschränkung: Der Versicherungsnehmer bei Masserisiken und die zu befördernde Person bei Personenbeförderungsverträgen . . . . . . . . . . . . 468 C. Allgemeine Schutzbedürftigkeit des Mieters: Vertragszwang und sog. strukturelles Ungleichgewicht . . . . . . . . . . . . . . . . 468

Inhaltsverzeichnis

XLIII

D. Allgemeine Schutzbedürftigkeit eines sozial schwächeren Ehepartners . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 469 I. Ausgangssituation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 469 II. Referenzperson . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 470 §  2 Konkrete Schutzbedürftigkeit aufgrund fehlenden Schutzes durch andere Koordinationsmethoden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 471 A. Die Situation von Verbraucher und Arbeitnehmer . . . . . . . . 471 B. Der Versicherungsnehmer und die zu befördernde Person bei Personenbeförderungsverträgen . . . . . . . . . . . . . . . . . 472 I. Versicherungsnehmer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 472 II. Die zu befördernde Person bei Personenbeförderungsverträgen 473 C. Die Situation des Mieters bei Vermietung unbeweglicher Sachen 473 D. Der sozial schwächere Ehepartner . . . . . . . . . . . . . . . . 475 I. Güterrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 475 II. Unterhalts- und Scheidungskollisionsrecht sowie ­Güterkollisionsrecht eingetragener Partnerschaften . . . . . 476 §  3 Lösungsansätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 477 A. Der sozial schwächere Ehepartner . . . . . . . . . . . . . . . . 477 B. Kombination von Günstigkeitsvergleich und Rechtswahlbeschränkung im Verbraucher- und Arbeitnehmerrecht 478 I. Individualarbeitsverträge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 478 1. Vorteile . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 478 2. Nachteile . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 478 II. Verbraucherverträge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 479 1. Vorteile . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 479 2. Nachteile . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 480 C. Der Versicherungsnehmer und die zu befördernde Person bei Personenbeförderungsverträgen . . . . . . . . . . . . . . . . . 481 D. Mieter bei Vermietung unbeweglicher Sachen . . . . . . . . . . 482 I. Erweiterung des Günstigkeitsvergleichs . . . . . . . . . . . 482 II. Rechtswahlbeschränkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 483 Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 485 Teil 1 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 485 §  1 Vorrangkoordination . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 485 §  2 Inhaltskoordination . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 487 §  3 Die inhaltliche Beeinflussung des anwendbaren Rechts durch bestimmte ausländische Sachrechtsnormen als Mischbereich . . . . 491

XLIV

Inhaltsverzeichnis

Teil 2 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 492 §  1 Erhöhung des kollisionsrechtlichen Bestimmtheitsniveaus von Regelungen und durch Regelungen . . . . . . . . . . . . . . . 492 §  2 Optimierung der legislativen Differenzierung sowie Erhöhung der Flexibilität bei der Normanwendung . . . . . 494 §  3 Verfolgung einer konsequenten Verbindung von Regelungsinhalt und Regelungszweck . . . . . . . . . . . . . 497 §  4 Optimierung der Regelungseffizienz . . . . . . . . . . . . . . . . . 499 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 501 Sachverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 525

Abkürzungsverzeichnis a. A. andere Ansicht a. E. am Ende a. F. alte Fassung ABGB Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch ABl. Amtsblatt Abs. Absatz ACP Archiv für die civilistische Praxis AEntG Arbeitnehmer-Entsendegesetz AETR Accord Européen sur les Transports Routiers AEUV Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union AG Aktiengesellschaft allg. M. allgemeine Meinung ÄndVO Änderungsverordnung Art. Artikel AUG Auslandsunterhaltsgesetz AVAG Gesetz zur Ausführung zwischenstaatlicher Verträge und zur Durchführung von Verordnungen und Abkommen der Europäischen Gemeinschaft auf dem Gebiet der Anerkennung und Vollstreckung in Zivil- und Handelssachen (Anerkennungs- und Vollstreckungsausführungsgesetz) BAG Bundesarbeitsgericht BayObLG Bayerisches Oberstes Landesgericht BayObLGZ Entscheidungen des Bayerischen Obersten Landesgerichts in Zivilsachen BB Betriebsberater BeckOGK Beck‘scher Online-Großkommentar BeckOK Beck‘scher Online-Kommentar BeckRS Beck-Rechtsprechung Begr. Begründer/Begründung Beschl. Beschluss BeurkG Beurkundungsgesetz BGB Bürgerliches Gesetzbuch BGBl. Bundesgesetzblatt BGH Bundesgerichtshof BGHZ Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Zivilsachen BKR Zeitschrift für Bank- und Kapitalmarktrecht BLJ Bucerius Law Journal Brüssel I-VO Verordnung (EG) Nr.  44/2001 des Rates über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen Brüssel Ia-VO Verordnung (EU) Nr.  1215/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen

XLVI Brüssel IIa-VO

Abkürzungsverzeichnis

Verordnung (EG) Nr.  2201/2003 des Rates über die Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Ehesachen und in Verfahren betreffend die elterliche Verantwortung und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr.  1347/2000 bspw. beispielsweise BT-Drs. Bundestagsdrucksache BVerfGG Bundesverfassungsgerichtsgesetz bzgl. bezüglich bzw. beziehungsweise C Communications et informations cass. Cassation Cass. Civ. Cour de cassation, chambre civile CISG United Nations Convention on Contracts for the International Sale of Goods CJEL Columbia Journal of European Law CMLR Common Law Market Review CMR Convention relative au contrat de transport international de Marchan­ dises par Route CPC Code de Procédure Civile d. h. das heißt DCFR Draft Common Frame of Reference Diss. Dissertation DNotZ Deutsche Notar-Zeitschrift DUW Deutsches Universalwörterbuch EBLR European Business Law Review EEA Einheitliche Europäische Akte EFTA Europäische Freihandelsassoziation EG Europäische Gemeinschaft EGBGB Einführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuche EGBVO Verordnung (EG) Nr.  1206/2001 des Rates über die Zusammenarbeit zwischen den Gerichten der Mitgliedstaaten auf dem Gebiet der Beweisaufnahme in Zivil- und Handelssachen EGV Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft Einl. Einleitung EJIL The European Journal of International Law EMRK Europäische Menschenrechtskonvention endg. endgültig EPLJ European Property Law Journal EU Europäische Union EuErbVO Verordnung (EU) Nr.  650/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates über die Zuständigkeit, das anzuwendende Recht, die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen und die Annahme und Vollstreckung öffentlicher Urkunden in Erbsachen sowie zur Einführung eines Europäischen Nachlasszeugnisses EuGH Europäischer Gerichtshof EuGüterVO Verordnung (EU) 2016/1103 des Rates zur Durchführung einer Verstärkten Zusammenarbeit im Bereich der Zuständigkeit, des

Abkürzungsverzeichnis

XLVII

anzuwendenden Rechts und der Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Fragen des ehelichen Güterstands EuGVÜ Europäisches Übereinkommen über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handels­ sachen EuInsVO Verordnung (EG) Nr.  1346/2000 des Rates über Insolvenzverfahren vom 29. Mai 2000, Neufassung: Verordnung (EU) 2015/848 des Europäischen Parlaments und des Rates über Insolvenzverfahren vom 20. Mai 2015 EuIPR Europäisches Internationales Privatrecht EuKaufVO Verordnung (EU) des Europäischen Parlaments und des Rates über ein Gemeinsames Europäisches Kaufrecht (Vorschlag, nicht in Kraft getreten) EuLF European Legal Forum EuMVVO Verordnung (EG) Nr.  1896/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates zur Einführung eines Europäischen Mahnverfahrens EuPartVO Verordnung (EU) 2016/1104 des Rates zur Durchführung der Verstärkten Zusammenarbeit im Bereich der Zuständigkeit, des anzuwendenden Rechts und der Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Fragen güterrechtlicher Wirkungen eingetragener Partnerschaften EuR Europarecht EuUnthVO Verordnung (EG) Nr.  4/2009 des Rates über die Zuständigkeit, das anwendbare Recht, die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen und die Zusammenarbeit in Unterhaltssachen EuVTVO Verordnung (EG) Nr.  805/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates zur Einführung eines europäischen Vollstreckungstitels für unbestrittene Forderungen EuZPR Europäisches Zivilprozessrecht EuZVO Verordnung (EG) Nr.  1393/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates über die Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schrift­ stücke in Zivil- oder Handelssachen in den Mitgliedstaaten („Zustellung von Schriftstücken“) und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr.  1348/2000 des Rates EuZVR Europäisches Zivilverfahrensrecht EuZW Europäische Zeitschrift für Wirtschaftsrecht EVÜ Europäisches Übereinkommen über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht EWG Europäische Wirtschaftsgemeinschaft EWGV Vertrag über die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft EWR Europäischer Wirtschaftsraum EWS Europäisches Wirtschafts- und Steuerrecht EWSA Europäischer Wirtschafts- und Sozialausschuss f., ff. folgende FamFG Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegen­ heiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit FamRZ Zeitschrift für das gesamte Familienrecht Fn. Fußnote FPR Familie, Partnerschaft, Recht FS Festschrift

XLVIII

Abkürzungsverzeichnis

G Gesetz GBO Grundbuchordnung GEK Gemeinsames Europäisches Kaufrecht GG Grundgesetz ggf. gegebenenfalls GMVO Gemeinschaftsmarkenverordnung GoA Geschäftsführung ohne Auftrag GPR Zeitschrift für das Privatrecht der Europäischen Union GRCh Grundrechte-Charta GRUR Int Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht, Internationaler Teil GVG Gerichtsverfassungsgesetz h. M. herrschende Meinung Habil.-Schr. Habilitationsschrift HErbrechtsÜ Haager Erbrechtsübereinkommen HGÜ Haager Gerichtsstandsübereinkommen HProdHÜ Haager Produkthaftungsübereinkommen Hrsg. Herausgeber Hs. Halbsatz HStrVÜ Haager Straßenverkehrsübereinkommen HTestformÜ Haager Testamentsformübereinkommen HÜ Haager Übereinkommen HÜ 1955 Haager Übereinkommen betreffend das auf internationale Kaufverträge über bewegliche körperliche Sachen anzuwendende Recht HUP 2007 Haager Protokoll über das auf Unterhaltspflichten anzuwendende Recht vom 23.11.2007 HUÜ 2007 Haager Unterhaltsübereinkommen vom 23.11.2007 HZÜ Haager Übereinkommen über die Zustellung gerichtlicher und außer­ gerichtlicher Schriftstücke im Ausland in Zivil- und Handelssachen I.C.J. Rep. International Court of Justice, Reports of Judgments, Advisory Opinions and Orders IGH Internationaler Gerichtshof IntErbRVG Internationales Erbrechtsverfahrensgesetz IntFamRVG Internationales Familienverfahrensgesetz IPR Internationales Privatrecht IPRax Praxis des Internationalen Privat- und Verfahrensrechts IPRG Gesetz über das Internationale Privatrecht IPRspr. Die deutsche Rechtsprechung auf dem Gebiete des Internationalen Privatrechts i. S. d. im Sinne des/der i. S. v. im Sinne von i. V. m. in Verbindung mit IZVR Internationales Zivilverfahrensrecht JBl. Juristische Blätter JJZRW Jahrbuch Junger Zivilrechtswissenschaftler JPIL Journal of Private International Law jurisPK juris Praxiskommentar JZ Juristenzeitung Kfz Kraftfahrzeug

Abkürzungsverzeichnis

XLIX

KOM (Europäische) Kommission KSchG Kündigungsschutzgesetz L Loi LG Landgericht lit. littera LugÜ Lugano-Übereinkommen m. E. meines Erachtens MittBayNot Mitteilungen des Bayerischen Notarvereins MüKoBGB Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch MüKoBGB4 Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch (4.  Auflage) MüKoBGB5 Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch (5.  Auflage) MüKoZPO Münchener Kommentar zur Zivilprozessordnung MüKoZPO4 Münchener Kommentar zur Zivilprozessordnung (4.  Auflage) m. w. N. mit weiteren Nachweisen n. F. neue Fassung NJW Neue Juristische Wochenschrift Nr. Nummer NZG Neue Zeitschrift für Gesellschaftsrecht OGH Oberster Gerichtshof (Österreich) OLG Oberlandesgericht OR Obligationenrecht PEL Acq. Own. Principles of European Law – Acquisition and Loss of Ownership of Goods PEL Benevolent Principles of European Law – Benevolent Intervention in Another‘s   Intervention Affairs PEL CAFDC Principles of European Law – Commercial Agency, Franchise and Distribution Contracts PEL LG Principles of European Law – Lease of Goods PEL Liab. Dam. Principles of European Law – Contractual Liability Arising out of Damage Caused to Another PEL MC Principles of European Law – Mandate Contracts PEL Pers. Sec. Principles of European Law – Personal Security PEL Prop. Sec. Principles of European Law – Property Security in Movable Assets PEL S Principles of European Law – Sales PEL Unj. Enr. Principles of European Law – Unjust Enrichment PIL Private International Law RabelsZ Rabels Zeitschrift für ausländisches und internationales Privatrecht Rdn. Randnummer RegE Regierungsentwurf RETTID Retvidenskabeligt Tidsskrift Rev. Crit. D.I.P Revue Critique de Droit International Privé RG Reichsgericht RGZ Entscheidungen des Reichsgerichts in Zivilsachen RIW Recht der Internationalen Wirtschaft Rom  I-VO Verordnung (EG) Nr.  593/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht Rom  II-VO Verordnung (EG) Nr.  864/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates über das auf außervertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht

L Rom  III-VO

Abkürzungsverzeichnis

Verordnung (EU) Nr.  1259/2010 des Rates zur Durchführung einer Verstärkten Zusammenarbeit im Bereich des auf die Ehescheidung und Trennung ohne Auflösung des Ehebandes anzuwendenden Rechts S. Satz (bei Rechtsnormen), Seite SE Societas Europaea SE-VO Verordnung (EG) Nr.  2157/2001 des Rates über das Statut der Europäischen Gesellschaft (SE) Slg. Sammlung sog. sogenannt(e) Spstr. Spiegelstrich StGB Strafgesetzbuch SZIER Schweizerische Zeitschrift für internationales und europäisches Recht TranspR Transportrecht u. a. unter anderem u. U. unter Umständen UAbs. Unterabsatz UN Vereinte Nationen (United Nations) UNCITRAL United Nations Commission on International Trade Law UNIDROIT Institut international pour l’unification du droit privé Univ. Universität Urt. v. Urteil vom USA Vereinigte Staaten von Amerika v. versus (in Urteilsnamen), von V-Brüssel I-VO Vorschlag für eine Verordnung (EG) des Rates über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen VersR Versicherungsrecht V-EuErbVO Vorschlag für eine Verordnung (EG) des Europäischen Parlaments und des Rates über die Zuständigkeit, das anzuwendende Recht, die Anerkennung und die Vollstreckung von Entscheidungen und öffentlichen Urkunden in Erbsachen sowie zur Einführung eines Europäischen Nachlasszeugnisses V-EuGüterVO Vorschlag für eine Verordnung (EU) des Rates über die Zuständigkeit, das anzuwendende Recht, die Anerkennung und die Vollstreckung von Entscheidungen im Bereich des Ehegüterrechts V-EuPartVO Vorschlag für eine Verordnung (EU) des Rates über die Zuständigkeit, das anzuwendende Recht, die Anerkennung und die Vollstreckung von Entscheidungen im Bereich des Güterrechts eingetragener Partnerschaften V-EuUnthVO Vorschlag für eine Verordnung des Rates über die Zuständigkeit, das anwendbare Recht, die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen und die Zusammenarbeit in Unterhaltssachen vgl. vergleiche VO Verordnung Versäumnisurt. Versäumnisurteil Vorbem. Vorbemerkungen WVRK Wiener Vertragsrechtskonvention Yb. PIL Yearbook of Private International Law z. B. zum Beispiel

Abkürzungsverzeichnis ZEuP ZEV ZfRV

Zeitschrift für Europäisches Privatrecht Zeitschrift für Erbrecht und Vermögensnachfolge Zeitschrift für Europarecht, internationales Privatrecht und Rechts­ vergleichung ZGB Zivilgesetzbuch ZJS Zeitschrift für das juristische Studium ZPO Zivilprozessordnung

LI

Einleitung §  1 Problemstellung Das Eingangszitat von Solomon ist nicht ohne Grund der Leitsatz dieser Arbeit. Rom und Brüssel – und wenn man so will auch Den Haag – zu erbauen, braucht Zeit. In den letzten Jahren ist es allerdings zu einem regelrechten Bauschub ge­ kommen. Nicht nur die Anzahl von Haager Übereinkommen ist gestiegen; auch die neue Brüssel Ia-VO1 hat das EuZPR verändert und die Rom  III-VO2 das Scheidungskollisionsrecht. EuIPR und EuZPR gleichermaßen betreffen die Eu­ UnthVO3 und die EuErbVO4. Zusätzlich ist die Vereinheitlichung des IPR und IZVR in Ehegütersachen sowie in Gütersachen für eingetragene Partnerschaften so weit fortgeschritten, dass aus den jeweiligen Rechtssetzungsvorschlägen5,6 nun­ mehr die EuGüterVO7 und die EuPartVO8 geworden sind. Die EU-Kolli­sions­­ 1 

Verordnung (EU) 1215/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates über die gericht­ liche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen vom 12.12.2012 (ABl. EU 2012 Nr. L 351/1, zuletzt geändert durch Art.  1 ÄndVO (EU) 542/2014 vom 15.5.2014 (ABl. EU 2014 Nr. L 163/1) (im Folgenden: Brüssel Ia-VO). 2  Verordnung (EU) Nr.  1259/2010 des Rates zur Durchführung einer Verstärkten Zusammen­ arbeit im Bereich des auf die Ehescheidung und Trennung ohne Auflösung des Ehebandes anzu­ wendenden Rechts vom 20.12.2010 (ABl. EU 2010 Nr. L 343/10) (im Folgenden: Rom  III-VO). 3  Verordnung (EG) Nr.  4/2009 des Rates über die Zuständigkeit, das anwendbare Recht, die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen und die Zusammenarbeit in Unterhalts­ sachen vom 18.12.2008 (ABl. EU 2009 Nr. L 7/1) (im Folgenden: EuUnthVO). 4  Verordnung (EU) Nr.  650/2012 des europäischen Parlaments und des Rates über die Zu­ ständigkeit, das anzuwendende Recht, die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidun­ gen und die Annahme und Vollstreckung öffentlicher Urkunden in Erbsachen sowie zur Einfüh­ rung eines Europäischen Nachlasszeugnisses vom 4.7.2012 (ABl. EU 2012 Nr. L 201/107) (im Folgenden: EuErbVO). 5  Vorschlag für eine Verordnung (EU) des Rates über die Zuständigkeit, das anzuwendende Recht, die Anerkennung und die Vollstreckung von Entscheidungen im Bereich des Ehegüter­ rechts vom 16.3.2011 (KOM 126 endg.) (im Folgenden: V-EuGüterVO). 6  Vorschlag für eine Verordnung (EU) des Rates über die Zuständigkeit, das anzuwendende Recht, die Anerkennung und die Vollstreckung von Entscheidungen im Bereich des Güterrechts eingetragener Partnerschaften vom 16.3.2011 (KOM 127 endg.) (im Folgenden: V-EuPartVO) 7  Verordnung (EU) 2016/1103 des Rates zur Durchführung einer Verstärkten Zusammenar­ beit im Bereich der Zuständigkeit, des anzuwendenden Rechts und der Anerkennung und Voll­ streckung von Entscheidungen in Fragen des ehelichen Güterstands vom 24.6.2016 (ABl. EU 2016 Nr. L 183/1) (im Folgenden: EuGüterVO). 8  Verordnung (EU) 2016/1104 des Rates zur Durchführung der Verstärkten Zusammenar­

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rechtsakte9 bedürfen ihrerseits in gewissen Punkten mitgliedstaatlicher Durch­ führungsgesetze und beeinflussen u. a. auf diese Weise die nationale Rechts­ setzung. Die Gemengelage von völkervertraglichen, europäischen und nationalen Kollisions- und Verfahrensregeln hat sich stark verdichtet und wird sich mit In­ krafttreten weiterer rechtsvereinheitlichender Verordnungen noch weiter verdich­ ten. Angesichts der Fülle von Rechtsnormen auf den verschiedenen Regelungs­ ebenen – der völkervertraglichen, EU- und nationalen Ebene – stellt sich die Fra­ ge, ob die jeweiligen Normgeber darauf achten, dass diese mit anderen Normen und Rechtsakten auf derselben oder auf einer anderen Ebene koordiniert sind – und wenn das nicht der Fall ist: wie die Koordination verbessert werden kann. Die Fragestellung soll an dieser Stelle anhand zweier Beispiele verdeutlicht werden. Nehmen wir zunächst an, dass der in Frankreich ansässige F im Internet bei der in Italien ansässigen Firma S ein Fahrrad kauft. Eine wirksame Rechtswahl, auf welche die Website ausdrücklich und ausreichend deutlich hinweist, führt zu schweizerischem Recht. Als das Fahrrad bei F ankommt, entspricht es nicht seinen Vorstellungen und er möchte den Vertrag widerrufen.

Da sowohl Italien als auch Frankreich Vertragsstaaten des Haager Übereinkom­ mens über das auf Kaufverträge über bewegliche Sachen anwendbare Recht von 1955 (im Folgenden: HÜ 1955) sind, geht es der Rom  I-VO gemäß Art.  25 Abs.  1 Rom  I-VO vor.10 Im schweizerischen Recht gibt es jedenfalls kein dem EU-Wi­ derrufsrecht bei Fernabsatzverträgen vergleichbares Recht, einen Vertrag zu wi­ derrufen.11 Eine Norm, über welche die Vorschriften der Fernabsatzricht­linie als zwingende Vorschriften einbezogen werden müssten, enthält das Übereinkom­ men nicht. Wegen Art.  25 Rom  I-VO erscheint es nicht möglich, auf Art.  9 Rom  I-VO zurückzugreifen, auf Art.  3 Abs.  4 Rom  I-VO abzustellen oder den in Art.  6 Rom  I-VO („Verbraucherverträge“) enthaltenen Günstigkeitsvergleich he­ ranzuziehen. Somit führt der Vorrang des Übereinkommens dazu, dass im Ver­ hältnis zweier EU-Mitgliedstaaten alle in der EU entwickelten verbraucherschüt­ zenden Normen, die normalerweise in Betracht kämen, nicht wirken können, beit im Bereich der Zuständigkeit, des anzuwendenden Rechts und der Anerkennung und Voll­ streckung von Entscheidungen in Fragen güterrechtlicher Wirkungen eingetragener Partner­ schaften vom 24.6.2016 (ABl. EU 2016 Nr. L 183/30) (im Folgenden: EuPartVO). 9  Auch wenn die Rechtsakte vor dem Inkrafttreten des Vertrages von Lissabon am 1.12.2009 offiziell als Rechtsakte der EG und erst nach diesem Datum als solche der EU bezeichnet wer­ den, werden sie in dieser Arbeit der Einfachheit wegen allesamt als EU-Rechtsakte bezeichnet. 10  Art.  25 Abs.  2 Rom  I-VO ist nicht anwendbar, da mit dem Niger, Norwegen und der Schweiz auch Nicht-EU-Mitgliedstaaten Vertragsstaaten des Übereinkommens sind. Auch ­Dänemark ist Vertragsstaat und gilt wegen Art.  1 Abs.  4 S.  1 Rom  I-VO hier nicht als Mitglied­ staat. 11  Art.  40a–40g OR betreffen nur ein Widerrufsrecht für Haustür- und ähnliche Verträge.

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obwohl sie gerade auch für eine solche Fallgestaltung entwickelt wurden. Die Möglichkeit dieses Ergebnisses darf angesichts des in Art.  169 AEUV enthalte­ nen Ziels eines hohen Verbraucherschutzniveaus nicht bestehen. Die in Art.  25 Rom  I-VO erfolgte Koordination mit internationalen Übereinkommen ist daher fragwürdig. Der Günstigkeitsvergleich selbst offenbart ebenfalls als Hauptdarsteller im Verhältnis zu anderen EU-Kollisionsrechtsakten ein Problem, welches durch fol­ gendes Beispiel angedeutet werden soll:12 Verbraucher V mit gewöhnlichem Aufenthalt in Deutschland kauft von dem in Frankreich ansässigen Unternehmer U per Fernabsatzgeschäft einen Teppich. Der Vertrag unterliegt aufgrund einer als wirksam unterstellten Rechtswahl türkischem Recht. Als V den Teppich in Frankreich erhält, rufen die in ihm enthaltenen Stoffe eine allergische Reaktion bei V hervor, was dem U auch zurechenbar sei.

Da es in diesem Fall zu einer unerlaubten Handlung mit Bezug zu einem Vertrag gekommen ist, würde man an eine akzessorische Anknüpfung des Delikts- an das Vertragsstatut denken. Da es bzgl. des Verbrauchervertrages aber zu einer Rechts­ wahl gekommen ist, wird das subjektive Vertragsstatut (türkisches Recht) durch die zwingenden Verbraucherschutz­vorschriften des objektiven Verbrauchersta­ tuts (deutsches Recht) überlagert. Unklar ist, wie sich das auf die akzessorische Anknüpfung nach Art.  4 Abs.  3 Rom  II-­VO auswirkt. Mit den hier angedeuteten Problemen ist der Zentralbegriff dieser Arbeit ange­ sprochen – die Koordination. Dieser Begriff und seine Bedeutung für diese Ar­ beit sollen nunmehr vorgestellt werden.

§  2 Koordinationsbegriff und Gedankengang der Arbeit Nach einer ersten Annäherung an den Koordinationsbegriff (dazu A.) wird der Gedankengang des Hauptteils der Arbeit dargestellt. Der Hauptteil enthält zwei Teile. Im ersten Teil werden die verschiedenen Koordinationsmethoden analy­ siert (dazu B.); im zweiten Teil werden aus der Lösung einzelner Koordinations­ probleme allgemeine Grundsätze zur Optimierung der Koordination im IPR und IZVR abgeleitet (dazu C.). Die Zusammenfassung ist schließlich absichtlich et­ was ausführlicher gestaltet, um dem Leser einen möglichst kompletten Über­ blick über die Arbeit zu bieten.

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Siehe näher zu diesem Problem unten S. 401.

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A. Eine betriebswirtschaftliche Annäherung an den Koordinationsbegriff Der Begriff der Koordination stellt an sich keinen genuinen Rechtsbegriff dar, sondern taucht in verschiedenen, auch nicht-juristischen Sachbereichen auf. Ausgangspunkt ist daher das allgemeine Verständnis von Koordination. Danach ist Koordinieren ein Vorgang, bei dem verschiedene Vorgänge aufeinander abge­ stimmt, miteinander in Einklang gebracht werden.13 Eine erste Annäherung kann durch ein allgemein betriebswirtschaftliches Beispiel erzielt werden. Wenn z. B. ein Unternehmen einen Arbeiter beschäftigt und später einen weiteren Arbeiter anstellt, verspricht es sich davon einen Produktionszuwachs.14 Wenn aber z. B. bei der Produktion eines Kfz der eine Arbeiter die Räder an- und der andere die Räder wieder abmontiert, läuft die Produktion nicht weiter. Das gleiche gilt, wenn die Abteilung, die für die Herstellung des Motors zuständig ist, nicht da­ rauf achtet, wie groß der Motorraum des Autos geplant ist, und dann einen zu großen Motor herstellt – die fehlende oder schlechte Koordination der Tätig­ keiten der Arbeiter durch den Produktionsleiter führt also dazu, dass das Ziel des Produktionszuwachses von fahrtüchtigen und sicheren Autos verfehlt wird; im Gegenteil wird die Produktion zum Erliegen kommen.

B. Ableitung der Analysekriterien Aus diesem Produktionsbeispiel wie auch aus den oben in §  1 dargestellten rechtlichen Konstellationen lässt sich zum einen ableiten, dass es zwei unter­ schiedliche Formen von Koordination gibt bzw. geben muss, nach denen sich der erste Teil vorrangig gliedert: die Vorrang- und die Inhaltskoordination (dazu I.). Zum anderen ergeben sich aus dem Produktionsbeispiel Kriterien, welche die Koordination allgemein beschreiben; sie können daher als Mittel zur Analyse der einzelnen Koordinationsmethoden genutzt werden (dazu II.). I. Die beiden Hauptformen der Koordination in dieser Arbeit Die beiden in dieser Arbeit analysierten Koordinationsformen beinhalten die Vorrang- und Inhaltskoordination. Wie wichtig eine sachgerechte Vorrangkoordi­ nation ist, zeigt sich zunächst bei den Abstimmungsproblemen zwischen Moto­ renwerk und Karosseriedesign: Der Motorraum muss zur Größe des Motors pas­ sen – und es muss klar sein, wer die Größe bestimmt. Übertragen auf die Rechtswissenschaft zeigt sich ebenfalls ein Bedürfnis für eine klare Regelung 13  14 

Kunkel-Razum/Scholze-Stubenrecht/Wermke, DUW, S.  1001. Vgl. Mankiw/Taylor, Grundzüge der Volkswirtschaftslehre, S.  330 f.

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des Vorrangverhältnisses von Rechtsakten zweier verschiedener Regelungsebe­ nen sowie innerhalb ein und derselben Regelungsebene. Der Fall oben in §  1 über den Fahrradkauf im Internet deutet bereits an, dass die Vorrangkoordination zwischen völkervertraglichen Kollisionsrechtsübereinkommen und EU-Kollisi­ onsrecht der Verbesserung bedarf. Die Bedeutung einer sachgerechten Inhaltskoordination ist ebenfalls deutlich geworden: Wenn der eine Arbeiter die Räder ans Auto montiert, ist es natürlich sinnlos, wenn die Arbeit des anderen Arbeiters darin besteht, diese wieder abzu­ montieren. Hier müssen die Arbeitsinhalte aufeinander abgestimmt sein. Die Be­ deutung für die rechtliche Diskussion deutet sich bereits im Beispiel des Tep­ pichkaufs oben in §  1 an – die inhaltliche Abstimmung von Günstigkeitsvergleich in Art.  6 Rom  I-VO und akzessorischer Anknüpfung in Art.  4 Abs.  3 Rom  I-VO ist möglicherweise nicht optimal. Bei der Lektüre des ersten Teils wird dem Leser die nicht geringe Zahl von Mechanismen des IPR und IZVR auffallen, die in dieser Arbeit als Koordinations­ methoden angesehen werden. Vorauseilend möchte ich dem Kritikpunkt einer hypertrophen Darstellungsweise jedoch entgegnen, dass es gerade darum ging, die Koordinationsmethoden so umfassend wie möglich – freilich ohne Anspruch auf Vollständigkeit – darzustellen, um dem Leser die Dimension der Koordina­ tion in IPR und IZVR deutlich zu machen. Aus diesem Fundus von Koordina­ tionsmethoden ist es dann auch einfacher, eine hinreichend große Zahl von Koordinations­problemen für den zweiten Teil abzuleiten, um eine geeignete Grundlage für die Herleitung von Optimierungsprinzipien zu schaffen. Gleich­ zeitig dient die zuweilen breitere Darstellung der Koordinationsmethoden dem Ziel, deren Entwicklung auch mit Blick auf die neueren Rechtsakte des EuIPR und EuZPR zu würdigen. II. Die Analysekriterien der einzelnen Koordinationsmethoden Das betriebswirtschaftliche Beispiel des Produktionsprozesses hat gezeigt, dass die Untersuchung der Koordination über verschiedene Koordinationscharakte­ ristika führen kann: den Gegenstand der Koordination (im Einführungsbeispiel der Produktionsablauf) (dazu 1.), die Methoden der Koordination (im Einfüh­ rungsbeispiel die Abstimmung der Arbeitsabläufe durch Zuweisung von Auf­ gaben an die Arbeiter) (dazu 2.), die Ziele, die mit der jeweiligen Koordinations­ methode verfolgt werden (im Einführungsbeispiel das Ziel, dass die Monteure nicht gegeneinander arbeiten und dadurch ein Produktionszuwachs erzielt wird) (dazu 3.), und schließlich die Koordinationsakteure (im Einführungsbeispiel das Unternehmen bzw. der verantwortliche Produktionsleiter) (dazu 4.). Die Reihen­ folge, in welcher die Bestandteile vorgestellt werden, beschreibt zugleich die

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Reihenfolge der Gedankenschritte, mit denen im ersten Teil die Koordinations­ methoden herausgearbeitet und analysiert werden. Um dem Leser bereits vor Lektüre des ersten Teils zu zeigen, wie diese Ober­ begriffe im rechtlichen Zusammenhang aussehen, sollen sie bereits an dieser Stelle mit Leben gefüllt werden. 1. Koordinationsgegenstände und Regelungsebenen Was die Koordinationsgegenstände betrifft, bilden den wesentlichen Gegenstand dieser Arbeit die Methoden zur Vorrang- und Inhaltskoordination von Normen des IPR und IZVR (dazu a). Sachrechtsnormen werden als Koordinationsgegen­ stand dagegen eine vergleichsweise untergeordnete Bedeutung haben (dazu b). a) Rechtsnormen des IPR und IZVR aa) Eingrenzung der Arbeit hinsichtlich der Koordinationsgegenstände Den Hauptkoordinationsgegenstand dieser Arbeit bilden die Normen des IPR und IZVR. Dies betrifft sowohl die Vorrang- als auch die Inhaltskoordination. Bei den Normen des IPR geht es dabei lediglich um die Koordination von Kolli­ sionsnormen, nicht dagegen um materielles Einheitsrecht, wie es etwa im CISG15 oder dem CMR16 enthalten ist. Im IZVR wird sich die Darstellung dieser Arbeit auf Gerichtsstandnormen, Normen über im Zusammenhang stehende Verfahren sowie die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Entscheidungen beschränken. Nicht behandelt werden in dieser Arbeit Normen, die ebenfalls als Koordinationsnormen angese­ hen werden können, welche die Kooperation zwischen Gerichten im internatio­ nalen Rechtsverkehr regeln. Dies betrifft z. B. Kapitel IV der Brüssel IIa-VO mit den dortigen Art.  53 ff. Die Bandbreite der zu koordinierenden Rechtsnormen soll im Folgenden über­ blicksartig zusammengefasst werden. bb) Die Koordinationsgegenstände und Regelungsebenen im IPR und IZVR – Ein Überblick Das Problem, Normen des IPR und IZVR auf einer Normebene zu koordinieren bzw. verschiedene solcher Ebenen miteinander zu koordinieren, entstand zusam­ 15  Wiener UN-Übereinkommen über Verträge über den internationalen Warenkauf vom 11.4.1980 (BGBl. 1989 II, S.  588) mit 83 Vertragsstaaten. 16  Genfer Übereinkommen über den Beförderungsvertrag im internationalen Straßengüter­ verkehr vom 19.5.1956 (BGBl. 1961 II, S.  1120) mit 55 Vertragsstaaten (siehe Jayme/Hausmann, Nr.  153, Fn.  1).

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men mit der Herausbildung der Ebenen. Mit Blick auf die historische Entwick­ lung der Kollisionsrechtsebenen zeigt sich, dass sich die nationale (dazu (1)) und die staatsvertragliche Ebene (dazu (2)) gleichzeitig herausgebildet haben, sich jedoch in unterschiedlicher Weise und mit unterschiedlicher Intensität den ver­ schiedenen Aspekten des IPR und IZVR gewidmet haben. Zeitlich die letzte ­Phase bildet bislang die Herausbildung der europäischen Ebene im Rahmen von EWG/EG bzw. EU (dazu (3)). (1) Internationales Privat- und Verfahrensrecht als nationales Recht Umfassende Regelungen zum IPR bzw. ein umfassender Kanon von Prinzipien für alle Rechtsbereiche fanden sich zunächst im nationalen Recht. Im deutschen Recht trat das EGBGB am 1.1.1900 in Kraft und mit ihm Kollisionsregeln, die zu allen Rechtsbereichen des Bürgerlichen Gesetzbuches Kollisionsregeln enthielten. Im Streit zwischen internationalistischer bzw. universalistischer und nationalistischer bzw. autonomistischer Auffassung17 war bis ins 20. Jahrhundert hinein der Gedanke, das IPR national aufzufassen18; bezeichnend hierfür sind u. a. die einseitigen Kollisionsnormen in Art.  3 Code civil und im EGBGB bis zu dessen tiefgreifender Reform im Jahre 198619. Das common law beruht dagegen von Natur aus tendenziell nicht auf geschriebenen Regelungen, sondern auf Rechtsprechung.20 Erst in jüngerer Zeit sind Gesetze erlassen worden, auch sol­ che, die Kollisionsrecht beinhalten.21 Dagegen gab es jedenfalls im deutschen Recht nur wenige spezielle Regelun­ gen zum IZVR, und sie sind dort auch heute noch außerhalb des EuZVR in der ZPO nicht vertreten, wo man sich mit der Doppelfunktionalität der örtlichen Ge­ richtsstandregeln behilft.22 Anders ist es im FamFG vom 17.12.2008, in dessen §§  98 ff. Regelungen zur internationalen Zuständigkeit enthalten sind. (2) Internationales Privat- und Verfahrensrecht als Völkervertragsrecht Im Bereich der völkerrechtlichen Verträge gab es die Haager Konferenz für In­ter­ nationales Privatrecht bereits seit 1893. Sie brachte bereits Anfang des 20. Jahr­ 17 

Siehe dazu Kegel/Schurig, IPR, §  3 X, XI.1a. Rauscher, IPR, Rdn.  171 f. 19  Siehe zu dieser Reform ausführlich v. Hoffmann/Thorn, IPR, §  1, Rdn.  134 f. 20  Vgl. Cheshire/North/Fawcett/Carruthers, PIL, S.  20–37 und deren Referenzen zur Recht­sprechung, ohne explizit Normen zu erwähnen. 21  Siehe z. B. den Civil Jurisdiction and Judgements Act von 1982; siehe auch unten S. 209 sowie S. 229. 22  BGH, Urt. v. 20.5.1981 – VIII ZR 270/80, NJW 1981, 2642. Dazu auch unten S. 11 und S. 133. 18 

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hunderts einige internationale Übereinkommen zu Tage. Diese beschränkten sich thematisch jedoch im Wesentlichen auf das internationale Ehe- und Kindschafts­ recht sowie das Zivilprozessrecht.23 Aufgrund dieser thematischen Begrenzung mussten bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts die anderen Rechtsbereiche durch das nationale Kollisionsrecht bestimmt werden. Eine Zäsur lässt sich mit Inkrafttreten des Übereinkommens betreffend das auf internationale Kaufverträge über bewegliche Sachen anwendbare Recht vom 15.6.195524 erkennen. Mit diesem Übereinkommen verließ die Haager Konven­ tion die genannte thematische Enge und erweiterte das Spektrum auf die interna­ tionalen Handelsbeziehungen. Auch in der Folge wurde mit dem Haager Über­ einkommen über das auf die Form letztwilliger Verfügungen anzuwendende Recht vom 5.10.196125 und dem Haager Übereinkommen über das auf Unter­ haltspflichten anzuwendende Recht vom 2.10.197326 der Regelungsbereich der Haager Übereinkommen erweitert; er befindet sich auch in heutiger Zeit unter konstanter Überarbeitung und Erweiterung. Das genannte HUÜ 1973 ist durch das Haager Protokoll über das auf Unterhaltspflichten anzuwendende Recht vom 23.11.200727 ersetzt worden; hinzugekommen sind zudem das Haager Überein­ kommen über Gerichtsstandvereinbarungen vom 30.6.200528 und das Haager Übereinkommen über die internationale Geltendmachung der Unterhaltsansprü­ che von Kindern und anderen Familienangehörigen vom 23.11.200729. Damit lässt sich der 15.6.1955 als eine Zäsur identifizieren, nach der die Haager Über­ einkommen die zuvor vom nationalen IPR beherrschten Bereiche zunehmend übernommen haben.

23  IPR: Convention of 12 June 1902 relating to the settlement of the conflict of the laws concerning marriage; Convention of 12 June 1902 relating to the settlement of the conflict of laws and jurisdictions as regards to divorce and separation; Convention of 12 June 1902 relat­ing to the settlement of guardianship of minors; Convention of 17 July 1905 relating to conflicts of laws with regard to the effects of marriage on the rights and duties of the spouses in their per­ sonal relationship and with regard to their estates; IZVR: Convention of 17 July 1905 relat­ing to civil procedure (siehe dazu ; zuletzt aufgerufen am 13.2.2016). 24  Siehe den Text unter (zuletzt aufgerufen am 29.3.2015). 25  BGBl. 1965 II, S.  1145. Im Folgenden: HTestformÜ. 26  BGBl. 1986 II, S.  837. 27  ABl. EU 2009 Nr. L 331/19. Im Folgenden: HUP 2007. 28  ABl. EU 2009 Nr. L 133/3. Im Folgenden: HGÜ. 29  ABl. EU 2011 Nr. L 192/51. Im Folgenden: HUÜ 2007.

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(3) Internationales Privatrecht europäischer Herkunft (a) Europäisches Kollisionsrecht auf staatsvertraglicher Basis Eine weitere Zäsur in der Entwicklung von IPR und IZVR stellt das EuGVÜ vom 27.9.1968 dar. Es ist das erste bedeutende Übereinkommen, das zwischen den Staaten der damaligen EWG abgeschlossen wurde. Es markiert damit zu­ gleich den ersten Schritt hin zu einer Harmonisierung von IPR und IZVR inner­ halb der Europäischen Gemeinschaft. Der EWG-Vertrag enthielt jedoch nicht die heute bekannten Kompetenzvor­ schriften zum Erlass von Harmonisierungsverordnungen. Vielmehr war die ein­ zige Stütze für Harmonisierungstätigkeiten der EWG Art.  220 EWGV, der je­ doch keine Rechtsgrundlage für die Vereinheitlichung von Kollisionsrecht enthielt. Daher war die Einordnung des EuGVÜ auch umstritten. Einerseits wur­ de sie als „primäres, jedenfalls aber als sekundäres Gemeinschaftsrecht“30 an­ gesehen. Nach anderer Ansicht handelte es sich um einen normalen völkerrecht­ lichen Vertrag, der nicht von vornherein Vorrang vor dem nationalen Recht habe;31 wegen des Grundsatzes der völkerrechtsfreundlichen Auslegung des nationalen Rechts ergaben sich jedoch nach dieser Ansicht keine Unterschiede.32 (b) Europäisches Kollisionsrecht neuer Form Noch vor den Kompetenzgrundlagen in Art.  81 AEUV des Vertrags von Lissabon erhielten die Art.  61 ff. sowie 293 EGV mit dem Vertrag von Amsterdam Einzug in das Recht der EU. Sie bildeten bis zum Inkrafttreten des Vertrags von Lissa­ bon am 1.12.2009 die Kompetenzgrundlage für die Harmonisierung von EuIPR und EuZVR. Auf dieser rechtlichen Grundlage beruhen u. a. die Brüssel I-VO, die Brüssel IIa-VO sowie die Verordnungen Rom  I, Rom  II und die EuUnthVO. Auf den Kompetenzregeln des AEUV beruhen bereits die Brüssel Ia-VO, die EuErbVO sowie die Rom  III-VO. In ihren jeweiligen Anwendungsbereichen er­ gibt sich eine Konkurrenz mit staatsvertraglichen IPR- und IZVR-Rechtsakten.33 In diesem Zusammenhang ist eine redaktionelle Eigenheit dieser Arbeit anzu­ sprechen. Während ihrer Erstellung hat es diverse Veränderungen im europäi­ schen IPR und IZVR gegeben, indem nicht nur die EuGüterVO und EuPartVO in Kraft getreten sind, sondern auch die Brüssel Ia-VO die Brüssel I-VO ersetzt hat. Um eine die Lektüre erschwerende Doppelung der wortidentischen Vor­ 30  Formulierung von Geimer/Schütze1, Einl., Rdn.  13; vertreten von Schlosser, RIW 1983, 473, 475; Baumgärtel, FS Kegel (1977), 285, 286. 31  Heß, IPRax 1994, 10, 13; Kropholler5, Einl., Rdn.  12. 32  Geimer/Schütze1, Einl., Rdn.  13; Kropholler, Einl., Rdn.  13. 33  Siehe dazu 1.  Teil, 1.  Abschnitt, 4.  Kapitel, §  2.

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schriften von Brüssel I-VO und Brüssel Ia-VO zu vermeiden, werden sich in dieser Arbeit im Grundsatz nur die Vorschriften der Brüssel Ia-VO finden. Ledig­ lich an denjenigen Stellen, an denen es aus inhaltlichen Gründen notwendig ist, wird auch die jeweilige Vorschrift der Brüssel I-VO genannt sein. b) Sachrechtsnormen als Koordinationsgegenstand Sachrechtsnormen spielen in den Koordinationsmethoden, die dieser Arbeit zu­ grunde liegen, dagegen eine kleinere Rolle. Im IPR werden sie vornehmlich im Rahmen der Vorrangkoordination wie z. B. dem Günstigkeitsvergleich relevant, wenn sie aufgrund kollisionsrechtlicher Rechtsinstitute vor den Sachrechtsnor­ men anderer Rechtsordnungen Anwendung finden, im Rahmen der Substitution jedoch auch als Inhaltskoordination. Auch der materiellen Erbrechtsnorm Art.  32 EuErbVO34 soll in dieser Arbeit im Rahmen der Darstellung der Koordinations­ methoden keine eigenständige Rolle zukommen; sie wird jedoch im Zusammen­ hang mit demjenigen Koordinationsproblem anzusprechen sein, zu dessen Lö­ sung sie geschaffen wurde.35 Im IZVR haben nationale Verfahrensnormen generell keine große Bedeutung, werden jedoch sowohl als Inhaltskoordination als auch – im Rahmen der An­ erkennung und Vollstreckung als Bestandteil des verfahrensrechtlichen ordre public – als Vorrangkoordination relevant. 2. Funktionsweise der Koordinationsmethoden Nach den Koordinationsgegenständen wird die Funktionsweise der Koordinati­ onsmethode erläutert. Es wird dabei darum gehen, die wesentlichen Charakteris­ tika der Methode herauszuarbeiten, mit denen die Koordinationsgegenstände zueinander in Beziehung gesetzt werden. Über diese Darstellung hinaus kommt der Funktionsweise zusammen mit dem danach zu behandelnden Koordinations­ zweck bzw. -ziel eine wichtige Wirkung für den zweiten Teil dieser Arbeit zu. 3. Ziele der Koordination Hinsichtlich der Koordinationsziele ist nach den Zielen der einzelnen Koordina­ tionsmethoden und nach dem Ziel der Koordination allgemein zu unterscheiden. Die Ziele der einzelnen Koordinationsmethoden werden im 1.  Teil im Zusam­ menhang mit der jeweiligen Koordinationsmethode dargelegt.

34  35 

Hertel in: Rauscher, EuZPR/EuIPR, Art.  32 EuErbVO, Rdn.  2. Siehe dazu im Rahmen der Normwidersprüche im IPR S. 296 und S. 340.

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Ganz allgemein ist mit Koordination das Interesse verbunden, Struktur in das Gemenge aus unterschiedlichen Rechtsordnungen, die auf einen Sachverhalt An­ wendung finden können, und unterschiedlichen Kollisionsnormen auf ein und derselben sowie auf verschiedenen Regelungsebenen zu bringen. Vorrangkoordi­ nation bezweckt dabei, eine Anwendungsordnung zwischen mehreren Normen, die parallel anwendbar wären, herzustellen – wie dies etwa bei Art.  25 Rom  I-VO der Fall ist. Die Inhaltskoordination zielt dagegen nicht auf die Koordination theoretisch parallel anwendbarer Rechtsnormen ab. Vielmehr geht es bei dieser Methoden­ gruppe um die begriffliche und konzeptionelle Gestaltung und Weiterentwick­ lung des Kollisionsrechts allgemein. Obwohl die mit den Methodengruppen ver­ bundenen Ziele verschieden sind, können die einzelnen Koordinationsmethoden dennoch Bezüge zueinander aufweisen. 4. Koordinationsakteure Der letzte Analysepunkt im Rahmen der Koordinationsmethoden wird die Frage nach den Koordinationsakteuren sein. Als Koordinationsakteure kommen neben den Parteien eines Rechtsverhältnisses all diejenigen Organe in Betracht, die mit den Normen zur Regelung von IPR oder IZVR in Berührung kommen. Berüh­ rung meint dabei ein Tätigwerden im Rahmen der Entstehung oder der Anwen­ dung der Rechtsnormen. Das eigentliche Tätigwerden von Legislative und Judi­ kative sowie seine Wirkungen können je nach Regelungsebene verschieden sein. An dieser Stelle sei daher lediglich der institutionelle Rahmen, in dem sich die Koordinationsakteure bewegen, dargestellt; das konkrete Tätigwerden wird bei den jeweiligen Koordinationsmethoden behandelt. Bei der nationalen Rechtslage orientiert sich diese Arbeit im Allgemeinen an der deutschen Rechtslage; ledig­ lich an einzelnen Stellen werden auch Bezüge zu anderen nationalen Rechten hergestellt werden. Die rechtlichen Folgen des bevorstehenden Austritts des Vereinigten König­ reichs aus der EU werden in dieser Arbeit hingegen nicht behandelt werden.36 a) Legislative aa) Die nationale Legislative Das deutsche IPR und IZVR wird hauptsächlich gesetzlichen Quellen entnom­ men. Im IPR handelt es sich dabei um Art.  3 bis 46d sowie Art.  220 EGBGB, wobei es auch vereinzelt IPR-Normen in anderen Gesetzen gibt. Das IZVR ist sowohl im FamFG als auch in der ZPO enthalten; bei der ZPO ist allerdings zu 36 

Siehe dazu weiterführend Ungerer in: Brexit und die juristischen Folgen, S.  297–320.

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beachten, dass die dort enthaltenen Gerichtsstände direkt die örtliche Zuständig­ keit bestimmen und sich die internationale Zuständigkeit aus deren doppelfunk­ tionalem Charakter ergibt.37 Auch die Umsetzung von Richtlinienkollisionsrecht erfolgt im deutschen Recht regelmäßig in Form formeller Gesetzesnormen wie z. B. Art.  46b EGBGB zur Umsetzung der Forderung bestimmter Verbraucher­ schutzrichtlinien, deren internationale Durchsetzung den Mitgliedstaaten vorge­ schrieben ist.38 Soweit also der deutsche Staat das IPR und IZVR gestalten kann, wird diese Aufgabe vornehmlich von den Gesetzgebungsorganen auf Bundes­ ebene wahrgenommen. Auch wenn sie im staatsrechtlichen Sinne nicht zur Legislative an sich gehört, sollen die Akte der Exekutive, die zur Gesetzgebung beitragen, ebenfalls unter den Begriff der Legislative gefasst werden. Die Exekutive entfaltet ihren Ein­ fluss auf das Kollisionsrecht im Wesentlichen durch das ihr typischerweise ver­ fassungsrechtlich zufallende Initiativrecht.39 Gerade im Kollisionsrecht kommt diesem auf der besonderen Expertise der Exekutive basierenden Initiativrecht der Regierungen besondere Bedeutung zu, da die Komplexität der Rechtsmaterie Expertenwissen erfordert, das sich typischerweise in einem Fachministerium bündelt.40 bb) Die Legislative auf EU-Ebene Die Gesetzgebung auf Ebene der EU erfolgt je nach maßgeblichem Kompetenz­ titel nach einem anderen Verfahren. Die für das IPR und IZVR relevante Vorschrift Art.  81 AEUV enthält in Abs.  2 und 3 AEUV zwei primäre Kompetenztitel. Nach Art.  81 Abs.  2 AEUV wird der Großteil der Gesetze zum IPR und IZVR im ordentlichen Gesetzgebungsver­ fahren beschlossen. Dieses sieht vor, dass Europäisches Parlament und Euro­ päischer Rat gleichberechtigt am Verfahren beteiligt sind. Diese wesentliche Charakteristik ist in Art.  289 Abs.  1 AEUV festgehalten. Die weiteren Einzelheiten, insbesondere der Ablauf des Verfahrens sind in Art.  294 AEUV geregelt. Dieser Ablauf ist dem des vormaligen Mitentschei­ dungsverfahrens nachempfunden, eine Änderung dieses Verfahrens ist auch im Zuge der Neufassungen des Vertrags von Lissabon nicht geschehen. Das ordent­ 37 

Siehe nur Kropholler, IPR, §  58 II 1a. Siehe dazu Martiny in: MüKoBGB, Art.  46b EGBGB, Rdn.  80–83. 39  Siehe z. B. in Deutschland das Initiativrecht der Bundesregierung nach Art.  76 Abs.  1 GG. 40  Badura, Staatsrecht, F, Rdn.  42; Ipsen, Staatsrecht I, Rdn.  224. So entstand auch der Re­ ferentenentwurf eines Gesetzes zum Internationalen Privatrecht der Gesellschaften, Vereine und juristischen Personen vom 7.1.2008 unter Federführung des Bundesministeriums der Justiz; siehe (zuletzt aufgerufen am 30.3.2015). 38 

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liche Gesetzgebungsverfahren ist insofern durch die gleichzeitige Zuleitung des Kommissionsvorschlages an Parlament und Rat sowie die Gleichwertigkeit der Entscheidungen von Parlament und Rat ein Zeichen für Gleichberechtigung bei­ der Gesetzgebungskammern.41 Insofern gab es durch den Vertrag von Lissabon keine Veränderungen, da für den Kompetenztitel der Art.  61, 65 EGV das Mitent­ scheidungsverfahren gemäß Art.  67 Abs.  5 Spstr. 1 EGV bereits vorgesehen war – sogar mit der auch heute noch existierenden Ausnahme der familienrechtlichen Aspekte. Art.  81 Abs.  3 AEUV bestimmt demgegenüber, dass Maßnahmen auf dem Ge­ biet des Familienrechts mit grenzüberschreitendem Bezug nach einem besonde­ ren Gesetzgebungsverfahren, dem Anhörungsverfahren, geschaffen werden. Da­ bei handelt es sich um ein Verfahren, bei dem der Rat Rechtsakte erlässt und dabei zuvor das Europäische Parlament zu den Vorschlägen angehört hat, die er selbst aufgrund seines Initiativrechts ins Gesetzgebungsverfahren eingebracht hat. Als problematisch wird das Vetorecht der nationalen Parlamente angesehen, die auf diese Weise die Rechtsvereinheitlichung auf EU-Ebene stören können.42 Dass das Europäische Parlament in Fragen des Internationalen Familienrechts weniger zu sagen hat als in sonstigen Fragen des IPR und IZVR, hängt mit den innerhalb der EU vertretenen, sehr unterschiedlichen Familienrechten zusam­ men, die es bei einer Harmonisierung nicht nur des Sachrechts, sondern bereits des Kollisionsrechts, aber auch des Verfahrens- und Anerkennungsrechts auf ei­ nen Nenner zu bringen gilt.43 cc) Die Rechtssetzung bei staatsvertraglichen Rechtsakten Völkerrechtliche Kollisionsrechtsübereinkommen werden zunächst von den Staaten selbst abgeschlossen. Da sie aber zunächst nur diese binden und somit an sich keine Wirkung gegenüber Privatpersonen entfalten, müssen sie in inner­ staatliches Recht umgesetzt werden. Diese Transformation erfolgt nach dem im jeweiligen Einzelstaat vorgesehenen Gesetzgebungsverfahren. Bei der Schaffung der völkervertraglichen Kollisionsrechtsnormen kann auf ein Netzwerk verschiedener Gruppierungen zurückgegriffen werden. Zu nennen sind hier vor allem UNCITRAL und UNIDROIT sowie die Haager Konferenz für Internationales Privatrecht44.

41 

Gellermann in: Streinz, Art.  294 AEUV, Rdn.  9. Leible in: Streinz, Art.  81 AEUV, Rdn.  49. 43  Vgl. Hess in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, Art.  81 AEUV, Rdn.  56; Kotzur in: Geiger/Khan/ Kotzur, EUV/AEUV, Art.  81 AEUV, Rdn.  15, 18. 44  Siehe zur Haager Konferenz für Internationales Privatrecht näher Kropholler, IPR, §  9 I. 42 

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Einleitung

b) Judikative Die Funktion der Judikative beschränkt sich vornehmlich auf die Anwendung von IPR und IZVR. Die nationalen Gerichte können die Normen auslegen45 und in engen Grenzen fortbilden, wenn ein Bedürfnis danach besteht.46 Grundsätz­ lich kann nach Art.  267 Abs.  2 AEUV jedes nationale Gericht dem EuGH als dem obersten Auslegungsorgan für EU-Recht im Allgemeinen und damit auch für EU-Kollisionsrecht im Rahmen des Vorabentscheidungsverfahrens Fragen vor­ legen, soweit sie die Auslegung von Unionsrecht und die Gültigkeit von Sekun­ därrecht betreffen. Mit Unionsrecht sind ebenfalls die von der EU abgeschlossenen Staatsverträ­ ge wie das HUP 2007 gemeint. Damit besteht für die EU auch für diese Staats­ verträge eine einheitliche Entscheidungsinstanz, wodurch wenigstens insoweit die Lücke geschlossen wird, die dadurch entstanden ist, dass der an sich zustän­ dige IGH bei Streitfragen im völkervertraglichen IPR und IZVR nicht sehr häu­ fig durch die Mitgliedstaaten angerufen wird; denn seit seiner Gründung 1945 war der IGH lediglich mit einem Fall in diesem Rechtsgebiet befasst,47 woraus geschlossen wird, dass diese Auslegungsinstanz für das IPR und IZVR faktisch nicht existiert.48

C. Ableitung allgemeiner Grundsätze zur Behandlung von Koordinationsproblemen Die Koordination im IPR und IZVR funktioniert nicht reibungslos. Durch die oben in §  1 genannten Beispiele ist bereits angedeutet worden, dass einzelne Ko­ ordinationsmethoden an sich problematisch konzipiert sind, aber auch das Zu­ sammentreffen mehrerer Koordinationsmethoden Spannungen erzeugen kann. In dieser Arbeit werden vier allgemeine Grundsätze angeführt, mit deren Hilfe man diese Koordinationsprobleme lösen kann. Die Ableitung dieser Grundsätze erfolgt dabei nach folgendem Muster: Einige ausgewählte Koordinationsproble­ me werden der m. E. optimalen Lösung zugeführt und diese Lösungen danach sortiert, nach welchem Grundprinzip sie gelöst worden sind. Aus diesem Ansatz ergibt sich auch, warum ich es für notwendig halte, den Hauptteil der Arbeit in diese beiden Teile zu untergliedern. Modifikationen einer 45 

Siehe dazu nur Heiderhoff, Europäisches Privatrecht, Rdn.  105–113. Zur Rechtsfortbildung ausführlich Heiderhoff, Europäisches Privatrecht, Rdn.  114–118. 47  IGH, Urt. v. 28.11.1958, Boll, I.C.J. Rep.  1958, 55 ff.; siehe hierzu Kropholler, IPR, §  9 V 1. 48  So Schroeter, UN-Kaufrecht und Europäisches Gemeinschaftsrecht, §  14 Rdn.  11. Siehe auch Majoros, RabelsZ 46 (1982), 84, 92; a. A. v. Loon/De Dycker, The role of the International Court of Justice in the development of Private International Law, S.  19, wonach der IGH aller­ dings in jüngerer Zeit wieder Bedeutung im Kollisionsrecht erhält. 46 

Einleitung

15

Koordinationsmethode können Auswirkungen auf andere Koordinationsmetho­ den haben. Mitunter können auch mehrere Lösungsmöglichkeiten in Betracht kommen; bei der Beurteilung, welche die beste ist, kann es relevant werden, welche Modifikation das Gesamtsystem am wenigsten beeinträchtigt. Schließ­ lich können auch andere Koordinationsmethoden Elemente enthalten, die zur Lösung eines Koordinationsproblems beitragen. Diese Zusammenhänge machen es erforderlich, die Charakteristika der Koordinationsmethoden zuerst vollstän­ dig zu analysieren und die Prinzipien ihrer Weiterentwicklung erst im Anschluss daran zu erörtern.

1.  Teil

Analyse der Vorrang- und Inhaltskoordinationsmethoden Die Koordinationsmethoden können in zwei grundlegende Kategorien unterteilt werden. Die eine betrifft die Koordination durch Regelung eines Vorrangs einer Norm oder Normengruppe vor einer anderen Norm oder Normengruppe (dazu Abschnitt 1). Die andere charakterisiert sich durch die inhaltliche Koordination von IPR- und IZVR-Normen (dazu Abschnitt 2). Dagegen lassen sich die Koor­ dinationsmethoden, mit denen im IPR und IZVR das anwendbare Recht – sei es das materielle, sei es das anwendbare Verfahrensrecht – inhaltlich beeinflusst wird, nicht vollständig einer der beiden Kategorien zuordnen (dazu Abschnitt 3).

1.  Abschnitt

Methoden der Vorrangkoordination Der erste Abschnitt dreht sich um die Methoden der Vorrangkoordination. Dabei werden zunächst die akzessorische Anknüpfung im IPR und der Zuständigkeits­ gleichlauf im IZVR behandelt (dazu Kapitel  1). Sodann wird auf drei Arten ein­ gegangen, wie im Verhältnis von Rechtsakten zueinander der Vorrang geregelt wird (dazu Kapitel  2).

1.  Kapitel

Akzessorische Anknüpfung und Zuständigkeitsgleichlauf Eine erste Form der Vorrangkoordination stellen die akzessorische Anknüpfung im IPR (dazu §  1) sowie eine dieser im IPR verbreiteten Anknüpfungstechnik vergleichbare Methode im IZVR, der Gleichlauf von Zuständigkeiten dar (dazu §  2). Die Vergleichbarkeit beruht darauf, dass beiden Mechanismen mit der Ver­ knüpfung der jeweiligen Rechtsfolge einer IPR- bzw. IZVR-Norm dasselbe Prin­ zip zugrunde liegt: der einen Rechtsfolge – sei es eine berufene Rechtsordnung, sei es ein Gerichtsstand – wird gegenüber der anderen Vorrang eingeräumt.

§  1 Akzessorische Anknüpfung im IPR-Kollisionsrecht A. Koordinationsgegenstände Bei der akzessorischen Anknüpfung im IPR geht es um die Koordination der Rechtsfolgen der Kollisionsnormen, also darum, dass für zwei verschiedene Sys­ tembegriffe dasselbe anwendbare Recht berufen wird.1 Die Methode der akzessorischen Anknüpfung ist theoretisch auf allen Rege­ lungsebenen nutzbar, ist aber im Wesentlichen nur auf nationaler und unions­ rechtlicher Ebene zu finden. Im deutschen EGBGB ist sie für die Verknüpfung des außervertraglichen mit dem vertraglichen Schuldrecht über Art.  41 EGBGB 1  Zusammenfassend zu Befürwortern und Gegnern der akzessorischen Anknüpfung Spelsberg-Korspeter, S.  79–83.

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1. Teil – 1. Abschnitt: Methoden der Vorrangkoordination

bedeutend, im internationalen Familienrecht wirkt sie als Verbindung zwischen verschiedenen Sachgebieten wie dem Unterhalts- und Scheidungsrecht mit dem­ jenigen Recht, das auf die allgemeinen Ehewirkungen (Art.  14 EGBGB) anwend­ bar ist. Das EuIPR enthält die gleiche Verbindung von außervertraglichem und ver­ traglichem Schuldrecht, wie dies z. B. in Art.  4 Abs.  3 Rom  II-VO sichtbar ist, wenngleich die Anwendungsschwelle hier höher liegt als in Art.  41 EGBGB, wo keine offensichtlich engere Verbindung der unerlaubten Handlung zu einem an­ deren Staat gefordert ist. Zur Koordination von staatsvertraglichen Kollisionsnormen werden akzesso­ rische Anknüpfungen dagegen offensichtlich nicht gebraucht. Das ist angesichts des regulatorischen Flickenteppichs im staatsvertraglichen IPR auch nicht ver­ wunderlich. Einzelne Staaten können hier Vertragsstaaten verschiedener IPR-­ Übereinkommen sein – oder eben nicht. Wenn also eine Gruppe von Staaten z. B. ein deliktsrechtliches Übereinkommen abschließt, das akzessorisch an das auf vertragliche Schuldverhältnisse anwendbare Recht anknüpft, ist es sehr wahr­ scheinlich, dass diese Verweisung zu einem Recht führt, das auf nationalem IPR beruht. Sollte ein Übereinkommen über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anwendbare Recht existieren, ist darüber hinaus nicht ausgeschlossen, dass nicht dieselbe Gruppe von Staaten dieses Übereinkommen abgeschlossen hat. In ei­ nem solchen Fall würde die akzessorische Anknüpfung die mit dem deliktsrecht­ lichen Übereinkommen erreichte Rechtsvereinheitlichung zwischen den Unter­ zeichnerstaaten nicht weiterführen und wäre somit sinnlos.

B. Funktionsweise Im Rahmen der Funktionsweise soll zunächst die grundlegende Charakteristik der akzessorischen Anknüpfung dargestellt werden (dazu I.) und anschließend überblicksartig ihre Verwendung im deutschen Recht mit der im englischen und französischen Recht verglichen werden (dazu II.). I. Grundlegende Charakteristik 1. Verschiedene Konzeptionen Die akzessorische Anknüpfung beruht auf dem Prinzip, dass das Rechtsverhält­ nis, für welches das anwendbare Recht bestimmt werden soll, an ein anderes angeknüpft wird.2 Die akzessorische Anknüpfung kann einerseits als flexible Anknüpfung konzipiert sein, d. h. auf einem Anknüpfungsmoment beruhen, das 2 

Siehe nur Lorenz in: BeckOK, Einl. IPR, Rdn.  39.

1. Kapitel: Akzessorische Anknüpfung und Zuständigkeitsgleichlauf

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die Anknüpfung an wechselnde Referenzstatute zulässt (dazu a). Andererseits kann die akzessorische Anknüpfung auch so konzipiert sein, dass stets auf das­ selbe Referenzstatut verwiesen wird (dazu b). a) Akzessorische Anknüpfung als flexible Anknüpfung Bei einer flexiblen Anknüpfung ist die akzessorische Anknüpfung davon abhän­ gig, dass eine bestimmte Beziehung zwischen den Statuten besteht. Diese An­ knüpfung kann als Grundanknüpfung (dazu aa) sowie als Ausweichanknüpfung (dazu bb) eingesetzt werden. aa) Akzessorische Anknüpfung als Grundanknüpfung Die akzessorische Anknüpfung als Grundanknüpfung tritt in der ungerechtfertig­ ten Bereicherung (Art.  10 Abs.  1 Rom  II-VO; Art.  38 Abs.  1 EGBGB), der inter­ nationalen GoA (Art.  11 Abs.  1 Rom  II-VO; Art.  39 Abs.  1 EGBGB) sowie der internationalen culpa in contrahendo (Art.  12 Abs.  1 Rom  II-VO) auf. In diesen Fällen wird ein spezifisches Anknüpfungsmoment verwendet.3 Referenz kann – mit Ausnahme von Art.  12 Abs.  1 Rom  II-VO – nicht nur ein Vertragsverhältnis sein, sondern darüber hinaus auch sonstige Rechtsverhältnisse wie eines, das auf der unerlaubten Handlung einer der Parteien beruht. Darin unterscheiden sich Art.  10 Abs.  1 und 11 Abs.  1 Rom  II-VO von Art.  4 Abs.  3 Rom  II-VO; denn letz­ terer erfordert, dass das Rechtsverhältnis zum Zeitpunkt der unerlaubten Hand­ lung bereits Bestand hatte, wohingegen bei der ungerechtfertigten Bereicherung und der GoA das Referenzrechtsverhältnis auch erst in dem Zeitpunkt entstehen kann, in dem sie selbst entstehen.4 Hinsichtlich der Anknüpfungsstruktur könnte man sich fragen, ob Art.  10 Abs.  1 und Art.  11 Abs.  1 Rom  II-VO hinsichtlich ihrer Vertragsakzessorietät ­etwas aus dem Rahmen fallen. Denn wenn man sich Art.  4 und 12 Rom  II-VO ansieht, würde man meinen, dass die akzessorische Anknüpfung dort Grund­ anknüpfung ist, wo das außervertragliche Schuldverhältnis typischerweise mit einem anderen Rechtsverhältnis in Verbindung steht. Dies ist der Fall beim Ver­ schulden bei Vertragsverhandlungen, bei dem typischerweise ein enger Bezug zu einem Vertragsverhältnis besteht, was sogar dazu führt, dass Art.  12 Abs.  2 Rom  II-VO keine sonderlich große praktische Relevanz in Zwei-Personen-Ver­ hältnissen zugesprochen wird5; Art.  12 Abs.  2 Rom  II-VO soll daher in den we­ nigen Fallkonstellationen anwendbar sein, in denen das hypothetische Vertrags­ 3 

Vgl. Junker in: MüKoBGB, Art.  10 Rom  II-VO, Rdn.  17. Junker in: MüKoBGB, Art.  10 Rom  II-VO, Rdn.  18. 5  Junker in: MüKoBGB, Art.  12 Rom  II-VO, Rdn.  29. 4 

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1. Teil – 1. Abschnitt: Methoden der Vorrangkoordination

statut nicht bestimmbar ist: bei Rat und Auskünften außerhalb intendierter Ver­ tragsverhältnisse sowie dann, wenn die Einbeziehung vertragsfremder Dritter in die vorvertragliche Haftung in Betracht kommt.6 Bei deliktischen Verhältnissen ist die Verbindung mit einem Rechtsverhältnis dagegen eher der Ausnahmefall, was sich bereits an den in Verbindung mit der Ausweichklausel diskutierten Rechtsverhältnissen wie dem Beförderungsvertrag zeigt7. Demgegenüber bestimmt sich die Rückabwicklung nichtiger, unwirksamer und fehlerhafter Verträge8 aufgrund Art.  12 Abs.  1 lit.  e Rom  I-VO nach der Rom  I-VO und nicht nach Art.  10 Abs.  1 Rom  II-VO. Damit ist Art.  10 Abs.  1 Rom  II-VO in diesen Fällen für die Vertragsakzessorietät an sich nicht von Be­ deutung, wenn es um die Bestimmung des für die ungerechtfertigte Bereicherung anwendbaren Rechts geht – auch wenn die Fälle der ungerechtfertigten Berei­ cherung sehr häufig in Verbindung mit einem vertraglichen Schuldverhältnis ste­ hen.9 Zu beachten ist allerdings, dass Art.  10 Abs.  1 Rom  II-VO trotz seines bei Verträgen reduzierten Anwendungsbereichs eine für Zweifelsfälle nicht unbe­ deutende Parallelität zwischen Vertrags- und Bereicherungsstatut herstellt. Wenn unklar sein sollte, ob eine bestimmte Konstellation unter Art.  12 Abs.  1 lit.  e Rom  I-VO und damit unter das Vertragsstatut fallen sollte oder eher im Anwen­ dungsbereich von Art.  10 Abs.  1 Rom  II-VO zu sehen ist, wirkt sich der Streit wegen der akzessorischen Anknüpfung nicht aus. Insoweit ist die Anknüpfungs­ struktur dann wieder konsequent. Geht man im Rahmen von Art.  11 Abs.  1 Rom  II-VO davon aus, dass das die Akzessorietät auslösende Vertragsverhältnis nur zwischen Geschäftsherr und Geschäftsführer bestehen und die Parteiidentität nicht durch teleologische Re­ duktion beseitigt werden kann,10 repräsentiert die Vertragsakzessorietät in Art.  11 Abs.  1 Rom  II-VO nicht den typischen Fall einer GoA, bei der ein solches Ver­ tragsverhältnis typischerweise gerade nicht besteht. Insbesondere sind dann Fäl­ le der Tilgung von Drittschulden, die in Art.  39 Abs.  2 EGBGB noch eine aus­ drückliche Regelung fanden, auf die Ausweichklausel in Art.  11 Abs.  4 Rom  IIVO verwiesen. Zu einer Regelanknüpfung an Rechtsverhältnisse kann man also nur gelangen, wenn man meint, dass die Anzahl der Fallkonstellationen von Ver­ tragsüberschreitung und Handeln bei unwirksamem Vertrag sowie bei Miteigen­ tümer- oder Unterhaltsverhältnissen11 so wesentlich über das hinausgeht, was im Deliktsrecht lediglich zum Bestandteil einer Ausweichklausel reicht, und man 6 

Junker in: MüKoBGB, Art.  12 Rom  II-VO, Rdn.  29. Junker in: MüKoBGB, Art.  4 Rom  II-VO, Rdn.  51–53. 8  Junker in: MüKoBGB, Art.  10 Rom  II-VO, Rdn.  15. 9  Junker in: MüKoBGB, Art.  10 Rom  II-VO, Rdn.  19. 10  Vgl. dazu Junker in: MüKoBGB, Art.  11 Rom  II-VO, Rdn.  19, 27. 11  Siehe dazu Junker in: MüKoBGB, Art.  11 Rom  II-VO, Rdn.  13. 7 

1. Kapitel: Akzessorische Anknüpfung und Zuständigkeitsgleichlauf

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gleichzeitig der fehlenden Deckung der Geschäftsführung durch ein Rechtsver­ hältnis12 nicht zu viel Bedeutung beimisst. bb) Akzessorische Anknüpfung als Ausweichklausel Von enormer Bedeutung ist die Konstellation der akzessorischen Anknüpfung als Ausweichklausel, da sie insbesondere die Verbindung zwischen Delikts- und Vertragsstatut betrifft. Bereits im deutschen Kollisionsrecht in Art.  41 Abs.  2 EGBGB bot sie die Möglichkeit, den Gleichlauf mit dem Vertragsstatut zu fin­ den. Außerhalb des Anwendungsbereichs der Rom  II-VO – insbesondere für Per­ sönlichkeitsrechtsverletzungen – spielt diese Regelung für deutsche Gerichte weiterhin eine wichtige Rolle. Ist die akzessorische Anknüpfung als Ausweichklausel konzipiert, wird allge­ mein auf eine (offensichtlich) engere Verbindung abgestellt. In diesem Fall wer­ den ein oder mehrere bestimmte Anknüpfungsmomente als Beispiele einer sol­ chen Verbindung aufgeführt. Nach diesem Prinzip verfährt etwa Art.  4 Abs.  3 Rom  II-VO. Allerdings tritt ein wesentlicher Unterschied zwischen beiden Kon­ zeptionen deutlich hervor. Die Ausweichklausel in Art.  41 Abs.  1 EGBGB ent­ hält niedrigere Anforderungen: Es ist bereits ausreichend, wenn die für das Ver­ tragsverhältnis berufene Rechtsordnung eine wesentlich engere Verbindung auf­ bietet. Demgegenüber sind auf völkervertraglicher Kollisionsebene keine spezifi­ schen akzessorischen Anknüpfungen im Rahmen von Ausweichklauseln vorge­ sehen.13 b) Akzessorische Anknüpfung als festgeschriebene Anknüpfung Eine akzessorische Anknüpfung eines Statuts an ein anderes kann auch festge­ schrieben sein und kommt dann immer zur Anwendung. Sie erfordert also im Gegensatz zu den oben genannten akzessorischen Anknüpfungen insbesondere keinen besonderen Zusammenhang mit dem Referenzrechtsverhältnis. In einer solchen Beziehung steht im deutschen Kollisionsrecht – zumindest bislang noch bis zur Geltung der EuGüterVO ab dem 29.1.2019 gemäß Art.  69 EuGüterVO – das Güterstatut nach Art.  15 Abs.  1 EGBGB zu der Anknüpfungskaskade der Kollisionsregel über die allgemeinen Ehewirkungen in Art.  14 Abs.  1 EGBGB. Das galt bis zur Geltung der Rom  III-VO auch für das Scheidungsstatut nach Art.  17 Abs.  1 a. F. EGBGB.

12  13 

Siehe dazu Wandt, Gesetzliche Schuldverhältnisse, §  4, Rdn.  41 ff. Siehe hierzu insbesondere das HStrVÜ und das HProdHÜ.

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1. Teil – 1. Abschnitt: Methoden der Vorrangkoordination

Im Zuge der Vereinheitlichung des EuIPRs wird dieser Aspekt – zumindest im deutschen Kollisionsrecht – weiter in den Hintergrund treten. Im europäischen Güter- und Scheidungskollisionsrecht taucht diese Form der akzessorischen An­ knüpfung nicht auf, da der Systembegriff der allgemeinen Ehewirkungen noch nicht vereinheitlicht worden ist und somit das Unterhalts- und das Scheidungs­ kollisionsrecht nicht darauf verweisen konnten, sie vielmehr eigenständig ent­ wickelt werden mussten. Sollte es eine Verordnung zu den allgemeinen Ehewir­ kungen geben, ist aufgrund dieser Entwicklung auch nicht davon auszugehen, dass auf das Modell des EGBGB umgestellt wird. 2. Verweise in derselben und zwischen verschiedenen Regelungsebenen Anders als eine feste akzessorische Anknüpfung, bei der das Referenzstatut stets dasselbe ist, kann sich eine flexible akzessorische Anknüpfung an Kollisions­ normen verschiedener Regelungsebenen orientieren. Kommt es z. B. im Rahmen eines Interviewvertrags zwischen einer französischen Zeitung und einer inter­ national bekannten Persönlichkeit aus Schweden zu einer Persönlichkeitsverlet­ zung – z. B. einer absichtlichen Falschzitierung in Bezug auf die Familie mit in­ timem Hintergrund – durch den Journalisten, würde sich zunächst die Verletzung des Vertrages nach dem Vertragsstatut bestimmen, also nach Art.  4 Rom  I-VO. Würde besagte Persönlichkeit vor einem deutschen Gericht klagen, würde dieses zur Bestimmung des Deliktsstatuts Art.  40 Abs.  1 EGBGB bzw. die akzessorische Anknüpfung Art.  41 Abs.  2 Nr.  1 EGBGB anwenden. Diese würde auf das nach Art.  4 Rom  I-VO bestimmte Recht verweisen. Vor Inkrafttreten der Rom  I-­VO verwies Art.  41 Abs.  2 Nr.  1 EGBGB noch auf Art.  27 ff. EGBGB und damit auf die nationale Umsetzung des EVÜ. Doch auch die umgekehrte Richtung ist möglich, wie z. B. für unerlaubte Handlungen im Rahmen einer Ehe14. Das Deliktsstatut ist zunächst nach Art.  4 Rom  II-VO zu bestimmen, das auf die Ehe anwendbare Recht von deutschen Gerichten dagegen nach Art.  14 EGBGB. In einer Konstellation, in der die Vor­ aussetzungen der akzessorischen Anknüpfung des Art.  4 Abs.  3 Rom  II-VO er­ füllt wären, würde sich die europäische Kollisionsregel an die Berufung durch das nationale Kollisionsrecht anhängen. Entscheidend ist also, welche Kollisionsnormen nach der lex fori in einem bestimmten Fall anwendbar sind. Bei einer entsprechenden lex fori kann es damit auch vorkommen, dass eine z. B. im europäischen Kollisionsrecht vorgesehene akzessorische Anknüpfung nicht zur Anwendung kommt, da die entsprechende Kollisionsnorm durch eine völkervertragliche Kollisionsnorm verdrängt wird, die keine akzessorische Anknüpfung enthält. Wenn z. B. das Gericht eines 14 

Vgl. nur Junker in: MüKoBGB, Art.  4 Rom  II-VO, Rdn.  53.

1. Kapitel: Akzessorische Anknüpfung und Zuständigkeitsgleichlauf

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EU-Mitgliedstaates, der zugleich Vertragsstaat des HStrVÜ ist, im Rahmen eines Straßenverkehrsunfalls mit Bezug zu einem Vertrag das anwendbare Recht zu bestimmen hat, bestimmt es dieses nach dem HStrVÜ. Dieses enthält jedoch – anders als die Rom  II-VO – keine akzessorische Anknüpfung, so dass der Gleich­ lauf von Vertrags- und Deliktsstatut nicht garantiert ist. II. Akzessorische Anknüpfung im internationalen Vergleich außerhalb des Anwendungsbereichs der Rom  II-VO Im internationalen Vergleich wurde die akzessorische Anknüpfung nicht durch­ gehend verwendet. Hier ist jedoch zu unterscheiden zwischen Staaten, die neben den Grundanknüpfungen auch gesetzliche Ausnahmen kennen, und solchen, in deren Kollisionsrecht nur die Grundanknüpfungen gesetzlich geregelt sind, die Ausnahmen dagegen der Rechtsprechung zur Konkretisierung aufgegeben sind. Auf der einen Seite stehen z. B. das deutsche und auch das englische autonome Deliktskollisionsrecht. Im deutschen Recht wurde mit der Kodifizierung des au­ ßervertraglichen Schuldkollisionsrechts die akzessorische Anknüpfung des De­ liktsrechts an besondere rechtliche oder tatsächliche Beziehungen 1999 in Art.  41 Abs.  2 Nr.  1 EGBGB als Regelbeispiel im Rahmen einer Ausweichklausel ein­ geführt – ein System, das sich in Art.  4 Rom  II-VO wiederfindet. Das englische Recht enthält bereits seit 1995 in section 12 des Private International Law (Mis­ cellaneus Provisions) Act 1995 eine gesetzlich geregelte Ausweichklausel, mit der von der deliktischen Grundanknüpfung abgewichen werden kann.15 Im Unter­ schied zum deutschen autonomen Kollisionsrecht und damit auch zur Rom  II-VO verzichtet diese Vorschrift jedoch auf Regelbeispiele und ist gänzlich allgemein formuliert. Ihre Konkretisierung obliegt also vollständig der Rechtsprechung. Damit steht das englische Recht in dieser Hinsicht zwischen dem deutschen und dem französischen Recht. Im französischen Recht ist eine dem deutschen und dem EuIPR vergleichbare Deliktsrechtsakzessorietät nicht geregelt; es ist nicht einmal vorgesehen, dass von der Grundanknüpfung an den Tatort (lex loci delicti)16 abgewichen werden kann. Somit ist nicht nur die Konkretisierung des 15  Section 12(1) „If it appears, in all the circumstances, from a comparison of— (a) the sig­ nificance of the factors which connect a tort or delict with the country whose law would be the applicable law under the general rule; and (b) the significance of any factors connecting the tort or delict with another country, that it is substantially more appropriate for the applicable law for determining the issues arising in the case, or any of those issues, to be the law of the other country, the general rule is displaced and the applicable law for determining those issues or that issue (as the case may be) is the law of that other country.“ Siehe dazu auch Cheshire/North/ Fawcett, PIL, S.  767 mit Auflistung von Entscheidungen, in der diese Regel angewendet wurde (siehe dort Fn.  17). 16  Audit5, Droit international privé, Rdn.  798 (Audit/d’Avout, Droit international privé,

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1. Teil – 1. Abschnitt: Methoden der Vorrangkoordination

Wie, sondern auch des Ob des Abweichens von der Grundanknüpfung der Recht­ sprechung anheimgestellt. Bislang wollte die Cour de cassation weder vom Ob der Abweichung geschweige denn dem möglichen Wie einer akzessorischen An­ knüpfung etwas wissen.17 Auf Grundlage des HStrVÜ und des HProdHÜ sowie der darin jeweils enthaltenen multiplen Ausnahmen zur Grundanknüpfung ist jedoch eine Diskussion entstanden, die das kategorische Nein der Cour de cassa­ tion zumindest hinsichtlich der Möglichkeit eines proper law approach verschie­ ben könnte.18

C. Koordinationszweck Die Verwendung der akzessorischen Anknüpfung kann unterschiedlichen Zielen dienen, einerseits der bloßen Bezugnahme und Verhinderung von Wiederholun­ gen im Gesetzestext, ohne dabei eine Harmonisierung anzustreben (dazu I.), an­ dererseits der Harmonisierung von Kollisionsnormen zur Bestimmung ein und derselben Rechtsordnung für mehrere rechtliche Aspekte (dazu II.). I. Akzessorische Anknüpfung ohne Koordinationszweck Nicht jede akzessorische Anknüpfung dient der Harmonisierung von Kollisions­ normen. Der Verweis in Art.  15 Abs.  1 bzw. Art.  17 Abs.  1 EGBGB auf das Statut der allgemeinen Ehewirkungen dient bzw. diente lediglich der Vereinfachung der Gesetzesredaktion; konkret sollen bzw. sollten diese Anknüpfungen dafür sor­ gen, dass in Art.  15 Abs.  1 bzw. Art.  17 Abs.  1 EGBGB die Anknüpfungskaskade des Art.  14 Abs.  1 Nr.  1 bis 3 EGBGB nicht wiederholt werden muss.19 Dies lässt sich mit der Unwandelbarkeit des Güterstatuts belegen: Aufgrund des Verweises werden das objektive Güter- und Scheidungsstatut jeweils mit Eheschließung festgeschrieben und danach nicht mehr verändert.20 Dagegen ist das Statut der allgemeinen Ehewirkungen wandelbar.21 Der maßgebliche Aspekt ist vielmehr der Zeitpunkt der Festsetzung des Statuts. Diese Festsetzung ist bei den hier ver­ glichenen Normen uneinheitlich. Dass die Akzessorietät im Verhältnis des Güterstatuts zum Statut der allgemei­ nen Ehewirkungen nicht ein einheitliches Lebensverhältnis nachvollziehen will, Rdn.  880–893 greifen dies nun nicht mehr auf, sondern beziehen sich ausschließlich auf die europäische und staatsvertragliche Kollisionsrechtslage); Loussouarn/Bourel/de Vareilles-­ Som­mières, Droit international privé, Rdn.  253, 254. 17  Cass. Civ., 25.5.1948, Lautour c. veuve Guiraut, Rev. Crit. D.I.P. 38 (1949) 89. 18  Loussouarn/Bourel/de Vareilles-Sommières, Droit international privé, Rdn.  255. 19  Sonnenberger in: MüKoBGB5, Einl. IPR Rdn.  664. 20  Rauscher IPR, Rdn.  783 (für das Güterstatut), Rdn.  435 (für das Scheidungsstatut). 21  Looschelders in: MüKoBGB, Art.  14 EGBGB, Rdn.  13.

1. Kapitel: Akzessorische Anknüpfung und Zuständigkeitsgleichlauf

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zeigt sich ferner durch die verschiedenen Rechtswahlmöglichkeiten. Denn nicht nur die objektiven Statute können durch die Wandelbarkeit des Statuts der allge­ meinen Ehewirkungen22 auseinanderfallen; es ist den Eheleuten ferner möglich, gemäß Art.  14 Abs.  2 EGBGB nachträglich durch Rechtswahl eine Diskrepanz zum Güterstatut herbeizuführen. Da Art.  15 Abs.  1 EGBGB lediglich auf Art.  14 Abs.  1 EGBGB verweist, wird durch die akzessorische Anknüpfung eine solche Rechtswahl nicht unmittelbar nachempfunden. II. Akzessorische Anknüpfung mit Koordinationszweck 1. Begründung einer Koordination Wenn mit der akzessorischen Anknüpfung eine Koordination bezweckt ist, geht es darum, die Einheitlichkeit des Lebensverhältnisses nachzuvollziehen und auf diese Weise eine rechtlich einheitliche Abwicklung zu ermöglichen.23 Dies ist der Fall bei den akzessorischen Anknüpfungen im außervertraglichen Schuld­ recht wie Art.  4 Abs.  3 Rom  II-VO bzw. Art.  41 Abs.  2 Nr.  1 EGBGB einerseits sowie Art.  10 Abs.  1, Art.  11 Abs.  1, Art.  12 Abs.  1 Rom  II-VO bzw. Art.  38 Abs.  1 EGBGB andererseits. Denn anders als Art.  15 Abs.  1 und Art.  17 Abs.  1 EBGBG enthalten diese Regeln keinen bestimmten früheren Zeitpunkt, zu dem der Inhalt der Anknüpfung unwandelbar festgelegt wird. Vielmehr bezieht sich die An­ knüpfung auf den aktuellen Inhalt und ist damit zeitlich ebenso flexibel wie die Referenzkollisionsnorm. Damit ergeben sich zeitlich flexiblere Möglichkeiten für eine ausgedehnte Orientierung des Deliktstatuts am Vertragsstatut durch die Parteien. Diese erhöhte Flexibilität dient damit der Harmonisierung. Anders als Art.  15 Abs.  1 EGBGB verweisen die akzessorischen Anknüpfun­ gen im außervertraglichen Schuldkollisionsrecht nicht nur auf eine Kollisions­ norm, welche die Bestimmung des objektiven Statuts vornimmt. Vielmehr wird Bezug auf die Verbindung zum Referenzstatut genommen, unabhängig davon, ob es sich um ein objektives oder subjektives Statut handelt. Damit führt z. B. die Wahl des Vertragsstatus zu einer entsprechenden Veränderung des akzessori­ schen Statuts. Darüber hinaus wird bei Art.  15 EGBGB ebenfalls argumentiert, dass die Mög­lichkeit, durch Rechtswahl in Art.  15 Abs.  2 EGBGB die akzessorische An­ knüpfung zu umgehen, auch gegen das Ziel der Einheitlichkeit spreche.24 Die Durchschlagskraft des Argumentes ist jedoch zweifelhaft: Sowohl das Gütersta­ tut als auch das Deliktsstatut können nachträglich durch Rechtswahl geändert 22 

Siehe hierzu – auch mit rechtsvergleichendem Bezug – Burghaus, S.  193–203. Rauscher IPR Rdn.  362. 24  Kropholler, IPR, §  24 II 2 d. 23 

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1. Teil – 1. Abschnitt: Methoden der Vorrangkoordination

werden. Weder Art.  15 Abs.  2 EGBGB noch Art.  42 EGBGB sehen eine zeitliche Begrenzung vor. Art.  14 Abs.  1 lit.  b Rom  II-VO erlaubt sogar bei kommerzieller Tätigkeit der Parteien eine Rechtswahl im Voraus. Mit Blick auf die inhaltlichen Wahlmöglichkeiten des anwendbaren Rechts könnte man das Argument sogar umdrehen: Es sind die Wahlmöglichkeiten des Deliktsstatuts, die keiner sach­ lichen und im Falle einer kommerziellen Tätigkeit auch keiner zeitlichen Be­ schränkung unterliegen, wohingegen der Kreis der als Güterstatut wählbaren Rechtsordnungen in Art.  15 Abs.  2 EGBGB enumerativ aufgeführt ist25. Wenn nun die Flexibilität der Rechtswahlmöglichkeiten als Indikator für Harmonisie­ rung angeführt wird, zeigt der Vergleich von Art.  14 Rom  II-VO bzw. Art.  41 EGBGB einerseits und Art.  15 Abs.  2 EGBGB andererseits, dass es sich genau andersherum verhält. Schließlich darf nicht vergessen werden, dass man durch die Rechtswahl in Art.  15 Abs.  2 EGBGB auch einen Gleichlauf mit Art.  14 Abs.  2 EGBGB herstellen kann. Es ist also nicht zwingend ersichtlich, dass der Gesetzgeber im Verhältnis von Vertrags- und Deliktsstatut in höherem Maße auf Harmonisierung und Koordinierung Wert gelegt hat als im internationalen Fa­ milienrecht. 2. Bedeutung der akzessorischen Anknüpfung bei Konzeption als Ausweichklausel Die Anforderungen an das Eingreifen der akzessorischen Anknüpfung in Art.  41 Abs.  2 Nr.  1 EGBGB und Art.  4 Abs.  3 Rom  II-VO sind mit den Formulierungen „wesentlich engere Verbindung“ und „offensichtlich engere Verbindung“ sehr hoch angesetzt. Das hat Auswirkungen auf die Bedeutung der hierdurch erreich­ ten Koordination. Denn je höher die Hürde ihrer Anwendung liegt, desto gerin­ ger ist die Wahrscheinlichkeit ihrer Anwendung. Im Vergleich dazu ist es einfacher, eine bloß engere Verbindung zu einem an­ deren Recht herzustellen. Eine solche Ausweichklausel war etwa in Art.  4 Abs.  5 EVÜ vorgesehen. Danach war es bereits möglich, von den vertragskollisions­ rechtlichen Anknüpfungsvermutungen für die engste Verbindung in Art.  4 Abs.  2, 3 und 4 EVÜ abzuweichen, wenn der Sachverhalt nur eine engere Verbindung zu einem anderen als dem durch diese Vermutungen bezeichneten Recht hatte. Im Unterschied zu Art.  4 Abs.  2, 3 und 4 EVÜ enthalten Art.  40 Abs.  1 EGBGB und Art.  4 Abs.  1, 2 Rom  II-VO jedoch nicht nur bloße Vermutungen für die engste Verbindung. Wie bei Art.  4 Rom  I-VO haben die genannten, ebenfalls nicht als Vermutungsregeln konzipierten Deliktskollisionsregeln von vornherein ein grö­ ßeres Gewicht und gewährleisten so mehr Berechenbarkeit und Rechtssicher­ 25 

Vgl. Looschelders in: MüKoBGB, Art.  15 EGBGB, Rdn.  80.

1. Kapitel: Akzessorische Anknüpfung und Zuständigkeitsgleichlauf

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heit.26 Vor diesem Hintergrund war es plausibel, die Hürden der Ausweichklausel im EVÜ niedriger zu gestalten als bei den Ausweichklauseln im internationalen Deliktsrecht. 3. Bedeutung der akzessorischen Anknüpfung bei Konzeption als Grundanknüpfung Bei der akzessorischen Anknüpfung in Art.  41 Abs.  2 Nr.  1 EGBGB und Art.  4 Abs.  3 Rom  II-VO handelt es sich ferner um Abweichungen von ihren jeweiligen Grundanknüpfungen. Sie sind daher an sich bereits in der Tendenz eng auszu­legen.27 Anders verhält es sich bei den vertragsakzessorischen Grundanknüpfungen in Art.  38 Abs.  1 und 39 Abs.  1 EGBGB sowie in Art.  10 Abs.  1, 11 Abs.  1 und 12 Abs.  1 Rom  II-VO. Strukturell handelt es sich bei ihnen um starke Akzessorietä­ ten, da sie Grundanknüpfungen darstellen und damit e contrario im Unterschied zu einer Ausweichklausel nicht eng ausgelegt werden müssen. Dieser konzeptio­ nelle Unterschied zeigt sich auch in der Formulierung der Anforderungen: An­ ders als eine wesentlich oder offensichtlich engere Verbindung zu einem Rechts­ verhältnis erfordern die akzessorischen Anknüpfungen in Grundanknüpfung le­ diglich eine „enge Verbindung“ zu einem Rechtsverhältnis. 4. Bedeutung des renvoi bei der akzessorischen Anknüpfung Die akzessorische Anknüpfung ist jedoch nur der halbe Weg zur Bestimmung der einen Rechtsordnung, die auf vertragliche und außervertragliche Fragen eines Rechtsverhältnisses Anwendung finden soll. Entscheidend ist ebenso das Schick­ sal der Verweisungen, nachdem sie ausgesprochen worden sind. Um den Zweck einer akzessorischen Anknüpfung nicht zu vereiteln, müssen die Verweisung, welche die anknüpfende Kollisionsnorm ausspricht, und diejenige, welche die Kollisionsnorm ausspricht, an welche angeknüpft wird, dasselbe Schicksal haben. Das gilt jedenfalls, wenn der Zweck der akzessorischen Anknüpfung die Harmo­ nisierung der Kollisionsnormen darstellt. Dies ist bereits bei Art.  41 EGBGB be­ herzigt worden, wonach die Trennung der Statute durch Rück- oder Weiterver­ weisung ausgeschlossen ist.28 Bei Art.  4 Abs.  3 Rom  II-VO ist dafür durch den vollständigen Ausschluss des renvoi in Art.  24 Rom  II-VO gesorgt.

26  Vgl. Erwägungsgrund Nr.  16 Rom  I-VO; Martiny in: MüKoBGB, Art.  4 Rom  I-VO, Rdn.  2; Garcímartín Alférez, EuLF 2008, I-61, I-67. 27  Spickhoff in: BeckOK, Art.  4 Rom  II-VO, Rdn.  12; Schaub in: PWW, Art.  4 Rom  II-VO, Rdn.  9; vgl. zu Art.  41 EGBGB: Junker in: MüKoBGB, Art.  41 EGBGB, Rdn.  6. 28  Junker in: MüKoBGB, Art.  41 EGBGB, Rdn.  28.

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1. Teil – 1. Abschnitt: Methoden der Vorrangkoordination

D. Koordinationsakteure I. Legislative Die Beiträge zur Einführung der akzessorischen Anknüpfung ins Kollisionsrecht können variabel gelagert sein. Im europäischen sowie z. B. im deutschen autono­ men Kollisionsrecht ist vornehmlich der Gesetzgeber tätig geworden und hat nicht nur die akzessorische Anknüpfung an sich, sondern auch ihre Vorausset­ zungen geregelt. Freilich handelt es sich insbesondere bei der Bestimmung der Nähebeziehung um einen unbestimmten Rechtsbegriff, der in Art.  4 Abs.  3 Rom  I-VO ebenso wie in Art.  41 EGBGB nur ein Regelbeispiel ist, also keine zwingende Gewichtung darstellt, von der nicht durch die Gerichte abgewichen werden könnte. Im englischen Recht hat der Gesetzgeber die akzessorische An­ knüpfung zumindest für das Deliktskollisionsrecht nicht selbst vorgesehen, son­ dern nur die normative Grundlage für einen proper law approach in section 12 Private International Law (Mis­cellaneus Provisions) Act 1995 geschaffen.29 II. Judikative Die Rolle der Judikative hängt also vom bereits geleisteten Beitrag des Gesetz­ gebers ab. Im englischen Recht haben die Gerichte aufgrund des proper law approach eine gewisse Freiheit, soweit der Private International Law (Mis­cella­ neus Provisions) Act 1995 anwendbar ist.30 Da es im französischen Recht selbst eine Ausweichklausel von der deliktsrechtlichen Grundanknüpfung nicht gibt, haben die Gerichte hier eine noch größere Freiheit, aber zugleich eine noch grö­ ßere Verantwortung dafür, dass das am besten geeignete Recht zur Anwendung kommt und einheitliche Lebensverhältnisse nicht auseinandergerissen werden. III. Parteien Mit einer Rechtswahl können die Parteien nicht nur die koordinierende Wirkung einer akzessorischen Anknüpfung verhindern. Wenn alle Parteien einer kommer­ ziellen Tätigkeit nachgehen, können sie gemäß Art.  14 Abs.  1 lit.  b Rom  II-VO sogar nach EU-Kollisionsrecht bereits vor Entstehen eines außervertraglichen Schuldverhältnisses dieses mit der Wahl des Vertragsstatuts verbinden und so den Gleichlauf selbst herbeiführen, ohne sich auf die Anwendbarkeit der akzes­ sorischen Anknüpfungen verlassen zu müssen.

29  30 

Siehe soeben S. 25. Vgl. dazu Cheshire/North/Fawcett, PIL, S.  767.

1. Kapitel: Akzessorische Anknüpfung und Zuständigkeitsgleichlauf

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Das gleiche gilt in dem problemaffinen31 Verhältnis von Erb- und Güterrecht. Die Ehegatten können etwa nach Art.  18 lit.  a V-EuGüterVO das Güterrecht ih­ rem aktuellen gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalt anpassen. Damit schaffen sie zugleich einen Gleichlauf mit dem objektiven Erbstatut nach Art.  21 Abs.  1 EuErbVO, das sich nach dem gewöhnlichen Aufenthalt des Erblassers bestimmt. Der Gleichlauf wird auf diese Weise sogar zwischen dem Güterstatut und den Erbstatuten beider Ehegatten hergestellt.

§  2 Zuständigkeitsgleichlauf im internationalen Verfahrensrecht A. Koordinationsgegenstände Mit der akzessorischen Anknüpfung vergleichbar ist im IZVR die enge Verbin­ dung zwischen verschiedenen internationalen Zuständigkeiten. Im IZVR bezieht sich diese Koordinationsmethode ausschließlich auf Gerichtsstände. Sie tritt so­ wohl auf nationaler als auch auf Unionsebene auf. Bei letzterer ist eine Ebenen übergreifende Parallelisierung der Gerichtsstände nicht zu erkennen: Art.  4 und 5 EuGüterVO bezeichnen – wie auch schon Art.  3 und 4 V-EuGüterVO – ausdrück­ lich diejenigen EU-Verordnungen, nach denen Referenzgerichtsstände ermittelt worden sind; bei Art.  4 EuGüterVO ist es die EuErbVO, bei Art.  5 Eu­GüterVO ist es die Brüssel IIa-VO.

B. Funktionsweise Die Herstellung des Zuständigkeitsgleichlaufs kann in zwei Gruppen unterteilt werden: Einerseits gibt es Normen, bei denen der Zuständigkeitsgleichlauf va­ riabel ist und es kein vorherbestimmtes Vorrangverhältnis der materiellen Klage­ grundlage gibt (dazu I.). Andererseits kann das Verhältnis der miteinander ver­ knüpften Sachbereiche auch aufgrund einer gesetzlichen Regelung vorherbe­ stimmt sein (dazu II.). I. Zuständigkeitsgleichlauf ohne vorherbestimmtes Vorrangverhältnis der materiellen Klagegrundlage Der Zuständigkeitsgleichlauf ohne vorherbestimmtes Vorrangverhältnis soll im Folgenden anhand der Verknüpfung von Klage und Widerklage (dazu 1.) sowie des Gerichtsstands der Streitgenossenschaft (dazu 2.) analysiert werden. 31 

Siehe u. a. zum Anpassungsproblem im Verhältnis von Erb- und Güterstatut unten S. 298 f.

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1. Teil – 1. Abschnitt: Methoden der Vorrangkoordination

1. Verknüpfung von Klage und Widerklage (Art.  8 Nr.  3 Brüssel Ia-VO, §  33 ZPO) Nach Art.  8 Nr.  3 Brüssel Ia-VO wird eine Klage vor dem Gericht, an dem sie anhängig ist, mit einer Widerklage verbunden, die auf denselben Vertrag oder Sachverhalt wie die Klage selbst gestützt wird. Der Umfang der Konnexität ist dabei jedoch umstritten. Einerseits wird vertreten, den Wortlaut eng auszulegen und wirklich nur denselben Vertrag oder Sachverhalt als Grundlage genügen zu lassen; ausreichend wäre demnach nicht eine Verbindung bei zwei verschiedenen Kaufverträgen, die jedoch Teil derselben Geschäftsbeziehung sind.32 Nach ande­ rer Ansicht soll mit Blick auf die Prozessökonomie sowie auf die Möglichkeit, einander widersprechende Entscheidungen zu verhindern, eine zu enge Ausle­ gung vermieden werden.33 Die internationale Zuständigkeit der Widerklage ist in Deutschland außerhalb des Anwendungsbereichs der Brüssel Ia-Verordnung in §  33 ZPO enthalten. Auch wenn dies nicht ausdrücklich dem Wortlaut zu entnehmen ist, ergibt sich dies grundsätzlich – wie auch bei den anderen Gerichtsständen der §§  12 ff. ZPO, sei es der allgemeine oder ein besonderer34 – aus deren Doppelfunktionalität: Bei örtlicher Zuständigkeit eines deutschen Gerichts liege denknotwendig auch die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte vor.35 Entscheidend für die Ver­ bindung von Klage und Widerklage ist deren Konnexität. Das bedeutet, dass sich die Widerklage auf denselben Sachverhalt bzw. denselben Vertrag36 beziehen muss, auf dem die Klage beruht.37 Für §  33 ZPO bedeutet das also, dass im Falle einer Prügelei eines in Deutschland wohnhaften Klägers mit einem in Tunesien wohnhaften Beklagten die Widerklage des Letzteren ebenso wie die Klage am besonderen Gerichtsstand der unerlaubten Handlung gemäß §  32 ZPO erfolgen kann – die Anwendbarkeit der Brüssel Ia-VO scheitert an Art.  6 Abs.  1 Brüs­sel Ia-VO, da der Beklagte seinen Wohnsitz nicht in einem Mitgliedstaat hat. Die Verknüpfung der internationalen Zuständigkeit für Klage und Widerklage aufgrund des Gedankens der Doppelfunktionalität gilt jedoch nicht durchgehend. Die Doppelfunktionalität beruht selbst auf dem Gedanken, dass internationale und

32  OGH, Urt. v. 16.3.2007 – 6 Ob 38/07t, IPRax 2008, 548. A. A. für Rahmen- oder Sukzes­ sivlieferungsverträge, solange auf einem einheitlichen Sachverhalt beruhend: Kropholler/ v. Hein, Art.  6 EuGVO, Rdn.  38. 33  Stürner, IPRax 2007, 21, 22; Schack, IZVR, Rdn.  400. Siehe auch Stadler in: Musielak/­ Voit, Art.  8 Brüssel Ia-VO, Rdn.  7. 34  Geimer, IZPR, Rdn.  949. 35  BGH, Urt. v. 20.5.1981 – VIII ZR 270/80, NJW 1981, 2642. 36  Siehe zur Interpretation dieses Begriffs näher Muir Watt in: Magnus/Mankowski, Art.  6 Brussels I Regulation, Rdn.  45. 37  Rauscher, IPR, Rdn.  1883.

1. Kapitel: Akzessorische Anknüpfung und Zuständigkeitsgleichlauf

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örtliche Zuständigkeit einer vergleichbaren Interessenlage folgen.38 Eine Verknüp­ fungslücke kann folglich dann entstehen, wenn die Interessenlagen nicht mehr vergleichbar sind und sich infolgedessen aus §  33 ZPO kein internationaler Ge­ richtsstand der Widerklage ergeben kann. Dies ist nach Ansicht des BGH aufgrund einer Interessenabwägung zu bestimmen: zwischen einerseits dem „Interesse der Rechtsprechung, eine Vervielfältigung und Zersplitterung von Prozessen und da­ mit eine die Gefahr unterschiedlicher Entscheidungen zu vermeiden und zusam­ mengehörende Ansprüche einheitlich zu verhandeln und zu entscheiden“ sowie andererseits dem Interesse der beklagten Partei, vor dem für ihn örtlich zuständi­ gen Gericht verklagt zu werden,39 etwa weil er die Gerichtssprache in diesem Staat spricht und mit dessen Prozessrecht möglicherweise besser vertraut ist40. 2. Gerichtsstand der Streitgenossenschaft (Art.  8 Nr.  1 Brüssel Ia-VO) Ähnlich verhält es sich mit dem Gerichtsstand der Streitgenossenschaft in Art.  8 Nr.  1 Brüssel Ia-VO. Hier hat der Kläger ein Wahlrecht, vor welchem von meh­ reren mitgliedstaatlichen Gerichtsständen er alle Beklagten verklagen möchte. Dazu müssen die Klagen jedoch in einem Sachzusammenhang stehen. Der EuGH hatte sich bei der näheren Bestimmung des Zusammenhangs auto­ nom an Art.  28 Abs.  3 Brüssel I-VO, der Vorgängervorschrift von Art.  30 Abs.  3 Brüssel Ia-VO, orientiert;41 diese Rechtsprechung fand Einzug in die Formulie­ rung von Art.  6 Nr.  1 Brüssel I-VO, dem der nunmehrige Art.  8 Nr.  1 Brüssel IaVO entspricht.42 Ausreichend ist dabei, wenn dieselbe Sach- und Rechtslage die Grundlage beider Verfahren bildet und bei getrennter Verhandlung der beiden Klagen die Gefahr besteht, dass es zu zwei einander widersprechenden Entschei­ dungen kommen könnte.43 II. Konzentration aufgrund eines gesetzlich prädeterminierten Verhältnisses der in Rede stehenden Sachbereiche Im Unterschied zum sachlich variablen Gleichlauf von Gerichtsständen gibt es im IZVR auch sachlich klar determinierte Verhältnisse. Diese Gerichtsstand­­­kon­ 38 

Geimer, IZPR, Rdn.  946. BGH, Urt. v. 20.5.1981 – VIII ZR 270/80, NJW 1981, 2642, 2643. 40  So bereits BGH, Beschl. v. 14.6.1965 – GSZ 1/65, NJW 1965, 1665, 1666. 41  EuGH, Urt. v. 27.9.1988, C-189/87, Athanasios Kalfelis v. Bankhaus Schröder u. a., Slg. 1988, 5565. 42  Rauscher, IPR, Rdn.  1874. 43  EuGH, Urt. v. 13.7.2006, C-539/03, Roche Nederland BV v. Frederick Primus, Milton Goldenberg, Slg. 2006, I-6535; EuGH, Urt. v. 7.3.2013, C-145/10, Painer v. Standard Verlags GmbH, EuZW 2012, 182–189 mit Anmerkung von H.-P. Roth, EuZW 2012, 189 f.; Rauscher, IPR, Rdn.  1874. 39 

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1. Teil – 1. Abschnitt: Methoden der Vorrangkoordination

zentration aufgrund eines gesetzlich vorherbestimmten Verhältnisses der Sachbe­ reiche lässt sich am Gleichlauf zwischen Scheidungs- und Gütersachen (dazu 1.) sowie von Erb- und Gütersachen (dazu 2.) analysieren. 1. Unionsrechtlicher Zuständigkeitsgleichlauf von Scheidungs- und Gütersachen (Art.  5 EuGüterVO) sowie internationale Verbundzuständigkeit von Scheidungs- und Folgesachen im deutschen Recht (§  137 FamFG) Wie schon der Verordnungsvorschlag zur EuGüterVO, der Zuständigkeit, an­ wendbares Recht sowie Anerkennung und Vollstreckung in Ehegütersachen ver­ einheitlichen soll, sieht nunmehr auch die Verordnung selbst in ihrem Art.  5 den Gleichlauf von Scheidungs- und Gütergerichtsstand am Ort des Scheidungsge­ richtsstandes vor, wenn dieser sich nach der Brüssel IIa-VO bestimmt. Anders jedoch, als es noch Art.  4 V-EuGüterVO vorsah, handelt es sich dabei im Grund­ satz nach Art.  5 Abs.  1 EuGüterVO um einen zwingenden Gleichlauf. Von die­ sem Grundsatz wird jedoch nach Art.  5 Abs.  2 EuGüterVO abgewichen, wenn das Gericht, das mit dem Antrag auf Ehescheidung, Trennung ohne Auflösung des Ehebands oder Ungültigerklärung der Ehe angerufen wird, (a) das Gericht eines Mitgliedstaats ist, in dem der Antragsteller nach Artikel  3 Abs.  1 lit.  a Brüs­ sel IIa-VO seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat und sich dort seit mindestens ei­ nem Jahr unmittelbar vor der Antragstellung aufgehalten hat, (b) das Gericht ei­ nes Mitgliedstaats ist, dessen Staatsangehörigkeit der Antragsteller nach Art.  3 Abs.  1 lit.  a, 6. Spstr. Brüssel IIa-VO besitzt und in dem der Antragsteller seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat und sich dort seit mindestens sechs Monaten un­ mittelbar vor der Antragstellung aufgehalten hat, (c) nach Art.  5 Brüssel IIa-VO in Fällen der Umwandlung einer Trennung ohne Auflösung des Ehebands in eine Ehescheidung angerufen wird oder (d) nach Art.  7 Brüssel IIa-VO in Fällen an­ gerufen wird, in denen ihm eine Restzuständigkeit zukommt. Der Gleichlauf nach Art.  5 Abs.  2 EuGüterVO ist nicht zwingend, sondern die Parteien müssen sich auf ihn einigen (Art.  5 Abs.  3 EuGüterVO). Vor dem Prozess muss diese Vereinbarung in Schriftform verfasst, datiert und von beiden Parteien unterzeich­ net werden; möglich ist eine solche Vereinbarung aber jederzeit, also auch wäh­ rend des Verfahrens, wobei eine elektronische Übermittlung, die eine dauerhafte Aufzeichnung der Vereinbarung ermöglicht, der Schriftform gleichgestellt ist (Art.  7 Abs.  2 EuGüterVO).44 Im deutschen Recht stehen Scheidungssachen mit sog. Folgesachen gemäß §  137 FamFG in einem Verbund. Zunächst sieht §  98 Abs.  2 FamFG vor, dass bei einem Verbund von Scheidungs- und Folgesachen die für die Scheidungssachen 44  Siehe dazu auch Kroll-Ludwigs in: Rauscher, EuZPR/EuIPR, Einf. EU-EheGüterVO-E, Rdn.  25 f.

1. Kapitel: Akzessorische Anknüpfung und Zuständigkeitsgleichlauf

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geltende internationale Zuständigkeit auch für die Folgesachen gilt. Hinsichtlich der Verbundsachen ist zwischen solchen kraft Gesetzes (§  137 Abs.  2 FamFG) und solchen kraft Antrags durch einen Beteiligten (§  137 Abs.  3 Fam-FG) zu unterscheiden; dabei fallen Gütersachen nach §  137 Abs.  2 S.  1 Nr.  4 FamFG un­ ter die kraft Gesetzes in den Scheidungsverbund einbezogenen Folgesachen. Auch hier ist das Bestehen des Verbundes nicht zwingend. Anders als in Art.  5 Abs.  2 EuGüterVO muss er jedoch nicht vereinbart werden, sondern durch pro­ zessuales Tätigwerden abgesichert werden; denn auch Verbundsachen kraft Ge­ setzes können gemäß §§  145 ZPO i. V. m. 113 Abs.  1 FamFG abzutrennen sein, wenn die Folgesache nicht spätestens binnen zwei Wochen vor der ersten münd­ lichen Verhandlung in der Scheidungssache stattfindet.45 2. Verbindung der internationalen Zuständigkeiten in Erbschafts- und Gütersachen (Art.  4 EuGüterVO und §§  344 Abs.  5 i. V. m. 105 FamFG) Eine weitere Verknüpfung von internationalen Zuständigkeiten ist die Verbin­ dung von internationaler Zuständigkeit in Erbsachen mit güterrechtlichen Fragen in Art.  4 EuGüterVO, wenn sich die Zuständigkeit in Erbsachen aus der EuErb­ VO ergibt. Ein eindeutiger Verweis auf die „Verordnung Nr.  650/2012“, wie er in der EuGüterVO nunmehr enthalten ist, hatte in Art.  3 V-EuGüterVO noch ge­ fehlt. Denn dieser war zum Zeitpunkt des 16.3.2011, von dem der Vorschlag stammt, noch nicht möglich, da die numerische Bezeichnung der EuErbVO zu diesem Zeitpunkt noch nicht feststehen konnte. Anders als bei der Verbindung von Scheidungs- mit Gütersachen ist diese Zuständigkeitskonzentration obliga­ torisch, da sie von keiner Parteivereinbarung abhängt. Im deutschen Recht gibt es eine vergleichbare Verknüpfung zwischen Erb­ sachen und der Auseinandersetzung des Gesamtguts bei Gütergemeinschaft. Vor­ aussetzung ist, dass ein Anteil des Gesamtguts in den Nachlass fällt. Nach den §§  344 Abs.  5 S.  1 i. V. m. 105 FamFG ist dann das Nachlassgericht zuständig. Die Voraussetzung für die Verknüpfung in §  344 Abs.  5 S.  1 FamFG bedeutet Einschränkungen in zwei Richtungen. Einerseits fallen die anderen Güterstände – Gütertrennung und Zugewinngemeinschaft – nicht unter die Vorschrift. Damit sind Nachlass- und Güterrechtsfragen nur zum Teil miteinander verbunden. An­ dererseits besteht die Verbindung ausdrücklich nur für den Fall, dass ein Anteil am Gesamtgut in den Nachlass fällt. Das deutsche Recht sieht dies nur bei Auf­ lösung der Ehe (§  1482 BGB) bzw. der eingetragenen Lebenspartnerschaft (§§  1482 BGB i. V. m. 7 Abs.  1 LPartG) sowie bei Ende der fortgesetzten Güter­ gemeinschaft durch Tod des letztversterbenden Ehegatten (§  1494 BGB) vor. 45 

Siehe dazu Heiter in: MüKoFamFG, §  137 FamFG, Rdn.  63.

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1. Teil – 1. Abschnitt: Methoden der Vorrangkoordination

C. Koordinationszweck Der Hauptkoordinationszweck ist je nach Funktionsweise unterschiedlich: Bei den Beispielen des Zuständigkeitsgleichlaufs ohne vorherbestimmtes Vorrang­ verhältnis zielt derselbe auf die Vermeidung einander widersprechender Ent­ scheidungen sowie ein zumindest für die Klägerpartei vereinfachten Verfahrens­ verlauf ab (dazu I.), die Konzentration aufgrund eines gesetzliche prädetermi­ nierten Verhältnisses bezweckt dagegen nur die Vereinfachung des jeweiligen Verfahrens (dazu II.). I. Zuständigkeitsgleichlauf ohne vorherbestimmtes Vorrangverhältnis der materiellen Klagegrundlage 1. Verknüpfung von Klage und Widerklage In der Verknüpfung von Klage und Widerklage in einem Gerichtsstand kann eine gewisse Korrektur der Eröffnung einer Mehrzahl von Gerichtsständen gesehen werden. Mehrere Gerichtsstände führen zu positiven Kompetenzkonflikten und eröffnen die Möglichkeit einander widersprechender Entscheidungen. Werden Klage und Widerklage dagegen vor demselben Gericht verhandelt, wird diese Gefahr gemindert.46 Ganz ausgeschlossen ist sie allerdings nicht, wie ein Vergleich mit der Verfah­ renskoordination in Art.  30 Brüssel Ia-VO zeigt. Indem die in diesen Normen enthaltene Koordination die Zuständigkeit für ein Verfahren so zuzuweisen ver­ sucht, dass nach ihrer korrekten Anwendung nur ein einziges Verfahren vor ei­ nem einzigen Gerichtsstand übrig ist, kann Art.  8 Nr.  3 Brüssel Ia-VO die Eröff­ nung der Widerklage vor einem anderen, ebenfalls zuständigen Gericht nicht verhindern; denn diesem Gerichtsstand ist kein Vorrang vor den anderen Ge­ richtsständen, insbesondere nicht dem allgemeinen Gerichtsstand, eingeräumt.47 Dennoch kann der Beklagte der Hauptklage durch entsprechende Ausübung sei­ nes Wahlrechts zur Konzentration beider Verfahren und damit zum Ausschluss der Gefahr einander widersprechender Entscheidungen beitragen. Daneben liegt in der Möglichkeit der Verbindung von Klage und Widerklage in ein und demselben Gerichtsstand zusätzlich eine Verfahrenserleichterung; denn andernfalls wäre nicht ohne Weiteres gewährleistet, dass die in der Haupt­ klage beklagte Partei ihre Gegenansprüche, die mit einer Widerklage geltend gemacht werden könnten, gerade im Klagegerichtsstand geltend machen könnte. Wäre dies nicht der Fall, wäre sie ggf. auf einen anderen Gerichtsstand und damit ein selbstständiges Verfahren verwiesen – ebenso wie der Kläger der Hauptkla­ 46  47 

Schack, IZVR, Rdn.  400. Vgl. Muir Watt in: Magnus/Mankowski , Art.  6 Brussels I Regulation, Rdn.  6.

1. Kapitel: Akzessorische Anknüpfung und Zuständigkeitsgleichlauf

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ge, der als dann beklagte Partei mit einem neuen Verfahren an einem anderen Ort belastet würde.48 2. Gerichtsstand der Streitgenossenschaft Wenngleich es nicht um Verfahren zwischen denselben Parteien geht, hat der EuGH dennoch zum Gerichtsstand der Streitgenossenschaft in seiner Entschei­ dung Kalfelis v. Schröder49 das Grundprinzip von Art.  8 Nr.  1 Brüssel Ia-VO for­ muliert. Danach stehen „die Klagen gegen die verschiedenen Beklagten bei ihrer Erhebung im Zusammenhang […], wenn eine gemeinsame Verhandlung und Entscheidung geboten erscheint, um zu vermeiden, dass in getrennten Verfahren widersprechende Entscheidungen ergehen könnten“50. Ähnlich wie bei Art.  8 Nr.  3 Brüssel Ia-VO ist das Risiko einander widersprechender Entscheidungen allerdings auch hier nicht vollkommen ausgeschlossen, da auch Art.  8 Nr.  1 Brüssel Ia-VO nur besonderer Gerichtsstand ist und keinen Vorrang wie etwa ein ausschließlicher Gerichtsstand genießt. Den Beitrag zur Vermeidung einander widersprechender Entscheidungen leistet hier allerdings der Kläger, indem er die Beklagten in demselben Gerichtsstand verklagt. Wie bei der Verknüpfung von Klage und Widerklage ist beim Gerichtsstand der Streitgenossenschaft eine Verfahrensvereinfachung im Wege einer Kosten­ ersparnis für den Kläger bezweckt,51 indem vermieden wird, dass der Kläger gegen einen anderen Streitgenossen an einem anderen Gerichtsstand vorgehen muss. Für den beigezogenen Streitgenossen ist damit jedoch nicht zwingend eine Verfahrensvereinfachung verbunden; da er aus seinem allgemeinen Gerichts­ stand ggf. weggezogen wird, hat die Gerichtsstandkonzentration für ihn eine Ver­ fahrenserschwerung zur Folge.

48  Muir Watt in: Magnus/Mankowski, Art.  8 Brussels Ibis Regulation, Rdn.  3. Vgl. auch zum Aspekt der Prozessökonomie bei der Widerklage im deutschen Recht Patzina in: MüKo­ ZPO, §  33 ZPO, Rdn.  1. 49  EuGH, Urt. v. 27.9.1988, C-189/87, Athanasios Kalfelis v. Bankhaus Schröder u. a., Slg. 1988, 5565. 50  EuGH, Urt. v. 27.9.1988, C-189/87, Athanasios Kalfelis v. Bankhaus Schröder u. a., Slg. 1988, 5565, Rdn.  12, ähnlicher Wortlaut in Rdn.  13; vgl. Muir Watt in: Magnus/Mankowski, Art.  6 Brussels I Regulation, Rdn.  1. 51  Muir Watt in: Magnus/Mankowski, Art.  6 Brussels I Regulation, Rdn.  17.

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1. Teil – 1. Abschnitt: Methoden der Vorrangkoordination

II. Konzentration aufgrund eines gesetzlich prädeterminierten Verhältnisses der in Rede stehenden Sachbereiche 1. Gleichlauf zwischen Scheidungs- und Gütersachen Der Zweck der Zuständigkeitskonzentration besteht ausweislich der Begründung des Kommissionsvorschlages in der Vereinfachung des Verfahrens für die Partei­ en, indem es ihnen ermöglicht wird, „den gesamten Sachverhalt einem einzigen Gericht vorzulegen“52. Erwägungsgrund Nr.  32 EuGüterVO nennt neben der Rücksichtnahme auf die zunehmende Mobilität von Paaren während ihres Ehe­ lebens nunmehr auch die Erleichterung einer geordneten Rechtspflege. Aus die­ ser Interessenabwägung ergibt sich gleichermaßen die obligatorische Parallelität zwischen EuErbVO und EuGüterVO einerseits sowie diejenige zwischen Brüs­ sel IIa-VO und EuGüterVO andererseits. Obligatorisch sind diese Gleichläufe, da die Möglichkeit der Gerichtsstandsvereinbarung nach Art.  7 Abs.  1 EuGüter­ VO wegen des darin enthaltenen Verweises auf Art.  6 EuGüterVO nicht für Art.  4 oder 5 EuGüterVO zur Verfügung steht. Im Falle der in Art.  5 Abs.  2 EuGüterVO genannten speziellen Gerichtsstände nach Brüssel IIa-VO ist ein Gleichlauf jedoch nur aufgrund einer Vereinbarung beider Eheleute vorgesehen. Eine nähere Begründung ergibt sich aus den Er­ wägungsgründen hierzu nicht. Sie wird jedoch offenbar, wenn man die Liste der Gerichtsstände etwas näher betachtet. Art.  3 Abs.  1 lit.  a, 5. Spstr., der in Art.  5 Abs.  2 lit.  a EuGüterVO angesprochen ist, beruht auf einer Nähebeziehung aus­ schließlich zum Antragssteller. Damit wird zugleich auf die Kritik reagiert, die diesem Gerichtsstand ohnehin bereits zuteil wird53, und verhindert auf diese Wei­ se, dass die Interessen des anderen Ehegatten leerlaufen. Ein ähn­liches Problem mit einseitiger Nähebeziehung des Gerichtsstands zum Antragssteller ist mit Art.  3 Abs.  1, 6. Spstr. verbunden54, weshalb auch zu diesem Gerichtsstand nur dann ein Gleichlauf bestehen soll, wenn neben dem Antragssteller auch der an­ dere Ehegatte mit diesem Gerichtsstand einverstanden ist. Eine vergleichbare Gefahr geht von Art.  5 Brüssel IIa-VO nicht aus. Dennoch enthält dieser Gerichtsstand eine Ausnahmevorschrift, die absichtlich nur auf das Thema der Umwandlung der Trennung ohne Auflösung des Ehebandes in eine Ehescheidung anzuwenden ist, und auf keine Ehesache sonst.55 Dass die paralle­ le Anwendung auf eine Ehegütersache nach Art.  5 Abs.  2 lit.  c EuGüterVO nur auf der Vereinbarung der Eheleute beruhen kann, ist daher folgerichtig. 52 

KOM(2011) 126 endg., S.  5 f. mit Zitat auf S.  6. Siehe dazu nur Rauscher in: Rauscher, EuZPR/EuIPR, Art.  3 Brüssel IIa-VO, Rdn.  39 ff. 54  Siehe dazu nur Rauscher in: Rauscher, EuZPR/EuIPR, Art.  3 Brüssel IIa-VO, Rdn.  45 ff. m. w. N. 55  Rauscher in: Rauscher, EuZPR/EuIPR, Art.  5 Brüssel IIa-VO, Rdn.  1 f. 53 

1. Kapitel: Akzessorische Anknüpfung und Zuständigkeitsgleichlauf

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Das gleiche gilt für den Gleichlauf der Zuständigkeit in Ehegütersachen mit der Restzuständigkeit in Art.  7 Brüssel IIa-VO gemäß Art.  5 Abs.  2 lit.  d EuGüter­ VO. Denn bei einem solchen Gleichlauf orientiert sich die EuGüterVO nicht an unionsrechtlich vereinheitlichten Zuständigkeitsregeln, sondern an unvereinheit­ lichtem nationalem Zuständigkeitsrecht. Nimmt man mit dem EuGH an, dass Art.  7 Abs.  1 Brüssel IIa-VO den Vorrang der Art.  3–5 Brüssel IIa-VO vor der lex fori verdeutlichen soll,56 ist dieser Vorschrift nicht so sehr die Rolle zuzuspre­ chen, gerade der Mobilität der Eheleute Rechnung zu tragen, wie sie Ziel sowohl der Brüssel IIa-VO57 als auch der EuGüterVO ist58. Soll deren Bedeutung je­ doch keine Schmälerung erfahren, ist nachvollziehbar, warum auch die Anknüp­ fung an einen Zuständigkeitsgleichlauf mit Art.  7 Brüssel IIa-VO nach Art.  5 Abs.  2 lit.  d EuGüterVO der Zustimmung beider Eheleute bedarf. Der Verbund im deutschen Recht in §  137 FamFG beruht dagegen nicht nur auf der Vereinfachung des Verfahrens.59 Die ex lege-Verknüpfung der Gerichts­ stände erfüllt ferner den Zweck, den sozial schwächeren Ehegatten zu schützen, indem sie Scheidung und vermögensrechtliche Folgen in einem Verfahren ver­ bindet.60 Schließlich kommt ihr auch eine Warnfunktion zu: Die Ehegatten sol­ len angehalten werden, sich vor einer Scheidung deren vermögensrechtliche Fol­ gen vor Augen führen.61 Weil es also nicht nur um ein für die Ehegatten einfache­ res Verfahren geht, sondern mit dem Verbund weitere Zwecke verfolgt werden, die aus Schutzgründen der Disponibilität der Ehegatten entzogen sein sollen, erfolgt die Zuständigkeitskonzentration nicht auf Antrag der Parteien, sondern besteht von Gesetzes wegen. 2. Gleichlauf zwischen Erb- und Gütersachen Art.  4 und 5 EuGüterVO folgen demselben Prinzip, von dem nur Art.  4 EuGüter­ VO für die Verbindung von Erb- und Gütergerichtsstand keine Ausnahmen vor­ sieht. Dies erscheint auch nicht als notwendig, da die objektiven Erbzuständig­ keitsregeln an Aspekte beim Erblasser anknüpfen, was angesichts des Betreffs von Erbsachen durchaus naheliegt. Im Unterschied zur Brüssel IIa-VO bestimmt die EuErbVO zudem in allen Fällen selbst die Voraussetzungen für die Zustän­ digkeit und enthält insbesondere keine Regelung über eine Restzuständigkeit wie in Art.  7 Abs.  1 Brüssel IIa-VO, nach der sich die Zuständigkeit nach nationalem Recht bestimmen würde. 56 

EuGH, Urt. v. 29.11.2007, C-68/07, Sundelind Lopez/Lopez, Slg. 2007, I-10403, Rdn.  18 ff. Rauscher in: Rauscher, EuZPR/EuIPR, Art.  3 Brüssel IIa-VO, Rdn.  1. 58  Erwägungsgrund Nr.  32 EuGüterVO. 59  Borth/Grandel in: Musielak/Borth, FamFG-Kommentar, §  137 FamFG, Rdn.  1. 60  Borth/Grandel in: Musielak/Borth, FamFG-Kommentar, §  137 FamFG, Rdn.  1. 61  Borth/Grandel in: Musielak/Borth, FamFG-Kommentar, §  137 FamFG, Rdn.  1. 57 

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1. Teil – 1. Abschnitt: Methoden der Vorrangkoordination

Im Vorschlag zur EuGüterVO war der Unterschied zwischen den Gerichts­ standsnormen noch deutlicher angelegt. Denn bereits dort hatte der Gleichlauf von Erb- und Gütersachen das Gesicht, das er nun in der EuGüterVO hat. Zwar war auch dort Art.  4 V-EuGüterVO wie auch Art.  3 V-EuGüterVO vor dem Hin­ tergrund der Vereinfachung des Verfahrens durch Zuständigkeitsgleichlauf zu sehen. Im Unterschied zu Art.  3 V-EuGüterVO war der Zuständigkeitsgleichlauf von Scheidungs- und Gütersachen jedoch nicht obligatorisch, sondern aus­ schließlich von den Willenserklärungen der Eheleute abhängig. Dass die Streit­ parteien nicht auch über den Gleichlauf der Zuständigkeit von Erb- und Güter­ sachen disponieren können, wurde im Vorschlag nicht weiter problematisiert. Es hätte sich jedoch wie folgt erklären lassen: Bei einer Scheidung und einem sich daraus ergebenden Güterausgleich sind überhaupt nur die Ehegatten betroffen; demgegenüber betrifft der Güterausgleich nach Tod eines Ehegatten nicht nur den verwitweten Ehegatten und eine weitere potenzielle Streitpartei, sondern kann darüber hinaus auch noch weitere Erben und Personen wie z. B. Vermächt­ nisnehmer, die Ansprüche gegen den Nachlass haben, betreffen.62 Besteht nach nationalem Prozessrecht die Möglichkeit der Beteiligung dieser dritten Personen und wollen diese ihre Interessen durch eine Beteiligung im Verfahren gewahrt sehen, dient die Verfahrensvereinfachung damit auch ihren Interessen. Deshalb kann die Zuständigkeitskonzentration nicht der Dispositionsfreiheit des verwit­ weten Ehegatten und einer letztlich zufälligen weiteren Streitpartei unterliegen. Dass Art.  4 und 5 EuGüterVO dem Grundsatz nach angeglichen wurden, spricht nunmehr allerdings dafür, dass es dieser zusätzlichen Erwägung nicht bedarf, um die Grundlage des Gleichlaufs der Zuständigkeit in Erb- und Güter­ sachen zu erklären. Denn die Interessen der Erleichterung einer geordneten Rechtspflege und der Berücksichtigung der zunehmenden Mobilität von Paaren während ihres Ehelebens i. S. v. Erwägungsgrund Nr.  32 EuGüterVO waren nach Ansicht des EU-Gesetzgebers ausreichend für einen festgesetzten Gleichlauf.

D. Koordinationsakteure I. Legislative Die Legislative hat zunächst über die Einrichtung von Zuständigkeitsgleich­ läufen an sich zu entscheiden. Ist die Entscheidung über das Ob positiv getroffen, wählt sie ferner die Intensität der Voraussetzungen für die Anwendbarkeit einer Gleichlaufregel. Das bedeutet, dass sich der Gesetzgeber dazu entscheiden kann, bei einer bestimmten Nähebeziehung von Sachmaterien eine zwingende Zustän­ 62  Vgl. Art.  5 EuErbVO und die Möglichkeit der Gerichtsstandswahl durch die betroffenen Parteien sowie Dutta in: MüKoBGB, Art.  5 EuErbVO, Rdn.  6–10.

1. Kapitel: Akzessorische Anknüpfung und Zuständigkeitsgleichlauf

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digkeitsverbindung herzustellen, wie dies z. B. bei Verbundsachen im deutschen FamFG der Fall ist. Er kann es jedoch auch den Parteien überlassen, die Option einer Zuständigkeitsverknüpfung zu ziehen, wie etwa bei der Verbindung von Klage und Widerklage im Rahmen von Art.  8 Nr.  3 Brüssel Ia-VO. Ferner obliegt es dem Gesetzgeber, die Intensität der angesprochenen Nähebeziehung selbst festzusetzen. II. Judikative Die Aufgabe der Judikative bezieht sich in diesem Fall auf die Auslegung der die Zuständigkeit parallelisierenden Kollisionsnormen. Der Umfang der Auslegung beruht dabei wesentlich darauf, wie konkret der Gesetzgeber bei der Normset­ zung formuliert hat. Je offener die Formulierung ist bzw. je weniger bestimmt die verwendeten Rechtsbegriffe sind, desto mehr Auslegungsspielraum kommt der Judikative zu. III. Parteien Die Parteien haben – wie auch bei der akzessorischen Anknüpfung im IPR – zum Teil die Möglichkeit, Einfluss auf den Zuständigkeitsgleichlauf zu nehmen. Das trifft insbesondere zu, wenn – wie in Art.  5 EuGüterVO – die Parteien aufgrund einer Vereinbarung den Zuständigkeitsgleichlauf herbeiführen müssen, weil der Gesetzgeber den Gleichlauf zu ihrer Disposition gestellt hat. Das bedeutet jedoch auch, dass der Unwille einer Partei ausreichend ist, um einen Gleichlauf ggf. zu verhindern, indem sie z. B. die Widerklage vor einem anderen Gericht einbringt. In der EuErbVO können neben dem Erblasser auch gemäß Art.  5 Abs.  1 EuErb­ VO die „betroffenen Personen“ diese Koordination vornehmen.

2.  Kapitel

Vorrangnormen zur Regelung des Verhältnisses von Rechtsakten zueinander Die Koordination von völkerrechtlichen und europäischen Kollisions- und Ver­ fahrensregeln im Wege der Vorrangregelung wird bei mehreren Typen von Ver­ hältnissen relevant. Zunächst ist das Verhältnis zwischen Kollisionsrechtsverord­ nungen und ihren europäischen Vorgängerübereinkommen zu regeln (dazu §  1). Ferner muss geregelt werden, welcher Rechtsakt im Verhältnis von EU-Verord­ nungen zu solchen Übereinkommen Vorrang hat, die mit den entsprechenden Verordnungen teilweise oder gänzlich identisch sind (dazu §  2). Schließlich ist auch im Verhältnis von EU-Verordnungskollisionsrecht und Richtlinienkolli­ sions­recht das Vorrangverhältnis zu klären (dazu §  3).

§  1 Vorrangnormen zum Verhältnis von zu ersetzenden europäischen Übereinkommen und ihren Nachfolgeverordnungen A. Koordinationsgegenstände Durch diese Koordinationsmethode werden die Normen des Vorgängerüberein­ kommens mit denen der entsprechenden Nachfolgeverordnung koordiniert.63 Eine Koordination ist auch in diesem Verhältnis erforderlich, da bislang immer mindestens einer der Staaten Vereinigtes Königreich, Irland und Dänemark nicht den Nachfolgeverordnungen beitrat und damit die Vorgängerübereinkommen über das Inkrafttreten der Nachfolgeverordnung hinaus galten.64

63 

Vorrang der Rom  I-VO vor dem EVÜ: Art.  24 Rom  I-VO. Brüssel Ia-VO: Erwägungsgründe Nr.  40, 41; EuUnthVO: Erwägungsgründe Nr.  47, 48; EuErbVO: Erwägungsgründe Nr.  82, 83. 64 

2. Kapitel: Vorrangnormen

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B. Funktionsweise I. Internationales Privatrecht Die zu koordinierenden Gegenstände Übereinkommen und Verordnung werden so miteinander koordiniert, dass die Verordnung mit ihrem Inkrafttreten an die Stelle des Übereinkommens tritt. Für das Verhältnis von Rom  I-VO zum EVÜ ist dies in Art.  24 Rom  I-VO geregelt. EU-Mitgliedstaaten, die an die Verordnung gebunden sind, wenden das Übereinkommen dann nur noch für Altfälle vor In­ krafttreten der Verordnung an.65 Da kollisionsrechtliche EU-Verordnungen stan­ dardmäßig lois uniformes sind und daher auch nicht-EU-mitgliedstaatliches Recht berufen können, kommt es im Verhältnis zu solchen Staaten im Anwen­ dungsbereich der jeweiligen EU-Verordnung nicht zur Anwendung des Vorgän­ gerübereinkommens.66 Daneben enthält diese Art von Vorrangnormen eine territoriale Ausnahme für diejenigen Teile der Hoheitsgebiete der Mitgliedstaaten, die auch gemäß Art.  355 AEUV vom Anwendungsbereich der Verträge ausgenommen sind. Wie schon in der Vorgängervorschrift Art.  299 EGV sind in Art.  355 AEUV die EU-Mitglied­ staaten Vereinigtes Königreich, Irland und Dänemark, die hinsichtlich der Kolli­ sionsrechtsvereinheitlichung einen Sonderstatus haben, nicht ausdrücklich mit­ einbezogen; denn sollten diese jeweils erklären, dass sie an einem Rechtsverein­ heitlichungsrechtsakt nicht teilnehmen werden, macht sie das freilich nicht zu Staaten i. S. v. Art.  349 AEUV. Man wird jedoch annehmen dürfen, dass dänische Gerichte zumindest das EVÜ anzuwenden haben. So ist auch Art.  24 Abs.  1 Rom  I-VO i. V. m. Art.  1 Abs.  4 S.  1 Rom  I-VO zu verstehen. Denn nach Art.  1 Abs.  4 S.  1 Rom  I-VO bezeichnet iSd Rom  I-VO der Begriff „Mitgliedstaat“ – man könnte einfügen: nur – die Mitgliedstaaten, auf die diese Verordnung anwendbar ist. Solange also ein durch das EVÜ gebundener Mitgliedstaat – nun nicht mehr wie i. S. v. Art.  1 Abs.  4 Rom  I-VO – nicht an der Rom  I-VO teilnimmt, tritt diese auch nicht an die Stelle des EVÜ, so dass dieses weiterhin Gültigkeit in diesem Mitgliedstaat hat. Ein anderes Ergebnis wäre auch kaum nachvollziehbar. Denn es wäre für die Zwecke der EU-weiten Kollisionsrechtsharmonisierung nicht einzusehen, dass die Nichtteilnahme an einem weiteren kollisionsrechtlichen Entwicklungsschritt dazu führen kann, dass die vorangegangene Kollisions­ rechtsvereinheitlichung ihre Wirkung verlieren könnte.

65 

Martiny in: MüKOBGB, Art.  28 Rom  I-VO, Rdn.  1, 3. Siehe zur Rom  I-VO Leible/Lehmann, RIW 2008, 528, 532; Nordmeier in: Gebauer/ Wiedmann, Kapitel  37, Art.  24 Rom  I-VO, Rdn.  146; anders irrtümlich Maurer/Sadtler, RIW 2008, 544, 545. 66 

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1. Teil – 1. Abschnitt: Methoden der Vorrangkoordination

II. Internationales Zivilverfahrensrecht In dieser Hinsicht unterscheidet sich etwa das zivilverfahrensrechtliche Para­ digma aus Art.  68 Abs.  1 Brüssel Ia-VO – wie es auch bereits in Art.  68 Brüssel I-VO geregelt war – von den Ausführungen im IPR. Denn anders als im IPR müssen Gerichte von Mitgliedstaaten, die an einer Verordnung mit IZVR-Regeln teilnehmen, darauf achten, ob im Verhältnis zu Mitgliedstaaten, die nicht durch diese Verordnung, aber durch einen Vorgängerrechtsakt gebunden sind, dieser Vorgängerrechtsakt zur Anwendung kommt. Dies lässt sich am Beispiel der Brüssel I-VO sowohl für das internationale Gerichtsstandsrecht als auch für die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen demonstrieren. Für das internationale Gerichtsstandsrecht galt im Verhältnis zu Dänemark das EuGVÜ, das somit von Mitgliedstaaten der Brüssel I-VO, z. B. Deutschland in­ soweit angewendet werden musste, als der Beklagte seinen Wohnsitz in Däne­ mark hatte (Art.  1 Abs.  3 Brüssel I-VO) und nicht gleichzeitig Art.  4 Abs.  1 Brüs­ sel I-VO einschlägig war, bis für Dänemark mit Wirkung vom 1.7.2007 durch ein entsprechendes Parallelabkommen zwischen der EU und Dänemark die Rege­ lungen der Brüssel I-VO anwendbar wurden.67 Mit Inkrafttreten der Brüssel Ia-VO, an die Dänemark zumindest nicht von Anfang an gebunden ist,68 ist diese Anwendbarkeit auch nicht hinfällig. Dies beruht darauf, dass gemäß Art.  80 Brüssel Ia-VO zwar eben diese Brüssel Ia-VO an die Stelle der Brüssel I-VO tritt und letztere damit aufgehoben ist. Für Däne­ mark hat diese Norm jedoch keine Bedeutung, da sie – wie Erwägungsgrund Nr.  41 Brüssel Ia-VO klarstellt – Dänemark nicht bindet, weil es sich hierbei nicht um einen Mitgliedstaat i. S. d. Verordnung handelt. Denn der Grund für die Bindung Dänemarks an die Regeln der Brüssel I-VO ist Völkerrecht und gerade nicht Unionsrecht.69 Damit vermeidet der EU-Gesetzgeber gleichzeitig ein normstrukturelles Pro­ blem. Denn wenn die Aufhebung der Brüssel Ia-VO auch für Dänemark gelten würde, würde gleichzeitig – anders als bzgl. EuGVÜ über Art.  68 Brüssel Ia-VO – keine Regelung existieren, wonach Dänemark auf dem Stand der Brüssel I-VO verbleiben sollte. In diesem Fall müsste rein nach dem Wortlaut in Bezug auf einen Beklagten mit Wohnsitz in Dänemark – abgesehen von den nach Art.  6 Abs.  1 Brüssel Ia-VO dennoch anwendbaren Gerichtsständen, also die aus­ 67  Siehe nur Geimer in: Geimer/Schütze2, Europäisches Zivilverfahrensrecht, A.1 Einl., Rdn.  182. Siehe auch Art.  2 Abs.  2 lit.  a des zwischen der EU und Dänemark abgeschlossenen Parallelabkommens zur Erstreckung der EuGVVO auf Dänemark, ABl. EU 2005 Nr. L 299/62, und die Vereinbarung zwischen EU und Dänemark, zur Geltung dieses Parallelabkommens ab dem 1.7.2007, ABl. EU 2007 Nr. L 94/70. 68  Vgl. Erwägungsgrund Nr.  41 Brüssel Ia-VO. 69  Mankowski in: Rauscher, EuZPR/EuIPR, Art.  68 Brüssel Ia-VO, Rdn.  2.

2. Kapitel: Vorrangnormen

45

schließliche Zuständigkeiten (Art.  24 Brüssel Ia-VO), die Gerichtsstandproroga­ tion (Art.  25 Brüssel Ia-VO) sowie neuerdings der Verbrauchergerichtsstand in Art.  18 Abs.  1 Brüssel Ia-VO und der Arbeitnehmergerichtsstand nach Art.  21 Abs.  2 Brüssel Ia-VO – bzw. auf die Entscheidung eines dänischen Gerichts das EuGVÜ angewendet werden. Dann stünde es Dänemark zwar frei, die im Rah­ men der Brüssel Ia-VO zur Brüssel I-VO geschaffenen Änderungen anzuwen­ den; doch erstens bestünde hierzu keine Verpflichtung70 und zweitens würde durch die bloße Erwähnung der Anwendungsmöglichkeit in Erwägungsgrund Nr.  41 Brüssel Ia-VO aufgrund dessen nicht verbindlichen Charakters die Brüs­ sel I-VO für Dänemark nicht gegen Art.  80 Brüssel Ia-VO wirksam. Für die An­ erkennung und Vollstreckung der Entscheidungen dänischer Gerichte in einem Mitgliedstaat der Brüssel Ia-VO gilt dasselbe. Gegen ein Zurückfallen Dänemarks hinter das Niveau des EuGVÜ hätten in jedem Fall auch drei Einwände gesprochen. Zunächst ist bei Art.  68 Brüssel IaVO zu bedenken, dass auch er die Fortgeltung des EuGVÜ nur für Hoheitsgebie­ te der Mitgliedstaaten vorsieht, die nach Art.  355 AEUV von der Geltung der Brüssel Ia-VO ausgeschlossen sind. Bereits die Vorgängervorschrift Art.  68 Brüssel I-VO war jedoch dahin gehend verstanden worden, dass das EuGVÜ auch im Verhältnis auf Dänemark weiterhin gelten sollte, obwohl Dänemark nicht aufgrund des Art.  299 EGV bzw. Art.  355 AEUV von der Geltung der Brüs­ sel I-VO ausgeschlossen war.71 Ferner ist zu bedenken, dass Art.  3 des Übereinkommens zwischen der EU und Dänemark vom 19.10.2005 und Erwägungsgrund Nr.  41 Brüssel Ia-VO72 die Fortgeltung der Regelungen der Brüssel I-VO für Dänemark implizieren, da es sinnlos wäre, Dänemark die Anwendung von Modifikationen durch die Brüssel Ia-VO zu erlauben, ohne dass dies gleichzeitig für die Brüssel I-VO gilt. Schließlich hat die EU ein Interesse an der Fortgeltung der Brüssel I-VO für Dänemark, da es aus Sicht der Vervollkommnung des Raumes der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts kontraproduktiv wäre, wenn Dänemark nicht auf der zweiten von bislang drei Entwicklungsstufen stehen bliebe, sondern auf die erste Stufe, das Niveau des EuGVÜ, zurückfiele. 70  Siehe Erwägungsgrund Nr.  41 Brüssel Ia-VO. Dass die hohe Wahrscheinlichkeit besteht, dass Dänemark die Brüssel I-VO weiterhin anwenden wird, sei hier irrelevant. Entscheidend ist, dass durch das rechtliche Wiederaufleben des EuGVÜ eine rechtliche Koordinationslage entstanden ist. 71  Kropholler/v. Hein, Art.  68 EuGVO, Rdn.  1. 72  „… dabei steht es Dänemark jedoch gemäß Artikel  3 des Abkommens vom 19. Oktober 2005 zwischen der Europäischen Gemeinschaft und dem Königreich Dänemark über die ge­ richtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivilund Handelssachen frei, die Änderungen der Verordnung (EG) Nr.  44/2001 anzuwenden.“

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1. Teil – 1. Abschnitt: Methoden der Vorrangkoordination

C. Koordinationszweck Diese Koordinationsmethode ist sowohl im IPR als auch im IZVR in Verbindung mit dem inhaltlichen Fortentwicklungsprozess zwischen Vorgängerübereinkom­ men und Nachfolgeverordnung zu sehen;73 beide Koordinationsmethoden kom­ plettieren sich gegenseitig. Da neben der normativen Weiterentwicklung auch Normen von einem Übereinkommen in die Verordnung übernommen werden, könnte die fehlende Ersetzungsregelung zu einer Normenredundanz führen. Da­ her ist es sinnvoll, den Vorgängerrechtsakt mit einer ausdrücklichen Regelung aufzuheben.

D. Koordinationsakteure Die Koordination erfolgt ausschließlich auf Ebene der Legislative. Tätig wird die EU als europäischer Gesetzgeber durch eine Verordnung, die sich inhaltlich am Vorgängerübereinkommen orientiert und diese fortentwickelt. Die dem Vor­ gängerübereinkommen angehörenden EU-Mitgliedstaaten bleiben dabei an sich untätig. Einzig die Staaten Dänemark, Irland und Vereinigtes Königreich müssen sich aufgrund ihrer Ausnahmeregelungen entscheiden, ob sie sich an der Nach­ folgeverordnung beteiligen möchten. Dies können sie vor Annahme der Verord­ nung oder auch später noch tun. Die Judikative tritt bei dieser Methode selbst nicht in Erscheinung. Sie hat im weiteren Zusammenhang mit der Methode dennoch eine koordinierende Rolle. Denn die hier angesprochene Vorrangkoordination wird durch die inhaltliche Koordination von Kollisionsrechtsverordnungen mit ihren jeweiligen Vorgänger­ verordnungen komplettiert. Und in diesem Rahmen leistet die Judikative einen wichtigen Beitrag zur inhaltlichen Koordination.74

§  2 Normen zum Verhältnis zwischen EU-Verordnungen und ihnen vorgehenden internationalen Übereinkommen Neben dem Vorrang von Nachfolgeverordnungen gegenüber ihren Vorgänger­ übereinkommen muss auch der Vorrang von internationalen Übereinkommen gegenüber europäischen Verordnungen geregelt werden, wenn beide Rechtsakte weiterhin nebeneinander existieren sollen.

73  74 

Siehe dazu unten S. 147. Siehe dazu unten S. 147.

2. Kapitel: Vorrangnormen

47

A. Koordinationsgegenstände Koordinationsgegenstände sind der europäische Rechtsakt und das ihm grund­ sätzlich vorgehende völkervertragliche Kollisionsrechtsübereinkommen. Bei der hier behandelten Form handelt es sich bei dem europäischen Rechtsakt jedoch ausschließlich um eine EU-Verordnung.

B. Funktionsweise I. Internationales Privatrecht Da regelmäßig in Bereichen, in denen die EU das Kollisionsrecht vereinheitlicht hat, bereits völkervertragliche Kollisionsrechtsübereinkommen existieren, besteht das Koordinationsbedürfnis mit Entstehung der EU-Verordnung. Regelmäßig werden die Mitgliedstaaten nach Annahme einer kollisionsrechtlichen Verord­ nung nicht mehr eigenständig internationale Kollisionsrechtsübereinkommen abschließen dürfen.75 Es ist also nahezu ausgeschlossen, dass eine kollisionsrecht­ liche Verordnung entstehen wird, bevor in demselben Rechtsbereich völkerver­ tragliche Kollisionsrechtsübereinkommen mit zumindest teilweise identischem sachlichem Anwendungsbereich entstehen, was erst dazu führen würde, dass diese Übereinkommen das Koordinationsbedürfnis hervorrufen. Daher wird die hier behandelte Koordination in der Regel von der europäischen Ebene ausgehen. Diese Koordination regelt dann das Verhältnis der betreffenden EU-Verord­ nung mit allen Kollisionsrechtsübereinkommen, die mit ihr sachlich ganz oder teilweise übereinstimmen. Wie diese Koordinationsgegenstände miteinander ko­ ordiniert werden, unterscheidet sich nach dem Verhältnis von Zeitpunkt der Ra­ tifizierung des kollisionsrechtlichen Übereinkommens und dem Inkrafttreten der Verordnung (dazu 1.) sowie nach den sachlichen Anwendungsbereichen und ih­ rem Verhältnis zum Kreis der Teilnehmer an dem jeweiligen Rechtsakt (dazu 2.). 1. Verhältnis von Ratifizierungszeitpunkt des Übereinkommens und Inkrafttreten der Verordnung Das zeitliche Verhältnis von Verordnung und den mit ihr zu koordinierenden Übereinkommen bezieht sich auf die Frage, ob die Übereinkommen abgeschlos­ sen wurden, bevor oder nachdem die Verordnung angenommen wurde. In den Kollisionsrechtsübereinkommen werden nur diejenigen Übereinkommen behan­ delt, die vor Annahme der Verordnung abgeschlossen wurden. Der Zeitpunkt der Annahme ist derjenige Zeitpunkt, in dem das Rechtssetzungsverfahren abge­ 75 

Siehe dazu sogleich S.  48.

48

1. Teil – 1. Abschnitt: Methoden der Vorrangkoordination

schlossen ist.76 Der Rechtsakt ist zu diesem Zeitpunkt noch nicht notwendiger­ weise in Kraft getreten.77 Auch wenn nach dem AETR-Urteil des EuGH eine zwischen Union und den Mitgliedstaaten geteilte Rechtssetzungszuständigkeit erst mit Inkrafttreten der angenommenen Verordnung vollständig auf die EU übergeht und damit zu ihrer ausschließlichen Kompetenz wird,78 ist bereits bei Annahme der Verordnung von einer Loyalitätspflicht der Mitgliedstaaten i. S. v. Art.  4 Abs.  3 EUV auszugehen und daher kein Kollisionsrechtsübereinkommen mehr selbstständig mit Drittstaaten abzuschließen.79 Aus diesem Grund sind nach Annahme der Verordnung abgeschlossene Übereinkommen nicht Gegen­ stand der Vorrangregel. Es ist jedoch möglich, dass die EU es den Mitgliedstaa­ ten erlauben wird, mit Drittstaaten Kollisionsrechtsübereinkommen „über sek­ torspezifische Fragen“ abzuschließen.80 2. Sachliche Anwendungsbereiche der Rechtsakte und ihr Verhältnis zu ihrem räumlichen Anwendungsbereich a) Gewöhnliches Vorrangregelungsmodell im Kollisionsrecht Internationale Kollisionsrechtsübereinkommen sind regelmäßig nicht nur von Mitgliedstaaten der EU, sondern auch von Drittstaaten ratifiziert worden.81 Sol­ che völkerrechtlichen Kollisionsrechtsübereinkommen können in ihrem sach­ lichen Anwendungsbereich ganz oder teilweise mit EU-Verordnungen überein­ stimmen. Diese sachliche Überschneidung ist die Voraussetzung dafür, dass Vor­ rangregeln angewendet werden müssen. 76 

Siehe für das ordentliche Gesetzgebungsverfahren Art.  294 AEUV, für das besondere ­Gesetzgebungsverfahren Art.  289 Abs.  2 AEUV. 77  Die Regel ist ein Auseinanderfallen von Annahme und Inkrafttreten. Brüssel I-VO: An­ nahme am 22.12.2000, Inkrafttreten am 1.3.2002; Brüssel Ia-VO: Annahme am 12.12.2012, Inkrafttreten am 15.1.2015; Rom  II-VO: Annahme am 11.7.2007, Inkrafttreten am 11.1.2009; Rom  I-VO: Annahme am 17.6.2008, Inkrafttreten am 17.12.2009; EuUnthVO: Annahme am 18.12.2008, Inkrafttreten am 18.6.2011; Rom  III-VO: Annahme am 20.12.2010, Inkrafttreten am 30.12.2010; EuErbVO: Annahme am 4.7.2012, Inkrafttreten am 16.8.2012. 78  EuGH, Urt. v. 31.3.1971, C-22/70, AETR, Slg. 1971, 263, Rdn.  30/31; fälschlicherweise als den Wortlaut von Art.  25 Abs.  1 Rom  I-VO bestätigend interpretierend: Martiny in: MüKoBGB, Art.  25 Rom  I-VO, Rdn.  7; Garcíamartín Alférez, EuLF 2008, I-61, I-65; Lando/Nielsen, CMLR 2008, 1687, 1705; Leible/Lehmann, RIW 2008, 528, 531; R. Wagner, TranspR 2009, 103, 108. 79  Schmalenbach in: Calliess/Ruffert, Art.  216 AEUV, Rdn.  19. 80  Siehe hierzu Erwägungsgrund Nr.  42 Rom  I-VO, in dem die Einbringung eines entspre­ chenden Vorschlages in Aussicht gestellt wird. 81  In diesem Zusammenhang sind EU-Mitgliedstaaten, die nicht an der jeweiligen Verord­ nung teilnehmen, nicht Mitgliedstaaten i. S. d. Vorrangnormen; siehe hierzu Art.  1 Abs.  4 S.  1 Rom  I-VO, Art.  3 Nr.  1 Rom  III-VO, Art.  1 Abs.  2 EuUnthVO, Art.  1 Abs.  4 Rom  II-VO zur Ausnahme Dänemarks. Obwohl das Vereinigte Königreich, Irland und Dänemark nicht an der EuErbVO teilnehmen, enthält diese keine vergleichbare Vorschrift.

2. Kapitel: Vorrangnormen

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Die sachlichen Anwendungsbereiche von z. B. Rom  I-, Rom  II- und EuErbVO überschneiden sich mit völkervertraglichen Kollisionsrechtsübereinkommen nur teilweise. Für die mit diesen Verordnungen bislang kollisionsrechtlich verein­ heitlichten Bereiche bedeutet das vornehmlich die Vorrangregelung im Verhält­ nis zu spezielleren Kollisionsübereinkommen wie dem HÜ 1955; manche sehen in Art.  25 Abs.  1 Rom  I-VO auch den Grund für den Vorrang von Übereinkom­ men, die nicht vereinheitlichtes Kollisions-, sondern Einheitsrecht darstellen, solange sie nur irgendwie Kollisionsnormen enthalten und sei es z. B. zur nähe­ ren Bestimmung des Anwendungsbereichs.82 Andere leiten den Vorrang interna­ tionalen Einheitsrechts vor vereinheitlichtem Kollisionsrecht dagegen nicht aus Vorrangregeln wie Art.  25 Abs.  1 Rom  I-VO, sondern aus dem Wesen des Ein­ heitsrechts selbst ab.83 Die Rom  II-VO benötigt Vorrangregeln im Verhältnis zum HStrVÜ und zum HProdHÜ, also ebenfalls zwei Übereinkommen, deren Anwendungsbereich en­ ger ist als derjenige der entsprechenden EU-Verordnung. Die EuErbVO betont ausdrücklich in Art.  75 Abs.  1 UAbs.  2 den Vorrang des HTestformÜ, dessen sachlicher Anwendungsbereich auf Testamente beschränkt ist und damit gleich­ falls enger ist als derjenige der EuErbVO. In diesen EU-Verordnungen ist verbreitet, dass die jeweiligen Überein­kommen den Verordnungen vorgehen. Dieser Vorrang gilt selbst dann, wenn der Sachver­ halt ausschließlich Beziehungen zu EU-Mitgliedstaaten aufweist.84 Nehmen an einem internationalen Übereinkommen dagegen ausschließlich EU-Mitglied­ staaten teil, wird den entsprechenden Regelungen der Verordnung grundsätzlich Vorrang eingeräumt.85 b) Abweichung im Falle Verstärkter Zusammenarbeit nach Art.  326 ff. AEUV Art.  19 Abs.  1 Rom  III-VO bestimmt neben der Annahme der Verordnung einen zusätzlichen Zeitpunkt als Ausgangspunkt zur Bestimmung des relevanten Mit­ gliedstaatenkreises. Der Bezug auf die „Annahme des Beschlusses gemäß Art.  331 Abs.  1 UAbs.  2 oder 3 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäi­ schen Union“ trägt der Tatsache Rechnung, dass für die Entwicklung von Kolli­ sionsrecht im Bereich des auf die Ehescheidung und Trennung ohne Auflösung 82 

Garcíamartín Alférez, EuLF 2008, I-61, I-65; zu Art.  1 Nr.  1 CMR als einseitiger Kollisi­ onsnorm siehe Jayme/Nordmeier, IPRax 2008, 503, 507 f.; Palandt/Thorn, Art.  25 Rom  I-VO, Rdn.  2. 83  R. Wagner, TranspR 2009, 103, 107 m. w. N. Vgl. Ancel, Yb. PIL 10 (2008), 221, 229 f. 84  Art.  25 Abs.  1 Rom  I-VO; Art.  28 Abs.  1 Rom  II-VO; Art.  19 Abs 1 Rom  III-VO; Art.  75 Abs.  1 EuErbVO. 85  Art.  25 Abs.  2 Rom  I-VO; Art.  28 Abs.  2 Rom  II-VO; Art.  19 Abs.  2 Rom  III-VO; Art.  75 Abs.  2 EuErbVO; siehe aber Art.  69 Abs.  1 und 2 EuUnthVO.

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1. Teil – 1. Abschnitt: Methoden der Vorrangkoordination

des Ehebandes anzuwendenden Rechts das Verfahren der Verstärkten Zusam­ menarbeit beschlossen wurde.86 Diese Annahme bezieht sich auf die Entschei­ dung des Rates, dass dem Antrag eines EU-Mitgliedstaates auf Beteiligung an dem mit der Verstärkten Zusammenarbeit verfolgten Rechtsakt stattgegeben wird. Damit ist dieser Mitgliedstaat an der Verordnung beteiligt. c) Abweichung bei vollständiger Überschneidung der Anwendungsbereiche Daneben können sich ein völkervertraglicher Kollisionsrechtsakt und die EU-­ Verordnung auch sachlich vollständig überschneiden. Ein Beispiel stellen die ­EuUnthVO und das HUP 2007 dar.87 In diesem Fall weicht das Vorrangregelungs­ system vom Vorbild der oben genannten Verordnungen ab. Zwar folgt Art.  69 Abs.  1 EuUnthVO noch dem Beispiel seiner Vorbilder und bestimmt den Vorrang von internationalen Übereinkommen, die in der EuUnthVO geregelte Bereiche betreffen. In Art.  69 Abs.  2 EuUnthVO geht es dagegen nicht um Übereinkom­ men, die lediglich zwischen EU-Mitgliedstaaten abgeschlossen sind, und deren Nachrang gegenüber der Verordnung. Vielmehr bestimmt er, dass die Verordnung gegenüber solchen Übereinkommen Vorrang haben soll, die sich auf Bereiche erstrecken, die in der EuUnthVO geregelt sind, und denen Mitgliedstaaten der EU angehören. Es geht bei letzterer Regelung also nicht nur um den Vorrang der Verordnung vor Übereinkommen, denen nur EU-Mitgliedstaaten angehören, son­ dern auch vor solchen, denen Nicht-EU-Mitgliedstaaten angehören. Der Bezug auf das „Verhältnis der Mitgliedstaaten untereinander“ in Art.  69 Abs.  2 EuUnthVO erschwert das Verständnis im Kollisionsrecht gegenüber dem Regelungswortlaut der Vorbildregelungen. Es ist einfach, zu bestimmen, ob an einem Übereinkommen lediglich EU-Mitgliedstaaten beteiligt sind. Zwar bedeu­ tet es ebenfalls keine Schwierigkeit, bei der Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen zu bestimmen, ob es sich um ein Verhältnis zwischen EU-Mit­ gliedstaaten handelt, da man schlicht Urteils- und Zielstaat identifizieren muss. Im Kollisionsrecht führt die Wendung dagegen nicht ohne Weiteres zum Ziel. Am nächsten kommt man der Bedeutung jedoch durch Orientierung an Art.  3 Abs.  4 Rom  I-VO und der darin enthaltenen Binnenmarktklausel.88 Das Verhält­ nis von Mitgliedstaaten untereinander ist also nicht mehr ausschließlich betrof­ fen, wenn ein relevantes Sachverhaltselement in einem Staat belegen ist, der 86 

Siehe hierzu Erwägungsgründe Nr.  5–8 Rom  III-VO. Zur Institution der Verstärkten Zu­ sammenarbeit siehe Nettesheim in: Oppermann/Classen/Nettesheim, §  11, Rdn.  18–22 sowie zu deren Nutzung im IPR: Hess, Europäisches Zivilprozessrecht, §  2, Rdn.  31 f.; Mansel/ Thorn/R. Wagner, IPRax 2009, 1, 2, 9. 87  Vgl. aber auch das Problem S. 343. 88  Siehe zur Lösung dieses Problems unten S. 430.

2. Kapitel: Vorrangnormen

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zwar Vertragsstaat des betreffenden Übereinkommens, aber nicht EU-Mitglied­ staat ist.89 Im Verhältnis zu deckungsgleichen Übereinkommen enthält Art.  69 Abs.  2 EuUnthVO also eine relative Anwendungsbereichsreduktion im Unter­ schied zu der absoluten Anwendungsbereichsreduktion, wie sie in der Entste­ hungszeit der EuUnthVO noch diskutiert wurde.90 II. Internationales Zivilverfahrensrecht Anders als im IPR sind die hier angesprochenen Vorrangregeln im IZVR unter­ schiedlicher gestaltet, haben jedoch mit denen des IPR gemeinsam, dass sie selbstständig und bedingungslos den Vorrang des internationalen Übereinkom­ mens vor der Verordnung anordnen (dazu 1.). Darin unterscheiden sie sich von Sonderformen, die entweder nur eine Auslegungshilfe darstellen oder in denen die Vorrangregel an eine Bedingung geknüpft ist (dazu 2.). 1. Verschiedene Grundausprägungen Zunächst gibt es wie im IPR auch Regelungen zugunsten des Vorrangs internati­ onaler Übereinkommen, die bei Annahme europäischer Verordnungen bereits von EU-Mitgliedstaaten u. a. mit Drittstaaten abgeschlossen waren.91 Dagegen wird die Anwendung bestimmter Übereinkommen im Verhältnis von Mitgliedstaaten untereinander unterschiedlich geregelt. In Art.  75 Abs.  2 Eu-­ ErbVO etwa tritt auch in Bezug auf den IZVR-Teil die Regelungsart zutage, die bereits aus rein kollisionsrechtlichen Verordnungen bekannt ist, wonach ent­ scheidend ist, dass ein Übereinkommen ausschließlich zwischen EU-Mitglied­ staaten abgeschlossen worden ist. Eine weitere Regelungsart findet sich in Art.  69 Abs.  2 EuUnthVO, der nicht nur auf das Verhältnis von EU-Mitgliedstaaten untereinander abstellt, sondern auch Übereinkommen und Vereinbarungen betrifft, bei denen zusätzlich Nicht-­ EU-Mitgliedstaaten Vertragsparteien sind. Im Umkehrschluss zu Art.  69 Abs.  1 EuUnthVO ergibt sich, dass Abs.  2 die Konstellation eines Beitritts eines EU-­ Mitgliedstaates zu einem solchen Übereinkommen oder einer solchen Vereinba­ rung nach Annahme der EuUnthVO betrifft. Im Rahmen von Anerkennung und Vollstreckung bedeutet dieser Bezug keine Schwierigkeiten, da anders als im IPR eine klare Identifizierung von Urteilsstaat einerseits und Anerkennungs- und Vollstreckungsstaat andererseits leicht möglich ist.

89 

Vgl. Martiny in: MüKoBGB, Art.  3 Rom  I-VO, Rdn.  95 f. Siehe hierzu R. Wagner, RabelsZ 68 (2004), 119, 129 ff.; ders., FamRZ 2006, 979, 982. 91  Art.  71 Abs.  1, 72 Brüssel Ia-VO; Art.  75 Abs.  1 EuErbVO, Art.  69 EuUnthVO. 90 

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1. Teil – 1. Abschnitt: Methoden der Vorrangkoordination

Schließlich gibt es mit Art.  69 Brüssel I-VO, Art.  69 Brüssel Ia-VO und Art.  44 EuInsVO (2000) bzw. Art. 85 EuInsVO (2015) einen Typ von Vorrangregelun­ gen, die zwischen den beiden soeben genannten Arten angesiedelt werden kann. Solche Normen listen einzelne Übereinkommen auf oder verweisen auf einen Anhang mit aufgelisteten Übereinkommen, welche – wie etwa gemäß Art.  70 Abs.  1 Brüssel I-VO, Art.  70 Abs.  1 Brüssel Ia-­VO sowie Art.  44 EuInsVO (2000) bzw. Art. 85 EuInsVO (2015) – durch die Verordnung im Rahmen des sachlichen Anwendungsbereichs der Verordnung ersetzt werden. Größtenteils handelt es sich dabei um Übereinkommen zwischen nunmehr an den jeweiligen Verordnungen teilnehmenden Mitgliedstaaten, was die Vorschrift in eine große Nähe zu z. B. Art.  75 Abs.  2 EuErbVO rückt. Daneben gibt es in dieser Liste aber auch völkervertragliche Kollisionsrechts­ übereinkommen, zu deren Vertragsparteien auch Nicht-EU-Mitgliedstaaten zäh­ len. Für die Brüssel I-VO betraf dies neben dem am 11.10.1977 unterzeichneten Übereinkommen zwischen Dänemark, Finnland, Island, Norwegen und Schwe­ den über die Anerkennung und Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen (25. Spiegelstrich) alle Übereinkommen, an denen die ehemalige Föderative Volks­ republik Jugoslawien beteiligt ist,92 da sie sich nach der Entscheidung der ­Badinter-Kommission durch Dismembration aufgelöst hat und daher alle Staa­ 92  Dies betrifft das am 16.12.1954 in Wien unterzeichnete Abkommen mit der Republik Österreich über die justizielle Zusammenarbeit (32. Spiegelstrich), das am 18.6.1959 in Athen unterzeichnete Abkommen mit dem Königreich Griechenland über die gegenseitige Anerken­ nung und Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen (34. Spiegelstrich), das am 18.3.1960 in Belgrad unterzeichnete Abkommen mit der Republik Österreich über die gegenseitige Anerken­ nung und Vollstreckung von Schiedssprüchen und schiedsgerichtlichen Vergleichen in Handels­ sachen (36. Spiegelstrich), das am 10.10.1961 in Wien unterzeichnete Abkommen mit der Re­ publik Österreich über die gegenseitige Anerkennung und die Vollstreckung gerichtlicher Ent­ scheidungen in Unterhaltssachen (37. Spiegelstrich), das am 18.5.1971 in Paris unterzeichnete Abkommen mit der Regierung Frankreichs über die Anerkennung und die Vollstreckung ge­ richtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (41. Spiegelstrich) und das am 12.12.­ 1973 in Belgrad unterzeichnete Abkommen mit dem Königreich Belgien über die Anerkennung und Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Unterhaltssachen (42. Spiegelstrich). Nicht betroffen sind: das am 6.2.1960 in Warschau unterzeichnete Abkommen mit der Volksrepublik Polen über die Rechtshilfe in Zivil- und Strafsachen (35. Spiegelstrich), da es nur noch zwischen Polen und Slowenien in Kraft ist; der am 20.1.1964 in Belgrad unterzeich­ nete Vertrag mit der Tschechoslowakischen Sozialistischen Republik über die Schlichtung von Rechtsbeziehungen in Zivil-, Familien- und Strafsachen (39. Spiegelstrich), der nur noch zwi­ schen Tschechien, der Slowakei und Slowenien in Kraft ist; das am 19.9.1984 in Nikosia unter­ zeichnete Abkommen mit der Republik Zypern über die Rechtshilfe in Zivil- und Strafsachen (51. Spiegelstrich), da es nur noch zwischen Zypern und Slowenien in Kraft ist; das am 23.3.­ 1956 in Sofia unterzeichnete Abkommen mit der Volksrepublik Bulgarien über gegenseitige Rechtshilfe (64. Spiegelstrich), da es nur noch zwischen Bulgarien und Slowenien in Kraft ist; und den am 18.10.1960 in Belgrad unterzeichneten Vertrag mit der Volksrepublik Rumänien

2. Kapitel: Vorrangnormen

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ten, die aus ihr heraus entstanden sind, Nachfolgestaaten der von ihr abgeschlos­ senen völkerrechtlichen Verträge sind.93 Dies ähnelt dem Ansatz in Art.  69 Abs.  2 EuUnthVO, der nicht auf den Kreis der Vertragsstaaten abzielt, sondern lediglich für das Verhältnis zwischen den EU-Mitgliedstaaten den Vorrang der Verordnung vor dem Übereinkommen vorschreibt. Das gleiche gilt für Art.  44 EuInsVO (2000)94 bzw. Art. 85 EuInsVO (2015). Da im IZVR anders als in den IPR-Ver­ ordnungen Rom  I und Rom  II bei völkervertraglichen Kollisionsrechtsüberein­ kommen nicht nur auf den Teilnehmerkreis abgestellt wird und bei drittstaatli­ cher Beteiligung automatisch der Vorrang der Übereinkommen ausgesprochen wird, sondern auch danach unterschieden wird, auf das Verhältnis welcher Staa­ ten zueinander die Verordnung Anwendung findet, macht die Drittstaatenbeteili­ gung hier den Vorrang der EU-Verordnung im EU-­Binnenverhältnis nicht prob­ lematisch.

über Rechtshilfe mit Protokoll (68. Spiegelstrich), der nur noch zwischen Rumänien und Slo­ wenien in Kraft ist. 93  Gutachten Nr.  8–10 der Badinter-Kommission, EJIL 1993, S.  74 ff.; siehe auch zur ­Nachfolge in völkerrechtliche Verträge und zum Grundsatz beweglicher Vertragsgrenzen Kau in Graf Vitzthum, Völkerrecht, 3.  Abschnitt, Rdn.  188 ff. und zur rechtlichen Würdigung des Untergangs und der Staatensukzession im Falle des ehemaligen Jugoslawien ders. in Graf Vitz­ thum, Völkerrecht, 3.  Abschnitt, Rdn.  184. 94  Betroffen sind das am 7.11.1993 in Kopenhagen zwischen Dänemark, Finnland, Norwe­ gen, Schweden und Irland geschlossene Konkursübereinkommen (Art.  44 Abs.  1 lit.  j), das am 5.6.1990 in Istanbul von Deutschland, Frankreich, Griechenland, Luxemburg und der Türkei, am 13.6.1990 von Belgien, am 15.1.1991 von Italien sowie am 17.3.1994 von Zypern unter­ zeichnete Europäische Übereinkommen über bestimmte internationale Aspekte des Konkurses (das jedoch nicht in Kraft getreten ist; siehe , no.  136; zuletzt aufgerufen am 21.8.2014), das am 18.6.1959 in Athen unterzeichnete Abkommen zwischen der Föderativen Volksrepublik Jugoslawien und dem Königreich Griechenland über die gegenseitige Anerkennung und Vollstreckung gericht­ licher Entscheidungen (Art.  44 Abs.  1 lit.  l), das am 18.3.1960 in Belgrad unterzeichnete Ab­ kommen zwischen der Föderativen Volksrepublik Jugoslawien und der Republik Österreich über die gegenseitige Anerkennung und die Vollstreckung von Schiedssprüchen und schiedsge­ richtlichen Vergleichen in Handelssachen (Art.  44 Abs.  1 lit.  m), das am 3.12.1960 in Rom unterzeichnete Abkommen zwischen der Föderativen Volksrepublik Jugoslawien und der Re­ publik Italien über die gegenseitige justizielle Zusammenarbeit in Zivil- und Handelssachen (Art.  44 Abs.  1 lit.  n), das am 24.9.1971 in Belgrad unterzeichnete Abkommen zwischen der Sozialistischen Föderativen Republik Jugoslawien und dem Königreich Belgien über die justi­ zielle Zusammenarbeit in Zivil- und Handelssachen (Art.  44 Abs.  1 lit.  o) und das am 18.5.1971 in Paris unterzeichnete Abkommen zwischen den Regierungen Jugoslawiens und Frankreichs über die Anerkennung und Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handels­ sachen (Art.  44 Abs.  1 lit.  p). In ABl. EG 2000 Nr. L 160/1 sind die Abkommen lit.  l–p nicht aufgeführt; genannt werden sie dagegen bei Haubold in: Gebauer/Wiedmann, Kapitel  32 (EuInsVO), Art.  44, vor Rdn.  257.

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1. Teil – 1. Abschnitt: Methoden der Vorrangkoordination

2. Besondere Ausprägungen a) Bedingungslose Vorrangregel mit interpretatorischer Klarstellungsklausel: Art.  71 Abs.  1 und 2 Brüssel Ia-VO95 Art.  71 Abs.  1 Brüssel Ia-VO enthält für die internationale Zuständigkeit sowie Anerkennung und Vollstreckung in Zivil- und Handelssachen dasselbe Prinzip wie auch die kollisionsrechtlichen Verordnungen hinsichtlich des Verhältnisses von internationalem Übereinkommen zu Verordnungen mit sachlich mindestens teilweise identischem Anwendungsbereich. Die Vorschrift, die das Verhältnis der Verordnung zu Übereinkommen regelt, an denen lediglich EU-Mitgliedstaaten teilnehmen, ist in Art.  69 Brüssel Ia-VO enthalten. Art.  71 Abs.  2 Brüssel Ia-VO enthält zusätzlich eine interpretatorische Klar­ stellung bestimmter im Rahmen der Anwendung von Art.  71 Abs.  1 Brüssel IaVO potenziell auftretender Probleme. Auch wenn es sich dabei um eine Norm zur Auslegungshilfe handelt, ist sie dennoch nicht als Form inhaltlicher Koordi­ nation, sondern als Anhängsel von Art.  71 Abs.  1 Brüssel Ia-VO anzusehen. Gemäß Art.  71 Abs.  2 lit.  a Brüssel Ia-VO geht der Vorrang eines Übereinkom­ mens über ein besonderes Rechtsgebiet im Rahmen seines Anwendungsbereichs vor Brüssel Ia-VO so weit, dass die Zuständigkeit von Gerichten eines Vertrags­ staates dieses Übereinkommens auch dann auf das Übereinkommen gestützt wer­ den kann, wenn der Beklagte seinen Wohnsitz nicht in einem Vertragsstaat hat. Art.  71 Abs.  2 lit.  b Brüssel Ia-VO ermöglicht mehrere Konstellationen. Zu­ nächst führt er zur Anwendung der Normen der Brüssel Ia-VO, soweit das Über­ einkommen keine Normen über die Anerkennung und Vollstreckung von Ent­ scheidungen enthält (Satz  1).96 Weiter wird speziell in Bezug auf die Voraussetzungen der Anerkennung und Vollstreckung einer Entscheidung darauf hingewiesen, dass die Vorschriften eines Übereinkommens über ein besonderes Rechtsgebiet, zu dessen Vertragsstaaten sowohl Urteilsstaat als auch Vollstreckungsstaat gehören, der Verordnung vorge­ hen. In diese Regelung ist jedoch hineinzulesen, dass das nur so lange gilt, wie das Übereinkommen nicht diesen Vorrang selbst aufgibt. Dazu kommt es etwa, wenn ein spezielles Übereinkommen den günstigeren Regeln den Vorrang einräumt und diese der Brüssel Ia-VO zu entnehmen sind (Satz  2).97 Damit ist sowohl eine Wahl­ möglichkeit zwischen der Vollstreckung nach dem Übereinkommen einerseits und der Verordnung andererseits möglich als auch ein Vorrang der Verordnung.98 95  Die hier genannten Vorschriften der Brüssel Ia-VO sind hinsichtlich Nummer und Wort­ laut identisch mit ihren jeweiligen Vorgängerregelungen der Brüssel I-VO. 96  Gottwald in: MüKoZPO, Art.  71 Brüssel Ia-VO, Rdn.  7. 97  Gottwald in: MüKoZPO, Art.  71 Brüssel Ia-VO, Rdn.  8. 98  Gottwald in: MüKoZPO, Art.  71 Brüssel Ia-VO, Rdn.  8, 9.

2. Kapitel: Vorrangnormen

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b) Bedingte Günstigkeitsvorbehalte: Art.  21 Abs.  2 EGBVO, Art.  69 Abs.  3 EuUnthVO, Art.  75 Abs.  3 EuErbVO Neben diesen bedingungslosen Vorrangregeln enthalten andere Vorrangregeln Bedingungen, unter denen sie ihre Vorrangwirkung entfalten. Solche Bedingun­ gen enthalten Art.  75 Abs.  3 EuErbVO und Art.  69 Abs.  3 EuUnthVO. Dabei be­ zieht sich Art.  75 Abs.  3 EuErbVO auf das zwischen Dänemark, Finnland, Is­ land, Norwegen und Schweden abgeschlossene Übereinkommen vom 19.11.1934 mit Bestimmungen des Internationalen Privatrechts über Rechtsnachfolge von Todes wegen, Testamente und Nachlassverwaltung in der geänderten Fassung vom 1.6.2012. Diesem Übereinkommen wird von der Verordnung Vorrang ein­ geräumt, wenn es Vorschriften über die verfahrensrechtlichen Aspekte der Nach­ lassverwaltung und die diesbezügliche Unterstützung durch die Behörden der dem Übereinkommen angehörenden Staaten sowie vereinfachte und beschleu­ nigte Verfahren für die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Erbsachen vorsieht. Art.  69 Abs.  3 EuUnthVO bezieht sich ebenfalls auf ein Übereinkommen ­zwischen Dänemark, Finnland, Island, Norwegen und Schweden, allerdings auf das Übereinkommen vom 23.3.1962 über die Geltendmachung von Unterhalts­ forderungen durch die ihm angehörenden Mitgliedstaaten. Anders als in der ­EuErbVO wird diese Ausnahmeregelung in Erwägungsgrund Nr.  40 EuUnthVO näher begründet; dort wird darauf verwiesen, dass besagtes Übereinkommen günstigere Bestimmungen über die Anerkennung und Vollstreckung enthält als die EuUnthVO.99 Art.  21 Abs.  2 EuBVO enthält für Beweisverfahren eine ähnliche Regelung. Im Unterschied zur EuUnthVO und der EuErbVO bezieht sich diese Regelung aber nicht nur auf die Beibehaltung eines bestimmten, bereits abgeschlossenen Übereinkommens, sondern auch auf zukünftige Abschlüsse von Übereinkom­ men zur Vereinfachung des Beweisverfahrens. Die einzige Einschränkung be­ steht darin, dass die Übereinkommen mit der EuBVO vereinbar sein müssen.

C. Koordinationszweck Zweck dieser Koordinationsmethode ist die Klärung des äußeren Verhältnisses von völkervertraglichen Kollisionsrechtsübereinkommen mit EU-Verordnungen. Die Vorrangregeln ermöglichen es den EU-Mitgliedstaaten, trotz ihrer Bindung an sekundärrechtliches EU-Kollisionsrecht ihre völkerrechtlichen Verpflichtun­ 99 

Dies ist gerade aus Sicht von Finnland und Schweden bemerkenswert, für die aufgrund ihrer Bindung an das HUP 2007 die unmittelbare Anerkennung und Vollstreckung ohne Prü­ fung von Anerkennungshindernissen im Vollstreckungsstaat gilt.

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1. Teil – 1. Abschnitt: Methoden der Vorrangkoordination

gen vor Annahme des europäischen Rechtsakts eingegangenen völkerrechtlichen Verpflichtungen festzuhalten.100 Dies soll für Kontinuität in den internationalen Kollisionsrechtsbeziehungen der EU-Mitgliedstaaten sorgen.101 Die EU folgt damit aber nicht nur dem Grundsatz aus Art.  351 Abs.  1 AEUV, der sich lediglich für die Gründungsmitglieder auf die Verträge vor Inkrafttreten der europäischen Verträge und für jedes später beitretende Mitglied auf Verträge vor dessen jeweiligem Beitritt bezieht. Zugleich sind von den Vorrangregeln aber auch diejenigen Übereinkommen betroffen, die von einem Mitgliedstaat zwi­ schen seinem Beitritt und der Annahme einer anwendungsbereichsähnlichen Verordnung abgeschlossen wurden. Diese beruhen auf der in Kollisionsrechts­ fragen zwischen EU und den Mitgliedstaaten geteilten Völkervertragsabschluss­ kompetenz,102 von der sich dann auch der Pflichtenkreis des Mitgliedstaats im Rahmen seines verbleibenden Spielraums zum Vertragsschluss ableitet103. Problematisch ist, dass mit der Akzeptanz des Vorrangs solcher völkervertrag­ licher Kollisionsrechtsübereinkommen gleichzeitig eine Rechtszersplitterung entsteht, die ebenfalls gesehen und akzeptiert wird.104 Dies soll dem Wunsch nach einem Kompromiss zwischen internationaler Harmonie und Verhinderung von forum shopping durch Rechtsvereinheitlichung dienen.105

D. Koordinationsakteure I. Legislative Die Koordinationsmethode beruht grundsätzlich auf der Akzeptanz des Vorrangs von völkervertraglichen Kollisionsrechtsübereinkommen, die durch EU-Mit­ gliedstaaten vor Annahme eines im Anwendungsbereich teilweise übereinstim­ menden internationalen Übereinkommens abgeschlossen wurden, solange nur ein Nicht-EU-Mitgliedstaat zum Teilnehmerkreis gehört. Im Falle einer Vorrangregelung in einem internationalen Übereinkommen ist der Rechtssetzer des internationalen Übereinkommens als Koordinationsakteur anzusehen. Wenn wie bei Art.  19 HUP 2007 eine Erklärung durch einen Vertrags­ staat hinzukommt, ist der Rechtssetzer des internationalen Übereinkommens der Koordinationsakteur ebenso wie der Staat, der die Erklärung zu dem von dem internationalen Übereinkommen ausgesprochenen Vorrang abgibt und so den von diesem Übereinkommen vorgesehenen Vorrang verändert. 100 

Siehe nur Rom  I-VO Erwägungsgrund Nr.  41; Rom  II-VO Erwägungsgrund Nr.  36. Martiny in: MüKoBGB, Art.  25 Rom  I-VO, Rdn.  2. 102  Calliess in: Calliess/Ruffert, Art.  4 AEUV, Rdn.  18. 103  Schmalenbach in: Calliess/Ruffert, Art.  216 AEUV, Rdn.  22. 104  G. Wagner, IPRax 2008, 1, 3. 105  Martiny in: MüKoBGB, Art.  25 Rom  I-VO, Rdn.  6. 101 

2. Kapitel: Vorrangnormen

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II. Judikative Den nationalen Gerichten kommt die Aufgabe zu, bei Anwendung z. B. einer EU-Verordnung auf ein eventuell existierendes Übereinkommen zu achten und dabei nicht zu übersehen, ob auch ein Nicht-EU-Mitgliedstaat Vertragsstaat eines Übereinkommens ist. Daneben haben die nationalen Gerichte die Aufgabe, die Vorrangnormen des EU-Sekundärrechts im Bedarfsfall auszulegen oder entsprechende Fragen ge­ mäß Art.  267 AEUV dem EuGH vorzulegen. Internationale Übereinkommen, denen die EU nicht selbst beigetreten ist und die damit nicht Bestandteil des EURechts sind, sind dagegen nicht vorzulegen;106 hier haben die nationalen Gerich­ te die Auslegungshoheit, solange nicht ggf. ein Verfahren vor dem IGH ange­ strengt wird, in dessen Rahmen dieser die Auslegung vornehmen könnte.107

§  3 Koordination von Verordnungen und weiteren unionsrechtlichen Kollisionsnormen A. Internationales Privatrecht I. Koordinationsgegenstände 1. Überblick Normen wie Art.  23 Rom  I-VO oder Art.  27 Rom  II-VO dienen der Koordination von Kollisionsrechtsverordnungen wie der Rom  I- bzw. der Rom  II-VO mit be­ sonderen Kollisionsrechtsnormen, die nicht in diesen Verordnungen enthalten sind. Materielles Einheitsrecht hat dagegen per se Vorrang vor Kollisionsrecht, was vorausgesetzt wird und daher in diesen Vorrangregeln nicht ausdrücklich zur Sprache kommt.108 Da aber materielles Einheitsrecht kein Kollisionsrecht ist,109 sind die hier genannten Vorrangregelungen ohnehin nicht anwendbar.110 Sonderkollisionsrecht existiert für verschiedene Sachbereiche und kann so­ wohl in Verordnungen als auch in Richtlinien geregelt sein. In Verordnungen ist es allerdings bislang eher selten,111 häufiger kommt es in Richtlinien vor. Im 106 

EuGH, Urt. v. 27.11.1973, C-130/73, Vanderweghe u. a., Slg. 1973, 1329, Rdn.  2; siehe auch Kropholler/v. Hein, Art.  71 EuGVO, Rdn.  8. 107  Vgl. dazu Schroeter, UN-Kaufrecht und Europäisches Gemeinschaftsrecht, §  14 Rdn.  11 mit Verweis auf Majoros, RabelsZ 46 (1982), 84, 92. 108  Martiny in: MüKoBGB, Art.  23 Rom  I-VO, Rdn.  4. 109  Vgl. v. Hein in: Rauscher, EuZPR/EuIPR, Art.  25 Rom  I-VO, Rdn.  5. 110  Vgl. v. Hein in: Rauscher, EuZPR/EuIPR, Art.  25 Rom  I-VO, Rdn.  5. 111  Junker in: MüKoBGB, Art.  27 Rom  II-VO, Rdn.  11.

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1. Teil – 1. Abschnitt: Methoden der Vorrangkoordination

vertraglichen (dazu 2.) und Deliktskollisionsrecht (dazu 3.) unterscheidet sich dabei jedoch der Fokus. 2. Richtlinien und Rom  I-VO Das in Richtlinien enthaltene Sonderkollisionsrecht besteht im internationalen Vertragsrecht insbesondere aus verbraucherschützendem Kollisionsrecht.112 Ge­ rade im Verbraucherschutz handelt es sich aber nicht um Kollisionsrecht im ei­ gentlichen Sinn, da es ausschließlich aus Normen besteht, die den sie umsetzen­ den Mitgliedstaaten aufgeben, ein bestimmtes Schutzniveau zu wahren.113 Dies betrifft insbesondere die Richtlinie 93/13/EWG des Rates vom 5.4.1993 über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen114, die Richtlinie 1999/44/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25.5.1999 zu bestimmten As­ pekten des Verbrauchsgüterkaufs und der Garantien für Verbrauchsgüter115, die Richtlinie 2002/65/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23.9.­ 2002 über den Fernabsatz von Finanzdienstleistungen an Verbraucher und zur Änderung der Richtlinie 90/619/EWG des Rates und der Richtlinien 97/7/EG und 98/27/EG116 sowie die Richtlinie 2008/48/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23.4.2008 über Verbraucherkreditverträge und zur Aufhe­ bung der Richtlinie 87/102/EWG des Rates117.118 3. Richtlinien und Rom  II-VO Auch wenn Sonderkollisionsrecht hauptsächlich im Vertragsrecht zu finden ist,119 sieht Erwägungsgrund Nr.  35 S.  2 Rom  II-VO vor, dass es auch im außer­ vertraglichen Schuldrecht vorkommen kann. Die derzeit in Betracht kommenden Richtlinien sind nicht zahlreich, genannt werden die E-Commerce-Richtlinie120 und die Prospektrichtlinie121. 112 

Martiny in: MüKoBGB, Art.  23 Rom  I-VO, Rdn.  10. Magnus in: Staudinger, Art.  23 Rom  I-VO, Rdn.  18. 114  ABl. EG 1993 Nr. L 95/29. 115  ABl. EG 1999 Nr. L 171/12. 116  ABl. EG 2002 Nr. L 271/16. 117  ABl. EU 2008 Nr. L 133/66. 118  Martiny in: MüKoBGB, Art.  23 Rom  I-VO, Rdn.  15. 119  Junker in: MüKoBGB, Art.  27 Rom  II-VO, Rdn.  11. 120  Richtlinie 2000/31/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 8.6.2000 über bestimmte rechtliche Aspekte der Dienste der Informationsgesellschaft, insbesondere des elek­ tronischen Geschäftsverkehrs, im Binnenmarkt (Richtlinie über den elektronischen Geschäfts­ verkehr) (ABl. EG 2000 Nr. L 178/1–16). 121  Richtlinie 2003/71/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4.11.2003 be­ treffend den Prospekt, der beim öffentlichen Angebot von Wertpapieren oder bei deren Zulas­ 113 

2. Kapitel: Vorrangnormen

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Bei beiden Richtlinien wird jedoch der kollisionsrechtliche Charakter und dementsprechend diskutiert, ob sie überhaupt in den Anwendungsbereich von Art.  27 Rom  II-VO fallen. Von besonderer Bedeutung ist in diesem Zusammen­ hang die E-Commerce-Richtlinie.122 Ein vielfach diskutierter Zusammenhang besteht dabei zu Art.  3 Abs.  1 E-Commerce-Richtlinie, der für den elektronischen Geschäftsverkehr das Herkunftslandprinzip angewendet sehen will – ein Zusam­ menhang, der sich in Erwägungsgrund Nr.  35 S.  4 Rom  II-VO widerspiegelt.123 Das Problem von Art.  3 Abs.  1 E-Commerce-Richtlinie besteht dabei in seinem Verhältnis zu Art.  1 Abs.  4 E-Commerce-Richtlinie, wonach die Richtlinie kein neues Kollisionsrecht schafft.124 Folgt man einer der drei dazu entwickelten An­ sichten, ist die E-Commerce-Richtlinie dennoch ein wichtiger Vertreter von Son­ derkollisionsrecht, das über Art.  27 Rom  II-VO Vorrang genießt.125 Danach wür­ de die deliktsrechtliche Anknüpfung für den Bereich des E-Commerce dem Grundsatz des Bestimmungslandes entzogen und stattdessen dem Herkunfts­ landprinzip folgen.126 Begründet wird diese Ansicht damit, dass Art.  1 Abs.  4 E-Commerce-Richtlinie eine falsa demonstratio und somit unbeachtlich sei; ein­ zig entscheidend sei der Verweis in Art.  3 Abs.  1 E-Commerce-Richtlinie auf das Herkunftsland.127 Diese lange vor Inkrafttreten der Rom  II-VO geäußerte Ansicht kollidiert je­ doch mit dem Willen des europäischen Gesetzgebers, den er nicht zuletzt in Er­ wägungsgrund Nr.  35 Rom  II-VO geäußert hat. In seinen ersten beiden Sätzen begründet dieser die Existenz von Art.  27 Rom  II-VO, indem er zwar darauf hin­ weist, dass eine „Aufteilung der Kollisionsnormen auf zahlreiche Rechtsakte sowie Unterschiede zwischen diesen Normen […] vermieden werden“ sollte, dass die Rom  II-VO aber gleichzeitig „die Möglichkeit der Aufnahme von Kol­ lisionsnormen für außervertragliche Schuldverhältnisse nicht aus[schließt]“. In S.  3 und 4 erfolgt nun eine Andeutung der Wirkung von Sonderbestimmungen auf das Kollisionsrecht. Dabei behandelt S.  3 die Konstellation, dass solche Be­ stimmungen nicht Bestandteil des nach den Kollisionsnormen der Rom  II-VO berufenen Rechts sind. Es ist der Wunsch des Gesetzgebers, dass die Anwendung der Sondernormen in diesem Fall nicht ausgeschlossen sein sollte. S.  3 postuliert sung zum Handel zu veröffentlichen ist, und zur Änderung der Richtlinie 2001/34/EG (ABl. EG 2003 Nr. L 345/64-89). 122  Siehe zur Prospektrichtlinie insbesondere Junker in: MüKoBGB, Art.  27 Rom  II-VO, Rdn.  12 m. w. N. 123  Junker in: MüKoBGB, Art.  27 Rom  II-VO, Rdn.  11; A. Fuchs, GPR 2004, 100, 105; Leible/Engel, EuZW 2004, 7, 17; vgl. auch G. Wagner, IPRax 2008, 1, 3. 124  Martiny in: MüKoBGB, Art.  23 Rom  I-VO, Rdn.  18. 125  Spindler, IPRax 2001, 401. 126  Junker in: MüKoBGB, Art.  27 Rom  II-VO, Rdn.  11. 127  Spindler, RabelsZ 66 (2002), 633, 651; ders., NJW 2002, 926.

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1. Teil – 1. Abschnitt: Methoden der Vorrangkoordination

also die Überlagerung des berufenen Rechts durch die Sondernormen. S.  4 be­ schäftigt sich sodann mit der umgekehrten Wirkungsrichtung des berufenen Rechts auf die Sondernormen, soweit sie – wie etwa die E-Commerce-Richtlinie – die Freiheit des Waren- und Dienstleistungsverkehrs ausgestalten: Das berufene Recht sollte diese Freiheit – und damit die sie ausgestaltenden Sondernormen – nicht beschränken. Der europäische Gesetzgeber setzt in S.  4 also die Existenz eines angerufenen Rechts voraus, und damit die vorherige Prüfung des Kollisi­ onsrechts, wie es ursprünglich in der Rom  II-VO geregelt ist.128 Diese Vorge­ hensweise ist mithin nicht mit der Auffassung vereinbar, dass Art.  3 Abs.  1 E-­ Commerce-Richtlinie kollisionsrechtlich zu qualifizieren ist. Die E-Commerce-­ Richtlinie kann also kein Sonderkollisionsrecht i. S. v. Art.  27 Rom  II-VO sein.129 Wie die Vorschriften der E-Commerce-Richtlinie, also insbesondere das Her­ kunftslandprinzip in Art.  3 Abs.  1 zur Anwendung gelangen kann, werden zwei weitere Konzepte vorgebracht. Nach einer Auffassung enthält Art.  3 Abs.  1 E-Commerce-Richtlinie materielles Recht, das allerdings in Form von Eingriffs­ recht angewendet werden könne.130 Nach einer weiteren, rein materiellen Auffassung dient das Herkunftslandprin­ zip als Schutzniveau, das komplementär zu dem des anwendbaren Rechts ange­ wendet wird und dieses bei Bedarf ersetzt.131 In die gleiche Richtung geht die Auffassung, dass das Recht des Herkunftslands im Bereich des E-Commerce als local datum Berücksichtigung findet.132 Diese Deutung wird von Erwägungs­ grund 35 S.  4 Rom  II-VO nicht ausgeschlossen, wonach die Regeln der anwend­ baren Rechtsordnung die Richtlinienvorschriften nicht beschränken sollten; eine klare Bezeichnung, wie diese Beschränkung verhindert werden soll – ob durch schlichte Berücksichtigung wie bei local data, z. B. in Art.  17 Rom  II-VO, oder durch Anwendung wie in Art.  16 Rom  II-VO. Wenn es allgemein um die Einbeziehung anderer Rechtsakte geht, die Bestim­ mungen zur Verwirklichung des Binnenmarktes enthalten, spricht Erwägungs­ grund 35 S.  3 Rom  II-VO dagegen von deren „Anwendung“. Dabei bezieht er sich augenscheinlich nicht auf die Anwendung von Sonderkollisionsrecht, das allein in S.  2 behandelt wird, sondern nur auf die „Anwendung anderer Rechts­ akte“ – also anderer als solcher mit Sonderkollisionsrecht. Da aber ausschließ­ lich Eingriffsnormen „angewendet“ werden, impliziert der europäische Gesetz­ 128 

R. Wagner, FS Kropholler, 715, 725. Siehe auch EuGH, Urt. v. 25.10.2011, C-509/09, eDate advertising, Slg. 2011, I-10269, Rdn.  63; vgl. BGH, Urt. v. 8.5.2012 – VI ZR 217/08, GRUR Int 2012, 810, 812. 130  Vgl. Fallon/Meeusen Rev. Crit. D.I.P. 91 (2002), 435, 485 f.; siehe auch die verschiedenen Unterformen dieser Konzeption bei Sonnenberger in: MüKoBGB5, Einleitung zum IPR, Rdn.  192. 131  Ohly, GRUR Int 2001, 899, 902, 904 f.; Thorn, IPRax 2001, 349, 362. 132  Vgl. Spindler, RIW 2002, 183, 185. 129 

2. Kapitel: Vorrangnormen

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geber hier somit die Gleichsetzung von Art.  3 Abs.  1 E-Commerce-Richtlinie mit einer Eingriffsnorm. II. Funktionsweise Diese Art der Vorrangregelung ist die allgemeine Form der Vorrangvorschrift, bei der sich der Vorrang je nach Rechtsnatur des Sonderkollisionsrechtsakts ge­ staltet. Im Falle von Sonderkollisionsrecht, das in Verordnungen geregelt ist, wirkt der Vorrang unmittelbar, da hier das Sonderkollisionsrecht nicht mehr um­ gesetzt werden muss.133 Anders verhält es sich bei Richtlinien, deren Vorschriften noch in nationales Recht umgesetzt werden müssen und denen daher keine unmittelbare Wirkung im nationalen Recht zukommt. Hier wirken solche Vorrangregeln als Katalysator für den nationalen Gesetzgeber, der je nach Inhalt der Richtlinienkollisions­ normen auch weitere, ggf. speziellere Vorrangregelungen schaffen kann. Die Vorrangwirkung erstreckt sich bei überschießender Umsetzung einer Richtlinie jedoch nicht auf den überschießenden Teil.134 III. Koordinationszweck Der Zweck dieser Vorrangregelung besteht darin, das Funktionieren des freien Waren- und Dienstleistungsverkehrs sicherzustellen.135 Allgemein dient er der Normierung des lex specialis-Grundsatzes.136 Darüber hinaus wird jedoch Art.  27 Rom  II-VO noch ein weiterer Zweck zu­ geschrieben, der darin bestehe, bei Bedarf das Herkunftslandprinzip im inter­ nationalen außervertraglichen Schuldrecht platzieren zu können.137 Aus Sicht mancher könnte dies aus der Beziehung zwischen E-Commerce-Richtlinie und der Rom  II-VO hergeleitet werden. Nach hier vertretener Auffassung enthält die E-Commerce-Richtlinie aber kein Sonderkollisionsrecht i. S. v. Art.  27 Rom  IIVO.138 Das Herkunftslandprinzip wird in diesem Fall also nicht über Art.  27 Rom  II-VO in die kollisionsrechtliche Beurteilung eingeführt, sondern als Ein­ griffsnorm über einen anderen Typ der Vorrangregelung, in der Rom  II-VO ver­ körpert durch Art.  16 Rom  II-VO. 133  Vom Verordnungskollisionsrecht zu unterscheiden sind die Rechtsanwendungsregeln in Verordnungen zu materiellem Einheitsrecht wie Art.  3 FluggastrechteVO; vgl. Kieninger in: Ferrari/Kieninger/Mankowski u. a., Art.  23 Rom  I-VO, Rdn.  3. 134  Schroeder in: Streinz, Art.  288 AEUV, Rdn.  116. 135  Martiny in: MüKoBGB, Art.  23 Rom  I-VO, Rdn.  1. 136  R. Wagner, TranspR 2009, 103, 106. 137  Junker in: MüKoBGB, Art.  27 Rom  II-VO, Rdn.  2 f.; G. Wagner, IPRax 2008, 1, 3; vgl. auch Leible/Lehmann, RIW 2007, 721, 735. 138  Siehe oben S. 57.

