Das Grundrecht der Rundfunkfreiheit [1 ed.] 9783428452002, 9783428052004

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Das Grundrecht der Rundfunkfreiheit [1 ed.]
 9783428452002, 9783428052004

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Ulrich Scheuner Das Grundrecht der Rundfunkfreiheit

VERÖFFENTLICHUNGEN DES INSTITUTS FÜR INTERNATIONALES RECHT AN DER UNIVERSITÄT KIEL

Herausgegeben von Prof. Dr. Wilhelm A. Kewenig

85

Das Grundrecht der Rundfunkfreiheit

Von

Prof. Dr. Ulrich Scheuner

DUNCKER & HUMBLOT I BERLIN

Alle Rechte vorbehalten & Humblot, Berl!n 41 Gedruckt 1982 bei Berliner Buchdruckerei Union GmbH., Berlin 61 Printed in Germany

© 1982 Duncker

ISBN 3 428 05200 5

Vorwort Am 25. Februar 1981 ist Ulrich Scheuner gestorben. Wenige Stunden vor seinem Hinscheiden hatte er noch einen Brief mit Ergänzungen zu einer rechtsgutachtlichen Studie über das Grundrecht der Rundfunkfreiheit diktiert, die er- "der Krankheit abgerungen", wie er schriebam 24. Januar 1981 im ersten Wurf fertiggestellt hatte. Um eine solche grundrechtsdogmatische Untersuchung von Inhalt und Bedeutung der Rundfunkfreiheit war Ulrich Scheuner von der Gruppe Neue Medien in der Pressevereinigung für neue Publikationsmittel, Bad Nauheim, gebeten worden. Dabei ging es nicht um eine rechtsgutachtliche Parteinahme im sogenannten FRAG-Prozeß, der später zu dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 16. Juni 1981 geführt hat. Aus guten Gründen hat die Gruppe Neue Medien jenes Verfahren nicht unterstützt. Die Anregung zur vorliegenden Studie hat weiter zurückgegriffen. Auf der Staatsrechtslehrertagung des Jahres 1963 hatte Ulrich Scheuner "institutionelle" Elemente der Pressefreiheit in den Vordergrund gestellt (VVDStRL 1965, S. 1 ff.). In späteren Jahren wandte er sich gegen eine Überbetonung der objektiv-rechtlichen Seite der Pressefreiheit und gegen eine Vernachlässigung des individualrechtliehen Freiheitsgehalts (vgl. Ulrich Scheuner, Privatwirtschaftliche Struktur und öffentliche Aufgabe der Presse, Archiv für Presserecht 1968, S. 725 ff.; wieder abgedruckt in: Staatstheorie und Staatsrecht, 1978, S. 759 ff.). So lag es nahe, Ulrich Scheuner zu fragen, ob eine ausschließlich oder vorwiegend "institutionelle" oder gar funktionalistische Deutung der Rundfunkfreiheit, die das Rundfunkmonopol von der Voraussetzung des Frequenzmangels abzulösen trachtet, grundrechtsdogmatisch haltbar und mit der geltenden Verfassung vereinbar sein kann. Die jetzt posthum veröffentlichte Untersuchung Ulrich Scheuners ist durch das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 16. Juni 1981 (BVerfG E 57, 295 ff.) keineswegs überholt. Das Bundesverfassungsgericht hat, die Zulässigkeit (echten) privaten Rundfunks bejahend, Anforderungen an ein außenpluralistisches Rundfunkmodell formuliert. Die medienpolitische Kernfrage indes, ob das Grundrecht der Hundfunkfreiheit - in gewisser Parallele zur Pressefreiheit - auch die individualrechtliche Rundfunkgründungs- und Rundfunkveranstaltungsfrei-

Vorwort

6

heit verbürgt, hat das Gericht ausdrücklich offen gelassen (BVerfG E 57, 318). Die Antwort Ulrich Scheuners, der die letzten Monate seines Gelehrtenlebens dieser für ein freiheitliches Medienwesen und damit für unsere Demokratie grundlegenden Frage gewidmet hat, spricht für sich selbst. Von Anbeginn war eine Veröffentlichung der Studie vorgesehen. Die auf dem Krankenbett fertiggestellte maschinenschriftliche Fassung bedurfte stellenweise sprachlicher Redaktion. Einer der habilitierten Schüler Ulrich Scheuners, Wilhelm A. Kewenig, hatte es übernommen, das von mir behutsam redigierte Manuskript anhand der Ursprungsfassung gegenzulesen. Um diesen Dienst an der letzten Arbeit Ulrich Scheuners bat er, nach seiner Ernennung zum Senator für Wissenschaft und Kulturelle Angelegenheiten in Berlin, Siegfried Magiera. Die Auftraggeber der rechtsgutachtlichen Studie danken Herrn Professor Magiera, Kiel/Köln, für die kritische Lektüre und für die einfühlsame Zweitredaktion. Sie danken den Mitarbeitern des Instituts für Internationales Recht an der Universität Kiel, besonders Frau Assessorin Heinz, für die Herauslösung der Fußnoten aus dem Text und für die Überprüfung der Verweisungen. Und sie danken der Leitung des Kieler Instituts für die Aufnahme der Studie in seine Schriftenreihe. Die Abhandlung dem Verlag Duncker & Humblot anzuvertrauen war ohnedies Ulrich Scheuners Wunsch. Berlin, im Mai 1982

Edgar Kull

Inhalt Vorbemerkung: Gegenstand der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

9

1. Die Situation des Rundfunks . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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2. Schwerpunkt der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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I. Die Rundfunkfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

12

1. Zur Struktur der Grundrechte der Meinungs- und Medienfreiheit

12

2. Individualrecht und objektive Gewähr leistung . . . . . . . . . . . . . . . . . .

15

3. Die individualrechtliche Grundlage der Rundfunkfreiheit . . . . . . . .

22

4. Der objektive Rahmen der Rundfunkfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

26

5. Die Träger der Rundfunkfreiheit

33

6. Rundfunk als öffentliche Aufgabe

39

II. Berufliche Freiheit im Rundfunkrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

44

1. Unternehmerische Freiheit im Rundfunk . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

44

2. Zum Begriff des Rundfunks . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

47

III. Verfassungsmäßige Grundlagen der Rundfunkorganisation . . . . . . . .

52

1. Die Gestaltung durch die staatliche Gesetzgebung, ihre Richtung

und Schranken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

52

2. Die öffentlichen Rundfunkanstalten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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IV. Neugestaltung der Organisationsstruktur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

66

1. Fortfall der Sondersituation und Folgerungen hieraus . . . . . . . . . .

66

2. P robleme der Neugestaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

76

3. Der Wegfall des Sendemonopols . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

82

8

Inhalt 4. I>ie J\ufgabe des (}esetzgebers ...... . ...................... . ....

88

5. I>as Modell der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten . . . . . . . .

90

6. J\usblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 96

Vorbemerkung: Gegenstand der Untersuchung 1. Die Situation des Rundfunks

Wenige Rechtsgebiete sind so stark mit den Wandlungen der technischen Gegebenheiten verbunden wie das Recht der Kommunikationsmedien Presse, Rundfunk (Fernsehen)* und Film. Das hängt nicht nur damit zusammen, daß die Medien sich technische Mittel für die Herstellung und Verteilung ihrer Aussagen zunutze machen, die in der Gegenwart durch neue Entwicklungen starken Veränderungen unterliegen, sondern daß sich aus diesen Neuerungen auch strukturelle Folgerungen, vor allem in Hinblick auf die Verwirklichung der Medienfreiheit, die individuelle Rechtsstellung in ihrem Rahmen und die Organisation der Einrichtungen der Kommunikation ergeben. Diese Veränderungen fordern - das ist ein Grundthema der neuesten Äußerungen zu den Problemen des Rundfunks geworden - zu kritischer Besinnung über die bestehenden Formen der Ausgestaltung des Rundfunks auf. Es wird in zunehmendem Maße deutlich, daß die Sondersituation, von der die grundlegende Rechtsprechung ausging und auf die sich die derzeitige Organisation in den öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten gründet, durch die fortschreitende technische Entwicklung zu erheblichen Teilen überholt ist. Die durch moderne Formen der Verkabelung und durch die Aussicht auf Verwendung von Satelliten geschaffene Situation eröffnet einen viel weiteren Zugang zur Medienkommunikation, als es bisher möglich war. Auf der anderen Seite hat die Erfahrung gezeigt, daß sich die inhaltlichen und organisatorischen Grundprinzipien, nach denen sich gemäß der Rechtsprechung die Wirkungsweise der öffentlich-rechtlichen Anstalten ausrichten sollte, in der tatsächlichen Ausgestaltung nicht hinreichend im Sinne dieser Rechtsprechung durchgesetzt haben. Ein staatsfreier, durch die Vielfalt der gesellschaftlichen Kräfte und Gruppen bestimmter und damit eine plurale Vielfalt der Meinungen wiedergebender Rundfunk ist nur unvollkommen verwirklicht worden. Nicht nur dominieren in manchen Anstalten die Einflüsse der politischen Parteien über die anderen gesellschaftli-

* Im folgenden werden, wie im einschlägigen Schrifttum üblich, in den Ausdruck ,.Rundfunk" auch das Fernsehen und andere z. T. besonders bezeichnete technische übertragungsmetheden eingeschlossen.

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Vorbemerkung: Gegenstand der Untersuchung

chen Kräfte; auch die Offenheit gegenüber der Vielfalt der Meinungen läßt zu wünschen übrig1 • In dieser Situation bedarf es einer erneuten gründlichen Prüfung der rechtlichen Fundamente der Rundfunkorganisation. Die bisherige Literatur hat sich weitgehend mit den Problemen im Rahmen der bestehenden Formen der Rundfunkorganisation befaßt. Heute ist nicht nur zu fragen, ob an dieser Struktur Reformen dringlich geworden sind, sondern auch, ob die eingetretenen technischen Entwicklungen jene Sondersituation beendet oder zumindest eingeschränkt haben, auf der die gegenwärtige Gestaltung des Mediums beruht und von der vor allem die Zuerkennung eines rechtlichen oder rechtlich abgestützten Monopols der öffentlich-rechtlichen Anstalten ausgegangen ist. Diese Probleme haben in der letzten Zeit eine Reihe von Erörterungen hervorgerufen, die deutlich eine Gruppierung der Auffassungen nach zwei Richtungen zeigt. Auf der einen Seite stehen die Verteidiger des status quo, die die privilegierte Stellung der öffentlich-rechtlichen Anstalten auch angesichtsweiterer technischer Möglichkeiten unberührt erhalten möchten und die daher grundsätzlich den Vorrang der öffentlich-rechtlichen Organisation des Rundfunks vertreten. Eine andere Richtung dagegen zieht aus den Mängeln der jetzigen Ordnung und der Erweiterung der technischen Möglichkeiten den Schluß, daß der Zeitpunkt für eine weitere Öffnung des Zugangs zu den Sendemöglichkeiten und zu einer Bereicherung der Kommunikationsangebote gekommen ist2 • Der Gegensatz der beiden heute hervortretenden Auffassungen zeigt sich nicht nur in der unterschiedlichen Beurteilung der rechtlichen Fragen der Organisation des Rundfunks. Er reicht im Grunde tiefer, in die Sphäre des grundsätzlichen Verständnisses der Rundfunkfreiheit des Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG, im Rahmen sowohl eines individuell verbürgten Freiheitsrechtes wie des objektiven Gehaltes der Grundrechtsnorm. Die entscheidende Weichenstellung für die Betrachtung der einzelnen Fragenbereiche - die Deutung der Rundfunkfreiheit, ihre Stellung im Kontext der Meinungsfreiheit und ihre grundlegende Rolle 1 Vgl. zum Stande des Rundfunks in organisatorischer Hinsicht: Starck, Rundfunkfreiheit; Ossenbüht, DÖV 1977, 385; Kewenig, Inhalt und Grenzen der Rundfunkfreiheit, 49 ff.; OVG Lüneburg DÖV 1979, 170. 2 Vgl. aus dem umfangreichen Schrifttum Herrmann, Fernsehen und Hörfunk; Ossenbüht, Rundfunk zwischen Staat und Gesellschaft; ders., DÖV 1977, 381; KuH, AfP 1979, 272; Bethge, Reorganisation; ders., Zulassung von Hundfunkveranstaltern des Privatrechts; Mestmäcker, Medienkonzentration, 187 ff.; Menke-Glückert, Der Medienmarkt im Umbruch; Geiger I Mai I Burghart, Der öffentlich-rechtliche Rundfunk; Jarass, Massenmedien; Stock, AöR 104 (1979), 1 ff.; Schmitt Gtaeser, Kabelkommunikation; Hoffmann-Riem, Rundfunkfreiheit; Lerche, Landesbericht, 15 ff.; Starck, NJW 1980, 1359 ff.; Ktein, Rundfunkfreiheit; BuHinger, Kommunikationsfreiheit; Badura, Bindungen; Ktein, in: Festschrift Martin Löffler, 111 ff.

2. Schwerpunkt der Untersuchung

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für die private und öffentliche Meinungsbildung, die Trägerschaft einzelner Rechte in diesem Bereich - ergibt sich bereits aus der Grundanschauung über den Gehalt der Rundfunkfreiheit Daher wird den Grundlagen besondere Aufmerksamkeit zu schenken sein.

2. Schwerpunkt der Untersuchung Die nachfolgende Untersuchung setzt sich nicht zum Ziel, die neuen Möglichkeiten der technischen Entwicklung und ihre Auswirkungen auf die Gestaltung des Rundfunks im einzelnen in den Mittelpunkt zu rücken3 • Die Untersuchung möchte vielmehr im Lichte der vor sich gehenden Erweiterung der Kommunikationsmöglichkeiten die Grundlagen der Rundfunkorganisation erneut daraufhin prüfen, wie weit sie der in Art. 5 Abs. 1 GG festgelegten "Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk" entsprechen und inwieweit die Gegenwart Neugestaltungen Raum bietet oder sie erfordert. Die Darstellung ist daher systematisch angelegt und richtet sich in erster Linie auf die aus Art. 5 GG zu entwickelnden Grundfragen. Die technischen Neuerungen - Kabelfernsehen, Übermittlung von Teletexten, der Abruf von Daten und die Rückkoppelung des Hörers, endlich die Verwendung von Satelliten werden daher nicht im einzelnen geschildert, sondern an Hand des vorhandenen Schrifttums in ihrer Einwirkung auf die Rundfunkorganisation gewürdigt. Nicht einbezogen in die Untersuchung ist die Fernmeldetechnik - soweit sie nicht unmittelbar auf die Rundfunkorganisation zurückwirkt- sowie das Verhältnis der Sendeträger zur Bundespost; dagegen findet die Frage Beachtung, inwieweit die staatliche Verwaltung verpflichtet ist, zur Verwirklichung der Freiheit der Berichterstattung durch einen technischen Ausbau ihrer Einrichtungen beizutragen.

3

Hierzu siehe jetzt insbesondere BuHinger, Kommunikationsfreiheit, 25 ff.

I. Die Rundfunkfreiheit 1. Zur Struktur der Grundrechte der Meinungs- und Medienfreiheit

Die Grundrechte des geistigen Ausdrucks, die in Art. 5 GG unter dem Leitgedanken der Meinungsfreiheit vereint erscheinen, bilden miteinander eine höhere Einheit, auch wenn sie sich als Meinungs-, Presse-, Rundfunkfreiheit oder Freiheit der Wissenschaft in einem gewissen Maße verselbständigt haben. In ihnen drückt sich die Sicherung der individuellen Freiheit der Information und der Teilnahme an der privaten wie der öffentlichen Meinungsbildung aus, je nach den einzelnen Bereichen und den Mitteln der Kommunikation in besonderer Form. Alle grundrechtliehen Aussagen dieses Bereiches lassen dabei schon in ihrer sprachlichen Fassung sowohl das Individualgrundrecht der Freiheit der Äußerung und der Information als auch die Gewährleistung einer objektiv gesehenen Freiheit der Medien erkennen. Das entspricht insbesondere der tatsächlichen Situation im Medienbereich, in dem sich diese Verbindung des Individualgrundrechts auf Information und Meinungsäußerung erkennbar mit den Fragen der organisatorischen Ausgestaltung der Medien in technischer und organisatorischer Form verbindet4. Im Unterschied zur persönlichen Meinungsäußerung im Alltag oder im Geschäftsleben handelt es sich im Bereich der Medien von Presse und Rundfunk - der Film kann hier wegen seiner Vereinigung von Meinungsäußerung, Unterhaltung und künstlerischer Gestaltung beiseitebleiben - um eine Einwirkung auf breitere, nicht mehr individuell bestimmte Personenkreise. Beim gedruckten Wort ist der Übergang von der individuellen Äußerung zur Hinwendung an größere Gruppen fließend. Die Versendung von Drucksachen, Flugblättern und Stellungnahmen, der Selbstverlag bei Büchern und Broschüren schafft hier technisch und kostenmäßig einen allmählichen Übergang von der Ansprache begrenzter Kreise zu einer unbestimmten Öffentlichkeit. Im Rundfunk schafft die derzeitige Organisation eine scharfe Trennung, obwohl sich auch hier Übergänge abzeichnen. Insgesamt zeigen sich bei ' Zur grundlegenden Bedeutung der die Grundrechte der Kommunikatiol! umfassenden Sicherung der Meinungsfreiheit und zur Gefahr einer isolierenden Betrachtung der einzelnen grundrechtliehen Aussagen siehe Bullinger, Kommunikationsfreiheit, 59 f.

1. Zur Struktur der Grundrechte der Meinungs- und Medienfreiheit

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denjenigen Medien, die sich an eine breite, nicht bestimmte Öffentlichkeit wenden, besondere Probleme. Im Grundsatz bleibt die Wahl der Form und der Mittel der Meinungsäußerung zwar frei5 ; aber die technischen Bedingungen der Kommunikation in Presse und Rundfunk erfordern einen Aufwand, der praktisch die Errichtung eines Unternehmens voraussetzt. Sie müssen durch einen Unternehmer (Träger, Verleger) veranstaltet werden. Damit verändert sich die Ausübung der Rechte des Individuums. Seine Rechtsstellung bleibt individuell bestimmt als Leser und Hörer (Fernseher), als Empfänger der gestalteten Information und Meinung. Eine aktive Beteiligung an diesen Formen der Meinungsäußerung wird jedoch von d:er Mitwirkung im Rahmen des organisierten Unternehmens abhängig. Sie wird damit auf einen begrenzten Personenkreis beschränkt. Nur wer in den organisierten Einrichtungen der Information und Kommunikation als Gestalter der Information (Redakteur) tätig ist oder sonst in der Zeitung (als Mitarbeiter oder im Leserbrief) erscheint oder auf dem Bildschirm sichtbar wird, nimmt aktiv an der Kommunikation der Massenmedien teil. Die Verwirklichung der individuellen Freiheit, auch der passiven Unterrichtung, hängt hier also eng mit der Organisation der Medien und ihrer Träger, der Erfüllung der Ansprüche der Leser (Hörer) auf umfassende Information durch Ermöglichung einer öffentlichen Auseinandersetzung verschiedener Kräfte in pluraler Vielfalt, zusammen. Beim gedruckten Wort öffnet sich hingegen, wie hervorgehoben, neben der an ein Unternehmen gebundenen Zeitung und der in geringerem Maße gebundenen Buchproduktion für den einzelnen eine Reihe in der Wirkung begrenzter Möglichkeiten des Zugangs zur Öffentlichkeit. Die technische Entwicklung wird auch im Bereich des Rundfunks durch die Teilbarkeit der Sendemöglichkeiten, durch Formen der Rückkoppelung und durch den Ausbau von Drittsendungen Übergänge erschließen können, die das jetzige rechtliche oder rechtlich gestützte Monopol der öffentlich-rechtlichen Anstalten nicht bietet6 • In der rechtlichen Garantie und der rechtlichen Ausgestaltung der Massenmedien verbindet sich daher eng die Wirkung des Individualrechts der Freiheit der Meinungsäußerung und der Information mit den objektiven Aussagen dieser grundrechtliehen Freiheit, die sich in organisatorischen Formen und in der Pflicht des Staates zur Sicherung einer Vielfalt der öffentlichen Kommunikation niederschlagen. Die eine Seite kommt nicht ohne den Bezug auf die andere zur Erfüllung, beide müssen im Verständnis zueinander begriffen und gehandhabt werden. Eine rein institutionelle Deutung, wie sie heute vielfach hervortritt, wird dem Gesamtgehalt des Grundrechts von Art. 5 GG ebensowenig 5 6

BayVerfGHE 30 II, 78, 90 f. Vgl. BuHinger, Kornrnunikationsfreiheit, 63 ff.

I. Die Rundfunkfreiheit

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gerecht, wie eine rein individualrechtliche Sicht die grundrechtliche Aussage erschöpfend zur Geltung bringt. Die Bedeutung der objektiven Seite des Grundrechts, in der bestimmte Grundsätze und organisato· rische Leitlinien für die Medien ihre Grundlage finden, hängt mit der Bedeutung der Medien für die Öffentlichkeit .und die öffentliche Meinungsbildung zusammen. Die Rechte des Art. 5 GG dienen nicht nur der Entfaltung individueller Freiheit, sie bilden auch ein wesentliches Element für die Bildung der öffentlichen Meinung und damit für die Willensbildung im demokratischen Staat. Auch die Rundfunkfreiheit, die mit der Pressefreiheit zu dieser Mitwirkung an der öffentlichen Meinungsbildung berufen ist, bildet "einen entscheidenden Faktor in dem permanenten Prozeß der öffentlichen Meinungs- und Willensbildung"7. Beide Medien, Presse und Rundfunk, die eine gegenwärtige Rich.tung im Schrifttum zu Unrecht über gewiß bestehende Unterschiede hinweg zu sondern und gegensätzlich zu behandeln bestrebt ist8 , dienen der Verwirklichung des individuellen Rechts auf Meinungsäußerung, Mitwirkung an der öffentlichen Meinungsbildung und auf Information ebenso wie der Sicherung der für den demokratischen Staat grundlegenden freien Meinungsbildung und der Erhaltung des für den Prozeß der politischen Meinungsbildung wesentlichen Zustands pluraler Vielfalt der Äußerungsmöglichkeit. Bei beiden Massenmedien bildet sich in den Unternehmen {Trägern) der Kommunikation (z. B . Verlag und Verleger, Rundfunkanstalt) ein Einflußbereich, der in gewissem Umfang Macht verkörpern kann. Diese Macht kann sich freilich dort, wo nicht durch gesetzliche Maßnahmen ausschließliche Verfügung über die Kommunikationsmittel begründet oder erhalten wird, nur begrenzt auswirken9 • Aus dieser - Individualrechte und objektive Gewährleistung verbindenden - Sicht leiten sich die Grundprinzipien für die organisatorisch.e Gestaltung des Rundfunks ab, die zur Sicherung der Freiheit notwendig sind. Zu ihnen gehört zunächst der Grundsatz, daß die Meinungsbildung in einer vom Staat beherrschten Form nicht unabhängig vor sich gehen kann. Auch erscheint unter diesen Bedingungen die grundsätzliche Wahrung einer Meinungsvielfalt von entscheidender Bedeutung, der gegenüber die Bildung von rechtlichen oder rechtlich gestützten Monopolen in der Trägerschaft des Rundfunks nur als Ausnahme zu BVerfGE 35, 202, 222. Anders ausdrücklich BVerfGE 35, 202, 222 ("unterscheidet sich die Rundfunkfreiheit wesensmäßig nicht von der Pressefreiheit"). 9 Zur Bedeutung der Macht innerhalb der Organisation des Rundfunks siehe Stern I Bethge, öffentlich-rechtlicher und privatrechtlicher Rundfunk, 42 ff.; Bethge, Zulassung von Rundfunkveranstaltern des Privatrechts, 39 ff.; Starck, Rundfunkfreiheit, 8 ff. 7

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2. Individualrecht und objektive Gewährleistung

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rechtfertigen ist und einer besonderen Begründung bedarf. Aus der Struktur der Medien folgt jedenfalls, daß bei ihnen die Ausgestaltung des Grundrechts des Art. 5 GG sowohl den Schutz des grundlegenden Individualrechts wie auch eine objektive Sicherung der Freiheit in den organisa torisehen Vorkehrungen erfordert. 2. Individualrecht und objektive Gewährleistung

a) Bei den Grundrechten der Kommunikation steht in den grundrechtlichen Sätzen neben der Sicherung der individuellen Freiheit auch der Gedanke der Garantie des objektiven Rechts, die der Wahrung der Freiheit auf diesem Gebiet dient und der Organisation des Rundfunks eine Leitlinie setzt. Diese Verbindung von Individualrecht .und objektivem Gehalt, die auch das Bundesverfassungsgericht anerkannt hat10, macht es notwendig, das Verhältnis der individuellen Berechtigung zu der objektiven Gewährleistung der Rundfunkfreiheit richtig zu bestimmen. Den Ausgangspunkt des Grundrechts der Rundfunkfreiheit bildet, wie bei allen in dem Gesamtzusammenhang des Art. 5 GG stehenden Freiheitsrechten, das dem einzelnen zustehende Recht, in dem betreffenden Medium seine Meinung frei zu äußern und in ihm an einer durch eine Vielfalt von Äußerungen gekennzeichneten freien Auseinandersetzung teilzunehmen, sowie Informationen frei z.u empfangen. Die objektive Aussage von Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG tritt neben dieses individuelle Freiheitsrecht als ergänzender normativer Gehalt, der stets im Lichte der persönlichen Freiheit und ihrer Sicherung gesehen werden muß. Das objektive Element von Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG ergänzt und erweitert den grundrechtliehen Schutz; aber es darf nicht dahin mißverstanden werden, als ob ihm im Rahmen des Grundrechts ein Vorrang zukäme, der die Geltung des Individualrechts einschränken oder beeinträchtigen würde. Im neueren Schrifttum freilich begegnet man häufig einer Auffassung, die die institutionelle Seite der grundrechtliehen Norm in den Vordergrund rückt und das Individualrecht der freien Äußerung und des Zugangs zu den Möglichkeiten der Kommunikation sowie der Erlangung von Informationen, auch z.ur Unternehmerischen Betätigung in diesem Felde, zurückdrängt. Dort wird Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG mehr instrumental verstanden, lediglich als Sicherung einer institutionellen Mittlerstellung der Rundfunkträger zur Verwirklichung der Rundfunkfreiheit. Der Gehalt der Rundfunkfreiheit wird institutionell als Pflicht des Staates zur freiheitlichen Gestaltung des Rundfunks, als Garantie eines bestimmten Ordnungszustandes gewertet11 • 10

BVerfGE 12, 205, 260; 31, 314, 326.

16

I. Die Rundfunkfreiheit

b) Die Vertreter dieser Auffassung, die zu den Verteidigern derbestehenden Rundfunkordnung gehören, treten in ihren Darlegungen dafür ein, das individuelle Recht auf Information und auf Zugang zur aktiven Betätigung durch Ausübung der Sendemöglichkeiten zurückzudrängen auf die Stellung eines bloßen passiven "Rezipierens" der von den Trägern ausgehenden Sendungen12• Die Rundfunkfreiheit wird damit in erster Linie als staatliches Gesetzgeb.ungsrecht gedeutet und auf diese Weise zu einem organisatorischen Auftrag an den Gesetzgeber13• Der Akzent wird so bei der Auslegung des Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG auf die organisatorische Seite gelegt, und die Rundfunkfreiheit wird zu einem Instrument der Verwirklichung der Informationsfreiheit als Faktor der öffentlichen Meinungsbildung umgewandelt. Diese Auffassung sucht daher den Zusammenhang der Rundfunkfreiheit mit der Meinungsfreiheit als der allgemeinen Grundlage des Art. 5 GG durch Betonung eines selbständigen Grundrechts der Rundfunkfreiheit zu lösen14 , zwischen Presseund Rundfunkfreiheit einen markanten Gegensatz zu behaupten, die Rundfunkfreiheit schon im Ansatz nicht als individuelles Freiheitsrecht zu verstehen, sondern sie zum Ausgangspunkt eines der Freiheitlichkeit dienenden Strukturauftrages des Staates zu machen und damit als eigentlichen Mittelpunkt der Rundfunkfreiheit die vom Staat geschaffenen Träger und nicht das Individuum anzuerkennen15 • Mit dieser Deutung, die aus dem Freiheitsrecht ein Instrument staatlicher Organisationsgestaltung macht und damit seinen Gehalt gewissermaßen in ein staatliches Verfügungsrecht verkehrt, wird der Gehalt 11 Vgl. Jarass, Massenmedien, 241 ff., 258 f.; Bethge, Zulassung v on Rundfunkveranstalterndes Privatrechts, 31 ff. 12 Vgl. Bethge, Zulassung von Rundfunkveranstaltern des Privatrechts, 89 ff., 118; Jarass, Massenmedien, 170, 173, 176, 178. 13 So wird bei Jarass, Massenmedien, Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG zum Schutz nicht etwa der individuellen Freiheit, sondern der zweckbestimmten geschichtlichen Freiheitsstrukturen, der "hocheffizienten Aktualisierung" durch die Träger der Sendungen (186 ff.). Noch stärker ist diese institutionelle Sicht ausgeprägt bei Badura, Bindungen, 22. 14 So vor allem Badura, Bindungen, 27 ff. 15 Vgl. Jarass, Massenmedien, 145: "Gesetzgebung entfaltet die Grundrechte durch Ausgestaltung und Begrenzung"; Hoffmann-Riem, Rundfunkfreiheit, 16: Rundfunkfreiheit als "Instrumentalrecht zur Verwirklichung von Informationsfreiheit"; Bethge, Reorganisation, 13 f., der den Rundfunk nicht dem freien Spiel der Kräfte und dem Wettbewerb überlassen will, sondern den vom staatlichen Gesetzgeber geschaffenen Strukturen, die den Freiheitsgehalt des Grundrechts aktualisieren und konkretisieren. Badura, Bindungen, 22: Subjekt des Grundrechts nicht der einzelne, sondern die Träger der Rundfunkveranstaltungen und das Rundfunkwesen insgesamt. Zur Kritik hierzu vor allem: Klein, Rundfunkfreiheit, 21; Schmitt Glaeser, Kabelkommunikation, 93: Tendentielle Entsubjektivierung des Grundrechts.

2. Individualrecht und objektive Gewährleistung

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des Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG verkannt. Die Rundfunkfreiheit wird damit nicht dem Bürger als ein Recht der freien Information und der Teilnahme an der Meinungsbildung gegeben, sondern von vornherein wird ihre Auslegung am einzelnen vorbeigeleitet und den vom Staat eingesetzten Trägern :und Anstalten zugeschrieben, unter Gewähr bestimmter abstrakter Grundprinzipien. Das führt zu einer Überbetonung des institutionellen Elements, auch wenn neben diesem das individuelle Recht noch nebenbei anerkannt wird. Die Freiheit wird nur mehr in ihrer organisatorischen Gestaltung durch die Gesetzgebung, in der Übertragung auf bestehende Einrichtungen der Verbreitung und als Funktion der öffentlichen Meinungsbildung verstanden. Sie wird schon im Ansatz verkürzt auf eine der bestehenden Rundfunkorganisation entsprechende Sicht einer instrumentalen Verwendung des Rundfunks zur Verwirklichung eines vorausgesetzten Organisationsbildes. c) Hierfür nur einige Beispiele: Bei Jarass wird eine Theorie der Grundrechtsinterpetation zugrunde gelegt, die dem objektiven Gehalt einen Vorrang zuspricht, dem nicht notwendig ein subjektives Recht entsprechen muß. Einem gesellschaftlichen Verständnis des Grundrechts und einer zweckbestimmten Sicht der traditionellen Situation wird Priorität eingeräumt, um so der Gestaltung des Gesetzgebers einen weiten Raum zu erschließen und den Bürger in die Stellung des bloßen "Rezipienten" der Sendungen herabzudrücken. Im Ergebnis soll die Freiheit durch einen Organisationstyp verwirklicht werden, den Jarass als "anstaltlich-pluralistisch" bezeichnet und der der bestehenden Lage entspricht. Das Freiheitsrecht ist damit in ein staatliches Organisationsrecht umgedeutet. Anstelle der individuellen Freiheit und hinzutretender objektiver Elemente bleibt nur eine Freiheit anstaltlicher Massenvermittlung übrig. Diese staatliche Anstaltsvermittl:ung wird bei Jarass als die Aufgabe des Rundfunks beherrschend in den Vordergrund gerückt16 • Hoffmann-Riem geht ebenfalls von einer solchen Sicht aus. Die Hundfunkfreiheit erschöpfe sich nicht im Recht des einzelnen auf die von obrigkeitlichen Eingriffen freie Berichterstattung, sie müsse vielmehr aus ihrer Funkion für die Demokratie und das Sozialstaatsprinzip hergeleitet werden. Die Rolle des Rundfunks als Faktor der öffentlichen Meinungsbildung wird normativ als Stütze einer institutionellen Betrachtung verstanden. So wird der Rundfunk und das Freiheitsrecht ausschließlich zum Organisationsproblem, wobei dem Gesetzgeber weite Freiheit eingeräumt wird 17• 16

17

Jarass, Massenmedien, 119 ff., 146 ff., 170 ff., 193 ff., 241. Hoffmann-Riem, Rundfunkfreiheit, 15 ff.

2 Scheuner

I. Die Rundfunkfreiheit

18

Hier werden also die objektiven Grundprinzipien einer Staatsfreiheit und die Funktionsgerechtigkeit für die öffentliche Meinungsbildung zum zentralen Gehalt des Freiheitsrechts erhoben, dem Rundfunk als Medium und Faktor der Meinungsbildung eine aktive Rolle bei der Formung der öffentlichen Meinung zugeschrieben und seine Tätigkeit als engagierter Journalismus begründet und die Ausgewogenheit als Maßstab abgelehntts. Das läuft im Ergebnis darauf hinaus, dem Rundfunk nicht die Aufgabe einer Verwirklichung des freien Informationsrechts der Bürger zuzuschreiben, sondern seine Stellung als "Mittler" und Gestalter der öffentlichen Meinung herauszustellen. So sehr der Rundfunk eine bedeutsame Rolle in der Meinungsbildung zu spielen vermag, werden durch diese Auffassungen nicht nur die Rechte der Bürger beiseitegeschoben, es wird vielmehr auch der Weg der Umdeutung des Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG zu einer Verselbständigung des Rundfunks als Mittel der Beeinflussung der öffentlichen Meinung - auf dem Wege seiner organisatorischen Gestaltung- beschritten.