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1. Teil – 1. Abschnitt: Methoden der Vorrangkoordination

Für besondere Rechtsgebiete, insbesondere den Fernabsatz, ist also im Anwen­ dungsbereich der Rom  II-VO das Herkunftslandprinzip anwendbar. Warum dies notwendig ist, um dem Fernabsatzverkehr gerecht zu werden, ist jedoch zweifel­ haft; die Argumente, die für das Herkunftslandprinzip und gegen eine Doppel­ belastung von Unternehmen im grenzüberschreitenden Waren- und Dienst­ leistungsverkehr vorgebracht werden, gelten nicht in einem so besonderen Maße für den Fernabsatzverkehr, dass eine privilegierte Behandlung zwingend ist.139 Im Rahmen des Art.  5 Rom  II-VO wird ferner das Problem der Vorhersehbar­ keit des Ortes des Inverkehrbringens und damit der entsprechenden Regeln die­ ses Staates durch Anwendung des Herkunftslandprinzips gelöst, wenn der Her­ steller vernünftigerweise nicht voraussehen konnte, dass sein Produkt in einem der Staaten in Verkehr gebracht wird, an die in Art.  5 Abs.  2 Rom  II-VO ange­ knüpft wird. Dass die Voraussetzung dieser Abweichung vorliegt, muss jedoch die Person, deren Haftung geltend gemacht wird, darlegen und beweisen,140 so dass normtechnisch die Anwendung des Herkunftslandprinzips ein Ausnahme­ fall ist. Das Herkunftslandprinzip tritt also grundsätzlich hinter der Anwendung des Bestimmungslandprinzips zurück. In Art.  5 Rom  II-VO wird damit ein Kom­ promiss zwischen dem Herkunftslandprinzip und dem durch Anknüpfung an das Bestimmungsland bzw. den Erfolgsort erreichten Verbraucherschutz geschlos­ sen. Das gleiche Problem stellt sich im Rahmen des Fernabsatzes, bei dem der Unternehmer ebenfalls entweder das Bestimmungsland kennt oder nicht. ­Regelmäßig wird ihm bewusst sein, wohin er seine Ware versendet – sie soll ja schließlich ankommen. Dann ist die Anwendung des Herkunftslandprinzips nicht notwendig, da der Unternehmer nicht weitergehend schutzwürdig ist. Wenn der in Anspruch Genommene das Zielland jedoch nicht kennt, kann an die An­ wendung des Herkunftslandprinzips gedacht werden. Ein darüber hinausgehender Unternehmerschutz ist nicht erforderlich, wenn die Anwendung des Bestimmungslandprinzips im Warenverkehr unionsrechts­ konform ist. Dies wurde mit Blick auf die Mehrfachbelastung der Unternehmer diskutiert. Diese entsteht dadurch, dass der Unternehmer nicht nur die Schutz­ standards des Staates, in dem er seinen Sitz hat, zu erfüllen hat, sondern zusätz­ lich die jeweiligen Schutzstandards eines jeden Ziellandes (sog. Diversifika­ tionskosten).141 Damit zusammen hängen die Kosten, die noch vorher dadurch 139 

G. Wagner, IPRax 2008, 1, 3 sieht für eine unterschiedliche Behandlung der beiden Be­ reiche keine sachlichen Gründe, lediglich den politischen Grund, dass sich bei der Rom  II-VO die Befürworter des Bestimmungslandprinzips und bei der E-Commerce-Richtlinie die des Herkunftslandprinzips durchgesetzt hätten. 140  Spickhoff in: BeckOK, Art.  5 Rom  II-VO, Rdn.  11. 141  Körber, Grundfreiheiten und Privatrecht, S.  210.

2. Kapitel: Vorrangnormen

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entstehen, dass der Unternehmer den Schutzstandard im Bestimmungsland in Erfahrung bringen muss (sog. Rechtsinformationskosten).142 Ein Verstoß gegen die Grundfreiheiten, insbesondere gegen die Warenver­ kehrsfreiheit hinsichtlich des Online-Handels von Büchern, ist darin jedoch nicht zu sehen. Zunächst stellen diese Kosten keine Diskriminierung ausländischer Unternehmer dar; denn die Anwendung der Regeln des Bestimmungslandes auf die ausländischen Waren und Dienstleistungen erfolgt unterschiedslos, da hier­ durch für die inländischen und die ausländischen Unternehmer die gleichen Kos­ ten entstehen.143 Dasselbe gilt für Rechtsinformationskosten, die ebenfalls von jedem Unternehmer aufgebracht werden müssen, komme er aus dem In- oder dem Ausland, da es sich um Fixkosten für den Marktzutritt handelt.144 Ob dies bedeutet, das Herkunftslandprinzip generell als Grundsatz für beson­ dere Rechtsgebiete auszuschließen,145 ist damit jedoch nicht ausgemacht. Es ist sehr gut möglich, dass im Laufe der Entwicklung des Binnenmarktes Bereiche entstehen, in denen das Herkunftslandprinzip eine sinnvolle Anknüpfungsbasis bildet. Dies würde dafür sprechen, die hier besprochenen Vorrangklauseln beizu­ behalten, allerdings fallbezogen anzuwenden.146 Dabei ist jedoch eine Anwen­ dung in engen Grenzen zu befürworten, da die schlichte Existenz von Art.  23 Rom  I-VO und Art.  27 Rom  II-VO die Möglichkeit eröffnet, die von beiden Ver­ ordnungen angestrebte Kollisionsnormvereinheitlichung zu beeinträchtigen.147 IV. Koordinationsakteure 1. Legislative Je nach Rechtsnatur des Sonderkollisionsrechts unterscheiden sich bei der Legis­ lative auch die Zusammensetzungen der Koordinationsakteure. a) Sonderkollisionsrecht ohne Umsetzung Da es bei Sonderkollisionsnormen in Verordnungen keiner Umsetzung bedarf, wird hier nur der europäische Gesetzgeber durch Schaffung der Sonderkolli­ sionsnormen tätig. 142 

Körber, Grundfreiheiten und Privatrecht, S.  210. Körber, Grundfreiheiten und Privatrecht, S.  205. 144  Körber, Grundfreiheiten und Privatrecht, S.  210 f. 145  G. Wagner, IPRax 2008, 1, 3 schlägt vor, das Herkunftslandprinzip auf den Bereich staatlicher Aufsicht über die Wirtschaft zu reduzieren. 146  Leible/Lehmann, RIW 2007, 721, 735. 147  Leible/Lehmann, RIW 2007, 721, 735. Besagter Zweck ist für beide Verordnungen in den jeweiligen Erwägungsgründen formuliert: Erwägungsgrund Nr.  40 S.  1 Rom  I-VO; Erwä­ gungsgrund Nr.  35 S.  1 Rom  II-VO. 143 

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1. Teil – 1. Abschnitt: Methoden der Vorrangkoordination

b) Richtlinienkollisionsrecht Die Tatsache, dass Richtlinien vom europäischen Gesetzgeber geschaffen und vom nationalen Gesetzgeber umgesetzt werden, führt auch bei der Vorrangkoor­ dination zu einer Aufgabenteilung. Auf der ersten Koordinationsstufe trifft der europäische Gesetzgeber – z. B. in Art.  23 Rom  I-VO – die Entscheidung, dass eine Koordination vorgenommen wird. Die entsprechenden Vorrangregeln stel­ len dabei als Teil der Kollisionsrechtsverordnungen die Verbindung zwischen deren Kollisionsnormen innerhalb und dem Richtlinienkollisionsrecht außerhalb der Verordnung dar. Auf der zweiten Koordinationsstufe verwirklicht der nationale Gesetzgeber die Koordination im Vertragsrecht in zwei Schritten. Zum einen schafft er nationales Sachrecht, um das von der Richtlinie anvisierte Schutzniveau auf nationaler ­Ebene einzurichten. Der zweite Schritt ist die Bewahrung dieses Schutzniveaus gegen die Wahl des Rechts eines Drittstaates auf kollisionsrechtlicher Ebene, wodurch der Schutzbefehl der Kollisionsnorm in der Richtlinie umgesetzt wird. Zu diesem Zweck hat bislang nur Deutschland eine eigene Kollisionsnorm in sein nationales Recht eingeführt, erst in Art.  29a EGBGB, dann mit Wirkung ab dem 17.12.2009 in Art.  46b EGBGB.148 2. Judikative Die Mitgliedstaaten werden lediglich über ihre nationalen Gerichte im Rahmen der Anwendung tätig. Der EuGH kann im Rahmen von Vorabentscheidungsver­ fahren nach Art.  267 AEUV mit Fragen zur Auslegung der Verordnungen mit Fragen ihrer Rechtmäßigkeit befasst werden.

B. Internationales Zivilverfahrensrecht I. Koordinationsgegenstände Wie im IPR werden auch im IZVR Sondernormen mit allgemeinen IZVR-­ Rechtsakten koordiniert, indem der Vorrang der Sondernormen im IZVR-­Rechts­ akt, konkret in der Brüssel Ia-VO, vorgesehen wird. Ebenfalls wie im IPR finden sich entsprechende Sondernormen sowohl in Verordnungen als auch in Richt­ linien. Neben der Arbeitnehmerentsenderichtlinie sind in diesem Zusammen­ hang Beispiele vorrangiger Normen in der EuVTVO, der EuMVVO sowie der Gemeinschaftsmarkenverordnung (GMVO) zu finden. Im IZVR treten der­artige Sondernormen also in unterschiedlicheren Bereichen als im IPR auf. 148 

Magnus in: Staudinger, Art.  46b EGBGB, Rdn.  7.

2. Kapitel: Vorrangnormen

65

II. Funktionsweise Dass es im IZVR nicht viele Beispiele gibt, wird nicht zuletzt auf den Respekt vor der Brüssel Ia-VO zurückgeführt; dieser führe dazu, dass in anderen Unions­ rechtsakten Lücken gelassen würden, um keine Überschneidungen mit Brüssel Ia-VO herbeizuführen.149 Die somit wenigen Überschneidungen in den Sonder­ rechtsakten betreffen jedoch trotzdem sowohl Gerichtsstand- als auch Verfah­ rensregelungen. 1. Besondere Gerichtsstandregelungen Besondere Gerichtsstandregelungen finden sich zunächst in den gegenüber Brüs­ sel Ia-VO spezielleren EuVTVO und EuMVVO. Diese enthalten besondere Ver­ braucherschutzvorschriften. So dient Art.  6 Abs.  1 lit.  d EuVTVO dem Schutz des Verbrauchers vor der Bestätigung einer gegen ihn ergangenen Entscheidung als Europäischem Vollstreckungstitel und der daraus folgenden unmittelbaren Vollstreckung gemäß Art.  5 EuVTVO.150 Im Falle einer in einem EU-Mitglied­ staat über eine unbestrittene Forderung ergangenen Entscheidung kann eine Be­ stätigung dieser Entscheidung als Europäischer Vollstreckungstitel nur unter ein­ geschränkten Voraussetzungen erfolgen. Art.  6 Abs.  1 lit.  d EuVTVO sieht für Säumnisentscheidungen vor, dass die Entscheidung nur am Wohnsitzort des Ver­ brauchers ergangen sein darf, sofern der Verbraucher der Schuldner ist. Dieser Schutz durch die EuVTVO soll die Schutzvorschriften der Brüssel Ia-VO zu­ gunsten des Verbrauchers komplettieren, der nach Art.  18 Abs.  2 Brüssel Ia-VO nur in seinem Wohnsitzstaat verklagt werden kann und sich somit gegen die Voll­ streckung einer in einem anderen Staat ergangenen Entscheidung mit Art.  45 Abs.  1 lit.  e Brüssel Ia-VO zur Wehr setzen kann.151 Man wollte damit auch der Unsicherheit darüber Herr werden, ob der Schutz des Verbrauchers durch eine Prüfung nach Art.  6 Abs.  1 lit.  b EuVTVO ausreiche.152 Ebenfalls verbraucherschützend ist die Gerichtsstandregelung in Art.  6 Abs.  2 EuMVVO. Danach kann der Verbraucher nur an seinem Wohnsitz verklagt wer­ den. Beide Vorschriften haben gegenüber Art.  16 Abs.  2 Brüssel I-VO bzw. Art.  18 Abs.  2 Brüssel Ia-VO den Vorteil für den Verbraucher gemeinsam, dass sie in ihrem Anwendungsbereich nicht eingeschränkt sind, der Verbraucher also über den Anwendungsbereich von Art.  15 Abs.  1 Brüssel I-VO bzw. Art.  17 Abs.  1 149 

Vgl. noch zur Brüssel I-VO: Mankowski in: Magnus/Mankowski, Art.  67 Brussels I Re­ gulation, Rdn.  4. 150  Vgl. noch zur Brüssel I-VO: Mankowski in: Magnus/Mankowski, Art.  67 Brussels I Re­ gulation, Rdn.  3. 151  Kropholler/v. Hein, Art.  6 EuVTVO, Rdn.  12. 152  Kropholler/v. Hein, Art.  6 EuVTVO, Rdn.  12.

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1. Teil – 1. Abschnitt: Methoden der Vorrangkoordination

Brüssel Ia-VO hinaus geschützt ist. Für Art.  6 Abs.  2 EuMVVO ergibt sich nach richtiger Ansicht die weitere Einschränkung gegenüber Art.  19 Brüssel Ia-VO, dass für Art.  6 Abs.  2 EuMVVO die Verweisung in Art.  6 Abs.  1 EuMVVO nicht gilt und Abs.  2 damit auch Vorrang gegenüber ausschließlichen Zuständigkeiten (Art.  24 Brüssel Ia-VO) sowie Gerichtsstandvereinbarungen (Art.  25 Brüssel ­Ia-VO) genießt.153 Ferner enthält auch die Klauselrichtlinie 93/13/EWG Sonder­ vorschriften, die über Art.  67 Brüssel Ia-VO Vorrang genießen. Dies wird insbe­ sondere relevant, wenn es um die Überprüfung von Gerichtsstandvereinbarun­ gen in Vertragsklauseln geht.154 Auch dem Arbeitnehmerschutz wird mit Sonderkollisionsrecht im Rahmen der Zuständigkeit Rechnung getragen. Über die Art.  20–23 Brüssel Ia-VO hinaus sieht Art.  6 Abs.  1 Entsenderichtlinie155 einen speziellen Gerichtsstand für ent­ sandte Arbeitnehmer vor, die danach ebenfalls in dem Staat klagen können, in den sie entsandt worden sind. Unklar ist, ob es sich dabei in zusätzlicher Abwei­ chung von Art.  23 Brüssel Ia-VO um einen nach Entstehung der Streitigkeit de­ rogierbaren Gerichtsstand handelt. Allerdings ist die Entsenderichtlinie dahin zu interpretieren, dass sie nur einen zusätzlichen Gerichtsstand eröffnen will; eine Derogation ist schon in ihren Vorschriften nicht vorgesehen und soll auch nicht möglich sein.156 Auch die GMVO enthält besondere Zuständigkeitsvorschriften. Sie enthält z. B. in Art.  93 GMVO die Anknüpfungsmomente des Wohnsitzes des Beklagten bzw. dessen Niederlassung. Als zweitrangiges Anknüpfungsmoment ist weiter der Wohnsitz des Klägers bzw. dessen Niederlassung vorgesehen sowie dritt­ rangig subsidiär die Zuständigkeit der Gerichte am Hauptregistrierungsort in ­Alicante. 2. Besondere Verfahrensregelungen Bei den meisten derartigen Sondervorschriften handelt es sich um Gerichtsstand­ normen. Ein Beispiel für eine der wenigen besonderen Verfahrensregeln enthält z. B. die GMVO mit von der Brüssel Ia-VO abweichenden Verfahrensvorschriften. Nach Art.  100 Abs.  1 GMVO muss ein Gericht Verfahren nach Art.  92 GMVO aussetzen, wenn die Gültigkeit einer Gemeinschaftsmarke bereits in einem an­ deren Verfahren durch eine Widerklage angefochten wurde.157 Dies bedeutet eine 153 

Siehe zu den jeweiligen Vorgängervorschriften der Brüssel I-VO Heinig, GPR 2010, 36, 38. Dazu ausführlich Heinig, GPR 2010, 36, 42. 155  Richtlinie 96/71/EG des Europäischen Partlaments und des Rates vom 16. Dezember 1996 über die Entsendung von Arbeitnehmern im Rahmen der Erbringung von Dienstleistun­ gen, ABl. EG 1997 Nr. L 18/1. 156  Heinig, GPR 2010, 36, 41. 157  Siehe dazu auch Heinig, GPR 2010, 36, 40. 154 

2. Kapitel: Vorrangnormen

67

gegenüber Art.  29 Brüssel Ia-VO sowie Art.  30 Brüssel Ia-VO zusätzliche Rege­ lung zur Verhinderung einander widersprechender Entscheidungen.158 3. Anerkennung und Vollstreckung In einigen Fällen existieren auch Sondervorschriften für die Anerkennung und Vollstreckung. Art.  4 der Verordnung Nr.  2271/96 zum Schutz vor den Auswir­ kungen der extraterritorialen Anwendung von einem Drittland erlassener Rechtsakte vom 22.11.1996159 sieht vor, dass Entscheidungen, die auf in ihrem Anhang aufgeführten Vorschriften beruhen, weder anerkannt noch vollstreckt werden. Dies betrifft ausschließlich US-amerikanische Rechtsakte über Embar­ gos wie den „Cuban Liberty and Democratic Solidarity Act of 1996“ – auch be­ kannt als „Helms-Burton-Gesetz“160 – oder den „Iran and Libya Sanctions Act of 1996“ und hat daher verglichen mit den oben genannten Schutzvorschriften eine nur eingeschränkte Bedeutung. Dennoch sind diese Regelungen interessant, wenn man sie mit den besonderen Gerichtsstand- und Verfahrensnormen vergleicht. Anders als diese knüpft Art.  4 der Verordnung Nr.  2271/96 an drittstaatliches Recht an und weist damit nicht lediglich einen EU-internen Bezug auf. Aufgrund dieses drittstaatlichen Bezugs befiehlt die Norm den Mitgliedstaaten damit, in Fällen, in denen z. B. ein deut­ sches Gericht §  328 ZPO und nicht die in der Brüssel Ia-VO vereinheitlichten Vollstreckungshindernisse prüfen würde, dem nationalen Recht ein weiteres Vollstreckungshindernis hinzuzufügen.161 III. Koordinationszweck Wie im IPR ist ein wichtiger Zweck dieser Koordinationsform der Schutz beson­ derer Personengruppen wie Arbeitnehmer und Verbraucher. Der Arbeitnehmer­ schutz wird insbesondere durch die Sonderregel in Art.  3 Entsenderichtlinie ver­ folgt, der zusätzlich zu den in der Brüssel Ia-VO aufgeführten Gerichtsständen weitere Gerichtsstände eröffnet. Die Verbraucher werden durch die besonderen Vorschriften der EuVTVO und der EuMVVO geschützt. Der Zweck der besonderen Vorschriften der GMVO ist dagegen hauptsächlich in der Sach- und Beweisnähe zu sehen. Ein darüber hinausgehender Schutz des Markeninhabers ist nicht ersichtlich. Anders als bei EuVTVO, EuMVVO und Entsenderichtlinie fehlen der GMVO die Normen, die eindeutig den Marken­ inhaber gegenüber dem Schädiger bevorzugen. Dies passt auch ins Bild, da we­ 158 

Heinig, GPR 2010, 36, 40. 1996 Nr. L 309/1. 160  Dazu ausführlich Gebauer, IPRax 1998, 145–155. 161  Siehe auch Gebauer, IPRax 1998, 145, 154; Griessbach, RIW 1997, 275, 280. 159  ABl. EG

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1. Teil – 1. Abschnitt: Methoden der Vorrangkoordination

der im IPR noch im IZVR eine strukturelle Benachteiligung des Markeninhabers gegenüber dem Schädiger identifiziert werden kann. Schließlich dient Art.  4 der Verordnung Nr.  2271/96 zum Schutz vor den Aus­ wirkungen der extraterritorialen Anwendung von einem Drittland erlassener Rechtsakte vom 22.11.1996 dem Schutz von wirtschaftlichen Interessen vor be­ sonderen ausländischen Vorschriften. IV. Koordinationsakteure Die Koordinationsakteure und die Verteilung ihrer Aufgaben entsprechen den Ausführungen zum IPR. Soweit die Sondervorschriften nicht der Umsetzung be­ dürfen, ist lediglich der europäische Gesetzgeber der Koordinationsakteur. Im Falle der Entsenderichtlinie greifen dagegen neben dem europäischen auch die nationalen Gesetzgeber der EU-Mitgliedstaaten koordinierend ein, indem sie die Richtlinie in nationales Recht umsetzen. Die nationalen Gerichte wenden die Verordnungen und das auf Richtlinien beruhende nationale Recht an. In Zweifelsfragen wird der EuGH im Wege des Vorabentscheidungsverfahrens nach Art.  267 AEUV angerufen.

2.  Abschnitt

Methoden der inhaltlichen Koordination Neben der Vorrangkoordination komplettiert die inhaltliche Koordination das Bild des IPR und IZVR. Die verschiedenen Formen werden in den folgenden Kapiteln verdeutlicht. Zunächst wird auf die nähere Bestimmung von Tatbestands­ merkmalen in Kollisionsnormen von IPR und IZVR eingegangen (1.  Kapitel). Sodann werden die inhaltlichen Beziehungen in einer größeren Perspektive in den Blick genommen, und zwar die inhaltliche Koordination zwischen den EU-­ Kollisionsrechtsakten untereinander (2.  Kapitel) sowie die Beziehungen von EU-­ ­Kollisionsrechtsakten mit solchen auf staatsvertraglicher (3.  Kapitel) und natio­ naler Ebene (4.  Kapitel).

1.  Kapitel

Nähere Bestimmung von Tatbestandsmerkmalen in Rechtsnormen des IPR und IZVR Die inhaltliche Koordination spielt zunächst für die nähere Bestimmung von Tat­ bestandsmerkmalen eine bedeutende Rolle. Die ebenfalls hier verortbare unions­ rechtsautonome Auslegung, die mit dem Streben nach unionsweitem Entschei­ dungseinklang zu erklären ist, soll indes nicht aufgeführt werden; vielmehr soll es an dieser Stelle um die Bestimmung von Tatbestandsmerkmalen durch Ver­ weisung auf nationales Recht gehen. Diese Verweisung kann einerseits Sach­ normverweisung sein, andererseits kann auch eine kollisionsrechtliche Prüfung der Anwendung des Sachrechts vorgeschaltet sein. Die erste Form ist sowohl im IPR als auch im IZVR zu finden, die zweite Form dagegen lediglich im IZVR.

§  1 Internationales Privatrecht Die nähere Bestimmung von Tatbestandsmerkmalen erfolgt im IPR über die Erst­frage und die Vorfrage.

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1. Teil – 2.  Abschnitt: Methoden der inhaltlichen Koordination

A. Koordinationsgegenstand Bei Erst- und Vorfrage geht es um die inhaltliche Bestimmung präjudizieller Rechtsverhältnisse auf Tatbestandsebene einer Kollisions- bzw. Sachnorm, so­ weit diese nicht bereits Teil der Hauptfrage sind.162 Dazu muss diejenige Rechts­ ordnung gefunden werden, nach der wiederum das auf diese präjudiziellen Rechtsverhältnisse anwendbare Recht bestimmt wird.

B. Funktionsweise I. Erstfrage und Vorfrage 1. Erstfrage Zur Bestimmung des auf solche präjudiziellen Rechtsverhältnisse anwendbaren Rechts, die auf kollisionsrechtlicher Ebene auftreten, wird die Erstfrage gestellt.163 Sie wird grundsätzlich selbstständig angeknüpft; der Grund besteht darin, dass die Fragen, die sich im Rahmen eines IPR auftun, auch nach diesem IPR beant­ wortet werden sollten.164 Ausnahmen von diesem Grundsatz werden nur wenige diskutiert, insbesondere die Anknüpfung von Erstfragen im Rahmen von interna­ tionalen Übereinkommen. In diesem Zusammenhang wird argumentiert, dass nur durch eine unselbstständige Anknüpfung der Zweck der Rechtsvereinheit­ lichung des Kollisionsrechts verwirklicht werden könne.165 Dem wird auch inso­ weit Recht gegeben, als die unselbstständige Anknüpfung die Rechtsanwendung vom zuständigen Gericht unabhängig macht.166 Problematisch ist dieser Ansatz jedoch dann, wenn Fragen, die nicht von dem entsprechenden Übereinkommen geregelt sind, dem durch dieses Übereinkommen berufenen Hauptstatut unter­ stellt werden sollen. Denn damit würde dem Übereinkommen eine Frage unter­ stellt, auf das es ursprünglich nicht anwendbar ist.167 2. Vorfrage Treten die präjudiziellen Rechtsverhältnisse auf Sachrechtsebene auf, wird die Be­ stimmung des anwendbaren Rechts als Vorfrage bezeichnet.168 Damit unterschei­ 162 

Rauscher, IPR, Rdn.  495 ff. Rauscher, IPR, Rdn.  497. 164  Kropholler, IPR, §  32 III; Rauscher, IPR, Rdn.  507. 165  v. Hoffmann/Thorn, IPR, §  6, Rdn.  55; Lüderitz, IPR, Rdn.  141. 166  v. Hein in: MüKoBGB, Einl. IPR, Rdn.  166 mit Verweis auf die Erwägungen zur Vorfrage unter Rdn.  175. 167  v. Hein in: MüKoBGB, Einl. IPR, Rdn.  166, 175. 168  Rauscher, IPR, Rdn.  498. 163 

1. Kapitel: Nähere Bestimmung von Tatbestandsmerkmalen

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den sich sowohl Erst- als auch Vorfrage von der Teilfrage, die selbst keine präjudi­ ziellen Rechtsverhältnisse betrifft, sondern ihrerseits das auf bestimmte Anknüp­ fungsgegenstände anwendbare Recht bestimmt, z. B. die Deliktsfähigkeit.169 Die Art und Weise, wie die Vorfrage anzuknüpfen ist, ist umstritten. Die Be­ fürworter der unselbstständigen Anknüpfung verweisen auf den internationalen Entscheidungseinklang.170 Danach sollen der Entscheidungseinklang hinsichtlich einer konkreten Rechtsfrage mit ausländischen Gerichten hergestellt und damit aus internationaler Perspektive einander widersprechende Entscheidungen ver­ hindert werden.171 Neben den bereits bei der Erstfrage genannten Argumenten unterstreichen die Befürworter der selbstständigen Anknüpfung jedoch ebenfalls die Bedeutung des internen Entscheidungseinklangs, also der „harmonischen Be­ handlung derselben Rechtsfrage durch alle damit befassten deutschen Gerichte und Behörden“172; sie geben allerdings der Gegenansicht zu, dass in bestimmten Bereichen die Bedeutung des internationalen Entscheidungseinklangs überwiegt – so z. B. im internationalen Namensrecht oder bei familienrechtlichen Verhält­ nissen als Vorfragen im Staatsangehörigkeitsrecht.173 Bei völkervertrag­lichen Kollisionsnormen gehen bei den Vertretern der selbstständigen Anknüpfung die Meinungen auseinander: Während manche das Ziel der Rechtsvereinheitlichung betonen, weshalb der internationale Entscheidungseinklang im Vordergrund ste­ hen müsse,174 weisen andere darauf hin, dass dem internationalen Entscheidungs­ einklang besser mit der selbstständigen Anknüpfung gedient sei.175 II. Die Koordinationsmethode im staatsvertraglichen IPR bei Verweis in EU-Kollisionsrecht Eine leicht abgewandelte, besondere Form enthalten staatsvertragliche Kolli­ sionsnormen wie z. B. im HUP 2007, auf das Art.  15 EuUnthVO verweist. Ge­ mäß Art.  4 Abs.  4 HUP 2007 ist für den Fall, dass die berechtigte Person nach dem aufgrund Art.  3 HUP 2007 ermittelten Unterhaltsstatut keinen Unterhalt verlangen kann, als Ersatzunterhaltsstatut das Recht des Staates vorgesehen, dem die berechtigte und die verpflichtete Person angehören. Nach Art.  9 HUP 2007 kann ein Vertragsstaat jedoch vorsehen, dass dieses Ersatzunterhaltsstatut an den Wohnsitz angeknüpft wird, wenn er den Wohnsitz in seinem eigenen Unterhalts­ recht als Anknüpfungsmoment kennt. Dieser Wohnsitz bestimmt sich dann nach 169 

Siehe hierzu ausführlich Kropholler, IPR, §  18 I. v. Hoffmann/Thorn, §  6, Rdn.  68. 171  Rauscher, IPR, Rdn.  56. 172  Rauscher, IPR, Rdn.  57. 173  Kegel/Schurig, IPR, §  9 II 2; Rauscher, IPR, Rdn.  518–520. 174  Rauscher, IPR, Rdn.  520. 175  Schurig, FS v. Hoffmann, 405, 412; Solomon, FS Spellenberg, 355, 367 f. 170 

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1. Teil – 2.  Abschnitt: Methoden der inhaltlichen Koordination

dem Recht des betreffenden Vertragsstaates. Damit entscheidet also das nationale Recht über den Inhalt des Wohnsitzmerkmals, um damit das anwendbare Recht zu bestimmen.

C. Koordinationszweck Der Zweck der Neuanknüpfung von Erst- und Vorfrage an sich besteht wie grundsätzlich bei jeder kollisionsrechtlichen Berufung darin, dem international-­ privatrechtlichen Interesse nach der Anwendung des Rechts mit der engsten Ver­ bindung zum Sachverhalt gerecht zu werden.176 Davon zu unterscheiden ist der Zweck der Art und Weise, wie eine Erst- bzw. Vorfrage angeknüpft wird – ob selbstständig oder unselbstständig. Die selbstständige Anknüpfung leistet einen Beitrag zu internem Entscheidungseinklang zwischen den Gerichten, welche diese Frage aufgrund derselben kollisionsrechtlichen Verweisung beantworten würden.177 Die unselbstständige Anknüpfung nach dem IPR der lex causae führt dagegen zum internationalen Entscheidungseinklang; dieser wiederum trägt zur Vermeidung des forum shopping bei, da die rechtliche Behandlung in jedem Staat dieselbe ist und dies somit für die Verfahrensparteien nicht mehr als Grund herhält, in einem bestimmten Staat das Verfahren anzustrengen.178

D. Koordinationsakteure I. Legislative Die Legislative trägt sowohl auf europäischer als auch völkervertraglicher Ebene durch Vereinheitlichung des Kollisionsrechts dazu bei, dass der internationale Entscheidungseinklang auch bei selbstständiger Anknüpfung erreicht werden kann. Denn je mehr Staaten dasselbe Kollisionsrecht anwenden und je weiter der sachliche Anwendungsbereich dieses Kollisionsrechts ist, desto eher wirkt eine selbstständige Anknüpfung zugleich wie eine unselbstständige; wenn z. B. deut­ sche Gerichte aufgrund der Rom  II-VO französisches Recht anwenden und sich in der französischen Norm die Vorfrage stellt, ob eine wirksame Ehe vorliegt oder ob diese wirksam geschieden worden ist, ist es nicht relevant, ob die Frage selbstständig nach deutschem oder unselbstständig nach französischem Kolli­ sionsrecht angeknüpft werden muss – schließlich kommt in beiden Fällen für die Frage der Ehescheidung die Rom  III-VO zur Anwendung. 176 

Vgl. Rauscher, IPR, Rdn.  1. Kropholler, IPR, §  32 IV 2. 178  v. Hoffmann/Thorn, IPR, §  1, Rdn.  49. 177 

1. Kapitel: Nähere Bestimmung von Tatbestandsmerkmalen

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Das gleiche gilt für das Potenzial der völkervertraglichen Ebene. Hier ist aller­ dings zu beachten, dass die Staatenzusammensetzung der Kollisionsrechtsüber­ einkommen stärker variiert, da selbst die Institution der Haager Übereinkommen nicht über die rechtliche Grundlage z. B. der EU verfügt, bei der die Rechtsver­ einheitlichung einen integralen Bestandteil des AEUV darstellt. Ferner variiert der Umfang der Übereinkommen und kann von dem Unterhaltskollisionsrecht insgesamt wie im HUP 2007 zu einem sachlich eher engen Anwendungsbereich wie dem internationalen Warenkauf im HÜ 1955 reichen. Keinen Einfluss kann der europäische oder völkervertragliche Rechtssetzer dadurch ausüben, dass er nur den sachlichen Anwendungsbereich eines Kolli­ sionsrechtsaktes erweitert. Denn die Frage, ob selbstständig oder unselbstständig anzuknüpfen ist, beantwortet sich nicht aus dem sachlichen Anwendungsbereich eines Kollisionsrechtsaktes. Wenn nämlich aufgrund der Rom  II-VO z. B. türki­ sches Recht berufen wird, bedeutet die unselbstständige Anknüpfung zunächst, dass eine Frage durch das türkische Kollisionsrecht und das davon berufene Sachrecht beantwortet wird; der ggf. weitere sachliche Anknüpfungsbereich der Rom  II-VO kann sich dagegen nur dann auswirken, wenn selbstständig ange­ knüpft wird.179 II. Judikative Da auch im Rahmen der völkervertraglichen und unionsrechtlichen Kollisions­ rechtsvereinheitlichung von beachtlichen Stimmen die unselbstständige Anknüp­ fung nicht als ausgemacht angesehen wird, obliegt es damit unabhängig vom Grad der Kollisionsrechtsvereinheitlichung zunächst der nationalen Judikative, zu entscheiden, ob bei der Beantwortung der Vorfrage eher dem internen oder dem internationalen Entscheidungseinklang Rechnung zu tragen ist. Ihr obliegt in diesem Fall also die Auswertung der international-privatrechtlichen Interessen sowie die Aufgabe, diese mit den von anderen Koordinationsmethoden verfolg­ ten Interessen wie dem renvoi zu koordinieren.180 Soweit es EU-Kollisionsrecht betrifft, hat der EuGH letzten Endes die Entscheidungshoheit hinsichtlich der Frage, ob eine selbstständige oder unselbstständige Vorfragenanknüpfung ausge­ sprochen wird.181

179 

Siehe dazu Solomon, FS Spellenberg, 355, 370. Siehe dazu unten S. 369. 181  Dazu Solomon, FS Spellenberg, 355, 370. 180 

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1. Teil – 2.  Abschnitt: Methoden der inhaltlichen Koordination

§  2 Internationales Zivilverfahrensrecht A. Koordinationsgegenstände Bei der Bestimmung von Tatbestandsmerkmalen durch Sachnormverweisung wird nationales Recht so mit EU-Kollisionsrecht verbunden, dass die im EU-Kol­ lisionsrecht gebrauchten Begriffe durch den nationalen Rechtsbegriff definiert werden. Eine solche Bestimmung von Tatbestandsmerkmalen durch Sachnorm­ verweisung ist eine Abweichung vom grundsätzlichen Bestreben der autonomen Auslegung unionsrechtlicher Begriffe.182 Ein wichtiges Beispiel ist Art.  59 ­Brüssel I-VO bzw. Art.  62 Brüssel Ia-VO, worin die Wohnsitzanknüpfung unter Rückgriff auf nationales Recht bestimmt wird. Zuweilen kommt es auch zu einer Bestimmung von Tatbestandsmerkmalen durch Kollisionsnormverweisung. Wichtige Beispiele sind in diesem Zusammen­ hang Art.  22 Nr.  2 Brüssel I-VO bzw. Art.  24 Nr.  2 Brüssel Ia-VO sowie Art.  5 Nr.  1 lit.  a Brüssel I-VO bzw. Art.  7 Nr.  1 lit.  a Brüssel Ia-VO.

B. Funktionsweise Die Funktionsweise unterscheidet sich nach zwei Formen: der Bestimmung von Tatbestandsmerkmalen durch Sachnormverweisung (dazu I.) und durch Kolli­ sionsnormverweisung (dazu II.). I. Bestimmung von Tatbestandsmerkmalen durch Sachnormverweisung 1. Grundlage der Koordinationsmethode Bei dieser Koordinationsmethode erfolgt die Bestimmung des unionsrechtlichen Begriffs nach einem nationalen Recht. Um dieses wiederum zu bestimmen, be­ darf es einer Verweisungsnorm, welche die Beziehung zwischen der unionsrecht­ lichen Kollisionsnorm und der anwendbaren Sachrechtsnorm herstellt. Die hierzu erforderliche koordinative Wirkung geht dabei von der unionsrechtlichen Norm aus, die eben diese kollisionsrechtliche Verweisung enthält. Damit geht also die koordinierende Wirkung von der höherrangigen Rechtsquellenebene aus. Dies zeigt sich etwa in Art.  59 Brüssel I-VO bzw. Art.  62 Brüssel Ia-VO. Da­ nach bestimmt sich, ob eine Partei im Hoheitsgebiet des angerufenen Gerichts einen Wohnsitz hat, nach dem Recht des angerufenen Gerichts (Abs.  1). Hat eine Partei im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaates, dessen Gerichte angerufen sind, 182 

Der EuGH sieht zwischen der autonomen Begriffsbestimmung und der Verweisungs­ technik keinen hierarchischen Vorrang einer der beiden Methoden, siehe nur EuGH, Urt. v. 6.10.1976, C-12/76, Tessili v. Dunlop AG, Slg. 1976, 1473, Rdn.  10.

1. Kapitel: Nähere Bestimmung von Tatbestandsmerkmalen

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keinen Wohnsitz, wendet das angerufene Gericht zur Beantwortung der Frage, ob die Partei einen Wohnsitz in einem anderen Mitgliedstaat hat, das Recht die­ ses Mitgliedstaates an (Abs.  2). In Abs.  1 handelt es sich um eine Verweisung auf die lex fori,183 in Abs.  2 um eine Verweisung auf das Recht des betreffenden Mitgliedstaates.184 So wird der Bezug zu den nationalen Sachnormen hergestellt wie z. B. zu §  7 BGB im deutschen Recht.185 2. Koordination durch Sachnormverweisung Integraler Bestandteil dieser Methode ist die Sachnormverweisung. Sie geht nicht ausdrücklich aus dem Wortlaut der Verweisungsnorm hervor, wie an Art.  59 Abs.  1 Brüssel I-VO bzw. Art.  62 Abs.  1 Brüssel Ia-VO sichtbar ist.186 Eine Kol­ lisionsnormverweisung wäre mit dem Wortlaut zwar grundsätzlich vereinbar, da es sich schließlich ebenfalls um Rechtsanwendung handeln würde; die Sach­ normverweisung lässt sich jedoch insbesondere aus der Systematik der kollisions­ rechtlichen Verordnungen ableiten. Zunächst ist festzustellen, dass der renvoi generell im europäischen Kollisionsrecht ausgeschlossen sein soll.187 Auch wenn im IZVR zwar generell der Trend hin zur Eröffnung einer Mehrzahl von Ge­ richtsständen geht, soll die Bestimmung des anwendbaren Rechts für größtmög­ liche Rechtssicherheit sorgen; dies wäre nicht gewährleistet, wenn das IPR des vermeintlichen Wohnsitzstaates das letzte Wort hinsichtlich des anwendbaren Rechts hätte.188 Ferner lässt sich dem Wortlaut weder entnehmen, dass dem nationalen Recht die Entscheidung überlassen sein soll, ob sich der Sitz doch nach einem anderen Recht als der lex fori bestimmt, noch ein klares Bekenntnis zu einer Kollisions­ normverweisung. Weiter wäre mit Blick auf Art.  22 Nr.  2 Brüssel I-VO bzw. Art.  24 Nr.  2 Brüssel Ia-VO eine Kollisionsnormverweisung auch deutlicher for­ muliert worden; im Gegensatz zu Art.  59 Abs.  1 Brüssel I-VO bzw. Art.  62 Abs.  1 Brüssel Ia-VO wird darin ausdrücklich auf „die Vorschriften seines Internationa­ len Privatrechts“ verwiesen.

183 

Vlas in: Magnus/Mankowski, Art.  62 Brussels Ibis Regulation, Rdn.  6. Vlas in: Magnus/Mankowski, Art.  62 Brussels Ibis Regulation, Rdn.  7. 185  Kropholler/v. Hein, Art.  59 EuGVO, Rdn.  6. 186  Dörner in: Sänger, Art.  59 EuGVVO, Rdn.  4; Vlas in: Magnus/Mankowski, Art.  59 Brussels I Regulation, Rdn.  6; Kropholler/v. Hein, Art.  59 EuGVO, Rdn.  7. 187  Dabei handelt es sich um ein bekanntes Muster, das seit Art.  20 Rom  I-VO und Art.  24 Rom  II-VO bekannt ist und nunmehr in den neuen EU-Verordnungen weitergeführt wurde bzw. werden soll: Art.  15 EuUnthVO i. V. m. Art.  11 HUP 2007, Art.  11 Rom  III-VO, Art.  34 EuErb­ VO, Art.  32 EuGüterVO, Art.  32 EuPartVO. 188  Vgl. Kropholler/v. Hein, Art.  59 EuGVO, Rdn.  6. 184 

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1. Teil – 2.  Abschnitt: Methoden der inhaltlichen Koordination

II. Bestimmung von Tatbestandsmerkmalen durch Kollisionsnormverweisung Die Funktionsweise der Bestimmung von Tatbestandsmerkmalen durch Kolli­ sionsnormverweisung kann anhand von zwei Normen gezeigt werden. Bei Art.  22 Nr.  2 S.  2 Brüssel I-VO bzw. Art.  24 Nr.  2 S.  2 Brüssel Ia-VO geht die Kollisions­ rechtsverweisung bereits aus dessen Wortlaut hervor. Denn danach wendet das angerufene Gericht bei der Entscheidung darüber, wo sich der Sitz einer Gesell­ schaft oder einer juristischen Person befindet, die Vorschriften seines Internatio­ nalen Privatrechts an. Demgegenüber sieht man dem Wortlaut von Art.  5 Nr.  1 lit.  a Brüssel I-VO bzw. Art.  7 Nr.  1 lit.  a Brüssel Ia-VO nicht unmittelbar an, dass der Erfüllungsort unter Zuhilfenahme des IPR des Forumstaates verwendet wird. Diesen Bedeu­ tungsgehalt hat der EuGH noch zu Zeiten des EuGVÜ in der Entscheidung ­Tessili 189 festgestellt und seither daran festgehalten.190 Da jedoch Art.  5 Nr.  1 lit.  a Brüssel I-VO bzw. Art.  7 Nr.  1 lit.  a Brüssel Ia-VO gewissermaßen der Grundtyp und Art.  22 Nr.  2 S.  2 Brüssel I-VO bzw. Art.  24 Nr.  2 Brüssel Ia-VO eine Sonderstellung einnimmt, wird der erstere Fall hier auch zuerst behandelt. 1. Art.  5 Nr.  1 lit.  a Brüssel I-VO bzw. Art.  7 Nr.  1 lit.  a Brüssel Ia-VO Nach Art.  5 Nr.  1 lit.  a Brüssel I-VO bzw. Art.  7 Nr.  1 lit.  a Brüssel Ia-VO erfolgt die Bestimmung des Ortes bei einem Vertrag oder Ansprüchen aus einem Vertrag danach, wo die Verpflichtung erfüllt worden ist oder zu erfüllen wäre. Der EuGH hat dazu bestimmt, dass der Erfüllungsort nicht unionsrechtlich autonom be­ stimmt werden könne, da es in den mitgliedstaatlichen Rechten unterschiedliche Konzepte der Erfüllung und somit des Erfüllungsortes gebe, weshalb eine ein­ heitliche unionsrechtliche Definition auf rechtsvergleichender Grundlage nicht gebildet werden könne; die einzige Möglichkeit bestehe also darin, sich an der Bestimmung des anwendbaren Rechts und damit des Erfüllungsortes nach der lex causae zu orientieren.191 Damit erfolgt die Bestimmung nach dem anwend­ baren Vertragsstatut. Theoretisch handelt es sich bei diesem Ansatz um eine Kollisionsnormverwei­ sung, wenn die anzuwendenden Kollisionsregeln eine solche vorsehen. Im Falle von Art.  5 Nr.  1 lit.  a EuGVÜ dauerte es jedoch nur wenige Jahre bis zum In­ krafttreten des EVÜ, bis das Vertragskollisionsrecht vereinheitlicht war und nur 189 

EuGH, Urt. v. 6.10.1976, C-12/76, Tessili v. Dunlop AG, Slg. 1976, 1473, Rdn.  14. Siehe nur EuGH, Urt. v. 6.10.1976, C-14/76, De Bloos v. Boyer, Slg. 1976, 1497, Rdn.  15–­17; EuGH, Urt. v. 23.4.2009, C-335/07, Falco Privatstiftung, Slg. 2009, I-3327, Rdn.  16. Siehe auch BGH, Urt. v. 7.12.2004 – XI ZR 366/03, IPRax 2006, 40, 42. 191  EuGH, Urt. v. 6.10.1976, C-12/76, Tessili v. Dunlop AG, Slg. 1976, 1473, Rdn.  14; Rauscher, IPR, Rdn.  1810. 190 

1. Kapitel: Nähere Bestimmung von Tatbestandsmerkmalen

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noch Sachnormverweisungen aussprach. Diese Entwicklung ist mit der Rom  I-­ VO fortgeführt worden. 2. Art.  22 Nr.  2 Brüssel I-VO bzw. Art.  24 Nr.  2 Brüssel Ia-VO Wie bei Art.  59 Brüssel I-VO bzw. Art.  62 Brüssel Ia-VO geht auch bei dieser Koordinationsmethode in Art.  22 Nr.  2 S.  2 Brüssel I-VO bzw. Art.  24 Nr.  2 S.  2 Brüssel Ia-VO die koordinierende Wirkung von der unionsrechtlichen Vorschrift aus. Sie stellt mithilfe ihres Verweises auf das Kollisionsrecht der lex fori den entscheidenden Bezug her und eröffnet damit die mit dem Kollisionsrecht selbst verbundene Koordination. Gemäß Art.  22 Nr.  2 Brüssel I-VO bzw. Art.  24 Nr.  2 Brüssel Ia-VO entschei­ den die Gerichte bei Gesellschaften und juristischen Personen, bei denen es sich nicht um eine SE handelt,192 nach ihrem nationalen Gesellschaftskollisionsrecht, welches deren Sitz ist. Das bedeutet z. B. für den Fall eines Wegzugs einer in Deutschland gegründeten Gesellschaft von Deutschland nach Ungarn unter Ver­ legung des Verwaltungssitzes nach Ungarn Folgendes: Wenn ein deutsches Ge­ richt vor der Frage steht, ob die Gesellschaft nach Art.  22 Nr.  2 Brüssel I-VO bzw. Art.  22 Nr.  2 Brüssel Ia-VO zuständig ist, wendet es deutsches Internationa­ les Gesellschaftsrecht an. Deutsche Gerichte würden für Wegzugsfälle nach wie vor die Sitztheorie anwenden;193 nach bereits erfolgter Sitzverlegung nach Un­ garn sind dann die ungarischen Gerichte zuständig. Die Art der Verweisung wird nicht vom EuZPR vorgegeben, ist also nicht schon allein deshalb Sachnormverweisung. Mit dem Verweis auf das IPR der lex fori ist auch festgelegt, dass sich die Verweisungsart aus dem IPR ergibt. Hin­ sichtlich der Verweisung hat das Internationale Gesellschaftsrecht jedoch einen Sonderstatus, da hier nicht von vornherein in den bekannten Kategorien von Kol­ lisions- und Sachnormverweisung gedacht werden kann. Geht es z. B. vor einem deutschen Gericht um die Bestimmung des Sitzes einer nach englischem Recht gegründeten Limited, die ihren Sitz nach Deutschland verlegt hat, verweist deut­ sches Recht wegen der EuGH-Rechtsprechung zur Niederlassungsfreiheit194 auf das englische Gründungsrecht. Eine Sachnormverweisung kann dies nicht sein, 192  Bei diesen bestimmt sich der Sitz nach dem Sachrecht, das durch die unionsrechtliche Kollisionsnorm Art.  7 SE-VO berufen wird. 193  In dieser Ansicht sind sie durch das Cartesio-Urteil des EuGH (EuGH, Urt. v. 16.12.2008, C-210/06, Cartesio, Slg. 2008, I-9641) bestärkt worden. 194  EuGH, Urt. v. 27.9.1988, C-81/87, Daily Mail, Slg. 1988, 5483, Rdn.  19; EuGH, Urt. v. 9.3.1999, C-212/97, Centros, Slg. 1999, I-1459; EuGH, Urt. v. 5.11.2002, C-208/00, Überseering, Slg. 2002, I-9919; EuGH, Urt. v. 30.9.2003, C-167/01, Inspire Art, Slg. 2003, I-10155. Für Zuzugsfälle im Rahmen von Umwandlungen: EuGH, Urt. v. 13.12.2005, C-411/03, Sevic, Slg. 2005, I-10805; EuGH, Urt. v. 16.12.2008, C-210/06, Cartesio, Slg. 2008, I-9641, Rdn.  104;

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da der Fall aus englischer Sicht ein Wegzugsfall ist und die Entscheidung, ob die Sitzverlegung nach Deutschland zum Wegfall der Rechtsfähigkeit in England geführt hat und die Verweisung dann abzulehnen wäre, nach englischem Recht zu treffen ist.195 Eine reine Kollisionsnormverweisung kann es dagegen auch nicht sein; denn eine etwaige Weiterverweisung englischen Rechts auf das Recht eines anderen Staates müsste das deutsche Recht wiederum nicht akzeptieren, da es aufgrund der genannten EuGH-Rechtsprechung lediglich die Rechtsfähigkeit des Gründungsrechts anerkennen muss, nicht jedoch die diesbezügliche Ent­ scheidung eines dritten Staates.196 Aus diesem Grund ist von einer Kollisions­ normverweisung auszugehen, bei der die Weiterverweisung ausgeschlossen ist.197

C. Koordinationszweck Die Koordinationszwecke der beiden Funktionsweisen sind unterschiedlich. I. Bestimmung von Tatbestandsmerkmalen durch Sachnormverweisung Die Bestimmung von Tatbestandsmerkmalen durch Sachnormverweisung zielt zum einen darauf ab, zu kompensieren, dass ein unionsrechtlich autonomer Rechtsbegriff nicht eindeutig erfasst werden kann (dazu 1.); zum anderen soll das Unionsrecht vor einer zu raschen Entwicklung des nationalen Rechts ge­ schützt werden (dazu 2.). 1. Umgehung der Unmöglichkeit der Bestimmung eines unionsrechtlich autonomen Begriffs Indem die Bestimmung eines Tatbestandsmerkmales nicht autonom auf seiner originären Rechtsebene, sondern nach nationalem Recht erfolgt, sollte die Rechtsquelle, der das Merkmal entspringt, von der Rechtsquelle, die für ihren Bedeutungsgehalt verantwortlich ist, getrennt werden. Diese Methode wird zum einen dann angewendet, wenn ein einheitliches Tatbestandsmerkmal, das auto­ nom bestimmt würde, zu einer Vielzahl verschiedener Ausformungen desselben Merkmales auf dieser Rechtsquellenebene führen würde. Eine solche Situation sah man bei der Schaffung des EuGVÜ gegeben, als der Vorläufer von Art.  59 Abs.  1 Brüssel I-VO eingeführt wurde. Zu diesem Zeitpunkt gab es eine Mehr­ Rauscher, IPR, Rdn.  648–650; EuGH, Urt. v. 12.7.2012, C-378/10, Vale Építési, NJW 2012, 2715–2719. 195  Leible/Lehmann, RIW 2002, 925, 930 f. 196  Leible/Lehmann, RIW 2002, 925, 930 f. 197  Zu dieser Problematik und zu der „Gesamtverweisung, die keinen renvoi anerkennt“, ausführlich Leible/Lehmann, RIW 2002, 925, 931.

1. Kapitel: Nähere Bestimmung von Tatbestandsmerkmalen

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zahl internationaler Übereinkommen, die den Wohnsitz als Anknüpfungsmerk­ mal verwendeten. Die Entscheidung zur Anknüpfung an den Wohnsitzbegriff der Mitgliedstaaten fiel bereits bei Entstehung des EuGVÜ. Mit Blick auf die ande­ ren existierenden Übereinkommen wollte man verhindern, dass verschiedene Wohnsitzbegriffe in den einzelnen Übereinkommen existierten.198 Im IPR dient die Bestimmung eines Anknüpfungsmerkmals nach nationalem Recht der Rechtssicherheit und wird bei Tatbestandsmerkmalen vorgenommen, die sich nicht einfach faktisch erklären lassen, sondern einen rechtlich beherrsch­ ten Gehalt haben. Der Wohnsitz z. B. ist ein rechtliches Anknüpfungsmerkmal, da er sich nach nationalem Recht bestimmt.199 Damit steht er im Gegensatz zum gewöhnlichen Aufenthalt, der bekanntlich nicht einfach ein anderes Wort für Wohnsitz ist, sondern sich durch eine faktische Nähe der natürlichen Person zum jeweiligen Ort erklärt.200 Aus diesem Grund ist es auch weniger schwierig, den gewöhnlichen Aufenthalt zum unionsweit einheitlichen Anknüpfungsmoment im IPR zu erheben. Anders verhält es sich beim Wohnsitz, von dem die verschie­ denen Staaten verschiedene rechtliche Vorstellungen haben, die nicht ohne Wei­ teres unionsweit vereinheitlicht werden können.201 Da man also eine Rechtsord­ nung braucht, nach der sich bestimmt, was Wohnsitz im konkreten Fall bedeutet, bedarf es einer Kollisionsnorm und eines Anknüpfungsmoments, die – wie im IPR üblich – eine typisierte engste Verbindung zwischen Sachverhalt und an­ wendbarem Recht herstellen. Etwas Ähnliches ergibt sich bei dem ebenfalls nur aufgrund des Rechts existierenden Anknüpfungsmoment der Staatsangehörig­ keit: Im Grunde ist bei jeder Anknüpfung an die Staatsangehörigkeit die Kollisi­ onsregel stillschweigend mitgedacht, dass sich die Staatsangehörigkeit nach dem Recht des Staates bestimmt, welcher der jeweiligen natürlichen Person ihre Staatsangehörigkeit verliehen hat.202 2. Immunisierung des EU-Rechts gegen schnelle nationale Rechtsentwicklung Zum anderen wird diese Methode eingesetzt, wenn zu befürchten ist, dass die Rechts­entwicklung in den Mitgliedstaaten sehr schnell voranschreiten könnte. Hätte man in diesem Fall eine unionsweite autonome Definition, könnte diese wiederum durch die Rechtsentwicklung obsolet werden. Diese Gefahr war bei Schaf­fung von Art.  52 EuGVÜ ebenfalls im Jenard-Bericht identifiziert worden;203 198 

Siehe zum Ganzen nur Kropholler/v. Hein, Art.  59 EuGVO, Rdn.  2. v. Hein in: MüKoBGB, Art.  5 EGBGB, Rdn.  115 f. 200  v. Hein in: MüKoBGB, Art.  5 EGBGB, Rdn.  114. 201  Vgl. v. Hein in: MüKoBGB, Art.  5 EGBGB, Rdn.  115 f. 202  Kropholler, IPR, §  32 VI 1. 203  Jenard-Bericht, ABl. EG 1979 Nr. C 59/1, S.  15; siehe auch Kropholler/v. Hein, Art.  59 EuGVO, Rdn.  2. 199 

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neben der Schwierigkeit, eine unionsweite Wohnsitz-Definition zu schaffen, war dies aus Sicht von Jenard ein weiterer Grund, von einer Legaldefinition im Eu­ GVÜ abzusehen.204 Diese Probleme eines rechtlich geprägten Anknüpfungs­ moments wurden jedoch nicht als hinreichender Grund angesehen, um zum ge­ wöhnlichen Aufenthalt als Anknüpfungsmoment überzugehen, da dieser in den nationalen Rechten der Übereinkommensstaaten keinen Rückhalt hatte.205 II. Bestimmung von Tatbestandsmerkmalen durch Kollisionsnormverweisung Für die Zuständigkeit in Art.  22 Nr.  2 Brüssel I-VO bzw. Art.  24 Nr.  2 Brüssel Ia-VO werden mehrere Gründe angeführt. Zunächst dient die ausschließliche Zuständigkeit im Sitzstaat der Rechtssicherheit, da hierdurch einander wider­ sprechende Entscheidungen im sachlichen Anwendungsbereich von Art.  22 Nr.  2 Brüssel I-VO bzw. Art.  24 Nr.  2 Brüssel Ia-VO vermieden würden; dies würde nach Art.  34 Nr.  3, 4 Brüssel I-VO bzw. Art.  45 Abs.  1 lit.  c, d Brüssel Ia-VO zu einem Anerkennungs- und damit einem Vollstreckungshindernis führen.206 Fer­ ner soll so gewährleistet werden, dass die zwingenden Vorschriften des Sitzstaa­ tes einer Gesellschaft, eines Vereins oder einer juristischen Person zur Anwen­ dung kommen.207 Dies geht mit der regelmäßigen faktischen Anwendung der Grundregel „actor sequitur forum rei“ einher.208 Ein weiterer mit dem Koordinationsmechanismus in Art.  22 Nr.  2 S.  2 Brüssel I-VO bzw. Art.  24 Nr.  2 S.  2 Brüssel Ia-VO verfolgter Zweck ist der Gleichlauf von internationaler Zuständigkeit und anwendbarem Recht.209 Der Grund des Gleichlaufs von anwendbarem Recht und zuständigem Gericht kann in der Sen­ sibilität der von dem ausschließlichen Gerichtsstand erfassten Materien gesehen werden: Gültigkeit, Nichtigkeit und Auflösung u. a. einer Gesellschaft betreffen deren Existenz, weshalb ein Gericht hierüber nicht aufgrund fremden Rechts ent­ scheiden sollte.210 Was die Nutzung dieses Mechanismus in Art.  5 Nr.  1 lit.  a Brüssel I-VO bzw. Art.  7 Nr.  1 lit.  a Brüssel Ia-VO bezweckt, lässt sich aus der Tessili-Entscheidung 204 

Jenard-Bericht, ABl. EG 1979 Nr. C 59/1, S.  15. Jenard-Bericht, ABl. EG 1979 Nr. C 59/1, S.  15. 206  Jenard-Bericht, ABl. EG 1979 Nr. C 59/1, S.  35 (zu Art.  16 Nr.  2 EuGVÜ); Kropholler/ ­v. Hein, Art.  22 EuGVO, Rdn.  33. 207  Jenard-Bericht, ABl. EG 1979 Nr. C 59/1, S.  35; Lima Pinheiro in: Magnus/Mankowski, Art.  22 Brussels I Regulation, Rdn.  44; Kropholler/v. Hein, Art.  22 EuGVO, Rdn.  33. 208  Jenard-Bericht, ABl. EG 1979 Nr. C 59/1, S.  35. Kropholler/v. Hein, Art.  22 EuGVO, Rdn.  33. 209  Kropholler/v. Hein, Art.  22 EuGVO, Rdn.  33; siehe zur Vorgängervorschrift Art.  16 Nr.  2 EuGVÜ: Jenard-Bericht, ABl. EG 1979 Nr. C 59/1, S.  35; Czernich/Tiefenthaler, Art.  16, Rdn.  26. 210  Ringe, IPRax 2007, 388, 391; Benedettelli, EBLR 2005, 55, 72. 205 

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ablesen. Danach beruht die Bestimmung des Erfüllungsortes nach der lex causae auf der „Ermangelung jeder Vereinheitlichung des anwendbaren materiellen Rechts beim gegenwärtigen Stand der Rechtsentwicklung“211. Auf der anderen Seite war eine weitere Annäherung an das Vertragskollisionsrecht durch legisla­ tive Anpassung des Anknüpfungmoments nicht angezeigt, da die Anknüpfung an den gewöhnlichen Aufenthalt des Erbringers der Hauptleistung zu viele interna­ tional-privatrechtliche Gedanken ins IZVR eingeführt hätte. Auch wäre es nicht angebracht gewesen, die Zuständigkeit für jedwede Klage aus einem Vertrags­ verhältnis vom Anknüpfungsmoment der Hauptleistungspflicht abhängig zu ma­ chen, da so das geeignete Maß an Sach- und Beweisnähe, das im IZVR bedeut­ samer ist als im IPR, nicht gewährleistet gewesen wäre.212

D. Koordinationsakteure I. Legislative Die Koordinationsakteure sind auf legislativer Seite der Unionsgesetzgeber so­ wie die einzelnen Mitgliedstaaten. Die Hauptbedeutung geht dabei vom Rechts­ setzer auf Unions- bzw. auf staatsvertraglicher Ebene aus, der die Koordinationsund Verweisungsnorm im Unionsrecht eingeführt hat. So sorgen der Unionsge­ setzgeber bspw. in Art.  59 Abs.  1 Brüssel I-VO bzw. Art.  62 Abs.  1 Brüssel Ia-VO sowie der staatsvertragliche Rechtssetzer überhaupt erst dafür, dass der Wohn­ sitzbegriff auf der jeweiligen Regelungsebene nach der lex fori zu bestimmen ist. Der Einfluss der Legislative der einzelnen Mitgliedstaaten kann dagegen un­ terschiedlich ausgestaltet sein, was von der Gestaltung der Norm auf der höher­ rangigen Ebene abhängt. In Art.  59 Abs.  1 Brüssel I-VO bzw. Art.  62 Abs.  1 Brüssel Ia-VO hat die Legislative des Mitgliedstaates bei der Rechtssetzung kei­ nen unmittelbaren Anteil an der Koordination; sie stellt schließlich nur die Rechtsnormen zur Verfügung, die über die unionsrechtliche Verweisungsnorm berufen werden. Durch Gestaltung des gesuchten Tatbestandsmerkmals kann der nationale Gesetzgeber jedoch den Kompetenzbereich der eigenen Gerichte er­ heblich erweitern, indem er z. B. den Wohnsitzbegriff entsprechend weit fassen würde.213 Möglich wäre dies aber nur bis zur Grenze der Exorbitanz eines Ge­ richtsstandes; diese Grenzziehung beruht nicht zuletzt auf dem Rechtsgedanken von Art.  3 Abs.  2 Brüssel I-VO bzw. Art.  5 Abs.  2 Brüssel Ia-VO.214 Die koordi­ 211 

EuGH, Urt. v. 6.10.1976, C-12/76, Tessili v. Dunlop AG, Slg. 1976, 1473, Rdn.  14. Siehe dazu nur EuGH, Urt. v. 6.10.1976, C-12/76, Tessili v. Dunlop AG, Slg. 1976, 1473; Geimer in: Geimer/Schütze, Art.  5 EuGVVO, Rdn.  82. 213  Geimer in: Geimer/Schütze, Art.  59 EuGVVO, Rdn.  7. 214  Vgl. Kropholler/v. Hein, Art.  3 EuGVO, Rdn.  3, 7. 212 

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nierende Wirkung der nationalen Kollisionsnormen kommt dagegen nicht zum Tragen, da durch das Unionsrecht lediglich eine Sachnormverweisung ausge­ sprochen wird.215 Die Norm, deren Tatbestandsmerkmal durch Koordination näher bestimmt wird, kann jedoch auch – wie Art.  4 i. V. m. Art.  9 HUP 2007 – eine Öffnungs­ klausel enthalten, die dem einzelnen Staat eine Gestaltungsmöglichkeit eröffnet. Wenn eine staatsvertragliche Kollisionsnorm mit einer Öffnungsklausel kombi­ niert wird, hat der Einzelstaat neben der ihm natürlich auch hier zukommenden Freiheit der Gestaltung seines eigenen Sachrechts die Möglichkeit, sowohl auf den Inhalt des Übereinkommens selbst einzuwirken als auch den Inhalt nachträg­ lich zu beeinflussen, indem er von der Öffnungsklausel Gebrauch macht. Auch bei der Bestimmung von Tatbestandsmerkmalen durch Kollisionsnorm­ verweisung hat die Legislative auf Unionsebene eine wesentliche Bedeutung für die Koordination, indem sie die Regelung in Art.  22 Nr.  2 Brüssel I-VO bzw. Art.  24 Nr.  2 Brüssel Ia-VO schafft. Der nationale Gesetzgeber regelt mit dem Internationalen Gesellschaftsrecht bzw. der Kollisionsnorm, auf die verwiesen wird, den zweiten wichtigen Bestandteil dieses Koordinationsmechanismus‘. II. Judikative Die Bedeutung der nationalen Gerichte geht dagegen in beiden Fällen nicht über die Anwendung der Verweisungsnorm und der jeweiligen nationalen Sachrechts­ vorschriften hinaus. Um z. B. im Rahmen von Art.  2 Abs.  1 Brüssel I-VO bzw. Art.  4 Brüssel Ia-VO seine Zuständigkeit zu prüfen, wendet ein deutsches Ge­ richt über Art.  59 Abs.  1 Brüssel I-VO bzw. Art.  62 Brüssel Ia-VO deutsches Recht an und gelangt so zu §  7 BGB. Alle Normen – sowohl Art.  2, 59 Abs.  1 Brüssel I-VO bzw. Art.  4, 62 Abs.  1 Brüssel Ia-VO als auch §  7 BGB – dürfen von den nationalen Gerichten ausgelegt werden; die unionsrechtlichen Normen müssen allerdings bekanntlich ggf. dem EuGH im Wege des Vorabentscheidungs­ verfahrens vorgelegt werden. Der EuGH wiederum kann die Wohnsitzbestim­ mung durch die nationalen Gerichte nicht nachprüfen, da diese auf nationalem Recht beruht, das in dieser Fragekonstellation dem Kompetenzbereich des EuGH nicht zugeordnet ist. Die einzige Möglichkeit, auf die IPR-Prüfung Einfluss zu nehmen, besteht in der Prüfung des nationalen IPR auf seine Unionsrechtmäßig­ keit hin, so wie er es im Internationalen Gesellschaftsrecht mehrfach getan hat.216

215 

Siehe soeben S. 75. Vgl. nur EuGH, Urt. v. 9.3.1999, C-212/97, Centros, Slg. 1999, I-1459; EuGH, Urt. v. 5.11.­2002, C-208/00, Überseering, Slg. 2002, I-9919; EuGH, Urt. v. 30.9.2003, C-167/01, ­Inspire Art, Slg. 2003, I-10155. 216 

2.  Kapitel

Inhaltliche Koordination zwischen EU-Rechtsakten untereinander Die Existenz mehrerer Rechtsakte auf einer Regelungsebene erfordert deren in­ haltliche Abstimmung in mehrfacher Hinsicht. Zunächst sind die Anwendungs­ bereiche gegeneinander abzugrenzen, um thematische Überschneidungen zu ver­ meiden (dazu §  1). Ferner ist auf eine möglichst einheitliche Benutzung von Rechts­begriffen, konkret von Tatbestandsmerkmalen zu achten (dazu §  2). Schließ­ lich ist speziell im Verfahrensrecht die konzeptionelle Koordination des Gerichts­ standrechts, der Verfahrenskoordination sowie der Behandlung einander wider­ sprechender Entscheidungen im Rahmen von Anerkennung und Vollstreckung wichtiger Bestandteil von EU-Verordnungen, die derartige Regelungsteile ent­ halten (dazu §  3).

§  1 Inhaltliche Koordination bei Qualifikation und begrifflicher Gestaltung von Anwendungsbereichen Der Bereich der Qualifikation und der Gestaltung der Anwendungsbereiche ent­ hält bedeutsame Aspekte inhaltlicher Koordination. Diese werden im Folgenden anhand der EU-Rechtsakte untersucht, und zwar unterteilt nach der inhaltlichen Koordination zwischen den Rechtsakten innerhalb des IPR bzw. IZVR (dazu A.) sowie im Verhältnis zwischen IPR- und IZVR-Rechtsakten zueinander (dazu B.).

A. Inhaltskoordination zwischen den Kollisionsnormen des IPR bzw. IZVR I. Koordinationsgegenstände Die Bereiche, die diese Koordination betrifft, sind die begriffliche Gestaltung des materiellen Anwendungsbereichs sowie der einzelnen Kollisionsnormen. Den Ausgangspunkt bildet zunächst ein Systembegriff wie z. B. vertragliche oder außer­vertragliche Schuldverhältnisse, das eheliche Güterrecht, Unterhaltsrecht oder Erbrecht. Um derartige Systembegriffe herum sind im europäischen und

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1. Teil – 2.  Abschnitt: Methoden der inhaltlichen Koordination

völkervertraglichen IPR entsprechende EU-Verordnungen bzw. Haager Konven­ tionen aufgebaut worden. Sie konkretisieren den allgemeinen Systembegriff mit mehr oder weniger detailreichen Anwendungsbereichen, in denen bestimmte Be­ reiche von dem jeweiligen Rechtsakt ausgenommen sein können. II. Funktionsweise 1. Materieller Anwendungsbereich Der europäische Gesetzgeber hat gesehen, dass bestimmte Rechtsfragen Berüh­ rungspunkte zu mehreren Anknüpfungsgegenständen haben können. Aus diesem Grund enthalten die Kollisionsrechtsverordnungen in der Regelung zum sach­ lichen Anwendungsbereich entsprechende Ausschlussregelungen (dazu a.). Die inhaltliche Koordination im Rahmen der Qualifikation betrifft neben der Koordi­ nation der materiellen Anwendungsbereiche auch die Ebene von kollisionsnorm­ spezifischen Anwendungsbereichen (dazu b.). a) Ausdrückliche Abgrenzungen Wenn Materien Berührungspunkte zu mehreren Kollisionsrechtsverordnungen haben, ist eine Abgrenzung erforderlich. Dazu enthalten Regelungen im Anwen­ dungsbereich der Verordnungen explizite Ausschlüsse. Diese explizit geregelten Ausschlussgründe folgen Grundgedanken, die in den Erwägungsgründen zu den Verordnungen formuliert sind. Erwägungsgründe können auch spezifisch zur Abgrenzung von EU-Verordnungen untereinander beitragen, soweit sie Materien betreffen, die Gegenstand mehrerer Verordnungen sein können. Dabei kann nicht mit letzter Konsequenz gesagt werden, ob die Erwägungsgründe oder die eigent­ lichen Regelungen detailreicher sind. aa) Rom  I-VO Aus diesem Grund enthält Erwägungsgrund Nr.  7 Rom  I-VO den Grundgedan­ ken, dass die Rom  I-VO mit der Rom  II-VO in Einklang stehen solle. Im Beson­ deren wurde für die culpa in contrahendo in Erwägungsgrund Nr.  10 Rom  II-VO formuliert, dass diese als Bestandteil der Rom  II-VO nicht von der Rom  I-VO erfasst sein solle. Dieser Gedanke hat denn auch in Art.  1 Abs.  2 lit.  i Rom  I-VO einerseits und in Art.  2 Rom  II-VO andererseits Niederschlag gefunden. bb) Rom  II-VO Auch in der Rom  II-VO ist mit Blick auf andere materielle Bereiche eine Ab­ grenzung vorgenommen worden. Insbesondere außervertragliche Schuldverhält­

2. Kapitel: Inhaltliche Koordination zwischen EU-Rechtsakten untereinander

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nisse aus einem Familienverhältnis (Art.  1 Abs.  2 lit.  a Rom  II-VO), aus eheli­ chen Güterständen (Art.  1 Abs.  2 lit.  b Rom  II-VO) oder aus Gesellschaftsrecht (Art.  1 Abs.  2 lit.  d Rom  II-VO) sollen nicht nach den Regeln der Rom  II-VO, sondern nach den auf diese Verhältnisse anzuwendenden Kollisionsnormen be­ handelt werden. Das gilt auch dann, wenn es zum jetzigen Zeitpunkt für alle diese Bereiche noch kein vereinheitlichtes Kollisionsrecht gibt und dies z. B. im internationalen Gesellschaftsrecht vorerst auch nicht geplant ist. cc) Brüssel I- bzw. Brüssel Ia-VO In der Brüssel I- bzw. Brüssel Ia-VO sind vergleichbare Ausschlusstatbestände enthalten. Art.  1 Abs.  2 Brüssel I-VO schließt die Anwendbarkeit der Verordnung auf u. a. die ehelichen Güterstände (lit.  a, 5. Fall) und das Gebiet des Erbrechts einschließlich des Testamentsrechts (lit.  a, 6. Fall) aus. In der Brüssel Ia-VO sind diese Ausschlusstatbestände an die zwischenzeit­ liche Entwicklung des EuZVR angepasst worden. Art.  1 Abs.  2 lit.  a Brüssel IaVO schließt die Anwendung der Brüssel Ia-VO auf die ehelichen Güterstände und Güterstände aufgrund von Verhältnissen aus, die nach dem auf diese Verhält­ nisse anzuwendenden Recht mit der Ehe vergleichbare Wirkungen entfalten, und stellt damit eine Abstimmung mit den Anwendungsbereichen von EuGüterVO und EuPartVO her. Zu Änderungen ist es ebenfalls im Zuge der Entstehung der EuUnthVO und der EuErbVO gekommen. Daher sind zum einen in Art.  1 Abs.  2 lit.  e Brüssel Ia-VO Unterhaltspflichten, die auf einem Familien-, Verwandtschafts- oder eherechtlichen Verhältnis oder Schwägerschaft beruhen, von der Anwendung der Brüssel Ia-VO ausgeschlossen; zum anderen besteht mit Art.  1 Abs.  2 lit.  f Brüs­ sel Ia-VO und dem darin enthaltenen Ausschluss des Testaments- und Erbrechts, einschließlich Unterhaltspflichten, die mit dem Tod entstehen, eine Abstimmung mit der EuErbVO. Eine Abgrenzung zur EuUnthVO war in Art.  1 Abs.  2 Brüssel I-VO noch nicht angezeigt, da zu diesem Zeitpunkt noch ein besonderer Un­ terhaltsgerichtsstand in Art.  5 Nr.  2 Brüssel I-VO enthalten war. dd) Rom  III-VO In den Verordnungen zur Ehescheidung, zum Erbrecht, zum Unterhaltsrecht und zum Güterrecht gibt es ausdrückliche Regelungen, mit denen die Sachbereiche aus einer Verordnung ausgeschlossen werden, die der Gesetzgeber aber nach den Re­ geln einer anderen Verordnung behandelt wissen möchte. In der Rom  III-VO be­ trifft dies Unterhaltspflichten sowie Erbschaften und Trusts, die mit Art.  1 Abs.  2 lit.  g bzw. h ausgeschlossen sind. In den Erwägungsgründen steht dagegen ledig­ lich ein Verweis auf die Kohärenz zur Brüssel IIa-VO unter Ausschluss der Ungül­

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1. Teil – 2.  Abschnitt: Methoden der inhaltlichen Koordination

tigerklärung der Ehe217 sowie der Hinweis auf den Ausschluss gewisser weiterer, auch in Art.  1 Abs.  2 Rom  III-VO genannter Gegenstände;218 gerade Erbschaften und Trusts sind jedoch in den Erwägungsgründen nicht explizit genannt. ee) Brüssel IIa-VO Vergleichbar verhält es sich bei der Brüssel IIa-VO. Auch dort sind insbesondere die Bereiche der Unterhaltspflichten (Art.  1 Abs.  3 lit.  e Brüssel IIa-VO) sowie Trusts und Erbschaften (Art.  1 Abs.  3 lit.  f Brüssel IIa-VO) aus dem Anwen­ dungsbereich ausgenommen. Auch hier dient der Ausschlusstatbestand der lit.  f der Abgrenzung zur EuErbVO. Der Ausschluss der Unterhaltspflichten in lit.  e diente hingegen freilich zunächst – daran erinnert noch Erwägungsgrund Nr.  11 Brüssel IIa-VO – der Abgrenzung zur Brüssel I-VO; nunmehr grenzt er die Brüs­ sel IIa-VO zur EuUnthVO ab. ff) EuErbVO Das Erbrecht kann bei bestimmten Materien Berührungspunkte zu anderen Rechtsgebieten wie dem Güterrecht oder dem Unterhaltsrecht aufweisen. Daher enthält die EuErbVO Ausschlusstatbestände zur Abgrenzung des Erbrechts von eben diesen Bereichen, da die Schnittmaterien mit gerade dem Güter- und Unter­ haltsrecht größtenteils in den entsprechenden Verordnungen platziert sind und daher nicht nach der EuErbVO zu behandeln sind. Konsequenterweise sind diese Aspekte also mit Art.  1 Abs.  2 lit.  d und e ausgeschlossen. Damit folgen die Re­ gelungen den Erwägungsgründen, sind ihnen gegenüber aber teilweise detaillier­ ter. Die Erwägungsgründe Nr.  11 bis 14 EuErbVO beschäftigen sich mit den Grundgedanken des Anwendungsbereichs der EuErbVO. Ganz grundsätzlich formuliert Erwägungsgrund Nr.  11 EuErbVO, dass nichts, was nicht die Rechts­ nachfolge von Todes wegen betrifft, in der EuErbVO geregelt sein sollte und daher Abgrenzungen vorzunehmen sind. Konsequent werden in den folgenden Erwägungsgründen das eheliche Güterrecht und das Güterrecht „aufgrund von Verhältnissen, die mit der Ehe vergleichbare Wirkungen entfalten“ (Erwägungs­ grund Nr.  12) – womit nicht zuletzt das Güterrecht eingetragener Lebenspartner­ schaften nach EuPartVO gemeint ist – ebenso ausgeschlossen wie „Fragen in Zusammenhang mit der Errichtung, Funktionsweise oder Auflösung von Trusts“ (Erwägungsgrund Nr.  13). Nach Erwägungsgrund Nr.  14 sollen darüber hinaus andere Formen der Entstehung oder Übertragung von Rechten und Vermögens­ werten wie der unentgeltlichen Zuwendung ausgeschlossen sein; zur unentgelt­ 217  218 

Siehe Erwägungsgrund Nr.  10 S.  1 Rom  III-VO. Siehe Erwägungsgrund Nr.  10 S.  3 Rom  III-VO.

2. Kapitel: Inhaltliche Koordination zwischen EU-Rechtsakten untereinander

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lichen Zuwendung wird jedoch die Einschränkung vorgenommen, dass sie nach der EuErbVO zu behandeln sind, soweit sie Auswirkungen auf die nach Eu-­ ErbVO behandelten Erbteile hat. Hinsichtlich der Behandlung unentgeltlicher Zuwendungen ergibt sich damit im Erbrecht kein klares Bild hinsichtlich der Zuweisung. In der EuErbVO gleicht Erwägungsgrund Nr.  14 der Formulierung ­einer einseitigen Kollisionsnorm – ihm ist lediglich zu entnehmen, inwieweit unentgeltliche Zuwendungen nach der EuErbVO behandelt werden sollen; nicht gesagt wird dagegen, welche Kollisionsnormen Anwendung finden sollen, wenn die EuErbVO nicht anwendbar ist. Auch wenn Erwägungsgrund Nr.  14 zur Behandlung der unentgeltlichen Zu­ wendung mehr Einzelheiten enthält, ist der entsprechende Ausschlusstatbestand zu Rechten und Vermögenswerten detaillierter hinsichtlich der einschlägigen As­ pekte. Denn der Ausschlusstatbestand Art.  1 Abs.  2 lit.  g EuErbVO nennt zusätz­ lich zu den unentgeltlichen Zuwendungen das „Miteigentum mit Anwachsungs­ recht des Überlebenden (joint tenancy), Rentenpläne, Versicherungsverträge und ähnliche Vereinbarungen“. gg) Güterrecht Die Berührungspunkte des Güterrechts mit dem Unterhaltsrecht und dem Erb­ recht sind im Vorschlag zur EuGüterVO dahingehend geregelt, dass sowohl Un­ terhaltspflichten (Art.  1 Abs.  2 lit.  c EuGüterVO) als auch Nachlassansprüche des Ehegatten (Art.  1 Abs.  2 lit.  d EuGüterVO) vom Anwendungsbereich der Güterrechtsverordnung ausgeschlossen sein sollen. Im Gegensatz zum nunmehr in Kraft getretenen Art.  1 Abs.  2 EuGüterVO soll­ ten nach Art.  1 Abs.  3 lit.  c V-EuGüterVO unentgeltliche Zuwendungen unter Ehegatten noch ausgeschlossen sein. Art.  1 Abs.  3 lit.  c V-EuGüterVO sollte den in Erwägungsgrund Nr.  12 V-EuGüterVO formulierten Gedanken umsetzen, wenngleich der Erwägungsgrund umfangreicher war als die geplante Regelung. Denn Erwägungsgrund Nr.  12 war zusätzlich der Hinweis über die Zuordnung von unentgeltlichen Zuwendungen unter Ehegatten zur Rom  I-VO zu entneh­ men, wodurch die Formulierung – im Unterschied zu Erwägungsgrund Nr.  14 EuErbVO – gleichsam beidseitigen Charakter gewann. Aus der Tatsache, dass unbenannte Zuwendungen nicht mehr ausdrücklich aus dem Anwendungsbe­ reich der EuGüterVO ausgeschlossen sind, ist jedoch nicht der Wille des Gesetz­ gebers zu schließen, dass sie nun nicht mehr von der Rom  I-VO umfasst sind, sondern in den Anwendungsbereich der EuGüterVO fallen. Denn es ist nicht davon auszugehen, dass sich an diesem bereits zu Zeiten des EVÜ bestehenden Begriffsverständnisses219 etwas ändern sollte. Es liegt dagegen näher, dass die 219 

v. Hein in: Rauscher, EuZPR/EuIPR, Art.  1 Rom  I-VO, Rdn.  29 und Fn.  109.

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1. Teil – 2.  Abschnitt: Methoden der inhaltlichen Koordination

Kürzung des Vorschlages an dieser Stelle gerade mit dem Alter des besagten Begriffsverständnisses zusammenhängt und daher als unnötig angesehen wurde. b) Anwendungsbereich ohne explizite Abgrenzungen Die EuUnthVO enthält demgegenüber keinen Ausschlusskatalog, sondern ver­ weist in Erwägungsgrund Nr.  11 lediglich darauf, dass der Begriff der Unter­ haltspflichten sich auf alle Unterhaltspflichten erstrecken soll und autonom aus­ zulegen ist. Hätte der Gesetzgeber jedoch im Güter- und Erbrecht keine Berüh­ rungspunkte mit dem Unterhaltsrecht gesehen, hätte er die Unterhaltspflichten wohl auch nicht explizit aus dem Anwendungsbereich der Güter- und Erbrechts­ verordnung ausgeschlossen. Vor diesem Hintergrund ist es bemerkenswert, dass Erbschaften und Trusts sowie das Güterrecht dann auf der anderen Seite nicht auch ausdrücklich aus der EuUnthVO ausgeschlossen sind. Zu den Gründen selbst schweigt der Gesetzgeber. Aus den Gesetzgebungsma­ terialien lässt sich jedenfalls ableiten, dass der Grund nicht im Einfluss des HUP 2007 zu suchen ist.220 Denn bereits der Vorschlag zur EuUnthVO enthielt keinen Ausschlusskatalog. Gleichfalls enthielt dieser Vorschlag aber auch noch keine ausdrückliche Verweisung auf das HUP 2007, sondern eine eigenständige Kolli­ sionsnorm. Das lässt auch darauf schließen, dass sich der Gesetzgeber hier in der Regelungskonzeption freier glaubte und daher auch in den Anwendungsbereich einen ausdrücklichen Ausschlusskatalog eingefügt hätte, wenn er das denn ge­ wollt hätte. 2. Besondere kollisionsnormspezifische Anwendungsbereiche Auch innerhalb der kollisionsnormspezifischen Anwendungsbereiche von Kolli­ sionsnormen sind Orientierungen sichtbar. Dies zeigt z. B. im Verbraucherkolli­ sionsrecht der Vergleich von Art.  6 Rom  I-VO und Art.  46b Abs.  1, 2 EGBGB. Der spezifische Anwendungsbereich von Art.  6 Abs.  1 Rom  I-VO erfordert ne­ ben der Unternehmer-Verbraucher-Konstellation die besondere räumliche Aus­ dehnung des Unternehmers auf den gewöhnlichen Aufenthaltsstaat des Verbrau­ chers. Der Unternehmer muss seine berufliche oder gewerbliche Tätigkeit in diesem Staat ausüben oder eine solche Tätigkeit auf irgendeine Weise auf diesen Staat oder auf mehrere Staaten, einschließlich dieses Staates, ausrichten und der Vertrag in den Bereich dieser Tätigkeit fallen. Art.  46b Abs.  1 EGBGB fordert demgegenüber als spezifische Voraussetzung neben der Wahl des Rechts eines Staates, der weder der EU noch dem EWR ins­ gesamt angehört, einen engen Zusammenhang des Vertrages mit dem Gebiet eines 220 

Näher zum Verhältnis von EuUnthVO und HUP 2007 unten S. 193.

2. Kapitel: Inhaltliche Koordination zwischen EU-Rechtsakten untereinander

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EWR- oder EU-Mitgliedstaates. Ein solcher enger Zusammenhang ist nach Art.  46b Abs.  2 EGBGB insbesondere dann anzunehmen, wenn der Unternehmer in dem Mitgliedstaat der EU oder einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den EWR, in dem der Verbraucher seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat, eine berufliche oder gewerbliche Tätigkeit ausübt (Nr.  1) oder eine solche Tätigkeit auf irgendeinem Wege auf diesen Mitgliedstaat der EU oder einen anderen Vertrags­ staat des Abkommens über den EWR oder auf mehrere Staaten, einschließlich dieses Staates, ausrichtet (Nr.  2) und der Vertrag in den Bereich dieser Tätigkeit fällt. Damit übernimmt Art.  46b Abs.  2 EGBGB den Wortlaut von Art.  6 Abs.  1 lit.  a und b Rom  I-VO an sich wortidentisch. Der Unterschied zwischen beiden Verwendungen besteht jedoch darin, dass die Kriterien bei Art.  46b Abs.  2 EGB­ GB Regelbeispiele221 darstellen, d. h. ein enger Zusammenhang auch dann vorlie­ gen kann, wenn weder die eine noch die andere genannte Konstellation gegeben ist. Ist dagegen im Rahmen von Art.  6 Abs.  1 Rom  I-VO keine der genannten Konstellationen einschlägig, ist der Anwendungsbereich in keinem Fall eröffnet. Vor dem Hintergrund des Art.  6 Abs.  1 Rom  I-VO und auch von Art.  46b Abs.  4 EGBGB wäre jedoch zu überlegen, ob es notwendig ist, die Regelbeispiel­ technik in Art.  46b Abs.  2 EGBGB aufrecht zu erhalten. Nach Art.  46b Abs.  4 Nr.  2 EGBGB bestimmt sich der enge Zusammenhang u. a. zwischen Teilnut­ zungsverträgen und dem relevanten Gebiet mutatis mutandis ebenfalls nach dem Konzept des Art.  6 Abs.  1 Rom  I-VO, also ohne in Regelbeispieltechnik formu­ liert zu sein. Aus Art.  46b Abs.  4 EGBGB ergibt sich weiter, dass es neben Art.  46b Abs.  4 Nr.  2 EGBGB noch die Möglichkeit eines engen Zusammenhangs aufgrund der Belegenheit der betroffenen Immobilien in Art.  46b Abs.  4 Nr.  1 EGBGB gibt. Dies lässt jedoch Rückschlüsse auf die Bedeutung der Regelbeispieltechnik in Art.  46b Abs.  2 EGBGB zu. Denn wenn z. B. bei einem Teilnutzungsvertrag selbst der deutsche Gesetzgeber neben dem Ausübungsort und dem Zielort der Ausrichtung der beruflichen oder gewerblichen Tätigkeit des Unternehmers aus­ schließlich den Belegenheitsort der Immobilie als valide Grundlage für einen engen Zusammenhang sieht – inwieweit kann es dann bei anderen Verträgen möglich sein, abweichend von den Regelbeispielen einen unbenannten Fall eines engen Zusammenhangs zu bilden? III. Koordinationszweck Der Zweck der inhaltlichen Abstimmung der Anwendungsbereiche besteht in der Verdeutlichung, welche Kollisionsnormen wann anzuwenden sind. Dieser Be­ fund erweist sich gerade jetzt als umso bedeutender, da immer mehr Bereiche des 221 

Siehe nur Martiny in: MüKoBGB, Art.  46b EGBGB, Rdn.  53.

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1. Teil – 2.  Abschnitt: Methoden der inhaltlichen Koordination

Kollisionsrechts unionsweit vereinheitlicht werden und auf unterschiedlichen Regelungskonzepten beruhen: Nicht nur können sich die Gerichtsstandregeln und die IPR-Kollisionsnormen unterscheiden; zusätzlich hängt es von der jewei­ ligen Verordnung ab, welches Anerkennungs- und Vollstreckungskonzept an­ wendbar ist.222 Vor diesem Hintergrund ist es zwingend notwendig, durch Rege­ lungsklarheit hinsichtlich der Anwendungsbereiche nicht zuletzt für die Streit­ parteien Rechtssicherheit zu schaffen. Zugleich soll mithilfe der inhaltlichen Gestaltung schon eine prophylaktische Rücksichtnahme auf zukünftige Rechts­ setzungsprojekte ermöglicht werden, wie z. B. im Verhältnis der Rom  II-VO zu Verordnungen im Familien- oder Erbkollisionsrecht.223 IV. Koordinationsakteure 1. Legislative Auch bei dieser Methode zeigt sich die große Bedeutung der Legislative. Zu­ nächst sorgt der europäische Gesetzgeber für die inhaltliche Koordination zwi­ schen den europäischen Rechtsakten, wodurch er seiner Verantwortung für die Rechtsklarheit von EuIPR und EuZVR nachkommt. Gleichzeitig leistet aber auch der nationale Gesetzgeber einen wichtigen Bei­ trag zur Rechtsvereinheitlichung, indem er sein nationales Recht – zumindest soweit es der Umsetzung europäischen Kollisionsrechts dient – an den Begriffen des EuIPR orientiert, wie das z. B. der deutsche Gesetzgeber in Art.  46b Abs.  1 und 2 EGBGB und der Bestimmung des engen Zusammenhangs mit seiner Orien­tierung an Art.  6 Rom  I-VO getan hat. Auf diese Weise ermöglicht er es den nationalen Gerichten, sich an der Rechtsprechung des EuGH zu diesen Begriffen zu orientieren und so die Rechtsvereinheitlichung ohne das Zutun der europäi­ schen Organe zu vertiefen. 2. Judikative Wie auch sonst hat die europäische Judikative in Gestalt des EuGH desto weni­ ger interpretatorische Arbeit zu leisten, je detaillierter die Anwendungsbereiche durch den Gesetzgeber bereits ausgestaltet sind. Auch wenn der Gesetzgeber an manchen Stellen wie z. B. in Art.  1 Abs.  2 lit.  g EuErbVO mehr Vorgaben für den Ausschluss der dort gemeinten Rechte und Vermögenswerte gemacht hat, gibt es andere Stellen, an denen dies nicht so intensiv geschehen ist. An diesen Punkten – wie z. B. Art.  1 Abs.  2 lit.  k EuErbVO224 – können ggf. jetzt noch nicht abseh­ 222 

Siehe zu den Unterschieden zwischen diesen Konzepten unten S. 137 und S. 284. Vgl. auch Thorn in: Kieninger/Remien, 139, 147, Fn.  45. 224  Siehe dazu nur Dutta in: MüKoBGB, Art.  1 EuErbVO, Rdn.  46, 53. 223 

2. Kapitel: Inhaltliche Koordination zwischen EU-Rechtsakten untereinander

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bare Fallgestaltungen nach wie vor Rechtsunsicherheiten hervorrufen, die zu­ nächst die nationalen Gerichte, schlussendlich jedoch der EuGH klären müssten. Hinsichtlich der Orientierung des nationalen Gesetzgebers an der Terminolo­ gie europäischer Kollisionsnormen ist die Befassung des EuGH für Vorlagefra­ gen im Vorabentscheidungsverfahren differenziert zu sehen. Wenn z. B. ein deut­ sches Gericht unsicher ist, ob ein Ausrichten i. S. v. Art.  46b Abs.  2 Nr.  2 EGBGB vorliegt und damit im Ergebnis ein enger Zusammenhang besteht, wird eine Vor­ lage an den EuGH mit Bezug auf die nationale Norm an sich so nicht zulässig sein, da die Prüfung einer nationalen Norm nicht Gegenstand einer Vorabent­ scheidung sein kann.225 Da der Begriff des engen Zusammenhangs in Art.  46b EGBGB jedoch den umzusetzenden Richtlinien selbst entnommen ist226 und auch die Auslegung von Sekundärrecht von Art.  267 AEUV umfasst ist,227 wird sich das deutsche Gericht mit der Frage an den EuGH wenden können, ob eine konkrete Form der Auslegung des engen Zusammenhangs mit der Richtlinie ver­ einbar ist. Ggf. wird der EuGH eine unzulässige Frage des deutschen Gerichts in diese Richtung umdeuten.228 Es ist den deutschen Gerichten ebenfalls möglich, sich an EuGH-Entscheidungen zu orientieren, die über die in Art.  46b Abs.  2 EGBGB verwendeten Kriterien des Art.  6 Abs.  1 Rom  I-VO bereits ergangen sind.229

B. Koordination im Verhältnis von IPR- und IZVR-Rechtsakten der EU I. Koordinationsgegenstände Auch bei der inhaltlichen Koordination zwischen IPR- und IZVR-Rechtsakten geht es um die inhaltliche Koordination von Systembegriffen und Anwendungs­ bereichen, wie sie in den verschiedenen EU-Kollisionsverordnungen auftauchen. Wurden im vorangegangenen Abschnitt allerdings die Binnenbeziehungen je­ weils von IPR und IZVR behandelt, soll es jetzt um die Beziehung zwischen IPR und IZVR gehen. 225 

EuGH, Urt. v. 15.7.1964, C-6/64, Costa v. E. N. E. L., Slg. 1964, 1259, 1268. Siehe auch Ehricke in: Streinz, EUV/AEUV, Art.  267 AEUV, Rdn.  14. 226  Siehe nur Art.  7 Abs.  2 der Richtlinie 1999/44/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. Mai 1999 zu bestimmten Aspekten des Verbrauchsgüterkaufs und der Garantien für Verbrauchsgüter. 227  Ehricke in: Streinz, EUV/AEUV, Art.  267 AEUV, Rdn.  13. 228  Vgl. EuGH, Urt. v. 15.7.1964, C-6/64, Costa v. E. N. E. L., Slg. 1964, 1259, 1268. 229  Siehe z. B. EuGH, Urt. v. 6.9.2012, C-190/11, Daniela Mühlleitner/Ahmad Yusufi und Wadat Yusufi, NJW 2012, 3225, das zwar zu Art.  15 Brüssel I-VO erging, jedoch nach Heiderhoff in: Rauscher, EuZPR/EuIPR, Art.  6 Rom  I-VO, Rdn.  33 auf Art.  6 Rom  I-VO übertragbar ist.

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1. Teil – 2.  Abschnitt: Methoden der inhaltlichen Koordination

II. Funktionsweise 1. IPR- und IZVR-Normen aus getrennten Verordnungen a) Grundsatz des begrifflichen Einklangs Die Funktionsweise des grundsätzlichen begrifflichen Einklangs zwischen den EU-Rechtsakten auch im Verhältnis von IPR und IZVR soll anhand der Bereiche des vertraglichen und außervertraglichen Schuldkollisionsrechts sowie des inter­ nationalen Eherechts gezeigt werden. aa) Internationales vertragliches und außervertragliches Schuldrecht – Brüssel I- bzw. Brüssel Ia-, Rom  I- und Rom  II-VO (1) Allgemeine Grundsätze Von Beginn an waren mit Brüssel I- bzw. Brüssel Ia-, Rom  I- sowie Rom  II-VO das IPR und das IZVR der Bereiche des Schuldrechts in getrennten Verordnun­ gen geregelt. Grund dafür war, dass die Verordnungen getrennt voneinander ent­ wickelt wurden und dementsprechend zu unterschiedlichen Zeitpunkten in Kraft traten. Die Brüssel I-VO trat am 1.3.2002 in Kraft. Zu dieser Zeit hatte die Ent­ wicklung von Kollisionsnormverordnungen zur Bestimmung des anwendbaren Rechts im Bereich der vertraglichen Schuldverhältnisse gerade erst begonnen,230 die Entwicklung im Bereich der außervertraglichen Schuldverhältnisse war noch nicht weiter konkretisiert.231 Um den Begriffsgleichlauf nicht nur zwischen Rom  I- und Rom  II-VO, sondern auch zu deren IZVR-Pendant herzustellen, wurden in den IPR-Verordnungen die Anwendungsbereiche der Verordnungen und bestimmter Kollisionsnormen sowie die Gestaltung einzelner Kollisions­ normen inhaltlich angeglichen.232 Wo der Gesetzgeber die in den Anwendungsbereichen aufgeführten Rechts­ begriffe nicht näher definiert hat, ist deren Gehalt mithilfe der unionsrechtlich autonomen Auslegung zu bestimmen.233 Dabei spielen die systematische Aus­ 230 

Rom  I-VO: Grünbuch der Kommission vom 14.1.2003, KOM(2002) 654 endg. Bereits 1998 gab es Vorschläge zu Kollisionsregeln, Vorschläge der Kommission datie­ ren aber erst von nach Inkrafttreten der Brüssel I-VO: KOM(2003) 427 endg. vom 22.7.2003. 232  Siehe Erwägungsgrund Nr.  7 Rom  I-VO: „Der materielle Anwendungsbereich und die Bestimmungen dieser Verordnung sollten mit der Verordnung (EG) Nr.  44/2001 des Rates vom 22. Dezember 2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung in Zivil- und Handelssachen („Brüssel I“) und der Verordnung (EG) 864/2007 des Europäi­ schen Parlaments und des Rates vom 11. Juli 2007 über das auf außervertragliche Schuldver­ hältnisse anzuwendende Recht („Rom  II“) in Einklang stehen.“ 233  Siehe dazu Rom  I-VO: Kieninger in: Ferrari/Kieninger/Mankowski u. a., Art.  1 Rom  I-­VO, Rdn.  3; v. Hein in: Rauscher, EuZPR/EuIPR, Art.  1 Rom  I-VO, Rdn.  15; Martiny in MüKo­BGB, 231 

2. Kapitel: Inhaltliche Koordination zwischen EU-Rechtsakten untereinander

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legung und die daraus folgende Bildung kongruenter Begriffe, die in verschie­ denen IPR- und IZVR-Verordnungen vorkommen, eine wichtige Rolle.234 Ins­ besondere bei der Auslegung des Vertragsbegriffs in Art.  5 Nr.  1 Brüssel I-VO stellte sich die Frage, ob er auch die Rückabwicklung nichtiger Verträge umfasst. Dieses Beispiel zeigt, dass das Streben nach begrifflicher Parallelität dort seine Grenze findet, wo die Interessen und Funktionen des IZVR und des IPR ausein­ anderlaufen und daher eine Begriffsidentität nicht möglich ist.235 Nicht zuletzt dort kann es sich also auswirken, dass das IZVR bei den besonderen Gerichts­ ständen nach Beweis- und Sachnähe strebt, das IPR hingegen nach der Rechts­ ordnung mit der engsten Verbindung zum Sachverhalt.236 (2) Das inhaltliche Verhältnis von Art.  15 Abs.  1 Brüssel I-VO bzw. Art.  17 Abs.  1 Brüssel Ia-VO zu Art.  6 Rom  I-VO Gesucht und gefunden wurde der begriffliche Einklang bei der Bestimmung des Anwendungsbereichs verbraucherschützender Kollisionsnormen, wie es sich im Verhältnis von Art.  15 Abs.  1 Brüssel I-VO bzw. Art.  17 Abs.  1 Brüssel Ia-VO zu Art.  6 Abs.  1 Rom  I-VO zeigt. In Art.  15 Abs.  1 lit.  c Brüssel I-VO bzw. Art.  17 Abs.  1 lit.  c Brüssel Ia-VO wurde im Anwendungsbereich des Abschnitts IV über den Gerichtsstand bei Verbrauchersachen eine neue Fallgruppe eingeführt. Da­ nach sollten die darin enthaltenen Regeln anwendbar sein, wenn der Vertrags­ partner des Verbrauchers in dem Mitgliedstaat, in dem der Verbraucher seinen Wohnsitz hat, eine berufliche oder gewerbliche Tätigkeit ausübt oder eine solche auf irgendeinem Wege auf diesen Mitgliedstaat oder auf mehrere Staaten, ein­ schließlich dieses Mitgliedstaates, ausrichtet und der Vertrag in den Bereich die­ ser Tätigkeit fällt. Redaktionell ist diese, in Brüssel I- bzw. Brüssel Ia-VO als Rückfallposition („in allen anderen Fällen“) gebrauchte Formulierung in Art.  6 Abs.  1 Rom  I-VO auf lit.  a und b verteilt, die aber in beiden Fällen alternativ nebeneinander stehen. Diese in Erwägungsgrund Nr.  24 Rom  I-VO angesproche­ ne Übereinstimmung zwischen Brüssel I- bzw. Brüssel Ia-VO einerseits und Rom  I-VO andererseits führt also dazu, dass z. B. in dem für Verbraucher wichti­ gen Bereich des Fernabsatzes eine einheitliche kollisionsrechtliche Herangehens­ weise herrscht – nicht zuletzt, da nunmehr – wie Erwägungsgrund Nr.  24 Rom  I-­ VO zu entnehmen ist – auch die gemeinsame Erklärung des Rates und der Kom­ Art.  1 Rom  I-VO, Rdn.  6; Magnus in: Staudinger, Art.  1 Rom  I-VO, Rdn.  17; Rom  II-VO: Junker in MüKoBGB, Art.  1 Rom  II-VO, Rdn.  11; Rom  III-VO: Winkler von Mohrenfels in MüKo­ BGB, Art.  1 Rom  III-VO, Rdn.  3; EuUnthVO: Erwägungsgrund Nr.  11 EuUnthVO; ­EuErbVO: KOM(2009) 154, S.  5 (V-EuErbVO); siehe auch Dutta in MüKoBGB, Art.  1 EuErb­VO, Rdn.  2. 234  Bitter, IPRax 2008, 96, 97. 235  Bitter, IPRax 2008, 96, 97. 236  Bitter, IPRax 2008, 96, 99.

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1. Teil – 2.  Abschnitt: Methoden der inhaltlichen Koordination

mission zu Art.  15 Brüssel I-VO und die darin enthaltene Auslegungshilfe für Art.  6 Rom  I-VO genutzt wird. Dies betrifft gerade die nicht immer einfache Problematik, bei welchem Typ von Internetseiten von einem „Ausrichten“ i. S. v. Art.  15 Abs.  1 lit.  c Brüssel I-VO/Art.  17 Abs.  1 lit.  c Brüssel Ia-VO bzw. Art.  6 Abs.  1 lit.  b Rom  I-VO gesprochen werden kann. Die gemeinsame Erklärung setzt dazu voraus, „dass diese Website auch den Vertragsabschluss im Fernabsatz anbietet“237, weist aber gleichzeitig darauf hin, dass „die Zugänglichkeit einer Website allein nicht ausreicht“238. Hierzu sind die Schlagwörter der sog. aktiven Websites, die den Vertragsschluss im Fernabsatz ermöglichen, und passiven Websites, bei denen dies nicht der Fall ist, geprägt worden.239 Dass es zu diesem Gleichklang kommen würde, war jedoch nicht von vornhe­ rein ausgemacht. Dem Vorschlag des europäischen Parlaments und des Rates zur Rom  I-VO lag zwar im Wesentlichen der heutige Wortlaut zugrunde, war aller­ dings um einen Passus der Art ergänzt, wie man ihn aus Art.  5 Rom  II-VO zum Kollisionsrecht der internationalen Produkthaftung kennt: Die Anwendung der speziellen Verbraucherkollisionsnorm war bedingt durch die Kenntnis oder fahr­ lässige Unkenntnis des Unternehmers darüber, dass der Verbraucher seinen ge­ wöhnlichen Aufenthalt in dem Staat hat, auf den der Unternehmer seine Tätigkeit ausgerichtet hatte.240 Das ähnelt Art.  5 Abs.  1 lit.  a–c Rom  II-VO, wo die An­ knüpfung an den gewöhnlichen Aufenthaltsort der geschädigten Person, den Ort des Erwerbs des Produkts und des Schadenseintritts nur anwendbar sind, wenn das Produkt am jeweiligen Ort in Verkehr gebracht wurde und die Person, deren Haftung geltend gemacht wird, dies vernünftigerweise voraussehen konnte. Die­ se als Schutzklausel zugunsten des Unternehmers gedachte Regelung241 ist nicht in Art.  6 Abs.  1 Rom  I-VO übernommen worden, was erst zu dem echten Ein­ klang zwischen Art.  15 Abs.  1 Brüssel I-VO und Art.  6 Rom  I-VO geführt hat, der sich jetzt im Einklang mit Art.  17 Abs.  1 Brüssel Ia-VO fortsetzt. (3) Die Koordination von IPR und IZVR bei der Behandlung der culpa in contrahendo Ein vergleichbares Bedürfnis nach einheitlicher Problembehandlung sah der eu­ ropäische Gesetzgeber auch bei der Qualifikation der culpa in contrahendo. 237 

Siehe auch Erwägungsgrund Nr.  24, S.  3 Rom  I-VO; siehe auch Martiny in: MüKoBGB, Art.  6 Rom  I-VO, Rdn.  41. 238  Siehe auch Erwägungsgrund Nr.  24 S.  3 Rom  I-VO. 239  KOM(1999) 348 endg, S.  17 f.; v. Hoffmann/Thorn, IPR, §  3, Rdn.  236b; Kropholler/ v. Hein, Art.  15 EuGVO, Rdn.  24; siehe zur Kritik an der tendenziell zu technischen Unter­ scheidung Nielsen in: Mankowski/Magnus, Art.  15 Brussels I Regulation, Rdn.  36. 240  KOM(2005) 650 endg., S.  17 f. 241  KOM(2005) 650 endg., S.  8.

2. Kapitel: Inhaltliche Koordination zwischen EU-Rechtsakten untereinander

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Zwar nach Inkrafttreten der Brüssel I-VO, aber noch zu einem Altfall des EuG­ VÜ wurde die Frage der Zuordnung von Ansprüchen wegen ungerechtfertigten Abbruchs von Vertragsverhandlungen zu Art.  5 Nr.  1 Brüssel I-VO bzw. Art.  5 Nr.  3 Brüssel I-VO durch den EuGH in dessen Tacconi-Entscheidung behan­ delt.242 Sie wurde dahingehend geklärt, dass bei Fehlen einer vertraglichen Ver­ einbarung eine mögliche Rechtsverletzung als unerlaubte Handlung i. S. v. Art.  5 Nr.  3 Brüssel I-VO zu qualifizieren ist.243 Der EuGH begründete dies damit, dass Art.  5 Nr.  1 EuGVÜ nicht auf Situationen anwendbar sei, „in der es an einer von einer Partei gegenüber einer anderen freiwillig eingegangenen Verpflichtung fehlt“244. Dies nahm der EU-Gesetzgeber zum Anlass, die culpa in contrahendo auch im IPR nicht vertraglich zu qualifizieren, sondern der Rom  II-VO zuzuord­ nen.245 Auch dem Vorschlag einer Aufspaltung der Art, dass eine Verletzung vor­ vertraglicher Offenlegungs- und Hinweispflichten vertraglich und nur im Übri­ gen vorvertragliche Pflichtverletzungen außervertraglich zu qualifizieren seien, wurde nicht gefolgt.246 bb) Internationales Eherecht – Brüssel IIa-VO, Rom  III-VO (1) Entwicklung Die Harmonisierung des internationalen Familienrechts begann im IZVR mit dem Inkrafttreten der Brüssel IIa-VO am 1.8.2004 bzw. 1.3.2005.247 Sie enthält uni­ onsweit vereinheitlichte Regeln zu Gerichtsstands- sowie Anerkennungs- und Vollstreckungsrecht über die Ehescheidung, ferner das Recht der elterlichen Sor­ ge. Eine in der Folgezeit angestrebte Ergänzung der Brüssel IIa-VO um Bestim­ mungen zum anwendbaren Recht wurde zu diesem Zeitpunkt noch nicht umge­ setzt, da dies nicht von allen EU-Mitgliedstaaten goutiert wurde und daher wegen der nach Art.  67 Abs.  1 i. V. m. 5 Spstr. 2 EGV erforderlichen qualifizierten Mehr­ heit im Rat keine Änderung der Brüssel IIa-VO erfolgen konnte.248 Mit dem durch den Vertrag von Lissabon eingeführten Verfahren der Verstärkten Zusammenar­ 242 

Budzikiewicz in: Hüßtege/Mansel, Nomos-Kommentar, Art.  12 Rom  II-VO, Rdn.  5. EuGH, Urt. v. 17.9.2002, C-334/00, Tacconi v. HWS, Slg. 2002, I-7383, Rdn.  27. 244  EuGH, Urt. v. 17.9.2002, C-334/00, Tacconi v. HWS, Slg. 2002, I-7383, Rdn.  23. 245  KOM(2005) 650 endg., S.  5: „Für die Zwecke des Internationalen Privatrechts gelten als vorvertragliche Schuldverhältnisse nur deliktische Schuldverhältnisse, die in der künftigen Verordnung ‚Rom  II‘ geregelt werden.“; Budzikiewicz in: Hüßtege/Mansel, Nomos-Kommen­ tar, Art.  12 Rom  II-VO, Rdn.  6. 246  Budzikiewicz in: Hüßtege/Mansel, Nomos-Kommentar, Art.  12 Rom  II-VO, Rdn.  10. 247  Gemäß Art.  72 Brüssel IIa-VO trat die Brüssel IIa-VO bereits am 1.8.2004 in Kraft. Ab diesem Datum galten jedoch nur die Schlussbestimmungen Art.  67–70 Brüssel IIa-VO. Die restliche Verordnung galt ab dem 1.3.2005. 248  Rauscher in: Rauscher, EuZPR/EuIPR, Einl. Brüssel IIa-VO, Rdn.  3. 243 

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1. Teil – 2.  Abschnitt: Methoden der inhaltlichen Koordination

beit wurde es aber schließlich doch möglich, dass die jeweils willigen Mitglied­ staaten eine eigene Verordnung im Bereich des Internationalen Familienrechts verfolgen konnten.249 Aus diesem Willen heraus entstand die Rom  III-VO, die am 21.6.2012 in Kraft trat.250 Deren Erwägungsgrund Nr.  10 S.  1 postuliert den Ein­ klang des sachlichen Anwendungsbereichs der Rom  III-VO mit der Brüssel IIaVO. Ein solcher Gleichklang wird schon bei der zeitlichen Anwendbarkeit der Rom  III-VO vorausgesetzt, wenn in Art.  21 Rom  III-VO auf das Inkrafttreten am 21.6.2012 verwiesen wird. Als der genaue Zeitpunkt solle dabei die Anrufung des Gerichts gelten, wie sie in Art.  16 Brüssel IIa-VO unionsrechtlich autonom defi­ niert ist.251 Die Nutzung dieser Definition wäre auch gerade deswegen angebracht, da der Begriff „Anrufung“ in der Rom  III-VO – etwa in Art.  8 lit.  a–c – an ver­ schiedenen Stellen auftritt, in Art.  3 Rom  III-VO aber bei den Begriffsbestimmun­ gen nicht aufgeführt und damit für die Rom  III-VO nicht definiert ist. (2) Koordination der Anwendungsbereiche von Brüssel IIa-VO und Rom  III-VO Dieses Einklangspostulat zeigt sich bei der Auslegung der Begriffe, die sowohl im sachlichen Anwendungsbereich der Brüssel IIa-VO als auch der Rom  III-VO vorkommen. Der Anwendungsbereich der Rom  III-VO erfasst zwar anders als die Brüssel IIa-VO nicht die Ungültigerklärung der Ehe,252 allerdings die beiden anderen Begriffe der Ehescheidung und der Trennung ohne Auflösung des Ehe­ bandes. Für die letzteren beiden Bereiche sind IPR und IZVR aufeinander abge­ stimmt. b) Ausnahmen vom Grundsatz des begrifflichen Einklangs Der Grundsatz des begrifflichen Einklangs zwischen den EU-Verordnungen kann jedoch dort nicht aufrechterhalten werden, wo deren Anwendungsbereiche nicht deckungsgleich sind. Dies ist Folge der getrennten Entwicklung der Verordnungen. Dabei ist zu erkennen, dass in Rechtsgebieten mit getrennten IZVR- und IPR-Verordnungen die IZVR-Verordnung den weiteren Anwendungsbereich hat. Dies kann man mit der Absicht erklären, dem forum shopping durch eine breitere Vereinheitlichung der Zuständigkeitsregeln Herr werden zu können, da bei Ge­ richtsstandwahl das forum shopping am ehesten vorkommt, weniger bei der Wahl des anwendbaren Rechts.

249 

Finger, FamFR 2011, 433. Vgl. dazu Mansel/Thorn/R. Wagner, IPRax 2011, 1. 251  Rauscher, IPR, Rdn.  817. 252  Erwägungsgrund Nr.  10 Rom  III-VO. 250 

2. Kapitel: Inhaltliche Koordination zwischen EU-Rechtsakten untereinander

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aa) Zum Verhältnis der Anwendungsbereiche von Brüssel I- bzw. Brüssel Ia-, Rom  I- und Rom  II-VO im internationalen Schuldrecht Die Brüssel I- bzw. Brüssel Ia-VO ist nicht auf die von Rom  I- und Rom  II-VO abgedeckten Bereiche beschränkt. Das ist zwar ohnehin klar, da die Brüssel Ibzw. Brüssel Ia-VO grundsätzlich auf alle Zivil- und Handelssachen anwendbar ist, Rom  I- und Rom  II-VO dagegen nur auf die vertraglichen bzw. die außerver­ traglichen Schuldverhältnisse in Zivil- und Handelssachen. Aber das ist hier nicht gemeint: Auch, wenn man in Bezug auf die vertraglichen Schuldverhältnis­ se die Brüssel I- bzw. Brüssel Ia-VO und die Rom  I-VO sowie in Hinblick auf die außervertraglichen Schuldverhältnisse die Brüssel I- bzw. Brüssel Ia-VO und die Rom  II-VO vergleicht, fällt auf, dass auch in den verschiedenen Bereichen für sich genommen die IZVR-Verordnung weiter ist als ihr jeweiliges IPR-Pendant. Anders als die Rom  I-VO ist die Brüssel I- bzw. Brüssel Ia-VO insbesondere anwendbar auf gesellschaftsrechtliche Fragen und Zuständigkeiten und Ent­ scheidungen über bewegliche und unbewegliche Sachen. Im Unterschied zur Rom  II-VO (Art.  1 Abs.  2 lit.  g Rom  II-VO) sind bei der Brüssel I- bzw. Brüssel Ia-VO vor allem Fragen zu Verletzung der Privatsphäre oder der Persönlichkeits­ rechte nicht ausgeschlossen. Zusätzlich verdeutlicht die Reform der Brüssel I-VO, deren Anwendungsbe­ reich an nur wenigen Stellen modifiziert wurde und die Modifikation bei den Unterhaltssachen langfristig eine logische Folge der separaten EuUnthVO ist, die getrennte Entwicklung von vereinheitlichtem IPR und IZVR. Sie zeigt sich zunächst im vertraglichen Schuldrecht durch einen Vergleich der Anwendungs­ bereiche von Brüssel I-VO und Rom  I-VO insbesondere an zwei Stellen. Zu­ nächst schließt Art.  1 Abs.  2 lit.  j Rom  I-VO die Anwendung der Rom  I-VO aus, soweit es sich um die dort genannten Versicherungsverträge handelt.253 Art.  1 Abs.  3 EVÜ enthielt ebenfalls eine Ausnahme für Versicherungsverträge, die je­ doch weiter reichte und alle Versicherungsverträge umfasste, die in den Hoheits­ gebieten der Mitgliedstaaten der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft belege­ ne Risiken deckten. Diese Entwicklung beruht allerdings nicht auf einer Orien­ 253  Art.  1 Abs.  2 Rom  I-VO: „Vom Anwendungsbereich dieser Verordnung ausgenommen sind: […] j) Versicherungsverträge aus von anderen Einrichtungen als den in Artikel  2 der Richtlinie 2002/83/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 5. November 2002 über Lebensversicherungen (ABl. EG 2002 Nr. L 345/1, zuletzt geändert durch die Richtlinie 2008/19/EG [ABl. EU 2008 Nr. L 76/44]) genannten Unternehmen durchgeführten Geschäften, deren Zweck darin besteht, den unselbstständig oder selbstständig tätigen Arbeitskräften eines Unternehmens oder einer Unternehmensgruppe oder den Angehörigen eines Berufes oder einer Berufsgruppe im Todes- oder Erlebensfall oder bei Arbeitseinstellung oder bei Minderung der Erwerbstätigkeit oder bei arbeitsbedingter Krankheit oder Arbeitsunfällen Leistungen zu ge­ währen.“

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1. Teil – 2.  Abschnitt: Methoden der inhaltlichen Koordination

tierung an der Brüssel I-VO, wo die besagten Versicherungsverträge nicht ausgeschlossen waren. Dies beruhte vielmehr auf der Entwicklung des Richt­ linienrechts, auf das sich Art.  1 Abs.  2 lit.  j Rom  I-VO bezieht.254 Dass die Richt­ linie erst nach Fertigstellung der Brüssel I-VO in Kraft getreten ist, ist also nicht der Grund für die unterschiedliche Behandlung dieser Versicherungsverträge in Brüssel I-VO und Rom  I-VO; denn auch in der Brüssel Ia-VO sind sie nicht aus­ geschlossen, was allerdings eine logische Konsequenz einer in diesem Punkt ab­ gestimmten Entwicklung gewesen wäre. Auch beim Vergleich von Rom  II-VO und der Brüssel I-VO zeigen sich Unter­ schiede. Die genannte Ausklammerung von Fragen der Verletzung der Privat­ sphäre und der Persönlichkeitsrechte aus der Rom  II-VO bleibt auch in der Brüs­ sel Ia-VO eine auf das IPR beschränkte Problematik. Auch hier wird also das IZVR nicht angepasst, so dass in dieser Frage weiterhin eine getrennte Entwick­ lung stattfindet. Das gleiche gilt für Schäden aufgrund Kernenergie (Art.  1 Abs.  2 lit.  f Rom  II-VO) wie auch im außervertraglichen Schuldrecht für solche Schuld­ verhältnisse, die sich u. a. aus dem Gesellschaftsrecht ergeben. bb) Internationales Eherecht Im Verhältnis von Brüssel IIa- und Rom  III-VO zeigt sich das gleiche Bild. Die beiden Verordnungen sind nicht deckungsgleich, die Brüssel IIa-VO hat viel­ mehr den weiteren Anwendungsbereich. Ein hervorstechendes Beispiel für die Reduzierung des Anwendungsbereichs der Rom  III-VO gegenüber der Brüssel IIa-VO ist die Bereichsausnahme der Ungültigerklärung der Ehe in dem Sinne, dass die Verordnung bestimmt, nach welchem Recht die materiellen Gründe für eine solche Ungültigerklärung bestimmt werden.255 Die Brüssel IIa-VO sollte ohnehin nicht die materiellen Gründe für die Auflösung einer Ehe oder deren Scheidung enthalten.256 Damit enthält das europäische Kollisionsrecht kein ma­ terielles IPR-Pendant zur unionsrechtlichen Vereinheitlichung der IZVR-Regeln zur Ungültigerklärung der Ehe. Dieser inhaltliche Unterschied hatte sich bereits im Vorschlag zur Rom  III-VO angedeutet, der die Ungültigerklärung der Ehe nicht enthalten hatte. Begründet wurde dies damit, dass die Rom  III-VO eine Rechtswahl vorsehen sollte; da aber aus Sicht der Verfasser ein enger Zusammenhang zwischen Ungültigkeit und Gültigkeit der Ehe besteht und die Gültigkeit der Ehe nicht der Rechtswahl zu­ gänglich sein sollte, sahen sie es als erforderlich an, die Ungültigerklärung der 254 

Leible in: Hüßtege/Mansel, Nomos-Kommentar, Art.  2 Rom  I-VO, Rdn.  77. Siehe Art.  1 Abs.  1 lit.  a und 3 Abs.  1 Brüssel IIa-VO und näher Hau, FamRZ 2013, 249, 250. 256  Siehe Erwägungsgrund Nr.  8 Brüssel IIa-VO. 255 

2. Kapitel: Inhaltliche Koordination zwischen EU-Rechtsakten untereinander

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Ehe außen vor zu lassen.257 Es ist allerdings nicht davon auszugehen, dass die Anwendungsbereiche bei gleichzeitiger Entwicklung von IZVR und IPR des Scheidungskollisionsrechts einheitlicher gestaltet worden wären, da – wie nun­ mehr die EuErbVO zeigt – die materiellen Anwendungsbereiche auch innerhalb ein und derselben Verordnung auseinanderfallen können, wenn der Normgeber dies für angemessen hält.258 2. IPR- und IZVR-Normen in Gesamtverordnungen Die neueren Verordnungen im internationalen Unterhaltsrecht, Erbrecht und Gü­ terrecht vereinen IPR- und IZVR-Normen und sind damit nicht mehr getrennt. Damit wird der begriffliche Einklang selbstverständlich und erscheint daher in den Verordnungen auch nicht weiter erwähnenswert (dazu a). Das führt jedoch nicht zwingend dazu, dass die Anwendungsbereiche von IZVR- und IPR-Teil identisch sind (dazu b). a) Grundsatz des begrifflichen Einklangs zwischen IPR und IZVR aa) Kein expliziter Verweis auf den begrifflichen Einklang zwischen IZVR und IPR Anders als bei separaten IZVR- und IPR-Verordnungen findet sich in den Gesamt­ verordnungen kein Verweis auf den begrifflichen Einklang zwischen IPR- und IZVR-Teil. Das lässt darauf schließen, dass dieser Einklang die logische Folge der Regelung in einer gemeinsamen Verordnung ist. Und in der Tat ist es auch faktisch naheliegend, da in allen Verordnungen – sei es im Unterhalts-, im Erb- oder im Güterrecht – IPR und IZVR zeitgleich entwickelt wurden und damit eine gemein­ same Grundidee hinter den jeweiligen Anwendungsbereichen zu vermuten ist. bb) Mögliche Vorteile einer Gesamtverordnung gegenüber der Trennung von IZVR und IPR (1) Flexiblere Abstimmung zwischen IZVR und IPR Aus einer solchen gemeinsamen Regelung können sich gewisse Vorteile erge­ ben. Zunächst können die IZVR-Teile und der IPR-Abschnitt bereits in ihrer Entwicklung aufeinander abgestimmt werden. Das kann sich als praktikabel er­ weisen, da man die Verhandlungen zu den verschiedenen Teilen der Verordnung – Gerichtsstände, anwendbares Recht, Anerkennung und Vollstreckung – gleich­ 257  258 

KOM(2010) 105 endg., S.  12, Rdn.  13. Vgl. dazu näher sogleich unten S. 100.

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1. Teil – 2.  Abschnitt: Methoden der inhaltlichen Koordination

zeitig führen kann. Dadurch vermeidet man zugleich, auf Änderungen in der ei­ nen Verordnung erst nachträglich zu reagieren. Andererseits können sich eben diese Verhandlungen z. B. gerade wegen eines nicht aufzulösenden Konflikts der Verhandlungsparteien im IPR-Teil hinziehen, wodurch die gesamte Verordnung und damit der möglicherweise auf allgemei­ nen Konsens treffende IZVR-Teil blockiert werden. Eine Trennung von IPR und IZVR würde dann die Rechtsvereinheitlichung zumindest in dem Teil, der einem Konsens unterliegt oder nahesteht, nicht verzögern.259 Der Praktikabilitätsvorteil einer Gesamtlösung tritt also nicht deutlich hervor. (2) Konzeption des Anwendungsbereichs Gesamtverordnungen können für IPR und IZVR ein und denselben Anwen­ dungsbereich aufweisen. Das bedeutet gleichzeitig, dass man hinsichtlich der Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen weniger Sorgen haben muss, da die Entscheidung aus einem EU-Mitgliedstaat kommt, der in jedem Fall das in derselben Verordnung vorgeschriebene Kollisionsrecht anwenden musste. Das ist anders z. B. bei Entscheidungen über Persönlichkeitsrechtsverletzungen, die zwar nach der Brüssel I- bzw. Brüssel Ia-VO anerkannt und vollstreckt wer­ den, die aber wegen Art.  1 Abs.  2 lit.  g Rom  II-VO nicht unter Anwendung ver­ einheitlichten Kollisionsrechts, namentlich der Rom  II-VO, getroffen wurden. Auf der anderen Seite kann es dadurch für die Beteiligten an einer Verhand­ lungsrunde zur Festsetzung des Anwendungsbereichs einer solchen Verordnung schwieriger werden, sich auf einen Ausschlusskatalog zu einigen, der sich auf das IPR und das IZVR gleichermaßen bezieht. b) Ausnahmen aa) EuErbVO Dass der Umfang des Anwendungsbereichs für den IZVR- und den IPR-Teil ei­ ner Verordnung allerdings nicht immer derselbe sein muss, zeigt ein Vergleich zwischen Art.  1 Abs.  2 EuErbVO und Art.  23 Abs.  2 bzw. 26 EuErbVO. In Art.  1 Abs.  2 lit.  b und g EuErbVO enthalten die jeweiligen Bereichsausnahmen ihrer­ seits Vorbehalte zugunsten von Kollisionsnormen in Kapitel III zum anwendba­ ren Recht. Art.  1 Abs.  2 lit.  b EuErbVO nimmt die Rechts-, Geschäfts- und Hand­ lungsfähigkeit von natürlichen Personen vom Anwendungsbereich der EuErbVO aus, ermöglicht es jedoch über den Vorbehalt, mit Art.  23 Abs.  2 lit.  c EuErbVO die Reichweite des anzuwendenden Rechts auf die Erbfähigkeit zu erstrecken. 259 

Um das Zustandekommen eines Übereinkommens zu ermöglichen, wurde z. B. auch der Anwendungsbereich des HGÜ auf ein Gerichtsstandsübereinkommen beschränkt und weitere Gerichtsstandsnormen nicht berücksichtigt. Siehe dazu R. Wagner, RabelsZ 73 (2009), 100, 108 f.

2. Kapitel: Inhaltliche Koordination zwischen EU-Rechtsakten untereinander

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Gleiches gilt für die Reichweite der materiellen Wirksamkeit, die sich ohne den Vorbehalt des Art.  1 Abs.  2 lit.  c EuErbVO nicht auf die Testierfähigkeit der die Verfügung von Todes wegen errichtenden Person (Art.  26 Abs.  1 lit.  a EuErbVO) oder die Stellvertretung bei Errichtung einer Verfügung von Todes wegen (Art.  26 Abs.  1 lit.  c EuErbVO) erstrecken könnten. Nach Art.  1 Abs.  2 lit.  g EuErbVO sind grundsätzlich unentgeltliche Zuwendungen von der EuErbVO ausgenom­ men, was allerdings wegen des dort enthaltenen Vorbehalts eine entsprechende Erstreckung des anzuwendenden Rechts in Art.  23 Abs.  2 lit.  i EuErbVO nicht verhindert. Da diese Bereichsausnahmen wiederum nur die Reichweite des anzu­ wendenden Rechts betreffen, unterscheiden sich insoweit die Anwendungsberei­ che von IZVR- und IPR-Teil. Dieses Ergebnis wirkt befremdlich,260 weil der Gesetzgeber so technische Schwierigkeiten im Zusammenspiel von IZVR und IPR schafft. Dies betrifft ins­ besondere die internationale Zuständigkeit von Gerichten für Fragen, die vom IPR erfasst werden, nicht jedoch vom IZVR, sowie die Frage, in welchem Um­ fang solche Entscheidungen in einem anderen Mitgliedstaat anerkannt und voll­ streckt werden können. Allerdings ist dieses Ergebnis die einzig mögliche Schlussfolgerung, zu der man bei einem genaueren Blick in die Verordnung gelangen kann.261 Zunächst ist der Begriff der „Rechtsnachfolge von Todes wegen“ nicht erst in Art.  23 EuErb­ VO legal definiert, sondern bereits in Art.  3 Abs.  1 lit.  a EuErbVO des für die gesamte Verordnung geltenden Kapitels I. Es ist nicht nachvollziehbar, warum der Gesetzgeber eine Konkretisierung dieses Anwendungsbereichs, die für die gesamte Verordnung gelten soll, in Kapitel III zum anwendbaren Recht platzie­ ren sollte und nicht im allgemeinen Kapitel I. Ein weiteres Argument lässt sich aus Formulierungen der Ausnahmen und ihrer Gegenausnahmen in Art.  1 Abs.  2 EuErbVO ableiten. Die oben genannten Ausnah­ men enthalten explizite Verweisungen auf bestimmte Normen im IPR-Teil der Verordnung, für deren Anwendung eine Gegenausnahme vorgesehen ist. Eine sol­ che explizite Verweisung fehlt aber in Art.  1 Abs.  2 lit.  e EuErbVO, wo Unterhalts­ fragen ausgeschlossen sind „außer derjenigen, die mit dem Tod entstehen“. Da Unterhaltspflichten gegenüber Personen bestehen, die einer anderen Person nahe stehen,262 sind sie ein Unterfall von „Ansprüchen von Personen, die dem Erblasser 260  Siehe Dörner, ZEV 2012, 505, 506 f., der wie selbstverständlich Art.  23 Abs.  2 EuErbVO als Bestandteil des Anwendungsbereichs der gesamten EuErbVO ansieht und nicht nur auf die Bestimmung des anwendbaren Rechts bezieht. 261  Vgl. auch Looschelders in: Hüßtege/Mansel, Nomos-Kommentar, Art.  23 EuErbVO, Rdn.  1. 262  Siehe Art.  1 Abs.  1 EuUnthVO und Erwägungsgrund Nr.  11 EuUnthVO, wonach eine weite Auslegung des Unterhaltspflichtenbegriffs Pflichten einbezieht, die auf einem Familien-, Verwandtschafts- oder eherechtlichen Verhältnis oder auf Schwägerschaft beruhen.

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1. Teil – 2.  Abschnitt: Methoden der inhaltlichen Koordination

nahe stehen“ i. S. v. Art.  23 Abs.  2 lit.  h EuErbVO.263 Es hätte also durchaus eine Norm gegeben, die man – wie in Art.  1 Abs.  2 lit.  b EuErbVO – explizit in Art.  1 Abs.  2 lit.  e EuErbVO hätte einfügen können. Dass der Gesetzgeber von dieser Möglichkeit keinen Gebrauch gemacht hat, zeigt, dass er zwischen einer expliziten Gegenausnahme durch Verweisung und einer allgemeinen Gegenausnahme unter­ scheidet. Es liegt nahe, dass nur die letztere für die gesamte Verordnung gelten soll und erstere nur für den Bereich, den die Verweisung betrifft. Man mag geneigt sein, diesen formalen Argumenten vor dem Hintergrund des Strebens nach materiellem Einklang zwischen IPR- und IZVR-Teil nicht so viel Bedeutung beizumessen und anzuführen, dass kein prozessuales Interesse dage­ gen spricht, den IZVR-Teil auch z. B. auf die Erbfähigkeit zu erstrecken. Ebenso wird nach verbreiteter Ansicht auch die Brüssel I- bzw. Brüssel Ia-VO auf die Rückabwicklung nichtiger Verträge angewendet und dort dem Vertragsgerichts­ stand zugeordnet,264 obwohl eine Klarstellung wie in Art.  12 Abs.  1 lit.  e Rom  I-­ VO fehlt und dies lediglich aus dem Vertragsbegriff der Brüssel I- bzw. Brüssel Ia-VO und dem gewünschten Einklang mit der Rom  I-VO hergeleitet wird. Eine solche Schlussfolgerung ist aber nur dann zulässig, wenn der Wille des Gesetz­ gebers nicht entgegensteht. Aus dem formalen Verweis in Art.  1 Abs.  2 lit.  b Eu­ ErbVO auf Art.  23 Abs.  2 lit.  c EuErbVO kann aber der Wille des Gesetzgebers hergeleitet werden, dass der prozessuale Begriff der Rechtsnachfolge von Todes wegen in puncto Erbfähigkeit nicht übereinstimmen soll. Dann kann man mit dem Gedanken der begrifflichen Einheit nicht zum Gegenteil gelangen. bb) EuUnthVO Ein weiteres Beispiel für die unterschiedliche Konzeption des Anwendungsbe­ reichs der Gesamtverordnung und der Spezifizierung des Anwendungsbereichs für das anwendbare Recht kann auch in der EuUnthVO gesehen werden. Dort wird der Anwendungsbereich der Gesamtverordnung in Art.  1 EuUnthVO gere­ gelt, wohingegen das anwendbare Recht über einen Verweis in Art.  15 EuUnth­ VO auf das HUP 2007 bestimmt wird. Dieser Verweis bezieht sich konsequenter­ weise auch auf den Anwendungsbereich des HUP 2007.265 263  So auch Looschelders in: Hüßtege/Mansel, Nomos-Kommentar, Art.  23 EuErbVO, Rdn.  24. 264  Siehe nur Stellungnahme der Europäischen Kommission und des Generalanwalts in EuGH, Urt. v. 19.1.1993, C-89/91, Shearson v. TVB Treuhandgesellschaft, Slg. 1993, I-157, Rdn.  178 f.; Bitter, IPRax 2008, 96, 98. 265  Dieses Problem soll im Zusammenhang mit dem Verhältnis von EU-Rechtsakt und völ­ kervertraglichen Kollisionsübereinkommen diskutiert werden, da in diesem Zusammenhang das Problem der plurilateralten Abweichung vom völkerrechtlichen Vertrag besser dargestellt werden kann. Siehe dazu unten S. 193.

2. Kapitel: Inhaltliche Koordination zwischen EU-Rechtsakten untereinander

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III. Koordinationszweck Der Zweck dieser Koordinationsmethode besteht zunächst darin, durch die be­ griffliche Inhaltsharmonie der IPR- und IZVR-Kollisionsnormen266 trotz deren Trennung in verschiedenen Verordnungen eine das gesamte IPR und IZVR um­ fassende Regelung zu schaffen.267 Diesem Zweck dient die Begriffseinheit zwi­ schen den Verordnungen, mit welcher Rechtseinheit und darauf aufbauend Rechtssicherheit hinsichtlich der Begriffe hergestellt wird, die in den verschiede­ nen Verordnungen verwendet werden. Dagegen ergibt sich aus der Gesamtregelung an sich kein zusätzlicher Wert zur Unterstützung dieser Koordination. Da die Anwendungsbereiche von IZVR und IPR innerhalb ein und derselben Verordnung unterschiedlich gestaltet sein können, wäre es ebenso denkbar gewesen, IPR und IZVR in zwei verschiedenen EU-Verordnungen zu regeln. Ein gewisser formaler Vorteil kann in der Praktika­ bilität gesehen werden, da nur ein Rechtssetzungsverfahren für beide Bereiche zu durchlaufen ist. Dieses kann sich jedoch in die Länge ziehen, wenn Uneinig­ keit über die Reichweite von IPR und IZVR im jeweils zur Debatte stehenden Sachbereich herrscht, und so die Rechtsvereinheitlichung behindern. IV. Koordinationsakteure 1. Legislative Koordinationsakteur ist zunächst der Gesetzgeber, denn er entscheidet über die Gestaltung der Anwendungsbereiche der Verordnungen. Das betrifft zum einen die Entscheidung, welche Aspekte eines Systembegriffs vom Anwendungsbe­ reich ausgenommen werden sollen. Zum anderen betrifft dies den Inhalt der Le­ galdefinitionen, was bei Verordnungen, die sowohl das IPR als auch das IZVR regeln, Auswirkungen auf den Begriffseinklang haben kann. 2. Judikative Diejenigen Bereiche, die vom Gesetzgeber nicht näher definiert sind, müssen im Rahmen der Anwendung der Kollisionsnormen von den nationalen Gerichten ausgelegt werden. Es liegt zunächst auch an ihnen, einen möglichen Auslegungs­ zusammenhang zwischen den verschiedenen Verordnungen zu identifizieren. Im weiteren Auslegungsverlauf orientieren können sie sich an bisheriger Recht­ sprechung des EuGH. Handelt es sich um eine Frage, die so noch nicht beant­ wortet wurde, ist sie zur Sicherung der unionsweiten Auslegungseinheit dem 266  267 

Siehe Erwägungsgrund Nr.  7 Rom  I-VO und Erwägungsgrund Nr.  7 Rom  II-VO. Junker in: MüKoBGB, Art.  1 Rom  II-VO, Rdn.  2.

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1. Teil – 2.  Abschnitt: Methoden der inhaltlichen Koordination

EuGH im Wege des Vorabentscheidungsverfahrens nach Art.  267 AEUV vorzu­ legen.

§  2 Inhaltliche Koordination der Anknüpfungsmomente Neben der Gestaltung von Qualifikation und Anwendungsbereichen erfolgt die inhaltliche Koordinierung von IPR- und IZVR-Normen untereinander sowie zwischen IPR- und IZVR-Normen über die Anknüpfungsmomente.

A. Inhaltliche Koordination der Anknüpfungsmomente auf der IPR-Ebene I. Koordinationsgegenstände Zur näheren Erläuterung soll zunächst die inhaltliche Koordination der An­ knüpfungsmomente auf der IPR-Ebene analysiert werden. Im Folgenden wird es dabei insbesondere um die objektiven Anknüpfungsmomente und dabei insbe­ sondere um deren Koordination zwischen dem Güter-, Scheidungs- sowie dem Erbkollisionsrecht gehen. Koordinationsgegenstand ist bei dieser Koordinations­ methode jedoch auch die Rechtswahl. II. Funktionsweise 1. Die inhaltskoordinative Komponente der akzessorischen Anknüpfung Neben der vorrangspezifischen Komponente, an welches Rechtsverhältnis im Rahmen der akzessorischen Anknüpfung anzuknüpfen ist,268 hat die akzessori­ sche Anknüpfung auch eine inhaltskoordinative Komponente. Deren Hinter­ grund bildet die inhaltliche Entscheidung, zwei Statute überhaupt miteinander zu kombinieren. Im Rahmen der Vorrangkoordination sind bereits die Verknüpfungen von ver­ traglichem und außervertraglichem Schuldrecht in Art.  4 Abs.  3, 10 Abs.  1, 11 Abs.  1, 12 Abs.  1 Rom  II-VO und Art.  41 EGBGB sowie Art.  15 Abs.  1 und Art.  17 Abs.  1 a. F. EGBGB angesprochen worden. Diese akzessorischen Anknüpfungen erweisen sich dabei als diejenige Koordinationsmethode, die den Gleichlauf von Statuten am direktesten ansteuert. Wenn ihre Voraussetzungen gegeben sind, ist die Anwendung der akzessorischen Anknüpfung entweder wie in Art.  4 Abs.  3 Rom  II-VO, noch mehr bei den ohnehin festgeschriebenen akzessorischen An­ knüpfungen in Art.  15 Abs.  1 und Art.  17 Abs.  1 a. F. EGBGB beschlossene Sache 268 

Siehe dazu oben S. 19.

2. Kapitel: Inhaltliche Koordination zwischen EU-Rechtsakten untereinander

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oder es bedarf besonderer Argumente wie z. B. im Sinne einer offensichtlich ­engeren Verbindung, um von dieser Anknüpfung wie z. B. über Art.  10 Abs.  4, Art.  11 Abs.  4 oder Art.  12 Abs.  2 lit.  c Rom  II-VO abzuweichen. 2. Nutzung desselben Anknüpfungsmoments in verschiedenen Kollisionsnormen Die akzessorische Anknüpfung ist jedoch nur ein Spezialfall der gleichlaufenden Konzeption von Anknüpfungsmomenten. Daneben gibt es im IPR weitere Kolli­ sionsnormen, deren Anknüpfungsmomente gleich gestaltet sind, so dass sich ein Statutengleichlauf ergeben kann. Beispiele hierfür enthalten vor allem das inter­ nationale Familienrecht sowie das internationale Erbrecht. a) EuGüterVO und EuErbVO Wenn das Ehegüterstatut nach Art.  26 Abs.  1 lit.  a EuGüterVO an den ersten ge­ meinsamen gewöhnlichen Aufenthalt des Ehepaares nach der Eheschließung an­ knüpft, kann dies zu einem Gleichlauf mit dem objektiven Erbstatut nach Art.  21 Abs.  1 EuErbVO und dem dortigen letzten gewöhnlichen Aufenthalt des Erblas­ sers führen, wenn das Ehepaar diesen gewöhnlichen Aufenthalt nicht ändert. Doch selbst wenn sie das tut, ist es möglich, über eine nachträgliche Rechtswahl nach Art.  22 Abs.  1 lit.  a EuGüterVO einen Gleichlauf mit dem objektiven Erbstatut herzustellen. b) Rom  III-VO und EuGüterVO Ähnlich verhält es sich zwischen europäischem Güter- und Scheidungskolli­ sionsrecht. Zwar weichen die primären Anknüpfungen hinsichtlich des Zeit­ punktes voneinander ab – Art.  26 Abs.  1 lit.  a EuGüterVO knüpft an den ersten gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalt nach Eheschließung, Art.  8 lit.  a Rom  IIIVO an den gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalt im Zeitpunkt der Anrufung des Gerichts; wenn das Ehepaar seinen gewöhnlichen Aufenthalt jedoch nicht ändert, führt dies zu einem Gleichlauf von Güter- und Scheidungsstatut. Keinen Gleichlauf verspricht dagegen der letzte gewöhnliche Aufenthalt des Ehepaares nach Art.  8 lit.  b Rom  III-VO, da es hierzu an sich kein Äquivalent in Art.  26 EuGüterVO gibt. Die einzige Möglichkeit bestünde dann über Art.  26 Abs.  1 lit.  c EuGüterVO, wenn der letzte gewöhnliche Aufenthalt des Ehepaares zugleich derjenige ist, zu dem es die unter Berücksichtigung aller Umstände engste Verbindung aufweist – was sich jedoch gerade nur aus weiteren Umstän­ den und nicht dem Anknüpfungsmoment selbst ergeben kann. Anders verhält es sich dagegen bei der gemeinsamen Staatsangehörigkeit des Ehepaares bei Ehe­ schließung (Art.  26 Abs.  1 lit.  b EuGüterVO) bzw. bei Anrufung des Gerichts

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1. Teil – 2.  Abschnitt: Methoden der inhaltlichen Koordination

(Art.  8 lit.  c Rom  III-VO), da die Wahrscheinlichkeit eines Wechsels der Staats­ angehörigkeit generell relativ niedrig ist.269 III. Koordinationszweck Warum existieren nun zwei verschiedene Mechanismen, die beide den Gleich­ lauf von Statuten herstellen? Oder anders gefragt: Warum nutzt man für den Gleichlauf von Ehegüter- und Erbkollisionsrecht sowie Ehegüter- und Schei­ dungskollisionsrecht nicht ebenfalls die akzessorische Anknüpfung, wenn doch bei der internationalen Zuständigkeit in Art.  4, 5 EuGüterVO doch etwas Ähnli­ ches vorgesehen ist? Die unterschiedlichen Konzeptionen führen zu dem Schluss, dass der Gleichlauf von vertraglichem und außervertraglichem Schuldrecht so­ wie derjenige von Art.  15 Abs.  1 und Art.  17 Abs.  1 mit Art.  14 Abs.  1 EGBGB primär bezweckt war (dazu 1.) und der partielle Gleichlauf von europäischem Erb- und Scheidungskollisionsrecht mit Ehegüterkollisionsrecht nicht (dazu 2.). 1. Gleichlauf bei vertraglichem und außervertraglichem Schuldrecht sowie bei Art.  15, 17 a. F. und 14 EGBGB Dass der Gleichlauf in diesen Verhältnissen gewollt war, ergibt sich zunächst aus der Tatsache, wie er hergestellt wurde. Im außervertraglichen Schuldrecht der Rom  II-VO ist bei jeder Kollisionsnorm mit akzessorischer Anknüpfung nicht ein spezielles Anknüpfungsmoment aus der Rom  I-VO oder sonstige Anknüpfungs­ momente als Platzhalter für in Betracht kommende Rechtsverhältnisse aufge­ führt. Vielmehr ist der Mannigfaltigkeit der Möglichkeiten von in Betracht kom­ menden Rechtsverhältnissen und damit verbundenen Anknüpfungsmomenten Rechnung getragen, indem schlicht an das Rechtsverhältnis und das auf dieses Rechtsverhältnis anwendbare Recht angeknüpft wird. Mit dem Gleichlauf der anwendbaren Rechte wird der Gleichlauf der Lebensverhältnisse gewähr­leistet.270 Ähnliches gilt für das Verhältnis z. B. von Art.  15 Abs.  1 EGBGB und dem Katalog in Art.  14 Abs.  1 EGBGB, wenngleich es über Art.  15 Abs.  2 EGBGB durchaus zu Abweichungen kommen kann, der Gleichlauf der Statute hier also nicht zwingend vorhanden ist.271 2. Gleichlauf im Rahmen von EuGüterVO, EuErbVO und Rom  III-VO Die gleichlaufende Konzeption der Anknüpfungsmomente im europäischen Gü­ ter-, Erb- und Scheidungskollisionsrecht ermöglicht zwar auch die einheitliche 269 

Siehe nur v. Hoffmann/Thorn, IPR, §  5, Rdn.  13. Vgl. Junker in: MüKoBGB, Art.  4 Rom  II-VO, Rdn.  51. 271  Mörsdorf in: BeckOK, Art.  15 EGBGB, Rdn.  52. 270 

2. Kapitel: Inhaltliche Koordination zwischen EU-Rechtsakten untereinander

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rechtliche Beurteilung eines einheitlichen Lebensverhältnisses; der Gleichlauf ist dabei allerdings nicht primär bezweckt. Denn wenn z. B. Art.  26 Abs.  1 Eu­ GüterVO lediglich in lit.  a Parallelität zu Art.  8 lit.  a Rom  III-VO und dem ge­ meinsamen gewöhnlichen Aufenthalt herstellt, bereits in lit.  b an die gemein­ same Staatsangehörigkeit anknüpft und nicht wie Art.  8 lit.  b Rom  III-VO unter bestimmten Voraussetzungen an den letzten gemeinsamen gewöhnlichen Aufent­ halt und erst dann an die gemeinsame Staatsangehörigkeit – noch dazu wenn im Güterrecht an den Zeitpunkt der Eheschließung angeknüpft werden soll, im Scheidungsrecht aber an den Zeitpunkt des Scheidungsantrages –, kann ein Gleichlauf nicht gewollt sein. Auch ein Gleichlauf der EuErbVO mit dem Güter­ recht ist nicht zwingend verfolgt, wenn man lediglich an den gewöhnlichen Auf­ enthalt des Erblassers im Todeszeitpunkt abstellt; denn dieser kann, muss aber nicht identisch sein mit dem gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalt des Ehe­ paares bei Eheschließung. Dass der Gleichlauf der Statute nicht durchgehend hergestellt wird, hängt da­ mit zusammen, dass die Lebensverhältnisse des Güterstandes, der Scheidung und des Erbrechts nicht von vornherein als typischerweise miteinander verbun­ den angesehen werden. Das lässt sich daraus schließen, dass beim Scheidungs­ statut „Rechtssicherheit und Berechenbarkeit“272 etwas anderes bedeutet als beim Güterstatut. Beim Güterstatut will der Gesetzgeber den Ehegatten bei Be­ ginn des Güterstandes die Aussicht geben, dass das Güterstatut dasselbe bleibt,273 es sei denn natürlich die Ehegatten ändern aktiv durch Rechtswahl etwas daran. Beim Scheidungsstatut soll dagegen das zu Beginn des Scheidungsverfahrens den Ehegatten am nächsten stehende Recht zur Anwendung kommen274 und so dem potenziellen Wunsch der Ehegatten nach räumlicher Mobilität gerecht wer­ den. Dessen eingedenk kann es sich dabei nicht um das Recht des ersten gewöhn­ lichen Aufenthalts nach Eheschließung handeln, da Planungssicherheit der Ehe­ gatten bei Eheschließung hinsichtlich der Scheidung regelmäßig nicht von Be­ deutung ist. Ungeschickt ist dabei allerdings, dass gerade bei Mobilität der Ehegatten die objektiven Anknüpfungen des Scheidungsstatuts von dem Statut, nach dem sich die vermögensrechtlichen Folgen der Scheidung bestimmen, aus­ einanderfallen.

272  Erwägungsgrund Nr.  21 Rom  III-VO; vgl. auch Erwägungsgrund Nr.  49 EuGüterVO („Rechtssicherheit und Vorhersehbarkeit“) und ähnlich auch bereits Erwägungsgrund Nr.  21 V-EuGüterVO („Rechtssicherheit und […] Planungssicherheit“). 273  Erwägungsgrund Nr.  49 EuGüterVO. 274  Vgl. Erwägungsgrund Nr.  21 Rom  III-VO.

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1. Teil – 2.  Abschnitt: Methoden der inhaltlichen Koordination

IV. Koordinationsakteure 1. Legislative Auch hier schafft die Legislative die Koordinationsgrundlage, indem sie ent­ scheidet, ob zunächst zwei Statute über eine akzessorische Anknüpfung mitein­ ander verbunden werden oder nicht. Die zweite wesentliche Entscheidung be­ steht darin, welche Anknüpfungsmomente in den verschiedenen Rechtsakten gewählt werden und in welchem Umfang durch Rechtswahl vom objektiven An­ knüpfungsmoment abgewichen werden kann. Die Legislative trifft damit die bei­ den konzeptionell essentiellen Leitentscheidungen. 2. Parteien Wie im Verhältnis von Güter- und Scheidungsstatut gesehen, kann es sein, dass die Parteien für den Gleichlauf der Statute selbst verantwortlich sind, wenn die Anknüpfungsmomente nicht so konzipiert sind, dass sich ein Gleichlauf der pri­ mären objektiven Anknüpfungsmomente einstellen kann, oder wenn der Lebens­ sachverhalt sich so gestaltet, dass primäre Anknüpfungsmomente nicht anwend­ bar sind – z. B. weil das Ehepaar keinen gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalt hat. Vor diesem Hintergrund kommt kautelarjuristischen Beratern die wichtige Rolle zu, für die Parteien eine strategisch vorteilhafte Lösung zu finden. 3. Judikative Der Judikative kommt damit in diesem Zusammenhang eine doppelte Unterstüt­ zerrolle zu. Nicht nur verlegt sich die Judikative entsprechend der Regelungs­ intensität auf die Subsumtion des Lebenssachverhalts unter die Anknüpfungs­ momente, ggf. legt sie unbestimmte Rechtsbegriffe aus und orientiert sich dabei nicht zuletzt an der Rechtsprechung des EuGH.

B. Inhaltliche Koordination der Anknüpfungsmomente sowie sonstiger Tatbestandsmerkmale im IZVR I. Koordinationsgegenstände Die Analyse der inhaltlichen Koordination beschränkt sich im IZVR nicht allein auf die Anknüpfungsmomente bei Gerichtsständen. Koordinationsgegenstände sind in diesem Zusammenhang auch die Regeln zur Verfahrenskoordination so­ wie zur Anerkennung und Vollstreckung.

2. Kapitel: Inhaltliche Koordination zwischen EU-Rechtsakten untereinander

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II. Funktionsweise Die Verwendung von Anknüpfungsmomenten kann im IZVR einheitlich sein (dazu 1.); sie kann jedoch auch unterschiedliche Anknüpfungskonzeptionen auf­ weisen (dazu 2.). 1. Einheitlichkeit von Anknüpfungsmomenten in IZVR-Verordnungen und bei sonstigen prozessualen Vorschriften a) Einheitlichkeit bei Gerichtsständen Die Koordination der Gerichtsstände verläuft ähnlich wie im IPR. Zunächst gibt es Gerichtsstände, die auf einen Zuständigkeitsgleichlauf ausgerichtet sind. Dies betrifft zunächst Art.  4 EuGüterVO und Art.  4 EuPartVO. Sie ermöglichen es Ehegatten und eingetragenen Partner, einen Zuständigkeitsgleichlauf zwischen Erb- und Gütergerichtsstand herbeizuführen. Art.  5 EuGüterVO ermöglicht dies für die Zuständigkeit im Fall der Ehescheidung, Trennung ohne Auflösung des Ehebandes oder Ungültigerklärung einer Ehe in Verbindung mit Gütersachen und Art.  5 EuPartVO für das Verhältnis von Partnerschaftstrennungs- und Güter­ sachen. Insoweit unterscheiden sich jedoch die Herangehensweisen. Denn an­ ders als noch in den jeweiligen Verordnungsvorschlägen bei Art.  4 V-EuGüter­ VO und Art.  4 V-EuPartVO wird nunmehr in Art.  5 EuGüterVO im Grundsatz vom Gleichlauf mit dem Scheidungsgerichtsstand ausgegangen und die Ehe­ gatten müssen nur ausnahmsweise in bestimmten Fällen den Gleichlauf selbst­ ständig herbeiführen. Dagegen ist Art.  5 Abs.  1 EuPartVO dem Vorschlag Art.  4 V-EuPartVO nachempfunden und erfordert in jedem Fall die aktive Vereinba­ rung des Zuständigkeitsgleichlaufs der eingetragenen Partner. Daneben ist ein Zuständigkeitsgleichlauf auch in den Fällen von Art.  6 Nr.  1, 3 Brüssel I-VO bzw. Art.  8 Nr.  1, 3 Brüssel Ia-VO vorgesehen. Abgesehen von diesen bereits besprochenen Fällen275 ist ein expliziter Gleich­ lauf von Gerichtsständen nicht ausdrücklich vorgesehen. Wegen der ähnlichen Gestaltung der Anknüpfungsmomente kann es ohne Zutun der Ehegatten oder eingetragenen Partner auch hier lediglich bei günstigen Umständen zu einem Zuständigkeitsgleichlauf kommen. Das hängt im Verhältnis von Güter- und Scheidungssachen damit zusammen, dass die objektiven Zuständigkeitsanknüp­ fungsmomente in Art.  6 EuGüterVO primär an den gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalt anknüpfen, wohingegen er in Art.  3 Abs.  1 lit.  a 1. Spstr. Brüssel IIaVO nur eines unter sieben gleichrangigen Anknüpfungsmomenten ist. Die primäre Anknüpfung an den gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalt so­ wohl in Art.  6 Abs.  1 EuGüterVO als auch in Art.  6 EuPartVO führt dagegen 275 

Siehe dazu ausführlich oben S. 32 f.

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1. Teil – 2.  Abschnitt: Methoden der inhaltlichen Koordination

auch ohne die Prorogation durch die Parteien zu einem Gleichlauf von Schei­ dungs- bzw. Trennungs- und Erbsachen. Denn nach Art.  4 EuErbVO sind für Erbsachen die Gerichte des Staates zuständig, in dem der Erblasser seinen letzten gewöhnlichen Aufenthalt hatte. Diese Konzeption führt nur dann nicht zu einem Zuständigkeitsgleichlauf, wenn die Ehegatten bzw. eingetragenen Partner keinen gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalt zum Zeitpunkt des Todes des Erblassers hatten. Angesichts der primären Anknüpfung an den gemeinsamen gewöhn­ lichen Aufenthalt geht der Gesetzgeber allerdings davon aus, dass dies der Re­ gelfall sein wird, so dass in diesem Fall auch ohne Art.  4 EuGüterVO bzw. Art.  4 EuPartVO ein Zuständigkeitsgleichlauf gegeben sein würde. Damit kommt es für das Verhältnis von Erb- und Gütersachen auf das Tätigwerden insbesondere der eingetragenen Partner regelmäßig nicht an. Auf das Tätigwerden der Ehegat­ ten kommt es aufgrund des Prinzipienwechsels zwischen Art.  4 V-EuGüterVO und Art.  5 Abs.  1 EuGüterVO nun ohnehin nicht mehr an; das wäre es aber auch nach Art.  4 V-EuGüterVO nicht. b) Einheitlichkeit bei Verfahrenskoordination sowie bei Anerkennung und Vollstreckung Einheitlichkeit existiert auch bei der Verwendung von Verfahrensnormen zur Ko­ ordination von Parallelverfahren (dazu aa) sowie hinsichtlich der Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Entscheidungen (dazu bb). aa) Verfahrenskoordination Bei der Verfahrenskoordination lässt sich zumindest ein einheitlicher normativer Grundstock identifizieren, wobei sich die einzelnen Normen jedoch in gewissen Punkten unterscheiden. Identisch ist zunächst der Befehl an ein angerufenes, jedoch unzuständiges Gericht, sich von Amts wegen für unzuständig zu erklären276. Ferner enthalten alle Verordnungen eine wortgleiche Vorschrift zur Prüfung der Zulässigkeit der Klage gegen einen Beklagten, der seinen Wohnsitz277 bzw. gewöhnlichen Auf­ enthalt278 nicht in einem EU-Mitgliedstaat hat und der sich auf das Verfahren nicht eingelassen hat. Darin wird der Anwendung von Art.  19 EuZVO bei Über­ mittlung des verfahrenseinleitenden oder eines gleichwertigen Schriftstücks nach Maßgabe der EuZVO von einem EU-Mitgliedstaat in einen anderen der 276  Art.  27 Brüssel Ia-VO; Art.  17 Brüssel IIa-VO; Art.  15 EuErbVO; Art.  15 EuGüterVO, Art.  15 EuPartVO. 277  Art.  28 Abs.  1 Brüssel Ia-VO. 278  Art.  18 Abs.  1 Brüssel IIa-VO; Art.  11 Abs.  1 EuUnthVO; Art.  16 Abs.  1 EuErbVO; Art.  16 Abs.  1 EuGüterVO; Art.  16 Abs.  1 EuPartVO.

2. Kapitel: Inhaltliche Koordination zwischen EU-Rechtsakten untereinander

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Vorrang eingeräumt.279 Ist das nicht der Fall, wird in Abs.  3 dem Art.  15 HZÜ der Vorrang eingeräumt, wenn das verfahrenseinleitende oder ein gleichwertiges Schriftstück nach Maßgabe des HZÜ ins Ausland zu übermitteln war.280 Sind weder Art.  19 EuZVO noch Art.  15 HZÜ anwendbar, kommt Abs.  1 der jeweili­ gen Verordnungsvorschrift zum Zuge. Hinsichtlich der Rechtshängigkeit haben die Verfahren nach allen Verordnun­ gen gemeinsam, dass das später angerufene Gericht das Verfahren von Amts we­ gen aussetzen muss, bis die Zuständigkeit des zuerst angerufenen Gerichts ge­ klärt ist;281 zudem muss sich das später angerufene Gericht für unzuständig er­ klären, wenn sich das zuerst angerufene Gericht für zuständig erklärt.282 Schließlich weisen die Verordnungen eine Vorschrift über einstweilige Maßnah­ men vor, wonach bei dem Gericht eines Mitgliedstaates einstweilige Maßnah­ men auch dann beantragt werden können, wenn in der Hauptsache das Gericht eines anderen Staates entscheidet.283 bb) Anerkennung und Vollstreckung Auch die Regelungen zur Anerkennung und Vollstreckung entsprechen sich im Wesentlichen im Vergleich der EU-Verordnungen untereinander. Dies trifft ins­ besondere auf die Anerkennungs- und Vollstreckungsversagungsgründe zu, so­ weit sie in einer EU-Verordnung vorgesehen sind.284 Die allgemein verwendeten Anerkennungsversagungsgründe sind: zunächst ein offensichtlicher Widerspruch gegen den ordre public285; ferner die nicht so rechtzeitige Zustellung des verfah­ renseinleitenden oder eines gleichwertigen Schriftstücks, dass sich die Partei, die sich nicht auf das Verfahren eingelassen hat, verteidigen konnte, es sei denn dass sie keinen Rechtsbehelf eingelegt hat, obwohl sie dies hätte können286 bzw. – in der Brüssel IIa-VO bei Entscheidungen über die Ehescheidung, die Trennung 279  Art.  28 Abs.  2 Brüssel Ia-VO; Art.  18 Abs.  2 Brüssel IIa-VO; Art.  11 Abs.  2 EuUnthVO; Art.  16 Abs.  2 EuErbVO; Art.  16 Abs.  2 EuGüterVO; Art.  16 Abs.  2 EuPartVO. 280  Art.  28 Abs.  3 Brüssel Ia-VO; Art.  18 Abs.  3 Brüssel IIa-VO; Art.  11 Abs.  3 EuUnthVO; Art.  16 Abs.  3 EuErbVO; Art.  16 Abs.  3 EuGüterVO; Art.  16 Abs.  3 EuPartVO. 281  Art.  29 Abs.  1 Brüssel Ia-VO; Art.  19 Abs.  1 Brüssel IIa-VO; Art.  12 Abs.  1 EuUnthVO; Art.  17 Abs.  1 EuErbVO; Art.  17 Abs.  1 EuGüterVO; Art.  17 Abs.  1 EuPartVO. 282  Art.  29 Abs.  3 Brüssel Ia-VO; Art.  19 Abs.  2 Brüssel IIa-VO; Art.  12 Abs.  2 EuUnthVO; Art.  17 Abs.  2 EuErbVO; Art.  17 Abs.  3 EuGüterVO; Art.  17 Abs.  3 EuPartVO. 283  Art.  35 Brüssel Ia-VO; Art.  20 Abs.  1 Brüssel IIa-VO; Art.  14 EuUnthVO; Art.  19 Eu­ Erb­VO; Art.  19 EuGüterVO; Art.  19 EuPartVO. 284  Siehe zur unmittelbaren Vollstreckung und ihren Umsetzungsvarianten unten S. 141. 285  Art.  45 Abs.  1 lit.  a Brüssel Ia-VO; Art.  24 lit.  a EuUnthVO; Art.  40 lit.  a EuErbVO; Art.  37 lit.  a EuGüterVO; Art.  37 lit.  a EuPartVO. 286  Art.  45 Abs.  1 lit.  a Brüssel Ia-VO; Art.  24 lit.  b EuUnthVO; Art.  40 lit.  b EuErbVO; Art.  37 lit.  b EuGüterVO; Art.  37 lit.  b EuPartVO.

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ohne Auflösung des Ehebandes oder die Ungültigerklärung einer Ehe (Art.  22 Brüssel IIa-VO) sowie über die elterliche Verantwortung (Art.  23 Brüssel IIa-VO) – es sei denn, dass der Antragsgegner mit der Entscheidung eindeutig einverstan­ den ist; weiter der Fall der Unvereinbarkeit der Entscheidung mit einer anderen, die in einem Verfahren zwischen denselben Parteien in dem Mitgliedstaat, in dem die Anerkennung beantragt wird, ergangen ist;287 und schließlich die Kon­ stellation, in der die Entscheidung mit einer früheren Entscheidung unvereinbar ist, die in einem anderen Mitgliedstaat oder in einem Drittstaat zwischen den­ selben Parteien ergangen ist, sofern die frühere Entscheidung die notwendigen Voraussetzungen für ihre Anerkennung in dem Mitgliedstaat erfüllt, in dem die Anerkennung beantragt wird.288 Die Vollstreckungsversagungsgründe stimmen allgemein mit den Anerken­ nungsversagungsgründen überein.289 Es erscheint demgegenüber jedoch so, als seien die Vorschriften über die Anerkennungsversagungsgründe uneinheitlich hinsichtlich einer ergänzenden Regelung, wonach die Überprüfbarkeit der Zu­ ständigkeit des Gerichts im Ursprungsmitgliedstaat explizit aus dem Bereich des ordre public ausgeschlossen wird.290 Diese Beschränkung der Kontrolle auslän­ discher Entscheidungen beruht auf dem Gedanken der Stärkung der automati­ schen Anerkennung.291 Eine derartige Vorschrift ist jedoch lediglich in Art.  45 Abs.  3 Brüssel Ia-VO, in Art.  24 Brüssel IIa-VO, in Art.  39 Abs.  2 EuGüterVO sowie in Art.  39 Abs.  2 EuPartVO vorgesehen; sie ist dagegen in den übrigen EU-­Verordnungen, die auch wie z. B. Art.  35 Abs.  1 Brüssel I-VO dem Exequa­ turmodell folgen, nicht enthalten, was also bei der EuErbVO und der EuUnthVO bzgl. der nicht durch das HUP 2007 gebundenen EU-Mitgliedstaaten der Fall ist. Da die Verordnungen jedoch allesamt im Wesentlichen dasselbe Exequaturmo­ dell enthalten, ist anzunehmen, dass aus dem Gesamtzusammenhang der EU-Ver­ ordnungen ein expliziter Ausschluss der eingeschränkten Überprüfung der Zu­ ständigkeit des Gerichts im Ursprungsmitgliedstaat grundsätzlich nicht notwen­ dig ist, um diese Beschränkung auch in diesen Verordnungen zur Geltung zu bringen. Der Grundsatz der Kohärenz der EU-Verordnungen führt denn auch 287  Art.  45 Abs.  1 lit.  c Brüssel Ia-VO; Art.  24 lit.  c EuUnthVO; Art.  40 lit.  c EuErbVO; Art.  37 lit.  c EuGüterVO; Art.  37 lit.  c EuPartVO. 288  Art.  45 Abs.  1 lit.  d Brüssel Ia-VO; Art.  24 lit.  d EuUnthVO; Art.  40 lit.  d EuErbVO; Art.  37 lit.  d EuGüterVO; Art.  37 lit.  d EuPartVO. 289  Art.  45 Abs.  1 Brüssel Ia-VO; Art.  34 Abs.  1 EuUnthVO; Art.  52 EuErbVO; Art.  51 Eu­ GüterVO; Art.  51 EuPartVO. 290  Art.  45 Abs.  3 S.  1 Brüssel Ia-VO; Art.  24 S.  1 Brüssel IIa-VO; Art.  24 lit.  a S.  2 Eu­ UnthVO; Art.  39 Abs.  2 EuGüterVO; Art.  39 Abs.  2 EuPartVO. 291  Siehe noch zur Brüssel I-VO Mankowski in: Magnus/Mankowski, Art.  35 Brussels I Regulation, Rdn.  1.

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dazu, dass dieses Prinzip in die EuErbVO und die EuUnthVO hineinzulesen ist und beide Verordnungen insoweit lückenhaft sind.292 Gegen die Planwidrigkeit dieser Lücke kann man in diesem Zusammenhang auch nicht anführen, dass die Nichtüberprüfung der Zuständigkeit nur dann aus­ drücklich in eine Verordnung aufgenommen werden soll, wenn in derselben Ver­ ordnung bestimmte Fälle vorgesehen sind, in denen die Zuständigkeit ausnahms­ weise überprüft wird. Denn die EuErbVO und die EuUnthVO sehen von diesem Grundsatz gerade keine Ausnahmen vor, was dafür spricht, dass ein Ausschluss der Zuständigkeitsüberprüfung auch nicht genannt werden muss. Zwar mag diese These mit Bezug auf die spezifischen Ausnahmen im Bereich der Verbraucherund Versicherungszuständigkeiten der Brüssel I-VO bzw. Brüssel Ia-VO stim­ men;293 jedoch enthielt der Vorschlag zur EuGüterVO hinsichtlich des Grund­ satzes des Art.  28 Abs.  1 keine besonderen Ausnahmen, und trotzdem war der aus­ drückliche Ausschluss der Nachprüfung der Zuständigkeit ebendort vorgesehen.294 Die vergleichbare Interessenlage schließlich, die Nachprüfung der Zuständig­ keit zu verhindern, führt zur Zulässigkeit der Gesamtanalogie295, mit der als me­ thodischem Mittel der Ausschluss der Zuständigkeitsnachprüfung sowohl an sich als auch speziell im Rahmen des ordre public in die EuErbVO übertragen wird.296 Ebenfalls nicht offensichtlich ist der Ausnahmecharakter zum grundsätzlichen Ausschluss der Zuständigkeitsprüfung über den ordre public in Art.  39 EuGüter­ VO. Denn Art.  39 Abs.  1 EuGüterVO wiederholt zwar zunächst diesen Grund­ satz, dessen Klarstellung für den ordre public in Art.  39 Abs.  2 EuGüterVO vor­ gesehen ist, wonach die Überprüfung von Zuständigkeiten aufgrund von Art.  4–11 EuGüterVO nicht über die ordre public-Kontrolle erfolgen kann. Damit ist je­ doch nicht die Gerichtsstandsvorschrift für Widerklagen – Art.  12 EuGüterVO – erfasst. Da auch Art.  15 EuGüterVO nicht erfasst ist, steht der Fall, dass sich ein nach Art.  4–11 EuGüterVO unzuständiges Gericht nicht für un­zuständig erklärt hat, der ordre public-Kontrolle ebenfalls offen. Weil sich ein Gericht jedoch über die in Art.  12 EuGüterVO genannten Vorschriften für die Widerklagezuständig­ keit legitimieren muss, um von Art.  12 EuGüterVO Gebrauch zu machen, kann zumindest der Widerklagegerichtsstand doch als mittelbar von Art.  39 Abs.  1 Eu­ GüterVO erfasst angesehen werden. Eine Ausnahme enthält zudem Art.  24 Brüssel IIa-VO, indem er den Aus­ schluss der Nachprüfbarkeit für die Zuständigkeitsvorschriften der Art.  3–14 292 

Dutta in: MüKoBGB, Art.  40 EuErbVO, Rdn.  3. Siehe Art.  35 Abs.  1, 3 Brüssel I-VO und Art.  45 Abs.  3 Brüssel Ia-VO. 294  Siehe zum Ausschluss der Zuständigkeitsnachprüfung auch unten S  137 f. 295  Larenz/Canaris, Methodenlehre, S.  204–207 und 302. 296  Vgl. Rauscher in: Rauscher3, EuZPR/EuIPR, Einf. EG-ErbVO-E, Rdn.  39. 293 

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vorsieht und somit nicht für Art.  15 Brüssel IIa-VO; damit ist die ordre public-­ Kontrolle durch den Anerkennungsstaat für die forum non conveniens-Entschei­ dung eines Gerichts nach Art.  15 Brüssel IIa-VO dem Grunde nach zulässig;297 ihre Sinnhaftigkeit wird jedoch gerade vor dem Hintergrund angezweifelt, dass ja zur Anwendung von Art.  15 Brüssel IIa-VO Einigkeit zwischen dem verwei­ senden und dem annehmenden Gericht bestehen muss.298 Die Gemeinsamkeiten beziehen sich im Wesentlichen auch auf das Vollstre­ ckungsverfahren. In den Verordnungen im Familien- und Erbrecht funktioniert das Verfahren dort nach dem gleichen Muster, wo auch die Vollstreckungsprinzi­ pien die gleichen sind. Daher haben Art.  45–57 EuGüterVO, Art.  45–57 EuPart­ VO und Art.  46–58 EuErbVO den gleichen Inhalt und unterscheiden sich auch im Wortlaut nur in verordnungsspezifischen Begriffen und Artikelverweisungen. Sie folgen zudem inhaltlich der Brüssel I-VO.299 2. Unterschiedliche Anknüpfungskonzeptionen a) Uneinheitliche Begriffsbestimmung Uneinheitlich gestaltet sich die Bestimmung des Wohnsitzes für natürliche Per­ sonen einerseits und für Gesellschaften und juristische Personen andererseits. Wohingegen sich die Bestimmung des Wohnsitzes für natürliche Personen nach Art.  59 Brüssel I-VO bzw. Art.  62 Brüssel Ia-VO nach der lex fori des angerufe­ nen Gerichts richtet, ist der Wohnsitz für Gesellschaften und juristische Personen in Art.  60 Brüssel I-VO bzw. Art.  63 Brüssel Ia-VO unionsrechtlich autonom de­ finiert: Der Kläger hat ein Wahlrecht zwischen dem satzungsmäßigen Sitz, dem Ort der Hauptverwaltung und dem Ort der Hauptniederlassung. b) Unterschiede bei Verfahrenskoordination und Anerkennung und Vollstreckung aa) Unterschiede bei der Verfahrenskoordination Mit der Regelung über einstweilige Maßnahmen tritt ferner ein Unterschied der Brüssel IIa-VO zu den anderen Verordnungen zutage. Art.  20 Abs.  2 Brüssel IIaVO ist im Vergleich zu vergleichbaren Vorschriften der anderen Verordnungen die einzige, die eine Beschränkung des einstweiligen Rechtsschutzes etwa im Falle einer mehrfachen Antragsstellung – sowohl vor dem Gericht des Haupt­ sacheverfahrens als auch vor einem Gericht in einem anderen Mitgliedstaat – 297 

Siehe auch Solomon, FamRZ 2004, 1409, 1418. Gottwald in: MüKoFamFG2, Art.  24 Brüssel IIa-VO, Rdn.  4; Solomon, FamRZ 2004, 1409, 1418. 299  Siehe nur Hertel in: Rauscher, EuZPR/EuIPR, Art.  47–58 EuErbVO, jeweils Rdn.  1. 298 

2. Kapitel: Inhaltliche Koordination zwischen EU-Rechtsakten untereinander

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herbeiführt. Die einzige Möglichkeit, im Rahmen der anderen Verordnungen gegen derartige mehrfache Anträge vorzugehen, eröffnet sich dann in der Voll­ streckungsphase.300 Bis auf die Brüssel IIa-VO enthalten dagegen die anderen Verordnungen eine separate Regelung zur Aussetzung bei Sachzusammenhang mehrerer Verfahren, wenn es an der Identität der Streitparteien fehlt.301 Art.  19 Abs.  2 Brüssel IIa-VO enthält eine nur insofern ähnliche Vorschrift, als er keine Parteiidentität fordert, wenn es um Verfahren bzgl. der elterlichen Verantwortung für ein Kind – dann allerdings wegen desselben Anspruchs – geht. Es handelt sich damit um keine allgemeine Vorschrift, wie sie in den anderen Verordnungen vorkommt. Unterschiede gibt es ebenfalls bei der Definition der Anrufung eines Ge­ richts,302 wobei hier mehr als zwei Versionen existieren. Die am häufigsten auf­ tretende Fassung basiert auf zwei Zeitpunkten. Dies ist zum einen der Zeitpunkt, zu dem das verfahrenseinleitende oder ein gleichwertiges Schriftstück bei Ge­ richt eingereicht worden ist, vorausgesetzt, dass der Antragsteller es in der Folge nicht versäumt hat, die ihm obliegenden Maßnahmen zu treffen, um die Zustel­ lung des Schriftstücks an den Antragsgegner zu bewirken; zum anderen ist dies der Zeitpunkt, zu dem die für die Zustellung verantwortliche Stelle das Schrift­ stück erhalten hat, falls die Zustellung vor Einreichung des Schriftstücks bei Ge­ richt zu bewirken ist, und vorausgesetzt, dass der Antragsteller es in der Folge nicht versäumt hat, die ihm obliegenden Maßnahmen zu treffen, um das Schrift­ stück bei Gericht einzureichen.303 Neben diesen beiden Zeitpunkten enthält Art.  14 lit.  c EuErbVO noch einen dritten möglichen Zeitpunkt. Für den Fall, dass ein Gericht ein Verfahren von Amts wegen einleitet, gilt es dann als angerufen, wenn der Beschluss über die Einleitung des Verfahrens von einem Gericht gefasst oder – wenn ein solcher Beschluss nicht erforderlich ist – zu dem Zeitpunkt, zu dem die Sache beim Ge­ richt eingetragen wird. Nach dieser Sonderregelung sah es im Vorschlag zur ­EuErb-VO304 noch nicht aus, da der entsprechende Art.  10 V-EuErbVO lediglich die Zeitpunkte enthielt, wie sie den anderen Verordnungen gemeinsam sind. Art.  14 lit.  c EuErbVO berücksichtigt damit allerdings die Möglichkeit, dass 300 

Siehe zur EuUnthVO: Andrae in: Rauscher, Art.  14 EG-UntVO, Rdn.  11. Brüssel Ia-VO; Art.  13 EuUnthVO; Art.  18 EuErbVO; Art.  18 EuGüterVO; Art.  18 EuPartVO. 302  Art.  32 Brüssel Ia-VO; Art.  16 Brüssel IIa-VO; Art.  9 EuUnthVO; Art.  14 EuErbVO; Art.  14 EuGüterVO; Art.  14 EuPartVO. 303  Art.  14 EuGüterVO. 304  Vorschlag vom 14.10.2009 für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über die Zuständigkeit, das anzuwendende Recht, die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen und öffentlichen Urkunden in Erbsachen sowie zur Einführung eines Eu­ ropäischen Nachlasszeugnisses, KOM(2009) 154, S.  19. 301  Art.  30

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1. Teil – 2.  Abschnitt: Methoden der inhaltlichen Koordination

Rechtsordnungen von EU-Mitgliedstaaten auch Verfahrenseinleitungen ohne Zutun der Verfahrensbeteiligten kennen.305 In Deutschland ist jedoch – da das Erfordernis eines Beschlusses fehlt – nur der zweite Fall maßgeblich, wie im Verfahren nach §  24 FamFG.306 bb) Unterschiede bei Anerkennung und Vollstreckung Unterschiede bei Anerkennung und Vollstreckung sind dort offensichtlich, wo die Verordnungen in ihren Gesamtkonzeptionen abweichen und entweder weiter­ hin dem Exequatur-Modell folgen oder den Ausschluss des Exequaturs vorsehen. So gibt es bei den Anerkennungs- und Vollstreckungsregeln der Verordnungen mit Exequatur-Modell307 kaum Abweichungen. Einer der wenigen Unterschiede findet sich in Art.  47 Abs.  2 S.  2 EuErbVO und Art.  29 Abs.  2 S.  2 EuUnthVO, die von ihrer nächsten Verwandten Art.  55 Abs.  2 S.  2 Brüssel I-VO dahingehend abweichen, dass die Übersetzung nicht von einer hierzu in einem der Mitglied­ staaten befugten Personen zu beglaubigen, sondern von einer solchen Person zu erstellen ist. Insgesamt handelt es sich um keine fundamentalen Abweichungen. Hinsichtlich des Vollstreckungsverfahrens zeigen sich ebenfalls teilweise in­ haltliche Abweichungen der Brüssel Ia-VO vom Muster der Art.  45–57 EuGüter­ VO, Art.  45–57 EuPartVO und Art.  46–58 EuErbVO. Deutlich wird dies z. B. beim Art.  50 Brüssel Ia-VO, der im Vergleich zu Art.  44 Brüssel I-VO, Art.  50 Abs.  1, 2 EuErbVO, Art.  50 EuGüterVO und Art.  50 EuPartVO die Rechtsbehelfs­ möglichkeiten zwar vorsieht, aber weiter beschränkt. Anders als die vorgenann­ ten Vorschriften garantiert Art.  50 Brüssel Ia-VO nämlich keinen weiteren Rechtsbehelf auf EU-Ebene im Rahmen der Vollstreckung, sondern eröffnet den Mitgliedstaaten lediglich die Möglichkeit, sich für einen solchen zu entschei­ den.308 Damit wird die Wahrscheinlichkeit, dass der Vollstreckungsschuldner das Verfahren durch Rechtsbehelfe verzögern kann, noch weiter reduziert.309 III. Koordinationszweck Wie im IPR lässt sich aus den unterschiedlichen Konzepten folgern, dass nur bei einem ausdrücklich formulierten Zuständigkeitsgleichlauf auch gerade die Koor­ dination der Zuständigkeiten gewollt ist. Ein direkter Koordinationszweck ist damit nur z. B. bei Art.  4, 5 EuGüterVO sowie Art.  4, 5 EuPartVO anzunehmen. 305 

Dazu näher Dutta in: MüKoBGB, Art.  14 EuErbVO, Rdn.  5 f. Dutta in: MüKoBGB, Art.  14 EuErbVO, Rdn.  5. 307  Brüssel I-VO, EuUnthVO (soweit Entscheidungen aus nicht durch das HUP 2007 ge­ bundene Mitgliedstaaten betroffen sind), EuErbVO und V-EuGüterVO. 308  Mankowski in: Rauscher, EuZPR/EuIPR, Art.  50 Brüssel Ia-VO, Rdn.  3. 309  Mankowski in: Rauscher, EuZPR/EuIPR, Art.  50 Brüssel Ia-VO, Rdn.  1. 306 

2. Kapitel: Inhaltliche Koordination zwischen EU-Rechtsakten untereinander

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Zugleich sorgt die Parallelität der Vorschriften für die Parallelität der Rechtspre­ chung.310 Dass sich dieser Gleichlauf durch den Gesetzgeber aufgrund von akzessori­ schen Anknüpfungen vorgesehen ist, zeigt, dass der Gesetzgeber ihn nicht auf­ grund der objektiven Anknüpfung als gesichert angesehen haben konnte. Bei den objektiven Gerichtsständen ging es also primär nur um die dort vorgesehenen Anknüpfungsmomente, ohne dass deren Verhältnis zu anderen Gerichtsstandnor­ men relevant gewesen wäre. Das regelmäßige Zusammenfallen von Zuständig­ keit in Erbsachen einerseits und in Scheidungs- bzw. Trennungssachen anderer­ seits dürfte vor diesem Hintergrund also eher ein glücklicher Zufall denn Absicht gewesen sein. Zugleich zeigt die unterschiedliche Konzeption von Art.  5 EuGüterVO und Art.  5 EuPartVO die Bedeutung eines vereinheitlichten Gerichtsstandsrechts. Denn dass die eingetragenen Lebenspartner nach Art.  5 Abs.  1 EuPartVO den Gleichlauf zum Gerichtsstand der Auflösung oder Ungültigerklärung ausschließ­ lich durch ihre Vereinbarung herbeiführen können, leitet sich daraus ab, dass es ein Pendant zur Brüssel IIa-VO für die eingetragene Lebenspartnerschaft derzeit nicht gibt. Anders als bei Art.  4 EuPartVO hätten sich die einzigen Gerichtsstände, auf die sich der Gleichlauf hätte beziehen können, aus dem nationalen Recht ergeben. Deren potenzielle Uneinheitlichkeit ergibt jedoch dasselbe Problem, wie es auch im Falle bestimmter Gerichtsstände der Brüssel IIa-VO gesehen wurde – und schließlich der Ausnahmeregelung in Art.  5 Abs.  2 EuGüterVO zugrunde lag. IV. Koordinationsakteure Die Bedeutung der einzelnen Koordinationsmethoden unterscheidet sich bei der Funktionsweise im IZVR nicht wesentlich von derjenigen im IPR. Hier wie dort konzipiert die Legislative die Regelungen, die von der Judikative angewendet werden. Die Legislative ist es auch, die entscheidet, inwiefern Parteien eines Rechtsverhältnisses auf die Koordination Einfluss nehmen können. Das sieht man nicht zuletzt an dem Unterschied zwischen Art.  5 EuGüterVO, wonach ein Ehepaar nur in bestimmten Fällen entscheiden kann, ob es einen Zuständigkeits­ gleichlauf mit dem Scheidungsforum herbeiführen will oder eben nicht, Art.  5 EuPartVO, wo die Parteien diese Entscheidung stets selbst treffen und Art.  4 EuGüterVO bzw. Art.  4 EuPartVO, wonach ein Zuständigkeitsgleichlauf in Gü­ tersachen bei Ehepaaren bzw. eingetragenen Lebenspartnern und Erbsachen von vornherein gesetzlich festgelegt ist.

310 

Andrae in: Rauscher, EuZPR/EuIPR, Art.  12 EG-UntVO, Rdn.  1.

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1. Teil – 2.  Abschnitt: Methoden der inhaltlichen Koordination

C. Das Verhältnis der Anknüpfungsmomente zwischen IPR- und IZVR-Verordnungen Die größte Diversität von Aspekten offenbart sich jedoch im Verhältnis zwischen IPR- und IZVR-Rechtsakten. I. Koordinationsgegenstände In diesem Zusammenhang werden wiederum die Anknüpfungsmomente der IPR- und IZVR-Verordnungen als Gegenstand der Koordination behandelt. Die­ ses Mal werden jedoch die Beziehungen zwischen Brüssel I-VO bzw. Brüssel Ia-VO und Rom  I- sowie Rom  II-VO, zwischen Brüssel IIa-VO und Rom  III-VO sowie zwischen den Abschnitten über die Gerichtsstände und dem anwendbaren Recht in der EuErbVO und im Vorschlag zur EuGüterVO relevant. II. Funktionsweise 1. Verwendung von Anknüpfungsmomenten a) Unterschiede bei den Anknüpfungsmomenten Ein wesentlicher Unterschied zwischen EuIPR und EuZVR hinsichtlich der An­ knüpfungsmomente besteht bekanntlich darin, dass das EuIPR verstärkt an den gewöhnlichen Aufenthalt anknüpft, wohingegen das EuZVR den Wohnsitz als Anknüpfungsmerkmal präferiert.311 Dieser Unterschied kann nicht zuletzt aus dem direkten Vergleich von Art.  17 Brüssel Ia-VO für die Gerichtsstände in Ver­ brauchersachen und Art.  6 Abs.  2 Rom  I-VO abgelesen werden.312 Die unter­ schiedliche Konzeption ergibt sich auch aus dem Vergleich der Definition von gewöhnlichem Aufenthalt nach Art.  19 Rom  I-VO und dem für das Gerichts­ standsrecht nach Brüssel I-VO bzw. Brüssel Ia-VO maßgeblichen Sitzbegriff für Gesellschaften und juristische Personen. Erwägungsgrund Nr.  39 Rom  I-VO ver­ deutlicht, dass zur Bestimmung des gewöhnlichen Aufenthalts nicht auf alle in Art.  63 Abs.  1 Brüssel Ia-VO vorgesehenen Anknüpfungsmomente zurückzu­ greifen ist; stattdessen soll nur eines der Momente für die Bestimmung des ge­ wöhnlichen Aufenthaltes maßgeblich sein. Der Gesetzgeber hat sich in Art.  19 Abs.  1 Rom  I-VO für den Sitz der Hauptverwaltung entschieden.

311 

Geimer in: Geimer/Schütze, Art.  16 EuGVVO, Rdn.  6. Diese begriffliche Unterscheidung wird ebenfalls in weiteren Sprachfassungen realisiert: im Englischen (Art.  17 Brüssel Ia-VO: „domicile“, Art.  6 Rom  I-VO: „habitual residence“), im Französischen (Art.  17 Brüssel Ia-VO: „domicile“, Art.  6 Rom  I-VO: „résidence habituelle“). 312 

2. Kapitel: Inhaltliche Koordination zwischen EU-Rechtsakten untereinander

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b) Übereinstimmungen von Anknüpfungsmomenten aa) EuErbVO Im Erbrecht stimmen die Anknüpfungen von Zuständigkeit und anwendbarem Recht überein. Der allgemeine Gerichtsstand nach Art.  4 EuErbVO bestimmt sich ebenso nach dem letzten gewöhnlichen Aufenthalt des Erblassers wie das objektive Erbstatut nach Art.  21 EuErbVO. Daneben hängt die Prorogationsmög­ lichkeit der „betroffenen Parteien“ (Art.  5 Abs.  1 EuErbVO) von der Ausübung der Rechtswahl durch den Erblasser ab. bb) Vertragliche Schuldverhältnisse Parallelen zwischen Zuständigkeit und anwendbarem Recht gibt es auch zwi­ schen Brüssel Ia-VO und Rom  I-VO hinsichtlich des Individualarbeitsvertrags. Gemäß Art.  21 Nr.  2 Brüssel Ia-VO kann der Arbeitnehmer gegen den Arbeit­ geber auch – neben den Gerichten des Staates, in dem der Arbeitgeber seinen Wohnsitz hat (Art.  21 Nr.  1 Brüssel Ia-VO) – vor den Gerichten des Ortes klagen, an dem oder von dem aus der Arbeitnehmer gewöhnlich seiner vertraglichen Tätigkeit nachgeht, und wenn ein solcher Ort sich nicht feststellen lässt, am Ort der Niederlassung des Arbeitgebers. Damit stimmen die Anknüpfungsmomente für diesen Gerichtsstand und für das anwendbare Recht nach Art.  8 Abs.  2 Rom  I-VO überein. cc) Güterrecht Auch im Güterrecht gibt es Gemeinsamkeiten der Anknüpfungspunkte zur Be­ stimmung von Gerichtsständen und anwendbarem Recht. Ebenso wie zur Bestim­ mung des allgemeinen Gerichtsstands in Gütersachen auch an den gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalt der Ehegatten angeknüpft wird – diese Anknüpfung ist eine unter vier gleichrangigen –, wird das objektive Ehegüterstatut nach Art.  26 Abs.  1 lit.  a EuGüterVO an den gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalt der Ehe­ gatten angeknüpft. Was die Anknüpfungen allerdings wesentlich unterscheidet, ist der Bestimmungszeitpunkt: Beim anwendbaren Recht kommt es auf den ge­ meinsamen gewöhnlichen Aufenthalt zum Zeitpunkt der Eheschließung an, wo­ hingegen das Gerichtsstandsrecht in Art.  6 EuGüterVO auf den aktuellen gemein­ samen gewöhnlichen Aufenthalt abstellt (lit.  a) oder den letzten gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalt, solange ihn nur ein Ehegatte bei Antragsstellung oder Klageerhebung noch hat (lit.  b). Solange das Ehepaar seinen Wohnsitz nach der Eheschließung allerdings nicht geändert hat, führt die Anknüpfung zu einem Gleichlauf von Zuständigkeit und anwendbarem Recht. Auch können die Ehegat­ ten durch Eigeninitiative eine Rechtswahl zugunsten des aktuellen gemeinsamen

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1. Teil – 2.  Abschnitt: Methoden der inhaltlichen Koordination

gewöhnlichen Aufenthalts vornehmen (Art.  22 lit.  a EuGüterVO), was ebenfalls zu einem Gleichlauf von Zuständigkeit und Güterstatut führen kann. Ein ähnliches Bild zeigt sich bei eingetragenen Partnerschaften. Auch dort können Gerichtsstand und anwendbares Recht zusammenfallen, da sowohl in Art.  6 lit.  d EuPartVO als auch in Art.  26 Abs.  1 EuPartVO an den Registrierungs­ ort angeknüpft wird. Wenngleich hier das Anknüpfungsmoment im Unterschied zum Ehegüterrecht wirklich identisch ist, ist ein Gleichlauf tendenziell unwahr­ scheinlich – der Registrierungsort ist bei der allgemeinen Zuständigkeit nur An­ knüpfungsmoment vierten Ranges. Und auch über Art.  26 Abs.  2 EuPartVO kann sich ein solcher Gleichlauf nur unter erschwerten Voraussetzungen einstellen. Zwar sieht dieser – anders als noch Art.  15 V-EuPartVO – die Möglichkeit der Anknüpfung an den letzten gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalt vor. Jedoch ist diese Anknüpfung selbst davon abhängig, dass der Antragssteller nachweist, dass sie über einen erheblich langen Zeitraum in diesem Staat Bestand hatte (Art.  26 Abs.  2 lit.  a EuGüterVO). Ferner ist sie kumulativ davon abhängig, dass beide Parteien auf das Recht dieses Staates bei der Regelung oder Planung ihrer güterrechtlichen Beziehungen vertraut hatten (lit.  b). Zudem muss das Recht die­ ses Staates an die eingetragene Lebenspartnerschaft güterechtliche Wirkungen knüpfen. Schließlich tritt die mit Art.  26 Abs.  2 EuGüterVO verbundene Rechts­ folge ausdrücklich nur „ausnahmsweise“ ein, so dass die Wahrscheinlichkeit, dass es zu einer positiven Entscheidung kommt, sehr niedrig erscheint. dd) Unterhaltsrecht Das Verhältnis von anwendbarem Recht zu Gerichtsstand ist im Unterhaltsrecht nach der EuUnthVO dem Verhältnis des Individualarbeitsvertragsrechts und dem internationalen Recht der eingetragenen Partnerschaft vergleichbar. Nach Art.  15 EuUnthVO i. V. m. Art.  3 HUP 2007 bestimmt sich das Unterhaltsstatut nach dem gewöhnlichen Aufenthalt der unterhaltsberechtigten Person. Art.  3 lit.  b EuUnth­ VO sieht diese Anknüpfung ebenfalls zur Bestimmung des allgemeinen Unter­ haltsgerichtsstandes vor, wobei es sich dabei nur um eine von vier Anknüpfungs­ möglichkeiten handelt. Sie ist jedoch neben den anderen Anknüpfungsmomenten gleichberechtigt. ee) Scheidungsrecht Dass es angesichts der Fülle von Anknüpfungsmomenten, die in Art.  3 Brüssel IIa-VO genannt sind, zu einer Übereinstimmung zwischen Gerichtsständen und anwendbarem Recht in Scheidungssachen kommt, ist nicht verwunderlich. Je­ doch ist zu beachten, dass Art.  3 Brüssel IIa-VO und Art.  8 Rom  III-VO, der die Anknüpfungsmomente zur Bestimmung des objektiven Scheidungsstatuts be­

2. Kapitel: Inhaltliche Koordination zwischen EU-Rechtsakten untereinander

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reitstellt, mehrere Überschneidungen aufweisen. Nicht nur den gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalt der Ehegatten,313 sondern auch denjenigen gewöhnli­ chen Aufenthalt, den die Ehegatten zuletzt hatten, sofern einer der Ehegatten ihn noch innehat,314 sowie die gemeinsame Staatsangehörigkeit zum Zeitpunkt der Anrufung des Gerichts315 teilen sich beide Vorschriften zur Bestimmung des zu­ ständigen Gerichts bzw. des anwendbaren Rechts. Komplettiert wird die Gleich­ laufbestrebung von zuständigem Gericht und anwendbarem Recht durch die ex­ plizite Berufung der lex fori in Art.  8 lit.  d Rom  III-VO, wobei dies unter der Voraussetzung steht, dass die vorrangigen Anknüpfungsmomente nicht zum Zug gekommen sind. 2. Auslegung von Anknüpfungsmomenten a) Begriffliche Kohärenz am Beispiel der konzeptionellen Orientierung der Rom  III-VO an der Brüssel I-VO Die Rom  III-VO orientiert sich jedoch nicht nur mit der ausdrücklichen Über­ nahme bestimmter Anknüpfungsmomente an der Brüssel IIa-VO, sondern weist auch konzeptionelle Gemeinsamkeiten mit der Brüssel I-VO auf. Ein Beispiel stellt Art.  7 Abs.  1 Rom  III-VO dar, der bestimmte Formanforderungen an eine Rechtswahlvereinbarung aufstellt. Eine Rechtswahl bedarf danach der Schrift­ form, der Datierung und der Unterzeichnung durch beide Ehegatten. Gleichzeitig bedeutet Art.  7 Abs.  1 S.  2 Rom  III-VO, dass auch elektronische Übermittlungen dem Erfordernis der Schriftform genügen, wenn sie nur eine dauerhafte Auf­ zeichnung der Rechtswahlvereinbarung ermöglichen.316 Diese Formulierung weist denselben Wortlaut auf wie Art.  23 Abs.  2 Brüssel I-VO. Weder in den ­Erwägungsgründen der Rom  III-VO noch in der Vorschlagsbegründung zur Rom  III-­VO, in der diese Wendung ebenfalls bereits enthalten war,317 wird diese Norm allerdings begründet. Es ist also davon auszugehen, dass dieselben Zwe­ cke erreicht werden sollten wie bei Art.  23 Abs.  2 Brüssel I-VO; das bedeutet, dass auch Art.  7 Abs.  1 Rom  III-VO zwar die Erhöhung der Flexibilität und Prak­ tikabilität bezweckt,318 dabei aber zugleich sichergestellt sein soll, „dass sich die Ehegatten der Tragweite der Entscheidung bewusst sind und dass der schwäche­ re Ehepartner geschützt wird“319. 313  Art.  3 Abs.  1

lit.  a 1. Spstr. Brüssel IIa-VO, Art.  8 lit.  a Rom  III-VO. lit.  a 2. Spstr. Brüssel IIa-VO, Art.  8 lit.  b Rom  III-VO. 315  Art.  3 Abs.  1 lit.  b Brüssel IIa-VO, Art.  8 lit.  c Rom  III-VO. 316  Mayer in: Althammer, Art.  7 Rom  III-VO, Rdn.  3. 317  KOM(2010) 105 endgültig, Art.  3 Nr.  3, S.  15. 318  Geimer in: Geimer/Schütze, Art.  23 EuGVVO, Rdn.  105; Rauscher, IPR, Rdn.  820. 319  KOM(2010) 105 endgültig, S.  15. 314  Art.  3 Abs.  1

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1. Teil – 2.  Abschnitt: Methoden der inhaltlichen Koordination

b) Unterschiedliche Auslegungen desselben Begriffs in IPR und IZVR Es kommt allerdings auch vor, dass in IPR und IZVR dieselben Begriffe verwen­ det werden, diese jedoch verschiedene Bedeutungen haben. Dies zeigt sich am Beispiel der Anknüpfung von Deliktstatut (Art.  4 Abs.  1 Rom  II-VO) und beson­ derem Deliktsgerichtsstand (Art.  7 Nr.  2 Brüssel Ia-VO). Nach Art.  4 Abs.  1 Rom  II-VO bestimmt sich das Deliktsstatut nach dem Recht des Schadenseintrittsorts, d. h. des Erfolgsortes.320 Art.  7 Nr.  2 Brüssel Ia-VO knüpfen an den Ort des schädigenden Ereignisses an. Da ein schädigendes Ereig­ nis sowohl den Tatort als auch den Erfolgsort markieren kann, war unklar, wie die Gerichtsstandregeln auszulegen waren. Der EuGH löste das Problem dahin, dass sowohl der Tatort als auch der Erfolgsort relevante Orte i. S. d. Vorschrift sein sollten und dass der Kläger das Recht der Wahl zwischen den sich daraus ergebenden Gerichtsständen habe.321 III. Koordinationszweck Die Parallelität von IPR- und IZVR-Anknüpfungsmomenten in demselben Rechts­ bereich ist nicht immer in erster Linie auf einen Gleichlauf gerichtet, sondern ergibt sich in der Mehrzahl der Fälle aus der Interessenparallelität von IPR und IZVR. Denn in den meisten Fällen enthält das IZVR verschiedene Anknüpfungs­ momente, die gleichrangig nebeneinander anwendbar sind, wohingegen das an­ wendbare Recht entweder auf einem oder auf mehreren, aber hierarchisch geord­ neten Anknüpfungsmomenten basiert. Das zeigt sich z. B. bei der EuUnthVO, in der Art.  15 EuUnthVO i. V. m. Art.  3 HUP 2007 allein auf den gewöhnlichen Aufenthalt abstellt, wohingegen Art.  3 EuUnthVO vier gleichrangige Anknüp­ fungsmomente aufbietet. Daraus folgt, dass ein Gleichlauf hier nicht zielgerich­ tet verfolgt sein kann. Ebenso verhält es sich im europäischen Scheidungsrecht sowie im Güterrecht. Der einzige Bereich, in dem eine Gleichlauftendenz zu er­ kennen ist, die EuErbVO, die sowohl in Art.  4 als auch in Art.  21 Abs.  1 auf den gewöhnlichen Aufenthalt als dem jeweils einzigen objektiven Anknüpfungs­ moment abstellen. Dies zeigt, dass der Gleichlauf nicht zu allererst gewollt ist, sondern die prozessualen Interessen in die Richtung der international-privatrecht­ lichen Interessen laufen. Dasselbe gilt für den Bereich der vertraglichen Schuldverhältnisse. Der Ver­ gleich zeigt, dass die Wahrscheinlichkeit eines Gleichlaufs von IPR und IZVR in den Bereichen des internationalen Familienrechts und Erbrechts höher ist als in 320 

Rauscher, IPR, Rdn.  1387. EuGH, Urt. v. 30.11.1976, C-21/76, Bier v. Mines de potasse d’Alsace, Slg. 1976, 1735, Rdn.  24/25; für mittelbare Schäden siehe die Einschränkung in EuGH, Urt. v. 16.7.2009, C-189/08, Zuid-Chemie BV v. Philippo’s Mineralenfabriek NV/SA, Slg. 2009, 6917. 321 

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sonstigen Zivil- und Handelssachen. Im Bereich von Brüssel Ia-VO und Rom  I-­VO ist eine erhöhte Gleichlaufwahrscheinlichkeit lediglich bei Individual­arbeitsrechts­ sachen zu erkennen. Zusätzlich ist die Nähebeziehung bei diesen Rechtsbereichen höher zu bewerten, wobei die Beweis- und Sachnähe damit einhergeht. Die Anknüpfungsunterschiede bei Zivil- und Handelssachen erklären sich da­ raus, dass einerseits die prozessuale Sach- und Beweisnähe weiterhin nicht dort vermutet wird, wo nach dem IPR der Sitz des Rechtsverhältnisses vermutet wird. Auch wenn es bei Art.  5 Nr.  1 lit.  b Brüssel I-VO Stimmen gab, die für den ge­ wöhnlichen Aufenthalt auch im IZVR plädierten, ist man zu diesem Gleichlauf noch nicht übergegangen. Der Grund für diese unterschiedlichen Anknüpfungsmomente in Art.  15 ff. Brüssel I-VO bzw. Art.  17 ff. Brüssel Ia-VO wird weder im Vorschlag noch in den Erwägungsgründen zur Rom  I-VO genannt. Dort wird lediglich die Über­ nahme des Merkmals der Ausrichtung und dessen Auslegungsidentität betont.322 Der Grund für die Anknüpfung an den Wohnsitz des Verbrauchers in Brüssel I-VO bzw. der Brüssel Ia-VO kann jedoch in der Verfolgung des Normzwecks der Vorschrift gesehen werden, den Verbraucher zuständigkeitsrechtlich zu privi­ legieren.323 Die Anknüpfung an den Wohnsitz steht in der Tradition von Gerichts­ standanknüpfungen, wie sie nicht zuletzt im allgemeinen Gerichtsstand (Art.  2 Abs.  1 Brüssel I-VO bzw. Art.  4 Abs.  1 Brüssel Ia-VO) auftreten. Ebenso war der Verbrauchergerichtsstand nach Art.  13 EuGVÜ angeknüpft worden. Generell hat der Gesetzgeber im IZVR zur Bestimmung von Gerichtsständen, wenn er hierzu auf die Person abgestellt hat, den Wohnsitz gewählt und nicht den im IPR vor­ herrschenden gewöhnlichen Aufenthalt.324 Die einzige Ausnahme war hier – dies jedoch bereits zu Zeiten des EuGVÜ– der besondere Gerichtsstand für Unter­ haltssachen, der sowohl in Art.  5 Nr.  2 EuGVÜ als auch in Art.  5 Nr.  2 Brüssel I-VO eine alternative Anknüpfung und damit eine Wahlmöglichkeit des Unter­ haltsberechtigten zwischen dem Gerichtsstand an seinem Wohnsitzort und an seinem gewöhnlichen Aufenthaltsort zuließ. Diese Ausnahme beruhte einerseits auf einer Abstimmung mit den Haager Übereinkommen, die auf den gewöhnli­ chen Aufenthaltsort abstellten, als auch auf der Ansicht, dass am Wohnsitzort des Unterhaltsberechtigten eine besondere Beweisnähe bestünde.325 322 

Erwägungsgrund Nr.  24 Rom  I-VO. Geimer in: Geimer/Schütze, Art.  15 EuGVO, Rdn.  1. 324  So in Art.  2 Abs.  1, Art.  6 Nr.  1, Art.  9 Abs.  1 und 2, Art.  16 Abs.  1 und 2, Art.  19 Abs.  1 Nr.  1, Art.  20 Abs.  1, Art.  22 Nr.  1 S.  2 Brüssel I-VO bzw. Art.  4 Abs.  1, Art.  8 Nr.  1, Art.  11 Abs.  1 und 2, Art.  18 Abs.  1 und 2, Art.  21 Abs.  1 Nr.  1, Art.  23 Abs.  1, Art.  24 Nr.  1 S.  2 Brüssel Ia-VO. Art.  5 Nr.  2 Brüssel I-VO knüpft zwar auch an den Wohnsitz, aber alternativ an den gewöhnlichen Aufenthalt des Unterhaltsberechtigten an. 325  Mankowski in: Magnus/Mankowski, Art.  5 Brussels I Regulation, Rdn.  156 f. 323 

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1. Teil – 2.  Abschnitt: Methoden der inhaltlichen Koordination

Die Anknüpfung an den gewöhnlichen Aufenthalt des Verbrauchers in Art.  6 Abs.  2 Rom  I-VO wird damit begründet, dass hierdurch der Schutz des Verbrau­ chers auch bei Auslandsgeschäften im Vergleich zu einem Inlandsgeschäft auf einem stabilen Niveau gehalten wird.326 Dabei sollen einerseits diejenigen Ver­ braucher geschützt werden, die ihren Wohnsitzstaat nicht verlassen und dort von Unternehmern zum Vertragsschluss veranlasst werden, andererseits aber auch diejenigen, die aus diesem Wohnsitzstaat, etwa im Internet, ihrerseits Geschäfts­ partner gesucht haben.327 Auch wenn beide Normen nicht auf jeden Verbraucher­ vertrag anwendbar sein sollen, ist doch zu beachten, dass Art.  6 Rom  I-VO den Schutz eines genau solchen Verbrauchers gewährleisten soll; anders lässt sich die Angleichung des Art.  6 Rom  I-VO an Art.  15 Brüssel I-VO in dem dort gegebe­ nen Ausmaß nicht erklären.328 In anderen Fällen wie Art.  5 Nr.  3 Brüssel I-VO bzw. Art.  7 Nr.  2 Brüssel IaVO sieht man den Vorteil der weiteren Auslegung des Tatortbegriffs und den damit einhergehenden nur teilweisen Gleichlauf mit Art.  4 Abs.  1 Rom  II-VO darin, dass so der besondere Deliktsgerichtsstand erweitert wird. Dadurch wer­ den die prozessualen Möglichkeiten des Klägers erweitert. Für das Individual­ arbeitsvertragsstatut führt die in Art.  8 Rom  I-VO gewählte objektive Anknüp­ fung zusätzlich zu einem Gleichlauf mit den in Art.  19 Nr.  2 Brüssel I-VO bzw. Art.  21 lit.  b Brüssel Ia-VO enthaltenen Anknüpfungsmomenten, also dem Ort der gewöhnlichen Arbeitsverrichtung des Arbeitnehmers oder – falls es einen solchen Ort nicht gibt – dem Ort der Niederlassung, die den Arbeitnehmer einge­ stellt hat.329 IV. Koordinationsakteure Die Hauptarbeit geht in diesem Fall erneut von der Legislative aus, die die ge­ setzgeberische Konzeption vorgibt und damit zunächst entscheidet, ob ein Zu­ ständigkeitsgleichlauf angestrebt sein soll oder nicht. Ferner bestimmt der Ge­ setzgeber die Anzahl der Anknüpfungsmomente. Handelt es sich dabei um meh­ rere, setzt der Gesetzgeber zusätzlich deren Verhältnis zueinander fest – also entweder wie in Art.  3 Abs.  1 Brüssel IIa-VO deren Gleichrangigkeit oder eine hierarchische Konzeption wie in Art.  6 EuGüterVO bzw. Art.  6 EuPartVO. Je nachdem, wieviel Einfluss der Gesetzgeber den Parteien bei der Wahl der ­Gerichtsstände verschafft, haben die Parteien Einfluss auf die Koordination der

326 

Martiny in: MüKoBGB, Art.  6 Rom  I-VO, Rdn.  45. Rauscher, IPR, Rdn.  2053. 328  Rauscher, IPR, Rdn.  1237. 329  Kropholler/v. Hein, Art.  19 EuGVO, Rdn.  4. 327 

2. Kapitel: Inhaltliche Koordination zwischen EU-Rechtsakten untereinander

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Zuständigkeit, ggf. durch Prorogation den Zuständigkeitsgleichlauf herbeizu­ führen. Die Judikative beschränkt sich hier auf die Anwendung der Vorschriften, was die Auslegung von Anknüpfungsmomenten einschließt. Insoweit kann der EuGH im Rahmen des Vorabentscheidungsverfahrens nach Art.  267 AEUV ggf. Rechts­ klarheit in Bezug auf die EU-Verordnungen herbeiführen.

§  3 Konzeptionelle Koordination im Verfahrensrecht Inhaltskoordination kann nicht nur einzelne Normen, sondern auch ganze Kon­ zepte betreffen, die sich in mehreren miteinander zusammenhängenden Normen derselben Verordnung wiederfinden. Dies betrifft zunächst das Konzept, einer­ seits eine gewisse Vielfalt in Betracht kommender Gerichtsstände zu präsentie­ ren, andererseits einander widersprechende Gerichtsentscheidungen zu verhin­ dern (dazu A.). Diesem Bereich kann ferner die Entscheidung für ein bestimmtes Anerkennungs- und Vollstreckungsmodell zugeordnet werden (dazu B.).

A. Internationales Gerichtsstandrecht und die Vermeidung einander widersprechender Entscheidungen Weit verbreitet im EuZPR ist die konzeptionelle Verbindung von Gerichtsstän­ den mit der Verhinderung einander widersprechender Entscheidungen. I. Koordinationsgegenstände 1. Gerichtsstände Mit dem Internationalen Zuständigkeitsrecht wird grundsätzlich entschieden, welche Gerichte zur Entscheidung eines Verfahrensgegenstandes international zuständig sein können. Bei einem Sachverhalt mit Auslandsbezug, für dessen Entscheidung die Gerichte mehrerer Staaten in Betracht kommen, wird also auf­ grund einer Zuständigkeitsnorm entschieden, welche Gerichte in die engere Wahl kommen und dann auf ihre örtliche und sachliche Zuständigkeit hin über­ prüft werden; ferner wird bereits hier entscheiden, welche Gerichte nicht interna­ tional zuständig sein können. Koordinationsgegenstände sind streng genommen nicht nur die internationa­ len Gerichtsstände. Denn teilweise – wie etwa in Art.  5 Nr.  1 lit.  b Brüssel I-VO bzw. Art.  7 Nr.  1 lit.  b Brüssel Ia-VO – existieren Gerichtsstandnormen, die nicht nur die internationale, sondern auch die örtliche Zuständigkeit betreffen. Solche Vorschriften bilden jedoch die Ausnahme und sind auch nur bei solchen Ge­

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1. Teil – 2.  Abschnitt: Methoden der inhaltlichen Koordination

richtsständen zu finden, bei denen die Interessen – z. B. Sach- und Beweisnähe – gerade mit dem Gerichtsort in Verbindung stehen330 oder – wie in Art.  16 Abs.  1 Fall 2 Brüssel I-VO bzw. Art.  18 Abs.  1 Fall 2 Brüssel Ia-VO mit der Anknüp­ fung an den Wohnsitz des Verbrauchers – die Interessenlage einer Partei für die­ sen Durchgriff auf die örtliche Zuständigkeit spricht, um nicht einem nationalen Recht die Auswahl des örtlich zuständigen Gerichts zu überlassen.331 2. Folgenkorrektur Die Koordination nationaler Verfahren332 betrifft die Gerichtsstände und daran anschließend die an den angerufenen Gerichtsständen anzuwendenden Verfah­ rensregeln. Ihre Koordination ist notwendig, wenn mehrere Gerichte in einer Rechtssache zwischen denselben Parteien über denselben Verfahrensgegenstand parallel angerufen werden und sich daraus parallel anhängige Verfahren ergeben. Eine solche Situation kann bei mehreren zuständigen Gerichten entstehen. Ein angerufenes Gericht muss jedoch noch nicht einmal zuständig sein – eine An­ rufung ist auch dann möglich.333 Diese Fälle sollen korrigiert werden, um zu er­ reichen, dass sich nur ein einziges Gericht mit einem Verfahrensgegenstand be­ schäftigt, und somit die Gefahr einander widersprechender Entscheidungen be­ seitigt wird. Wenn auch die Verfahrenskoordination einander widersprechende Entschei­ dungen nicht verhindert hat, stellt die Koordination zwischen diesen Gerichts­ entscheidungen im Rahmen der Anerkennung und Vollstreckung typischerweise den letzten Rettungsanker dar.334 II. Funktionsweise Bei der Funktionsweise ist zu unterscheiden nach der Struktur der Gerichtsstän­ de, insbesondere den sich daraus ergebenden positiven Kompetenzkonflikten einerseits (dazu 1.) sowie den Korrekturmechanismen, welche die Risiken dieser Kompetenzkonflikte auffangen sollen, andererseits (dazu 2.). 330 

EuGH, Urt. v. 17.1.1980, C-56/79, Zelger/Salinitri, Slg. 1980, 89, Rdn.  3; siehe auch v. Hoffmann/Thorn, IPR, §  3, Rdn.  223a. A. A. Geimer in: Geimer/Schütze3, Art.  5 EuGVVO, Rdn.  6–8. 331  Vgl. Begründung des Kommissionsentwurfs, KOM(1999) 348 endg., S.  19; Kropholler/­ v. Hein, Art.  16 EuGVO, Rdn.  1; Nielsen in: Magnus/Mankowski, Art.  16 Brussels I Regula­tion, Rdn.  7. 332  Geregelt in Art.  29 ff. Brüssel Ia-VO; Art.  19 Brüssel IIa-VO; Art.  17 ff. EuErbVO; Art.  17 ff. EuGüterVO, Art.  17 ff. EuPartVO. 333  Vgl. insbesondere Art.  29 Abs.  1 Brüssel Ia-VO. 334  Art.  45 Abs.  1 lit.  c, d Brüssel Ia-VO; Art.  22 lit.  c, d Brüssel IIa-VO; Art.  40 lit.  c, d EuErbVO; Art.  37 lit.  c, d EuGüterVO; Art.  37 lit.  c, d EuPartVO.

2. Kapitel: Inhaltliche Koordination zwischen EU-Rechtsakten untereinander

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1. Struktur der Gerichtsstände a) Grundidee Das Gerichtsstandrecht enthält Regeln, mit denen Gerichtsständen die Zustän­ digkeit zur Entscheidung über einen Sachverhalt zugesprochen wird. Dem Gerichtsstandrecht liegt zuvorderst das in Art.  2 Abs.  1 Brüssel I-VO bzw. Art.  4 Abs.  1 Brüssel Ia-VO formulierte Prinzip actor sequitur forum rei zugrunde, das den so genannten allgemeinen Gerichtsstand darstellt.335 Es ist nicht nur im deutschen und europäisch vereinheitlichten Gerichtsstandrecht zu finden, sondern auch im common law-Rechtskreis, in den USA und im Vereinig­ ten Königreich.336 Danach muss der Kläger dem Gerichtsstand der Streitsache folgen; der für die Streitsache maßgebliche Gerichtsstand ist also der Wohnsitz­ ort des Beklagten. Grund ist die Erleichterung der Verteidigung des Beklagten337 und damit sein Schutz vor einem ihm fremden Gerichtsort. b) Abweichungen von der Grundidee durch Mehrzahl möglicher Gerichtsstände Neben dem nur auf einem einzelnen Anknüpfungsmoment beruhenden allgemei­ nen Gerichtsstand wartet das IZVR mit Abweichungen von diesem Grundprinzip auf, die einerseits zu einer Wahlmöglichkeit zwischen mehreren Gerichtsständen (dazu aa), andererseits zur Anwendbarkeit von nationalen Gerichtsstandregelun­ gen führen können, die aus internationaler Sicht zunächst nicht vorgesehen sind (dazu bb). aa) Besondere Gerichtsstände zur Steigerung prozessualer Effektivität Neben dem allgemeinen Gerichtsstand existieren besondere Gerichtsstände. Durch sie ergibt sich die Möglichkeit, besonderen prozessualen Interessen nach einer effektiveren Prozessführung Rechnung zu tragen, wie sie vor allem durch eine besondere Sach- und Beweisnähe erreicht werden kann.338 Sie erhöhen die Anzahl der möglichen Gerichtsstände, unter denen der Kläger auswählen kann. Dabei muss er jedoch beachten, dass er nur beim allgemeinen Gerichtsstand da­ 335  Siehe nur Rauscher, IPR, Rdn.  1791; Vlas in: Magnus/Mankowski, Art.  2 Brussels I Re­ gulation, Rdn.  3. 336  Siehe für die USA Morris v. Eves, 11 Mart. (o.s.) 730 (La. 1822). 337  Jenard-Bericht zum EuGVÜ, ABl. EG 1979 Nr. C 59/1, S.  18; EuGH, Urt. v. 17.6.1992, C-26/91, Handte, Slg. 1992, I-3967, Rdn.  14; EuGH, Urt. v. 13.7.2000, C-412/98, Group Josi, Slg. 2000, I-5925, Rdn.  35; EuGH, Urt. v. 19.2.2002, C-256/00, Besix, Slg. 2002, I-1699, Rdn.  52. 338  EuGH, Urt. v. 6.10.1976, C-12/76, Tessili v. Dunlop AG, Slg. 1976, 1473, Rdn.  13; EuGH, Urt. v. 28.9.1999, C-440/97, Groupe Concorde, Slg. 1999, I-6307, Rdn.  29; EuGH, Urt. v. 3.5.2007, C-386/05, Color Drack, Slg. 2007, I-3699, Rdn.  40; Kropholler/v. Hein, Art.  5 EuGVO, Rdn.  1, 5 mit weiteren, im Punkt der Effektivität kritischen Nennungen.

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1. Teil – 2.  Abschnitt: Methoden der inhaltlichen Koordination

von ausgehen kann, dass alle Aspekte der Streitsache behandelt werden. Für die besonderen Gerichtsstände gilt das nicht. So hat der EuGH festgestellt, dass die besonderen Gerichtsstände als Ausnahme von der Grundregel des allgemeinen Gerichtsstands eng auszulegen sind, im Übrigen für eine Gesamtbetrachtung des Falles unter allen Aspekten der Kläger seine Klage eben gerade im allgemeinen Gerichtsstand geltend machen könnte, so dass keinerlei Bedürfnis für eine um­ fassende Entscheidungsbefugnis eines Gerichts bestehe, das aufgrund eines be­ sonderen Gerichtsstands zuständig ist.339 Besondere Gerichtsstände sind nur in der Brüssel Ia-VO vorgesehen. Zwar sind auch in den anderen Kollisionsrechtsverordnungen wie der EuErbVO, die eben­ falls Regeln zu Gerichtsständen enthalten, Abweichungen von einer allgemeinen Zuständigkeit enthalten, die nicht auf einer Gerichtsstandvereinbarung beruhen; es handelt sich aber um keine besonderen Gerichtsstände. Art.  7 EuErbVO enthält eine spezielle Zuständigkeit bei Rechtswahl zugunsten der Gerichte des Mitglied­ staates, dessen Recht gemäß Art.  22 EuErbVO als Erbstatut gewählt wurde; die­ se Zuständigkeit geht der allgemeinen Zuständigkeit jedoch vor und ist damit anders als Art.  7 Brüssel Ia-VO im Verhältnis zu Art.  4 Abs.  1 Brüssel Ia-VO nicht neben dem allgemeinen Gerichtsstand von Art.  4 EuErbVO anwendbar. Im Vergleich zu Art.  4 Abs.  1 Brüssel Ia-VO oder Art.  4 EuErbVO steht Art.  6 EuGüterVO nicht als „allgemeine Zuständigkeit“ am Anfang des Zuständig­ keitskapitels. Vielmehr kommt in seiner Stellung als „Zuständigkeit in anderen Fällen“ hinter den speziellen Zuständigkeiten sein subsidiärer Charakter zum Ausdruck, den er mit der „subsidiären Zuständigkeit“ in Art.  10 EuGüterVO ge­ meinsam hat. Trotz der Unterschiede zwischen Art.  4 EuErbVO und Art.  6 Eu­ GüterVO hinsichtlich Stellung und Bezeichnung ist der Charakter dieser Zustän­ digkeitsvorschriften identisch. Somit kommt auch Art.  6 EuGüterVO subsidiär zu Art.  4 bzw. 5 EuGüterVO zur Anwendung. Die beiden letzteren Vorschriften enthalten besondere Zuständigkeiten, wenn die Gütersache mit einem Antrag, der in Zusammenhang mit dem Nachlass eines Ehegatten nach der EuErbVO steht, behandelt wird bzw. das in der Gütersache zuständige Gericht mit einem Antrag auf Ehescheidung, Trennung ohne Auflösung des Ehebandes oder Ungül­ tigerklärung einer Ehe nach der Brüssel IIa-VO befasst ist.

339  EuGH, Urt. v. 27.9.1988, C-189/87, Athanasios Kalfelis v. Bankhaus Schröder u. a., Slg. 1988, 5565, Rdn.  19 ff. Siehe auch EuGH, Urt. v. 27.10.1998, C- 51/97, Réunion Européenne v. Spliethoff’s Bevrachtingskantoor, Slg. 1998, I-6534; EuGH, Urt. v. 11.10.2007, C-98/06, Freeport, Slg. 2007, I-8340, Rdn.  42 ff. Siehe aber zu einer Modifikation der Rechtsprechung in EuGH, Urt. v. 25.10.2011, C-509/09 und 161/10, eDate advertising GmbH v. X und Olivier Martinez, Robert Martinez v. MGN Limited, Slg. 2011, I-10269, Rdn.  52; näher dazu unten S. 212 und S. 231.

2. Kapitel: Inhaltliche Koordination zwischen EU-Rechtsakten untereinander

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Bei der Brüssel Ia-VO lag eine solche Regelung nahe angesichts der Fülle von Rechtsaspekten, die von dem Anwendungsbereich „Zivil- und Handelssachen“ abgedeckt werden können; damit konnte nicht zugleich davon ausgegangen wer­ den, dass die Wohnsitzanknüpfung die prozessualen Interessen nach enger Ver­ bindung zwischen Gericht und Rechtsstreit sowie dem vollen Interesse nach ei­ ner geordneten Rechtspflege erfüllen würde.340 Bei den noch neueren Verordnungen EuErbVO und EuGüterVO versucht man dagegen, durch die verschiedenen Gerichtsstände die prozessuale mit der mate­ riellen Nähe zu verbinden. Diesem Interesse wird durch ein hohes Maß an inhalt­ licher Koordination zwischen den Gerichtsständen, aber auch zwischen Ge­ richtsständen und anwendbarem Recht Rechnung getragen. In der EuErbVO ist die Anknüpfung an den letzten gewöhnlichen Aufenthalt des Erblassers zur Bestimmung des allgemeinen Gerichtsstands bereits Ausdruck einer sehr engen Verbindung zwischen Zuständigkeit und anwendbarem Recht, da sich das objektive Erbstatut ebenfalls nach dem letzten gewöhnlichen Auf­ enthaltsort des Erblassers bestimmt. Diese inhaltliche Koordination wird in Art.  7 EuErbVO fortgeführt, der das subjektive Erbstatut mit der Zuständigkeit verbindet. Das gilt ebenfalls für die Gerichtsstände im Vorschlag zur EuGüterVO. Art.  4 EuGüterVO enthält den sachlichen Bezug zur Auflösung der Ehe durch Tod ei­ nes Ehegatten; dieser Bezug wird durch die akzessorische Anknüpfung an den Erbrechtsgerichtsstand aufgegriffen. Das gleiche gilt für Art.  5 EuGüterVO mit dem Bezug auf eine Gütersache im Falle der Auflösung der Ehe durch Schei­ dung, Trennung ohne Auflösung des Ehebandes oder Ungültigerklärung der Ehe. Die akzessorische Anknüpfung an den durch die Brüssel IIa-VO bestimmten Ge­ richtsstand ist die konsequente Fortführung des Gedankens von Art.  5 EuGüter­ VO. Doch auch wenn die Restzuständigkeit in Art.  6 EuGüterVO zur Anwen­ dung kommt, ist mit der Anknüpfung an den gemeinsamen gewöhnlichen Auf­ enthalt des Ehepaares eine inhaltliche Koordination in Art.  6 EuGüterVO zum anwendbaren Recht unübersehbar. bb) Mehrzahl möglicher Gerichtsstände als Ansporn zu einem Gerichtsverfahren Die Mehrzahl an Gerichtsständen muss nicht nur dem Kläger die Möglichkeit eröffnen, daran mitzuarbeiten, das prozessuale Ziel einer sachgerechten Ent­ scheidung zu erreichen. Sie kann auch beim Kläger den Ansporn erwecken oder vergrößern, ein Gerichtsverfahren überhaupt erst anzugehen. Solche Regelungen sind z. B. in Art.  63 Brüssel Ia-VO sowie in Art.  3 Brüssel IIa-VO enthalten. 340 

Vgl. Erwägungsgrund Nr.  16 S.  1 Brüssel Ia-VO.

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1. Teil – 2.  Abschnitt: Methoden der inhaltlichen Koordination

Art.  63 Abs.  1 Brüssel Ia-VO definiert den in Art.  4 Abs.  1 Brüssel Ia-VO als allgemeinen Gerichtsstand vorgesehen Wohnsitz für Gesellschaften und juristi­ sche Personen im Wege von drei alternativen Anknüpfungspunkten: der Ort ihres satzungsmäßigen Sitzes, ihrer Hauptverwaltung und ihrer Hauptniederlassung, die so bereits in Art.  54 AEUV genannt sind. Die nicht-hierarchische Auflistung von drei Anknüpfungsmomenten ermöglicht es Klägern, ein Gerichtsverfahren gegen eine Gesellschaft bzw. eine juristische Person im Hoheitsgebiet der EU zu führen, wenn beim Klagegegner nur eines der genannten Kriterien in einem EU-Mitgliedstaat, die anderen aber in einem oder mehreren Nicht-EU-Mitglied­ staaten liegen.341 Gegen eine Gesellschaft mit satzungsmäßigem Sitz in Peking (China) kann also trotzdem in Spanien geklagt werden, wenn sie nur etwa ihre Hauptverwaltung z. B. in Madrid hat. Art.  3 Brüssel IIa-VO unterstützt die Kläger ebenfalls, dieses Mal nur bei ih­ rem Wunsch nach Scheidung. Der Verwirklichung des durch Art.  21 AEUV ga­ rantierten Rechts auf freien Personenverkehr342 wird hier in zweierlei Hinsicht Rechnung getragen: Zum einen ist der favor divortii an sich Ausdruck dieser Freiheit, da die Verhinderung einer Scheidung ebenfalls geeignet wäre zu verhin­ dern, dass eine Person in einen anderen EU-Mitgliedstaat umzieht.343 Aber auch die freie Beweglichkeit des scheidungswilligen Ehegatten zwischen Trennung und Scheidungsantrag wäre nicht gewährleistet, wenn er z. B. nur an dem Ort den Antrag stellen könnte, an dem die Ehegatten ihren gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalt haben. Diese die Mobilität der Ehegatten sichernde Flexibilität wird denn auch im Borrás-Report besonders hervorgehoben.344 Die Möglichkeit des forum shopping ergibt sich aus den in Art.  3 Brüssel IIaVO enthaltenen sieben Anknüpfungsmöglichkeiten.345 Durch die Vereinheitli­ chung des Scheidungskollisionsrechts mit der Rom  III-VO verfügen die einzel­ nen Mitgliedstaaten allerdings nicht mehr über eigene Anknüpfungsmomente, so dass die Eröffnung eines Prozesses keine unmittelbaren materiell-rechtlichen Auswirkungen auf das Scheidungsstatut hat – unabhängig davon, ob das Schei­ dungsverfahren nun in Deutschland, Irland, Italien oder Spanien eröffnet wird. 341  Siehe noch zur Vorgängervorschrift von Art.  60 Brüssel Ia-VO: Kropholler/v. Hein, Art.  60 EuGVO, Rdn.  2; Vlas in: Magnus/Mankowski, Art.  60 Brussels I Regulation, Rdn.  3. 342  Borrás in: Magnus/Mankowski, Art.  3 Brussels IIbis Regulation, Rdn.  7. 343  Borrás in: Magnus/Mankowski, Art.  3 Brussels IIbis Regulation, Rdn.  7. 344  Borrás-Report zum Übereinkommen über die Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Ehesachen (das als Verordnung (EG) Nr.  1347/2000 – „Brüssel II“ erlassen), 16.7.1998, ABl. EG 1998 Nr. C 221/27, 37, Rdn.  27. 345  Borrás in: Magnus/Mankowski, Art.  3 Brussels IIbis Regulation, Rdn.  7; Hess, Europäi­ sches Zivilprozessrecht, §  7, Rdn.  25. Kritik auch von Gottwald in: Symposium Spellenberg, 55, 57.

2. Kapitel: Inhaltliche Koordination zwischen EU-Rechtsakten untereinander

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Da seit 2011 auch nach maltesischem Recht die Scheidung möglich ist,346 würde selbst die in Art.  13 Rom  III-VO enthaltene Möglichkeit maltesischer Gerichte, eine Ehescheidung nicht auszusprechen, ein Scheidungsverfahren in Malta nicht ins Leere gehen lassen. Wichtiger erscheint ohnehin, dass zu jeder Zeit die Schei­ dungszuständigkeit zumindest eines Gerichts gegeben ist. Selbst bei den vorhan­ denen Alternativen ist eine solche Variante immer noch möglich, so dass die Europäische Kommission – offenbar allen Bedenken zum forum shopping zum Trotz – die Gerichtsstandoptionen weiter ausweiten möchte.347 2. Mechanismen zur Folgenkorrektur bei Anrufung mehrerer Gerichte a) Korrektur bei paralleler Anrufung mehrerer Gerichte Nach der Beantwortung der Frage durch das internationale Gerichtsstandrecht, welche Gerichte zuständig sein können, widmet sich die Koordination der Ver­ fahren nun der Folgefrage, welches Gericht konkret zuständig wird, wenn tat­ sächlich zur Entscheidung über denselben Anspruch zwischen denselben Partei­ en mehrere Gerichte angerufen worden sein sollten. Dies wird anhand des Vor­ rangprinzips ermittelt, wonach das zuerst angerufene Gericht gleichsam das Recht des ersten Zugriffs hat. Denn das zuerst angerufene Gericht prüft zunächst seine eigene Zuständigkeit, während ein später angerufenes Gericht das Verfah­ ren auszusetzen hat. Befindet das zuerst angerufene Gericht, dass es zuständig ist, so wird das Verfahren vor diesem Gericht stattfinden, das später angerufene wird sich hingegen für unzuständig erklären.348 Dabei kommt es insbesondere entscheidend darauf an, dass derselbe Anspruch nur dann gegeben ist, wenn mit Bezug auf Gegenstand und Grundlage des Anspruchs die Verfahren denselben Kernpunkt aufweisen.349 Für Art.  17 EuErbVO ergibt sich auch mit Blick auf die freiwillige Gerichtsbarkeit eine geringfügig andere Auslegung: Der Begriff ge­ setzliche Aufgabenzuweisungen erscheint hier passender, als von Ansprüchen i. S. v. subjektiven Rechten zu sprechen.350 Entscheidend bleibt jedoch der Bezug zur Identität des Verfahrensgegenstands.351 Eine Ausnahme ist nunmehr in der Brüssel Ia-VO für Gerichtsstandverein­ barungen enthalten. Gemäß Art.  29 Abs.  1 i. V. m. 31 Abs.  2 Brüssel Ia-VO hat das angerufene Gericht des Staates A das Verfahren auszusetzen, wenn das Ge­ 346 

Section 66A(1) Maltese Civil Code : “Each of the spouses shall have the right to demand divorce or dissolution of the marriage as provided in this Sub-Title. […]” 347  Hess, Europäisches Zivilprozessrecht, §  7, Rdn.  26. 348  Dörner in: Sänger, Art.  29 EuGVVO, Rdn.  8. 349  EuGH, Urt. v. 8.12.1987, C-144/86, Gubisch Maschinenfabrik KG gegen Giulio Palumbo, Slg. 1987, 4861, Rdn.  15 f.; Dörner in: Sänger, Art.  29 EuGVVO, Rdn.  4. 350  Dutta in: MüKoBGB, Art.  17 EuErbVO, Rdn.  5. 351  Dutta in: MüKoBGB, Art.  17 EuErbVO, Rdn.  5.

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1. Teil – 2.  Abschnitt: Methoden der inhaltlichen Koordination

richt des Staates B aufgrund einer Gerichtsstandvereinbarung ausschließlich zu­ ständig ist. Daraus ergibt sich auch der Zeitpunkt, zu dem die Koordination der nationalen Verfahren relevant wird. Sie ist regelmäßig dann von Bedeutung, wenn wenigstens zwei Gerichte in derselben Streitsache zwischen denselben Parteien anhängig sind.352 Dies zeigt, dass sich das internationale Gerichtsstandrecht und die Verfah­ renskoordination sachlich überlagern. Ersteres trifft eine Vorauswahl aller ab­ strakt in Betracht kommenden Gerichtsstände. Verbunden mit dieser Vorauswahl führt die Verfahrenskoordination zur Auswahl des konkret zuständigen Gerichts, wenn das zuerst angerufene Gericht im Kreis der in Betracht kommenden Ge­ richtsstände ist. Dies gilt auch dann, wenn der Kläger von seiner Möglichkeit Gebrauch gemacht hat und ein unzuständiges Gericht zuerst angerufen hat. Stellt dieses seine eigene Unzuständigkeit fest, ergibt sich aus dem Vorrangprinzip, dass dieses das Verfahren aussetzen und dann das nächst später angerufene Ge­ richt nunmehr seine Zuständigkeit prüfen wird. b) Korrektur von Fällen einander widersprechender Entscheidungen Für den Fall, dass einander widersprechende Entscheidungen auf diese Weise nicht verhindert werden können, existiert eine letzte Korrekturmöglichkeit im Rahmen der Versagung der Anerkennung bzw. Vollstreckung. Dieser Katalog von Anerken­ nungsversagungsgründen, der auch in fast allen anderen EU-Verordnungen enthal­ ten ist, führt jedoch nicht dazu, dass einander widersprechende Entscheidungen rückgängig gemacht werden können. Sie führen nur dazu, dass mehrere einander widersprechende Entscheidungen nicht in demselben Staat anerkannt werden kön­ nen.353 Dies betrifft zum einen den Fall, das die anzuerkennende Entscheidung mit einer anderen Entscheidung zwischen denselben Parteien, die im Anerkennungs­ staat selbst ergangen ist, in Widerspruch steht. In diesem Fall geht also die inlän­ dische Entscheidung zwingend vor, auch wenn sie in Widerspruch zu den Verfah­ renskoordinationsregeln in z. B. Art.  29 ff. Brüssel Ia-VO ergangen ist.354 Dabei sind diese Normen enger als der Anerkennungs­versagungsgrund. Denn zur Aner­ kennungsversagung ist hiernach nur erforderlich, dass sich die Entscheidungen überhaupt widersprechen, der Widerspruch muss sich nicht auf denselben An­ spruch beziehen;355 entscheidend sind allein die Rechtsfolgen.356 352 

Dörner in: Sänger, Art.  31 EuGVVO, Rdn.  2. Francq in: Magnus/Mankowski, Art.  34 Brussels I Regulation, Rdn.  60. 354  Dörner in: Sänger, Art.  45 EuGVVO, Rdn.  23. 355  Stadler in: Musielak/Voit, Art.  45 Brüssel Ia-VO, Rdn.  14; so auch schon dies. in: Mu­ sielak/Voit12, Art.  34 Brüssel I-VO, Rdn.  13. 356  EuGH, Urt. v. 6.6.2002, C-80/00, Italian Leather SpA v. WECO Polstermöbel GmbH & Co, Slg. 2002, I-4995, Rdn.  40. 353 

2. Kapitel: Inhaltliche Koordination zwischen EU-Rechtsakten untereinander

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Der andere Fall betrifft die Konstellation, dass die anzuerkennende Entschei­ dung mit einer früheren Entscheidung unvereinbar ist, die in einem anderen Mit­ gliedstaat oder in einem Drittstaat zwischen denselben Parteien in einem Rechts­ streit wegen desselben Anspruchs ergangen ist, sofern die frühere Entscheidung die notwendigen Voraussetzungen für ihre Anerkennung im ersuchten Mitgliedstaat erfüllt. Diese Regelung unterscheidet sich von der soeben dargestellten Konstella­ tion in zwei Aspekten. Zum einen ist diese Konstellation nicht anwendbar, wenn es um zwei Entscheidungen geht, die beide in demselben anderen Staat ergangen sind.357 Zum anderen gibt es in diesem Fall keine aufgrund der Herkunft „stärkere“ Entscheidung; der Vorrang entscheidet sich nach dem Prioritätsprinzip.358 III. Koordinationszweck 1. Gerichtsstände Die Ähnlichkeit mit der Koordination im IPR schlägt sich auch im Koordina­ tionszweck nieder. Hauptzweck ist die Koordination der Gerichtsstände und da­ mit die Zuweisung der Zuständigkeit für grenzüberschreitende Sachverhalte un­ ter gleichzeitigem Ausschluss anderer, ebenfalls in Betracht kommender Ge­ richtsstände. Anders als im IPR liegt der Koordination im IZVR allerdings nicht die engste Verbindung zugrunde, sondern spezifisch prozessuale Maßstäbe wie der Schutz des Beklagten über das im allgemeinen Gerichtsstand enthaltene Prinzip actor sequitur forum rei oder die mit den besonderen Gerichtsständen verbundene Beweisnähe.359 Damit können die Interessen der Beklagten mit der Effizienz des Prozesses verbunden werden. Das Nebeneinander mehrerer Ge­ richtsstandoptionen hat ferner den Effekt, dass dem Kläger mehrere Gerichts­ stände offen stehen. Die Gefahren des so ermöglichten forum shopping halten sich in Grenzen, da es zwischen Gerichtsständen stattfindet, die einen hinreichen­ den Bezug zu Gericht und Rechtsstreit haben.360 Entscheidend ist die Vermei­ dung negativer Kompetenzkonflikte.361 357 

EuGH, Urt. v. 26.9.2013., C-157/12, Salzgitter Mannesmann Handel GmbH v. SC Laminorul SA, NJW 2014, 203, 204 Rdn.  30; Stadler in: Musielak/Voit, Art.  45 Brüssel Ia-VO, Rdn.  15; so auch bereits dies. in: Musielak/Voit12, Art.  34 Brüssel I-VO, Rdn.  14. 358  Stadler in: Musielak/Voit, Art.  45 Brüssel Ia-VO, Rdn.  15; so auch bereits dies. in: Mu­ sielak/Voit12, Art.  34 Brüssel I-VO, Rdn.  14. 359  Vgl. Erwägungsgrund Nr.  12 Brüssel I-VO bzw. Erwägungsgrund Nr.  16 Brüssel Ia-VO; Siehe auch EuGH, Urt. v. 30.11.1976, C-21/76, Bier v. Mines de Potasse d’Alsace, Slg. 1976, 1735, Rdn.  15–19; Mankowski in: Magnus/Mankowski, Art.  5 Brussels I Regulation, Rdn.  1; Fallon in: Mélanges en l‘honneur de Paul Lagarde, 241, 243 f. 360  Erwägungsgrund Nr.  12 Brüssel I-VO bzw. Erwägungsgrund Nr.  16 Brüssel Ia-VO. 361  Siehe nur Vlas in: Magnus/Mankowski, Art.  60 Brussels I Regulation, Rdn.  3.

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1. Teil – 2.  Abschnitt: Methoden der inhaltlichen Koordination

2. Mechanismen zur Folgenkorrektur Die Verfahrenskoordinierung hat drei Ziele. Unmittelbar aus Art.  29 Abs.  1 Brüs­ sel Ia-VO geht hervor, dass Parallelverfahren bzw. doppelte Rechtshängigkeiten vermieden werden sollen,362 indem das später angerufene Gericht angewiesen wird, das Verfahren auszusetzen, bis das zuerst angerufene Gericht über seine Zu­ ständigkeit entschieden hat. Das mit dieser Verfahrenszentralisierung verbundene Hauptziel besteht darin, gegensätzliche Entscheidungen zu vermeiden, die in zwei verschiedenen Verfahren vor zwei verschiedenen Gerichten theoretisch ergehen könnten, die aber die Rechtssicherheit nachhaltig beeinträchtigen könnten.363 Daraus ergeben sich Beziehungen zum internationalen Gerichtsstandrecht so­ wie zur Anerkennung und Vollstreckung. So lässt sich etwa im Vergleich zwi­ schen internationalem Gerichtsstandrecht und der Verfahrenskoordination eine komplementäre Gestaltung der beiden Rechtsgebiete ausmachen. Einerseits er­ öffnet das Gerichtsstandsrecht potentiell gerade mehrere Gerichtsstände. Dies zeigt sich z. B. in der Brüssel Ia-VO an mehreren Stellen, etwa am grundsätz­ lichen Nebeneinander von allgemeinem und besonderem Gerichtsstand sowie an der Kumulation von Möglichkeiten, an denen Gesellschaften und juristische Per­ sonen ihren Sitz und dementsprechend ihren allgemeinen Gerichtsstand haben, an dem sie verklagt werden können. Dadurch wird es aber gerade erst möglich, dass Gerichtsverfahren in derselben Sache an verschiedenen Gerichten rechts­ hängig werden können, da die jeweiligen Gerichte der Sache ja direkt nur anse­ hen können, ob sie selbst zuständig sind, nicht jedoch zwingend, dass die Sache bereits an einem anderen Gericht anhängig ist. Daraus ergibt sich auf der anderen Seite das Bedürfnis, die beschriebene Weite wieder auf ein für das weitere Ver­ fahren effizientes und für den Rechtsverkehr unverfängliches Normalmaß einzu­ schränken. Die Verfahrenskoordination dient hier also auch als Gegenbewegung zum internationalen Gerichtsstandrecht.364 Mit diesem Ziel ist auch die Verhinderung der Anerkennung und Vollstreckung einander widersprechender Entscheidungen verbunden. Dieser Versagungsgrund ist jedoch nicht ausschließlich darauf ausgerichtet, Fehler bei der Verfahrenskoor­ dination zu korrigieren. Denn die Unvereinbarkeit von Entscheidungen ergibt sich aus deren Rechtsfolgen, nicht aus ihrem Streitgegenstand.365 Entscheidun­ 362 

Leible in: Rauscher, EuZPR/EuIPR, Art.  45 Brüssel Ia-VO, Rdn.  61 und bereits zur Brüssel I-VO Dörner in: Sänger, Art.  34 EuGVVO, Rdn.  1. 363  Leible in: Rauscher, EuZPR/EuIPR, Art.  29 Brüssel Ia-VO, Rdn.  1 und bereits zur Brüs­ sel I-VO Kropholler/v. Hein, vor Art.  27 EuGVO, Rdn.  1. 364  Leible in: Rauscher, EuZPR/EuIPR, Art.  29 Brüssel Ia-VO, Rdn.  9 und bereits zur Brüs­ sel I-VO Gottwald in: MüKoZPO4, Art.  27 EuGVO, Rdn.  1. 365  EuGH, Urt. v. 4.2.1988, 145/86, Hoffmann v. Krieg, Slg. 1988, 645, Rdn.  22; Krophol­ ler/v. Hein, Art.  34 EuGVO, Rdn.  49.

2. Kapitel: Inhaltliche Koordination zwischen EU-Rechtsakten untereinander

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gen mit entgegengesetzten Rechtsfolgen können jedoch auch zeitlich unabhän­ gig voneinander ergehen, wogegen die Normen der Verfahrenskoordination al­ lerdings nicht zwingend schützen können. Das zweite Ziel ist eine Nebenfolge der mit der Verfahrenskoordinierung ver­ bundenen Verfahrenszuweisung, nämlich die Abstimmung der Rechtspflege in der EU.366 Diese Effizienz wird jedoch nicht nur grenzüberschreitend hergestellt, sondern wirkt sich bereits auf die einzelnen Staaten aus. Denn das nationale Ge­ richt, welches das Verfahren ausgesetzt hat, kann sich in dieser Zeit anderen ihm zugewiesenen Verfahren widmen. Das dritte Ziel besteht darin, zwischen den Staaten innerhalb der EU gegensei­ tiges Vertrauen in die jeweils anderen Gerichte zu schaffen.367 Dieses Ziel ist notwendigerweise mit dem zweiten Ziel verbunden. Fehlendes Vertrauen in die Gerichte anderer Staaten würde nämlich dazu führen, dass doch wieder mehrere Gerichte über denselben Verfahrensgegenstand verhandeln, was aber dem zwei­ ten Ziel entgegenwirken würde. IV. Koordinationsakteure 1. Gerichtsstände a) Legislative Das internationale Zuständigkeitsrecht ist nicht flächendeckend einheitlich. Zwar hat der EU-Gesetzgeber für die meisten Bereiche unionseinheitliche Rege­ lungen geschaffen, wobei neben die in der Brüssel Ia-VO geregelten Zuständig­ keiten in Zivil- und Handelssachen weitere Zuständigkeitsregeln treten, die ver­ streut in den neu hinzutretenden EU-Verordnungen geregelt sind. Die Geltung dieser Regeln hat jedoch im Unterschied zu den harmonisierten Kollisionsregeln im IPR, die lois uniformes sind, räumliche Grenzen.368 Auf staatsvertraglicher Ebene ist das internationale Gerichtsstandrecht sowohl in nur regional ausgerichteten369 als auch in überregional geltenden Übereinkom­ men370 geregelt, wobei es aber nicht für alle Bereiche ein Übereinkommen gibt. 366  Erwägungsgrund Nr.  21 Brüssel Ia-VO; siehe auch Leible in: Rauscher, EuZPR/EuIPR, Art.  29 Brüssel Ia-VO, Rdn.  1 und bereits zur Brüssel I-VO Fentiman in: Magnus/Mankowski, Introduction to Art.  27–30, Rdn.  13. 367  So bereits zur Brüssel I-VO Fentiman in: Magnus/Mankowski, Introduction to Art.  27– 30 Brussels I Regulation, Rdn.  14. 368  Art.  4, 6 Brüssel Ia-VO; Art.  4–7 Brüssel IIa-VO. 369  Ein solches Übereinkommen stellt z. B. das Luganer Übereinkommen dar, das zwischen den Nicht-EU-Mitgliedstaaten der EFTA sowie der EU abgeschlossen wurde. 370  Z. B. das HGÜ oder das HUÜ 1973.

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1. Teil – 2.  Abschnitt: Methoden der inhaltlichen Koordination

Auf dieser Ebene gibt es also neben der räumlichen zugleich eine sachliche Ein­ schränkung. Die Arbeit des nationalen Gesetzgebers besteht im IZVR dennoch nicht so sehr in der Kompensierung sachlicher oder zeitlicher Lücken der Harmonisierung auf völkervertraglicher und europäischer Ebene wie etwa im IPR beim interna­ tionalen Sachenrecht oder bei Verletzungen des Persönlichkeitsrechts im inter­ nationalen Deliktsrecht. Es ist vielmehr das Füllen räumlicher Lücken, wofür der nationale Gesetzgeber Reserveregelungen bereitstellen muss. Im deutschen Recht sind diese Regeln in der ZPO enthalten; internationale Zuständigkeitsregeln wer­ den aus dem doppelfunktionalen Charakter der örtlichen Zuständigkeitsregeln hergeleitet371, die bestehenden Anerkennungs- und Vollstreckungsregelungen werden teilweise sogar an europäischem IZVR orientiert.372 b) Judikative Den nationalen Gerichten kommt über die Durchführung der Koordination durch Anwendung und damit auch Auslegung der Kollisionsregeln keine besondere Bedeutung zu. Aufgrund der Vorlage eines nationalen Gerichts im Wege des Vor­ abentscheidungsverfahrens nach Art.  267 AEUV bringt der EuGH seine Aus­ legungshoheit zur Geltung. 2. Mechanismen zur Folgenkorrektur Die Koordination geht zuvorderst vom EU-Gesetzgeber aus, der mit Art.  29–34 Brüssel Ia-VO Normen zur Verfügung stellt, die eine Rangfolge zwischen meh­ reren parallel eröffneten Verfahren über denselben Anspruch herstellen und so einen unionseinheitlichen Maßstab enthalten, an welchem von mehreren zustän­ digen Gerichtsständen ein konkretes Verfahren stattzufinden hat. Einen nicht unwichtigen Beitrag zum Gelingen dieser Koordination leisten jedoch auch die im konkreten Fall angerufenen Gerichte. Denn ohne dass jeden­ falls das später angerufene Gericht Informationen darüber hat, dass ein anderes Gericht bereits in derselben Sache angerufen worden ist, könnte es seiner Pflicht aus Art.  29 Brüssel Ia-VO gar nicht nachkommen.

371  BGH, Urt. v. 2.7.1991 – XI ZR 206/90, BGHZ 115, 90, 92; BGH, Urt. v. 18.1.2011 – X ZR 71/10, NJW 2011, 2056; Heinrich in: Musielak/Voit, ZPO, §  12, Rdn.  17; Rauscher, IPR, Rdn.  2254. 372  Dazu näher unten S. 228.

2. Kapitel: Inhaltliche Koordination zwischen EU-Rechtsakten untereinander

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B. Die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Entscheidungen I. Koordinationsgegenstände Die Koordinationsgegenstände bei Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Entscheidungen ergeben sich aus dem Prinzip, dass eine im Urteilsstaat gefällte Entscheidung im Zielstaat Wirkung entfalten und letztlich vollstreckt werden soll. Je nach dem gewählten Anerkennungs- und Vollstreckungsmodell – sei es dem Exequaturmodell oder dem Modell der unmittelbaren Vollstreckung – spielt die Koordination eines ausländischen Rechtsinstituts mit der Rechtsordnung des Anerkennungsstaates eine mehr oder eben weniger bedeutende Rolle. II. Funktionsweise 1. Anerkennung und Vollstreckung im Exequaturmodell a) Anerkennung Das ursprünglich vorherrschende Exequaturmodell beruht zwar auf einer Aner­ kennung ohne besonderes Verfahren, erfordert aber dennoch eine gerichtliche oder behördliche Anerkennungsprüfung der ausländischen Entscheidung. Diese Überprüfung kann entweder im Rahmen einer Inzidentanerkennung durch eine Behörde oder ein Gericht erfolgen, wenn sich die Anerkennungsfrage inzident in einem solchen Verfahren stellt. Die Anerkennung kann sich jedoch auch als prin­ zipale Frage in einem gerichtlichen Feststellungsverfahren stellen.373 In jedem Fall ist der Prüfungsumfang in diesen Verfahren eingeschränkt. Es­ sentieller Bestandteil dieser Prüfung sind die Anerkennungshindernisse, die den verfahrensrechtlichen und den materiellen ordre public sowie einzelne Fälle pro­ zessualen Versagens betreffen. Darüber hinaus ist die Überprüfung der Aus­ gangsentscheidung in der Sache (révision au fond) ausgeschlossen;374 die Prü­ fung der Zuständigkeit des Gerichts im Ursprungsmitgliedstaat ist zudem einge­ schränkt, da eine Zuständigkeitsüberprüfung grundsätzlich nicht stattfindet und auch nicht in Form einer ordre public-Analyse erfolgen kann.375 Auch wenn sie nicht in jeder Verordnung ausdrücklich ausgeschlossen ist, wird sie sich in den

373  Gottwald in: MüKoZPO, Art.  36 Brüssel Ia-VO, Rdn.  30 und ders. in: MüKoZPO4, Art.  33 EuGVO, Rdn.  10. 374  Art.  36 Brüssel I-VO bzw. Art.  52 Brüssel Ia-VO, Art.  42 EuUnthVO, Art.  41 EuErbVO, Art.  26 Brüssel IIa-VO, Art.  40 EuGüterVO, Art.  40 EuPartVO. 375  Art.  35 Brüssel I-VO bzw. Art.  45 Abs.  3 Brüssel Ia-VO, Art.  24 Nr.  1 Hs.  2 EuUnthVO (hinsichtlich der Einschränkung, dass die Zuständigkeitsregeln nicht zum ordre public gehören), Art.  39 EuGüterVO, Art.  39 EuPartVO.

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1. Teil – 2.  Abschnitt: Methoden der inhaltlichen Koordination

Fällen, in denen der ausdrückliche Ausschluss fehlt, im Wege der Gesamtanalo­ gie übernehmen lassen.376 b) Vollstreckung Nach der Anerkennung der ausländischen Entscheidung im Inland stellt sich die Frage der Vollstreckung. Im Exequaturmodell werden anerkennungsfähige Ent­ scheidungen prinzipiell vollstreckt. Zur Vollstreckung ist eine Vollstreckbarer­ klärung der Entscheidung von einer Behörde erforderlich. Dieses Exequaturmo­ dell, das zuerst in der Brüssel I-VO geregelt war, ist nach wie vor auch in den erst in jüngerer Zeit in Kraft getretenen EuErbVO und EuUnthVO vorhanden, bei letzterer allerdings nur in Bezug auf Mitgliedstaaten, die nicht durch das HUP 2007 gebunden sind. Zudem folgen die jüngst in Kraft getretenen EuGüterVO und EuPartVO ebenfalls diesem Modell. Dass dies bei EuGüterVO und EuPart­ VO der Fall sein würde, war allerdings mit Blick auf die Vorschläge zu diesen Verordnungen alles andere als zwingend. Diese Vorschläge verwiesen zwar in Art.  31 V-EuGüterVO bzw. Art.  27 V-EuPartVO jeweils auf die Brüssel I-VO, was dafür sprach, dass möglicherweise das Exequaturmodell für Gütersachen favorisiert war. Da jedoch das Vollstreckungsmodell in Zivil- und Handelssachen mit Übergang zur Brüssel Ia-VO verändert wurde,377 hätte dieser ausdrückliche Verweis auf die Brüssel I-VO auch als ein dynamischer Verweis auf das jeweils in Zivil- und Handelssachen generell geltende Vollstreckungssystem und nicht als rein statischer Verweis auf das gerade in der Brüssel I-VO geregelte Voll­ streckungssystem angesehen werden können, zumal bereits die EuUnthVO ge­ zeigt hatte, dass eine unmittelbare Vollstreckung im Internationalen Familien­ recht alles andere als abwegig war.378 Das Exequaturmodell zeichnet sich im weiteren Verfahrensverlauf dadurch aus, dass die Vollstreckungsbehörde im Vollstreckungsverfahren ebenfalls Voll­ streckungshinderungsgründe prüft. Die Phase bis zum Erreichen des im Vollstre­ ckungsstaat vollstreckbaren Titels wird durch die Gewährung der Möglichkeit zur Sicherungsvollstreckung überbrückt, wenn die zugrunde liegende Entschei­ dung anzuerkennen ist.379 In diesem Zusammenhang kann der Prüfungspunkt der Bestimmtheit des Entscheidungstenors Probleme bereiten. Zu Art.  38 Brüssel I-VO ist hierzu allerdings zugelassen worden, dass die erforderliche Konkre­ tisierung durch Auslegung erreicht wird.380 376 

Siehe dazu ausführlich oben S. 112 f. Siehe dazu sogleich S. 140. 378  Siehe dazu sogleich S. 140. 379  Art.  47 Abs.  1 Brüssel I-VO, Art.  54 Abs.  1 EuErbVO, Art.  36 Abs.  1 EuUnthVO. 380  Geimer in Geimer/Schütze, EuZPR-Kommentar, Art.  38 EuGVVO, Rdn.  19–29 und ins­ besondere 27 ff.; Kropholler/v. Hein, Art.  38 EuGVO, Rdn.  12. 377 

2. Kapitel: Inhaltliche Koordination zwischen EU-Rechtsakten untereinander

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Die Vollstreckung erfolgt in allen EU-Verordnungen und auch nach dem autono­ men nationalen Vollstreckungsrecht nach dem Recht des Vollstreckungsstaates.381 Das ist auch dann der Fall, wenn das ausländische Vollstreckungsrecht sowohl im Positiven als auch im Negativen vom inländischen abweicht.382 Man nimmt aller­ dings auf diesem Wege in Kauf, dass das inländische Vollstreckungsrecht an den ausländischen Titel angepasst werden muss. Ein Beispiel ist etwa ein deutsches Schadensersatzurteil, das in Griechenland mit dem in Deutschland unbekannten Vollstreckungsmittel der persönlichen Haft vollstreckt werden konnte.383 Damit ergibt sich eine klare Zuordnung der einzelnen Phasen von Entschei­ dungsfindung über Anerkennung hin zur Vollstreckung zu den jeweils geltenden Vorschriften. Die Entscheidung trifft das Ursprungsgericht nach seinem Verfah­ rensrecht und dem Recht, das aufgrund der Kollisionsnormen der lex fori anzu­ wenden ist. Bevor nach Eintritt in die Vollstreckungsphase das Recht des Voll­ streckungsstaates gilt, ist wegen des Verbots der révision au fond in der Anerken­ nungsphase die Entscheidung nicht mit dem Recht des Vollstreckungsstaates nachzuprüfen. Die durch europäisches Kollisionsrecht geregelte Übergangspha­ se ermöglicht jedoch einzelne korrigierende Eingriffe in Form der ordre public-­ Kontrolle und der Nachprüfung von Zuständigkeiten, wenn diese gesetzlich fest­ gelegt sind. Dagegen wirkt die anerkannte Entscheidung so im Vollstreckungsstaat, wie sie auch im Ursprungsmitgliedstaat wirkt. Sollte der Inhalt des Titels jedoch nicht im Inland vollstreckbar sein, kann die inländische Vollstreckungsbehörde zwar keine inhaltlichen Änderungen vornehmen, aber doch in gewissem Umfang Konkretisierungen. 2. Anerkennung und Vollstreckung im Modell der unmittelbaren Vollstreckung Die unmittelbare Vollstreckung ist in den verschiedenen Verordnungen nicht ein­ heitlich geregelt. Vielmehr gibt es mehrere Formen, die sich seit dem erstmaligen Auftreten der unmittelbaren Vollstreckung in der Brüssel IIa-VO herausgebildet haben und sich insbesondere dadurch unterscheiden, dass die Möglichkeiten des Antragsgegners, sich gegen Anerkennung und Vollstreckung der betreffenden Entscheidung zu wehren, unterschiedlich vielfältig sind.

381 

Schack, IZVR, Rdn.  1061; Kerameus, FS G. Lüke, 337, 340. Nagel/Gottwald, IZPR, §  17, Rdn.  4; Kerameus, FS G. Lüke, 337, 340. 383  Kerameus, FS G. Lüke, 337, 340 m. w. N. 382 

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1. Teil – 2.  Abschnitt: Methoden der inhaltlichen Koordination

a) Anerkennung aa) Grundsatz der automatischen Anerkennung Dort, wo die Exequatur ausgeschlossen war, ist vorgesehen, dass die Entschei­ dung im Zielstaat ex lege anerkannt wird, also noch nicht einmal ein einfaches Anerkennungsverfahren erforderlich ist. Die Anerkennung steht damit auch nicht der Anfechtung offen.384 bb) EuUnthVO bei durch das HUP 2007 gebundenen Mitgliedstaaten In Art.  17 Abs.  1 EuUnthVO ist für Entscheidungen aus Mitgliedstaaten, die durch das HUP 2007 gebunden sind, die Anerkennung ohne besonderes Verfah­ ren und ohne Anfechtung der Anerkennung vorgesehen. Anders als in der Brüs­ sel I-VO ist eine Bestätigung durch das Gericht, das im Ursprungsstaat das Urteil gefällt hat, nicht mehr erforderlich. Auch wenn daraufhin in Art.  17 Abs.  2 EuUnthVO eine notwendige Vollstreck­ barerklärung genannt und damit auch hier eine Trennung von Anerkennungsund Vollstreckungsphase erfolgt, wird diese Trennung nicht immer durchgehal­ ten. Rein äußerlich zeigt sich das daran, dass es keine separaten Unterabschnitte für die verschiedenen Phasen gibt, wie das etwa in der Brüssel I- bzw. der Brüs­ sel Ia-VO der Fall ist. Daneben ist aber auch die Zuordnung desjenigen Nachprü­ fungsrechtsbehelfs nicht deutlich, den der Antragsgegner im Urteilsmitgliedstaat anstrengen kann, sofern er sich dort nicht auf das Verfahren eingelassen hat. Ist der Rechtsbehelf erfolgreich, führt er zur Nichtigerklärung der Entscheidung, die jedoch nach den Worten von Art.  17 Abs.  1 und 2 EuUnthVO Grundlage sowohl der Anerkennung als auch der Vollstreckung ist. Auch die Tatsache, dass in Art.  19 Abs.  1 lit.  a–c EuUnthVO Nachprüfungsgründe enthalten sind, die aus dem Katalog der Anerkennungshindernisse u. a. in Art.  34 Brüssel I-VO bekannt sind, ermöglicht keine klare Zuordnung, da die Anerkennungshindernisse regel­ mäßig auch als Vollstreckungshindernisse wirken.385 Lediglich die Bezeichnung „Antragsgegner“ könnte sich als Hinweis auf die Anerkennungsphase lesen las­ sen, da sein Pendant im Rahmen der Vollstreckung im Gegensatz dazu z. B. in Art.  21 Abs.  2 EuUnthVO als „verpflichtete Person“ bezeichnet wird, auf deren Antrag hin die Vollstreckung verweigert wird bzw. werden kann.

384  Magnus in: Magnus/Mankowski, Art.  41 Brussels IIbis Regulation, Rdn.  8; Rauscher in: Rauscher, EuZPR/EuIPR, Art.  41 Brüssel IIa-VO, Rdn.  6. 385  Art.  45 Abs.  1 Brüssel I-VO, Art.  31 Abs.  2 Brüssel IIa-VO, Art.  52 EuErbVO, Art.  31 V-EuGüterVO.

2. Kapitel: Inhaltliche Koordination zwischen EU-Rechtsakten untereinander

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cc) Brüssel Ia-VO Das System der Brüssel Ia-VO ist eine Weiterentwicklung des Exequatur-Mo­ dells der Brüssel I-VO mit dem Ergebnis der Abschaffung des Exequaturs.386 Auch wenn die Brüssel Ia-VO diese Abschaffung mit der EuUnthVO gemeinsam hat, steht sie dennoch der Brüssel I-VO hinsichtlich der gesamten Anerkennung und Vollstreckung näher als der EuUnthVO. Denn einen Hinweis darauf, dass die Brüssel Ia-VO hinsichtlich Anerkennung und Vollstreckung von der Brüssel I-VO abweichen könnte und bei der Vollstreckung nicht mehr dem Exequatur­ modell folgt, erhält ein unbefangener Leser im Abschnitt der Anerkennung und bei Lektüre der Anerkennungsversagungsgründe in Art.  45 Abs.  1 Brüssel Ia-VO nur durch die in Art.  37 Abs.  1 lit.  b Brüssel Ia-VO vorgesehene Bescheinigung, die für die Anerkennung der ausländischen Entscheidung erforderlich ist. Dieses Erfordernis ist angelehnt an Art.  6 EuVTVO, nach deren Vorbild die Bescheini­ gung durch das Ursprungsgericht ausgestellt werden kann.387 Genau diese Be­ scheinigung ist es aber, die für eine Anerkennung nach Art.  17 ff. EuUnthVO nicht erforderlich ist. Daran zeigt sich deutlich die Vorprägung der Brüssel Ia-VO durch die Brüssel I-VO, deren Vorschriften im Rahmen der Anerkennung – ins­ besondere der Anerkennungsversagungsgründe in Art.  45 Brüssel Ia-VO – im Wesentlichen übernommen wurden, und lediglich ein zusätzlicher Anerken­ nungsversagungsgrund in Art.  45 Abs.  1 lit.  e Brüssel Ia-VO geschaffen wurde. b) Unmittelbare Vollstreckung Die Abschaffung des Exequatur – also des Erfordernisses der Vollstreckbarerklä­ rung zur Vollstreckung einer ausländischen Entscheidung – führt nicht zu einem einzigen System unmittelbarer Vollstreckung. Vielmehr gibt es unterschiedliche Ausformungen. aa) Vollstreckung in der Brüssel IIa-VO In der Brüssel IIa-VO erfolgt die Vollstreckung in der Brüssel IIa-VO nach dem Recht des Vollstreckungsmitgliedstaates. Zur Vollstreckung einer Entscheidung, die das Umgangsrecht oder die Rückgabe des Kindes i. S. v. Art.  40 Abs.  1 Brüs­ sel IIa-VO betrifft, ist lediglich die Vorlage der bescheinigten Entscheidung er­ 386 

Mankowski in: Rauscher, EuZPR/EuIPR, Vorbem. zu Art.  39 ff. Brüssel Ia-VO, Rdn.  2. als Art.  41 Abs.  2 Brüssel IIa-VO verweisen Art.  6 Abs.  1 EuVTVO und Art.  53 Brüssel Ia-VO nicht auf den „Richter des Ursprungsmitgliedstaats“, sondern nur auf das „Ur­ sprungsgericht“. Gemessen daran, dass Art.  39 das „zuständige Gericht […] des Ursprungsmit­ gliedstaats“ als Tatbestandsmerkmal kennt, ist Art.  41 Abs.  2 Brüssel IIa-VO also insoweit nicht als Vorbild von Art.  53 Brüssel Ia-VO anzusehen. 387  Anders

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1. Teil – 2.  Abschnitt: Methoden der inhaltlichen Koordination

forderlich. Der einzige Grund gegen die Vollstreckung in dieser Phase ergibt sich aus Art.  47 Abs.  2 S.  2 Brüssel IIa-VO, wonach die Entscheidung nicht voll­ streckt werden darf, wenn sie mit einer später ergangenen Entscheidung unver­ einbar ist. Dem Wortlaut nach erfolgt diese Prüfung jedoch von Amts wegen, so dass auch hier kein Tätigwerden des Vollstreckungsschuldners vorgesehen ist. Auch sonst sind keine weiteren geschriebenen Rechtsbehelfe im Vollstreckungs­ mitgliedstaat gegen den Vollstreckungstitel vorgesehen, wie sich aus Art.  41 Abs.  1, 42 Abs.  1 Brüssel IIa-VO ergibt.388 Damit einher geht eine Verstärkung der Kontrolle durch den Ursprungsmitgliedstaat.389 Außerhalb der Brüssel IIa-VO stellt sich ferner die Frage eines Vollstreckungs­ gegengrundes wegen einer zwischenzeitlichen Abänderung der Entscheidung im Ursprungsmitgliedstaat. Dass eine solche Entscheidung nicht vollstreckt werden dürfe, war bereits im Gesetzgebungsverfahren verbreitete Meinung.390 Da aus diesen Bedenken jedoch keine gesetzliche Regelung geworden ist, besteht dies­ bezüglich eine Lücke. Die Lückenschließung soll im Rahmen der nationalen Rechtsbehelfe erfol­ gen.391 Im deutschen Recht gibt es im IntFamRVG, das u. a. der Regelung in Umgangs- und Rückgabesachen dient, keinen Rechtsbehelf; wenn das Umset­ zungsgesetz keine Rechtsbehelfe bereitstellt, ist der Rechtsanwender jedoch auf­ gerufen, an anderer Stelle nach möglichen Rechtsbehelfen zu suchen.392 bb) Vollstreckung in der EuUnthVO von Entscheidungen aus einem Mitgliedstaat, der durch das HUP 2007 gebunden ist Soweit Entscheidungen betroffen sind, deren Ursprungsmitgliedstaat durch das HUP 2007 gebunden ist, haben die Vollstreckungssysteme von Brüssel IIa-VO über Umgangs- sowie Rückgabetitel und EuUnthVO gemeinsam, dass die aus­ ländische Entscheidung bereits einen Vollstreckungstitel im Vollstreckungsstaat enthält. Wie die Brüssel IIa-VO sind nach der EuUnthVO Rechtsbehelfe gegen die Entscheidung im Ursprungsmitgliedstaat gegeben. Ein solcher Rechtsbehelf für den Vollstreckungsschuldner ist die Nachprüfung in Art.  19 EuUnthVO. Wenn dieser sich im Ursprungsmitgliedstaat nicht auf das Verfahren eingelassen hat, 388 

Siehe auch Rauscher, IPR, Rdn.  2535. Rauscher in Rauscher, EuIPR/EuZPR, Art.  40 Brüssel IIa-VO, Rdn.  2. 390  Rat der Europäischen Union, Vermerk der deutschen Delegation, 11.8.2003, 12006/03, 2; siehe auch Rauscher in: Rauscher, EuIPR/EuZPR, Art.  41, Rdn.  9; vgl. auch Magnus in: Magnus/Mankowski, Art.  41 Brussels IIbis Regulation, Rdn.  9. 391  Rauscher in: Rauscher, EuIPR/EuZPR, Art.  41 Brüssel IIa-VO, Rdn.  9. 392  Rauscher in: Rauscher, EuZPR/EuIPR, Art.  41 Brüssel IIa-VO, Rdn.  9, wo eine analoge Anwendung der §§  92 ff. FamFG ins Spiel gebracht wird. 389 

2. Kapitel: Inhaltliche Koordination zwischen EU-Rechtsakten untereinander

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kann er sich darauf berufen, dass er entweder das verfahrenseinleitende Schrift­ stück nicht rechtzeitig genug bekommen hat oder er sich aber ohne eigenes Ver­ schulden nicht gegen die Unterhaltsforderung wehren konnte.393 Darüber hinaus kann – im Unterschied zur Brüssel IIa-VO – der Vollstreckungs­ schuldner jedoch auch gewisse Rechtsbehelfe im Vollstreckungsstaat einlegen. So muss z. B. gemäß Art.  21 Abs.  2 EuUnthVO auf Antrag des Vollstreckungs­ schuldners die Vollstreckung im Falle der Verjährung des Vollstreckungsrechts – sei es nach dem Recht des Ursprungs- oder dem des Vollstreckungsstaates – verweigert werden; im Falle der Unvereinbarkeit mit einer im Vollstreckungs­ mitgliedstaat vollstreckbaren Entscheidung aus einem anderen EU-Mitgliedstaat oder einem Drittstaat (Art.  21 Abs.  2 EuUnthVO)394 und im Falle des Antrags auf Nachprüfung nach Art.  19 EuUnthVO (Art.  21 Abs.  3 EuUnthVO) hat die zu­ ständige Behörde einen Ermessensspielraum hinsichtlich der Verweigerung der Vollstreckung.395 cc) Vollstreckung in der Brüssel Ia-VO Das Vollstreckungssystem der Brüssel Ia-VO ist eine Mischung aus den gerade angeführten Systemen unmittelbarer Vollstreckung und dem u. a. aus der Brüssel I-VO bekannten Vollstreckungssystemen. Gemeinsam mit z. B. dem System nach der EuUnthVO hat es, dass die Ent­ scheidung im Ursprungsmitgliedstaat einen Titel im Vollstreckungsstaat dar­ stellt, und keine Vollstreckbarerklärung im Vollstreckungsmitgliedstaat erforder­ lich ist.396 Anders ausgestaltet als in Art.  17 ff. EuUnthVO ist demgegenüber der Rechts­ schutz gegen die Vollstreckung in der Brüssel Ia-VO. Dies gilt insbesondere an­ gesichts des breiteren Spektrums an Möglichkeiten der Vollstreckungsversagung. Zwar ist die Verjährung der zu vollstreckenden Forderung in Art.  21 Abs.  2 Eu­ UnthVO anders als in der Brüssel Ia-VO ein Vollstreckungshindernis. Allerdings ermöglicht Art.  46 Brüssel Ia-VO im Vergleich dazu die Vollstreckungsversagung aufgrund derselben Gründe, die bereits gegen die Anerkennung einer Entschei­ dung nach Art.  45 Brüssel Ia-VO vorgebracht werden können. Dies schließt im Unterschied zur EuUnthVO die Vollstreckung einer gegen den ordre public des Vollstreckungsstaates verstoßenden Entscheidung aus. Daneben sind die in Art.  45 Brüssel Ia-VO genannten prozessualen Konstellationen nach dem Wort­ laut („wird…versagt“) zwingende Vollstreckungsversagungsgründe, wohingegen 393 

Siehe dazu Andrae/Schimrick in: Rauscher, EuZPR/EuIPR, Art.  17 EG-UntVO, Rdn.  10. Siehe dazu Andrae/Schimrick in: Rauscher, EuZPR/EuIPR, Art.  21 EG-UntVO, Rdn.  27. 395  Andrae/Schimrick in: Rauscher, EuZPR/EuIPR, Art.  21 EG-UntVO, Rdn.  28. 396  Mankowski in: Rauscher, EuZPR/EuIPR, Vorbem. zu Art.  39 ff. Brüssel Ia-VO, Rdn.  2. 394 

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1. Teil – 2.  Abschnitt: Methoden der inhaltlichen Koordination

der Grund der Unvereinbarkeit der zu vollstreckenden Entscheidung mit einer anderen im Vollstreckungsstaat ergangenen oder mit einer in einem anderen Mit­ gliedstaat oder Nicht-Mitgliedstaat ergangenen und im Vollstreckungsstaat aner­ kennungsfähigen Entscheidung nach Art.  21 Abs.  2 UAbs.  2 EuUnthVO nur eine fakultative Vollstreckungsversagung zur Folge hat. Allerdings erfolgt die Voll­ streckungsversagung nach Art.  46 Brüssel Ia-VO ebenfalls nur auf Antrag.397 Eine wichtige Vorschrift enthält ferner Art.  54 Abs.  1 Brüssel Ia-VO. Dort wird das Problem angesprochen, dass eine Maßnahme oder Anordnung in einer Ent­ scheidung im Recht des ersuchten Mitgliedstaates nicht bekannt ist. Für diesen Fall ist eine Anpassung vorgesehen; diese darf jedoch nicht dazu führen, dass Wir­ kungen entstehen, die über die im Recht des Ursprungsmitgliedstaats vor­gesehenen Wirkungen hinausgehen. In Art.  54 Abs.  1 UAbs.  2 Brüssel Ia-VO ist die Möglich­ keit der Parteien des Ausgangsstreits vorgesehen, die Anpassung anzufechten.398 III. Koordinationszweck Die Vereinheitlichung der Regeln zur Anerkennung und Vollstreckung dienen der Vereinfachung der grenzüberschreitenden Durchsetzung von Entscheidungen aus einem EU-Mitgliedstaat in jedem anderen EU-Mitgliedstaat. Dies dient letztlich ebenfalls der Verwirklichung des Raums der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts. Grundlage dieser Vereinfachung ist das gegenseitige Vertrauen, das den Entscheidungen eines anderen Mitgliedstaates entgegengebracht wird. Das Maß an Vertrauen, das der EU-Gesetzgeber zugrunde legt, erscheint in manchen Fällen größer als bei anderen; so ist in der EuUnthVO bei Bindung eines Mitgliedstaates an das HUP 2007 das Vertrauen größer als z. B. bei Zivil- und Handelssachen nach Brüssel I- bzw. Brüssel Ia-VO. Das ändert allerdings nichts daran, dass der grund­ legende Zweck der Koordination in allen Fällen der gleiche ist.399 Die neuerliche Rechtsentwicklung mit EuGüterVO und EuPartVO lässt in ei­ ner Gesamtschau mit der EuErbVO vermuten, dass – zumindest vorerst – nur dann vom Exequaturmodell abgewichen wird, wenn es besondere Gründe hier­ für gibt. Bei der EuUnthVO ist es aus Sicht des EU-Gesetzgebers die Bindung an das HUP 2007, bei der Brüssel Ia-VO ist es der Gedanke, Formalitäten bei der Vollstreckung ausländischer Entscheidungen abbauen zu können und dabei den Kompromiss mit den Schutzinteressen des Schuldners sicherzustellen.400 Dass 397 

Mankowski in: Rauscher, EuZPR/EuIPR, Art.  46 Brüssel Ia-VO, Rdn.  6 ff. Siehe dazu v. Hein, RIW 2013, 97, 110. 399  Siehe Erwägungsgrund Nr.  17 Brüssel I-VO, Erwägungsgrund Nr.  26 Brüssel Ia-VO; Erwägungsgrund Nr.  21 Brüssel IIa-VO; Erwägungsgrund Nr.  59 EuErbVO; Erwägungsgrund Nr.  25 EuUnthVO. 400  Mankowski in: Rauscher, EuZPR/EuIPR, Vorbem. zu Art.  39 ff. Brüssel Ia-VO, Rdn.  4. 398 

2. Kapitel: Inhaltliche Koordination zwischen EU-Rechtsakten untereinander

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die Vollstreckungsversagungsgründe in der Brüssel Ia-VO sich von denjenigen in der EuErbVO, der EuGüterVO und der EuPartVO nicht unterscheiden und dennoch die drei letzteren Verordnungen dem Exequaturmodell weiterhin fol­ gen, legt den Verdacht nahe, dass der EU-Gesetzgeber mit der Brüssel Ia-VO einen Test durchführen möchte, bei dessen Erfolg das Exequaturmodell bei Eu­ ErbVO, EuGüterVO und EuPartVO im Rahmen ihrer jeweiligen Revisionen auf Grundlage eines ähnlichen Kompromisses wie in der Brüssel Ia-VO wegfällt.401 IV. Koordinationsakteure 1. Legislative Auf der legislativen Ebene werden zunächst die Anerkennungs- und Vollstre­ ckungssysteme festgelegt, gerade in jüngerer Zeit also die Entscheidung zwi­ schen Exequatur und unmittelbarer Vollstreckung getroffen und deren konkrete Ausgestaltung bestimmt. Diese Schritte finden auf europäischer Ebene für Ent­ scheidungen aus EU-Mitgliedstaaten statt sowie auf nationaler Ebene für Ent­ scheidungen aus Nicht-EU-Mitgliedstaaten bzw. aus EU-Mitgliedstaaten, soweit für die entsprechenden Sachbereiche nicht bereits Anerkennungs- und Vollstre­ ckungsregeln auf EU-Ebene existieren. Auf nationaler Ebene werden dagegen die Regeln geschaffen, nach denen die Entscheidungen vollstreckt werden. Dies gilt, wie soeben gesehen, auch für die EU-Mitgliedstaaten, da die Vollstreckung durchgehend nach dem Recht des Voll­ streckungsstaates erfolgt. Aus Sicht der EU handelt es sich dabei um die Schlie­ ßung einer externen Lücke. Der deutsche Gesetzgeber ist seiner Aufgabe im Rahmen verschiedener Umsetzungsgesetze nachgekommen: Der deutsche Kom­ plementärrechtsakt zur Brüssel I-VO bzw. die Brüssel Ia-VO ist das AVAG, für die Brüssel IIa-VO das IntFamRVG, die EuUnthVO komplettiert das AUG und die EuErbVO das IntErbRVG. 2. Judikative Punktuell haben auch der Ursprungsstaat bzw. das Ursprungsgericht gewichtige Funktionen. Dort, wo Bescheinigungen bzw. Bestätigungen der Entscheidung zu deren Anerkennung erforderlich sind, erfolgen diese durch den Ursprungsstaat bzw. das Ursprungsgericht. Nach Art.  19 EuUnthVO erfolgt die Nachprüfung in der Anerkennungs- und Vollstreckungsphase402 durch das Ursprungsgericht. Das Ursprungsgericht ist auch für die Bescheinigung bzw. die Bestätigung der Ent­ 401 

So auch Hertel in: Rauscher, EuZPR/EuIPR, Art.  43 EU-ErbVO, Rdn.  2. Siehe dazu Andrae/Schimrick in: Rauscher, EuZPR/EuIPR-Kommentar, Art.  19 EG-Unt­ VO, Rdn.  21. 402 

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1. Teil – 2.  Abschnitt: Methoden der inhaltlichen Koordination

scheidung zuständig. Im Regelfall erfolgt die Koordination im Falle des Exequa­ turs allerdings durch sonstige Behörden des Zielstaates. Sie haben die Aufgabe der inzidenten Anerkennung, um so der ausländischen Entscheidung im Zielstaat Wirkung zu verschaffen.403 Ein wichtiger Bestandteil der Aufgabe der Gerichte besteht jedoch auch in diesem Rahmen darin, die durch unklare Regelungen des nationalen Gesetzge­ bers entstandene Rechtsunsicherheit aufzulösen und praktikable Lösungen zu finden. Dies zeigt sich z. B. bei der Änderung des AVAG durch den deutschen Gesetzgeber im Zuge der Anpassung der nationalen an die EU-Rechtslage. Denn auch wenn das Anerkennungs- und Vollstreckungssystem der Brüssel I-VO auch weiterhin für Altfälle gilt, bei denen die Verfahren vor Inkrafttreten der Brüssel Ia-VO eingeleitet worden sind, ist das AVAG n. F. insbesondere auf die Brüssel Ia-VO nicht mehr anwendbar, da diese im Rechtsaktskatalog von §  1 Abs.  1 AVAG n. F. – im Gegensatz zu §  1 Abs.  1 Nr.  2 lit.  a AVAG a. F. – nicht mehr auftaucht und dieses auch sonst keine Übergangsvorschriften für die Regelung der Altfälle enthält.404 Jedoch ist es angezeigt, diese Regelungslücke durch analoge Anwendung der Normen des AVAG a. F. auf die Altfälle zu schließen.405 Die Planwidrigkeit der Regelungslücke tritt deutlich zutage vor dem soeben beschriebenen Hintergrund, dass zur Handhabung von noch nach der Brüssel I-VO zu behandelnden Altfällen mit dem Außerkrafttreten des AVAG a. F. keine Regelungen mehr existieren – ein Zustand, den der Gesetzgeber mit Sicherheit nicht schaffen wollte. Auch die In­ teressenlage ist zwischen den Fällen, die bisher unter die Brüssel I-VO fielen und mit dem AVAG a. F. gelöst wurden, und den Altfällen vergleichbar, da nicht er­ sichtlich ist, warum auf diese nicht auch die gerade auf die Brüssel I-VO abge­ stimmten Regeln des AVAG a. F. angewendet werden sollten. Aus diesem Grund liegt auch die – ebenfalls denkbare – analoge Anwendung des AVAG n. F. fern. Dies gilt gerade auch deshalb, weil der Gesetzgeber in der Neuregelung von §  1 AVAG n. F. deutlich gemacht hat, dass er jedenfalls nicht im Sinn hatte, das AVAG n. F. auf das Anerkennungs- und Vollstreckungssystem der Brüssel I-VO anzuwenden. Dieser deutliche gesetzgeberische Wille steht der methodischen Begründung der analogen Anwendung entgegen.

403 

Vgl. Art.  33 Abs.  3 Brüssel I-VO und dazu Kropholler/v. Hein, Art.  33 EuGVO, Rdn.  10 f. Geimer in: Zöller, Vorbemerkungen zu §§  1110–1117 ZPO, Rdn.  2. 405  So auch Geimer in: Zöller, Vorbemerkungen zu §§  1110–1117 ZPO, Rdn.  2; Hüßtege in: Thomas/Putzo, Vorbemerkung zu §§  1110 ff. ZPO, Rdn.  1. 404 

3.  Kapitel

Inhaltliche Beziehungen zwischen EU- und völkervertraglichen IPR- und IZVR-Rechtsakten Völkervertragliche und EU-Rechtsakte stehen auch hinsichtlich ihrer Entwick­ lung in engem Zusammenhang. Das sieht man daran, dass in jeder EU-Verord­ nung Elemente einer jeden Form inhaltlicher Orientierung vorhanden sind. Die Orientierung von europäischen Verordnungen an völkervertraglichen Vorbildern gestaltet sich in zweierlei Art. Historisch gesehen zuerst hat sich die EU an euro­ päischen Staatsverträgen orientiert, die im Rahmen der damaligen EWG abge­ schlossen wurden (dazu §  1). Die EU orientiert sich jedoch inhaltlich auch an internationalen Übereinkommen, deren Einzugsbereich über die EU hinausreicht (dazu §  2). Indes orientieren sich zuweilen völkerrechtliche Übereinkommen auch an Rechtsakten der EU (dazu §  3). Es wird sich zeigen, dass nur die bei den beiden letzteren Formen bereits mit der inhaltlichen Orientierung und damit in der Entstehungsphase der Verordnung eine Koordination mit dem Vorgänger­ rechtsakt bezweckt ist. Schließlich findet Orientierung am Vorbildrechtsakt auch dergestalt statt, dass das EU-Recht keine selbstständige Regelung trifft, sondern ausdrücklich auf die völkervertragliche Regel verweist (dazu §  4).

§  1 Orientierung des EU-Kollisionsrechts an europäischen Vorgängerübereinkommen A. Überblick über die Entwicklung der Koordinationsgegenstände Die durch die Römischen Verträge406 geschaffene EWG zielte neben der Schaf­ fung eines Gemeinsamen Marktes und der Annäherung der Wirtschaftspoliti­ken der Mitgliedstaaten bereits auf die Angleichung von Rechtsvorschriften (Art.  100–­102 EWGV). Zulässige Angleichungsmechanismen beschränkten sich jedoch auf völkerrechtliche Verträge und Richtlinien; letztere waren schon zu 406  Unterzeichnet am 25.3.1957 von Belgien, Deutschland, Frankreich, Italien, Luxemburg und den Niederlanden; in Kraft getreten am 1.1.1958.

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1. Teil – 2.  Abschnitt: Methoden der inhaltlichen Koordination

dieser Zeit wie heute in ihren Zielen verbindlich, die genauere Gestaltung des nationalen Richtlinienrechts aber fiel den einzelnen Mitgliedstaaten zu.407 Ver­ ordnungen zur Vereinheitlichung der Rechtsvorschriften standen hingegen nicht zur Verfügung. Nach Art.  220 EWGV konnten die Vertragsstaaten zwar Verhand­ lungen untereinander einleiten, um ihren Staatsangehörigen u. a. Rechtsschutz und die Vereinfachung der Förmlichkeiten für die gegenseitige Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen und Schiedssprüchen sicherzustellen; dass dies in einer über die Richtlinie hinausgehenden Form geschehen konnte, war dort allerdings nicht zu lesen. Um also verbindliche Kollisionsregeln zu schaf­ fen, war ein völkerrechtlicher Vertrag das Mittel der Wahl.408 Mit dem EuGVÜ409 im IZVR und dem EVÜ410 im Schuldvertragskollisionsrecht wurden denn auch zwei für den internationalen Wirtschaftsverkehr wichtige Bereiche als völker­ rechtliche Verträge vereinheitlicht. Da die Auslegungshoheit des EuGH für diese Rechtsakte noch nicht bestand, wurden, um eine einheitliche Auslegung von EuGVÜ und EVÜ zu gewährleisten, Auslegungsprotokolle zwischen den Mit­ gliedstaaten vereinbart, so dass die Aufgabe der Auslegung dem aufgrund des EWGV eigentlich hierfür nicht zuständigen EuGH übertragen wurde.411 Neben den völkerrechtlichen Verträgen existieren heute EU-Verordnungen i. S. v. Art.  249 EGV bzw. Art.  288 AEUV im IPR und IZVR. Sie beruhen auf durch den Vertrag von Amsterdam eingeführten Vorschriften Art.  61 lit.  c und Art.  65 EGV bzw. seit dem 1.12.2009 auf dem durch den Vertrag von Lissabon eingeführten Art.  81 lit.  c AEUV. Damit verbunden sind zwei wesentliche Unter­ schiede zum staatsvertraglichen Kollisionsrecht. Erstens wirken die Verordnun­ gen gemäß Art.  288 Abs.  2 S.  2 AEUV unmittelbar in jedem Mitgliedstaat, be­ dürfen also nicht der Ratifikation durch den Mitgliedstaat. Und zweitens unter­ liegen die Verordnungen als sekundärem Europarecht von Natur aus der Auslegungs­hoheit des EuGH, so dass es einer völkerrechtlichen Vereinbarung der Zuständigkeit des EuGH nicht mehr bedarf.

407 

Siehe Art.  288 Abs.  3 AEUV. zur Bestimmung der Kompetenzgrundlage im EWGV Drappitz, Überfüh­ rung, S.  60 ff. 409  Unterzeichnet am 27.9.1968. 410  Unterzeichnet am 19.6.1980. 411  EuGVÜ-Auslegungsprotokolls vom 3.6.1971, ABl. EG 1975 Nr. L 204/28, für das EVÜ durch das Erste Protokoll betreffend die Auslegung des am 19.6.1980 in Rom zur Unterzeich­ nung aufgelegten Übereinkommens über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwenden­ de Recht durch den Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften, ABl. EG 1989 Nr. L 48/1; Fundstellen siehe Piekenbrock, EuR 2011, 317, 320. 408  Ausführlich

3. Kapitel: Inhaltl. Beziehungen zw. EU- u. völkervertraglichen Rechtsakten

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B. Funktionsweise I. Inhaltliche Orientierung als Koordination Die EU strebte ursprünglich Rechtsakte an, durch die EuGVÜ bzw. EVÜ ersetzt werden sollten.412 Daher sind die Brüssel I- und Brüssel Ia-VO sowie die Rom  I-VO einerseits höhere Entwicklungsstufen gegenüber EuGVÜ bzw. EVÜ hinsichtlich eines noch sachgerechteren Interessenausgleichs und einer noch in­ tensiveren Integration, die über die jeweilige Verordnungsnatur der Rechtsakte erreicht wird. Im Unterschied zu einer reinen Ersetzung existieren die Vorgän­ gerrechtsakte jedoch weiter, da – und wenn auch nur vorerst – nicht alle Vertrags­ staaten den nächsten Entwicklungsschritt mitgemacht haben bzw. mitmachen. Da dies meist schon im Entstehungsprozess, spätestens aber bei Annahme der Verordnung deutlich wird, ist zu diesem Zeitpunkt ebenfalls klar, dass es – zu­ mindest vorübergehend – innerhalb der EU zu einem Nebeneinander von Über­ einkommen und Verordnungen kommen wird.413 Aufgrund dieser vorhersehba­ ren Rechtsspaltung hätte sich eine Koordination der Verordnungen mit den Über­ einkommen von Anfang an angeboten, so dass der inhaltlichen Orientierung der Verordnungen ein Koordinationszweck zugrunde liegt. Daraus ergibt sich ihre Einordnung als Koordinationsmethode. 1. Weitergeltung der Vorgängerübereinkommen aufgrund der räumlichen Bereichsausnahmen Brüssel I-VO und Rom  I-VO beruhten jeweils zunächst auf den Kompetenzvor­ schriften des EG-Vertrags. Danach erstrecken sich der Geltungsbereich der Ver­ träge und damit auch die Geltung des hierauf beruhenden sekundären und tertiä­ ren Europarechts grundsätzlich auf das gesamte Hoheitsgebiet der Mitgliedstaa­ ten der damaligen EG.414 Die Ausnahmen betrafen nach Art.  299 Abs.  3–6 EGV bestimmte Hoheitsgebiete, die im Anhang 2 zum EGV aufgeführt sind. Da diese Bereichsausnahmen bereits im EGV enthalten waren, als der Entstehungsprozess von Brüssel I-VO und Rom  I-VO lief, war somit klar, dass EuGVÜ und Brüssel I-VO bzw. EVÜ und Rom  I-VO jeweils zeitgleich existieren würden. Die Rechtslage hat sich mit Inkrafttreten des AEUV nach dessen Art.  349 nicht geän­ dert.

412  Vorschlag des Rates einer Verordnung über die Zuständigkeit sowie Anerkennung und Vollstreckung in Zivil- und Handelssachen, 14.7.1999, KOM(1999) 348, S.  4. 413  Art.  24 Rom  I-VO bzw. Art.  68 Abs.  1 Brüssel I-VO ist in diesem Punkt nicht entschei­ dend, da es um die Entstehung, nicht das rechtliche Verhältnis geht. 414  Art.  299 Abs.  1 EGV und Art.  355 Abs.  1 AEUV.

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1. Teil – 2.  Abschnitt: Methoden der inhaltlichen Koordination

2. Weitergeltung der Vorgängerübereinkommen aufgrund der Geltungsbereichsausnahmen für das Vereinigte Königreich und Irland sowie Dänemark Zusätzlich zu den räumlichen Bereichsausnahmen enthielt Art.  69 EGV Gel­ tungsausnahmen zugunsten des Vereinigten Königreichs und Irlands sowie Dä­ nemarks. Danach waren das Vereinigte Königreich und Irland nicht verpflichtet, sich an der Zusammenarbeit bei Maßnahmen nach Titel IV des EGV – also u. a. nach Art.  65 i. V. m. Art.  61 Abs.  1 lit.  c EGV – zu beteiligen; ergänzend hierzu sind nach Art.  2 Hs.  1 des Protokolls über die Position des Vereinigten König­ reichs und Irlands hinsichtlich des Raums der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts415 Maßnahmen aufgrund dieses Titels für sie weder bindend noch an­ wendbar. Das Vereinigte Königreich und Irland können jedoch nach Art.  3 Abs.  1 des Protokolls Nr.  21 im Rahmen der Verstärkten Zusammenarbeit um Beitritt zu einer Maßnahme wie einer Verordnung ersuchen und wenden bei Annahme die­ ses Ersuchens durch die EU in diesem Falle eine Verordnung an. Bzgl. der Rom  I-VO hat die Kommission am 22.12.2008 ein entsprechendes Ersuchen des Vereinigten Königreichs angenommen.416 Zur Brüssel I-VO hatten beide Staaten bereits vor Verabschiedung mitgeteilt, sich an Annahme und Anwendung der Verordnung zu beteiligen.417 Dass beide Mitgliedstaaten Vertragsstaaten des EuGVÜ418 sowie des EVÜ419 sind, hatte in diesem Fall also nur auf das EVÜ Auswirkungen, das für Irland auch nach dem 17.12.2009 anwendbar war. Jedoch musste man zumindest mit der Möglichkeit rechnen, dass die Brüssel I-VO ohne Dänemark und die Rom  I-VO ohne Dänemark, das Vereinigte Königreich und Irland gelten würde; denn insoweit hatten diese Staaten bei Verabschiedung der Verordnungen, wenn Änderungen am Wortlaut nicht mehr vorgenommen wer­ den, jedenfalls noch keine Teilnahmeerklärungen abgegeben.420

415 

Im Folgenden „Protokoll Nr.  21“. Pressemitteilung der Europäischen Kommission vom 16.1.2009, abrufbar unter (zuletzt aufgerufen am 27.11.2014). 417  Siehe Erwägungsgrund Nr.  20 Brüssel I-VO. 418  Siehe Jayme/Hausmann, Nr.  151, Fn 1: Das Vereinigte Königreich war seit dem 1.1.1987 und Irland seit dem 1.6.1988 Vertragsstaat des EuGVÜ in Form des 2. Beitrittsübereinkom­ mens. 419  Das EVÜ galt im Verhältnis von Deutschland und dem Vereinigten Königreich und Ir­ land seit dem 15.2.1967, siehe Jayme/Hausmann, Nr.  70, Fn.  3. 420  Dies ergibt sich aus entsprechenden Erwägungsgründen der einzelnen Verordnungen, in denen die Position der Staaten Dänemark und Vereinigtes Königreicht deutlich gemacht wird. 416 

3. Kapitel: Inhaltl. Beziehungen zw. EU- u. völkervertraglichen Rechtsakten

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Auch für Dänemark sind gemäß Art.  2 S.  1 des Protokolls über die Position Dänemarks421 Maßnahmen nach Titel IV weder bindend noch anwendbar. Nach Art.  4 Abs.  1 des Protokolls Nr.  22 konnte und kann Dänemark jedoch durch den Beschluss, eine solche Maßnahme umzusetzen, seine völkerrechtliche Pflicht kreieren, dies zu tun – was im Falle einer Kollisionsrechtsverordnung hieße, sie anzuwenden. Bzgl. der Rom  I-VO hat Dänemark einen solchen Beschluss nicht gefasst. Die Vorschriften der Brüssel I-VO hingegen fanden schließlich seit des­ sen Inkrafttreten über das Übereinkommen zwischen der EU und Dänemark vom 19.10.2005422 Anwendung. Dänemark war Vertragsstaat sowohl des EuGVÜ als auch des EVÜ.423 II. Koordinationsmechanismus 1. Koordinierung in Gesetzesform Die inhaltliche Orientierung der Verordnung an ihrem jeweiligen Vorgängerüber­ einkommen führt im Wesentlichen zu inhaltlichen Gemeinsamkeiten zwischen Übereinkommen und Verordnung. Die inhaltliche Orientierung führt nicht zu vollkommener Regelungsidentität zwischen den Rechtsakten; es gibt sehr wohl Regelungsänderungen und -ergänzungen sowie vollkommen neue Regelungen. Charakteristisch ist jedoch die flächendeckende Übernahme von Regelungen des Vorgängerrechtsaktes, da sie die große Mehrheit der Regelungen ausmacht. Dies lässt sich am Verhältnis zwischen EuGVÜ und Brüssel I-VO sowie zwischen EVÜ und Rom  I-VO verdeutlichen. 2. Koordinierung durch Auslegungskohärenz a) Auslegungskohärenz Die zweite Seite der Koordinierung zwischen Vorgänger- und Nachfolgerechtsakt ist, dass dieselben Begriffe auch dieselbe Bedeutung haben. Das ist wichtig für die allgemeine Rechtssicherheit424 und kann im Rahmen der systematischen Aus­ legung verwendet werden. Sie unterscheidet sich also nicht von der Begriffs­ kohärenz im Verhältnis sonstiger EU-Rechtsakte.425

421 

Im Folgenden „Protokoll Nr.  22“. 2007 Nr. L 94/70. 423  Das EuGVÜ galt im Verhältnis von Dänemark und Deutschland in Form des 4. Beitritts­ übereinkommens vom 29.11.1996 seit dem 1.1.1999, siehe Jayme/Hausmann, Nr.  150, Fn.  1 unten. 424  Erwägungsgrund Nr.  19 Brüssel I-VO. 425  Siehe oben S. 83. 422  ABl. EU

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1. Teil – 2.  Abschnitt: Methoden der inhaltlichen Koordination

b) Eingeschränkte interpretatorische Vorwirkung Über ihren zeitlichen Anwendungsbereich hinaus kann einer Verordnung einge­ schränkt interpretatorische Vorwirkung auf solche Fragen zukommen, die sich noch in Anwendung der Vorgängerverordnung oder des Vorgängerübereinkom­ mens stellen. Nach derzeitigem Stand ist eine Vorwirkung im Falle von Präzisie­ rungen der Nachfolgeregelung möglich, wie sich aus der EuGH-Entscheidung Verein für Konsumenteninformation v. Karl Heinz Henkel ergibt. Dort hatte der EuGH nämlich den Inhalt von Art.  5 Nr.  3 Brüssel I-VO – obwohl zeitlich nicht anwendbar – zur Auslegung von Art.  5 Nr.  3 EuGVÜ herangezogen.426 Da Art.  5 Nr.  3 Brüssel I-VO eine Präzisierung der in Art.  5 Nr.  3 EuGVÜ enthaltenen Re­ gelung darstelle, sei es aus Gründen der Kohärenz von EuGVÜ und Brüssel I-VO und zum Zwecke der Rechtssicherheit angebracht, den –zeitlich an sich nicht anwendbaren – Art.  5 Nr.  3 Brüssel I-VO bei der Auslegung heranzuziehen.427 Diesen Gedanken hat der BGH zur Vollstreckbarerklärung eines im Ausland ergangenen Versäumnisurteils weitergeführt. In diesem Zusammenhang war der Anerkennungsversagungsgrund des Art.  27 Nr.  2 EuGVÜ zentraler Gegenstand der Diskussion. Danach wird eine Entscheidung nicht anerkannt, wenn das ver­ fahrenseinleitende oder ein gleichwertiges Schriftstück dem Beklagten nicht ordnungsgemäß oder so rechtzeitig zugestellt worden ist, dass er sich verteidigen konnte. Die Nachfolgevorschrift Art.  34 Nr.  2 Brüssel I-VO war dahin geändert worden, dass der Beklagte die nicht rechtzeitige Zustellung des verfahrensein­ leitenden Schriftstücks nicht als solchen Grund geltend machen könne, wenn er keinen Rechtsbehelf dagegen eingelegt hat, obwohl er die Möglichkeit dazu hat­ te. Hierin sah der BGH keine bloße Präzisierung, sondern mit Verweis auf die einschlägige Literatur eine Modifikation. Der BGH schloss eine interpretatori­ sche Vorwirkung folglich aus.428

C. Zweck der Koordinationsmethode Hinsichtlich des Koordinationszwecks zeigt sich, dass die inhaltliche Orientie­ rung von Verordnungen an ihren Vorgängerübereinkommen nicht in erster Linie auch die Koordination zwischen diesen Rechtsakten bezweckt, sondern dieser Zweck – so er überhaupt besteht – jedenfalls in den Hintergrund tritt (dazu I.). 426  EuGH, Urt. v. 1.10.2002, C-167/00, Verein für Konsumenteninformation v. Karl Heinz Henkel, Slg. 2002, I-8111, Rdn.  49. 427  EuGH, Urt. v. 1.10.2002, C-167/00, Verein für Konsumenteninformation v. Karl Heinz Henkel, Slg. 2002, I-8111, Rdn.  49. 428  BGH, Beschl. v. 22.7.2004 – IX 2/03, NJW 2004, 3189 f. mit Verweis auf Kropholler7, Art.  34 EuGVVO, Rdn.  42; Schlosser2, Art.  34–36 EuGVVO, Rdn.  8; Stadler, in: Gottwald, Revision des EuGVÜ, 37, 49 f.

3. Kapitel: Inhaltl. Beziehungen zw. EU- u. völkervertraglichen Rechtsakten

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Diese hier behandelte Form der inhaltlichen Orientierung dient vielmehr fast ausschließlich der Rechtsentwicklung, konkret der Weiterentwicklung der Vor­ schriften des IPR und IZVR (dazu II.). I. Koordination von Übereinkommen und Verordnung Dass der Orientierung der EU-Verordnungen an ihren Vorgängerübereinkommen ein Koordinationszweck zukommen könnte, ist daran zu sehen, dass die Verord­ nungen nicht darauf angelegt waren, die Übereinkommen gänzlich zu ersetzen. Vielmehr war von vornherein bekannt, dass den Übereinkommen ein gewisser räumlicher Anwendungsbereich zukommen würde, der von den Verordnungen nicht abgedeckt werden würde.429 Ferner hatte die Kommission in ihrem Verord­ nungsvorschlag zur Rom  I-VO ausdrücklich formuliert, keine neuen Aspekte einbringen zu wollen, „die das bestehende Rechtssystem inhaltlich ändern könn­ ten“430. Die damit einhergehende Nähe zum EVÜ hätte somit unschwer auch als Wunsch verstanden werden können, das Europa der zwei Geschwindigkeiten inhaltlich nicht zu weit zu treiben. Dass mit dieser Orientierung aber auch ein Koordinationswille verbunden ist, lässt sich indes nicht belegen. Positiv ließe sich dies nur beweisen, wenn man zeigen könnte, dass sich die EU gerade mit Blick auf die Nichtteilnahme von Mitgliedstaaten an einem Vorgängerübereinkommen orientiert hätte, oder wenn sich der Koordinationswille aus den Gesetzesmaterialien ergäbe. Eine konse­ quente Koordination aufgrund der Nichtteilnahme von Staaten hätte jedoch dazu führen müssen, dass nicht nur die Mehrheit der Regelungen in die neue Verord­ nung übertragen wird, sondern alle – und zwar ohne Änderungen. Dies lässt sich aber gerade nicht belegen. Vielmehr sind an entscheidenden Stel­ len wesentliche Änderungen vorgenommen worden. So ist in Art.  5 Nr.  1 lit.  b Brüs­ sel I-VO trotz der Nichtteilnahme von Staaten eine unionsweit einheitliche Defini­ tion des Erfüllungsortes bei Verträgen über den Kauf von beweg­lichen Sachen bzw. über Dienstleistungen eingeführt worden, was eine Abweichung von der Tessili-­ Rechtsprechung431 bedeutete, wodurch die in diesem Urteil hergeleitete Bestim­ mung des Erfüllungsortes nach dem anwendbaren Recht in Kauf- und Dienstleis­ tungsverträgen nicht mehr erforderlich war.432 Zudem wurde in Art.  6 Rom  I-VO der sachliche Anwendungsbereich des Verbraucherkollisionsrechts verändert. Die­ ses Verhalten spricht tendenziell sogar gegen einen Koordinationswillen.

429 

Siehe oben S. 149. Rom  I-VO Vorschlag, KOM(2005) 650 endg., S.  3. 431  EuGH, Urt. v. 6.10.1976, C-12/76, Tessili v. Dunlop AG, Slg. 1976, 1473. 432  Siehe dazu ausführlich sogleich unter S. 158 sowie S. 323. 430 

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1. Teil – 2.  Abschnitt: Methoden der inhaltlichen Koordination

Ferner geht ein ausdrücklicher Wille zur Koordination nicht aus den Gesetzes­ materialien hervor. Im Gegenteil wird ausdrücklich „bedauert“, dass durch die Nichtteilnahme von „Vereinigtem Königreich und Dänemark […] die Harmoni­ sierungseffekte geringer ausfallen, als das möglich wäre“433. Dies impliziert, dass das Harmonisierungsziel in diesen Ländern nicht erreicht wird und damit das Europa der zwei Geschwindigkeiten doch akzeptiert wird. Daraus folgt, dass die EU zwar einerseits willens war und nach wie vor ist, die Nähe zu den nicht beteiligten Staaten zu suchen und sie zu Beteiligten der Rechtsentwicklung zu machen. Andererseits hat die Nichtbeteiligung der genannten Staaten offenbar nicht dazu beigetragen, die EU davon abzuhalten, die betreffenden Verordnun­ gen in Kraft zu setzen. Dies zeigt, dass es das Ziel der EU geblieben ist, die eu­ ropäische Rechtslage weiterzuentwickeln; das andere Ziel, durch spätere Ein­ bootung der noch nicht Beteiligten die vollständige, EU-weite Harmonisierung zu erreichen, wird auf einen späteren Zeitpunkt verschoben. II. Orientierung als Grundlage der Weiterentwicklung von EuIPR und EuZPR Mit der Vergemeinschaftung der Kollisionsnormen sollte im Bereich der vertrag­ lichen Schuldverhältnisse ausweislich des entsprechenden Vorschlags keine in­ haltliche Veränderung des bestehenden Rechtssystems einhergehen.434 Es wur­ den jedoch auch bei der Entstehung der Brüssel I- und der Rom  I-VO zumindest der Wert und auch die Notwendigkeit gesehen, die Kollisionsnormen des Über­ einkommens zu aktualisieren und klarer zu formulieren.435 Daher muss man zu dem Schluss kommen, dass sich wenigstens die Wortlaute gewisser Vorschriften nicht bewährt haben. Gründe dafür anzuführen, warum sich eine Vorschrift bzw. ihr Wortlaut bewährt haben, ist indes nicht leicht – die verantwortlichen Institu­ tionen sehen hier keinen Ausführungsbedarf. Erklärungen finden sich nur, wenn Klarstellungen und Anpassungen vorgenommen werden. Man kann also sagen, dass sich eine Norm aus Sicht des Gesetzgebers dann bewährt hat, wenn er weder Klarstellungen noch Anpassungen für erforderlich gehalten hat. Wenn es zu Normklarstellungen kommt, liegt das in der Regel daran, dass der Wortlaut unterschiedliche Auslegungen zuließ und der Gesetzgeber ein Auslegungsproblem lösen wollte (dazu 1.). Normanpassungen sind dagegen die Reaktion auf ein Funktionalitätsproblem der jeweiligen Norm (dazu 2.). Aller­ 433 

Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht (Rom  I), KOM(2005) 650 endg., ABl. EU 2006 Nr. C 318/56. 434  KOM(2005) 650 endg., S.  3. 435  Siehe nur KOM(2005) 650 endg., S.  3.

3. Kapitel: Inhaltl. Beziehungen zw. EU- u. völkervertraglichen Rechtsakten

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dings ist der Rückschluss, dass Normen nur beibehalten werden, wenn sie keine ungeklärten rechtlichen Streitpunkte mehr aufweisen, nicht möglich (dazu 3.). 1. Präzisierung zur Lösung von Rechtsfortbildungsproblemen a) Präzisierung unter Vorbild einer Entscheidung des EuGH Wenn Veränderungen in einer Verordnung Präzisierungen enthalten, bedeutet dies, dass der Inhalt einer bestimmten Regelung umstritten war und der Streit von Literatur und Rechtsprechung nicht beigelegt werden konnte. Ein Beispiel dafür ist die Auslegung des Schadenseintrittsortes bei Art.  5 Nr.  3 EuGVÜ. Dort stellte sich die Frage, ob auch vorbeugende Unterlassungsklagen erfasst waren, bei denen der Schaden noch nicht eingetreten ist und für die es daher keinen Schadenseintrittsort gibt, an den nach Art.  5 Nr.  3 EuGVÜ angeknüpft werden könnte.436 Der EuGH hatte eine entsprechenden Vorlagefrage dahin gehend be­ antwortet, Art.  5 Nr.  3 EuGVÜ sei auch auf Unterlassungsklagen anzuwenden.437 Dagegen war zwar angeführt worden, dass der Wortlaut des Art.  5 Nr.  3 EuGVÜ eindeutig sei und auf eine bereits erfolgte unerlaubte Handlung438 bzw. auf einen Schadenseintritt439 gerichtet sei. Als entscheidend sah der EuGH jedoch an, dass es widersprüchlich sei, an einem Gerichtsstand, an dem man auf Schadensersatz für eingetretene unerlaubte Handlungen klagen könne, nicht Klagen erheben könne, die darauf gerichtet seien, den Schadenseintritt gerade zu verhindern.440 Ferner komme auch bei vorbeugenden Unterlassungsklagen eine dem Deliktsge­ richtsstand innewohnende Sachnähe zu, die eine solche Auslegung rechtferti­ ge.441 Durch einen entsprechenden Zusatz in Art.  5 Nr.  3 Brüssel I-VO hatte der Gesetzgeber deutlich gemacht, dass der besondere Gerichtsstand auch auf vor­ beugende Unterlassungsklagen Anwendung finden sollte. Dabei ist an den Ort anzuknüpfen, an dem das schädigende Ereignis einzutreten droht. In dem Fall, den der EuGH zu entscheiden hatte, war Art.  5 Nr.  3 Brüssel I-VO zeitlich noch nicht anwendbar, so dass Art.  5 Nr.  3 EuGVÜ herangezogen wurde.

436 

Kropholler/v. Hein, Art.  5 EuGVO, Rdn.  76. EuGH, Urt. v. 1.10.2002, C-167/00, Verein für Konsumenteninformation v. Henkel, Slg. 2002, I-8111, Rdn.  48. 438  LG Bremen, Urt. v. 28.3.1991 − 12 O 729/89, RIW 1991, 416. 439  Ansicht der Beklagtenseite und der französischen Regierung in EuGH, Urt. v. 1.10.2002, C-167/00, Verein für Konsumenteninformation v. Henkel, Slg. 2002, I-8111, Rdn.  44. 440  EuGH, Urt. v. 1.10.2002, C-167/00, Verein für Konsumenteninformation v. Henkel, Slg. 2002, I-8111, Rdn.  48. 441  EuGH, Urt. v. 1.10.2002, C-167/00, Verein für Konsumenteninformation v. Henkel, Slg. 2002, I-8111, Rdn.  46. 437 

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1. Teil – 2.  Abschnitt: Methoden der inhaltlichen Koordination

b) Klarstellung ohne vorherige Entscheidung des EuGH Eine Klarstellung ist dagegen im Falle dogmatischer Streitigkeiten zu sehen, bei denen sich der EuGH noch nicht geäußert hat. Dabei ist der Meinungsstreit je­ doch von der Literatur eingehend behandelt worden, so dass sich zumindest eine herrschende Meinung herausgebildet hat, an der sich eine Auslegung orientieren kann. Eine solche Konstellation ergab sich z. B. bei der Frage, ob eine Rechtswahl zugunsten nichtstaatlichen Rechts möglich ist. Nach Art.  3 Abs.  1 EVÜ war um­ stritten, ob eine solche Rechtswahl möglich sei, was insbesondere die Principles of European Contract Law sowie die UNIDROIT-Principles betraf.442 Eine der­ artige Rechtswahl wurde aufgrund deren nicht-staatlichen Charakters über­ wiegend nicht für möglich gehalten.443 Nach Art.  3 Abs.  1 Rom  I-VO hat sich an dieser Auffassung nichts geändert. Im Gegenteil ist sogar noch ein weiteres Ar­ gument dafür hinzugekommen, dass die kollisionsrechtliche Rechtswahl nicht-­ staatlichen Rechts nicht möglich ist. Der Vorschlag zur Rom  I-VO enthielt in seinem Art.  3 Abs.  1 eine Regelung, wonach die Rechtswahl u. a. der UNIDROIT-­ Principles ausdrücklich zulässig gewesen wäre. Dass diese Regelung nicht über­ nommen wurde, zeigt, dass der europäische Rechtssetzer hier im Verordnungs­ text selbst nicht ausdrücklich weiter gehen will, als es in einer materiellen Ver­ weisung zu erlauben.444 2. Wesentliche Änderung bei Anwendungsproblemen in der Praxis a) Anpassung bei wesentlichen Änderungen am Beispiel von Art.  34 Nr.  2 Brüssel I-VO Von Anpassungen spricht man demgegenüber dann, wenn der geänderte Wort­ laut einen im bisherigen Wortlaut noch nicht angelegten Regelungsgehalt um­ fasst und damit eine Rechtsänderung darstellt. Mit dieser Begründung hatte z. B. der BGH die Vorwirkung der in Art.  34 Nr.  2 Brüssel I-VO gegenüber Art.  27 Nr.  2 EuGVÜ eingefügten Einschränkung abgelehnt.445 Art.  34 Nr.  2 Brüssel I-VO bzw. Art.  27 Nr.  2 EuGVÜ enthalten ein Anerkennungshindernis für den Fall, dass eine Entscheidung in einem Verfahren zustande gekommen ist, in wel­ chem dem Beklagten das verfahrenseinleitende Schriftstück nicht so rechtzeitig oder nicht so zugeleitet wurde, dass er sich verteidigen konnte. Die neue Ein­ schränkung in Art.  34 Nr.  2 Brüssel I-VO machte es dem Beklagten nun unmög­ 442 

Heiss, EVÜ-Kommentar, Art.  3 Rdn.  44. Rauscher, IPR, Rdn.  1188. 444  Siehe Erwägungsgrund Nr.  13 Rom  I-VO; siehe auch Rauscher, IPR, Rdn.  1190. 445  Siehe dazu S. 152. 443 

3. Kapitel: Inhaltl. Beziehungen zw. EU- u. völkervertraglichen Rechtsakten

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lich, sich auf dieses Hindernis zu berufen, wenn er sich nicht mit Rechtsbehelfen gegen diesen Missstand zur Wehr gesetzt hat, obwohl er die Möglichkeit dazu hatte. Mit Verweis auf das Schrifttum nahm der BGH hier eine Regelungsände­ rung durch Art.  34 Nr.  2 Brüssel I-VO an, die in Art.  27 Nr.  2 EuGVÜ nicht an­ gelegt war. b) Anpassungen in Verbraucher-IZVR und -IPR Eine Normanpassung von vergleichbarem Grad war auch im Falle von Art.  13 Nr.  3 EuGVÜ notwendig. Neben Verbraucherkreditgeschäften und dem Teilzah­ lungskauf beweglicher Sachen enthielt er die dritte Fallgruppe für die Anwend­ barkeit der Zuständigkeit in Verbrauchersachen nach Art.  13 ff. EuGVÜ für ande­ re Verträge, wenn sie die Erbringung einer Dienstleistung oder die Lieferung beweglicher Sachen zum Gegenstand haben, sofern dem Vertragsabschluss in dem Staat des Wohnsitzes des Verbrauchers ein ausdrückliches Angebot oder eine Werbung vorausgegangen ist (lit.  a) und der Verbraucher in diesem Staat die zum Abschluss des Vertrages erforderlichen Rechtshandlungen vorgenommen hat (lit.  b). Die Vorschrift galt damit nur für den sog. „passiven“ Verbraucher, der den Wohnsitzstaat zu keinem Zeitpunkt für Anbahnung und Abschluss des Ver­ trages verließ;446 der sog. „aktive“ Verbraucher, der sich selbst in einen anderen Staat begeben hatte, um dort einen Vertragsschluss herbeizuführen447, war hinge­ gen nicht bedacht.448 Mit Art.  15 Abs.  1 lit.  c Brüssel I-VO wurde demgegenüber eine Anpassung vorgenommen, wonach ein Vertragsschluss im Wohnsitzstaat des Verbrauchers nicht mehr erforderlich war. Vielmehr reichte nunmehr aus, dass der Unternehmer seine geschäftliche Tätigkeit auf den Wohnsitzstaat des Verbrauchers ausgerichtet hatte, so dass der Vertrag auch im Ausland geschlos­ sen worden sein konnte. Das „Ausrichten“ dient dazu, den Bedürfnissen des In­ ternetverkehrs gerecht zu werden.449 Damit konnte nun auch der aktive Verbrau­ cher von dem Verbrauchergerichtsstand profitieren. Zu einer ähnlichen Anpassung kam es im Verbraucher-IPR. Nach Art.  5 Abs.  2 EVÜ war auch hier grundsätzlich nur der passive Verbraucher (Spiegelstriche 1 und 2) geschützt, da beide Konstellationen einen Vertragsschluss oder die Bestel­ lung durch den Verbraucher in dem Staat vorsahen, in dem der Verbraucher sei­ nen gewöhnlichen Aufenthalt hat. Ein aktiver Verbraucher war nach Spiegel­ strich 3 nur beim Kauf von Waren und auch nur dann geschützt, wenn er sich auf Veranlassung des Verkäufers ins Ausland begeben und dort den Vertrag abge­ 446 

Junker RIW 2002, 569, 574. Junker RIW 2002, 569, 574. 448  Siehe dazu Geimer/Schütze1, Art.  13 EuGVÜ, Rdn.  36. 449  Junker RIW 2002, 569, 574. 447 

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1. Teil – 2.  Abschnitt: Methoden der inhaltlichen Koordination

schlossen hatte. Nicht erfasst waren dagegen die sog. „Gran-Canaria“-Fälle, in denen der Verbraucher erst im Ausland zum Vertragsschluss veranlasst worden war; daraus ergab sich für Verkäufer eine – nicht gerade selten genutzte – Mög­ lichkeit, den kollisionsrechtlichen Verbraucherschutz zu umgehen.450 Die Kritik hat dazu geführt, dass es bei der Neuregelung in Art.  6 Rom  I-VO nur noch erfor­ derlich ist, dass der Unternehmer seine berufliche oder gewerbliche Tätigkeit in dem Mitgliedstaat, in dem der Verbraucher seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat, ausübt oder auch nur auf diesen Staat ausrichtet. Das Ausrichten dient dabei ins­ besondere der Einbeziehung des elektronischen Geschäftsverkehrs.451 Die hier genannten Änderungen beruhen also auf Insuffizienzen der jeweili­ gen Altregelung. Liegen dagegen bei einer Regelung derartige Anwendungs­ schwierigkeiten nicht vor, kommt es zu keiner Anpassung der Vorschrift. 3. Fehlende Änderung trotz Problemen mit der Regelung Zu Änderungen im Wortlaut kommt es auch dann nicht, wenn der EuGH sich zu einer Rechtsfrage geäußert hat, der Inhalt einer Kollisionsnorm damit aus Sicht des EU-Gesetzgebers geklärt ist und sich der geklärte Inhalt einer Regelung durch ihre Auslegung ergibt. Da den Entscheidungen des EuGH als oberstem Aus­ legungsorgan von Unionsrecht eine wichtige Bedeutung zukommt, kann sich der europäische Rechtssetzer bei der Erstellung von Rechtsakten darauf beziehen. a) Wortidentische Übernahme im Verhältnis von Art.  5 Nr.  1 EuGVÜ und Art.  5 Nr.  1 lit.  a Brüssel I-VO Dies kann man z. B. an der Bestimmung des Erfüllungsortes in Art.  5 Nr.  1 Eu­ GVÜ bzw. Art.  5 Nr.  1 lit.  a Brüssel I-VO sehen. Der EuGH hatte sich in seiner Tessili-Entscheidung452 für eine Bestimmung nach der lex causae entschieden. Innerhalb der Zuständigkeitsprüfung ist also inzident das anwendbare Vertrags­ statut zu bestimmen. Bezugspunkt ist nach seiner De Bloos-Entscheidung453 die­ jenige Forderung in einer Vertragsbeziehung, die den Grund der gerichtlichen Auseinandersetzung darstellt.454 Trotz Kritik am Regelungskonzept ist die Regelung in Art.  5 Nr.  1 lit.  a Brüs­ sel I-VO übernommen worden. Die Kritik betraf und betrifft im Wesentlichen drei Aspekte. Zunächst sei es nicht praktikabel, die Zuständigkeitsprüfung durch eine Prüfung des anwendbaren Rechts zu überladen. Weiter könne dann, wenn 450 

v. Hoffmann/Thorn, IPR, Rdn.  73. Rauscher, IPR, Rdn.  2053. 452  EuGH, Urt. v. 6.10.1976, C-12/76, Tessili v. Dunlop AG, Slg. 1976, 1473, Rdn.  13 ff. 453  EuGH, Urt. v. 6.10.1976, C-14/76, Tessili v. Dunlop AG, Slg. 1976, 1473, Rdn.  6 ff. 454  EuGH, Urt. v. 6.10.1976, C-14/76, Tessili v. Dunlop AG, Slg. 1976, 1473, Rdn.  11. 451 

3. Kapitel: Inhaltl. Beziehungen zw. EU- u. völkervertraglichen Rechtsakten

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unterschiedliche Forderungen desselben Rechtsverhältnisses für die Ermittlung der Zuständigkeit maßgeblich seien, dieses Rechtsverhältnis aus seiner Einheit­ lichkeit entrissen und zersplittert werden. Schließlich seien bei Geldschulden dann die Gläubiger im Vorteil, wenn die lex causae für eine Geldschuld eine Bringschuld vorsehe; für eine solche Bevorteilung seien jedoch keine Gründe ersichtlich.455 Die Beibehaltung des Wortlauts in Art.  5 Nr.  1 lit.  a Brüssel I-VO könnte je­ doch auch auf eine schleichende Änderung der Rechtslage gerichtet gewesen sein. So wird darauf hingewiesen, dass es sich bei Art.  5 Nr.  1 Brüssel I-VO ins­ gesamt um einen Kompromiss gehandelt habe: lit. a für die konservativere Seite, lit.  b für die modernere.456 Denn gegenüber lit.  a enthält lit.  b für Kauf- und Dienstleistungsverträge eine Abweichung von der Originalvorschrift, welche die Anwendung der Tessili/De-Bloos-Rechtsprechung nicht zulässt. Danach wird der Erfüllungsort unionsrechtsautonom bestimmt. Damit ist zugleich einer Be­ stimmung des Erfüllungsortes nach der lex causae ein Riegel vorgeschoben. Die­ se neue Regelung kann als Reaktion des EU-Gesetzgebers auf die oben genann­ ten Gegenstimmen zur Tessili-/De-Bloos-Rechtsprechung des EuGH verstanden werden. Durch seine Einführung in die Brüssel I-VO gewinnt lit.  b aber auch aus methodischer Sicht einiges Gewicht. So könnte lit.  a nämlich im Lichte von lit.  b auszulegen sein – und man auf diese Weise mit der Zeit geneigt sein, der Tessili-/ De-Bloos-Lösung des EuGH die Grundlage zu entziehen.457 b) Wortidentische Übernahme im Verhältnis von Art.  5 Nr.  3 EuGVÜ zu Art.  5 Nr.  3 Brüssel I-VO Regelungen werden jedoch nicht nur dann unverändert übernommen, wenn dies­ bezügliche Streitigkeiten geklärt sind. Dies geschieht auch dann, wenn der EuGH zu einer Frage Stellung bezogen hat und aus Sicht des EU-Gesetzgebers aus der Literatur keine andere zufriedenstellende Lösung vorgebracht wurde. Dies lässt sich an Art.  5 Nr.  3 EuGVÜ und der Frage nach der Ermittlung des besonderen Gerichtsstands bei Streudelikten zeigen – also solchen Delikten, bei denen es einen Handlungsort und eine Vielzahl von Orten des Schadenseintritts, also Erfolgsorten gibt. Bereits nach Art.  5 Nr.  3 EuGVÜ war umstritten, welche Auswirkung die Viel­ zahl von Erfolgsorten auf die Bestimmung des Deliktsgerichtsstands haben soll­ te. Nach Ansicht des EuGH – der sog. „Mosaiktheorie“ – sollen sowohl der Handlungsort als auch alle Erfolgsorte einen besonderen Gerichtsstand nach 455 

Zum Ganzen Kropholler/v. Hein, Art.  5 EuGVO Rdn.  22. Siehe nur Mankowski, JZ 2009, 958, 960 f. 457  Mankowski, JZ 2009, 958, 960 f. 456 

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1. Teil – 2.  Abschnitt: Methoden der inhaltlichen Koordination

Art.  5 Nr.  3 EuGVÜ begründen; jedoch solle an den Erfolgsorten nur der Teil des Schadens einklagbar sein, soweit er dort auch eingetreten ist.458 Diese Ansicht wurde jedoch nicht durchweg geteilt. Vielmehr gab es auch Stimmen, die einer solchen Aufteilung des Schadens und dessen Verteilung auf verschiedene De­ liktsgerichtsstände nicht zustimmen wollten. Dies wurde und wird zum einen damit begründet, dass dies für den Geschädigten unangemessen sei.459 Zum an­ deren wurde bemängelt, die Shevill-Rechtsprechung führe dazu, dass insbeson­ dere bei Pressedelikten der Niederlassungsort der Handlungsort sei und so regel­ mäßig mit dem allgemeinen Gerichtsstand zusammenfalle; hierdurch werde der Handlungsortsgerichtsstand gleichsam abgeschafft.460 Trotz des nach wie vor nicht geklärten Streits hat der EU-Gesetzgeber keine Präzisierung vorgenom­ men. Der EU-Gesetzgeber geht vielmehr von der Rechtsansicht des EuGH aus.461

D. Koordinationsakteure I. Koordination durch die EU insgesamt Verwirklicht wird diese Form der Koordination auf Ebene der EU sowohl durch die Legislative als auch die Judikative in Person des EuGH. An diesem Beispiel zeigt sich auch besonders gut das Zusammenspiel von Europäischer Kommis­ sion, Europäischem Parlament und dem Wirtschafts- und Sozialausschuss. 1. Koordinativer Beitrag der Europäischen Kommission Ein Anklang der Vorgehensweise der Gesetzgebungsorgane ergibt sich bereits aus den Erwägungsgründen von Brüssel I-VO und Rom  I-VO. In den Erwä­ gungsgründen beider Rechtsakte wird auf den Vorgängerrechtsakt Bezug ge­ nommen, wobei in Erwägungsgrund Nr.  19 Brüssel I-VO deutlich der Wunsch der Normgeber nach Kontinuität zwischen EuGVÜ und Brüssel I-VO zutage tritt. Die Erwägungsgründe der Rom  I-VO enthalten dagegen keine Hinweise auf ein generelles Kontinuitätsstreben; dies lässt sich aus der Verordnung lediglich bezogen auf einzelne Regelungsaspekte feststellen, so in Erwägungsgrund Nr.  15 zum Verhältnis von Art.  3 Abs.  3 Rom  I-VO und Art.  3 Abs.  3 EVÜ sowie in Er­ wägungsgrund Nr.  22 zum Verhältnis von Art.  5 Rom  I-VO und Art.  4 Abs.  4 S.  3 EVÜ. 458  EuGH, Urt. v. 7.3.1995, C-68/93, Fiona Shevill et al. v. Presse Alliance SA, Slg. 1995, I-415, Rdn.  30. 459  Coester-Waltjen, FS Schütze, 175, 182 f. 460  Kreuzer/Klötgen, IPRax 1997, 90, 94. 461  Erwägungsgrund Nr.  19 S.  2 Brüssel I-VO.

3. Kapitel: Inhaltl. Beziehungen zw. EU- u. völkervertraglichen Rechtsakten

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2. Bedeutung der Stellungnahmen des Europäischen Parlaments und des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses für die Koordinationswirkung Der EWSA hatte in seiner Stellungnahme zum Kommissionsvorschlag eigene Verbesserungsvorschläge gemacht. Dies betraf zunächst Art.  15 Nr.  3 des Vor­ schlags zur Brüssel I-VO. Art.  15 V-Brüssel I-VO geht auf Art.  13 EuGVÜ zu­ rück und enthält die Voraussetzungen, unter denen die Gerichtsstände des Ab­ schnitts über die Verbrauchersachen anwendbar seien. Nach Art.  15 Nr.  3 V-Brüs­ sel I-VO sollte dies auch der Fall sein, wenn der Unternehmer „in dem Mitgliedstaat, in dem der Verbraucher seinen Wohnsitz hat, eine berufliche oder gewerbliche Tätigkeit betreibt oder eine solche auf irgend einem Weg auf diesen Staat oder auf mehrere Länder, einschließlich dieses Staates ausrichtet und der Vertrag in den Bereich dieser Tätigkeit fällt“462. Der EWSA hielt die Formulie­ rung „auf irgend einem Wege auf diesen Staat ausrichtet“ nicht für ausreichend deutlich. Als vertrauensbildende Maßnahme zwischen den Vertragspartnern machte der EWSA aber keinen konkreten Vorschlag, sondern beließ es bei einem allgemeinen Wegweiser, nicht den Gerichten die gesamte Auslegungsarbeit zu überlassen, sondern unter Zugrundelegung der „Erfordernisse des elektronischen Handels“ und der „Wahrung der Verbraucherschutzbelange“ eine klarere Formu­ lierung zu finden.463 Ein weiterer Verbesserungsvorschlag betraf u. a. Art.  5 Abs.  3 des Kommissionvorschlags und den damit angesprochenen Gerichtsstand der unerlaubten Handlung. Der EWSA regte an, die Brüssel I-VO um Legaldefi­ nitionen der Begriffe der unerlaubten Handlung und der dieser gleichgestellten Handlung zu erweitern sowie sich bei der Formulierung der Legaldefinitionen an die Rechtsprechung des EuGH zu halten.464 Die Formulierung aus Art.  15 Nr.  3 ist in Art.  15 lit.  c Brüssel I-VO wortiden­ tisch übernommen worden. Zwar erließen Rat und Kommission eine gemeinsa­ me Erklärung, die den unklaren Wortlaut hinsichtlich Websites erläuterte.465 Die Erklärung beschränkte sich jedoch darauf, die bereits im Kommissionsvorschlag verwendeten Begriffe „aktive Webseite“ bzw. „passive Webseite“ zu erläutern. Jedenfalls hatte die Kommission aber in ihrem Vorschlag das Problem erkannt und ein Hearing dazu in Aussicht gestellt.466 Es ist also nicht ersichtlich, dass die Stellungnahme des EWSA die Kommission und damit die Entwicklung der Brüssel I-VO in diesem Punkt beeinflusst hätte. 462 

Vorschlag Kommission, KOM(1999) 348, S.  40. Stellungnahme EWSA, 2000/117/02, 26.4.2000 (ABl. EG Nr. C 117/6, S.  10). 464  Stellungnahme EWSA, 2000/117/02, 26.4.2000 (ABl. EG Nr. C 117/6, S.  10). 465  (abgerufen am 1.3.2013). 466  Vorschlag Kommission, KOM(1999) 348, S.  18. 463 

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1. Teil – 2.  Abschnitt: Methoden der inhaltlichen Koordination

Dasselbe gilt für den zweiten Punkt. Im Vergleich zum Kommissionvorschlag ist die Brüssel I-VO um keine Definition reicher. Zwar ist der Abschnitt „Allge­ meine Vorschriften“ in der Brüssel I-VO ausgeweitet worden. Er wurde jedoch neben den Art.  59 und 60 Brüssel I-VO – die mit den Art.  56 und 57 V-Brüssel I-­VO wortidentisch sind – nicht um Definitionen, sondern um Sonderregelun­ gen für Spezialkonstellationen erweitert. Insbesondere wurde Art.  5 Nr.  3 Brüs­ sel I-VO nicht mit einer Legaldefinition ausgestattet und nicht einmal in den Erwägungsgründen fanden die Anregungen des EWSA Niederschlag. Die Stel­ lungnahme des EWSA hat sich also auf die Fassung der Brüssel I-VO nicht wei­ ter ausgewirkt. Der Einfluss des EWSA erwies sich dagegen bei der Entwicklung der Rom  I-VO als um einiges umfangreicher. Zwar wurde dem Vorschlag, die nach­ trägliche Rechtswahl bei Verbraucherverträgen entsprechend Art.  17 Nr.  1 Brüs­ sel I-VO auf einen Zeitpunkt nach Entstehung der Rechtsstreitigkeit zwischen dem Verbraucher und dessen Vertragspartner zu beschränken, nicht gefolgt. Demgegenüber lassen sich zum einen im Bereich der Rechtswahl, zum anderen im Bereich des objektiven Vertragsstatuts Veränderungen vom Kommissionsvor­ schlag zur endgültigen Regelung erkennen, bei denen das zu lösende Grundpro­ blem in der Stellungnahme des EWSA zur Sprache kam. Zur Rechtswahl hatte der EWSA zunächst angemahnt, dass eine aus einer Ge­ richtsstandvereinbarung abgeleitete Vermutung für das Recht des Gerichtsstaates und ein daraus folgender Gleichlauf von Zuständigkeit und Vertragsstatut den Parteiwillen fehlerhaft repräsentieren würde, und schlug vor, die Vermutung zur Auslegungshilfe abzuschwächen.467 In den endgültigen Art.  3 Rom  I-VO selbst fand diese Vermutungsregel zwar keinen Einzug; allerdings findet sie sich nun­ mehr in Erwägungsgrund Nr.  12 als Vorschlag eines zu berücksichtigenden As­ pekts für die Frage, ob eine eindeutige Rechtswahl vorliegt. Ebenfalls im Anschluss an die Stellungnahme des EWSA wurde die Kollisi­ onsregel für Verbraucherverträge umgestaltet. Der Kommissionsvorschlag hatte die Rechtswahlmöglichkeit bei Verbraucherverträgen im Unterschied zu Art.  5 EVÜ nicht mehr vorgesehen; dies musste dahin gehend interpretiert werden, dass die Wahl des Verbrauchervertragsstatuts nicht mehr möglich wäre. Der EWSA hatte in seiner Stellungnahme darauf hingewiesen, dass eine Rechtswahl auch für Verbraucher von Vorteil sein könnte, wenn nur geeignete Verbraucher­ schutzvorkehrungen vorhanden wären.468 In der Endfassung der Rom  I-VO wur­ de schließlich die Rechtswahlmöglichkeit mit der Schutzvorkehrung beibehal­ ten, dass die Rechtswahl nicht zu einem Absinken des Schutzniveaus unter das­ 467  468 

Stellungnahme EWSA, 23.12.2006, 2006/318/10 (ABl. EU Nr. C 318/56, S.  59). Stellungnahme EWSA, 23.12.2006, 2006/318/10 (ABl. EU Nr. C 318/56, S.  59).

3. Kapitel: Inhaltl. Beziehungen zw. EU- u. völkervertraglichen Rechtsakten

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jenige des objektiven Verbrauchervertragsstatuts führen kann. Hinsichtlich des objektiven Vertragsstatuts hatte der Kommissionsvorschlag zur Rom  I-VO noch keine Ausweichmöglichkeit zum neu erdachten, nunmehr in Art.  4 Abs.  1 Rom  I-VO enthaltenen Anknüpfungskatalog bzw. zur Grundanknüpfung des jet­ zigen Art.  4 Abs.  2 Rom  I-VO enthalten. Der EWSA wies darauf hin, dass mithil­ fe einer solchen Ausweichmöglichkeit angemessenere Ergebnisse erzielt werden könnten.469 Eine solche Ausweichmöglichkeit ist jetzt in Art.  4 Abs.  3 Rom  I-VO enthalten. Ob die Kommission sich gerade von den Argumenten des EWSA hat überzeugen lassen, ist in der Rom  I-VO zumindest nicht dokumentiert. Es lässt sich jedoch feststellen, dass es zwischen Kommissionsvorschlag und endgültiger Regelung der Rom  I-VO jedenfalls zu Änderungen in diesen Punkten kam und diese gerade vom EWSA angemahnt worden waren. Dies kann wenigstens als Indiz für den realen argumentativen Einfluss des EWSA auf die Formulierung der Rom  I-VO angesehen werden. 3. Koordination durch die Rechtsprechung Aufgrund der Gesetzgebung ergibt sich – wie es z. B. aus Erwägungsgrund Nr.  19 Brüssel I-VO für das Verhältnis von EuGVÜ und Brüssel I-VO ersichtlich ist – ein Auftrag an die gesamte europäische Judikative, durch entsprechende Aus­ legung die Kontinuität zwischen Vorgängerübereinkommen und Nachfolgever­ ordnung aufrecht zu erhalten. In diesem Zusammenhang ist es die Aufgabe der Gerichte, festzustellen, ob die Voraussetzungen für eine Vorwirkung der Nach­ folgeverordnung auf den Vorgängerrechtsakt vorliegen. Dabei haben die Gerich­ te aus dem Vergleich der Vorschriften und der Bewertung des Gewichts der Än­ derung zu bestimmen, ob es sich bei einer Regelungsänderung um eine bloße Präzisierung handelt, die eine Vorwirkung nach sich zieht,470 oder schon um eine wesentliche Änderung, die keine Vorwirkung bewirkt.471 II. Koordination durch bestimmte Mitgliedstaaten der EU Die Koordination geht jedoch nicht nur von der EU mit ihrer inhaltlichen Arbeit aus. Auch die Mitgliedstaaten, die an den Verordnungen nicht teilnehmen, haben koordinative Möglichkeiten. Wegen des räumlichen Anwendungsbereichs der Verordnungen, der auf der räumliche Ausweitung der EU-Verträge aufbaut, gel­ ten die Verordnungen nicht für das gesamte Gebiet der EU. Dänemark, das Ver­ einigte Königreich und Irland sind schließlich so lange außen vor, bis sie von 469 

Stellungnahme EWSA, 23.12.2006, 2006/318/10 (ABl. EU Nr. C 318/56, S.  59). Siehe dazu EuGH, Urt. v. 1.10.2002, C-167/00, Verein für Konsumenteninformation v Karl Heinz Henkel, Slg. 2002, I-8111. 471  BGH, Beschl. v. 22.7.2004 – IX 2/03, NJW 2004, 3189 f. 470 

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1. Teil – 2.  Abschnitt: Methoden der inhaltlichen Koordination

ihrer jeweiligen Teilnahmemöglichkeit Gebrauch gemacht haben. Wenn sie das tun, verdrängt aber auch bei ihnen die Verordnung das entsprechende Überein­ kommen. Allerdings ändert dies nichts daran, dass die inhaltliche Orientierung eigent­ lich gar keine Koordination sein müsste. Wie soeben erläutert, wurde sie dies erst dadurch, dass das Vereinigte Königreich und Dänemark die Weiterentwicklung von EWGV zur EGV nicht vollumfänglich mitgegangen waren. Nur dadurch wurde ausgeschlossen, dass EU-Verordnungen wie die Rom  I-VO oder die Brüs­ sel I-VO unmittelbar in allen EG- (jetzt EU-) Mitgliedstaaten galten. Somit schu­ fen erst das Vereinigte Königreich und Dänemark durch ihre Haltung das Koor­ dinationsbedürfnis. Dieses Bedürfnis wird weiter durch die genannten Staaten gesteuert, indem sie entscheiden können, ob sie durch Vereinbarung mit der EU die Nachfolgeverordnungen unmittelbar innerstaatlich gelten lassen wollen oder nicht. Ungeachtet dessen, dass die Koordination durch die Rechtssetzungsorgane der EU vorangetrieben wird, ist somit die Koordination zweiseitig aufzufassen: auf der einen Seite durch Schaffung und Lenkung des Koordinationsbedürfnisses durch Staaten mit abgeschwächtem Integrationswillen, auf der anderen Seite im Wege der eigentlichen Koordination durch die EU.

§  2 Inhaltliche Beziehungen zwischen EU-Kollisionsrecht und den Haager Konventionen im IPR A. Internationales Privatrecht I. Koordinationsgegenstände Beziehungen zwischen EU-Kollisionsrecht und Haager Konventionen bestehen in verschiedenen Rechtsbereichen zwischen der völkervertraglichen und der ­ EU- Ebene. Beispielhaft stehen für die Bereiche, in denen diese Koordination vorkommt, das Schuldvertrags-, das Delikts- und das Erbkollisionsrecht. Im Schuld­vertragskollisionsrecht wird das Verhältnis zwischen HÜ 1955 und dem EVÜ bzw. der Rom  I-VO thematisiert, im Deliktskollisionsrecht die Beziehung der Rom  II-VO zum HProdHÜ und dem HStrVÜ; im Erbkollisionsrecht soll die inhaltliche Verbindung von EuErbVO und HTestformÜ als Beispiel dienen. II. Funktionsweise Das Prinzip dieser Koordinationsmethode besteht in der Verallgemeinerung be­ stimmter Grundprinzipien, die aus den Vorbildrechtsakten des völkervertragli­ chen IPR übernommen werden.

3. Kapitel: Inhaltl. Beziehungen zw. EU- u. völkervertraglichen Rechtsakten

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1. Verallgemeinerung eines in einer speziellen Kollisionsnorm auftretenden Anknüpfungsmoments Im Internationalen Vertragsrecht ist eine Orientierung des EVÜ und nachfolgend der Rom  I-VO am HÜ 1955 erkennbar. Im HÜ 1955 ist zunächst die bereichsspe­ zifische Anknüpfung an den gewöhnlichen Aufenthalt des Verkäufers gewählt worden. Die Anwendung dieses Prinzips ist auf das EVÜ und die Rom  I-VO übertragen worden. Eine noch allgemeinere Formulierung dieses Anknüpfungs­ moments war nicht erforderlich, da der Bereich des Warenkaufs – also von Kauf­ verträgen über bewegliche Sachen – bereits einen recht eingeschränkten Bereich des Internationalen Vertragsrechts darstellt. Eine weitere Parallele zwischen HÜ 1955 und EVÜ, die nicht in die Rom  I-VO übernommen wurde, ergibt sich zwischen Art.  3 UAbs.  2 HÜ 1955 und Art.  5 Nr.  2 Spstr. 2 EVÜ. Das HÜ 1955 sieht an dieser Stelle vor, dass das Sachrecht des Staates, in dem der Käufer seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat oder in dem sich die bestellende Niederlassung des Käufers befindet, anstelle des Rechts am gewöhnlichen Aufenthaltsort des Verkäufers Anwendung findet, wenn der Ver­ käufer oder dessen Handelsvertreter diese Bestellung in eben diesem Staat emp­ fangen haben. Dies weist Ähnlichkeit mit der Konstellation in besagtem Art.  5 Nr.  2 Spstr. 2 EVÜ auf, wonach der Vertragspartner des Verbrauchers im Staat des gewöhnlichen Aufenthaltes des Verbrauchers die Bestellung des Verbrau­ chers entgegengenommen hat. Dagegen sollte das EVÜ ein breiteres Spektrum von Vertragstypen im interna­ tionalen Wirtschaftsverkehr enthalten. Abgesehen von der Anknüpfung an die engste Verbindung in Art.  4 Abs.  1 EVÜ war der gewöhnliche Aufenthalt derje­ nigen Person, welche die charakteristische Vertragsleistung erbringt, als Regel­ anknüpfung in Art.  4 Abs.  2 EVÜ das Anknüpfungsmoment der Wahl. Dies stellt eine deutliche Parallele zu Art.  3 UAbs.  1 HÜ 1955 dar; denn auch unter dem EVÜ ist stets der Verkäufer als diejenige Vertragspartei angesehen worden, wel­ che die charakteristische Leistung erbringt.472 2. Übernahme eines im völkervertraglichen IPR genutzten Anknüpfungsmoments zur punktuellen Ergänzung des EU-Rechtsakts Die häufigere Form der Koordination zwischen völkerrechtlichem und EuIPR ist die nur punktuelle Ergänzung mit dem Anknüpfungsmoment, das für die entspre­ chenden Systembegriffe bzw. Anknüpfungsgegenstände im völkervertraglichen IPR verwendet wird.

472 

Siehe dazu Art.  4 Abs.  2 EVÜ.

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1. Teil – 2.  Abschnitt: Methoden der inhaltlichen Koordination

a) Internationales Deliktsrecht Zum Inhalt der Rom  II-VO haben das HStrVÜ und das HProdHÜ beigetragen. Auf den Beitrag des HProdHÜ wird bereits im Vorschlag zur Rom  II-VO in Art.  4 hingewiesen.473 Die von diesem Vorschlag noch vorgesehene Fassung knüpfte indes lediglich an den gewöhnlichen Aufenthalt der geschädigten Person an. Das Anknüpfungssystem des HProdHÜ ist dagegen weitaus umfangreicher. Es hat zunächst zwei Hauptanknüpfungsmomente: den Schadenseintrittsort (place of injury, Art.  4) und den gewöhnlichen Aufenthalt der geschädigten Person (habitual residence of the person directly suffering damage, Art.  5). Der Bezug auf den Schadenseintrittsort nach Art.  4 ist jedoch davon abhängig, dass dieser Ort gleichzeitig der gewöhnliche Aufenthalt der geschädigten Person (Art.  4 lit.  a), der Hauptgeschäftsort der Person, die haftbar gemacht wird, (Art.  4 lit.  b) oder der Ort ist, an dem das Produkt erworben wurde (Art.  4 lit.  c). Wie in Art.  4 V-Rom  II-VO knüpft auch Art.  5 HStrVÜ an den gewöhnlichen Aufenthalt der geschädigten Person an; dies gilt jedoch nur, wenn es sich dabei gleichzeitig um den Hauptgeschäftsort der Person handelt, die haftbar gemacht wird (Art.  5 lit.  a), oder um den Ort, an dem das Produkt in Verkehr gebracht wurde (Art.  5 lit.  b). Hilfsweise findet das Recht des Hauptgeschäftsorts der Person Anwen­ dung, die haftbar gemacht wird, solange der Geschädigte nicht das Recht am Schadenseintrittsort anwenden will (Art.  6). Damit war die Übereinstimmung zum Vorschlag zur Rom  II-VO sehr be­ schränkt. Im Vergleich dazu ist Art.  5 Rom  II-VO deutlich umfangreicher mit mehr Bezügen zum HProdHÜ, indem an den gewöhnlichen Aufenthalt der ge­ schädigten Person (Art.  5 Abs.  1 lit.  a Rom  II-VO), den Ort des Produkterwerbs (Art.  5 Abs.  1 lit.  b Rom  II-VO) und den Schadenseintrittsort (Art.  5 Abs.  1 lit.  c Rom  II-VO) angeknüpft wird. Daneben ist auch die Ausnahmeklausel des Art.  5 Abs.  1 Rom  II-VO („vernünftigerweise vorhersehen konnte“) wörtlich aus Art.  7 HProdHÜ übernommen worden, wohingegen diese in Art.  4 V-Rom  II-VO so noch nicht enthalten war. Damit ist durch die endgültige Fassung der Rom  II-VO der Einfluss des HProdHÜ auf die Produkthaftungskollisionsregel der Rom  IIVO nochmal deutlich intensiviert worden. Sowohl das HProdHÜ als auch das HStrVÜ hatten Einfluss auf die Regel der Rom  II-VO über Sicherheits- und Verhaltensregeln (Art.  17 Rom  II-VO).474 Das Prinzip, dass die „Sicherheits- und Verhaltensregeln am Ort und zum Zeitpunkt des schädigenden Ereignisses [zu] berücksichtigen“ sind, ist so schon in Art.  9 HProdHÜ und in Art.  7 HStrVÜ enthalten gewesen.475 Dass die Bedeutung die­ 473 

KOM(2003) 427 endg., S.  16. KOM(2003) 427 endg., S.  28. 475  KOM(2003) 427 endg., S.  28. 474 

3. Kapitel: Inhaltl. Beziehungen zw. EU- u. völkervertraglichen Rechtsakten

167

ser Vorschrift für die Haftung im Straßenverkehr besonders hoch ist, zeigt sich nicht bereits an Erwägungsgrund Nr.  34 S.  2 Rom  II-VO, der die „Straßenver­ kehrssicherheit im Falle eines Unfalls“ explizit als Beispiel anführt. Für Fälle der Produkthaftung ist Art.  17 Rom  II-VO an sich dagegen deshalb nicht entschei­ dend, weil das ihm innewohnende Prinzip in Art.  5 Abs.  1 Rom  II-VO selbst ver­ wirklicht wurde. Denn die Anwendung aller Anknüpfungsmomente von lit.  a bis c setzen voraus, dass in dem Staat, dessen Recht auf diese Weise berufen würde, das Produkt in den Verkehr gebracht worden ist. Damit hat Art.  9 HProdHÜ di­ rekt Einzug in die Kollisionsnorm erhalten; ihm kommt damit sogar noch größe­ res Gewicht zu als Art.  17 Rom  II-VO, der eine bloße Berücksichtigung des Rechts am Verkehrsort als dem Ort des haftungsbegründenden Ereignisses auf­ geben würde. Man könnte geneigt sein, dem HStrVÜ größeren Einfluss auf die Rom  II-VO zuzusprechen, z. B. auf die Regelung in Art.  4 Abs.  2 Rom  II-VO oder ganz grundsätzlich auf die Anknüpfung von Art.  4 Abs.  1 Rom  II-VO an den Eintritts­ ort des Schadens. Dies führt jedoch zu weit. Art.  4 Abs.  2 Rom  II-VO beruht auf einer rechtsvergleichenden Analyse der mitgliedstaatlichen Rechtsordnungen, von denen die meisten die Anknüpfung an den gewöhnlichen Aufenthalt von haftender und geschädigter Person in demselben Staat haben; sie beruht damit nicht auf der spezifischen Konstellation eines Straßenverkehrsunfalls, sondern ebenfalls auf einer allgemein deliktsrechtlichen Konstellation.476 Von dieser Lö­ sung ist das HStrVÜ, das dem Ort der Registrierung des Kfz besondere Bedeu­ tung beimisst, die ihrerseits keine zwingende Beziehung zum gewöhnlichen Auf­ enthalt des Fahrers aufweist, allerdings zu weit entfernt, um in diesem Punkt als Orientierungsgrundlage für die Rom  II-VO angesehen zu werden. Ähnlich ist es bei Art.  4 Abs.  1 Rom  II-VO: Die deliktsrechtliche Grundanknüpfung an den Schadenseintrittsort beruht ausweislich des Vorschlags zur Rom  II-VO auf einer rechtsvergleichenden Analyse der mitgliedstaatlichen Kollisionsrechte.477 b) Internationales Erbrecht In Erwägungsgrund Nr.  52 EuErbVO wird ausdrücklich auf den Einklang mit dem HTestformÜ Bezug genommen. Dieser Einklang wird in Art.  27 EuErbVO hergestellt, der sich der Formgültigkeit schriftlicher Verfügungen von Todes we­ gen widmet. Grundlage ist das System gleichgeordneter Anknüpfungsmomente in Art.  27 Abs.  1 EuErbVO, das dem System des Art.  1 Abs.  1 HTestformÜ im Wesent­ lichen entspricht. Die Wortlautunterschiede zwischen den beiden Vorschriften 476  477 

KOM(2003) 427 endg., S.  13. KOM(2003) 427 endg., S.  12.

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1. Teil – 2.  Abschnitt: Methoden der inhaltlichen Koordination

betreffen dabei nicht die Anknüpfungsmomente selbst. Diese sind in beiden Rechtsakten in entsprechender Auflistung der Ort der letztwilligen Verfügung (lit.  a), die Staatsangehörigkeit (lit.  b), der Wohnsitz (lit.  c) bzw. der gewöhnliche Aufenthalt (lit.  d) im Zeitpunkt der Errichtung der letztwilligen Verfügung oder im Todeszeitpunkt, oder – soweit es sich um bewegliches Vermögen handelt – der Belegenheitsort (lit.  e). Der Unterschied besteht darin, dass hinsichtlich der Staatsangehörigkeit, des Wohnsitzes und des gewöhnlichen Aufenthaltes Art.  27 Abs.  1 EuErbVO weiter ist als Art.  1 Abs.  1 HTestformÜ. Die EuErbVO knüpft in lit.  b, c und d nicht nur an die Staatsangehörigkeit, den Wohnsitz bzw. den gewöhnlichen Aufenthalt des Erblassers an, wie der Verweis darauf zeigt, dass „mindestens eine der Personen, deren Rechtsnachfolge von Todes wegen durch einen Erbvertrag betroffen“ sein muss. Art.  27 Abs.  2 EuErbVO übernimmt Art.  2 HTestformÜ für den Widerruf einer letztwilligen Verfügung. Auch hinsichtlich der letztwilligen Verfügungen orientiert sich der Anwen­ dungsbereich der EuErbVO am HTestformÜ. Nach Art.  4 HTestformÜ umfasst der Begriff der letztwilligen Verfügung auch gemeinschaftliche Testamente, also die Form letztwilliger Verfügungen, die zwei oder mehrere Personen in dersel­ ben Urkunde errichtet haben. Dieses formale Kriterium478 wurde in Art.  3 Abs.  1 lit.  c EuErbVO übernommen; entsprechend wurde der Begriff „gemeinschaft­ liches Testament“ als ein Testament definiert, das von zwei oder mehr Personen in einer einzigen Urkunde errichtetet wurde. Dieser Begriffsgleichlauf erweist sich in Art.  75 Abs.  1 UAbs.  2 EuErbVO als hilfreich zur Vermeidung von Ab­ grenzungsschwierigkeiten, da das HTestformÜ in Bezug auf die Formgültigkeit von Testamenten sowie eben gemeinschaftlichen Testamenten vorrangig vor der EuErbVO und damit vor deren Art.  27 anzuwenden ist.479 Eine vergleichbare Orientierung – wenngleich nicht am HTestformÜ – erfolg­ te bei der Begriffsbestimmung des Erbvertrages in Art.  3 Abs.  1 lit.  b EuErbVO. Danach ist ein Erbvertrag eine Vereinbarung, einschließlich einer Vereinbarung aufgrund gegenseitiger Testamente, die mit oder ohne Gegenleistung Rechte am künftigen Nachlass oder künftigen Nachlässen einer oder mehrerer an dieser Ver­ einbarung beteiligter Personen begründet, ändert oder entzieht. Diese Definition ist angelehnt an Art.  8 Haager Erbrechtsübereinkommen von 1989 (im Folgen­ den: HErbrechtsÜ) und basiert – anders als Art.  3 Abs.  1 lit.  c EuErbVO – auf materiellen Kriterien wie dem der Vereinbarung. Dieses Abstimmungsmanko führt dazu, dass sich die Begriffe des gemeinschaftlichen Testaments einerseits und des Erbvertrags nicht mehr trennscharf abgrenzen lassen. Dies kann zur Fol­ 478 

Looschelders in: Hüßtege/Mansel, Nomos-Kommentar, Art.  3 EuErbVO, Rdn.  13. Siehe dazu auch Looschelders in: Hüßtege/Mansel, Nomos-Kommentar, Art.  3 EuErbVO, Rdn.  11. 479 

3. Kapitel: Inhaltl. Beziehungen zw. EU- u. völkervertraglichen Rechtsakten

169

ge haben, dass nationale Rechtsinstitute wie das gemeinschaftliche Testament des deutschen Rechts aufgrund der autonomen Auslegung des EU-Rechts nicht eindeutig unter den einen oder den anderen Begriff zu fassen sind.480 III. Koordinationszweck Der Koordinationszweck besteht darin, Kohärenz zwischen dem Kollisionsrecht auf europäischer und internationaler Ebene herzustellen. Diese Wertung beruht ihrerseits auf Gesichtspunkten, die sich in den Ausführungen zur Funktionsweise bereits herauskristallisiert haben: Man orientiert sich an Vorgängervorschriften, die sich in der Praxis bewährt haben. Soweit es um die Behandlung durch die Rechtsprechung geht, bedeutet Bewährung im Verhältnis von EU-Kollisions­ recht und Haager Konventionen allerdings nur, dass die nationalen Gerichte sich mit den entsprechenden Normen auseinandergesetzt haben. Insbesondere der IGH hat sich bislang eher selten zu völkervertraglichen Kol­ lisionsrechtsübereinkommen geäußert. Einen vergleichbaren Rechtsprechungs­ fundus zur Klarstellung der verwendeten Rechtsbegriffe, wie er beim EU-Kolli­ sionsrecht durch den EuGH existiert, gibt es bei den Haager Konventionen dage­ gen nicht.481 IV. Koordinationsakteure 1. Legislative Die hier genannten völkerrechtlichen Kollisionsrechtsübereinkommen sind nicht darauf ausgerichtet gewesen, Vorbildrechtsakte zu sein. Die Koordinationsent­ scheidung ist vielmehr durch den EU-Gesetzgeber getroffen worden. Somit ist er auch der relevante legislative Koordinationsakteur. Die Koordinationsentschei­ dung umfasst dabei neben dem Ob der Koordination auch das Wie, also die In­ tensität der Orientierung und die Aspekte, die im Einzelnen übernommen wer­ den. Wenn z. B. in einer Kollisionsnorm mehrere Konstellationen enthalten sind und jeweils ein anderes Anknüpfungsmoment vorgesehen ist, kann der EU-Ge­ setzgeber alle Konstellationen mit diesen Anknüpfungsmomenten übernehmen. Er kann jedoch auch – wie im Verhältnis von HÜ 1955 und EVÜ geschehen – variieren und ein bestimmtes Anknüpfungsmoment z. B. nur zwischen Verbrau­ cher und Unternehmer für anwendbar erklären.

480 

Looschelders in: Hüßtege/Mansel, Nomos-Kommentar, Art.  3 EuErbVO, Rdn.  12 f. Vgl. Schroeter, UN-Kaufrecht und Europäisches Gemeinschaftsrecht, §  14 Rdn.  11. Siehe auch Majoros, RabelsZ 46 (1982), 84, 92. 481 

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1. Teil – 2.  Abschnitt: Methoden der inhaltlichen Koordination

2. Judikative Bei der Judikative obliegt es wie auch sonst bei EU-Kollisionsrecht dem EuGH, aufgrund seiner Auslegungshoheit den Inhalt den EU-Kollisionsrechtsakt unions­ weit einheitlich zu bestimmen. Systematisch kann er sich in diesem Rahmen nach dem Inhalt des Übereinkommens richten, an dem sich der EU-Rechtsakt orientiert. Problematisch ist dabei allerdings, dass es sich bei diesen Überein­ kommen nicht um Unionsrecht handeln muss. Um die inhaltliche Koordination zwischen Kollisionsrechtsübereinkommen und EU-Rechtsakt zu wahren, kann sich der EuGH jedoch nicht immer an Ausle­ gungen durch den IGH, dem die Auslegungshoheit zukäme, orientieren, da dieser bislang nur selten einheitliche Rechtsprechung zur Auslegung der einzelnen Über­ einkommen produziert hat. Der EuGH kann nun entweder eigens die Übereinkom­ men auslegen und diese Auslegung auf den EU-Rechtsakt übertragen; oder er könnte sich bei der Auslegung des EU-Rechts auf die Rechtsprechung nationaler Gerichte zum Übereinkommen stützen. Grundsätzlich wäre dies möglich, da die Entscheidungen nationaler Gerichte ebenso wie nationale Gesetze Grundlage rechtsvergleichender Auslegung sein können.482 Wenn es allerdings um die Aus­ legung einer bestimmten Norm geht, würde die Tauglichkeit der Heranziehung nationaler Gerichtsentscheidungen erfordern, dass sich vor den nationalen Gerich­ ten Fragen zu demselben oder ähnlichen Auslegungsproblemen gestellt haben, damit der EuGH daraus ein unionsweit gültiges Prinzip ableiten könnte.

B. Internationales Zivilverfahrensrecht I. Koordinationsgegenstände Das Zusammenspiel von EU- und völkervertraglichen Kollisionsnormen im IZVR zeigt sich an den Beziehungen von HUÜ 2007 und EuUnthVO einerseits sowie von HGÜ und Brüssel Ia-VO andererseits. Im Wesentlichen handelt es sich also um Bezüge zwischen EU-Rechtsakten und multilateralen überregiona­ len Staatsverträgen. Es kann allerdings auch vorkommen, dass EU-Rechtsakte Bezüge zu regiona­ len Staatsverträgen aufweisen. Dazu soll kurz Bezug auf das Verhältnis zwischen EuUnthVO und LugÜ 2007 genommen werden. II. Funktionsweise Die Methode beruht auf einer inhaltlichen Angleichung der europäischen Vor­ schriften an Regelungen in völkervertraglichen Kollisionsrechtsübereinkom­ 482 

Heiderhoff, Europäisches Privatrecht, Rdn.  112 f.

3. Kapitel: Inhaltl. Beziehungen zw. EU- u. völkervertraglichen Rechtsakten

171

men. Die Koordination kann darin bestehen, dass EU- und völkervertraglicher Rechtsakt zeitlich parallel entwickelt wurden und im Zuge dieser Parallelent­ wicklung eine inhaltliche Abstimmung stattgefunden hat (dazu 1.). Es ist jedoch auch möglich, dass die inhaltliche Koordination stattgefunden hat, ohne dass es eine Parallelentwicklung gab (dazu 2.). 1. Koordination aufgrund der Parallelentwicklung der Rechtsakte im Verhältnis von EU-Rechtsakten zu überregionalen Staatsverträgen Die hier genannte Koordinationsmethode bezieht sich im Verhältnis von EU-­ Rechtsakten zu überregionalen Staatsverträgen bislang nicht auf die Gerichts­ standnormen selbst. Allerdings sind punktuelle Verbindungen zu internationalen Übereinkommen möglich, wenn es sich dabei bislang auch nur um Zuständig­ keitsbeschränkungen handelt. Die inhaltlichen Bezüge können sich hier auf eine rein inhaltliche Orientierung beschränken (dazu a) oder auch Modifikationen enthalten (dazu b). a) EuUnthVO und HUÜ 2007 Ein Beispiel für einen inhaltlichen Bezug aufgrund Parallelentwicklung ist Art.  8 EuUnthVO. Dessen Abs.  1 sieht in Anlehnung an Art.  18 HUÜ 2007483 vor, dass die zum Unterhalt verpflichtete Person gegen eine Entscheidung, die in einem Mitgliedstaat oder einem Vertragsstaat des HUÜ 2007 ergangen ist, kein Verfah­ ren in einem anderen Mitgliedstaat einleiten kann, um eine Änderung der Ent­ scheidung oder eine neue Entscheidung herbeizuführen, solange die berechtigte Person ihren gewöhnlichen Aufenthalt weiterhin in dem Staat hat, in dem die Entscheidung ergangen ist. Abs.  2 enthält vier Ausnahmen von diesem Grundsatz, von denen lit.  c und d ebenfalls auf das HUÜ 2007 bezogen sind. Nach lit.  c gilt Abs.  1 nicht, wenn die zuständige Behörde des Ursprungsstaats, der dem HUÜ 2007 angehört, ihre Zu­ ständigkeit für die Änderung der Entscheidung oder für das Erlassen einer neuen Entscheidung nicht ausüben kann oder die Ausübung ablehnt; nach lit.  d ist Abs.  1 nicht anwendbar, wenn die in einem Ursprungsstaat, der dem HUÜ 2007 angehört, ergangene Entscheidung in dem Mitgliedstaat, in dem ein Verfahren zur Änderung der Entscheidung oder Herbeiführung einer neuen Entscheidung beabsichtigt ist, nicht anerkannt oder für vollstreckbar erklärt werden kann. Ein weiteres Beispiel stellt Art.  21 Abs.  2 UAbs.  2 EuUnthVO dar. Dieser sieht vor, dass die zuständige Behörde des Vollstreckungsmitgliedstaates auf Antrag der verpflichteten Person die Vollstreckung der Entscheidung des Ursprungs­ 483 

Andrae in: Rauscher, EuIPR/EuZPR-Kommentar, Art.  8 EG-UntVO, Rdn.  9.

172

1. Teil – 2.  Abschnitt: Methoden der inhaltlichen Koordination

gerichts insgesamt oder teilweise verweigern kann, wenn die Entscheidung mit einer im Vollstreckungsstaat ergangenen Entscheidung oder einer in einem ande­ ren Mitgliedstaat oder einem Drittstaat ergangenen Entscheidung unvereinbar ist, welche die notwendigen Voraussetzungen für ihre Anerkennung im Vollstre­ ckungsmitgliedstaat erfüllt. Dabei hatte sich der EU-Gesetzgeber an Art.  22 lit.  d HUÜ 2007 orientiert, der insbesondere – entgegen der konzeptionell vergleich­ baren Normen Art.  34 Nr.  3, 4 Brüssel I-VO – das Versagungsermessen enthielt.484 Mit Recht wird hier nicht davon ausgegangen, dass es sich hierbei um ein Verse­ hen des EU-Gesetzgebers handelt – immerhin sieht die EuUnthVO in Art.  24 lit.  c, d dieses Ermessen für Entscheidungen aus Mitgliedstaaten, die nicht durch das HUP 2007 gebunden sind, nicht vor und orientiert sich dort wiederum an Art.  34 Nr.  3, 4 Brüssel I-VO.485 Auch hinsichtlich der Ausgestaltung des Ermes­ sens ist ein Gleichlauf mit dem HUÜ 2007 erkennbar: Hier wie dort sind keine Kriterien zur Ausübung des Ermessens genannt.486 Klargestellt wird in Art.  21 Abs.  2 UAbs.  3 EuUnthVO lediglich, dass eine Entscheidung, die bewirkt, dass eine frühere Unterhaltsentscheidung aufgrund veränderter Umstände geändert wird, nicht als unvereinbare Entscheidung im Sinne von UAbs.  2 gilt. b) Brüssel Ia-VO und HGÜ Eine punktuelle Inhaltsorientierung ist auch im Verhältnis der Brüssel Ia-VO und dem HGÜ erkennbar. Ausweislich der Begründung zum Revisionsvorschlag sind zwei Neuerungen im Rahmen der Verfahrenskoordination in die Brüssel Ia-VO übernommen worden, mit denen ausdrücklich die inhaltliche Nähe zum HGÜ hergestellt werden soll: die Prüfung der materiellen Wirksamkeit der Gerichts­ standvereinbarung487 und der Vorrang des vereinbarten Gerichts, auch wenn es nicht als erstes angerufen worden ist488.489 Auch wenn damit Einheitlichkeit hin­ sichtlich des auf die materielle Wirksamkeit anwendbaren Rechts hergestellt wird, unterscheiden sich Brüssel Ia-VO und HGÜ jedoch darin, wer darüber ent­ scheidet, ob die Gerichtsstandvereinbarung materiell wirksam ist. Nach Art.  31 Abs.  2 Brüssel Ia-VO muss das berufene Gericht das Verfahren aussetzen, bis das aufgrund der Gerichtsstandvereinbarung berufene Gericht über die Wirksam­ keit entschieden hat. Nach Art.  6 lit.  a HGÜ muss ein angerufenes Gericht das Verfahren nicht aussetzen, wenn die Vereinbarung nach dem Recht des Staates 484 

Lipp in: MüKoFamFG2, Art.  21 EuUnthVO, Rdn.  21. Vgl. auch Lipp in: MüKoFamFG2, Art.  21 EuUnthVO, Rdn.  20. 486  Vgl. Lipp in: MüKoFamFG2, Art.  21 EuUnthVO, Rdn.  21. 487  Art.  25 Abs.  1 S.  1 a. E. Brüssel Ia-VO; Art.  5 Abs.  1 a. E. HGÜ. 488  Art.  31 Abs.  2 Brüssel Ia-VO; vgl. Art.  5, 6 HGÜ. 489  KOM(2010) 748 endg., S.  9. 485 

3. Kapitel: Inhaltl. Beziehungen zw. EU- u. völkervertraglichen Rechtsakten

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des vereinbarten Gerichts ungültig ist. Art.  6 lit.  a HGÜ verweist also lediglich auf das Recht des prorogierten Gerichts, nicht dagegen auch auf das prorogierte Gericht selbst.490 Daraus lässt sich ableiten, dass das angerufene Gericht über die Wirksamkeit der Gerichtsstandvereinbarung entscheidet. 2. Koordination ohne Parallelentwicklung der Rechtsakte im Verhältnis von EU-Rechtsakten zu regionalen Staatsverträgen Demgegenüber leitet sich der Bezug zwischen EuUnthVO und LugÜ 2007 , wie er in Art.  4 Abs.  4 EuUnthVO enthalten ist, nicht aus einer Parallelentwicklung beider Rechtsakte her. Nach Art.  4 Abs.  4 EuUnthVO soll im Falle der Vereinba­ rung der ausschließlichen Zuständigkeit des Gerichts eines Vertragsstaates des LugÜ das LugÜ anwendbar sein. Das LugÜ hat sich jedoch an der Brüssel I-VO orientiert und deren Regelungen im Wesentlichen übernommen. Dies zeigt be­ reits die Existenz des Art.  5 Nr.  2 LugÜ, dessen Pendant in Art.  5 Nr.  2 Brüssel I-VO zu finden war, der aber mit Geltung der EuUnthVO überflüssig geworden war und daher nicht in die Brüssel Ia-VO übernommen wurde. In Art.  4 Abs.  4 EuUnthVO beruht der Anlass der Regelung zwar auf dem Koordinationserfor­ dernis der Unterhaltszuständigkeiten und hier insbesondere der Gerichtsstand­ vereinbarungen, jedoch nicht auf einer Parallelentwicklung. Vielmehr sollte mit dem Verweis nachträglich die EuUnthVO mit dem LugÜ 2007 in Beziehung gesetzt werden und so ein zwischen ihnen in diesem Punkt vergleichbares Ver­ hältnis hergestellt werden wie zwischen Brüssel I-VO und LugÜ 2007.491 Daneben ist Art.  4 Abs.  4 EuUnthVO ein Beispiel für einen inhaltlichen Bezug mit Modifikation, die über eine bloße inhaltliche Anpassung zum europäischen Rechtsakt hinausgeht. In Art.  4 Abs.  4 EuUnthVO ist nicht nur eine einfache Ver­ weisung auf eine Vorschrift des LugÜ zu sehen, die den Zweck hat, diese Vor­ schrift zur Anwendung zu bringen; denn er enthält darüber hinaus eine Modifika­ tion des Anwendungsbereichs des LugÜ.492 Diese Modifikation betrifft die aus­ schließliche Zuständigkeit des Gerichts oder der Gerichte eines Staates, für den zwar das LugÜ 2007 anwendbar ist, der aber nicht EU-Mitgliedstaat ist.493 Die Modifikation besteht darin, dass eine Gerichtsstandvereinbarung nicht für Fälle 490 

Vgl. R. Wagner, RabelsZ 73 (2009), 100, 121 f. Andrae in: Rauscher, EuIPR/EuZPR-Kommentar, Art.  4 EG-UntVO, Rdn.  59. 492  Andrae in: Rauscher, EuIPR/EuZPR-Kommentar, Art.  4 EG-UntVO, Rdn.  61. 493  Der Bezug auf die Vereinbarung eines Gerichtsstands als ausschließlich ist als Redak­ tionsversehen zu werten; denn weder nach Art.  23 Abs.  1 LugÜ 2007 noch nach Art.  4 Abs.  1 S.  3 EuUnthVO kann eine solche Vereinbarung geschlossen werden. Durch Vereinbarung kann lediglich die Ausschließlichkeit der Zuständigkeit ausgeschlossen werden. Vgl. hierzu Andrae in: Rauscher, EuIPR/EuZPR-Kommentar, Art.  4 EG-UntVO, Rdn.  61. 491 

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1. Teil – 2.  Abschnitt: Methoden der inhaltlichen Koordination

der Unterhaltspflicht gegenüber einem Kind nach Art.  4 Abs.  3 EuUnthVO zur Anwendung des LugÜ 2007 führen kann. III. Koordinationszweck 1. Kohärenz Die Koordinationsform soll der Kohärenz zwischen den Zivilprozessvorschrif­ ten auf europäischer und internationaler Ebene dienen. Damit sollte der Möglich­ keit Rechnung getragen werden, dass die EU dem HGÜ beitreten könnte;494 in­ zwischen hat sie das HGÜ zumindest unterzeichnet.495 Ähnliches gilt für das Verhältnis zwischen der EuUnthVO und dem HUÜ 2007, allerdings mit dem wesentlichen Unterschied, dass das HUÜ 2007 im Gegensatz zum HGÜ bereits in Kraft getreten ist.496 Mit dieser Form der inhaltlichen Orientierung wird zu­ gleich der Vorrang der völkerrechtlichen Kollisionsrechtsübereinkommen vor den jeweiligen EU-Kollisionsrechtsakten komplettiert. Durch die inhaltliche Ko­ ordination wird vermieden, dass ein Kollisionsbereich entsteht, in welchem dem Rechtsanwender unklar sein könnte, wie er zu verfahren hat. Diese vorausschau­ ende Koordination erhöht damit die Rechtssicherheit. Die Kombination der Koordinationsaspekte lässt zudem Rückschlüsse darauf zu, wie die EU das Verhältnis von EU-Rechtsakten und Haager Übereinkommen interpretiert. An erster Stelle steht für die EU die Verfolgung ihrer eigenen Ziele und Projekte. Das zeigt sich in der Brüssel Ia-VO, in der nicht dem Anerken­ nungsmodell des HGÜ oder der Brüssel I-VO gefolgt wird, sondern der Ansatz der unmittelbaren Vollstreckung umgesetzt wird.497 Demgegenüber wurde nur an den Stellen, an denen ohnehin eine Veränderung anstand und die EU nicht den Drang verspürte, eine eigene Idee umsetzen zu wollen, dem Vorbild des HGÜ gefolgt, wobei sich die EU jedoch die eigene Gestaltung vorbehielt. Dies war z. B. in Art.  31 Abs.  2 Brüssel Ia-VO und bei der Frage der Fall, welches Gericht die Wirksamkeit von Gerichtsstandvereinbarungen prüft, wo sich die Brüssel IaVO zwar dem Vorbild von Art.  6 lit.  a HGÜ annäherte, jedoch zur Beantwortung der Wirksamkeitsfrage nicht an das Recht des Staates des vereinbarten Gerichts anknüpfte.498 494 

KOM(2010) 748 endg., S.  5, 10; siehe dazu auch ausführlich Gebauer, FS v. Hoffmann, 577, 583. 495  Siehe Statustabelle zum HGÜ: (zuletzt aufgerufen am 6.1.2019). 496  Siehe Statustabelle zum HUÜ 2007: (zuletzt aufgerufen am 6.1.2019). 497  Siehe oben S. 141. 498  Siehe S. 172.

3. Kapitel: Inhaltl. Beziehungen zw. EU- u. völkervertraglichen Rechtsakten

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2. Gleichzeitige Beachtung der Eigenheiten der Verordnungen a) Eigene Regelungen zur Lückenschließung in EU-Rechtsakten Gleichzeitig sollen aber die Eigenheiten der europäischen Verordnungen nicht außer Acht gelassen werden. Dies zeigt sich z. B. an Art.  8 EuUnthVO. Danach kann die zum Unterhalt verpflichtete Person kein Verfahren in einem anderen Mitgliedstaat einleiten, um eine Änderung der Entscheidung oder eine neue Ent­ scheidung herbeizuführen, wenn eine Entscheidung in einem EU-Mitgliedstaat oder einem Vertragsstaat des HUÜ 2007 ergangen ist, in dem die berechtigte Person ihren gewöhnlichen Aufenthalt hat; dies gilt, solange die unterhaltsbe­ rechtigte Person ihren gewöhnlichen Aufenthalt weiterhin in dem Staat hat, in dem die Entscheidung ergangen ist. Zu Beachtung der Eigenheit der EU-Verord­ nungen bezieht sich Art.  8 EuUnthVO nicht nur auf Erstentscheidungen aus Ver­ tragsstaaten des HUÜ 2007, sondern zusätzlich auf solche aus EU-Mitgliedstaa­ ten. Denn auch wenn die EU das Übereinkommen ratifiziert hat, gilt es dennoch nicht für das Vereinigte Königreich und Dänemark. Das Vereinigte Königreich hat sich zwar inzwischen dazu entschlossen, an den Bereichen der EuUnthVO teilzunehmen, welche die Zuständigkeit sowie Anerkennung und Vollstreckung betreffen; dennoch ist es kein Vertragsstaat des HUÜ 2007, so dass Art.  8 Eu­ Unth­VO nur deshalb auf das Vereinigte Königreich anwendbar ist, weil die Mit­ gliedstaaten in den Wortlaut aufgenommen worden sind. Darüber hinaus wird das Ziel, den Regelungszweck von Art.  18 HUÜ 2007 auf die EuUnthVO zu übertragen, regelmäßig bereits durch die in der EuUnthVO enthaltenen Zuständigkeitsnormen selbst erreicht werden.499 Denn abgesehen von den Zuständigkeiten nach Art.  4 und 5 EuUnthVO, für die Art.  8 EuUnthVO ohnehin nicht gilt, führen die Zuständigkeiten für Unterhaltssachen als Haupt­ sacheverfahren gemäß Art.  3 lit.  a und b EuUnthVO beide zur Zuständigkeit der Gerichte des Staates, in dem die berechtigte Person ihren gewöhnlichen Aufent­ halt hat. Dies beruht darauf, dass durch die Einleitung des Verfahrens durch die verpflichtete Person die berechtigte Person gleichzeitig Beklagte wird, so dass beide Zuständigkeitsvorschriften zu derselben Zuständigkeit führen. Der Zweck der Koordination besteht bei dieser Vorschrift denn auch in der Schließung der noch verbleibenden Lücken, zu denen die Einleitung eines Verfahrens aufgrund der Notzuständigkeit nach Art.  6 EuUnthVO zählt.

499 

Andrae, in: Rauscher, EuIPR/EuZPR, Art.  8 EuUnthVO, Rdn.  2.

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1. Teil – 2.  Abschnitt: Methoden der inhaltlichen Koordination

b) Besondere Schutzvorschriften im EU-Rechtsakt Mit dem Verweis auf Art.  4 Abs.  3 EuUnthVO in Art.  4 Abs.  4 EuUnthVO soll der Standard zum Schutz der schwächeren Partei aufrechterhalten werden,500 für den die EU in Hinblick auf Zuständigkeitsvereinbarungen die Altersgrenze von 18 Jahren vorgesehen hat. Dieser Schutz könnte bei einem schlichten Verweis auf das LugÜ nicht gewährleistet werden, da das LugÜ nur Schutzvorschriften für Verbraucher, Arbeitnehmer und Versicherungsnehmer kennt, nicht aber für Unterhaltsberechtigte unter 18 Jahren. Ein Verweis auf das HUÜ 2007 kam schon von vornherein nicht in Betracht, da dieses keine Zuständigkeitsvorschrif­ ten, insbesondere keine für Gerichtsstandvereinbarungen enthält. IV. Koordinationsakteure 1. Arbeitsgruppen Bei der inhaltlichen Koordination von Haager Übereinkommen und EU-Rechts­ akten spielen Arbeitsgruppen eine entscheidende Rolle, wenn es um eine mög­ lichst enge inhaltliche Orientierung zweier in Entwicklung befindlicher Rechts­ akte geht. In der einen Konstellation arbeiten die Haager Konferenz und die EU zeit­ gleich an Rechtsakten, weshalb hier grundsätzlich beide koordinativ tätig wer­ den können. Eine solche Konstellation ergab sich bei der Entstehung des HGÜ und der Brüssel I-VO. Zunächst traf man sich im Rahmen der Haager Konferenz, um an einem internationalen Übereinkommen zu arbeiten, das zu dieser Zeit aber nicht nur Gerichtsstandvereinbarungen regeln sollte. Nachdem die Verhandlun­ gen über das HGÜ bereits begonnen hatten, entschlossen sich die EU-Mitglied­ staaten zu einer zeitgleichen Reform des EuGVÜ. Diese Arbeiten wurden so zügig vorangeführt, dass am 22.12.2000 die Brüssel I-VO verabschiedet werden konnte. Auf der Grundlage dieser Verordnung formulierte die EU ihre Vorschlä­ ge zur Gestaltung des HGÜ.501 2. Legislative Dehnt man die Entstehungskooperation bis zur Brüssel Ia-VO aus, sieht man, dass sich nicht nur die Haager Konferenz an den EU-Regeln, sondern sich umge­ kehrt die EU auch am HGÜ orientiert hat – und somit im Wege einer Art versetz­ ten Zusammenarbeit Rechtsakte entstanden sind, die zwar unterschiedliche sach­ liche Anwendungsbereiche haben, sich aber hinsichtlich ihrer Regeln durchaus 500  501 

Erwägungsgrund Nr.  19 S.  2 EuUnthVO. R. Wagner, RabelsZ 73 (2009), 100, 108.

3. Kapitel: Inhaltl. Beziehungen zw. EU- u. völkervertraglichen Rechtsakten

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ähnlich sind. Man sieht zugleich, dass die koordinierende Bedeutung der Legis­ lative bei EU-Rechtsakten und der Exekutiven bei völkerrechtlichen Kollisions­ rechtsübereinkommen isoliert nicht so sehr bei einer Parallelentwicklung von Rechtsakten Platz greift, dafür aber umso mehr, wenn es um die nachträgliche Orientierung eines EU-Rechtsakt an einem internationalen Übereinkommen bzw. umgekehrt geht. Inhaltliche Modifikationen an diesen Rechtsakten können ebenfalls grundsätz­ lich auf beiden Ebenen stattfinden. Allerdings wird in diesem Zusammenhang das Problem relevant, dass bei der Haager Konferenz noch unterschiedlichere Rechtskulturen vertreten sind, als dies in der EU der Fall ist.502 Nicht zuletzt der Entstehungsprozess des HGÜ hat gezeigt, dass somit einiges an Kompromissbe­ reitschaft notwendig ist, um sich auf eine Regelung zu einigen.503 Es ist daher nicht fernliegend, dass eine erneute inhaltliche Orientierung eines Haager Über­ einkommens an einem EU-Rechtsakt länger dauern würde als umgekehrt; die Integration eines völkerrechtlichen Kollisionsrechtsübereinkommens im Rah­ men eines EU-Kollisionsrechtsaktes erfolgt dagegen nur durch die EU-Verord­ nung, also durch die EU als Koordinationsakteur, und gestaltet sich somit regel­ mäßig einfacher, da innerhalb der EU die Rechtskulturen nicht so verschieden sind.504 3. Judikative Die nationalen Gerichte stellen die Kohärenz im Rahmen der Rechtsanwendung Ebenen übergreifend sicher und tragen auf diese Weise dazu bei, dass die inhalt­ liche Kohärenz zwischen Übereinkommen und EU-Verordnungen als Komple­ mentärelement zur Vorrangkoordination zwischen diesen Rechtsakten gewähr­ leistet ist. Der EuGH tritt im Rahmen des Vorabentscheidungsverfahrens nach Art.  267 AEUV in Erscheinung und hat wie bei allen originären EU-Rechtsakten die Aus­ legungshoheit. Hinsichtlich der Übereinkommen ist dies rechtlich zwar der IGH; mangels eines dem Vorabentscheidungsverfahren vergleichbaren Rechtsakts im IGH-Statut ist der EuGH allerdings auch für die von der EU abgeschlossenen völkervertraglichen Kollisionsrechtsübereinkommen die höchste rechtlich un­ streitig garantierte Auslegungsinstanz.505

502 

Vgl. dazu R. Wagner, RabelsZ 73 (2009), 215, 221 f. Siehe zum Ganzen R. Wagner, RabelsZ 73 (2009), 100, 107–110. 504  Vgl. R. Wagner, RabelsZ 73 (2009), 215, 237. 505  Vgl. nur Wegener in: Calliess/Ruffert, Art.  267 AEUV, Rdn.  10 f. 503 

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1. Teil – 2.  Abschnitt: Methoden der inhaltlichen Koordination

§  3 Inhaltliche Orientierung von völkerrechtlichen Übereinkommen an EuIPR und EuZVR Es müssen nicht immer die Rechtsakte der EU-Ebene sein, die an staatsvertrag­ lichen Übereinkommen orientiert werden. Die Orientierung kann auch in die an­ dere Richtung vollzogen werden, auch wenn es sich bei den Übereinkommen dann in der Regel um regionale Staatsverträge handelt. Diese Koordinationsform mit ihren Prinzipien soll zunächst anhand des Internationalen Zivilverfahrens­ rechts dargestellt werden (dazu A.), bevor ihre Charakteristik im Internationalen Privatrecht erläutert wird (dazu B.).

A. Internationales Zivilverfahrensrecht I. Koordinationsgegenstände Untersucht wird in diesem Zusammenhang zunächst die inhaltliche Beziehung zwischen regionalen IPR-Abkommen wie den Luganer Übereinkommen von 1988 und 2007 und ihrem inhaltlichen Verhältnis zum EuGVÜ bzw. zur Brüssel I-VO. II. Funktionsweise Wie bereits angedeutet, stellt diese Koordinationsmethode die Umkehrung der in den vorherigen Paragraphen dargestellten Methoden dar. Sie unterscheiden sich in erster Linie durch die Richtung, in welcher die Orientierung vorgenommen wird, lässt sich jedoch ausschließlich beobachten, wenn es um die Orientierung von regionalem völkervertraglichem Kollisionsrecht geht. Die Orientierung völ­ kerrechtlichen Kollisionsrechts an europarechtlichen Vorbildern kann ebenso wie die Orientierung in umgekehrter Richtung in geschriebener Gesetzesform (dazu 1.) oder durch Auslegung (dazu 2.) erfolgen. 1. Orientierung in Gesetzesform Die Orientierung in Gesetzesform zeigt sich vor allem am Luganer Übereinkom­ men, dessen Versionen von 1988 bzw. 2007 am EuGVÜ bzw. an der Brüssel I-VO orientiert wurden.

3. Kapitel: Inhaltl. Beziehungen zw. EU- u. völkervertraglichen Rechtsakten

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a) EuGVÜ und LugÜ 1988 aa) Allgemeines Die Regelungen des LugÜ 1988 sind im Wesentlichen eine wortidentische Ent­ sprechung des EuGVÜ hinsichtlich aller Teile des Übereinkommens.506 Über­ nommen wurden in einem Protokoll zum LugÜ 1988 ebenfalls Vorschriften des Protokolls des EuGVÜ, die sich nunmehr auch in einem Protokoll zum LugÜ 1988 finden. Lediglich in einigen Vorschriften sind abweichende Regelungen enthalten. Diese betreffen einerseits redaktionelle Unterschiede, die darauf beru­ hen, dass es sich bei EuGVÜ und LugÜ 1988 um zwei verschiedene Überein­ kommen mit unterschiedlichen Vertragsstaaten handelt und die zu verschiedenen Zeitpunkten in Kraft getreten sind. Andererseits sind aber auch echte inhaltliche Unterschiede erkennbar. Die redaktionellen Unterschiede sind zum einen in Titel III und dort im Ab­ schnitt über die Vollstreckung, zum anderen in Titel VI zu den Übergangsvor­ schriften zu finden. Die Vorschriften zur Vollstreckung im LugÜ 1988 enthalten zusätzlich zu den im EuGVÜ genannten Gerichten weitere Gerichte für die EFTA-­Staaten, die zuständige Stellen für bestimmte Anträge507 bzw. für be­ stimmte Rechtsbehelfe508 sind, sowie die für die Rechtsbehelfe zulässigen Ver­ fahren.509 Diese zusätzlichen Angaben waren für die EFTA-Staaten notwendig, da sie als Nicht-EU-Mitgliedstaaten an dem EuGVÜ als geschlossenem Überein­ kommen nicht teilnehmen konnten.510 Die Unterschiede in Titel VI über die Übergangsvorschriften betreffen ebenfalls zusätzliche Verfahrensvorschriften für die EFTA-­Staaten;511 ferner findet sich auch hier die Tatsache berücksichtigt, dass es sich beim LugÜ 1988 um ein vom EuGVÜ verschiedenes Übereinkom­ men handelt, das zu einem anderen Zeitpunkt in Kraft getreten ist.512 Die Unter­ scheidung zwischen EuGVÜ und LugÜ 1988 ist auch der Grund, warum in Art.  57 LugÜ 1988 das Verhältnis zu anderen Übereinkommen aus der Perspek­ tive des LugÜ 1988 formuliert werden musste.

506 

Vgl. Kropholler/v. Hein, Einl. EuGVO, Rdn.  19. 44 LugÜ 1988. 508  Art.  40 LugÜ 1988. 509  Art.  41 LugÜ 1988. 510  Geimer/Schütze1, Einleitung, Rdn.  4. 511  Art.  54a Nr.  7 LugÜ 1988. 512  Art.  54 UAbs.  3, 54a vor Nr.  1 LugÜ 1988. 507  Art.  32,

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1. Teil – 2.  Abschnitt: Methoden der inhaltlichen Koordination

bb) Sachliche Unterschiede zwischen EuGVÜ und den Luganer Übereinkommen 1988 und 2007 Die sachlichen Unterschiede haben dagegen tiefer liegende Gründe. Hierbei geht es um Streitfragen, die im Laufe der 1980er Jahre zum EuGVÜ diskutiert wurden und vom EuGH nicht durch Richterspruch geklärt werden konnten. Im LugÜ 1988 entschied man sich dann für eine Lösung, die nicht in das 3. Beitrittsüber­ einkommen zum EuGVÜ von 1989 übernommen wurde. (1) Unterschiede in Arbeitssachen Gleich zwei Unterschiede zwischen EuGVÜ und LugÜ 1988 betreffen Arbeits­ sachen, nämlich in den jeweiligen Art.  5 Nr.  1 und Art.  17 Nr.  5. Art.  5 Nr.  1 ent­ hält je nach Übereinkommen verschiedene Anknüpfungen für die Konstellation, in welcher der Arbeitnehmer seine Arbeit gewöhnlich nicht in ein und demselben Staat verrichtet. Im LugÜ 1988 wird die besondere Zuständigkeit allgemein dem Gericht des Ortes zugestanden, an dem sich die Niederlassung befindet, die den Arbeitnehmer eingestellt hat. Dagegen kann nach EuGVÜ an diesem Ort nur der Arbeitgeber verklagt werden, nicht aber der Arbeitnehmer. Nach ihrem Bekannt­ werden hatte der EuGH die Version des LugÜ 1988 kritisiert, indem er argumen­ tierte, dass sie im Ergebnis dazu führte, dass der Grundsatz des actor sequitur forum rei in Arbeitssachen ins Gegenteil verkehrt würde, da hier der Arbeitgeber stets am Ort der Niederlassung klagen würde und es so zu einem forum actoris käme.513 Im EuGVÜ beschränkte man sich daher auf einen besonderen Gerichtsstand zugunsten des Arbeitnehmers. Dasselbe tat der europäische Gesetzgeber in Art.  17 Abs.  5 EuGVÜ. Wohingegen die rechtliche Wirkung von Gerichtsstand­ vereinbarungen in Individualarbeitsverträgen in Art.  17 Abs.  5 LugÜ 2007 auf den Fall beschränkt ist, dass die Vereinbarung nach Entstehen des Streits getrof­ fen wird, erweitert Art.  17 Abs.  5 EuGVÜ die rechtliche Wirkung von Gerichts­ standvereinbarungen über das LugÜ 1988 hinaus auf die Konstellation, dass der Arbeitnehmer die Vereinbarung geltend macht, um vom allgemeinen Gerichts­ stand des Art.  2 oder dem besonderen Gerichtsstand des Art.  5 Nr.  1 EuGVÜ abzuweichen. Diese Ausweitung beruhte auf Bedenken gegenüber der fehlenden Flexibilität bei Art.  17 Abs.  5 LugÜ 1988,514 so dass man auch dort nicht dem LugÜ 1988 folgte. 513  EuGH, Urt. v. 15.2.1989, C-32/88, Société Six Construction v. Humbert, Slg. 1989, 341, 362, Rdn.  13 ; Geimer/Schütze1, Art.  5 EuGVÜ/LugÜ 1988, Rdn.  79. 514  Droz, Rev. Crit. D.I.P. 78 (1989) 1, 26; Geimer/Schütze1, Art.  17 EuGVÜ/LugÜ 1988, Rdn.  54.