Bethge sucht in seiner Darlegung vorsichtiger auch der Bedeutung des subjektiven Individualrechts gerecht zu werden19• Aber auch er schlägt alsbald die Richtung auf die überwiegende Betonung der Rundfunkfreiheit als Einrichtungsgarantie ein und hebt die Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers hinsichtlich der Formen des Rundfunks hervoro. Das läuft auf ein "organisationsrechtliches freiheitsstiftendes Grundrechtsmodell" hinaus, das von vornherein den Gehalt des Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG beim Rundfunk in den objektiven Verfassungsprinzipien für die Ausgestaltung der Rundfunkorganisation erblickt. Ein "Jedermannsrecht auf Zugang zu den Kommunikationsmittem" wird abgewertet, der Gesetzgeber zu seiner Beschränkung ermächtigt. Im Ergebnis wird damit unter dem Vorwand, das Individualrecht fördere nur die Stärkeren, die Rundfunkfreiheit des einzelnen unter die Gestaltung des Gesetzgebers gestellt und die Freiheit vor allem als Freiheit des Mittlers der Berichterstattung verstanden21• Es deckt sich mit dieser Einschätzung des Rundfunks als eines Instrumentes des Einflusses auf die Meinungsbildung, wenn L erche ihm 18 19

Hoffmann-Riem, Rundfunkfreiheit, 42, 129. Bethge, Zulassung von Rundfunkveranstaltern des Privatrechts, 17 ff.,

67 ff.

20 Bethge, Zulassung von Rundfunkveranstaltern des Privatrechts, 26 ff., 45 ff.; Reorganisation, 13 f. 21 Bethge, Reorganisation, 14; Zulassung von Rundfunkveranstaltern des Privatrechts, 144 ff.

2. Individualrecht und objektive Gewährleistung

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sogar die Aufgabe eines wichtigen Instrumentes pädagogischer (i. w. S.) Einwirkung auf die Bevölkerung zuschreibt. Hier wird unter dem Mantel der öffentlichen Verantwortung für die Sendungen aus dem Rundfunk eine der Schule vergleichbare Erziehungsanstalt, Freiheit damit letztlich in staatliche oder öffentliche Formung der Information und der Meinungsbildung verwandelt22• In die gleiche Richtung geht die von Stock vertretene "Professionalisierung der Rundfunkfreiheit". Damit ist gemeint, daß im Mittelpunkt der Deutung des Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG der Programmauftrag des Integrationsrundfunks stehe, der seine Vergesellschaftung und Professionalisierung einschließe23• Auch hier wird wiederum die Interpretation alsbald an dem subjektiven Recht vorbeigeleitet und die Rundfunkfreiheit in die Hände der "Professionellen", d. h . der Rundfunkredakteure, gelegt. Mag diesen auch die Schranke der leitenden Grundprinzipien auferlegt werden, die Rundfunkfreiheit wird damit bewußt als publizistischer Vermittlungsauftrag gedeutet und nicht als Freiheit des Bürgers; sie wird als "Medienfreiheit" verstanden, was nichts anderes heißen kann als ein Grundrecht der Redakteure2 4 • Am weitesten scheint in der Richtung einer Zurückdrängung des individuellen Rechts Badura zu gehen. Er sucht die Freiheit des Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG für den Rundfunk ganz aus der Verbindung zur Meinungsfreiheit durch Bildung eines isolierten Rechts der Rundfunkfreiheit zu lösen25 und individuelle Folgerungen überhaupt ganz abzuweisen. Bei Badura steht allein der institutionelle Gesichtspunkt im Vordergrund. Damit wird die Rundfunkfreiheit zur objektiven Gewährleistung und Rechtsstellungsgarantie. Es ist folgerichtig, wenn dann weiterhin allein die Rechte der Rundfunkanstalten des öffentlichen Rechts als Inhalt der Freiheit angesehen werden26 • Die Rundfunkfreiheit verkümmert hier zur staatlichen Garantie der Schutzziele des Rundfunks, wobei Garantieverpflichtung und Organisationsverantwortung des Staates im Vordergrund bleiben. Daß damit der Rundfunk ungeachtet der Betonung seiner Unabhängigkeit weithin der Verfügung des Staates überantwortet wird, der durch organisatorische Maßnahmen des Ordnungszustandes seine Richtung bestimmen kann, wird nicht erkannt. Dieser kurze Überblick muß genügen, um die Auffassungen zu kennzeichnen, die durch eine ausschließliche oder überwiegende Betonung Lerche, Landesbericht, 92. Stock, AöR 104 (1979), 29 ff. 24 Stock, AöR 104 (1979), 53. 25 Badura, Bindungen, 28. Man fragt sich nur, weshalb diese Lösung sich auf den Rundfunk beschränkt und die im gleichen Text genannte Pressefreiheit nicht auch in eine Organisationsverfügung umgedeutet wird. 26 Badura, Bindungen, 30. 22

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I. Die Rundfunkfreiheit

der institutionellen Ausrichtung der Rundfunkfreiheit die Interpretation in die Richtung einer vornehmlich auf die anstaltliehe Organisation abgestellten Konzeption lenken. Dieser Deutung liegt daran, die individuellen Elemente der Rundfunkfreiheit auf die passive Seite einer freien Empfangnahmeder von den Mittlern der Freiheit, den Anstalten, gestalteten Programme zu beschränken. Natürlich wird auch von diesen Autoren die Staatsfreiheit des Rundfunks und die Forderung einer Sicherung der Meinungsvielfalt erhoben; aber die entscheidende Rolle im Rahmen der Rundfunkfreiheit wird hier den Trägern der anstaltliehen Organisation, als Gestaltern der Programme und als Faktoren der Meinungsbildung zugewiesen. Zuweilen wird ihnen hierbei sogar eine pädagogische Aufgabe zugewiesen, die den Gehalt der Meinungsfreiheit in sein Gegenteil, in einen Auftrag zur Meinungsformung und Erziehung, verkehrt. Das Individualrecht, das auch den Zugang zum Medium enthält, wird zur Seite gedrängt oder ganz geleugnet. Das Ziel dieser Ausdeutung geht unverkennbar dahin, den Vorrang der öffentlichen Anstalten, den die Rechtsprechung d~$ Bundesverfassungsgerichts für die Zeit einer besonderen Situation im Rundfunk zugelassen hat, generell in der Auslegung der Rundfunkfreiheit zu verankern. Das erfordert die Zuriickdrängung der individuellen Position in Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG und die Verlagerung des Schwerpunkts auf eine institutionelle Sicht, die den eigentlichen Grundrechtsschutz den als Mittlern der Meinungsbildung eingesetzten Anstalten zuweist. Diese Ausdeutung des Gehaltes der Rundfunkfreiheit, die die individuelle Position so weit zurückdrängt, daß von ihr keine Ausstrahlung mehr auf die organisatorische Gestaltung des Rundfunks ausgeht, widerspricht der gebotenen Anschauung der grundrechtliehen Freiheit. Der Staat ist durch Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG verpflichtet, solche organisatorischen Maßnahmen zu treffen, die aus dem Grundrecht nicht nur eine passive Informationsfreiheit hervorgehen lassen, sondern die aktive Geltendmachung einer Mitwirkung auch durch Zugang zur Unternehmerischen Betätigung im Rundfunk realisieren. Wie auch Bethge richtig bemerkt, hat das Bundesverfassungsgericht neuerdings den Bestrebungen, Grundrechte rein institutionell aufzufassen, in seiner Mitbestimmungsentscheidung eine deutliche Absage erteilt. Dort heißt es von den Einzelgrundrechten: "Nach ihrer Geschichte und ihrem heutigen Inhalt sind sie in erster Linie individuelle Rechte, Menschen- und Bürgerrechte, die den Schutz konkreter, besonders gefährdeter Bereiche menschlicher Freiheit zum Gegenstand haben. Die Funktion der Grundrechte als objektiver Prinzipien besteht in der prinzipiellen Verstärkung ihrer Geltungskraft (BVerfGE 7, 198, 205 - Lüth), hat jedoch ihre Wurzel in dieser primären Bedeutung (vgl. etwa für das Eigentum BVerfGE 24, 367, 384 - Hamburgisches Deichordnungsgesetz). Sie läßt sich deshalb nicht von dem eigentlichen Kern lösen und zu einem

2. Individualrecht und objektive Gewährleistung

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Gefüge objektiver Normen verselbständigen, in dem der ursprüngliche und bleibende Sinn der Grundrechte zurücktritt27.'' Diese bedeutsame Stellungnahme des Bundesverfassungsgerichts spricht sich damit ausdrücklich gegen Anschauungen aus, die ein Grundrecht seines individualrechtliehen Charakters zugunsten einer rein objektiven Deutung im institutionellen Sinne entkleiden. Gerade diese Tendenz aber wird von der hier kritisierten Auffassung der Rundfunkfreiheit verfolgt, die in ihr das individualrechtliche Moment verdrängen oder beschränken will, um der Freiheit nur mehr einen organisatorischinstitutionellen Sinn zu unterlegen. Von diesem Standpunkt aus erscheint es auch unbegründet, von vornherein, ohne Berücksichtigung tatsächlicher Sonderumstände, die organisatorische Gestaltung der Rundfunkfreiheit in einen Gegensatz zur Realisierung der Pressefreiheit zu stellen und den Zugang zu aktiver Mitgestaltung hier allein auf öffentlich-rechtliche Anstalten beschränken zu wollen. Dadurch wird aus dem Freiheitsrecht eine grundgesetzliche Regelung, in der die Freiheit nicht mehr vom Individuum ausgeht, sondern von einer umfassenden Mittlerstellung der mit ausschließlichen Sendebefugnissen ausgestatteten Anstalten2s. Wenn in diesem Zusammenhang von einer treuhänderischen Funktion der Medien und ihrer Mitarbeiter gesprochen wird29 , so kommt darin die Einsicht zum Ausdruck, daß diesen unter den gegebenen Umständen nur eine durch die Verhältnisse bedingte sekundäre Position zukommen kann, die fremden Interessen zu dienen hat. Diese Sicht ist deshalb nur dann zutreffend, wenn sie nicht dazu führt, wie Ossenbühl richtig bemerkt, aus der treuhänderischen Freiheit eine Freiheit des Treuhänders zu machen, die den eigentlichen Inhaber des Grundrechts zurückdrängt. Im Ergebnis erweist sich, daß es in der Auslegung des Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG eines abgewogenen Ausgleichs zwischen dem zugrunde liegenden Individualrecht und den für dessen Verwirklichung hinzutretenden objektiven Elementen bedarf. Eine ein27 BVerfGE 50, 290, 337; dazu Bethge, Zulassung von Rundfunkveranstaltern des Privatrechts, 51. 28 Vgl. zu der Hervorhebung dieser Mittlerstellung: Jarass, Massenmedien, 189 ff., 193 ff.; Stock, AöR 104 (1979), 39, 41; Lerche, Landesbericht, 48 ff.; Badura, Bindungen, 22 ff.; Bethge, Zulassung von Rundfunkveranstaltern des Privatrechts, 42 ff.; kritisch gegen diese Auffassung namentlich: Bullinger, Kommunikationsfreiheit, 60 f., der zu Recht darauf hinweist, daß die hier abgelehnte Auffassung das Grundrecht des Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG zu einem "Medien- oder Mediator-Grundrecht" macht, das letztlich allein den bei den Anstalten tätigen professionellen Mediatoren das Recht gibt, Informationen auszuwählen und zu gestalten, dagegen den individuellen und gesellschaftlichen Kräften die unmittelbare Teilnahme an der Meinungsäußerung versagt. 29 Ossenbühl, DÖV 1977, 383 f.

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I. Die

Rundfunkfreiheit

seitige Überbetonung der institutionellen Elemente, wie sie die hier abgelehnten Auffassungen zeigen, führt hingegen zu grundlegenden Verzeichnungen des Gehaltes der Rundfunkfreiheit. 3. Die individualrechtliche Grundlage der Rundfunkfreiheit a) Wie bei allen in Art. 5 GG enthaltenen Grundrechten der Kommunikation bildet den Ausgangspunkt auch der Rundfunkfreiheit das individuelle Recht auf freie Informationsgewinnung im Raum des Rundfunks und - im Rahmen der technisch bedingten Möglichkeiten auf Eröffnung des unmittelbaren Zugangs zurTeilhabe an der Meinungsbildung. Mit Recht hebt daher Scholz hervor: "Das GG faßt die Kornmunikationsfreiheiten bewußt in die Gestalt des individuellen Freiheitsrechts; denn Meinung und Meinungsbildung sind Tatbestände strikt individueller bzw. personaler Qualität3°." Daß Meinungsäußerung ihrer Natur nach einen Gruppenbezug aufweist, liegt auf der Hand. Als Freiheitsrecht behält sie aber grundlegend den individuellen Bezug und darf nicht in ein Kollektivgrundrecht oder ein nur den Mittlern der Freiheit zugestandenes Mediatorrecht verwandelt werden31 • Das Grundgesetz - das ist für alle Kommunikationsgrundrechte anerkannt, und das gilt grundsätzlich auch für den Rundfunk - sichert die Freiheit der Meinungsbildung als individuelles Recht32, In dieser Hinsicht besteht zwischen allen Einzelausprägungen der Meinungsfreiheit und Kommunikation im weiteren Sinne, die Art. 5 GG umfaßt, ein innerer Zusammenhang, der es ausschließt, bei einer Form dieser kommunikativen Freiheit, dem Rundfunk, von einer anderen Sicht auszugehen, die allein oder vorrangig institutionelle Formen der Organisation der Freiheit in den Vordergrund stellt. Rundfunk und Presse dürfen hier nicht, wie dies neuerdings immer wieder versucht wird, streng unterschiedlich gewürdigt werden. Nicht nur umschließt beide der gleiche Wortlaut; auch ihre innere Zusammengehörigkeit unter dem Aspekt der Medienfreiheit weist auf eine einheitliche, nicht auf eine differierende Behandlung33• Das Individualrecht der Rundfunkfreiheit entfaltet sich in doppelter Richtung. Es geht einmal darauf, daß in diesem Medium die individuelle Möglichkeit der aktiven Teilnahme an der Meinungsbildung ungeachtet seiner technischen Gestaltung so weit wie möglich gewahrt bleibt. ao Scholz, Pressefreiheit, 139. 31 Scholz, Pressefreiheit, 140. 32 Vgl. auch Weber, in: Festschrift Ernst Forsthoff, 471 f . 33 Vgl. Schmitt Glaeser, Kabelkommunikation, 124 f., 145 f.

3. Die individualrechtliche Grundlage der Rundfunkfreiheit

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Zum anderen richtet es sich darauf, daß die Informationsfreiheit des einzelnen in möglichst großem Umfang gewahrt bleibt, nicht nur durch die Sicherung einer Vielfältigkeit des Meinungsausdrucks, sondern auch dadurch, daß die Organisation der Rundfunkfreiheit auf eine solche Vielfalt im weitesten Sinne gerichtet ist und sie nur insoweit beschränkt, wie die technische Situation gewisse Beschränkungen notwendig macht. Daraus ergibt sich für die Wahrung der aktiven Beteiligung an der Meinungsbildung die Pflicht des Staates, durch seine Gesetzgebung den Zugang zur individuellen und gruppenmäßigen Teilnahme an der Diskussion im Rundfunk so weit wie möglich zu öffnen, nicht aber durch Begründung von ausschließlichen Rechten für öffentlich-rechtliche Anstalten auch dann weiter zu beschränken, wenn ursprüngliche besondere Situationen, die diese Lage begründen konnten, weggefallen sind. Das entspricht der in der neueren Grundrechtslehre herausgearbeiteten Schutzpflicht des Staates für die Verwirklichung der Grundrechte34, die sich bei der Medienfreiheit nicht nur in den allgemeinen Prinzipien der Sicherung der Staatsfreiheit und der Meinungsvielfalt auswirkt, sondern auch gerade bei der organisatorischen Gestaltung erfordert, daß die individuelle Freiheit in möglichst großem Umfang zur Erfüllung gelangt. Diese Verpflichtung des Staates bewährt sich gerade im Rundfunk dadurch, daß auch der Fortschritt in der technischen Entwicklung, der eine immer weitere Individualisierung des Rundfunks gestattet35, den Staat zur Prüfung nötigt, ob nicht die bestehende gesetzliche Gestaltung der Veränderung der Technik anzupassen ist, sofern darin eine Erweiterung der Verwirklichung der individuellen Freiheit beschlossen liegt36• Keineswegs darf die gesetzliche Regelung der Rundfunkfreiheit auf einem bestimmten, überholten technischen Stand festgeschrieben werden37. Wo neue technische Formen die Verwirklichung einer erweiterten Freiheit des Zugangs zum Medium ermöglichen, ist der Gesetzgeber im Sinne der erwähnten Schutzpflicht gebunden, ihnen Rechnung zu tragen und die möglichen neuen Mittel der Kommunikation für. die Meinungsbildung zu öffnen. Der gleiche Schluß ergibt sich auch aus der zweiten Seite des Grundrechts der Rundfunkfreiheit, der Informationsfreiheit. Auch die passive Seite des Individualrechts, die sich nicht in der bloßen Stellung eines Zu dieser Schutzpflicht neuestens Ossenbühl, DÖV 1981, 4 ff. BuHinger, Kommunikationsfreiheit, 53 ff. 3S BuHinger, Kommunikationsfreiheit, 58. 37 So zu Recht Klein, Rundfunkfreiheit, 37 ff. gegenüber der Auffassung von Lerche, BayVBI 1976, 530 ff. 34

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I. Die Rundfunkfreiheit

"Rezipienten" der Mittlerfunktion der Anstalten erschöpfen kann, führt zu dem Schluß, daß der Staat durch seine Gesetzgebung dort, wo weitere und vielseitigere Informationsmöglichkeiten technisch erschlossen werden, sich nicht ihrer Verwirklichung entgegenstellen darf, sondern sie dem einzelnen erschließen muß. Denn das Recht auf Information schließt letztlich auch das Recht ein, daß die staatliche Gesetzgebung im weitesten Umfang der Vielfalt der Information Raum gibt und diese nicht durch ausschließliche Vorbehalte für bestimmte Organisationsformen einengt. Rechtliche und rechtlich gestützte Monopole im Rundfunkwesen stehen an sich mit der grundlegenden individuellen Freiheit im Widerspruch·. Aus diesen Erwägungen ergibt sich, daß im Rahmen einer Wahrung der Freiheit des Mediums auch der individuelle Unternehmerische Zugang zum Medium nicht versperrt werden darf, wenn die technische Entwicklung ausreichende Möglichkeiten der Vielfalt der Meinungsäußerung zur Verfügung stellt. Es genügt nicht, das freie Spiel der Kräfte in der Meinungsbildung nur in die Binnenstruktur staatlicher Anstalten zu verlegen, wo es, wie die Erfahrung zeigt, nicht in besten Händen ist. Es muß auch, soweit die technische Entwicklung dies ermöglicht, in der organisatorischen Gestaltung des Mediums selbst der Zugang von Individuen und Gruppen zur unternehmerisch.e n Wahrnehmung der Rundfunkfreiheit erleichtert werden. Eine andere Auffassung, welche die freie Meinungsbildung von vornherein in - gegenwärtig nicht mehr zu rechtfertigende - begrenzte Kanäle zu leiten sucht, läuft auf eine Bevormundung hinaus. b) Wenn demnach aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG die individualrechtliehe Befugnis abzuleiten ist, sich aus der technisch möglichen Vielfalt der Meinungen zu .unterrichten, wie auch die gegebenen technischen und sonstigen Verhältnisse durch Unternehmerischen Zugang zur Medienäußerung zu nutzen, so ordnet sich die Rundfunkfreiheit damit in die Grundstruktur der in Art. 5 GG gesicherten Grundrechte der Kommunikation ein. Zwischen Presse und Rundfunk läßt sich hier kein grundsätzlicher Unterschied begründen; nur soweit technisch im Rundfunk eine besondere Situation besteht, lassen sich besondere organisatorische Formen legitimieren. Die individualrechtliche Befugnis ist, was in der bisherigen Diskussion allzusehr vernachlässigt worden ist, auch durch die für die Bundesrepublik verbindliche Europäische Konvention für Menschenrechte vom 4. 11. 1950 (BGBl. 1952 II, S. 686) geschützt. Art. 10 Abs. 1 EMRK schließt in seine Sicherung der Meinungsfreiheit den Rundfunk ausdrücklich ein und garantiert die "Freih eit zum Empfang und zur Mitteilung von Nachrichten oder Ideen ohne Eingriffe öffentlicher Behörden und ohne Rücksicht auf Landesgrenzen".

3. Die individualrechtliche Grundlage der Rundfunkfreiheit

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Für Rundfunkunternehmen kennt er nur ein Genehmigungsverfahren. Im Unterschied zu der im Wortlaut nahestehenden Vorschrift des Art. 19 der von der Bundesrepublik angenommenen Konvention der Vereinten Nationen über bürgerliche und politische Rechte vom 19. 12. 1966 (BGBl. 1973 II, S. 1534) sind die Vorschriften der EMRK auch individualrechtlich bewehrt~. Die Fassung dieser Texte baut unverkennbar auf der Anerkennnung eines Individualrechts der Kommunikationsfreiheit auf, das auch den Zugang zu den Medien einschließt. c) Für die Auslegung des Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG stellt es in diesem Zusammenhang eine Nebenfrage dar, ob sich aus der Wortfassung des Grundgesetzes, das die"Freiheit der Berichterstattung durehRundfunk ... gewährleistet", eine Verengung des grundrechtliehen Schutzes ergibt. Man könnte aus dieser Textfassung im Einklang mit gewissen Äußerungen im Parlamentarischen Rat den Schluß ziehen, nur die informatorische Nachrichtengebung und Programmausrichtung, nicht die meinungsbildende, unterhaltende und künstlerische genieße den Grundrechtsschutz. Dann würde für den Rest des Programms nur in Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG eine grundrechtliche Sicherung zu finden sein39• Diese Auffassung entspricht indes nicht der herrschenden Meinung und der Rechtsprechung, die Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG, ungeachtet des engeren Wortlautes, dahin deuten, daß das Programm mit Einschluß der künstlerischen Darbietungen, der Kommentare und der unterhaltenden Sendungen grundrechtlich abgedeckt ist40 • Für die föderale Zuständigkeit hat diese Frage insofern wenig Bedeutung, als dem Bund auch für die Regelung der Meinungsfreiheit, auf welche die nicht im Rundfunkbegriff eingeschlossenen Aktivitäten zurückverweisen würden, keine Kompetenzen zustehen. Auf die Frage, welche der neueren technischen Mittel der Massenkommunikation dem Begriff des Rundfunks (oder der Presse) zuzurechnen sind, kann an dieser Stelle nicht eingegangen werden41 •

38 Vgl. Frowein, Berichte der Deutschen Gesellschaft für Völkerrecht 19 (1979), 18 ff. 39 Ansätze in dieser Richtung bei Jarass, Massenmedien, 182 ff. 40 BVerfGE 31, 314, 326; 35, 202, 222; OVG Münster DÖV 1978, 519, 520; Lieb, Kabelfernsehen, 166 ff.; Klein, Rundfunkfreiheit, 33 f.; Badura, Bindungen, 27. Zur Frage der Einbeziehung der durch Draht vermittelten Übertragung: Schmitt Glaeser, Kabelkommunikation, 49 f . 41 Vgl. zu dieser Frage die Äußerungen bei Lerche, Landesbericht, 45 f., 100 ff.; Mestmäcker, Medienkonzentration und Meinungsvielfalt, 203 f.; Klein, Rundfunkfreiheit, 23 ff.; Paptistella, DÖV 1978, 750 ff.; Schmitt Glaeser, Kabelkommunikation. 37 ff. ; Bullinger, Kommunikationsfreiheit, 30 ff., 87.

I. Die Rundfunkfreiheit

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4. Der objektive Rahmen der Rundfunkfreiheit a) Die Grundrechte der Kommunikation weisen, wie viele grundrechtliche Bestimmungen, eine rechtliche Struktur auf, in der neben dem grundlegenden Individualrecht auch objektive, die Realisierung des Grundrechts im Rahmen der gesamten Verfassungsordnung sichernde Grundsätze enthalten sind. In der neueren Grundrechtsinterpretation ist diese doppelte rechtliche Wirkung der Grundrechte weithin anerkannt. Wenn auch im einzelnen die Auffassungen über die relative Verbindung beider Elemente und über das Ausmaß objektiver Folgerungen auseinandergehen, besteht über die begleitende Ergänzung des Individualrechts durch solche objektiven Aussagen grundrechtlich.er Normen heute doch grundsätzlich weitgehende Übereinstimmung4 2 • Bei der Meinungsfreiheit, insbesondere aber den der weiten Öffentlichkeit zugewandten Massenmedien, tritt die Bedeutung dieser objektiven Seite des Grundrechts verstärkt hervor. Das beruht einmal darauf, daß es sich bei der Meinungsfreiheit um ein Grundrecht handelt, das- wie auch die Rechtsprechung immer wieder betont hat43 - eine entscheidende Bedeutung für die freie öffentliche Meinungs- und Willensbildung besitzt. Hinzu tritt, daß gerade bei den Massenmedien Presse und Rundfunk die Verwirklichung einer weiten Verbreitung der Meinung in der Öffentlichkeit gewisse Vorkehrungen und Einrichtungen erfordert, für die im Interesse der Sicherung und Förderung der freien Kommunikation bestimmte Grundsätze aus der grundrechtliehen Bestimmung zu entnehmen sind. Es kommt hierbei weniger auf die Textfassung des Grundrechts an- das Wort "gewährleistet" kann im Hinblick auf Eigentum und Erbrecht (Art. 14) und die Familie (Art. 6) in dieser Hinsicht nicht erhebliches Gewicht haben - als auf seine innere Struktur, die über das Individuum hinaus auf die Bildung der Meinung in Gruppen und in einer weiteren Öffentlichkeit verweist. Die Realisierung der Rundfunkfreiheit wirft daher, wie allgemein anerkannt wird, notwendig Fragen der organisatorischen Gestaltung der für die Realisierung der Freiheit zu bildenden Formen der Kommunikation auf44. Aus dieser Situation ergeben sich für den staatlichen Gesetzgeber Bindungen. Er hat die Aufgabe, eine solche organisatorische Form des Rundfunks zu sichern, die dem Gedanken der Medienfreiheit eine effektive Durchsetzung ermöglicht. Diese aus der Grundrechtsnorm folgende Verpflichtung des Staates, zur Realisierung der Freiheit und zu Vgl. Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts, 124 f f . BVerfGE 35, 202, 221 f. 44 Vgl. Starck, Rundfunkfreiheit, 14; B ethge, Reorganisation, 14 (mit weiterer Lit.). 42

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4. Der objektive Rahmen der Rundfunkfreiheit

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ihrem Schutz beizutragen, wirkt sich vor allem nach zwei Richtungen aus. Einmal folgt aus der Freiheit der medialen Äußerung, daß sie frei von staatlicher Einwirkung auf ihren Inhalt sein muß. Zum anderen aber läßt sich aus der Bedeutung der kommunikativen Freiheit ableiten, daß sie als ein wesentlicher Teil der Meinungsbildung in einer demokratischen und pluralistischen Gesellschaft die Vielfalt der Meinungen ermöglichen und daher einer Vielfalt von Äußerungen Raum geben muß. Diese beiden Forderungen der Staatsfreiheit und der offenen Vielfalt gelten in gleicher Weise auch für das andere Massenmedium, die Presse. Hier wird die Vielfalt durch den freien Zugang zu .unternehmerischer Betätigung gesichert. Auch wenn die Führung einer weitverbreiteten Tageszeitung erhebliche Einrichtungen und finanzielle Aufwendungen erfordert, so zeigt sich gerade bei dem gedruckten Erzeugnis der Kommunikation, daß hier mit dem Buch, der Broschüre, der Fachzeitschrift und anderen periodischen Veröffentlichungen, auch mit der Begründung von "alternativen" Drucken und Periodica ein Raum besteht, in dem sich eine sehr große Vielfalt und Breite der Mein~ngs­ äußerung auswirken kann. Sogar dort, wo lokal nur eine Zeitung verfügbar ist, kommt eine Vielfalt der Meinungen dadurch zum Ausdruck, daß dieses Blatt in der Regel einen offenen, einer Vielfalt von Strömungen zugänglichen Kurs steuert, schon aus Gründen der Absatzsicherung. Es ist also der Gedanke der freien Konkurrenz der Auffassungen, der im Medienbereich der herrschenden Anschauung zugrunde liegt - der Gedanke, daß sich die öffentliche Meinung durch die freie Erörterung unterschiedlicher Meinungen bildet. Im Pressebereich wird dies durch den freien Zugang zu allen Formen der pressemäßigen Organisation und des Druckes gesichert. Im Rundfunk hingegen hat sich zunächst aus technischen Gründen (Frequenzmangel und Wellenzuteilung) eine solche freie Entwicklung nicht herstellen lassen. Hier haben die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten eine grundlegende Mittlerstellung gewonnen. Dem entspricht das Bemühen einer Reihe von Autoren darzulegen, daß dieser bestehende Zustand der Rundfunkkommunikation der besonderen Struktur dieses Mediums angemessen sei. Das ist jedoch ein unrichtiger Gedanke. Auch im Bereich des Rundfunks entspricht der Forderung des Grundrechts am meisten eine organisatorische Lösung, welche die Meinungsvielfalt durch eine Vielfalt der Einrichtungen und Unternehmungen sicherstellt. In solcher Vielfalt verwirklicht sich das Individualrecht des Zugangs zur aktiven Mitwirkung bei der Ausübung der Freiheit am wirksamsten. Diese normative Situation wird verkannt, wenn statt dessen die Realisierung der Freiheit in eine Mittlerposition der Anstalten verlagert wird und den Redakteuren der Rundfunkanstalten eine gestaltende und mittelnde Rolle zugeschrieben wird. Die Freiheit wird ver-

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I. Die Rundfunkfreiheit

bogen, wenn diejenigen, die im Rahmen der bestehenden Rundfunkorganisation die Sendungen z.u verantworten haben, sich nicht als Treuhänder der zur offenen Information berechtigten Bürger fühlen (Ossenbühl), sondern sich eine Rolle als Gestalter der Vermittlung oder gar als politische Erzieher des Volkes zuschreiben wollen. Die Rundfunkanstalten haben ihre Aufgabe vielmehr darin zu sehen, den vorhandenen pluralen Strömungen und Meinungen in aller Objektivität eine Ausdrucksmöglichkeit zu bieten und dem Bürger eine ausgewogene Information über die Meinungsvielfalt zu verschaffen. Das schließt nicht aus, daß im Programm dezidierte Stellungnahmen abgegeben werden und auch extreme Ansichten geäußert werden können, wenn sie in eine zureichende Umgebung vielfältiger Äußerung hineingestellt werden. Im Grunde behauptet sich auch in der gegenwärtigen Rechtsprechung über den Binnenpluralismus des Rundfunks der Gedanke der freien Konkurrenz der Auffassungen. Auch die vom Bundesverfassungsgericht gewählte Lösung - Verankerung der gesellschaftlichen Gruppen im Rundfunk zur Sicherung der Staatsfreiheit und Meinungsvielfalt geht auf den Gedanken der Meinungskonkurrenz zurück. In der jetzt bestehenden Organisation des Rundfunks könnte sich diese Offenheit der Meinungen nur verwirklichen bei einer entsprechenden Einstellung der Redakteure und aller derjenigen, die Programmverantwortung tragen. Die gegenwärtige Struktur hat aber dazu geführt, daß sich in den Rundfunkhäusern eine Machtgruppe, die politischen Parteien, tatsächlich durchgesetzt hat und an die Stelle einer Vielfalt oftmals eine politisch gesteuerte Meinungsbeeinflussung getreten ist. b) Die grundlegende Frage, die sich an dieser Stelle erhebt, geht dahin, ob die Forderung nach Meinungsvielfalt im Rundfunk nicht über die bestehende Beschränkung der aktiven Freiheitsausübung auf öffentlich-rechtliche Anstalten eine erweiterte Realisierung erfahren könnte, nachdem die technische Entwicklung hierfür die Grundlagen bietet. Staatsfreiheit und Meinungsvielfalt sind Grundprinzipien, die sich für alle organisatorischen Formen des Rundfunks aus der Natur der offenen Meinungsbildung ergeben. Keineswegs aber läßt sich die bestehende Organisationsform aus der Verfassung als notwendige oder alleinige Gestaltung begründen45. Zwischen denjenigen Grundsätzen der Staatsfreiheit und der Meinungsvielfalt, die sich allgemein aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG als objektive Elemente der Sicherung der kommunikativen Freiheit ergeben, und der besonderen Organisationsform, die die gegenwärtige Gesetzgebung 45 So mit Recht Bethge, Zulassung von Rundfunkveranstaltern des Privatrechts, 34 ff.; H errmann, Fernsehen und Hörfunk, 123 f. ; OVG Münster DÖV 1978, 519, 521 f .

4. Der objektive Rahmen der Rundfunkfreiheit

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dem Rundfunk auferlegt, besteht ein scharfer Unterschied. Staatsfreiheit und Meinungsvielfalt ergeben sich aus dem Grundgedanken der Freiheit der Kommunikation, da diese dem Ausdruck der freien Meinungsbildung dienen soll. Sie sind Gebote, die allgemein für die organisatorische Gestaltung des Rundfunks ihre Geltung behalten. Die Beschränkung der Sendemöglichkeit und damit des aktiven Zuganges zum Medium, die in der Zulassung allein staatsgeschaffener öffentlich-rechtlicher Anstalten liegt, kann dagegen ihre Begründung nicht in Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG finden, dessen Freiheitsgewährleistung sie erkennbar beschränkt, sondern nur durch besondere Umstände gerechtfertigt werden, die die Rechtsprechung in der früheren technischen Situation der Sendemöglichkeiten erblickte. Der Versuch, diesen Unterschied zu verdecken, hat - wie wir gesehen haben - dazu geführt, die grundlegende Struktur des Freiheitsrechts im Sinne einer lediglich institutionellen Freiheit zu deuten. Damit wird aber der Gehalt des Rechts der Rundfunkfreiheit verzeichnet. Zwischen den allgemeinen Prinzipien, die sich für die organisatorische Gestaltung des Rundfunks aus dem Freiheitsrecht ergeben, und der Rechtfertigung der Einschränkung dieser Freiheit durch die bestehende Organisation besteht daher ein grundsätzlicher Unterschied. Der Grundsatz der Staatsfreiheit, der allgemein für die Ordnung des Rundfunks anerkannt ist, leitet sich aus der Natur des Freiheitsrechts selbst ab. Auch wenn man dies nicht nur als Abwehrrecht sehen will, so bedeutet Freiheit der Meinungsbildung im Rundfunk offensichtlich, daß der Staat auf die den Kern des Rundfunkbegriffs ausmachende Programmfreiheit keinen gestaltenden Einfluß ausüben darf. Sonst könnte nicht von Freiheit, sondern von einer Staatseinrichtung die Rede sein, wie dies im Ausland bei Funk und Fernsehen vielfach der Fall ist, aber demokratischen Grundsätzen widerspricht46 • Aus der Medienfreiheit folgt ebenso allgemein das Prinzip der Meinungsvielfalt. Aus der Freiheit des Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG läßt sich ableiten, daß sie dort am besten gesichert ist, wo eine große Vielfalt der Träger und Unternehmer tätig werden kann, wie das auch für das Presserecht anerkannt ist. Es ist eine weitere Frage, wieweit die technisch verfügbaren Mittel vorhanden sind, um eine solche unmittelbare Meinungsvielfalt zu ermöglichen. In der Anerkennung des Prinzips, daß die Freiheit des Rundfunks nur dann gewahrt bleibt, wenn in dem Medium eine Vielfalt der Auffassungen tatsächlich zu Wort kommt, be46 In dieser Auffassung besteht Übereinstimmung: Herrmann, Fernsehen und Hörfunk, 235 ff.; Schotz, Pressefreiheit, 145; Jarass, Massenmedien, 198 ff.; Ktein, Rundfunkfreiheit, 51 ff.; Ossenbüht, DÖV 1977, 385 ; aus der Rechtsprechung BVerfGE 12, 205, 260; 31, 314, 327; 42, 143, 159 f.; Bay VerfGHE 30 II, 78, 93; BVerwG DÖV 1980, 679, 685.