3. Kapitel: Inhaltl. Beziehungen zw. EU- u. völkervertraglichen Rechtsakten

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(2) Unterschiede bei Vermietung und Verpachtung Art.  16 Nr.  1 lit.  b enthält die von EuGVÜ und LugÜ 1988 vorgeschlagene Lö­ sung des Problems, dass es für die Vermietung oder Verpachtung einer unbeweg­ lichen Sache für kurze Zeit – also z. B. der Vermietung einer Ferienwohnung515 – keine eigenständige Regelung gab und somit die Gerichte im Belegenheitsstaat der unbeweglichen Sache ausschließlich zuständig waren. Auch wenn diese An­ knüpfung für beide Streitparteien ungünstig sein konnte, sah der EuGH keine Möglichkeit, im Rahmen seiner Zuständigkeiten eine günstigere Lösung herbei­ zuführen.516 Die Versionen von LugÜ 1988 und EuGVÜ unterscheiden sich in zwei Punk­ ten. Erstens ist das EuGVÜ auf einen Streit zwischen zwei natürlichen Personen beschränkt; das LugÜ 1988 lässt es dagegen ausreichen, dass nur eine Partei eine natürliche Person ist, so dass auch z. B. ein Mietvertrag zwischen einer natür­ lichen und einer juristischen Person mit bspw. einer deutschen AG als Mieterin ebenfalls unter Art.  16 Nr.  1 lit.  b LugÜ 1988 fällt. Der zweite Unterschied be­ steht in der Lage der Wohnsitze der am Vertrag beteiligten Parteien, wobei auch hier das EuGVÜ restriktiver ist. Während das LugÜ 1988 jede Wohnsitzkonstel­ lation der Parteien zulässt, solange nur keine ihren Wohnsitz am Belegenheitsort der unbeweglichen Sache hat, müssen der Eigentümer der unbeweglichen Sache und der Mieter bzw. Pächter für Art.  16 Nr.  1 lit.  b EuGVÜ ihren Wohnsitz in demselben Vertragsstaat haben. (3) Unterschiede bei Anerkennungsversagungsgründen Eine sachliche Erweiterung gegenüber dem EuGVÜ enthält Art.  28 Abs.  2 LugÜ 1988. Danach wird über die im EuGVÜ genannten Anerkennungsversagungs­ gründe auf zwei weitere Fälle – Art.  54b Abs.  3 und Art.  57 Abs.  4 LugÜ 1988 – verwiesen, die im EuGVÜ keine Entsprechung haben und somit von diesen Spe­ zialregelungen herrühren müssen. Für diese Anerkennungsversagungsgründe bereitet Art.  28 Abs.  2 LugÜ 1988 den Weg, indem er den Gerichten des Aner­ kennungs- und Vollstreckungsstaates insoweit die Nachprüfung der ausländi­ schen Entscheidung gestattet. Nach Art.  54b Abs.  3 LugÜ 1988 kann die Anerkennung oder Vollstreckung versagt werden, wenn sich der der Entscheidung zugrunde liegende Zuständig­ keitsgrund von demjenigen unterscheidet, der sich aus diesem Übereinkommen ergibt, und wenn die Anerkennung oder Vollstreckung gegen eine Partei geltend 515 

Geimer/Schütze1, Art.  16 EuGVÜ/LugÜ 1988, Rdn.  123. EuGH, Urt. v. 15.1.1985, C-241/83, Rösler v. Rottwinkel, Slg. 1985, 99, 128, Rdn.  29; Geimer/Schütze1, Art.  16 EuGVÜ/LugÜ 1988, Rdn.  123 m. w. N. 516 

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1. Teil – 2.  Abschnitt: Methoden der inhaltlichen Koordination

gemacht wird, die ihren Wohnsitz in einem nicht den Europäischen Gemein­ schaften angehörenden Bertragsstaat hat, es sei denn, dass die Entscheidung an­ derweitig nach dem Recht des ersuchten Staates anerkannt oder vollstreckt wer­ den kann. Dies betrifft eine Konstellation, in der das LugÜ 1988 einen Fall re­ gelt, der vom EuGVÜ nicht erfasst ist. Ein von dieser Vorschrift erfasster Fall betrifft z. B. ein durch ein deutsches Gericht gefälltes Urteil über einen Beklag­ ten, der seinen Wohnsitz in der Schweiz hat, wobei der Anwendungsbereich des EuGVÜ trotzdem eröffnet sei. Soll die Entscheidung nun in der Schweiz voll­ streckt werden, kann die Schweiz die Anerkennung verweigern, es sei denn, dass das deutsche Gericht nach autonomem schweizerischem Zuständigkeitsrecht ebenfalls zuständig gewesen wäre. Insoweit beanspruchte also das LugÜ 1988 Vorrang vor dem EuGVÜ bzw. der Brüssel I-VO.517 Auf den Schutz von sich und ihren Bewohnern vor exorbitanten Gerichtsstän­ den zielten die EFTA-Staaten ebenfalls mit Art.  57 Abs.  4 LugÜ 1988 ab, wo­ nach die Anerkennung oder Vollstreckung außer den in Titel III des LugÜ 1988 – die mit den bekannten Versagungsgründen, wie sie bereits in der Brüssel I-VO vorgesehen waren, übereinstimmen – genannten Versagungsgründen versagt werden kann, wenn der ersuchte Staat nicht Vertragspartei eines in Abs.  1 be­ zeichneten Übereinkommens518 ist und wenn die Person, gegen die die Anerken­ nung oder Vollstreckung geltend gemacht wird, ihren Wohnsitz in diesem Staat hat, es sein denn, dass die Entscheidung nach einer anderen Rechtsvorschrift des ersuchten Staates anerkannt oder vollstreckt werden kann.519 Wie sich aus Art.  57 Abs.  1, 3 LugÜ 1988 ergibt, betrifft Art.  57 Abs.  4 LugÜ 1988 im Unterschied zu Art.  54b Abs.  3 LugÜ 1988 allerdings Abkommen über besondere Rechtsgebiete und nicht das allgemein auf Zivil- und Handelssachen anwendbare EuGVÜ. b) Brüssel I-VO und LugÜ 2007 Auch im Verhältnis von Brüssel I-VO und LugÜ 2007 handelt es sich im Wesent­ lichen um eine wortidentische Übernahme.520 Die Wortlautunterschiede ergeben sich zum einen aus dem Übereinkommenscharakter des LugÜ 2007 und zuwei­ len auch aus Begriffen des skandinavischen Rechtskreises. Zum anderen gibt es auch sachliche Unterschiede wie zwischen LugÜ 1988 und EuGVÜ; im Unter­ schied zu diesem Verhältnis sind zwar einige sachliche Unterschiede im LugÜ 517 

Siehe dazu Schlosser1, Art.  54b LugÜ 1988, Rdn.  2. Dabei handelt es sich um Übereinkommen, denen die Vertragsstaaten angehören oder angehören werden und die für besondere Rechtsgebiete die gerichtliche Zuständigkeit, die An­ erkennung oder die Vollstreckung von Entscheidungen regeln. 519  Geimer/Schütze1, Art.  28 EuGVÜ, Rdn.  77. 520  Rauscher, IPR, Rdn.  1642. 518 

3. Kapitel: Inhaltl. Beziehungen zw. EU- u. völkervertraglichen Rechtsakten

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2007 beibehalten worden und manche hinzugekommen; einige Unterschiede sind dagegen auch weggefallen. aa) Wortlautunterschiede ohne inhaltlichen Einfluss Der Übereinkommenscharakter spiegelt sich wie bereits im LugÜ 1988 in der Bezeichnung „Vertragsstaaten“ anstatt „Mitgliedstaaten“ wider.521 Wie schon im LugÜ 1988 war es auch im LugÜ 2007 aufgrund dessen weiteren räumlichen Anwendungsbereichs erforderlich, zusätzliche Stellen in EFTA-Staaten vorzu­ sehen, bei welchen die im Übereinkommen vorgesehenen Anträge und Rechts­ behelfe eingereicht werden können.522 Dagegen kann in der Brüssel I-VO nun­ mehr von Mitgliedstaaten gesprochen werden, da es sich nicht nur um ein Über­ einkommen zwischen den Mitgliedstaaten handelt, sondern um eine im Rahmen der gemeinschaftsrechtlichen Kompetenzen zustande gekommene Verordnung. bb) Wortlautunterschiede mit potenziellem inhaltlichen Einfluss Mit dem Unterschied in den räumlichen Anwendungsbereichen von LugÜ und Brüssel I-VO hängt auch zusammen, dass Verweisungen in der Brüssel I-VO auf Unionsrecht im LugÜ 2007 nicht auftauchen. Das muss – wie bei der Begriffsbe­ stimmung von Großrisiken in Art.  14 Nr.  5 Brüssel I-VO bzw. LugÜ 2007 – auf­ grund der Auslegungskohärenz zwischen Brüssel I-VO und LugÜ 2007 keine inhaltlichen Auswirkungen haben. Wenn es aber dazu führt, dass der fehlende Verweis eine entsprechende Auslegung nicht zulässt, bedeutet das Fehlen der Verweisung, dass die betreffende Vorschrift des EU-Rechts keinen Einfluss auf das LugÜ 2007 hat. So ist es z. B. bei Art.  26 Brüssel I-VO/LugÜ 2007. Danach hat das Gericht das Verfahren so lange auszusetzen, bis festgestellt ist, dass es dem Beklagten mög­ lich war, das verfahrenseinleitende Schriftstück oder ein gleichwertiges Schrift­ stück so rechtzeitig zu empfangen, dass er sich verteidigen konnte oder dass alle hierzu erforderlichen Maßnahmen getroffen worden sind. Art.  26 Abs.  3 Brüssel I-VO verweist für den Zustellungsverkehr zwischen zwei EU-Mitgliedstaaten zunächst auf Art.  19 EuZVO 2000 und erst subsidiär auf Art.  15 HZÜ. Art.  26 LugÜ 2007 verweist dagegen direkt auf das HZÜ, was durchaus nahe liegt, da die EuZVO 2000 für die EFTA-Staaten nicht gilt. Damit wird aber zugleich der Wille der Vertragsstaaten deutlich, dass sie für diesen Bereich keine inhaltliche 521 

Z. B. in Art.  1 Abs.  3 LugÜ 2007. Brüssel I-VO/LugÜ 2007 (vgl. Art.  32 EuGVÜ/LugÜ 1988), Art.  43 Brüssel I-VO/LugÜ 2007 (vgl. Art.  37 EuGVÜ/LugÜ 1988), Art.  44 Brüssel I-VO/LugÜ 2007 (vgl. Art.  37 Abs.  2 EUGVÜ/LugÜ 1988), Art.  50 Brüssel I-VO/LugÜ 2007 (vgl. Art.  44 EuGVÜ/ LugÜ 1988). 522  Art.  39

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1. Teil – 2.  Abschnitt: Methoden der inhaltlichen Koordination

Koordination mit der Brüssel I-VO wünschen. Die Verweisung auf die EuZVO 2000 ist gemäß Art.  25 Abs.  2 EuZVO 2007 als Verweis auf eben diese EuZVO 2007 zu sehen, welche die EuZVO 2000 ersetzt hat.523 Die Verweise in Art.  28 Abs.  3, 4 Brüssel Ia-VO beziehen sich nunmehr auf die EuZVO 2007. cc) Wortlautunterschiede mit inhaltlichem Einfluss Hinsichtlich der beibehaltenen sachlichen Unterschiede zwischen Brüssel I-VO und LugÜ 2007 fallen insbesondere die zusätzlichen Anerkennungsversagungs­ gründe ins Auge, die von Art.  28 Abs.  2 LugÜ 1988 in Art.  35 Abs.  1 S.  2 LugÜ 2007 übernommen wurden.524 Darüber hinaus sind im LugÜ 2007 weitere Wortlautunterschiede hinzuge­ kommen. So ist die Vorschrift Art.  62 Brüssel I-VO – wonach bei den summari­ schen Verfahren betalningsföreläggande (Mahnverfahren) und handräckning (Beistandsverfahren) in Schweden der Begriff „Gericht“ auch die schwedische kronofodemyndighet (Amt für Beitreibung) umfasst – im LugÜ 2007 verallge­ meinert worden. Art.  62 LugÜ 2007 ist in diesem Zusammenhang weiter und bezeichnet jede Behörde als Gericht, soweit diese für die Entscheidung in einer Angelegenheit zuständig ist, die in den Anwendungsbereich des LugÜ 2007 fällt. Unter der Vorgängervorschrift des LugÜ 1988 war das noch anders; dort war Art. Va des Protokolls zum EuGVÜ wortwörtlich in Art. Va des Protokolls Nr.  1 zum LugÜ 1988 übernommen worden und hatte die dänischen Verwaltungsbehörden in Unterhaltssachen sowie die schwedische „kronofogdemynidighet“ für Mahn­ verfahren und Beistandsverfahren ebenfalls als Gerichte anerkannt. Es ist zu ver­ muten, dass gerade in den nordeuropäischen Vertragsstaaten Norwegen, Däne­ mark und Island ähnliche behördliche Einrichtungen wie in Schweden, worauf Art.  62 Brüssel I-VO abgestimmt ist, existieren, und dass vor diesem Hinter­ grund eine Verallgemeinerung gegenüber der einzelnen Aufzählung vorzugswür­ dig war. Dagegen sind andere Normen des Unionsrechts wie Art.  63 und 64 Brüssel I-VO im LugÜ 2007 – anders als noch bei LugÜ 1988 – weder ins Überein­ kommen selbst noch in ein Protokoll übernommen worden. Das war jedoch auch nicht notwendig, da bei Unterzeichnung das Auslaufen dieser Vorschriften kurz bevor stand: Sowohl Art.  63 – eine Sondervorschrift für Personen mit Wohnsitz in Luxemburg mit einer speziellen Rügemöglichkeit in Abs.  1 sowie einer beson­ deren Prorogationsformvorschrift in Abs.  2 – als auch Art.  64 Brüssel I-VO – eine besondere Regelung bzgl. Unterrichtung diplomatischer oder konsularischer 523 

Vgl. Gottwald in: MüKoZPO, Art.  26 LugÜ 2007, Rdn.  3. Siehe S. 181. Art.  54b Abs.  3 LugÜ 1988 findet sich nunmehr in Art.  64 Abs.  3 LugÜ 2007, Art.  57 Abs.  4 LugÜ 1988 ist jetzt in Art.  67 Abs.  4 LugÜ 2007 geregelt. 524 

3. Kapitel: Inhaltl. Beziehungen zw. EU- u. völkervertraglichen Rechtsakten

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Vertreter für Streitigkeiten zwischen dem Kapitän und einem Mannschaftsmit­ glied eines in Griechenland oder in Portugal eingetragenen Seeschiffs über Be­ dingungen des Dienstverhältnisses – sollten „sechs Jahre nach Inkrafttreten“ der Brüssel I-VO, also am 1.3.2008525, außer Kraft treten. Das LugÜ 2007 wurde erst am 30.11.2007, also wenige Monate vor diesem Termin, unterzeichnet, so dass ein Inkrafttreten vor diesem Datum ohnehin unwahrscheinlich war. Das LugÜ 2007 trat erst am 1.1.2010 für die EU, Dänemark und Norwegen und sogar noch später für die Schweiz (1.1.2011) bzw. Island (1.5.2011) in Kraft, so dass die Übernahme dieser Vorschriften keinen Koordinationswert gehabt hätte. Schließlich ist Art.  65 Brüssel I-VO – wonach die in Art.  6 Nr.  2 und Art.  11 Brüssel I-VO für eine Gewährleistungs- oder Interventionsklage vorgesehene Zuständigkeit nicht in Deutschland, Österreich und Ungarn geltend gemacht werden kann und die jeweils entsprechenden nationalen Normen zur Anwendung kommen lässt – zwar nicht in das LugÜ 2007 selbst übernommen worden, ist aber – ähnlich wie beim LugÜ 1988 – in Art. II Protokoll 1 über bestimmte Zu­ ständigkeits-, Verfahrens- und Vollstreckungsfragen enthalten. Der einzige struk­ turelle Unterschied besteht also in Art.  64 LugÜ 2007, der auch nachvollziehbar ist: Er bestimmt das Verhältnis des LugÜ 2007 zur Brüssel I-VO. dd) Weggefallene Wortlautunterschiede Allerdings sind auch Unterschiede, die noch zwischen EuGVÜ und LugÜ 1988 bestanden, im Verhältnis zwischen Brüssel I-VO und LugÜ 2007 weggefallen. Das betrifft den besonderen Vertragsgerichtsstand und in diesem Zusammenhang den weggefallenen besonderen Gerichtsstand für Arbeitssachen (Art.  5 Nr.  1 lit.  b EuGVÜ), die Ausweitung der rechtlichen Wirkung der Gerichtsstandver­ einbarung bei Individualarbeitsverträgen zugunsten des Arbeitnehmers (Art.  17 Abs.  5 EuGVÜ) sowie die Ausweitung der Anwendbarkeit des ausschließlichen Gerichtsstands bei kurzfristiger Gebrauchsüberlassung unbeweglicher Sachen (Art.  16 Nr.  1 lit.  b EuGVÜ). Insoweit wurde die Rechtslage also angeglichen. c) Einfluss der Luganer Übereinkommen auf das EuGVÜ bzw. Brüssel I- und Brüssel Ia-VO Die Übereinkommen von Lugano orientieren sich zum großen Teil am Wortlaut des EuGVÜ bzw. der Brüssel I-VO und sind – wenngleich sie für spezifische Bedürfnisse der EFTA-Staaten Sonderregeln enthalten – nicht primär darauf an­ gelegt, eigene Regelungen zu schaffen.526 Diese Orientierung ist konsequent 525  526 

Gottwald in: MüKoZPO4, Art.  63 EuGVO, Rdn.  1 sowie Art.  64 EuGVO, Rdn.  1. Oetiker/Weibel in: Oetiker/Weibel, Einleitung, Rdn.  12, 26.

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1. Teil – 2.  Abschnitt: Methoden der inhaltlichen Koordination

durchgeführt worden, so dass auch die Änderungen des EuGVÜ, zu denen es im Rahmen der Beitrittsübereinkommen kam, bis einschließlich des 4. und letzten Beitrittsübereinkommens zum EuGVÜ von 1996 im LugÜ 1988 nachvollzogen wurden. Umso mehr wird diese konsequente Orientierung deutlich, wenn man sieht, dass die sachlichen Unterschiede zwischen EuGVÜ und LugÜ 1988 in Art.  5 Nr.  1 lit.  b, Art.  16 Nr.  1 lit.  b und Art.  17 Abs.  5 im LugÜ 2007 nicht fort­ geführt wurden, sondern ein Vergleich der entsprechenden Vorschriften in Brüs­ sel I-VO und LugÜ 2007 – Art.  5 Nr.  1, Art.  22 Nr.  1 und Art.  23 Abs.  5 – wort­ identische Fassungen zeigt. Damit ist jedoch nicht gesagt, dass die Luganer Übereinkommen nicht das Potenzial gehabt hätten, Vorreiter neuer Regeln des EuZVR zu sein. Wie oben angesprochen enthielt das LugÜ 1988 einige Regeln, die eigenständige Rege­ lungsinitiative der EFTA-Staaten zeigten, deren Fassung jedoch nicht in das EuGVÜ übernommen wurde. Eine Vorreiterrolle spielten dagegen Vorschriften des LugÜ 2007. Als Beispiel für eine solche Vorreiterrolle lässt sich Art.  5 Nr.  2 lit.  c LugÜ 2007 anführen. Danach ist im Falle einer Unterhaltssache, über die im Zusammenhang mit ei­ nem Verfahren in Bezug auf die elterliche Verantwortung zu entscheiden ist, das Gericht zuständig, das nach seinem Recht für dieses Verfahren zuständig ist. Die­ ser besondere Unterhaltsgerichtsstand ist in Art.  5 Nr.  2 Brüssel I-VO nicht ent­ halten gewesen, wurde aber in Art.  3 lit.  d EuUnthVO eingefügt. 2. Orientierung im Wege der Auslegung Bei der Orientierung europäischer Verordnungen am völkervertraglichen Vor­ gänger ist bereits auf den Grundsatz der Kohärenz und der damit verbundenen kohärenten Auslegung der Rechtsakte eingegangen worden.527 Diese Kohärenz gilt auch dann, wenn in einer EU-Verordnung ein Begriff verwendet wird, der einer Richtlinie entstammt, und diese Richtlinie zwar im Text der Brüssel I-VO, nicht jedoch im daran orientierten Übereinkommen genannt ist. Eine solche Konstellation ist in Art.  14 Nr.  5 Brüssel I-VO/LugÜ 2007 zu erkennen. In der Vorschrift der Brüssel I-VO wird auf die Begriffsbestimmung von Großrisiken in der entsprechenden Richtlinie hingewiesen, wohingegen dieser Verweis im LugÜ 2007 fehlt. Das Fehlen dieses Verweises muss jedoch nicht daran liegen, dass die Richtlinie in den EFTA-Staaten nicht gilt. Es wäre kein rechtstechni­ sches Problem gewesen, sich unter den EFTA-Staaten darauf zu einigen, dass besagte Begriffsbestimmung auch für das LugÜ 2007 Geltung haben solle. Ein Gewinn ist damit allerdings nicht verbunden, da über die Kohärenzwirkung zwi­ 527 

Siehe oben S. 151.

3. Kapitel: Inhaltl. Beziehungen zw. EU- u. völkervertraglichen Rechtsakten

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schen Brüssel I-VO und LugÜ 2007 dasselbe Begriffsverständnis über Großrisi­ ken erreicht wird.528 III. Koordinationszweck Der Zweck der Koordination von EuGVÜ und Brüssel I- bzw. Brüssel Ia-VO einerseits und der Luganer Übereinkommen andererseits besteht in dem Wunsch von EU- und EFTA-Staaten, in ihrem Verhältnis zueinander und damit – wenn man die Schweiz einmal ausnimmt – innerhalb des EWR ein kohärentes IZVR zu haben. Dafür sind ähnliche Vorschriften allerdings nur der erste Schritt.529 Zur Gewährleistung der Auslegungskohärenz war und ist ein stetiger Informations­ austausch erforderlich, da Gerichte der EFTA-Staaten dem EuGH keine Fragen vorlegen können.530 Dieses Informationssystem wird gemäß Art.  2 Abs.  2 des Protokolls Nr.  2 über die einheitliche Auslegung des Übereinkommens von 1988 vom Kanzler des EuGH geleitet.531 IV. Koordinationsakteure 1. Legislative Das legislative Handeln im Rahmen von EuGVÜ und der Luganer Überein­ kommen besteht freilich im Abschluss der völkerrechtlichen Kollisionsrechts­ übereinkommen. Zusätzlich ist die Schaffung der darüber hinausgehenden ­Rahmenbedingungen erwähnenswert, die in der Festlegung von gerichtlichen ­Auslegungshoheiten bestanden. Das betrifft zunächst den EuGH, dessen Ausle­ gungskompetenz für das EuGVÜ des Abschlusses eines weiteren Übereinkom­ mens bedurfte.532 Daneben musste die Einheitlichkeit der Auslegung der Luga­ ner Übereinkommen im Verhältnis zu EuGVÜ und Brüssel I-VO bzw. Brüssel Ia-VO gewährleistet werden. Die in der Präambel des Protokolls Nr.  2 zum Luganer Übereinkommen festgeschriebene authentische Interpretation war und ist ein wichtiges Bindeglied zwischen EU- und EFTA-Staaten.533 Mit diesem 528 

Vgl. Erwägungsgrund Nr.  19 Brüssel I-VO. Wobei mit Recht darauf hingewiesen wird, dass die Parallelität der Vorschriften von EuGVVO und LugÜ derzeit nur einige Jahre währt, siehe nur Oetiker/Weibel in: Oetiker/Wei­ bel, Einleitung, Rdn.  31b. 530  Siehe dazu sogleich S. 188. 531  Geimer in: Geimer/Schütze, Einl. A.1, Rdn.  192 und – bzgl. LugÜ 2007 – Rdn.  195b. 532  Siehe hierzu das Protokoll vom 3. Juni 1971 betreffend die Auslegung des Übereinkom­ mens vom 27. September 1968 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gericht­ licher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen durch den Gerichtshof, in Deutschland be­ kannt gemacht durch BGBl. 1975 II, S.  1138; vgl. Geimer in: Geimer/Schütze, Einl. A.1, Rdn.  180. 533  Vgl. dazu Geimer in: Geimer/Schütze, Einl. A.1, Rdn.  188–195c. 529 

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1. Teil – 2.  Abschnitt: Methoden der inhaltlichen Koordination

zusätzlichen völkerrechtlichen Handeln ist die institutionelle Basis für die Kohä­ renz des IZVR im gesamten EWR-Raum ohne ein eigenes EWR-Gericht534 ge­ schaffen worden. Die inhaltliche Kohärenz von LugÜ 2007 und Brüssel Ia-VO ist darüber hinaus durch eine entsprechende Arbeitsgruppe verstärkt worden.535 2. Judikative Für das EuGVÜ ist der EuGH aufgrund seiner Auslegungsbefugnis, die auf dem Protokoll vom 3. Juni 1971 betreffend die Auslegung des Übereinkommens vom 27. September 1968 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen durch den Gerichts­ hof beruht, die wichtigste judikative Institution, wie es auch für die Brüsseler Verordnungen zutrifft. Wie sonst auch müssen die Auslegungsfragen von natio­ nalen Gerichten aufgeworfen werden, so dass auch hier die Position des EuGH wesentlich durch die nationalen Gerichte ergänzt wird. Diese Bedeutung galt auch für das LugÜ 1988, für das in Protokoll Nr.  2 keine EuGH-gleiche Instanz in den EFTA-Staaten vorgesehen war. In demselben Pro­ tokoll war denn auch festgelegt, dass die Auslegung des EuGVÜ durch den EuGH für die EFTA-Staaten hinsichtlich des LugÜ 1988 verbindliche Rechts­ quelle sei.536 Das LugÜ 2007 ist Bestandteil des Unionsrechts; Auslegungsfragen können daher von den mitgliedstaatlichen Gerichten dem EuGH vorgelegt werden.537 Das gilt jedoch nicht für die EFTA-Staaten, die der EU nicht angehören, da Art.  267 AEUV für sie nicht gilt. Im Rahmen von Vorabentscheidungsverfahren, die von mitgliedstaatlichen Gerichten angestoßen werden, sind sie nach Art.  2 Abs.  2 des Protokolls 2 zum LugÜ 2007 zu Stellungnahmen befugt.538 Zwar ver­ fügt die EFTA seit Abschluss des EWR-Abkommens mit der EU über einen ei­ genen Gerichtshof; dieser ist aber nicht für die Auslegung der Luganer Über­ einkommen zuständig.539 Da der EuGH die Errichtung eines gemeinsamen EWR-Gerichtshofs blockiert hat, ist die authentische Auslegung und der daraus folgende Informationsaustausch mit dem EuGH für die Gerichte der EFTA-Staa­ ten die einzige Möglichkeit, die inhaltliche Kohärenz mit dem EU-Kollisions­ recht zu wahren. Denn Vorlagefragen über das LugÜ 2007 an den EuGH sind nur Gerichten aus EU-Mitgliedstaaten möglich. 534 

Siehe dazu EuGH, 14.12.1991 – Gutachten 1/91, Slg. 1991, I-6079. Geimer in: Geimer/Schütze, Einl. A.1, Rdn.  38. 536  Siehe dazu nur Geimer in: Geimer/Schütze, Einl. A.1, Rdn.  189. 537  Geimer in: Geimer/Schütze, Einl. A.1, Rdn.  195. 538  Geimer in: Geimer/Schütze, Einl. A.1, Rdn.  195a. 539  Vgl. Geimer in: Geimer/Schütze, Einl. A.1, Rdn.  195 ff. 535 

3. Kapitel: Inhaltl. Beziehungen zw. EU- u. völkervertraglichen Rechtsakten

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B. Internationales Privatrecht I. Koordinationsgegenstände Auch im IPR gibt es plurilaterale Übereinkommen, die sich an EU-Kollisions­ recht orientieren. Das derzeit aktuellste Beispiel ist das Nordische Erbrechtsab­ kommen zwischen Dänemark, Island, Finnland, Norwegen und Schweden vom 19.11.1934540, das von diesen Staaten im Zuge des Entstehens der EuErbVO neu gefasst wurde und am 1.8.2016 in Kraft treten sollte.541 II. Funktionsweise Dass sich das Nordische Abkommen an der EuErbVO orientiert, ergibt sich aus den Veränderungen zwischen dem ursprünglichen Abkommen von 1934 und der Neufassung von 2012. Die einschneidendste Veränderung im Nordischen Ab­ kommen aufgrund dieses inhaltlichen Zusammenspiels bezieht sich jedoch nicht so sehr auf die Grundanknüpfung (dazu 1.) als vielmehr auf die Rechtswahlfrei­ heit des Erblassers (dazu 2.). 1. Unveränderte Anknüpfung an den „Wohnsitz“ in den Nordischen Abkommen von 1934 und 2012 Geht man von der schwedischen Fassung des Nordischen Abkommens von 2012 aus und vergleicht diese mit dem schwedischen Wortlaut von Art.  21 EuErbVO, stellt man fest, dass in beiden Fällen „hemvist“ gebraucht wird; vergleicht man die übrigen Fassungen der EU-Amtssprachen, muss hemvist als Äquivalent zum deutschen gewöhnlichen Aufenthalt oder zur englischen habitual residence ge­ sehen werden. Im Schwedischen bedeutet es dagegen wörtlich „Wohnsitz“, was nach dem Unionsverständnis etwas anderes bedeutet. Jedoch versteht die ein­ schlägige Literatur Art.  1 der Konvention von 1934 weitestgehend dahin, dass er dem „Domizilprinzip“ folgt,542 was allerdings beinhalten soll, dass das Domizil über eine längere Zeit beizubehalten ist und daher auch in diesem Zusammen­

540 

Firsching in: Staudinger12, Vorbem. zu Art.  24–26 a. F. EGBGB, Rdn.  408. Ring/Olsen-Ring, Einführung in das skandinavische Recht, S.  265, Fn.  304. Über das Inkrafttreten der geänderten Fassung liegen dem Bearbeiter keine näheren Informationen vor. 542  Dänemark: Ring/Olsen-Ring in: Süß, Erbrecht in Europa, Länderbericht Erbrecht in Dä­ nemark, Rdn.  9, 12 f.; Island, Norwegen u. a.: Sedlmayr in: Süß, Erbrecht in Europa, Länderbe­ richt Erbrecht in Norwegen, Rdn.  3 f.; Schweden: Johannsson in: Süß, Erbrecht in Europa, Länderbericht Erbrecht in Schweden, Rdn.  43 f. Mit abweichendem, wenn auch m. E. fragwür­ digem Verständnis nur v. Knorre/Mincke in: Süß, Erbrecht in Europa, Länderbericht Erbrecht in Finnland, Rdn.  4. 541 

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1. Teil – 2.  Abschnitt: Methoden der inhaltlichen Koordination

hang als „gewöhnlicher Aufenthalt“ verstanden wird.543 Hinsichtlich der Grund­ anknüpfung ist also keine Orientierung des Nordischen Abkommens an Art.  21 EuErbVO zu beobachten; vielmehr ist die Regelung hier im Prinzip beibehalten worden. 2. Veränderung der Rechtswahl im Nordischen Abkommen von 2012 Bedeutsam ist demgegenüber die inhaltliche Orientierung der Rechtswahlbestim­ mung des Abkommens von 2012 an Art.  22 EuErbVO. Im Abkommen von 1934 war eine solche Rechtswahl nicht vorgesehen. Eine Abweichung vom Domizil­ prinzip war zugunsten des Rechts des Staates, dem der Erblasser angehörte, nur dann möglich, wenn der Erblasser seinen Wohnsitz im Zeitpunkt seines Todes nicht mindestens fünf Jahre lang hatte, und auch nur auf Antrag eines gesetzli­ chen Erben oder eines Testamentserben, für den dies rechtlich von Bedeutung ist (Art.  1 Abs.  1 S.  2 des Abkommens). Ausgeschlossen war diese Abweichung, wenn aufgrund dieses Rechts der Nachlass dem Staat zufiele (Art.  1 Abs. I S.  3 des Abkommens). Im Zuge der Verhandlungen über die EuErbVO kam es auch unter den nordi­ schen Staaten zu einem Umdenken dahin gehend, dass man für den Erblasser rechtliche Möglichkeiten schaffen wollte, das Erbstatut zu gestalten. Wie in Art.  22 Abs.  1 EuErbVO beschränkten die Verfasser die Rechtswahlmöglichkei­ ten des Erblassers in Art.  3 des Abkommens544 auf die Wahl des Rechts des Staa­ tes, dem er angehört. Weil mit der Beschränkung nach Ansicht der Verfasser ausreichend Vorkehrungen für die Rechtssicherheit getroffen sind, hat offen­ sichtlich auch die Voraussetzung der Mindestdauer von fünf Jahren ausgedient, um die Wohnsitzanknüpfung durch Erben unumstößlich zu machen.545 Die inhaltliche Orientierung wird durch die Erweiterung der Anknüpfungen der Form fortgesetzt. In Art.  8 S.  2 des Abkommens ist eine zusätzliche Anknüp­ fung für unbewegliche Sachen geschaffen worden, wie sie zuvor nicht existier­ te,546 aber in Art.  27 Abs.  4 lit.  e EuErbVO im europäischen Erbkollisionsrecht eingeführt wird. Dies soll in der EuErbVO zumindest auch dem favor validitatis 543 

Johannsson in: Süß, Erbrecht in Europa, Länderbericht Erbrecht in Schweden, Rdn.  6. „En arvlåtare får förordna att rätten till arv efter honom eller henne ska styras av lagen i den fördragsslutande stat där han eller hon vid tidpunkten för förordnandet eller vid sin död är medborgare. […]“ (Ein Erblasser kann bestimmen, dass das Recht, von ihm zu erben, von dem Recht des Vertragsstaates bestimmt wird, dessen Staatsangehörigkeit er zum Zeit­ punkt der Rechtswahl innehatte.) 545  Vgl. Nordiska expertgruppen, S.  44. 546  Vgl. Nordiska expertgruppen, S.  49 und Anhang S.  6 („fast egendom“) sowie die Über­ setzungen zum Übereinkommen von 1934 bei Firsching in: Staudinger12, Vorbem. zu Art.  24– 26 a. F. EGBGB, Rdn.  408. 544  Art.  3:

3. Kapitel: Inhaltl. Beziehungen zw. EU- u. völkervertraglichen Rechtsakten

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dienen;547 dasselbe Ziel verfolgen wohl aufgrund ihres Modernisierungsbestre­ bens548 auch die Vertragsstaaten des Nordischen Abkommens. III. Koordinationszweck Der Zweck der von den nordischen Staaten ausgehenden inhaltlichen Koordinati­ on ist zunächst die Modernisierung der Vorschriften des Nordischen Abkommens, die wiederum zu mehr Mobilität zwischen den Staaten führen und gleichzeitig die Rechtssicherheit steigern soll; als Katalysator wirkte dabei der Wunsch Finnlands und Schwedens nach einer Ausnahmeregelung im Rahmen der EuErbVO.549 Weil mit Schweden und Finnland zwei Vertragsstaaten des Nordischen Abkommens an der EuErbVO teilnehmen,550 waren diese Staaten an einer Ausnah­meregelung zu­ gunsten des Nordischen Abkommens interessiert, die im Kom­missionsvorschlag noch nicht vorgesehen war. Im Zuge der Verhandlungen über diese Ausnahmere­ gelung, die schließlich in Art.  75 Abs.  3 EuErbVO551 aufgenommen wurde und sich auf Verfahrensvereinfachungen bezieht, überarbeitete die Expertengruppe, die das Nordische Abkommen erarbeitet hatte, den ursprünglichen Abkommens­ text auch gezielt mit Blick auf die Kollisionsnormen der EuErbVO.552 IV. Koordinationsakteure 1. Legislative Die Koordination geht bei diesem IPR-Beispiel von den Vertragsstaaten des re­ gionalen Übereinkommens aus, ohne dass eine vorherige inhaltliche Zusammen­ arbeit geherrscht hätte, wie sie im IZVR im Verhältnis von EU und EFTA zu se­ hen war. Die einzige inhaltliche Diskussion betraf die Vorrangkoordination zwi­ schen Abkommen und EU-Verordnung. 547 

Dutta in: MüKoBGB, Art.  27 EuErbVO, Rdn.  1, 9. Nordiska expertgruppen, S.  29. 549  Nordiska expertgruppen, S.  29. 550  Dänemark beteiligt sich bislang nicht an der Annahme der EuErbVO, siehe Erwägungs­ grund Nr.  83 EuErbVO. 551  Vgl. dazu ähnliche Vorschriften in Bezug auf Abkommen zwischen nordischen Staaten: Art.  59 Abs.  2 lit.  a Brüssel IIa-VO zur Regelung des Verhältnisses von Brüssel IIa-VO zum Übereinkommen vom 6.2.1931 zwischen Dänemark, Finnland, Island, Norwegen und Schweden mit Bestimmungen des Internationalen Verfahrensrechts über Ehe, Adoption und Vormund­ schaft (die Erklärung Finnlands und Schwedens, die Bedingung der Anwendbarkeit dieser Vor­ schrift war, ist von beiden Staaten abgegeben worden; siehe dazu Jayme/Hausmann, Nr.  162, Fn.  70); sowie Art.  69 Abs.  3 EuUnthVO zur Regelung des Verhältnisses zwischen EuUnthVO und dem Übereinkommen vom 23.3.1962 zwischen Schweden, Dänemark, Finnland, Island und Norwegen über die Geltendmachung von Unterhaltsforderungen. 552  Nordiska expertgruppen, S.  10. 548 

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1. Teil – 2.  Abschnitt: Methoden der inhaltlichen Koordination

Anders als im Rahmen der Luganer Übereinkommen sind zwischen der EU und den nordischen Staaten keine institutionellen Absprachen erfolgt: Es gibt keine Regelungen zur Auslegungskohärenz und es ist kein besonderer Informa­ tionsaustausch geregelt, um die inhaltliche Orientierung der nordischen Staaten an der EU-Rechtsprechung zu erleichtern. Wäre etwas Derartiges vereinbart worden, wäre immerhin auch mit Island und Norwegen im Verhältnis zu zwei EFTA-Staaten eine noch engere Zusammenarbeit im Erbkollisionsrecht erreicht worden. Allerdings ist zu beachten, dass trotz dieses möglicherweise glücklichen Zufalls kein dem EWR-Abkommen vergleichbares Abkommen zwischen der EU und den nordischen Staaten besteht. Insofern war eine weiterführende institutio­ nelle Regelung der inhaltlichen Zusammenarbeit wie zwischen EU und EFTA nicht erforderlich. 2. Judikative Das Fehlen solcher Regelungen erschwert auf den ersten Blick natürlich die Ar­ beit der Gerichte der nordischen Staaten, soweit sie das Nordische Abkommen anwenden. Denn wie den Gerichten der EFTA-Staaten wird es ihnen nicht mög­ lich sein, im Rahmen des Vorabentscheidungsverfahrens Vorlagefragen an den EuGH zu richten.553 Eine Hilfe kann da selbstverständlich auch nicht sein, dass mit Finnland und Schweden zwei an der EuErbVO teilnehmende Staaten und mit Dänemark ein potenzieller Teilnehmer Vertragsstaaten des Nordischen Abkom­ mens sind. Denn auf deren Teilnahme an der EuErbVO kommt es nicht an, wenn es um die Zulässigkeit einer Vorfrage zum Nordischen Abkommen geht. Da schwedische und finnische Gerichte allerdings Vorlagefragen im Rahmen der Anwendung der EuErbVO an den EuGH richten können, verfügen diese Staaten dennoch über einen besseren Zugang zur EuGH-Rechtsprechung. Wenn sich also z. B. vor einem schwedischen Gericht eine Auslegungsfrage zur EuErbVO ge­ stellt hat, können sich die schwedischen Gerichte an dieser Antwort unmittelbar orientieren, wenn es um die Auslegung des Nordischen Abkommens in derselben oder einer ähnlichen Frage geht. Mit diesen und vergleichbaren Orientierungs­ techniken kann das Fehlen expliziter Regeln zum Informationsaustausch kom­ pensiert werden.

553 

Vgl. oben S. 188.

3. Kapitel: Inhaltl. Beziehungen zw. EU- u. völkervertraglichen Rechtsakten

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§  4 Ausdrückliche Verweisung auf Vorbildrechtsakt A. Internationales Privatrecht I. Koordinationsgegenstände Art.  15 EuUnthVO enthält schließlich eine ausdrückliche Verweisung auf die Kollisionsnorm eines völkervertraglichen Kollisionsrechtsübereinkommens und führt damit eine Koordination mit eben diesem Übereinkommen, konkret dem HUP 2007 herbei. Dieses Protokoll hat die EU aufgrund ihrer Kompetenz nach Art.  216 Abs.  1 AEUV abgeschlossen; es ist Bestandteil des Unionsrechts554 und steht nach der sog. Mezzanin-Theorie im Rang zwischen EU-Primär- und -Se­ kundärrecht.555 Die der Verweisungsmethode in Art.  15 EuUnthVO zugrunde liegende Koordination erfolgt bislang zwischen völkervertraglichem IPR und EU-Kollisionsrecht. Sie beruht auf einer Verweisung des EU-Rechtsaktes auf den völkervertraglichen Rechtsakt und führt so zur Anwendung der völkerver­ traglichen Kollisionsregeln. II. Funktionsweise Diese auf einer ausdrücklichen Verweisung beruhende Koordinationsmethode, die am Beispiel von Art.  15 EuUnthVO näher untersucht werden soll, wirft funk­ tionstechnische Fragen auf hinsichtlich des Inhalts der Verweisung (dazu 1.), der Unterscheidung zur akzessorischen Anknüpfung (dazu 2.) sowie des Verhältnis­ ses der Anwendungsbereiche des EU-Rechtsaktes und des völkervertraglichen Vorbildrechtsaktes (dazu 3.). 1. Deklaratorische oder konstitutive Verweisung? Die Verweisung der EU-Verordnung auf das internationale Übereinkommen ist nicht von vornherein deklaratorisch. Das ist erst dann der Fall, wenn dieses Übereinkommen in Kraft getreten ist. Andernfalls kommt eine direkte Anwen­ dung des internationalen Übereinkommens nicht in Betracht.556 Solange also die verweisende Verordnung in Kraft ist, das Übereinkommen aber nicht, ist die Ver­ weisung auf das Übereinkommen grundsätzlich konstitutiv. Das ändert sich nur dann, wenn die EU noch einen weiteren Rechtsakt hinzufügt, in dem sie erklärt, dass das Übereinkommen in der EU direkt anwendbar sein soll, noch bevor es eigentlich in Kraft getreten ist. 554 

Mögele in: Streinz, Art.  216 AEUV, Rdn.  49. Mögele in: Streinz, Art.  216 AEUV, Rdn.  59. 556  Insofern ungenau Bartl, S.  86. 555 

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1. Teil – 2.  Abschnitt: Methoden der inhaltlichen Koordination

Diese Konstellation kann man sich anhand des Verhältnisses von Art.  15 Eu­ UnthVO und dem HUP 2007 vor Augen führen. Vorauszuschicken ist, dass das HUP 2007 gemäß seinem Art.  25 am ersten Tag des Monats in Kraft treten sollte, der auf einen Zeitabschnitt von drei Monaten nach der Hinterlegung der zweiten Ratifikations-, Annahme-, Genehmigungs- oder Beitrittsurkunde folgte. Die EU hatte das HUP 2007 am 8.4.2010 als erster „Vertragsstaat“557 ratifiziert, Serbien als zweiter Vertragsstaat am 10.4.2013; es ist also am 1.8.2013 in Kraft getreten.558 Was die EuUnthVO angeht, so sollte diese gemäß Art.  76 UAbs.  3 EuUnthVO im Wesentlichen am 18.6.2011 zur Anwendung kommen. In Art.  4 Abs.  1 des Be­ schlusses vom 30.11.2009 über den Abschluss des HUP 2007 war festgelegt, dass das HUP 2007 innerhalb der Gemeinschaft auch dann vorläufig Anwendung finden sollte, wenn es bis dahin noch nicht in Kraft getreten sein sollte. Da dies nicht der Fall war, fand das HUP 2007 also vom 18.6.2011 bis zum 31.7.2013 aufgrund dieses Ratsbeschlusses Anwendung. Zur Anwendung der Kollisionsnormen des HUP 2007 wäre der Ratsbeschluss allerdings nicht erforderlich gewesen. Ohne ihn wäre das HUP 2007 in dieser Zeit zwar nicht von sich aus anwendbar gewesen; über Art.  15 EuUnthVO wären sei­ ne Kollisionsnormen jedoch zur Anwendung gekommen. Der Ratsbeschluss machte die Verweisung also erst deklaratorisch; ohne ihn hätte Art.  15 EuUnthVO bis zum Inkrafttreten des HUP 2007 eine konstitutive Verweisung ausgesprochen. Daran würde sich auch nichts ändern, wenn Serbien EU-Mitgliedstaat würde, bevor ein Nicht-EU-Mitgliedstaat das HUP 2007 ratifiziert.559 Zwar wäre dann an einen Vorrang der EuUnthVO vor dem Protokoll gemäß Art.  69 Abs.  2 Eu­ UnthVO zu denken. Allerdings enthält die EuUnthVO für den Bereich des anwend­baren Rechts keine eigenständigen Regeln, die dem Protokoll vorgehen könnten, sondern lediglich eine Verweisung. Eine konstitutive Verweisung kann eine solche wie in Art.  15 EuUnthVO auch sein, wenn der Anwendungsbereich der verweisenden Verordnung über das 557  Bezeichnung gemäß Statustabelle zum HUP 2007 unter (zuletzt aufgerufen am 6.1.2019). 558  Siehe hierzu die Statustabelle zum HUP 2007. 559  Ein solches Szenario ist nicht völlig ausgeschlossen. Die Beitrittsverhandlungen began­ nen zwar erst am 21.1.2014 und die Dauer von Beitrittsverhandlungen ist nur schwer abzu­ schätzen – bei Kroatien dauerte es von deren Beginn (4.10.2005) (siehe ; aufgerufen am 8.8.2014) bis zum EU-Beitritt (1.7.2013) fast acht Jahre, bei Bulgarien (Februar 2000–1.1.2007) knapp sieben Jahre (; zuletzt aufgerufen am 8.8.2014), bei Rumänien (15.2.2000–1.1.2007) ebenfalls knapp sieben Jahre (; aufgerufen am 8.8.­ 2014). Allerdings scheint derzeit auch kein anderer Staat die Unterzeichnung oder gar Ratifika­ tion des HUP 2007 zu beabsichtigen.

3. Kapitel: Inhaltl. Beziehungen zw. EU- u. völkervertraglichen Rechtsakten

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staats­vertragliche Vorbild hinausgeht. Denn in einem solchen Fall kann das Übereinkommen selbst ja nicht direkt angewendet werden, was aber gerade den Charakter einer deklaratorischen Verweisung begründen würde. Dagegen stellt die Erweiterung des Anwendungsbereichs der Verordnung ge­ genüber dem Einkommen rechtlich die Einigung der EU-Mitgliedstaaten dar, das Übereinkommen innerhalb der EU so weit anzuwenden, wie der Anwendungs­ bereich der verweisenden Verordnung reicht. Aus völkerrechtlicher Sicht können die Parteien eines völkerrechtlichen Vertrages gemäß Art.  41 WVRK eine Modifi­ kation dieses Vertrags bestimmen, die dann nur zwischen ihnen gilt; im Verhältnis zu den anderen Vertragsparteien würden sie also weiterhin den Vertrag in seiner ursprünglich geschlossenen Form anwenden. Es handelt sich dabei um ein sog. „contracting-out“ oder „inter se“-Abkommen.560 Eine solche Modifikation ist al­ lerdings nur zulässig, wenn entweder die Möglichkeit einer solchen Modifikation aufgrund der Bestimmungen des Vertrags zulässig ist (Art.  41 Abs.  1 lit.  a WVRK) oder, wenn sie zumindest aufgrund der Bestimmungen des Vertrages nicht verbo­ ten ist, sie die anderen Vertragsparteien nicht in dem Genuss ihrer vertraglichen Rechte oder der Erfüllung ihrer Vertragspflichten beeinträchtigt (Art.  41 Abs.  1 lit.  b (i) WVRK) und sie sich gleichzeitig nicht auf eine Bestimmung bezieht, von der abzuweichen mit der vollen Verwirklichung von Ziel und Zweck des gesam­ ten Vertrages unvereinbar ist (Art.  41 Abs.  1 lit.  b (ii) WVRK). Sind diese Voraus­ setzungen nicht erfüllt, liegt in der Abweichung vom Ausgangsvertrag zwar eine Verletzung des Ausgangsvertrags; sie stellt jedoch, solange nicht ius cogens ver­ letzt ist, eine wirksame und damit rechtsverbindliche Abweichung dar.561 Die Erweiterung des Anwendungsbereichs des Übereinkommens innerhalb der EU ist als völkerrechtlich unproblematische Modifikation anzusehen. Insbe­ sondere bedeutet die Erweiterung des Anwendungsbereichs eines völkerrecht­ lichen Vertrages dessen intensivere Geltung im regionalen Verhältnis der EU und kann daher kaum als zu Ziel und Zweck des Ursprungsübereinkommens konträr angesehen werden. Dass diese Modifikation durch eine Norm des sekundären Unionsrechts voll­ zogen wird, ist ebenfalls unproblematisch. Dass der EuGH in ständiger Recht­ sprechung davon ausgeht, dass die EU mehr ist als ein völkervertragliches Bünd­ nis und dementsprechend die europäischen Verträge mehr sind als völkerrecht­ liche Verträge,562 ändert nichts daran, dass eine Norm in einer europäischen Verordnung die Modifikation eines völkerrechtlichen Vertrags enthalten kann. Denn die Sekundärrechtsnorm ist Ausfluss des EU-Primärrechts. Wenn dieses 560 

Statt aller Ipsen, Völkerrecht, §  14, Rdn.  1. Ipsen, Völkerrecht, §  14, Rdn.  9. 562  EuGH, Urt. v. 5.2.1963, C-26/62, Van Gend en Loos, Slg. 1963, 3, Rdn.  7, 25. 561 

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1. Teil – 2.  Abschnitt: Methoden der inhaltlichen Koordination

EU-Primärrecht mehr darstellt als einen völkerrechtlichen Vertrag, dann muss durch EU-Primärrecht und davon abgeleitet EU-Sekundärrecht aber auch mög­ lich sein, was mit einem völkerrechtlichen Vertrag möglich ist, nämlich einen anderen völkerrechtlichen Vertrag im Innenverhältnis mehrerer Staaten mit Wir­ kung nur für diese zu modifizieren. 2. Unterscheidung von der akzessorischen Anknüpfung Die Koordinationsmethode beruht auf einer Verweisung des koordinierten Rechtsaktes auf denjenigen, mit dem dieser koordiniert werden soll. Diese Ver­ weisung enthält Elemente einer akzessorischen Anknüpfung.563 Die hier zu er­ läuternde Methode beschränkt sich jedoch nicht auf die von einer akzessorischen Anknüpfung ausgehende Wirkung. Wenn in Art.  15 EuUnthVO für „das auf Un­ terhaltspflichten anwendbare Recht“ auf das HUP 2007 verwiesen wird, geht es dabei nicht nur um den Bezug zu den in Art.  3, 5, 7 oder 8 HUP 2007 enthaltenen Anknüpfungsmomenten. Darüber hinaus müssen die in Art.  13 (ordre public), Art.  14 (Bemessung des Unterhaltsbetrages), Art.  16 (Norm zur Regelung des Umgangs mit in räumlicher Hinsicht nicht einheitlichen Rechtssystemen), Art.  17 HUP 2007 (Norm zur Regelung des Umgangs mit hinsichtlich der betrof­ fenen Personengruppen nicht einheitlichen Rechtssystemen) enthaltenen Kolli­ sionsnormen für die international-privatrechtliche Begutachtung ebenfalls an­ wendbar sein, die jedoch nicht direkt das anwendbare Recht bestimmen, sondern wie insbesondere der ordre public zur Konkretisierung des Endergebnisses her­ anzuziehen sind;564 andernfalls würden für die Rechtsanwendung wichtige Nor­ men fehlen, was auch aufgrund des systematischen Vergleichs mit anderen kolli­ sionsrechtlichen EU-Verordnungen nicht zu erklären wäre.565 Diese Tatsache rechtfertigt die Einordnung als selbstständige Methode gegenüber der akzessori­ schen Anknüpfung. 3. Verhältnis der Anwendungsbereiche von EU-Rechtsakt und völkervertraglichem Vorbildrechtsakt Wie bereits angesprochen können völkervertragliche Übereinkommen grund­ sätzlich im bi- oder plurilateralen Verhältnis zwischen Vertragsstaaten dieses Übereinkommens verändert werden. Eine solche Modifikation ist in Art.  41 563 

Siehe dazu oben S. 19 sowie S. 104. Vgl. zum ordre public unten S. 271. 565  Insbesondere enthält jede EU-Verordnung mit kollisionsrechtlichen Regelungen eine ordre public-Klausel, siehe Art.  21 Rom  I-VO, Art.  26 Rom  II-VO, Art.  12 Rom  III-VO, Art.  35 EuErbVO, Art.  23 V-EuGüterVO. Es ist somit nicht anzunehmen, dass der EU-Gesetzgeber sie für die EuUnthVO nicht eingeplant hat. 564 

3. Kapitel: Inhaltl. Beziehungen zw. EU- u. völkervertraglichen Rechtsakten

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WVRK ausdrücklich vorgesehen. Die Wirkung einer solchen Modifikation kann sich freilich nur auf diese Staaten beziehen, da sich eine darüber hinausgehende Wirkung nach dem Grundsatz pacta tertiis nec nocent nec prosunt verbietet566. Die Möglichkeit einer solchen Modifikation kann im Ausgangsübereinkommen bereits enthalten sein. Ist sie es nicht, darf sie zumindest nicht unzulässig sein und die anderen Vertragsparteien nicht im Genuss der ihnen durch das Überein­ kommen zugestandenen Rechte oder der Erfüllung ihrer vertraglichen Pflichten beeinträchtigen; schließlich darf auch die Abweichung von einer Vorschrift oder von Vorschriften des Übereinkommens nicht mit Ziel und Zweck des Überein­ kommens unvereinbar sein.567 Die Möglichkeit einer Einschränkung von Staatsverträgen durch EU-Verord­ nungen wird jedoch im Verhältnis von EuUnthVO und LugÜ 2007 kritisch ge­ sehen, wobei die Argumentation auch auf das Verhältnis von Art.  15 EuUnthVO und HUP 2007 übertragbar ist. So wird für das Verhältnis zwischen EuUnthVO und LugÜ 2007 mit Bezug auf Art.  4 Abs.  4 EuUnthVO angemahnt, dass es für die einseitige Einschränkung der Anwendung von Art.  23 LugÜ 2007 keine Rechtsgrundlage gebe. Art.  64 LugÜ 2007 könne hier nicht analog herangezogen werden, da mit Art.  4 Abs.  4 EuUnthVO der Anwendungsbereich des LugÜ 2007 geändert werde, was die in Art.  64 LugÜ 2007 eigentlich enthaltene Wirkung jedoch übersteige.568 Auch Art.  67 LugÜ 2007 passe nicht analog, da die EuUnth­ VO kein Staatsvertrag sei, sondern eine innergemeinschaftliche Regelung mit Außenwirkung.569 Aus Sicht eines Vertragsstaates des LugÜ, der nicht EU-Mit­ gliedstaat ist, sei eine Abweichung im Rahmen der EuUnthVO daher „mit einer nationalen Bestimmung über die internationale Zuständigkeit in dem durch das Übereinkommen geregelten Anwendungsbereich vergleichbar“570. In der Tat ergibt sich aus Art.  67 Abs.  1 S.  2 LugÜ 2007, dass Vertragsstaaten des LugÜ 2007 die in Art.  67 Abs.  1 S.  1 LugÜ genannten Übereinkünfte abschließen können. Die EuUnthVO würde auch einen solchen speziellen Rechtsakt im Ver­ hältnis zum allgemein auf Verfahrensrecht anwendbaren LugÜ 2007 darstellen. Weiter können aber die Argumente, die gegen eine Verordnung als zulässiger Übereinkommensmodifikation angeführt werden, nicht durchgreifen. Denn stel­ len die EU und ihre Sekundärrechtsakte als etwas dar, dem ein größerer staatli­ 566 

Vgl. dazu Ipsen, Völkerrecht, §  13, Rdn.  26. Ipsen, Völkerrecht, §  14, Rdn.  8. Siehe auch Art.  41 WVRK. 568  So noch Andrae in: Rauscher3, EuIPR/EuZPR-Kommentar, Art.  4 EG-UntVO, Rdn.  63; in aktueller Auflage entfallen. 569  So noch Andrae in: Rauscher3, EuIPR/EuZPR-Kommentar, Art.  4 EG-UntVO, Rdn.  63; in aktueller Auflage entfallen. 570  So noch Andrae in: Rauscher3, EuIPR/EuZPR-Kommentar, Art.  4 EG-UntVO, Rdn.  63; in aktueller Auflage entfallen. 567 

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1. Teil – 2.  Abschnitt: Methoden der inhaltlichen Koordination

cher Charakter zukommt, als dies in Wirklichkeit der Fall ist. Es ist richtig, dass eine EU-Verordnung an sich kein klassischer Staatsvertrag ist, da er nicht direkt zwischen Staaten geschlossen wird, sondern auf einem im AEUV geregelten Rechtssetzungsverfahren beruht, das dazu dient, je nach Verfahren alle Organe in unterschiedlicher Form am Rechtssetzungsprozess zu beteiligen. Ein Staatsver­ trag entfaltet im Vergleich dazu aber auch nicht ohne Weiteres Bindungswirkung. Dafür bedarf es im zusammengesetzten Verfahren, das dem Abschluss von Staatsverträgen zugrunde liegt, die nicht nur einfache Geschäfte der laufenden Beziehungen betreffen, der Ratifikation – und diese wird regelmäßig erst nach einem innerstaatlichen Zustimmungsverfahren abgegeben.571 Mit diesem Zu­ stimmungsverfahren werden die nationalen Parlamente am Abschlussverfahren beteiligt, wenngleich sie auf den eigentlichen Vertragstext nach dessen Unter­ zeichnung durch die Staaten keinen Einfluss mehr nehmen können.572 Damit äh­ nelt das nationale Parlament dem Europäischen Parlament im gemäß Art.  81 Abs.  3 AEUV bei Maßnahmen im Familienrecht anzuwendenden Konsultationsver­ fahren, bei dem das Europäische Parlament zwar neben der Billigung und der Ablehnung eines Rechtsakts auch die Möglichkeit hat, Änderungsvorschläge einzubringen, diese Vorschläge aber vom Rat auch gänzlich verworfen werden können.573 Die Rolle des Europäischen Parlaments unterscheidet sich also dem­ gegenüber wesentlich von der eines einzelstaatlichen Parlaments bei formellen Gesetzesvorhaben, das wie das deutsche Parlament hierbei die maßgebliche Ge­ staltungsmacht hat.574 Daraus ist zu folgern, dass die Verordnung einem klassi­ schen Staatsvertrag näher steht als einem einzelstaatlichen Gesetz. Die Nähe von Staatsvertrag und Verordnung zeigt sich nicht nur anhand eines Vergleichs der Stellung des Parlaments, sondern auch durch Vergleich der weiter Beteiligten im Verhältnis von Übereinkommen zu Verordnung. Ein Übereinkom­ men kommt zwischen Staaten zustande, deren einheitlicher Wille er nach Ratifi­ kation darstellt. Die EuUnthVO musste gemäß Art.  81 Abs.  3 AEUV einstimmig durch den Rat beschlossen werden. Da jeder Mitgliedstaat einen Vertreter in den Rat entsendet, ist eine einstimmige Beschlussfassung in diesem Gremium dem Abschluss eines internationalen Abkommens aus dieser Perspektive ähnlich. Auch die Außenwirkung der Verordnung ist nicht problematisch, wenn man sich die Existenz von Normen wie Art.  69 Abs.  2 EuUnthVO bewusst macht. Danach beschränken sich die Wirkung der Verordnung und der damit verbunde­ ne Vorrang vor internationalen Übereinkommen des gleichen sachlichen Anwen­ 571 

Siehe dazu Ipsen, Völkerrecht, §  11, Rdn.  17 f. Zum Ganzen Ipsen, Völkerrecht, §  11, Rdn.  8–18. 573  Bergmann, in: Bergmann, Handlexikon der Europäischen Union, Stichwort Anhörungs­ verfahren (Konsultation). 574  Vgl. Rossi, in: Calliess/Ruffert, Art.  81 AEUV, Rdn.  34 f. 572 

3. Kapitel: Inhaltl. Beziehungen zw. EU- u. völkervertraglichen Rechtsakten

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dungsbereichs auf das Binnenverhältnis innerhalb der EU. Somit wird die Bin­ dung der EU an das ursprüngliche Übereinkommen im Verhältnis zu Drittstaaten nicht berührt. Insgesamt ist daher Art.  67 LugÜ 2007 in analoger Anwendung als eine geeignete Rechtsgrundlage anzusehen für die Möglichkeit der einseitigen Einschränkung des LugÜ durch die EuUnthVO. III. Koordinationszweck Die hier erläuterte Koordinationsmethode dient zunächst der Kohärenz zwischen völkervertraglichem und EU-Kollisionsrecht. Dies lässt sich den Ausführungen im Kommissionsvorschlag zur EuUnthVO entnehmen. Darin wird ausdrücklich darauf hingewiesen, dass in den Verhandlungen über den Inhalt der „neuen Über­ einkommen zur Unterhaltspflicht“575 – wie es im Entwurf der Kommission aus dem Jahre 2005 noch hieß – „nach möglichen Synergien zwischen beiden Initia­ tiven“ gesucht werden soll, „die nicht im Widerspruch zueinander stehen, son­ dern sich ergänzen und durchaus kohärent sind“.576 Die dynamische Verweisung wurde im Kommissionsvorschlag noch nicht als Instrument dazu angesehen, dieses Ziel zu erreichen. Angesichts der inhaltlichen Gemeinsamkeiten zwischen Art.  14 V-EuUnthVO und Art.  8 HUP 2007 zur frei­ en Rechtswahl und ihrer Beschränkungen – sowohl im Anwendungsbereich der Rechtswahlkollisionsnorm als auch hinsichtlich der Rechtswahlbeschränkungen selbst – sowie des engen inhaltlichen Zusammenhangs von Art.  13 V-EuUnthVO mit Art.  3 und 4 HUP 2007 zeigte sich aber bereits hier, dass die EuUnthVO in­ haltlich sehr weitreichend an den Haager Übereinkommen zum Internationalen Unterhaltsrecht orientiert sein würde. Die dynamische Verweisung von Art.  15 EuUnthVO auf das HUP 2007 ist also nur die konsequente Fortführung der Su­ che und Umsetzung von Synergien und der Kohärenz zwischen völkervertrag­ lichem und EU-Unterhaltskollisionsrecht. Als Zwecke wiederum dieser Kohärenz werden die Übersichtlichkeit der Re­ gelungen und die Rechtssicherheit angeführt.577 Die Übersichtlichkeit soll wohl darin gesehen werden, dass die Nennung der einzelnen Kollisionsregeln in der EuUnthVO unterblieben ist und deutlich auf das HUP 2007 verwiesen wird, so­ dass der Richter weiß, wo er die anzuwendenden Kollisionsregeln findet.578 Die Rechtssicherheit könnte man darin sehen, dass Auslegungsschwierigkeiten ver­ 575 

KOM(2005) 649 endg., S.  2. KOM(2005) 649 endg., S.  2. 577  Bittmann in: Gebauer/Widmann, Art.  15 EuUnthVO, Rdn.  84, wobei nicht aufgezeigt wird, wie genau die Zwecke mittels der Verweisungsnorm Art.  15 EuUnthVO erreicht werden. 578  Vgl. hierzu zum Zweck der Inkorporation HUÜ 1973 im deutschen Kollisionsrecht in Art.  18 EGBGB: Kropholler, IPR, §  47 I 3b. 576 

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1. Teil – 2.  Abschnitt: Methoden der inhaltlichen Koordination

hindert werden, indem nicht ein möglicherweise in Nuancen vom HUP 2007 abweichender Wortlaut gewählt wird, der dann zu unbeabsichtigten Unterschie­ den im Regelungsgehalt führen könnte. IV. Koordinationsakteure 1. Legislative Diese Koordinationsmethode weist, wie die EuUnthVO zeigt, einige Begleiter­ scheinungen auf. Die eigentliche Verweisung wird durch die Abstimmung von völkerrechtlicher und europäischer Ebene begleitet. Hiervon abgesehen, geht die Verweisung ausschließlich von der EU-Ebene aus. Den Ausgangspunkt hat die Methode im Abschluss des völkerrechtlichen Vertrags, auf den die europäische Verordnung verweist. Hiermit wird die eigentliche Orientierung am staatsver­ traglichen Vorbild realisiert. Indem die EU den völkerrechtlichen Rechtsakt ratifiziert, schafft sie für das EU-Gesetzgebungsverfahren die Möglichkeit einer deklaratorischen Verwei­ sung, so dass insoweit keine Unterschiede zur Schaffung einer wortidentischen Regelung innerhalb der Verordnung bestehen.579 Darüber hinaus kann die Legis­ lative jedoch auch bestimmen, dass die Orientierung am staatsvertraglichen Vor­ bild über diesen Staatsvertrag hinausgehen soll. Diese Vorgehensweise weist Ähnlichkeit mit so genannten überschießenden Umsetzungen von Richtlinien auf, bei denen die Vorgaben der Richtlinie nicht nur im Rahmen der Anwen­ dungsbereiche, sondern darüber hinaus in nationales Recht übertragen werden.580 Neben diesen Erwägungen gilt es jedoch zu beachten, dass die EU keine völ­ kerrechtlichen Verträge abschließen darf, die mit EU-Recht nicht vereinbar wä­ ren. Aus diesem Grund hat die EU ein sehr großes Interesse, an den Arbeiten am Inhalt des Übereinkommens, an dem sie sich mittels dynamischer Verweisung orientieren möchte, mitzuwirken. Dies gilt nicht nur für die erste Entstehung ei­ nes solchen Staatsvertrages, sondern auch für dessen Weiterentwicklung und Neuregelung. Koordinierend, weil räumlich erweiternd können auch die Mitgliedstaaten Vereinigtes Königreich, Irland und Dänemark eingreifen, indem sie ihre Teil­ nahme an der Verordnung erklären. Das Vereinigte Königreich hatte dies für die EuUnthVO noch vor Inkrafttreten der EuUnthVO getan.581 Vor dem Beitritt der EU zur EuUnthVO hätte diese Erklärung nicht ausgereicht, um Art.  15 EuUnth­ VO und damit das HUP 2007 auf das Vereinigte Königreich zu erstrecken – dar­ 579 

Siehe dazu oben S. 193. Heiderhoff, Europäisches Privatrecht, Rdn.  98. 581  Vgl. Entscheidung der Kommission 2009/451/EG vom 8.6.2009 (ABl. EU 2009 Nr. L 149/73); Jayme/Hausmann, Nr.  161, Fn.  24. 580 

3. Kapitel: Inhaltl. Beziehungen zw. EU- u. völkervertraglichen Rechtsakten

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aus erklärte sich die Differenzierung zwischen solchen an der EuUnthVO teil­ nehmenden Mitgliedstaaten, die an das HUP 2007 gebunden sind, und solchen, die nicht an das HUP 2007 gebunden sind. Nach dem nunmehr erfolgten Beitritt bedeutet die Teilnahmeerklärung eines Mitgliedstaates aber auch, dass die Bin­ dung der EU an das HUP 2007 auf den neu teilnehmenden Mitgliedstaat erstreckt wird. 2. Judikative a) Auslegung des Übereinkommens in seinem vorgesehenen Anwendungsbereich Die Auslegungshoheit über das internationale Übereinkommen hat in der Theo­ rie der IGH.582 In der Praxis wird seine stärkere Einbindung in IPR und IZVR jedoch zumeist dadurch verhindert, dass er wegen Art.  34 Abs.  1 IGH-Statut von den Vertragsstaaten des Übereinkommens angerufen werden muss, wobei hier anders als beim Vorabentscheidungsverfahren gemäß Art.  267 AEUV keine ver­ fassungsrechtliche Pflicht des Staates ersichtlich ist. Anders als bislang haben bei völkerrechtlichen Verträgen damit faktisch nun aber nicht die jeweils obersten nationalen Gerichte die Auslegungshoheit, son­ dern innerhalb der EU nur der EuGH, wenn die EU dem jeweiligen Übereinkom­ men beigetreten ist und es damit zu Unionsrecht macht. b) Auslegung des internationalen Übereinkommens außerhalb des vom Übereinkommen vorgesehenen Anwendungsbereichs Wie bereits dargelegt, können die Anwendungsbereiche multilateraler Überein­ kommen innerhalb der EU erweitert werden.583 Eine solche überschießende An­ wendung lässt notwendigerweise die Frage folgen, welches Gericht die Ausle­ gungshoheit über die überschießenden Teile hat. Zu der ähnlichen Frage, ob der EuGH bei überschießender Richtlinienumset­ zung die Auslegungshoheit über diejenigen Normen des nationalen Rechts hat, die nicht in den Anwendungsbereich der Richtlinie fallen, bejaht der EuGH in ständiger Rechtsprechung584 seine Zuständigkeit im Rahmen des Vorabentschei­ 582  Vgl. aber zur Bedeutung des IGH im bisherigen IPR-Fällen Schroeter, UN-Kaufrecht und Europäisches Gemeinschaftsrecht, §  14 Rdn.  11 mit Verweis auf Majoros, RabelsZ 46 (1982), 84, 92. 583  Siehe dazu oben S. 193. 584  EuGH, Urt. v. 26.9.1985, C-166/84, Thomasdünger v. Oberfinanzdirektion Frankfurt am Main, Slg. 1985, 3001; EuGH, Urt. v. 8.11.1990, C-231/89, Gmurdzynska-Bescher, Slg. 1990, I-4003; EuGH, Urt. v. 18.10.1990, C-297/88 und C-197/89, Massam Dzodzi v. Belgischer Staat, Slg. 1990, I-3763, EuGH, Urt. v. 17.7.1997, C-28/95, Leur-Bloem und Giloy, Slg. 1997, I-4161.

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1. Teil – 2.  Abschnitt: Methoden der inhaltlichen Koordination

dungsverfahrens nach Art.  267 AEUV. Dem EuGH ist es somit möglich, bei Vor­ lagen von mitgliedstaatlichen Gerichten nicht nur über Fragen innerhalb des An­ wendungsbereichs einer Richtlinie zu entscheiden, sondern auch insoweit über deren Anwendungsbereich hinauszugehen. Man ist nun geneigt, diese Frage analog beim IGH zu stellen. Dabei muss man jedoch zunächst die Einschränkung akzeptieren, dass im Prozessrecht des IGH ein dem Vorabentscheidungsverfahren vergleichbares Instrument nicht vorgese­ hen ist. Die einzigen beiden prozessualen Instrumente sind das streitige Verfah­ ren und das ohnehin nur vom UN-Sicherheitsrat oder der UN-Generalversamm­ lung anzustrengende Gutachterverfahren.585 Wollte man das streitige Verfahren, das für IPR und IZVR als einziges in Betracht kommt, für eine Auslegungsfrage in einem kollisionsrechtlichen oder prozessualen Übereinkommen nutzbar ma­ chen, müsste der Forumsstaat darlegen, dass in dieser Frage mit einem anderen Vertragsstaat Streit besteht. Gehen wir also davon aus, dass es theoretisch möglich ist, eine sich in einem internationalen Übereinkommen stellende Frage des IPR oder IZVR vor den IGH zu bringen.586 Die Argumentation, warum sich der IGH einer Frage der überschießenden Umsetzung eines völkerrechtlichen Vertrages widmen sollte, kann in diesem Fall ähnlich geführt werden wie bei der Zuständigkeit des EuGH: Einerseits kann man anführen, dass es außerhalb des Völkerrechts kein Völker­ recht geben könne und daher der IGH für die Auslegung dann nicht zuständig sei. Andererseits besteht der Zweck der IPR- und IZVR-Übereinkommen ebenfalls in der Vereinheitlichung dieser Bereiche, so dass auch hier ein großes Interesse besteht, dass eine solche Norm „unabhängig davon, unter welchen Voraussetzun­ gen sie angewendet werden soll, eine einheitliche Auslegung erhält, damit künf­ tige unterschiedliche Auslegungen verhindert werden“587. Dagegen kann man zwar einwenden, dass das streitige Verfahren vor dem IGH nicht auf einem Kooperationsverhältnis zwischen eben dem IGH und den natio­ nalen Gerichten aufbaut, wie das im Verhältnis zwischen EuGH und nationalen Gerichten der Fall ist, da das streitige Verfahren schließlich von den Staaten an­ gestrengt wird, Art.  267 AEUV dagegen ausdrücklich die Gerichte als eigenstän­ dige Institutionen der Mitgliedstaaten nennt und dabei als Koordinatoren hervor­ hebt. Nur sind diese Unterschiede nicht als entscheidend anzusehen verglichen mit dem auf beiden Regelungsebenen bestehenden Bedürfnis nach Rechtsein­ 585 

Ipsen, Völkerrecht, §  55, Rdn.  79–85. Schroeter, UN-Kaufrecht und Europäisches Gemeinschaftsrecht, §  14 Rdn.  11 mit Ver­ weis auf Majoros, RabelsZ 46 (1982), 84, 92. 587  So die Begründung des EuGH zu seiner Zuständigkeit in EuGH, Urt. v. 18.10.1990, C-297/88 und C-197/89, Massam Dzodzi v. Belgischer Staat, Slg. 1990, I-3763, Rdn.  36 f. Sie­ he auch Habersack/Mayer, JZ 1999, 913, 917. 586 

3. Kapitel: Inhaltl. Beziehungen zw. EU- u. völkervertraglichen Rechtsakten

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heit. Und auch die Tatsache, dass sich die Zuständigkeit des IGH nach dem IGH-Statut und die des EuGH nach Art.  267 AEUV und damit nach verschiede­ nen Rechtsakten bemisst, spricht nicht gegen diese allgemeine, gleichsam über beiden Regelungswerken stehende Wertung. Geht man also mit der ständigen Rechtsprechung des EuGH, müsste man auch Auslegungsfragen außerhalb des Anwendungsbereichs internationaler Übereinkommen als zulässige Verfahrens­ gegenstände ansehen.

B. Internationales Zivilverfahrensrecht I. Koordinationsgegenstände Ebenfalls im Bereich des IZVR enthält die EuUnthVO mit Art.  4 Abs.  4 und 11 Abs.  3 Koordinationsvorschriften, die auf einer direkten Verweisung in EU-Ver­ ordnungen auf entsprechende völkerrechtliche Übereinkommen beruhen. Die Koordination erfolgt also auch hier zwischen europäischen Verordnungen und IZVR-Übereinkommen. II. Funktionsweise 1. Allgemeines Ebenso wie bei derartigen Verweisungen im IPR handelt es sich nur dann bei Vorrangkoordinationsnormen wie Art.  69 Abs.  1 EuUnthVO um deklaratorische Verweisungen, wenn das Übereinkommen, auf das verwiesen wurde, bereits in Kraft getreten ist. Andernfalls ist die Verweisung konstitutiv.588 Weder diese Un­ terscheidung noch die grundsätzliche Möglichkeit eines Zurückbleibens des Ver­ einigten Königreichs, Irlands oder Dänemarks spielten jedoch für die Verweisun­ gen auf das LugÜ 2007 in Art.  4 Abs.  4 EuUnthVO eine Rolle, da das LugÜ 2007 am 1.1.2010 für die Europäische Union sowie für Dänemark in Kraft getreten war. Relevant ist allerdings die Verweisung von Art.  11 Abs.  3 EuUnthVO auf Art.  15 HZÜ als Beispiel für das Verhältnis einer EU-Verordnung zu einem Übereinkommen, bei dem ein EU-Mitgliedstaat zwar durch die Verordnung ge­ bunden, aber dem Übereinkommen, auf das verwiesen wird, nicht beigetreten ist. Diese Konstellation trifft auf Österreich zu, das dem HZÜ bislang nicht beigetre­ ten ist.589 In diesem Falle wäre die Verweisung konstitutiv, da ohne sie die An­ wendung des HZÜ für Österreich gar nicht erst in Betracht käme. 588 

Vgl. oben S. 193. Siehe hierzu die Statustabelle zum HZÜ unter (zuletzt aufgerufen am 6.1.2019). 589 

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1. Teil – 2.  Abschnitt: Methoden der inhaltlichen Koordination

2. Pacta tertiis-Regel und Bindung eines durch ein Übereinkommen nicht gebundenen EU-Mitgliedstaates an die unionsrechtliche Verweisungsregel Eine solche konstitutive Verweisung müsste sich allerdings am pacta tertiis-­ Grundsatz messen lassen (Art.  34 WVRK), wonach ein Vertrag grundsätzlich keine Pflichten für solche Staaten begründen kann, die Vertragsstaaten sind (Art.  35 WVRK).590 Zu bedenken ist hierbei allerdings, dass die EuUnthVO als Maßnahme des Familienrechts gemäß Art.  81 Abs.  3 AEUV vom Rat einstimmig angenommen werden musste. Einstimmigkeit wird erreicht durch Zustimmung und Enthaltungen, da es sich im Rat wegen Art.  238 Abs.  4 AEUV um positive Enthaltungen handelt.591 Der österreichische Vertreter hat sich im Rat also min­ destens in dem Bewusstsein enthalten, die Verordnung und damit Art.  11 Abs.  3 EuUnthVO so nicht zu Fall zu bringen, was ihm andererseits durch Abgabe einer Nein-Stimme möglich gewesen wäre. Österreich muss also bewusst nicht auf eine Differenzierung zwischen Vertrags- und Nicht-Vertragsstaaten in puncto Verweisung auf das HZÜ gedrängt haben. Dass eine derartige Differenzierung nicht unmöglich gewesen wäre, zeigt die Differenzierung zwischen Mitglied­ staaten, die durch das HUP 2007 gebunden sind, und solchen, die es nicht sind. Daraus, dass Österreich auf eine entsprechende Differenzierung zum HZÜ nicht bestanden hat, ist zu folgern, dass Österreich jedenfalls nicht dagegen war, dass österreichische Gerichte Art.  1 Abs.  3 EuUnthVO und damit Art.  15 HZÜ an­ wenden müssen, da ein Vorbehalt Österreichs ebenfalls nicht ersichtlich ist. Da sich aus der Vorrangkoordination zwischen EU- und Staatsvertragsrechtsakten ergibt, dass die EU ihre Mitgliedstaaten völkerrechtlich nicht in die Bredouille bringen möchte,592 ist davon auszugehen, dass sich Österreich in diesem Zusam­ menhang positiv geäußert haben wird. Man wird jedoch ohnehin bedenken müssen, dass die Bedeutung der pacta tertiis-Regel bei sekundärrechtlicher Abweichung von einem staatsvertraglichen Übereinkommen im EU-Binnenverhältnis im Lichte des EU-Rechts zu sehen sein wird. Wenn ein Rechtsakt nach EU-Recht aufgrund einer Mehrheitsent­ scheidung ergehen kann, wird man nicht allein deshalb die Einstimmigkeit for­ dern können, damit die Abweichung für alle EU-Mitgliedstaaten verbindlich ist, nur weil es um die Modifikation eines Übereinkommens geht. Es wäre demgegen­ über wohl praxisgerechter, in den Regelungen des AEUV die Grundlage für eine Abweichung von der pacta tertiis-Regel zu sehen, so dass auch Mitgliedstaaten von einer Übereinkommensmodifikation gebunden sein können, die bei der Ab­ stimmung hierüber überstimmt wurden. Dies ist parallel zu sehen mit der Kom­ 590 

Siehe hierzu ausführlich Ipsen, Völkerrecht, §  13, Rdn.  23–29. Siehe auch Obwexer/Hummer in: Streinz, Art.  238 AEUV, Rdn.  38. 592  Vgl. dazu oben S. 55 f. 591 

3. Kapitel: Inhaltl. Beziehungen zw. EU- u. völkervertraglichen Rechtsakten

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petenz der EU nach Art.  216 AEUV, völkerrechtliche Verträge abzuschließen und dabei auch Mitgliedstaaten zu binden, die hiervon politisch möglicherweise nichts gehalten haben. III. Koordinationszweck Als deklaratorische Verweisung haben die Koordinationsnormen den Zweck, auf die verwiesene Norm hinzuweisen.593 Damit wird die Rechtsanwendung erleich­ tert und dafür gesorgt, dass die vorrangige Übereinkommensnorm angewendet wird. Auf diesem Wege trägt die Verweisungsnorm also dazu bei, dass der recht­ lich bestehende Vorrang des betreffenden Übereinkommens auch faktisch umge­ setzt wird. Die deklaratorische Verweisung hat damit eine praktische Komple­ mentärfunktion gegenüber z. B. Art.  69 EuUnthVO. Sofern die Verweisungsnorm den Charakter einer konstitutiven Verweisung annehmen kann, könnte ihr der Zweck zugesprochen werden, die Rechtsverein­ heitlichung innerhalb der EU voranzubringen. Da hierzu allerdings das Zutun des jeweiligen Mitgliedstaates erforderlich ist, ist darin kein originär in der Ko­ ordinationsmethode enthaltener Zweck zu sehen, sondern eher eine Nebenfolge. IV. Koordinationsakteure 1. Legislative Die Koordination geht auch im IZVR vom europäischen Gesetzgeber aus, der die Verweisungen – ob deklaratorisch oder konstitutiv – in seine Verordnungen einführt. Ebenfalls als koordinativer Beitrag im Rahmen der Legislative kann man die Entscheidung von Vereinigtem Königreich, Irland und Dänemark sehen, ob sie an dem betreffenden EU-Rechtsakt teilnehmen oder nicht. Zugleich muss hinsichtlich jedes älteren Übereinkommens, das die EU nicht selbst unterzeich­ net hat, jeder Mitgliedstaat, der das noch nicht getan hat, überlegen, ob er das Übereinkommen unterzeichnet oder es eben auf eine konstitutive Verweisung auf einzelne Vorschriften aus dem Übereinkommen hinauslaufen lässt. 2. Judikative Die Gerichte wenden bei einer deklaratorischen Verweisung die Vorschrift des Übereinkommens, auf das in der EU-Verordnung verwiesen wird, direkt an. Da­ gegen wird im Falle der konstitutiven Verweisung die Verweisungsvorschrift in Verbindung mit der Übereinkommensvorschrift angewendet. Dies dient einer­ seits der Klarstellung, dass ein Nicht-Vertragsstaat wie z. B. Österreich beim 593 

Andrae in: Rauscher-Kommentar EuIPR/EuZPR, Art.  11 EG-UntVO, Rdn.  2.

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1. Teil – 2.  Abschnitt: Methoden der inhaltlichen Koordination

HZÜ nicht das Übereinkommen selbst anwendet. Andererseits handelt es sich aber auch nicht um eine bloße Anwendung der Vorschrift der EU-Verordnung, da diese ja selbst eine bewusste rechtliche Lücke hinterlassen hat, die durch die Verweisung geschlossen werden sollte.

4.  Kapitel

Koordination von nationalem und EU-Kollisionsrecht §  1 Internationales Privatrecht Im IPR kommt die Koordination von nationalem und EU-Kollisionsrecht auf zwei Arten vor. Zum einen orientieren Mitgliedstaaten ihr nationales Kollisions­ recht am EU-Kollisionsrecht für Sachverhalte außerhalb des Anwendungsbe­ reichs des EU-Kollisionsrechts (dazu A.). Zum anderen eröffnet das EU-Kolli­ sionsrecht den Mitgliedstaaten zuweilen im Rahmen von Öffnungsklauseln die Möglichkeit, eigenes nationales Recht zur Vervollständigung des Gesamtrege­ lungsbereichs zu schaffen (dazu B.).

A. Orientierung des Mitgliedstaates an EU-Kollisionsrecht für Sachverhalte außerhalb des Anwendungsbereichs I. Koordinationsgegenstände EU-Mitgliedstaaten können sich auch bei solchen Sachverhalten an EU-Kolli­ sionsrecht orientieren, die außerhalb des Anwendungsbereichs des EU-Kollisions­ rechts liegen, was regelmäßig mit einer überschießenden Umsetzung verbunden ist. Dazu kann es sowohl im Rahmen der Rechtssetzung als auch der Rechts­ anwendung kommen. Im Rahmen der Rechtssetzung (dazu sogleich unter II.1.) betrifft die überschießende Umsetzung das Verhältnis von europäischen Kolli­ sionsnormen und den kollisionsrechtlichen Vorstellungen des Mitgliedstaats in Bezug auf interlokale Sachverhalte. Dazu heißt es in Kollisionsnormen wie Art.  22 Abs.  2 Rom  I-VO, Art.  25 Abs.  2 Rom  II-VO, Art.  16 Rom  III-VO, Art.  35 EuGüterVO, Art.  35 EuPartVO und Art.  38 EuErbVO, dass die Mitglied­ staaten nicht dazu verpflichtet sind, die jeweiligen Verordnungen anzuwenden. Im Unterschied dazu betrifft eine überschießende Umsetzung im Rahmen der Rechtsanwendung (dazu sogleich unter II.2.) lediglich punktuell Beziehungen zwischen einzelnen Normen des Unions- und des nationalen Kollisionsrechts. Sie zeichnet sich dabei dadurch aus, dass der Anwendungsbereich des nationalen Kollisionsrechts weiter ist als der des Unionskollisionsrechts und die Orientie­ rung am Unionskollisionsrecht in einem Bereich vorgenommen wird, der nicht zum sachlichen Anwendungsbereich des Unionskollisionsrechts gehört.

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1. Teil – 2.  Abschnitt: Methoden der inhaltlichen Koordination

II. Funktionsweise Die Funktionsweise unterteilt sich in die Orientierung des nationalen Gesetz­ gebers am EU-Kollisionsrecht (dazu 1.) und die Orientierung außerhalb des An­ wendungsbereichs des EU-Kollisionsrecht, nachfolgend überschießende Orien­ tierung genannt (dazu 2.). 1. Gesetzgeberische Orientierung Im Rahmen der gesetzgeberischen Orientierung kommt es zunächst allgemein auf ihre primärrechtlichen Grundlagen (dazu a.) und sodann auf deren Umset­ zung an (dazu b.). a) Primärrechtliche Grundlagen der gesetzgeberischen Orientierung aa) Die Reichweite der kompetenzrechtlichen Grundlage Die Kompetenzregel für die Kollisionsrechtsvereinheitlichung in Art.  81 Abs.  2 lit.  c AEUV dient der Verwirklichung des Raums der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts. Gleichzeitig trägt sie damit zur Schaffung des Binnenmarktes als dem Grundziel europarechtlicher Bemühungen bei. In diesem Sinne bezieht sich „grenzüberschreitend“ in erster Linie auf Staatsgrenzen innerhalb der EU.594 Al­ lerdings interpretierte der EuGH den Binnenmarkt nicht immer nur unter Bezug auf Staatsgrenzen. In den Entscheidungen Legros595, Simitzi 596 und Carbonati 597 leitete er aus Art.  26 Abs.  2 AEUV her, dass diese Vorschrift nicht ausdrücklich auf Staatsgrenzen abstelle, sondern auf wirtschaftliche Grenzen, die durchaus auch zwischen Regionen eines Mitgliedstaates liegen könnten.598 Gegen ihre Übertragung auf das Verständnis der Grenzüberschreitung in Art.  81 Abs.  2 lit.  c AEUV sind jedoch zwei Punkte anzubringen. Zum einen ist diese Rechtsprechung selbst nicht ohne Kritik geblieben.599 Zum anderen hat der EuGH diese Rechtsprechung bislang nicht über Art.  28–36 AEUV hinaus auf die Personenverkehrsfreiheiten übertragen.600 Damit ist das in diesen Entscheidun­ gen durch den EuGH ins Spiel gebrachte Begriffsverständnis der Grenzüber­ 594 

Barnard, Substantive Law of the EU, S.  46. EuGH, Urt. v. 16.7.1992, C-163/90 Legros, Slg. 1992, I-4625, Rdn.  16–18. 596  EuGH, Urt. v. 14.9.1995, C-485/93 und C-486/93, Simitzi v. Dimos Kos, Slg. 1995, I-2655, Rdn.  17. 597  EuGH, Urt. v. 9.9.2004, C-72/03, Carbonati Apuani Srl, Slg. 2994, I-8027, Rdn.  16 f. 598  Siehe dazu auch Barnard, The substantive law of the EU, Chapter 3, section 3.4, S.  46 f. 599  Barnard, The substantive law of the EU, Chapter 3, section 3.4, S.  47. 600  Vgl. EuGH, Urt. v. 1.4.2008, C-212/06, Government of French Community and Walloon Government v. Flemish Government, Slg. 2008, I-1683. Siehe auch Barnard, Substantive Law of the EU, S.  47 und 233 ff. 595 

4. Kapitel: Koordination von nationalem und EU-Kollisionsrecht

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schreitung nicht durchgehend für den dritten Teil des AEUV bestätigt. Darüber hinaus enthält Art.  81 Abs.  1 AEUV, auf den Art.  81 Abs.  2 AEUV verweist, an­ ders als Art.  26 Abs.  2 AEUV einen ausdrücklich grenzüberschreitenden Bezug. Die Kompetenzregeln in Art.  81 AEUV und damit die des Art.  81 Abs.  2 lit.  c AEUV lassen sich damit nur als Staatsgrenzen übergreifende Kompetenzregel verstehen, so dass interlokales Kollisionsrecht nicht von ihr erfasst ist. Damit stellen Art.  16 Rom  III-VO, Art.  38 EuErbVO etc. lediglich klar, was sich aus der primärrechtlichen Kompetenzverteilung bereits ergeben hätte.601 Die Ver­ ordnungen können nicht von sich aus außerhalb des Anwendungsbereichs der Kompetenzvorschrift gelten, auf der sie beruhen. Da sie also von sich aus nicht auf rein interne Sachverhalte anwendbar sind, kann es auch keine Verpflichtung der Mitgliedstaaten geben, die Verordnung auf solche Sachverhalte anzuwenden.602 bb) Eigenständige Bedeutung Auch wenn die direkte Aussage dieser Vorschrift also unspektakulär ist, enthält sie allerdings die indirekte Aussage, dass es den Mitgliedstaaten freisteht, aus eigener Entscheidung heraus die jeweilige Verordnung auf interlokale Sachver­ halte zu erstrecken. Zu damit vergleichbaren überschießenden Umsetzungen kommt es bei Richtlinien sehr häufig.603 Sie kommt aber auch bei völkerrechtlichen Verträgen vor. So beruhte etwa das Problem in dem Fall, welcher der Entscheidung des EuGH in Kleinwort Benson604 zugrunde lag, auf der Umsetzung des EuGVÜ durch das Vereinigte Königreich. Der Entscheidung lag eine Rechtssache vor dem englischen House of Lords zu­ grunde. Darin hatte die Investmentbank Kleinwort Benson mit dem Glasgow City Council ein Zinsswapgeschäft abgeschlossen. Da ein solches Geschäft je­ doch rechtswidrig war, rechtswidrige Geschäfte als ohne Vertretungsmacht ­(ultra vires) abgeschlossen galten und ultra vires abgeschlossene Rechtsgeschäfte nach damaliger Lehre im englischen Gesellschaftsrecht nichtig waren,605 klagte die Stadt Glasgow auf Rückzahlung der Investmentsumme. Da der Sachverhalt so­ mit Anknüpfungspunkte zu England und Schottland hatte, worauf das EuGVÜ nicht anwendbar war, wurde zur interlokalen Bestimmung des zuständigen Ge­ richtsstandes Anhang 4 des Civil Jurisdiction and Judgements Act von 1982 her­ angezogen, der in Art.  5 Nr.  1 bzw. 3 besondere Zuständigkeits­regeln für den 601  Winkler von Mohrenfels in: MüKoBGB, Art.  16 Rom  III-VO, Rdn.  1; Dutta in: MüKo­ BGB, Art.  38 EuErbVO, Rdn.  1; J. Schmidt in: BeckOGK, Art.  38 EuErbVO, Rdn.  3. 602  J. Schmidt in: BeckOGK, Art.  38 EuErbVO, Rdn.  3. 603  Heiderhoff, Europäisches Privatrecht, Rdn.  98. 604  EuGH, Urt. v. 28.3.1995, C-346/93, Kleinwort Benson v. Glasgow City Council, Slg. 1995, I-633. 605  Dazu Schwarz, Europäisches Gesellschaftsrecht, Rdn.  350 und Fn.  127.

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1. Teil – 2.  Abschnitt: Methoden der inhaltlichen Koordination

besonderen Vertrags- bzw. Deliktsgerichtsstand enthielt. Beide Gerichtsstand­ regeln waren an den entsprechenden Gerichtsständen im EuGVÜ orientiert; das Gesamtregelungskonzept hielt diesen Bezug jedoch nicht vollumfänglich durch. Das Vereinigte Königreich setzte das EuGVÜ nämlich um, indem es im nationa­ len Recht wortidentische Vorschriften schuf,606 weitete aber den Anwendungs­ bereich seines nationalen Gesetzes über den Anwendungsbereich des EuGVÜ hinaus aus. Zudem sah es in section 16(3)(a) Civil Jurisdiction and Judgements Act von 1982 vor, dass die Grundsätze der Rechtsprechung des EuGH nur zu berücksichtigen und nicht als verbindlich anzusehen seien.607 Bei einer Verordnung kann man demgegenüber an sich nicht von einer Umset­ zung in nationales Recht sprechen, da dies nicht geschehen darf.608 Dennoch ist es einem Mitgliedstaat möglich, sich bei Gesetzesvorhaben an einer Verordnung für Sachverhalte außerhalb ihres Anwendungsbereichs zu orientieren. Dies hat z. B. der deutsche Gesetzgeber im Rahmen des Erbkollisionsrechts getan. So heißt es in Art.  25 EGBGB seit dem 17.8.2015: „Soweit die Rechtsnachfolge von Todes wegen nicht in den Anwendungsbereich der Verordnung (EU) Nr.  650/2012 fällt, gelten die Vorschriften des Kapitels III609 dieser Verordnung entsprechend.“ Eine Übertragung von Kleinwort Benson auf Art.  25 EGBGB dürfte jedoch nicht angezeigt sein. Denn als gewichtiger Unterschied fällt auf, dass anders als in Kleinwort Benson die nationale Regelung in Art.  25 EGBGB keine Einschrän­ kung welcher Art auch immer enthält – insbesondere keine, die eine verbindliche Beachtung der Rechtsprechung des EuGH zur Disposition Deutschlands stellen würde. Daher liegt es näher, insoweit der Auslegung des EuGH zur Behandlung überschießender Richtlinienumsetzungen zu folgen, wonach in solchen Fällen der überschießende Teil ebenfalls in die Zuständigkeit des EuGH aufgrund des Vorabentscheidungsverfahrens nach Art.  267 AEUV fällt.610 Denn hier wie dort besteht das grundsätzliche Interesse der EU an der Aufrechterhaltung der Zusam­ menarbeit von nationalen Gerichten und EuGH und somit einer Auslegung von EU-Recht durch den EuGH. Dabei soll den mitgliedstaatlichen Gerichten hin­ sichtlich der Frage der Entscheidungserheblichkeit im Grundsatz allerdings ein Beurteilungsspielraum zukommen, um so die einheitliche Auslegung und An­

606  Anhang

4 des Civil Jurisdiction and Judgements Act von 1982. Das Beispiel Kleinwort Benson wird unten auf S. 229 f. im Zusammenhang mit dem IZVR nochmals relevant. 608  EuGH, Urt. v. 10.10.1973, C-34/73, Variola, Slg. 1973, 981, Rdn.  9 ff.; siehe auch Schroeder in: Streinz, Art.  288 AEUV, Rdn.  43. 609  D. h. die Vorschriften über das anwendbare Recht. 610  EuGH, Urt. v. 13.12.2001, C-481/99, Heininger, Slg. 2001, I-9945; Urt. v. 23.3.2000, C-208/98, Berliner Kindl, Slg. 2000, I-1741; vgl. auch Frisch, BKR 2002, 84, 86. 607 

4. Kapitel: Koordination von nationalem und EU-Kollisionsrecht

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wendung von EU-Recht auf alle Sachverhalte zu gewährleisten, auf die es – ggf. aufgrund der Entscheidung eines Mitgliedstaates – anwendbar ist.611 b) Umsetzung der primärrechtlichen Grundlagen der Koordinationsmethode Die Koordination beruht gänzlich auf der Entscheidung des jeweiligen Mitglied­ staates, die jeweilige kollisionsrechtliche Verordnung – wie z. B. bei Art.  16 Rom  III-VO – bzw. den kollisionsrechtlichen Teil einer Verordnung – wie bei Art.  38 EuErbVO – auf interlokale Sachverhalte im Inland anzuwenden. Da der Mitgliedstaat hinsichtlich des Ob der innerstaatlichen Geltung frei ist, kann er auch über das Wie, also die Form der Umsetzung selbst entscheiden. Man wird jedoch davon ausgehen können, dass ein Mitgliedstaat die Verordnungsvor­ schriften gleichsam abschreiben und auf dieselbe normhierarchische Stufe wie sein sonstiges Kollisionsrecht stellen kann. 2. Überschießende Orientierung im Rahmen der Rechtsanwendung a) Möglichkeit der überschießenden Orientierung zwischen materiellrechtlichen Kollisionsnormen Zu einer überschießenden Orientierung im Rahmen der Rechtsanwendung kann es zunächst im Verhältnis von europäischem und nationalem Kollisionsrecht kommen. Das setzt voraus, dass der Anwendungsbereich der nationalen Kolli­ sionsnormen weiter ist als jener der europäischen und sich der Sachverhalt in dem Bereich abspielt, der nicht vom EuIPR erfasst ist. Dieser logische Zusam­ menhang lässt sich anhand der Beziehung von Art.  4 Rom  II-VO und Art.  40 EGBGB zeigen. Wenn Art.  4 Abs.  3 Rom  II-VO anwendbar ist, ist Art.  41 EGB­ GB nicht anwendbar,612 so dass für eine Orientierung der nationalen Kollisions­ norm keine Notwendigkeit besteht. Angesichts des loi uniforme-Charakters der Rom  II-VO ist der einzige Grund für ihre Nicht-Anwendbarkeit die Nichteröff­ nung ihres sachlichen Anwendungsbereichs. Die überschießende Orientierung setzt allerdings ebenfalls voraus, dass die nationale Kollisionsnorm auslegungsfähig ist. Z. B. könnte Art.  40 Abs.  1 EGB­ GB im Rahmen von internationalen Fällen der Persönlichkeitsverletzung nicht an Art.  4 Abs.  1 Rom  II-VO orientiert werden, da die nationale Tatortregel nicht, ohne den Gesetzeswortsinn zu sprengen, in die unionsrechtliche Anknüpfung an den Schadenseintrittsort verwandelt werden kann. Eine mögliche Orientierung ist lediglich im Rahmen des Art.  41 EGBGB an Art.  4 Abs.  3 Rom  II-VO gegeben, wenn es um Rechtsverhältnisse geht, die ein Ausweichen von der Grund­anknüp­ 611 

612 

Siehe nur Frisch, BKR 2002, 84, 86. Junker in: MüKoBGB, Art.  41 EGBGB, Rdn.  7.

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1. Teil – 2.  Abschnitt: Methoden der inhaltlichen Koordination

fung ermöglichen. Doch selbst hier ist Vorsicht geboten, da die Ausweichklau­ seln im EuIPR anders als z. B. Art.  41 Abs.  1 EGBGB eine offensichtlich engere Verbindung fordern und nicht schon jede engere Verbindung ausreichen lassen. Abgesehen von derartigen Vorbehalten ist aber ansonsten kein Grund ersichtlich, warum europäisches Kollisionsrecht nicht inspirative Quelle der überschießen­ den Auslegung einer nationalen Kollisionsnorm sein sollte. b) Möglichkeit der überschießenden Orientierung zwischen materiellrechtlichen Kollisionsnormen und IZVR Neben der Möglichkeit einer Orientierung des nationalen IPR an seinem unions­ rechtlichen Pendant ist es ebenfalls denkbar, Kollisionsrecht an unionsrecht­ lichem IZVR zu orientieren. In diese Richtung gehen Forderungen aus der Lite­ ratur.613 Sie beziehen sich dabei auf das Verhältnis von Art.  40 EGBGB und Art.  5 Nr.  3 Brüssel I-VO bzw. Art.  7 Nr.  2 Brüssel Ia-VO. Zu Art.  5 Nr.  3 EuG­ VÜ hatte der EuGH in seiner Shevill-Entscheidung die sog. Mosaiktheorie ent­ wickelt, nach der am allgemeinen Gerichtsstand der gesamte Schaden eingeklagt werden dürfe, am besonderen deliktischen Gerichtsstand dagegen nur der in die­ sem Staat auch tatsächlich eingetretene Schaden.614 Diese Rechtsprechung gilt aufgrund der Kohärenz zwischen EuGVÜ und Brüssel I-VO bzw. Brüssel Ia-VO auch für Art.  5 Nr.  3 Brüssel I-VO bzw. Art.  7 Nr.  2 Brüssel Ia-VO. Eine Übertra­ gung dieser Rechtsprechung auf das nationale Kollisionsrecht ist durchaus mög­ lich, soweit die nationale Vorschrift in diese Richtung ausgelegt werden kann. In Deliktsfragen deckt sich der dem Art.  5 Nr.  3 Brüssel I-VO bzw. Art.  7 Nr.  2 Brüssel Ia-VO zugrunde liegende Systembegriff mit dem von Art.  40 EGBGB, da insbesondere nicht Fragen der Persönlichkeitsverletzung – anders als be­ kanntlich in der Rom  II-VO – ausgenommen sind.615 Zu der Umsetzung einer derartigen überschießenden Orientierung ist es in der Rechtsanwendung allerdings ebenso wenig gekommen wie im Falle einer über­ schießenden Orientierung unter materiell-rechtlichen Kollisionsnormen. Der BGH z. B. hat sich zwar schon mit der Beziehung von Art.  5 Nr.  3 Brüssel I-VO und Art.  40 EGBGB beschäftigt und in diesem Zusammenhang auf die Grund­ sätze der EuGH-Rechtsprechung verwiesen; ein ausdrücklicher Verweis auf die Einzelvorschrift Art.  5 Nr.  3 Brüssel I-VO und auf die Shevill-Entscheidung selbst ist jedoch nicht zu erkennen.616 Im Gegenteil: Der BGH hat das Delikt­ 613  Kropholler, IPR, §  53 V 4; Staudinger/von Hoffmann, Art.  40 EGBGB, Rdn.  60; vgl. Rauscher, IPR, Rdn.  1401. 614  EuGH, Urt. v. 7.3.1995, C-68/93, Shevill v. Presse Alliance, Slg. 1995, I-415, Rdn.  30. 615  Dörner in: Sänger, Art.  7 EuGVVO, Rdn.  29. 616  BGH, Versäumnisurt. v. 25.10.2011 − VI ZR 93/10, NJW 2012, 148, 150.

4. Kapitel: Koordination von nationalem und EU-Kollisionsrecht

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statut nach Art.  40 ff. EGBGB vor dem Hintergrund seiner Regelanknüpfung an Handlungs- und Erfolgsort als Argument verwendet, um im Rahmen des §  32 ZPO seine Abweichung von der neuerlichen EuGH-Rechtsprechung in eDate advertising617 zu begründen.618 Denn andernfalls „würden ausländische Sachver­ halte in ausufernder Weise ohne hinreichenden Inlandsbezug den im deutschen Recht für die Verletzung von Persönlichkeitsrechten entwickelten Rechtsregeln unterworfen und in der Sache ein ausländischer Tatbestand deutschem Recht un­ terstellt werden, ohne dass der Schädiger im Einzelfall damit rechnen müsste“619.620 III. Koordinationszweck 1. Gesetzgeberische Orientierung Wenn der Gesetzgeber sein nationales Recht auch auf Sachverhalte mit drittstaat­ licher Beteiligung überträgt, dient dies allein dem Gleichlauf zwischen dem eu­ ropäischen und dem nationalen Kollisionsrecht.621 Hinsichtlich interlokaler Sachverhalte verfolgen Normen wie Art.  16 Rom  IIIVO oder Art.  38 EuErbVO den primären Zweck der Klarstellung, dass inter­ lokale Kollisionen nicht von der Verordnung erfasst sind.622 Diese Aussage dient jedoch an sich nicht der Koordination zwischen Unions- und nationalem Kolli­ sionsrecht. Die Koordination wird vielmehr dadurch gefördert, dass das Unions­ kollisionsrecht die Übernahme der Verordnung in nationales Recht zulässt. Gleichzeitig kann der Norm auch ein rechtspolitischer Zweck nachgesagt wer­ den. Sie könnte als Anreiz für das Vereinigte Königreich – neben Spanien623 einer der wenigen EU-Mitgliedstaaten mit derartiger interlokaler Rechtsspaltung624 – zu verstehen sein, sich der Rom  III-VO zu erwärmen und diesen Schritt zur wei­ teren Rechtsvereinheitlichung irgendwann mitzugehen.625 Zu beiden Zwecken stellt sich die Frage, warum vergleichbare Normen nicht auch in Rom  I-VO und Rom  II-VO enthalten sind. Ein sachlicher Grund ist dafür nicht ersichtlich. We­ 617  EuGH, Urt. v. 25.10.2011, C-509/09 und C-161/10, eDate advertising GmbH v. X und Olivier Martinez, Robert Martinez v. MGN Limited, Slg. 2011, I-10269. Zur Bedeutung dieser Entscheidung in der Binnenbeziehung des IZVR siehe unten S. 234. 618  BGH, Urt. v. 29.3.2011 – VI ZR 111/10, NJW 2011, 2059, 2060. 619  BGH, Urt. v. 29.3.2011 – VI ZR 111/10, NJW 2011, 2059, 2060. 620  Siehe hierzu ausführlich unten S. 231. 621  Gebauer/Teichmann in: EnzEuR, Band  6, §  1, Rdn.  55. 622  Vgl. Winkler von Mohrenfels in: MüKoBGB, Art.  16 Rom  III-VO, Rdn.  1; Dutta in: Mü­ KoBGB, Art.  38 EuErbVO, Rdn.  1. 623  Vgl. Winkler von Mohrenfels in: MüKoBGB, Art.  16 Rom  III-VO, Rdn.  1. 624  Vgl. Pawlytta/Pfeiffer in: Scherer, Anwaltshandbuch, §  33, Rdn.  24. 625  Winkler von Mohrenfels, ZEuP 2013, 699, 720; siehe auch Schäuble in: Althammer, Art.  16 Rom  III-VO, Rdn.  1.

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1. Teil – 2.  Abschnitt: Methoden der inhaltlichen Koordination

der den Erwägungsgründen noch den Kommissionvorschlägen sind Beweggrün­ de zu dieser Regelung zu entnehmen. 2. Koordinationszweck der Anwendungsorientierung Der Zweck der Anwendungsorientierung beruht auf dem Gedanken, dass Ge­ richte geeignete nationale Rechtsordnungen an EU-Kollisionsnormen orientie­ ren können. Mit dieser Form der Orientierung tragen die nationalen Gerichte zur inhaltlichen Annäherung der nationalen Rechtslage an das Unionskollisionsrecht bei. Der Zweck kann allerdings nicht darin bestehen, dass die nationalen Gerich­ te an die Stelle der Parlamente treten. Die nationalen Gerichte können sich also nur dort am EU-Kollisionsrecht orientieren, wo entweder ohnehin eine Umset­ zungspflicht der Mitgliedstaaten besteht und damit ihnen als staatlicher Gewalt ebenfalls die Pflicht zukommt, eine ggf. unvollständige Rechtsharmonisierung zu komplettieren. IV. Koordinationsakteure 1. Legislative Koordinierend werden hier auf legislativer Ebene sowohl der EU- als auch der nationale Gesetzgeber tätig. Die Tätigkeit des europäischen Gesetzgebers be­ schränkt sich dabei darauf, eine entsprechende Mitwirkungsklausel in die Kolli­ sionsrechtsverordnung einzufügen, mit der dem Mitgliedstaat besagte Mitwir­ kungsmöglichkeit mitgeteilt wird. Der nationale Gesetzgeber entscheidet sich dann entweder für oder gegen die Übernahme der Verordnung über deren An­ wendungsbereich hinaus auf interlokale Sachverhalte. 2. Judikative a) Umsetzung der gesetzgeberischen Orientierung Unproblematisch zu definieren ist die Arbeit der Gerichte, die den angespro­ chenen nationalen Übernahmerechtsakt nach nationalen Standards anzuwenden haben. Nicht ganz so klar ist dagegen die Rolle, die der EuGH spielt. Hinsichtlich seiner Auslegungskompetenz im Rahmen des Vorabentscheidungsverfahrens (Art.  267 AEUV) stehen sich jedoch auch hier dieselben bekannten Argumente gegenüber, die bereits bei der überschießenden Umsetzung von Richtlinien oder EU-Übereinkommen vorkamen. Einerseits hat der EuGH in seiner früheren Rechtsprechung betont, dass Auslegungsfragen zu Europarecht dann nicht zum Vorabentscheidungsverfahren zugelassen sind, wenn sie Sachverhalte betreffen,

4. Kapitel: Koordination von nationalem und EU-Kollisionsrecht

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die außerhalb des europarechtlichen Anwendungsbereichs liegen.626 Ebenso wie man dieses Argument für die Übernahme von Verordnungen anführen kann, kann man andererseits aber auch hier argumentieren, dass es um Normen des europäischen Sekundärrechts geht, deren europaweit einheitliche Auslegung im Interesse der EU steht, die also weiterhin in den Aufgabenbereich des EuGH fallen muss. Sieht man in den Normen eine indirekte Erlaubnis an die Mitglied­ staaten, die Verordnung für innerstaatliche interlokale Sachverhalte zu nutzen, ist darin darüber hinaus ein zumindest indirekter Bezug des Unionsrechts auf diesen von ihr nicht geregelten Sachverhalt zu sehen. Der EuGH hat in den letzten Jah­ ren jedoch wiederholt entsprechende Vorabentscheidungsverfahren mit dem Ar­ gument zugelassen, dass das vorlegende nationale Gericht allein entscheiden kann, welche Fragen für ein Verfahren entscheidungserheblich sind; daher kom­ me es nicht auf den originären Anwendungsbereich des Unionsrechtsaktes an.627 Die Rechtsprechung in Kleinwort Benson dürfte damit überholt sein.628 b) Aktivität im Rahmen der Anwendungsorientierung Die überschießende Orientierung im Rahmen der Rechtsanwendung an sich geht ausschließlich von den nationalen Gerichten aus, welche die Kollisionsregeln anwenden und darüber entscheiden, ob sie der Rechsprechung des EuGH auch in Fällen folgen, die nicht in den Anwendungsbereich des EU-Rechts fallen. Wie gesehen kann die Gestaltung der jeweiligen Kollisionsnorm jedoch entscheidend für die Möglichkeit der inhaltlichen und damit auch der überschießenden Orien­ tierung einer nationalen Kollisionsnorm an der europäischen Kollisionsnorm sein. Denn eine Orientierung der nationalen Gerichte am EuGH kommt nur dort in Betracht, wo das nationale Recht entsprechende Auslegungsspielräume eröff­ net, wie am Wortsinnvergleich von Art.  4 Abs.  1 Rom  II-VO und Art.  40 Abs.  1 EGBGB zu sehen ist.629 Damit legt der nationale Gesetzgeber – auch wenn er dies möglicherweise nicht beabsichtigt – die Grundlage für eine solche Orien­ tierung.

626 

EuGH, Urt. v. 28.3.1995, C-346/93, Kleinwort Benson v. Glasgow City Council, Slg. 1995, I-633. 627  EuGH, Urt. v. 21.12.2011, Cicala, C‑482/10, Slg. 2011, I‑14139, Rdn.  15 m. w. N.; Urt. v. 20.5.2010, Ionnis Katsivardas – Nikolaos Tsitsikas, C‑160/09, Slg. 2010, I‑4591, Rdn.  27 m. w. N. 628  Habersack/Mayer, JZ 1999, 913, 920 f. 629  Siehe soeben S. 211.

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1. Teil – 2.  Abschnitt: Methoden der inhaltlichen Koordination

B. Öffnungsklauseln zur Delegation der Normkomplementierung an die Mitgliedstaaten I. Koordinationsgegenstände Eine weitere Möglichkeit, das EU-Kollisionsrecht mit den nationalen Kollisions­ rechten der Mitgliedstaaten zu koordinieren, bieten Öffnungsklauseln im EU-­ Kollisionsrecht. Mithilfe derartiger Öffnungsklauseln schafft der europäische Gesetzgeber Öffnungen für den nationalen Gesetzgeber, die dieser in eigener Regie und nach eigenem Geschmack ausnutzen kann. Beispiele finden sich in einigen Kollisionsrechtsverordnungen, wie Art.  7 Abs.  3 UAbs.  2 Rom  I-VO oder Art.  5 Abs.  3 Rom  III-VO. Art.  7 Abs.  3 UAbs.  2 Rom  I-VO ermöglicht es einem EU-Mitgliedstaat, die Rechtswahlmöglichkeiten in Versicherungsverträ­ gen über Masserisiken630 zu erweitern. Art.  5 Abs.  3 Rom  III-VO ermöglicht es Mitgliedstaaten zu regeln, dass die Ehegatten die Wahl des Scheidungsstatuts auch vor Gericht im Laufe des Verfahrens vornehmen können. II. Funktionsweise Auf EU-Ebene gibt es Öffnungsklauseln verschiedener Art, die es den Mitglied­ staaten ermöglichen, über das EU-Kollisionsrecht hinaus in dessen Anwendungs­ bereich eigene Regelungen zu schaffen. Dargestellt wird zunächst die Erweite­ rung der Rechtswahloptionen im Versicherungsvertragskollisionsrecht (dazu 1.), dann Umsetzung der Öffnungsklauseln in der Rom  III-VO durch Art.  46e ­EGBGB n. F. (dazu 2.) und schließlich die Regelung in Art.  46a EGBGB, mit welcher der deutsche Gesetzgeber die Regelungsoption in Art.  7 Rom  II-VO wahr­genommen hat (dazu 3.). 1. Erweiterung von Rechtswahloptionen im Versicherungsvertragskollisionsrecht a) Art.  7 Abs.  3 UAbs.  2 Rom  I-VO Die Rom  I-VO kennt im internationalen Versicherungsvertragsrecht zwei Öff­ nungsklauseln. Die erste ermöglicht den Mitgliedstaaten eine Erweiterung der Rechtswahlmöglichkeiten bei Versicherungsverträgen, die keine Großrisiken be­ treffen,631 wie es in Art.  7 Abs.  3 UAbs.  2 Rom  I-VO vorgesehen ist. Art.  7 Abs.  3 Rom  I-VO enthält zunächst fünf unionsweit einheitliche Rechtswahloptionen. Wählbar ist erstens das Recht des Staates, in dem das Risiko belegen ist (lit.  a),632 630 

Zum Begriff Martiny in: MüKoBGB, Art.  7 Rom  I-VO, Rdn.  34. In den Worten von Art.  7 Abs.  3 Rom  I-VO: „Versicherungsverträge, die nicht unter Ab­ satz 2 fallen“. 632  Perner (IPRax 2009, 218, 221) weist zurecht darauf hin, dass diese Rechtswahlmöglich­ 631 

4. Kapitel: Koordination von nationalem und EU-Kollisionsrecht

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ferner das Recht am gewöhnlichen Aufenthalt des Versicherungsnehmers (lit.  b), bei Lebensversicherungen auch das Recht des Staates, dem der Versicherungs­ nehmer angehört (lit.  c). Bei Versicherungsverträgen, bei denen sich die gedeck­ ten Risiken auf Schadensfälle beschränken, die in einem anderen Mitgliedstaat als dem eintreten können, in dem das Risiko belegen ist, kann das Recht des Mitgliedstaates gewählt werden, in dem der Schaden eintreten kann (lit.  d). Schließlich enthält lit.  e für Fälle, in denen Versicherungsnehmer gewerbliche oder industrielle Tätigkeiten ausüben oder freiberuflich tätig sind und der Versi­ cherungsvertrag nicht nur ein mit diesem Vertrag in Zusammenhang stehendes Risiko abdeckt, zwei wählbare Rechtsordnungen, sofern die abgedeckten Risi­ ken in verschiedenen Mitgliedstaaten belegen sind. Zum einen kann das Recht eines Staates gewählt werden, der betroffen ist, in dem also das Risiko belegen ist, so dass nach diesem Recht auch über ein Risiko entschieden wird, das in ei­ nem anderen Mitgliedstaat liegt.633 Zum anderen enthält lit.  e die bereits in lit.  b aufgeführte Möglichkeit, das Recht am gewöhnlichen Aufenthaltsort des Ver­ sicherungsnehmers zu wählen. Darin handelt es sich jedoch nicht nur um eine schlichte Wiederholung einer ohnehin anwendbaren Alternative.634 Denn würde diese Alternative in lit.  e fehlen, müsste man im Umkehrschluss folgern, dass die Rechtswahloption von lit.  b für Versicherungsverträge von Versicherungsneh­ mern, wie von ihnen in lit.  e die Rede ist, nicht gilt. Seine Nennung in lit.  e hat daher sehr wohl Berechtigung. Nach Art.  7 Abs.  3 UAbs 2 Rom  I-VO ist es den Mitgliedstaaten möglich, für die Fälle der lit.  a, b und e in ihrem nationalen Recht zusätzliche Rechtswahl­ möglichkeiten vorzusehen. Deutschland könnte es z. B. den Parteien ermögli­ chen, das Recht des Staates zu wählen, dem der Versicherungsnehmer angehört. Deutschland hat von dieser Option bislang keinen Gebrauch gemacht. b) Art.  7 Abs.  4 lit.  b Rom  I-VO und Art.  46c EGBGB a. F./Art.  46d EGBGB n. F. Eine weitere Öffnungsklausel enthält Art.  7 Abs.  4 lit.  b Rom  I-VO für Pflicht­ versicherungsverträge. Darin ist vorgesehen, dass ein Mitgliedstaat vorschreiben kann, dass auf einen solchen Versicherungsvertrag das Recht desjenigen Mit­ gliedstaates anzuwenden ist, der die Versicherungspflicht vorschreibt.

keit nicht sonderlich sinnvoll ist, da der Risikobelegenheitsort auch das Anknüpfungsmoment der objektiven Anknüpfung ist. Selbst, wenn die Parteien das subjektive Vertragsstatut ändern wollten, wäre Art.  7 Abs.  3 lit.  a Rom  I-VO nicht erforderlich, da die Parteien in diesem Fall die Rechtswahl schlicht durch Vereinbarung wieder aufheben könnten. 633  Perner, IPRax 2009, 218 221. 634  So aber Martiny in: MüKoBGB, Art.  7 Rom  I-VO, Rdn.  31.

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1. Teil – 2.  Abschnitt: Methoden der inhaltlichen Koordination

Von dieser Option hat Deutschland in Art.  46c EGBGB a. F./Art.  46d EGBGB n. F. Gebrauch gemacht635 und eine differenzierende Regelung geschaffen. In Abs.  1 ist bestimmt, dass ein Versicherungsvertrag über Risiken, für die ein Mit­ gliedstaat der EU oder ein anderer Vertragsstaat des EWR-Abkommens eine Ver­ sicherungspflicht vorschreibt, dem Recht dieses Staates unterliegt, sofern dieser dessen Anwendung vorschreibt. Nach Abs.  2 unterliegt ein Pflichtversicherungs­ vertrag deutschem Recht, wenn die gesetzliche Verpflichtung zu seinem Ab­ schluss auf deutschem Recht beruht. 2. Art.  46d EGBGB a. F./Art.  46e EGBGB n. F. und die Öffnungsklauseln der Rom  III-VO a) Öffnungsklausel für besondere nationale Rechtswahlformvorschriften (Art.  7 Abs.  2–4 Rom  III-VO) Art.  7 Rom  III-VO enthält in Abs.  2–4 Öffnungsklauseln zur Form der Wahl des Scheidungsstatuts. Der Grundsatz der Schriftform in Art.  7 Abs.  1 Rom  III-VO wird dabei nach Art.  7 Abs.  2 Rom  III-VO zunächst dahingehend erweitert, dass die Formvorschriften des Mitgliedstaates, der an der Verstärkten Zusammen­ arbeit teilnimmt und in dem die Ehepartner ihren gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalt haben, anzuwenden sind, wenn sie im Vergleich zur Schriftform zu­ sätzliche Formanforderungen vorsehen. Voraussetzung ist also, dass der Staat, in dem beide Ehegatten ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, strengere Rechts­ wahlanforderungen festgelegt hat. Hätte ein Ehepaar seinen gemeinsamen ge­ wöhnlichen Aufenthalt in Deutschland, wäre dies der Fall; denn Deutschland hat in Art.  46d Abs.  1 EGBGB a. F./Art.  46e EGBGB n. F. für eine Rechtswahl nach Art.  5 Rom  III-VO die notarielle Beurkundung festgelegt. In Art.  7 Abs.  3 und 4 Rom  III-VO sind Hilfskollisionsnormen enthalten, die in Fällen eingreifen, wenn entweder die Ehegatten ihren jeweiligen gewöhnlichen Aufenthalt in verschie­ denen Mitgliedstaaten haben (Abs.  3) oder nur ein Ehegatte ihn in einem an der Rom  III-VO teilnehmenden Mitgliedstaat hat (Abs.  4). Nach Abs.  4 sind die besonderen Formvorschriften des teilnehmenden Mitgliedstaates anzuwen­ den; Abs.  3 folgt dem favor negotii636 und sieht vor, dass den besonderen Form­ vorschriften eines der gewöhnlichen Aufenthaltsstaaten genügt worden sein muss.

635  636 

Siehe hierzu ausführlich Martiny in: MüKoBGB, Art.  46d EGBGB, Rdn.  11–13. Winkler von Mohrenfels in: MüKoBGB, Art.  7 Rom  III-VO, Rdn.  6.

4. Kapitel: Koordination von nationalem und EU-Kollisionsrecht

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b) Zeitpunkt der Rechtswahl – Art.  5 Abs.  3 Rom  III-VO und Art.  46d Abs.  2 EGBGB a. F./Art.  46e Abs.  2 EGBGB n. F. Nicht nur besonderen nationalen Formvorschriften wird durch die Rom  III-VO Rechnung getragen. Zusätzlich können die Mitgliedstaaten vom Grundsatz des Art.  5 Abs.  2 Rom  III-VO abweichen, wonach eine Rechtswahl bis spätestens zur Anrufung des Gerichts getroffen sein muss. Von dieser Möglichkeit hat Deutsch­ land ebenfalls Gebrauch gemacht und in Art.  46d Abs.  2 EGBGB a. F./Art.  46e Abs.  2 EGBGB n. F. vorgesehen, dass die Wahl auch nach Anrufung des Gerichts bis zum Schluss der letzten mündlichen Verhandlung vorgenommen werden kann. 3. Zeitpunkt der Rechtswahl – Art.  7 i. V. m. Erwägungsgrund Nr.  25 S.  2 Rom  II-VO und Art.  46a EGBGB Etwas versteckt ist die Öffnungsklausel bei der Kollisionsnorm für Umweltschä­ den in der Rom  II-VO. Denn Art.  7 Rom  II-VO besagt lediglich, dass der Geschä­ digte ein Wahlrecht zwischen der Anknüpfung an das Recht am Schadenseintritts­ ort (Art.  4 Abs.  1 Rom  II-VO) und dem Recht am Ort des schadensbegründenden Ereignisses hat. Dass die lex fori die Frage des Zeitpunktes der Rechtswahl durch den Geschädigten beantworten soll,637 wird erst nach Lektüre von Erwägungs­ grund Nr.  25 S.  2 Rom  II-VO deutlich. Die lex fori entscheidet ebenfalls über das Zustandekommen der Willenserklärung, durch die der Geschädigte das Options­ recht ausübt.638 Dies ergibt sich nicht ausdrücklich aus Erwägungsgrund Nr.  25 S.  2 Rom  II-VO, so dass man auch erwägen könnte, auf die lex causae zurück­ zugreifen.639 Auf der anderen Seite wird der Anwendungsbereich auch der deut­ schen Umsetzungsnorm Art.  46a EGBGB nicht durch das nationale, sondern durch das europäische Kollisionsrecht bestimmt. So müssen der sachliche und räumliche Anwendungsbereich der Rom  II-VO eröffnet sein und schließlich sich der Sachverhalt auch unter Art.  7 Rom  II-VO selbst qualifizieren lassen. Eine Koordination der in Art.  7 Rom  II-VO genannten Anknüpfungsmomente und damit zwischen den über diese berufenen Rechtsordnungen ist dagegen nicht möglich. Dies liefe nämlich auf eine Teilung des in Art.  7 Rom  II-VO ent­ haltenen Optionsrechts hinaus, die jedoch nicht möglich ist. Für die Unteilbar­ keit des Optionsrechts gibt es verschiedene Begründungsansätze: Einerseits wird 637  Dies war bereits Bestandteil des Vorschlags zur Rom  II-VO gewesen, siehe KOM(2003) 427 endg., S.  22. 638  Junker in: MüKoBGB, Art.  46a EGBGB, Rdn.  6. 639  Vgl. Diskussion zur analogen Anwendung von Art.  3 V i. V. m. Art.  10, 11 und 13 Rom  I-­ VO auf die Rechtswahl nach Art.  14 Rom  II-VO.

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1. Teil – 2.  Abschnitt: Methoden der inhaltlichen Koordination

sie mit der Rechtsnatur des Optionsrechts begründet;640 andererseits wird auf das mit dem Optionsrecht vermeintlich verbundene Interesse abgestellt, der Geschä­ digte könne vom Schädiger nicht nur Ersatz des eingetretenen Schadens verlan­ gen, sondern ebenfalls – wenn es sich um eine noch anhaltende unerlaubte Hand­ lung handelt –die Unterlassung dieser Handlung fordern; diese Ansprüche dürf­ ten aber nicht verschiedenen Rechtsordnungen unterstehen.641 III. Koordinationszweck Die Gründe für eine derartige Koordination zwischen Unions- und nationalem Kollisionsrecht können unterschiedlich sein, je nach normativem Hintergrund der Kollisionsnorm. Zu bedenken ist auch, dass Öffnungsklauseln oft das Ergeb­ nis von Kompromissen zwischen Mitgliedstaaten sind. Die einen Staaten möch­ ten in der Regelungsintensität nicht zu weit gehen und erwirken daher eine en­ gere verbindliche Regelungsdichte zur Vermeidung von Rechtszersplitterung (dazu 1.). „Liberale Mitgliedstaaten“642 drängen dagegen auf mehr Freiheiten der Mitgliedstaaten bei der kollisionsrechtlichen Gestaltung (dazu 2.). Schließlich können Öffnungsklauseln auch den Prozessparteien größere prozessuale Freihei­ ten verschaffen (dazu 3.). 1. Vermeidung von Rechtszersplitterung Am Beispiel von Art.  7 Rom  I-VO lässt sich jedoch eine wichtige Konsequenz von Rechtswahlerweiterungsmöglichkeiten feststellen. Zunächst kann es darum gehen, dass mit der Koordination die inhaltliche Orientierung mit sonstigem Unionsrecht wie z. B. einer Richtlinie hergestellt wird. Diese inhaltliche Orien­ tierung an Richtlinien des Versicherungsvertragsrechts643 zeigt Art.  7 Rom  I-VO nicht nur explizit durch die Übernahme der Definition von Großrisiken in Abs.  2 und 6. Bei der Gestaltung der Rechtswahlmöglichkeiten in Abs.  3 UAbs.  2 hat sich der europäische Gesetzgeber ebenfalls an einer solchen Richtlinie orien­ tiert.644 Dies dient dazu, den Mitgliedstaaten eine größere Freiheit bei der Gestal­ tung der Rechtswahlmöglichkeiten zu geben. Je größer die Rechtswahlfreiheit der Parteien, desto mehr Möglichkeiten haben sie, eine Rechtszersplitterung zu verhindern.645 Negativer Nebeneffekt ist eine umso größere Rechtsunsicherheit, 640 

v. Hein, ZEuP 2009, 6, 30. Junker in: MüKoBGB, Art.  7 Rom  II-VO, Rdn.  26. 642  Perner, IPRax 2009, 218, 221; Armbrüster in: Staudinger, Art.  7 Rom  I-VO, Rdn.  16. 643  Richtlinie 73/239/EWG (inzwischen aufgehoben; siehe nur Martiny in: MüKoBGB, Art.  7 Rom  I-VO, Rdn.  20); Richtlinie 88/357/EWG, die Richtlinie 2002/83/EG. 644  Richtlinie 88/357/EWG; siehe dazu Martiny in: MüKoBGB, Art.  7 Rom  I-VO, Rdn.  34. 645  Martiny in: MüKoBGB, Art.  7 Rom  I-VO, Rdn.  34. 641 

4. Kapitel: Koordination von nationalem und EU-Kollisionsrecht

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da nicht nur die Rom  I-VO, sondern auch die nationalen Rechtswahlvorschriften von potenziell 28 Mitgliedstaaten zu kennen sind.646 Der Zweck der Vermeidung eines Rechtsmix‘ liegt auch dem Art.  7 Abs.  4 Rom  I-VO zugrunde. Nach Art.  7 Abs.  2 Rom  I-VO könnte z. B. ein Kfz-Haft­ pflichtversicherungsvertrag zwischen einem Versicherer mit Sitz in Frankreich und einem Versicherten mit gewöhnlichem Aufenthalt in Deutschland647 nach französischem Recht zu behandeln sein. Wegen der Versicherungspflicht in Deutschland besteht jedoch ein öffentliches Interesse daran, dass bestimmte Re­ geln des deutschen Versicherungsvertragsrechts zur Anwendung kommen und so ein effektiver Versicherungsschutz gewährleistet ist.648 Bei Risikobelegenheit in mehreren Mitgliedstaaten ist der Vertrag nach Art.  7 Abs.  5 Rom  I-VO so anzu­ sehen, als bestünde er insoweit aus mehreren Vertragsteilen, so dass auf jeden Vertragsteil dann jeweils das Recht des Staates Anwendung findet, in dem ein Teil des Risikos belegen ist. Indem deutsches Recht für den gesamten Versiche­ rungsvertrag wählbar ist, kann diese Mischung aus verschiedenen Rechtsordnun­ gen verhindert werden. Davon profitieren insbesondere diejenigen Staaten, die ohnehin darauf gedrängt hatten, bei Versicherungsverträgen i. S. d. Art.  7 Abs.  3 Rom  I-VO mehr Rechtswahlfreiheit zuzulassen.649 Gleichzeitig sind Mitglied­ staaten, die rechtspolitisch bei Rechtswahlfreiheit restriktiv eingestellt sind, nicht gezwungen, noch mehr Rechtswahlmöglichkeiten zuzulassen als aus Uni­ onssicht erforderlich.650 Die potenzielle Vielzahl von Möglichkeiten, wie die einzelnen Mitgliedstaa­ ten mit dieser Regelung umgehen können, kann jedoch eine unionsweit einheit­ liche Rechtswahlregelung verhindern. Eine Vereinheitlichung findet lediglich über den in Art.  7 Abs.  3 Rom  I-VO enthaltenen Grundkonsens statt, auf den sich die Mitgliedstaaten einigen konnten. Dieser Grundkonsens wird jedoch durch die Meta-Kollisionsnorm651 des Art.  7 Abs.  3 UAbs.  2 aufgeweicht. 646 

Martiny in: MüKoBGB, Art.  7 Rom  I-VO, Rdn.  34. Eine Landfahrzeughaftpflichtversicherung fällt unter die Großrisiken gemäß Art.  5 lit.  d der Ersten Richtlinie 73/239/EWG des Rates vom 24. Juli 1973 zur Koordinierung der Rechtsund Verwaltungsvorschriften bzw. nunmehr aufgrund deren Aufhebung mit Wirkung zum 1.11.2012 unter Art.  13 Nr.  27 der Richtlinie 2009/138/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25.11.2009 betreffend die Aufnahme und Ausübung der Versicherungs- und der Rückversicherungstätigkeit (Solvabilität II) (Neufassung), ABl. EU 2009 Nr. L 335/1. 648  Martiny in: MüKoBGB, Art.  7 Rom  I-VO, Rdn.  42. 649  Z. B. das Vereinigte Königreich; siehe dazu Martiny in: MüKoBGB, Art.  7 Rom  I-VO, Rdn.  34. 650  Perner, IPRax 2009, 218, 221; so bereits zu dem Vorgänger im deutschen Recht – Art.  10 Abs.  3 EGVVG, der ebenfalls auf Art.  7 Abs.  1 lit.  a S.  1 und lit.  d der Richtlinie 88/357/EWG basiert – Basedow/Drasch, NJW 1991, 785, 792. 651  Basedow/Drasch, NJW 1991, 785, 792. 647 

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1. Teil – 2.  Abschnitt: Methoden der inhaltlichen Koordination

2. Erweiterungsoptionen zugunsten besonderer nationaler Rechtswahlformvorschriften Erweiterungsoptionen können jedoch auch Bereiche betreffen, in denen Mit­ gliedstaaten die Möglichkeit haben sollen, eigene, am eigenen Rechtssystem ori­ entierte Regelungen zu schaffen.652 Beispiele finden sich in Art.  7 Abs.  2–4 Rom  III-VO. Diese Vorschriften ermöglichen es einem Mitgliedstaat, neben der einheitlich festgesetzten Schriftform eigene Akzente zu setzen und eigene Formvorstellun­ gen international durchzusetzen, sofern er an der Verstärkten Zusammenarbeit teilnimmt. Dass Deutschland die Möglichkeit der Erhöhung der Anforderungen in diesem Sinne wahrnehmen würde, war durchaus vorhersehbar. Immerhin ist die notari­ elle Beurkundung als Formerfordernis im internationalen Familienrecht nach EGBGB die Regel. Das betrifft nicht nur das Güterkollisionsrecht in Art.  15 Abs.  3 i. V. m. 14 Abs.  4 EGBGB; gerade auch im deutschen Scheidungskollisi­ onsrecht war nach Art.  17 Abs.  1 EGBGB eine Verweisung auf Art.  14 Abs.  4 EGBGB vorgesehen. Mit seiner Regelung in Art.  46d Abs.  1 EGBGB erhält Deutschland also diesen Gleichlauf aufrecht.653 3. Nationale Zusatzvorschriften zur zeitlichen Ausweitung der Rechtswahlmöglichkeit Art.  5 Abs.  3 Rom  III-VO verwirklicht daneben, indem er den Mitgliedstaaten die Abweichung von Abs.  2 und der Anrufung des Gerichts als darin geregelten, spätest möglichen Zeitpunkt für die Vornahme einer Rechtswahl ermöglicht, den auch bei dieser Vorschrift vertretenen liberalen Ansatz.654 Die deutsche Umset­ zung in Art.  46d Abs.  2 EGBGB a. F./Art.  46e Abs.  2 EGBGB n. F. berücksichtigt damit, dass Ehegatten erst nach Anrufung des Gerichts merken, welches Recht anwendbar ist, so dass ihnen erst dann klar werden kann, dass eine Rechtswahl ihren Interessen besser dient.655 Bei Umweltschädigungen stellt die Regelung in Art.  46a EGBGB einen Inter­ essenausgleich dar. Einerseits dient das Optionsrecht ausweislich des Vorschlags der Rom  II-VO dazu, es dem Geschädigten zu ermöglichen, nicht nur vom Schutzniveau des Schadenseintrittsstaates zu profitieren, sondern zusätzlich von einem ggf. höheren Schutzniveau des Staates, in dem sich das schadensbegrün­ dende Ereignis zugetragen hat.656 Es geht also z. B. konkret nicht nur darum, den 652 

Martiny in: MüKoBGB, Art.  46e EGBGB, Rdn.  2. Martiny in: MüKoBGB, Art.  46e EGBGB, Rdn.  2. 654  Winkler von Mohrenfels in: MüKoBGB, Art.  5 Rom  III-VO, Rdn.  18 m. w. N. 655  BT-Drs. 17/11049 S.  11 f.; Martiny in: MüKoBGB, Art.  46e EGBGB, Rdn.  3. 656  Erwägungsgrund Nr.  25 Rom  II-VO. 653 

4. Kapitel: Koordination von nationalem und EU-Kollisionsrecht

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Schutz des Rechts des Staates zu genießen, in dem der Geschädigte krank wurde, weil er verunreinigtes Wasser getrunken hat, sondern auch um den Schutz durch das Recht des Staates, in dem das Unternehmen die Schadstoffe in den Fluss geleitet hat.657 Dies dient nicht zuletzt den in Art.  191 AEUV dargelegten um­ weltpolitischen Zielen der EU, indem insbesondere Unternehmen umweltscho­ nend vorgehen.658 Auf der anderen Seite muss wegen des verfassungsrechtlichen Grundsatzes der prozessualen Waffengleichheit darauf geachtet werden, dass dem Beklagten das anwendbare Recht zu einem möglichst frühen Zeitpunkt be­ kannt ist.659 Der frühe erste Termin (§  275 ZPO) bzw. bei Fehlen eines solchen im schriftlichen Vorverfahren nach §  276 ZPO das Ende der Schriftsatzfrist wird in dieser Hinsicht als für den Zweck der Verfahrensbeschleunigung angemessen angesehen660 und auch nicht weiter kritisiert.661 IV. Koordinationsakteure 1. Legislative Entsprechend der Unterteilung bei der Funktionsweise müssen bei den Koordi­ nationsakteuren zwei Ebenen unterschieden werden. Zunächst bedarf es auf der Ebene des Unionskollisionsrechts der Entscheidung des EU-Gesetzgebers, an bestimmten Stellen Öffnungsklauseln einzubauen. Er hat daneben auch über den Umfang der Öffnung zu entscheiden, also welche Voraussetzungen ggf. zu erfül­ len sind, um einen bestimmten Grad an Öffnung zu ermöglichen. Die Beispiele haben gezeigt, dass ein Mitgliedstaat im IPR regelmäßig keine Pflicht hat, natio­ nale Normen zu schaffen, sondern lediglich die Möglichkeit, zusätzliche Vor­ schriften zu erlassen. Z. B. können Mitgliedstaaten ermächtigt werden, einseitige Kollisionsnormen zu schaffen,662 oder mehr Rechtswahloptionen vorzusehen, als in der EU-Kollisionsnorm vorgesehen sind.663 Der Mitgliedstaat schafft auf Grundlage der Öffnungsklausel eigenes Kolli­ sionsrecht. Dabei kann er – wie bei Art.  46a EGBGB besonders deutlich wird – eine eigene Interessengewichtung vornehmen und diese vor dem Hintergrund der nationalen Verfahrenskultur verwirklichen. Seine Bindung an die unions­ rechtliche Öffnungsklausel bedeutet dabei selbstverständlich nur eine Bindung 657 

Vorschlag Rom  II-VO KOM(2003) 427 endg., S.  22. Brand, GPR 2008, 298, 301. 659  Junker in: MüKoBGB, Art.  46a EGBGB, Rdn.  9. 660  Begr. RegE, BT-Drs. 16/9995 S.  8. 661  Siehe nur Hohloch in: Erman, Art.  46a EGBGB, Rdn.  2; Brinkmann in: PWW, Art.  46a EGBGB, Rdn.  1; siehe zum Gebot eines angemessenen Interessenausgleichs auch Brand, GPR 2008, 298, 301; Leible/Engel, EuZW 2004, 7, 13. 662  Siehe z. B. Art.  7 Abs.  4 lit.  b Rom  I-VO. 663  Siehe z. B. Art.  7 Abs.  3 UAbs.  2 Rom  I-VO, Art.  5 Abs.  3 Rom  III-VO. 658 

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1. Teil – 2.  Abschnitt: Methoden der inhaltlichen Koordination

innerhalb ihres Anwendungsbereichs. Es ist also z. B. Deutschland selbstver­ ständlich möglich, die Gelegenheit der Umsetzung der Option aus Art.  7 Abs.  4 lit.  b Rom  I-VO für eine größere Lösung zu nutzen und diese Regelung – wie in Art.  46c Abs.  1 EGBGB geschehen – auch auf EWR-Staaten zu erweitern, bei denen es sich nicht um Mitgliedstaaten der EU handelt. 2. Judikative Die nationale Judikative wendet die aufgrund der Öffnungsklausel geschaffene nationale Kollisionsnorm an, wobei sie jedoch auch die Öffnungsklausel im Blick behalten muss. Denn es besteht immer die Möglichkeit, dass der nationale Gesetzgeber die Öffnungsklausel fehlerhaft angewendet und auf ihrer Grundlage eine Vorschrift geschaffen hat, die er nicht hätte schaffen dürfen. In diesem Fall ist es die Pflicht des nationalen Gerichts, die nationale Vorschrift unangewendet zu lassen664 oder im Zweifelsfall dem EuGH im Wege des Vorabentscheidungs­ verfahrens die Frage vorzulegen, ob Öffnungsklauseln dieser Art mit EU-Recht vereinbar sind. Dies stellt einen wichtigen Beitrag zur Gewährleistung des effet utile des Unionsrechts dar.665

§  2 Internationales Zivilverfahrensrecht A. Nationale Ausführungsvorschriften zu den EuZVR-Verordnungen I. Koordinationsgegenstände Auf nationaler Ebene gibt es Ausführungsvorschriften, um die prozessualen ­ ücken von Brüssel I-VO bzw. Brüssel Ia-VO, Brüssel IIa-VO, EuUnthVO L ­so­wie EuErbVO zu schließen. In Deutschland ist dies durch das AVAG, das ­IntFamRVG, das AUG sowie durch das IntErbRVG666 geschehen. Diese Ver­ fahrensgesetze sind zunächst die Verwirklichung des den EU-Verordnungen zu­ grunde liegenden Prinzips, dass die Vollstreckung die Sache der Mitgliedstaaten ist und auch nach deren Recht umgesetzt wird.667 II. Funktionsweise Was in den Ausführungsgesetzen im Detail geregelt ist, ist damit im Grunde ebenfalls die Sache der Mitgliedstaaten. Jedoch erfordert eine funktionale und 664 

Vgl. hierzu EuGH, Urt. v. 9.3.1978, C-106/77, Simmenthal, Slg. 1978, 629, Rdn.  24. Vgl. hierzu EuGH, Urt. v. 9.3.1978, C-106/77, Simmenthal, Slg. 1978, 629, Rdn.  24. 666  Siehe noch zum Referentenentwurf zum IntErbRVG D. Lehmann, ZEV 2014, 232–236. 667  Schack, IZVR, Rdn.  1061. 665 

4. Kapitel: Koordination von nationalem und EU-Kollisionsrecht

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effektive Ausführungsregelung eine gewisse normative Basis in der durchzufüh­ renden Verordnung. Das gilt sowohl für die Vollstreckbarerklärung (dazu 1.) als auch die Durchführung der Vollstreckung (dazu 2.). 1. Vollstreckbarerklärung Im Rahmen der Vollstreckbarerklärung haben alle EU-Verordnungen und die deutschen nationalen Ausführungsgesetze Vorschriften zur Zuständigkeit, zum Antrag auf und zur Entscheidung über sowie zu Rechtsbehelfen gegen die Voll­ streckung. a) Zuständigkeit Nach Art.  39 Brüssel I-VO sind die Mitgliedstaaten angewiesen, die sachliche Zuständigkeit zu klären. Es ist dem Mitgliedstaat dabei freigestellt worden, ei­ nem Gericht oder einer sonstigen Behörde die sachliche Zuständigkeit zuzuwei­ sen. Mit dem Verweis auf Anhang II ist jedoch bereits angedeutet, dass die Mit­ gliedstaaten die zuständige Stelle der EU mitzuteilen haben. Nach demselben Prinzip erfolgt die Zuständigkeitsbestimmung in anderen ­Bereichen des IZVR. So bestimmt auch Art.  29 Brüssel IIa-VO für die Voll­ streckung von ausländischen Entscheidungen über die elterliche Verantwortung, dass die Mitgliedstaaten jeweils eine zuständige Stelle benennen und sie der EU mitteilen, damit diese sie in einer Liste im Anhang zur Brüssel IIa-VO zusam­ menstellen kann. Ebenso ist in Art.  78 Abs.  1 lit.  a EuErbVO die Mitteilung einer für die Vollstreckungszuständigkeit vorgesehenen Stelle nach Art.  50 Abs.  2 Eu­ ErbVO an die EU vorgesehen, damit eine entsprechende Liste erstellt werden kann. Die hierfür vorgesehene Frist ist am 16.11.2014 abgelaufen. Für Entscheidungen im Unterhaltsrecht gilt nach Art.  49 Abs.  1 EuUnthVO ebenfalls, dass die Mitgliedstaaten eine zentrale Behörde bestimmen, welche die ihr nach der EuUnthVO übertragenen Aufgaben wahrnimmt. Das gilt unabhän­ gig davon, ob es sich um einen Mitgliedstaat handelt, der durch das HUP 2007 gebunden ist oder nicht. Selbsterklärend ist dies bei Entscheidungen aus Staaten, die durch das HUP 2007 nicht gebunden sind – schon allein deshalb, weil es zu deren Vollstreckung u. a. einer Vollstreckbarerklärung nach Art.  26 EuUnthVO bedarf. Doch auch wenn bei Entscheidungen aus Staaten, die durch das HUP 2007 gebunden sind, die Vollstreckbarerklärung entfällt, besteht nicht zuletzt we­ gen der Möglichkeit der Verweigerung oder Aussetzung der Vollstreckung im Vollstreckungsstaat nach Art.  21 EuUnthVO auch bei fehlendem Exequatur ein wichtiges Betätigungsfeld für die zentrale Behörde nach Art.  49 EuUnthVO.

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1. Teil – 2.  Abschnitt: Methoden der inhaltlichen Koordination

b) Rechtsbehelfe Nach demselben Prinzip erfolgt die Regelung über den Rechtsbehelf gegen die Vollstreckbarerklärung sowie die Rechtsbeschwerde gegen die Entscheidung über den Rechtsbehelf. Für beide werden der EU nach Art.  71 Abs.  1 lit.  a, b EuUnthVO von jedem Mitgliedstaat jeweils Verfahren mitgeteilt, die in einem Anhang zur Verordnung veröffentlicht werden. Einheitlich festgelegt ist dage­ gen, ob und ggf. welche weiteren Spezifikationen das nationale Rechtsbehelfs­ verfahren aufweisen muss, wie z. B. das Rechtsbehelfsverfahren, das nach Art.  43 Abs.  3 Brüssel I-VO dem Grundsatz des rechtlichen Gehörs gerecht werden muss. Nach diesem Muster sind auch die Rechtsbehelfe selbst sowie die Rechts­ behelfe gegen Entscheidungen über diese Rechtsbehelfe aus Brüssel IIa-VO668, EuUnthVO für Entscheidungen aus Mitgliedstaaten, die nicht durch das HUP 2007 gebunden sind,669 und EuErbVO670 formuliert. Für Entscheidungen in Un­ terhaltssachen aus Mitgliedstaaten, die durch das HUP 2007 gebunden sind, ist ebenfalls unionsweit einheitlich das Recht auf Nachprüfung in Art.  19 EuUnth­ VO geregelt. c) Antrag auf Vollstreckbarerklärung bzw. auf Vollstreckungsversagung Für den Antrag auf Vollstreckbarerklärung nach Art.  40 Brüssel I-VO bzw. Voll­ streckungsversagung nach Art.  47 Abs.  2 Brüssel I-VO gilt im Wesentlichen das Recht des Vollstreckungsstaates. Vereinheitlicht geregelt ist lediglich, dass der Antragssteller im Bezirk des angerufenen Gerichts ein Wahldomizil zu errichten hat671, wie ein solches Wahldomizil ggf. ersetzt werden kann672 sowie die vorzu­ legenden Dokumente.673 Nach demselben Muster verfährt Art.  30 Brüssel IIa-VO. d) Vollstreckungsversagungsgründe Bei der Frage, welche Versagungsgründe gegen die Vollstreckbarerklärung gel­ tend gemacht werden können, hat der Mitgliedstaat dagegen keinen Gestaltungs­ spielraum. Die Versagungsgründe regelt die Brüssel I- bzw. Brüssel Ia-VO ein­ heitlich und damit für alle Mitgliedstaaten verbindlich in Art.  45 Abs.  1 i. V. m. 34, 35 Brüssel I-VO bzw. Art.  46 i. V. m. 45 Brüssel Ia-VO. Eine ähnliche Verein­ heitlichung von Vollstreckungsversagungsgründen ist in Art.  21 EuUnthVO für 668  Art.  33,

34 Brüssel IIa-VO. 33 EuUnthVO. 670  Art.  50, 51 EuErbVO. 671  Art.  40 Abs.  2 S.  1 Brüssel I-VO, der in der Brüssel Ia-VO keine Entsprechung mehr hat. 672  Art.  40 Abs.  2 S.  2 Brüssel I-VO, der in der Brüssel Ia-VO ebenfalls keine Entsprechung mehr hat. 673  Art.  40 Abs.  3 Brüssel I-VO bzw. Art.  47 Abs.  3 Brüssel Ia-VO. 669  Art.  32,

4. Kapitel: Koordination von nationalem und EU-Kollisionsrecht

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Entscheidungen aus Mitgliedstaaten enthalten, die an das HUP 2007 gebunden sind, sowie in Art.  34 EuUnthVO für Entscheidungen aus Mitgliedstaaten, auf die das nicht zutrifft. Ebenso kann für Entscheidungen in Erbsachen die Voll­ streckbarerklärung nach Art.  52 EuErbVO ebenfalls nur aus denselben Gründen versagt werden, wie sie auch in den anderen EU-Verordnungen als Anerken­ nungs- und Vollstreckungsversagungsgründe festgelegt sind. 2. Durchführung der Vollstreckung Auch bei der Durchführung der Zwangsvollstreckung zeigt sich die Vereinheit­ lichung bestimmter Grundelemente wie der Möglichkeit von einstweiligen Maß­ nahmen. Entscheidend ist zwar zunächst das Recht des Vollstreckungsstaates, das die Sicherungsmaßnahmen vorsehen muss;674 vor Ablauf der Rechtsbehelfs­ frist dürfen diese Maßnahmen nach Art.  47 Abs.  3 Brüssel I-VO jedoch nicht über Sicherungsmaßnahmen hinausgehen. Nach diesem Prinzip erfolgt die Voll­ streckung ebenfalls in der EuErbVO675 und in der EuUnthVO für Entscheidun­ gen aus Mitgliedstaaten, die nicht durch das HUP 2007 gebunden sind.676 Für die Vollstreckung von Unterhaltsentscheidungen aus durch das HUP 2007 gebundenen Mitgliedstaaten sind nach Art.  18 EuUnthVO ebenfalls Sicherungs­ maßnahmen zugelassen; an einer Frist wie in Art.  36 Abs.  3 EuUnthVO fehlt es dagegen. Das beruht jedoch darauf, dass es bei einem Exequaturausschluss kei­ nen Zeitraum zwischen Anerkennung der ausländischen Entscheidung bis zur Vollstreckbarerklärung gibt, der überbrückt werden müsste.677 Sicherheitsleistungen sind auch bei der Vollstreckung von Entscheidungen nach der Brüssel IIa-VO vorgesehen. Art.  51 Brüssel IIa-VO impliziert deren grundsätzliche Zulässigkeit nach nationalem Recht. Für die EU einheitlich aus­ geschlossen sind zwei Gründe für Sicherheitsleistungen zugunsten der die Voll­ streckung betreibenden Partei. Zum einen kann eine Sicherheitsleistung nicht darauf gestützt werden, dass der Vollstreckungsgläubiger im Vollstreckungsstaat keinen gewöhnlichen Aufenthalt hat, zum anderen nicht darauf, dass der Voll­ streckungsgläubiger nicht die Staatsangehörigkeit oder – wenn Vollstreckungs­ staat das Vereinigte Königreich oder Irland ist – dort nicht sein domicile hat. III. Koordinationszweck Neben den wesentlichen Fragen wie den Vollstreckungsversagungsgründen, die unionseinheitlich geregelt sind, dient das System von Öffnungsklauseln im IZVR 674  Art.  47 Abs.  1

Brüssel I-VO; vgl. auch Art.  43 Abs.  2 UAbs 2 Brüssel Ia-VO. Vgl. Art.  54 EuErbVO. 676  Vgl. Art.  36 EuUnthVO. 677  Lipp in: MüKoFamFG2, Art.  17 EuUnthVO, Rdn.  14. 675 

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1. Teil – 2.  Abschnitt: Methoden der inhaltlichen Koordination

der Abwägung zweier Interessen. Dass die Vollstreckung von Entscheidungen überhaupt nach dem nationalen Recht des Vollstreckungsstaates erfolgt, ist ein Grundsatz des IZVR.678 Der Verwirklichung dieses Grundsatzes dienen die Nor­ men, die es den Mitgliedstaaten jeweils ermöglichen, die zuständigen Stellen sowie Rechtsbehelfe für die Vollstreckbarerklärung selbst festzulegen, die im Rahmen eines Vollstreckungsverfahrens eine Rolle spielen sollen. Das gleiche gilt für die Durchführungsphase der Vollstreckung. Auf der anderen Seite ist es erforderlich, dass unionsweit deutlich wird, wel­ che Rechtsbehelfe im Vollstreckungsstaat vor welchen Stellen zu nutzen sind.679 Der damit verbundene Zweck kann einerseits darin gesehen werden, dass der Vollstreckungsschuldner weiß, wie er sich wehren kann. Andererseits kann vor dem Hintergrund des Grundsatzes der prozessualen Waffengleichheit der Sinn gleichzeitig darin zu sehen sein, dass auch der Vollstreckungsgläubiger weiß, mit welcher Form der Gegenwehr er zu rechnen hat. IV. Koordinationsakteure Auch bei den Öffnungsklauseln im IZVR gibt es eine klare Unterteilung der Ko­ ordinationsbeiträge. Zunächst setzt der EU-Gesetzgeber den einheitlichen unions­ rechtlichen Rahmen. Dabei werden einerseits die wesentlichen Fragen wie z. B. Vollstreckungsversagungsgründe einheitlich festgelegt. Andererseits wird be­ stimmt, an welcher Stelle und unter welchen Bedingungen Öffnungsklauseln ein­ gefügt werden. Auf der Grundlage dieser Öffnungsklauseln erarbeitet die jewei­ lige nationale Legislative ein Konzept, z. B. mit welchen Rechtsbehelfen sich ein Vollstreckungsschuldner vor welcher nationalen Instanz gegen die Vollstreckung einer ausländischen Entscheidung wehren kann. Die nationalen Behörden und Gerichte werden schließlich auf Grundlage der europäischen und nationalen Regelungen tätig.

B. Überschießende Orientierung der Mitgliedstaaten an internationalen Kollisionsrechtsakten I. Koordinationsgegenstände Die überschießende Orientierung an internationalen Kollisionsrechtsakten be­ trifft Konstellationen, in denen das nationale Kollisionsrecht Normen des inter­ nationalen Kollisionsrechts übernimmt und auf Fälle anwendet, die vom interna­ tionalen Kollisionsrecht ursprünglich nicht erfasst waren. 678  679 

Schack, IZVR, Rdn.  1061. Lipp in: MüKoFamFG2, Art.  71 EuUnthVO, Rdn.  1.

4. Kapitel: Koordination von nationalem und EU-Kollisionsrecht

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II. Funktionsweise Im Rahmen der Analyse der Funktionsweise ist auch hier zwischen der über­ schießenden Orientierung bei der Rechtssetzung (dazu 1.) und bei der Rechts­ anwendung (dazu 2.) zu unterscheiden. 1. Überschießende Orientierung bei der Rechtssetzung am Beispiel der Übertragung des EuGVÜ auf interlokale Sachverhalte im Vereinigten Königreich Eine überschießende Orientierung durch die nationale Gesetzgebung war Gegen­ stand der prominenten EuGH-Entscheidung Kleinwort Benson680. a) Übernahme des EuGVÜ zur Regelung interlokaler Sachverhalte Das Vereinigte Königreich ist in der Fassung, die Gegenstand des Verfahrens in Kleinwort Benson war, nicht nur seiner Pflicht nachgekommen, das EuGVÜ in nationales Recht umzusetzen. Es hat zusätzlich diese Regeln als Muster genutzt, um interlokale Sachverhalte zwischen den Gebietseinheiten England, Schott­ land, Wales und Nordirland zu regeln. Die Regelungen in Anhang 4 sind zum großen Teil wortidentisch mit denen des EuGVÜ.681 Im Übrigen handelt es sich bei den im Civil Jurisdiction and Judgements Act von 1982 enthaltenen supplementary provisions im Wesentlichen um Anpassungen. Einerseits betrifft dies folgerichtige Wortlautanpassungen einer überschießenden Umsetzung, wenn da­ rin nicht auf einen „Mitgliedstaat“, sondern auf einen „Teil des Vereinigten Kö­ nigreiches“ (part of the United Kingdom) Bezug genommen wird. Dies betrifft z. B. Art.  13 UAbs.  2 EuGVÜ. Dieser fingierte für den Fall, dass der Vertrags­ partner des Verbrauchers keinen Wohnsitz, jedoch u. a. eine Zweigniederlassung in einem Vertragsstaat hat, den Ort dieser Zweigniederlassung als Wohnsitz für Streitigkeiten aus ihrem Betrieb. Nach section 10(1) 682 i. V. m. section 44(2)(b) des Civil Jurisdiction and Judgements Act von 1982683 ist bei Verbraucherverträ­ 680  EuGH, Urt. v. 28.3.1995, C-346/93, Kleinwort Benson v. Glasgow City Council, Slg. 1995, I-633. Siehe dazu auch oben S. 209. 681  Vgl. Habersack/Mayer, JZ 1999, 913, 917. 682  Section 10: „(1) The provisions of this section have affect for the purpose of allocating within the United Kingdom jurisdiction in certain proceedings in respect of which the 1968 Convention confers jurisdiction on the courts of the United Kingdom generally […]. (2) […] (3) Any proceedings which by virtue of the first paragraph of Article 14 (comsumer contracts) are brought in the United Kingdom by a consumer on the ground that he is himself domiciled there shall be brought in the courts of the part of the United Kingdom in which he is domiciled.“ 683  Section 44: „(1) This section applies to (a) proceedings within Section 3 of the Title II of the 1968 Convention (insurance contracts), and (b) proceeding within Section 4 of that Titel (consumer contracts). (2) A person who, for the purposes of proceedings to which this section applies arising out of the operations of a brancg, agency or other establishment in the United

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1. Teil – 2.  Abschnitt: Methoden der inhaltlichen Koordination

gen in Abwandlung von Art.  13 UAbs.  2 EuGVÜ für die Bestimmung des domicile des Vertragspartners des Verbrauchers der Ort der Zweigniederlassung im jeweiligen Teil des Vereinigten Königreichs relevant. Darüber hinaus enthalten die sections 41 ff. des Civil Jurisdiction Act von 1982 Regelungen zur Bestimmung des domicile, die – wie section 41(2)684 – eine nationale Regelung zur Ergänzung von Art.  52 EuGVÜ darstellen, sowie eine Anpassung für die Zwecke der überschießenden Umsetzung in section 41(1)685. b) Abweichendes Gesamtregelungskonzept Diese Abweichungen vom EuGVÜ sind beim Act von 1982 Bestandteil des Sys­ tems gewesen. Zwar wird ebenfalls auf die Grundsätze der Rechtsprechung des EuGH verwiesen. Diese sind nach section 16(3)(a) jedoch nur zu berücksichti­ gen und nicht als verbindlich anzusehen.686 Ferner ist im Gesetzestext in section 47(1) und (3) selbst die Möglichkeit angesprochen, vom Text des EuGVÜ abzu­ weichen.687 Diese Punkte hatten den EuGH in Kleinwort Benson denn auch dazu veranlasst, sich hinsichtlich der Auslegung der Normen zum interlokalen Teil des Act von 1982 für unzuständig zu erklären, da er in der ihm vorgelegten Frage aufgrund dieser nationalen gesetzlichen Rahmenbedingungen seine Funktion auf eine lediglich beratende Funktion reduziert sah.688

Kingdom, is deemed for the purposes of the 1968 Convention to be domiciled in the United Kingdom by virtue of (a) […] (b) Article 13, second paragraph (suppliers of goods, services or credit to consumers), shall, for the purposes of those proceedings, be treated for the purposes of this Act as so domiciled and as domiciled in the part of the United Kingdom in which the branch, agency or establishment in question is situated.“ 684  Section 41(3): „An individual is domiciled in the United Kingdom if and only if (a) he is resident in the United Kingdom; and (b) the nature and circumstances of his residence indi­ cate that he has a substantial connection with the United Kingom.“ 685  Section 41(1): „Subject to Article 52 […], the following provisions of this section deter­ mine, for the purposes of the 1968 Convention and this Act, whether an individual is domiciled in the United Kingdom or in a particular part of, or place in, the United Kingdom or in a state other than a Contracting State.“ 686  Section 16(3): „In determining any question as to the meaning or effect of any provision contained in Schedule 4 – (a) regard shall be had to any relevant principles laid down by the European Court in connection with Title II of the 1968 Convention […].“ 687  Section 47: „(1)  Her Majesty may by Order in Council – […] (b) make such modifica­ tions of Schedule 4 or Schedule 8 […]. (3)  The modifications which may be made by virtue of paragraph (b) of subsection (1) include modifications designed to produce divergence between any provision of Schedule 4 or Schedule 8 and a corresponding provision of Title II of the 1968 Convention as affected by any such principle or decision as is mentioned in that paragraph.“ 688  EuGH, Urt. v. 28.3.1995, C-346/93, Kleinwort Benson v. Glasgow City Council, Slg. 1995, I-633, Rdn.  24.

4. Kapitel: Koordination von nationalem und EU-Kollisionsrecht

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2. Überschießende Orientierung bei der Rechtsanwendung Auch im IZVR nutzen nationale Gerichte bei der Auslegung die überschießende Orientierung, indem sie sich auf das europäische Recht für Sachverhalte bezie­ hen, die über den Anwendungsbereich des europäischen Rechts hinausgehen. Eine derartige Orientierung findet sowohl im Rahmen der internationalen Zu­ ständigkeit (dazu a) als auch im Rahmen der Anerkennung und Vollstreckung statt (dazu b). a) Internationale Zuständigkeit – Fälle judikativer überschießender Umsetzung Wenn es um eine überschießende Umsetzung geht, folgt der BGH bei der inter­ nationalen Zuständigkeit nicht immer ausdrücklich der Argumentation des EuGH für Fälle, in denen der räumliche Anwendungsbereich von EuGVÜ bzw. Brüssel I-/Brüssel Ia-VO nicht eröffnet ist. Dennoch sind in derlei Konstellationen aus­ drückliche Verweise erkennbar. Dies ist insbesondere der Fall für den besonde­ ren Gerichtsstand der unerlaubten Handlung nach §  32 ZPO, der mit Art.  5 Nr.  3 Brüssel I-VO in Beziehung gesetzt wurde. In einer Entscheidung noch zu Zeiten des EuGVÜ, bei welcher der Anwendungsbereich des Übereinkommens nicht eröffnet und somit die internationale Zuständigkeit nach §  32 ZPO zu bestimmen war, orientierte sich der BGH ausdrücklich an der Entscheidung des EuGH ­Kalfelis v. Schröder zum EuGVÜ.689 Dort hatte der EuGH die internationale Zu­ ständigkeit kraft Sachzusammenhangs für nicht deliktische Sachverhalte auf­ grund des Gerichtsstands der unerlaubten Handlung abgelehnt.690 Dem folgend lehnte der BGH in seiner Entscheidung trotz Nichtanwendbarkeit des EuGVÜ die Zuständigkeit kraft Sachzusammenhangs ebenfalls ab. Dies begründete er damit, dass „nicht verständlich [wäre], eine internationale Zuständigkeit kraft Sachzusammenhangs in Fällen, die der Geltung des EuGVÜ unterliegen, auszu­ schließen, sie dagegen in Fällen außerhalb seines Geltungsbereichs allgemein zuzulassen, obwohl das Interesse der europäischen Staatengemeinschaft gerade darauf abzielt, in Fällen mit Auslandsbezug zu möglichst einheitlichen Verfah­ rensgrundsätzen zu gelangen“691. In einer späteren Entscheidung zog der BGH insbesondere zum Verständnis des Inlandsbezugs, um die internationale und dann auch die örtliche Zuständigkeit zu begründen, die Rechtsprechung des EuGH mindestens dazu heran, um eine bereits vorhandene Tendenz zu bestätigen.692 689 

EuGH, Urt. v. 27.9.1988, C-189/87, Athanasios Kalfelis v. Bankhaus Schröder u. a., Slg. 1988, 5565. 690  BGH, Urt. v. 28.2.1996 – XII ZR 181/93, IPRax 1997, 187, 190. Siehe dazu ausführlich Gebauer in JJZRW 2001, 201, 209. 691  BGH, Urt. v. 28.2.1996 – XII ZR 181/93, IPRax 1997, 187, 190. 692  Vgl. BGH, Urt. v. 29.3.2011 – VI ZR 111/10, GRUR Int 2011, 644, 646.

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1. Teil – 2.  Abschnitt: Methoden der inhaltlichen Koordination

In einem ähnlichen Fall zur Persönlichkeitsverletzung durch Internetveröffent­ lichungen folgte der BGH bei der Auslegung des Begriffs der Verbreitung dage­ gen nicht der Ansicht, die sich auf Art.  5 Nr.  3 Brüssel I-VO stützte,693 sondern seiner eigenen Rechtsprechung für Kennzeichenverletzungen694.695 Diese Gegen­ richtung weg vom EuGH hat der BGH bei Internetveröffentlichungen in der Fol­ ge gefestigt, als er in der Google-Entscheidung696 zur internationalen Zuständig­ keit für Entscheidungen mit Bezug zu Persönlichkeitsverletzungen durch die „Autocomplete“-Funktion der Google-Suchmaschine an den durch ihn selbst entwickelten Kriterien festhielt, obwohl ihm bewusst war, dass der EuGH in sei­ ner eDate-Entscheidung unmittelbar zuvor eine andere Linie verfolgt hatte.697 Die Entwicklung rührte aus einer Linie von Entscheidungen her, in denen die Brüssel I-VO jeweils nicht anwendbar war: In „New York Times“ waren in Bezug auf den in Deutschland wohnhaften Kläger aufgrund einer Internetveröffentlichung Ver­ bindungen zur russischen organisierten Kriminalität entstanden698, in „Sieben Tage in Moskau“ hatte die nunmehr in den USA wohnhafte Beklagte über den – wie sie selbst – aus Russland stammenden Kläger anlässlich eines Klassentref­ fens in Moskau einen Bericht im Internet veröffentlicht, aufgrund dessen der Kläger u. a. Unterlassung und Schadensersatz in Deutschland verlangte699.700 Der BGH formulierte, dass deutsche Gerichte „zur Entscheidung über Klagen wegen Persönlichkeitsbeeinträchtigungen durch im Internet abrufbare Veröffentlichun­ gen international zuständig [seien], wenn die als rechtsverletzend beanstandeten Inhalte objektiv einen deutlichen Bezug zum Inland in dem Sinn aufweisen, dass eine Kollision der widerstreitenden Interessen – Interesse des Klägers an der Achtung seines Persönlichkeitsrecht einerseits, Interesse des Beklagten an der Gestaltung seines Internetauftritts und an einer Berichterstattung andererseits“ 701. Weder eine Anknüpfung an den Klägerwohnsitz noch an die bloße Abrufbarkeit eines im Internet veröffentlichten Beitrages biete hinreichend Rechtssicherheit; vielmehr seien beide Anknüpfungspunkte „zufällig und beliebig“ 702. Der Ansatz des EuGH zu Art.  5 Nr.  3 Brüssel I-VO – der wohl bei Art.  7 Nr.  2 Brüssel Ia-VO weiterverfolgt werden wird – bestand demgegenüber darin, dass 693 

Vgl. BGH, Urt. v. 2.3.2010 – VI ZR 23/09, GRUR 2010, 461, 462. BGH, Urt. v. 13.10.2004 – I ZR 163/02, GRUR 2005, 431. 695  BGH, Urt. v. 2.3.2010 – VI ZR 23/09, GRUR 2010, 461, 463. 696  BGH, Urt. v. 14.5.2013 – VI ZR 269/12, NJW 2013, 2348 ff. 697  EuGH, Urt. v. 25.10.2011, C-509/09 und C-161/10, eDate advertising GmbH v. X und Olivier Martinez, Robert Martinez v. MGN Limited, Slg. 2011, I-10269, Rdn.  10. 698  BGH, Urt. v. 2.3.2010 – VI ZR 23/09, GRUR 2010, 461 ff. 699  BGH, Urt. v. 29.3.2011 – VI ZR 111/10, NJW 2011, 2059–2061. 700  Siehe zum Ganzen ausführlich Gebauer, IPRax 2014, 513, 514 ff. 701  BGH, Urt. v. 29.3.2011 – VI ZR 111/10, NJW 2011, 2059, 2060. 702  BGH, Urt. v. 29.3.2011 – VI ZR 111/10, NJW 2011, 2059, 2060. 694 

4. Kapitel: Koordination von nationalem und EU-Kollisionsrecht

233

einerseits – wie schon zu Shevill-Zeiten – „die Gerichte jedes Mitgliedstaates zuständig [seien], in dessen Hoheitsgebiet ein im Internet veröffentlichter Inhalt zugänglich ist oder war“, zusätzlich aber ein bestimmter Gerichtsstand bestehen sollte, an dem der gesamte Schaden eingeklagt werden könne. Dieser Gerichts­ stand sei dort anzunehmen, „an dem das mutmaßliche Opfer den Mittelpunkt seiner Interessen hat“ 703, was im Allgemeinen der gewöhnliche Aufenthalt sei704. b) Anerkennung und Vollstreckung Weitaus deutlicher erscheint die Orientierung am unionsrechtlichen Vorbild und an der damit verbundenen Rechtsprechung des EuGH im Anerkennungs- und Vollstreckungsrecht. In einem Urteil des OLG Hamm zur Vereinbarkeit einer kroatischen Unterhaltsentscheidung hatte das Gericht §  328 Abs.  1 ZPO anzu­ wenden, da Kroatien zu diesem Zeitpunkt noch nicht Mitglied der EU war. Der Vollstreckbarerklärung der Entscheidung konnte §  328 Abs.  1 Nr.  3 ZPO entge­ genstehen, da es mit einem in Deutschland erlassenen Urteil unvereinbar sein konnte. Das Gericht orientierte sich an der Rechtsprechung von EuGH und BGH zu Art.  21 Abs.  1 EuGVÜ, der die parallele Anhängigkeit von Klagen wegen des­ selben Anspruchs zwischen denselben Parteien bei Gerichten verschiedener Ver­ tragsstaaten regelt, und der dazu formulierten Kernpunkttheorie.705 Der Kern­ punkt der in Rede stehenden Rechtsstreitigkeiten musste also nach Ansicht des Gerichts übereinstimmen, damit das Verdikt der Unvereinbarkeit über die aus­ ländische Entscheidung gesprochen werden konnte.706 III. Koordinationszweck 1. Legislatorische Orientierung Wenn sich die Legislative überschießend an internationalem Kollisionsrecht ori­ entiert, trägt dies zu der mit diesem Kollisionsrecht verfolgten Rechtssicherheit bei, da die Rechtsvereinheitlichung durch den betreffenden Staat um eine Ebene erweitert wird, auf die das internationale Kollisionsrecht entweder aus recht­ lichen oder rechtspolitischen Gründen nicht angewandt werden konnte. Recht­li­ che Gründe betreffen z. B. die Konstellation in Kleinwort Benson, wo die ­EuGVÜ von vornherein von sich aus nicht darauf ausgerichtet sein konnte, das interloka­ 703  EuGH, Urt. v. 25.10.2011, C-509/09 und C-161/10, eDate advertising GmbH v. X und Olivier Martinez, Robert Martinez v. MGN Limited, Slg. 2011, I-10269, Rdn.  48. 704  EuGH, Urt. v. 25.10.2011, C-509/09 und C-161/10, eDate advertising GmbH v. X und Olivier Martinez, Robert Martinez v. MGN Limited, Slg. 2011, I-10269, Rdn.  49. 705  EuGH, Urt. v. 8.12.1987, C-144/86, Gubisch, Slg. 1987, 4861 = EuGH, NJW 1989, 665 f.; BGH, Urt. v. 8.2.1995 – VIII ZR 14/94, RIW 1995, 413, 414. 706  OLG Hamm, Urt. v. 30.10.2000 – 1 U 1/00, FamRZ 2001, 1015.

234

1. Teil – 2.  Abschnitt: Methoden der inhaltlichen Koordination

le Kollisionsrecht des Vereinigten Königreiches mitzuregeln. Dies wäre im IPR etwa vergleichbar mit einer Konstellation, in der ein Mitgliedstaat die Kolli­ sionsnormen der Rom  II-VO auch auf Fälle der Verletzung der Privatsphäre oder der Persönlichkeitsrechte anwendete, da diese ja nach Art.  1 Abs.  2 lit.  g Rom  IIVO aus dem sachlichen Anwendungsbereich ausgeschlossen sind, wenngleich dies an sich nicht zwingend gewesen wäre.707 Ohne die Bindung an den internationalen Kollisionsrechtsakt besteht aller­ dings auch die Möglichkeit, mit den übernommenen Kollisionsnormen variabel umzugehen, wie es das Vereinigte Königreich bei der Übernahme der EuGVÜ auf das interlokale Verfahrensrecht getan hat. Schließlich ist der nationale Ge­ setzgeber auch frei darin, Kollisionsnormen nach seinem Gusto zu ändern, solan­ ge der Mitgliedstaat sie nicht aufgrund der Bindung an ein Übereinkommen in einer bestimmten Art umsetzen muss. Die Entscheidung Kleinwort Benson hat jedoch auch gezeigt, dass sich der nationale Gesetzgeber bei der Variabilität der Regelungen tendenziell nicht darauf verlassen kann, dass seine Gerichte Fragen dem EuGH im Wege des Vorabentscheidungsverfahrens vorlegen können. 2. Orientierung bei der Rechtsanwendung Die Fälle der Orientierung im Rahmen der Rechtsanwendung zeigen, dass natio­ nale Gerichte – zumindest in Deutschland – sich im Einzelfall koordinierend an Ideen des EuGH orientieren. Damit wird das nationale Recht nicht nur vertikal mit dem europäischen Rechtsakt koordiniert; in gleichem Maße wird das natio­ nale Recht insgesamt horizontal koordiniert, da es auf alle Sachverhalte gleicher­ maßen angewendet wird, ob sie nun innerhalb oder außerhalb des Anwendungs­ bereichs eines europäischen Kollisionsrechtsaktes liegen.708 Sie bleiben jedoch der Einzelfall und beruhen nicht auf einem allgemeinen Konzept, auch das na­ tionale Kollisionsrecht, das außerhalb des Anwendungsbereichs der Unionsrechts­ akte zur Anwendung gelangt, flächendeckend am europäischen Kollisionsrecht zu orientieren und so der Arbeit des europäischen Gesetzgebers vorzugreifen. Das zeigt sich an mehreren Aspekten. Zunächst sagt die eher geringe Menge von derartigen Orientierungen der na­ tionalen Gerichte allein schon viel über deren Ausnahmecharakter aus. Ferner wird dort keine Orientierung vorgenommen, wo das nationale Gericht es sach­ lich für nicht gerechtfertigt hält. So war es bei §  32 ZPO, als sich der BGH auch mit der Frage auseinandersetzte, ob die schlichte Aufrufbarkeit einer Webseite 707  Junker in: MüKoBGB, Art.  1 Rom  II-VO, Rdn.  43; Palandt/Thorn, Art.  1 Rom  II-VO, Rdn.  15; Jayme/Kohler, IPRax 2007, 493, 494; G. Wagner, IPRax 2008, 1, 3; R. Wagner, IPRax 2008, 314, 316. 708  Siehe auch Gebauer, JJZRW 2000, 201, 210.

4. Kapitel: Koordination von nationalem und EU-Kollisionsrecht

235

bereits ausreicht, um einen besonderen Deliktsgerichtsstand zu begründen.709 Hätte sich der BGH an der Shevill-Rechtsprechung des EuGH und der darin be­ gründeten Mosaiktheorie orientiert, hätte er dies ausreichen lassen können. Er hat diese Möglichkeit jedoch ausdrücklich verworfen und einen darüber hinaus gehenden Bezug zum Deliktsgerichtsstand gefordert.710 Damit wollte der BGH nicht der Mosaiktheorie folgen, sondern den einen besonderen Gerichtsstand der unerlaubten Handlung bestimmen, an dem wie am allgemeinen Gerichtsstand der gesamte Schaden eingeklagt werden kann. Dass sich das nationale Gericht also im Wesentlichen dort am Unionsrecht orientiert, wo es dies sachlich für vertretbar hält, diese Orientierung jedoch nicht zu weit führt, zeigt sich auch in der deutschen Rechtsprechung bei der Anwen­ dung von §  328 ZPO. Dort orientierte sie sich an der am Rahmen von Art.  21 Abs.  1 EuGVÜ vom EuGH entwickelten Kernpunkttheorie711.712 IV. Koordinationsakteure 1. Legislative Die Koordination auf legislativer Ebene geht ausschließlich vom nationalen Ge­ setzgeber aus, der sowohl die Entscheidung des Ob als auch des Wie trifft. Beim Ob geht es um die Frage, in welchen Bereichen das Kollisionsrecht der staats­ vertraglichen oder der EU-Ebene auf die nationale Ebene übertragen wird. Beim Wie geht es um die Intensität der Nähe zum gesetzgeberischen Vorbild: Will man die Regelungen identisch übernehmen oder will man punktuelle Abweichungen zulassen? 2. Judikative a) Nationale Gerichte Die nationalen Gerichte können sich an der Rechtsprechung des EuGH orientie­ ren. Damit kann einerseits eine vom nationalen Gesetzgeber initiierte Orientie­ rung z. B. am EU-Kollisionsrecht umgesetzt werden, indem die nationalen Ge­ richte – wenn sie eine Frage schon nicht dem EuGH vorlegen können – doch wenigstens die EuGH-Rechtsprechung heranziehen. Andererseits können die 709 

Siehe S. 231. BGH, Urt. v. 28.2.1996 – XII ZR 181/93, IPRax 1997, 187, 190. 711  EuGH, Urt. v. 8.12.1987, C-144/86, Gubisch Maschinenfabrik KG v. Giulio Palumbo, Slg. 1987, 4861, Rdn.  16. 712  OLG Hamm, Urt. v. 30.10.2000 – 1 U 1/00, FamRZ 2001, 1015; vgl. auch Gottwald in: MüKoZPO, §  328 ZPO, Rdn.  115. 710 

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1. Teil – 2.  Abschnitt: Methoden der inhaltlichen Koordination

nationalen Gerichte auch von sich aus die Nähe zur EuGH-Rechtsprechung su­ chen, wie dies z. B. das OLG Hamm bei §  328 Abs.  1 ZPO getan hat.713 b) Rolle des EuGH Die Rolle des EuGH ist ambivalent. Einerseits ist seine Rechtsprechung bedeu­ tende Orientierungshilfe für die nationalen Gerichte, wenn sie sich an seiner Rechtsprechung orientieren wollen. Selbst wenn sie von einer Orientierung letzt­ lich absehen, ist die Rechtsprechung des EuGH dennoch eine Position, die zu­ mindest in der Abwägung über die endgültige Lösung Berücksichtigung findet. Wenn es andererseits um die Orientierung im Rahmen der Rechtssetzung geht, achtet der EuGH selbst darauf, dass seine Entscheidungen vom nationalen Rege­ lungskonzept als bindend verstanden werden und nicht nur berücksichtigt wer­ den. Wenn er sich also durch das nationale Recht auf eine beratende Rolle redu­ ziert sieht, ist er nicht bereit, als Interpretationsstelle zu dienen.714 Diese Haltung ist kritisiert worden.715 Man muss jedoch bedenken, dass sie in die Reihe der Beschränkungen der Zulässigkeit des Vorabentscheidungsverfahrens nach Art.  267 AEUV passt. Diese Beschränkungen haben auch den Zweck, den EuGH nicht mit zu vielen oder gar nicht zielführenden Verfahren zu belasten, um seine Funktionalität zu gewährleisten.716 Das Prinzip, dass die Entscheidungen des EuGH nicht nur beratenden Charakter ohne Bindung des nationalen Gerichts haben dürfen, liegt eben auch der Versagung der Zulässigkeit in Kleinwort Benson zugrunde.

713 

OLG Hamm, Urt. v. 30.10.2000 – 1 U 1/00, FamRZ 2001, 1015. Siehe oben S. 234. 715  Habersack/Mayer, JZ 1999, 913, 920 f. 716  Vgl. Pernice, EuR 2011, 151, 152. 714 

3.  Abschnitt

Das Verhältnis des anwendbaren Rechts zu statutsfremden Rechtsnormen als Mischung aus Methoden der Vorrang- und der Inhaltskoordination Das anwendbare Recht –sowohl im Sinne des materiellen als auch des Verfah­ rensrecht – kann durch statutsfremde Rechtsnormen beeinflusst werden. Die For­ men, in denen diese inhaltliche Beeinflussung im IPR und IZVR zutage tritt, zeigen, dass zwischen den Methoden in diesen Gebieten zu trennen ist: Für die IPR-Seite der inhaltlichen Beeinflussung lässt sich feststellen, dass die dort ver­ orteten Methoden vorrangig auf der Seite der Vorrangkoordination stehen (dazu Kapitel  1). Auf der IZVR-Seite ist die Zahl entsprechender Methoden erstens geringer und zweitens anders auf Vorrang- und Inhaltskoordination verteilt: Es gibt mehr Inhalts- als Vorrangkoordinationsmethoden (dazu Kapitel  2).

1.  Kapitel

Die vorrang- und inhaltskoordinative Seite im IPR Die international-privatrechtliche Seite der inhaltlichen Beeinflussung durch ausländische Sachrechtsnormen wird durch Methoden der Vorrangkoordination beherrscht. Denn die dort zu verortenden Koordinationsmethoden dienen der Durchsetzung des internationalen Geltungsvorrangs nationaler Sachrechtsregeln. Die einzelnen Vorrangkoordinationsmethoden unterscheiden sich nach verschie­ denen Kriterien: Einmal misst ihnen der Staat ihrer Herkunft die internationale Bedeutung zu (dazu §  1), dann gewährt das EuIPR den Vorrang nationaler Nor­ men aufgrund sachlicher (dazu §  2) oder räumlicher Aspekte (dazu §  3); schließ­ lich erhalten nationale Rechtsgrundsätze in Einzelfallentscheidungen im Rah­ men der ordre public-Kontrolle Vorrang vor dem an sich anwendbaren Recht (dazu §  4). Die Substitution ist dagegen der Inhaltskoordination zuzuordnen (dazu §  5).

238

1. Teil – 3.  Abschnitt: Anwendbares Recht, statutsfremde Normen

§  1 Vorrang international zwingender Normen Einzelne nationale Sachnormen eines Mitgliedstaats, dessen Recht nicht kolli­ sionsrechtlich berufen wurde, können einerseits als Eingriffsnormen (dazu A.), andererseits im Rahmen des Vorrangs des Einzel- vor dem Gesamtstatut auf in­ ternationale Sachverhalte Anwendung finden (dazu B.)

A. Eingriffsnormen I. Koordinationsgegenstände Gegenstand dieser Koordinationsmethode sind Kollisionsrecht und Sachrecht. Auf der einen Seite steht das Kollisionsrecht, repräsentiert durch die kollisions­ rechtliche Berufung des eigentlichen Statuts. Auf der anderen Seite steht das nationale Sachrecht, das entweder durch die Sachrechtsvorschriften der lex fori717 oder die Sachrechtsvorschriften eines dritten Staates718 repräsentiert wird. Bei diesen Sachrechtsvorschriften kann es sich um privatrechtliche, aber auch um öffentlich-rechtliche Vorschriften handeln.719 Unklar ist noch, inwieweit neben den Eingriffsnormen der lex fori auch die Eingriffsnormen dritter Staaten An­ wendung finden. 1. Anwendung der Eingriffsnormen der lex fori Eingriffsnormen haben eine besondere Qualität, deren grundsätzliche Definition vom EuGH formuliert720 und in Art.  9 Abs.  1 Rom  I-VO erstmals für eine EU-­ Verordnung in eine Regelung überführt wurde. Dieser Formulierung sind ent­ sprechende Normen, die sich der Behandlung von Eingriffsnormen widmen, regel­ mäßig nachempfunden. Danach sind Eingriffsnormen zwingende Vorschriften, deren Einhaltung von einem Staat als so entscheidend für die Wahrung seines öffentlichen Interesses, insbesondere seiner politischen, sozialen oder wirtschaft­ lichen Organisation, angesehen werden, dass sie ungeachtet des nach Maßgabe dieser Verordnung auf den Vertrag anzuwendenden Rechts auf alle Sachverhalte anzuwenden sind, die in ihren Anwendungsbereich fallen.721 Sie verdrängen also nicht nur einzelne Normen des durch Rechtswahl ermittelten Rechts, sondern auch des objektiven Statuts. Ferner zeigt die Definition, dass Eingriffsnormen 717 

Vgl. z. B. Art.  9 Abs.  2 Rom  I-VO. Vgl. z. B. Art.  9 Abs.  3 Rom  I-VO. 719  Martiny in: MüKoBGB, Art.  9 Rom  I-VO, Rdn.  12. 720  EuGH, Urt. v. 23.11.1999, C-369/96, Arblade, Slg. 1999, I-8453, Rdn.  30. 721  Siehe Art.  9 Abs.  1 Rom  I-VO, Art.  16 Rom  II-VO, Art.  22 V-EuGüterVO, Art.  30 Eu­ ErbVO. 718 

1. Kapitel: Die vorrang- und inhaltskoordinative Seite im IPR

239

nicht allein zwingende Normen sind, sondern darüber hinausgehend aus Sicht des Mitgliedstaates, dessen Rechtsordnung sie angehören, einem öffentlichen In­ teresse dienen müssen.722 Die Auslegung dieser unbestimmten Rechtsbegriffe erfolgt wie bei jeder EU-Norm unionsrechtlich autonom. Neben der Rom  I-VO findet sich eine derartige Formulierung in Art.  16 Rom  II-VO, Art.  30 EuGüter­ VO, Art.  30 EuPartVO sowie in Art.  30 EuErbVO. Allerdings folgen nur die ­ersteren drei dem Vorbild der Rom  I-VO. Art.  30 EuErbVO ist dagegen auf be­ stimmte unbewegliche Sachen, Unternehmen oder andere besondere Arten von Vermögenswerten beschränkt. Anders als nunmehr Art.  30 Abs.  1 EuGüterVO und Art.  30 Abs.  1 EuPartVO bezogen sich Art.  22 V-EuGüterVO und Art.  17 V-EuPartVO nicht nur auf Eingriffsnormen der lex fori, sondern waren allgemein formuliert, woraus geschlossen werden konnte, dass sie zusätzlich auch auf aus­ ländische Eingriffsnormen bezogen sein konnten. Nunmehr beziehen sich diese Vorschriften ausdrücklich nur auf die „Eingriffsnormen des Rechts des angerufe­ nen Gerichts“. Nicht an besagte Formulierung knüpft Art.  10 Rom  III-VO an, bei dem auch streitig ist, ob es sich um eine Eingriffsnormenregelung oder eine spezielle ordre public-Klausel handelt, wobei die besseren Gründe für eine Eingriffsnorm spre­ chen.723 Da sie jedoch an das Scheidungsstatut anknüpft, dient sie nur dann der Anwendung der lex fori, wenn Zuständigkeit und anwendbares Recht zusam­ menfallen. Die EuUnthVO schließlich verweist lediglich zur Bestimmung des anwend­ baren Rechts auf das HUP 2007. Dieses enthält jedoch keine Eingriffsnormen­ regelung. 2. Zur Anwendung ausländischer Eingriffsnormen dritter Staaten Ebenfalls auf unionsrechtlicher Ebene wird die Frage entschieden, ob neben dem Recht der lex fori auch die zwingenden Vorschriften eines dritten Staates, die öffentlichen Interessen dienen, anwendbar sind. a) Rom  I-VO Anders als die Eingriffsnormen der lex fori, die umfassend einbezogen sind (Art.  9 Abs.  1 Rom  I-VO), ist bei Eingriffsnormen des dritten Staates eine enge Begrenzung vorgesehen: Eingriffsnormen von Drittstaaten soll nach Art.  9 Abs.  3 S.  1 Rom  I-VO nur dann Wirkung verliehen werden, wenn durch sie die Erfül­ 722 

Spickhoff in: BeckOK, Art.  9 Rom  I-VO, Rdn.  11; vgl. zu Rom  II-VO: Junker in: MüKo­ BGB, Art.  16 Rom  II-VO, Rdn.  1, 11. 723  Siehe dazu Winkler von Mohrenfels in: MüKoBGB, Art.  10 Rom  III-VO, Rdn.  3, 5.

240

1. Teil – 3.  Abschnitt: Anwendbares Recht, statutsfremde Normen

lung einer Vertragspflicht unrechtmäßig wird. Der EuGH hat hierzu ausgeführt, dass darüber hinaus die Eingriffsnormen von Drittstaaten nicht als Rechtsvor­ schriften anzuwenden sind, es jedoch möglich sein soll, andere Eingriffsnormen aus solchen Staaten als tatsächliche Umstände zu berücksichtigen.724 Damit ist die Einschränkung enger als ihre Vorgängervorschrift Art.  7 EVÜ, die lediglich eine enge Verbindung zwischen ausländischen Eingriffsnormen und Sachverhalt forderte, dagegen aber keine weitere sachliche Einschränkung enthielt. b) Rom  II-VO In Art.  16 Rom  II-VO sind die ausländischen Eingriffsnormen dagegen nicht ausdrücklich erwähnt. Da Art.  16 Rom  II-VO demgegenüber eine solche Rege­ lung nicht enthält, obwohl das Problem der Anwendung ausländischer Eingriffs­ normen schon wegen Art.  7 EVÜ bekannt gewesen sein musste, spricht dies da­ für, dass in Art.  16 Rom  II-VO ausländische Eingriffsnormen nicht anwendbar sein sollten.725 Dies gilt umso mehr, wenn man bedenkt, dass der Vorschlag zur Rom  II-VO eine Regelung zur Behandlung ausländischer Eingriffsnormen noch vorsah, diese aber nicht in die Endfassung übernommen wurde.726 Dies spricht gegen die Planwidrigkeit der Regelungslücke.727 Auch wenn dies nicht bestritten wird, gehen Teile der Literatur dennoch davon aus, dass die fehlende Erwähnung ausländischer Eingriffsnormen in der Rom  IIVO nicht dazu führen dürfe, dass diese Eingriffsnormen unberücksichtigt blei­ ben.728 Was die Grundannahme angeht, wird darauf hingewiesen, dass der Vor­ schlag zur Regelung von ausländischen Eingriffsnormen in Art.  16 Rom  II-VO aus Uneinigkeit nicht angenommen wurde und damit nicht als Entscheidung gegen deren Einbeziehung an sich zu werten ist.729 Vielmehr sei Art.  9 Abs.  3 Rom  I-VO analog anzuwenden. Dabei verweisen sie auf die Vorgängervorschrift zu Art.  9 Rom  I-VO, nämlich Art.  7 Abs.  1 EVÜ bzw. die deutsche Umsetzungs­ norm Art.  34 EGBGB, die nicht von allen Mitgliedstaaten der damaligen EWG730 724  EuGH, Urt. v. 18.10.2016, C-135/15, Griechenland/Nikiforidis, NJW 2017, 141, 143, Rdn.  51. 725  Staudinger in: Gebauer/Wiedmann, Art.  16 Rom  II-VO, Rdn.  83; Wagner, IPRax 2008, 1, 15. 726  KOM(2009) endg., Art.  12 sowie der geänderte Entwurf KOM(2006) 83 endg., Art.  13 II; Leible/Lehmann, RIW 2007, 721, 726. 727  Junker in: MüKoBGB, Art.  16 Rom  II-VO, Rdn.  23. 728  Leible/Lehmann, RIW 2007, 721, 726; Kadner Graziano, RabelsZ 73 (2009), 1, 72; v. Hein, VersR 2007, 440, 446. 729  Junker in: MüKoBGB, Art.  16 Rom  II-VO, Rdn.  25; v. Hein VersR 2007, 440, 446. 730  Namentlich Deutschland, Luxemburg, Portugal und das Vereinigte Königreich machten von dem in Art.  7 EVÜ enthaltenen Vorbehalt Gebrauch.

1. Kapitel: Die vorrang- und inhaltskoordinative Seite im IPR

241

angenommen worden war. Nach Art.  7 EVÜ durften ausländische Eingriffsnor­ men auch dann angewendet werden, wenn es sich um Normen eines Drittstaates handelte, solange nur eine enge Verbindung zwischen diesem Staat und dem Sachverhalt bestand. In den Staaten, die die Norm nicht angenommen, sondern von einem entsprechenden Vorbehalt Gebrauch gemacht hatten, war die Auf­ fassung verbreitet, dass ihnen dennoch die Möglichkeit offen blieb, ausländische Eingriffsnormen anzuwenden.731 Hinsichtlich der Füllung dieser Lücke werden drei Wege vorgeschlagen. Einer­ seits wird für die analoge Anwendung von Art.  9 Abs.  3 Rom  I-VO plädiert. Fer­ ner wird eine materiell-rechtliche Berücksichtigung vertreten,732 wie sie etwa auch in Art.  17 Rom  II-VO vorgesehen ist.733 Gegen diese Ansätze spricht jedoch, dass auf diese Weise schlicht missachtet wird, dass der EU-Gesetzgeber keine Regelung zu ausländischen Eingriffsnormen getroffen hat und dies offensichtlich nicht wollte. Daran ändert auch nichts, dass bei den Beratungen die Mehrheit der Staaten für eine Einbeziehung ausländischer Eingriffsnormen war. Ließe man dies als Argument zu, bestünde die Gefahr paralegislativer Tendenzen im Anwen­ dungsbereich des EU-Rechts ohne Billigung des EU-Gesetzgebers. Es gibt zwar Öffnungsklauseln im Kollisionsrecht, die genau das erlauben;734 ein Beispiel ist Art.  18 Rom  II-VO, der bei der Durchgriffshaftung gegen den Versicherer auf unterschiedliche Regelungen der Mitgliedstaaten Rücksicht nimmt. Doch gerade die Existenz solcher Öffnungsklauseln zeigt, dass der EU-Gesetzgeber sich mit einer solchen Öffnungsklausel hätte behelfen können und müssen, wenn er den Mitgliedstaaten die Möglichkeit hätte einräumen wollen, auslän­dische Eingriffs­ normen anzuwenden oder auch nur zu berücksichtigen. Die ­Verschiedenheit der im abweichenden Schrifttum genannten Möglichkeiten – Anwendung oder nur Berücksichtigung – zeigt ferner, wie unterschiedlich die Mitgliedstaaten mit ei­ nem solchen Freibrief umgehen könnten, so dass eine außergesetzliche Regelung der Kontrolle des EU-Gesetzgebers nicht entzogen werden darf. c) V-EuGüterVO und V-EuPartVO Anders als Art.  30 Abs.  1 EuGüterVO und Art.  30 Abs.  1 EuPartVO enthielt die Formulierung in Art.  22 V-EuGüterVO bzw. Art.  17 V-EuPartVO im Gegensatz zu Art.  9 Rom  I-VO keine ausdrückliche Unterscheidung zwischen ausländi­ schen Eingriffsnormen und solchen der lex fori. Auch wenn durch die Annahme der entsprechenden Verordnungen die Verordnungsvorschläge nunmehr hinfällig 731 

v. Hein, VersR 2007, 440, 446. Junker in MüKoBGB, Art.  16 Rom  II-VO, Rdn.  26. 733  Junker in: MüKoBGB, Art.  16 Rom  II-VO, Rdn.  28, 31. 734  Siehe dazu S. 216. 732 

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1. Teil – 3.  Abschnitt: Anwendbares Recht, statutsfremde Normen

sind, ist die Art und Weise der Konzeption dennoch in Hinblick auf mögliche zukünftige Regelungsprojekte interessant; dies lässt eine Analyse an dieser Stel­ le als sinnvoll erscheinen. Zunächst ist bemerkenswert, dass der Wortlaut der Regelungen in V-EuGüter­ VO und V-EuPartVO zur Handhabung von Eingriffsnormen in den Verordnungs­ vorschlägen („zwingende Vorschriften, deren Einhaltung von einem Mitglied­ staat als so entscheidend angesehen wird…“) auch die Anwendung der Eingriffs­ normen von Drittstaaten zugelassen hätte. Verklärt wurde das Bild jedoch ein wenig durch die Vorschlagsbegründung. Sie bezog die Vorschrift ausschließlich auf Eingriffsnormen der lex fori. Dies ergab sich daraus, dass dem Mitgliedstaat hier die Befugnis zugesprochen wurde, „die Anwen­ dung ausländischen Rechts zugunsten seines eigenen Rechts zu versagen“735; statt­ dessen „kann der Mitgliedstaat, in dessen Hoheitsgebiet sich diese Wohnung be­ findet, sein eigenes Recht zur Anwendung bringen“736 und der Anwendung seines eigenen Rechts auf in seinem Hoheitsgebiet wohnende Personen Vorzug vor dem normalerweise anwendbaren Recht oder dem Recht des in einem anderen Mitglied­ staat geschlossenen Ehevertrags dieser Personen geben“737. Damit war auf Aktio­ nen angespielt, die nur Gerichte vollziehen können, die mit dem Verfahren befasst sind, also auf die Gerichte des Forumstaates, auch wenn die Belegenheitsorte be­ sagter Wohnung auch außerhalb des Forumstaates liegen könnten. Dennoch sprachen zwei Gründe gegen eine Reduzierung von Art.  22 V-Eu­ GüterVO bzw. Art.  17 V-EuPartVO auf Eingriffsnormen der lex fori. Erstens handelte es sich bei der häuslichen Gewalt lediglich um ein Beispiel; die Begrün­ dung selbst implizierte häusliche Gewalt als den wichtigsten Fall, ließ aber Raum für weitere Möglichkeiten von Eingriffsnormen.738 Zweitens wäre, wenn Art.  22 V-EuGüterVO bzw. Art.  17 V-EuPartVO so in Kraft getreten wäre, seinem realen Wortlaut ein viel größeres Gewicht zugekommen als einem möglicherweise nach Art der Begründung zu Art.  22 V-EuGüterVO bzw. Art.  17 V-EuPartVO gestalte­ ten Erwägungsgrund. Die Vorschlagsfassung war also so zu verstehen, dass im vereinheitlichten Güterkollisionsrecht auch ausländische Eingriffsnormen einbe­ zogen sein sollten. d) EuErbVO Art.  30 EuErbVO unterscheidet nicht nach lex fori und ausländischen Eingriffs­ normen. Denn er bezieht sich auf Sachnormen über unbewegliches Vermögen, 735 

KOM(2011) 126 endg., S.  9. KOM(2011) 126 endg., S.  9 (kursiv hinzugefügt). 737  KOM(2011) 126 endg., S.  9 (kursiv hinzugefügt). 738  KOM(2011) 126 endg., S.  9; KOM(2011) 127/2, S.  9. 736 

1. Kapitel: Die vorrang- und inhaltskoordinative Seite im IPR

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Unternehmen und sonstige Vermögenswerte des Staates, in dem sich besagte Gegenstände befinden. Art.  30 EuErbVO enthält bzgl. forumsfremden Eingriffs­ normen eine abschließende Regelung.739 Die einschränkende Wirkung erhält die Regelung somit nicht durch die Herkunft der anwendbaren Rechtsordnung per se, sondern durch die zusätzlichen sachlichen Voraussetzungen, die Normen er­ füllen müssen, um als Eingriffsnormen über diese Vorschrift anwendbar zu sein. II. Funktionsweise Die Anwendung der Eingriffsnormen ergibt sich aus einem Zusammenwirken von Kollisionsrecht und nationalem Recht. Dabei sind dem Kollisionsrecht zunächst die genauen Modalitäten zu entnehmen, unter denen eine nationale Sachrechts­ norm als Eingriffsnorm angewendet werden kann, sowie die Wirkungen, welche die Eingriffsnorm entfaltet (dazu 1.). Aufgrund des nationalen Rechts bestimmt sich dann, welche Sachnormen im Einzelnen Eingriffsnormen sind (dazu 2.). 1. Voraussetzungen nach Kollisionsrecht Im harmonisierten Kollisionsrecht erscheint bei Einführung einer Kollisions­ norm zur Erfassung von Eingriffsnormen nicht immer derselbe Wortlaut. Anders als Art.  9 Abs.  1 Rom  I-VO, der eine ausführliche Definition der Eingriffsnormen enthält, an der sich denn auch die restriktive Eingriffsnormenregelung in Art.  30 EuErbVO orientiert,740 enthält Art.  16 Rom  II-VO lediglich den Verweis auf die „Anwendung der nach dem Recht des Staates des angerufenen Gerichts gelten­ den Vorschriften, die ohne Rücksicht auf das für das außervertragliche Schuld­ verhältnis maßgebende Recht den Sachverhalt zwingend regeln“741. Was diese Normen zu Eingriffsnormen macht – etwa ihr Zweck der Wahrung des öffentli­ chen Interesses eines Staates, insbesondere seiner politischen, sozialen oder wirt­ schaftlichen Ordnung (Art.  9 Abs.  1 Rom  I-VO), oder die Beschränkung der Rechtsnachfolge auf bestimmte Vermögenswerte aus wirtschaftlichen, sozialen oder familiären Erwägungen (Art.  30 EuErbVO) – ist nicht weiter ausgeführt. Das mag an der fehlenden Bedeutung von Eingriffsnormen im Rahmen außer­ vertraglicher Schuldverhältnisse liegen,742 schafft aber dennoch eine Lücke und 739 

Dutta in: MüKoBGB, Art.  30 EuErbVO, Rdn.  11 unter Hinweis auf Erwägungsgrund Nr.  54 S.  4 EuErbVO. 740  Vgl. Dutta in: MüKoBGB, Art.  30 EuErbVO, Rdn.  1, 4 f. 741  Siehe zum Streit über die Erweiterung von Art.  16 Rom  II-VO um ausländische Ein­ griffsnormen oben S. 240. 742  Junker in: MüKoBGB, Art.  16 Rom  II-VO, Rdn.  7, 14; Jakob/Picht in: Rauscher, EuZPR/­ EuIPR, Art.  16 Rom  II-VO, Rdn.  6. Zweifelnd auch schon Hamburg Group for Private Interna­ tional Law, RabelsZ 67 (2003), 1, 42.