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I. Die Rundfunkfreiheit

steht aber wiederum Übereinstimmung in Rechtsprechung .und Literatur47. c) Im Bereich der Presse hat die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts anerkannt, daß die organisatorische Verwirklichung des Freiheitsrechts durch die freie .unternehmerische Gestaltung der Presse ambestengewahrt wird. Es hat hierzu ausgeführt: "So wichtig die damit der Presse zufallende ,öffentliche Aufgabe' ist, so wenig kann diese von der organisierten staatlichen Gewalt erfüllt werden. Presseunternehmen müssen sich im gesellschaftlichen Raum frei bilden können. Sie arbeiten nach privatwirtschaftliehen Grundsätzen und in privatrechtlichen Organisationsformen. Sie stehen miteinander in geistiger und wirtschaftlicher Konkurrenz, in die die öffentliche Gewalt grundsätzlich nicht eingreifen darf48." Bei der Presse wird mithin die Verwirklichung der Freiheit der freien Unternehmerischen Tätigkeit der Individuen überlassen und darin eine Erfüllung der beiden hervorgehobenen Grundvoraussetzungen der Staatsfreiheit und der geistigen und wirtschaftlichen Meinungskonkurrenz (Meinungsvielfalt) erblickt. Der Wortlaut des Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG ergibt keinen Anhalt dafür, daß die Rundfunkfreiheit in einem anderen Sinne, etwa als Gebot der Inverwaltungnahme durch den Staat, verstanden werden kann. Presse, Rundfunk und Film sind in einem Atem genannt, und auch der Film ist in privatrechtliehen Formen gestaltet. Im Grunde ist auch das Bundesverfassungsgericht davon ausgegangen, daß Presse und Rundfunk von der gleichen in Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG normierten Medienfreiheit umfaßt werden und daß nur eine durch technische und finanzielle Faktoren bedingte zeitgebundene Sondersituation andere Organisationsformen als möglich und vertretbar erscheinen läßt. Unter diesem Aspekt hat das Gericht zwischen Presse und Rundfunk - jedenfalls seinerzeit - einen Unterschied angenommen. Während im Pressewesen zwar auch finanzielle Gesichtspunkte der Neugründung von Zeitungsverlagen Grenzen ziehen, ging das Gericht davon aus, daß im Bereich des Rundfunks "sowohl aus technischen Gründen als auch mit Rücksicht auf den außergewöhnlich großen Aufwand für die Veranstaltung von Rundfunkdarbietungen die Zahl der Träger solcher Veranstaltungen verhältnismäßig klein bleiben muß" 49 • Es darf jedoch nicht übersehen werden, daß in beiden Entscheidungen das Bundesverfassungsgericht ausdrücklich darauf hingewiesen hat, daß die besondere Gestaltung des Rundfunks sich allein aus der damaligen "Sondersituation" und nur "jedenfalls vorerst" rechtfertigen läßt. Das 47 Vgl. BVerfGE 12, 205, 262 ; 31, 314, 326 und Sondervotum Geiger u. a., 337 f.; Herrmann, Fernsehen und Hörfunk, 251; Klein, Rundfunkfreiheit, 53 ff. 48 BVerfGE 20, 162, 175. 40 BVerfGE 12, 205, 261; wiederholt in 31, 314, 326.

4. Der objektive Rahmen der Rundfunkfreiheit

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Gericht hat damit anerkannt, daß die Beschränkungen der Rundfunkfreiheit beim Zugang zu dem Medium (und damit auch bei der unmittelbaren Freiheitsausübung ohne die Mittlerstellung öffentlich-rechtlicher Monopolanstalten) der Begründung durch eine besondere technische und finanzielle Situation bedürfen. Es bleibt also festzustellen, daß die derzeitige Organisation der Rundfunksendungen nicht aus der allgemeinen Rundfunkfreiheit abgeleitet werden kann, diese vielmehr einschränkt, sondern ihre Grundlage nach der Rechtsprechung in der - nach deren Auffassung nach wie vor bestehenden - "Sondersituation" des Rundfunks findetso. Demgegenüber hat es eine Richtung des Schrifttums in neuester Zeit - sie ist oben bereits in ihren Ansätzen kritisiert worden - .unternommen, die spezielle Gestaltung des Rundfunks, die die Rechtsprechung mit der Sondersituation rechtfertigt, als unmittelbar aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG ableitbar nachzuweisen, indem sie unter Z.urückdrängung der individualrechtliehen Komponente das Freiheitsrecht ausschließlich oder überwiegend institutionell zu deuten unternimmt. Dazu hat diese Richtung des Schrifttums zugleich auch den derzeit von der Rechtsprechung angenommenen Unterschied von Presse und Rundfunk zu einem grundsätzlichen, in keiner Weise vom Wortlaut des Grundgesetzes gedeckten, fundamentalen Unterschied ausgedeutet. Diese Auffassung führt im Ergebnis zu einer grundsätzlichen Einengung der in Art. 5 GG vorausgesetzten Freiheit der Meinungen und setzt sich daher zu der Grundrichtung des Art. 5 GG und seiner Medienfreiheit in Gegensatz. Zwar ergeben sich die Grundprinzipien der Staatsunabhängigkeit und der durch Konkurrenz zu erhaltenden Vielfalt der Meinungsbildung bereits aus dem Grundansatz des Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG, nicht aber die vom Bundesverfassungsgericht entwickelten kompensierenden Gestaltungsprinzipien für die auf öffentlich-rechtliche Anstalten beschränkte Sendemöglichkeit. Das Bundesverfassungsgericht hat die ergänzenden Vorkehrungen, die die Begrenzung der Sendemöglichkeit auf öffentlich-rechtliche Anstalten erfordern, dahin gekennzeichnet, daß diese Anstalten, um eine Vorherrschaft des Staates oder einer gesellschaftlichen Gruppe zu verhüten, in die Verfügung der maßgebenden gesellschaftlichen Gruppen gegeben sein sollten51 und daß diese in der Zahl beschränkten Einrichtungen daher unter der Forderung einer inhaltlichen Sachlichkeit und 50

In diesem Sinne auch die Äußerung des OVG Münster DÖV 1978, 519,

522, die die "heutigen gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und rundfunktech-

nischen Gegebenheiten" betont und dabei einräumt, daß in Zukunft eine Vermehrung der Sendefrequenzen die jetzigen Sendemonopole öffentlichrechtlicher Rundfunkanstalten erschüttern könne. Im gleichen Sinne Bay VerfGHE 30 II, 78, 95 f. 5t BVerfGE 12, 205, 261 f.

I. Die Rundfunkfreiheit

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Ausgewogenheit stehen müssen, die es verbürgen, daß die gesellschaftlichen Strömungen und Meinungen hinreichend zu Wort gelangen52 • Eine zureichende Auslegung des Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG kann nur erreicht werden, wenn ein klarer Unterschied zwischen den allgemeinen Prinzipien der Staatsunabhängigkeit und der Meinungsvielfalt, die sich aus der Grundrechtsnorm ergeben, und der spezifischen Gestaltung anerkannt bleibt, die aus der von der Rechtsprechung - unter dem Vorbehalt des Fortbestandes einer "Sondersituation"- dem Rundfunkmonopol auferlegten "Binnenstruktur" (Binnenpluralismus) folgt. Auch in dieser Binnenstruktur bleibt der Gedanke der Konkurrenz der Meinungen aufrechterhalten, aber er wird angesichts der Beschränkung der Trägerschaft auf öffentlich-rechtliche Anstalten begrenzt und erfordert besondere Sicherungen der Ausgewogenheit und Sachlichkeit. Es bleibt aber bei der grundsätzlichen Verpflichtung des Staates, in seiner Gesetzgebung, sobald sich Möglichkeiten einer weitergehenden Verwirklichung der Rundfunkfreiheit technisch und wirtschaftlich erschließen, auch weiteren, in privatrechtlicher Form organisierten Kräften freien Zugang z.u verschaffen 53 • Es läßt sich also nicht aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG herleiten, daß im Unterschied zur Regelung des Pressewesens für den Rundfunk von Verfassungs wegen andere Grundsätze aufgestellt wären. Hier wie dort gelten Staatsfreiheit und Meinungsvielfalt. Die weiteren von der Rechtsprechung aufgestellten Grundprinzipien - Binnenpluralismus und Ausgewogenheit - ergeben sich hingegen aus der vorausgesetzten Begrenzung der Sendekapazitäten. Wenn diese besondere Lage sich daher verändert und sich neue technische Möglichkeiten ergeben, die auch wirtschaftlich verwertbar sind, so fallen die Gründe hinweg, Presse und Rundfunk als unterschiedliche Medienbereiche zu behandeln. Es werden gewisse technische Unterschiede bleiben, aber nicht solche Bedingungen, die eine grundlegend unterschiedliche Organisation dieser Medienräume rechtfertigen. Es ist eine andere Frage, wie weit die Bevölkerung die ihr im Pressewesen angebotene Vielfalt der Information effektiv nutzt. Im Rundfunk jedenfalls umfaßt der Bereich der empfangenen Mitteilungen neben Informationen und Stellungnahmen zum Zeitgeschehen auch Musik und Unterhaltung. In beiden Medien, stärker noch im Rundfunk, wird die Auswahl der dem Leser (Hörer) vermittelten Informationen von der Auswahl der Redaktion bestimmt, und diese bestimmt auch BVerfGE 12, 205, 262 f.; 31, 314, 326 und Sondervotum Geiger u. a., 340. Sondervotum Geiger u. a., BVerfGE 31, 339, mit dem Hinweis, daß der Gesetzgeber, für die Verwirklichung der Freiheit "alle dazu nötigen Organisationsformen zur Verfügung zu stellen" hat. 52

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5. Die Träger der Rundfunkfreiheit

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die Ausrichtung der Darbietungen, was beim Rundfunk infolge der Begrenzung der Sendemöglichkeiten nach der Rechtsprechung durch Sachlichkeit und Ausgewogenheit geschehen soll. Unter diesem Gesichtspunkt muß eine Vermehrung der Sendeträger vom Gedanken der Freiheit der Meinungsbildung her positiv gesehen werden, nicht aber, wie dies heute bei den Verteidigern des status quo geschieht, negativ. Die dort auftretende Forderung, der Rundfunk müsse ein Integrationsprogramm hervorbringen, ist nicht gundsätzlich zu rechtfertigen, sondern nur im Rahmen der von der Rechtsprechung angenommenen "Sondersituation" 54 • Die besonderen Grundsätze, die für die bestehende Rundfunklage wegen der Beschränkung der Sendemöglichkeiten entwickelt worden sind, entsprechen dieser speziellen Situation, die auf technisch-finanziellen Gesichtspunkten beruht. Wenn sich diese tatsächliche Lage ändert und sowohl technisch weitere Kommunikationsmöglichkeiten erschlossen werden als auch die Kosten für solche Entwicklungen sich ermäßigen, entfällt die Basis für die Aufrechterhaltung der heutigen organisatorischen Beschränkungen. Sicherlich ist im Rundfunk der Anteil der gesetzgeberischen Gestaltung größer als bei der Presse, weil der Zugang zu unternehmerischer Tätigkeit hier einer Regelung bedarf; nicht gerechtfertigt aber ist die Aufrechterhaltung eines beschränkenden Zustandes, wenn größere Offenheit möglich wird. Die gegenteilige Ansicht führt im Ergebnis dahin, daß die Rundfunkfreiheit nicht bei den Bürgern, sondern bei der Auswahl der Redakteure der öffentlich-rechtlichen Anstalten liegt55 • Auch bei der Beurteilung des objektiven Gehalts des Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG sind daher die organisatorischen Gestaltungen der Rundfunkfreiheit durch den Gesetzgeber immer wieder am Gedanken der individuellen Rundfunkfreiheit zu messen. Die objektive Gewährleistung der Rundfunkfreiheit dient dieser Feiheit und darf nicht als eine Ermächtigung an den Gesetzgeber umgedeutet werden, seine Gestaltung im Sinne einer monopolistischen Verengung auszuüben. 5. Die Träger der Rundfunkfreiheit

a) Im Schrifttum tritt bei einer Reihe von Autoren die Neigung hervor, allein oder ganz überwiegend die Rundfunkanstalten und in ihrem Rahmen die Mitarbeiter in den Vordergrund der aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG fließenden Berechtigung zu rücken. Im Zusammenhang mit 54 Zum Integrationsprogramm Lerche, Landesbericht, 60; Stock, AöR 104 (1979), 45 f. 55 Vgl. meine Darlegung VVDStRL 22 (1965), 15 f .

3 Scheuner

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I. Die Rundfunkfreiheit

der bereits behandelten Tendenz, den institutionellen Charakter der Rundfunkfreiheit überzubetonen, werden in erster Linie die Rundfunkanstalten als Inhaber d€s Freiheitsrechts angesehen 56 • Bisweilen findet sich die Stellung der Rundfunkanstalten in die Form der institutionellen Garantie gekleidet57 • Die letztere Ansicht verkennt die Natur der institutionellen Garantie, zu der es gehört, daß Bestand und Funktion der gewährleisteten öffentlichen Einrichtung durch die Verfassung selbst gesichert sind. Davon kann aber in Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG keine Rede sein. Man kann wohl für die Unternehmungen und Anstalten der Sendeorganisation aus der objektiven Seite der Rundfunkfreiheit gewisse verpflichtende Prinzipien ableiten, keineswegs aber eine Gewähr ihres Bestandes als notwendiger Form der Rundf.unkorganisation. Die bestehenden Anstalten sind in einem gewissen Rahmen zulässige Formen dieser Organisation und insoweit auch beteiligt an dem freiheitlichen Grundrechtsschutz, vor allem auch befähigt zur Verteidigung ihrer Position im Rechtswege58• Vollends verkannt ist die Verfassungsrechtslage bei Stock, der in seiner Stellungnahme zum Lüneburger Urteil den verfassungsrechtlichen Rahmen in seinem Sinne "zurechtrückt" und meint, das entscheidende öffentliche Interesse sei in der Rundfunkanstalt subjektiviert59 • Indem er als primäre Folgerung aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG eine "Anstaltsfreiheit" ableiten möchte, leugnet er nicht nur die individualrechtliche Seite des Freiheitsrechts, sondern erhebt bestimmte, erst durch Gesetz geschaffene Elemente der Rundfunkorganisation zu verfassungsrechtlich gewährleisteten Trägern der Freiheit. Das öffentliche Interesse am Rundf.unk als Bestandteil der öffentlichen Meinungsbildung ist nicht, wie Stock meint, die Grundlage der Rundfunkfreiheit, so sehr es ihre Bedeutung im tatsächlichen Leben der Öffentlichkeit unterstreicht. Auf die öffentliche Bedeutung des Rundfunks kann, wie alsbald zur "öffentlichen Aufgabe" darzulegen sein wird, die Rundfunkfreiheit nicht gebaut werden. Das Anstaltsinteresse allein in den Mittelpunkt zu rükken, heißt im Ergebnis, dem Gesetzgeber freie Verfügung über die Freiheitsgewährung zu geben. Die Ansicht Stocks steht daher im Ansatz wie im Ergebnis in Widerspruch mit der Verfassung. 56 Vgl. Jarass, Massenmedien, 251; Hoffmann-Riem, Rundfunkfreiheit, 21; Stern, Finanzierung, 21 ff. 57 Ossenbühl, Rundfunk zwischen Staat und Gesellschaft, 43; OVG Lüne-

burg DÖV 1979, 170. 58 BVerfGE 31, 314, 322 spricht von der Grundrechtsfähigkeit der Anstalten (weil sie dem durch Grundrechte geschützten Lebensbereich zugeteilt sind), aber keineswegs von einer institutionellen Garantie. 59 Stock, AöR 104 (1979), 30.

5. Die Träger der Rundfunkfreiheit

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Aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG läßt sich nicht, wie dies einige der erwähnten Autoren anstreben, eine Gewährleistung der öffentlich-rechtlichen Anstalten durch die Verfassung ableiten60 • b) Wenn man die Rundfunkfreiheit in ihrer näheren rechtlichen Str.uktur nach den Trägern dieser Freiheit mustert, so ergibt sich, wie dies auch für die Presse gilt, daß sie nicht ohne weiteres aus einem bestimmten Träger zu verstehen ist, sondern daß sie, unter Berücksichtigung der institutionellen Elemente, ein komplexes Geflecht von individuellen Rechten und objektiven Prinzipien darstellt~11 • Aus der z.u Recht hervorgehobenen Arbeitsteilung bei der Verwirklichung der Rundfunkfreiheit, an der Individuen, auch in unternehmerischer Eigenschaft, Anstalten, Redakteure und sonstige Mitarbeiter, aber auch die in der Anstaltsorganisation mitwirkenden gesellschaftlichen Gruppen beteiligt sind, ergibt sich ein bewegtes und vielseitiges Bild62 • Die Trägerschaft der Rundfunkfreiheit wird durch die Verfassung, aber auch durch die auf ihr beruhende nähere Organisation der Hundfunkeinrichtungen bestimmt. Die Grundlage der Zuweisung von Rechten aber bildet das Individualrecht. Das läßt sich schon aus dem Gesamtzusammenhang des Rechts der Kommunikation ableiten, das unter dem überhöhenden Gedanken der freien Meinungsbildung steht, die notwendig eine individuelle Freiheit darstellt. Rundfunkfreiheit bedeutet mithin in erster Linie Freiheit der Individuen, sowohl als Empfänger (Recht auf umfassende Information durch Freiheit der Äußerung anderer) wie als Beteiligter an der Gestaltung der Kommunikation bis hin zu unternehmerischer Betätigung. Zu dem Individualrecht gehört also auch die Befugnis, als unternehmerischer Träger von Sendeeinrichtungen oder als Beteiligter an Sendeausstrahlungen (Drittsendung) tätig zu werden, so wie es zur Pressefreiheit gehört, den Zugang auch zur Gründung von Presseunternehmungen zu besitzen. In diesem Sinne kann man die Individuen und sie allein als ursprüngliche Träger der Rechte aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG bezeichnen63 • 60 So mit Recht unter Hinweis auf BVerfGE 50, 290, 337: Bethge, Zulassung von Rundfunkveranstaltern des Privatrechts, 33 ff., 51; ferner Herrmann, Fernsehen und Hörfunk, 359 ff. 61 Vgl. meine Äußerung zur Pressefreiheit, VVDStRL 22 (1965), 69. 82 So mit Recht Hoffmann-Riem, Rundfunkfreiheit, 22, und Starck, Rundfunkfreiheit, 11 ff., der ebenfalls auf die arbeitsteilige Struktur der Realisierung des Freiheitsrechts hinweist. 63 Zur Notwendigkeit, das Individualrecht in die Mitte zu stellen, siehe Starck, Rundfunkfreiheit, 12 ff.; Herrmann, Fernsehen und Hörfunk, 146 ff. Zur Freiheit des Rundfunkempfangs und der Information, aber auch zur Unternehmerischen Freiheit der Betreibung von Sendeeinrichtungen und Teilnahme daran: Klein, Rundfunkfreiheit, 32 ff.; BuUinger, Kommunika-

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I. Die Rundfunkfreiheit

c) Angesichts der institutionellen Elemente des Freiheitsrechts und seiner organisatorischen Ausgestaltung durch die Gesetzgebung erscheint es richtig, ungeachtet ihrer öffentlich-rechtlichen Struktur, auch die Anstalten64 als durch ihren Auftrag begrenzte Träger der Hundfunkfreiheit anzuerkennen. Geht man davon aus, daß die Rundfunkfreiheit in komplexer, kompetentiell verteilter Trägerschaft verwirklicht wird, kann man dies trotz der Tatsache bejahen, daß damit öffentlich-rechtliche Grundrechtsträger angenommen werden. Es handelt sich hier aber um ein sekundäres, sozusagen abgeleitetes Recht. Nur in dem Maße, in dem diesen Anstalten durch Gesetz Rechte übertragen werden, nehmen sie am Grundrecht teil. Keinesfalls gibt es ein ursprüngliches Recht dieser Anstalten auf Verleihung des Senderechts, ebensowenig wie eine Gewährleistung einer auf sie oder gar ausschließlich auf sie gegründeten Rundfunkorganisation - auch nicht in der Form einer institutionellen Garantie. Ebensowenig besitzen die Anstalten eine Garantie des status quo von Verfassungs wegen- weder was ihre Existenz überhaupt noch was ihre Senderechte betrifft. Sie sind zu Zwecken der organisatorischen Verwirklichung von Rundfunkfreiheit durch Gesetz geschaffene Einrichtungen, die nur im Maße ihrer Zielsetzung und Ausgestaltung an der Rundfunkfreiheit teilnehmen. Auch ist es richtig, wenn man ihre Stellung innerhalb des Grundrechts als eine mittelbare, eine treuhänderische bezeichnet hat. Das bringt zum Ausdruck, daß diese Anstalten stets im Rückbezug auf den Ausgangspunkt der Individualrechte gesehen werden müssen65 • Diese abgeleitete, dem jeweiligen Funktionsbereich in der Anstalt entsprechende Trägerschaft der Rundfunkfreiheit steht auch den Redakteuren und Mitarbeitern der Anstalten zu (und würde auch dem privaten Unternehmer und seinen Mitarbeitern zustehen). Die Rechte der Anstaltsmitarbeiter sind nicht direkt aus dem allgemeinen Individualrecht abzuleiten, sondern ergeben sich aus der geschaffenen Organitionsfreiheit, 59 ff., unter Hinweis auf das Mitbestimmungsurteil BVerfGE 50, 290, 337 und auf Art. 10 EuMRK. &4 Hierzu BVerfGE 31, 314, 322. 65 Vgl. die Aussage des Bundesverfassungsgerichts, daß Rundfunk eine Sache der Allgemeinheit ist (BVerfGE 31, 314, 327). Wenn Badura, Bindungen, 30 f., sich gegen den Gedanken wendet, daß die Anstalten nur dienend an der Verwirklichung der Rundfunkfreiheit teilhaben, so wird dieser Zusammenhang grundsätzlich verkannt. Es ist bezeichnend, daß in diesem Zusammenhang bei den Autoren die Wendung vom "Jedermanns-Grundrecht" in einem das Individualrecht abwertenden Sinne auftritt (Badura, Bindungen, 31; Stock, AöR 104 (1979), 19 f.; Jarass, Massenmedien, 261) zusammen mit der Tendenz, den "Rezipienten" überhaupt ein Recht abzusprechen. Man muß sich wundern, was hier eigentlich als Grundrechtskonzeption dahinter steht. Sind nicht alle Grundrechte des Grundgesetzes - mit gewissen Ausnahmen- gerade "Jedem" zugeschrieben, sind sie nicht Menschenrechte, die die Freiheit des Individuums schützen? Wie kann man dann ein Grundrecht als "Jedermannsrecht" abwertend beurteilen?

5. Die Träger der Rundfunkfreiheit

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sation des Rundfunks; demgemäß stehen den Redakteuren Rechte im Sinne aktiver Gestaltung nur im Rahmen ihrer Anstellungsgrundlagen zu66. Fehl geht daher jede Bestrebung, aus diesem in der jeweiligen Funktion enthaltenen und durch sie begrenzten Mitwirkungsrecht des Redakteurs - das zudem an die 9bjektiven, den Rundfunk beherrschenden Prinzipien gebunden ist - ein freies Gestaltungsrecht, eine Mittlerstellung oder gar einen Erziehungsauftrag gegenüber dem Publikum herzuleiten, wie es heute teilweise geschieht. Insbesondere besitzen die Redakteure der Rundfunkanstalten keine sog. "innere Rundfunkfreiheit", d. h. ein über ihren Auftrag hinausgehendes Mitwirkungsrecht gegenüber der Anstalt117. An der Rundfunkfreiheit haben selbstverständlich auch der gelegentliche Mitarbeiter, der Unternehmer, der Filme oder sonstige Teile des Programms herstellt und liefert, der Hörer als Empfänger und endlich die in der Rundfunkorganisation vertretenen gesellschaftlichen Gruppen als repräsentative Elemente der Meinungsvielfalt teil68 • Alle diese einzelnen Rechte leiten sich aus dem allgemeinen Recht des Individuums zur aktiven Mitwirkung an der Meinungsbildung im Rundfunk ab; aber sie stehen, soweit sie erst durch die organisatorische Gestaltung des Rundfunks begründet werden, im Rahmen und unter den Bedingungen ihrer Eingliederung in das Rundfunkunternehmen. d) Aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG lassen sich, wie auch das Bundesverfassungsgericht festgestellt hat, keine vorgegebenen Organisationsformen für den Rundfunk ableiten. Insbesondere kann aus der Verfassung nicht ein Vorrang für eine öffentlich-rechtliche Organisation entnommen werden, wie auch die Rechtsprechung ausdrücklich andere GestaUungen als statthaft anerkennt119 ; ebensowenig ergibt das Grundge66 Zum Recht der Redakteure und Mitarbeiter siehe Hoffmann-Riem, Rundfunkfreiheit, 21 f.; Jarass, Massenmedien, 258 ff.; Herrmann, Fernsehen und Hörfunk, 153 ff., 370; Klein, Rundfunkfreiheit, 18. 67 Auf die Problematik der Mitbestimmung im Rundfunk kann hier nicht eingegangen werden. Gegen die Anerkennung eines Mitbestimmungsrechts: lpsen, Mitbestimmung im Rundfunk; Herrmann, Fernsehen und Hörfunk, 252 ff.; Bethge, Reorganisation, 17 ff.; Klein, Rundfunkfreiheit, 18. 68 Daraus kann sich für sie ein Rechtsschutz bei Nichtberücksichtigung oder Zurücksetzung ergeben, vgl. OVG Lüneburg DÖV 1979, 170, das einer gesellschaftlichen Gruppe (Kirche) ein Klagrecht zugesprochen hat. Dazu Kewenig, dort 174 f. und ders., Inhalt und Grenzen der Rundfunkfreiheit, 83 ff. Ein Recht des einzelnen Hörers auf ein bestimmtes Programm verneint indes zutreffend BVerwG DÖV 1979, 102. 69 Vgl. BVerfGE 12, 205, 260 f. und aus dem Schrifttum zur Zulässigkeit anderer, auch privatrechtlicher Gestaltungsformen: Herrmann, Fernsehen und Hörfunk, 360 ff.; Ossenbühl, Rundfunk zwischen Staat und Gesellschaft,

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I. Die Rundfunkfreiheit

setz, auch nicht Art. 20 GG, eine Basis für Ansprüche von Mitarbeitern des Rundfunks auf Beteiligung an dessen Leitung. Es lassen sich aber aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG und seinen objektiven Grundsätzen allgemeine Prinzipien für die Rundfunkorganisation ableiten, die im Falle einer besonderen Situation, die zu Beschränkungen der Freiheit führt, durch weitere Riebtsätze ergänzt werden können. Die allgemeinen Bindungen betreffen - wie dargelegt - die Unabhängigkeit vom Staat oder einzelnen gesellschaftlichen Mächten und die Wahrung der Meinungsvielfalt. Gegenüber der grundsätzlichen Folgerung aus der Freiheit, daß ein möglichst hohes Maß an Information, Meinungsvielfalt und aktivem Zugang zum Medium erreicht werden soll, bedarf jede Begrenzung, vor allem aber jede gesetzlich unmittelbar oder mittelbar begründete Monopolstellung einer besonderen rechtlichen Begründung. Für die bestehende Rechtslage wird sie von der Rechtsprechung in der existierenden oder noch fortbestehenden "Sondersituation" des Rundfunks gesehen. e) Es ist eine offene Frage, inwieweit die Rundfunkfreiheit auch die Veranstaltung von Werbesendungen .umgreift. Hier müssen mehrere Fragen unterschieden werden. Inwieweit gehört Werbung zum Inhalt der Rundfunksendungen? Und inwieweit ist die Werbung immanent mit gewissen Organisationsformen verbunden? Inwieweit kann der Gesetzgeber sie bei bereits durch Gebühren finanzierten öffentlich-rechtlichen Anstalten begrenzen? Bei der Presse hat das Bundesverfassungsgericht angenommen, daß die Werbung mit zur Pressefreiheit gehört, da die freie Presse ihre wirtschaftliche Existenz sonst nicht zu sichern vermöchte70 • Das dürfte im Ergebnis auch dahin führen, bei einer Zulassung privatrechtlich organisierter Sendeträger die Finanzierung durch Werbung als in der Rundfunkfreiheit inbegriffen zu belassen. Eine gesetzliche Untersagung der Werbung für privatrechtlich geordnete Träger von Sendungen würde daher ebensowenig wie bei der Presse mit Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG vereinbar sein. Ob die Aufgabe des Rundfunks gewisse Beschränkungen erforderlich machen würde, ist eine andere Frage. Die öffentlich-rechtlichen Anstalten, deren Finanzierung vor allem durch Gebühren gesichert ist, besitzen demgegenüber keine grundrechtliche Gewährleistung ihrer Werbesendungen. Der Gesetzgeber könnte sie ihrem öffentlich-rechtlichen Status entsprechend auf 11; Badura, Bindungen, 34 f.; Schmitt Glaeser, Kabelkommunikation, 96 ff.; Bullinger, Kommunikationsfreiheit, 94.

70 BVerfGE 21, 271, 278 ff. Zum Streit um das Werbefernsehen der Überblick bei Lerche, Rechtsprobleme des Werbefernsehens, sowie Herrmann, Fernsehen und Hörfunk, 85 ff.

6. Rundfunk als öffentliche Aufgabe

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Gebührenfinanzierung verweisen, wobei zu berücksichtigen ist, daß der Staat bei Errichtung solcher Anstalten auch als verpflichtet angesehen werden muß, sie finanziell ausreichend zu versorgen 71 • Wie noch darzulegen sein wird, kann sich auch aus der Zuerkennung oder - besser - tatsächlichen Feststellung einer "öffentliche Aufgabe" des Rundfunks kein anderer Schluß ergeben. Der Gesetzgeber könnte die Werbung bei den aus öffentlich-rechtlichen Gebühren finanzierten Anstalten beschränken oder ausschließen, wenn eine andere ausreichende finanzielle Grundlage gegeben oder herzustellen ist72 • Bei privaten Sendeunternehmen jedenfalls, die nicht öffentliche Mittel erhalten, gehört die Werbung mit zum Inhalt der ihnen zustehenden Rundfunkfreiheit.

6. Rundfunk als öffentliche Aufgabe a) In Rechtsprechung und Schrifttum wird der Rundfunk als öffentliche Aufgabe bezeichnet, in der Judikatur des Bundesverfassungsgerichts sogar gelegentlich zur öffentlichen Verwaltung gezählt. Aus dieser Zuweisung werden dabei nicht selten normative oder sonstige Folgerungen gezogen. So wird darauf die dem Staat zufallende Aufgabe gestützt, die Realisierung des Grundrechts zu ermöglichen; manche gehen so weit, die Inanspruchnahme des Grundrechts von der Erfüllung der "öffentlichen Aufgabe" abhängig zu machen. Diese Kennzeichnungen bedürfen der sorgsamen Prüfung und Korrektur an Hand der grundrechtliehen Basis der Rundfunkfreiheit. Die Veranstaltung von Rundfunksendungen, die ihren Kern in der Programmgestaltung hat, wird in Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG als Freiheit gewährleistet, die auf das Individualrecht der Rundfunkfreiheit zurückgeht. Schon daraus wird deutlich, daß eine Zuweisung der Rundfunktätigkeit in ihrem inhaltlichen Teil (anders in der organisatorischen Ausgestaltung) an die staatliche Verwaltung keine verfassungsrechtliche Grundlage besitzt. Sie wird in den beiden maßgebenden Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts, die von einer Zugehörigkeit zur Verwaltung sprechen, jeweils durch spezielle Gesichtspunkte der Sachlage hervorgerufen. In der ersten grundlegenden Entscheidung73 kam es dem Gericht darauf an, die Veranstaltung von Rundfunk unter Art. 30 GG zu subsumieren, der die staatlichen Kompetenzen zwischen 71 So auch Stern, Finanzierung, 15 ff., 22 f.; Stern I Bethge, Öffentlich-rechtlicher und privatrechtlicher Rundfunk, 107 ff. 72 a. A. Stern I Bethge, Öffentlich-rechtlicher und privatrechtlicher Rundfunk, 87 ff. 73 BVerfGE 12, 205 ff.