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1. Teil – 3.  Abschnitt: Anwendbares Recht, statutsfremde Normen

die Notwendigkeit, diese zu schließen. Die Definition aus Art.  9 Abs.  1 Rom  I-VO heranzuziehen erscheint dabei die geeignete Lösung zu sein.743 Es reicht also auch nicht nach Art.  16 Rom  II-VO aus, dass eine nationale Norm lediglich na­ tional zwingend ist; ihre internationale Anwendung trotz ursprünglicher Beru­ fung eines anderen Rechts muss sich zusätzlich aus ihrer besonderen Bedeutung zur Sicherung eines öffentlichen Interesses an ihrer internationalen Anwendung ergeben. 2. Eingriffsnormbestimmung nach nationalem Recht Die eigentliche Auswahl der Eingriffsnormen erfolgt nach nationalem Recht und beruht auf der Funktion der in Betracht kommenden Rechtsnorm, dem wirt­ schafts- und sozialpolitischen Interesse im jeweiligen Mitgliedstaat zu dienen. Wenn eine Norm nicht nur öffentlichen, sondern daneben auch Individualinteres­ sen dient, ist dies unschädlich. Entscheidend ist hierbei, welche Stoßrichtung ein Gesetz aus der Sicht dieses Staates hat.744 Wichtige praktische Anwendungsbei­ spiele ergeben sich im Bereich des Verbraucher- und Arbeitnehmerschutzrechts. Anhand dieser Materien lassen sich auch die unterschiedlichen Auffassungen zum Schutz dieser Personengruppen ausmachen. Arbeitnehmerschützende Normen schützen im Wesentlichen den Arbeitneh­ mer als Vertragspartei. Derartige Normen finden sich z. B. im AEntG, das der Umsetzung der Richtlinie 96/71/EG über die Entsendung von Arbeitnehmern745 dient. Aus nationaler Sicht unterscheiden sich diese Normen jedoch von den ver­ braucherschützenden Normen in zwei Aspekten. Zunächst hat der Gesetzgeber – zumindest der deutsche – in einzelnen Arbeitnehmerschutzvorschriften ausdrück­ lich festgelegt, dass diese Normen auf den internationalen Rechtsverkehr Anwen­ dung zu finden haben.746 Mit der Umsetzung könnte der deutsche Gesetzgeber indes auch einer öffentlich-rechtlichen Pflicht, die sich aus nationalem Recht er­ gibt, nachkommen wollen. Diese Pflichten können sich aus der objektiv-recht­ lichen Dimension der Grundrechte ergeben, insbesondere dem Schutz von Ehe und Familie (Art.  6 Abs.  1 GG), dem Schutz der Gesundheit (Art.  2 Abs.  2 S.  1 GG) 743 

Junker in: MüKoBGB, Art.  16 Rom  II-VO, Rdn.  13. Martiny in: MüKoBGB, Art.  9 Rom  I-VO, Rdn.  13; zur analogen Anwendung der Defi­ nition des Art.  9 Abs.  1 Rom  I-VO und der damit verbundenen Übertragung dieser Maßstäbe auf Art.  16 Rom  II-VO siehe Junker in: MüKoBGB, Art.  16 Rom  II-VO, Rdn.  13. 745  Richtlinie 96/71/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 1996 über die Entsendung von Arbeitnehmern im Rahmen der Erbringung von Dienstleistun­ gen, ABl. EG 1997 Nr. L 18/1. 746  So bei §  2 AEntG, der zwar auf der Entsenderichtlinie beruht, die aber eine solche Vor­ schrift nicht vorsah, sowie bei §  3 S.  1 AEntG (näher hierzu Martiny in: MüKoBGB, Art.  8 Rom  I-VO, Rdn.  116 f. bzw. Rdn.  99). 744 

1. Kapitel: Die vorrang- und inhaltskoordinative Seite im IPR

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sowie dem Gleichbehandlungsgrundsatz aus Art.  3 Abs.  2, 3 S.  1 GG. Dem Schutz der Gesundheit sind jedenfalls die Regelung über Mindest- und Höchstarbeits­ zeiten (§  2 Nr.  3 AEntG)747 und die Sicherheit, der Gesundheitsschutz sowie die Hygiene am Arbeitsplatz (§  2 Nr.  5 AEntG)748 zuzuordnen. Hinter §  2 Nr.  6 ­AEntG können neben dem Schutz der Gesundheit insbesondere bei Schwangeren und Wöchnerinnen auch der Schutz der Familie sowie – abgestellt auf die Schwanger­ schaft – der Schutz des ungeborenen Lebens gesehen werden.749 Dem Sozialstaatsprinzip zugeordnet werden können daneben die Mindestent­ geltsätze (§  2 Nr.  1 AEntG),750 die Bedingungen für die Überlassung von Arbeits­ kräften (§  2 Nr.  4 AEntG)751 sowie die in §  613a BGB geregelten Auswirkungen von Betriebsübergängen auf Arbeitsverhältnisse; bei letzterem wird dies jedoch überwiegend verneint, da der Individualschutz im Vordergrund stehe.752 Das BAG hat sich in einer Entscheidung aus dem Jahr 2010 ferner mit der Anwend­ barkeit der §§  1–14 KSchG über Art.  9 Rom  I-VO beschäftigt.753 In dieser Ent­ scheidung beschränkt sich die Subsumtion auf die Feststellung, dass das Kündi­ gungsschutzrecht den Individualinteressen der Vertragsparteien zugute komme; sozialpolitische Interessen seien dagegen nur mittelbar geschützt. Auch den nationalen Verbraucherschutzvorschriften wird neben Art.  3 Abs.  3 und 4, Art.  6 Rom  I-VO sowie Art.  46b EGBGB bei Art.  9 Abs.  2 Rom  I-VO ein Anwendungsbereich eingeräumt. Dieser Anwendungsbereich wird allerdings als sehr klein angesehen und auf marktregulierende Eingriffsrechte beschränkt.754 Das hat damit zu tun, dass der Verbraucherschutz lediglich dem Verbraucher zugute kommt und damit allein dessen Individualschutz gilt, hingegen grund­ sätzlich kein Allgemeininteresse betroffen ist.755 III. Koordinationszweck Mit Eingriffsnormenregelungen sollen insbesondere Sachnormen, die öffent­ lich-rechtlichen Interessen dienen, in die Begutachtung des Sachverhalts einge­ 747 

Vgl. Martiny in: MüKoBGB, Art.  8 Rom  I-VO, Rdn.  137. Vgl. Martiny in: MüKoBGB, Art.  8 Rom  I-VO, Rdn.  144. 749  Vgl. Martiny in: MüKoBGB, Art.  8 Rom  I-VO, Rdn.  141. 750  Martiny in: MüKoBGB, Art.  8 Rom  I-VO, Rdn.  139. 751  Martiny in: MüKoBGB, Art.  8 Rom  I-VO, Rdn.  140. 752  Martiny in: MüKoBGB, Art.  8 Rom  I-VO, Rdn.  104 753  BAG, Urt. v. 1.7.2010, 2 AZR 270/09, BB 2011, 179, Rdn.  31. Formal angewendet wur­ de Art.  34 EGBGB a. F., da Art.  9 Rom  I-VO bei Abschluss des relevanten Arbeitsvertrags im September 2002 noch nicht anwendbar war. Das BAG orientierte seine Auslegung des Art.  34 EGBGB a. F. indes ausdrücklich an Art.  9 Rom  I-VO. 754  Martiny in: MüKoBGB, Art.  6 Rom  I-VO, Rdn.  67; vgl. auch Rauscher, IPR, Rdn.  1321. 755  Siehe nur Martiny in: MüKoBGB, Art.  9 Rom  I-VO, Rdn.  88. 748 

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1. Teil – 3.  Abschnitt: Anwendbares Recht, statutsfremde Normen

bracht werden. Die anderen Koordinationsmethoden dienen diesem Interesse nur am Rande. Vor allem mit dem ordre public können Grundsätze der lex fori nur im Rahmen einer Ergebniskontrolle Einfluss auf die rechtliche Beurteilung eines Sachverhaltes nehmen – und dies gilt auch nur dann, wenn es sich um wesent­ liche Grundsätze handelt, was den Anwendungsbereich und den damit verfolg­ baren Zweck gegenüber der Eingriffsnormenregelung nochmal einschränkt.756 IV. Koordinationsakteure 1. Legislative Für die Anwendung von Eingriffsnormen zeichnen zuvorderst der europäische und der nationale Gesetzgeber verantwortlich: Der europäische Gesetzgeber er­ öffnet für die europäische Rechtssetzungsebene überhaupt erst die Möglichkeit und lässt die internationale Wirkung von Eingriffsnormen zu, stellt zugleich aber auch die Definition der Eingriffsnormen bereit; der nationale Gesetzgeber misst seinen nationalen Normen zwingenden Charakter bei und zusätzlich eine dem Gemeininteresse dienende Bedeutung. Der Gesetzgeber tut dies entweder aus­ drücklich – wie in §§  2, 3 AEntG sichtbar – oder der zwingende Charakter der Sachnorm und das Gemeininteresse der Norm ergeben sich aus der Systematik der jeweiligen Rechtsordnung, wie z. B. durch Synopse von Verfassung und ein­ fachem Gesetz. 2. Judikative Neben der Legislative kommt aber auch der Judikative eine nicht zu unterschät­ zende Bedeutung zu. Wie anhand der Arbeitsschutznormen gezeigt, stellt sich bei einigen Rechtsnormen das Problem, das jeweils geschützte Interesse genau zu identifizieren, um dieses als Individual- oder Gemeininteresse zu klassifizie­ ren. Diese Aufgabe fällt in den Zuständigkeitsbereich der Gerichte. Dabei kann sich, wie bereits erwähnt, das Interesse des Einzelstaates an der internationalen Anwendung der Norm trotz kollisionsrechtlicher Berufung einer anderen Rechts­ ordnung schon aus dem Wortlaut einer Norm ergeben oder eben erst durch ihre Auslegung. Für die Beantwortung der Frage, ob eine konkrete nationale Vorschrift zur Durchsetzung auf internationaler Ebene bestimmt ist, sind ausschließlich die ­nationalen Gerichte berufen.757 Geht es um ausländische Normen, ist z. B. in 756 

Siehe dazu unten S. 271 f. Staudinger in: Ferrari/Kieninger/Mankowski u. a., Art.  9 Rom  I-VO, Rdn.  10; siehe zu einem Beispiel, das den Schutz gegenüber einem Unternehmer im französischen Recht zeigt: Thorn, FS K. Schmidt (2009), 1561, 1578. 757 

1. Kapitel: Die vorrang- und inhaltskoordinative Seite im IPR

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Deutschland zusätzlich zu beachten, dass ausländisches Recht wegen §  545 ZPO nicht revisibel ist und damit der BGH im Rahmen einer Revision die diesbezüg­ liche Entscheidung eines unterinstanzlichen Gerichts nicht überprüfen darf. Zwar gibt es Stimmen, die angesichts des offenen Wortlauts – der Gesetzestext spricht nur von „Verletzung des Rechts“ und nicht mehr von „Verletzung des Bundesrechts“ – die Revisibilität ausländischen Rechts vertreten.758 Es ist jedoch zu beachten, dass durch die Gesetzesänderung neben deutschem Bundes- das gesamte inländische Recht revisibel geworden ist; würde dies auch für das aus­ ländische Recht gelten – wofür die Änderungsbegründung noch dazu keinen Hinweis enthält –,759 wäre §  560 ZPO, der die Folge der Irrevisibilität von Rechts­ normen behandelt, gegenstandslos.760 Es ist also davon auszugehen, dass der Grundsatz der Irrevisibilität ausländischen Rechts die genannte Gesetzesände­ rung überdauert hat.761 Der EuGH entscheidet lediglich darüber, ob eine bestimmte Norm der Art nach Eingriffsnorm i. S. v. Art.  9 Rom  I-VO sein kann.762

B. Vorrang des Einzelstatuts vor dem Gesamtstatut I. Koordinationsgegenstände Die Methode, die dem Einzelstatut den Vorrang vor dem Gesamtstatut zuweist,763 koordiniert von ihrer unstreitigen Grundkonzeption her die ursprüngliche An­ knüpfung – das Gesamtstatut – mit einzelnen materiell-rechtlichen Sondervor­ schriften.764 Nach h. M. werden darüber hinaus auch kollisionsrechtliche Sondervorschrif­ ten erfasst.765 In diesem Punkt erscheint die Konstellation der Koordinations­ gegenstände der Koordination selbstständiger Kollisionsnormen ähnlich. Dabei ist jedoch zu beachten, dass die Koordination selbstständiger Kollisionsnormen von der kollisionsrechtlichen Sondervorschrift ausgeht, die aufgrund des Vor­ rangs des Einzelstatuts zur Anwendung gelangt. Die Wirkung wird von Normen 758  Hess/Hübner, NJW 2009, 3132; Geimer in: Zöller, §  293 ZPO, Rdn.  8a, 28; für die ver­ gleichbare Norm des §  72 Abs.  1 FamFG: Eichel, IPRax 2009, 389; Hau, FamRZ 2009, 821, 824; siehe auch Althammer, IPRax 2009, 381, 389. 759  Krüger in: MüKoZPO, §  545 ZPO, Rdn.  11. 760  Krüger in: MüKoZPO, §  545 ZPO, Rdn.  11. 761  Reichold in: Thomas/Putzo, §  545 ZPO, Rdn.  8 f.; Heßler in: Zöller, §  545 ZPO, Rdn.  8. 762  Magnus, IPRax 2010, 27, 41; Pfeiffer, EuZW 2008, 621, 628; Staudinger in: Ferrari/ Kieninger/Mankowski u. a., Art.  9 Rom  I-VO, Rdn.  10. 763  v. Hein in: MüKoBGB, Art.  3a EGBGB, Rdn.  37; Rauscher, IPR, Rdn.  552. 764  Kropholler, IPR, §  26 II 2a; Rauscher, IPR, Rdn.  560. 765  Siehe hierzu v. Hein in: MüKoBGB, Art.  3a EGBGB, Rdn.  43–49 und zur Kritik Rdn.  50–55.

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1. Teil – 3.  Abschnitt: Anwendbares Recht, statutsfremde Normen

wie Art.  3a Abs.  2 EGBGB also nur gemittelt, so dass auch dieser Aspekt von Art.  3a Abs.  2 EGBGB in die Koordinationskategorie dieses Kapitels hier fällt. Im Unterschied zu Eingriffsnormen handelt es sich hier jedoch nicht um Nor­ men, die sich durch ihre politische, wirtschaftliche oder soziale Bedeutung her­ vortun. In Art.  3a Abs.  2 EGBGB heißt es lediglich, dass die Normen, um als Einzelstatut Vorrang zu erreichen, besondere Vorschriften sein müssen. Die Ein­ griffsnormenvorschrift Art.  30 EuErbVO enthält mit der Beschränkung auf das Belegenheitsrecht der unbeweglichen Sachen, des Unternehmens und der sonsti­ gen Vermögenswerte ein aus Art.  3a Abs.  2 EGBGB bekanntes Element. Jedoch muss Art.  30 EuErbVO enger verstanden werden, da Erwägungsgrund Nr.  54 S.  4 EuErbVO klarstellt, dass die Anwendung bestimmter Kollisionsnormen des Belegenheitsstaates nicht gefördert wird.766 II. Funktionsweise Einzelne Sachnormen können ebenfalls über den sog. Vorrang des Einzelstatuts vor dem Gesamtstatut anstatt des eigentlich berufenen Rechts zur Anwendung gelangen. Diese Methode unterscheidet sich in Tatbestand und Rechtsfolge von den Eingriffsnormen. Zunächst ist der Anwendungsbereich anders strukturiert, in Art.  3a Abs.  2 EGBGB nur auf Familien- und Erbrechtssachen anwendbar und erfordert als spezifischen Bezug die Belegenheit eines Vermögenswertes, z. B. eines Grundstücks, in dem betreffenden Staat und die spezifische Verbundenheit der betreffenden Norm mit diesem Vermögenswert.767 Bei der Rechtsfolge wird – anders als bei der Anwendung der Eingriffsnormen – beim Vorrang des Einzel­ statuts vor dem Gesamtstatut die Verweisung für unwirksam erklärt; bei Eingriffs­ normen wird dagegen die ursprüngliche Verweisung durch das Hauptstatut nicht gesperrt, sondern bestimmte Normen punktuell durch Eingriffsnormen ersetzt. Kein Unterschied ergibt sich dabei bei Eingriffsnormen der lex fori nach Art.  9 Rom  I-VO mangels richterlichen Ermessens; für ausländische Eingriffsnormen gibt es ein eben solches Ermessen,768 so dass hier der Unterschied relevant ist. Eine vergleichbare Vorschrift gibt es im europäischen Kollisionsrecht nicht. Zwar enthält Art.  30 EuErbVO eine ähnliche sachliche Beschränkung auf be­ stimmte in einem Mitgliedstaat belegene Vermögensgegenstände. Allerdings sperrt Art.  30 EuErbVO nicht die Verweisung durch die Hauptkollisionsregel, son­ dern spricht von einer Anwendung besonderer Regeln im Recht des Belegenheits­ staates, was bereits auf eine für Eingriffsnormen typische Ersetzung hinweist. 766 

Dutta in: MüKoBGB, Art.  30 EuErbVO, Rdn.  9. Siehe z. B. die HöfeO; dazu nur Rauscher, IPR, Rdn.  554. 768  Martiny in: MüKoBGB, Art.  9 Rom  I-VO, Rdn.  120; Thorn in: Rauscher, EuZPR/ EuIPR, Art.  9 Rom  I-VO, Rdn.  69. 767 

1. Kapitel: Die vorrang- und inhaltskoordinative Seite im IPR

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Wegen der Rechtsvereinheitlichung des Erbkollisionsrechts auf EU-Ebene wird die Bedeutung von Art.  3a Abs.  2 EGBGB aufgrund der EuErbVO und der EuGüterVO jedoch zurückgehen.769 III. Koordinationszweck Die Kollisionsnormen, die einem Sonderstatut punktuellen Vorrang vor dem Ge­ samtvermögensstatut einräumen, ähneln den Eingriffsnormen wie etwa in Rom  Ioder Rom  II-VO. Was dort die lex fori und nach bestimmten Kriterien Eingriffs­ normen der Rechtsordnungen sonstiger Staaten sind,770 ist in diesen Kollisions­ normen die lex rei sitae. Damit verbunden sind gewichtige Interessen, die gegen ein vollumfängliches Festhalten am Gesamtvermögensstatut sprechen. Dabei geht es auch um die Wahrung des rechtspolitischen Interesses des Belegenheits­ staates sowie die Vermeidung von Regelungswidersprüchen, die zwischen Ge­ samt- und Sonderstatut auftreten können.771 Vor allem geht es aber darum, dem Belegenheitsrecht des Vermögensgegenstandes das Votum über die Einheit des ausländischen Vermögensstatuts unter dem berufenen Recht zu überlassen.772 IV. Koordinationsakteure Koordiniert werden die kollisionsrechtliche Berufung des sog. Gesamtstatuts und die Norm des Einzelstatuts vordergründig sowohl durch den Rechtssetzer der selbstständigen Kollisionsnorm als auch durch den nationalen Gesetzgeber, der die nationale Norm schafft, welche dann dem Gesamtstatut vorgeht. Diese Annahme würde jedoch verschleiern, dass zu solcherlei nationalen Nor­ men nicht fortwährend neue hinzugefügt werden. Die wenigen Sachnormbeispiele sind bereits sehr alt.773 Anders als bei Eingriffsnormen sieht der nationale Gesetz­ geber also nicht bestimmte Anforderungen, an denen er die nationalen Sachnor­ men orientieren muss. Eher ist es so, dass der Kollisionsnormgeber die nationalen Interessen an der internationalen Geltung dieser Einzelnormen aufgenommen und unter Berücksichtigung dieses Interesses eine Kollisionsnorm gebildet hat, die auf eben solche Normen zugeschnitten ist. Die eigentliche Koordinationsleistung voll­ bringt also in Wirklichkeit hauptsächlich der Kollisionsnormgeber.

769  Vgl. v. Hein in: MüKoBGB, Art.  3a EGBGB, Rdn.  70, der für eine ersatzlose Streichung plädiert. 770  Vgl. das Kriterium des Erfüllungsortes in Art.  9 Abs.  3 Rom  I-VO. 771  Palandt/Thorn, Art.  3a EGBGB, Rdn.  1, 3; Andrae, IPRax 2000, 300, 302. 772  Tiedemann, Internationales Erbrecht, S.  41 f., 50 f.; Dörner, IPRax 1994, 362, 363. 773  So ist z. B. die HöfeO ehemaliges britisches Besatzungsrecht (siehe v. Hein in: MüKo­ BGB, Art.  3a EGBGB, Rdn.  38) und datiert in ihrer ursprünglichen Fassung vom 24.4.1947.

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1. Teil – 3.  Abschnitt: Anwendbares Recht, statutsfremde Normen

Wenn es das Familien- bzw. Erbrecht betraf, war der Kollisionsnormgeber bislang der nationale Gesetzgeber selbst, da es an unionsweit einheitlichem Kol­ lisionsrecht im Familien- und Erbrecht fehlte. In den letzten Jahren sind jedoch eben solche Normen geschaffen worden. Auf europäischer Ebene gibt es im ver­ einheitlichten Kollisionsrecht keine Neuauflagen von Normen, die im Familienoder Erbrecht den Vorrang des Einzelstatuts vor dem Gesamtstatut vorsehen.774 Der europäische Gesetzgeber tritt in diesem Bereich nun also nicht als Koordina­ tionsakteur auf; der nationale Gesetzgeber ist als Koordinationsakteur auf die wenigen ihm verbleibenden Rechtsgebiete beschränkt.

§  2 Kollisionsrechtlicher Vorrang national zwingender Normen wegen sachlicher Aspekte Der kollisionsrechtliche Vorrang zwingender Normen wegen sachlicher Aspekte erfolgt durch den Günstigkeitsvergleich (dazu A.) und Kollisionsnormen zur kol­ lisionsrechtlichen Durchsetzung bestimmter EU-Richtlinien (dazu B.).

A. Günstigkeitsvergleich I. Koordinationsgegenstände Der Günstigkeitsvergleich dient allgemein der Koordination von Kollisionsnor­ men und Sachrecht. Vorgesehen ist er im internationalen Verbraucher- und Indi­ vidualarbeitsvertragsrecht, wenn eine Rechtswahl stattgefunden hat. Er wirkt dann zugunsten von Verbraucher und Arbeitnehmer und deckt damit zwei schutz­ bedürftige Personengruppen ab. Kein Günstigkeitsvergleich ist dagegen in Art.  7 für internationale Versicherungsverträge vorgesehen, so dass Versicherungsneh­ mer hiervon nicht profitieren können; das gilt nicht einmal dann, wenn es sich bei den Versicherungsnehmern um Verbraucher handelt, da Art.  7 Rom  I-VO dem Art.  6 Abs.  1 Rom  I-VO vorgeht.775 II. Funktionsweise Den Mechanismus des Günstigkeitsprinzips gibt es nicht erst seit Inkrafttreten der Rom  I-VO, sondern dieses wurde aus dem EVÜ übernommen, wo es bereits für das Verbraucher- (Art.  5 EVÜ) und Individualarbeitskollisionsrecht (Art.  6 EVÜ) entwickelt worden war. Der Günstigkeitsvergleich enthält in Art.  6 und 8 Rom  I-­VO denselben logischen Gedankengang zur Geltung einzelner Sach­ 774  775 

Siehe dazu oben S. 247. Martiny in: MüKoBGB, Art.  7 Rom  I-VO, Rdn.  55.

1. Kapitel: Die vorrang- und inhaltskoordinative Seite im IPR

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normen des objektiven Verbraucher- bzw. Arbeitsvertragsstatuts neben der an­ sonsten gültigen Rechtswahl. 1. Schutz der schwächeren Vertragspartei Zunächst muss es sich um Vorschriften handeln, durch welche die schwächere Vertragspartei geschützt werden soll. Bei diesen Vorschriften handelt es sich um zwingende Vorschriften, die sich dadurch auszeichnen, dass von ihnen nicht durch Vereinbarung abgewichen werden kann.776 Geschützt werden müssen durch die Vorschriften nicht spezifisch Verbraucher bzw. Arbeitnehmer; auch Normen, die nur generell eine Vertragspartei schützen, in einem konkreten Sach­ verhalt aber der schwächeren Partei zugutekämen, können über den Günstigkeits­ vergleich zur Anwendung kommen.777 2. Durchführung des Günstigkeitsvergleichs Neben dem schützenden Charakter dieser Normen müssen diese zudem günstiger sein als diejenigen, die mit der Rechtswahl eigentlich berufen sind. Dies wird daraus hergeleitet, dass Verbraucher bzw. Arbeitnehmer der Schutz nicht entzo­ gen werden darf, der zu ihren Gunsten aufgrund der zwingenden Vorschriften des objektiven Statuts begründet würde. Das führt also zu einem in die Normprüfung integrierten Rechtsvergleich.778 Nicht einheitlich wurde dabei jedoch der Umfang dieses Vergleichs aufgefasst. Ein Vergleich dergestalt, dass ermittelt würde, wel­ cher Rechtsbereich insgesamt für den Verbraucher bzw. Arbeitnehmer günstiger ist, also z. B. die Kündigungsschutzrechte der zu vergleichenden Rechtsordnun­ gen (sog. Globalvergleich oder abstrakter Gesamtvergleich), wurde als zu kom­ plex und nicht sachgerecht angesehen: einerseits zu komplex, da die beteiligten Rechtsordnungen insgesamt verglichen werden müssten und deren Ermittlung und Begutachtung insgesamt zu lange dauern könnte;779 andererseits als nicht angemessen, da dann auch Rechtsbereiche zu Rate gezogen würden, die mit dem Fall so nichts zu tun hätten.780 Durchaus vertreten wird demgegenüber die Rosinentheorie, wonach ein Vergleich der jeweils anzuwendenden Vorschriften vorge­ nommen werden sollte.781 Die geschützte Partei sollte also auch von den Vorteilen einzelner günstigerer Rechtsnormen des objektiven Statuts profitieren können.782 776 

Martiny in: MüKoBGB, Art.  6 Rom  I-VO, Rdn.  58 und Art.  8 Rom  I-VO, Rdn.  34. Martiny in: MüKoBGB, Art.  6 Rom  I-VO, Rdn.  58 und Art.  8 Rom  I-VO, Rdn.  34. 778  Siehe nur Martiny in: MüKoBGB, Art.  6 Rom  I-VO, Rdn.  59. 779  Martiny in: MüKoBGB, Art.  6 Rom  I-VO, Rdn.  59 und Art.  8 Rom  I-VO, Rdn.  42. 780  Martiny in: MüKoBGB, Art.  6 Rom  I-VO, Rdn.  59 und Art.  8 Rom  I-VO, Rdn.  42. 781  v. Bar, IPR II, Rdn.  449. 782  v. Bar, IPR II, Rdn.  449. 777 

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1. Teil – 3.  Abschnitt: Anwendbares Recht, statutsfremde Normen

So sehr diese Theorie den Nachteil des Globalvergleichs vermeidet, nicht re­ levante Sachfragen in den Günstigkeitsvergleich miteinzubeziehen, fallen bei ihr Folgefragen unter den Tisch, die für die konkrete Sachfrage ebenfalls von Be­ deutung sein können. So geht der Globalvergleich zu weit, wenn mit ihm der Vergleich auf einen Rechtsbereich insgesamt ausgeweitet wird; er wird jedoch zu eng, wenn etwa nur Kündigungsmöglichkeiten verglichen werden, dabei aber z. B. mögliche Abfindungsansprüche aufgrund der Kündigung nicht berücksich­ tigt werden.783 Eben darauf geht der sog. Gruppenvergleich ein, indem mit ihm neben der eigentlichen Sachfrage zusätzlich auf damit unmittelbar zusammen­ hängende Folgefragen Bezug genommen wird.784 Diese Streitfrage gibt jedoch schon einen Vorgeschmack auf die mit dem Günstigkeitsvergleich an sich verbundene Komplexität. Zu sagen, welches Recht für die zu schützende Person – sei sie Verbraucher, sei sie Arbeitnehmer – anzu­ wenden ist, ist in den seltensten Fällen einfach festzustellen, da sich der Günstig­ keitsvergleich gerade nicht schlicht auf den Vergleich längerer oder kürzerer Fristen reduzieren lässt. Der im Günstigkeitsvergleich enthaltene Rechtsver­ gleich kann ein fundiertes Studium der verschiedenen Rechtssysteme erfordern, insbesondere, wenn das eigentliche Vertragsstatut nicht das Recht eines EU-Mit­ gliedstaates ist. Aber auch innerhalb der EU gibt es mit dem Vereinigten König­ reich und dem dort verbreiteten common law ein Rechtssystem, das im Vergleich zum kontinental-europäischen civil law enorme systematische Unterschiede auf­ weist. Fragen der Rechtsvergleichung können dann jedenfalls nicht mit der pau­ schalen Feststellung ohne weitere Begründung abgetan werden, das eine Recht sei günstiger als das andere.785 Ein solcher Günstigkeitsvergleich ist bereits mit dem EVÜ eingeführt worden und wird nunmehr mit der Rom  I-VO auf der EU-Ebene fortgeführt. Soweit das Kollisionsrecht noch nicht vereinheitlicht ist, könnte auch der nationale Gesetz­ geber einen Günstigkeitsvergleich einführen. III. Koordinationszweck Der Zweck des Günstigkeitsvergleichs in Art.  6 Rom  I-VO ist zunächst der Schutz der schwächeren Partei, also des Verbrauchers.786 Bezogen auf die auf EU-Richtlinien beruhenden Verbraucherschutzvorschriften wird damit nicht zu­ letzt typischerweise die Möglichkeit des Unternehmers beschränkt, mit der Wahl 783 

Vgl. Fallbeispiel in Koch/Magnus/Winkler von Mohrenfels, IPR und Rechtsverglei­ chung, S.  249 (3.  Aufl.; in der 4.  Aufl. nicht mehr enthalten, vgl. Koch/Magnus/Winkler von Mohenfels4, IPR und Rechtsvergleichung, §  9, Rdn.  38–45). 784  Martiny in: MüKoBGB, Art.  8 Rom  I-VO, Rdn.  42. 785  Siehe zur Rolle der Gerichte unten S. 254 ff. 786  Martiny in: MüKoBGB, Art.  6 Rom  I-VO, Rdn.  1.

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eines geeigneten Rechts, die der Verbraucher bei Vertragsschluss akzeptieren muss, die Wirkung eben dieser Vorschriften zu umgehen. Mit der Schließung dieses Schlupflochs erfüllt die EU zugleich ihre Pflicht des effet utile-Grund­ satzes nach Art.  4 Abs.  3 EUV, nämlich ihrerseits alles dafür zu tun, dass das EU-Recht im Allgemeinen, hier die EU-Richtlinien im Besonderen, größtmög­ liche Wirksamkeit erlangt. Um diesen Zweck nicht zu weit auszudehnen, ist zum einen der sachliche Anwendungsbereich von Art.  6 Rom  I-VO über Abs.  1 und Abs.  4 beschränkt;787 zum anderen ist die Anwendung von Art.  6 Rom  I-VO an bestimmte Umstände des Vertragsschlusses – d. h. die berufliche oder gewerb­ liche Tätigkeit des Vertragspartners des Verbrauchers im Verbraucherstaat oder die Ausrichtung dieser Tätigkeit auf diesen – geknüpft, die den Interessen dieses Vertragspartners Rechnung tragen sollen.788 Demgegenüber enthält Art.  8 Abs.  1 Rom  I-VO keine situative Einschränkung. IV. Koordinationsakteure 1. Die Rechtssetzungspersonen Da die koordinierende Wirkung von der Kollisionsnorm ausgeht, sind die Koor­ dinationsakteure zunächst aus dieser Norm abzuleiten. Schöpfer der Kollisions­ norm ist der Gesetzgeber. Kollisionsnormen mit Günstigkeitsvergleich sind zu­ nächst im Rahmen des EVÜ entstanden, im internationalen Verbraucher- und im internationalen Individualarbeitsrecht. Auf dieser Ebene waren also die nationa­ len Regierungen tätig und schufen das Vorbild, aus dem sich wiederum die Pflicht der nationalen Gesetzgeber ableitete, diese Normen selbst in nationales Recht umzusetzen.789 Die Günstigkeitsvergleiche in Art.  6 und 8 Rom  I-VO beruhen demgegenüber auf der Rechtssetzungsarbeit der EU-Legislative. Der inhaltliche Unterschied der besagten Vorschriften beruht aber nicht auf den unterschiedlichen Rechtsset­ zungsstrukturen, sondern ist Ausdruck der Erfahrungen, die mit diesen Regelun­ gen gemacht wurden.790 Da die Günstigkeitsvergleiche durch Verordnungsrege­ lungen ins Kollisionsrechtssystem eingeführt wurden, haben dagegen die natio­ nalen Gesetzgeber keinen direkten Einfluss mehr auf diese Kollisionsnormen, zumindest nicht auf die kollisionsrechtliche Grundentscheidung, den Günstig­ keitsvergleich einzuführen.791 787 

Dazu ausführlich Martiny in: MüKoBGB, Art.  6 Rom  I-VO, Rdn.  19–35. Martiny in: MüKoBGB, Art.  6 Rom  I-VO, Rdn.  19–35 passim. 789  Vgl. zu Art.  6 Rom  I-VO nur Martiny in: MüKoBGB, Art.  6 Rom  I-VO, Rdn.  1; vgl. zu Art.  8 Rom  I-VO nur Martiny in: MüKoBGB, Art.  8 Rom  I-VO, Rdn.  1. 790  Siehe dazu bereits S.  154. 791  In Detailfragen gibt es Öffnungsklauseln, die den Mitgliedstaaten punktuelle Einfluss­ möglichkeiten eröffnen. Siehe dazu oben S.  216. 788 

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Der nationale Gesetzgeber hat jedoch durch die andere Seite der Koordina­ tionsmedaille im Rahmen dieser Methode einen nicht unerheblichen Einfluss, schließlich ist er Schöpfer der über den Günstigkeitsvergleich ggf. anwendbaren Sachnormen. Ebenfalls entspringen dem nationalen Recht die Grundsätze, die für diese nationalen Sachrechtsnormen die Interpretationsgrundlage darstel­ len.792 Damit bieten sie zugleich die Grundlage für die Auslegung der Sach­ rechtsnormen und entscheiden darüber, ob eine Norm zwingend ist oder nicht. Auf den Günstigkeitsvergleich selbst haben die nationalen Gesetzgeber hingegen keinen direkten Einfluss, da sie ja lediglich das jeweilige nationale Recht, nicht jedoch das ausländische Sachrecht gestalten können. 2. Die Rolle der Gerichte im Rahmen des Günstigkeitsvergleichs a) Die Rolle der nationalen Gerichte Der Koordinationsbeitrag der nationalen Gerichte leitet sich daraus her, dass sie die Kollisionsnormen anwenden und den für den Günstigkeitsvergleich erforder­ lichen Rechtsvergleich durchführen. Die Kontrolle von Günstigkeitsvergleichen durch den BGH ist nach den §§  545 ff. ZPO beschränkt. Hier ergibt sich aus §§  545 ff. ZPO eine gewisse Par­ allelität zur Zulässigkeit eines Vorabentscheidungsverfahrens vor dem EuGH. Der BGH kann neben sonstigem deutschen Recht nur die Überprüfung eines Verstoßes gegen Unionsrecht zur Revision zulassen.793 Die Nachprüfung des im Günstigkeitsvergleich enthaltenen Rechtsvergleichs wäre dagegen ausgeschlos­ sen. Da die Anwendung ausländischen Rechts nicht revisibel ist,794 fehlt dem BGH das ausländische Recht als secundum comparationis, ohne das der Rechts­ vergleich nicht rechtlich wirksam nachvollzogen werden kann. b) Die Rolle des EuGH Die Rolle des EuGH ist dagegen in diesem Punkt nicht vollumfänglich eindeutig. Eindeutig ist zunächst, dass der EuGH auch in solchen Fällen, in denen z. B. Art.  6 und 8 Rom  I-VO relevant werden, nur in seiner Kontrollfunktion tätig werden kann, da eine direkte Anrufung durch Privatpersonen, insbesondere durch den Verbraucher bzw. Arbeitnehmer ausgeschlossen ist (dazu aa.). Weiter ist eindeutig, dass der kontrollierende Einfluss des EuGH auf den Günstigkeits­ vergleich und den damit verbundenen Rechtsvergleich nur in einem Vorabent­ scheidungsverfahren nach Art.  267 AEUV möglich ist (dazu bb.). Nicht eindeu­ 792 

Vgl. Martiny in: MüKoBGB, Art.  6 Rom  I-VO, Rdn.  56. Krüger in: MüKoZPO, §  545 ZPO, Rdn.  7. 794  Siehe dazu soeben in diesem Paragraphen unter A. 793 

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tig ist dagegen, inwieweit der EuGH materiell auf den Günstigkeitsvergleich Einfluss nehmen kann (dazu cc.). aa) Die Unzulässigkeit der Überprüfung des im Günstigkeitsvergleich enthaltenen Rechtsvergleichs Bei Art.  267 AEUV stellt sich die Frage, wie es zu einem Vorabentscheidungs­ verfahren kommen kann. Denn würde ein nationales Gericht die Frage vorlegen, ob ein bestimmter Günstigkeitsvergleich Unionsrecht verletzt, wird der EuGH diese Vorlagefrage kaum zulassen können. Dies hat mit der Prüfungsbeschrän­ kung des EuGH zu tun, wonach einzelne innerstaatliche Maßnahmen – ein­ schließlich der Entscheidungen der nationalen Gerichte – vom EuGH nicht auf ihre Vereinbarkeit mit dem Unionsrecht überprüft werden und auch nicht ausge­ legt werden.795 Der Günstigkeitsvergleich beruht aber gerade auf einem konkre­ ten Rechtsvergleich, der notwendig immer auch eine Auslegung des nationalen Rechts einschließt. Der durchgeführte Rechtsvergleich selbst kann also nicht Gegenstand des Vorabentscheidungsverfahrens vor dem EuGH sein. Der EuGH kann jedoch Rechtsfragen, die zu sehr auf die Prüfung einer nationalen Norm auf Vereinbarkeit mit dem Unionsrecht abzielen, abstrahieren und sie so vorlagefä­ hig machen.796 bb) Zulässigkeit der Frage nach dem methodischen Vorgehen der Gerichte bei Durchführung des Günstigkeitsvergleichs Vorstellbar ist dagegen die Überprüfung der Methode des Günstigkeitsvergleichs durch den EuGH, da diese aus unionsrechtlichen Normen wie z. B. Art.  6 Rom  I-VO abzuleiten ist. Sollte sich etwa das nationale Gericht nicht sicher sein, ob sein Vorgehen – z. B. die Wahl des oben angesprochenen Gruppenvergleichs – unionsrechtswidrig ist, könnte es diese Frage dem EuGH zur Klärung vorlegen (vgl. Art.  267 Abs.  2 AEUV). Aber nicht nur ein Gericht unterer Instanz könnte im Rahmen einer Vorlage zur Klärung einer Frage zur Methode des Günstigkeitsvergleichs beitragen. In Deutschland könnte sich z. B. der BGH als Revisionsgericht vor die Frage ge­ stellt sehen, ob ein Landgericht den Günstigkeitsvergleich korrekt durchgeführt hat. Aufgrund der oben angesprochenen Irrevisibilität ausländischen Rechts dürfte der BGH das ausländische Recht nicht behandeln und könnte damit den 795  EuGH, Urt. v. 15.7.1964, C-6/64, Costa v. ENEL, Slg. 1964, 1253, 1268 (deutsche Fas­ sung); EuGH, Urt. v. 15.2.1993, C-292/92, Hünermund, Slg. 1993, I-6787; Classen in: Opper­ mann/Classen/Nettesheim, §  13, Rdn.  70. 796  EuGH, Urt. v. 15.7.1964, C-6/64, Costa v. ENEL, Slg. 1964, 1253, 1268 (Fundstelle der deutschen Fassung).

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Rechtsvergleich nicht überprüfen. Somit hätte auch vor dem BGH nur ein Ver­ stoß des Landgerichts gegen Unionsrecht Auswirkungen auf das Revisionsver­ fahren vor dem BGH. cc) Materieller Einfluss des EuGH auf Günstigkeitsvergleiche nationaler Gerichte Wenn eine Frage vom EuGH zur Vorlage zugelassen wurde, nimmt dieser durch die Beantwortung der Frage inhaltlich Einfluss, wenn er in der Anwendung des Günstigkeitsvergleichs einen Verstoß gegen Unionsrecht erkennt. Ein Verstoß gegen Unionsrecht ist aber nicht in jedweder Konstellation eines fehlerhaften Günstigkeitsvergleichs anzunehmen. Um die Unionsrechtwidrigkeit der Durchführung des Günstigkeitsvergleichs in den einzelnen Konstellationen zu bestimmen, sind zunächst die widerstreiten­ den Interessen zu bestimmen, deren Abwägung über die Unionsrechtswidrigkeit entscheidet. Einerseits hat die EU das Interesse, dass dem Unionsrecht prakti­ sche Wirksamkeit (effet utile) verliehen wird, und dass daher alle mitgliedstaat­ lichen Gewalten ihre diesbezügliche unionsrechtliche Pflicht nach Art.  3 Abs.  3 UAbs.  2, 3 EUV erfüllen. Dies betrifft in Art.  6 Rom  I-VO das Politikfeld des Verbraucherschutzes, wie es in Art.  169 AEUV beschrieben ist und zusätzlich in Art.  38 EU-Grundrechtecharta Niederschlag findet. In Art.  8 Rom  I-VO betrifft dies den Arbeitnehmerschutz, der durch die in der EU-Grundrechtecharta enthal­ tenen Solidaritätsrechte der Arbeitnehmer gegenüber der EU Ausdruck findet.797. Andererseits ist es zunächst einmal die Aufgabe nationaler Gerichte, Unions­ recht anzuwenden, wobei sie auch die Wertungsentscheidungen treffen, die im Uni­ onsrecht vorgegeben sind. Gemäß Art.  267 UAbs.  2 AEUV ist ein nationales Ge­ richt im Grundsatz nicht verpflichtet, eine in diesem Zusammenhang auftretende Frage an den EuGH vorzulegen. Daraus lässt sich ableiten, dass das nationale Ge­ richt unterer Instanz bei der Beantwortung von Wertungsentscheidungen im Rah­ men der Anwendung von EU-Kollisionsrecht einen Beurteilungsspielraum hat. Vor diesem Hintergrund sind die einzelnen Konstellationen nunmehr zu be­ werten. (1) Konstellation 1: Nichtvornahme des Günstigkeitsvergleichs Wenn ein Gericht unterer Instanz den Günstigkeitsvergleich nicht vornimmt – etwa weil es ihn übersehen hat –, liegt ein Verstoß gegen europäisches Sekun­ därrecht vor, da Art.  6 und Art.  8 Rom  I-VO den Günstigkeitsvergleich ausdrück­ lich und obligatorisch vorsehen. 797 

Siehe dazu Art.  27–33 EU-Grundrechtecharta.

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(2) Weitere Konstellationen: Fehlerhafte Durchführung des Günstigkeitsvergleichs als Verstoß gegen Unionsrecht Die weiteren Konstellationen sind dadurch geprägt, dass das Recht eines Staates X von einem nationalen Gericht als für den Verbraucher günstiger angesehen wird, obwohl in Wirklichkeit das Recht des Staates Y im Vergleich dazu günstiger ist. Eine fehlerhafte Durchführung des Günstigkeitsvergleichs kann sich immer nur zum Nachteil des Verbrauchers und nicht gleichzeitig zum Nachteil des Unterneh­ mers auswirken. Da jedoch der konkrete Rechtsvergleich an sich nicht Gegenstand einer Überprüfung durch den EuGH sein kann, müsste die fehlerhafte Durchfüh­ rung des Günstigkeitsvergleichs einen Verstoß gegen Unionsrecht darstellen. (a) Konstellation 2: Durchführung des Günstigkeitsvergleichs durch das nationale Gericht mit vertretbarer Argumentation Wenn ein Gericht der unteren Instanz den Günstigkeitsvergleich vornimmt und sein Ergebnis mit vertretbarer Argumentation untermauert, hat das Gericht den durch den Günstigkeitsvergleich verkörperten Ausgleich zwischen Unterneh­ mer- und Verbraucherinteressen ausreichend gewürdigt und ihm somit prakti­ sche Wirksamkeit verliehen. Sollte das Gericht zusätzlich dogmatische Zweifel hinsichtlich der genauen Ausgestaltung der Methode gehabt haben, ist zu berück­ sichtigen, dass das betreffende Gericht der unteren Instanz gemäß Art.  267 UAbs.  2 AEUV nicht zur Vorlage an den EuGH verpflichtet war. Diese Konstel­ lation kann also keinen Verstoß gegen Unionsrecht bedeuten. (b) Konstellation 3: Nationales Gericht kommt bei Günstigkeitsvergleich zu einem evident falschen Ergebnis Wenn ein Gericht der unteren Instanz den Günstigkeitsvergleich vornimmt und dieses Ergebnis – anders als in Konstellation 2 – evident falsch ist, könnte man dies dennoch ebenfalls so wie in Konstellation 2 behandeln, wenn man argumen­ tiert, dass das Gericht einen Fehler in der Anwendung der nationalen Rechtsnor­ men begangen hat. Doch ganz so einfach liegt der Fall nicht. Dies soll an einem Beispiel verdeut­ licht werden. Als evident falsche Anwendung des Günstigkeitsvergleichs könnte man eine Entscheidung in folgender Fallkonstellation bezeichnen: Ein Verbraucher hat einen Fernabsatzvertrag abgeschlossen und ist über sein Widerrufsrecht ordnungsgemäß aufgeklärt worden. Er widerruft den Fernabsatzvertrag nach 18 Tagen. Das Recht des Staates X, das Vertragsstatut ist, sieht eine Widerrufsfrist von 21 Tagen vor, das Recht des Staates Y – wo der Verbraucher seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat – dagegen nur 14 Tage; ansonsten seien die Rechtsordnungen für den Verbraucher identisch. Das Gericht wendet die 14-Tage-Frist des Rechts von Y an und befindet daher, dass der Widerruf unwirk­

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sam ist. Eine solche Entscheidung hat zwar die Anwendung nationalen Rechts zum Inhalt, zeigt aber gleichzeitig, dass das Gericht die Bedeutung des Günstigkeitsvergleichs missverstanden hat. Wertungsmäßig ist diese Konstellation ähnlich der Kon­stellation 1, in der das Gericht den Günstigkeitsvergleich gar nicht erst gesehen hat.798

Der Kreis von Fallgestaltungen evidenter Fehlerhaftigkeit eines Günstigkeitsver­ gleichs sollte jedoch eng begrenzt sein. Dafür sprechen die unionsrechtlichen Wertungen der Subsidiarität und der grundsätzlichen Enthaltung des EuGH von der Nachprüfung nationalen Rechts sowie die Komplexität des Günstigkeitsver­ gleichs an sich. Denn selten liegen die Fälle so klar wie in dem oben angeführten Beispielsfall, in dem verschiedene Widerrufsfristen galten und dann der Einfach­ heit wegen die weiteren rechtlichen Umstände und damit nicht zuletzt die Rück­ abwicklung des Fernabsatzvertrages als identisch unterstellt wurden. Komplexe­ re Günstigkeitsvergleiche setzen dagegen weitaus mehr Verständnis von den systematischen Unterschieden der Rechtsordnungen voraus, so dass zumindest dann, wenn die lex causae gleichzeitig die lex fori ist, dem nationalen Gericht immerhin zugute kommt, eine der zu vergleichenden Rechtsordnungen von Hau­ se aus zu kennen. (3) Konstellation 4: Fehlende Begründung einer objektiv falschen Entscheidung Eine weitere mögliche Konstellation ist dann gegeben, wenn ein Gericht beim Günstigkeitsvergleich das ungünstigere Recht als das günstigere bezeichnet, die­ se Entscheidung aber nicht weiter begründet. Damit muss nicht gemeint sein, dass das Gericht die Entscheidung im Ganzen nicht begründet, sondern eben nur diejenige Entscheidung, die ungünstigeren zwingenden Normen z. B. des Rechts des Staates anzuwenden, in dem der Verbraucher seinen gewöhnlichen Aufent­ halt hat, anstatt der entsprechenden Normen des Vertragsstatuts. Mit einer Begründung werden evidente Fehler im Günstigkeitsvergleich wie die in Konstellation 3 zu vermeiden sein, da eine Begründung voraussetzt, dass die Richter sich mit beiden Rechtslagen beschäftigen. Wenn ein Gericht pauschal eine Rechtsordnung für günstiger hält, ohne eine tiefer gehende Prüfung vorzu­ nehmen, kann das Gericht mit seiner Entscheidung richtig liegen oder auch nicht. Eine solche 50:50-Entscheidung mag aus Praktikabilitätserwägungen heraus be­ gründet sein.799 Wenn sich das nicht negativ auswirkt, stellt dies jedoch eher eine glückliche Fügung dar und wird auch nur dadurch begünstigt, dass die Rechts­

798  Die Wertungskonstellationen orientieren sich an den Fallgruppen der Urteilsverfas­ sungsbeschwerde, denen vergleichbare Wertungen zugrunde liegen; siehe dazu nur Bethge in: Maunz/Schmidt-Bleibtreu/Klein/Bethge, BVerfGG, §  90, Rdn.  316a. 799  Basedow, FS Jayme, 3, 17.

1. Kapitel: Die vorrang- und inhaltskoordinative Seite im IPR

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ordnungen des Vertragsstatuts und des Rechts am Wohnsitzstaat des Verbrau­ chers hinsichtlich der in Rede stehenden Thematik zufällig identisch sind. Wenn sich das Gericht jedoch für das falsche Recht entscheidet, stellt dies ei­ nen Grenzfall zwischen den bereits beschriebenen drei Konstellationen dar. Denn das Gericht hat den Günstigkeitsvergleich durchgeführt (vgl. Konstellation 1), nicht begründet (vgl. Konstellation 2), aber auch – das muss unterstellt wer­ den, da sonst Konstellation 3 anzuwenden wäre – keine evident falsche Entschei­ dung getroffen. Zwar ist eine Begründung des Gerichts äußerst wünschenswert, da andernfalls weder Unternehmer noch Verbraucher die Möglichkeit hätten, ihre Interessen mit den grundsätzlich national und unionsrechtlich gegebenen Verfahrensmög­ lichkeiten zu verfolgen und so letztlich auch die praktische Wirksamkeit des Uni­ onsrechts vollumfänglich zu gewährleisten. Das Unionsrecht wird sich in diesem Punkt jedoch aufgrund des Subsidiaritätsprinzips auf die jeweilige nationale Ge­ setzgebung verlassen müssen. Solange ein Gerichtsurteil den rechtsstaatlichen Anforderungen dieses Mitgliedstaates800 entspricht, muss eine fehlende Begrün­ dung an sich in einem einzelnen Punkt – und sei es nur die Begründung des Er­ gebnisses des Günstigkeitsvergleichs – nicht zu einem Verstoß gegen Unions­ recht führen. (4) Konstellationen fehlenden materiellen Einflusses des EuGH trotz Unionsrechtswidrigkeit Die Unionsrechtswidrigkeit bedeutet jedoch nicht in allen Fällen, dass der EuGH gerichtlich auf das Verfahren Einfluss nehmen kann. Eine solche Einflussnahme ist insbesondere dann ausgeschlossen, wenn die Unionsrechtswidrigkeit keine Auswirkungen auf das konkrete Verfahren hat. Das kann aber nur bei einer Kon­ stellation der Fall sein, in der die Unionsrechtswidrigkeit letztlich für den Ver­ braucher nachteilig ist. Wenn ein Gericht einen Günstigkeitsvergleich zwischen dem Recht des Staates X als subjektivem Vertragsstatut und dem des Staates Y als Verbraucherstatut vorzunehmen hat und X eine Widerrufsfrist von 14 Tagen, Y eine Frist von 21 Tagen vorschreibt, der Verbraucher dagegen bereits nach 7 Tagen den Widerruf erklärt hat, ist es nicht weiter erheblich, wenn das Gericht das Recht von Y für günstiger halten oder gar nicht gemerkt haben sollte, dass der Günstigkeitsvergleich durchzuführen ist. Sollte z. B. dem LG Stuttgart dieser Fehler unterlaufen sein und sollte es zu einer Revision vor dem nach§  133 GVG hierfür zuständigen BGH kommen, wäre es mit obiger Argumentation zwar prin­ zipiell möglich, eine Revision wegen §  547 Nr.  6 ZPO auf dieses Fehlen zu stüt­ 800 

760.

Vgl. zur Begründungspflicht BGH, Beschl. v. 30.11.2011 − I ZR 26/11, NJW-RR 2012,

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1. Teil – 3.  Abschnitt: Anwendbares Recht, statutsfremde Normen

zen.801 Doch würde das Revisionsbegehren schon nicht durchdringen, da die Entscheidung im Ergebnis richtig ist. Und selbst wenn die Revision angenom­ men würde, wäre eine Vorlage des BGH an den EuGH im Rahmen eines Vor­ abentscheidungsverfahrens unzulässig, da sich im Ergebnis nichts ändern würde und das Gericht eine Entscheidung über die Vorlagefrage nicht für den Erlass seines Urteils entscheidungserheblich ist.802 Der EuGH könnte also hier nicht seinen Einfluss zum Schutze der unionsrechtlich gewährleisteten Verbraucherin­ teressen ausüben, was in diesem Fall aber eben auch nicht erforderlich ist. Im Ergebnis kaum anders verhält es sich, wenn der Verbraucher also nach 18 Tagen widerruft. Wenn das Gericht nun den oben beschriebenen Fehler macht, geht diese Entscheidung zum Nachteil des Verbrauchers. Da sich die Entschei­ dung des EuGH auf das Verfahren auswirkt, wäre ein Vorabentscheidungsverfah­ ren, das sich dieser Frage widmet, zulässig. In dem freilich sehr extremen Fall, dass beide Rechtsordnungen bis auf die Widerrufsfrist und damit insbesondere die Rückabwicklung des Fernabsatzver­ trages in beiden Rechtsordnungen identisch sind, würde der EuGH wohl trotz­ dem nicht zur Entscheidung gebeten. Denn unter normalen Umständen kann kein Gericht der EU bei der Frage, welche Frist für den Verbraucher günstiger ist, zu einem anderen Ergebnis gelangen als zu dem, dass natürlich die 21-Tage-Frist günstiger ist als die 14-Tage-Frist. Aufgrund der acte clair-Doktrin müsste selbst der BGH die Frage dann nicht dem EuGH vorlegen.803 Dies ist selbst für den Fall anzunehmen, dass die Rückabwicklung in beiden Rechtsordnungen verschieden ausgestaltet ist. Denn angesichts der Harmonisie­ rung der Rückabwicklungsfolgen durch entsprechende Richtlinien sind große Unterschiede in den Rechtsordnungen hinsichtlich der Widerrufsfolgen nicht zu erwarten. Wenn man gleichzeitig bedenkt, dass es für einen Verbraucher kaum besser sein kann, an einem Vertrag, den er nicht wünscht, festgehalten zu wer­ den, als sich der Rückabwicklung des widerrufenen Vertrages stellen zu müssen, wird es auch hier kaum ein Gericht in der EU geben, das zu dem Ergebnis kommt, dass das Recht, nach dem die Widerrufsfrist abgelaufen ist, für den Verbraucher günstiger ist als dasjenige, nach dem die Widerrufsfrist noch läuft. Damit hätte der EuGH auch in dieser Konstellation keinen obligatorischen Einfluss auf die Rechtslage, wobei er allerdings aufgrund der acte clair-Doktrin auch nicht erfor­ derlich wäre.

801 

Vgl. BGH, Beschl. v. 30.11.2011 − I ZR 26/11, NJW-RR 2012, 760. Siehe zum Erfordernis der Entscheidungserheblichkeit Classen in: Oppermann/Classen/ Nettesheim, §  13, Rdn.  75. 803  Ehricke in: Streinz, Art.  267 AEUV, Rdn.  47. 802 

1. Kapitel: Die vorrang- und inhaltskoordinative Seite im IPR

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B. Kollisionsrechtliche Durchsetzung bestimmter Richtlinien I. Koordinationsgegenstände Für die kollisionsrechtliche Durchsetzung von bestimmten Richtlinien gibt es einen Mechanismus, der für Richtlinien geschaffen wurde, in denen ihre eigenen Normen und die auf ihnen beruhenden nationalen Umsetzungsnormen als Min­ deststandard bezeichnet werden. Im deutschen Recht ist dazu mit Art.  46b ­EGBGB eine nationale Kollisionsnorm geschaffen worden, die das subjektive Vertragsstatut mit diesen Richtliniennormen koordiniert. Subjektives Vertrags­ statut muss das Recht eines Staates sein, das nicht Mitgliedstaat von EU oder EWR ist; die Normen müssen aus der in Art.  46b Abs.  3 EGBGB n. F. abschlie­ ßend804 aufgeführten Liste stammen, nämlich der Klausel-Richtlinie805, der Time-Sharing-­Richtlinie806, der Fernabsatz-Richtlinie807, der Verbrauchsgüterkauf-­ Richtlinie808, der Richtlinie über den Fernabsatz von Finanzdienstleistungen809 oder der Verbraucherkredit-Richtlinie810. Seit dem 29.7.2014 ist diese Vorschrift in seiner geänderten Form in Kraft, wobei die Grundkonzeption allerdings beibehalten wurde. Dabei betreffen die Änderungen nicht die Abs.  1 und 2. Die Abs.  3 und 4 wurden thematisch ver­ tauscht: Die jetzt in Abs.  3 befindliche Liste verbraucherschützender Richtlinien befand sich zuvor in Abs.  4 und ist um die Teilnutzungsrichtlinie (94/47/EG) sowie die Fernabsatzrichtlinie (97/7/EG) reduziert worden. Die ehemals in Abs.  3 verortete Regelung über Teilzeit-Wohnnutzungsverträge hat jetzt nicht nur eine andere Hausnummer, sondern ist zudem anders konzipiert sowie thema­ tisch und situativ erweitert worden. Verwies Art.  46b Abs.  3 EGBGB a. F. noch auf Abs.  1 und ordnete damit den absoluten Vorrang der Umsetzungsvorschriften 804  Martiny in: MüKoBGB, Art.  46b EGBGB, Rdn.  84; Spickhoff in: BeckOK Art.  46b EGBGB, Rdn.  8; Hohloch in: Erman, Art.  46b EGBGB, Rdn.  18; Palandt/Thorn, Art.  46b EGBGB, Rdn.  2; Magnus in: Staudinger, Art.  46b EGBGB, Rdn.  5, 55. 805  Richtlinie 93/13/EWG des Rates vom 5.4.1993 über missbräuchliche Klauseln in Ver­ braucherverträgen. 806  Richtlinie 94/47/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26.10.1994 zum Schutz der Erwerber im Hinblick auf bestimmte Aspekte von Verträgen über den Erwerb von Teilnutzungsrechten an Immobilien. 807  Richtlinie 97/7/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20.5.1997 über den Verbraucherschutz bei Vertragsabschlüssen im Fernabsatz. 808  Richtlinie 1999/44/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25.5.1999 zu bestimmten Aspekten des Verbrauchsgüterkaufs und der Garantien für Verbrauchsgüter. 809  Richtlinie 2002/65/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23.9.2002 über den Fernabsatz von Finanzdienstleistungen an Verbraucher. 810  Richtlinie 2008/48/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23.4.2008 über Verbraucherkreditverträge und zur Aufhebung der Richtlinie 87/102/EWG des Rates.

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1. Teil – 3.  Abschnitt: Anwendbares Recht, statutsfremde Normen

des Staates an, zu dem die enge Verbindung i. S. d. Abs.  2 besteht, ordnet Art.  46b Abs.  4 EGBGB n. F. lediglich einen relativen Schutz in Form einer bei Günstig­ keitsvergleichen bekannten Minimalschutzgrenze an.811 Thematisch bezieht sich die neue Regelung auf Teilzeitnutzungsverträge im Allgemeinen, ferner auf Ver­ träge über ein langfristiges Urlaubsprodukt, Wiederverkaufsverträge sowie Tauschverträge im Sinne von Art.  2 Abs.  1 lit.  a bis d der Richtlinie 2008/122/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. Januar 2009 über den Schutz der Verbraucher im Hinblick auf bestimmte Aspekte von Teilzeitnutzungs­ verträgen, Verträgen über langfristige Urlaubsprodukte sowie Wiederverkaufsund Tauschverträgen812. Situativ ist der Günstigkeitsvergleich nicht nur – wie auch schon in der Vorgängervorschrift – dann anzuwenden, wenn eine Immobilie einem Mitgliedstaat der EU oder des EWR belegen ist (Nr.  1), sondern zusätzlich im Falle eines Vertrags, der sich nicht unmittelbar auf eine Immobilie bezieht, wenn der Unternehmer eine gewerbliche oder berufliche Tätigkeit in einem Mit­ gliedstaat der Europäischen Union oder einem anderen Vertragsstaat des Abkom­ mens über den Europäischen Wirtschaftsraum ausübt oder diese Tätigkeit auf irgendeine Weise auf einen solchen Staat ausrichtet und der Vertrag in den Be­ reich dieser Tätigkeit fällt (Nr.  2). Diese Zusatzregelung ist auf die oben ange­ sprochene konzeptionelle Änderung der Kollisionsregel zurückzuführen. Da Art.  46b Abs.  3 EGBGB a. F. und Art.  46b Abs.  1 EGBGB gleichermaßen einen absoluten Vorrang des Rechts des Staates vorsahen, zu dem eine enge Verbin­ dung besteht, bestand kein Zweifel, dass Art.  46b Abs.  1 EGBGB und über ihn die Definition der engen Verbindung in Art.  46b Abs.  2 EGBGB auch auf Teil­ zeit-Wohnrechteverträge anzuwenden war.813 Da Art.  46b Abs.  4 EGBGB n. F. allerdings u. a. für diesen Bereich anders als Art.  46b Abs.  1 EGBGB einen Gün­ stigkeitsvergleich enthält, fiel diese Verknüpfung weg und musste damit in Art.  46b Abs.  4 EGBGB n. F. eigens übernommen werden. Gegen die Abgeschlossenheit der Liste über einbezogene Richtlinien wird an­ geführt, dass der Zweck des Art.  46b EGBGB darin liege, den Schutz des Schwä­ cheren im Falle eines engen Zusammenhangs mit dem Gebiet der EU und des EWR ganz allgemein zu sichern, gerade auch im Hinblick auf die mit den Richt­ linien verfolgte Rechtsangleichung.814 Soweit ungeschrieben, sei daher in jede verbraucherschützende Richtlinie hineinzulesen, dass von ihren Vorschriften nicht im Wege der Rechtswahl abgewichen werden könne, wie es in Art.  6 der 811 

Martiny in: MüKoBGB, Art.  46b EGBGB, Rdn.  101. 2009 Nr. L 33/10. 813  Martiny in: MüKoBGB, Art.  46b EGBGB, Rdn.  84; Magnus in: Staudinger, Art.  46b EGBGB, Rdn.  55, 57. 814  Dieses Argument für die Gegenseite anführend, dieser aber im Ergebnis nicht zustim­ mend: Martiny in: MüKoBGB, Art.  46b EGBGB, Rdn.  108. 812  ABl. EU

1. Kapitel: Die vorrang- und inhaltskoordinative Seite im IPR

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Klausel-Richtlinie der Fall sei.815 Für die Analogie werden verschiedene Wege vorgeschlagen: eine Analogie zu Art.  46b Abs.  1 oder 2 EGBGB816 sowie eine Gesamtanalogie zu den Richtlinienbestimmungen, die den kollisionsrechtlichen Vorrang der Richtlinie vor dem subjektiven Vertragsstatut fordern.817 Gegen beide Wege spricht jedoch gerade die namentliche Erfassung bestimm­ ter Richtlinien, die auf der expliziten kollisionsrechtlichen Forderung des EU-Ge­ setzgebers in der jeweiligen Richtlinie beruht. Es ist davon auszugehen, dass dort, wo eine solche Regelung fehlt, eine derartige kollisionsrechtliche Forderung auch nicht gewünscht war. Damit fehlt es bereits an der für eine Analogie notwendigen Lücke und kann im Übrigen ggf. über Art.  6 Rom  I-VO ersetzt ­werden.818 II. Funktionsweise Die Funktionsweise der kollisionsrechtlichen Durchsetzung von Richtlinien wurde im entsprechenden Referentenentwurf als „spezielle ordre-public-Vor­ schrift“ bezeichnet.819 Dass Art.  46b EGBGB zu ordre public-Vorschriften kaum Ähnlichkeit aufweist, ergibt sich insbesondere aus seiner Rechtsfolge. Anders als beim ordre public820 ist Art.  46b EGBGB keine Ergebniskontrolle, sondern dient der Einschränkung der Rechtswahl und somit der unmittelbaren Korrektur der Verweisung. Ebenfalls anders als beim ordre public ist dies auch keine negative Korrektur, die zunächst nur aussagt, welche Normen nicht anzuwenden sind, sondern positiv zur Anwendung bestimmter Normen führt. Ferner führt sie zur Anwendung bestimmter Normen und nicht lediglich zur Durchsetzung von Rechtsprinzipien auf internationaler Ebene. Die hier aufgeführte Norm Art.  46b EGBGB weist ferner Besonderheiten in der Gestaltung des Anwendungsbereichs auf. Nicht nur geht es sachlich um die Durchsetzung bestimmter Richtlinien; zusätzlich wird auch ein enger Zusammen­ hang des Sachverhalts zu EU oder anderen EWR-Vertragsstaaten gefordert. Das ist zunächst deshalb bemerkenswert, weil die Beispiele zu den übrigen Methoden in diesem Kapitel bei einem besonderen geographischen Bezugserfordernis ent­ 815 

Staudinger, NJW 2001, 1974, 1976 f.; Roth, FS Sonnenberger, 591, 599; Rott, EuZW 2005, 167, 169. Siehe jedoch dagegen Sonnenberger IPRax 2003, 104, 109 f. 816  Zu Art.  29 a EGBGB a. F. Bitterich, S.  463–474. Für eine analoge Anwendung auch auf die E-Commerce-Richtlinie, Lehmann, FS Heldrich, 831, 839; a. A. Martiny in: MüKoBGB, Art.  46b EGBGB, Rdn.  84. 817  Vgl. Nemeth, S.  111. Mit Bezug auf versteckte Annexkollisionsnormen Paefgen, ZEuP 2003, 266, 291 f.; a. A. Martiny in: MüKoBGB, Art.  46b EGBGB, Rdn.  84. 818  Martiny in: MüKoBGB, Art.  46b EGBGB, Rdn.  84. 819  BT-Drs. 13/4185, S.  14; siehe auch Martiny in: MüKoBGB, Art.  46b EGBGB, Rdn.  14, Fn.  40. Zur Kritik siehe nur Staudinger, IPRax 1999, 414, 418. 820  Siehe dazu unter G.

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1. Teil – 3.  Abschnitt: Anwendbares Recht, statutsfremde Normen

weder einen einzelnen Staat oder eben die EU-Mitgliedstaaten anführen, nicht jedoch den EWR. Daneben wird das entscheidende Verbindungsmoment als „en­ ger Zusammenhang“ aufgeführt und damit potenziell weiter gefasst als bei Ein­ zelstaaten- und Binnenmarktklausel, die jeweils fordern, dass die wesentlichen Elemente des Sachverhalts – was weiter ist als Art.  46b EGBGB, der gerade auf die Verbindung des Vertrags abstellt821 – abgesehen von der Rechtswahl sonst ausschließlich Verbindungen zu dem jeweiligen Staat bzw. EU-Mitgliedstaat hat. Zur Bestimmung der engen Verbindung wird in Art.  46b Abs.  2 EGBGB ein Re­ gelbeispiel angeführt, das sich an Art.  6 Abs.  1 Rom  I-VO orientiert.822 III. Koordinationszwecke Der mit dieser Koordinationsmethode verfolgte Zweck besteht darin, das in ver­ schiedenen EU-Richtlinien geregelte Verbraucherschutzrecht auf einen gemein­ samen kollisionsrechtlichen Nenner zu bringen und dabei den Bezug zu den EWR-Staaten miteinzubeziehen;823 auf diese Weise dient die Norm dem kolli­ sionsrechtlichen Verbraucherschutz824. Auch wenn die Identifikation dieses Zwecks nicht bezweifelt wird, herrscht Uneinigkeit darüber, welche Folgerun­ gen daraus für die weitere Normanwendung gerade hinsichtlich eines eventuel­ len Günstigkeitsvergleichs zu ziehen sind. Diskutiert wird dies nicht zuletzt, da eine auf einen Günstigkeitsvergleich hinweisende Formulierung wie etwa Art.  6 Rom  I-VO825 in Art.  46b EGBGB nicht enthalten ist. Zwar heißt es auch in Art.  6 Rom  I-VO nicht ausdrücklich, dass das günstigere Recht anzuwenden ist. Der Unterschied besteht jedoch gerade darin, dass Art.  6 Rom  I-VO von der An­ wendung des subjektiven Vertragsstatuts ausgeht, dessen Verbraucherschutz­ niveau nicht unter das Schutzniveau der zwingenden Vorschriften des objektiven Verbraucherstatuts absinken darf; erst wenn das der Fall ist, kommt es also zur Anwendung des objektiven Verbraucherstatuts.826 Art.  46b Abs.  1 EGBGB geht demgegenüber unmittelbar von der Anwendung des objektiven Verbraucher­ statuts i. S. v. Art.  46b EGBGB aus, unabhängig davon, ob es günstiger als das gewählte Recht ist oder nicht.827 821 

Vgl. Martiny in: MüKoBGB, Art.  3 Rom  I-VO, Rdn.  89 f. und 96. Dazu bereits oben S.  88. 823  Martiny in: MüKoBGB, Art.  46b EGBGB, Rdn.  1. 824  Martiny in: MüKoBGB, Art.  46b EGBGB, Rdn.  12. 825  Art.  6 Abs.  2 S.  2 Rom  I-VO: „Die Rechtswahl darf jedoch nicht dazu führen, dass dem Verbraucher der Schutz entzogen wird, der ihm durch diejenigen Bestimmungen gewährt wird, von denen nach dem Recht, das nach Absatz 1 mangels einer Rechtswahl anzuwenden wäre, nicht durch Vereinbarung abgewichen werden darf.“ 826  Statt aller Martiny in: MüKoBGB, Art.  6 Rom  I-VO; Rdn.  54. 827  Art.  46b Abs.  1 EGBGB: „Unterliegt ein Vertrag auf Grund einer Rechtswahl nicht dem 822 

1. Kapitel: Die vorrang- und inhaltskoordinative Seite im IPR

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Nach in der Literatur weit verbreiteter Ansicht bedeutet dies jedoch nicht, dass ein Günstigkeitsvergleich in Art.  46b EGBGB nicht durchzuführen sei.828 Viel­ mehr schließe der Wortlaut ihn auch nicht aus. Dagegen spricht jedoch, dass der Günstigkeitsvergleich nunmehr ausdrücklich in Art.  46b Abs.  4 EGBGB einge­ führt worden ist, ohne dass Abs.  1 entsprechend geändert wurde. Das spricht dafür, dass der deutsche Gesetzgeber den Günstigkeitsvergleich in Abs.  1 nicht vorgesehen hat. Die Stimmen, die den Günstigkeitsvergleich in Art.  46b EGBGB ohnehin ab­ gelehnt haben, verweisen darauf, dass der Zweck der Sicherung des Mindest­ standards der Richtlinie mit Anwendung der hierauf beruhenden nationalen Nor­ men des objektiven Verbraucherstatuts jedenfalls erreicht sei; die Anwendung des ggf. günstigeren subjektiven Vertragsstatuts sei also nicht notwendig.829 Da­ gegen wird von den Befürwortern richtigerweise darauf hingewiesen, dass die Gegenansicht den Richtlinien nicht nur die Sicherung des Mindeststandards zu­ schreibt, sondern zugleich die Festsetzung des Höchststandards des Verbraucher­ schutzes; dies ist den Richtlinien aber nicht zu entnehmen.830 Der Inhalt der in den Richtlinien enthaltenen Kollisionsnormen kann also nur über einen Günstig­ keitsvergleich vollumfänglich verwirklicht sein. IV. Koordinationsakteure Die kollisionsrechtliche Durchsetzung bestimmter Richtlinien wird zunächst durch den europäischen Gesetzgeber vorangetrieben, der in diesen Richtlinien ­kollisionsrechtliche Normen eingefügt hat, die den Befehl nach einem Mindest­ standard enthalten. Die EU-Mitgliedstaaten müssen also Normen schaffen, mit de­ nen den entsprechenden Richtlinien trotz Rechtswahl Vorrang zugestanden wird. Wie bei Richtlinien gemäß Art.  288 Abs.  2 AEUV vorgesehen, ist der Mit­ gliedstaat in der Textgestaltung der Durchsetzungsnorm frei, solange nur der Zweck der Richtlinie, d. h. die Sicherstellung des in der Richtlinie vorgesehenen Recht eines Mitgliedstaats der Europäischen Union oder eines anderen Vertragsstaats des Ab­ kommens über den Europäischen Wirtschaftsraum, weist der Vertrag jedoch einen engen Zu­ sammenhang mit dem Gebiet eines dieser Staaten auf, so sind die im Gebiet dieses Staates geltenden Bestimmungen zur Umsetzung der Verbraucherschutzrichtlinien gleichwohl anzuwenden.“ (kursiv hinzugefügt) 828  Jayme/Kohler, IPRax 1995, 343, 345 f.; Thorn, IPRax 1999, 1, 8; Freitag/Leible, EWS 2000, 342, 347; zur Lösung de lege ferenda Looschelders, FS E. Lorenz (2004), 441, 448; vgl. weitere Nennungen bei Martiny in: MüKoBGB, Art.  46b EGBGB, Rdn.  12. 829  Vgl. Paefgen, ZEuP 2003, 266, 278 ff.; Kapnopoulou, S.  154. 830  Martiny in MüKoBGB, Art.  46b EGBGB, Rdn.  12; ebenfalls für einen Günstigkeitsver­ gleich in Art.  46b EGBGB: Freitag/Leible, EWS 2000, 342, 345 f.; Jayme, FS Trinkner, 575, 576 f.; Jayme/Kohler IPRax 1995, 343, 345 f.; Spickhoff in: BeckOK, Art.  46b EGBGB, Rdn.  5; Staudinger; IPRax 1999, 414, 417 f.; Bitterich S.  235 ff.; v. Hoffmann/Thorn IPR §  10 Rdn.  73d.

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1. Teil – 3.  Abschnitt: Anwendbares Recht, statutsfremde Normen

Mindeststandards erreicht wird. Dieser Umsetzungspflicht wollte der deutsche Gesetzgeber bei den verbraucherschützenden Richtlinien mit Art.  46b EGBGB nachkommen.831 Ob ihm dies gelungen ist, wird jedoch vor dem Hintergrund in Zweifel gezogen, dass die Vorschrift wegen des fehlenden Günstigkeitsver­ gleichs in Art.  46b Abs.  1 EGBGB nicht richtlinienkonform sei.832

§  3 Kollisionsrechtlicher Vorrang national zwingender Normen wegen geographischer Aspekte Der kollisionsrechtliche Vorrang national zwingender Normen wegen geographi­ scher Aspekte wird durch die Einzelstaatenklausel (dazu A.) und die Binnen­ marktklausel repräsentiert (dazu B.).

A. Einzelstaatenklausel I. Koordinationsgegenstände Die Einzelstaatenklausel führt dazu, dass zwingende Sachvorschriften eines Staates auch dann zur Anwendung gebracht werden, wenn ein anderes Recht von den Vertragsparteien gewählt wurde, jedoch alle Elemente des Sachverhaltes zum Zeitpunkt der Rechtswahl in demjenigen Staat belegen sind, dessen Recht gerade nicht gewählt wurde. Betroffen ist die Wahl des Rechts jedes Staates, gleich ob es sich um einen Mitgliedstaat der EU handelt oder nicht. Zwingende Vorschriften sind gemäß Art.  3 Abs.  3 Rom  I-VO bzw. Art.  14 Abs.  2 Rom  II-VO all diejenigen Normen einer Rechtsordnung, von denen nicht durch Vereinba­ rung abgewichen werden kann. Unerheblich ist, ob es sich dabei um Privat- oder öffentliches Recht handelt, ebenfalls muss es sich nicht um Vorschriften zum Schutze einer bestimmten Parteigruppe wie Verbraucher oder Arbeitnehmer han­ deln.833 Die Vorschrift bezieht sich auch nicht nur auf einen bestimmten Staat, dessen zwingende Vorschriften trotz Rechtswahl anzuwenden sind; ein deutsches Gericht muss also bei der Wahl belgischen Rechts dann, wenn sich alle Elemente des Sachverhalts in Österreich befinden, zwingendes österreichisches Recht an­ wenden.834

831 

Vgl. Martiny in MüKoBGB, Art.  46b EGBGB, Rdn.  2. Siehe dazu soeben unter B.III. 833  Martiny in: MüKoBGB, Art.  3 Rom  I-VO, Rdn.  87. 834  Vgl. Martiny in: MüKoBGB, Art.  3 Rom  I-VO, Rdn.  88. 832 

1. Kapitel: Die vorrang- und inhaltskoordinative Seite im IPR

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II. Funktionsweise 1. Allgemeines Anders als beim Günstigkeitsvergleich setzt die Anwendung zwingender Vor­ schriften eines Staates bei der Einzelstaatenklausel nicht voraus, dass diese Vor­ schriften günstiger sind als das Hauptstatut. Anders als in Art.  6 und 8 Rom  I-VO ist in Art.  3 Abs.  3 Rom  I-VO kein vergleichender Bezug zwischen dem Recht des Staates, in dem sich alle Elemente des Sachverhalts befinden, und dem ge­ wählten Recht ersichtlich. Die beschriebene Bestimmung ist nicht nur in EU-Ver­ ordnungen wie der Rom  I-VO zu finden. Staatsvertraglicher Natur ist bereits der Vorläufer von Art.  3 Abs.  3 Rom  I-VO – Art.  3 Abs.  3 EVÜ –, der von den Unter­ zeichnerstaaten in nationales Recht umgesetzt wurde. Neben dieser gesetzgebe­ rischen Tätigkeit müssen die nationalen Gerichte dafür sorgen, sich Kenntnisse von den zwingenden Vorschriften anderer Staaten zu verschaffen. Der Aufwand ist dennoch geringer als etwa bei einem Günstigkeitsvergleich, da nicht zusätz­ lich ein Rechts- und eben Günstigkeitsvergleich vorgenommen werden muss, sondern es bei der Anwendung der zwingenden Vorschriften des nicht gewählten Rechts bleibt. Art.  3 Abs.  3 Rom  I-VO selbst kann jedoch ebenfalls nicht so leicht umgangen wenden. Es reicht nicht jede Auslandsberührung, um den Sachverhalt von dem betreffenden Recht wieder zu entfernen; es muss sich dabei vielmehr um Umstän­ de handeln, die mit dem konkreten Rechtsgeschäft spezifisch zusammenhängen.835 Genannt werden in diesem Zusammenhang der gewöhnliche Aufenthaltsort einer Partei, der Erfüllungsort, der Abschlussort, aber auch die Staatsangehörigkeit.836 2. Zum Unterschied zwischen Rechtswahlbeschränkung und Rechtswahlwirkungsbeschränkung am Beispiel der Einzelstaatenklausel in Art.  3 Abs.  3 Rom  I-VO Der in Art.  3 Abs.  3 Rom  I-VO enthaltene Kompromiss ermöglicht es, dass die Parteien auch dann, wenn der Sachverhalt ausschließlich Verbindung zu einer bestimmten Rechtsordnung hat, ein fremdes Recht wählen können, zugleich aber die zwingenden Vorschriften des sog. Einbettungsstatuts anwendbar bleiben.837 Beschränkt wird damit insoweit nur die Rechtswahlwirkung.838 Freilich hätte man sich auch für eine andere Variante entscheiden können, wobei dann der Sinn 835 

Martiny in: MüKoBGB, Art.  3 Rom  I-VO, Rdn.  90. Martiny in: MüKoBGB, Art.  3 Rom  I-VO, Rdn.  90. 837  Ferrari in: Ferrari/Kieninger/Mankowski u. a., Art.  3 Rom  I-VO, Rdn.  49; Martiny in: MüKoBGB, Art.  3 Rom  I-VO, Rdn.  84. 838  Martiny in: MüKoBGB, Art.  3 Rom  I-VO, Rdn.  91. 836 

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1. Teil – 3.  Abschnitt: Anwendbares Recht, statutsfremde Normen

einer solchen Lösung in beiden Fällen fraglich gewesen wäre. So hätte man z. B. die Rechtswahl bei reinen Inlandssachverhalten ausschließen können; hierdurch wäre eine Abwahl der zwingenden Vorschriften ebenso wenig möglich gewesen, wobei man sich zugleich nicht für jede Norm hätte fragen müssen, ob sie zwin­ gend ist oder nicht. Andererseits ging es gerade darum, den Grundsatz der Parteiautonomie so weit wie möglich anzuwenden und nur für eine Konstellation, bei der es nahe liegt, dass die zwingenden Vorschriften einer Rechtsordnung umgangen werden sollen, einen Schutzmechanismus zu installieren.839 Ein Rechtswahlausschluss wäre in diesem Zusammenhang zu weit gegangen, da man auch die kollisions­ rechtliche Abweichung von dispositiven Inlandsnormen nicht zugelassen hätte, was wiederum diese Normen ohne Not überbewertet hätte. Dasselbe gilt für die Binnenmarktklausel des Art.  3 Abs.  4 Rom  I-VO.840 III. Koordinationszweck Anders als der Schutzzweck des Günstigkeitsvergleichs besteht der Zweck der Einzelstaatenklausel ausweislich der Vorschlagsbegründung zur Rom  I-VO darin, dass durch die Rechtswahl die zwingenden Vorschriften des Rechts eines Staates nicht umgangen werden.841 Damit sie bestmögliche Wirkung entfalten kann, soll die Klausel selbst aber auch nicht so einfach umgangen werden können. Deshalb kann auch nicht jede beliebige Auslandsberührung ausreichend sein, um einen Auslandssachverhalt herzustellen.842 Damit wird der Kompromiss beibehalten, welcher der Schaffung der Vorläufernorm von Art.  3 Abs.  3 Rom  I-­VO zugrunde lag. Denn zur Rechtswahl bei Sachverhalten, dessen Umstände in einem einzigen Staat belegen sind, war die Zulässigkeit einer Rechtswahl durchaus streitig.843 IV. Koordinationsakteure Wie jede unionsrechtliche Kollisionsnorm in einer EU-Verordnung beruht auch die Einzelstaatenklausel auf einem unionsrechtlichen Rechtssetzungsverfahren, bei dem Europäische Kommission und Europäisches Parlament beteiligt sind, das also von exekutiver Seite seinen Anstoß erhält und dem die Legislative so­ dann seine endgültige Gestalt gibt. Der nationale Gesetzgeber hat mit seinen nationalen Gesetzen insofern Einfluss, als er ihnen entweder ausdrücklich oder 839 

Vgl. Ragno in: Ferrari, Rome I Regulation, Art.  3, Rdn.  54. Siehe dazu sogleich unter B. 841  KOM(2005) 650 endg., S.  6. 842  Martiny in: MüKoBGB, Art.  3 Rom  I-VO, Rdn.  90. 843  So schon zu Art.  3 Abs.  3 EVÜ bzw. Art.  27 EGBGB a. F.: BT-Drs. 10/504, S.  77; Giulia­ no/­Lagarde, Bericht EVÜ, S.  18; Magnus in: Staudinger, Art.  27 EGBGB, Rdn.  116. 840 

1. Kapitel: Die vorrang- und inhaltskoordinative Seite im IPR

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durch seinen im Rahmen der Auslegung zu berücksichtigenden Willen das Prä­ dikat einer zwingenden Vorschrift geben kann. Der zwingende Charakter kann jedoch auch durch das EU-Recht vorgegeben sein. So sieht z. B. §  312k Abs.  1 S.  1 BGB zwar vor, dass die Vorschriften §§  312–312j BGB nicht zulasten des Verbrauchers abdingbar sind, soweit nichts anderes bestimmt ist. Dies beruht jedoch u. a. auf Art.  25 der Verbraucherrechte-Richtlinie844 und ist keine einseiti­ ge Entscheidung des deutschen Gesetzgebers.845 Die Koordinationsfunktion der Gerichte ist vergleichbar mit derjenigen beim Günstigkeitsvergleich. Die nationalen Gerichte wenden die Einzelstaatenklausel an und bestimmen in diesem Zusammenhang, ob eine in Betracht kommende nationale Norm zwingend ist und deshalb über die Einzelstaatenklausel ange­ wendet werden muss.846 Da sich diese Entscheidung im Gegensatz zum Günstig­ keitsvergleich ausschließlich entweder auf europäisches Sekundärrecht oder na­ tionale Vorschriften der lex fori beschränkt, ist die Entscheidung eines Gerichts unterer Instanz – zumindest im deutschen Recht – vollumfänglich revisibel i. S. d. §§  545 ff. ZPO. Ggf. hat das letztinstanzliche Gericht ein Vorlageverfahren vor dem EuGH anzustrengen, sollte es z. B. hinsichtlich der Frage des Anwen­ dungsbereichs der Einzelstaatenklausel oder der Anforderungen an zwingende Vorschriften Unklarheiten zu beseitigen geben. Für die Auslegung, ob eine nationale Vorschrift zwingenden Charakter hat oder nicht, ist der EuGH dagegen grundsätzlich nicht zuständig. Der EuGH ist wie auch schon beim EVÜ darauf beschränkt, den Begriff der zwingenden Vor­ schrift auszulegen.847 Dies ist freilich dann anders, wenn die nationale Vorschrift der Umsetzung einer Richtlinie diente und sich der zwingende Charakter damit aus dem Unionsrecht selbst ergeben kann. Dann ist der Anwendungsbereich des Art.  267 AEUV eröffnet.

B. Binnenmarktklausel I. Koordinationsgegenstände Die Binnenmarktklausel in Art.  3 Abs.  4 Rom  I-VO bzw. Art.  14 Abs.  3 Rom  IIVO ist mit der Einzelstaatenklausel verwandt848 und ist im Zuge der Neurege­ lung des internationalen Vertragsrechts in der Rom  I-VO und des internationalen außervertraglichen Schuldrechts in die Rom  II-VO eingefügt worden. Mit ihr 844 

Richtlinie 2011/83/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. Oktober 2011 über die Rechte der Verbraucher, ABl. EU 2011 Nr. L 304/64. 845  Wendehorst in: MüKoBGB, §  312k BGB, Rdn.  1. 846  Siehe auch Ferrari in: Ferrari/Kieninger/Mankowski u. a., Art.  3, Rdn.  57. 847  Siehe hierzu Junker, IPRax 1989, 69, 74; Weber, IPRax 1988, 82 f. 848  Martiny in: MüKoBGB, Art.  3 Rom  I-VO, Rdn.  95.

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1. Teil – 3.  Abschnitt: Anwendbares Recht, statutsfremde Normen

werden die Kollisionsnorm des Art.  3 Abs.  1 Rom  I-VO bzw. Art.  14 Abs.  1 Rom  II-­VO und zwingendes Gemeinschaftsrecht zusammengeführt. Der Bezug zu den Mitgliedstaaten betrifft bei Art.  3 Abs.  4 Rom  I-VO wegen Art.  1 Abs.  4 S.  2 Rom  I-VO alle EU-Mitgliedstaaten, auch wenn sie nicht an der Verordnung teilnehmen. Da eine vergleichbare Vorschrift in Art.  1 Abs.  4 Rom  II-VO fehlt, soll eine Übertragung des Gedankens von Art.  1 Abs.  4 S.  2 Rom  I-VO ausge­ schlossen sein.849 II. Funktionsweise Mit dem Vorgehen bei der Anwendung der Einzelstaatenklausel vergleichbar, führt auch bei der Binnenmarktklausel wegen der ausschließlichen Existenz von Berührungspunkten des Sachverhalts mit den EU-Mitgliedstaaten die Wahl des Rechts eines Nicht-EU-Mitgliedstaates nicht zur unumschränkten Anwendung des Rechts dieses Staates. Vielmehr kommen die zwingenden Vorschriften des Gemeinschaftsrechts bzw. Unionsrechts zur Anwendung, ggf. in Gestalt der lex fori. Dabei bleibt eine überschießende Umsetzung jedoch außer Betracht.850 Wie bei Art.  3 Abs.  3 Rom  I-VO kommt es allerdings nur auf die für das Rechtsge­ schäft relevanten Berührungspunkte an, die auch nach vergleichbaren Gesichts­ punkten ausgesucht werden.851 III. Koordinationszweck Zweck der Binnenmarktklausel ist, eine Lücke der Einzelstaatenklausel zu schließen: Ist das Recht eines Nicht-EU-Mitgliedstaates vereinbart, würde die Einzelstaatenklausel nicht zur Anwendung kommen, wenn sich die vertragsrele­ vanten Elemente eines Sachverhalts auf mehrere Mitgliedstaaten, nicht aber auf einen bestimmten Staat beziehen.852 Diese Fallkonstellation ist nunmehr von Art.  3 Abs.  4 Rom  I-VO erfasst, so dass den Vertragsparteien auch diese Umge­ hungsmöglichkeit der Anwendbarkeit von Unionsrecht genommen ist. IV. Koordinationsakteure Ebenso wie bei der Einzelstaatenklausel sind auch bei der Binnenmarktklausel die Koordinationsakteure zunächst wieder die europäische und nationale Legis­ lative. Auf europäischer Rechtssetzung basiert die Koordinationsvorschrift z. B. 849 

623.

Junker in: MüKoBGB, Art.  14 Rom  II-VO, Rdn.  43; a. A. Heiss/Loacker, JBl. 2007, 613,

850  Magnus in: Staudinger, Art.  3 Rom  I-VO, Rdn.  163; Pfeiffer, EuZW 2008, 622, 625; Martiny in: Reithmann/Martiny, Internationales Vertragsrecht, Rdn 2.130. 851  Martiny in: MüKoBGB, Art.  3 Rom  I-VO, Rdn.  96. 852  Rauscher, IPR, Rdn.  1317.

1. Kapitel: Die vorrang- und inhaltskoordinative Seite im IPR

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des Art.  3 Abs.  4 Rom  I-VO. Im Unterschied zur Einzelstaatenklausel ist bei der Binnenmarktklausel der Einfluss des europäischen Gesetzgebers um einiges grö­ ßer. Denn durchgesetzt werden die Bestimmungen des Unionsrechts. Koordina­ tiver Einfluss kommt dem nationalen Gesetzgeber aber insofern zu, als er durch Umsetzung einer unionsrechtlichen Bestimmung, etwa einer Richtlinie, die Form bestimmt, in der diese Bestimmung ggf. angewendet wird. Wichtige Koordinationsakteure sind daneben die Gerichte. Maßgebliche Be­ deutung hat der EuGH, der die Auslegungshoheit darüber hat, welches Unions­ recht zwingenden Charakter hat und daher über die Binnenmarktklausel zur An­ wendung kommen kann. Bedeutung hat hier auch die Rechtsprechung vor In­ krafttreten der Rom  I-VO, nicht zuletzt die Ingmar-Entscheidung853. Neben dem EuGH sind die nationalen Gerichte wichtig für die Anwendung der unionsrecht­ lichen Bestimmungen und ggf. die Vorlage zum EuGH bei Auslegungsproblemen.

§  4 Vorrang nationaler Grundsätze im Rahmen der Einzelfallkorrektur des ordre public A. Koordinationsgegenstände Eine weitere Form, nationalen Rechtsnormen auf internationaler Ebene Wirkung zu verschaffen, bildet der ordre public. Die Koordinationswirkung wird zwi­ schen dem Kollisionsrecht bzw. der kollisionsrechtlichen Entscheidung für ein bestimmtes anzuwendendes Recht sowie deren Anwendung einerseits und den normativen Grundsätzen der lex fori andererseits entfaltet. Beim ordre public geht es zunächst um die Grundsätze der lex fori. EU-Recht spielt jedoch zum einen hinsichtlich der Grenzen nationaler Grundsätze eine Rolle; zum anderen sind wegen der unmittelbaren Geltung der Europäischen Verträge im nationalen Recht auch die Grundsätze des Europarechts als nationa­ ler ordre public unionsrechtlicher Prägung von den Gerichten des Forumstaates zu beachten.854 Das gleiche gilt für die EU-Grundfreiheiten sowie die EMRK als Bestandteil des nationalen ordre public855 jedoch nur insoweit, als das Unions­ recht nicht ohnehin den Sachrechtsnormen vorgeht.856 853  EuGH, Urt. v. 9.11.2000, C-381/98, Ingmar GB Ltd v Eaton Leonard Technologies Inc. Slg. 2000, I-9305, deutsche Fassung, I-925, Rdn.  22 f., 26. 854  Siehe nur Martiny in: MüKoBGB, Art.  21 Rom  I-VO, Rdn.  3. 855  Leible/Lehmann, Die neue EG-Verordnung Rom  II, 721, 734; Martiny in: MüKoBGB, Art.  21 Rom  I-VO, Rdn.  3. 856  Martiny in: MüKoBGB, Art.  21 Rom  I-VO, Rdn.  3; Thorn in: Rauscher, EuZPR/EuIPR, Art.  21 Rom  I-VO, Rdn.  5.

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1. Teil – 3.  Abschnitt: Anwendbares Recht, statutsfremde Normen

B. Funktionsweise Die Koordination durch den ordre public ist auf eine Ergebniskorrektur im Ein­ zelfall beschränkt; damit die Methode zur Anwendung kommt, ist es also bereits erforderlich, dass sowohl die kollisions- als auch die sachrechtliche Prüfung ab­ geschlossen sind.857 Das Ergebnis dieser Prüfung muss den wesentlichen Grund­ sätzen der lex fori offensichtlich widersprechen. Die Voraussetzungen der ordre public-Kontrolle finden sich nur unzureichend in den entsprechenden Normen wieder. Deutlich ausgewiesen ist lediglich, dass die Anwendung der öffentlichen Ordnung der lex fori offensichtlich widerspre­ chen muss. Worin die öffentliche Ordnung besteht und was die Offensichtlichkeit eines Verstoßes gegen diese Ordnung ausmacht, ist dagegen nicht näher festge­ legt. Ebenfalls nicht in vollem Umfang bestimmt ist die Rechtsfolge eines Versto­ ßes gegen den ordre public. Das geschriebene Recht spricht lediglich davon, dass die Anwendung einer Vorschrift des bezeichneten Rechts versagt werden kann. Damit ist jedoch nicht gesagt, wie die durch die Versagung entstehende Rechtslücke geschlossen werden soll. Zu Art.  6 EGBGB sind in Literatur und Rechtsprechung Lösungswege entwickelt worden. Für den Fall, dass die Rege­ lungslücke für die Falllösung nicht weiter bedeutend ist, muss die Lücke nicht geschlossen werden; muss die Lücke hingegen geschlossen werden, hat dies un­ ter Berücksichtigung der Grundkonzepte des anwendbaren Rechts zu geschehen. Nur für den Ausnahmefall, dass die Lücke nicht geschlossen werden kann, wird deutsches Recht als lex fori zum Ersatzrecht.858

C. Koordinationszweck Die Koordination der kollisionsrechtlichen Berufung mit den einzelstaatlichen Grundsätzen soll verhindern, dass die Anwendung ausländischen Rechts zu ei­ nem Ergebnis führt, das mit eben diesen inländischen Grundsätzen unvereinbar ist.859 Mit dieser Regelung schützt der Gesetzgeber nicht zuletzt auch die Gerich­ te, die sich sonst aufgrund ihrer Bindung an Recht und Gesetz zumindest in einer Zwickmühle zwischen Akzeptanz des aufgrund korrekter Anwendung von Kol­ lisions- und berufenem Sachrecht zustande gekommenen Ergebnisses einerseits und den Grundsätzen ihrer lex fori andererseits befänden. Auch ohne die ordre public-Klausel würde das Gericht einem übergeordneten Grundprinzip wie z. B. einem Grundrecht der lex fori den Vorrang einräumen müssen. Es würde sich dann allerdings weiter die Frage stellen, welche weiteren Grundsätze das Gericht 857 

Siehe nur Rauscher, IPR, Rdn.  595. Siehe zum Ganzen Spickhoff in: BeckOK, Art.  21 Rom  I-VO, Rdn.  3. 859  Martiny in: MüKoBGB, Art.  21 Rom  I-VO, Rdn.  1. 858 

1. Kapitel: Die vorrang- und inhaltskoordinative Seite im IPR

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über das Einzelfallergebnis stellen darf und wie es die dann entstehende Lücke im Einzelfallergebnis schließen sollte.

D. Koordinationsakteure Nationale ordre public-Vorschriften gab es schon vor ihrer Einführung auf euro­ päischer Ebene, wie z. B. Art.  30 EGBGB a. F. im deutschen Recht, dem Vorläufer von Art.  6 EGBGB, der auf Art.  16 EVÜ beruhte.860 Danach war die Anwendung ausländischen Rechts ausgeschlossen, wenn die Anwendung gegen die guten Sit­ ten oder gegen den Zweck eines deutschen Gesetzes verstoßen würde.861 Die vom nationalen Gesetzgeber geschaffenen Kollisionsnormen wurden also bereits zu dieser Zeit mit den auch sonst von ihnen geschaffenen Rechtsnormen und darauf folgenden wesentlichen Grundprinzipien koordiniert. Auch in den rein nationalen Bereich fiel die Koordination durch die Gerichte, denen die Aufgabe zukam, die Kollisionsnormen anzuwenden, den Fall aufgrund des fremden Sachrechts zu lösen und ggf. einen Verstoß gegen die Grundprinzipien des eigenen nationalen Rechts festzustellen. Die ordre public-Vorschriften auf EU-Ebene unterscheiden sich also lediglich dadurch, dass an die Stelle der durch Kollisionsnormen koor­ dinierenden Person der europäische Gesetzgeber getreten ist.

§  5 Inhaltskoordination mittels Substitution A. Koordinationsgegenstände Ebenso wie beim Günstigkeitsvergleich, bei der Eingriffsnormentechnik sowie bei der Einzelstaaten- und der Binnenmarktklausel kommt es bei der Substitution zu der Koordination zwischen Sachnormen, die durch das Kollisionsrecht eigent­ lich berufen sind, und Rechtsnormen eines dritten Staates.862 Dabei geht es jedoch nicht primär um die einzelne Rechtsnorm an sich, sondern vielmehr um ein darin enthaltenes inländisches Rechtsinstitut. Dieses Rechtsinstitut kann unter be­ stimmten Voraussetzungen durch das ausländische Institut ersetzt werden, damit so zur Erfüllung der inländischen Tatbestandsvoraussetzungen beigetragen wird. 860 

v. Hein in: MüKoBGB, Art.  6 EGBGB, Rdn.  12. Siehe dazu näher v. Hein in: MüKoBGB, Art.  6 EGBGB, Rdn.  11. 862  Aus diesem Grund sollte – wie von v. Hein in: MüKoBGB, Einl. IPR, Rdn.  227 vorge­ schlagen – die allgemeine Formulierung der Resolution des Institut de Droit International vom 27.10.2007 (Art.  1) bevorzugt werden : „La substitution permet à un rapport de droit ou un acte établi sous l’empire d’une loi donnée de produire tout ou partie des effets attachés à un rapport de droit ou un acte similaires connus de la loi d’un autre État.“ (abgedruckt bei Jayme, IPRax 2008, 297). 861 

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1. Teil – 3.  Abschnitt: Anwendbares Recht, statutsfremde Normen

B. Funktionsweise Die Voraussetzungen der Substitution unterscheiden sich nach zwei Perspekti­ ven, der generellen Substituierbarkeit eines inländischen Rechtsinstituts (dazu I.) und der konkreten Substituierbarkeit gerade durch ein konkretes ausländisches Rechtsinstitut (dazu II.).863 I. Die generelle Substituierbarkeit des inländischen Rechtsinstituts Die erste Perspektive bezieht sich auf das Verhältnis von innerstaatlicher Rechts­ ordnung und dem innerstaatlichem Rechtsinstitut, das es zu ersetzen gilt. Hieraus wird die Frage abgeleitet, ob das inländische Rechtsinstitut überhaupt, also gene­ rell substituiert werden kann, was gleichzeitig die erste Prüfungsvoraussetzung ist.864 Die eigentliche Qualität des ausländischen Rechtsinstituts, also z. B. eines ausländischen Notars spielt auf dieser ersten Stufe damit noch keine Rolle. Dass die Substituierbarkeit des Tatbestandsmerkmals einer inländischen Rechtsnorm nicht ersetzt werden kann, ist nur äußerst selten anzunehmen. Als Beispiel wird in diesem Zusammenhang etwa die Frage der Substituierbarkeit des Notars im deutschen Grundstücksrecht angesehen.865 II. Die konkrete Substituierbarkeit durch ein bestimmtes ausländisches Rechtsinstitut Erst wenn bestimmt worden ist, dass ein inländisches Rechtsinstitut generell sub­ stituierbar ist, wird die zweite Perspektive relevant. Diese betrifft das Verhältnis zwischen der inländischen Rechtsordnung und einem konkreten ausländischen Rechtsinstitut, das in Frage kommt, das inländische Rechtsinstitut zu ersetzen. Die entscheidende Voraussetzung für die Substitution ist dann das Kriterium der Gleichwertigkeit. Ausländische Urkundspersonen müssen dafür „nach Vor­ bildung und Stellung im Rechtsleben eine der Tätigkeit des deutschen Notars entsprechende Funktion“ ausüben „und für die Errichtung der Urkunde ein Ver­ fahrensrecht beachten […], das den tragenden Grundsätzen des deutschen Be­ urkundungsrechts entspricht“866. Die Substitution wird insbesondere bei Notaren aus den USA bzw. dem Vereinigten Königreich verneint, da sie aufgrund ihrer typischen Ausbildung die formalen Anforderungen des inländischen Notar­ wesens, insbesondere des deutschen Notarwesens nicht erfüllen.867 863 

v. Hein in: MüKoBGB, Einl. IPR, Rdn.  232, 235. Rauscher, IPR, Rdn.  542. 865  Rauscher, IPR, Rdn.  543. 866  BGH, Beschl. v. 16.2.1981 − II ZB 8/80, BGHZ 80, 76, 79; vgl. Rauscher, IPR, Rdn.  544. 867  Siehe zum Ganzen Rauscher, IPR, Rdn.  546. 864 

1. Kapitel: Die vorrang- und inhaltskoordinative Seite im IPR

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C. Koordinationszweck Der Zweck der Substitution ist zweierlei. Zunächst soll es der Gesamtvorgang ermöglichen, Schritte zur Erfüllung eines inländischen Tatbestandes, die im Aus­ land gegangen worden sind, im Inland nicht wiederholen zu müssen. Die Substi­ tution ist damit der verlängerte Arm der Grundfreiheiten im inländischen Recht. Das zeigt sich etwa, wenn der Gesellschaftsvertrag einer deutschen GmbH in Österreich notariell beurkundet werden soll.868 In diesem Fall könnte ein öster­ reichischer Notar seine Dienstleistung grenzüberschreitend einer deutschen GmbH anbieten und so von seiner Dienstleistungsfreiheit Gebrauch machen, da eine durch ihn bewirkte Beurkundung auch im deutschen Rechtsverkehr wirk­ sam wäre. Der zweite Zweck ist gleichzeitig die Einschränkung des ersten: Die Substitu­ tion darf nicht zur Denaturierung der inländischen Formvorschrift führen. Daher kann auch die Substitution nicht durch ein wesensmäßig verschiedenes Rechts­ institut erfolgen.869 Die Substitution muss also gleichzeitig dem Interesse des inländischen Rechtsverkehrs an seinem effektiven Schutz genügen.

D. Koordinationsakteure I. Legislative Die Rolle der Legislative kann auf Ebene des Kollisionsrechts zunächst darin gesehen werden, dass sie die Substitution gesetzlich regeln könnte. Eine solche geschriebene Regelung existiert allerdings jedenfalls nicht in Deutschland, wo die Substitution gewohnheitsrechtlich anerkannt ist.870 Auf Ebene des Sachrechts tritt die ausländische Legislative durch die Schaf­ fung der Rechtinstitute in Erscheinung, die Gegenstand der Substitution sein können, sei es als Substitut oder als zu substituierendes Rechtsinstitut. Theore­ tisch kann dies sowohl die inländische Gesetzgebung als auch die Legislative eines anderen Staates betreffen, da auch z. B. deutsche Gerichte italienisches Im­ mobiliarsachenrecht anwenden könnten. Aufgrund des Gleichlaufs von Zustän­ digkeit gemäß Art.  24 Nr.  1 Brüssel Ia-VO und der lex rei sitae wird es dazu re­ 868  Vgl. zum allgemeinen Problem der notariellen Beurkundung eines GmbH-Gesell­ schaftsvertrags Rauscher, IPR, Rdn.  543 f. Nach EuGH, Urt. v. 24.5.2011, C-54/08, Kommis­ sion v. Deutschland, Slg. 2011, I-4355, Rdn.  93 handelt es sich bei der notariellen Beurkundung durch einen Notar nicht um die Ausübung öffentlicher Gewalt iSe. hoheitlichen Tätigkeit i. S. v. Art.  62 i. V. m. 51 Abs.  1 AEUV. 869  Vgl. v. Hein in: MüKoBGB, Einl. IPR, Rdn.  232. 870  Vgl. v. Hein, in: MüKoBGB, Einl. IPR, Rdn.  227 ff.

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1. Teil – 3.  Abschnitt: Anwendbares Recht, statutsfremde Normen

gelmäßig nur kommen, wenn Sachenrecht eine Vorfrage zu einer anderen, z. B. einer erbrechtlichen Hauptfrage darstellt. Die nationalen Legislativen könnten also entweder eigenständig auf eine Angleichung der Rechtsinstitute hinarbeiten, etwa indem sich ein Staat an inter­ nationalen Standards dieses Instituts orientiert; oder sie können durch Rechtsver­ einheitlichung auf Ebene der EU eine solche Vereinheitlichung herstellen. II. Judikative Die Judikative zeichnet für die Durchführung der Substitution verantwortlich. Diese Durchführung besteht zunächst in der Identifizierung der Möglichkeit bzw. Notwendigkeit einer Substitution. Der nächste Schritt ist die Identifizierung eines für die Substitution in Frage kommenden ausländischen Rechtsinstituts. Es liegt nahe, die Suche auf ein sol­ ches Rechtsinstitut zu beschränken, das die gleiche Funktion erfüllt wie das inlän­dische. Rein logisch könnte man dazu bereits hier die Charakteristika des inländischen Rechtsinstituts herausarbeiten.871 Das ist jedoch regelmäßig nicht erforderlich, da das inländische Rechtsinstitut meist nicht isoliert, sondern in Bezug auf einen konkreten Tatbestand und damit auf eine konkrete Aufgabe re­ levant wird. Damit kann man sich darauf beschränken, dasjenige Rechtsinstitut zu identifizieren, das im jeweiligen ausländischen Recht dieselbe oder eine ver­ gleichbare Funktion erfüllt. Ist dieses Rechtsinstitut gefunden, erfolgt seine Analyse. Das Gericht hat nun­ mehr die Aufgabe, die Charakteristika des ausländischen Rechtsinstituts heraus­ zuarbeiten; dies ist z. B. beim ausländischen Notar die Ausbildung, die Stellung im Rechtsleben, seine Funktion sowie das Verfahrensrecht, das er zu beachten hat.872 Um diese Charakteristika mit denen des inländischen Rechtsinstituts zu vergleichen, müssen spätestens jetzt dessen Charakteristika herausgearbeitet ­werden. Nach dem Vergleich der Charakteristika der beiden Rechtsinstitute er­ folgt der Abschluss der Rechtsanwendung mit der Entscheidung des Gerichts, ob das ausländische Rechtsinstitut das inländische im konkreten Fall substituieren kann.

871  872 

Siehe hierzu v. Hein in: MüKoBGB, Einl. IPR, Rdn.  232, 235. Rauscher, IPR, Rdn.  546.

1. Kapitel: Die vorrang- und inhaltskoordinative Seite im IPR

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§  6 Inhaltskoordination mittels Anerkennung und Anpassung ausländischer Rechtsinstitute unabhängig von einer konkreten Rechtsnorm A. Koordinationsgegenstände Zur Inhaltskoordination kommt es ebenfalls, wenn Rechtsinstitute einer Rechts­ ordnung – insbesondere Institute des Sachenrechts – auf eine andere Rechtsord­ nung treffen. Aufgrund der unterschiedlichen Herkunft ist das Sachenrechtsinsti­ tut nicht zwingend in der anderen Rechtsordnung, in deren Geltungsbereich es gelangt, bekannt. Daher gibt es im deutschen Recht auch nicht a priori Regeln, die auf ein französisches Registerpfandrecht angewendet werden können, da die­ ses Sachenrecht dem deutschen Recht unbekannt ist.873 Die Aufgabe besteht bei dieser Kollision also darin, das konkrete Sachenrechtsinstitut mit derjenigen Rechtsordnung, in deren Geltungsbereich es geltend und ggf. verwertet werden soll, zu koordinieren. Dabei können sich beide gegenseitig beeinflussen.

B. Funktionsweise Die Koordinationsrichtung hängt von der Technik ab, die für die Koordination angewendet wird. Im deutschen Kollisionsrecht scheint sich die Verwendung ei­ ner Technik herauskristallisiert zu haben (dazu I.), die sich vom Ansatz im EU-­ Kollisionsrecht unterscheidet (dazu II.). I. Anerkennung ausländischer Sachrechtsinstitute Die Behandlung eines ausländischen Sachenrechts bei Grenzübertritt der damit belasteten beweglichen Sache ist zumindest im deutschen Kollisionsrecht Ge­ genstand rechtsdogmatischer Auseinandersetzungen, die von vier Theorien aus­ ging. 1. Keine Weiterexistenz nach der Purifikationstheorie Nach der Purifikationstheorie soll dem ausländischen Sachenrecht nicht als sol­ chem der Übertritt in die neue Rechtsordnung gestattet werden, sondern aus­ schließlich in Gestalt seiner inländischen Entsprechung oder desjenigen Sachen­ rechts, das ihm seinem Wesen nach am nächsten kommt.874 Diese heute nicht mehr so weit verbreitete Ansicht sah sich dem Schutz des inländischen Verkehrs­ 873  874 

Rauscher, IPR, Rdn.  1560. Siehe dazu Wendehorst in: MüKoBGB, Art.  43 EGBGB, Rdn.  147.

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1. Teil – 3.  Abschnitt: Anwendbares Recht, statutsfremde Normen

interesses verpflichtet. Ihre Vertreter übersahen und übersehen jedoch, dass so ein zeitlich abgeschlossener Tatbestand nachträglich verändert wird, das neue Sachenrecht also intertemporal nicht anwendbar ist.875 Ferner würde es dazu füh­ ren, dass ein erneuter Statutenwechsel in umgekehrter Richtung – also z. B. von Deutschland nach Frankreich, nachdem die Sache zuvor von Frankreich nicht Deutschland verbracht worden war – zu Anerkennungsproblemen des nunmehr umgewandelten Rechtsinstituts führen kann.876 2. Weiterexistenz mit unterschiedlichen Auffassungen über die Wirkungen Die anderen in diesem Zusammenhang vertretenen Theorien erkennen allesamt die Weiterexistenz des ausländischen Rechtsinstituts nach dem Grenzübertritt in seiner originalen Gestalt an, sind jedoch hinsichtlich der Behandlung der Wir­ kungen dieses Rechtsinstituts im Inland nicht identisch. a) Vollständige Transposition Mit der vollständigen Transposition ist gemeint, dass das im Ausland begründete Sachenrechtsinstitut seine Gestalt, die es dort erhalten hat, behält. Das neue Sa­ chenrecht ist damit nur auf die Wirkungen, die dieses Institut im Inland entfalten kann, anwendbar. Effektiv wird es damit wie das wesensmäßig entsprechende inländische Rechtsinstitut behandelt, also z. B. ein französisches Registerpfand­ recht wie deutsches Sicherungseigentum. Dass damit dem ausländischen Institut eine weitergehende Wirkung zugesprochen wird, wird akzeptiert.877 Da diese Theorie auf einer undifferenzierten, pauschalierten Lösung beruht, werden ihr gewisse Vorteile in der Rechtsanwendung und der Berücksichtigung der Interessen Dritter zugesprochen.878 Allerdings werden durch die pauschale Anwendung des inländischen Sachenrechts auf die Wirkungen des Instituts die an sich auf das Rechtsinstitut abgestimmten Wirkungen verworfen, was auch eine recht radikale Lösung darstellt und gerade in Verbindung mit den Unions­ grundfreiheiten wie der Warenverkehrsfreiheit als unverhältnismäßig eingestuft werden kann.879

875 

Wendehorst in: MüKoBGB, Art.  43 EGBGB, Rdn.  147. Wendehorst in: MüKoBGB, Art.  43 EGBGB, Rdn.  147 m. w. N.: Wendehorst nennt das Beispiel der Umwandlung eines französischen Registerpfandrechts in deutsches Sicherungs­ eigentum. Da letzteres anders als das Registerpfandrecht publizitätslos ist, wäre hiernach eine Anerkennung des ursprünglich in Frankreich begründeten Rechts ausgeschlossen. 877  Kropholler, IPR, §  54 III 1b; Wendehorst in: MüKoBGB, Art.  43 EGBGB, Rdn.  148. 878  Wendehorst in: MüKoBGB, Art.  43 EGBGB, Rdn.  149. 879  Wendehorst in: MüKoBGB, Art.  43 EGBGB, Rdn.  149. 876 

1. Kapitel: Die vorrang- und inhaltskoordinative Seite im IPR

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b) Selektive Transposition Im Unterschied zur vollständigen Transposition führt die selektive Transposition nicht zu einer pauschalierten Behandlung des ausländischen Rechtsinstituts hin­ sichtlich seiner Wirkungen wie das wesensmäßig verwandte inländische Recht. Vielmehr wird unterschieden nach der Funktion des ausländischem Rechtsinsti­ tuts, und abhängig von dieser Funktion werden die jeweils diese Funktion bedie­ nenden Normen angewendet; d. h. ein französisches Registerpfandrecht kann in Bezug auf seine Funktion als Sicherungsinstrument wie Sicherungseigentum, hinsichtlich eines möglichen gutgläubigen Erwerbs wie ein beschränkt dingli­ ches Recht behandelt werden.880 c) Hinnahme- bzw. Anerkennungstheorie Ähnlich wie die Theorie von der selektiven Transposition erkennen die Hinnah­ me- bzw. Anerkennungstheorie das ausländische Rechtsinstitut in seiner ur­ sprünglichen Gestalt an und beziehen sich ebenfalls auf die mit einem Rechtsin­ stitut verbundenen Funktionen, wahren jedoch noch mehr den Bezug zum aus­ ländischen Sachenrecht. Anders als die selektive Transposition gehen sie dabei von den Mechanismen des ausländischen Rechts aus und übertragen diese ins inländische Recht, indem sie zu diesen Mechanismen das funktionale Äquivalent bestimmen.881 Es wird also bei einem französischen Registerpfandrecht, das als Sicherungsinstrument fungiert, nicht schlicht der deutsche Mechanismus zum Sicherungseigentum angewendet; vielmehr wird erst der Mechanismus, der die Sicherungswirkung des Registerpfandrechts im französischen Recht gewährleis­ tet, und dann dessen inländische wesensmäßige Entsprechung angewendet.882 Diese Lösung ermöglicht die größtmögliche Nähe zwischen der Behandlung des Rechtsinstituts im Herkunftsland und seiner Behandlung im Inland.883 II. Anpassung ausländischer dinglicher Rechte im Unionsrecht 1. Die Regelungen in Art.  31 EuErbVO, Art.  29 EuGüterVO und Art.  29 EuPartVO Die Anerkennung ausländischer dinglicher Rechte ist im autonomen deutschen IPR bislang weder für das Erb- noch das Güterrecht gesondert geregelt. Das hat sich nunmehr geändert durch Art.  31 EuErbVO sowie Art.  29 EuGüterVO und Art.  29 EuPartVO, die jeweils eine Regelung zur Anpassung dinglicher Rechte enthalten. 880  Wendehorst in: MüKoBGB, Art.  43 EGBGB, Rdn.  150. Siehe auch zur US-amerikani­ schen mortgage Rakob, Mobiliarsicherungsrechte, S.  29 f. 881  v. Hoffmann/Thorn, §  12, Rdn.  31 f. 882  Wendehorst in: MüKoBGB, Art.  43 EGBGB, Rdn.  152. 883  Wendehorst in: MüKoBGB, Art.  43 EGBGB, Rdn.  153.

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1. Teil – 3.  Abschnitt: Anwendbares Recht, statutsfremde Normen

Die Wortlaute sind rechtsgebietsübergreifend die gleichen: Wenn eine Person ein Recht geltend macht, das ihr nach dem Erb- bzw. Güterstatut zusteht, und das Recht des Mitgliedstaats, in dem das Recht geltend gemacht wird, das betreffende ding­ liche Recht nicht kennt, so ist dieses Recht soweit erforderlich und möglich an das in der Rechtsordnung dieses Mitgliedstaats am ehesten vergleichbare Recht anzu­ passen, wobei die mit dem besagten dinglichen Recht verfolgten Ziele und Interes­ sen und die mit ihm verbundenen Wirkungen zu berücksichtigen sind. Bei Art.  31 EuErbVO ist jedoch die Bedeutung dieser Vorschrift angesichts des Ausschlusses der Anwendung der EuErbVO auf die Art der dinglichen Rech­ te (Art.  1 Abs.  2 lit.  k EuErbVO) strittig. Nach einer Ansicht hat Art.  31 EuErbVO nur geringe Bedeutung, da es nur wenige Fälle gebe, in denen ein nach Erbstatut entstandenes dingliches Recht der lex rei sitae unbekannt sei.884 Nach anderer Ansicht betrifft der Ausschlussgrund dagegen auch dem Lageort unbekannte Er­ werbsgründe.885 Dies wird daraus abgeleitet, dass Art.  23 Abs.  2 lit.  e EuErbVO den Zuordnungsvorgang als Teil des Erbstatuts ausmacht und davon auszugehen sei, dass ein Wertungswiderspruch hier vermieden werden solle.886 Andernfalls sei das Ziel eines vollständigen Erbstatuts gefährdet.887 Damit sind jedoch nicht Zuordnungsvorgänge gemeint, die im Erbstatut anders vollzogen werden als im allgemeinen Vermögensstatut.888 Das bedeutet, dass insbesondere Anpassungs­ probleme, die sich aus dem Konzept des Vermächtnisses ergeben, nicht von Art.  31 EuErbVO gelöst werden können.889 2. Die unionsrechtlichen Anpassungsnormen im Vergleich zu den bisherigen Ansätzen Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, welche Auswirkungen die Regelun­ gen im Unionsrecht auf die bisherige Diskussion von Anerkennungsansätzen hat. Trotz der in Erwägungsgrund Nr.  17 EuErbVO angesprochenen Möglichkeit der konzeptionellen Freiheit unterscheidet sich der Grundansatz der genannten Nor­ men von der Hinnahme- bzw. Anerkennungstheorie. Denn wohingegen nach der letzteren Technik das fremde Sachenrechtsinstitut in seinem Ursprungsbestand anerkannt wird, sind Art.  31 EuErbVO, Art.  29 EuGüterVO und Art.  29 EuPart­ VO tendenziell dahin zu verstehen, dass das Sachenrechtsinstitut seinen Ur­ sprungszustand gerade nicht beibehalten soll. Vielmehr lässt sich aus diesen Nor­ 884 

Palandt/Thorn, Art.  31 EuErbVO, Rdn.  2; J.P. Schmidt, ZEV 2014, 133, 137. Dörner, ZEV 2012, 505, 509. 886  Dutta in: MüKoBGB, Art.  1 EuErbVO, Rdn.  48; van Erp, EPLJ 2012, 187, 189. 887  Lechner, IPRax 2013, 497, 499. 888  Dutta in: MüKoBGB, Art.  31 EuErbVO, Rdn.  8. 889  Margonski, GPR 2013, 106, 109 m. Fn.  23; J. P. Schmidt, RabelsZ 77 (2013), 1, 19 ff., 22; ders., ZEV 2014, 133, 137; vgl. auch Palandt/Thorn, Art.  31 EuErbVO, Rdn.  2. 885 

1. Kapitel: Die vorrang- und inhaltskoordinative Seite im IPR

281

men herauslesen, dass das dingliche Recht auf seine Ziele und die mit ihm verbun­ denen Wirkungen hin untersucht werden soll, um diese dann bei der Suche nach einem funktionalen Äquivalent in der Zielrechtsordnung fruchtbar zu machen. Mit dieser Charakteristik gleicht diese Technik eher der selektiven Transpo­si­ tion. In Verbindung mit Erwägungsgrund Nr.  17 EuErbVO kann jedoch jedenfalls Art.  31 EuErbVO dahin ausgelegt werden, dass die Hinnahme- bzw. Anerken­ nungstheorie auch im Unionskollisionsrecht eine zulässige Behandlung der Kolli­ sion einer Rechtsordnung mit einem dieser fremden Sachenrechtsinstitut darstellt. Allerdings versteht sich die Vorschrift jedenfalls der EuErbVO ausweislich Erwägungsgrund Nr.  17 EuErbVO nicht als der Weisheit letzter Schluss. Viel­ mehr sollen andere Formen der Anpassung ebenfalls zulässig sein, auch wenn das in Art.  31 EuErbVO selbst so nicht zum Ausdruck kommt und sich erst aus der Gesamtschau mit eben jenem Erwägungsgrund Nr.  17 EuErbVO ergibt. Für EuGüterVO und EuPartVO fehlen entsprechende Erwägungsgründe; es ist je­ doch davon auszugehen, dass das in Erwägungsgrund Nr.  17 EuErbVO geäußer­ te Prinzip als allgemeiner Grundsatz im EU-Kollisionsrecht verstanden werden kann, das auf die anderen Verordnungen übertragbar ist.

C. Koordinationszweck Bei ausländischen Rechtsinstituten ist dem Problem Rechnung zu tragen, dass sie ihre Entstehung und ihre Existenz einer bestimmten Rechtsordnung verdanken, die in anderen Staaten nicht gilt. Die ausländischen Rechtsinstitute sollen aller­ dings, wenn irgend möglich, weiter gelten, da sonst die Einhaltung der EU-Grund­ freiheiten auf dem Spiel steht.890 Dabei ist jedoch auch eine Abwägung der Ver­ kehrsinteressen der Staaten untereinander, deren Rechte miteinander kollidieren, erforderlich.891 Der Aufnahme und Behandlung von Rechtsinstituten dieser Rechtsordnung im Ausland müssen daher besondere Regelungen gewidmet sein.

D. Koordinationsakteure I. Legislative Koordinationsakteure können zunächst die nationalen Gesetzgeber sein, soweit sie eine Rechtsnorm vorsehen, mit der sie antizipiert Kollisionen der hier be­ schriebenen Art im Voraus regeln. Im deutschen Recht war dies bislang nicht der Fall; vielmehr entwickelt sich die Lösung im Rahmen einer rechtswissenschaft­ lichen Diskussion. 890  891 

Siehe bereits oben S.  278. Vgl. Rauscher, IPR, Rdn.  1579.

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1. Teil – 3.  Abschnitt: Anwendbares Recht, statutsfremde Normen

Gesetzgeberisch tätig geworden ist dagegen nunmehr der Unionsgesetzgeber im Rahmen von Art.  31 EuErbVO, Art.  29 EuGüterVO und Art.  29 EuPartVO. Allerdings hat er eine tendenziell offene Regelung gewählt. Er hat sich zwar für die Regelung einer bestimmten Technik entschieden, jedoch in Bezug auf die EuErbVO andere Lösungen nicht kategorisch ausgeschlossen. Damit stellt sich die Frage, inwieweit nationale Gesetzgeber noch tätig werden können. An sich wäre die gemäß Art.  4 Abs.  2 lit.  j AEUV i. V. m. Art.  81 AEUV zwischen den Mitgliedstaaten und der EU geteilte Zuständigkeit durch die Rege­ lung in Art.  31 EuErbVO ausgeübt, womit die Mitgliedstaaten an sich nicht mehr tätig werden könnten. Wenn man allerdings Erwägungsgrund Nr.  17 EuErbVO im Rahmen der Auslegung Art.  31 EuErbVO den Charakter einer offenen Regelung beimisst, die andere Lösungen neben sich duldet, ist eine Sichtweise nur konse­ quent, wonach die Mitgliedstaaten in Bezug auf die EuErbVO nationale Durch­ führungsregelungen vorsehen können, die eine anderen Ansatz ermöglichen. Dabei ist der Begriff der „Anpassung“ allerdings nicht so eng zu verstehen, dass nur das unbekannte dingliche Recht verformt werden kann und die Ziel­ rechtsordnung nicht. Erwägungsgrund Nr.  17 EuErbVO ist vielmehr so zu lesen, dass eine Anpassung von dinglichem Recht und Zielrechtsordnung zueinander in verschiedenen Formen möglich sein soll. Denn weil Art.  31 EuErbVO hinsicht­ lich der Durchführung der Anpassung selbst recht weit formuliert ist, bliebe an­ dernfalls kein Raum für weitere Lösungen außerhalb von Art.  31 EuErbVO. II. Judikative Den Gerichten obliegt in jedem Fall die Anwendung der Anerkennungs- oder Anpassungsgrundsätze, seien sie geregelt oder lediglich in der Rechtswissen­ schaft anerkannt. Bei den unionsrechtlich geregelten Mechanismen bedeutet dies die Auslegung der Normen und die Analyse der im Einzelfall in Rede stehenden Rechtsinstitute anhand des in den unionsrechtlichen Normen enthaltenen Prü­ fungsprogramms. Diese unionsrechtlichen Kollisionsnormen stehen im Prinzip auch dem Vor­ abentscheidungsverfahren nach Art.  267 AEUV offen. Über Auslegungsfragen in Bezug auf die autonomen Bestandteile der Normen hinaus werden zulässige Vor­ lagefragen jedoch schwerlich zu stellen sein. Insbesondere wird eine Hilfestel­ lung des EuGH bei einer konkreten Kollision von dinglichem Recht und Ziel­ rechtsordnung davon abhängen, ob es gelingt, das Rechtsproblem hinreichend zu abstrahieren. Denn auch für Art.  31 EuErbVO etc. gilt, dass der konkrete Kon­ flikt selbst – da er die Anwendung nationalen Rechts betrifft und damit nicht mehr unter Art.  267 AEUV fällt – nicht Gegenstand einer Vorlagefrage sein kann.

2.  Kapitel

Die vorrang- und inhaltskoordinative Seite im IZVR Wie im IPR ist der ordre public auch im IZVR bei der Anerkennung und Vollstre­ ckung einer ausländischen Entscheidung bedeutsam. Im IZVR weist er den Rechtsgrundsätzen des Anerkennungs- und Vollstreckungsstaates Vorrang gegen­ über denjenigen des Urteilsstaates in der Form zu, wie sie im Rahmen der Ein­ zelfallentscheidung angewandt wurden (dazu §  1). Darüber hinaus enthält das IZVR trotz des lex fori-Prinzips inhaltskoordinative Brücken, über die ausländi­ sches Verfahrensrecht in inländische Verfahren Einzug erhalten kann (dazu §  2).

§  1 Koordination nationaler Grundsätze des Anerkennungsbzw. Vollstreckungsstaates mit dem anzuerkennenden bzw. zu vollstreckenden Urteil mittels ordre public A. Koordinationsgegenstände Zu den Koordinationsgegenständen gehören gemäß Art.  36 Brüssel Ia-VO und den verwandten Normen der übrigen EU-Verordnungen zunächst ausländische Entscheidungen, die den Rechtsstreit beenden und in denen den Parteien die Ge­ legenheit zu rechtlichem Gehör gegeben wurde, also insbesondere Urteile und Beschlüsse, wobei die Bezeichnung im Ergebnis irrelevant ist.892 Eine wichtige Ausnahme ist die Nicht-Anerkennung einer ausländischen Exe­ quaturentscheidung. Diese Bezeichnung ist jedoch insofern ungenau, als nicht die gesamte Entscheidung Anerkennung findet, sondern nur bestimmte Wirkun­ gen, die von ihr ausgehen: die materielle Rechtskraft, ggf. die Präklusionswir­ kung, bei Gestaltungsurteilen die Gestaltungswirkung sowie ggf. die Streitver­ kündungs- und Interventionswirkung, soweit sie nach dem Recht des Urteilsstaa­ tes im Anerkennungsstaat vergleichbar ist.893 Koordinationsgegenstand aus inländischer Sicht sind die nationalen Grund­ sätze des Rechts des Urteilsstaates, insbesondere der Schutz der Grundrechte.894 892 

Schack, IZVR, Rdn.  900. Hierzu ausführlich Geimer, IZVR, Rdn.  2801–2823; Schack, IZVR, Rdn.  866–875. 894  Kropholler/v. Hein, Art.  34 EuGVVO, Rdn.  8. 893 

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1. Teil – 3.  Abschnitt: Anwendbares Recht, statutsfremde Normen

Europäische Grundsätze sind Bestandteil des nationalen ordre public, etwa Grundrechte der EMRK oder EU-Grundfreiheiten.895 In beiden Fällen wird zwischen verfahrensrechtlichem und materiell-rechtli­ chem ordre public unterschieden.896 Der verfahrensrechtliche ordre public betrifft Verstöße gegen wesentliche Grundsätze des nationalen Verfahrensrechts, soweit nicht bereits die spezielleren Versagungsgründe eingreifen wie z. B. Art.  45 Abs.  1 lit.  b Brüssel Ia-VO bzgl. des nicht rechtzeitigen Zuleitens des verfahrenseinlei­ tenden Schriftstücks oder eines vergleichbaren Schriftstücks oder Art.  45 Abs.  1 lit.  c, d Brüssel Ia-VO bzgl. der Unvereinbarkeit der anzuerkennenden Entschei­ dung mit einer im Anerkennungsstaat ergangenen Entscheidung zwischen den­ selben Parteien bzw. Unvereinbarkeit der anzuerkennenden Entscheidung mit einer in einem dritten Staat ergangenen, im Anerkennungsstaat anerkennungs­ fähigen Entscheidung.897 Der materiell-rechtliche ordre public betrifft demgegen­ über wesentliche Grundsätze des Kollisions- und des Sachrechts.898

B. Funktionsweise I. Ursprüngliche Funktionsweise Die Anerkennung einer ausländischen Entscheidung wird aufgrund des ordre p­ ublic versagt, wenn es sich um eine „offensichtliche Verletzung einer in der Rechtsordnung des Vollstreckungsstaats als wesentlich geltenden Rechtsnorm oder eines dort als grundlegend anerkannten Rechts handelt“899. Hinsichtlich der Versagung ist die Rechtsfolge im Anerkennungsrecht klarer als im IPR, was aber auch dadurch begünstigt ist, dass es anders als im IPR im IZVR keine Folge­ fragen bzgl. Lückenschließung gibt. Das IZVR kann sich also mit der Versagung begnügen; das nicht anerkannte Urteil entfaltet demnach im Versagungsstaat ­keine Wirkungen. Liegt ein Anerkennungshindernis nach Art.  45 Abs.  1 lit.  a Brüssel Ia-VO vor, folgt zugleich gemäß Art.  46 Brüssel Ia-VO ein Vollstre­ ckungshindernis. Demselben System folgen meistens auch die neueren Kollisi­ ons- und Verfahrensverordnungen im Erbrecht und im Güterrecht.900 895 

Kropholler/v. Hein, Art.  34 EuGVVO, Rdn.  8 f. Siehe nur Gottwald in: MüKoZPO, Art.  45 Brüssel Ia-VO, Rdn.  14, 16. 897  Kropholler/v. Hein, Art.  34 EuGVVO, Rdn.  12. 898  Kropholler/v. Hein, Art.  34 EuGVVO, Rdn.  12. 899  EuGH, Urt. v. 28.3.2000, C-7/98, Krombach, Slg. 2000, I-1935, Rdn.  37; EuGH, Urt. v. 2.4.2009, C-394/07, Gambazzi, Slg. 2009, I-2563, Rdn.  27; EuGH, Urt. v. 28.4.2009, C-420/07, Apostolides/Orams, Slg. 2009, I-3571, Rdn.  59. Siehe auch Kropholler/v. Hein, Art.  34 EuGVVO, Rdn.  7. 900  Art.  52 EuErbVO; Art.  34 EuUnthVO bzgl. Entscheidungen aus EU-Mitgliedstaaten, die nicht durch das HUP 2007 gebunden sind; Art.  51 EuGüterVO; Art.  51 EuPartVO. 896 

2. Kapitel: Die vorrang- und inhaltskoordinative Seite im IZVR

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Der Inhalt des ordre public ist – wie bereits angedeutet – ebenfalls ein anderer als im IPR. Man spricht im Zusammenhang des ordre public im Anerkennungs­ recht von einer „geringeren Angriffsintensität“ bzw. dem ordre public atténué de la reconnaissance.901 Bei der Entscheidung darüber, ob eine Entscheidung aner­ kannt werden kann, prüft die entscheidende Stelle nicht, wie sie entschieden hät­ te, wenn sie anstelle des ausländischen Richters nach inländischem Recht ent­ schieden hätte; ein deutscher Richter überprüft eine Entscheidung aus den Nie­ derlanden nicht darauf, ob er die Entscheidung nach deutschem Recht so getroffen hätte. Vielmehr darf der Richter nur prüfen, ob das Ergebnis, das aufgrund der Anwendung ausländischen Rechts ermittelt wurde, mit den elementaren Wert­ vorstellungen des inländischen Rechts vereinbar ist.902 II. Weiterentwickelte Funktionsweise: Ausschluss der Prüfung von Anerkennungs- und Vollstreckungshindernissen Dieses Grundsystem wird im IZVR jedoch nicht mehr für alle Bereiche durchge­ halten. Anerkennungshindernisse sind in der EuMVVO, der EuVTVO sowie in der EuUnthVO, sofern durch das HUP 2007 gebundene Mitgliedstaaten betrof­ fen sind,903 nicht mehr vorgesehen. Dennoch gibt es auch hier vereinzelt Schutz­ mechanismen zugunsten der Partei, gegen welche die Entscheidung gerichtet ist. Art.  19 EuUnthVO sieht das Recht auf Nachprüfung im Urteilsmitgliedstaat vor. Art.  16 EuMVVO ermöglicht den Einspruch gegen den Europäischen Zahlungs­ befehl. Gegen den Europäischen Vollstreckungstitel nach EuVTVO gibt es hin­ gegen keine vergleichbaren gesonderten Nachprüfungsmöglichkeiten, da es hier keine Anerkennungsphase gibt; der Europäische Vollstreckungstitel soll gerade seiner Natur nach keiner Anerkennung in anderen Mitgliedstaaten bedürfen.904 Dagegen sehen diese Verordnungen weiterhin Vollstreckungshindernisse vor, auch wenn diese gegenüber den ursprünglichen Vollstreckungshindernissen ab­ geschwächt sind. So umfassen etwa die Vollstreckungshindernisse in der EuVT­ VO nur die Hindernisse aufgrund bereits ergangener Entscheidungen zwischen den Parteien wegen desselben Streitgegenstands (Art.  21 Abs.  1 lit.  a–c EuVT­ VO), nicht jedoch wegen Verstoßes gegen den ordre public des Vollstreckungs­ staates. Das gleiche gilt in der EuMVVO, die ebenfalls lediglich verfahrenstech­ nische Vollstreckungshindernisse vorsieht, nicht jedoch den ordre public. 901 

Geimer in: Geimer/Schütze, Art.  34 EuGVVO, Rdn.  19 m. w. N. BGH, Urt. v. 21.4.1998 − XI ZR 377/97, IPRax 1999, 466 ff.; Geimer in: Geimer/Schütze, Art.  34 EuGVVO, Rdn.  21. 903  Im Gegensatz zu Mitgliedstaaten, die durch das HP 2007 nicht gebunden sind; siehe hierzu Abschnitt 2 von Kapitel IV der EuUnthVO. 904  Vgl. Rauscher, IPR, Rdn.  2490 ff. 902 

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1. Teil – 3.  Abschnitt: Anwendbares Recht, statutsfremde Normen

Einen weiteren Schritt zurück geht Art.  21 Abs.  1 EuUnthVO: Im Falle der Bindung von Mitgliedstaaten an das HUP 2007 bestimmen sich Vollstreckungs­ hindernisse nach dem Recht des Vollstreckungsmitgliedstaates; unionsrechtlich einheitlich festgelegte Versagungsgründe gibt es hier überhaupt nicht. Im Unter­ schied zu den übrigen Verordnungen unterscheidet die EuUnthVO ferner hin­ sichtlich des Ausschlusses des Exequaturs danach, ob ein Mitgliedstaat Vertrags­ staat des HUP 2007 ist, auf dessen Kollisionsnormen Art.  15 EuUnthVO für das anwendbare Recht verweist, oder nicht. Für nicht gebundene Mitgliedstaaten ist weiterhin das System vorgesehen, wie es auch schon in EuGVÜ und Brüssel I-VO bekannt war.

C. Koordinationszweck Der Zweck der Koordination der ausländischen Entscheidung mit inländischen Grundsätzen besteht darin, für die Rechtsordnung im Anerkennungsstaat uner­ trägliche Ergebnisse zu verhindern.905 Diese Notfallfunktion ist im IPR-Pendant wertvoll, da nicht zuletzt das vereinheitlichte Kollisionsrecht aus lois uniformes besteht und damit eine Verweisung auch auf Staaten außerhalb der EU möglich ist. Dagegen betreffen die Regeln zur Anerkennung lediglich Entscheidungen aus EU-Mitgliedstaaten. Es kommen daher Zweifel auf, ob die ordre public-Kon­ trolle nicht doch weiterhin vorgenommen werden sollte.906 Insbesondere der in diesem Zusammenhang angeführte gegenseitige Vertrauensvorschuss, den EU-­ Mitgliedstaaten in Bezug auf ihre Rechtssysteme erhalten sollten,907 sowie die „Reduzierung des Zeit- und Kostenaufwands“908 führen mehr und mehr dazu, dass über die grundsätzliche Abschaffung des Exequaturverfahrens nachgedacht wird und sie bereits in einige Verordnungen Einzug erlangt hat.909

D. Koordinationsakteure I. Legislative An der Koordination beteiligt sind der europäische Gesetzgeber, der für die An­ erkennungshindernisse auf europäischer Ebene verantwortlich zeichnet, sowie die nationalen Gesetzgeber, die dasselbe auf nationaler Ebene tun. Mit der Schaf­ fung dieser Normen setzen sie die Voraussetzungen für die Versagung der Aner­ 905 

Siehe nur Martiny in: MüKoBGB, Art.  21 Rom  I-VO, Rdn.  1. Kropholler/v. Hein, Einleitung zur EuGVVO, Rdn.  36. 907  Erwägungsgrund Nr.  26 S.  1 Brüssel Ia-VO. 908  Erwägungsgrund Nr.  26 S.  2 Brüssel Ia-VO; siehe auch Schack, IZVR, Rdn.  1059a. 909  Vgl. dazu oben S.  285. 906 

2. Kapitel: Die vorrang- und inhaltskoordinative Seite im IZVR

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kennung und damit auch der Vollstreckbarerklärung von Entscheidungen in an­ deren Mitgliedstaaten bzw. – im Falle des nationalen Gesetzgebers – im Inland. Hinzu kommt die Herausbildung des nationalen ordre public, der zum einem durch den nationalen Gesetzgeber z. B. mit der Verfassung geschaffen worden, zum anderen aber auch vom europäischen Gesetzgeber z. B. über die europäi­ schen Verträge beeinflusst wird.910 II. Judikative Die Judikative ist in Person der nationalen Gerichte an der Koordination beteiligt und bestimmt in diesen Verfahren, ob ein nationaler Grundsatz oder eine natio­ nale Norm an sich zum nationalen ordre public gehört – sowohl im Rahmen von Anerkennungsfeststellungsverfahren911 als auch im Wege der Inzidentanerken­ nung.912 Das Anerkennungsfeststellungsverfahren ist ein Verfahren, bei dem die Frage, ob eine Entscheidung anzuerkennen ist, als solche den Gegenstand eines Streites bildet. Parteien können ein Interesse an einem solchen Verfahren haben, wenn die Entscheidung nicht der Vollstreckbarkeit offen ist, wie das etwa bei Gestaltungs- und Feststellungsurteilen der Fall ist.913 Das Verfahren kann jedoch nur von derjenigen Partei angestoßen werden, welche die Anerkennung der Ent­ scheidung verfolgt und muss darauf gerichtet sein, dass Versagungsgründe nicht gegeben sind. Einen Unterschied hierzu in der Formulierung, nicht aber im Inhalt enthielt dagegen noch Art.  33 Abs.  2 Brüssel I-VO, wonach ein Antrag auf posi­ tive Feststellung erforderlich war,914 ein negativer Feststellungsantrag durch die Partei, die an der Anerkennung nicht interessiert war, also ausschied.915 Gemäß Art.  36 Abs.  1 Brüssel Ia-VO ist grundsätzlich ein eigenes Anerken­ nungsverfahren nicht erforderlich. In diesem Fall erfolgt die Anerkennung inzi­ dent im Rahmen einer behördlichen Prüfung.916 Da für die Anwendung der An­ erkennungsversagungsgründe nicht nach behördlichem und gerichtlichem Aner­ kennungsverfahren unterschieden wird, sind die unionsrechtlichen Vorschriften 910 

Vgl. Martiny in: MüKoBGB, Art.  21 Rom  I-VO, Rdn.  3. Brüssel Ia-VO; Art.  39 Abs.  2 EuErbVO, Art.  36 Abs.  2 EuPartVO; Art.  36 EuGüterVO; Art.  23 Abs.  2 EuUnthVO für Entscheidungen aus einem nicht durch das HUP 2007 gebundenen EU-Mitgliedstaat. 912  Art.  36 Abs.  3 Brüssel Ia-VO; Art.  39 Abs.  3 EuErbVO; Art.  36 Abs.  3 EuPartVO; Art.  36 Abs.  3 EuGüterVO; Art.  23 Abs.  2 EuUnthVO für Entscheidungen aus einem nicht durch das HUP 2007 gebundenen EU-Mitgliedstaat. 913  Leible in: Rauscher, EuZPR/EuIPR, Art.  36 Brüssel Ia-VO, Rdn.  15 und bereits zur Brüssel I-VO Kropholler/v. Hein, Art.  33 EuGVVO, Rdn.  2. 914  Leible in: Rauscher, EuZPR/EuIPR, Art.  36 Brüssel Ia-VO, Rdn.  15. 915  Kropholler/v. Hein, Art.  33 EuGVVO, Rdn.  7. 916  Schack, IZVR, Rdn.  971. 911  Art.  36 Abs.  2

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1. Teil – 3.  Abschnitt: Anwendbares Recht, statutsfremde Normen

so zu interpretieren, dass auch diejenige Behörde, welche die Anerkennung inzi­ dent prüft, diese versagen kann. Angesichts der Bedeutung dieser Anerkennungs­ form als Grundsatz917 kommt der Exekutive bei der Anwendung der Versagungs­ gründe eine entsprechend große Bedeutung zu. Die Inzidentanerkennung durch ein Gericht erfolgt, sofern die Anerkennung in einem gerichtlichen Verfahren von der Anerkennung des ausländischen Urteils maßgeblich ist. Der EuGH hat ferner die Auslegungshoheit über den ordre public als Anerken­ nungshindernis auf unionsrechtlicher Ebene. Damit hat er darüber zu entschei­ den, ob eine bestimmte Art von Grundsatz unionsrechtliches Anerkennungshin­ dernis für eine Entscheidung eines Mitgliedstaates sein kann.

§  2 Anwendung ausländischen Verfahrensrechts in inländischen Gerichtsverfahren Bei inländischen Verfahren wird grundsätzlich die lex fori angewendet (dazu A.). Jedoch gibt es Ausnahmen von dieser Regel, welche der Inhaltskoordination zu­ zuordnen sind (dazu B. und C.).

A. Zum Grundsatz der Anwendung der lex fori im Verfahrensrecht Die Geltung des lex fori-Prinzips und seine Anwendbarkeit in Gerichtsprozessen beruht auf verschiedenen Erwägungen.918 Als gewichtiges Argument wird zum einen der öffentlich-rechtliche Charakter des Verfahrensrechts ins Feld geführt; da das Verfahrensrecht Ausdruck der Ausübung hoheitlicher Gewalt des Staates sei, dürfe ausländisches Verfahrensrecht nicht gelten, da diese hoheitliche Gewalt sonst durch die hoheitliche Gewalt eines anderen Staates unterminiert würde.919 Zum anderen werden Gründe der Verfahrenseffizienz angeführt. Es sei für die Richter einfacher, ihr eigenes Verfahrensrecht anzuwenden, in das sie sich nicht zusätzlich einarbeiten müssten. Dadurch werde das Gerichtsverfahren verein­ facht und zügiger abgewickelt.920 Auch wenn es der Verwirklichung des materi­ ellen Rechts diene, sei die Abschottung von Verfahren gegen ausländisches Ver­ fahrensrecht unschädlich, da Verfahrensrecht abstrakt und daher auf jegliches materielle Recht gleichermaßen anwendbar sei.921 917 

Kropholler/v. Hein, Art.  33 EuGVVO, Rdn.  1. hierzu Coester-Waltjen, Internationales Beweisrecht, Rdn.  102–144; siehe auch Schack, IZVR, Rdn.  44–50. 919  Vgl. Neumeyer, RabelsZ 43 (1979), 225, 228; a. A. Geimer, IZPR, Rdn.  321. 920  Kropholler, IPR, §  56 IV 5. 921  Leipold, Lex fori, Souveränität, Discovery, S.  28 f. 918  Ausführlich

2. Kapitel: Die vorrang- und inhaltskoordinative Seite im IZVR

289

Wenngleich, auf diesen Gründen beruhend, das lex fori-Prinzip weit verbreitet als gültig angesehen wird – sei es aufgrund gesetzlicher Regelungen,922 sei es aufgrund einfacher Akzeptanz gleichsam gewohnheitsrechtlich–,923 sind diese Gründe zu hinterfragen.924 Hinsichtlich des Effizienzargumentes ist zwar richtig, dass die Anwendung ausländischen Verfahrensrechts für Richter umständlich er­ scheinen mag. Das gleiche Argument ließe sich jedoch auch gegen die Anwen­ dung ausländischen materiellen Rechts anführen, das den Richtern in den meis­ ten Fällen ebenfalls unbekannt sein dürfte und dessen Kenntniserlangung ebenso langwierig sein kann. In Verbindung mit der Anwendung ausländischen materi­ ellen Rechts ist dieses Argument heute undenkbar, die Anwendung ausländi­ schen Rechts wird selbstverständlich durchgeführt. Ob also solche Praktikabili­ tätserwägungen gegen die Anwendung ausländischen Verfahrensrechts angeführt werden können, ist durchaus zweifelhaft. Auch die Hoheitsfunktion des IZVR kann so nicht vollumfänglich durchge­ halten werden. Für bestimmte Bereiche wie die Zwangsvollstreckung oder das Insolvenzrecht trifft sie zu, wohingegen andere Regeln des Verfahrensrechts dazu da sind, materielles Recht durchzusetzen und ihnen die hoheitliche Funk­ tion daher nicht zugesprochen werden kann.925 Im Ergebnis sind die Argumente, die für das Prinzip der Anwendung des Ver­ fahrensrechts der lex fori streiten, nur teilweise zutreffend. Die im materiellen Recht gezeigte Offenheit kann also in angemessenem Umfang auch auf den Be­ reich des Verfahrensrechts übertragen werden.926

B. Inhaltskoordination bei Heranziehung ausländischen Verfahrensrechts im Rahmen der Beurteilung ausländischer Verfahrensakte I. Koordinationsgegenstände Wenn ausländische Verfahrensakte vom zuständigen inländischen Gericht nach ausländischem Verfahrensrecht beurteilt werden, wird die lex fori mit den Nor­ men, die bereits auf den ausländischen Verfahrensakt angewendet wurden, koor­ diniert. 922 

Siehe nur Art.  12 italienisches IPRG: „Legge regolatrice del processo: Il processo civile che si svolge in Italia è regolato dalla legge italiana“. 923  Vgl. Geimer, IZPR, Rdn.  320 ff; v. Hoffmann/Thorn, IPR, §  3, Rdn.  5 ff. 924  Coester-Waltjen, Internationales Beweisrecht, Rdn.  144; siehe auch Geimer, IZVR, Rdn.  331 mit Verweis u. a. auf Szászy, International Civil Procedure, 225. 925  Schack, IZVR, Rdn.  46. 926  Im Ergebnis ebenso Coester-Waltjen, Internationales Beweisrecht, Rdn.  144; Schack, IZVR, Rdn.  49.

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1. Teil – 3.  Abschnitt: Anwendbares Recht, statutsfremde Normen

II. Funktionsweise Die Beurteilung ausländischer Rechtsakte erfolgt nach ausländischem Recht. Trotz Prüfung der ausländischen Rechtsnormen handelt es sich dabei um keine Anwendung, da inländische Gerichte ausländische Rechtsakte nicht mehr geson­ dert prüfen und damit nicht die mit der ausländischen Vorschrift eigentlich ver­ bundenen Rechtsfolgen herbeigeführt werden.927 So bestimmt etwa §  98 Abs.  1 Nr.  4 FamFG die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte, wenn ein Ehe­ gatte seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland hat; andere ausländische Rechts­ ordnungen, zu denen die Staatsangehörigkeiten der vom Verfahren Betroffenen führen können, vermögen nur dann diese Zuständigkeit zu verhindern, wenn die zu erlassene Entscheidung ihnen offensichtlich widersprechen würde. Ausländi­ sches Recht bestimmt jedoch an sich nicht über die internationale Zuständig­ keit.928 III. Koordinationszweck Wie soeben erwähnt, stellt der dem lex fori-Prinzip generell zugrunde liegende Gedanke den Hintergrund dieser Koordinationsmethode dar, nämlich dass jedes Gericht grundsätzlich sein eigenes Recht anwenden sollte. Daher werden auslän­ dische Verfahrensakte ausländischer Gerichte auch nicht nochmals nach inländi­ schem Recht überprüft.929 Relevanz erlangt dies z. B. bei der Überprüfung der Rechtzeitigkeit der Zustellung des verfahrenseinleitenden Schriftstücks nach Art.  45 Abs.  1 lit.  b Brüssel Ia-VO. Da sich die Parteien während des Prozesses im Urteilsstaat nur mit diesem Verfahrensrecht auseinandersetzen, dient die spä­ tere Beurteilung der in diesem Verfahren ergangenen Akte nach dem Verfahrens­ recht dieses Staates der Vorhersehbarkeit für die Parteien.930 IV. Koordinationsakteure Koordinationsakteur ist zunächst die Legislative, die durch entsprechende Rege­ lungen im europäischen oder nationalen Zivilprozessrecht Öffnungen für die An­ wendung ausländischen Verfahrensrechts im Inland schafft. Die Koordinationsfunktion der Gerichte besteht in der Prüfung des ausländi­ schen Rechts, wobei sich der Umfang der Prüfung je nach Öffnungsregelung unterscheidet. In §  98 Abs.  1 Nr.  4 FamFG ist zu prüfen, ob die Entscheidung offensichtlich nach dem Recht keines der Staaten anerkannt würde, denen einer 927 

v. Bar, IPR I, §  5, Rdn.  81; Geimer, IZVR, Rdn.  329; Rixen, S.  36. Vgl. v. Bar, IPR I, §  5, Rdn.  81. 929  Geimer, IZVR, Rdn.  329; Rixen, S.  38. 930  Vgl. Geimer, IZVR, Rdn.  329 und 2914 ff. 928 

2. Kapitel: Die vorrang- und inhaltskoordinative Seite im IZVR

291

der Ehegatten angehört. Die Prüfung ist also auf eine Offensichtlichkeitskontrol­ le reduziert.931

C. Inhaltskoordination bei der Anwendung ausländischen Verfahrensrechts im Rahmen des materiellen Rechts I. Koordinationsgegenstände Zusätzlich zur Anwendung von Verfahrensrecht in seiner ursprünglichen Funkti­ on kommt es nicht selten vor, dass Normen des Verfahrensrechts im Wege der funktionellen Qualifikation932 zur Füllung materiell-rechtlicher Lücken herange­ zogen werden. Koordiniert werden hier das materielle Recht des einen Staates und das Verfahrensrecht eines anderen Staates. Dabei kommt es allerdings nicht zu der Koordination von zwei Rechtsordnungen im Ganzen. Vielmehr werden lediglich einzelne Vorschriften des ausländischen Verfahrensrechts zur Anwen­ dung berufen, weil sie nach den Maßstäben der lex fori aufgrund ihres Wesens die Funktion einer materiell-rechtlichen Vorschrift erfüllen können. Es handelt sich also um die Koordination der lex fori mit lediglich einzelnen Verfahrensvor­ schriften des Rechts, das aufgrund des IPR als lex causae berufen wurde. II. Funktionsweise Die Funktionsweise der funktionellen Qualifikation von ausländischem Verfah­ rensrecht kann am besten anhand des Tennessee-Wechsel-Falles933 dargestellt werden. In diesem Fall ging es um im US-Bundesstaat Tennessee ausgegebene Eigenwechsel, deren Verjährung unklar war. Wäre die Verjährungsfrist des deut­ schen Rechts als Wechselstatut anwendbar, wären die Wechsel verjährt. Die Ver­ jährungsfrist des Staates Tennessee war hingegen noch nicht abgelaufen. Das Reichsgericht kam zu der Auffassung, dass der Anspruch aus dem Wechsel nicht verjährt war, gleichzeitig aber offen bleiben konnte, ob die Verjährungsregel von Tennessee dem Wechselrecht oder dem Verfahrensrecht zuzuordnen war. Im ers­ ten Fall wäre die sechsjährige Verjährungsfrist noch nicht abgelaufen gewesen; im zweiten Fall wäre der Anspruch laut Reichsgericht unverjährbar. Die wissenschaftliche Aufarbeitung des Falles hat zu der Auffassung geführt, dass die Unverjährbarkeit einer Forderung kein akzeptables Ergebnis ist. Auch wenn es im angloamerikanischen Rechtskreis üblich ist, die Verjährung als Teil

931 

Siehe dazu Rauscher in: MüKoFamFG, §  98 FamFG, Rdn.  88 f. v. Hoffmann/Thorn, IPR, §  3, Rdn.  9 f. 933  RG, Urt. v. 4.1.18 – I 636/81, RGZ 7, 21 ff. 932 

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1. Teil – 3.  Abschnitt: Anwendbares Recht, statutsfremde Normen

des Prozessrechts zu sehen, hätte die Verjährungsregel von Tennessee funktional somit als Teil des Wechselrechts qualifiziert werden müssen.934 III. Koordinationszweck Zweck der Anwendung ausländischen Verfahrensrechts über die funktionelle Qualifikation ist die Schließung von Normwidersprüchen, welche durch die Ver­ schiedenheit von Rechtsordnungen und die damit einhergehende unterschiedli­ che Qualifikation – hier speziell von materiellem Recht und Verfahrensrecht – entstehen.935 Wie im Tennessee-Wechsel-Fall gesehen, würde bei rigider Befol­ gung der Qualifikation der Verjährung im Recht von Tennessee als zum Verfahrensrecht gehörig als Ergebnis die Unverjährbarkeit des Anspruchs aus dem Wechsel folgen. Dieses Ergebnis, das jedenfalls weder vom deutschen Recht noch dem Recht von Tennessee gewollt war, wird durch die Lösung von der ursprünglichen Einordnung im ausländischen Recht und durch Rückführung der Vorschrift auf ihre eigentliche Funktion vermieden. IV. Koordinationsakteure Diese Form der Koordination wird vom Gesetzgeber weder auf Unions- noch auf nationaler Ebene unterstützt. Man könnte sogar sagen, dass der Gesetzgeber erst die Konstellation herbeiführt, in der die praktische Rechtsanwendung dazu genö­ tigt wird, mit Hilfe der funktionalen Qualifikation wieder klare Verhältnisse zu schaffen. Andererseits kann die Legislative derartige Situationen nur schwerlich verhin­ dern, da sie je nach Regelungsebene zuallererst von ihrer eigenen Gesetzessyste­ matik ausgehen muss, nach der gemäß der lex fori-Qualifikation dann auch qua­ lifiziert wird936. Die eigentlichen Koordinationsakteure sind in diesem Fall also die Gerichte, insbesondere die nationalen Gerichte in ihrer Entscheidung über den Einzelfall. Es liegt in ihrer Verantwortung, die funktionale Bedeutung einer Norm des aus­ ländischen Rechts richtig zu verstehen, auch wenn die Norm nicht nach der Sys­ tematik der lex fori eingeordnet ist.

934  Siehe zum Ganzen Kegel/Schurig, IPR, §  2 II 3b (S.  141 f.), §  7 II 1 (S.  328 f.), §  7 III 3, b, cc, bbb (S.  351 f.). 935  Vgl. v. Hoffmann/Thorn, IPR, §  3, Rdn.  9 f. 936  Siehe nur Rauscher, IPR, Rdn.  469.

2.  Teil

Herleitung koordinativer Gestaltungsprinzipien aus der Lösung von Einzelproblemen Aus den in Teil 1 erläuterten Koordinationsmethoden ergeben sich diverse Prob­ leme. Im Folgenden werden einige solcher Probleme behandelt und Lösungen zu ihnen erarbeitet. Aus diesen Lösungen werden vier allgemeine Prinzipien abge­ leitet, mit denen Koordinationsprobleme generell verhindert werden können. Zu­ nächst sollte das kollisionsrechtliche Bestimmtheitsniveau von Regelungen und durch Regelungen erhöht werden (Abschnitt 1). Ferner sollte die legislative Dif­ ferenzierung optimiert sowie die Flexibilität bei der Normanwendung erhöht werden (Abschnitt 2). In Abschnitt 3 wird zudem dargelegt, wie eine geeignete Differenzierung bzw. die Erhöhung des kollisionsrechtlichen Bestimmtheits­ niveaus dazu verwendet werden kann, ein stringenteres Regelungssystem zu schaffen, so dass die mit einer Koordinationsmethode konkret verfolgten Rege­ lungsziele erreicht werden. In Abschnitt 4 wird schließlich thematisiert, wie die Regelungseffizienz optimiert werden kann.

1.  Abschnitt

Erhöhung des kollisionsrechtlichen Bestimmtheitsniveaus von Regelungen und durch Regelungen Einige Koordinationsprobleme im EuIPR und EuZPR beruhen zunächst darauf, dass Regelungen überhaupt nicht existieren (dazu Kapitel  1). Außerdem kann es in verschiedener Hinsicht vorkommen, dass existierende Regelungen nicht hin­ reichend deutlich gefasst sind. Dies kann im Verhältnis von völkervertraglichen und EU-Kollisionsrechtsakten vorkommen (dazu Kapitel  2) sowie bei der Koor­ dination von EU-Rechtsakten und Einheitsrecht (dazu Kapitel  3). Diese Proble­ me können durch die Erhöhung des kollisionsrechtlichen Bestimmtheitsniveaus gelöst werden.

1.  Kapitel

Erhöhung des Bestimmtheitsniveaus durch Regelungen am Beispiel von Normenwidersprüchen in IPR und IZVR1 Sowohl im IPR als auch im IZVR können Normwidersprüche entstehen. Der derzeitige Regelungsbestand enthält jedoch keine Regelungen, um derartige Ko­ ordinationsmängel zu beheben, obwohl sie auch nach der Modernisierung von EuIPR und EuZPR auftreten können; die Lösung muss daher durch die jeweils zur Entscheidung berufenen Gerichte allein erfolgen (dazu §  1). Daher ist ein Regelungskonzept zu entwerfen, mit dem dieser unbestimmten Rechtslage Ab­ hilfe geschaffen wird. Dieses Regelungskonzept sollte generell auf IPR- bzw. ­IZVR-Ebene gesucht werden und keinen sachrechtlichen Ansatz verfolgen (dazu §  2). Aus diesem allgemeinen Konzept ist für die Lösung der Normwidersprüche im IZVR die Anknüpfung an einen unionsrechtlich einheitlichen Wohnsitzbe­ 1 

Die Ausführungen in diesem Kapitel sind, soweit sie die Lösung von Normwidersprüchen im IPR betreffen, ebenfalls in der vom Autor am College of Europe/Collège d’Europe im Rahmen des dortigen LL.M.-Studiums angefertigten, unveröffentlichten Masterarbeit verwendet worden.

296 2. Teil – 1.  Abschnitt: Erhöhung des kollisionsrechtlichen Bestimmtheitsniveaus griff und subsidiär hierzu an den gewöhnlichen Aufenthalt vorzusehen (dazu §  3). Zur Lösung von Normwidersprüchen im IPR ist eine Anknüpfung an das­ jenige Statut vorzusehen, welches den Schwerpunkt des gesamten Rechtsver­ hältnisses ausmacht, subsidiär zu den bereits geregelten Anknüpfungsmomenten (dazu §  4).

§  1 Problemkonstellationen der Normwidersprüche in IPR und IZVR Zunächst sind die Konstellationen von Normwidersprüchen in IPR (dazu A.) und IZVR (dazu B.) zu erörtern.

A. Normwidersprüche im IPR I. Grundproblemkonstellation Das Problem von Normwidersprüchen soll zunächst an folgender Konstellation dargestellt werden:2 A (53 Jahre, Engländer) und seine Frau B (47 Jahre, Deutsche) mit gemeinsamem gewöhnli­ chen Aufenthalt in Deutschland befinden sich auf einer Urlaubsreise, als sie in einen Autounfall involviert werden, in dessen Verlauf beide sterben. Es kann nicht festgestellt werden, wer von ihnen zuerst gestorben ist. A und B haben weder Kinder noch sonst irgendwelche Verwandte. Jeder von ihnen hatte ein Testament erstellt, in dem die Ehegatten sich gegenseitig zu Erben bestimmt haben. Darüber hinaus erklärte A seinen besten Freund C zum Erben für den Fall, dass A seine Frau überleben sollte. Umgekehrt erklärte B ihre beste Freundin D zur Erbin für den Fall, dass B den A überleben sollte.

Die Lösung musste bis zur EuErbVO auf Ebene des nationalen Rechts gefunden werden. Im deutschen Kollisionsrecht fiel der Todeszeitpunkt bei Kommorien­ tenvermutungen bislang unter die Rechtsfähigkeit und war wegen Art.  7 EGBGB an die Staatsangehörigkeit anzuknüpfen. Auf den Beispielsfall angewandt, folgt daraus für den Todeszeitpunkt von A die Anwendung des englischen Rechts, nach dessen section 184 Law of Property Act 19253 angenommen wird, dass die jüngere Person die ältere überlebt hat und damit A vor B gestorben ist. Für B ist dagegen deutsches Recht anwendbar, nach dessen §  11 VerschG sie so behandelt wird, als seien B und A gleichzeitig verstorben. Die Todesreihenfolgen können 2 

Das Beispiel ist angelehnt an Kegel/Schurig, IPR, §  8 III 3. Siehe jedoch section 46(3) of the Administration of Estate’s Act 1925 in der Fassung von 1952 (geändert durch den Interstates‘ Estates Act 1952), wonach der Ehegatte des intestates so behandelt wird, als sei er vor dem intestate gestorben. 3 

1. Kapitel: Erhöhung des Bestimmtheitsniveaus durch Regelungen

297

jedoch nicht gleichzeitig richtig sein. Der Normwiderspruch bedeutet die Verfeh­ lung des mit selbstständigen Kollisionsnormen verfolgten Koordinationszwecks, da die berufenen Rechtsordnungen in der Kombination kein widerspruchsfreies Ergebnis produzieren. Der Fall ist nach neuer Rechtslage anders zu lösen und erscheint dabei in zweierlei Hinsicht weniger problematisch. Bezogen auf die Ausgangssituation ergibt sich nach der EuErbVO zunächst bei Ehepaaren mit demselben gewöhnli­ chen Aufenthalt kein Normwiderspruch mehr. Dazu kommt man allerdings nur, wenn man sich über die missverständliche Konstruktion des sachlichen Anwen­ dungsbereichs hinwegsetzt. Dabei darf man sich nicht zu sehr auf die „Todesver­ mutung“ in Art.  1 Abs.  2 lit.  c EuErbVO verlegen; vielmehr muss man die Kom­ morientenvermutung unionsrechtsautonom als Teil der Erbfähigkeit nach Art.  23 Abs.  2 lit.  c EuErbVO und Art.  23 Abs.  2 lit.  c EuErbVO insoweit als Konkreti­ sierung zu Art.  1 EuErbVO sehen.4 Auf dieser Grundlage erstreckt sich das über Art.  21 Abs.  1 EuErbVO ermittelte Erbstatut auch auf die Kommorienten­ vermutung, die damit für beide Verstorbene dieselbe ist, so dass sich kein Norm­ widerspruch ergeben kann. Die EuErbVO enthält zudem für den Fall eines weiterhin auftretenden Norm­ widerspruchs zwischen Todesvermutungen eine Lösung, wobei nunmehr Art.  32 EuErbVO im Mittelpunkt steht. Relevant wird dies, wenn die Ehegatten oder generell zwei Personen keinen gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalt haben. Art.  32 EuErbVO ist an Art.  13 HErbrechtsÜ orientiert und stellt keine Kolli­ sionsnorm im klassischen Sinn dar, sondern materielles Erbrecht.5 Anders als Art.  1 Abs.  2 lit.  c EuErbVO vermuten ließe, stellt Art.  32 EuErbVO ausdrücklich eine Regelung zum Todeszeitpunkt dar und ist insoweit als Einschränkung von Art.  1 Abs.  2 lit.  c EuErbVO zu sehen,6 auch wenn dies – anders als z. B. bei Art.  1 Abs.  2 lit.  b EuErbVO – keinen Niederschlag in Art.  1 EuErbVO selbst gefunden hat. Die Lösung besteht nun darin, dass bei unterschiedlicher Regelung der Rechtsnachfolge von Todes wegen durch verschiedene Erbstatute keine der ver­ storbenen Personen Anspruch auf den Nachlass des anderen hat. Diese Vorgehens­ weise dient gemäß Erwägungsgrund Nr.  55 EuErbVO der Sicherstellung einer einheitlichen Vorgehensweise. Unproblematisch ist sie jedoch keineswegs.7

4 

Dutta in: MüKoBGB, Art.  32 EuErbVO, Rdn.  7. Dutta in: MüKoBGB, Art.  32 EuErbVO, Rdn.  7. 6  Dutta in: MüKoBGB, Art.  32 EuErbVO, Rdn.  7. 7  Siehe dazu unten S.  340. 5 

298 2. Teil – 1.  Abschnitt: Erhöhung des kollisionsrechtlichen Bestimmtheitsniveaus II. Keine Verhinderung von Normwidersprüchen durch Kollisionsrechtsvereinheitlichung Neben diesem Fall gibt es weitere Formen von Normwidersprüchen, an denen zusätzlich zum Problem von Normwidersprüchen nachgewiesen werden kann, dass die neuerliche Vereinheitlichung des EU-Kollisionsrechts das Problem nicht vollständig aus der Welt schaffen konnte. Zugleich sollen diese Beispiele als Grundlage für die Entwicklung von Kriterien im Rahmen des Lösungsvorschlags dienen. 1. Das Verhältnis von Ehegüterrecht und Erbrecht am Beispiel des Ehegattenerbrechts Die erste Konstellation zeigt einen quantitativen Normenmangel: Ein österreichischer Erblasser wird von seiner Ehefrau und den beiden Kindern überlebt. Er­ blasser und Ehefrau hatten in Deutschland geheiratet und dort auch ihren ersten gewöhnlichen Aufenthalt.

Auf der Grundlage des deutschen Kollisionsrechts würde nach Art.  25 Abs.  1 EGBGB a. F. österreichisches Recht als Erbstatut und nach Art.  15 Abs.  1 i. V. m. Art.  14 Abs.  1 Nr.  2 EGBGB mangels gemeinsamer Staatsangehörigkeit der Ehe­ gatten das Recht ihres ersten gemeinsame Aufenthaltes nach Eheschließung, also deutsches Recht als Ehegüterstatut zur Anwendung kommen. Nach österreichi­ schem Recht erhält der überlebende Ehegatte nur über den güterrechtlichen Aus­ gleich nach §  757 Abs.  1 ABGB ein Drittel der Erbschaft, da der Fokus auf dem güterrechtlichen Ausgleich liegt. Im deutschen Recht erhält der überlebende Ehegatte dagegen sowohl einen erbrechtlichen Anteil – nach §  1931 Abs.  1 BGB neben den beiden Kindern als Erben erster Ordnung ein Viertel der Erbschaft – als auch nach §  1371 Abs.  1 BGB einen güterrechtlichen Ausgleich von einem Viertel, der auf den erbrechtlichen Teil aufgeschlagen wird. Für die Beispiels­ konstellation ergibt sich daraus, dass die Witwe nach deutschem Güterrecht ein Viertel der Erbschaft erhält, hingegen nichts nach österreichischem Erbstatut. Im Ergebnis erhält sie damit ein Viertel – weniger also als bei Anwendung jeweils nur einer der beiden Rechtsordnungen im Ganzen.8 Durch die Kollisionsrechtsvereinheitlichung im Erbrecht und die bevorstehen­ de Vereinheitlichung des Güterkollisionsrechts ist dieses Problem an sich gelöst: Art.  21 EuErbVO knüpft für das objektive Erbstatut an den letzten gewöhnlichen Aufenthalt des Erblassers an; die Anknüpfungsleiter in Art.  26 Abs.  1 EuGüter­ VO knüpft in erster Priorität an den ersten gemeinsamen gewöhnlichen Aufent­ halt des Ehepaares nach Eheschließung an (lit.  a), wodurch eine inhaltliche Ko­ 8 

Vgl. Rauscher, IPR, Rdn.  566; siehe dazu auch Paffhausen, BLJ 2014, 10–15.

1. Kapitel: Erhöhung des Bestimmtheitsniveaus durch Regelungen

299

ordination zwischen Erb- und Ehegüterstatut entsteht. Dieser Gleichlauf der ob­ jektiven Statute entfällt jedoch dann, wenn das Ehepaar seinen gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalt in einen anderen Staat verlegt. Denn die Verlegung verändert zwar nicht das objektive Ehegüterstatut, dagegen verändert sich das antizipierte Erbstatut. 2. Qualitativer Normwiderspruch zwischen Erb- und Sachenrecht am Beispiel von Vindikations- und Damnationslegat Zu einem Normwiderspruch in Form eines qualitativen Normenmangels kann es bei Vermächtnissen kommen. Im deutschen Recht kann der Erblasser Gegenstän­ de des Nachlasses einer Person vermachen, die nicht erbt. Nach §  2174 BGB erhält der Vermächtnisnehmer einen Anspruch auf Leistung des vermachten Ge­ genstandes, wohingegen der oder die Erben im Erbfall zunächst Inhaber der Rechtsposition an dem jeweiligen Gegenstand werden, die der Erblasser innehat­ te. Das deutsche Recht folgt also dem Konzept des Damnationslegats. Demgegenüber wird der Vermächtnisnehmer z. B. im italienischen Recht nach Art.  649 Codice civile durch den Erbfall Eigentümer des vermachten Objekts. Ein solches Vindikationslegat ist im italienischen Recht notwendig, da es keine Regeln für den Rechtstransfer hat.9 Dieser Unterschied wird zum Problem, wenn ein Recht, das dem Damnations­ legat folgt, als Erbstatut Anwendung findet und das dem Konzept des Vindika­ tionslegats folgende Recht als Sachstatut. Ein deutscher Erblasser mit letztem gewöhnlichem Aufenthalt in Deutschland könnte z. B. ein Gemälde einem Freund vermachen und das Gemälde sich am Urlaubsdomizil in Italien befinden. Nach deutschem Kollisionsrecht (Art.  25 Abs.  1 EGBGB a. F.) war deutsches Recht Erbstatut; daher wird der Vermächtnisnehmer nicht im Zeitpunkt des Erb­ falls Eigentümer. Das auf die Eigentumsübertragung anwendbare Sachstatut ist nach Art.  43 Abs.  1 EGBGB jedoch italienisches Recht als lex rei sitae des Ge­ mäldes. Wegen des Fehlens der notwendigen Vorschriften kann der Vermächtnis­ nehmer nicht Eigentümer werden.10 In der Rechtsprechung ist dazu vertreten worden, dass sich das Erbstatut ge­ genüber dem Sachenrechtsstatut und sich somit die dingliche Wirkung des Erbstatuts gegenüber dem inländischen Sachstatut durchsetzen würde.11 Dem­ 9  Kindler, Einführung in das italienische Recht, §  10, Rdn.  27; Koch/Magnus/Winkler von Mohrenfels4, IPR und Rechtsvergleichung, S.  105. Siehe auch ausführlich zum Vindikations­ legat Süß, RabelsZ 65 (2001) 245, 246 ff. 10  Koch/Magnus/Winkler von Mohrenfels4, IPR und Rechtsvergleichung, S.  105. 11  LG Münster, Beschl. v. 27.10.1988 – 5 T 1300/87, IPRspr. 1989, 354; OLG Köln, Beschl. v. 14.7.1982 – 2 Wx 10/82, NJW 1983, 525 f.; OLG Hamm, Beschl. v. 3.7.1989 – 15 W 576/­88, IPRspr. 1989, 355; vgl. Koch/Magnus/Winkler v. Mohrenfels, §  4, Lösung Fall 2, Rdn.  37.

300 2. Teil – 1.  Abschnitt: Erhöhung des kollisionsrechtlichen Bestimmtheitsniveaus gegenüber vertreten der BGH und weite Teile der Literatur den Vorrang des Sachstatuts vor dem Erbstatut.12 Der Hauptgrund wird darin gesehen, dass beim Eigentumserwerb das Publizitätsprinzip des deutschen Rechts nicht eingehalten sei.13 Der sich daraus ergebende Normwiderspruch sei auf materiell-rechtlicher Ebene so zu lösen, dass das Vindikationslegat in ein Damnationslegat umzuwan­ deln sei.14 Dass das Fehlen des Publizitätserfordernisses bereits ausreicht, um daraus zu schließen, dass das Vindikationslegat mit der deutschen Rechtsordnung wesens­ mäßig unvereinbar ist, darf bezweifelt werden. Der Publizitätsakt fehlt beim er­ brechtlichen Eigentumsübergang auch im deutschen Recht. Das sieht man nicht zuletzt daran, dass der deutsche Gesetzgeber in §  857 BGB eine Besitzfiktion schaffen musste, um den Erben mit §  935 Abs.  1 BGB vor dem Eigentumserwerb eines Dritten vom Nichtberechtigten schützen zu können.15 Die Notwendigkeit besteht gerade darin, dass sich die Universalsukzession nur auf Rechte und Rechtsverhältnisse bezieht und nicht den nur faktischen Besitzübergang herbei­ führen kann.16 Dieser Normwiderspruch wird auch unter der EuErbVO bestehen bleiben, da durch sie die Kollisionsrechtslage nur teilweise harmonisiert wird. Denn bei obi­ ger Fallkonstellation bleibt es nach Art.  21 EuErbVO aufgrund des letzten ge­ wöhnlichen Aufenthalts des Erblassers in Deutschland bei deutschem Recht als Erbstatut und wegen Art.  43 Abs.  1 EGBGB bei italienischem Sachstatut. 3. Normwiderspruch zwischen Vertrags- und Deliktsrecht am Beispiel der Anwendbarkeit der französischen non cumul-Regel Normwidersprüche können auch im Rahmen von koordinierten Kollisionsnor­ men vorkommen, wenn die Koordination punktuell durch völkervertragliches Kollisionsrecht, das eine vergleichbare Koordinationsnorm nicht enthält, blo­ ckiert wird. So ist es im Fall einer in Deutschland produzierten Maschine, die durch den Verkäufer aus Deutschland an einen Käufer aus Frankreich verkauft wird und der Käufer beim Gebrauch der Sache aufgrund eines Sachmangels ge­ schädigt wird. Vor Inkrafttreten von Rom  I- und Rom  II-VO hätte auf der Grund­ lage französischen Kollisionsrechts nach Art.  4 Abs.  2 EVÜ deutsches Recht als Recht des gewöhnlichen Aufenthalts des Verkäufers Anwendung gefunden. Da 12 

BGH, Urt. v. 28.9.1994 − IV ZR 95/93, IPRax 1996, 39, 40; Nishitani, IPRax 1998, 74, 76 f.; kritisch Hoffmann, IPR, § 9, Rdn. 31; Süss, RabelsZ 65 (2001), 245, 250 ff. 13  Koch/Magnus/Winkler v. Mohrenfels, §  4, Lösung Fall 2, Rdn.  37. 14  Vgl. Dörner, IPRax 1996, 26, 27. 15  Joost in: MüKoBGB, §  857 BGB, Rdn.  1. 16  Joost in: MüKoBGB, §  857 BGB, Rdn.  1.

1. Kapitel: Erhöhung des Bestimmtheitsniveaus durch Regelungen

301

Frankreich Vertragsstaat der Haager Konvention über das auf Produkthaftung anwendbare Recht ist, wenden französische Gerichte Art.  4 lit.  a HProdHÜ an, der zu französischem Recht führt, wenn man die Erfüllung der Bedingung in Art.  7 HProdHÜ annimmt, dass der Verkäufer vernünftigerweise hätte vorher­ sehen können, dass das Produkt in Frankreich durch Geschäftskanäle erhältlich war. Das HProdHÜ enthält keine Ausweichklausel, so dass das Fehlen der Koor­ dination des Delikts- mit dem Vertragsstatut über die akzessorische Anknüpfung zum Normwiderspruch führt. Denn nach der französischen non cumul-Vorschrift ist französisches Deliktsrecht nicht anwendbar auf Schäden, die aus der Erfül­ lung einer vertraglichen Verpflichtung herrühren.17 Daher ist deutsches Vertrags­ recht anwendbar, französisches Deliktsrecht jedoch nicht. Wenn deutsches Recht dagegen im Ganzen anwendbar wäre, wären sowohl Vertrags- als auch Deliktsrecht anwendbar, und die Hoffnungen des Käufers ruh­ ten nicht nur auf der Erfüllung der Voraussetzungen des vertraglichen Schadens­ ersatzrechts und auf dem Umfang des vertraglichen Schadensersatzes wie im französischen Recht.18 Ein Widerspruch könnte sich hieraus ergeben, wenn z. B. der Käufer unterkompensiert wird, da französisches Deliktsrecht nicht an­ wendbar ist und er nach deutschem Vertragsrecht allein weniger erhält als jeweils nach deutschem bzw. französischem Vertrags- und Deliktsrecht zusammen.19 Vor deutschen Gerichten wäre es zu einem solchen Normwiderspruch nicht gekommen: Die Anwendung französischen Tatortrechts nach Art.  40 Abs.  1 EGBGB wäre mit der Ausweichklausel in Art.  41 Abs.  1, 2 Nr.  1 EGBGB und der akzessorischen Anknüpfung an deutsches Vertragsstatut zu deutschem Delikts­ recht korrigiert worden; aufgrund der Sachnormverweisung – die Kollisions­ normverweisung hätte dem Sinn der Verweisung widersprochen (Art.  4 Abs.  1 S.  1 Hs.  2 EGBGB)20 – wäre französisches Kollisionsrecht und damit das HProdHÜ nicht zur Anwendung gekommen. Der Mechanismus der akzessorischen Anknüpfung in Art.  5 Abs.  2 Rom  IIVO würde nunmehr normalerweise im harmonisierten Kollisionsrecht zu dem­ selben Gleichlauf von Vertrags- und Deliktsstatut führen. Da Art.  25 Abs.  1 Rom  II-VO dem Art.  4 lit.  a HProdHÜ Vorrang gewährt, verhindert dies die Ko­ ordination, mit welcher der Normwiderspruch verhindert werden könnte.21 Die Kollisionsrechtsharmonisierung hat somit auch im Verhältnis von Vertrags- zu 17  Cass. Civ. 2e, 9.6.1993, Bull. civ. II, n° 204 („L’article 1382 du Code civil est inapplicab­ le à la réparation d’un dommage se rattachant à l’exécution d’un engagement contractuel“). 18  Hoffmann, Koordination, S.  184. 19  Hoffmann, Koordination, S.  184. 20  Siehe nur Junker in: MüKoBGB, Art.  41 EGBGB, Rdn.  27. 21  Siehe zu diesem Koordinationsproblem zwischen EU-Verordnung und vorrangigen Übereinkommen unten S.  424.

302 2. Teil – 1.  Abschnitt: Erhöhung des kollisionsrechtlichen Bestimmtheitsniveaus Deliktsrecht die Möglichkeit von Normwidersprüchen zwar eingeschränkt, je­ doch nicht vollständig verhindert. 4. Normwiderspruch im Verhältnis von materiellem Erbrecht und Verfahrensrecht am Beispiel der österreichischen Einantwortung Ein Normwiderspruch kann sich ebenfalls aus der Interaktion von materiellem und Prozessrecht ergeben.22 Österreichisches Recht kennt die Universalsukzes­ sion des Erben nicht; hinsichtlich des Eigentums des Erblassers rückt bei Erbfall zunächst so lange niemand in die Eigentümerstellung nach, bis ein Gericht die sog. Einantwortung ausspricht.23 Da nach deutschem Recht die Erben im Erbfall unmittelbar in die Rechtsposition des Erblassers aufrücken, gibt es keinen dem österreichischen Recht vergleichbaren Eigentumstransfer. Bei einem österreichi­ schen Erblasser mit in Deutschland belegenem Eigentum und letztem gewöhn­ lichen Aufenthalt in Österreich würden deutsche Gerichte Art.  25 Abs.  1 EGBGB a. F. anwenden und kämen zu österreichischem Erbstatut. Deutsche Gerichte können die Einantwortung jedoch nicht aussprechen, da im deutschen Prozess­ recht hierfür keine Mittel vorgesehen sind.24 Zur Lösung werden zwei Wege vorgeschlagen. Als die eine Lösungsmöglich­ keit könnte die kollisionsrechtliche Anpassung durchgeführt werden, indem das Erbrecht des Forumstaates angewendet würde, wobei allerdings von der Erb­ kollisionsnorm abgewichen würde. Nach deutschem Sachrecht (§  1922 Abs.  1 BGB) würden die Antragssteller in diesem Fall unmittelbar Erben, und der Erb­ schein könnte direkt ausgestellt werden. Die andere Lösungsmöglichkeit könnte die materiell-rechtliche Anpassung sein, wobei das nationale Recht insofern angepasst würde, als die Annahmeer­ klärung der Erbschaft durch die Erben ausreichend wäre, um die Bedingungen des österreichischen Rechts für die Einantwortung zu erfüllen.25 Indem sowohl der allgemeine Gerichtsstand in Erbsachen in Art.  4 EuErbVO als auch das Erbkollisionsrecht mit Art.  21 Abs.  1 EuErbVO an den gewöhn­ lichen Aufenthalt des Erblassers im Todeszeitpunkt anknüpfen, ist die Wahr­ scheinlichkeit von Normwidersprüchen gesunken. Wenn jedoch der letzte ge­ wöhnliche Aufenthalt des Erblassers zwar in Deutschland war und er gemäß Art.  22 Abs.  1 EuErbVO österreichisches Recht gewählt hat, die Antragssteller 22 

Coester-Waltjen/Mäsch, S.  246. Siehe dazu §§  177, 797 ABGB. 24  BayObLG, Beschl. v. 8.5.1967 – BReg. 1a Z 95/66, BayObLGZ 1967, 197, 201; BayOb­ LG, Beschl. v. 15.2.1971 – BReg. 1 Z 90/70, BayObLGZ 1971, 34, 44; Coester-Waltjen/Mäsch, S.  246. 25  Siehe für beide Lösungsmöglichkeiten Coester-Waltjen/Mäsch, S.  246. 23 

1. Kapitel: Erhöhung des Bestimmtheitsniveaus durch Regelungen

303

von der Möglichkeit des Art.  5 EuErbVO jedoch keinen Gebrauch gemacht ha­ ben und somit deutsche Gerichte zuständig sind, kann sich dieselbe Konstella­ tion wie oben, nur eben mit Normwiderspruch ergeben. III. Rechtliche Möglichkeiten der Parteien zur Vermeidung von Normwidersprüchen Da sich also auf Grundlage des objektiven Statuts ohne Rechtswahl keine über­ greifende Verhinderung von Normwidersprüchen einstellen wird, ist dies ledig­ lich den Parteien selbst möglich, über die ihnen gegebenen Rechtswahloptionen den Gleichlauf konfligierender Statute herzustellen. Hier ergeben sich allerdings sowohl rechtliche als auch praktische Probleme. 1. Beschränktheit der Rechtswahl Das rechtliche Problem besteht zunächst darin, dass die Rechtswahloptionen nur zum Teil ausreichend sind, um den Gleichlauf der Statute herbeizuführen. Einer­ seits möglich ist dies im Verhältnis von Erb- und Ehegüterstatut. Zwar kann nach Art.  22 Abs.  1 EuErbVO lediglich eine Rechtswahl des Erblassers zugunsten des Rechts des Staates erfolgen, dem der Erblasser angehört, was allerdings nicht zwingend einen Gleichlauf mit dem objektiven Güterstatut herbeiführt. Effekti­ ver gestaltet sich hingegen die Möglichkeit der nachträglichen Änderung des Ehegüterstatuts nach Art.  22 Abs.  1 lit.  a EuGüterVO, wonach das Recht des ge­ meinsamen gewöhnlichen Aufenthalts der Ehegatten gewählt werden kann, was einen sicheren – zumindest vorübergehenden – Gleichlauf mit dem objektiven Erbstatut herbeiführt. Unsicherheiten bei den Auswirkungen einer Rechtswahl existieren jedoch im Verhältnis zwischen Erb- und Sachstatut wie im Falle der Vermächtnisse. Aus Sicht des deutschen Erbkollisionsrechts konnte nach alter Rechtslage ein Gleich­ lauf gemäß Art.  25 Abs.  2 EGBGB a. F. nur bei im Inland belegenen Immobilien gelingen; ein Gleichlauf bei beweglichen Sachen war dagegen nicht möglich. Ebenso unsicher ist die beschränkte Rechtswahl nunmehr nach Art.  22 Abs.  1 Eu­ ErbVO, die nur zum Erfolg führt, wenn das Belegenheitsrecht der Sache mit dem Recht des Staates übereinstimmt, dem der Erblasser im Zeitpunkt der Rechtswahl oder des Todes angehört. Doch auch aus Perspektive des Sachenrechts ist ein Gleichlauf nicht ausgemacht. Im deutschen Kollisionsrecht z. B. ist streitig, wel­ che Auswirkungen eine Rechtswahl im Rahmen von Art.  46 EGBGB auf das Sa­ chenrechtsstatut haben kann. Zwar wird ihr eine gewisse Wirkung zugerechnet;26

26 

Wendehorst in: MüKoBGB, Art.  46 EGBGB, Rdn.  19.

304 2. Teil – 1.  Abschnitt: Erhöhung des kollisionsrechtlichen Bestimmtheitsniveaus eine direkte Wirkung ist mit der Rechtswahl jedoch nicht zu erreichen, da der deutsche Gesetzgeber dies offensichtlich nicht wollte.27 2. Problematisches Verhältnis von Formerfordernis der Rechtswahl und Kenntnis der Ehegatten von der Rechtswahlmöglichkeit Wie die Rechtswahloptionen im Verhältnis zwischen Erb- und Güterstatut ge­ zeigt haben, ist in diesem Fall die Herstellung des Gleichlaufs zwischen den Statuten mit einem gewissen Aufwand verbunden. Denn immer wenn sich der gewöhnliche Aufenthaltsort der Ehegatten und damit auch des Erblassers ändert, müssen die Parteien das Güterstatut durch Rechtswahl anpassen. Dazu müssen die Ehegatten von dieser Möglichkeit aber auch Kenntnis haben, was eine hinrei­ chende Aufklärung erfordert.28 Zugleich wird jedoch mit Art.  8 Abs.  3 HUP 2007 nicht darauf hingewirkt, dass eine solche Beratung – insbesondere über deren Auswirkungen – stattfinden muss, da diese Vorschrift lediglich die Schriftlich­ keit der Rechtswahl bestimmt und – anders als Art.  5 Rom  III-VO – den Ver­ tragsstaaten noch nicht einmal die Möglichkeit eröffnet, eine strengere Formvor­ schrift mit höheren Beratungspflichten vorzusehen.29 Wenn zugleich aber bei international mobilen Ehegatten eine nachträgliche Anpassung des Statuts gera­ de notwendig ist, um einen Normwiderspruch zu vermeiden, zeigt dies, dass die gesetzliche Lösung insgesamt nicht ausreichend funktional ist. IV. EU-primärrechtliche Auswirkungen von Normwidersprüchen Dass Normwidersprüche speziell aufgrund eines Grenzübertritts auftreten kön­ nen, kann negative Auswirkungen auf das in Art.  21 AEUV enthaltene Freizügig­ keitsrecht und die mit ihr verbundene Idee der unionsweiten grenzüberschreiten­ den Mobilität der EU-Bürger haben.30 Sehen Parteien die Gefahr von Normwi­ dersprüchen aufgrund eines Grenzübertritts voraus, könnten sie sich gegen diesen entscheiden, um dadurch klare Verhältnisse bei der Abwicklung eines Erbfalles aufrechtzuerhalten. Hindernisse, die eine derartige Entscheidung von Personen verursachen können, vertragen sich nicht mit der Unionsbürgerschaft in einem Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts nach dem AEUV.

27 

Wendehorst in: MüKoBGB, Art.  46 EGBGB, Rdn.  18. Eine Änderung von V-EuGüterVO, wonach die Wirksamkeit einer Rechtswahl vom Nachweis einer Beratung der Ehegatten über die Rechtsfolgen ihrer Wahl abhängen sollte (sie­ he zur Einführung des Art.  15b V-EuGüterVO Kroll-Ludwigs, in: Rauscher, EuZPR/EuIPR, Einf. EU-LP-GüterVO-E, Rdn.  12) ist nicht in die EuGüterVO übernommen worden. 29  Andrae in: Rauscher3, EuZPR/EuIPR, Art.  8 HUntStProt, Rdn.  16. 30  Magiera in: Streinz, Art.  21 AEUV, Rdn.  14. 28 

1. Kapitel: Erhöhung des Bestimmtheitsniveaus durch Regelungen

305

Auch wenn die EU selbst durch Art.  21 AEUV bislang nicht gebunden ist,31 hat gerade auch sie ein Interesse daran, derartige Hindernisse abzubauen. Aus demselben Grund muss die EU ebenso daran interessiert sein, dafür zu sorgen, dass durch die mögliche Verhinderung eines Grenzübertritts durch Normwidersprüche neben dem allgemeinen Freizügigkeitsrecht nach Art.  21 AEUV auch Freizügigkeitsrechte zur Ausübung einer wirtschaftlichen Tätigkeit betroffen sein können. Dazu gehören u. a. die Arbeitnehmerfreizügigkeit nach Art.  45 AEUV und die Niederlassungsfreiheit nach Art.  49 AEUV. Denn wenn eine Person ihren gewöhnlichen Aufenthalt verlegt, geht es um die Verlegung des sozialen Umfeldes, was neben der Familie auch die berufliche Tätigkeit be­ trifft.32 Dies spielt gleichermaßen für Personen eine Rolle, die als Arbeitnehmer ihren Arbeitsort wechseln, als auch für Selbstständige, die in ihrem neuen Be­ rufsumfeld keine Arbeit weisungsgebunden gegen Vergütung verrichten.33

B. Normenmangel im IZVR – Negative Kompetenzkonflikte I. Problemlage 1. Bedeutung von negativen in Abgrenzung zu positiven Kompetenzkonflikten Durch die Verweisung auf nationales Recht zur Bestimmung des Tatbestands­ merkmales sind zwei Problemkonstellationen denkbar. Zum einen können sich Wohnsitze ein und derselben natürlichen Person in verschiedenen Mitgliedstaa­ ten ergeben, was zu einem positiven Kompetenzkonflikt führt. Zum anderen ist ein Normenmangel möglich, wenn z. B. eine Person an zwei Orten registriert ist, aufgrund nationaler Regelungen die beiden Rechtsordnungen den jeweils ande­ ren Mitgliedstaat als Wohnsitzstaat ansehen.34 Daraus ergibt sich ein negativer Kompetenzkonflikt.35 Die Möglichkeit positiver Kompetenzkonflikte ist nicht so sehr problematisch. Das IZVR ist gewissermaßen auf diese Möglichkeit ausgelegt, enthält es doch insbesondere das Wahlrecht des Klägers zur Lösung derartiger Kompetenzkon­ flikte, wenn neben dem allgemeinen Gerichtsstand auch ein besonderer Gerichts­ stand einschlägig ist, oder wenn wie in Art.  63 Abs.  1 Brüssel Ia-VO mehrere Anknüpfungspunkte nebeneinander existieren. 31 

Nettesheim in Oppermann/Classen/Nettesheim, §  16, Rdn.  17. Siehe zur Definition des gewöhnlichen Aufenthalts Rauscher, IPR, Rdn.  277. 33  Siehe zur Unterscheidung von Arbeitnehmerfreizügigkeit und Niederlassungsfreiheit ins­ besondere EuGH, Urt. v. 20.11.2001, C-286/99, Jany, Slg. 2001, I-8615, Rdn.  34, 70. 34  Schack, IZVR, Rdn.  278. 35  Siehe nur Kropholler/v. Hein, Art.  59 EuGVO, Rdn.  3; Spellenberg, FS Kerameus, 1307, 1326. 32 

306 2. Teil – 1.  Abschnitt: Erhöhung des kollisionsrechtlichen Bestimmtheitsniveaus Art.  62 Brüssel Ia-VO ist jedoch nicht darauf ausgelegt, dass negative Kompe­ tenzkonflikte entstehen. Art.  6 Brüssel Ia-VO führt in diesem Fall dazu, dass die die Brüssel Ia-VO mit Ausnahme einiger weniger Vorschriften nicht anwendbar ist – auch wenn die natürliche Person sogar zwei Wohnsitze haben könnte, wenn die anwendbaren nationalen Rechte die Situation anders handhaben würden. 2. Verbindung negativer Kompetenzkonflikte mit den Grundfreiheiten Die Möglichkeit negativer Kompetenzkonflikte ist vor dem Hintergrund der uni­ onsrechtlich gewährleisteten Personenfreizügigkeit problematisch. Denn für eine Person kann es durchaus auch ein Privileg darstellen, nach der Brüssel IaVO verklagt werden zu dürfen. Das hängt nicht nur mit der Rechtssicherheit zusammen, die sich generell daraus ergibt, bei ausschließlicher Verbundenheit mit der EU auch nach EuZVR in einem Verfahren behandelt zu werden.36 Es ist auch der Schutz, den gerade Verbraucher, Versicherungsnehmer und Arbeitneh­ mer nach der Brüssel Ia-VO genießen. Nationale Regeln können dies verhindern, indem ihr Zusammenspiel zu einem negativen Kompetenzkonflikt führt. Art.  62 Brüssel Ia-VO bildet vor dem Hintergrund dieser nationalen Vorschriften jedoch die Grundlage eines solchen negativen Kompetenzkonflikts, da er keine Aus­ weichmöglichkeit enthält, sondern lediglich auf den Wohnsitz als Anknüpfungs­ merkmal und auf dessen Bestimmung durch nationales Recht fixiert ist.37 II. Betroffene Normen des Unionsrechts Auch in diesem Zusammenhang besteht die Gefahr, dass durch die negativen Kompetenzkonflikte u. a. die Arbeitnehmerfreizügigkeit nach Art.  45 AEUV nicht zu voller Entfaltung gelangen kann. Der negative Kompetenzkonflikt kann insoweit dazu führen, dass ein Arbeitnehmer nicht in einem anderen Staat als dem, in dem er wohnt, arbeiten möchte aus Sorge, den Schutz der Brüssel Ia-VO zu verlieren. Dieser Schutz besteht darin, dass gemäß Art.  22 Abs.  1 Brüssel IaVO der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber nur in dem Mitgliedstaat verklagt wer­ den kann, in dem er seinen Wohnsitz hat. Führt die Bestimmung in Art.  62 Brüs­ sel Ia-VO zu einem negativen Kompetenzkonflikt, wird der Arbeitnehmer so behandelt, als habe er keinen Wohnsitz in einem Mitgliedstaat. Damit ist Art.  22 Abs.  1 Brüssel Ia-VO nicht anwendbar und der diesbezügliche Schutz des Arbeit­ nehmers verloren.

36 

Vgl. Erwägungsgrund Nr.  3 Brüssel Ia-VO und bereits die Erwägungsgründe Nr.  1 und 2 Brüssel I-VO. 37  Siehe nur Spellenberg, FS Kerameus, 1307, 1326.

1. Kapitel: Erhöhung des Bestimmtheitsniveaus durch Regelungen

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Auch ohne dass die betroffene Person in einem anderen EU-Mitgliedstaat ei­ ner wirtschaftlichen Tätigkeit nachgeht, kann ein negativer Kompetenzkonflikt in Art.  62 Brüssel Ia-VO die Wahrnehmung des Freizügigkeitsrechts nach Art.  21 AEUV beeinträchtigen. Denn wenn ein Unionsbürger befürchten muss, aufgrund eines Grenzübertritts und Bildung eines Wohnsitzes in einem anderen Mitglied­ staat einen negativen Kompetenzkonflikt herbeizuführen, wird er von diesem Grenzübertritt möglicherweise Abstand nehmen. Damit würde er jedoch nicht von seinem Recht Gebrauch machen, in einem anderen Mitgliedstaat einen Wohnsitz zu nehmen.38

C. Negative Kompetenzkonflikte bei Kollisionsnormverweisungen zwischen IZVR und IPR in Art.  24 Nr.  2 Brüssel Ia-VO Ein Beispiel dafür, dass der EU-Gesetzgeber bei der Konzeption der Bestim­ mung eines Tatbestandsmerkmals durch eine Kollisionsnormverweisung nicht ausreichend differenziert hat, zeigt sich bei der ausschließlichen Zuständigkeit in Gesellschaftsfragen. Denn die Verwirklichung eines wesentlichen Aspekts von Art.  24 Nr.  2 S.  2 Brüssel Ia-VO – die Sicherung des Gleichlaufs von Zuständig­ keit und anwendbarem Recht in Gesellschaftsfragen – ist nicht immer gewähr­ leistet. Dies beruht auf der Möglichkeit positiver Kompetenzkonflikte, die auf­ grund von Wortlaut und Systematik nicht ausgeschlossen sind (dazu I.). Auch hierdurch werden unionsrechtliche Interessen berührt (dazu II.). I. Auswirkungen der Differenzierung zwischen Sitz- und Gründungstheorie Zunächst bereitet die Koordination über die Verweisung auf die lex fori insoweit kein Problem, als es sich aus Sicht des Forumsstaates um einen Fall des Zuzuges einer ausländischen Gesellschaft handelt. Verlegt z. B. eine nach englischem Recht gegründete Gesellschaft ihren Verwaltungssitz nach Deutschland, so wür­ den sowohl das englische Gericht am Satzungsort als auch das deutsche Gericht am Ort des Verwaltungssitzes – wenn sie beide angerufen würden – die aus­ schließliche Zuständigkeit nach der Gründungstheorie bestimmen – das engli­ sche Gericht, weil es das wegen der Gründungstheorie ohnehin tun muss, und das deutsche Gericht, weil die Sitztheorie in Zuzugsfällen bei einer in der EU gegründeten Gesellschaft gegen die Niederlassungsfreiheit verstieße.39

38 

Vgl. nur Magiera in: Streinz, Art.  21 AEUV, Rdn.  17. EuGH, Urt. v. 9.3.1999, C-212/97, Centros, Slg. 1999, I-1459; EuGH, Urt. v. 5.11.2002, C-208/00, Überseering, Slg. 2002, I-9919; EuGH, Urt. v. 30.9.2003, C-167/01, Inspire Art, Slg. 2003, I-10155. Vgl. auch Schillig, IPRax 2005, 208, 217. 39 

308 2. Teil – 1.  Abschnitt: Erhöhung des kollisionsrechtlichen Bestimmtheitsniveaus Im umgekehrten Fall – wenn also eine in Deutschland gegründete Gesellschaft ihren Verwaltungssitz nach England verlegt und sowohl das Gericht am deut­ schen Satzungsort als auch am englischen Verwaltungssitzort angerufen würden – käme es dagegen zu einem negativen Kompetenzkonflikt. Denn in diesem Fall verwiese das englische Gericht mit der Gründungstheorie auf deutsches Recht; wegen der Cartesio-Entscheidung des EuGH40 würde das deutsche Recht hier weiter der Sitztheorie folgen, so dass deutsches Recht auf englisches Recht zu­ rückverwiese, wo dann der Verweisungszirkel wegen Art.  4 Abs.  1 S.  2 EGBGB abbräche.41 Dieses Ergebnis beruht also darauf, dass davon ausgegangen wird, dass es sich bei der Verweisung des nationalen Gesellschaftskollisionsrechts um eine Kollisionsnormverweisung handelt.42 Da sich also beide Gerichte gegen­ seitig für ausschließlich zuständig halten würden, wäre danach keines der Ge­ richte ausschließlich zuständig. Es wird zwar darauf hingewiesen, dass der Zuzugsstaat – im Beispiel das Ver­ einigte Königreich – die Verweisung des Wegzugsstaates annehmen sollte.43 Doch dann ist nicht klar, warum gerade die Verweisung des Wegzugsstaates Be­ achtung finden sollte und nicht die des Zuzugsstaates. Der Gleichlaufgedanke kann es zumindest nicht sein,44 da der potenzielle Verweisungszirkel zwischen englischem und deutschem Recht in jedem Fall bei der lex fori abbrechen wird, so dass der Gleichlauf garantiert bleibt. Den Vorrang des Rechts des Wegzugsstaates kann man auch nicht daran able­ sen, dass der Wegzugsstaat den rechtsformwahrenden Wegzug einer Gesellschaft verbieten kann und somit im bilateralen Verhältnis zwischen sich und dem Zu­ zugsstaat den Ton angibt. Denn obiges Beispiel setzt gerade voraus, dass der Wegzugsstaat diesen Wegzug erlaubt hat, so dass der Vorrang dieses Rechts be­ reits geendet hat. Zwingend ist eine teleologische Reduktion aber weder in die eine noch in die andere Richtung zur Lösung dieses Normenmangels. II. Betroffene Normen des Unionsrechts Ein Rechtsmäßigkeitsproblem ergibt sich in diesem Fall aus der Betroffenheit der Niederlassungsfreiheit nach Art.  49, 54 AEUV. Denn ein Normenmangel der dargestellten Art ist geeignet, eine Gesellschaft daran zu hindern, ihren Verwal­ tungssitz z. B. von Deutschland ins Vereinigte Königreich zu verlegen. Dies be­ ruht darauf, dass sie damit rechnen muss, nicht von der ausschließlichen Zustän­ 40 

EuGH, Urt. v. 16.12.2008, C-210/06, Cartesio, Slg. 2008, I-9641. Kindler in: MüKoBGB, IntGesR, Rdn.  506. 42  Kindler in: MüKoBGB, IntGesR, Rdn.  507; Brödermann/Wegen in: PWW, IntGesR, Rdn.  42. 43  Kropholler/v. Hein, Art.  22 EuGVO, Rdn.  41. 44  A. A. Kropholler/v. Hein, Art.  22 EuGVO, Rdn.  41. 41 

1. Kapitel: Erhöhung des Bestimmtheitsniveaus durch Regelungen

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digkeitsregelung von Art.  24 Nr.  2 Brüssel Ia-VO Gebrauch machen zu können. Insofern ist die Problematik der Konstellation vergleichbar mit derjenigen in den soeben dargelegten Grundkonstellationen des negativen Kompetenzkonfliktes.45

§  2 Kollisionsrechtlicher Lösungsansatz statt sachrechtlichem Die bislang vorgeschlagenen Lösungen der angesprochenen Normenwidersprü­ che können auf zwei verschiedenen Ebenen verortet werden: der sachrechtlichen und der kollisionsrechtlichen Ebene. Sowohl zur Lösung der hier diskutierten Art von Normwidersprüchen im IPR als auch im IZVR erweist sich die kollisions­ rechtliche Lösung als vorzugswürdig, insbesondere in Form einer Rechtsverein­ heitlichung auf EU-Ebene.

A. Möglichkeiten zur Verhinderung von Normwidersprüchen I. Gesetzgeberische Möglichkeiten 1. Koordination der Systembegriffe und Anwendungsbereiche ex ante In Betracht kommt zunächst die Koordination von Systembegriffen und Anwen­ dungsbereichen durch den Gesetzgeber. Ein konkretes Beispiel bietet die bereits zur deutschen Rechtslage vertretene Einordnung des Zugewinnausgleichs von Todes wegen nach §  1371 Abs.  1 BGB als Frage des Erbrechts.46 Dem wird aller­ dings entgegengehalten, dass der EuGH bei der Qualifizierung familienrecht­ licher Institute von deren Funktion ausgeht47, was beim Güterrechtsausgleich die güterrechtliche Einordnung nahelegt.48 Will man diese inhaltliche Einordnung nicht aufgrund von Praktikabilitätserwägungen aufgeben,49 wird man keine Ko­ 45 

Siehe soeben S.  306 f. Süß, MittBayNot 2013, 74, 75. 47  Vgl. zur Abgrenzung von Güterrecht und Unterhaltsrecht EuGH, Urt. v. 6.3.1980, C-120/79, Louise de Cavel v Jacques de Cavel, Slg. 1980, 731 Rdn.  3, 5, und (vor allem) EuGH, Urt. v. 27.2.1997, C-220/95, Antonius van den Boogaard v Paula Laumen, Slg. 1997, I-1147 Rdn.  22 ff. 48  Dörner, ZEV 2010, 221, 223; ders., ZEV 2012, 505, 507; Döbereiner, MittBayNot 2013, 358, 359; Dutta, FamRZ 2013, 4, 9; Heinig, DNotZ 2014, 251, 255; Kowalczyk, GPR 2012, 212, 217; dies., Die gesetzlichen Rechte des überlebenden Ehegatten, S.  287 ff.; Kunz, GPR 2012, 253 f.; Mankowski, ZEV 2014, 121, 127; Martiny, IPRax 2011, 437, 445; Schurig, FS Spellenberg, 343, 352; vgl. auch Max Planck Institute, RabelsZ 74 (2010), 522, 628. Offenge­ lassen von Buschbaum/Kohler, GPR 2010, 106, 107 f. 49  Kleinschmidt RabelsZ 77 (2013), 723, 757 f. mit Bezug auf das Europäische Nachlass­ zeugnis. 46 

310 2. Teil – 1.  Abschnitt: Erhöhung des kollisionsrechtlichen Bestimmtheitsniveaus ordination der Anwendungsbereiche von EuErbVO und EuGüterVO und dann konsequenterweise auch nicht von EuErbVO und EuPartVO vornehmen können. Ohnehin ist ein derartiger Ansatz nur geeignet, bekannte Problemherde zu re­ geln. Er ist jedoch zu unflexibel, um ein nicht vorhergesehenes Problem im Ein­ zelfall zu lösen. 2. Koordination der Anknüpfungsmomente Ebenfalls kann die Koordination von Anknüpfungsmomenten zur Vermeidung von Normwidersprüchen genutzt werden, da sie zur Berufung desselben Rechts für beide Statute des konkreten Falles führen würde. Dies kann entweder durch die einheitliche Auswahl desselben Anknüpfungsmoments oder mithilfe der ak­ zessorischen Anknüpfung geschehen. Das Problem der einheitlichen Wahl von Anknüpfungsmomenten besteht allerdings darin, dass auf diese Weise die engste Verbindung für sämtliche Sachverhalte vorherbestimmt wird. Die engste Verbin­ dung kann aber für jedes Statut ein anderes Anknüpfungsmoment erforderlich machen.50 Die Auswahl primär daran zu orientieren, wie am besten Normwider­ sprüche verhindert werden können, würde dem Interesse der engsten Verbindung nicht gerecht. Demgegenüber ist die akzessorische Anknüpfung flexibler als Ausweichrege­ lung handhabbar. Die Beispiele der akzessorischen Anknüpfung beziehen sich bislang allerdings nur auf einzelne Statutsverhältnisse wie z. B. das Verhältnis von Vertrag und unerlaubter Handlung. Diese beruhen auf einem klaren Vorrang­ verhältnis. Für eine geeignete Lösung der Normwidersprüche wäre jedoch auch diese Konzeption eines starren Vorrangs im Rahmen von Einzelfalllösungen be­ reits zu unflexibel.51 II. Parteiautonomie Eine weitere Möglichkeit besteht darin, dass die Parteien durch strategische Rechtswahl einen Statutengleichlauf erwirken. Dies ist auch bei Güter- und Erb­ kollisionsrecht möglich, auch wenn hier die Rechtswahlmöglichkeiten von vorn­ herein beschränkt sind.52 Darauf kann man sich jedoch als Gesetzgeber nicht verlassen. Zunächst müssen die Parteien von der Rechtswahlmöglichkeit Kennt­ nis haben. Und selbst wenn die Parteien um diese Möglichkeit wissen, könnten z. B. Ehegatten geneigt sein, sich nicht einem unbekannten Güterstatut unterwer­ fen zu wollen, auch wenn dies zum Gleichlauf mit dem Erbstatut führen würde. 50 

Vgl. Stone, EU Private International Law, S.  309. Siehe dazu unten S.  332. 52  Siehe dazu nur Art.  22 EuErbVO, Art.  16, 18 V-EuGüterVO, Art.  8 HUP 2007 und damit Art.  15 EuUnthVO i. V. m. Art.  8 HUP 2007. 51 

1. Kapitel: Erhöhung des Bestimmtheitsniveaus durch Regelungen

311

Wenn es also um ein ex ante-Tätigwerden geht, sollte vornehmlich der Gesetz­ geber handeln.

B. Methoden zur Lösung von Normwidersprüchen ex post Neben den Ansätzen, die auf einer gesetzlichen Lösung beruhen, gibt es weitere Lösungsansätze, die allerdings erst greifen, wenn der Normwiderspruch bereits aufgetreten ist. Hierbei geht es um die Umqualifizierung (dazu I.), die sachrecht­ liche (dazu II.) und die kollisionsrechtliche Anpassung (dazu III.). I. Umqualifizierung Eine Möglichkeit, Normwidersprüche zu lösen, ähnelt der Koordination von Systembegriffen. Der Unterschied besteht allerdings darin, dass die Grenzen zwi­ schen den Systembegriffen eben erst nachträglich verschoben werden,53 nach­ dem die Qualifikation aufgrund des ursprünglichen Begriffsverständnisses zu einem Normwiderspruch geführt hat.54 Diese Methode war von Anfang an vor dem Hintergrund kritisiert worden, dass unklar ist, anhand welchen nationalen Rechts man die Umqualifizierung vornimmt.55 Angesichts der Harmonisierung des Kollisionsrechts, das autonom und damit nicht auf Grundlage einzelner natio­naler Systembegriffe interpretiert werden muss, kann diese Methode im EU-Kollisionsrecht tendenziell nicht angewendet werden. In der Literatur ist fer­ ner vorgeschlagen worden, die Lösung von Anpassungsproblemen im Bereich der Anwendungsbereiche der Kollisionsnormen zu suchen.56 Dogmatisch wird dies mit einer teleologischen Reduktion des Anwendungsbereichs der einen und der damit verbundenen Zuweisung der betreffenden Rechtsfrage zur anderen Kollisionsnorm erreicht.57. II. Sachrechtliche Lösungsansätze 1. Sachrechtliche Anpassung im IPR Die Lösung, der man in dem Ehegattenerbschaftsfall vornehmlich folgt, ist die sachrechtliche Anpassung.58 Sie setzt an der Angleichung der Sachrechtsnormen an und orientiert sich an den Ergebnissen, zu denen man unter Anwendung eines 53 

Beier, S.  342. Beier, S.  342. 55  Siehe dazu Beier, S.  343. 56  Looschelders, Anpassung, S.  308. 57  Looschelders, Anpassung, S.  308 (der in diesem Zusammenhang von einer „Grenzver­ schiebung“ spricht). 58  Rauscher, IPR, Rdn.  575. 54 

312 2. Teil – 1.  Abschnitt: Erhöhung des kollisionsrechtlichen Bestimmtheitsniveaus jeden der berufenen Rechte für sich genommen gelangen würde. Darin wird teil­ weise ein nur geringer Eingriff in die jeweiligen Rechtsordnungen gesehen;59 teilweise wird jedoch danach differenziert, ob es sich bei dem Anpassungspro­ blem um einen Normenmangel oder eine Normenhäufung handelt und eine ma­ teriell-rechtliche Anpassung nur beim Normenmangel präferiert.60 Mit dieser Methode wird etwa in der hier als Beispiel aufgeführten Konstellation eines Falls der Ehegattenerbschaft zunächst ermittelt, dass die Kombination von deutschem Güterstatut und österreichischem Erbstatut für den Ehegatten zu einem geringe­ ren Ergebnis führt – nämlich nur ein Viertel der Erbschaft –, wohingegen deut­ sches Recht (die Hälfte der Erbschaft) und österreichisches Recht (ein Drittel der Erbschaft) jeweils für sich genommen dem Ehegatten mehr zugestanden hätten. An den Anteilen nach österreichischem und deutschem Recht orientiert sich der Richter nunmehr und wird dem hinterbliebenen Ehegatten einen Anteil zwischen einem Drittel und der Hälfte der Erbschaft zusprechen. 2. Sachrechtliche Lösung des negativen Kompetenzkonflikts im IZVR Bei der sachrechtlichen Lösung eines negativen Kompetenzkonfliktes ist die mögliche Europarechtswidrigkeit der einander widersprechenden nationalen Sachrechtsnormen der Ansatzpunkt. Im Falle des Wohnsitzes ist die Regelung des Staates, in dem eine Person durch ihre Arbeitsstelle unter der Woche den chronologisch zweiten Wohnsitz aufbauen wollte, insoweit europarechtlich pro­ blematisch, als durch die Regelung die Bildung des Wohnsitzes in ihrem Ho­ heitsgebiet ausgeschlossen und auf den Wohnsitz im Ursprungsmitgliedstaat verwiesen wird. Problematisch ist ebenfalls, dass der Ursprungsstaat die Geltung des Wohnsitzes in seinem Hoheitsgebiet nicht aufrechterhält und stattdessen den Wohnsitz am Arbeitsort annimmt. Würde man allerdings beide Regelungen für europarechtswidrig erklären, würde dies nicht weiterführen. Denn dadurch ent­ stünde eine Regelungslücke, die man wiederum füllen müsste. Eine Analogie zum Internationalen Gesellschaftsrecht mit seiner Wegzugsund Zuzugsdogmatik61 ist dabei zur Lösung dieses Problems nicht geeignet. 59 

Schröder, Anpassung, S.  95. Kropholler, IPR, §  34 IV 2.a; siehe auch Looschelders, Anpassung, S.  42. A. A. Rauscher, IPR, Rdn.  575, der bei einem Normenmangel eine kollisionsrechtliche Lösung bevorzugt und eine materiell-rechtliche Lösung nur bei einer quantitativen Normenhäufung für vorzugswür­ dig hält. 61  Siehe zum Wegzug: EuGH, Urt. v. 27.9.1988, C-81/87, Daily Mail, Slg. 1988, 5483, Rdn.  19; bestätigt durch EuGH, Urt. v. 16.12.2008, C-210/06, Cartesio, Slg. 2008, I-9641, Rdn.  104; Rauscher, IPR, Rdn.  652; zum Zuzug: EuGH, Urt. v. 9.3.1999, C-212/97, Centros, Slg. 1999, I-1459; EuGH, Urt. v. 5.11.2002, C-208/00, Überseering, Slg. 2002, I-9919; EuGH, Urt. v. 30.9.2003, C-167/01, Inspire Art, Slg. 2003, I-10155. Für Zuzugsfälle im Rahmen von 60 

1. Kapitel: Erhöhung des Bestimmtheitsniveaus durch Regelungen

313

Vergleichbar sind die Konstellationen zwar insoweit, als die betreffende Person zunächst im Ursprungsstaat ihren Wohnsitz hat und danach einen Grenzübertritt vornimmt, der die Existenz des Wohnsitzes im Ursprungsstaat gefährdet – so wie bei Gesellschaften der Wegzug aus dem Ursprungsstaat die Existenz der Gesell­ schaft gefährden kann. Der Unterschied besteht jedoch darin, dass der Zuzugs­ staat im Internationalen Gesellschaftsrecht dazu angehalten werden muss, die Rechtspersönlichkeit der Gesellschaft nach ihrem Gründungsrecht zu akzeptie­ ren; im Falle der genannten Wohnsitzregelung tritt der Zielstaat dagegen freiwil­ lig zurück und überlässt dem Ursprungsstaat von vornherein die Wohnsitzzuwei­ sung. An diesem wesentlichen Unterschied scheitert die Analogie. Auf sachrechtlicher Ebene ist die Lösung im Einzelnen freilich von der kon­ kreten Regelung abhängig, da nur so die Grundlage für eine sachrechtliche An­ passung geschaffen werden kann. Sind die Normen zu gegensätzlich, bestünde der letzte Ausweg in einer Orientierung an dem Fall mit den einander widerspre­ chenden Kommorientenvermutungen.62 In einem solchen Extremfall kann es angezeigt sein, eine neue Sachnorm zu kreieren.63 III. Kollisionsrechtlicher Lösungsansatz 1. Kollisionsrechtliche Anpassung im IPR Die kollisionsrechtliche Anpassung bedeutet, dass von mehreren Rechtsordnun­ gen lediglich eine ausgewählt wird, nach der sich dann beide Statute richten. Dieser Ansatz wird häufig bei qualitativen Normwidersprüchen wie in der Kon­ stellation des Vermächtnisfalls verwendet. Er stellt gleichsam das Spiegelbild der gesetzgeberischen Koordination von Anknüpfungsmomenten dar und ähnelt auch im Ergebnis der Koordination von Systembegriffen sowie der Umqualifi­ zierung, da nach beiden Methoden letztlich eine einzige nationale Rechtsord­ nung zur Anwendung gelangt.64 In diesem Zusammenhang muss weiter geklärt werden, nach welchen Kriteri­ en sich diese Prägung bestimmt. In der Auswahl der Kriterien zeigt sich der Unterschied zwischen der kollisionsrechtlichen Anpassung und der Umqualifi­ zierung: Bei der Umqualifizierung wird eine Rechtsfrage, die ursprünglich ei­ nem bestimmten Systembegriff zugeordnet war, nachträglich einem anderen Systembegriff zugewiesen;65 demgegenüber verändert sich bei der kollisions­ Umwandlungen: EuGH, Urt. v. 13.12.2005, C-411/03, Sevic, Slg. 2005, I-10805; EuGH, Urt. v. 12.7.2012, C-378/10, Vale Építési, NJW 2012, 2715–2719. 62  Siehe oben S.  296. 63  Kegel, IPR7, §  8 III 4; mit gewissen Einschränkungen Kegel/Schurig, IPR, §  8 VIII 3. 64  Hierzu ausführlich Looschelders, Anpassung, S.  306 f. 65  Looschelders, Anpassung, S.  308.

314 2. Teil – 1.  Abschnitt: Erhöhung des kollisionsrechtlichen Bestimmtheitsniveaus rechtlichen Anpassung nicht das Ergebnis der Qualifikation, sondern implizit das Anknüpfungsmoment derjenigen Kollisionsnorm, der nicht gefolgt wird. Die kollisionsrechtliche Anpassung vermeidet also eine nachträgliche Bedeutungs­ verschiebung der Systembegriffe. Mit diesem Ansatz könnten zudem Norm­ widersprüche jeglicher Art gelöst werden, ohne dass es zu einem Eingriff in das Sachrecht käme.66 2. Kollisionsrechtliche Lösung des negativen Kompetenzkonflikts im IZVR Die kollisionsrechtliche Lösung setzt daran an, einen durch die Wohnsitzanknüp­ fung verursachten Normenmangel durch ein zusätzliches Anknüpfungsmoment zu lösen. In der Diskussion um ein geeignetes Ersatzanknüpfungsmoment und sein Verhältnis zur Hauptanknüpfung an den Wohnsitz wurde einerseits vorge­ schlagen, den gewöhnlichen Aufenthalt als subsidiäre Zuständigkeit anzuwen­ den.67 Dies stimmt mit der Systematik der Brüssel Ia-VO und auch bereits der Brüssel I-VO überein, da in beiden Verordnungen an verschiedenen Stellen ne­ ben dem Wohnsitz auf den gewöhnlichen Aufenthalt zurückgegriffen wird bzw. wurde, wie etwa in Art.  19 Nr.  3 Brüssel Ia-VO bzw. in Art.  5 Nr.  2 und Art.  17 Nr.  3 Brüssel I-VO.68 Man kann darin eine kollisionsrechtliche Anpassung sehen, da in Art.  62 Brüssel Ia-VO ein in seinem Wortlaut nicht enthaltenes, subsidiäres Anknüpfungsmoment hineingelesen wird. Mithilfe der schlichten Rechtsausle­ gung ist das jedoch nicht möglich, da sich der Gesetzgeber ursprünglich auf die Wohnsitzanknüpfung fixiert hat und trotz der Diskussionen um die Möglichkeit von Normwidersprüchen an der Wohnsitzanknüpfung keine Änderung vorge­ nommen hat. Dagegen wurde andererseits vorgeschlagen, den gewöhnlichen Aufenthalt le­ diglich als Notzuständigkeit zu wählen, um keine positiven Kompetenzkonflikte zu verursachen.69 Dieses Argument gegen die erste Ansicht ist jedoch in zwei­ erlei Hinsicht unklar. Zum einen wird nicht deutlich, wie durch die subsidiäre Anknüpfung an ein Anknüpfungsmoment, das man zur selben Zeit typischerwei­ se nur einmal haben kann,70 ein positiver Kompetenzkonflikt entstehen soll. Zum anderen ist die Möglichkeit eines positiven Kompetenzkonflikts im IZVR wegen der Regeln zur Verfahrenskoordination an sich kein Problem und in jedem Fall gegenüber negativen Kompetenzkonflikten zu bevorzugen. 66 

Vgl. dazu auch die Bewertungsaspekte zu den Lösungsansätzen sogleich ab S.  215. Hüßtege in: Thomas/Putzo, Art.  62 EuGVVO n. F., Rdn.  3; Kropholler/v. Hein, Art.  59 EuGVO, Rdn.  9. 68  Kropholler/v. Hein, Art.  59 EuGVO, Rdn.  9. 69  Schack, IZVR, Rdn.  278. 70  Siehe dazu ausführlich unten S.  402. 67 

1. Kapitel: Erhöhung des Bestimmtheitsniveaus durch Regelungen

315

C. Bewertung I. Umqualifizierung Auch wenn der Ansatz der Umqualifizierung den Normenwiderspruch auflöst, indem er bewirkt, dass die Rechtsfragen, deren Behandlung den Normenwider­ spruch herbeigeführt hat, nach ein und demselben Recht behandelt werden, ist er doch dogmatisch nicht einwandfrei. Denn so sehr Rechtsbegriffe der Bestim­ mung von außen, insbesondere durch den Gesetzgeber, zugänglich sind, ist ein einmal definierter Bedeutungsgehalt ohne Gesetzesänderung unveränderlich und kann sich daher auch nicht aus Gründen der Ergebnisorientierung in eine Bedeu­ tungsrichtung verschieben, die aus Praktikabilitätserwägungen heraus notwen­ dig wäre. Die Lösung von Anpassungsproblemen ist daher nicht in der funktio­ nellen Umqualifizierung zu suchen. II. Kollisionsrechtliche oder sachrechtliche Lösung? 1. Legislative Perspektive In der Literatur wird, soweit ersichtlich, nicht die Frage behandelt, ob eine legislative Lösung, d. h. eine geschriebene Regelung darüber notwendig ist, wie mit den hier relevanten normativen Widersprüchen umzugehen ist. Es scheint eine stillschwei­ gende Übereinkunft darüber zu geben, dass dies nicht der Fall ist. Gleichzeitig be­ deutet dies aber auch, dass keinerlei Gründe in der Literatur ersichtlich sind, warum es eine spezifische Regelung nicht geben sollte. Insgesamt spricht die legislative Perspektive eher für eine kollisionsrechtliche Lösung von Normwidersprüchen. a) Beibehaltung des Status quo? Aus verschiedenen Gründen mag man dafür sein, keine solche Regelung zu er­ lassen. Zunächst könnte man darauf verweisen, dass das Problem der Normwidersprüche schon seit Jahrzehnten bekannt ist71 und man bislang auch ohne Regelung gut gefahren ist, so dass eine Regelung nicht notwendig erscheint.72 Darüber hinaus mag ein gewisser Grad an Flexibilität73 in der Entscheidungs­ findung als günstig angesehen werden angesichts der Mannigfaltigkeit von Fall­ konstellationen, in denen Normwidersprüche auftreten können; ein Mangel an Flexibilität mag aus dieser Perspektive kontraproduktiv wirken.74 71 

Siehe nur Goldschmidt, FS M. Wolff, 203, 210, der bereits auf das Verhältnis von eheli­ chem Güterrecht und Ehegattenerbrecht abstellt. 72  Vgl. hierzu Fiorini, Electronic Journal of comparative law 2008, 89, 96. 73  Vgl. hierzu Fiorini, Electronic Journal of comparative law 2008, 89, 96. 74  So zur Anpassung im Verhältnis von Erb- und Güterrecht Dutta in: MüKoBGB, Vor Art.  20 EuErbVO, Rdn.  59.

316 2. Teil – 1.  Abschnitt: Erhöhung des kollisionsrechtlichen Bestimmtheitsniveaus Auf der anderen Seite offenbart – bei aller Flexibilität des materiell-rechtli­ chen Ansatzes – nicht zuletzt der Ehegattenerbschaftsfall die Rechtsunsicherheit hinter diesem Vorschlag: Je nachdem, welchen Anteil an der Erbschaft der Rich­ ter dem überlebenden Ehegatten gewährt, kann der Unterschied einige Tausend Euro oder gar noch mehr ausmachen, wenn der Gesamtnachlass entsprechend groß ist. Rechtssicherheit ist jedoch eines der Grundprinzipien nicht nur des IPR;75 es wird gewöhnlich mit geschriebenem Recht in Verbindung gebracht, da Gewohnheitsrecht nicht immer leicht zu identifizieren ist.76 Nicht zuletzt ist auch mit einer geschriebenen Regel ein gewisses Maß an Flexibilität vereinbar. In Kodifizierungsverfahren waren immer wieder Schwie­ rigkeiten zu sehen, insbesondere wenn es darum ging, Vorhersehbarkeit und not­ wendige Flexibilität miteinander zu vereinbaren.77 Ohne geschriebene Regel hängt jedenfalls stets das Damokles-Schwert mehrerer Lösungsansätze über ei­ ner Fallkonstellation: zum einen der materiell-rechtliche Ansatz mit seinen ver­ schiedenen Möglichkeiten, zum anderen die theoretische Möglichkeit des kolli­ sionsrechtlichen Ansatzes ohne eine nähere Kriterienbestimmung. Diese Aspek­ te zeigen, dass eine geschriebene Regel notwendig ist. b) Möglichkeit der Vereinfachung der Rechtsanwendung durch eine sachrechtliche Lösung Ein wesentlicher Vorteil der Sachrechtsvereinheitlichung besteht zunächst darin, dass es anders als auf dem Weg über das Kollisionsrecht bei der Sachrechtsver­ einheitlichung nicht notwendig ist, Informationen zu verschiedenen Rechtsge­ bieten einzuholen, da ja die Kenntnis des vereinheitlichten Sachrechts ausrei­ chend ist. Damit ist es zusätzlich nicht mehr notwendig, dass die Gerichte ange­ wandte Rechtsvergleichung betreiben, wie sie es beim Günstigkeitsvergleich tun müssen78 oder wenn die Gerichte mithilfe der Rechtsvergleichung Normwider­ sprüche identifizieren und Lösungen für die dabei entstehenden Lücken finden müssen. Damit könnte die Rechtsanwendung für die Gerichte insgesamt erleich­ tert werden.

75 

Siehe nur Fiorini, Electronic Journal of comparative law 2008, 89, 95. Vgl. Lando/Nielsen, JPIL 2007, 29, 34. 77  Siehe z. B. zu den Verhandlungen über die Rom  I-VO bzgl. der Einbeziehungsmöglich­ keit der lex mercatoria im Rahmen der Rechtswahl (Lando/Nielsen, JPIL 2007, 29, 32–34) sowie der Kodifikation des Prinzips der charakteristischen Leistung im Vorschlag zur Rom  I-VO: Lando/Nielsen, JPIL 2007, 29, 36–38. 78  Vgl. Martiny in: MüKoBGB, Art.  6 Rom  I-VO, Rdn.  58 f. 76 

1. Kapitel: Erhöhung des Bestimmtheitsniveaus durch Regelungen

317

c) Problem der Akzeptanz einer sachrechtlichen Lösung bei zukünftiger EU-Erweiterung Ein grundsätzliches Problem könnte sich mit der Akzeptanz des materiellen Ein­ heitsrechts in Staaten ergeben, die nach Annahme einer Einheitsrechtsverord­ nung Mitglied der EU werden. Es ist heute noch nicht absehbar, wie weit sich die EU in ein paar Jahrzehnten noch ausdehnen wird. Die Entwicklung des Europä­ ischen Privatrechts betrifft jedoch vorrangig die EU-Mitgliedstaaten79 und damit nur deren Rechtsgrundsätze. Wenn die Privatrechtsordnungen von Nicht-EU-Mit­ gliedstaaten ebenfalls in die Arbeiten miteinfließen, dürfte das am ehesten auf der zufälligen Ähnlichkeit mit der Rechtsordnung eines Mitgliedstaates beruhen. Damit ist es schwierig zu prognostizieren, welche Rechtsgrundsätze bei der Er­ arbeitung der Rechtstexte heute und in näherer Zukunft unberücksichtigt blei­ ben. Mit dem Beitritt eines neuen EU-Mitgliedstaats könnte so die Gefahr stei­ gen, dass dieser Staat rechtlich einen Rechtstext akzeptieren muss, zu dem er und seine Bürger faktisch keinen Bezug haben. Ein nur optionaler Rechtsakt wird damit Gefahr laufen, von den Bürgern dieses Staates bei grenzüberschreitenden Sachverhalten nicht gewählt zu werden. Vergleichbare Schwierigkeiten gab es ab 1926 im Zuge des Übergangs der Türkei von der auf dem islamischen Recht basierenden Mecelle zu einem Zivil­ gesetzbuch, das dem schweizerischen ZGB weitestgehend entsprach, so dass dieser Übergang einem regelrechten Kulturschock gleichkam.80 Dies traf ins­ besondere auf den Übergang zur obligatorischen Zivilehe zu.81 Inwieweit dieses Problem jedoch in der Praxis Platz greifen wird, hängt letzt­ lich davon ab, welche Staaten konkret in Zukunft EU-Mitgliedstaaten werden. Soweit es die Erweiterung um die Balkan-Staaten wie Serbien oder Bosnien-Her­ zegowina oder auch jenseits des Balkans die Türkei geht, ist die Wahrscheinlich­ keit tendenziell geringer, da deren Zivilrechte Rechtskreisen zugeordnet werden können, die in der EU bereits vertreten sind. Das gilt zunächst für die Türkei, das sich am Recht der Schweiz orientiert. Diese ist zwar nicht selbst Mitglied der EU, wird aber dem germanischen Rechtskreis zugeordnet, der wiederum mit Deutschland, Österreich und den westslawischen Staaten wie z. B. Tschechien, Slowakei oder Polen einige Vertreter unter den EU-Mitgliedstaaten aufweist. Dasselbe gilt für Bosnien-Herzegowina und Serbien, deren Zivilrechte vom ös­ terreichischen Recht82 sowie aus jugoslawischer Zeit u. a. durch das schweize­

79 

Vgl. Heiderhoff, Europäisches Privatrecht, Rdn.  596. Zweigert/Kötz, §  13 III, S.  176. 81  Zweigert/Kötz, §  13 III, S.  176. 82  Zweigert/Kötz, §  12 III, S.  165. 80 

318 2. Teil – 1.  Abschnitt: Erhöhung des kollisionsrechtlichen Bestimmtheitsniveaus rische Recht83 beeinflusst sind. Legitimationsdefizite sind bei diesen Rechten also nicht zu erwarten. Zudem ist zu bedenken, dass grundsätzlich die Möglichkeit besteht, dass das vereinheitlichte Recht – und wenn erst nach einer Phase der Gewöhnung – von den Bürgern des neuen EU-Mitgliedstaates als Gewinn angesehen wird. Trotz der Schwierigkeiten in der Türkei wurde auch das auf dem ZGB der Schweiz basierende neue Zivilgesetzbuch zumindest akzeptiert.84 Ferner ist es selbst bei der Kollisionsnormvereinheitlichung dann, wenn ein EU-Mitgliedstaat seine In­ teressen einbringen kann, bei verschiedenen Anknüpfungsgrundsätzen die Re­ gel, dass man nur einer Richtung folgen kann – es sei denn man akzeptiert aus­ nahmsweise auf europäischer Ebene eine Mischung aus mehreren Ansätzen wie etwa bei der Konzeption der culpa in contrahendo in der Rom  II-VO.85 Den­ noch werden die Lösungen akzeptiert, was durchaus damit zu tun haben kann, dass bei politischen Verhandlungen die eine Verhandlungspartei an der einen Stelle ihren Willen durchsetzen kann, wenn sie dafür an anderer Stelle nach­ gibt.86 Die Akzeptanz von Einheitsrecht in Staaten, die nicht an der Schaffung teilgenommen haben, muss also nicht zwingend unter dieser Nichtteilnahme lei­ den – bei der EU wie gesagt insbesondere unter dem Aspekt, dass bei dem Pool von Staaten, die für eine EU-Mitgliedschaft demnächst in Betracht kommt, die prägenden Rechtsprinzipien in den Sachrechtsverhandlungen ohnehin bereits Einzug gefunden haben werden. d) Regelungsbasis und Zustimmungserfordernisse unter den Teilnehmerstaaten aa) Breitere gesetzliche Grundlage im Kollisionsrecht Der Vorteil des vereinheitlichten Kollisionsrechts gegenüber der Sachnormver­ einheitlichung besteht darin, dass es bereits auf breiter Grundlage existiert und damit wichtige Verhandlungsetappen bereits der Vergangenheit angehören. Demgegenüber befindet sich das vereinheitlichte Sachrecht noch in der Ent­ stehung. Zudem erfasst selbst bereits bestehendes vereinheitlichtes Sachrecht nicht alle Staaten der Erde. Das am weitesten verbreitete Beispiel weltweiter Rechtsvereinheitlichung, das CISG87, bindet bislang lediglich 8988 von 193 UNO-­ 83 

Vgl. Kapor, Youg. Law, 3. Vgl. Zweigert/Kötz, §  13 III, S.  176. 85  Vgl. Junker in: MüKoBGB, Art.  12 Rom  II-VO, Rdn.  1. 86  Vgl. z. B. zu den politischen Schwierigkeiten bei Art.  1 Abs.  2 lit.  g Rom II-VO G. Wagner, IPrax 2008, 1, 3. 87  Wiener UN-Übereinkommen über Verträge über den internationalen Warenkauf vom 11.4.1980 (BGBl. 1989 II, S.  588). 88  (zuletzt aufgerufen am 6.1.2019). 84 

1. Kapitel: Erhöhung des Bestimmtheitsniveaus durch Regelungen

319

Mitgliedstaaten89. Auch der Haager Konferenz für IPR gehören derzeit90 ledig­ lich 83 Mitglieder an, davon 82 Staaten und die EU. Die fehlende Teilnahme der übrigen Staaten verhindert eine intensivere Rechtsintegration auf staatsvertrag­ licher Ebene. Auf EU-Ebene gab es daneben einen Vorschlag zum einheitlichen Kaufrecht; darüber hinaus sind zu den anderen Rechtsgebieten im Rahmen des DCFR-Pro­ jektes ebenfalls bereits Grundsätze erarbeitet worden.91 Gleichzeitig bedeutet dies aber auch, dass trotz der langen Forschungszeit über das Kaufrecht hinaus noch in keinem Rechtsgebiet Sachrecht erarbeitet ist, das Gesetzeskraft hat. Zu­ dem steht für weitere zivilrechtliche Bereiche wie das Familien- oder das Erb­ recht eine geraume Wartezeit noch aus. Damit ist die Lösung von Normen­ mängeln und Normenhäufungen derzeit nicht in der Sachrechtsvereinheitlichung zu finden. bb) Anhaltende Notwendigkeit der Kollisionsrechtsvereinheitlichung Unabhängig von der Langwierigkeit von Forschung zur Sachrechtsvereinheit­ lichung bleibt die Kollisionsrechtsvereinheitlichung notwendig, um Sachverhal­ te mit Bezug zum Raum außerhalb der EU zu regeln. Die Vereinheitlichungspro­ jekte beschränken sich bislang auf die EU, da die Wahrscheinlichkeit auf Durch­ setzung der Rechtsvereinheitlichung im Binnenmarkt vor dem Hintergrund der Kompetenz in Art.  81, 85 und 114 AEUV weitaus höher ist als im völkervertrag­ lichen IPR. Zudem ist es für Sachverhalte mit Bezug zu Nicht-EU-Mitgliedstaaten durch­ aus denkbar, dass das Einheitsrecht nicht anwendbar ist. Zwar forderte z. B. der Vorschlag zur EuKaufVO nur, dass „mindestens einer dieser Staaten“ – gemeint sind die Mitgliedstaaten, in dem sich die Anschrift des Verbrauchers, seine Lie­ feranschrift oder die Rechnungsanschrift befindet bzw. der Staat, in dem der Un­ ternehmer seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat – „ein EU-Mitgliedstaat ist“ (Art.  4 Abs.  3 lit.  b). Der räumliche Anwendungsbereich kann bei anderen Ein­ heitsrechtsverordnungen allerdings enger gewählt sein, womit schon allein da­ durch einer zumindest theoretischen Ersetzung des Kollisionsrechts der Riegel vorgeschoben wäre. Wenn das weitere EU-Einheitsrecht daneben wie die Eu­ 89 

(zuletzt aufgerufen am 24.3.2015). Stand 6.1.2019, siehe Statustabelle (zuletzt aufgerufen am 6.1.2019). 91  v. Bar, PEL Benevolent Intervention; Hesselink/Rutgers/Bueno Díaz/Scotton/Veldman, PEL CAFDC; Barendrecht/Jansen/Loos/Pinna/Cascão/van Gulijk, PEL SC; Drobnig, PEL Pers. Sec.; Lilleholt u. a., PEL LG; Hondius/Heutger/Jeloschek/Sivesand/Wiewiorowska, PEL S; v. Bar, PEL Liab. Dam.; v. Bar/Swann, PEL Unj. Enr.; Lurger/Faber, PEL Acq. Own.; Loos/ Bueno Díaz, PEL MC; Drobnig/Böger, PEL Prop. Sec. 90 

320 2. Teil – 1.  Abschnitt: Erhöhung des kollisionsrechtlichen Bestimmtheitsniveaus KaufVO nur fakultativ ist, ist der Aufwand der Weiterentwicklung des entspre­ chenden Kollisionsrechts – wie er in allen Kollisionsrechtsverordnungen auf­ grund der jeweiligen Revisionsklausel vorgesehen ist92 – notwendig. Die Beob­ achtung des Kollisionsrechts muss also neben der Entwicklung des einheitlichen Sachrechts erfolgen, so dass die Sachrechtsvereinheitlichung in jedem Fall ne­ ben der notwendigen Kollisionsrechtsentwicklung einen Mehraufwand bedeutet. Diese Notwendigkeit zeigt sich auch beim Vergleich verschiedener Kollisi­ onsregelungen in EU-Rechtsakten und internationalen Übereinkommen inner­ halb Europas. Hier sind nur vereinzelte regionale Orientierungen an der Gesetz­ gebung der EU zu finden, wodurch ein größerer äußerer Entscheidungseinklang verpasst wird. Unter den EFTA-Staaten ist stattdessen zu beobachten, dass sich die Staaten unabhängig voneinander am EVÜ orientiert haben. Dass der Umfang der Orientierung jedoch uneinheitlich ist, kann man insbesondere sehen, wenn man vergleicht, wie z. B. das Verbraucherkollisionsrecht von Island, Liechten­ stein und der Schweiz geregelt wurde. Liechtenstein und Island haben die ent­ sprechende Regelung des EVÜ nahezu wortgleich, jedenfalls inhaltlich identisch übernommen.93 Demgegenüber gibt es zwischen Art.  5 EVÜ und Art.  120 des schweizerischen IPRG94 zwei wesentliche Unterschiede.95 Der erste Unterschied besteht darin, dass nach Art.  120 S.  2 IPRG eine Rechtswahl – anders als nach Art.  5 Abs.  2 EVÜ und nunmehr auch Art.  6 Abs.  2 Rom  I-VO – ausgeschlossen ist. Der zwei­ te Unterschied ist, dass ein Günstigkeitsvergleich nicht vorgesehen ist. Dieser zweite Unterschied ergibt sich für das subjektive Vertragsstatut zunächst folge­ richtig daraus, dass es eine solches im Anwendungsbereich von Art.  120 IPRG nicht gibt, so dass man mit ihm auch das Verbraucherstatut nicht vergleichen kann. Ferner sieht auch Art.  6 Rom  I-VO einen Günstigkeitsvergleich zwischen objektivem Vertragsstatut und Verbraucherstatut nicht vor. Dennoch wäre es zu­ 92 

Siehe nur Art.  27 Rom  I-VO, Art.  30 Rom  II-VO, Art.  82 EuErbVO, Art.  20 Rom  III-VO, Art.  74 EuUnthVO. 93  Brunner in: Basler Kommentar zum IPR, Art.  120 IPRG, Rdn.  54. 94  Art.  120 des schweizerischen IPRG lautet: 1Verträge über Leistungen des üblichen Ver­ brauchs, die für den persönlichen oder familiären Gebrauch des Konsumenten bestimmt sind und nicht im Zusammenhang mit der beruflichen oder gewerblichen Tätigkeit des Konsumen­ ten stehen, unterstehen dem Recht des Staates, in dem der Konsument seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat: a) wenn der Anbieter die Bestellung in diesem Staat engegengenommen hat; b) wenn in diesem Staat dem Vertragsabschluss ein Angebot oder eine Werbung vorausgegangen ist und der Konsument in diesem Staat die zum Vertragsabschluss erforderlichen Rechtshand­ lungen vorgenommen hat, oder c) wenn der Anbieter den Konsumenten veranlasst hat, sich ins Ausland zu begeben und seine Bestellung dort abzugeben. 2Eine Rechtswahl ist ausgeschlossen. 95  Siehe zu Art.  120 des schweizerischen IPRG: Brunner in: Basler Kommentar zum IPR, Art.  120 IPRG.

1. Kapitel: Erhöhung des Bestimmtheitsniveaus durch Regelungen

321

mindest möglich gewesen, einen Günstigkeitsvergleich zwischen Verbraucher­ statut und objektivem Vertragsstatut vorzusehen. So aber fehlt im schweizeri­ schen Verbraucherkollisionsrecht – anders als im Kollisionsrecht von EU und weiteren EFTA-Staaten – ein Günstigkeitsvergleich völlig. Wenn man jedoch bedenkt, dass mindestens drei der vier EFTA-Staaten die Orientierung am EVÜ und damit am Kollisionsrecht der EU anstrebten und auch im IZVR die Luganer Übereinkommen bislang erfolgreiche Regelungswerke waren, besteht zumindest die Möglichkeit, dass die Koordination in diesem Punkt vollendet wird. 2. Judikative Perspektive Auch die judikative Perspektive spricht für eine kollisionsrechtliche Lösung von Normwidersprüchen. a) Judikative Perspektive der sachrechtlichen Lösung Für die sachrechtliche Lösung ergibt sich kein klares Bild, wann sie den am we­ nigsten intensiven Eingriff darstellt. Das mag auch zutreffen, wenn es um eine Lösung geht, die von der Rechtsprechung in einem konkreten Fall gefunden wer­ den soll. Andererseits verkörpert eine gesetzliche Regelung Rechtssicherheit.96 Dennoch sind einige Eingriffe, die im Rahmen der Anpassung vertreten werden, durchaus intensiv. Nicht nur im Extremfall der Kreation einer neuen Sachnorm wird das richterliche Ermessen in nur eng begrenztem Umfang durch das ge­ schriebene Gesetz zur Lösung geleitet. Schlicht die Tatsache, dass der Richter – wie im Beispielsfall der Ehegattenerbschaft97 – die Möglichkeit hat, einen re­ lativ beliebigen Anteil zwischen einem Drittel und der Hälfte des Nachlasses zu wählen, kann für eine Partei bei einem entsprechenden Nachlassumfang eine beträchtliche Summe ausmachen, z. B. bei einem Nachlass von drei Millionen Euro einen Unterschied von einer halben Million Euro. Gemessen daran, dass beide Rechte eigentlich klar geregelte Erbschaftsanteile vorsehen, ist diese Ent­ wicklung durchaus als Rückschritt in Sachen Rechtssicherheit zu werten. b) Judikative Perspektive der kollisionsrechtlichen Lösung, insbesondere die Rolle des EuGH Die Lösung sollte – insbesondere vor dem Hintergrund der potenziellen Rolle des EuGH in diesem Fall – im Rahmen einer Kollisionsrechtsvereinheitlichung auf EU-Ebene gesucht werden. Nicht harmonisiertes IPR ist nationales Recht 96  97 

Sommermann in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Art.  20 GG, Rdn.  288. Siehe oben S.  298.

322 2. Teil – 1.  Abschnitt: Erhöhung des kollisionsrechtlichen Bestimmtheitsniveaus und fällt daher in die Zuständigkeit der nationalen Gerichte. Der EuGH wird nur in Fällen des unionsweit harmonisierten IPRs aktiv, da nur solches IPR auf einem Rechtsakt einer EU-Institution beruht und somit durch den EuGH im Wege eines Vorabentscheidungsverfahrens nach Art.  267 AEUV ausgelegt werden kann. Der EuGH hat gezeigt, dass er mit diesem Instrument eine wirkungsvolle koordinie­ rende Rolle in der Entwicklung des europäischen IPR spielen kann (dazu aa). Der EuGH kann diese Rolle aber nur dann spielen, wenn die rechtliche Basis im Europarecht verankert ist und eine geschriebene Regel darstellt (dazu bb). aa) Die Rolle des EuGH als Koordinator Die Bedeutung des EuGH zeigte sich bereits früh z. B. bei der Auslegung von Art.  5 Abs.  1 EuGVÜ. Die Entwicklung des besonderen vertraglichen Gerichts­ standes begann mit der verbundenen Rechtssache Tessili98 und De Bloos99. In Tessili definierte der EuGH, dass die fragliche Verpflichtung nach der lex fori zu finden ist,100 in De Bloos befand es, dass die relevante Verpflichtung diejenige ist, die den Gegenstand des Verfahrens ausmacht.101 Dieses Prinzip wurde auf die Konstellation mit zwei gleichwertigen Verpflichtungen übertragen, die jeweils in zwei verschiedenen Mitgliedstaaten zu erfüllen waren.102 Das gleiche gilt für die Trennung von Gerichtsstandvereinbarungen und Ver­ trägen, die eine solche Gerichtsstandvereinbarung enthalten. Nach Art.  17 EuGVÜ war es lange Zeit nicht ausdrücklich anerkannt, dass eine Gerichtsstandverein­ barung, die in einem nichtigen Vertrag enthalten war, weiterhin wirksam war und somit zu einer ausschließlichen Zuständigkeit führen konnte. Der EuGH inter­ pretierte Art.  17 EuGVÜ und erkannte diese Trennung als Grundsatz an.103 Der EuGH hatte jedoch auch entscheidenden Einfluss auf die Entwicklung des Gesellschaftskollisionsrechts, das innerhalb der EU noch nicht gesetzlich ein­ heitlich fixiert ist und daher aus zwei unterschiedlichen Konzepten in den ver­ schiedenen nationalen Rechtsordnungen besteht. Die eine Gruppe von Staaten wie Dänemark, Irland, die Niederlande und das Vereinigte Königreich wenden die Gründungstheorie an und knüpfen daher an das Recht des Staates an, in dem die Gesellschaft gegründet wurde; die andere Gruppe von Staaten folgt der Sitz­ theorie und bezieht sich auf den Ort der Hauptverwaltung.104 98 

EuGH, Urt. v. 6.10.1976, C-12/76, Tessili v. Dunlop AG, Slg. 1976, 1473. EuGH, Urt. v. 6.10.1976, C-14/76, De Bloos v. Boyer, Slg. 1976, 1497. 100  EuGH, Urt. v. 6. 10.1976, C-12/76, Tessili v. Dunlop AG, Slg. 1976, 1473, Rdn.  15. 101  EuGH, Urt. v. 6.10.1976, C-14/76, De Bloos v. Boyer, Slg. 1976, 1497, Rdn.  15/17. 102  EuGH, Urt. v. 5.10.1999, C-420/97, Leathertex v. Bodetex, Slg. 1999, I-6747, Rdn.  42. 103  EuGH, Urt. v. 3.7.1997, C-269/95, Francesco Benincasa v. Dentalkit Sri., Slg. 1997, I-3788; Nielsen, CMLR 2013, 503, 523. 104  Holst, CJEL 2002, 323. 99 

1. Kapitel: Erhöhung des Bestimmtheitsniveaus durch Regelungen

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Erstmals in seiner Entscheidung Daily Mail105 gelangte der EuGH zu der Fest­ stellung, dass es den Mitgliedstaaten obliegt, über die Bedingungen zu bestim­ men, unter denen Gesellschaften die Qualität einer juristischen Person zugestan­ den wird, da sie Geschöpfe des nationalen Rechts sind.106 Dieses Prinzip führte zur Zulassung der Anwendung sowohl der Gründungs- als auch der Sitztheorie auf wegziehende Gesellschaften. Bei zuziehenden Gesellschaften stehen die Ent­ scheidungen Centros107, Überseering108 und Inspire Art109 für den Grundsatz, dass die Anwendung der Sitztheorie gegen die Niederlassungsfreiheit verstößt.110 Diese Unterscheidung wird von den Mitgliedstaaten als bindend angesehen, was bedeutet, dass die Gründungstheorie auf zuziehende Gesellschaften angewendet wird. In Hinblick auf diese Entwicklung ist die Rolle des EuGH mit derjenigen des IGH vergleichbar, der das Völkerrecht weiterentwickelt, auch wenn dessen Einfluss auf das IPR bislang nicht einschneidend gewesen ist.111 bb) Bedingungen für die koordinative Rolle des EuGH (1) Die Notwendigkeit einer geschriebenen Kollisionsnorm Die soeben genannten Beispiele könnten zu der Schlussfolgerung verleiten, dass ein rechtliches Fundament für die Weiterentwicklung des Rechts durch den EuGH nicht erforderlich sei, wenn der EuGH mit einer nur losen normativen Anknüpfung arbeitet. Es zeigen sich bei der Entwicklung von EuIPR und EuZPR durch den EuGH jedoch zwei Charakteristika, die auf geschriebenem Recht be­ ruhen. Zum einen entwickelt der EuGH geschriebenes Recht weiter und präzi­ siert die Merkmale der in Rede stehenden Regeln. Dies war der Fall bei Art.  5 Nr.  1 Brüssel I-VO. Dort führte der EuGH zunächst die grundsätzliche Methode ein, wie die maßgebliche Verpflichtung zu finden war, und passte diesen Ansatz im Zuge der nachfolgenden Rechtsprechung weiter an. Allerdings gelang der Durchbruch zu Art.  5 Nr.  1 lit.  b Brüssel I-VO durch den Gesetzgeber. Zum anderen beruht selbst dort, wo es keine Kollisionsregel gibt, die rechtli­ che Entwicklung auf einem Rechtsprinzip. Dies zeigt sich an der Rechtsprechung im europäischen Gesellschaftsrecht. Hier gibt es kein harmonisiertes Kollisions­ recht; die Entwicklung beruht einzig auf der Rechtsprechung des EuGH in den 105 

EuGH, Urt. v. 27.9.1988, C-81/87, Daily Mail, Slg. 1988, 5483. EuGH, Urt. v. 27.9.1988, C-81/87, Daily Mail, Slg. 1988, 5483, Rdn.  19. 107  EuGH, Urt. v. 9.3.1999, C-212/97, Centros, Slg. 1999, I-1459. 108  EuGH, Urt. v. 5.11.2002, C-208/00, Überseering, Slg. 2002, I-9919. 109  EuGH, Urt. v. 30.9.2003, C-167/01, Inspire Art, Slg. 2003, I-10155. 110  Vgl. Grundmann, European Company Law, S.  600. 111  v. Loon/De Dycker, The role of the International Court of Justice in the development of Private International Law, S.  19. 106 

324 2. Teil – 1.  Abschnitt: Erhöhung des kollisionsrechtlichen Bestimmtheitsniveaus Entscheidungen Centros, Überseering und Inspire Art. Es gab jedoch mit der Niederlassungsfreiheit im EU-Primärrecht eine geschriebene Referenz, nach der das ungeschriebene Prinzip untersucht werden konnte. Solch eine effektive Ver­ bindung zu geschriebenem Recht existiert jedoch nicht bei den Anpassungsme­ thoden selbst, die zur Lösung von Normwidersprüchen angewandt werden. (2) Notwendigkeit einer geschriebenen EU-Kollisionsregel Um bei diesen Normwidersprüchen zu einer vergleichbaren Lösung zu kommen, müsste der EuGH die gegebene Konstellation als Fall einer Verletzung von Grundfreiheiten oder Grundrechten interpretieren. Das führt allerdings z. B. im Fall der Kollision von Erb- und Güterstatut nicht weiter, da weder das Institut des Erbrechts noch das der Ehe an sich bedroht sind. Und da die Auslegung nationa­ len Rechts kein tauglicher Gegenstand im Rahmen des Vorlageverfahrens nach Art.  267 AEUV ist, könnte der EuGH hier nur über die Vermittlung durch eine EU-Kollisionsnorm tätig werden. Am komfortabelsten ist die Ausgangssituation dabei, wenn beide aufeinandertreffenden Rechtsbereiche mit einer EU-Kolli­ sionsnorm geregelt sind, wie das bald im Falle von Erb- und Güterkollisionsrecht der Fall sein wird. In diesem Fall kann der EuGH seine Auslegung auf beide Kollisionsnormen stützen. Doch auch, wenn es – wie im Fall des Vermächtnisses – nur eine vereinheitlichte Kollisionsnorm im Erbrecht gibt und nicht im Sachen­ recht, kann der EuGH anhand der Erbkollisionsnorm die Frage beantworten, in­ wieweit es sich um eine falsche Ausdehnung oder Einschränkung des Anwen­ dungsbereichs der EU-Kollisionsnorm handelt.

§  3 Inhaltliches Lösungskonzept bei Normwidersprüchen im IZVR Für das inhaltliche Lösungskonzept der Normwidersprüche im IZVR ist es der­ zeit am besten, bei der Anknüpfung zu differenzieren: Die bereits vorhandene Wohnsitzanknüpfung sollte belassen werden und es sollte subsidiär – im Falle eines negativen Kompetenzkonfliktes – an den gewöhnlichen Aufenthalt ange­ knüpft werden (dazu A.). Im Rahmen der weiteren Rechtsentwicklung ist jedoch über mögliche Modifikationen nachzudenken (dazu B.).

1. Kapitel: Erhöhung des Bestimmtheitsniveaus durch Regelungen

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A. Anknüpfung an den gewöhnlichen Aufenthalt in Subsidiarität zum Wohnsitz: Gedanken zu einer konzeptionellen Neuorientierung Nach der prinzipiellen Klärung des kollisionsrechtlichen Lösungsansatzes be­ trifft die nächste Frage das Verhältnis zwischen bereits existierender Anknüpfung und einer neuen Anknüpfung, wobei der am wenigsten einschneidende Weg zu­ nächst einmal vorzugswürdig ist. Dabei sollte darauf geachtet werden, dass eine Ersatzlösung, die darauf ausgerichtet ist, Normwidersprüche aufzulösen, als pri­ märe Anknüpfung eine Überkorrektur darstellen würde. Denn hierbei würde man ein kollisionsrechtliches Konzept, das möglicherweise nur die zweitbeste Inter­ essenabwägung darstellt, auch auf Fälle anwenden, die keinen Normwiderspruch ergeben. Daher ist zunächst einmal eine Korrektur im Rahmen einer sekundären Anknüpfung vorzugswürdig. Im IZVR erscheint es derzeit daher am sinnvollsten, die primäre Wohnsitz­ anknüpfung, wie sie auch in Art.  62 Abs.  1 Brüssel Ia-VO vorgesehen ist, zu be­ lassen und im Fall des Auftretens negativer Kompetenzkonflikte subsidiär an den gewöhnlichen Aufenthalt der natürlichen Person anzuknüpfen.112 Sollte der ne­ gative Kompetenzkonflikt durch die subsidiäre Anknüpfung an den gewöhnli­ chen Aufenthalt ebenfalls nicht gelöst werden können, weil eine Person z. B. keinen gewöhnlichen Aufenthalt hat,113 kann hilfsweise an die nächstengste Ver­ bindung der Person zu einem Mitgliedstaat nach dem gewöhnlichen Aufenthalt angeknüpft werden. Dies ist vorzugswürdig gegenüber einer Notzuständigkeit eines beteiligten Mitgliedstaates, die bereits als ungeschriebene Notzuständig­ keit zu Zeiten der Brüssel I-VO vertreten worden war.114 Auf diese Weise würde das forum shopping zu sehr begünstigt und es ggf. dem Kläger ermöglicht, in einem Staat zu klagen, der gleichzeitig sein eigener Wohnsitzstaat ist; angewandt auf den allgemeinen Gerichtsstand könnte diese Anknüpfung also im Einzelfall zum Klägergerichtsstand werden, wodurch die Funktion des allgemeinen Ge­ richtsstands leerliefe. Die Diskussionen über die Art und Weise der Einzelfallkorrektur, wenn die Wohnsitzanknüpfung einen Normenmangel verursacht, hätten jedoch auch gänz­ lich vermieden werden können, wenn man bei der Neuregelung in der Brüssel I-VO nicht nur in Art.  60 die Anknüpfung bei Gesellschaften und juristischen Personen gegenüber dem EuGVÜ weiterentwickelt, sondern auch beim allge­ meinen Gerichtsstand in Art.  2 für natürliche Personen weitere Anknüpfungs­ 112 

Vgl. bereits oben S.  314. diese Möglichkeit weist Gottwald in: MüKoZPO, Art.  62 Brüssel Ia-VO, Rdn.  2 hin; ferner allgemein ohne Bezug zum IZVR Rauscher, IPR, Rdn.  283. 114  Erecinski/Weitz, FS Kaissis, 187, 192 f.; siehe auch Gottwald in: MüKoZPO4, Art.  59 EuGVO, Rdn.  7. 113  Auf

326 2. Teil – 1.  Abschnitt: Erhöhung des kollisionsrechtlichen Bestimmtheitsniveaus momente wie den gewöhnlichen Aufenthalt des Beklagten eingeführt hätte. Je­ denfalls bei der Revision im Rahmen der Brüssel Ia-VO hätte eine solche Aus­ weitung durchgeführt werden sollen. Die Konzentration auf die Wohnsitzanknüpfung war bei Art.  2 Abs.  1 EuGVÜ laut Jenard-Bericht gewählt worden, da sich sonst aufgrund des Nebeneinanders von Wohnsitz und gewöhnlichem Aufenthalt „die Zahl der Gerichtsstände er­ höht“ hätte.115 Genau diesen Effekt akzeptierte man allerdings bei der Neurege­ lung in Art.  60 Brüssel I-VO gegenüber dem EuGVÜ bei Gesellschaften und juristischen Personen, weil man hier zu der Ansicht gelangt war, negative Kom­ petenzkonflikte in jedem Fall verhindern zu müssen und positive Kompetenz­ konflikte über Art.  29 ff. Brüssel Ia-VO lösen zu können.116 Offenheit gegenüber dem gewöhnlichen Aufenthalt als Anknüpfungsmoment hätte die theoretische Möglichkeit negativer Kompetenzkonflikte bei natürlichen Personen im Keim erstickt. Jedenfalls ist dem in Art.  60 Brüssel I-VO enthaltenen Prinzip zu folgen und positive Kompetenzkonflikte notfalls in Kauf zu nehmen, solange nur nega­ tive Kompetenzkonflikte vermieden werden können.

B. Ausblick auf Verfeinerungen des Anknüpfungssystems I. Unionsrechtlich einheitlicher Wohnsitzbegriff Das Problem, dass in Art.  62 Brüssel Ia-VO das europäische und das nationale Recht miteinander in Beziehung gesetzt werden, ist schon früh identifiziert wor­ den.117 Eine unionsrechtsautonome Wohnsitzdefinition ist allerdings an sich nicht erforderlich, äußeren und inneren Entscheidungseinklang herzustellen und insoweit Rechtssicherheit zu gewährleisten. Der weltweite Entscheidungsein­ klang ergibt sich daraus, dass immer dann, wenn es um die Prüfung des Wohnsit­ zes in einem Mitgliedstaat geht, international einheitlich das Recht dieses Staates angewendet wird. Geht es z. B. um die Frage, ob eine natürliche Person ihren Wohnsitz in Deutschland hat, wird die Frage in jedem Fall nach deutschem Recht behandelt; für deutsche Gerichte gilt das wegen Art.  62 Abs.  1 Brüssel Ia-VO, für die Gerichte der anderen Mitgliedstaaten wegen Art.  62 Abs.  2 Brüssel Ia-VO.

115 

Jenard-Bericht, ABl. EG 1979 C 59/1, S.  16. Vlas in: Magnus/Mankowski, Art.  60 Brussels I Regulation, Rdn.  3. 117  Kropholler/v. Hein, Art.  59 EuGVO, Rdn.  3, Fn.  4 m. w. N. 116 

1. Kapitel: Erhöhung des Bestimmtheitsniveaus durch Regelungen

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II. Alleinige Anknüpfung an den gewöhnlichen Aufenthalt 1. Weitere Vorbehalte gegen die Wohnsitzanknüpfung Neben das Problem, dass die Wohnsitzanknüpfung negative Kompetenzkonflikte verursacht und deren Auflösung in jedem Fall einen Mehraufwand bedeutet, ge­ sellt sich die Kritik, dass sie zusätzlich das forum shopping begünstige. Dies beruht darauf, dass jeder Kläger sich den Gerichtsort aussuchen könnte, nach dessen nationalem Recht sich die für ihn günstigste Wohnsitzdefinition ergibt.118 Die Hoffnung, dass es im Zuge der Revision der Brüssel I-VO zu einer Neurege­ lung und hier insbesondere zu einer autonomen Definition wenigstens des Wohn­ sitzbegriffes käme,119 hat sich bislang mit Blick auf die Neufassung der Brüssel I-VO nicht erfüllt – Art.  62 Brüssel Ia-VO weist gegenüber Art.  59 Brüssel I-VO keine Änderungen auf. Demgegenüber sind die Kosten, die durch unterschiedliche Wohnsitzbegriffe in verschiedenen Rechtsakten entstehen könnten, zu hoch eingeschätzt worden.120 Sie sind eher ohne Not weiter erhöht worden, da auf nationaler Ebene – insbeson­ dere im common law – neue Wohnsitzdefinitionen notwendig wurden, um sie für EuGVÜ bzw. die Brüssel I-VO praktikabel zu machen.121 Auf diese Weise hat die damalige EWG die Veränderung der Wohnsitzbegriffe auf nationaler Ebene zu einer sich selbst erfüllenden Prophezeiung gemacht, zumindest soweit es das common law betrifft.122 Der Wohnsitzbegriff in §  7 BGB hat sich dagegen seit der Originalfassung nicht geändert.123 Es ist also davon auszugehen, dass sich der deutsche Wohnsitzbegriff in nächster Zeit nicht ändern wird. Überhaupt lässt sich an der Stichhaltigkeit dieser Argumentation von Seiten der EWG durchaus zwei­ feln: Die Angst vor zu großer nationalrechtlicher Veränderung hatte sie nicht daran gehindert, den Sitzbegriff für Gesellschaften, Vereine bzw. juristische Per­ sonen europarechtlich autonom zu definieren – die unterschiedlichen Gestaltun­ gen der in Art.  63 Brüssel Ia-VO hatte in den jeweiligen Absätzen 2 sogar zu einer Sonderregel zugunsten des Vereinigten Königreichs und Irlands geführt. Auch wenn angesichts der vorgeschlagenen Regelung in der Brüssel Ia-VO die Hoff­ nung auf Veränderung in diesem Punkt enttäuscht wird, zeigt die Bewertung der 118 

Kropholler/v. Hein, Art.  59 EuGVO, Rdn.  6. Kropholler/v. Hein, Art.  59 EuGVO, Rdn.  3. Dennoch mit Präferenz für die Anknüpfung an den gewöhnlichen Aufenthalt: Kropholler/v. Hein, Art.  59 EuGVO, Rdn.  3; Geimer, FS Mu­ sielak, 169, 173 f. 120  Jenard-Bericht, ABl. EG 1979 Nr. C 59/1, S.  16. 121  Jasper, S.  43. 122  Kropholler/v. Hein, Art.  59 EuGVO, Rdn.  3. 123  Siehe die ursprüngliche Fassung von §  7 BGB unter (zuletzt auf­ gerufen am 22.4.2015). 119 

328 2. Teil – 1.  Abschnitt: Erhöhung des kollisionsrechtlichen Bestimmtheitsniveaus Regelung die Schwäche der Argumentation derer, die diese Regelung weiterhin unterstützen. Die Umstellung auf den gewöhnlichen Aufenthalt ist also eher noch eine Frage der Zeit. 2. Erwägungen zur Anknüpfung an den gewöhnlichen Aufenthalt in Zivilund Handelssachen auf der Grundlage der EU-Verordnungen im Familienund Erbrecht Wenn man allerdings der Ansicht ist, dass der Wohnsitz für eine unionsrechtliche Definition ungeeignet ist, wäre es besser, gänzlich auf den gewöhnlichen Aufent­ halt als Anknüpfungsmoment auch im IZVR zurückzugreifen.124 Die EuZVRVor­schriften im Familien- und Erbrecht zeigen, dass der gewöhnliche Aufenthalt auch im IZVR als Hauptanknüpfung geeignet ist. Dort, wo eine natürliche Per­ son ihren gewöhnlichen Aufenthalt hat, hat sie nicht nur eine Nähe­beziehung zum dort geltenden Recht, sondern auch zu dem Gerichtssystem dieses Staates, in aller Regel wird sie dort auch ihren Wohnsitz haben. Zudem gibt es bereits ein unionsrechtliches Verständnis des gewöhnlichen Aufenthaltes, an dem man sich auch für das IZVR orientieren könnte.125 3. Kollisionsrechtliche Lösung des negativen Kompetenzkonflikts im Rahmen von Art.  24 Nr.  2 Brüssel Ia-VO Zur Lösung des im Rahmen von Art.  24 Nr.  2 Brüssel Ia-VO entstehenden Nor­ menmangels kann man sich mit einer der Verweisungen begnügen; man könnte sich also zwischen der Verweisung durch den Wegzugsstaat und der Verweisung des Zuzugsstaates entscheiden.126 Das führt jedoch zu einer vergleichbaren Rechts­ unsicherheit wie bei den übrigen Konstellationen von Normwidersprüchen. Insofern ist es vorzugswürdig, nach einer gesetzlichen Lösung zu suchen. Eine nahe liegende Möglichkeit besteht in der unionsweiten Vereinheitlichung des Gesellschaftskollisionsrechts unter Nutzung eines einheitlichen Anknüpfungs­ momentes127. Mit dieser Lösung schafft man ebenfalls einen Gleichlauf von IPR und IZVR. Bei Anknüpfung an ein einheitliches Anknüpfungsmoment entsteht jedoch der zusätzliche Vorteil, dass keine negativen Kompetenzkonflikte entste­ hen können. Bei der Konzeption kann man sich an der Definition des Wohnsitzes 124 

In diese Richtung die wohl h. M.; siehe nur Kropholler/v. Hein, Art.  59 EuGVO, Rdn.  3. Vgl. v. Hein in: MüKoBGB, Art.  5 EGBGB, Rdn.  135. 126  Vgl. Kropholler/v. Hein, Art.  22 EuGVO, Rdn.  41. 127  Die Ideen für ein kodifiziertes Internationales Gesellschaftsrecht beschränken sich der­ zeit noch auf die nationalen Ebenen, siehe etwa den Referentenentwurf der Bundesregierung über ein Gesetz zum Internationalen Privatrecht der Gesellschaften, Vereine und juristischen Personen. 125 

1. Kapitel: Erhöhung des Bestimmtheitsniveaus durch Regelungen

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von Gesellschaften und juristischen Personen orientieren, die in Art.  63 Abs.  1 und 2 Brüssel Ia-VO enthalten ist. Um den Gleichlauf von IPR und IZVR nicht zu zerstören, sollte jedoch eine hierarchische Anordnung vorgesehen werden. Als erste Sprosse dieser Leiter er­ scheint der satzungsmäßige Sitz am geeignetsten, da er sich ohne großen Aufwand direkt aus dem Gesellschaftsvertrag ergibt; ersatzweise könnte man – in Anleh­ nung an den registered office im Vereinigten Königreich und Irland sowie die im deutschen Referentenentwurf vorgeschlagene Hauptanknüpfung – an den Ort der öffentlichen Registrierung anknüpfen.128 Sollte es einen solchen Ort ebenfalls nicht geben, könnte – ebenfalls in Anlehnung an Art.  63 Abs.  2 Brüssel Ia-VO – an den Ort angeknüpft werden, nach dem die Rechtsfähigkeit erlangt wurde, und schließlich für den Fall, dass es einen solchen ebenfalls nicht gibt, an den Ort, nach dessen Recht die Gesellschaft gegründet wurde. Damit wäre die Gründungs­ theorie konsequent sowohl auf das IPR als auch das IZVR anwendbar. Man könnte nun freilich auch hier anführen, dass es sich um eine Überkorrek­ tur handelt, da auch die unproblematischen Fälle erfasst werden. Weil aber die unproblematischen Fälle nach Art.  63 Brüssel Ia-VO bereits nach der Grün­ dungstheorie gelöst werden, sind sie ohnehin von dieser Lösung oder zumindest einem Äquivalent erfasst. Die hier vorgeschlagene Lösung geht also nicht über das erforderliche Maß an Korrektur hinaus.

§  4 Lösung des Normwiderspruchs im IPR Der Ansatzpunkt der Lösung von Normwidersprüchen im IPR beruht zunächst darauf, dass die ursprünglich vom Gesetzgeber gewählte Anknüpfung erhalten bleibt und eine subsidiäre Anknüpfung hinzugefügt wird (dazu A.). Dabei erfor­ dert die Interessenabwägung die subsidiäre Anknüpfung an das hinreichend fle­ xible Anknüpfungsmoment des charakteristischen Rechtsverhältnisses, wobei gewisse Typisierungen möglich sind (dazu B.).

A. Subsidiäre Anknüpfung statt Abänderung der Ursprungsanknüpfung Um auch bei der Lösung von Normwidersprüchen im IPR den am wenigsten einschneidenden Weg zu finden, ist es angezeigt, den Weg der sekundären An­ knüpfung zu gehen und sich damit auch hier für eine subsidiäre Anknüpfung zu 128  Vgl. dazu die Lösung im Referentenentwurf zum deutschen Internationalen Gesell­ schaftsrecht, die an den Ort der Eintragung in ein öffentliches Register anknüpft, wobei darauf hingewiesen wird, dass dieser Ort regelmäßig mit dem im Gesellschaftsvertrag genannten Sat­ zungssitz übereinstimmen wird; siehe dazu S.  8 der Begründung.

330 2. Teil – 1.  Abschnitt: Erhöhung des kollisionsrechtlichen Bestimmtheitsniveaus entscheiden. Dies betrifft einerseits die Vergleichbarkeit der Ausgangssituatio­ nen sowie andererseits die Vergleichbarkeit der Konzepte, um diesen Situationen zu begegnen. Zunächst betrifft die sekundäre Anknüpfung Konstellationen, in denen die An­ wendung zweier selbstständiger Kollisionsnormen zu einander widersprechen­ den nationalen Sachrechten führt. Dies ist mit Situationen vergleichbar, in denen eine Kollisionsnorm nicht angewendet werden kann, da man im Ergebnis in kei­ ner der beiden Situationen ein nationales Recht findet, mit dem ein Sachverhalt ohne normative Widersprüche zu fassen ist. Damit ist die Konstellation eines Normwiderspruchs mit derjenige Konstellation verwandt, die Art.  4 Abs.  2 Rom  I-VO zugrunde liegt. Diese Vorschrift kommt schließlich nur dann zur An­ wendung, wenn das anwendbare Recht nicht über Art.  4 Abs.  1 Rom  I-VO gefun­ den werden kann. Z. B. kann ein Vertrag, der einerseits einen Verkauf zum Ge­ genstand hat, dessen Gegenleistung jedoch nicht eine Geldzahlung, sondern die Erbringung einer Dienstleistung darstellt, weder mit Art.  4 Abs.  1 lit.  a noch lit.  b Rom  I-VO gehandhabt werden; eine Vertragsspaltung der Art, dass die eine Leis­ tung nach dem einen, die Gegenleistung nach einem anderen Recht beurteilt wird, ist nicht zulässig.129 Die konzeptionelle Vergleichbarkeit leitet sich davon ab, dass die primäre An­ knüpfung als die beste Lösung des Interessenausgleichs angesehen wird.130 So ist es auch in Art.  4 Rom  I-VO: Wenn kein Fall des Katalogs aus Abs.  1 einschlä­ gig ist, ist Abs.  2 als Hilfskollisionsregel anzuwenden, die weniger konkret for­ muliert ist, auch wenn sie im Grundsatz demselben Gedankengang wie Abs.  1 folgt. Führt Abs.  2 ebenfalls nicht zum Ziel, weil die charakteristische Leistung nicht feststellbar ist, gibt es eine dritte Hilfskollisionsregel in Abs.  4, die nur noch allgemein auf die engste Verbindung abstellt. Eine ähnliche Struktur haben die Art.  10, 11 und 12 Rom  II-VO gemeinsam, die zunächst einer akzessorischen Anknüpfung an einen Vertrag folgen. Wenn das Schuldverhältnis keine Vertragsakzessorietät aufweist, kommen Hilfskolli­ sionsregeln zur Anwendung, bei denen mit absteigender Folge die Verbindung zum Sachverhalt weniger intensiv wird; dies wird gerade bei der culpa in contra­ hendo deutlich, die schon anwendbar ist, wenn Vertragsverhandlungen eingelei­ tet wurden, so dass die Rückfallpositionen in Art.  12 Abs.  2 Rom  II-VO tenden­ ziell nicht in Anspruch genommen werden müssen.131 Daraus ist die Vermutung abgeleitet worden, dass Art.  12 Abs.  2 Rom  II-VO die Fälle betreffen könnte, in denen „die Anwendung des Vertragsstatuts auf ein Verschulden bei den Verhand­ 129 

Cheshire/North/Fawcett/Carruthers, PIL, S.  691. Stone, EU Private International Law, S.  309. 131  So auch Junker in: MüKoBGB, Art.  12 Rom  II-VO, Rdn.  30. 130 

1. Kapitel: Erhöhung des Bestimmtheitsniveaus durch Regelungen

331

lungen nicht sachangemessen ist“132. Dafür kann neben dem entsprechend weiter gefassten englischen bzw. französischen Wortlaut133 angeführt werden, dass nur auf diese Weise dem Art.  12 Abs.  2 Rom  II-VO ein Anwendungsbereich beschie­ den ist und eben dieser Absatz eine Mischung aus mehreren Anknüpfungs­ momenten darstellt, die in den strukturähnlichen Art.  10 und 11 einerseits Rück­ fallpositionen,134 andererseits eine Ausweichklausel beinhalten.135 Mit dem Be­ deutungsinhalt der Sachangemessenheit lassen sich die Positionen in einer Norm fassen.136 Die Kategorie der Sachangemessenheit lässt sich nun mit den Problemen der Normwidersprüche verbinden. Sachangemessenheit kann auch so verstanden werden, dass mit der Grundanknüpfung keine Rechtsordnung gefunden werden konnte, mit der sich der Sachverhalt sachangemessen, also ohne Normwider­ sprüche lösen ließ. Wenn also im oben genannten Beispielsfall137 sich aus dem Zusammenspiel von österreichischem Erbrecht und deutschem Güterrecht ein Normenmangel ergibt, lässt sich konstatieren, dass die Anwendung der beiden Kollisionsnormen oder zumindest einer Kollisionsnorm im Ergebnis nicht zur Anwendung einer sachangemessenen Rechtsordnung geführt hat. Nach dem hier angeführten Verständnis von Art.  12 Abs.  2 Rom  II-VO könnte man nun mit ei­ ner geeigneten subsidiären Anknüpfung von der Grundanknüpfung abweichen und damit die Sachangemessenheit wiederherstellen.

B. Inhaltliche Ausgestaltung des Anknüpfungsmoments im IPR I. Das Prinzip des charakteristischen Anknüpfungsgegenstandes Um ein geeignetes Anknüpfungsmoment für eine IPR-Kollisionsregel zu finden, ist es angebracht, dem Prinzip der engsten Verbindung zu folgen.138 Will man die kollisionsrechtliche Anpassung mit der akzessorischen Anknüpfung in eine Kol­ lisionsnorm übertragen, muss man ferner ein Kriterium finden, mit dem derjeni­ ge Anknüpfungsgegenstand herausgefunden wird, der als Medium zur engsten Verbindung zwischen Sachverhalt und anwendbarem Recht wirkt. Wenn also die relativ engste Verbindung gefunden werden soll, muss der Anknüpfungsgegen­ stand, der dorthin führt, ebenfalls die relativ engste Verbindung zum Sachverhalt darstellen. Hinsichtlich der Terminologie kann man sich eine Parallele zur cha­ 132 

Junker in: MüKoBGB, Art.  12 Rom  II-VO, Rdn.  31. Junker in: MüKoBGB, Art.  12 Rom  II-VO, Rdn.  31. 134  Art.  12 Abs.  2 lit.  a und b Rom  II-VO; vgl. Art.  10 Abs.  2 und 11 Abs.  2 Rom  II-VO. 135  Art.  12 Abs.  2 lit.  c Rom  II-VO, vgl. Art.  10 Abs.  4 und 11 Abs.  4 Rom  II-VO 136  So wohl Junker in: MüKoBGB, Art.  12 Rom  II-VO, Rdn.  31 ff. 137  Siehe oben S.  298. 138  Kropholler, IPR, §  4 II; Lagarde, Recueil des cours 196 (1986 I), 26. 133 

332 2. Teil – 1.  Abschnitt: Erhöhung des kollisionsrechtlichen Bestimmtheitsniveaus rakteristischen Leistung bei internationalen Verträgen denken. Das heißt, dass man den Anknüpfungsgegenstand bestimmen muss, der für den Sachverhalt und das in diesem Zusammenhang betroffene Rechtsverhältnis charakteristisch ist. II. Flexible statt fixen Prioritäten Zur näheren Bestimmung der Kollisionsregel auf der Basis des charakteristi­ schen Anknüpfungsgegenstands gilt es die Frage zu klären, ob die Kollisions­ regel auf einer fixen oder flexiblen Priorisierung aufbauen soll. Eine fixe Priori­ sierung würde dem Beispiel der Vertragsakzessorietät im internationalen außer­ vertraglichen Schuldrecht folgen, hätte also Vorbilder in Art.  4 Abs.  3, Art.  10 Abs.  1, Art.  11 Abs.  1 und Art.  12 Abs.  1 Rom  II-VO und würde sich damit an der typischen Gestaltung einer akzessorischen Anknüpfung orientieren. Allerdings haben diese akzessorischen Anknüpfungen eine innere Logik, da sie mit dem Zusammenspiel des betreffenden außervertraglichen Rechtsverhält­ nisses mit einem Vertrag zu tun hat. Damit besteht dieses Verhältnis – verglichen mit einem kurzfristig entstandenen außervertraglichen Schuldverhältnis – zwi­ schen den Parteien durchaus seit längerer Zeit.139 Bei den Konstellationen von Normwidersprüchen dagegen ist der natürliche Vorrang des einen Statuts vor dem anderen – z. B. des Erbstatuts vor dem Güterstatut – nicht ohne Weiteres erkennbar und kann zudem von der Sachverhaltskonstellation des Einzelfalles abhängen. Damit scheidet zugleich eine fixe Priorisierung in diesem Verhältnis grundsätzlich aus; sie ist allenfalls für einzelne Konstellationen denkbar, bei de­ nen die sichere Bestimmung eines natürlichen Vorrangs gegeben ist, weil ausge­ schlossen oder zumindest äußerst unwahrscheinlich ist, dass sich eine umgekehr­ te Priorität ergeben kann.140 III. Kriterien zur Bestimmung des charakteristischen Anknüpfungsmoments 1. Der Umfang des Einflusses auf andere Systembegriffe am Beispiel des Zusammenspiels von Erb- und Sachenkollisionsrecht Wie das oben hergeleitete Kriterium des charakteristischen Anknüpfungsgegen­ standes gebraucht wird, kann am Beispiel des Fallbeispiels des internationalen Vermächtnisses dargestellt werden.141 Das rechtliche Problem besteht einerseits in der Rechtsnatur des Vermächtnisses und den sich daraus ergebenden Konse­ quenzen – d. h. ob es ein Vindikationslegat und damit einen Eigentumsherausgabe­ anspruch des Vermächtnisnehmers gibt oder ob es sich dagegen um ein Damna­ 139 

Vgl. Kropholler, IPR, §  53 IV 4. Siehe dazu S.  336. 141  Siehe zur Fallgestaltung oben S.  299. 140 

1. Kapitel: Erhöhung des Bestimmtheitsniveaus durch Regelungen

333

tionslegat handelt, das dem Vermächtnisnehmer lediglich wie in §  2174 BGB einen schuldrechtlichen Anspruch auf Übertragung der Inhaberschaft am Ver­ mächtnisgegenstand gewährt – und andererseits in der Erfüllung des Anspruchs des Vermächtnisnehmers. Der Umfang des Einflusses jedes Teils des rechtlichen Problems muss aus der Qualifikation der Systembegriffe bzw. der Anwendungs­ bereiche der entsprechenden harmonisierten EU-Kollisionsrechtsverordnungen hergeleitet werden. Der erste Teil des Problems – die Rechtsnatur der Vermächtnisse – ist nach Art.  23 Abs.  2 lit.  e EuErbVO dem Erbrecht zugewiesen.142 Darüber hinaus um­ fasst das Erbstatut nach Art.  23 Abs.  2 lit.  e EuErbVO auch die Wirkungen des Vermächtnisses. Da sich die Vorschrift nicht auch auf die Erfüllung von Rechten bezieht, die sich aus dem Vermächtnis ableiten, ist für deren Behandlung e con­ trario das Sachstatut einschlägig.143 Die EuErbVO deckt also die Grundlage des rechtlichen Problems ab. Die Rechtsnatur des Vermächtnisses legt damit das Fundament für die spätere Erfüllung des aus dem Vermächtnis folgenden An­ spruches. Die Abhängigkeit der Regeln zur Erfüllung dieses Anspruchs führen in diesem Fall zu der dominanten Stellung des Erbrechts. Das Sachenrecht nimmt hingegen die untergeordnete Rolle ein und ist in diesem Verhältnis lediglich das Hilfsstatut. 2. Faktoren zur Auslegung der Beziehung von Systembegriffen am Beispiel des Falles der Erbschaft des hinterbliebenen Ehegatten Die Identifikation eines dominanten und eines untergeordneten Anknüpfungs­ gegenstandes kann dadurch erschwert werden, dass beide Anknüpfungsgegen­ stände für den Hauptzweck der Konstellation essentiell sind, wie das z. B. bei den Ehegattenerbrechtsfällen der Fall ist. Da sowohl Erb- als auch Güterstatut einen Beitrag vergleichbaren Umfangs zum Gesamtergebnis leisten, ist es schwierig, den Einflussumfang ohne die Ergänzung um weitere Kriterien zu bestimmen. a) Parteieninteressen als zu berücksichtigender Faktor Im Verhältnis zwischen Erb- und Güterstatut hat der Ehegatte des Erblassers ein Interesse daran, dass das Ehegüterrecht nicht durch einseitige Interessenverlage­ rung des Erblassers beeinflussbar sein soll. Dazu könnte es jedoch kommen, wenn der Erblasser durch einseitige Veränderung des Erbstatuts zugleich das Gü­ terstatut beeinflussen könnte. Daher wird dafür plädiert, dem Güterstatut den Vorrang zuzusprechen, um das Vertrauen des Ehegatten des Erblassers zu schüt­ 142  143 

Dutta in: MüKoBGB, Art.  23 EuErbVO, Rdn.  20. Dutta in: MüKoBGB, Art.  23 EuErbVO, Rdn.  20.

334 2. Teil – 1.  Abschnitt: Erhöhung des kollisionsrechtlichen Bestimmtheitsniveaus zen.144 Dieses Beispiel zeigt, dass generell die Parteiinteressen eine gewichtige Bedeutung haben sollten, wenn der Einfluss eines Statuts nicht zu einem klaren Ergebnis führt. b) Keine zwingende Relevanz von IZVR-Konzentrationstendenzen für das IPR Es ist jedoch nicht möglich, allein von formalen Konzentrationstendenzen in Kollisionsverordnungen – möglicherweise aus deren IZVR-Abschnitten – Ablei­ tungen vorzunehmen; es müssen immer auch die einzelnen Parteiinteressen be­ rücksichtigt werden. Das lässt sich an zwei Beispielen zeigen. Zunächst könnte die Berücksichti­ gung von Konzentrationstendenzen in Kollisionsrechtsverordnungen zum Vor­ rang eines Statuts führen, die dafür nicht geeignet sind. So führt z. B. Art.  4 Eu­ GüterVO zu einer Konzentration des Ehegütergerichtsstands im Erbgerichts­ stand, indem das Gericht eines Mitgliedstaats, das mit einem Antrag im Zusammenhang mit dem Nachlass eines Ehegatten nach der EuErbVO145 be­ fasst ist, auch für güterrechtliche Fragen in Verbindung mit dem Antrag für zu­ ständig erklärt wird. Daraus, dass es in der EuErbVO keine solche Vorschrift gibt, könnte man ableiten, dass der EU-Gesetzgeber das Erbkollisionsrecht als gegenüber dem Güterkollisionsrecht vorrangig betrachtet. Das Fehlen einer entsprechenden Verweisung in der EuErbVO kann auch nicht mit der zeitversetzten Entwicklung im vereinheitlichten Kollisionsrecht er­ klärt werden. Es ist zwar richtig, dass das Grünbuch zur EuErbVO erst im Jahre 2005 herauskam146, gefolgt vom Kommissionsvorschlag im Jahre 2009.147 Das Grünbuch zur EuGüterVO kam erst 2006 heraus,148 der entsprechende Kommis­ sionsvorschlag 2011149. Weil aber die EuErbVO im Jahre 2012 angenommen wurde, gibt es eine Überschneidung in der Entwicklung beider Verordnungen. Der EU-­Gesetzgeber wusste also um die künftige Existenz einer EuGüterVO, so dass der EU-­Gesetzgeber einen Bezug der EuErbVO auf die EuGüterVO hätte herstellen können, wenn er es denn gewollt hätte. Dennoch gibt es nicht ausrei­ 144 

Siehe nur Beier, S.  355. Die Nummer ist im Vorschlag nicht enthalten; in Klammern wird jedoch auf die EuErb­ VO verwiesen. 146  Grünbuch KOM(2005) 65 endg., 1.3.2005. 147  Vorschlag für eine Verordnung über Zuständigkeit, anwendbares Recht, Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen und authentischen Instrumenten in Sachen Rechtsnach­ folge und Schaffung eines Europäischen Nachlasszeugnisses, KOM(2009) 154 endg., 4.10.­ 2009. 148  Grünbuch über Kollisionsnormen in Sachen Ehegüterrecht einschließlich der Fragen von Zuständigkeit und gegenseitiger Anerkennung, KOM(2006) 400 endg., 17.7.2006. 149  KOM(2011) 126 endg., 16.3.2011. 145 

1. Kapitel: Erhöhung des Bestimmtheitsniveaus durch Regelungen

335

chend Anhaltspunkte dafür, dass der EU-Gesetzgeber die Verfahrenskonzentra­ tion als Rechts­gedanken auch auf das anwendbare Recht ausgedehnt wissen wollte, so dass dies als Vorlage bei der Lösung der Anpassung genutzt werden könnte. Die Konzentration selbst soll sicherstellen, dass bei Beendigung des ­Güterstandes durch Tod eines der Ehegatten das zuständige Gericht sowohl die Erb- als auch die Güterfragen behandeln kann.150 Würde man daraus die Konse­ quenz ziehen, dass auch das Erbstatut inhaltlichen Vorrang vor dem Güterstatut genießt, würde die Bedeutung der ehelichen Verbindung der Ehegatten, die dem Güterstatut zugrunde liegt, gänzlich vernachlässigt und damit zugleich die Inter­ essen des hinterbliebenen Ehegatten nicht ausreichend beachtet.151 Daher ist eine Übertragung des Konzentrationsschwerpunktes im Erbrecht nicht vom IZVR auf das IPR übertragbar. Ferner können Konzentrationstendenzen mehrdeutig sein, wenn sie von einer Rechtswahl herrühren. Das zeigt das Zusammenspiel von EuErbVO und Eu­ GüterVO. Beide Verordnungen enthalten eine gewisse Konzentrationstendenz; gleichzeitig sind in beiden Regelwerken die Rechtswahlmöglichkeiten limi­ tiert.152 Im Erbrecht darf der Erblasser nach Art.  22 Abs.  1 EuErbVO nur das Recht des Staates, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt, wählen, wenn er von der Grundanknüpfung an seinen letzten gewöhnlichen Aufenthalt nach Art.  21 Abs.  1 EuErbVO abweichen möchte. Nach Art.  22 EuGüterVO ist das Ehepaar flexibler und darf zwischen dem Recht des Staates, in dem einer der Ehegatten zum Zeit­ punkt der Rechtswahl seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat (lit.  a) und dem Recht des Staates wählen, dem einer der Ehegatten zum Zeitpunkt der Rechtswahl an­ gehört (lit.  b). Art.  22 lit.  a EuGüterVO würde also im Gegensatz zur EuErbVO die Möglichkeit der Konzentration des anwendbaren Rechts bieten. Daraus könnte man ableiten, dass der EU-Gesetzgeber dazu tendiert, die Interessen des Erbrechts höher zu bewerten als die im Ehegüterrecht. Allerdings könnte man die Regelungen auch dahin interpretieren, dass der Er­ blasser nicht in der Lage sein soll, das Ehegüterrecht nach seinem Willen zu modifizieren. Dafür spricht, dass Stimmen in der Literatur für eine Konzentrati­ on im Ehegüterrecht plädieren, um das Vertrauen des Ehegatten des Erblassers zu schützen.153 Das zeigt, dass die Interessen der Parteien eine Hauptrolle spielen sollten, wenn der Umfang des Einflusses keine klare Sprache spricht.

150 

Siehe dazu KOM(2011) 126 endg., S.  7 Beier, S.  355. 152  Siehe Art.  22 EuErbVO und Art.  22 EuGüterVO. 153  Siehe nur Beier, S.  355. 151 

336 2. Teil – 1.  Abschnitt: Erhöhung des kollisionsrechtlichen Bestimmtheitsniveaus c) Keine Relevanz der Regelungsebene der in Rede stehenden Kollisionsrechtsakte Keine Relevanz sollte darüber hinaus der Regelungsebene der anzuwendenden Kollisionsnormen zukommen. Dieses Problem betraf bis zum Inkrafttreten von EuPartVO und EuGüterVO das Verhältnis von Erb- und Güterrecht und betrifft weiterhin bis zur Vereinheitlichung des Sachenkollisionsrechts in einer EU-Ver­ ordnung das Verhältnis u. a. von Erb- und Sachenrecht. Wenn man in diesen Ver­ hältnissen pauschal die vereinheitlichte Kollisionsnorm anwenden würde, hätte dies den positiven Effekt, den sich daraus ergebenden internationalen Entschei­ dungseinklang nutzen zu können. Andererseits ist zu bedenken, dass man es dem Zufall überlassen würde, wel­ cher Bereich des Kollisionsrechts zuerst vereinheitlicht würde. Ferner würde man sich in diesem Fall von der Suche nach der engsten Verbindung entfernen, welche die Grundlage des hier vorgeschlagenen Anknüpfungsmoments des cha­ rakteristischen Regelungsgegenstandes darstellt. Damit wäre dem Interesse der Parteien nicht mehr zwingend gedient. 3. Faktoren mit natürlicher Priorität – Die Bedeutung von Rechtswahlvereinbarungen und der Einbezug eines Verfahrens Neben den gerade analysierten Faktoren existieren weitere, die für ein Statut ei­ nen natürlichen Vorrang bedeuten. Dies sind die Parteiautonomie (dazu a) und die Kollision von anwendbarem Recht mit Verfahrensrecht (dazu b). a) Parteiautonomie Das Prinzip der Parteiautonomie ist eines der wichtigsten im IPR,154 was dazu führt, dass der Wille der Parteien als wesentlicher Teil der Analyse Berücksichti­ gung finden muss. Die Priorität des subjektiven vor dem objektiven Statut zieht sich durch das gesamte IPR und ist wesentlicher Bestandteil aller EU-Verord­ nungen.155 Diese Priorität gilt auch dann, wenn der Systembegriff des Statuts, das durch Rechtswahl bestimmt worden ist, lediglich den Nebenaspekt des Ge­ samtproblems darstellt. Dies ist gerechtfertigt, da die Rechtswahlvereinbarung über das eine Statut und deren Unterlassung hinsichtlich des anderen mehr als

154 

Siehe dazu nur EuGH, Urt. v. 26.11.1985, C-318/81, Commission v. CODEMI, Slg. 1985, 3693, Rdn.  21. 155  Der Vorschlag für eine Verordnung über Zuständigkeit, anwendbares Recht sowie Aner­ kennung und Vollstreckung von Entscheidungen im Bereich des Güterrechts eingetragener Partnerschaften – KOM(2011) 127 endg. – vom 16.3.2011 enthält dagegen noch keine Kollisi­ onsregel über eine Rechtswahl. Siehe dazu ausführlich unten S.  386.

1. Kapitel: Erhöhung des Bestimmtheitsniveaus durch Regelungen

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nur impliziert, dass das gewählte Recht für die Parteien wichtiger ist als das Recht, das lediglich als objektives Statut anwendbar sein soll. Da sich dieser Gedanke allerdings von der Hierarchie zwischen subjektivem und objektivem Statut ableitet, kann er nur konsequent durchgehalten werden, wenn diese Hierarchie auch wirklich existiert, und dann nicht, wenn die Beru­ fung beider Rechte auf Rechtswahl beruht. Dieser Fall ist vergleichbar mit der Konstellation, in der sich zwei objektive Statute begegnen, da in beiden Fällen die Statute gleichrangig sind. Da es keinen natürlichen Vorrang eines der beiden Statute gibt, muss das charakteristische Statut über die ersten beiden Faktoren der Analyse bestimmt werden: den Einflussumfang der jeweiligen Systembegrif­ fe und die betroffenen Interessen. Dieser Vorrang des subjektiven Statuts sollte jedoch nicht im Verhältnis von Erb- zu Güterstatut zugunsten des subjektiven Erbstatuts gelten. Hier ist dieselbe Interessengewichtung zu berücksichtigen, wie sie bereits bei der Erarbeitung von Auslegungsfaktoren im Verhältnis von objektivem Erb- zu objektivem Gütersta­ tut angeführt wurde.156 Das Vertrauen des Ehepartners des Erblassers in das Gü­ terstatut ist schutzwürdig. Umso mehr gilt dies, wenn man bedenkt, dass der Er­ blasser bei absolutem Vorrang des subjektiven vor dem objektiven Statut faktisch alleine – gemittelt durch Art.  22 EuErbVO – das Güterstatut wählen könnte und so insbesondere umgehen könnte, dass der andere Ehepartner ebenfalls mit sei­ ner Willenserklärung zu dieser Rechtswahl beitragen müsste. b) Kollision bei Konflikt von Verfahrensrecht und anwendbarem Recht Eine ebenfalls natürliche Priorität ergibt sich im Rahmen eines Verfahrens, wie im Rahmen des Einantwortungsfalls deutlich wird. Das Problem dieser Konstel­ lation besteht darin, dass das angerufene Gericht nicht so einfach ausgetauscht werden kann wie ein anwendbares Recht. Der Wechsel eines Gerichts würde mit prozessualen Schwierigkeiten einhergehen. Da eine Verweisung an ein ausländi­ sches Gericht nicht möglich ist,157 müsste das Verfahren vor einem anderen Ge­ richt in jedem Fall neu begonnen werden. Aus Gründen der prozessualen Effi­ zienz und Prozessökonomie muss somit hier der lex fori der Vorrang eingeräumt werden.

156  157 

Siehe dazu soeben S.  333. Geimer, IZVR, Rdn.  1010, 1850.

338 2. Teil – 1.  Abschnitt: Erhöhung des kollisionsrechtlichen Bestimmtheitsniveaus 4. Grenzen des Ansatzes a) Grenzen der Wirkung des Lösungsvorschlags Die Grenzen des von der Lösung erfassten Bereichs korrespondieren mit dem Anwendungsbereich einer spezifischen Kollisionsnorm. Wenn die hier vorge­ schlagene Lösung z. B. in EU-Verordnungen genutzt wird, könnten diese als lois uniformes zur Anwendung der Rechte von Nicht-EU-Mitgliedstaaten führen. Daher hätten sie den weitest möglichen Anwendungsbereich und würden damit auch zur Lösung von Widersprüchen führen, die sich aus der Anwendung dieser Rechte ergeben. Allerdings zeigt sich anhand des non cumul-Falles158, dass der vorbehaltlose Vorrang völkervertraglicher Kollisionsrechtsübereinkommen vor EU-Verord­ nungen die Wirkung einer Lösung auf EU-Ebene einschränkt. Würde z. B. auf­ grund von Art.  28 Abs.  1 Rom  II-VO anstatt der Rom  II-VO das HProdHÜ ange­ wendet und enthielte dieses Übereinkommen nicht die hier vorgeschlagene An­ knüpfungskorrektur, würde dies bedeuten, dass es in solchen Fällen auch nicht zu einer Übertragung einer die Systembegriffe koordinierenden Lösung auf die internationale Ebene käme. Solange ein solcher Vorrang also besteht, kann dieses Hindernis nur gelöst werden, indem das hier entwickelte Konzept ins völkerver­ tragliche Kollisionsrecht übertragen wird. Andernfalls müsste bei Normwider­ sprüchen im Zusammenspiel mit völkervertraglichen Kollisionsrechtsüberein­ kommen stets auf die Anpassung zurückgegriffen und deren Rechtsunsicherheit ggf. akzeptiert werden. Andererseits wäre es nicht fernliegend, dass es zu einer Übertragung dieses Konzepts auf die völkervertragliche Ebene kommen könnte, wenn es erst einmal in den EU-Verordnungen umgesetzt worden ist. Denn die EU könnte die hier vertretene Lösung im Rahmen internationaler Verhandlungen über Änderungen von Haager Konventionen einbringen. Es wäre dabei nicht das erste Mal, dass die Haager Konferenz die Umsetzung von Ideen der EU bei der Arbeit an ihren Rechtsakten in Betracht zöge. Eine entsprechende Rechtsentwicklung in die an­ dere Richtung, also eine inhaltliche Orientierung der EU-Verordnungen an Haa­ ger Konventionen, ist zwar nicht die Regel,159 ist jedoch – wie etwa bei den Arbeiten am HGÜ – beinahe schon einmal vorgekommen: Im Rahmen der Ver­ handlungen über das HGÜ orientierte man sich lange Zeit an den Zuständigkeits­ regeln des EuGVÜ, was schließlich lediglich am Veto der USA scheiterte.160

158 

Siehe oben S.  300. Siehe oben S.  170. 160  R. Wagner, RabelsZ 73 (2009), 100, 104. 159 

1. Kapitel: Erhöhung des Bestimmtheitsniveaus durch Regelungen

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Sollte die EU die Verordnungen entsprechend ändern, könnten die nationalen Gerichte der EU-Mitgliedstaaten, die zugleich Vertragsstaaten sind, den Rechts­ gedanken dieser Lösung auf das jeweilige Übereinkommen übertragen. Dadurch würde das Ziel des Übereinkommens nicht verfehlt und der Vertragsstaat auch im Übrigen nicht vertragsbrüchig. Denn die Lösung beruht nicht zuletzt auf den Gedanken der Anpassung und bewegt sich damit im Rahmen der bislang auch zulässigen IPR-Dogmatik. b) Konzeptionelle Grenzen aa) Gestaltung eines Beispielkatalogs in der Form von Art.  4 Abs.  1 Rom  I-VO Angesichts der Orientierung der Lösung an Art.  4 Rom  I-VO könnte man nun geneigt sein, auch bei dieser Lösung einen dem Art.  4 Abs.  1 Rom  I-VO ver­ gleichbaren Katalog zu konstruieren. Allerdings müssen dabei einige Vergleichs­ aspekte beachtet werden. Zunächst ist zu bedenken, dass sich der Katalog in Art.  4 Abs.  1 Rom  I-VO seit Nutzung der Anknüpfung an den gewöhnlichen Aufenthalt des Erbringers der vertragscharakteristischen Leistung im EVÜ über 30 Jahre entwickelt hat. Es gab also ausreichend Zeit, typische Präzisierungen bei den am häufigsten auftreten­ den Verträgen zu finden. Selbst nach dieser Zeitspanne waren einzelne Vertrags­ typen nicht frei von jeglicher Diskussion.161 Demgegenüber ist es bei dem hier vorgeschlagenen charakteristischen Anknüpfungsgegenstand im Grundsatz nicht zwingend, dass immer derselbe Systembegriff für jede einzelne Frage im Ver­ hältnis zweier Statute den Schwerpunkt des Sachverhalts ausmachen wird. Da Art.  4 Abs.  1 Rom  I-VO jedoch nicht nur für einzelne Fragen, sondern für Ver­ tragstypen insgesamt die Anknüpfungsmomente auflistet, ist ein vergleichbarer Katalog für diese Lösung grundsätzlich nicht möglich. Den Vorrang nur für ein­ zelne Problemaspekte festzuschreiben, wirkt daneben nicht effizient. Das gilt ausnahmsweise nicht für zwei Fälle. Einerseits könnte man einen Vor­ rang dann festschreiben, wenn ein Problem das einzige ist, das im Verhältnis zweier Statute auftreten kann, z. B. wenn im Verhältnis von Erbstatut und Güter­ statut sich lediglich die Frage stellen könnte, wie hoch der Anteil des Ehegatten an der Erbschaft ist. Eine solche Entscheidung kann jedoch nicht im Voraus ge­ troffen werden, da unklar ist, welche Fallkonstellationen sich in der Praxis stel­ len können. Für diese unbekannten Konstellationen sollte den Gerichten ausrei­ chend Spielraum – aber dennoch im Rahmen eines geregelten unbestimmten Rechtsbegriffs – zur Verfügung stehen. 161 

Max Planck Institute for Comparative and International Private Law, Comments on the European Commission’s Proposal for a Regulation of the European Parliament and the Council on the law applicable to contractual obligations (Rome I), RabelsZ 71 (2007), 265 f.

340 2. Teil – 1.  Abschnitt: Erhöhung des kollisionsrechtlichen Bestimmtheitsniveaus Der zweite Fall betrifft die bereits entwickelten Fälle natürlicher Priorität. Die Grundgedanken dieser Prioritäten gelten für grundsätzlich alle derartigen Fallge­ staltungen, wobei hinsichtlich der Parteiautonomie bereits die Ausnahme des subjektiven Erbstatuts gebildet worden war. Unter Einbezug dieser Ausnahme – verallgemeinert zur einseitigen Rechtswahl – können für diese beiden Fälle also ausdrückliche Vorrangzuweisungen in der Kollisionsregel selbst vorgenom­ men werden.162 bb) Fehlen des Vorrangs eines der Statute Das hier entwickelte Konzept basiert auf der Annahme, dass das eine Statut den Sachverhalt dominiert und das andere Statut eine Hilfsrolle einnimmt. Es kann jedoch Fälle geben, in denen es nicht nur schwierig, sondern unmöglich ist, das dominante Statut zu ermitteln, da beide Statute absolut gleichwertig sind. Dies ist insbesondere der Fall, wenn es sich um denselben Systembegriff handelt, wie es in der Einführungskonstellation der unbekannten Reihenfolge des Versterbens der Fall war.163 Die vorherrschende Lösung dieses Falles besteht nicht darin, ein einziges Recht zu berufen, sondern eine neue materiell-rechtliche Norm zu schaffen, wonach beide Personen in demselben Zeitpunkt verstorben seien. Ein Richter könnte jedoch auch anders entscheiden, so dass die jeweils eingesetzten Ersatzerben C und D die rechtliche Unsicherheit ausbaden müssten. Ein derarti­ ges richterliches Ermessen kann keine zufrieden stellende Lösung sein.164 Weil die Statute äquivalent sind, gibt es keine Basis, um einen Vorrang festzu­ stellen. Die Zuweisung eines Vorrangs wäre in diesem Fall willkürlich und wür­ de ebenfalls richterliches Ermessen ohne sachlichen Grund eröffnen. Die Situa­ tion würde sich damit also nicht verbessern. Die Grundsituation ist mit derjenigen von Art.  4 Abs.  4 Rom  I-VO vergleich­ bar, der sich Vertragstypen widmet, deren charakteristische Leistung aufgrund der Äquivalenz der vertraglichen Hauptleistungspflichten beider Vertragspartei­ en nicht bestimmbar ist, wie dies z. B. bei Tauschverträgen der Fall ist.165 Die dort vorgesehene Lösung besteht darin, dasjenige Recht anzuwenden, das die engste Verbindung zum Sachverhalt aufweist. Dieser Gedanke kann für die Lö­ sung des obigen Falles genutzt werden. Dafür müssen die Tatsachen der frag­ lichen rechtlichen Beziehung analysiert und abgewogen werden. Neben den ver­ tragsspezifischen Kriterien wie den Erfüllungsorten der Leistungen166 ist eben­ 162 

Siehe zur Umsetzung im Regelungsvorschlag unten S.  3. Siehe dazu oben S.  296. 164  Vgl. Dannemann, Diskriminierung, S.  242. 165  Siehe nur Martiny in: MüKoBGB, Art.  4 Rom  I-VO, Rdn.  338. 166  Martiny in: MüKoBGB, Art.  4 Rom  I-VO, Rdn.  328. 163 

1. Kapitel: Erhöhung des Bestimmtheitsniveaus durch Regelungen

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falls an die Staatsangehörigkeit der Parteien, die Vertragssprache oder den Vertragsabschlussort zu denken.167 Die letzteren beiden Aspekte sind verallge­ meinerungsfähig; bei Familienmitgliedern könnte dies zu Faktoren wie der in der Familie vornehmlich gesprochenen Sprache oder dem gemeinsamen gewöhnli­ chen Aufenthalt führen. Hieran zeigt sich, dass die Lösung von Art.  32 EuErbVO – selbst wenn man die Vorschrift auf diesen Fall anwenden wollte168 – auch in der Sache zu kurz greift, da bei ihr nicht einmal der Versuch eines differenzierenden Ansatzes un­ ternommen wird, den Normwiderspruch konstruktiv zu lösen. Denn selbst wenn auf verschiedene Personen aufgrund der primären Anknüpfung an den gewöhn­ lichen Aufenthalt unterschiedliche Erbstatute anwendbar sind, können sekundäre Umstände weiterhin einem der Erbstatute den Schwerpunkt im Rechtsverhältnis zuweisen. Das bedeutet freilich nicht, dass der Ansatz gänzlich sinnlos ist – im Gegenteil ist eine materielle Norm wie Art.  32 EuErbVO nützlich, wenn der Normwider­ spruch überhaupt nicht aufzulösen ist, insbesondere wenn auch der Sachverhalt keine ausreichende Nähebeziehung zu einer dann als charakteristisch qualifizier­ baren Rechtsordnung aufweist. Solange jedoch die Möglichkeit besteht, eine sol­ che Beziehung zu finden, sollte dies versucht werden und lediglich im Notfall auf Art.  32 EuErbVO zurückgegriffen werden. Aus diesem Grund bietet sich auch in der EuErbVO die Kodifikation des hier vertretenen Ansatzes an. cc) Verzichtbarkeit einer Ausweichklausel Schließlich ist eine Ausweichklausel, wie sie etwa in Art.  4 Abs.  3 Rom  I-VO verwendet wird, nicht erforderlich. Nach dem hier vorgeschlagenen Konzept gibt es jedoch einen wichtigen Unterschied zwischen der charakteristischen Leistung und dem charakteristischen Statut. Die charakteristische Leistung ist ein Aspekt von vielen in einem Vertrag. Im Unterschied dazu ist das charakteris­ tische Statut entweder dadurch bestimmbar, dass zwischen Haupt- und Neben­ statut unterschieden wird, oder durch Berücksichtigung der verschiedenen Par­ teiinteressen. Jedenfalls steht das Ergebnis der Bestimmung des charakteristi­ schen Statuts keinen Abweichungen offen: Ist das charakteristische Statut einmal bestimmt, ist es unmöglich, ein Recht zu finden, das als Schwerezentrum des Falles besser passt, da die anderen Rechte aufgrund der oben analysierten Aspek­ te keine engere Verbindung zum Fall aufweisen können.

167  168 

Ferrari in: Ferrari/Kieninger/Mankowski u. a., Art.  4 Rom  I-VO, Rdn.  74. Vgl. dazu oben S.  297.

342 2. Teil – 1.  Abschnitt: Erhöhung des kollisionsrechtlichen Bestimmtheitsniveaus IV. Regelungsvorschlag Aufgrund dieser Erwägungen erscheint eine geschriebene Kollisionsregel zur Lösung von Normwidersprüchen folgendermaßen als geeignet: „Anwendbares Recht im Falle von Normwidersprüchen aufgrund der Anwen­ dung der regulären Kollisionsnormen (1) Wo die Anwendung der regulären Kollisionsnormen zu Normwidersprüchen führt, ist von zwei oder mehreren Rechtsordnungen diejenige anwendbar, deren Anknüpfungsgegenstand für den jeweiligen Sachverhalt charakteris­ tisch ist. (2) Der charakteristische Anknüpfungsgegenstand ist, (a) wo eines der anwendbaren Rechte aufgrund einer Rechtswahl bestimmt worden ist, das Recht, das nach der Rechtswahlvereinbarung anwendbar ist, sofern es sich nicht um eine einseitige Rechtswahl handelt; (b) wo die Normwidersprüche auf einer Kollision von Kollisions- und Ver­ fahrensrecht beruhen, die lex fori. (3) Wo der charakteristische Anknüpfungsgegenstand nicht bestimmt werden kann, ist das Recht mit der engsten Verbindung zum Gesamtrechtsverhältnis anzuwenden.“

2.  Kapitel

Erhöhung des Bestimmtheitsniveaus durch Abstimmung der Anwendungsbereiche Das kollisionsrechtliche Bestimmtheitsniveau ist jedoch zusätzlich im Rahmen der Anwendungsbereiche von Kollisionsrechtsakten zu erhöhen. Dies zeigt sich sowohl im Verhältnis von völkervertraglichem Kollisionsrechtsübereinkommen und abhängigem EU-Rechtsakt (dazu §  1) als auch im Verhältnis der Anwendungs­ bereiche verschiedener Normabschnitte innerhalb ein und derselben EU-Kolli­ sionsrechtsverordnung (dazu §  2).

§  1 Verhältnis von völkervertraglichem Kollisionsrechtsübereinkommen und abhängigem EU-Rechtsakt A. Problemkonstellation Konstruiert der Unionsgesetzgeber einen Zusammenhang zwischen EU-Verord­ nung und kollisionsrechtlichem Übereinkommen wie in Art.  15 EuUnthVO, kann eine Abweichung in der Ausgestaltung des Anwendungsbereichs der Ver­ ordnung von demjenigen des Übereinkommens die Verweisung entwerten. Das ist zwar nicht bereits dann anzunehmen, wenn die Anwendungsbereiche nicht absolut wortidentisch sind. Z. B. bezieht Art.  1 Abs.  1 HUP 2007 inhaltlich die gleichen für die Unterhaltspflicht relevanten Verhältnisse ein wie Art.  1 Abs.  1 EuUnthVO – nämlich Familie, Verwandtschaft, Ehe und Schwägerschaft –, enthält zusätzlich aber noch den Passus „einschließlich der Unterhaltspflichten gegenüber einem Kind, ungeachtet des Zivilstands [für Deutschland und Öster­ reich: Familienstands] seiner Eltern“. Die EuUnthVO soll laut ihrem Erwä­ gungsgrund Nr.  11 alle Unterhaltspflichten erfassen; die Unterhaltspflichten ge­ genüber einem Kind sind unabhängig von deren Zivil- bzw. Familienstand uni­ onsrechtlich autonom als solche aus einem Familienverhältnis auszulegen.169 Daher sind von Art.  1 Abs.  1 EuUnthVO auch die in dem bei ihr fehlenden Nach­ satz genannten Unterhaltspflichten erfasst. 169 

Siehe Erwägungsgrund Nr.  11 EuUnthVO.

344 2. Teil – 1.  Abschnitt: Erhöhung des kollisionsrechtlichen Bestimmtheitsniveaus Ein Problem ergibt sich jedoch dann, wenn eine solche Auslegung nicht mög­ lich ist und damit die Verordnung gleichsam unrettbar einen gegenüber dem Übereinkommen engeren Anwendungsbereich aufweist. Das wäre insbesondere der Fall, wenn nicht nur in Art.  1 Abs.  1 EuUnthVO die Unterhaltspflichten ge­ genüber einem Kind nicht enthalten wären, sondern es zusätzlich keinen Erwä­ gungsgrund Nr.  11 geben würde. Aus völkerrechtlicher Sicht kann in einer sol­ chen Veränderung des Anwendungsbereichs grundsätzlich eine Modifikation des völkerrechtlichen Kollisionsrechtsübereinkommens im Verhältnis der teilneh­ menden Mitgliedstaaten nach Art.  41 WVRK liegen; denn ebenso wie eine bioder plurilaterale Erweiterung des Anwendungsbereichs ist die Modifikation ­eines multilateralen Übereinkommens oder die plurilaterale Reduktion eines Übereinkommens an sich zulässig, solange die von Art.  41 WVRK genannten Voraussetzungen erfüllt sind.170 Ob eine Verringerung des Anwendungsbereichs des Ausgangsübereinkommens es verhindert, dass sein Ziel und Zweck erreicht werden (Art.  41 Abs.  1 lit.  b (ii) WVRK), kann nur dann allgemein beantwortet werden, wenn sein Ziel in der Vereinheitlichung von Kollisionsrecht im Rahmen des vom Vertrag gesetzten Anwendungsbereichs liegt und dieses Ziel bereits mit jeder Reduktion des Anwendungsbereichs nicht mehr erreichbar ist. Anhand des HUP 2007 zeigt sich jedoch, dass es wie in jedem völkerrechtlichen Vertrag auch bei der Kollisionsrechtsvereinheitlichung wichtigere und weniger wichtige As­ pekte gibt. Hätte man in Art.  1 Abs.  1 EuUnthVO die Unterhaltspflichten des Kindes aus­ geklammert, wäre von einer gewichtigen Störung des Ziels des HUP 2007 aus­ zugehen. Denn beim HUP 2007 geht es nicht nur allgemein um die Vereinheitli­ chung der Regelungen zum anwendbaren Recht;171 die enorme Bedeutung der Vereinheitlichung der Kollisionsregeln über den Kindesunterhalt geht aus dem Wunsch der Modernisierung der Haager Übereinkommen vom 24.10.1956 über das auf Unterhaltsverpflichtungen gegenüber Kindern anwendbare Recht172 so­ wie die Ergänzung des Haager Übereinkommens vom 23.10.2007 über die inter­ nationale Durchsetzung von Unterhaltsansprüchen von Kindern und anderen Familienangehörigen hervor.173 Die ausdrückliche Mehrfachnennung der Unter­ haltsansprüche von Kindern zeugt davon, dass deren Vereinheitlichung ein be­ 170 

Siehe zu den Voraussetzungen oben S.  195. HUP 2007, Präambel, S.  1: „Desiring to establish common provisions concerning the law applicable to maintenance obligations […]“. 172  HUP 2007, Präambel, S.  2: „Wishing to modernise the Hague Convention of 24 October 1956 on the law applicable to maintenance obligations towards children […]“. 173  HUP 2007, Präambel S.  3: „Wishing to develop general rules on applicable law that may supplement the Hague Convention of 23 November 2007 on the International Recovery of Child Support and Other Forms of Family Maintenance“. 171 

2. Kapitel: Abstimmung der Anwendungsbereiche

345

sonders wichtiges Ziel des Übereinkommens darstellt. Diese Unterhaltsansprü­ che innerhalb der EU auszuklammern wäre daher als mit Art.  41 WVRK nicht vereinbar anzusehen. Demgegenüber haben Unterhaltsansprüche aus Schwägerschaft keine beson­ dere Bedeutung. Ausdrücklich wird die Schwägerschaft nur einmal im Anwen­ dungsbereich des HUP 2007 gesondert genannt; ansonsten könnten sie unter den Familienbegriff bei dessen weiter Auslegung sumiert werden. Das Feld der Schwägerschaft im HUP 2007 ist daher als nicht so gewichtig einzustufen, als dass seine Ausklammerung verhindern würde, Ziel und Zweck des HUP 2007 zu erreichen. Eine unionsbezogene Reduktion des Anwendungsbereichs eines Übereinkom­ mens im Rahmen einer Verordnung ist also grundsätzlich mit Art.  41 WVRK vereinbar. Die Reduktion hätte auch keine Folgen für das anwendbare Recht, schließlich würden die Kollisionsnormen des HUP 2007 direkt angewendet. Pro­ blematisch wird es jedoch für die Anwendung der Normen der internationalen Zuständigkeit sowie der Anerkennung und Vollstreckung, die nicht durch das HUP 2007 geregelt wurden, sondern nur in der EuUnthVO geregelt sind. Ist der Anwendungsbereich der Verordnung enger als der im entsprechenden Überein­ kommen und betrifft die unter Anwendung des Übereinkommens getroffene Ent­ scheidung Bereiche außerhalb des Anwendungsbereichs der Verordnung, können die Parteien nicht von der durch sie angestrebten Rechtsvereinheitlichung profi­ tieren. Dies betrifft insbesondere die unmittelbare Vollstreckung ohne Exequa­ tur-Verfahren und reduziertem Anerkennungsverfahren. Mangels Anwendbar­ keit der EuUnthVO würden dann die nationalen Anerkennungs- und Vollstre­ ckungshindernisse greifen, die zusätzlich zu einer ordre public-Kontrolle – wie z. B. §  109 Abs.  4 FamFG eine Gegenseitigkeitsprüfung – vorgesehen sind.174 Damit hingen jedoch zugleich das Koordinationsziel der Vollstreckungseffizienz und die damit verbundene Kostensenkung, wie sie zwar nicht durch das HUP 2007, aber durch die Anerkennungs- und Vollstreckungsregeln der EuUnthVO angestrebt werden, von der Gestaltung der nationalen Vorschriften ab.

B. Lösungsansatz Entscheidend für die Lösung ist zunächst die Parallelität der Verweisung der Ver­ ordnung auf das internationale Übereinkommen, also den Gleichlauf der Anwen­ dungsbereiche von Übereinkommen und Verordnung, um die gleichzeitige An­ wendbarkeit zu gewährleisten.

174 

Siehe dazu Rauscher in: MüKoFamFG, §  109 FamFG, Rdn.  6.

346 2. Teil – 1.  Abschnitt: Erhöhung des kollisionsrechtlichen Bestimmtheitsniveaus Die Entstehungsgeschichte der EuUnthVO weist einen Weg zur Lösung des Problems. Bei ihrer Entstehung kooperierte die EU mit der Haager Konferenz für IPR, die für das HUP 2007 verantwortlich zeichnet.175 Bei einer solchen Koope­ ration können die Anwendungsbereiche von Verordnung und Übereinkommen vollständig oder im Wesentlichen identisch sein, wobei im letzteren Falle kleine­ re Zusätze nicht zwingend Inhaltserweiterungen sein müssen, sondern lediglich Klarstellungen enthalten können. Eine zweite Möglichkeit besteht in der Orientierung des Unionsgesetzgebers am internationalen Übereinkommen. Um zu vermeiden, dass auf eine nach dem internationalen Übereinkommen ergangene Entscheidung auch die entsprechen­ de Verordnung anwendbar ist, ist jedenfalls entscheidend, dass der Anwendungs­ bereich der Verordnung nicht enger formuliert ist als der Anwendungsbereich des Übereinkommens. Unschädlich ist es dagegen, wenn der Anwendungsbereich der Verordnung im Verhältnis zum Übereinkommen weiter ist. Dies wird sogar regelmäßig positive Auswirkungen haben, da die regionale Rechtsvereinheitlichung für einen Sach­ bereich umfassend genutzt wird und so Anwendungslücken vermieden werden. Es handelt sich dabei um den typischen Vorteil einer überschießenden Umset­ zung.176 Koordiniert mit den sachlichen Anwendungsbereichen der übrigen eu­ ropäischen Verordnungen besteht so trotz Anbindung an internationale Überein­ kommen die Möglichkeit, IPR und IZVR innerhalb der EU umfassend zu verein­ heitlichen und rechtspolitische Einigungsmängel innerhalb der Haager Konferenz nicht auf die Unionsebene durchschlagen zu lassen.177

§  2 Verhältnis der Anwendungsbereiche innerhalb einer EU-Kollisionsrechtsverordnung Soweit in den neueren EU-Kollisionsrechtsverordnungen IPR und IZVR verbun­ den werden, stellt dies besondere Anforderungen an die Anwendungsbereiche. Haben IPR- und IZVR-Teil derselben Verordnung verschiedene Anwendungsbe­ reiche, kann deren fehlerhafte inhaltliche Abstimmung dazu führen, dass der mit der Kollisionsrechtsvereinheitlichung in dem jeweiligen Rechtsgebiet verfolgte Zweck nicht erreicht wird (dazu A.). Das bedeutet zwar nicht, dass die Anwen­ dungsbereiche von IZVR- und IPR-Teil einer Verordnung identisch sein müssen; der EU-Gesetzgeber muss jedoch bei der Regelungskonzeption auf ein bestimm­ tes Verhältnis achten (dazu C.). 175 

Gruber, IPRax 2010, 128, 129. Siehe dazu oben S.  211. 177  Vgl. Beaumont, RabelsZ 73 (2009), 509, 528. 176 

2. Kapitel: Abstimmung der Anwendungsbereiche

347

A. Folgen fehlerhafter inhaltlicher Koordination von IZVR- und IPR-Teil desselben Kollisionsrechtsaktes Das hier behandelte Problem lässt sich an der EuErbVO darstellen. Wenn der IZVR-Teil nicht auf die Erbfähigkeit anwendbar ist, kann das auf die Erbfähig­ keit anwendbare Recht zwar wegen Art.  23 Abs.  2 lit.  c EuErbVO nach der Eu­ ErbVO berufen werden; das aufgrund der EuErbVO berufene Gericht ist für die Beantwortung der Frage dagegen wegen Art.  1 Abs.  2 lit.  b EuErbVO nicht zu­ ständig. Sodann müsste das angerufene Gericht seine internationale Zuständig­ keit auf Grundlage seines nationalen Zuständigkeitsrechts bestimmen. Nach deutschem Recht kommt dann neben dem Wohnsitz des Beklagten (§  12 ZPO) der besondere Gerichtsstand der Erbschaft (§  27 ZPO) in Betracht, wonach die Gerichte am allgemeinen Gerichtsstand des Erblassers zum Zeitpunkt seines To­ des zuständig sind. Da sich dieser auf den Wohnsitz des Erblassers zum Todes­ zeitpunkt bezieht und damit vom vereinheitlichten Gerichtsstand nach Art.  4 Eu­ ErbVO – dem letzten gewöhnlichen Aufenthalt des Erblassers – abweicht, kön­ nen hier theoretisch zwei unterschiedliche Gerichte für die Beantwortung einer Frage zuständig sein, die vom IPR als Teil der Hauptfrage interpretiert werden. Diese Lücke führt also dazu, dass das Ziel der Rechtsvereinheitlichung nicht für den gesamten Bereich, in dem sich Rechtsfragen des materiellen Kollisions­ rechts stellen können, vereinheitlichte Zuständigkeiten herbeigeführt hat und damit das bestmög­liche Maß an Rechtssicherheit nicht erreicht wird. Zusätzlich ergibt sich ein Anerkennungs- und Vollstreckungsproblem. Zwar ist bei Entscheidungen eines deutschen Gerichts nur der Tenor vollstreckbar.178 Bei Urteilen französischer Gerichte erstreckt sich die Rechtskraft dagegen wei­ ter179 und kann sich z. B. auch auf die Erbfähigkeit beziehen. Da die Erbfähigkeit jedoch nicht Bestandteil des Anwendungsbereichs des IZVR-Teils ist, könnte die Entscheidung hinsichtlich der Frage der Erbfähigkeit keine Anerkennungswir­ kung erlangen. Wenn es sich bei der Erbfähigkeit um die Hauptfrage einer Fest­ stellungsklage handelt, ist der Unterschied der Anwendungsbereiche als gewich­ tiger Makel anzusehen.

B. Verfolgung eines bestimmten Verhältnisses der Anwendungsbereiche von IZVR- und IPR-Teil eines Rechtsaktes Das Problem der ungleichen Anwendungsbereiche beruht auf einem Fehler in der gesetzlichen Konzeption. Es rührt daher, dass der Anwendungsbereich des IPR-Teils nicht wenigstens den gleichen Umfang hat wie der IZVR-Teil. Damit 178  179 

Kropholler/v. Hein, vor Art.  33 EuGVO, Rdn.  11 Kropholler/v. Hein, vor Art.  33 EuGVO, Rdn.  11.

348 2. Teil – 1.  Abschnitt: Erhöhung des kollisionsrechtlichen Bestimmtheitsniveaus kann das Problem nicht auf der Anwendungsebene durch die Gerichte gelöst werden, da der Wille des Gesetzgebers einer kongruenten Konzeption entgegen­ gesetzt ist und damit eine entsprechende Auslegung verhindert. Die Lösung kann also nur durch gesetzgeberisches Tätigwerden umgesetzt werden. Ein Konzept, welches das dargestellte Funktionalitätsproblem löst, beruht da­ rauf, dass der Anwendungsbereich des IZVR-Teils idealerweise gleich weit ist wie derjenige des IPR-Teils, ansonsten mindestens weiter. Ideal ist die Kongruenz beider Teile, da in einem solchen Fall das aufgrund europäischer Gerichtsstandsregeln berufene Gericht europäisches Kollisions­ recht anwenden kann, die Entscheidung dann auf einer unionsweit einheitlichen Abwägung kollisionsrechtlicher Interessen beruht. Die Kongruenz von IPR-Teil und dem Anwendungsbereich des Anerkennungs- und Vollstreckungsteils führt zur Koordination von Entscheidungsinhalten und dem Recht des Anerkennungsund Vollstreckungsstaates. Dies erleichtert die Anerkennung und Vollstreckung der Entscheidung, wie das Beispiel der EuUnthVO zeigt.180 Sollten die Teile nicht kongruent sein, führt ein gegenüber dem IPR-Teil wei­ terer IZVR-Anwendungsbereich zu einem Konzept, das der Rechtssicherheit eher zugute kommt. In diesem Fall muss ein Gericht, das aufgrund des durch Unionsrecht vereinheitlichten Gerichtsstandsrechts berufen ist, unvereinheitlich­ tes Kollisionsrecht anwenden. Entsprechend kommt es dann auch zu Fragen der Anerkennung von Entscheidungen, die unter Anwendung unvereinheitlichten, nationalen Kollisionsrechts ergangen sind. Da aber auch das vereinheitlichte Kollisionsrecht als loi uniforme konzipiert ist, ist das damit eingegangene Risiko dem IPR ohnehin immanent und daher als nicht so gravierend einzustufen. Dem­ gegenüber ist ein zu weiter Anwendungsbereich des IPR-Teils mit größeren Frik­ tionen verbunden und daher eher zu vermeiden.

180 

Vgl. oben S.  343.

3.  Kapitel

Schließung von Regelungslücken bei Fehlen von Mechanismen zur Schaffung von EU-Einheitsrecht Um die Rechtsvereinheitlichung voranzubringen, soll zunehmend Einheitsrecht entstehen und so das Kollisionsrecht ersetzen. Dies ist jedoch gerade in solchen Bereichen problematisch, in denen älteres staatsvertragliches Kollisionsrecht be­ steht, das auf eine solche Entwicklung nicht ausgerichtet ist (dazu §  1). Um das Verhältnis der Rechtsakte zu regeln, sind die Vorrangkoordinationsregelungen bestimmter zu fassen (dazu §  2).

§  1 Status quo: Unbestimmte Vorrangregelungen in Bezug auf EU-Einheitsrecht A. Verhältnis von europäischem Einheitsrecht und internationalen Kollisionsrechtsübereinkommen in demselben Gebiet Abgesehen vom außervertraglichen Schuldrecht gibt es in allen Gebieten, in de­ nen in jüngerer Zeit EU-Kollisionsrechtsverordnungen erlassen wurden, interna­ tionale Übereinkommen. Davon ist bislang als einziges das Haager Erbrechts­ übereinkommen181 nicht in Kraft getreten;182 dagegen gelten das HUÜ 1973 in Unterhaltssachen und das HÜ über das auf Güterrechtssachen anwendbare Recht von 1978 (im Folgenden: HÜ 1978) in Gütersachen. Im Vertragskollisionsrecht ist das HÜ 1955 in Kraft getreten, nicht dagegen das als sein Nachfolgeüberein­ kommen geplante HÜ 1986. Der Vorrang der Haager Übereinkommen wird für die Kollisionsrechtsverord­ nungen der EU grundsätzlich anerkannt, damit die an die Verordnungen gebun­ denen EU-Mitgliedstaaten nicht vertragsbrüchig werden.183 Genauso vertrags­ 181 

Convention of 1 August 1989 on the Law Applicable to Succession to the Estates of Deceased Persons (, zuletzt aufgerufen am 6.1.2019). 182  Siehe Status der Erbrechtskonvention unter (zuletzt aufgerufen am 6.1.2019). 183  Siehe dazu oben S.  55 f.

350 2. Teil – 1.  Abschnitt: Erhöhung des kollisionsrechtlichen Bestimmtheitsniveaus brüchig verhielte sich ein EU-Mitgliedstaat jedoch, wenn er einen Rechtsakt mit europäischem materiellem Einheitsrecht anwendet, anstatt das anwendbare Recht nach dem entsprechenden Haager Übereinkommen zu bestimmen und an­ zuwenden. Das gilt für die Haager Konventionen über das auf internationale Wa­ renkaufverträge anwendbare Recht HÜ 1955 und HÜ 1986, das HUÜ 1973 und das HÜ 1978. Dagegen enthalten Art.  23 Abs.  2 HErbrechtsÜ sowie Art.  19 Abs.  2 HUP 2007 jeweils eine Bestimmung, wonach regionales Einheitsrecht – also insbesondere einheitliches EU-Privatrecht – dem jeweiligen Haager Über­ einkommen vorgeht. Da das HErbrechtsÜ nicht in Kraft getreten ist, wird sich die Darstellung auf das HUP 2007 beschränken.

B. Hintergrund der Normverteilung Die gerade geschilderte Normenverteilung beruht auf der strukturellen Entwick­ lung, welche die EU gegen Ende der 1980er Jahre anfing zu durchlaufen. Nach Beginn der Forschung über das materielle Einheitsrecht markiert die Einheitliche Europäische Akte (EEA) einen strukturellen Umbruch innerhalb der EU, indem u. a. der Politikbereich der justiziellen Zusammenarbeit in Zivilsachen von der dritten in die erste Säule der EU und damit zu einer Kompetenz umgestaltet wer­ den sollte.184 Nach Inkrafttreten der EEA am 1.7.1987 dauerte es zwar weitere zehn Jahre bis zum Vertrag von Amsterdam 1997, bis die Kompetenz der EU zur Rechtsangleichung in Art.  61 i. V. m. 65 EGV geschaffen wurde. Mit der EEA wurde jedoch bereits die Intensivierung der Rechtsangleichung deutlich, da nun­ mehr die Möglichkeit konkret geworden war, dass die EU die Kompetenz erhal­ ten würde, materielles Einheitsrecht zu schaffen.185 Es kommt nicht von ungefähr, dass alle kollisionsrechtlichen Haager Konventionen wie das HErbrechtsÜ und das HUP 2007 jeweils Normen enthalten, in denen der Vorrang von regionalem Einheitsrecht vor dem entsprechenden Haager Übereinkommen geregelt wird. Dagegen fehlen derartige Regelungen in den Haager Konventionen vor Inkraft­ treten der EEA wie im HÜ 1955, dem HÜ 1973 und dem HÜ 1978 sowie dem HÜ 1986, das ja mangels Inkrafttreten das HÜ 1955 bislang nicht ersetzt hat.186 Die Haager Konferenz hatte also auf die Konkretisierung der Entwicklung von regionalem Einheitsrecht innerhalb der EU reagiert. Sobald es im Unterhalts­ recht EU-Einheitsrecht gibt, geht es nach Art.  19 Abs.  2 HUP 2007 dem HUP 2007 vor, so dass EU-Mitgliedstaaten, die Vertragsstaaten des HUP 2007 sind, das EU-Einheitsrecht anwenden können, ohne vertragsbrüchig zu werden. 184 

Vgl. Rossi in: Calliess/Ruffert, Art.  81 AEUV, Rdn.  1. Classen in: Oppermann/Classen/Nettesheim, §  32, Rdn.  5, 6. 186  Siehe dazu die Statustabelle zum HÜ 1986 (zuletzt aufgerufen am 6.1.2019). 185 

3. Kapitel: Schließung von Regelungslücken bei Fehlen von Mechanismen

351

Das gilt jedoch nicht für diejenigen Haager Übereinkommen, welche entspre­ chende Vorrangregeln zugunsten des regionalen Einheitsrechts nicht enthalten. Auch wenn zu den Zeitpunkten, als sie abgeschlossen wurden, sich eine entspre­ chende Rechtsentwicklung noch nicht konkretisiert hatte, kommt eine unge­ schriebene Erweiterung der Konventionen nicht in Betracht, da hierdurch ihre Anwendung nachhaltig beeinträchtigt würde. Wenn sogar eine bilaterale Modifi­ kation eines völkerrechtlichen Vertrages an einer solchen Beeinträchtigung scheitern würde,187 so muss dies erst recht für eine Rechtsfortbildung mit dersel­ ben Wirkung gelten. Mithilfe von Auslegungsmechanismen wird man dieses Problem also nicht beheben können. Diese Wertung hätte auch Auswirkungen auf das in der EuKaufVO geregelte Gemeinsame Einheitliche Kaufrecht (GEK) gehabt. Dieses Vorhaben wurde zwar von der Kommission zurückgezogen;188 unabhängig davon ist bei einem vergleichbaren Regelungsprojekt in der Zukunft jedoch darauf zu achten, dass derartige Friktionen vermieden werden, so dass die Erwägungen zu diesem Re­ gelungsprojekt insoweit weiterhin von Interesse sind. Da das HÜ 1955 keine Vorrangklausel zugunsten des GEK aufweist, hätte sich z. B. Frankreich ver­ tragswidrig verhalten, wenn seine Gerichte Entscheidungen auf die EuKaufVO gestützt hätten. Im Verhältnis der EuKaufVO zum UN-Kaufrecht war zwar das Argument angeführt worden, dass die Parteien durch das opt in der EuKaufVO implizit das UN-Kaufrecht gemäß dessen Art.  6 abwählen würden189. Abgesehen von der Diskussionswürdigkeit dieser These190 wäre jedoch zu beachten gewe­ sen, dass die Parteien am Verhältnis der EuKaufVO und dem HÜ 1955 nicht hätten schrauben können, da Letzteres keine opt out-Befugnis der Parteien kennt. Die fehlende Koordination der frühen Haager Konventionen mit der europäi­ schen Einheitsrechtsentwicklung hätte also zu einem völkervertragsrechtlichen Dilemma einiger EU-Mitgliedstaaten geführt.

§  2 Lösungsansatz Da das Problem nicht durch Auslegung lösbar ist, bleibt nur die Möglichkeit ­einer Lösung auf gesetzlichem Wege. Freilich kann die EU das Problem nicht 187 

Vgl. oben S.  195. Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen, Arbeitsprogramm der Kommission 2015 (Ein neuer Start), KOM(2014) 910 endg., Anhang II, Nr.  60. 189  Siehe dazu Erwägungsgrund Nr.  25 EuKaufVO. 190  Siehe dazu Schmidt-Kessel in: Schmidt-Kessel, Einl. GEK-VO-E, Rdn.  53; Graf v. West­ phalen in: Gebauer, GEK, 189, 191. 188 

352 2. Teil – 1.  Abschnitt: Erhöhung des kollisionsrechtlichen Bestimmtheitsniveaus lösen, indem es ohne Grundlage im konkurrierenden Haager Übereinkommen den Vorrang des EU-Einheitsrechts vor dem internationalen Übereinkommen be­ stimmt; eine solche Regelung würde aus Sicht z. B. Frankreichs zu einem offe­ nen Vertragsbruch führen. Die Lösung kann also nur über das HÜ 1955 führen. Zunächst könnten die EU-Mitgliedstaaten, die dem HÜ 1955 angehören, im Rahmen der Haager Kon­ ferenz eine Nachverhandlung führen, um eine Vorrangklausel zugunsten des EU-Einheitsrechts einfügen zu lassen. Dasselbe müsste vorsichtshalber auch für das HÜ 1986 geschehen, da sein Inkrafttreten derzeit zwar mangels ausreichen­ der Teilnehmer nicht bevorsteht, aber zumindest theoretisch möglich ist. Anstatt der einzelnen Mitgliedstaaten könnte auch die EU diese Nachverhand­ lungen führen, wobei sie in Aussicht stellen könnte, einem entsprechend geän­ derten Übereinkommen beizutreten. Sie würde damit für die drittstaatlichen Ver­ tragsstaaten des Übereinkommens eine interessante Perspektive schaffen, weil so das HÜ 1955 bzw. 1986 im internationalen Vergleich an Gewicht gewönne. Allerdings ist diese Perspektive sehr zweifelhaft. Der Abschluss des Überein­ kommens würde für die EU letztlich wohl nicht nur auf eine Änderung von Art.  4 Abs.  1 lit.  a Rom  I-VO hinauslaufen, sondern auch auf eine Abweichung weite­ rer Normen. Das wäre zwar rechtstechnisch möglich, ist jedoch sehr unwahrscheinlich. Erstens ist der Gewinn für die EU sehr gering, da sich die Normen sehr ähnlich sind. Und zweitens wäre auch der Gewinn für die Nachverhandlungen über­ schaubar angesichts des absehbaren Erfolges möglicher Nachverhandlungen zu­ gunsten des Vorrangs des EU-Einheitsrechts.

2.  Abschnitt

Optimierung der legislativen Differenzierung sowie Erhöhung der Flexibilität bei der Normanwendung Ein weiterer Aspekt der Verbesserung der Koordinierungsmethoden ist die Opti­ mierung der legislativen Differenzierung sowie eine flexiblere Normanwendung. Die legislative Differenzierung ist sowohl auf nationaler Ebene (dazu Kapitel  1) als auch auf EU-Ebene (dazu Kapitel  2) voranzubringen. Die Erhöhung der Fle­ xibilität bei der Normanwendung betrifft im Wesentlichen die Gerichte (dazu Kapitel  3).

1.  Kapitel

Optimierung der legislativen Differenzierung durch den nationalen Gesetzgeber EU-Mitgliedstaaten werden auf unterschiedliche Art und Weise mit EU-Kolli­ sionsrecht konfrontiert. Zum einen wird EU-Kollisionsrecht auf EU-Ebene ge­ schaffen, manche Mitgliedstaaten jedoch nicht in den räumlichen Anwendungs­ bereich einbezogen; zum anderen kann der Unionsgesetzgeber im EU-Kollisions­ recht Öffnungsklauseln schaffen, welche den Mitgliedstaaten die Möglichkeit eröffnen, Regelungslücken eigenständig zu schließen. In ersterem Fall lässt sich beobachten, dass die EU nicht konsequent zwischen EU-Mitgliedstaaten unter­ scheidet (dazu §  1), im zweiten Fall zeigt sich zuweilen, dass die Mitgliedstaaten ihrerseits bei der Ausfüllung von Regelungslücken nicht differenziert genug vor­ gehen (dazu §  2).

§  1 Höherer Differenzierungsgrad bei der inländischen Behandlung eines im Ausland erworbenen Sachenrechts Eine noch differenziertere Vorgehensweise könnte bei der inländischen Behand­ lung im Ausland erworbener Sachenrechte aufkommende Probleme lösen. Diese beruhen darauf, dass eine großzügige Anerkennungspraxis bei ausländischen ­Sachenrechten allein nicht alle Friktionen zu beseitigen vermag (dazu A.). Mit

354

2. Teil – 2.  Abschnitt: Optimierung der legislativen Differenzierung

einem flexibleren Umgang im Rahmen der Verwertungsregeln könnte die Ent­ stehung solcher Friktionen möglicherweise nicht vollkommen beseitigt, ihre Wahrscheinlichkeit jedoch noch weiter verringert werden (dazu B.).

A. Anerkennung oder Transposition von ausländischen Sachenrechten Für die Behandlung ausländischer Sachenrechte ergibt sich mindestens mit den Grundfreiheiten, dass sie im Prinzip in ihrer im Ausland erworbenen Gestalt im Inland anzuerkennen sind. Dies geschieht zumindest in Deutschland auch sehr großzügig.191 Eine Grenze wird allerdings dort gezogen, wo ein ausländisches Sachenrecht seinem Wesen nach unter keinem Gesichtspunkt mit dem inländi­ schen Recht wesensmäßig vereinbar ist. Die Lösung der großzügigen Anerken­ nung ist z. B. für die Anerkennung eines französischen Registerpfandrechts be­ deutend, dessen Umwandlung zur Kreation von Sicherungseigentum am ur­ sprünglich nur gepfändeten Gegenstand führen würde.192 Probleme ergeben sich dennoch. Der oberste österreichische Gerichtshof (OGH) geht davon aus, dass deutsches Sicherungseigentum bei Verbringung des gesicherten Gegenstandes nach Österreich nicht anerkannt werden kann.193 Das beruht auf der Anforderung, dass sich ein österreichisches Pfandrecht gemäß §  451 Abs.  1 Hs.  1 ABGB im Besitz des Pfandgläubigers befinden muss,194 wo­ hingegen sich beim deutschen Sicherungseigentum anders als beim Faust­ pfandrecht das Sicherungsgut im Besitz des Sicherungsgebers befindet.195 Damit bleibt jedoch auch hier unberücksichtigt, dass es sich auch im Herkunftsland Deutschland um erworbenes Eigentum des Sicherungsnehmers handelt. Die An­ erkennung von erworbenem Eigentum ist auch in Österreich nicht wesens­ fremd.196 Damit ist eine EU-Grundrechtecharta-konforme Auslegung durch die inländischen Behörden und Gerichte, die das Grundrecht auf Eigentum (Art.  17 Abs.  1 der EU-Grundrechtecharta) so weit wie möglich respektiert, möglich.

191  Wendehorst in: MüKoBGB, Art.  43 EGBGB, Rdn.  159; ausführlich Graham-Siegen­ thaler, Kreditsicherungsrechte, S.  138 ff. 192  Vgl. hierzu Rakob, Mobiliarsicherungsrechte, S.  29 ff. 193  OHG, Urt. v. 14.12.1983 – 3 126, 127/83, IPRax 1985, 165 f. unter Berufung auf Unger (System des österreichischen allgemeinen Privatrechts, S.  179), Savigny (System des heutigen römischen Rechts VIII, S.  196 ff.) und v. Wächter, AcP 25 (1842), 361, 387 ff.; siehe dazu auch Rauscher, IPR, Rdn.  1591 f. 194  Rauscher, IPR, Rdn.  1592. 195  Das Sicherungseigentum wird über §§  929 S.  1, 930 BGB erworben; siehe zur Begrün­ dung eines Besitzmittlungsverhältnisses zwischen Sicherungsgeber und Sicherungsnehmer nur Oechsler in: MüKoBGB, Anh. zu §§  929–936, Rdn.  15. 196  Rauscher, IPR, Rdn.  1592.

1. Kapitel: Optimierung durch nationalen Gesetzgeber

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B. Zum Statut der Verwertung des ausländischen Sachenrechts I. Aktuelle Rechtslage Neben der Anerkennungsphase ist auch die Vollstreckungsphase relevant. De lege lata wird die Zwangsvollstreckung von jedem Staat selbst vorgenommen.197 Diesem Prinzip folgen auch die EU-Verordnungen, welche die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Entscheidungen enthalten. Das hat zunächst auch seinen Grund, da es sich um die Ausübung hoheitlicher Gewalt handelt, die in Grundrechte eingreift und daher einer gesetzlichen Regelung als demokratischer Legitimierung bedarf. Da es derzeit keine gesetzliche Regelung gibt, die es er­ laubt, ausländisches Zwangsvollstreckungsrecht anzuwenden, müssen auch die Vollstreckung ausländischer Titel sowie die Verwertung ausländischer Sachen­ rechte nach inländischen Regeln erfolgen. II. Lösungsvorschlag 1. Vorbemerkungen Diese Rechtslage kann jedoch zu Problemen führen, wenn das inländische Recht für ein anerkanntes ausländisches Recht keine seinen Anforderungen entspre­ chenden Verwertungsregeln bereithält. In diesem Fall kann es zu Unsicherheiten darüber kommen, welche Verwertungsregeln anzuwenden sind. Eine solche Konstellation stellt der Fall einer italienischen Automobilhypothek dar. Da das deutsche Sachenrecht keine Hypothek für bewegliche Sachen kennt, hat der BGH die Verwertungsregeln des Sicherungseigentums an beweglichen Sachen für einschlägig angesehen.198 Ebenfalls vertreten wird demgegenüber, die Auto­ mobilhypothek auch nach deutschem Recht wie eine Hypothek zu verwerten.199 Derartige Unstimmigkeiten könnten beseitigt werden, indem diejenigen Ver­ wertungsregeln angewendet werden, die im jeweiligen ausländischen Recht für das entsprechende Sachenrechtsinstitut vorgesehen sind; d. h. für die italienische Automobilhypothek, dass sie nach den entsprechenden Verwertungsregeln des italienischen Rechts zu behandeln wäre. Freilich ist eine solche Lösung nicht ohne gesetzliche Rechtsänderung möglich. Ihre Umsetzung verstieße aber auch gegen kein grundlegendes Prinzip, da die Anwendung inländischen Zwangsvoll­ streckungsrechts auf Gegenstände mit Lageort im Inland nicht zwingend ist. Auch wenn es sich dabei um öffentliches Recht handelt, dient es dem Interessen­ 197 

Schack, IZVR, Rdn.  1061. BGH, Urt. v. 11.3.1991 – II ZR 88/90, IPRax 1993, 176; siehe dazu auch Rauscher, IPR, Rdn.  1583. 199  Rauscher, IPR, Rdn.  1583. 198 

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2. Teil – 2.  Abschnitt: Optimierung der legislativen Differenzierung

ausgleich zwischen Privatpersonen, wie das auch bei der Anwendung ausländi­ schen Rechts durch Gerichte bei einer Entscheidungsfindung der Fall ist.200 Bestimmte Aspekte sind jedoch auch bei dieser Lösung zu beachten. Zunächst besteht weiterhin das Ordnungsinteresse des Vollstreckungsstaates daran, dass er die Kontrolle über die Zwangsvollstreckung behält. Die Anwendung auslän­ dischen Vollstreckungsrechts kann also nur durch die deutsche Staatsgewalt er­ folgen. Ferner ist das Vertrauen des inländischen Rechtsverkehrs dahingehend schutz­ würdig, dass im Grundsatz inländisches Zwangsvollstreckungsrecht anwendbar ist, wenn in einen Gegenstand vollstreckt wird, der sich im Inland befindet.201 Dieses Interesse ist vergleichbar mit dem Gedanken z. B. von Art.  13 Rom  I-­ VO. Danach kann sich bei einem Vertrag, der zwischen Personen geschlossen wurde, die sich in demselben Staat befinden, eine natürliche Person, die nach dem Recht dieses Staates rechts-, geschäfts- und handlungsfähig wäre, nur dann auf ihre Rechts-, Geschäfts- und Handlungsunfähigkeit berufen, die sich nach dem Recht eines anderen Staates ergibt, wenn die andere Vertragspartei bei Ver­ tragsschluss diese Rechts-, Geschäfts- und Handlungsunfähigkeit kannte oder infolge von Fahrlässigkeit nicht kannte.202 Diejenige Person, welche die belaste­ te Sache ins Inland gebracht hat, wird regelmäßig um die Belastung mit einem ausländischen Sachenrecht wissen. Der Unkenntnis von Dritten über die auslän­ dische Rechtslage sollte durch hinreichende Aufklärung hierüber begegnet wer­ den. Die inländischen Vollstreckungsbehörden müssen also über die Herkunft des den Gegenstand belastenden Rechts aufklären und auf das anwendbare Recht hinweisen. Mit der Aufklärung durch die inländischen Behörden kann ein Dritter regelmäßig nur dann über die Herkunft des Vollstreckungsgegenstandes und das anwendbare Recht in gutgläubiger Unkenntnis sein, wenn die Behörde nicht aus­ reichend aufgeklärt hat. In diesem Fall sollte die Anwendung ausländischen Voll­ streckungsrechts nicht ausscheiden, da sich der Staat durch eine Nichtaufklärung der Anwendung ausländischen Rechts entziehen könnte. Vielmehr ist der Dritte im Falle einer Schädigung durch die staatliche Unterlassung der Aufklärungs­ pflicht auf Schadensersatz durch den Staat zu verweisen; eine entsprechende An­ spruchsgrundlage müsste – wenn sie wie im deutschen Recht mit §  839 BGB i. V. m. Art.  34 GG nicht ohnehin schon existiert – durch die Mitgliedstaaten in ihrem nationalen Recht geschaffen werden. Ihre materiellen Grenzen findet diese Lösung im ordre public des Vollstre­ ckungsstaates. Sehen ausländische Verwertungsregeln ein Ergebnis vor, das mit 200 

Kegel/Schurig, IPR, §  23 I 1. Geimer, IZPR, Rdn.  3200. 202  Vgl. zum Zweck von Art.  13 Rom  I-VO Spellenberg in: MüKoBGB, Art.  13 Rom  I-VO, Rdn.  7–16. 201 

1. Kapitel: Optimierung durch nationalen Gesetzgeber

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Grundprinzipien des Rechts des Vollstreckungsstaates nicht vereinbar ist, ist aus­ ländisches Vollstreckungsrecht naturgemäß nicht anzuwenden. In diesem Fall ist jedoch daran zu denken, das Recht des Vollstreckungsstaates als Ersatzrecht an­ zuwenden. Ferner spricht derzeit gegen die praktische Umsetzung der Lösung der mit ihr verbundene verwaltungstechnische Aufwand. Die Zwangsvollstreckung ist mög­ lichst zügig durchzuführen, so dass nicht zuletzt die Arbeitsbelastung der zustän­ digen Behörden gering gehalten werden muss.203 Mit der Anwendung ausländi­ schen Vollstreckungsrechts geht jedoch einher, dass sich die Behörden über die­ ses Recht kundig machen und auch über entsprechende Formulare verfügen müssten. Das bedeutet, dass ohne eine verstärkte behördliche Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedstaaten die Anwendung ausländischen Vollstreckungs­ rechts praktisch nur schwer handhabbar sein wird. Bevor also eine entsprechende Gesetzesänderung erfolgen kann, die innerstaatliche Unstimmigkeiten bei der Anwendung des geeigneten innerstaatlichen Vollstreckungsrechts zu beseitigen imstande ist, ist eine unionsweite Verwaltungszusammenarbeit der EU-Mitglied­ staaten in Zwangsvollstreckungssachen aufzubauen. Eine EU-Kompetenz zum Ausbau eines entsprechenden grenzüberschreitenden Informationsnetzes exis­ tiert mit Art.  81 Abs.  2 lit.  h AEUV.204 2. Lösungskonzept Die genannten Interessen lassen sich am besten mit einer zweigeteilten Lösung verwirklichen. Vor dem Hintergrund der noch nicht ausreichend intensiven internationalen Zusammenarbeit der Mitgliedstaaten im Bereich der Zwangsvollstreckung ist die Anwendung ausländischen Zwangsvollstreckungsrechts durch inländische Behörden nicht als Regel durchzuführen. Daher ist weiterhin an der Anwendung inländischer Verwertungsregeln festzuhalten. Das bedeutet für eine italienische Automobilhypothek, dass sie als solche anerkannt, jedoch nach den geeigneten inländischen Verwertungsregeln behandelt wird. Für den Fall, dass für ein aus­ ländisches Sachenrecht keine auch nur annähernd vergleichbaren inländischen Verwertungsregeln zu finden sind, könnte ersatzweise auf die entsprechenden ausländischen Verwertungsregeln zurückgegriffen werden; dann würde die An­ erkennung des Rechts nicht allein an dieser Lücke scheitern. Allerdings müsste man auch hier die Grenze beim ordre public ziehen, da inländische Vollstre­ 203 

Siehe z. B. U. Gottwald, FPR 2007, 438, 441. Vgl. auch BGH, Beschl. v. 20.2.2014 – VII ZB 31/13, BeckRS 2014, 5444, Rdn.  19. 204  Vgl. hierzu Leible in: Streinz, Art.  81 AEUV, Rdn.  41–43.

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2. Teil – 2.  Abschnitt: Optimierung der legislativen Differenzierung

ckungspersonen nicht ausländische Normen anwenden dürfen, deren Anwen­ dung gegen die inländische Verfassung verstößt. Wenn die internationale behördliche Zusammenarbeit jedoch effektiv ausge­ staltet ist, könnte man grundsätzlich auf ausländische Sachenrechte auch im In­ land ausländische Verwertungsregeln anwenden. Nur wenn deren Anwendung gegen den inländischen ordre public verstoßen würde, wären ersatzweise die­ jenigen inländischen Vollstreckungsregeln anzuwenden, die wesensmäßig auf das ausländische Rechtsinstitut passen.

§  2 Höherer Differenzierungsgrad bei der Substituierbarkeit des deutschen Notars zur Vermeidung eines Verstoßes gegen EU-Grundfreiheiten Dass ein höherer Grad an Differenzierung dazu führen kann, dass der nationale Gesetzgeber einen Verstoß gegen Unionsrecht vermeidet, zeigt sich an einer Ana­ lyse der Substituierbarkeit des deutschen Notars bei Grundstücksauflassungen.

A. Problematik der Substitution in Bezug auf die EU-Grundfreiheiten Die Dienstleistungsfreiheit wird in folgender Konstellation relevant: Ein notary public mit Sitz in London wird von zwei Parteien aus Deutschland aufgesucht, damit die eine an die andere Partei ein in Deutschland belegenes Grundstück veräußern kann. Das nach Art.  43 Abs.  1 EGBGB relevante Belegenheitsrecht ist deutsches Recht und erfordert zunächst u. a. gemäß §  925 Abs.  1 BGB die vor einem Notar erklärte Auflassung. Es stellt sich die Frage, ob der Notar durch den notary public im Rahmen von Grundstücksgeschäften substituierbar ist. Um daraus einen Fall zu machen, der die Niederlassungsfreiheit betrifft, muss man ihn lediglich dahin gehend abwandeln, dass der englische notary public nur dauerhaft nach Deutschland kommen will, um hier Dienste eines Notars anzu­ bieten. Im Rahmen der Substitution werden zwei Fragen unterschieden. Zunächst geht es um die generelle Substituierbarkeit eines Tatbestandsmerkmals, also ob der deutsche Notar bei §  925 Abs.  1 S.  2 BGB überhaupt durch einen ausländi­ schen Notar – gleich welcher Prägung – ersetzt werden kann. Bejaht man dies, stellt sich die weitere Frage, welche Prägung bei Grundstücksgeschäften zulässig ist. Nicht unstrittig, doch herrschend ist dabei die Meinung, dass das Tatbestands­ merkmal des Notars generell nicht ersetzbar ist.205 Dabei wird nicht so sehr auf 205 

LG Ellwangen, Beschl. v. 26.11.1999 – 1 T 205/99, BWNotZ 2000, 45 f.; Kropholler,

1. Kapitel: Optimierung durch nationalen Gesetzgeber

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die zweite Frage, die Vergleichbarkeit der Ausbildungen, insbesondere zwischen notary public und deutschem Notar abgestellt. Man bezieht sich vielmehr auf die Entstehungsgeschichte und die Sicherheit des Grundbuches und begründet damit den allgemeinen Ausschluss der Substitution.206

B. Ausländische Notare und Niederlassungsfreiheit Der allgemeine Ausschluss von ausländischen Notaren stößt sich weniger an der Niederlassungsfreiheit denn mehr an der Dienstleistungsfreiheit. Bei der Nieder­ lassungsfreiheit wäre an den Fall eines englischen notary public zu denken, der sich in Deutschland niederlassen möchte, um einer notariellen Tätigkeit nachzu­ gehen. Ihn hindert jedoch bereits das Erfordernis einer Notarzulassung, für die der Staat ggf. zusätzliche Leistungsnachweise verlangen kann, die zeigen, dass der betreffende Bewerber um eine Notarzulassung die für eine solche Tätigkeit notwendigen Kenntnisse des inländischen Notarwesens aufweist. Diese Wertung ergibt sich aus einem Vergleich mit der EuGH-Entscheidung Vlassopoulou, in welcher der EuGH darauf hinwies, dass eine Gleichwertigkeitsprüfung zwischen der konkreten ausländischen und der im Inland erforderlichen Ausbildung vorzu­ nehmen ist.207 Der EuGH fügte allerdings hinzu, dass der Aufnahmestaat an sei­ nen Anforderungen auch gegenüber Bewerbern mit ausländischem Ausbildungs­ hintergrund festhalten und ggf. fordern darf, dass fehlende Fachkenntnisse und praktische Erfahrungen nachgeholt werden müssen, soweit die Gleichwertigkeit nicht gegeben ist.208 Es verstößt also nicht gegen die Niederlassungsfreiheit, wenn der Staat zum Schutz des inländischen Rechtsverkehrs von einem Bewer­ ber aus dem Ausland erwartet, im Falle seiner Niederlassung im Inland eine in­ ländische Lizenz zu erwerben. Hat er diese erworben, könnte er auch Grund­ stückgeschäfte vornehmen. Daher enthält sein Ausschluss von der Substitution keine Mehrbelastung.

C. Verstoß gegen die Dienstleistungsfreiheit Wie aus der Rechtsprechung des EuGH hervorgeht, üben Notare keine spezifisch hoheitlichen Akte aus, so dass ihre Tätigkeiten von der Dienstleistungsfreiheit IPR, §  33 II 1; Rauscher, IPR, Rdn.  541 f.; v. Hein in: MüKoBGB, Einl. IPR, Rdn.  232; a. A. Winkler v. Mohrenfels in: Staudinger, Art.  11 EGBGB, Rdn.  296; Heinz, RIW 2001, 928–931. 206  v. Hein in: MüKoBGB, Einl. IPR, Rdn.  232. 207  EuGH, Urt. v. 7.5.1991, C-340/89, Irène Vlassopoulou v Ministerium für Justiz, Bundesund Europaangelegenheiten Baden-Württemberg, Slg. 1991, I-2357, Rdn.  18–20. 208  EuGH, Urt. v. 7.5.1991, C-340/89, Irène Vlassopoulou v Ministerium für Justiz, Bundesund Europaangelegenheiten Baden-Württemberg, Slg. 1991, I-2357, Rdn.  17.

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2. Teil – 2.  Abschnitt: Optimierung der legislativen Differenzierung

erfasst sind.209 Ein allgemeiner Ausschluss ausländischer Notare von inländi­ scher Notarstätigkeit verstößt jedoch gegen die Dienstleistungsfreiheit. I. Der generelle Ausschluss ausländischer Notare von der Substitution in §  925 Abs.  1 BGB Wenn ein in London zugelassener notary public dort die notarielle Beurkundung eines Geschäfts über ein in Deutschland belegenes Grundstück vornehmen möchte, bedeutet der generelle Ausschluss der Substitution des deutschen Notars durch einen ausländischen Notar eine Beschränkung der Ausübung seiner Dienstleistungsfreiheit; sogar eine Diskriminierung liegt nicht fern. Denn die Dienstleistung der Beurkundung der Auflassung eines Grundstücks in Deutsch­ land kann dort keine rechtliche Wirkung entfalten und ist somit jedenfalls poten­ tiell geeignet,210 die Freiheit des notary public in dieser Hinsicht zu beeinträchti­ gen; die Inländer werden von dieser Auslegung des §  925 Abs.  1 BGB bevorzugt. Zwar enthält der entsprechende Abschnitt im AEUV keine Vorschrift wie Art.  51 AEUV für die Niederlassungsfreiheit. Jedoch ist das Prinzip auf die Dienstleis­ tungsfreiheit übertragbar. Dass die Anwendung der Niederlassungsfreiheit auf Notare nicht an dem Ausschlussgrund der Ausübung öffentlicher Gewalt schei­ tert, hat der EuGH mit Blick auf den belgischen Notar mit Bezug auf dessen Beurkundungstätigkeit festgestellt, da diese „nicht im Sinne von Art. [51 AEUV] mit einer unmittelbaren und spezifischen Ausübung öffentlicher Gewalt verbun­ den“ seien.211 Der allgemeine Ausschluss von ausländischen Notaren müsste sich also mit der an dieser Stelle angeführten Rechtssicherheit, speziell mit der Sicherheit des Grundbuchs, rechtfertigen lassen.212 Um diesen legitimen Zweck zu erreichen, müsste es jedoch erforderlich sein, dass die Auflassung lediglich von einem No­ tar deutscher Art vorgenommen wird. Die Sicherheit des Grundbuchs besteht darin, dass sich der Rechtsverkehr ins­ gesamt auf die Richtigkeit und damit verbunden die Vollständigkeit des Grund­ buchs verlassen kann, dass alle einzutragenden Aktivitäten in Bezug auf alle im Grundbuch erfassten Grundstücke aufgeführt sind.213 Vor diesem Hintergrund könnte man nun argumentieren, dass dies nicht mit der Auflassung im Beisein des Notars erreicht wird, sondern mit der Eintragung der Rechtsänderung im 209 

EuGH, Urt. v. 24.5.2011, C-47/08, Kommission/Belgien, Slg. 2011, I-4105, Rdn.  92–123. Siehe zur Qualifizierung der Dienstleistungsfreiheit als Beschränkungsverbot EuGH, Urt. v. 3.12.1974, C-33/74, Van Binsbergen v. Bedrijfsvereniging voor de Metaalnijverheid, Slg. 1974, 1299, Rdn.  10–17. 211  EuGH, Urt. v. 27.5.2011, C-47/08, Kommission/Belgien, Slg. 2011, I-4105, Rdn.  92–123. 212  Rauscher, IPR, Rdn.  543. 213  Siehe dazu Kohler in: MüKoBGB, §  891 BGB, Rdn.  2–11. 210 

1. Kapitel: Optimierung durch nationalen Gesetzgeber

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Grundbuch; denn erst durch die so geschaffene Veröffentlichung des Rechtsge­ schäfts wird für den Rechtsverkehr der Rechtsschein i. S. v. §  891 BGB erzeugt.214 Dabei würde man jedoch der Aufklärungs- und der Warnfunktion in §  925 Abs.  1 BGB zu großes Gewicht beimessen. Durch die Beurkundung der Auflas­ sung soll nämlich nicht so sehr gewährleistet werden, dass die Parteien über die Tragweite des Rechtsgeschäftes aufgeklärt werden (sog. Aufklärungsfunktion) und insbesondere der veräußernden Partei noch einmal vor Augen gehalten wird, dass es sich um einen besonders wichtigen Vermögensgegenstand handelt (sog. Warnfunktion).215 Vielmehr bezweckt die Beurkundung der Auflassung durch den Notar vornehmlich, dass die dingliche Einigung mangelfrei vonstatten ge­ gangen ist, damit die folgende Grundbuchänderung nicht zur Grundbuchunrich­ tigkeit führt.216 Zur Gewährleistung dieses Zwecks ist der generelle Ausschluss ausländischer Notare jedoch nicht erforderlich. Es ist zwar richtig, dass der EuGH in bestimm­ ten Fällen wie der Rechtsberatung es für geboten ansah, dass ein Rechtsanwalt über ausreichende Verbindungen zu dem Ort verfügt, auf den sich die Beratung bezieht, damit sie „ausreichenden Kontakt zu den Gerichten und den Mandanten unterhalten und die Standesregeln beachten“217. Er sah jedoch eine Gewährleis­ tung der Informationsbeschaffung im Wege der Telekommunikation im zu ent­ scheidenden Fall als ausreichend an.218 Für die Übertragung der Geschäftsantei­ le an einer GmbH und deren Formwirksamkeit bei Beurkundung durch einen Notar in der Schweiz hat das OLG Düsseldorf entschieden, dass die Einreichung der Gesellschafterliste der Beurkundung durch den ausländischen Notar nicht entgegenstehe; die Einreichung obliege in diesem Fall den Gesellschaftern, kön­ ne also ersetzt werden.219 Überträgt man diesen Grundsatz auf das Grundbuchwesen, ist dort eine ausrei­ chende Möglichkeit der Beschaffung relevanter Informationen gegeben. Denn §  12 Abs.  1 S.  1 GBO gestattet jeder Person Einsicht in das Grundbuch, wenn diese ein berechtigtes Interesse hat. Ferner sind ausländischen Notaren auch Ab­ schriften des Grundbuchs erlaubt (§  12 Abs.  2 GBO), was es ihnen erlaubt, dass sie sich über die Grundbuchsituation in Deutschland kundig machen können.220 214 

Vgl. Kohler in: MüKoBGB, §  891 BGB, Rdn.  12 f. Das ist eher die Funktion von §  311b Abs.  1 BGB; siehe Kanzleiter, in: MüKoBGB, §  925, Rdn.  1. 216  Kanzleiter in: MüKoBGB, §  925, Rdn.  1; vgl. auch Rauscher, IPR, Rdn.  543. 217  EuGH, Urt. v. 12.7.1984, C-107/83, Klopp, Slg. 1984, 2971, Rdn.  20. Siehe dazu auch EuGH, Urt. v. 3.12.1974, C-33/74, van Binsbergen, Slg. 1974, 1299, Rdn.  10–12. 218  EuGH, Urt. v. 12.7.1984, C-107/83, Klopp, Slg. 1984, 2971, Rdn.  21. 219  OLG Düsseldorf, Beschl. v. 2.3.2011 − 3 Wx 236/10, NZG 2011, 388, 390 zur Auslands­ beurkundung durch einen schweizerischen Notar. Dazu auch Götze/Mörtel, NZG 2014, 369 ff. 220  Heinz, RIW 2001, 928, 930. 215 

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2. Teil – 2.  Abschnitt: Optimierung der legislativen Differenzierung

Zuzugeben ist, dass im Kontakt ein Unterschied zwischen der EuGH-Entschei­ dung Klopp im Rahmen der Niederlassungsfreiheit und der notariellen Tätigkeit im Rahmen der Dienstleistungsfreiheit besteht, da es an einer inländischen Nie­ derlassung fehlen kann. Ausreichender Kontakt zu den inländischen Behörden kann dem ausländischen Notar jedoch auch ohne eine Niederlassung im Inland möglich sein, wenn man wie der EuGH die Möglichkeiten der Telekommunika­ tion mit in die Erwägung einfließen lässt. In einem gewissen Umfang ist an die Anwendung dieser Standesregeln als Eingriffsnormen zu denken; möglich wäre auch eine internationale Zusammenarbeit der EU-Mitgliedstaaten zu deren Ge­ währleistung, so dass die Sanktionierung der Verletzung von Standesregeln theo­ retisch erreicht werden kann. Jedenfalls kommt es auf die Umstände des Einzelfalls an, so dass ein pauscha­ ler Ausschluss nicht vertretbar erscheint. Aus diesen Gründen verstößt dieser pauschale Ausschluss ausländischer Notare von der Auflassungsbeurkundung und damit von einer entsprechenden Substitution deutscher Notare gegen die Dienstleistungsfreiheit. II. Der Ausschluss ausländischer Notarformen Neben dem generellen Ausschluss ausländischer Notare von der Substitution in §  925 Abs.  1 BGB ist auch ein Ausschluss bestimmter ausländischer Notarformen nicht mit den Grundfreiheiten vereinbar. Auch wenn nicht in Bezug auf §  925 Abs.  1 BGB,221 so wird doch etwa in Hinblick auf die Übertragung der Inhaber­ schaft an Gesellschaftsanteilen die Substituierbarkeit des deutschen Notars auf solche ausländischen Notarformen beschränkt, die aufgrund ihrer typischen Aus­ bildung mit der deutschen vergleichbar sind. Das wird z. B. beim schweizerischen Notar angenommen;222 dagegen wird – wie bereits angesprochen – die Ausbil­ dung eines englischen notary public nicht als ausreichend angesehen.223 Zur Rechtfertigung dieses Eingriffs in die Dienstleistungsfreiheit eine Gleich­ wertigkeitsprüfung anzustellen, ist nach der Rechtsprechung des EuGH an sich europarechtlich konform.224 Nur so können die Parteien über die Auswirkungen des Grundstücksgeschäfts adäquat aufgeklärt werden. Dazu darf man jedoch nicht bei dem allgemeinen Vergleich verschiedener Ausbildungen stehen bleiben. Dies würde nämlich die Perspektive auf den typi­ 221  Hier wird mit einem generellen Ausschluss aus Gründen der Grundbuchsicherheit argu­ mentiert. Die logisch nachfolgende Frage nach der Substituierbarkeit durch bestimmte Notar­ formen stellt sich dann nicht mehr; vgl. auch Rauscher, IPR, Rdn.  541, 545. 222  BGH, Beschl. v. 17.12.2013 – II ZB 6/13, NZG 2014, 219; v. Hein in: MüKoBGB, Einl. IPR, Rdn.  236. 223  Siehe nur v. Hein in: MüKoBGB, Einl. IPR, Rdn.  237. 224  EuGH, Urt. v. 7.5.1991, C-340/89, Vlassopoulou, Slg. 1991, I-2357, Rdn.  17–22.

1. Kapitel: Optimierung durch nationalen Gesetzgeber

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schen Fall verengen, dass Notare aus verschiedenen Staaten nur diejenigen Rechtskenntnisse besitzen, die notwendig sind, um über ihr jeweils eigenes Recht aufzuklären. Dass ein englischer notary public aber auch ausreichende Kenntnisse über das deutsche Recht besitzen kann, die von einem deutschen No­ tar erwartet werden, damit dieser seine Funktionen nach §  17 BeurkG erfüllen kann, bleibt bei einem generellen Ausschluss der Substitution durch bestimmte, aus nationaler Perspektive unsichere Notarformen außer Betracht. Der ausländi­ sche Notar könnte sich solche Rechtskenntnisse jedoch durch entsprechende Fortbildungen erworben haben. Eine unionsrechtskonforme Lösung darf also keinen pauschalen Ausschluss enthalten, sondern muss die Fähigkeiten der ein­ zelnen Person in die Abwägung einfließen lassen. Die Kenntnisse der Einzelperson über deutsches Recht müssten allerdings überprüft werden. In Anlehnung an die Rechtsprechung des EuGH wäre dann wie bei einem Rechtsanwalt auch bei einem Notar ggf. eine Eignungsprüfung vorzunehmen.225 Auf diese Weise kann sichergestellt werden, dass die Parteien von einem im deutschen Recht hinreichend kundigen ausländischen Notar über die Rechtslage in Deutschland aufgeklärt werden. Für den deutschen Gesetz­ geber und die deutschen Behörden wäre das ein Mehraufwand; da sich die zu­ ständigen Behörden zur Konzeption des Eignungstests an den ohnehin zu konzi­ pierenden Notarprüfungen orientieren könnten, ist der Mehraufwand jedoch nicht unangemessen.

225 

Vgl. EuGH, Urt. v. 7.5.1991, Vlassopoulou, Slg. 1991, I-2357, Rdn.  17–22; EuGH, Urt. v. 10.12.2009, C-345/08, Krzysztof Peśla/Justizministerium Mecklenburg-Vorpommern, Slg. 2009, I-11049, Rdn.  46 f.

2.  Kapitel

Optimierung der legislativen Differenzierung durch den EU-Gesetzgeber Auch der EU-Gesetzgeber sollte im Rahmen seiner Gesetzgebung mehr differen­ zieren, wenngleich in anderer Hinsicht. Zunächst hat er darauf zu achten, dass er die Differenzierung nicht auf sachfremde Aspekte stützt (dazu §  1). Weiter ist es ihm möglich, dass er bei der Schaffung von Kollisionsrecht durch verstärkte Dif­ ferenzierung existierende Spielräume in zwei Richtungen nutzt. Einerseits sind die kollisionsrechtlichen Interessen von Drittstaaten noch stärker zu berücksich­ tigen, wenn gleichzeitig die Interessen der EU-Mitgliedstaaten nicht schlechter gestellt werden; andererseits ist sicherzustellen, dass die EU-Mitgliedstaaten nicht in eine Situation des Vertragsbruchs geraten (dazu §  2). Ferner zeigt der Vergleich der güterkollisionsrechtlichen Behandlung von Ehen und eingetra­ genen Lebenspartnerschaften, dass es durch Anlegen des gleichen Maßes an kol­ lisionsrechtlicher Differenzierung zu keinen unsachgemäßen Ungleichbehand­ lungen kommt (dazu §  3). Ebenso ergibt sich aus dem Vergleich von Ehe­ scheidungs-, Ehegüter- und Unterhaltskollisionsrecht, dass der gleiche Zweck idealerweise mit vergleichbaren Maßnahmen verfolgt werden sollte, im IZVR z. B. mit einem vergleichbaren Maß an Prorogationsmöglichkeiten (dazu §  4). Schließlich zeigt das Beispiel des sog. „Italian torpedo“, dass Differenzierung auch bedeuten kann, dass der Gesetzgeber zur Lösung von Problemen im IZVR mehrere Abschnitte eben des IZVR noch differenzierter zusammenhängend be­ trachten und regeln sollte (dazu §  5).

§  1 Vermeidung von Differenzierungen zwischen Mitgliedstaaten in Bezug auf kollisionsrechtliche Entwicklungsschritte aufgrund deren Nichtteilnahme an anderen Entwicklungsschritten ohne direkten sachlichen Zusammenhang Im EU-Kollisionsrecht werden nicht alle EU-Mitgliedstaaten von vornherein durch Kollisionsrechtsakte gebunden, was auch im Rahmen von Regelungskon­ zepten Raum für Differenzierungen lassen kann (dazu A.). Wie das Beispiel der

2. Kapitel: Optimierung durch EU-Gesetzgeber

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EuUnthVO zeigt, kann es geschehen, dass solche Differenzierungen unsachge­ mäß sind, was zu vermeiden ist (dazu B.).

A. Differenzierung zwischen EU-Mitgliedstaaten und Pflicht der EU zur Gleichbehandlung von Mitgliedstaaten nach Art.  4 Abs.  2 EUV In Art.  4 Abs.  2 EUV ist der Grundsatz der Gleichbehandlung der Mitgliedstaa­ ten vor den Verträgen enthalten. Einer der wesentlichen Aspekte der europäi­ schen Verträge ist die in Titel V des AEUV enthaltene Verwirklichung des Raums der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts, deren Bestandteil auch die justizielle Zusammenarbeit in Zivilsachen in Kapitel III (Art.  81 AEUV) ist. Auf dieser Rechtsgrundlage basiert ebenfalls die EuUnthVO. Die Bindung der EU-Mit­ gliedstaaten und der EU an den AEUV begründet dabei nicht nur die grundsätz­ liche Pflicht gegenüber den anderen EU-Mitgliedstaaten und der EU, sich an darauf beruhenden justiziellen Entwicklungsschritten zur Verwirklichung des Raums der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts zu beteiligen,226 sondern gleichzeitig die grundsätzliche Berechtigung der Mitgliedstaaten, sich an Ent­ wicklungsschritten beteiligen zu dürfen und von ihnen nicht ausgeschlossen zu werden. Der Pflicht der Beteiligung an Entwicklungsschritten haben sich das Vereinigte Königreich und Irland sowie Dänemark durch ihre Vorbehalte zu Ti­ tel V AEUV entzogen und entscheiden durch besondere Erklärung, wann und inwieweit sie sich beteiligen. Angesichts dieser Gemengelage kann eine Differenzierung unter den EU-Mit­ gliedstaaten gerechtfertigt sein. Wie bei jeder Ungleichbehandlung darf sie jedoch nicht willkürlich erfolgen, muss also auf einem sachlichen Grund beruhen.227

B. Differenzierung ohne sachlichen Zusammenhang im Rahmen von Anerkennung und Vollstreckung nach der EuUnthVO Bei der Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Unterhaltssa­ chen differenziert die EuUnthVO hinsichtlich der Anerkennung und Vollstre­ ckung von Unterhaltsentscheidungen zwischen dem Vereinigten Königreich und Irland sowie Dänemark einerseits und den übrigen EU-Mitgliedstaaten anderer­ seits. Entsprechend existieren zwei verschiedene Konzepte – je nachdem, ob ein Mitgliedstaat durch das HUP 2007 gebunden ist oder nicht. Auf dieser Grundlage kommt es u. a. zu zwei wesentlichen Unterschieden: Zum einen werden Ent­ 226 

Dies ergibt sich aus Art.  4 Abs.  3 EUV; siehe dazu Bogdandy/Schill in: Grabitz/Hilf/ Nettesheim, Art.  4 EUV, Rdn.  72. 227  Vgl. Obwexer in: von der Groeben/Schwarze/Hatje, Art.  4 EUV, Rdn.  21.

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2. Teil – 2.  Abschnitt: Optimierung der legislativen Differenzierung

scheidungen aus Mitgliedstaaten, die durch das HUP 2007 gebunden sind, keiner ordre public-Kontrolle durch den Vollstreckungsstaat unterzogen, zum anderen ist das Bestehen von Entscheidungskonkurrenzen im Vollstreckungsstaat kein zwingendes Vollstreckungshindernis. Wie sich an Art.  24 EuUnthVO zeigt, gibt es für Entscheidungen aus Mitgliedstaaten, die nicht durch das HUP 2007 gebun­ den sind, eine ordre public-Kontrolle; daneben sind alle Anerkennungs- bzw. Vollstreckungsversagungsgründe zwingend. Unterschiedliche Konzepte zur Behandlung von Entscheidungen aus verschie­ denen Mitgliedstaaten bedeuten eine Ungleichbehandlung der Mitgliedstaaten selbst. Entscheidend ist also der Zusammenhang zwischen der Bindung an das völkervertragliche Kollisionsrechtsübereinkommen, auf das die Verordnungen verweisen, und der Anerkennung bzw. Vollstreckung von Entscheidungen, die auf der Grundlage der in diesem Übereinkommen enthaltenen Kollisionsnormen getroffen werden. Da es durchaus möglich ist, dass diese Koordinationsmethode bei entsprechender Rechtsentwicklung auf völker- und unionsrechtlicher Rege­ lungsebene wieder vorkommt, ist die Klärung dieses Problems von grundsätz­ licher Bedeutung. Bei der Ausprägung der Koordinationsmethode in der EuUnthVO stellt sich das Problem, dass der Zusammenhang zwischen der Bindung an das HUP 2007 und der Ungleichbehandlung hinsichtlich der Anerkennungs- und Versagungs­ gründe vom EU-Gesetzgeber wenigstens überschätzt wird und daher den not­ wendigen Sachbezug vermissen lässt. Sieht man sich nur das Fehlen der ordre public-Kontrolle bei Entscheidungen aus durch das HUP 2007 gebundenen Mit­ gliedstaaten an, sind zwei Konstellationen hervorzuheben, die zeigen, dass zwi­ schen anwendbarem Kollisionsrecht und Anerkennung bzw. Vollstreckung in diesem Fall kein entscheidender Zusammenhang gegeben sein kann. Berücksichtigt man zunächst, dass sich ein Mitgliedstaat durch Teilnahme am HUP 2007 mit den anderen Vertragspartnern auf eine einheitliche ordre public-­ Regel in Art.  13 HUP 2007228 geeinigt hat, wäre dies nur dann ein Grund, die ordre public-Kontrolle von Entscheidungen aus diesen Staaten auszulassen, wenn die nationalen Rechte der nicht durch das HUP 2007 gebundenen Staaten nicht über eine ordre public-Regel verfügten. Dies ist jedoch nicht der Fall. Die Tatsache, dass Dänemark zwar an der Eu­ UnthVO teilnimmt,229 nicht jedoch durch das HUP 2007 gebunden ist und damit 228 

Würde der Passus „anwendbares Recht“ in Art.  15 EuUnthVO eng verstanden werden und nur auf subjektives und objektives Unterhaltsstatut verweisen, die ordre public-Kontrolle aber außen vor lassen, bliebe eine wichtige Kontrollfunktion des IPR unangewendet. 229  (zu­ letzt aufgerufen am 10.5.2013); Übereinkommen zwischen EU und Dänemark, demzufolge Dänemark die Absicht hat, die EuUnthVO anzuwenden: ABl. EU 2009 Nr. L 149/80.

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zumindest nicht durch diese Rechtsakte Zugang zu einer vereinheitlichten ordre public-Regel erhält, ändert nichts daran, dass Dänemarks IPR selbst die ordre public-Kontrolle sehr wohl kennt. Diese Kontrolle funktioniert nicht anders als eine durch europäisches Sekundärrecht vorgeschriebene ordre public-Kontrolle. Es wird dabei eine Analyse des dänischen Rechts vorgenommen und ermittelt, welcher Aspekt des dänischen Rechts verletzt wird. In Betracht kommen rechtli­ che, moralische, ethische, soziale, wirtschaftliche und politische Aspekte. Dann ist zu bestimmen, ob es sich bei der verletzten Regel um eine besondere Vor­ schrift oder eine Grundsatznorm handelt. Nur wenn die Untersuchung zu dem Ergebnis führt, dass eine Grundregel verletzt wurde und deshalb das Ergebnis mit dänischem Recht unvereinbar ist, kann es zu einer Korrektur dieses Ergeb­ nisses kommen.230 Zu demselben Ergebnis käme ein dänisches Gericht, wenn es Art.  15 EuUnthVO i. V. m. Art.  13 HUP 2007 anwenden würde, da sich die Inhal­ te der ordre public-Kontrolle nicht unterscheiden. Daher ergibt sich für Däne­ mark im Vergleich zur EuUnthVO kein Unterschied dadurch, dass es den Rechts­ vereinheitlichungsschritt des Beitritts zum HUP 2007 nicht mitgegangen ist. Materiell-rechtliche Fehler, die ordre public-Relevanz in anderen Mitgliedstaa­ ten haben könnten, sind also in Dänemark nicht wahrscheinlicher als in den durch das HUP 2007 gebundenen Mitgliedstaaten. Gleiches gilt für den verfah­ rensrechtlichen ordre public, da das HUP 2007 das Verfahrensrecht nicht betrifft. Ebenso verhält es sich für das Vereinigte Königreich. Dieses hat wie Däne­ mark zwar erklärt, an der EuUnthVO teilzunehmen, hat jedoch nicht das HUP 2007 ratifiziert.231 Selbst wenn die EU dem HUP 2007 noch nicht selbst beige­ treten und damit auch die Bindung des Vereinigten Königreichs daran und damit an Art.  13 HUP 2007 herbeigeführt hätte, hätte dies keine materiell-rechtlichen Auswirkungen auf Entscheidungen aus den Vereinigten Königreich gehabt. Denn diese Lücke wäre durch englisches Kollisionsrecht dahin gehend gefüllt worden, dass englische Gerichte regelmäßig englisches Unterhaltsrecht anwen­ den.232 Das ist in Sachen ordre public nichts Verwerfliches; im Gegenteil ge­ währleistet diese gegenüber dem HUP 2007 zugegebenermaßen sehr restriktive Haltung die Anwendung des Unterhaltsrechts eines EU-Mitgliedstaates, das den europäischen Grundrechten der EU-Grundrechtecharta sowie der EMRK ver­ pflichtet ist. Für die wenigen Fälle, in denen von englischen Gerichten nicht eng­ lisches, sondern ein anderes Recht angewendet wird, existiert in der englischen IPR-Dogmatik allerdings ebenfalls die ordre public-Kontrolle, wobei lediglich 230 

Andersen, RETTID 2009/Specialeafhandling 15, Dokumentenseite 20. (zu­ letzt aufgerufen am 10.5.2013). 232  Cheshire/North/Fawcett, PIL, S.  1068 m. w. N. 231 

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die englische Bezeichnung doctrine of public policy verwendet wird.233 Daher ist auch in dieser Hinsicht kein Verlust an Kontrollqualität ersichtlich, so dass auch bei Entscheidungen aus dem Vereinigten Königreich ein Verstoß gegen den ma­ teriell-rechtlichen ordre public des Anerkennungs- und Vollstreckungsstaates nicht wahrscheinlicher ist als in anderen, durch das HUP 2007 gebundenen Mit­ gliedstaaten. Für den verfahrensrechtlichen ordre public ergibt sich nichts ande­ res als für Dänemark. Somit war die anfängliche Differenzierung auch mit Blick auf das Vereinigte Königreich unverständlich. Als zweiter Punkt ist hinsichtlich der vereinheitlichten Kollisionsregeln und der ordre public-Kontrolle in Art.  13 HUP 2007 zu beachten, dass ihre bloße Existenz an sich nicht verhindern könnte, dass ein einzelner Richter womöglich ein Urteil fällt, das dem materiell- oder verfahrensrechtlichen ordre public des Vollstreckungsstaates widerspricht, indem der Richter einen ordre public-Ver­ stoß versehentlich übersieht. Eine sachgemäße Begründung ergibt sich auch nicht aus dem Gedanken, mit­ hilfe einer derartigen Differenzierung Mitgliedstaaten, die nicht an das HUP 2007 gebunden sind, zur vollständigen Teilnahme an der EuUnthVO und damit auch am HUP 2007 zu bewegen. Es ist zwar richtig und ergibt sich aus Art.  4 Abs.  3 UAbs.  3 EUV, dass auch die Mitgliedstaaten ihrerseits Loyalitätspflichten gegenüber der EU und den anderen Mitgliedstaaten haben234 und insoweit dazu verpflichtet sind, auf die Rechtsvereinheitlichung im Gemeinsamen Markt hin­ zuarbeiten.235 Die Ratifizierung des HUP 2007 durch alle EU-Mitgliedstaaten hätte auch genau diese Rechtsvereinheitlichung im europäischen Unterhaltsrecht bezogen auf das anwendbare Recht herbeigeführt – schließlich hatten elf236 der heute 28 EU-Mitgliedstaaten vor der Geltung des HUP 2007 nicht am Kollisions­ rechtsvereinheitlichungsbestreben des HUÜ 1973 teilgenommen,237 so dass das HUP 2007 hier Abhilfe geschaffen hätte. Die Teilnahme aller EU-Mitgliedstaa­ ten an der Rechtsvereinheitlichung erhöht die Effektivität der Rechtsvereinheit­ lichung, indem unterschiedliche Vereinheitlichungsgeschwindigkeiten vermie­ den werden. 233 

Cheshire/North/Fawcett, PIL, S.  121 und 139–151. Zur Begriffsbezeichnung: Krophol­ ler, IPR, §  36 I, S.  244. 234  Siehe dazu v. Bogdandy/Schill in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, Art.  4 EUV, Rdn.  59 f. 235  Vgl. zu Handlungspflichten aufgrund von Art.  4 Abs.  3 UAbs.  3 EUV v. Bogdandy/Schill in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, Art.  4 EUV, Rdn.  63. 236  Neben der Bundesrepublik Deutschland (1.4.1987) ist das HUÜ 1973 auch für Estland (1.1.­2002), Frankreich (1.10.1977), Griechenland (1.9.2003), Italien (1.1.1982), Litauen (1.9.­ 2001), Luxemburg (1.1.1982), die Niederlande (1.3.1981), Polen (1.5.1996), Portugal (1.10.­ 1977), Spanien (1.10.1986) in Kraft getreten; siehe dazu Statustabelle: (zuletzt aufgerufen am 6.1.2019). 237  Siehe hierzu auch Heger in: Europäisches Unterhaltsrecht, 5 ff.

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Allerdings ist der beschriebene Geschwindigkeitsunterschied von der EU selbst gebilligt worden, als dem Vereinigten Königreich, Irland und Dänemark die Möglichkeit eingeräumt wurde, bzgl. Rechtsakten in Titel V des AEUV Son­ derpositionen einzunehmen und sich auf diese Weise der Rechtsvereinheit­ lichung zu enthalten. Da diese Staaten also lediglich von Vorbehalten Gebrauch machen, die ihnen in den europäischen Verträgen zugestanden worden sind, ver­ letzen sie nicht ihre Loyalitätspflicht gegenüber der EU oder gegenüber den an­ deren Mitgliedstaaten. Die EU verletzt ihrerseits ihre Pflichten aus Art.  4 Abs.  2 EUV durch die sach­ lich nicht begründete Ungleichbehandlung von Mitgliedstaaten, wenn sie diese nicht an Rechtsvereinheitlichungsschritten teilhaben lässt, obwohl diese Verein­ heitlichungsschritte in keinem sachlichen Zusammenhang zu anderen Rechtsver­ einheitlichungsschritten stehen, denen sich diese Mitgliedstaaten – insbesondere unter Nutzung der ihnen durch die europäischen Verträge zugestandenen Vorbe­ halte – enthalten haben. Konkret bezogen auf die Anerkennungs- und Vollstre­ ckungshindernisse darf die EU also nicht zwischen Mitgliedstaaten nach der Bindung an das HUP 2007 differenzieren; vielmehr muss sie sich für ein Kon­ zept entscheiden und diesem konsequent für beide Staatengruppen folgen.

§  2 Optimierung der Kombination von renvoi und Vorfragenanknüpfung Im IPR werden die Interessen von internationalem und internem Entscheidungs­ einklang idealerweise kombiniert. Je nach Konzeption von renvoi bzw. Vorfragen­ anknüpfung kann jeweils einem der genannten Interessen besonderer Ausdruck verliehen werden. Wenn beide Instrumente das jeweils andere Interesse verkör­ pern, können durch ihr Zusammenwirken sowohl der internationale als auch der interne Entscheidungseinklang zur Geltung gelangen.

A. Fehlende Differenzierung beim Ausschluss des renvoi im EuIPR Eine zu undifferenzierte Vorbestimmung des Ausschlusses des renvoi drängt al­ lerdings nicht nur die Vorfragenanknüpfung in eine bestimmte Richtung; sie führt auch dazu, dass die kollisionsrechtlichen Interessen von Nicht-EU-Mitglied­ staaten im Rahmen des EU-Kollisionsrechts unberücksichtigt bleiben (dazu  I.). Dies spricht dafür, im Rahmen einer differenzierenden renvoi-Konzeption seinen generellen Ausschluss im EU-Kollisionsrecht zurückzunehmen (dazu  II.).

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I. Problemlage 1. Die allgemeine Konzeption des renvoi im nationalen, völkervertraglichen und europäischen IPR Der renvoi ist wesentliches Element einer Kollisionsnormverweisung,238 wie sie im autonomen deutschen IPR weiterhin die Regel ist. Der Ausschluss des renvoi führt zu einer Sachnormverweisung. a) Nationales IPR aa) Grundsatz der Beachtung des renvoi Das autonome deutsche IPR ist geprägt von Kollisionsnormverweisungen, so dass der renvoi Beachtung findet. Die Gründe des renvoi werden insbesondere im internationalen Entscheidungseinklang und im Heimwärtsstreben gesehen. Internationaler Entscheidungseinklang ist dann gegeben, wenn inländische Ge­ richte einen Sachverhalt so entscheiden wie ausländische Gerichte.239 Im Falle einer Rückverweisung durch das ausländische Kollisionsrecht auf deutsches Recht nimmt dieses nach Art.  4 Abs.  1 S.  2 EGBGB die Verweisung an. Damit wird zwar der internationale Entscheidungseinklang nicht erreicht; es wird je­ doch verhindert, dass es zu einem Verweisungszirkel zwischen den Rechtsord­ nungen kommt.240 Der Abbruch der Verweisungskette wird im Interesse des Heimwärtsstrebens zugunsten des deutschen Rechts gelöst.241 Mit Weiterverweisungen wird ähnlich umgegangen. Auch sie werden im Grund­ satz beachtet, um den internationalen Entscheidungseinklang zu erreichen, so dass es theoretisch zu längeren Verweisungsketten kommen kann. Wird ein Recht das zweite Mal berufen, ist die Konsequenz auch hier ein Verweisungs­zirkel. Aus die­ sem Grund wird die Verweisungskette an dieser Stelle analog Art.  4 Abs.  1 S.  2 EGBGB abgebrochen, auch wenn das Argument des Heimwärtsstrebens hier we­ niger entscheidend ist – schließlich muss es sich bei diesem Recht nicht um deut­ sches Recht oder allgemein das Recht des ersten Staates der Verweisungskette handeln;242 es ist eher der Gedanke der Praktikabilität, dass die Verweisungskette 238  Auch wenn der Begriff „Gesamtverweisung“ der geläufigere zu sein scheint, wird in dieser Arbeit an seiner Stelle der Begriff der Kollisionsnormverweisung verwendet werden, der von Kegel/Schurig, §  10 II gleichwertig zu IPR-Verweisung vertreten wird. Das beruht auf dem überzeugenden Argument, dass „niemals … auf das ganze fremde Privatrecht verwiesen“ wird, sondern „immer nur auf das fremde Privatrecht ohne das fremde IPR (Sachnorm-Verweisung) oder auf das fremde IPR ohne das (übrige) fremde IPR … (IPR-Verweisung)“. 239  v. Hoffmann/Thorn, IPR, §  6, Rdn.  87. 240  Kropholler, IPR, §  24 II 3b. 241  v. Hoffmann/Thorn, IPR, §  6, Rdn.  90. 242  Rauscher, IPR, Rdn.  356.

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eben irgendwo enden muss und das zum zweiten Mal berufene Recht dem Interes­ se des internationalen Entscheidungseinklangs am ehesten entspricht.243 Unter Berufung auf das Praktikabilitätsinteresse wird demgegenüber vertre­ ten, nur die erste Weiterverweisung zu akzeptieren und diese als Sachnormver­ weisung zu behandeln.244 Allerdings wird das Praktikabilitätsinteresse auf diese Weise überbewertet und das Streben nach dem internationalen Entscheidungs­ einklang zu früh aufgegeben.245 Die Lösung des Abbruchs bei der Rechtsord­ nung, die zum zweiten Mal berufen wird, entspricht diesem Interesse am ehesten und ist damit vorzugswürdig. bb) Ausnahme der Sachnormverweisung Ausnahmsweise spricht das nationale Kollisionsrecht Sachnormverweisungen aus. Voraussetzung ist, dass der renvoi gegen den Sinn der Verweisung verstoßen würde, wie es in Art.  4 Abs.  1 S.  1 Hs.  2 EGBGB heißt. Dazu zählen die Rechts­ wahl, was in Art.  4 Abs.  2 EGBGB ausdrücklich klargestellt wird;246 die alterna­ tive Anknüpfung,247 um Fälle zu verhindern, in denen die Verweisung zur Re­ duktion der alternativen Rechtsordnungen führt; die akzessorische Anknüpfung, um die materielle Harmonie mit dem Hauptstatut zu gewährleisten248; sowie Ausweichklauseln wie die Anknüpfung an die engste Verbindung, um die Rechts­ sicherheit und Einzelfallgerechtigkeit, die durch dieses differenzierte Anknüp­ fungsmoment anders als bei typisierten Anknüpfungsmomenten hervorgerufen wird,249 nicht zu konterkarieren.250 b) Völkervertragliches IPR Im völkervertraglichen IPR ist der renvoi allgemein ausgeschlossen. Ein solcher Ausschluss kann in zwei Formen konzipiert sein: entweder die Kollisionsnormen des Übereinkommens verweisen nur auf das „innerstaatliche Recht“251, anstatt allgemein das Recht eines Staates zu berufen; oder das Übereinkommen enthält eine besondere Vorschrift, die den Ausschluss des renvoi ausdrücklich vor­ 243 

v. Hoffmann/Thorn, IPR, §  6, Rdn.  103. Kropholler, IPR, §  24 II 4. 245  v. Hoffmann/Thorn, IPR, §  6, Rdn.  103. 246  Kegel/Schurig, IPR, §  10 V, S.  404 (wenn auch mit Vorbehalten gegenüber der bedin­ gungslosen Sachnormverweisung). 247  Kegel/Schurig, IPR, §  10 V, S.  405; v. Hoffmann/Thorn, IPR, §  6, Rdn.  113. 248  v. Hoffmann/Thorn, IPR, §  6, Rdn.  114. 249  Siehe hierzu kritisch Kegel/Schurig, IPR, §  10 V, S.  405. 250  Rauscher, IPR, Rdn.  360 f.; v. Hoffmann/Thorn, §  6, Rdn.  116 251  In der englischen Sprachfassung „internal law“, in der französischen „loi interne“, siehe z. B. Art.  1 Haager Testamentsformübereinkommen. 244 

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2. Teil – 2.  Abschnitt: Optimierung der legislativen Differenzierung

sieht.252 Der Sinn wird in der Rechtsvereinheitlichung gesehen, die mit dem Über­ einkommen verfolgt wird: Wenn sich mehrere Vertragsstaaten auf ein Anknüp­ fungsmoment einigen, soll die daraus folgende Berufung eines Rechts nicht durch die kollisionsrechtliche Entscheidung des berufenen Rechts abwendbar sein.253 c) Europäisches IPR Der Ausschluss des renvoi ist im europäischen IPR nicht erst in den Rom-Verord­ nungen eingeführt worden. Vielmehr sah schon Art.  15 EVÜ einen solchen Aus­ schluss vor. In den Rom-Verordnungen ist er im Regelfall vollumfänglich ausge­ schlossen worden; die bislang einzige Ausnahme stellt die EuErbVO dar: Sie folgt zwar der Regel der Sachnormverweisung, formuliert jedoch in Art.  34 Abs.  1 EuErbVO Ausnahmekonstellationen, in denen der renvoi zu beachten ist. Diese Vorgehensweise wird mit der Gewährleistung von Rechtssicherheit begründet und soll die Durchsetzung der erlangten Rechtsvereinheitlichung absichern.254 Ein renvoi-Ausschluss erlangt jedoch regelmäßig nur Bedeutung bei Berufung des Rechts eines Staates, der nicht Mitgliedstaat der jeweiligen EU-Verordnung ist, wohingegen unter EU-Mitgliedstaaten ohnehin dieselbe Verordnung und da­ mit dieselben Kollisionsnormen angewendet werden. Ausnahmsweise kann es bedeutsam sein, wenn der Mitgliedstaat, auf dessen Recht verwiesen wird, zu­ sätzlich Vertragsstaat eines Konkurrenzübereinkommens ist, und die Verord­ nung, aufgrund welcher die Verweisung ausgesprochen wurde, konkurrierenden völkervertraglichen Kollisionsrechtsübereinkommen den Vorrang eingeräumt hat. Vor diesem Hintergrund weisen Gegenstimmen darauf hin, dass der mit der Rechtsvereinheitlichung ebenfalls bezweckte internationale Entscheidungsein­ klang mit dem renvoi-Ausschluss nicht so gut zu erreichen sei; er könne dagegen umso besser erreicht werden, wenn nicht nur unter den Mitgliedstaaten, sondern über die Berufung des Kollisionsrechts des Nicht-Mitgliedstaats auch mit diesem Staat internationaler Entscheidungseinklang hergestellt würde.255 Ferner wird angeführt, dass der Ausschluss eines renvoi nicht erforderlich sei, da der Zweck der Rechtsvereinheitlichung bereits mit der in der Kollisionsnormvereinheitli­ chung enthaltenen einheitlichen Verweisung erreicht sei.256 252  Siehe z. B. Art.  12 HUP 2007: „Ausschluss des renvoi“ bzw. „exclusion of renvoi“ (engl.) bzw. „exclusion du renvoi“ (frz.). 253  Siehe nur v. Hoffmann/Thorn, IPR, §  6, Rdn.  107; Rauscher, IPR, Rdn.  369. 254  Junker in: MüKoBGB, Art.  24 Rom  II-VO, Rdn.  1; Hohloch in: Erman, Art.  20 Rom  I-­ VO, Rdn.  1; Kadner Graziano, RabelsZ 73 (2009), 1, 75 f.; Mankowski, IPRax 2010, 389, 398. Die Nutzung der Ausweichklausel ist dagegen nicht sehr vielversprechend, vgl. zu diesem Vor­ schlag v. Hein, RabelsZ 73 (2009), 461, 474. 255  Schurig, FS v. Hoffmann, 405, 512, Fn.  24. 256  Rauscher, FS Kerameus (2009), 1113, 1123 f.

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2. Gefährdung der Verhinderung einer Pflichtenkollision für an konkurrierende Kollisionsrechtsübereinkommen gebundene Mitgliedstaaten Für alle Mitgliedstaaten, die an einer kollisionsrechtlichen EU-Verordnung und an einem konkurrierenden, gegenüber der Verordnung vorrangigen Altvertrag teilnehmen, ergibt sich ein Problem, wenn im Rahmen der EU-Verordnung der renvoi ausgeschlossen ist. Denn der Ausschluss des renvoi würde dazu führen, dass die Altverträge keine Anwendung finden (dazu a). Die durch diese Überein­ kommen gebundenen Mitgliedstaaten tragen durch ihre Mitwirkung an der Schaffung des renvoi-Ausschlusses zur untunlichen Nicht-Anwendung der Übereinkommen bei, was für sie zu einem Verstoß gegen das Übereinkommen und damit zu einer völkervertraglichen Pflichtverletzung gegenüber den anderen Vertragsstaaten des Übereinkommens führt (dazu b). Vor dem Hintergrund, dass der renvoi-Ausschluss nicht zwingend notwendig oder effizient ist, erscheint es sinnvoll, von einem jedenfalls zu undifferenzierten renvoi-Ausschluss Abstand zu nehmen (dazu c). a) Ausschluss der Anwendung kollisionsrechtlicher Altverträge Die angesprochene Gefährdung basiert zunächst auf der Nicht-Anwendung von Altverträgen aufgrund des renvoi-Ausschlusses. Dazu ist zu beachten, dass der renvoi-Ausschluss wie die Annahme der Verweisung aufgrund der jeweiligen EU-Kollisionsnorm wirkt und damit wie die Anwendung eben dieser Kollisions­ norm anstelle derjenigen angesehen werden kann, die im Übereinkommen vor­ gesehen sind. Wenn also z. B. in einem Fall, in dem ein Verkäufer mit gewöhn­ lichem Aufenthalt in Frankreich und ein Käufer mit gewöhnlichem Aufenthalt in Deutschland, der kein Verbraucher ist, einen Vertrag schließen, würde Art.  4 Abs.  1 lit.  a Rom  I-VO auf französisches Recht verweisen, was wegen Art.  20 Rom  I-VO eine Sachnormverweisung darstellt. Eigentlich müsste aber französi­ sches Recht – Art.  3 UAbs.  2 HÜ 1955 folgend – auf deutsches Recht zurückver­ weisen, da der Käufer die zum Vertragsschluss führende Handlung in Deutsch­ land vorgenommen hat und er dort auch seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat. Ohne den renvoi-Ausschluss wäre dagegen nach der Verweisung auf französi­ sches Kollisionsrecht Art.  3 UAbs.  2 HÜ 1955 zu prüfen, um zu bestimmen, ob französisches Recht die Verweisung des deutschen Rechts annimmt oder nicht. Denn das deutsche Gericht hätte in diesem Fall die Pflicht, französisches Recht so anzuwenden, wie es ein französisches Gericht tun würde.257 Das bedeutet faktisch die Anwendung einer anderen Kollisionsnorm als derjenigen, die mög­ licherweise im Übereinkommen vorgesehen ist. So lästig der Vorrang völkerver­ 257 

Siehe Kropholler, IPR, §  24 II 1 b, S.  169; Jayme, FS Beitzke, 541, 545.