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I. Die Rundfunkfreiheit

Bund und Ländern verteilt. Von daher erklärt sich, als Überspitzung eines Gesichtspunkts, die Zuweisung zur Verwaltung74 . In der zweiten Grundentscheidung hatte das Gericht, um die Vorstellungen von einer gewerblichen Tätigkeit der Anstalten auszuräumen und damit die Umsatzsteuerfreiheit abzusichern, Gewicht auf die Zugehörigkeit zur öffentlichen Verwaltung gelegt75. In einer dritten Entscheidung endlich wird die Zuweisung zur öffentlichen Verwaltung vorgenommen, um die Pflicht der Rundfunkanstalten zur Wahrung der Chancengleichheit der Parteien im Wahlkampf zu begründen76. Hier wäre es ausreichend gewesen, diesem Grundsatz der Chancengleichheit durch einen Verweis auf die öffentliche Bedeutung der Rundfunksendungen und die in der "Sondersituation" bestehende Pflicht zur Ausgewogenheit Geltung zu verschaffen. Die Zurechnung des Rundfunks zur öffentlichen Verwaltung läßt sich indes mit der Grundlage des Grundgesetzes nicht vereinen77. Denn das Grundgesetz gestaltet den Rundfunk nicht als Staatsaufgabe wie andere Gebiete der Daseinsvorsorge (Schule, Sozialversicherung usw.), auch nicht als eine dem öffentlichen Bereich angehörende Aufgabe, sondern als grundrechtliche Freiheit. Grundrechtliche Freiheiten können sehr wohl in ihrem objektiven Rahmen dem Staat Pflichten zum Schutz, zur Gewährleistung und Gestaltung auferlegen, aber sie können nicht selbst zu öffentlich-rechtlichen Aufgaben werden. Das Bundesverfassungsgericht hat es in seiner ersten Entscheidung ausdrücklich abgelehnt, aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG eine Kompetenzbestimmung zugunsten des Bundes für eine gesetzliche Regelung abzuleiten78. Das entspricht der Natur grundrechtlicher Sätze, aus denen nach der Auffassung des Bundesverfassungsgerichts keine Kompetenzen für den Staat, also auch keine öffentlich-rechtlichen Aufgaben abgeleitet werden können, die solche Kompetenzen nach sich zögen. Nirgends im Grundgesetz findet sich eine Zuweisung der Medienfreiheiten an den Staat. Sie würde dem Prinzip grundrechtlicher Freiheit widersprechen. In Art. 75 Ziff. 2 GG ist dem Bund die Gesetzgebung für die "allge74 BVerfGE 12, 205, 244. 75 BVerfGE 31, 314, 329. 78 BVerfGE 47, 198, 225. 77 Im Schrifttum wird sie vorgenommen von Bethge, Reorganisation, 85 f.; Lerche, Landesbericht, 26; auch BVerwGE 22, 299, 306. Siehe auch Badura, Bindungen, 30, 37. 1s BVerfGE 12, 205, 248 f.

6. Rundfunk als öffentliche Aufgabe

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meinen Rechtsverhältnisse der Presse .und des Films" zugewiesen. Damit werden diese Medien nicht in öffentliche Verwaltung gegeben noch als eine der individuellen Freiheit entzogene öffentliche Aufgabe ausgewiesen; sondern es wird nur anerkannt, daß sich für sie die staatliche Gewährleistung in einer konkretisierenden, grundrechtskonformen Gesetzgebung zeigen kann. Man sollte daher von der Ansicht, die Rundfunkfreiheit sei in ihrem Kern nicht individuelle Freiheit, sondern Aufgabe der staatlichen Verwaltung - nenne man dies Daseinsvorsorge oder staatliche Inanspruchnahme eines Machtmittels-Abstand nehmen79 • b) Die Bezeichnung als öffentliche Aufgabe kann daher nur in dem Sinne verstanden werden, daß mit der Entfaltung der Rundfunkfreiheit zugleich eine öffentliche und politische Wirkung erzielt wird, nämlich die Mitgestaltung der öffentlichen Meinung. Daß hier ein grundlegender Bereich auch des politischen Aufbaus im demokratischen Staat betroffen wird, hat das Bundesverfassungsgericht zu Recht immer wieder hervorgehoben. Aber dasselbe gilt auch für die Presse oder für die Vereins- und Versammlungsfreiheit. Bei der Presse ist die gleiche Verweisung auf ihre öffentliche Aufgabe üblich. Diese Bezeichnung ist aber deskriptiv, erläuternd und funktionell, nicht normativ zu verstehen. Damit rücken die Medien nicht aus der grundrechtliehen Freiheit in einen Raum staatlicher Verantwortung. Aus der objektiven Pflicht des Staates zum Schutz und zur Hilfe bei der Realisierung der Rundfunkfreiheit erwachsen zwar dem Staat gewisse Pflichten in der organisatorischen Sicherung der Freiheit, aber es hieße die grundrechtliche Basis verkennen, wenn man die Veranstaltung von Rundfunkdarbietungen grundsätzlich in eine institutionelle Verantwortung des Staates oder gar als Bestandteil der Leistungsverwaltung umdeuten wollte8o. Geht es also nicht an, aus der Kennzeichnung als "öffentliche Aufgabe" normative Schlüsse zu ziehen, so mag man hier einen Hinweis auf die Schutz- und Realisierungsgewähr des Staates erblicken. Es geht aber bereits zu weit, wenn Art. 111 a BayLV festlegt, daß der Rundfunk in "öffentlicher Verantwortung" betrieben werde. Das ist nicht durch das Freiheitsrecht gedeckt und steht daher mit Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG im Widerspruch. Insoweit ist diese Vorschrift - und erst recht 79 Zum letzteren Krüger, Die öffentlichen Massenmedien als notwendige Ergänzung der privaten Massenmedien, 74; ders., Allgemeine Staatslehre, 771 ff. Gegen seine Auffassung Herrmann, Fernsehen und Hörfunk, 125 ff.; siehe ferner Ossenbühl, Rundfunk zwischen Staat und Gesellschaft, 20, 37. 8° Für eine normative Sicht der "öffentlichen Aufgabe" siehe Badura, Bindungen, 36 ff. Dagegen Herrmann, Fernsehen und Hörfunk, 353 ff. und vorsichtig auch Bethge, Zulassung von Rundfunkveranstaltern des Privatrechts, 52 ff.

I. Die

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Rundfunkfreiheit

die folgende Bestimmung, daß nur öffentlich-rechtliche Anstalten zugelassen werden- verfassungsrechtlich bedenklich81 . c) Zur Verwaltung kann man die staatliche Einwirkung lediglich insoweit zählen, als sie im Wege der Gesetzgebung öffentlich-rechtliche Träger der Rundfunkdarbietung errichtet. Das gilt aber allein für den organisationsrechtlichen Rahmen dieser Anstalten. Die inhaltliche Gestaltung des Rundfunks, auch die des Rundfunkprogramms, gehört hingegen zum Bereich der Grundrechtsfreiheit, die dem Staate entzogen ist. Der Staat erscheint hier nur als Garant und Helfer der Rundfunkfreiheit, soweit er organisatorische Mittel des öffentlichen Rechts während des Fortbestandes einer "Sondersituation" des Rundfunks einsetzt. Es handelt sich gewissermaßen um eine Organisationshilfe, die unter Neutralität des Staates82 die Meinungsvielfalt im Rundfunkbereich zu sichern unternimmt. Der Staat leistet bei der Organisation des Rundfunks rechtliche Hilfe zur Verwirklichung der aus objektiven Prinzipien der Freiheit erforderlichen Gestaltung; er übt aber nicht staatliche Verwaltungsfunktionen aus, mit Ausnahme jener, die im Rahmen der (organisatorischen) Errichtung von öffentlich-rechtlichen Anstalten notwendig sind83 • Insbesondere rückt damit nicht die inhaltliche Ausübung der Runclfunkfreiheit - mit ihrem Kern in der Programmgestaltung84 - in den Bereich der öffentlichen Verwaltung oder in eine besondere Sphäre des Öffentlichen, die sie der privaten Verfügung entzieht. Das müßte sonst im Verfassungsrecht als ausdrückliche Zuweisung an den Staat unter Sicherung der Neutralität und Öffnung zur Meinungsvielfalt geschehen. Dann würde sich der Rundfunk eher der Wissenschaftsfreiheit annähern, weil in der Tat die Wissenschaftspflege in Art. 5 Abs. 3 wie in Art. 75 Ziffer 1 a GG nebst entsprechenden Bestimmungen der Landesverfassungen als Teil der öffentlichen Verwaltung erscheint. Im Hochschulbereich besteht eine weitgehende Gestaltungsfreiheit für den Gesetzgeber, die nur durch das Freiheitsrecht der Wissenschaft beschränkt wirds5. Hierzu vor allem Schmitt Gtaeser, Kabelkommunikation, 85 ff. Zu dieser Neutralitätspflicht Schtaich, Neutralität als verfassungsrechtliches Prinzip, 83 ff. unter spezifischer Abstellung auf den kompensativen Binnenpluralismus der Anstalten. 83 So zutreffend das Sondervotum Geiger u. a., BVerfGE 31, 341. 84 Zur entscheidenden Bedeutung der Programmgestaltung im Begriff und in der Ausübung der Rundfunkfreiheit siehe Herrmann, Fernsehen und Hörfunk, 48 ff.; Ossenbüht, Rundfunk zwischen Staat und Gesellschaft, 33; Lerche, Rechtsprobleme des Werbefernsehens, 11 ff. ss BVerfGE 35, 79, 120. 81

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Darin äußert sich aber eine grundlegend andere Rechtssituation. Die Errichtung von Hochschulen und wissenschaftlichen Forschungseinrichtungen steht dem Staat als Teil seiner Kulturverwaltung zu; bei Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG dagegen handelt es sich um staatliche Hilfe bei der Verwirklichung eines grundrechtliehen Freiheitsrechts. d) Die staatliche Hilfe bei der organisatorischen Gestaltung des Rundfunks, soweit sie notwendig oder in besonderen Situationen begründet ist, steht daher nicht unter dem Grundsatz, daß hier öffentliche Verwaltung ausgeübt wird. Insbesondere kann nicht von der Bedeutung des Rundfunks für die Meinungsbildung, von seiner Funktion her, die nonnative Position der Rundfunkfreiheit verändert werden86• Die Rundfunkgesetzgebung muß als dienende Aufgabe verstanden werden. Sie hat in der Organisation des Rundfunks die grundlegenden Prinzipien der Staatsunabhängigkeit und der Meinungsvielfalt zu erhalten sowie in dem möglichen Umfang der Verwirklichung der individuellen Freiheit, auch in ihrer unmittelbaren Ausübung von Sendung und Programmgestaltung durch Unternehmer, Rechnung zu tragen. Dem Gedanken der Staatsfreiheit des Rundfunks widerspricht eine Zurechnung der inhaltlichen Gestaltung - anders als die der organisatorischen Formung - zu den Aufgaben des Staates. Die Rundfunksendung ist nicht ein Mittel der Erziehung der Bevölkerung - das ist sie in totalitären Staaten - , sie ist auch nicht das Instrument, um festzulegen, was oder wieviel der Hörer (Fernseher) hören und sehen darf. Die gegenteilige Auffassung verkennt den Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG zugrundeliegenden Gedanken der Offenheit und der freien Konkurrenz87.

86 Vgl. zu den Grenzen funktionalen Denkens Lecheter, NJW 1979, 2273 ff. 87 Vgl. auch zu der Neigung, aus der "öffentlichen Aufgabe" Folgerungen zu ziehen Herrmann, Fernsehen und Hörfunk, 289 f.; Schmitt Gtaeser, Kabelkommunikation, 196 ff.

II. Berufliche Freiheit im Rundfunkrecht 1. Unternehmerische Freiheit im Rundfunk a) In den bisherigen Ausführungen ist die Bedeutung der individualrechtlichen Grundlage der Rundfunkfreiheit herausgearbeitet worden. Sie wirkt sich einmal nach der Richtung der Freiheit der Information, des Empfangs der von den Rundfunkeinrichtungen ausgestrahlten Mitteilungen und Veranstaltungen aus, andererseits im Recht auf die im Rahmen der technischen und organisatorischen Möglichkeiten zu bewirkende - Zulassung zu aktiver Beteiligung an der im Rundfunk stattfindenden Meinungsbildung und kommunikativen Betätigung. Was die Freiheit des Empfangs von Sendungen anbelangt, so ist es dem Staat verwehrt, die Auswahl der Informationen an sich zu ziehen, die in der freien Programmgestaltung liegt. Umgekehrt ist dem Staat die Pflicht auferlegt, in der organisatorischen Gestaltung des Rundfunks die Offenheit und Vielfalt der Meinungsäußerung zu ermöglichen. Soweit die Redaktion - wie im Grunde auch bei der Zeitung - eine Auswahl aus der Fülle des Stoffes treffen muß, kann das bei der öffentlich-rechtlichen Anstalt wegen ihrer ausschließlichen Stellung nur auf die Weise geschehen, daß nicht an Stelle der Meinungsvielfalt die Einseitigkeit der Anschauung, des Parteieneinflusses oder der politisch.en Neig.ung tritt. Daher hat auch das Bundesverfassungsgericht, solange sich eine außenplurale Vielfalt der Sendungen nicht erzielen läßt und ein rechtliches oder faktisches Monopol der öffentlich-rechtlichen Anstalten besteht, Sachlichkeit und Ausgewogenheit der Sendungen gefordert88. Diese stellen das Korrelat der bestehenden Sondersituation und der aus ihr abgeleiteten organisatorischen Beschränkung des Zugangs zur aktiven Beteiligung am Rundfunk dar. Hinsichtlich der Empfängerseite ist noch darauf aufmerksam zu machen, daß die Freiheit der Information auch durch internationale Abkommen, vor allem durch Art. 10 EMRK vom 4. 11. 1950 gesichert ist. Daher entsprechen Bestrebungen des Staates, die eine Abwehr grenzüberschreitender Sendungen etwa beim Satellitenempfang zum Ziele haben, nicht dieser Garantie transnationaler Informationsfreiheit89 . BVerfGE 12, 205, 262; 31, 314, 326. Vgl. Frowein, Berichte der Deutschen Gesellschaft für Völkerrecht 19 (1979), 18 ff. 88 89

1. Unternehmerische Freiheit im Rundfunk

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b) Zur Rundfunkfreiheit gehört aber ebenso die Freiheit des Zugangs zu aktiver Gestaltung der Sendeäußerung. In diesen Bereich gehört zunächst die Betätigung der von Rundfunkeinrichtungen beschäftigten Redakteure und Mitarbeiter. Hier bildet sich ein Berufsbild heraus, das neben Art. 5 GG seine Sicherung auch durch die Berufsfreiheit des Art. 12 GG empfängt90• Daher erkennt die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ebenso wie die freie Griindung von Presseorganen den freien Zugang zu den Presseberufen an91 • Aber auch zur Rundfunkfreiheit gehört, wie schon dargelegt, die unternehmerische Betreibung von Sendeeinrichtungen. Bei den Presseberufen wie bei den Rundfunkberufen ist dies Miteinander von Art. 5 Abs. 1 Satz 2 und Art. 12 Abs. 1 GG anerkannt, zumal sich hier bestimmte Berufsbilder in der Medienwelt herausgebildet haben. Gilt dies auch für die Unternehmerische Gestaltung von Sendungen? Für die Presse ist die freie Gründung von Zeitungen und anderen periodischen Organen allgemein als Teil des Freiheitsrechts anerkannt; die gleiche Unternehmerische Freiheit dürfte für den Film gelten. Daher ist nach Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG auch für den Rundfunk der freie Zugang zur Betreibung von Sendeeinrichtungen abgedeckt und die darin liegende Freiheit der Programmgestaltung gesichert. Es ist dargelegt worden, daß dem nicht etwa eine Zuweisung des Rundfunks zum staatlichen oder öffentlichen Bereich entgegengehalten werden kann. Gewiß bleibt die Zulassung von Sendeeinrichtungen an die gesetzliche Gestaltung der Rundfunkorganisation im Rahmen der aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG abzuleitenden Grundsätze der Staatsfreiheit und Meinungsvielfalt gebunden. Grundsätzlich aber ist eine Freiheit des Zugangs zur Griindung von Sendeeinrichtungen als Bestandteil der Rundfunkfreiheit anzuerkennen92 • Gegen diese Feststellungen erheben sich keine Gegenstimmen. Aber die Verteidiger der bestehenden Ordnung suchen ihre Auffassung dadurch zu decken, daß sie dem Art. 12 Abs.. 1 GG gegenüber der Hundfunkfreiheit geringere Bedeutung zuschreiben. c) Wenn wie in diesem Falle zwei grundrechtliche Vorschriften auf eine Situation anwendbar sind, so erhebt sich die Frage nach ihrem Verhältnis. Geht man von der Ansicht aus, daß die einzelnen Grundrechte selbständig nebeneinander stehen und nicht in ein hierarchisches Fernsehen und Hörfunk, 11 ff. BVerfGE 20, 162, 176. 92 In diesem Sinne Herrmann, Fernsehen und Hörfunk, 117 ff., 135 f., 318; Schmitt Glaeser, Kabelkommunikation, 239 ff.; Klein, Rundfunkfreiheit, 42 ff.; Bethge, Zulassung von Rundfunkveranstaltern des Privatrechts, 70 ff.; Badura, Bindungen, 48 f. 90 91

Herrmann,

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li. Berufliche Freiheit im Rundfunkrecht

System eingefügt sind, dann erscheint als richtige Lösung einer solchen Konkurrenz die Parallelstellung der beiden Grundrechte. In der Tat ist es richtig, ohne daß dieses Problem hier vertieft werden könnte, die Vorstellung einer Rangfolge der Grundrechte zurückzuweisen. Sie ist weder vom Wortlaut noch vom System des Grundgesetzes gedeckt .und führt zu subjektiven und verwirrenden Aussagen93 • Es wird vielmehr das Verfahren der praktischen Abstimmung einzuschlagen sein, das im vorliegenden Fall deshalb keine Schwierigkeiten bereitet, weil im Ergebnis beide Grundrechte gemeinsam die Rechtsstellung des Rundfunkunternehmers sichern. Es besteht jedenfalls kein Anlaß, hier den Gesichtspunkt der lex specialis heranzuziehen94 • So führt der Weg jener, die Art. 12 Abs. 1 GG zurückzudrängen suchen, eher dahin, eine Vorrangstellung von Art. 5 GG in diesem Bereich zu vertreten95 • Ba.dura endlich erkennt zwar die selbständige Anwendbarkeit des Art. 12 Abs. 1 GG an, stellt ihr aber die Rundfunkfreiheit als - in seinem Sinne bestimmte Schranken aufstellende - Norm entgegen, die er als die Berufsfreiheit begrenzende Vorschrift deutet. So gelangt er zu dem seltsamen Ergebnis, daß die Rundfunkfreiheit, da sie eine staatliche Regelungsvollmacht im institutionellen Verständnis begründe, ein überragendes Gemeinschaftsgut im Sinne einer Beschränkung der Berufsfreiheit darstelle116 • Diese Auffassung kann nicht überzeugen. Sie bedeutet eine Umwendung der Rundfunkfreiheit in eine Schranke dieser Freiheit. Die aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG abzuleitenden Grundsätze der Ausgestaltung der Rundfunkorganisation können nicht Beschränkungen der Rundfunkfreiheit sein, müssen vielmehr der Verwirklichung der Freiheit dienen. Die richtige Lösung führt daher dahin, daß sich die Berufsfreiheit an die Seite der gleichfalls diesen Zugang sichernden Rundfunkfreiheit stellt. Im Ergebnis freilich bringt Art. 12 Abs. 1 GG damit gegenüber der schon aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG zu gewinnenden Erkenntnis keine wesentlichen weiteren Momente. Insbesondere kann dem freien beruflichen Zugang nach Art. 12 Abs. 1 GG eine Begrenzung auferlegt werden, wenn nach der vom Bundesverfassungsgericht entwickelten 93 Vgl. hierzu Rüfner, in: Bundesverfassungsgericht und Grundgesetz li, 461 f. 94 Lerche, Rundfunkmonopol, 75 f. lehnt das zu Recht ab, indem er auf die hier vorliegende Parallelschaltung der Grundrechte hinweist. 95 In diesem Sinne Bethge, Zulassung von Rundfunkveranstaltern des Privatrechts, 116 ff., der eine Dominanz des Art. 5 vertritt, der "sachspezifisch" sei. 96 Badura, Bindungen, 48 f.

2. Zum Begriff des Rundfunks

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Stufentheorie97 Gemeinschaftswerte dies bedingen. Art. 12 Abs. 1 GG besitzt aber auch eine Bedeutung für die Beurteilung von Verwaltungsmonopolen, die wohl grundsätzlich dieser Linie der Verhältnismäßigkeitentsprechen dürftenus. Wenn die Linien einer verhältnismäßigen Begrenzung und einer Rechtfertigung des Monopols gegenüber der Berufsfreiheit auch noch nicht sicher festgelegt sind, darf doch angenommen werden, daß ein die Berufsfreiheit ausschließendes oder beschränkendes gesetzliches oder rechtlich gestütztes faktisches Monopol einer - den für Art. 12 Abs. 1 GG entwickelten Grundsätzen entsprechenden - Begründung bedarf. Keinesfalls jedoch vermag der Staat in einer Ordnungsgebung, wie sie die Rundfunkgesetzgebung darstellt, ohne besondere Rechtfertigung Verwaltungsmonopole zu begründen oder aufrechtzuerhalten99 •

2. Zum Begriff des Rundfunks a) Es ist in diesem Rahmen nicht möglich, ausführlich auf die Frage der technischen Veränderungen einzugehen, die das Bild des Rundfunks wie das der anderen Medien verändern. Sie sind in der neueren Literatur mehrfach eingehend dargelegt worden; hierauf kann verwiesen werden100• Es erscheint nur notwendig, in Kürze den Umkreis der Erscheinungen festzulegen, der heute zum Rundfunk gerechnet werden kann, die Fortbildung der Lage durch neue technische Entwicklungen ins Auge zu fassen und ihre Grenze zu anderen Medienbereichen anzudeuten. Wenn das Grundgesetz in Art. 5 Abs. 1 Satz 2 von "Freiheit der Berichterstattung" spricht, so ist zunächst in Rechtsprechung und Schrifttum allgemein anerkannt, daß das Wort "Berichterstattung" keine inhaltliche Einschränkung der grundrechtliehen Freiheit auf bestimmte durch den Rundfunk vermittelte Informationen und Nachrichten bedeutet, sondern daß hierunter alle Formen von Darbietungen in diesem Medium - Nachrichten, Informationen, Stellungnahn BVerfGE 7, 377 ff. 98 Vgl. Badura, Wirtschaftsverwaltungsrecht, 276; Fiedter, DÖV 1977, 395 ff. 99 Zu dieser Problematik siehe auch BVerfGE 41, 205 ff., wo das Gericht freilich die eigentlichen Grundfragen unter besonderen Gesichtspunkten zu vermeiden in der Lage war. 100 Vgl. den Telekommunikationsbericht der Kommission für den Ausbau des Technischen Kommunikationssystems, 76 ff. und Anlageband 7 hierzu (Arbeitskreis Organisation), 14 ff. (Breitbandverteilnetze); Lerche, in: Essener Gespräche 13 (1978), 89 ff.; ders., in: Deutsch-Amerikanisches Verfassungsrechtssymposium 1976, 88 ff.; Herrmann, Fernsehen und Hörfunk, 32 ff.; Schmitt Gtaeser, Kabelkommunikation, 20 ff.; Paptistella, DÖV 1978, 750 ff.; Buninger, Kommunikationsfreiheit, 23 ff.

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I I. Berufliche Freiheit im Rundfunkrecht

men, künstlerische .und unterhaltende Sendungen, Drittsendungen, Tagesschau- verstanden sindtot. Daß diese grundgesetzliche Umschreibung sowohl den Hörfunk wie das Fernsehen umfaßt, ist damit zugleich angenommen. Der Bereich des Mediums Rundfunk im Unterschied zu anderen Medien (Presse und Film) wird durch zwei Momente begründet: zum einen erfolgt die Art der Verbreitung der Darbietung durch Wort, Ton und Bild in einer akustisch oder visuell unmittelbaren Vermittlung über nachrichtentechnische Wege. Zum anderen wird der Rundfunk gekennzeichnet durch die in diesem Medium erforderliche Programmgestaltung, d. h . die Auswahl und Ordnung der dargebotenen Sendungen, und durch ihre Zuwendung an die Allgemeinheitt 02 . Was den ersten Punkt, die technischen Mittel der Kommunikation, betrifft, so läßt sich der Begriff des Rundfunks nicht allein aus ihnen bestimmen. Sendungen mittels elektronischer Schwingungen erfolgen auch für andere Zwecke (Fernmeldeverkehr, Seeschiffahrt, Luftnavigation usw.). Was den Rundfunk auszeichnet, ist eine für die Allgemeinheit bestimmte informative, künstlerische oder unterhaltende Darbietung. Es ist vor allem festzustellen, daß das Grundgesetz den Begriff des Rundfunks technisch nicht auf den zeitlichen Stand seines Erlasses festlegt. Es läßt vielmehr neuen Entwicklungen Raum, und so muß die technische Seite des Rundfunks immer neu vom Boden der fortschreitenden technischen Entwicklung aus bestimmt werden. Es wäre verfehlt, die normativen Aussagen des Grundgesetzes auf einen bestimmten Zeitpunkt oder Entwicklungsstand zu fixieren 103 • to1 BVerfGE 31, 314, 326; Bay VerfGHE 30 li, 78, 92 f.; Wufka, Die verfassungsrechtlich-dogmatischen Grundlagen der Rundfunkfreiheit, 66 f.; Lieb, Kabelfernsehen, 103 f.; Herzog, in: Maunz I Dürig I Herzog I Scholz, Grundgesetz, Rdnr. 199-201 zu Art. 5 GG. Siehe auch den Staatsvertrag der Bundesländer über die Regelung des Rundfunkgebührenwesens vom 5. 12. 1974, dessen Definition in Art. 1 in ihrer weiten Unbestimmtheit freilich zu weit greift, sowie den Staatsvertrag über den NDR v. 16. 2. 1955 § 3 und die Gesetze über den BR Art. 2, HR § 2, SDR § 1, WDR § 3, Staatsvertrag SWF § 3, die alle den Auftrag der Anstalten mit "Sendungen und Darbietungen" oder ähnlich sehr weit umschreiben. 102 Zum Begriff des Rundfunks siehe Herrmann, Fernsehen und Hörfunk, 47; Bu!linger, Kommunikationsfreiheit, 13. 103 Zur fernmeldetechnischen Übermittlung als Merkmal des Rundfunks siehe Herrmann, Fernsehen und Hörfunk, 33; Lieb, Kabelfernsehen, 88. Zur Fortentwicklung des Rundfunkbegriffs als Folge der Technik Schmitt Glaeser, Kabelkommunikation, 48 f. Zum tatsächlichen Wandel der Kommunikationsstruktur, der ihre Situation verändert, Butlinger, Kommunikationsfreiheit, 23 ff.; Lerche, in: Essener Gespräche 13 (1978), 89 f. Zur Notwendigkeit der Offenheit des Rundfunkbegriffs gegenüber neuen technischen Entwicklungen Lerche, in: Essener Gespräche 13 (1978), 89 f .; Bullinger, Kommunikationsfreiheit, 30 f. ; Klein, Rundfunkfreiheit, 23; Scholz, Audiovisuelle Medien, 30ff.

2. Zum Begriff des Rundfunks

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Im Hinblick auf die technische Entwicklung ist daher in den Begriff des Rundfunks, der zur Zeit der Entstehung des Grundgesetzes auf die damalige Übermittlung durch drahtlose Wellen ausgerichtet war, auch die Verbreitung von Sinninhalten durch Leiter (Kabel) einzubeziehen104. Wird der Begriff des Rundfunks demnach nicht allein durch das technische Kommunikationsmittel charakterisiert, zumal die neuere technische Entwicklung (Teletext in verschiedenen Formen einschließlich des Abrufs gespeicherter Daten) Übergangsformen zur elektronischen Übermittlung auch bei anderen Medien zeigt, so tritt als weiteres Merkmal die Programmgestaltung hervor, d. h. die Auswahl und Aufbereitung des vermittelten Rohmaterials sowie die Stellungnahme und Meinungsäußerung nebst der künstlerischen oder unterhaltenden Darbietung, die in einer gegliederten Abfolge zusammengefaßt wird105. Das unterscheidet den Rundfunk von denjenigen Sendungen, die lediglich bestimmte Daten und Angaben zumeist für einen begrenzten Empfängerkreis verbreiten (Sendungen für die Schiffahrt, Zeichen der Luftnavigation). Zum Begriff des Rundfunks gehört auch die Hinwendung an eine nicht bestimmte Allgemeinheit, die er mit der in anderen Formen bestehenden Zugänglichkeit der Presse .und der Buchpublikation für jedermann teiltt06• Die Allgemeinheit reicht über einen nur räumlichen Umkreis (Werkbereich) oder einen beruflich-sachlich begrenzten Empfängerkreis hinaus und umfaßt einen durch den lokalen oder regionalen Sendebereich umgrenzten Empfängerkreis107. Von der Presse bleibt der Rundfunk dadurch unterschieden, daß bei ihm die Übermittlung von Sinninhalten unmittelbar akustisch oder visuell durch Wort, Ton und Bild vor sich geht und die für den Druck charakteristischen inhaltvermittelnden Textzeichen nur ergänzend benutzt werden, während für die Presse die Verwendung der Schrift als sinnvermittelnder Schlüssel (Lesetext) kennzeichnend ist. Auch hier kommt den neueren Entwicklungen - Bildübermittlung von Texten, Nachrichten und Daten-, die zur Erweiterung des Pressebegriffs füh104 So die überwiegende Meinung: Herrmann, Fernsehen und Hörfunk, 39 f.; Schmitt Glaeser, Kabelkommunikation, 52; Lieb, Kabelfernsehen, 53 ff., 89 ff., 102; OVG Münster DÖV 1978, 519. 105 Zur Programmgestaltung als Merkmal des Rundfunks siehe Herrmann, Fernsehen und Hörfunk, 28; Lieb, Kabelfernsehen, 109. 106 Zu der Bedeutung, die hieraus noch einmal für Presse und Buchpublikation dem Buchhändler, dem Zeitschriftenverkauf und besonders auch dem Presse-Grosso erwächst siehe Kaiser, Das Recht des Presse-Grosso; Ipsen, Presse-Grosso im Verfassungsrahmen. 107 Herrmann, Fernsehen und Hörfunk, 45; Schmitt Glaeser, Kabelkommunikation, 51 ff.; Lieb, Kabelfernsehen, 135.

4 Scheuner

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li. Berufliche Freiheit im Rundfunkrecht

ren, besondere Bedeutung zu, wie heute bereits der Pressebegriff auch die bildlich starre Illustration (Illustrierte, Karten, Bildschema) einschließt108. b) Von diesen grundsätzlichen Erwägungen aus wird man das Kabelfemsehen, sofern es an die Allgemeinheit gerichtete Programme vermittelt, zu der für den Rundfunk bezeichnenden Medienform rechnen können. Gleiches gilt für die Übermittlung durch Satelliten, die für die Einspeisung der Inhalte auch einer Sendeeinrichtung mit Programm bedarf. Dagegen werden solche durch elektronische Übertragung erfolgenden Ausstrahlungen, bei denen im Vordergrund der Zeichentext, d. h. das Schriftbild steht (Teletext), den Bereich des Rundfunks überschreiten. Das gilt für den Abruf von datengespeich.erten Textender daher nicht in den Umkreis der den Rundfunkanstalten überwiesenen Tätigkeiten fällt - sowie das Pay-TV, bei dem der Empfänger aus angebotenen Möglichkeiten selbst auswählt, vor allem aber für die Bildschirmzeitung. Bei der letzteren überwiegt durch den dargeboten en Schrifttext wie in der redaktionellen Bearbeitung das Gepräge der Presse durchaustoo. Der Pressebegriff ist daher weiter zu fassen und ist ebenfalls den neuerentechnischen Gegebenheiten gegenüber offen110. Zu ihm ist nicht nur die periodische Druckpresse, sondern auch der Buchdruck und die Schallplatte zu rechnen 111 , vor allem auch die in ihrer redaktionellen Gestaltung wie in ihrer Vermittlung durch Schriftzeichen zur Presse gehörende Bildschirmzeitung und erst recht die wieder in stofflicher Form ausgedruckte Faksimilezeitung112 • Jedenfalls ergibt sich hieraus, daß die bloße Verwendung elektronischer Mittel für die Verbreitung nicht einfach dahin gedeutet werden darf, daß die betreffende Kommunikationsart dem Rundfunk zuzurechnen ist. Der einfache Gesetzgeber hat insofern keine freie Hand gegenüber den verfassungsrechtlich festgelegten Grundbildern der Medien. Der in Länderabsprachen oder Landesgesetzen erhobene Anspruch auf eine den grundgesetzliehen Begriff überschreitende Ausdehnung eines Mediums entspricht nicht der Verfassungsnorm und 108 Vgl. BuHinger, Kommunikationsfreiheit, 33 ff.; Klein, Rundfunkfreiheit, 23 ff. 109 So auch Klein, Rundfunkfreiheit, 24 ff.; KuH, AfP 1980, 70 ff.; BuHinger, Kommunikationsfreiheit, 13 f., 39 f., 87 f. (mit Darlegung der verschiedenen Arten des Teletextes). a. A. Paptiste!la, DOV 1978, 752 f. 110 Schatz, Audiovisuelle Medien, 40, 45, 50; siehe auch BVerfGE 21, 271, 278 f.; 34, 269, 283. 111 Vgl. Scho!z, Audiovisuelle Medien, 46 f. 112 Vgl. Scho!z, Audiovisuelle Medien, 52.

2. Zum Begriff des Rundfunks

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kann den öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten keinen verbindlichen Anspruch auf diese neuen technischen Möglichkeiten eröffnen. So gehört auch, wie Scholz112a nachgewiesen hat, der Bereich der audiovisuellen Medien nach ihrer Natur- Aufspeicherung in Bild- und Tonsignalen und deren Ablesung vom Bild- oder Tonträger - nach ihrer funktionellen Typik nicht z.um Gebiet des Rundfunks. Dasselbe gilt für die Filmkassette. Für das Medium des Films ist das bewegte Bild (ergänzt u. U. durch den Ton) kennzeichnend 113, und es ist daher die Filmkassette diesem Bereich zuzurechnen114 • Sofern jedoch die elektronische Vermittlung überwiegend ein Schriftbild darbietet, ist die Zurechnung zur Presse geboten, wobei die besondere Natur des datengespeicherten Abrufs durch den individuellen Benutzer besonderer Gestaltung bedarf. Es zeigt sich insgesamt, worauf Bullinger115 zu Recht hingewiesen hat, in den neuen Techniken ein individualisierender Zug. Die Möglichkeit individueller Auswahl aus dem im Medium dargebotenen kommunikativen Bestand wird erhöht, sogar die Möglichkeit individuellen Dialoges eröffnet und der Weg zu einer individuellen wie inhaltlichen Offenheit der Kommunikation erweitert. Ohne daß hier die Einzelheiten umfassend erörtert werden können116, ergibt sich der Schluß, daß sich die Möglichkeit der Kommunikation über Breitband und andere Kabelarten sowie über Satelliten und unter Ausnutzung gewisser Sendeintervalle für die Allgemeinheit wie für das Individuum erheblich an Breite und Umfang erweitert haben. Die früher von der Rechtsprechung angenommene technische Mangellage besteht nicht mehr.