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2. Teil – 2.  Abschnitt: Optimierung der legislativen Differenzierung

traglicher Kollisionsnormen sein mag258 – mit der Umgehung der Anwendung seiner Vorschriften kann man ihm nicht begegnen, ohne dass diejenigen Mit­ gliedstaaten, die durch das entsprechende Übereinkommen gebunden sind, ver­ tragsbrüchig werden, weil sie einer solchen Norm im Rahmen der EU zustimmen. Man könnte sich als EU-Gesetzgeber natürlich damit behelfen, den Vorrang völkervertraglicher Kollisionsrechtsübereinkommen mit Drittstaatenbeteiligung nicht anzuerkennen, wenn es um das Verhältnis zwischen Mitgliedstaaten einer konkurrierenden EU-Verordnung geht. 259 Jedoch verstieße dies gegen die klare aktuelle Regelung des Art.  25 Abs.  1 i. V. m. Abs.  2 Rom  I-VO, der eine Ein­ schränkung zum grundsätzlichen Vorrang internationaler Altverträge nur vor­ sieht, wenn keine Beteiligung von Drittstaaten gegeben ist. Wollte man hiervon abweichen, müsste die Verordnung geändert werden. b) Fehlender Ausschluss der Gefährdung und Verletzung der Vertragspflichten bei den durch das Übereinkommen gebundenen Mitgliedstaaten Neben dieser grundsätzlichen Nicht-Anwendung der Altverträge aufgrund des renvoi-Ausschlusses kann mit rechtsmethodischen Techniken nicht allen in die­ sem Zusammenhang entstehenden Schwierigkeiten begegnet werden. Möglichkeiten ergeben sich dabei durchaus aus Art.  351 AEUV. Art.  351 Abs.  1 AEUV enthält zunächst den Grundsatz, dass Altverträge zu beachten sind. Daraus folgt keine Kompetenzbeschränkung; es ist lediglich so, dass Regelun­ gen, die internationalen Übereinkommen entgegenstehen, von den Mitgliedstaa­ ten nicht beachtet werden müssen.260 Art.  351 Abs.  2 AEUV steht dazu in einem Spannungsverhältnis. Dieses ist dahin aufzulösen, dass die Mitgliedstaaten, die auch Vertragsstaaten von Altverträgen sind, alle völkerrechtlich zulässigen Mit­ tel verwenden müssen, um eine Unvereinbarkeit des Vertrages mit dem Unions­ recht zu beheben. Mittel der Wahl können sein eine unionsfreundliche Auslegung des Altvertrages, eine Anpassung des Altvertrages nach Verhandlungen mit Drittstaaten sowie – wenn dies nicht ausreicht – ggf. die Kündigung des Altver­ trages.261 Daraus folgt, dass durch die Schaffung von Art.  20 Rom  I-VO an sich weder die EU noch der durch das internationale Übereinkommen gebundene Mitgliedstaat Vertragspflichten verletzt hat: die EU nicht gegenüber dem Mit­ gliedstaat, da eine Kompetenzbeschränkung ja gerade nicht bestand; und der durch den Altvertrag gebundene Mitgliedstaat nicht, da seine Gerichte nach wie vor den Altvertrag anstatt der EU-Verordnung anwenden können. 258 

Krit. v. Hein, FS M. Schröder, 25, 29 ff. Siehe dazu v. Hein, FS M. Schröder, 25, 29 ff. 260  Kokott in: Streinz, Art.  351 AEUV, Rdn.  18. 261  Kokott in: Streinz, Art.  351 AEUV, Rdn.  13. 259 

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Nicht ausgeschlossen werden kann dagegen das praktische Problem, dass nicht jedes Gericht der Mitgliedstaaten, die nicht durch Altverträge gebunden sind, alle relevanten Altverträge in Zusammenhang mit den EU-Verordnungen kennt. Für Mitgliedstaaten kann sich daraus ein unklares Verhältnis zwischen Art.  25 und Art.  20 Rom  I-VO ergeben. Denn Art.  20 Rom  I-VO enthält in Hs.  2 zwar eine Ausnahme vom Ausschluss des renvoi; diese Ausnahme wird jedoch ausschließlich mit dem Internationalen Versicherungsvertragsrecht in Form von Art.  7 Abs.  3 S.  2, Abs.  4 lit.  b Rom  I-VO in Beziehung gesetzt, so dass nur die in diesen Normen enthaltenen Regelungen vom renvoi ausgenommen sind.262 Auf diese Weise scheint sich die Gefahr zu ergeben, dass Gerichte aus EU-Mitglied­ staaten wie Deutschland den Vorrang eines Altvertrages übersehen können, weil sie Art.  20 Rom  I-VO wörtlich und ohne den Zusammenhang mit Art.  25 Abs.  1 Rom  I-VO anwenden. Mit diesem Einverständnis in die Schaffung einer derart undifferenzierten renvoi-Ausschlussregelung haben EU-Mitgliedstaaten wie Italien oder Frankreich also selbst dazu beigetragen, dass die vorrangige Anwendung insbesondere eines Übereinkommens wie des HÜ 1955 im EU-Binnenverhältnis, wie es Art.  351 Abs.  1 AEUV vorsieht, in der praktischen Anwendung gefährdet wird. Auch wenn die EU der Verordnungsgeber ist, wären diese Mitgliedstaaten dazu ver­ pflichtet gewesen, auf die konsequente Beachtung völkervertraglicher Altverträ­ ge hinzuwirken.263 Dass die EU der Beachtung dieser Verträge offen gegenüber steht, hatte sie immerhin über Art.  351 AEUV und die Vorrangregeln in den ein­ zelnen Verordnungen zugunsten eben dieser Altverträge gezeigt. c) Konsequenz der Gefährdung der Anwendung kollisionsrechtlicher Übereinkommen durch verfehlte renvoi-Konzeption Vor diesem Hintergrund wird zunächst der Zweck von Vorrangkoordinationsnor­ men wie Art.  25 Abs.  1 Rom  I-VO gefährdet. Denn diese Koordinationsnormen sollten gerade verhindern, dass EU-Mitgliedstaaten, die sowohl an einer EU-Ver­ ordnung als auch an einem vorrangigen Übereinkommen teilnehmen, in die Lage versetzt werden, die gegenüber einer EU-Verordnung vorrangige Anwendung von kollisionsrechtlichen Staatsverträgen, an die sie selbst gebunden sind, im EU-Binnenverhältnis zu gefährden und so gegen das völkervertragliche Über­ einkommen zu verstoßen.264 Zugleich scheint Art.  20 Rom  I-VO mehr Missverständnisse zu kreieren als Klarheit zu schaffen. Die Norm ist im Verhältnis der EU-Mitgliedstaaten zuein­ 262 

Thorn in: Rauscher, EuZPR/EuIPR, Art.  20 Rom  I-VO, Rdn.  3. Vgl. Lorenzmeier in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, Art.  351 AEUV, Rdn.  19. 264  Siehe oben S. 55 f. 263 

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ander nicht erforderlich, da ohnehin alle Mitgliedstaaten dieselbe Kollisions­ norm anwenden, was faktisch wie ein Ausschluss des renvoi wirkt. Im Verhältnis zu Mitgliedstaaten, die durch Übereinkommen gebunden sind, ergibt sich dane­ ben die Schwierigkeit, dass in den deutlichen Wortlaut stets der Art.  25 Abs.  1 Rom  I-VO im Lichte von Art.  351 Abs.  1 und 2 AEUV hineinzulesen ist. Denn ohne renvoi-Ausschluss würde das berufene Kollisionsrecht standardmäßig ins­ gesamt geprüft, so dass hier ohne Not Unklarheit erzeugt wird. Im Verhältnis zu Drittstaaten besteht schließlich das Problem, das der interna­ tionale Entscheidungseinklang nicht vollumfänglich ermöglicht wird.265 Dieses Problem wird nicht durch Effizienzgewinne im Verhältnis der Mitgliedstaaten untereinander kompensiert. 3. Gefährdung des internationalen Entscheidungseinklangs durch renvoi-Ausschluss Der Ausschluss des renvoi gefährdet ferner den internationalen Entscheidungs­ einklang. Europäische IPR-Verordnungen verweisen als lois uniformes auch auf das Recht von Staaten, die nicht Mitgliedstaat im Sinne der jeweiligen Verord­ nung sind. Auch in diesem Fall sprechen die Kollisionsnormen der Verordnun­ gen Sachnormverweisungen aus. Damit wird diesen Staaten die kollisionsrecht­ liche Entscheidung der EU aufgedrängt, weil sie so behandelt werden, als hätten sie die Verweisung angenommen und damit dieselbe kollisionsrechtliche Ent­ scheidung wie die EU getroffen. Dies kann gerade diejenigen EU-Mitgliedstaa­ ten treffen, die nicht an der jeweiligen Verordnung teilnehmen, indem sie z. B. aufgrund der Rom  III-VO getroffene Entscheidungen wegen ihrer Teilnahme an der Brüssel IIa-VO grundsätzlich anerkennen müssen.266 4. Vorschub hinkender Rechtsverhältnisse Schließlich werden hinkende Rechtsverhältnisse begünstigt, indem durch eine Sachnormverweisung auf einen Nicht-Mitgliedstaat das Kollisionsrecht dieses Staates nicht in die rechtliche Bewertung einbezogen wird. Dass diesem Problem im Zuge der Kollisionsrechtsvereinheitlichung im EU-Sekundärrecht nicht Ein­ halt geboten wurde, ist für die Wirksamkeit von Scheidungen und der damit ver­ bundenen Frage nach der Wirksamkeit von Ehen bereits in der Entstehungsphase der Rom  III-VO kritisiert worden.267 Hinkende Rechtsverhältnisse entstehen in diesem Fall durch eine Verweisung z. B. auf das Recht eines Nicht-Mitgliedstaa­ 265 

Siehe sogleich ausführlich unter 3. Schurig, FS v. Hoffmann, 405, 412. 267  Palandt/Thorn, Art.  11 Rom  III-VO, Rdn.  1; Winkler von Mohrenfels in: MüKoBGB, Art.  11 Rom  III-VO, Rdn.  1. 266 

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tes in Verbindung mit der Tatsache, dass das Recht dieses Nicht-Mitgliedstaates nicht der Anknüpfung in Art.  8 lit.  a Rom  III-VO an den gemeinsamen gewöhn­ lichen Aufenthalt vor Anrufung desjenigen Gerichts folgt, nach dessen lex fori die Scheidung wirksam wäre; vielmehr sieht dieses Recht ein anderes Anknüp­ fungsmoment vor, so dass diese Verweisung zu einem Recht führt, wonach die Scheidung unwirksam ist. Der fehlende Einklang mit dem ausländischen Kolli­ sionsrecht führt damit zu einer hinkenden Ehe, die aus Sicht europäischer Ge­ richte wegen wirksamer Scheidung unwirksam und aus der Sicht des betreffen­ den Drittstaates wegen unwirksamer Scheidung wirksam ist.268 II. Die Rückkehr zur allgemeinen Zulassung des renvoi als Lösungsansatz Die Gesamtschau an Problemen, die auf den renvoi-Ausschluss zurückgeführt werden können, sprechen für eine Rückkehr zum renvoi und seinen flächen­ deckendenden Einbezug in die EU-Verordnungen. Dabei könnte man sich an ei­ nem Konzept bedienen, das sich in Art.  34 EuErbVO wiederfindet und Gedanken verwendet, die dem IPR nicht unbekannt sind. Die Vorzüge dieses Konzepts er­ geben sich aus der Analyse von Verweisungen auf das Recht eines anderen EU-Mitgliedstaates sowie auf das Recht eines Nicht-EU-Mitgliedstaates. 1. Konzeptionelle Vorteile der Kollisions- gegenüber der Sachnormverweisung bei der Verweisung auf das Recht eines EU-Mitgliedstaates Ob Kollisions- oder Sachnormverweisung – im Verhältnis zwischen den an der Kollisionsnormvereinheitlichung teilnehmenden Mitgliedstaaten ergibt sich kein Unterschied, da dasselbe Kollisionsrecht Anwendung findet. Wenn der renvoi Beachtung fände und dabei dieselben Kollisionsnormen mit denselben Anknüp­ fungsmomenten angewendet werden, würden auch zwingend die dadurch ausge­ sprochenen Verweisungen angenommen. Unterschiede ergeben sich also nur z. B. bei einer Verweisung auf französi­ sches Recht im Rahmen der Rom  I-VO, wenn also der Staat, auf dessen Recht verwiesen wird, an ein Übereinkommen wie dem HÜ 1955 gebunden ist, an das auch Nicht-EU-Mitgliedstaaten oder nicht an der EU-Verordnung teilnehmende EU-Mitgliedstaaten gebunden sind und solche Übereinkommen ausnahmslos Vorrang vor der Verordnung haben. Im Falle einer Sachnormverweisung hat die Bindung keine Auswirkungen, wohingegen im Falle der Kollisionsnormverwei­ sung je nach Anknüpfungsmoment der Kollisionsnorm des Übereinkommens die ganze Palette an Möglichkeiten gegeben ist – Annahme der Verweisung, Rückoder Weiterverweisung. 268 

Rauscher, IPR, Rdn.  727.

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Man könnte den oben angesprochenen Verstoß gegen das Übereinkommen durch die gebundenen EU-Mitgliedstaaten verhindern, müsste dazu jedoch im Falle einer Sachnormverweisung die Ausnahme einfügen, dass Verweisungen auf das Recht gebundener EU-Mitgliedstaaten bei Anwendbarkeit eines vorran­ gig zu beachtenden Übereinkommens Kollisionsrechtsverweisungen darstellen. Da eine solche besondere Regelung in einem System mit renvoi nicht notwendig wäre, ist aus dieser Perspektive der Grundsatz der Kollisionsnormverweisung mit weniger Regelungsaufwand verbunden und daher praktikabler. Daneben würde dieses Prinzip nicht so viele Differenzierungen erfordern wie eine Sachnormverweisung. Bei Art.  34 Abs.  1 EuErbVO wird bei der jetzigen Regelung kritisiert, dass vorzugswürdig wäre, wenn die mittelbare Weiterver­ weisung auf das Recht eines Mitgliedstaates nicht ausgeschlossen wäre.269 Die­ ser Fall wäre beim Grundsatz der Kollisionsnormverweisung bereits integriert, so dass er nicht hätte vergessen werden können. Dagegen sind die Fälle des Aus­ schlusses des renvoi, wie sie auch in Art.  34 Abs.  2 EuErbVO vorgesehen sind, klarer.270 2. Konzeptionelle Vorteile der Kollisions- gegenüber der Sachnormverweisung bei der Verweisung auf nicht-EU-mitgliedstaatliches Recht a) Vermeidung hinkender Rechtsverhältnisse im Rahmen der Rom  III-VO Gegen den Weg, hinkende Rechtsverhältnisse durch Zulassung des renvoi zu verhindern, ist bei der Rom  III-VO eingewendet worden, dass der renvoi dort gefährlich sei. Zeigen könne man dies am Beispiel des Anknüpfungsmoments an den letzten gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalt der Ehegatten, sofern seine Aufgabe bei Anrufung des Gerichts höchstens ein Jahr zurückliegt und gleich­ zeitig einer der beiden Ehegatten ihn noch innehat (Art.  8 lit.  b Rom  III-VO). Ließe man dort einen renvoi zu – so das Argument –, könne durch Rückverwei­ sung einer der Ehegatten bevorzugt werden. Dies störe die kollisionsrechtliche Gerechtigkeit.271 Die Gegenüberstellung dieser Problemaspekte – Zulassung des renvoi zur Ver­ meidung hinkender Rechtsverhältnisse einerseits, Ausschluss des renvoi ande­ rerseits, um kollisionsrechtliche Gerechtigkeit zu erreichen – wirkt, als befinde man sich in dem Dilemma, nur ein Problem lösen zu können und das andere ak­ zeptieren zu müssen. Das ist aber nur dann richtig, wenn man sich bei der Prob­ lemlösung auf den Ausschluss oder Nicht-Ausschluss des renvoi fixiert. Hinken­ 269 

Dutta in: MüKoBGB, Art.  34 EuErbVO, Rdn.  11 f. Dutta in: MüKoBGB, Art.  34 EuErbVO, Rdn.  3, 4 und sogleich unten S. 382. 271  Henrich, FS v. Hoffmann, 159, 164. 270 

2. Kapitel: Optimierung durch EU-Gesetzgeber

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de Ehen können im Gegenteil wohl nur vermieden werden, wenn der renvoi im Scheidungsrecht zugelassen wird, da mit ihm gerade der Einklang mit demjeni­ gen Kollisionsrecht gefunden wird, auf das verwiesen wird – und auch das ist letztlich kollisionsrechtliche Gerechtigkeit in Form ausländischen Entschei­ dungseinklangs.272 Es ist freilich richtig, dass eine Verweisung eine Partei nicht einseitig bevorzu­ gen darf, solange es dafür – wie im Verbraucher- oder Arbeitnehmerkollisions­ recht – keine sachlichen Gründe gibt.273 Der Grund hierfür darf jedoch nicht allein in der Verweisung und dementsprechend in der Zulassung des renvoi ge­ sucht werden. Denn allgemein spiegelt sich im renvoi der dem IPR immanente Gedanke wider, dass die Verbindung von Verweisung und Rück- bzw. Weiterver­ weisung Bestandteil des Ausgleichs zwischen den in einem Sachverhalt berühr­ ten Rechtsordnungen und damit zwischen den verschiedenen kollisionsrechtli­ chen Interessen ist, insbesondere dem internationalen Entscheidungseinklang.274 Auch in Verbindung mit Art.  14 Abs.  1 Nr.  2 EGBGB, der – abgesehen von der Frist – mit Art.  8 lit.  b Rom  III-VO vergleichbar ist,275 ist der renvoi nicht mit Verweis auf eine etwaige kollisionsrechtliche Ungerechtigkeit in Zweifel gezo­ gen und mithilfe einer teleologischen Reduktion in die Vorschrift hineingelesen worden. Es ist nicht ersichtlich, warum ein renvoi bei Art.  8 lit.  b Rom  III-VO nun kollisionsrechtliche Ungerechtigkeit verursachen könnte.276 Das Problem kann vielmehr ebenso auf der Konzeption der Anknüpfungsmomente beruhen und auf ihrer Ebene auch behoben werden.277 b) Art.  34 EuErbVO als Ausdruck voreuropäischer renvoi-Dogmatik Die Übertragung des Verweisungskonzepts in Art.  34 EuErbVO ist auch vor dem Hintergrund einer Rückkehr zum Grundsatz des renvoi möglich, da es essentielle Elemente der ursprünglichen renvoi-Dogmatik enthält, wie sie etwa im deut­ schen Recht gilt.

272 

Schurig, FS v. Hoffmann, 405, 412 f. Vgl. auch v. Hoffmann/Thorn, IPR, §  6, Rdn.  87 Insoweit mit Recht Henrich, FS v. Hoffmann, 159, 164. 274  Kropholler, IPR, §  24 I, 3.b; Rauscher, IPR, Rdn.  350. 275  Winkler von Mohrenfels in: MüKoBGB, Art.  8 Rom  III-VO, Rdn.  5. 276  Siehe nur die Kommentierungen von Looschelders in: MüKoBGB, Art.  14 EGBGB und Palandt/Siehr, Art.  14 EGBGB. 277  Siehe dazu die Kritik an Art.  8 lit.  b Rom  III-VO, dass ein Ehegatte das Scheidungs­statut einseitig bestimmen kann: Basedow, Liber amicorum Pintens, 135, 145; Winkler von Mohrenfels in: MüKoBGB, Art.  8 Rom  III-VO, Rdn.  5. 273 

380

2. Teil – 2.  Abschnitt: Optimierung der legislativen Differenzierung

aa) Art.  34 Abs.  1 EuErbVO Die Konzeption von Art.  34 Abs.  1 lit.  a und b EuErbVO gleicht Kollisions­ normen, die darauf gerichtet sind, das Ausufern eines renvoi zu verhindern. Das betrifft zunächst den Abbruch eines renvoi aufgrund der Verweisung eines Nicht-EU-Mitgliedstaates auf das Recht eines Mitgliedstaates nach lit.  a. Aus staatlicher Sicht kann es sich bei der Verweisung sowohl um eine Rück- als auch um eine Weiterverweisung des drittstaatlichen Rechts handeln. Aus der Perspek­ tive der EU insgesamt handelt es sich um eine Rückverweisung. Damit ist diese Perspektive mit Art.  4 Abs.  1 S.  2 EGBGB vergleichbar, wonach das deutsche Recht eine Rückverweisung auf deutsches Recht annimmt. Hier wie dort würde ohne eine derartige Norm ein Verweisungszirkel seinen ewigen Lauf nehmen.278 Wenn z. B. aufgrund von Art.  21 Abs.  1 EuErbVO deutsches Recht auf türkisches Recht verwiese und dieses weiter auf französisches Recht, würde natürlich auch französisches Recht nach Art.  21 Abs.  1 EuErbVO auf türkisches Recht zurück­ verweisen. Daraus ergäbe sich ein Verweisungszirkel zwischen türkischem und französischem Recht. Der dieser Regelung innewohnende allgemeine Gedanke ist dabei grundsätzlich auch für die anderen EU-Verordnungen sinnvoll. Ähnliches gilt für Art.  34 Abs.  1 lit.  b EuErbVO. Die Bedingung, die Weiter­ verweisung eines Nicht-EU-Mitgliedstaates auf einen weiteren Nicht-EU-Mit­ gliedstaat nur dann zu ermöglichen, wenn das Recht des letzteren Anwendung findet, nimmt zwei Konstellationen in den Blick, die nach deutscher Dogmatik so auch schon vorher gelöst worden waren. Die erste Konstellation ist die unkom­ pliziertere: Deutsches Recht verweist z. B. auf türkisches und dieses weiter z. B. auf algerisches Recht, das die Verweisung annimmt. Erfasst ist aber auch die Konstellation, in der das Recht des zweiten Nicht-Mit­ gliedstaates der Reihe – im Beispiel also algerisches Recht – die Verweisung nicht annimmt, sondern seinerseits auf z. B. marokkanisches Recht weiterver­ weist, und das marokkanische Recht wiederum auf algerisches Recht zurück­ verweist.279 Unter Berücksichtigung internationaler Kollisionsrechtsüberein­ kommen kann auch die Konstellation von einer Regelung wie Art.  34 Abs.  1 lit.  b EuErbVO betroffen sein, bei der das Recht des zweiten Nicht-EU-Mitgliedstaa­ tes der Verweisungsreihe auf das eines anderen EU-Mitgliedstaates, z. B. franzö­ sisches Recht, verweist, nach französischem Recht aber aufgrund eines vorrangi­ gen Übereinkommens nicht die EU-Kollisionsnorm anzuwenden sind und mit dem Übereinkommen auf algerisches Recht zurückverwiesen wird. Diese Kon­ stellationen zeigen, wie mit dieser Methode ein Verweisungszirkel vermieden wird. 278  279 

Vgl. Dutta in: MüKoBGB, Art.  34 EuErbVO, Rdn.  3. Vgl. Dutta in: MüKoBGB, Art.  34 EuErbVO, Rdn.  4.

2. Kapitel: Optimierung durch EU-Gesetzgeber

381

bb) Auswirkungen des Vorrangs völkervertraglichen Kollisionsrechts auf die Konzeption des renvoi nach Art.  34 Abs.  1 EuErbVO Diese Konstellationen sind jedoch allesamt nicht auf die Erfordernisse des Vor­ rangs internationaler Kollisionsrechtsabkommen ausgerichtet. Zunächst schafft die vorbehaltlose Annahme der Verweisung durch einen Mitgliedstaat wie in Art.  34 Abs.  1 lit.  a EuErbVO dasselbe Problem wie ohne einen Nicht-EU-Mit­ gliedstaat als Verweisungsmediator. So nützlich das hinter dieser Vorschrift ste­ hende Prinzip ist – die Vorschrift muss um die Ausnahme ergänzt werden, dass bei Mitgliedstaaten, die durch vorrangige internationale Abkommen gebunden sind, das jeweilige Abkommen geprüft wird. Auch in Fällen, die mit Art.  34 Abs.  1 lit.  b EuErbVO vergleichbar sind, kann der Vorrang internationaler Kollisionsrechtsübereinkommen Fragen aufwerfen. Es bereitet zwar keine Probleme, wenn z. B. deutsches Recht auf das Recht eines Nicht-EU-Mitgliedstaates – z. B. Algerien – verweist, dieses die Verweisung nicht annimmt, sondern weiter auf einen zweiten Nicht-EU-Mitgliedstaat – z. B. Marokko – verweist, das marokkanische Recht wiederum in der Verweisungsket­ te auf einen EU-Mitgliedstaat – z. B. Frankreich – verweist und dieser aufgrund eines internationalen Abkommens wieder auf Marokko zurückverweist; dann ist das Recht des Nicht-EU-Mitgliedstaates Marokko anwendbar.280 Wenn die Kol­ lisionsnorm des Übereinkommens bei Frankreich dagegen zu einer erneuten Weiterverweisung auf einen anderen Drittstaat – z. B. die Türkei – führt, könnte die Weiterverweisung auf den ersten Drittstaat der Verweisungskette, Algerien, dagegen schon nicht mehr berücksichtigt werden. Damit würde ebenfalls die An­ wendung des Übereinkommens durch die EU-Verordnung ausgeschlossen. Vor dem Hintergrund des Art.  34 Abs.  1 lit.  b EuErbVO zugrunde liegenden Prinzips der Vereinfachung des renvoi könnte man anbringen, dass der EU-Ge­ setzgeber eine legitime Entscheidung getroffen habe, als er die Verweisungskette beim zweiten Nicht-EU-Mitgliedstaat abbrechen ließ, so nicht dessen Recht an­ wendbar wäre; dass dadurch die Anwendung von Altverträgen des internationa­ len Übereinkommens verhindert wird, wäre dann sozusagen Pech. Wenn man die gesetzliche Konzeption im Verhältnis zwischen EU-Kollisions­ recht und internationalen Übereinkommen mit dem internationalen Entschei­ dungseinklang besser zusammenfügen möchte, darf man es jedoch nicht bei schlichtem Pech belassen. Denn der internationale Entscheidungseinklang kommt lediglich durch die Berücksichtigung solcher Übereinkommen zur Gel­ tung. Dazu ist der Vorrang des Altvertrages, wie er in Art.  351 Abs.  1 AEUV zum Ausdruck kommt, im Grundsatz ernst zu nehmen. Vorrangnormen wie Art.  25 Abs.  1 Rom  I-VO können damit nicht als der Weisheit letzter Schluss angesehen 280 

Vgl. Dutta in: MüKoBGB, Art.  34 EuErbVO, Rdn.  5.

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2. Teil – 2.  Abschnitt: Optimierung der legislativen Differenzierung

werden, sondern lediglich als ein Baustein zur Verwirklichung dieses Vorrangs. Die zwingende Konsequenz des grundsätzlichen Vorrangs von Altverträgen muss es also sein, auch bei längeren Verweisungsketten nicht dem geregelten Grundsatz folgend nach dem zweiten Nicht-EU-Mitgliedstaat die Verweisungs­ kette abzubrechen. Vielmehr ist dann, wenn die Anwendung eines vorrangigen internationalen Übereinkommens in Betracht kommt, die Verweisungskette so lange fortzusetzen, bis feststeht, ob ein solches Übereinkommen anzuwenden ist. Wenn dies der Fall sein sollte, ist das Übereikommen unter Berücksichtigung der Grundsätze von Art.  351 Abs.  2 AEUV anzuwenden. cc) Art.  34 Abs.  2 EuErbVO Für die durchgehende Wiederaufnahme des renvoi in die EU-Verordnungen, durch die eine ausreichende Differenzierung erreicht werden könnte, spricht auch das hinter Art.  34 Abs.  2 EuErbVO stehende Prinzip. Der dort formulierte Ausschluss des renvoi – konzipiert als Gegenausnahme – betrifft ausnahmslos Fälle, für die bereits in der Zeit vor der Vereinheitlichung durch die Rom-Verord­ nungen ein Ausschluss des renvoi vorgesehen war, da dies in diesen Fällen als im Widerspruch zum Sinn der Verweisungen angesehen worden war: Die Fälle be­ treffen die Rechtswahl281 (Art.  22 EuErbVO), die Ausweichklausel von der ob­ jektiven Anknüpfung, die „eine bewusste Korrektur der typisierten Anknüpfun­ gen zugunsten einer engeren Verbindung“ darstellt282 (Art.  21 Abs.  2 EuErbVO) sowie die Anknüpfung der Form bzw. die Formgültigkeit bei alternativer An­ knüpfung (Art.  27 bzw. 28 lit.  b EuErbVO).283 Bei dem Äquivalent von Art.  30 EuErbVO – unabhängig von der Einordnung als Eingriffsnormenregel oder als Vorrangnorm zugunsten des Einzel- vor dem Gesamtstatut – war der renvoi noch nicht einmal in Erwägung gezogen worden.284 Die einzige Ausnahme bestand dabei bei den Anknüpfungen der Form, bei denen der favor testamenti nur dann als gefährdet angesehen wurde, wenn durch den renvoi die Anzahl der unter­ schiedlichen Formstatute verringert wurde.285 Da sich die in der EuErbVO ent­ haltene Lösung inhaltlich an das HTestformÜ anlehnt und damit den Gleich­ klang mit einem ansonsten vorrangigen Übereinkommen sucht,286 ist es nach­ 281 

v. Hein in: MüKoBGB, Art.  4 EGBGB, Rdn.  21. v. Hein in: MüKoBGB, Art.  4 EGBGB, Rdn.  32. 283  v. Hein in: MüKoBGB, Art.  4 EGBGB, Rdn.  20 mit weiteren Ausführungen in Rdn.  31. 284  v. Hein in: MüKoBGB, Art.  3a EGBGB, Rdn.  6 bzw. v. Hein in: MüKoBGB, Einl. IPR, Rdn.  288 f. passim. 285  Berechtigter Hinweis daher von Dutta in: MüKoBGB, Art.  34 EuErbVO, Rdn.  10; vgl. auch v. Hoffmann/Thorn, IPR, §  6, Rdn.  113. 286  J. Schmidt in: BeckOGK, Art.  27 EuErbVO, Rdn.  6. 282 

2. Kapitel: Optimierung durch EU-Gesetzgeber

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vollziehbar, dass dieser Gleichklang auch beim renvoi gesucht wird, der bei Übereinkommen ausgeschlossen ist. Das gilt jedoch nicht für Art.  28 lit.  b EuErbVO. Die alternative Anknüpfung zwischen Art.  28 lit.  a und b EuErbVO an sich dient zwar dem favor negotii,287 lit.  b dient zusätzlich u. a. dem Interesse der Erben und Vermächtnisnehmer und soll deren „Leben erleichtern“288. Dadurch begründet sich jedoch nur die Wahl des gewöhnlichen Aufenthalts des Erklärenden als alternatives Anknüpfungs­ moment zum subjektiven oder objektiven Erbstatut (lit.  a), da dieses Interesse als nicht so hoch anzusehen ist wie etwa der ausdrücklich geäußerte Wille des Er­ blassers bei einer Rechtswahl oder die Nähebeziehung des aufgrund der Aus­ weichklausel in Art.  21 Abs.  2 EuErbVO berufenen Rechts. Solange also mit ei­ nem renvoi die Alternativität in Art.  28 EuErbVO nicht reduziert wird, ist eine Rück- oder Weiterverweisung zuzulassen.289

B. Zur Anknüpfung der Vorfrage und ihrer Kombination mit der hier vertretenen renvoi-Konzeption I. Unklarheit bzgl. der Anknüpfung einer im Sachrecht eines Nicht-EUMitgliedstaates auftretenden Vorfrage Wie bereits erwähnt290, wird die Erstfrage im Rahmen einer vereinheitlichten Kollisionsnorm genutzt; die Vorfrage wird demgegenüber im Sachrecht gestellt, wobei im Recht eines nicht durch ein vorrangiges Übereinkommen gebundenen EU-Mitgliedstaates das zur Beantwortung der Vorfrage anwendbare Recht auf­ grund der Anknüpfung in einer EU-Kollisionsnorm bestimmt wird. Dabei be­ steht letztlich kein Unterschied zwischen selbstständiger und unselbstständiger Anknüpfung. Werden dagegen Vorfragen im Rahmen des Sachrechts eines Nicht-EU-Mit­ gliedstaates behandelt, scheint Unsicherheit zu bestehen, soweit die Verweisung von einem EU-Mitgliedstaat ausgesprochen wurde. Das ist zum einen der Fall, wenn es um die Berufung dieses Rechts aufgrund einer Kollisionsnorm des EuIPR geht.291 Doch auch, wenn ein EU-Mitgliedstaat aufgrund eines internatio­ nalen Übereinkommens zu diesem Recht gelangt ist, kommen eine unselbststän­ 287 

Dutta in: MüKoBGB, Art.  28 EuErbVO, Rdn.  1. So die englische bzw. französische Sprachfassung in Erwägungsgrund Nr.  32 S.  1 Eu­ Erb­VO („simplify the lives of heirs and legatees“ bzw. „faciliter les vies des héritiers et léga­ taires“); siehe auch J. Schmidt in: Beck-OGK, Art.  28 EuErbVO, Rdn.  3. m. w. N. 289  Vgl. bei alternativer Anknüpfung auch v. Hoffmann/Thorn, §  6, Rdn.  113. 290  Siehe oben S. 70. 291  Wilke, GPR 2012, 334, 338. 288 

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2. Teil – 2.  Abschnitt: Optimierung der legislativen Differenzierung

dige Anknüpfung an die lex causae292 und eine selbstständige Anknüpfung an die lex fori in Betracht.293 II. Selbstständige Vorfragenanknüpfung und ihre gesetzgeberische Umsetzung 1. Konzept der selbstständigen Vorfragenanknüpfung Auch wenn soeben die Rückkehr zum renvoi befürwortet wurde, bedeutet dies nicht, dass sich daraus zwingend ebenfalls wieder eine zumindest teilweise Be­ achtung des internationalen Entscheidungseinklangs im Rahmen der Vorfragen­ behandlung ergeben muss und schon allein deswegen unselbstständig anzuknüp­ fen wäre.294 Das wäre nämlich nur der Fall, wenn Vorfrage und renvoi aufgrund deren gegenseitiger Abhängigkeit in ähnlicher Weise internationalen Entschei­ dungseinklang herstellen müssten. Das ist jedoch nicht der Fall. Im Gegenteil: Es ist nicht nur möglich, einen renvoi zuzulassen und gleichzeitig die Entscheidung zu treffen, dennoch bei der selbstständigen Vorfragenanknüpfung zu verbleiben. Eine gegenläufige Tendenz der beiden Koordinationstechniken kann sogar als empfehlenswert angesehen werden, wenn man beabsichtigt, internen und inter­ nationalen Entscheidungseinklang unter einen Hut zu bringen. Man darf freilich nicht so weit gehen, zu sagen, dass die Niveaus von internem und internationalem Entscheidungseinklang, die man jeweils mit der renvoibzw. Vorfragenanknüpfungskonzeption zu erreichen vermag, vergleichbar sind – immerhin handelt es sich um zwei verschiedene Techniken, die an verschiede­ nen Punkten im Koordinationssystem des IPR anknüpfen. In diesem Zusammen­ hang soll jedoch davon ausgegangen werden, dass mit der oben vorgeschlagenen renvoi-Konzeption eine Ideallösung gefunden wurde, so dass auf dieser Grund­ lage eine geeignete Komplementärlösung zur Vorfragenanknüpfung gefunden werden kann. Vor diesem Hintergrund liegt die Konzeption der Vorfragenanknüpfung recht nahe. Wenn oben bei der Berufung des Rechts eines Staates, das nicht durch die entsprechende EU-Verordnung gebunden ist, eine renvoi-Konzeption vorgeschla­ gen wurde, die sich eng an der voreuropäischen orientiert und damit an dieses ­Niveau von internationalem Entscheidungseinklang heranreicht, ist es nur konse­ quent, sich im Verhältnis zu derselben Staatengruppe bei der Vorfragenanknüpfung an einem vergleichbaren Niveau des internen Entscheidungseinklangs zu orientie­ ren. Daraus folgt der Grundsatz der selbstständigen Anknüpfung der Vorfrage. 292  v. Hoffmann/Thorn, IPR, §  6, Rdn.  64; in dieser Hinsicht tendenziell gegenüber der selbstständigen Anknüpfung bevorzugend Kropholler, Einheitsrecht, S.  339 f. 293  Bernitt, S.  134; Kreuzer in: Jud/Rechberger/Reichelt, Kollisionsrecht in der EU, 1, 54 ff.; Solomon, FS Spellenberg, 355, 368 f. 294  Vgl. zu diesem Zusammenhang Bernitt, S.  141.

2. Kapitel: Optimierung durch EU-Gesetzgeber

385

Doch wie beim renvoi müssen dieser Grundsatz und der durch ihn verwirk­ lichte interne Entscheidungseinklang ausnahmsweise Korrekturen offenstehen. Beim renvoi ergeben sich Einschränkungen des internationalen Entscheidungs­ einklangs aus der Bedeutung der mit den jeweiligen Kollisionsnormen verfolg­ ten Zwecke. Eine ähnliche Bedeutung kann dem Wesen gewisser Rechtsverhält­ nisse zukommen, die Gegenstand einer Vorfrage werden können.295 Ebenso wie der renvoi dem Sinn der Verweisung aufgrund bestimmter Anknüpfungskonzep­ te entsprechen muss, darf die selbstständige Anknüpfung nicht dem Wesen dieser Rechtsverhältnisse widersprechen. Ist der internationale Entscheidungseinklang für sie von entscheidender Bedeutung, sind sie unselbstständig anzuknüpfen. Wie bereits nach voreuropäischer Lesart ist dies für den Namen im Namensrecht und privatrechtliche Vorfragen im Staatsangehörigkeitsrecht anzunehmen.296 Eine so erreichte ausgeglichene Gewichtung von internem und ausländischem Entscheidungseinklang ist vorzugswürdig gegenüber einer einseitigen Betonung nur einer der beiden Formen. In dieses Konzept kann sich die selbstständige Anknüpfung der Erstfrage nahtlos einfügen. Zwar gibt es für nicht harmonisierte Sachbereiche durchaus Argumente, die eine unselbstständige Anknüpfung der Erstfrage nahelegen könnten, wenn der Gesetzgeber bereits tätig geworden und damit inhaltliche Ent­ scheidungen getroffen hat.297 Doch auch in diesem Zusammenhang sollte die Bedeutung des internen Entscheidungseinklangs, der mit der selbstständigen An­ knüpfung verbunden ist, den Ausschlag geben,298 gerade auch vor dem Hinter­ grund der Kombination mit dem renvoi als Garanten des äußeren Entscheidungs­ einklangs. 2. Aspekte einer gesetzgeberischen Umsetzung Auch hinsichtlich dieses Konzepts liegt es nahe, es in die Form einer gesetz­ lichen Regelung zu gießen. Immerhin werden nach wie vor verschiedene Vor­ gehensweisen diskutiert, so dass eine solche Regelung die Rechtssicherheit er­ höhen würde. Für die genaue Umsetzung der Regelung wird an eine für das ge­ samte harmonisierte IPR einheitliche Lösung gedacht, die wohl auch in Zusammenhang mit den Arbeiten an einer Rom  0-Verordnung299 zu sehen ist. Eine andere Lösung könnte darin bestehen, jeder einzelnen EU-Kollisionsrechts­

295 

Vgl. Kropholler, IPR, §  32 IV 2b. Kropholler, IPR, §  32 IV 2b; v. Hoffmann/Thorn, IPR, §  6, Rdn.  63, 65–66. 297  Dazu ausführlich Gössl, ZfRV 2011, 65, 69 f. 298  Gössl, ZfRV 2011, 65, 70. 299  Vgl. dazu Wilke, GPR 2012, 334 ff. 296 

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2. Teil – 2.  Abschnitt: Optimierung der legislativen Differenzierung

verordnung eine eigene Vorfragenregelung zu geben,300 wie es ja bislang auch für den renvoi der Fall ist. Will man jedoch eine einheitliche Lösung zügig in das vereinheitlichte IPR inkorporieren, bietet es sich an, eine entsprechende Regelung in jeder einzelnen Kollisionsrechtsverordnung vorzusehen. Da nach hier vertretener Ansicht eine selbstständige Anknüpfung ohnehin insgesamt vorzugswürdig ist, könnte diese Regelung im Grundsatz in den verschiedenen Verordnungen auch ähnlich ausfal­ len. Da in Gesetzgebungsverfahren jedoch nicht selten Kompromisse einzu­gehen sind,301 würde es der Lösungsweg der verordnungsindividuellen Regelungen zur Vorfragenanknüpfung auch ermöglichen, ggf. sachbereichsspezifische Ausnah­ men vorzusehen, die unselbstständig angeknüpft werden könnten. Zusammen mit der generell vorzugswürdigen selbstständigen Anknüpfung der Erstfrage302 ist so eine Weiterentwicklung der Kollisionsrechtslage möglich, welche die In­ teressen von Rechtssicherheit sowie äußerem und innerem Entscheidungsein­ klang einem geeigneten Ausgleich zuführt.

§  3 Güterrechtliche Ungleichbehandlung eingetragener Partnerschaften gegenüber Ehegatten Ein zu undifferenziertes gesetzgeberisches Vorgehen zeigt sich auch, wenn man die güterkollisionsrechtliche Behandlung von Ehegatten mit denen eingetragener Lebenspartnerschaften vergleicht. Dies bezieht sich zum einen auf den Rechts­ wahlausschluss bei eingetragenen Partnerschaften (dazu A.), zum anderen auf die undifferenzierte Anknüpfung zur Bestimmung des objektiven Güterstatuts (dazu B.).

A. Ungleichbehandlungen I. Rechtswahl bei eingetragenen Partnerschaften Auch wenn Art.  22 EuPartVO darauf nun nicht mehr hinweist – die kollisions­ rechtliche Behandlung eingetragener Partnerschaften bei der Rechtswahl wäre im Vorschlag zur EuPartVO sehr viel undifferenzierter gewesen. Diese undiffe­ renzierte Herangehensweise bei der Rechtswahl für Lebenspartnerschaften hätte zu einer Ungleichbehandlung gegenüber Ehepaaren geführt. 300 

Gössl, JPIL 2012, 63, 70. Siehe als Beispiel nur den Ausschluss außervertraglicher Schuldverhältnisse aus der Ver­ letzung der Privatsphäre oder des Persönlichkeitsrechts, einschließlich der Verleumdung in Art.  1 Abs.  2 lit.  g Rom  II-VO und dazu nur G. Wagner, IPRax 2008, 1, 3. 302  Gössl, ZfRV 2011, 65, 71. 301 

2. Kapitel: Optimierung durch EU-Gesetzgeber

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Art.  15 V-EuPartVO enthielt nämlich lediglich eine Regelung für das objekti­ ve Güterstatut, das an den Ort der Registrierung der Partnerschaft anknüpfte; eine Rechtswahl war dagegen nicht vorgesehen. Demgegenüber waren für das Ehegüterkollisionsrecht bereits nach Art.  16 V-EuGüterVO über zwar auch be­ schränkte, aber immerhin doch bestehende Rechtswahlmöglichkeiten zugunsten des Staates des gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalts der Ehegatten oder künftigen Ehegatten (lit.  a), des gewöhnlichen Aufenthalts einer der Ehegatten oder künftigen Ehegatten zum Zeitpunkt der Rechtswahl (lit.  b) bzw. der Staats­ angehörigkeit eines der Ehegatten oder künftigen Ehegatten zum Zeitpunkt der Rechtswahl (lit.  c) vorgesehen.303 Die Rechtswahlmöglichkeiten für die Ehegat­ ten waren gerade deshalb eingerichtet worden, um die Wahrung der Interessen der Ehegatten daran berücksichtigen zu können, dass diese das Güterstatut besser voraussehen können.304 II. Undifferenzierte Anknüpfung zur Bestimmung des objektiven Güterstatuts eingetragener Partnerschaften Gleichzeitig war der Vorschlag zur EuPartVO auch hinsichtlich des objektiven Güterstatuts für eingetragene Partnerschaften nicht gerade differenziert. Auch hier stellte die schlichte Anknüpfung an den Registrierungsort nach Art.  15 V-EuPartVO an sich zur Bestimmung des objektiven Güterstatuts eine Ungleich­ behandlung der eingetragenen Partnerschaften gegenüber den Ehen dar. Für das Ehegüterstatut war nämlich in Art.  17 V-EuGüterVO – wie nunmehr auch in Art.  26 Abs.  1 EuGüterVO enthalten – eine dreistufige Anknüpfungsleiter vorge­ sehen zugunsten des Rechts des Staates des ersten gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalts der Ehegatten nach der Eheschließung (lit.  a), im Nachrang dazu der gemeinsamen Staatsangehörigkeit der Ehegatten bei Eheschließung (lit.  b) und schließlich auf letzter Stufe zugunsten des Rechts des Staates, mit dem die Ehe­ gatten unter Berücksichtigung aller Umstände, insbesondere des Orts der Ehe­ schließung, gemeinsam am engsten verbunden sind (lit.  c). Diese Ungleichbehandlung ist in Art.  26 EuPartVO nur marginal verändert worden. Denn der Grundsatz der Anknüpfung an den Ort der Begründung der eingetragenen Partnerschaft nach Art.  26 Abs.  1 EuPartVO ist gegenüber Art.  15 V-EuPartVO beibehalten worden. Ergänzt wurde dieser Grundsatz in Art.  26 Abs.  2 EuPartVO lediglich durch eine Ausnahme, nach der zwar die eingetrage­ nen Partner die Anwendung des Rechts eines anderen Staates beantragen kön­ nen; dazu müssen sie jedoch nachweisen, dass sie dort ihren letzten gemeinsa­ men gewöhnlichen Aufenthalt hatten und bei der Regelung oder Planung ihrer 303  304 

Dazu auch Dengel, S.  295 f. KOM(2011) 126 endg., S.  8.

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2. Teil – 2.  Abschnitt: Optimierung der legislativen Differenzierung

güterrechtlichen Beziehungen auf dieses Recht vertraut hatten. Dies lässt den eingetragenen Partnern im Unterschied zu Ehegatten erstens eine viel geringere Auswahl und erfordert zweitens einen erheblich höheren Beweisaufwand.

B. Fehlende Rechtfertigung der Ungleichbehandlung Für eine Ungleichbehandlung wesentlich gleicher Sachverhalte bedarf es eines sachlichen Grundes. Das setzt voraus, dass die Ungleichbehandlung „durch ein rechtmäßiges Ziel sachlich gerechtfertigt“ und „zur Erreichung dieses Ziels an­ gemessen und erforderlich“, d. h. verhältnismäßig ist.305 I. Rechtswahlausschluss bei eingetragenen Partnerschaften Die Ungleichbehandlung in puncto Rechtswahl war durch die Europäische Kom­ mission damit begründet worden, dass in den verschiedenen EU-Mitgliedstaaten Unterschiede hinsichtlich der Behandlung eingetragener Lebenspartnerschaften bestehen.306 Ferner berief sich die Kommission in ihrem Vorschlag darauf, dass das Fehlen der Rechtswahl ein unionsweites Anknüpfungsprinzip bei der Behand­ lung eingetragener Partnerschaften darstellt.307 Wohl auf Grundlage dieser Erwä­ gung ging die Kommission davon aus, dass Art.  21 AEUV nicht verletzt sei.308 Diese Begründung war mehr als zweifelhaft.309 Zwar konnte man es durchaus als legitimes Ziel ansehen, Schwierigkeiten bei der Rechtsanwendung zu verhin­ dern, die sich aus den Unterschieden im materiellen Recht der EU-Mitgliedstaa­ ten ergeben konnten. In der Tat wäre es denkbar gewesen, dass eingetragene Lebenspartner ein Recht wählten, das die eingetragene Lebenspartnerschaft nicht kennt.310 Eine vergleichbare Gefahr bestand jedoch auch hinsichtlich der Ehescheidung nach Art.  5 Rom  III-VO. Bis vor wenigen Jahren war die Ehe­ scheidung nicht in allen EU-Mitgliedstaaten möglich, da das maltesische Recht 305  EuGH, Urt. v. 22.11.2005, C-144/04, Mangold, Slg. 2005, I-9981, Rdn.  65; EuGH, Urt. v. 19.3.2002, C-476/99, Lommers, Slg. 2002, I-2891, Rdn.  39; Jarass, Art.  21 EU-Grundrech­ te-Charta, Rdn.  28. Siehe auch EuGH, Urt. v. 2.10.2003, C-148/02, Garcia Avello, Slg. 2003, I-11613, Rdn.  31; EuGH, Urt. v. 11.1.2000, C-285/98, Tanja Kreil v. Bundesrepublik Deutschland, Slg. 2000, I-69, Rdn.  23; EuGH, Urt. v. 15.5.1986, C-222/84, Marguerite Johnston v Chief Constable of the Royal Ulster Constabulary, Slg. 1986, 1651, Rdn.  38. 306  KOM(2011) 127 endg., S.  8. 307  KOM(2011) 127 endg., S.  8. 308  KOM(2011) 127 endg., S.  5, wobei die eigentliche Feststellung nicht direkt mit einer Begründung versehen ist. 309  Dengel, S.  295; mit einem Vergleich zur deutschen Rechtslage und BVerfG-Rechtspre­ chung Martiny, IPRax 2011, 437, 456. 310  Dengel, S.  295; Martiny, IPRax 2011, 437, 456.

2. Kapitel: Optimierung durch EU-Gesetzgeber

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sie nicht vorsah.311 Aus diesem Grund sah der inzwischen gegenstandslose Art.  10 Rom  III-VO auch vor, dass die lex fori anzuwenden sei, wenn subjektives Scheidungsstatut nach Art.  5 Rom  III-VO oder objektives Scheidungsstatut nach Art.  8 Rom  III-VO ein Recht ist, das die Ehescheidung nicht kennt. Der EU-Ge­ setzgeber hatte sich also von den damals noch zu befürchtenden Konsequenzen der Wahl maltesischen Rechts als Scheidungsstatut nicht abhalten lassen, die Wahl des Scheidungsstatuts zuzulassen. Was im Internationalen Scheidungsrecht möglich war, hätte aber auch beim Internationalen Güterrecht eingetragener Le­ benspartnerschaften möglich sein können. Dass die Rechtswahloption auch in nationalen Rechtsordnungen wie z. B. im deutschen Recht in Art.  17b Abs.  1 S.  1, Abs.  3 EGBGB fehlte, war zwar richtig; daraus konnte sich jedoch für die EU kein Argument dafür ergeben, eine Ungleichbehandlung, die auf Ebene eines Mitgliedstaates einen potenziellen Verstoß gegen die nationale Verfassung dar­ stellt, auf die EU-Ebene zu übertragen, so dass sich auch dort ein Verstoß gegen EU-Recht ergeben hätte, weil die Ungleichbehandlung nicht erforderlich und damit unverhältnismäßig gewesen wäre. Dass es nicht erforderlich war, eingetragenen Lebenspartnerschaften die Rechtswahl zu versagen, zeigten im Übrigen auch Vorschläge zur Verbesserung des Regelungsvorschlags in Art.  15 V-EuPartVO, die mit der soeben beschriebe­ nen Struktur der Rom  III-VO vergleichbar waren. Sie beruhten im Wesentlichen auf einer – sowohl was die Rechtswahl als auch darüber hinaus die objektive Anknüpfung angeht – dem ehelichen Güterkollisionsrecht ähnlichen Anknüp­ fung. Erst für den Fall, dass das berufene Recht die eingetragene Lebenspartner­ schaft nicht kannte, sollte mit einer Ersatzanknüpfung das Recht des Staates be­ rufen werden, in dem die Lebenspartnerschaft eingetragen wurde, um einen Nor­ menmangel zu verhindern.312 Diese Lösung zeigte, dass ein Ausschluss der Rechtswahl nicht erforderlich ist.313 Somit war diese Ungleichbehandlung von Ehepaaren und eingetragenen Lebenspartnerschaften nicht verhältnismäßig, so dass man der Einschätzung der Kommission hinsichtlich der Nichtdiskriminie­ rung nicht zustimmen konnte. Dies hatte zwischenzeitlich auch das Europäische Parlament gesehen und in einer legislativen Entschließung vom 10. September 2013314 die Rechtswahl für eingetragene Partnerschaften vorgesehen. Gewählt werden können sollten nach 311  Daher die Bezeichnung „Malta-Klausel“ für Art.  10 Rom  III-VO; siehe dazu Tolani in: Althammer, Art.  10 Rom  III-VO, Rdn.  2. Mit Einführung von Art.  66 B des maltesischen Civil Code am 29.7.2011 ist die Scheidung nunmehr auch in Malta zulässig. 312  Dengel, S.  296; Buschbaum/Simon, GPR 2011, 262, 266. 313  Dengel, S.  295. 314  (zuletzt aufgerufen am 29.4.2015); siehe auch

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2. Teil – 2.  Abschnitt: Optimierung der legislativen Differenzierung

dem neu einzufügenden Art.  15b Abs.  1 das Recht des Ortes, an dem die Partner oder künftigen Partner oder einer von ihnen zum Zeitpunkt der Vereinbarung seinen gewöhnlichen Aufenthalt haben bzw. hat (lit.  a), das Recht des Staates, dessen Staatsangehörigkeit einer der Partner oder künftigen Partner zum Zeit­ punkt der Vereinbarung besitzt (lit.  b), oder das Recht eines Staates, in dem die Partnerschaft eingetragen ist (lit.  c). Wenn das Rechtsinstitut der eingetragenen Partnerschaft dem gewählten Recht nicht bekannt ist, sollte das objektive Part­ nerschaftsstatut anzuwenden sein (Art.  15b Abs.  2). Zu einer Umsetzung ist es denn auch in leicht abgewandelter Form gekom­ men. Die nunmehr in Art.  26 Abs.  1 EuPartVO vorgesehenen Rechtswahlmög­ lichkeiten entsprechen in lit.  a und b den Rechtswahlmöglichkeiten für Ehegat­ ten; lediglich die dritte Option (lit.  c) ist mit der Anknüpfung an den Staat, in dem die eingetragene Partnerschaft begründet wurde, partnerschaftsspezifisch und ebenfalls sachgerecht. Art.  15b Abs.  2 des modifizierten Vorschlags ist in Art.  26 Abs.  1 EuGüterVO dergestalt enthalten, dass der Inhalt als Voraussetzung für die Rechtswahl formuliert worden ist. Auf diese Weise ist ein sachgerechter Kompromiss zwischen Rechtssicherheit und der Parteiautonomie für eingetragene Partnerschaften gefunden worden. Es hat sich also gezeigt, dass doch mehr Differenziertheit möglich war, als die Kom­ mission ursprünglich angenommen hatte. II. Undifferenzierte Anknüpfung zur Bestimmung des objektiven Güterstatuts eingetragener Partnerschaften Auch im Rahmen des objektiven Güterstatuts ist das nunmehr in Gesetzesform gegossene Konzept – alleinige Anknüpfung an den Eintragungsort der Partner­ schaft, das mit einer Abweichungsmöglichkeit mit hohen Anforderungen ver­ bunden ist – nicht erforderlich. Denn es ist nicht nur möglich, sondern käme den Interessen der Partner hinsichtlich der engsten Verbindung sogar entgegen, vor­ rangig vor dem Eintragungsort weitere Anknüpfungsmomente vorzusehen, die dem Lebensmittelpunkt der Ehegatten im Zeitpunkt der Festlegung des objekti­ ven Güterstatuts näher stehen. Das Argument der Europäischen Kommission, sich auf das Anknüpfungsmo­ ment des Registrierungsortes zu beschränken, ist ebenso wie beim Rechts­ wahlausschluss im Vorschlag zur EuPartVO nicht stichhaltig: Um einen Norm­ widerspruch zu vermeiden, der sich z. B. daraus ergeben könnte, dass das Recht des ersten gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthaltes der eingetragenen Partner­ schaft dieses Rechtsinstitut nicht kennt, wird auf die Berufung dieses Rechts Kroll-­Ludwigs, in: Rauscher, EUZPR/EuIPR, Einf. EU-LP-GüterVO-E, Rdn.  12; S. Wandt, S.  4.

2. Kapitel: Optimierung durch EU-Gesetzgeber

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gleich ganz verzichtet und mit dem Eintragungsort ein Anknüpfungsmoment gewählt, das den Normwiderspruch in jedem Fall verhindert. Dabei wird allerdings vergessen, dass beim Ehegüterkollisionsrecht die An­ knüpfung an den ersten gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalt nach der Ehe­ schließung nicht in Zweifel gezogen wird, sondern sich im Vergleich zum deut­ schen Kollisionsrecht in Art.  15 Abs.  1 i. V. m. Art.  14 Abs.  1 Nr.  1 EGBGB eine gewisse Kontinuität darstellt, obwohl diese Anknüpfung – wofür der Schulfall der Anpassungsproblematik zur Witwenerbschaft Zeugnis ablegt – ebenfalls ge­ eignet ist, einen Normwiderspruch zu verursachen.315 Richtig ist dabei, dass die Ebenen der Normwidersprüche verschieden sind: Im Ehegüterkollisionsrecht kann das anwendbare Recht bestimmt werden, und erst die Anwendung dieses Rechts in Verbindung mit dem Erbstatut führt zum eigentlichen Normwiderspruch. Im Güterkollisionsrecht der eingetragenen Part­ nerschaften würde der Normwiderspruch bereits dazu führen, dass es kein an­ wendbares Güterrecht gibt. In Art.  26 Abs.  1 EuPartVO hat die Gefahr eines Normwiderspruchs zur Konsequenz, dass ein Anknüpfungsmoment gewählt wird, das Normwidersprüche ausschließt, auch wenn dadurch das Interesse der eingetragenen Partnerschaft an der Nähe zum Güterstatut vernachlässigt wird – immerhin ist analog der Ort der Eheschließung im Ehegüterkollisionsrecht ein Faktor, der erst bei dem drittrangigen Anknüpfungsmoment der sonst engsten Verbindung Berücksichtigung findet, sei es in Art.  15 Abs.  1 i. V. m. Art.  14 Abs.  1 Nr.  1 EGBGB, sei es in Art.  26 Abs.  1 lit.  a EuGüterVO. Im Verhältnis von Ehegüterrecht und Erbstatut dagegen wird die Gefahr von Normwidersprüchen nicht zum Anlass genommen, eine Anknüpfung zu wählen, die diese Widersprüche definitiv ausschließt. Vielmehr wird im Güterkollisions­ recht auf dieselbe Anknüpfungssystematik wie im EGBGB vertraut, und zu­ gleich dem Prinzip der Unwandelbarkeit des objektiven Güterstatuts316 gefolgt. Damit kann es vom Erbstatut abweichen, so dass Normwidersprüche nicht aus­ zuschließen sind. In diesem Verhältnis wird also daran festgehalten, das Problem von Normwidersprüchen erst dann anzugehen, wenn es wirklich auftritt; ansons­ ten wird das Interesse der Ehegatten, zum Güterstatut eine möglichst enge ge­ meinsame Verbindung zu haben, verwirklicht. Diese unterschiedliche Behand­ lung von Ehe- und Partnerschaftsgüterkollisionsrecht ist inkonsequent. Wenn man davon ausgeht, dass bei den güterkollisionsrechtlichen Gesichts­ punkten in der EuGüterVO ein angemessenes Niveau gefunden wurde,317 wäre es stattdessen konsequent, dieses Konzept entsprechend auf das Güterkollisions­ 315 

Siehe oben S. 298. Vgl. Siehr in: MüKoBGB, Art.  15 EGBGB, Rdn.  50. 317  Vgl. zum Vorschlag zur EuGüterVO mit identischem Wortlaut KOM(2011) 126 endg., S.  8. 316 

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2. Teil – 2.  Abschnitt: Optimierung der legislativen Differenzierung

recht der eingetragenen Partnerschaft anzuwenden. Dies würde bedeuten, dass zuerst an den gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthaltsort nach der Eintragung der Partnerschaft angeknüpft würde, oder andernfalls das Recht des Staates be­ rufen würde, dessen Staatsangehörigkeit beide Partner zum Zeitpunkt der Eintra­ gung besitzen, oder andernfalls das Recht, mit dem die Ehegatten unter Berück­ sichtigung aller Umstände, insbesondere des Orts der Eintragung, gemeinsam am engsten verbunden sind. Mit letzterer Anknüpfung bestünde angesichts der namentlichen Erwähnung ohnehin eine erhöhte Wahrscheinlichkeit, dass das Recht des Registrierungsstaates oder – näher am Wortlaut zu Art.  22 Abs.  1 lit.  c und Art.  26 Abs.  1 EuPartVO – des Staates, nach dessen Recht die eingetragene Partnerschaft begründet wurde zur Anwendung kommt. Für den Fall, dass es dazu je nicht kommen sollte und auch in diesem Fall ein Recht berufen würde, in dem die eingetragene Partnerschaft nicht bekannt ist, könnte hilfsweise immer noch ausschließlich an den Registrierungsort oder den Begründungsstaat ange­ knüpft werden. Auf diese Weise könnte mithilfe einer differenzierenden Anknüpfungsleiter auch beim objektiven Güterstatut das Näheverhältnis der Partner zum anwendba­ ren Recht noch besser berücksichtigt werden und durch die letztrangige Notan­ knüpfung an den Registrierungsort oder Begründungsstaat jedenfalls ein passen­ des Recht berufen werden, wenn keine der drei vorrangigen Anknüpfungen zu einem Recht führen, in dem die eingetragene Partnerschaft bekannt ist. Mithilfe der Technik der subsidiären Anknüpfung ist also auch hier der Normwiderspruch lösbar, so dass man auf eine unterschiedliche Regelung von Ehe- und Partner­ schaftsgüterkollisionsrecht bei der Struktur der Anknüpfungsmomente generell nicht angewiesen ist.

§  4 Schaffung eines vergleichbaren Niveaus an Prorogationsoptionen zur Gewährleistung einheitlicher Zweckverfolgung Im Internationalen Familienrecht stehen je nach Rechtsgebiet – Scheidungs-, Güter- bzw. Unterhaltsrecht – den Parteien verschiedene Prorogationsoptionen zur Verfügung, obwohl den Parteien in diesen Rechtsgebieten jeweils derselbe Schutz gewährt werden soll (dazu A.). Um diesen Zweck zu erreichen, ist es je­ doch notwendig, im Scheidungsrecht wenigstens überhaupt Prorogationsmög­ lichkeiten vorzusehen (dazu B.).

2. Kapitel: Optimierung durch EU-Gesetzgeber

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A. Problem der inkonsistenten Zweckverfolgung bei der Prorogation im Internationalen Familienrecht Im europäischen Internationalen Familienrecht sind die Prorogationsmöglichkei­ ten nicht durchgehend vorgesehen. In der EuUnthVO ist eine eingeschränkte Gerichtsstandwahl nach Art.  4 EuUnthVO möglich ebenso wie nach Art.  6 Eu­ GüterVO, in der Brüssel IIa-VO fehlt dagegen jede Prorogationsmöglichkeit und damit auch die Möglichkeit der vorsorglichen Gerichtsstandwahl. Dieses uneinheitliche Bild ist allerdings unverständlich. Geht man von der EuUnthVO aus, in der das größte Prorogationsspektrum im Internationalen ­Familienrecht besteht, zeigt sich dort in Art.  4 Abs.  1 UAbs.  2 EuUnthVO, dass prophylaktische Prorogationen sehr wohl möglich sind und nach Erwägungs­ grund Nr.  19 nicht die Verwirklichung größerer Rechtssicherheit, Vorhersehbar­ keit und Eigenständigkeit der Vertragsparteien verhindern. Wenn vorsorgliche Prorogationen also im Internationalen Unterhaltsrecht Rechtssicherheit und Vor­ hersehbarkeit sogar tendenziell fördern, muss dieser Gedanke auch für Schei­ dungs- und Gütersachen gelten, in denen die Parteien ein vergleichbares Schutz­ bedürfnis haben. Das gilt umso mehr für Gütersachen, für die in Erwägungsgrund Nr.  8 V-EuGüter­ VO die Verwirklichung des Interesses „der Rechtssicherheit und der Planungs­ sicherheit für verheiratete Paare in Bezug auf ihr Vermögen“ angesprochen ist und denen Erwägungsgrund Nr.  15 EuGüterVO einen im Wortlaut ähnlichen Sinn zu­ spricht. Dies bezieht sich zwar auf das anwendbare Recht. Erwägungsgrund Nr.  19 EuUnthVO verbindet allerdings die mit diesen Interessen vergleichbare Zieltrias der „Rechtssicherheit, Vorhersehbarkeit und Eigenständigkeit der Vertragspartei­ en“ mit der Gerichtsstandwahl. Es ist also anzunehmen, dass auch im Güterrecht Prorogationsmöglichkeiten keinen anderen Interessen zu dienen bestimmt sind. Denn anders als in Art.  3 EuUnthVO besteht in Art.  6 EuGüterVO der allgemeine Gerichtsstand aus einer Liste hierarchisch angeordneter Anknüpfungsmomente. In Gütersachen besteht daher noch mehr als in Unterhaltssachen das Bedürfnis, von der allgemeinen Anknüpfung abzuweichen, wenn die Eheleute z. B. dem in der objektiven Leiter viertrangigen Anknüpfungsmoment der gemeinsamen Staats­ angehörigkeit (Art.  6 lit.  d EuGüterVO) den Vorzug geben wollen.

B. Einführung einer beschränkten Prorogationsmöglichkeit Vor diesem Hintergrund erweist sich auch der Gedanke als nicht folgerichtig, dass dann, wenn wie in Art.  3 Brüssel IIa-VO alle Anknüpfungsmöglichkeiten des allgemeinen Gerichtsstands nebeneinanderstehen, eine Prorogationsmög­ lichkeit als nicht erforderlich angesehen werden könnte. Denn selbst in der Eu­

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2. Teil – 2.  Abschnitt: Optimierung der legislativen Differenzierung

UnthVO ist die Gleichrangigkeit der Anknüpfungsmomente offensichtlich kein Grund, von einer vorsorglichen Prorogationsmöglichkeit abzusehen. Dort wie auch im Falle des Scheidungsrechts ist eine vorsorgliche Prorogation von Vorteil, da die Ehegatten sie treffen würden, ohne gedanklich bereits im Unterhalts- bzw. Scheidungsverfahren zu sein. Gerade aber für die Brüssel IIa-VO könnten mit der Einführung einer Prorogation auch die Kritiker der Gerichtsstände in Art.  3 Abs.  1 lit.  a Spstr. 5 und 6 Brüssel IIa-VO318 zufrieden gestellt werden, da die durch die Prorogation begründete ausschließliche Zuständigkeit durch Wegzug einer Partei nicht untergraben werden würde. Ohnehin ist durch die Vereinheitlichung des Kollisionsrechts im Güter-, Un­ terhalts- und Scheidungskollisionsrecht das Problem, über den Gerichtsstand zu einem günstigen Recht gelangen zu können, verschwunden; der Gesetzgeber muss nun also auch keine Angst mehr vor darauf begründetem Taktieren auf Seiten der Parteien haben. Dafür, dass durch eine derartige vorsorgliche Wahl die Mobilität der Eheleute beeinträchtigt würde, gibt es keinen Hinweis. Immerhin ist dort, wo im IZVR eine Prorogation möglich ist, eine nachträgliche Änderung dieser Prorogation nicht ausgeschlossen. Die Eheleute könnten also die Gerichtsstandwahl jederzeit an sich ändernde Umstände anpassen. Eine vergleichbare Systematik ist im Übrigen Gegenstand des Vorschlags hin­ sichtlich der Bestimmung des Güterstatuts im Vorschlag zur EuGüterVO. Das objektive Güterstatut soll sich an erstem und zweitem Rang in Art.  26 Abs.  1 lit.  a und b EuGüterVO nach Anknüpfungsmomenten bestimmen, die auf der Grund­ lage der Verhältnisse um den Zeitpunkt der Eheschließung herum analysiert wer­ den. Dies soll – bezogen noch auf den wortgleichen Art.  17 Abs.  1 lit.  a und b V-EuGüterVO – nach Erwägungsgrund Nr.  21 V-EuGüterVO dazu dienen, „dem Gebot der Rechtssicherheit und der Planungssicherheit zu genügen und den Le­ bensumständen der Ehegatten Rechnung zu tragen“. Dass die Unwandelbarkeit des objektiven Güterstatuts – soweit es auf dem erst- oder zweitrangigen An­ knüpfungsmoment basiert – durch nachträgliche Rechtswahl über Art.  22 Abs.  1 EuGüterVO319 verändert werden kann, erscheint im IPR also ausreichend. Die Möglichkeit einer nachträglichen Änderung der Prorogation kann im IZVR da­ her ebenfalls als ausreichend angesehen werden.

318 

Siehe dazu jeweils ausführlich Rauscher in: Rauscher, EuZPR/EuIPR, Art.  3 Brüssel IIa-VO, Rdn.  39 und 45 f. m. w. N. 319  Art.  18 V-EuGüterVO enthielt noch eine ausdrückliche Änderungsregelung.

2. Kapitel: Optimierung durch EU-Gesetzgeber

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§  5 Höherer Differenzierungsgrad bei der Verfahrenskoordinierung am Beispiel des Torpedo-Problems Das Problem des sog. „Italian torpedo“ ist im IZVR Gegenstand lang anhalten­ der Diskussionen. In Art.  31 Abs.  2 Brüssel Ia-VO sollte dieses Problem einer Lösung zugeführt werden, was allerdings nicht vollumfänglich gelungen ist (dazu A.). Die Lösung könnte darin zu finden sein, dass man sich von der Fokus­ sierung auf einander widersprechende Entscheidungen löst und eine ganzheit­ liche Lösung auch in Verbindung mit den Anerkennungsversagungsgründen sucht (dazu B.).

A. Das sog. „Torpedo-Problem“ und seine Lösung durch Art.  31 Abs.  2 Brüssel Ia-VO I. Lösung der ursprünglichen Problematik nach der Brüssel Ia-VO Unter der Brüssel I-VO und auf deren System aufbauenden EU-Verordnungen wird das sog. Torpedo-Problem diskutiert. Damit ist die Konstellation gemeint, in der zwei Parteien eine Gerichtsstandwahl vornehmen, z. B. zugunsten von Ge­ richten im Vereinigten Königreich, und die potenziell beklagte Partei eine nega­ tive Feststellungsklage vor einem italienischen Gericht anhängig macht. Hinter­ grund dieser Konstellation ist, dass die Antragstellerin das Verfahren in die Län­ ge ziehen möchte, und u. a. Verfahren vor italienischen Gerichten im Durchschnitt um einiges länger dauern als in anderen EU-Mitgliedstaaten.320 In diesem Zu­ sammenhang wurde über verschiedene nicht-legislative Möglichkeiten nachge­ dacht, dieses Problem zu beheben, z. B. über eine teleologische Reduktion von Art.  27 Brüssel I-VO.321 Nachdem diese Lösungsvorschläge nicht verfingen, fügte man in der Brüssel Ia-VO zugunsten von prorogierten Gerichten eine Ausnahme vom Grundsatz ein, dass dasjenige Gericht zunächst über seine Zuständigkeit befindet, bei dem der Rechtsstreit zuerst anhängig gemacht wurde. Nach der neuen Regelung in Art.  31 Abs.  2 Brüssel Ia-VO hat das entgegen einer Gerichtsstandwahl zuerst angerufene Gericht das Verfahren so lange auszusetzen, bis das auf der Grund­ lage der Vereinbarung angerufene Gericht erklärt hat, dass es gemäß der Verein­ barung nicht zuständig ist. Damit können Gerichtsstandvereinbarungen nun nicht mehr entwertet werden, da eindeutig ist, welches Gericht den Erstzugriff bei Zuständigkeitsfragen aufgrund der Vereinbarung hat. 320  321 

Siehe nur Leitzen, GRUR Int 2004, 1010, 1011. Zu den Möglichkeiten deren Verwirklichung Leitzen, GRUR Int 2004, 1010, 1012.

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2. Teil – 2.  Abschnitt: Optimierung der legislativen Differenzierung

II. Verbleibendes Koordinationsproblem Allerdings löst es das angesprochene Problem nicht vollständig. Denn selbst wenn eine Gerichtsstandwahl z. B. zugunsten der Gerichte des Vereinigten Kö­ nigreichs getroffen wurde, könnte einer der Vertragspartner im Rahmen der Kor­ respondenz versuchen, auf eine nachträgliche Veränderung der Gerichtsstand­ wahl zugunsten italienischer Gerichte hinzuwirken. Selbst wenn die andere Par­ tei das Angebot auf diese Veränderung nicht annähme, könnte der Vertragspartner mit Verweis auf eine vermeintliche nachträgliche Änderung vor ein italienisches Gericht ziehen, das dann nach Art.  31 Abs.  2 Brüssel Ia-VO allein für die Prü­ fung der Wirksamkeit der Gerichtsstandwahl zugunsten italienischer Gerichte zuständig wäre. Jedenfalls könnte aber ein Verfahren von einem englischen Ge­ richt erst einmal in die Länge gezogen werden: wenn nämlich das Gericht zu der Auffassung käme, das Verfahren aussetzen zu müssen, bis das italienische Ge­ richt über die Wirksamkeit der Prorogation zu seinen Gunsten entschieden hätte. Die Frage der Wirksamkeit der nachträglichen Änderung der Gerichtsstand­ wahl mag im Einzelfall einfach zu beantworten sein. Wie in den sonstigen Tor­ pedo-Konstellationen geht es jedoch um die Eintrittskarte ins italienische Ge­ richtssystem mit den typischerweise langen Verfahrensdauern, die der Antrags­ steller so ergattert hätte. Denn auch wenn ein Schlüssigkeitsvortrag bzgl. einer Gerichtsstandvereinbarung gefordert wird322 – die Wirksamkeit der Gerichts­ standvereinbarung wäre durch das angerufene Gericht auch erst einmal zu prü­ fen, so dass sich das vermeintlich prorogierte Gericht mit der Frage auseinander­ setzen und dafür Zeit aufwenden muss. Die Anrufung kann das Verfahren auf diesem Wege ebenfalls in die Länge ziehen. Der erste Fall, in dem das italienische Gericht als erstes angerufen wird, ist dabei die Konstellation, auf die man im IZVR ohnehin gefasst sein muss, solange es rechtlich möglich ist, ein anderes als das prorogierte Gericht anzurufen – auch wenn die betreffende Vertragspartei es aufgrund der Gerichtsstandvereinbarung nicht hätte dürfen.323 Die zweite problematische Konstellation besteht darin, dass sich das zunächst angerufene englische Gericht mit der besagten möglichen abweichenden Pro­ rogationsänderung konfrontiert sehen könnte, was dann ebenfalls zu einer Aus­ setzung des Verfahrens nach Art.  31 Abs.  2 Brüssel Ia-VO zugunsten des italieni­ schen Gerichts führen würde. In diesem Zusammenhang wird angeführt, dass Art.  31 Abs.  2 Brüssel Ia-VO in gewissem Umfang die Prüfung der abweichen­ den Gerichtsstandwahl prüfen können müsse. 322  323 

Dörner in: Sänger, Art.  31 EuGVVO, Rdn.  2. Domej, RabelsZ 78 (2014), 508, 535.

2. Kapitel: Optimierung durch EU-Gesetzgeber

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Hier weichen jedoch die Ansichten voneinander ab. Teilweise wird vertreten, dass die Prüfung der formellen Voraussetzungen von Art.  25 Brüssel Ia-VO auch dem zunächst berufenen Gericht – im Beispiel also dem englischen Gericht – möglich sein müsse.324 Dem wird zwar insofern zugestimmt, als das zuerst an­ gerufene Gericht „zumindest eine prima facie-Prüfung der Gerichtsstandverein­ barung“ vornehmen können müsse.325 Allerdings wird darauf hingewiesen, dass eine Aufteilung der Prüfung einer Gerichtsstandvereinbarung zwischen formel­ ler Wirksamkeit durch das zuerst angerufene Gericht und materieller Wirksam­ keit durch das aufgrund der vermeintlichen Gerichtsstandvereinbarung pro­ rogierte Gericht nicht prozessökonomisch sei und darüber hinaus bereits einen erheblichen Eingriff in den Vorrang des prorogierten Gerichts bedeuten würde.326 Wenn man eine solche prima facie-Prüfung zulassen möchte, würde man um eine gesetzliche Regelung allerdings nicht herumkommen. Der EuGH hat in der Ent­ scheidung Gasser – noch zum EuGVÜ – bereits klargestellt, dass weder das zuerst noch jedes später angerufene Gericht besser als das jeweils andere dazu geeignet sei, „über dessen Zuständigkeit zu befinden, denn diese Zuständigkeit ergibt sich unmit­ telbar aus dem Brüsseler Übereinkommen, das für beide Gerichte gleich ist und das sie beide mit der gleichen Sachkenntnis auslegen und anwenden können“327. Dieses Prinzip hat zwar mit Art.  31 Abs.  2 Brüssel Ia-VO eine Einschränkung erfahren. Wenn man den vom EuGH recht stringent durchgezogenen Vorrang des zuerst an­ gerufenen Gerichts in Gasser berücksichtigt, könnte man Art.  31 Abs.  2 Brüssel Ia-VO so verstehen, als könne das zuerst angerufene Gericht über seine eigene Zu­ ständigkeit aufgrund einer Prorogation und damit zusammenhängend auch über eine mögliche Änderung der Gerichtsstandvereinbarung entscheiden, soweit zur Beurteilung der möglichen Prorogation eines anderen Gerichts das ausländische Sachrecht angewendet werden müsste. Das würde bedeuten, dass jedenfalls eine Prüfung der Formvorschriften nach Art.  25 Brüssel Ia-VO möglich wäre. Hinsichtlich der Frage, ob eine Vereinbarung stattgefunden hat, könnte es da­ gegen auch komplexere Fragen der Stellvertretung geben, für die das anwendba­ re Recht nach dem IPR der lex fori zu bestimmen ist.328 Dies würde dazu führen, dass es auf eine mögliche Bindung einer der Forumstaaten an das Haager Stell­ vertretungsübereinkommen von 1978329 ankäme und damit kein unionseinheitli­ ches Recht mehr geprüft würde. 324 

Weller, GPR 2012, 34, 40 f.; siehe auch Heinze, RabelsZ 75 (2011), 581, 593. Domej, RabelsZ 78 (2014), 508, 536. 326  Domej, RabelsZ 78 (2014), 508, 536. 327  EuGH, Urt. v. 9.12.2003, C-116/02, Gasser v. MISAT, Slg. 2003, I-14693, Rdn.  48. 328  Kropholler/v. Hein, Art.  23 EuGVO, Rdn.  18, 28. 329  Abgeschlossen am 14.3.1978, in Kraft getreten am 1.5.1992 zwischen Argentinien, Frankreich und Portugal, für die Niederlande am 1.10.1992. 325 

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2. Teil – 2.  Abschnitt: Optimierung der legislativen Differenzierung

Eine prima facie-Prüfung wäre demgegenüber eine Reduktion der Prüfungs­ intensität, die aus Klarstellungsgründen eingefügt werden müsste. Ohnehin birgt sie das Risiko von Rechtsunsicherheiten,330 was wiederum die Notwendigkeit ausgiebiger Rechtsprechungstätigkeit des EuGH auslösen würde, um die prima facie-Prüfung in den Griff zu bekommen. Wenn man etwas am bestehenden System ändern möchte, erscheint es daher am sinnvollsten, die Prüfung aufzuteilen und das zuerst angerufene Gericht den­ jenigen Teil der Prüfung vornehmen zu lassen, der keine Gefahr widersprüch­ licher Entscheidungen birgt. Dies betrifft jedenfalls die formalen Aspekte des Abschlusses einer Vereinbarung und damit die Formvorschriften, die sich direkt über Art.  25 Brüssel Ia-VO lösen lassen. Was das Zustandekommen einer Vereinbarung angeht, wird man sich wegen Gasser ebenfalls auf die Aspekte der Prüfung beschränken müssen, die sich aus Art.  25 Brüssel Ia-VO ergeben. Da es für die materiell-rechtliche Wirksamkeit von Gerichtsstandvereinbarungen wegen der Nichtanwendbarkeit der Rom  I-VO nach deren Art.  1 Abs.  2 lit.  e kein vereinheitlichtes Kollisionsrecht gibt und auch durch Haager Übereinkommen für bestimmte Vorfragen – wie z. B. der oben genannten Stellvertretung – ebenfalls keine einheitliche Kollisionsrechtslage ge­ schaffen worden ist, werden diese Fragen dagegen vollständig dem Gericht zu­ fallen, das aufgrund der – wirksamen oder unwirksamen – Gerichtsstandverein­ barung berufen wäre.331 Unabhängig davon ist jeder Mitgliedstaat jedoch dazu aufgerufen, selbststän­ dig darauf hinzuwirken, dass seine Gerichte effizient und zügig arbeiten und es von Seiten der Gerichte zu keinen Verfahrensverschleppungen kommt.332 Inso­ fern dürfen sich die Gerichte der Mitgliedstaaten durchaus als „Gerichte der EU“ begreifen, deren Aufgabe es ist, den im AEUV vorgesehenen Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts zu verwirklichen.

B. Erforderlichkeit einer differenzierteren Lösung im Vergleich zur Brüssel Ia-VO bei einander widersprechenden Entscheidungen Ein höheres Maß an Differenziertheit ist auch vor diesem Hintergrund bei der Behandlung einander widersprechender Entscheidungen im Rahmen von Aner­ kennung und Vollstreckung angezeigt.333 Fokussiert man deren Versagung ledig­ lich hierauf, bliebe unberücksichtigt, dass es mit und ohne Gerichtsstandverein­ 330 

Heinze, RabelsZ 75 (2011), 580, 593. offenbar Heinze, RabelsZ 75 (2011), 580, 593, der darin die Gefahr sieht, dass ein Wettlauf zum zuerst angerufenen Gericht nicht verhindert wird. 332  Heinze, RabelsZ 75 (2011), 580, 596. 333  Siehe zum Problem oben S. 132. 331  A. A.

2. Kapitel: Optimierung durch EU-Gesetzgeber

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barung möglich ist, dass entweder das nicht prorogierte oder das als zweites an­ gerufene Gericht das Verfahren – aus welchen Gründen auch immer – nicht aussetzt. Im ersten Fall könnte ein unzuständiges Gericht ein Verfahren bis zur Entscheidung durchverhandeln; im zweiten Fall könnte sich eine Konstellation ergeben, in der die Entscheidung eines Gerichts, bei dem ein Verfahren erst spä­ ter anhängig wurde, dennoch vor der Entscheidung eines anderen Gerichts aner­ kannt wird, bei dem das Verfahren früher anhängig war. Im ersten Fall wäre die Entscheidung durch ein unzuständiges Gericht ergangen. Bei der zweiten Kon­ stellation läge zwar ein Verstoß gegen Art.  29 Abs.  1 Brüssel Ia-VO vor; dies würde jedoch nicht zur Anerkennungsversagung der Entscheidung dieses Ge­ richts führen. Die Möglichkeit zweier Parallelverfahren führt zum Nebenein­ ander von zwei Entscheidungen, die sich widersprechen können. Beide Entschei­ dungen können u. U. in mehreren Mitgliedstaaten vollstreckt werden, so dass es in jedem Mitgliedstaat darauf hinausläuft, in Bezug auf welche Entscheidung die Anerkennung früher beantragt worden ist. Man kann sich in dieser Situation darauf verlegen, dass dies nicht vorkommen sollte, aber im System angelegt ist, und dass die Parteien dafür verantwortlich sind, Fehler mithilfe der ihnen zur Verfügung stehenden Rechtsbehelfe anzugrei­ fen. Denn selbst dort, wo die Verhinderung einander widersprechender Entschei­ dungen bezweckt ist, könnte es zu weit gehen, einen Verstoß gegen die Koordi­ nationsnormen mit der Versagung der Anerkennung einer Entscheidung zu sank­ tionieren, die das verstoßende Gericht getroffen hat. Immerhin ist ein Verstoß gegen Art.  29 ff. Brüssel Ia-VO bislang nicht als Verletzung des verfahrensrecht­ lichen ordre public angesehen worden.334 Andererseits kann man auch durch weiter gehende Versagungsgründe zusätz­ lich das Interesse des Klägers bzw. Antragsstellers an einem Parallelverfahren reduzieren. Weiß nämlich z. B. der Antragsteller in einem Feststellungsverfah­ ren, dass dieses Verfahren nur unter Verstoß der Art.  29 ff. Brüssel Ia-VO in eine Sachentscheidung führen kann und dass diese Entscheidung in keinem anderen EU-Mitgliedstaat anerkennungsfähig ist, gibt es für ihn keinen Grund, sein An­ sinnen eines Parallelverfahrens weiter zu verfolgen. Gelangt man zu der Über­ zeugung, dass dieser Gewinn es wert ist, die Anerkennungsversagungsgründe auszuweiten, liegt es nahe, nicht nur allein das zu vermeidende Ziel einander widersprechender Entscheidungen in den Versagungsgründen anzusprechen, sondern ganz allgemein einen Verstoß gegen die Vorschriften, deren Ziel die Ver­ hinderung von Parallelverfahren darstellt.

334  Vgl. Dörner in: Sänger, Art.  45 EuGVVO, Rdn.  23, wonach der Fall einander widerspre­ chender Entscheidungen als Spezialfall von lit.  a angesehen wird.

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2. Teil – 2.  Abschnitt: Optimierung der legislativen Differenzierung

Eine Einschränkung ist jedoch vorzunehmen, deren systematisches Vorbild Art.  45 Abs.  1 lit.  b Brüssel Ia-VO darstellt. Danach kann sich der Beklagte nur darauf berufen, dass ihm das verfahrenseinleitende Schriftstück nicht oder nicht rechtzeitig genug zugeleitet wurde, damit er sich verteidigen konnte – es sei denn, der Beklagte hat gegen die Entscheidung keinen Rechtsbehelf eingelegt, obwohl es ihm möglich war. Hieraus ergibt sich, dass dem Beklagten Rechte im Anerkennungsverfahren in Bezug auf Fehler, die auf dem Weg zur Entscheidung selbst geschehen sind, nur in zwei Fällen zustehen: Entweder der Beklagte hat den Fehler unverschuldet nicht bemerkt oder er hat ihn bemerkt und hat hierge­ gen im Urteilsstaat bestehende Rechtsbehelfe eingelegt. Will der Beklagte da­ gegen in prozessunökonomischer Weise seine Rechte im Zusammenhang mit einem Verstoß gegen Art.  29 ff. Brüssel Ia-VO erst im Anerkennungs- und Voll­ streckungsverfahren geltend machen, obwohl es ihm möglich gewesen wäre, dies bereits im Verfahren im Urteilsstaat selbst zu tun, ist er nicht schutzwür­ dig.335

335  Siehe zur Verbindung dieser Lösung mit den Anerkennungs- und Vollstreckungsversa­ gungsgründen bei einander widersprechenden Entscheidungen unten ab S. 451.

3.  Kapitel

Erhöhung der Flexibilität bei der Normanwendung Auch im Rahmen der Normanwendung ist ein noch flexibleres Vorgehen erfor­ derlich. Dies zeigt sich zum einen bei der Übertragung von Anknüpfungskonzep­ ten vom EuZPR auf das EuIPR (dazu §  1). Zum anderen kann bei der Kollision von Koordinationsmethoden wie der akzessorischen Anknüpfung und dem Günstigkeitsvergleich durch differenziertes Vorgehen deren fortwährende Funk­ tionalität sichergestellt werden (dazu §  2).

§  1 Erhöhung der inhaltlichen Flexibilität von Anknüpfungsmomenten bei der Übertragung eines inhaltlichen Konzepts zwischen Rechtsgebieten A. Problemlage Dass in der Brüssel Ia-VO auf den Wohnsitz, in der Rom  I-VO auf den gewöhn­ lichen Aufenthalt abgestellt wird, hat gewichtige Auswirkungen, welche die Er­ reichung dieses Zwecks – die Formung eines Raums der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts, ohne dass das mit den koordinierten Normen verfolgte Ziel be­ einträchtigt wird – in Frage stellen. Denn mit der inhaltlichen Koordination zwi­ schen IZVR und IPR werden zugleich bestimmte Interessengewichtungen über­ tragen, wobei die Wahl eines Anknüpfungsmoments des IPR mit zu hohen An­ forderungen im Vergleich zum IZVR zur Verfehlung des verfolgten Zwecks führt. Das Problem kann anhand der Koordination von Art.  17 Abs.  1 Brüssel Ia-VO und Art.  6 Abs.  1 Rom  I-VO verdeutlicht werden. Die Übertragung des Ausrich­ tens sollte den Verbraucherschutz im elektronischen Geschäftsverkehr vom IZVR auf das IPR transferieren, wobei man im IPR jedoch die Anknüpfung an den gewöhnlichen Aufenthalt des Verbrauchers wählte, um eine hinreichend in­ tensive Verbindung des Verbrauchers zu dem ihn schützenden Recht sicherzu­ stellen.336 Dieser Transfer hat unterschiedliche Verbraucherschutzniveaus in IPR und IZVR zur Folge, wie folgender Beispielsfall verdeutlicht: 336 

Martiny in: MüKoBGB, Art.  6 Rom  I-VO, Rdn.  50.

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2. Teil – 2.  Abschnitt: Optimierung der legislativen Differenzierung

Verbraucher V hat zwei Wohnsitze in München und in Madrid. Der portugiesische Weinhändler P hat seinen online-Handel in der EU nur auf Portugal und Spanien ausgerichtet. Als V in Mad­ rid ins Internet geht, trifft er dort auf die Webseite des P und schließt mit P online einen Vertrag, der eine Rechtswahl zugunsten portugiesischen Rechts enthält.

I. Gerichtsstand Da M seine unternehmerische Tätigkeit auf Spanien ausgerichtet sowie V dort seinen Wohnsitz und von diesem aus den Vertrag geschlossen hat, sind die Art.  17–19 Brüssel Ia-VO anwendbar. Art.  18 Brüssel Ia-VO schränkt die Klage­ möglichkeiten des Verbrauchers hier jedoch nicht ein, sagt insbesondere nicht, dass die Klage an demjenigen Wohnsitz zu erheben ist, auf den die Tätigkeit des Unternehmers nach Art.  17 Abs.  1 lit.  c Brüssel Ia-VO ausgerichtet ist. Aller­ dings wird nicht deutlich, warum der Unternehmer das Risiko eines Wohn­ sitzwechsels des Verbrauchers vor Klageerhebung tragen müsste.337 Das bedeu­ tet, dass V gemäß Art.  18 Abs.  1 Brüssel Ia-VO den M an seinem Wohnsitz in München verklagen kann, obwohl P seinen Handel auf Deutschland gar nicht ausgerichtet hatte. II. Anwendbares Recht Beim anwendbaren Recht verhält es sich dagegen anders. Geht man von der Möglichkeit mehrerer gewöhnlicher Aufenthaltsorte aus (dazu 1.), gibt es hier mehrere Konstellationen, bei denen der Verbraucher V unterschiedlich gut davor geschützt ist, dass die zwingenden Vorschriften des spanischen Rechts nicht um­ gangen werden (dazu 2.). 1. Möglichkeit mehrerer gewöhnlicher Aufenthaltsorte Es gibt Konstellationen, in denen eine Person zu mehreren Orten gleichermaßen intensive Beziehungen haben kann, so dass die Erwägung mehrerer gewöhn­ licher Aufenthalte in Betracht kommt. Ein gleichzeitiger mehrfacher gewöhn­ licher Aufenthalt wird von Teilen in der Literatur von vornherein ausgeschlos­ sen;338 akzeptabel ist für sie lediglich die Annahme wechselnder gewöhnlicher Aufenthalte, wobei dann nur derjenige Ort maßgeblich sein soll, an dem sich die Person im relevanten Zeitpunkt befindet.339

337 

Geimer in: Geimer/Schütze, Art.  16 EuGVO, Rdn.  5. OLG Karlsruhe, Beschl. v. 21.7.1998 − 2 WF 64 u. 65/98, NJW-RR 1999, 1383, 1384; Sonnenberger in: MüKoBGB5, Einl. IPR, Rdn.  724 f.; v. Bar/Mankowski, IPR I, §  7, Rdn.  24; Stoll, RabelsZ 22 (1957), 157, 160. A. A. Mann, JZ 1956, 466, 470. 339  v. Bar/Mankowski, IPR I, §  7, Rdn.  24 und Fn.  83; Baetge, IPRax 2001, 573, 575. 338 

3. Kapitel: Erhöhung der Flexibilität bei der Normanwendung

403

Niemand bestreitet jedoch, dass es durchaus denkbar ist, dass eine natürliche Person zu mehreren Orten starke Beziehungen unterhält, die beide gleicherma­ ßen ihren Lebensmittelpunkt ausmachen. Diese dann rechtlich auf die Stufe zweier bloßer schlichter Aufenthalte zu reduzieren und ihr so eine ihrer Bedeu­ tung für die in Rede stehende Person entsprechende kollisionsrechtliche Rolle nicht zukommen zu lassen,340 würde der Intensität dieser Beziehungen nicht gerecht; noch dazu würde ohne Not die Funktionalität der Bestimmung des im internationalen Vertragsrecht relevanten Anknüpfungmoments geopfert.341 Die Lösung kann jedoch nicht in einem gleichzeitigen gewöhnlichen Aufenthalt ge­ funden werden, wenn dieser als Schwerpunkt des Lebens einer Person gedeutet wird, den es begrifflich nur einmal geben kann.342 Dies zeigen auch Befürworter eines mehrfachen gewöhnlichen Aufenthaltes, wenn sie den effektiven gewöhn­ lichen Aufenthalt nach Art.  5 Abs.  1 S.  1 EGBGB analog bestimmen wollen.343 Abgesehen davon, dass diese Konstruktion auf einer im europäischen internatio­ nalen Kollisionsrecht so nicht existierenden Norm hergeleitet wurde, so dass der Rechtsgedanke nicht auf europäisches IPR anwendbar ist,344 ist die gesamte Konstruktion des effektiven gewöhnlichen Aufenthalts schon begrifflich frag­ würdig. Denn zur Bestimmung eines effektiven gewöhnlichen Aufenthaltes müs­ sen Aspekte des Lebens einer natürlichen Person für diesen gewöhnlichen Auf­ enthalt sprechen, um ihn von dem anderen abzuheben. Wenn es aber solche As­ pekte gibt, stellt sich die Frage, warum dann der andere Ort überhaupt erst zum gewöhnlichen Aufenthalt erhoben wurde. Wenn also mehrere gewöhnliche Aufenthalte nebeneinander möglich sind, kann das nur gehen, wenn beide Orte nach Auswertung aller Elemente des Sach­ verhalts gleichwertig den Daseinsmittelpunkt der Person widerspiegeln.345 Wenn vor diesem Hintergrund ein effektiver gewöhnlicher Aufenthaltsort exis­ tiert, muss dieser mehr Daseinsmittelpunkt sein als der andere Ort. Dieser andere Ort kann dann aber nicht gleichzeitig die Voraussetzungen eines gewöhnlichen Aufenthaltes erfüllen. Daraus ergibt sich, dass die Lösung alternierender gewöhn­340 

Diese Konsequenz zieht mit Verweis auf die Gegner des mehrfachen gewöhnlichen Auf­ enthalts Bausback in: Staudinger, Art.  5 EGBGB, Rdn.  49. 341  So mit Recht Spickhoff, IPRax 1995, 185, 189. 342  Siehe zu dem sich daraus ergebenden Problem beim Verbraucherkollisionsrecht nach Art.  6 Rom  I-VO unten S. 406. 343  v. Hein in: MüKoBGB, Art.  5 EGBGB, Rdn.  160; Spickhoff, IPRax 1995, 185, 189. 344  Spickhoff, IPRax 1995, 185, 189 will diesen effektiven gewöhnlichen Aufenthalt ohne­ hin nur nach Art.  5 Abs.  1 S.  2 EGBGB analog zugunsten des deutschen Ordnungsinteresses konstruieren. 345  Diese Erkenntnis wird unten bei der inhaltlichen Koordination von Art.  15 Brüssel I-VO bzw. Art.  17 Brüssel Ia-VO und Art.  6 Rom  I-VO wichtig werden; siehe dazu unten S. 406.

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2. Teil – 2.  Abschnitt: Optimierung der legislativen Differenzierung

licher Aufenthalte die extremst mögliche Konstruktion darstellen kann. Da sich der EuGH zu dieser Frage noch nicht geäußert hat, bleibt sie für das europäische IPR weiterhin umstritten.346 2. Auswirkungen auf den Verbraucherschutz Je nachdem, ob man diese Möglichkeit in Betracht zieht, kann dies unterschied­ liche Auswirkungen auf den kollisionsrechtlichen Verbraucherschutz haben: a)  Wenn V mit Deutschland und Spanien zwei gewöhnliche Aufenthalte hat, kommen die zwingenden Vorschriften des spanischen Rechts problemlos zur An­ wendung, insbesondere weil deutsches Recht mangels Ausrichtung keine gang­ bare Option darstellt. Sollte in Abwandlung des Falles oben P seinen Handel ebenfalls auf Deutschland ausgerichtet haben, kommen sowohl die zwingenden Vorschriften von Deutschland als auch von Spanien als Grundlage des Günstig­ keitsvergleichs in Betracht. An dieser Stelle wäre an ein Wahlrecht des Verbrau­ chers zu denken, ob deutsches oder spanisches Recht Grundlage des Günstig­ keitsvergleichs sein soll. b)  Hat V dagegen – bei Ausrichtung des Handels nach der Ausgangskonstel­ lation nur auf Spanien – nur einen gewöhnlichen Aufenthalt, muss er hoffen, dass auf diesen der Handel des Unternehmers ausgerichtet ist. Ist also Madrid und damit Spanien Vs gewöhnlicher Aufenthaltsort, hat er Glück und spanisches Recht kommt zur Anwendung; ist es dagegen Deutschland mit München, kommt ausschließlich das Geschäftstatut zur Anwendung. Hierin liegt ein bedeutender Unterschied zur Wahl eines rechtlich bestimmten Anknüpfungsmoments wie dem Wohnsitz, von dem man durchaus mehr als einen haben kann. Es scheint zwar vordergründig so, als sei der Grundgedanke des Art.  17 Brüssel Ia-VO – kein Schutz desjenigen Verbrauchers, der sich ins prozessuale Ausland begibt347 – folgerichtig auf das IPR übertragen worden. Man vergisst dabei je­ doch, dass die Schwelle des gewöhnlichen Aufenthaltes, den man anders als bei einem Wohnsitz nur im Extremfall mehrfach haben kann, ungleich höher ist. Das führt letztlich dazu, dass der Fall eines schlichten Aufenthalts von V in einem beliebigen anderen Staat ohne jede weitere Beziehung (z. B. der Slowakei) gleich behandelt wird mit dem Fall, dass sich V in einen Staat begibt, in dem sein Leben ebenfalls zu einem Großteil stattfindet (z. B. für obigen Fall Spanien) und zu dem er deshalb ebenfalls eine enge Verbindung hat, auch wenn diese Verbindung nur knapp nicht die Qualität der Beziehung zu dem anderen Staat annimmt – z. B. für 346 

Thorn in: Rauscher, EuZPR/EuIPR, Art.  19 Rom  I-VO, Rdn.  15. Staudinger in: Rauscher, EuZPR/EuIPR, Art.  17 Brüssel Ia-VO, Rdn.  1 und bereits zu Art.  15 Brüssel I-VO Kropholler/v. Hein, Art.  15 EuGVO, Rdn.  27. 347 

3. Kapitel: Erhöhung der Flexibilität bei der Normanwendung

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obigen Fall Deutschland – und daher dessen Qualität als gewöhnlichem Aufent­ halt des V nicht gleichkommt. Mit anderen Worten: Die Dreieckskonstellation in Art.  17 Brüssel Ia-VO „Unternehmerwohnsitz – Verbraucherwohnsitz 1 – Ver­ braucherwohnsitz 2“, die mit der Wohnsitzanknüpfung ohne Weiteres erreicht werden kann, hat in Art.  6 Rom  I-VO nur in dem Extremfall ein Pendant, näm­ lich wenn – wie in Konstellation a) – zwei Orte für den Verbraucher die vollkom­ men gleiche Bedeutung haben. Beim Großteil der Konstellationen, die mit Konstellation b) vergleichbar sind, muss V, wenn er nicht im Staat seines gewöhnlichen Aufenthaltes einen Vertrag mit einem Unternehmer abschließt, hoffen, dass dieser Unternehmer zufällig sei­ ne geschäftlichen Tätigkeiten auf Vs gewöhnlichen Aufenthaltsstaat ausgerichtet hat. Das kann man zwar für gerechtfertigt halten, wenn man annimmt, dass nur eine hinreichende Einbettung in das Recht des gewöhnlichen Aufenthaltes be­ steht. Man darf dabei aber nicht vergessen, dass Vs Verbindung zu dem einen Recht nur deshalb nicht ausreicht, weil die zum anderen Recht im Vergleich dazu intensiver ist. Das sagt aber nichts über den absoluten Wert der Beziehung des V zu den jeweiligen Rechten aus. Obwohl der Gesetzgeber also nach eigenem Bekunden die einheitliche An­ wendung von Art.  17 Brüssel Ia-VO bzw. Art.  15 Brüssel I-VO und Art.  6 Abs.  1 Rom  I-VO gewollt und damit eine einheitliche Stärkung des Verbraucherschut­ zes sowohl im IZVR als auch im IPR verfolgt hat,348 hat er durch die Wahl ver­ schiedener Anknüpfungsmomente unterschiedliche Verbraucherschutzniveaus eingeführt. Denn wenn der Gesetzgeber in Art.  6 Abs.  1 Rom  I-VO an den ge­ wöhnlichen Aufenthaltsort anknüpft, setzt er damit eine größere Nähebeziehung voraus als in Art.  15 Brüssel I-VO bzw. Art.  17 Brüssel Ia-VO.

B. Lösungsansätze Die Zweckverfehlung und damit die Funktionalität der inhaltlichen Koordina­ tion kann über zwei mögliche Lösungswege verhindert werden, die beide dem Grundgedanken folgen, dass die Anforderungen des Anknüpfungsmoments im IPR nicht zu hoch gewählt werden dürfen. Im Vergleich zur aktuellen Anknüp­ fung an den gewöhnlichen Aufenthalt in der Beispielsnorm Art.  6 Rom  I-VO müssen die Anforderungen also herabgesetzt werden.

348 

Erwägungsgrund Nr.  7 Rom  I-VO. Siehe auch KOM(2010) 748 endg., S.  4.

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2. Teil – 2.  Abschnitt: Optimierung der legislativen Differenzierung

I. Zulassung eines im Einzelfall abweichenden Begriffsverständnisses des Anknüpfungsmoments im IPR Die einzige Möglichkeit, mit der man am gewöhnlichen Aufenthalt festhalten könnte und gleichzeitig das Verbraucherschutzniveau nicht senken würde, be­ stünde darin, die Schwelle des gewöhnlichen Aufenthaltes zu senken. Man könn­ te ausschließlich für Art.  6 Rom  I-VO den gewöhnlichen Aufenthalt so definie­ ren, dass es nicht der Ort ist, zu dem der Verbraucher die engste Verbindung unter allen anderen Orten, die in seinem Leben eine Rolle spielen, aufweist, sondern nach einer Mindestintensität der Verbindung der Person zu einem Staat ohne Vergleich zu einem anderen Ort fragen, an dem eine intensivere Bindung besteht. Problematisch daran ist jedoch, dass damit in einem wesentlichen Punkt zwi­ schen den unionsrechtlichen IPR-Kollisionsnormen von der begrifflichen Kohä­ renz abgewichen würde. Eine solche Abweichung wäre nur dann zu akzeptieren, wenn der Gesetzgeber eine entsprechende Vorschrift einführen würde, mit der die Abweichung vom sonst gültigen Begriff des gewöhnlichen Aufenthalts ver­ deutlicht wird. Dann würden auch die nationalen Gerichte bei der Anwendung nicht die punktuelle Bedeutungsabweichung verkennen. II. Anpassung der Anforderungen des IPR-Anknüpfungsmoments an den zu erreichenden Schutzzweck Wenn der Gesetzgeber aber ohnehin tätig werden muss, wäre es vorzugswürdig, die Bedeutung des gewöhnlichen Aufenthaltes insgesamt beizubehalten und für Art.  6 Rom  I-VO ein anderes Anknüpfungsmoment anstatt des gewöhnlichen Aufenthaltes zu wählen. Damit würde zugleich eine Vermischung verschiedener Begriffsverständnisse des gewöhnlichen Aufenthaltes, noch dazu innerhalb der Rom  I-VO selbst, vermieden. Denn nicht alles, was rechtstechnisch möglich ist, ist auch praktikabel. Wenn nun also nach einer neuen Anknüpfung in Art.  6 Rom  I-VO gesucht wird, ist es nicht schlicht damit getan, wie in Art.  17 Brüssel Ia-VO auf den Wohnsitz des Verbrauchers zurückzugreifen. Damit würde zwar zwischen den beiden Normen vollständige Kohärenz hergestellt und so ihr inhaltlicher Ein­ klang gefördert. Zugleich würde der Verbraucherschutz ausgeweitet, der durch die Beschränkung des Anwendungsbereichs von Art.  17–19 Brüssel Ia-VO über das Kriterium der Ausrichtung der Geschäftstätigkeit des Unternehmers bereits reduziert ist. Dabei sollte jedoch nicht der Gedanke, der hinter der Anknüpfung an den gewöhnlichen Aufenthalt steht, gänzlich vernachlässigt werden. Art.  6 Rom  I-VO fragt mit der Anknüpfung an den gewöhnlichen Aufenthalt zwar nicht nach der engsten Verbindung zwischen Sachverhalt und Rechtsordnung, aber dennoch nach einer engsten Verbindung – wenn auch zwischen Verbraucher und

3. Kapitel: Erhöhung der Flexibilität bei der Normanwendung

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der diesem am nächsten liegenden Rechtsordnung.349 Entscheidend ist also die Intensität der faktischen Beziehung der Person zu dieser Rechtsordnung. Einen Wohnsitz kann man dagegen relativ leicht einrichten,350 weshalb der gewöhn­ liche Aufenthalt eher Zeichen einer engeren Beziehung zum geltenden Ortsrecht ist.351 Mit dieser Anknüpfung an ein rechtliches Merkmal würde man also die Linie des gewöhnlichen Aufenthaltes als faktischem Merkmal verlassen. Die Lösung muss also darin bestehen, ein Anknüpfungsmerkmal zu schaffen, das wie der gewöhnliche Aufenthaltsort faktisch bestimmt wird, der es aber gleichzeitig einer Person ermöglicht, nicht nur in einem Extremfall mehrere ­davon zu haben. Gleichzeitig ist die Anknüpfung an den bloßen Aufenthalt zu wenig, da so auch derjenige Verbraucher geschützt wird, der sich freiwillig auf einen ausländischen Markt begibt, was ein zu hohes Maß an Verbraucherschutz bedeuten würde.352 Es ist daher ein Anknüpfungsmoment zu wählen, das eine dem gewöhnlichen Aufenthalt vergleichbare Beziehungsintensität aufweist, wo­ bei ein rechtliches Element wie der Wohnsitz nicht enthalten sein muss. Aller­ dings muss der Ort für die betreffende Person eine dem gewöhnlichen Aufenthalt vergleichbare Bedeutung haben, da sonst das Argument der Beziehung zum Recht an diesem Ort nicht mehr gilt. Wenn also V im obigen Beispiel seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland hat, da er dort mit seiner Kernfamilie wohnt und vornehmlich arbeitet, jedoch ebenfalls in Spanien Familie und ein gewisses soziales Umfeld hat, dort auch Geschäftsreisen hin unternimmt und dort insgesamt mit drei Monaten ebenfalls eine beträchtliche Zeit des Jahres ver­ bringt, ist Spanien damit zwar kein gewöhnlicher Aufenthalt; seine soziale und geschäftliche Einbindung in Spanien würde durch die kollisionsrechtliche Ver­ nachlässigung im Rahmen von Art.  6 Rom  I-VO untergehen. Damit das nicht geschieht, ist anstelle des gewöhnlichen Aufenthalts das eben­ falls faktische Anknüpfungsmoment des „regelmäßigen Aufenthalts“ zu schaf­ fen, das unter den soeben geschilderten Gesichtspunkten bestimmt wird. Praktische Schwierigkeiten mit diesem Rechtsbegriff sind nicht zu erwarten. Zum einen ist davon auszugehen, dass der Wortschatz der verschiedenen EU-­Amtsspra­ chen umfangreich genug ist, um für die Wörter „gewöhnlich“ und „regelmäßig“ unterschiedliche Begriffe zu finden und so Verwechslungen auszuschließen.353 Zum 349 

Zu Art.  15 Brüssel I-VO: vgl. Geimer in: Geimer/Schütze, Art.  16 EuGVO, Rdn.  1; zu Art.  6 Rom  I-VO: Martiny in: MüKoBGB, Art.  6 Rom  I-VO, Rdn.  45. 350  v. Hoffmann/Thorn, IPR, §  5, Rdn.  14. 351  Aus diesem Grund ist er anstelle des Wohnsitzes Hauptanknüpfungspunkt im europäi­ schen IPR. 352  Vgl. Kropholler/v. Hein, Art.  15 EuGVO, Rdn.  23. 353  So z. B. im Englischen („habitual residence“ und „regular residence“), im Französischen („résidence habituelle“ und „résidence régulière“).

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2. Teil – 2.  Abschnitt: Optimierung der legislativen Differenzierung

anderen soll das hier vertretene Konzept ohnehin nur im Rahmen von Art.  6 Rom  I-VO zur Anwendung kommen. Doch selbst wenn es auf vereinzelte weitere Stellen im Verbraucherkollisionsrecht übertragen würde, ist die Anzahl dieser Stellen ebenfalls noch hinreichend überschaubar. Schließlich sprechen gegen die­ se Lösung auch keine vermeintlichen Abgrenzungsschwierigkeiten zum Begriff des gewöhnlichen Aufenthalts. Da beide auf der Analyse der Umstände des Ein­ zelfalles beruhen und faktischer Natur sind, gibt es dabei nicht mehr Wertungs­ unterschiede als bei anderen unbestimmten Rechtsbegriffen auch.

§  2 Erhöhung der Anwendungsflexibilität bei der Kollision von Koordinationsmethoden am Beispiel von sog. Rechtsmixen A. Problemstellung Mit dem Begriff des „Rechtsmix“ werden in der Literatur Konstellationen be­ zeichnet, in denen neben dem eigentlich berufenen Recht einzelne Normen eines anderen Rechts zur Anwendung kommen, letztere Normen also das eigentliche Statut überlagern; Koordinationsmethoden, die ein derartiges Rechtsmix verur­ sachen, sind vor allem der Günstigkeitsvergleich, die Anwendung von Eingriffs­ normen sowie die Einzelstaaten- und die Binnenmarktklausel.354 Im Verhältnis zu einer Koordinationsmethode wie der akzessorischen Anknüpfung, die von dem Bezug zu einem einzigen Recht abhängt, führt eine solche Überlagerung dazu, dass die Funktionsfähigkeit der abhängigen Koordinationsmethode in Zweifel gezogen wird. Der Grund wird darin gesehen, dass ein Rechtsmix zum faktischen Verwischen der Identität der eigentlich berufenen Rechtsordnung und damit der ursprünglichen kollisionsrechtlichen Berufungsentscheidung führt.355 Zunächst wird es im Folgenden um Rechtsmix-Konstellationen gehen, die aufgrund von Vorrangmethoden wie dem Günstigkeitsvergleich oder der Einzel­ staaten- oder Binnenmarktklausel entstehen (dazu I.). Ein ähnliches Problem stellt sich ferner bei der Kollision von Rechtsspaltungen mit der akzessorischen Anknüpfung (dazu II.).

354  Vgl. zu Art.  46b EGBGB: Staudinger in: Ferrari/Kieninger/Mankowski u. a., Art.  46b EGBGB, Rdn.  42; zu Art.  6 Rom  I-VO und Art.  4 Rom  II-VO: Staudinger in: Ferrari/Kieninger/­ Mankowski u. a., Art.  6 Rom  I-VO, Rdn.  84; zu Art.  3 Abs.  3, 4 Rom  I-VO: Staudinger in: Nomos-­BGB, Art.  3 Rom  I-VO, Rdn.  9. 355  Staudinger in: Nomos-BGB, Art.  6 Rom  I-VO, Rdn.  19.

3. Kapitel: Erhöhung der Flexibilität bei der Normanwendung

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I. Rechtsmix-Konstellationen im Verhältnis von Vorrangnormen und akzessorischer Anknüpfung 1. Günstigkeitsvergleich und akzessorische Anknüpfung Als vornehmlich problematisch wird das durch den Günstigkeitsvergleich entste­ hende Rechtsmix angesehen, wie es in Art.  6 Rom  I-VO und Art.  8 Rom  I-VO diskutiert wird.356 Das Problem wird darin gesehen, dass der Vertrag als Referenz für die akzessorische Anknüpfung wie in Art.  4 Abs.  3 S.  2 Rom  II-VO untaug­ lich ist, wenn das subjektive Vertragsstatut durch das objektive Verbraucherstatut überlagert wird, da so keine offensichtlich engere Verbindung mehr feststellbar sei.357 Zur Illustrierung des Problems sei nochmals das bereits in der Einleitung angeführte Beispiel vorgebracht: Verbraucher V mit gewöhnlichem Aufenthalt in Deutschland kauft von dem in Frankreich ansässigen Unternehmer U per Fernabsatzgeschäft einen Teppich. Der Vertrag unterliegt aufgrund einer als wirksam unterstellten Rechtswahl türkischem Recht. Als V den Teppich in Frankreich erhält, rufen die in ihm enthaltenen Stoffe eine allergische Reaktion bei V hervor, was dem U auch zurechenbar sei.

Die Frage des deliktischen Schadensersatzes wird grundsätzlich nach Art.  4 Abs.  1 Rom  II-VO an den Ort des Schadenseintritts angeknüpft; somit ist franzö­ sisches Recht Deliktsstatut. Nach Art.  4 Abs.  3 Rom  II-VO könnte vom Delikts­ statut auf das Vertragsstatut ausgewichen werden, im Beispielsfall aufgrund ­entsprechender Rechtswahl also auf türkisches Recht. Dazu müsste jedoch eine offensichtlich engere Beziehung des Sachverhalts zu einem anderen Recht be­ stehen. Ob eine offensichtlich engere Verbindung zum Vertragsstatut i. S. v. Art.  4 Abs.  3 Rom  II-VO vorliegt, ist jedoch zweifelhaft. Zwar führt die Rechtswahl zunächst zu türkischem Recht als Vertragsstatut; der über Art.  6 Abs.  2 Rom  I-VO durchzuführende Günstigkeitsvergleich führt allerdings zur Anwendung der zwingenden Vorschriften des deutschen Rechts über das Verbraucherwiderrufs­ recht bei Fernabsatzverträgen (u. a. §  312b BGB), da V seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland hat. Somit überlagert das günstigere deutsche Ver­ braucherschutzrecht das ursprünglich als subjektives Vertragsstatut berufene tür­ kische Recht, wodurch ein Rechtsmix aus zwei Rechtsordnungen entstanden ist.358 Wegen dieser Überlagerung wird argumentiert, dass die Eindeutigkeit der Beziehung des Deliktsstatuts zum türkischen Recht als subjektivem Vertrags­ 356  Staudinger in: Ferrari/Kieninger/Mankowski u. a., Art.  46b EGBGB, Rdn.  42; ders. in: Ferrari/Kieninger/Mankowski u. a., Art.  6 Rom  I-VO, Rdn.  84. 357  Staudinger in: Nomos-Kommentar BGB, Art.  6 Rom  I-VO, Rdn.  19; ders. in: Ferrari/ Kieninger/Mankowski u. a., Art.  6 Rom  I-VO, Rdn.  84. 358  Staudinger in Ferrari/Kieninger/Mankowski u. a., Art.  6 Rom  I-VO Rdn.  84.

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2. Teil – 2.  Abschnitt: Optimierung der legislativen Differenzierung

statut so zweifelhaft sei, dass die von Art.  4 Abs.  3 Rom  II-VO geforderte offen­ sichtlich engere Verbindung des Sachverhalts zum Vertrag nicht mehr vorliege. Angesichts dieser Anwendungsschwierigkeiten wird vorgeschlagen, die Aus­ weichklausel in solchen Fällen nicht anzuwenden, sondern es bei der Grund­ anknüpfung zu belassen359. Folgt man dieser Ansicht und lässt man die akzesso­ rische Anknüpfung unangewendet, führt die Erfüllung des mit dem Günstigkeits­ vergleich verfolgten Koordinationszwecks – u. a. der Schutz von Verbraucher bzw. Arbeitnehmer in Art.  6 bzw. 8 Rom  I-VO – dazu, dass der mit der akzes­sori­ schen Anknüpfung verfolgte Koordinationszweck – die einheitliche recht­liche Behandlung eines einheitlichen Lebensverhältnisses – nicht erreicht werden kann. 2. Einzelstaaten- bzw. Binnenmarktklausel und akzessorische Anknüpfung Die gleiche Wirkung wird auch bei der Einzelstaatenklausel in Art.  3 Abs.  3 Rom  I-VO sowie bei der Binnenmarktklausel in Art.  3 Abs.  4 Rom  I-VO gese­ hen.360 Die Überlagerung des subjektiven Vertragsstatuts durch zwingende Vor­ schriften des Rechts des Staates, in dem alle Elemente des Sachverhalts zu veror­ ten sind (Art.  3 Abs.  3 Rom  I-VO), kann ebenso wie beim Günstigkeitsvergleich dazu führen, dass es kein offensichtliches Referenzstatut für die akzessorische Anknüpfung gibt. Das gleiche gilt bei der Binnenmarktklausel in Art.  3 Abs.  4 Rom  I-VO, bei der zwar zunächst nicht der Vorrang einer bestimmten Rechtsord­ nung angeordnet wird, sondern nur die Grundsätze des Unionsrechts zur Anwen­ dung berufen werden; da sie allerdings in der Form zur Anwendung kommen, wie sie im Forumstaat umgesetzt worden sind, ist die Überlagerungswirkung letztlich die gleiche wie bei Einzelstaatenklausel und Günstigkeitsvergleich. II. Kollisionen der akzessorischen Anknüpfung mit Rechtsmixen aufgrund von Rechtsspaltung 1. Rechtsspaltung durch Rechtswahl Art.  3 Abs.  1 S.  2 Rom  I-VO ermöglicht es bei Verträgen, die Rechtswahl auf einen Teil des Vertrages zu beschränken. Damit kann es zu einem Rechtsmix aus subjektivem und objektivem Vertragsstatut oder aus mehreren verschiedenen subjektiven Vertragsstatuten kommen.361 Zwar ist die Rechtsspaltung auf einzel­ ne, separate Vertragsteile beschränkt, und auch sonst ist eine freie Mischung von

359 

Staudinger in: Nomos-BGB, Art.  6 Rom  I-VO, Rdn.  19. Staudinger in: Nomos-BGB, Art.  3 Rom  I-VO, Rdn.  9. 361  Martiny in: MüKoBGB, Art.  3 Rom  I-VO, Rdn.  72, 75; Magnus in: Staudinger, Art.  3 Rom  I-VO, Rdn.  108. 360 

3. Kapitel: Erhöhung der Flexibilität bei der Normanwendung

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Rechtsnormen aus verschiedenen Rechtsordnungen nicht möglich.362 Innerhalb dieser Grenzen kann es jedoch zu einer Ansammlung mehrerer Rechtsordnungen kommen, durch die ein Vertrag dann geprägt wird. Wie beim Zusammentreffen der Vorrangklauseln mit der akzessorischen Anknüpfung wird auch bei der Rechtsspaltung die Anwendung der akzessorischen Anknüpfung als fraglich an­ gesehen. Denn diese Koordinationsmethode – wie etwa die offensichtlich engere Verbindung in Art.  4 Abs.  3 Rom  II-VO – fordere eine eindeutige Zuordnung, an der jedoch auch bei einer Rechtsspaltung Zweifel angebracht seien.363 2. Rechtsspaltung durch Statutenwechsel Das gleiche gilt für die Koordination von ausländischen Rechtsinstituten mit in­ nerstaatlichem Sachrecht. Das Konfliktpotenzial im Verhältnis zur akzessori­ schen Anknüpfung sieht man – wenn man der Theorie vom gespaltenen Sach­ statut364 folgt – an folgendem Beispielsfall: F bestellt dem G, der seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Frankreich hat, in Italien an seinem Auto eine italienische Mobiliarhypothek. Später verbringt F das Auto über die Schweiz nach Deutschland. Nachdem F die gesicherte Schuld nicht an G zurückzahlen kann, will G die Zwangsvollstreckung in das Auto betreiben. Um dies zu verhindern, schafft F das Auto beiseite.

Wenn man davon ausgeht, dass die deutschen Straftatbestände der §  288 (Verei­ telung der Zwangsvollstreckung) und §  289 StGB (Pfandkehr) erfüllt sind, ist damit noch nicht die Frage nach dem auf deliktischen Schadensersatz anwend­ baren Recht beantwortet. Dieser richtet sich nach Art.  4 Abs.  1 Rom  II-VO und damit nach der lex loci damni. Bei deliktischen Handlungen, die das Vermögen betreffen, ist dies regelmäßig der gewöhnliche Aufenthaltsort des Geschädigten, da dort sein Vermögensschwerpunkt zu verorten ist.365 Der gewöhnliche Aufent­ halt des Gläubigers in Italien führt also zunächst zu französischem Deliktstatut. Der Blick muss jedoch auch auf die akzessorische Anknüpfung in Art.  4 Abs.  3 Rom  II-VO fallen. Im oben gebildeten Fall bezieht sich die unerlaubte Handlung direkt auf das Sachenrecht, dessen Wirkung sie gerade vereiteln soll. Damit ist dieser Bezug in seiner Intensität einer unerlaubten Handlung im Rahmen eines Beförderungsvertrages vergleichbar, bei dem die akzessorische Anknüpfung re­ gelmäßig Anwendung findet366. Denn ebenso wie beim Beförderungsvertrag, 362 

Magnus in: Staudinger, Art.  3 Rom  I-VO, Rdn.  108. Vgl. Staudinger in: Nomos-BGB, Art.  6 Rom  I-VO, Rdn.  19. 364  Siehe dazu ausführlich Wendehorst in: MüKoBGB, Art.  43 EGBGB, Rdn.  122. 365  Palandt/Thorn, Art.  4 Rom  II-VO, Rdn.  9; Schaub in: PWW, Art.  4 Rom  II-VO, Rdn.  7; Junker, NJW 2007, 3675, 3678. 366  Junker in: MüKoBGB, Art.  4 Rom  II-VO, Rdn.  51. 363 

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2. Teil – 2.  Abschnitt: Optimierung der legislativen Differenzierung

dessen integraler Bestandteil der Beförderung durch den Straßenverkehrsunfall gestört wird, stören sowohl die Pfandkehr als auch die Vereitelung der Zwangs­ vollstreckung die Geltendmachung des Sachenrechts und damit im vorliegenden Fall dessen Wesen als Schutzrecht des Geschädigten. Daraus ergibt sich die grundsätzliche Anwendbarkeit der Ausweichklausel des Art.  4 Abs.  3 S.  2 Rom  IIVO auf das Verhältnis von Sachstatut und Deliktstatut für den obigen Fall. Durch den Statutenwechsel unterteilt sich die Existenz des Rechtsinstituts in zwei Phasen, eine italienische und eine deutsche.367 Dabei wird die deutsche Phase allerdings von der italienischen aufgrund der Hinnahmetheorie368 beein­ flusst, da hiernach das italienische Rechtsinstitut ins deutsche Recht übertragen wird, indem das funktionale Äquivalent des deutschen Rechts zum italienischen Rechtsinstitut bestimmt wird.369 Man kann sich nun einerseits darauf verlegen, aufgrund der Existenz dieser zwei Phasen die akzessorische Anknüpfung mangels Klarheit der Verweisung doch auszuschließen. Man kann andererseits aber auch versuchen, eine Verbin­ dung zwischen der deliktischen Handlung und einer der beiden Phasen herzustel­ len, um so der akzessorischen Anknüpfung zur Anwendung zu verhelfen. Wollte man vom französischen Recht abweichen, müsste die italienische oder die deut­ sche Phase offensichtlich überwiegen. Die Vereitelung der Zwangsvollstreckung bezieht sich auf die Phase nach dem Wechsel in deutsches Recht, da dieses Recht für die Vollstreckung anzuwenden ist. Damit hat die Vereitelung der Zwangsvoll­ streckung einen spezifischen Bezug zur deutschen Phase, woraus die akzessori­ sche Anknüpfung des Deliktstatuts an das deutsche Recht folgt. Dagegen ist die deliktische Handlung der Pfandkehr – zumindest nach deut­ schem Recht – gegen das Rechtsinstitut als Schutzobjekt selbst gerichtet.370 Die­ ser Bezug bringt es mit sich, dass beide Sachstatute als Akzessorietätsreferenz in Art.  4 Abs.  3 S.  2 Rom  II-VO in Betracht kommen. Mehr noch als im Falle der Vollstreckungsvereitelung wäre es hier denkbar, die akzessorische Anknüpfung unangewendet zu lassen. Allerdings ist auch hier eine eindeutige Zuordnung der Pfandkehr zu den einzelnen Phasen möglich, wenngleich zu differenzieren ist: Da die Zwangsvollstreckung bereits konkret geworden ist, ist die zweite Phase maßgeblich, da sie die Vollstreckungsmodalitäten bestimmt, so dass eine akzes­ sorische Anknüpfung an deutsches Recht das Deliktstatut bestimmt. 367  Da die Schweiz lediglich Transit-Staat ist, hat ihr Sachenrecht keinen Einfluss auf die sachenrechtliche Beurteilung; vgl. nur Rauscher, IPR, Rdn.  1600. 368  Siehe dazu nur Wendehorst in: MüKoBGB, Art.  43 EGBGB, Rdn.  152. 369  v. Hoffmann/Thorn, §  12, Rdn.  31 f.; vgl. auch Wendehorst in: MüKoBGB, Art.  43 EGB­ GB, Rdn.  152. 370  Vgl. Maier in: MüKoStGB, §  289 StGB, Rdn.  1; Heine/Hecker in: Schönke/Schröder, §  289 StGB, Rdn.  1.

3. Kapitel: Erhöhung der Flexibilität bei der Normanwendung

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Wäre die Zwangsvollstreckung hingegen noch nicht eingeleitet worden, bezö­ ge sich der Schutz der Pfandkehr unmittelbar nur auf das Pfandrecht an sich.371 Mittelbar dient dies zwar auch dem Erfolg der Zwangsvollstreckung; diese ist aber noch nicht aktuell und kann damit noch keinen Referenzstellenwert im Rah­ men der akzessorischen Anknüpfung haben.

B. Lösungsansätze Auch wenn in den genannten Konstellationen die Überlagerung des Referenz­ statuts so intensiv sein kann, dass die für die akzessorische Anknüpfung typische Offensichtlichkeit der Beziehung zum Hauptstatut nicht mehr sichtbar ist, ist dadurch die Funktionalität der akzessorischen Anknüpfung nicht aufgehoben. Bei entsprechender Auslegung der Voraussetzung der offensichtlich engeren Ver­ bindung – z. B. in Art.  4 Abs.  3 Rom  II-VO – kann aber auch bei der Überlage­ rung eine ausreichende Beziehung zum Hauptstatut hergestellt werden. I. Ausnutzung des Erfordernisses der spezifischen Verbindung der akzessorischen Anknüpfung durch den Rechtsanwender Bei einer Rechtsspaltung kann das Anknüpfungsproblem über die Voraussetzung des spezifischen Bezugs zwischen Rechtsverhältnis – z. B. einem Vertragsver­ hältnis – und deliktischer Handlung gelöst werden. Liegt bei einem Vertrag eine Rechtsspaltung vor, kann man sich die Tatsache zunutze machen, dass eine de­ liktische Handlung einen bestimmten von mehreren abgrenzbaren Vertragsteilen betrifft. Ist bei einer horizontalen Abspaltung z. B. auf die Phase des Vertragsschlusses österreichisches Recht, auf die Phase der Erfüllung dagegen deutsches Recht anwendbar,372 ist es möglich, eine mit spezifischer Verbindung zu diesem Ver­ trag begangene unerlaubte Handlung – z. B. einen Erfüllungsbetrug nach §  263 Abs.  1 StGB durch Täuschung über die Qualität der versprochenen Leistung373 – einer der beiden Phasen zuzuordnen. Denn wenn ein Vertragsteil schon ab­ gespaltet werden kann, muss diese Abspaltung auch für die akzessorische An­ knüpfung fruchtbar gemacht werden können.

371 

Vgl. Heine/Hecker in: Schönke/Schröder, §  289 StGB, Rdn.  1. Rauscher, IPR, Rdn.  1195. 373  Hefendehl in: MüKoStGB, §  263 StGB, Rdn.  550; Perron in: Schönke/Schröder, §  263 StGB, Rdn.  137. 372 

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2. Teil – 2.  Abschnitt: Optimierung der legislativen Differenzierung

II. Lösung im Falle von Günstigkeitsvergleich, Einzelstaaten- und Binnenmarktklausel Im Falle von Günstigkeitsvergleich, Einzelstaaten- und Binnenmarktklausel ist eine derartige Abspaltung dagegen nicht möglich, da sich die Überlagerung des subjektiven Statuts nicht klar abgrenzen lässt. Es gibt dann die Möglichkeit, die Intensität der jeweiligen Überlagerung zu analysieren und anhand dessen zu ent­ scheiden, ob und wenn ja zu welchem auf den Vertrag anwendbaren Recht die engere Verbindung besteht (dazu 1.). Man kann sich aber auch an den kollisions­ rechtlichen Wertungen des EU-Gesetzgebers orientieren (dazu 2.). 1. Analyse der Überlagerungsintensität a) Bestehen einer echten Überlagerungssituation als Voraussetzung Die Lösung über die Überlagerungsintensität setzt allerdings voraus, dass auch eine Überlagerung des Hauptstatuts – z. B. des subjektiven Vertragsstatuts – durch das überlagernde Statut – z. B. das objektive Verbraucherstatut – gegeben ist. Das setzt jedoch wiederum voraus, dass die Mehrzahl der angewendeten Ein­ zelnormen des günstigeren Rechts wesentlich auf dem Begriffsverständnis des Günstigkeitsvergleichs beruht. Denn würde man nicht die Rosinentheorie oder den Gruppenvergleich bevorzugen, sondern dasjenige Recht als Ganzes anwen­ den, das insgesamt und nicht nur hinsichtlich der in Rede stehenden Verbrau­ cherschutznormen günstiger ist – im Teppichfall in der Einleitung374 deutsches Recht –, würden die türkischen Vorschriften in der rechtlichen Bewertung dieses Falles keine Rolle spielen. Auch wenn also türkisches Recht aufgrund der Rechtswahl der Parteien eigentlich berufen ist, würde man der deutschen als der günstigeren Rechtsordnung den Vorzug geben und sie den Vertrag beherrschen lassen. Auf diese Weise würde also kein Rechtsmix verursacht, sondern – wenn auch nach vertiefter Rechtsvergleichung375 – eine Rechtsordnung gefunden, die auf das gesamte Vertragsverhältnis Anwendung fände, den Verbraucherschutz im Sinne von Art.  6 Rom  I-VO hochhalten und gleichzeitig einen deutlichen An­ knüpfungspunkt schaffen würde, an dem die akzessorische Anknüpfung festge­ macht werden könnte, um deren Effektivität zu steigern. b) Schwierigkeiten bei der Bestimmung der Überlagerungsintensität Auch wenn man bei Art.  6 Rom  I-VO nicht diesem Begriffsverständnis folgt, sondern den Gruppenvergleich anwendet, kann der potenzielle Einfluss der 374  375 

Siehe dazu den Beispielsfall oben S. 3 und S. 409 (Teppich-Fall). Martiny in: MüKoBGB, Art.  6 Rom  I-VO, Rdn.  59.

3. Kapitel: Erhöhung der Flexibilität bei der Normanwendung

415

zwingenden Normen des objektiven Statuts immer noch erheblich sein und die Anzahl von Normen, die im Verbraucherstatut lediglich dispositive Pendants ha­ ben, übersteigen. Denn man darf nicht vergessen, dass die Qualität der einfach zwingenden Norm keine besonders hohe Hürde darstellt und damit eine große Anzahl von Normen in Betracht kommt, die das Schutzniveau des Verbrauchers nach Art.  6 Abs.  2 Rom  I-VO ausmacht. Umso größer kann der Einfluss im Falle von Einzelstaaten- und Binnenmarktklausel sein, da die Normengruppe in diesen Fällen sachlich nicht weiter eingeschränkt ist. Bei allen drei Kollisionsnormen stellen sich allerdings zwei praktische Fra­ gen. Zunächst ist unklar, in welchen Dimensionen die Erheblichkeit des Ein­ flusses zwingender Normen zu quantifizieren ist, damit die Anknüpfung an das subjektive Vertragsstatut hinreichend gestört ist. Und ebenfalls nicht unwichtig ist das Problem, welche Normen in die Berechnung miteinfließen und damit ­theoretisch den Ausschlag geben würden. c) Folgerung aus den Anwendungsschwierigkeiten Aufgrund dieser Schwierigkeiten, im Ernstfall eine genaue Quantifizierung vor­ zunehmen, kann diese Methode wohl nur in klaren Fällen genutzt werden. Sol­ che klaren Fälle werden nur dann anzunehmen sein, wenn das Rechtsmix ohne­ hin schon nicht so intensiv ist. Dies ist einerseits im Falle der Eingriffsnormen anzunehmen, andererseits beim Vorrang des Einzel- vor dem Gesamtstatut. Bei beiden Koordinationsmethoden kommt es zu einer u. a. dem Günstigkeitsver­ gleich vergleichbaren Überlagerung des Hauptstatuts, wobei die Anwendungs­ voraussetzungen dieser Methoden an sich bereits so begrenzt sind, dass der Kreis der potenziell anwendbaren Normen klein ist. In diesem Fall spricht die nur ge­ ringe Überlagerungsintensität dafür, erstens der akzessorischen Anknüpfung trotz der Überlagerung weiterhin zu folgen, und zweitens das Hauptstatut nach wie vor als Referenzstatut anzusehen. 2. Bezug auf die vorhandenen kollisionsrechtlichen Wertungen Im Gegensatz zu der tendenziell mit Rechtsunsicherheit behafteten Analyse der Überlagerungsintensität ist es leichter, sich im Rahmen des Referenzrechtsver­ hältnisses für die akzessorische Anknüpfung an bestehenden kollisionsrecht­ lichen Wertungen zu orientieren. Besondere Bedeutung kommt dabei der Frage zu, zu welchem Recht der Sachverhalt die objektiv engste Verbindung aufweist, wobei die für das jeweilige Rechtsverhältnis relevanten Umstände berücksichtigt werden, nicht dagegen die Rechtswahl als subjektives Element. Dies soll eben­ falls am Beispiel der akzessorischen Anknüpfung des Deliktstatuts am Vertrags­ statut gezeigt werden.

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2. Teil – 2.  Abschnitt: Optimierung der legislativen Differenzierung

a) Einzelstaatenklausel Am deutlichsten wird die Vorteilhaftigkeit dieser Beziehung an der Einzelstaa­ tenklausel in Art.  3 Abs.  3 Rom  I-VO. Ihre Anwendbarkeit setzt bereits voraus, dass abgesehen von der Rechtswahl alle vertragsrelevanten Umstände des Sach­ verhalts in einem Staat liegen. Typischerweise ist für die Aktivierung der akzes­ sorischen Anknüpfung im Rahmen der Ausweichklausel von Art.  4 Abs.  3 S.  2 Rom  II-VO eine solch enge Beziehung überhaupt nicht erforderlich, da ja bei der Ausweichklausel allein auf die Gesamtheit der Umstände abgestellt wird. Typi­ scherweise kanalisiert z. B. ein Vertragsverhältnis die Umstände nach Art.  4 Abs.  3 Rom  I-VO derart, dass sich daraus die Anwendbarkeit des Rechts, das als Vertragsstatut berufen ist, auch als Deliktsstatut ergibt.376 Daraus folgt, dass die­ se offensichtlich engere Verbindung erst recht zu dem Recht eines Staates beste­ hen muss, in dem sich außer der Rechtswahl alle sonstigen relevanten Elemente der Vertragsbeziehung befinden. Die akzessorische Anknüpfung ist in diesem Fall also nicht auf das subjektive Vertragsstatut zu beziehen, sondern auf das Recht des Staates, dessen zwingende Vorschriften über die Einzelstaatenklausel zur Anwendung kommen. b) Günstigkeitsvergleich Nach dem gleichen Prinzip kann man bei einem Günstigkeitsvergleich vorgehen. Auch dort ist keineswegs zwingend, dass die Umstände in dem Staat liegen, dessen Recht als subjektives Vertragsstatut zur Anwendung gelangt. Konsequent ist es in diesem Fall, sich an das objektive Verbraucherstatut zu halten. Es ist zwar richtig, dass dieses Statut tendenziell nicht dem Prinzip der engsten Verbindung folgt, da typischerweise der Unternehmer die Leistung erbringt und die Position der engsten Verbindung somit typischerweise durch das Recht des Staates besetzt ist, in dem der Unternehmer seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat.377 In diesem Fall geht es jedoch um den Vergleich des Verbraucherstatuts mit dem frei wählbaren subjektiven Vertragsstatut. Wenn man dann noch bedenkt, dass die Voraussetzung für die Anwendbarkeit des Günstigkeitsvergleichs nach Art.  6 Abs.  2 Rom  I-VO darin besteht, dass zum Recht am gewöhnlichen Aufent­ halt des Verbrauchers eine hinreichend enge Beziehung nach den Kriterien von Art.  6 Abs.  1 Rom  I-VO bestehen muss, ist es im Vergleich dazu sehr wahr­ scheinlich, dass die Verbindung des gesamten Vertrages zum Verbraucherstatut weitaus enger ist als zum subjektiven Vertragsstatut. Das kann dann auch hin­ 376  377 

Vgl. Junker in: MüKoBGB, Art.  4 Rom  II-VO, Rdn.  50 f. Martiny in: MüKoBGB, Art.  6 Rom  I-VO, Rdn.  1.

3. Kapitel: Erhöhung der Flexibilität bei der Normanwendung

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sichtlich der akzessorischen Anknüpfung in Art.  4 Abs.  3 Rom  II-VO als ausrei­ chend angesehen werden. c) Binnenmarktklausel Bei der Binnenmarktklausel gibt es mit diesem Lösungsweg dagegen nicht zwin­ gend ein klares Ergebnis, wenn ein Bezug zu mehreren Mitgliedstaaten besteht. Dennoch ist es auch in diesem Fall möglich, an der vertragsakzessorischen An­ knüpfung festzuhalten. Man muss sich in diesem Fall allerdings damit begnügen, zu analysieren, zu welchem Mitgliedstaat aufgrund der vertragsrelevanten Um­ stände – freilich unter Ausklammerung der Rechtswahl – die engste Verbindung besteht, um ein bestimmtes Recht als Hauptstatut zu erhalten. Der insoweit ak­ zeptierte Auslegungsspielraum der Gerichte ist jedoch nichts, was nicht bereits bekannt wäre: Er hat nicht zuletzt im Vertragskollisionsrecht in Art.  4 Abs.  4 Rom  I-VO seinen Niederschlag gefunden.378

378 

Erfüllungsorte der Leistungen: Martiny in: MüKoBGB, Art.  4 Rom  I-VO, Rdn.  328; Staatsangehörigkeit der Parteien, Vertragssprache oder Vertragsabschlussort: Ferrari in: Ferra­ ri/Kieninger/Mankowski u. a., Art.  4 Rom  I-VO, Rdn.  74.

3.  Abschnitt

Verfolgung einer konsequenten Verbindung zwischen Regelungsinhalt und Regelungszweck Dass Regelungsinhalt und Regelungszweck in IPR und IZVR zuweilen nicht zu­ sammenpassen, zeigt sich in verschiedenen Formen. Zunächst zeigt sich diese Diskrepanz bei der Übertragung eines formellen Konzepts von einem Rechts­ gebiet auf ein anderes, obwohl mit diesem Konzept im Ursprungsrechtsgebiet andere Regelungshintergründe verbunden sind (dazu Kapitel  1). Problematisch ist ferner, dass im IPR der generelle Vorrang von Übereinkommen, an denen Nicht-EU-­Mitgliedstaaten beteiligt sind, auch dort zugelassen wird, wo die EU-­ Verordnung Kollisionsnormen zum Schutz bestimmter Personengruppen enthält, was dazu führen kann, dass die Schutznormen keine Anwendung finden (dazu Kapitel  2). Die Diskrepanz zwischen Regelungsinhalt und Regelungszweck kann sich auch dort ergeben, wo EU-Richtlinien nicht primär durch die Kolli­sions­ normen in EU-Verordnungen geschützt werden, sondern dies auf die nationale Ebene verlagert worden ist (Kapitel  3). Schließlich enthält auch das IZVR im Rahmen von Anerkennung und Vollstreckung Konzepte, die mit den eigentlich zu verfolgenden Zwecken nicht vollumfänglich zusammenpassen (dazu Kapitel  4).

1.  Kapitel

Koordinationsproblem durch Übertragung eines formellen Konzepts aufgrund unterschiedlicher Regelungshintergründe Die Inhaltskoordination durch Übertragung von Regelungskonzepten von einem Rechtsgebiet auf ein anderes kann es sowohl im IPR als auch im IZVR geben. Anhand des gleichen Formbedürfnisses in Art.  7 Rom  III-VO – dem Internatio­ nalen Scheidungsrecht – und in Art.  23 Abs.  2 Brüssel I-VO zeigt sich jedoch, dass zuweilen dieselben inhaltlichen Konzepte in verschiedenen Rechtsgebieten gebraucht werden, obwohl die Regelungszwecke verschieden sind (dazu §  1). Dies ist zu vermeiden; daneben ist stets zu prüfen, ob das jeweilige Regelungs­

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2. Teil – 3.  Abschnitt: Verfolgung einer konsequenten Verbindung

konzept mit den in einem Rechtsgebiet verfolgten Regelungszwecken überein­ stimmt; ggf. muss man das Regelungskonzept nachträglich anpassen (dazu §  2).

§  1 Konzeptübertragung trotz unterschiedlicher Regelungszwecke Die oben angesprochene konzeptionelle Orientierung von Anknüpfungsmomen­ ten zwischen IPR und IZVR – konkret im Verhältnis zwischen Art.  7 Abs.  1 S.  2 Rom  III-VO und Art.  23 Abs.  2 Brüssel I-VO379 – verläuft nicht ohne Problem. So erweist sie sich dann als kritikwürdig, wenn sie dem Zweck des Parteien­ schutzes nicht dienlich ist. Insbesondere könnte Art.  7 Abs.  1 S.  2 Rom  III-VO vor dem Hintergrund der inhaltlichen Verbindung mit Art.  23 Brüssel I-VO dahin auszulegen sein, dass – wie dies bei Art.  23 Abs.  2 Brüssel I-VO der Fall ist380 – auch eine Rechtswahlvereinbarung per E-Mail möglich ist. Mit einer solchen Bedeutung werden die Formanforderungen für die Wahl des Scheidungsstatuts auf die Textform und damit eine Vorstufe zum Mindestmaß der Formlosigkeit heruntergefahren, so dass der eigentliche Zweck der Formvor­ schrift – nämlich die Ehegatten vor einer überstürzten Wahl des Scheidungsstatuts zu schützen381 – nicht erreicht zu werden droht. Der systematische Vergleich zeigt auch, dass die elektronische Übermittlung keine genuine Schriftform ist, da es andernfalls nicht notwendig wäre, sie explizit der Schriftform gleichzustellen; dies wird in Art.  23 Abs.  1 EuGüterVO deutlich, wonach für die Rechtswahl auch die Schriftform als Formerfordernis festgesetzt ist und – anders als noch in Art.  19 Abs.  2 V-EuGüterVO – hier ebenfalls die elektronische Übermittlung, die eine dauerhafte Aufzeichnung der Verienbarung ermöglicht, ausdrücklich einschließt. Offensichtlich geht der Gesetzgeber davon aus, dass mit elektronischen Über­ mittlungen weiterhin dafür gesorgt werden kann, dass die Ehegatten nicht vor­ schnell handeln und überstürzt eine Rechtswahl treffen.382 Im Verbraucher­ schutzrecht sollen dagegen gerade elektronische Übermittlungen wie E-Mails es dem Verbraucher ermöglichen, sein Widerrufsrecht möglichst ohne Hürden wahr­ nehmen zu können. So sieht die Verbraucherrechterichtlinie383 in Art.  11 Abs.  1 vor, dass der Verbraucher zur Ausübung seines Widerrufsrechts entweder das Muster-Widerrufsformular des Anhangs I Teil B der Richtlinie verwenden kann (lit.  a) oder eine entsprechende Erklärung in beliebiger anderer Form abgeben, aus der sein Entschluss zum Widerruf des Vertrags eindeutig hervorgeht (lit.  b). 379 

Siehe oben S.  121. Geimer in: Geimer/Schütze, Art.  23 EuGVVO, Rdn.  105; Rauscher, IPR, Rdn.  1964. 381  Vorschlag Rom  III-VO KOM(2010) 105 endg., S.  8. 382  KOM(2010) 105 endg., S.  8. 383  Richtlinie 2011/83/EU vom 25.10.2011, ABl. EU 2011 Nr. L 304/64. 380 

1. Kapitel: Koordinationsproblem durch Übertragung eines formellen Konzepts

421

Sowohl das harmonisierte Widerrufsformular als auch die Möglichkeit des Ver­ brauchers, durch eine sonst geartete, unmissverständliche Erklärung dem Unter­ nehmer gegenüber die Widerrufsentscheidung kundzutun, sollten das Widerrufs­ verfahren vereinfachen.384 Nach Art.  11 Abs.  3 der Verbraucherrechterichtlinie kann der Unternehmer dem Verbraucher auch eine Widerrufsmöglichkeit über ein Muster-Formular auf seiner Webseite einrichten; damit sollte dem Umstand Rechnung getragen werden, dass der Kontakt zwischen Verbraucher und Unter­ nehmer häufig über die Webseite des Unternehmers erfolgt.385 Bereits in einem Vorgängerrechtsakt, der Haustürwiderrufsrichtlinie386,387 war u. a. durch die Widerrufsform ein Schritt in die gleiche Richtung gegangen worden. Die Richtlinie hatte jedoch kein allgemeingültiges Formerfordernis für die Wider­ rufserklärung des Verbrauchers aufgestellt, sondern die Regelung den EU-Mit­ gliedstaaten überlassen (Art.  5 Abs.  1 S.  1). Rechtsvergleichend wählten zwar ei­ nige Staaten das Schriftformerfordernis388; daneben gab es aber auch Staaten, die geringere Anforderungen an die Erklärung hatten389 oder überhaupt kein Former­ fordernis vorsahen.390 Die Textform des deutschen Rechts diente in diesem Zusam­ menhang der Vereinfachung und der Dokumentation einer Erklärung.391 Aufgrund der Nutzung der niedrigen Formanforderungen in beiden Richt­ linien ergibt sich somit, dass es nicht möglich ist, wenn ein und dieselbe Form­ vorschrift einerseits als effektives Mittel zur Ausübung eines Rechts dienen, auf der anderen Seite aber vor überstürztem Handeln bewahren soll. Wenn also die Textform den Verbraucher zu einem zügigen Widerruf anhalten soll, kann sie nicht gleichzeitig Ehegatten dazu anhalten, sich genau zu überlegen, welche Auswirkungen eine ehebezogene Erklärung hat. Dass elektronische Übermittlungen bei der Rechtswahl des Scheidungsstatuts möglich sein sollen, erschließt sich ferner nicht, wenn man über die Bedeutung 384 

Ewägungsgrund Nr.  44 der Verbraucherrechterichtlinie. Siehe auch Erwagungsgrund Nr.  45 der Verbraucherrechterichtlinie. 386  Richtlinie 85/577/EWG vom 20.12.1985, ABl. EG 1985 Nr. L 372/31. 387  Die Richtlinie 2011/83/EU diente neben der Aufhebung der Richtlinie 85/577/EWG auch der Aufhebung der Richtlinie 97/7/EWG sowie der Abänderung der Richtlinie 93/13/ EWG und der Richtlinie 1999/44/EG. 388  Auflistung der Staaten bei Schulte-Nölke/Twigg-Flesner/Ebers, EC Consumer Law Compendium, S.  101 f. Hiernach waren dies 10 Mitgliedstaaten: Österreich, Irland, Lettland, Litauen, Polen, Slowenien, Slowakei, Tschechien, Vereinigtes Königreich, Zypern. 389  Nach Schulte-Nölke/Twigg-Flesner/Ebers, EC Consumer Law Compendium, S.  102 z. B. Deutschland mit der Textform. 390  Nach Schulte-Nölke/Twigg-Flesner/Ebers, EC Consumer Law Compendium, S.  101 9 Mitgliedstaaten: Dänemark, Estland, Finnland, Ungarn, Niederlande, Malta, Portugal, Spanien, Schweden. 391  Einsele in: MüKoBGB, §  126b BGB, Rdn.  1. 385 

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2. Teil – 3.  Abschnitt: Verfolgung einer konsequenten Verbindung

des Formerfordernisses hinaus das Regelungskonzept der Prorogation in Brüssel Ia-VO insgesamt in den Blick nimmt und mit der Rom  III-VO vergleicht. Das IZVR in Brüssel Ia-VO einerseits sieht neben der Schriftform weitere Möglich­ keiten vor, um der Flexibilität und Praktikabilität des Handelsverkehrs Rechnung zu tragen.392 Dazu eröffnet sie neben der Schriftform über die mündliche Verein­ barung mit schriftlicher Bestätigung (Art.  25 Abs.  1 lit.  a Alt.  2 Brüssel Ia-VO) sogar eine noch mildere Form, die ausdrücklich normiert ist.393 Art.  25 Brüssel Ia-VO kennt ferner keine besonderen Formerfordernisse für Verbraucherverträ­ ge, ebenso wenig wie Art.  17 ff. Brüssel Ia-VO. Die Beschränkungen ergeben sich jedoch aus Art.  25 Abs.  5 i. V. m. 19 Brüssel Ia-VO, wonach Gerichtsstand­ vereinbarungen bei Verbrauchersachen nur in bestimmten Fällen zu Abweichun­ gen von den für den Verbraucher günstigen Regeln der Art.  17 f. Brüssel Ia-VO führen können. Der Systematik des europäischen Verbraucherschutzrechts ist damit zu entnehmen, dass gerade der Verbraucher im Geschäftsverkehr als be­ sonders schützenswert394 angesehen wird, wie es ja auch für beide oder auch nur den schwächeren Ehepartner im Vorschlag zur Rom  III-VO festgestellt wird395. Beim Verbraucher wird der Schutz also nicht über die Formvorschrift in Art.  25 Abs.  1, 2 Brüssel Ia-VO erreicht, sondern über die Wirkungsbeschränkungen in Art.  25 Abs.  5 Brüssel Ia-VO.396 Ein solches Schutzniveau stellt die Rom  III-VO hingegen nicht zur Verfügung. Zwar sind die Rechtswahlmöglichkeiten in Art.  5 Rom  III-VO auf eine Liste an­ wendbarer Rechte beschränkt, zu denen die Ehepartner einen Bezug haben.397 Diese Rechtsordnungen bilden aber keine Leiter, sondern sind alternativ wähl­ bar. Dabei bleibt es folglich möglich, dass der stärkere Ehepartner dem schwä­ cheren eine Rechtsordnung aufbürden kann, die für letzteren ungünstig ist. Einen Schutz hiervor sieht diese Rechtswahlbeschränkung zu keinem Zeitpunkt vor. Somit besteht bei Art.  5 Rom  III-VO kein dem Art.  25 Abs.  5 Brüssel Ia-VO ver­ gleichbarer Schutz, durch den das Minus an Schutz in Art.  7 Rom  III-VO ausge­ glichen werden könnte. Und damit bleibt die „Einladung, den uninformierten Partner über den Tisch zu ziehen‘“398, bestehen. 392 

Mankowski in: Rauscher, EuZPR/EuIPR, Art.  25 Brüssel Ia-VO, Rdn.  113 und bereits zu Art.  23 Brüssel I-VO Geimer in: Geimer/Schütze, Art.  23 EuGVO, Rdn.  112. 393  Daneben verweist die Brüssel Ia-VO auf Parteigepflogenheiten (Art.  25 Abs.  1 S.  2 lit.  b Brüssel Ia-VO) und internationale Handelsbräuche (Art.  25 Abs.  1 S.  2 Brüssel Ia-VO). 394  Siehe nur Rauscher, IPR, Rdn.  1237. 395  KOM(2010) 105 endgültig, S.  8. 396  Das gleiche Schutzniveau erhalten die im Übrigen schutzwürdigen Personengruppen Versicherungs- und Arbeitnehmer. 397  Erwägungsgrund Nr.  16 Rom  III-VO. 398  Schurig, FS v. Hoffmann, 405, 408; siehe zur Kritik auch Mayer in: Althammer, Art.  7 Rom  III-VO, Rdn.  1.

1. Kapitel: Koordinationsproblem durch Übertragung eines formellen Konzepts

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§  2 Lösungsansatz: Anhebung der unionsrechtlichen Anforderungen an die EU-Mitgliedstaaten Auch wenn der EU-Gesetzgeber ein großes Interesse daran haben mag, auf un­ terschiedliche nationale Formvorschriften einzugehen und deshalb den Mitglied­ staaten normativen Spielraum einzuräumen, wird diese Vorgehensweise den Par­ teibedürfnissen im hier dargestellten Problem nicht gerecht. Es ist nicht klar, wie viele weitere Mitgliedstaaten dem Beispiel von Rechtsordnungen wie der deut­ schen und der in ihrem Art.  46d EGBGB normierten notariellen Beurkundung folgen und Formen vorsehen, die nicht nur Publizitäts- und Beweisfunktion, son­ dern auch eine Warn-, Schutz- und Hinweisfunktion enthalten.399 Es also dabei zu belassen, die Schriftform als EU-weites Minimum – kombiniert mit der Zu­ lassung elektronischer Übermittlungen als Schriftform – einzurichten, ohne die Gewährleistung aller gerade genannten Funktionen sicherzustellen, ist ein Kom­ promiss ohne wirklichen Wert. Dass sich der EU-Gesetzgeber nicht für eine klare Formvorschrift ausspricht, passt jedoch durchaus ins Bild. Auch Art.  23 Abs.  2 EuGüterVO sieht die Schrift­ form lediglich als Minimum vor und erlaubt nationale Abweichungen nach oben. Es spricht auch nichts dagegen, dies beizubehalten; es spricht allerdings wiede­ rum auch nichts dagegen, den Spielraum der Mitgliedstaaten hinsichtlich der Formwahl auf EU-Ebene dahin gehend weiter einzuschränken, den Schutz der Parteien in Sachbereichen zu gewährleisten, in denen dies tunlich ist. Das bedeutet z. B. für die Form der Wahl des Scheidungsstatuts, dass das Mi­ nimum auch weiterhin die Schriftform sein sollte. Zugleich sollte aber den Mit­ gliedstaaten aufgegeben werden, in ihrem nationalen Recht die Form vorzu­ sehen, mit der insbesondere auch die Warn-, Schutz- und Hinweisfunktion erfüllt werden. Wenn dies in einem Staat bereits durch die Schriftform gewährleistet sein sollte, kann dieser Staat bei der Schriftform verbleiben. Sollte ein anderer Mitgliedstaat dafür jedoch lediglich die notarielle Beurkundung zur Verfügung haben, müsste er diese eben in einer entsprechenden Durchführungsvorschrift vorsehen. Auf diesem Wege könnte die optimale Verknüpfung von einheitlicher Schutzstandardfestlegung auf EU-Ebene und nationalem Rechtssetzungsspiel­ raum ebenfalls im Erb- und Güterrecht erfolgen, in denen der Aufklärung der Parteien hinsichtlich der Rechtswahl ebenfalls große Bedeutung zukommt.

399 

Siehe dazu Mayer in: Althammer, Art.  7 Rom  III-VO, Rdn.  1.

2.  Kapitel

Fehlerhafte Verbindung von Inhaltsorientierung und Vorrangregelung zwischen kollisionsrechtlichen Übereinkommen und EU-Verordnungen Die inhaltliche Orientierung von völkervertraglichen Kollisionsrechtsüberein­ kommen und EU-Verordnungen einerseits sowie die Regelung ihres Vorrangver­ hältnisses andererseits bedingen sich in ihrer Existenz nicht gegenseitig. Wenn ein EU-Mitgliedstaat also an ein kollisionsrechtliches Übereinkommen gebun­ den ist, welches Vorrang vor einer EU-Kollisionsrechtsverordnung hat, bedeutet dies nicht zwingend, dass Übereinkommen und Verordnung aufeinander abge­ stimmt sein müssen. Dies kann jedoch zu systemischen Ungereimtheiten führen (dazu §  1). Diese können sowohl auf Übereinkommens- als auch auf EU-Ebene einer Lösung zugeführt werden (dazu §  2).

§  1 Problemaspekte Die systemischen Ungereimtheiten bestehen darin, dass durch die fehlende Koor­dination von inhaltlicher Orientierung und Vorrangverhältnis das forum shopping erleichtert (dazu A.) sowie die internationale Verwirklichung von Ko­ ordinationskonzepten auf anderen Regelungsebenen (dazu B.) und die Durch­ setzung legislativer Lösungen anderer Koordinationsprobleme erschwert werden kann (dazu C.).

A. Erleichterung des forum shopping Zum forum shopping kann es kommen, wenn von den Gerichten zweier EU-Mit­ gliedstaaten jeweils unterschiedliche Rechtsakte Anwendung finden, weil einer der Staaten ein internationales Übereinkommen abgeschlossen hat, welches Vor­ rang vor der EU-Verordnung hat. Eine derartige Konstellation ergibt sich z. B. bei einem Verkehrsunfall in Deutschland zwischen einem Autofahrer mit ge­ wöhnlichem Aufenthalt in Frankreich, einem anderen Autofahrer, der ebenfalls in Frankreich seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat, sowie einem in Deutschland

2. Kapitel: Fehlerhafte Verbindung von Inhaltsorientierung und Vorrangregelung

425

zugelassenen Lkw.400 Will der eine Pkw-Fahrer von dem anderen Pkw-Fahrer Schadensersatz, sind deutsche Gerichte nach Art.  7 Nr.  2 Brüssel Ia-VO zustän­ dig und wenden wegen Art.  4 Abs.  2 Rom  II-VO französisches Deliktsrecht an. Auf der anderen Seite wenden nach Art.  4 Abs.  1 Brüssel Ia-VO zuständige fran­ zösische Gerichte wegen Art.  28 Abs.  1 Rom  II-VO das HStrVÜ an. Französi­ sches Recht ist hier nicht anwendbar, da nicht alle Kfz der Unfallbeteiligten – da anders als in Art.  4 Abs.  2 Rom  II-VO der deutsche Lkw-Fahrer miteinbezogen wird – in Frankreich zugelassen sind (Art.  4 lit.  b HStrVÜ). Es kommt daher zur Anwendung deutschen Deliktsrechts als dem am Unfallort geltenden Recht (Art.  3 HStrVÜ). Da sich deutsches und französisches Deliktsrecht dogmatisch unterscheiden401 und dies zu erheblich unterschiedlichen Ergebnissen führen kann, wird sich der Geschädigte genau überlegen, wo er klagt; gleichzeitig befin­ det sich allerdings der Beklagte in spe im Unklaren darüber, welches Recht zur Anwendung kommt.402 Der Mangel an Koordination ist also nicht im Sinne der Rechtssicherheit.

B. Erschwerung der internationalen Verwirklichung von Koordinationskonzepten auf anderen Regelungsebenen Die Konzeption des Vorrangs internationaler Übereinkommen vor EU-Verord­ nungen, deren Anwendungsbereich sie teilen, ist im IPR problematisch. Denn dort – z. B. in Art.  25 Abs.  1 Rom  I-VO und Art.  28 Abs.  1 Rom  II-VO – spricht das europäische Sekundärrecht einen vorbehaltlosen Vorrang der internationalen Übereinkommen aus. Das ist zwar vor dem Hintergrund des Art.  351 Abs.  1 AEUV zunächst zulässig, mit Blick auf Art.  351 Abs.  2 AEUV jedoch ein Zu­ stand, der von den EU-Mitgliedstaaten geändert werden muss, wenn es notwen­ dig ist. Dass die Anpassung durch die EU-Mitgliedstaaten notwendig ist, zeigt sich bei dem oben genannten Sachverhalt, der von italienischen Gerichten zu ent­ scheiden ist und einen Verbrauchsgüterkaufvertrag betrifft. Das ebenfalls auf Verbrauchersgüterkäufe anwendbare HÜ 1955 hat neben einigen EU-Mitglied­ staaten auch den ­Niger als Vertragsstaat, so dass es nach Art.  25 Abs.  1 Rom  I-VO vor der Rom  I-­VO Vorrang genießt, auch wenn es lediglich um das Verhältnis zwischen EU-Mitgliedstaaten geht. Nach Art.  3 UAbs.  1 HÜ 1955 ist das Recht am gewöhnlichen Aufenthaltsort des Verkäufers das objektive Vertragsstatut; es 400  Fallkonstellation in Anlehnung an Cass. Civ. 30.5.1967, Kieger c. Amigues, Rev. Crit. D.I.P. 56 (1967) 728; Kadner Graziano, RabelsZ 73 (2009), 1, 28. 401  Kadner Graziano, RabelsZ 73 (2009), 1, 28. 402  Kadner Graziano, RabelsZ 73 (2009), 1, 28.

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2. Teil – 3.  Abschnitt: Verfolgung einer konsequenten Verbindung

kommt – anders als im vorliegend nicht anwendbaren Art.  6 Abs.  2 Rom  I-VO – nicht zu einem Günstigkeitsvergleich mit dem objektiven Verbraucherstatut. Dass es zu einer solchen Konstellation kommen würde, konnte man vielleicht noch nicht 1955, aber doch spätestens bei Inkrafttreten der Rom  I-VO 2009 ah­ nen. Mit Blick auf Art.  351 Abs.  1 AEUV war das auch zunächst zu akzeptieren, da die EU 1955 noch keine Kompetenz hatte, um vereinheitlichtes Kollisions­ recht in Form einer Verordnung zu schaffen. Auch wenn es damit nicht direkt unter den Wortlaut fällt, da die Zuständigkeit der EU erst durch spätere Vertrags­ änderung erweitert wurde, ist auf einen solchen Fall Art.  351 Abs.  1 AEUV ana­ log anzuwenden.403

C. Erschwerung der Durchsetzung legislativer Lösungen anderer Koordinationsprobleme Ein ähnliches Problem stellt sich im Rahmen der Verwirklichung von Lösungen, die für Koordinationsprobleme zunächst für eine bestimmte Regelungsebene entwickelt wurden. Denn wenn z. B. der EU-Gesetzgeber eine Lösung erarbeitet, kann er sie aus eigener Kraft lediglich in den EU-Rechtsakten einführen. Damit ist sie allerdings nicht anwendbar, wenn anstatt des EU-Rechtsaktes ein interna­ tionales Kollisionsrechtsübereinkommen zur Anwendung kommt, weil es z. B. vor einer EU-Verordnung Vorrang genießt.404 Zu einer solchen Kollision kommt es im non cumul-Fall405. Sie führt zu einem teilweisen Normenmangel bei Anwendung des HProdHÜ, da französische Ge­ richte vorrangig vor EU-Kollisionsrecht völkervertragliches Kollisionsrecht an­ wenden müssen und auch dürfen; dies führt im Beispielsfall mit Art.  4 HProdHÜ zu einer Kollisionsnorm, die keine akzessorische Anknüpfung enthält, so dass Vertrags- und Deliktsrecht auseinanderfallen. Würde man auf EU-Ebene nun den hier vertretenen Lösungsvorschlag verwirklichen und flächendeckend die oben formulierte Kollisionsnorm einführen, könnte dies aufgrund des Vorrangs des inter­nationalen Übereinkommens in seinem Anwendungsbereich keine Aus­ wirkungen haben. Damit wird die EU-weite Wirksamkeit dieser Lösung beein­ trächtigt.

403  Vgl. Generalanwältin Kokott, Schlussantrag v. 13.3.2008, C-188/07, Mesquer/Total, Slg. 2008, I-4501, Rdn.  94, 95; Booß in: Lenz/Borchardt, Art.  351 AEUV, Rdn.  4. 404  Siehe zu diesem Umsetzungsproblem auch oben S.  388. 405  Siehe zur Lösung von Normwidersprüchen S.  342.

2. Kapitel: Fehlerhafte Verbindung von Inhaltsorientierung und Vorrangregelung

427

§  2 Lösungskonzept Für eine Lösung gilt es, die völkervertraglichen Pflichten des EU-Mitgliedstaates gegenüber den übrigen Vertragsparteien des Übereinkommens mit seinen unions­ rechtlichen Pflichten gegenüber der EU abzuwägen.

A. Lösungsmöglichkeiten mit Bezug auf das Übereinkommen I. Punktuelle Nichtanwendung bei Unvereinbarkeit? Zuvorderst kann man in Betracht ziehen, in Einzelfällen den Vorrang des Über­ einkommens zu missachten. Diese Lösung erscheint gerade in Fällen vorteilhaft, in denen der Vertragsstaat das Übereinkommen nicht kündigen kann, weil kein Kündigungsrecht in das Übereinkommen aufgenommen worden war. Dann könnte der Vertragsstaat dennoch den Pflichten, die sich für ihn als EU-Mitglied­ staat aus den EU-Verträgen ergeben, nachkommen. Diese Lösung würde jedoch die Mitgliedstaaten, die Vertragsstaaten der Über­ einkommen sind, mit diesen Übereinkommen gerade in Konflikt geraten las­ sen.406 In Betracht kommt für den EU-Mitgliedstaat also nur, bei Altverträgen in Verhandlungen auf eine Inhaltsänderung des Übereinkommens hinzuwirken, damit dessen Anwendung mit EU-Recht vereinbar ist. Das dürfte allerdings ge­ nerell nicht einfach sein.407 Jedenfalls ist es im Rahmen der Haager Konferenz bislang nicht gelungen, Verbraucherkollisionsrecht zum Gegenstand des HÜ 1955 zu machen. Zumindest ist auch im – letztlich nicht in Kraft getretenen – HÜ 1986 kein Verbraucherkollisionsrecht enthalten, obwohl bereits das EVÜ von 1980 Verbraucherkollisionsrecht enthielt und schon damals wegen Art.  21 EVÜ der Vorrang des HÜ 1955 vor dem EVÜ anerkannt war. Das Bedürfnis nach ent­ sprechender Ergänzung des HÜ 1955 hätte also durchaus bestanden. II. Verpflichtung des EU-Mitgliedstaates, auf eine Änderung des Übereinkommens hinzuwirken Da sich der Vertragsstaat also, wenn es zum Schwur zwischen dem internationa­ len Übereinkommen und EU-Rechtsakten kommt, mit Fug und Recht für die Einhaltung des internationalen Übereinkommens entscheiden darf, sich dazu ge­ radezu entscheiden muss, besteht eine weitere Möglichkeit darin, dem Vertrags­ staat aufzugeben, auf eine Änderung des betreffenden Übereinkommens hinzu­ wirken. Solange die Regelung eines Übereinkommens durch unionsrechtskon­ 406  407 

Garcíamartín Alférez, EuLF 2008, I-61, 65. Booß in: Lenz/Borchardt, Art.  351 AEUV, Rdn.  6.

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2. Teil – 3.  Abschnitt: Verfolgung einer konsequenten Verbindung

forme Auslegung gerettet werden kann, erscheint es aufgrund von Art.  351 Abs.  2 AEUV nicht erforderlich, dass der Vertragsstaat den durchaus nicht unbeschwer­ lichen Weg beschreitet, auf eine Änderung des Übereinkommens hinzuwirken. Wenn dies zu erheblicher Unterschiede zu den EU-Regeln nicht zu erreichen ist, können sich die betreffenden Mitgliedstaaten ggf. auch mit der EU auf spezielle Übergangsregeln einigen, um die Zeit zu überbrücken, bis auf Übereinkommen­ sebene aus EU-Sicht akzeptable Regelungen erarbeitet worden sind. III. Pflicht zur Kündigung des Übereinkommens durch den EU-Mitgliedstaat Wenn die EU von einem Mitgliedstaat nicht verlangen kann, die Anwendung von Normen eines Vertragsstaates, die mit den Zielen der EU-Verträge unvereinbar ist, zu suspendieren, kann sie aber doch verlangen, dass der Mitgliedstaat darauf hinwirkt, eine solche Unvereinbarkeit zu verhindern. Kann der Vertragsstaat zur Erfüllung dieser Pflicht nicht auf entsprechende Veränderungen des Überein­ kommens hinwirken, muss er ggf. das Übereinkommen kündigen.408 Ein vorbehaltloser Vorrang internationaler Übereinkommen vor EU-Rechtsak­ ten ist dagegen auf Dauer nicht haltbar. Zumindest ist nicht verständlich, warum bei einem Verbrauchervertrag mit Verbindung lediglich zu EU-Mitgliedstaaten die verbraucherschützenden Regeln der EU nur deshalb nicht zur Anwendung kommen sollen, weil diese Staaten zufällig Vertragsstaaten eines internationalen Übereinkommens sind, an dem ein Drittstaat ebenfalls teilnimmt.

B. Lösungsmöglichkeit auf EU-Ebene: Kein vorbehaltloser Vorrang internationaler Übereinkommen vor EU-Rechtsakten zwischen EU-Mitgliedstaaten I. Konzeptionelle Orientierung der IPR-Vorrangkollisionsnormen am IZVR Dieser inhaltliche Koordinationsprozess ermöglicht auch die Orientierung an der Gestaltung der Vorrangklauseln im IZVR. Die dortigen Vorrangklauseln sind zwar nur geringfügig, aber entscheidend anders formuliert, wenn es um die An­ wendung internationaler Übereinkommen geht, an denen neben EU-Mitglied­ staaten weitere Drittstaaten beteiligt sind. Im IPR haben reine kollisionsrecht­ liche Verordnungen aufgrund von z. B. Art.  25 Abs.  2 Rom  I-VO nur dann Vor­ rang vor den internationalen Übereinkommen, wenn nur EU-Mitgliedstaaten Vertragsstaaten sind. Im IZVR haben EU-Verordnungen dagegen – etwa nach Art. nach Art.  69 Abs.  2 EuUnthVO – auch Vorrang gegenüber internationalen 408  Booß in: Lenz/Borchardt, Art.  351 AEUV, Rdn.  5. Eine Kündigungsmöglichkeit enthal­ ten z. B. Art.  12 HÜ 1955, Art.  30 HÜ 1986, Art.  20 HProdÜ, Art.  20 HStrVÜ.

2. Kapitel: Fehlerhafte Verbindung von Inhaltsorientierung und Vorrangregelung

429

Übereinkommen mit drittstaatlicher Beteiligung; die Verordnung gilt in diesem Fall nur zwischen den EU-Mitgliedstaaten. Das ist im IZVR grundsätzlich leich­ ter durchführbar als im IPR, da ein Verhältnis zwischen EU-Mitgliedstaaten zur Bestimmung einer Binnenunionssituation im IPR nicht so ohne Weiteres sichtbar ist wie z. B. bei der Beziehung zwischen Urteilsstaat und Anerkennungs- bzw. Vollstreckungsstaat im IZVR.409 Die inhaltliche Koordination zwischen Überein­ kommen und Verordnung würde es jedoch ermöglichen, solche Situationen als Bezugspunkt in die Verordnungen aufzunehmen, die sich – abgesehen von einer Rechtswahl – ausschließlich auf das Gebiet der EU beziehen. Man könnte zunächst noch an einen methodischen Weg in Form von Analogie oder teleologischer Extension denken, um dem Verbraucherschutz praktische Wirksamkeit zu verschaffen.410 Wenn durch den Vorrang des HÜ 1955 die An­ wendung von Art.  6 Rom  I-VO entfällt, fehlt für eine Analogie jedoch bereits die planwidrige Regelungslücke; gegen die teleologische Extension spricht insbe­ sondere der historisch-teleologische Zusammenhang von Art.  25 Rom  I-VO. Denn wenn es Sinn und Zweck von Art.  25 Rom  I-VO ist, es den EU-Mitglied­ staaten zu ermöglichen, ihre vor-unionsvertraglichen Kollisionsrechtsverpflich­ tungen gegenüber Drittstaaten einzuhalten,411 der EU der Inhalt des HÜ 1955 und das Fehlen einer Schutznorm für Verbraucher jedoch bekannt war und sie diese Norm dennoch in die Verordnung einfügte, bleibt kein Raum für eine ent­ sprechende teleologische Extension. Aus demselben Grund ist eine parallele Anwendung von HÜ 1955 und Art.  6 Rom  I-VO nicht möglich. Denn der Vorrang des Übereinkommens bedeutet na­ türlich auch, dass für darin nicht enthaltene Kollisionsnormen nicht in der nach­ geordneten Rom  I-VO Ersatz gesucht wird; der Vorrang würde dadurch gerade unterlaufen. Es bleibt also dabei, dass für den internationalen Warenkauf selbst dann kein EU-Verbraucherkollisionsrecht anwendbar ist, wenn der Vertrag nur Verbindungen zur EU hat – schlicht aus dem Grund, dass mit Niger auch ein Nicht-EU-Mitgliedstaat Vertragsstaat des HÜ 1955 ist, das damit unter Art.  25 Abs.  1 Rom  I-VO fällt.

409  Siehe dazu sogleich S.  430 f. zu den Verhältnissen zwischen Rom  I-VO und HÜ 1955 bzw. zwischen Rom  II-VO und HStrVÜ. 410  Siehe näher zu diesen Methoden der Rechtsfortbildung Larenz/Canaris, Methoden­lehre, S.  187 ff. 411  Siehe dazu S.  55 f.

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2. Teil – 3.  Abschnitt: Verfolgung einer konsequenten Verbindung

II. Verbesserte inhaltliche Koordination der kollidierenden Rechtsakte Um forum shopping zu verhindern, ist eine deutliche Abgrenzung der Anwen­ dungsbereiche von internationalem Übereinkommen und EU-Verordnung erfor­ derlich.412 Diese Form der Koordination sollte jedoch auf die Ebene der räum­ lichen Anwendungsbereiche begrenzt bleiben (dazu 1.) und die sachlichen An­ wendungsbereiche nicht einbeziehen (dazu 2.). 1. Abgrenzung der räumlichen Anwendungsbereiche a) Das Verhältnis von Rom  I-VO zum HÜ 1955 Wie man sich auf EU-Ebene durch entsprechende Gestaltung der Vorrangregeln dieses Problems annehmen könnte, lässt sich ebenfalls im Verhältnis der Rom  I-­ VO zum HÜ 1955 zeigen. Zwar sind Art.  25 Abs.  2 Rom  I-VO und Art.  28 Abs.  2 Rom  II-VO so formu­ liert, dass die entsprechende EU-Verordnung nur dann Vorrang vor einem kon­ kurrierenden Übereinkommen hat, wenn es ausschließlich zwischen Mitglied­ staaten abgeschlossen wurde. Art.  23 Abs.  2 S.  2 des Kommissionsentwurfs zur Rom  I-VO zeigt dagegen, dass im IPR auch eine andere Formulierung möglich ist, welche dem Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts der EU besser dient. Darin war vorgesehen, dass die Rom  I-VO auch dann vor einem völkerver­ traglichen Kollisionsübereinkommen vorrangig anwendbar sein sollte, wenn ein Nicht-Mitgliedstaat ein Vertragsstaat ist, aber alle Elemente des Sachverhalts in einem oder mehreren Mitgliedstaaten belegen sind.413 Trotz positiver Resonanz auf diesen Vorschlag überwogen jedoch offensichtlich die Bedenken, dass der Vorschlag keine Rechtssicherheit biete und Abgrenzungsschwierigkeiten nicht auszuschließen seien.414 Dass sich diese Gegenargumentation durchgesetzt hat, ist allerdings nicht nach­ vollziehbar. Denn die Formulierung in Art.  23 Abs.  2 S.  2 des Kommissionsent­ wurfs ist vergleichbar mit den Regelungen Art.  3 Abs.  3 und 4 Rom  I-VO, die den Vorrang von zwingenden Normen eines Mitgliedstaates bzw. des Unionsrechts vorsieht, wenn alle Sachverhaltselemente in einem Mitgliedstaat bzw. mehreren Mitgliedstaaten belegen sind. Da die Formulierungen ähnlich sind, folgt daraus auch ein zumindest vergleichbares Maß an Abgrenzungsschwierigkeiten. Wenn die Formulierung für Art.  3 Abs.  3 und 4 Rom  I-VO gut genug war und ist, hätte sie so auch in einem Art.  25 Abs.  2 Rom  I-VO, Art.  28 Abs.  2 Rom  II-VO stehen können. 412 

Kadner Graziano, RabelsZ 73 (2009), 1, 30. v. Hein, FS M. Schröder, 25, 32. 414  Stellungnahme des Europäischen Parlaments vom 21.11.2007, Dok. A6-0450/2007; sie­ he auch v. Hein, FS M. Schröder, 25, 32. 413 

2. Kapitel: Fehlerhafte Verbindung von Inhaltsorientierung und Vorrangregelung

431

Um Rechtsunsicherheit bei der Anwendung zu vermeiden, kann dieser Grund­ lage noch etwas Substanz hinsichtlich der relevanten Sachverhaltselemente und des räumlichen Bezuges mit auf den Weg gegeben werden. Eine sinnvolle Ab­ grenzung könnte in Bezug auf Sachverhaltselemente vorgenommen werden. Das bedeutet vornehmlich, den gewöhnlichen Aufenthalt des Verkäufers und des Käufers in den Blick zu nehmen, aber auch weitere Sachverhaltselemente, die im Rahmen der Ausweichklausel von Art.  4 Rom  I-VO in die Bestimmung des an­ wendbaren Rechts miteinfließen können. Dabei kann man sich an der einschlägi­ gen EuGH-Rechtsprechung orientieren.415 Hinsichtlich der Frage des räumlichen Bezuges ist es sinnvoll, vom Vorrang der Haager Übereinkommen her zu denken. Das bedeutet, dass ein vorrangig anzuwendendes Übereinkommen immer dann anzuwenden ist, wenn eines der relevanten Sachverhaltselemente in einem Vertragsstaat des Übereinkommens belegen ist, der nicht zugleich EU-Mitgliedstaat ist. Für das HÜ 1955 würde das immer dann zur Anwendung im Verhältnis zur Rom  I-VO führen, wenn ein rele­ vantes Sachverhaltselement einen Bezug zum Niger aufweist. Solange dagegen alle relevanten Sachverhaltselemente in Vertragsstaaten belegen sind, die auch an der Rom  I-VO teilnehmen, hätte die Rom  I-VO Vorrang vor dem HÜ 1955. b) Das Verhältnis von Rom  II-VO zum HStrVÜ Eine Lösung im Verhältnis von Rom  II-VO und HStrVÜ zielt ebenso zunächst auf die Koordination der räumlichen Anwendungsbereiche ab. Dabei könnte ein Sachverhalt, solange seine relevanten Elemente wie der gewöhnliche Aufent­ haltsort aller Beteiligten Beziehungen zur EU aufweisen, nur nach der Rom  IIVO behandelt werden, wohingegen alle Sachverhalte, die darüber hinaus gehen, nach dem internationalen Übereinkommen zu behandeln wären.416 Dieser Lösungsvorschlag hat den Vorteil, dass er eine klare Abgrenzung er­ möglicht. Gleichzeitig würde so der loi uniforme-Charakter der Rom  II-VO auch im Falle der Existenz eines konkurrierenden Übereinkommens nicht dazu füh­ ren, dass die Verordnung kein drittstaatliches Recht mehr berufen könnte. Es stellt sich bei diesem Vorschlag allerdings die Frage, warum auf den ge­ wöhnlichen Aufenthalt von Schädiger und geschädigter Person abgestellt wird. Immerhin ist der gewöhnliche Aufenthalt nur ein mögliches Anknüpfungsmo­ ment in Art.  4 Abs.  2 Rom  II-VO und auch nur dann, wenn Schädiger und ge­ schädigte Person ihn in demselben Mitgliedstaat haben. Das bedeutet, dass die­ ses Anknüpfungsmoment als solches keine zwingend bedeutende Rolle spielt, wenn es um die Ermittlung des Nähebezuges von Sachverhalt zu anwendbarem 415  416 

Siehe für Deutschland: BGH, Urt. v. 30.3.1976 – VI ZR 143/74, VersR 1976, 832, 834. Kadner Graziano, RabelsZ 73 (2009), 1, 30.

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2. Teil – 3.  Abschnitt: Verfolgung einer konsequenten Verbindung

Recht geht. Denn es lässt unberücksichtigt, dass ebenfalls gewichtige Sachver­ haltselemente wie der Tatort oder – relevant aus Sicht des HStrVÜ – der Ort der Registrierung der am Unfall beteiligten Kfz in Drittstaaten liegen können.417 Vor diesem Hintergrund erscheint es die bessere Lösung zu sein, auf eine im EuIPR bereits bekannte Lösungsmöglichkeit zurückzugreifen. Wie bereits im Rahmen von Art.  25 Abs.  1 Rom  I-VO vorgeschlagen, könnte auf Art.  23 V-­Rom  I-­ ­VO Bezug genommen werden, wonach die für das Rechtsverhältnis relevanten Sachverhaltselemente in einem Mitgliedstaat belegen sein müssen. Für das Ver­ hältnis von Rom  II-VO und HStrVÜ könnte das – in Analogie zu den Ausführun­ gen zum Verhältnis von Rom  I-VO und HÜ 1955 – in einem ersten Schritt bedeu­ ten, dass alle Sachverhaltselemente, die entweder nach dem HStrVÜ oder der Rom  II-VO ein Anknüpfungsmoment darstellen können, zu analysieren sind; darunter würden dann der Tatort, der gewöhnliche Aufenthalt der am Unfall be­ teiligten Personen sowie der Registrierungsort der Fahrzeuge fallen – so dass die Frage von Kadner Graziano418 danach, ob das HStrVÜ anwendbar ist, wenn ei­ nes der Kfz in der Türkei registriert ist und sein Fahrer dort seinen Wohnsitz hat, auch wenn es sich dabei nicht um das von Schädiger oder geschädigter Person handelt, bejaht würde. Auch wenn beim HStrVÜ der Bezug zu Vertragsstaaten, die nicht Teilnehmer der Rom  II-VO sind, leicht entstehen kann, darf man nicht vergessen, dass es zu derartigen Erwägungen überhaupt nur dann kommen kann, wenn ein Verfahren vor einem Gericht eines Vertragsstaates des HStrVÜ anhängig ist. Diese Kon­ zeption stellt immer noch eine Ausweitung des Anwendungsbereichs der Rom  IIVO dar, die ja sonst gar nicht erst anwendbar wäre. Dass aufgrund dessen der loi uniforme-Charakter der Rom  II-VO nicht zur Geltung kommt, kann gegenüber der ausgeprägten Intensität der Nähebeziehung des Sachverhaltes zur Rom  IIVO vernachlässigt werden. 2. Keine Koordination der sachlichen Anwendungsbereiche Eine darüber hinausgehende Koordination der sachlichen Anwendungsbereiche ist dagegen nicht sinnvoll. Zunächst führt es nicht weiter, Sachmaterien, die in den sachlichen Anwendungsbereich des Übereinkommens fallen, aus der EU-­ Verordnung auszuklammern. Dies würde letztlich denjenigen an der Rom  II-VO teilnehmenden Mitgliedstaaten schaden, die nicht Vertragsstaaten des Überein­ kommens sind, da insoweit keine Rechtsvereinheitlichung mehr bestünde.419 417  Vgl. zu in der Ausweichklausel Art.  4 Abs.  3 Rom  II-VO relevanten Elemente bei ­Junker in: MüKoBGB, Art.  4 Rom  II-VO, Rdn.  56 f. 418  Kadner Graziano, SZIER 2006, 279, 288. 419  Also alle bis auf Österreich, Belgien, Kroatien, Tschechien, Frankreich, Lettland, Litauen,

2. Kapitel: Fehlerhafte Verbindung von Inhaltsorientierung und Vorrangregelung

433

Daneben ist auch eine sachliche Unterteilung der Verordnung nicht angezeigt, bei welcher der sachliche Anwendungsbereich nur für die Vertragsstaaten so weit reduziert wird, wie das Übereinkommen reicht. Gegenüber der Vorrangregelung in Art.  28 Abs.  1 Rom  II-VO wäre das kein Gewinn und würde sogar einen Ver­ lust gegenüber Art.  28 Abs.  2 Rom  II-VO darstellen. Eine Lösung durch die Judikative ist nicht ebenfalls möglich, da sich die Ge­ richte mitunter über geltendes Recht hinwegsetzen müssten. Die Koordinierung müsste vielmehr über die Rechtsakte selbst geschehen und sowohl auf EU- als auch auf völkervertraglicher Ebene vorgenommen werden. Es wäre theoretisch denkbar, wenn von einer Seite – z. B. der EU-Ebene – der Impuls für einen be­ stimmten Anwendungsbereich ausginge. Diese Seite ginge dann jedoch das Risi­ ko ein, dass die andere Seite – z. B. weil sich die Vertragsstaaten nicht auf eine Änderung einigen können – nicht nachziehen könnte, da sie das Ergebnis, das ihr gleichsam aufgegeben wurde, nicht akzeptiert. Daher ist ein gleichzeitiger Koor­ dinationsprozess angezeigt, in dem die Interessen beider Seiten hinreichend Be­ rücksichtigung finden.

Luxemburg, Niederlande, Polen, Slowakei, Slowenien, Spanien; siehe dazu die Statustabelle des HStrVÜ unter (zu­ letzt aufgerufen am 6.1.2019).

3.  Kapitel

Verhinderung der Zweckverfehlung aufgrund der fehlerhaften Verbindung des Vorrangs von Richtlinienkollisionsrecht und nationaler inhaltlicher Orientierung an der EU-Gesetzgebung Ein ähnliches Problem wie im Verhältnis zwischen internationalen Übereinkom­ men und EU-Kollisionsrechtsverordnungen stellt sich im Verhältnis zwischen EU-Kollisionsrechtsverordnungen und EU-Richtlinien, die Kollisionsnormen enthalten und denen Vorrang vor der Verordnung eingeräumt worden ist. Dabei wird der mit einer Koordinationsmethode verbundene Zweck aufgrund der Art und Weise nicht erreicht, mit der diese Methode auf eine andere Koordinations­ methode trifft (dazu §  1). Die Lösung dieses Problems kann sowohl auf mitglied­ staatlicher als auch auf EU-Ebene erfolgen (dazu §  2).

§  1 Die Zweckverfehlung und ihre Ursache A. Problem der Zweckverfehlung Die fehlerhafte Koordination verschiedener Kollisionsnormen kann dazu führen, dass derselbe Zweck, der jeweils mit den in Rede stehenden Kollisionsnormen erreicht werden soll, nicht so erreicht wird, wie das in der Kollisionsnorm einer EU-Verordnung der Fall ist. Die Problemlage soll am Verhältnis von Art.  6 Rom  I-­VO und Art.  46b EGBGB, der im deutschen Recht der Umsetzung von Art.  7 Abs.  2 Verbrauchsgüterkaufrichtlinie, Art.  6 Abs.  2 EWG-Klauselricht­ linie, Art.  9 EG-Time-sharing-Richtlinie, Art.  12 Abs.  2 EG-Fernabsatzrichtlinie sowie Art.  12 Abs.  2 EG-Finanzdienstleistungsfernabsatzrichtlinie dient,420 er­ läutert werden. In Fragen des Verbraucherschutzes kollidieren Art.  6 Rom  I-VO und Art.  46b EGBGB, soweit die in Art.  46b EGBGB genannten verbraucherschützenden Richtlinien einschlägig sind.421 Art.  6 Abs.  2 Rom  I-VO ermöglicht im Gegen­ 420  421 

Rauscher, IPR, Rdn.  1282. Vgl. nur Martiny in: MüKoBGB, Art.  46b EGBGB, Rdn.  107.

3. Kapitel: Verhinderung der Zweckverfehlung aufgr. fehlerhafter Verbindung

435

satz zu Art.  46b Abs.  3 EGBGB einen Günstigkeitsvergleich zwischen subjekti­ vem Vertragsstatut und objektivem Verbraucherstatut, so dass durch Art.  6 Abs.  2 Rom  I-VO anstatt zwingender Normen des objektiven Verbraucherstatuts den­ noch die vergleichsweise günstigeren Normen des subjektiven Vertragsstatuts zur Anwendung kommen könnten. Auch wenn eine solche Konstellation selten sein mag,422 dient die schlichte Möglichkeit dem Ziel des Verbraucherschutzes mehr als deren pauschale Ablehnung. Gegen den grundsätzlichen Vorrang von Art.  46b EGBGB wird zwar einschränkend vorgebracht, dass er nur gelten kön­ ne, wenn die Richtlinie korrekt in nationales Recht umgesetzt wurde.423 Mit Recht wird jedoch hiergegen eingewandt, dass so der Vorrang des Richtlinien­ kollisionsrechts durch einen Fehler des nationalen Gesetzgebers vereitelt werden könnte,424 und somit in dem einen Staat, der die Richtlinie richtig umgesetzt hat, eine dem Art.  46b EGBGB vergleichbare Vorschrift Vorrang hätte, in einem Staat mit fehlerhafter Richtlinienumsetzung dagegen Art.  6 Rom  I-VO. Das passt aber nicht zu einer Richtlinie, deren Zweck nicht nur die sachliche Harmonisierung ist, sondern auch die Harmonisierung zu dem gegebenen Zeitpunkt des Ablaufs der Umsetzungsfrist – und nicht möglicherweise später, je nach dem wann es ein Mitgliedstaat schafft, die Richtlinie doch noch richtig umzusetzen. Allerdings ist auch der Versuch, den in Art.  6 Abs.  2 Rom  I-VO enthaltenen Günstigkeitsvergleich über die teleologische Reduktion von Art.  46b EGBGB bzw. Art.  23 Rom  I-VO wieder ins Spiel zu bringen, rechtstechnisch nicht ge­ glückt. Es ist richtig, dass der Verbraucherschutz der Zweck beider Vorschriften ist und Art.  46b EGBGB in dieser Hinsicht Art.  6 Rom  I-VO komplettiert.425 Daraus kann jedoch nicht geschlossen werden, dass Art.  6 Rom  I-VO dem Art.  46b EGBGB vorgeht, wenn das Recht des Drittstaats günstiger ist, nach Art.  46b EGBGB aber mangels Günstigkeitsvergleichs dennoch das für den Ver­ braucher dann ungünstigere Recht zur Anwendung käme. Eine solche teleologi­ sche Reduktion würde dem – hier aufgrund von Art.  23 Rom  I-VO relevanten – Willen des deutschen Gesetzgebers widersprechen, der trotz der anhaltenden Diskussion über die Einführung des Günstigkeitsvergleichs in Art.  46b EGBGB bei der letzten Gesetzesänderung426 von einer eben solchen flächendeckenden Einführung abgesehen hat. Der Gesetzgeber hat also die Einführung des Gün­ stigkeitsvergleichs auf die Fälle beschränkt, die in Art.  46b Abs.  4 EGBGB n. F. aufgeführt sind; die hier relevanten Konstellationen des Verbraucherschutzes in Art.  46b Abs.  3 EGBGB n. F. sind dagegen nicht berücksichtigt worden. 422 

Vgl. Martiny in: MüKoBGB, Art.  6 Rom  I-VO, Rdn.  59. Limbach in: jurisPK, Art.  46b EGBGB, Rdn.  14. 424  Magnus in: Staudinger, Art.  46b EGBGB, Rdn.  26. 425  Martiny in: MüKoBGB, Art.  46b EGBGB, Rdn.  108. 426  In Kraft seit dem 13.6.2014 durch G v. 20.9.2013 (BGBl. I, S.  3642). 423 

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2. Teil – 3.  Abschnitt: Verfolgung einer konsequenten Verbindung

Daraus ist zu schließen, dass der deutsche Gesetzgeber den Günstigkeitsver­ gleich an dieser Stelle also schlicht nicht will. Dass so der Verbraucherschutz geschwächt wird, mag man bedauerlich finden; dies beruht jedoch darauf, dass der europäische Gesetzgeber den Mitgliedstaaten in Art.  23 Rom  I-VO eine zu große Freiheit gelassen hat. Sie ist aus den genannten Gründen aber auch nicht mit methodologischer Hilfe korrigierbar. Eine vorrangige Prüfung von Art.  6 Rom  I-VO ist auch unter dem Gesichts­ punkt der Anwendung drittstaatlichen Rechts nicht angebracht. Es trifft zwar zu, dass Art.  46b EGBGB nur anwendbar ist, wenn das Recht eines Drittstaates an­ zuwenden ist. Diese Grundvoraussetzung betrifft jedoch nur die Wirkung der Rechtswahl selbst. Die Frage, ob aufgrund der Rechtswahl drittstaatliches Recht Anwendung findet, ist also spätestens mit Feststellung der Wirksamkeit der Rechtswahl beendet. Ein darüber hinausgehender Günstigkeitsvergleich wäre allerdings der einzige Beitrag, den Art.  6 Rom  I-VO leisten könnte. Im Ergebnis gibt es also keine Möglichkeit, Art.  6 Rom  I-VO vor Art.  46b EGBGB zu prüfen427 und so den Günstigkeitsvergleich doch noch im Spiel zu halten. Die daraus resultierende Abschwächung des Verbraucherschutzes kann also nur durch eine gesetzgeberische Lösung behoben werden.

B. Verbindung der Koordinationsmethoden als Grund für das Problem Das soeben beschriebene Problem ist die Konsequenz aus der Verbindung dreier Koordinationsmethoden, die insgesamt nicht optimal gehandhabt werden. Da ist zunächst der Vorrang des Richtlinienkollisionsrechts, wie er in Art.  23 Rom  I-VO vorgesehen ist. Dieser Vorrang bewirkt, dass die Vorschriften der EU-­ Kollisionsrechtsverordnung – bei Art.  23 Rom  I-VO ist es die Rom  I-VO – nicht angewendet werden können, um das Richtlinienkollisionsrecht zu verwirkli­ chen.428 Damit einher geht die Delegation dieser Aufgabe auf die EU-Mitglied­ staaten, welche die Richtlinie umsetzen und damit auch die Aufgabe haben, dafür zu sorgen, dass sich die Richtlinienvorschriften international durchsetzen. Dies sorgte dann dafür, dass der Günstigkeitsvergleich nicht durchgehend geregelt wurde und gleichzeitig nicht in vollem Umfang zur Geltung kommen konnte. Wenn man beim Verbraucherschutz davon ausgeht, dass der gewünschte Zweck mit dem Günstigkeitsvergleich am besten verwirklicht wird, schlägt seine Verwirklichung fehl, weil sich der deutsche Gesetzgeber bei der Gestaltung von Art.  46b EGBGB nicht vollständig an Art.  6 Rom  I-VO orientiert hat. Zwar hat er die Voraussetzungen des engen Zusammenhangs den Anwendbarkeitsvoraus­ 427  A. A. 428 

Martiny in: MüKoBGB, Art.  46b EGBGB, Rdn.  107 f. Siehe nur Martiny in: MüKoBGB, Art.  23 Rom  I-VO, Rdn.  7 f.

3. Kapitel: Verhinderung der Zweckverfehlung aufgr. fehlerhafter Verbindung

437

setzungen des Art.  6 Rom  I-VO entnommen, hat sich jedoch ursprünglich nicht vom Gedanken des Günstigkeitsvergleichs inspirieren lassen. Dieser Gedanke hat erst bei einer Neufassung Aufnahme in Art.  46b EGBGB gefunden, aber auch nur im Rahmen von u. a. Teilnutzungsverträgen in Art.  46b Abs.  4 EGBGB.

§  2 Lösungsvorschlag Zur Lösung dieses Koordinationsproblems gibt es zwei mögliche Wege, wobei der eine allein auf nationaler Ebene zu gehen ist (dazu I.), der andere vornehm­ lich auf Unionsebene, jedoch auch ein gewisses Tätigwerden des nationalen Ge­ setzgebers erfordert (dazu II.).

A. Nationale Lösung: Konsequentere Orientierung der EU-Mitgliedstaaten am EU-Vorbild Eine mögliche Lösung ist die Anpassung der nationalen Norm durch den natio­ nalen Gesetzgeber. Bei Art.  46b EGBGB hieße das, den Günstigkeitsvergleich nach Art.  46b Abs.  4 EGBGB auch für den Regelfall im Rahmen von Art.  46b Abs.  1 EGBGB vorzusehen. Der Vorteil dieser Lösung bestünde darin, dass nur ein Staat seine eigene Gesetzesnorm erlassen würde und damit nicht auf europä­ ischer Ebene eine Mehrheit gesucht werden müsste. Allerdings besteht darin lediglich ein Scheinvorteil. Denn letztlich muss unter den EU-Mitgliedstaaten sogar in einer gewissen Weise Einstimmigkeit bei der Umsetzung herrschen, um das Richtlinienkollisionsrecht in der gesamten EU zu verwirklichen. Effektiv schafft die nationale Umsetzung damit mehr Rechts­ unsicherheit und wirkt sich damit nachteilig auf das Erreichen des Zwecks aus. Insgesamt ergibt sich hinsichtlich der Umsetzung ein unklares Bild.429 Schließlich würde die Anpassung einer entsprechenden nationalen Kollisions­ norm die kollisionsrechtliche Doppelung fortführen. Dies kann ebenfalls zu Rechtsunsicherheit führen, da unklar sein kann, welche Kollisionsnorm vor wel­ cher Vorrang genießt. Im Verhältnis von z. B. Art.  6 Rom  I-VO und Art.  46b EGBGB ist sich die Literatur über das hierarchische Verhältnis der beiden Nor­ men uneins.430 Diese Uneinigkeit spricht ebenfalls für eine Konzentration auf EU-Ebene. 429  Siehe zu Frankreich: Witz/Wolter, ZEuP 1995, 885, 891 f.; Berger-Walliser, RIW 1996, 459, 463; zu Spanien: Fischer, RIW 1998, 689, 695; zum Vereinigten Königreich: C. Wagner/ Althen, RIW 1995, 546, 548. 430  Im Verhältnis von Art.  46b EGBGB und Art.  6 Abs.  1 Rom  I-VO für den Vorrang von Art.  6 Abs.  1 Rom  I-VO: Martiny, RIW 2009, 737, 745. Zu den Vorgängervorschriften Art.  29

438

2. Teil – 3.  Abschnitt: Verfolgung einer konsequenten Verbindung

B. Lösung auf EU-Ebene unter Einbeziehung der nationalen Ebene: Ausweitung des Anwendungsbereichs von Art.  6 Rom  I-VO I. Vorüberlegungen Notwendig, Normen wie Art.  46b EGBGB zu schaffen, wird es nur aufgrund des Vorrangs von Richtlinienkollisionsnormen. Durch die hierdurch erforderliche Doppelung von Kollisionsrecht kommt es zu Kollisionen dieser Normen, was das Erreichen der mit den Normen verbundenen Zwecke verhindert. Es ist zwar gängige Praxis, eine Abgrenzung zwischen den Normen vorzunehmen, und ist auch im Verhältnis zwischen Art.  46b EGBGB und Art.  6 Rom  I-VO diskutiert worden431. Bevor man jedoch versucht, denselben Zweck mit zwei verschiede­ nen Maßnahmen bzw. Kollisionsnormen zu erreichen, sollte man sich zunächst fragen, ob es auch nur mit einer Norm geht. Das heißt für dieses Beispiel, dass man überlegen sollte, ob man Art.  46b EGBGB nicht nur auf die EFTA-Staaten des EWR anwendet und die Durchsetzung des Richtlinienkollisionsrechts für die EU-Staaten Art.  6 Rom  I-VO überlässt.432 Abgesehen von der räumlichen Erstreckung auf diejenigen EWR-Staaten, die keine EU-Mitgliedstaaten sind, unterscheiden sich Art.  6 Rom  I-VO und Art.  46b Abs.  1 EGBGB hinsichtlich des Verbraucherschutzes in zwei Aspekten. Zum ei­ nen enthält Art.  46b EGBGB keinen Günstigkeitsvergleich; zum anderen sind die Richtlinien, deren umgesetzten Normen Geltung verschafft werden soll, aus­ drücklich genannt und nicht wie in Art.  6 Rom  I-VO durch den unbestimmten Rechtsbegriff „zwingende Vorschriften“ repräsentiert. Doch selbst, wenn in Art.  46b EGBGB nur ein solcher Begriff als Platzhalter für die Richtlinien fun­ gieren würde, täte dies ihrer Anwendung anstelle des Rechts eines Nicht-EWRStaates keinen Abbruch. II. Lösungsvorschlag Angesichts der Überschneidungen und der Tatsache, dass Art.  46b Abs.  1 EGB­ GB mangels Günstigkeitsvergleichs ein potenzielles Hindernis darstellt, einen besseren Verbraucherschutz zu erreichen, ist für das Verhältnis von Art.  6 Rom  I-­ VO und Art.  46b EGBGB daher zu erwägen, beide Maßnahmen klar zu trennen, Art.  6 Rom  I-VO für die EU-internen Verbraucherschutzbelange der EU vorzu­ und 29a EGBGB siehe nur Staudinger, RIW 2000, 416, 419 f. Dagegen für den Vorrang von Art.  46b EGBGB: Palandt/Thorn, Art.  6 Rom  I-VO, Rdn.  2; v. Hoffmann/Thorn IPR §  10 Rdn.  73c (noch zur Vorgängernorm Art.  29a EGBGB); Kropholler, IPR, §  52 V 6; R. Wagner, IPRax 2000, 249, 250. 431  Siehe nur Martiny in: MüKoBGB, Art.  6 Rom  I-VO, Rdn.  1 ff. 432  Für die Beibehaltung von Art.  46b EGBGB Leible, FS v. Hoffmann, 231 ff.