112a 113 114

115 118

Vgl. SchoLz, Audiovisuelle Medien, 50 f. Vgl. SchoLz, Audiovisuelle Medien, 36. Vgl. Scholz, Audiovisuelle Medien, 38, 51. BuHinger, Kommunikationsfreiheit, 30 ff. Zahlreiche Angaben bei BuHinger, Kommunikationsfreiheit, 30 ff.

111. Verfassungsmäßige Grundlagen der Rundfunkorganisation 1. Die Gestaltung durch die staatliche Gesetzgebung, ihre Richtung und Schranken a) Das Grundgesetz geht bei den Massenmedien des Art. 5 Abs. 1 GG davon aus, daß sie der Ausgestaltung der in ihnen enthaltenen grundrechtliehen Freiheiten durch eine staatliche Gesetzgebung bedürfen, die den Rahmen ihrer organisatorischen Form absteckt. In diesem Sinn ist es jedenfalls zu verstehen, daß dem Bund in Art. 75 Ziff. 2 GG eine Rahmenzuständigkeit für die allgemeinen Rechtsverhältnisse der Presse und des Films zugeteilt wird. Daß hier nicht auch der Rundfunk erscheint, hängt damit zusammen, daß die föderale Zuständigkeit für die kulturrechtliche Seite des Rundfunks allein den Ländern zusteht, die durch ihre Gesetzgebung (einschließlich Staatsverträge) die Grundlage für die Organisation des Rundfunks schaffen. Daß somit dem Staat eine Aufgabe bei der Verwirklichung der Kommunikationsgrundrechte zugewiesen wird, bedeutet innerhalb der grundrechtlichen Sphäre eine Erscheinung, die für eine moderne Theorie der Grundrechte zum allgemeinen Bild grundrechtlicher Vorschriften gehört. Soweit die Grundrechte liberaler Herkunft Abwehrrechte gegenüber dem Staat enthalten, bedarf es gewiß keiner derartigen staatlichen Normierung, um den so geschützten Freiheitsraum zu sichern. Auch das Grundgesetz geht in den Grundrechten im allgemeinen von der Sicht aus, daß sich das individuelle Freiheitsrecht grundsätzlich unmittelbar als Abwehrrecht auswirkt117• Die Grundrechte enthalten indes vielfach neben diesem Bestandteil des individuellen Freiheitsrechts auch objektive Aussagen, die ergänzend hierzu normative Grundsätze für den geschützten Lebensbereich festlegen. Das tritt insbesondere dann in Erscheinung, wenn der Gehalt einer grundrechtliehen Bestimmung über die individualrechtliche Sicherung in weitere oder allgemeine Bereiche hinausreicht. Diese objektiven Bestandteile, die sich bis zur institutionellen Sicherung bestimmter Lebensbereiche erstrecken können, enthalten manche Aussagen, die in Ergänzung und Verstärkung des geschützten individuellen 117

Vgl. BVerfGE 50, 234, 240.

1. Die Gestaltung durch staatliche Gesetzgebung

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Rechts bestimmte Grundsätze festlegen, so wie z. B. aus Art. 14 GG eine Anerkennung der Privatrechtsordnung zu entnehmen ist118• Diese objektiven Elemente der Grundrechte ergänzen den Schutz des gesicherten Lebensbereiches und legen Grundsätze für die gesetzliche Ausgestaltung der grundrechtliehen Freiheit fest. Zu ihnen gehören im Bereich der Medien der Grundsatz des freien Zugangs zu den Informationen und zur aktiven Beteiligung sowie das Prinzip der für die Funktion der Medien in der öffentlichen Meinungsbildung grundlegenden Erhaltung der Meinungsvielfalt in ihrem Umkreis. Zu ihnen zählt ferner in einzelnen Gebieten, in denen die Verwirklichung der grundrechtlichen Freiheit der ergänzenden Hilfe des Staates bedarf, der vom Staat zu gewährende Schutz und die Förderung des grundrechtliehen Anliegens. Eine solche Hilfe des Staates gilt nicht nur für Grundrechte, die als soziale Gewährleistung ausdrücklich dem Schutz und der Förderung durch den Staat anvertraut sind (Art. 6 Abs. 1 und 5 GG, Ehe und Familie sowie uneheliche Kinder), sondern findet auch Anwendung auf andere Grundrechte, die über den individuellen Raum hinausreichen und die ohne eine solche staatliche Intervention nicht ihre volle Entfaltung finden würden. Eine solche staatliche Gewährleistung begegnet z. B. beim Eigentum, aber auch beim Schutz des Lebens gemäß Art. 2 Abs. 2 GG119. Gegen diese Hervorhebung der objektiven Elemente der Grundrechte haben sich zwar einige Autoren gewendet, die an dem liberalen Konzept der Behandlung der Grundrechte als Abwehrrechte festhalten1:ro. Indes läßt sich eine den Gehalt des Grundgesetzes ausschöpfende Auffassung der grundgesetzliehen Normen nicht ohne die Einsicht in die objektive Seite des grundrechtliehen Gehaltes gewinnen, wie auch die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts anerkannt hat. Die Hilfe, die der Staat für die Realisierung der Grundrechte leistet, schließt auch die Pflicht ein, dort, wo das Grundrecht für seine Erfüllung die Unterstützung des Staates erfordert, diese objektiven Grundsätze z.u beachten und zur Geltung zu bringen. In den Kreis staatlicher Vorkehr für die Verwirklichung der grundrechtlichen Freiheit gehört auch die Gesetzgebung über organisatorius Vgl. zu dieser Auffassung Scheuner, in: Staatstheorie und Staatsrecht,

748 ff.; Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts, 126 f.; Rupp, AöR 101 (1976), 161 ff., 172; Müller, Zeitschrift für Schweizerisches Recht 1973 li, 812 ff. Diese Auffassung vertritt auch BVerfGE 7, 198, 208 f.; 50, 290, 337. m Vgl. BVerfGE 39, 1, 41. 120 So vor allem Grabitz, Freiheit und Verfassungsrecht, 221 ff. und, zurückhaltender, Friesenhahn, in: Verhandlungen des 50. Deutschen Juristentages li, Teil G, 26 f.; Klein, Die Grundrechte im demokratischen Staat, 63 ff.

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1!1. Verfassungsmäßige Grundlagen der Rundfunkorganisation

sehe Fragen der Presse, des Films und des Rundfunks. Die Aufgabe dieser Gesetzgebung ist es, die in Art. 5 Abs. 1 GG gewährleisteten Freiheiten zu sichern und durch die staatliche Regelung zur Durchsetzung zu bringen. Richtschnur .und Kern dieser staatlichen Gesetzgebung bleibt aber stets das grundlegende individuelle Freiheitsrecht, auch wenn daneben das in der Rechtsprechung hervorgehobene Institut der freien Presse .und des freien Rundfunks zu berücksichtigen istt21 . Die staatliche Gesetzgebung steht unter der Aufgabe einer Verwirklichung der grundrechtliehen Freiheiten, die die Individualrechte zur Geltung bringt, bei den Medien aber auch deren Funktion für die öffentliche Meinungsbildung und die demokratische Staatsordnung im Blick behält. Soweit die Grundrechte der Kommunikation durch die freie private Ausübung hinreichend zur Entfaltung gelangen, entspricht es dem Grundsatz der freiheitlichen Ordnung, daß eine solche unterstützende Gesetzgebung sich zurückhält. Das trifft im Pressewesen zu. Hier enthalten die landesrechtliehen Pressegesetze nur allgemeine Ordnungsvorschriften. Der Staat überläßt die Verwirklichung der Pressefreiheit der hier herrschenden privatrechtliehen Ordnung und gewährleistet nur den freien Zugang zur Presse und zu den Presseberufen122. Im Pressebereich würde eine regelnde Vorkehr des Staates zur Erhaltung der Meinungsvielfalt nur bei ernsten Störungen innerhalb der freien privatrechtliehen Ordnung in Betracht kommen können. Auch für den Rundfunk gilt grundsätzlich, daß organisatorische staatliche Vorschriften in erster Linie die Verwirklichung der individuellen Grundfreiheit zum Gegenstand haben. Die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts hat freilich den Rahmen staatlicher organisatorischer Regelung hier weiter gezogen, weil sie das Vorliegen einer besonderen Situation bei diesem Medium auf Grund der gegebenen Begrenzung der Sendemöglichkeiten annimmt. b) Wenn die staatliche Gesetzgebung sich der Organisation der Medien in dem bezeichneten Rahmen - einer Sorge des Staates für den Schutz und die Verwirklichung der Grundrechte - annimmt, so bleibt sie stets an die Pflicht gebunden, die in dem Grundrecht gewährleistete Freiheit im möglichsten Umfang zu sichern. Für die staatliche Regelung der Organisation eines Mediums bleibt aber auch die Bestimmung des Art. 5 Abs. 2 GG von Bedeutung, nach' der den in Art. 5 Abs. 1 GG genannten Freiheiten nur durch Vorschriften der allgemeinen Gesetze Schranken auferlegt werden dürfen123 • 121 122

BVerfGE 24, 367, 389; 50, 290, 337. BVerfGE 10, 118, 121; 20, 162, 175.

1. Die Gestaltung durch staatliche Gesetzgebung

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Auch eine organisatorische Gestaltung des Mediums löst sich nicht aus der Begrenzung des Art. 5 Abs. 2 GG, aber sie wird hier nur dann eine Begrenzung finden, wenn sie in ihrer Zielsetzung oder Auswirkung eine Einschränkung der Grundfreiheit des Mediums bewirkt, nicht aber dann, wenn sie nur die Ausübung der Freiheit zu konkretisieren und zu sichern bestrebt ist. Eine andere Auffassung, die vor allem von Lerche und Ba.dura vertreten wird, erblickt dagegen in der organisatorischen Regelung für die Medien, weil sie zur Realisierung des Grundrechts bestimmt ist, überhaupt keine Normen, die dem Art. 5 Abs. 2 GG unterfallen124 • Diese Auffassung erscheint nicht haltbar. Abgesehen davon, daß der Umkreis der organisatorischen Vorschriften für das Medium unbestimmt bleibt, eröffnet diese Ansicht dem Gesetzgeber in der Sphäre der Organisation des Rundfunks eine bestimmende Funktion, die seiner Bindung an die grundgesetzliche Freiheit nicht mehr ausreichend Rechnung trägt. Sie läßt vor allem außer acht, daß dem Staate dort, wo er für die Realisierung eines Grundrechts tätig wird, wohl eine Konkretisierung des Grundrechts gestattet ist, nicht aber dessen freie Gestaltung im Sinne einer inhaltlichen Prägung des Gehaltes der grundrechtliehen Norm. Aus Art. 5 Abs. 2 GG ergibt sich für den hier behandelten Zusammenhang eine Bindung des Gesetzgebers in der Richtung, daß er wohl die in dem Grundrecht enthaltene Freiheit sichern, aber nur durch Vorschriften der allgemeinen Gesetze einschränken darf. Der Begriff des allgemeinen Gesetzes in Art. 5 Abs. 2 GG ist im Schrifttum umstritten. Im Anschluß an die schon unter der Weimarer Reichsverfassung entwickelten Anschauung wird von einer Seite eine Definition gegeben, wonach ein allgemeines Gesetz dann vorliegt, wenn es für jedermann gilt und nicht speziell die Medienfreiheit betrifft und b eschränktt 25 • Diese Auffassung umschreibt indes den Begriff nach der einen Seite zu weit, indem sie jede für jedermann geltende Norm umfaßt, auf der anderen Seite zu eng, indem sie keine Stellungnahme zu den die Me123 Für die Bindung auch organisatorischer Normen an die Schrankenvorschrift des Art. 5 Abs. 2 GG siehe Scholz, Pressefreiheit, 112 f .; ebenso Klein, Rundfunkfreiheit, 74 f. 124 Lerche, Verfassungsrechtliche Aspekte der "inneren Pressefreiheit", 16, 44 ff. ; ders., in: Evang. Staatslexikon, Art. Pressefreiheit, Sp. 1912; und in noch ausgeprägterer Form Badura, Bindungen, 62, 65, der daraus eine in dieser Ausdehnung nicht anzuerkennende Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers ableitet. Zu einer solchen Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers gelangt auch Bethge, Zulassung von Rundfunkveranstaltern des Privatrechts, 45 ff. von einer rein institutionellen Deutung her, die oben bereits abgelehnt wurde. 125 Eingehende Darlegung dieses Standpunktes bei Weber, Innere Pressefreiheit als Verfassungsproblem, 46 ff.

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111. Verfassungsmäßige Grundlagen der Rundfunkorganisation

dien begünstigenden speziellen Vorschriften nimmt. Eine andere Deutung des allgemeinen Gesetzes legt daher nicht so sehr das Gewicht auf den Unterschied speziell und allgemein, sondern darauf, ob ein Gesetz sich gegen eine bestimmte Meinungsäußerung richtet1 26 • Die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts faßt den Begriff der "allgemeinen Gesetze" enger. Unter Abweisung der Heranziehung der Ergebnisse der Auslegung des "für alle geltenden Gesetzes" in Art. 140 GG in Verbindung mit Art. 137 Abs. 3 WRV erblickt das Bundesverfassungsgericht unter einem allgemeinen Gesetz gemäß Art. 5 Abs. 2 GG eine Norm, die sich nicht speziell gegen das Medium richtet, sondern die dem Schutz eines schlechthin zu sichernden Gemeinschaftswertes dient, der gegenüber der Betätigung der Medienfreiheit den Vorrang genießt127• Das Gericht präzisiert diese Definition noch weiter, indem es für die Anerkennung als allgemeines Gesetz fordert, daß hierbei die Grundfreiheit des Art. 5 GG noch besonders berücksichtigt wird und daß zwischen dem von dem allgemeinen Gesetz geschützten Rechtsgut und der Medienfreiheit eine Abwäg.ung vorzunehmen ist. Für den hier behandelten Zusammenhang sind diese Unterschiede in der Auffassung der "allgemeinen Gesetze" von geringerer Bedeutung. Denn im Ergebnis stimmen die unterschiedlichen Ansichten darin überein, daß die Schranke des Art. 5 Abs. 2 GG so zu verstehen ist, daß auch, wenn ein allgemeines Gesetz vorliegt, bei einer Einschränkung der besondere Wertgehalt des Freiheitsrechts auf jeden Fall gewahrt bleiben mußt2s. Insoweit deckt sich also der Hinweis auf die Beachtung des Art. 5 Abs. 2 GG, für ein die Organisation des Rundfunks behandelndes Gesetz, mit dem Prinzip, dem auch die staatliche Gesetzgebung als Hilfe und Konkretisierung des Grundrechts untersteht. Die staatliche Gesetzgebung bleibt an den Gehalt des zu schützenden Grundrechts gebunden, sie muß ihn entfalten und ihm dienen, darf ihn aber nicht beeinträchtigen. Für die Beurteilung der den Medien gewidmeten organisatorischen Gesetzgebung ist noch ein letzter Gesichtspunkt zu beachten. Art. 5 Abs. 2 GG begrenzt die Einführung von "Schranken" der Mediengrundrechte, nicht aber richtet sich seine Tendenz gegen begünstigende Normen (die gegebenenfalls unter dem Gesichtspunkt der Rechtsgleich126 Vgl. Herrmann, Fernsehen und Hörfunk, 181; von Münch, GrundgesetzKommentar 1, Rdnr. 48 zu Art. 5. 127 BVerfGE 7, 198, 209; 21, 271, 280; 26, 186, 205; 28, 175, 185 f.; 28, 282, 292;

50, 234, 241. 128

BVerfGE 7, 198, 208; 47, 130, 147; 50, 234, 241.

1. Die Gestaltung durch staatliche Gesetzgebung

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heit verfassungsrechtliche Bedenken erzeugen können). Im Einzelfall mag der Unterschied zwischen einer begünstigenden und einer einschränkenden Norm nicht ohne weiteres auszumachen sein, zumal sich die Wirkung im Laufe geänderter Situationen wandeln kann. Jedenfalls aber treten solche Vorschriften, die nur zur Ausformung des Grundrechts und zu der dadurch bedingten organisatorischen Regelung bestimmt sind, nicht ohne weiteres mit Art. 5 Abs. 2 GG in Kollision. Daraus folgt, daß ein Gesetz, das der Organisation eines Mediums dient, mit Art. 5 Abs. 2 GG vereinbar erscheint, soweit es der Verwirklichung des freiheitlichen Grundgehaltes des Grundrechts zu dienen bestimmt ist. Freilich kann sich bei Änderung der Situation und bei ne.uen technischen Entwicklungen die Lage ergeben, daß eine organisatorische Regelung, die in bestimmter Situation eine Konkretisierung des Grundrechts darstellt, sich zu einer der Erfüllung der grundrechtliehen Freiheit auferlegten Beschränkung wandelt129• Die staatliche Gesetzgeb.ung zur Organisation der Medien ist gehalten, wie schon ausgeführt, das Freiheitsrecht zu schützen und zu entfalten. Soweit sie das Grundrecht beschränkt, bedarf die Gesetzgebung einer besonderen Begründung. Keinesfalls aber kann in der staatlichen Unterstützung bei der Verwirklichung eines Grundrechts eine Ermächtigung liegen, durch organisatorische Vorschriften dessen Gehalt beliebig bestimmen und formen zu dürfen. c) Es ist bereits darauf hingewiesen worden, welche Grundsätze sich aus dem Gehalt des Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG ergeben, die die Richtung und das Maß der organisatorischen Regelung des Staates für das Medium bestimmen. Es gilt in erster Linie, die in dem Grundrecht der Rundfunkfreiheit enthaltenen individuellen Rechte des freien Zugangs zu den Informationen und zur Teilnahme an der aktiven Mitgestaltung im Rundfunk zu wahren. Damit verbindet sich der Grundsatz der Abschirmung des Rundfunks gegenüber staatlichem Einfluß auf die Programminhalte. Und ferner ergibt sich, besonders im Blick auf die Bedeutung der Medien für die öffentliche Meinung, die Forderung, daß die organisatorische Gesetzgebung auf die Erhaltung einer Meinungsvielfalt innerhalb der Öffentlichkeit ausgerichtet sein muß. Insgesamt läuft das auf eine freiheitliche Ordnung hinaus, in der im möglichen Umfang die Freiheit der Meinungsäußerung, die Konkurrenz der Ansichten, die Vielfalt der Informationsmöglichkeiten und die Wahrnehmung auch der Rechte zu aktiver Teilnahme verwirklicht werden.

129 Diese Zusammenhänge sind eingehend herausgearbeitet bei Schotz, Pressefreiheit, 116 ff.

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III. Verfassungsmäßige Grundlagen der Rundfunkorganisation

2. Die öffentlichen Rundfunkanstalten a) Die staatliche Einwirkung auf die organisatorische Seite des Rundfunks hat zu der heute bestehenden Lage geführt, daß die Rundfunksendungen in der Bundesrepublik auf die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten beschränkt geblieben sind. Dieser Zustand entspricht nicht der aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG herzuleitenden Form eines freien Zugangs zur aktiven Teilnahme an dem Medium. Er ist, schon in der Zeit der Besatzung entstanden, Ausdruck der besonderen Situation, die der Staat zum Anlaß nahm, um die Sendemöglichkeiten auf öffentlichrechtliche Anstalten zu konzentrieren. Keinesfalls kann sich diese Form der Organisation unmittelbar aus den Vorschriften des Grundgesetzes herleiten, insbesondere beruht sie nicht auf der fernmeiderechtlichen Verfügung des Bundes über die verwendeten technischen Anlagen, wie das Bundesverfassungsgericht klar entschieden hatl 30• Ebensowenig kann eine so weitgehende organisatorische Verfügung aus der Natur des Rundfunks abgeleitet werden, indem dieser, im Unterschied zur Presse, grundsätzlich von der zugrundeliegenden individualrechtliehen Basis gelöst und nur mehr eine institutionelle, dem öffentlichen Interesse dienende Struktur des Rundfunks angenommen wird. Die heutige Lage beruht vielmehr auf einer technisch.- organisatorischen Sondersituation, die die Bundesrepublik am Ende der Besatzungszeit vorfand und die nach der Rechtsprechung ihre Hilfsund Garantenpflicht für die Realisierung eines freien Rundfunks in die Richtung einer Organisation in dieser Form lenkte. Die Einschränkung der grundrechtliehen Freiheit, die in der bestehenden Organisation enthalten ist, die die Sendemöglichkeiten einer begrenzten Zahl öffentlich-rechtlicher Anstalten vorbehält, bedarf vielmehr gegenüber der grundrechtliehen Freiheit einer besonderen Rechtfertigung. Die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts hat sie in der technischen Begrenzung der Sendemöglichkeiten sowie dem außergewöhnlich großen finanziellen Aufwand für die Veranstaltung von Rundfunkdarbietungen erblickt. Diese Umstände, so hat das Gericht ausgeführt, führen dazu, daß die Zahl der Träger solcher Veranstaltungen verhältnismäßig klein bleiben muß. In der grundlegenden Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts wird davon ausgegangen, daß im Unterschied zur Presse die Sondersituation des Rundfunks besondere Vorkehrungen erfordere, um die in Art. 5 GG gewährleistete Freiheit des Rundfunks zu sichern. Dabei betont das Gericht ausdrück130 BVerfGE 12, 205, 248 f., wo ausdrücklich eine Ableitung materieller Bestimmungen über den Rundfunk aus der Kompetenz des Bundes zur Regelung des Post- und Fernmeldewesens abgewiesen wurde. Siehe auch Herrmann, Fernsehen und Hörfunk, 104 ff.

2. Die öffentlichen Rundfunkanstalten

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lieh, daß es Art. 5 GG nicht entgegenstehe, wenn diesen Anstalten "unter den gegenwärtigen technischen Gegebenheiten" ein Monopol durch Landesrecht eingeräumt werde; doch folge aus Art. 5 GG keineswegs die Notwendigkeit eines solchen Monopols 131 • In der zweiten grundlegenden Entscheidung zur Organisation des Rundfunks wird wiederum die Besonderheit des Rundfunks gegenüber der Presse hervorgehoben, wonach im Bereich des Rundfunks sowohl aus technischen Gründen als auch wegen der hohen finanziellen Anforderungen eine Vielfalt miteinander konkurrierender Darbietungen nicht möglich sei. Wieder fügt das Gericht freilich hinzu "jedenfalls vorerst", läßt also den zeitbedingten Charakter der Sondersituation des Rundfunks, auf den es die Zulässigkeit der heutigen Organisation dieses Mediums gründet, klar hervortreten132 • Im Ergebnis geht also die Rechtsprechung davon aus, daß im Rundfunk gegenüber der Presse unter den heutigen Umständen eine Sondersituation bestehe, die es dem Staat - und hier greift dessen Garantenpflicht für die Realisierung der Rundfunkfreiheit ein - gestatte, besondere Organisationsformen für den Rundfunk vorzusehen, die diese grundsätzliche Freiheit des Rundfunks ermöglichen. b) Die bestehende Rundfunkorganisation in öffentlich-rechtlichen Anstalten, die mit einem rechtlichen oder rechtlich gestützten faktischen Monopol ausgerüstet sind, vermag also ihre Rechtfertigung nur so weit und so lange zu finden, als die vom Bundesverfassungsgericht zugrunde gelegte Situation begrenzter Sendemöglichkeiten aus technischen oder finanziellen Gründen fortbesteht. Infolge der neueren Entwicklung der technischen Möglichkeiten, auf die bereits hingewiesen wurde, ist es nun in steigendem Maße zweifelhaft geworden, ob die technischen Gründe für eine solche besondere Vorkehr noch bestehen, und das gleiche gilt bei näherer Prüfung auch für den aus dem finanziellen Aufwand abgeleiteten Gesichtspunkt. Die Rechtsprechung verschiedener Gerichte aus den letzten Jahren hat übereinstimmend die Meinung vertreten, die besondere Situation, mit der das Bundesverfassungsgericht den heutigen Organisationsstand begründet habe, sei noch immer gegeben, wenn man auch möglicherweise mit ihrem Fortfall in Zukunft rechnen müsse133• Gegenüber der Beurteilung aus dem Jahre BVerfGE 12, 205, 261 f. BVerfGE 31, 314, 326. Auch das abweichende Votum dreier Richter zu dieser Entscheidung, das die besondere Rechtsform des Rundfunks aus der Hilfs- und Garantiepflicht des Staats für die Verwirklichung der Rundfunkfreiheit ableitet, hebt hervor, daß diese Lösung "zur Zeit noch" in der Lage des Rundfunks begründet sei (338). 133 BVerwGE 39, 159 ff. (1971); Bay VerfGHE 30 II, 78, 95 f. (1977) ; OVG Münster DÖV 1978, 519, 522 (1976). t31

132

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III. Verfassungsmäßige Grundlagen der Rundfunkorganisation

1961 durch das Bundesverfassungsgericht sei noch keine grundlegende Änderung der Lage eingetreten. Das Bundesverfassungsgericht hat es für notwendig gehalten, angesichts der bestehenden Sondersituation für die Organisation der öffentlich-rechtlichen Anstalten besondere Grundsätze zu entwickeln, die vor allem den aus Art. 5 GG abzuleitenden Grundforderungen nach Staatsfreiheit des Rundfunks und einer in ihm zum Ausdruck gelangenden Meinungsvielfalt gerecht werden. Es hat unter diesem Gesichtspunkt die bestehende Regelung als eine mögliche Organisationsform anerkannt, wenn die kollegialen Organe der Anstalten aus Repräsentanten aller bedeutsamen politischen, weltanschaulichen und gesellschaftlichen Gruppen zusammengesetzt sind, denen die Kontrolle und Korrektur der Programmgestaltung zusteht, so daß alle gesellschaftlich relevanten Kräfte zu Wort gelangen und ein Mindestmaß an inhaltlicher Ausgewogenheit, Sachlichkeit und gegenseitiger Achtung im Gesamtprogramm realisiert wird13 4 • Diese Grundsätze, denen sich auch weithin die Lehre angeschlossen hat, sollen dafür sorgen, daß ungeachtet der Beschränkung des Zugangs zu den Medien, die durch den Mangel an technischen Möglichkeiten und den Kostenaufwand begründet erscheint, die Pluralität der Meinungen innerhalb der Bevölkerung im Rundfunk zum Ausdruck gelangt und der Rundfunk nicht dem Staat oder einer gesellschaftlichen Gruppe allein zur Verfügung steht. Diese Grundsätze stehen, solange die Sondersituation andauert, mit Art. 5 GG in Einklang, weil sie versuchen, aus der Organisation des Mangels die Verbürgung der Offenheit und der Meinungsvielfalt im Rundfunk einzulösen. c) Es müssen indes zwei grundlegende Gesichtspunkte bei dieser Beurteilung der gegenwärtigen Rundfunkorganisation beachtet werden. Einmal bezeichnet sie das Bundesverfassungsgericht nur als eine mögliche Organisationsform unter dem Gesichtspunkt der bestehenden Mangelsituation. Es erkennt, daß Veranstalter des Rundfunks auch Gesellschaften des privaten Rechts sein können, wenn sie nach ihrer Organisation in ähnlicher Form wie die öffentlich-rechtlichen Anstalten die Gewähr bieten, daß die gesellschaftlich relevanten Kräfte zu Wort gelangen .und die Meinungsvielfalt nicht beeinträchtigt wird135• Zum andern aber beruht, wie ausgeführt, die gegenwärtige Organisationsform in öffentlich-rechtlichen Anstalten auf der Voraussetzung, daß eine andere, der Rundfunkfreiheit weitere Möglichkeiten einräumende Form wegen der bestehenden Sondersituation nicht geschaffen ' 34

tas

BVerfGE 12, 205, 261 f.; 31, 314, 326 f. BVerfGE 12, 205, 262.

2. Die öffentlichen Rundfunkanstalten

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werden kann. Die Auffassung, daß der Staat - unter besonderen Bedingungen- die Rundfunkfreiheit zugunsten einer Reihe von Anstalten beschränken darf, steht also unter dem Vorbehalt "reb.us sie stantibus" 136• In der neueren Literatur haben manche Autoren den Versuch unternommen, diese Voraussetzung der heutigen Organisation zu leugnen und ihre Grundlagen gewissermaßen als in der Natur des Rundfunks dauernd angelegt zu erweisen. Hierfür hat man vorgetragen, im Unterschied zu anderen Medien bringe der Rundfunk sozusagen eine Mittlerstellung mit sich, die notwendig denjenigen eine weite Verfügung einräumen müsse, die Auswahl und Programm gestalteten. Der Rundfunk gehöre dem Professionalismus in diesem Bereich, der der eigentliche Träger der Rundfunkfreiheit sePa7. Alle diese Auffassungen, die es unternehmen, die Rundfunkfreiheit von vornherein im Sinne einer nur die gegenwärtige Organisation rechtfertigenden Richtung zu deuten, sind nicht mit dem Verfassungsrecht vereinbar. Es ist bereits dargelegt worden, daß sie, sei es auf Grund einer institutionellen Betrachtung, sei es durch Zuweisung der Trägerschaft der Rundfunkfreiheit unmittelbar an die Rundfunkanstalten und die in ihnen tätigen Redakteure, das Grundrecht des Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG, das in erster Linie auf das Individuum weist, beiseite setzen oder gar ganz leugnen. Unhaltbar ist aber auch die Meinung von Jarass .und anderen, daß auf Grund des Art. 5 GG den Rundfunkanstalten oder ihren Mitarbeitern ein weiter Spielraum der eigenen Meinungsbildung zugestanden sei, in dem sich die eigentliche Freiheit des Grundrechts verwirkliche. Auch hier wird verkannt, daß gewiß durch die Art der Verbreitung der Rundfunk eine Mittlerstellung zwischen Information (und anderen gesendeten Inhalten) und Rezipient einnimmt, daß aber die Gestaltung des Programms unter dem Gebot der möglichst vollständigen, die Meinungsvielfalt spiegelnden Information des Bürgers steht. Wenn endlich Badura den Gehalt der Runclfunkfreiheit in einem Ordnungszustand erblickt, der den Intentionen der Verfassung entspreche, so wird auch hier die Rundfunkfreiheit in Vgl. Hermann, Fernsehen und Hörfunk, 360 f. Vgl. in verschiedener Beweisführung in diesem Sinne Jarass, Massenmedien, 257 ff. Er rückt die Aktualvermittlung in den Vordergrund und weist von vornherein die im Medienbereich bestehenden Freiräume den Rundfunkanstalten und ihren Mitarbeitern zu. Badura, Bindungen, 54 ff., möchte die Sondersituation des Rundfunks nicht als eine zeitbedingte ansehen, sondern als eine aus der Verantwortung des Staats begründete Dauerlage, die aus einer institutionellen Sicht abgeleitet wird und als Inhalt der Rundfunkfreiheit die Gewährleistung eines von der Verfassung intendierten Ordnungszustandes betrachtet. Stock, AÖR 104 (1979), 39 ff., meint, daß die Hundfunkfreiheit ein selbständiges Mediatorgrundrecht beinhalte, das der professionellen Wahrnehmung Selbständigkeit einräume. 138

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III. Verfassungsmäßige Grundlagen der Rundfunkorganisation

eine rein objektive Gewähr .umgedeutet, vor allem aber eine Intention der Verfassung ins Feld geführt, die nicht belegbar ist und die wiederum die individuelle Freiheit in einen "Ordnungszustand" umdeutet, der festgeschrieben wird und sozusagen an die Stelle einer freiheitlichen Ausgestaltung unter veränderten Bedingungen treten soll 138 • Auch in dieser Sicht wird eine Umgestaltung und Umdeutung der grundgesetzliehen Rundfunkfreiheit sichtbar. Man wird daher zusammenfassend feststellen können, daß die Versuche einzelner Autoren fehlgehen, die heutige Organisationsform nicht aus einer besonderen Situation abzuleiten, sondern gewissermaßen als der Rundfunkfreiheit eingeschrieben zu erweisen. Sie widersprechen auch der in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts wie anderer Gerichte stets betonten Aussage, daß sich die Beschränkung der Sendemöglichkeit auf öffentlich-rechtliche Anstalten allein aus der bestehenden Situation der technisch-finanziellen Mangellage ergibt. d) Unter den Erscheinungen der heutigen Organisation des Rundfunks, die in besonderem Maße mit der angenommenen Sondersituation zusammenhängen, steht das den öffentlich-rechtlichen Anstalten eingeräumte Monopol im Vordergrund. Es stellt bei einigen Anstalten ein ausdrücklich rechtlich festgelegtes, bei den anderen, der Mehrzahl, ein durch die gesetzliche Gestaltung rechtlich gestütztes Monopol dar. Die Bezeichnung als Monopol erscheint richtig, weil auch die vertragliche Einführung einer im Senderaum konkurrierenden öffentlich-rechtlichen Anstalt, des Zweiten Deutschen Fernsehens, durch Staatsvertrag der Länder vom 6. 6. 1961, die Ausschließlichkeit öffentlich-rechtlicher Rundfunkanstalten beibehalten hat. Daß von diesen mehrere in einem Senderaum empfangen werden können, hebt den Monopolcharakter der öffentlich-rechtlichen Anstalten nicht auf. Die Bezeichnung als Oligopol erscheint, da der Gundtyp.u s auf die öffentlich-rechtliche Rechtsform beschränkt geblieben ist, nicht zutreffend139• Ein formelles rechtlich angeordnetes Monopol besteht nur für Bayern; für den Norddeutschen Rundfunk bestand es auf der Grundlage des Staatsvertrages vom 16. 2. 1955 (§ 3 Abs. 1 Satz 2). Für Bayern ist diese Festlegung durch die Ergänzung der Landesverfassung durch Art. 111 a mittels Gesetzes vom 19. 7. 1973 geschaffen worden. Der Festlegung eines Monopols kommt auch § 4 des Staatsvertrages über den Südwestfunk vom 27. 8. 1951 nahe, in dem sich die betreffenden Länder verpflichten, keine weiteren Rundfunkanstalten zu errichten. 138

Badura, Bindungen, 58.