3. Kapitel: Verhinderung der Zweckverfehlung aufgr. fehlerhafter Verbindung

439

sehen und Art.  46b EGBGB auf den Verbraucherschutz im Zusammenhang mit den weiteren EWR-Staaten zu beschränken. Durch Koordinierung der beiden Vorschriften kann der Anwendungsbereich von Art.  46b EGBGB auf die Nicht-­ EU-Mitgliedstaaten des EWR reduziert werden, ohne dass das von Art.  46b EGBGB verfolgte Verbraucherschutzniveau absinkt. Gleichzeitig kann durch Ausweitung von Art.  6 Rom  I-VO für die EU der Günstigkeitsvergleich auch auf die sonst von Art.  46b EGBGB erfassten Richtlinien ausgeweitet werden. Zum Vollzug dieser Trennung sind folgende vier Aspekte zu beachten: 1. Zulässigkeit eines über das Richtlinienkollisionsrecht hinausgehenden Verbraucherschutzes Als erstem Punkt ist dem möglichen Einwand zu begegnen, dass mit der Anwen­ dung von Art.  6 Abs.  2 Rom  I-VO ein höheres Schutzniveau geschaffen wird, als es das Richtlinienkollisionsrecht für die EU-Mitgliedstaaten erwartet. Denn Art.  6 Abs.  2 Rom  I-VO ist im Verhältnis des Verbraucherstatuts zu jedem ande­ ren Recht anwendbar. Dagegen erfordert das Richtlinienkollisionsrecht lediglich Schutz bei der Wahl des Rechts eines Drittstaates, woraus in Art.  46b EGBGB abgeleitet wird, dass es sich um einen Staat handeln muss, der nicht Vertragsstaat des EWR-Abkommens ist. Die EU kann jedoch ein Schutzniveau einrichten, das höher ist als das im Richtlinienkollisionsrecht. Es ist dabei allerdings zu beach­ ten, dass Art.  6 Abs.  2 Rom  I-VO den Verbraucher generell vor einer Abwei­ chung vom Verbraucherstatut schützen soll,433 und bezieht sich dabei nicht nur auf den Verbraucherschutz, der auf Unionsrichtlinien beruht. Art.  6 Abs.  2 Rom  I-­ VO bezieht sich ebenso auf zwingende Verbraucherschutznormen, die ein Staat von sich aus ohne Anleitung der EU geschaffen hat434. Wenn es dagegen um unionsrechtlichen Verbraucherschutz geht, bezieht sich die Schutzfunktion von Art.  6 Abs.  2 Rom  I-VO typischerweise auf die Konstellation, die auch Art.  46b Abs.  1 EGBGB zugrunde liegt: Das Recht eines Nicht-EU-Mitgliedstaates ist durch Rechtswahl berufen worden, um so weit wie möglich der Wirkung des unionsrechtlichen Verbraucherschutzes zu entgehen. 2. Streichung von Art.  23 Rom  I-VO Ein wesentlicher Aspekt des Lösungskonzepts besteht darin, dass das Richtlinien­ kollisionsrecht keinen Vorrang vor der Rom  I-VO haben darf. Wenn man in Art.  23 Rom  I-VO lediglich die Kodifizierung des lex specialis-Grundsatzes sieht,435 ist 433 

Martiny in: MüKoBGB, Art.  6 Rom  I-VO, Rdn.  54. Martiny in: MüKoBGB, Art.  6 Rom  I-VO; Rdn.  56. 435  Martiny in: MüKoBGB, Art.  23 Rom  I-VO, Rdn.  7. 434 

440

2. Teil – 3.  Abschnitt: Verfolgung einer konsequenten Verbindung

die Entfernung dieser Vorschrift nur ein erster Schritt. Daneben muss man sich klar machen, dass die Mitgliedstaaten von der entsprechenden Richtlinienvor­ schrift nur dazu verpflichtet sind, die zur Sicherstellung der internationalen Gel­ tung des Richtlinienschutzniveaus erforderlichen Maßnahmen zu treffen436 – so­ weit dieser Schutz also nicht bereits durch Unionsrecht gewährleistet ist. Was die Mitgliedstaaten an erforderlichen Maßnahmen zu treffen haben, bestimmt sich also aus der Perspektive des bereits auf EU-Ebene vorhandenen Verbraucher­ schutzniveaus. Je höher damit das Schutzniveau in Art.  6 Rom  I-VO wäre, desto weniger müssten die Mitgliedstaaten durch eigene Kollisionsrechtskodifizierun­ gen tun. 3. Klarstellungen hinsichtlich des sachlichen Anwendungsbereichs von Art.  6 Rom  I-VO Als dritter Punkt ist anzumerken, dass inhaltliche Anpassungen von Art.  6 Rom  I-VO zur Sicherheit vorzunehmen wären, um keine sachliche Einschrän­ kung des Verbraucherschutzes zu verursachen. Die Ausschlussbereiche in Art.  6 Abs.  4 Rom  I-VO betreffen die in Art.  46b EGBGB genannten Richtlinien größ­ tenteils nicht. Insbesondere ist die Bereichsausnahme Art.  6 Abs.  4 lit.  c Rom  I-­ VO ausdrücklich nicht auf Teilnutzungsrechte an Immobilien im Sinne der Richtlinie 94/47/EG anwendbar. Als problematisch könnte sich die Bereichsausnahme Art.  6 Abs.  4 lit.  d Rom  I-VO in Hinblick auf die Richtlinie 2002/65/EG437 darstellen. Zwar wird angenommen, dass die verbraucherspezifischen Fragen – und eine solche regelt die Richtlinie ihrem Titel zufolge offensichtlich – von der in dieser Vorschrift Rückausnahme erfasst sind.438 Dennoch ist diese Rückausnahme nicht so deut­ lich formuliert wie etwa diejenige in lit.  c zugunsten der Richtlinie 94/47/EG. Daher könnte es sich zur Klarstellung als sinnvoll erweisen, die Richtlinie 2002/65/EG ausdrücklich mit einem vorangestellten „insbesondere“ in Art.  6 Abs.  4 lit.  d Rom  I-VO einzufügen. Art.  6 Abs.  4 lit.  c Rom  I-VO zeigt darüber hinaus, dass eine Einschränkung des Verbraucherschutzes nicht zu erwarten ist, wenn diejenigen Bereiche, welche die Richtlinien betreffen, von Art.  6 Rom  I-VO ausgenommen sind. Denn die 436 

Siehe dazu Art.  6 Abs.  2 EWG-Klauselrichtlinie, Art.  9 EG-Time-sharing-Richtlinie, Art.  12 Abs.  2 EG-Fernabsatzrichtlinie, Art.  7 Abs.  2 EG-Verbrauchsgüterkaufrichtlinie, Art.  12 Abs.  2 EG-Finanzdienstleistungsfernabsatzrichtlinie. 437  Richtlinie 2002/65/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. September 2002 über den Fernabsatz von Finanzdienstleistungen an Verbraucher und zur Änderung der Richtlinie 90/619/EWG des Rates und der Richtlinien 97/7/EG und 98/27/EG (ABl. EG 2002 Nr. L 271/16). 438  Martiny in: MüKoBGB, Art.  6 Rom  I-VO, Rdn.  33.

3. Kapitel: Verhinderung der Zweckverfehlung aufgr. fehlerhafter Verbindung

441

Schutzfunktion der Richtlinie 94/47/EG war bereits in Art.  29a EGBGB vorge­ sehen, so dass die Bereichsausnahme in Art.  6 Abs.  4 lit.  c Rom  I-VO hierauf offensichtlich abgestimmt wurde. Daraus kann abgeleitet werden, dass auch für neues Richtlinienkollisionsrecht ggf. einschlägige Bereichsausnahmen in Art.  6 Rom  I-VO reduziert würden, wenn hierdurch die Anwendung einer verbraucher­ schützenden Richtlinie ausgeschlossen werden sollte. Daneben sollte die Anregung des deutschen Gesetzgebers in Art.  46b Abs.  4 Nr.  1 EGBGB aufgenommen werden und Art.  6 Rom  I-VO auf Teilnutzungs­ verträge und die weiteren dort genannten Vertragstypen auch dann anwendbar sein, wenn die Immobilie, die Gegenstand derartiger Verträge ist, im Hoheits­ gebiet eines EU-Mitgliedstaates liegt. Denn die Erwägung, dass sich aus der Be­ legenheit eine den Fällen des Art.  6 Abs.  1 Rom  I-VO mindestens vergleichbare Nähebeziehung ergibt,439 ist im IPR nicht unbekannt. Dies zeigt sich z. B. an Art.  4 Abs.  1 lit.  c Rom  I-VO in Bezug auf Verträge über dingliche Rechte an unbeweglichen Sachen sowie die Miete oder Pacht unbeweglicher Sachen. 4. Auswirkungen auf die nationale Ebene: Anpassung des räumlichen Bezugs in Art.  46b EGBGB Schließlich ist auch der räumliche Bezug in Art.  46b EGBGB anzupassen. a) Anpassung von Art.  46b Abs.  1 und 2 EGBGB Einerseits erfordert es die Begrenzung der Vorschrift auf die Anwendung zu­ gunsten von EWR-Staaten, die nicht der EU angehören, dass nach Art.  46b EGB­ GB auch nur die Vorschriften eines solchen EWR-Staates zur Umsetzung der genannten Richtlinien berufen werden können. Dazu ist lediglich der räumliche Bezug bei der Bestimmung des engen Zusammenhangs in Art.  46b Abs.  1 und 2 EGBGB zu ändern: Anstatt eines Mitgliedstaats der Europäischen Union oder eines anderen Vertragsstaats des Abkommens über den Europäischen Wirtschafts­ raum müsste dieser Bezug auf einen Vertragsstaat des Abkommens über den Eu­ ropäischen Wirtschaftsraum, der nicht Mitgliedstaat der Europäischen Union ist, reduziert werden. Der fehlende Bezug auf die Mitgliedstaaten der EU schadet an dieser Stelle nicht. Da Art.  46 Abs.  2 Nr.  1 und Nr.  2 EGBGB es jeweils in der zweiten Alter­ native bereits ausreichen lassen, dass der Unternehmer in einem Vertragsstaat des EWR, in dem der Verbraucher seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat, eine be­ rufliche oder gewerbliche Tätigkeit ausübt bzw. der Unternehmer eine solche Tätigkeit auf nur einen Vertragsstaat des Abkommens über den EWR ausgerich­ 439  Siehe auch Martiny in: MüKoBGB, Art.  46b EGBGB, Rdn.  86; Mankowski in: Reith­ mann/Martiny, Internationales Vertragsrecht, 6.2410 f.; Junker, IPRax 1998, 65, 72.

442

2. Teil – 3.  Abschnitt: Verfolgung einer konsequenten Verbindung

tet hat – freilich solange der Vertrag in den Bereich dieser Tätigkeit fällt –, ist es z. B. für die Anwendung der norwegischen Umsetzung der Richtlinie nicht erfor­ derlich, dass die damit verbundene geschäftliche Tätigkeit neben Norwegen auch auf Schweden und Finnland ausgerichtet ist. Wenn dies gleichwohl der Fall wäre, läge darin andererseits auch kein zusätzlicher Wert. Entsprechend kann die EU als Bezugspunkt des Ausrichtens in Art.  46b Abs.  2 EGBGB entfallen. Andererseits sollte der Bezug zur EU nicht gänzlich gelöscht werden. Würde man z. B. Art.  46b Abs.  1 EGBGB bereits dann anwenden, wenn das Recht eines EU-Mitgliedstaates gewählt ist – also auch die EU-Mitgliedstaaten zu Drittstaa­ ten i. S. v. Art.  46b Abs.  1 EGBGB erklären –, ginge das über die eigentlich an­ visierte Komplementärschutzfunktion der Vorschrift440 hinaus. Denn nach wie vor schreibt das Richtlinienkollisionsrecht nur Maßnahmen zum Schutz vor der Wahl des Rechts eines Staates vor, der durch die Richtlinie nicht gebunden ist, also eines Nicht-EWR-Vertragsstaates. Es ist nämlich davon auszugehen, dass das Verbraucherschutzniveau in der EU genauso hoch ist wie in den anderen EWR-Staaten. Eine Erstreckung auf den Schutz des Verbrauchers vor der Wahl des Rechts eines EU-Mitgliedstaates ist daher nicht erforderlich. Vor dem Hintergrund dieser Erwägungen würde sich ein Formulierungsvor­ schlag zu Art.  46b Abs.  1 EGBGB so gestalten: „(1) Unterliegt ein Vertrag auf Grund einer Rechtswahl nicht dem Recht eines Mitgliedstaates der europäischen Union oder eines anderen Vertragsstaats des Abkommens über den europäischen Wirtschaftsraum, weist der Vertrag jedoch einen engen Zusammenhang mit dem Gebiet eines Staates des Abkommens über den europäischen Wirtschaftsraum auf, der nicht Mitgliedstaat der Europäischen Union ist, so sind die im Gebiet dieses Staates gel­ tenden Bestimmungen zur Umsetzung der Verbraucherschutzrichtlinien gleichwohl anzuwenden.“ Ein Formulierungsvorschlag für Art.  46 Abs.  2 EGBGB würde entsprechend l­auten: „(2) Ein enger Zusammenhang ist insbesondere anzunehmen, wenn der Unter­ nehmer   1. in dem Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirt­ schaftsraum, in dem der Verbraucher seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat, eine beruf­liche oder gewerbliche Tätigkeit ausübt oder   2. eine solche Tätigkeit auf irgendeinem Wege auf diesen Vertragsstaat oder auf mehrere Staaten, einschließlich dieses Staates, ausrichtet,   und der Vertrag in den Bereich dieser Tätigkeit fällt.“ 440 

Martiny in: MüKoBGB, Art.  23 Rom  I-VO, Rdn.  1.

3. Kapitel: Verhinderung der Zweckverfehlung aufgr. fehlerhafter Verbindung

443

b) Anpassung von Art.  46b Abs.  4 EGBGB Wenn Art.  6 Rom  I-VO auch auf die in Art.  46b Abs.  4 EGBGB erstreckten Ver­ tragsformen anwendbar ist, könnte auch Art.  46b Abs.  4 EGBGB auf den Bezug zu einem Vertragsstaat des EWR beschränkt werden. Wie in Art.  46b Abs.  1 EGBGB kann jedoch auch hier der Bezug auf das Recht eines Mitgliedstaates der Europäischen Union aufgegeben werden. Der Formulierungsvorschlag zu Abs.  4 würde in diesem Fall lauten: „(4) Unterliegt ein Teilnutzungsvertrag, […], so darf Verbrauchern der in Um­ setzung dieser Richtlinie gewährte Schutz nicht vorenthalten werden, wenn   1. eine der betroffenen Immobilien im Hoheitsgebiet eines Vertragsstaats des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum belegen ist, oder   2. […], der Unternehmer eine gewerbliche oder berufliche Tätigkeit in ei­ nem Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschafts­ raum ausübt oder diese Tätigkeit auf irgendeine Weise auf einen solchen Staat ausrichtet und der Vertrag in den Bereich dieser Tätigkeit fällt.“ III. Vor- und Nachteile eines solchen Konzeptes 1. Nachteile Der Nachteil dieser Lösung ist zunächst die Komplexität des gemeinsamen Vor­ gehens von EU und Mitgliedstaaten, da eine Koordinierung aufgrund der Verein­ barung verschiedener Ansichten schwieriger ist als ein alleiniges Vorgehen eines einzelnen Mitgliedstaates. Rechtlich problematisch könnte auch sein, dass der Mitgliedstaat nicht nur die Aufgabe, sondern auch die Pflicht hat, das Richtlinienkollisionsrecht als Richtli­ nienbestandteil umzusetzen. Allerdings wird mit obigem Lösungsvorschlag nicht die Pflicht der Mitgliedstaaten zur Richtlinienumsetzung bestritten. Der Mit­ gliedstaat muss aber auch nur insoweit zusätzliche nationale Regelungen schaf­ fen, als mit dem nationalen Recht der Richtlinienzweck noch nicht erreicht wer­ den kann. Da Art.  6 Rom  I-VO Bestandteil des nationalen Rechts ist und für die internationale Durchsetzung der nationalen Umsetzungsvorschriften sorgen wür­ de – denn diese sind aufgrund des Verbraucherschutzzwecks als zwingend anzu­ sehen441 –, müsste der Mitgliedstaat nicht tätig werden, soweit Art.  6 Rom  I-VO gilt. Einer Umsetzung bedarf es also nur insoweit, als der Vertrag einen engen Bezug zu einem EWR-Staat hat, der nicht EU-Mitgliedstaat ist.

441 

Staudinger in: Ferrari/Kieninger/Mankowski u. a., Art.  6 Rom  I-VO, Rdn.  1.

444

2. Teil – 3.  Abschnitt: Verfolgung einer konsequenten Verbindung

2. Vorteile Gegenüber den wenigen Nachteilen dieser Lösung sind gewichtige Vorteile zu beachten. Zunächst würde die Maßnahmendoppelung aus Art.  6 Rom  I-VO und Art.  46b EGBGB mit ihren Nachteilen vermieden werden und damit auch eine punktuelle Entwertung des in der Kollisionsrechtsverordnung vorgesehenen Me­ chanismus’. Gleichzeitig könnten die Erfahrungen einer bereits seit längerer Zeit bestehenden Kollisionsnorm genutzt werden, die sich bereits im Allgemeinen bewährt hat.442 Zudem würde diese Lösung sogar dazu führen, dass der Günstigkeitsvergleich auf das Verhältnis der EU zu den Nicht-EU-Mitgliedstaaten des EWR ausgewei­ tet würde, zumindest bei Wahl des Rechts eines Staates aus letzterer Gruppe bei enger Beziehung des Sachverhalts zum Recht eines EU-Mitgliedstaates. Durch die weite Formulierung in Art.  6 Abs.  2 S.  2 Rom  I-VO wäre dann auch eine Wortlautanpassung wie in Art.  46b Abs.  1 EGBGB443 nicht notwendig. Diese Regelungskonzentration wäre dem Kollisionsrecht nicht fremd, da sie der Entwicklung im Internationalen Versicherungsvertragsrecht durchaus ähn­ lich ist. Dort hatte man sich für die Ausgestaltung der Rechtswahloptionen für Versicherungsverträge über Masserisiken in Art.  7 Abs.  3 Rom  I-VO am Inhalt der Richtlinien 73/239/EWG vom 24.7.1973 und 88/357/EWG vom 22.6.1988 zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften für die Direkt­ versicherung (mit Ausnahme der Lebensversicherung) und zur Erleichterung der tatsächlichen Ausübung des freien Dienstleistungsverkehrs orientiert. Die Kolli­ sionsnormen in Art.  7 Rom  I-VO finden in diesem Zusammenhang anstelle des Richtlinienkollisionsrechts Anwendung. Grundlegende Definitionen wie für den Staat, in dem das Risiko belegen ist, bestimmen sich dagegen für Lebensver­ sicherungen noch nach Art.  1 Abs.  1 lit.  g der Richtlinie 2002/83/EWG bzw. für alle anderen Arten von Versicherungsverträgen i. S. v. Art.  7 Rom  I-VO nach Art.  2 lit.  d der Zweiten Richtlinie 88/357/EWG.

442  443 

Siehe zu diesem Kriterium oben S.  154. Vgl. dazu soeben S.  441.

4.  Kapitel

Vermeidung inkonsequenter Regelungskonzepte bei Anerkennung und Vollstreckung Auch die Umstrukturierung von Anerkennung und Vollstreckung in den neuen Verordnungen – gemeint sind in diesem Zusammenhang die EuUnthVO und die Brüssel Ia-VO – ist nicht konsequent. Bei der EuUnthVO betrifft dies die Reduk­ tion der Anerkennungs- und Vollstreckungsversagungsprüfung um den ordre ­public sowie die Regelung, der zuständigen Behörde hinsichtlich der Versagung der Anerkennung bei einander widersprechenden Entscheidungen einen Ermes­ sensspielraum zu gewähren (dazu §  1). Im Rahmen der Brüssel Ia-VO sind zu­ dem die Abstimmung der Verfahrenskoordinationsnormen und die Wirkungen einander widersprechender Entscheidungen nicht konsequent (§  2).

§  1 Inkonsequentes Regelungskonzept bei Umgestaltung von Anerkennungs- und Vollstreckungsversagungsgründen in der EuUnthVO Die Umgestaltung der Anerkennungs- und Vollstreckungsversagungsgründe der EuUnthVO ist bei den Regelungen für die durch das HUP 2007 gebundenen EU-Mitgliedstaaten inkonsequent im Vergleich zu vergleichbaren Regelungen der anderen EU-Verordnungen. Das Beispiel der Reduktion des Katalogs um die ordre public-Kontrolle stellt einen Fall dar, in dem diese Inkonsequenz nicht nützlich ist und daher rückgängig zu machen ist (dazu A.). Demgegenüber zeigt das Beispiel der Kontrolle bei widersprüchlichen Entscheidungen in Art.  21 Abs.  2 UAbs.  2 EuUnthVO, dass bei einem Regelungskonzept, das mit mehre­ ren, im konkreten Fall auseinander laufenden Koordinationsmethoden in Verbin­ dung steht, eine Inkonsequenz in die eine Richtung akzeptabel ist, solange diese Inkonsequenz durch eine entsprechende Gestaltung und Handhabung der Rege­ lung ausgeglichen werden kann (dazu B.).

446

2. Teil – 3.  Abschnitt: Verfolgung einer konsequenten Verbindung

A. Reduktion der Anerkennungs- und Vollstreckungsversagungsgründe um den ordre public Die EuUnthVO differenziert u. a. hinsichtlich der ordre public-Kontrolle zwischen Mitgliedstaaten, die durch das HUP 2007 gebunden sind, und solchen, die es nicht sind. Die Differenzierung kann nun entweder aufgelöst werden, indem die ordre public-Kontrolle wie zuvor auch für alle Entscheidungen aus einem anderen Mit­ gliedstaat vorgenommen wird, unabhängig von der Bindung an ein Übereinkom­ men – oder man schafft sie für beide Gruppen von Mitgliedstaaten ab. Wenn man die ordre public-Kontrolle für alle Mitgliedstaaten abschafft, stellt sich die Frage, ob die bei Anerkennung und Vollstreckung betroffenen Interessen von Vollstreckungsgläubiger und Vollstreckungsschuldner richtig abgewogen sind. Einerseits profitiert sowohl das allgemeine Interesse der Beschleunigung der Entscheidungsvollstreckung im europäischen Raum der Freiheit, der Sicher­ heit und des Rechts als auch der Vollstreckungsgläubiger, dessen Anspruch bei beschleunigter Durchsetzung mit höherer Wahrscheinlichkeit mit Erfolg voll­ streckt wird. Gleichzeitig ist der Wert von Anerkennungs- und Vollstreckungshinderungs­ gründen zugunsten des Vollstreckungsschuldners nicht zu unterschätzen. Es be­ steht innerhalb der EU nicht das Problem, dass eine solche Kontrolle im Prozess der Entscheidungsfindung selbst ausbleiben würde. Die Mitgliedstaaten, die an das HUP 2007 gebunden sind, müssen sie aufgrund von Art.  15 EuUnthVO i. V. m. Art.  13 HUP 2007 durchführen; die nicht gebundenen Mitgliedstaaten kontrollieren ebenfalls das Ergebnis der Anwendung ausländischen Rechts auf Vereinbarkeit mit dem ordre public.444 Es ist zwar richtig, dass man innerhalb der EU aufgrund der EU-Verträge, der EMRK sowie der EU-Grundrechte von einem vergleichbaren ordre public-Niveau ausgehen kann;445 das führt typischerweise zu Entscheidungen, die in anderen EU-Mitgliedstaaten problemlos anerkannt werden könnten, da sie dann typischerweise auch nicht gegen den ordre public des Anerkennungsstaates verstoßen. Wenn man vor diesem Hintergrund zu der Ansicht gelangt, dass eine ordre public-Kontrolle nicht mehr erforderlich ist, übersieht man jedoch zwei Arten von Einzelfällen. Erstens kann es immer noch vereinzelt Normen im Recht ande­ rer EU-Mitgliedstaaten geben, deren Anwendung zu einem Ergebnis führt, das mit dem ordre public des Zielstaates nicht vereinbar ist. Ohne ordre public-Kon­ trolle wäre es z. B. zur obligatorischen Anerkennung eines französischen Urteils in Deutschland gekommen, das unter Anwendung von Art.  630 S.  1 CPC a. F. zustande gekommen war, wonach der Verteidiger einer Angeklagten, der nicht in 444  445 

Siehe oben S.  367. Vgl. nur Martiny in: MüKoBGB, Art.  21 Rom  I-VO, Rdn.  3.

4. Kapitel: Vermeidung inkonsequenter Regelungskonzepte

447

der Hauptverhandlung zugegen war, diese Person weder im Straf- noch im Ad­ häsionsverfahren vertreten durfte.446 Dahinter steht ebenfalls der Gedanke, den Vollstreckungsschuldner nicht mit einer an erheblichen Mängeln leidenden Ent­ scheidung in seiner Vermögensposition zu belasten, was gerade dann bedeutend erscheint, wenn man sich vor Augen führt, dass die ordre public-Kontrolle fun­ damentale prozessuale Rechte wie das Recht auf richterliches Gehör in Art.  6 EMRK schützt.447 Zweitens könnte ein Zielstaat nicht verhindern, dass die Gerichte des Ur­ sprungsstaates im Einzelfall unter Verkennung wichtiger Grundprinzipien ihres eigenen Rechts oder aufgrund eines Prozessbetruges des späteren Anerkennungsund Vollstreckungsgläubigers448 zu einem Ergebnis gekommen sind, das gegen den ordre public des Zielstaats verstößt, auch wenn bei korrekter Anwendung des Rechts des Ursprungsmitgliedstaates es zu einem solchen Ergebnis eigent­ lich nicht hätte kommen dürfen. So wäre z. B. die Entscheidung eines französi­ schen Richters, der aufgrund von US-amerikanischem Recht punitive damages gewährt, ohne ordre public-Kontrolle in Deutschland ohne Weiteres vollstreck­ bar, obwohl vor dem französischen Gericht wegen Art.  21 Rom  I-VO punitive damages in demselben Umfang ordre public-widrig wären wie vor einem deut­ schen und jedem anderen EU-Gericht auch.449 Die Aufgabe der ordre public-­ Kontrolle bedeutet damit den Verlust eines wichtigen Korrekturinstruments für den Anerkennungs- und Vollstreckungsmitgliedstaat. Der Vorschlag richtet sich also insbesondere darauf, dass die ordre public-­ Kontrolle weiterhin als Anerkennungs- und Vollstreckungshindernis in EU-Ver­ ordnungen vorgesehen wird. Das Konzept der Brüssel Ia-VO ist insoweit als Hoffnung zu sehen, dass darin die Gestaltung der EuUnthVO nicht übernommen wurde. Damit hat sich gleichzeitig gezeigt, dass unmittelbare Vollstreckung nicht bedeutet, dass von der ordre public-Kontrolle vollständig Abstand genommen werden muss. Dass der Vollstreckungsschuldner vor solchen Fehlern in Einzel­ entscheidungen auch bei der unmittelbaren Vollstreckung geschützt werden muss, obwohl die Rechtsordnung des Ursprungsstaates an sich als in ausreichen­ dem Maße vertrauenswürdig angesehen werden kann, hat der EU-Gesetzgeber in Art.  45 Brüssel Ia-VO gesehen und daher die ordre public-Kontrolle im Katalog 446 

EuGH, Urt. v. 28.3.2000, C-7/98, Krombach v. Bamberski, Slg. 2000, I-1935; vgl. auch EuGH, Urt. v. 2.4.2009, C-394/07, Gambazzi v. DaimlerChrysler Canada Inc. u.a, Slg. 2009, I-2563; Rauscher, IPR, Rdn.  2427. 447  Vgl. Rauscher, IPR, Rdn.  2428. 448  Siehe dazu BGH, Beschl. v. 6.5.2004 – IX ZB 43/30, IPRax 2006, 47, 49; Rauscher, IPR, Rdn.  2428. 449  Erwägungsgrund Nr.  32 Rom  II-VO; siehe auch Junker in: MüKoBGB, Art.  26 Rom  IIVO, Rdn.  27.

448

2. Teil – 3.  Abschnitt: Verfolgung einer konsequenten Verbindung

der Anerkennungs- und Vollstreckungsversagungsgründe belassen. So ist bislang nur die Umgestaltung von Anerkennung und Vollstreckung in der EuUnthVO für durch das HUP 2007 gebundene EU-Mitgliedstaaten kritikwürdig; immerhin hatte der EU-Gesetzgeber die Anerkennungsversagungsgründe des Art.  34 Brüs­ sel I-VO insgesamt auch auf Entscheidungen in Unterhaltssachen für anwendbar erklärt. Da der Abschluss des HUP 2007 an der Möglichkeit von ordre public-­ Verstößen in Einzelentscheidungen nichts ändert, ist der Paradigmenwechsel der EuUnthVO nicht auf andere Verordnungen zu übertragen und darüber hinaus im Rahmen der EuUnthVO bei einer Verordnungsrevision zu korrigieren.

B. Ermessenspielraum der zuständigen Behörde beim Versagungsgrund einander widersprechender Entscheidungen statt zwingender Berücksichtigung Dagegen kann eine konzeptionelle Inkonsequenz durchaus vertretbar sein, wenn hierdurch eine andere, ggf. schwerer wiegende konzeptionelle Inkonsequenz vermieden werden soll. Dies zeigt sich bei Art.  21 Abs.  2 UAbs.  2 EuUnthVO. Dieser beruht auf einer Orientierung an Art.  22 lit.  d HUÜ 2007, der ebenfalls eine Ermessensentscheidung hinsichtlich einander widersprechender Entschei­ dungen vorsieht. Für diese Orientierung war es jedoch gleichzeitig nicht mög­ lich, einen konzeptionellen Gleichlauf mit der Gestaltung der Anerkennungsund Vollsteckungsversagung mit z. B. Art.  34 Nr.  3, 4 Brüssel I-VO herzustellen, der gerade keine Ermessensentscheidung vorsieht. Der Gesetzgeber musste also wählen, welcher Koordination er den Vorzug geben würde.450 Vor diesem Hintergrund zeigt sich, dass der Gesetzgeber mit seinem Koordi­ nationsansatz einen Mittelweg zwischen beiden Methoden gesucht hat. Denn hätte er einen Gleichlauf mit Art.  34 Nr.  3, 4 Brüssel I-VO vorrangig angestrebt, wäre gleichzeitig eine Parallelität mit Art.  22 lit.  d HUÜ 2007 wegen des zwin­ genden451 Charakters von Art.  34 Nr.  3, 4 Brüssel I-VO nicht möglich gewesen. Demgegenüber eröffnet die Orientierung von Art.  21 Abs.  2 UAbs.  2 EuUnthVO an Art.  22 lit.  d HUÜ 2007 auch eine potenzielle Freiheit in Bezug auf eine An­ näherung an Art.  34 Nr.  3, 4 Brüssel I-VO bzw. nunmehr Art.  45 lit.  c, d Brüssel Ia-VO. Dies würde es jedoch erfordern, dass das Ermessen der Behörden nach Art.  21 EuUnthVO nicht zu weit gefasst ist. Problematisch ist dabei allerdings, dass das Ermessen in Art.  21 Abs.  2 UAbs.  2 EuUnthVO nicht spezifiziert ist.452 Derzeit werden in diesem Zusammenhang 450 

Vgl. Lipp in: MüKoFamFG2, Art.  21 EuUnthVO, Rdn.  20. Vgl. Lipp in: MüKoFamFG2, Art.  21 EuUnthVO, Rdn.  21. 452  Siehe schon oben S.  172. 451 

4. Kapitel: Vermeidung inkonsequenter Regelungskonzepte

449

einzelne Kriterien für bestimmte Konfliktkonstellationen vorgeschlagen. So soll bei Unvereinbarkeit zweier Unterhaltsentscheidungen zwischen denselben Par­ teien die spätere Vorrang haben, da es im Unterhaltsrecht auf die Lebensver­ hältnisse ankommt; eine Ausnahme soll jedoch dann anzunehmen sein, wenn die zweite Entscheidung unter Verstoß gegen die Vorschriften zur Rechtshängig­keit nach Art.  12 EuUnthVO zustande gekommen ist.453 Dagegen soll bei Kon­ flikt einer Unterhalts- mit einer Statusentscheidung wie einem Scheidungsur­ teil454 die Statusentscheidung aufgrund deren überragender Bedeutung im Voll­ streckungsstaat immer Vorrang haben.455 Die genannten Kriterien enthalten wie im Falle des Vorrangs der Statusent­ scheidung vor der Unterhaltsentscheidung im Grundsatz eine klare Vorrangge­ staltung, so dass eine gewisse Ermessensreduzierung erkennbar ist. Dies führte zu einer Annäherung von Art.  21 Abs.  2 UAbs.  2 EuUnthVO an Art.  34 Nr.  3, 4 Brüssel I-VO, die sich nunmehr in Art.  45 lit.  c, d Brüssel Ia-VO fortsetzt. Wenn sich auch der EuGH an diesen Kriterien orientiert und sie darüber hinaus aus­ baut, gäbe dies dieser Ermessensreduktion gleichzeitig ein gewisses Maß an uni­ onsweit gültiger Bestimmtheit, was den behördlichen internationalen Entschei­ dungseinklang in der EU gewährleisten würde. Da die Kriterien jedoch auch Ausnahmen zulassen, behält Art.  21 Abs.  2 UAbs.  2 EuUnthVO die vom EU-Gesetzgeber gewollte inhaltliche Parallelität zu Art.  22 lit.  d HUÜ 2007. Insbesondere der Gedanke, einer der einander wider­ sprechenden Entscheidungen allein schon deshalb nicht den Vorrang zu gewäh­ ren, weil sie unter Verstoß gegen die Regeln der Verfahrenskoordination zustan­ de gekommen ist, ist zum einen aufgrund seiner Anknüpfung an Unionsverfah­ rensrecht bestimmt genug, so dass die Rechtssicherheit weiterhin gewährleistet bleibt. Zum anderen steckt darin ein Aspekt, der für diese Anerkennungs- und Vollstreckungsversagungsgründe der einander widersprechenden Entscheidun­ gen dazu führt, zu fragen, wie konsequent die starren Vorrangregeln in den ande­ ren Verordnungen tatsächlich sind.456

453 

Lipp in: MüKoFamFG2, Art.  21 EuUnthVO, Rdn.  22. EuGH, Urt. v. 4.2.1988, 145/86, Hoffmann v. Krieg, Slg. 1988, 645, Rdn.  25. 455  Lipp in: MüKoFamFG2, Art.  21 EuUnthVO, Rdn.  23; Andrae/Schimrick in: Rauscher, Art.  21 EG-UntVO, Rdn.  13. 456  Dazu sogleich in §  2. 454 

450

2. Teil – 3.  Abschnitt: Verfolgung einer konsequenten Verbindung

§  2 Inkonsequente Koordination bei der Anerkennung von einander widersprechenden Entscheidungen Wenn die Anerkennungsversagungsgründe in Art.  45 Abs.  1 lit.  c, d Brüssel IaVO zur Anwendung kommen, sind möglicherweise im Verhältnis von Mitglied­ staaten der Brüssel Ia-VO die Regeln zur Verfahrenskoordination in Art.  29 ff. Brüssel Ia-VO missachtet worden.457 Freilich muss dies nicht so sein, da sich die Unvereinbarkeit nicht aus dem Streitgegenstand, sondern den Wirkungen der Entscheidungen ergibt,458 die Normen der Verfahrenskoordination jedoch ledig­ lich mehrere gleichzeitige Gerichtsverfahren über denselben Streitgegenstand verhindern. Jedenfalls ergeben sich aus einem Verstoß gegen die Regeln der Ver­ fahrenskoordination in den Vorschriften zur Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen der EU-Verordnungen keine unmittelbaren Konsequenzen.459

A. Vorrang der inländischen Entscheidung Im Falle des Konfliktes einer Entscheidung durch ein Gericht des Anerkennungs­ staates und einer ausländischen Entscheidung wird der inländischen Entschei­ dung der Vorrang eingeräumt. Anders als beim Widerspruch zweier ausländi­ scher Entscheidungen kommt es dabei nicht auf den Zeitpunkt an, zu dem die inländische Entscheidung ergangen ist.460 Ebenso wenig wird darauf Bezug ge­ nommen, ob die inländische Entscheidung unter Verstoß gegen die Vorschriften zur Verfahrenskoordination zustande gekommen ist. Wenn also z. B. ein deut­ sches und ein spanisches Gericht nach der Brüssel Ia-VO – allerdings keines von beiden ausschließlich – zuständig sind und das spanische Gericht zuerst angeru­ fen wurde, das deutsche Gericht aber sein Verfahren nicht aussetzt, hat gemäß Art.  45 Abs.  1 lit.  c Brüssel Ia-VO die Entscheidung des deutschen Gerichts in Deutschland in jedem Fall Vorrang, auch wenn die spanische Entscheidung frü­ her ergangen ist. Es ist zwar richtig, dass auf diese Weise das Problem einander widersprechen­ der Entscheidungen beseitigt wird. Der Fokus sollte dabei jedoch nicht nur da­ rauf liegen, unvereinbare Entscheidungen außerhalb der Verfahrenskoordinations­ regelungen zu verhindern, sondern auch darin bestehen, die Einhaltung eben dieser Regelungen durchzusetzen. Es ist zumindest inkonsequent, zunächst de­ 457 

Vgl. Leible in: Rauscher, EuZPR/EuIPR, Art.  45 Brüssel Ia-VO, Rdn.  61 und bereits zur Brüssel I-VO Kropholler/v. Hein, Art.  34 EuGVO, Rdn.  47. 458  EuGH, Urt. v. 4.2.1988, 145/86, Hoffmann v. Krieg, Slg. 1988, 645, Rdn.  22. 459  Vgl. neben der Brüssel Ia-VO: Art.  22 lit.  c Brüssel IIa-VO, Art.  24 lit.  c EuUnthVO, Art.  37 lit.  c EuGüterVO, Art.  37 lit.  c EuPartVO sowie Art.  40 lit.  c EuErbVO. 460  Stadler in: Musielak/Voit, ZPO, Art.  45 Brüssel Ia-VO, Rdn.  12.

4. Kapitel: Vermeidung inkonsequenter Regelungskonzepte

451

tailreich die Verfahrenskoordination zu regeln und festzulegen, welchem Gericht wann Priorität zukommt, und dann, wenn diese Regeln noch nicht einmal beach­ tet wurden, ihnen keinerlei Bedeutung mehr beizumessen, sondern stattdessen im Rahmen der Anerkennung ein anderes Maß anzulegen.

B. Zeitliche Priorität bei zwei ausländischen Entscheidungen Dasselbe gilt für den Fall, dass zwei ausländische Entscheidungen um die Aner­ kennung konkurrieren.461 Zwar wird hier auf die zeitliche Priorität abgestellt, und es liegt durchaus nahe anzunehmen, dass dasjenige Gericht, das zuerst ange­ rufen wurde, typischerweise auch zuerst zu einer Entscheidung gelangen wird. Doch erstens muss das nicht so sein, da nicht zuletzt die Torpedofälle darauf beruhen, dass die Gerichte in verschiedenen Staaten unterschiedlich lange Ver­ fahrensdauern haben462. Dies kann wiederum zur Folge haben, dass die Entschei­ dung des Gerichts eines anderen Mitgliedstaates, der die Regeln zur Verfahrens­ koordination nicht beachtet, bei der Anerkennung im Zielstaat Vorrang haben wird. Und zweitens zeigt bereits der Vorrang inländischer vor ausländischen Ent­ scheidungen unabhängig vom Zeitpunkt der Entscheidung, dass es alles andere als zwingend ist, auf die zeitliche Priorität abzustellen. Auch in diesem Fall be­ steht kein Grund, den sachlichen Zusammenhang mit den Vorschriften zur Ver­ fahrenskoordination zu kappen und sich auf die zeitliche Priorität zu verlegen.

C. Lösungskonzept Die folgenden Lösungseckpfeiler beruhen nicht darauf, den Anerkennungs- und Vollstreckungsversagungsgrund der einander widersprechenden Entscheidungen vollständig abzuändern. Vielmehr geht es darum, die aktuellen Regelungen um den Bezug zur Verfahrenskoordination zu ergänzen. Die Ergänzung sollte jedoch nicht nur im Rahmen der EU-Verordnungen bei Entscheidungen aus EU-Mit­ gliedstaaten vorgenommen werden (dazu I.). Darüber hinaus ist dieses Prinzip auch dort sinnvoll, wo Entscheidungen aus Nicht-EU-Mitgliedstaaten eine Rolle spielen und völkerrechtliche Übereinkommen eine den EU-Verordnungen ver­ gleichbare Verfahrenskoordination vorsehen (dazu II.). Ein Konflikt mit dem Verbot der Nachprüfung der Zuständigkeit besteht dagegen nicht (dazu III.).

461  462 

Siehe hierzu nur Dörner in: Sänger, Art.  45 EuGVVO, Rdn.  26. Siehe oben S.  395.

452

2. Teil – 3.  Abschnitt: Verfolgung einer konsequenten Verbindung

I. Lösung im Falle des Konflikts von Entscheidungen aus EU-Mitgliedstaaten Wie bereits angedeutet, ist es im Rahmen der Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen aus EU-Mitgliedstaaten nicht ausreichend, schlicht den Ent­ scheidungen im Anerkennungsstaat oder – im Falle z. B. von Art.  45 Abs.  1 lit.  d Brüssel Ia-VO – der zeitlich zuerst ergangenen Entscheidung den Vorrang einzu­ räumen. Vielmehr muss eine effektive Lösung auch auf diejenigen Normen Be­ zug nehmen, mit denen der Hinderungsgrund in Art.  34 Nr.  3, 4 Brüssel I-VO bzw. Art.  45 Abs.  1 lit.  c, d Brüssel Ia-VO koordiniert werden sollte, nämlich mit Art.  27 ff. Brüssel I-VO bzw. Art.  29 ff. Brüssel Ia-VO. Der effektivste Weg, um zu erreichen, dass diejenige Entscheidung Vorrang hat, die nicht unter Verstoß gegen die Normen der Verfahrenskoordination zustande gekommen sind, liegt konsequenterweise darin, bei den Anerkennungsversagungsgründen den Bezug zu Art.  29 ff. Brüssel Ia-VO herzustellen, wie er bereits weiter oben in dieser Arbeit vorgeschlagen worden ist: und zwar, dass ein Mitgliedstaat keine Ent­ scheidung anerkennen darf, die unter Verstoß gegen solche Verfahrenskoordina­ tionsregeln zustande gekommen ist, wenn der Beklagte diesen Verstoß im Ver­ fahren im Urteilsstaat nicht geltend machen konnte.463 Ein solcher Verstoß ist dann vorrangig zu prüfen und erst subsidiär auf die in Art.  34 Nr.  3, 4 Brüssel I-VO bzw. Art.  45 Abs.  1 lit.  c, d Brüssel Ia-VO genannten Gründe zurückzu­ kommen. Für diese Lösung spricht zum einen, dass sie auf keinem der oben kritisierten Prioritätsgrundsätze beruht, weder aufgrund der Herkunft der Entscheidung noch aufgrund des Entscheidungszeitpunktes. Noch wichtiger ist zum anderen aber der zusätzliche Nutzen, dass hierdurch ein Verstoß gegen Art.  29 ff. Brüssel IaVO in jedem Fall geprüft wird. II. Lösung im Falle des Widerspruchs mit einer Entscheidung aus einem Drittstaat Widersprechen sich die Entscheidung aus einem Mitgliedstaat und eine Ent­ scheidung aus einem Nicht-EU-Mitgliedstaat, können nicht die Regeln über die Verfahrenskoordination wie in Art.  29 ff. Brüssel Ia-VO zugrunde gelegt werden, da sie – wie sich aus Art.  29 Abs.  1 Brüssel Ia-VO ergibt – nur zwischen Mit­ gliedstaaten anwendbar sind. Wenn es also z. B. um den Konflikt zwischen der Entscheidung eines spanischen und eines liechtensteinischen Gerichts geht, ist dieser Konflikt nach Art.  34 Nr.  3 oder 4 LugÜ 2007 zu lösen. Aber auch dann ist es noch nicht zwingend erforderlich, der Entscheidung aus dem Vollstreckungs­ staat (Nr.  3) oder der zeitlich ersten Entscheidung (Nr.  4) den Vorrang einzu­ räumen. Vielmehr ist auch in diesem Zusammenhang auf einen ggf. erfolgten 463 

Siehe oben S.  398.

4. Kapitel: Vermeidung inkonsequenter Regelungskonzepte

453

Verstoß gegen die Verfahrenskoordinationsregeln der Art.  25 ff. LugÜ abzustel­ len und der Entscheidung, die unter einem solchen Verstoß zustande gekommen ist, nicht der Vorrang einzuräumen, selbst wenn sie an sich aufgrund ihrer Her­ kunft oder wegen der zeitlichen Priorität den Vorrang hätte. Erst wenn auch ein solcher Bezug auf ein völkervertragliches Übereinkom­ men nicht möglich ist, ist es angebracht, auf die zeitliche Reihenfolge abzustel­ len. Als letzter Ausweg handelt es sich dabei um eine durchaus brauchbare Lö­ sung. Solange es jedoch möglich ist, zu bestimmen, dass eine Entscheidung unter Verstoß gegen vereinheitlichte Verfahrenskoordinationsnormen zustande gekom­ men ist und damit bei korrekter Anwendung dieser Vorschriften gar nicht erst hätte existieren dürfen, ist die zeitliche Reihenfolge keine nachhaltige Entschei­ dungsgrundlage. III. Konflikt mit dem Verbot der Nachprüfung der Zuständigkeit Der Bezug auf die Verfahrenskoordinationsregeln selbst könnte als Verstoß ge­ gen das Verbot der Nachprüfung der Zuständigkeit464 angesehen werden. Immer­ hin ergibt sich aus diesen Normen für ein Gericht ggf. die Pflicht, sich für unzu­ ständig zu erklären. Eine sachliche Nähe zwischen der Frage, ob ein Gericht überhaupt zuständig war, und derjenigen, ob ein zuständiges Gericht sich geset­ zeswidrig trotz der Zuständigkeit des zuerst angerufenen Gerichts nicht für unzu­ ständig erklärt hat, wird man auch nicht bestreiten können. Es gibt zwischen beiden Regelungskomplexen jedoch einen teleologischen Unterschied. Der Sinn der Gerichtsstandregeln in z. B. Art.  7 Brüssel Ia-VO be­ steht nicht darin, einander widersprechende Entscheidungen zu verhindern, son­ dern negative Kompetenzkonflikte zu vermeiden.465 Daher ist es auch folgerich­ tig, wenn ein Verstoß gegen die Gerichtsstandnormen mangels Zurechnungszu­ sammenhangs keine Auswirkungen auf die Anerkennung und Vollstreckung hat. Der Zweck der Verfahrenskoordinationsnormen hat demgegenüber allerdings eine Korrekturfunktion, die auch einander widersprechende Entscheidungen ver­ hindern soll.466 Zudem wurde im Rahmen von Art.  21 Abs.  2 UAbs.  2 EuUnth­ VO gezeigt, dass es auch Erwägungen gibt, den Gedanken eines Verstoßes gegen die Regeln der Verfahrenskoordination in die Ermessensentscheidung einzube­ ziehen.467 Wenn man sich gleichzeitig vergegenwärtigt, dass Art.  21 EuUnthVO gerade auf Entscheidungen aus EU-Mitgliedstaaten, die durch das HUP 2007 gebunden sind, anzuwenden ist und diese Entscheidungen gemäß Art.  17 Eu­ 464 

Siehe dazu oben S.  112. Siehe dazu oben S.  133. 466  Siehe dazu oben S.  134. 467  Siehe oben S.  448. 465 

454

2. Teil – 3.  Abschnitt: Verfolgung einer konsequenten Verbindung

UnthVO durch die Abschaffung des Exequaturverfahrens im Rahmen der Aner­ kennung und Vollstreckung besonders privilegiert werden sollen, folgt daraus, dass die Einhaltung der Verfahrenskoordinationsregeln ein höheres Gewicht hat als die automatische Anerkennung. Vor diesem Hintergrund rechtfertigt sich je­ denfalls die teleologische Reduktion des Verbots der Nachprüfung der Zustän­ digkeit, soweit es um einen Verstoß gegen die Regeln der Verfahrenskoordinati­ on geht. Das hier vorgeschlagene Lösungskonzept widerspricht diesem Verbot daher nicht.

4.  Abschnitt

Optimierung der Regelungseffizienz Generell sollte danach gestrebt werden, bei der Koordination in IPR und IZVR Regelungen so effizient wie möglich zu gestalten. Wenn es dabei darum geht, z. B. völkervertragliche Rechtsnormen in EU- oder nationalen Normen wortiden­ tisch zu übernehmen, ist eher eine Verweisung auf diese völkervertragliche Norm angezeigt als die Schaffung einer wortidentischen Regelung (dazu Kapitel  1). Eine Steigerung der Regelungseffizienz gerade auf EU-Ebene ist zu erreichen, indem dort, wo die Mitgliedstaaten aufgrund von Öffnungsklauseln eigene ­na­tio­nale Regelungen schaffen oder wo verschiedene nationale Rechtsinstitute aufein­ander treffen können, diese in den entsprechenden EU-Verordnungen in Normen­katalogen zusammenzufassen (dazu Kapitel  2). Schließlich ist darüber nachzudenken, ob Schutzmechanismen wie Günstigkeitsvergleich oder Rechts­ wahlbeschränkung ausgeweitet oder gar verbunden werden sollten, um die mit ihnen verbundene Schutzwirkung noch besser zur Geltung zu bringen (dazu Ka­ pitel  3).

1.  Kapitel

Effizienzbewertung unterschiedlicher Verweisungsformen zwischen verschiedenen Regelungsebenen Angesichts der potenziellen Vielfalt von Rechtsnormen auf nationaler und inter­ nationaler Ebene arbeiten nationale Gesetzgeber wie auch der europäische bei der Übernahme völkervertraglicher Kollisionsnormen mit Verweisungen. Dies betrifft zwei Aspekte: zum einen die Frage, welche formalen und inhaltlichen Gründe für bzw. gegen eine ausdrückliche Verweisung oder die Textübernahme sprechen (dazu §  1), zum anderen die Frage, welche Form in zeitlicher Hinsicht weniger Aufwand erfordert (dazu §  2).

456

2. Teil – 4.  Abschnitt: Optimierung der Regelungseffizienz

§  1 Ausdrückliche Verweisung auf ein Übereinkommen im Vergleich zur Übernahme des Übereinkommenstextes Anhand des Verhältnisses von Art.  18 EGBGB a. F. und dem HUÜ 1973 einer­ seits sowie der EuUnthVO und dem HUP 2007 andererseits lassen sich die Un­ terschiede zu anderen auf Inhaltsentwicklung beruhenden Koordinationsmetho­ den darstellen. Es wird sich zeigen, dass es einige Konstellationen gibt, bei denen weder die ausdrückliche Verweisung noch die wortidentische Übernahme einen Vorteil aufweisen. Auf der anderen Seite überwiegt der Effizienzvorteil der Ver­ weisung bei der Übersichtlichkeit und dem fehlenden Nachbesserungserforder­ nis als dynamischer Verweisung. Daraus folgt, dass die Verweisung insgesamt einen Effizienzvorteil gegenüber der wortidentischen Übernahme der staatsver­ traglichen Regelung aufweist.

A. Regelungseffizienz Zunächst beruhen beide Koordinationsmethoden auf der inhaltlichen Übernah­ me von Kollisionsregeln eines Vorbildrechtsaktes, beim HUÜ 1973 eines völker­ vertraglichen Übereinkommens. Rein formal besteht kein Unterschied zu einer wortidentischen Übernahme der Regeln des Übereinkommens. Denn weder die Verweisungsnorm noch die inhaltsgleiche Übernahme eines Übereinkommens weist einen über den Vorbildsrechtsakt hinausgehenden Regelungsgehalt auf.468 Soweit also eine staatsvertragliche Norm von sich aus angewandt werden kann und nicht etwa unter einem Vorbehalt steht,469 ist sie an sich nicht erforderlich, um die Regelung umzusetzen. Auswirkungen auf die durch die Judikative zu gewährleistende Rechtseinheit sind ebenfalls nicht ersichtlich. Wenn die EU Vertragspartei eines völkervertrag­ lichen Kollisionsrechtsübereinkommens wird, fällt sie als EU-Recht in den Zu­ ständigkeitsbereich des EuGH – unabhängig davon, ob nur darauf verwiesen wird oder sein Text wortgleich in einen gesonderten EU-Rechtsakt übertragen wird.

B. Übersichtlichkeit Indem der nationale Gesetzgeber Rechtsnormen aus völkervertraglichen Kolli­ sionsrechtsübereinkommen übernimmt, will er Rechtsklarheit und Übersicht­ lichkeit schaffen, um zu „verhindern, dass wichtige Normen im Gestrüpp der 468 

Kegel/Schurig, IPR, §  1 IV 1a, S.  12. Das unterscheidet das HUÜ 1973 in Bezug auf Deutschland vom EVÜ, zu dem Deutsch­ land einen Vorbehalt formuliert hatte und für das die Schaffung von Art.  27–37 EGBGB a. F. also notwendig war; siehe dazu nur Kegel/Schurig, IPR, §  1 IV 1a, S.  12/13. 469 

1. Kapitel: Effizienzbewertung unterschiedlicher Verweisungsformen

457

staatsvertraglichen Regeln übersehen werden“470. Darin liegt jedoch kein Vorteil gegenüber der ausdrücklichen Verweisung auf den staatsvertraglichen Rechtsakt. Denn das „Gestrüpp“ wird ebenfalls durch eine ausdrückliche Verweisung ge­ lichtet, da die Normherkunft offen zutage tritt. In diesem Punkt kann sogar ein Vorteil der ausdrücklichen Verweisung gesehen werden. Sollte es nämlich zu Fehlern in der Übernahme kommen und damit zu textlichen Abweichungen, könnte ein inländischer Rechtsanwender geneigt sein, den Text der Übernahme­ norm – also z. B. seinerzeit Art.  18 EGBGB a. F. – anzuwenden, und dabei die eigentliche Quelle – das HUÜ 1973 – vernachlässigen. Eine ausdrückliche Ver­ weisung zwingt dagegen, das Übereinkommen selbst zu lesen und anzuwenden. Die Verweisung vermeidet also eine potenzielle Fehlerquelle.

C. Erfordernis der Nachbesserung des Normtextes Dagegen wird im Grundsatz zu Recht darauf hingewiesen, dass bei wortidenti­ scher Übernahme des Übereinkommenstextes in die Verordnung auf Verord­ nungsebene stets nachgearbeitet werden müsste, wenn es im Übereinkommens­ text zu einer Änderung kommt.471 Es ist grundsätzlich zutreffend, dass eine dy­ namische Verweisung in der Verordnung keine Textänderungen erfordert. Das gilt allerdings dann nicht, wenn nicht einfach nur ein Übereinkommen abgeän­ dert wird, sondern die Änderung in einem Nachfolgeübereinkommen erfolgt. Wenn es z. B. die EuUnthVO schon früher gegeben und sie ausdrücklich auf das HUÜ 1973 verwiesen hätte, hätte mit Schaffung des HUP 2007 als Nachfolge­ abkommen der Wortlaut der Verweisungsnorm geändert werden müssen. Denn sonst hätte insoweit mindestens Unsicherheit darüber bestanden, ob die gewollte inhaltliche Koordination mit dem HUP 2007 wirklich vollzogen wurde. Sollte das HUP 2007 selbst durch ein Nachfolgeabkommen abgelöst werden, wird der Wortlaut von Art.  15 EuUnthVO zwar auch erneut geändert werden müssen, um Rechtsunsicherheiten zu vermeiden. Die erforderliche Wortlautanpassung dürfte allerdings Formsache sein. Anders als die durch eine Regelungsübernahme verkörperte, statische Verwei­ sung verhindert die dynamische Verweisung das Problem, zu dem es bei der in­ haltlichen Orientierung leicht kommen kann, nämlich dass der Rechtsakt nur schwerfällig auf Änderungen des Vorbildrechtsaktes reagieren kann. Das beruht darauf, dass der orientierte Rechtsakt selbst revidiert werden muss, wofür ein Rechtssetzungsverfahren notwendig ist. Solche Verfahren können sich allerdings selbst dann hinziehen, wenn die Änderung orientiert ist und aus diesem Grund 470  471 

Kegel/Schurig, IPR, §  1 IV 1a, S.  12. Siehe nur Bartl, S.  89.

458

2. Teil – 4.  Abschnitt: Optimierung der Regelungseffizienz

eigentlich keine inhaltlichen Probleme bereiten sollte. Genau eine solche Kon­ stellation ist bei den Verfahrenskoordinationsvorschriften der Art.  9 ff. EuUnth­ VO zu befürchten, die wortgleich aus Art.  27 ff. Brüssel I-VO übernommen wur­ den; daher profitieren Unterhaltssachen bis zu einer entsprechenden Änderung nicht davon, dass die Brüssel Ia-VO gegenüber der Brüssel I-VO auch hinsicht­ lich gewisser Aspekte der Verfahrenskoordination wie der Auswirkung der Pro­ rogation in Art.  31 Abs.  2 Brüssel Ia-VO geändert wurde.

D. Kein Nachteil hinsichtlich der Motivation (noch) nicht teilnehmender Mitgliedstaaten Ein weiterer Nachteil einer wortidentischen Regelung in einer EU-Verordnung wurde darin gesehen, dass Staaten wie das Vereinigte Königreich, die sich bei Inkrafttreten der Verordnung nicht an ihr beteiligt hatten, auch später nicht zu einem Beitritt bereit sein würden.472 Diese Schlussfolgerung wird zwar nicht nä­ her erläutert; es ist allerdings anzunehmen, dass dies auf der Annahme fußt, dass das Vereinigte Königreich als Vertragsstaat des HUP 2007 die EuUnthVO wo­ möglich als zusätzliche, aber wegen der Wortidentität als unnötige Last empfin­ den könnte und deshalb nicht beitreten würde. Nunmehr zeigt sich allerdings, dass das Vereinigte Königreich sich auch jetzt nicht anschickt, dem kollisions­ rechtlichen Teil der EuUnthVO zu folgen.473 Es haben sich also auch hier allen­ falls die Erfolgschancen erhöht; ein Erfolg ist jedoch noch nicht erzielt worden.

E. Keine Auswirkungen auf die Beteiligung des Europäischen Parlaments Wenngleich der Vorteil der ausdrücklichen Verweisung auf das Übereinkommen also kleiner ausfällt als angenommen, bedeutet eine solche Verweisung unter der Voraussetzung, dass das in der Verweisungsnorm genannte Abkommen lediglich geändert wird, gegenüber der wortidentischen Übernahme der Regelungen des Übereinkommens in die Verordnung – also faktisch einer statischen Verweisung – keine Schlechterstellung des europäischen Parlaments. Denn Maßnahmen zur Vereinheitlichung des Familienrechts gemäß Art.  81 Abs.  3 AEUV erfolgen ebenso wie Abschlüsse völkerrechtlicher Verträge gemäß Art.  218 Abs.  6 lit.  b AEUV nach dem Konsultationsverfahren, wonach das Parlament lediglich ange­ hört wird, seine Ablehnung eines Vorschlags jedoch vom Rat überstimmt werden kann. Darin spiegelt sich die Parallelität von internem und externem Gesetz­ 472  Arbeitspapier 473 

des Rats der Europäischen Union Nr.  5936/08, 7.2.2008, S.  5, §  20. Conti, S.  63; Andrae in: Rauscher, EuZPR/EuIPR, Art.  1 EG-UntVO, Rdn.  49 f.

1. Kapitel: Effizienzbewertung unterschiedlicher Verweisungsformen

459

gebungsverfahren wider.474 Die dynamische Verweisung ist also auch formal pri­ märrechtlich zulässig.

§  2 Effizienz von Formen des Hinweises auf voroder nachrangige Übereinkommen in EU-Verordnungen Wenn in Verordnungen auf internationale Übereinkommen hingewiesen wird, die gegenüber der Verordnung Vorrang haben oder denen gegenüber die Verord­ nung Vorrang hat, ist die Form, die in der Brüssel Ia-VO eingeführt wurde – die Sammlung von gegenüber der Verordnung vor- bzw. nachrangiger Übereinkom­ men in einem Anhang –, als am effizientesten zu bewerten. Dies beruht auf der Gewichtung von kurzfristigem Aufwand und langfristiger Übersichtlichkeits­ steigerung (dazu A.). Kurzfristig fällt die Dauer des Verfahrens ins Gewicht, das zur Erweiterung der wo auch immer aufgeführten Liste von Übereinkommen, die einer kollisionsrechtlichen Verordnung vorgehen, notwendig ist. Einer solchen Auflistung bedarf es in jedem Fall, auch wenn die ausschließliche Vertragsab­ schlusskompetenz von den Mitgliedstaaten auf die EU übergegangen ist.475 Denn erstens ist es ebenfalls notwendig, über die in Zukunft abgeschlossenen Überein­ kommen der EU mit Drittstaaten den Überblick zu wahren. Und zweitens kann die EU den Mitgliedstaaten auch nach Übergang der ausschließlichen Vertrags­ abschlusskompetenz die Möglichkeit einräumen, eigene Kollisionsrechtsüber­ einkommen mit Drittstaaten abzuschließen, wenn sie erklärt, auf Grundlage ihrer geteilten Zuständigkeit keine Rechtsakte mehr zu erlassen.476 Das bei dieser Ab­ wägung langfristig ins Gewicht fallende Element ist die Frage, wie übersichtlich eine gewählte Hinweisart ist (dazu B.).

A. Kurzfristiger Aufwand: Verfahrensdauer Hinsichtlich des kurzfristigen Aufwandes ist die Form wie die des Art.  69 Brüs­ sel I-VO die langwierigste. Da die dortige Liste von Übereinkommen Bestandteil der Verordnung ist, ist für eine Änderung grundsätzlich das ordentliche Gesetz­ gebungsverfahren nach Art.  294 AEUV zu durchlaufen. Aber selbst wenn es im Parlament nur einer Lesung bedarf und der Rat den Standpunkt des Parlaments annimmt, kann das Verfahren eineinhalb Jahre dauern.477 Demgegenüber gestal­ 474 

Vgl. Lorenzmeier, ZJS 2012, 322, 323. Siehe zur Regelung der Vertragsabschlusskompetenz Art.  216 AEUV und die Rechtspre­ chung dazu bei Schmalenbach in: Callies/Ruffert, Art.  216 AEUV, Rdn.  10 ff. 476  Calliess in: Calliess/Ruffert, Art.  2 AEUV, Rdn.  13. 477  Nettesheim, in: Oppermann/Classen/Nettesheim, §  11, Rdn.  53 (Erste Lesung im EP: re­ gelmäßig acht Monate) und Rdn.  55 (zeitgleiche Behandlung im Rat: regelmäßig 18 Monate). 475 

460

2. Teil – 4.  Abschnitt: Optimierung der Regelungseffizienz

tet sich das Verfahren nach Art.  77 Brüssel Ia-VO wesentlich schneller, da die Einspruchsfrist gegen einen von der Kommission erlassenen delegierten Rechts­ akt, die für Parlament und Rat zeitgleich läuft, lediglich zwei Monate beträgt. Am schnellsten wird jedoch das Verfahren zur Anlegung einer schlichten Auf­ listung der Übereinkommen im Amtsblatt der EU ablaufen, wie das in der Rom  Iund der Rom  II-VO vorgesehen ist. Hier ist lediglich die Übermittlung an die Kommission vorgesehen, durch die dann die Veröffentlichung im Amtsblatt er­ folgt.478 Ein besonderes Verfahren ist entgegen den anderen Hinweisformen nicht vorgesehen, was den kurzfristigen Aufwand damit am geringsten ausfallen lässt.

B. Langfristiger Erfolg: Übersichtlichkeit für den Rechtsanwender Das Problem bei der Rom  I- wie auch bei der Rom  II-VO besteht jedoch darin, dass aus dem Rechtsakt selbst heraus keine Aussage darüber getroffen werden kann, welche Übereinkommen der jeweiligen Verordnung vorgehen. Neben dem Schweigen des Normtextes bringen weder die Erwägungsgründe noch amtliche Fußnoten innerhalb der Verordnung Klärung. Lediglich der Verweis auf ein Über­einkommensverzeichnis479 bietet Unterstützung für den suchenden Rechts­ anwender; und dies gilt auch nur insoweit, als er dem Rechtsanwender anzeigt, dass die entsprechende Stelle im täglich erscheinenden Amtsblatt der EU in ei­ nem Zeitraum von potenziell sechs Monaten von der Annahme der Verordnung an gerechnet zu finden sein muss. Vereinfachung können dort nur nichtamtliche Fußnoten versprechen, die in entsprechenden Textausgaben erscheinen, die aller­ dings nicht im amtlichen Text enthalten sind.480 Das Gegenteil hierzu war Art.  69 Brüssel I-VO, in dem die gegenüber der Brüssel I-VO nachrangigen und damit zu ersetzenden internationalen Überein­ kommen einzeln in der Vorschrift selbst aufgeführt waren. Dadurch erschloss sich dem Rechtsanwender unmittelbar, auf welche Übereinkommen er zu achten hatte. Ein vergleichbarer Vorzug ergibt sich aus der in Art.  69, 76 ff. Brüssel IaVO enthaltenen Modifikation von Art.  69 Brüssel I-VO. Danach sind zwar die nachrangigen Übereinkommen nicht in der Vorschrift selbst, dafür aber in einem Anhang zur Verordnung aufgelistet, auf den in der Vorschrift verwiesen wird. So werden die langfristigen Übersichtlichkeitsvorteile beider vorstehenden Hin­ weisformen kombiniert. Ein solcher Anhang ist in allen EU-Verordnungen, also auch in Rom  I- und Rom  II-VO zu schaffen.

478  Art.  26 Abs.  2

Rom  I-VO, Art.  29 Abs.  2 Rom  II-VO. Rom  I-VO, Art.  29 Rom  II-VO. 480  Siehe nur Jayme/Hausmann, Art.  26 Rom  I-VO, Fn.  54. 479  Art.  26

2.  Kapitel

Steigerung der Übersichtlichkeit von nationalen Spezifikationen Wenn Öffnungsklauseln des EU-Kollisionsrechts durch den nationalen Gesetz­ geber ausgefüllt werden, ist der Rechtsanwender stets gefordert, im Recht der EU-Mitgliedstaaten nach der Umsetzungsnorm zu suchen; mehr Übersichtlich­ keit würde die Rechtsanwendung also erleichtern (dazu §  1). Doch auch, soweit Normenkataloge im IPR bereits vorgesehen sind, könnte diese Technik nicht nur vereinzelt, sondern flächendeckend genutzt werden (dazu §  2).

§  1 Höhere Übersichtlichkeit durch Kataloge nationaler Ausfüllungsnormen bei Öffnungsklauseln des EU-Kollisionsrechts Im IZVR erfolgt die Vollstreckung ausländischer Entscheidungen nach dem Recht des Vollstreckungsstaates.481 Dennoch sind auch in dieser Phase Rechtsbe­ helfe möglich, die sich dann freilich ebenfalls aus dem Recht des Vollstreckungs­ staates ergeben. Da einschlägiges Verfahren und zuständige Stelle jedoch im Ausland nicht zwingend bekannt sind und damit nicht für jede Partei ersichtlich ist, womit sie zu rechnen hat, sind entsprechende Kataloge vorgesehen, in denen die entsprechenden Stellen und Rechtsbehelfe nach Bekanntgabe der Mitglied­ staaten an die Europäische Kommission aufgeführt sind.482 Im IPR tauchen derartige Kataloge, die diese Perspektive behandeln, dagegen bislang nicht auf. Doch auch über diesen Fall hinaus kann ein Bedürfnis für die europaweite Bekanntmachung nationaler Spezifikationen bestehen. Dies ist ins­ besondere dann der Fall, wenn in Kollisionsnormen Öffnungsklauseln enthalten sind, die den Mitgliedstaaten eigene Regelungsoptionen eröffnen. In diesem Zu­ 481  Art.  41 Abs.  1 S.  1 Brüssel Ia-VO, Art.  41 Abs.  1 S.  1 EuUnthVO, Art.  46 Abs.  1 EuErbVO, Art.  45 Abs.  1 EuGüterVO, Art.  45 Abs.  1 EuPartVO. Siehe auch zu Art.  40 Abs.  1 Brüssel I-VO Kerameus in: Magnus/Mankowski, Art.  40 Brussels I Regulation, Rdn.  1. 482  Art.  5 Abs.  2, 6 Abs.  2, 47 Abs.  1, 49 Abs.  2, 50, 57 Abs.  2 Brüssel Ia-VO; Art.  28, 29, 33, 34, 53, 57 Abs.  2, 45 Abs.  2 Brüssel IIa-VO; Art.  3 Abs.  2, 45 Abs.  1, 50 Abs.  2, 51, 64, 72 Eu­ ErbVO; Art.  2 Abs.  2, 47 Abs.  3 EuUnthVO; Art.  63 i. V. m. 28, 64 EuGüterVO; Art.  63 i. V. m. 28, 64 EuPartVO.

462

2. Teil – 4.  Abschnitt: Optimierung der Regelungseffizienz

sammenhang ist nicht immer ersichtlich, durch welche Norm ein Mitgliedstaat von der Öffnungsklausel Gebrauch gemacht hat. Da die europäischen Öffnungs­ klauseln es den Mitgliedstaaten auch freistellen, nationale Normen zu schaffen, bleibt ebenfalls unklar, ob ein Mitgliedstaat von einer solchen Option überhaupt Gebrauch gemacht hat. Das gilt zunächst für Art.  7 Abs.  3 UAbs.  2 Rom  I-VO und die darin enthaltene Möglichkeit der Mitgliedstaaten, in den Fällen der lit.   a, b und e zusätzliche Rechtswahloptionen festzulegen. Die Mitgliedstaaten sind auf eine bestimmte Verortung einer entsprechenden Kollisionsnorm in ihren Ge­ setzen nicht festgelegt,483 so dass die Parteien kaum Anhaltspunkte haben, wel­ che die Suche vereinfachen würden. Dies kann insbesondere dann mühsam sein, wenn es zu verifizieren gilt, dass ein Staat eine Regelungsoption nicht gezogen hat. Denn anders als für Übereinkommen wie in Art.  26 Rom  I-VO sieht die Rom  I-VO kein Verzeichnis gezogener Rechtswahloptionen vor. Dies ist in der Rom  III-VO anders. Auch hier ist zunächst bspw. aus Art.  5 Abs.  3 Rom  III-VO selbst ebenso wenig ersichtlich, ob ein Mitgliedstaat neben dem in Art.  5 Abs.  2 Rom  III-VO angegebenen Zeitpunkt Rechtswahlverein­ barungen noch zu einem anderen Zeitpunkt zulässt. Dass dies z. B. im deutschen Recht in Art.  46d Abs.  2 S.  1 EGBGB geschehen ist, ergibt sich erst aus der Lek­ türe des deutschen EGBGB. Da es jedoch um die Rechtswahl im Laufe eines Gerichtsverfahrens geht, hätte die Regelung auch im nationalen Verfahrensrecht verortet werden können. Aufgrund der Mehrzahl von potenziellen Regelungs­ orten kann es hier eine noch größere Bürde für die Parteien darstellen, die not­ wendigen Informationen für den Zeitpunkt der Rechtswahl zu sammeln. Allerdings haben die Mitgliedstaaten, die von dieser Regelungsoption Ge­ brauch machen, dies gemäß Art.  17 Abs.  1 S.  1 lit.  b Rom  III-VO der Kommissi­ on mitzuteilen, die diese Informationen dann gemäß Art.  17 Abs.  2 Rom  III-VO auf der Website des Europäischen Justiziellen Netzes für Zivil- und Handelssa­ chen öffentlich zugänglich macht.484 Problematisch hieran ist jedoch, dass nur solche Informationen dort veröffentlicht werden, die bis zum 21.9.2011 der Kommis­sion mitgeteilt wurden. Soweit also keine Informationen zu einem Mit­ gliedstaat vorliegen, kann es sein, dass dieser die Regelungsoption nicht gezogen hat oder schlicht die Frist verpasst hat.485 Durch einen Katalog im Anhang zu der entsprechenden EU-Verordnung wäre man demgegenüber nicht darauf angewie­ sen, ergänzend zur Rom  III-VO das Internet zu Rate zu ziehen, sondern könnte die relevanten Informationen direkt dem Gesetz selbst entnehmen. Zudem könn­ te man durch laufende Ergänzungen dieses Anhangs die Möglichkeit schaffen, 483 

Vgl. Wendt in: Rauscher, EuZPR/EuIPR, Art.  7 Rom  I-VO, Rdn.  22. Siehe dazu Helms in: Rauscher, EuZPR/EuIPR, Art.  5 Rom  III-VO, Rdn.  55. 485  Helms in: Rauscher, EuZPR/EuIPR, Art.  5 Rom  III-VO, Rdn.  55 und Art.  17 Rom  III-VO, Rdn.  3. 484 

2. Kapitel: Steigerung der Übersichtlichkeit von nationalen Spezifikationen

463

dass die Rechtsanwender der EU über die jeweils geltenden einschlägigen natio­ nalen Bestimmungen im Bilde sind.

§  2 Höhere Übersichtlichkeit durch Kataloge nationaler Spezifikationen des Herkunftslandes bei EU-Kollisionsrecht Für bestimmte Konstellationen sehen kollisionsrechtliche EU-Verordnungen Ka­ taloge nationaler Rechtsinstitute vor, insofern als sich Parteien in einem anderen Mitgliedstaat auf ein solches Rechtsinstitut berufen könnten (dazu A.). Diese Technik könnte auch in vergleichbaren Konstellationen genutzt werden und so die Übersichtlichkeit des IPR generell erhöhen (dazu B.).

A. Beispiele für Verweisungen auf Normenkataloge Dem neueren IPR nicht fremd sind Listen mit Normen, die nationale Spezifika­ tionen des Herkunftslandes widerspiegeln. Beispiele heute gültiger Regelungen zu Informationen, die in entsprechende Listen eingetragen werden, sind Art.  65 EuGüterVO und Art.  65 EuPartVO. Dasselbe gilt für Art.  63 i. V. m. 28 EuGüterVO bzw. Art.  63 i. V. m. 28 EuPartVO. Zunächst sehen Art.  28 EuGüterVO bzw. Art.  28 EuPartVO vor, dass ein Ehe­ gatte bzw. ein Partner in einer Streitigkeit zwischen einem Dritten und einem oder beiden Ehegatten bzw. Partnern das für die güterrechtlichen Wirkungen sei­ ner eingetragenen Partnerschaft maßgebende Recht dem Dritten nicht entgegen­ halten darf, es sei denn, der Dritte hatte Kenntnis von diesem Recht oder hätte bei gebührender Sorgfalt davon Kenntnis haben müssen. Nach Art.  28 Abs.  2 Eu­ Güter­VO bzw. Art.  28 Abs.  2 EuPartVO wird der Dritte unter den dort genannten Voraussetzungen so behandelt, als habe er Kenntnis von den güterrechtlichen Wirkungen des anwendbaren Rechts.486 Art.  63 EuGüterVO bzw. Art.  63 EuPartVO sieht sodann vor, dass die Mit­ gliedstaaten der Kommission eine kurze Zusammenfassung ihrer nationalen Vor­ schriften und Verfahren betreffend die ehelichen Güterstände bzw. über die gü­ terrechtlichen Wirkungen eingetragener Partnerschaften und zu den Wirkungen gegenüber Dritten übermitteln, damit die betreffenden Informationen der Öffent­ lichkeit im Rahmen des Europäischen Justiziellen Netzes für Zivil- und Handels­ sachen zur Verfügung gestellt werden können. Zugleich formulieren die Rege­ 486  Trotz näherer Erläuterungen in den Erwägungsgründen der Verordnungen legen der Wortlaut der Verordnungen und ein Wortlautvergleich mit anderen Sprachversionen nahe, dass es sich dabei um eine unwiderlegliche Vermutung handelt. Siehe dazu nur die englische („deemed“) und die französische („réputé“) Fassung.

464

2. Teil – 4.  Abschnitt: Optimierung der Regelungseffizienz

lungen die Pflicht der Mitgliedstaaten, diese Informationen auf dem neuesten Stand zu halten. Denn – anders als z. B. Art.  17 Rom  III-VO – sehen weder Art.  63 EuGüterVO noch Art.  63 EuPartVO für die Mitgliedstaaten eine Mittei­ lungsfrist vor. Damit gehen diese Verordnungen noch über die entsprechenden Normvor­ schläge in Art.  35 Abs.  2, 3 i. V. m. 37 Abs.  1 V-EuGüterVO bzw. Art.  31 Abs.  2, 3 i. V. m. 33 Abs.  1 V-EuPartVO hinaus. Art.  35 Abs.  2 V-EuGüterVO bzw. Art.  31 Abs.  2 V-EuPartVO sahen lediglich vor, dass ein Mitgliedstaat bestim­ men kann, dass ein Ehegatte bzw. Partner das auf seinen Güterstand anzuwen­ dende Sachrecht einem Dritten nicht entgegenhalten kann, wenn der Ehegatte bzw. einer der Partner oder der Dritte seinen gewöhnlichen Aufenthalt in diesem Mitgliedstaat hat und die in diesem Mitgliedstaat geltenden Registrierungs- oder Publizitätspflichten nicht eingehalten wurden, es sei denn, dem Dritten war be­ kannt oder hätte bekannt sein müssen, welches Recht für den Güterstand der Ehe bzw. der eingetragenen Partnerschaft maßgebend ist. Dieses Ermessen des Mit­ gliedstaates sollte nach Art.  35 Abs.  3 bzw. Art.  31 Abs.  3 V-EuPartVO auf unbe­ wegliche Sachen erweitert werden. Denn diese Vorschriften enthielten das Recht des Mitgliedstaates, in dem eine unbewegliche Sache belegen ist, die Rechtsbe­ ziehungen zwischen einem Ehegatten bzw. Partner und einem Dritten, die diese unbewegliche Sache betreffen, analog zu Art.  35 Abs.  2 V-EuGüterVO bzw. Art.  31 Abs.  2 V-EuPartVO regeln können. In diesen Fällen zeigte sich auch in Bezug auf das IPR ein Bedürfnis, dass die Mitgliedstaaten der Europäischen Kommission neben einer Beschreibung ihres jeweiligen Güterrechts, ihrer Güterrechtsverfahren und dem Wortlaut der ein­ schlägigen Bestimmungen (jeweils lit.  a) auch die entsprechenden Regelungen mitteilen (jeweils lit.  b), so dass diese in geeigneter Weise, insbesondere auf der mehrsprachigen Website des Europäischen Justiziellen Netzes für Zivil- und Handelssachen öffentlich zugänglich gemacht werden.487 Daran änderte auch nichts, dass Art.  35 V-EuGüterVO eine andere Perspektive als die IZVR-Vor­ schriften enthält. Denn auch wenn im IZVR die Bekanntgabe der Normen des Vollstreckungsstaates und damit des Ziellandes bezweckt ist, im IPR dagegen die Vorgaben des Herkunftslandes bekannt werden sollen, kann beides durch diesel­ be Methode geschehen. Mit der Abweichung von den Regelungsvorschlägen blieb der EU-Gesetzge­ ber hinsichtlich der Transparenz im güterrechtlichen Verkehr und der Umsetzungs­ weise auf der Linie der Vorschläge. Denn die Darstellungs der relevanten güter­ 487 

Mitteilung an die Europäische Kommission: Art.  37 Abs.  1 lit.  b V-EuGüterVO bzw. Art.  31 Abs.  1 lit.  b V-EuPartVO; öffentliches Zugänglich-Machen durch die Kommission auf geeignetem Wege: Art.  37 Abs.  3 V-EuGüterVO bzw. Art.  31 Abs.  3 V-EuPartVO.

2. Kapitel: Steigerung der Übersichtlichkeit von nationalen Spezifikationen

465

rechtlichen Rechtsinstitute in Form von öffentlich zugänglichen Informationen, als welche die Wirkungen gegenüber Dritten im Rahmen des Europäischen ­Justiziellen Netzes für Zivil- und Handelssachen zur Verfügung gestellt werden sollen, ist als eine beträchtliche Vereinfachung der Normnutzung anzusehen.

B. Erweiterung der Nutzung von Normenkatalogen zur besseren Verwirklichung von Koordinationsmethoden Dieser Ansatz öffentlich zugänglicher Informationen, die durch die EU gebün­ delt werden, ist auch zur Klärung weiterer Unsicherheiten über rechtliche Beson­ derheiten eines anderen Mitgliedstaates praktikabel und kann damit dazu führen, dass entsprechende Koordinationsmethoden noch effektiver funktionieren. Dies betrifft z. B. den oben angesprochenen Vorschlag, die Verwertung auslän­ discher Sachenrechte ebenfalls mit dem entsprechenden ausländischen Sach­ statut zu koordinieren und von einer Inlandsanknüpfung abzusehen; hierbei war eingeräumt worden, dass es derzeit den inländischen Stellen Schwierigkeiten bereiten würde, ohne hinreichend ausgebautes Informationsnetzwerk eine solche Koordination effektiv zu gewährleisten.488 Das justizielle Netzwerk der EU könnte jedoch auch genau dort helfen, die Effizienz des Verwertungsverfahrens noch weiter zu steigern, indem jeder EU-Mitgliedstaat eine Zusammenfassung seiner Rechtslage sowie die anwendbaren Rechtsvorschriften der EU mitteilen würde, die sie dann an einer zentralen Stelle wie der Website des Europäischen Justiziellen Netzes für Zivil- und Handelssachen öffentlich zugänglich machen könnte.

488 

Siehe oben S.  357.

3.  Kapitel

Erweiterte Anwendung von Günstigkeitsvergleich und Rechtswahlbeschränkung Günstigkeitsvergleich und Rechtswahlbeschränkungen werden jeweils für sich genutzt, um bei schutzbedürftigen Personengruppen deren besondere Verbin­ dung zu bestimmten Rechtsordnungen zu realisieren.489 Im folgenden Kapitel wird zunächst dargelegt, dass dieser Schutz auch auf weitere Personengruppen ausgedehnt werden sollte. Dazu soll zunächst zur Frage der Ausweitung der ge­ nannten kollisionsrecht­lichen Schutzmechanismen auf möglicherweise ebenfalls schutzwürdige Personengruppen – hier den Mieter sowie den sozial schwächeren Ehepartner – ein Vergleich mit dem Verbraucher, dem Versicherungs- und dem Arbeitnehmer angestellt werden (dazu §  1). Zudem wird analysiert, ob ein solcher kollisionsrechtlicher Schutz notwendig ist oder diese Gruppen bereits ausreichend geschützt sind (dazu §  2). Aus den schließlich formulierten Lösungskonzepten lässt sich ableiten, dass eine Auswei­ tung insbesondere des Günstigkeitsvergleichs sinnvoll ist, eine Kombination von Rechtswahlbeschränkung und Günstigkeitsvergleich hingegen nur im Ausnah­ mefall zu einem noch effizienteren Schutz einer strukturell schwächeren Partei in einem Rechtsverhältnis führen kann. Eine solche Kombination ist dann nicht angezeigt, wenn die Rechtswahlbeschränkung an sich bereits mit solchen An­ knüpfungsmomenten konzipiert ist, dass sich die Interessen der besonders zu schützenden Partei darin bereits in hinreichendem Maße widerspiegeln (dazu §  3).

§  1 Vergleichbarkeit von Mieter und sozial schwächerem Ehepartner mit Verbraucher und Arbeitnehmer Die Weite des Schutzes, der von den einzelnen Methoden ausgeht, scheint die einzelnen Rechtsbereiche umfassend abzudecken. Dabei ist jedoch zu bedenken, dass bestimmte Einzelmethoden wie Art.  3 Abs.  3 und 4 Rom  I-VO, Art.  46b EGBGB und die Eingriffsnormendogmatik einen engen Anwendungsbereich 489  Zur Rechtswahlbeschränkung: Erwägungsgrund Nr.  45 EuGüterVO; vgl. auch Erwä­ gungsgrund Nr.  16 Rom  III-VO. Zum Günstigkeitsvergleich: Siehe oben ab S.  250.

3. Kapitel: Erw. Anwendung von Günstigkeitsvgl. und Rechtswahlbeschr.

467

­haben, der bestimmte Rechtsbereiche nicht von vornherein miteinschließt, die jedoch ebenfalls Verträge mit weitreichender Bedeutung abschließen bzw. ab­ schließen können: Mieter und Ehefrauen im Ehegüterrecht.

A. Schutzbedürftigkeit von Personengruppen beim Günstigkeitsvergleich: Verbraucher und Arbeitnehmer Die Schutzbedürftigkeit des Mieters ergibt sich aus einem Vergleich zu den im Unionsrecht geschützten Gruppen – Verbraucher und Arbeitnehmer.490 Die bei­ den letzteren Gruppen haben gemeinsam, dass sie einem Vertragspartner gegen­ überstehen, mit dem sie vertragliche Beziehungen eingehen müssen. Verbraucher ist i. S. v. Art.  6 Abs.  1 Rom  I-VO jeder, der einen Vertrag schließt, mit dem er nicht berufliche Zwecke verfolgt; geschützt wird er, wenn er mit einer anderen Partei einen Vertrag schließt, wenn diese mit dem Vertrag berufliche Zwecke verfolgt. Damit sind potenziell multiple Vertragsverhältnisse betroffen, die ein Verbraucher nicht einfach umgehen kann – bereits der schlichte Einkauf von Lebensmitteln im Supermarkt stellt ein Unternehmer-Verbraucher-Verhält­ nis dar. Bereits dieser Geschäftstyp zeigt, dass eine Person den Verbraucherstatus und den damit typischerweise verbundenen strukturellen Nachteil – konkretisiert durch die Vertragsgestaltung – nicht verhindern bzw. nicht beeinflussen kann.491 Das gleiche gilt für Arbeitnehmer. Die Notwendigkeit, Geld zu verdienen, macht ein Arbeitsverhältnis unumgänglich, wenn man sich nicht selbstständig machen möchte. Die genannten Gruppen verbindet also eine Situation des „struk­ turellen Ungleichgewichtes“492 bzw. der Zweck des Schutzes gerade einer Ver­ tragspartei493, da die Konditionen der abzuschließenden Verträge und damit in grenzüberschreitenden Sachverhalten die Wahl eines bestimmten Rechts, für Verbraucher bzw. Arbeitnehmer von Unternehmer bzw. Arbeitgeber diktiert wer­ den können.494

490  Vgl. Erwägungsgrund Nr.  23 Rom  I-VO und Erwägungsgrund Nr.  31 Rom  II-VO; siehe auch Lüttringhaus, RabelsZ 77 (2013), 31, 39; Rühl, FS v. Hoffmann, 364–377. 491  Martiny in: MüKoBGB, Art.  6 Rom  I-VO, Rdn.  1. 492  Für den Verbraucher: Staudenmayer in Lando/Magnus/Novak-Stief, 57, 59. 493  Vgl. auch Martiny in: MüKoBGB, Art.  6 Rom  I-VO, Rdn.  1; auf asymmetrische Infor­ mationsverteilung abstellend Roth, FS Sonnenberger, 591, 606 ff. Für den Arbeitnehmer: ­Martiny in: MüKoBGB, Art.  8 Rom  I-VO, Rdn.  1. Für den Versicherungsnehmer: Martiny in: MüKoBGB, Art.  7 Rom  I-VO, Rdn.  3. 494  Für den Verbraucher: Martiny in: MüKoBGB, Art.  6 Rom  I-VO, Rdn.  1.

468

2. Teil – 4.  Abschnitt: Optimierung der Regelungseffizienz

B. Allgemeine Schutzbedürftigkeit bei Rechtswahlbeschränkung: Der Versicherungsnehmer bei Masserisiken und die zu befördernde Person bei Personenbeförderungsverträgen Im Versicherungsvertragsrecht gibt es mit dem Versicherungsnehmer eine zu schützende Person. Anders als Art.  10 Brüssel Ia-VO unterscheidet Art.  7 Rom  I-­ VO jedoch zwischen Versicherungsverträgen für Großrisiken (Abs.  2) und sog. Masserisiken (Abs.  3). Für Großrisiken müssen sich vornehmlich Gewerbebe­ triebe versichern, die diese Verträge also zur Absicherung ihres Erwerbsgeschäfts abschließen.495 Da sie mithin typischerweise als Unternehmer gegenüber den Versicherern auftreten, sind sie nicht schutzwürdig. Anders verhält es sich dagegen bei den Versicherungsverträgen für Masse­ risiken. Hierunter fallen z. B. Krankenversicherungsverträge, die von natürlichen Personen abgeschlossen werden, um sich für ihr tägliches Leben auch außerhalb des Berufs zu versichern. Sie treten also gegenüber den Versicherern typischer­ weise wie Verbraucher auf und befinden sich damit in einer vergleichbaren Situ­ ation – sie kommen um den Abschluss derartiger Verträge entweder aufgrund einer Versicherungspflicht überhaupt nicht herum496 oder ein Nichtabschluss birgt ein erhebliches finanzielles Risiko. Damit haben die Versicherer die Mög­ lichkeit, den Versicherungsnehmern ihre Vertragsbedingungen zu diktieren. Bei Beförderungsverträgen wird in Art.  5 Rom  I-VO zwischen Güter- und Per­ sonenbeförderung unterschieden. Im Rahmen der Personenbeförderung ist die zu befördernde Person schutzwürdig.497 Auch wenn die hierbei angesprochenen Konstellationen dem Verbrauchervertragsrecht nicht unähnlich sind, hat der Ge­ setzgeber die Personenbeförderung einheitlich Art.  5 Rom  I-VO unterstellt und auch innerhalb der Personenbeförderung nicht unterschieden zwischen zu beför­ dernden Personen, bei denen die Beförderung einem beruflichen oder privaten Zweck dient.498

C. Allgemeine Schutzbedürftigkeit des Mieters: Vertragszwang und sog. strukturelles Ungleichgewicht Bei Mietverträgen muss zunächst danach unterschieden werden, ob sie unter Art.  6 Rom  I-VO fallen oder nicht. Ist Art.  6 Rom  I-VO anwendbar, hat der Ge­ setzgeber bereits die Entscheidung getroffen, dass die allgemeine Schutzbedürf­ tigkeit eines solchen Mieters besteht, so dass sich eine Diskussion an dieser 495 

Vgl. Martiny in: MüKoBGB, Art.  7 Rom  I-VO, Rdn.  20. Vgl. Martiny in: MüKoBGB, Art.  7 Rom  I-VO, Rdn.  24. 497  Staudinger in: Ferrari/Kieninger/Mankowski u. a., Art.  5 Rom  I-VO, Rdn.  1. 498  Martiny in: MüKoBGB, Art.  5 Rom  I-VO, Rdn.  27; Wagner, TranspR 2008, 221, 223. 496 

3. Kapitel: Erw. Anwendung von Günstigkeitsvgl. und Rechtswahlbeschr.

469

­ telle erübrigen soll. Für die Miete von beweglichen Sachen wird die Unter­ S scheidung wegen der Unanwendbarkeit der Ausnahme des Art.  6 Abs.  4 lit.  c Rom  I-­VO danach getroffen, ob es sich bei dem Mietvertrag um einen Verbrau­ chervertrag i. S. v. Art.  6 Rom  I-VO handelt oder nicht. Bei unbeweglichen Sachen reicht es für einen Günstigkeitsvergleich dagegen nicht aus, dass es sich bei dem Miet- oder Pachtvertrag um einen Verbraucher­ vertrag handelt, da für solche Verträge grundsätzlich der Ausschlussgrund von Art.  6 Abs.  4 lit.  c Rom  I-VO greift. Etwas anderes gilt nur für Teilnutzungsver­ träge an Immobilien i. S. d. Richtlinie 94/47/EG. Damit sind jedoch Wohnraum­ mietverträge nicht erfasst.499 Solange man sich keine Eigentumswohnung leis­ ten kann, ist man allerdings darauf angewiesen, zur Miete zu wohnen. Für die Mehrheit der Menschen ist dies daher unumgänglich und berührt sie daher auch wie einen Verbraucher.500 Verbraucher befinden sich damit in der Situation, Mietverträge abschließen zu müssen. Damit haben Vermieter die Möglichkeit, die Vertragsinhalte zu diktieren, was ihre Situation mit derjenigen der Unterneh­ mer und Arbeitgeber vergleichbar macht.

D. Allgemeine Schutzbedürftigkeit eines sozial schwächeren Ehepartners I. Ausgangssituation Doch nicht nur im Schuldvertragsrecht kann man die Frage der sozialen Diskre­ panz von Vertragspartnern stellen. Auch in einer Ehe oder einer eingetragenen Partnerschaft besteht die Möglichkeit, dass sich einer der Ehegatten bzw. Partner in einer finanziell schwächeren Position befindet. Dies kann insbesondere dann der Fall sein, wenn sich in einer Ehe bzw. einge­ tragenen Partnerschaft mit Kindern der eine Partner ausschließlich der Kinderer­ ziehung gewidmet hat und somit keine eigenen Bezüge und keine eigene Alters­ vorsorge aufgebaut hat. Er oder sie ist dann vom Unterhalt des Partners abhän­ gig, der das Einkommen erarbeitet hat. Wenn der Partner mit dem Einkommen dann nach einer Rechtswahl bzgl. Güter-, Unterhalts- oder Scheidungsstatut strebt, mag der Partner in der schwächeren Situation sich gezwungen sehen, in die Rechtswahl einzuwilligen, um einer eventuellen Scheidung und möglicher­ weise einer schwierigen, zumindest unsicheren finanziellen Zukunft zu entge­ hen. Deutlich zutage tritt dies in Kulturkreisen, in denen die Rollenverteilung eine Unterordnung der Frau gegenüber dem Mann vorsieht.501 Noch im Jahr 499 

Mankowski in: Reithmann/Martiny, Internationales Vertragsrecht, Rdn.  6.965. Mankowski in: Reithmann/Martiny, Internationales Vertragsrecht, Rdn.  6.965; Leible, IPRax 2006, 365, 368, wenngleich mit anderer Schlussfolgerung. 501  Vgl. Studie des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen, Jugend: Zwangsver­ 500 

470

2. Teil – 4.  Abschnitt: Optimierung der Regelungseffizienz

2011 erschien eine Studie des Bundesfamilienministeriums, wonach im Jahr 2008 3.443 Personen, davon 252 Männer Beratungshilfe wegen Zwangsverhei­ ratung gesucht haben; mit 44 Prozent hatten dabei die meisten Zwangsverheira­ teten einen türkischen Migrationshintergrund – was freilich auch damit zusam­ menhänge, dass die Menschen türkischer Herkunft in Deutschland „die größte Gruppe der in Deutschland lebenden ausländischen Bevölkerung“ darstellen.502 Diese Ausgangssituation und ihr Zusammenhang mit dem Güterkollisions­ recht lässt sich anhand eines Beispiels verdeutlichen: Möchten z. B. ein Türke und eine Türkin, die bereits seit ihrer Kindheit in Deutschland leben, aber durch sehr traditionelle Elternhäuser geprägt sind, in Deutschland heiraten und dort ihren ersten gewöhnlichen Aufenthalt haben, wäre gemäß Art.  26 Abs.  1 lit.  a EuGüterVO deutsches Recht Güterstatut. Die Ehegatten könnten jedoch gemäß Art.  22 Abs.  1 lit.  b EuGüterVO das Recht des Staates wählen, dessen Staats­ angehörigkeit einer der Ehegatten zum Zeitpunkt der Rechtswahl besitzt. Wenn also nun der türkische Ehemann verkündet, dass nach dieser Regelung türkisches Recht zu wählen sei und sich die Frau aus familiärem Zwang diesem Entschluss beugen muss, wird türkisches Recht Güterstatut. In diesem Fall könnten nur be­ sonders wichtige Regeln der lex fori ggf. als Eingriffsnormen503 Beachtung fin­ den oder grobe Benachteiligungen im Rahmen der ordre public-Kontrolle504 korrigiert werden. Die Umgehung von zwingenden Güterrechtsvorschriften des objektiven Güterstatuts, die für die Frau günstiger wären, müssten dagegen hin­ genommen werden, auch wenn sie mittelbare Folge der strukturellen Unterlegen­ heit der Frau sind. II. Referenzperson Möchte man einen Günstigkeitsvergleich zugunsten eines sozial schwächeren Ehepartners einführen, muss man feststellen, dass dies mit der aktuellen Gün­ stigkeitsdogmatik nicht zu bewerkstelligen ist. Das Problem kann in zwei Kon­ stellationen betrachtet werden: Man kann entweder im Einzelfall feststellen, ob der Ehemann oder die Ehefrau in der gegebenen Ehe der sozial schwächere Ehe­ partner ist; oder man kann zugunsten des Ehemannes oder zugunsten der Ehefrau eine Typisierung vornehmen. heiratung in Deutschland – Anzahl und Analyse von Beratungsfällen (Kurzfassung), Stand 28.3.2011, S.  26. 502  Studie des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen, Jugend: Zwangsverheira­ tung in Deutschland – Anzahl und Analyse von Beratungsfällen (Kurzfassung), Stand 28.3.­2011, S.  29. 503  Vgl. oben ab S.  238. 504  Vgl. oben ab S.  271.

3. Kapitel: Erw. Anwendung von Günstigkeitsvgl. und Rechtswahlbeschr.

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Die erste Konstellation – Feststellung des sozial schwächeren Ehepartners im Einzelfall – weicht von den Schutzgruppen der Verbraucher und Arbeitnehmer, aber auch der Mieter und der Versicherungsnehmer dahingehend ab, dass die Rolle des sozial schwächeren Ehepartners nicht eindeutig einem bestimmten Ehepartner zugewiesen werden kann. Die dann notwendige Analyse der konkreten Ehesitua­ tion ist ein Zwischenschritt, der bei der Bestimmung der strukturell benachteiligten Partei z. B. eines Verbrauchervertrages nicht durchgeführt werden muss, da der Verbraucher als strukturell benachteiligte Partei feststeht. Möchte man den Gün­ stigkeitsvergleich konsequent übertragen, müsste man dem Ehemann oder der Ehefrau die Rolle des sozial schwächeren Ehepartners typisiert zuweisen. Doch auch eine solche Typisierung führt nicht zu einer effizienten Erweiterung des Günstigkeitsvergleichs, da in einer Ehe weder Ehemann noch Ehefrau und in einer eingetragenen Partnerschaft keiner der beiden Partner typischerweise in der schwächeren Position ist.

§  2 Konkrete Schutzbedürftigkeit aufgrund fehlenden Schutzes durch andere Koordinationsmethoden A. Die Situation von Verbraucher und Arbeitnehmer Wie bereits erläutert,505 beruht der kollisionsrechtliche Schutz von Verbrauchern und Arbeitnehmern auf einer Mischung aus der Zulassung der freien Rechtswahl, die durch den Günstigkeitsvergleich mit einem durch ein bestimmtes Anknüp­ fungsmoment ermittelten objektiven Statut ergänzt wird. Der Günstigkeitsver­ gleich sorgt lediglich für die Anwendung zwingender Vorschriften des Rechts der objektiven Anknüpfung – also entweder des Verbraucher- oder des Arbeit­ nehmerstatuts – und beschränkt damit lediglich die Rechtswahlwirkungen.506 Weder Verbraucher- noch Arbeitnehmerstatut beruhen dabei auf dem Gedan­ ken des Art.  4 Abs.  2 Rom  I-VO und dessen Anknüpfung an die charakteristische Leistung. Sie sind davon allerdings auch nicht so weit entfernt; denn das Ver­ braucherstatut bestimmt sich teilweise nach ähnlichen Maßstäben wie das Ver­ tragsstatut nach dem HÜ 1955,507 so dass eine gewisse Konzentration der Sach­ verhaltselemente am gewöhnlichen Aufenthalt des Verbrauchers nicht abzu­ streiten ist. Auf der anderen Seite ist der Arbeitsort zwar nicht zwingend der gewöhnliche Aufenthalt des Arbeitnehmers, der gegen Zahlung des Arbeitsloh­ nes die charakteristische Leistung i. S. v. Art.  4 Abs.  2 Rom  I-VO verrichten wür­ 505 

Siehe dazu oben S.  252. Siehe dazu oben S.  253, 267. 507  Siehe dazu oben S.  165. 506 

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2. Teil – 4.  Abschnitt: Optimierung der Regelungseffizienz

de; aber auch hier konzentriert sich das Arbeitsverhältnis – zumindest bei einem statischen Arbeitsort – auf eben diesen Ort.

B. Der Versicherungsnehmer und die zu befördernde Person bei Personenbeförderungsverträgen I. Versicherungsnehmer Auch wenn sich die Versicherungsnehmer für Groß- und Masserisiken typischer­ weise in ihrer Qualität als Unternehmer bzw. Verbraucher unterscheiden, ist in Art.  7 Abs.  3 Rom  I-VO kein Günstigkeitsvergleich vorgesehen. Der Günstig­ keitsvergleich in Art.  6 Abs.  2 Rom  I-VO ist nicht anwendbar, da Art.  6 Rom  I-VO insgesamt nicht anwendbar ist, was in Art.  6 Abs.  1 Rom  I-VO ausdrücklich ge­ regelt ist. Verbraucherschutz im Versicherungskollisionsrechts soll dagegen über die in Art.  7 Abs.  3 Rom  I-VO vorgesehenen Rechtswahlbeschränkungen bei Masse­ risiken erreicht werden.508 Der nicht vorgesehene Günstigkeitsvergleich ist an dieser Stelle auch nicht erforderlich. Denn jede der wählbaren Rechtsordnungen hat auf ihre Weise einen engen Bezug zu den Interessen des Versicherungsneh­ mers. Nach Art.  2 lit.  d der Richtlinie 88/357/EWG509 ist der Belegenheitsort des Risikos am gewöhnlichen Aufenthaltsort des Versicherungsnehmers. Das Recht am gewöhnlichen Aufenthaltsort des Versicherungsnehmers ist nach Art.  7 Abs.  3 lit.  b Rom  I-VO auch selbst wählbar. Bei Lebensversicherungen wird ferner ange­ nommen, dass der Versicherungsnehmer zu dem Recht des Staates, dem der Ver­ sicherungsnehmer angehört, eine besonders enge Beziehung habe.510 Damit spielt auch diese Rechtswahlbeschränkung dem Versicherungsnehmer in die Karten. Auch das nach Art.  7 Abs.  3 lit.  d Rom  I-VO wählbare Recht basiert mit der Risikobelegenheit des Versicherungsvertrages ebenfalls auf einem Aspekt, der durch den Versicherer nicht beeinflussbar ist. Denn Art.  7 Abs.  6 Rom  I-VO i. V. m. Art.  13 Nr.  13 der Solvabilität-Richtlinie II511 bestimmt den Belegenheits­ ort des Risikos bei Gebäudeversicherungen nach dem Belegenheitsort (lit.  a), bei Fahrzeugversicherungen nach dem Zulassungsort (lit.  b), bei höchstens vier­ monatigen Versicherungen zu Reise- und Ferienverträgen nach dem Vertrags­ 508 

Martiny in: MüKoBGB, Art.  7 Rom  I-VO, Rdn.  25; krit. zur Rechtswahlmöglichkeit und Beschränktheit des Katalogs Heiss, FS Kropholler, 2008, 459, 468–473. 509  ABl. EG 1998 Nr. L 172/1; zuletzt geändert durch die Richtlinie 2005/14/EU (ABl. EU 2005 L 149/14). 510  Martiny in: MüKoBGB, Art.  7 Rom  I-VO, Rdn.  31; Fricke, VersR 2008, 443, 448. 511  Richtlinie 2009/138/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. November 2009 betreffend die Aufnahme und Ausübung der Versicherungs- und der Rückversicherungs­ tätigkeit (Solvabilität II), ABl. EU 2009 Nr. L 335/1.

3. Kapitel: Erw. Anwendung von Günstigkeitsvgl. und Rechtswahlbeschr.

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schlussort durch den Versicherungsnehmer (lit.  c) und in allen anderen Fällen nach dem gewöhnlichen Aufenthalt des Versicherungsnehmers (lit.  d (i)). Da sich das subjektive Versicherungsvertragsstatut damit aufgrund der Rechtswahl­ beschränkungen die Nähebeziehung zur Grundanknüpfung nicht aufgibt, ist mit­ hin der Versicherungsnehmer, soweit er als Verbraucher dem Versicherer gegen­ übersteht, durch die Rechtswahlbeschränkungen effektiv geschützt. II. Die zu befördernde Person bei Personenbeförderungsverträgen Dagegen sind auch die beschränkten Rechtswahlmöglichkeiten in Art.  5 Abs.  2 UAbs.  2 Rom  I-VO für die zu befördernde Person nicht ungefährlich. Zwar kann nach lit.  a das Recht des Staates gewählt werden, in dem die zu befördernde Per­ son ihren gewöhnlichen Aufenthalt hat. Jedoch besteht ebenfalls die Möglich­ keit, dass nicht zuletzt auch das Recht gewählt werden kann, in dem der Beför­ derer seine Hauptverwaltung hat. Diese Möglichkeit eröffnet sich dem Beförde­ rer, der eine Gesellschaft, ein Verein oder eine juristische Person ist, sowohl über lit.  b i. V. m. Art.  19 Abs.  1 Rom  I-VO sowie über lit.  c. Diese Rechtswahloptionen ermöglichen also dem Beförderer den Zugang zu seinem Recht512, wobei nicht allzu fern liegt, dass ein Beförderer, der zur zu befördernden Person wie ein Unternehmer einem Verbraucher gegenübersteht, geneigt ist, diese Rechtswahloption auch zu nutzen513. Dann gibt es allerdings nach Art.  5 Rom  I-VO keine inhaltliche Korrekturmöglichkeit wie den Günstig­ keitsvergleich, was gerade bei Beförderungsverträgen unverständlich erscheint, bei denen der Beförderer seine Tätigkeit auf den Staat ausgerichtet hat, in dem die zu befördernde Person ihren gewöhnlichen Aufenthalt hat.514

C. Die Situation des Mieters bei Vermietung unbeweglicher Sachen Das Fehlen des Günstigkeitsvergleichs bei Mietverträgen über unbewegliche Sa­ chen, bei denen sich Mieter in der gleichen Lage wie Verbraucher befinden, wird nach derzeitiger Rechtslage auch nicht durch andere Koordinationstechniken aufgefangen. Dabei sind jedoch mehrere Konstellationen zu unterscheiden. Zunächst ist auf eine Konstellation, in der sowohl Vermieter als auch Mieter ihre gewöhnlichen Aufenthalte in demselben Mitgliedstaat haben, der Mietver­ trag aber aufgrund Rechtswahl dem Recht eines anderen Staates unterliegt, Art.  3 Abs.  3 Rom  I-VO anwendbar. 512 

Martiny in: MüKoBGB, Art.  5 Rom  I-VO, Rdn.  29, 30. Mankowski, TranspR 2008, 339, 350. 514  Dazu Mankowski, TranspR 2008, 339, 349. 513 

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2. Teil – 4.  Abschnitt: Optimierung der Regelungseffizienz

Sobald die Konstellationen jedoch internationaler werden, ist Art.  3 Abs.  3 Rom  I-VO nicht einschlägig. So verhält es sich z. B. bei der Vermietung von Woh­ nungen durch international tätige Unternehmen. Wenn etwa eine Gesellschaft, die sowohl ihren Satzungs- als auch ihren Hauptverwaltungssitz in Luxemburg hat, eine in Deutschland belegene Wohnung an einen in Frankreich ansässigen Mieter vermietet und den Mietvertrag luxemburgischem Recht unterstellt, handelt es sich um keinen Fall, in dem alle relevanten Sachverhaltsmerkmale in einem einzigen Staat belegen sind. Art.  3 Abs.  4 Rom  I-VO ist mangels Wahl des Rechts eines Drittstaates ebenfalls nicht anwendbar. In diesem Zusammenhang werden Möglichkeiten vorgeschlagen, wie man dem Mieter helfen kann. Zur Anwendung der zwingenden Mieterschutzvor­ schriften könnte man auch gelangen, indem man besagte Vorschriften als Ein­ griffsnormen qualifiziert. Die wohl h. M. geht insbesondere bei den Vorschriften des deutschen Wohnungsmietrechts davon aus, dass diese Normen eine sozial­ politische Bedeutung aufweisen.515 Diese Qualifikation kann jedoch keine hinreichende Schutzsicherheit vermit­ teln. Das liegt weniger an Art.  9 Abs.  3 Rom  I-VO, der hohe Anforderungen an ausländische Eingriffsnormen anlegt.516 Zwar ist danach nicht jede Eingriffs­ norm ausreichend, da es sich um eine solche am Erfüllungsort handeln muss, welche die Erfüllung des Vertrags unrechtmäßig werden lassen muss. Da der Be­legenheitsort bei einer unbeweglichen Sache zugleich der Erfüllungsort der Hauptpflichten eines Mietvertrages über diese Sache darstellt, wird man so aus­ ländischen Eingriffsnormen Geltung verschaffen können. Fraglich ist allerdings, ob Mieterschutznormen an sich überhaupt als Ein­ griffsnormen angesehen werden können. Denn in erster Linie dienen sie dem Schutz des Mieters und damit einer der Vertragsparteien. Der Staat greift damit zwar auch in den Wirtschaftsverkehr ein; wenn das aber als Kriterium für die Eingriffsnormenqualifikation bereits ausreichend wäre, könnte man jedes zwin­ gende Recht als Eingriffsnorm qualifizieren. Es geht bei Eingriffsnormen viel­ mehr um den Schutz öffentlicher Interessen, um die Wahrung der politischen, sozialen oder wirtschaftlichen Ordnung eines Staates, was beim Mieterschutz allerdings nicht durchgehend greift.517 Selbst das soziale Mietrecht wie Kündi­ gungsschutz und Schutz vor Mieterhöhungen kann man ausschließlich als Schutz des Mieters ansehen.518 Ähnlich werden die Schutznormen zugunsten von Ar­ 515 

Martiny in: MüKoBGB, Art.  4 Rom  I-VO, Rdn.  125; Freitag in: Reithmann/Martiny, Internationales Vertragsrecht, Rdn.  5.62; ebenso Mankowski in: Reithmann/Martiny, Internatio­ nales Vertragsrecht, Rdn.  6.988 ff.; a. A. Zeppenfeld, S.  32. 516  Siehe dazu oben S.  239. 517  Solomon in Ferrari/Leible, 89, 100. 518  Mankowski in: Reithmann/Martiny, Internationales Vertragsrecht, Rdn.  6.988, 6.990.

3. Kapitel: Erw. Anwendung von Günstigkeitsvgl. und Rechtswahlbeschr.

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beitnehmern ebenfalls nicht regelmäßig einem übergeordneten öffentlichen In­ teresse zugeordnet, sondern lediglich als Schutz des Arbeitnehmers angesehen.519 Um ihnen trotzdem international Geltung verschaffen zu können, sieht Art.  8 Rom  I-VO einen Günstigkeitsvergleich im internationalen Individual­arbeitsrecht vor.520

D. Der sozial schwächere Ehepartner I. Güterrecht Wie bereits der Vorschlag zur EuGüterVO sieht auch die EuGüterVO als Schutz­ mechanismen im Güterkollisionsrecht eine Rechtswahlbeschränkung sowie eine Eingriffsnormenregelung vor. Nach Art.  22 EuGüterVO können abweichend vom objektiven Statut des Art.  26 EuGüterVO – mit den bereits in Art.  16 lit.  a–c V-EuGüterVO bekannten Rechtswahloptionen – nur das Recht des gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalts der Ehegatten oder künftigen Ehegatten (Art.  22 Abs.  1 lit.  a Alt.  1 EuGüterVO), das Recht des Staates, in dem einer der Ehe­ gatten oder künftigen Ehegatten zum Zeitpunkt der Rechtswahl seinen gewöhn­ lichen Aufenthalt hat (Art.  22 Abs.  1 lit.  a Alt.  2 EuGüterVO)521 oder das Recht eines Staates, dem einer der Ehegatten oder künftigen Ehegatten zum Zeitpunkt der Rechtswahl angehört (Art.  22 Abs.  1 lit.  b EuGüterVO) gewählt werden. Durch die daraus folgende Nähe des subjektiven Güterstatuts zu den Ehegatten wird ein gewisser Schutz ebenfalls erzeugt. Daneben kommt der Eingriffsnormenregelung in Art.  30 EuGüterVO eine be­ deutende Rolle zu. Denn anders als im Vertragskollisionsrecht dienen ehegüter­ rechtliche Vorschriften nicht nur den Ehegatten selbst, sondern dem öffentlichen Interesse am Schutz von Ehe und Familie. Ebenso wie Mutterschutzvorschriften im Individualarbeitsrecht als Eingriffsnormen anzusehen sind,522 muss damit ein solcher Bezug im Güter-, Scheidungs- und Unterhaltskollisionsrecht eben­ falls zur Eingriffsnormenqualität entsprechender nationaler zwingender Normen führen. Dennoch ist nicht jede Norm eines nationalen Güterrechts auch eine Ein­ griffsnorm i. S. v. Art.  30 EuGüterVO. So ist etwa §  1365 BGB – Verfügungs­ beschränkung bei Geschäften über das Vermögen im Ganzen bei Zugewinn­ gemeinschaft – eine Norm, die den anderen Ehegatten schützen soll, der das Rechts­geschäft nicht abschließt. Ein übergeordneter, politischer, wirtschaftlicher 519  BAG, Urt. v. 24.8.1989 – 2 AZR 3/89, IPRax 1991, 407 ff.; Martiny in: MüKoBGB, Art.  8 Rom  I-VO, Rdn.  116 m. w. N. 520  Vgl. Martiny in: MüKoBGB, Art.  8 Rom  I-VO, Rdn.  2. 521  Siehe hierzu den Vereinfachungsvorschlag bei Dengel, S.  280 f. und 359. 522  Martiny in: MüKoBGB, Art.  8 Rom  I-VO, Rdn.  141.

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2. Teil – 4.  Abschnitt: Optimierung der Regelungseffizienz

oder sozialer Zweck ist hier nicht erkennbar, was man nicht zuletzt daran sehen kann, dass §  1365 BGB – wenn auch nur in Form eines Ehevertrages – abdingbar ist.523 Problematisch ist jedoch, dass Rechtswahlbeschränkungen auch nur die Wahl eines Rechts zulassen, zu dem nur ein Ehegatte eine enge Verbindung aufweist – sei es über den gewöhnlichen Aufenthalt (Art.  22 Abs.  1 lit.  a Alt.  2 EuGüter­ VO) oder die Staatsangehörigkeit (Art.  22 Abs.  1 lit.  b EuGüterVO). Sieht sich ein Ehegatte in der oben beschriebenen Zwangslage, so dass er meint, in die Wahl dieses Rechts – womöglich zu seinen Ungunsten – einwilligen zu müssen, wäre der Schutzzweck der Rechtswahlbeschränkung unterlaufen. II. Unterhalts- und Scheidungskollisionsrecht sowie Güterkollisionsrecht eingetragener Partnerschaften Im Unterhalts- und Scheidungskollisionsrecht ist der Schutz dagegen normativ nicht so intensiv ausgebildet. Zunächst hängt das Unterhaltskollisionsrecht wegen Art.  15 EuUnthVO von staatsvertraglichen Schutzmechanismen ab. Auch wenn das HUP 2007 in seinem Art.  8 Abs.  1 eine Rechtswahlbeschränkung auf die Anknüpfungsmomente der gemeinsamen Staatsangehörigkeit (lit.  a), des gemeinsamen gewöhnlichen Auf­ enthalts (lit.  b), des subjektiven oder objektiven Güterstatuts (lit.  c) sowie des subjektiven oder objektiven Scheidungsstatuts (lit.  d) enthält, fehlt eine allge­ meine Regelung zu Eingriffsnormen. Art.  14 HUP 2007, der eine vom anzuwen­ denden Recht unabhängige Vorgabe über die Bemessung des Unterhaltsbetrages vorsieht, deckt nicht alle Bereiche möglicher Eingriffsnormen ab und ist damit kein vollumfänglicher Ersatz. Ähnliches ist beim Scheidungskollisionsrecht zu sehen. Auch hier enthält zwar Art.  5 Abs.  1 Rom  III-VO eine Rechtswahlbeschränkung auf den gemeinsa­ men gewöhnlichen Aufenthalt zum Zeitpunkt der Rechtswahl (lit.  a), den letzten gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalt, sofern einer der Ehegatten ihn zum Zeitpunkt der Rechtswahl noch hat (lit.  b), die Staatsangehörigkeit eines der Ehegatten (lit.  c) bzw. die lex fori (lit.  d). Darüber hinaus fehlt jedoch auch in der Rom  III-VO eine allgemeine Kollisionsnorm zu Eingriffsnormen. Da also auch hier wie im Güterkollisionsrecht nationale Normen nicht als Eingriffsnormen angewendet werden können, fehlt es in dieser Hinsicht an einem Schutzmecha­ nismus. Diese Schutzlücke muss also auf andere Weise geschlossen werden. Im Vorschlag zur EuPartVO fehlte noch eine allgemeine Kollisionsnorm zu Eingriffsnormen; dies hat sich nunmehr mit Art.  30 EuPartVO geändert. 523  Allg.

M.; siehe nur Koch in: MüKoBGB, §  1365 BGB, Rdn.  99.

3. Kapitel: Erw. Anwendung von Günstigkeitsvgl. und Rechtswahlbeschr.

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Zudem war das – nunmehr in Art.  22 EuPartVO korrigierte – gänzliche Fehlen einer Rechtswahlmöglichkeit im V-EuPartVO in diesem Zusammenhang nicht als Schutzmechanismus zugunsten der eingetragenen Partner konzipiert; viel­ mehr diente es laut Kommissionsvorschlag dazu, zu verhindern, dass eine einge­ tragene Partnerschaft nach dem Güterrecht einer Rechtsordnung behandelt wird, die eingetragene Partnerschaften nicht anerkennt.524

§  3 Lösungsansätze A. Der sozial schwächere Ehepartner Da der für Ehepaare im Güter-, Unterhalts- und Scheidungskollisionsrecht durch Rechtswahlbeschränkung vorgesehene Schutz verbessert werden kann, ist hier eine Verbindung von Rechtswahlbeschränkung und Günstigkeitsvergleich ange­ zeigt. Eine noch weiter gehende Beschränkung der Rechtswahl auf Rechte, zu denen beide Ehegatten den gleichen Bezug haben, wird nicht zum Erfolg führen; denn diese Anknüpfungsmomente sind sowohl im Güter- als auch im Unterhaltssowie Scheidungskollisionsrecht bereits für die Bestimmung des objektiven Sta­ tuts vorgesehen.525 Würde man sie als Grundlage des subjektiven Statuts neh­ men, bestünde die Gefahr, dass bei Ehepaaren, die weder einen gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalt noch eine gemeinsame Staatsangehörigkeit oder gar einen gemeinsamen Wohnsitz haben, die Rechtswahlmöglichkeiten faktisch noch weiter beschränkt sind, als dies rechtlich ohnehin der Fall wäre. Da die Grundanknüpfungen im europäischen Güter-, Unterhalts- und Schei­ dungskollisionsrecht Bezüge zu beiden Ehegatten aufweisen, ist es im Rahmen des Günstigkeitsvergleichs allerdings ausreichend, das jeweilige objektive Statut als Referenz für den Günstigkeitsvergleich festzulegen. Damit entfiele gleichzei­ tig das Erfordernis, in einer Ehe konkret festzustellen, welcher Ehegatte beson­ ders schutzwürdig ist, da das rechtliche Schutzminimum für beide Ehegatten auf das objektive Statut festgelegt wird. Dieses Lösungskonzept ist bei Zulassung einer Rechtswahl im Partnerschaftsrecht526 entsprechend anzuwenden.

524 

KOM(2011) 127 endg., S.  8. Das gilt sowohl für den gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalt (Art.  8 lit.  a Rom  III-VO, Art.  15 EuUnthVO i. V. m. Art.  8 lit.  b HUP 2007, Art.  17 lit.  a V-EuGüterVO) als auch die ge­ meinsame Staatsangehörigkeit der Ehegatten (Art.  8 lit.  b Rom  III-VO, Art.  15 EuUnthVO i. V. m. Art.  8 lit.  a HUP 2007, Art.  17 lit.  b V-EuGüterVO). 526  Siehe oben ab S.  386. 525 

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2. Teil – 4.  Abschnitt: Optimierung der Regelungseffizienz

B. Kombination von Günstigkeitsvergleich und Rechtswahlbeschränkung im Verbraucher- und Arbeitnehmerrecht Trotz des Grundsatzes der Parteiautonomie527 könnte man auch bei Individualar­ beitsverträgen eine Rechtswahlbeschränkung einführen. Auch wenn dadurch zwar verhindert wird, dass sich das anwendbare Recht zu weit vom Verbraucher und dem Vertrag entfernt, sollte man jedoch von einer Kombination dieser Me­ thoden absehen. I. Individualarbeitsverträge 1. Vorteile Der Vorteil einer Kombination von Rechtswahlbeschränkungen mit einem Günstig­ keitsvergleich bei Individualarbeitsverträgen könnte darin bestehen, einerseits den Schutz des Arbeitnehmers noch zu verstärken, ohne gleichzeitig die Position des Arbeitgebers in unverhältnismäßiger Weise zu belasten. Möglich ist dies, da bereits die objektiven Anknüpfungsmomente in Art.  8 Abs.  2, 3 Rom  I-VO auf spezifische Anknüpfungspunkte hinweisen, die bei der Konzeption der Rechtswahlbeschrän­ kungen genutzt werden können, wie z. B. die Niederlassung des Arbeitgebers. Dass damit der Arbeitgeber zugleich die Möglichkeit der unbegrenzten Rechts­ wahl verliert, bedeutet nicht den Verlust eines essentiellen Bestandteils der kolli­ sionsrechtlichen Gestaltung des Arbeitsvertrages. Wenn z. B. ein Arbeitgeber mit Sitz in Spanien einen Arbeitnehmer mit gewöhnlichem Aufenthalt in Frankreich für Arbeiten in Portugal beschäftigt, ist nicht ersichtlich, warum auf diesen Ar­ beitsvertrag per Rechtswahl US-amerikanisches Recht anwendbar sein müsste. Es ist für die Belange des Arbeitsverhältnisses vollkommen ausreichend, wenn die Rechtswahl auf diesen engen Kreis von Anknüpfungspunkten, bestehend aus Spanien, Frankreich und Portugal begrenzt wird. Eine zusätzliche Nennung des Arbeitsortes ist dabei freilich nicht erforderlich, da das objektive Individual­ arbeitsstatut sich bereits danach bestimmt. Eine entsprechende Rechtswahlmög­ lichkeit wäre somit gleichermaßen funktionslos wie diejenige in Art.  7 Abs.  3 lit.  a Rom  I-VO zugunsten des Risikobelegenheitsortes.528 2. Nachteile Dieser Konzeption stehen jedoch praktische und Effizienzerwägungen entgegen. Zum einen setzt eine Kombination von Rechtswahlbeschränkung und Günstig­ keitsvergleich voraus, dass es bei der Rechtswahlbeschränkung mehrere Optio­ 527  528 

Erwägungsgrund Nr.  11 Rom  I-VO; Martiny in: MüKoBGB, Art.  3 Rom  I-VO, Rdn.  8. Vgl. dazu Martiny in: MüKoBGB, Art.  7 Rom  I-VO, Rdn.  29 und oben S.  216 f. (Fn. 630).

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nen gibt. Gerade beim Individualarbeitsvertrag stellt sich dieses Problem. Der Ort der Niederlassung in Art.  8 Abs.  3 Rom  I-VO dient als Reserveanknüpfung für den gewöhnlichen Arbeitsort nach Abs.  2, da es letzteren nicht immer gibt. Würde man also die Rechtswahl auf diese beiden Anknüpfungsmomente be­ schränken, gäbe es nicht wenige Fälle, in denen die Rechtswahloptionen faktisch auf den Niederlassungsort beschränkt sind. Dann wäre der Günstigkeitsvergleich nicht mehr erforderlich. Würde man zusätzlich den gewöhnlichen Aufenthalt des Arbeitnehmers als objektive Anknüpfung vorsehen, würde dies zu einem ähn­ lichen Kalkulationsrisiko wie für den Unternehmer in einem internationalen Ver­ brauchervertrag führen – ein Problem, zu dessen Lösung in den Anwendungs­ bereich von Art.  6 Rom  I-VO eine besondere Nähebeziehung des Unternehmers zum Verbraucherstaat eingeführt wurde.529 Zum anderen ist ohnehin fraglich, ob die Kombination von Rechtswahlbe­ schränkung und Günstigkeitsvergleich tatsächlich für den Arbeitnehmer aus­ schließlich günstig ist. Denn die Rechtswahlfreiheit muss sich nicht zwingend negativ auswirken. Bei Wahl eines geeigneten Rechts kann sie auch für den Ar­ beitnehmer günstige Normen enthalten. Für einen arbeitnehmerschützenden Rechtswahlkatalog würden jedoch typischerweise diejenigen Anknüpfungs­ momente ausgewählt, die gerade eine enge Verbindung jedenfalls zum Vertrags­ verhältnis, aber noch mehr zum Arbeitnehmer ausweisen. Wenn ein für den Ar­ beitnehmer auch im Einzelfall günstiges Recht mit dem Arbeitsverhältnis jedoch keine ausreichende Verbindung aufweist, um für einen Rechtswahlkatalog aus­ gewählt zu werden, hätte die Maßnahme der Rechtswahlbeschränkung ihren Zweck verfehlt. II. Verbraucherverträge 1. Vorteile Bei den Verbraucherverträgen ist mit dem Günstigkeitsvergleich ein wichtiger Schutzmechanismus zur Wirkungsbeschränkung der Rechtswahl eingeführt wor­ den. Daneben ist eine Beschränkung der Rechtswahlfreiheit an sich, wie sie bei Versicherungsverträgen oder im unionsweit vereinheitlichten Familienkollisi­ onsrecht vorgenommen wird, schwierig. Da der Anwendungsbereich von Art.  6 Rom  I-VO weit und somit auf Vertragstypen verschiedenster Art anwendbar ist,530 könnte eine Rechtswahlbeschränkung nicht allgemein für alle Verbrau­ cherverträge gemeinsam gefunden werden, sondern müsste auf die Interessen der einzelnen Vertragstypen abgestimmt werden. 529  530 

Siehe dazu oben S.  253. Martiny in: MüKoBGB, Art.  6 Rom  I-VO, Rdn.  19.

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2. Teil – 4.  Abschnitt: Optimierung der Regelungseffizienz

Eine solche Interessenabwägung ist jedoch im Rahmen der Bestimmung der objektiven Anknüpfungsmomente in Art.  4 Rom  I-VO bereits durch den EU-Ge­ setzgeber vorgenommen worden, denn sie basieren im Wesentlichen auf dem Gedanken der charakteristischen Leistung als näherer Bestimmung der engsten Verbindung. Um den Verbraucher durch eine Rechtswahlbeschränkung über den Günstigkeitsvergleich hinaus noch weiter zu schützen, könnte man Art.  6 Rom  I-­ VO dahingehend modifizieren, dass vom objektiven Verbraucherstatut nur zu­ gunsten der Anknüpfungsmomente des Art.  4 Rom  I-VO abgewichen werden kann. Für diejenigen Verträge, für die sich keine charakteristische Leistung be­ stimmen lässt, könnte man das Recht des Staates wählen, in dem der Unterneh­ mer seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat. Für den Verbraucher würde sich diese Lösung positiv auswirken. Zwar könnte im letztgenannten Fall selbst ein verständnisvoller Unternehmer nicht auf den Verbraucher in der Art zugehen, indem er ihm eine neutrale Rechtsordnung an­ bieten könnte. Jedoch ist die Wahl einer neutralen Rechtsordnung ohnehin nur zwischen Unternehmern bedeutsam.531 Außerdem dürfte es für den Verbraucher typischerweise vorzugswürdig sein, dass auch die Wahl des anwendbaren Rechts ebenso wie das über den Günstigkeitsvergleich und die zwingenden Vorschriften des objektiven Verbraucherstatuts erreichte Schutzminimum vorhersehbar ist. Selbst wenn ein Verbraucher mit gewöhnlichem Aufenthalt in Deutschland mit einem chinesischen Unternehmer einen Vertrag abschlösse, auf den Art.  6 Rom  I-­ VO anwendbar ist, käme neben der Rechtswahlklausel zusätzlich die Kenntnis des Sitzortes des Unternehmers als die Vorhersehbarkeit stützender Aspekt hin­ zu. Der Verbraucher wüsste dann nämlich, dass er es im für ihn ungün­stigsten Falle neben den zwingenden Vorschriften des deutschen Rechts ausschließlich mit den dispositiven Vorschriften des chinesischen Rechts zu tun ­bekommen könnte. Gleichzeitig würde den chinesischen Unternehmer diese Rechtswahl­ beschränkung nicht über Gebühr belasten, da er nach wie vor mit chinesischem Recht ein ihm bekanntes Recht wählen könnte. 2. Nachteile Doch auch im Bereich des Verbraucherrechts gilt das zum Individualarbeitsrecht bereits Gesagte: Man würde zum einen den bedeutenden „Eckstein“532 der freien Rechtswahl bei vertraglichen Schuldverhältnissen verkleinern. Und zum anderen gilt auch im Verbraucherrecht, dass ausländisches Recht für den Verbraucher zwar unbekannt ist, für ihn hinsichtlich des dispositiven Rechts jedoch nicht ungünstig 531 

Vgl. nur Martiny in: MüKoBGB, Art.  3 Rom  I-VO, Rdn.  22 mit dem Beispiel der Wahl schweizerischen Rechts zwischen einem deutschen und einem türkischen Unternehmen. 532  Erwägungsgrund Nr.  11 Rom  I-VO.

3. Kapitel: Erw. Anwendung von Günstigkeitsvgl. und Rechtswahlbeschr.

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sein muss. Selbst wenn dies der Fall wäre, bliebe ihm zudem der Schutz durch die zwingenden Vorschriften des objektiven Verbraucherstatuts. Ein Weniger an Verbraucherschutz könnte dem Verbraucherinteresse in gleicher Weise dienen.

C. Der Versicherungsnehmer und die zu befördernde Person bei Personenbeförderungsverträgen Zugunsten des Versicherungsnehmers ist demgegenüber die Einführung des Günstigkeitsvergleichs nicht erforderlich. Denn durch die Rechtswahl kann nicht in solchem Maß vom Risikobelegenheitsrecht abgewichen werden, dass die Ver­ bindung zu den Interessen des Versicherungsnehmers abrisse.533 Um den Schutz des Versicherungsnehmers vor einer ungünstigen Rechtswahl zu gewährleisten, bedarf es daher in diesem Fall keines Günstigkeitsvergleichs zur Durchsetzung der zwingenden Regelungen eines Rechts mit enger Verknüpfung zum Versiche­ rungsvertrag. Demgegenüber würde die Kombination der Rechtswahlbeschränkung mit ei­ nem Günstigkeitsvergleich zugunsten von zu befördernden Personen – soweit deren Situation mit der eines Verbrauchers nach Art.  6 Abs.  1 Rom  I-VO ver­ gleichbar ist – eine Schutzverbesserung bedeuten. Auf diese Weise würde die derzeit bestehende Möglichkeit des Beförderers, über eine Rechtswahl der zu befördernden Person das Recht seiner Hauptniederlassung aufzuzwingen, abge­ mildert werden.534 Würde man von der grundsätzlichen Systematik von Günstig­ keitsvergleichen wie in Art.  6 und 8 Rom  I-VO ausgehen, würde man auf das objektive Personenbeförderungsstatut nach Art.  5 Abs.  2 UAbs.  1 Rom  I-­VO ab­ stellen. Dies wäre der gewöhnliche Aufenthalt der zu befördernden Person, so­ fern sich in diesem Staat auch der Abgangs- oder der Bestimmungsort befindet. Das Herstellen der Nähebeziehung,535 die hinter der Kumulierung der Vorausset­ zungen steht, kann man als sinnvoll erachten, wenn man – wie im Verbraucher­ kollisionsrecht in Art.  6 Abs.  1 Rom  I-VO – einen Kompromiss mit den schutzwürdigen Interessen des Beförderers einbauen möchte. Solange Art.  6 Rom  I-VO nicht anwendbar ist, stellt dies einen durchaus geeigneten Interessen­ ausgleich dar. Wenn die Voraussetzungen von Art.  6 Abs.  1 Rom  I-VO jedoch bereits erfüllt wären, weil der Beförderer z. B. seine Tätigkeit auf den Staat aus­ richtet, in dem die zu befördernde Person ihren gewöhnlichen Aufenthalt hat, verschöbe sich die Interessengewichtung automatisch in die Richtung des Beför­ derers und damit weg von der eigentlich schutzwürdigen Person. 533 

Siehe dazu S.  472. Vgl. Mankowski, TranspR 2008, 339, 349. 535  Staudinger in: Ferrari/Kieninger/Mankowski u. a., Art.  5 Rom  I-VO, Rdn.  56. 534 

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2. Teil – 4.  Abschnitt: Optimierung der Regelungseffizienz

Am einfachsten wäre freilich, Art.  6 Rom  I-VO auch für Personenbeförde­ rungsverträge zu öffnen und Art.  6 Abs.  4 lit.  b Rom  I-VO zu streichen.536 Wenn man dies nicht möchte, sollte man vor dem Hintergrund des soeben Hergeleiteten den Günstigkeitsvergleich folgendermaßen konzipieren: Wenn der Beförderer seine berufliche oder gewerbliche Tätigkeit auch in dem Staat ausübt, in dem die zu befördernde Person ihren gewöhnlichen Aufenthalt hat, oder eine solche Tä­ tigkeit auf irgendeine Weise auf diesen Staat oder auf mehrere Staaten, einschließ­ lich dieses Staates, ausrichtet und der Vertrag in den Bereich dieser Tätigkeit fällt, sollte das Recht des Staates Anwendung finden, in dem die zu befördernde Person ihren gewöhnlichen Aufenthalt hat, ohne dass dieser Staat zusätzlich der Abgangs- oder Bestimmungsort zu sein hat. Nur wenn diese Voraussetzungen nicht gegeben sind, sollte für die Günstigkeitsreferenz auf Art.  5 Abs.  2 UAbs.  1 Rom  I-VO zurückgegriffen werden.

D. Mieter bei Vermietung unbeweglicher Sachen I. Erweiterung des Günstigkeitsvergleichs Bei der Wahl eines geeigneten Anknüpfungsmomentes für Mietverträge an un­ beweglichen Sachen bietet sich wieder ein Vergleich mit Verbraucher-, Versiche­ rungs- und Arbeitsrechtsstatut an. Beim Verbraucherstatut handelt es sich nicht um die engste Verbindung,537 die ja ausweislich Art.  4 Abs.  2 Rom  I-VO typi­ scherweise zum gewöhnlichen Aufenthalt des Erbringers der charakteristischen Leistung und damit grundsätzlich nicht beim Verbraucher-Kunden bestünde. Demgegenüber besteht vor dem Hintergrund der charakteristischen Leistung eine große Nähe des Arbeitsvertrages zu dem Ort, an dem der Arbeitnehmer die Arbeit gewöhnlich verrichtet, bzw. zum Ort der Risikobelegenheit oder des ge­ wöhnlichen Aufenthaltes des Versicherers, so dass hierin auch die engste Verbin­ dung von Arbeitsvertrag zu Arbeitsstatut bzw. von Versicherungsvertrag zu Ver­ sicherungsstatut angenommen werden kann.538 Daraus lässt sich ableiten, dass das für einen Günstigkeitsvergleich notwendi­ ge Vergleichsstatut nicht immer das Recht des gewöhnlichen Aufenthaltsstaates der zu schützenden Person sein muss, sondern durchaus auch auf der Nähebezie­ hung basieren kann. Zur Bestimmung der Nähebeziehung hat der Unionsgesetz­ geber bereits vorgearbeitet, indem er für die Vermietung bzw. Verpachtung von 536 

Siehe nur Mankowski, TranspR 2008, 339, 350. Martiny in: MüKoBGB, Art.  6 Rom  I-VO, Rdn.  50; Otto, AGB und IPR, S.  162 ff. m. w. N. 538  Für das Individualarbeitsstatut wird davon, soweit ersichtlich, nicht ausgegangen. Dage­ gen für das Versicherungsstatut siehe nur Martiny in: MüKoBGB, Art.  7 Rom  I-VO, Rdn.  30, 31. 537 

3. Kapitel: Erw. Anwendung von Günstigkeitsvgl. und Rechtswahlbeschr.

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unbeweglichen Sachen in Art.  4 Abs.  1 lit.  c und d Rom  I-VO objektive Anknüp­ fungen vorgebracht hat. Die in Art.  4 Abs.  1 lit.  c Rom  I-VO enthaltene Anknüp­ fung an den Lageort der unbeweglichen Sache hat Solomon bereits implizit vor­ geschlagen.539 Angesichts der soeben angeführten Vergleichsmomente ist dem für die Fälle, auf welche Art.  4 Abs.  1 lit.  c Rom  I-VO anwendbar ist, beizupflichten. Würde das aber auch für Art.  4 Abs.  1 lit.  d Rom  I-VO gelten, würde damit allein durch Rechtswahl dem Mieter bzw. Pächter der Vorteil genommen, dass das Recht sei­ nes gewöhnlichen Aufenthaltsortes angewendet werden solle, obwohl der Uni­ onsgesetzgeber genau diesen Ort bereits im Katalog der objektiven Anknüpfun­ gen vorgesehen und damit zu der für diese Fälle engsten Verbindung erklärt hat540. Das objektive Vertragsstatut in den Fällen von Art.  4 Abs.  1 lit.  d Rom  I-­ VO sollte auch im Rahmen eines Günstigkeitsvergleichs das objektive Statut sein, von dessen zwingenden Normen nicht durch Rechtswahl abgewichen wer­ den kann. Für den Fall, dass der Vermieter seine Tätigkeit auf den Staat, in dem der Mieter seinen gewöhnlichen Aufenthalt ausgerichtet hat, oder nur unter an­ derem auf diesen Staat ausrichtet, sind die Interessen des Vermieters durch die räumliche Beziehung zum Verbraucher-Mieter-Staat ausreichend gewahrt, so dass auch in diesem Fall – entsprechend dem Vorschlag bei Art.  5 Rom  I-VO541 – die Anknüpfung an den gewöhnlichen Aufenthalt des Mieters in Betracht kommt. II. Rechtswahlbeschränkung Zusätzlich zum Günstigkeitsvergleich ist im internationalen Vertragsrecht an eine spezifische Rechtswahlbeschränkung auch bei Mietverträgen über unbe­ wegliche Sachen zu denken. Dass eine solche Kombination unter Umständen durchaus sinnvoll sein kann, hat sich im Rahmen der Personenbeförderung ge­ zeigt.542 Einerseits könnte man argumentieren, dass der kollisionsrechtliche Mie­ terschutz erhöht wird, wenn der Unternehmer nicht potenziell jedes – auch dritt­ staatliches – Recht wählen könnte. Der Günstigkeitsvergleich beschränkt ein Abweichen durch die Rechtswahl zwar auf zwingende Vorschriften des gewöhn­ lichen Aufenthaltsorts des Verbraucher-Mieters. Ist das gewählte Recht jedoch zu weit entfernt vom Rechtskreis, dem der Mieter angehört, kann ihm auch das Nachvollziehen des dispositiven Rechts Schwierigkeiten bereiten, so dass in der internationalen Durchsetzung der zwingenden Vorschriften lediglich ein Mini­ malschutz zu sehen ist. Gleichzeitig ist wie beim Individualarbeitsvertrag ein zu 539 

Solomon in Ferrari/Leible, Ein neues Internationales Vertragsrecht, 89, 100. Vgl. Martiny in: MüKoBGB, Art.  4 Rom  I-VO, Rdn.  137. 541  Siehe soeben unter C. 542  Siehe soeben unter C. 540 

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2. Teil – 4.  Abschnitt: Optimierung der Regelungseffizienz

großes Abschweifen des Unternehmers vom Rechtskreis des Verbraucher-Mie­ ters auch nicht erforderlich. Gegen eine Kombination spricht jedoch zum einen das praktische Problem, dass die Rechtswahlbeschränkung immer noch die Wahl von mehr als einem Recht ermöglichen muss, da ansonsten der soeben vorgeschlagene Günstigkeits­ vergleich keinen Anwendungsbereich mehr hätte. Bei Mietverträgen über unbe­ wegliche Sachen nach Art.  4 Abs.  1 lit.  c Rom  I-VO findet sich jedoch außer der Anknüpfung an den Lageort keine sinnvolle weitere Anknüpfung. Die Lösung müsste sich also ebenfalls an den spezifischen Anknüpfungspunkten des Miet­ vertrages bei unbeweglichen Sachen, wie sie in Art.  4 Abs.  1 lit.  c, d Rom  I-VO vorgesehen sind, orientieren. Zum anderen ging es in den Konstellationen beim sozial schwächeren Ehe­ partner sowie bei Personenbeförderungsverträgen, in denen die Verknüpfung von Rechtswahlbeschränkung und Günstigkeitsvergleich sinnvoll erschien, je­ weils darum, die Schutzlücken zu schließen, die durch die Rechtswahlbeschrän­ kungen hinterlassen wurden. Wenn dagegen ein Günstigkeitsvergleich als Schutz­ methode bereits bestand, zeigte sich stets, dass dies die geeignete Verknüpfung von Parteiautonomie und Schutz der strukturell schwächeren Partei darstellte. Dies spricht dafür, es bei Mietverträgen bei der Einführung eines Günstigkeits­ vergleichs nach dem unter I. beschriebenen Konzept zu belassen.

Zusammenfassung 1. Teil IPR und IZVR bestehen aus Rechtsnormen mit nationalem, völkervertraglichem und unionsrechtlichem Ursprung. Diese Rechtsnormen werden im Wege der Vor­ rang- und der Inhaltskoordination miteinander verbunden. Mit jeder Koordina­ tionsmethode verbinden die Koordinationsakteure andere Elemente, um damit bestimmte Koordinationszwecke zu erreichen. Dabei zeigt sich, dass in IPR und IZVR jeweils ähnliche Koordinationsmethoden mit ähnlichen Funktionsprinzi­ pien verwendet werden.

§  1 Vorrangkoordination I.  Auf dem Prinzip der Akzessorietät beruhen im IPR die akzessorische Anknüp­ fung und im IZVR der Zuständigkeitsgleichlauf. 1.  Die akzessorische Anknüpfung ist eine variabel einsetzbare Methode zur Verknüpfung von Statuten. Sie kann schlicht zur Vereinfachung der Gesetzesre­ daktion eingesetzt werden – wie z. B. bei Art.  15 EGBGB – und hat dann regel­ mäßig keine Koordinationsfunktion. Mit Koordinationsfunktion ausgestattet wird sie in Form einer Grundanknüpfung oder als Ausweichklausel eingesetzt, insbesondere im internationalen außervertraglichen Schuldrecht wie z. B. in Art.  4 Abs.  3 Rom  II-VO. Im Rahmen von akzessorischen Anknüpfungen auf­ tretende Tatbestandsmerkmale sind von der Judikative ggf. näher zu bestimmen. Die Parteien können freilich akzessorische Anknüpfungen durch Rechtswahl be­ einflussen und sogar außer Funktion setzen; sie können einen Gleichlauf von Statuten jedoch auch durch eine geeignete Rechtswahl nachempfinden. 2.  Der Zuständigkeitsgleichlauf tritt in zwei Formen auf. Er kann dergestalt vorkommen, dass zwischen den verbundenen Gerichtsständen ein vorherbestimm­ tes Vorrangverhältnis besteht, wie z. B. beim Zuständigkeitsgleichlauf von Schei­ dungs- und Gütersachen sowie von Erb- und Gütersachen. In den in dieser Arbeit analysierten Beispielen dient er dann der Verhinderung einander widersprechen­ der Entscheidungen sowie grundsätzlich der Verschlankung des Verfahrens. Denn in jedem Fall muss der Kläger nur einen Prozess führen.

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Die Verfahrenskonzentration kann jedoch auch mit einem vorherbestimmten Vorrangverhältnis geregelt sein; dann dient sie lediglich der Vereinfachung eines bestimmten Verfahrens. Anders als bei der Widerklage wird bei der Streitgenos­ senschaft das Verfahren für den beigezogenen Beklagten dagegen nicht zwin­ gend einfacher. II.  Zudem koordinieren Vorrangkoordinationsnormen das Verhältnis zwi­ schen einzelnen Rechtsakten des IPR und IZVR. Dabei soll einerseits sicherge­ stellt werden, dass die Anwendbarkeit der EU-Verordnungen so weit geht wie möglich, andererseits dass EU-Mitgliedstaaten gegenüber Drittstaaten nicht in die Lage eines Völkervertragsbruchs gebracht werden. 1.  Zunächst besteht ein Bedürfnis zur Koordination zwischen Vorgänger- und Nachfolgerechtsakt, da beide nebeneinander existieren können. Dies trifft insbe­ sondere dann zu, wenn Dänemark, das Vereinigte Königreich oder Irland nicht am Nachfolgerechtsakt teilnehmen. 2.  Ferner ist eine Koordination von Rechtsakten des EuIPR und EuZVR mit völkervertraglichen Übereinkommen mit zumindest teilweise einander über­ lappenden Anwendungsbereichen erforderlich. Im IPR ist die Vorrangregelung regelmäßig dergestalt ausgeprägt, dass den Übereinkommen mit Drittstaaten­ beteiligung Vorrang zukommt, wohingegen Übereinkommen, die ausschließlich zwischen EU-Mitgliedstaaten geschlossen sind, gegenüber der Verordnung nach­ rangig sind. Abweichungen ergeben sich im Familienrecht unter Bezugnahme auf die Verstärkte Zusammenarbeit, wo zusätzlich auf den Zeitpunkt der Annah­ me der Verordnung abgestellt wird, sowie im Rahmen der EuUnthVO, die auch gegenüber Übereinkommen mit drittstaatlicher Beteiligung vorrangig ist. Unterschiedliche Ausprägungen gibt es im IZVR. Im Grundsatz enthalten ­reine IZVR-Verordnungen Vorrangnormen, die sich nur auf das Verhältnis zwi­ schen den EU-Mitgliedstaaten beziehen. Ausnahmsweise – wie in Art.  69 Abs.  2 EuUnthVO – wird der Vorrang der Verordnung auf solche Übereinkommen er­ weitert, denen auch Drittstaaten angehören. Eine weitere Form ist der Vorrang­ ausspruch zugunsten der EU-Verordnung gegenüber einer Liste bi- und pluri­ lateraler Übereinkommen zwischen Staaten, die mittlerweile EU-Mitgliedstaa­ ten sind; diese Übereinkommen betreffen jedoch vereinzelt auch das Verhältnis von EU-Mitgliedstaaten zu Drittstaaten. Besondere Ausprägungen sind interpretatorische Vorrangklauseln wie in Art.  71 Abs.  2 Brüssel Ia-VO und bedingte Günstigkeitsvorbehalte zugunsten be­ stimmter Übereinkommen, die – wie in Art.  69 Abs.  3 EuUnthVO oder Art.  75 Abs.  3 EuErbVO – bereits vor Annahme der EU-Verordnung galten. Teilweise wird – wie z. B. in Art.  21 Abs.  2 EuBVO – festgeschrieben, dass die EU-Verord­ nung hinter Übereinkommen zurücktritt, die in Zukunft noch entstehen.

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III.  Schließlich sehen Regelungen in EU-Verordnungen den Vorrang von Son­ derbestimmungen vor. Im IPR geht es dabei im Wesentlichen um Richtlinienkol­ lisionsrecht, das der Umsetzung bedarf, weniger um Sonderkollisionsrecht in EU-Verordnungen. Es bezweckt die Funktionsfähigkeit des Handels mit Waren und Dienstleistungen sowie der Verwirklichung des Herkunftslandprinzips. Im IZVR gibt es entsprechende Sondervorschriften auf Gerichtsstandebene wie in EuVTVO oder EuMVVO, auf Verfahrensebene wie in der GMVO sowie auf Ebene der Anerkennung und Vollstreckung wie in Art.  4 der Verordnung Nr.  2271/96 zum Schutz vor den Auswirkungen der extraterritorialen Anwen­ dung von einem Drittland erlassener Rechtsakte vom 22.11.1996. Die Sonder­ vorschriften auf Gerichtsstand- und Verfahrensebene dienen im Wesentlichen dem Schutz einzelner Personengruppen, auf Anerkennungs- und Vollstreckungs­ ebene ferner allgemeinen wirtschaftlichen Interessen.

§  2 Inhaltskoordination I.  Eine Form der Inhaltskoordination stellt die Bestimmung von Tatbestands­ merkmalen in Rechtsnormen des IPR und IZVR dar. Im IPR sind in diesem Zu­ sammenhang die Erstfrage für die Ebene des Kollisionsrechts und die Vorfrage für die Sachrechtsebene zu nennen. Beide dienen dazu, die international-privat­ rechtlichen Interessen des internen und internationalen Entscheidungseinklangs gegeneinander abzuwägen. Zuvorderst schafft die Legislative über die kolli­ sions­rechtliche Rechtsvereinheitlichung die Grundlage des internationalen Ent­ scheidungseinklangs. Angesichts dessen, dass die Frage, ob insbesondere die Vorfrage selbstständig oder unselbstständig anzuknüpfen ist, bislang tendenziell unentschieden ist, entscheidet die Judikative über die Gewichtung der interna­tio­ nal-privatrechtlichen Interessen. Im IZVR werden Tatbestandsmerkmale durch Sachnorm- oder Kollisionsnorm­ verweisungen bestimmt. Beide Verweisungsformen dienen jeweils mehreren so­ wie jeweils unterschiedlichen Koordinationszwecken und werden im Wesent­ lichen durch die nationale und die EU-Legislative gestaltet. II.  Bei der Inhaltskoordination zwischen den EuIPR- und EuZVR-Verordnun­ gen sind verschiedene Formen zu unterscheiden: 1.  EuIPR- und EuZVR-Verordnungen werden jeweils untereinander auf Ebe­ ne der Qualifikation bzw. des Anwendungsbereichs abgegrenzt. Insbesondere die Legislative ist dabei gefragt, Überschneidungen der Verordnungen zu vermeiden. Im Verhältnis von EuIPR- und EuZVR-Verordnungen wird vom Grundsatz des begrifflichen Einklangs ausgegangen, der insbesondere bei Art.  6 Rom  I-VO und Art.  15 Brüssel I- bzw. Art.  17 Brüssel Ia-VO praktisch relevant wird. Bei

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Gesamtverordnungen, die sowohl IPR- als auch IZVR-Teil in einem Rechts­ bereich verbinden, ist ein in beiden Teilen einheitlicher Anwendungsbereich nicht zwingend, wie dies etwa bei der EuErbVO zu sehen ist. 2.  Der inhaltliche Gleichlauf von Anknüpfungsmomenten im IPR ergibt sich aus der akzessorischen Anknüpfung, die insbesondere für die Verbindung von vertraglichem und außervertraglichem Schuldkollisionsrecht verantwortlich ist. Daneben sind die Anknüpfungsmomente im Bereich des Erb- und Familien­ rechts, bei letzterem gerade im Güterkollisionsrecht, weitgehend angeglichen, um den einheitlichen Lebensverhältnissen Rechnung zu tragen. Neben der Akti­ vität des Gesetzgebers können die Parteien selbst im Wege der Rechtswahl den Gleichlauf insbesondere zwischen dem Erb- und dem Güterstatut herstellen. Im IZVR sind die Anknüpfungsmomente und sonstigen Tatbestandsmerkmale im Wesentlichen gleich, insbesondere die Verfahrenskoordination funktioniert in allen Rechtsgebieten nach dem gleichen Muster. Eine wichtige Ausnahme stellen jedoch die mittlerweile auseinander driftenden Modelle der Anerkennung und Vollstreckung dar – insbesondere die Tatsache, dass das Exequatur-Modell in manchen EU-Verordnungen nicht mehr vorgesehen ist, in anderen dagegen schon, wenn auch in modifizierter Form. 3.  Bei der inhaltlichen Koordination der Anknüpfungsmomente gibt es so­ wohl hinsichtlich der Gestaltung als auch der Auslegung Unterschiede und Ge­ meinsamkeiten im IPR und IZVR. Unterschiedliche Anknüpfungsmomente er­ klären sich aus den Unterschieden in der Zielrichtung zwischen IPR und IZVR – u. a. die Nähe des anwendbaren Rechts zum Sachverhalt gegenüber einer höhe­ ren Beweisnähe. Damit erklären sich auch Unterschiede in der Auslegung, insbe­ sondere bei Art.  4 Abs.  1 Rom  II-VO und Art.  7 Nr.  2 Brüssel IIa-VO. Gemein­ samkeiten bei der gesetzgeberischen Wahl des Anknüpfungsmoments – etwa im Rahmen der EuErbVO der letzte gewöhnliche Aufenthalt des Erblassers – erge­ ben sich regelmäßig aus Schutzerwägungen gegenüber einer oder allen am Rechtsverhältnis beteiligten Parteien. 4.  Die inhaltliche Verknüpfung von Gerichtsstandnormen, Verfahrenskoordi­ nationsregeln und Anerkennungs- und Vollstreckungsversagungsgründen bei ei­ nander widersprechenden Entscheidungen dient dazu, das Interesse der Parteien an einer möglichst breiten Auswahl von Gerichtsständen zu befriedigen, anderer­ seits die Gefahr einander widersprechender Entscheidungen einzudämmen. Die Versagung von Anerkennung und Vollstreckung ist jedoch zusätzlich auf zeitlich voneinander unabhängig ergehende Entscheidungen anwendbar, solange nur ihre Rechtsfolgen miteinander unvereinbar sind. III.  Die Inhaltskoordination zwischen EU-Rechtsakten und völkervertragli­ chen Übereinkommen erfolgt in drei Formen.

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1.  Zunächst findet eine Orientierung von EuIPR und EuZVR an europäischen Vorgängerrechtsakten statt wie der Rom  I-VO am EVÜ und der Brüssel I-VO am EuGVÜ. Die Koordination erfolgt dabei durch Gesetz und Auslegungskohärenz. Die Koordination, die sich daraus ergibt, dass nicht alle EU-Mitgliedstaaten an den jeweiligen Nachfolgerechtsakten zwingend teilnehmen, ist dabei nicht unbe­ dingt vom Gesetzgeber gewollt, wird als Nebenfolge jedoch akzeptiert. Vorran­ gig ist die Weiterentwicklung des Rechts durch Präzisierungen, Klarstellungen und Anpassungen von Regeln, die einer entsprechenden Optimierung bedürfen, sowie die Übernahme von Regeln, die sich bewährt haben. 2.  Eine weitere Orientierungsform erfolgt zwischen EU-Kollisionsrecht und Haager IPR-Übereinkommen. Die Koordination erfolgt dabei aufgrund der Ver­ allgemeinerung einer speziellen Kollisionsnorm. So ist etwa die Anknüpfung an den gewöhnlichen Aufenthalt des Verkäufers im HÜ 1955 im EVÜ als Regel­ anknüpfung an den gewöhnlichen Aufenthalt der Vertragspartei, welche die cha­ rakteristische Leistung erbringt, verallgemeinert eingeflossen. Zudem werden ein­zelne kollisionsrechtliche Aspekte aus Übereinkommen dazu gebraucht, in einer allgemeinen EU-Kollisionsrechtsverordnung punktuelle Ergänzungen vor­ zunehmen. So kann ein Zusammenhang hergestellt werden zwischen dem HStrVÜ sowie dem HProdHÜ einerseits und Art.  5, 17 Rom  II-VO andererseits. Das gleiche gilt für das Verhältnis von HTestformÜ und EuErbVO. Im IZVR kann sich eine inhaltliche Koordination aus der parallelen Entwick­ lung von EU-Rechtsakten und überregionalen Übereinkommen ergeben, wie dies z. B. im Verhältnis von EuUnthVO und HUÜ 2007 sowie der Brüssel Ia-VO und dem HGÜ zu beobachten ist. Das Verhältnis von EuUnthVO und LugÜ 2007 – beispielhaft ausgedrückt an Art.  4 Abs.  4 EuUnthVO – zeigt den Bezug eines EU-Rechtsaktes zu einem regionalen Übereinkommen, die jedoch nicht auf einer Parallelentwicklung beruht. Der Zweck der Koordination ist bei dieser Form die inhaltliche Kohärenz unter gleichzeitiger Beachtung der Eigenheiten der EU-­ Rechtsakte. 3.  Bei der Inhaltsorientierung von völkerrechtlichen Übereinkommen an EU-­ Rechtsakten erfolgt die Koordination sowohl in Gesetzesform als auch durch Auslegung. Im Verhältnis von EuGVÜ und LugÜ 1988 haben sich neben Ge­ meinsamkeiten jedoch in mehreren Abschnitten – u. a. in Arbeitssachen und bei den Anerkennungsversagungsgründen – Unterschiede gezeigt. Auch im Verhält­ nis von Brüssel I-VO und LugÜ 2007 haben sich Wortlautunterschiede ergeben, wobei hier zu unterscheiden ist zwischen solchen ohne inhaltlichen Einfluss, sol­ chen mit potentiellem inhaltlichem Einfluss und solchen, die einen sicheren in­ haltlichen Einfluss bedeuten. Demgegenüber sind auch Wortlautunterschiede weggefallen, die noch im Verhältnis zum LugÜ 1988 bestanden. Zudem zeigte sich, dass das LugÜ 2007 die Brüssel Ia-VO beeinflusst hat. Zweck dieser Orien­

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tierungsform ist u. a. die Auslegungskohärenz zwischen den Brüsseler Verord­ nungen und dem Luganer Übereinkommen. Im IPR ist diese Orientierungsform nicht so intensiv wie im IZVR ausgebildet. Eine Orientierung war jedoch bei der Entwicklung des Nordischen Abkommens zwischen der Fassung von 1934 und 2012, wobei sich letzteres inhaltlich an der EuErbVO orientiert hat. Das Ziel bestand dabei aus Sicht der Vertragsstaaten des Nordischen Abkommens darin, die Vorrangstellung des Abkommens vor der Eu­ ErbVO zu ermöglichen. IV.  Schließlich erfolgt die Orientierung des nationalen Rechts am EuIPR bzw. EuZPR im Rahmen gesetzgeberischer Orientierung und überschießender Rechts­ anwendung auf Sachverhalte außerhalb des Anwendungsbereichs des europäi­ schen Vorbildes. 1.  Im IPR sind die EU-Mitgliedstaaten aufgrund von Regelungen wie Art.  16 Rom  III-VO oder Art.  38 EuErbVO nicht verpflichtet, EU-Kollisionsrecht auf interlokale Sachverhalte anzuwenden, können sich jedoch dazu entschließen. Bei der Orientierung des nationalen Kollisionsrechts am IZVR – konkret bei Orientierung von Art.  40 EGBGB an Art.  5 Nr.  3 Brüssel I-VO bzw. Art.  7 Nr.  2 Brüssel Ia-VO – entfernt sich der BGH vom EuGH. Öffnungsklauseln im Unionsrecht ermöglichen es darüber hinaus den Mit­ gliedstaaten, u. a. mittels entsprechender Erweiterungsoptionen zusätzlich zu den nach Unionsrecht gegebenen weitere Rechtswahlmöglichkeiten zu schaffen und so eigene Akzente zu setzen. Ferner ermöglichen Öffnungsklauseln, dass Mit­ gliedstaaten besondere Zeitpunkte für z. B. eine Rechtswahl vorsehen, um so eine nahtlose Anbindung an die innerstaatlichen prozessrechtlichen Gegebenhei­ ten zu schaffen. 2.  Im IZVR wird eine gesetzgeberische Orientierung im Rahmen nationaler Ausführungsvorschriften wie AVAG, IntFamRVG, AUG, IntErbFamRVG vorge­ nommen. Dies dient zur Abwägung zweier wesentlicher Interessen: Einerseits hat die EU ein Interesse an der einheitlichen Festlegung auch der innerstaatlichen Durchführung, um unionsweit über die zuständigen innerstaatlichen Stellen und Rechtsbehelfe Rechtssicherheit zu schaffen. Andererseits soll sichergestellt wer­ den, dass der Mitgliedstaat weitestgehend der Herr von Verfahren und Voll­ streckung bleibt und zudem die unionsrechtlichen Anforderungen bestmöglich an das innerstaatliche Recht anpassen kann, um Friktionen im nationalen Recht zu vermeiden. Die überschießende Orientierung kann im Rahmen der Rechtssetzung durch Übernahme der unionsrechtlichen Regelungen auf interlokale Sachverhalte er­ folgen, wie dies etwa im Vereinigten Königreich im Jurisdiction Act 1982 der Fall war. Im Rahmen der Rechtsanwendung zeigte sich an zwei Beispielen, dass sich deutsche Gerichte wie bei §  328 ZPO teilweise nahe an der EuGH-Recht­

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sprechung auch außerhalb des unionsrechtlichen Anwendungsbereichs orientie­ ren, sich jedoch an anderer Stelle – wie in §  32 ZPO – auch von der Richtung des EuGH entfernen können.

§  3 Die inhaltliche Beeinflussung des anwendbaren Rechts durch bestimmte ausländische Sachrechtsnormen als Mischbereich Der Themenbereich der inhaltlichen Beeinflussung des anwendbaren Rechts durch bestimmte ausländische Sachrechtsnormen ist in seiner Gesamtheit aus IPR und IZVR nicht eindeutig einer einzigen Kategorie von Koordinations­ methoden zuzuordnen. I.  Im IPR vermitteln die Durchsetzung von Eingriffsnormen, der Vorrang des Einzel- vor dem Gesamtstatut, der Günstigkeitsvergleich, Einzelstaaten- und Binnenmarktklausel, die kollisionsrechtliche Durchsetzung bestimmter Richt­ linien sowie der ordre public jeweils Regelungen des Vorrangs von Normen, die nicht der an sich als anwendbarem Recht berufenen Rechtsordnung angehören. Demgegenüber sind die Substitution sowie die Anerkennung und Anpassung ausländischer Rechtsinstitute eher der Inhaltskoordination zuzuordnen. An allen Vorrangs- und Inhaltskoordinationsmethoden sind Legislative und Judikative in unterschiedlichem Maße beteiligt. Bedeutsam ist die Rolle des EuGH gerade im Rahmen des Günstigkeitsvergleichs, da dort die Anwendung von europäischem und nationalem Recht ineinander greift. II.  Im IZVR ist das Bild ebenfalls gespalten, wenngleich mit einer anderen Gewichtung als im IPR. Inhaltskoordination stellt es dar, wenn im Rahmen eines Zivilverfahrens im Inland ausländisches Verfahrensrecht und wenn ausländi­ sches Verfahrensrecht im Rahmen des materiellen Rechts – insbesondere über die funktionelle Qualifikation – zur Anwendung kommt. Als Vorrangqualifikation ist dagegen wie im IPR die Prüfung eines ausländi­ schen Urteils am ordre public des Anerkennungs- bzw. Vollstreckungsstaates anzusehen, da in diesem Zusammenhang den inländischen Grundsätzen und den auf ihnen beruhenden Rechtsnormen vor dem Ergebnis der Anwendung auslän­ dischen Rechts international vorrangige Geltung verschafft wird. Diese Vorrang­ koordination wird im Rahmen der neueren EU-Verordnungen zunehmend auf einen nicht unproblematischen Prüfstand gestellt.

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2. Teil Rom, Brüssel und Den Haag können nicht an einem Tag erbaut werden. Bei der Untersuchung der Koordinationsmethoden und ihres Zusammenwirkens zeigen sich diverse Probleme, die einer Lösung zugeführt werden müssen. Unter der Annahme, dass die in dieser Arbeit vorgeschlagenen Lösungen die jeweils best­ mögliche Reaktion auf die gefundenen Probleme darstellen, sind daher die not­ wendigen Verbesserungen in vier Kategorien eingeteilt worden: die Erhöhung der Differenzierung durch den Gesetzgeber und die Erhöhung der Flexibilität bei der Normanwendung, die Erhöhung des Bestimmtheitsniveaus in IPR und IZVR von und durch Regeln, die Verfolgung einer konsequenten Verbindung von Re­ gelungsinhalt und Regelungszweck sowie die notwendige Optimierung der Re­ gelungseffizienz.

§  1 Erhöhung des kollisionsrechtlichen Bestimmtheitsniveaus von Regelungen und durch Regelungen I.  Die Aufgabe der Behandlung von Normwidersprüchen im IPR und IZVR ist nicht generell auf die Gerichte zu delegieren. Die Rechtssicherheit wird vielmehr durch gesetzliche Lösungen von Normwidersprüchen erhöht, indem auf diese Weise die Rechtsanwendung für die Parteien vorhersehbarer wird. Im IPR können für eine gesetzliche Lösung der kollisionsrechtliche Ansatz der Anpassung in Ansatz gebracht werden. Die Verbindung der für jeweils einen Teil des Sachverhalts anwendbaren Rechte wird über die akzessorische Anknüpfung desjenigen Statuts, das nicht den Schwerpunkt des Sachverhalts ausmacht, an dasjenige bewerkstelligt, welches den Schwerpunkt ausmacht. Ermittelt wird der Schwerpunkt des Rechtsverhältnisses unter Abwandlung des Anknüpfungs­ moments der charakteristischen Leistung aus Art.  4 Rom  I-VO und Bildung ei­ nes neuen Anknüpfungsmoments, des charakteristischen Rechtsverhältnisses. Dieses Anknüpfungsmoment kann noch weiter konkretisiert werden, indem ein gewähltes Recht aufgrund der Parteiautonomie den Schwerpunkt gegenüber einem objektiven Statut bildet. Ebenso ist aus Gründen der Prozessökonomie bei einem Konflikt zwischen Prozessrechtsstatut und anwendbarem Recht – so bei Kollision von österreichischer Einantwortung und deutschem Erbstatut – erste­ rem der Schwerpunkt zuzuerkennen. Dieses Anknüpfungsmoment wird im Rah­ men einer subsidiären Anknüpfung mit der bisherigen Primäranknüpfung kom­ biniert, um die Möglichkeit offen zu halten, dass diese bereits das Ergebnis ohne Normwiderspruch herbeiführen.

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Im IZVR betrifft eine ähnliche Problematik das Auftreten von negativen Zu­ ständigkeitskonflikten, die insbesondere bei der Nutzung der Wohnsitzanknüp­ fung bei Art.  62 Abs.  1 Brüssel Ia-VO auftritt. Zur Lösung ist ein Zusammenspiel mit dem gewöhnlichen Aufenthalt zu erwägen, der als subsidiäres Anknüpfungs­ moment eingeführt werden könnte. Man könnte sogar überlegen, die Wohnsitz­ anknüpfung durch Anknüpfung an den gewöhnlichen Aufenthalt zu ersetzen. II.1.  Das Bestimmtheitsniveau ist auch im Rahmen der Koordination der An­ wendungsbereiche von Rechtsakten zu erhöhen. Dies betrifft zum einen die Ab­ stimmung der Anwendungsbereiche eines völkerrechtlichen Übereinkommens und einer Verordnung, die auf dieses Übereinkommen verweist, z. B. auf die da­ rin enthaltenen Kollisionsnormen nach Art des Verweises von Art.  15 EuUnthVO auf das HUP 2007. Weniger problematisch ist dies, wenn der Anwendungsbe­ reich der EU-Verordnung weiter ist als derjenige des Übereinkommens, da dies eine zulässige Modifikation nach WVRK darstellen würde. Wenn jedoch der An­ wendungsbereich der EU-Verordnung enger wäre, würde dies das Verweisungs­ ziel verhindern und damit auch dazu führen, dass die EU ein Übereinkommen, an das sie bzw. ihre Mitgliedstaaten gebunden ist, nicht umsetzt. Soweit nicht durch Auslegung mit Verweis auf den Kohärenzgedanken zwischen den Rechtsakten zu helfen ist, ist bereits im Rahmen der Gesetzgebung auf eine enge Wortlaut­ anbindung der Verordnung an das Übereinkommen zu achten. 2.  Ein vergleichbares Problem kann bei der unvollständigen Kongruenz der Anwendungsbereiche von IZVR- und IPR-Teilen innerhalb derselben EU-Ver­ ordnung auftreten. Wenn vom IPR-Teil Fragen erfasst sind, die nicht auch im IZVR-Teil enthalten sind, besteht die Möglichkeit, dass der Sinn der Rechtsver­ einheitlichung nicht erreicht wird. Aus diesem Grund ist die Kohärenz der An­ wendungsbereiche so weit wie möglich herzustellen. III.  Ein höheres Maß an Bestimmtheit ist auch notwendig, um materiellem EU-Einheitsrecht gegenüber älteren Kollisionsrechtsübereinkommen Vorrang einzuräumen. Neuere Übereinkommen wie das HErbrechtsÜ oder das HUP 2007 sehen den Vorrang regionalen Einheitsrechts bereits vor; bei z. B. dem HÜ 1955 war eine derartige Entwicklung noch nicht absehbar. Da dieses Problem nicht durch Auslegung lösbar ist, wäre es insbesondere im Zuge der Entwicklung des Einheitsrechts im Bereich des Kaufrechts sinnvoll, im Rahmen von Nachver­ handlungen zum HÜ 1955 dieses Problem zu lösen.

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§  2 Optimierung der legislativen Differenzierung sowie Erhöhung der Flexibilität bei der Normanwendung I.  Die legislative Differenzierung muss zunächst auf nationaler Ebene optimiert werden. 1.  Die Anerkennung ausländischer Sachenrechtspositionen ist so großzügig wie möglich zu handhaben; die materielle Grenze bildet dabei der ordre public. Gleichzeitig ist für die Zwangsvollstreckung in ausländische Sachenrechte da­ rauf hinzuarbeiten, ein internationales Netz behördlicher Zusammenarbeit zu schaffen, damit die Grundlage für eine weitgehende Anwendung ausländischen Zwangsvollstreckungsrechts durch inländische Vollstreckungspersonen im Re­ gelfall möglich wird. Hierdurch ließe sich die Anzahl der Friktionen, die durch interpretative Übertragung inländischer Verwertungsregeln entstehen kann, auf ein Minimum reduzieren. 2.  Bei der Substituierbarkeit ist auch im Grundstücksrecht eine flexible Ana­ lyse des Einzelfalles geboten und der pauschale Ausschluss ausländischer Rechts­ institute aufgrund deren allgemeiner Konzeption ohne Begutachtung der Rechts­ kenntnisse der Einzelperson unzulässig. II.  Auch der EU-Gesetzgeber muss auf ein höheres Maß an Differenzierung achten. 1.  So verstößt die EU z. B. gegen ihre Loyalitätspflicht aus Art.  4 EUV, wenn sie EU-Mitgliedstaaten an verschiedenen Entwicklungsschritten der Rechtsver­ einheitlichung nicht teilnehmen lässt und hierfür keine sachlichen Gründe vorlie­ gen. Wenn also die EU für Mitgliedstaaten, die durch ein Kollisionsrechtsüber­ einkommen wie das HUP 2007 gebunden sind, ein bestimmtes Anerkennungsund Vollstreckungssystem vorgesehen ist, das u. a. keine ordre public-Prüfung vorsieht, und dieses System für Mitgliedstaaten nicht gelten lässt, die nicht durch das Übereinkommen gebunden sind, gibt es hierfür keinen sachlichen Grund, wenn die nicht gebundenen Mitgliedstaaten in ihrem nationalen Recht eine ordre public-Kontrolle vorgesehen haben, die sich inhaltlich vom ordre public des Unionsrechts nicht unterscheidet. Denn dieser Fall stellt eine Ungleichbehand­ lung wesentlich gleicher Sachverhalte ohne sachlichen Grund. 2.  Renvoi und Vorfragenanknüpfung können derart miteinander kombiniert werden, dass mit der Vorfragenanknüpfung der interne Entscheidungseinklang und mit dem renvoi der internationale Entscheidungseinklang verfolgt wird. Für die Vorfragenanknüpfung folgt daraus die selbstständige Anknüpfung. Für den renvoi bedeutet das, dass auch im EuIPR im Grundsatz Rück- und Weiterverwei­ sung zuzulassen sind. Lediglich in besonderen Fällen, die dem Sinn der Verwei­ sung widersprechen, ist der renvoi ausnahmsweise auszuschließen. Dies würde

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die Rückkehr zu dem renvoi-Modell bedeuten, wie es vor der Kollisionsrechts­ vereinheitlichung üblich war. Damit wird zugleich erreicht, dass nicht über einen Umweg der Vorrang internationaler Übereinkommen mit Beteiligung von Nicht-EU-Mitgliedstaaten vor den EU-Verordnungen unterlaufen wird. 3.  Im Güterkollisionsrecht eingetragener Partnerschaften ist der Ausschluss der Rechtswahl und die Anknüpfung an den Registrierort zur Bestimmung des objektiven Güterstatuts zu pauschal mit den Schwierigkeiten begründet, die ent­ stehen könnten, wenn ein Recht zur Anwendung kommt, das die eingetragene Partnerschaft nicht kennt. Diese Schwierigkeiten müssen jedoch nicht daran hin­ dern, die Anknüpfungen des Ehegüterkollisionsrechts auch auf die eingetragenen Partnerschaften anzuwenden – und zwar sowohl für das subjektive als auch für das objektive Partnerschaftsgüterstatut. Sollte das so bestimmte anwendbare Recht die eingetragene Partnerschaft tatsächlich nicht kennen und sich so ein Normwiderspruch ergeben, kann dieser Widerspruch durch subsidiäre Anknüp­ fung an den Registrierungsort behoben werden. In Verbindung mit der Lösung der Normwidersprüche aufgrund des Zusammenwirkens der Kollisions- und Sachnormen mehrerer Staaten kann man also ganz allgemein sagen, dass eine differenzierte Anknüpfungssystematik mit solider Rückfallposition die Partei­ interessen besser widerspiegelt und gleichzeitig Normwidersprüche verhindert. Diese Prinzipien hat der EU-Gesetzgeber bei der Weiterentwicklung zwischen V-EuPartVO und EuPartVO hinsichtlich der Rechtswahl beherzigt und das Kon­ zept an die Rechtswahloptionen der EuGüterVO angeglichen. Nicht beherzigt hat er sie dagegen bei der objektiven Anknüpfung in Art.  26 EuPartVO, der vom Grundsatz her die einseitige Anknüpfung an den Staat aufrecht erhält, in dem die eingetragene Partnerschaft begründet wurde. Hier hätte der EU-Gesetzgeber mit mehr legislativer Differenzierung arbeiten können und – da eine Ungleichbe­ handlung gegenüber Ehegatten nicht angezeigt war – auch müssen. 4.  Ferner kann mit einem höheren Maß an Differenzierung ein vergleichbarer Grad an Prorogationsoptionen im internationalen Familienrecht insgesamt ge­ schaffen werden. Obwohl davon auszugehen ist, dass nicht nur im Gerichts­ standsrecht in Unterhalts- und Gütersachen, sondern auch in Scheidungssachen größere Rechtssicherheit, Vorhersehbarkeit und Eigenständigkeit der Vertrags­ parteien das Ziel sein sollten, wird in Scheidungssachen auf eine Prorogation bislang verzichtet. Dies sollte mittels der Einführung einer beschränkten Anzahl von Prorogationsoptionen geändert werden. 5.  Das Torpedo-Problem wird mit Art.  31 Abs.  2 Brüssel Ia-VO zwar ange­ gangen, führt jedoch zu der Frage, welches von mehreren angerufenen Gerichten überprüfen darf, ob eine wirksame Änderung der Gerichtsstandvereinbarung vorliegt. Nach hier vertretener Ansicht soll das zuerst angerufene Gericht eine Gerichtsstandvereinbarung – auch wenn sie nicht zu seinen Gunsten ist – in je­

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dem Fall die formalen Anforderungen nach Art.  25 Brüssel Ia-VO prüfen. Die materielle Wirksamkeit ist dagegen nur von dem Gericht zu prüfen, das von der Gerichtsstandvereinbarung erfasst ist. Zudem ist, um eine inkonsequente Handhabung der Vorschriften zum Parallel­ verfahren über denselben Streitgegenstand noch effizienter auszuschließen, bei den Anerkennungs- und Vollstreckungsversagungsgründen nicht lediglich auf einander widersprechende Entscheidungen Bezug zu nehmen. Vielmehr ist di­ rekt auf solche Entscheidungen Bezug zu nehmen, die unter Verstoß gegen die Vorschriften zu Parallelverfahren zustande gekommen sind. III.  Schließlich ist auch bei der Rechtsanwendung auf eine differenzierte He­ rangehensweise zu achten. 1.  Die inhaltliche Koordination von IPR und IZVR bringt es mit sich, dass Regelungskonzepte übertragen werden. Dennoch bleiben die Regelungszwecke in IPR und IZVR verschieden. Differenziertheit bedeutet jedoch auch, dass nicht auf undifferenzierte Art und Weise Regelungsgedanken vom IZVR ins IPR über­ tragen werden. Vielmehr ist darauf zu achten, dass das Anknüpfungsmoment des anderen Rechtsgebietes in diesem Zusammenhang keine ungerechte Situation entstehen lässt. Eine solche Situation kann jedoch auch durch Anpassung des Anknüpfungsmoments gelöst werden. Zu einer solchen fehlerhaften Übertra­ gung ist es nach hier vertretener Ansicht im Verhältnis von Art.  15 Brüssel I-VO und Art.  6 Rom  I-VO gekommen. Eine Möglichkeit, die hierdurch entstandene Schieflage zu beheben, bestünde in der Modifikation des Anknüpfungsmoments und der Neueinführung des „regelmäßigen Aufenthalts“ anstatt des gewöhnli­ chen Aufenthalts. 2.  Rechtsmixe müssen nicht bedeuten, dass Koordinationsmethoden, die von einer eindeutigen Bestimmung des Hauptstatuts abhängig sind, ihre Funktionali­ tät verlieren. Wenn aufgrund einer Rechtswahl auf ein Rechtsverhältnis mehrere Rechte Anwendung finden, muss nicht an der Funktionalität der akzessorischen Anknüpfung gezweifelt werden. Vielmehr kann eine klare Zuordnung zu dem jeweils relevanten Vertragsteil erfolgen, so dass die akzessorische Anknüpfung ein Hauptstatut hat. Im Falle von Einzelstaaten-, Binnenmarktklausel und Gün­ stigkeitsvergleich ist die akzessorische Anknüpfung an das Statut anzuknüpfen, zu dem das Rechtsverhältnis, an das akzessorisch angeknüpft wird, aufgrund der relevanten Sachverhaltselemente den engsten Bezug hat.

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§  3 Verfolgung einer konsequenten Verbindung von Regelungsinhalt und Regelungszweck Wie eine konsequente Verbindung von Regelungsinhalt und Regelungszweck zu erfolgen hat, zeigt sich an Beispielen hinsichtlich er Übertragung von Form- und diversen inhaltlichen Konzepten: I.  Als problematisch erweist sich die Übertragung eines Regelungskonzepts wie der Schriftform dann, wenn die Quelle dieser Schriftform eine andere Quali­ tät aufweist als der Rechtsbereich, auf den das Konzept übertragen wird. So ist die Schriftform, die auch dann erfüllt ist, wenn sie in Form elektronischer Übermitt­ lung erfolgt, in Art.  23 Brüssel I-VO und Art.  25 Brüssel Ia-VO sinnvoll, wenn es um den Abschluss von Gerichtsstandvereinbarungen im Geschäftsverkehr geht und gleichzeitig anderswo ausreichend Schutzvorschriften für schutz­würdige Personengruppen wie Verbraucher, Arbeit- sowie Versicherungsnehmer bestehen. Die Übertragung entspricht jedoch nicht den Schutzstandards für Ehegatten, wenn für diese bzgl. ihrer Rechtswahl eine Form eingeführt werden soll, der nicht nur Publizitäts- und Beweisfunktion, sondern auch eine Warn-, Schutz- und Hinweisfunktion zukommen soll. Will man im Familienrecht bei der Rechtswahl am Minimum der Schriftform festhalten, wäre es daher ratsam, den Mitgliedstaa­ ten bei ihrer Abweichungsmöglichkeit vorzuschreiben, dass die von ihnen vorge­ sehene Form neben der Publizitäts- und Beweisfunktion auch eine Warn-, Schutz- und Hinweisfunktion zu erfüllen hat. II.  Ebenfalls im Zusammenspiel von EU-Verordnungen und ihnen vorrangi­ gen völkervertraglichen Übereinkommen verhindert eben dieser Vorrang eine optimale Rechtssetzung. Der Vorrang ermöglicht zunächst bei Warenkäufen ­forum shopping innerhalb der EU, etwa zwischen deutschen Gerichten, welche die Rom  I-VO anwenden, sowie französischen Gerichten, welche das HÜ 1955 anwenden. Damit verbunden sein können Einschnitte im Verbraucherschutz, da das HÜ 1955 der Rom  I-VO insgesamt und somit auch hinsichtlich des verbrau­ cherschützenden Art.  6 Rom  I-VO vorgeht. Schließlich verhindert der Vorrang von Übereinkommen mit drittstaatlicher Beteiligung die flächendeckende Um­ setzung von Lösungen auf der EU-Ebene, wenn diese Lösungen nicht ebenfalls in den vorrangigen Übereinkommen aufgenommen sind. Lösungen können sowohl auf völkervertraglicher als auch auf EU-Ebene ge­ funden werden. Auf Übereinkommensebene könnten Mitgliedstaaten aufgrund des EU-Rechts dazu verpflichtet sein, auf Änderungen in den Übereinkommen hinzuwirken. Ggf. könnten sie aufgrund der EU-rechtlichen Loyalitätspflicht auch dazu verpflichtet sein, ein Übereinkommen zu kündigen, wenn eine Ände­ rung nicht möglich ist und dadurch die Verwirklichung einer EU-Politik wie dem Verbraucherschutz verhindert wird.

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Auf EU-Ebene kann eine gesetzgeberische Lösung verfolgt werden. Dabei geht es um eine klare Abgrenzung der Anwendungsbereiche der EU-Verordnun­ gen von Übereinkommen, die derzeit in deren Anwendungsbereich fallen. Dabei geht es auch um eine inhaltliche Orientierung an den IZVR-Verordnungen, bei denen ihr höherer Bezug zur EU dadurch erreicht wird, dass sie sich nur auf das Verhältnis zwischen den EU-Mitgliedstaaten bezieht. Dieser mitgliedstaatliche Bezug ist freilich im IPR schwieriger zu formulieren. Bei der Abgrenzung von Rom  I-VO und HÜ 1955 könnte man dies so lösen, dass die Rom  I-VO dann ausschließlich anwendbar sein soll, wenn sich alle relevanten Sachverhaltselemente in einem oder mehreren Mitgliedstaaten befinden. Im Üb­ rigen sei das HÜ 1955 anwendbar – eine Lösung, die gewisse inhaltliche Anleihen bei Einzelstaaten- und Binnenmarktklausel aus Art.  3 Abs.  3, 4 Rom  I-­VO auf­ weist. Bei der Abgrenzung von Rom  II-VO und HStrVÜ ist aufgrund der ver­ schiedenen Anknüpfungsmomente nach demselben Prinzip eine modifizierte For­ mulierung zu wählen, wonach die Rom  II-VO ausschließlich Anwendung finden soll, wenn alle sowohl nach dem HStrVÜ oder nach der Rom  II-VO relevanten Sachverhaltselemente in einem oder mehreren EU-Mitgliedstaaten belegen sind. III.  Durch Art.  46b EGBGB und Art.  6 Rom  I-VO soll mit zwei verschiede­ nen Normen der Verbraucherschutz kollisionsrechtlich verwirklicht werden. Die Erreichung dieses Ziels ist jedoch fraglich angesichts des unklaren Verhältnisses zwischen den Kollisionsnormen sowie der Tatsache, dass Art.  46b EGBGB kei­ nen Günstigkeitsvergleich kennt. Gelöst werden kann dies sowohl auf nationaler als auch auf EU-Ebene. Auf nationaler Ebene könnte – wie z. B. in Art.  46b Abs.  1 EGBGB – der Günstigkeitsvergleich eingeführt werden. Eine Lösung auf EU-Ebene könnte so aussehen, dass der Vorrang des Richtli­ nienkollisionsrechts abgeschafft würde und so der Richtlinienschutz innerhalb der EU vollständig über Art.  6 Rom  I-VO verwirklicht würde. Für Art.  46b EG­ BGB bliebe als räumlicher Anwendungsbereich der Schutz der Verbraucher in den übrigen EWR-Staaten, die nicht zugleich EU-Mitgliedstaaten sind. Zudem wären auch auf nationaler Ebene zur Klarstellung Anpassungen in Art.  46b Abs.  1, 2 und 4 EGBGB erforderlich. Dabei geht es um die Reduktion des räum­ lichen Bezuges auf die Vertragsstaaten des EWR. Ausgenommen ist dabei die Rechtswahl, da ein Verbraucher bei Wahl des Rechts eines Mitgliedstaates der EU nicht über Art.  46b EGBGB schutzwürdig ist. IV.  Auch im Rahmen der Anerkennung und Vollstreckung ist – wie z. B. bei der Koordination zwischen EuUnthVO und HUP 2007 – darauf zu achten, keine inkonsequenten Regelungskonzepte zu verfolgen. Dies bezieht sich zum einen auf die nicht sachgerechte Reduzierung der Anerkennungs- und Vollstreckungs­ versagungsgründe um den ordre public. Trotz vergleichbarer Maßstäbe hinsicht­ lich der rechtlichen Grundprinzipien in den EU-Mitgliedstaaten darf nicht über­

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sehen werden, dass der ordre public eine Einzelfallkorrektur darstellt, die sich in einigen Beispielen bereits als hilfreich erwiesen hat. Zudem könnte es zu internationaler Rechtsunsicherheit führen, dass die An­ wendung des Anerkennungsversagungsgrundes der einander widersprechenden Entscheidungen neuerdings in EU-Verordnungen ins Ermessen der Mitgliedstaa­ ten gestellt wird. Demgegenüber ist in der Versagung von Anerkennung und Vollstreckung wi­ dersprüchlicher Entscheidungen ein Kompromiss zwischen zwei Koordinations­ formen zu sehen. Der strikte Vorrang einer inländischen Entscheidung wie etwa in Art.  45 Abs.  1 lit.  c Brüssel Ia-VO bzw. der zeitlich früheren von verschiede­ nen ausländischen Entscheidungen in Art.  45 Abs.  1 lit.  d Brüssel Ia-VO sollte durch ein differenziertes Modell ersetzt werden. Vorrangig entscheidend sollte sein, ob eine der Entscheidungen gegen Verfahrenskoordinationsregeln wie in Art.  29 ff. Brüssel Ia-VO verstößt, solange ein solcher Verstoß nicht im Verfahren in demjenigen Mitgliedstaat, der die betreffende Entscheidung erlassen hat, gel­ tend gemacht werden konnte. Erst wenn ein solcher Verstoß ausgeschlossen ist, sollte an die zeitliche Reihenfolge der Entscheidungen angeknüpft werden. Ein Verstoß gegen das Verbot der Nachprüfung der Zuständigkeit ist bei einem sol­ chen Regelungskonzept nicht gegeben.

§  4 Optimierung der Regelungseffizienz I.  Bei der Frage, ob die ausdrückliche Verweisung oder die wortidentische Über­ nahme von Regelungen aus vorrangigen völkervertraglichen Übereinkommen regelungstechnisch besser ist, lässt sich kein klarer Vorteil einer der beiden Tech­ niken ausmachen. Es überwiegt jedoch der Effizienzvorteil der Verweisung bei der Übersichtlichkeit und dem fehlenden Nachbesserungserfordernis als dyna­ mischer Verweisung. Bei Hinweisen in Verordnungen auf internationale Übereinkommen, die ge­ genüber der Verordnung Vorrang haben oder denen gegenüber die Verordnung Vorrang hat, ist die Form als am effizientesten zu bewerten, die in der Brüssel Ia-VO eingeführt wurde – die Sammlung von gegenüber der Verordnung vorbzw. nachrangiger Übereinkommen in einem Anhang. Zwar ist dabei der kurz­ fristige Aufwand bei der Gesetzgebung hoch; dies führt jedoch langfristig zu ei­ ner Steigerung der Übersichtlichkeit. II.  Zur Erhöhung der Übersichtlichkeit und damit der Effizienz der koordinie­ renden Wirkung des IPR kann es sich als sinnvoll erweisen, die Methode des EuZPR, die darin besteht, Kataloge zur Sammlung nationaler Rechtsinstitute an­ zulegen, ins IPR zu übertragen. Diese Kataloge können dann dazu verwendet

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werden, auf materiell-rechtliche Rechtsinstitute an relevanter Stelle – wie es mit Art.  35 V-EuGüterVO bzw. Art.  31 V-EuPartVO im Kollisionsrecht Einzug er­ halten hat und nunmehr in Art.  63 i. V. m. 28 EuGüterVO bzw. Art.  63 i. V. m. 28 EuPartVO umgesetzt worden ist – hinzuweisen und so für ausländische Stellen oder Privatpersonen zu verdeutlichen, mit welchen inländischen Rechtsinstituten im Rahmen dieser Vorschrift zu rechnen ist. III.  Für die Erhöhung der Regelungseffizienz sorgt auch die Erweiterung be­ währter Schutzmechanismen für bestimmte Personengruppen auf weitere, eben­ so schutzwürdige Personengruppen. Konkret betrifft dies die Ausweitung des Günstigkeitsvergleichs und der Rechtswahlbeschränkungen. Dabei ist jedoch stets zu prüfen, ob eine Personengruppe vergleichbar schutzwürdig ist und ob es nicht bereits hinreichende Schutzmechanismen gibt. Bei Mietern sind zunächst nur Mieter unbeweglicher Sachen schutzwürdig; anders als bei Mietern beweglicher Sachen ist Art.  6 Rom  I-VO dort nicht an­ wendbar. Bei Mietern unbeweglicher Sachen ist eine Kombination aus Günstig­ keitsvergleich und Rechtswahlbeschränkung ebenfalls nicht empfehlenswert, da ein Günstigkeitsvergleich bereits angemessenen Schutz gewähren würde.

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Sachverzeichnis akzessorische Anknüpfung  3, 19, 21–31, 33, 41, 104 ff., 108, 117, 129, 193, 196, 301, 310, 330, 331 f., 371, 401, 408–417, 426, 485, 488, 492, 496 – als Ausweichklausel  23, 31, 412 – festgeschriebene Anknüpfung  23 – flexible Anknüpfung  21, 24 – Grundanknüpfung  21, 25 f., 29 f., 163, 167, 189 f., 331, 410, 485 – Judikative  30 – Legislative  30 – mit Koordinationszweck  27 – ohne Koordinationszweck  26 – Parteien  30 – renvoi  29 – Vertragsakzessorietät  21 f., 29, 330, 332, 417 Anerkennungstheorie  279 ff. Anerkennungsverfahren  140, 287, 345, 400 Anerkennungsversagung  399 Anerkennungsversagungsgrund  111 f., 132, 141, 152, 181, 184, 287, 395, 399, 448, 450, 452, 489, 499 Arbeitnehmer  76 f., 140, 146, 207, 212, 286, 293 ff., 298, 300, 312, 355, 357, 476, 489, 539 ff., 545, 554 f., 559 Bereichsausnahmen  98, 100 f., 149 f., 440 f. Bestimmtheitsniveau – Koordination von Anwendungsbereichen  343–348 – und Normwiderspruch  295–305, 309 ff., 313 ff., 321, 324 f., 328–332, 338, 341 f. Bestimmungslandprinzip  62 charakteristischer Anknüpfungsgegenstand  332 Damnationslegat  299 f., 332 f. Delegation  216, 436 Deliktsstatut  24 f., 27 f., 122, 301, 409, 416

Differenzierung – und ordre public-Kontrolle  366 ff. – und Torpedo-Problem  395 Differenzierungsgrad – Erhöhung  353, 358, 395 Doppelfunktionalität  7, 32 E-Commerce-Richtlinie  58–62, 264, 520 Ehegüterrecht  1, 120, 298, 333, 334 f., 392, 467, 475 Ehegütersachen  1, 34, 39 Ehegüterstatut – und Koordination der Anknüpfungs­ momente  120 – und legislative Differenzierung  392 – und Normwiderspruch  298 f., 333 Eingetragene Lebenspartnerschaften  86, 364, 386, 388 f. Eingriffsnormen  61, 238, 239–250, 273, 362, 382, 408, 415, 467, 470, 474 ff., 491, 523 Einheitsrecht  6, 49, 57, 61, 295, 317 ff., 349 ff., 384, 493 Entsenderichtlinie  64, 66 ff., 244 Erbstatut  31, 105, 119, 128 f., 190, 280, 297 ff., 302, 303, 310, 312, 332 f., 335, 337, 339 ff., 383, 391 f., 492, Gründungstheorie  307 f., 322 f., 329 Günstigkeitsvergleich  2 f., 5, 10, 250–259, 262, 264–269, 273, 316, 320 f., 401, 404, 408 ff., 414 ff., 426, 435–439, 444, 455, 466 f., 469–473, 475, 477–484, 491, 496, 498, 500 Haager Übereinkommen  1, 2, 8, 13, 73, 84, 124, 164, 169, 174, 176 f., 199, 301, 319, 338, 344, 346, 349–352, 371, 397 f., 431, 489 Herkunftslandprinzip  59–63, 487 Hinnahmetheorie  279 ff., 412

526

Sachverzeichnis

Inhaltskoordination  4 ff., 10 f., 17, 83, 125, 237, 273, 277, 288, 289, 291, 419, 485, 487, 488, 491 Italian torpedo  364, 395 Jenard-Bericht  79 f., 127, 326 f. Kernpunkttheorie  233, 235 kollisionsrechtliche Anpassung  302, 311, 313 f., 331, 437 Kommorientenvermutung  296 f., 313 Kompetenzkonflikt  36, 126, 133, 305–309, 312, 314, 324–328, 453 Koordination – Analysekriterien  4 f., 11 – Begriff  4 – Inhaltskoordination  19, 79, 107, 201 – Vorrangkoordination  5, 12 f., 19, 52, 73, 79, 122, 209, 225, 240, 278, 562, 570 Koordinationsgegenstände  6, 10, 19, 31, 42, 47 f., 57, 64, 74, 83, 91, 104, 108, 118, 125, 137, 147, 164, 170, 178, 189, 193, 203, 216, 224, 238, 247, 250, 261, 266, 269, 271, 273, 283, 289, 291 Koordinationsmethoden  3–6, 10, 11, 14 f., 17, 46, 73, 117, 237, 246, 293, 401. 408, 415, 436, 445, 456, 465, 471, 485, 491, 492, 496 Koordinationsakteure  5, 11, 30, 40, 46, 56, 63, 68, 72, 81, 90, 103, 108, 117, 124, 135, 145, 160, 169, 176, 187, 191, 200, 205, 214, 223, 228, 235, 246, 249, 253, 265, 268, 270 f., 273, 275, 281, 286, 290, 292, 485 Mezzanin-Theorie  193 Mosaiktheorie  159, 212, 235 non cumul – und Normwiderspruch  300 f., 338, 426 Nordisches Erbrechtsabkommen (1934/2012)  189–193, 490 Normwiderspruch  292, 295–305, 309–311, 313–316, 321, 324, 325, 328–332, 338, 341 f., 390 ff., 492, 495 – und negativer Kompetenzkonflikt  305 f. – und non cumul  300 f., 338, 426 – qualitativer Normenmangel  299, 313

– quantitativer Normenmangel  298, 312 Öffnungsklausel  82, 207, 216–220, 223 f., 227 f., 241, 253, 353, 455, 461 f., 490 ordre public  10, 111–114, 137, 139, 143, 196, 237, 239, 246, 263, 271 ff., 283–288, 345, 356 ff., 366 ff., 399, 445–448, 470, 491, 494, 498, 499 – materiell-rechtlicher ordre public  284, 368 – verfahrensrechtlicher ordre public  10, 44, 55, 137, 284, 267, 368, 399 Orientierung – durch Auslegung  186 – EU-Kollisionsrecht und EU-Verordnun­ gen  147, 149, 151, 153 f., 164, 420, 489 – im Verhältnis EU-Recht zu internationalen Übereinkommen  164 f., 168 f., 171 f., 174, 176 f., 178 f., 186, 190, 192, 200, 320 f., 338, 346, 424, 428, 448, 457, 490, 498 – überschießende Orientierung  208, 211 f., 215, 228 f., 231, 490 – und begriffliche Kohärenz innerhalb des EU-Kollisionsrechts  98, 121 – und Rechtsanwendung  234 ff. – von nationalem Recht an EU-Kollisions­ recht  91, 207 f., 211–215, 434, 437, 490 – von nationalem Recht an internationalen Kollisionsrechtsakten  228 f., 231 Parteiautonomie  268, 310, 336, 340, 390, 478, 484, 492 Private International Law (Miscellaneous Provisions) Act 1995  25, 30 Prorogation  45, 110, 119, 125, 184, 364, 392 ff., 396 f., 422, 458, 495 Purifikationstheorie  277 Qualifikation  83 f., 95, 104, 291 f., 311, 314, 333, 474, 487, 491 Rechtsmix  221, 408–410, 414 f., 496 – Günstigkeitsvergleich  409 – Statutenwechsel  411 – Vertragsspaltung  410 Rechtsquelle  74, 78, 188 Rechtswahlbeschränkung  199, 267, 422, 455, 466, 468, 472 f., 475–481, 483 f., 500

Sachverzeichnis Regelungseffizienz  293, 455 f., 492, 499 f. Richtlinienkollisionsrecht  12, 64, 434–439, 441–444, 487, 498 sachrechtliche Anpassung  311 Sachrechtsnorm  6, 10, 74, 237, 243, 254, 271, 311 f., 491 Schutzbedürftigkeit – allgemeine Schutzbedürftigkeit von Personengruppen  467 ff. – konkrete Schutzbedürftigkeit  471 Sitztheorie  89, 358, 359, 376 Sonderkollisionsrecht  57–61, 63, 66, 487 subsidiäre Anknüpfung  314, 325, 329, 331, 392, 492 f., 495 Substitution – als Inhaltskoordination  10, 273, 491 – und höherer Differenzierungsgrad  359 f., 362 f. Torpedo-Problem  395 f., 495 überschießende Orientierung  208, 212, überschießende Umsetzung  61, 200 ff., 207, 214, 229 ff., 270 Übersichtlichkeit  199, 456, 459 ff., 463, 499 Umqualifizierung  311, 313, 315 UN-Kaufrecht  351 Unterhaltssachen  1, 52, 97, 123, 175, 184, 226, 349, 365, 393, 448, 458

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Verbraucherkollisionsrecht  88, 153, 320 f., 403, 408, 427, 429, 481 Verbund  34, 35, 39, 41 Verfahrenskonzentration  335, 486 Verfahrenskoordination  36, 83, 108, 110, 114, 126, 132, 134, 135, 172, 314, 445, 449–454, 458, 488, 499 Verstärkte Zusammenarbeit  486 Vertragsstatut  3, 22–24, 27, 30, 76, 124, 158, 162 f., 217, 251 f., 257 ff., 261, 263 ff., 301, 320 f., 330, 409 f., 414 ff., 425, 435, 471, 473, 483 Vindikationslegat  299 f., 332 Vorabentscheidungsverfahren  14, 64, 68, 82, 91, 104, 125, 136, 177, 188, 192, 201, 210, 214, 215, 224, 234, 236, 254 f., 260, 282, 322 Vorgängerrechtsakt  44, 46, 147, 149, 151, 160, 163, 421, 489 Vorrangnormen  42 f., 45, 57, 381, 409, 486 Widerklage  31 ff., 36 f., 41, 66, 113, 486 Zuständigkeitsgleichlauf  19, 31, 34 ff., 39 ff., 109 f., 116 f., 124 f., 485 – mit gesetzlich prädeterminiertem Vorrangverhältnis  33, 36, 38 – ohne vorherbestimmtes Vorrangverhältnis  31, 36, 485