Zum Bestand eines Monopols siehe Lerche, Rundfunkmonopol, 41 ff.; Hoffmann-Riem, Rundfunkfreiheit, 33 ff.; Herrmann, Fernsehen und Hörfunk, 336 ff. 139

2. Die öffentlichen Rundfunkanstalten

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In den übrigen Ländern ergibt sich ein rechtlich gestütztes Monopol daraus, daß für die Gestaltung der Rundfunkorganisation ein Landesgesetz erforderlich ist, gesetzlich aber nur die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten bestehen und ohne neue Gesetzgebung Einrichtungen des Rundfunks, vor allem solche privater Gestaltung, nicht errichtet werden können140. Im Rahmen der besonderen Situation hat zwar die Rechtsprechung die Zulässigkeit eines solchen Monopols der Anstalten anerkannt141 • Auch die Literatur, soweit sie bestrebt ist, die gegenwärtige Rechtslage zu festigen, hält die Einrichtung dieser Ausschließlichkeitsstellung der öffentlich-rechtlichen Anstalten für statthaft 142. Es muß aber berücksichtigt werden, daß nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts für den Gesetzgeber keine Pflicht zur monopolistischen Gestaltung besteht143• Auf jeden Fall ist der Staat nicht unbegrenzt zur Einführung von rechtlichen Monopolen befugt. Schon im Hinblick auf die in Art. 12 GG normierte Berufsfreiheit muß man fordern, daß für die Begründung und Aufrechterhaltung eines Monopols des Staates stets eine Rechtfertigung gegeben werden muß, die der vorn Bundesverfassungsgericht zur gewerblichen Freiheit entwickelten Stufentheorie genügt1 44 . Hierfür reicht die allgerneine Garantiepflicht des Staates nicht aus, die ihn zu organisatorischer Gestaltung im Rundfunkbereich ermächtigt. Es bedarf besonderer Gründe, .um ein Monopol zu rechtfertigen. Die Rechtsprechung hat sie in der Sondersituation des Rundfunks nach 1945 gesehen. Es liegt aber auf der Hand, daß mit dem Wegfall dieser besonderen Situation die Begründung solcher ausschließlicher Rechtspositionen einer erneuten, den Rahmen der Art. 5 .und 12 GG beachtenden Begründung bedürftet4s. 140 Daß hier ein faktisches Monopol besteht, wird auch übereinstimmend angenommen. Lerche, Rundfunkmonopol, 43, bemerkt zu Recht, daß sich hier das Monopol auch in den übrigen Ländern folgerichtig aus der Gesetzeslage ergibt, daß insofern also ein Unterschied zwischen faktischem und rechtlichem Monopol hier ohne weitere Bedeutung ist. Zur rechtlichen Lage siehe auch Schmitt Glaeser, Kabelkommunikation, 55 ff. 1 41 BVerfGE 12, 205, 262. 142 Vgl. Lerche, Rundfunkmonopol, 68; Hoffmann-Riem, Rundfunkfreiheit, 33 ff.; Badura, Bindungen, 55 ff.; mit Begrenzung auf den status quo. 143 BVerfGE 12, 205, 262. Im gleichen Sinne Klein, Rundfunkfreiheit, 17; Herrmann, Fernsehen und Hörfunk, 123 f., 360 f. 144 Vgl. Fiedler, DÖV 1977, 394 f., 397. 145 Mestmäcker, Medienkonzentration, 207 ff.; Schmitt Glaeser, Kabelkommunikation, 170 ff., der hiermit die Feststellung verbindet, daß Art. 111 a BayLV nicht als in Übereinstimmung mit dem Grundgesetz stehend angesehen werden kann; Klein, Rundfunkfreiheit, 77. Ein Hinweis auf die Notwendigkeit der Änderung darf darin erblickt werden, daß der an die Stelle des

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III. Verfassungsmäßige Grundlagen der Rundfunkorganisation

e) Im Ergebnis erweist sich, daß die bestehende Rundfunkorganisation auf einer Anerkennung durch das Bundesverfassungsgericht beruht, die den nach dem Kriege von den Besatzungsmächten und der nachfolgenden Landesgesetzgebung geschaffenen, zur Zeit des Erlasses der Entscheidung (1961) fortbestehenden Zustand bestätigte. Das Gericht hat dabei diese Rechtslage deshalb für statthaft gehalten, weil sie auf einer in der damaligen Zeit bestehenden Sondersituation hinsichtlich der Sendemöglichkeiten und Kosten beruhte. Dabei hat das Gericht an dem für die Medien der öffentlichen Kommunikation wesentlichen Grundsatz der Meinungsvielfalt festgehalten. In der Forderung nach Mitwirkung der relevanten gesellschaftlichen Gruppen und nach Ausgewogenheit der Darbietung erscheint der Gedanke der Konkurrenz der Meinungen, hier als derjenige der Gruppen gesehen .und in der Pflicht der Redakteure zu sachlicher Unterrichtung vorgezeichnet. Da der äußere Pluralismus der Sendemöglichkeiten nicht erreicht werden könne, müsse ein Binnenpluralismus hergestellt werden. Der Gesichtspunkt, daß auch bei Beschränkung der Sendeeinrichtungen eine pluralistische Darbietung der verschiedenen Strömungen erforderlich ist, erstreckt sich ferner auf den im Schrifttum hervorgehobenen Gedanken der publizistischen Gewaltenteilung. Nach dieser Auffassung wird der Pluralismus auch dadurch gefördert, daß neben den eingeschränkten Möglichkeiten des Rundfunks die freie Vielfalt der Meinungen im Pressewesen zum Ausdruck gelangt1 46 • Dieser Gedanke, daß die Pressevielfalt ein Gegengewicht gegen die Beschränkungen im Rundfunkwesen biete, ist sicherlich richtig. Indes darf daraus keineswegs der Schluß gezogen werden, aus der Gewaltenteilung folge notwendig die unterschiedliche Gestaltung von Presse und Rundfunk, d. h. die öffentlich-rechtliche Gestaltung des letzteren. Die Konzentration des Rundfunks in der Hand öffentlich-rechtlicher Anstalten kann für die Zeit einer Mangellage hingenommen werden. Auf den Gedanken einer publizistischen Gewaltenteilung aber kann der Bestand dieser besonderen Rechtsgestaltung nicht gegründet werden. Man mag die Auffassung vertreten, daß angesichts der besonderen Rolle, die der Rundfunk für das Leben der Bevölkerung gewonnen hat, eine durch öffentlich-rechtliche Anstalten bewirkte Grundversorgung mit Sendungen zu erhalten ist. Doch kann aus diesem Prinzip keineswegs abgeleitet werden, daß eine auf öffentlich-rechtliche Anstalten beschränkte Sendemöglichkeit fortbestehen müsse. Dieser Gesichtspunkt früheren Staatsvertrages vom 16. 2. 1955 tretende neue Staatsvertrag der beteiligten Länder Niedersachsen, Schleswig-Holstein und Harnburg vom Herbst 1980 im § 38 vorsieht, daß nunmehr das Ausschließlichkeitsrecht des NDR auf den 1. 1. 1983 begrenzt worden ist. 148 Vgl. zur publizistischen Gewaltenteilung Klein, Rundfunkfreiheit, 56; Lerche, Landesbericht, 39; Herrmann, Fernsehen und Hörfunk, 255 ff., 319 ff.

2. Die öffentlichen Rundfunkanstalten

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der gegenseitigen Kontrolle ist zutreffend als Gedanke einer Verstärkung der Meinungsvielfalt; er bietet jedoch keinen Grund, von hier aus eine grundlegende Verschiedenheit gegenüber Presse und Film zu begründen, die beide in gleicher Weise in Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG genannt sind147• Die gegenwärtige Organisationsstruktur des Rundfunks läßt sich, wie dies auch die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts angenommen hat, nur aus der bestehenden Sondersituation rechtfertigen und erscheint bei deren Wegfall nicht mehr verfassungskonform. Wenn sich die von Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG geforderte Offenheit des Zugangs zum Medium weitergehender realisieren läßt, muß die organisatorische Form des Rundfunks dem Rechnung tragen. Dieser Rechtsboden wird dort verlassen, wo - wie bei Stock 148 - die Rundfunkfreiheit vom Individualrecht in einen sozialwissenschaftlich informierten und aufgeklärten, in mediengerechter Weise engagierten publizistischen Professionalismus verlagert, wo also einer erzieherischen Funktion des Rundfunks das Wort geredet wird oder wo der Auftrag des Rundfunks als Faktor der öffentlichen Meinungsbildung ohne Rückbindung an die treuhänderische Stellung des Rundfunks überbetont wird. Es entspricht mithin auch der Konzeption des Bundesverfassungsgerichts, daß dann, wenn die gegenwärtige Beschränkung des Rundfunks auf monopolistische Anstalten nicht mehr durch eine fortbestehende Sondersituation gerechtfertigt werden kann, Änderungen der Organisationsstruktur von Verfassungs wegen geboten sind. Wie weit sie reichen, ob sie die Ersetzung der öffentlich-rechtlichen Anstalten durch freie Träger ermöglichen oder nur eine Ergänzung des öffentlich-rechtlichen Systems durch Zulassung privatrechtlicher Sendeträger gestatten, ist eine andere Frage. Jedenfalls aber ist festzuhalten, daß heute die Frage aufgeworfen ist, ob die tatsächliche Lage noch die Aufrechterhaltung einer so starken Beschränkung der Rundfunkfreiheit rechtfertigt, wie sie das geltende System darstellt. Diese Frage muß dahin ergänzt werden, ob die heutige Konstruktion den ursprünglichen Intentionen und Erwartungen entspricht .und wirklich jenes Maß an Offenheit und ausgewogener Vielfalt erbringen kann, wie es die Rechtsprechung von jenem Modell des Binnenpluralismus erwartet hat. Auch hier wird man ernste Zweifel anmelden müssen, die eine Überprüfung der Lage erfordern. Dieser derzeitigen .und künftigen Lage hat sich die Untersuchung nunmehr zuzuwenden. 147 Vgl. Bundeskanzler Hetmut Schmidt in seiner Regierungserklärung vom 24. 11. 1980 (Verhandlungen des Deutschen Bundestages, Sten. Berichte, Plenarprotokoll 9/5, 39) zum publizistischen Gleichgewicht für die Erhaltung des

öffentlich-rechtlichen Charakters des Rundfunks. us Stock, AÖR (1979), 30 ff. 5 Scheuner

IV. Neugestaltung der Organisationsstruktur 1. Fortfall der Sondersituation und Folgerungen hieraus

a) Diese Untersuchung geht, wie hervorgehoben, nicht auf die Einzelheiten der technischen Neuerungen ein, die die Situation des Rundfunks zunehmend verändern149, Der heutige Stand der Technik läßt es nunmehr zu, insbesondere durch die Breitbandverkabelung, Sendemöglichkeiten für zahlreiche Einrichtungen zur Verfügung zu stellen. In einem Koaxialkabelnetz können 30 verschiedene Fernsehprogramme angeboten werden. Ein Kanal kann bis zu 50 Stereo-Hörfunkprogramme oder umfangreiche Teletexte aufnehmen. Für die Zukunft ist eine weitere erhebliche Steigerung durch die Einführung des Glasfaserkabels zu erwarten, das Ende der achtziger Jahre bereitstehen wird. Unter diesen Umständen läßt sich die von der Rechtsprechung und - heute schon vorsichtiger - im Schrifttum vorgetragene These einer engen Begrenzung der Sendemöglichkeiten nicht mehr vertreten. Eine weitere Vermehrung der Empfangsmöglichkeiten darf von dem Einsatz von Satelliten erwartet werden, auch wenn deren Ausstrahlungsbereiche nach internationalen Abkommen möglicherweise Begrenzungen unterliegentso. In diesem Zusammenhang spielt die Informationsfreiheit sowohl des Art. 5 Abs. 1 GG wie des Art. 10 EMRK insofern eine Rolle, als von der Bundesrepublik eingegangene Verpflichtungen, die auf eine Beschränkung grenzüberschreitender Informationsmöglichkeiten hinauslaufen würden, mit diesen Normen nicht vereinbar wären. Der Gedanke, das Eindringen ausländischer Sender, auch solche kommerzieller Art, in das Bundesgebiet zu verhindern, würde nicht durch die in Art. 10 Abs. 2 EMRK genannten Zwecke gedeckt sein. Freilich dürften Gesichtspunkte der internationalen Abstimmung der Strahlungsbereiche von Sendern eine gewisse Grundlage für begrenzende Abmachungen bieten. Es bleibt aber offen, ob, soweit nicht technische Bedingungen, sondern andere Gründe zu einer solchen Regelung führen, Art. 5 Abs. 1 GG berührt wird15 1• Siehe Anm. 100. Hierzu Simma, in: Berichte der Deutschen Gesellschaft für Völkerrecht 19 (1979), 77 ff.; BuHinger, Kommunikationsfreiheit, 47 ff. 151 Vgl. Frowein, in: Berichte der Deutschen Gesellschaft für Völkerrecht, 149

I50

19 (1979), 25 f .

1. Fortfall der Sondersituation und Folgerungen hieraus

67

b) Ein weiteres in diesem Zusammenhang auftretendes Problem betrifft die Haltung der Bundespost, die über die Fernmeldetechnik verfügt. Darf sie auf die technische Entwicklung - und in welchem Um~ fang - Einfluß nehmen? Nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts besteht eine Aufteilung zwischen der dem Bunde zustehenden Sphäre der fernmelderechtlichen Behandlung der durch Draht, Kabel oder Funkwellen vorgenommenen technischen Leitung des Rundf.unks und der kulturrechtlichen Seite, die den Ländern zusteht152. Soweit die Fortentwicklung der technischen Seite des Rundfunks von den Dispositionen über die Fernmeldeanlagen der Post abhängt, entstehen grundsätzliche Fragen. So hängt das Kabelfernsehen in seiner Fortentwicklung von der Verkabelung ab, die die Post vornimmt. In den letzten Jahren hat sich die Haltung der Bundespost .und der Bundesregierung dahin abgezeichnet, daß auch im Zusammenhang mit der Neigung zur Erhaltung der bestehenden Rundfunkorganisation ein weiterer Ausbau eines Kabelfernsehnetzes zurückgestellt werden sollte 153 • Hier entsteht die Frage, ob eine solche Haltung der Hilfs- und Garantenpflicht des Staates gegenüber der Verwirklichung der Rundfunkfreiheit entspricht. Gewiß wird man der Post einen Spielraum der Kostenpriorität bei dem Ausbau ihrer Anlagen zuerkennen müssen. Soweit indes nicht Kostengründe, sondern Bemühungen zur Verhinderung des Vordringens neuer Techniken im Rundf.unk im Vordergrund stehen, würde sich ein Eingreifen des Bundes oder der Länder nicht als vereinbar mit Art. 5 GG erweisen. Der Staat bildet in seinen verschiedenen Ressorts eine Einheit. Er bleibt, auch wenn er die fernmeldetechnischen Aufgaben beim Rundfunk in der Hand behält, verpflichtet, eine angemessene Fortentwicklung dieser technischen Anlagen zu gewährleisten. Das folgt einmal aus dem Gedanken der Garantenpflicht für die Verwirklichung der Rundfunkfreiheit, um so mehr als der Staat umfassend von seiner Organisationsgewalt im Rundfunkbereich Gebrauch gemacht hat. Das folgt aber auch aus der inneren Verbundenheit der beiden Seiten des Rundfunkwesens, der fernmelderechtlichen und der kul turrechtlichen. Die erstere ist hier in einer dienenden Rolle154. Der Bund ist infolge dieses Zusammenspiels fernmeldetechnischer und kulturrechtlicher Momente gehalten, den Ausbau neuer technischer 152 BVerfGE 12, 205, 248 f. Zu dieser Unterscheidung siehe auch Oppermann, Kulturverwaltungsrecht, 494 ff.; Schmitt Glaeser, Kabelkommumkation, 46 ff.; Herrmann, Fernsehen und Hörfunk, 102. 153 Vgl. die Angaben bei Lerche, in: Mestmäcker (Hrsg.), Kommunikation

ohne Monopole, 153 und Anm. 55. 154 So auch Herrmann, Fernsehen und Hörfunk, 105. s•

IV. Neugestaltung der Organisationsstruktur

68

Möglichkeiten im Rahmen seiner haushaltsrechtlichen und sonstigen Möglichkeiten voranzutreiben. Eine solche Ausbaupflicht hat das Bundesverfassungsgericht für die Hochschulen aus Art. 12 Abs. 1 GG abgeleitet155 • Auf jeden Fall ergibt sie sich dort, wo die Verwirklichung eines Grundrechts, wie des Art. 5 GG, unmittelbar von einer Tätigkeit des Staates abhängt156. Inwieweit sozialstaatliche Erwägungen eingreifen, mag hier dahinstehen. Lerche verbindet das bestehende Monopol der Bundespost für Fernmeldeanlagen und Funkanlagen gemäß § 1 des Gesetzes über Fernmeldeanlagen in der Fassung v. 2. 3. 1974 mit der leistungsstaatlichen Forderung an die Dienste der Postt57 . Immerhin folgt aus der engen Verbindung der beiden Seiten der Rundfunkorganisation für den Bund die Verpflichtung einer Zusammenarbeit mit den Ländern, wofür bereits der vom Bundesverfassungsgericht in diesem Zusamm~nhang ausdrücklich herangezogene Gesichtspunkt der hundesfreundlichen Gesinnung und Haltung sprichtl58. Der Ausbau der technischen Grundlagen für eine erweiterte Verwirklichung der Rundfunkfreiheit muß demnach in Zusammenarbeit von Bund und Ländern geschehen und unter dem Gedanken der Verpflichtung des Staates zur möglichst weiten Verwirklichung der Rundfunk- und Informationsfreiheit stehen. Der Gesichtspunkt der Zusammenarbeit ist auch für die Rundfunkanstalten und die Deutsche Bundespost festgelegt; in der am 25. 1. 1974 geschlossenen Vereinbarung über die Leistungsbeziehungen zwischen den Rundfunkanstalten und der deutschen Bundespost heillt es: "2.1 Die jährlichen Ausbaupläne für die Rundfunkversorgung werden von der Deutschen Bundespost und den Rundfunkanstalten einvernehmlich festgelegt."

Auch für die Rundfunkanstalten gilt aber, daß sie sich nicht- hier im Eigeninteresse - der Fortentwicklung der technischen Grundlagen für eine Erweiterung der Rundfunkfreiheit widersetzen dürfen. Das BVerfGE 33, 303, 333 ff. In diesem Sinne auch BuHinger, Kommunikationsfreiheit, 55, 84 f. 157 Lerche, in: Mestmäcker (Hrsg.), Kommunikation ohne Monopole, 145 f. 158 BVerfGE 12, 205, 249 : "Für die danach notwendige Zusammenarbeit von Bund und Ländern muß für beide Seiten der Grundsatz bundesfreundlichen Verhaltens maßgebend sein." Das BVerfG bezieht sich an dieser Stelle zwar auf die Zuteilung von Wellenbereichen an die Sender, aber es ist offenbar, daß hier ein allgemeiner Gedanke angesprochen ist, der für die Mitwirkung des Bundes im Rundfunkbereich überhaupt gilt. Zum Gesichtspunkt des bundesfreundlichen Verhaltens in diesem Bereich s. auch Lerche, in: Mestmäcker (Hrsg.), Kommunikation ohne Monopole, 144. 155

15&

1. Fortfall der Sondersituation und Folgerungen hieraus

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würde die Frage des Mißbrauchs eines bestehenden Monopols aufwerfen. Es ist interessant, daß insoweit auch Fra~n in bezug auf das Monopol der Bundespost gestellt werden. Daß das Fernmeldemonopol nicht im Grundgesetz verankert ist, wird allgemein angenommen159• Auf der anderen Seite bestehen freilich auch gegen dieses Monopol keine verfassungsrechtlichen Bedenken. Die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts hat überlieferte Monopole der öffentlichen Hand im allgemeinen auch im Blick auf Art. 12 Abs. 1 GG anerkannt160• An dieser Stelle hat Lerche, durchaus im Gegensatz zu seiner Haltung gegenüber der Stellung der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten, sogar die Frage aufgeworfen, ob hier nicht der privaten Initiative gegenüber dem Monopol Raum zu gewähren sei. Er verweist auf § 3 des Entwurfes eines Landesgesetzes über einen Versuch mit Breitbandkabel des Landes Rheinland-Pfalz161, der privaten Programmveranstaltern eine Teilnahme an dem Versuch anbietet. Es erscheint nicht notwendig, der Frage nachzugehen, ob die von Lerche 162 angeführte Möglichkeit der Lockerung des Monopols der Bundespost dem Interesse der Rundfunkanstalten entgegenkommt, ihrerseits auch Einfluß auf die fernmeldetechnische Seite zu gewinnen - möglicherweise um dort Fortentwicklungen eher zu hemmen; für unseren Zusammenhang ist es wesentlich, daß die Verantwortung der Bundespost für eine angemessene Fortentwicklung der technischen Anlagen zur Verbreitung von Sendungen zu bejahen ist. c) Es ist hier nicht zu untersuchen, von welchem Zeitpunkt an eine Veränderung der fernmeldetechnischen Mangellage anzunehmen ist. Eine Veränderung ist jedenfalls dann gegeben, wenn eine Möglichkeit besteht, durch N,_~tzung des technischen Fortschritts eine weit größere Anzahl von Sendeeinrichtungen- auch lokalen Umfangs- zu schaffen, als dies im Zeitpunkt der grundlegenden Entscheidungen der Rechtsprechung der Fall war. Dann entsteht die Frage, ob angesichts einer solchen Erweiterung der Sendemöglichkeiten - auf, wie dargelegt, 30 Kanäle bei einer Breitbandverkabelung- die Begrenzung der Sendeträger auf eine kleine Anzahl, mit flächenmäßigen Monopolen ausgestatteter, öffentlich-rechtlicher Anstalten noch vertretbar erscheint. Die 159 Herrmann, Fernsehen und Hörfunk, 105; Lerche in: Mestmäcker (Hrsg.), Kommunikation ohne Monopole, 148. 180 Vgl. BVerfGE 14, 105, 111; 41, 205, 218 und hierzu Ossenbilhl, Bestand und Erweiterung des Wirkungskreises der Deutschen Bundespost, 27 f., 74. 181 Fassung der 9. Wahlperiode Vorlage 9/317 des Kulturpolitischen Ausschusses vom 28. 10. 1980. 182 Lerche, in: Mestmäcker (Hrsg.), Kommunikation ohne Monopole, 152 f.

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IV. Neugestaltung der Organisationsstruktur

Erweiterung der Sendemöglichkeiten entzieht der von der Rechtsprechung angenommenen Sondersituation in steigendem Maße die Grundlaget63. Angesichts dieser Lage haben einzelne Autoren einen neuenEinwand zu entwickeln versucht, der auch Eingang in die Rechtsprechung gefunden hat. Ausgehend von der These, daß Presse und Rundfunk eine unterschiedliche Struktur hätten, haben sie erklärt, daß eine Aufhebung der bestehenden Beschränkungen der Rundfunkfreiheit nur in Frage komme, wenn jeder einzelne - so wie er sich in Presse, Buch und Flugblatt artikulieren könne- Zugang zum Rundfunk fände164• In diesen Stellungnahmen ist bereits die Behauptung unrichtig, beim Rundfunk werde das Angebot an Sendemöglichkeiten hinter den Wünschen auf Teilnahme zurückbleiben. Es muß berücksichtigt werden, daß sich die Zahl der Sendemöglichkeiten in einem Kabelsystem allein schon dadurch erweitert, daß die wenigsten Bewerber ein Vollprogramm anstreben werden. Je mehr die Interessenten jedoch nur eine zeitlich begrenzte Nutzung wünschen, desto größer ist der Kreis, der aktiv mitwirken kann. Im übrigen ist auch bei der periodischen Presse, mit der allein ein Vergleich sinnvoll ist, die Zahl der Publikationen immer begrenzt und bietet selbst der Leserbriefteil stets nur eine Auswahl der Wünsche nach Publikation. Die Neugründung einer Tageszeitung, die am ehesten mit einem Rundfunkprogramm verglichen werden kann, setzt selbst im Lokalbereich ein erhebliches Kapital voraus, das die Aufwendungen für Teilprogramme im Kabelrundfunk überschreiten dürfte. Auch bei der Pressefreiheit wird die Forderung, jedermann müsse sich artikulieren, nicht erfüllt, so daß es der Begründung entbehrt, diese Forderung für den Rundfunk aufzustellen. Hier liegt eine immanente Begrenzung, die beide Medien trifft. Der Einwand, es könne eine der Presse entsprechende Vielfalt im Rundfunk nicht hergestellt werden, selbst wenn eine hohe Zahl von Sendemöglichkeiten bestehe, erweist sich nicht nur als tatsächlich unbegründet, er ist im Rahmen der Medien auch rechtlich unbegründet, weil selbst in der Presse eine Auswahl der zur aktiven Teilnahme Gelangenden unvermeidlich ist. Dieser Einwand, den die Rechtsprechung 163 So auch Mestmäcker, Medienkonzentration, 207 f.; Schmitt GZaeser, Kabelkommunikation, 117 ff.; Starck, NJW 1980, 1359; Klein, Rundfunkfreiheit, 68 ff.; Bullinger, Kommunikationsfreiheit, 57 ff. Anders hat sich bislang die Rechtsprechung der höheren Gerichte geäußert. Vgl. die Übersichten in dieser Darstellung und bei Schmitt Glaeser, Kabelkommunikation, 118; Badura, Bindungen, 56. Gegen eine Änderung der Lage auch ein Teil des Schrifttums, z. B. Lieb, Kabelfernsehen, 203; Badura, Bindungen, 56 ff. 164 So bereits Stern I Beihge, Öffentlich-rechtlicher und privatrechtlicher Rundfunk, 47; Lerche, in: Essener Gespräche 13 (1978), 100; OVG Münster DÖV 1978, 519, 522, sowie Bay VerfGHE 30 II, 78, 96.

1. Fortfall der Sondersituation und Folgerungen hieraus

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neuerdings erhebt, stellt also eine Verteidigung der bestehenden Situation dar, die keine Überzeugungskraft besitzt. d) Was den zweiten vom Bundesverfassungsgericht angeführten Grund für die Beschränkung der Rundfunkfreiheit durch Zulassung nur öffentlich-rechtlicher Anstalten betrifft, der Kostenaufwand für die Rundfunkeinrichtung sei so hoch, daß nur wenige Träger in Betracht kämen, so erweist er sichangesichtsder neueren Entwicklung ebenfalls als überholt. Der Aufbau einer Rundfunkanstalt mit einem vollständigen Programm zur Versorgung eines bestimmten Gebietes wird zwar erhebliche Aufwendungen mit sich bringen, welche die Zahl möglicher Träger stark beschränken. Die neuen technischen Möglichkeiten eröffnen aber auch stärker individualisierte Formen der Kommunikation. Für Einrichtungen, die nur ein lokales oder regionales Programm betreiben, könnten die Kosten erheblich gesenkt werden. Handelt es sich um zeitlich begrenzte Programme, so ist der Aufwand erst recht geringer als bei periodischen Presseorganen. Endlich kann Hörfunk oder Teletext mit verhältnismäßig geringen Mitteln bereitgestellt werden165. Die Stimmen, die auf die hohen Kosten hinweisen, stellen sich die Entwicklung offenbar in der Weise vor, daß neben oder anstelle der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten ähnliche Sendeunternehmen errichtet werden. Die neuen technischen Bedingungen erfordern dies aber gar nicht. Vor allem, wenn man berücksichtigt, daß vorerst nur die Zulassung privatrechtlicher Unternehmen neben den öffentlichrechtlichen Trägern in Aussicht steht, können sich private Unternehmen für Sendeformen entscheiden, die erheblich geringere Kosten verursachen. Wie weit Werbeeinnahmen bei angemessener Verteilung das Bild verändern, ist zusätzlich zu bedenken. Sie allein den öffentlichrechtlichen Rundfunkanstalten vorzubehalten, würde wohl mit dem Gleichheitssatz des Art. 3 GG ebensowenig vereinbar sein wie mit der gebotenen chancengleichen Behandlung der unterschiedlichen Sendeträger166. Eine nähere Prüfung zeigt somit, daß das Kostenargument im Laufe der neueren Entwicklung .und im Blick auf ergänzende und begrenzte Sendungen von privaten Trägern sein Gewicht einbüßt. Auf dieses Argument kann bei der heutigen Diskussion nicht mehr in der alten Form zurückgegriffen werden. 165 Vgl. hierzu Mestmäcker, Medienkonzentration, 208; Schmitt Gtaeser, Kabelkommunikation, 115 f.; v . Pestatozza, ZRP 1979, 26 f. Dagegen halten am Kosteneinwand fest: Lieb, Kabelfernsehen, 205; Lerche, BayVBI. 1976, 534; Bethge, Zulassung von Rundfunkveranstaltern des Privatrechts, 59 ff.; Hoffmann-Riem, Rundfunkfreiheit, 36 f. 166 Zu Teilprogrammen siehe Schmitt Gtaeser, Kabelkommunikation, 121; Isensee, in: Essener Gespräche 13 (1978), 134.

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IV. Neugestaltung der Organisationsstruktur

Dabei ist gewiß nicht zu übersehen, daß sich bei der Zulassung von privaten Sendeträgern finanzielle Probleme stellen werden. Sie werden vornehmlich bei der Entwicklung der Werbeeinnahmen liegen, aus denen sich die privaten Einrichtungen speisen müssen. Werbesendungen sind, wie ausgeführt wurde, ebenso wie bei der Presse ein Bestandteil der inhaltlichen Darbietungen, der privaten Trägern nicht gesetzlich abgeschnitten werden dürfte. Begrenzungen von Werbesendungen wären eher dort möglich, wo durch die Zubilligung öffentlich-rechtlicher Gebühren eine vom Staat gewährleistete Finanzierung bereits gesichert ist. Eine angemessene, verhältnismäßige Ermöglichung von Werbeeinnahmen gehört mithin zur Zulassung von Rundfunk in privatrechtlicher Form. In diesem Zusammenhang wird auch Pay-TV eine Rolle spielen. Der Empfänger hätte hier, was technisch leicht zu ermitteln ist, für die von ihm abgerufenen Sendungen einen Betrag zu zahlen. So eröffnen sich auch Möglichkeiten zur Finanzierung anspruchsvoller Sendungen167• e) Die erkennbare Entwicklung, die zu einem Fortfall der Sondersituation führt, hat im Schrifttum zu ausgedehnten Versuchen geführt, an Stelle der auf den Mangel an Frequenzen und den Kostenaufwand gegründeten Argumentation weitere Gesichtspunkte gegen eine Zulassung von Sendeveranstaltungen in privatrechtlicher Form anzuführentes. Diese Argumente entstammen zumeist eher der politischen Sphäre, und manche von ihnen nehmen sich im Blick auf das Verfassungsrecht seltsam aus. Zunächst erscheint hier der Gedanke, daß bei der Öffnung gegenüber privaten Veranstaltern nur wenige- finanzstarke- Gruppen in der Lage sein würden, sich an privaten Sendemöglichkeiten zu beteiligen, was zu einer Beeinträchtigung der Meinungsvielfalt im Rundfunk durch ökonomische Macht führen könnte169• Diese Erwägungen beruhen auf .unsubstantiierten Prognosen. Es ist bereits hervorgehoben worden, daß das in ihnen vornehmlich enthaltene Kostenargument nicht durchgreift. Innerhalb von Kabelnetzen ergeben sich auch für Veranstalter von Sendungen, die über geringere Mittel verfügen, weitreichende Möglichkeiten. Es erscheint nicht notwendig, daß sie ohne weiteres ein volles Programm erstellen; sie können sich an einem Programm beteiligen oder stundenweise Darbietungen übernehmen. Programme des Hörfunks sind mit bescheidenen Kosten zu Zum Pay-TV siehe BuHinger, Kommunikationsfreiheit, 42 ff. überblick bei Lerche, Landesbericht, 32 ff. 169 Vgl. BVerwGE 39, 159 ff., 167; Bay VerfGHE 30 II, 78, 97; Lieb, Kabelfernsehen, 207 f.; Hoffmann-Riem, Rundfunkfreiheit, 37; Bethge, Zulassung von Rundfunkveranstaltern des Privatrechts, 110, 145. 167

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1. Fortfall der Sondersituation und Folgerungen hieraus

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erstellen. Gerade den gesellschaftlich relevanten Gruppen, die die heutige Regelung hervorhebt, würden sich vorteilhafte Möglichkeiten zur Artikulierung mit begrenzten Kosten bieten. Außerdem läßt sich keineswegs vorhersehen, ob eine Erweiterung der aktiven Beteiligungsmöglichkeiten nur wenige Gruppen anziehen würde. Es ist auch zu bedenken, daß sich bei der heutigen Organisationsform in den öffentlichrechtlichen Rundfunkanstalten nur die mächtigen gesellschaftlichen Gruppen durchsetzen können und somit eher die Gefahr besteht, daß lediglich die politischen Parteien und durch sie die Macht des Staates zur Geltung gelangt17o. Ein anderes weithin vorgetragenes Argument führt Besorgnisse wegen der Qualität eines privaten Fernsehens ins Feld und befürchtet bei einem stärker kommerziell orientierten Rundfunk eine Senkung des Niveaus der Sendungen. Wie schon erwähnt, ist nicht an einem Übergang zu einem freien System des Zugangs unter Beseitigung der bestehenden öffentlich-rechtlichen Anstalten gedacht, sondern an eine Ergänzung ihrer Sendungen durch private Veranstalter. Es würde also beim Publikum liegen zu entscheiden, welche Sendungen es bevorzugt. Diese Entscheidung bedeutet aber ein Grundelement der Informationsfreiheit des Art. 5 Abs. 1 GG. Der Gedanke, aus erzieherischen oder politischen Gründen für den Empfänger die Auswahl von Informationen vorzunehmen, stellt mithin eine Verletzung der Informationsfreiheit dar. Es ist nicht Sache des Gesetzgebers, bei der Organisation der Rundfunkfreiheit seine Auffassung davon, was qualitativ wertvolle oder nützliche Sendungen sind, der Bevölkerung aufzuerlegen171 . In einer solchen Einstellung, die auf eine gesetzliche oder sonstige Überwachung des Inhalts des Rundfunks hinausläuft, zeigt sich eine weitgehende Verkennung des Gehalts des Art. 5 GG und ein paradoxes Grundrechtsverständnis. Es ist der Sinn der Freiheit der Kommunikation in Art. 5 GG, der freien Meinungsbildung und Meinungsäußerung keine staatlichen Schranken hinsichtlich des Inhalts aufzuerlegen, abgesehen von den durch allgemeine, vorrangige Interessen gegebenen Begrenzungen. Wollte man der Meinungsbildung über den Qualitätsmaßstab einen inhaltlichen Maßstab auferlegen, so würde das auf eine Vgl. auch Bullinger, Kommunikationsfreiheit, 68. Das Argument der Qualität der Sendungen findet sich, insbesondere mit dem zusätzlichen Hinweis gegen eine Kommerzialisierung des Rundfunks bei: Hoffmann-Riem, Rundfunkfreiheit, 36 ff. und auch bei Bethge, Zulassung von Rundfunkveranstaltern des Privatrechts, 46 ff. Bethge möchte sogar dem Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG ein rechtliches Gebot für ein Mindestmaß an Qualität entnehmen. Macht man sich klar, wie subjektiv der Begriff der Qualität ist und wie leicht sich unter diesem Mantel meinungslenkende Bestrebungen politischer Natur verbergen können, so wird die Unhaltbarkeit dieser Meinung deutlich. Zum "Kommerz" siehe auch Badura, Bindungen, 51. 170

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IV. Neugestaltung der Organisationsstruktur

staatliche Bevormundung des Bürgers bei der Meinungsbildung hinauslaufen. Das rückt die Vorstellung einer staatlichen Qualitätsforderung in die Nähe der in Art. 5 GG ausdrücklich untersagten Zens.ur172• Es dürfte zu berücksichtigen sein, daß die Empfänger der Rundfunkund Fernsehdarbietungen erfahrungsgemäß oftmals mehr den unterhaltenden und leichten Sendungen den Vorzug geben, vor höherstehenden Interessen der Bildung oder der Kunst. Niemand würde aber deshalb bei der Presse auf den Gedanken kommen, Beschränkungen für jene Tageszeitungen oder Illustrierten zu fordern, die ersichtlich dieser Grundhaltung der Bevölkerung in ihrer Ausgestaltung entgegenkommen. Der Widerspruch zur Pressefreiheit wäre zu eklatant. Im Rundfunk liegt es aber nicht anders. Es mag für die durch staatliche Gebühren finanzierten öffentlich-rechtlichen Anstalten möglich sein, auch nicht dem breiten Publikum entsprechende anspruchsvolle Sendungen darzubieten - freilich geschieht es meist nur zu ungünstiger Sendezeit-; es wäre jedoch mit der Rundfunkfreiheit nicht vereinbar, private Träger deshalb auszuschließen, weil sie ein stärker konsumorientiertes Programm darbieten würden. Damit würde in die Organisation des Rundfunks ein Element eingeführt, das die Meinungsfreiheit des Art. 5 GG insgesamt für die kommunikativen Medien ausschließt. Weitere Einwendungen gegen die Zulassung privater Träger beruhen auf der Vorstellung, die Rundfunkanstalten oder deren Redakteure seien Mittler und eigentliche Träger der grundrechtliehen Freiheit. Dem Empfänger dürfe nicht selbst die Zusammenstellung des Programms überlassen werden; nur ein integriertes Programm stelle die Meinungsvielfalt für ihn in der erforderlichen Vermittlung dar173• Diese Auffassung, die den Kern der Grundrechtsfreiheit des Art. 5 GG in eine professionelle Aufbereitung der Sendungen verlagern möchte, erkennt zwar richtig, daß es einer redaktionell-programmatischen Auswahl und Formung bedarf. Es ist aber unrichtig, daraus normativ den Schluß zu ziehen, daß die eigentliche Rundfunkfreiheit in dieser - nur dienenden und unterstützenden- Aktivität liege und daß daher eine Zuweisung an öffentlich-rechtliche Anstalten geboten sei. Im Grunde weist diese Auffassung den öffentlich-rechtlichen Einrichtungen eine 172 Mit Recht hat Klein, Rundfunkfreiheit, 71, darauf aufmerksam gemacht, daß sich in diesem Argument des Niveaus des Rundfunks ein solches Element der Meinungsbevormundung, ja, der Zensur, geltend macht; ders., in: Festschrift Martin Löffler, 111 ff.; siehe auch Kult, AfP 1979, 272. 173 In diesem Sinne Hoffmann-Riem, Rundfunkfreiheit, 16, 18: "Instrumentalisierung der Grundrechtsträgerschaft zugunsten der Informationsbildungsfreiheit der Bürger", "Optimalität der Meinungsbildungsfreiheit"; Jarass, Massenmedien, 186 f., der die Stellung der Anstalten als Verbindungsstück zwischen Meinungsfreiheit und Informationsfreiheit begreift, d. h. aus einer bestimmenden Vermittlerrolle ableiten möchte.

1. Fortfall der Sondersituation und Folgerungen hieraus

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Bevormundung und Erziehung des Hörers zu, die in deutlichem Widerspruch zu der Grundrichtung des Art. 5 GG, der Gewährleistung einer freien Meinungsbildung, steht. Zu dieser Freiheit gehört es, durch möglichst umfangreiche Sicherung des freien Zugangs zur aktiven Teilnahme in dem Medium eine unmittelbare Verwirklichung der Medienfreiheit zu ermöglichen, nicht aber durch Aufrechterhaltung von Beschränkungen das bestehende Defizit an Freiheit zu verlängern. Die Einsicht in eine vermittelnde Stellung der Unternehmen in Presse und Rundfunk ist richtig hinsichtlich der Funktion der Sammlung, Auswahl und Aufbereitung der Informationen und der sonstigen Darbietungen, wie es auf alle Medien zutrifft. Diese Beobachtung darf aber nicht zu normativen Folgerungen führen, indem etwa daraus abgeleitet wird, diese Aufgabe könne allein durch öffentlich-rechtliche Anstalten erfüllt werden. Ein weiteres Argument geht dahin, daß ein Unterschied zwischen Presse und Rundfunk auch darin begründet sei, daß der Empfänger niemals mehrere Sender zugleich verfolgen könne, eine der Presse entsprechende Vielfalt also nicht herstellbar sei. Dieses Argument ist schon im tatsächlichen schief174• In Wirklichkeit besteht ein solcher Unterschied nicht. Während der Hörer (Fernseher) nur einen Knopf zu bedienen braucht, um auch andere Sendungen zu empfangen, muß er für die Lektüre mehrerer Zeitungen diese entweder abonnieren oder jeweils beim Zeitungshändler kaufen. Die Beschaffung mehrerer, insbesondere auch ausländischer Zeitungen ist umständlicher .und kostspieliger als die Bedienung des Einstellknopfes am Empfangsgerät. Das Argument der "Gleichzeitigkeit", das eine Sonderstellung für den Rundfunk bedeuten soll, besteht also nicht zu Recht. Im übrigen würde es auch angesichts der Eigenart jedes Mediums immer nur ein faktisches Moment bedeuten, dem keine verfassungsrechtliche Bedeutung zukommtl 75 • Endlich wird gegen eine private Sendetätigkeit vorgebracht - und dieses Argument hat sich neuerdings sogar die Bundesregierung zueigen gemacht - 178, daß mit der Zulassung privater Sender eine allzu ausgedehnte Darbietung von Rundfunksendungen zu besorgen sei, die die Bevölkerung gewissermaßen überfordern würde. Eine übermäßige "Berieselung" durch Fernsehen sei zu befürchten. 174 Vgl. Herrmann, Fernsehen und Hörfunk, 320 ff. Der Leser der Zeitung könne Journale "durchblättern"; beim Rundfunk sei die Auswahlmöglichkeit begrenzter. 175 übereinstimmend Schmitt G~aeser, Kabelkommunikation, 130. 176 Bundeskanzler He~mut Schmidt in der Regierungserklärung vom 24. 11. 1980 (Verhandlungen des Deutschen Bundestages, Sten. Berichte, Plenarprotokoll 9/5, 39).

IV. Neugestaltung der Organisationsstruktur

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Diese Überlegung erweist sich indes bei kritischer Prüfung als haltlos. Schon jetzt ist das Angebot der öffentlich-rechtlichen Anstalten zeitlich sehr ausgedehnt, und es ist bemerkenswert, daß nun auch Planungen für ein Vormittagsprogramm- vielleicht schon im Hinblick auf künftige Konkurrenz - vorbereitet wird. Abgesehen davon, daß privaten Sendern auch zeitliche Begrenzungen entsprechend den öffentlich-rechtlichen Anstalten auferlegt werden könnten, würden die Angebote neuer Programmträger deshalb insoweit keine wesentliche Erweiterung mit sich bringen. Vor allem aber ist es wiederum nicht Sache des Staates, die Informationstätigkeit seiner Bürger bevormundend zu regulieren und einzuschränken. Hier würden gegebenenfalls ausländische Sender die Lücke füllen. Dieser Gesichtspunkt der Überforderung des Hörers wird besonders im Hinblick auf das Fernsehen von Kindern vorgetragen. Auch hier ist der Einwand rechtlich substanzlos. Zum einen ist schon jetzt das Angebot weit umfangreicher, als es von Kindern gesehen werden kann oder aus pädagogischen Gründen gesehen werden sollte, zum anderen ist es Sache der Erziehungsberechtigten und nicht des Staates, den Fernsehkonsum der Jugendlichen zu begrenzen177• f) Zusammenfassend läßt sich somit feststellen, daß die in neuerer Zeit zur Verteidigung des bestehenden Systems vorgebrachten weiteren Argumente, die den Fortbestand des heutigen Systems auch bei Wegfall der vom Bundesverfassungsgericht vorausgesetzten Sondersituation rechtfertigen sollen, entweder im Widerspruch zur Verfassung stehen oder aber politisch-wertende Gesichtspunkte zur Geltung bringen, die des verfassungsrechtlichen Fundaments entbehren. Ihre auf Limitier.ung und erzieherische Bevormundung der Rundfunkfreiheit hinauslaufende Tendenz steht allgemein mit Art. 5 GG in Widerspruch. Dieses ganze künstlich aufgebaute Argumentationsfeld vermag demnach die ihm zugedachte Funktion, nämlich die bestehende Organisation des Rundfunks rechtlich als notwendig zu erweisen, nicht zu erfüllen. Es kann also nicht dazu dienen, nach dem Wegfall der Sondersituation, auf der die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts aufbaut, eine neue, andere rechtliche Begründung für den Fortbestand der heutigen einschränkenden Organisationsstruktur zu liefern.

2. Probleme der Neugestaltung

a) Aus den vorangehenden Darlegungen ergibt sich die Folgerung, daß der Zeitpunkt gekommen ist oder unmittelbar bevorsteht, zu dem die seinerzeit von der Rechtsprechung entwickelten Gründe für die 177

Vgl. BuHinger, Kommunikationsfreiheit, 78.

2. Probleme der Neugestaltung

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Einführung einer allein auf öffentlich-rechtlichen Anstalten beruhenden Organisationsstruktur des Rundfunks nicht mehr durchgreifen. Daher entfaltet die Rundfunkfreiheit- in ihrer Funktion für die möglichste Verwirklichung einer freien Information und eines freien, auch die aktive Teilnahme an dem Medium ermöglichenden Zugangs zum Medium -wieder ihre grundsätzliche Aussagekraft. Mit dieser Veränderung der Lage verbindet sich die Aufgabe der Gesetzgebung, die bestehenden Formen der Ausgestaltung des Grundrechts einer erneuten Prüfung zu unterziehen und, wo es möglich erscheint, der freien Verwirklichung des Grundrechts die Bahn zu öffnen. An die Veränderung der Lage knüpfen sich gesetzgeberische Erfordernisse. Es ist hier nicht beabsichtigt, auf die Einzelheiten einer solchen Fortentwicklung einzugehen, sondern es sollen im folgenden nur einige grundlegende Gesichtspunkte herausgearbeitet werden, die zu beachten sind. b) Bei einer Fortbildung des bestehenden Rechts wird neben dem Freiheitsrecht des Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG vor allem dessen Zusammenhang mit den Grundlagen des demokratischen Rechtsstaates Beachtung finden müssen. Die moderne Demokratie beruht auf dem Gedanken der offenen politischen Meinungs- und Willensbildung, an der alle Bürger teilnehmen können. Damit besteht eine innere Verknüpfung der Medienfreiheit mit der demokratischen Verfassungsordnungm. Aus dieser grundlegenden Funktion der freien Meinungsbildung in der Gesellschaft folgt, daß sich die demokratische Willensbildung auf Grund einer freien Unterrichtung des Bürgers und eines freien Ausdrucks der gesellschaftlichen Richtungen vollziehen muß. Hier greift der Gedanke des Pluralismus ein, der die heutige Anschauung von der Demokratie grundlegend formt 179 • Zu dieser pluralistischen Offenheit des Gemeinwesens trägt sowohl die grundrechtliche Sicherung eines freien Verbandswesens einschließlich der Koalitionsfreiheit (Art. 9 GG) als auch die Sicherung einer freien Meinungsbildung bei. Die letztere umfaßt grundsätzlich das individuelle Recht, die eigene Meinung aus frei gewonnenen Informationen frei zu äußern180 ; sie schließt aber auch die Medienfreiheit ein, durch die vor allem Gruppen und Strömungen zu Wort gelangen. 178 Vgl. BVerfGE 20, 162, 174; 36, 321, 340; 50, 234, 240; Scheuner, VVDStRL 22 (1965), 75 f.; Oppermann, Kulturverwaltungsrecht, 481; Herzog, in: Maunz I Dürig I Herzog I Scholz, Grundgesetz, Rdnr. 118 - 120 zu Art. 5 GG. 179 Vgl. hierzu Fraenkel, in: Deutschland und die westlichen Demokratien, 202 ff. ; Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts, 7 f.; Scharpf, Demokratietheorie zwischen Utopie und Anpassung, 39, 52; Zacher, Freiheitliche Demokratie, 125 ff.; Scheuner, in: Staatstheorie und Staatsrecht, 135 ff.; Scholz, Pluralismus, 53 ff.; Stern, Staatsrecht 1, 459 f., 465 ff. 180 Scheuner, VVDStRL 22 (1965), 32, 76.

IV. Neugestaltung der Organisationsstruktur

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Für die demokratische Ordnung ist dieses letztere Moment, das neben der individuellen Freiheit auch objektive Bezüge enthält, die vorwiegend bedeutsame Seite der Freiheitsverbürgung. Das gilt sowohl im Blick auf die Verbände 181 wie für die Medien der Kommunikation. Der Pluralismus der Meinungen ist freilich im Prozeß der politischen Einigung und Entscheidung des Staates nicht Endziel. Er ist vielmehr notwendig, um eine Handlungsfähigkeit des Gemeinwesens zu erreichen, einen Konsens unter den Bürgern zu erzielen. Der Weg dahin führt über die Herstellung eines grundlegenden Konsenses, wie er in der Regel im Verfassungsrecht niedergelegt ist, über die Anwendung des formalen Mehrheitsprinzips und die mit ihm verknüpften Formen der staatlichen Willensbildung. Diese Vorgänge beruhen auf einem Vorgang der freien Meinungsbildung. Die Erhaltung der Meinungsvielfalt, die hier als ein den Art. 5 GG kennzeichnender Grundsatz objektiver Art hervorgehoben wurde, steht hiermit in notwendigem Zusammenhang. Es bleibt daher ein Grundgebot der demokratischen Ordnung, daß der Staat für die Erhaltung der Pluralität innerhalb der Gesellschaft eintritt1B2 • An diesem Punkte ergibt sich eine Verbindung der in diesen Ausführungen wiederholt angeführten Garantenpflicht des Staates für die bestmögliche Verwirklichung der Rundfunkfreiheit mit den Grundanforderungen der demokratischen Ordnung. Ob man so weit gehen soll, einen Anspruch auf die Gewährleistung einer grundrechtliehen Freiheit anzunehmen183, kann offenbleiben; es bestehen Bedenken, die grundrechtliehen Vorschriften so leicht in individuelle Ansprüche gegen den Staat auf aktives Handeln auszudeuten. Jedenfalls aber folgt aus den objektiven Elementen des Grundrechts die Verpflichtung des Staates, die Realisierung des Grundrechts der Meinungs- und Medienfreiheit zu ermöglichen. Das Grundgesetz läßt zwar gewisse Schranken der Meinungsäußerung durch allgemeine Gesetze zu, die allgemeine und vorrangige Rechtsgüter schützen, aber es untersagt Beschränkungen der Meinungs- und Medienfreiheit, die sich gegen bestimmte Richtungen wenden. Es fordert eine weitgehende Offenheit der in Art. 5 GG gesicherten Freiheiten184. 181 Vgl. Böckenförde, Der Staat 1976, 457 ff.; Scholz, Pluralismus, 59 f . 182 183

117f.

Zacher, Der Staat 1970, 161 ff., 176 ff. Vgl. Breuer, in: Festgabe Bundesverwaltungsgericht, München 1978,

184 Mit Recht bemerkt daher Scholz, Pluralismus, 62 f., daß sich sinnentstellende Wirkungen ergeben, "wo sich pluralistisches Ideengut und pluralistische Interessenvertretung als institutionalisierte Form oder vorgegebene Instanz gesellschaftlicher Freiheit verstehen und monopolistische Ansprüche auf

2. Probleme der Neugestaltung

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Eine Monopolisierung im Medienbereich kann daher immer nur zu den durch besondere Situationen zu rechtfertigenden Erscheinungen gehören. Die Herstellung und Sicherung einer Meinungsvielfalt gehört bei den Medien, wie früher ausgeführt, zu den mit dem Grundrecht verbundenen objektiven Gehalten. Sie stellt die Verbindung zum demokratischen Prinzip des Art. 20 GG her. Auch in der vom Bundesverfassungsgericht für die Zeit einer Sondersituation aufgestellten Modellverfassung des Rundfunks ist die Meinungsvielfalt durch die Beteiligung der gesellschaftlichen Kräfte .und das Gebot der Ausgewogenheit, wenn auch unvollkommen, intendiert. Es bleibt diese heute bestehende Ordnung aber eine dem Grundanliegen der Medienfreiheit gegenüber unvollkommene Ordnung. Die tatsächliche Entwicklung der Rundfunkanstalten, die den Erwartungen des Bundesverfassungsgerichts kaum ausreichend entsprochen hat, bildet einen Beweis dafür. Es ist nicht notwendig, hier auf die vielfach dargelegten Mängel der Rundfunkorganisation einzugehen, auf den oft überwiegenden Einfluß der politischen Parteien -und damit indirekt auch staatlicher Instanzen - und die dadurch ermöglichte einseitige Orientierung der Sendepraxis. Besonders dort, wo die Wahl der Vertreter der gesellschaftlichen Gruppen den Parlamenten anvertraut ist, wo die Zahl der Parteivertreter in den Organen der Anstalt eine begrenzte Quote überschreitet und sogar Vertreter der politischen Organe des Staates einen erheblichen Anteil an der Leitung der Anstalten gewinnen, kann man nicht von einer befriedigenden Verwirklichung des von der Rechtsprechung sanktionierten Modells sprechen185 • Der Ausblick auf die Grundlagen der demokratischen Ordnung mit ihrer Bedeutung für das Verständnis des Art. 5 GG zeigt deutlich, daß sich eine Verpflichtung des Staates ergibt, durch seine Gesetzgebung so weit wie möglich zur Herstellung und Erhaltung einer offenen Meinungsvielfalt im Rundfunk beizutragen. Dem entspricht die bestehende Rechtslage mit der Beschränkung des aktiven Zugangs zu den Medien auf öffentlich-rechtliche Anstalten nicht mehr. Für die Aufrechterhaltung der Organisation, wie sie derzeit besteht, lassen sich die Argumente der Sondersituation, die sie einst begründet haben, nicht mehr überzeugend vortragen. Erst recht greifen jene weiteren Gesichtspunkte, die man zur Verteidigung der gegenwärtigen Lage angeführt hat, von der Frage der Qualität der Sendungen bis zur "Überforderung" der Repräsentation individualer und pluraler Freiheit erheben", und verweist hierbei auf die bestehende Organisation des Rundfunkwesens. tss Vgl. hierzu OVG Lüneburg DÖV 1979, 170, 171, 174; Kewenig, Inhalt und Grenzen der Rundfunkfreiheit, 67 ff.; Starck, Rundfunkfreiheit, 20 ff.; Ossenbühl, DÖV 1977, 385; Schmitt Glaeser, Kabelkommunikation, 104 ff.; Schatz, Pluralismus, 63.

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IV. Neugestaltung der Organisationsstruktur

Empfänger nicht durch. Der Zeitpunkt ist gekommen, an dem eine neue Prüfung der Lage und eine Weiterentwicklung der Rundfunkorganisation einzusetzen hat. c) Für die Fortentwicklung der Rundfunkorganisation läßt sich allgemein die Auffassung erkennen, daß eine Ablösung des heutigen Systems durch eine allein auf freien Zugang zu dem Medium gerichtete Ordnung nicht in Aussicht genommen ist. Es handelt sich vielmehr darum, die Meinungsvielfalt durch die Zulassung freier Träger zu erweitern. Es wird dabei anerkannt, daß die Tätigkeit der öffentlichrechtlichen Rundfunkanstalten so tief mit dem täglichen Leben der Bevölkerung verbunden ist, daß die Aufrechterhaltung eines die gesamte Fläche abdeckenden allgemeinen Systems von Sendungen als eine der Gewährleistung der Rundfunkfreiheit durch den Staat entsprechende Pflicht erscheinen kann. Es ist oben dargelegt worden, daß man auch unter diesem Gesichtspunkt den Rundfunk nicht zu einem Bestandteil der Leistungsverwaltung dieses Staates erheben kann. Wohl aber kann angenommen werden, daß die Bevölkerung ein Angebot an Rundfunkdarbietungen erwartet und daß daher auch künftig eine allgemeine Grundversorgung - in angemessener Form - sichergestellt werden muß. Unter diesem Gesichtspunkt ist auch bei Veränderung der Grundstruktur des Rundfunks mit einem Fortbestand der öffentlich-rechtlichen Anstalten zu rechnen186• Es wird sich also bei einer Neuordnung nicht um die Beseitigung des öffentlich-rechtlichen Grundsystems handeln, sondern um seine Ergänzung und Bereicherung durch private Träger. Dabei ist nicht ohne weiteres davon auszugehen, daß private Sendeträger die gleiche umfängliche Struktur wie die bestehenden Anstalten haben werden oder haben sollten. Sofern sie im lokalen Bereich arbeiten, können sie sich mit einfacheren Mitteln begnügen. Es wird auch damit zu rechnen sein, daß private Sendeträger die gleiche umfängliche Struktur wie die bestehenden Anstalten haben werden oder haben sollten. Sofern sie im lokalen Bereich arbeiten, können sie sich mit einfacheren Mitteln begnügen. Es wird auch damit zu rechnen sein, daß private Träger möglicherweise nur bestimmte Sendungen, aber kein volles Programm erstellen und daß private Sender einer Mehrzahl von Gruppen Gelegenheit zur aktiven Beteiligung geben können. Daher werden auch private Sendeträger von unterschiedlichen Gruppen und Kräften getragen sein. Ihre Binnenstruktur - darauf wird zurückzukommen sein - braucht nicht derjenigen der öffentlich-rechtlichen 186 Vgl. Herrmann, Fernsehen und Hörfunk, 311; Klein, Rundfunkfreiheit, 79; Schmitt Glaeser, Kabelkommunikation, 135; BuHinger, Kommunikationsfreiheit, 94 f.; Lerche, Landesbericht, 39 f.

2. Probleme der Neugestaltung

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Anstalten z.u entsprechen, wenn man auch gewisse gesetzgeberische Leitgedanken für private Rundfunkträger aufstellen kann. Das Auftreten von politischen Parteien als Träger von Sendeeinrichtungen wäre jedoch nicht zu fördern, ebensowenig ihre beherrschende Beteiligung an einem Träger. d) In diesem Zusammenhang ist auch vielfach die Frage erörtert worden, ob sich Verleger von Zeitungen und Zeitschriften an den zu gründenden Trägergesellschaften des Privatrechts beteiligen dürfen. Es ist falsch, wenn in diesem Zusammenhang ein Ausschluß aus dem Gesichtspunkt der publizistischen Gewaltenteilung gefolgert wird. Dieses Prinzip begründet, wie früher ausgeführt wurde, keine normative Unterscheidung zwischen Presse und Rundfunk, sondern bezeichnet nur die Tatsache, daß bei der Wirkungsweise der Medien ihre wechselseitige Konkurrenz berücksichtigt werden muß, daß sie untereinander zu Berichtigungen - in Richtigstellungen der Presse liegt ein wesentlicher Schutz von im Rundfunk angegriffenen Individuen - und zu der Bekundung gegenteiliger Standpunkte imstande sind. Eine andere Frage ist dagegen, ob eine solche Beteiligung von Presseunternehmen an den zu errichtenden privaten Trägergesellschaften nicht eine Konzentration des Einflusses herbeiführen könnte. Daher wird von mancher Seite der Gedanke eines vollen Ausschlusses von Presseunternehmen an der Errichtung von privaten Sendegesellschaften vertreten187• Eine grundsätzliche Ablehnung der Teilnahme von Presseunternehmungen arn Medium des Rundfunks dürfte indes nicht zu begründen sein. Das Verfassungsrecht enthält keine Bestimmung über eine solche Trennung der Medien. Auch wird in weitem Umfang eine solche Teilnahme, namentlich auf weiterer räumlicher Ebene, der Meinungsvielfalt keinen Abbruch tuntss. Problerne können dort entstehen, wo ein arn Ort alleinstehendes Presseunternehmen sich an einer lokalen Sendeeinrichtung beteiligt. Auf der anderen Seite besteht ein begründetes Interesse der Zeitungsunternehrnen, an einer Fortentwicklung des Mediums Rundfunk beteiligt zu sein, die zunehmend die Grenzen zwischen Presse und Rundfunk verwischt .und vor allem die Existenzsicherung der Presse berührtl89 • Die Formen einer Beteiligung der Presse an den neuen Möglichkeiten des Rundfunks bedürfen im einzelnen der Festlegung. Jedenfalls aber läßt sich allein aus dem Gesichtspunkt der Erhaltung einer MedienkonVgl. überblick über die Literatur bei Lerche, Rundfunkmonopol, 105. In diesem Sinne auch K~ein, Rundfunkfreiheit, 81 f.; Schmitt G~aeser, Kabelkommunikation, 129 f. 188 A. A. im Sinne einer Scheidung der Bereiche: Mestmäcker, Medienkonzentration, 212 ff. 187

188

6 Scheuner

IV. Neugestaltung der Organisationsstruktur

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kurrenz ein Ausschluß der Presseunternehmen nicht begründen. Wenn sich gerade im Bereich der Werbung der Einzugsbereich der beiden Medien überschneidet, werden Verbindungen unter ihnen eher zu einer bestandssichernden Abgrenzung führen können. Bei der durch neue technische Möglichkeiten aufgelockerten Struktur der Medien würde ein Ausschluß von Presseunternehmen von der Teilnahme am Medium des Rundfunks diskriminierende Wirkung entfalten und von daher rechtliche Bedenken erwecken. Gefahren für die Meinungsvielfalt wäre in geeigneter Weise vorzubeugen, soweit lokale Bereiche in Betracht kommen. Doch erscheint eine Möglichkeit der Beteiligung gerade der örtlichen Presse an lokalen Sendeeinrichtungen unter dem Gesichtspunkt gerechtfertigt, daß die Existenzmöglichkeit der lokalen Presse erhalten bleiben soll.

3. Der Wegfall des Sendemonopols a) In der gegenwärtigen Rechtslage besteht für einzelne öffentlichrechtliche Anstalten eine durch Landesverfassungsrecht (Art. 111 a BayLV) oder durch Gesetz begründete Ausschließlichkeit für die Veranstaltung von Sendungen durch öffentlich-rechtliche Anstalten. In den meisten Ländern wird dieses Ergebnis faktisch dadurch erreicht, daß der Zugang zu einer aktiven Sendetätigkeit nur durch Gesetz eröffnet werden könnte, die bestehende Gesetzgebung aber solche Möglichkeiten nicht vorsieht. Nur das Saarländische Rundfunkgesetz hat Raum für private Gesellschaften gelassen, eine Regelung, die nicht von dem Gesichtspunkt her in Frage gestellt werden kann, daß Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG allgemein eine Begrenzung der Sendemöglichkeit auf öffentlichrechtliche Träger bedinge. Es bleibt dabei anzuerkennen, daß es, wie noch auszuführen sein wird, einer gesetzlichen Regelung des Landesgesetzgebers bedarf, um die Voraussetzungen für die Zulassung privatrechtlicher Gesellschaften zur Veranstaltung von Sendungen zu ordnent9o. Aus dem Grundgesetz selbst lassen sich, wie dargelegt, keine Rechtfertigungen oder bindende Aufträge entnehmen, durch die sich ein Ausschließlichkeitsrecht öffentlich-rechtlicher Anstalten im Rundfunk begründen ließe 101• b) In dem Maße, in dem es möglich geworden ist, auf Grund der technisch erweiterten Möglichkeiten den Zugang zu den Sendemöglichkeiten breiter auszugestalten, gerät die Existenz ausschließlicher Senderechte für die bestehenden Anstalten mit Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG 190 191

In diesem Sinne zutreffend Badura, Bindungen, 60 ff. So auch BVerfGE 12, 205, 262.

3. Der Wegfall des Sendemonopols

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in Widerspruch. Der Bestand solcher exklusiver Rechte kann nicht mehr durch die Sondersituation, von der die Rechtsprechung ausging, gerechtfertigt werden. Die grundlegende individualrechtliche Komponente der Rundfunkfreiheit, die - auch verbunden mit Art. 12 Abs. 1 GG- die Zulassung zur aktiven Betätigung als Rundfunkveranstalter einschließt, wird durch die ausschließliche Privilegier.ung öffentlichrechtlicher Anstalten beeinträchtigt. Zwar leugnen auch neuere gerichtliche Entscheidungen den Fortfall der Sondersituation im Rundfunk, auf die sich rebus sie stantibus die Begrenzung der Sendemöglichkeiten auf öffentlich-rechtliche Anstalten gründete; sie räumen indes die Zeitgebundenheit dieser Stellungnahme selbst ein192• Wie noch zu erörtern sein wird, besteht derzeit eine landesrechtliche Situation, bei der die für die Einführung privater Trägergesellschaften nötige gesetzliche Grundlage fehlt. Das ändert aber nichts daran, daß mit dem Wegfall der Sondersituation, von der das Hundesverfassungsgericht ausging, solche monopolistischen Restriktionen nicht mehr der Verfassung entsprechen. Das gilt auch fü.r Art. 111 a BayLV. Diese Norm darf auf Grund von Art. 31 GG nicht dem Gehalt grundgesetzHeller und grundrechtlicher Normen des Bundesrechts widersprechen. Liegt ein solcher Widerspruch vor, so kann auch Art. 142 GG nicht denjenigen Bestandteilen einer Landesverfassung und ihrer Grundrechte zur Geltung verhelfen, die dem grundrechtliehen Bundesrecht widersprechen. Wie Schmitt Glaeser 193 eingehend dargele gt hat, konnte sich eine Organisationsstruktur des Rundfunks, die nur derartige öffentlich-rechtliche Träger von Senderechten zuließ, nur als Folge der vom Bundesverfassungsgericht bezeichneten Mangellage rechtfertigen lassen. Die neuere technische Entwicklung sowie auch die Kostensituation, die innerhalb dieser technischen Fortbildung sehr viel günstiger geworden ist, haben die Sondersituation entfallen lassen194 • Damit aber läßt sich eine landesverfassungsrechtliche Festschreibung einer so eingreifenden Beschränkung der Rundfunkfreiheit, wie sie der Ausschluß aktiver privater Betätigung darstellt, nicht mehr aufrechterhalten. Insoweit wird man daher die Vorschrift des Art. 111 a BayLV nicht als vereinbar mit Art. 5 Abs. 1 GG ansehen können und ihre Ungültigkeit feststellen müssen. Der Bayerische Verfassungsgerichtshof hat es zwar unternommen, die Festlegung der Ausschließlichkeit für die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten als eine nach Art. 110 BayLV zulässige SchrankenVgl. OVG Münster DÖV 1978, 519, 522; Bay VerfGHE 30 II, 78, 97 f. Kabelkommunikation, 85 ff. 194 Siehe auch in dieser Richtung H errmann, Fernsehen und Hörfunk, 128 ff.; Klein, Rundfunkfreiheit, 68 ff., 72 ff.; Schmitt Glaeser, Kabelkommunikation, 109 ff. 192

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6•

Schmitt Glaeser,

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ziehung zu rechtfertigen. Auch wenn man den Verweis auf die Zulässigkeit der Beschränkung durch allgemeine Gesetze in Art. 110 BayLV hineindeuten wollte - sie fehlt in dieser Norm -, so würde die Berufung darauf, daß hier ein "allgemeines Gesetz" vorliege, nicht begründet sein. Die organisatorische Begrenzung des Zugangs zum Rundfunk zugunsten öffentlich-rechtlicher Anstalten enthält eine spezifisch gegen die Rundfunkfreiheit gerichtete Besch,ränkung, die nicht in ein "allgemeines Gesetz" im Sinne des Art. 5 Abs. 2 GG umgedeutet werden kann195• c) Es besteht im Schrifttum Übereinstimmung darüber, daß es für eine Neugestaltung der Rundfunkorganisation der gesetzlichen Grundlage bedarf. Wie die gegenwärtige Rechtslage durch Gesetz eines Landes oder durch Staatsvertrag mehrerer Länder festgelegt ist, so würde auch eine Umgestaltung dieser Ordnung im Sinne einer Zulassung privatrechtlicher Sendeformen der gesetzlichen Einführung bedürfen196• Für diese den Ländern zustehende Gesetzgebung erhebt sich dabei die Frage, in welcher Richtung sie den privatrechtliehen Trägem bestimmte Bedingungen für die Zulassung stellen kann. Der Ordnungsauftrag des Gesetzgebers wird hierbei gewis.se Forderungen an die Rechtsform und die Einhaltung der aus der Verfassung folgenden Richtpunkte (Achtung vor der Verfassung, Ehrenschutz) und gewis.se finanzielle Vorkehrungen legitimieren. Können sich solche Anforderungen, wie es eine weitverbreitete Meinung annimmt, auch auf die Programmgestaltung im Sinne einer Ausgewogenheit und auf die Binnenstruktur der privatrechtliehen Träger (Beteiligung der gesellschaftlich relevanten Kräfte) erstrecken? Mit anderen Worten, müßte die Binnenstruktur privatrechtlicher Träger, die neben den öffentlich-rechtlichen Anstalten zugelassen werden, gleichen oder ähnlichen Anforderungen entsprechen, wie sie für die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten entwickelt worden sind197 ? Diese Auffassung geht grundsätzlich von dem Gedanken aus, daß die für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk gefundene Organisationsform 195 Vgl. Bay VerfGHE 30 II, 78, 94 und dagegen meine Darlegung: Das Rundfunkmonopol und die neuere Entwicklung des Rundfunks, AfP 1977, 370 f. Kritisch zur Entscheidung des Bay VerfGH auch Lerche, in: Festschrift Roegele, 296 f. 196 Siehe hierzu OVG Münster DÖV 1978, 519, 523; Klein, Rundfunkfreiheit, 67; Bethge, Zulassung von Rundfunkveranstaltern des Privatrechts, 124 f.; Badura, Bindungen, 53. 197 Dies wird grundsätzlich bejaht bei Stern I Bethge, Öffentlich-rechtlicher und privatrechtlicher Rundfunk, 46, 48; Bethge, Zulassung von Rundfunkveranstaltern des Privatrechts, 39 f., 65 f., 125 ff.; Jarass, Massenmedien, 241; Badura, Bindungen, 53, 71. Aus der Rechtsprechung BayVerfGHE 30 II, 78, 98 f. OVG Münster OOV 1978, 519, 523. Differenzierter Lerche, in: Festschrift Roegele, 298 f.

3. Der Wegfall des Sendemonopols

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des Binnenpluralismus sich auch auf private Veranstaltungen erstrekken solle. Zur Unterstützung dieses Gesichtspunktes werden die gleichen Argumente angeführt, die auch die überwiegend institutionelle Deutung des Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG bestimmen. Es wird darauf verwiesen, der Rundfunk stehe in öffentlicher Verantwortung, welcher der Staat durch Festlegung eines solchen Statuts des Rundfunks entsprechen müsse. Dem Gesetzgeber stehe beim Rundfunk ein weiter Raum der Gestaltung zu. Sein Auftrag sei keineswegs die Verwirklichung einer freien Konkurrenz durch Öffnung des Zugangs, sondern die Verwirklichung der rundfunkrechtlichen Leitsätze, die sich in der binnenpluralistischen Struktur niederschlagen. Wie wir früher gesehen haben, gehen diese Erwägungen von einer grundsätzlich unrichtigen Basis aus. Sie sind dahin ausgerichtet, die individualrechtliche Grundlage der Rundfunkfreiheit beiseite zu rücken, zugunsten der Vorstellung einer institutionellen Garantie der Rundfunkorganisation, wobei diese in einer bestimmten, in einer früheren Epoche gestalteten Form erscheint. Der vom Bundesverfassungsgericht für die besondere zeitgebundene Situation der fünfziger Jahre entwickelten Lösung eines binnenpluralen Prinzips, das die Unmöglichkeit der Verwirklichung außenpluraler GestaUungen ersetzen sollte, wird durch diese Auffassungen ein gnmdsätzlicher, den Art. 5 GG an sich bestimmender Charakter verliehen. Aus der Annahme einer institutionellen Garantie wird eine Deutung der Rundfunkfreiheit abgeleitet, die für alle Zeit die Errichtung privater Rechtsträger im Rundfunk ausschließt, weil die institutionelle Gewähr in eine Bestätigung der Begrenzung individueller Freiheit verwandelt wird. Hier wird die Grundlage der Medienfreiheit sozusagen in eine ihr immanente Beschränkung verwandeJt1 98. Jene Meinung, die für zuzulassende Sendegesellschaften eine binnenpluralistische Struktur entsprechend derjenigen der öffentlich-rechtlichen Anstalten fordert, beruft sich gern darauf, daß das Bundesverfassungsgericht in seiner ersten grundlegenden Entscheidung ausgesprochen hat, auch eine rechtsfähige Gesellschaft des privaten Rechts könnte Träger von Rundfunkveranstaltung sein, "wenn sie nach ihrer Organisationsform hinreichende Gewähr bietet, daß in ihr in ähnlicher Weise wie in der öffentlich-rechtlichen Anstalt alle gesellschaftlich relevanten Kräfte zu Wort kommen und die Freiheit der Berichterstattung unangetastet bleibt"199. Diese Stellungnahme des Gerichts läßt indes nicht deutlich erkennen, für welchen Fall diese Anforderung gestellt wird. Ist hier an eine Ersetzung der öffentlich~rechtlichen Form oder an ein Nebeneinander pri198 199

So auch Schmitt G!aeser, Kabelkommunikation, 96. BVerfGE 12, 205, 262.

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IV. Neugestaltung der Organisationsstruktur

vater Träger und öffentlich-rechtlicher Rundfunkanstalten gedacht? Gilt diese Aussage nur für die Zeit der Sondersituation? Sicher ist jedenfalls, daß diese Äußerung die neueren Sendetechniken nicht berücksichtigt. Muß bei räumlich wie zeitlich begrenzten privaten Rundfunkprogrammen eine solche .umfängliche Organisation aufgerichtet werden? Müssen einzelne gesellschaftliche Kräfte, die Sendungen ausstrahlen wollen, etwa die Religionsgemeinschaften, die Gewerkschaften und die Sportverbände beteiligen? Wenn man die stark individualisierte Verwendung des Rundfunks einschließlich etwa der Datenspeicherung oder des Pay-TV - soweit man diese Erscheinungen überhaupt noch dem Rundfunk zurechnen kann- derartigen Vorbedingungen unterwerfen wollte, so träte die Unausführbarkeit solcher Vorstellungen noch deutlicher hervor. Gerade der Umstand, daß bei einer Erweiterung der Sendemöglichkeiten mit ganz andersartigen Trägern zu rechnen ist, als sie dem Bilde einer flächenmäßig angelegten großen Anstalt entsprechen, von der das Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung von 1961 ausging, läßt es geraten erscheinen, vorsichtig mit einer Verallgemeinerung solcher Vorbedingungen umzugehen. Zumal wenn angenommen werden kann, daß sich private Sendungen nur allmählich neben den Programmen der öffentlich-rechtlichen Anstalten entwikkeln werden, ist es nicht folgerichtig, die Erweiterung der Sendemöglichkeiten alsbald wieder in derselben umständlichen und im Ergebnis doch nicht voll effektiven binnenpluralistischen Organisation zu ersticken. Gerade im Sinne der Meinungsvielfalt wäre es richtig, hier stärkere Akzente zu setzen und auch Sender mit erkennbar partikulärer Ausrichtung zuzulassen. Selbst wenn sich unter den privaten Sendern kein volles Spektrum der gesellschaftlichen Strömungen und Kräfte ergeben sollte, so wäre in dem Umstand, daß hier neben der jedenfalls im Modell- ausgewogenen Darbietung der öffentlich-rechtlichen Sender andere, zum Teil auch einseitige Stimmen zur Geltung gelangten, eine weitergehende Verwirklichung der Rundfunkfreiheit zu erblicken. Im übrigen erwarten dieselben Autoren, die die allgemeine Geltung binnenpluralistischer Strukturen vertreten, auf der anderen Seite von privaten Trägern eine vorwiegend unterhaltend und kommerziell ausgerichtete Programmgestaltung, die in der Orientierung am allgemeinen Publikumsgeschmack- pressemäßig gesehen: "Generalanzeiger"-Stil- dann doch gerade weitgehend "ausgewogen" wäre. Hier finden sich Widersprüche in der Prognose. Unter dem Aspekt der Verwirklichung der Rundfunkfreiheit erscheint also der Gedanke, bei den neuen, mit neuen Sendeformen arbeitenden privaten Trägern dasselbe aus einer Sondersituation erwachsende Schema anzuwenden, das für die an Zahl begrenzten öffentlichrechtlichen Anstalten gilt, als eine halbe Zurücknahme der zu gewähren-

3. Der Wegfall des Sendemonopols

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den größeren Vielfalt. Überprüft man daher jenes ältere obiter dieturn des Gerichts hinsichtlich seiner Anwendbarkeit auf die weithin geänderten tatsächlichen Verhältnisse, so gelangt man zu dem Schluß, daß auch für private Träger das Prinzip der Staatsfreiheit gilt, daß aber der zweite aus Art. 5 GG zu erschließende allgemeine Grundsatz, die Meinungsvielfalt, nicht an die binnenpluralistische Struktur der Anstalten gebunden ist, sondern gerade bei Heranführung weiterer Sendeträger außenpluralistisch zu verwirklichen wäre. Dabei kann der Umstand, daß bei Zulassung privater Gesellschaften nicht alle gesellschaftlichen Gruppen vertreten sein werden, angesichts des Fortbestandes der öffentlich-rechtlichen Anstalten nicht die Befürchtung begründen, daß sich bei dieser Organisationsstruktur eine einseitige Ausrichtung der gesamten Rundfunkstruktur ergeben würde. Die mit Teilprogrammen oder besonderen Sendungen neu hervortretenden Kräfte würden zumeist identifizierbar sein. Angesichts der starken Stellung, die den öffentlich-rechtlichen Anstalten immer verbliebe, würden neue Veranstalter mit je eigener inhaltlicher Ausrichtung eine Bereicherung, nicht aber eine einseitige Orientierung des angebotenen Gesamtprogramms bewirken. Bestimmte Grundbedingungen für die Medien vermag der Gesetzgeber im Blick auf die vorrangigen Rechtsgüter der Verfassung und zum Schutze vor einseitiger Falschinformation aufzuerlegen. Das zeigen schon dieLandespressegesetze, in denen die Achtung der demokratischen Ordnung und eine Sorgfaltspflicht bei der Information auferlegt werden20o. Ähnliche Wendungen hinsichtlich der demokratischen Ordnung und der Objektivität der Information finden sich, wenn auch in größerer Variabilität des Wortlauts, in den für die einzelnen Rundfunkanstalten in Landesgesetzen, Staatsverträgen oder Satzungen aufgestellten Sendegrundsätzen2ot. Doch erscheinen diese Grundsätze hier vermischt mit den besonderen Vorbedingungen, die den öffentlich-rechtlichen Anstalten auf Grund der bestehenden Sondersituation und der dadurch bedingten geringen Zahl der Sender gestellt werden: wie Ausgewogenheit der Programme und Teilnahme gesellschaftlicher Kräfte. Diese letzteren Bedingungen sind es indessen, die zwar angesichts der noch fortbestehenden Alleinstellung der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten angemessen erscheinen, die aber bei Zulassung privater Träger nicht einfach auf diese übertragen werden können. Die Zulassung neuer, privater Rundfunk200 Vgl. die Landespressegesetze Ba-Wü § 6; Bay § 3; Berlin § 3; Nds § 6; NRW § 6; Rh-Pf § 6; Saar § 6; S-H § 6. 201 Bay Art. 4 und Art. 111 a LV; NDR § 4; Radio Bremen § 2; SFB § 3; Saar § 2; SWF § 2; WDR § 4; ZDF § 2.

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IV. Neugestaltung der Organisationsstruktur

träger neben den öffentlich-rechtlichen Anstalten, die den jetzt geltenden Grundsätzen auch weiterhin unterliegen, erweitert das Meinungsspektrum. Auch wenn dabei nicht alle Kräfte zur Sprache kommen, wird die Meinungsvielfalt doch vermehrt. Es besteht daher kein Anlaß, privaten Trägern die Einbindung in die binnenpluralistische Struktur aufzuerlegen, zumal dies gerade kleinere Gruppen, die etwa nur ein Teilzeitprogramm anstreben, ausschließen oder lähmen würde. Es erscheint also notwendig, die Vorstellung zu überdenken, daß auch Gesellschaften des Privatrechts an die für die besondere Lage der öffentlich-rechtlichen Anstalten entwickelten Grundsätze der Ausgewogenheit und der Beteiligung der relevanten gesellschaftlichen Gruppen gebunden seien202 • Hier geht es eher darum, die erreichbare Verstärkung der außenpluralen Meinungsvielfalt ins Auge zu fassen, anstatt diese Erweiterung der Rundfunkfreiheit an das nur für eine besondere Situation geltende binnenplurale Modell zu binden, dessen Effektivität zudem erheblichen Zweifeln begegnet. 4. Die Aufgabe des Gesetzgebers a) Die Festlegung der Rundfunkorganisation, auch die Änderung der bestehenden Lage, erscheint als Aufgabe und Zuständigkeit des Landesgesetzgebers. Ihm steht allerdings nicht, wie es von einigen Autoren und auch in der Rechtsprechung angenommen wird203, ein freies Gestaltungsrecht zu. Infolge seiner Garantenpflicht erwächst ihm vielmehr die Aufgabe, wenn sich weitere Möglichkeiten des Zugangs zum Medium zeigen, in eine Prüfung der Gesetzeslage einzutreten und gegebenenfalls auch die rechtliche Situation zu ändern204• Die Rechtsprechung hat in den letzten Jahren betont, daß ohne eine gesetzgeberische Änderung individuelle Ansprüche auf Zulassung nicht entstehen können205 • Demgegenüber hat Rudolf die Meinung vertreten, daß dort, wo eine Monopolstellung der öffentlich-rechtlichen Anstalten nicht gesetzlich festgelegt ist, ein individueller Anspruch aus der individualrechtliehen Rundfunkfreiheit .unmittelbar gegeben sei206• 202 Siehe auch Klein, Rundfunkfreiheit, 66 ff.; Schmitt GZaeser, Kabelkommunikation, 95 f.; BuZZinger, Kommunikationsfreiheit, 69 f. 203 Bay VerfGHE 30 II, 78, 98 f.; Bethge, Zulassung von Rundfunkveranstaltern des Privatrechts, 81 ("tüchtige Portion Gestaltungsfreiheit" des Gesetzgebers); Lerche, in: Essener Gespräche 13 (1978), 97. 204 Vgl. Weber, Der Staat 1972, 81 ff.; Schmitt Glaeser, Kabelkommunikation, 174 (Prüfungspflicht des Gesetzgebers); RudoZf, Zulässigkeit, 75 f. 205 OVG Münster DÖV 1978, 519, 522; Bay VerfGHE 30 II, 78, 96, 98. !os Rudolf, Zulässigkeit, 78 ff.

4. Die Aufgabe des Gesetzgebers

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Es kann dahingestellt bleiben, wieweit diese Möglichkeit unmittelbaren Vorgehensangenommen werden kann. Die Einführung der Sendemöglichkeiten für private Gesellschaften bringt eine Reihe von Fragen mit sich, die eine gesetzliche Lösung erforderlich machen kann. Die Form der zuzulassenden privaten Rechtsträger, die aus Art. 5 GG abzuleitenden Grundsätze des Programms (in der oben bezeichneten Begrenzung) sowie die Abgrenzung der Sendebereiche werden ohne gesetzliche Regelung nicht leicht zu bestimmen sein207 • Jedenfalls aber obliegt dem Gesetzgeber eine objektivrechtliche Pflicht, das Rundfunkrecht zu überprüfen und, wo notwendig, der neuen Entwicklung anzupassen. Auf die Erfüllung dieser Pflicht vermag der einzelne Antragsteller zwar nicht unmittelbar einen Anspruch zu erheben. Indes könnte er bei Ablehnung von Anträgen durch die Behörden den Weg einer Verfassungsbeschwerde beschreiten oder vor Gericht das Verfahren nach Art. 100 GG, d. h. der konkreten Normenkontrolle, anregen. b) Diese Verpflichtung des Landesgesetzgebers entsteht, sobald erkennbar ist, daß die Sondersituation, auf der die gegenwärtige Struktur des Rundfunks beruht, nicht mehr existiert. Der Bayerische Verfassungsgerichtshof hat jedenfalls zugegeben, daß dann, wenn der Vorbehalt für die öffentlich-rechtlichen Rundfunkträger nicht mehr aufrechterhalten werden darf, dem Gesetzgeber (und in Bayern dem Verfassungsgesetzgeber) "die Verpflichtung erwächst, den Fundamentalnormen der Meinungsfreiheit, der Rundfunkfreiheit .und dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entsprechend den jeweiligen technischen Gegebenheiten Rechnung zu tragen und die Gründung sowie den Betrieb nicht öffentlich-rechtlicher Rundfunkunternehmen zuzulassen" 208 • Das Gericht meint freilich, daß der Gesetzgeber dabei die Bedingungen für eine binnenpluralistische Struktur auferlegen könne, ein Gesichtspunkt, der hier bereits widerlegt wurde. Eine solche Regelung der Gründung und Zulassung privater Sendeträger muß freilich auch die Finanzierung dieser neuen Medienunternehmen normieren. Gerade nach dieser Seite hin wird es vermutlich notwendig werden, zwischen den verschiedenen Trägern der Sendungen Abgrenzungen und Regelungen vorzunehmen, die sich vor allem auf den Markt des Werbefernsehens erstrecken werden.

207 Vgl. Mestmäcker, Medienkonzentration, 208 ff.; Schmitt Glaeser, Kabelkommunikation, 156 ff. 208 Diese Verpflichtung hat auch der Bay VerfGHE 30 II, 78, 98, anerkannt.

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IV. Neugestaltung der Organisationsstruktur

5. Das Modell der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten a) Zu den Aufgaben der Gesetzgebung wird man auch eine Überprüfung der bestehenden rechtlichen Bestimmungen über die öffentlichrechtlichen Anstalten rechnen müssen. Wenn, wie dargelegt, davon ausgegangen werden kann, daß die Neuorientierung der Rundfunkorganisation stufenweise vor sich geht .und den bestehenden Anstalten weiterhin jedenfalls die Grundversorgung der Bevölkerung mit Rundfunk anvertraut bleibt, so erscheint es notwendig, auch die bestehende Rechtslage des Anstaltsfunks z.u prüfen. Der Fortbestand des flächendeckenden Angebots der Rundfunkanstalten kann nicht bedeuten, daß die seit 1961, dem grundlegenden Urteil des Bundesverfassungsgerichts, gemachten Erfahrungen unberücksichtigt bleiben. Sie haben nicht gezeigt, daß sich das damals gezeichnete Modell des neutralen, eine ausgewogene Meinungsvielfalt vermittelnden Rundfunks durch öffentlichrechtliche Anstalten derart bewährt hätte, daß Überprüfung und Verbesserung als nicht erforderlich anzusehen wäre. Die Praxis hat vielmehr manche Schwächen und Mängel dieses Systems aufgewiesen. Die Mitwirkung der gesellschaftlichen Gruppen ist zwar in den Rundfunkgesetzen und Staatsverträgen durch Aufnahme von Vertretern zahlreicher Organisationen in die Organe der Anstalten vorgesehen. Dabei zeigen sich indes Unterschiede. Einzelne Gesetze überlassen die Bestellung der Vertreter den Gruppen selbst, andere (so der Staatsvertrag über den NDR) übergaben den gesetzgebenden Körperschaften die Wahl dieser Mitglieder aus den gesellschaftlich relevanten Kräften. Diese Unterschiede haben sich stark auf die tatsächliche Lage ausgewirkt; sie haben in manchen Fällen eine Entwicklung begünstigt, die in steigendem Umfang Vertreter der Landesparlamente oder sogar der Landesregierungen in die zentralen Organe der Anstalten brachte. Es kann zwar als zulässig angesehen werden, daß Vertreter des Staates in begrenztem Umfang den Gremien der Anstalten angehören209 ; ein zu hoher Anteil dieser Vertreter beeinträchtigt aber die Staatsfreiheit der Rundfunkträger. Unter diesem Gesichtspunkt hat das OVG Lüneburg die Zusammensetzung des Rundfunkrates des NDR, die ein hohes Maß an Vertretern der Landtage aufwies, als rechtswidrig bezeichnen müssen210 • Die Problematik reicht aber weiter. Neben dem direkten Einfluß der staatlichen Parlamente ist mit den Jahren in den Organen der Rundfunkanstalten der Einfluß der politischen Parteien immer mächtiger geworden. 209 210

BVerfGE 12, 205, 263; Bethge, Reorganisation, 20. OVG Lüneburg DÖV 1979, 170 ff.

5. Das Modell der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten

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Manche der gesellschaftlichen Gruppen stehen ersichtlich der einen oder anderen politischen Partei nahe, und manche von ihnen lassen sich bei der Wahl ihrer Vertreter oder den Vorschlägen zur Wahl von politischen Gesichtspunkten leiten, oder die gewählten Vertreter schließen sich zu parteipolitisch orientierten Arbeitsgruppen zusammen. Auch hier ist festzustellen, daß den politischen Parteien grundsätzlich eine Beteiligung an den kollegialen Gremien der Anstalten zusteht, daß ihnen die dargelegten Verhältnisse aber in manchen Fällen den bestimmenden Einfluß geben. Nur wenige Gruppen, darunter die Kirchen, dürften dieser stillen Durchdringung mit Parteiinteressen nicht zugänglich sein. Es hat sich daraus eine Lage ergeben211 , in der von der erwarteten Mitbestimmung der gesellschaftlichen Gruppen nur begrenzt, eher dagegen von einem vorwiegenden Einfluß der politischen Parteien gesprochen werden kann. Da sich die Einwirkung der Organe der Anstalten auf die Programmgestaltung wesentlich über die Auswahl der in den Anstalten tätigen Personen vollziehen muß, sind mindestens in den politische Fragen berührenden Darbietungen der Anstalten Einseitigkeiten entstanden. Es kann dahingestellt bleiben, wie man den Einfluß der Rundfunksendungen auf die öffentliche Meinung einschätzt - hierüber sind ausgedehnte Debatten geführt worden -, allein das starke Interesse, das die politischen Parteien an der Organisation des Rundfunks .und der Zusammensetzung seiner Mitglieder bekunden, dürfte dartun, daß wenigstens die Parteien von der Überzeugung ausgehen, daß der Rundfunk die Auffassungen der Bevölkerung, zumal in Wahlzeiten, nicht unerheblich zu beeinflussen vermag. Diese Verhältnisse, die allgemein bekannt sind und hier nicht im einzelnen dargelegt zu werden brauchen212 , lassen die Frage entstehen, ob sich die Erwartungen, die die Rechtsprechung in das Funktionieren des von ihr vorgezeichneten Modells der programmbestimmenden Rolle gesellschaftlicher Gruppen im Rundfunk gesetzt hat, der Prognose entsprechend erfüllt haben. Es bleibt fraglich, ob die gesellschaftlichen Gruppen ihrer Aufgabe einer Steuerung gerecht werden können, ob nicht die Verfügung über den Rundfunkangesichts auch der begrenzten Wirkungsmöglichkeiten der Intendanten in die Hand der Redaktionen übergegangen ist, die hier, auch theoretisch untermauert, eine eigene erzieherische und politische Mission verfolgen 213 • Eindringlich geschildert von Starck, Rundfunkfreiheit, 21 ff. Vgl. auch Hoffmann, Rundfunkorganisation und Rundfunkfreiheit, 135 ff.; Kewenig, Inhalt und Grenzen der Rundfunkfreiheit, 114 ff.; BuHinger, Kommunikationsfreiheit, 68 f. (zum Parteienproporz im Rundfunk und mit weiterer Literatur). 213 Vgl. Rupp, AöR 101 (1976), 200; Geiger, in: Geiger I Mai I Burghart, Der öffentlich-rechtliche Rundfunk, 26 f. 211

212

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IV. Neugestaltung der Organisationsstruktur

Es läßt sich jedenfalls feststellen, daß sich die Vorstellung, die Vertreter der gesellschaftlich relevanten Gruppen könnten auf die Programmgestaltung einen maßgeblichen kontrollierenden Einfluß ausüben wovon die grundlegende Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts ausging - , nur in beschränktem Maße verwirklicht hat und andere Kräfte die entscheidende Rolle in den Anstalten zu spielen vermögen. Ab~sehen von der Durchdringung mit parteipolitischen Einflüssen, die oftmals zu einer Art Parteiproporz in der Besetzung der Mitarbeiterstellen der Anstalten geführt haben, ist auch die Steuerungsmöglichkeit der das Programm überwachenden Gremien nicht zu hoch zu veranschlagen. Nachträgliche Beanstandungen von Sendungen sind zwar möglich, an~sichts der personellen Sicherung des Mitarbeiterstabes aber nur begrenzt wirksam. Vorherige Weisungen und Eingriffe müssen ohnedies auf Ausnahmefälle beschränkt bleiben. Im Ergebnis zeigt sich jedenfalls, daß die tatsächliche Situation ein erhebliches Defizit der Modellverwirklichung aufweist. b) Aus dieser Lage ergibt sich die Forderung, daß eine Überprüfung der Rundfunkorganisation auch die Lage bei den bestehenden öffentlichrechtlichen Anstalten einbeziehen muß. Es wird freilich schwer sein, Abhilfe zu finden. Ob es neben der Grundkonzeption der Einwirkung der gesellschaftlichen Kräfte noch andere Modelle gibt, die Staatsfreiheit und Meinungsvielfalt in den Anstalten verbürgen können, bleibt fraglich. Ein offener Übergang zu einem politisch gesteuerten Parteienproporz böte erhebliche Nachteile, die den Vorteil der offenen Kundgabe der politischen Tendenz der Sendungen aufwiegen könnten. Es bleibt wahrscheinlich nur der Weg, diejenigen Elemente der Organisation zu stärken, die für Sachlichkeit und Ausgewogenheit des Programms wirken. Hierzu gehörte die Bestellung der Vertreter der Gruppen durch die Gruppen selbst, die strikte Begrenzung der Zahl der parlamentarischen Vertreter in den Organen, die Festigung der kontrollierenden Kräfte. Gerade hier zeigt sich freilich, daß im wesentlichen nur die politischen Parteien in der Lage sind, die Sendungen ständig zu verfolgen und dann auf Gleichstellung zu dringen, was sich freilich nicht in der Abzählung der ihnen gewidmeten Sendeminuten erschöpfen dürfte. Auch die Möglichkeiten des nachträglichen Einspruchs gegen Sendungen vom Publikum her könnten verstärkt werden. Endlich aber wäre es wichtig, daß die Mitarbeiter der Anstalten die Sendegrundsätze ernster nähmen und sich in ihrer Berufsauffassung von dem Gebot der Sachlichkeit eher als von der Überzeugung einer eigenen missionarischen Leitung der Bevölkerung bestimmen ließen. c) Es ist nicht die Aufgabe dieser Untersuchung, in die Einzelheiten einer Verbesserung der Funktionserfüllung der bestehenden öffentlich-

5. Das Modell der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten

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rechtlichen Anstalten einzutreten. Es war indes notwendig, darauf hinzuweisen, daß das von der Rechtsprechung vorgezeichnete Modell ihrer binnenpluralistischen Struktur den Erwartungen nur unvollkommen entsprochen hat. Blickt man auf die Erörterungen, die sich an den Gedanken einer wesentlichen Mitbestimmung der beim Rundfunk tätigen Mitarbeiter knüpft, einen Gedanken, der nun in der Zubilligung solcher Vertretung in dem neuen Bremer Rundfunkgesetz eine teilweise Verwirklichung gefunden hat, so zeigen sich weitere Strömungen, die von dem vorgezeichneten Modell hinwegführen214 . Die Redakteure und sonstigen Mitarbeiter, die die Auswahl des Sendestoffes und seine Orientierung bestimmen, besitzen bereits hierdurch eine weit über den Einfluß anderer Kreise hinausreichende Einwirkung auf den Inhalt der Sendungen, und diese Position ist auch, wenn Selbständigkeit und Lebendigkeit des Programms erhalten bleiben sollen, grundsätzlich begründet. Es ist aber nicht angemessen, wenn sie in den zur Steuerung und Kontrolle eingesetzten Organen der Anstalten einen wesentlichen Anteil gewinnen. Sie erlangen damit Einfluß in denjenigen Organen, die zu ihrer Kontrolle befugt sind. Die Beteiligung der Mitarbeiter an den Rundfunkorganen würde, soweit sie über selektive Wahrnehmung sozialpolitischer Interessen hinausgeht, keine Grundlage in der pluralenZusammensetzungder Anstalten finden; sie würde manche Gruppen in ungleicher Weise verstärken können (Gewerkschaften). Daher geht die neue bremische Regelung, auch wenn sie den Anteil der Mitbestimmung begrenzt hat, in eine Richtung, die die binnenpluralistische Ausrichtung der Anstalt eher zu schwächen geeignet ist2t5. Die Selbstkontrolle der Anstalten wird jedenfalls durch einen Ausbau der Mitbestimmung der Mitarbeiter, wobei diese auf Programm- und Personalfragen Einfluß gewinnen, nicht gestärkt. Es wird daher für die Fortentwicklung der Rundfunkorganisation nötig sein, auch der Abstellung mancher Mängel und der besseren Ausrichtung an den leitenden Ideen einer binnenpluralistischen Struktur (Meinungsvielfalt, Unabhängigkeit von übermäßigen staatlichen und politischen Einflüssen, Ausgewogenheit des Gesamtprogramms) erhöhte Aufmerksamkeit zuzuwenden. Die hier angeführten Erscheinungen können jedenfalls dazu beitragen, die Legitimation der bestehenden Organisation abzuschwächen. Auch hier obliegt dem Landesgesetzgeber die Pflicht, der Verwirklichung des aufgestellten Modells nachzuhelfen. 214 Vgl. zur Mitbestimmung Ipsen, Mitbestimmung im Rundfunk, 35 ff.; Bethge, Reorganisation, 33 ff. 215 Vgl. auch Ipsen, Mitbestimmung im Rundfunk, 70 ff.; Bethge, Reorganisation, 47 ff. (Doppelrepräsentation ist gleichheitswidrig).

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IV. Neugestaltung der Organisationsstruktur

6. Ausblick Es war die Aufgabe dieser kurzen Untersuchung, nicht eine Darstellung der heutigen Lage in ihren Einzelheiten z.u geben, sondern die Grundlinien der Rundfunkfreiheit und ihrer Einwirkung auf die Organisation des Rundfunks herauszuarbeiten. Unter der Fülle der Einzelproblerne werden diese verfassungsrechtlichen Grundlagen zuweilen weniger sichtbar, und es erscheint geboten, sie wieder in ihrer grundsätzlichen Bedeutung ins Licht zu rücken. Der Zusammenhang mit der Linie der allgemeinen Grundrechtsinterpretation, die Stellung des Rundfunks im Rahmen der Medienfreiheit verschiedener Bereiche, die größere Einheit der Freiheiten der kommunikativen Meinungsäußerung, die Relation der individualrechtliehen Gehalte der Medienfreiheit mit den objektiven Bestandteilen der verfassungsrechtlichen Gewährung -, diesen grundlegenden Problemen wurde hier in erster Linie Aufmerksamkeit zugewandt. Die Betrachtung hat gezeigt, wie sich in der Bundesrepublik eine Rundfunkorganisation entwickelt hat, die zunächst infolge der in der Nachkriegszeit beschränkten Möglichkeit einer Verwirklichung der Rundfunkfreiheit eine besondere Gestaltung erhielt. Die Rechtsprechung hat das Bestehen dieser, auf besondere Umstände (Frequenzmangel und Kostenintensität) gegründeten Situation bestätigt und einer Ordnung Bestand verliehen, die auf die ausschließliche Zulassung öffentlich-rechtlicher Anstalten und auf den Ausgleich dieser Enge mittels binnenpluralistischer Strukturen gegründet war. Diese Gestaltung des Rundfunks bedeutete gegenüber einem System breiteren Zugangs zu dem Medium eine Beschränkung, die sich aus der besonderen Lage der zeitgebundenen Möglichkeiten begründen ließ. Mit dem allmählichen Fortfall der besonderen Situation aber, der durch die Eröffnung neuer Sendemöglichkeiten infolge gewandelter Technik .und damit verbundener Kostensenkung eintritt, wird dem bestehenden Monopol (oder Oligopol) der öffentlich-rechtlichen Anstalten der Boden entzogen. Wenn ein breiterer Zugang zu dem Medium möglich geworden ist, entspricht es der Garantenpflicht des Staates für die Verwirklichung eines Freiheitsrechts, von den gegebenen Wegen Gebrauch zu machen .und über den bestehenden Zugang hinauszugehen. Solche Grundlagen für eine weitergehende Verwirklichung der individualrechtlichen Rundfunkfreiheit zu schaffen, erweist sich als eine Pflicht des Gesetzgebers, der er sich nicht durch Verweis auf weites gesetzgeberisches Ermessen entziehen kann. Eine Vernachlässigung dieser Pflicht läßt die bestehende Ordnung in zunehmendem Maße als nicht mehr verfassungskonform erscheinen. Es kommt hinzu, daß die zur Sicherung einer binnenpluralistischen Struktur der Staatsfreiheit, Pro-

6. Ausblick

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grammausgewogenheit und Meinungsvielfalt errichtete und von der Rechtsprechung bestätigte öffentlich-rechtliche Rundfunkordnung in der tatsächlichen Handhabung der Prognose nicht in einem Maße entsprochen hat, das dieser Ordnung des Rundfunks eine vorrangige Position zuweisen könnte. Die Fortentwicklung wird sich sicherlich stufenweise vollziehen. Es wird davon auszugehen sein, daß die bestehenden öffentlich-rechtlichen Anstalten nicht etwa einem System anderer Sendeträger zu weichen haben, sondern daß ihre Position bei der Grundversorgung der Bevölkerung mit Rundfunkdarbietungen erhalten bleibt. Wenn sich daneben Sendeträger in privatrechtlicher Form etablieren, die die sehr viel stärker auf neue individualisierte Möglichkeiten ausgerichteten Sendemöglichkeiten nutzen, so wird es nötig sein, hier den Kontrasteffekt im Auge zu behalten und diese erweiterten Darbietungen privater Rechtsträger nicht durch die Unterwerfung unter ein binnenpluralistisches Modell zu ersticken; dieses paßt für die bisherige Sondersituation und die Aufgabe der öffentlich-rechtlichen Anstalten, würde aber die Aktivität privater Rechtsträger, die neue Programmformen, auch Teilprogramme wählen mögen, beeinträchtigen. Zusammengenommen ergibt sich., daß die Stunde für Neuordnungen, wenn auch zunächst in abgestufter Form eines Überganges, gekommen ist. Zwar bemüht sich eine starre Verteidigung, die bestehenden Ordnungen und Privilegien für die öffentlich-rechtlichen Anstalten möglichst unverändert aufrechtzuerhalten. Sie muß hierfür aber auf eine Sicht zurückgreifen, die die Rundfunkfreiheit in den Hintergrund drängt und aus ihr abgeleitete institutionelle Modelle, die allein den vorhandenen Anstalten das Senderecht zusprechen und die individuellen Rechte interessierter Bürger oder Unternehmen beiseiterücken, zu Unrecht als Erfüllung des Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG ausgibt. Es erscheint notwendig, über die Einrichtungen einer nun durch die Entwicklung überholten Periode des Mangels hinaus das Tor zu einer erweiterten Realisierung der Rundfunkfreiheit des Grundgesetzes zu öffnen.

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